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Full text of "Indogermanische Forschungen"

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NYP1.  AESEAACH  UBAARfES 


I 


ZEITSCHRIFT 
INDOGERMANISCHE  SPRACH-  UND  ALTERTUMSKUNDE 


HERAUSGEGEBEN 


VON 


KARL  BRUGMANN  und  WILHELM  STREITBERG 


ACHTZEHNTER  BAND 


STRASSBURG 

VERLAG  VON  KARL   J.  TRÜBNEK 
1905  1906.  ^ 


R  19'  6  L   \ 


U.  DuMont  Schanher^,  Strafibnrir. 


Inhalt 

S«ite 

Fraiiris  A.  Wood  How  air  Words  Related? 1 

N.  van   Wijk  Zur  Konjugation  des  Verbum  substanlivuni    ....  4(1 

K.  R  rüg  mann  Zar  Wortzusammensetzung  in  den  idg.  Sprachen   .  59 

Karl  Meister  Arkadische  Formen  in  der  Xuthiasinschrifl  ....  77 

W.  van   Hellen  Zum  gennanisclien  Zahlwort 84 

K.   Rr«i:inann   Der  Komposilionslypns  ^v-9€0C 127 

—    —    Homer.  drfocToc  und  äfpn 129 

Kl.  Siolz   Nachtrag  zu  Idg.  Forsch.  17.  SK)f 182 

Karl    Meister    Der  syntaktische   (lehrauch   des   (fenelivs   in  ilen 

kretischen  Dialektinschriflen      188 

K.  Meringer  Wörter  und  Sachen  111 20-t 

«^.  Herkmann  \)\wr  präiM»sitionslos<^  Ortshezeichnung  im  Altlatein.  29H 
A.  Zimmermann   Zur   Kniwickelunjr   des    Suffixes   -tor  (-/eri    im 

I^tein.     .  • 87(i 

K.  Rrugmann  Varia 881 

W.  Streitberg  (iotica 388 

F..   Liden  AUenglisclie  Misz«»llen      407 

A.  Meillet   Les  nominal  ifs  sanskrits  en  -/ 417 

W.  Streitberg  Grotisch  twtt  püsundja 421 

K.  Brugmann  Alte  Wortdeutungen  in  neuer  Beleuchtung  ....  428 
Fr.  Stolz  Neue  Beitrüge    zur    lateinischen   Sprachgeschichte   und 

Lautlehn- 439 

K.  Liden  Baumnamen  und  Verwandtes 18d 

M.  Scliröder    Die   germ.  Wurzeln  stel-  und   «ter-   und   ihre  durch 

/>,  i*,  f  erweiterten  Formen 509 

II.  .^chiichardt  ilber  den  aklivischen  und  passivischen  Charakter 

des  Transitivs 528 

K.  Brugmann  Umhrisch  pufditom      531 

Sachregister  von  H.  Hirt 585 

Wortregister  von  H.  Ilirl 589 


./\ 

v^  How  are  Words  Related! 

jLjh  If  words  in  different  languages  are  really  related,  it  is 

^  generally  admitted  that  they  go  back  to  a  common  form  or,  at 
least,  are  derived  from  a  common  base.  Tlie  common  form  may, 
by  reason  of  various  phonetic  laws,  have  been  changed  into 
qiiite  different  forms,  bat  the  common  origin  is  always  assumed. 
Biit  unfortunately  we  can  not  always  be  sure  of  oiir  common 
form.  In  the  first  place  we  must  be  certain  of  the  assumed 
phonetic  laws.  To  discover  these  laws  we  must  assume  relation- 
ship  between  various  sets  of  words.  Thus  we  work  in  a  circle. 
We  prove  the  phonetic  laws  by  means  of  words  whose  relation 
we  take  for  granted,  and  declare  words  related  because  they 
illustrate  the  laws  we  have  proved  or  assumed. 

Of  course,  this  is  an  extreme  putting  of  the  case.  The 
main  phonetic  laws  have  been  discovered  by  a  comparison  of 
words  of  whose  relation  there  could  be  no  reasonable  doubt ;  and 
this  comparison  has  revealed  tlie  fact  that  words  may  be  related 
and  yet  be  quite  dissimilar,  as  6k.  ßdcic  :  OHG.  cumft 

This  fact  has  lead  to  many  other  combinations,  whose  only 
object,  apparently,  was  to  show  the  ingenuity  of  the  authors. 
Such  combinations  are  naturally  based  on  synonymy.  But  as  I 
have  Said  elsewhere  (Color-Names  and  their  Congeners,  7): 
"Synonymy  is  of  itself  no  proof  whatever  of  relationship,  and 
comparisons  that  are  made  on  that  basis  merely  are  utterly 
worthless".  Indeed  a  close  similarity  of  meaning  between  words 
that  must  have  been  separated  for  one  or  several  thousand  years 
is,  in  most  cases,  prima  facie  evidence  that  the  words  are 
not  related.  For  in  living  speech  words  necessarily  change  in 
meaning. 

It  is  true  we  find  a  considerable  number  of  words  that 
apparently  go  back  to  the  earliest  times  and  yet  have  practically 

Indogermanitclie  Forschniigeii  XVIII.  1 


2  F.  A.  Wood, 

the  same  meaning  in  widely  separated  languages.  These  are  the 
survivors  of  the  earliest  fixed  terms  and  generally  represent 
objects  or  ideas  of  everyday  life.  And  it  is  only  the  fixed  terms, 
at  whatever  period  formed,  that  are  not  subject  to  constant 
change  in  meaning. 

To  illustrate:  Stane  is  a  fixed  term  and  has  practically 
the  same  meaning  in  all  the  Germ,  languages.  For  there  is  a 
definite  extemal  object  to  which  the  word  eorresponds.  As  long 
as  this  word  is  used,  therefore,  it  will,  in  its  literal  sense,  suffer 
litüe  change.  Of  course,  there  will  be  individual  variations.  The 
word  will  not  denote  the  same  in  the  mouth  of  the  scientist 
as  in  that  of  the  mason.  The  content  of  any  word  is  always  an 
individual  matter. 

But  stone  was  not  always  a  fixed  term.  There  was  a  tirae 
when  pre-Germ.  *8toin(hs  meant  *hard  :  hardness;  hard  object'. 
With  a  word  having  such  a  general  meaning  we  may  expect 
to  find  other  words  related  that  havo  quite  different  significations, 
especially  when  we  leam  that  even  *hard*  is  a  developed  meaning. 
For  we  can  be  as  certain  as  it  is  possible  to  be  in  any  com- 
paiisou  that  can  not  be  foUowed  historically  that  Goth.  stains 
'Stein*  is  connected  with  Skt.  stydycxU  Verdichtet  sich,  gerinnt, 
wird  hart',  Av.  staera-  "Klippe*,  Gk.  ctTov  *Steinchen*,  criXii 
Tropfen*,  Lat.  stiria  'gefrorener  Tropfen*,  and  many  other  words, 
in  which  the  primary  meaning  is  *stiff,  hard*  (cf.  Schade  Wtb.  867 ; 
Prellwitz  Et.  Wtb.  299,  302,  303;  ühlenbeck  Ai.  Wtb.  345;  Hii-t 
Idg.  Abi.  378). 

The  study  of  this  group  of  words  brings  out  another  fact : 
Synonymy  in  related  words  may  not  be  original.  For  Av.  staera-, 
Gk.  ctTov,  Goth.  stains  are  not  derivatives  of  an  IE.  base  sti-^ 
stoi'  *stone,  rock*,  but  each  came  to  its  meaning  independently 
from  the  earlier  signification  *hard,  stiff*,  as  did  also  Gk.  cricpoc 
•Reif*,  Lat.  stiria  'erstarrter  Tropfen*  or  Lith.  styrau  *steif  und 
lümmelhaft  dastehen*,  Skt.  stitnüa-s  "schwerfällig,  träge,  un- 
beweglich*. 

It  is  equally  evident  that  corresponding  forms  in  related 
words  do  not  necessarily  go  back  to  a  common  form.  Thus: 
Av.  staerchj  Lat  stfria^  Lith.  styrau,  IceL  stirur  *stiffness  in  the 
eyes*  are  probably  all  independent  derivatives  of  the  base  stJ-; 
and  even  MHG.  stff  "steif*,  Lith.  stipti  "erstarren*,  Lat.  stipdre 
cannot  with  any  certainty  be  referred  to  a  common  base  *stfpO'j 


How  are  Words  Related?  8 

they  all  go  back  to  such  a  base.  When  in  such  cases 
we  refer  words  to  a  common  IE.  base,  it  should  be  understood 
that  this  does  not  imply  a  common  origin  for  that  b&se,  although 
the  possibility  of  a  common  origin  is  not  excluded.  In  brief, 
related  words  may  independently  fall  together  in  form  or  in 
meaning  or  in  both. 

But  even  fixed  terms  are  not  always  permanent.  There 
may  have  been  several  other  Germ,  words  for  *stone*  that  were 
crowded  out  by  the  word  stone.  For  it  is  the  underlying  idea 
in  a  fixed  term  not  the  term  itself  that  is  persistent  That  is, 
if  'stone'  is  thought  of  as  "something  hard',  the  same  idea  may 
be  expressed  by  various  other  terms.  This  fact,  for  it  is  a  fact 
and  not  a  theory,  as  will  be  seen  by  the  examples  given  below, 
makes  it  clear  why  there  may  be  many  different  terms  for  the 
same  object. 

Words  may  therefore  be  related  in  form  or  in  meaning. 
If  they  are  related  in  form,  that  is  if  they  are  derivable  from 
the  same  base,  they  may  be  synonymous  but  more  frequently 
they  differ  in  meaning,  sometimes  entirely.  I  refer  especiaUy 
to  related  words  in  different  languages,  but  even  in  the  same 
language  this  in  often  true.  If  words  are  related  in  meaning, 
that  is  if  they  have  the  same  underlying  idea,  they  may  be 
derivable  from  the  same  base  or  from  entirely  distinct  bases. 
There  are  three  things,  therefore,  to  be  distinguished  in 
every  word:  The  phonetic  form;  the  primary  meaning  of  the 
base;  and  the  underlying  meaning  of  the  word  under  con- 
sideration.  Take  any  base,  for  example  lip-^  and  as  a  rule  the 
form  wiU  be  most  persistent.  The  meaning  of  that  base  may 
shift  from  one  idea  to  another  until  it  is  utterly  changed,  while 
the  form  may  pass  through  several  milleniums  unscathed.  But 
if  we  take  a  word  as  the  embodiment  of  an  idea,  we  shall  find 
that  the  underlying  idea  is  often  the  most  persistent  dement. 
For  the  idea  may  survive  through  a  succession  of  imrelated  forms. 
To  illustrate  with  stone:  (1)  This  is  from  pre-Germ.  *st(nno8, 
and  is  related  to  other  words  with  quite  different  meanings. 

(2)  The  primary  meaning  of  the  base  is  *thicken,  become  stiff . 

(3)  The  underlying  idea  of  stone  is  *hard,  hardness'.  The  same 
idea  may  be  expected  in  other  words  for  *stone'. 

What  then  is  necessary  in  explaining  a  word?  First  of 
all  we  must  find  other  words  that  may  be  phonetically  related. 

1* 


4  F.  A.  Wood, 

But  the  etymologist  has  fax  more  to  consider  than  phonetic 
correspondences.  However  important  and  interesting  these  are 
in  themselves,  they  do  not  explain  words.  They  simply  explain 
phonetic  transformations.  A  word  might  be  traced  through  all 
the  IE.  languages  and  yet  not  be  explained.  For  example  E.  red 
is  found  in  all  the  Germ,  and  in  nearly  all  the  IE.  langiiages 
with  about  the  same  meaning.  We  know,  therefore,  that  red 
must  be  a  very  old  color-name,  one  of  the  very  oldest,  in  fact.  But  the 
word  is  not  explained  nnless  we  can  show  how  it  came  to  mean 
*red*.  In  such  explanations  lias  the  chief  task  of  the  utymologist 
He  has,  then,  to  explain  words  not  merely  as  vocables  with 
changing  form  and  meaning  but  as  the  embodiment  of  ideas. 
In  making  comparisons  we  shoiüd  certainly  depend  more 
upon  the  form  than  upon  the  meaning.  To  illustrate  how  unsafe 
it  is  to  combine  words  simply  because  they  are  synonyraous, 
we  may  take  the  foUowing  examples. 

I. 

It  is  assumed  by  some  that  in  such  words  as  Lat.  frango 
:  Skt.  bhanäkti  'break*;  OE.  sprecan  :  specan  *speak\  etc.,  the 
forms  without  r  are  from  older  forms  with  r.  The  proof  rests 
solely  upon  the  similarity  in  meaning,  which  in  itself  is  no  proof 
at  all.  It  is  quite  possible  that  in  some  such  way  as  indicated 
by  Brugmann  Grdr.  1*,  426,  r  may  have  been  lost  from  certain 
forms,  but  to  attempt  to  establish  a  general  phonetic  law  to 
explain  this  loss  is  out  of  the  question.  Examples  enough  will 
suggest  themselves  to  any  one  who  is  intent  on  establishing 
some  phonetic  law.  In  addition  to  the  examples  of  lost  r  usually 
given,  I  submit  the  following. 

1.  OHG.  screvön  'einschneiden* :  aeaban  'schaben',  Gk.  CKdirrtü  'dig'. 

2.  OE.  acrepan,  ON.  skrapa  'scrape'  :  Lith.  skabü  'schneide',  Lat.  scaho 

'scrape,  Scratch'. 

3.  ON.  skorpr  'rind,  crust' :  Lat.  Scabies  'roughness,  scurf. 

4.  OHG.  scrintan  "sich  spalten,  Risse  bekommen* :  seirUan  'die  Haut  oder 

die  Rinde  abziehen", 
ö.  MHG.  schrimpfen  'einschrumpfen',   E.  scrimp   :  skimp    'knapp    oder 
spärlich  machen'. 

6.  OHG.  screcchSn  'springen,   aufspringen'  :  OS.  skakan  'entfliehen,  weg- 

gehen", ON.  skaka  'schwingen,  schütteln*. 

7.  Goth.  diS'Skreitan  'zerreißen' :  Lat.  scindo,  Gk.  cxilw  'split'. 

8.  OE.  scrüd  'dress' :  ON.  skauder  'Scheide',  MHG.  schote  'Schote'. 

9.  Lat.  scribo  'write' :  ON.  skifa  'in  Schnitten  schneiden'. 


How  are  Words  Related?  5 

10.  Sw.  dial.  akrtfta  "snore",   Dan.  ahryde  'schreien,   prahlen*  :  E.  shout 

'schreien,  rufen*. 

11.  ON.  spretta  'aufspringen,  spritzen* :  Skt.  Spandau  'zuckt,  schlägt  aus', 

Gk.  cir^vbuj  'pour". 

12.  Lat.  spargo  'scalter,  sprinkle',  OE.  spiercan  'sputter ;  sparkle",  MLG. 

8pranken  'sparkle',  E.  sprinkle  :  MLG.  spakeren  'sprühen*. 

13.  Lith.  spridudiiu  'dränge,  klemme' :  späudau  'drücke'. 

14.  Goth.  sprautö  'schnell' :  Gk.  cireöbui  'beschleunige*. 

15.  OE.  spreot  'pole* :  OHG.  spioz  'Spieß*. 

16.  ON.  sprita  'sprawl* :  Gk.  cmb/|C  'ausgedehnt,  breit*. 

17.  Gk.  ctrapvöc  :  ciravöc  'selten*. 

18.  OE.  strlcan  'streichen*,  Goth.  striks  'strich* :  Gk.  ctCZu)  'steche'. 

19.  ON.  striüka   'streichen',    ChSl.  strugati  'schaben*  :  ONorw.  stauka 

'stoßen'. 

20.  OE.  strütian  'streiten',  MHG.  striiizen  'sträuben* :  stutzen  'zurückscheuen', 

stutz  'Stoß*,  Goth.  stautan  'stoßen*. 

21.  NHG.  strampeln  :  OHG.  stampfön  'stampfen*. 

22.  OHG.  strüben  'starr  stehen,  starren,  emporrichten,  sträuben*,  Gk.  cxpuqpvöc 

'fest,  derb' :  CTuqpvöc  'fest,  dicht',  cruqpcXöc  'rauh,  fest'  (cxOui  'steife, 
richte  empor'). 

23.  Gk.  CTp^qpuj  'drehe',  crpöqpoc  'Band'  :  CT^qpu)  'umhülle,  umkränze*, 

CT^qpoc  'Kranz'. 

24.  Gk.  crpiqpvöc  'hart* :  cxiqppöc  'fest,  stark*. 

25.  Skt.  srävati  'fließt',  Liih,  sraviä  'fließe,  sickere*,  Gk.  fiiw  'flow'  :  Ö€i 

'it  rains*,  OHG.  sau  'Saft*. 

26.  WAG.snarz  'das  Zwitschern  der  Schwalbe;  Spott,  Hohn*  :  snateren 

'schnattern'. 

27.  MHG.  snarchen  'schnarchen,  schnaufen' :  snacken  'schwatzen'. 

28.  LG.  snerpen  'scharf  schlagen,  scharf  durch  die  Luft  rauschen* :  MHG. 

snappen  'schnappen,  schwatzen*,  E.  snap. 

29.  Skt.  närdati  'brüllt,  schreit* :  nddati  'brüllt,  ertönt*. 

30.  Lat.  trüdo  'thrust,  push' :  tundo  'beat'. 

31.  ON.  prdga,  OHG.  drucchen  'drücken' :  dühan  'drücken,  schieben ;  pressen, 

keltern',  Gk.  t<>koc  'Hammer',  TuxdvTi  'Flegel',  ChSl.  tykati  'pungere, 
tangere',  tüknqii  'pungere,  pulsare*. 

32.  OE.  prütian  'swell  with  pride  or  anger*,   ON.  ßrütenn  'geschwollen* 

:  OHG.  diozan  'sich  erheben,  quellen,  schwellen ;  tosen,  rauschen'. 

33.  Gk.  Tpütrauj  'bohre* :  tOtttuj  'schlage',  -njirGC  'Schlag*. 

34.  OE.  printan  :  findan  'swell*. 

35.  Goth.  pragjan,  Slov.  tröati  'laufen* :  Lith.  tekü  'laufe*,  Skt.  tdkti  'läuft'. 

36.  OE.  präg  :  Goth.  ßeihs  'Zeit*. 

37.  Gk.  bp^TTui  'breche,  schneide* :  bdimu  'zerreiße'. 

38.  OE.  drüsian  'become  sluggish*,  E.  drowse,  MDu.  droosen  'slumber,  doze' 

:  ON.  düsa  'doze*. 

39.  Lith.  drignüs  'feucht' :  E.  dank  'feucht,  dumpfig'. 

40.  Gk.  rpdqpoc  :  Tdqpoc  'grave'. 

41.  ChSl.  drobiti  'zerstückeln,  feinmachen' :  Skt.  dabhnSti  'beschädigt,  ver- 

sehrt', dabhrä  'wenig,  gering',  Gk.  T^qppa  'Asche,  Staub,  Sand*. 


6  F.  A.  Wood, 

42.  OE.  drioffan  'do,  perform,  accomplish*  :  Gk.  xeOxuj  'make,   prepare, 

bring  abouf. 

•43.  OE.  gedreag  'crowd,  troop' :  Lith.  daüg  Vier. 

44.  ON.  hraüka  :  bauka  *lännen'. 

4ö.  OE.  breatan  'break,  kill* :  beaian  'beaf,  ON.  batUa  'slay'. 

46.  MHG.  brüsehe  "Beule* :  büsch  "Wulst,  Bausch*. 

47.  OE.  briesan  'bruise*,  ChSl.  brysati  'abreiben' :  MHG.  biuscken  'schlagen, 

klopfen*. 

48.  MHG.  brüejen  'brühen* :  OHG.  bäen  'bähen*. 

49.  Gk.  xpauT^  'crying,  shouling*,  Goth.  hrük  'krähen* :  Skt.  Mjati  knurrt, 

brummt,  murmelt*. 

50.  Skt.  krd^oH  'schreit* :  Lith.  kaukiü  Tieule*. 

61.  OE.  hriam  'cry,  shout' :  Skt.  kduti  'schreit*. 

62.  ON.  hrun  'Fall*,  hrynja  'stürzen*  :  OE.  htan  'abject,  low',  hienan  'feil, 

strike  down;  humiliate*. 

63.  Skt.  krüHcati  'krümmt  sich*  :  kucätij  kuücati  'krümmt  sich,  zieht  sich 

zusammen',  ON.  hfika  'hocken*. 

54.  ON.  hraukr  'Garbenhaufen*,  OE.  hreae  'heap,  rick' :  NHG.  hocke  'Heu- 

oder  Getreidehaufen*,  Lith.  ktigis  'großer  Heuhaufen*. 

55.  Lith.  kraupiü  'schrecke  auf  :  Skt.  cSpati  'bewegt  sich,  rührt  sich*. 

56.  Lith.  kr^ü  'rege  mich,  rühre  mich',  OE.  hriape-müa  'Fledermaus* 

:  Lith.  kutu  'rüttele  auf,  ktUrm  'rüstig,  hurtig,  emsig*. 

57.  ON.  hrejfta  'scatter* :  Skt.  cödati  'treibt  an*. 

58.  Gk.  KpoOui  'beat,  strike* :  OHG.  houwan  'hauen*. 
69.  ON.  hrata  'waver,  fall* :  Lat.  cado  'fall*. 

60.  ON.  hreda  'quarrel,  strife* :  MHG.  hader  'Streit*. 

61.  OE.  hrindan  'thrust',  Skt.  kftUdti  'schneidet' :  Gk.  k€vt^uj  'steche'. 

62.  OE.  hremman  :  MHG.  hemmen  'hindern,  hemmen'. 

63.  OE.  hracan  'clear  the  throat,  spit',  OHG.  rähhisön  'sich  laut  räuspern, 

laut  aufhusten  und  ausspucken' :  E.  hack  'kurz  hüsteln*. 

64.  E.  cranky  crinkle  :  kink,  kinkle. 

65.  OE.  crammian  'cram,  stufT  :  Gk.  t^iliiu  "be  füll*. 

66.  OHG.  chrampf  'gekrümmt*,  E.  crimp,  cramp  :  Gk.  raMM'^ic  'krumm*. 

67.  MHG.  kriechen  'kriechen* :  küchen  'kauem*. 

68.  MHG.  krtzen  "kratzen* :  OHG.  kizzil(ki  'kitzeln*. 

69.  Lith.  graudüs  'rührend,  herzbewegend',  graudoju  'jammere,  wehklage' 

:  gaudits  'wehmütig',  gaudiiä  'weine,  jammere*. 

70.  OE.  grätan  :  Gk.  xibpa  'groats*. 

71.  ON.  grid  'Heftigkeit',  MHG.  grtt :  gU  'Geiz'. 

72.  Gk.  {>^irui  'schwanke,  neige  mich',  Lith.  virpiu  'bebe'  :  OE.  tvafian 

'wave,   brandish',    ON.  vdfa   'vibrate    to    and    fro',    Skt.  väpati 
'streut'. 

73.  Skt.  vft^dkti  'wendet,  dreht*,  OE.  icrencan  'twist,  tum' :  OHG.  winkan 

'sich  seitwärts  bewegen,  schwanken',  Lith.  vingis  'Krümmung,  Bogen*. 

74.  OE.  trrecan  'drive,  push ;  expel' :  Lat.  vegeo  'move,  excite,  arouse'. 

75.  OHO.  {wyiban  'reibend  wenden  oder  drehen',  Gk.  {»iirnw  'throw  about, 

throw',  t^iwf\  'swing,  rush*  :  OHG.  weibOn  'schwanken,  schweben', 
Skt.  v^pate  'regt  sich,  bebt*. 


How  are  Words  Related?  7 

76.  Goth.  wraiqs  'schräg,  krumm* :  OHG.  icihhan  'weichen,  seitwärts  oder 

rückwärts  gehen*. 

77.  MLG.  wrieh  'verbogen,  verdreht*,  OFries.  tcrigia  'wackeln",  ME.  wrie  'twisf, 

E.  wriggU :  wiggU  'wackeln*,  Lett.  vfkt  'sich  biegen*,  Gk.  cTkuj  'weiche*. 

78.  OE.  wrtpan  'twist ;  bind',  tcrM  'wreath,  bandage,  band' :  Lith.  p)^a«, 

Skt.  vitd  'gewunden*,  Lat.  vUU  'vine',  OE.  unpig  'willow ;  band,  bond*. 

79.  ON.  grüfa  'sich  niederbeugen' :  GhSl.  ^^f 'Biegung',  gybükü  'biegsam*. 

80.  MHG.  Jn-ine,   -gea  "Kreis,  Ring',  krane  'Kreis,  Umkreis',  ON.  kringr 

'round ;  pliant* :  kengr  'bend  or  bight,  metal  crook'. 

These  examples  might  easily  be  increased.  Biit  what  do 
they  prove?  They  certainly  do  not  prove  that  the  words  with 
and  without  r  are  related,  though  I  will  not  deny  that  there 
may  be  cases  in  which  an  r,  through  contamination  with  some 
other  form  or  by  dissimilatioii,  has  been  added  or  lost 

These  examples  prove  that  it  is  very  easy  for  the  same 
meaning  to  develop  in  various  ways,  and  that  it  is  possible  to  prove 
anything  we  choose,  if  all  that  is  necessary  to  that  end  is  a  com- 
parison  of  synonymous  words.  For  it  will  be  granted  by  all  that  in 
prehistoric  times  there  were  comparatively  few  ideas,  and  these,  at 
least  in  the  earliest  times,  must  have  been  expressed  concretely  and 
objectively.  In  other  words,  the  primitive  man  did  not  express  what 
he  feit  or  though t,  but  described  what  he  saw  and  heard  and  handled. 
The  various  passions  were  described  according  to  the  physical  effect 
produced  by  the  mental  State  of  the  person  observed.  This  we  do 
even  now.  Thus  we  speak  of  a  person  as  *sputtering,  choking, 
flashing  fire  from  his  eyes*,  etc.  to  describe  different  degrees 
of  impatience  or  anger.  In  like  manner  extemal  objects  were 
named  from  some  striking  characteristic.  And  such  descriptions 
were,  for  the  most  part,  expressed  in  terms  of  motion. 

As  most  objects  and  concepts  must  originally  have  been 
expressed  in  terms  of  motion  and  are  often  still  so  expressed 
when  we  use  descriptive  terms,  and  as  the  expressions  of  motion 
must  have  been  comparatively  limited,  it  foUows  that  there  must 
have  been  a  continual  crossing  and  recrossing  of  developed 
meanings.  That  is,  we  have  what  we  call  synonymous  words. 
These  words  may  or  may  not  come  from  the  same  primary 
meaning.  And  if  they  come  from  the  same  meaning,  they  may 
be  phoneticaUy  distinct.  Thus  6k.  Xißp6c  *dripping,  wet*  and 
OE.  dipig  *slimy*  are  from  the  base  ^sleib-  and,  at  first  sight, 
might  be  regarded  as  closely  connected  in  meaning.  But  the  Gk. 
Word  comes  from  *drop,  drip*,  referring  especially  to  the  dropping 


8  F.  A.  Wood, 

or  flowing  of  water,  while  the  OE.  word  means  primarily  *sliding, 
slippery',  referring  to  a  smooth,  slippery  surface.  Again  ON.  sUda 
•schleppen'  :  MHG.  dmt  •Schlamm';  Olr.  demain  Mubricus'  :  OE. 
dim  *Schleim*;  MHG.  derfen  Mie  Füße  schleppend  einliergehen' 
:  Scotch  dorpie  "unsauber,  schmierig' ;  MHG.  sfet/* 'schlüpfrig,  glatt* 
:  NHG.  Swab.  scÄW/'^schleimig' ;  OHG.  dihhan  ^schleichen' :  ifflG. 
dich  ^Schlamm,  Schlick' ;  Du.  deuren  'schleppen* :  MHG.  dier  *Lehm, 
Schlamm';  OX.  dodra  *sich  hinschleppen' :  MHG.  dote  'Schlamm'; 
OE.  düpan  *glide' :  diepa  *slime,  pasto',  all  represent  the  same  deve- 
lopment  of  meaning  'slip'  :  *slime',  and  yet  they  are  phonetically 
distinct  from  each  other  and  can  be  only  remotely  connected 
through  a  base  selo-  (cf.  APh.  24,  40  ff.). 

On  the  other  band  widely  divergent  meanings  may  de- 
velop  from  one  primary  meaning.  Thus  Genn.  springan  has  given 
words  for  *run,  leap,  flow ;  scatter,  sprinkle ;  burst,  split ;  spring  up, 
grow*,  and  many  others ;  and  outside  of  Germ,  the  same  base  means 
*drive ;  hasten,  strive  af ter,  desire,  envy*,  etc.  And  what  is  truo  of 
this  base  is  often  true  to  a  much  greater  extent  of  other  bases.  When, 
therefore,  we  find  two  or  more  synonymous  bases  which  can  be 
combined  only  on  the  assumption  of  loss  on  the  one  side  or  of 
addition  on  the  other,  the  probabilities  are  that  the  different 
bases  are  not  related.  We  will  examine  some  cases  of  this  kind. 

II. 
MHG.  schrimpfen  ^einschrumpfen,  runzeln' :  OE.  ge-hrumpen 
"runzelig'  :  OHG.  krimpfan  ^schrumpfen'  have  been  combined  on 
tlie  supposition  that  the  IE.  base  (s)grem6-  appears  in  Germ, 
with  and  without  s,  giving  skrimp-^  hrimp-^  and  that,  after  the 
soimd-shift,  krimp-  developed  from  skrimp-  (cf.  Noreen  Urg. 
Ijautlehre  206).  To  these  we  might  add  with  equal  justice  OE.  rimpan 
'zusammenziehen,  runzeln';  MLG.  torimpen  *das  Gesicht  ver- 
ziehen, rümpfen';  and  MHG.  Mimpfen  *fest  zusammenziehen, 
drücken,  einengen'.  We  have,  therefore,  Germ,  skrimp-^  hrimp-^ 
krimp-j  rimp-^  icrimp-,  klimp-  used  synonymously,  and  also  skrink-, 
hrink'j  krink-j  rink-^  wrink-^  klink-,  That  these  various  bases  are 
at  least  not  cognate  can  be  seen  from  the  following  discussion. 

Base  8qer^m)b-. 
1.  ON.  skreppa  from  *sh*impan  'gleiten,  entschlüpfen',  MHG. 
schrimpfen  *runzeln',  schrimpf  *Schramme',  MLG.  schrimpfen  *die 


How  are  Words  Related?  9 

Nase  rümpfen*,  schrempen  ^schrumpfen,  zusammenziehen ;  (Fleisch) 
rösten,  sengen',  schrumpe  *  Runzel,  Falte;  Knick,  Bruch  im 
Zeuge*,  Dan.  s/crumpe  'schrumpfen*,  skrumpen  *eingaschnimpft*, 
Sw.  skrumpen  *runzelig,  hutzelig',  E.  scrimp  *shorten,  contract* 
:Lith.  skrebiu  Verde  trocken',  ON.  skorpinn  'eingeschrumpft', 
skarpr  Mün*,  eingeschrumpft',  skarpr  'eingeschrumpft,  rauh,  liart, 
scharf,  OE.  scearp  'rough,  severe,  harsh,  sharp*,  6k.  cKepßoXoc 
'harsh  in  speech,  scolding',  OE.  sceorpan^  screpan  'scrape*,  etc. 
(cf.  Schade  Wb.;  author,  Color-Xames  40,  121  f.). 

Compare  the  following  bases,  in  which  we  find  such  meanings 
as  we  might  expect  if  they  were  all  derived  from  a  common 
base  sqero-,  If  they  are  not  at  all  related,  it  is  a  striking  illustration 
of  how  synonymous  terms  may  arise.  In  any  case  we  have  no 
ground,  as  far  as  meanings  are  concemed,  for  connecting  sjr^m)i- 
with  qre(m)b',  or  either  with  Germ,  krimp-. 

2.  Base  sqere{m)p-  :  Slov.  skrepeniti  'erstaiTen*  (vor  Kälte), 
OPruss.  skrempüt  'wrinkle*,  ON.  skrdfask  'shrink  back  with 
cowardice*,  E.  shrivel  'einschrumpfen,  sich  zusammenziehen, 
runzelig  werden;  runzeln,  falten,  zerknittern*.  Here  also  the 
meaning  'shrink,  shrivel'  comes  from  'make  a  sudden  movement, 
spring'.  Compare  ON.  skrefa  'go  or  spring  with  long  strides', 
Sw.  dcrefva  'die  Beine  spreizen*,  Gk.  cKOpiriZ^ui  'jage  auseinander, 
zerstreue',  OHG.  screvön  'incidere*,  scarbön  'in  Stücke  schneiden'. 

3.  Base  8qere(n)t- :  OE.  scrind  'schneller  Lauf,  OHG.  scrintan 
'aufspringen,  bersten*,  Lith.  skrentü^  skristi  'sich  mit  einer 
trockenen  KriLste  beziehen*  (Schade  Wb.),  Lat.  scortum. 

4.  Base  sqere{n)d'  :  MHG.  scherzen  'hüpfen',  scharz  'Sprimg*, 
xhranz  'Bnich,  Eiß,  Spalte*,  schrenzen  'spalten,  zerreißen',  Lith. 
dcerdHü  'bekomme  Risse,  platze*,  OHG.  8curz  'kurz*,  ON.  skortr 
'Mangel*,  MHG.  schürzen  'kürzen,  zusammenziehen,  schürzen', 
Dan.  skrante  'kränkeln,  siechen',  Lith.  skrdndas  'alter,  steif  ge- 
wordener Pelz'  (cf.  Zupitza  Germ.  Gutt.  158). 

5.  Base  sqeres-  :  ON.  skirra  'entfernen,  abwenden*,  skiarr 
'scheu,  ängstlich',  i.  e.  'sich  zurückziehend,  shrinking',  ME.  skerre 
'scared*,  Lith.  skersas  'quer,  schielend*. 

6.  Base  sqere(n)k'  :  OHG.  scurgen  'stoßen,  schieben,  treiben', 
OS.  scurgan  'avertere,  wegstoßen,  wegziehen*,  MHG.  schrcege^ 
Du.  schraagj  Dan.  skraa  'schräg*,  Sw.  skranglig  'schmächtig*. 

7.  Base  sqere{n)g  :  OHG.  screckön  'aufspringen,  springen, 
hüpfen*,   MHG.  schricken  'springen,  aufspringen;   einen  Sprung 


10  F.  A.  Wood, 

oder  Riß  bekommen;  auffahren  machen,  jagen*,  ON.  dcrykkr 
*Ruck',  OHG.  9cranchön  *schwanken,  wanken;  in  verschränkter 
Stellung  sein*,  MHG.  schretiken  *schräg  stellen,  verschrenken, 
flechten ;  seitwärts  abbiegen*,  OE.  scrincan  ^seitwärts  abweichen, 
zurückweichen,  shrink,  contract,  wither,  fade,  be  dispirited', 
E.  shrink  *zusanmienfahrcn,  zurückfahren,  ein-,  zusammen- 
schrumpfen; sich  zusammenziehen,  schwinden',  OSw.  skrunkin 
'eingeschrumpft,  runzelig*,  ON.  skmkka  'Runzel*,  Sw.  skrynka 
'knittern,  knautschen*,  skrynMig  faltig,  runzelig*  (cf.  Zupitza  Germ. 
Gutt,  158,  where  OE.  scrincan  and  OHG.  screckön  are  combined, 
and  author,  Color  Names  44). 

8.  Base  sqerdr :  ON.  skriHa  'verdonen*,  skrcüna  Vertrocknen*, 
skrcüingr^  Dan.  skrcelling  'Schwächling,  Weichling*,  skral  'schlecht, 
elend*,  Sw.  skral  'kränklich,  schlecht*. 

9.  Base  sqerem-  :  ON.  skrchna  'schrecken,  erschrecken,  ver- 
scheuchen*, OE.  scrimman  'be  drawn  up  or  beut*,  scremman 
'cause  to  stumble*,  MHG.  schrammen  'biegen,  krümmen,  schräge 
machen*,  schrämen  'aufreißen,  öffnen*. 

10.  Base  sqer-  :  Av.  skar-  'springen',  Lith.  skeris  'Heu- 
schrecke*, Gk.  acaipui  'hüpfe',  OHG.  scem  'Scherz,  Spotf ,  scerän 
'mutwiUig  sein*  :  Lith.  skiriü  'trenne,  scheide*,  OHG.  sceran 
'scheren*. 

The  meanings  'spring*;  'spring  back,  shrink,  fear*;  'spring 
apart,  burst,  cause  to  spring  apart,  separate,  cut*,  etc.  are  found 
in  nearly  all  of  the  above  bases,  and  for  the  most  part  the 
secondary  meanings  developed  independently  in  each  base.  Con- 
sidering  how  naturally  the  meaning  'burst,  split,  separate  cut' 
comes  from  'spring,  spring  apart*,  there  is  certainly  no  good 
reason  for  separating  sqer-  'spring*  and  sqer-  'split,  cut*.  On  this 
development  of  meaning  see.Color-Names  40  ff. 

in.  Base  qere{m)b, 

1.  OE.  hrympde  'Runzel*,  gehrumpen  'runzelig',  Gk.  Kpd)Lißoc 
'eingeschrumpft,  dürr,  trocken  :  das  Einschrumpfen*,  KpOjußoui 
'braten,  rösten*  (cf.  Prellwitz  Et  Wtb.),  Lith.  kremblys  'Pilz*,  Russ. 
koröboti  'krümmen*,  ON.  herpask  'sich  krampfartig  zusammen- 
ziehen* (cf.  Zupitza  Germ.  Gutt  114  f.).  The  meaning  'shrink, 
shrivel*  is  perhaps  from  'move  quickly*.  Compare  ON.  hrapa 
'sich  beeilen,  stürzen,  fallen*,  hrapadr  'Hast*.  With  the  above 
compare  the  following  words,  w^hich  have  similar  meanings. 


How  are  Words  Related?  11 

2.  Base  qerep-  :  Slov.  krSpen  'erstarrt',  ChSl.  kripü  *fest, 
stark,  starr*,  Slowak.  hrjpmit  "rigescero*,  ON.  hrdfa  'ertragen*,  etc. 
(cf.  Uhlenbeck  AL  Wtb.  64). 

3.  Base  qerekr  :  Skt  kfgd  'abgemagert,  hager,  schwächlich*, 
kroydii  'magert  ab*,  Czech.  krs  Verschrumpfter  Baum',  krsati 
'abnehmen*,  Lith.  kärszH  'altem*,  Lat  cracentes  'graciles*  (cf.  Fick 
Wtb.  1*,  25;  uhlenbeck  ALWtb.  64). 

4.  Bases  greift^q-  and  qreng-  :  ChSl.  mkrüdüi  8fi  'sich  zu- 
sammenziehen*, Bohem.  pokrdäi  'runzeln*,  Lith.  krenküj  krikti 
'gerinnen*;  Russ.  korJtdvHi  'steif  werden*,  ON.  hrskkua  'spring, 
spring  back  suddenly;  curl,wrinkle*,ÄroAAenn 'gekräuselt;  runzelig^, 
hrukka  *runzebi*,  hrekkr  'Ränke*,  hrskkua  (wk.)  'drive  forward*, 
refl.  'leap  forward'  (cf.  Zupitza  Germ.  Gutt.  127).  Here  the 
meaning  'shrink*  certainly  came  from  'spring,  move  rapidly*, 
and  we  may  therefore  compare  also  ON.  hrekia  'drive  with 
vioience,  persecute,  worry,  vex*,  Skt.  kärjati  'quält*. 

5.  Base  qrengh-  :  ChSl.  krqgü  *Ring*,  krqglü  'rund*,  OE. 
hring  'ring,  circle,  circuit*. 

IV.  Base  gre{m)b', 

1.  OHG.  krimpfan^  MHG.  krimpfen  'krumm  oder  krampf- 
haft zusammenziehen*,  krimpf  'krumm :  Krampf,  ÄTawp/"Krampf ; 
Kruste*,  OHG.  kratnpf  'gekrümmt :  Krampf*,  MLG.  krimpen  'sich 
zusammenziehen,  einschrumpfen;  einschrumpfen  lassen*,  ON. 
krappr  'eingezwängt,  schmal',  krappinn  'eingeschnmipft',  kreppa 
'zusammenbiegen,  -drücken;  krümmen,  kneifen*,  OE.  crump 
'crooked*,  crympan  'curl*,  crampiht  'crumpled,  wrinkled*,  E.  crimp^ 
eramp^  crumple  :  ON.  karpa,  korpna  'dahinschwinden*,  Ir.  gerbach 
'runzelig*,  LetL  grumbt  'runzeln*,  ChSl.  grubavü  'runzelig*,  grubü 
•Rücken*  (cl  Zupitza  Germ.  Gutt  150). 

2.  Base  grebhn-^  grembh-  :  OHG.  krapfo  'Haken,  Kralle*, 
MHG.  krapfe  'Haken,  Klammer;  Türangel*,  kripf&n  'rasch  wonach 
greifen,  rapere',  ON.  kroppa  'klauben,  pflücken*  :  OHG.  krumb 
'krumm,  gekrümmt,  verdreht*,  krumben  'krumm  machen,  krümmen*, 
OE.  crumb  'crooked* ;  ON.  krafla  'mit  den  Händen  kratzen ;  er- 
greifen', krafsa  'mit  den  Füßen  scharren*,  NHG.  kribbeln^  krabbeln^ 
Sw.  krafla  'kriechen,  kmbbeln,  klettern* :  MHG.  krebe  'Eingeweide* 
(=  lIHG.  gehrcese  from  knis\  Lith.  gröbas,  OPruss.  grobis  'Darm*, 
MHG.  krebe,  OHG.  korb  'Korb',  krippa,  OE.  cribb  'Krippe*. 

3.  Base  jrr^m-  :  ON.  kremia  'drücken,  zerdrücken',  Sw.  krama 
'drücken,  pressen*,  OE.  crimmian  'cram,  insert ;  crumble*,  crammian 


12  F.  A.  Wood, 

*cram,  stiiff*,  OHO.  krimman,  MHG.  krimmen  Mie  Klauen  zum 
Fange  kiiimmen,  mit  gekrümmten  Klauen  oder  Fingern  packen, 
verwunden,  kratzen,  kneipen,  reißen:  refl.  sich  winden,  krümmen; 
kriechen',  kramm  'Krampf . 

4.  Base  gre(n)g'  :  OHO.  kräko,  ON.  krdkr^  krökr  *Hakeu*, 
ME.  crök  *crook',  ON.  krake  *Haken;  Baum,  dessen  Äste  ab- 
gehauen worden  sind*,  Norw.  krake  'krummer  Ast,  verkrüppelter 
Baum;  eine  Art  hölzernen  Ankers*,  old  MHG.  chraken  'kratzen, 
kratzend  klauben*;  MLG.  krink  *Ring,  Kreis*,  krunke  'Falte, 
Runzel,  Krause*,  krunkden  'crispare',  OHG.  krankolön  'straucheln*, 
MHG.  kranc  'schmal,  schlank,  gering,  schwach',  OE.  crincan 
'niedersinken,  fallen*,  E.  crinkle^  crank^  cranMe^  Lith.  greziü 
'drehe,  wende*  (cf.  Zupitza  Germ.  Gutt.  39). 

5.  Base  gr€{n)k'  :  OHG.  krägo  'Haken',  MHG.  krage  'Haue, 
Hacke',  kragen  'kratzen,  ritzen',  krage  'Kragen,  Hals;  Gekröse'; 
Am'wc,  -ges  'Kreis,  Ring,  Bezirk',  kranc  'Kreis,  Umkreis*,  kränge 
'Not,  Bedrängnis*,  kringd^  ON.  kringla  'Kreis',  krangr  'scliwächlich', 
kranga  'schwanken,  taumeln',  kringr  'rund ;  biegsam,  geschmeidig', 
OE.  cringan  'fall,  perish',  E.  cringe  'zusammenziehen,  krümmen ; 
sich  demütig  beugen,  sich  schmiegen,  kriechen',  Sw.  kring  'herum', 
kränga  'wenden,  umwenden;  krängen,  schlingern',  Serv.  grc 
'Krampf*,  ChSl.  sügruditi  se  'sich  zusammenziehen*  (cf.  Zupitza 
Germ.  Gutt.  150). 

6.  Bases  gre(n)th''  and  gre(n)d'-  :  Skt.  grathnäti,  granthdyati 
'windet,  knüpft*,  grantha  'Knoten,  Gefüge',  Gk.  TpovOoc  'geballte 
Faust,  Schildkrampe',  OE.  cradcl  'cradle',  i.  e.  'Flechtwerk' :  OPruss. 
grandis  *Ring',  Lith.  grandis  'Armband',  grandinis  'ringförmig, 
kreisförmig*,  OHG.  kram  'Kranz',  MHG.  kreme^  krime,  kretze 
'Tragkorb',  OHG.  kratto,  krezzo  'Korb*  (cf.  Preliwitz  Et.  Wtb.  64; 
Zupitza  Germ.  Gutt.  149;  Bemeker  Die  preuß.  Spr.  293). 

Similar  meanings  are  also  found  in  bases  grix-  and  grüx- 

(cf.  vm,  3). 

V.  Base  remb-, 
1.  OE.  rimpan  'contract,  rümpfen*,  rempende  'precipitate, 
hasty*,  OHG.  rimphan^  MHG.  rimphen  'in  Falten,  Runzeln  zu- 
sammenziehen, krümmen,  rümpfen*,  refl.  'sich  zusammenziehen, 
krümmen;  einschrumpfen,  verdorren,  runzehi;  sich  zusammen- 
ziehend foi-tschnellen*,  rumph  'gebogen,  gekrümmt*,  rumph  'Rumpf, 
Leib;  große  hölzerne  Schüssel*,  rümphen  'rümpfen,  runzelig 
werden*,  ramph  'Krampf;  Unglück,  Niederlage*,   MLG.  rimpen 


How  are  Words  Related?  13 

Vümpfen,  runzeln,  falten',  refl.  *sich  zusammenziehen,  krümmen*, 
rimpe  *  Runzel,  Falte',  ramp  'Krampf,  rumpe  'Runzel',  rump 
'Rumpf,  Leib ;  längliches,  bauchiges  Gefäß ;  Bienenkorb*,  rumpelen 
'Geräusch  machen,  poltern*,  E.  rimple^  rumple  'runzeln;  ver- 
krumpeln, zerknittern*,  D\i.rimpelen  'runzeln,  rompdig  'holpericht', 
Lith.  rinibeti  'träge  werden  oder  sein :  (von  Pflanzen)  nicht  ge- 
nügend wachsen*,  ramhus  *träge*,  Skt  rdmbate  'hängt  schlaff  herab*. 

2.  With  the  base  remb-  'bend,  crook,  contract'  compare 
^reiA-,  re(m)bh  'bend,  encircle'  :  Lat  orbis  'circle,  ring*  :  OHG. 
rAo  'Rebe,  Ranke,  Schlingschößling*,  rtjppö,  ChSl.  rebro  'Rippe* 
(cf.  Kluge  Et  Wtb.),  Gk.  dpeqpui  'bekränze ;  überdache',  öpoqpoc 
'deckend*  (cf.  Prellwitz  Et.  Wtb.  101),  ßaincpoc  'krumme  Schnabel*, 
^a)Liq)6c  'gekrünunt',  ßaiiiqpri  'gebogenes  Messer*,  ON.  ramba 
'schwanken*,  E.  ramble  'herumschweifen;  schwärmen'. 

3.  Base  reng-  :  Skt  rangati  'schwankt',  ON.  rakkr  'rasch, 
schnell,  mutig;  schlank,  gerade',  Sw.  rankig  'schwankend,  wackelnd*, 
Dan.  rank  'schlank,  gerade*,  MDu.  ranc  'schlank,  dünn,  schwach', 
MLG.  rank  'au%eschossen,  schlank,  dünn,  mager*,  OE.  ranc  'proud, 
insolent,  brave*,  E.  rank  *üppig,  fruchtbar;  brünstig;  stark,  gi*ob; 
ranzig*.  Perhaps  here  also  MHG.  ranken  'sich  hin  und  her  be- 
wegen, dehnen,  strecken*.  On  the  development  of  meaning  com- 
pare MHG. swanc 'schwankend,  stürmisch:  biegsam,  schlank,  dünn, 
schmächtig*;  Gk.  ^abivoc  'flink,  schwank,  schlank*. 

With  ON.  rakkr^  etc.  we  may  also  compare  (with  Zupitza 
Germ.  Gutt.  198)  OHG.  recken,  Gk.  öpifw,  etc. 

VI.  Base  uere(m)b'. 

1.  MLG.  wrimpen  'das  Gesicht  verziehen,  rümpfen*,  wramp- 
aehiich  'tortuosus,  gewunden,  krumm*,  urempen  'das  Gesicht  ver- 
ziehen*, wrempich  'distortus,  verdreht,  entstellt*,  E.  dial.  tvrimple 
'wrinkle',  Gk.  ß^iiißuj  'turn  round  and  round',  mid.  'wander,  rove, 
roll  about',  ßeiiißöc  'roaming',  ^ö)Lißoc  'spinning,  whirling  motion', 
^o^ß^ui  'spin;  whirl,  hurl*. 

We  have  here  the  nasalized  base  uereb-  'tum,  whirl,  hurl; 
twist,  twine*  :  Lith.  verbiü  'wende  um*,  verbä  'Weiden-  oder 
Birkenrute,  Reis,  Gerte',  vfbas  'Rute,  Zweig',  virbinis  'Schlinge', 
ChSl.  pruba  'Weide',  OPruss.  wirbe  'Seil',  Lat  verbera  'Schläge' 
(compare  OHG.  swingan  'schwingen'  :  OE.  sudngan  'schlagen'), 
Gk.  ^dßboc  'Rute*  (cf.  Prelhvitz  Et  Wtb.  s.  v.),  OE.  weorpan  'throw, 
cast*,  i.  e.  'whirl,  hurl,  torquere',  wierpe  'turn,  change  for  the 


U  F.  A.  Wood, 

better,  recovery',  toearp  *warp,  Weberzettel,  Werft*,  E.  warp 
Verfen,  krumm  ziehen,  zusammenziehen ;  sich  -biegen,  krumm 
werden*,  MTop  'wickeln,  einwickeln;  verhüllen,  einhüllen*,  OS.  W- 
werpan  'werfen,  ausstrecken,  umgeben*,  Goth.  uxiirpan  *werfen,  etc. 
(cf.  Persson  Wurzelerw.  165). 

The  meaning  *throw*  comes,  as  in  so  many  cases,  from 
*tum,  whirl*.  This  being  so  common  a  meaning  in  bases  be- 
ginning  with  uer-^  ure-^  it  seems  stränge  that  any  one  should 
think  it  necessary  to  connect  Lith.  vriigq  and  Goth.  wairpan. 

2.  With  uereb-  compare  tho  synonymous  uerep-  :  Gk.  ßdiru) 
'schwanke,  neige  mich,  schlage  nach  einer  Seite  aus*,  ßoirrj  'Aus- 
schlag, Wendepunkt',  Alb.  vrap  'schneller  Gang,  Lauf',  Lith.  virpiu 
'zittere,  bebe*,  verpiü  'spinne'  (cf.  Prellwitz  Et  Wtb. ;  Brugmann 
Grdr.  1 «,  141,  294),  Skt.  vdrpas  'List,  Kunstgriff',  not  'Gespinnst*, 
as  given  by  Uhlenbeck  Ai.  Wtb.  s.  v.,  but 'Krümmung,  Winkelzug' 
(compare  Skt.  vpind  'krumm,  falsch,  ränkevoll',  vjjinä  'Ränke', 
OE.  u?renc  'Kriunmung,  List,  Ränke'),  ON.  o;/,  OHG.  u?orf 
'Sensenstiel*. 

Here  also  we  find  many  synonymous  words  apparently  formed 
from  the  base  uer-  'turn,  twist,  wind'.  Compare  the  foUowing. 

3.  Base  uere(n)g-  :  Skt.  v^väkti^  vdrjati  'wendet,  dreht,  dreht 
ab*,  Lat.  vergo  'biege,  wende',  ChSl.  vrügq  'werfe',  Lett  sa-vergt 
'einschrumpfen*,  OE.  torencan  'drehen',  wrenc  'Krümmung,  Ränke', 
imncfe,  E.  wrinMe  'Runzel'  (cf.  Zupitza  Germ.  Gutt  170;  Uhlenbeck 
Ai.  Wtb.  292). 

To  the  same  base  belong  Lith.  vergas  'schlau'  and  OHG.  wwr, 
werah  'Werg'.  Compare  Skt.  stupd^  stüpa  'Schopf,  Gk.  crirrni  'Werg, 
Strick',  Lat.  stuppa  (cf.  Prellwitz  Et.  Wtb.  306);  ON.  haddr  'Haar', 
MGL.  Iierde  'Flachsfaser',  OE.  heorde  'Werg'  (cf.  Kluge  Et.  Wtb. 
s.  V.  Hede) ;  ON.  taug  'Strick,  Seil*,  tö  'tuft  of  wool  for  weaving', 
ODu.  Umw,  E.  tow  'Werg*. 

VIL  Base  gle(m)b'. 

1.  MHG.  klimpfen  'fest  zusammenziehen,  drücken,  einengen', 
klampfef'  'Klammer',  MLG.  klampe  'Haken,  Krampe',  ON.  kleppr 
'Klotz,  Klumpen,  Knebel*  :  Lith.  glibiu  'umarme*,  Lat.  globus^  etc. 

2.  Base  glembh-  :  MHG.  Uamhen  'fest  zusammenfügen,  ver- 
klammem', ON.  fdambra  'zwängen*. 

3.  Base  glengh-  :  OE.  clingan  'contract,  shrink;  wither', 
bedingan  'enclose,  bind*,  OHG.  klunga  'Kiiäuel'. 


How  are  Words  Related?  15 

4.  Bases  glem-^  glemes- :  Lith.  gUmqju  •umarme*,  Lat  glomus, 
glmero^  OE.  dämm  "grasp ;  bond,  chain',  demman  *contract*,  OHG. 
beldmmen  'einengen,  zusammendrücken'. 

For  further  discussion  of  this  base  see  XXI. 

vm. 

In  these  bases  we  find,  among  other  significations,  "contract, 
shrink,  shrivel,  wrinkle'  in  the  following: 

1.  MHG.  xhrimpfen  'zusammenziehen,  schrumpfen,  runzehi*, 
ON.  skorpinn  'eingeschrumpft',  skorpr  'eingeschrumpft,  dürr', 
lith.  skrebiu  'werde  trocken'.  —  OPruss.  -skrempüt  'runzeln', 
ON.  skrckfask  'zurückweichen',  E.  shrivd  'einschrumpfen,  sich 
zusammenziehen;  runzeln,  falten,  zerknüttem'.  —  Lith.  dcrmtü^ 
skrisii  'sich  mit  einer  trockenen  Bjruste  beziehen',  Lat.  scarttim.  — 
MHG.  acAwr25W 'zusammenziehen,  schürzen',  Dan.  skrante  'kränkeln, 
siechen',  Lith.  skrdndas  'alter  steif  gewordener  Pelz'. — OE.  scrincan 
'shrink,  contract,  wither,  f ade',  E.  «Änni 'ein-,  zusammenschrumpfen, 
sich  zusammenziehen',  OSw.  skrunkin  'eingeschrumpft,  runzelig', 
OK.  skrukka  'Runzel'.  —  ON.  skräla  'verdorren',  skrcHna  'ver- 
trocknen*. —  OE.  scrimman  'be  drawn  up  or  beut',  MHG.  schrcemen 
"biegen,  krümmen,  schräge  machen'. 

2.  OE.  hrympde  'Runzel',  gehrumpen  'runzelig',  Gk.  Kpaiiißoc 
'eingeschrumpft,  dürr,  trocken',  ON.  herpask  'sich  krampfartig 
zusammenziehen'.  —  Gk.  Käpqpuj  'lasse  einschrumpfen,  dörre', 
Kdpqpoc  'dürres  Reisig'.  —  Czech.  krs  'verschrumpfter  Baum', 
lith.  kdrszti  'altem',  Skt  krgd  'abgemagert,  schwächlich'.  —  ChSl. 
m-krücüi  sf  'sich  zusammenziehen',  Bohom.  po-krcüi  'runzeln', 
ON.  hrskkna  'sich  kräuseln,  runzeln'.  —  OE.  hring  'Ring',  ChSl. 
krqgü  'Kreis'. 

3.  MHG.  krimpfen  'krampfhaft  zusammenziehen',  MLG. 
krimpen  'sich  zusammenziehen,  einschrumpfen',  ON.  kroppinn 
'eingeschrumpft',  korpa  'dahinschwinden',  Lett  grumbt  'runzeln', 
Ir.  gerbach  'runzelig'.  —  OHG.  krumb  'krumm,  gekrümmt,  ver- 
dreht', krumben  'krümmen'.  —  MLG.  krunke  'Falte,  Rimzel, 
Krause',  krunkden  'crispare',  krink  'Ring,  Kreis',  E.  crinkle 
'Krümmung,  Falte'.  —  ON.  kHngr  'rund;  biegsam',  E.  ctinge 
'zusammenziehen,  krümmen',  Serv.  jrrd^ 'Krampf,  ChSl.  sü-grüciti 
8f  'sich  zusammenziehen'.  —  OPruss.  grandis  'Ring',  OHG.  kram, 
—  MHG.  krinne  'gelockt,  kraus'.  —  E.  dial.  er  ine  'zusammen- 
schrumpfen ;  hinwelken ;  sich  abhärmen',  Norw.  krine  'schnörkeln', 


16  F.  A.  Wood, 

Gk.  Aeol.  TPivoc  *Haut',  Lith.  grynau  Voi'annc'.  —  Gk.  tp^voc, 
Tpouvoc  *dürres  Holz'.  —  MHG.  krüs  *kraus,  gelockt',  E.  crease 
Talte,  Runzel,  Bruch*.  —  OK  kriüpa  'kriechen ;  knieen*,  kropna 
'einschrumpfen ;  vor  Kälte  erstan-en*.  —  MHG.  kriechen  *sich 
einziehen,  schmiegen;  kriechen'  :  Ir.  gruc  'Runzel'. 

4.  OE.  rimpan  'contract,  liimpfen',  OHG.  rimphan  'rümpfen ; 
sich  zusammenziehen,  einschrumpfen,  verdorren,  runzeln*,  MLG. 
rimpen  'rümpfen,  runzeln,  falten'.  —  OE. rifelecle^gerifod*Yunzelig\ 

5.  MLG.  wrimpen  'das  Gesicht  veraiehen,  rümpfen',  E.  tvrimple 
'runzeln*,  warp  'krumm  ziehen,  zusammenziehen;  sieh  biegen, 
krumm  werden'.  —  Lat.  vergo  *biege,  wende',  Lett.  sa-vergt  'ein- 
schrumpfen', OE.  wrinde^  E.  wrinkle  'Runzel'. 

6.  MHG.  Uimpfen  'fest  zusammenziehen,  drücken* :  Idamben 
'fest  zusammenfügen,  verklammern'.  —  MHG.  klam  'Fessel; 
Krampf,  OE.  clemman  'contract'.  —  OE.  dingan  'sich  zusammen- 
ziehen, einschnimpfen :  hinwelken'. 

In  this  way  we  might  select  various  other  meanings  from 
this  group  of  words  to  show  how  closely  allied  they  are.  Or 
we  might  increase  this  list  by  the  addition  of  other  synonymous 
words;  and  the  larger  the  list,  the  more  evident  it  would  be 
that  common  phonetic  form  and  common  meaning  have  very 
little  to  do  with  each  other;  and  that  any  particular  significa- 
tion  might  develop  in  any  word  that  coiüd  describe  the  object 
or  act  signifiod. 

That  the  above  bases  skrimp-,  hrimp^  krimp-^  etc.  are  not 
related  is  a  priori  probable  from  the  following  considerations : 
1.  Similarity  in  meaning  tends  to  keep  words  phonetically  similar, 
not  to  dissimilate  them ;  2.  Synonymy  of  originally  distinct  words 
tends  to  assimilate  them  phonetically  or  to  cause  contamination. 
All  that  we  can  safely  assume  of  the  above  bases  is  that  some 
were  formed  as  rime-words  to  othei-s.  This  is  probable  from  the 
different  bases. 

That  the  above  bases  are  not  related  is  evident  from  the 
fact  that  they  are  derivable,  for  the  most  pai't,  from  phonetically 
distinct  IE.  bases.  Only  in  case  of  skrimp-  and  hrimp-  can  there 
be  doubt,  and  even  here  the  probabilities  are  that  they  were 
originally  distinct  bases  which  have  contaminated  each  other. 

Now  in  considering  all  such  cases  we  must  bear  in  mind 
certain  facts  in  language  development.  In  eveiy  Community  the 
vocabulary  is  made  up  of  descriptive  and  of  fixed  terms.    A 


How  are  Worda  Related?  17 

descriptive  term  is  one  which  more  or  less  exactly  describes 
tbe  object  or  action  for  which  it  Stands.  Thus  eddy,  wave^  ringlet^ 
wUrlwind  are  descriptive,  whereas  harse,  caw^  book,  sUme  are, 
in  their  literal  sense,  fixed  terms.  Fixed  terms,  however,  im- 
mediately  pass  into  descriptive  terms  when  they  are  used  figu- 
ratively.  Moreover,  the  fixed  tenns  of  to-day  are  from  the 
descriptive  terms  of  yesterday.  For  it  is  safe  to  say  that  most 
words  were  originally  descriptive  tenns. 

It  foUows  from  this  tiiat  the  signification  of  words  is 
continually  shifting.  The  word  may  be  enlarged  in  its  scope  or 
restricted  in  use.  It  will  naturally  develop  differentiy  in  different 
communities,  and  tims  will  arise  an  endless  variety  of  meanings 
and  a  wide  divergency  of  use.  This  accounts  for  such  differencos 
BS  Skt  limpdii  'beschmiert,  besudelt*,  Gk.  Xmapoc  'gesalbt, 
glänzend*,  XiTrap^uü  'harre  aus,  bitte  unablässig*,  Goth.  bileiban 
'bleiben*,  liban  'leben*,  OE.  Ictfan  'hinterlassen*,  etc. 

All  this  is  well  knowü,  and  yet  it  seems  to  be  left  out  of 
the  account  in  the  explanations  of  some.  But  another  fact,  which 
seems  not  to  be  so  well  known,  is  that  the  idea,  the  real  soul  of 
the  woi-d,  is  often  practically  unchanging.  The  idea  behind  the  word 
is  after  all  the  real  word,  and  that  shoidd  be  the  etymologist's 
aim.  It  is  true  that  many  words  lost  their  descriptive  force  so  long 
ago  that  their  primaiy  meaning  may  always  remain  hidden  in  tiie 
obscurity  of  the  past,  but  even  then  it  is  a  factor  to  be  considered. 
The  idea  behind  the  word  remains  the  same  because  things 
remain  the  same.  To  the  average  person  the  objective  world  is 
the  same  to-day  as  it  always  was.  For  example,  what  we  mean 
by  a  'wrinkle*  does  not  differ  from  the  same  tiiing  as  seen  by 
our  prehistoric  ancestors.  If  we  attempt  to  describe  it,  we  must 
do  it  as  they  did.  We  shall  think  of  it  as  a  contraction  or 
fold  or  pucker,  or  eise  as  a  groove  or  furrow.  When,  therefore, 
we  find  a  word  for  'wrinkle*,  we  may  expect  to  find  it  connected 
with  some  such  meanings  as  *turn,  twist,  bend,  fold*;  'draw 
together,  shrink,  shrivel*;  'crumple,  break*,  etc.  And  it  matters 
not  how  or  when  the  particular  word  may  have  come  to  this 
meaning.  Whenever  the  required  meaning  is  there,  it  may  develop 
into  'wrinkle*.  So  then  we  might  call  'wrinkle'  an  IE.  word  even 
though  the  form  were  not  the  same  in  any  two  successive  ages, 
provided  we  mean  by  that  a  common  signification  running 
through  the  various  forms. 

Indogermanitche  FonclmiigeD  XVIII.  ^ 


18  F.  A.  Wood, 

Along  with  the  persistency  of  the  idea  behind  the  word 
may  go  the  greatest  variety  of  form.  And  this  helps  to  explain 
another  fact  of  common  Observation:  the  displacement  of  one 
Word  by  another.  Sometimes,  it  is  true,  there  is  apparently  no 
better  reason  for  the  disuse  of  a  word  than  of  a  fashion.  In 
other  cases  words  fall  into  disrepute  because  of  their  association. 
But  in  many  more  instances  than  is  nsually  supposed,  words 
simply  die.  The  old  body,  bereft  of  its  Wtality,  that  is,  of  its 
descriptive  force,  is  soon  forgotten  and,  if  not  ombabned  in 
written  speech,  passes  from  the  memory  of  man.  But  the  spii'it 
remains  and,  infleshed  in  a  new  form,  continues  with  restored 
vigor.  This  process  may  be  repeated  from  age  to  age  until 
finally  the  Community  will  fix  upon  a  certain  form  and  use  that 
to  the  exclusion  of  othere.  It  will  then  become  a  part  of  current 
speech  and  may  sun-ive  for  centuries  or  milleniums  as  a  more 
or  less  definite  term  for  some  object,  quality  or  action.  Such 
terms  become  more  and  more  common  as  language  develops. 
Thus  language  becomes  less  picturesque  and  poetic  but  more 
exaet  and  scientific. 

As  language  becomes  more  exact,  it  loses  its  flexibility, 
its  power  of  forming  within  itself  new  terms  and  new  expressions. 
Nevertheloss  the  people,  the  real  language-makers,  stilve  to  express 
themselves  more  forcibly  or  more  picturesquely  than  ordinary 
speech  allows,  but  tlieir  effort  is  called  slang.  So  we  may  spum 
or  recalcitrate  as  much  as  we  please,  for  these  words  have  lost 
their  vivid  signification,  but  we  must  not  kick  in  polite  society. 

IX.  Tlederraaus'. 

1.  As  an  Illustration  of  how  ono  word  may  supplant  another 
we  luay  take  some  words  for  *bat'.  We  find  the  bat  described 
as  a  *flutterer*  or  *fluttermouse'.  A  very  old  Germ,  word  of  this 
kind  is  OE.  hreaPe-müs  *bat'.  This  had  perhaps  even  in  OE.  time 
ceased  to  be  a  descriptive  term.  The  first  part  of  the  Compound 
implies  an  older  *hreoßan,  whicli  is  tiie  ON.  hriöda  'stürzen,  los- 
fahren ;  wegwerfen,  ausstreuen',  and  connected  with  OE.  hryPig 
*in  ruins,  verfallen',  Lith.  krutü  *rühre  mich',  krutüs  *rührig; 
beweglich,  regsam',  and  perhaps  also  with  MHG.  rütten^  rütteln 
'rütteln,  schütteln'. 

2.  OE.  hrere-müs  *bat',  ME.  reremous^  must  have  preserved 
its  descriptive  force  down  through  the  ME.  period.    The  fii*st 


How  are  Words  Related?  19 

member  of  the  Compound  is  froni  OE.  hreran  *move,  shake,  stir*, 
OHG.  ruaren  *rühren*,  etc.  This  word  displaced  the  other  because 
it  better  represented  to  the  minds  of  the  users  their  idea  of  the 
bat  It  is  in  no  sense  an  analogical  transfomiation  but  an  old 
idea  revivified  by  infusion  into  a  new  form. 

8.  E.  ftickermouse  *bat*  is  another  revivified  word,  the  first 
part  being  from  E.  flkker^  OE.  flicorian  'flutter*.  In  the  same  way 
were  formed  E,  flittemumse  *bat^  from  E.  flüter  ^flutter*,  G.  flattern; 
and  late  ME.  jlyndermouse^  E.  fiindennouse  'bat'  from  prov.  E. 
flinder  *flirt,  run  about  in  a  fluttering  manner'. 

4.  OHG.  fledarmüSj  MLG.  vleddermüs^  Du.  vledermuis^  OSw. 
fUjedhermüs  Tiedermaus' :  OHG.  fledarön^  Du.  fladderen^  Sw.  fladdra 
'flattern*.  This  seems  to  be  an  old  word,  but  it  is  such  a  natural 
Compound  that  it  may  have  arisen  in  different  places  inde- 
pendently. 

5.  Dan.  flaggermus  'Fledermaus'  :  flagre  'flattern,  flackern', 
Osw.  flakra  'liebkosen'  (compare  G.  flattern :  E.  flatter  'schmeicheln'), 
MHG.  dackem  'flackern',  OE.  flacor  'flying'.  These  words  are 
closely  related  to  OE.  flicorian^  E.  flkker  'flutter',  but  it  does  not 
foUow  that  E.  flickermouse  and  Dan.  flaggermus  go  back  to  a 
common  form  or  are  even  cognate  as  Compounds,  though  their 
component  parts  are  cognate  and  they  embody  the  same  idea. 

6.  0N.fe(fr-6fafAa('leather-f lapper'),  Sw.fio^^J&icfai  'bat' :  ON. 
blaka  'flutter,  flap',  blakta  'move  to  and  fro,  flutter',  blakra 
•flutter,  flicker'. 

7.  Liith.  sziksznöspamis  ('Lederf lügler')  'Fledermaus'  is  in 
meaning  the  exact  counteipart  of  ON.  ledrUaka. 

8.  ME.  backe,  whence  E.  bat.  Dan.  aften-bakke  'bat',  OSw. 
natt'bakka  'night-jar',  ML.  batta,  blatta,  blacta.  In  those  words 
confusion  has  come  in  because  the  original  meaning  was  lost 
sight  of.  It  is  impossible  to  say  what  the  original  form  was  or 
whether  it  is  Germ.  There  seems,  however,  to  be  a  secondary 
connection  with  E.  bäte  'beat,  flap'  (the  wings).  Fr.  battre  les  ailes 
(cf.  Cent  Dict  s.  v.  bat6). 

X.  'Bur,  Klette'. 

In  a  number  of  words  for  'bur'  we  find  the  underlying 
meaning  'clinging,  sticking  to,  adhering'.  This  meaning  is  ex- 
pressed by  various  different  bases  going  back  to  the  samo 
meaning. 

2* 


20  F.  A.  Wood, 

1.  L\ih,göda8  *Klette*  :  'Habgier*,  the  same  word  in  both 
meanings,  from  *ghöd(hs  *gi'aspiiig*,  IE.  bnse  ghed-  :  Lat.  pre- 
hendo^  Gk.  xavbdviu,  Goth.  bigitan.  etc.  (cf.  author,  Mod.  Lang. 
Notes  15,  95). 

2.  OE.  dife  *burdoek*,  MLG.  klive,  OHG.  klfba  'Klette* 
:  Mfban  *kleben,  haften',  ON.  klifa  'klettern*,  primarily  *cling  to*, 
OE.  difian  'adhere*. 

8.  E.  diai.  dühe^  dide  *burdock'  :  OE.  cetdfpan  'adhere*,  dfßa 
*poultice,  plaster*,  Liih.  glüe  *Klebrigkeit;  Fischleim*,  Lat  glüten 
*glne*.  The  common  meaning  is  *cling  to,  stick*.  Derivatives  of 
the  same  base  seem  to  be  OHG.  itef/a,  Jdedda  'Klette*,  and  MDu. 
disse^  clesse  'Klette*,  though  Idetta  is  perhaps  better  explained 
as  in  21,  9a. 

4.  OE.  däte  Tjurdock*,  dUe  'coltsfoot*,  E.  dial.  rfofe,  dite^ 
deat  'burdock'  :  diie  *clay,  mire*  imply  an  OE.  verb  *dttan 
'ding,  stick,  adhere*,  pre-Germ.  base  glid-,  Lett.  glidet  'schleimig 
werden*. 

5.  ON.  A:/tt«5T 'Dombusch* :  Sw.  klänge  'Wickelranke*,  klänga 
'klettern*,  Dan.  /dt/nge  sig  'sich  anklammem*,  E.  ding  'sich  an- 
klammern; ankleben*,  OE.  dingan  'contract*. 

These  words  are  not  necessarily  old,  bat  the  manner  of 
describing  them  is  as  old  as  a  word  for  'bur*  well  coiild  be. 
There  may  have  been  a  score  of  Gerai.  words  for  *bur*  that 
have  been  lost,  all  meaning  'clinging,  stickijig*.  The  idea  sur- 
vived;  the  word  changed.  We  shall,  therefore,  find  connected 
with  OE.  dffe,  däte^  etc.  other  words  with  an  entirely  different 
meaning,  since  *cling,  stick*  may  be  the  descriptive  temi  for 
qiiite  different  objects. 

XL  'Shrew-moiise*. 

The  words  for  'shrew-mouse*  ai-e  instriictive  since  they 
preserve  so  well  the  original  descriptive  force.  Shrews  resemble 
mice  in  general  appearance,  bat  have  a  long  shaip  snout.  Prom 
this  they  probably  take  their  name.  At  any  rate  the  word  means 
'cutting,  Sharp,  pointed*. 

1.  OHG.  spizi-müs  'Spitzmaus' :  spizi^  spizzi  'spitz*. 

2.  OE.  screäuHX  'shrew-mousc*  :  ME.  schrewe  'wicked,  mali- 
cious*,  primarily  'sharp,  biting*,  OE.  scread  'shred,  paring*. 

3.  OE.  scierfe-mü8  'shrew-mouse'  :  sceorfan  *gnaw',  OHG. 
searbön  'zerschneiden*. 


How  are  Words  Related?  21 

4.  OE.  hearma  *shrew-mouse*  :  hearm  *grievous,  cruel, 
wicked;  injury,  hann,  loss,  grief,  primarily  *sharp;  sharpness*, 
6K  Kip^ia  *sinall  particle,  morsel*,  Keipu)  *cut,  shear*. 

5.  Lith.  hertüSj  kertükas  ^Spitzmaus'  :  kertü  *haue  scharf, 
kartüs  •bitter',  Skt.  kärtate,  kpitdti  •schneidet*. 

Some  might  be  inclined  to  cojinect  Lith.  ker-tüs  with 
OE.  hear-mdf  referring  both  to  a  base  qer-^  qor-  'shrewmouse*. 
But  for  such  a  procedure  we  have  not  the  slightest  justification. 
Both  words  may  indeed  go  back  to  a  base  qer-  *cut',  but  it  is 
evident  that  they  developed  independentiy. 

Xin.  •Bull,  Steer\ 

We  find  IE.  words  for  •steer,  bull'  which,  though  not 
phonetically  corresponding,  are  sometimes  connected.  They  are 
mach  better  explained,  however,  by  those  who  refer  them  to 
different  bases.  The  similarity  in  meaning  together  witli  tlie 
dUsimilarity  in  form  and  origin  is  seen  from  the  following  coai- 
pahsons. 

1.  Gk.  cTuofiai  'stand  stiff,  crOXoc  'pillar*,  ON.  stümi  *giant*, 
Gk.  craupoc,  ON.  staurr  Tfahl',  OSw,  dür  "groß*,  OHG.  stüri,  stiuri 
*stai'k,  stattlich*,  Skt.  sthürd  *grob,  dick,  massiv',  sthävira  Mick, 
derb,  dicht'  :  Av.  sku>ra  *  Zugstier*,  Goth.  stiurs  *  Stierkalb'  (cf. 
Brugmann  Grdr.  1«,  112;  Hii-t  Idg.  Abi.  426). 

2.  Skt.  tamii,  täuti  Mst  stark',  taväs  'stark',  tümra  'feist, 
strotzend*,  used  of  bulls,  Lat.  tumeo  'swell'  :  Gk.  laöpoc,  Lat 
taurus^  ON.  ßiörr  *bull',  CbSl.  turu^  Lith.  tauras  'Auerochs'  (cf. 
Prell witz  Et.  Wtb.  s.  v.  laOpoc;  Brugmann  Grdr.  1«,  174). 

3.  ON.  ßröask  'gedeihen,  wachsen*,  ßrüdr  'Kraft',  OE.  ßryß 
'strength,  might;  troop,  host',  prätian  'swell  with  pride  or  anger*, 
ä-prüten,  ON-  ßrüienn  'swoUen',  ßrote  'swelling',  prütna  'swell 
up,  rise*,  Germ,  base  /röw-,  prü-  'swell*  :  Gall.  iarvos,  Olr.  tarhh^ 
Welsh  tarw  'bull*.    Compare  the  following. 

4.  Goth.  wahgan  'wachsen',  ON.  vaxa^  pret.  plur.  uxom  with 
the  same  vowel  gradation  as  Skt.  ük^i  'wächst*  :  uk^n  'Stier*, 
Goth.  auhsa  'Ochse*,  etc.  (cf.  ühlenbeck  Et.  Wtb.  s.  v.). 

5.  Skt  bMri  'reichlich,  viel,  groß,  gewaltig*,  Goth.  uf-batiljan 
'aufschwellen  machen',  OE.  byle,  OHG.  büUa  'beule',  Lith.  bulls 
Hinterbacken'  :  biäius  'Stier,  Bulle',  ON.  hole,  ME.  Jwfe,  MLG. 
buUe  'buU',  OE.  buUuc  'bullock'  (cf.  Ühlenbeck  PBB.  26,  298). 


22  F.  A.  Wood, 


Xin.  *Willow'. 


Words  for  Villow'  mean  primarily  *bending,  pliant,  siipple*, 
and  may  therefore  be  cognate  with  naraes  of  other  objects  that 
bend  or  twist. 

1.  OHG.  tcfda,  ON.  vfder  'Weide',  OE.  teißig  •willow:  band, 
bond',  lith.  v^is  *eine  schlanke  Rute  oder  Gerte  vom  Weiden- 
baum*,  Lat  tntis  Vine*,  Skt.  vitd  'gewunden*,  vdyaH  Vebt,  flicht*, 
Lith.  v^H  "drehen*,  etc.,  whence  also  the  foUowing. 

2.  Lat  vimen  *pliant  twig,  withe,  osier,  slip  of  willow*, 
Ir.  fiamh  'Kette*,  Skt.  vema  'Webstuhl'  (cf.  Uhlenbeck  Ai.Wtb.  s,  v.). 
These  words  are,  strictly  speaking,  not  cognate.  For  each  was 
probably  derived  from  the  base  uei-  independently. 

3.  Sw.  dial.  vikker^  vekker  'sweet  bay-leaved  willow*,  Dan. 
dial.  vögger^  vegre  'pliant  rod,  withy*,  vager  'willow*,  E.  wicker 
•pliant  twig,  osier,  withe*  :  MHG.  wkke  'Docht  von  Garn  gedreht, 
gedrehte  Charpie*,  OE.  wecca  'wick*,  OHG.  tvickilfn  'Wickel,  Flachs- 
oder Wollpensum  zum  Abspinnen*,  Ir.  figitn  'webe*  (cf.  Fick 
Wtb.  2*,268 ;  Lid6n  Studien  zur  ai.  und  vgl. Sprachgeschichte  26  ff.). 

4.  OS.  fvilgia^  MHG.  unlge,  OE.  tcylig  'willow*,  tväige  'basket* 
probably  represent  a  pre-Germ.  ^ueliR-,  ^vith  which  compare 
Gk.  FIXiE,  ?XiE  'gewunden*.  Here  or  to  the  following  belongs 
Gk.  kXxKX]  'willow*  (cf.  Hoops  IF.  14,  481). 

Or  OE.  unflig  etc.  may  go  back  to  *udek-  and  be  compared 
with  Skt.  viUga-s  'Schößling,  Zweig*,  Av.  varasa-^  ChSl.  vlasü  'Haar* 
(cf.  Uhlenbeck  Ai.  Wtb.  277)  or  to  ^udeq-  and  be  compared  with 
Skt.  wükd'S  'Bast*,  ChSl.  vldkno  'Faser',  OE.  uioh  'Faser,  Flocke*,  etc. 
In  any  case  we  may  refer  all  to  the  base  ud-  'twist,  bend  :  Skt 
vdlaH  'wendet  sich,  dreht  sich*,  Lith.  vßti  'walken,  verwirren, 
verschlingen*,  etc. 

5.  Lat  saiix^  Gk.  tXiKrj  'willow*.  The  Gk.  word  is  certainly 
identical  with  ^Xikti  *a  winding,  twisting;  part  of  a  shell-fish*, 
and  related  to  ?XiE  'twisted,  beut,  curved,  winding,  spiral*,  as 
subst  'spiral,  twist,  whirl;  whirlpool;  tendril  of  the  vine;  curl, 
lock  of  hair;  beweis*,  iXiccu)  'tum,  roll,  wind,  wrap,  bend,  twist, 
twine*,  though  we  seem  to  have  here  a  confusion  of  two  bases 
9dik'  and  ueHk-, 

6.  OE.  sealh,  OHG.  salaha  'willow'  :  ON.  slaga  'kreuzen, 
schief  gehen',  digr  'schlau,  listig',  Dan.  forslagen^  NHG.  ver- 
schlagen^  ON.  dunginn   'wound  up;   sly,   artful',   OHG.  dingan 


How  are  Words  Related?  23 

'winden,  flechten,  schwingen*,  ON.  dyngua  Verfen',  Av.harecayeiU 
'schleudert,  wirft*,  Goth.  slahan  'schlagen*  (cf.  author  Am.  Jouni. 
Phil.  24,  42  ff.). 

Hirt  Idg.  Abi.  550,  connects  Lat.  salix  and  OHG.  salaha, 
referring  them  to  a  base  sdoik  'Weide*.  This  comparison  woiild 
make  it  necessary  to  assume  that  scdaha^  salha  (OE.  8ealh\  is 
for  Gemi.  *soZfÄö,  which  is  altogether  iraprobable,  since  the  * 
would  not  be  syncopated  early  enough  to  allow  of  the  develop- 
ment  of  a  svarabhaktic  vowel.  They  may,  however,  be  referred  to 
a  base  srfo-,  which  is  discussed  in  the  article  cited  above,  and  thus 
remotely  connected.  But  this  connection  does  not  presuppose  an 
IE.  base  seh-  'willow*  but  'wind,  twist*,  etc.  The  very  fact  that 
we  find  so  many  words  for  Villow*  makes  it  improbable  that 
any  one  w^ord  became  a  fixed  term  in  IE.  time. 

7.  Gk.  XuTOc  'any  pliant  twig  or  rod  fit  for  wicker- work, 
>vithe,  willowtwig*,  Xuriiiu)  'bend,  twist;  writhe,  struggle*,  XuTicrric 
*basket-raaker*,  lith.  lugnas  'geschmeidig,  biegsam*,  OE.  lücan 
'interlace,  close,  shut*,  är-loc  *oar-withe,  rowlock*,  locc  'lock,  hair', 
Goth.  gchlükan^  etc. 

8.  ChSl.  vhiba  'Weide*,  Lith.  verbä  'Weiden-  oder  Birken- 
rute, Reis,  Gerte*,  vifbas  'Rute,  Zweig*,  virbinis  'Schlinge*,  OPruss. 
wirbe  'Seil*,  Lith.  verbiü  'wende  um*,  Goth.  wairpan  'werfen*  (cf.  6, 1). 

9.  Lith.  Uinde  'Salweide*  :  Gk.  ßXaöapoc  'loose,  soft*,  Skt. 
mrdür^  'weich,  zart*,  ChSl.  mladü  *jung,  zart',  Lat.  blandus. 

10.  Lith.  glösniSy  OPruss.  glossis  'Weide'  are  no  doubt  from 
some  Word  nieaning  'bend*  or  the  like.  We  may  perhaps  com- 
pare  MHG.  klaie  'KraUe*. 

XIV.  'Nit*. 
Several  words  for  'nit'  are  derivable  from  verbs  meaning 
'scrape,  rub*.  This  seems  to  indicate  either  that  the  nits  were 
supposed  to  cause  the  itching  or  tliat  they  were  thought  of 
as  granules,  particies.  Here  as  elsewhere  it  is  the  common  meaning 
not  the  common  form  that  prevails. 

1.  Skt  likhäti  'ritzt,  reißt  auf,  ritzt  ein*  :  lilchya-s.  likßd^ 
NPers.  rük,  etc.  'Niß*  (cf.  Hörn  NPers.  Et.  618;  Uhlenbeck 
Ai.  Wtb.  261). 

2.  OE.  hnitan  'stoßen',  ON.  hnita  'stoßen,  sticken',  Gk.  KviZlui 
'ritze,  kratze,  reize*  :  OE.  hnitu,  OHG.  niz  'Niß',  Gk.  Koviöec  'Eier 
der  Läuse,  Flöhe,  Wanzen'  (cf.  Prellwitz  Et.  Wtb.  154,  158). 


24  F.  A.  Wood, 

Though  the  Ok.  and  Germ,  words  are  no  doubt  froiii  the 
same  base,  they  were  probably  formed  independently. 

3.  OHG.  gnüan  'reiben,  fricare*,  MHG.  gnist  *fest  auf  der 
Kopfhaut  sitzender  Hautschmutz,  Grind*,  ON.  gnist  'knirschen', 
OE.  gnidan  *rub;  pulverize',  gnidd  'pestle*  :  Pol.  gnida^  Russ. 
gnida,  Czech.  hnida  'Niß'. 

4.  ChSl.  gladüi  'glätten*,  Czech.  Uadüi  'glätten,  polieren, 
streicheln',  Pol.  gladzic  'glätten,  feilen',  MHG.  glinden  'gleiten' 
:  Lith.  glinda  'Niß'. 

5.  Lat.  lendes  'Nisse*  seems  to  come  from  a  different  meaning, 
perhaps  'crawl*.  Compare  Lith.  lendü  'krieche',  lindu  'schleiche, 
krieche*. 

XV.  •Sinew,  Nerve*. 

We  find  a  number  of  words  for  'sinew,  tendon'  in  which 
the  primary  meaning  is  'string,  cord*.  No  doubt  there  were 
names  for  'sinew'  from  the  very  earliest  times.  Some  of  these 
may  have  survived,  but  the  words  we  find  for  'sinew*  are  in 
most  cases  transparent  descriptive  terms,  and  may  be  compara- 
tively  recent. 

1.  Skt  snät/ati  'umwindet*,  sndyu-^^  mdyu  'Band,  Sehne*. 

2.  ON.  müa  'winden,  drehen,  eilen',  S w.  sno  'drehen,  zwirnen ; 
sich  beeilen,  laufen',  Goth.  sniwan  'eilen',  etc.  :  Lett.  snaujis 
'Schlinge',  Skt  mävan  'Band,  Sehne' ;  Av.  snävar»  'Sehne',  Gk.  veupd 
'Sehne,  Bogenseline ',  veOpov  'Seime,  Kraft'  (cf.  Prell witz  Et. 
Wtb.  211;  Brugmann  Gr.  Gramm.  54;  Noreen  ürg.  Lautl.  85; 
Hirt  Idg.  Abi.  478). 

These  two  groups  may  be  remotely  connected  through  a 
base  sne-  'tum,  twist,  twine ;  whirl,  hasten'  (cf.  Color-Names  1 1 9  ff.), 
but  the  various  words  for  'sinew'  probably  arose  independently 
after  the  meaning  'cord,  string'  had  developed.  It  is  altogether  im- 
probable that  there  was  an  IE.  base  senäu  'Band,  drehen',  from 
which  OHG.  senatca^  Skt  mävatij  Gk.  veöpov,  ON.  snüa  were  derived. 

3.  OHG.  senawa^  OE.  sinu^  ON.  sin  'Sehne'  are  probably 
not  connected  with  the  above  at  all.  These  go  back  to  a  Germ. 
*sinwO^  which  must  be  a  comparatively  recent  formation.  For 
IE.  *senua  would  have  yielded  Germ.  *sinnö,  Germ.  *sintw  may 
be  refeiTed  to  pre-Germ.  *sinuä  from  a  base  *sinu-  :  Skt.  sinöti 
'bindet' ;  sinäti^  sydti^  OHG.  seU^  seito^  simo^  etc. 

4.  Lith.  nerii^  'fädele  ein',  narinu  'mache  einen  Knoten 
oder  eine  Sclüinge',  OHG.  nat^  *eng',  nanm  'Narbe;  fibulatura'. 


How  are  Words  Related  ?  25 

pre-Gemi.  *fuyruä  *das  Zusammenziehen',  Lat.  nervus  *Riemen, 
Saite,  Sehne*  (cf.  Schade  Wtb.  1,  640;  Persson  Wz.  68  f.).  These 
words  have  no  connection  with  Gk.  veOpov. 

5.  Skt  fxiffaH  'webt,  flicht^  lith.  vyti  *  drehen',  Gk.  ivec 
*fibre&,  sinews,  neck',  tviov  *nape  of  the  neck*. 

6.  Gk.  reivu)  "spanne',  tovoc  'Spannung;  Seil,  Strick,  Sehne*, 
T€vu)v  'Band,  Sehne'. 

7.  Lith.  gijä  "Faden',  Gk.  ßioc  •Bogen',  Welch  gi  "Sehne*, 
Sktjjfd,ßffä,jyäkä  "Bogensehne*,  ChSl.  zica  "Sehne*  (cf.  Uhlenbeck 
Ai.  Wtb.  101). 

8.  Lat  fäum  from  ^g^his-Uhtn  "thread,  fibre*,  ChSl.  ii/a,  Pruss. 
-gido  "Ader*,  Lith.  gysla  "Blattrippe,  Ader,  Sehne'  (cf.  Brugmann 
Grdr.  1«,  785;  Bemeker  Preuß.  Spr.  292).  Compare  also  Lat 
fibra  "fibre,  filament,  entrails',  fiscus  "basket  wovon  of  slender  twigs'. 

9.  Gk.  i^Top  "heai-t',  fjxpiov  "warp',  Ir.  in-athar  "Eingeweide*, 
OHG.  ädara^  MHG.  äder  "Ader;  Saite,  Bogensehne,  Sehne,  Nerv*, 
pl.  "Eingeweide*,  OHG.  in-ädiri  "viscera,  intestina',  OE.  adre  "veiu, 
nerve,  sinew*. 

10.  OE.  cnyUan  "tie',  cnyUels  "string,  sinew*. 

In  the  above  we  have  words  for  "sinew*  ranging  from  the 
earliest  times  down  to  the  present,  and  yet  there  is  no  evidence 
that  in  this  sense  the  words  had  become  fixed.  Av.  snavar9  and 
Gk.  veöpov  correspond  most  closely,  but  the  secondary  meaning 
'sinew*  may  have  developed  independently  in  each.  Before  the 
formation  of  the  separate  IE.  dialects,  if  there  ever  was  such 
a  time,  tliere  may  have  been  as  many  words  for  "sinew*  as  there 
were  comraunities.  In  fact  we  may  well  believe  that  any  word 
for  "string,  cord'  might  be  used  for  "sinew*,  just  as  in  Eng.  we 
speak  of  the  sinews  as  cards.  In  ordinary  speech  cord  and  liga- 
merU  have  nearly  driven  sinew  out  of  use  except  in  its  figurative 
sense.  And  it  matters  not  how  the  meaning  "cord,  string'  develops. 
All  that  is  necessarj'  is  that  the  proper  term  should  arise,  and 
the  word  Springs  into  existence. 

XVI.  "Enti-ails*. 

In  some  cases  the  same  word  may  moan  "sinews*  and 
'entrails*.  This  is  because  "entrails*  are  often  called  "cords,  ropes, 
geschlinge*.  For  examples  of  this  see  Mod.  Lang.  Notes,  1 7,  7  f. 
In  other  cases  the  viscera  are  thought  of  as  "sacks,  pouches' 
or  as  "wrappers,   coverings'  (ib.,  9  f.).    A  third  general   term 


26  F.  A.  Wood, 

for  intestines   is  *inwards',   a  common   and   obvious  mode  of 
description. 

1.  Skt.  aniär  *innen',  Lat  inter^  Skt  dniara-s  Mer  innere', 
antrd-m  'Eingeweide',  ChSl  jßtro  *Leber',  Gk.  Iviepa  •intestines'; 
Lat.  interior  *inner',  interiöra  "intestines* ;  internus  *inward',  interna 
"intestines*,  Veg.  Vet  3, 2;  itUeräneus  *inward*,  -äneunu,  It  entragno^ 
OFr.  entraigne  *intestine';  ML.  intralia,  Pr.  entraiUes  *en(rails*. 

These  words  do  not  come  from  a  fixed  IE.  term  for  "entrails*, 
bat  from  words  meaning  Vithin*,  Mnward*.  Some  are  very  old 
words,  others  qiüte  recent. 

2.  Lat  inti4$^  Gk.  ivroc  'within',  Skt  antaslya-m  'Eingeweide'; 
Gk.  fvTOcGi  "from  within*,  ivxöcGia  *inwards';  dviocGiöioc  *inward*, 
-la  'inwards' ;  Lat  intestintis  *inward',  -tina  *inwards'. 

The  above  as  words  for  "intestines*  have  no  conneetion  with 
the  preceding  group.  They  are  related  in  meaning  only,  though 
both  groups  are  from  IE.  en  *in'.  This  is  also  in  the  foUowing. 

3.  Gk.  ifKdc  "deep,  down  below*,  IxKaia  "entrails*. 

4.  ON.  innar  "drinnen',  innre^  iöre  "der  innere',  idrar  "Ein- 
geweide*; OHG.  innaht  "Inneres,  Eingeweide' ;  OE.  innod  "interior; 
intestines,  stomach,  womb',  OHG.  inn{e)ödi^  innödüe  "Eingeweide'; 
Goth.  innaprö  "von  innen',  OHG.  innuodri^  OS.  innathri  "Ein- 
geweide*; OEJnnantveard  "in  ward',  ß(et  innanteearde  "inwards',  etc. 

XVn.  Various  Parts  of  the  Body. 

We  find  a  large  number  of  words  for  this  or  that  paii;  of 
of  the  body,  some  of  which  are  given  below.  The  examples 
given  should  teach  us  that  we  should  be  careful  how  we  refer 
to  IE.  words  for  "back,  belly,  breast,  knee*,  etc.  That  there  were, 
for  example,  words  for  "knee'  is  certain.  But  they  did  not  mean 
simply  "knee',  but  "crook,  bend,  knob',  or  the  like,  and  hence 
could  be  used  of  other  objects  that  coidd  be  tlius  described. 

It  is  also  important  to  notice  that  when  we  find  the 
same  word  giving  derivatives  for  "hill,  boil,  hump,  back,  goitre, 
cheek',  etc.,  as  in  no.  18  below,  it  is  because  the  word  can 
describe  these  various  objects  and  hence  can  become  a  fixed 
term  for  them.  So  in  Skt  kakßa-s  "Achselgrube',  Lat  coxa  "Hüfte', 
OHG.  hahsa  "Kniebug',  Ir.  coss  "Fuß',  there  is  no  shifting  of 
meaning  in  some  word  for  a  part  of  the  body,  but  a  different 
applicixtion  of  some  term,  such  as  'bend,  curve',  that  might 
describe  any  one  of  these. 


How  are  Words  Related?  27 

That  designations  for  some  parts  of  the  body  should  become 
fixed  terms  at  a  very  early  period  is  not  stränge.  But  it  is  just 
as  certain  that  such  terms  as  heart^  liver,  tongue  were  descriptive 
terms  originally  as  that  E.  hump^  eheste  cord  are  so  at  present 
It  is  inconceivable  that  a  word  for  'heart'  could  spring  into 
existence  exeept  as  a  descriptive  term.  Some  starting  point,  of 
course^  there  must  have  been,  a  time  when  the  utterances  were 
demonstrative  and  expressive  rather  than  descriptive.  But  to 
such  a  time  it  is  impossible  for  us  to  go  back.  So  far  as  words 
can  be  explained  at  all,  they  are,  aside  from  a  comparatively 
few  onomatopoetic  words,  descriptive  terms.  And  these  descriptive 
terms  are  for  the  most  part  traceable  to  expressions  (whether 
nouns  or  verbs)  of  motion.  Back  of  this  we  can  not  go. 

1.  Skt  sphurdti  'stößt  weg,  tritt,  schnellt,  zuckt,  zappelt', 
Lith.  spirü,  Lat.  spemo^  etc.,  OHG.  spor  *Spur,  Fährte',  6k.  cq)up6v 
•Knöchel,  Ferse';  Goth.  spartm  'Sperling'  :  OE.  spearwa  'Wade' 
(ef.  Schade  Wtb.  854;  Brugmann  Grdr.  1«,  516;  Uhlenbeck  Ai. 
Wtb.  351;  Kluge  Et.  Wtb.). 

2.  Lat  urvum  'Krümmung  des  Pfluges',  Ose.  uruvo  'krumm', 
Skt  üru-^  •Schenkel'  (cf.  Uhlenbeck  Ai.  Wtb.  32). 

3.  Ldth.  lekiü  'fliege',  Gk.  XaKTi2[u)  'schlage  aus',  Xcxktic 
•Keule',  ON.  Ickr  'Schenkel',  leggr  'Bein'  (cf .  Prell  witz  Et  Wtb.  1 74  f. ; 
Brugmann  Grdr.  1*,  585). 

4.  Skt  skhdlaU  'strauchelt,  taumelt*,  Lith.  sJcdiü  'bin  schuldig', 
Gk.  acaXiivöc  'hinkend',  ocoXiöc  'krumm,  unredlich',  Lat  scdus :  Gk. 
ocdXoc  'Schenker,  oceXic  (cxeXic)  'Hinterfuß  und  Hüfte  des  Tieres'. 

5.  OS.  skakan  'gehen*,  QiE.  scacan  'move  quickly;  shake* 
:  GL  CK&L\x}  'hinke',  Dan.  skank  'lahm*,  ON.  skakkr  'hinkend, 
schief,  skakka^  skekkia  'schief  machen'  :  OE.  scanca  'shank,  leg', 
gescincio  'fat  about  the  kidneys*,  OHG.  scinko  'Beiriröhre,  Schenkel', 
MHG.  schinke  'Schenkel,  Schinken*,  Schenkel  'Schenkel,  Schinken**). 


1)  Several  attempts  have  been  made  to  connect  OE.  scencan, 
OHG.  acenken  'einschenken,  zu  trinken  geben'  with  shank^  Schenkel.  The 
most  ingenious  of  these  is  by  Schilling  Jour.  of  Germ.  Philol.  4,  510  ff. 
Seh.  is  perhaps  right,  and  yet  a  simpler  explanation  for  schenken  presents 
itself.  OHG.  scenken  corresponds  exactly  to  ON.  skekkia  from  *skankjan  'schief 
machen'.  Compare  the  similar  development  in  Sw.  siup  'schief,  stupa 
'abstürzen;  stürzen,  fallen',  ON.  stüpa  'stoop,  fall',  OE.  stüpian  'stoop, 
curve  downwards'  :  ON.  sieypa  'overturn,  pour  out',  Sw.  stöpa  'gießen'. 
ON.  skenkr,  skenkia  are  loanwords  and  can,  therefore,  not  be  used  to 
explain  schenken. 


28  F.  A.  Wood, 

6.  Goth.  gaggan  'gehen',  Lith.  iengiü  'schreite*,  Skt  jdnghä 
•üuterbein',  Av.  zanga-  *Knöcher,  Osset  zängä  *Kiiie*,  MPers. 
zang  Tuß*  (cf.  Hom  NPers.  Et  p.  302;  ühlenbeck  Ai.  Wtb.  96). 

7.  Skt  pddyate  'fällt,  geht*,  ON.  feta  'treten,  schreiten*,  fßt 
•Schritt*,  Goth.  fötus^  Lat  p€B^  etc. 

8.  Skt  vdncati  'geht  krumin',  vakrä  'gebogen,  krumm*, 
OHG.  uHing  'Feld,  Aue*,  tvanga  'Wange*,  etc. 

9.  Dan.  kok  'heap,  pile',  NHG.  kocke^  R  cock  'Heuhaufen', 
Pol.  guz^  Lith.  güicis  'Beule*,  güias  'Buckel,  Drüse,  Knorren; 
Knopf,  gu^gs  'Kropf  der  Vögel',  OE.  c^ce  'jaw',  E.  cÄ«e*r 'Wange' ; 
Icel.  kjüka  'Huf,  Klaue'  (cf.  author,  Mod.  Lang.  Notes,  Jan.  1904). 

10.  OHG.  bahho,  baccho,  MHG.  backe  'Kinnlade,  Backe* :  OHG. 
bahho  'Schinken,  Speckseite*,  OS.,  ON.  bak,  OE.  b(Bc  'back*.  These 
may  well  go  together,  with  the  common  meaning  'bending,  round' 
or  the  like. 

11.  OE.  hleor,  OS.  hlior,  ON.  Myr  'Wange'  :  ON.  hlaun,  Lat 
dünis  'Hinterbacke*,  Lith.  szlaunis  'Oberschenkel',  Skt  ^röni-ß 
'Hinterbacke,  Hüfte*,  etc.,  base  ^Ideu-  'bend,  curve*  :  Skt  grönä-s 
•lahm*,  Lat  clausus  etc.  (cf.  author  AJPh.  23,  196). 

12.  OHG.  krimpfan  'krumm  oder  krampfhaft  zusammen- 
ziehen*, krampf  'gekrümmt;  Krampf  :  PoL  garb  'Buckel*,  ChSl. 
grübü  'Rücken',  gribatm^  Ir.  gerbach  'runzelig'  (cf.  Zupitza  Germ. 
Gutt  150),  to  which  add  ON.  kroppr  'Buckel,  Rumpf,  Leib',  OE. 
cropp  'sprout,  bunch,  ear  (of  corn);  crop;  kidney',  OHG.  kröpf 
'Auswuchs  am  menschlichen  Halse,  Kropf,  Vormagen  der  Vögel*. 

18.  Skt  bhujdti  'biegt*  :  bhüja-s  'Arm',  MHG.  buch,  buch 
•Keule'  (eines  Kalbes  etc.),  buch  (OHG.  büh)  'Bauch;  Magen; 
Rumpf,  buckd  'Buckel,  Puckel',  ON.  bükr  'Körper,  Leib',  OE.  büc 
'stomach ;  pitcher'.  Compare  MHG.  rumph  'Rumpf;  große  Schüssel'. 

14.  Gotli.  ußauljan  •aufschwellen  machen'  :  OHG.  büüa 
•Beule',  Lith.  bulls  'Hinterbacken'. 

1 5.  Gk.  Töpoc  'rund',  yöpöw  'krümme',  ME.  couren  'kauern' 
:  MLFr.  corn  •Leib'. 

16.  OE.  rimpan  'contract',  MHG.  rimphen  'krümmen,  rümp- 
fen', rumph  'gebogen,  gekrünmit',  rumph  'Rumpf,  Leib;  große 
hölzerne  Schüssel',  MLG.  rump  'Rumpf,  Leib;  bauchiges  Gefäß; 
Bienenkorb*,  ME.  rumpe^  E.  rump  'Rumpf;  Steiß,  Bürzel'  (cf.  5, 
1  above). 

17.  Skt  krüncati  'krümmt  sich',  ON.  hrüga  'heap',  OE.  hrgcg 
•ridge,  top,  surface ;  back',  OHG.  (h)rucki  'Rücken'  (cf.  ühlenbeck 


How  are  Words  Related  ?  29 

Ai.Wtb.  68).  This,  like  most  words  for  parts  of  the  body,  was 
applied  primarilj  to  aoimals. 

18.  Lith.  kaüpas  *Haufen',  ki^Mtas  'Hügel',  kuprä  *Höcker, 
Buckel,  der  gebogene  Rücken*,  OE.  hofer  *hiimp ;  goitre,  swelling*, 
OHG.  hovar  •Höcker',  MHG.  hubd  •Hügel',  NHG.  (bair.)  hubd 
Tlügel,  Erhöhung,  Beule',  Goth.  haubiß  *Haupt'  (cf.  Berneker 
EF.  10,  152)  :  MHG.  hüf  ^Wange',  hüfd,  hiufd,  hüffel  'Backen, 
Wange,  die  fleischigeren  Teile  an  derselben*,  OHG.  hüfa,  houf 
'Haufen',  Lat  ctdfäre,  -cumbere^  OHG.  Am/*,  OE.  hype  *hip',  LG. 
hump  'Haufen,  Hügel,  Stumpf,  E.  hump  *  Klumpen;  Buckel, 
Höcker',  NHG.  Humpen  Trinkgefäß',  Gk.  KÜ^ßoc  •Gefäß'  :  Skt 
kumbhä  Topf,  Krug',  (dual  'die  beiden  Erhöhungen  auf  der  Stirn 
des  Elefanten'),  Gk.  Köq)6c  'gebückt,  gekrümmt',  Köq)oc  'Buckel; 
Kufe',  Cret  Kuq)n  'Kopf  (cf.  Prellwitz  Et  Wtb.  s.  v.). 

We  have  here  the  bases  keup-  (qeup-)^  keüb-,  keubh-  'bend, 
arch,  curve',  whence  the  various  words  for  'hump,  heap,  hill, 
summit,  top,  head',  etc. 

19.  Skt  kucdti,  kuncate  'zieht  sich  zusammen,  krümmt  sich', 
kuca-s  'weibliche  Bnist',  Lith.  Jcaükas  'Beule',  kaukarä  "Hügel', 
Lett.  kukurs  'Höcker',  Goth.  hauhs  'hoch',  MHG.  hoger  'Höcker' 
:  ON.  hMa  'kauern',  hokinn  'gebückt',  MH(J.  hüchen  'sich  ducken', 
XHG.  hocken,  Höcker,  E.  hunk,  hunch  (cf.  Uhlenbeck  Ai.  Wtb.). 

20.  Lat  gluo  'draw  together',  OHG.  kläu^a  'Klaue',  kliuuxi 
'Knäuel  Kugel',  OE.  clüd  'rock',  ME.  clotid  'mass  of  rock,  hill', 
(tk.  tXoutoc  'Rumpf  (cf.  Schade  Wtb.  1, 498 ;  Prellwitz  EtWtb.  61). 

21.  Skt.  punja-s  'Haufe,  Klumpen,  Masse',  püga-s  'Haufe, 
Menge,  Schar'  :  Gk.  iröTn  'nrnip;  fat,  swelling  land',  mjTiwv 
'elbow*,  inrrw,  hat-pugnus  'fist',  base|>etty-  'press,  press  together; 
beat',  Lat.  pungo  etc. 

22.  Skt  dncaU  'biegt,  krümmt',  dnkas  'Biegung,  Krümmung', 
(jk.  ctTKOc  'Tal,  Schlucht',  Skt  a^ka^-m  'Weiche,  Seite*,  ankd-s 
'Biegung,  Haken,  Bug,  Schoß',  Goth.  hals-agga  'Nacken' *,  Gk. 
diKdXn  'Ellenbogen'  (cf.  Schade,  Prellwitz,  Uhlenbeck  Et  Wbb.). 

23.  Skt  anga-m  'Glied,  Körper',  angiUi-^  'Finger,  Zehe', 
OHG.  ancha  'Genick',  encfia  'Schenkel,  Beinröhre',  anchcU,  enchä 
'Fußknöchel,  Enkel'  (cf.  Uhlenbeck  Ai.  Wtb.  3).  These  are  pro- 
bably  from  a  base  eng-  'bend',  which  is  perhaps  in  Lith.  Sngiu 


1)  See  Lidön  Ein  Baltisch-Slav.  Anlaulgeselz  8   for  other  words 
for  'neck". 


30  F.  A.  Wood, 

*tuo  etwas  mühsam  und  schwerfällig',  nu-Snkti  'abquälen*,  ingi» 
Taulenzer',  0H6.  enko  'Knecht*,  ON.  ekke  *Sorge,  Betrübnis*  (cf. 
author  Jour.  Genn.  Phil.  2,  232). 

24.  Lat  ango  Mraw  or  press  together;  throttle;  press  upon, 
torment',  angor^  angustu»^  Gk.  ätx^  *press  tight,  trottle*,  Goth. 
aggums  *eng*,  etc.,  base  anegh-  *draw  together'  :  Lat.  unguis  'claw, 
talon,  nail,  hoof ',  ungula  'claw,  talon,  hoof  *,  Gk.  övuS  'Kralle,  Klaue*, 
Skt  dnghri-^  ChSI.  noga  'Fuß*,  Lith.  nagä  'Huf*,  nägas,  OHG.  nagel 
•Nagel*.  Perhaps  here  also  Lat  neäo  'bind,  fasten  together*. 

25.  Lith.  knebiu  'kneife*,  ON.  hneppe  'Bündel*,  hneppa  'zu- 
sammenkneifen, -pressen',  hneppr  'knapp*  :  hnefe  'Hand,  Faust', 
Sw.  näft^  'Faust'  :  ME.  nape  'back  of  the  neck'.  For  other 
cognates  see  Color-Names,  107. 

26.  Gk.  Kvuiccu)  'nod,  slumber',  ON.  hnekkia  'Schande, 
Schmach',  i.  e.  'das  Niedergebeugtsein*,  hnekkia  'umwenden, 
zurücktreiben ;  stoßen ;  zurückweichen*  :  OE.  hneaxif  ON.  hncMce, 
OHG.  nack  'Hinterhaupt,  Nacken*,  MHG.  genicke  'Genick*. 

27.  Gk.  KttvOoc  'eiserner  Radreifen,  Augenwinkel',  KavOdubnc 
•gebogen*,  KaveuXn  "Geschwulst*,  KdvOapoc  'Käfer,  Becher'  (cf. 
Prellwitz  Et  Wtb.  137)  :  Skt  kandhara-s  'Hals*. 

28.  Skt  kanda-s  'Wurzelknolle',  kändu'$  'eiserne  Pfanne', 
kandükas  'Spielball',  Gk.  KÖvboc*  Kepaio,  dcrpaTaXoc  (Hesych.), 
KovöuXoc  'Geschwulst,  Knebel,  Faust*  (cf.  Prellwitz  Et  Wtb.  158; 
Uhlenbeck  Ai.  Wtb.  42). 

29.  Gk.  Kvfiv  'scrape,  Scratch',  base  qnä-  'press,  rub*  :  Ir. 
cnäim  'Knochen',  Gk.  Kvrmri  'Schienbein*,  kviimoc,  LG.  hamm 
'Bergwald',  OHG.  hamma  'Hinterschenkel,  Kniekehle*,  OE.  ham(m) 
'Oberschenkel'  (cf.  Fick  Wtb.  1*,  389).  On  the  development  of 
meaning  see  35  below. 

30.  Lith.  knybau  'dränge,  belästige',  knimbu  'knicke  zu- 
sammen, falle  auf  die  Kniee',  knaibaü  'klammere  mich  an',  Gk. 
Kvicpoc  (KViTTOc)  'piuching,  niggardly',  ON.  hnippa  'thrust,  shove*, 
hnipa  'hang  the  head,  be  sad',  MHG.  nipfen  'gleiten,  stürzen; 
einnicken'  :  OE.  hnifol  'forehead',  hnifd-crumb  'leaning  over'. 

31.  ON.  hiwür  'Knüppel,  Stock',  OHG.  hnd,  nella  'vertex', 
hnol,  MHG.  nel,  nette,  not  'Spitze,  Scheitel',  nuUe  'Scheitel,  Hinter- 
haupt, Nacken',  OE.  hnoU  'crown  of  the  head*. 

32.  Gk.  Kviiw  'schabe,  kratze',  Kvö)bia  'das  leise  Anpochen*, 
OHG.  hniuican  'zerstoßen,  zerquetschen',  OE.  hneaw  'knauserig, 
knickerig'  (cf.  Prellwitz  Et  Wtb.  154),  base  qneuo-  'press  down. 


How  are  Words  Related?  31 

press  uport,  thrust,  shove,  strike,  stroke,  Scratch,  etc. ;  bend  down, 
droop,  etc.'  :  Goth.  di9'hniupan  'zerreißen*,  OSw.  njüpa  *  kneifen*, 
Lith.  knubu  'bin  gebückt',  kniüpsau^  -soti  'dauernd  gebückt  da- 
sitzen*, knüpoju  *kniee  dauernd*,  ON.  hwifa  "Buckel,  Höcker, 
Knoten*;  Gk.  kvuööv  cjniKpöv  (Hesych.),  Lett  knudit  'jucken', 
ON.  hniöda  'stoßen,  schlagen,  hämmern*,  hnodre  'Noppe,  Flocke*, 
hnoda  'kneten*,  hntföia  'knorrige  Baurawurzel,  Block*,  hnüdr 
'Block,  Knoten;  Höcker';  Gk.  kvvIvj  'kratze*,  OE.  hnot  'bald; 
close-cut*,  OX.  hniöta  'stoßen*,  hnütr  'Knoten*,  hnüta  'Knochen' 
(et  Color-Names  107  f.). 

33.  Gk.  Tvd)biTrru)  'krümme',  Pol.  gnqhuf^  gnpbid  'drücken'? 
MHG.  knebd  'Knebel,  Knöchel'  (PreUwitz  Et  Wtb.  62  :  knappr 
'Knopf,  Knauf;  Haufe',  Dan.  inop  'Knopf,  Knauf,  knap  'knapp, 
enge,  karg,  kärglich,  kurz',  MHG.  (ndrh.)  knaffen  'knausern'; 
ON.  knefan  'Zwang',  knefe  'Faust*.  From  'press,  crush*  comes 
'crunch,  gnaw'  :  NHG.  knaben  'nagen',  knabbern  'mit  Geräusch 
nagen*,  knappe(r)n  'nibble*,  Sw.  knapra  'knabbern,  nagen*. 

34.  OE. cnüwian  'zermalmen*,  ON.  knyia  'schlagen;  klemmen, 
kneifen',  llLFr.  knoutoen^  LG.  knauen  'nagen*,  NHG.  (oberd.) 
knauen^  knäuen  'stampfen,  zerstampfen*,  Germ.  *kniljan  (*knüön) 
'drücken,  zerdrücken,  zusammendrücken*,  etc. :  ON.  knüe  'Finger- 
knöchel',  Dan.  kno  'Knöchel*.  To  the  same  base  belongs  MHG. 
kniuwd  'Knäuel,  Kugel*.  This  may  be  a  later  word  than  kliuwd, 
but  there  is  no  ground  for  assuming  that  one  is  derived  from 
the  other.  If  there  had  not  been  a  base  knü-  'press,  press  together', 
there  would  not  have  been  formed  the  word  kniutoel^  whose 
primary  meaning  is  'mass,  clump*. 

35.  Lith.  gniduiiu  'schließe  (die  Hand)  fest',  gnidttöztas 
•Faust,  Handvoll*,  ME.  knucche  'Bündel*,  LG.  knocke,  MHG.  knocken 
'knuffen',  OE.  cnocian  'schlagen,  zermalmen',  ON.  knoka,  Dan. 
knuge  'drücken,  pressen',  OSw.  knoka  'Knochen',  MHG.  knoclie 
'Astknorren;  Fruchtbolle;  Knochen',  i.  e.  'zusammengedrücktes, 
-geballtes',  knuckd,  knöchd  'Knöchel',  OE.  cnucel  'knuekle' ;  Sw. 
knoga  'ochsen,  büffeln*  (compare  ON.  knyia  'klenmien,  drängen* 
:  kngiask  'sich  anstrengen'),  MHG.  knögerlin  'Knötchen',  kniigd, 
Sw.  knoge  'Knöchel';  MHG.  knocken  'kauern,  hocken',  knoc{ck) 
'Nacken*.  We  have  here  the  bases  *gneu§-,  gneu§n',  gneugh-, 
et  Bezzenberger  BB.  5,  171;  Zupitza  Germ.  Gutt.  148. 

36.  Germ,  base  knupp-,  knaup-,  knub-  'press,  crush,  gnaw; 
compress,  mass  together'  :  ON.  kneyfa  'drücken,  niederdrücken'. 


32  F.  A.  Wood, 

NHG.  knaufdn  *iiagen*,  (schles.)  knaubdn  *nagen,  kauen*  (südd.) 
knaupen  "nicken,  knicken,  hinken',  Knaupe  *Knoten,  Geschwür*, 
OHG.,  MHG.  knöpf  'Knorre,  Knospe,  Knauf,  Knoten,  Schlinge', 
ME.  knobbe  'knob',  MHG.  knouf  •Knauf,  MLFr.  cnoop  'Knoten', 
OHG.  knüpfen  'knüpfen',  MHG.  kmlbel  'Knauf;  Faust;  Knöchel'. 

37.  OE.  cmatian  'dispute'  (primarily  'press,  urge,  d6battre' 
as  in  ON.  knia  'drücken,  antreiben:  diskutieren'),  OE.  cnoUa^ 
ON.  knütr  'Knoten,  Knorre',  knyta  'knüpfen,  binden',  kntße 
'Bündel',  knüta  'Knochen',  Sw.  kiwta  'Knochen,  Knochenkopf'; 
NHG.  knautschen  'crumple',  MHG.  knützen  'stoßen,  schlagen, 
quetschen',  OHG.  knato^  knodo  'Knoten,  Knorre,  Knöchel'. 

These  raay  all  go  back  to  a  pre-Germ.  base  *gneut-^  but 
it  is  just  as  probable  that  they  represent  *gneud-  and  ^gneudh-, 
The  last  named  may  be  in  Gk.  tvuGoc  'depression,  pit,  hollow'. 

38.  ON.  knosa  ('zer)stoßen,  zerdrücken',  Dan.  kntise  'zer- 
malmen, zerdrücken,  zerquetschen',  LG.  kntisen  'dnicken',  NHG. 
Knauser  'niggard',  ON.  knauss  'bjergknold',  MHG.  knütie),  knurre 
'Knuff,  Stoß;  Knoten,  Knorren;  Fels,  Klippe,  Gipfel',  knospe 
'Knorren',  knorre  'Knorren;  hervorstehender  Knochen,  Hüft- 
knochen; Knorpel,  Auswuchs  am  Leibe'. 

The  above  may  come  from  two  Germ,  bases,  knus-  and 
knur-,  but  in  any  case  the  development  of  meaning  is  the  same. 

39.  Lett.  zäds  'scharfe  Kante  :  Kinn',  Lith.  Mndas  'Kinn- 
backen', Gk.  Tvdeoc  'Schneide,  Kinnbacken'  are  refen-ed  by  Hirt 
Idg.  Abi.  320,  to  an  IE.  base  gonä*dh  'Kinnbacken'.  It  is  safe 
to  say,  however,  that  in  IE.  time  the  w^ord  did  not  mean  'chin' 
or  *jaw'  but  'edge',  'comer'  or  the  like.  This  base,  moreover, 
is  probably  derived  from  a  simpler  base  *gon€^'^  ^ena^-^  which 
we  have  in  Gk.  tuivia  'Winkel,  Ecke*,  Lat.  gena  'cheek',  OE.  cenep^ 
ON.  kanpr  'Schnurrbart',  MDu.  canefbeen  'Wangenbein'.  From 
the  simpler  base  e«me  also  ^ene-uo-  in  the  foUowing. 

40.  Gk.  T^vuc  'Kinn',  T^veiov  'Bart',  tevnJc  'Schneide  des 
Beiles',  Lat.  (dentes)  genuini  'Backenzähne',  Goth.  kinnm  'Kinn- 
backe', OHG.  kinni  'Kinn'  :  Lat  genu^  Gk.  t6vu,  Skt.  jon«, 
Goth.  kniu  'Knie'.  Both  'chin'  and  'knee'  may  come  from  the 
meaning  *bend'. 

41.  Skt  hdnu  'Kinnbacke'  shouid  be  sopamted  from  Gk. 
T^vuc,  and  referred  to  a  base  ghenu-  'press,  crusli'  :  Gk.  xvauiw 
•gnaw  off,  nibble',  xvaöjia  'piece  cut  off,  ON.  gnüa  'rub,  crush', 
OE.gneap  'niggardly'. 


How  are  Words  Related?  33 

42.  Ski.  jdmbhate  'schnappt*,  jambhdyati  "zermalmt',  ChSl.  zßbq 
'zerreiße*,  Lith.  Jtambas  *  Kante*,  Skt.  jdmbha-s  *Zahn,  Rachen*, 
GL  Tcijicpal,  faiiqpri^ai  *Rachen,  Schnabel*  (cf.  Schade  Wtb.  1, 471 ; 
Prellwitz  Et.  Wtb.  56,  62). 

43.  OS.  haß,  OE.  ceaß  "Kiefer*,  ON.  kiaptr  "Maul,  Kinnbacke* 
probably  do  not  belong  to  the  above.  They  may,  with  Uhlenbeck  Ai. 
Wtb.  97,  be  connected  with  Av.  zafard^  zafan-  "Rachen*,  or  with 
ON.  kafle  "Stück,  TeU,  Abschnitt',  OE.  ceaf  "chaff ,  MLG.  haff  "Spreu*, 
MHG.  kaf  "Getreidehülse,  Spreu*,  OHG.  chem  "Hülse,  Schote*. 

44.  MHG.  kiver^  kivel  "Kiefer,  Kinnbacken'  should  perhaps 
be  added  to  the  above,  but  they  are  probably  recent  words. 
They  were  certainly  feit  as  descriptive  terms  from  MHG.  kifen^ 
kiffeitf  kifelen  "nagen,  kauen*.  The  *  in  these  words  may,  of  course, 
be  from  e;  but  if  it  represents  an  original  f,  which  is  just  as 
probable,  then  we  must  connect  them  with  MHG.  kiben^  kiven^ 
kihden,  kivdeti  "scheltend  zanken,  keifen',  Sw.  kifva  "zanken, 
hadern',  and  further  with  ON.  kippa  "rücken,  haschen,  schnappen, 
berauben*,  MHG.  kippen  "schlagen,  stoßen'.  MHG.  kifen  "kauen* 
:  kiver  "Kiefer*  is  parallel  with  the  following.  OH(t.  kiutvan 
'kauen*  :  kiuu?a^  MHG.  kiuwe,  kiutod  "Kiefer,  Kinnbacken*;  Lat. 
mando  "chew*  :  mandända  "jaw*;  rödo  "gnaw*  :  röstrum  "beak, 
snout,  mouth*;  Gk.  juacrdZIuj  "kaue*  :  ^(icTaE  "Mund*;  ChSl.  hüi 
•schlagen'  :  OE.  bOe  "Schnabel*   (cf.  uhlenbeck  PBB.  26,  568). 

45.  Lat  e-minere  "stand  out,  project',  nwns  "mountain' 
:  mentum  "chin*,  Goth.  munßs  "Mund*  (cf.  Fick  Wtb.  1^  513). 

46.  Gk.  |iau\ic  "Messer',  Skt.  mätdi-ß  "Spitze,  Gipfel,  Kopf*, 
ON.  mtUe  "hervorragende  Felsspitze,  Maul,  Schnauze*,  OHG.  müla 
"Maul,  Schnabel*. 

47.  Lat  umbo  "boss,  knob,  promontory*,  Skt  nähhä  "Nabe, 
Nabel*,  OHG.  naba  "Nabe*,  etc.  :  OE.  nebb  "nose,  face,  beak', 
ON.  nef  "Nasenbein,  Nase'  (author  Mod.  Lang.  Notes  18, 16).  This 
has  no  connection  with  the  following. 

48.  MHG.  «noJcn,  meben  "schnelle  und  klappernde  Bewegung 
machen,  schnappen,  schnauben'  :  OHG.  snabtd  "Schnabel',  OFries. 
mavd  "Mund*,  Du.  mavd  'Schnabel,  Rüssel*. 

49.  MHG.  snateren  "schnattern,  klappern,  schwatzen',  LG. 
moderen  "schwatzen*  :  mater  "Schnabel*. 

50.  MHG.  snäwwi,  snouwen  "schnauben,  schnaufen',  MLFr. 
9nauwen  "schnappen'  :  OHG.  müden  "schnauben,  schnarchen'; 
snüzen^  OE.  snfftan  "schneuzen*,  LG.  snüte^  E.  snout  "Schnauze*. 

Indogermanitche  Fora chungen  XVIII.  3 


34  F.  A.  Wood, 

51.  MHG.  snüfen  'schnaufen',  snoben  'schnarchen',  MLO. 
snüven  'schnauben*,  OE.  snofl  'Rotz',  OSw.  sniüva^  MHG.  snupfe 
*  Schnupfen',  mupfen  'schnaufen;  schluchzen*,  OSw.  snuppa 
^schluchzen',  ON.  snoppa  'Schnauze'. 

52.  Sw.  snoha  'schnüffeln,  stöbern',  NHG.  schnucken  'schluch- 
zen*, Lith.  snikis  'Schnauze'. 

53.  Gk.  (iööoc  llauschen',  jioGdu)  'rausche,  lärme',  (iüjGiuv 
"Nase'.  Prellwitz  Et.  Wtb.,  refers  both  words  to  bases  sre^  srö 
"fließen*. 

54.  Gk.  fioq)€Tv,  jiuqpeTv  'schlürfen*,  Ir.  insb  'Schnauze*  (cf. 
Brugmann  Grdr.  1*  454). 

XVm.  'Round,  Cuived*  :  'Bunch,  Ball*;  'Bowl,  Vessel*. 

1.  MHG.  rumph  'gebogen,  gekrümmt',  rumph  'Rumpf,  Leib; 
.große  hölzerne  SchüvSsel*,  MLG.  mmp  'Rimipf,  Leib;  längliches, 
bauchiges  Gefäß;  Bienenkorb*  (cf.  XVII,  16). 

2.  Skt.  bhujdti  'biegt*,  ]\fflG.  buch  'Bauch;  Magen,  Rumpf, 
OE.  büc  'stomach;  pitcher'  (cf.  XVH,  13). 

3.  Gk.  Köcpoc  'gebückt,  gekrümmt',  KÖ<poc  'Buckel;  Kufe*, 
Skt  kumbhd  *Topf,  Krug';  Lat  -cumbere^  E.  hump  'Klumpen; 
Buckel,  Höcker',  NHG.  Humpen  Trinkgefäß',  Gk.  KU|Lißoc  'Gefäß', 
Kujißiov  'Schale';  Lith.  kaüpas  'Haufen*,  Skt.  küpa  'Höhle,  Grube', 
'Lat.  cüpa  Tonne',  OE.  hgf  'Bienenkorb'  (cf.  XVII,  18). 

4.  Skt.  kucdti  'krümmt  sich',  Lith.  kaükas  'Beule',  Jcaukde 
'Schädel',  base  qeuq-  'curve',  with  which  compare  qeuh^  in  Skt. 
kdga  ^Behälter,  Kufe',  Lith.  kauszas  'großer  Schöpflöffel',  kiduszi 
'Himschädel'  (cf.  XVII,  19). 

5.  OHG.  bülla  *Beule',  bdla  'Knospe;  kugelförmiges  Gefäß', 
OE.  boUa  'Gefäß,  Schale'  (cf.  XVIL  14). 

6.  Lith.  güias  'Beule',  güi<z8  'Buckel,  Drüse,  Knorren; 
Knopf,  OE.  ceac  'pitcher,  jug,  basin'  (cf.  XVH,  9). 

7.  ON.  küla  'Geschwulst;  Kugel',  Skt.  göla  'Kugel',  gola 
'Wasserkrug',  OHG.  kid  'Schiff'  (cf.  Zupitza  Germ.  Gutt  145). 

8.  Gk.  bivoc  'whirl,  eddy,  vortex ;  large  round  goblet'. 

9.  Gk.  KdiLiTTTiü  'bend,  crook,  curve',  Lith.  kampas  'Ecke, 
Winkel*,  kufhpas  'krumm',  base  qa(m)p-  'curve,  bend*,  Skt.  kapdla 
"Schale,  Hirnschale,  Schädel',  OE.  Äa/ofe,  Lat.  capui,  ON.  hpfod 
"head';  Gk.  Kajiipoc  'gekrümmt',  Kd)ii|ia  'Gefäß'. 

10.  Lith.  knänu  'kneife*,  ON.  hneppa  'squeeze',  hneppr 
"knapp*,  OE.  hncepp  'cup,  bowl',  OHG.  (h)napf  'Becher,  Schale', 


How  are  Words  Related?  35 

Genn.  hnappa  *pressed,  bent,  curved*,  with  which  compare  the 
meaning  *bend,  droop,  drowse*  in  OE.  hnappian  *doze,  sleep*, 
OHG.  hnaffezen  ^schlummern'. 

11.  OHG.  krago  'Haken*,  MHG.  krage  'Hals;  Gekröse',  i.  e. 
'twist,  curve*,  OHG.  kmog^  OE.  crög  *Krug'.  Compare  also  OHG. 
hröko^  ON.  krdh'^  krikr  *Haken',  ME.  crok  *crook*,  and  the  Germ, 
bases  kring-^  krink  :  ON.  kringr  *rund ;  biegsam',  krangr  *schwäch- 
lich',  MHG.  krific^  -ges  *Kreis,  Ring',  OE.  cringati,  etc.,  and  MLG. 
krink  *Ring,  Kreis',  MHG.  kranc^  OE.  crincan,  etc. 

12.  WIQ, kriechen  *sich  einziehen;  kriechen',  OHG.  krucka 
^Krücke',  MHG.  krüche  *Krauche,  Kruke',  OS.  krüka,  OE.  crüce 
*pitcher',  croce  *crock,  pot',  ON.  krukka  TCopf . 

13.  MHG.  krüs  *kraus,  gelockt',  kriusd  *kraus;  Kreisel', 
krüse  *Knig,  irdenes  Trinkgefäß',  MDu.  kruise^  ME.  crouse  *Knig'. 

14.  Gk.  CTuq)UJ  *ziehe  zusammen,  mache  dichf ,  crvmoc  *Stock, 
Stiel',  ON.  Mfr  'Baumstumpf,  etc. :  ON.  stüpc^  OE.  stüpian  'stoop, 
curve  downwards',  steap  'high,  steep',  primarily  'curved,  arched', 
ON.  stäup  *a  round  clump  or  lump ;  cup',  OE.  stmp  'drinking- 
vessel,  flagon',  OHG.  stauph^  stouf  'Felsen ;  calix,  Becher*.  Com- 
pare Skt.  kt4cätt  'zieht  sich  zusammen,  krümmt  sich',  Bidg. 
kuka  'Haken',  Goth.  hauhs  'hoch',  Lith.  kaükas  'Beule*,  kaukole 
•Schädel*. 

15.  Skt.  gärkarä  'Gries,  Kies,  Geröll',  Gk.  KpoKaXii  *pebble*, 
KpÖKii  'rounded  stone,  pebble',  Kpiuccöc  'pitcher,  jar'. 

1 6.  Skt.  kanda-a  'Wui-zelknolle*,  kanduka-s  'Spielbair,  kandu-ß 
'eiserne  Pfanne'  (cf.  ühlenbeck  Ai.  Wtb.  42). 

XIX.  'Snail'. 

So  also  words  for  'snail'  come  from  the  primary  meaning 
'curved,  twisted,  spiral'. 

1.  Skt  krüncaii  'krümmt  sich',  Ldth.  krükis  'Türangel', 
krauldi  'Meerschnecke'  (cf.  XVH,  17). 

2.  ON.  hnuka  'be  bent',  hnukr  'mountaintop',  hnauk  'pres- 
sure', OE.  hnocc  'hook',  Lith.  kniauklf  'Schnecke*. 

3.  E.,  Sw.  kink  'twist  or  curl  in  a  rope*,  MLG.  kinke 
'Schnecke'. 

4.  OHG.  winkan  'schwanken,  nicken,  winken',  mnkil^  OE. 
icincd  'Winkel,  Ecke',  -winde^  E.  tcinkle  'eine  Art  Schnecke'. 

5.  OHG.  snahhan  'kriechen,  schleichen',  sneggo,  snecco, 
MHG.  snegge^  snecke  'Schnecke;   Schildkröte;   schneckenförmig 

3* 


36  F.  A.  Wood, 

gewundene  Treppe,  Wendeltreppe',  MHG.  snegd^  OE.  snctgd^ 
ON.  snigell  ^Schnecke'.  This  word  meant  primarily  *curve,  whirl, 
Spiral*  as  in  other  words  for  *snair  above. 

6.  Gk.  l\\l  *anything  twisted  or  Spiral:  whii-1,  eddy;  tendril; 
curl;  Volute;  part  of  a  shell  fish*,  etc.,  ^Xikti  Vinding,  twisting: 
willow;  part  of  a  shell  fish*. 

7.  Gk.  crpeßXoc  *  twisted,  crooked*,  crpößoc  *a  whirling, 
spinning;  top*,  CTp6|Lißoc  *a  body  rounded  or  spun  round:  spindle; 
pine-cone;  whirlwind;  snailshell,  snail*;  crpaßoc  Mistorted,  oblique; 
squinting*,  crpdßnXoc  'wounded,  distorted  body;  snail*. 

8.  Skt  cdkhä  *Ast,  Zweig*,  Ldth.  szakä  'Ast,  Zweig',  szaknü 
"Wurzel*,  szake  *Gabel,  Forke*  (cf.  Uhlenbeck  Ai.  Wtb.):  Skt 
pankhdj  Gk.  kotxoc  "Muschel'. 

XX.  Kliuwel  :  Kniuwel. 

The  above  words  represent  a  very  large  class  of  words 
in  which  one  is  regarded  as  the  corrupted  or  phonetically 
changed  form  of  the  other.  In  kniuwd  tlie  n  is  supposed  to 
come  from  l  by  dissimilation.  This  is  possibly  true  in  this  case; 
but  there  were  other  factors,  which  perhaps  had  more  to  do 
with  the  change.  In  fact  we  have  here  perhaps  the  Substitution 
of  a  word  rather  than  of  a  sound  (cf.  XVII,  34).  Certain  it  is 
that  that  is  often  the  case.  If  we  have  synonymous  bases  Idvr 
and  hntfr^  we  may  expect  to  find  parallel  formations.  Hence 
such  forms  as  MHG.  klüpfd  :  knüpf d  should  be  regarded  as 
independent,  unrelated  words.  Of  course,  one  form  raight 
have  caused  the  other  to  arise,  but  that  is  a  regulär  process 
in  word-fonnation.  Examples  of  pai*allel  formations  are  given 
below. 

1.  MHG.  klamben  "fest  zusammenfügen',  klambe  "Klemme, 
Fessel,  Klammer',  klaber  'Klaue,  Kralle';  klitnpfen  "fest  zusammen- 
ziehen, drücken,  einengen*,  ON.  kleppr  "Klotz,  Klumpen,  Knebel*, 
Lat  globus  (cf.  XXI,  4)  :  Pol.  gnqbid  "drücken*,  MHG.  knd)d 
"Knebel,  Knöchel*,  OK  knappr  "Knopf,  Knauf;  Haufe*,  MHG. 
knaffen  "knausern*  (XVH,  33). 

2.  MHG.  klecken  "tönend  schlagen,  treffen;  sich  spalten, 
platzen',  E.  dack^  dick  :  MHG.  knacken  'krachen,  knacken ;  einen 
Spnmg,  Riß  bekommen',  OSw.  kncekker  "Stoß*. 

3.  NHG.  klirren  :  MHG.  knirren^  knarren. 

4.  ON.  klöt  "Schwertknauf  :  knpUr  "Ball',  knoda  "kneten*. 


How  are  Words  Related?  37 

5.  MHG.  Jäeiben  fest  heften,  befestigen',  OE.  dtfer  'Klaue', 
diftian  "kratzen*  :  MHG.  knifen  "kneifen,  kratzen',  Gk.  Tviqpuiv 
*Knicker'. 

6.  Lat,  gltio  *draw  together',  MHG.  kliu\4?e^  kliutvel  "Knäuel, 
Kugel' :  OX.  knyia  "klemmen,  kneifen',  knm  "Fingerknöchel*,  MHG. 
kniuwel  "Knäuel'. 

7.  OE.  dofe  "clove,  biüb  or  tuber  of  plant',  MHG.  Idobe 
"Bündel,  Büschel',  klobe-lauch  "Knoblauch*  :  ME.  knobbe,  E. 
knob  "Knopf,  Knauf,  Knoten,  KnoiTen*,  MHG.  knöpf  "Knorren, 
Knospe,  Knauf,  Knoten*,  knübd  "Knauf;  Knöchel*,  knobe-louch 
'Knoblauch*. 

It  is  not  probable  that  klobe-  became  knobe-  by  the  change 
of  /  to  w,  but  that  the  latter  word  supplanted  the  former.  The 
first  part  of  the  Compound  meant  "bulb',  and  continued  to  mean 
"bulb*  after  the  change.  The  most  we  can  sav  is  that  knobe-  was 
modeled  after  klobe-^  and  crowded  the  latter  word  out  because 
it  was  better  understood. 

8.  MHG.  klüben  "pflücken',  klopfen  "klopfen,  schlagen', 
OX.  M^pa  "kneifen,  zusammenkneifen*,  MHG.  klüpfel  "Knüppel, 
Knüttel'  :  ON.  kneyfa^  Sw.  dial.  knöva  "zusammendrücken*,  MHG. 
Knopf  "Knoten  etc.*,  knüpfen^  knüpfet,  knüppel  These  two  sets 
of  words  are  of  course  related  respectively  to  the  two  sets  above. 

9.  OE.  clüd  "rock';  IfflG.  kläz  "Klumpen,  Knolle,  BaU*,  «02; 
"Klumpen*  :  MHG.  knode,  knote  "Knoten*;  ON.  kntUr,  OE.  cnotta 
"Knoten',  >fflG.  knütel  "Knüttel'. 

10.  ME.  clogge  "Klumpen,  Klotz',  E.  dog  "Klotz;  Hindernis', 
clog  "hindern,  beschweren,  drücken'  :  MHG.  knogerlin  "Knötchen', 
knügel  "Knöchel'. 

1 1 .  51E.  clucchen^  E.  dutch  "ergreifen,  festhalten ;  zuschließen*, 
dutch  "Griff*,  PI.  "Klauen*,  Sw.  klyka  "Klammer*,  OHG.  klockön 
"klopfen*:  Lith.  gniduziu  "schließe  (die  Hand)  fest*,  gnidusztas 
"Faust,  Handvoll*,  ON.  knoka  "drücken,  pressen*,  ME.  knucche 
"Bündel*,  OE.  cnocian  "schlagen*. 

12.  Sw.iiö8a "kratzen*,  MHG. A/«<seten "streicheln*:  LO, krnisen 
"drücken*,  ON.  knosa  "zerdrücken*. 

In  like  manner  we  find  synonymous  Germ,  words  with 
initial  An-  and  kn-  representing  distinct  formations. 

13.  ON.  hnappa  "huddle  or  crowd  together',  Äw^2>/)r  "button ; 
flock',  hneppa  "hold  down',  hneppa  "a  being  beut  down',  hneppr, 
OSw.  ncepper  "knapp',  OE.  hnappian  "einnicken,  doze',  hnoeppan 


38  F.  A.  Wood, 

*8trike  against',  ON.  hmfe  *Hand,  Faust',  Germ,  base  hnapp-j 
hnath  *squeeze,  press,  press  down;  droop,  nod';  Lith.  knibiu 
*kneife',  knabu  'schäle  ab',  Gk.  KvdTmu  *scrape,  Scratch*,  Kvacpeuc 
•carder^  (cf.  PreUwitz  Et  Wtb.  153):  Pol.  yn^  •drücken',  MH6. 
AfieWKnebel,  Knöchel',  ON.  hnefe  Taust',  knappr  *Knop£,  Knauf, 
NHG.  knapp,  MHG.  knaifen  'knausern'  (XVII,  33). 

14.  Gk.  Kvdiccui  *nod,  slumber',  ON.  hnekkia  'umwenden; 
stoßen;  zurückweichen'  :  OSw.  kmekker  *Stoß*,  MHG.  knacke 
"krachen,  knacken'. 

15.  ON.  hnaUr  'Knüppel,  Stock',  OHG.  hnd  'vertex',  hnd 
'Scheitel,  Spitze',  OE.  hncil  'crown  of  the  head'  :  cnoU  'hilltop, 
hUr,  MHG.  knoUe  'Klumpen',  etc. 

16.  ON.  hnipa  'hang  the  head,  droop,  be  downcasf ,  hnipna 
'droop,  despond',  hnipra  'crouch',  OE.  hnipian  'droop,  bend  down; 
be  downcast,  sad;  doze,  drowse*,  MHG.  ntp/wi 'gleiten,  stürzen; 
einnicken',  Du.  nijpen  'kneifen*,  LG.  nipe  'knapp,  genau',  Gk.  Kvwröq 
KVicpöc  'pinching,  niggai-dly',  Idth.  knyhau  'dränge',  knimbu  'knicke 
zusammen' :  MHG.  knifen  'kneifen,  kratzen',  Du.  knijpen  'kneifen, 
zwicken',  ON.  knifr  'knife',  kneif  'nippers;  grip',  Gk.  rvicpujv 
'niggard,  Knicker'. 

17.  OE.  htagan  'bend  down,  bow,  sink  down',  hnäg  'bowed 
down,  prostrate;  contemptible;  nig^rdly',  OHG.  nfgan  'sich 
neigen',  nicken  'beugen,  niederdrücken;  sich  beugen,  nicken': 
ON.  kneikia  'bend  backward  with  force',  MHG.  knicken  'knappen, 
hinken',  NHG.  knicken,  Knicker, 

18.  GK  KviCu)  'ritze,  kratze',  OE.  hnftan  'stoßen':  cnidan 
'schlagen',  MHG.  knitschen  'quetschen',  NHG.  knittern, 

19.  Gk.  Kvuuj  'schabe,  kratze',  KVÖ|Lia  'das  leise  Anpochen', 
ON.  hnpggua  'stoßen',  OE.  hneaw  'knickerig'  (cf.  Prell witz,  Et 
Wtb.  154):  ON.  Amyto  'schlagen;  klenmien,  kneifen',  OE.  cnütvian 
'zermahnen'  (cf.  XVH,  34). 

20.  Gk.  KvuCui  'kratze',  ON.  hnidta  'stoßen',  hnütr  'Knoten', 
hnüta  'Knochen',  hnot  'Nuß':  MHG.  knützen  'stoßen,  schlagen, 
quetschen*,  ON.  knütr  'Knoten,  Knorre',  kn'dtta  'Knochen'. 

21.  ON.  hniöda  'hämmern',  OHG.  hniotan  'befestigen',  ON. 
hnüdr  'Block,  Knoten,  Höcker':  OHG.  knodo,  kyioto  'Knoten, 
Knorre,  Knöchel'. 

22.  ON.  hneykia  'break  down;  put  to  shame',  hnüka  'sit 
cowering',  hmlkr,  hniükr  'knoU,  peak',  hnykell  'Knäuel':  ON. knoka, 
Dan.  knuge  'drücken,  pressen',  MHG.  knoche  'Astknorren;  Fiucht- 


How  are  Words  Related?  d» 

boUe;  Knochen',  knocken  *kauern,  hocken*,  lAth,  gnidt^iu  *8chheße 
die  Hand  fest'  (cf.  XVn,  35). 

23.  ON.  hnüfa  'chop  off',  hnyfeU:  knyfett  'a  short  hom', 
NH6.  knaufdn  *nagen'. 

24.  Lith.  knubu  'bin  gebückt',  ON.  hnüfa  *Höcker,  Knoten': 
ON.  kneyfa^  Sw.  dial.  knöva  •zusammendrücken',  MHG.  knübd 
*Kna\if ;  Faust;  Knöchel',  NHG.  knaupen  *nicken,  knicken,  hinken', 
Knaupe  'Knoten,  Geschwür'  (cf.  XVn,  32,  36). 

In  the  same  way  might  be  given  synonymous  Germ,  words 
with  initial  kn^  :  gn-;  kl-  :  kr-^  etc.  Suffice  it  to  give  one  more 
remarkable  case  of  parallel  formations. 

25.  ON.  hüka  ^kauern*,  hokinn  'gebückt',  hakra  'kriechen*, 
MHG.  hacken  'sich  ducken*,  NHG.  heuchdn^  hocken^  Höcker^ 
Hocke^  Lith.  kügis^  kauge'  'Heuhaufen' ;  Skt.  kucdti  'krümmt  sich', 
kucchs  'weibliche  Brust',  Lith.  kaükas  'Beule',  Lett  kukura^  MHG. 
hoger  'Höcker',  haue  'Hügel',  etc.  (XVH,  19).  —  ON.  hnüka 
•kauern',  hnükr  •Hügel',  OE.  hnocc  'Haken',  etc.  (cf.  no.  22), 
from  a  base  qnth  (et  XVH,  32).  —  MHG.  küchen  'kauern', 
kocker  'Höcker',  Sw.  koka  'Erdscholle',  NHG.  kocke  'Heuhaufen', 
Lith.  ^nücw 'Beule';  ON.  iiiya 'unterdrücken',  etc.  (XVII,  9).  — 
MHG.  knocken  'kauern,  hocken',  ON.  hioka  'drücken',  OSw.  knoka 
'Knochen',  MHG.  knöcheli  knügd  'Knöchel',  knögerlin  'Knötchen', 
Lith.  gtUäuHu  'schließe  die  Hand  fest',  etc.  (XVII,  35).  —  • 
ME.  crotichenj  E.  crouch  *sich  ducken,  kauern',  OKG.  kr iohhan^ 
MHG.  kriechen  'sich  einziehen,  schmiegen;  kriechen';  Ir.  grtic 
•Runzel'.  —  Skt.  krüiiccM  'krümmt  sich',  ON.  hniga^  hravkr 
•Haufe',  hryggr  •Rücken',  etc.  (cf.  Uhlenbeck  Ai.  Wtb.  68).  — 
OE.  dgocan  •bring  together,  clench',  ME.  clucchen^  E.  cltUch  'zu- 
schließen ;  festhalten'  (:  Lat.  gluere).  —  Skt  bhujdti  *biegt',  MHG. 
hwch  •Bauch;  Rumpf,  huckd  •Buckel',  bocken  'niedersinken', 
hucken^  biegen^  etc.  —  Skt.  püga-s  'Haufe',  Gk.  ttuttj  'Rumpf, 
TTUTjin,  Lat.  pugnus  (XVII,  21).  —  MHG.  tucken^  tiicken  •sich 
beugen,  neigen,  eine  schnelle  Bewegung  machen',  im  'schnelle 
Bewegung,  Stoß',  tüchen  •tauchen',  etc.  (:  Skt  dhü-nÖH  •schüttelt')- 
—  Gk.  XuTiCuj  •bend,  twist',  Lith.  lugnas  'biegsam',  OE.  lücan 
'interlace,  close,  shut'.  —  E.  sbttch  'schlaff  niederhängen',  MHG. 
diechen  'schleichen',  Litli.  dauHu  'krieche'.  —  MHG.  smiuge 
'Biegung,  Krümmung',  smiegen  'sich  zusammenziehen,  ducken', 
OE.  smügan  'kriechen',  etc. 


40  F.  A   Wood, 

XXI.  Possibilities  of  Derivation. 

That  the  idea  behind  the  word  is  the  important  elenient, 
and  that  this  idea  may  be  clothed  in  various  forms  has  been 
illustrated  by  many  exaraples.  It  has  also  been  apparent  fi'om 
tliese  examples  that  the  sanie  fonn  raay  develop  widely  diver- 
gent significations.  To  eniarge  upon  this  point  we  will  take  the 
IE.  base  *5'eto-,  and  show  how  the  various  meanings  have  grown 
naturally  out  of  the  primary  signification. 

This  base  has  produced  a  large  number  of  words  in  Germ, 
representing  a  pre-Gerra.  gle^  gli^  glü,  the  last  two  forms  Coming 
fi-om  gle-io-^  gle-uo-,  It  is  not  necessary  to  suppose,  however, 
that  each  form  arose  in  this  way.  If  there  were  the  synonymous 
bases  *glebo-^  *gleig(h^  *gleud(h^  there  might  be  formed  *gleg(h^ 
*gledo-;  *gleibo^  *gleid(h;  *gleub(h^  *gletigO'^  oven  without  any 
original  bases  *gelO'^  *9i^iO'j  ^gle-wh.  In  this  case  the  words 
might  be  only  secondarily  related.  That  is,  an  actual  relationship 
might  grow  up  between  different  groups  of  words  which  were 
originally  unrelated.  How  this  is  I  shall  show  at  another  time. 

The  base  gdo-^  however,  can  be  followed  through  just  as 
if  it  had  really  gro\\Ti  from  tlie  derived  bases  gle-uh  and  gle-uo-. 
Whether  that  is  the  case  is  incapable  of  proof.  But  it  can  be 
shown  that  in  the  various  groups  of  words  the  meanings  have 
developed  in  the  same  way. 

The  primary  meaning  of  tlie  base  seeras  to  be  *press, 
draw  together,  form  into  a  mass ;  draw  together,  slirink,  lio  close, 
cling*.  From  *cling*  comes  *stick  to,  adhere,  be  smeary',  etc., 
and  also  *climb,  clamber*,  with  various  other  derived  meanings. 

The  base  gel-  occurs  meaning  *freeze'.  This  is  the  natural 
development  of  Mra^v  together,  form  into  a  mass*,  a  meaning 
that  is  ver}'  common  in  the  derived  bases.  Thus :  Lat  glomm 
•ball';  globus  *ball,  mass\gMa  'clod',  ON.  Jcleppr  *Klotz,  Klumpen': 
OHG.  clunga  •glomus';  Skt.  gläti^  ^Ballen',  OHG.  kliuwa  ^Knäuel'; 
OE.  dofe  *biilb,  clove';  cloU  *lump',  MHG.  Moz  •Klumpen',  klöz 
•Klumpen,  Knolle*;  OE.  clüd  •rock';  clyne  •lump',  etc. 

1.  Base  gd'  •draw  together'  :  'freeze'  :  Ijat.  *gelä-  •das  Zu- 
sammenziehen ;  Erstarren',  geläre  "stiffen,  freeze ;  congeal',  gelidus 
•stiff,  cold,  frozen',  gdu  •stiffuess,  rigor,  coldness,  frost',  glacies 
•hardness,  ice',  ON.  kala  'gefrieren',  kaldr  •kalt',  klake  •ice  in 
the  groimd,  frozen  lump',  OE.  cöl  •cool;  appeased,  calm',  etc.. 


How  are  Words  Related?  41 

with  which  compare  Gk.  TaXr)VTi  'Meeresstille*,  i.  e.  *settling, 
subsiding*. 

1  a.  On  this  development  of  meaning  compare  the  foUowiiig: 

ChSl.  sükrüdüi  sß  *sieh  zusammenziehen*  :  Lith.  krikti  'ge- 
rinnen', Russ.  karzdviti  *steif  werden*. 

E.  shrivd  'einschrumpfen,  sich  zusammenziehen*  :  Slov. 
skrepeniii  'erstarren*  (vor  Kälte). 

MHG.  krimpfen  'zusammenziehen*,  krampf  'Krampf :  Kruste*. 

ON.  kriüpa  'kriechen',  kropna  'einschrumpfen  :  vor  Kälte 
erstarren*. 

OE.  hreosan  'fall,  collapse',  ON.  hridsa  'schaudern*  :  OHG. 
{h)ro9a  'Kruste,  glacies*,  Gk.  Kpucraiviü  'mache  gefrieren*. 

Gk.  cTUT€ui  'verabscheue'  :  Russ.  s^wjnw^ 'gefrieren';  NSlov. 
sludüi  'verabscheuen* :  ChSl.  studü  'Kälte*  (Prellwitz  Et.  Wtb.  305). 

Gk.  7niTVU|Lii  'fasten  together,  fix  :  niake  solid,  stiff,  hard, 
freeze*,  ndtoc  'frost*,  tttituXic  'frozen,  icy  cold*. 

Gk.  TTTix^^c  'thick,  curdled,  clotted*  :  ndxvTi  'hoai-frost,  rime*, 
iraxvöuj  'thicken;  cover  with  rime*^). 

2.  Bases  glom-^  glomes-  :  Lith.  glomcju  'umarme',  Lat.  glomtis 
"ball*,  glomero  'crowd  together,  form  into  a  ball',  OE.  dämm 
'grasp ;  bond,  chain',  demman  'contract',  OHG.  klamma  'Beengung, 
Klemme',  beklemmen  'einengen,  zusammendrücken',  JIHG.  klam 
Tessel;  Krampf;  Beklemmung,  Klemme;  Bergspalte,  Schlucht', 
klam  *enge,  dicht',  klamen  'klemmen',  klemmen  'ein-,  zusammen- 
zwängen,  kneipen,  klemmen;  mit  den  Klauen  packen',  NHG. 
klamm  'eng,  knapp,  von  Frost  erstarrt,  kaltfeucht',  E.  dammy 
'viscous;  adhesive;  soft  and  sticky;  glutinous',  Dan.  klam  'feucht', 
klamme  'sich  ballen'  (vom  Schnee),  Gk.  TXd)iUJV,  rXaiLiupoc  'trief- 
äugig*, TXrmn  'Augenbutter',  Lith.  glemes  'zäher  Schleim'. 

3.  Base  gle{m)bh-  :  MHG.  klamben  'fest  zusammenfügen, 
verklammern*,  klambe  'Klemme,  Fessel,  Klammer',  ON.  klambra, 
Membra  'zwängen,  einschließen*,  klpmbr  'Schraubstock*,  MHG. 
klemberen  'verklammem',  E.  damber  'klettern',  OE.  dimban^  dim- 
man  'climb',  OHG.  klimban  'klimmen,  klettern',  MHG.  klimben^ 
klimmen  'klimmen,  klettern,  steigen;  erklimmen;  zwicken,  kneipen; 
packen*,  klimme  'Höhe'  :  ON.  klafe  'a  kind  of  fork  put  on  the 
neck  of  cattle*,  Sw.ldafre  'Fessel,  Halseisen*,  IIRG.  kk^r  'Klaue, 


1)  For  a  differenl  development  of  words  for  "freeze',  see  Color- 
Names  55  f. 


42  F.  A.  Wood, 

Kralle',  Dan.  Idavre  'klimmen,  klettern*,  6k.  TX6q)ui  'kratze,  höhle 
aus',  Lith.  glebti,  glepti  "glatt,  schlüpfrig  sein  oder  werden*. 

4.  MHG.  Idimpfen  *fest  zusammenziehen,  drücken,  ein- 
engen', Idampfer  'Klammer',  ON.  Ideppr  'Klotz,  Klumpen,  Knebel', 
Sw.  Idimp  'Klümpchen,  Kloß',  klatnp  'Klotz',  MLG.  Hampe  'Haken, 
Krampe',  E.  damp  'Klammer',  dump,  OE.  dympre  'Klumpen*, 
Scotch  dimp  'hook,  snatch'. 

The  Germ,  base  Idimp-^  klamp-  points  to  pre-  Germ.  *glemb-^ 
^glcmb-  'press  together',  with  which  compare  gMh^  gloth  in  Lith. 
gUbiu  'umarme',  gldbiu  'umaime;  umhülle',  gUbys  'Ann voll',  Lat 
globus  'ball,  niass',  globäre  'press  together,  form  into  a  ball*,  gleba 
'clod,  dump'  (cf.  Persson,  Wz.  54). 

5.  Base  glengh-  :  01St.dingan  'sich  zusammenziehen,  shrink; 
wither',  bedingan  'einschließen,  binden*,  for-dingan  'shrink, 
■wither',  E.  ding  'sich  anklammem,  festhalten;  kleben,  ankleben', 
ON.  klungr  'thombush',  i.  e.  'clinger',  Dan.  klynge  sig  'cling  to, 
climb',  Sw.  Idänga  'klettern,  klimmen'  klänge  'Wickelranke', 
klunga  'Klumpen,  Knäuel',  OHG.  Uunga  'Knäuel',  ON.  Mengiask 
'sich  anklammem'. 

6.  Base  gle(n)g'  :  OHG.  Idenken  'knüpfen,  binden,  schlingen', 
MHG.  klinke  Türklinke',  klanc  'Schlinge;  List,  Ränke',  OE.  be- 
dencan^  E,dench  (die Faust)  'ballen;  umfassen,  packen;  befestigen', 
Scotch  dink  'clench,  weld,  clasp,  clutch';  ON.  klake  'frozen  lump', 
Gk.  TtXric  'Kern  im  Knoblauch',  Skt  g^njana-s  'eine  Art  Knoblauch'. 

With  the  above  compare  the  following,  in  which  also  occur 
the  meanings  'bend,  shrink;  bend,  twist,  wind',  etc.: 

ON.  kUfkkr  'biegsam,  weich,  gerührt',  kldke  'Feigheit; 
Schande,  Schmach',  Ldth.  gleinus  'zart,  weich'  (Zupitza  Germ. 
Gutt.  89),  ON.  klökr  'schlau,  listig,  klug',  Mjikr  'Hinteriist,  Ränke', 
Du.  kloek  *klug,  tapfer,  groß,  korpulent',  MLFr.  doec  'schnell,  klug', 
MHG.  kluoc(g)  'weichlich,  üppig;  fein,  zierlich,  zart,  schmuck, 
stattlich,  tapfer;  gewandt,  klug,  listig,  schlau'. 

Here  the  meanings  'soft,  weak,  delicate,  f ine ;  close,  penu- 
rious'  (as  in  Bav.  klueg  'genau,  knapp,  karg'),  come  from  'bend, 
shrink,  cling',  etc.;  and  'sly,  wise'  from  'bend,  tum,  twist'  as 
in  MRG.  klanc  'Schlinge;  List,  Ränke'. 

7.  Base  gle(n)d(h')  :  ON.  klatr  'loss,  damage',  i.  e.  'shrinkage', 
klöt  'Schwertknauf',  MLFr.  doet  'Ruderstange',  Lat  gladius ;  MHG. 
klate  'Kralle',  Dan.  Matre,  Sw.  klättra  'klettern' ;  ON.  klettr,  OSw. 
klinter  'Klippe',  Sw.  klint  'Gipfel',  Dan.  klint  'Felswand*. 


How  are  Words  Related?  43 

8.  Base  gle-uh,  g^o-io-^  gU-  *press  together,  stick :  be  sticky, 
smeary,  etc.*  :  Gk.  tXici  ;  T^ivii  *Leim',  Ir.  glenim  *hafte*,  Welsh 
glifnu  'hängen  bleiben',  OHG.  klenan^  ON.  kUna  'schmieren',  ChSl. 
glitia  *Lehm',  glinü  'Schleim,  Speichel' ;  ON.  kleima,  OHG.  kleimer^ 
OK  cktmen  'anschmieren*,  däm  'Lehm*;  Gk.  tXoiöc  'klebrige 
Feuchtigkeit',  Lett  gliwe  'Schleim' ;  Lett.  glid&^  'schleimig  werden*, 
E.  dial.  düe  'clay*,  Dan.  klidet  'kleüg,  kUtschig',  OE.  daU  'Klette'; 
Ldth.  glitia *glatt*, glite  'Klebrigkeit;  Fischleim*,  OE.  clißa  'poultice, 
plaster*,  Lat  glitten]  ON,  klem  'sticky,  thick,  thicktongued',  klessa^ 
klistra  'kleistern*,  MHG.  klisUr  'Kleister';  OHG.  klihan  'festhalten, 
kleben',  kleib^  WiG.kleip  'anklebender  Schmutz;  Leim,  Lehm', 
Uth.  gltbgs  'triefäugig*,  etc.  (cf.  Prellwitz  Et.  Wtb.  61;  Zupitza 
CJerm.  Gutt  147). 

That  the  meaning  'smear ;  smeary'  is  secondary  is  evident 
from  the  other  developed  meanings  of  glt-y  all  of  which  come 
from  'draw  together,  Ue  close,  cling,  etc.*.  Thus  the  words  for 
'bur*  given  above  (X,  2  ff.)  come  from  'cling  to,  anhaften*.  The 
development  of  other  meanings  is  shown  below. 

1i,  glenim  'hafte*,  Welsh  glynu  'haerere,  adhaerere*,  ON. 
Idina  'kleben,  schmieren* :  Germ.  Uainja-  'sich  zusammenziehend, 
sich  duckend,  verschwindend,  etc.*,  MHG.  kleine  'klein,  gering, 
schwach;  schmächtig,  zart,  mager;  fein,  dünn;  zierlich,  niedlich; 
glatt,  glänzend*,  OHG.  kleini  'gering,  sorgfältig,  genau;  fein, 
zierlich,  glänzend,  etc.*,  OE.  cUtne  'clear,  open  (field);  clean, 
pure;  free  from,  devoid  of ;  innocent',  adv.  dOne  'entirely*,  MHG. 
ifotna 'fein,  zierlich;  genau,  scharf,  sorgfältig;  wenig,  gar  nicht*. 
Compare  the  development  of  klug  'above*,  and  MHG.  klam  *enge, 
dicht,  gediegen;  rein,  heiter;  gar  zu  gering,  zu  wenig'. 

For  this  natural  change  of  meaning  compare  the  following: 
Skt  Idyaie  'schmiegt  sich  an,  duckt  sich,  verschwindet',  Gk.  Xeioc 
'glatt*,  Lat  Uno  'streiche*,  Ir.  lenim  'hänge,  hafte',  Skt.  linors  'sich 
anschmiegend,  anliegend,  geduckt*  (cf.  Uhlenbeck  Ai.  Wtb.  261): 
Lith.  leinas.  lainas  'schlank' ;  Idibas  'schlank* ;  Ulsas  'mager'.  To 
the  same  base  belong  Gk.  Xoi|li6c  etc.  (cf.  Pei-sson  Wz.  1 5),  and 
OHG.  lim  'Leim*,  etc.  (cf.  Kluge  Et  Wtb.).  —  MHG.  miegen 
'sich  eng  an  etwas  drücken,  sich  zusammenziehen,  ducken*, 
smüeken  'schmiegen,  an  sich  drücken,  kleiden,  schmücken*, 
E.  gmug  'zierlich,  schmuck,  sauber*.  —  OE.  lütan  'sich  neigen, 
niedersinken*,  OHG.  lussen  'verborgen  liegen*,  luzig^  luzzü  'klein, 
wenig;  elend,  erbärmlich'  (cf.  Schade  Wtb.  s.  v.). 


U  F.  A.  Wood, 

9.  OHG.  kliban,  MHG.  kliben  *kleben,  festsitzen,  anhangen; 
Wurzelfassen,  einwachsen*,  klibe  "Empfängnis*,  Ideiben  *kleben 
machen,  festheften,  befestigen;  streichen,  schmieren,  verstreichen; 
beflecken,  besudeln',  OS.  bekliban  *festhaften*,  ON.  klifa^  Mifra 
'klettern,  klimmen*,  Sw.  klifra  'steigen,  schreiten,  treten,  gehen', 
OS.,  ON.  klif,  OE.  dif  'cliff',  etc.  Compare  MHG.  klimmen  : 
klimme  *Höhe*. 

The  meaning 'climb*  comes  from  *cling,  clutch',  from  which 
also  comes  *claw*:  OE.  clifer  *claw*,  clifrian  *scratch'.  We  have 
in  this  base,  therefore  :  *cling,  clutch  :  climb;  claw,  Scratch; 
cling,  stick,  adhere  :  be  sticky,  smears'  :  smear,  daub,  etc*. 

The  connection  between  ON.  klifa  and  OHG.  klimban  is 
only  in  meaning.  We  have  here  and  in  other  synonymous  words 
an  illustration  of  the  way  words  grow.  The  words  for  *climb' 
given  below  are  perhaps  all  coraparatively  recent,  and  they 
doubtless  came  to  this  meaning  independently. 

9a.  MHG.  klaher  'Klaue,  Kralle*,  Dan.  klavre  'klettern, 
klimmen*;  MHG.  klamben  'fest  zusammenfügen',  klemberen  'ver- 
klammem*, OHG.  A:Zm6an 'klimmen,  klettern',  Kdamber  'klettern*. 

E.  ding  'sich  anklammem,  festhalten',  Dan.  klynge  sig  'sich 
an  etwas  anklammern',  Sw.  Mänga  'klettern,  klimmen*. 

MHG.  klate  'Kralle*,  OHG.  kleta,  kletta  'Klette*,  Dan.  klatre, 
Sw.  kläüra  'klettem*. 

ME.  dctöpen,  E.  d(i»p  'sich  anklammern,  festhalten;  umfassen, 
andrücken',  Mecklenb.  klasp^m  'klettern'. 

MLG.  klmiuen  'kratzen,  klauen*,  klauweren^  LG.  klauern. 
Du.  khuteren  'klettern'  (cf.  Franck  Et.  Wtb.  s.  v.). 

10.  OSw.  klia  'jucken',  Sw.  fdia  'jucken,  kribbeln,  prickeln; 
krauen,  krauein' :  kli  OHG.  klia,  kliiva^  MLG.  klige,  Dan.  klid  'Kleie*. 

11.  OE.  daß  'cloth',  däßian  'clothe',  MHG.  kleit  'Kleid, 
Kleidung;  Gewandstoff;  Zierde',  Meiden  'kleiden,  bekleiden* :  ON. 
miS'kHd  'Verwickelung,  Zwist',  OE.  cet-dißan  'adhere'. 

The  primary  meaning  of  cloth  is  f  old,  wrap,  Gewand',  which 
comes  from  'press  together,  draw  together'.  Compare  Lith.  gUpii 
'umaiTnen  :  mit  einem  Tuch  umhüllen'.  So  also  from  glu-  we 
have  Lith.  glatidm  'anschmiegend'  :  OE.  düt  'piece  of  cloth,  clout, 
patch ;  metal  plate',  ON.  klütr  'kcrchief  (compare  MHG.  kleben 
:  kld}e-tuoch  'Flicklappen'),  MHG.  klüter^  klitäer  'was  sich  ansetzt 
und  anheftet  als  Zierat  oder  als  Tand,  Blendwerk*,  klütern^  klutem 
'flüchtige  oder  unnütze  Arbeit  tun,  tändeln*. 


How  are  Words  Related?  45 

12.  Base  gle-uo-^  glu-  :  Lat  gluo  'ziehe  zusammen*,  OHO. 
üäwa  *Klaue',  kliuwa  'Knäuel',  Skt  gldu-ß  'Ballen*.  —  Lith.  glaudus 
'anschmiegend,  glatt  anliegend*,  MLG.  klüte  'Klumpen,  Ball',  OHO. 
üöz  'klumpige  Masse,  Knäuel ;  Kugel,  Knauf*,  etc.  —  Ok.  tXoutoc 
"Hinterbacken*,  OE.  düd  'rock,  mass  of  rock*  (cf .  XVII,  20  above, 
and  Zupitza  Genn.  Gutt  146  f.,  ühlenbeck  Ai.  Wtb.  83,  84). 

Here  also  we  find  'sticky,  smeary',  which  developed  from 
*draw  together,  cling*,  as  in  the  examples  given  above:  Lith. 
gliaümas  'schleimiger  Abgang  von  Schleifsteinen*,  gliaumus^  Lei 
glaums^  glums  'schleimig',  glu'mt  'schleimig  werden'.  Here  as  well 
as  to  gUri'  may  belong  Lat  glüs^  glüten^  glütus  (cf.  Ühlenbeck 
Ai.  Wtb.  84). 

From  *sticky,  viscous'  comes  'thick,  thick-tongued' :  OE.  du- 
mian  'mumble,  speak  indistinctly*.  Compare  ON.  Ideiss  'sticky*, 
U.  i  male  'thick,  indistinct  in  speech,  lisping*.  This  is  very  closely 
allied  in  meaning  to  'press  together,  close,  muzzle*,  as  in  ON. 
Idumse  'muzzled*,  Norw.  Jduma^  Humra^  klumsa  'muzzle,  make 
speechless*,  Sw.  dial.  /dummsen^  klotnsen  'benumbed  with  cold*, 
E.  dumsy  'stiffened  with  cold,  benumbed ;  awkward,  unhandy ; 
unwieldy,  large  and  heavy*. 

Closely  connected  with  'draw  together,  press  together'  are 
words  for  'claw,  clutch*,  whence  'rub,  Scratch,  tear;  pick,  pluck, 
snatch,  seize,  etc.*. 

OE.  dätcan  'klauen,  kratzen*,  däwung  'Bauchgrimmen*, 
deweda  'Jucken*,  OK  Afopia  'jucken',  Sw.  kld  'kratzen,  reiben; 
rupfen,  ausbeuteln,  beschuppen;  schlagen,  keilen,  auskeilen*, 
MLG.  kloutcen  'kratzen*  :  klouiceren  'klettern*,  ON.  klöra^  Norw. 
klare  'kratzen  mit  Nägeln  oder  Krallen';  Sw.  klösa  'kratzen', 
MHG.  klitiselen  'streicheln,  hätscheln,  schmeicheln*;  Lat.  glüma 
'hüll,  husk* ;  glübo  'peel,  shell*,  MHG.  klüben  'klauben'.  See  below. 

13,  Base  gleubh-  'draw  together,  clutch,  claw,  Scratch, 
tear,  etc.*  :  O^.klgf  'Bündel*,  OE.  dofe  'bulb,  clove;  buckle*, 
OHG.  klobo^  MHG.  klobe  'Bündel,  Büschel ;  etwas  Klemmendes, 
Festhaltendes;  gespaltenes  Holzstück  zum  Klemmen;  Kloben', 
OHG.  IdubOn^  MHG.  klüben  'pflücken,  stückweise  abpflücken,  auf- 
lesen; rauben,  stehlen;  zerreißen',  NHG.  klauben^  Lat.  glübo 
'.schäle  ab*,  Gk.  TXucpuü  'schnitze,  ritze  ein',  OHG.  klioban  'spalten, 
klieben',  eta,  MHG.  Uouber  'Klaue,  Kralle,  Fessel*. 

With  these  compare  Germ,  klüp-^  klupp-  :  ON.  klypa  'kneipen, 
kneifen,  zusammenkneifen,  einschließen',  OE.  dyppan  'embrace*, 


46  F.  A.  Wood, 

OHG.  klopf ön^  MHG.  Hopfen  *klopf en,  pochen,  schlagen ;  schrecken'. 
Hupfen  ^schrecken',  Hüpfd  'Werkzeug  zum  Klopfen;  Glocken- 
schwengel; Knüppel,  Knüttel'.  The  raeaning  'schrecken'  comes 
froni  *shrink,  zusammenfahren',  as  in  OE.  clingan  *shrink',  be- 
clencan  *clench'  :  Dan.  klekke  "zusammenschrecken*. 

14.  Base  gleuq-^  gltsqn-  'clutch,  seize,  snatch;  strike,  knock' 
:  Ski  glöcati  *raubt',  OE.  dyccan  *bring  together,  clench*,  ME. 
ducchen^  E.  dutdi  "ergreifen,  festhalten ;  zuschließen,  zumachen', 
OHG.  Idochön^  MHG.  Hocken^  Mucken  "klopfen*,  kluc^  -cfa»  'los- 
gespaltenes Stück',  klucken  'brechen',  Sw.  Hyka  'Hammer'. 

We  find  the  meaning  'split'  developing  in  these  bases  in 
other  ways  also.  MHG.  Möz  "Klumpen,  KeU,  Knebel'  :  Idcezen  'mit 
einem  Keil  spalten,  trennen,  auseinanderreißen'.  —  MHG.  klam 
"Klemme,  Klammer  :  Bergspalte,  Schlucht'.  —  MHG.  Hoc  'Knall, 
Krach  :  Riß,  Spalt',  klecken  "spalten;  sich  spalten,  platzen';  klapf 
'Knall,  Krach  :  Spalte,  Riß'. 

15.  A  large  number  of  Germ,  words  beginning  with  i/-, 
such  as  dink,  dash^  datier^  etc.,  express  various  sounds.  These 
are  ordinarily  explained  as  onomatopoetic.  But  how  did  they 
become  so?  Why  should  dink  Imitate  the  sound  it  is  supposed 
to  express  any  better  than  ftrtni,  crink,  or  shrink?  To  one  who 
was  entirely  unfamiliar  with  these  words  one  would  be  as  ex- 
pressive as  another.  We  are  altogether  too  rcady  to  call  sound- 
words  onomatopoetic.  Strietly  speaking  there  are  verj'  few  words 
in  any  language  which  are  real  imitations  of  the  sounds  they 
stand  for.  We  think  such  words  as  rftni,  ratüe,  creak,  whiz  are 
imitative  simply  because,  from  long  association,  we  connect  them 
with  certain  sounds. 

That  it  is  a  matter  of  a«?sociation  and  not  of  Imitation  is 
evident  from  the  fact  that  the  same  word  does  not  always  convey 
the  same  idea  in  different  dialects.  E.  dink  suggests  to  our 
minds  a  sharp,  tinkling  sound  such  as  would  be  produced  by 
striking  metallic  or  other  sonorous  bodies  together.  The  same 
Word  in  other  Gemi.  dialects  has  also  quite  different  meanings: 
OHG.  klinkan,  klingan  'klingen,  tönen;  rauschen,  plätschern, 
rieseln',  ON.  klskkua  "scliluchzon,  wimmern,  jammern',  Dan.  Uynke 
"winseln,  wimmern,  jammern,  klagen',  klunke  "klimpera;  glucken? 
glucksen',  Sw.  klinka  "klimpern*,  klunka  "glucken,  schluckweise 
trinken'.  If  the  baso  klink-  had  been  imitative,  it  could  not 
stand  for  sounds  so  entirelv  distinct. 


How  are  Words  Related?  47 

Some  of  these  words  certainly  go  back  to  the  primary 
meaning  *press,  rub,  strike,  beat*  or  the  like.  In  this  way 
might  arise  several  words  denoting  sounds  of  varioiis  kinds,  and 
from  these  might  develop  secondaiy  onomatopoetic  words.  Let 
US  examine  some  of  these  words. 

a)  E.  dink^  dank^  NHG.  Hingen^  etc.  imply  a  rubbing  or 
striking  together  of  sonorous  objects  and  might  have  originated 
from  the  base  we  have  in  E.  dench.  E.  dang^  dangor  were 
easily  adapted  from  the  Latin  because  similar  words  already 
existed. 

b)  ON.  Jdaka  *twitter,  chatter;  wrangle,  dispute*,  ME.  docken 
*clack',  MDu.  klacken  *clack,  crack,  whack,  shake*  OHG.  decchan^ 
MHO.  Hecken  "tönend  schlagen,  treffen;  einen  Kieck,  Fleck 
machen;  sich  spalten,  platzen*,  E.  dick  'ticken,  klappern*,  Gk.  tXdZiui 
•singe,  lasse  ertönen*  (cf.  Prellwitz,  Et  Wtb.  60). 

c)  OHG.  klaga  *B^age,  qiierimonium,  querela,luctus,  planctus; 
gerichtliche  Klage*,  klagön  *  klagen,  beklagen*  are  better  sepa- 
rated  from  Gk.  ßXnxn  but  may  be  compared  with  Skt  gdrhati 
"klagt,  tadelt*,  etc.  (cf.  ühlenbeck  Ai.  Wtb.  78).  Even  this  is 
doubtful.  For  before  we  can  safely  connect  words  so  remotely 
separated  in  time,  we  must  know  how  they  came  to  be  syno- 
nymous.  It  is  no  explanation  to  call  them  onomatopoetic. 

d)  MHG.  kletoen  "klagen,  winseln*,  NHG.  Höhnen  may  re- 
present  a  Germ,  base  *Ha(g)wja'  and  be  connected  with  the  above. 

e)  OHG.  Hapfön  "zusammenschlagen  oder  stoßen  und  da- 
durch ein  Geräusch  verursachen,  crepitare,  klappen,  klappern, 
krachen ;  schwatzen,  afterreden',  MHG.  Haf,  klapf  "Knall,  Krach ; 
Geschwätz;  Riß',  Haffen  'schallen,  tönen,  klappern;  schwatzen; 
klaffen*,  klappern  'klappern,  klatschen',  ON.  klappa  "klopfen, 
schlagen;  einhauen*,  OE.  datppettan  "throb,  palpitare*,  clipol^ 
MLPr.  dippd  "Klöpfel*,  OE.  dipian  "call*,  geclips  "clamor',  etc. 
Here  the  primary  meaning  scems  to  be  "beat*. 

f)  MHG.  Humpern  "Klang  mit  musikalischen  Instrumenten 
machen*,  Dan.  klimpre^  NHG.  Himpern  are  evidenüy  connected 
with  MHG.  Himpfen  "fest  zusammenziehen,  drücken*,  Sw.  klampa 
"hart  auftreten*,  etc. 

g)  OE.  dairian,  MLG.  Hateren  "clatter* ;  OE.  clidren  "clatter*, 
dader-sticca  "rattle* :  Dan.  Hatte  "klecksen'.  Hat  "Fleck,  Klecks ; 
Bischen',  MLG.  klaUe  "shred*,  E.  dial.  clat  "clot;  clod',  clat  "break 
dods  in  a  field',  Ger.  dial.  klittern  "klecksen'. 


i8  F.  A.  Wood,  How  are  Words  Related? 

h)  Sw.  Jdirra^  Dan.  klirre^  NHG.  klirren  *clatter*  may  be  a 
secondary  onomatopoetic  word  modeled  after  such  words  as 
NHG.  schmrren^  Dan.  »virre;  MHG.  sneren^  snarren^  murren; 
knirren^  knarren;  or  it  may  be  connected  with  Goth.  klismö 
*Klinger,  klismjan  'klingeln'. 

The  examples  given  in  this  paper  are  not  intended  to 
explain  the  origin  of  language,  but  are  simply  a  contribution 
to  nomenclature.  It  matters  not  what  period  we  takc,  we  shall 
always  find  descriptive  terms,  though  natui-ally  such  terms  will 
be  less  and  less  frequent  as  language  develops. 

To  illustrate  in  a  general  way  what  has  been  given  above, 
we  will  suppose  that,  at  a  very  early  period  in  the  IE.  mother 
tongue,  there  were  five  or  more  words  meaning  'bend,  curve, 
wind,  twist*.  Naturally  these  words  would  be  used  in  describing 
things  that  bend,  cune,  etc.  Hence  it  follows  that  some  or  all 
of  these  words  might  be  applied  to  a  pailicular  bend  or  curve, 
such  as  cheek,  breast,  rump,  elbow,  knee,  or  hiU,  hollow,  valley, 
gulf.  Or  they  might  be  used  to  express  fear,  shame,  weakness, 
stealth,  etc.  In  fact  the  possibilities  would  be  limitless. 

Now  we  are  not  to  suppose  that  every  one  would  use  the 
same  word  to  denote  'breast',  for  example,  or  that  any  one 
person  w^ould  always  use  the  same  word.  It  w^ould  be  sufficient 
to  describe  the  breast  as  a  cun^e,  hump,  swelling,  bunch,  or 
the  Uke.  But  there  would  come  a  time  when  a  Community  would 
use  one  word  to  the  cxclusion  of  others;  and  this  word  would 
cease  to  mean  'cun^e,  hump'  in  general,  and  would  now  be  a 
fixed  term  for  'breast*.  Othcr  related  words  might  die  out  or 
might  develop  a  meaning  altogother  different. 

But  to  foUow  the  word  'breast'  further.  This  fixed  term 
might  continue  in  vogue  for  some  time  only  to  be  crowded 
out  by  some  new  descriptive  term.  And  this  process  might  be 
repeated  indefinitely.  When,  therefore,  the  Germ,  desigination 
of  a  prominent  part  of  the  body  is  not  found  in  other  languages, 
that  is  no  proof  that  that  part  of  the  body  was  not  named  in 
the  earliest  times,  but  is  evidence,  rather,  that  there  was  a  number 
of  designations  for  it.  For  the  more  easily  a  thing  may  be 
described,  the  less  likely  is  a  fixed  term  to  arise.  For  example, 
so  prominent  a  feature  as  the  female  breast  would  not  fail  to  be 
designated  from  the  very  earliest  times,  and  yet  no  common 


N.  van  Wijk,  Zur  Konjugation  des  Verbum  snbstantivnm.        49 

IE  term  exists.  This  must  be  because  there  were  several  de- 
scriptive  terms,  all  of  which  may  have  been  replaced  by  later 
(lescriptive  terms. 

From  this  it  follows  that  a  common  form  may  be  foiind 
in  different  IE.  languages  with  entirely  different  meanings;  or 
the  same  meaning  under  different  forms.  The  form  may  persist 
with  a  constantly  changing  signification,  or  the  imderlying 
meaning  may  persist  through  a  succession  of  different  forms. 

University  of  Chicago.  Francis  A.  Wood. 


/ 


c>      Zur  Konjngation  des  Terbnm  snbstantiTam. 


Das  Suffix  der  3.  Pers.  PI.  der  thematischen  Konjugation 
ist  -nii^  'fU,  Nach  der  allgemein  herrschenden  Ansicht  tritt  vor 
diesem  Suffix  der  thematische  Vokal  stets  in  der  Gestalt  -o-  auf; 
da,  wo  dem  -nti^  -n^  ein  -e-  vorangeht,  pflegt  man  dieses  -e- 
nicht  als  den  thematischen  Vokal,  sondern  als  zum  Personal- 
suffix gehörig  zu  betrachten.  Vgl.  Brugmann  Ordr.  2,  1360,  Hirt 
Ablaut  §  185.  Man  zerlegt  also  idg.  *tudönti  (ai.  tuddnti)  und 
*9inti  (ai.  sdnti)  resp.  in  Hudö-nti  und  *8'4nti. 

Diese  Auffassung  war  ganz  natürlich  in  einer  Periode,  wo 
man  den  thematischen  Vokal  als  ein  stammbildendes  Element 
betrachtete,  d.  h.  den  allen  Personen  eines  bestimmten  Tempus 
zugrunde  liegenden  e-o-Stanmi  in  eine  konsonantisch  auslautende 
Wurzel  und  ein  daran  angetretenes  e-o  zeriegte.  Eine  solche 
Auffassung  der  thematischen  Stämme  gestattete  nicht,  wenn  nur 
in  6iner  Person  eines  Paradigmas  eine  Form  voriag,  die  thematisch 
sein  könnte,  dieselbe  als  wirklich  thematisch  zu  betrachten.  Weil 
man  meinte,  daß  in  *esfni^  *e8si  usw.  ein  von  jeher  athematischer 
Präsensstamm  enthalten  sei,  konnte  man  nicht  einen  thematischen 
•Stamm  bloß  für  die  3.  PI.  annehmen. 

Nim  haben  in  den  letzten  Jahren  die  Untersuchungen 
einiger  Gelehrter  eine  ganz  neue  Auffassung  der  indogermanischen 
Wurzeln  ins  Leben  gerufen.  Es  ist  nachgewiesen  worden,  daß 
viele  in  ihrer  überlieferten  Gestalt  athematische  Formen  in  einer 
früheren  Periode  thematisch  waren ;  es  geht  daraus  hervor,  daß 
das  e-o  der  auch  in  der  historischen  Zeit  thematischen  Formen 

Indogennanieche  Fonchiingen  XVIII.  ^ 


60  N.  van  Wijk, 

nicht  ein  verliältnismäßig  spät  an  die  Wurzel  angetretenes  Element 
zu  sein  braucht,  sondern  auf  eine  frühere  Periode  zurückgehen 
und  mit  jenem  infolge  nachhaupttoniger  Stellung  geschwundenen 
0-0  im  Grunde  identisch  sein  kann.  Daher  nimmt  man  jetzt  für 
viele  Wurzeln  ursprünglich  thematische  ftestalt  an'). 


1)  [Was  der  Herr  Verfasser  hier  sagt,  ist  geeignet,  dem  immer  wieder 
auftauchenden  Mißverständnis  neue  Nahrung  zuzuführen,  als  habe  man 
bis  vor  ein  paar  Jahren  das  Wort  Suffix  inbezug  auf  die  Genesis  der 
Wortformen  in  urindogermanischer  Zeit  gewöhnhch  in  seinem  eigenthchen 
Sinne  genommen,  nämUch  in  dem  Sinne,  in  welchem  man  z.  6.  das  Element 
ye  in  ^r^T^  oder  das  ce  in  huiusce  als  suffigiert  bezeichnen  darf.  Deshalb 
mag  hier  folgendes  bemerkt  sein.  Schon  vor  zwei  Jahrzehnten  standen 
weitaus  die  meisten  Sprachforscher  inbezug  auf  die  Anwendung  von 
Trennungsstrichen  in  *bhir'e-4i  u.  dgl.  und  inbezug  auf  die  Bezeichnung 
des  -e-  dieser  Form  als  'Suffix'  auf  dem  Standpunkt,  den  ich  im  Jahre  1886 
Grundr.  1*,  18  so  charakterisiert  habe:  "Wir  geben  also  in  concreto  die 
Elemente,  welche  wir  mit  diesen  Namen  [Wurzel  und  Suffix]  belegen, 
nicht  für  ursprünglich  selbständige  Wörter  aus,  sondern  besagen  mittels 
der  Trennungsstriche  nur,  was  auf  der  jeweiligen  Sprachstufe  von  den 
Sprechenden  der  Wahrscheinlichkeit  nach  einerseits  gewissermaßen  als 
der  Kern  einer  ganzen  Gruppe,  eines  ganzen  Systems  von  Wortformen, 
anderseits  als  ein  einer  mehr  oder  minder  großen  Anzahl  von  verschiedenen 
Wörtern  in  gleicher  Weise  eigenes  formatives  Element  empfunden  wurde. 
Die  Elemente  -e-  und  -»-  mögen  immerhin  ursprünglich  Teile  von  Wurzeln 
gewesen  sein,  aber  es  ist  durchaus  wahrscheinlich,  daß  sie  für  die  Sprach- 
emplindung  das  waren,  was  der  Grammatiker  'Suffix'  nennt."  In  diesem 
selben  Sinne  sagt  der  Verfasser  unten  S.  53:  "Man  hatte  neben  ♦«-mÄ, 
*B'ihi  eine  3.  PI.  *8-^i  (denn  so  faßte  das  Sprachbewußtsein  die  Formen 
auf,  indem  es  aus  den  zitierten  Formen  eine  Wurzel  «-  abstrahierte)**, 
und  zerlegt  auch  z.  B.  Hirt  Der  idg.  Ablaut  154  Hhugi-  (q)UT€iv)  in  ^bhug^e 
und  nennt  den  Schlußteil  ausdrücklich  'Suffix*.  Man  muß  sich  klar  darüber 
sein,  daß  die  de  Saussureschen  Forschungen  und  die  sich  an  sie  an- 
schließenden Forschungen  von  Bartholomae,  Kretschmer,  Streitberg,  Hirt  u.  a, 
zwar  unsere  Einsicht  in  die  Entstehung  des  urindogermanischen  Ablauts 
mächtig  gefördert  haben  (meine  Stellung  zu  den  neuen  Ablauttheorien 
mag  man  aus  K.  Vergl.  Gramm.  138  ff.  ersehen),  daß  aber  durch  sie  auf 
das  entwicklungsgeschichtliche  Verhältnis  von  'Wurzel'  und  'Suffix*  (besser 
Tormativ*  oder  'Formans',  s.  Grundr.  !•,  39  f.,  K.  vergl.  Gramm.  285),  auf 
die  Entstehung  der  Struktur  komplizierterer  urindogermanischer  Wort- 
formen bis  jetzt  kaum  irgendwie  neues  Licht  gefallen  ist.  Was  man  heut- 
zutage als  mehrsilbige  Wurzel  oder  Basis  für  vor-urindogermanische  Zeiten 
rekonstruiert,  ist  genau  so,  wie  das,  was  man  ehedem  allgemein  als  ein- 
silbige Wurzel  auszuheben  pflegte,  nichts  mehr  als  eine  grammatische 
Abstraktion,  ein  Wortstück,  von  dem  man  durchaus  nicht  berechtigt  ist 
anzunehmen,  daß  es  einst  im  Satz  in  wechselnden  Verbindungen,  etwa 
nach  Art  des  ersten  Bestandteils  des  Kompositums  heeresmachty  eine  ge- 


Zur  Koi^ugation  des  Verbum  substantivum.  51 

Mit  Sicherheit  kann  man  eine  athematische  Form  nui*  dann 
auf  eine  ältere  thematische  zurückführen,  wenn  sie  Dehnstufen- 
Tokalismus  hat;  außerdem  natürlich  dann,  wenn  aus  verwandten, 
ebenfalls  direkt  aus  der  Wurzel  gebildeten  Formen  die  thema- 
tische Gestalt  der  Wurzel  hervorgeht  Nun  geschieht  es  bisweilen, 
daß  in  Einern  und  demselben  Paradigma  neben  dehnstufigen 
Formen  auch  normalstufige  vorkommen,  z.B.  aL  dhäkfi  RV.  neben 
adkäkm  V.  +,  adhak  V.  B.  S.;  vdk^,  vdk^va  V.  B.  neben  dväküt 
V.B.  S.,  dvät,  väl  V.B.  S;  sak^i,  säkiva  RV.  neben  sdkim  RV., 
aL  ätU  neben  Ut  isti  usw.  Die  dehnstufigen  Formen  weisen  auf 
ursprünglich  thematische  Wurzeln  hin,  und  man  nimmt  am  besten 
an,  daß  die  normalstufigen  unter  anderen  Satzbetonungsverhält- 
nissen  aus  ähnlichen  thematischen  Grundformen  hervorgegangen 
sind  wie  jene.    Über  einige  hierhergehörige  Bildungskategorien 


wisse  Selbständigkeit  gehabt  habe.  Ob  man  als  Etiketle  für  eine  Anzahl 
etvmologisch  zusammengehöriger  Wörter  in  der  alten  Weise  eine  ein- 
silbige 'Wurzel'  oder  eine  irgendwie vielsilbige  'Basis*  wählt,  ist  daher 
grundsätzlich  völlig  gleichgültig;  es  fragt  sich  nur,  was  in  jedem  Falle 
das  praktischere  ist.  Und  völlig  unbeweisbar  ist  die  Meinung  gewisser 
Ablautforscher,  die  auslautenden  Vokale  von  Basen  wie  bhefe-,  ffene-  seien 
nicht  ebenso  accessorische  Elemente  gewesen  wie  gewisse  konsonantische 
Elemente  ('Determinative*),  deren  accessorischen  Charakter  niemand  be- 
zweifelt, z.  B.  das  «  in  ai.  Srö^amü^a-s^  aksl.  sluckb  (neben  ai.  aSravam  usw.) 
oder  in  ai.  tqsa-ti,  got.  at-ßinsan  (neben  griech.  reivu)  usw.),  sondern  seien 
von  allem  Anfang  an  mit  den  ihnen  vorausgehenden  Lautelementen  zu- 
sammen gegeben  gewesen.  Wir  wissen  über  die  Herkunft  dieser  Vokale 
und  ihre  ursprüngliche  Funktion  eben  gar  nichts.  Auch  halten  sich,  um 
das  noch  hinzuzufügen,  nicht  alle  Ablautforscher  vor  Augen,  daß  nicht 
jeder  Indogermanist,  der  über  Wortbildungsvorgänge  schreibt,  jedesmal 
gehalten  sein  muß,  zu  den  jenseits  der  zunächst  erreichbaren  urindo- 
germanischen Sprachstufe  liegenden  Ablautfragen  Stellung  zu  nehmen. 
Es  gibt  genug  formgeschichtliche  Probleme  der  vergleichenden  Grammatik, 
die  sich  echt  historisch  behandeln  lassen,  ohne  daß  man  ins  Vor-urindo- 
germanische  hinaufgeht.  Muß  doch  auch  nicht  ein  Romanist,  der  Fragen 
der  romanischen  Formenlehre  zum  Urromanischen  zurtickverfolgt,  immer 
gleich  noch  weiter  ins  Urlatcinische  hinaufgehen.  Man  kann  den  modernen 
Ablauttheorien  volle  Sympathie  entgegenbringen  und  braucht  ihnen  trotz- 
dem nicht  den  weitgehenden  Einfluß  für  die  Gruppierung  und  Benennung 
der  urindogermanischen  Wortbildungserscheinungen  zuzugestehen,  den 
manche  neuerdings  verlangen :  wie  ich  es  mir  z.  B.  nicht  nehmen  lasse, 
konsonantische  Stämme,  die  wahrscheinlich  ursprünglich  e  :  o- Stämme 
gewesen  sind,  trotzdem  als  urindogermanische  konsonantische  Stämme  zu 
registrieren.  Ich  erlaube  mir  noch  auf  Liter.  Centralbl.  1900  Sp.  113, 
IF.  14,  1  flf.,  K.  vergl.  Gramm.  S.  282  ff.  zu  verweisen.  —  K.  Brugmann.] 

4* 


Ö2  N.  van  Wijk, 

und  den  vermutlichen  Grund  der  formellen  Verschiedenheit  vgl. 
Verfasser  Der  nominale  Genetiv  Singular  3  f. 

Ebensogut  wie  ai.  dhäk^  können  auch  idg.  *e3mi,  *em  usw. 
aus  thematischen  Grundformen  entstanden  sein,  und  Hirts  Be- 
merkung Ablaut  §  185,  daß  gerade  aus  der  Form  *aÄtfe'  eine 
Personalendung  -enti  sich  mit  Sicherheit  ergebe,  ist  kaum  richtig. 
H.  selber  führt  für  diese  seine  Ansicht  keine  Gründe  an.  Aus 
*Äemt,  *esinti  können  sehr  wohl  *&m»  bezw.  *sinti  entstanden 
sein.  Dadurch,  daß  die  Annahme  einer  thematischen  Wurzel  einige 
Formen  zu  erklären  vermag,  die  auch  auf  andere  Weise  erklärt 
werden  könnten,  wird  allerdings  noch  nichts  bewiesen.  Ich  hoffe 
aber  nachzuweisen,  daß  es  einige  andere  Formen  gibt,  die  mit 
größerer  Bestimmtheit  eine  thematische  Wurzel  voraussetzen*). 

In  erster  Linie  kommt  hier  das  Partiz.  Präs.  in  Betracht, 
das  schon  in  der  Grundsprache  in  der  Gestalt  *se»^-,  *9ont'  be- 
standen hat  (ai.  sant-^  av.  hant-^  gr.  övr-,  lat  sont-^  praesent-j 
ags.  8Öd^  lit.  sqs^  mnczo^  abg.  sy^  scfSta).  Dieses  Partizip  muß  wohl 
als  mit  *ttid6nt'  in  einer  Linie  stehend  betrachtet  werden; 
ebenso  wie  dieses  aus  *tudo  +  tU-  besteht,  ist  jenes  in  *so  +  nt- 
(bezw.  *«ß  +  nt')  zu  zerlegen,  vgl.  IF.  1,  92. 

Eine  andere  tliematische  Form  vom  Verbum  subst.  ist  das 
in  umbr.  henttso  *venerint,  ventum  erit*,  coiwi-tuso  *converterint, 
conversum  erit'  enthaltene  urit.  (und  idg.)  *sor.  Hier  hat  man 
den  o-Vokal;  weshalb  sinti  (und  lat  prae-aent-)  -e-  hat,  und 
nicht  -o-,  muß  unentschieden  bleiben,  solange  über  die  Frage 
des  Ursprungs  des  qualitativen  Ablauts  noch  so  wenig  Einigkeit 
herrscht,  und  man  noch  gar  nicht  weiß,  in  welchen  Fällen  die 
Formen  mit  -«-,  und  in  welchen  die  mit  -o-  lautgesetzlich  sind. 
Daß  neben  *9inti  ein  idg.  *s6nti  bestanden  hat,  wie  man  auf 
Grund  des  lat.  sunt  und  des  abg.  sqtb  wolü  angenommen  hat, 
kommt  mir  sehr  unwahrscheinlich  vor.  Die  genannten  Formen 
lassen  sich  sehr  wohl  als  Analogiebildungen  erklären.  Sowohl 
der  Einfluß  der  thematischen  Flexion  wie  der  des  Partiz.  Präs. 
*8ont'  können  gewirkt  haben.  Auf  urit.  "^sinti  weist  osk.  sef,  set^ 
umbr.  sent  hin.  Auch  wäre  es  durchaus  unverständlich,  warum, 
wenn  im  Indogermanischen  *senti  und  "^sonti  nebeneinander  be- 
standen hätten,  in  beinahe  allen  Sprachen  das  sich  formell  der 
thematischen  3.  PL  und  dem  Partiz.  Präs.  von  es-  anschließende 
*«)ntt  spurlos  verschwunden,  *setiti  aber,  wofür  im  Kampfe  ums 

1)  Vgl.  dazu  Streitberg  IF.  1,  90  ff. 


Zur  Kox^'ugation  des  Verbum  substantivum.  53 

Dasein  die  Bedingungen  viel  ungünstiger  waren,  erhalten  ge- 
blieben wäre. 

Daß  im  Paradigma  des  Ind.  Präs.  die  3.  PL,  was  ihre  Form 
betrifft,  allen  anderen  Personen  gegenüber  eine  ganz  besondere 
Stellung  einnimmt,  hat  nichts  Wunderbares.  Auch  in  anderen 
Fällen  ist  die  3.  PL  die  einzige  Form,  die  eine  abweichende 
Ablautgestalt  der  Wurzel  zeigt,  z.  B.  ai.  dduh  :  ddäm,  ddah  usw. 
Auch  kann  derjenige,  der  *8inti  in  *s  +  inti  zerlegt,  die  Richtig- 
keit seiner  Ansicht  nicht  durch  die  Heranziehung  anderer 
Formen  beweisen.  Denn  nirgends  ist  die  Annahme  einer  Endung 
-enti  notwendig:  ai.  ydnti^  ghndnti^  äpnuvdntij  kurvdnti  verhalten 
sich  zu  äi^  hdntif  äpnöti,  katyiti  genau  so  wie  sdnti  zu  dsti^  d.  h. 
es  können  thematische  Formen  sein.  Und  was  krifidnU  zu 
krindmi  betrifft,  das  läßt  sich  leicht  als  eine  indogermanische 
Analogiebildung  erklären.  Man  hatte  neben  ^s-mds^  *8-thi  eine 
3.  PL  *»-^fUi  (denn  so  faßte  das  Sprachbewußtsein  die  Form  auf, 
indem  es  aus  den  zitierten  Formen  eine  Wurzel  8-  abstrahierte), 
ebenso  *kJnu(u)Snti  neben  *kjnt*'m&^  *kjnU'thi.,  nach  diesen  und 
ähnlichen  Mustern  bildete  man  nun  zu  einer  1.  und  2.  PL  auf 
''9-mis^  '9-ihS  eine  3.  PL  auf  -a-dnti ;  darauf  schwand  in  der  neu- 
entstandenen Form  nach  dem  von  Hirt  Abi.  §  185  erwälinten  Gesetz 
de  Saussures  *)  das  -9-  vor  dem  folgenden  Vokal. 

Es  gibt  noch  einige  Formen,  die  bei  der  Annahme  einer 
Wurzel  ese  eine  einfachere  und  befriedigendere  Erklärung  finden, 
als  man  bisher  gegeben  hat.  Ich  meine  die  germanischen  Plural- 
formen des  Ind.  Präs.:  an.  1.  erom,  2.  erod,  3.  erOj  ahd.  1.  birum^ 
2.  bind,  got.  1.  sijum^  2.  sijup. 

Bei  der  Besprechung  dieser  Formen  darf  man  got.  sywm, 
sifuß  außer  Betracht  lassen.  Es  ist  deutlich  —  und  soviel  ich 
weiß,  sind  die  Forscher  darüber  einig  — ,  daß  die  Laut\^erbindung 
sij'  aus  dem  Optativ,  wo  sie  ursprünglich  ihren  Platz  hatte,  in 
den  Indikativ  hinübergeführt  worden  ist.    Die  Endung  ist  die- 


1)  Inbezug  auf  dieses  Gesetz  bemerke  ich,  daß  es  nur  in  durch 
Analogiebildung  entstandenen  Formen  gewirkt  hat;  denn  lautgesetzliche 
Formen  mit  der  Lautgruppe  9  -{-  Vokal  gab  es  nicht,  a  ist  in  allen  Fällen, 
wo  es  auftritt,  ein  reduzierter  Vokal ;  überall  geht  es  zurück  auf  ä,  e  oder 
5.  Wenn  nun  an  einen  Stamm  auf  a,  ?,  ö  eine  vokalisch  anlautende  Endung 
trat,  entstand  durch  Kontraktion  a,  I,  J;  die  Gruppe  a -f- Vokal  konnte 
nur  dann  entstehen,  wenn  in  einer  jüngeren  Periode,  nachdem  «,  e,  d 
reduziert  worden  waren,  eine  vokalisch  anlautende  Endung  angehängt  wurde. 


ö4  N.  van  Wijk, 

selbe  wie  bei  den  nord-  und  westgermanischen  Formen,  und 
wenn  diese  die  Rekonstruktion  einer  umord-und  westgermanischen 
Grundform  gestatten,  darf  man  diese  ohne  weiteres  auch  für  die 
Periode  des  Ostgermanischen  annehmen,  wo  der  Anlaut  noch 
nicht  auf  analogische  Weise  umgestaltet  war. 

Brugmann  geht  bei  der  Behandlung  der  aufgezählten  Formen 
Grdr.  2,  908  von  der  an.  3.  PI.  ero  aus,  die  er  auf  urgerm.  *izunp 
zurückführt;  die  1.  und  2.  Plur.  sind  nach  seiner  Ansicht  nach 
der  Analogie  der  3.  gebildet  worden.  Letzteres  wäre  an  und  für 
sich  sehr  wohl  möglich,  aber  die  Existenz  einer  Urform  *ezunß 
*izunß  (in  urindogermanischer  Lautung  *esf^t)  ist  sehr  proble- 
matisch. Die  Bedenken,  die  gegen  diese  Annahme  ins  Feld  ge- 
führt werden  können,  hat  van  Holten  PBrB.  20,  523  zusammen- 
gestellt, und  ich  brauche  sie  hier  nicht  zu  wiederholen.  Meines 
Erachtens  genügen  sie  vollständig,  um  die  Unannehmbarkeit 
von  Brugmanns  Hypothese  darzutun.  Van  Holten  selber  schlägt 
folgende  Erklärung  vor:  Die  2.  und  3.  PL  des  Optativs  sind 
urgerm.  *8imi^  *9ißS.  Weil  nun  oft  neben  Optativen  mit  f  Plurale 
des  Indikativs  mit  u  stehen  —  im  Präter.,  z.  B.  got.  nemeima^ 
nemeiß  :  nemum^  nemuß  — ,  können  zu  diesen  Formen  die  in- 
dikativischen *swm,  *8uß  gebildet  sein.  Daß  diese  später  nach 
der  Analogie  des  Singulars  in  *esufn,  *e9tiß^  *ezum.  *ezuß  über- 
gehen konnten,  braucht  keiner  Erläuterung;  ebenfalls  sind  ahd. 
birum^  bind  mit  dem  b  von  Wm,  bist  deutlich. 

Bevor  ich  meine  eigene  Ansicht  auseinandersetze,  die  sich 
am  nächsten  mit  der  von  van  Helten  berührt,  gehe  ich  kurz 
auf  die  Meinungen  von  Streitberg,  Kluge  und  Kern  ein. 

Streitberg  hält  Urgerm.  Gr.  317  an.  erom  für  lautgesetzlich. 
Mit  der  von  ihm  angesetzten  indogermanischen  Grundform  ^ez^mes 
kann  ich  mich  aber  nicht  befreunden.  Keine  andere  indogerma- 
nische Sprache  kennt  Formen  vom  Yerbum  Subst  mit  ^,  und 
man  wüßte  auch  nicht  recht,  wo  das  9  herkäme  (vgl.  van  Helten 
a.  a.  0).  Denn  seit  Hübschmanns  *Vocalsystem'  sieht  man  all- 
gemein in  9  einen  nur  mit  indogermanischen  Längen  in  Ablaut 
stehenden  Vokal.  Es  kann  also  keine  lautgesetzliche  Form  von 
der  Wurzel  ese  bestanden  haben,  in  welcher  dem  s  ein  9  folgte ; 
ebensowenig  wäre  ersichtlich,  wie  9  durch  Analogiebildung  ein- 
geführt sein  könnte. 

Auch  Kluge  setzt  Pauls  Grundr.  1^,  433  '^e8'9m^n  an. 
Wenn  er  hinzufügt :  "nach  Kern  Taal-  en  Letterb.  5,  89*',  so  gibt 


Zur  Konjugation  des  Verbum  substantiviun.  ob 

er  eine  durchaus  unrichtige  Vorstellung  von  der  von  Kern  aus- 
einandergesetzten Meinung.  K.  erblickt  in  an.  eram^  erod^  ero  indo- 
germanische Konjunktivformen,  wie  ai.  dsama^  dsatha^  dsan.  Man 
setzt  allgemein  die  Endungen  dieses  kurzvokalischen  Konjunktivs 
als  idg.  -^nne^  -ethe^  -oni  an.  Es  könnte  nun  allerdings  erom  lauüich 
dem  ai.  dsäma  entsprechen.  Der  Ausgang  -am,  -um  wäre  ebenso- 
gut hier  wie  in  an.  fpUom^  -ww,  ahd.  faüumes  zu  erwarten.  Nach 
an.  erwn^  ahd.  birum  könnten  dann  erod^  ero  bezw.  birut  gebildet 
sein.  Gegen  die  Kemsche  Ansicht  spricht  aber  der  Umstand, 
daß  sie  voraussetzt,  daß  die  vorli^enden  Indikativformen  ur- 
sprünglich im  Konjunktiv  ihren  Platz  haben.  Deshalb  gebe  ich 
meiner  eigenen  Erklärung,  die  vom  Indikativ  ausgeht,  den  Vorzug, 
zamal  weil  die  Deutung,  die  Kern  für  die  noch  übrigen  Formen, 
d.  h.  für  got  sijum^  sijuß^  gibt  —  er  erblickt  darin  Optativ- 
formen — ,  auch  aus  formellen  Gründen  nicht  Stich  hält 

Wie  van  Helten  erblicke  ich  in  gemi.  *esum,  *ezum  eine 
Umbildung  aus  älterem  *9um  ^).  Die  Form  mit  e-  muß  schon  sehr 
frühe  entstanden  sein,  denn  sie  ist  noch  der  Wirkung  des 
Vemerschen  Gesetzes  unterworfen  gewesen.  Allerdings  wäre 
deshalb  die  Möglichkeit  nicht  ausgeschlossen,  daß  *sum  eine 
noch  ältere  Analogiebildung  wäre.  Wenn  aber  *mm  sich  als 
eine  lautgesetzliche  Form  erklären  läßt,  so  möchte  ich  eher  eine 
solche  Deutung  annehmen,  als  den  Optativ  zu  Hilfe  rufen.  Und 
in  der  Tat  glaube  ich,  eine  solche  Deutung  geben  zu  können, 
indem  ich  germ.  *sum  aus  einem  idg.  *$omo8  herleite^). 

Um  diese  meine  Ansicht  zu  begründen,  gilt  es  zweierlei 
zu  beweisen:  1.  daß  ante  vokalisch  es  «w  ini  Germanischen  zu  um 
wird,  2.  daß  zur  Wurzel  e9e  eine  1.  PI.  Ind.  Pr.  *Somo8  gehören 
kann.  Jenes  ist  etwas,  woran  wohl  keiner  zweifeln  wird;  vgl. 
Brugmann  Grdr.  1',  415,  Hirt  Abi.  §  87;  letztere  Behauptung 
wird  ohne  eine  weitere  Begründung  weniger  Zustimmung  finden. 
Ich  gehe  deshalb  des  näheren  auf  diesen  Punkt  ein. 


1)  In  einer  älteren  Periode  war  natürlich  der  Ausgang  nicht  ein 
bloßes  -m,  sondern  -m««,  -mos.  Weil  die  relative  Chronologie  der  Laut- 
veränderungen, die  die  Form  erfahren  hat,  jetzt  keinen  Wert  für  uns  hat, 
pebe  ich  den  Auslaut  so,  wie  er  in  den  überlieferten  Formen  vorliegt. 

2)  Vgl.  von  Planta  Gramm,  d.  osk.-umbr.  Dial.  1,  373,  der  *e8^m^ 
ansetzt,  obgleich  er  eine  andere  Erklärung  nicht  für  ausgeschlossen  hält. 
Der  Unterschied  zwischen  ©m  und  ^m  hat  hier  nur  den  Wert  einer  ortho- 
graphischen Variation. 


54  N.  van  Wijk, 

selbe  wie  bei  den  nord-  und  westgermanischen  Formen,  und 
wenn  diese  die  Rekonstruktion  einer  umord-und  westgermanischen 
Grundform  gestatten,  darf  man  diese  ohne  weiteres  auch  für  die 
Periode  des  Ostgermanischen  annehmen,  wo  der  Anlaut  noch 
nicht  auf  analogische  Weise  umgestaltet  war. 

Brugmann  geht  bei  der  Behandlung  der  aufgezählten  Formen 
Grdr.  2,  908  von  der  an.  3.  PI.  ero  aus,  die  er  auf  urgerm.  *izunß 
zurückführt;  die  1.  und  2.  Plur.  sind  nach  seiner  Ansicht  nach 
der  Analogie  der  3.  gebildet  worden.  Letzteres  wäre  an  und  für 
sich  sehr  wohl  möglich,  aber  die  Existenz  einer  Urform  *ezunß 
*izunP  (in  urindogermanischer  Lautung  *esyt)  ist  sehr  proble- 
matisch. Die  Bedenken,  die  gegen  diese  Annahme  ins  Feld  ge- 
führt werden  können,  hat  van  Helten  PBrB.  20,  523  zusammen- 
gestellt, und  ich  brauche  sie  hier  nicht  zu  wiederholen.  Meines 
Erachtens  genügen  sie  vollständig,  um  die  Unannehmbarkeit 
von  Brugmanns  Hypothese  darzutun.  Van  Helten  selber  schlägt 
folgende  Erklärung  vor:  Die  2.  und  3.  PL  des  Optativs  sind 
urgerm.  *simS^  *8ißS.  Weil  nun  oft  neben  Optativen  mit  f  Plurale 
des  Lidikativs  mit  u  stehen  —  im  Präter.,  z.  B.  got  nemeimaj 
nemeiß  :  nemum^  nemuß  — ,  können  zu  diesen  Formen  die  in- 
dikativischen *swm,  *8iiß  gebildet  sein.  Daß  diese  später  nach 
der  Analogie  des  Singulars  in  *esum^  *€suß^  *ezunt,  *ezuß  über- 
gehen konnten,  braucht  keiner  Erläuterung;  ebenfalls  sind  ahd. 
birum^  bind  mit  dem  b  von  Wm,  bist  deutlich. 

Bevor  ich  meine  eigene  Ansicht  auseinandersetze,  die  sich 
am  nächsten  mit  der  von  van  Helten  berührt,  gehe  ich  kurz 
auf  die  Meinungen  von  Streitberg,  Kluge  und  Kern  ein. 

Streitberg  hält  Urgerm.  Gr.  317  an.  erom  für  lautgesetzlich. 
Mit  der  von  ihm  angesetzten  indogermanischen  Grundform  *6;2sww«8 
kann  ich  mich  aber  nicht  befreimden.  Keine  andere  indogerma- 
nische Sprache  kennt  Formen  vom  Verbum  Subst  mit  9,  und 
man  wüßte  auch  nicht  recht,  wo  das  9  herkäme  (vgl.  van  Helten 
a.  a.  0).  Denn  seit  Hübschmanns  'Vocalsystem'  sieht  man  all- 
gemein in  9  einen  nur  mit  indogermanischen  Längen  in  Ablaut 
stehenden  Vokal.  Es  kann  also  keine  lautgesetzliche  Form  von 
der  Wurzel  ese  bestanden  haben,  in  welcher  dem  s  ein  9  folgte; 
ebensowenig  wäre  ersichtlich,  wie  9  durch  Analogiebildung  ein- 
geführt sein  könnte. 

Auch  Kluge  setzt  Pauls  Grundr.  1«,  433  *e8'9mSn  an. 
Wenn  er  hinzufügt :  "nach  Kern  Taal-  en  Letterb.  5,  89*',  so  gibt 


Zur  Konjugation  des  Verbum  substantiviun.  ob 

er  eine  durchaus  unrichtige  Vorstellung  von  der  von  Kern  aus- 
einandergesetzten Meinung.  K.  erblickt  in  an.  eram^  erod^  ero  indo- 
germanische Eonjunktivformen,  wie  ai.  dsama^  dsatha^  dsan.  Man 
setzt  allgemein  die  Endungen  dieses  kurzvokalischen  Konjunktivs 
als  idg.  -^nne^  -Hhej  -oni  an.  Es  könnte  nun  allerdings  erom  lautlich 
dem  ai.  dsäma  entsprechen.  Der  Ausgang  -am,  -um  wäre  ebenso- 
gut hier  wie  in  an.  fpUomn  -ww,  ahd.  faüumes  zu  erwarten.  Nach 
an.  erwn^  ahd.  birum  könnten  dann  erod^  ero  bezw.  birut  gebildet 
sein.  Gegen  die  Kernsche  Ansicht  spricht  aber  der  Umstand, 
daß  sie  voraussetzt,  daß  die  vorli^enden  Indikativformen  ur- 
sprünglich im  Konjunktiv  ihren  Platz  haben.  Deshalb  gebe  ich 
meiner  eigenen  Erklärung,  die  vom  Indikativ  ausgeht,  den  Vorzug, 
zumal  weil  die  Deutung,  die  Kern  für  die  noch  übrigen  Formen, 
d.  h.  für  got  sijum^  sijuß^  gibt  —  er  erblickt  darin  Optativ- 
formen — ,  auch  aus  formellen  Gründen  nicht  Stich  hält 

Wie  van  Helten  erblicke  ich  in  germ.  *esum^  *ezum  eine 
Umbildung  aus  älterem  *9um  ^).  Die  Form  mit  e-  muß  schon  sehr 
frühe  entstanden  sein,  denn  sie  ist  noch  der  Wirkung  des 
Vemerschen  Gesetzes  unterworfen  gewesen.  Allerdings  wäre 
deshalb  die  Möglichkeit  nicht  ausgeschlossen,  daß  *sum  eine 
noch  ältere  AnaJogiebildung  wäre.  Wenn  aber  *Bum  sich  als 
eine  lautgesetzliche  Form  erklären  läßt,  so  möchte  ich  eher  eine 
solche  Deutung  annehmen,  als  den  Optativ  zu  Hilfe  rufen.  Und 
in  der  Tat  glaube  ich,  eine  solche  Deutung  geben  zu  können, 
indem  ich  germ.  *sum  aus  einem  idg.  *$omo8  herleite^). 

Um  diese  meine  Ansicht  zu  begründen,  gilt  es  zweierlei 
zu  beweisen:  1.  daß  ante  vokalisch  es  «m  im  Germanischen  zu  um 
wird,  2.  daß  zur  Wurzel  e9e  eine  1.  PI.  Ind.  Pr.  *Somos  gehören 
kann.  Jenes  ist  etwas,  woran  wohl  keiner  zweifeln  wird;  vgl. 
Brugmann  Grdr.  1«,  415,  Hirt  Abi.  §  37;  letztere  Behauptung 
wird  ohne  eine  weitere  Begründung  weniger  Zustimmung  finden. 
Ich  gehe  deshalb  des  näheren  auf  diesen  Pimkt  ein. 


1)  In  einer  älteren  Periode  war  natürlich  der  Ausgang  nicht  ein 
bloßes  -m,  sondern  -mes,  -mos.  Weil  die  relative  Chronologie  der  Laut- 
verändeningen,  die  die  Form  erfahren  hat,  jetzt  keinen  Wert  für  uns  hat, 
gebe  ich  den  Auslaut  so,  wie  er  in  den  überlieferten  Formen  vorliegt. 

2)  Vgl.  von  Planta  Gramm,  d.  osk.-umbr.  Dial.  1,  373,  der  *e8^m^ 
ansetzt,  obgleich  er  eine  andere  Erklärung  nicht  für  ausgeschlossen  hält. 
Der  Unterschied  zwischen  ©m  und  ^m  hat  hier  nur  den  Wert  einer  ortho- 
gri4)hischen  Variation. 


66  N.  van  Wijk, 

Es  kommt  darauf  an,  zu  beweisen,  daß,  wenn  die  Wurzel 
eȧ  ist,  die  1.  PL  die  Gestalt  *8otwds  haben  kann.  Bei  der  Be- 
sprechung dieser  Frage  können  wir  natürlich  den  Unterschied 
zwischen  e  und  o  und  zwischen  ,  und  o  beiseite  lassen  und 
einfach  *%jmh  an  die  Stelle  von  *B^m69  einsetzen. 

Gewöhnlich  nimmt  man  für  das  Verbum  subst  eine  Wurzel 
es  an,  und  nicht  ese.  Einige  Forscher  erblicken  in  idg.  z-mh. 
ai.  wkf «(-»),  av.  mahl  die  lautgesetzliche  Form  der  1.  PI.  und  halten 
apers.  amahy^  griech.  dc^dv,  abg.  jcwi»,  air.  ammi  für  eine,  viel- 
leicht schon  grundsprachliche,  Neubildung,  idg.  *esme8{'i) ;  andere 
sehen  umgekehrt  in  idg.  ^esmes  die  ältere  Form.  Hirt  hält  sowohl 
idg.  *tSfnS8  (woraus  in  den  Einzelsprachen  *esmis  entstand)  wie 
*8md8  für  lautgesetzlich,  üidem  er  in  diesen  Formen  Satz- 
doubletten  sieht. 

Nimmt  man  nun  aber  eine  Wurzel  ese  an,  welche  Gestalt 
darf  man  dann  für  die  1.  PL  voraussetzen  ?  Wir  müssen  aus- 
gehen von  idg.  *eae-iwÄ.  Nach  Hirt  AbL  §  797  erlitt,  wenn  der 
Haupttonsilbe  zwei  Silben  vorangingen,  die  mittlere  die  stärkste 
Keduktion,  d.  h.  sie  erhielt  Seh  wundstuf  envokalismus,  während 
die  erste  Silbe  auf  der  Keduktionsstufe  stehen  blieb.  Aus  *esemi8 
wäre  also  ^eStnds  entstanden.  Nun  habe  ich  früher  schon  (Der 
nominale  Genetiv  Singular  33  ff.)  durch  die  Heranziehung  des 
von  mir  gesammelten  Materials  nachzuweisen  versucht  daß  neben 
KSV.-Formen  —  ich  gebrauche  die  Abkürzungen  V.,  R.  imd  S. 
ebenso  wie  Hirt  resp.  für  Voll-,  Eeduktions-  und  Schwundstufe  — 
auch  SRV.-Formen  vorkommen.  Außer  dem  angeführten  Material 
stütze  ich  diese  Ansicht  noch  auf  einen  andern  Grund.  Die 
Beobachtung  der  russischen  Sprache  hat  mich  zur  Überzeugung 
gebracht,  daß  da  in  dem  idg.  ^ese-mis  analogen  Fällen  sowohl 
SRV.  wie  RSV.  auftritt  Bevor  ich  einen  solchen  Fall  bespreche, 
bemerke  ich,  daß  aller  Wahrscheinlichkeit  nach  die  Betonung 
in  der  indogermanischen  Grundsprache  der  russischen  sehr 
ähnlich  war.  Ebenso  wie  man  das  für  das  Indogermanische  an- 
nimmt, hat  man  im  Russischen  einen  sehr  starken  Akzent  auf 
der  Haupttonsilbe,  während  die  sämtlichen  übrigen  Silben  stark 
reduziert  werden.  Die  stärkste  Reduktion  tritt,  wie  im  Indo- 
germanischen, nach  dem  Hauptton  ein:  so  wird  das  Wort 
odinnadtsat'  *elf*  ausgesprochen  "dinn^t^t'  oder  sogar  ^dintst'. 
Die  haupttonige  Silbe  wird  gedehnt  ausgesprochen.  Nimmt  man 
nun   das  Wort  /oroSö   *schön',   so    ist   das   nach   den    meisten 


Zur  Koiyugation  des  Verbum  subslanlivum.  57 

russischen  Grammatiken  auszusprechen  ;^r^^,  vgl.  u.  a,  Ber- 
neker  Russische  Grammatik'  42.  In  Wirklichkeit  aber  hört  man 
daneben  sehr  oft  —  in  Übereinstimmung  mit  der  fürs  Indo- 
germanische angenommenen  Reduktionsweise  —  )ff*S6.  Nicht 
immer  hört  man  deutlich,  welche  Silbe  am  stärksten  reduziert 
ist,  und  oft  versteht  man  /"r"^  oder  ^r*iö\  wenn  einer  sehr 
rasch  spricht,  kommt  die  Aussprache  sogar  einem  yjU  sehr  nahe. 

Von  aprioristischer  Seite  darf  man  also  gegen  die  Annahme, 
daß  in  einer  Sprache  eine  und  dieselbe  Form  bald  als  RSV., 
bald  als  SRV.  auftritt,  nichts  einwenden.  A.  a.  0.  34  führte  ich 
u.  a.  griech.  ßpoTOC  auf  idg.  mrotös  zurück  (gegenüber  mortös  in 
ai.  mj[iäs\  ebenso  nehme  ich  jetzt  neben  *^smi8  ein  idg.  ^Setnh  an, 
das  ebenso  wie  jenes  auf  *esem6s  zurückgeht,  "^smis  könnte  eine 
Allegroform  sein.  Man  kann  die  Proportion  aufstellen: 
idg.  *esemS8  :  ^^smis  :  *8«wÄ  :  *8mi8 
=  russ.  xoroSö  :  x^'r^Sö  :  x*^^  •  X^^^^  X|*^- 

Auf  das  idg.  *s«iwÄ  bezw.  auf  ^Sotnis^  *8ofnÖ8  führe  ich  das 
für  das  Urgermanische  erschlossene  *sum  zurück,  dessen  weitere 
Entwicklung  oben  im  Anschluß  an  van  Helten  auseinander- 
gesetzt wurde.  Die  2.  PI.  *»m/6,  an.  erod^  ahd.  birut  ist  nach  der 
Analogie  der  1.  PI.  gebildet  worden,  ebenfalls  die  ntir  im  Alt- 
nordischen belegte  3.  PI.  ero  (nach  der  Proportion :  *mtum  :  *mtuß, 
*wüunß  =  *sum  :  x). 

Wenn  die  Annahme  eines  idg.  *8omÖ8  sich  bloß  auf  die 
oben  besprochenen  germanischen  Formationen  stützte,  so  könnte 
man  ihren  sehr  hypothetischen  Charakter  nicht  leugnen.  Es 
gibt  aber  auch  in  einem  andern  Sprachzweig  des  Indogerma- 
nischen Formen,  die,  wenn  man  ein  idg.  *SomÖ8  annimmt,  und 
nur  dann,  einfach  erklärt  werden  können.  Diese  Formen  sind 
lat.  wm,  osk.  stim  und  IslL  sumtis.  Wie  sind  diese  entstanden? 
Verschiedene  Antworten  sind  schon  auf  diese  Frage  gegeben 
worden.  Daß  Injunktivformen  vorliegen,  ist  eine  früher  einmal 
von  Brugmann  ausgesprochene,  aber  jetzt  von  ihm  aufgegebene 
Ansicht,  die  wohl  kaum  noch  einen  Verteidiger  finden  würde. 
Auch  darf  man  nicht  von  der  3.  PL  lat.  sunt^  urit.  *sonti  aus- 
gehen und  »Ml«,  summ  als  danach  gebildet  betrachten,  denn  es 
ist  oben  nachgewiesen  worden,  daß  die  Annahme  einer  3.  Plur. 
mit  0 -Vokalismus  für  das  üri talische  unwahrscheinlich  ist. 
Auch  wäre  es  unverständlich,  weshalb  gerade  die  l.  Sg.  und 
1.  PJ.  dem  Einflüsse  der  3.  PL  ausgesetzt  gewesen  sein  sollten. 


58        N.  van  Wijk,  Zur  Konjugation  des  Yerbum  substantivom. 

Gewöhnlich  sieht  man  etwas  anderes,  wenigstens  was  die  1.  PL 
betrifft,  nämlich  daß  diese  Person  inbezug  auf  ihren  Vokalismus 
sich  der  2.  PI.  und  der  2.,  3.  Sg.  anschließt,  z.  B.  Uffimus  mit  -i- 
wie  Ugüis^  legis^  legü.  Sommer  hält  Handb.  der  lat  Laut-  und 
Formenlehre  575  fif.  urit  *som  für  eine  Analogiebildung  nach 
der  l.Pl.  *somos.  Soweit  stimme  ich  ihm  bei;  auch  ich  glaube 
nicht,  daß  *som  sich  unabhängig  von  *9omos  erklären  läßt  Aber 
der  Entwicklungsgang,  den  die  1.  PI.  nach  den  Sommerschen 
Ausführungen  zu  durchlaufen  hat,  ist  zu  kompliziert  und  setzt 
für  die  urit.  Periode  zu  viele  gar  nicht  wahrscheinliche  Prozesse 
voraus,  um  für  wahrscheinlich  gelten  zu  können.  S.  meint,  daß  aus 
*8m68  im  Uritalischen  durch  den  Einfluß  von  *sent  *semos  gebildet 
worden  ist  Diese  Annahme  leuchtet  mir  gar  nicht  ein.  Weshalb 
sollte  die  1.  Plur.  sich  der  3.  PI.  angeschlossen  haben,  die  2.  PL 
aber  unverändert  geblieben  sein,  resp.,  wenn  sie  ursprünglich 
*8thes  und  nicht  *esthes  gelautet  hat,  sicli  nach  den  Singular- 
formen gerichtet  haben?  Außerdem  muß  Sommer  seiner  Annahme 
zuliebe  die  ümfärbung  von  e  in  o  vor  dunkelm  Vokal,  die  er 
IF.  11,  332  ff.  für  das  Latein  wahrscheinlich  gemacht  hat,  in 
die  uritalische  Periode  verlegen;  bei  einer  solchen  Hypothese 
hat  man  aber  gar  keinen  Grund  mehr  unter  den  Füßen. 

Nur  auf  6ine  Weise  kann  man  die  Formen  ^sornas  und 
*8(nn  befriedigend  erklären,  nämlich  wenn  man  in  *8(>ma8  nicht 
eine  auf  eine  verwickelte  Weise  entstandene  Neubildung,  sondern 
eine  lautgesetzliche  Form  erblickt,  und  eben  das  wird  durch 
die  Annahme  eines  idg.  *8omos  möglich.  Die  letzte  Frage,  die 
wir  noch  erledigen  müssen,  ist  diese :  Geht  wirklich  im  üri talischen 
die  Lautgruppe  o  +  heterosyllabisches  m  in  om  über?  Brugmann 
war  Grundr.  1  *,  409  f.  der  Ansicht,  daß  idg.  tp'*'  (d.  h.  ^m  und  otn) 
in  den  italischen  Dialekten  bald  durch  em  (im\  bald  durch  um 
vertreten  ist;  in  seiner  Kurzen  vergl.  Gramm.  128  spricht  er  nur 
von  em.  Es  ist  aber  von  vornherein  wahrscheinlich,  daß  wenn 
^m  durch  em  vertreten  ist,  oW  sein  dunkles  Timbre  bewahrt  hat 
und  als  om  auftritt.  Außer  lat  summ^  osk.  *8ÜmÜ8  (aus  süm  zu 
erschließen)  spricht  dafür  humus^  dessen  erstes  u  aus  urit  o  ent- 
standen ist  (vgl.  umbr.  lumdra  aus  *Aow-fro-),  welches  Wort  wohl 
in  erster  Linie  mit  griech.  x^l^^^  u-  dgl.  (-a^-  aus  -om-)  zu  ver- 
gleichen ist  (vgl.  humilis  :  x^aMaXoc). 

Zum  Schlüsse  fasse  ich  kurz  die  Ergebnisse  dieser  Unter- 
suchung zusammen :  Es  gab  im  Lidogermanischen  zwei  Formen 


K.  Brügmann,  Zur  Wortzusammensetzung  in  den  idg.  Sprachen.    59 

der  1.  PI.  des  Verbum  substantivuin,  *^8mis  und  *8efni8^  jene 
liegt  den  altpersischen,  griechischen,  keltischen  und  baltisch- 
slaTischen,  diese  den  italischen  und  germanischen  Formen  zu- 
grunde. Vielleicht  gab  es  daneben  noch  eine  dritte,  *8mfy^  die 
in  ai.  smds^  av.  tnahi  stecken  könnte,  jedoch  können  diese  Formen 
auch  durch  Angleichung  an  die  3.  PI.  entstanden  sein. 
Goes.  1^  V^  N.  van  Wijk. 


lA 


f 


/     Zur  Wortiarommensetsmig  in  den  idg.  Sprachen. 

1.  Die  Stellung  der  Bahuvrihi  im  Kreis  der  Nominal- 
komposita. 

Von  den  Bahuvrihi-Komposita  habe  ich  Grundr.  2,  87  (vgl. 
Kurze  vergl.  Gramm.  303  f.)  gesagt,  daß  es  sich  bei  ihrer  Ent- 
.»«tehung  in  der  Hauptsache  um  die  Verwandlung  eines  Substantivs 
in  ein  Adjektiv  gehandelt  habe ;  von  der  Bedeutung  einer  Sub- 
stanz sei  abgesehen  worden,  sodaß  nur  die  der  Substanz  an- 
haftenden Qualitäten  als  Begriffsinhalt  übrig  geblieben   seien. 

Gegen  diese  Auffassung  wandte  sich  Jacobi  Comp.  u.  Nebens. 
83  ff.  und  deutete  die  Bahuvrihi  als  zu  6inem  Wort  vereinigte 
Nebensätze.  Dadurch,  daß  man  den  zugninde  liegenden  Neben- 
satz (mit  dem  Verbum  sein)  auf  seine  nominalen  Bestandteile 
reduziert  habe,  sei  die  Entstehung  dieser  Komposita  emiöglicht 
worden.  **Es  entstand  dadurch  ein  durchaus  fester  Typus,  der 
das  Muster  abgeben  konnte  für  die  wenig  zahlreichen  Bahuvrihi, 
die  wir  mit  einem  andern  Verbum  als  dem  des  Habens  oder 
Seins  auflösen  müssen,  wie  avö-dem  die  'Götter  herbei  (holend)*, 
Kard-cKioc  •Schatten  herab  (werfend)'"  (S.  90). 

Gegen  Jacobi  wiederum  richtete  sich  Wheelers  kleiner 
Aufsatz  The  So-called  Mutation  in  Indo-European  Compounds* 
in  den  Proceedings  of  tlie  Am.  Philol.  Assoc,  Vol.  84  (1903) 
S.  LXVIII  ff.  Jacobi  sei  zwar,  sagt  Wheeler,  auf  der  richtigen 
Fährte  gewesen,  er  habe  den  Ursprung  und  die  Entstehungsart 
aber  doch  nicht  erkannt,  weil  er  sich  von  den  altindischen 
Bahuvrihi  habe  leiten  lassen,  statt,  wie  er  hätte  tun  sollen,  von 
den  griechischen.  Man  müsse  von  dem  nach  der  Verbaldiathese 
verschiedenen  Charakter  des  Schlußglieds  in  griechischen  Kom- 


60  K.  Brugmann, 

posita  wie  Oeo-Tovoc  (dvrjp)  'gottgeboren*  und  tckvo-tövoc  (Tuvrj) 
*kindergebärend*  ausgehen.  Der  passivische  Gebrauch  des  das 
zweite  Glied  von  9e6-Tovoc  bildenden  Verbalnomens  sei  ur- 
sprünglich das  Charakteristische  für  unsere  Komposita  gewesen. 
An  diese  passivische  Vorstellung  habe  sich  die  des  Versehen- 
seins und  Habens  angeschlossen :  eöCujvoc  *well  belted*,  ^Kaiöiii- 
TTuXoc  *hundred-gated',  ^o&oöocktuXoc  'rose-fingered*. 

Daß  auch  Jacobi  und  Wheeler  die  Sache  nicht  eriedigt 
haben,  daß  unsere  Kompositionsklasse  weder  aus  Nebensätzen, 
speziell  aus  Relativsätzen  mit  ausgelassenem  Relativum,  noch 
auch  auf  Grund  des  Gegensatzes  von  Aktivität  und  Passivität 
entwickelt  sind,  dürften  die  folgenden  Erwägungen  ergeben. 

In  den  meisten  Fällen,  wo  es  zu  einem  Kompositum  ge- 
kommen ist,  ist  dies  so  geschehen,  daß  die  syntaktische  Punktion 
der  Wortgruppe,  die  Bedeutungsbeziehung,  die  zwischen  ilir  als 
Satzglied  und  andern  Satzgliedern  bestand,  unverändert  dieselbe 
blieb.  Hierhin  gehören  verbale  Komposita  wie  lat.  cale-fctdo^ 
ne-scio^  can-fido^  von  den  nominalen  und  den  Partikelkomposita 
solche  wie  lat.  quis-quis  ai.  däme-dame  *in  jedem  Hause*  prd-pra 
*immer  vorwärts*,  ai.  dvd-daSa  *eW  russ.  otec-mat*  'Vater  und 
Mutter*,  ai.  grim-badähd-s  *am  Hals  gebunden*  gr.  öoupi-KniTOC 
'durch  Kampf  gewonnen*  uiro-GeToc  'untergelegt*,  ai.  adhara- 
hanil-^  'unterer  Kinnbacken*  räja-piUrd-s  'Königssohn*  ati-dürors 
*sehr  weit*,  gr.  irpo-Toö  'vordem'  dv-üjira  'ins  Angesicht*  eJc-omcu) 
'künftighin*,  ai.  na-hi  'gewiß  nicht*.  Allerdings  hat  in  solchen 
Fällen  der  Kompositionsvorgang  mitunter  Änderungen  in  den 
Flexionsverhältnissen  im  Gefolge  gehabt,  z.  B.  ist  öfters  End- 
flexion für  Binnenflexion  eingetreten,  wie  bei  poln.  sztuka-mifsa 
*ein  Stück  Fleisch(es)'  (Gen.  sztukamifsy)  und  lat.  ipse  =  *w-pse 
(ipsum  für  eum-pse)  u.  dgl.  Aber  diese  Neuerungen  haben  nicht 
die  Geltung  des  ganzen  Kompositionsgebildes  im  Satz  berührt 

Von  allen  diesen  Zusammensetzungen  unterscheiden  sich 
nun  die  Bahuvrihi  durch  das,  was  A.  Aleksandrow  Litauische 
Studien  I:  Nominalzusammensetzungen  (Dorpat  1888)  S.  110 
nicht  unpassend,  wenn  auch  etwas  äußerlich,  ihren  exo- 
zen  tri  sehen  Charakter  nennt.  Bei  ihnen  ist  nämlich  zu  den 
Vorstellungen,  die  durch  die  isolierten  Kompositionsbestandteile 
ausgedrückt  sind,  und  eventuell  überdies  zu  der  Bedeutungs- 
modifikation, durch  die  der  Wortkomplex  konventioneller  Aus- 
druck für  eine  irgendwie  einheitliche  Gesamtvorstellung  wurde, 


Zur  Wortzusammensetzung  in  den  idg.  Sprachen.  61 

das  Bedeutungselement  hinzugekommen,  daß  der  Begriffsinhalt 
der  Zusammensetzung  einem  außerhalb  stehenden  Substantiv- 
begriff als  Eigenschaft  beigelegt  ist  Hierdurch  eracheint,  wie 
schon  Justi  sich  ausdrückt  (Zusammens.  S.  118),  das  Subjekt 
nicht  in  dem  Kompositum,  sondern  außer  ihm  liegend.  Z.  B. 
ai.  kutg-kuHa-s  Von  Haus  zu  Haus  (kid^^-kulam)  gehend*,  rdja- 
putrons  *einen  König  ziun  Sohn  habend',  anyä-^Hpa^s  "andere 
Gestalt  habend',  bMmirgfha'S  *die  Erde  als  Haus  habend',  an- 
antd'S  'endlos',  vi^riva-s  *wem  der  Hals  ab  (abgeschlagen  oder  dgl.) 
ist*.  Diesen  Komposita  gegenüber  hätten  demnach  alle  oben  ge- 
nannten, die  nominalen  wie  die  verbalen,  esozen  trisches  Wesen. 
Will  man  nun  dem  Ursprung  der  Bahuvilhi  näher  kommen, 
so  hat  man  augenscheinlich  alle  exozentrischen  Nominalkom- 
posita als  eine  einheitliche  Kategorie  zusanmienzunehmen.  Bei 
ihnen  ist  die  Beziehung  der  Glieder  zueinander  weit  mannig- 
faltiger als  bei  den  esozentrischen  Nominalkomposita,  weil  viele 
von  ihnen,  wie  man  es  gewöhnlich  ausdrückt,  *auf  Gnind  von 
Redensarten*  entstanden  sind.  Es  gehören  hierhin  besonders 
Eigennamen  (Spitznamen  u.  dgl.)  und  eigennamenähnliche  Wörter. 
Zunächst  nenne  ich  die  Imperativkomposita.  Einzelsprachliche 
Beispiele  dieser  Gattung  sind  ai.  jahi-stamba-s  'wer  beständig 
an  den  Pfosten  anschlägt'  (Jahi  stambam  *schlag  an  den  Pfosten 
an'),  spätlat.  Vincemalm  (vince  malös)^  mhd.  veüe-waU  'Wald- 
verderber*  (Riesenname),  nhd.  Fürchte-gott^  Trat^goU^  Hebenstreit 
(h^hden-streit)^  sping-ins-feld^  vergiss-mein-nicht  nebst  sauf-aus^ 
kekr-aus^  aslav.  Mwti-drugd  ßech.  Msti-drvh  ('räche  den  Genossen'), 
vgl.  Jacobi  S.  57  f.  75  ff.  Schon  in  uridg.  Zeit  ist  so,  wovon 
unten  ausführlicher  die  Rede  sein  wird,  der  dem  Arischen  und  dem 
Griechischen  eigene  dpx^KQKOc-Typus  entsprungen :  dpx€-  =  Iraper. 
dpxe.  Femer  ai.  kj-räjan-  'wer  ein  schlechter  König  ist'  auf  Grund 
von  'was  für  ein  König  ist  das?'  u.  dgl.,  wozu  Analoga  aus 
dem  Griechischen  bei  Schulze  KZ.  33,  243  f.  Noch  andere  Bei- 
spiele verschiedener  Art  aus  verschiedenen  Sprachen  sind: 
Ai.  avö-dim-  (vdcas)  'herunter  die  Götter  holend,  lockend',  ahani' 
pürvd'  "begierig  der  erste  zu  sein',  kännHi-  "flüchtig'  auf  Grund 
von  *nach  welcher  Richtung  (kq  diiam)  soll  ich  mich  wenden?', 
tfatha-tathd-  *wie  es  wirklich  ist',  mamamtyd-m  'wobei  es  sieh 
um  Mein  und  Dein  handelt'  etwa  auf  Grund  von  mama  satyam 
'mir  (gehört  es)  wahrhaftig!*,  yadbhavi^a-  'Fatalist'  auf  Grund 
von  Versagt:  es  kommt,  was  da  kommt (y ad bhavi^yati)'  (Whitney 


62  K.  Brogmann, 

Sanskr.  Or.  §  1314,  Richter  IP.  9,  243).  Griech.  fv-Oeoc  •in  wem 
Gott  ist*,  x«po-^»>^nc  *wer  mit  der  Faust  sein  Recht  geltend 
macht*,  Afiaöpudöec  von  ä^a  Taic  öpuci  T^vk6ai  T€  Kai  äiToOaveiv 
(Kretschmer  KZ.  36,  269),  ATaörJTuxoc  von  draörj  tuxij,  Keiiou- 
K61T0C,  Spitzname  eines  Grammatikers,  der  zu  fragen  pflegte 
KeiTtti  F|  ou  K€iTai;  (Stolz  Wien.  Stud.  23,  333).  Lat.  adtdter  von 
ad  aÜeram  se  convertere^  postprincipia  Plur.  'was  nach  zurück- 
gelegtem Anfang  geschieht'  von  *po8t  prindpio  "nach  anfangs' 
wie  post-modo  *nach  sogleich,  in  Bälde'  (Skutsch  Fleckeisens 
Jahrbb.  Suppl.  27,  97),  virops  'quae  iam  virum  (viro)  opus  habet*, 
scherzhafte  Bildung  mit  Anschluß  an  in-qps  (Landgraf  Ai'ch. 
für  lat.  Lexikogr.  9,  440,  Stolz  a.  a.  0.  314).  Franz.  un  vive4a' 
joie  'einer,  der  immer  vergnügt  ist*.  Nhd.  je-länger-je-lieber^ 
Pflanzenname,  der  goU-ssp-bei-uns  (Grimm  D.  Gr.  Neudr.  2,  936  ff.). 
Da  sie  nicht  allgemein  zu  den  Bahuvrihi  gezogen  werden,  aber 
jedenfalls  exozentrisch  sind,  mag  hier  ausdrücklich  auch  noch 
auf  die  zahlreichen  präpositionalen  Komposita  von  der  Art  der 
ai.  upärp-budkna-s  *über  den  Boden  ragend',  griech.  diri-Tttioc  *auf 
der  Erde  befindlich*,  lat  af-fvm^  ai.  prä-i^pät  lat.  pro-nepös 
*  Urenkel',  ursprimglich  *wer  noch  vor  dem  Enkel  ist*,  ver- 
wiesen sein. 

Ich  stimme  Jacobi  darin  durchaus  bei,  daß  die  Bahuvrihi 
als  Bildungskategorie  nicht  aus  einer  oder  mehreren  der  daneben 
stehenden  Khtösen  von  Nominalkomposita  hervorgegangen  sind, 
und  daß  ihre  Bezeichnung  als  Mutata  schief  ist  Auch  ist  un- 
zweifelhaft richtig,  daß  man  zur  Umschreibung  der  Baliuvrihi 
meistens  die  Verba  sein  oder  liaben  zu  Hilfe  nehmen  kann.  Aber 
daß  diese  Komposita  in  urindogermanischer  Zeit  einmal  Neben- 
sätze gewesen  seien,  ist  mir  von  Jacobi  ganz  und  gar  nicht  wahr- 
scheinlich gemacht  Nimmt  man,  wie  man  muß,  alle  exozentrischen 
Komposita  zusammen,  so  zeigt  sich  eine  Mannigfaltigkeit  der 
Beziehung  der  Zusammensetzungsglieder  zueinander  und  des  Ver- 
hältnisses der  Glieder  zu  der  zugrimde  liegenden  Gesamt\-or- 
stellung,  die  keineswegs  danach  aussieht,  als  sei  die  ganze 
Entwicklung  von  Nebensätzen  von  der  Form,  wie  sie  Jacobi 
annimmt,  ausgegangen.  Diese  Tatsache  ist  freilich  nicht  aus- 
schlaggebend. Denn  man  kann  sagen:  der  Typus  kam  bei  ein- 
fachen Verbindungen  wie  ai.  anyä-rüpa-  auf,  und  nachdem  hier 
das  Verbum  sein  aufgegeben  und  die  nominale  Flexion  des 
Schlußglieds  der  Exponent  der  Eigenschaftsbedeutung  geworden 


Zur  Wortzusammensetzung  in  den  idg.  Sprachen.  68 

war,  ging  man  weiter  und  schuf  Komposita  dieser  Art  auch  von 
anderen  Grundlagen  aus,  schuf  z.  B.  4XK€xiTU)V  auf  Grund  des 
imperativischen  ?Xk€  x^Ttüva.  Wohl  aber  ist  meines  Ermessens 
entscheidend  der  Umstand,  daß  die  Nebensatzhypothese  völlig 
überflüssig  ist,  daß  die  Klasse  der  exozentrischen  Komposita 
vollkommen  zu  verstehen  ist  von  der  Annahme  aus,  daß  hier 
das  stattgefunden  hat,  was  man  Wortbildung  durch  Hyposta- 
sierung  nennt 

Auf  das  Wesen  des  so  bezeichneten  Vorgangs  muß  ich 
kurz  eingehen. 

Ein  ein-  oder  mehrgliedriger  Bestandteil  der  Rede  geht, 
wenn  er,  bei  einer  gewissen  Erstarrung,  mit  einer  Form  andern 
grammatischen  Charakters  auf  gleiche  Linie  gestellt  ist,  eine 
dieser  Änderung  des  grammatischen  Wertes  entsprechende  neue 
Verbindung  im  Satz  ein.  Dabei  ist  ein  Doppeltes  möglich.  Die 
Hinüberleitung  kann  erstlich  so  vor  sich  gehen,  daß  nur  eine 
neue  syntaktische  Verbindungsweise  entsteht,  nicht  zugleich  eine 
formantische  Neubildung.  Dahin  gehört  z.  B.  lat.  frügi  *tüchtig', 
das  der  Dativ  von  frOx  Trucht,  Ertrag'  ist,  wie  er  in  der  Wendung 
frugi  esi  gebraucht  war.  Die  Form  wurde  von  hier  in  attributive 
Verwendung  übergeführt,  und  man  bildete  z.  B.  servos  frugi  *ein 
tüchtiger  Sklave',  machte  also  frugi  ohne  formantische  Neuerung 
zum  Adjektiv.  Ähnlich  bewertete  man  Adverbia  wie  kasuelle 
Nomina,  z.  B.  griech.  ol  vöv  (dazu  oi  vöv  avöpujTioi),  xd  vöv, 
nhd.  das  hier^  das  dört^  die  dame  in  schu?arz^  lat  ad-  meridie^ 
appetit  meridie  *Mittag  naht',  Vokative  wie  Nominative,  z.  B.  lat. 
Jü-piter  (vgl.  Delbrück  Vergl.  Synt.  1,  898)  ^),  Infinitive  als  Sub- 
stantiva,  z.  B.  gi'iech.  xö  diroöaveiv,  u.  dgl.  Zweitens  wird  zu- 
gleich für  das  Formale  des  Wortes  die  Konsequenz  gezogen: 
das  Wort  bekommt  eine  der  neuen  Verwendung  im  Satz  ent- 
sprechende neue  Flexionsendung.  Bei  Benutzung  des  W^ortes  als 
Adjektivum  tritt  oft  eine  dieser  Funktion  dienende  Ableitungs- 
endung an.  Diese  Änderungen  geschehen  natürlich  alle  nach 
mehr  oder  minder  zahlreichen  von  älterer  Zeit  her  bereit  liegenden 
Mustern.  Dabei  bleibt  nun  die  zugrunde  liegende  Formation  ent- 
weder unverkürzt  in  ihrem  Ausgang,  die  neue  Flexionsendung 
tritt  an  diesen   an,   oder  es  wird  ein  *Starani'  abstrahiert^   der 

1)  Passend  erläutert  Delbrück  diese  Hypostasierung  des  Vokativs 
durch  den  Hinweis  darauf,  daß  ein  Erzieher  bei  Walter  Scott  von  seiner 
Umgebung  als  der  Domine  bezeichnet  wird. 


64  K.  Brugmann, 

die  Grundlage  der  neuen  Form,  bozw.  Flexion  bildet  Jenes 
z.  B.  in  ein  zufriedener  mensch  auf  Grund  von  er  ist  zu  frieden^ 
nach  der  Art  von  ein  bescheidener  menscJi  neben  er  ist  be- 
scheiden^ ein  zues  fenster  auf  Grund  von  dcts  fettster  ist  zu^  lat 
meridies  auf  Gnmd  des  adverbialen  meri-die.  Dieses  z.  B.  in 
lat.  postprincipia  von  *post  principiö,  spätlat.  VincemcUus  von  Vince 
malös^  ai.  jahistamba-s  von  jahi  stambam,  Beispiele  von  Benutzung 
adjektivischer  Ableitungsformantien  sind :  nhd.  jetzig  (mhd.  ietze\ 
desfaUsig,  zuen  {ein  zuenes  fenster  wie  offenes) ^  griech.  Fi-Öioc 
*eigen*  (*beiseite  befindlich*)  vom  Adverbium  *Fi  =  ai.  vi^  vocqpi- 
öioc  ^entfernt*  von  vöcqpi,  lat.  meridiänus  von  meridie^  lit.  musüßs 
*unsrig*  vom  Gen.  mxisti,  dangujejis  ^himmlisch'  vom  Lok.  danguji, 
ai.  Sravät/ya-s  'celebrandus*  vom  Inf.  auf  -äi,  ästikd-s  "gläubig* 
von  dsti  'es  ist',  kj-ytir^  'was  begehrend*  von  Mm  Vas?**). 

Hiemach  sind  die  exozentrischen  Nominalzusammen- 
setzungen in  urindogermanischer  Zeit  dadurch  aufgekommen^ 
daß  Woite,  die  in  einer  gewissen  kompositioneilen  Bedeutungs- 
beziehung zueinander  standen,  aber  als  Ganzes  nicht  den  gram- 


1)  Zur  Verdeutlichung  des  Wesens  der  hypos lasierenden  Worl- 
bildungsweise  mögen  hier  noch  einige  Beispiele  von  anderer  Art  folgen. 
Zunächst  Beispiele  für  Pluralisierung,  Dualisierung  oder  Singularisiemng 
innerhalb  von  Kasussystemen.  Ohne  formantische  Änderung  wurde 
got.  fadrein  'Elternschaft,  Eltern'  als  Plural  bewertet:  pai  fadrein  wie  pai 
8unju8\  entsprechend  wurde  der  aslav.  kollektive  Sing,  hratttja  'fratres' 
(=  qppSrpia)  im  Russischen  Plural  zu  brat  (daher  Gen.  brät'jev  Dat.  brät'- 
jam  usw.)  und  schon  im  Urindogermanischen  der  kollektive  Sing.  *iwgÄ 
'das  Gejöche'  Plural  zu  *iugo-m  {a,u  yugä  :  yugdm  usw.);  ebenso  dürfte 
ai.  amt  "'\\\\  (wozu  Instr.  ami'bhi$  usw.)  ursprünglich  ein  kollektives  Fem. 
Sing,  gewesen  sein.  Aksl.  bratb-sestra  'Bruder  und  Schwester'  ist  dualisch 
geworden,  daher  bratdsestroma.  Umgekehrt  entstand  der  Sing.  Schwaben 
auf  Grund  des  Dat.  Plur.  Schtcaben  (mhd.  zen  Stväben);  engl,  gallows  'Galgen* 
war  ursprünglich  Plural,  wurde  dann  aber  als  Sing,  bewertet,  was  einen 
neuen  Plur.  gallowses  hervorrief.  Eine  hypostatische  Adverbialbildung  ist 
z.  B.  lat.  quotannts:  quot  anni  (sunt)  bekam  den  Sinn  'in  allen  Jahren' 
(vgl.  griech.  öc^rn),  daher  die  Neubildung  quotanntSj  wie  omnibiis  ann%8\ 
ebenso  lit.  kasmetff  'alljährlich*  auf  Grund  von  Iräs  tnets  'welches  Jahr  es 
auch  sei'  nach  aztmetg.  Entstehung  verbaler  Pluralformen :  zur  griechischen 
Partikel  tt^  'da!  nimm'  bildete  Sophron  den  Plur.  tt^tc ;  ebenso  aksl.  «crfe 
Plur.  zur  Partikel  na  'da!  nimm*;  ML  dükite  Plur.  zu  düki  'gib*  (-Ä:>  Par- 
tikel); neugriech.  bocfnouTC  Plur.  zu  böc  |iou;  hierher  auch  lat.  ttdte  2.  Plur. 
zu  i'töj  griech.  trujv  und  trujcav  3.  Plur.  zu  t-TU),  da  der  Imperativausgang 
-töd  wahrscheinlich  ein  Adverbium  mit  der  Bedeutung  'dann,  darauf  ge- 
wesen ist. 


Zur  Wortzusammensetzung  in  den  idg.  Sprachen.  66 

matischen  Charakter  eines  eigenschaftsbegrifflichen  Nomens  hatten, 
in  die  Position  solcher  Nomina  einrückten.  Gleichwie  die  eso- 
zentrischen  Komposita  wie  ai.  adhara-hanü-^  'unterer  Kinnbacken* 
räja-puträ-s  *Königssohn*,  reichen  die  exozentrischen  wie  anyd- 
rüpa-s  'andere  Gestalt  habend'  räja-piUra-s  'einen  König  zum 
Sohn  habend*  hirantfa-hasta-s  'goldhändig*  pätra-hasta-s  'ein  Gefäß 
in  der  Hand  habend*  mit  der  Gestaltung  des  Vorderglieds  in 
eine  Sprachperiode  hinauf,  in  der  das  Kasussystem  noch  nicht 
ausgestaltet  war.  Die  eigenschaftsbegriffliche  Beziehung  derBahu- 
viihi  war  aber  damals  nicht  bloß  durch  den  Zusammenhang,  durch 
die  Stellung  zu  den  andern  Satzgliedern  gegeben,  etwa  wie  im 
Lateinischen  in  dem  Satze  nuntii  nobis  tristes  venerant  ex  mite 
diem  III  Nan.  lun.  usque  ad  pridie  Kai.  Sept.  der  grammatische 
Charakter  der  Datumbezoichnung  nur  aus  den  vorgesetzten  Prär 
Positionen  ex  und  ad  erhellt.  Sie  war  wenigstens  in  einem  großen 
Teil  der  Fälle  auch  durch  die  Betonungsweise  ausgedrückt.  Denn 
bekanntlich  wird  die  Betonungsdifferenz  zwischen  ai.  rdja-ptära- 
und  räja-ptUrd-  durch  das  Griechische  (Gripö-xpocpoc  :  Gripo- 
tpöcpoc)  imd  das  Germanische  (ags.  fyder-fite  'vierfüßig'  urgerm. 
*flpi*r-^  wie  ai.  cätti4-pad.-)  als  urindogermanisch  erwiesen.  Diese 
selbe  Anfangsbetonung  auch  in  ai.  vi-griva-s  'dem  der  Hals  ab 
ist',  avö^va-s  'herunter  die  Götter  holend',  ikd-citta-s  'mit  hierher 
gerichtetem  Sinn',  dmi-vrata-s  'nach  der  Anweisung  verfahrend', 
griech.  fv-Geoc,  irepi-xpöcoc,  Kaid-CKioc,  2^-|Llr^voc  usw. 

Die  eine  engere  apperzeptive  Einheit  bildende  Gnippe 
konnte  also  ursprünglich  ohne  weiteres,  sei  es  vollständig,  sei 
es  mit  Ausscheidung  unwesentlicherer  Elemente,  als  ein  eigen- 
schaftsbegriffliches Wort,  als  Name  für  ein  Wesen  oder  adjek- 
tivisch, in  den  Satzzusammenhang  eingestellt  werden.  Zwischen 
dieser  ursprünglichen  Form  und  der  späteren,  die  uns  überliefert 
ist  war  das  Verhältnis  etwa  dasselbe  wie  zwischen  griech.  xd 
irpöc  4c7r€pav  (xd  irpöc  xr^v  icn^pTiv  Herodot  1,  142)  und  xd 
irpocecrrepa  (xd  irpocecrrepia),  zwischen  ol  iraXai  (oi  TtdXai  dfvepujTTOi) 
und  ol  TiaXaioi  (ol  rraXaioi  dfvGpujTTOi),  nhd.  die  dort  und  die 
dortigen^).  Als  die  exozentrischen  Komposita^  wie  die  andeni 
Xominalkomposita  und  überhaupt  die  Adjektiva  und  Substantiva, 
ihre  Kasusflexion  bekamen,  ergab  sich  diese  aus  der  jedesmaligen 

1)  Vgl.  auch  niss.  massitmaja,  duhovyja  i  iz  öernago  dereva  hreala 
'massive,  eichene  und  aus  schwarzem  Holz  (d.  i.  Ebenholz)  Sessel',  das 
wegen  des  gleichstellenden  •  interessant  ist. 

Indogermanisclie  Fonchungen  XVni.  o 


66  K.  Brugmann, 

Natiir  des  Ausgangs  des  Schlußglieds.  Wie  die  Fälle  zu  beur- 
teilen sind,  wo  konsonantische  Stämme  mit  o-Flexion  erscheinen, 
wie  ai.  prä-pada-tn  *was  vom  am  Fuß  ist,  Fußspitze',  adhas-padd- 
*unter  den  Füßen  befindlich',  griech.  4KaT6|i-7r€Öo-c,  vibvuiivoc, 
TToXu-avöpoc,  braucht  uns  hier  nicht  zu  beschäftigen,  da  das  ja 
auch  bei  den  esoterischen  Nominalkomposita  vorkommt  Immer- 
hin mag  nicht  unangemerkt  bleiben,  daß  Eintritt  in  die  o-Flexion 
auch  sonst  gerade  bei  hypostatischen  Gebilden  von  ältester  Zeit 
an  vorkommt:  vgl.  z.  B.  ^upero-s  (ai.  üpara-s  lat.  superus)  zu  *uper 
(griech.  uirep  neben  ai.  updri)^  *antiios  (griech.  dvrioc,  lat  antiae^ 
ahd.  N.  andi  *Stirn')  zu  *anti  (griech.  dvri);  lat  mem  =  *mei(h8 
aksl.  tnqjh  zum  possessiven  Lokat  *fnei  *m(n  (ai.  me) ;  *dekrfim(h8 
lat  decimus,  *neunno-8  lat  nönm  zu  *dektn^  *f^n  (dies  dedmus 
war  ursprünglich  nur  etwa  *der  Tag  Numero  Zehn'). 

Ein  jüngerer,  aber  ebenfalls  schon  uridg.  Vorgang  war, 
daß  adjektivisches  Wesen  unserer  Komposita  durch  das  Formans 
-fio-  gekennzeichnet  wurde:  ai.  üpa-mäsya-s  'allmonatlich'  griech. 
^|i-|ir|vio-c  *in  einem  Monat  verlaufend'  (neben  fmiTivoc),  lat 
e-gregius^  got.  uf-aißeis  *unter  einem  Eide  stehend*,  aksl.  bez-undjh 
'ohne  Sinn',  griech.  6|io-TrdTpioc  aisl.  sam-fedr  'den  gleichen  Vater 
habend'  (neben  6|io-TrdTiup  apers.  hama-pitar-)^  ai.  mddhu-hadga-s 
'Süßigkeit  in  der  Hand  haltend',  lat  acu-pedim  bi-pedim,  ags. 
dn-fite  'oinfüßig*,  arm.  srb^zan  -tV  'von  reiner  Art,  heilig*  (vgl. 
Meillet  M6m.  11,  390  f.),  Wttri'rqHs  'dreizinkig'.  Dieses  adjek- 
tivierende  -mo-  erscheint  seit  derselben  Zeit  auch  bei  den  Sim- 
plicia,  z.  B.  ai.  pltrya-s  (pitriya-s)  griech.  rrdTpioc  lat  patrim^). 

1)  Da  *antijio-8  von  *anti  ausgegangen  ist  (s.  o.),  ^aljo-s  'alius'  von 
*a/#-  (lat.  ali'ter\  *tnedhjio-8  'medius"  von  ^me-dhi  'inmitten'  (vgl.  |i€-Td), 
*dijiji0'8  'himmlisch'  ai.  divyd-s  griech.  bioc  vom  Lok.  divi  AiFi,  ferner 
einzelsprachlich  z.  B.  griech.  bcEioc  'dexter'  von  ^deksi  (bcEi-TCpoc),  ^^pioc 
•früh'  von  *fi€pi  f|pi  *in  der  Frühe',  tqpioc  'kräftig'  von  Iq)i  'mit  Kraft* 
u.  dgl.  (Sommer  IF.  11,  1  ff.,  Verf.  Gr.  Gr.»  180),  so  ist  es  schwer,  den 
Gedanken  abzuweisen,  das  ganze  urindogermanische  der  Adjektivbildung 
dienende  -ijo-  habe  davon  seinen  Ausgang  genommen,  daß  Formen  auf  -i, 
die  zu  adjektivischer  Funktion  im  Salz  gelangt  waren,  in  die  o-DekUnation 
eingestellt  wurden.  Die  zugehörigen  Formen  auf  -»-«,  wie  av.  ähuiri-ä  'von 
Ahura  herrührend,  göttlich'  (Gen.  dhuroiS  und  ahü^ryehe),  mOzdayasni-i  'den 
Mazdayasncrn  zugehörig'  (Bartholomae  Grundr.  d.  iran.  Philol.  1,  44. 105), 
arm.  srb-azan  -ip,  an-gorc  -ig  (Meillet  a.  a.  0.),  lat.  ex-aomniSj  im-herbis, 
ir.  do-chenSuil  zu  eenSl,  s-aidbir  'reich'  zu  adbar  adbur  (StokesKZ.38,464f.), 
lit.  tri-räiisy  minkszt-gafvis  'schwachköpfig',  verhalten  sich  dann  zu  den 
Formen  auf  -ijo-s  (ai.  -iyas,  griech.  -loc  usw.)  so,  daß  die  Kasusbildung 


Zur  Wortzusammensetzung  in  den  idg.  Sprachen.  67 

Die  exozentrischen  Nominalkomposita  blieben  im  wesent- 
lichen eine  auf  eignen  Füßen  stehende  Bildungskategorie.  Doch 
kamen  sie  mit  andern  Nominalkomposita  in  Berührung  und 
mischten  sich  mit  ihnen.  Ein  großer  Teil  von  ihnen  hatte 
nämlich  seit  uridg.  Zeit  Komposita  neben  sich,  deren  Glieder 
dieselben  Wörter  oder  ganz  gleichartige  Wortarten  waren,  die 
aber  eine  esozentrische  Bedeutung  hatten,  z.  B.  räja-ptUra-s 
:  räjch-puträ'S.  yaßki'kama-s  :  yajtkhkämä-s^  griech.  Gripo-Tpocpoc 
:  di)po-Tpöqpoc  (in  dieser  Sprache  auch  ohne  Betonungsverschieden- 
heit KaXXi-Tiaic  'schöne  Kinder  habend'  und  'schönes  Kind*). 
Da  nun  die  exozentrischen  gegenüber  den  esozentrischen  das 
Plus  des  Eigenschaftsbegriffs  hatten,  so  konnten  manche  leicht  als 
auf  der  andern  Klasse  beruhend  und  von  ihr  ausgegangen  er- 
scheinen. Es  geschah  dann  dasselbe,  was  man  anderwärts  z.  B. 
bei  den  Komparationsformen  beobachtet:  bekanntlich  waren 
Komparativ  und  Superlativ  ganz  unabhängig  vom  sogenannten 
Positiv  ins  Leben  getreten,  die  systematische  Gruppierung,  bei 
der  der  Positiv  als  Grundform  erscheint,  war  eine  sekundäre 
Entwicklung.  Freilich  ist  nur  von  wenigen  Bahuvrihi  wirklich 
zu  beweisen,  daß  sie  erst  im  Anschluß  an  schon  vorhandene 
gleichstämmige  esoterische  Komposita  ins  Leben  geti'ctcn  sind. 
Es  sind  solche  wie  ai.  rätridiva-m^  substantiviertes  Neutrum, 
'Zeitraum  von  Tag  und  Nacht',  auf  Grund  von  rätrj-divä  -divam 
•bei  Tag  und  bei  Nacht'  (anderes  der  Art  bei  Richter  IF.  9,  240), 
ktdgktda-8^  auf  Grund  von  ktd^kulam^  womit  sich  z.  B.  lat.  svävior 
vergleichen  läßt  in  das  ein  Bildungselement  des  Positivs  ein- 
gegangen ist  (vgl.  svddiyas-  f)ö(ujv). 

Mit  dieser  sekundären  Anlehnung  an  Komposita  esoterischen 
Charakters  hat,  wie  noch  betont  werden  muß,  der  mangelhafte 
(jeschlechtsausdruck  im  Griechischen,  z.  B.  jiobobdKTuXo-  'roseu- 


teils  direkt  von  der  Grundform  auf  i  aus,  teils  durch  Überführung  dieser 
in  die  o-Deklination  geschah  (dieses  Verhältnis  ist  wohl  nicht  auch  für 
lat.  alis  neben  alius  anzunehmen,  s.  Sommer  Lat.  Laut-  u.  Formenl.  367  f.). 
Die  regelmäßige  Durchführung  der  o-Dekhnation  durch  alle  Kasus  in  allen 
Wörtern,  wie  sie  im  Griechischen  und  im  Germanischen  vorliegt,  wäre  so- 
mit einzelsprachliche  Neuerung  gewesen.  (Die  Bemerkungen  Schulzes  Lat. 
Eigenn.  435  über  das  adjektivbildende  -ijo-  -jo-  scheinen  mir  nur  zum 
Teil  richtig  zu  sein.)  —  Daß  auch  die  Verbaladjektiva  des  Typus  öyioc 
(Gmndr.  2,  117)  von  Bildungen  auf  -t  ausgegangen  sind,  darauf  scheinen 
got  brükg  aus  *brulei-z  u.  dgl.  Formen  zu  weisen  (vgl.  Walde  Germ.  Aus- 
laotges.  139). 

5* 


68  K.  Brugmann, 

fingerig',  trotz  -o-  auch  für  das  Femininum,  xPöcokoiiti-  *gold- 
haarig',  trotz  -n-  a^ch  für  das  Maskulinum,  nichts  zu  schaffen. 
Er  beruht  allerdings  auf  dem  substantivischen  Ursprung  dieser 
Komposita.  Aber  es  hat  keine  Umwandlung  eines  Determina- 
tivums  in  ein  Bahuvrihi  stattgefunden,  sondern  ^oboödicTuXoc 
bedeutete  von  vornherein,  halb  namenartig,  ein  Wesen,  dessen 
Eigenschaft  ist,  daß  es  rosige  Finger  hat,  xPöcokojiti-  ^i^  Wesen 
mit  goldigem  Haar,  gleichwie  nhd.  das  krummbein  ein  Wesen  mit 
krummem  Bein,  der  freigeist  ein  Wesen  mit  freiem  Geist,  der 
dreifuss  ein  Wesen  mit  drei  Füßen,  ai.  mcth^bähur^  und  griech. 
|iaKp6x€ip  ein  Wesen  mit  langem  Arm,  langer  Hand. 

Es  hat  sich  ims  ergeben,  daß  zwischen  den  sogen.  Bahu- 
vrihi und  den  übrigen  exozenWschen  Nominalkomposita  nicht 
zu  unterscheiden  ist.  Man  wird  daher  gut  tun,  in  der  allgemein- 
indogermanischen Grammatik  den  Namen  Bahuvrihi  entweder 
ganz  fallen  zu  lassen  und  nur  von  exozentrischen  oder,  was 
ebenfalls  anginge,  hypostasierenden  oder  hypostatischen  Nominal- 
komposita zu  sprechen,  oder  aber  dem  Namen  Bahuvrihi  eine 
erweiterte  Anwendung  zu  geben  imd  ihn  gleichbedeutend  mit 
exozentrischem  Kompositum  zu  gebmuchen. 

2.  Der  dpx^KttKOC-Typus   und  Verwandtes. 

Am  wenigsten  unter  den  exozentrischen  Komposita  sind 
bis  jetzt  die  drei  Bildungstypen  entwicklungsgeschichtlich  auf- 
geklärt, die  man  mit  den  Stichwörtern  dpx^KaKOC,  4XK€c(7r€TrXoc 
imd  (ai.)  vidddmsi(4  benennen  kann.  Gemeinsam  ist  ihnen  die 
Vorausstellung  eines  verbalen  Bestandteils,  der  den  zweiten, 
nominalen,  regiert.  Über  sie,  im  ganzen  oder  teilweise,  ist  in 
letzterer  Zeit  gehandelt  worden  von  Jacobi  Compositum  und 
Nebensatz,  mir  Griech.  Gramm.  *  168  f.,  Ber.  d.  sächs.  Gesellsch. 
d.  Wissensch.  1899  S.  195  ff.,  Delbrück  Vergl.  Synt.  3,  174, 
Foy  KZ.  37,  544  f.,  Johansson  Nordiska  Studier  (Uppsala  1904) 
S.  474  [Bittrich  Zs.  f.  rom.  Phil.  22,  317  ff.  323  f.|. 

Ich  gebe  zunächst  Beispiele. 

Wie  dpxe-KaKOc  'Unheil  stiftend* :  baK€-9ö|i0c  'herzfi-essend, 
-kränkend*,  TXri-7r6Xe|Lioc  ('Krieg  ertragend'),  TaXa-Treverjc  ^I^eiden 
ertragend',  lX€Xi[K]-x6u)v  *die  Erde  erschüttenid',  av.  vindd-a^ar^na' 
*Glanz  erlangend',  Fradada-ßu-  (Tieh  spendend'),  niSä-ma^^ü- 
'die  Waffen  niederlegend',  i^-xäa^ra-  'das  Reich  beherrschend', 
ai.  didy-agni'   'feuerleuchtend'.    Unsicher    ist    ai.  sthä-raSman' 


Zur  Wortzusammensetzung  in  den  idg.  Sprachen.  69 

RV.  5,   87,   5  von  den  Maruts:  'feststehend  mit  den  Zügeln'; 
gewöhnlich  wird  übersetzt  •mit  festen  Zügeln*'). 

Wie  4XK€ci-7reTTXoc  'das  Gewand  schleppend'  (vgl.  4Xk€-xitiwv 
wie  dpx€-KaKOc):  *AKk-avöpoc,  ba|iac(-|ißpoTOc  *  Menschen  über- 
wältigend', Tavuci-irrepoc  *die  Flügel  ausspannend*,  dpuc-dp|LiaT€c 
Vagenziehende',  T€p^l^^ßpoTOc  'die  Menschen  ergötzend',  Kiric- 
avöpoc  ai.  däU-vära-s  'Gaben  spendend'  (vgl.  Aiwd-cppiwv),  Ranti- 
ieva-s  (*die  Götter  erfreuend'),  viti-hötra-s  'Opfergaben  ver- 
schaffend', rUy-äp'  'wasserströmend*. 

Wie  viddd-vasu-$  'Güter  gewinnend' :  Bhardd'Väja-s  ('Labung 
bringend'),  dhärayät-havi-^  'Weise  erhaltend',  av.  vanai-p^iana- 
"Schlachten  gewinnend',  Därayat-ra^a-  ('Wagen  besitzend').  Für 
die  Auffassung  des  zweiten  Gliedes,  als  akkusativisch  vom  ersten 
Glied  abhängig,  ist  interessant  der  av.  Name  eines  Genius  Frädat- 
mpgmhuJyä^H'i^  'jegliches  zu  gutem  Leben  dienende  Mittel 
fördernd',  dessen  Schlußteil  die  Akkusativvorbindung  vispgtn 
hujyä*tim  war.  Nur  mit  -t-  (nicht  -o^)  als  Endformans  des  ersten 
Gliedes  av.  mk^r^i-uMäna'  'das  Leben  beeinträchtigend'  (nach 
Bartholomae  Grundr.  d.  iran.  Phil.  1,  149). 

Grundsätzlich  hat  man  zunächst  zu  sehen,  ob  eine  Deutung 
möglich  ist,  die  diese  Kompositionstypen  nicht  anders  entwickelt 
sein  läßt,  als  auch  sonst  nominale  Zusammensetzimgen  im  Kreis 
der  idg.  Sprachen  zustande  gekommen  sind.  Aber  nur  für  die 
dpxcKttKoc-Klasse  ist  eine  solche  Erklärung  bis  jetzt  gefunden. 
Es  ist  die,  nach  der  der  erste  Bestandteil  eine  Imperativform 
ist  dpxe-KttKoc  also  auf  gleicher  Linie  steht  mit  den  S.  61  ge- 
nannten ai.  jahi^stamha-s^  spätlat  Vince-malus^  nhd.  Fürchte-gott^ 
fech.  Mdirdruh.  Gegen  diese  Ansicht  ist  bis  jetzt  noch  kein 
irgend  stichhaltiger  Einwand  erhoben  worden,  und  nur  sie  wird 
den  überlieferten  Tatsachen  wirklich  gerecht.  Denn  nur  bei  ihr 
erklären  sich  zwanglos  das  €  von  dpx^-KaKOc  und  die  Voraus- 
stellung des  verbalen  Bestandteils.  Bei  den  Verbalstämmen  ohne 
thematischen  Vokal  erscheint  auch  im  Ar.  noch  die  Imperativ- 
form ohne  -dÄf,  nach  Art  von  griech.  K-€i,  ictt],  lat  f,  ce-do,  ein 
Zeichen,  daß  schon  früh  der  imperativische  Sinn  sich  verdunkelte 
(vgl.  nhd.  ein  ttirgut  mit  dem  danach  gebildeten  turnicht-gtU^  wo 
ebenfalls  kein  Imperativ  mehr  empfunden  wird). 

1)  Unwahrscheinlich  ist,  was  Ludwig  Rigveda  5,  254  vermutet:  'die 
die  Zügel  des  Festen  besitzen',  was  so  viel  als  'die  das  Feste  stürzen 
können'  sei. 


68  K.  Brugmann, 

fingerig',  trotz  -o-  auch  für  das  Femininam,  xPöcokojiti-  *gold- 
haarig',  trotz  -r\-  auch  für  das  Maskulinum,  nichts  zu  schaffen. 
Er  beruht  allerdings  auf  dem  substantivischen  Ursprung  dieser 
Komposita.  Aber  es  hat  keine  Umwandlung  eines  Determina- 
tivums  in  ein  Bahuvrihi  stattgefunden,  sondern  f^oboödKTuXoc 
bedeutete  von  voniherein,  halb  namenartig,  ein  Wesen,  dessen 
Eigenschaft  ist,  daß  es  rosige  Finger  hat,  xPöcokojiti-  ein  Wesen 
mit  goldigem  Haar,  gleichwie  nhd.  das  krummbein  ein  Wesen  mit 
krummem  Bein,  der  freigeist  ein  Wesen  mit  fi'eiem  Geist  der 
dreifuss  ein  Wesen  mit  drei  Füßen,  ai.  mahdMIiUr^  und  griech. 
|iaKpöx€ip  ein  Wesen  mit  langem  Arm,  langer  Hand. 

Es  hat  sich  uns  ergeben,  daß  zwischen  den  sogen.  Bahu- 
vrihi und  den  übrigen  exozentrischen  Nominalkomposita  nicht 
zu  unterscheiden  ist  Man  wird  dalier  gut  tun,  in  der  allgemein- 
indogermanischen Grammatik  den  Namen  Bahuvnhi  entweder 
ganz  fallen  zu  lassen  und  nur  von  exozentiischen  oder,  was 
ebenfalls  anginge,  hypostasierenden  oder  hypostatischen  Nomiual- 
komposita  zu  sprechen,  oder  aber  dem  Namen  Baliuvrihi  eine 
erweiterte  Anwendung  zu  geben  und  ihn  gleichbedeutend  mit 
exozenti'ischem  Kompositum  zu  gebrauchen. 

2.  Der  dpx^KaKOC-Typus   und  Verwandtes. 

Am  wenigsten  unter  den  exozentiisehen  Komposita  sind 
bis  jetzt  die  drei  Bildungstypen  entvvicklungsgeschichtlich  auf- 
gekläi-t,  die  man  mit  den  Stichwörtern  dpxcKttKOC,  ^XKeciTreTrXoc 
und  (ai.)  mdddmsv^  benennen  kann.  Gemeinsam  ist  ihnen  die 
Vorausstellung  eines  verbalen  Bestandteils,  der  den  zweiten, 
nominalen,  regiert  Über  sie,  im  ganzen  oder  teilweise,  ist  in 
letzterer  Zeit  gehandelt  worden  von  Jacobi  Compositum  und 
Nebensatz,  mir  Griech.  Gramm.  ^  168  f.,  Ber.  d.  sächs.  Gesellsch. 
d.  Wissensch.  1899  S.  195  ff.,  Delbrück  Vergl.  Syut  3,  174, 
Foy  KZ.  H7,  5-14  f.,  Johansson  Nordiska  Studier  (Uppsala  1904) 
S.  474  [Dittiich  Zs.  f.  rom.  Phil.  22,  317  ff.  323  f.]. 

Ich  gebe  zunächst  Beispiele. 

Wie  dpxe-KaKOc  *Unheil  stiftend' :  baKe-9ö|Lioc  'herzfressend, 
-kränkend*,  TXri-TToXejiOc  ('Krieg  ertragend'),  TaXa-TrevGric  *Ijeiden 
ertragend',  dXeXi[K]-xÖu)v  'die  Erde  ei-schütternd',  av.  vinda-x'^ar^na'' 
'Glanz  erlangend',  Fradada-ßu-  ('Vieh  spendend'),  niSa-sna^^iS' 
'die  Waffen  niederlegend',  i^-xm^ra-  'das  Reich  bcheri-schend', 
ai.  didy-agni'   'feuerleuchtend'.    Unsicher   ist    ai.  sfhd-raiman' 


Zur  Wortzusammensetzung  in  den  idg.  Sprachen.  69 

RV.  5,  87,  5  von  den  Maruts:  "feststehend  mit  den  Zügeln'; 
gewöhnlich  wird  übersetzt  'mit  festen  Zügeln*'). 

Wie  4XK€ci-Tr€TTXoc  *das  Gewand  schleppend'  (vgl.  4XK€-xiTUjv 
wie  dpx€-KaKOc):  AKk-avbpoc,  öa|iad-|ißpOTOc  *Menschen  über- 
wältigend', Tavuci-7rr€poc  'die  Flügel  ausspannend',  dpuc-dpiLiaxec 
Vagenziehende',  xepqii-iißpoTOc  *die  Menschen  ergötzend',  Kttjc- 
avöpoc  ai.  däti-vära-s  'Gaben  spendend'  (vgl.  Aujci-qppujv),  Ranti- 
deva-s  ('die  Götter  erfreuend'),  mtl-hötra-s  'Opfergaben  ver- 
schaffend', rüy^p-  'wasserströmend'. 

Wie  viddd-ms%4r^  'Güter  gewinnend' :  Bhardd-vOja-s  ('Labung 
bringend'),  dhärayät-havi-^  'Weise  erhaltend',  av.  vanai-paiana- 
"Schlachten  gewinnend*,  DäratfcU-^'a^a-  ('Wagen  besitzend').  Für 
die  Auffassung  des  zweiten  Gliedes,  als  akkusativisch  vom  ersten 
Glied  abhängig,  ist  interessant  der  av.  Name  eines  Genius  Frädat- 
mpgmhujyä^ti'i,  'jegliches  zu  gutem  Leben  dienende  Mittel 
fördernd',  dessen  Schlußteil  die  Akkusativvorbindung  vfspgm 
hujffä'tim  war.  Nur  mit  -t-  (nicht  -at-)  als  Endformans  des  ei-sten 
Gliedes  av.  vikar^i-tiitäna'  'das  Leben  beeinträchtigend'  (nach 
Bartholomae  Grundr.  d.  iran.  Phil.  1,  149). 

Grundsätzlich  hat  man  zunächst  zu  sehen,  ob  eine  Deutung 
möglich  ist,  die  diese  Kompositionstypen  nicht  anders  entwickelt 
sein  läßt^  als  auch  sonst  nominale  Zusammensetzimgen  im  Kreis 
der  idg.  Sprachen  zustande  gekommen  sind.  Aber  nur  für  die 
dpxtKttKoc-Klasse  ist  eine  solche  Erklärung  bis  jetzt  gefunden. 
Es  ist  die,  nach  der  der  erste  Bestandteil  eine  Imperativform 
ist  dpx€-KaKOc  also  auf  gleicher  Linie  steht  mit  den  S.  61  ge- 
nannt^jn  ai.  jcJit-stambas^  spätlat.  Vince-maltis^  nhd.  Fürchte-gott^ 
öech.  Mstindnih.  Gegen  diese  Ansicht  ist  bis  jetzt  noch  kein 
irgend  stichhaltiger  Einwand  erhoben  worden,  und  nur  sie  wird 
den  überlieferten  Tatsachen  wirklich  gerecht.  Denn  nur  bei  ihr 
erklären  sich  zwanglos  das  e  von  dpx^-KaKOc  und  die  Voraus- 
stellung des  verbalen  Bestandteils.  Bei  den  Verbalstämmen  ohne 
thematischen  Vokal  erscheint  auch  im  Ar.  noch  die  Imperativ- 
form ohne  -rfAt,  nach  Art  von  griech.  K-ei,  icrri,  lat  f,  ce-do,  ein 
Zeichen,  daß  schon  früh  der  imperativische  Sinn  sich  verdunkelte 
(vgl.  nhd.  ein  iu-gut  mit  dem  danach  gebildeten  tu-nickt-gut^  wo 
ebenfalls  kein  Imperativ  mehr  empfimden  wird). 

1)  Unwahrscheinlich  ist,  was  Ludwig  Rigveda  5,  254  vermutet:  'die 
die  Zügel  des  Festen  besitzen',  was  so  viel  als  'die  das  Feste  stürzen 
können'  sei. 


70  K.  Brugmann, 

Diese  Auffassung  der  dpx^KttKOc- Bildungen  hätte  wahr- 
scheinlich weit  mehr  Anklang  gefunden,  als  sie  gefunden  hat, 
wenn  nicht  die  beiden  andern  Kompositionstypen  daneben  stünden, 
bei  denen  die  Annahme  eines  imperativischen  Anfangsteils  bisher 
unmöglich  erschienen  ist  Man  möchte  natürlich  gerne  das 
funktionell  Gleiche  von  gleichem  Gesichtspunkt  aus  beuileilen, 
aber  es  scheint  nur  zu  gelingen,  wenn  man  für  dpx€KaK0c  imd 
(Jenossen  die  Imperativtheorie  fahren  läßt*).  Nun  kommt  freilich 
für  den  4XKeci7r€7TXoc-  und  den  PicWdtw8w-Typus  a  priori  auch 
die  Möglichkeit  in  Betraclit,  daß  sie  vom  zwar  keine  imperati- 
vischen Formen  enthalten,  sondern  nominale,  aber  in  ihren 
ältesten  Exemplaren  eine  Umdeutung  nach  Maßgabe  von  dpx^- 
KttKOc- Komposita  erfaliren  haben.  Aber  auch  dieser  Weg  der 
Erklärung  ist  bis  jetzt  mit  Erfolg  nicht  baschritten  worden. 

Man  muß  zugeben,  daß  der  formantische  Charakter  der 
Vorderglieder  des  JXKedTreTrXoc-Typus  zunächst  auf  Verbalabstrakta 
oder  Nomina  actionis  mit  dem  Formans  -<i-  hinweist,  Substantiva, 
die  seit  urindogermanischer  Zeit  auch  als  Nomina  ageutis  ver- 
wendet werden  konnten  (Grundr.  2,  276.  481).  Es  ist  aber  bis 
jetzt  unbeachtet  geblieben,  daß  diese  Anfangsglieder  in  die  Ver- 
bindung mit  den  von  ihnen  regierten  Schlußgliedem  trotzdem 
als  Formen  impei-ativischen  Sinnes  eingegangen  sein  können. 
Sie  können  nämlich  konjunktivisch-imperativische  Infinitive  ge- 
wesen sein. 

Die  ^/-Substantiva  sind  bei  der  Infinitivbildung  beteiligt  im 
Arischen,  z.  B. pitäye  *zu  trinken'  av.  fraoxtayae\'dä\  "herzusagen* 
(Dat),  av.  iMim  'in  Besitz  zu  kommen*  yaoidaHim  *zu  entsühnen* 
(Akk.),  durStöii  *zu  seilen'  (Gen.),  tar(Pditi  'despicere'  apayeHi 
Vegzunehmen*  ati^Hf  *zu  atmen*  (Instr.)  (s.  Delbrück  Ai.  Synt  424, 
Vergl.  Synt.  2,  450,  Bartholomae  BB.  15,  238  ff.,  Grundr.  d.  iran. 
Phil.  1, 144  ff.)  und  im  Bai tisch-Sl avischen,  z.  B.  lit.  dMi  aksl.  dati 
Konjunktivisch  -  imperativisch  gebraucht  erscheinen  ' Infinitiv- 
formen' der  verschiedensten  Bildungsart  im  Arischen  wie  in  den 
europ.  Sprachen :  die  Satzaussage,  zu  der  der  Infinitiv  von  Haus 
aus  gehörte,  wurde  nicht  ausgesprochen,  sondeni  nur  hinzu- 
empfunden, wodurch  der  Infinitiv  mit  den  adhortativen  Formen 
des  Verbum  finitum   auf  gleiche  Linie  kam  (Delbrück  Vergl. 

1)  Delbrück  a.  a.  0.  erklärt  die  Imperativdeiitung  von  dpx^KOKoc  für 
die  wahrscheinlichste  und  fügt  hinzu:  "Über  die  beiden  anderen  Typen 
(4XK€c(Tr€TrXoc  und  viddävusu-)  möchte  ich  mich  nicht  aussprechen". 


Zur  Wortzusammensetzung  in  den  idg.  Sprachen.  71 

Synt.  2,  453  ff.,  Verf.  Kurze  vergl.  Gr.  604).  Sollten  also  nicht 
die  ft- Formen  unserer  Komposita  ursprünglich  solche  Impera- 
tivische Infinitive  gewesen  sein?  Der  adhortative  Infinitiv  hat 
sich  in  modernen  Sprachen  verschiedentlich,  besonders  in  der 
Alltagsrede,  von  neuem  erzeugt  (z.B.  nhd.  aufstehn!^  hergeben!^ 
den  fus8  vorsetzen  1)^  und  so  ist  es  wenig  kühn,  anzunehmen, 
daB  Nomina  actionis  auch  schon  in  urindogermanischen  Zeiten 
zu  solcher  Verwendung  gekommen  seien. 

Es  wäre  hiemach  die  sogenannte  Stammform,  auf  -ti^  in- 
finitivisch geworden^). 

Oder  soll  man  unsere  Infinitivformen  auf  -ti  Lokative  von 
^-Stämmen  nennen?  -^f- und -^wechselten  seit  urindogermanischer 
Zeit  als  Stanunauslaut  bei  den  femininischen  Abstrakta.  Die 
^Flexion  ist  repräsentiert  durch  ai.  stüt-  av.  stüt-  Treis*  (neben 
ai.  aiuH'$)^  ai.  vft-  'Begleitung*,  eigentiich  'Einzäunung'  (neben 


1)  Hierzu  bietet  vielleicht  der  ar.  Imperativ  auf  -tu  ein  Analogen. 
Gegen  die  von  Vielen  angenommene  Hypothese,  daß  bhdratUy  bhärantu 
hijunktivformen  mit  angehängter  Partikel  u  seien,  macht  Delbrück  Vergl. 
Synt.  2,  357  geltend,  daß  die  <u-Form  nur  positiv  vorkommt,  während  man 
sie,  wäre  sie  Injunktiv,  vorzugsweise  im  Verbot  zu  erwarten  hätte. 
Dieser  Einwand  ist  sehr  berechtigt.  Es  könnte  also  Gaedicke  Der  Acc. 
im  Veda  254  Fußn.  recht  haben,  der  vermutet,  hdntu  sei  die  Stammform 
der  Infinitive  hdnto^,  hdntave,  häntum.  Es  gehörten  dann  noch  z.  B.  dätu 
und  dätö^  dätave  ddtum,  itu  und  iiö^  Stum  engstens  zusammen.  Durch 
Assoziation  des  Ausgangs  -tu  mit  den  Personalendungen  -ti  -t  kam  man 
einerseits  zu  den  Pluralformen  ghndntu,  dätUu,  ydntu  (wie  man  im 
Griechischen  (pcpovriu  zu  q)€p^TUi,  im  Lateinischen  vehuntö  zu  vehitö 
schuf),  anderseits  zur  Ausbreitung  auf  die  verschieden  gestalteten  Tempus- 
stämme, z.  B.  bhdratu  nehst  bhdrantu,  Sp^ötu  nebst  Sj^vdntu  usw.  Alle 
diese  Neuerungen  hätten  sich  wahrscheinlich  schon  in  urarischer  Zeit 
abgespielt,  weil  das  Iranische  dieselben  ^u-Formen  aufweist  wie  das  In- 
dische, z.  B.  av.  baratu  bar9ntu  neben  JafUu.  Man  darf  überdies  freilich 
auch  an  Zerlegung  von  bhdratu  in  Imperativ  bhdra  -f-  Partikel  tu  {tu  im 
RV.  bei  Aufforderungen  üblich,  s.  Graßmann  s.  v.,  Delbrück  Ai.  Synt.  517  fif.; 
verwandt  ist  got.  pau  ßau-h,  ahd.  doh  'doch')  denken.  Die  Partikel  wäre 
im  Lauf  der  Zeit  bedeutungslos  geworden,  wie  in  urindogermanischer  Zeit 
-dhi,  im  Litauischen  -ki  (dü-ki  'gib').  Die  Imperative  wie  *bhere,  *dö  waren 
von  Haus  aus  nicht  auf  den  Gebrauch  für  die  zweite  Person  beschränkt 
(Grundr.  2,  1323  f.),  und  die  Einschränkung  von  bhdratu^  ddtu  auf  die 
dritte  Person  wäre  wiederum  durch  engere  Assoziation  von  -tu  mit  -ti  -t 
bewirkt  worden  und  hätte  in  der  Gebrauchsbegrenzung  von  griech.  cpep^-TUJ 
ein  Analogon.  Von  einer  irgend  zuverlässigen  Deutung  des  ar.  ^u-lmpe- 
rativs  kann  hiemach  heute  noch  nicht  die  Rede  sein. 


72  K.  Brugmann, 

vfii-f),  sam-ü"  ^feindliches  Zusammentreffen*  (neben  säm-iU-i), 
av.  xinüi-  *Befriediginig*,  ai.  sarÜ-  sravät-  pravät-  mhät-  "Strom, 
Fluß'  (über  pravdt-  s.  Pischel-Geldner  Ved.  Stud.  2,  63  ff.),  lat 
teges,  seges^  got.  mitaps  (Stamm  rnüad-)  *Maß'.  Vgl.  auch  den 
Wechsel  zwischen  -ti-  imd  -t-  bei  dem  Wort  für  die  Nacht  ai. 
ndkti'^  lit.  naktis  usw.  neben  griech.  vü^  vukt6c  usw.  und  bei 
den  Zahlabstrakta  wie  ai.  daiati-i  aksl.  de^h  usw.  neben  ai.  daidt- 
aksl.  Plur.  des^t-e  usw. 

Wir  kommen  auf  diese,  für  die  Erklärimg  der  ersten  Glieder 
der  iXK€ciTr€7TXoc-Formen  als  imperativische  Infinitive  unwesent- 
liche Frage  wegen  der  vidädtPosu-Vormen,  die  formantisch  engstens 
mit  ihnen  zusammengehören  könnten,  unten  noch  einmal  zui-ück. 
Hier  sei  jedoch  gleich  noch  folgendes  bemerkt.  Av.  frädatil-ca] 
in  yt.  6,  1  ist  walu-scheinlich  Infinitiv  (*zu  fördern*).  Von  Bar- 
tholomae  wird  es  als  Lokativ  eines  Nomen  actionis  fräSat-  an- 
gesprochen (Grundr.  d.iran.Phil.  1, 146),  während  Gr6goire  KZ.  35, 
100  f.  die  Auffassung  als  Instr.  eines  Stammes  frädati-  vorzieht 
Ich  weiß  eine  Entscheidung  nicht  zu  treffen.  Waren  also  \iel- 
leicht  die  infinitivischen  Formen  auf  -ti  einzelsprachlich  in  nicht- 
imperativischer  Bedeutung  nicht  mehr  im  Gebrauch,  so  vergleicht 
sich  das  damit,  daß  die  altindischon  Formen  sföfi^  ß$i^  sdtsi  usw. 
und  av.  döiM,  die  lokativische  Infinitive  von  s-Stämmen  sind, 
ebenfalls  nur  noch  in  der  iraperativischen  Anwendung  des  In- 
finitivs erscheinen  (Neisser  BB.  20,  70  ff.,  Bartholomae  EF.  2, 
271  ff.,  Delbrück  Vergl.  Svnt.  2,  447).  Ebenso  hat  der  lateinische 
Imperativ  sequimini,  den  man  wohl  richtig  als  dativischen  Infinitiv 
betrachtet  (griech.  -jievai),  keine  andern  Infinitivfunktionen  da- 
neben behauptet. 

Im  Griechischen  stand  -a-  ursprünglich  auch  vor  vokalisch 
anlautendem  Schlußglied,  z.  B.  *ipuci-ap|LiaT€c  (neben  dpuci-xÖu)v), 
wie  ai.  rityäp-  d.  i.  riU-^tp-.  Als  nun,  in  urgriechischer  Zeit,  durch 
die  bekannte  Übertragung  der  Auslautelision  kurzer  Vokale  in 
die  Kompositionsfuge  z.  B.  qp^p-acmc  neben  cpep^-Ttovoc  zu  stehen 
kam,  entstanden  auch  dpuc-dpiLiaiec,  Kiric-avbpoc  usw.  Daß  es  der 
verbale  Charakter  des  Vorderglieds  war,  der  die  Aufgabe  des  -i 
veranlaßte,  wird  dadurch  bestätigt,  daß  die  ^«-Abstrakta^  wie 
überhaupt  nominale  t- Stämme,  sonst  diesen  Stammauslaut  vor 
vokalisch  anhebendem  Schliißglied  festhielten,  z.  B.  craci-apxoc 
'Anführer  des  Aufruhrs',  rroXi-apxoc,  Kööi-ctveipa  (eigentlich  *sich 
auszeichnende  Männer  habend'),  s.  Bor.  d.  sächs.  Ges.  d.  W.  1899 


Zur  Wortzusammensetzung  in  den  idg.  Sprachen.  73 

S.  197  ff.^).  Dieser  verbale  Charakter  war  es  auch,  der  die 
Assoziation  mit  den  c-Tempora  hervorrief,  wodurch  Formen  wie 
q>6€ld-^ßpoT0c  (nach  cpGeicai,  vgl.  qpGiac),  Ztrici-xopoc  (nach  crncai, 
vgl.  crdac),  'Avaßrici-veujc  (nach  dvaßncai,  vgl.  ßdcic)  sowie  solche 
wie  böot.*ATaccl-öa^oc,T€X€cci-c^[pOTOc]  (nach  dTdccac9ai,  leXeccai) 
entsprangen.  Dieser  Anschluß  an  die  c-Tempora  ist  zwar  auch 
außerhalb  der  4XKeciTr€7rXoc- Komposition  den  <i-Abstrakta  nicht 
fremd,  z.  B.  ark.  ?c-T€iac  wie  Teici-qpovri  (gegen  att.  tigc),  aber 
er  findet  sich  hier  weit  seltener.  Hier  hat  sich  eben  die  nomi- 
nale Natur  dieser  Substantiva  in  weit  höherem  Maße  behauptet. 

Was  weiter  die  t^wAfrftwww- Komposita  betrifft,  ein  Typus, 
der  nur  im  Arischen  nachgewiesen  ist,  so  denkt  Jacobi  S.  70  f. 
aa  zweierlei.  Sie  sollen  entweder  so  entstanden  sein,  daß  der 
Gebrauch  von  Formen  wie  ^vida-vam-  das  Sprachgefühl  be- 
fremdet und  man  deshalb  zur  Verdeutlichung  der  Funktion  des 
ersten  Gliedes  den  schwachen  Partizipialstamm  eingeführt  habe, 
oder  vielleicht  sei  vidai  in  mdädvam-  ein  Injunktiv,  und  das 
Kompositum  habe  ursprünglich  *er  (oder  sie)  möge  Güter  ge- 
winnen* bedeutet.  Gegen  die  letztere  Auffassung  läßt  sich  das- 
selbe einwenden,  was  Delbrück  gegen  die  Erklärung  von  bhäratu 
als  bhdrat  +  u  vorgebracht  hat  (s.  oben  S.  71).  Sie  ist  aber  auch 
schon  darum  wenig  glaubhaft,  weil  auf  Grund  der  8.  Person  Sing, 
adhortativer  Modi  solche  Komposita  in  den  indogermanischen 
Sprachen  sonst  nicht  erwachsen  sind.  Bei  der  ersteren  Erklärung 
aber  versteht  man  nicht,  warum  Formen  wie  "^vida-^vasu-  das 
Sprachgefühl  sollen  befremdet  haben. 

Zunächst  hat  man  wieder  zuzusehen,  ob  nicht  das  erste 
Glied  in  den  zahlreichen  Formen  mit  -at-  wie  mdäd-vasu-  und 
in  av.  vfk9r^t-^atäna  gleichwie  das  Anfangsglied  dpx€-  in  dpx^- 
KaKOc  eine  Formation  war,  die  an  und  durch  sich  selbst  eine 
Imperativische  Funktion  hatte.  Es  liegt  Anknüpfung  an  die  In- 
finitivform  auf  -ti  des  iXK€ciiT€TrXoc-Typus  nahe.  War  diese  die 
Stammform  der  ^i-Abstrakta,  so  war  das  Vorderglied  des  viddd- 
fjewM-Typus  möglicherweise  die  Stammform  der  ^Abstrakta,  und 
war  av.  fräSati['Cä\  *zu  fördern',  wie  Bartholomae  annimmt,  ein 


1)  Mit  dem  i-Verlust  in  dciKoc-opoc,  cixoc-opTuioc  (neben  cCkoci- 
irnxwc)  hat  es  eine  besondere  Bewandtnis.   Diese  Formen  stellten  sich  zu 

TpiSKOVT-OpOC  TpiäKOVT-OpTVlOC  wie  €{KOCa-€Tf|C,  dclKOCd-ßOlOC  zu  TpiaKOVTtt- 

en^c,  TpiaKOvrd-IuToc. 


74  K.  Brugmann, 

Lokativ  auf  -/,  so  könnten  viddt-  usw.  flexionslose  Lokative  der- 
selben Stanimklasse  gewesen  sein. 

Nach  Ludwig  Rigveda  6,  264  hätte  das  Vedische  Infinitive 
auf  -{U  gehabt,  so  daß  man  sich  zunächst  an  sie  halten  könnte. 
Ludwig  zählt  als  solche  aus  dem  RV.  auf:  adat,  iffiat,  gat.  ju^at, 
tfpat,  dj^Sat,  dravat^  drahjat.  dhf^,  patayat,  pibaU  iravat^  spat 
(vgl.  dazu  seine  Bemerkung  zu  RV.  10,  37,  11  in  Bd.  4.  133). 
Leider  sieht  es  aber  mit  der  Gewähr  der  infinitivischen  Funktion 
dieser  Formen  nicht  zimi  besten  aus.  Von  vornherein  auszu- 
scheiden ist  pataydt  RV.  1,  4,  6  ä»  äSütn  öMvehhara  yajßairiyq 
nfmddanam  patayän  mandaydtsakham^  was  Ludwig  übersetzt: 
*bring  (den  Trank)  henm,  fliegen  zu  machen  (daß  er  fliegen 
mache)  den  Freunderfreuer*.  pataydt  ist  vielmehr  patayätaakham, 
d.  h.  man  hat  das  letzte  Glied  dos  folgenden  Kompositums  zu 
ergänzen  und  demnach  zu  übei-setzen  *den  den  Freund  fliegen 
machenden  (beflügelnden)  und  erfreuenden*.  Femer  werden  mit 
bestem  Fug  als  adverbiale  Akkusative  des  Part  Präs.  von  andern 
betrachtet  dhr^ät  8,  21,  2  'kühnlich,  herahaff  (dazu  der  eben- 
falls adverbiale  Instr.  dhr^aiä).  tfpdt  2,  11,  15.  2,  22,  1.  2,  36,  5. 
3,  32,  2.  7,  56,  10.  10,  116,  1  *in  genügender  Weise,  zur 
Genüge,  bis  ziu*  Sättigung',  dravdt  8,  5,  7.  Väl.  1,  5  •eilend*, 
drahydt  2,  11,  15  'tüchtig',  dyugöt  8,  86,  4  'zum  Himmel  gehend'. 
Scliwierige  Stellen,  aber  jedenfalls  Stellen,  denen  keine  Beweis- 
kraft zugunsten  von  Ludwigs  Ansicht  inne  wohnt,  sind  1,  115,  5 
(rtiiat,  8.  Komment),  4,  27,  3  (spat),  7,  32,  5  (Srävat\  8,  2,  23 
(jdbat),  10,  61,  5  (J4nät).  Als  besondei-s  deutliche  Infinitive  be- 
zeichnet Ludwig  im  Kommentar  spat  und  ydt  1,  174,  4,  ju^ 
10,  20,  5,  addt  und  pibat  10,  37,  11.  Aber  auch  hier  sind 
Bedenken  gegen  die  Iiifinitivnatur  nichts  weniger  als  aus- 
geschlossen. Am  ehesten  scheint  vielleicht  jit^t  für  Ludwig 
zu  sprechen,  der  ju^äd  dhavyd  mänu^a»yördhvds  tasthäv  fbhvä 
yajnS  übersetzt  *zu  genießen  des  Menschen  Havya  hat  empor 
sich  erhoben  der  Anstellige  beim  Opfer'.  Wenn  jedoch  tipdt 
teils  Adverbium  sein  kann,  teik  sein  muß,  so  wird  auch  ju^t 
Adverbium  sein,  nur  daß  es  einen  Objektsakkusativ  bei  sich 
hat  (vgl.  Objektsakkusative  beim  Absolntivum  auf  -dw,  ferner 
mq  kdmena  *aus  Liebe  zu  mir'  u.  dgl.).  AVo  das  Partizipium  auf 
-at  nicht  solches  bezeiclinet,  was  mit  der  Haupthandlung  vor 
sich  gellt,  sondeni  was  beabsichtigt  ist,  was  die  Vei^anlassimg 
zu  der  Haupthandlung  ist,   liegt  dei-selbe  Gebrauch  vor,   den 


Zur  Wortzusammensetzung  in  den  idg.  Sprachen.  75 

auch. das  fi*ei  flektierte  Part  Präs.  im  Vedischen  zeigt,  wie  z.  B. 
RV.  7,  67,  7  dhelatä  mdnasä  yätam  arvdg  aindtUd  havyq  mänufifti 
vikfü  *  kommt  hierher  mit  gnädigem  Sinne,  um  zu  essen  das 
Opfer  in  den  menschlichen  Wohnungen'  (Delbrück  Ai.  Synt371, 
Vergl.  Synt  2,  478  f.). 

Infinitive  auf  -t  sind  somit  für  die  Zeit  des  Sonderlebens 
der  arischen  Sprachen  nicht  verbürgt.  Für  die  vorarische  Zeit 
aber  solche  Infinitive  vorauszusetzen,  wäre  bei  dem  Umstand, 
daß  der  vidddtxiaU'Tyfus  nur  im  Arischen  auftritt,  äußerst  kühn. 
So  fragt  es  sich  jetzt,  ob  dieser  nicht  erst  durch  eine  urarische 
analogiscbe  Neuerung  zustande  gekommen  ist . 

Daß  die  Vorderglieder  in  den  v»iwto-a;*'ar»na-Forraen  den 
Ariern  schon  frühe  als  aktive  Partizipia  oder  Nomina  agentis 
erschienen,  ist  leicht  begreiflich.  Das  Arische  hatte  Nominal- 
stämme  auf  -o,  die  man  ihrer  Funktion  nach  als  Präsenspartizipia 
bezeichnen  darf,  wie  ai.  vi-naifd-  'trennend*,  hinvd-  'anregend*, 
prchfnfnd-  'zerstörend',  rerihd-  'leckend*,  av.  p^r^sa"  'fragend', 
ibw^irfo-  'schneidend*,  srävaya-  'hören  lassend*,  dada-  'gebend* 
(Bartholomae  KZ.  29,  557  ff.).  Die  Assoziation  des  Vorderglieds 
der  rfnrfa-ar^'ar'na-Komposita  mit  diesen  war  nahe  gelegt,  sobald 
uridg.  e  und  o  in  a  zusammengefallen  waren.  Da  nun  neben 
jenen  Partizipien  auf  -o-  (uridg.  -o-)  die  auf  -nt-  standen,  z.  B. 
pramfnänt'  neben  prampiä'^  so  konnten  nun  auch  n^-Partizipia 
an  die  Stelle  der  alten  Imperative  in  unsere  Komposita  ein- 
dringen. Ich  stimme  hiemach  Jacobi  (S.  71)  darin  bei,  daß  das 
Verschwinden  der  dpx^KaKOc-Formen  im  Indischen  durch  die  Aus- 
breitung des  vidddvcmhlj^xx^  hervorgerufen  worden  sei.  Aber 
was  war  die  Ursache  dieser  Ausbreitung  auf  Kosten  des  älteren 
Typus?  Daß  Formen  wie  "^mddvam-  an  sich  anstößig  gewesen 
sein  sollten,  ist  schlechterdings  nicht  einzusehen.  Irre  ich  nicht, 
so  lag  die  Ursache  in  dem  Vorhandensein  von  Bahuvrlhi  mit 
einem  Partizipium  als  erstem  Teil,  wie  ai.  draväd-aha-s  'mit 
eilenden  Rossen'  av.  frao^at-aspa-  'mit  schnaubenden  Rossen' 
(daneben  solche  wie  ai.  iriit-kartia-  av.  srui-gaoSa-  'mit  hörenden 
Ohren*).  Es  scheint  diesen  Komposita  ähnlich  gegangen  zu  sein,  wie 
im  Griechischen  gewissen  Bahuvrlhi  mit  adjektivischem  Vorder- 
frlied  wie  qpiXöEevoc:  nach  Maßgabe  von  Fonnen  der  dpxcKaKOC- 
Klasse  wurde  qpiXöHevoc  umgedeutet  als  'den  Gastfreund  liebend' 
(was  den  Übergang  von  e  in  o  in  verbalen  Komposita  hciTonief 
oder  wenigstens  begünstigte:  hom.  cpuTO-iTToXejLioc  'den  Kampf 


76    K.  Brugmann,  Zur  Wortzusammensetzung  in  den  idg.  Sprachen. 

scheuend'  für  *q)UT€-iTToX€fioc  wie  qpiXo-TrroXcfioc,  ^XlT6-^1^voc 
'den  Monat  verfehlend,  zu  früh  geboren'  für  *^XiT4-fnivoc  usw.*)). 
Eine  solche  Umwertung  war  im  Arischen  in  solchen  Fällen 
möglich,  wo  das  Partizip  ebenso  gut  als  Attribut  des  hinteren 
Kompositionsglieds  wie  als  Attribut  des  exozentrischen  Subjekts 
aufgefaßt  werden  konnte.  Etwa  ein  Kompositum  mit  der  Be- 
deutung *sich  erkühnenden  Sinn  habend*  (vgl.  ähf^n-manaa-) 
konnte  als  'sich  erkühnend  in  seinem  Sinne,  mit  seinem  Sinne', 
eines  mit  der  Bedeutung  *laufende,  eilende  Räder  habend',  vom 
Wagen  gesagt  (vgl.  draväc-cakrchs),  als  *eilend  mit  den  Rädern' 
erscheinen  u.  dgl.  m.  Daß  das  Schlußglied  im  wrf(irf«wt<-Typus 
nicht  immer  akkusativisch  abhängig  war,  zeigen  spjhaydd'varna-s 
*nach  Glanz  strebend'  mit  dativischer,  sädäd-yöni-^  *im  Schöße 
sitzend'  mit  lokativischer  Kasusbeziehung.  War  so  in  einigen 
Fällen  diese  ümdeutung  geschehen,  so  mochten  leicht  Bildungen 
wie  vidäd-vast^f  Fuß  fassen  und  mochten  durch  sie  dann  im 
Indischen  die  älteren  Formen  wie  *vidä'Vasu-f  allmählich  ganz 
verdrängt  werden.  Nur  Formen  ohne  thematischen  Vokal  konnten 
von  diesem  Überwuchern  des  o^-Typus  nicht  betroffen  werden. 
Daher  noch  didy-ngni"  und  eventuell  sthä-raiman'  (S.  68  f.). 

Av.  mkar^t'Uätdna"  erklärt  sich  aus  der  nahen  begrifflichen 
Verwandtschaft  der  mit  -t-  gebildeten  Adjektiva  mit  den  nt- 
Partizipia. 

Ist  hiemach  der  vwWrfya^ti-Typus  von  ganz  anderer  Ent- 
stehungsart als  der  dAtmra-Typus,  so  fällt  von  jenem  aus  kein 
Licht  auf  die  Fi^age,  ob  däti-  in  däti-vära-  der  Lok.  des  Stammes 
dät'  oder  unflektierter  Stamm  auf  -t  gewesen  ist  Diese  Frage 
muß  ich  offen  lassen,  sie  ist  indessen,  wie  schon  oben  bemerkt 
wurde,  für  uns  nebensächlich. 

Leipzig.  K.  Brugmann. 


1)  Vgl.  Jacobi  S.  52  ff.  —  Außerdem  vgl.  die  aisl.  Komposita  wie 
Hengiand'kiapta,  Name  eines  Riesenweibs,  'die  den  Unterkiefer  hängen 
läßt',  neben  Hengi-kiapta  'Hängekiefer  habend',  Velland-katla^  Name  einer 
Quelle,  'Kesselkocher',  die  Falk  PBrB.  U,  42  f.  bespricht.  Ob  Falk  die  für 
die  entwicklungsgeschichtliche  Beurteilung  dieser  Partizipialkomposita  in 
Betracht  kommenden  Momente  alle  angeführt  hat,    ist  mir  zweifelhaft. 


y^R.  Meister,  Arkadische  Formen  in  der  Xuthiasinschrift.  77 


Arkadische  Formen  in  der  Xnthiasinsehrift. 

Die  Bronzetafel,  auf  deren  Vorder-  und  Rückseite  die 
Xuthiasinschrift^)  eingraviert  ist,  ist  bei  dem  heutigen  Dorfe  Piali 
in  der  Nähe  des  alten  Tegea  gefunden  worden  und  stammt,  wie 
mit  Recht  allgemein  angenommen  wird,  aus  dem  Tempel  der 
Athene  AJea.  Doch  ist  der  Dialekt  sicher  nicht  arkadisch,  sondern 
gehört  zu  der  großen  sogenannten  'dorischen'  Dialektgruppe 
(Kirchhoff  Monatsberichte  d.  Berl.  Ak.  1870  S.  59),  jedenfalls  ist 
Xuthias  ein  lakedämonischer  Periöke  gewesen,  woran  schon 
Kirchhoff  a.  a.  0.  gedacht  und  was  mein  Vater  in  den  Berichten 
d.  S.  Ges.  d.  Wiss.  1896  S.  274  und  in  der  Abhandlung  "Derer 
und  Achäer"  (Leipzig  1904)  S.  51  wahrscheinlich  gemacht  hat. 
Xuthias  hat  die  Vorlagen  der  beiden  Urkunden  verfaßt,  die  dann 
tegeatische  Beamte  auf  imsere  Bronze  eingraviert  haben*).  Der 
Schreiber  der  Vorderseite  scheint  ganz  genau  kopiert  zu  haben. 
Wenigstens  entspricht  ihr  Text  in  jeder  Beziehung  dem,  was 
wir  sonst  von  der  Sprache  der  lakonischen  Periöken  wissen. 
Dagegen  sind  auf  der  einige  Zeit  später  eingravierten  Inschrift 
der  Rückseite*)  einzelne  arkadische  Formen  nachgewiesen  worden, 
die  der  weniger  genaue  Graveur  der  Rückseite  in  den  'dorischen' 
Text  hat  einfließen  lassen  (Berichte  d.  S.  Ges.  d.  Wiss.  1896 
S.  273).  Denn  neben  dem  Morischen'  ai  Z.  3,  das  die  Vorder- 
seite Z.  2.  3.  5  hat,  bietet  sie  viermal  das  arkadische  ei  Z.  6.  7. 
8.  10,  und  sie  enthält  in  den  beiden  Formen  Z!6c  Z.  3  und  4  die 
Endung  des  arkadischen  Konjunktivs  auf  -n?  während  auf  der 
Vorderseite  der  *Doris'  entsprechend  ?i  Z.  2  und  dTToedvei  Z.  3 
geschrieben  ist*). 

1)  Zuerst  herausgegeben  von  Eustratiadis  *Apx.  'E<p.  1869  S.  340  f., 
weiterhin  in  den  Sammlungen  von  Roehl  IGA.  68,  Imagin.*  S.  85;  Cauer 
Delectus*  no.  10;  Roberts  An  Introduction  to  Greek  Epigraphy  n.  257; 
R.  Meister  GDI.  4598;   Solmsen  hiscr.  Gr.  ad  inlustr.  dial.  sei.  no.  26. 

2)  Die  Annahme,  daß  Xuthias  die  beiden  Urkunden  in  seiner  la- 
konischen Heimat  habe  eingravieren  lassen,  ist  an  sich  nicht  wahr- 
scheinlich  und  wird  durch  den  Nachweis  arkadischer  Formen  hinfällig. 

3)  Sie  unterscheidet  sich  äußerlich  von  der  Inschrift  der  Vorder- 
seite fast  nur  durch  das  Fehlen  der  Interpunktion. 

4)  Innerhalb  des  'dorischen'  Dialektgebietes  kennen  wir  el  für  a( 
u.  a.  in  Achaia  (Inschriften  von  Dyme,  etwa  3.  Jahrh.  v.  Chr.  GDI.  1613—1615; 
Vertrag  des  achäischen  Bundes  mit  Orchomenos  23-4/3  v.  Chr.  GDI.  1634), 


78  K.  Meister, 

Das  Fehlen  des  Hauchzeichens  in  uioi  Z.  4  und  eßdcovn 
Z.  5  der  Rückseite  gegenüber  der  Schreibung  des  Hauchzeichens  in 
ÄeßovTi  Z.  5  der  Vorderseite  ist  gleichfalls  a.  a,  0.  als  Arkadiaismus 
erklärt  worden  mit  Berufung  auf  die  schwankende  Schreibung 
der  Aspiration  im  Tempelrecht  von  Alea  (1.  Hälfte  des  4.  Jahrb.; 
vgl.  R.  Meister  Ber.  d.  S.  Ges.  d.  Wiss.  1889  S.  91;  Hoffmann 
Gr.  Dial.  1,  197).  Diese  Ansicht  läßt  sich  jetzt  durch  neues 
Material  bestätigen.  Denn  in  dem  in  die  erste  Hälfte  des  5.  Jahrhs. 
gesetzten  Gottesurteil  von  Mantineia  und  in  der  andern  gleich- 
zeitig publizierten  arcliaischen  Inschrift  derselben  Herkunft  ist 
der  Hauchlaut  nirgends  ausgedrückt  (vgl.  Joh.  Baimack  Ber.  d. 
S.  Ges.  d.  Wiss.  1893  S.  112).  Münzen  von  Hei-aia,  die  uns  in 
verechiedenen  Typen  schon  seit  der  zweiten  Hälfte  des  6.  Jahrhs. 
erhalten  sind,  tragen  die  Bezeichnungen  ERA,  ER,  E  (Head  Hist. 
Xum.  S.  375).  Heraiobolen  des  5.  und  beginnenden  4.  Jahrhs.  von 
Kletor,  Mantineia,  Pallantion  und  Tegea  sind  mit  dem  Wert- 
zeichen E  =  IjLiiööeXiov,  Trihemiobolen  derselben  Zeit  von  Heraia 
und  Tegea  mit  drei  E  =  ipi-efiiööeXiov  signiert  (Head  Hist.  Num. 
S.  374 — 380  ^).  Das  Hauchzeichen  habe  ich  nirgends  auf  arka- 
dischen Münzen  gefimden.  Auf  aichaischen  Inschriften  aus  Tegea, 
veröffentlicht  von  6.  Mendel  BGH.  25  (1903),  267  f.,  lesen  wir 
zwar  zweimal  irpcAeöpa,  ferner  Gdiepoi  =  toT  diepoi  und^epaKXdoc, 
aber  daneben  steht  Tdiepoi  und  mit  falsch  gesetztem  Hauch- 
zeichen HaXiax  =  'AX^ai.  Ausgedrückt  ist  die  Aspiration  noch 
zweimal   in   archaischen  Inschriften   aus  Lusoi*),   die  Wilhelm 


weiterhin  kommt  es  einmal  auf  einer  Inschrift  aus  Bruttium,  also  aus 
achäischem  Kolonialgebiet,  nicht  später  als  3.  Jahrh.  v.  Chr.,  GDI.  1658 
Z.  15  vor.  Fick  BB.  5,  324  erklärt  daher  die  wiederholten  ei  auf  der 
Xuthiasbronzc  mit  der  Annahme,  daß  Xuthias  aus  Acliaia  gewesen  sei. 
Dabei  müßte  man  voraussetzen,  daß  neben  €(  auch  a(  in  Achaia  im 
Gebrauche  gewesen  sei,  was  keineswegs  sicher  ist :  überliefert  ist  es  jeden- 
falls nirgends.  Ferner  lautet  die  3.  Sing.  Konj.  in  dem  genannten  Vertrag 
des  achäisclien  Bundes  auf  -r\\  wie  in  den  andern  'dorischen'  Mundarten 
aus:  Z.  1  iT^|Li7r[r|]i,  Z.  10  ^|Li|n^vr|i.  Auch  die  beiden  Z6t  der  Rückseite 
haben  also  in  den  Inschriften  von  Achaia  nicht  ihres  Gleichen.  Schheß- 
lich  bleibt  bei  Ficks  Hypothese  die  Tatsache  unerklärt,  daß  alle  sechs  von 
der  gewöhnlichen  'Doris'  abweichenden  Formen  sich  auf  der  Rückseite 
finden,  denen  auf  der  Vorderseite  lauter  normale  Formen  gegenüber  stehen. 

1)  Hinzuzufügen  ist  ein  Hemiobol  von  Psophis  mit  E,  Catalogue  of 
coins  in  the  British  Museum,  Peloponnesus  S.  198,  vgl.  praef.  XX. 

2)  Freilich  ist  die  Beweiskraft  dieser  Inschriften  für  unsere  Frage 
insofern  bedingt,  als  ihr  Dialekt  Abweichungen  von  dem  uns  bekannten 


Arkadische  Formen  in  der  Xuthiasinschrift.  79 

Ost  Jahresh.  4  (1901)  herausgegeben  hat:  S.  83  n.  15  fiefilpac, 
n.  16  Mepd ;  ferner  dreimal  in  Inschriften  des  4.  Jahrhs. :  Dekret 
von  Aleia  GDI.  1183  =  Dittenberger  Inschriften  von  Olympia 
n.  30,  Z.  B  Auiuv ;  Inschrift  aiLs  Kotilon  bei  Phigaleia,  heraus- 
gegeben von  Kuruniotis,  'Eqp.  dpx-  1903  Sp.  179  Z.  2  dcptKc; 
Tempelrecht  von  Alea  Z.  33  -  -  iq>aii  -  -  (jedenfalls  von  dqxiTrrecGai). 
Die  im  ionischen  Alphabet  verfaßten  Inschriften  zeigen  die 
Aspiration  an  allen.  Stellen,  wo  man  sie  erwartet:  Tegea  GDI. 
1222  (=  Hoffmann  n.  30)  Z.  14  dcpeüJcGiü;  Z.  29  KaG'  ?KacTov, 
Z.  40  dTTUKaOicrdTU).  Der  Ausdruck  der  Aspiration  begegnet  uns 
also  um  so  seltener,  je  höher  wir  zeitlich  hinaufgehen.  Da  nun 
auch  für  das  Kyprische  aus  verschiedenen  Wahrscheinlichkeits- 
argumenten Psilosis  erschlossen  ist  (R.  Meister  2,  240;  Hoff- 
mann  1,  198),  so  liegt  die  Vermutung  nahe,  daß  der  Hauchlaut 
schon  vor  der  Auswanderung  der  Kyprier  im  Arkadischen  ge- 
schwunden war  und  daß  demnach  die  Bezeicimung  der  Aspiration 
in  den  jüngeren  archaischen  und  in  den  ionisch  geschriebenen 
Inschriften  dem  Einflüsse  der  Morischen'  Nachbardialekte  zu- 
zuschreiben ist.  Das  vorliegende  Material  genügt  noch  nicht, 
um  diese  Annahme  sicher  zu  stellen,  aber  es  genügt,  um  die 
Vermutung  zu  erhärten,  von  der  wir  ausgegangen  sind,  daß  die 
Psilosis  von  uioi  und  ^ßdcovxi  der  Rückseite  gegenüber  der 
Aspiration  von  A^ßövii  der  Vorderseite  ebenso  wie  €i  und  16^ 
auf  Rechnung  des  arkadischen  Schreibei-s  zu  setzen  sind. 

Hiemach  glaube  ich  noch  zwei  weitere  Stellen  der  Rück- 
seite, die  man  bisher  geändert  hat,  als  arkadische  Formen  er- 
klären zu  dürfen: 

1.  In  Z.  2  steht 

TIETRAKATIAIMNAI 
Die  Änderung  in  leTpaKdiiai  fivai  ist  überall  aufgenommen 
worden;  bei  Roehl,  Roberts  und  Solmsen  ist  das  I  bei  der 
Umschrift  überhaupt  nicht  berücksichtigt.  In  der  Bauinschrift 
von  Tegea  etwa  aus  dem  Ende  des  3.  Jahrhs.  und  einigen  andern 
spätem  Inschriften  ist  allerdings  idg.  q^  vor  Palatal  durch  t 
vertreten  (Hoffmann  1,  222)  und  auch  die  oben  erwähnte  Frei- 
lassungsurkunde  aus   Kotilon   bietet   wiederholt   fic    und    eiie. 

Arkadischen  zeigt.  So  hat  n.  15  diro-  für  diru-  (R.  Meister  Gr.  Dial.  2,  91 ; 
Hoffmann  Gr.  Dial.  1,  166)  und  'ApTdmToc  (vgl.  auch  n.  14)  für  'Apreni- 
(Losoi  n.  16  und  18;  Kotilon  'Ecp.  Apx.  1903  Sp.  179  Z.  12;  Stymphalos  bei 
R.  Meister  Gr.  Dial.  2,  78;  Hoffmann  Gr.  Dial.  1,  21  n.  24). 


80  K.  Meister, 

Mantineische  Münzen  des  5.  Jahrhs.  v.  Chr.  tragen  das  Wert- 
zeichen TTT  =  Tpi-T€TapTTm6piov  (Head  Hist  Num.  S.  376),  und 
auf  unserer  ältesten  großem  Dialektinschrift,  dem  S.  78  an- 
geführten Gottesurteil  von  Mantineia  ist  dieser  Laut  ebenfalls 
mehrmals  mit  t  bezeichnet:  ä  le  Geoc  Z.  19;  t6t€  Z.  25.  32.  34 
Aber  in  dei-selben  Inschrift  ist  neben  t  der  den  meisten  grie- 
chischen Alphabeten  fremde  Buchstabe  NA  dafür  geschrieben^) 
und  zwar  findet  er  sich  in  den  Woltern  etVSe  Z.  26  (zweimal), 
27,  28,  31 2)  =  etie;  eiNAic  Z.  25  =  etric  und  in  [töv  dcf6vÖv]|  V>ic8) 
Z.  26/27  =  Toiv  dKTovujv  nc  Bereits  HomoUe  BCH.  16  (1892),  592 
hat  erkannt,  daß  dieses  Zeichen  einen  spirantischen  Laut  wieder- 
gibt. Es  findet  sich  nämlich  in  der  Alphabetreihe  von  Caere 
zwischen  tt  imd  p,  also  an  der  Stelle  des  §ade  im  semitischen 
Alphabet  (vgl.  Larfeld  Griech.  Epigraphik  in  Iw^an  MüUers  Hand- 
buch 1,  505).  Seine  Ansicht  wird  durch  die  Aufschrift  des 
bronzenen  Heroldstabes  aus  der  Gegend  von  Brindisi  (IG.  XIV,  672) 
bestätigt,  in  der  es,  vom  linksläufigen  yV  nicht  zu  unterecheiden, 
für  einen  s-Laut  geschrieben  ist: 

AAMOilONGOYPIQN 
\AO\AI\AEA\AER^NAOIVSOMAA 
öafiociov  Goupiuüv.  öafiöciov  Bpevöecivöv.  Das  $ade  in  alttesta- 
mentlichen  Namen  wird  in  der  Septuaginta  und  von  Hieronymus 
mit  c  (8)  umschrieben  (Gesenius  Wörterbuch  der  hebräischen 
und  altaramäischen  Sprache  am  Eingang  des  Buchstabens  gade) 
und  erscheint  auch  in  semitischen  Lehnwörtern  wiederholt  als  c 
(Lagercrantz  Zur  giiechischen  Lautgeschichte,  Upsala  universitets 
ärsskrift  1898  S.  94),  aber  daneben  kommen  auch  t,  ct,  tz  und  z 
in  den  Umschriften  pimischer  Pflanzennamen  vor  (Schröder  Die 
phönizische  Sprache,  Halle  1869  S.  111).  Als  l  erscheint  es  in 
der  Hesychglosse  dpiZloc  •  xdqpoc.  KuTipioi,  was  zu  aramäisch 
(chaldäisch)  hari^  'Graben'  gestellt  wird  (Hoffmann  1,  109).  Das 
§ade  hat  also  in  der  phönikischen  Sprache  einen  Laut  aus- 
gedrückt, für  den  das  ionische  Alphabet  kein  passendes  Zeichen 
hatte,    lind    der  spirantisch    und    doch  zugleich   den   dentalen 


1)  Daß  in  dieser  Inschrift  das  Zeichen  ausschließlich  für  einen  aus  qf^ 
vor  Palatal  entstandenen  Laut  verwendet  wird,  hat  Joh.  Baunack  a.  a.  0. 
S.  114  zuerst  ausgesprochen. 

2)  In  Z.  31  als  ctNe  verschrieben. 

3)  So  von  B.  Keil  Nachr.  d.  Gott.  Ges.  d.  Wiss.  1895  S.  370  ergänzt. 
Joh.  Baunack  schreibt  a.  a.  0. :  [FoiK^rac]  1  ^ic. 


Arkadische  Formen  in  der  Xuthiasinschrift.  81 

Explosivlauten  verwandt  gewesen  sein  muß.  Das  aus  dem  $ade 
abgeleitete  V\  hat  in  der  Mundart  von  Mantineia  wahrscheinlich 
einen  der  dentalen  Tenuis  nahestehenden  Laut  ausgedrückt,  da 
ja  T  hier  im  Gottesurteil  mit  V\  wechselt  und  in  den  jungem 
Inschriften  der  arkadischen  Schwestermimdarten  allein  belegt 
ist;  dieser  Laut  kann  aber  weder  identisch  mit  gemeingriechisch  t 
noch  mit  ^  d  oder  st  gewesen  sein,  da  für  diese  Lautungen 
die  gewöhnlichen  Zeichen  in  der  Inschrift  verwendet  sind*). 
Er  ist  also  dem  entsprechenden  phönikischen  Laute 
wo  nicht  gleich,  so  doch  ähnlich,  spirantisch  und  doch 
der  dentalen  Tennis  verwandt  gewesen. 

Bevor  wir  dies  Ergebnis  auf  TZlerpaKd-nai  anwenden,  sind 
noch  zwei  Fragen  zu  erledigen:  1.  Wie  verhalten  sich  die  ver- 
schiedenen Schreibungen  T  und  \A,  die  ja  beide  idg.  q¥  vor  Pa- 
latal vertreten,  zu  einander?  2.  War  diese  Vertretung  von  idg.  q¥ 
dem  ganzen  arkadischen  Dialekte  gemeinsam  oder  war  sie  niu* 
eine  Besonderheit  der  Mundart  von  Mantineia? 

Zur  Beantwortung  beider  Fragen  sind  die  entsprechenden 
Lautverhältnisse  im  nahverwandten  kyprischen  Dialekte  heran- 
zuziehen. Auch  da  ist  für  die  besprochene  Lautung  wiederholt 
das  ie-  oder  das  tt-Zeichen  geschrieben:  öre  Edalion  GDL  60 
(=  Hoffmann  1  n.  135)  Z.  1,  ou  f&p  tx  Golgoi  GDL  68  (=  H.  144) 
Z.3,  TnXeqpdvu)  (im  Satzanlaut ;  Herkunft  der  Inschrift  unbekannt) 
R.  Meister  2, 181  n.  146*»  =  Hoffmann  1  n.  179.  Dagegen  lesen  wir 
das  gewöhnliche  s»-Zeichen  wie  in  traid  oder  'OvdciXov  in :  fi  k^  ac 
=  iav  TIC  Edalion  60  (=  H.  135)  Z.  10  und  23;  und  ferner  in 
öm  cic  K€  Z.  29  mit  ungefähr  derselben  Bedeutung,  wie  man 
auch  das  merkwürdige  öm  erklären  mag.  Dazu  kommt  die 
Hesychglosse  ci  ßoXe  (Endung  wohl  verderbt)*  xi  QiXeic.  KÜTrpioi*). 

Die  beiden  verschiedenen  Ausdrucksweisen  durch  t  auf 
der  einen,  NA  und  s  auf  der  andern  Seite  lassen  sich  nicht  auf 
verschiedene  Mundarten  veiieilen,  da  dieselben  Inschriften  beider 
Dialekte  beide  Schreibungen  enthalten.  Allerdings  scheint  diese 
doppelte  Sclireib  weise  nicht  lediglich  auf  der  WUlkür  der  Schreiber 
zu  beruhen.  Ich  glaube,  daß  im  Wortinnem  imd  in  der  eng 
ziLsammengeschlossenen  Wortgruppe  der  vorhergehende  Laut  ein- 
ß:ewirkt  hat,  durch  den  ja  auch  sonst  die  Entwicklung  der  indo- 

1)  l  ist  in  der  Inschrift  nicht  belegt. 

2)  Daß  hier  c  aus  idg.  ^  erwachsen  und  nicht  durch  Assibilation 
aus  T  vor  i  hervorgegangen  ist,  zeigt  Hoffmann  1,  206. 

Indo^rmanische  Forschungen  XVHI.  6 


92  K.  Meister, 

germanischen  Labiovelare  im  Oriechiscben  beeinflußt  worden  ist 
(Brugmann  Gr.  Gr.*  116).  Nach  dumpfem  Vokal  haben  wir  t: 
ark.  dreimal  t6t€,  kypr.  öre,  falls  deren  t  wirklich  altes  q¥  ge- 
wesen ist  (vgl.  Bi-ugmann  a.  a.  0.  253  f.,  Kurze  vergl.  Gramm.  455), 
nach  hellem  die  spirantischen  Zeichen:  ark.  €!  Wc,  elWe  fünfmal, 
kypr.  fi  K€  ac  zweimal,  öm  cic  xe.  Genaueres  festzustellen  läßt 
das  dürftige  Material  nicht  zu,  für  den  Anlaut  z.  B.  müssen  wir 
beide  Schreibungen  anerkennen^). 

Mit  der  Beantwortung  der  ersten  Frage  ist  zugleich  die 
zweite  entschieden :  Die  Übereinstimmung  des  kyprischen  Dialekts 
mit  der  alten  Inschrift  von  Mantineia  beweist,  daß  das  Laut- 
gesetz, nach  dem  die  besprochenen  Lautungen  entsprungen  sind, 
im  Arkadischen  und  Kyprischen  zugleich  bereits  vor  der  Trennung 
der  Kyprier  von  den  Arkadem  gewirkt  hat 

Wir  haben  somit  Grund  zu  der  Annahme,  daß  der  Anlaut 
von  *T€TpoKdaai  im  Dialekt  von  Tegoa  im  5.  Jahrhundert  nicht 
identisch  mit  dem  urgriechischen  t  wie  z.  B.  in  auTOC  und  Feiea 
gewesen  ist,  sondern  einen  Spiranten  enthalten  hat.  Hier  auf 
der  Xuthiasbronze  ist  nun  iZleTpaKdiiai  überliefert,  dessen  An- 
laut dieser  Annahme  entspricht.  Ich  beurteile  demnach  diese 
Schreibung  wie  die  zuerst  besprochenen  Fälle:  Der  tegeatische 
Schreiber  hat  versehentlich  die  ihm  geläufige  Form  seiner  Mundart 
an  Stelle  der  dorischen  Form  seiner  Vorlage  eingraviert  Den 
zweiten  TeU  des  Wortes  hat  er  korrekt  als  -Kanai  (arkad.  -Kdaai) 
kopiert  imd  so  ist  eine  Mischbildung  entstanden,  wie  sie  in 
Abschriften  dialektfremder  Texte  auf  Papier  und  Bronze,  im 
Griechisclien  und  in  andern  Sprachen  nicht  selten  sind.  Am 
leichtsten  erklärt  sich  dies  Versehen,  wenn  damals  in  Tegea 
wirklich  das  Zeichenpaar  TI  für  den  besprochenen  Laut  im 
Gebrauche  war,  aber  denkbar  ist  es  auch,  wenn  V\  oder  anders- 
wie geschrieben  wurde. 

Erwälmen  will  ich  noch,  daß  auch  idg.  g¥  im  Anlaut  arka- 
discher Wörter  sowohl  als  b  wie  als  l  überliefert  ist,  (R.  Meister  2, 
105  f.;  Hoffmann  1,  108).  Die  Möglichkeit,  daß  nur  verschiedene 
graphische  Ausdrucksweisen  desselben  Lautes  vorliegen,  ist  hier 


1)  Natürlich  ist  mit  der  Schreibung  t  noch  nicht  der  völlige  Zu- 
sammenfall mit  der  aus  urgriechischer  Zeit  ererbten  dentalen  Tenuis  er- 
wiesen, ebensowenig  wie  aus  der  kyprischen  Schreibung  mit  si  Identität 
dieses  Lautes  mit  urgriechischem  c  folgt. 


Arkadische  Formen  in  der  Xuthiasinschrift.  83 

ebensowenig  ausgeschlossen  wie  bei   anlautendem  T  und  dem 
spirantischen  Zeichen  Vi  in  Vertretung  von  idg.  q¥  vor  Palatal. 

2.  Die  andere  als  Schreibfehler  geänderte  Stelle  steht  auf 
der  Rückseite  der  Bronze  Z.  10/11: 

FIAEKANcDIAECONT 
OITECEATAIAIACNONTO 
Auch  hier  hat  man  allgemein  mit  Eustratiadis  die  Überlieferung 
in:  (€)i  bk  xdvqpiX^TÖvr | (i,  t)oi  TcTectTai  öiaTVÖvxö  geändert  Die 
arkadischen  Medialendungen  der  3.  Personen  in  den  Haupt- 
tempora lauten  auf  -toi  statt  auf  -rai  aus  (R.  Meister  2,  98; 
Hoffmann  1,  180):  Ich  ändere  also  nicht,  sondern  lese  die  ar- 
kadische Form  dvcpiXeTÖVTOi.  Das  Aktivum  dfiq)i(X)X4TUj  in  der  Be- 
deutung *umstreiten'  kommt  bei  Xen.  An.  1,  5, 11,  im  megarischen 
Schiedssprüche  (GDI.  3025  =  IG.  IV,  926)  Z.  3  und  in  der  Be- 
deutung 'bestreiten'  in  der  delphischen  Labyadeninschrift  (GDI. 
2561  =  Dittenberger,  Syll.«  438)  A.  42.  D.  23  (188)  vor,  das  Passivum 
steht  in  einem  Dekret  von  Knosos  (GDI.  5149  Z.  10);  dagegen 
habe  ich  keinen  Beleg  für  das  Medium  in  aktivischem  Sinne 
gefunden.  Deshalb  fasse  ich  dvcpiX^TÖvxoi  als  Passivum,  lese: 
(€)i  bi  k'  uv(piX4tövt|oi,  Tertärai  öiaTvovxö  Kaiöv  |  eeOfiöv  und 
erkläre:  *Wenn  sie  (die  400  Minen)  umstritten  werden,  sollen 
die  Tegeaten  entscheiden  nach  der  Satzimg*.  Das  Fehlen  des 
Artikels  beim  Ethnikon  Terediai  entspricht  ebensogut  dem 
griechischen  Sprachgebrauch  wie  töc  T€TedTa[c]  auf  der  Vorder- 
seite (vgl.  z.  B.  das  ebengenannte  Dekret  von  Knosos  Z.  1.  2. 
4.  21.  22.  31,  die  S.  79  zitierte  Inschrift  des  arkadischen  Aleia 
Z.  1  usw.). 

Damit  sind  die  letzten  der  großem  Änderungen,  die  man 
zuerst  auf  der  Xutlüasinschrift  vorgenommen  hat,  hinfällig  ge- 
worden^): der  einzige  Schreibfehler  ist  B.  Z.  10  Fl  statt  El. 

Die  Formen  xZlcTpaKdriai  und  dvqpiX^TÖvioi  kann  man  ja 
Versehen  schelten,  aber  sie  beruhen  auf  dem  Dialekte  des 
Graveurs  und  dürfen  ebensowenig  wegkorrigiert  werden,  wie  €J 
und  Z;Ö€,  uioi  und  tßdcovn. 

Leipzig.  Karl  Meister. 


1}  Die  früher  nicht  verstandene  Stelle  B.  Z.  9  hat  B.  Keil  Nachr. 
d.  Gott.  Ges.  d.  Wiss.  1899  S.  148  richtig  als  toI  *c  äcicra  iröGiKcc  gelesen. 


6* 


U  W.  van  Hellen, 


r 


> 


Zum  germanischen  Zahlwort.  a' 

1.  Allgemeine  Beoierkung.  \ 

Beim  Vei-suche,  einigen  germanischen,  formell  mehr  oder 
weniger  der  Erläuterung  bedürftigen  Numeralbildungen  beizu- 
kommen ^),  sei  der  Besprechung  der  einzelnen  Formen  eine  all- 
gemeine Bemerkung  vorangeschickt,  welche  die  Entstehung 
mehrerer  auf  gleicher  Grundlage  beruhenden  Bildungen  beti-ifft 
In  Anbetracht  der  vielfach  im  Indogermanischen  bei  den  Zalil- 
wörteni  zu  beobachtenden  Formassoziation  ist  die  Annahme 
eines  vor  der  Lautvei'schiebung  nach  altem  *peBq^e  neben 
*8eks  entstandenen  *s0isß,  das  in  der  Folge  wieder  die  Neu- 
bildung eines  neben  altem  "^septfji  verwandten  *septtne  vei'anlaßte, 
zulässig. 

Nach  *seküe  nun  konnte  ein  ebenfalls  die  beiden  Silben 
mit  gleicher  Konsonanz  anlautendes  *pempe  entstehen;  durch 
diese  *pempe  und  *8ekse  aber  wurde  die  Nachbildung  von  neben 
*q^etudr'  aufkommendem  *q^eq^6r'  (wonach  *q^equr'  für  *3^6/wr-) 
ermöglicht.  Die  durch  keine  germanischen  Analoga  gestützte 
Annahme  spontaner  Fernassimilation  dürfte  sich  für  diese  Fälle 
eben  nicht  empfehlen. 

Aus  altem  *septme  erklärt  sich  anstandslos  die  Entwickelung 
von  *septn€^  woncben  durch  Anlehnung  *aepjyi  für  *s^iii ;  daraus 
*sefine  und  *seffii  oder  bereits  *sefufn^  wofüi*  zunächst  *9ebnw 
und  *8ebtji  oder  *sebnm,  dann  *sebu7i  mit  -n  für  -m  und  durch 
Anlehnung  entstandene  *.seÄn^  bezw.  *8ebune  (wemi  nicht  schon 
*sefutne,  woraus  *sebume^  *sebune,  oder  etwa  *8ebuine^  woraus 
*sebune;  auf  Verdrängung  von  *sebne  oder  event  von  "^sefme^ 
*sebme  weisen  die  durchgehenden  historischen  Formen  mit  -wn, 
-M,  -0  hin)*).  Diese  Fassung  überhebt  uns  der  scharfsinnigen, 
jedoch  auf  zu  schwachen  Füßen  stellenden,  von  Brugmann 
(IF.  5,  .-576  f.)  vorgeschlagenen  Annahme  eines  durch  Femdissi- 
milation  aus  septrjito-  entetandenen  septpto- ;  für  das  als  Resultat 


1)  Selbstverständlich  werden  hier  fast  nur  diejenigen  bormen  be- 
sprochen, die  bis  jetzt  m.  E.  ungenügend  oder  unrichtig  bezw.  gar  nicht 
erklärt  sind. 

2)  Wegen  der  Malb.  GL  aeptun,  -en  als  Pseudobeleg  für  im  Salfrk. 
erhaltener  Form  mit  t  s.  PBrB.  25,  513. 


Zum  germanischen  Zahlwort.  85 

analoger  Dissimilation  herangezogene,  auf  i^pUmto-  zurückgeführte 
ahd.  ahant^  as.  äband^  aonfrk.  ävant  ist  ja  Ausfall  von  t  kaum 
wahrscheinlich  zu  machen:  erstens  weil  an.  aptan(n)  *Abend* 
und  ags.  ceftentid  nicht  zur  Ansetzung  von  i^ptonto-  berechtigen, 
indem  ersteres  sich  als  Substantivierung  einer  zu  aptan  *po8t* 
gehörenden  Adjektivbildung  (=  *der  nach  Mittag  liegende  Tages- 
abschuitt*)  begreift,  letzteres  als  durch  Einwirkung  von  (gftan 
•posf  für  ckfentid  eingetretene  Neubildung  verständlich  wird; 
zweitens  weil  das  mit  den  -m-,  -«lo-Derivata  tohten^  f(esten  (zu 
^ttösfu-,  *fastur)  in  eine  Linie  zu  stellende  ags.  Neutrum  ckfen 
{-tmies  usw.)  auf  eine  Basis  ohne  i  hinweist^). 

In  besagten,  mit  -e  versehenen  Formen  ist  sodann  auch 
der  Grundstock  der  numeralischen  t-Deklination  zu  erblicken. 
Osthoffs  Deutung  von  fidwörim^  aifdibim  usw.  als  durch  ßrim 
hervorgerufenen  Neubildungen  (s.  MU.  1,  131)  ist  abzulehnen, 
da  wir  bei  der  Annahme  von  durch  die  Dreizahl  veranlaßter 
Fonnassoziation  für  regelrechtes  fidwörum  eingetretenes  fidivOrm 
zu  erwarten  hätten ;  man  beachte  die  Gleichung  ßriß  :  ßrim 
=  fid%pöre  :  ßdwörm^  sowie  die  event  für  das  ürwestgermanische 
geltend  zu  machende  priö :  ßrim  =  feurö  :  feurm.  Aber  auch 
ohnedies  müßte  es  sonderbar  erscheinen,  daß  eine  allen  Stellungen 
zukommende  flektierte  Form  der  Entstehung  einer  Neubildung 
zugrunde  gelegen  hätte,  deren  Gebrauch  normaler  Weise  auf 
das  substantivisch  fungierende  und  das  adjektivisch  nach  seinem 
Sabstantiv  stehende  Numerale  beschränkt  blieb,  nur  ausnahms- 
weise sich  auf  das  attributiv  vor  dem  Substantiv  stehende  Zahl- 
wort ausdehnte.  Grade  diese  Beschränkung  aber  begreift  sich 
bei  folgender  These*):  zu  *femfe,  *9eh$e^  *sebune  wurden  nach 


1)  Der  Form  nach  könnte  diese  Basis  u-  oder  i-  oder  o-Stamm  sein. 
Zugunsten  des  letzten  spricht  äband  usw.,  dessen  Urtypus  unter  Berufung 
der  von  Brugmann  (a.  a.  0.)  und  Kluge  (im  Etym.  Wtb.)  hervorgehobenen 
ai.  hemantds,  vasapUäa  (Konsonantstamm  -{-  Kompositionsglied  anta-)  in 
^ef^bho-  oder  ♦g'»po-  (=  'abgehend'?)  und  ^-onto-  zu  zerlegen,  demnach  als 
^Mk^ntd-  oder  *i«pönt6-  anzusetzen  ist,  woraus  regelrecht  die  überlieferten 
äband  nsw.  (hiemeben  erscheinende  ahd.  abunt,  aonfrk.  ävont  stammen  aus 
altem  Instrum.  *ä^bundu;  wegen  der  Verwendung  dieses  Kasus  in  tempo- 
raler Funktion  vgl.  ahd.  hiutu,  hiuru^  as.  hiudu  usw.). 

2)  Einen  Ansatz  zu  derselben  bieten  Brugmanns  Worte  (Mü.  5,  55) : 
•^  kann  man  im  Anschluß  an  *fimfi  fimfim  (im  Gotischen  zuföllig  nicht 
belegt)  gebildet  sein  lassen  .  . .  und  annehmen,  daß  von  hier  aus  sich  die 
i-Flexion  über  die  Zahlwörter  4  bis  12  verbreitete." 


86  W.  van  Heltenf 

dem  Muster  der  substantivischen  Flexion  Genitive  mit  *-o(n) 
oder  *-öm  bezw.  (im  Vorgotischen?)  *-^w)  oder  *-«n  und  Dative 
mit  *-miz  gebildet;  aus  *'emiz  entstand  im  Yorwestgermanischcn 
regelrecht  *'imiz^  dessen  neues  -f-  das  -e-  des  Gten.  und  viel- 
leicht auch  das  -e  des  Nom.-Akk.  beeinflußte  (in  welchem  Fall 
das  nicht  zu  i  gewordene  e  der  Wurzelsilbe  der  Sechszahl  auf 
Anlehnung  an  sehs  beruhen  müßte) ;  für  das  Vorgotische  wären 
sogar  phonetisch  entwickelte  *-t,  *'ie(n)  oder  *'iem,  *-imiz 
denkbar;  aus  den  vorgotischen  Formen  entstanden  die  flexions- 
losen Nominative  und  Akkusative  neben  den  Genitiven  auf  -#, 
den  Dativen  auf  -im ;  im  Vorwestgermanischen  wurde  (entweder 
vor  oder  nach  der  Apokope  der  Endung  des  Nominativs  und 
Akkusativs)  durch  Anlaß  des  Genitivs  und  Dativs  die  Suffixe 
oder  das  (für  den  Nom.  und  Akk.  verwandte)  Suffix  der  t-De- 
klination  in  den  Nom.  und  Akk,  eingeführt;  die  ursprünglich 
nur  bei  substantivischer  Funktion  verwandten  Flexionsendungen 
kamen  in  manchen  Dialekten  (auch  im  Gotischen)  ebenfalls  in 
Schwang,  wenn  das  Zahlwort  attributiv  nach  dem  Substantiv 
stand,  und  zwar  indem  solches  Numerale  gewissermaßen  die 
Funktion  einer  substantivisch  stehenden  Apposition  übernahm; 
nur  ausnahmsweise  fand  die  flektierte  Form  durch  Analogie- 
bildung auch  Verwendung  bei  dem  attributiv  vor  seinem  Sub- 
stantiv stehenden  Wort  (so  nicht  selten  im  Northumbr.  und 
Mnl.,  vereinzelt  im  Altfriesischen,  vgl.  die  bezüglichen,  in 
Lindelöfs  und  Cooks  Glossaren  zitierten  Belegstellen,  sowie 
Francks  Mnl.  Gr.  §  289  am  Schluß,  meine  Mnl.  Gr.  §  380, 
Altostfries.  Gramm.  §  236.  237  und  v.  Richth.^);  wegen  ags. 
'tiefte  usw.,  aofries.  -tene,  -titie  s.  weiter  unten  13  A).  Daß  übrigens 
die  Anhängung  von  substantivischer  Endung  im  Gen.  und  Dat 
eine  gemeingermanische  Erscheinimg  war  und  die  Formen,  die 
gotischen  -^,  -im  entsprechende  Suffixe  aufwiesen,  im  vorliter. 
Nord,  durch  die  unflektierten,  attributiv  verwandten  verdrängt 
wurden,  geht  hervor  aus  von  Sievers  (in  PBrB.  27,  81)  hervor- 
gehobenen wn.  "tidn^  wn.  on.  -tdn  (in  dttidn^  prettdn  usw.),  deren  -n 
sich  nur  durch  die  Annahme  begreift,  daß  ziu*  Zeit  der  (im 
Hinblick  auf  wn.  sid  *sehen',  lid  'leihen*,  on.  sin  'sieben'  usw.)  vor 
die  Periode  der  Kontraktion  und  darauf  folgender  Akzentver- 

1)  Isoliert  steht  sesse  in  aease  ende  nichetUein  (I.  nigontech  nach  dem 
unten  15  am  Schluß  erörterten)  muddi  der  Freck.  Heb.  (Wadst.  33,  1 ;  die 
Var.  hat  aeha). 


Zum  germanischen  Zahlwort.  87 

Schiebung  zu  verlegenden  nord.  n-Apokope  flektierte  Bildungen 
mit  *(')tehan-  bezw.  *(')tahan'  (vgl.  unten  13  A;  Nichtumlautiing 
des  Endungsvokals  durch  Anlehnung  an  die  unflektierten  Formen) 
den  substantivischen  Nom.-Akk.  vor  Verlust  des  Nasals  schützten 
(wegen  ähnlicher  Verhinderung  des  Nasalschwunds  beachte 
PBrB.  28,  549)  und  diese  ungekürzte  Form  ihrerseits  auf  die 
attributiv  verwandte  einwirkte  (Beeinflussung  der  Kardinalform 
durch  das  Ordinale  mit  aus  -iiände^  -idnde  zu  folgernden 
*(')Uihandci^  *(')tähanda  ist  hier  nicht  in  Anspruch  zu  nehmen 
wegen  wn.  ^t-o,  ni-o^  siö  neben  H-onde,  ni-onde^  siundey  on.  tf-o, 
ni^^  siü  neben  ti-unde^  ny-unde^  stände),  Hiemeben  ü-o  usw. 
durch  ungestörte  n-Apokope. 

2a.  Zwei. 

Für  die  alten  Dualformen  des  Nom.  und  Akk.  sind  be- 
kanntlich durch  Anlehnung  au  die  pluralen  Pronominalformen 
got  ium^  tuxins^  ttcös^  run.-schw.  tuaiR  (Rök),  agutn.  wn.  tueir^ 
OD.  tui^  tuSr  (Nom.),  run.-schw.  tuq  (Forsa),  wn.  on.  ttiä  (Akk.), 
wn.  tudr^  on.  ttidr  (F.)  eingetreten  (vgl.  run.-schw.  ßaiR,  agutn. 
Pair^\  wi\.peir^  on./^,  /A*,  wn.  on. /rf,  wn./c^,  on./dr;  über 
die  CR,  d  der  fem.  Bildungen  gleich  unten)*).  Wie  die  alten 
Formen  des  Fem.  und  Neutr.  (=  aid.  dve)  durch  assoziativen 
Anschluß  an  pai  zum  Mask.  umgewertet  wurden,  so  konnte  die 
alte  mask.  Dualform  (=  aid.  dvCL,  öuuj)  durch  Anschluß  an  pö 
neutr.  Funktion  übernehmen.  Statt  der  hiemach  zu  erwartenden 
iwo  bezw.  tu  (vgl.  wn.  und  run.-schw.  sowie  in  don  ältesten  Hand- 
schriften erscheinendes  aschw.  sü  des  Nom.  Sing.  F.  =  got  so) 
begegnen  indessen  got  ttoa^  wn.  Umu  (nur  on.  herrscht  tü)\  letzteres 
als  die  Folge  von  Anlehnung  an  die  beim  Pronomen  für  */ä 
(=  run.-schw.  pa  aus   *pö)  aufgekommene   Neubildung  pau^\ 


1)  Wegen  agutn.  tueir  neben  pair  s.  Pipping,  Gotländska  stud.  95. 

2)  Wegen  aschw.  tudkr,  tuck,  tuer  Nom.  M.,  tuck^  tui  Akk.  M.  vgl. 
Noreens  Gr.  §  4Ö0,  Anm.  1.  Neben  tui{r)  steht  auch  tud  durch  Entlehnung 
aus  dem  Fem.  (über  dieses  tud  unten  im  Text),  wie  sich  umgekehrt  beim 
Fem.  als  Nom.-Akk.  (seltenes)  wn.  tueir^  on.  tu^r  findet  für  tuckr  bezw. 
tud{r).  Beachte  auch  in  Noreens  Altisl.  Gr.  §  435,  Anm.  3  verzeichnetes 
aisl.  tudr  Nom.  M. 

3)  Streitberg  stellt  (Zur  germ.  Sprachgesch.  98  f.)  die  Gleichung  tuau 
=  ai.  dffäu  auf  und  faßt  pau  als  Neubildung  nach  iuau\  doch  ist  kaum 
anzunehmen,  daß  ein  verhältnismäßig  selten  verwandtes  Zahlwort  die 
Pronominalilexion  beeinflußt  hätte ;  begreiflicher  wäre  eben  das  umgekehrte 


88  W.  van  Hellen, 

ersteres  als  das  Resultat  einer  Beeinflussung  vonseiten  der  Ad- 
jektivdeklination. [In  Betreff  dieses  tuxn  und  der  anderen  unten 
zu  erwähnenden  Formen  mit  reduziertem  Vokal  sei  betont,  daß 
hier  nicht  an  eine  in  sehwachtoniger  Silbe  entstandene  Qualitäts- 
änderung zu  denken:  dem  adjektivisch  oder  substantivisch  vor 
seinem  Substantiv  stehenden  Zahlwort  kam  bekanntlich  hoch- 
tonige  Aussprache  zu,  für  das  in  der  Postposition  stehende  Wort 
aber  ist  zwar  geschwächte  Betonung  anzusetzen,  doch  keines- 
wegs eine  der  schwachen  Endsilbenbetonung  gleichstehende, 
qualitative  Schwächung  des  Vokals  bedingende  Aussprache.]  Als 
regelrechte  Entsprechung  des  alten  *duö  begegnet  außer  on.  tu 
auch  ags.  tu  (iiichtws.  auch  tuu  R*.  L.  Rit.  wohl  =  tuü  mit 
regelwidrigem  Halbvokal  und  tuö  R*  mit  ursprünglich  der 
minder  betonten  Form  zukommendem  ö). 

Dem  got.  twOs  entsprochen  as.  twö  sowie  ahd.  mhd.  zwo 
(mit  in  nebentoniger  Stellung  nicht  diphthongiertem  Vok.)  und 
ahd.  zuo  (mit  vor  uo  synkopiertem  Halkvokal;  daß  die  Belege  zuo, 
insofern  sie  aus  einer  Quelle  herrühren,  die  uo  für  altes  ö  bietet, 
solches  zuo  repräsentieren  können,  ergibt  sich  aus  den  her- 
gestellten Halbvokal  aufweisenden  mhd.  Femininen  zwtu>^  zwu^ 
zwü  sowie  aus  der  Erwägung,  daß  der  Vokal  von  hochtonigem 
«fw  Diphthongierung  erleiden  mußte;  vgl.  auch  das  in  Ottmanns 
Granmi.  von  Rb,  S.  47  aufgeführte  zö  'duas,  due',  dessen  «-Schwund 
auf  Nachbildung  nach  z^io  liinweist;  mhd.  neben  zwo  auch  durch 


(außerdem  beachte  man  das  gleich  unten  zu  besprec)iende  aschw.  tu  neben 
pi).  Gegen  Noreens  Vorschlag  (PGr.  1«,  621.  627),  daß  beim  Numerale  und 
Pronomen  alte  Formen  des  Nom.-Akk.  Dual.  M.  tf^u  (oder  d^au\  pau  in- 
folge ihres  -u  als  Nom.-Akk.  Fl.  N.  aufgefaßt  wären,  spricht  der  Umstand, 
daß  zwar  pau  und  aschw.  pd  sich  auf  solches  Prototyp  zurückfuhren 
ließen  (wegen  aschw.  i  aus  au  s.  Noreens  Gr.  §  123,  2),  dem  auf  run.-schw. 
pau  beruhenden  aschw.  pi  aber  aschw.  tu  (aus  *dfio)  gegenübersteht  (vgl. 
auch  Kock  in  PBrB.  15,  250).  Betreffs  der  Deutung  von  pau  aus  *pä-u 
möchte  ich  mich  mit  Franck  (ZfdA.  40,  11,  Fußn.)  an  Kocks  Erörterung  (in 
PBrB.  15,  251)  anschließen  (doch  ist  die  daselbst  S.  250  angenommene 
Existenz  von  um.  tua  =  got.  Uoa  mit  Rücksicht  auf  das  gleich  im  Text  zu 
erörternde  abzuweisen).  Daß  aschw.  ausnahmsweise  für  tti  erscheinendes 
tud  (s.  Noreens  Gr.  §  480,  Anm.  1)  auf  Einwirkung  von  altem  pa  beruhe, 
ist  zwar  möglich,  aber  nicht  wahrscheinlich;  eher  erklärt  sich  das  tud 
als  gelegentliche  Entlehnung  aus  dem  Fem.  und  Mask.  (vgl.  nach  Noreens 
Altschw.  Gr.  §  482,  Anm.  1  für  den  Nom.-Akk.  N.  pr^  begegnende,  aus 
dem  Mask.  bezw.  Fem.  entnommene  pr{  und  Pri  und  umgekehrt  für  den 
Nom.  M.  verwandtes  pry). 


Zum  germanischen  Zahlwort.  89 

mask.  zicene  beeinflußtes  zwöne).  Daneben  as.  salfrk.  (s.  PBrB.  25, 
514)  t%ocLf  ahd.  zwä  (auch  mhd.  zwä)  als  Entlehnungen  aus  der 
Pronominalflexion,  wo  einstmals  neben  ursprünglich  akkusa- 
tivischem  Proklitikum  *pä  (vgl.  noch  as.  tha  Nom.-Akk.  PI.  F. 
im  Cott  673.  774 »)  und  beachte  PBrB.  28,  512  f.)  ursprünglich 
orthotoniertes  */ö  herrschte.  Eine  ähnliche  Beurteilung  erfordern 
ags.  tuxL,  afries.  ttocL,  wn.  tuckr  (aus  *tudR  durch  Ä-Ümlaut),  on. 
Mir  des  Fem.  neben  pronominalen  d(k  thä,  ßch^  ßdr  (alte 
Formen  waren  *ßö  und  *ßa,  *pön  und  um. /a«*);  die  Bildungen 
mit  reduziertem  Vokal  errangen  die  Alleinherrschaft  durch  An- 
schloß an  die  den  überlieferten  -a  bezw.  -ar  der  Adjektiv- 
deklination zugrunde  liegenden,  regelrechten  *-ä  bezw.  *-aÄ.  Das 
für  den  Nom.-Akk.  F.  verwandte  on.  tud  (woneben  tudr)  ver- 
gleicht Noreen  in  PGr.  1*,  627  dem  got.  ttoa  in  twa  ptisundja^ 
das  nach  Mahlow,  Die  langen  Vokale  98  und  Joh.  Schmidt  in 
KZ.  26,  43,  dem  aksl.  dvi  iyscßti  entsprechend,  einen  alten  Dual 
repräsentieren  sollte.  Diese  Fassung  der  gotischen  Formen  ist 
abzulehnen :  Entstehimg  von  hochtonigem  tux$  aus  tuxui  ist  nicht 
annehmbar  und  neben  normalen  twös^  fidwör^  fitnf  pümndjös 
gelegentlich  (Esdr.  2,  14)  erscheinendes  Uca  pumndja  bogreift 
sich  gar  leicht  als  durch  ttoa  hunda  hervorgenifene  Neubildung 
(wegen  einer  parallelen  Entwicklung  vgl.  das  unten  16  zu  ags. 
dusend  bemerkte).  Für  die  on.  r-lose  Form  aber  ist  anstandslos 
Analogiebildimg  in  Anspnich  zu  nehmen :  neben  neugebildetem 
run.-schw.  Mask.  tuais  (woraus  on.  tuSr)  stehendes  *tiMi  (woraus 
on.  tuS)  veranlaßte  die  Verwendung  von  tuä  neben  älterem  tiidr 
(vgl.  run.-schw.  fiais^  ßai^  on.  ßSr^  p6  und  pdr,  pä\ 

In  ahd.  s^joei  des  Neutr.  ist  eine  Fortsetzung  zu  erblicken 
des  alten  neutralen  *dt«>i;  jedoch,  wie  Kluge  in  PGr.  1*,  487 
gesehen  hat,  eine  indirekte.  Indessen  ist  die  Berechtigung  des 
von  diesem  Forscher  angesetzten  twajju  (das  wohl  als  Neu- 
bildung zu  gelten  hätte,  die  durch  Einwirkung  des  Gen.  *twajjö 
entstanden  wäre)  zu  bezweifeln  im  Hinblick  auf  as.  twe^  salfrk. 

1)  Woneben  durch  Ausgleich  dieselbe  Form  im  Nom.-Akk.  PI.  M. 
und  N.  (s.  PBrB.  16,  290). 

2)  Neben  diesem  ßäR  (Einang)  ist  für  das  Urnordische  paiäR  Akk. 
PI.  F.  (Istaby)  belegt,  das  Noreen  (in  PGr.  1«,  621)  als  eine  alte  Dualform 
(=  aid.  te)  mit  zugetretener  Pluralendung  deuten  möchte ;  doch  ließe  sich 
solcher  Vorgang  schwerlich  glaubhaft  machen,  und  empfiehlt  es  sich  mehr, 
die  in  Rede  stehende  Form  als  eine  durch  ^paiRd,  *paimR  beeinflußte, 
för  pcB  eingetretene  Neubildung  gelten  zu  lassen. 


88  W.  van  Hellen, 

ersteres  als  das  Resultat  einer  Beeinflussung  vonseiten  der  Ad- 
jektivdeklination. [In  Betreff  dieses  twa  und  der  anderen  unten 
zu  erwähnenden  Formen  mit  reduziertem  Vokal  sei  betont  daß 
hier  nicht  an  eine  in  schwachtoniger  Silbe  entstandene  Qualitäts- 
änderung zu  denken:  dem  adjektivisch  oder  substantivisch  vor 
seinem  Substantiv  stehenden  Zahlwort  kam  bekanntlich  hoch- 
tonige  Aussprache  zu,  für  das  in  der  Postposition  stehende  Wort 
aber  ist  zwar  geschwächte  Betonung  anzusetzen,  doch  keines- 
wegs eine  der  schwachen  Endsilbenbetonung  gleichstehende, 
qualitative  Schwächung  des  Vokals  bedingende  Aussprache.]  Als 
regelrechte  Entsprechung  des  alten  *duö  begegnet  außer  on.  M 
auch  ags.  tu  (nichtws.  auch  tun  R*.  L.  Rit.  wohl  =  tuü  mit 
regelwidrigem  Halbvokal  und  tuö  R*  mit  ursprünglich  der 
minder  betonten  Form  zukommendem  ö). 

Dem  got.  tfcös  entsprochen  as.  tioö  sowie  ahd.  mhd.  ztcö 
(mit  in  nebentoniger  Stelhmg  nicht  diphthongiertem  Vok.)  und 
ahd.  zuo  (mit  vor  mo  synkopiertem  Halkvokal:  daß  die  Belege  zuo, 
insofern  sie  aus  einer  Quelle  herrühren,  die  t4o  für  altes  ö  bietet, 
solches  zuo  repräsentieren  können,  ergibt  sicli  aus  den  her- 
gestellten Halbvokal  aufweisenden  mhd.  Femininen  ztvuo^  zwm^ 
zwü  sowie  aus  der  Erwägung,  daß  der  Vokal  von  hochtonigem 
zu^  Diphthongierung  erleiden  mußte ;  vgl.  auch  das  in  Ottmanns 
Gramm,  von  Rb,  S.  47  aufgef ülirte  zö  Muas,  due*,  dessen  «-Schwund 
auf  Nachbildung  nach  zuo  hinweist;  mhd.  neben  ztcö  auch  durch 


(außerdem  beachte  man  das  gleich  unten  zu  besprechende  aschw.  tu  neben 
pii).  Gegen  Noreens  Vorschlag  (PGr.  1",  621.  627),  daß  beim  Numerale  und 
Pronomen  alte  Formen  des  Nom.-Akk.  Dual.  M.  tf^au  (oder  df^au),  ßau  in- 
folge ihres  -w  als  Nom.-Akk.  Fl.  N.  aufgefaßt  wären,  spricht  der  Umstand, 
daß  zwar  pau  und  aschw.  pii  sich  auf  solches  Prototyp  zurückführen 
ließen  (wegen  aschw.  i  aus  au  s.  Noreens  Gr.  §  123,  2),  dem  auf  run.-schw. 
pau  beruhenden  aschw.  pä  aber  aschw.  ttl  (aus  ♦efyö)  gegenübersteht  (vgl. 
auch  Kock  in  PBrB.  15,  250),  Betreffs  der  Deutung  von  pau  aus  *pä'U 
möchte  ich  mich  mit  Franck  (ZfdA.  40,  11,  Fußn.)  an  Kocks  Erörterung  (in 
PBrB.  16,  251)  anschließen  (doch  ist  die  daselbst  S.  250  angenommene 
Existenz  von  um.  tua  =  got.  twa  mit  Rücksicht  auf  das  gleich  im  Text  zu 
erörternde  abzuweisen).  Daß  aschw.  ausnahmsweise  für  tu  erscheinendes 
tuä  (s.  Noreens  Gr.  §  480,  Anm.  1)  auf  Einwirkung  von  altem  pä  beruhe, 
ist  zwar  möglich,  aber  nicht  wahrscheinlich;  eher  erklärt  sich  das  tuä 
als  gelegentliche  Entlehnung  aus  dem  Fem.  und  Mask.  (vgl.  nach  Noreens 
Altschw.  Gr.  §  482,  Anm.  1  für  den  Nom.-Akk.  N.  prff  begegnende,  aus 
dem  Mask.  bezw.  Fem.  entnommene  pr{  und  pr^  und  umgekehrt  für  den 
Nom.  M.  verwandtes  prff). 


Zum  germanischen  Zahlwort.  89 

mask.  zicene  beeinflußtes  zteöne).  Daneben  as.  salfrk.  (s.  PBrB.  25, 
514)  t%cöU  ahd.  ztcä  (auch  mhd.  zteä)  als  Entlelinungcn  aus  der 
Pronominalfloxion ,  wo  einstmals  neben  ursprünglich  akkusa- 
tivischem Proklitikum  *ßä  (vgl.  noch  as.  tha  Nom.-Akk.  PI.  F. 
im  Gott  673.  774  *)  und  beachte  PBrB.  28,  512  f.)  ursprünglich 
orthotoniertes  *ßö  herrschte.  Eine  ähnliche  Beurteilung  erfordern 
ags.  iuHL,  afries.  tuxL,  'wti.  tuckr  (aus  *tudR  durch  Ä-Ümlaut),  on. 
tudr  des  Fem.  neben  pronominalen  dd^  thä^  pckr^  pdr  (alte 
Formen  waren  *pö  und  *pd^  *ßöB  und  um.ßaB^);  die  Bildungen 
mit  reduziertem  Vokal  errangen  die  Alleinherrschaft  durch  An- 
schloß an  die  den  überlieferten  -a  bezw.  -ar  der  Adjektiv- 
deklination zugrunde  liegenden,  regelrechten  *-ä  bezw.  *-äÄ.  Das 
für  den  Nom.-Akk.  F.  verwandte  on.  tf4d  (woneben  tudr)  ver- 
gleicht Noreen  in  PGr.  1*,  627  dem  got.  tim  in  tuxi  pusundja^ 
das  nach  Mahlow,  Die  langen  Vokale  98  und  Joh.  Schmidt  in 
KZ.  26,  43,  dem  aksl.  dr4  tysqüi  entsprechend,  einen  alten  Dual 
repräsentieren  sollte.  Diese  Fassung  der  gotischen  Formen  ist 
abzulehnen :  Entstehung  von  hochtonigem  tuxi  aus  twai  ist  nicht 
annehmbar  und  neben  normalen  twös^  fidtwr^  fimf  püsundjös 
gelegentlich  (Esdr.  2,  14)  erscheinendes  ttca  pumndja  bogreift 
sich  gar  leicht  als  durch  twa  hunda  hervorgerufene  Neubildung 
(wegen  einer  parallelen  Entwicklung  vgl.  das  unten  16  zu  ags. 
dusmd  bemerkte).  Für  die  on.  r-lose  Form  aber  ist  anstandslos 
Analogiebildung  in  Anspruch  zu  nehmen :  neben  neugebildetem 
run.-schw.  Mask.  tttatR  (woraus  on.  tuif*)  stehendes  *ttiai  (woraus 
on.  tuS)  veranlaßte  die  Verwendimg  von  tuä  neben  älterem  ttiär 
(vgl.  run.-schw.  ßatR^  ßai^  on.  ßSr^  p6  und  /rfr,  pd). 

In  ahd.  zwei  des  Neutr.  ist  eine  Fortsetzung  zu  erblicken 
des  alten  neutralen  *du(n\  jedoch,  wie  Kluge  in  PGr.  1*,  487 
gesehen  hat,  eine  indirekte.  Indessen  ist  die  Berechtigung  des 
von  diesem  Forscher  angesetzten  twajju  (das  wohl  als  Neu- 
bildung zu  gelten  hätte,  die  durch  Einwirkung  des  Gen.  Uwajjö 
entstanden  wäre)  zu  bezweifeln  im  Hinblick  auf  as.  ttoe^  salfrk. 

1)  Woneben  durch  Ausgleich  dieselbe  Form  im  Nom.-Akk.  PL  M. 
und  N.  (s.  PBrB.  16,  290). 

2)  Neben  diesem  ßäs  (Einang)  ist  für  das  Umordische  paiäR  Akk. 
PI.  F.  (Istaby)  belegt,  das  Noreen  (in  PGr.  1«,  621)  als  eine  alte  Dualform 
'=  aid.  te)  mit  zugetretener  Plural endung  deuten  möchte ;  doch  ließe  sich 
solcher  Vorgang  schwerlich  glaubhaft  machen,  und  empfiehlt  es  sich  mehr, 
die  in  Rede  stehende  Form  als  eine  durch  *paiRd,  *paimR  beeinflußte, 
f&r  paR  eingetretene  Neubildung  gelten  zu  lassen. 


tK)  W.  van  Hellen, 

ttie  (s.  PBrB.  25,  512  f.),  die  nicht  von  zirei  zu  trennen  sind 
und  bei  besagter  formeller  Ent\vicklung  Ucei  lauten  müßten. 
Die  hd.  imd  die  sächs.  salfrk.  Formen  aber  lassen  sich  ver- 
einigen durch  die  Annahme  von  erweitertem  *tu?aiu  (oder  event 
einer  Vorstufe  desselben:  vgl.  den  in  Bnigmanns  Grdr.  2,  791 
mit  Rücksicht  auf  lat.  Neutr.  quäl,  quae  auf  *paiu  zurückgeführten 
ahd.  Nom.-Akk.  PI.  N.  dei\  woraus  Htveiu^  das  zunächst  während 
der  Wirkung  der  w-Apokopo  regelrecht  ungekürzt  blieb,  dann, 
nachdem  die  Kontraktion  von  ei  zu  ^  vor  A,  r,  w  und  im  ab- 
soluten Auslaut  erfolgt  war  (wegen  der  Chronologie  sekiuidärer 
Vokalapokope  und  der  Kontraktion  von  ei  vgl.  im  Hinblick  auf 
got.  waja-merjan  aus  *uaia  herzuleitendes  ahd.  we  vae),  im  An- 
schluß an  die  im  Nom.-Akk.  PI.  N.  auf  analogischem  Wege  ihre 
Endung  einbüßenden,  kurzsilbigen  adjektivischen  Bildungen  (vgl. 
PBrB.  17,  292)  endungslos  wurde;  demzufolge  im  Hd.  zicei  (wie 
dei^)\  im  Sächs.  und  Salfrk.,  wo  der  alteren  Kontraktion  vor 
A,  r,  w  und  im  Auslaut  eine  jüngere,  allgemeine  nachfolgte 
(vgl.  wegen  des  Salfrk.  PBrB.  25,  243  f.),  twe  (A.h,  ttve^)^). 

Mit  altem  *duoi  ließe  sich  formell  ags.  afries.  tted^  twä  des 
Neutrums  vereinbaren;  doch  müßte  es  bei  solcher  Fassung 
wunderbar  erscheinen,  daß  im  Vorags.  tuai  und  umgewertetes 
tuö  (woraus  überlieferte  tü^  tuü^  tuöy  s.  S.  88)  neben  einander 
gestanden  hätten.  Vielmehr  empfiehlt  es  sich  darum,  diese 
Neutralform  als  eine  Neubildung  gelten  zu  lassen,  die  neben 
einstmaligem  (noch  in  R*,  s.  ob.  a.  a.  0.,  begegnendem)  tuö  in 
Schwang  gekommen  war  nach  dem  Muster  der  für  den  Nom.- 
Akk.-Pl.  N.  des  Demonstrativpronomens  anzusetzenden  Doppel- 
formen des  ursprünglich  orthotonierten  *ßö  und  des  in  der 
Proklise  entstandenen  ßd  (nachmaliger  Schwund  von  *ßö  oder 
dessen  Fortsetzung  */BiZ  durch  Anschluß  an  das  zur  Allein- 
herrschaft gelangte  oder  gelangende  ßa  des  Femininums;  beim 


1)  Ags.  von  Brugmann  (a.  a.  0.)  ebenfalls  auf  *paiu  zurückgeführtes 
öd  des  Nom.-Akk.  PI.  N.  erfordert  eine  andere  (unten  im  Text  vorgesclilagene) 
Deutung,  weil  in  diesem  Dialekt  das  -u  der  kurzsilbigen  Adjektiva  er- 
halten blieb. 

2)  Wegen  dieser  zwei  Monophthongierungsschichten  vgl.  Franck  in 
seiner  Mnl.  Gr.  §  25  nnd  beachte  auch  aonfrk.  ?«  (aus  ei)  vor  h,  r,  w 
und  im  Auslaut  neben  ei  vor  anderer  Konsonanz  (Aonfr.  Gr.  §  21)  sowie 
mnl.  ?«  vor  ä,  r,  w  und  im  Auslaut  neben  c«  vor  anderer  Konsonanz,  der 
einstmals  keine  f  oder  j  enthaltende  Silbe  nachfolgte  (vgl.  meine  Mnl. 
Gr.  §  59). 


Zum  germanischen  Zahlwort.  91 

Numerale  behaupteten  sich  die  Doppelformen  im  Angelsächsischen, 
nicht  im  Friesischen,  wo  nur  ttcä  galt). 

Für  ahd.  zwßne  =  as.  aonfrk.  aofries.  ttMne  (awfries.  ttveen) 
postuliert  Noreen  in  seinem  Abriß  81  ein  zu  got.  ttceihnai  im 
Ablautsverhältnis  stehendes  Prototyp  tuaihn--^  dagegen  spricht  so- 
wohl der  Umstand,  daß  für  die  Distributiv-  bezw.  Multiplikativ- 
zahl  nur  Bildungen  mit  altem  t  oder  daraus  entstandenem  Vokal 
bezeugt  sind  (got.  ttceihnai,  aofries.  twine^  ags.  ttvinum  usw., 
an.  ivennr  usw.),  als  auch  die  Tatsache,  daß  sich  kein  Beleg  mit 
'hfir  findet,  der  auf  alte,  vor  n  stehende  gutturale  Spirans  hin- 
wiese. Auch  hier  aber  dürfte  Assoziation  im  Spiel  gewesen 
sein;  d.  h.  es  begreift  sich  altes  Huainai  des  Nom.  Sing.  M.  oder 
eine  Vorstufe  desselben  als  durch  Anlaß  von  *ainaz  oder  einer 
Vorstufe  desselben  für  *tuai  oder  *tuoi  eingetretene  Neubildung 
(beim  Fem.  und  Ntr.  findet  sich  keine  Spur  solcher  Einwirkung, 
indem  hier  die  dem  oben  erörterten  zufolge  anzusetzenden  Proto- 
typen den  funktionell  dazu  in  Beziehung  stehenden  Bezeichnungen 
der  Einzahl  formell  zu  fem  standen).  Daß  aber  solche  nicht 
erweiterte,  got.  tum^  wn.  tueir  usw.  entsprechende  Form  nicht  auf 
Fiktion  beruht,  sondern  im  Hd.  noch  bis  in  die  Zeit  der  Mono- 
phthongierung von  ei  existierte,  ist  zu  erschließen  aus  zwene^ 
dessen  regelwidriges  e  nach  Meringei's  richtiger  Bemerkung 
(s.  KZ.  28,  235)  nur  durch  die  Annahme  von  ^zwe""  verständlich 
wird,  das  neben  *ziveine  (das  übrigens  noch  in  ztceinzug  er- 
balten blieb,  s.  unten  14  C)  in  Schwang  war.  Gegenüber  diesem 
twene  usw.  steht  durch  Anlehnung  an  das  Zahlwort  ^  *beide' 
entstandenes  ags.  ticS;^en  (nichtws.  auch  ttvce^en^  -e  usw.^):  zu- 
nächst neben  auf  westgerm.  *ticainai  zurückgehendem  *twänS^ 
(oder  *tu)aeni^)  twck^en  nach  hd^en  (oder  etwa  Hioöiunu  usw. 
nach  *böiunu  usw.,  vgl.  2  b);  dann  auch  als  Kompromisbildung 
Utame  (bezw.  *ttwng')^  das,  wie  die  alte  Form,  durch  die  Neu- 
bildung verdrängt  wurde,  jedoch  in  north,  twcenti;^  L  und  ws. 
north,  ttointij^  (vgl.  14  C)  eine  Spur  hinterließ. 

1)  Unter  den  north.  Formen  sind  noch  hervorzuheben:  twö^e  R.*  L 
mit  6  durch  Einwirkung  von  neutr.  tw6  (vgl.  das  oben  S.  90  zu  ags.  twd 
bemerkte);  twdk^o  L.  Rit.  mit  -o  nach  dem  Muster  des  in  der  Adjektiv- 
deklination dieser  Quellen  neben  -c  verwandten  (aus  dem  Neutr.  entlehnten) 
•0.  Wegen  twck^i  Rit.  s.  unten  in  2  b. 

Als  durch  Anlaß  der  mask.  Formen  entstandene  Bildungen  sind  zu 
beachten  die  neutralen  (gelegentlich  auch  zu  nichtneutralen  Nomina 
stehenden)  twck^,  twi^,  tufck,  tw4  R.*  L. 


92  W.  van  Hellen, 

Neben  tteene  (=  as.  twine)  und  aus  dem  Ntr.  entlehntem 
Mask.  tice  bieten  die  mnd.  Quellen  noch  durch  die  Genitive 
ttteier  imd  twi(g)er  beeinflußte  tiveine,  ttvei,  ttei.  Solchem  tweine 
entspricht  mhd.  neben  2wen(e)  überliefertes  zweiti(ß)  (gegenüber 
konstantem  ahd.  zwine). 

Über  die  Genitive  twaddß^  ztoeio^  tweio  (wozu  mnd.  ttceier), 
twoB^a^  twijfl  etc.  und  den  north.  Daliv  tictkm  handle  ich  nächstens 
anderswo  (PBrB.  30).  Wegen  afries.  fwira  (nach  thrira)  vgl. 
Aofries.  Gr.  §  233  ß.  Diesem  twira  entspricht  mnd.  nach  dri{g)^ 
gebildetes  twi{g)er, 

2  b.  Beide. 

Ags.  bi^en  (aws.  noch  bck^en^  nortli.  bi^en,  bdjfi^  -o)  wird  von 
Sievers  (PBrB.  10,  495,  Fußn.)  als  durch  Zusammenrückung  von 
*Jö  und  der  dualischen  Pronominalform  für  *jene*  entstandene 
Bildung  erklärt.  Zur  Ergänzung  dieser  Deutung  sei  noch  folgendes 
hervorgehoben. 

Als  Basis  des  zweiten  Elements  hat  zu  gelten  *iunu  (aus 
*iunö  mit  jw-  aus  *w-;  wegen  des  auch  für  ags.  ^eonre^  ^eond  usw., 
s.  Sievers  Gr.  §  338,  Anm.  6  und  §  74,  anzusetzenden  Staramas 
*iun(h  usw.  vgl.  mnl.  neben  gern,  göne  überlieferte,  in  ZfdA.  24, 27 
und  meiner  Mnl.  Gr.  §  34  6  belegte  gone\  dessen  jm-  als  in  nicht- 
hochtoniger  Silbe  stehende  Lautverbindung  zu  *3ie-,  je-,  jt-  (vgl. 
nach  ticdj^i  Rit  anzunehmendes  *hce^i  aus  *bdjfn)  wurde  (man 
beachte  die  aus  ws.  ^ecmre^  jfiond^  be^eondan^  merc.  -rfa,  nortli. 
be^eonda,  -^eajide,  aws.  jfenrf,  jinrf,  kent.  jewrf,  north,  j^^-!  ^' 
^ienda  zu  einschließende  Folgerung  von  in  nichthochtoniger  Silbe 
durch  3  erwirkter  Palatalisierung,  also  jeowrf  als  ursprünglich 
orthotonierter,  ;^iend  als  eigentlich  der  schwächer  betonten  Form 
zukommend  ^);  an  t-ümlaut  ist  hier  eben  nicht  zu  denken). 

Der  Schwund  von  -u  begreift  sich  bei  Beachtung  des  für 
die  Zeit  der  sekundären  Vokalapokope  der  voranstehenden  Silbe 
beizumessenden  starken  Mitteltons  (der  Regel  nach  blieb  ja  -m 
nach  mit  minder  starkem  Hochton  bezw.  mit  schwächstem  Mittel- 
ton gesprochener  Vorsilbe  erhalten,  verklang  aber  nach  starkem 
Hoch  ton  und  nach  minder  schwachem  Mittelton:  hofu^  3*^/^Mi 
hiafodu^  Mli^u^  *riciu  usw.  und  i/wrf,  (fr,  monun^^  mied  Nom. 


1)  Dieser  Regel  widersprechen  nicht  north,  neben  5tM«5  Rit.  L  als 
Norm  begegnende  ^in^,  5*5^'  deren  durch  Umlaut  entstandener  Vokal 
aus  Kompar.  und  Superl.  ^in^ra,  ^in^est  stammt. 


Zum  germanischen  Zahlwort.  93 

S,  F.  und  Nom.-Akk.  PI.  N.  usw.;  für  die  Hauptsilbe  aber  des 
zweiten  Teils  der  Zusammenrückung  ist  minder  schwacher 
Mittelton  vorauszusetzen). 

Wegen  der  Beschränkung  der  erwähnten  Formen  auf  den 
Xom.-Akk.  M.  ist  zu  achten  auf  die  aus  ftei-,  b^  von  ahd.  beiden 
*a,  -tu,  -ero  usw.,  (mte^  -o  usw.,  as.  bethie^  -ia  usw.,  afries.  bethe^ 
bede  usw.  und  aus  an.  bä-  (d.  h.  *bä  des  Akk.  M.)  von  bäßer^  -ar 
usw.^)  folgende  anfängliche  Beschränkung  dieser  Zusammon- 
rückung  auf  den  Nom.  und  Akk.  M. 

Das  «*  von  ahd.  bede  usw.  bietet  als  durch  Anlehnung  an 
*be  entstandener,  regelwidriger  Laut  eine  Parallele  zu  dem  oben 
in  2  a  besprochenen  e*"  von  zwene  (vgl.  KZ.  28,  236). 

Wegen  ags.  bd  F.,  bü  N.  vgl.  twd,  tu. 

Got  bajöps  wird  von  Bartholomae  in  seinen  Stud.  z.  idg. 
Sprachgesch.  1,  61  auf  Grund  eines  Duals  bajö  pö  gedeutet 
Dieser  Fassung  widersetzt  sich  der  konsonantische  Stamm  des 
Wortes  (bajöps  Nom.,  -um  Dat).  Mit  mehr  Recht  wäre  hier  ein 
Prototyp  *bho-jßtes  *  zusammengehende*  (mit  zur  Wurzel  ja- 
=  aid.  yär  durch  ^^uffix  gebildetem  Dorivatum)  anzusetzen  (wegen 
solcher  Bildungen  vgl.  Brugmanns  Grundr.  2, 365  ff.).  Als  westgerm. 
Entsprechung  dieses  bajöps  begegnet  aofries.  beithe^  beide  (s.  Gr. 
g  22,  Anm.  3)  mit  beir  aus  *Äajo-  (s.  Gr.  §  82  e)  imd  aus  nor- 
malem bithe  entnommener  Endung. 

3.  Drei. 

Die  Fassung  des  Vokals  von  aofries.  Nom.-Akk.  M.  ihre 
(s-  §  19  t  der  Gramm.)  als  in  nicht  vollbetonter  Form  vor  -z 
aus  f  entstandenen  Lautes  tiifft  nicht  das  Richtige:  das  zur 
Stütze  herangezogene  se  des  Opt.  dos  Verb,  substant.,  dessen  e 
in  der  2.  S.  entstanden  sein  sollte  und  von  hier  aus  über  den 
ganzen  Modus  verbreitet  wäre,  erfordert  eine  andere  Erklärung, 
weil  hier  eher  Verallgemeinerung  des  den  anderen  Personsformen 
lautgesetzlich  zukommenden  l  zu  erwarten  sein  dürfte ;  und  die 
Erwägung,  daß  der  durch  sekundäre  Vokalapokope  verklungene 
Endungsvokal  der  Numeralform  erst  nach  dem  Abfall  von  -z 
geschwunden  sein  kann  (vgl.  PBrB.  28,  527),  verbietet  die  An- 
setzung  von  priz.  Wie  sS  und  *sen  (des  PI.,  woraus  se)  ver- 
ständlich sind   als  die  Folgen   von   Anlehnung   an    die    alten 


1)  Wegen  aisl.  bdkpe,  agntn.  b4pir  usw.  s.  Kock  in  PBrB.  15,  248  f. 


94  W.  van  Helten, 

Endungen  der  normalen  Präsentia  Opt,  so  begreift  sich  der 
Vokal  von  thre  als  das  Resultat  von  Einwirkung  der  alten 
Endung  des  Nom.  PL  der  Adjektivdeklination. 

Anderen  üi-sprungs  sind  natürlich  die  an.  Bildungen 
mit  €(")  und  ö^-): 

anorw.  ßrS  Akk.  M.  (aus  *ßrinn  =  got  ßrins  nach  Noreens 
Gr.  §  106,  1),  woneben  ßria  mit  analogischem  -a;  ßrSar  Akk.  F. 
aus  */r^(fiir  *prinn)  und  angehängtem  'ar\  hiemach  im  Nom.  F. 
priar  für  *priar  (woraus  aisl.  priär)  aus  um.  prijöR  (Tiine); 

aschw.  pria  Akk.  M.  aus  altem  *j5r^  (für  *pr%nn  nach 
Noreens  Gr.  §  83,  2,  b)  und  zugetretenem  -a;  neben  diesem 
pria  auch  pri^  das  durch  Anschluß  an  pria  für  lautgesetzliches, 
noch  in  prcktdn  (s.  unten  18  B)  erhaltenes  *pr(B  eintrat  (wegen 
dieses  d  aus  i  vgl.  Noreens  Gr.  §  114,  1) ;  nach  pri(a)  im  Nom.  M. 
pri  neben  pri\  pria{r)  Akk.  F.  aus  (für  *prinn  eingetretenem) 
*pre  (woraus  lautgesetzUches,  auch  für  den  Nom.  verwandtes 
Prd  und  hiemach  gebildetes  prcia)  und  angetretenem  -ar;  hier- 
nach im  Nom.  F.  pria(r) ;  für  pria(r)  durch  Synkope  auch  Pri(r) 
bezw.  durch  Einschiebung  von  i  (nach  Noreens  Gr.  §  328,  1,  a) 
prOa  (wegen  der  aufgeführten  Formen  s.  Noreens  Gr.  §  482 
mit  Anm.  1  und  114,  1,  sowie  PGr.  1«,  628). 

Aus  dem  Nom.  stammen  nach  Pri(r)  gebildete,  für  pri  ein- 
getretene aschw.  (seltene)  prto!  Akk.  M.,  pria  Nom.  Akk.  F.  imd 
agutn.  pria  Akk.  M.,  prhr  Nom.  Akk.  F.  (vgl.  wegen  der  Belege 
Noreen  a.  a.  0.,  wo  auch  nach  tu  gebildetes  prü  Nom.- Akk.  N. 
erwähnt  wird,  zu  dem  mhd.  nach  dreu  Nom.-Akk.  N.  gebildetes 
ziceu  der  nämlichen  Kasus  als  Gegenstück  zu  halten  ist).  Sonst 
beachte  noch  oben  S.  88,  Fußn. 

Über  die  Genitive  ahd.  drio,  an.  priggia  usw.  handle  ich 
an  anderer  Stelle  (PBrB.  30). 

4.  Vier. 
Der  labialen  Spirans  des  Zahlwortes  ist  noch  weniger  als 
dem  f  anderer  als  Zeugnisse  für  germ.  f  =  idg.  gif  bezw.  qu 
herangezogenen  Formen  Beweiskraft  für  solchen  Lautprozeß  zu- 
zuerkennen; dem  offenbar  durch  Formassoziation  entstandenen 
Konson.  (vgl.  Zupitza,  Die  germ.  Gutturale,  7)  steht  als  Parallele, 
außer  aksl.  deveti,  lit.  devynl  *neun*  (mit  rf-  für  n-),  herakl.  öktüj 
usw.,  tvvea  (s.  MU.  1,  93.  96),  noch  aofries.  sögen  (s.  unten  7) 
zur  Seite. 


Zum  germanischen  Zahlwort.  95 

Direkte  Reflexe  von  altem  ^fe^ur-  sind  untergegangen  (über 
^n.fiogar  usw.  am  Schluß  dieses  Abschnittes).  Über  die  Fort- 
Atzungen  von  *feuor'  (aus  *fe;^uor';  wegen  des  -o-  vgl.  av.  captoar^-^ 
dor.  Texopec  iind  beachte  Brugmanns  Grdr.  2,  471)  gleich  unten. 
Auf  eine  Kompromißform  aus  *fe^ur'  und  ^feuor-^  näml.  *fe{u)ur'^ 
weisen  die  überlieferten  Bildungen  hin  mit  aus  *eu  für  *e-u 
entwickeltem  Diphthong :  ahd.  feor^  fior  {fiar^  fier)  mit  fiorzehan, 
-zug,  -do^  as.  fior  {viar,  fi^V)  mit  *fiortehan  (fiertein),  fiartig  (fiartig^ 
fieriich  usw.),  fiorda  {fierthe-)^  north,  fior  L.  Rit  {fiarfald  L)  mit 
fkrtig^  'da  {fiarda)  L.  Bit,  ws.  fiorda^  afries.  /?ar-,  fyaer-  in  fiärföte^ 
fiärling^  fiarda^  fyaerda  usw.  (wegen  Belege  s.  Aofries.  Gr.  §  36 
and  V.  Richthof ens  Wtb.).  Dem  as.  fi(u)uuar  (iuu  bezw.  iuuu  =  iu-w) 
mit  ßuuartig  liegt  ein  durch  Einwirkung  von  *feur  auf  *feuor 
oder  *feuar  entstandenes  Prototyp  *feuuor  oder  -uar  zugrunde. 
Durch  den  nämlichen  Prozeß  entstanden  aofries.  fiuioer  mit 
fiüweriich^  -tene  usw.  und  durch  Synkope  für  fiüwer-  eingetretenes 
fiür-  in  finrtene  (wegen  der  Belege  s.  Gramm.  §  36);  daneben 
durch  wiederholte  Anlehnung  und  zwar  an  aus  *feur  hervor- 
gegangenes *fior  (woraus  über  *fiar  das  oben  erwähnte  fiär-) 
für  *fiuwer  oder  -ar  (die  Vorstufe  von  fiütver)  eingetretenes 
*fiower  oder  -ar^  woraus  über  *fiöwer  einerseits  durch  Synkope 
fär  mit  fiörtenstd,  -tech  usw.,  andrerseits  durch  Entstehung  von 
anorganischem  u  zwischen  ö  und  w  (vgl.  Granmi.  §  38  t)  fiouw{e)r 
mit  fiouteertich  usw.  (wegen  der  Belege  s.  §  36  der  Gr.);  den 
letzteren  aofries.  Formen  entsprechen  die  awfries.  flör  mit  flörten^ 
-tich  usw.  bezw.  fioiver^  fiour  (Belege  bei  v.  Richth.).  Zweideutig 
könnte  der  Diphthong  von  ws.  merc.  feoweri-)  (kent.  fiotver)  beim 
ersten  Blick  erscheinen:  aus  iu  für  durch  Anlehnung  ent- 
standenes eu  (also  Ä>,  h)  oder  aus  6+  durch  w^Umlaut  (vgl.  Sievers' 
Ags.  Gr.  §  73,  2,  Bülbrings  Gr.  §  257)  hervorgerufenem  u?  Doch 
ist  mit  Rücksicht  auf  die  north,  mit  konstantem  eo  (nie  mit  io) 
begegnenden  Formen  feower  (fewer\  feowertig  usw.  zugunsten 
letzterer  Entwickelung  zu  entscheiden*).  Das  Aofiies.  Gr.  §  36 
belegte  fir  steht  für  *fiar  bezw.  *fior  durch  Assoziation  an  ßf^). 

1)  Der  Beleg  veir  Wadst.  24,  10  hat  als  Schreibfehler  zu  gelten. 

2)  Aus  einmaligem  Beleg  fover  Rit.  197,  8  (neben  feoro,  feoero 
Rit.  47,  14.  104,  6  =  feo(ice)ro  und  feower ^  feuor  usw.  R.»  L)  ist  schwer- 
lich mit  Bülbring  (Gr.  §  331)  auf  eine  Form  =  me.  föwwerr  zu  schließen  ; 
vielmehr  hat  man  hier  an  Schreibfehler  zu  denken. 

3)  Gegen  die  in  §  6,  Anm.  2  dieser  Gr.  vorgeschlagene  Deutung 
der  Form  aus  fer  für  fewer  spricht  der  Umstand,  daß  neben  fir  procul 


96  W.  van  Helten, 

Diesem  fir  vei^leichon  sich  aschw.  (in  Noreens  Gr.  §  483,  Anni.  1 
aufgeführte)  /in,  -a  mit  firitighi  (statt  fyri^  -a,  fyraüghi)  nach 
run.-schw.  fim  (wofür  aschw.  ftjhn.  s.  unten  5  am  Schluß); 
Noreen  vermutet  (Gr.  §  101,  Anm.  2)  Entstehung  von  firi,  hi 
nach  firitighi  "vierzig*,  das  durch  Übergang  von  y  in  i  vor  i 
der  Folgesilbo  für  aus  fyritighi  entstandenes  fyrüighi  eingetreten 
wäre,  doch  ließe  sich  das  von  ihm  der  Kürzung  zuliebe  postu- 
lierte haupttonigo  -ii-  kaum  plausibel  machen. 

Die  Formen  mit  Dental  finden  sich  wgenn.  fast  nur  in 
der  Komposition:  ags.  fyderfÜe^  -scyte  usw.  (s.  PBrB.  6,  394.  576), 
feodorfald^  -f&t  R*,  feoöardd^er^  -föt  L.  Indessen  bietet  das  Salfrk. 
ein  in  seiner  Verwendung  dem  got  Simplex  fidicör  paralleles 
■fUher  neben  durch  Zusammenrückung  entstandenen  fitherstund^ 
'Hch  (s.  PBrB.  25,  2G7.  5U  ff.).  Der  Vokalismus  der  überlieferten 
Bildungen  weist  auf  alte  ^fepur-  und  ^fepor-  bezw.  ^fepar-  (mit/ 
für  p\i  durch  Anlelmung  an  ^fepur-)  hin ;  die  regelrechte  Fort- 
setzung ersterer  Form  ersetzte  mitunter  ihre  Endung  durch 
das  -^r  bezw.  -er  der  anderen;  ags.  fyder-  hat  junges  y  für 
durch  M -Brechung  henorgerufenes  eo  (wegen  feodor-  s.  noch 
unten  S.  100,  Fuün.);  in  salfrk.  -fitlier  steht  vor  altem  u  der  Folge- 
silbe entstandenes  i  (vgl.  PBrB.  25,  425 f.;  über  salfrk.  -er  statt 
*'ar  handle  ich  später  anderswo). 

Nach  aid.  caiväras  usw.,  av.ca/irörö  usw.undTiecupec  TCiopec 
usw.  ist  für  das  Vorgerm,  konsonantische  Deklination  des  Zahl- 
wortes anzusetzen.  Die  durch  regelrechten  Schwund  ilirer 
Endung  verlustig  gewordenen  Nominative  iL  und  F.  (fiduor 
aus  *fedwörez  oder  *fidieöriz)  veraulaßten  aber  im  Voi-got.  Über- 
tritt des  Wortes  in  die  Kategorie  der  für  'fünf  bis  'neunzehn* 
vei*wandten,  z.  T.  unflektierten,  z.  T.  nach  der  t-Flexion  gehenden 
Formen  (vgl.  oben  1).  Der  nämliche  Vorgang  fand  auch  in  den 
vorwestgerm.  Mundarten  statt,  wo  die  alten  Nominative  M.  F. 
auf  *-e2  und  der  Nom.-Akk.  N.  auf  *-m*)  ihre  Endung  einbüßten. 


mit  ftrra  usw.  begegnende  feer.  ferra  sowie  her{r)a^  tner^  ser  usw.  eben 
nicht  für  die  postulierte  Entstehung  von  %r  aus  er  zeugen.  Wegen  ffr  usw. 
procul  vgl.  jetzt  PBrB.  28,  557 ;  wegen  des  nicht  mit  got.  her  zu  identi- 
fizierenden afries.  ?ifr  s.  PBrB.  21.  443,  Fußn. 

1)  Daß  für  den  Nom.-Akk.  PI.  N.  der  konsonantischen  Stämme  *'U 
(aus  *-d  für  ♦-«  =  aid.  -*,  griech.  -a,  idg.  *'9)  anzusetzen,  geht  aus  der 
neutralen  ^i-Deklination  (got.  -f7wa,  wgerm.  -ün,  -un,  an.  -m  aus  *'onö  bezw. 
*'ünu  für  *-onu  aus  *Otw)  hervor. 


Zrnn  germanischen  2^1wort.  97 

Eine  besondere  Besprechung  erfordern  die  an.  Formen 
des  Zahlwortes  sowohl  inbezug  auf  ihre  Flexionssuffixe  als  auf 
ihre  sonstige  Gestaltung.  Die  bei  adjektivischer  Verwendung 
isolierte  konsonantische  Deklination  wurde  durch  die  normale 
vokalische  ersetzt,  die  sich  übrigens  schon  durch  das  *-w  des 
Nom.-Akk.  N.  und  das  ^-ums  des  Dat.  (im  Umord.)  mit  erstorer 
berülirte.  Die  icJ,  iü  von  wn.  fiörer^  -ar  usw.,  on.  fiüri{r\  '<i{r) 
I  usw.  (aschw.  auch  /j^-,  agutn.  fiaur-^  worüber  Noreens  Gr.  §  59, 
11  und  122,  1  nachzusehen ');  wegen  Belege  s.  Noreens  Gram- 
matiken §  438  und  483  sowie  PGr.  1«,  628)  wären  an  sich 
mit  wgerm.  eo,  io^  io  usw.  von  /leor,  fior^  fior  usw.  (s.  oben)  in 
eine  Linie  zu  stellen;  doch  verbietet  solche  Gleichung  die 
Berücksichtigung  von  wn.  fiogor  (fiugur\  on.  fiughur  (fioghor) 
Xom.-Akk.  N.  und  wn.  fiogorra  {fittgurra\  on.  fiughurra  Gen.,  die 
sich  neben  den  iö^  iti  aufweisenden  Bildimgen  nur  mit  Hülfe 
der  von  Bugge  bez.  Noreen  (s.  PGr.*  Nordische  Sprachen  §  85, 
9  b  und  61c)  beobachteten  Lauterscheinungen,  r  sporadisch  (soll 
wohl  heißen  unter  noch  nicht  erkannter  Bedingung)  für  durch 
Vokalsjmkope  entstandenes  dr  und  j  für  zwischen  konsonan- 
tischem u  und  ur  stehendes  d:  aus  ^fedur-  hervorgegangenes 
*fiudur'  ergab  im  Nom.-Akk.  M.  F.  und  im  Dat  durch  Vokal- 
schwund  in  der  Pänultima  ^fiudr-^)^  woraus  /iiir-,  fiör-]  aus 
"^fiuöuru  des  Nom.-Akk.  N.  entstand  dagegen  durch  Apokope  des 
ültimavokals  *fiudur  (vgL  z.  B.  wn.  sumor,  -ur^  on.  hovuß  Nom.- 
Akk.  PL  N.  aus  *sumuruj  *hafmdu^  woneben  als  Gen.  Dat  sumra^ 
-rom^  -rum^  hofßa^  -ßorn)^  woraus  fiughur^  fiogor;  der  alte  Gen. 
*fiudureBä  wurde  infolge  der  Synkope  in  Pänultima  durch 
*fiudurrd  fortgesetzt,  woraus  fiughurra^  fiogorra.  Erhaltenen 
Dental  gewähren  die  aschw.  Komposita  fioßertiogher^  -mceningi^ 
fiup(E{r)Hgher^  fiaßcertiugher^  -skjBfUer^  -skipter  (s.  Rydqvist  2,  588 
und  Noreens  Gr.  §  75,  2  und  vgl.  wegen  ia  statt  »m,  io  sowie 

1)  Als  der  iü  in  ^  verwandelnde  Umlautsfaktor  kommt  natürlich 
die  alte  Nominativendung  *-iR  aus  *-eÄ  in  Betracht,  dessen  Vokal,  wenn- 
gleich in  dritter  Silbe  stehend,  durch  Anschluß  an  die  zweisilbigen  kon- 
sonantischen PluraUa  (vgl.  aschw.  fioender  u.  dgl.  Nom.-Akk.  PL  und  be- 
achte PBrB.  28,  526)  dem  primären  Vokalschwimd  Widerstand  leistete. 

2)  Abzuweisen  ist  die  in  Noreens  Svenska  etymologier  S.  4tl  vor- 
geschlagene Herleitung  von  fer-  des  wn.  Distributivs  femer  aus  in  pro- 
khtischer  Stellung  stehendem  fear- :  die  Berechtigung  der  Annahme  solcher 
Stellung  ist  zu  leugnen  und  das  e  statt  tu  in  *fiurn'  aus  ^fiudm-  begreift 
sich  als  die  Folge  einer  Beeinflussung  durch  tuenner,  ßrenner. 

Indogermanisclie  Fonchnngen  XVIU.  7 


98  W.  van  Hellen, 

wegen  -«r-,  -öpt-  mit  Svarabhakti -Vokal  für  aus  -wr-  durch  Syn- 
kope entstandenes  -r-  Noreens  Gr.  §  118  und  160). 

5.  Fünf. 

Als  die  Fortsetzungen  von  fimf  bietet  das  Hd.  Formen 
mit  durch  Einwirkung  des  Labials  für  i  eingetretenem  ü  oder 
w,  mhd.  fümf^  vünf  und  vumf^  vunf  (bereits  bei  Notker  fünf 
sowie  funfto^  fünf  zieh  mit  ü  oder  w?):  das  u  entstand,  indem 
bei  der  Artikulierung  des  Vokals  die  behufs  Hervorbringung 
eines  Labials  stattfindende  Vorstülpung  der  Lippen  bezw.  der 
Unterlippe  die  für  das  i  erforderliche  Mundwinkelbildung  er- 
setzte (ob  der  Nasallaut  als  n  oder  m  gesprochen  wurde,  war 
gleichgültig,  weil  solches  n  eben  einen  Nasal  repräsentierte,  der 
sich  physiologisch  nur  durch  Nichtverschluß  der  Mundhöhle 
von  dem  normalen  labialen  Nasal  untei-schied)  und  so  die  Be- 
dingungen für  die  Bildung  eines  ü,  konvexe  Wölbung  des  oberen 
Zungenrückens  (wie  beim  i)  und  Vorstülpung  der  Lippen  oder 
der  Unterlippe,  erfüllt  wurden;  das  u  entstand,  indem  auch  die 
bei  Hervorbringung  eines  labialen  Konson.  stattfindende  konvexe 
Wölbung  des  unteren  Zungenrückens  die  Wölbung  des  oberen 
Teils  dieses  Organs  ersetzte  und  so  die  Bedingungen  für  die 
Bildung  eines  m,  konvexe  Wölbung  des  unteren  Zungenrückens 
und  bilabiale  oder  labio-dentale  Vorstülpung,  erfüllt  wurden. 
Durch  Kompromiß  aus  fümf  fünf  und  *fifnf  finf  (die  aus  den 
Bildungen  mit  -t  usw.  stammen,  worin  das  palatale  Element  der 
Endung  die  Labialisierung  des  Wurzelvokals  verhindert«),  ent- 
wickelten sich  den  mhd.  viumf  fiunf  feunf  allgäuisch.  fainf  (vgl. 
D.  Wtb.  IV,  la,  548)  zugrunde  liegende  *iiümf  *fiünf  Mhd. 
vouf  Böhm,  nach  foufzic  (vgl.  unter  18  D).  Rätselhaft  sind  mir 
mhd.  vonf  mit  vomfzen  und  fiuf  feuf 

Wegen  wn.  fim(m\  run.-schw.  /?m,  on.  fdm  s.  Noreens 
Altisl.  Gr.  §  288,  2,  Altschw.  Gr.  §  83,  2  b. 

6.  Sechs. 

Einige  ndd.  Mundarten  gewähren  neben  Formen  mit  e 
auch  Bildungen  mit  o  bezw.  ö  (mnd.  sos  mit  o  oder  o?):  soss 
(Brem.-Niedorsächs.  Wtb.)  aus  sosstein  (vgl.  unten  13  JE),  sos 
(Schütze,  Dähnert,  Danneil)  aus  sostein  usw.  (s.  unten  13  E) 
unter  Mitwirkung  von  söven^  sö^ven  (vgl.  unten  7);  für  soss  des 
Brem.-Nieders.  Wtb.  ist  als  Muster   eine  (geschwundene  oder 


Zum  germanischen  Zahlwort.  99 

vielleicht   nur   nicht  aufgeführte)  Nebenform  von  seven,  nänil. 
9$veti,  geltend  zu  machen  (in  besagtem  Wtb.  kein  söstein  usw.). 

Für  regeh-echte  «fer,  six^  syx  in  spätws.  Quellen  er- 
scheinendes seox  hat  aus  seofon  entlehnten  Brechungsdiphthong. 

Dem  on.  (neben  saar,  sex)  begegnenden  siax  legt  Noreen 
(PGr.  1«,  629)  mit  Recht  Anschluß  an  die  Ordinalzahl  statte 
(oder  wohl  besser  an  deren  Vorstufe  *SMiAfe)  zugrunde  (wegen 
dieses  Ordinals  s.  unten  17  D);  nur  ist  hier  auch  Mithülfe  von 
»li  (aschw.)  und  siau  (agutn.)  in  Betracht  zu  ziehen.  Doch 
dürfte  die  a,  a.  0.  (sowie  im  Ark.  f.  nord.  Pil.  6,  331)  vor- 
geschlagene Deutung,  aschw.  sax  nach  saxtdn  'sechszehn',  für 
postuliertes  saxtidn^  das  seinerseits  durch  Dissimilation  aus  einem 
vermuteten  siaxtiän  (neben  siaxtdn^  saxtdn)  entstanden  wäre  wie 
aisl.  satäidn  aus  siatäidn^  abzulehnen  sein,  einmal  weil  solche 
Dissimilation  eben  nicht  sehr  wahrscheinlich  ist  (vgl.  das  unter 
13  F  zu  satätdn  bemerkte),  sodann  auch  weil  die  Ansetzung 
von  altem  siaxtiän  für  eine  Dialektgi-uppe,  die  -tdn  aufweist 
(vgl.  unten  13  A;  das  -tidn  der  neuschw.  Dalama-mundart,  s. 
PGr.*  Nord.  Spr.  §  231,  könnte  höchstens  für  auf  einen  kleinen 
Teil  des  on.  Sprachgebietes  beschränkte  Herrschaft  von  tidn 
sprechen),  geradezu  unannehmbar  erscheint.  Begreiflich  ist 
dieses  sax  als  die  Folge  der  Beeinflussung  von  siax  durch  scex 
(8  für  ««).  Sonst  noch  on.  sicBx  durch  Kompromiß  aus  siax 
und  scex, 

7.  Sieben. 

In  dem  %  von  ahd.  sibun^  -in,  -ew,  as.  sibun,  -on^  -en, 
aonfrk.  sivon  liegt  bekanntlich  ein  aus  e  vor  u  der  Folgesilbe 
(vor  dem  Verklingen  von  -w,  also  vor  der  sekundären  Vokal- 
apokope)  entstandener  Vokal  vor  (vgl.  Braunes  Ahd.  Gr.  §  30  c, 
EF.  5,  184  f.  und  meine  Altostnfrk.  Gr.  §  5).  Die  nämliche 
(auch  für  das  Salfrk.  sich  nach  PBrB.  25,  425  f.  ergebende) 
i-Entwicklung  ist  ebenfalls  für  das  Ags.  und  Afries.  in  An- 
spruch zu  nehmen;  vgL  die  unter  14  A  zu  besprechenden  ags. 
afries.  -/fj,  -tig  sowie  aws.  mioluc^  ws.  sinu^  kent  sionu  *Sehne*, 
WS.  merc.  ni^on^  aofries.  (Rüstr.)  nigun^  stifne  *Stimme*  (das  i 
aus  dem  Noni.  Sing,  auf  u).^)     Hiemach  sind  aws.  siofun^  -on. 


1)  Nicht  beweiskräftig  sind  ags.  si^or,  8i{o)du,  afries.  8id{e\  die  auf 
zweierlei  Basis  mit  -»'(-)  und  -m(-)  beruhen.  Wegen  der  «,  eo  von  ags.  loeder 
"Widder',  ws.  medu^  north,  feolu,  -o,  ws.  fela  usw.,  afries.  fe/o,  -(c)  vgl.  das 

7* 


353977 


100  W.  van  Helten, 

-an  (dementsprechend  in  der  jüngeren  Sprache  seofoti,  -^n^  syfonj 
-a»,  -en;  wegen  sufan  s.  unten  11),  in  Ep.  und  Corp.  erscheinende 
sibun-^  rifun-,  merc.  siofun  R*  mit  seofun  R^  seofen  Ps.,  north. 
mfu,  -0  R',  aofries.  (Rüstr.)  sigun  (mit  g  nach  nigun)  zu  beurteilen. 
Der  in  der  Pußn.  hen'orgehobenen  Einschränkung  des  Laut- 
wechsels gemäß  kam  flektierten  *8^mniöj  -ftiw  und  dem  Ordinale 
*8ehund-y  ^sehunß-  von  Rechts  wegen  e  zu,  ist  also  das  i  (bezw.  io) 
von  ahd.  sibuno^  as.  sibuniun^  north,  siofune  R*  usw.  imd  ahd. 
sibunto^  as.  sivando,  -oüio^  aws.  siofoda  (gemeinws.  seofoda^  -eda 
usw.),  merc.  siofunda  R^  north,  siofunda  R*,  aofries.  (Rüstr.) 
siffunda  als  die  Folge  von  Ausgleichung  zu  fassen.  Als  Resultat 
der  Einwirkung  solcher  alten  e-haltigen  Bildungen  sowie  kon- 
kurrierender Assoziation  an  sehs^  seh(s)to  usw.  wäre  indessen 
hier  auch  gelegentliche  Ausgleichung  von  e  denkbar;  und  es 
begegnen  in  der  Tat  north,  auf  *8ebun^  -do  usw.  hinweisende 
9eofo{n\  -a,  sefo  L,  seofunduj  -anda  L  sowie  awfries.  (nach  PBrB. 
19,  859.  420)  auf  die  nämlichen  Prototypen  zurückgehende  sotren^ 
sa(u)tpen^  sautrendd,  saunda  (wegen  eines  daneben  stehenden  sän-, 
nwfries.  sän  s.  PBrB.  19,  421). 

Die  Mundart  der  Rüstringer  hat  neben  sigun  auch  Hügun 
(vgl.  auch  wanger.  siügn) :  letzteres  durch  w-Brechung  (wie  niHgun^ 
8.  unten  9),  ersteres  mit  in  den  flektierten  Formen  vor  *-y»- 
oder  einer  Fortsetzung  desselben  erhaltenem  i  (wie  nigun).  Die 
anderen  aofiies.  Dialekte  gewähren  sögon,  -in^  -en  (wegen  sogum 
als  unrichtiger  Lesart  s.  unten  S.  104)  (vgl.  saterl.  sögn),  das 
durch  Anschluß  des  Anlauts  an  das  s  von  sex,  also  mit  »-  statt 
«f-  steht  für  die  als  Parallele  zu  niögen  (vgl.  unten  9)  anzu- 
setzende Bildung  *8iögen  (oder  *siög(m). 

In  nd.  Dialekten  begegnet  das  Zahlwort  mit  aus  e  (das 
in  offener,  hochtoniger  Silbe  der  Regel  gemäß  für  i  eingeti*eten 
wai)  durch  u-  (bezw.  o-)  Umlaut  vor  Labial,  Liquida  oder  Nasal 


IF.  5,  185  bemerkte.  Ags.  stefn,  stemn  gehen,  wie  as.  stemna,  stemma, 
aonfrk.  stemma^  auf  die  Kasusformen  mit  nicht  u-haltigem  Suffix  zurück ; 
dagegen  außer  aofries.  etifne  ahd.  ^imtui,  stimmaj  aonfrk.  stimma  mit  i 
aus  dem  Nom.  und  Dat.  Sing.  Für  die  Erhaltung  von  e  in  der  Vorstufe 
von  north,  feodor-  (s.  oben  4)  ist  die  alte  Nebenform  *fedar'  oder  *fepar- 
verantwortlich  zu  machen.  Aus  auf  *ehura,  -es  usw.,  ♦emiw^a,  -«  usw. 
beruhenden  aws.  eofor-,  eofur-  (s.  PBrB.  18,  412),  ahd.  ebur^  ahd.  emugt 
as.  erniist-  geht  hervor,  daß  mitteltoniges  -«-  nicht  auf  «  einwirkte ;  be- 
achte auch  aofries.  melokon  gegenüber  aws.  mioluc^  ahd.  milüh  usw. 


Zam  germanischen  Zahlwort.  101 

entwickeltem  Vokal:  säoven  (Danneil;  das  dto  =  tonlangem  ö*), 
söoen  (Schütze,  Doornk.  Koolm.),  wonach  mnd.  neben  seven  be- 
legtes soven  als  saven  zu  fassen  ist.  [Wegen  des  besagten  Umlauts 
vgi.  bei  Danneil  verzeichnete  späoln  =  as.  späon^  väcl^  in  Doornk. 
Koolm.'s  Wb.  aufgeführte  spöton,  t?Ä,  Ionen  =  as.  hlinon,  hör,  ör 
Pron.  pers.  und  poss.  aus  *hiru^  -o,  «rw,  -o  usw.  sowie  nmd.  ipolen, 
fofe,  or^  arer  neben  (an  spd  angelehntem)  spden  usw.]  Auch 
im  Nl.  findet  sich  durch  denselben  Lautprozeß  entstandenes 
sSven  (s.  Tijdschrift  voor  Nederl.  taalk.  14,  114)  neben  seten^  das 
(wie  mnd.  und.  seven)  aus  den  flektierten  Formen  mit  altem  -wn- 
bezw.  -in-  stammt 

Dem  regelrecht  aus  *8ebun  entwickelten  aschw.  siü  und  dem 
aus  wn.  stunde  zu  erschließenden  *siü  steht  agutn.  wn.  siau 
gegenüber,  das  Kock  (PBrB.  15,  252)  auf  durch  *ahtau  aus 
*«im  (für  *s$tun;  wegen  der  Möglichkeit  von  bereits  um  550 
geschwundenem  u  aus  b  s.  Noreens  Altisl.  Gr.  §  227,  2)  umge- 
bildetes seau  zurückführt,  dessen  -au  als  mit  starkem  Nebenton 
gesprochene  Silbe  vor  Kontraktion  geschützt  wurde.  Doch  ist 
die  Berechtigung  seiner  Annahme  von  durch  die  alte  Betonung 
sepltß  (=  aid.  sapUif  irnä)  bedingter  um.  Betonung  sebün^  seün, 
seäu  erfahrungsgemäß  durchaus  fraglich.  Vermutungsweise  möchte 
ich  hier  auf  die  Möglichkeit  hinweisen  von  Kompromißbildung 
aus  *«i-ii  und  *si^,  das  durch  Anlehnung  an  dita  (bezw.  *ahta) 
für  *8i'U  eingetreten  war  (siau  aus  *si-au).  Altem  *siü  entspricht 
regelrecht  aisl.  siö  (vergl.  Noreens  Altisl.  Gr.  §  97).  Wegen  der 
in  siö  und  siau  zu  Tage  tretenden  Kontraktion  gegenüber  Er- 
haltung der  disyllabischen  Aussprache  in  ni-o,  ti-o  s.  unten 
9  und  10. 

RücksichÜich  der  in  den  flektierten  Formen  durch  Umlaut 
bezw.  Assimilierung  entstandenen  Suffixvokale  (vgl.  auch  das 
oben  über  aofries.  sigun,  nd.  nl.  seven  bemerkte)  sind  zu  er- 
wähnen :  ahd.  sfWn,  -en^  as.  siven  Wadst.  27,  3  (in  der  Freck. 
Heb.,,  die  mitunter  in  der  Schluß-  bezw.  Mittelsilbe  e  bietet  für 
f')),  merc.  seofen  Ps.,  aofries.  sögin  (s.  Gramm.  §  68,  Anm.  1;  in 
iügen  geht  der  Vokal  sowohl  auf  -i-  als  auf  altes  -m-  zurück). 
In  ahd.  siban  Otfr.  4,  7,  47  (nach  den  Hss.  V.  P.)  haben  wir  es 
(wie  in  niuxxn^  s.  unten  9)  mit  aus  zehan  entiehntem  Suffixvokal 


1)  Vgl  gertlena,  mudde  Wadst.  24,  8,  12,  16,  27  (neben  häufigeren 
g€r$tin,  -inas,  -tna,  muddi). 


102  W.  van  Hellen, 

zu  tun  (in  den  oben  aufgeführten  ws.  mfan,  seofan  usw.  liegt 
bekanntlich  aus  o  reduzierter  Vokal  vor). 

8.  Acht 

Durch  teilweise  Assoziation  (an  sibun^  vielleicht  auch  an 
*nirun)  entstand  ahd.  mehrmals  bei  Tat  für  akto  stehendes  ahtu 
(vgl.  unten  17  über  got  ahtuda  bemerktes).  Hiemach  begreift 
sich  auch  in  der  Ess.  Heb.  und  (im  Wechsel  mit  ahto)  in  der 
Freck.  Heb.  erscheinendes  ahte  neben  nigen  Ess.  H.  (vgl.  unten  9), 
siven  (s.  oben  7)  und  nigen  Freck.  H.  (in  letzterem  Denkmal  im 
Wechsel  mit  nigon). 

Nach  ni'O^  ti-^  umgebildet  begegnet  mschw.  otto  (s.  Kock, 
Sprh.  104). 

Hervorzuheben  sind  ferner :  ahd.  ahtowi  (überliefert  durch 
verschriebenes  hatouui  Ahd.  Gl.  1,  732,  62)  mit  -o-w-  aus  altem 
'ö-U'  (gekürztes  -o-  durch  Einwirkung  von  ahto);  hiermit  über- 
einstimmende north,  cektowe  R*,  ehtuwe  Rats,  (mit  -m-  für  -o- 
durch  folgenden  Send  vokal);  aus  flektierten  Formen  dieser  Ka- 
tegorie abstrahierte  north,  cehtotif  -uu  L  (d.  h.  -om?,  -uw); 

nach  north,  siofu^  -o  R*,  seofo  L  umgebildete  (für  bezw. 
für  und  neben  der  regelrechten  Form  auf  -a  stehende)  (ehtu, 
-0  L,  cehto  Rit. 

9.  Neun. 

Buggas  Erörterungen  (in  PBrB.  18,  504  ff.)  zufolge  wird 
nach  u  stehendes,  hochtonige  Silbe  anlautendes  m  zu  3:  ahd. 
jugund^  as.  jugud  usw.  aus  ^iumlnpi-,  ags.  hryc^,  ahd.  briuxa  (Akk. 
Sing,  -wn),  an.  bryggja  usw.  aus  *bruut^  -iös  oder  -lÄ  usw.,  bruujön, 
'ton-  (die  wgerm.  Formen  lassen  auf  vor  der  Konsonantendehnung 
stattgefundene  Entstehung  des  5  schließen),  ags.  su^u  usw.  mit 
3  aus  *SM3^s,  -/,  -6m  für  *siiuS8  usw.')  Aus  diesem  Lautprozeß 


1)  Hiemach  beruhen  as.  muggia^  ags.  mycje  usw.,  ahd.  -trugil  Baura- 
name  (PBrB.  13, 509),  got.  augil,  ags.  ay^el  (s.  PGr.«  1, 380)  auf  *mu^i6n  usw., 
^-tru^iU  (oder  *-dru^il-\  ^su^ih  und  aisl.  brü  'Brücke',  ags.  brfi  *Braue'  auf 
♦ftriljtö.  [Neben  *iu}iünp%-  und  gleich  im  Text  zu  erwähnendem  *ne^iinp- 
mit  nicht  absorbiertem  ik  halte  man  als  Zeugen  für  vor  nichthaupttonigera 
u  verklungenen  fi  ebenfalls  sofort  im  Text  aufzuführendes  *ni{^)un(e)  sowie 
got.  junda  mit  jun-  aus  ♦i«»-  für  *iu(ii)un-  aus  *iu^pd  (=  lat.  juventa), 
SigeTm.  jung  mit  gleichentwickeltem  jun-  aus  *iujifk6-  (=  l&i.  juvencus, 
aid.  yuva^d8\  got  jühiza  mit  Jü-  aus  ♦jMn-,  *iün-,  ♦|M(j^)ttn-  aus  ^iü^fkis-; 
aus  der  Vorstufe  ^iänhiz-  geht  hervor,  daß  der  y-Schwund  älteren  Datums 


Zum  germanischen  Zahlwort.  103 

laßt  sich  ein  durch  die  nämlichen  Faktoren,  d.  h.  unmittelbare 
Nähe  von  u  und  Anlautung  hochtoniger  Silbe,  veranlaßter  Über- 
gang zu  3  entnehmen  von  u  in  *-fitiw-.  Indem  aber  im  Agerm. 
neben  got.  niun  mit  niunda^  ahd.  niun  mit  niunto^  north,  nione  R* 
mit  fUoöa  L  (doch  auch  ti^ada  L),  an.  ni-o  mit  ni-ande^  -unde^  auch 
as.  nigun  usw.  mit  nigunda  und  niguda^  mnl.  negen  mit  negende 
(regelrechtes  e  flu-  %  in  offener,  hochtoniger  Silbe),  ws.  nijow  usw., 
merc.  mjon,  north,  ntj/ma^  -e  L  mit  ws.  merc.  ni^oda  usw., 
afries.  n^n,  tUügun  usw.  mit  niügunda  usw.  erscheinen, 
sind  als  direkte  bezw.  indirekte  Prototypen  dieser  Formen 
*n^u)un  oder  nach  *8ebun€  (s.  oben  1)  neugebildetes  *n^u)une 
(=  aid.  ndva)  und  *ne^ünjh  (für  *n^un/6-)  anzusetzen  (wegen  der 
verschiedenen  Betonimg  der  Kardinal-  und  der  Ordinalform  vgl. 
unten  17  H)»). 

Wegen  des  i  für  e  in  ags.  nijon  usw.  (ob  der  Vokal  mit 
Sievers  nach  §  105,  B  durch  Nichtentwicklung  der  M-Brechung 
oder  mit  Bülbring  nach  §  202  durch  Ebnung  von  tu  vor  3  zu 
i  zu  erklären  ist,  lasse  ich  hier  unentschieden),  afries.  nigun 
usw.  vgl.  das  oben  in  7  zu  aws.  siofun  usw.  bemerkte;  daß  hier 
Parallelen  zu  den  auf  ^sebun  zurückgehenden  Formen  fehlen, 
begreift  sich  aus  dem  Umstand,  daß  neben  alten  *ne;^uniö^  -nim 
und  *ne^und-,  *ne;^unß'  kein  assoziativer  Faktor  dies  Zahlwort 
beeinflußte.  Entstehung  des  i  von  north,  ni^ona^  -e  u.  dgl.  und 
as.  nigunda^  nigtida  usw.  durch  Ausgleichung. 

Als  Parallelen  zu  rüstring,  siügun^  sigun^  aofries.  (nichtrüstr.) 
sögen  (aus  *8iögen  oder  -on)  finden  sich  rüstring,  niügun  usw. 
(wanger.  saterl.  niügn\  nigun  und  außeiTüstr.  niögen  usw.  (s.  Alt- 
ostfries. Gr.  §  36):  *8iugun^  *niugun  (woraus  siügun^  niügun)  durch 
Brechung  aus  alten  *sigun^  *nigun]   *siogon^  *niogon  (woraus 


als  die  Wirkung  von  Verners  Gesetz].  Für  an.  prtiga  'durch  Drohung 
zwingen',  anorw.  hrüga  'Haufen',  got.  hugjan  usw.  (s.  PBrB.  a.  a.  0.)  ist 
eine  Deutung  des  5  aus  1^  fraglich  bezw.  unzulässig.  Der  von  Kluge  (PGr.» 
a.  a.  0.)  in  die  besprochene  Kategorie  eingereihte  Komparativ  ahd.  jügiro 
Tat.,  as.jügrOy  -oro  (s.  Dieters  Laut-  u.  Formen!.  722)  ist  wohl  zurück- 
zuführen auf  *ii?5«-,  eine  ältere,  durch  partielle  Anlehnung  an  *iw»30- 
fur  *ifJÄür-  oder  ^juPhiz-  eingetretene  Neubildung. 

1)  Bei  Holthausens  Versuch  (Archiv  f.  neuere  Sprachen  107,  381), 
das  5  der  ags.  fries.  as.  Formen  als  die  Folge  von  Anlehnung  an  ws. 
north,  teo^eda^  te{t)^da,  afries.  tegotha^  as.  tegotho  zu  deuten,  wurde  über- 
sehen, daß  sich  im  Nl.  neben  negen,  -de  keine  Spur  von  altem  tegunda 
findet  (s.  noch  Nachtrag,  S.  126). 


104  W.  van  Hellen, 

aOgen^  niögeri)  aus  alten  *sig(m^  *nig(m  (in  Fiv.  116  stehendes 
8ogum^  das  dieser  Fassung  zu  widersprechen  scheinen  könnte, 
ist  falsch  abgedruckt  für  handschriftliches  soffen).  Zu  bemerken 
ist  indessen,  daß  die  nichtrtistr.  Quellen  neben  niöffen  usw.  auch 
niäffen  usw.  (s.  Gr.  a.  a.  0.)  gewähren,  was  auf  zur  Zeit  der 
Brechung  gangbare  *nig<m  und  *niffünda  (oder  -o)  hinweist  >). 
Awfries.  erscheint  aus  *müffun  hervorgegangenes  nio(e)ffen  usw. 
(vgl.  PBrB.  19,  385). 

Ob  in  den  überlieferten  niun  diphthongierte  oder  noch 
der  alten  Aussprache  gemäß  disyllabische  Bildungen  vorliegen, 
läßt  sich  nicht  ermitteln.  Mit  Sicherheit  aber  ist  aus  dem 
tu  der  ahd.  Formen  zu  erschließen,  daß  hier  im  Gegensatz  zu 
*feur  (woraus  ahd.  feor^  fior  usw.,  s.  oben  4)  die  Kontraktion 
erst  nach  der  Entwicklung  von  e  zu  t  erfolgte :  Erhaltung 
der  zweisilbigen  Neunzahlform  durch  Anschluß  an  ahto^  aber 
Kontraktion  in  *feur  durch  Anschluß  an  fimf  bezw.  einer 
Fortsetzung  desselben.  Man  beachte  die  nämlichen  Vorgänge 
im  An.,  wo  einerseits  ni-o  neben  dtta  bezw.  einer  oder  anderer 
Vorstufe  desselben,  andrerseits  smJ  usw.  (s.  oben  S.  101)  neben 
sex  usw.  stehen. 

Wegen  des  Endungsvokals  in  as.  niffen  in  der  Ess.  und 
der  Freck.  Heber,  (s.  Wadsteins  Index),  aws.  ni;^en  (nach  Sievers 
Ags.  Gr.  §  325  in  einer  ürk.  von  ca.  840),  aofries.  (Rüstr.) 
niüffin  (s.  Gramm.  §  68,  Anm.  1)  und  niöffen  usw.  der  andren 
afries.  Dialekte  s.  das  oben  in  7  zu  ahd.  sibin  usw.  bemerkte. 
Eine  Parallele  zu  alid.  siban  (s.  oben  7)  bietet  Otfrids  nitcan 
2,  4,  3  (nach  den  Hss.  V.  D.  F.;  vgl.  auch  mhd.  in  Weinholds 
Bair.  Gr.  §  258  und  Alem.  Gr.  §  326  belegte  niwen^  newen\ 
dessen  w  zufolge  der  S.  102  in  der  Fußn.  für  den  M-Schwund 
fixierten  Chronologie  nicht  altes  m,  sondern  den  intervokalischen 
Gleitlaut  von  altem  ni-un  repräsentiert  (in  aws.  nij^an^  spätws. 
ny-.,  neojfln  ist  das  -a-  zu  beurteilen  wie  in  ws.  siofan  usw.). 

Hervorzuheben  ist  noch,  daß  in  den  north.  Denkmäleni 
nui*  flektierte  Formen   (nione^  ni^one^  -a)  erscheinen;   doch   ist 


1)  Zu  den  nichtrüstr.  Formen  mit  (i)ö  halte  man  die  Behandlung 
von  aus  *iu  stammenden  bezw.  durch  Kontraktion  entstandenen  aofries. 
Diphthongen :  rüstr.  iö  vor  Dental ,  sonst  lö,  in  den  andren  Mundarten 
immer  iü  (s.  Gramm.  §  24).  Hieraus  ergibt  sich,  daß  die  »u,  iö  der 
Numeralia  nicht  auf  gemeinsames  iu  aus  i  vor  u  der  Folgesilbe  zu- 
rückgeben. 


Zum  germanischen  Zahlwort.  105 

die  ehemalige  Existenz   von   regelrechten  *ni;^o  bezw.  *nio  zu 
erschließen  aus  tSo  (s.  unten  10). 

10.  Zehn.    . 

Als  direkte  Portsetzung  von  *dekfii  erscheint  got  iaihun. 
Auf  urwestgerm.  Prototyp  mit  -a-  bezw.  -o-  in  der  Endsilbe 
gehen  dagegen  zurück  ahd.  zehan^  as.  iehan^  tian  (aus  *te-an, 
vgl.  Holthausens  Gr.  §  83),  aofries.  tiän  (vgl.  Gr.  §  6  ö),  awfries. 
tien  (s.  PBrB.  19,  421),  mnl.  tien  (aus  *tian  für  *te'an^  vgl. 
mnL  sien  *  sehen',  gien  =  ahd.  jehan  usw.),  north.  tSa  (aus 
*ta-a)  R*.  L.  Rit:  *-om  für  *-wm  oder  etwa  *'0n  für  *-tin 
durch  Einwirkung  der  Hundertzahl  mit  *'Oin  bezw.  *-(m;  Er- 
haltung des  Endungskonsonanten  und  folglich  auch  späterhin 
des  davor  stehenden  Vokals  durch  Anschluß  an  das  an- 
gelehnt«  Ordinale  mit  *'(m-  für  *-«»-*).  North,  neben  tia  R* 
überliefertes  tio  (aus  *te-o)  R^  hat  aus  *ni;^o  entlehntes  -o  (eine 
Torstufe  *tehun  hätte  tto  ergeben,  vgl.  das  oben  7  zu  siofan  usw. 
erörterte). 

Aus  den  Umlaut  (s.  gleich  unten)  aufweisenden  ws.  tien^ 
tyn,  ist  auf  Grund  der  nicht  strengws.  Nebenform  Un  (wegen 
dieses  Lautes  für  ie  aus  ia  vgl.  Sievers  Gr.  §  97,  Anm.,  Bülbring 
§  183,  Anm.)  Einwirkung  von  *(-)t{eni  usw.  (s.  unten)  zu  erschließen 
(ein  indirektes  Zeugnis  für  *tehan  gewähren  auch  endUfan  usw., 
s.  unten  11).  An.  ti-o  muß  auf  Analogiebildung  von  Hi-u  nach 
*»f-M  (woraus  ni-o)  beruhen:  altes  *tehan  ist  eben  zu  folgern 
aus  'tidn  (s.  unten  13  A;  wegen  des  anzusetzenden  *ti-u  beachte 
das  in  11  zu  on.  (ellivu  bemerkte). 

In  vielen  altwestgerm.  Pormen  liegt  die  Polge  vor  von 
Anlehnung  an  die  flektierten  bezw.  an  die  analogisch  durch 
*-f  (woraus  *-t)  erweiterten,  in  der  Zusammenrückung  verwandten 
Bildungen  (wegen  letzterer  s.  unten  13  A),  deren  VokaJismus 
durch  Umlaut  bezw.  Assimilierung  geändert  war:  ahd.  zehen^ 
zen,  as.  tehin,  tein  (mnd.  und.  fem),  aonfrk.  ten  (aus  tehen\  ws. 
Um  usw.  (s.  oben),  kent  merc.  north.  Un  (=  nicht  strengws. 
Ün)  mit  i  durch  Umlaut  aus  6a, 


1)  Abzuweisen  ist  Brugmanns  (in  MU.  5,  143  unter  Berufung  von 
Sigifrid,  Winifrid  gegen  fridu,  Liobwin,  Friduwin  gegen  wini  aufgestellte) 
Tt^se  "*'Ukun  über  ^-iehp  lautgesetzlich  zu  *'tehan*" :  durch  die  Erhaltung* 
von  -n  wurde  Synkope  von  -u-  verhindert. 


106  W.  van  Hellen, 

11.  Elf. 
Blackbum  möchte  (im  Joum.  of  Germ.  Philol.  1,  72  ff.) 
ainlif  usw.  imd  twalif  usw.  fassen  als  *eins  bezw.  zwei  als 
Zuwachs  enthaltenden  (Zehner)';  doch  fehlt  mit  Rücksicht  auf 
die  semantische  Punktion  zugehöriger  bäeiban,  biliban  usw.,  ags. 
Idfan  *relinquere*,  got  laiba,  ags.  Idf^  as.  leba  *Rest*  usw.  die 
Berechtigung  der  Annahme  einer  solchen  Bedeutung.  Daß 
infolge  der  Verquickung  des  Dezimal-  und  des  Duodezimal- 
systems die  eine  oder  die  andre  zu  einer  Wurzel  =  *zurück- 
lassen*  stehende  Bildung  als  Ausdruck  für  *elf ,  *zwölf  bezw. 
*elfter',  'zwölfter*  verwandt  werden  konnte,  ist  aus  dem  Lit.  zu 
ersehen:  zunächst  aus  alit.  lekas  'elfter*,  eig.  *der  inbezug  auf 
den  Zehnten  überbleibende',  untrem  lekctö  'zwölfter*,  eig.  Mer 
zweite  inbezug  auf  den  Zehnten  überbleibende*;  sodann  auch 
aus  lit.  ventl-lika^  dvy-lika^  für  *elf ,  'zwölf  verwandten  Aus- 
drücken, die  mit  Rücksicht  auf  die  Nachbildungen  try-lika^ 
keturiö-lika  usw.  auf  Verbindung  des  Kardinales  mit  einem  'Rest* 
bezeichnenden  Neutr.  Sing.  bezw.  Dual.  (=  'ein  Rest',  'zwei 
Reste*)  zurückzuführen  sind  (vgl.  Brugmanns  Grdr.  2,  488,  wo 
auch  auf  den  Übergang  von  eig.  den  Bezeichnimgen  für  'drei- 
zehn* usw.  zukommendem  -lika  aus  dem  Nom.-Akk.  PL  N.  in 
den  Nom.  Sing.  F.  hingewiesen  wird).  Als  die  Resultate  einer 
ähnlichen  Verquickung  nun  sind  auch  urgerm.  Komposita  mit 
Suffix  '*otn  anzusetzen  (Komposition  geht  hier  hervor  aus  ttca- 
von  got.  tivalif  und  aus  auf  *tua-  beruhenden  zwe-^  twe^  usw. 
von  ahd.  ztcdif^  as.  tteelif  usw.),  d.  h.  substantivierte  Bahuvrihi- 
Bildungen,  die  'eins*  bezw.  'zwei  als  Rest  Enthaltendes*  bezeich- 
neten und,  in  der  Folge  durch  regelrechten  Verlust  der  alten 
Endung  des  Nom.-Akk.  Sing,  in  die  Kategorie  der  vorangehenden, 
von  Haus  aus  endungslosen  Zahlwörter  eintretend,  einerseits 
auch  adjektivische  Funktion  übernahmen,  andrerseits  indeklinabel 
oder  nach  der  substantivischen  f-Deklination  flektiert  verwandt 
wurden.  Alte  schwebende  Betonung  der  in  Rede  stehenden 
Komposita  ergibt  sich  aus  got.  ainlibim^  twalib€^  -im  neben  ahd. 
eirdif^  ztcdip).     Daß    der  zweite   Kompositionsteil  bereits  zur 


1)  In  as.  twelifi,  -(»>  Colt.  1270.  2820.  2904.  3992.  4479.  4691,  Gott 
Mon.  1Ö86  usw.  neben  twelibi,  -io,  twelivi  Mon.  (aber  auch  Gott.  787  twdivi) 
kann  nur  durch  twelif  veranlaßte  Schreibung  vorliegen,  weil  altes  f 
intervokalisch  im  As.  zu  b  geworden  war  (vgl.  PBrB.  20,  511). 


Zum  germanischen  Zahlwort.  107 

Zeit  der  Umlautsentwicklung  nicht  mehr  als  solcher  empfunden 
wurde,  ist  zu  entnehmen  aus  ztve-^  ttce-  usw.  und  aus  ags.  «n(rf)-, 
en(d)lefan  usw. 

Durch  jüngeren  Anschluß  an  das  vorangehende  Zahlwort 
wurde  die  durch  Apokope  gekürzte  Elfzahl  manchmal  wieder 
erweitert:  as.  elevan^  ellevan  (nach  tehan\  ags.  en(d)lefan  usw. 
(nach  altem  *Uhan]  die  kurze  Form  findet  sich  noch  in  north. 
cdlef  L),  nml.  Meven^  mnd.  aus  €lf>ene  'die  Zahl  11'  zu  er- 
schließendes *rf(fo)twt,  aofries.  andlova^  äUewa,  eUetm  usw. 
(s.  Gramm.  §  22t)  mit  -a  für  *-an  (nach  *tehan)\  wn.  ellefo  usw. 
(vgl.  ö-o),  on.  (BÜivu  usw.  (nach  */i-M,  w^oraus  tf-o;  wegen 
der  durch  die  Vokalbalanz  bedingten  -m,  -o  vgl.  Noreens 
Gr.  §  143);  ws.  endlufon^  -lyfon  neben  endlufan^  -lyfan 
nach  dem  Muster  von  ni^on^  -an^  siofon^  -on,  seofon^  -an. 
Beachtenswert  sind  unter  diesen  erweiterten  Formen  die 
statt  -1-  ein  -u-  oder  daraus  geschwächtes  -o-  gewährenden 
Belege,  deren  Vokal,  im  Hinblick  auf  daneben  stehende 
ags.  ti€df  usw.,  aofries.  twd(e)f^  twilif^  an.  ttuüf^  tdf,  die  keinen 
zu  u  gewordenen  schwachtonigen  Ultimavokal  aufweisen,  Ent- 
wicklung von  u  aus  i  in  mitteltoniger  Silbe  vor  spirantischem 
Labial  erschließen  läßt:  ws.  encUufan^  -on  (mit  encUufta), 
rüstr.  andlova  (mit  andlofta)^  anorw.  cMugu  (wegen  des  g 
s.  Noreens  Altisl.  Gr.  §  248),  aschw.  cellovo  (mit  ceUofte),  adän. 
cEÜuüce  (mit  cMufte).  [Daneben  mit  durch  Anlehnung  au  die 
einstmals  (neben  der  erweiterten  Bildung  gangbare)  kurze 
Form  erhaltenem  -i-  oder  dafür  eingetretenem  -e-  (-«-) 
bezw.  synkopiertem  Vokal  ws.  en(d)lifan^  -lefan  usw.  (mit 
en(d)lift(ij  -Ufta)^  merc.  enlefan  (mit  öpZ-,  ellefta)^  north.  ceUefne 
R*  (mit  ceUefta  L),  (den  aofries.  in  nichtrüstr.  Quellen  über- 
lieferten eUeva^  -«,  eleve,  elleven,  allewa^  altvena,  -e  usw.  mit 
eü-,  deßa^  allefta^  cdfla  kann  alte  Form  mit  -t-  oder  nach  §  75 
der  Gr.  mit  -m-  zugrunde  liegen),  aisl.  ellefo  (mit  eUepte\ 
anorw.  ceUifu  usw.  (mit  cdlifti)^  aschw.  cellivu  (mit  ceUipte)^ 
adän.  cMceva  usw.  {mit  ceUefte)^  außerdem  durch  Verschmelzung 
von  -lit-  und  -lub-  entstandene  ws.  encUeofan  (mit  endleofta\ 
anorw.  *cMiufu  (mit  ceUiuftr^  vgl.  anorw.  cellugu  aus  *cellufu\ 
aschw.  ceüiuvu  (mit  ceUiufti;  vgl.  aschw.  cellow  für  *celluvu)'j 
die  von  Noreen  in  Altisl.  Gr.  §  227,  2  und  Altschw.Gr.  §  243, 
484,  Anm.  4  für  die  iw-haltigen  Formen  angenommene  Kom- 
promißbildung  aus   ceUifu  und   hieraus   durch   fr- Synkope  vor 


108  W.  van  Helten, 

u  entwickeltem  *cBlliu  empfiehlt  sich  nicht  wegen  der  ähnlichen 
WS.  Formen  mit  -eo-y). 

Wegen  ags.  öpw(rf)-,  en(d)-,  örf-,  el-^  aofries.  and-,  cd-,  d-  (e- 
f  ür  el-\  aisl.  cZ-,  anorw.  aschw.  cel-  s.  Sievers'  Ags.  Gr.  §  100,  Anm.  3. 
188,  Anm.  1.  198,  Anm.  1,  Bülbrings  Ags.  Gr.  §  170,  Anm.  337. 
347.  534.  547,  Aofries.  Gr.  §  121.  105  und  IF.  7,  341,  Noreens 
Aisl.  Gr.  I,  §  123«).  257,  4,  Aschw.  Gr.  §  80,  II,  2.  Assimilierung 
gewähren  auch  as.  dlemn,  elevan,  nml.  eUJs)f,  mhd.  eU{i)f\  Epen- 
thesis begegnet  ebenfalls  in  tyrol.  aindlif. 

12.  Zwölf. 

Außer  dem  bereits  in  11  zu  diesem  Zahlwort  bemerkten 
ist  noch  folgendes  herv^orzuheben. 

Gegenüber  ahd.  zipelif,  as.  twelif,  aofries.  itpd(e)f,  ags.  ttcdf 
(wegen  neben  ttodf  begegnender  altkent  merc.  itücdf,  north. 
tucdf  vgl.  Bülbrings  Gr.  §  168,  Anm.  2  und  Sievers'  Gr.  §  156) 
finden  sich  mit  nicht  umgelautetem  Vokal  mnl.  tuxüef^  tioadf 
(neben  txcelef,  ti4?eelf\xnd  nach  eifo/*  umgebildetem  ttvellef,  s.  Francks 
Mnl.  Gr.  §  239  und  meine  Mnl.  Gr.  §  20  c),  mnd.  auf  as.  *twalif 
hinweisendes  ttvalf  (neben  ttvelef,  twdf);  die  Form  geht  wohl 
zurück  auf  *tualllh,  worin  mitteltoniges  i  das  a  nicht  beeinflußte 
(salfrk.  tucdify  s.  PBrB.  25,  263,  gehört  einer  Sprachperiode  an, 
die  noch  keinen  Umlaut  kannte). 

Statt  tioelef  der  aofries.  Quellen  bieten  die  awfries.  tolef 
mit  durch  Kombination  der  für  u  erforderlichen  Lippenstellung 
und  der  für  e  erforderlichen  Zungenlage  gebildetem  Laut: 
behufs  des  Umlauts-e  finden  Hebung  der  Zunge  (ohne  Wölbung 
ihres  Rückens)  und  intensive  Mundwinkelbildung  (wie  beim  i 
und  f,  j)  statt;  behufs  des  labialen  Mitlauters  werden  die  Lippen 
(oder  die  Unterlippe)  vorgestülpt  und  der  untere  Zungenrücken 
intensiv  (konvex)  gewölbt;  bei  einfacher  Hebung  der  Zunge 
(ohne  Wölbimg  ihres  Rückens)  und  labialer  oder  labio-dentaler 
Mundstellung  entwickelt  sich  als  vokalischer  Laut  ein  o;  zwischen 
ue  und  o  liegt  wohl  als  Mittelstufe  durch  u  affizierten  Vokal 
gewährendes  mo,  wofür  durch  Attraktion  go,  woraus  o. 

1)  Wegen  der  erwähnten  Belege  s.  Sievers'  Ags.  Gr.  §  325.  328, 
Aofries.  Gr.  §  22 y,  Noreen  in  PGr.*  1,  629  f.  Beachte  noch  spätws.  sufon 
(Sievers'  Gr.  §  325)  neben  seofon^  -an  nach  endlufon  neben  endleofan. 

2)  Der  daselbst  §  54,  3  a  vorgeschlagenen  Herleitung  des  Zahlwortes 
aus  än-lib-  (mit  hochtonigem  -lib')  widerspricht  die  aus  run.-schw.  twUf, 
an.  tolf  sich  ergebende  schwache  Betonung  von  -/ift-. 


Zum  germanischen  Zahlwort.  109 

Auch  in  nnd.  twSbf,  iwSlf  (s.  PBrB.  10,  552,  Danneil  und 
Schambach  i.  v.X  mhd.  nhd.  zwSlf^  north,  iuoelf  liegt  Einwirkung 
von  w  vor:  die  für  diesen  Mitlauter  erforderliche  Wölbung  des 
unteren  Zungenrückens  erhält  sich  noch  während  der  Artikulierung 
des  Vokals  und  die  Verbindung  dieser  Wölbung  mit  der  für  Um- 
lauts-« erforderlichen  Mundwinkelbildung  (und  Zungenhebung) 
veranlaßt  die  Entstehung  eines  Vokallautes  ö. 

Durch  fortgesetzte  Einwirkung  von  i  der  Folgesilbe  für 
Umlauts-6  eingetretenes  i  erscheint  in  aofries.  (ßüstr.)  twilif  (vgl. 
meine  Gr.  §  26,  Anm.  3),  as.  twüif  der  Freck.  Heb.  (nach  beiden 
Handschriften)  und  mhd.  zwüf  in  Grimms  Weisth.  3,  597.  Daraus 
durch  Beeinflussung  vonseiten  des  vorangehenden  Mitlauters 
(vgl  das  oben  in  5  zu  fümf^  fumf  bemerkte)  as.  twtdif  der 
Freck.  Heb.  (nach  beiden  Handschriften)  mit  ü  oder  w,  mhd. 
zwülfte  und  zwulf. 

Wegen  mhd.  zuxdf^  nnd.  (s.  Brem.-Niedersächs.  Wtb.)  ttvolf 
(ob  der  nmd.  Beleg  tux)lef  mit  o  oder  o,  vgl.  oben  erwähntes 
nnd.  ttvSbfj  zu  lesen  ist,  läßt  sich  nicht  ermitteln)  vgl.  die  oben 
zw  awfries.  tolef  angesetzte  Vorstufe  tudef. 

Mhd.  ztüeilf  beruht  auf  Anlehnung  an  eüf. 

Den  an.  Bildungen  ellefo^  ceUifu^  cMovo  usw.  (s.  oben  S.  107) 
stehen  run.-schw.  tualf  (Rök)  und  on.  wn.  iclf  (wn.  einmal  noch 
iwif)  mit  Synkope  gegenüber:  sekundärem  Endungsvokalschwund, 
dem  das  -a  von  Htuüiba  (vgl.  oben  11  im  Anfang)  zum  Opfer 
fiel,  folgte  in  den  an.  Dialekten  ein  jüngerer,  der  nur  den  nach 
kurzer  Tonsilbe  stehenden  Laut  traf;  daher  ^woZ/*  neben  *«/&/usw. 
Mit  Rücksicht  auf  die  nach  Noreens  Altisl.  Gr.  §  74,  10,  Altschw. 
Gr.  §  72  durch  Mitwirkung  eines  folgenden  Labiallautes  bedingte 
Entstehung  von  (u)o  (aus  up  für  m)  nimmt  besagter  Forscher 
am  ersten  a.  0.  ein  tdfum  aus  ttccdfum  als  den  Ausgangspunkt 
der  Neubildung  an;  indem  aber  für  die  Zeit  besagter  o-Ent- 
wickelung  die  Existenz  weder  von  erhaltener  Flexion  der  Zahl- 
wörter (nach  *\der*;  vgl.  oben  1  am  Schluß)  noch  von  für  -im 
substituiertem  -um  erwiesen  oder  wahrscheinlich  zu  machen, 
dürfte  es  sich  empfehlen,  die  o-Entwickelung  auf  Rechnung  des 
nach  /  stehenden  Labialkonson.  zu  stellen. 

13.  Dreizehn  —  neunzehn. 

A.  In  einigen  germ.  Dialekten  stimmt  der  zweite  Teil 
der  Zusammenrückung  formell  mit  dem  Simplex  überein:  got 


110  W.  van  Hellen, 

fidwörtaihun^  *fimftaihun  (vgl.  fimflaihundim)  neben  taihun;  ahd. 
viorzehan^  fiorssdien^  vinfzehen^  finfzen^  sehszen^  ahUxzehen  usw. 
neben  zehan^  -^i,  zm',  as.  ahtetian  neben  tian  in  der  Ess.  Heb., 
thtiu-^  thrüiein^  fiertein^  fiftein^  se(h)gtein  usw.  neben  tein  (vgl 
oben  10)  in  der  Freck.  Heb. ;  mnl.  dertien^  vier-^  veertieit,  vijftien  usw. 
neben  tien.  In  anderen  Mundarten  ist  Verschiedenheit  der  Formen 
zu  beachten. 

Ws.  stehen  den  Simplexbildungen  tüfif  iyn^  tin  (s.  oben  10) 
als  unflektiert  verwandte  Attributiva  Formen  mit  -«,  driotyne, 
"Une^  feotcer-^  fiftiene^  -tyne^  -Une  usw.,  gegenüber:  als  Aus- 
gangspunkt ist  hier  die  alte  mask.  und  fem.  Dreizehnzahl  *pn 
tehani  anzunehmen  mit  dui'ch  Einwirkung  von  ßri  dem  zweiten 
Teil  der  Zusammenrückung  angehängtem  -f,  das  als  solches  oder 
gekürzt  in  die  andren  Verbindungen  eindrang. 

Auf  gleichem  Wege  entstanden  auch  aofries.  neben  tiän 
(vgl.  oben  10)  verwandte  threttene,  fiüxcertine^  -tene^  fiftine^  -iene  usw. 
(s.  Gr.  §  284.  237)  und  awfries.  neben  tien  gangbare  tretten, 
fiörten,  fifteen^  savnteti^  säntfne  usw.  (s.  v.  Richth.  i.  voce; 
seltener  duich  Anschluß  an  das  Simplex  trettiin  H  65,  sautventien 
H  68,  fioertim  v.  R.  516,  23,  fiiiertiensta  W  63,  10,  achti€nsia 
W  67,  26  usw.);  die  Bildungen  ohne  -e  (mitunter  auch  in  jüngerer 
aofries.  Quelle  erscheinend,  z.  B.  fiowrtßn  E^  208,  26)  durch 
junge  Apokope;  -ten-  aus  *-te(h)€n-;  -tin'  aus  durch  Einwirkung 
von  Hi-an  (woraus  belegtes  tiä7i)  für  ^-te-efi-  eingeti-etonem  ^-ti-en-. 

Über  dem  an.  ti-o  gegenübei-stehende  -tidn^  -tdn  wurde 
bereits  oben  1  am  Schluß  einiges  bemerkt.  Für  -Wn,  das  on. 
nahezu  absolute  Alleinherrschaft  errang  (wegen  on.  Spuren  von 
'tidn  s.  PGr.2  1,  630,  §  231),  hat  Noreen  (Arkiv  f.  nord.  FU.  3,  26) 
die  Notwendigkeit  einer  Zurückführung  auf  *-tahan  erkannt. 
Nur  wäre  hier  nicht  got.  -tehund  heranzuziehen  (vgl.  unten  15), 
sondern  ein  nach  Art  von  aid.  säptam  'Siebenzahl',  sähasram 
*Tausendzahr  (zu  sapta^  sähasram)  durch  Vokaldehnung  sowie 
durch  Anhänguug  von  ^Suffix  (vgl.  Brugmanns  Grdr.  2,  365  ff.) 
gebildetes  Derivatum  ^d^^hjit  anzusetzen,  das,  vor,  während  oder 
nach  der  Lautverschiebung  in  die  Kategorie  der  indeklinablen 
Zahlwörter  eingereiht,  zunäckst  Hd^hun  und  *tähun  ergab  (einem 
Rest  des  -u-  begegnet  man  noch  in  pntaunti  Mreizehnte*  der 
Rök-Inschrift),  dessen  Endung  dann  durch  Einfluß  von  *feAaM 
mit  -an  vertauscht  wurde.  Die  normale  wn.  Verteilung  von  -idn 
und  'tidn  (meist  prettän^  fiogor-,  fiugur-^  fiörtdn^  fimtan^  sextdn 


Zum  germanischen  Zahlwort.  111 

und  siautiän^  dttidn^  nüidn^  iuüiän  usw.,  s.  Noreens  Altisl.  6r.  §  439 
mit  Anm.  446,  Anm.)  schreibt  sich  her  von  siau-^  siötidn  (Bevor- 
zugang  von  -tidn  durch  Einwirkung  von  «j-),  das  die  Erhaltung 
von  -tidn  in  den  folgenden  Zahlwörtern  zuungunsten  der  sonst 
fortwuchemden  Nebenform  -tän  förderte. 

B.  Auch  bezüglich  des  ersten  Teils  einzelner  Zusammen- 
rückungen  ist  einiges  hervorzuheben  (wegen  der  Chronologie 
der  Verbindung  vgl.  das  unten  14  A  zu  driztig  usw.  bemerkte). 

Von  den  Fortsetzungen  von  alten  *ßri  bezw.  *ßriR  tehan 
ISoTXL  M.  F.,  *priu  tehan  Nom.-Akk.  N.,  *prinn  tehan  bezw.  tahan 
Akk.  M.  F.,  *primR  tahan  ist  die  eine  oder  die  andere  ver- 
allgemeinert: ahd.  triz^ne;  as.  thriu-^  thrütein^  mhd.  driuzehen^ 
-zen  (neben  drizehen^  -zen),  ws.  driotyne^  -tdne;  mit  ett^  astt  aus 
♦in(fi)  +  i  (vgl.  Noreens  Altisl.  Gr.  §  257,  2  und  106,  1,  Altschw. 
Gr.  §  83,  1  und  235,  1,  b)  wn.  ßrettdn^  run.-agutn.  ßrettdn  (wegen 
der  hier  und  im  folgenden  erwähnten  Belege  s.  Noreens  Altisl. 
Ör.  §  439  mit  Anm.,  Altschw.  Gr.  §  484),  aschw.  prcettdn^  woneben 
durch  Anlehnung  an  die  z.  T.  belegten,  z.  T.  anzusetzenden 
Akkusative)5r^,/röP  (s.  oben  3)  anorw.  (^qM.)  pritidn^  agutn. /r^^n, 
aschw.  (seit)  Prcktdn,  durch  Anlehnung  an  den  Nom./n  (vgl. 
Noreens  Altschw.  Gr.  §  321,  2,  b)  run.-schw.  aus  ßritaunti  der 
Rök-Inschrift  (s.  oben)  zu  folgerndes  *ßritaun  bezw.  -tdn^  durch 
Kompromiß  aschw.  (seit)  ßrittön  (das  a  von  aschw,  ßrattdn  mit 
PraUdnde  ist  mir  dunkel);  aus  anorw. ßrentdnde^  aschw. ßrcentdndi 
(s.  Noreens  Grammatiken  §  446,  Anm.  und  493,  Anm.  1)  zu 
folgernde  *ßrentän^  *ßrcerUdn  mit  ßren-^  ßrcen-  aus  *ßrem  (vgl. 
Noreens  Grammatiken  §  250,  2  und  272,  1). 

Auch  wgerm.  begegnen  Bildungen  mit  (nattlrlich  nicht 
aus  nt  entwickeltem)  U:  ws.  dreottyne.,  -Une  (später  vereinzelt 
ßrytUne)'^  mnd.  auf  Hhrittien  hinweisendes  derten  (wegen  der 
Metathesis  von  r  vor  kurzem  Vokal  +  tautosyllabischem  Dental 
vgl.  rand.  bersten,  borne,  borgt.,  derschen^  verst  'Frist'  usw. ;  wegen  e 
aus  i  vor  r  beachte  mnd.  erre  *irre',  'zornig',  herde  pastor,  kerke^ 
kerse  usw.);  und.  dertein  (Schambach),  dartein  (Berghaus,  Ten 
Doomk.  Koolman)  mit  jüngerem  ar  für  er  aus  Hhrüteln\  und. 
dortein  (Danneil,  Berghaus,  Schütze)  aus  Hhrüttein  (o  für  ü  vor  r 
wie  e  aus  i) ;  mnd.  auf  Anlehnung  an  thrü  (aus  thriu)  beruhende 
drüUien,  -ten,  -tein^  und.  drilttein^  -tun  (Berghaus,  Danneil,  Woeste), 
dryta^  drytün,  d.  h.  dryttaen^  -tian  (Holthausen,  Soester  Mund- 
art §  395  und  PBrB.  10,  552);  mnl.  auf  Hhrittien  zurückgehendes 


112  W.  van  Helten, 

dertien  (wegen  der  Metathesis  s.  Francks  Mnl.  Gr.  §  106  und 
meine  Mnl.  Gr.  §  120,  wegen  des  e  aus  i  vor  r  Franck  §  71); 
aofries.  threttene^  awfries.  trettin  mit  e  für  durch  Anschluß  an 
ihre  (s.  oben  3)  entstandenes  e.  In  all  diesen  Bildungen  Dehnung 
von  t  nach  Analogie  von  lautgesetzlich  entwickelten  dd  des 
Ordinals  (vgl.  auch  ags.  drittig  usw.,  unten  14  D)  >). 

C.  Zur  Bezeichnimg  von  Vierzehn*  begegnen  mit  dem 
Nom.-Akk.  N.  der  ersten  Zahl  (vgl.  oben  4)  gebildete  wn.  fuh 
gortdn  {fiugurtdn\  on.  fiughurtdn  (fioghartdn).  Hiemach  dürften 
mit  dem  Nom.-Akk.  M.  F.  gebildete  wn.  ^fUrer-^  ^fUra-,  *fi&rartdny 
on.  *fiürirtdn  usw.  zu  vermuten  sein,  woraus  die  überlieferten 
Formen,  die  durch  Anschluß  an  die  folgenden,  unflektierten 
ersten  Teil  gewährenden  Zahlen  Kürzung  erlitten,  näniL  wn. 
fiörtdn  (fiürtdn)^  on.  fiürtdn  (wegen  on.  /iwr-,  fiartdn  beachte 
Noreens  Gr.  §  90.  120).  Außerdem  finden  sich  wn.  fiogrtdn 
ifiugrtdn)  und  aus  *fiughrtdn  durch  Svarabhakti  (vgl  Noreens 
Altschw.  Gr.  §  484. 160)  hervorgegangene  aschw.  fiugher-^  fioghir-^ 
fyogh^fßrtdn:  Monosyllabierung  von  fiogor-^  finghur-^  welche  die 
zusammengerückte  Bildung  in  Übereinstimmung  brachte  mit 
einsilbigen  ersten  Teil  enthaltenden  prettdn^  finUän  usw.  (anders 
Noreen  in  Svenska  etymologier,  41,  wo  fiogr-  als  durch  par- 
tiellen Anschluß  an  fiogor  für  *ßodr-  eingetretene  Neubildung 
gefaßt  wird;  man  vgl.  aber  die  zugunsten  unserer  Fassung 
sprechenden,  unten  in  G  erwähnten  Parallelbildungen). 

Dialektisch  vor  r  +  durch  Mundkanalverschluß  gebildetem 
Dental  aus  Diphthong  ie  (d.  h.  ie")  entstandenes  (geschlossenes) 
e  ei-schoint  in  holl.-mnl.  neben  iHer  verwandten  feertien^  -tich 
(in  den  andern  Mundarten  fiertien,  -tich;  wegen  der  üblichen 
etymologischen  Schreibung  v  für  f  beachte  unten  S.  120,  Fußn.; 
vgl.  in  holL-mnl.  Quellen  begegnendes  deerne  *Magd'  für  dieme^ 
doch  mnl.  auch  in  Holland  geltendes  vierde  aus  *fiordo  =^  as. 
fiardo^  fierthe-  (wegen  des  Lautprozosses  beachte,  daß  explosiver 
bezw.  nasaler  Dental,  im  Gegensatz  zum  frikativen,  Vorstreckimg 
der  Zunge  erfordert  und  solche  der  Artikulierung  von  {&*  sich 
zugesellende  Yorstreckung  Aussprache  von  e  veranlaßt). 


1)  Die  von  Bülbring  in  seiner  Ags.  Gr.  §  M9  für  dreottyne  usw. 
angenommene  Kürzung  von  langem  Vokal  in  olTener  Silbe  vor  Nebenton 
ist  unwahrscheinlich,  weil  die  Mundarten,  die  auf  *thrütien  usw.  be- 
ruhende Formen  bieten,  keine  mit  ags.  ^emetttn^,  ^eliccettan^  örynnes  u.  dgl. 
zu  vergleichenden  Bildungen  gewähren. 


Zum  germanischen  Zahlwort.  113 

D.  Für  die  Deutung  von  in  heutigen  süd-  und  mittel- 
deutschen Mundarten  gangbaren  fufzehn^  fuchzehn^  f^f^^  fuchzi^ 
fufzina^  fuchzina^  fufzehe^  fufzn  nebst  fufzig^  f mhzig ^  f^^f^i 
fuchzg^  fufzk^  fuchzk  (auch  sächs.  faachzk)  und  fufte  (wegen 
Belege  s.  D.  Wtb.  4,  1,  a,  371.  372  und  PBrB.  12,  512,  Fußn.) 
postuliert  Kauffmann  (PBrB.  a.  a.  0.)  im  Anschluß  an  das  KZ.  27, 
193  f.  erörterte  altes  Ordinale  pfqi^to-^  woraus  füht-^  das  die 
durch  Zusammenrückung  entstandenen  Bildungen  beeinflußte; 
femer  Einschleppung  von  f  (für  h)  aus  fimf  und  Kürzung  von 
ü  zn  u  (in  fauchzk  ein  au  aus  nicht  gekürztem  Vokal).  Die 
Fassung  hat  ihr  Bedenkliches  wegen  der  Tatsache,  daß  weder 
in  den  älteren  germ.  noch  auch  in  den  andern  idg.  Dialekten 
eine  Fortsetzung  von  p^q^to-  begegnet.  Den  erwähnten  deutschen 
Formen  stehen  ahd.  mit  Nasal  gegenüber  (erst  mhd.  neben  weit 
häufigeren  finfie,  fünfte,  fünfte,  finf-,  fünf-,  fünfzehen,  finf-,  fünf-, 
fümfzic  usw.,  seltenes  foufzic,  vgl.  oben  5  am  Schluß),  was  zur 
Folgerung  nötigt,  daß  man  in  den  n-losen  Formen  Neubildungen 
zu  erblicken  hat:  zwischen  dem  Vokal  (ü  bezw.  u  aus  i)  und 
folgender  zweifacher  Konsonanz  wurde  der  aus  m  durch  das 
Unterbleiben  des  Mundverschlusses  entstandene  Nasal  (der  nur 
durch  diesen  Nichtverschluß  sich  vom  m  unterschied,  also  mit 
labialer  oder  labio-dentaler  Vorstülpung  und  mit  Wölbung  des 
unteren  Zungenrückens  gesprochen  wurde,  vgl.  oben  5)  syn- 
kopiert, d.  h.  die  für  den  Vokal  und  die  zwei  nichtnasalierten 
Konsonanten  erforderliche  Hebung  des  Gaumensegels  verursachte 
die  Unterlassung  der  für  den  Nasal  erforderlichen  Vorstülpung 
des  Gaumensegels  (vgl.  die  im  D.  Wtb.  8,  1775  und  5,  2647 
zitierten  oberd.  Formen  soft,  säft,  sigenuft,  zükuft)\  so  blieben 
von  der  für  den  Nasal  erforderlichen  Mundkanalstellung  nur 
die  Lippenvorstülpung  und  die  Zungenwölbung  zurück,  die  zu- 
sammen dem  als  Ersatz  für  den  Nasal  eintretenden  vokalischen 
Element  M-Qualität  verliehen;  solches  u  aber  ergab  in  den  auf 
funfzehen  usw.  zurückgehenden  Formen  durch  Kontraktion  mit 
vorangehendem  u  ein  ö,  woraus  einerseits  au  (in  mhd.  foufzic 
Böhm,  und  dem  oben  aufgeführten  fauchzk),  andrerseits  m;  das 
ch  von  fuchzehn  usw.  stammt  aus  sechzehn  usw. 

Durch  einen  andren  Entwickelungsprozeß  entstanden  die 
in  nnd.  Mundarten  neben  ftf  stehenden  föftdn,  -teym,  -ten 
(Schambach,  Schütze,  Dähnert  Danneil,  Berghaus;  Schambach 
verzeichnet  auch  feftein),  nebst   föftig,  föfte  (s.  die  nämlichen 

Indogermanische  Fonchnngen  XVUI.  8 


114  W.  van  Hellen, 

Wtbb.;  bei  Dähnert  auch  fdchJtig)  und  foflein  nebst  foftig,  fofte 
(Brem.-Niedersächs.  Wtb.,  Schütze,  Berghaus).  Im  Mnd.  waren 
neben  viftein^  -tich^  -te  mit  gekürztem  Vokal  auch  nach  sestein 
usw.  umgebildete  veftein^  -tich^  -te  in  Schwang.  Aus  letzteren 
Formen  kamen  Neubildungen  hervor  mit  ö  als  Parallele  zu  ü 
aus  i  in  fümf^  fünf  und  mit  o  als  Parallele  zu  u  in  fumf 
fünf  (s.  oben  5);  das  ö,  indem  bei  der  Artikulierung  des  e 
die  Lippenvorstülpung  die  Mundwinkelbildung  verdrängte; 
das  0,  indem  auch  Wölbung  des  unteren  Zungenrückens  an 
die  Stelle  trat  der  Wölbung  des  oberen  Zungenrückens  (ob 
in  mnd.  voftich^  -te  ein  ö  oder  o  vorliegt,  ist  nicht  zu  ent- 
scheiden). Das  oben  zitierte  föclUig  mit  durch  den  bekannten 
Lautprozeß  aus  f  vor  t  entwickeltem  ch, 

E.  Analogiebildungen  nach  ßftein  usw.  und  foftein  usw. 
liegen  vor  in  nnd.  söstein,  -tig^  -te  (Schütze,  Dähnert,  Danneil) 
und  sosstein  (Brem.-Niedersächs.  Wtb.). 

Wegen  aschw.  saxtän  mit  aus  dem  Simplex  entnommenem 
sax  vgl.  oben  6. 

F.  Daß  in  aisl.  neben  siautidn^  sietftidn  (wegen  des  Umlauts 
dieser  Fomi  s.  Noreens  Gr.  §  62)  selten  auftretenden  sautiän^ 
seytidn  das  i  durch  Dissimilation  geschwunden  sei  (vgl.  Gislason, 
Aarb.  f.  nord.  Oldk.  1879,  S.  160  und  Noreen,  Arkiv  6,  331  f.), 
leuchtet  kaum  ein  (man  beachte  das  oben,  S.  110  f.,  über  die 
Erhaltung  von  wn.  -tidn  bemerkte);  vielmehr  ist  hier  an  Asso- 
ziation an  den  Anlaut  von  seoctdn  (-tidn)  zu  denken. 

0.  Nach  einsilbigen  ci-sten  Teil  der  Zusammenrückung 
enthaltenden  wn.  siaut(i)dn,  sextdn,  fimtän^  on.  siütdn,  8(i)cBxtäji, 
fämtän  richteten  sich  wn.  dt{t)iän,  nitidn^  on.  attän  (woneben  als 
Norm  die  in  Noreens  Gr.  §  266,  Anm.  2  besprochenen  aßertän^ 
atertdn  usw.),  nttdn  mit  dtt-  (woraus  a#-),  w/-  (wegen  der  Vokal- 
dchnung  beachte  Noreens  Altisl.  Gr.  §  118)  für  d«a-,  ni-u-  (vgl. 
das  oben  zu  fiogrtdn  usw.  bemerkte)^). 

Auf  demselben  Wege  entstanden  nhd.  siebzehn  (vgl.  auch 
durch  ähnliche  Faktoren  hervorgerufene  siebzig  und  siebte). 


1)  Wegen  der  nämlichen,  in  Komposita  zu  beobachtenden  Kürzung 
vgl.  wn.  dttrSpr,  niriipr,  -tagr,  tir/ipr  usw.  (Belege  s.  Noreens  Gr.  ^0). 
Auf  solche,  gelegentlich  schon  vor  der  Entwicklung  von  i  aus  e  vor  dunklem 
Vokal  entstandene  Analogiebildung  weist  das  selten  (neben  normalem 
iirSßr)  belegte  aisl.  tSrSpr  hin. 


Zum  germanischen  Zahlwort.  115 

14.  Die   mit  tigjus  usw.  gebildeten    Zehner. 

A.  Als  die  Basis  von  got.  tigjus^  wn.  tiger^  teger  usw.,  on. 
-tighi^r)^  'tiughi  usw.  wird  von  Bragmann  (Mü.  5,  47  f.  und  Grdr. 
2,  491)  zu  aid.  dtUätj  öeKdö-  (nüt  b  für  t)  stehender  Dat.  PI. 
*te^umiz  (mit  *-Mm-  für  *-umm''  aus  *-umtm-)  angesetzt  (ob 
hier  t  oder  eine  Fortsetzung  desselben  synkopiert  wurde,  muß 
natürlich  unentschieden  bleiben);  durch  den  Dat.  entstand  zu- 
nächst ein  Akk.  auf  *'Um  für  *-ww/ww2?;  darauf  veranlaß ten 
die  beiden  Endungen  Übersiedelung  des  Nomons  in  die  w-De- 
klination.  Betreffs  des  von  Streitberg  (UG.  §  167)  gegen 
Brugmanns  These  erhobenen  Einwandes,  man  hätte  wohl  urgemi. 
te^undumiz  mit  'Utniz  aus  -»mis  zu  erwarten,  sei  bemerkt,  daß 
nach  aid.  -bhis  als  die  alte  Endung  der  Konsonantstämme  *-iww 
bezw.  *-tniz  anzusetzen,  das  erst  durch  Analogiebildung  nach 
"^'Omis^  *'imis^  "^-umis  bezw.  *'Omiz  usw.  neben  Akk.  *'Ons,  *-iwÄ, 
*'Uns  bezw.  *-o«2;  usw.  der  Vokalstämme  neben  *-uns  oder  *'unz 
des  Akk.  zii  *'Umis  oder  ^-urniz  wurde.  Wegen  (nach  dem  Muster 
der  vorangehenden  Numeralformen)  indeklinabel  gewordener 
wn.  (der  jüngeren  Sprache  angehörender)  -tigi^  -togo^  -tiigUy  on. 
'tighi^  'tiughi,  -tiughu^  -tyghi  s.  Noreens  Grammatiken  §  440 
bezw.  485. 

Die  *-timiz^  *-unz  konnten  das  Nomen  aber  auch  zum  Ein- 
tritt in  die  konsonantische  Flexion  veranlassen;  und  in  der  Tat 
ist  solcher  Vorgang  für  das  Westgerm,  zu  entnehmen  aus  ahd. 
'Ziig.  as.  -%,  salfrk.  -tkh  (s.  PBrB.  25,  530),  ags.  -«3,  afries. 
'tidi^  die  aus  einem  Nom.  *ti;^ez  (über  Hi^e^  *ti^i)  oder  *ti^tz 
(über  *^i3i)  durch  sekundäre  Vokalapokope  entstanden  (Schwund 
des  ültimavokals  nach  minder  schwachem  Mittelton,  beachte  das 
oben  2  b  zu  bi;^en  usw.  bemerkte  und  vgl.  ahd.  Friduwin^  lAobtcin^ 
Sigifrid^  Winifrid^  ags.  ymJ-,  cynryn  usw.;  daß  die  Zusammen- 
rückung jüngeren  Datums  als  der  primäre  Vokalschwund,  geht 
hervor  aus  alid.  drizug^  as.  thritig^  ags.  rJnttj,  afries.  Dm-,  tntig 
mit  ßin-  durch  Verlust  des  zwischen  primärem  und  sekundärem 
Vokalschwund  verklungenem  z  aus  ^ßriiez;  wegen  der  Chro- 
nologie des  2r-AbfaIls  vgl.  PBrB.  28,  523,  wegen  *-ez  zu  *'iz  zu 
U  oder  *-e^  zu  *-€  zu  U  s.  PBrB.  28,  526,  Fußn.  3).  Die 
Annahme  von  aus  einem  Nom.  der  u-Deklination  -tu^i^  -ti^i  durch 
Kürzung  entstandenen  -zuc^  -tig  wäre  bedenklich:  Anschluß  an 
die  vorangehenden  Nimieralia  hätte  bei  diesen  normaler  Weise 

8* 


116  W.  van  Hellen, 

substantivisch  (nur  ausnahmsweise  durch  Analogiebildung  ad- 
jektivisch) verwandten  Zahlwörtern  vielmehr  Erhaltung  der 
Endung  erwirkt  und  Beeinflussung  der  Formen  durch  zwei  hunt^ 
twe  hunt  usw.  dürfte  nicht  für  wahrscheinlich  gelten  mit  Rück- 
sicht auf  den  abweichenden  Charakter  letzterer  nicht  zusammen- 
gerückten Ausdrücke,  geschweige  noch,  daß  die  Bildungen  mit 
-aruc,  'tig  durch  die  heterogenen,  ^siebzig*  usw.  bezeichnenden 
von  zwei  hunt  usw.  getrennt  waren. 

Betreffs  des  ursprünglich  nur  dem  Dat.  und  Akk.  zu- 
kommenden, aus  e  vor  u  der  Folgesilbe  entstandenen  i  in  wgerm. 
-tig  beachte  das  oben  in  7  zu  sibun  usw.  bemerkte. 

In  wn.  tsg-  erecheint  ein  (nach  Noreens  Gr.  §  74,  3)  in 
nichthaupttonigor  Silbe  vor  w-haltiger  Folgesilbe  aus  e  entwickelter 
Laut  (nicht  iu  aus  haupttonigem  e  vor  u  der  Folgesilbe);  daneben 
stehendes  teg-  enthält  aus  dem  Gen.  stammenden  Vokal,  in  tig- 
liegt  der  im  Nom.  durch  i  der  Folgesilbe  aus  e  hervorgerufene 
Laut  vor.  Neben  on.  -tighi  (=  wn.  ti^er  aus  *H^i(ü)«)  finden 
sich  durch  Anschluß  an  tiughu^  -t  'zwanzig*  (ß.  unten  B)  in 
Schwang  gekommene  -titighu^  -i  (iu  aus  e  nach  Noreen  §  76,  2 
lautgesetzlich  nur  iu  haupttoniger  Silbe)  und  aus  -tinghi  durch 
Umlaut  (vgl.  Noreens  Gr.  §  59,  10)  hervorgegangenes  -lyglii 
(vgl.  im  jüngeren  Wn.  -togo^  -Uigu  nach  tottogo,  tutttigu). 

Das  Wn.  bietet  auch  tog-  (mit  o  durch  qualitative  Schwächung 
für  u)  und  das  Ahd.  hat  in  der  älteren  Zeit  meist  -^i^y,  selten 
-zig  (das  später,  auch  in  der  Fortsetzung  -eg^  Überhand  nimmt, 
indem  die  betreffenden,  stets  häufiger  adjektivisch  verwandten 
Bildungen  bezüglich  ihrer  Endimg  mit  den  Adjektiven  auf  -^, 
-eg  in  Korrespondenz  gebracht  werden).  Sievers  leitet  (PBrB. 
1 6,  235  ff.)  das  u  aus  *a  her  auf  Grund  einer  Lautentwicklung, 
die,  wenn  auch  ihre  Bedingimg  noch  nicht  ermittelt  ist,  dennoch 
ids  Tatsache  zu  gelten  hat.  Für  wn.  tag-  auch  tug-  mit  jüngerem 
u  für  aus  altem  u  geschwächtes  o.  Ahd.  neben  regelmäßigem 
'Zug  öfters  (in  der  älteren  Zeit)  aufti-etendes  -zog  entlehnte  seinen 
Vokal  aus  -zo  von  sibunzo  usw. 

B.  Schwierig  ist  die  Deutung  der  au.  Bezeichnungen  für 
'zwanzig':  aisl.  ttätugu^  tottogo^  anorw.  tytUigu  usw.,  on.  tiughu 
(tyughu)  usw.  Aus  der  ersten  Form  ist  (auf  Vorgang  von  Möller 
und  Meringer,  s.  KZ.  24,  429.  28,  234)  ein  alter  Nom.-Akk. 
Dual.  *tuö  tu^Q  (mit  o^ö^)  zu  erschließen,  worin  die  Endung 
des  Substantivs  zur  Zeit  der  Kürzung  von  ursprünglich  absolut 


Zum  germanischen  Zahlwort.  117 

auslautender  Länge  durch  Anlehnung  au  *tuö  erhalten  blieb 
(vgl  als  Gegenstück  die  Entstehung  von  oben  18  A  postuliertem 
*pn  tthant);  hieraus  regelrecht  *tü  tu^u^  Hütu^u  bezw.  *tüio^o 
(wegen  des  u  und  o  der  Pänultima  und  der  Ultima  vgl.  Noreens 
Altisl.  Gr.  §  139);  als  belegte  Formen  aber  erscheinen  aisl. 
totiogo  aus  nach  dem  Muster  der  Pluralbildungen  entstandenem 
und  zu  sekundärem  Kompositum  verbundenem  Akk.  *tyantu^u 
(wegen  tott-  aus  Huant-  vgl.  Noreens  Gr.  §  74,  10.  257,  2)  und 
durch  Kompromiß  entwickeltes  tuttugu  (auch  orkn.,  s.  Noreens 
Gr.  §  439,  Anm.);  sonst  beachte  anorw.  iyttugti  mit  tiftt-  für 
tuitt-,  das  durch  Substituierung  des  Kompositionsteils  Hui-  (vgl. 
aisl.  tuüiän  ^zwanzig*)  für  tu-  und  Einschleppung  von  langem 
Dental  entstanden  war  (wegen  y  für  ui  s.  Noreens  Gr.  §  74,  13); 
tuUtugu  mit  durch  Anlehnung  an  tui-  nicht  zu  y  verschobenem 
LAut;  tugtugu  mit  durch  Assimilierung  für  txd-  eingetretenem 
tug-,  sowie  auf  *tuö  tejfi  beruhende  tüt(e)guj  tütigu  (mit  i  aus  den 
Pluralbildungen;  Belege  s.  in  Noreens  Gr.  §  439,  Anm.).  Dem 
postulierten  vorwn.  *tuö  te^ö  entspricht  voron.  *tuö  fejö,  das, 
indem  die  Dualendung  des  Substantivs  zur  Charakterisierung 
des  zweifachen  Zehners  genügte,  sein  *tuö  oder  daraus  ent- 
standenes *tü  aufgab;  aus  *fe3Ö  regelrecht  tiughu  (tgughu\ 
woneben  (wegen  der  Belege  s.  Noreens  Altschw.  Gr.  §  484) 
tiughi  (mit  -i  ans  den  Pluralbildungen),  tyghu  (nach  dem  Muster 
von  'tyghi  der  Pluralia,  vgl.  oben)  sowie  im  Anschluß  an  die 
vorangehenden  unflektierten  Numeralia  ohne  Suffix  verwandtes 
Hugh  (vgl.  auch  in  Noreens  Gr.  §  485,  Anm.  3  verzeichnetes 
fänUyiigh). 

Durch  Assoziation  an  nitidn^  dttidn  usw.  entstanden  die 
wn.  (im  Gegensatz  zu  prir  tiger^  fiörer  tiger  usw.)  zusammen- 
gerückten Bezeichnungen  für  ^zwanzig*.  Im  jüngeren  Wn.  und 
im  On.  überhaupt  hat  sich  die  engere  Verbindimg  der  beiden 
Zahlwörter  auch  auf  die  Bezeichnungen  für  ^dreißig*  usw. 
ausgedehnt. 

C.  Zu  den  einzelnen  Zehnern  bemerke  ich  noch  folgendes. 

Der  Fassung  des  ersten  Gliedes  von  ahd.  zumnz\ig^  as. 
iwentig^  ags.  twfnti^  (twcenti^  L)  als  Dativ  (Mü.  5,  48,  Sti*eitbergs 
UG.  §  167,  PBrB.  27,  85  ff.)  wderspricht  ags.  twin-  (twdn-). 
Die  Form  begreift  sich  als  die  Folge  von  Kürzung,  d.  h.  von 
Monosyllabisierung  nach  dem  Muster  von  folgendem,  einsilbiges 
erstes  Glied  enthaltendem  *Prizf4g,  thrftig,  drüi^  (vgl.  das  oben 


118  W.  van  Hellen, 

13G  zu  dttidn  usw.  bemerkte).  Wegen  zt/Pein-  gegenüber  ztcene 
8.  oben  2  a,  S.  91.  North.  tuxBZ^^i  R*i  tunintii  L  (neben 
itoifUi^  L)  beruhen  auf  Anlehnung  an  ttpdi^en,  HuxBne  (vgl 
oben  2a,  S.  91).  Durch  Anlehnung  an  das  /tri-  der  Komposita 
entstanden  afries.  ttcintich  und  die  gleiclüautende  Vorstufe  von 
nmd.  mnl.  ttcintich  (daneben  mnd.  mnl.  ttpe-  der  Komposita 
mit  regelrecht  aus  hochtonigem,  in  offener  Silbe  stehendem  i 
hervorgegangenem  tonlangen  Laut).  Die  Entstehung  von  nhd. 
zwanzig  (gegenüber  mhd.  zweimig  und  an  zume  angelehntes 
zwenzig)  ist  mir  dunkel. 

D.  Den  ags.  dritti^^  mnd.  dertich  (dariich\  driUtich^  nnd. 
dertig  (Schambach,  Woeste,  Holthausen,  Soester  Mundart,  §  395), 
dartig  (Ten  Doomk.  Koolman),  dortig  (Danneil,  Berghaus,  Schütze), 
drilttig  (Danneil),  mnl.  dertig  vgl.  die  oben  13  B  besprochenen 
dreottijne^  dertien  usw.;  außerdem  noch  mnd.  drittichy  nnd.  drittig 
(Schambach)  durch  Anlehnung  an  ßri-  der  Komposita  (woraus 
regelrechtes  mnd.  dre-),  Aschw.  trettiughu  (Nor.  Gr.  §  485,  Anm.  1) 
hat  U  (neben  normüem ßrcHighi^  -tiughi  usw.  und  seltenen  ßritighi^ 
träitighu)  durch  Anlehnung  an  ßrcettän. 

E.  Über  stid-  und  mitteldeutsche  fufzig^  fuchzig  usw., 
mnd.  vef-^  voftich^  nnd.  ßftig^  fochtig^  foftig  (beachte  auch  nach 
PBrB.  1 0, 552  im  Remscheider  Dialekt  foftsex\  söstig  s.  oben  1 3  D.  E. 

F.  Wegen  nhd.  siebzig  vgl.  in  13  G  erwähnte  siebzehn  usw. 
und  das  oben  C  zu  ziveinztig  usw.  bemerkte. 

15.  Die  mit  -hund^  hund-,  ant-  gebildeten  Zehner. 
Nach  Joh.  Schmidt  (Die  Urheimat  der  Indogerm.  24  ff.) 
sollten  got.  sibuntehund  usw.  als  zweites  Glied  den  Plur.  ent- 
halten von  aus  an.  -tdn  (s.  oben  13  A)  zu  erschließendem  ^-De- 
rivatum  *tä*hund:  doch  müßte  man  so  statt  -tehund  ein  -tehunds 
erwarten.  Abzuweisen  ist  ebenso  die  von  diesem  Foi-scher  (a.  a,  0.) 
vorgeschlagene  Deutimg  des  ahd.  zehanzo  (wonach  als  Analogie- 
bildungen sibunzo  usw.)  als  einer  zu  got.  taihuntewjam  (in  fimf 
hundam  taihunteiojam)  zu  haltenden,  'zehnreihige*  bezeichnenden, 
aus  zur  Ellipse  hund{u)  *  Zehner*  gehörendem  telmntä\u)u  ev. 
(durch  Anlehnung  an  das  Simplex  auf  -an)  tehantä*(u)u  ge- 
flossenen Form :  aus  'tä*{u)u  hätte  ahd.  -zä  hervorgehen  müssen 
(nicht  wie  Schmidt  annahm,  -too,  -to,  -zo)  und  die  einstmalige 
Existenz  von  hund  'Zehner'  ist  recht  fraglich  (s.  gleich  unten). 
Näher   kommt   man    zum   Ziel    bei   Brugmanns   Annahme   (in 


Zum  gennaniscben  Zahlwort.  119 

MU.  5,  11  ff.)  von  iaihufUe-hund,  zehanzo  (mit  Ellipse  von  *hunt 
oder  *hund).    Nur  ist  hier  nicht  unter  Ansetzung  von  hund 
'Zehner*  eine  Fassung  des  Ausdrucks  als  b€Kdbu)v  bcKdc  geltend 
zu  machen,    weil    die    idg.  Korrespondenten    von    hund,   aid. 
käam.  avest  soto,  4-KaT6v,  centum,  szimtas^  nur  als  Bezeich- 
nungen  für  'hundert'  begegnen.    Man  kommt  aber  auch   mit 
kund  ==  '100'  durch :  taihunti-hund  und  (als  Prototyp  von  zehanzo) 
^MiofUö  (hund)  =  'hundert  (als  Abschluß)  der  Zehner*,  Hudifte- 
kund,  *tudlifto(hund)  =  'hundert  der  Zwölfer*  (vgl.  aisl.  hundrad 
ÜrM  'lÖO',  hundrad  tdfrMt  '120*   und  beachte  durch  Ausfall 
des  ersten  Teils  der  Verbindung  entstandene  wgerm.  hund^  wn. 
hundrad  =  '100*   und  '120*).    Aus    dem   Prototyp    der  Groß- 
hundertzahl  Htidiftöm  hundom  erklärt  sich  das  analogisch  ent- 
standene i  von  taihunU'hund^  *tehantö(hund).  Hiemach  die  Neu- 
bildungen sibuntehund  usw.,  sibunzo  {*sebuntö  oder  *8ebunt0hundj 
wegen  des  i  für  e  vgl.  oben  S.  99  f.  mit  Fußn.)  usw.,  deren  Be- 
schränkung auf  '70*  und  ff.  verständlich  wird  bei  Berücksichtigung 
der  formellen  Ähnlichkeit  der  alten  Bezeichnungen  für  '70*, 
'90*  und  '100*  (mit  -un-  bezw.  -un-^  -an-)  und  der  Stellung  der 
Achtzigzahl.    Den  erwähnten  Bildungen  vergleichen   sich   ags. 
hundsiofanti^  bis  hundiwdfti^^  aus  hund-  und  gotischen  stbuntg-  usw. 
entsprechenden  Formen,  worin  die  Genitivendung  durch  -ti^i') 
ersetzt  wurde,  es  sei  nach  dem  Muster  der  vorangehenden  Zahl- 
wörter, es  sei  durch  Kompromiß,  indem  neben  den  mit  hund 
gebildeten  Ausdrücken  noch  mit  -tf3(-)  gebildete  für  *70'  usw. 
in  Schwang  waren. 

Identifizierung  mit  hund-  von  as.  ant-  in  antsibunta  Mon.  146 
(Cott.  hat  als  Schreibfehler  ai-),  antahtoda  Mon.  518  (im  Cott. 
ist  anl-  ausgefallen),  Freck.  Heb.  (Wadst  29,  9)  ist  imzulässig: 
Entstehung  von  t  aus  d  vor  *seftwn-,  ^tehun-,  -an-^  *tualif-  ließe  sich 
allerdings  geltend  machen;  aber  ein  a  für  u  der  Hundertzahl 
wäre  ebenso  unbegreiflich  wie  ein  Ausfall  von  antevokaliseh 
anlautendem  h.  Vielmehr  hat  man  hier  auszugohn  von  den  Basen 
*anttehuntö  bezw.  -tehantö^  *anttualiftö  (mit  ant-  aus  *anda-, 
das  in  grammatischem  Wechsel  steht  zu  aid.  dntas  *Ende',  'Grenze') 
=  'Grenze  der  Zehner*  bezw.  'Zwölfer*.  Durch  unrichtige  Fassung 
der  Zusammenrückung  als  aus  ant  -{■  Ordinale  gebildeter  Ver- 
bindung entstand  antahtoda  (aus  *antahtötö;  in  der  einen  sowie 
in  der  anderen  Form  natürlich  Hauptbetonung  des  ersten  Gliedes; 
das  neutrale   Genus  durch   Anlaß  von  hund  bezw.  hunderod): 


120  W.  van  Reiten, 

daneben  durch  Mischbildung  aus  antahtoda  und  *ahtaHg  ein 
*ahtod%g^  woraus  die  beiden  in  der  Ess,  Heb.  begegnenden  Belege 
ahtodoch  durch  vokalische  Assimilierung  und  aktedeg  durch  An- 
lehnung an  ahte  (vgl.  über  diese  Form  oben  8).  ÄntsibutUa  ist 
etymologisch  zweideutig:  durch  Kompromiß  aus  *antsihunda  und 
sibuntig  Mon.  8251  (Gott  -orUig)  oder  aus  '^antsibuntd  und  sibuntig. 
Auf  nicht  belegten  *antsibuntig^  ^antahtotig^  Eompromißformen 
aus  *ant3ibund<i^  antahtoda  und  sibuntigy  *ahtotig  oder  Bildungen 
nach  Art  von  ags.  hundseofonti^  usw.,  beruhen  mnd.  tseventick, 
tachtentich  (mit  analogischem  -en-  oder  mit  -en-  aus  analogischem 
*-w»-)  und  durch  Assoziation  entstandenes  tsestich^  nnd.  tachtig^ 
tachentig  (Ten  Doomk.  Koolm.),  tachtentig  (Frischbier),  tachetUig 
(Brem.-Niedersächs.  Wtb.) :  Schwund  von  an-  durch  Assoziation 
an  die  vorangehenden,  ohne  diese  Vorsilbe  verwandten  Zehner- 
bezeichnungen (Verteilung  des  ersten  Gliedes  in  an-  und  der 
Folgesilbe  zugeteiltes  -<;  ob  *antsibuntig  usw.  durch  Einwirkung 
von  *(fntsibunda  usw.  bezw.  *dnt8ibunt6  usw.  mit  haupttonigem 
ersten  oder  durch  Anlaß  von  sibuntig  usw.  mit  haupttonigem 
zweiten  Teil  gesprochen  wurden,  läßt  sich  nicht  ermitteln). 
Daneben  nnd.  acktig  (Berghaus,  Schütze),  mnd.  nnd.  negentig  als 
durch  Anlehnung  entstandene  Neubildungen  oder  als  Fort- 
setzungen von  alten  *ahtotig^  *niguntig.  Beachte  auch  die  überein- 
stimmenden mnl.  und  mittelostnfrk.  tsestich^  tseventich^  tachtick 
tach{t)entich,  tnegentich  *).  In  niehonte  von  sehs  ende  nichonie  (nach 
hs.  K  der  Freck.  Heb.;  ms.  M.  hat  das  gänzlich  unmögliche 
sesse  etide  nichenteitu  s.  Wadst.  33,  21  und  1)  ist  keinesfalls  ein 
Oenit.  des  alten  ^-Derivatums  zu  erblicken,  weil  -te  als  Genitiv- 


1)  Beachtenswert  sind  noch  die  ndl.  neben  r*>r,  t?t;7(mit  regelrecht 
im  antevokalischen  Anlaut  aus  f  entstandener  stimmhafter  Spirans)  gang- 
baren fieHig^  feertig  (wegen  des  ee  s.  oben  13  G),  fijflig  (geschrieben  vier-, 
reer-j  vijftig^  -tich\  die  mit  Rücksicht  auf  in  den  mnl.  Quellen  fehlende 
tfier-,  tfeer-^  tfijftich  nicht  auf  Assoziativbildungen  zurückzuführen  sind,  die 
ihr  t  durch  Anschluß  an  aes-,  seventich  (für  tses-,  tseventich)  verloren  hätten. 
Die  in  Rede  stehenden  Formen  begreifen  sich  als  Analogiebildungen  nach 
863  {ze8\  seoen  (zeven)  mit  regelrecht  im  antevokalischen  Anlaut  aus  stimm- 
losem s  entstandener  stimmhafter  Spirans  neben  ses-^  seventich  mit  stimm- 
loser Sibilans  aus  ts.  Die  Neubildungen  sind  auf  nicht  zusammengesetzte 
Verwendung  beschränkt:  een  en  veertig^  drie  en  vijftig  usw.  nach  nnl. 
Aussprache  mit  stimmhafter  labialer  Spirans  neben  een  en  zestig^  drie 
en  zeventig  usw.  mit  stimmloser  (der  Aussprache  zuwider  durch  z  dar- 
gestellter) Sibilans  (sonst  dient  nnl.  z  als  Zeichen  für  stimmhafte  Sibilans, 
wie  z.  B.  auch  in  zes,  zeven). 


Zum  germanischen  Zahlwort.  121 

enduBg  unerhört  wäre;  es  liegt  hier  (wegen  der  Lesart  von  K 
als  alt  25U  fassende)  Yersehreibung  vor  aus  nigontech. 

Daß,  wie  Brugraann  (MXJ.  5,  49)  vermutet,  die  Zehner- 
bezeichnungen, welche  durch  die  mit  den  Vorstufen  von  htmd-, 
ant'  gebildeten  Bezeichnungen  für  '100*  und  '120'  eingeführt 
wurden,  gemeingermanisch  waren  und  für  an.  siau  tiger  usw., 
afries.  siüguntich  usw.  bezw.  deren  Vorstufen  Neubildung  anzu- 
nehmen sei,  welche  die  Verbindungen  mit  hund-  usw.  verdrängt 
hätte,  ist  nicht  als  feststehend  zu  betrachten.  Denkbar  wäre 
eben  der  Fall,  daß  die  gemeinten,  zur  Bezeichnung  von  MOO* 
und  '120'  verwandten  Formen  in  den  besagten  Mundarten  nicht 
nur  keine  Analogiebildungen  hervorriefen,  sondern  in  der  Folge 
auch  selber  verloren  gingen. 

16.  Tausend. 

Für  aksl.  tysqita^  tysfita^  lit  tükstantis^  Gen.  -czio  usw.  nimmt 
Hirt  (EP.  6,  344  ff.)  Entlehnimg  an  aus  germ.  ßüsundi  usw.  und 
zwar  im  Gegensatz  zu  Kluge,  der  (PGr.*  1,  491)  in  den  lito- 
slav.  und  germ.  Zahlbezeichnungen  urverwandte  Bildungen  er- 
blickt, die  auf  tüskfpti^  tüskomti  zurückzuführen  wären  (Bugge 
setzt  PBrB,  13,  327  vorgerm.  tüsh^tl,  tüskonUtm),  Zur  Leugnung 
von  Verwandtschaft  nötige  nach  erstgenanntem  Forscher  die 
Berücksichtigung  von  aksl.  -s-,  statt  dessen  einem  ksl.  Lautgesetz 
gemäß  nach  m -Vokal  -ch-  bezw.  -5-  zu  erwarten  wäre.  Das 
Unberechtigte  einer  Ansetzung  von  tüskomti  (und  tüskonti)  sowie 
überhaupt  einer  mit  'hjUi^  -hundi  operierenden  Etymologie  wird 
von  ihm  aus  triftigen  Gründen  vertreten  (a.  a.  0.  S.  345  f.).  Nicht 
befriedigend  aber  ist  das,  was  er  vorbringt  zur  Beseitigung  der 
Schwierigkeiten,  welche  der  Entlehnungsthese  vonseiten  der 
Endungsformen  -qüa^  -fSfa^  -antis  gegenüber  germ.  -imdi  bereitet 
werden :  "Ich  denke  einerseits  an  den  Einfluß  von  desfti^  devftt, 
andrerseits  besonders  an  die  Einwirkung  der  Partizipia  auf  -qSti, 
besonders  da  ja  auch  lit.  tükstantis  als  Partizip  gefühlt  zu  sein 
scheint*'.  Indessen  gibt  es,  wenn  ich  recht  sehe,  eine  Fassung, 
die  uns  der  Mühe,  andren  Mitteln  zur  Hebimg  besagter  Schwierig- 
keiten nachzuspüren  überheben  dürfte,  indem  sie  es  ermöglicht, 
die  lito-slav.  Bildungen  als  von  Alters  her  einheimLsche  zu  deuten 
und  diesen  sowie  den  germ.  Formen  in  lautlicher  und  seman- 
tischer Hinsicht  gerecht  zu  werden.  Durch  *tüs  'Menge,  Masse* 
(Derivatum  nach  Art  von  aid.  bhos-^  lat.  flös  usw.  aus  Wz.  tu; 


122  W.  van  Helten, 

wegen  solcher  Ableitung  und  wegen  erwähnter  Wurzel  vgl.  Bnig- 
manns  Grdr.  2,  398,  Grdr.«  1, 114)  und  das  Part  *«m^  bezw.  *s^- 
gebildetes  Kompositum  =  'in  Masse  Vorhandenes,  Massenhaftes* 
ergab  durch  Anhängung  von  Sekundärsuffix  -ia,  -ja  bezw.  -^am 
Substantiva  mit  abstrakter  Bedeutung  (wegen  solcher  Bildung 
vgl.  Brugmanns  Grdr.  2, 1 18  ff.)  UüssanUä  bezw.  tüssiftia^  *tü8soniiom 
=  'Massenhaftigkeit,  Menge*.  Dem  HüssowticL  entspricht  (man 
beachte  lito-slav.  s  aus  ss  nach  der  in  Brugm.  Grdr.*  1,  783  hervor- 
gehobenen Regel)  aksl.  tysqita.  Als  Reflexe  von  *til88fftß  sind  in 
Anspruch  zu  nehmen:  aksl.  tysßSta,  got  ßüsundi  (wegen  dieser 
und  der  anderen  germ.  Formen  beachte  vorgerm.  Kürzung  von 
Geminata  nach  langer  Silbe  sowie  vorgerm.  *-f  für  den  Nora. 
Sing,  der  to-Stämme),  ahd.  thüsunt  (Fem.,  vgl.  zioä  thüsutUd  Tat), 
an.  ßüstmd  (wn.  PL  tiKir  ßusunder)  usw.  Auf  *tü8S(mtiom  läßt  sich 
die  Vorstufe  von  lit.  tiikstantis  zurückführen  (wegen  mask.  -is 
vgl.  Bnigm.  Grdr.  2,  118).  Für  aisl.  ßüshund  (neben  ßusund)^ 
ßüshundraß^  run.-schw.  ßüshuntraß  hat  Hirt  (IF.  6,  345)  mit  Recht 
volksetymologische  Neubildung  geltend  gemacht.  Wegen  eines 
vermeintlichen  salfrk.  fhü9chunde  s.  PBrB.  25,  515. 

Als  Fortsetzungen  eines  Prototyps  *ßü8undt  bieten  ahd. 
thüsunt^  dfisunt  regelrecht  entstandene  flexionslose  Form;  an./ä- 
sund  auch  regelrecht  nicht  umgelautetes  -u-  (Schwund  von  aus 
*-f  gekürztem  *-»  durch  vor  der  ümlautswirkung  erfolgte  primäre 
Vokalapokopc,  vgl.  PBrB.  28,  516).  Durch  Ausgleich  findet 
sich  das  -ti-  auch  in  wn.  ßusunder.  Umgekehrt  gewähren  run.- 
schw.  )B^rmnd  (Rydqv.  2,  120),  aonfrk.  thüsint,  ags.  dusend^  afries. 
thüsend  in  die  unflektierte  Fonn  eingedrungenen  Umlautsvokal 
(wegen  run.-schw.  und  aonfrk.  i  als  Schreibung  für  ü  s.  Noreens 
Altschw.  Gr.  §  60  und  Altostnfrk.  Gr.  §  1 1).  Das  -w-  von  ahd.  thüsunt, 
düsunt  und  der  as.  Neubildung  thümndig  kann  -w-  oder  -ü- 
repräsentieren.  Salfrk.  thüsunde  (s.  PBrB.  25,  516)  gehört  einer 
Sprachperiode  an,  welche  noch  keinen  t-Umlaut  kannte.  Für 
aschw.  neben  seltenem  ßtlsund  (s.  Noreens  Gr.  §  488,  Anm.  1 )  als 
Norm  erscheinendes  ßüsand  ist  in  Anbetracht  des  run.-schw. 
Belegs  mit  -ind  und  der  übrigens  in  den  germ.  Dialekten  herr- 
schenden Formen  mit  -w-  oder  -ä-,  -e-  wohl  kein  Prototyp 
ßüsondi  (=  Hüssontiä)  anzusetzen,  zumal  die  Erklärung  des  -a- 
als  Folge  von  Analogiebildung  nach  hundraß  auf  der  Hand  liegt 

Die  für  ags.  düsend  Nti\  (Gen.  -^,  Dat.  -«),  düsendu  PL  und 
got.  einmal  belegtes  ticaßüsundja  sich  beim  ersten  Blick  vielleicht 


Zum  germanischen  Zahlwort  123 

empfehlende  Annahme  von  alten  ßü8undio(n)  (=  tüsstftiom, 
vgl.  oben),  PI.  -iö  wäre  bei  näherer  Betrachtung  aufzugeben,  weil 
zu  altes  Nentr.  repräsentierendem  PI.  düsendu  eben  ein  Sing. 
dusende  gehören  müßte;  wie  aber  twa  pümndja  (s.  oben  S.  89) 
als  Neubildung  leicht  verständlich  wird,  so  begreifen  sich  ohne 
Anstand  düsend^  -u  als  die  Portsetzungen  von  alten,  an  hund  Ntr., 
*hundu  PI.  (woraus  überliefertes  hund)  angelehnten  *ßü8und^ 
*pü8undiu  (für  ursprüngliches  *ßüsundid  oder  -tö  bezw.  -iöz).  Als 
Neutr.  begegnet  das  Zahlwort  auch  bei  Notker  (driu  tüsent).  In 
Otfrids  manago  thüsunt  (Braunes  Gr.  §  275)  liegt  nach  hunt  ent- 
standene flexionslose  Form  vor.  Übertritt  des  f-Stammes  in  die 
fem.  f-DekUnation  geht  aus  wn.  PI.  ßtisunder,  -ir  hervor:  der 
Umstand,  daß  in  der  dreisilbigen  Form  das  alte  *-t  (aus  *-2)  des 
Xom.  Sing,  bereits  durch  die  Wirkung  der  primären  Vokalapokope 
verklungen  war,  veranlaßte  eine  andere  Behandlung  des  Wortes 
als  die  sonst  bei  den  zweisilbigen  i-Stämmen  zu  beobachtende 
^Pr  aus  durch  Anlehnung  von  *-i  an  das  *-£?  oder  -in  der 
»-Deklination  entstandenem  *heipiR^  vgl.  POr.«  1,  609);  der  Nom. 
Sing,  stimmte  als  flexionslose  Form  mit  dem  Nom.  Sing,  der  ö- 
und  der  fem.  »-Stämme  überein  und  trat  so,  im  Verein  mit  vielen 
ursprünglich  der  ö-Klasse  angehörenden  fem.  Nomina  (vgl.  PGr* 
1, 611),  in  die  t-Deklination  über.  Wegen  des  ascliw.  indeklinablen 
Pisanda  (nach  hundrapä)  vgl.  Noreens  Gr.  §  488  und  Kock, 
Arkiv  14,  241. 

Nach  ags.  synn  *Sünde'  mit  aus  den  flektierten  Kasus 
stammendem  -nn  für  *'ni'  aus  *-w  +  Dental  +  i-  (Gnmdform 
*5n^*-,  woraus  *suntt')  und  nach  got.  sunja  'Wahrheit'  (aus  sntt') 
kam  den  flektierten  Kasus  des  Zahlwortes  eigentlich  eine  Form 
ohne  d  zu;  in  den  überlieferten  Bildungen  beruht  also  das  d 
bez.  i  auf  Anlehnung  an  den  Nom.  Sing.,  wie  in  ahd.  siintea^ 
as.  sundia, 

17.  Zu  den  Ordinalformen. 

A.  Altsächsischem  thriddio  (=  ahd.  drittio^  -to^  ws.  merc. 
dridda,  got.  ßridja  zu  lat  tertius)  entsprechen  regelrecht  mnd. 
nnd.  derde  und  darde  (vgl.  das  oben  13  B  über  die  Metathesis 
and  Entstehung  von  er  und  ar  bemerkte;  die  nämlichen  Formen 
finden  sich  auch  im  Mnl);  daneben  aber  auch  mnd.  dorde 
(=  nnd.  dörde  Schütze,  Berghaus)  aus  durch  Anlehnung  an  thrü 
entstandenem  *tiirüdda  (vgl.  das  oben  a,  a.  0.  zu  dortein  bemerkte). 


124  W.  van  Hellen, 

mnd.  dridde  (auch  nnd.,  s.  Schambach)  und  drudde  (=  nnd. 
dtiidde  Danneil,  Woeste)  mit  durch  Anlehnung  an  die  Kardinal- 
formen vor  Metathesis  geschütztem  r;  nnd.  außerdem  drede  (Ten 
Doomk.  Koolm.)  und  dredde  (Schambach)  durch  Anlehnung  an 
dre  (aus  as.  ihrie).  Wegen  der  Deutung  von  afries.  ihredda 
beachte  das  13  B  zu  thretUne  bemerkte. 

Dem  WS.  merc.  dridda  steht  north.  dird(d)a  R*.  Rit  L 
gegenüber  mit  umgestelltem  r  vor  idd  (vgl.  in  Bülbrings  Ags. 
Gr.  §  519  aufgeführtes  north,  birdas  gegenüber  ws.  briddas): 
daneben  aber  auch  dridda  L  mit  durch  Anlelmung  erhaltenem  dr-. 

B.  As.  neben  fior  (viar^  fier\  fi(u)miar  (s.  oben  4)  nur  fiardo 
ifiertlie-):  afries.  neben  /iär-,  fiütver^  fiör^  fiaut€(e)r  (s.  a.  a.  0.)  nur 
fiarda^  fiaerde.  Gegenüber  ws.  merc.  feotoer  {fior  war  in  diesen 
Mundarten  verloren  gegangen)  ws.  fiorda  (erst  jünger  auch 
feotcerda\  merc.  fiorpa\  north,  neben  feower^  fior^  fiar-  nur 
fiorda^  fiarda. 

Wegen  wn.  fiorde^  on.  fiorpe  (aus  *fiudrd-  für  fiudurd-  aus 
*fedurd''\  ficerße  vgl.  das  oben  in  4  am  Schluß  bemerkte  sowie 
Noreens  Altschw.  Gr.  §  118;  wegen  dial.  aschw.  ficprßia  (nach 
prißia)  Kock  im  Ark.  N.  F.  2,  33,  Pußn. 

C.  Über  ahd.  funfto,  mhd.  fünfte,  fünfte,  nhd.  (dial.)  fufte, 
mnd.  vefte,  vofte,  nnd.  föfte,  fofte  wurde  bereits  in  5  und  13  D 
gehandelt. 

Wegen  wn.  fimte,  on.  fäm{p)te  s.  Noreens  Grammatiken 
8  281,  4  bezw.  83,  2,  b. 

D.  Wegen  nnd.  soste  s.  oben  13  E. 

Als  Korrespondenten  von  aid.  ^a^thas,  Sktoc  usw.  (Brug- 
manns  Grdr.  2,  477)  begegnen  bekanntlich  außer  ahd.  sehto  noch 
wn.  sdtte,  on.  scHte,  sidtte  (mit  Brechungsvokal,  vgl.  Noreens 
Gr.  §  78,  3),  sidktte  (Kompromißbildung). 

E.  Wegen  alid.  sibunto,  as.  sivondo,  -otho,  aofries.  sigunda, 
WS.  sio-,  seofoda,  -eda,  merc.  siofunda,  north,  siofunda  R*  mid 
north,  seofunda,  -onda  L,  awfries.  samven-,  saunda  s.  oben  7. 

Neben  aofries.  Biüg^im,  sögon  usw.  stehen  siügunda,  sögunda. 
-enda,  -inda,  neben  nd.  nl.  soven  sövende  (a.  a.  0.). 

Zu  lautgesetzlich  entwickelten  aisl.  siö  (aus  *s»tt),  aschw.  sin 
(s.  oben  7)  gehört  ebenfalls  regelrechtes  wn.  on.  stünde;  auf  An- 
lehnung an  stau  (s.  oben  7)  benihendes  siaunde  bieten  das  Wn. 
und  das  Agutn.  Andere  durclisichtigen  Neubildungen  sind  aisl. 
siAnde,  siö-undi,  anorw.  siaadi  (Belege  in  Noreens  Gr.  §  446,  Anm.). 


Zum  germanischen  Zahlwort.  125 

Wegen  des  (bereits  in  mhd.  Quellen  ei"seheincnden)  siebte 
s.  oben  13  G. 

F.  Als  die  ungestört  entwickelten  Bezeichnungen  von 
'octavus'  wären  gemi,  ahtödo  oder  -db  (mit  -ö-  aus  antekonso- 
nantißchem  *-öw-)  bezw.  dessen  Fortsetzungen,  als  die  an  das 
Kardinale  angelehnten  ahtcPäo  oder  -do  usw.  zu  erwarten.  Welche 
der  beiden  Bildungen  in  ahd.  as.  ahtodo  vorliegt,  ist  natürlich 
nicht  zu  entscheiden.  In  ags.  eaktoda^  -eda^  (ehtoda  usw.  könnte 
der  Pänultimavokal  auf  -ö-,  aber  auch  auf  -ö-  für  *-tin-  (vgl. 
unten)  zurückgehen. 

Durch  partielle  Assoziation  an  das  -m«-  der  nachbarlichen 
Ordinalia  entstand  got.  ahtuda  (vgl.  das  oben  8  hcnorgehobone 
ahd.  ahtu),  dem  afries.  achta^  wn.  dtte  (d,  nicht  p  trotz  des  -m- 
durch  Anlehnung  an  dtta  bezw.  *ahta)  entsprechen.  Als  die 
Folgen  vollständiger  Assoziation  finden  sich  bekanntlich  afries. 
acktunda,  -enda,  mnl.  mnd.  achtende^  wn.  gttonde^  on.  dt(t)unde. 
Wegen  aofries.  achtanda,  an.  ät(t)ande  vgl.  Aofries.  Gr.  §  239  imd 
PGr.«  1,  629. 

Beachtungswert  sind  noch  spätws.  e(a)ht4oda^  angl.  eahte^eda 
als  durch  Uoda^  *tejfida  (vgl.  unten  H)  beeinflußte  Neubildungen. 

G.  Wegen  niunda  usw.  und  nigunda  usw.  s.  oben  9. 

H.  Zu  zehan  usw.  (s.  oben  10)  stehen  daran  angelehnte 
ahd.  zehanto^  as.  tehando^  aofries.  tiända^  awfries.  ti€nda^  mnl.  tiende 
(zu  north.  t4a  kein  Uada^  sondern  -tej^da  usw.,  s.  unten).  Und 
hiermit  übereinstimmende  Neubildungen  sind  auch  trotz  über- 
lieferter WS.  Uoda^  wn.  ti-onde^  on.  ti-unde  mit  absoluter  Sicher- 
heit für  besagte  Dialekte  anzusetzen  auf  Grund  der  Erwägung, 
daß  hier  (nach  dem  oben  10  erschlossenen)  einstmals  herrschende 
*tehan  oder  -on  durch  die  Erhaltung  ihrer  Endung  auf  daneben 
gangbare  *tehanß'  oder  *tehonß'^  *tehand'^  *tehond-  lünweisen; 
also  Uoda  usw.  auf  Assoziation  an  ni^oda^  ni-onde^  ni-tinde  oder 
eine  Vorstufe  derselben  beruhende  jüngere  Formen,  nicht  Fort- 
setzungen von  ursprünglichen  Prototypen  mit  altem  *-Mn-. 

Aus  nordangl.  oder  merc.  (im  alt.  Martyr.  und  in  Beda  über- 
lieferten) teojfida^  north,  tei^da^  teida  L  (auch  -te^da  R*)  decimus 
und  den  substantivisch  =  'Zehnt'  verwandten  as.  iegotho^  afries. 
iegotha  (auch  -atho^  -atha  mit  -a-  für  *-ö-  aus  durch  Einwirkung 
von  altem  tehan  für  *'Un'  eingeti'etenem  ^-an-)  geht  hervor,  daß 
dem  Ordinale  ursprünglich  paroxytonierte  Form  (^de^tlnp-)  zukam 
(vgl.  oben  10  erschlossenes  *neuünß'  neben  *n4uHn(e)),  mithin  die 


126  W.  van  Hellen,  Zum  germanischen  Zahlwort 

spirantische  Basis  der  Aspirata  von  got  iaihunda  usw.  nicht  ur- 
sprünglich ist  (wegen  des  Akzentes  s.  auch  Herrigs  Arch.  107,381). 
I.  Wegen  eigentümlicher  ags.  afries.  au.  Bildungen  end- 
lufta^  andloßa^  ceUofle  usw.  s,  oben  11.  Wegen  awfries.  tdif-^ 
tol(e)fla^  und.  twol{9)fte^  mhd.  nhd.  zivolfte^  aofries.  (Rüsü*.)  ttpäifta^ 
mhd.  zwiäfte,  zuxUße^  zweüfte,  on.  wn.  tolfte^  run.-schw.  tualfte 
sei  nach  12  verwiesen.  Zu  den  Kardinalbildungen  stimmen  die 
zur  Bezeichnung  von  'dreizehnter'  usw.  verwandten  Formen 
(man  beachte  wegen  derselben  oben  13). 


Nachträge. 

Zu  Seite  103,  Anm.  1.  Zu  Holthausens  Prämisse,  *Maß 
gerade  das  Englische,  Friesische  und  Sächsische  allein  Formen 
der  Ordinalzahl  '10'  mit  grammatischem  Wechsel  aufweisen: 
ae.  north,  teo^eda^  te(i)ida^  afries.  tegotha^  -atha^  -etha^  as.  tegotho^ 
-atlio"  stinmit  nicht,  wie  bereits  bemerkt,  die  Tatsache,  daß  das 
Nl.  zwar  negen^  -efe,  nicht  aber  tegende^  sondern  iiende  aufweist. 
AVer  aber  trotzdem  behufs  H.'s  Deutung  (ags.  ni^oda^  -eda^  afries. 
niügunda^  -endd^  niögenda,  as.  nigunda^  -uda  durch  Anlehnung 
an  die  folgende  Ordinalzalil  und  die  Kardinalzahlen  für  *9' 
wiederum  durch  Neubildung  nach  den  Ordinalien)  annehmen 
möchte,  daß  auch  im  Altwestnfrk.  einstmals  eine  altes  *ne-i«n/- 
beeinflussende  Form  He^tinp-  vorhanden  war,  dem  müßte  es 
doch  sonderbar  erscheinen,  daß  in  den  besagten  vier  Dialekt- 
gruppen eine  Neubildung  ne^unp-  die  dazu  stehende  Kardinal- 
form beeinflußt  hätte,  während  sicli  dagegen  neben  der  regel- 
rechten Bildung  *teymp-  keine  Spur  von  analoger  Einwirkung 
nachweisen  läßt. 

Zu  Seite  110  f.  Aus  dem  zu  taihuntehund  usw.  Bemerkten 
dürfte  hervorgehen,  daß  die  zweierlei  Zählarten  in  keinem  Zu- 
sammenhang stehen  mit  etwaiger  durch  den  Verlust  eines  alten 
Terminus  für  'sechzig'  hervorgerufenen  Teilung  der  Zehner- 
nennungen in  zwei  Abschnitte.  Dies  inbezug  auf  Meringers  in 
diesen  Forsch.  16,  166  ff.  ausgeführten  These  über  Sdiock^  dessen 
Identifizierung  mit  sumerischen  äüä^  äuäSu  übrigens  in  laut- 
licher Hinsicht  keineswegs   für   unanfechtbar  zu  gelten  hätte. 

Groningen.  W.  van  Holten. 


S 

\v  K.  Bragmann,  Der  Kompositionstypus  Cv-8€oc.  127 


\lt\  I>6r  Komposltioiistypng  Iv-Oeoc. 

'  /  Dem  Griechischen,  Lateinischen,  Keltischen,  Slavischen,  In- 
/  dischen  gemeinsam  ist  eine  Klasse  exozentrischer  Komposita, 
/  deren  Ursprung  nicht  genügend  aufgeklärt  ist.  Im  ersten  Glied 
^  erscheint  eine  Präposition  oder  ein  lokales  Adverbium,  im  zweiten 
ein  Substantivum,  und  das  Ganze  bezeichnet  etwas,  zu  dem  der 
Substantivbegriff  irgendwie,  nach  Maßgabe  des  durch  das  erste 
Glied  ausgedrückten  räumlichen  Verhältnisses,  gehört  oder  in 
Beziehung  tritt  Beispiele  sind:  Att  Ivöeoq  'innerhalb  Gott 
habend,  in  wem  Gott  ist,  gottbegeistert';  lesb.  Iir-epoc  {*auf  sich 
WoUe  habend')  •  Widder'  (Schulze  KZ.  33,  132  f.),  ion.  att.  im- 
Xpijcoc  *auf  sich  Gold  habend,  übergoldet',  ebenso  dir-apTupoc, 
im-xctXKOc;  att.  uit6-EuXoc  'unterhalb  (unter  der  vergoldeten  oder 
dgl.  Oberfläche)  von  Holz',  ebenso  ÖTro-dbripoc,  uirö-xpöcoc;  att. 
irapa-TTOpcpupoqTanagra  7rapTr6pq)oupoc  (Revue  des  6tudes  grecques 
11  [1899]  S.  98)  *an  der  Seite  Purpur  habend,  seitlich  mit  einem 
Puipurstreifen  versehen';  att  Kaxct-xpöcoc  Mrüberhin  Gold  habend, 
leicht  vergoldet',  ebenso  bei  Hesiod  Kaid-CKioc;  ion.  att.  fidi-oiKoc 
arg.  irebd-FoiKOc  ('darunter,  zwischendrein  die  Wohnung  habend') 
*Beisasse';  att  Trepi-dpTupoc  'Silber  um  sich  habend,  in  Silber 
gefaßt",  ebenso  irepi-xpöcoc;  hom.  d|Liq)i-aXoc  Find.  djLAq)i-0dXaccoc 
'auf  beiden  Seiten  Meer  habend,  von  Meer  umgeben';  att.  ötticöo- 
Kopiroc  'die  Frucht  hinten  (hinter,  nicht  vor  dem  Blatt)  tragend' 
(von  Feigenbäumen),  ebenso  ÖTncöo-xeip  ^hinten  (auf  dem  Rücken) 
die  Hände  habend'.  Lat  e-linguis  'dem  die  Zunge  heraus 
ist,  zungenlos',  ex-comis,  e-nervis,  e-nödis]  de^ümis  'dem  die 
Federn  wegsind*,  de^ü.  Ir.  ess-amin  'furchtlos',  di-anim  'makel- 
los'. AksL  8g,'logfb  'mit  das  Lager  habend,  consors  tori,  dXoxoc', 
ebenso  vielleicht  sg-sMb  'Nachbar'.  Ai.  ddhi-vastra-  'ein  Kleid 
an  habend,  bekleidet',  vi-griva-  'dem  der  Hals  ab  (abgeschlagen 
oder  dgl.)  ist,  ebenso  vyävga-  'gliederlos';  nl-manyu-  'dessen 
Zorn  nieder  ist,  sich  gelegt  hat';  sam-ökaa-  'mit  die  Wohnung 
habend,  gleiche  Wohnung  habend*;  avö-deva-  'herunter  die  Götter 
holend,  sie  herbeilockend';  anty-üti-  'nahe  die  Hilfe  bringend,  mit 
Hilfe  nahe';  itd-üti'  'von  hier  aus  Hilfe  gewährend,  auf  dieser 
Seite  helfend';  ihd-citta-  'hierher  den  Sinn  gerichtet  habend' 
(andre  ved.  Beispiele  bei  Garbe  KZ.  23,  511.  514  f.). 

Wenn  die  Komposita  wie  gr.  dpxe-KaKoc  'Unheil  stiftend' 
av.  vinda^x^ar^na-  'Glanz  erlangend',  wie  ich  S.  68  ff.  aimehmen 


128  K.  Brugmann,  Der  Kompositionstypus  Cv-8€oc. 

zu  müssen  geglaubt  habe,  nach  ihrem  ursprünglichen  Sinne 
imperativische  Wendungen  waren,  so  fragt  es  sich,  ob  nicht  auch 
diese  Adverbialkomposita  von  iniperativischen  Ausdrücken  aus- 
gegangen sind.  Man  denke  an  Formen  der  Aufforderung  \ne 
htd  ab!  hut  herunter!  oder  ab,  herunter  den  hut!^  köpf  zurück! 
oder  zurück  den  Kopf!,  riegel  vor!  oder  vor  den  riegeHj  stock  tceg! 
oder  teeg  den  stock!,  gdd  her!  oder  her  das  gdd!,  ohne  Objekt 
auf!,  vorwärts!,  her!  Gerade  bei  Aufforderungen  konnte  in  der 
Alltagssprache  der  idg.  Völker  von  jeher  das  Richtungsadverbium 
das  Verbuni  leicht  mit  vertreten.  Hinsichtlich  des  Germanischen 
verweise  ich  auf  J.  Grimm  D.  G.  4«  S.  160.  1258,  wo  z.  B.  aus 
dem  Mhd.  angeführt  ist  balde  here  iuujeren  gürtet!,  nach  diner 
muoter  balde!,  balde  nider  von  den  rossen!  Aus  dem  Griechischen 
ist  dfva  *steh  auf  bekannt:  I  178  dXX'  dfva  iir]b"  In  KeTco;  dazu 
be-öpo  be-ÖT€  *her*  (Verf.  Demonstrativpron.  61.  98f.).  Beispiele 
aus  dem  Ai.  geben  Pischel  Ved.  Stud.  1,  13.  19  f.  und  Delbrück 
Vergl.  Synt.  3,  122  f.,  wie  RV.  6,  22,  10  d  sgydtam  indra  nah 
svastim  *gib  uns,  Indra,  ununterbrochenes  Heil',  mit  Objekt  9, 
52,  4  n{  iü^mam  indav  e$g  ptiruhüta  jändng  yö  asmdn  cudidUaü 
'(wirf)  nieder  die  Kraft  desjenigen  unter  den  Menschen,  der 
uns  nachstellt,  o  vielgerufener  Indu'.  Diese  Gattung  von  Ellipsen 
verkümmerte  naturgemäß  überall  da,  wo  die  alte  Tmesis*  der 
Vcrbalpräfixe  aufgegeben  und  Kontaktkomposition  zur  Regel 
gemacht  wurde,  wie  im  Lateinischen  und  im  Slavischen. 

Daß  in  unsem  Komposita  ein  verbaler  Begi-iff  mit  vor- 
gestellt war,  unterliegt  keinem  Zweifel.  Es  fragt  sich  nur,  ob 
derselbe  ganz  allgemein  verbal  gedacht  war,  etwa  wie  wenn  wir 
heute  sagen  wollten  vir  den  schild  (den  schild  vor),  schritten  sie 
in  den  kämpf  —  um  einen  mantel  (einen  mantd  um),  ging  er 
hinaus  —  ab  den  hut,  trat  er  ein,  oder  ob  bei  den  ersten 
Musterbeispielen  —  wir  dürfen  wohl  sagen:  in  uridg.  Zeit  — 
bestimmte,  unserm  Zuruf  zurück  den  köpf!  u.  dgl.  entsprechende 
adhortative  AVendungen  vorgeschwebt  haben,  an  die  man  die 
exozentrische  Kompositionsbildimg  anknüpfte.  Das  adhortative 
Bedeutungselement  hätte  sich  dann  bald  ebenso  verloren,  wie 
bei  den  ctpx^KaKoc-Komposita,  und  die  Nachbildungen  kamen 
fortim  ohne  dasselbe  zustande. 

Eine  ganz  sichere  Entscheidung  ist  natürlich  nicht  zu 
treffen.  Aber  da  bei  der  Verbindung  von  Ortsadverbia  mit  Verben 
der  Imperativ  von  jeher  ein  Hauptsitz  der  Ellipse  gewesen  sein 


K.  Brugmann,  Homer.  ayocTÖc  und  6.fpr\.  129 

muß»),  ist  die  Annahme  jedenfalls  nicht  unnatürlich,  daß  diese 
Aufforderangsform  entweder  die  alleinige  oder  doch  eine  wesent- 
liche Grundlage  bei  der  Bildung  abgegeben  hat  Im  Ai.  könnte 
man  z.  B.  ni-manifu-  direkt  anschließen  an  ein  mit  jenem  ved. 
nl  iäfmam  gleichartiges  nl  mantfüm;  womit  selbstverständlich 
nicht  gesagt  sein  soll,  daß  gerade  dieses  Beispiel  zu  denen  ge- 
hört habe,  von  denen  die  ganze  Kategorie  ausgegangen  ist 

Schließlich  ist  noch  zu  betonen,  daß  der  ganze  Bildungs- 
prozeß sich  auch  zu  verschiedenen  Zeiten  wiederholt  haben  kann 
und  wahrscheinlich  wiederholt  hat,  wie  das  für  die  Komposita 
mit  ausgesprochenem  Imperativ  sicher  ist  (vgl.  S.  69), 

Leipzig.  K.  Brugmann. 


Homer.  dTocroc  und  arpn- 

'Atoctoc  erscheint  bei  Homer  nur  in  dem  fünfmal  wieder- 
kehrenden Versschluß  5  V  dv  K0vir)a  Trecujv  l\e  xcxTav  dTOcroi, 
was  von  dem  im  Kampf  verwundet  Hinsinkenden  gesagt  ist 
Es  ist  die  zum  Fassen  gekrümmte  Hand  gemeint,  eine  Bedeutung^ 
die  dTOCTOC  als  Synonymum  des  zu  bpdccoinai  gehörigen  bpdE 
erscheinen  läßt  (vgl.  N  393  KeTio  Tavucöeic,  ßeßpuxiwc  kövioc 
b€bpaTM€V0C  ai^aTokc^c).  S.  Heinr.  Schmidt  Synon.  d.  gr.  Spr.  1^ 
394  f.  ilit  seinem  -er-  erinnert  dTOCTOc  an  außergriechische  Wörter 
für  die  Hand:  1.  ai.  hästa-s  *Hand,  Rüssel  (des  Elefanten)* 
av.  zasta-  apers.  dasta-  *Hand*,  wozu  wahrscheinlich,  nach  ZubatJ 
BB.  17,  327,  lit  pa-zctöfls  pa-zasti  'Achselhölüe*  (*das  unter  dem 
Arm  [♦iosto-«]  Befindliche'):  2.  ai.  gdbhasti-$  *  Vorderarm,  Hand% 
wahrscheinlich  zu  lit  gabanä  *Armvoir,  wruss.  hcUnw  ^nehmen, 
e^g^eifen^  ii-.  gabul  *Gaber,  s.  Zubaty  Arch.  f.  slav.  Ph.  16,  392 
und  Thumeysen  Festgruß  an  Osthoff  S.  7  (wo  *aufgabebi,  zwischen 
zwei  Zinken  fassen,  zwischen  die  Arme  nehmen*  als  Bedeutungs- 
zentrum vermutet  wird);  3.  aksl.  grbstb  *Handvoll'  pri-grbSta 
'Handvoll,  hohle  Hand*,  niss.  gorst'  *hohle  Hand*  (dazu  lett.  gurste 

1)  Delbrück  a.  a.  0.  sagt:  "Wie  man  sieht,  handelt  es  sich  bei  dea 
Verbalellipsen  des  Ai.  um  Hauptsätze  (von  Nebensätzen  habe  ich  wenigstens- 
kein  sicheres  Beispiel),  der  Sinn  der  zu  ergänzenden  Form  ist  vorwiegend 
Imperativisch.  Auf  das  Verbum  wird  in  verschiedener  Weise  hingewiesen: 
durch  die  dazu  gehörige  Präposition,  den  dazu  konstruierten  Kasus,  die 
Negation**. 

lüdogermanicelie  Fonchnngen  XYIII.  9 


130  K.  Brugmann, 

-Flachsknocke',  s.  Zubaty  a.  a.  0.  394),  wahrscheinlich  zu  gi*. 
•dreipu)  'sammlo'  aTupic  *7ersainralung*  (s.  Persson  BB.  19,  281, 
Verf.  Grundr.  1»  S.  453,  IF.  11,  286);  4.  ahd.  füst  Taiisf  aus 
*fuid\di'Z  aksl.  p§stb  Taust',  gemeinsame  Grundf,  *p^k8ti-8  (über 
das  LautgeschichtUche  A^erf.  Grundr.  1«  S.  410.  586.  703.  712), 
wahi-schcinlich  verwandt  mit  got.  figgrs  *Finger'.  Weiter  er- 
innert -CT-  auch  an:  ai.  avgu^hd-s  'Daumen,  große  Zehe*,  av. 
^nguStch  *Fiuger,  Zehe\  zu  ai.  ai9güli-$  Tinger,  Zehe*;  lit,  pifsztas 
.aksl.  pnstb  pnstb  Tinger',  das  man  mit  ai.  pjrfthd-ni  ahd.  first 
^u  verbinden  pflegt;  alb.  gtiit  giät  *Finger*  (Pedersen  KZ.  33,  547). 

Die  oft  wiederholte  Identifizierung  von  dTOcröc  mit  ai. 
hdsta-s  (z.  B.  I'rellwitz  Wtb.  S.  3,  Uhlenbeck  Et.  Wtb.  d.  ai. 
Spr.  359,  Hirt  BB.  24,  245,  Verf.  Grundr.  1«  S.  558.  634)  ist 
ambefi'iedigend.  Denn  der  Vergleich  mit  ai.  Mnii-^ :  gr.  t^vuc, 
.«i.  ahäm :  gr.  ^tuj  erklärt  zwar  zur  Not  das  t,  aber  nicht  den 
Anlaut  d-,  und  der  Umstand,  daß  die  Lautgruppe  -st-  von  irgend 
«einem  Punkt  aus  zu  einem  Bildungselement  für  Wörter  mit  der 
Bedeutung  Hand  (Arm,  Finger)  geworden  ist  —  wie  bekanntlich 
:auch  sonst  bei  der  Benennung  von  Körperteilen  bestimmte  For- 
mantien produktiv  geworden  sind  — ,  läßt  angesichts  der  laut- 
lichen Divergenz  im  Anlaut  von  vornherein  als  das  Wahrschein- 
lichste erscheinen,  daß  sich  die  Verwandtschaft  von  dTOcroc  und 
hdstas  eben  nur  auf  den  Woi-tausgang  erstreckt.  Die  Zusammen- 
stellung von  dTOCTOC  mit  dTiveiu  *ich  führe*  und  mit  lat  gero 
ges'Ui'S  (de  Saussure  Syst  prim.  53,  Thurneysen  KZ.  30,  353) 
wird  der  Bedeutung  nicht  gerecht,  und  mit  Recht  erkläii  sich 
"AValde  KZ.  :>4,  531  dagegen.  Leo  Meyer  Handb.  1,  114  erschließt 
vauf  Grund  der  Hesychglosse  utoc  *  töv  dTKuiva  ein  Nomen  tö 
droc  'Krümmung',  wonach  dTOCTOc  ursprünglich  *init  Krümmung 
versehen,  gekrümmt*  bedeutet  habe.  Wenn  nur  nicht  gar  zu 
Mar  wäre,  daß  die  Glosse  ui'sprünglich  dTOcrov  •  dTKoiva  gelautet 
!hat!  S.  llor.  Schmidt  s.  v.  Mit  AViedemanns  Anknüpfung  endlich 
an  lat  axilla  (BB.  27,  257  f.)  weiß  ich  nichts  anzufangen;  das 
von  ihm  dabei  lierangezogene  gr.  dtn  'Bug*  hat  es  nicht  gegeben. 

Die  Hand  ist  bei  den  Indogermanen  sehr  verschieden  be- 
nannt, meistens,  soweit  volle  oder  einige  Klarheit  über  die  Grund- 
i)edeutung  besteht,  nach  ihren  Tätigkeiten  oder  der  verechiedenen 
Gestalt,  die  sie  ruhend  oder  sich  bewegend  zeigt  Gehen  wir 
iür  dTOCTOC  von  der  Vorstellung  des  greifenden,  fassenden  Gliedes 
.aus,  so  paßt  das  gut  zu  dem   homerischen   Gebraucli   und  hat 


Homer,  otoctöc  und  &TPn-  ^31 

Analoga  an  andern  Handnamen.  Von  diesen  sind  schon  genannt 
gr.  bpdE  (bpaxöc  •  ific  7raXd^^c,  ttjc  x^^poc),  zu  bpdccoinai,  und  ai. 
gdbhcisU'i^  zu  wruss.  habac.  Ferner  hierher  gr.  x^ip  ann.  jern 
alb.  dore^  zu  ai.  hdrctö-  *Griff,  packende  Ki-aft*  (W.  har-)^  und  got 
handus^  dessen  von  J.  Grimm  herrührende  Verbindung  mit  -hinßan 
'fangen'  untadelig  erscheint  (vgl.  Wiedemann  BB.  27,  197  f.), 
während  die  von  Thumeysen  KZ.  26,  310  und  von  Zupitza  Germ. 
Glitt  183  in  verschiedener  Weise  versuchte  Anknüpfung  an  das 
Zahlwort  zehn  in  ipid-Kovra  usw.  recht  problematisch  ist  (Man 
vergleiche  dazu  noch  nhd.  engl,  fang  *Griff,  Klaue  [der  Raub- 
vögel]' und  das  dem  Deutsclien  entlehnte  franz.  griffe  *Kralle, 
Klaue'.)  Nicht  weit  ab  liegen,  nach  dem  Benennungsgrund,  lit 
rankä  aksl.  rqk(i,  zu  lit.  rinkti  *sammeln,  auflesen'  (z.  B.  kleine 
Steine,  Beeren,  Ähren),  und  das  oben  genannte  russ.  gorst\  zu 
gr.  dT€ipu).  Vgl.  endlich  noch  Pei-sson  Stud.  z.  L.  v.  d.  Wurzel- 
erw.  62  über  gr.  ^dp^  (zu  fidpimu)  und  lat  manus  (zu  am-p-la 
'ansa').  So  fügt  sich  dTocroc  ungezwungen  zu  hom.  ätph  *das 
Ergreifen,  Fang,  Jagd',  irdv-aTpoc  *alles  fassend,  fangend'  (vom 
Pischemetz),  TTup-dTpn  Teuerzange',  att.  Kpe-arpa  'Fleisclizange, 
-gabel',  hom.  äfp^x  'faß  zu!  frisch!  wohlan!'^)  und  av.  *azrä  *Jagd', 
das  in  azrö-daöi-  'Jagd  machend,  auf  Jagdbeute,  Raub  ausgehend' 
enthalten  ist  (Bartholomae  Altiran.  Wtb.  229).     Ob  am  letzten 


1)  ÄTP^w  war  Synonymura  von  alp^uj  und  wurde,  wie  dieses,  mit 
^€iv  systematisch  verbunden.  Hom.  aux-dTpexoc  wie  att.  au6-aipeToc 
(vgl.  4\€t6c),  lesb.  dTP^Öevra  wie  att.  aipeöf^vai  usw.  Pamph.  dv-hayXi'iceuj 
wie  gort  aCXeOfl  dv-ai\f^0(6)ai  mit  X,  das  von  ^XeTv  bezogen  scheint  (vgl. 
Solmsen  KZ.  32, 282  über  lokr.  dp^cxai).  Einzeldialektische  Neuerung  dürfte 
das  V  von  thess.  ^q)-avYp^v8eiv  =  ^q)aipoOvTai  (Larissa),  TTpo-avYp^[a] 
=  irpoatp^cei  (Krannon)  gewesen  sein;  woher  das  durch  dq)-  erwiesene  ä- 
der  ersteren  Fonn  gekommen  ist,  wird  sich  erst  sagen  lassen,  wenn  der 
Ursprung  des  Nasals  aufgeklärt  ist;  eventuell  stammt  es  aus  alpduj  ^Xeiv. 
Zu  aip^uj  sei  beiläufig  noch  Folgendes  bemerkt.  Solmsen  a.  a.  0.  vermutet 
Zusammenliang  mit  aksl.  si-la  'Kraft,  Stärke'.  Näher  aber  liegt  Anschluß  an 
ai.  syd'ti  sinä-U  'er  bindet,  fesselt' «Äm-^ 'bindend,  fesselnd',  lat.  saeta  'Borste', 
ahd.  seid  'Strick,  Schlinge',  lit.  sitas  aksl.  aitt  'Strick',  ahd.  seil  'Seil' 
(got.  ifi-saüjan),  lit.  ät-saiW  'Verbindungsstange  am  Wagen'  aksl.  silo 
'Strick*  :  vgl.  got.  ahd.  as.  fähan  'fangen,  fassen,  ergreifen,  nehmen,  ein- 
nehmen' zu  ai.  pdSa-s  'Strick,  Schlinge'  päSaya-ti  'er  bindet',  sowie  unser 
zu  fessel  (ahd.  feff^il)  gehöriges  fassen  (ahd.  fagfön).  alp^uj  dürfte  hiernach 
auf  einem  *al-pS-  'Bindung,  Festmachung'  beruhen,  wie  d^p^uj  auf  &TPn» 
wozu  die  Verwendung  des  Wortes  paßt  (IL  Schmidt  Synon.  3,  203  ff.). 
aip^ui  :  ahd.  seil  wie  gr.  &>pä  aisl.  setr  :  lak.  kWa  lat.  sella  got.  sitls, 
ahd.  ampfaro  schwed.  amper  :  alb.  ämbele  u.  a.    ai-|uiu)v  urspr.  'applicatus'  ? 


132  Nachtrag  zu  Idg.  Forsch.  17,  90  f.  —  Druckfehler. 

Ende  auch  dfru)  verwandt  ist,  bleibe  dahingesteUt^).  Es  dürfte  ge- 
nügen, daß  (Stph  und  azrö-dadi'  auf  eine  'Wurzel'  o^-  'fangen,  er- 
greifen* weisen.  Was  aber  den  Ausgang  von  dTOcroc  im  Verhältnis 
zu  (Stph  betrifft,  so  liegt  wohl  niclit  ein  alter  Wechsel  eines  r- 
und  eines  s-Formans  zugrunde  (vgl.  übpo-c  ubujp  ai.  udrd- :  gr. 
uboc  ai.  ütsa-^  dfTX-ot^fclpo-c  ai.  usrä-  uJ^ar- :  iiüjc  ai.  n^is-  usw., 
s.  Pedei'sen  KZ.  82,  252),  sondern  drocroc  ist  an  eines  oder  das 
andere  von  den  andern  Wörtern  für  die  Hand,  das  -st-  hatte, 
angebildet.  Am  ähnlichsten  ist  ihm  das  ai.  gäbhasti-f. 
Leipzig.  K.  Brugmann. 


Nachtrag  zu  Idg.  Forsch.  17,  90  f. 

Bei  Veröffentlichung  meiner  Ausführungen  über  das  alt- 
lateinische oblucumässe  habe  ich  übersehen,  daß  M.  Br6al  M6- 
moircs  de  la  Soci6t6  de  linguistique  5  (1884)  S.  196  die 
Vermutung  ausgesprochen  hat,  es  sei  eine  Ableitung  von  *o6- 
lucuvium,  das  aus  ursprünglicherem  *oblitqtiium,  einer  Ableitung 
von  *obluquti8  =  obliquus  hervorgegangen  sein  sollte.  Da  sich 
diese  Auffassung  des  Wortes  und  seiner  Herkunft  mit  der  von 
mir  vorgetragenen  zum  Teil  berührt,  erachte  ich  es  für  meine 
Pflicht^  zur  Steuer  der  Wahrheit  darauf  aufmerksam  zu  machen. 
Zugleich  sei  darauf  hingewiesen,  daß  Br6al  a.  a.  0.  deliräre  als 
Parallele  heranzieht 

Innsbruck.  Fr.  Stolz. 


Drnckfehler. 

IF.  1 7  S.  SG  Z.  1 1  v.  u.  lies  arborihus  statt  arbons. 
S.  SO  Z.  10  v.  u.  lies  'atnutn    statt  -atrium. 


1)  Die  Anknüpfung  von  ai.  fijra-s  gr.  dTpöc  lal.  ager  got.  akrs  an 
UTU)  ist  wegen  der  Bedeutungsverschiedenheit  (für  äjra-s  ist  die  Bedeutung 
Triff  nur  etymologisch  erschlossen,  s.  IF.  Anz.  13,  10)  nichts  weniger  als 
sicher.  Zu  unserm  &^pä  ist  leichter  eine  Brücke  zu  schlagen :  *affros 
kann  der  Boden  sein,  von  dein  man  (zum  Zweck  der  Bewirtschaftung) 
Besitz  ergrifl'en,  den  man  in  Beschlag  genommen  hat  (Tac.  Germ.  c.  26 
afft'l  pro  numero  ctiltoftim  .  .  .  occupantur). 


V 

jlK.  Meister, 


k' 


THE  NEW 

PÖBUC  LIBI 

Der  syntakt.  Gebrauch  des  Gen.  in  den  kret.  Dialekti^schr.   133 

ASTOR.  LENOX 
TILDEN  FOUNOA 


Der  Byntaktische  Ctobrauch  des  GenetiTS  in  den  kretischen 
Dialektinsehriften. 

Inhalt:  Einleitung.  —  Kapitel  I.  Unabhängiger  Genetiv:  1.  Genetivns  abso- 
latus.  2.  Genetiv  der  Zeit.  8.  Genetiv  des  räumlichen  Bereiches  und 
der  Zugehörigkeit.  Anhang :  Genetiv  bei  cTvai.  —  Kapitel  II.  Adverbaler 
Genetiv:  A.  Der  Genetiv  als  primäre  Bestimmung  des  Verbalinhalts. 
B.  Der  Genetiv  als  sekundäre  Bestimmung  des  Verbalinhalts.  1.  Genetiv 
des  Preises.  2.  Genetiv  des  Sachbetreffs.  3.  Ablativischer  Genetiv.  — 
Kapitel  III.  Adnominaler  Genetiv:  1.  Genetivus  partitivus  und  Genetiv 
des  Inhalts.  2.  Genetivus  possessivus.  3.  Genetiv  der  Zugehörigkeit 
(Genetivus  possessivus  im  weitem  Sinne).  4.  Genetivus  deünitivus. 
5.  Genetivus  obiectivus.  6,  Genetivus  subiectivus.  7.  Genetivus  com- 
parationis.  8.  Grenzfälle.  9.  Personalpronomina  als  adnominale  Genetive. 
10.  Übersicht  über  die  habituellen  Stellungen  der  adnominalen  Genetive. 
—  Kritisch-exegetisch  behandelte  Stellen.  —  Schluß. 

Die  kretischen  Dialektinsehriften  sind  nach  der  Ausgabe 
von  Blaß  in  der  Sammlung  der  griechischen  Dialektinsehriften, 
herausgegeben  von  CoUitz-Bechtel,  zitiert.  Dazu  kommen  besonders 

1.  eine  archaische  Inschrift  aus  Haghios  Ilias  in  Pediada 
(Nordosten  von  Zentralkreta),  veröffentlicht  von  Halbherr  Am. 
Joum.  of  Arch.  1901  S.  398. 

2.  eine  Vertragsurkunde  von  Gortyn  und  Lato^),  ver- 
öffentiicht  yon  Demargne  BCH.  XXVII  (1903)  S.  219. 

3.  die  neue  Ausgabe  der  Inschriften  5039.  5075.  5147  von 
Deiters  de  Cretensiiim  titulis  publicis  quaestiones  epigraphicae, 
diss.  Bonn.  1904. 

In  das  Verständnis  des  großen  Gesetzes  von  Gortyn  haben 
mich  die  Schriften  von  Johannes  und  Theodor  Baunack  (die 
Inschrift  von  Gortyn,  I^eipzig  1885)  und  Bücheler-Zitelmann 
(das  Recht  von  Gortyn  1885,  Ergänzungsheft  des  Rh.  M.  40) 
eingeführt 


Mancherlei  Anregung  und  Fördenmg  verdanke  ich  meinen 
hochverehrten  Lehrern  v.Wilamowitz-Moellendorff,  indessen 
Übungen  eine  Arbeit  von  mir  über  den  Vertrag  von  Gortyn  und 
Rhizen  4985  besprochen  wurde,  Lipsius,  der  die  Güte  hatte, 


1)  Ober  die  Namensform  s.  S.  150  A. 
IndogermaoiBclie  Forschungen  XVIII.  10 


134  K.  Meisler, 

verschiedene  Stellen  mit  mir  durchzusprechen,  und  vor  allem 
Brugmann,  in  dessen  sprachwissenschaftlichen  Übungen  ich 
über  einige  der  hier  ausgeführten  Punkte  vortragen  durfte,  und 
der  meine  Arbeit  vom  Anbeginn  bis  zum  Abschluß  mit  freund- 
lichem Interesse  begleitet  und  mit  gutem  Rat  unterstützt  hat 


Für  syntaktische  Untersuchungen  sind  die  kretischen  Mund- 
arten unter  allen  nichtionischen  Dialekten  wegen  der  Reichhaltig- 
keit und  der  Eigenart  ihrer  Überlieferung  besondei-s  geeignet. 
Wir  haben  aus  Gortyn  bedeutende  Sprachdenkmäler  iii  epi- 
chorischen  Alphabeten,  auch  Vaxos  auf  der  Grenze  von  Zentral- 
und  Westkreta  liefert  interessante  Bruchstücke.  Aus  der  Zeit  des 
ionischen  Alphabetes  sind  uns  dann  Wele  Dialektinschriften  sowohl 
aus  der  älitte  wie  aus  dem  Osten  und  Westen  von  Kreta  er- 
halten. Die  Mundarten,  die  wir  so  kennen  lernen,  gehören  alle 
zu  der  großen  Gruppe  der  doiisch-achäischen  Dialekte,  zeigen 
aber  unter  sich  in  ihren  Lautverhältnissen  erhebliche  Verschie- 
denheiten'). Syntaktische  Unterschiede  zwischen  ihnen  auf  dem 
hier  behandelten  Gebiete  habe  ich  nicht  nachweisen  können. 
Dagegen  unterscheiden  sich  die  archaischen  Inschriften  hierin 
sehr  stark  von  den  jungen  Dialektinschriften  etwa  seit  der  2.  Hälfte 
des  3.  Jahrhunderts  v.  Chr.  Jedoch  ist  diese  Verschiedenheit  nicht 
nur  durch  die  Zeit  und  die  Fortentwicklimg  des  gesprochenen 
Dialekts,  sondern  auch  durch  die  Beschaffenheit  der  uns  erhal- 
tenen Sprachdenkmäler  begründet  Die  Inschriften  in  den  Lokal- 
alphabeten sind  hauptsächlich  Gesetze,  und  die  Gesetzessprache 
ist  oft  altertümlicher  als  die  Umgangssprache.  Daß  dies  auch  für 
das  Stadtrecht  von  Gortyn  gilt,  dafür  spricht  die  ausgeprägte  Ter- 
minologie und  der  feste  Satzbau  dieser  Inschrift,  zumal  da  beides 
sich  nicht  nur  in  den  gleichaltrigen  und  jüngeren  Gesetzen,  sondern 
auch  schon  in  den  beträchtlich  älteren  Gesetzesfragmenten  aus  dem 
Pytion  von  Gortyn  erkennen  läßt  Der  Typus  der  gortynischen 
Gesetzessprache  ist  also  schon  in  einer  frühern,  vielleicht  um  viele 
Jahrzehnte  zurückliegenden  Sprachperiode  geschaffen  worden. 


1)  Vgl.  R.  Meister  Derer  und  Achäer.   Leipzig  1904.  S.  61  ff. 


Der  syntaktische  Gebrauch  des  Genetivs  in  den  kret.  Dialektinschr.    135 

Während  die  Sprache  der  archaischen  Inschriften  vielleicht 
hinter  der  Entwigkelung  der  lebenden  Sprache  zurückgeblieben 
ist,  ist  wahrscheinlich  die  Sprache  der  jungem  ionischen  Inschriften 
ihr  gewissermaßen  vorausgeeilt.  Die  Ehrendekrete  und  die  teföchen 
Beschlüsse,  die  ja  einen  Hauptbestandteil  von  ihnen  bilden,  sind 
meist  schematisch  gearbeitete  Dutzendware,  da  sie  sich  von  inhalts- 
gleichen Inschriften  anderer  Dialekte  im  Aufbau  und  in  der 
Disposition,  im  Wortschatz  und  in  der  Syntax  wenig  imterscheiden 
und  nur  in  den  Lautungen  und  Formen  ihre  mundartliche  Eigen- 
tümlichkeit gewahrt  haben.  Sie  stellen  also  eine  Gemeinsprache 
in  dialektischem  Gewände  dar,  und  ihr  Kanzleistil  ist  schon  eine 
Vorstufe  zur  eigentlichen  Koivri. 

Man  darf  daher  bei  diesem  Zustande  unserer  Überlieferung 
nur  von  der  Sprache  der  Dialektinschriften  reden,  die  wahrschein- 
lich kein  ganz  getreues  Bild  des  Dialektes  selbst  gibt. 


Kapitel  I.    Unabhängiger  Genetiv. 

Wie  den  an  bestimmte  Verba  gebundenen  Akkusativen  und 
Dativen  im  Griechischen  andere  gegenüberstehen,  die  bei  jedem 
beliebigen  Verbum  stehen  können  wie  z.  B.  die  Akkusative  des 
Baumes  und  der  Zeit,  der  sogenannte  Dativus  ethicus  usw.,  so 
gibt  es  auch  neben  den  von  bestimmten  Yerba  und  Nomina 
^regierten'  Genetiven  Genetive  mit  verschiedenen  Bedeutungen, 
die  zu  keinem  andern  bestimmten  Satzglied  in  näherer  Beziehung 
stehen^).  Man  könnte  diese  Klasse  als  *Genetivus  absolutus*  be- 
zeichnen. Da  aber  dieser  Terminus  speziell  für  die  dem  lateinischen 
Ablativus  absolutus  entsprechendeAusdrucksweise  verwendet  wii-d, 
so  bezeichne  ich  diese  Gesamtgruppe  lieber  als  'unabhängigen 
Genetiv*  und  behalte  Genetivus  absolutus  in  dem  hergebrachten 
Sinne  bei. 

1.  Genetivus  absolutus. 

Der  Genetivus  absolutus  hat,  wenn  sein  Subjekt  ein  Sub- 
stantivum  ist,  in  den  kretischen  Mundarten  dieselbe  Form  wie 
im  Ionisch- Attischen  und  in  den  andern  Dialekten.  Ich  bringe 


1)  Vgl.  über  die  Begriffe  des  'regierten*  und  'unabhängigen*  Kasus 
Paol  Prinzipien  der  Sprachgeschichte',  S.  137  f. 

10* 


136  K.  Meister, 

daher  nur  eine  Auswahl  von  Belegen:  Altgortynisch  4991  XI  50 
ruvd  . .  .  dTTOjiocdTÖ  TrapiövTOc  to  biKacrd  *Ein  Weib  soll  ab- 
schwören in  Gegenwart  des  Richters*.  V  1  t^vd  d[Tj€ia  Kp^iLtaia 
[ik  Ik€i  I  [TTttJTpöc  öövToc  I  döeXmo  I  dTncrrdvcavToc  'Jedes  Weib, 
das  nicht  Vermögen  hat,  indem  (es  ihr  der)  Vater  gegeben  oder 
(der)  Bruder  oder  (es  ihr)  zugesagt  hat'.  Knosos  5149  (nach 
167  V.  Chr.)  Z.  20  KpivövriJüv  bk  oi  Kvdjooi  dv  öajiriviüi  dpxovroc 
finvöc  Kaptuviiü  vgl.  Z.  57.  Hiarapytna  5040  (2.  Jahrh.)  Z.  53  d 
bi.  Ti  Oeiüv  ßiüXo|LidviüV  ?Xoi|iev  dtaBöv  dirö  tiüv  7toX€|liiijüv.  5041 
(2.  Jahrh.?)  Z.  7  ei  öd  xi  Ka  Oeoiv  IXdiüv  övtiüv  Xdßiwjiev  dirö  tüüv 

TT0X€)Lli(JüV. 

Wiederholt  ist  auch  ein  alleinstehendes  Partizipium  als 
Genetivus  absolutus  belegt,  als  dessen  Subjektsbegriff  ein  be- 
stimmtes oder  unbestimmtes  Pronomen  der  dritten  Person  zu 
ergänzen  ist.  4991  I  54  ai  bi  kq  K0c[|Li]föv  &fl\  I  KOCjiiovTOc  dXXoc 
'wenn  er  wegführt,  während  er  Kosmos  ist,  oder  (wenn)  ein  andrer 
(von  ihm  wegführt),  während  er  K.  ist*.  4999  11  6  ai  bi  Ka  ^k 
ö|LiöcovTi  KeXojidvö  *Wenn  sie  trotz  seiner  Aufforderung  nicht 
schwören'.  4998  V  4  ai  bi  Ka  KeXo|i4vö  6i  Ka  irapei  FeptdöÖTiTai 
f|  TT^pHi  aTraiov  f||ir|v.  ai  bk  ttövioi  füiii  KeXofievö,  töv  öiKaccrdv 
öjivuvra  Kpiv€v  Venu  (der  Verpfändete)  auf  Befehl  dessen,  bei 
dem  er  ist,  arbeitet  oder  ti-ägt^  soll  es  straflos  sein  (nämlich  für 
ihn  selbst^  wenn  er  Schaden  dabei  anrichtet).  Wenn  aber  (der 
Besitzer  des  Verpfändeten)  erklärt,  (er  habe  es)  ohne  seinen  Befehl 
(getan),  soll  der  Richter  schwörend  entscheiden'.  Dagegen  würde 
4991  VI  53  ein  auiö  in  einem  ähnlichen  Falle  dabei  stehen,  wenn 
die  Auffassung  der  Herausgeber  richtig  wäre.   Man  liest  nämlich 

folgendermaßen :  ai  k' KeXo)i4vö  nc  Xuceiai,  diri  toi  dXXuca- 

jidvöi  e|Li€v,  Tipiv  k'  diroboi  tö  dmßdXXov.  ai  bk  Ka  |li^  öfütoXoTiövri 
d|LiTri  tdv  ttXcGuv  I  }ii  [K]€Xo|Lie[v]ö  auTÖ  [XJiicaOOai,  töv  öiKacrdv 
6|LivüvTa  Kpivev.  Aber  man  kann  ja  auch  ailTÖ[X]uca99ai  oder,  was 
die  Größe  der  Lücke  auch  noch  zuzulassen  scheint,  auTÖ[X  X]uca0eai 
lesen.  Dann  ist  die  Stelle  zu  übersetzen :  "Wenn  -  -  einer  (aus 
dem  Ausland  Gefangene)  auf  Geheiß  auslöst,  so  soll  (der  Aus- 
gelöste) in  der  Gewalt  des  Auslösers  sein,  bis  er  ihm  das  Ge- 
bührende erstattet  hat.  Wenn  sie  aber  nicht  einig  sind  über  die 
Menge  (des  Geldes)  oder  (behauptet  wird),  daß  er  ohne  Geheiß 
von  selbst  ausgelöst  habe,  soll  der  Richter  schwörend  entscheiden 
nach  den  Aussagen  des  Freien".  Aus  den  Inschriften  im  ionischen 
Alphabet  gehört  hierher  Praisos  5120  (1.  H.  3.  Jahrh.)  B.  18  TiXe- 


Der  syntaktische  Gebrauch  des  Genetivs  in  den  kret.  Dialektinschr.    137 

6vt[u}  •  dva]cuj94vTuiv*)  bfe  6  KÖcfioc. . .  dTTobovriü  "sie  sollen  segeln; 
wenn  sie  aber  glücklich  zurückgekehrt  sind,  soll  das  Kosmos- 
koUeginm  (ihnen  den  Lohn)  auszahlen*. 

Dagegen  stehen  Genetivformen  von  auTOc  als  Subjekt  in  den 
Inschriften  der  jüngsten  Klasse,  nämlich  Olus  5104c  8  iLiexa- 

TT^flTTTOU    bk    ttÜTOO    TlVOjiivOU    dc    OIKOV    KQl    ÖVTOC   7T€pi   TO    dlTO- 

Tpdxev  . . .  direicaiiec  aüiöv  dEidjcavrec  7rapa|Li€Tvai . . .  7r€icedvTo[cl 
6c  auTOÖ  ktX.  und  Altana  4940  Z.  11  TrapaTevojidvuiv  tiIiv  irpec- 
ßcurdv  ttot'  ä^ii  . . .  Kai  dvaveujca|i4vujv  auiuiv  .  .  .  idv  t€  (piXiav 
Kai  idv  euvoiav...,  beööxOai  ktX. 

Im  Ionisch-Attischen  steht  gleichfalls  der  Genetivus  abso- 
iatus  nicht  selten  ohne  Subjekt,  wenn  dieses  aus  dem  Zusammen- 
hang ergänzt  werden  kann,  wie  in  der  Stelle  aus  der  Praisos- 
inschrift,  oder  ein  allgemeiner  Begriff  ist,  wie  in  den  altgortyuischen 
Belegen  (vgl.  Kühner-Gerth  n»  2  S.  81). 

Wenn  man  aus  den  kretischen  Belegen  auf  einen  wirklichen 
Unterschied  zwischen  den  älteren  und  den  jüngsten  Inschriften 
in  der  Verwendung  dieses  subjektlosen  Genetivus  absolutus 
schließen  darf,  so  berulit  er  auf  der  selteneren  Verwendung  von 
auTÖc  in  der  Bedeutung  des  einfachen  Personalpronomens  der 
3.  Person  und  von  lic  in  der  älteren  Sprache. 

Zwischen  dem  Genetivus  absolutus  im  Sinne  der  Gramma- 
tiker und  den  gleich  zu  besprechenden  unabhängigen  nominalen 
Genetiven  stehen  die  Fälle,  in  denen  statt  des  Partizipiums  ein 
Verbalnomen  steht.  Hierher  gehört  wahrscheinlich  Dreros  4952 
A  3  diri  Toiv  AiOaXduiv  koc|lii6vtujv  toiv  cut  Kuiai  Kai  KecpdXwi 
rrfPQITTIQI*)  Biduivoc,  TPCt|i|LiaT4oc  bk  OiXiTnrou  idöe  ujjiocav 

"Unter  dem  Kosmiontat  der  Aithales,  der  mit  K.  und  K 

als  Schreiber  aber  Philipp  (war)*.  Wir  haben  den  gleichen  Gebrauch 
auch  in  einer  Präskriptformel  böotischer  Dekrete  z.  B.  Chaeronea 
IG.  VII  3381  Z.  1  MvaciKXeToc  dpxA  jieivöc  'l7nTOÖpo|Li[r|iui]  ^)  vgl. 
3301 — 3305;  im  Attischen  findet  sich  ähnliches  nur  selten  bei 
den  Tragikern  (Krüger  Sprachl.  I  47,  4,  6).  Ich  muß  dahingestellt 


1)  v.  Wilamowitz  ciwe^vrujv;  Dittenberger  [Xic]cuje^vTUJv,  Blaß 
[ÄacJcuie^vTUJv. 

2)  Die  Zeichen  sind  unverständlich,  Biciiwvoc  ist  wohl  Eigenname 
=  FicCuivoc. 

3)  Dagegen  hat  das  auf  demselben  Steine  stehende,  aber  in  der 
Koivi^  verfaßte  Dekret  3382  0€obdjpou  öpxovroc.  So  auch  z,  B.  die  Dia- 
lektinschrift von  Kopai  2781  Z.  1. 


138  K.  Meister, 

sein  lassen,  ob  diese  inschriftlichen  Belege  Reste  der  alten  freien 
Gebrauchsweise  des  Genetivs  oder  sekundäre  Neubildungen  nach 
den  entsprechenden  Partizipien  dfpxovroc,  TpctmiaTۆovToc  usw. 
sind  wie  die  erwähnten  Tragikerstellen. 

Der  absolute  Genetiv  begegnet  allenthalben  in  den  Dialekten; 
ich  führe  nur  beispielsweise  an  Epidauros  3840  Z.  49  d|i4pac 
bk  Tl€]vo^ivac  uTit^c  «nXGe,  Rhodos  3749  (um  200  v.  Chr.)  Z.  5 
imteXlujv  6^  xctv  eöxav  T€V0|Li€väv  Ouciav  Kai  TroOobov  Tioiricaceai 
und  thessalisch  345  (E.  3.  Jahrh.)  Z.  41  'AXeHiTnroi  XdHa[v]TOC  dipa- 
(picrei  Tct  7roXiT€ia  'auf  Antrag  des  A.  wurde  von  der  Bürgerschaft 
beschlossen*. 

2.  Genetiv  der  Zeit. 

Ich  bespreche  hier  zunächst  die  Fälle,  in  denen  eine 
allgemeine  Zeitbestimmung  schlechthin,  ohne  Beziehung  auf  einen 
andern  Zeitpunkt  gegeben  wird,  dann  die,  in  denen  eine  von 
einem  bestimmten  Zeitpunkte  an  gerechnete  Frist  ausgedrückt 
wird,  binnen  der  etwas  geschehen  soll. 

1.  Hiarapytna  5040  (2.  Jahrh.)  Z.  3  im  k6c|liujv  toiv  cuv  . . . 
KaijiTivöc  Apo|LiTiiiJü*T(iÖ€cuvl6€[vTo]  Vgl.  Gortyn5016(2.H.  2.  Jahrh.) 
Z.  26  und  Knosos  5149  Z.  44,  wo  ebenfalls  der  Monat,  nach  dem 
datiert  wird,  im  Genetiv  steht.  Praisos  5120  (1.  H.  3.  Jahrh.)  A  13 
6  bk  k6c|lioc  ö  TTpaiduiv  ö|Li(o)c<iT[uj  ^Kdcrou]  fteoc  jinvöc  Aiovuciou 
TÖvb€  TÖv  6[pKov].  Vgl.  auch  die  in  Kap.  III,  1  besprochenen 
Datierungsformehl.  Dieser  Gebrauch  des  Genetivs  findet  sich  be- 
kanntlich sowohl  im  Ionisch-Attischen  (vgl.  Kühner-Gerth  II 1 S.  386) 
imd  neutestamentlichcn  Griechisch  (vgl.  Blaß  Gramm,  d.  neut.  Griech. 
S.  106)  als  auch  in  den  meisten  andern  Dialekten  z.  B.  herakleisch 
4629  I  95  im  iqpöpui  Apicxiiuvoc  ilitivöc  'ATreXXaiiu  ha  ttoXic  .  .  . 
jiicOüjvTi,  ebenso  werden  die  delphischen  Freilassungsurkunden 
1684  ff.  datiert  Epidauros  3340  Z.  15  tote  iqpepTroucac  bk  vukt[6c]; 
elisch  1168  cpdpev  KpiGctv  iiiavaciöc  öuo  Kai  FiKaxi  AXcpioiö  lüievop 
*er  soll  entrichten  22  Maß  Gerste  im  Monat  A.*. 

Im  allgemeinen  steht  dieser  Genetiv  im  jungem  Kretischen 
wie  im  Attischen  nur  bei  eigentlichen  Zeitbestinmiungen.  Aber 
er  scheint  in  der  frühem  Sprachperiode  eine  weitere  Venvendung 
gehabt  zu  haben.  Ein  Üben^est  hiervon  ist  die  Fomiel  ttoX^iliuj 
Kai  eiprivac,  die  in  den  Proxeniedekreten  und  Verträgen  der  ver- 
schiedensten Dialekte  wiederkehrt,  und  zwar  in  altern  wie  in 
jungen  Inschriften.  Gortyn  5018  (2.  Jahrh.)  Z.  5  KrjipfiOGai  töv 
AaTTTraTov  [tJoic  fopTuvioic  Kai  ttoX^iliuj  x[J]Pnvac  'und  daß  folgen 


Der  syntaktische  Gebrauch  des  Genetivs  in  den  kret.  Dialekiinschr.    139 

soll  der  L.  den  G.  im  Krieg  und  Frieden*  vgl.  5024  Z.  9.  69. 
Aptara  5181  (E.  2.  Jahrh.)  Z.  41  ouk  döiKeo^xev  Tntoc  .  .  .  oöre 
iToXd^ou  oure  clpdvac.  Koinon  der  Kretaer  5155  (3.  Jahrh.)  Z.  16 
ilMCV  bi  Kai  ScttXouv  Kai  IkttXouv  Kai  TioX^fiiü  Kai  eiprjvac  vgl. 
Olus  5104  b  (2.  Jahrh.)  10.  56;  c.  50;  dementsprechend  Erythrae, 
Bechtel  Inschr.  ion.  Dial.  199  (394  v.  Chr.)  Kai  didXeiav  iravTiüv 
XPnMdxuiv  Kai  [i]caTU)Tflc  Kai  dEaTUJTnc  Kai  iroXeiüiou  Kai  elpriviic 
vgl.  ebenda  202,  203  (um  355  v.  Chr.)  und  Kyme  312  (römische 
Zeit).  Knosos  5150  (nach  167  v.  Chr.)  Z.  35  f^^iev  bk  autoic  . .  . 
dcqHxXetav  TroXfjiU)  Kai  elpnvac.  Dieselbe  Phrase  z.  B.  elisch  1172 
(hellenistische  Zeit)  Z.  24,  Dodona  1339  Z.  12  usw. 

Doch  kommen  daneben  oft  genug  Stellen  vor,  an  denen 
diese  altertümliche  Formel  durch  andere,  jüngerm  Sprachgebrauch 
entsprechende  Ausdrucksweisen  ersetzt  ist.  Die  Böoter  haben  sie 
in  einen  Genetivus  Äbsolutus  umgeformt,  so  begegnet  TroX^jiuj 
KH  etpdvac  iübcac  aller  Orten  in  den  Proxeniedekreten  böotischer 
Städte.  In  Kreta  wie  auch  anderwärts  ist  öfters  dafür  die  prä- 
positionale  Umschreibung  mit  iv  eingetreten :  Itanos  5058  (3.  Jahrh.) 
Z.  39  Kai  o(u)  7rp[oX€H|id]uj  idv  TroXiieiav  oure  d[v  TroXejiüiiui  oöt€ 
iv  €i[pd]vai  vgl.  Lyttos-Olus  5147  (2.  Jahrh.)  b  Z.  11.  Aptara  4945 
(2.  Jahrh.)  Z.  10  Kai  diiXeiav  eicdtuici  Kai  iEdtuici . . .  Kai  dv  7toX4|liuj 
Kai  dv  eiprjva,  vgl.  hiermit  Epidauros  IG.  IV  915 — 921. 

Nach  TroXdfüiuJ  Kai  ciprivac  ist,  wie  ich  glaube,  auch  das  alt- 

gortynische  Fragment  4992  II  1  zu  erklären: Kpe'iiiajTa') 

d[v]öpöc  dXeuOdpö  Ott'  Ivc  ttoX^iliö  ick€i.  Die  hier  gegebene  Lesung 
des  Relativsatzes  hat  Theod.  Baunack  Philol.  1896  S.  477  ge- 
funden*), doch  erkläre  ich  nicht  wie  er  ttoX^iliö  ablativisch  Von 
Kriegswegen',  was  mir  sprachlich  und  sachlich  bedenklich  er- 
scheint, sondern  als  Genetiv  der  Zeit  'Sachen  eines  freien  Mannes, 
soviele  ein  einzelner  in  Kriegszeiten  hat'.  Ist  diese  Deutung  richtig, 
so  ist  für  das  Altgortynische  der  freie  Gebrauch  dieses  Genetivs 
erwiesen,  den  wir  in  den  jungem  kretischen  und  nichtkretischen 
Inschriften  nur  in  der  besprochenen  Formel  belegen  konnten*). 

Schließlich  muß  ich  noch  Malla  5101  (E.  2.  Jahrh.?)  Z.  5 


1)  So  nach  Halbherr,    denn  die   Buchstabenreste   führen  hierauf 
eher  als  auf  [ÖJirXa. 

2)  Halbherr  ^vc  tto\i\io\c  k'ci,  Blaß  ^vc  irdX€fjio(v)  tcK€i.    Auch  im 
Attischen  wird  €lc  öfters  in  ähnlicher  Bedeutung  wie  tIc  verwendet. 

3)  Gortyn  4985  Z.  5  töv  |it   iT€t6ö)i€vov  tö  iroX[^»ji[ö]  übersetzt 
Blaß  'in  Kriegszeiten*.    Mir  ist  die  ganze  Stelle  unverständlich. 


140  K.  Meister, 

lTX€\bf\  Tdc  T€vo|i^vac  Trepicrdaoc  Trepi  t€  idv  ttöXiv  Kai  to[v]  a[XXov] 
bä|Liov  Tv[T]x<ivovn  Td[v]  7rdca[v]  TreTroiini^voi  crrouödv  anführen, 
weil  man  sich  hier  versucht  fühlt,  rdc  T^voji^vac  Trepicrdaoc  als 
unabhängigen  Genetiv  der  Zeit  "in  der  eingetretenen  Gefahr'  zu 
übersetzen.  Doch  wäre  dies  ein  ganz  singulärer  Fall,  in  dem  ein 
ganz  anderes  Wort  als  ein  allgemeiner  Zeitbegriff  in  dieser  Be- 
deutung verwendet  würde,  auch  TToX^jiUi  nach  der  oben  ge- 
gebenen Interpretation  läßt  sich  da  nicht  als  Parallele  anführen. 
So  glaube  ich,  daß  dieser  Genetiv  auf  TreTTouiiüi^voi  cTroubdv  oder 
vielleicht  auf  den  darin  liegenden  Begriff  des  Sorgens  zu  be- 
ziehen ist.  Der  Schreiber  ist  mit  dem  Kanzleistil  nicht  recht 
ausgekommen,  und  so  ist  die  Stilisierung  der  ganzen  Inschrift 
mangelhaft  genug  ausgefallen  (vgl.  Z.  201).  Jedenfalls  darf  diese 
Stelle  nicht  als  Beleg  für  eine  weitere  Verwendung  des  Genetivus 
Temporis  verwertet  werden. 

In  distributivem  Sinne  steht  der  temporale  Genetiv 
zweimal  in  der  großen  Inschrift  von  Gortyn :  I  7  KaiaöiKaöö^TÖ 
Tö  ji^v  dXeuedpö  craiepa,  t6  ÖÖXö  [öa]pKvdv  rdc  d|i^pac 
FcKdcTac  'er  soll  ihn  verurteilen  hinsichtlich  des  Freien  zu 
1  Stater,  hinsichtlich  des  Sklaven  zu  1  Drachme  täglich*  vgl.  1 27; 
außerdem  einmal  in  der  S.  131  angeführten  Stelle  aus  dem  Ver- 
trage von  Praisos  mit  den  Stallten.  In  den  gortynischen  Stellen 
berührt  sich  der  temporale  Genetiv  mit  dem  Genetiv  des  Preises. 
Für  die  Interpretation  als  Genetivus  Temporis  sprechen  die 
Parallelstellen,  in  denen  statt  des  Genetivs  kot'  diiidpav  steht. 
Hierfür  gibt  es  schon  einen  archaischen  Beleg  Vaxos  5125  A 
Z.  4 Kttt'  d|Li4pav  2:a|Lii6|Liev ;  ferner  mehrere  aus  den  In- 
schriften im  ionischen  Alphabet  Knosos  5072  b  Z.  7  dTroöÖTUi 
.  .  .  [tiüvJ  u^ptujv  [iJpiüubeXov  kut'  djidpav  *er  soll  für  die  Arbeiten 
(des  Rindes)  3  Obolen  täglich  bezahlen*.  Vgl.  Gortyn  4995  Z.  7 ; 
Malla  5100  Z.  17  [vaujcdv]TUJV  ö'  6  Kocjioc  xai'  fKactov  i(vi)auTÖv 
[tdv  dTi|Xav  *es  soll  das  Kosmenkollegium  jährlich  die  (Epheben- 
schar)  vereidigen*;  vgl.  5101  Z.  40.  In  der  Inschrift  von  Praisos 
5120  (1.  H.  3.  Jahrh.)  steht  neben  der  zitierten  Stelle  mit  diesem 
Genetiv  A  13  einmal  der  Akkusativ  in  gleicher  Bedeutung: 
B  21  6  k6c|lioc  .  .  .  [dJiroöcvTiu  toTc  TiXeucaa  öpaxiLidv  ^Kdctu« 
T[dv]  d|Liepav.  Auch  hier  wird  also  der  Genetiv  in  den  jungem 
Inschriften  weniger  oft  im  Verhältnis  zu  andern  Ausdrucksweisen 
derselben  Bedeutung  gebraucht  als  in  den  archaischen. 

Für  das  Ionisch -Attische,  wo  gleichfalls  Genetiv,  Akkusativ 


Der  syntaktische  Gebrauch  des  Genetivs  in  den  kret.  Dialektinschr.    141 

und  präpositionale  Ausdrücke  in  diesem  Sinne  verwendet  werden, 
geben  Kühner-Gerth  II  1  S.  387  und  Meisterhans  Gramm,  d.  att. 
Inschr.'  S.  204  genügende  Belege;  vgl.  dazu  elisch  1151  Z.  18 
drroTivoi  rdc  djidpac  vgl.  Z.  3;  arkadischr222  Z.  29  Z;a|iitü[c|9iü  . . . 
KOTu  |inva  TrevTrJKOVTa  öapXfiaTc. 

2.  Wenn  eine  Frist  bezeichnet  wird,  binnen  der  etwas 
geschehen  soll,  so  steht  stets i)  in  den  archaYschen  und  den 
altern  ionischen  Inschriften  der  Artikel  sowohl  bei  dem 
unabhängigen  Genetiv  als  auch  bei  dem  Dativ  mit  dv.  Dagegen 
fehlt  der  Artikel  in  den  Belegen  aus  den  jungem  ionischen 
Inschriften,  die  nie  mehr  den  Genetiv,  sondern  alle  den  Dativ 
mit  iv  enthalten. 

a)  Genetiv:  Goi-tyn  4991  I  25  I  bi  xa  viKaOti  ö  fKÖv, 
TÖ|i  \iiy  iXeuGepov  Xatdcai  idv  tt^vt'  d|iepdv  *seit  der  Pesthaltende 
den  Prozeß  verloren  hat,  binnen  den  fünf  Tagen  soll  er  den 
Freien  loslassen*.  VII  11  ai  k*  dxc  dropdc  Tipidinevoc  ööXov  fi€ 
Tr€patÖc€i  Tdv  FcKc^Kovr*  d|i€pdv  'wenn  einer,  der  einen  Sklaven 
gekauft  hat,  ihn  nicht  binnen  60  Tagen  über  See  schafft*.  4998 
TU  12  TÖv  qvbp*  ...  dm  to[i|c  [|Li]€|i7TOfjidvoic  .  .  .  f\\ir]v,  ax  Ka  |Lir| 
iT€paiÖc€i  f\  Ktt  TTpiaiai,  dv  laic  ipidKOvr'  dfiidpaic.  ai  bi  Ka  cuv- 
Tvövn  xdv  biK*  d|i€pdv  \if\  7r€paiÖ[cTi]v  'falls  er  ihn  nicht  binnen 
den  30  Tagen,  seit  er  ihn  gekauft  hat,  über  See  schafft.  Wenn 
sie  aber  vereinbart  haben,  ihn  binnen  den  10  Tagen  (seit  er  ihn 
gekauft  hat)  nicht  über  See  zu  schaffen*.  4998  IV  6  töv  bi 
FoiKca  TÖV  dmöiÖMevov  |if|  dTToboGGai  jiriTe  vaeiiovra  jiriT*  f\  k*  dTreXGiii 
t6  dviauTÖ  *den  flüchtigen  Sklaven  soll  man  nicht  verkaufen 
weder  wenn  er  im  Asyle  ist  noch  innerhalb  des  Jahres  seit  er 
weggegangen  ist*;  vgl.  IV  12.  Die  Belege  aus  den  ionisch  ge- 
schriebenen Inschriften  sind  Gortyn-Lato  BCH  XXVII  (1903) 

S.  219  (3.  Jahrh.)  B 17 Kolcfioc  idy  ipidKovra  [dfiiepdv . 

Dreros  4952  (älter  als  2.  Jahrli.)  C  10  ö|ivuuü*.!!  tot  k6c|liov... 
4^ßaXelV  de  rdv  ßuiXdv  at*)  xa  dTTOcrdvTi,  toO  jinvöc  toO  Ko|livo- 
Kttpiou  f|  ToO  AXiaiou  *Ich  schwöre,  die  Kosmionten  vor  den  Rat 


1)  Das  älteste  Beispiel  aus  den  Pytionfragmenten  4979  Z.  2  Tpi[ö]y 
Feriöv  xdv  dFxdv  ^f|  Koc^€v  läßt  sich  leider  wegen  des  Fehlens  des  Zu- 
sammenhanges nicht  ven^erten. 

2)  Blaß  schreibt  hier  und  an  ähnlichen  Stellen  di,  wozu  er  din^pai 
ergänzt.  Aber  ai  'wenn*  berührt  sich  so  eng  mit  i]  'seit'  (vgl.  z.  B.  Gortyn 
4991  VI  1.  XI  48),  daß  seine  Verwendung  in  rein  temporalem  Sinne  nichts 
Auflallendes  hat. 


142  K.  Meisler, 

zu  bringen  innerhalb  des  Monats  des  K.  oder  H,,  wenn  sie  ihr 
Amt  niedergelegt  haben*.  Praisos  5120  (1.  H.  3.  Jahrh.)  B  6  touc 
ö*  dTTobdjiouc  aT  k'  fXGuüvn  [xdjc  d[|Li^pac]  'die  Auswärtigen  (will 
ich  vereidigen)  innerhalb  des  Tages,  seit  sie  gekommen  sind*. 
Die  jüngsten  Belege  stehen  in  der  Inschrift  von  Malla  5100 
(E.  3.  Jahrh.?),  wo  aber  neben  zweimal  gesetztem  Genetiv  mit 
Artikel  auch  schon  einmal  die  Form  des  Dativs  mit  dv,  ohne 
Artikel  verwendet  ist :  Z.  1  (fragmentarisch)  idv  F€HriKo[vTa  djiejpdv 
Totv  i^jilvav;  Z.  12  6  bi  köc)lioc  7TpaEdvTuj[v  idv^)  ö^k']  dfnepav 
TÖv  iXouGepov,  dXXo  ö'  ai  ti  Ka  cijXd[cr|]i*)  ^v  djidpaic  TKaxi  *Die  K. 
sollen  binnen  10  Tagen  den  Freien  einfordern  (von  dem  Räuber); 
wenn  er  aber  etwas  anderes  geraubt  hat,  binnen  20  Tagen*, 
b)  iv  beim  Dativ  mit  dem  Artikel:  GortynI6  öiKaKcdiö 
Xaxdcai  iv  laic  ipid  djiepaic  vgl.  II  28.  XI  48  fuvd  . . .  ö  biKacrdc 
öpKOv  aX  Ka  öiKdKcei,  iv  taic  FiKaxi  djidpaic  d7ro|LiocdTÖ  *ein  Weib 
soll,  wenn  der  Richter  auf  einen  Eid  erkannt  hat,  binnen  20  Tagen 
abschwören.  VIII  18  Kai  [liv  Tic  [k'öJ7tui€i  iv  laTc  ipidKOvra  I 
Ka  FeiTTÖVTi  *wenn  einer  (die  Erbtochter)  freit  binnen  30  Tagen 
seit  sie  es  verkündet  haben*;  vgl.  VII  46.  4994  Z.  5  I  be  xa 
7Ta[pi]övTi  Kaf  k'  d0[p6]öc  T^vöviai,  iöbiKaKcdtö  Iv  laic  Tp[ic]i 
djiepaic  *seit  sie  da  sind  und  sich  versammelt  haben,  binnen 
den  (folgenden)  3  Tagen  soll  er  urteilen*;  vgl.  4998  VII  15. 
4999  II  1.  4985  Z.  13  öti  öe  [xa  touto]ic  dymiraicovri  t6  koivöv 

Ol    PlTT^VlOl    TTOpTl    TÖVC    fopTUVioyfc],    [TrpoFe]l[7Tai]  3)    TÖV   KdpuKa 

PiTT^vaöe  iv  raiöeKa  Traptiiiev  'worin  nur  immer  um  diese  Be- 
stimmungen der  Staat  der  Rh.  gegen  die  G.  streitet,  so  soll  der 
Herold  nach  Rh.  berufen 8),  binnen  10  Tagen  (dort)  zu  sein*; 
vgl.  4998  II  7.  4991  I  45  ai  be  xa  fieb'  auTÖv  diroboi  ^v  töi 
iviauToi,  idvc  dTrXöovc  niidvc  imKaTacracei  *wenn  er  auch  ihn 
selbst  nicht  binnen  des  Jahres  (nach  dem  Urteilsspruch)  zurück- 
gibt, soll  er  die  einfachen  Werte  dazu  bezahlen*.  Vaxos  5125  A 
Z.  4  ai  b*  dTreXGoiEv  iv  raici  ttIvtc  (Blaß  iv  gegen  Überlieferung 
und  Dialekt). 

Auf  Inschriften  im  ionischen  Alphabet  Knosos  5072  (*Schrift 
guter  Zeit*  Blaß)  b  7  \iv  raicji  7t[I]vt'  dfii^paic  dirobÖTUi  ai  Ka 
TTpiatai.  5073  (2.  Jahrh.)  Z.  15  ergänze  ich  [dHopxibbev  touc  k6c|liouc 

1)  Täv  durch  die  Größe  der  Lücke  erforderlich. 

2)  ai  TIC  cuXdcai  Bücheier  Blaß. 

3)  Vgl.  4991  II  28  TTpoFenrdTui  'er  soll  auffordern*.  —  Halbherr 
[iTpoKaX^v],  was  der  Buchstabenrest  verbietet,  Blaß  [XaTa]([€v]  'schicken*  (?). 


Der  syntaktische  Gebrauch  des  Genetivs  in  den  kret.  Dialektinschr.     143 

dcp'  ic  Ktt  djidpac  dTrJicrdvn,  iv  idi  öiiLirivijüi.  Schließlich  noch  in 
zwei  gortynischen  Gesetzesfragmenten  aus  dem  3.  oder  2.  Jahrh. 
T.  Chr.  5010  Z.  4;  5025  Z.  22. 

c)  dv  beim  Dativ  ohne  Artikel:  Das  älteste  Beispiel 
dieser  jüngsten  Äusdrucksforra  stammt  aus  dem  Schwur  von 
Dreros,  in  dem  wir  an  andrer  Stelle  noch  den  Genetiv  mit  dem 
Artikel  fanden  (s.  S.  141),  4952  C  Z.  26  ö  bk  ß[ijü]Xd  TrpaHdvTUiv 
?KacTOV  TÖv  KOC|LiiovTa  craifipac  TrevraKOCiouc  dqp'  de  Ka  ^iiißdXTii 
djiepac,  dv  TpijirjviJüi  Mer  Rat  soll  von  jedem  K.  500  Stateren 
eintreiben  binnen  3  Monaten  von  dem  Tage  an  (gerechnet),  an 
dem  (der  Kläger  sie  vor  ihn)  brachte*.  Es  ist  denkbar,  daß  die 
Originalfassung  des  Schwures  iv  idi  TpijiriviJüi  enthalten  hat  und 
daß  der  Schreiber  unsrer  Inschiift,  die  erst  im  2.  Jahrh.  v.  Chr. 
gemacht  ist,  dafür  die  dem  Stile  seiner  Zeit  eigentümliche  Foim 
eingesetzt  hat  Dann  kommt  ein  Beleg  aus  einer  noch  aus  dem 
3.  Jahrh.  v.  Chr.  stammenden,  aber  stark  mit  Keine  versetzten 
Inschrift  von  Hiarapytna  5043  Z.  20  dTroCTeWeiuicav  bk  o\  lepa- 
[ttutvioi  dqp'  Sc  öv]  ßaciXeuc  d7r[aTT€]iXTii  iv  d|i4paic  ipidKOvra. 
Alle  übrigen  Fälle  gehören  erst  Inschriften  des  2.  Jahrhunderts 
an:  Knosos  5149  (E.  2.  Jahrh.)  Z.  20  KpivovTiüV  bk  oi  Kvüjcioi 
4v  Öttjirivuji  dpxovToc  jiiivöc  Kapuiviiü  tuj  im  Nevvaiuj  vgl. 
Z.  56.  —  Z.  12  9l|Li£v  crdXav  iv  dji^paic  ipidKOvra  vgl.  Z.  17. 
24.  33,  vgl.  Gortyn-Knosos  5024  Z.  52.  53 ;  unbekannte  zentral- 
kretische Stadt  5148  Z.  8  Malla  5100  Z.  14.  —  Hiarapytna  5040 
(2.  Jahrh.,  wahrscheinlich  2.  Hälfte)  Z.  62  Kai  töc  drr^oc  Kaia- 
cracdvTUiv  imkp  toütiüv  dqp'  5c  xa  diiiepac  d  crdXa  xcGfii,  i^  jitivi ; 
vgl.  Z.  69.  —  Z.  41  TTpOTTapaTTtXXövTiwv  dXXdXoic  Tipö  d|i€pdv 
Ö€Ka  f\  Ktt  ^idXXiwvn  dvaTivübcKev. 

Der  Sinn  dieser  verschiedenen  Ausdrucksweisen  ist  ganz 
derselbe,  sodaß  bisweilen  die  eine  unmittelbar  neben  der  andern 
verwendet  wird.  Aber  in  den  verschiedenen  Zeiten  sind  nicht 
alle  zugleich  gebräuchlich.  1.  Die  Ausdrucksweisen  mit  dem  Artikel 
und  die  ohne  den  Artikel  gehen  nicht  neben  einander  her,  sondern 
die  erstgenannten  werden  von  der  andern  abgelöst.  Die  mit  Artikel 
sind  in  den  Inschriften  in  den  epichorischen  Alphabeten  allein- 
herrschend, die  ohne  Artikel  ist  erst  im  2.  Jahrh.  v.  Chr.  durch 
sichere  Beispiele  vertreten.  2.  Auch  zwischen  der  Verwendimg 
des  Genetivs  und  der  des  Dativs  mit  iv  läßt  sich  ein  chrono- 
logischer unterschied  machen,  wenngleich  hier  der  Prozeß  sich 
langsamer  vollzieht  In  den  archaischen  Inschriften  kommen  beide 


lU 


K.  Meister, 


Ausdrucksweisen  vor,  und  zwar  überwiegt  schon  hier  der  Dativ 
mit  dv.  In  den  ionisch  geschriebenen  findet  sich  der  Genetiv 
nur  bis  zum  Ende  des  3.  Jahrh.  v.  Chr.  und  hat  stets  nach  dem 
älteren  Sprachgebrauch  den  Artikel  bei  sich.  Die  jüngsten  In- 
schriften enthalten  nur  Dative  mit  dv. 

Die  nachfolgende  Tabelle  mag  zur  Veranschaulichung  dieser 
Resultate  dienen: 


Archaische 
Insch 

Ionische 
riften 

Genetiv  mit  Artikel 

4 

5 

Genetiv  ohne  Artikel 

0 

0 

^v  beim  Dativ  mit  Artikel  . 


12 


^v  beim  Dativ  ohne  Artikel 


14 


Was  die  räumliche  Verbreitung  der  Ausdrucksformen  mit 
dem  Artikel  anlangt,  so  fanden  sie  sich,  wie  wir  sahen,  nicht 
nur  in  Gortyn  und  Knosos,  sondern  aucli  in  den  Inschriften  von 
Vaxos,  Malla  und  Dreros,  deren  Mundarten  in  den  Lautverhält- 
nissen ziemliche  Abweichungen  von  der  der  beiden  Hauptstädte 
enthalten.  Die  Beispiele  aus  Ostkreta  sind  für  Gebrauch  oder 
Nichtgebrauch  des  Artikels  nicht  beweisend,  aus  dem  Westen 
fehlen  sie  überhaupt.  Im  Ionisch-Attischen  wird  ebenfalls  dem 
Genetiv  durch  präpositionale  Wendungen  starke  Konkurrenz  ge- 
macht (vgl.  Kühner-Gerth  II 1  S.  H85),  der  Genetiv  steht  besonders 
häufig  in  den  älteren  attischen  Inschriften  (Meisterhans  a.  a.  0. 
S.  205).  Aus  den  andern  Dialekten  kann  ich  nur  1  Beispiel  des 
Genetivs  anführen  und  zwar  aus  der  archaischen  Bronze  von 
Naupaktos  1478  Z.  18  auTÖv  iovia  ai  k'  dv€p  ^i  l  Tiaic,  xpiöv 
[i^y/öy/  *indem  er  selbst .  .  .  binnen  3  Monaten  (nach  dem  Tode 
des  Verwandten)  hingeht*.  Daneben  steht  aber  auch  hier  Z.  41 
die  andere  Sprachform :  TÄVKaXeiiii^vöi  xdv  öiKav  ö6|li€v  töv  dpxöv 
i.v  Tpidcjovi'  d|Lidpaic  'Dem  Kläger  soll  das  Recht  geben  der  Beamte 
binnen  30  Tagen  (seit  Einreichung  der  Klage)*.  Und  für  diese 


Der  syntaktische  Gebrauch  des  Genetivs  in  den  kret.  Dialektinschr.    145 

allein  habe  ich  Beispiele  aus  den  ionisch  geschriebenen  Inschriften : 
PhoKsch  1539  (nach  183  v.  Chr.)  B  13  öovtiüv  bk  toi  Iiipioi 
Td  (paxpia  xAv  Mebetüvfiüv  iv  it^oic  Texrdpoic  dptupiou  jivdc  Trevre; 
koisch  3705  (4.  oder  3.  Jahrh.?)  Z.  29  oi  dTiobaMOi .  . .  diroTpa- 
cpicGuiv  auToi  dTiei  Ka  TrapaTevuüvrai,  iv  Tpi|invuji  t6  övoiiia;  rhodisch 
3749  (220  V.  Chr.)  Z.  16  dTrocreXXövTiüv  idv  cujijiaxiav  lepaTnirvioi 
4v  djidpaic  rpidKOvra  dqp'  fic  Ka  TiapaTTciXujVTi  'Pobioi  vgl.  Z.  75; 
lesbisch  213  (1.  H.  4.  Jahrh.)  Z.  11  rdv  bk  blKav  ffifievai  inü  k€ 
ujviauTOc  dHdXOiii  iv  IE  |i/|vecci  vgl.  lesbisch  Hoffmann  G.  Dial.  II  n.  95 
(um  200?)  Z.  18;  arkadisch  1222  (eher  3.  als  2.  Jahrh.)  Z.  3 
diruecGui  öe  6  döiKri)i€VOC  töv  dbiKdvra  iv  dfiepatc  ipici  dTru  idi 
Sv  TÖ  dbiKima  T^viiToi,  ücrepov  bk  ^r\  'er  soll  binnen  3  Tagen 
vorladen,  seit  das  Unrecht  geschehen  ist*. 

Im  allgemeinen  können  wir  also  annehmen,  daß  auch  die 
nichtkretischen  Dialekte  allmählich  dazu  fortschreiten,  den  im- 
abhängigen  temporalen  Genetiv  durch  präpositionale  Wendungen 
zu  ersetzen.  Dagegen  unterscheiden  sich  alle  hier  durch  Beispiele 
vertretenen  Dialekte  von  den  älteren  zentralkretischen  Insclirifteit 
durch  die  Nichtverwendung  des  Artikels.  Es  ist  also  dieser  Artikel- 
gebrauch im  Kretischen  eine  der  seltenen  Erscheinungen  inner- 
halb der  griechischen  Syntax  —  von  der  Verschiedenheit  der 
Präpositionen  und  Konjunktionen  natürlich  abgesehen  — ,  wo 
ein  Einzeldialekt  sich  eine  besondere  Sprachforra  geschaffen  hat. 
Denn  sonst  hat  sich  ja  gerade  der  Gebrauch  des  Artikels  in 
den  verschiedenen  Dialekten  gleichartig  entwickelt.  Daß  diese 
besondere  Verwendimg  des  Artikels  bei  den  Pristbezeichnungen 
überhaupt  nur  in  Kreta  vorgekommen  sei,  läßt  sich  natürlich 
nicht  behaupten. 

E3s  sei  mir  noch  gestattet,  kurz  zwei  Fragen  zu  beantworten, 
die  eigentlich   in   das  Kapitel  über   die   Pronomina  gehören: 

1.  Wie  ist  diese  singulare  Verwendung  des  Artikels  zu  erklären? 

2.  Woher  kommt  der  plötzliche  Wechsel  der  Ausdrucksweise 
in  den  jungem  Inschriften?  Was  die  erste  Frage  anlangt,  so 
weist  der  Artikel  auf  den  Zeitpunkt  hin,  von  dem  aus  die  Frist 
gerechnet  werden  soll.  Beachtenswert  ist,  daß  die  Bezeichnung 
dieses  Termins  sehr  häufig  der  Bezeichnung  der  Frist  unmittelbar 
vorausgeht  Man  verstand  nun  bei  f|  k'  dirlXeni,  t6  dviautö  unter 
t6  iviauTÖ  olme  weiteres  das  auf  das  Fortgehen  unmittelbar 
folgende  Jahr,  bei  k  bi  Ka  viKaOei,  . .  .  Xatdcai  rdv  irdvi'  d^epdv 
die  auf  die  Verurteilung  zunächst  folgenden   5  Tage.    In   der 


146  K.  Meister, 

Sprache  der  Jüngern  Inschriften  finden  wir  diesen  Hinweis  einmal 
umständlicher  ausgedrückt:  Gortyn  5015  (nach  183  v.  Chr.)  Z.  25 

dcp'    d)    k'  dTTOCTdVTl    fopTUVl    [ikV    Oi    7T€Ö'  'ApX€[|LldxUJ    KÖpjiOl,    dv 

Tiiji  4tto]|li4viwi  iviauTÜüi,  . .  .  [Kviücoi  bk  dcp'  uj  k  dTroJcrdvn  ol 
ireö'  EöpuGGevia  Kopjioi,  iv  tuji  4Tro|i[4vuüi  dviaimjüi].  Die  Antwort 
auf  die  zweite  Frage,  aus  welchen  Gründen  der  Artikel  hier 
in  den  Inschriften  des  2.  Jahrhs.  nicht  mehr  verwendet  wird, 
ist  durch  die  Übereinstimmung  des  Stiles  dieser  Inschriften  mit 
den  Urkunden  anderer  Dialekte  nahe  gelegt:  Dieser  Wechsel 
der  Ausdrucksweise  ist  durch  den  Einfluß  der  gemeingriechischen 
Kanzleisprache,  der  Vorstufe  zur  eigentlichen  Koine,  hen'or- 
gerufen  worden. 

Während  wii*  den  Genetiv  ganz  in  demselben  Sinne  wie 
dv  mit  dem  Dativ  verwendet  fanden,  läßt  sich  zwischen  den 
durch  den  absoluten  Dativ  und  den  durch  den  Genetiv  be- 
zeichneten Zeitbegriffen  ein  Bedeutungsunterschied  machen,  der 
dem  allgemeinen  Charakter  dieser  beiden  Kasus  entspricht.  Im 
Genetiv  stehen  die  weiteren  Zeitbestimmungen,  die  Zeiträume, 
innerhalb  deren  etwas  einmal  geschieht;  im  Dativ,  der  ja  den 
alten  Lokativ  vortritt,  die  engern  Zeitbestimmungen,  die  Zeit- 
punkte. In  den  Datierungsformeln  aller  Dialekte  steht  der  Tag 
im  Dativ,  z.  B.  Knosos  5149  Z.  6  iinvöc  ZTrepiiiiiü  öeui^pai,  während 
wir  den  Monat  durch  den  unabhängigen  Genetiv  bezeichnet 
finden  (das  weitere  Material  Kap.  III  1).  So  erklärt  sich  auch, 
daß  die  Feste  nicht  im  Genetiv,  sondern  im  Dativ  stehen,  und 
zwar  im  Ionisch-Attischen  (vgl.  Kühner-Gerth  II  1  S.  445)  wie 
in  der  archaischen  Inschrift  von  Yaxos  5128  Z.  11  toTc  Kubav- 
Teioic  bibö|Li€v  xpiTÖi  Fetei  tdv  ßöXdv  k  rä  GuiiiaTa  buÖbcKa  craiCpavc 
*an  den  Kydanteen  soll  nach  Verlauf  des  dritten  Jahres  der  Rat 
für  die  Opfer  12  Statere  geben*.  Diese  Stelle  gibt  uns  in  xpiiöi 
Fdiei  zugleich  einen  Beleg  (einen  ähnlichen  bietet  auch  Gortyn 
4985  Z.  2)  für  eine  andere  Bedeutung,  die  im  Dativ  stehende  Zeit- 
bestimmungen haben  können  und  die  aus  dem  Ionisch-Attischen 
durch  Ausdrücke  wie  xpovuüi  ttoXXüui  *nach  langer  Zeit*  (vgl. 
Kühner-Gerth  II  1  S.  446)  bekannt  ist.  Diese  Bedeutung ')  ist  nur 
beim  Dativ,  der  liier  den  alten  Instrumentalis  vertritt^  nicht  aber 
beim  Genetiv  möglich. 

1)  Sie  liegt  wohl  auch  Gortyn  4991  I  85  ^viauxoi  TTpäbbcGGai  rd 
Tpixpa  vor.  Denkbar  wäre  jedoch  hier  auch  die  Deutung  'am  Jahrestag', 
vgl.  Brugmann  Griech.  Gr.^  S.  405. 


Der  syntaktische  Gebrauch  des  Genetivs  in  den  kret.  Dialektinschr.    147 

Der  temporale  Dativ  erleidet  im  Liaufe  der  historischen 
Sprachentwicklung  dasselbe  Schicksal  wie  der  temporale  Genetiv, 
daß  er  nämlich  durch  präpositionale  Ausdrücke  verdrängt  wird. 
Den  angeführten  Datierungsformeln,  die  sich  aus  älterer  Zeit  in 
den  Präskripten  erhalten  haben,  steht  der  im  Texte  jüngerer 
Inschriften  geläufige  Typus  der  Tagesbezeichnung  Malla  5101 

Z.  40  dv  Tcti  ficrai  tu»  Ba jniivöc  gegenüber,  und  auch  die 

Feste  stehen  in  den  jüngsten  Inschriften  nicht  mehr  im  bloßen 
Dativ  25.  B.  Hiarapytna  5040  Z.  39  dvativiwcKOVTUJV  bk  xdv  crdXav 
WT*  dviairröv  oi  tök'  de!  koc|liövt€c  . . .  iv  toTc  TTrepßiJüioic  vgl.  Z.  87 ; 
Lato-Olus  5075  Z.  23  [[iv]]^)  xoTc  0iobaicioic  So  wird  in  der 
jungem  Sprache  für  Zeitbestimmungen  verschiedener  Bedeutung, 
die  die  alte  Sprache  durch  Genetiv  und  Lokativ  differenziert  hatte, 
dieselbe  Ausdrucksform  verwendet. 

3.  Genetiv  des  räumlichen  Bereiches  und  der  Zugehörigkeit. 

Im  Genetiv  der  Zugehörigkeit  liegt  dieselbe  Grundbedeutung 
des  Bereiches  vor  wie  beim  Genetivus  temporis.  Der  Genetiv 
von  Wörtern,  die  eine  Lokalität  bezeichnen,  ist  im  Kretischen 
durch  kein  Beispiel  vertreten.  Dagegen  sind  einige  z.  T.  sehr 
altertümliche  Fälle  des  Genetivs  von  Pereonalsubstantiven  vor- 
handen. Bei  ihnen  kommt  nun  nicht  nur  der  räumliche  Bereich, 
sondern  auch  das  Besitztum  und  überhaupt  Zugehörigkeit  im 
weitesten  Sinne  in  Betracht.  Ich  teile  das  Material  in  2  Gruppen, 
indem  ich  1.  die  Fälle  im  Satzzusammenhang,  2.  die  Aufschriften 
im  Genetiv  behandle. 

1.  Als  alleinstehendes  Satzglied  kommt  dieser  Genetiv 
nur  in  zwei  merkwürdigen  Stellen  aus  dem  Zwölftafelgesetz  vor : 
n  2  ai  Ktt  TÖv  dXeüGepov  i  tdv  iXeuGepav  KdpT€i  otTr€i,  dKatöv 
aaWpavc  KaiacTaceT,  aj  be  k'  dTrexaipö  bcKa  *Wenn  einer  den 
Freien  oder  die  Freie  notzüchtigt,  soll  er  100  Statere  bezahlen, 
wenn  er  aber  eine  einem  Aphetairos  zugehörige  Person,  10*.  II 25 
ai  he  K  6  böXoc  [idjv  ^XeuG^pav  (seil.  jioiKiöv  aiXeOii),  bmXei  Kaictc- 
Tac€j,  ai  bi  kq  böXoc  bÖXö,  irdvie  *wenn  der  Sklave  beim  unerlaubten 
Beischlaf  mit  der  Freien  ertappt  wird,  soll  er  doppelt  bezahlen, 
wenn  aber  ein  Sklave  mit  einer  einem  Sklaven  (gehörigen  Person), 
fünf  (Statere)*.  Der  Genetiv  vertritt  hier  den  Akkusativ  ähnlich, 

1)  Ich  bezeichne  mit  diesen  Klammern  die  in  alten  Abschriften 
dieser  Inschrift  überlieferten,  aber  auf  dem  jetzt  in  Venedig  gefundenen 
Steine  nicht  mehr  lesbaren  Zeichen. 


148  K.  Meister, 

wie  der  partitive  Genetiv  beim  Verbum  sehr  häufig  an  Stelle 
des  Akkusativ,  selten  auch  des  Nominativs  steht  Er  steht  hier 
für  Begriffe  von  weiter  Bedeutung  und  armem  Inhalt  denn  in 
dem  ersten  Beispiel  ist  nicht  nur  Sohn  oder  Tochter  zu  verstehen 
(Baunack),  sondern,  wie  die  gegenüberstehenden  allgemeinen 
Ausdrücke  töv  dXeuGepov  I  xdv  dXeuGdpav  wahrscheinlich  machen, 
jede  zur  Familie  des  Aphetairos  gehörige  Person,  also  eventuell 
auch  Frau  oder  Schwester.  In  dem  andern  Beispiel  ergibt  sich 
aus  dv  Traipöc  und  iv  dbeXmo  gegenüber  von  dv  tö  dvbpoc,  daß 
^oiKiöv  nicht  in  dem  engern  Sinne  des  Ehebruchs,  den  unsre 
Wörterbücher  für  den  Stamm  ^oixo-  zu  Grunde  legen,  zu  ver- 
stehen ist,  sondern  in  der  weitem  Bedeutung  des  stupnim,  der 
Verführung^),  die  sowohl  in  der  attischen  Rechtssprache  gilt  (vgl. 
Lipsius  Att  Prozeß  S.  402  f.)  als  auch  in  der  Literatur  belegt  ist 
(z.  B.  Luc.  dial.  mar.  12,  1).  Es  ist  demnach  bei  bÖXö  nicht  nur 
die  Frau,  sondern  auch  Tochter  und  Schwester  und  überhaupt 
jede  ihm  zugehörige  weibliche  Person  zu  verstehen. 

Für  die  Beurteilung  dieser  Fälle  ist  es  wesentlich,  daß 
beidemal  in  vorausgehenden  parallel  gestellten  Satzgliedern  schon 
Akkusative  stehen,  daß  also  zu  den  Genetiven  Akkusativbegriffe 
aus  dem  Zusammenhang  ergänzt  werden  können.  Ob  eine  solche 
Verwendung  des  Genetivs  in  der  spätem  Sprache  noch  möglich 
gewesen  ist,  erscheint  mir  sehr  fraglich;  Parallelstellen  habe  ich 
weder  im  Kretisclien  noch  in  andern  Dialekten  gefunden. 

Dagegen  ist  dieser  Genetiv  sehr  häuf  ig  in  der  Verbindung 
mit  Ortsadverbien,  besondei*s  dv  und  etc.  Die  kretischen  Be- 
lege stammen  aus  dem  Altgortynischen,  es  sind  4991  II  20, 
die  ich  eben  genannt  habe  und  4985  Z.  8  dveKupacrdv  bi  iii 
TrapepTTev  ropTuviov  ic  t6  'Pittcviö  *Ein  gortynischer  Pfänder  soll 
nicht  in  (das  Besitztum)  des  Rhizeniers  kommen^)'.  Entsprechend 

1)  Diese  Interpretation  vertritt  Comparetti  mit  Recht  gegenüber 
andern  Erklärern  (z.  B.  Bücheler-Zilelmann  S.  101  A.  2),  wenn  er  sich 
auch  über  die  philologische  Erklärung  dieser  Stelle  nicht  schlüssig  ist.  — 
Da5  jene  weitere  Bedeutung  nicht,  wie  meistens  angenommen  wird, 
sich  sekundär  aus  der  engern  des  Ehebruchs  herausgebildet  hat,  beweist 
die  Etymologie,  denn  derselbe  Namen  in  andern  Ablautsformen  steckt 
auch  in  öiiiix^u)   *meio,  mingo'  und  mcntula  (vgl.  J.  H.  Kern,  IF.  4,  107). 

2)  Halbherr  Am.  Journ.  of  Archeol.  1897  S.  174  scheint  ^c  als  il 
zu  fassen,  wenn  er  interpretirt  'A  Gortynian  may  not  seize  pledges  from 
the  property  of  a  Rhizenian  (prescnt  himself  as  holding  a  pledge)*.  Diese 
an  und  für  sich  auffallende  Konstruktion  ist  wegen  der  Stellung  und 
irap^pirev  unmöglich. 


Der  syntaktische  Gebrauch  des  Genetivs  in  den  kret.  Dialektinschr.    149 

steht  auf  der  lakonischen  Damononstele  4416  (um  400  v.  Chr.) 
Z.  9  Tctbe  iviKohe  Aa^Övöv  .  .  .  dv  FaiaFöxö  T£TpdKi[v]  Z.  24  k^v 
Äpiovriac  4viKe  Aajiövöv.  Im  älteren  Ionisch- Attischen  ist  dieser 
Oebraach  recht  häufig  (vgl.  R.  Meister  Griech.  Dial.  2,  297; 
Brogmann  Griech.  Gr.*  S.  395),  in  den  attischen  Inschriften 
werden  durchgehends  Heiligtümer  nach  dem  Typus  i\i  TTavbiovoc 
(das  jüngste  Beispiel  Anfang  2.  Jahrh.  v.  Chr.),  das  Gebiet  der 
Demen  und  Phratrien  nach  dem  Typus  iv  XoXapt^ujv,  iv  Aimo- 
nuivibuiv  bezeichnet  (das  jüngste  Beispiel  3.  oder  2.  Jahrh.  v.  Chr. 
vgl.  Meisterhans  a.  a.  0.  S.  214  f.).  Die  Annahme  einer  Ellipse 
ist  in  vielen  Fällen  möglich,  im  allgemeinen  halte  ich  sie  nicht 
für  ausreichend.  oTkiu  oder  iepiü  oder  brj^iu  läßt  sich  schon  er- 
ganzen, aber  zu  bÖXö  und  dTreiaipö  in  den  angeführten  Stellen 
dürfte  es  schwer  fallen,  ein  "Wort  von  genügend  weiter  Bedeutung 
zu  finden,  das  man  als  ausgelassen  betrachten  könnte,  denn  eine 
EUipse  von  Tic  wird  wohl  niemand  gern  annehmen.  Außerdem 
spricht  die  Weiterentwicklung,  die  viele  dieser  Wendungen  durch- 
gemacht haben,  nicht  dafür,  daß  in  ihnen  ein  nicht  ausgesprochenes 
Wort  dem  Bewußtsein  des  Sprechenden  vorschwebte.  In  den 
ionisch  geschriebenen  Inschriften  ^)  kommt  nämlich  nicht  mehr 
der  Genetiv  in  Verbindung  mit  iy  und  ic  vor,  sondern  an  seiner 
Stelle  stehen  die  von  diesen  Präpositionen  regierten  Kasus. 
Hiarapytna  5041  (2.  Jahrh.?)  Z.  10  cxacctVTUJV  bk  idc  crdXac... 
ol  fi^v  'kpamrrvioi  'QXepoi  iv  xuii  iepdii,  xdv  bk  iv  'AttoXXujvi, 
ol  54  Aumoi  dv  TÜJi  [IJepuji  t[uj  A7t6]XXujvoc  Kai  i.}i  iroXei  dv 
'AOavaiai.  Itanos  5058  (3.  Jahrh.)  Z.  5  Geouc  6cco[ic]  dv  AGavaiai 
Bu€Tai.  Gortyn  5016  (2.  Jahrh.)  Z.  6  ivx  xdv  TTuXav  xdv  diri  [xöv] 
ÄacXamöv  dxovcav.  Lato  5075  (2.  Jahrh.)  Z.  59  xdv  656 v  xdv 
drofvcav]*) ...  4c  leXßexac  im  xföc]  Kujpfixafc].  So  werden  wohl 
noch  manche  der  in  den  Grenzverträgen  (vgl.  auch  5024.  5060) 
vorkommenden  Ortsbezeichnungen  ursprünglich  Personennamen 
sein.  Wir  finden  diese  Ausdrucksweise  im  Kyprischen  schon  in 
alter  Zeit,  z.  B.  60  Z.  26  xd(v)  bdXxov  .  .  .  KaxeGijav  i(v)  xd(v) 
6iöv  xdv  Aedvav  xdv  irep'  'EbdXiov  *die  Tafel  legten  sie  nieder 
im  (Heiligtum  der)  Göttin';  öfters  auch  schon  bei  den  älteren 

1)  Ein  Beispiel  aus  einer  archaischen  Inschrift  wäre  4985  Z.  1  rd 
8[0]riaTa  Trap^KOVT€C  ^c  Bibav,  wenn  wirklich  der  Gott  Bibac  (oder  Bibdc) 
hiefte.  Aber  B(ba  kann  ja  auch  primärer  Lokalname  sein,  nach  dem  der 
Zeus  Bibdrac  (Lyttos  5147  b  5)  genannt  ist. 

2)  Wegen  der  Klammern  s.  S.  147  A. 

ladogennaiiiaclie  Fonchnngen  XVni.  H 


160  K.  Meister, 

ionisch-attischen  Schriftsteilem,  wo  sie  oft  verkannt  und  ver- 
konjiziert  worden  ist  So  haben  z.  B.  Philologen  im  Altertum 
imd  in  der  Neuzeit  dem  Herodot  nicht  zugetraut,  Bparx^^ai  als 
Femininum  gebraucht  zu  haben  (I  92  rd  b'  iv  Bparx}br}c\  x^ci 
MiXnduiv  dva0fi)LiaTa ;  II  159  dvdGriKe  xili  'AttoXXujvi  7r4|ii|iac  ic 
Bpaxxi^cic  Tdc  MiXnciuiv),  zumal  da  er  I  158  sagt:  ir£^i|iavT€C 
iDv  ol  Ku^aioi  de  toüc  Bparxi^ctc  GeoirpOTrouc  (vgl  hierüber 
Stein  in  der  praefatio  seiner  großen  textkritischen  Ausgabe  S.LX). 
In  den  Vögeln  des  Aristophanes  v.  618  oök  de  AeXqpouc  oub'  eic 
"AjLimwv'  dX96vT€c  hat  Meineke  eic  in  ibc  geändert,  vgl.  dagegen 
Kock  zu  der  Stelle;  usw. 

Hierher  gehören  überhaupt  alle  Orte,  auf  die  die  Namen 
ihrer  wirklichen  oder  geglaubten  Bewohner  übertragen  worden 
sind.  So  trägt  in  Kreta  Aptera  den  Namen  der  in  ihr  verehrten 
Artemis  Aptera  (5181  Z.  56),  Lato^)  heißt  wie  die  Göttin,  wird 
jedoch  ganz  wie  jeder  andere  Lokalname  behandelt:  5075  Z.  23 
dfx^[v]  AaToT,  Z.  40.  43  iv  Aaiuii,  Z.  31.  33  de  AaiiiiV.  Über  andere 
Ortsnamen  dieser  Art  vgl.  üsener  Götternamen  S.  232 ff.  und 
Kretschmer  Einleitimg  in  die  Gesch.  d.  gr.  Spr.  S.  41 8  f.  Ist  nun 
diese  Art  der  Ausdrucksweise  gegenüber  jenen  Verbindungen  des 
Gonetivs  mit  Ortsadverbien  erst  eine  sekundäre  Sprachbildung 
oder  geht  sie  auf  ursprüngliche  Vorstellungen  zurück?  Die  Auf- 
fassung von  dv  AaroT  *in  (der  Stadt)  Lato'  ist  natürlich  erst 
sekundär,  da  sie  einen  Bedeutungswandel  voraussetzt.  Aber  die 
Form  dv  Aaroi  in  der  Bedeutung  'darinnen,  bei  der  Lato'  kann 
eben  so  alt  sein  wie  dv  Aarüjc  und  dv  FaiaFoxö.  Doch  macht 
der  Gegensatz  von  dv  Trarpöc  usw.  in  den  altgortynischen  In- 
schriften und  dv  'ApiovTiac  usw.  auf  der  Daraononstele  einer- 
seits und  dv  'AGavaiai  usw.  in  den  Jüngern  Inschriften  anderer- 
seits walirscheinlich,  daß  das  Fehlen  von  Belegen  dieses  Genetivs 
nicht  nur  auf  dem  zufälligen  Bestände  imsrer  Überlieferung  be- 
ruht, sondern  daß  auch  in  der  Sprache  dieser  Genetiv  allmählich 
verloren  gegangen  ist.  Bei  einzelnen  Ausdrücken  läßt  sich  dies 
nachweisen.    So  ist  aus  dv  und  eic  "Aibou,  wo  bei  Homer  nur 


1)  Dieser  Nominativ  der  Stadt  steht  bei  Steph.  Byz.  unter  Kaiiidpa. 
Blaß  hingegen  nennt  die  Stadt  Latos.  Aber  die  Münzlegenden  Acrnuc, 
auf  die  er  sich  stützt,  enthalten  den  Genetiv  zu  Aardj  (vgl.  S.  152)  und 
die  von  ihm  als  inschiiftlich  bezeugt  angeführte  Genetivform  *AaTuj  kommt 
nur  in  der  ergänzten  Stolle  5075  Z.  16  vor,  wo  vielmehr  Aarilic  zu 
schreiben  ist. 


Der  syntaktische  Gebrauch  des  Genetivs  in  den  kret.  Dialektinschr.    151 

der  Genetiv  vorkommt,  in  der  Sprache  des  neuen  Testaments 
tv  T^  äbq  und  eJc  ^önv  (hier  allerdings  mit  handschriftlicher 
Variante  ^öou)  geworden,  der  Genetiv  findet  sich  sonst  nach 
Blaß  a.  a.  0.  S.  105  bei  derlei  Ortsadverbien  überhaupt  nicht 
mdir.  In  den  TomKd  der  attischen  Demen  scheint  der  Genetiv 
wie  in  den  Inschriften,  so  auch  bei  den  älteren  Schriftstellern 
ausschließlich  vorzukommen.  Aber  die  Lexikographen  behandeln 
XoXXeiöai,  'Epoidöai  usw.  wie  echte  Ortsbezeichnungen,  von  denen 
bisweilen  ein  neues  Ethnikon  wie  z.  B.  XoXXeibeuc  gebildet  wird 
{t^.  Steph.  Byz.  unter  diesem  Namen)  und  führen  jene  Ver- 
bindungen mit  dem  Genetiv  als  besonders  zu  merken  an,  ein 
Beweis,  daß  sie  ihrem  Sprachgefühl  fremdartig  geworden  sind^). 

Der  Genetiv  wird  also  im  Ionisch-Attischen  wie  in  den 
kretischen  Mundarten  allmählich  durch  andere  Wendungen  er- 
setzt Zu  vergleichen  sind  auch  die  vielen  dv  tuji  iapuji  ictc 
AOavaiac  (s.  Kap.  III  3)  in  den  Jüngern  Inschriften,  neben  denen 
sich  niemals  ein  dv  AGavaiac  oder  dergleichen  findet.  Die  all- 
mähliche Verdrängung  des  Genetivs  ist  nicht  nur  in  den  ver- 
schiedenen Dialekten,  sondern  auch  innerhalb  des  einzelnen  Dia- 
lektes bei  den  verschiedenen  Ortsbezeichnungen  zu  verschiedenen 
Zeiten  erfolgt.  Der  Wechsel  in  der  Ausdrucksweise  war  ja  mit 
dadurch  bedingt,  inwieweit  die  Ortsbezeichnung  sich  von  dem 
Personennamen  in  ihrer  Bedeutung  losgetrennt  hatte.  Schon  bei 
Homer  werden  z.  B.  'AGrjvii  und  AGfivai  (vgl.  Wachsmuth  bei 
Pauly- Wisse wa,  Supplementheft),  TTavoireuc  in  Phokis  (auch  Vater 
des  Epeios)  und  fpaia  in  Böotien  (auch  Demeter  nach  Hesych) 
ak  reine  Ortsnamen  sowohl  in  absoluten  Kasus  (z.  B.  B  546.  498) 
wie  in  Präpositionalausdrücken  (z.  B.  B  549.  P  807)  behandelt, 
während  in  ^c toXoujv  f|  eivai^pujv  ^U7T€ttXujv  Z  378,  ^c'AGrivaiiic  u.a. 
der  Genetiv  erhalten  ist.  Es  ist  ja  ganz  natürlich,  daß  Städte- 
namen eher  als  verschieden  von  den  Personen,  deren  Namen 
sie  trugen,  aufgefaßt  wurden,  imd  somit  bei  ihnen  früher  der 
Gebrauch  des  Genetivs  aufgegeben  wurde  als  in  Wendungen  wie 
iv  TTttTpöc  und  bei  Heiligtümern,  wo  engste  Wechselbeziehung 
zwischen  dem  Ort  und  seinem  Bewohner  vorhanden  war. 

2.  In  Aufschriften  kommt  der  Genetiv  häufig  auf  Münzen 


1)  Das  Material  bei  Pauly-Wissowa,  bfmoi  (v.  Schoeffer).  Die  hier 
angeführten  Fälle,  in  denen  ein  solches  Demosethnikon  im  Dativ  mit  ^v 
steht,  sind  zweifelhaft  oder  auch  nur  von  dem  Verfasser  des  Artikels 
falsch  abgeschrieben. 

11* 


152  K.  Meister, 

vor.  a)  Die  geläufigste  Art,  die  Stadt,  die  die  Münzen  geschlagen 
hat,  zu  bezeichen,  ist  die,  daß  das  Ethnikon  im  Genetiv  Pluralis 
darauf  gesetzt  wird.  So  haben  wir  kretisch  fopTuviuiv  (nach  5038), 
*OXövt{ujv  (nach  5111),  Kviwdujv  (nach  5074)  usw.,  Beispiele  aus 
andern  Dialekten  sind  allenthalben  bei  Head  Hist.  Num.  zu  finden 
(vgl.  besonders  praef.  LXIII).  Selten  kommt  der  Stadtname  im 
Genetiv  vor;  ich  fasse  so  Aatwc  zum  Nominativ  Aardi  (Blaß  am 
Eingang  zu  'Latos';  s.  S.  150  A)  wie  AKpdTavxoc  (Head  S.  104).  Mit 
diesen  Bezeichnungsweisen  konkurriert  der  gleichfalls  selten  be- 
legte Nominativ  des  Stadtnamens:  föpiuvc  (nach  5038),  vgl. 
'AKpdxac,  und  der  Nora.  Sing.  Neutr.  eines  abgeleiteten  Adjek- 
tivums:  Kvtüoov  (nach  5074),  TTaicnKOV  (Phaistos,  nach  5114). 
b)  Dann  stehen  häufig  auf  Münzen  Beamtennamen  im  Genetiv 
z.  B.  Knosos  (nach  5074)  Taupidöa  neben  Kuöac  und  GapcubiKac; 
Hiarapytna  (nach  5052)  KXou^eviba;  Itanos  (nach  5069)  Eucpd^ö 
usw.;  aus  andern  Dialekten  vgl.  böot  Euböpö  (Head  S.  294). 

Bei  den  Aufschriften  von  Ethnika  und  Städtenamen  im 
Genetiv  ist  möglich,  anzunehmen,  daß  sie  aus  Sätzen  wie  föpiuvoc 
TÖ  TTttT^a  (s.  S.  153)  verkürzt  sind.  Wir  hätten  also  hier  denselben 
Genetiv  in  derselben  Bedeutung  der  Zugehörigkeit  wie  bei  eivau 
Dagegen  kann  ich  die  Genetive  der  Beamtennamen  nur  mit  der 
ursprünglichen  weiten  Bedeutung  des  Bereiches  erklären,  die  sich 
hier  formelhaft  erhalten  hat,  eine  Erklärung,  die  sich  natürlich 
auch  auf  jene  Ethnika  und  Städtenamen  anwenden  ließe. 

In  Grabinschriften  ist  der  Genetiv  nicht  oft  im  kretischen 
Dialekte  belegt,  die  Beispiele  stammen  aus  jungem  Inschriften: 
Hiarapytna  5049  Euxprjcrac  KpidXXuj;  Olus  5111b  MeTicrduiVOC, 
während  die  ältere  Aufschrift  a)  desselben  Steines  'Epom^oc 
'laipoKXeOc  lautet,  usw.  Überhaupt  ist  der  Nominativ  die  häufigste 
Form  der  kretischen  Grabinschriften  z.  B.  Gortyn  5002  (archaisch) 
[IjÖTi^oc  vgl.  5038  (arch.) ;  Ly ttos  5095—5099  (ionisch)  usw.  Selten 
ist  der  Dativ:  Gortyn  5035  (ion.)  KXedvujpi  GioxprjcxiJü. 

Schließlich  sind  noch  die  Genetive  TToXuppriviujv,  TauKiujv, 
Kubujviardv  usw.  zu  erwähnen,  die  der  telsche  Schreiber  als 
Überschriften  zu  den  Dekreten  5 165  ff.  gesetzt  hat.  Hier  kann 
man  mit  gutem  Gewissen  von  einer  Ellipse  (vpriqpic^a)  reden. 

Anhang:  Genetiv  bei  eivai. 
Der  Stamm  es-  scheint  ursprünglich  nur  die  Bedeutung 
"existieren'  gehabt  zu  haben  und   erst  durch  sekundäre  Ent- 


Der  syntaktische  Gebrauch  des  Genetivs  in  den  kret.  Dialektinschr.    158 

wicUung  zur  Kopula  herabgewertet  worden  zu  sein.  Mit  dem 
Genetiv  verbunden  bedeutete  er  also  *im  Bereiche  von  etwas 
existieren'.  Freilich  kommt  der  Genetiv  bei  eivai  nicht  mehr  in 
diesem  ganzen  weiten  Sinnesumfang,  sondern  nur  noch  in  be- 
stimmten Bedeutungen  vor,  indem  er  den  Besitzer  oder  den 
Stoff  usw.  bezeichnet  (vgl.  Kühner-Gerth  11 1  S.  371).  Man  könnte 
ihn  demnach  von  eivai  abhängig  auffassen  und  den  von  Verben 
regierten  Genetiven  an  die  Seite  stellen;  andererseits  unter- 
scheidet er  sich  von  diesen  durch  die  Verschiedenheit  der 
Bedeutungen,  die  er  haben  kann.  Er  steht  also  zwischen  ihnen 
und  den  ganz  unabhängigen  Genetiven.  —  In  den  kretischen 
Dialektinschriften  ist  er  nur  in  der  Bedeutung  des  Besitzers 
sicher  belegt:  Gortyn  4991  IV  35  xd  Trpoßara  Kai  KapTa[i]7T0Öa 
(Rinder)  df  Ka  \ii  FoiKeoc  ei.  VI  29  tö  Kpeoc . . .  fx^  i\x^v  xäc  ^aT[p]öc 
I  Tdc  TvvaiKOC  vgl.  IX  24.  —  4998  I  15  tov  te  cöv  im  xoi 
trdccxai  f^nv  6  k'  t^i  xö  Kapramoc  vgl.  IV  10.  4986  Z.  12.  In 
ionisch  geschriebenen  Inschriften  5016  Z.  13  xd  |i^v  de  xöv  voxov 
Ixovxa  jidpia  fopxuvicwv  [T^]|i£V  irdvxa,  xd  bk  ic  xöv  ßopiav  fxo(v)xa 
lilpxa  K[vu)]ciu)v  f\\iev  trdvxa.  Z.  15  xd  b*  dTUTToXaia  (die  beweglichen 
Güter)  Trdvxa  K0i[vd  f\\i]ev  fopxuviiuv  Kai  Kvujciujv,  FeKaxepiwv  x[dv] 
i\liiyay^).    Hiarapytna  5040  Z.  52  xö  bi  Xoittöv  Ictid  xdv  TroXeiwv. 

Bei  den  archaischen  Münzlegenden :  (nach  5038)  fopxuvoc 
xö  Traifio,  (nach  5114)  TTaicxiöv  xö  iraT^a  'Gortyn  (den  Phaistiem) 
gehört  das  Gepräge'*)  steht  man  vor  der  Wahl,  eine  Ellipse  von 
icxi  anzunehmen')  oder  in  ihnen  einen  alten  verbumlosen  Satz 
zu  sehen.  Der  Fall  wäre  dann  unter  den  unabhängigen  Genetiv 
der  Zugehörigkeit  (S.  147  f.)  zu  stellen.  Die  Bedeutung  bleibt  die- 
selbe, eine  Entscheidung  kann  ich  nicht  geben. 

Dagegen  steht  in  den  Fällen,  wo  kein  Besitz,  sondern  ein 
Interesse  ausgedrückt  wird,  im  Kretischen  ebenso  wie  im  Attischen 
der  Dativ.  Scharf  tritt  dieser  Unterschied  4991  IV  14  hervor 
i  bi  Ka  \ii  [l\]  xicxcTa  öttui  direXeOcei*)  *wem  kein  Haus  ist, 
wohin  er  (das  Kind)  bringen  könnte',  wo  Bücheler-Zitelmann 

1)  Die  Stellung  und  die  eben  angeführte  Parallelstelle  Z.  13  sprechen 
hier  dafQr,  die  Genetive  mit  fmev  und  nicht  mit  Koivd  zu  verbinden. 

2)  Ähnliche  Münzaufschriften  bei  Head  S.  240,  der  übrigens  S.  394 
iratjia  irrig  als  'Münze'  erklärt.  Vgl.  att  K6\i\ia  z.  B.  Ar.  ran.  725. 

3)  Vgl.  die  sehr  alte  ion.  Münzlegende  <t>aivoc  I|lii  cf^iita  (Head  S.  526). 

4)  Comparettis  Lesung  oi  b^  ko  |li'  €t[€]  Tic  'Tifa  ist  syntaktisch 
unmöglich,  die  der  meisten  andern  Herausgeber  o  bi  m  m^[t]i[c]  ii  cx^ya 
entspricht  nicht  der  Oberlieferung. 


IM  K.  Meister, 

S.  111  richtig  bemerken:  "Wobei  nicht  verlangt  ist,  daß  das 
Haus  ihm  gehöre;  denn  sonst  müßte  statt  des  Dativs  oi .  .  .  der 
Genetiv  stehen.".  Man  vergleiche  auch  die  Phrase  der  inter- 
nationalen Kanzleisprache  fifxev  (uirdpxev)  b^  auTuji  Kai  dreXciav^ 
die  auch  in  kretischen  Ehrendekreten  nicht  selten  begegnet, 
z.  B.  Ollis  5104  a  55.  d  48. 

Natürlich  berühren  sich  diase  beiden  Ausdrucksweisen  im 
Gebrauche  vielfach.  Der  Vater  steht  4991  X  48  im  Dativ:  a{ 
bi  K  h  ■fv€c[i]a  T^Kva  xöi  dviravafidvöi  (dem  der  adoptiert  hat), 
wie  auch  im  Ionisch- Attischen  hier  der  Dativ  und  der  Genetiv, 
der  übrigens  nicht  nur  echter  (possessiver)  Genetiv,  sondern 
auch  ablativisch  sein  kann,  nebeneinander  vorkommen  (vgl.  Kühner- 
Gertii  II  1  S.  416).  Svoronos  Numismatique  de  la  Cröte  ancienne 
(Macon  1890)  S.  159  n.  12  bringt  eine  fragmentarische  Münz- 
legende  [fopxuvji  tö  irfai^a],  in  der  er  fopiuvi  als  Abkürzung 
von  ropTuvi(u)v)  auffaßt  Da  aber  eine  solche  Abbreviatur  inner- 
halb eines  Satzes  nicht  wahrscheinlich  ist,  ziehe  ich  vor,  fopTuvi 
als  Dativ  des  Interesses  aufzufassen.  Dann  hätten  wir  auch  hier 
Dativ  und  Genetiv  nebeneinander. 

Kapitel  II.    Adverbaler  Genetiv. 

Die  verschiedenen  Arten  des  unabhängigen  Genetivs  konnten 
zu  jedem  beliebigen  Worte  im  Satze  treten.  Es  sind  nun  die 
Genetive  zu  besprechen,  die  an  bestimmte  Wörter  gebunden  sind, 
bei  denen  sie  ganz  bestimmte  Bedeutungen  haben,  von  denen 
sie  nach  dem  Grammatikerausdruck  *regiert  werden*.  Natürlich 
ist  keine  scharfe  Scheidung  zwischen  den  unabhängigen  und  ab- 
hängigen Genetiven  möglich.  Ein  Grenzgebiet  fanden  wir  schon 
in  den  Genetiven  bei  eivai,  und  wie  bei  diesen,  so  wird  auch 
bei  den  abhängigen  Genetiven  anzunehmen  sein,  daß  sich  die 
bestimmten  Verbindungen  mit  fester  Bedeutung  erst  allmählich 
entwickelt  haben. 

A.  Der  Genetiv  als  primäre  Bestimmung  eines  Verbal- 
inhalts ^). 

1.  TUTxavev :  Malla  5101  Z.  10  öirdi  (damit)  ruxni  d  öXa 
KaTdcracic  xdc  .  .  .  cujinpiac.    2.  ^inXa^ßdvecGai:  TeXsche  De- 

1)  Die  hier  in  Kap.  II  durchgeführte  Einteilung  schließt  sich  im 
wesentlichen  an  die  von  Brugmann  Griech.  Gr.*  S.  88ö  fif.  gegebene  an. 


Der  syntaktische  Gebrauch  des  Genetivs  in  den  kret.  Dialektinschr.    156 

kreteölTl  Z.  28  dmXaß^cGai  Kai  cu)|idTuiv  Kai  xPn^^TUiv  vgl.  5170 
Z.23;  5176  Z.  37  und  öfter.  3.  ^cidxev:  Knosos  5155  Z.  14 
fieT^Xtv  Oeiujv  Kai  dveptüTnvujv  k  töv  irdvia  xpovov  iliv  Kai  airroi 
Kvuiaoi  M€T^xovTi.  Dieselbe  Phrase  variiert  5150  Z.  33 ;  Olus  5104 
c  43  und  an  andern  Stellen.  Ebenso  steht  der  Genetiv  bei  dem 
zugehörigen  Adjektivum :  Unbekannte  kret.  Stadt  51 62  b  Z.  1 7  Geiujv 
[t€  Kai  dv9pu)7rivujv  Trdvjiujv  fiexoxov.  4.  ^€|ivnc9ai:  Teteche 
Dekrete  5182  Z.  21  )Li6)Livdceai  xdiv  (piXujv  Kai  cuttcv^iüv.  5176 
Z.  26  |ie|iva|i4voi  idc  Trpourrapxoücac  laic  troXcci  arpftveiac.  Da- 
gegen steht  5171  Z.  19  in  derselben  Wendung  der  Akkusativ: 
^e^va^4vol  [idv  Trp]ou7Tdpxovc[av  xdi]  tröXei  cJTT^veiav.  5.  cppov- 
Tiiev:  Olus  5104  b  Z.  45  (ppov[Ti]2:ujv  xdc  troXioc  ütt^p  idc 
[dJccpaXeiac.  6.  iTriiiieXeicGai:  Goi-tyn  5029  d  Z.  2  oi  KÖp^oi... 
irrefjidXiiOev  tuj  Taü[p]uj  Kai  xdc  dpiqpuj.  7.  dKOÜev:  TeYsche  De- 
krete 5166  Z.  4  xujv  Trpecßeuxdv  'A7ToXXoö6<bo>xui<i>  Kai  KujXdj- 
xa<i>  biaKOÜca|i€v.  8.  Trpoecxdvai:  Knosos  5150  Z.  41  xoic  . . . 
Tüiv  KaXXicxuiv  4Tnxabou|idxtüV  TTpoecxaKÖa.  9.  Kapxepöv  l|i€v: 
Gortyn  4991  VI  33  xöv  Traxepa  Kapxepöv  l)Li€v  xov  Kp€|idxöv  *Der 
Vater  soll  über  das  Vermögen  Vollmacht  haben'  vgl.  IV  24. 
VI  45.  Vm  41.  48. 

Im  Ionisch- Attischen  vergleicht  sich  mit  diesem  Ausdruck 
Kpaxeiv  mit  dem  Genetiv.  Alle  andern  Verba  1. — 8.  kommen  auch 
im  Ionisch- Attischen  ebenso  konstruiert  vor,  auch  aus  den  übrigen 
Dialekten  lassen  sich  Parallelstellen  anführen,  z.  B.  rhod.  4118 
Z.  6  dvbpac  .  .  .  o'i  xivec  dTn^eXnOnceövxi  xaüxac  xdc  irpaSioc,  böot. 
IG.  Vn  1780  Z.  14  Trpocxax€i)Li€v  aöxuiv  Kf|  [dTn]|üidX£c0ai. 

Bei  den  bisher  besprochenen  Verba  bildete  der  Genetiv 
die  ständige  Ergänzung  des  Verbalbegriffes,  durch  dessen  Be- 
deutung er  erfordert  wurde.  Er  findet  sich  nun  aber  wie  im 
Ionisch- Attischen  auch  bei  Verben,  deren  Bedeutung  der  Akkusativ 
entspricht,  und  besagt  dann,  daß  das  Objekt  nur  zum  Teil  von 
der  Verbalhandlung  betroffen  wird.  Man  kann  also  diese  Fälle 
als  partitive  Genetive  bezeichnen.  Sie  stammen  fast  alle  aus 
archaischen  Inschriften:  Gortyn  4991  VI  1  de  k*  6  iraxCp  bÖCi, 
xov  xö  Traxpöc  Kp€^dxöv  trdp  ujeoc  |i^  övtöGai  ^Cbe  Kaxa0i9e88ai, . . . 
jiCöfe  xöv  Traxepa  xd  xöv  xIkvöv,  .  .  .  \i€bk  xd  xdc  TuvaiKÖc  xöv 
dvöpa  diToboeai  ^€b'  dTnorevcai  fxeb'  uiuv  xd  xdc  jiaxpöc  *solange 
der  Vater  lebt,  soll  man  von  dem  Vermögen  des  Vaters  von  einem 
Sohne  nicht  kaufen  und  nicht  als  Pfand  nehmen  .  . .  noch  soll 
der  Vater  das  (Vermögen)  der  Kinder  noch  der  Mann  das  der 


166  K.  Meister, 

Frau  verkaufen  noch  zusichern  noch  ein  Sohn  das  der  Mutter*. 
Dagegen  enthält  IX  8  [ai  ö*  aXXai  Trpijaixö  nc  Kp^^axa  ?  Kara- 
9€iT0  Töv  Tdc  Tra[Tpöi6KÖ]  auch  das  Pronomen  to-  im  Genetiv. 
Denn  ich  glaube  auf  Grund  der  Stellung,  daß  es  zu  KaraOeTro 
zu  stellen  ist,  nicht  als  adnominaler  Genetiv  zu  Kp^fiaro.  VIII  8 
dTTOÖaTidai  bk  töv  Kp€|idTÖv  Joi  *sie  soll  aber  von  dem  Vermögen 
dem  Erstberechtigten  einen  Teil  geben*.  Vm  25  öiaXaKÖvcav  tov 
Kp€^dTÖv  dl  ItpoTTai  "indem  sie  von  dem  Vermögen  Anteil  er- 
halten hat,  wie  geschrieben  steht*.  5000  II  b  1  t6  Troraiiiö  at  Ka 
Kttid  TÖ  fx^TTOV  Tdv  fiodv  GiOfli  fifjv,  [Kjaid  tö  Föv  auxö  9i0€fji4vöi 
ÄTraiov  fmnv  *Von  dem  Flusse  (einen  Teil),  wenn  man  nur  in 
der  Mitte  den  Strom  fließen  läßt,  auf  sein  eigenes  (Grundstück) 
abzuleiten,  soll  straflos  sein'.  —  Das  älteste  Beispiel  aus  dem 
gortynischen  Pytion  ist  leider  nur  ein  Fragment  4971  Z.  7  ai 

t6  Fo  dtrobo^ev ,  doch  ist  die  Deutung  *wenn  er  von  dem 

Seinigen  abtreten  [will]'  recht  wahrscheinlich.  Inschrift  aus 
Haghios  Hias*)  Z.  10  öcnc  dTTOcrcpiööoi  rdiv  ioiv,  ?|iaviv  fi^itv 
auTuii  Tdv  A9[a]vaiav  *wer  von  den  (hier  geweihten)  Pfeilen 
welche  raubt,  dem  soll  erzürnt  sein  die  A.'  Aus  den  Inschriften 
im  ionischen  Alphabet  kann  ich  nur  die  feste  Wendimg  x^ü'pac 
dTTOTd^vecGai  für  diesen  partitiven  Genetiv  anführen.  Man  liest 
ihn  mit  Recht  in  dem  Vertrage  von  Lato  und  Olus  5075  Z.  4 
kq!  TIC  K*  d^ß(aiv)iii  ic  Tdv  tuiv  AaTiujv  [[xujpav  f|  d7T0Td|iviiTai 
Xüjpac  Tdc  AttTiiuv]]*)  vgl.  Z.  8  nach  der  Herstellung  von  Deiters, 
a.  a.  0.  S.  30.  Hiemach  lese  ich  auch  Gortyn  5018  Z.  11  den 
Genetiv:  f|  diroTd^viiTai  x^poc  ac^)  fxovTec  TTOpTfivGov  ic  Tdv 
TTopTi  fopTuviovc  qpiXittv  Kttl  cu^^axiav  und  entsprechend  Z.  8, 
während  die  Herausgeber  x^pac  ...  de  fxovTec  usw.  schreiben, 
also  xibpac  als  Akk.  Plur.  fassen.  Tflc  x^pac  dTTOTd^vecöai  steht 
übrigens  auch  bei  Isocrates  Archid.  §  88,  Plato  Rep.  H  S.  373  D 
in  der  gleichen  Bedeutung.  "Wo  der  Akkusativ  bei  diesen  Verben 
belegt  ist,  bezeichnet  er,  daß  das  Objekt  gänzlich  von  der 
Verbalhandlung  betroffen  wird,  z.  B.  Gortyn  4991  VÜI  4  töv 
b'  dXXöv  Tdv  l|ii(v)av  biaXaKOvcav  Von  dem  übrigen  die  Hälfte 
als  Anteil  erhaltend'  (ähnliche  Beispiele  s.  Kap.  HI  1).  IX  8  [ai 
ö'  dXXdi  TTpjiaiTO  TIC  Kp^^aTa  ist  im  Zusammenhange  gleichwertig 


1)  s.  die  Vorbemerkungen. 

2)  Ober  diese  Klammern  s.  S.  147  A. 

3)  Die  Attraktion  des  Relativums  entsprechend  Hiarapytna  5040 
Z.  10  ^ttI  Tdi  xii^pai  &i  ^Kdrepoi  €xovt€C  .  .  .  [rdv  cuvjBi^Kav  SOcvto. 


Der  syntaktische  Gebrauch  des  Genetivs  in  den  kret.  Dialektinschr.    157 

mit  VI  1  Tov  .  .  .  Kpc^dxöv  . . .  ÄveGGai.  So  konnte  der  Genetiv 
im  Verhältnis  zum  Akkusativ  in  der  älteren  artikellosen  Sprache 
dazu  dienen,  ein  unbestimmtes  Objekt  von  dem  bestimmten  zu 
unterscheiden,  was  bei  Homer  tatsächlich  öfters  geschieht.  Man 
vergleiche  z.  B.  £  121  'Abpricroio  fmi^t  GirraipOüv  'er  heiratete 
eine  Tochter  des  A/  mit  \\$  149  f\  ix&Xa  bf\  xic  lv\\^^  TroXu^VTicrfjv 
ßadXeiav  *er  hat  die  vielumfreite  Königin  geheiratet*. 

Daß  der  Genetiv  auch  in  den  archaischen  Inschriften  längst 
nicht  mehr  in  allen  Fällen,  wo  man  ihn  erwarten  könnte,  steht, 
zeigen  schon  die  angeführten  Beispiele  des  Akkusativs.  Als  Ver- 
treter des  Nominativs  in  partitivem  Sinne,  wie  er  sich  sehr  selten 
im  Ionisch -Attischen  findet  (vgl.  Brugmann  Griech.  Gr.'  S.  386), 
kommt  er  in  den  kretischen  Dialektinschriften  nicht  vor,  auch 
nicht  als  Vertreter  des  Dativs.  In  den  ionisch  geschriebenen 
Denkmälem  kommt  er  auch  statt  des  Akkusativs  nicht  mehr  vor, 
von  jenem  formelhaften  x^pcic  diroTd^vecOai  abgesehen.  Das  ist 
wohl  nicht  Zufall,  denn  an  Gelegenheiten,  bei  denen  er  hätte 
gesetzt  werden  können,  fehlt  es  nicht,  z.  B.  teYsche  Dekrete  5170 
Z.  19  ei  bl  Tivk  kq  tujv  6p|ii(o)|i^vujv  dSußpKOiac  dbiKrjcujciv  nva 
Tntuiv,  und  so  hätte  in  vielen  der  Fälle,  in  denen  der  Genetiv 
von  einem  Akkusativ  des  Indefinitpronomens  abhängig  gemacht 
ist  (s.Kap.  in  1)  der  älteren  Sprache,  die  ja  überhaupt  das  Indefinit- 
pronomen sparsamer  verwendet,  der  bloße  Genetiv  genügen 
können.  Auch  hier  sehen  wir  den  Genetiv  aus  einem  älteren 
Anwendungsgebiete  verdrängt 

B.  Der  Genetiv  als  sekundäre  Bestimmung  eines 
Verbalinhalts. 

1.  Genetiv  des  Preises. 
Man  versteht  hierunter  mit  Recht  nicht  nur  die  Fälle,  wo 
die  Ware  im  Akkusativ,  das  Geld  im  Genetiv  steht,  sondern  auch 
die,  wo  umgekehrt  die  Ware  im  Genetiv,  das  Geld  im  Akkusativ 
steht  Die  kretischen  Belege  gehören  alle  zu  dieser  zweiten  Gruppe, 
wo  man  für  Ware  Geld  bezahlt  oder  sich  zahlen  läßt  Gortyn  4979 
Z.  1  -  -  Trevrrjqovra  X^ßr|[Tac  FJeKdcxö  KaiacTdcai  -  -  *50  Kessel 
für  jedes  bezahlen*.  4985  Z.  9  ai  bi  Ka  v[iK]ae€i  töv  dveKupöv  *) 
önrXei  Kaxacrdcai  rdv  dTrXöov  Ti|idv  *soll  er  für  die  Pfänder  doppelt 


1)  TÖV  ^vcKOpöv  gehört  begrifflich  sowohl  zu  viKaOei  als  Genetiv 
des  Sachbetreffs  (s.  Kap.  U  B.  2)  als  auch  zu  KoracTdcai. 


168  K.  Meister, 

bezahlen  den  einfachen  Wert*.  Hieraus  ergibt  sich  die  Inter- 
pretation von  4991  ni  14.  V  38  biKa  crai^pavc  KaTacracei,  tö  bk 
Kptxoc  bmXcT.  Daß  tö  .  .  Kp^oc  als  Genetiv  zu  lesen  sei,  und 
nicht  TÖ  Kpeioc  oder  tö  Kpeioc  hat  Solmsen  KZ.  XXXII  516  aus 
der  Lautgestaltung  des  Wortes  erwiesen  (vgl.  auch  Br.  Keil  Athen. 
Mitt  1895  S.  51  A.  1).  Beide  lassen  es  jedoch  als  komparativen 
Genetiv  von  bvnXex  abhängig  sein,  das  somit  an  Stelle  des  Akku- 
sativobjekts funktionieren  muß.  Das  ist  um  so  weniger  wahr- 
scheinlich, als  VI  42  das  zu  erwartende  Substantivum  gebraucht 
ist:  Tdv  biTrXeidv^)  KaTacracai  Tdc  Ti^äc  Ich  übersetze  analog  den 
besprochenen  und  zu  besprechenden  Belegen :  'er  soll  10  Statore 
bezahlen,  für  die  Sache  aber  doppelt  (ihren  Wert  bezahlen)'. 
IV  9  Twvd  KCpeüovc'  aJ  diroßdXoi  Traibiov,  .  .  .  dXeuG^pö  ^kv  KaTa- 
cracei TrevTCKOVTa  cTaTCpavc,  bÖXö  tr^vTe  Kai  FiKan  *ein  unver- 
heiratetes Weib  soll,  wenn  sie  ein  Kind  aussetzt,  .  .  .  für  ein 
freies  50  Statere,  für  ein  unfreies  25  bezahlen*.  Der  Genetiv  des 
Preises  berührt  sich  hier  zwar  mit  dem  Genetiv  des  Sachbetreffs, 
unter  den  dieser  Fall  gerechnet  zu  werden  pflegt  aber  es  ist 
nicht  nötig,  hier  anders  zu  interpretieren  als  in  den  andern 
Belegen  von  KaTacrdcai  mit  dem  Genetiv :  Das  Kind  ist  ein  Wert- 
objekt, für  das  die  Mutter  eventuell  dem  Vater  oder  dem  Herrn 
Entschädigung  zu  leisten  hat.  5000 1  5  [Tdv]c  Tif jmjdvc  tov  dvcKÜpöv 
KaTacracei  kann  man  als  adnominalen  Genetiv  *die  Werte  der 
Pfänder'  auffassen.  Beispiele  wie  dieses  weisen  uns  den  Weg, 
auf  dem  ursprünglich  unabhängige  oder  adverbale  Genetive  in 
adnominale  übergegangen  sind. 

Auch  in  den  Inschriften  im  ionischen  Alphabet  kommt  dieser 
Genetiv  wiederholt  vor:  Gortyn  5011  (1.  H.  3.  Jahrh.)  Z.  6  ai  be 
TIC  biKOiTo  f|  TÖ  v6mc|ia  lix]  Xeioi  b^KeT0ai  f\  KapirOü  üjvioi,  diro- 
Teicei  dpTvipuj  trevTe  craTepavc  *wenn  einer  (die  vom  Staate  abge- 
schafften Süberobolen)  annimmt  oder  die  (giltige)  Münze  nicht 
annehmen  will  oder  für  Frucht  verkauft,  soll  er  25  Statere 
bezahlen'  zeigt,  wie  auch  noch  in  später  Zeit  Ware  das  Geld 
ersetzen  konnte  und  begi'ündet  die  Ansicht,  daß  die  beiden  oben 
bezeichneten  Gruppen  des  Genetivs  des  Preises  auf  dieselbe  Vor- 
stellung zurückgehen.  Knosos  5072  b  5  iLi^TnGiö^Tuj  tüüv  udprujv  Td 


1)  Bru^rmann  vermutet,  daß  biirXeiöc  eine  Adjektiviening  auf  Grund 
von  biuXei  ist  wie  iraXaiöc  von  irdXai  u.  dergl.  bi[TrX]€t  steht  4998  III  16, 
wo  r\  von  €  in  der  Schrift  geschieden  wird ;  man  darf  also  nicht,  wie  es 
z.  B.  Blaß  tut,  biirXii  und  biirX^iav  schreiben. 


Der  syntaktische  Crebrauch  des  Genetivs  in  den  kret.  Dialektinschr.    15^ 

Tpivii[b€Xa]  "er  soll  nicht  für  die  Arbeiten  (des  Rindes)  die  Drei- 
obolen  auferlegen*,  b  7  lese  ich  entsprechend :  dirobÖTuj .  . .  K[ai 
Tiuv]  ödpTUiV  [xJpiiijbeXov  Kar'  d|üi^pav  *er  soll  (das  Rind)  zurück- 
geben und  für  (seine)  Arbeiten  3  Obolen  für  den  Tag*.  Die 
Herausgeber  ergänzen  dagegen  K[ai  tö  tujv]  udpxujv  TpidibeXov, 
was  auch  der  Größe  der  Lücke  nicht  so  gut  entspricht*).  Hiara- 
pytna  5040  Z.  24  d)v  bi  Ka  dnrobujTai  .  .  .  dTToboTUj  rd  x^Xea  Kard 
TÖc  vÖMOc  *für  das,  was  er  verkauft,  soll  er  die  Steuern  nach  den 
Gesetzen  bezahlen*. 

Für  die  andern  Dialekte,  in  denen  dieser  Genetiv  gleich- 
falls nicht  selten  ist,  verweise  ich  nur  auf  die  epidaurischen  Bau- 
urkunden, in  denen  die  "Ware  im  Genetiv  durch  viele  Beispiele 
belegt  ist  z.  B.  IG.  IV  1484  (=  3325)  Z.  254  Apicrovöiwi  ttXivGujv- 
'dem  A.  (wurde  ausgezahlt)  für  Ziegel  I  (Drachme)'.  IG.  IV  1485 
Z.  80  Aa^ivuüi  öeZimiiv  cibap^uiv  ZZ  —  :  *Dem  D.  (wurden  aus- 
gezahlt) für  eiserne  Klammem  32  (Drachmen)*  usw. 

Hier  schließe  ich  noch  den  Genetiv  bei  dEioc  an,  den  ich 
mit  Brugmann  Griech.  Gr.^  S.  389  als  Genetiv  des  Preisas  an- 
sehe. Gortyn  4991  X  23  ai  \ik  eiC  id  Xomd  dKcia  rdc  diac  'wenn 
das  Übrige  nicht  soviel  wert  ist  wie  die  Strafsumme*.  Vgl.  die 
Mysterieninschrift,  Andania  4689  Z.  38  dpTupdi^ara  iiXeiovoc  d^ia 
bpax^dv  TpittKocidv,  ebenso  Z.  17  ff. 

2.  Genetiv  des  Sachbetreffs. 

Mit  diesem  Namen  bezeichnetBrugmann  Kurze  vergl.  Gramm. 
S.  438  den  Genetiv  bei  Verba  iudicialia  im  Griechischen  und  in 
den  italischen  Dialekten,  der  ganz  allgemein  ausdrückt,  daß  der 
in  ihm  stehende  Begriff  von  der  Verbalhandlung  betroffen  wird, 
Beispiele  aus  dem  Ionisch-Attischen  sind  bei  Kühner-Gerth  II  1 
S.  380  f.  gesammelt  In  der  altgortynischen  Gesetzessprache  hat 
er  sehr  ausgedehnte  Verwendung*). 

1.  biKdbbev,  KttxabiKdbbev:  4999  11  12  toi  be  idv  ^lai- 
PHidv  biKaccrdi  k8c  ku  töv  dveKijpöv  brndb^i  *wer  in  Betreff  der 
Pfänder  urteilt*.  4991  I  3  KarabiKaKcdTÖ  t6  dXeuG^pö  b^Ka  cra- 
Tc'pavc,  t6  bÖXö  Trevie  'er  soll  verurteilen  wegen  des  Freien  zu 
10  St,  wegen  des  Sklaven  zu  5*.   Entsprechend  I  7.  Eine  Ellipse 


1)  In  den  beiden  vorhergehenden  Zeilen,  die  an  der  gleichen  Stelle 
wie  diese  abgeschnitten  sind,  werden  6  und  4  Buchstaben  ergänzt 

2)  Die  Beispiele  aus  der  großen  Inschrift  hat  Baunack  a.  a.  0.  S.  85 
zusammengestellt. 


160  K.  Meister, 

von  KaTicTd|i€v  hier  anzunehmen,  wie  es  manche  Erklärer  tun, 
ist  nicht  nötig.  bixdZieiv  c.  Gen.  (z.  B.  dxapicriac  *über  Undankbar- 
keif Xen.  Cyr.  I  2,  7)  ist  bekanntlich  auch  im  Attischen  in  der 
Bedeutung  "richten  über'  gebräuchlich. 

2.  ö^vüvTa  Kpivev  "schwörend  entscheiden'  (über  den 
Gegensatz  zu  öiKdbbev  vgl.  Bücheler-Zitelmann  S.  69.  71).  4991 
I  22.  37  t6  bk  Kpövö  töv  biKacrdv  djuviivra  Kpivev  "hinsichtlich  der 
Zeit*.  XI  29  TÖV  b'  dXXöv  dfjtvuvra  xpivev  iropTi  xd  fjiöXtöfjieva  "in 
Betreff  des  andern  soll  er  schwörend  entscheiden  in  Hinblick 
auf  die  Parteiaussagen'.  V  39  Tvaiöv  bfe  Kai  Kapirö  Kai  F^/iac  Kdv- 
1nb^^ac  KlrnTToXaiöv  Kp€|idTÖv  .  .  .  [töv  biKacrJdv  ö^vuvra  Kpivai 
'Über  Vieh  und  Frucht  und  Kleidung  und  Bandwerk  und  über 
Fahrnisse  .  .  .  soll  der  Richter  schwörend  entscheiden.  Dagegen 
hat  die  jüngere,  aber  noch  archaische  Inschrift  4998 IV  16  wahr- 
scheinlich bei  derselben  Phrase  statt  des  Genetivs  d^cpf  c.  Akk.: 
d|iTri  bi  TÖV  Kpovov  ö|ivu[vTa  Kpivev  töv  bmacrdv].  —  Auch  in 
den  jungem  Inschriften  anderer  Dialekte  ist  der  Genetiv  durch 
präpositionale  Umschreibungen  ersetzt,  so  äol.  281  (um  330  v.  Chr.)  A 
Z.  15  KpTva[i  \i\iv  aijTOV  Kpuirra  i|iaq)icei  ö|i6ccavTac  7r€p[i  9]a- 
vdTUi ;  die  in  der  KOivri  mit  wenig  dialektischen  Überresten  abge- 
faßte Bauinschrift  von  Lebadea  IG.  VII  3073  (2.  Jahrh.  v.  Chr.) 
Z.  43  biaKpivoOciv  ol  vaoiroioi  ö^ocavTec  im  toiv  fpTujv. 

3.  ö^öcai,  dtroiLiöcai:  4991  11  37  ö^öcai  töv  dXövra  tö 
TrevTeKOvracraTepö  Kai  ttXiovoc  tt^vtcv  auTÖv,  ...  tö  b'  dtreTaipö 
xpiTOV  aÖTÖv,  TÖ  bi  FoiK^oc  TÖV  TTdcrav  aTepov  aÖTOV  "es  soll, 
der  ihn  gefangen  hat,  schwören  beziehentlich  der  50  St  u.  mehr 
mit  vier  anderen,  .  . .  beziehentlich  des  Genoßlosen  mit  zwei 
andern,  beziehentlich  des  Häuslers  aber  sein  Herr  mit  einem 
andern'.  Vgl.  auch  das  fragmentarische  4986  Z.  1.  —  4991 IH  5 
6v  bi  k'  dKcavv&CTai,  biKdKcai  Tdv  T^vaiK'  dTTO^öcai  Tdv  "ApTeiiiiv 
'beziehentlich  dessen,  was  sie  leugnet,  soll  er  urteilen,  daß  das 
Weib  abschwört  bei  der  Arterais'.  —  Auch  XI  50  fuvd  .  .  . 
diTO^ocdTÖ  TrapiövToc  tö  biKacrd  öti  k'  ^mKaXei  schreibt  Blaß 
den  Genetiv  6ti.  Aber  diese  Form  ist  weder  durch  irgend  eine 
Stelle  erfordert,  noch  durch  den  Vergleich  mit  ä  ti  Nom.  Plur. 
Neutr.  gerechtfertigt  Daß  hier  der  Akkusativ  gegenüber  dem 
Genetiv  der  vorhergehenden  Stelle  steht,  vergleicht  sich  mit 
den  S.  155  f.  besprochenen  Fallen. 

In  den  jungem  Inschriften  kommt  bloß  ein  adäquater 
Beleg  vor,  und  der  enthält  wieder  nicht  den  Genetiv,  sondern 


Der  syntaktische  Gebrauch  des  Grenetivs  in  den  kret.  Dialektinschr.    161 

eine  präpositionale  Wendung:  Praisos  5120  (l.H.  3.  Jahrh.)  A13 
6  ^t  KOCMOC . . .  dji(o)cd[TUJ  ^Kdcrou]  It€oc  ^nvöc  Aiovuciou  Tovbe 
TÖv  &[pKOV  imfcp]^)  T[d]c  quTOu  dpxdc  ZxaXiTaic. 

4.  4cT€icaeeai  •bestrafen*.  4984  Z.  12  [d  ö]^  ^€  Xeioiev 
F€p[Tdb€]6ai  biKU  CTaT^p]a[vc  to  dvjG^iiiaTOc  F€KdcT[ö  t]öv  Kcdv[iov 
i]cT€i[cdfji€vov]  TTÖXi  0^^€v  *wenn  sie  nicht  arbeiten  wollen,  soll 
der  Premden(kosmos),  nachdem  er  wegen  jedes  Weihgeschenkes 
10  St  als  Strafe  auferlegt  hat  (diese  Strafsummen)  dem  Staate 
übeiüefem*.  Dieser  Beleg  kann  leider  bei  dem  trümmerhaften 
Zustande  der  ganzen  Inschrift  nicht  mehr  als  auf  einen  gewissen 
Grad  von  Wahrscheinlichkeit  Anspruch  machen.  Vgl.  das  ho- 
merische Ttvo^al  c.  Gen. 

5.  M^^q)€ceai  *klagen'.  4998  VII  12  Kai  töv  avbp'  auT[öv] 
im  To[i]c  [fJi]€ji7rofidvoic  tov  Kpi^dTÖv  fm^v ;  vgl.  Z.  8  *der  Mann 
selbst  soll  in  der  Gewalt  derer,  die  inbetreff  des  Vennögens 
klagen,  sein*.  Attisch  heißt  iiid^qpecGai  tivoc  'tadeln  wegen'. 

6.  dTTifjiöXev*)  "nachträglich  prozessieren'.  4991  IX  81 
ai  ^ev  KQ  viKac  im^öXei  *wenn  er  wegen  einer  erstrittenen  Buße 
nachträglich  (nach  dem  Tode  des  Prozeßgegners)  prozessiert*. 
Sonst  steht  bei  jiöXev  überall  als  Objekt  dvTTi  mit  dem  Dativ 
oder  Akkusativ:  I  19  ai  5d  k'  dviri  bÖXöi  ^öXiövri  vgl.  I  1  öc 
K*  dXeuB^pöi  I  bÖXöi  \ii\\e.\  dviri^öXev;  VI  25  a{  bi  k*  ö  dvxi- 
fiöXoc  dTTOjiöXfci  dvTri  tö  Kpeoc  öi  k'  dvTTi^öXiövri  \ii  i\x€v  idc 
fiaT[p]öc  I  Tdc  T^vaiKOc  *wenn  der  Gegner  abstreitet  hinsichtlich 
der  Sache,  um  die  sie  streiten,  daß  sie  nicht  der  Mutter  oder 
der  Frau  gehört',  vgl.  IX  19. 

7.  dTTOKpiveGöai  *sich  verantworten  wegen'.  4985  Z.  14 
[dir]oKpived6at  kot'  dtopav  Feu^x^vav  xdc  a[i]Tiac  de  k'  aiTi[d]c[ovTai] 
'sich  verantworten  in  der  vereinigten  Versammlung  wegen  der 
Beschuldigung,  die  sie  beschuldigen'.  Attisch  kommt  dies  Verbum 
m  der  Gerichtssprache  im  gleichen  Sinne  vor,  aber  ich  kenne 
es  nur  mit  präpositionalen  Wendungen,  nicht  mit  dem  Genetiv 
verbunden:  Eupolis  frg.  219  K  (iröXeic)  ibc  ü|üiiv  dyiu  irdviuic 
diTOKpivoO^ai  TTpöc  id  KairiTopou^eva. 

8.  viKev,   viKeGGai   'betreffs   einer  Sache  den  Prozeß 


1)  Eine  Präposition  ist  durch  den  Umfang  der  Lücke  erfordert,  vgl. 
die  Abbildung  bei  Mariani,  Mon.  Ant.  VI  (1895)  S.  299. 

2)  fiöXcv  (nicht  ^oX^v)  ist  jetzt  durch  Schreibungen  auf  Inschriften 
im  ionischen  Alphabet  (z.  B.  5019  Z.  8)  gesichert. 


162  K.  Meister, 

gewinnen,  verlieren*.  4991  I  27  öiKaKcdiö  vikcv*)  to  }iiv  Ikexy- 
Bipö  TrevT^KOvra  CTatCpavc  Kai  craiepa  xdc  d^£pac  FcKdcrac  . .  .,  t6 
bi  bÖXö  biKa  craxepavc  Kai  bapKvdv  xdc  d^x^pac  FcKdcxac  *er  soll 
urteilen,  daß  er  ersiege  inbetreff  des  Freien  50  Statere  und  1  Stater 
täglich  .  .  .,  inbetreff  des  Sklaven  aber  10  Statere  und  1  Drachme 
täglich  (bis  er  ihn  losläßt)'.  I  38  aJ  bi  Ka  vaeu€i  ö  ööXoc  o  kq 
viKaOei,  .  .  .  diTobeiKcdxö  Venn  der  Sklave  in  einem  Tempel 
ist,  inbetreff  dessen  er  (im  Prozesse)  besiegt  worden  ist'.  Daß 
hier  nicht  ö  Ka  viKaOei  'der  ersiegt  worden  ist'  zu  verstehen 
ist,  lehrt  die  eben  besprochene  Stelle.  Die  Lesung  oKa  v. 
=  öxav  viKTiOni,  weist  Blaß  mit  Recht  deshalb  zurück,  weil  der 
Begriff  von  öxav  im  Altgortynischen  durch  I  Ka  ausgedrückt 
wird.  —  Vgl.  noch  4985  Z.  9  (s.  S.  157  A.).  Dagegen  scheint  ein 
Fragment  von  Hiarapytna  aus  dem  3.  Jahrh.  dies  Verbum  nicht 
mehr  mit  dem  Genetiv,  sondern  mit  d)Liq)i  c.  Akk.  zu  konstniieren, 
wenn  die  von  den  Herausgebern  in  Majuskeln  gedruckte  Stelle 
5044  Z.  24  als  vik€c9ö*)  d^qpi  xö  d  -  -  zu  lesen  ist 

Attisch  kenne  ich  viKdv  mit  diesem  Genetiv*)  nur  in  dem 
formelhaften  Ausdruck  xoO  KXrjpou  viKdv,  der  bei  [Dem.]  43  (in 

1)  Daß  hier  vikcv  'ersiegen',  nicht  ein  sonst  unbekanntes  Verbum 
vIk€v  'bringen'  zu  verstehen  ist,  macht  nicht  nur  der  häufige  Gebrauch 
von  viKcv  in  der  kretischen  Gesetzessprache  wahrscheinHch  (4991  I  55. 
IX  22.  25.  XI  32.  39.  4998  IV  16.  V  16  usw.),  sondern  läßt  sich  auch 
aus  4991  IX  37  beweisen,  wenn  man  mit  Comparetti  diroFcdröv-n  als 
'bezeugen'  interpretiert,  was  ich  für  das  Richtige  halte  (vgl.  dTroiröviv 
"bezeugen*,  diroemeiv  bei  Homer  'verkünden'),  nicht  mit  den  meisten  Her- 
ausgebern als  'versagen'. 

2)  Vgl.  Hiarapytna  5039  Z.  25  viKccBai  nach  Deiters  a.  0.  Die 
Kontraktionslänge  ist  in  Hiarapytna  in  geschlossener  Silbe  durch  E  imd 
0  bezeichnet,  während  urgriechisches  n,  uu  mit  den  üblichen  Zeichen 
geschrieben  werden.  Die  Herausgeber  schreiben  viK^cGai,  KaroiKÖvrac  usw. 
Aber  vgl.  Olus  5104  a  20.  49.  59  usw.  'OXövriiuv  neben  b  3.  22  'OXouv- 
tIiuv  aus  BoXoevT  —  (5075  Z.  29.  39).  In  den  alten  Pytioninschriften  aus 
Gortyn  wird  ebenfalls  E  für  die  Kontraktionslänge,  0  für  urgriechisches  e 
gebraucht,  weshalb  man  jetzt  sowohl  in  ihnen  wie  in  der  großen  Inschrift 
falsch  qocji^v,  vik^v,  |liöX^v  usw.  schreibt.  Denn  diese  Auffassung  wird 
durch  Schreibungen  wie  KaXnv,  fnöXf^v  in  der  spätarchaYschen  Inschrift 
4998,  in  der  H  auch  für  die  Kontraktionslänge  verwendet  wird,  widerlegt. 

3)  viKdcBai  Tivoc  'jemandem  unterliegen'  mit  dem  komparativischen 
Genetiv  ist  natürlich  fernzuhalten.  Wie  das  ^vixa  iraibiuv,  dvbpiöv  in  den 
attischen  Staatsurkunden,  die  die  Siege  der  Phylen  in  den  öffentlichen 
Agonen  verewigen,  zu  erklären  ist,  muß  bei  dem  Mangel  an  alten  Belegen 
dahingestellt  bleiben  (vgl.  Meisterhans,  Gr.  d.  att.  Inschr.'  S.  207). 


Der  syntaktische  Gebrauch  des  Genetivs  in  den  kret.  Dialektinschr.    163 

Macart)  31.  32.  33  u.  öfter  in  dieser  Rede  vorkommt.  Ich  er- 
kläre ihn  analog  den  kretischen  Beispielen  ^betreffs  des  Erbes 
den  Prozeß  gewinnen'. 

9.  dnoTTÖvtv  'zeugeii*.  4991  IX  45  a(  |li^v  k'  dTroiTÖviövn 
fiaiTupcc  ißiovxec  t6  dKarovcTaT^pö  Kai  ttXiovoc  Tp€€C,  tö  iiieiovoc 
ji€TT'  Ic  TÖ  b€KacTdT€pov  biio,  To  |Li6iovoc  ?v(c)  *wenn  hinsichtlich 
der  100  Staterensumme  und  mehr  drei  erwachsene  Zeugen  zeugen, 
hinsichtlich  des  Geringeren  bis  zur  10  Staterensumme  zwei,  hin- 
sichtlich des  Geringeren  einer'.  IX  34  dvboKdbfe  KlvKoiördv  Kai 
öiaßoXdc  Kai  bi(a)p&ioc  iLiairupec  oi  dirißdXXovTec  dTTOTTÖviövxuiv 
*wegen  der  Bürgschaft  aber  und  des  Anvertrauten  und  der 
Weigerung  und  der  Vereinbarung  sollen  als  Zeugen  die  An- 
gehörigen aussagen*.  Im  Attischen  läßt  sich  |LiapTupo)Liai  rivd  nvoc 
^jemanden  für  etwas  als  Zeugen  anführen'  vergleichen. 

10.  iTpctTTai.  Der  Genetiv  ist  hier  bloß  in  der  häufig 
verwendeten  Phrase  di  FeKdcrö  ?TpctTTai  oder  l  FeKdcrö  fTparrai 
belegt  Die  erstgenannte  Form  steht  4998  VII 10.  5000  1 7.  5005 
Z.  1  (ion.  Schrift,  aber  noch  ohne  Differenzierung  der  e-  und 
o-Laute),  die  zweite  4991  VI  31.  IX  23.  In  dem  neugefundenen 
Vertrage  von  Gortyn  und  Lato  BGH  XXVII  (1903)  S.  219  (3.  Jahrh.) 
C  11  steht  eine  dritte  Variante  des  gleichen  Begriffes  di  FeKdcxujv 
irpoTTai.  Hierdurch  ist  die  Lesung  F^Kacro  als  Nom.  Akk.  Sing. 
Xeutr.  hinfällig  geworden.  Dagegen  steht  in  einer  Inschrift  der 
jüngsten  Klasse  aus  Hiarapytna  5040  (2.  Jahrh.)  Z.  81  eine 
präpositionale  Umschreibung  des  alten  Genetivs:  koGiuc  Kai  irepi 
Tiüv  öiKaiujv  T^TpoTTiai;  auch  in  den  sonstigen  Verbindungen  hat 
dieses  Verbum  in  den  jungem  Inschriften  ein  präpositionales 
Objekt,  wo  man  nach  älterm  Sprachgebrauch  den  Genetiv  er- 
warten könnte.  Z.  B.  Teüsche  Deki'ete  5182  Z.  25  t6  t€  öoTMa 
TÖ  iTpörepov  Tpct<P^v  ...  irepi  xdc  KaGiepdjcioc  Kai  dcuXiac  xdc 
iroXioc  u.  a. 

In  den  archaischen  Inschriften  steht  bei  ^Tparrai  die  Person, 
die  von  dem  zitierten  Gesetze  betroffen  wird,  nicht  im  Genetiv, 
sondern  im  Dativ.  4991  X  44  dvaiXeOai  diTiep  xoic  tv€'cioic  ?TpotTTai 
'(der  Adoptivsohn)  soll  (das  Vermögen)  an  sich  nehmen,  wie  für 
die  echten  (Söhne)  geschrieben  steht*.  5000  I  14  dKc  ^inivac  Kaxa- 
CTacei  f|  dl  xöi  ^euGdpöi  fTpaTxai  *(wer  einen  Sklaven  beraubt 
hat),  soll  zur  Hälfte  bezahlen  als  wie  für  einen  Freien  geschrieben 
steht*.  —  In  4991  IV  43  könnte  man  einen  Akkusativ  der  Be- 
ziehung bei  £TP<^'n'at  sehen  wollen :  öax€6[6]ai  bi.  Kai  xd  |Liaxp[ö]ia 


164  K.  Meister, 

I  k'  dTTo9ä[v€]i  dnT€[p]  id  [irarpöi*]  E[TpaTT]ai.  Doch  scheint  mir 
das  Wahre,  zu  rd  Trarpöia  aus  dem  Vorhergehenden  öareOOai  zu 
ergänzen.  —  Aus  den  andern  Dialekten  kann  ich  nur  den  Terminus 
der  attischen  Oerichtssprache  Tpdq)€c9ai  mit  dem  Genetiv  des 
Inhaltes  der  Anklage  (irapavoiac,  rpaujuaToc)  *(eine  Klage)  schreiben 
wegen*  vergleichen. 

11.  fvöiKOv  l|Li€v  'klagbar  sein*.  Der  Genetiv  steht  hier 
nur  in  der  4991  VI  24.  IX  17.  XI  21  verwendeten  Formel  töv 
bk  7Tp609a  |Li4  JvöiKOv  I|li€v.  Überall  wird  mit  di  TdÖ€  rd  TpdjLi- 
juara  ^TpctTrai  oder  einer  ähnlichen  Wendung  auf  altere,  jetzt 
durch  dies  Gesetz  außer  Kraft  gesetzte  Bestimmungen  hin- 
gewiesen. TÖV  .  .  .  TTpöOOa  bezieht  sich  also  auf  Geschehnisse, 
die  diesem  Gesetze  vorausliegen,  und  es  fragt  sich  nur,  ob 
man  es  als  Neutrum  auf  die  Taten  beziehen  will,  wie  es  die 
meisten  Erklärer  tun,  oder  mit  Baunack  als  Maskulinum  auf  die 
Täter.  Personen  stehen  aber,  wie  bei  {Tparrai,  so  auch  hier  in 
zwei  sicheren  Belegen  im  Dativ:  4991  VU  11  toi  TreiraiLidvöi  fv- 
öiKov  l|Li€v  *gegen  den,  der  (den  Sklaven)  besitzt,  soll  man  eine 
Klage  anhängen  dürfen*,  und  V  7  Taib  bk  irpoGGa  |li^  f[v]öiKOV 
l)Li€v  *gegen  die  (Frauen,  die  vor  dem  Kosmiontat  des  Kyllos  und 
Genossen  Vermögen  erhalten  haben)  darf  nicht  Klage  anhängig 
gemacht  werden*.  Deswegen  sehe  ich  in  töv  TipoGGa  das  Neutrum. 

12.  aiTioc  'schuldig*.  4991  II  52  at  k'  6  dv€p  atTioc  ei  Tdc 
K€[p]€Üaoc  "wenn  der  Mann  schuldig  ist  an  der  Scheidung*.  In 
demselben  Sinne  auch  Hiarapytna  5040  Z.  44  ol  atTioi  toutujv. 
Daneben  kommt  Trapamoc  im  weitem  Sinn  als  "Urheber*  in  der 
oft  verwendeten  Phrase  der  jungen  Dekrete  ajei  tivoc  draGiu 
Trapamoc  T^vecGai  tuii  ödiLiuii  (TeYsche  Dekrete  5168  Z.  12  vgl. 
5176  Z.  18;  Koinon  der  Kretäer  5138  Z.  15  usw.)  vor. 

13.  Ganz  unsicher  ist  Vaxos  5128  Z.  8  TTopTiTiövev  dmep 
Tov  dXöv  nach  Blaß,  der  es  als  'anklagen  (=  dtKaXeiv,  TrpocKoXeicGai) 
wie  in  andern  Sachen*  erklärt  Comparetti  schreibt  dagegen  töv 
dXov.    Eine  Entscheidung  vermag  ich  nicht  zu  geben. 

14.  Unrichtig  liest  Blaß  Gortyn  4994  Z.  6  d  [bi]  Ka  \xi, 
dööiKOKcei,  aufTÖv]  dTeGai  o  k'  d7r[iTpd]7TÖVTi  tö  KpCfiojc  öttö  toi 
|Lie)Li7ro)Li€VÖ[i]  einen  Genetiv  des  Sachbetreffs.  Er  erklärt  "so  soll 
der  Schiedsrichter  selbst  für  die  Summe,  um  die  es  sich  handelt, 
gerichtlich  gebüßt  werden*.  Aber  Kpeoc  ist  im  Kretischen  wie 
im  Ionisch -Attischen  eine  Sache,  und  bei  dieser  Deutung  *er 
soll  hinsichtlich  der  Sache,  die  sie  überlassen  haben,  gestraft 


Der  syntaktische  Gebranch  des  Genetivs  in  den  kret.  Dialektinschr.    166 

werden*  vermisse  ich  einerseits  die  Angabe  der  Strafe,  andrer- 
seits scheint  mir  to  Kp^ioc]  im  Zusammenhang  überflüssig.  Ich 
fasse  daher  dies  Wort  mit  Comparetti  als  Akkusativ,  ergänze 
aber  nicht  mit  ihm  tö  Kp^[io]c,  was  formell  nicht  angängig  ist 
(s.  S.  158),  sondern  tö  kp€[o]c,  was  nach  der  Abbildung  bei 
Comparetti  für  die  Lücke  wohl  auch  genügt.  Der  Sinn  ist  also  : 
*Wenn  er  nicht  entscheidet,  soll  er  selbst  um  die  Sache,  die  (ö) 
sie  (ihm)  überlassen  haben,  unter  dem  Anklagenden  gestraft 
werden  (d.  h.  er  muß  dem  Anklagenden  die  Sache  ersetzen)*. 

15.  Einen  Genetiv  des  Sachbetreffs  interpretiert  Baunack 
4991  n  28  TrpoFenrdTÖ  öfe  dvTi  inairupöv  rpiöv  toic  KabecraTc  t6 
ivaiXeOfvTOC  dXXueGGai  tv  raic  tt^vt'  djndpaic,  t6  bk  ÖÖXö  toi  Träcrai 
dvTi  juaiTupöv  Öu5v.  Er  übersetzt  *man  soll  ...  die  Verwandten 
des  im  Hause  Ertappten  vorher  auffordern,  ihn  auszulösen  binnen 
5  Tagen,  wegen  des  Sklaven  aber  den  Herrn  (desselben)  vor 
zwei  Zeugen*.  t6  bi  bÖXö  als  adnominalen  Genetivus  objectivus 
zu  TOI  Trdcrai  zu  stellen,  diesen  Gedanken  weist  er  ausdrücklich 
zurück  im  Hinblick  auf  das  folgende  (H  42)  tö  bk  FoiKeoc  töv 
TcdcTov  (seil.  öjLiocai  s.  S.  160).  Da  man  aber  hier  tö  dvaiXeG^VTOc 
mit  Becht  als  objektiven  Genetiv  zu  toic  KabecraTc  auffaßt,  kon- 
struiere ich  das  entsprechende  t6  bk  bÖXö  toi  Trdcrai  ebenso: 
Die  Kongruenz  in  demselben  Satze  scheint  mir  maßgebender  als 
die  mit  andern  Stellen.  Doch  zeigt  die  Stelle  wieder  einen  Weg, 
auf  dem  freiere  adverbale  Genetive  adnominal  werden  konnten. 

Entsprechend  sehe  ich 

16.  4991  IV  25  TÖV  iraT^pa  töv  tIkvöv  Kai  töv  KpejuidTöv 
icapT€pöv  l)Li€v  Tdbaicioc  nicht  diesen  Genetiv  des  Sachbetreffs 
(Brugmann  Griech.  Gr.^  S.  390),  sondern  lasse  ihn  mit  Baunack 
und  Bücheler-Zitelmann  von  KapTcpöv  abhängig  sein :  *Der  Vater 
soll  über  die  Kinder  und  das  Vermögen  befugt  sein,  über  die 
Teilung.*  Audi  hier  kann  man  aber  eine  Übergangsstufe  von 
diesem  freieren  Genetiv  des  Sachbetreffs  zu  dem  enger  an  ein 
Wort  gebundenen  sehen. 

Alle  Belege  dieses  Genetivs  im  Kretischen  standen  bei 
Verba  iudicialia,  nur  bei  ihnen  ließ  er  sich  ja  auch  im  Attischen 
sicher  nachweisen.  Daneben  kommen  schon  in  der  altgortynischen 
Gesetzessprache  präpositionale  Wendungen  an  Stelle  dieses  Ge- 
netivs vor.  Außer  den  schon  besprochenen  Fällen  sind  noch 
zu  vergleichen  4991  VI  51  ai  bi  Ka  iiife  öilioXotiövti  ä^m  rdv 
ttACOuv;  V  38  [a]i  [b]i  Ka  Kp^iiaTa  öaTioiievoi  |li€  cuvtititvÖckövti 

Indogermaiiifclie  Forschungen  XVlU.  12 


X66  K.  Meister, 

dvTri  Totv  öaiciv*);  XI  43  d[T]€0ai»)  bk  önfep  |üi[^]v  tö  [Trajrpöc  rd 
TTttTpöia,  Ö7r4(ö)  bi  Tcic  juarpöc  rd  inarpoia.  In  den  Inschriften  im 
ionischen  Alphabet,  wo  wir  ja  selbst  bei  den  Verba  iudicialia 
den  Genetiv  meist  nicht  mehr  fanden,  kommt  er  natürlich  bei 
andern  Verba  erst  recht  nicht  vor.  Vgl.  Itanos  5058  (3.  Jahrh.) 
Z.  27  ovbi  ßouXeuclu)  trepi  Tä[c  7r6X]ioc  koköv  oubdv.  Hiarapjtna 
5040  (2.  Jahrh.)  Z.  63  unfep  bi  rdiv  ucrepov  dTinTVO|Lilvu)v  döiKTi- 
^druiv  irpoöiKiüi  infev  xpncOujv  KaOujc  t6  bidTpamna  Ix^i  und  ent- 
sprechend an  vielen  andern  Stellen. 

Wir  haben  in  diesem  Abschnitte  gesehen,  wie  dieser  in 
freier  Verbindung  mit  dem  Verbum  stehende  Genetiv  allmählich 
durch  präpositionale  Ausdrücke  ersetzt  wird,  die  in  den  jungem 
kretischen  und  nichtkretischen  Inschriften  ihn  fast  gänzlich  ver- 
drängt haben.  Setzen  wir  nun  voraus,  daß  die  Sprache  sich  in 
der  Zeit  vor  unsem  Denkmälern  in  derselben  Richtung  fort- 
entwickelt hat  wie  in  dem  Zeitabschnitt,  in  dem  wir  sie  historisch 
verfolgen  konnten,  so  kommen  wir  zu  der  Annahme,  daß  der 
Gebrauch  des  Genetivs  in  dieser  weiten  Bedeutung  der  allgemeinen 
Beziehung  des  Verbalbegriffs  auf  das  Objekt  im  Urgriechischen 
nicht  nur  an  die  Verba  iudicialia  gebunden  war,  sondern  als 
unabhängiger  Genetiv  zu  beliebigen  Verba  gesetzt  werden  konnte. 
In  jenen  Termini  der  Gerichtssprache  liegen  also  Reste  des  ur- 
sprünglich freien  Gebrauches  vor,  die  durch  die  Tradition  erhalten 
worden  sind,  als  sonst  die  Spi'ache  den  Genetiv  durch  andere 
Ausdrucksmittel  ersetzt  hatte. 

Jedenfalls  beweist  die  Übereinstimmung  des  Altgortynischen 
mit  dem  Attischen,  daß  sich  diese  Gebrauchsweise  nicht  erst  in 
einzeldialektischer  Zeit  entwickelt  hat  8),  sondern  aus  urgriechischer 
Zeit  ererbt  ist. 


1)  ö^oXoT€iv  mit  dem  Genetiv  kenne  ich  im  Ionisch-Attischen  nicht. 
cuvxiYvd)CK€iv  in  der  ganz  verschiedenen  Bedeutung  Verzeihen',  das  meist 
mit  dem  Dativ  verbunden  wird,  kommt  auch  mit  dem  Genetiv  vor :  Plat. 
Enthyd.  306  C  cuttiTvüjckciv  aÖToTc  xpi^  Tf^c  ^TTiOuiulac  xal  |uii?|  xoiX€iraiv€iv. 

2)  So  nach  Blaß.  Andere  &[T]€eai  oder  d[X]€eai  (zu  6X(cK0|uiai).  Das 
letzte  Wort  ist  hier  noch  nicht  gesprochen. 

3)  Für  das  Attische  hat  dies  Delbrück,  Grundriß  III  1  S.  328  an- 
genommen. Im  Lateinischen  und  Oskisch-Umbrischen  existiert  bekanntlich 
ebenfalls  der  Genetiv  des  Sachbetreffs  bei  Verba  iudicialia  (ßrugmann. 
Kurze  vgl.  Gr.  S.  4SS). 


Der  syntaktische  Gebrauch  des  Genetivs  in  den  kret.  Dialektinschr.    167 

3.  Ablativischer  Genetiv. 

Die  Verbal  begriffe,  bei  denen  in  den  kretischen  Dialekt- 
inschriften ein  Genetiv  als  Vertreter  des  Ablativs  steht,  sind 
alle  anch  im  Attischen  nachweisbar.  Ich  begnüge  mich  hier 
wieder,  mich  auf  das  bei  Eühner-Oerth  II  1,  388  gesammelte 
Material  zu  berufen.  Belegt  ist  dieser  Genetiv  im  Kretischen  bei 

1.  KpiveOeai:  4991  III  40  aT  Ka  FoikIoc  FofKea  KpiGIt  böd 
I  dTTo9av6vToc  'wenn  von  einem  Häusler  sich  eine  Häuslerin 
scheidet  bei  seinen  Lebzeiten  oder  durch  seinen  Tod'.  XI  46 
Tuvä  dvöp6c  ä  Ka  KpivCrai. 

2.  aip€iv  und  alpeicGai.  Der  Genetiv  steht  nur  Malla 
5100  (um  200  ?)  Z.  4  ai  bi  t[i]  Koivdi  CTpaTOu6|Li6v[oi  Giorv]  9€X6vtu)V 
CXoi^ev  Td)v  iToX€^iu)v.  Dagegen  steht  Hiarapytna  5040  (2.  Jahrh.) 
Z.  53  ai  hi  xi  Oeuiv  ßu)Xo|Lifvujv  ?Xoi)i€V  . . .  ättä  tOjv  iroXeiuifuiv  die 
präpositionale  Umschreibung  in  derselben  Phrase.  In  einem 
tetschen  Dekrete  der  zweiten  Serie  (um  100  v.  Chr.)  ist  der 
Genetiv  an  xi  angelehnt:  5183  Z.  29  i&v  tiv€C  . . .  dqKxipdivrai 
Ti  öjLiÄVj  ßoa0rjco|Li6v.  Ich  sehe  hier  wieder  in  dqpaipeicOai  mit 
dem  Genetiv  den  älteren  Sprachgebrauch,  der  in  diesen  letzt- 
genannten Beispielen  durch  andere  Sprachniittel  ersetzt  worden 
ist  —  In  der  großen  Inschrift  von  Praisos  scheint  dq)aip4o|Liai 
mit  dem  Dativ  verbunden  gewesen  zu  sein,  wenn  anders  5120 
A  20  richtig  ergänzt  ist:  oure  auroic')  |  [dq)aipTic6|Li€6a  aT  ji  Ka 
dXjXoc  TIC  dqpaipfrrai  -  -.  Diese  Konstruktion  kommt  in  der  epischen 
und  der  von  ihr  beeinflußten  späteren  Dichtersprache,  nicht  aber 
in  der  Prosa  vor  (Kühner-Gerth  H  1,  406). 

3.  Tipdöbev  und  ivcKupdööev.  Gortyn  4999  H  7  Kard 
Td  aöxd  TTpdbeOai  tö  |li^  d|Li6cavT0c  diirep  aT  Ka  }xi\  Xni  öiKdKcai 
'es  soll  auf  dieselbe  Weise  (Geldstrafe)  von  dem  (Richter  oder 
Mnamon),  der  nicht  schwört,  eingetrieben  werden,  wie  wenn  er 
nicht  urteilen  will'.  4986  Z.  21  |li^  dvFoiKtv  6  dv€K[upaKc]av  *es 
wohne  der  nicht  darinnen,  von  dem  sie  gepfändet  haben'  vgl. 
Z.  14.  Dagegen  steht  in  Z.  16  das  Haus,  aus  dem  gepfändet  wird, 
mit  iK  verbunden :  aT  k'  ic  cii^ac  dveKupdKCovTi.  —  Die  ionisch 
geschriebenen  Inschriften  enthalten  auch  hier  wieder  keinen 
Genetiv,  sondern  Beispiele  präpositionaler  Umschreibungen : 
Praisos  5120  (1.  H.  3.  Jahrh.)  B  19  irpaHavTec  xoüc  |liic6ouc  7ra[pd] 


1)  In  der  Inschrift  schließen  die  Zeilen  mit  voller  Silbe. 

12* 


168  K.  Meister, 

TÄv  \xi\  7rX€ucdvTU)v.   Vgl.  Knosos  5149  (E.  2.  Jahrh.)  Z.  36  idv 
TipdHiv  T^^ev  iK  Toiv  ^Tinjiwv. 

Daneben  findet  sich  im  Kretischen  wie  im  Attischen  die 
Verbindung  von  irpaTreiv  mit  dem  Akkusative.  In  demgortynischen 
Münzgesetze  5011  (1.  H.  3.  Jahrh.)  Z.  12  steht  Trpdfavrec  t6v  vikq- 
e^vra.  Die  andere  Stelle  4985  Z.  11  ai  bi  kq  |li€  irpdööövTi,  tovc 
7rp€i[Tic]T0vc  TouTOvc  TipdöbcvTac  diraTOv  I|li€v  rd  ^painev',  dXXa  bk. 
\xi  fasse  ich  anders  als  Halbherr  und  Blaß,  die  nach  irpeiTtcrovc 
interpungieren,  so  daß  toutovc  ein  ganz  müßiger  Zusatz  wäre. 
Ich  sehe  tävc  TrpeiTiCTovc  als  Subjekt,  toutovc  als  Objekt  von 
TrpdbbovTac  an  und  Übersetzeso:  *  Wenn  (die  rhizenischenKosmen) 
nicht  die  Strafe  eintreiben,  so  soll  es  erlaubt  sein,  daß  die  Ältesten 
von  diesen  (den  säumigen  Kosmen)  eintreiben  die  aufgeschriebenen 
(Bußen),  andere  aber  nicht'  Diese  Auffassung  entspricht  auch 
griechischem  Rechtsgebrauch,  nach  dem  nicht  für  den  Fall,  daß 
eine  Behörde  ihre  Pflicht  nicht  tun  sollte,  von  vornherein  eine 
andere  zur  Vertretung  ernannt  wird,  sondern  die  Säumigen  be- 
straft werden,  vgl.  Dreros  4952  C  10 ;  Hiarapytna  5040  Z.  43, 
argivisch  IG  IV  554  usw. 

4.  Bei  d[px€v^)  'anfangen*  Gortyn  4991  XI  51:  ö  dpKöv 
Tdömac  vgl.  4999  11  4.  Ionisch  geschrieben  5015  (2.  Jahrh.)  Z.  24 
dpX€V  bi  Tdc  TipdTac  KaTaßoXdc  toutuü[v  tuüv  xPHMdTUjv  -  -  *es 
soll  beginnen  mit  der  ersten  Zahlung  dieser  Gelder  (ein  be- 
stimmter Zeitpunkt)'.  Vgl.  böot.  IG  VII  3171  Z.41  dpxi  Tiii  xp6vuj 
6  dviauToc  6  ^tTd  ©livapxov  dpxovTa,  rhod.  3749  Z.  38  xaTdp- 
HavTec  ttoX^^ou. 

5.  dTTOCTttTeTv  und  dqpicTacGai.  In  den  älteren  te'ischen 
Dekreten  (220—216  v.  Chr.  nach  Deiters  Rh.  M.  59,  577)  steht 
zweimal  der  Genetiv:  5178  Z.  23  ou9ev6c  dTrecrdTOuv  tüüv  cuju- 
qpepovTUjv,  5176  Z.  22  d  ttoXic...  ouöevoc  dTrecra  toiv  cujiiqpepovTUjv. 
Aber  in  den  einige  Generationen  später  verfaßten  Dekreten  der 
zweiten  Serie  ist  dTio  auch  dem  Genetiv  zugefügt:  5183  Z.  16 
dji'  ou9ev6c  dTTecTaiiiev  tuüv  cujiiqpepövTUüv  vgl.  5185  Z.  21. 

6.  Nicht  von  dem  eigentlichen  Verbalbegriff,  sondern 
lediglich  von  der  Präposition  würde  der  Genetiv  regiert  werden 
in  der  Wendung  Gortyn  4991  X  36.  XI  12  djUTraiveeai  (diroFei- 
7Td96ö) .  .  .  änö  Tö  Xdö  d  dTraTopeüovTi  *man  soll  adoptieren  (sich 


1)  Hier  könnte   echter  Genetiv  mit  vorliegen.    Man  kann  sowohl 
von  etwas  als  auch  bei  etwas  anfangen. 


Der  syntaktische  Gebranch  des  Genetivs  in  den  kret.  Dialektinschr.    169 

lossagen)  von  dem  Steine  aas,  von  dem  aus  geredet  wird*,  wenn 
i  Genetiv  des  Relativpronomens  wäre.  Jedoch  kann  man  auch  d 
als  ablativisches  Adverbium  'woher*  auffassen  wie  toutuj  und 
Tüjbe  'daher*  Lato-Olus  5075  Z.  58.  57.  69  und  orrö  Gortyn  4991 
V  23.  X  33  usw.,  vgl.  lokrisch  1478  Z.  9  hoirö  Z.  21  ho  (mit 
mgriechischem  o,  da  das  durch  Kontraktion  entstandene  in  dieser 
Inschrift  durch  ou  bezeichnet  wird). 

7.  Zum  Schluß  führe  ich  noch  zwei  Stellen  an,  wo,  wie 
ich  glaube,  irrtümlich  ein  ablativischer  Genetiv  gelesen  wird. 
HansouUier  und  Blaß  schreiben  Malla  5101  (E.  2.  Jahrb.)  Z.  21 
TUTX<iv(o|i)6[v]  Td  |Li^v  4kouciujc  cuXX€(X)u|Li€Voi,  rd  bfe  Kai  b\ä  rdc 
t^uJtuiv  Tipovoiac  dv6icTTi(^)€V0i  Tdc  t(€)  ttot'  dXXdXo[c]  ?xöpac 
ötaXeXujicvot.  Das  soll  wohl  'losgelöst  von  der  Feindschaft*  heißen. 
Aber  ganz  abgesehen  davon,  daß  der  Genetiv  bei  biaXüecGai 
und  noch  dazu  in  dieser  jungen  Inschrift  sehr  auffällig  wäre, 
ergibt  sich  aus  Isoer.  Paneg.  15  S.  43  e  öioXucajLievouc  rdc  irpoc 
fmdc  auTouc  fxöpctc,  vgl.  Panathen.  160  S.  266  c,  daß  hier  mit 
Halbherr  rdc  .  .  .  ?xöpac  als  Akkusativ  zu  schreiben  ist 

Die  andere  Stelle  steht  Hiarapytna  5039  (2.  Jahrh.)  Z.  25 
Tuii  T€  TToX6|Liuji  jurj  )Li€  coiov  ve€c9ai  und  dies  sonderbare  Griechisch, 
das  ich  anführe,  weil  man  versucht  sein  könnte  tuü<C>  ttoX^|liuj<i> 
zu  schreiben,  ist  auch  als  Ergänzung  an  andre  Stellen  verschleppt 
worden  (5024  Z.  74.  87).  Glücklicherweise  hat  jetzt  Deiters  in 
seiner  Dissertation  S.  23  diese  Lesung  als  eine  Kompilation  aus 
verschiedenen  fehlerhaften  Kopien  dieses  nur  handschriftlich 
überlieferten  Vertrages  nachgewiesen,  die  älteste  Abschrift  hat 
hier  toii  t6  itoX€)liuj  viKtcGai,  was,  abgesehen  von  dem  weggelassenen 
i  mutum,  keiner  Verbesserung  bedarf. 

Kapitel  III.    Adnominaler  Genetiv. 

Die  verschiedenen  Bedeutungsarten  des  adnominalen  Ge- 
netivs werden,  wie  sie  in  verschiedener  Weise  entstanden  sind, 
auch  verschieden  von  der  Sprache  behandelt.  Es  sind  4  Stellungs- 
typen möglich 

1.  6  Tuiv  AGrivaiuiv  bfi^oc 

2.  6  bf\^oc  6  Tiüv  'AGiivaiujv 

3.  6  öniioc  Toiv  'AGrivaiujv 

4.  TÜüV  'AGrivaiujv  6  bfiiLioc; 

l.und  2.  werden  attributive,  3.  und  4.  prädikative  Stellungen 
genannt  Für  'prädikativ'  wird  auch  manchmal  der  wenig  glück- 


170  K.  Meister, 

liehe  Ausdruck  *partitiv*  gebraucht;  die  Anwendung  der  prädika- 
tiven Stellungen  ist  keineswegs  auf  den  partitiven  Genetiv  be- 
schränkt 

1.  Genetivus  partitlvus  und  Genetiv  des  Inhalts. 
Der  partitive  Genetiv  kommt  in  den  jüngsten  wie  in  den 
ältesten  Inschriften  im  kretischen  Dialekt  nur  in  prädikativer 
Stellung  vor.  Dasselbe  gilt  für  den  Genetiv  des  Inhalts.  Beachtens- 
wert ist,  daß  er  in  den  altem  Inschriften  meist  vor  dem 
regierenden  Worte  steht  und  häufig  durch  andre  Wörter  von 
ihm  getrennt  ist,  in  den  jungem  Denkmälern  dagegen  hinter 
diesem.  Die  Belege  sind  folgende:  Gortyn  4986,  19:  cuvexc- 
o|Li6ca09ai  tov  6)Li6[pöv  tö]y  iwia  Tpiivc  *es  sollen  mit  abschwören 
von  den  9  Nachbarn  drei*.  4986,  1 :  -  -  bevöpeöv  Kai  FoiKiac 
ö[|li6cov]ti  tov  ojLiöpov  ivyia  oi  dTrdvKicra  TreTrainevoi  "Hinsichtlich 
der  Bäume  und  des  Hauses  sollen  schwören  von  den  Nachbarn 
neun,  die  (nämlich)  am  nächsten  Besitz  haben'.  4991  11  46 
TOI  Fd  auTcic  lx^\  . . .  Kai  to  Kapirö  Tdvv€|Liivav  *sie  soll  ihr  Eigentum 
haben  und  von  dem  Ertrage  die  Hälfte*.  III  27 :  Ka[i  tö]  Kap7r[ö] 
Tö  ?vb[oj9€v  Trebd  tov  47nßaXX6vT[öv]  inotpav  XaKi[v]  *und  von  dem 
drinnen  befindlichen  Ertrage  *)  mit  den  Angehörigen  einen  Teil 
erhalten*.  HI  35  (dTroboiiiev)  to  Kapiro  a!  k'  €i  ic  tov  Föv  auTdc, 
rdv  e'jüiivav  *von  dem  Ertrage,  falls  er  aus  ihrem  eignen  Vermögen 
ist,  die  Hälfte  (herausgeben).  V  49  (oi  dnißdXXovTec)  Tdv  Ti^dv*) 
bia[X]aK6vTöv  toiv  diraßoXdv  FeKacroc  *(die  Angehörigen)  sollen  von 
dem  Erlöse  (der  verkauften  Güter)  jeder  den  zukommenden  (Teil) 
erhalten'.  VH  15  oiruieGai  döeXinöi  tö  iraTpöc  tov  iovTöv  toi  irpei- 
TicTöi  *sie  soll  einen  Bruder  des  Vaters  (und  zwar)  den  Ältesten 
unter  denen,  die  da  sind,  heiraten*.  VH  32  Tab  ö'  dmKapTriac  TiavTÄc 
Tdv  €>iivav  dTToXavKdvev  tov  dTrißdXXovTa  orruiev  Mer  Heiratsberech- 
tigte soll  vom  Ertrage  von  jedem  die  Hälfte  als  Anteil  erhalten  8)*. 

1)  ^vboeev  ist  für  €vbov  durch  'Attraktion  an  das  Verbum'  ge- 
schrieben ;  Beispiele  für  diese  Erscheinung  bei  Kühner-Gerth  II  1  S.  546. 
Aus  dem  Kretischen  vgl.  5174;  Z.  2  €t  tivcc  ^KaOop^i216)ui€vot  BiawöOcv 
dbiK/|[ciwv]T(  [Ti]va  TriiuDv.  'Wenn  irgend  welche,  die  in  B.  vor  Anker  gehen, 
(von  da  aus)  einem  der  Teier  Unrecht  tun'.  Das  Verkennen  dieses.  Sprach- 
gebrauchs hat  zu  falschen  Erklärungen  oder  gar  gewaltsamen  Konjekturen 
geführt. 

2)  btaXaK^v  bedeutet  VIII  4.  24.  45  'einen  Teil  erhalten*;  dieser 
Sinn  erfordert,  töv  ti^iöv  zu  lesen  und  nicht  xdv  xi^idv. 

3)  So  auch  Bü.-Zi. ;  Bau.  übersetzt  unrichtig  'vom  Ertrage  des  Ganzen 
...  die  Hälfte  ...  als  Anteil  erhalten';  denn  iravröc  hat  keinen  Artikel. 


Der  syntaktische  Gebrauch  des  Genetivs  in  den  kret.  Dialektinschr.    171 

Vn  51  Tdc  TTuXdc  Töv  alnövTöv  öti|lii  Ka  Xei  ÖTruieOai  *den  unter 
den  Bewerbern  aus  der  Phyle  soll  sie  heiraten,  den  sie  will*. 
Vgl.  VIII  6.  —  VIII  4  Tov  b'  dXXöv  tciv  l|Lii(v)av  öiaXaKÖvcav  dXXöi 
ÖTTuieGai  *sie  soll,  indem  sie  von  dem  übrigen  die  Hälfte  erhält, 
einen  andern  heiraten*.  Vin45  [T]qc  [b'  4TTiKap]Tnac  bia[X]a[vKd]v€v 
[T]dv  Ijiivav  de  k'  d[v]öp[o]c  ei  Von  dem  Ertrage  soll  sie  die 
Hälfte  als  Anteil  erhalten,  solange  sie  noch  nicht  heiratsfähig  ist*. 

Auf  ionisch  geschriebenen  Inschriften  aus  Gortyn:  5011 
(wohl  1.  H.  3.  Jahrh.)  Z.  9  rdc  bi  veoiac  öinviivrec  KpivovTUiv  ot 
imä  Kar'  dropdv  oi  Ka  Xdxiwvn  KXapüb^evoi  Von  der  Neota  sollen 
die  sieben  auf  dem  Markte  schwörend  entscheiden,  die  ausgelost 
worden  sind*.  Aus  Inschriften  anderer  kretischer  Städte:  Vaxos 
5125  A  Z.  5  -  -  V  '  Tdv  b'  d|Li€pdv  '  tt^vt'  dinepac  F€pTOiKcd[)Li€Vo]c  rdi 
TToXi  d^iCTöc  "nachdem  er  aber  von  den  Tagen  fünf  Tage  für 
die  Stadt  ohne  Lohn  gearbeitet  hat*.  Knosos  5150  (nach  167  v.  Chr.) 
Z.  46  alxricaOGai  bfe  Kai  tottov  *A9Tiva{u)v  tövc  iv  AdXiwi  KaroiKiovrac. 
Lato-Olus  5075  (2.  Jahrh.)  Z.  13  iUcruj  [['OXövriuiv  toii  ßuiXo- 
Mfcvuji]]^).  Dreros  4952  (2.  Jahrh.,  aber  die  Schwurforrael  älter): 
B  30  ÖaTT€Xiu)  tou  k6c|liou  toTc  TrXiaav.  Praisos  5120  (1.  H. 
3.  Jahrh.)  A  6  (fbu^Kav)  [kJoI  dXXiineviou  Kai  iTopqpupac  Kai  ixöuuiv 
Ö€Kd[Ta]c  TouTUJV  irdvTUJV  TÖ  fijüiiccov,  ix6üuj|Li  iLi^v  Ka9dTT€[p  Ka]i  7rp6- 
T€pov  Vom  Hafengeld  und  vom  Zehnten  auf  Purpur  und  Fische, 
von  diesen  (Abgaben)  allen  die  Hälfte*. 

Bei  den  Datierungen  der  Dekrete  nach  Monaten  und  Tagen 
steht  stets  der  Monat  an  erster  Stelle.  Gortyn  5009  (1.  H.  2.  Jahrh.?) 
b,  3  Kavyniu)  ipirai  Kai  beKdrai  vgl.  5015,  5;   5016,  24  (beide 

2.  Jahrh.).  Lato-Olus  5075  (2.  Jahrh.)  Z.  2  ^rlvö[[c  0io]]baiciu) 
TpiaKdbi  vgl.  Z.  3.  85.  87.  koivöv  der  Kretäer  5146  (3.  od.  2.  Jahrh.) 
Z.  11  iLiTivöc  Aubou[vaiuü  iKd]bi  vgl.  Z.  6.  Außerdem  noch  Knosos 
5149  (2.  Jahrh.)  6.  7.  8  und  aus  den  teXschen  Dekreten  der  ersten 
Serie  5173  (Aptara)  Z.  13,  der  zweiten  Serie  5183  (Biannos)  Z.  39. 

Die  Beispiele,  in  denen  ein  partitiver  Genetiv  nach  seinem 
regierenden  Substantiv  steht,  stammen  erst  aus  Inschriften  des 

3.  und  2.  Jahrhs.  v.  Chr.  Es  sind  aus  Knosos  5150  Z.  17  tö 
ttXtiOoc  tujv  TToXiTdv,  Z.  21  töc  KaXöc  KdTa9öc  tiwv  dvbpuiv;  aus 
Malla  5101  Z.  50  dv  tuji  dTTiqpavecTdxuüi  xÖTruii  T[dc  djTOpdc.  Und 
während  in  der  Datierungsformel  der  Dekrete  der  im  Gen.  stehende 
Monat  dem  im  Dativ  stehenden  Tage  auch  in  den  jüngsten  Dialekt- 


1)  Vgl.  S.  147  A.  —  Die  Wortstellung  nach  Deiters  a.  a.  0. 


172  K.  Meister, 

inschriften  voranging,  steht  im  Texte  dieser  Inschrift  der  Gen. 
nach :  Z.  39  äjev  hl  xai  €Öä|Li€pov  .  .  .  xar'  dviauröv  b/  rcti  f larai 

Till  Bq jiTivöc.  —  Aus  Hiarapytna  5040  Z.  31  d7roT€icdvTU)v 

oi  dirfbainoi  tujv  Kociiuiv.  —  Z.  50  Xaßerui  tö  Tpiiov  iiidpoc  rdc 
öiKttc  6  biKa£d|Li€voc  Aus  den  teYschen  Dekreten  der  ersten 
Serie  5179  Z.  29  ol  köciuoi  Kai  dXXoc  6  ßu)Xö)Li€voc  'AXXapiuJTdv 
f|  Tniujv  vgl.  5173  Z.  10.  —  5168  Z.  25  oi  k6c|lioi  Kai  dXXoc  6 
Xiwv  Kubuiviardv  f|  Triiuiv.  5170  Z.  22  Öe'cruj  tu«  7rapaT6vo|i€vuii 
Triiuiv  f|  Tuiv  TTapoiKUJV  tiwv  kv  Teu)  vgl.  5171  Z.  27;  5174  Z.  6; 
5176  Z.  36.  —  5186  Z.  11  ön  d  ttöXic  dirobeöeKTai  töc  toioutoc 
Tüüv  dvbpoiv. 

Etwas  anders  ist  das  Zahlenverhältnis  der  voranstehenden 
zu  den  nachgestellten  Partitivgenetiven  in  dem  Falle,  wo  der 
Teil  durch  ein  Pronomen  ausgedrückt  ist  Auch  hier  steht  der 
Genetiv  in  der  altem  Sprache  meistens  vor  diesem  Pronomen : 
Gortyn  4991  YU  51 :  rdc  TruXdc  töv  ainövTöv  6n}xi  Ka  Xei  öiruieGai 
'Den  unter  den  Bewerbern  aus  der  Phyle  soll  sie  heiraten,  den 
sie  will*.  Vgl.  Vin  6.  —  VIU  11  rdc  TTuXdc  67Tuie0[a]i  6Tl^i  Ka 
Xei.  Vin  13  ai  bi  rdc  7TuX[d]c  ili^tic  Xdoi  d[7r]ui€V.  VUI 32  öiwiidö 
Tdc  TTuXdc  5m|üii  Ka  vuvaTai.  X  29  ai  be  nc  toutöv  ti  FepKcat  *wenn 
einer  eine  von  diesen  (Handlungen)  vornimmt*.  4984  Z.  18  -  -  Trpd]- 
beOai  T[d]v  öi7r[X€idv]  auTÖy  F€Kac[TOv  -  -  *mau  soll  von  jedem 
unter  ihnen  das  Doppelte  einfordern*.  Innerhalb  der  Inschriften 
im  ionischen  Alphabet  kann  ich  die  Voranstellung  des  partitiven 
Genetivs  vor  das  zugehörige  Pronomen  nur  in  den  Schwur- 
formeln von  Dreros  und  Itanos  nachweisen:  4952  ß  1  ömdv  hi 
Kai  7rp[aHi]ujv  ^r\Bb/  JvopKOv  ii(|Li)riv.  5058  Z.  14  [ovbi]  tüjv  ttoXi- 
Tdv  TTpoöujceuj  [ouÖ€v]a.  Z.  20  toutujv  t[i  tt]oi€Tv.  Z.  25  tu»v 
TroXiTay  [oubt]yi. 

Aber  schon  in  den  archaischen  Inschriften  kommt  der 
Genetiv  wiederholt  dem  Pronomen  nachgestellt  vor,  jedoch  steht 
er  nicht  unmittelbar  dahinter.  Gortyn  4991  V  13  ai  bi  K[aJ  m^tic 
h  TOUTÖV  *wenn  niemand  von  diesen  (den  Kindern)  vorhanden 
ist*;  vgl.  V  17.  VIII  26  [dXXJöi  67Tui€e[ö  Td]c  Tru[X]d[c]  "sie  soll 
einen  andern  aus  der  Phyle  heiraten'.  4986  Z.  22  aj  bi  Tic  Ka 
TÖV  djüiöpöv  -  -  *wenn  einer  der  Nachbarn'.  In  den  Inschriften 
des  ionischen  Alphabets  kenne  ich,  von  den  Schwurformeln  ab- 
gesehen, den  Genetiv  überhaupt  nur  dem  Pronomen  nachgestellt. 
Gortyn-Bjiosos  5154  (3.  Jahrh.)  Z.  13  -  -  Kai  ouG^v  uTreXeiTTOVTo 
cpiXoTi^ii[ac  -  -.    Vgl.  5153  Z.  24.   —  koivöv  der  Kretäer  5146 


Der  ayntaktische  Gebranch  des  Genetivs  in  den  kret.  Dialektinschr.    173 

(3.  od.  2.  Jahrh.)  Z.  17  €{  bi  Tic  Ti[va  dbiKriJoii  Ävaqpaiiwv  täv 
[ix  KpHTJac  6p|Liio^€VUJV.  Praisos  5120  (3.  Jahrh.)  B  17  iäv  bi  irou 
fiXXai  TTpocTd^Tii  6  KÖcjLioc  .  . .  Ö7roT€pai  (i&)v  T(d))Li  tt6X€U)V.  Malla 
5100  (ca.  200)  Z.  15  ^Kacroc  t[ö]  k6c)liö.  Die  folgenden  Beispiele 
stammen  aus  dem  2.  Jahrb.:  MaUa  5101  Z.  36  inei  xd  nc  a[ÖTüüV 
TrajpoT^nTaL  Hiarapytna  5039  Z.  19  oö  KaxoTexvTicai  oub^v  toiv 
tv  Tdiöe  TCti  ico7roXiT€iai  T€TPawLitvuüv.  Z.  22  ai  bi  ti  emopKricai^ii 
Tiiv  üj|Lioca  f|  Tojv  cuv€0e|iav.  5040  Z.  71  ?xacT0c  auTiiiv.  5060 
Z.  101  €f  Ti  xa  cujißaiVTi  rivi  u|liujv.  Aptara  4942  (159—138  v.  Chr.) 
b  Z.  9  ?v  Tivi  Tuiv  dTUJVUüv  toiv  cxeqpaviTuiv.  Schließlich  aus  den 
telschen  Dekreten:  5170  (Sybrita)  Z.  19:  ei  bi  tivIc  xa  tüjv 
öp^o^€VU)v  f£ußpi<c>Tac  dbixricujciv  riva  T^iijüv  f|  tüjv  irapcixuiv; 
vgl  5171  Z.  24;  5172  Z.  5;  5174  Z.  4;  5176  Z.  33;  5178 
Z.  34.  —  5177  (Eleuthema)  Z.  16  ouG^v  eXXeiTTUJV  crroubdc  xai 
9iXoTiMiac;  vgl.  5179  Z.  16.  —  5176  (Istron)  Z.  22  (d  ttoXic) 
ouöevöc  direcra  tujv  cu|Liqp€p6vTUüv ;  vgl.  5183  Z.  16.  —  5186 
(Knosos)  Z.  12  töc  toioutoc  täv  dvöpiüv. 

Zum  Genetivus  partitivus  wird  mit  Recht  der  Genetiv  des 
Inhalts^)  gestellt  (Delbrück  III  1,  340;  Brugmann  Kurze  vgl. 
6r.  S.  440).  Wir  finden  ihn  in  den  kretischen  Mundarten  in 
den  meisten  Fälleii  gleich  dem  Gen.  pari  vor  das  eine  Maßangabe 
enthaltende  Substantiv  gestellt  Gortyn  4984  Z.  3  -  -  cujxöv 
CKcrröv  |Li[6Öi|Livovc  xa]i  tXcuxioc  7rpox6[ovc  ejxarov  *100  M.  Feigen 
und  100  Kannen  Most*.  —  4993  II  2--  o  biepö,  cOxöv  öuo,  tXcuxioc 
T[ph]vc.  Die  Namen  der  Maße  sind  im  zweiten  und  dritten  Gliede 
als  selbstverständlich  weggelassen.  Das  erste  Glied  ergänzt  Blaß 
zweifelnd  zu  [xapjrjö  biepö  =  ÖTPoö,  daraus  würde  sich  ergeben, 
daß  hier  die  Maßbezeichnung  dem  Inhaltsgenetiv  vorangegangen 
wäre,  was  nicht  ohne  Beispiel  sein  würde  (s.  u.).  Doch  läßt  sich 
auch  z.  B.--  xapTTö  öiijo  bi€pö  u.  dergl.  ergänzen.  —  3198  (im^ter 
den  Inschriften  aus  Korkyra  publiziert,  aber  kretisch,  vgl.  Ziebarth 
Athen.  Mitt.  1897  S.  218  ff.)  Z.  4  dvTi^Xujv  ir^XeGpa  bexo,  ähnlich 
in  den  folgenden  Zeilen.  Die  weitem  Belege  enthalten  alle  den 
Inhaltsgenetiv  dpTupiw:  Gortyn  5011  (wohl  1.  H.  3.  Jahrhs.;  vgl. 
Blaß)  Z.  8  dpTiJpu)  irevre  craxfipac;  vgl.  5019,  Z.  6;  5017  Z.  6; 
BCH  XXVn  (1903)  S.  219  C  7.  Knosos  5073  (2.  Jahrh.)  Z.  21-  Ar]- 
TiKüj   crarfjpac   ixaiov.    5149   (Ende   2.  Jahrhs.)  Z.  34  dpTupiuj 

1)  Dagegen  war  der  Stoff,  aus  dem  etwas  gemacht  war,  im  uridg. 
durch  den  Ablativ  ausgedrückt  (Delbrück  III  1  S.  208,  Brugmann  Kurze 
vgl.  Gr.  S.  423).  Genetiv  und  Ablativ  berühren  sich  hier  sehr  nahe. 


174  K.  Meister, 

'AX€£avbp€iajv  ToXdvxuiv  ö^kq.  Hiarapytna  5041  (ca.  200)  Z.  5 
dpTupiu)  crarnpac  karöv,  vgl.  5075  Z.  27.  29.  —  5042  (Ende 
2.  Jahrhs.)  Z.  15  dprupCu)  jnväv. 

Freilich  findet  sich  schon  im  Altgortynischen  ein  sichres 
Beispiel  der  Nachstellung :  4991  X  37  öotö  . . .  iapeiov  Kai  TrpÖKOOv 
Foivo.  Und  dpTupCu)  steht  einmal  zwischen  öapxvdc  und  Zahl- 
wort, falls  nämlich  Gortyn  5009  (Anf.  2.  Jahrhs.)  a  Z.  3  Kor^ßoXc 
Tdi  TTÖXi  [öapxvdc  dp]Tu[piuj]  xpidKovra  Kai  nlvre  richtig  ergänzt 
ist,  was  mir  nicht  ganz  außer  Zweifel  steht  —  Soweit  das  Material, 
zu  dem  ich  nur  noch  S.  177  einen  Nachtrag  zu  machen  habe. 

Wollte  man  diese  Belegstellen  rein  äußerlich  statistisch 
zusammenzählen,  so  würde  die  große  Masse  der  vorangestellten 
Genetive  auf  die  altern,  die  der  nachgestellten  Genetive  auf  die 
jungen  Inschriften  fallen.  Aber  man  wird  bei  der  Musterung 
der  einzelnen  Belege  gemerkt  haben,  daß  bei  vielen  auch  andere 
Motive  als  eine  bestimmte  Gewohnheit  auf  die  Stellung  Einfluß 
gehabt  haben  können.  In  den  meisten  altgortynischen  Beispielen, 
die  uns  zu  Gebote  stehen,  befindet  sich  ja  der  Gen.  parL  in  einem 
gewissen  Gegensatze  zu  einem  andern  Worte,  z.  B.  4991  VII  32 
[cjT^TCtv  \iiv  . . .  Ix^v  xdv  TTarpöiÖKOv,  rdö  b'  eTriKapiriac  iravTÖc 
Tdv  IjLiivav  dTToXavKdvev  töv  imßdXXovra  ÖTruiev.  In  anderen  weist 
er  auf  etwas  Vorhergenanntes  zurück,  z.  B.  4986  Z.  19  cuv- 
6KCO|Li6ca99ai  töv  6)Li6[pöv  tö]v  evvea  (in  Z.  2  genannt)  ipiivc 
Beidemal  könnte  sich  die  Voranstellung  schon  aus  der  okkasionellen 
Betonung  erklären.  Andererseits  ist  in  Beispielen  der  jungem 
Zeit  wie  5179  Z.  24  ol  koc^oi  Kai  dXXoc  ö  ßujXöinevoc  AXXapiuixdv 
f|  Triiujv  die  Nachstellung  des  Genetivs  auch  schon  aus  den 
speziell  hier  vorliegenden  Verhältnissen  der  Gefühlsbetonung 
verständlich. 

Und  doch  glaube  ich,  daß  tatsächlich  in  der  älteren 
Sprache  die  normale  Stellung  des  das  Ganze  bezeich- 
nenden Genetivs  vor  dem  den  Teil  bezeichnenden 
Worte  gewesen  ist,  und  daß  allmählich  dieses  Stellungs- 
verhältnis vertauscht  worden  ist  Einige  unsrer  Belege 
sind  ja  so  beschaffen,  daß  okkasionelle  Motive  die  Stelhmg 
nicht  beeinflußt  haben  können,  die  uns  also  ermöglichen,  die 
habituelle  Stellung  der  verschiedenen  Sprachperioden  zu  be- 
obachten. 

1.  In  der  Datierungsformel  der  Dekrete  fanden  wir 
überall   den   Genetiv   des  Monats   vor   die   den  Tag  be- 


Der  syntaktische  Gebrauch  des  Genetivs  in  den  kret.  Dialektinschr.    175- 

zeichnende  Ordinalzahl  gestellt,  und  obschon  wir  hierfür 
nur  aus  jungem  Inschriften  Belege  haben,  so  ist  doch  anzunehmen, 
daß  diese  Sprachformel  schon  aus  alter  Zeit  überkommen  ist 
Denn  wir  finden  sie  gleichfalls  in  den  Dekreten  der  verschiedensten 
Staaten  Griechenlands  regelmäßig  angewandt,  z.  B.  in  der  Lygdamis- 
inschrift  aus  Harlikarnaß,  Dittenberger  Syll."  10  (kurz  vor  454/3) 
Z.4  ^r)vöc  *Ep|Liaiarvoc  tii}xirn]\  icraiLidvö,  in  den  Präskripten  attischer 
Inschriften  (vgl.  Larfeld  Handbuch  der  griechischen  Epigraphik  2, 
654 ;  Belege  allerdings  erst  aus  dem  4.  Jahrh.  v.  Chr.) ;  koYsch 
3720  (4.  od.  3.  Jahrh.  ?)  Z.  1  )li[tivö]c  TTavd|Liou  <i|Li<p6iKdbi ;  epi- 
daurisch  IG  IV  925  (3.  Jahrh.)  Z.  1.  7.  54.  58.  61 ;  delphisch 
2561  (um  400  v.  Chr.)  A  20  BouKcrriou  jlitivöc  öeKorai  und  so 
noch  im  2.  Jahrh.  n.  Chr.  2322  Z.  2;  böotisch  IG  IV  507  (E. 
3.  Jahrhs.)  ^eivöc  AainaTpiu)  d^böx]  icrajLi^vuj  und  oft  so,  z.  B. 
3303—3372;  thessalisch  345  (nach  214  v.  Chr.)  Z.  10  TTavdmLioi 
Td  ?KTa  in'  kdbi  vgl.  Z.  40  usw.  Anders  im  Texte  der  De- 
krete, innerhalb  des  Satzzusammenhangs.  Zu  der  Tatsache,  daß 
hier  in  einer  kretischen  jungen  Inschrift  der  Genetiv  des  Monats 
der  den  Tag  bezeichnenden  Ordinalzahl  nachgestellt  war  (S.  172), 
finden  wir  auch  anderwärts  Parallelen.  Im  Attischen  läßt  sich 
diese  Gebrauchsweise  schon  im  5.  Jahrh.  belegen :  IG  I  S.  88  f.  n. 
189  a  Z.  10  T€[T]pdbi  (pei[v]ovToc  M€Ta[T€]iTViüjvoc  vgl.  Z.  2—24; 
im  Arkadischen  kommt  sie  schon  im  Weidegesetz  von  Alea 
(Hoffmann  Dial.  1,  23  n.  29;  1.  H.  4.  Jahrhs.)  vor:  Z.  29  -  -  idi 
hcßboiLiai  TÖ  Aecxavaciö  )li€v6c;  äolisch  im  Jahre  324  v.  Chr.  214 
Z.  39  iv  Tdi  eiKQicTai  toi  iiifivvoc,  kölsch  im  4.  oder  3.  Jahrh. 
z.  B.  3705  Z.  23  dp£a|Litvoc  dirö  rdc  ipixac  tou  TaKivGiou  Jcre  Kai 
Tov  rpiaKdba  xoO  'AXceiou.  Dagegen  haben  die  theräischen  In- 
schriften des  4.  Jahrhs.  v.  Chr.  4765  Z.  15  und  4772  Z.  1  noch 
die  Voranstellung  und  so  auch  die  delphische  Labyadoninschrift 
2561  (um  400)  D  5,  während  eine  delphische  Inschrift  vom 
Jahre  158  v.  Chr.  ein  Beispiel  des  jungem  Sprachgebrauches 
bietet:  2642  Z.  60  rdi  bi  öuib€KdT[ai]  tou  'HpaKXeiou  iitivöc 
dX^TUJcav  Td  Up€Ta  4ToT|Lia.  Denn  daß  diese  Form  tatsächlich 
erst  jünger  ist  gegenüber  der  in  den  Präskripten  erhaltenen^ 
zeigt  einmal  der  Gebrauch  des  Artikels  bei  ^invöc,  den  ich 
in  der  Datierungsformel  und  auch  im  Satzzusammenhange  in 
dem  Falle,  wo  der  Monatsgenetiv  vorausging,  niemals  angetroffen 
habe,  und  femer  die  Hinzufügung  von  iv  an  manchen  Stellen, 
während  in  den  Fällen,  wo  der  Monatsgenetiv  vorangeht,  der 


176  K.  Meister, 

bloße  Dativ  steht.  Auch  bei  den  Festen  hatte  ja  der  archaische 
Beleg  den  Dativ,  dagegen  die  aus  den  ionischen  Inschriften  iv 
c.  Dat  (s.  S.  146  f.). 

2.  Auch  in  der  Voranstellung  von  dpTupu)  erkenne 
ich  eine  altüberkommene  Gebrauchsweise.  Denn  sie  läßt  sich 
nicht  dadurch  erklären,  daß  auf  Äppipu)  irgendwelcher  Nach- 
druck gelegen  hätte,  vielmehr  ruht  dieser  überall  auf  der  nach- 
folgenden Geldsumme.  Die  Stellung  widerspricht  also  dem  Piinzip 
der  Vorausnähme  des  betonten  Begriffes  und  kann  demnach 
nur  durch  die  Einwirkung  einer  festen  Tradition  erklärt  werden. 
Sie  ist  gleichfalls  die  Regel  im  Delphischen,  z.  B.  2502  (2.  H. 
4.  Jahrhs.)  Z.  69;  1684  (150—140  v.  Chr.)  Z.  6;  1694  (150—140 
V.  Chr.)  Z.  14  und  oft  so;  ebenso  Stiris-Medeon  1539  (A.  2.  Jahrhs.) 
A  62.  B  16;  Böotischeu  z.  B.  IG  Vn  3171  (2.  H.  3.  Jahrhs.) 
Z.  50;  3172  (220—200  v.  Chr.)  Z.  17.  60.  87.  100.  116.  153; 
Thessalischen,  Hoffmann  Gr.  Dial.  2  n.  18  Z.  2.  10 — 44,  und 
findet  sich  auch  auf  der  Bronzetafel  von  Edalion  60  Z.  6  bo- 
flvai .  .  .  dpTupö(v)  Td(XavTOv)  a  Td(XavTov)  vgl.  Z.  13  und  Z.  15 
dpTvipö(v)  7re(Xk€Fac)  b'  7re(XlK€Fac)  ß'  bl(^vaTa)  'E(ödXia)  vgl.  Z.  25 1). 
In  andern  Dialekten  kommt  schon  früh  die  Nachstellung  von 
dpTuplu)  vor.  So  ist  es  auf  der  lakonischen  Urkunde  über  die 
von  den  Bundesgenossen  beigesteuerten  Gelder  4413  (E.  5.  Jahrhs.) 
zwar  viermal  vor  die  genannte  Geldsumme  gestellt,  aber  B  11 
steht  TdXavT[ov]  dpTupiö,  was  gleichfalls  auf  einer  altelischen 
Inschrift  1149  Z.  5  belegt  ist.  Die  Xuthiasbronze  bietet  B  1 
TZexpaKdriai  juvaT  dpTupiö,  und  auf  den  herakletechen  Tafeln  ist 
nur  diese  Form  verwendet  und  zwar  fünfmal,  4629  1 123  (zweimal). 
143.  144.  171.  Da  aber  dpYupiu)  überall  nur  eine  Nebenbestim- 
mung ist,  so  steht  nichts  der  Annahme  im  Wege,  daß  hier  das 
immer  lebendige  Streben  der  Sprache,  die  Satzglieder  nach  ihrer 
Wichtigkeit  zu  ordnen,  über  die  durch  die  Macht  der  Gewohn- 
heit in  andern  Dialekten  erlialtene  Vorausteilung  gesiegt  hat. 
Den  Widerstreit  dieser  beiden  Kräfte  zeigt  uns  z.  B.  die  an- 
geführte lakonische  Urkunde. 


1)  Die  eingeklammerten  Zeichen  sind  in  diesen  abgekürzten  Aus- 
drücken nicht  geschrieben.  b((bpaxMa),  was  die  Herausgeber  ergänzen, 
erscheint  mir  zu  wenig  da,  wo  es  sich  um  den  Wert  eines  Grundstückes 
handelt.  Daher  habe  ich  bi(iavaia)  nach  der  Hesychglosse  tt^Xckuc  ge- 
schrieben, das  dort  als  CTa6|ui(ov  ^Haviviaiov,  ol  bi  bcxaiuviaTov  erklärt 
wird  (vgl.  R.  Meister  Dial.  2,  131  A.  1). 


Der  syntaktische  Gebranch  des  Genetivs  in  den  kret.  Dialektinschr.    177 

3.  Der  *chorographische*  Genetiv,  der  in  der  klas- 
sischen Literatur  häufig  voransteht  (Kühner-Gerth  TL  1,  338;  z.  B. 
Hdt  in  136  diriKovro  rfic  'IroXiac  ic  Tdpavra)  ist  in  dem  Ver- 
trage von  Lato  und  Olus  5075  aus  dem  2.  Jahrh.  nachgesetzt:  Z.  59 
fc  tdv  d[v[[u)  ujiav  rdc]]  irdipac  vgl.  Z.  55.  59,  wie  er  auch  in 
den  aus  dem  Neuen  Testament  von  Blaß  a.  a.  0.  S.  96  angeführten 
Bellen  dem  regierenden  Nomen  folgt  (z.  B.  Ev.  Marc.  1,  9  i^XGev 
1r|couc  dnö  NaZap^T  tt^c  faXiXaiac). 

Bei  diesen  chorographischen  Genetiven  hat  schon  Brugmann 
Griech.  Gr.'  S.  392  vermutet,  daß  hier  nicht  Ei-weiterung  des 
adnominalen  Genetivus  partitivus  vorliegt,  sondern  Anschluß  des 
ursprünglich  freien  Genetivs  des  räumlichen  Bereiches  an  ein 
Nomen.  Dies  ist,  wie  ich  glaube,  der  richtige  Weg,  die  Ent- 
stehung des  adnominalen  partitiven  Genetivs  überhaupt  zu  er- 
klären. Die  Voranstellung  des  Monatsgenetivs  in  der  Datierungs- 
formel, von  dpTÜpu)  usw.,  auf  denen  doch  kein  besonderer  Ton 
lag,  erklärt  sich  durch  die  Annahme,  daß  diese  Stellungs- 
weisen in  einer  Zeit  entstanden  sind,  wo  der  partitive 
Genetiv  noch  nicht  als  abhängig  von  dem  den  Teil  be- 
zeichnenden Nomen  empfunden  wurde,  sondern  als 
zum  Verbum  als  Subjekt  oder  Objekt  gehörig,  während 
die  Teilbestimmung  ihm  als  Apposition  zugefügt  war. 
Denn  wenn  ein  Teilbegriff  durch  eine  appositioncUe  Konstruktion 
ausgedrückt  wird,  pflegt  das  Ganze  an  erster  Stelle  zu  stehen, 
der  Teil,  durch  den  ja  das  Erstgenannte  näher  bestimmt  oder 
gar  berichtigt  wird,  zu  folgen.  Das  ist  ja  das  psychologisch  zu 
Erwartende;  es  läßt  sich  auch  durch  Beispiele  aus  dem  Alt- 
gortynischen  belegen.  Z.  B.  4991  V  29  a(  bi  k'  oi  dmßaXXovxec 
oi  ^A^v  Xeiovn  bax^eeai  rd  Kp^^iara,  ol  bi  }xi\  IV  39  Kai  XavKdvev 
Töc  }ikv  uiuvc  ÖTTOTTOi  k'  TövTi  bx)o  ^loipavc  F^KttCTOv,  Tab  bi  GuTaxl- 
pavc  ÖTTOTTai  k'  TöVTi  iLiiav  ^oipav  F€KdcTa[v] ;  Y  5  ök'  6  Ai9[aJXeu- 
CTapröc  4k6c|liiov  oi  cuv  Ku[X]Xöi  *als  der  aithaleische  Startos  das 
Kosmiontenamt  hatte,  (nämlich)  Kylies  und  Genossen'.  Dem  Sinne 
nach  sind  diese  appositioneUen  Ausdrücke  ganz  gleichwertig  mit 
partitiven  Genetiven,  und  es  kommt  vor,  daß  diese  beiden  sprach- 
lichen Bezeichnungsweisen  des  gleichen  Bedeutungsinhaltes  in 
derselben  Inschrift  bei  denselben  Worten  mit  einander  wechseln. 
So  steht  Enosos  5150  (nach  167  v.)  Z.  50  irop-ri  'AGrivaioc  töc 
iy  AdXoi  KttToiKiovrac,  während  kurz  vorher  Z.  47  'AGiivaiujv 
TÖvc  tv  AdXwi  KaioiKiovrac  gesagt  worden  war.    Aus  ionisch- 


178  K.  Meister, 

attischem  Sprachgebiet  läßt  sich  auch  auf  das  cxniia  icaO'  öXov 
xai  |i4poc  verweisen,  wie  z.  B. 

a    64   TTOIÖV    C€   JtTOC   <pUT€V    SpKOC   ÖbÖVTUIV 

das  bei  Homer  häufig,  in  der  Prosa  dagegen  selten  vorkommt 
(Kühner-Gerth  EIS.  289).  Hier  pflegt,  wie  ja  schon  der  Name 
besagt,  das  Ganze  zuerst  genannt  und  dann  der  Teil  als  näher 
bestimmende  Apposition  hinzugefügt  zu  werden. 

So  erklärt  die  Annahme,  daß  der  partitive  Genetiv  ur- 
sprünglich nicht  abhängig  von  dem  Teilwort  gewesen,  sondern 
daß  vielmehr  das  Teilwort  ihm  als  Apposition  hinzugefügt  worden 
ist,  die  auffallende  Tatsache  der  Voranstellung.  Sie  wird  nun 
außerdem  durch  viele  der  älteren  Belegstellen  selbst  empfohlen, 
in  denen  ja  häufig  genug  der  Genetiv  des  Ganzen  durch  andre 
Wörter  von  dem  Teilwort  getrennt  ist,  während  er  in  der  jungem 
Sprache  meist  unmittelbar  neben  ihm  steht.  Ja,  manchmal  könnte 
man  daran  denken,  den  Genetiv  unabhängig  aufzufassen,  z.  B. 
4991  Vni  45  [tJcic  [b'  dmKapJmac  bia[X]a[vKd]v€v  [rjdv  l|iivav,  mit 
dem  sich  VH!  25  öiaXaKÖvcav  töv  KpCjidTÖv  vergleichen  läßt,  zu 
interpretieren  Von  dem  Ertrag  (einen  Teil)  erhalten,  die  Hälfte 
(nämlich)*.  Vaxos  5125  A  Z.  6  rdv  b'  djuepav  tt^vt'  dfiepac  FepraKcd- 
^€Voc  .  .  .  d|iicTÖc  ^nachdem  er  innerhalb  dieser  Tage  fünf  Tage 
ohne  Lohn  gearbeitet  hat*.  —  In  der  oben  besprochenen  Datierungs- 
formel wird  wirklich  der  Monatsgenetiv  von  manchen  Gelehrten 
als  selbständig  aufgefaßt,  wie  z.  B.  Müllensiefen  in  der  koYschen 
Inschrift  3720  Z.  1  mit  Interpunktion  )i[nvö]c  TTavdiLiou,  djicpei- 
K&bx  schreibt.  Nun  hat  sich  natürlich  der  Wechsel  der  sprach- 
lichen Auffassung  nicht  von  heute  auf  morgen  vollzogen.  Auch 
als  der  partitive  Genetiv  in  vielen  Verbindungen  schon  als  ab- 
hängig vom  Sprechenden  und  Hörenden  empfunden  wurde,  konnte 
er  in  andern  nach  wie  vor  als  unabhängig  aufgefaßt  werden, 
und  es  konnten  darnach  wieder  neue  Fälle,  in  denen  er  selb- 
ständig war,  gebildet  werden.  Denkbar  ist  es  demnach,  daß  in 
dem  einen  oder  andern  Belege  der  uns  erhaltenen  Sprachdenk- 
mäler die  alte  Auffassung  noch  lebendig  gewesen  ist.  Im  all- 
gemeinen aber  glaube  ich,  daß  in  allen  Dialekten,  auch  im 
Altgortynischen,  die  Sprache  jenen  Fortschritt  bereits  gemacht 
hat;  auch  in  den  eben  angeführten  Fällen,  mögen  sie  auch  dem 
unabhängigen  Genetiv  nahe  stehen,  ziehe  ich  vor,  Abhängigkeit 
anzunehmen.  Keines  von  allen  kretischen  Beispielen  fordert  un- 
abhängig, viele  fordern,  abhängig  aufgefaßt  zu  werden.  Für  die 


Der  syntaktische  Gebrauch  des  Genetivs  in  den  kret.  Dialektinschr.    179 

Abhängigkeit  des  MonatsgeneÜTS  spricht  der  schon  in  alter  Zeit 
vorkommende  Typus  der  Datierungsformel,  in  dem  der  Dativ 
zwischen  den  Monat  und  ein  zu  diesem  gehöriges  Partizipium 
eingeschlossen  ist  wie  icraiilvou,  cpeivovxoc  usw.  (s.  S.  175);  und 
die  enge  Zusammengehörigkeit  von  dpTupö(v)  T(i(XavTov)  im 
Kyprischen  ist  dadurch  erwiesen,  daß  das  -v  nicht  in  der  Schrift 
ausgedrückt  ist  (vgl.  Hoff  mann  Dial.  1,  71). 

Wir  haben  also  in  der  Voranstellung  von  dpTupiö  usw. 
nur  noch  eine  durch  die  Macht  der  Gewohnheit  aus  früherer 
Spraehperiode  erhaltene  Antiquität  zu  sehen,  die  in  der  Sprache 
der  Inschriften  nach  und  nach  fallen  gelassen  worden  ist  Denn 
sobald  der  partitive  Genetiv  als  abhängig  vom  Teilwort  empfunden 
wurde,  tauschte  er  ja  mit  diesem  seine  Rolle,  indem  er  aus 
dem  bestimmten  Gliede  zum  bestimmenden  wurde.  So  wirkte 
dasselbe  Sprachgesetz,  dem  er  seine  Voranstellung  ursprünglich 
verdankte,  jetzt  dahin,  seine  Nachstellung  im  Kampfe  mit  der 
Tradition  durchzusetzen,  und  er  wurde  ähnlich  aufgefaßt  wie  der 
Genetiv  der  Zugehörigkeit  und  Definitivus  (Kap.  III  8.  4).  Es  ist 
natürlich,  daß  die  Voranstellung  da  zuerst  aufgegeben  wurde, 
wo  das  Teilverhältnis  am  wenigsten  deutlich  ins  Bewußtsein 
trat  Damach  erklärt  sich,  daß  die  Nachstellung  früher  bei  den 
Inhaltsgenetiven  und  nach  Pronomina  eingetreten  zu  sein  scheint, 
falls  nicht  Tradition  wie  bei  (ipTvJpö  das  Ältere  erhielt.  Bei  den 
enklitischen  Pronomina  kam  hinzu,  daß  sie  der  zweiten  Stelle 
des  Satzes  zustrebten  (Brugmann  Kurze  vgl.  Gr.  S.  681)  und 
denmach  dann,  wenn  eine  Partikel  die  erste  Stelle  des  Satzes 
für  sich  in  Anspruch  nahm,  mit  dem  von  ihnen  abhängigen 
Genetiv  um  die  zweite  Stelle  konkurrierten. 

Daß  der  partitive  Genetiv  mehr  und  mehr  als  mit  dem  den 
Teil  bezeichnenden  Worte  zusammengehörig  empfunden  wurde, 
ist  auch  die  Ursache  dafür,  daß  es  allmählich  zur  Regel  wird, 
diese  beiden  Redeteile  unmittelbar  neben  einander  zu  stellen, 
während  wir  sie  in  den  älteren  Inschriften  noch  häufig  durch 
andere  Worte  getrennt  finden.  Doch  hat  der  partitive  Genetiv 
auch  noch  in  den  jüngsten  kretischen  Dialektinschriften  stets 
die  freiere  prädikative  Stellung  beim  Nomon  mit  Artikel,  nie 
die  attributive. 

Die  hier  besprochne  Veränderung  in  der  Bezeichnung  eines 
Teilverhältnisses  ist  ein  Symptom  der  wirkungsreichen  Entwicklung, 
die  sich  in  der  griechischen  Schriftsprache  der  verschiedensten 


180  K.  Meister, 

Dialekte  verfolgen  läßt,  und  die  darin  beruht,  ursprünglich 
nebengeordnete  Redeteile  zu  hypotaktisch  gegliederten 
Gruppen  zusammenzufassen.  Wir  werden  ihr  im  folgenden 
noch  wiederholt  begegnen. 

Delbrücks  Hypothese  (Grundriß  HI  186.  333),  daß  sich  der 
adnominale  Genetiv  sekundär  aus  dem  adverbalen  entwickelt 
habe,  und  daß  der  partitive  Genetiv  zuerst  vom  Nomen  abhängig 
geworden  sei,  woran  sich  die  andern  adnominalen  Genetivarten 
angeschlossen  hätten,  wird  also  in  ihrem  ersten  Teil  bestätigt, 
in  ihrem  zweiten  Teil  nicht  Daß  der  partitive  Genetiv  vor  allen 
andern  zuerst  abhängig  geworden  sei,  hat  auch  Brugmann  Griech. 
Gr.*  S.  391  angefochten;  hier  sahen  wir  beim  partitiven  Genetiv 
noch  die  Nachwirkungen  ursprünglicher  Selbständigkeit,  während 
wir  den  possessiven  Genetiv  fest  mit  dem  Nomen  verbunden  finden. 

2.  Genetivus  possessivus. 

Unter  Genetivus  possessivus  verstehe  ich  nur  die  Fälle, 
wo  ein  Besitzverhältnis  im  eigentlichen  Sinne  vorliegt  Alle 
diejenigen,  die  nur  eine  Zugehörigkeit  bezeichnen,  sind  im 
folgenden  Abschnitt  behandelt  Die  Stellung  des  Genetivus  posses- 
sivus in  dieser  engern  Bedeutung  beim  Nomen  ist  fest  geregelt: 

1.  Wenn  das  regierende  Substantivum  den  Artikel 
hat,  so  steht  der  possessive  Genetiv  entweder  zwischen 
Artikel  und  Substantiv  oder  er  folgt  unmittelbar  dem 
hinter  dem  regierenden  Substantive  wiederholten 
Artikel.  Beide  Gebrauchsweisen  lassen  die  enge  Verbindung 
dieses  Genetivs  mit  dem  ihn  regierenden  Worte  erkennen. 

Gortyn  4991  VI  2  töv  tö  Traxpöc  KpejidTöv.  5014  (2.  Jalirh.) 

Z.  2 ^]c  xdv  Tuiv  *EXupiujv  x^pct[v];   vgl.  Lato-Olus  5075 

(2.  Jahrh.)  Z.  5.  8.  51;  aus  den  teXschen  Dekreten  5168  Z.  9 
Tctc  xii>pac  Tctc  Tniujv  vgl.  5171  Z.  10;  5176  Z.  10;  5182  Z.  28; 
Gortyn-Knosos  5016  (2.  Jahrh.)  Z.  30.  —  Knosos  5150  (nach 
167  V.  Chr.)  Z.  37  de  töc  Kvujciujv  Xl^dvac.  —  Leben  5087 
(3.  Jahrh.?)  a  Z.  4  xd  tuj  Giüj  CK€Öa.  b  Z.  8  de  toiv  tu»  öiiii 
Trpocoöiujv  vgl.  b  Z.  5.  —  a  Z.  2;  b  Z.  6. 

2.  Wenn  das  regierende  Substantiv  nicht  den 
Artikel  hat,  so  folgt  der  Genetiv  unmittelbar  nach  oder 
er  ist  durch  den  nach  dem  Substantivum  gerichteten 
Artikel  an  dasselbe  angegliedert  Gortyn  4992  11  1 
[KpcVjaTct  d[v]bpöc  dXeuGepö  Z.  7  dTTcavbpeiö  "Sachen  eines  freien 


Der  syntaktische  Gebrauch  des  Genetivs  in  den  kret.  Dialektinschr.     181 

llannes  —  (Sachen)  eines  Gefolgsmannes*  (vgl.  S.  139  A.  1).  Itanos 
5058  (3.  Jahrh.)  Z.  15  oubfe  XPnMCiTa  7roXiT[dv];  Lato-Olus  (2.  Jahrh.) 
5075  Z.  5  [[cppiiJpia]]  [ff  vdjcoc  f\  \[\]^[iv]a[c  AJaipiwv  KaTa][[Xa)iißd- 
vnrai]]*).  Andrerseits  Knosos  5155  (3.  Jahrh.)  Z.  17  xai  xP^^tci 
Tdc  Tounjüv  vgl  5150  (nach  167  v.  Chr.)  Z.  38;  Itanos  5058 
(3.  Jahrh.)  Z.  9  ttöXiv  tov  'Iravluiv  ou  Trp9[b]u)ciuj  ovbi  vd[c]ou[c] 
Tcic  TUFV  pjTOviuiv  .  .  .  oub^  vau[c  Tdc]  Tüjv  Iraviujv;  Dreros 
4952  B  Z.  6  |irJT€  Td|i  iroXiv  irpobiwceiv  xdv  tüjv  Apiipiujv  |iriT€ 
oöpcia  xd  Tiijv  Apiipiujv  \xr\bk  xa  tüjt  Kv[u)]ciujv');  Lato-Olus  5075 
(2.  Jahrh.)  Z.  80  fl  [[Xi]]|ilvac  töc  tüjv  'OXövtiujv. 

Vorangestellt  haben  wir  den  possessiven  Genetiv  nur  in 
Hiarapytna  5052  (2.  Jahrb.?)  Z.  4  toütuj  Tuvd  TTuppa,  wo  ja 
diese  abweichende  Stellung  durch  den  Bedeutungsinhalt  dieses 
Genetivs  erklärt  ist 

Oft  ist  auch  im  Kretischen  der  Besitzgegenstand  nur  durch 
eine  entsprechende  Form  des  sonst  als  Artikel  verwendeten 
Demonstrativpronomens  angedeutet:  Gortyn  4991  II  24  Tdv  tö 
dircTaipö  'die  dem  A.  (gehörige  Frauensperson)*;  VI  6  rä  töv 
tIicvöv  Mas  den  Kindern  (Gehörige)*  vgl.  VI  9.  12;  IX  9;  MaUa 
5100  (um  200)  Z.  9  Iv  xdi  tüjv  MaXXaiujv  Mm  (Lande)  der  M/ 
Tgl.  Z.  10.  Bei  diesem  letztgenannten  Beispiele  ist  natürlich  eine 
Ellipse  (nämlich  von  x^PciO  anzunehmen,  aber  nicht  bei  dem 
ersten,  schon  weil  es  kein  Wort  für  den  hier  vom  Zusammen- 
hang *)  geforderten  weiten  Bedeutungsumfang  zu  geben  scheint 
(Frau,  Tochter,  Schwester).  Von  ti  scheint  der  possessive  Genetiv 
in  den  folgenden  Beispielen  abhängig  zu  sein:  Gortyn  4991 
nr  22  ai  bi  n  töv  t4kvöv  Tr^poi  'wenn  sie  etwas  den  Kindern 
(Gehöriges)  wegträgt*;  III  1  aJ  bl  ti  fiXXo  ir^poi  tö  dvöpöc;  aus 
den  jungem  telschen  Dekreten  5183  Z.  29  4dv  Tivec . . .  dqpaipüjvTd 
T!  uMÜjv.  Bei  den  altgortynischen  Beispielen  wäre  es  allerdings 
auch  denkbar,  den  Genetiv  als  adverbalen  Ablativ  zu  inter- 
pretieren: "wenn  sie  etwas  anderes  wegträgt  von  dem  Manne*. 

Die  andern  Dialekte  folgen  denselben  Stellungsregeln,  die 
übrigens  nicht  nur  für  den  possessiven  Genetiv,  sondern  auch 
für  das  attributive  Adjektivum  und  für  präpositionale  Attribute 
eines  Nomons  gelten.  Eine  kleine  Auswahl  aus  dem  umfangreichen 

1)  Vgl.  über  diese  Klammern  S.  147  A. 

2)  hl  diesen  beiden  Stellen  ist  iröXic  'Stadt',  nicht  'Staat*.  Der 
Genetivus  possessivus  berührt  sich  hier  eng  mit  dem  Genetivus  definitivus. 

3)  Vgl.  dazu  S.  148f. 

Indogennanisclie  Fonehongen  XVIII.  13 


182  K.  Meister, 

Materiale  muß  hier  als  Beleg  genügen.  Z.  B.  kypr.  60  Z.  5  IE  toi 
FoiKÖi  TÖi  ßaciXeFoc  *aus  dem  Besitze  des  Königs*,  vgl.  Z.8;  delph. 
2561  (um  400)  A  10  tujv  tiwX  Aaßuabdv  xpnM[a]™v;  böot  IG.  Vn 
3172  (222—200  v.  Chr.)  Z.  96  Im  tdc  TTiCTOKXeToc  xpaTT^bbac  •auf 
der  Wechselbank  des  P.' ;  rhod.  3749  (220  v.  Chr.)  Z.  4  tdv  x^poiv 
idv  Pobiuiv,  Z.  12  II  x^pav . . .  rdv  Pobiiwv.  —  Für  die  Stellung 
der  adjektivischen  und  präpositionalen  Nominalattribute  wähle 
ich  ein  paar  Beispiele  aus  dem  Kretischen  selbst:  Gortyn  4991 
I  47  xdvc  dTrXoovc  T[i])Lidvc  vgl.  I  49.  —  III  27  [t]ö  KapTr[ö]  tö 
?vö[o]efcv  'von  der  drinnen  (befindlichen)  Fnicht  (S.  170  A.  1)'.  5016 
(2.  Jahrh.)  Z.  7  Im  xöv  GoXov  xöv  T(wj)viaiov  xöv  iiA  xdi  dKpai 
vgl.  Z.  6.  10.  —  Vaxos  5125  (archaisch)  A  Z.  8  -  -  xd]c  Iv  dvxpniöi 
bidXcioc  *der  Speisung  im  Männerhaus*.  Nach  Substantivum  ohne 
Artikel:  Z.  15  Kai  xpoirdv  iv  dvxpriiöi  ^Unterhalt  im  M.'.  —  Gortyn 
4991  IV  32  cx^Tttvc  )li^v  xdvc  iv  ttoXi. 

Im  Ionisch-Attischen  bestehen  bekanntlich  dieselben  8 telluugs- 
gewohnheiten.  Ein  ßedeutimgsunterschied*)  zwischen  dem  Typus 
xdv  xOjv  *EXupiujv  x^pctv  und  dem  entsprechenden  xdc  x^P«c 
Tdc  Tntujv  läßt  sich  ebensowenig  durchführen  wie  für  den  Typus 
Xi)Lifcvac  Aaxiujv  und  den  entsprechenden  Xi)Li^vac  xöc  'OXövxiujv. 

3.  Genetiv  der  Zugehörigkeit  (Genetivus  possessivus 
im  weitem  Sinne). 

Die  kretischen  Belege  des  Genetivs  der  Zugehörigkeit  (über 
den  Begriff  s.  S.  180)  haben  meist,  wie  der  Genetivus  possessivus 
im  engern  Sinne,  attributive  Stellung.  Doch  kommen  auch  Bei- 
spiele der  prädikativen  Stellungen  vor,  ein  Merkmal,  daß  der 
Genetiv  der  Zugehörigkeit  als  nicht  so  eng  mit  dem  regierenden 
Worte  verbunden  empfunden  wurde  wie  der  eigentliche  Genetivus 
possessivus.  Für  die  Art  der  Stellung  ist  es  nicht  ohne  Belang, 
welcher  Wortklasse  das  regierende  Wort  angehört. 

A.  Nach  Personalwörtern. 

I.  Nach  Substantiven  mit  dem  Artikel. 

1.  In  attributiver  Stellung:  Gort}m  4991  XI  16  6  bk 
|ivd)Liöv  ö  x6  KCfcviö.  499G  Z.  8  ö  xö  Kce[viö  )Livd)Liöv--.  4999  II 11  xöi 
bk  xdv  ^xaipriidv  öiKaccxdi.  Knosos  5149  (E.  2.  Jahrhs.)  Z.  37  oi 
xuiv  Kvujciujv  Kociaoi.    Hiarapytna  5040  (2.  Jahrh.)  Z.  35  6  xuiv 

1)  Für  das  Attische  sucht  einen  solchen  Kühner-Gcrth  II 1,  613  fest- 
zustellen ;  vgl.  auch  Blaß  Gramm,  d.  neutest.  Spr.  S.  154. 


Der  syntaktische  Gebrauch  des  Genetivs  in  den  kret.  Dialektinschr.    183 

TTptavadujv  KÖcfioc,  während  in  der  entsprechenden  Wortgruppe 
Z.  33  der  Genetiv  mit  Wiederholung  des  Artikels  nachgestellt 
ist:  6  bi  k6c)lioc  ö  tüjv  lepaTrurviujv,  ebenso  Praisos  5120  (3.  Jahrh.) 
A  13.  B  19.  Auch  ffiarapytna  5041  (um  200  v.  Chr.)  Z.  2.  3 
scheinen  die  beiden  attributiven  Verbindungsweisen  in  demselben 
Satze  ganz  mit  der  gleichen  Bedeutung  gebraucht  worden  zu 
sein^).  Gortyn  5060  (2.  Jahrh.)  Z.  93  xoic  tüj  ßaciXIuic  cpiXoic 
Kot  cu^[)iäxolc]. 

2.  In  prädikativer  Stellung:  TeYsche  Dekrete  5176 
Z.  42  Toiic  TpcmMCtTtoc  xdc  ttöXioc  vgl.  5178  Z.  43.  5185  Z.  19 
d7roKpivac6a(i)  toic  TrpecßeuiaTc  tüjv  [TJniuiv*). 

II.  Nach  Substantivuni  ohne  den  Artikel: 

1.  Nachgestellt:  Gortyn  4991  YII  15  dbeXTriöi  tö  Trarpöc 
vgl.  Z.  19.  21.  V  14;  V  18  dbeimiai  bk  tö  dTToGavovTOC.  —  Knosos 
5150  (nach  167  v.  Chr.)  Z.  31  TipoEevov  Kai  TToXiiav  idc  d|iäc 
iroXeoc  vgLTeXsche  Dekrete  5182  Z.  47,  5183  Z.  38,  5185  Z.  49; 
5182  Z.  40  f\\x€v  Tniouc  TToXixac  'Epavviujv.  Gortyn  5028  (2.  oA 
1.  Jahrh.  V.  Chr.)  B  Z.  7  TrpöEevov  W)ii]€v  fopTuviujv  vgl.  unter  5028  C. 
—  TeYsche  Dekrete  5169  Z.  3  cpiXoi  Kai  cutt€V€Tc  uTrdpxovT€[c] 
Töc  d)Lidc  TTÖXeoc  vgl.  5182  Z.  3. 

2.  Vorangestellt:  Lato-Olus  5075  (2.  Jahrh.)  Z.21  [[irapi- 
ovTUiv]]  [4v  \xkv  Aaruii  'OJXövriujv  TTpeiiniiac,  iv  bl  'OXövn  Aaxiujv 
irp€iTn[iac].  Hier  sind  die  Genetive  durch  den  Gegensatz  betont, 
dementsprechend  stehen  sie  voran.  Gortyn  5029  Z.  5  K6c|iu)v 
^vä)Liuiv  AiovucoKXfjc  'ApT^iiujvoc  •  fepopTuü  'Hvaxiiuv  'Ep|iia.  Auch 
hier  könnte  der  Gegensatz  mitgewirkt  haben.  Doch  findet  sich 
auch  sonst  diese  Stellungsweise  in  derartigen  kurzen  Aufschriften, 
ia  denen  die  Artikel  weggelassen  werden:  Gortyn  5033  Z.  2 
Tpuqpaiva  MeveKpdtioc  dTreXeuG^pa.  5028  C  c  Aaiaoxapic  OaXaKpia 
AuTTioc  fopTuviujv  TTpöEcvoc  auTOc  Kai  Iktovoi  und  öfter  so,  vgl 
auch  5028  A.  B. 

B.  Nach  Dingwörtern. 

I.  Nach  Substantiven  mit  dem  Artikel:  Nach  tö 
iapov  findet  sich  in  beinahe  30  Fällen  der  Genetiv  prädikativ 

1)  Denn  ich  halte  es  nach  Analogie  der  aufgezählten  Belege  für 
wahrscheinlicher  [6  bi  köciuoc  ö  toiv  'IcpatruTviJiuv  als  mit  den  Heraus- 
gebern [6  bi  k6c|hoc  toiv  'UpaTTUTviliwv  zu  ergänzen. 

2)  Auch  hier  wechsell  wieder  der  bloße  Genetiv  mit  der  präposi- 
tionalen  Umschreibung,  die  im  Gegensatz  zu  ihm  hier  wie  in  den  S.  182 
angeführten  Stellen  eingeschoben  ist :  Teische  Dekrete  5170  Z.  3  6  trapd 
ßaciX^uic  OiXlirirou  irpecßeuTdc  vgl.  Z.  5. 

13* 


18i  K.  Meister, 

nachgestellt  Enosos  5155(3.  Jahrb.)  Z.  8  Iv  t&x  iapuii  tuj  'AireXXujvoc 
Tuj  AeXcpibiuj  vgl.  5073  Z.  24,  5149  Z.  12.  13.  14.  15,  5150 
Z.  45.  48;  Lato-Olus  5075  (2.  Jahrh.)  Z.  47.  49  (2  Mal);  Olus 
5104  (um  265  v.  Chr.)  a  3.  c  59.  67 ;  Hiarapytna  5039  (2.  Jahrh.) 
Z.  8  Iv  TAI  UpOji  Tdc  'AOavaiac  vgl.  Z.  5.  7,  5040  Z.  78.  79. 
5041  Z.  11,  5042  Z.  9;  Maria  4940  Z.  31  k  tö  lepöv  rdc 
AdfiaTpoc  . . .  4c  TÖ  Upöv  tüji  'AiröXXuivoc    Außerdem  noch  je 

3  Mal  in  den  beiden  Serien  der  teischen  Dekrete  5171  Z.  31, 
5174  Z.  11,  5178  Z.  43;  5181  Z.  55,  5184  Z.  14,  5185  Z.  34. 
Attributiv  mit  tö  Upöv  verbunden  habe  ich  den  Genetiv  nur 

4  Mal  in  den  teischen  Dekreten  gefunden,  und  zwar  entfallen 
davon  3  Fälle  auf  die  jüngere  Serie:  5176  Z.  41  cfc  tö  lepöv 
tö  Tdc  'AGdvac  Tdc  TToXidöoc,  vgl.  5181  Z.  55,  5182  Z.  29,  5183 
Z.24  ic  TÖ  ToCApecc  Upöv.  vaöc  kann  ich  2  Mal  mit  prädikativ 
gestelltem  Genetive  anführen:  Gortyn-Knosos  5016  Z.  22  iv 
Tuji  vaüji  Tdc  'AGavaiac  vgl.  Istron  5056  Z.  2. 

Auch  in  den  andern  Dialekten  habe  ich  den  Namen  des 
Gottes  mit  dem  ihm  geweihten  Dinge  meistens  prädikativ  ver- 
knüpft gefunden.  Für  tö  iapöv  vgl.  z.  B.  trözen.  IG  IV  748  Z.  15 ; 
rhod.  4118  Z.  3.  10.  16;  thess.  345  Z.  22.  Bei  diesem  Worte 
konnten  ja  die  attributiven  Stellungen,  wie  wir  ihnen  in  den 
teYschen  Dekreten  begegnen,  überhaupt  erst  gebraucht  werden, 
als  sich  TÖ  iapöv  in  seiner  Bedeutung  von  dem  adjektivischen 
lapöc  getrennt  hatte,  indem  man  unter  tö  Iapöv  Tdc  'AGavaiac 
nicht  mehr  *das  der  A.  Heilige*  schlechthin,  sondern  speziell 
den  heiligen  Bezirk  verstand.  Wie  iapöv  ist  nun  auch  vaöc  im 
Kretischen  und  anderswo  (vgl.  z.  B.  thessal.  345  Z.  44.  45)  und 
andere  gottgeweihte  Dinge  aufgefaßt  worden,  z.  B.  ther.  4706 
Z.  43  TÖ  T€|Li€Voc  Tujv  ^piiiiujv  Vgl.  Z.  45,  rhod.  4110  Z.  3.  20; 
äol.  293  Z.  2  im  tui  ßuj|Li[uj]  Tdc  'AqppoöiTac  Tdc  TTeiGujc  Kai 
TÜJ  "EpiLia  vgl.  281  A  4;  thess.  1557  Z.  2  Trep  to(T)  [dp]TOppoi 
Tdc  G^mcToc  und  andere  Fälle  mehr*).  Der  Grieche  hat  also 
vaöc,  T€)Li€voc  usw.  nicht  als  den  Besitz  der  Gottheit  gedacht, 
da  er  ja  den  Genetiv  des  Besitzers  attributiv  dem  regierenden 
Nomen  anzuschließen  pflegt,  sondern  als  etwas  im  Bereiche  der 
Gottheit  Stehendes,  ihr  Heiliges.  Die  Fälle  tö  iapöv  mit  prädikativ 
stehendem  Genetiv  haben  hier  wohl  als  Muster  eingewirkt. 

1)  Die  attributiven  Verbindungen  habe  ich  nur  selten  angetroffen, 
z.  B.  koisch  3624  (um  200  v.  Chr.)  a  Z.  28  trapa  töv  ßiUMÖv  töv  toO 
Aiovucou. 


Der  syntaktische  Gebrauch  des  Genetivs  in  den  kret.  Dialektinschr.    185 

Sonst  habe  ich  nur  noch  ein  unsicheres  Beispiel  aus  dem 
Vertrage  von  Lato  und  Olus  5075  Z.  49  [Ic]  (töv  T67r)[fov  tüjv 
öpaTreTiKorv  cujindruiv]]  (nach  Deiters  Konjektur  a.  0.)  anzuführen. 

IL  Nach  Substantivum  ohne  Artikel:  Gortyn  4992 
n  6  buTÖv  ßoöv  'ein  Joch  für  Rinder*  (vgl.  Cutöv  ittttuiv  E  851; 
die  Bedeutung  'Gespann*  scheint  Cutöv  erst  später  bekommen 
zu  haben).  Z.  9  euvd  dvbpöc  Kai  t^vaiKÖc  'Bett  für  einen  Mann 
und  ein  Weib*.  Knosos  5072  b  1  at  KOt  K4p[aTa  KatJoEei  ßoöc 
dvSpuiTTOC.  Itanos  5060  Z.  64  ttoti  iiiecavßpiav  rdc  öbüj  rdc  dtujcac 
h\  *A(v)Tpujva. 

Vorangestellt  ist  dieser  Genetiv  nur  in  zwei  Ortsnamen: 
Lato-Olus  5075  Z.  61  ki^tt  dXdcpui  Xl^v[[av]],  Z.  63  [[irf|Tr]]i  Aiö[[c 

ÄKpOVjJ. 

G.  Nach  Abstrakta. 

Bei  regierendem  Worte  mit  dem  Artikel  stehen  sich 
Gortyn  4991  X  42  TiXke\x  iikv  rd  öiva  xai  id  dvTpdmva  rd  tö 
dvTravaiidvö  *die  göttlichen  und  menschlichen  (Abgaben)  des 
Adoptiv(vaters)*  und  Itanos  5058  Z.  17  im  loii  kqkiovi  T[dc 
TToXJioc  Q  TÜJV  TToXiTdv  als  Vertreter  der  beiden  entgegengesetzten 
Verbindungsweisen  gegenüber. 

Der  abhängige  Genetiv  steht  hinter  dem  artikellosen 
regierenden  Worte  Itanos  5058  Z.  28  7ToXiTeo[cdo)Li]ai  bi  in^  fcai 
Kai  6)ioiat  Kai  0i[viüv  KJai  dvGpujmvujv  TrdvTUJV.  Vielleicht  Gortyn 
4991  VI  22  bnxXix  Kaiacracei  Kat  ti  k'  dXX'  firac  ^i,  tö  dirXoov 
vgl.  VI  42,  IX  14  'er  soll  doppelt  bezahlen  und  wenn  außerdem 
noch  etwas  von  einer  Buße  da  ist,  das  Einfache  (der  Buße)**) 
XI  2  T€XX€v  T[d  TÖ  dvjTOvaM^vö.  TeXsche  Dekrete  5186  Z.  8  Td  t€ 
TiMoGduj  Kai  TToXuibuj  Kai  tuiv  d|iaiv  dpxaiujv  7Toi»iTdv  vgl.  5187  Z.  7. 

4.  Genetivus  definitivus. 

Unter  der  Bezeichnung  Genetivus  definitivus  lassen  sich 
die  Fälle  zusammenfassen,  in  denen  der  Genetiv  dieselbe  Vor- 
stellung, die  das  regierende  Wort  allgemeiner  ausdrückt,  genauer 
wiedergibt  Der  gesamte  Wortkomplex  ist  also  eine  Umschreibung 
des  Genetivwortes  (vgl.  Delbrück  Vergl.  Synt  HI  1  S.  346).  Die 
Belege  aus  den  kretischen  Mundarten  sind  meist  Ethnika,  die 
von  d  TTÖXic  usw.  abhängen.     Sie   stammen  alle  erst  aus  den 

1)  Die  Lesung  von  Fabricius  und  Blaß  dräcei  ist  freilich  auch 
möglich. 


186  K.  Meister, 

ionisch  geschriebeuen  Inschriften.  Ich  ordne  das  Material  zu- 
nächst rein  äußerlich  nach  den  verschiedenen  Stellungsweisen. 
Alle  Belege  zeigen  den  Genetiv  unmittelbar  neben 
dem  regierenden  Worte  stehend,  innerhalb  dieser  Be- 
schränkung kommen  alle  vier  möglichen  Stellungen  vor. 

I.  Attributive  Stellungen:  1.  d  ttoXic  a)  Zwischen 
Artikel  und  regierendem  Nomen:  Knosos  5149  (E.  2.  Jahrh.) 
Z.  10  Tdi  Tüjv  Kvujciujv  ttöXi  vgl.  Z.  31.  61.  47.  48;  MaUa  5101 
Z.  8.  27.  —  Gortyn-Knosos  5153  (3.  Jahrh.)  Z.  17  Td)Li  ^^v  Mat- 
vriTUJV  7t6[Xiv]  vgl.  5154  (3.  Jahrh.)  Z.  8.  —  Itanos  5059  (Mitte 
3.  Jahrhs.)  Z.  9  Trepi  idv  tujv  Miaviuiv  ttöXiv.  —  Aptara  4942 
(159 — 138  V.  Chr.)  b  Z.  4  irepi  xdc  tOjv  'ATnapaiujv  iroXioc  Außer- 
dem noch  8  Mal  in  den  tel'schen  Dekreten,  b)  Nach  dem 
Artikel  des  regierenden  Wortes,  der  hinter  diesem 
wiederholt  ist:  5149  Z.  44:  Trapd  xdc  ttöXcoc  xdc  Kvujciujv 
vgl.  Gortyn  5015  (2.  Jahrh.)  Z.  21,  Itanos  5066  (um  200  n.  Chr.) 
Z.  4  d  TTÖXic  d  xüüv  'Ixaviujv.  Dreros  4952  (Schwurformel)  A  43 
xdi  TTÖXei  xdi  xüüv  Auxxiujv  vgl.  B  6.  D  20.  Praiso«  5120  (3.  Jahrh.) 
A  1  ?öq[H€]  xuji  KÖCjiuji  Kcti  xdi  TToXi  xdi  TTpaiciujv  vgl.  A  10.  B  9. 
Telsche  Dekrete  5182  Z.  32  im  xdv  ttoXiv  xdv  Tniujv.  —  2.  ö 
bd|ioc:  a)  Knosos  5150  (nach  167  v.  Chr.)  Z.  51  Tiopxi  xöv  Tap- 
d(uj)v  bd)Liov  vgl.  Unbekannte  kret.  Stadt  5162  (2.  Jahrh.)  Z.  15. 
Telsche  Dekrete  5179  Z.  20  xöv  Tniiwv  bä}iov  vgl.  5168  Z.  17. 
5173  Z.  1.  b)  Teüsche  Dekrete  5169  Z.  22  6  bä}xoc  6  Tniujv,  so 
noch  7  Mal.  —  5169  Z.  17  ö  öd)Lioc  6  FauEiujv  vgl.  5181  Z.  26; 
5182  Z.  36.  —  Unbekannte  kretische  Stadt  5156  (um  200)  Z.  13 
TÖv  bd|iov  xö)Li  MaT[vr|xujv  -  -.  3.  xö  koivöv  a)  TeYsche  Dekrete 

a)  5171  Z.  5  im  xö  koivöv  xö  Aaxiuuv  vgl.  5176  Z.  6.  —  4.  xö 
TTXdOoc  a)  5138  (2.  Jahrh.)  Z.  12  TTopxi  xö  Kprixai^[ujv]  tiXtiGoc; 

b)  5176  Z.  21:  ttoxi  xö  TrXdGoc  xö  Tniujv. 

II.  Prädikative  Stellungen: 

Das  im  Genetiv  stehende  Wort  steht  entweder  unmittel- 
bar hinter  dem  regierenden  und  seinem  Artikel  oder  unmittel- 
bar davor,  a)  Gortyn  5015  (2.  Jahrh.)  Z.  6  im  xdv  ttoXiv  xoiv 
rop[xuviuuv].  Knosos  5150  (nach  167  v.  Chr.)  Z.  20  d  ttöXic  xoiv 
Kvujcluuv  vgl.  PolyiThen  51 16  Z.  6.  In  den  teYschen  Dekreten  so  6  Mal. 
—  Allaria  4940  Z.  19  xöv  bd}iov  xoiv  TTapiuuv  vgl.  Z.  29.  —  Tel'sche 
Dekrete  5178  Z.  6  xö  koivöv  xoiv  'ApKdöujv  vgl.  5185  Z.  6.  20. 
28.  —  5146  Z.  1  [2öo]^€  xoTc  cuv^bpoic  Kai  xOufi  koivujJi  xoiv 
Kprixai€ujv.    Unter  diese  Rubrik  fallen  schließlich  die  beiden  Be- 


Der  syntaktische  Gebrauch  des  Genetivs  in  den  kret.  Dialektinschr.     187 

lege  des  Genetivus  definitivas,  die  keinen  Staatsbegriff  be- 
zeichnen: Malla  5101  (E.  2.  Jahrhs.)  Z.  16  rd  öXa  toiv  TTpaTMdiujv. 
Dreros  4952  C  35  tö  TrXf)0oc  toö  dpTupiou  (das  der  Verurteilte 
nicht  zahlen  kann)  i£ovo|LiaivovT€C. 

b)  Knosos  5150  (nach  167  v.  Chr.)  Z.  1  IboEev  Kvujciujv  xoic 
Kocjioic  Kai  Tdi  ttöXi  vgl  5155  Z.  10.  Olus  5104  (um  265  v.  Chr.) 
a  20  Ibole  'OXövrfujv  rdi  ttoXci  vgl.  a  Z.  48.  b  2.  87.  Praisos 
5121  Z.  3 :  IboEe  TTpaiciujv  xdi  ßouXdi  Kai  t(üj)i  koivuji  vgl. 
Itanos  5059  (um  265  v.  Chr.)  Z.  1 ;  Hiarapytna  5042  (E.  3.  Jahrh.) 
Z.  1;  L^pa  5074»  a  1.  Teüsche  Dekrete  5167  Z.  2  göoHe  'PauKiiwv 
Toic  KÖciiOic  Kai  xdi  TioXei,  so  noch  12  Mal;  5166  Z.  7  beöoxOai 
TToXuppriviuiV  toic  kocmoic  Kai  xdi  ttoXci  und  so  noch  3  Mal 
Allaria  4940  Z.  10  'AXXapiiuxdv  oi  k6c|lioi  Kai  d  ttoXic  TTapiujv  xdi 
ßouXdi  Kai  xiwi  bd)Liuji  x^tlptv  vgl.  Z.  18;  Gortyn  in  5060  Z.  88; 
Hiarapytna  in  5060  Z.  97;  Vaxos  5151  Z.  1  und  so  noch  7  Mal 
in  den  teYschen  Dekreten.  —  Lyttos  5094  Auxxiiwv  d  ttoXic 
ZipiTUJva  .  .  .  dpexdc  Kai  cujcppocuvac  x^pi^-  —  Knosos  5149  Z.  1 
irp€iT€ucdvxujv  Kviwciuiv  xdc  ttoXioc  im  xdc  ttoXcic  xdv  xe  xuiv 
Aaxitüv  Kai  t6jv  'OXövxiujv.  —  Hiarapytna  5040  Z.  44  oi  |i^v 
lepaTTUxvioi  köc)lioi  xoiv  TTpiavcilujv  xdi  ttoXci,  oi  bi  TTpiavcilcc 
'lepammniDV  xdi  TtoXei  vgl.  Z.  72.  —  Teische  Dekrete  5168  Z.  21 
Tniuiv  xdv  x€  TTÖXiv  Kai  xdv  xu^pav  dvfeitiev  iepdv  Kai  ficuXov  vgl. 
5173  Z.  5;  5179  Z.  24;  Koinon  der  Kretäer  5146  Z.  13. 

In  den  meisten  dieser  Beispiele,  in  denen  der  Genetiv 
vorangestellt  ist,  ergibt  sich  aus  Innern  Gründen,  daß  der  Hauptton 
auf  dem  Genetiv  ruht.  Der  größte  Teil  von  ihnen  besteht  ja 
aus  Präskripten  von  Beschlüssen,  in  denen  es  nicht  darauf  an- 
kommt, daß  sie  ein  Staat,  sondern  darauf,  welcher  Staat  sie 
gefaßt  hat  In  andern  Beispielen  ist  der  eine  Staat  dem  andern 
gegenübergestellt,  so  daß  auch  hier  die  einander  entgegengesetzten 
Genetive  der  Ethnika  betont  sind.  Diese  Stellungsweise  entspricht 
also  dem  Prinzip  der  Voranstellimg  betonter  Begriffe.  Liegt 
dagegen  kein  solcher  okkasioneller  Akzent  auf  dem  Genetiv, 
so  ist  der  Genetivus  definitivus  entweder  wie  der  possessive 
Genetiv  gestellt  oder  er  hat  seinen  Platz  unmittelbar  hinter 
dem  regierenden  Worte.  Einen  Bedeutungsunterschiod  zwischen 
diesen  beiden  Stellungsweisen  kann  ich  nicht  finden,  auch 
vermag  ich  sie  nicht  verschiedenen  Zeiten  oder  verschiedenen 
lokalkretischen  Mundarten  zuzuweisen.  Wir  müssen  hier  die 
regellose  Verwendung  der  attributiven  und  prädikativen 


188  K.  Meister, 

Stellungsweisen  für  die  jüngste  Klasse  der  kretischen 
Inschriften  anerkennen.  In  den  altem  ionisch  geschriebenen 
Inschriften  gibt  es  zu  wenig,  in  den  archaischen  überhaupt  keine 
sichern  Beispiele. 

Die  altgortynische  Sprache  hat  vielmehr  an  Stelle  des  um- 
schreibenden Genetivs  andere  Ausdrucksmittel.  1.  Das  ein- 
fache Ethnikon.  So  z.  B.  in  der  Präskriptformel  der  altem 
Inschriften:  Gortyn  4982  (archaisch)  Z.  1  rdb'  JFabe  toic  Top- 
Tuvioic  TTcaTribovq.  Gortyn-Lato  BGH  XXVn  219  f.  Z.  1  [reibe 
?]ßab€*)  ToTc  fopTuvioic  TTcairiöovci,  wogegen  die  Präskriptformeln 
der  jungem  Inschriften  den  umschreibenden  Genetiv  enthalten 
(s.  S.  186  f.).  2.  Der  einfache  Stadtname  Gortyn  4983 
(archaisch)  Z.  1  böpidv  IbÖKav  Aiovuc[iöi  --]...  fopTuvc  irri- 
Travca  qöi  iv  AFXövi  FoiKiovxec  Vgl.  dagegen  die  junge  Inschrift 
aus  Lyttos  5094.  —  Außerdem  steht  öfters  allein  (d)  ttoXic,  wo 
der  Beschluß  nur  die  innere  Politik  betrifft  3.  Das  näher  be- 
stimmende Wort  wird  als  Apposition  zu  dem  allgemeineren  ge- 
setzt: Gortyn-Rhizen  4985  (arch.)  Z.  12  tö  koivöv  oI  'Pitt^viou 
Gortyn  5007  (3.  Jahrh.)  Z.  1  dTreXdTctcav  d  ttöXic  oi  fopTuvioi 
fXeuGepov.  Dreros  4952  (Schwur)  C  13  tot  k6c)liov  ai  kq  ^i\ 
d£opKiEovn  xdv  dt^Xav  toüc  TOKa  dTbuo)Liivouc  *die  Schar  der  sich 
dann  ausziehenden  (Jünglinge)'.  —  Die  beiden  Belege,  die  ich 
aus  den  jüngsten  Inschriften  anführen  kann,  stimmen  nicht  völlig 
zu  diesen  älteren  Beispielen:  Denn  Knosos  5149  (E.  2.  Jahrh.) 
Z.40  €t  bi  Ti  Ktt  böEr\  ücrepov  laTc  TioXeci  Kviwcioic  xai  Aarioic 
Kai  'OXövTioic  ist  weniger  hart,  weil  ja  hier  mehrere  Apposi- 
tionen stehen;  Hiarapytna  5041  (2.  Jahrh.?)  Z.  5  oi  iikv  lepa- 
iruTvioi  Toic  AuTTioic  xdi  ttoXci,  [oi  bk  Aumoi  xoTc]  'kpaTruTvioic 
Tdi  TToXei  ist  durch  die  Gegenüberstellung  mit  den  einfachen 
Ethnika  im  Nominativ  hervorgerufen.  So  ist  auch  hier  umgekehrt 
TToXic  die  Apposition,  durch  die  das  Ethnikon  bestimmt  wird. 

So  ergibt  sich  aus  diesen  drei  Punkten,  daß  der  Gebrauch 
des  umschreibenden  Genetivs  in  der  Sprache  der 
Jüngern  Inschriften  ein  größerer  geworden  ist 

Auch  diese  Sprachentwicklung  scheint  nicht  auf  Kreta 
beschränkt,  sondern  der  Schriftsprache  der  griechischen  Dialekte 
überhaupt  eigentümlich  zu  sein.  Denn  in  den  archalf sehen 
Inschriften  wird  meist  zur  Bezeichnung  des  Staatsbegriffes  das 

1)  Der  Herausgeber  Deraargne  [rdbc  ??]ab€.  Von  dem  B  ist  noch 
der  obere  Bogen  erhalten. 


Der  syntaktische  Gebrauch  des  Genetivs  in  den  kret.  Dialektinschr.    189 

einfache  Ethnikon  verwendet  Ich  verweise  hier  nur  auf  die 
altelische  Präskriptformel:  d  Fpdipa  toTc  FaXeioic  1149 — 1153. 
Im  Attischen  lautet  die  Formel  der  Proxeniedekrete  des  5.  Jahr- 
hunderts durchweg  irpößevov  Kai  eöepT^iev  'AGevatöv,  dagegen 
ist  seit  350  v.  Chr.  in  dieser  Phrase  toö  örjiLiou  toO  'AGfivaiujv 
die  weitaus  überwiegende  Bezeichnung  (vgl.  Larfeld  Handbuch 
der  griechischen  Epigraphik  2,  782).  Die  kyprische  Bronze  von 
Edalion  60  Z.  2  bietet  die  Apposition  statt  des  umschreibenden 
Genetivs:  ßacXeuc  ZTaciKimpoc  Kdc  d  tttöXic  'EbaXieFec  Die 
Jüngern  Inschriften  zeigen  dagegen  den  Genetivus  definitivus 
wie  auch  im  Kretischen  vorherrschend.  Jedoch  weichen  hier 
die  Dialekte  darin  voneinander  ab,  daß  in  den  einen  die  attri- 
butiven, in  den  andern  die  prädikativen  Stellungen  üblich  sind. 
In  den  in  den  IG  VII  veröffentlichten  im  böotischen  Dialekt 
verfaßten  Inschriften  habe  ich  diesen  Genetiv  nur  in  prädikativer 
Stellung  und  inuner  nachgesetzt  gefunden^)  (vgl.  z.  B.  504 — 532; 
1721—1737;  3172;  2858;  2861  usw.).  Die  attributiven  Ver- 
bindungen kenne  ich  auf  böotischem  Gebiete  erst  in  Koine- 
inschriften  (z.  B.  4130).  umgekehrt  herrschen  diese  in  den 
rhodischen  und  koischen  Inschriften  (vgl.  z.  B.  3613 — 3616; 
3749;  3758).  Auch  im  Attischen  ist  der  Typus  6  bf^^oc  6  'A0n- 
vaiuiv  der  am  häufigsten  wiederkehrende,  aber  auch  die  andern 
Stellungen  kommen  ganz  in  der  gleichen  Bedeutung  vor  (vgl. 
z.  B.  IG  n  S.  393  n.  Ib  Z.  4.  12.  25).  In  andern  Dialekten,  wie 
im  Delphischen,  schwankt  der  Gebrauch  der  attributiven  und 
prädikativen  Stellungen  wie  im  Kretischen. 

Falsch  ist  demnach  die  z.  B.  in  der  Grammatik  von  Kühner- 
Gerth  11 1,  617  vertretene  Ansicht,  daß  bei  den  Verbindungen  'tuiv 
'A0iivaiujv  ö  öfiiioc'  und  *ö  hf\\xoc  tujv  *A0fiva(ujv*  "nicht  ein  attri- 
butives, sondern  ein  partitives  Verhältnis  stattfände'  (das  Volk  der 
Athener  und  nicht  die  Vornehmen).  Und  bedenklich  sind  historische 
Schlüsse,  die  aus  Fällen  der  prädikativen  Stellung  oder  aus  dem 
Wechsel  des  einfachen  Ethnikons  mit  der  Umschreibung  durch 
biilioc  gezogen  werden  (vgl.  z.B.DittenbergerSylloge*  80adn.35.48). 

5.  Genetiv'us  obiectivus. 
Der  objektive  Genetiv  wird  ähnlich  behandelt  wie  der  um- 
schreibende.   Nur  überwiegt  hier  die  attributive  Stellung.    Ich 

1)  Dementsprechend  ist  in  525;  526;  2383  Z.  4;  2i06;  3086  Z.  1 
Tdc  iröXioc  TavoTpi^uJv,  nicht  rdc  iröXioc  rdc  Tav(rrp/|uiv  usw.  zu  ergänzen. 


190  K.  Meister, 

führe  zunächst  das  Material  rein  äußerlich  nach  den  Stellungs- 
typen geordnet  vor. 

L  Nach  Substantiven  mit  dem  Artikel: 
1.  In  den  attributiven  Verbindungen  ist  dieser  Ge- 
netiv im  Stadtrecht  von  Gortyn  7  Mal  belegt:  IV  19  dm  xöi  t[ö] 
irarpöc  irdciai  *bei  dem  Besitzer  (Tr^Traiiai)  des  Vaters'  vgl.  IV  21 ; 
XI  8  Tidp  TÖfvc  TÖ  dv]7Tava)Lidvö  dmßaXXövravc  'zu  den  Ange- 
hörigen dessen,  der  adoptiert  hat*.  —  IV  1  im  toi  Träcrai  l|i€v 
TÖ  TdKvov  Töi  Tctc  FoiK^c  *Das  Kind  soll  in  der  Gewalt  des  Be- 
sitzers der  Häuslerin  sein*  vgl.  IV  5;  VH  43  töc  Kabecrdvc  töc 
Tctc  TrarpöiÖKO  *Die  Verwandten  der  Erbtochter*  vgl.  VIII  14. 
Aus  den  ionisch  geschriebenen  Inschriften  habe  ich  nur  zwei 
sichere  Belege:  Dreros  4952  D  5  oi  dpeuTai  oi  tüjv  dvGpujmvujv 
•die  Untersuchungs(behörde)  der  menschlichen  Angelegenheiten* ; 
TeYsche  Dekrete  5177  Z.  15  im  tölc  toi  ttoX^ihuj  biaXuceic  dTro- 
craXeic*). 

2.  In  prädikativer  Stellung  kommt  dieser  Genetiv  1  Mal  in 
einer  archäischen,  18  Mal  in  Inschriften  im  ionischen  Alphabet 
vor,  und  zwar  steht  er  in  allen  Fällen  hinter  dem  regierenden 
Nomen:  Gortyn  4991  III  53  töi  Trdcrai  tö  dvbpöc,  8c  üttuic  *dem 
Besitzer  des  Mannes,  der  (ihr)  beiwohnte*.  Knosos  5072  (3.  Jahrh.) 
b  3  Tiui  Tidcrai  tu»  ßooc.  Gortyn  5015  (E.  3.  Jahrhs.)  Z.  24  Tdc 
TTpdTac  KaraßoXdc  toutuj[v  tüjv  xPnMotTuuv  -  -  Mer  ersten  Zahlung 
dieser  Gelder*.  Knosos  5073  (2.  Jahrh.)  Z.  17  [tJqv  dvdTvuuciv 
Tdc  cuveriKac  vgl.  Lato-Olus  5075  (2.  Jahrh.)  Z.  26.  Knosos  5150 
(nach  167  v.  Chr.)  Z.  53  im  Tdc  dvaOecioc  Tdc  crdXac  Z.  52  tö 
dvTiTpaqpov  toiöc  toi  ipacpic|iaToc  *die  Abschrift  dieses  Beschlusses*. 
Aus  den  telschen  Dekreten  5177  Z.  8  Tdc  Ka9i€pujc€uuc  Tdc  TTÖXeujc 
Kai  Tdc  xii^PCtc  vgl.  5179  Z.  9;  5181  Z.  11.  —  5168  Z.  9  Tdv 
KaGidpuuciv  Tuii  Aiovucuji  Tdc  t€  ttoXioc  Kai  Tdc  x^pctc  vgl.  5167 
Z.  13.  —  5182  Z.  34  tüji  dpxax^rai  Tdc  ttöXioc  auToiv;  vgl.  5185 
Z.  23.  —  5174  Z.  4  Trapd  tö  Tpctqp^v  ÖÖTlna  Tdc  dcuXiac  Vider 
den  geschriebenen  Beschluß  über  die  Unverletzbarkeit*.  Dreros 
4952  (2.  Jahrh.)  D  10  rdöe  u7T0)Livd)LiaTa  Tdc  Apnpiac  x^Jpac  Tdc 
dpxaiac  toic  ^ttitivoili^voic  d^wcToic  'Folgende  Erinnerungen  an 
das  alte  drerische  Land  den  kommenden  Ungegürteten'  (vgl.  Blaß 
zu  dieser  Stelle). 


1)  Vaxos  5151  Z.  12  ä  bi  KoivoTroXi[T€(ac]  diA(a  (Haussoulher  dibia) 
öirdpxn  dv[aTpacpd]  scheint  mir  nicht  richtig  ergänzt  zu  sein. 


Der  syntaktische  Gebrauch  des  Genetivs  in  den  kret.  Dialektinschr.    191 

n.  Nach  Substantiven  ohne  den  Artikel: 
1.  Nachgestellt:  Olus  5104  c  50  dxlXciav  irdvTujv  vgl 
Gortyn  4983  (arch.)  Z.  3;  Knosos  5150  (nach  167  v.  Chr.)  Z.  35 
?TKTnav  Tttc  Kai  o(i)Klac  vgl.  Malla  5101  (E.  2.  Jahrhs.)  Z.  35, 
telsche  Dekrete  5182  Z.  41;  5185  Z.  37.  Knosos  5155  (3.  Jahrh.) 
Z.  13;  vgl.  Olus  5104  (3.  Jahrh.)  a45.  —  Hiarapytna  5040  (2.  Jahrh.) 
Z.  13  jueroxötv  Kai  0€iujv  Kai  dvöpuimvuiv  TidvitüV.  Z.  24  ÖaTUiTclc 
Tuiv  uirexöediiujv  "Ausfuhr  der  Güter*.  TeYsche  Dekrete  5186 
Z.  16  dviftpacpov  tüjÖ€  tüj  ipacpiciiiaToc.  5181  Z.  20  dpxar^xav 
Tctc  TTÖXeuuc  —  Knosos  5150  Z.  6  ironiidv  dTrüjv  Kai  |i€Xaiv.  — 
Malla  5101  Z.  29  Kai  uTrepiüidxoc  tdc  d|Lidc  ttoXcoc  —  Hiarapytna 
5040  (2.  Jahrh.)  Z.  49  liMaiia  dmTpa^ild^€VOV  tdc  biKac  Z.  29 
irpeiTn^ct  bt  dl  [KJa  xptiav  Ix^i  Tropniu).  Knosos  5186  Z.  19  \v'  .  .  . 
aiei  TTOKa  npövoiav  TTotuivrai  tojv  toioutiuv  dvbpuüv.  5149  (E.  2. 
Jahrhs.)  Z.  32  ^tt^oc  bi  KaTacTacdvTujv  .  .  .  oi  te  Adrioi  Kai  ol 
*OX6vnoi  ToTc  Kvujcioic  ^Kdrepoi  dpTupiiw  'AXeEavbpeiujv  xaXdvrujv 
bexa  'Bürgen  für  10  alexandrinische  Silbertalente*.  2.  Voran- 
gestellt: Diese  Stell ungs weise  erklärt  sich  durch  okkasionelle 
Motive  in  den  folgenden  Belegen:  Malla  5101  Z.  47  ÖTidi  .  .  . 
iroXXoi  TOUTujv  )Lii)LifiTai .  .  .  tdc  KaXoKaTa[0iac]  uTrdpxuJOV.  Ebenso 
scheint  Knosos  5155  Z.  3  der  Genetiv  deswegen  vorangestellt  zu 
sein,  weil  er  an  vorher  Genanntes  anknüpft:  ÖTroT€T[p]dq)a|i€V 
bk  Till  HiaqpicMa[Toc  tö  dJvxiTpoqpov.  Aber  sie  findet  sich  auch 
einigemal,  wo  diese  Erklärung  sich  nicht  anwenden  läßt:  Hiara- 
pytna 5042  (E.  3.  Jahrhs.)  Z.  8  Kai  Geiiwv  Kai  dvGpujTrlvujv  |i€T0X(4v; 
Itanos  5058  (3.  Jahrh.)  im  Schwüre  Z.  40  tIkvujv  övac[i]v  TlvecOai 
vgl.  Z.  45;  Z.  21  ou[ö^  ^dc]  dvaöac|iöv  ouö^  oiway  [oub^  o]tKO- 
ircbuiv  oub^  xP^^v  d[TroKo|Trdv  ttohic^uj. 

In  der  jungem  Sprache  ist  also  die  Nachsetzung 
des  objektiven  Genetivs  nach  artikellosem  Substantiv^ 
das  Regelmäßige.  Die  ältre  Sprache  ist  allein  durch  die  an- 
geführten Stellen  aus  dem  Itanierschwnr  vertreten,  die  sich  schon 
durch  das  Fehlen  des  Artikels  als  Erbgut  aus  alter  Zeit  er- 
weisen: Hier  ist  der  Genetiv  vorangestellt.  Auch  bei  dem  ob- 
jektiven Genetiv,  der  von  einem  durch  den  Artikel  bestimmten 
Nominativ  abhängt,  ließe  sich,  rein  äußerlich  betrachtet,  ein 
Unterschied  zwischen  der  archaischen  und  den  jüngereu  In- 
schriften feststellen.  Dort  waren  die  attributiven  Verbindungen^ 
hier  die  prädikative  Nachstellung  häufiger.  Jedoch  ist  auch  die 
Verschiedenheit  der  regierenden  Substantiva  zu  berücksichtigen^ 


192  K.  Meister, 

die  in  den  archalfschen  Beispielen  Personalwörter  (Träcrac),  in 
den  jungem  meist  Verbalabstrakta  waren. 

Auch  in  den  andern  Dialekten  wird  der  Genetivus  ob- 
jektivus  meist  prädikativ  dem  regierenden  Worte  nach- 
gestellt Ich  muß  mich  mit  wenigen  Beispielen  begnügen: 
KoYsch  3619  Z.  11  täc  dvaTOpeuaoc  toO  crccpövou  vgl.  Z.  6; 
3620  Z.  10;  ther.  4706  Z.  131  rdv  bt  cuvaTuJTdv  toO  dvbpeiou; 
delph.  2642  Z.  38  d  Kaidcraac  täv  dmjieXnTdv;  bt  IG.  VII  3172 
Z.  105  rdv  diröbociv  tiuv  öavciuiv  *die  Rückgabe  der  geborgten 
Gelder*  usw.  Für  das  Attische  stellt  Kühner-Gerth  die  attributiven 
Stellungen  als  die  gewöhnlichen  hin,  sagt  aber  in  der  Anmertung 
n  1, 618,  daß  'bei  Verbalsubstantiven,  die  eine  Handlung  oder  einen 
Zustand  ausdrücken,  der  Genetiv  öfters  ohne  Artikel  zugefügt' 
vorkäme  (vgl.  auch  a.  0.  S.  615).  Vielleicht  kommen  hier  genauere 
Untersuchungen  über  den  Gebrauch  dieses  Genetivs  bei  den  ver- 
schiedenen Schriftstellern  und  in  den  verschiedenen  Zeiten  weiter. 
Die  von  Blaß,  Grammatik  des  neutest  Griech.  S.  95  angeführten 
Belege  zeigen  meist  die  prädikative  Stellung  hinter  dem  Substantiv, 
z.  B.  Ev.  Joh.  7,  13:   b\ä  töv  qpößov  tiüv  'louöatujv  vgl.  20,  19. 

In  der  Häufigkeit  der  prädikativen  Stellung  zeigt  sich, 
daß  der  objektive  Genetiv  als  weniger  eng  zum  regierenden 
Nomen  gehörig  als  der  possessive  empfunden  wurde,  bei  dem 
ja  allein  die  engem  Verbindungsweisen  sich  fanden  (s.  S.  180  f.). 
Nun  gibt  es  in  der  älteren  Sprache  sogar  einige  Fälle,  an  denen 
sich  darüber  streiten  läßt,  ob  wirklich  ein  objektiv-adnominaler 
oder  ob  nicht  vielmehr  ein  adverbaler  Genetiv  vorliegt  Zwei 
von  ihnen  sind  schon  S.  165  besprochen  worden,  die  man  auch 
als  Genetive  des  Sachbetreffs  aufgefaßt  hat.  Etwas  anders  ist 
4991  Vni  42  Tov  bi  Kp€)LidTÖ[v  xaJpTcpövc  l|i€v  xdc  F€pTa[c]iq[c 
TÖc]  TTaxpÖavc.  Dies  interpretiert  Baunack  wie  einen  objektiven 
Genetiv :  *Die  Befugnis  ...  das  Vermögen  zu  bewirtschaften', 
Bücheier,  dessen  Ansicht  ich  zuneige,  dagegen  wie  eine  Apposition : 
"Über  das  Vermögen  aber  sollen  Macht  haben  über  die  Bewirt- 
schaftung*. Diese  Grenzfälle  aus  der  alten  Sprachperiode  lassen 
uns  dieselbe  Entwicklung  der  Sprache  erkennen,  die  wir  schon 
beim  partitiven  und  definitiven  Genetiv  bemerkt  haben,  nach 
der  ursprünglich  nebengeordnete,  unabhängige  Redeteile  zu 
hypotaktisch  gegliedeii;en  Gruppen  zusammengefaßt  werden. 

In  den  meisten  Fällen  vertrat  der  objektive  Genetiv  ein 
Akkusativ-  oder  Genetivobjekt,  nur  1  Mal  stand  er  an  Stelle 


Der  syntaktische  Gebrauch  des  Genetivs  in  den  kret.  Dialektinschr.    193 

eines  präpositionalen  Kasus  (tö  böfiia  rdc  dcuX(ac),  niemals  für 
den  Dativ  oder  eine  entferntere  Prädikatsbestimmung.  Diese 
treten  vielmehr  ebenso  zum  Verbalsubstantiv  wie  zum  Verbum. 
In  den  teYschen  Dekreten  kehrt  oft  der  Ausdruck  wieder  idv 
Ko9idpu)av  Tuii  Aiovücuii  idc  le  ttoXioc  Kai  idc  x^P«c  z.  B. 
5168  Z.  9;  5167  Z.  13  usw.  oder  idv  KaGiiptüCiv  idc  ttöXioc  Kai 
Tdc  xdipac  Tdii  Aioviicuii  5181  Z.  11.  So  wird  ja  auch  im  Attischen 
der  Dativ  wiederholt  adnominal  gebraucht  (vgl.  Kühner-Gerth 
n  1,  426),  für  die  andern  Dialekte  erinnere  ich  nur  an  die  alt- 
elische  Präskriptformel  d  Fpdipa  toic  FaXeioic  1149 — 1153.  Neben 
dem  oben  angeführten  ÖÖTfia  idc  dcuXiac  steht  5185  Z.  16  tö 
irpOTcpov  öoG^v  ufiiv  ÖÖTfia  irepi  idc  dcuXiac,  vgl.  5185  Z.  30. 
An  den  objektiven  Genetiv  schließe  ich  einen  Beleg  des 
adnominalen  Genetivus  pretii  an:  Goriyn  4991  III  38  öuööcka 
aoT^pavc  €  öuÖöeKa  crai^pöv  Kpeoc  'einen  Gegenstand  im  Werte 
von  12  Stateren'.  Vgl.  hiermit  böot  IG  VU  3055  Z.  2  KaT[i> 
a[pdifi€v]  .  .  .  vo^icfia  dp[You]pi[o]v  [k^i]  bUa  öpaxfidujv  €[iX]u[T]ac 
ÖCKa  'er  soll  weihen  ein  Silbergeldstück  und  10  Kuchen  im  Werte 
von  10  Drachmen'.  Die  VoransteUung  des  Genetivs  erklärt  sich 
aus  der  Sinnesbetonung. 

6.  Genetivus  subiectivus. 

Beim  subjektiven  Genetiv  schwankt  der  Sprach- 
gebrauch wie  beim  objektiven  zwischen  den  attributiven  Ver- 
bindungen und  der  prädikativen  Nachstellung.  Jedoch  sind  hier 
umgekehrt  mehr  Belege  für  jene  als  für  diese  vorhanden.  Das 
Jlaterial,  das  nur  die  jungem  Inschriften  liefern,  ist  folgendes: 

1.  In  den  attributiven  Stellungen:  Knosos  5150 
(nach  167  v.  Chr.)  Z.  11  idv  tüü  dvöpöc  cpiXoTTOviav;  Z.  40  d  idc 
iroXcoc  dKT€vf|c  irpoaipecic.  Koinon  der  Kretäor  5 146  (3.  od.  2.  Jahrh.) 
Z.  16  [dnö  Tuj  kJoivoi  tujv  KpTiTa[i^ujv  {>r]]TU}  *nach  dem  Ausspruche 
(des)  K  der  Kr.'.  5138  (2.  Jahrh.?)  Z.  21  idv  la^iujv  eövoiav 
vgl.  Gortyn-Knosos  5016  Z.  17;  aus  den  teYschen  Dekreten  5182 
Z.  38;  5181  Z.  52  f)  toiv  *ATrrepaiujv  euceßeia  Trpöc  Trdvrac  töc 
ecöc  Malla  5101  (E.  2.  Jahrh.)  Z.  19  öid  le  idc  tüüv  Gediv  [eu]|i€veiac 
Kai  bxä  Tdc  tuiv  dvöpOüv  toutuüv  dTri(pav[€i]ac;  Z.  22  bxä  idc  to[u]tujv 
irpovoiac.  Attributiv  nachgestellt  nur  Olus  5104  (um  265  v.  Chr.) 
c  10  öid  xdc  qpGopdc  idc  tuiv  dvGpJjTiujv  *wegen  des  Sterbens 
der  Menschen'.  2.  Diesen  9  Belegen  attributiver  Stellung  stehen 
3  oder  4  der  prädikativen  Nachstellung  gegenüber:  Knosos 


194  K.  Meister, 

öl 50  (nach  167  v.  Chr.)  Z.  18  xdv  [6]Xav  atpeciv  tuj  dvöpoc 
Lato-Olus  5075  (2.  Jahrh.)  Z.  53  [[dTrö  Tdc  d7n]]ToXdc  tä  B€VKd[c]ui 
^K  Tdc  TT^Tpac  'Vom  Ursprung  des  B.  aus  dem  Felsen  an'.  Telsche 
Dekrete  5185  Z.  9  xdv  euvoiav  tou  ödfiou.  EQerzu  wahrscheinlich 
Hiarapytna  5060  (nicht  lange  vor  132  v.  Chr.)  Z.  99  -  -  Kai  HpaidiDV 
Ka(i)  d  <KT>  dnöirXiJüCic  t6  Kuödvo(p)oc  ^k  xdc  ufidc  vdcui  A€u[KOtc  -  -. 

Als  Beispiele  des  subjektiven  Genetivs  in  Abhängigkeit 
von  einem  artikellosen  Substantiv  kann  ich  nur  anführen: 
5015  (nach  183  v.  Chr.)  Z.  1  cuv0[r|]Ka  TopTUvitüV  Kai  Kvu)cf iu)v]  ^). 
Außerdem  enthält  Itanos  5059  (Mitte  3.  Jahrh.)  Z.  1  und  Praisos 
5121  (3.  Jahrh.)  Z.  2  die  Präskriptformel  Kocfiou  rviwfia.  Man 
vergleiche  die  Fälle  des  Zugehörigkeitsgenetivs  (S.  183)  und 
objektiven  Genetivs  (S.  191),  in  denen  gleichfalls  bei  Weglassung 
des  Artikels  der  Genetiv  vorangesetzt  ist. 

Die  andern  Dialekte  stimmen  auch  hier  wieder  mit  dem 
Kretischen  überein.  Z.  B.  böot  IG  VIT  3171  Z.  11  Kai  tö  ipdcpic^a 
Tüll  öd^u);  vgl.  Z.  15;  3172  Z.  106;  thess.  1324  (Hoffmann  n.  51) 
Z.  3  [ijdv  euxdv  toi  Tra[T]dpoc;  andererseits  kommt  aber  auch 
oft  die  Zwischenstellung  vor:  z.  B.  ther.  4706  Z.  19  xdv  tou 
iraTpöc  aÜToO  OoiviKoc  dvroXdv  vgl.  Z.  26.  Die  engere  Zusammen- 
gehörigkeit des  subjektiven  Genetivs  mit  dem  regierenden  Nomen 
im  Vergleich  zum  objektiven  ergibt  sich  auch  aus  den  Beispielen, 
wo  von  demselben  Substantivum  ein  subjektiver  und  ein  objektiver 
Genetiv  regiert  wird:  Denn  hier  findet  sich  jener  wiederholt 
zwischen  den  Artikel  und  das  regierende  Wort  gesetzt,  während 
dieser  in  prädikativer  Stellung  nachfolgt,  z.  B.  Plat  Phaedr. 
244  c  Tr|V  Tt  tüjv  ^fiqppovuuv  lr\Tr]c\y  tou  ^cXXovtoc  u.  a.  (vgl. 
Kühner-Gerth  II  1  S.  337). 

Es  ist  möglich,  ja  wahrscheinlich,  daß  possessive  Genetive 
bei  der  Bildung  subjektiver  Genetive  mit  vorbildlich  gewesen 
sind  (vgl.  Delbrück  Grundriß  III  1  S.  334).  Jedoch  darf  der 
subjektive  Genetiv  nicht,  wie  es  bei  Delbrück  a.  a.  0.  geschieht, 
nur  als  Unterart  des  possessiven  Genetivs  aufgefaßt  werden, 
das  verbietet  schon  der  Umstand,  daß  er  nicht  immer  mit  den 
gleichen  sprachlichen  Mitteln  ausgedrückt  wird  wie  der  possessive. 

1)  In  dem  Fragment  aus  einer  unbekannten  zentralkretischen  Stadt 
Ö148  (um  200  v.  Chr.)  Z.  9  -  -  ov  irpaccovrac  raic  cuve/|Kaic  xaic  tOjv 
cu|üi[|üidxujv]  wird  wohl  auch  ein  subjektiver  Genetiv  wie  oben  zu  sehen 
sein.  Denkbar  wäre  jedoch  auch  die  Interpretation  als  objektiver  Genetiv : 
'Verträge  mit  den  Bundesgenossen'. 


Der  syntaktische  Gebrauch  des  Genetivs  in  den  kret.  Dialektinschr.    195 

Es  müssen  also  auch  andere  Vorstellungen  als  die  eines  Besitz- 
Verhältnisses  gewirkt  haben.  Nun  kann  der  adnominale  Genetiv 
bei  Homer  ja  auch  den  Urheber  bezeichnen  ^),  und  bei  passivischen 
Partizipien  kommt  er  auch  in  der  spätem  griechischen  und  in 
andern  indogermanischen  Sprachen  mit  dieser  Bedeutung  vor 
(vgl  Brugmann  Gr.  Gr.«  S.  393;  Krüger  Sprachl.  II  §  47,  10,  1; 
Blaß  Gramm,  des  Neutest  Gr.  S.  105)*).  Im  Stadtrecht  von  Gortyn 
haben  wir  hierfür  einen  Beleg  in  VI  54  Tropii  id  ^öXi6fi€y[a  t]3 
äleuO^pö  (man  beachte  die  prädikative  Stellung!)  'in  Hinblick  auf  das 
von  dem  Freien  Ausgesagte'.  Demnach  wäre  z.  B.  tö  ipdcpicfia  tuj 
bä}nv  ursprünglich  als  'Beschluß  durch  das  Volk*  aufgefaßt  worden. 
Die  in  den  jungem  Inschriften  belegten  Passivpartizipien 
haben  auch  in  substantivischer  Verwendung  verbale  Konstruktion, 
nicht  den  Genetiv  bei  sich,  z.  B.  Knosos  5150  Z.  7  id  TieTrpaT- 
>icrreufiiva  utt*  auToi  vgl.  Z.  29  u.  a.  Doch  läßt  sich  hieraus  kein 
Schluß  für  die  Geschichte  des  Genetivs  ziehen,  weil  die  Verwendung 
der  verbalen  oder  nominalen  Konstruktion  mit  dadurch  bedingt 
ist,  ob  das  Partizipium  gegenüber  den  andern  Formen  des  be- 
treffenden Verbums  eine  besondere  Bedeutung  gewonnen  hat 

7.  Genetivus  comparationis. 

In  dieser  Funktion  vertritt  der  Genetiv  den  urindogerma- 
nischen Ablativ,  wie  aus  dem  Lateinischen  und  Altindischen  hen'or- 
geht  (vgl.  Brugmann  Gr.  Gr.'  S.  397).  Die  kretischen  Belege,  die 
alle  aus  archaischen  Inschriften  stanmien,  zeigen  ihn  prädikativ 
an  das  regierende  Wort  angeschlossen,  und  zwar  kommt  er  3  Mal 
nachgestellt,  1  Mal,  wo  der  Ton  auf  ihm  ruht,  vorangestellt  vor. 

Gortyn  4991  VI  41  idv  öiTrXeidv  KaiacTdcai  idc  xifidc  'er 
soll  das  Doppelte  desWertes  entrichten*.  4982  Z.  6  -  -  idv  ö]iTrXeidv 
TÖv  Kp€MdTÖv  icT€icdvTavc  'das  D.  des  Vermögens  als  Buße  zahlend*. 
5000 1 18  id  ö^  xpirpa idc  Fr^ac  Kai  idc  dfiTiiöri^ac *Das  Dreifache*) 
der  Kleidung  und  der  Spangen  (soll  der  Schuldige  entrichten)*. 
Vaxos  5128  TiiouFecGö  cTaifipa   xardv  Guciav  FeKdcxav   Kai   tö 

1)  Z.  B.  B  728  ükKei  ^lOxOiCovxa  KaKtjj  öXo6q>povoc  öbpou  (vgl.  Kühner- 
Görth  II  1,  332,  wo  freilich  auch  Genetive  andrer  Art  eingemengt  sind). 

2)  Natürlich  kann  auch  hier  der  possessive  Genetiv  mit  als  Vorbild 
vorgeschwebt  haben. 

3)  Ich  folge  hier  der  Interpretation  von  Blaß  (vgl.  auch  zu  4991 
I  36)  und  Solmsen  Untersuch,  zur  griech.  Laut-  u.  Verslehre  S.  269.  B.  Keil 
Ath.  Mit.  1895  S.  öl  A.  1  denkt  daran,  xpixpa  als  ^^iiöXiov  zu  erklären. 
Andere  deuten  es  als  'ein  Drittel',  was  hier  der  Sinn  verbietet. 


196  K.  Meister, 

Kplöc  Täv  öiTrXeidv  'er  soll  als  Strafe  auferlegen  (zahlen?)  einen 
Stater  für  jedes  Opfer  und  von  dem  Fleische  das  Doppelte*. 
t6  Kpiöc  ist  hier  dem  vorausgehenden  cxaTflpa  entgegengesetzt, 
daher  die  Voranstellung.  —  In  dem  Satze  Gortyn  5000  I  14 
^KC  i^ifiivac  KaxacraceT  y\  äi  toi  ^euG^pöi  ?TPOTTai  'er  soll  zur 
Hälfte  bezahlen  als  wie  für  den  Freien  geschrieben  ist*  leistet  f\ 
dasselbe,  was  in  den  erstgenannten  Fällen  die  Oenetivform  aus- 
drückte. Aber  hier  ist  ja  das  Vergleichsobjekt  ein  ganzer  Satz, 
der  sich  nicht  flektieren  läßt 

Aus  dem  Attischen  führt  Kühner-Gerth  11  1  S.  391  nur 
Beispiele  an,  in  denen  dieser  Genetiv  von  Adjektiven  abhängig  ist, 
die  also  für  die  Frage  attributiver  oder  prädikativer  Verbindungen 
nichts  entscheiden.  Er  pflegt  nachzustehen  wie  auch  in  den 
kretischen  Belegen.  Das  Gleiche  gilt  für  die  andern  Dialekte, 
z.  B.  lokrisch  1479  (archaisch)  Z.  5  nXiov  öck'  dfiapctv;  Z.  6  TrXeov 
fi€v6c;  kölsch  3627  (3.  oder  2.  Jahrh.)  Z.  9  Mf|  vcwiepa  iiiwv 
Ö^Ktt.  In  den  neutestamentlichen  Schriften  kommen  neben  dem 
Genetiv  und  der  Anreihung  "durch  f\  auch  schon  präpositionale 
Wendungen  vor  (vgl.  Blaß  a.  a.  0.  S.  105),  die  im  Neugriechischen 
zur  Regel  geworden  sind.  Aus  dem  Kretischen  habe  ich  noch 
keinen  Beleg  für  sie. 

8.  Grenzfälle. 
1.  Zwischen  Genetivus  possessivus  und  Ablativus: 
Die  Kinder  können  als  Besitz  des  Vaters  oder  als  seine  Ab- 
kömmlinge gedacht  werden.  Der  zweiten  Auffassung  würde  im 
Urindogermanischen  der  bloße  Ablativ  entsprochen  haben,  und 
sie  liegt  in  Fällen  wie  altgortyn.  4991  V  10  ai  juiev  k'  h  leKva 
l  Ic  TiKVÖv  TCKVct  €  ic  TouTÖv  T^KYtt  Vgl.  V  15.  19  vor.  Bei  der 
Bezeichnung  dos  Vaters  durch  den  einfachen  Genetiv  im  Grie- 
chischen können  beide  Vorstellungen  gewirkt  haben.  Die  äußere 
Beschaffenheit  der  kretischen  Belege  stimmt  vollkommen  zum 
Genetivus  possessivus  (s.  S.  180f.).  Gortyn  5083  Z.  1  al  MevcKpaiioc 
9u(TaT^p€c) ;  mit  Weglassung  des  Artikels  in  der  Apposition  Sulia  (?) 
5145  Z.  4  rTop[iJ|ia  0poTi|iiJü  0[u]TdTnp.  Malla  5101  Z.  34  töc 
TouTUj[v  ^k]tövoc.  Ferner  wird  in  den  kretischen  Mundarten 
ebenso  wie  in  den  meisten  andern  Dialekten  der  Vatersname 
im  bloßen  Genetiv  dem  Eigennamen  zugefügt  i).  Dabei  ist  eine 


1)  Hier  erwägt  Bnigmann  Kurze  vgl.  Gr.  S.  692  auch  die  Möglichkeit 
einer  Ellipse  von  ulöc  oder  desgleichen. 


Der  syntaktische  Gebrauch  des  Genetivs  in  den  kret.  Dialektinschr.    197 

zwiefache  Ausdrucksweise  möglich,  indem  entweder  der  Vaters- 
name unmittelbar  hinter  den  des  Sohnes  tritt  oder  diesem  die 
auf  ihn  bezügliche  Artikelform  nachgesetzt  wird,  an  die  sich 
das  Patronymikum  anschließt  Wir  haben  diese  zweite  Art  nur 
beim  possessiven  Genetiv  gefunden.  Von  einem  Bedeutungs- 
unterschied kann  hier  ebensowenig  wie  dort  die  Rede  sein; 
wohl  aber  läßt  sich  der  stilistische  Unterschied  feststellen, 
daß  die  Ausdrucksform  ohne  den  Artikel  üblich  ist^ 
wenn  der  regierende  Name  im  Nominativ  steht,  daß 
dagegen  die  Ausdrucksform  mit  dem  Artikel  an- 
gewandt wird,  wenn  der  regierende  Name  selbst  im 
Genetiv  steht 

Charakteristisch  für  diese  Regeln  sind  die  Kosmiontenlisten. 
Man  vergleiche  den  Typus,  wie  wir  ihn  durch  Gortyn  5029 
Z.2  dKÖpfiiovo!be'  'ApaTÖYovoc'ApT^jüiiJüvoc.  Kuöavc 'Ovujuidpxui  usw. 
vertreten  finden,  und  den  wir  auch  5023,  5028 — 5030,  Lato 
5078,  5080,  Olus  5106  Z.  5  vor  uns  haben,  mit  dem  bedeutungs- 
gleichen, aber  anders  formulierten  Typus  Hiarapytna  5045  Z.  6 
[i\m  Tüüv  Aufidytüv  koc^6vtuj[v]  'ATnciM^xtü  tä  ZiuieXeoc,  ZiJücioc 
Tüü  MnXiuivoc,  Eucpdjüiu)  tuj  *AcKdv[TiJü]  usw.,  der  auch  in  den 
Urkunden  von  Lato  5076 — 5079  und  in  der  Inschrift  einer  un- 
bekannten Stadt  5136  vertreten  ist  Li  einer  solchen  Liste  von 
Namen  im  Genetiv  ermöglicht  ja  der  Artikel  das  sofortige  Er- 
kennen, was  denn  die  Patronymika  und  was  die  Rufnamen  sind. 
Aber  auch  bei  einzelnen  im  Genetiv  stehenden  Namen  pflegt 
das  Patronymikum  durch  die  Hinzufügung  des  Artikels  mit  dem 
Rufnamen  verknüpft  zu  werden,  z.  B.  Gortyn  5008  Z.  2  [Trapi]- 
ÖVTOC  TOI  dTToXaTdcavTOc  'Epdcujvoc  toi  TnXeinvdcTUj,  5009  a  Z.  1 
AvTiq)dTa  tu»  Küöavroc,  Knosos  5149  Z.  48  'Apiccxdvöpuj  tuj  fXauKia 
und  öfter  so  in  den  folgenden  Zeilen;  TeTische  Dekrete  5183 
Z.  39  usw.  Ln  Attischen  herrscht  nach  Meisterhans  Gramm, 
der  att  Inschr.*  S.  224  derselbe  Sprachgebrauch.  Ausnahmen 
sind  im  Attischen  (wo  man  sie  wegzukonjizieren  sucht)  wie 
im  Kretischen  selten:  Itanos  5066  im  7tpujtok6c|liu)  Zidttipiu) 
TTaiöipu)Toc.  unbekannte  Stadt  5145  Z.  8  iqp'  fapioc  FTavapioc 
'l7nroKX€[i]öa. 

Dagegen  pflegt  der  Vatersname  unmittelbar  an  den  Sohnes- 
namen, wenn  dieser  im  Nominativ  steht,  angefügt  zu  werden, 
z.  B.  Knosos  5149  Z.  45  'ArndTToXic  *ATa9dvöpu)  TroTav^Tpavpe ; 
Hiarapytna  5047  Z.  3  *ApX€ÖiKa  ZnvocpiXuj  .  . .  löpucaro ;  Istron 

lodogermanische  Fonchunsen  XVm.  14 


198  K.  Meister, 

5056  Z.  6  xopöv  Cxoucav  ^)  Aa^drpioc  KiXiKOC,  TToXunfioc  6apcu- 
(pdvioc,  9iuiV  Aafioxdpioc  usw.,  Itanos  5067  LiwaT^viic  Lujc[it]^V60C 
Xaipe  vgl.  5065,  5068,  5069;  Olus  5107  (Grabstein)  Tuxdaoc 
'AcTuöi'xou  vgl.  5108 — 5111  und  so  sehr  oft 

Beim  Dativ  und  Akkusativ  haben  wir  den  Artikel  in 
den  Datierungsformeln  der  Dekrete,  z.  B.  Gortyn  5016  Z.  23  iiA 
Tiwv  Aufidv[uiV  K]opfii6vTU)V  Td)v  CUV  Kapraiödfim  Tui(i)  *Ovu^dp[xui] 
vgl  5007  Z.  4,  5010  Z.  1,  5015—5019,  5024,  5029  Z.  1—5. 
Hiarapytna  5040  Z.  2  im  K6c|i[uiv] .  . .  tüüv  cuv  *Evi7ravn  tüj(i) 
•Epjiiaiüü  vgl.  Z.  3;  Lato  5080  Z.  1;  Allaria  4940  Z.  17  IrA  KÖqiuiv 
Tujv  TTcpi  0iX6vßpoTOV  Tov  EuGufidxui.  Dagegen  fehlt  er  auf  Grab- 
inschriften, die  den  Namen  des  Verstorbenen  im  Dativ  enthalten : 
Gortyn  5035  Xpniaii  KXcdvopoc  KXedvuipi  Gioxpncrui,  vgl.  Elyros 
4961  c.  Tarrha  5124  a.  Unbekannte  Stadt  5137  Z.  1  IrA  «iXd(i) 
Ld)cuj  vgl  5055  d. 

2.  Zwischen  Genetivus  possessivus  und  sub- 
iectivus  :  Lato-Olus  5075  Z.41  Kaid  töc  idc  7r[6]Xi[oc]  [[vöfioc]] 
Töc  feKax^pn  KciMevoc.  Gortyn-Lato  BGH  XXVH  (1903)  S.219 
C  10  ic  Tö  öiaYpdfiiiaToc  tö  toiv  Kprixai^uiV.  Malla  5101  Z.  43 
&  xe  Tdv  TToXeujV  Kai  [tüjv]  dvöpüüv  to(ü)tijüv  KaXoKdT[a9]ia.  Itanos 
5065  Voba  'Apiemöiüpou  dpeidv  xdc  Geou.  Die  Stellungen  dieser 
Genetive  entsprechen  der  Behandlung  des  possessiven  Genetivs 
(s.  S.  180  f.),  die  ja  auch  für  den  subjektiven  Genetiv  meist  ver- 
wendet wird  (s.  S.  193  f.). 

3.  Zwischen  Genetiv  der  Zugehörigkeit  und 
obiectivus:  a)  Der  Genetiv  ist  dem  regierenden  bestimmten 
Nomen  attributiv  oder,  wie  wir  es  meist  beim  objektiven  Ge- 
netiv fanden,  prädikativ  angefügt:  Gortyn  5016  Z.  12  ic  xövcxüav 
Fa£iu)V  ujpovc  (Grenzen).  Itanos  5060  Z.  66  ol  bk  6poi  xdc  xdipac. 
Tel'sche  Dekrete  5181  Z.  48  xüji  xfic  lepocuXiac  vomui.  Dagegen 
Gortyn  5000  I  4  [xdv]c  xi[^]dvc  xöv  dveKiipöv  *die  Werte  der 
Pfänder';  TeYsche  Dekrete  5167  Z.  7  Trepi  xdc  dcuXiac  xdc  xe 
TToXeoc  Kai  xdc  xdipac  vgl.  5182  Z.  27;  5185  Z.  32. 


1)  =  2x€wcav  (fx€av)  mit  dem  Wandel  von  €u  zu  ou,  der  sich  auch 
durchgängig  in  den  Inschriften  von  Malla  5100  und  5101  und  gelegentlich 
in  denen  von  Hiarapytna  findet  (5043  Z.  3  CTpaTouö^ievoi  neben  Z.  5 
CTpaT€uo|Li^vouc).  Istron  lag  nicht  weit  von  diesen  beiden  Städten  entfernt 
(vgl.  Blaß  unter  den  Vorbemerkungen  zu  den  Inschriften  von  Malla  und 
Istron).  Es  ist  demnach  nicht  nötig,  mit  Blaß  eine  besondere  kretische 
Nebenform  ♦xo'l'uj  (xöFuj)  zu  ionisch-attisch  x^^  (^XUJca)  anzusetzen. 


Der  syntaktische  Gebrauch  des  Genetivs  in  den  kret.  Dialektinschr.    199 

b)  Wie  der  Genetiv  der  Zugehörigkeit  und  der  objektive 
stehen  diese  Grenzfälle  hinter  dem  artikellosen  regierenden 
Worte,  wenn  nicht  okkasionelle  Motive  die  Voranstellung  be- 
wirken: Lato-Olus  5075  Z.  51  8poi  xdc  Aaxiuiv  x^P^c,  Z.  69  8poi 
Aorriuiv,  Itanos  5060  Z.  59  lipoi  ö'  dövruiv  auroTc  ictc  xtl'pctc  to([Ö€], 
Hiarapytna  5042  Z.  6  iiA  cumipiai  lapaTTurviuiv  Kai  MaifvriTUiv, 
Allaria  4940  Z.  33  iqp*  uni^icti  Kai  cumipiai  idv  ttöXcujv  dfiqpoTepdv. 
Dreros  4952  D  26  vma-rfip  xdc  dT^Xac.  Die  Stellung  vor  dem 
regierenden  Substantiv  ist  durch  die  Art  des  Genetivwortes  hervor- 
gerufen: Itanos  5060  Z.  62  [im]  xdi  x^wpai . . .  &c  öpia  rdöc.  Knosos 
5149  Z.  31  öovTUiV  .  .  .  TOUTUJ  tu)  dTTpocpui  feKdiepoi  x^P«  vgl 
Z.  60.  Hiarapytna  5040  Z.  22  kaTOjui^vuji  Kai  ÖaTO^^vuji  aurd 
Kai  TOirru)v  töc  KapTröc.  Schließlich  noch  einmal  in  einer  artikel- 
losen Überschrift  Gortyn  5030  Z.  5  AvöpuüV  6v6|üiaTa. 

4.  Zwischen  dem  Genetiv  der  Zugehörigkeit  und 
dem  partitiven  Genetiv:  Praisos  5120  A  12  dXXoi  öüböcKot 
[iroXiTjai  FTpaiciuiv.  Man  vergleiche  außerdem  die  schon  beim 
partitiven  Genetiv  besprochenen  Fälle,  S.  172  f. 

5.  Zwischen  Oenetivus  obiectivus  und  subiectivus: 
ffiarapytna  5041  Z.  13  öpKoc  Auktiujv  vgl.  Z.  19,  Gortyn  5024 
Z.  59.  75,  Lyttos  5147  b  Z.  4,  Lato-Olus  5075  Z.  73.  84. 

6.  Zwischen  Genetivus  obiectivus  und  partitivus: 
Telsche  Dekrete  5185  Z.  30  ßujX6|i€voi .  .  .  ^v  xdpiioc  ^i^pei  iii\ 
XciTTCcGai  *indem  wir  im  Anteil  an  Gefälligkeit  nicht  zurückstehen 
wollen*.  Praisos  5120  B  15  TrXeiv  bi  rd  lEn)  [Kpr|]Tac  Kaid  xd 
ji4pTi  xdv  xuJpdv  Zrixarixac  Kai  ZxaXixac  *es  sollen  außerhalb  Kretas 
die  Setaeten  und  Stallten  nach  ihren  Anteilen  an  den  Ländern 
die  Fahrten  übernehmen*^);  vgl.  B  22. 

9.  Personalpronomina  als  adnominale  Genetive. 

Die  Personalpronomina  haben  im  Kretischen  wie  im  Attischen 

bestimmte  Stellungen  als  adnominale  Genetive  erhalten,  wobei 

die  Bedeutung  des  Genetivs  keine  Rolle  spielt.   Ich  behandle 

sie  daher  von  den  Bedeutungsgruppen  des  Genetivs  gesondert 


1)  Es  war  demnach  schon  bekannt,  mit  welchen  der  außerhalb 
Kretas  liegenden  Länder  die  Stallten  und  mit  welchen  die  Setaeten  den 
Verkehr  zu  vermitteln  hatten  (Dittenberger  Syll.*427  adn.  14  'pro  situ  eorum 
loconim  quo  navigandum  est').  —  Blaß  bezieht  dagegen  töv  x^Jpäv  auf 
die  beiden  Städte  der  Stal.  und  Set.  (B  18  iröXcic)  und  interpretiert  'ab- 
wechselnd' oder  'proportional  zu  ihren  Ländern,  d.  h.  der  Größe  der  Länder*. 

14* 


200  K.  Meister, 

1.  Pronomina  der  1.  und  2.  Person:  Die  Belege  ent- 
halten nur  d|iiüv  und  {)|iujv,  sie  stammen  alle  aus  den  teYschen 
Dekreten:  5185  Z.  48:  eivai  bk  'HpoöoTOv  . . .  Kai  MeveKXfi  .  . . 
irpoHdvoc  Tdc  TTÖXcoc  d^div  vgl.  5187  Z.  16.  —  5185  Z.  13  ä  xe 
TTÖXic  Kai  x^90i  i^mwv  vgl.  5183  Z.  21;  5176  Z.  28.  Diesen  fünf 
Fällen  der  prädikativen  Nachstellung  des  Pronomens  steht  scheinbar 
ein  Beispiel  der  Zwischenstellung  gegenüber,  nämlich  5167  Z.  10 
TiüV  Trap'  dmöv^)  irpeicTeurdv  dfiqpavi^dvriuv  xdv  ufi[tü]v  euvoi[dv 
re  K]ai  TrpoOufiiav.  Aber  es  ist  ja  nicht  nötig,  so  zu  ergänzen. 
Ich  schreibe  vielmehr,  entsprechend  den  Stellimgsregeln,  xdv 
ufi[d]v  €uvoi[av]  vgl.  5177  Z.  22  xöv  u|iöv  ödfiov  usw. 

2.  auxö  als  reflexives  Pronomen,  a) Im  Altgoitynischen 
ist  es  stets  mit  F6c  verbunden:  4991  II  49  k  xov  Föv  auxdc 
Kpe^dxöv;  X  37  xdi  dxaip€iai  xdi  Fdi  airro;  11  46  xd  Fd  auxdc 
?Kev  vgl.  m  25.  32.  36.  42.  IV  26;  ÜI  18;  4998  I  5  xö  [Föv] 
oüxö  ö6|Lir|V,  xö  bk  Kfjvö  fKev.  b)  In  den  ionischen  Inschriften 
2  Mal  auxö  allein*):  Olus  5104  (um  265)  c  24  cüblovxoc  xöc 
ivoxXou|Liivouc  6c  f^c  buvaxöv  Kaxd  xdv  airrou  dm^dXeiav.  Praisos 
5120  (3.  Jahrh.)  a  13 :  6  öe  KÖcfioc  6  npaiciiuv  6|i(o)cd[xu)J .  . . 
xövbe  xöv  6[pK0V  uirtp]  x[d]c  auxou  dpxdc.  c)  auxocauxou  üi 
derselben  Bedeutung  steht  Knosos  5150  (nach  167  v.  Chr.)  Z.  5 
(AiocKoupiöTic)  .  .  .  dirricxeXKe  Mupivov  Aiovuciu)  'A|liictiv6v  .  .  . 
xöv  auxocauxuj  |ia0€xdv. 

3.  auxö  als  anaphorisches  Pronomen:  Vaxos  5151 
(vor  189  V.  Chr.)  Z.  9  aüxoc  xe  Ka[i  x]d  x^Kv[a  aujxiü  vgl.  Z.  7; 
Istron  5056  Z.  1  d  cu[|Lißioc]  auxuj;  Olus  5104  a  29  6  döeXcpöc 
auxou ;  Itanos  5058  Z.  48  auxouc  Kai  T[€v]€dv  auxOüv  vgl.  Hiara- 
pytna  5043  Z.  18;  aus  den  tel'schen  Dekreten  5177  Z.  28  xdv 
xe  TToXiv  auxojv  Kai  xdv  x^pov  iepdv...  dtroöeiKVu^ev ;  5176  Z.  24 
6  öä|ioc  6  Tniujv  Kai  FTepöiKKac  6  ttoXixtic  auxüüv  vgl.  5178  Z.  26; 
5182  Z.  34  xJji  dpxayexai  xdc  ttoXioc  auxüjv  (Subjekt  xic). 

1)  Innerhalb  eines  präpositionalen  Ausdrucks  wie  hier  können 
natürlich  auch  diese  Pronomina  mit  dem  regierenden  Nomen  attributiv 
verbunden  werden,  vgl.  auch  6166  Z.  3  t6  nidq)ic|üia  tö  irap'  Ofnuiv,  AUaria 
4940  Z.  14.  Diese  Belege  mögen  gleich  als  Beispiele  dafür  dienen,  daß  im 
Kretischen  wie  im  Attischen  (vgl.  Kühner-Gerth  II  1  S.  336)  unter  Um- 
ständen präpositionale  Ausdrücke  gleichwertig  mit  adnominalen  Genetiven 
(s.  S.  183  A.  2)  gebraucht  werden  können. 

2)  Ich  lasse  es  dahingestellt,  ob  mit  den  Herausgebern  aOxö  oder 
nicht  vielmehr  ourö  zu  schreiben  ist.  Material  für  diese  Frage  bei  Kühner- 
Blaß  P,  1  S.  600. 


Der  syntaktische  Gebrauch  des  Genetivs  in  den  kret.  Dialektinschr.    201 

Die  Personalpronomina  haben  demnach  im  Kretischen  die- 
selben festen  Stellungen  wie  im  Ionisch -Attischen:  Für  die 
Pronomina  der  1.  und  2.  Person  und  für  das  anaphorische  auroO, 
aurdc  usw.  ist  nur  die  prädikative  Nachstellung  belegt,  das  reflexive 
auTÖ  dagegen  ist  stets  attributiv  verbunden,  und  zwar  meist  ein- 
geschoben. Für  die  Erklärung  dieser  Stellungsweisen  kann  ich 
mich  daher  damit  begnügen,  auf  Brugmann  Griech.  Gramm.« 
8.  420  und  394  zu  verweisen. 

In  den  andern  Dialekten  habe  ich  im  allgemeinen  die 
gleichen  Stellungsregeln  befolgt  gefunden.  Z.  B.  a)  ther.  4706 
(um  200)  Z.  36  xcti  euTaipi  ^ou  vgl.  Z.  58. 76. 100. 101  ^).  b)  lokrisch 
1478  Z.  27  ToTc  aörov  vo|iioic  xptcrai  Kaid  ttoXiv  FeKdcxouc,  andere 
Beispiele  bei  Kühner- Blaß  I»,  1,  S.  600;  c)  delph.  1689  Z.  3 
dTrl[ö]oTO  Lu)ciac . . .  cuj^a  T^vaiKcTov . . .  Kai  töv  uöv  auTctc  '\cQ\x6y. 
vgl  2119  Z.  3,  epidaur.  3340  Z.  25  6  uöc  auToö  usw.  Es  braucht 
wohl  kaum  gesagt  zu  werden,  daß  der  Gebrauchsiunfang  der 
anaphorischen  Pronomina  in  den  griechischen  Dialekten  ein  viel 
weiterer  ist  als  im  Lateinischen,  vgl.  z.  B.  bt  IG.  VII  3348  (3.  od, 
2.  Jahrh.)  Z.  2  dvriGem  tu)C  Fiöiujc  öouXu)c  .  .  .  irapaiieivavTac 
dcauTu  äc  Ka  2[ujei  dvcTKXeiTUJC  kt^  tOc  Tovdüc  auTüü  'er  weiht 
seine  Sklaven  .  . .  indem  sie  bei  ihm  bleiben  soUen,  so  lange 
er  lebt,  ohne  Tadel  und  bei  seinen  Eltern*. 

10.  Überblick  über  die  habituellen  Stellungen  der 
adnominalen  Genetive. 

1.  Der  Genetivus  partitivus  ist  stets  prädikativ  mit 
dem  regierenden  Worte  verbunden.  Er  steht  in  den  Belegen  aus 
den  altem  Inschriften  meist  vor  diesem,  oft  ist  er  von  ihm 
durch  andere  Wörter  getrennt.  In  der  jungem  Sprache  steht 
er  im  allgemeinen  unmittelbar  neben  und  zwar  öfter  hinter 
als  vor  ihm. 

2.  Die  vier  Belege  des  komparativen  (ablativiseheu) 
Genetivs  aus  altem  Inschriften  sind  prädikativ  mit  dem 
regierenden  Nomen  verbunden;  ihre  habituelle  Stellung  ist 
hinter  ihm. 


1)  Freilich  kommen  auch  gelegentlich  —  wie  auch  im  Ionisch- 
Attischen  (vgl.  Kühner-Gerth  II,  1  S.  619)  —  Ausnahmen  von  dieser  Regel 
vor.  So  steht  in  demselben  Testament  der  Epikteta  Z.  16  toO  dTroXcXeiinM^vou 
In  fiou  uioO  'Avbpayöpa  und  ebenso  mit  zwischengestelltem  Partizipium 
Z.  10.  —  Thess.  345  (nach  2U  v.  Chr.)  12  &  d^^^ouv  iröXic. 


202  K.  Meister, 

3.  Der  Genetivus  possessivus^)  hat  stets  attributive 
Stellung.  Dem  artikellosen  regierenden  Worte  folgt  er  unmittelbar 
nach  oder  er  ist  ihm  durch  den  nachgesetzten  Artikel  angegliedert 
(XPnfiaci  ToTc  TouTUJv).  Dasselbe  gilt  für  die  Zufügung  des  Vater- 
namens bei  Eigennamen.  —  Bedeutungsimterschiede  lassen  sich 
weder  zwischen  den  beiden  attributiven  Stellungsweisen  noch 
zwischen  der  Anfügung  mit  und  ohne  Artikel  an  das  artikellose 
regierende  Wort  feststellen. 

4.  Die  übrigen  Genetivarten  konmien  sowohl  in  attributiver 
als  auch  in  prädikativer  Stellung  vor.  Auch  hier  läßt  sich  kein 
Bedeutungsunterschied  machen.  Wenn  sie  prädikativ  verbunden 
sind,  ist  ihre  habituelle  Stellung  hinter  dem  Nomen,  doch  finden 
sich  Ausnahmen  (S.  185.  191). 

Der  objektive  Genetiv  kommt  meist  in  prädikativer  Nach- 
stellung, der  subjektive  dagegen  meist  in  den  attributiven  Ver- 
bindimgen  vor. 

5.  Für  die  Stellung  der  Personalpronomina  als  adnominale 
Genetive  gelten  dieselben  Regeln  wie  im  Attischen. 


Schluß. 


Im  syntaktischen  Gebrauche  des  Genetivs  zeigt  die  Sprache 
der  altgortynischen  Gesetze  und  der  übrigen  archaischen  Sprach- 
denkmäler aus  Kreta  noch  manche  Altertümlichkeit  (S.  147  f., 
159  f.),  aber  die  Richtung,  in  der  der  Dialekt  sich  ent\vickelt, 
ist  dieselbe  wie  in  allen  griechischen  Mundarten.  Ton  den  Be- 
deutungsarten des  Grenetivs,  der  nicht  fest  an  ein  andres  Wort 
angegliedert  ist,  erhält  sich  fast  nur  der  sogenannte  Genetivus 
absolutus,  dagegen  werden  die  meisten  temporalen  Genetive 
(S.  138  f.)  wie  der  des  räumlichen  Bereiches  und  der  Zugehörigkeit 
(S.  147  f.),  die  adverbalen  partitiven  (S.  155  f.)  und  ablativischen 
(S.  167  f.)  wie  der  des  Sachbetreffs  (S.  159  f.)  allmählich  verdrängt 

Aber  was  der  unabhängige  und  freiere  adverbale  Genetiv 
verliert,  gewinnt,  zum  Teil  wenigstens,  der  adnominale.  Die  ganze 
Gruppe  der  partitiven  Genetive  in  Abhängigkeit  von  einem  Nomen 
hat  sich  ja,  wie  uns  noch  verschiedene  Eigentümlichkeiten  ihrer 
Stellung  veiTieten,  aus  ursprünglich  unabhängigen  und  adverbalen 
Genetiven  herausgebildet  (S.  174  f.)  und  auch  mancher  possessive 

1)  In  dem  S.  180  definierten  Sinne. 


Der  syntaktische  Gebrauch  des  Genetivs  in  den  kret.  Dialektinschr.    203 

und  objektive  Genetiv  scheint  erst  in  historischer  Zeit  aus  einem 
alten  adverbalen  erwachsen  zu  sein  (vgl.  S.  167.  181;  158.  165. 
192).  Statt  des  in  den  jungen  Inschriften  so  häufigen  Genetivus 
definitivus  fanden  wir  in  den  alten  andre  Redemittel,  z.  B. 
appositionale  Ausdrücke  (S.  188). 

Diese  Veränderungen  sind  gewiß  zum  Teil  durch  den  Ein- 
fluß der  gemeingriechischen  Kanzleisprache  auf  die  jungkre- 
tischen Dialektinschriften  zu  erklären.  Zum  Teil,  doch  nicht 
allein  dadurch.  Unabhängig  von  dieser  äußeren  Einwirkimg 
werden  allmählich  diese  Änderungen  in  der  Verwendung  des 
Genetivs  auch  in  den  gesprochenen  Mundarten  Kretas  durch 
jene  beiden  inneren  Sprachkräfte  eingetreten  sein,  die  wir  ja 
auch  im  Ionisch-Attischen  in  seiner  Fortentwicklung  vom  Ho- 
merischen zur  Keine  und  weiter  zum  Neugriechischen  verfolgen 
können.  Die  eine  beseitigt  nach  und  nach  den  Gebrauch  selbstän- 
diger Kasusformen  zum  Ausdruck  von  Nebenbestimmungen  des 
Satzes.  Die  andre  wirkt  dahin,  nebengeordnete  Redeteile  hypo- 
taktisch zu  gliedern.  Wie  sie  ursprünglich  selbständige  Sätze  zu 
Perioden  vereinigt,  so  fügt  sie  auch  unabhängige  Teile  des  Einzel- 
satzes zur  Wortgruppe  zusammen.  In  der  Schriftsprache  kann  sie 
natürlich  noch  viel  stärker  wirken  als  in  der  lebendigen  Rede, 
wo  ihr  durch  die  Enge  des  Bewußtseins  Schranken  gesetzt  sind. 

So  lassen  die  kretischen  Dialektinschriften  Fortschritte  der 
Sprache  erkennen,  die  sich  in  dem  Satzbau  der  verschiedensten 
Zweige  des  indogermanischen  Sprachstammes  allmählich  voll- 
ziehen. 


Kritisch-exegetisch  behandelte  Stellen. 


4952  C  10  ...  . 

.  .  .  141  f. 

4991 

4985  Z.  1  ...  . 

.  .  149  A.l 

Z.  8.  .  .  . 

...  148 

Z.  11.  .  .  . 

...  168 

Z.  13.  .  .  . 

...  142 

4991   I  3.  7  .  . 

.  .  .  159f. 

II  2  ... 

.  .  .  147f. 

II  25  .  .  . 

.  .  .  147f. 

II  28  .  .  . 

...  165 

III  14  .  .  . 

...  158 

m  27  .  .  . 

...  170 

IV  14  .  .  . 

.  .  .  153f. 

4992 

IV  25  .  .  . 

...  165 

4993 

V  38 158 

V  49 170 

VI  24 164 

VI  31 163 

VI  53 136 

VII  32 170 

VIII  42 192 

IX  17 164 

IX  23 163 

XI  21 164 

XI  50 160 

II    1 139 

II    2 173 


204 


R.  Meringer, 


4994  Z.  6 164  f. 

4998  VU  10 163 


I  7. 
Z.  1. 
Z.  11. 
Z.  25. 
Z.  2.  3 
Z.24. 
Z.  6. 
b  7  . 


163 
163 
156 


183  A.1 
.  162 
.  198 
.  159 


5073  Z.  15, 142f. 

5075  Z.  16 150 A.l 

5100  Z.  12 142 

5101  Z.  5 139f. 

Z.  21 169 

5120  B  18 136f. 


....  142 
....  200 
5174  Z.  2 170 A.l 


5125  A.  Z.  4 
5167  Z.  10 . 


5000 
5005 
6018 
5039 
5041 
5044 
5056 
6072 

BGH  XXVII  (1903)  S.  219  f.  Z.1 188 

Svoronos,  Numismat.  de  la  Crfete  ancienne  (Macon  1890)  S.  159  n.  12.    154 

K>T)risch  GDI  60  Z.  15.  25 176 

Böotisch  IG  VU  525  Z.  8.  526  Z.  6.  2383  Z.  4.  2406.  3086  Z.  1    .  189  A.  1 
Dittenberger,  Syll.«  80  adn.  35.  48 189 

Leipzig.  K.  Meister. 


Worter  und  Sachen. 

ni^). 

I.  Wörter  mit  dem  Sinne  von  ^müssen'. 

1.  R.  Heinzel*)  sehrieb  mir  am  20.  Juni  1904  mit  Bezug 
auf  IF.  17,  106:  "*Aekern  müssen'?  Ich  möchte  Analogien  für 
diesen  Bedeutungsübergang". 

Auf  eine  Analogie  habe  ich  schon  a.  a.  0.  S.  107  hinge- 
wiesen, nämlich  auf  Robott.  Wo  dieses  im  Verkehrsdeutsch 
sich  findet,  hat  es  meines  Wissens  den  Sinn  *böse  Mußarbeit'. 
Die  Verwendung  des  Wortes  für  *Frohnarbeit'  war  die  Ursache, 
eine  soziale  Einrichtung  legte  den  Sinn  des  Müssens  in  ein 
Wort,  das  sonst  nur  *Ai'beit*  bedeutete. 

Und  so  gibt  es  viele  Wörter,  die  den  Sinn  'müssen'  erst 
durch  die  soziale,  gesellschaftliche,  oder  nur  momentane  Lage  des 

1)  Es  scheint  mir  geboten  zu  sein  zu  bemerken,  daß  ich  auf  jeden 
von  mir  behandelten  Gegenstand  noch  zurückkommen  werde.  Fertig  ist 
in  diesen  vorläufigen  Berichten  aus  meinen  Studien  noch  nichts.  Auch 
auf  eine  Reihe  wertvoller  Fingerzeige  (von  R.  Heinzel,  Schuchardt,  Meyer- 
Lübke,  Much  u.  a.)  kann  ich  erst  bei  späterer  Gelegenheit  eingehen.  — 
Die  Anm.  1,  IF.  17,  101  ist  zu  streichen.  Ndd.  duckt  geht  aus  duft  her- 
vor :  Sütterlin  Zts.  f.  d.  Wortforschg.  6,  72.  —  In  der  Transskription  schheße 
ich  mich  nun  Brugmann  an. 

2)  [t  am  4.  April  d.  J.  K.  N.] 


Wörter  und  Sachen.  III.  20ö 

Sprechenden  erhalten.  Sind  viele  Teilnehmer  einer  Sprachgenos- 
senschaft in  derselben  Lage,  so  ist  die  Bedingung  einer  Bedeutungs- 
änderung des  Wortes  gegeben.  Die  Wörter  'Arbeit,  Sache,  Aufgabe* 
bedeuten  sehr  häufig  durch  ihre  Verwendung  eine  *Mußleistung'. 
Der  Lehrer  gibt  eine  'Arbeit'  oder  'Aufgabe*,  die  gemacht  werden 
muß.  Wenn  ich  sage:  "Es  ist  nicht  meine  Sache,  das  zu  tun'*, 
so  heißt  das,  es  liegt  für  mich  keine  'Mußleistung*  vor.  Wenn 
es  heißt:  "Wer  nicht  hört,  muß  fühlen",  so  bedeutet  hier  hören 
•gehorchen*,  d.  h.  Befehle  ausführen;  aber  auch  'gehorchen*  hat 
ursprünglich  nur  den  Sinn  'hören*,  wie  'folgen*  zuerst  nur  heißt 
Tiinter  jemand  gehen*,  woraus  sich  'oboedire*  entwickelt  hat  'Das 
Gefolge,  das  Gesinde*  sind  Leute,  die  folgen,  mitgehen  müssen, 
also  nicht  freiwillige  Begleiter. 

Im  folgenden  hoffe  ich  zeigen  zu  können,  daß  Wörter  mit  dem 
Sinne  von  Müssen  etymologisch  oft  auf  ganz  indifferente  Wurzeln 
zurückgehen,  und  daß  erst  soziale  Verhältnisse,  die  persönliche 
Lage  der  Sprechenden,  diesen  Sinn  in  die  Wörter  hineingebracht 
haben.  Das  Wort  hat  eben  nicht  im  Munde  aller  denselben  Sinn. 
Ein  reicher  Mann  kann  sagen :  "Ich  zahle  meinen  Beitrag*',  wobei 
das  Zahlen  freiwillig  sein  kann,  keineswegs  juristisch  einforder- 
bar, z.  B.  für  eine  wohltätige  Unternehmung.  Für  die  erdrückende 
Mehrheit  der  Menschen  ist  'zahlen*  aber  'zahlen  müssen',  das 
Abtragen  einer  zu  Recht  bestehenden  Schuld.  'Zalüen'  kann 
aber  auch  unter  Umständen  aus  ethischen  Gründen  und  Anfor- 
derungen den  Sinn  von  'zahlen  müssen*  erhalten. 

2.  Got.  gabaür^  Gebühr,  gebühren. 

Got.  gabaür  n.  bedeutet  XoTict,  collectio,  qpöpoc  Schulze  Goth. 
Glossar  S.  40.  Von  Haus  aus  ist  sein  Sinn  bloß  'das  Zusammen- 
gebrachte*, keineswegs  die  Mußabgabe,  die  Steuer,  der  Zins^). 
Erst  die  soziale  Einrichtung  der  Steuer  bringt  den  Sinn  'Steuer* 
hervor,  und  von  dieser  ist  auch  für  Gebühr,  gebühren  aus- 
zugehen, was  juristisches  Interesse  hat 

Neben  diesem  gabaür  n.  hat  das  Gotische  noch  ein  anderes 
ganz  ähnliches  Wort,  von  dem  Nom.  Plur.  gabaürös^  Dat.  gabaüram 
KÜLiiioc,  comessatio  'Festschmaus'  vorliegen.  Den  Nom.  Sing,  dazu 
setzt  Braune  Got  Gram.^  §  91  Anm.  4  als  gabaür^  v.  Grien- 
berger  Untersuchungen  zur  got  Wortkunde   S.  78  als  starkes 

1)  Man  darf  nicht  an  Geldsteuem  denken.  Inama-Sternegg  Paul 
Grdr.  3«   43. 


206  R.  Meringer, 

Fem.  gabaüra  an,  wobei  er  gabaüram  Rom.  13,  18  aus  Ver- 
mischung beider  Bedeutungen  des  Wortes  erkl&rt,  worin  ich  ihm 
nicht  zu  folgen  vermag,  denn  das  Wort  ist  an  der  Stelle  völlig 
eindeutig.  Von  gabaür  m.  stammt  gabaürjaba  (f)&£uüc  fi&icra)  also 
eigentlich  *in  der  Stimmung  des  Gastmahls*,  was  vielleicht  zu 
den  Gedanken  stimmt,  die  ich  mir  über  got  laßaleiko  IF.  16,  116 
machte,  v.  Grienberger  vermutet  bei  gabaür  m.  eine  Art  Picknick. 
Ich  denke,  er  hat  nicht  weit  gefehlt;  ich  glaube  die  Bedeutimg 
von  gabaür  n.  'Steuer',  'bemüßigte  Beitragsleistung'  weist  auf  ein 
Gustmahl  auf  gemeinsame  Kosten  hin,  eine  bösartige  Förderung 
des  Exzesses,  weil  der  Zurückhaltende  nichts  von  seiner  Tugend 
hatte.  Vgl.  die  Wörter  Zeche  und  Gilde,  von  denen  das  erste 
sicher  einem  derartigen  Brauche  entstanmit,  das  zweite  möglicher- 
weise. Weiter  scheint  mir  got  gabaürjößus  f\boy/r\  Luk.  8.  14  zu 
zeigen,  daß  bei  diesen  Gastereien  die  geschlechtliche  Unzucht  oft 
nicht  fehlte.  Wegen  des  Beitrags  vgl.  q)opdv  cpdpeiv  beim  Ipavoc. 
Brugmann  Kurze  vergl.  Gr.  S.  147  gibt  den  ganzen  Ablaut 
der  Wz.  bher  so  an :  ai.  dbhär^am^  <pujp,  qpipui,  qpopd,  got  baür^ 
öiqppoc.  Das  letztere  hat  besonderes  sachliches  Interesse  wegen 
seiner  Bedeutungen  *Wagenkorb',  'Sessel*  und  seiner  Verwandt- 
schaft mit  Zuber.  War  der  Wagenkorb  zuerst  ein  'Zuber*,  ein 
zweihenkliges  Flechtwerk?  Auf  Grund  welcher  sachlicher  Ände- 
rungen ist  dieser  Stand  für  zwei  Personen  zu  der  Bezeichnung 
eines  Einzel  sitz  es  geworden?  In  der  Zeitschr.  f.  d.  österr. 
Gyran.  1903  S.  387  habe  ich  ä|iaEa  als 'Einachser'  erklärt.  Diese 
Erklärung  wird  durch  den  Hinweis,  daß  das  Wort  den  vier- 
rädrigen Lastwagen  bedeutet,  nicht  widerlegt^),  ebensowenig  als 
die  einfüßige  TpdTreZ;a  die  etymologische  Erklärung  des  Wortes 
als  'Vierfuß'  hinfällig  machen  kann.  Wir  stellen  uns  unter  'Eimer* 
ein  henkelloses  Gefäß  vor,  weil  wir  an  den  Biereimer  denken, 
obwohl  das  Wort  ein  offenes  Holzgefäß  mit  einem  Henkel  (ahd. 
eimbar)^  wie  es  jetzt  noch  weit  verbreitet  ist,  bedeutet*). 

3.  Gr.  cpopoc  'Zins',  lat  refert, 
Gr.  cpopoc  enthält  etymologisch  ebensowenig  den  Sinn  einer 
Mußleistung  wie  got  gabaür.   Die  beiden  Wörter  stimmen  darin 

1)  Diesen  Einwand  hat  jetzt  Kretschmer,  Kuhns  Zts.  39,  549  wirklich 
gemacht.    Ich  komme  auf  die  Sache  bald  wieder  zurück. 

2)  Ob  nicht  &Mq)opiS  (vgl.  lat  amphora),  d|üiq)op€uc  ursprünglich  (aus 
*ham-phora)  das  einhenklige  Gefäß  bedeutete  wie  d^(pl(pop€uc  das  zwei- 
henklige ? 


Wörter  und  Sachen.  III.  207 

überein,  daß  die  Art  der  Steuer  durch  die  Bedeutung  *das  Ge- 
tragene, die  Tracht'  als  ein  Abgabeteil  der  Feldfrucht  gekenn- 
zeichnet wird.  Was  ist  der  Sinn  von  med  refert?  J.  H.  Schmalz 
Lat.  Gr.»  S.  242,  Delbrück  Vergl.  Syntax  1,  330.  Liegt  etwa  eine 
dativische  Konstruktion  vor:  *meä(i)  re(i)  fert^)?  Vielleicht  er- 
zählt die  Verbindung  von  einem  Tragen,  einer  Mußabgabe  zu 
dem  Besitze  des  Sprechenden.  Dative  auf  €  Lindsay-Nohl  S.  443, 
Sonuner  S.  431;  Dative  auf  ä  Lindsay-Nohl  S.  443,  Sommer 
S.  355.  Ich  übersetze:  "Er,  es  bringt  (den  Tribut)  meinem  Besitze*. 

4.  Ahd.  gaföri^  gifuori. 
Auch  dieses  Wort  scheint  irgendwo  den  Sinn  einer  be- 
müßigten Abgabe  gehabt  zu  haben,  wenn  mlat  gaforium  DuCange 
8.  V.  richtig  erklärt  wird  "exactio,  tributum  haud  debitum,  per 
vim  et  contra  jus  surreptum".  Vgl.  Reichenauer  Glossen  607 
opportunitate  gaforium^  875  compendium  gaforium^  wozu  F.  Diez 
Altrom.  Glossen  S.  32.  Ahd.  gaföH  (Graff  3,  601),  Mas  Geführe* 
bedeutete  wohl  zuerst  die  einfahrende  Ernte,  dann  'commodum 
(vgl.  za  gafore  ad  commodum  inhaltlich  mit  med  refert)^  lucrum, 
prosperitas,  sumptus*,  aber  auch  'die  fahrende  Habe,  supellectile, 
utensilia*.  Den  Gebrauch  von  giftutri  bei  Otfrid  sieh  Kelle  s.  v.: 
fuar  er  (Zacharias)  auh  tho  sdre  zi  stnemo  gifuare  *in  seine  Heimat*. 
In  villam  suam  zi  ^nemo  gefuare  Xanth.  Gl.*). 

1)  H.  Schenkl  macht  mich  aufmerksam,  daß  für  einen  Dativ  auch 
mea  interest  sprechen  würde  (=  *meä(i)  re{i)  itUerest).  Nach  convivio  inter^ 
tue  *beim  convivium  dabeisein'  bedeutete  die  Wendung  *es  gehört  zu  meiner 
S&che,  meinem  Besitz'.  Daß  meä  interest  erst  nach  med  refert  gebildet  ist, 
halte  ich  für  unwahrscheinlich.  Schmalz  ',  S.  242.  Wegen  refert  und  interett 
Delbrück  Verf.  Syntax  3,  36.  Brugmanns  Erklärung  (id  ad)  meOa  res  fert 
IF.  8,  218  ff.  könnte  ich  mir  von  meinem  Standpunkte  aneignen :  *er,  es 
trägt  bei  zu  meinem  Besitze',  also  anfänglich  rein  sinnlich. 

2)  Zu  den  Bedeutungen  Heim',  villa  von  ahd.  gefuore  ist  daran  zu 
erinnern,  daß  das  gezimmerte  Haus  nach  deutschem  Recht  zur  fahrenden 
Habe  gehört.  K.  v.  Amira  Paul  Grdr.  3*,  §  63,  S.  173.  Man  begreift  die 
Sache,  wenn  man  erfährt,  daß  heute  noch  in  der  Herzegowina  die  Häuser 
im  Sommer  zu  den  Feldern  gezogen  werden  (mit  vorgespannten  Ochsen).  Das 
heutige  Holzhaus  bietet  in  seiner  Konstruktion  keine  Erinnerung  mehr  daran, 
daß  es  einst  fahrbar  war.  Aber  ich  halte  es  für  möglich,  dsJ^  die  schütten- 
kufenförmigen  zwei  Schwellbalken,  auf  denen  die  Holzhäuser  standen, 
welche  manche  kleinasiatische  Grabstätten  nachahmen,  zum  Zwecke  der 
leichteren  Verschiebung  ihre  Gestalt  erhalten  hatten.  Freilich  darf  man 
diese  nicht  so  rekonstruieren,  wie  das  G.  Niemann  Reisen  im  südwestlichen 
Kleinasien  1,  97,  Fig.  53  getan  hat,  indem  er  die  Querbalken  A  unter  den 


208  R.  Meringer, 

Ich  gebe  v.  Grienberger  Recht,  got  gafaürs  als  Tiefstufe 
zu  diesem  Worte  zu  fassen  und  kann  mir  nicht  denken,  warum 
Braune  Got  Gr.*  §  130  gafdurs  liest  ühlenbeck  Et  Wtb.  nennt 
das  Wort  unerklärt. 

5.  Ags.  gafol 
Das  Wort  bedeutet  vectigal,  tributum,  census,  usura.  Vom 
Germ,  wandert«  es  zu  den  Romanen  vgl,  Körting  4112,  Kluge- 
Lutz  s.  V.  gaid.  Da  es  mit  der  Sippe  von  geben  zusammen- 
hängt, hat  es  zuerst  indifferenten  Charakter.  Im  air.  bedeutet 
gcAitn  *ich  nehme*.  Vgl.  v^mw  "teile  zu*  zu  got  nima  Xaiißdvuj 
aipuj  nehme.  Lit  gaband  "ein  Armvoll*,  gabStUi  "bringen*  ur- 
verwandt oder  entlehnt?  Wahrscheinlich  alte  Sprach  welle  an  der 
Grenze  (vgl.  S.  230  Anm.).  Auch  tributum  bedeutet  bloß  "Zugeteiltes*. 

6.  Lat  opus  est. 

Vgl.  IF.  17,  127.  Weiter  0.  Schrade  Altd.  Wtb.  S.  1057; 
wegen  lat  omnis  Brugmann  Begr.  d.  Total.  64  f.,  Lid6n  Stud.  z. 
ai.  u.  vergl.  Sprachgesch.  S.  73,  Delbrück  Synt  1,  253. 

Ich  habe  a.  a.  0.  die  Meinung  ausgesprochen,  daß  die  Wz.  dp 
sich  auf  den  Ackerbau  bezog  und  habe  das,  soweit  ich  es  auf 
diesen  raschen  Streifzügen  konnte,  zu  begründen  versucht.  Die 
verschiedenen  Bedeutungen  der  Wz.  in  den  einzelnen  Sprachen 
scheinen  mir  —  wenn  man  die  sozialen  Verhältnisse  heran- 
zieht —  sich  dieser  Annahme  leicht  zu  fügen. 

Interessant  ist,  daß  die  Wz.  mehrfach  die  ganz  allgemeine 
Bedeutung  "wirken*  u.  dgl.  angenommen  hat,  ähnlich  wie  ttoieiv, 
pflegen,  machen,  wirken  usw.  sich  entwickelt  haben.  Das 
ist  namentlich  auf  indoiranischem  Boden  erfolgt  vgl.  nur  ai.  suäpas 
*ein  kunstvolles  Werk  bereitend'  und  av.  hväpah-  "wohl  wirkend, 
schön  schaffend*. 

Auf  die  sinnliche  Bedeutung  "ackern*  geht  ÖTruieiv  "heiraten* 
zurück.  Es  stammt  von  einem  *07ru'ia,  *opusi  "eine,  die  geackert 
hat*,  euphemistisch  für  die  NichtJungfrau.  Aber  auch  die  allge- 
meine Bedeutung  muß  das  Griechische  einst  gehabt  haben,  denn  nur 
so  erklärt  sich  TTriveX-ÖTreia  "Gewebe -Wirkerin*,  wie  Cuitius^  276 


kufenförmigen  Schwellbalken  B  hervorstehen  läßt.  Niemanns  Rekonstruktion 
ist  auch  nach  dem  Material,  das  das  Werk  bietet,  nicht  zwingend.  Vgl. 
Bd.  2  (Petersen  u.  v.  Luschan)  Taf.  V,  XIII,  S.  23  Fig.  15 ;  Bd.  1  (Benndorf 
u.  Niemann)  S.  33  Fig.  25,  S.  51  Fig.  33,  S.  94  Fig.  51,  S.  137  Fig.  80. 


Wörter  und  Sachen.  III.  209 

gesehen  hat.  Die  Form  *OTr€ia  =  *apue8i  ist  das  willkommene 
Seitenstück  zu  dem  früheren  *07Tuia  vgl.  Brugmann  Gr.  Gr.*  S.210. 

Opus  est  heißt  also  eigentlich  nur:  *e8  ist  Feldarbeit*.  Wie 
soll  aber  der  Begriff  "es  ist  nötig,  notwendig,  von  Nöten*  hinein- 
gekommen sein?  Dadurch,  daß  die  Feldarbeit  elendeste  Muß-, 
Zwangs- Arbeit  war. 

R  Hildebrand,  Recht  und  Sitte,  klärt  ims  am  besten  darüber 
auf.  Er  sagt  S.  46:  "Auch  wird  der  Ackerbau  zuerst  nur  durch 
ganz  verarmte  Familien  betrieben,  da,  solange  einer  nicht  durch 
die  Xot  dazu  gezwungen  ist,  sich  dem  Ackerbau  zuzuwenden, 
er  dies  auch  nicht  thut".  Und  S.  142:  "Solange  Einer  nicht  durch 
die  Not  dazu  gezwungen  ist,  den  Grimd  und  Boden  selbst  oder 
mit  eigener  Hand  zu  bebauen,  thut  er  dies  auch  nicht,  wird 
kein  Bauer**. 

Vgl.  auch  v.  Amira  Paul  Grdr.  3«,  14:  "Die  Hufe  wird 
entweder  vom  Eigenthümer  selbst  bebaut  (d.  h.  wohl  von  seinen 
Dienstleuten?)  oder  als  Zinsgut  an  Unfreie  oder  Halbfreie  aus- 
gethan  (mansus  dorainicatus  —  servüis)**. 

Die  Ackerarbeit  ist  überall  Knechtsarbeit,  Arbeit  des  Un- 
freien oder  Unterjochten.  Die  herrschenden  Stände  haben  diese 
Art  produktiver  Arbeit  zumeist  nicht  verrichtet.  Auch  das,  daß 
der  Ackerbau  geradezu  eine  Quelle  der  Sklaverei  werden  konnte, 
ist,  so\'iel  ich  sehen  kann,  eine  Ansicht  der  berufenen  Männer. 
Tgl.  imten  bei  Arm  (*pauper'),  Herodot  (5,  6)  von  den  Thrakern: 
dpTÖv  eivai  KdXXicrov,  Tflc  bk  ip^&n\v  dtifiÖTaTOV. 

Aber  im  ältesten  Rom  soll  es  eben  anders  gewesen  sein. 
So  sagt  Magerstedt  Bilder  aus  der  römischen  Landwirtschaft  5, 33 : 
"Die  alten  Römer  waren  Leute,  wie  etwa  der  Landmann  Hesiods 
oder  der  aristophanische  Strepsiades;  unbekümmert  lun  Handel 
und  Händel  trieben  die  Besten  Landbau  (opas^  folgen  Zitate)  als 
vorzugsweise  Arbeit  (labor^  cpra),  zu  der  sie  die  Frühsonne  weckte, 
Ton  der  sie  die  Stunde  der  Stierabspannimg  erst  schied".  Wie 
schön,  so  ganz  nach  J.  J.  Rousseau!  Als  ein  Ideal  mag  das 
Manchem  erschienen  sein,  aber  Wirklichkeit  war  es  in  dieser 
Allgemeinheit  wohl  nie. 

Woher  stammt  denn,  wenn  es  so  war,  das  Wort  servus? 
Seine  Bedeutung  war  doch  nur  *Ackersklave*,  denn  wozu  hätte 
man  ihn  sonst  gebraucht?  Leider  ist  die  Etymologie  des  Worts 
noch  zweifelhaft  (Brugmann  Grdr.  1«,  601,  Schrader  R.  L.  809). 
Luc.  Q.  Cincinnatus  wurde  vom  Pfluge  zur  Diktatur  berufen! 


210  R.  Meringer, 

Die  Sache  hätte  weniger  Eindruck  gemacht,  wenn  der  Vorfall 
nicht  vereinzelt  gewesen  wäre.  Jedenfalls  sind  Männer,  die  zu 
solchen  Ehren  berufen  wurden,  gewöhnlich  nicht  beim  Pfluge 
zu  finden  gewesen. 

Daß  der  Ackerbau  aber  als  höchst  notwendig  erkannt  wurde 
und  sehr  ernst  betrieben  wurde*),  braucht  nicht  geleugnet  zu 
werden  (Mommsen  R.  6.  1  •,  182  ff.).  Es  steht  deshalb  auch  frei, 
anzunehmen,  daß  in  opus  est  der  Begriff  der  Notwendigkeit  aus 
dem  Grunde  hineingekommen  ist,  daß  es  der  Sinnesart  der 
tonangebenden  Männer,  der  führenden  Minorität,  entsprach,  den 
Ackerbau  hochzuhalten,  wenn  sie  auch  nicht  selbst  ackerten. 

Wichtig  für  die  Beurteilung  ist  die  Frage,  ob  in  ältester 
römischer  Zeit  das  Ackerland  gemeinsam  oder  getrennt  bestellt 
wurde.  Mommsen  hält  es  für  wahrscheinlich,  daß  die  Geschlechts- 
genossenschaften gemeinsam  arbeiteten  und  daß  erst  der  Ertrag 
unter  die  einzelnen  dem  Geschlechte  angehörigen  Häuser  ver- 
teilt wurde.  Es  ist  zuzugeben,  daß  eine  solche  gemeinsame  Arbeit 
vielleicht  eher  eine  Lebensauffassung  herbeiführen  konnte,  der 
*Acker  bebauen'  ein  'Acker  bebauen  Müssen*  war.  Vgl.  das  unten 
bei  aksl.  tribu  'necessarius*  aus  *Roden  müssen'  Gesagte. 

Ich  denke,  dieses  Wenige  genügt,  um  die  Bedeutung  opus 
est  =  *es  ist  Mußarbeit'  plausibel  zu  machen.  Von  da  an  zur 
allgemeinen  Bedeutung  'es  muß,  es  ist  notwendig'  führt  ein 
nur  mehr  kleiner  Schritt.  Opus  est  affirmare,  opus  est  ire,  opus 
est,  ut  lavem  etc.  scheinen  mir  damit  vollkommen  erklärt. 

Eine  andere  Frage  ist,  wie  weiter  opus  est  (aliqua  re)  zum 
Sinne  von  'etwas  nöthig  haben'  gelangte.  Doch  berührt  uns 
diese  Frage,  die  nur  aus  einem  größeren  Zusammenhang  zu 
lösen  ist,  hier  noch  nicht. 

Zur  Wz.  *op  gehört  vielleicht  die  germ.  Sippe  von  got 
ufta^  oft  Man  kann  auf  diesen  Gedanken  kommen,  seitdem 
aisl.  opt  in  der  Bedeutung  'reichlich,  in  Fülle'  nachgewiesen 
ist,  was  Richert  getan  hat  (Vgl.  Detter-Heinzel  Edda  2,  95, 
Gehring  Vollst.  Wtb.  Sp.  799).  Das  würde  schön  zu  lat.  opes  usw. 
passen.  Aber  wie  verhält  es  sieh  mit  dem  Vokal  m,  o?  Ist  er 
der  Vci-ti-eter  eines  9  (Hii-t  Ablaut  S.  52,  Noreen  Abriß  S.  87). 
Oder  hat  man  eine  Nebenfonu  der  Wz.  öup(öp):  up  anzunehmen? 

1)  F.  Orth  Der  Feldbau  der  Römer.  Ib.  d.  k.  Kaiser-Friedrichs- 
Gymnasiums  zu  Frankfurt  a.  M.  1900  S.  3.  Bedeutg.  der  Sklaven  in  der 
röm.  Landwirtschaft  S.  5  ff.,  S.  9  unten,  S.  13—16. 


Wörter  und  Sachen.  UI.  211 

Zu  oft  vgl.  noch  D.  Wtb.  s.  v.,  Uhlenbeck  PBrB.  26,  305.  Wegen 
got  auftö^  das  Uhlenbeck  für  verwandt  hält,  vgl.  Brugniann  Die 
Demonstrativpronomina  S.  66  Anm. 

7.  Deutsch  müssen. 

Oot.  gamöt  findet  sich :  waürd  mein  ni  gamot  in  izms  ou 
Xujp€i  iv  ufiTv  I.  8,  37 ;  Jah  suns  gaqemun  managai^  stmstce  jupan 
ni  gamöstedun  nih  at  daüra  uicre  ^itik^ti  x^P^^v  |Lir|^^  tA  Trpöc 
TTiv  eupav  Mc.  2, 2;  gamöteima  in  izicis  xu^pncate  ^|Liäc  2.  Kor.  7, 2. 
Got  gamöt  heißt  also  *habe  Raum'.  Im  Nordischen  ist  das  Verbum 
nicht  belegt.  In  den  westgerm.  Dialekten  liegt  die  Bedeutung 
^Erlaubnis  haben,  dürfen'  vor,  die  bisweilen  schon  in  *Gezwungen- 
sein'  umschlägt  D.  Wtb.  6,  2748.  Die  Bedeutung  'müssen'  findet 
sich  im  Ahd.  As.  Ags.  Afr.  erst  in  den  Anfängen  und  tritt  vor 
dem  Mhd.  nicht  entschieden  hervor.  Welche  Rolle  dabei  speziell 
der  verneinende  Satz  spielt,  bleibt  noch  unentscliieden. 

Ich  glaube,  daß  man  mit  Recht  müssen  zu  messen 
gestellt  hat  (Delbrück  Syntax  II,  331),  wenn  es  auch  Kluge 
bezweifelt  Nur  darf  man  got  gamöt  nicht  als  *ich  habe  für 
mich  ausgemessen'  deuten  wollen,  weil  es  schwerfallen  wird, 
anzugeben,  welcher  reale  Gedanke  dabei  vorliegt  und  weil  aus 
*ich  habe  für  mich  ausgemessen'  doch  nirgend  in  der  Welt  ein 
*ich  darf*  u.  dgl.  folgert  Das  Perfekt  gamöt  heißt  vielmehr  'ich 
habe  zugemessen',  *habe  zumessen  müssen,  habe  meine  Abgabe 
entrichtet'. 

Und  darauf  führt  auch  got.  möta  *Maut,  Zoll'  tIXoc,  teXuüViov, 
mütareis  TeXibvric  'Zöllner'.  Wer  seine  möta  entrichtet  hat,  gamöt, 
der  ist  frei,  *hat  Raum'.  Die  möta  war  gewiß  eine  Abgabe  in 
Naturalien.  Das  stinmit  zu  der  Herkunft  von  mitan  'messen', 
lat  modius  *  Scheffel',  modus,  \xih\\ivoc  'Scheffel*,  indtpov  usw. 
Der  Ablaut  ö  im  Perfekt  einer  e- Wurzel  ist  nichts  weniger  als 
unerhört,  denn  för,  drög,  grob  (gröf  Braune  Got  Gr.*^  26)  stammen 
von  «-Wurzeln.  Der  Ablaut  ö  findet  sich  auch  in  dem  ebenfalls 
hierhergehörigen  und  auch  hierhergestellten  ahd.  muos  *Mus', 
das  zu  got  mats  *die  Speise'  gehört  und  ebenso  *das  Zugeteilte, 
Zugemessene'  bedeutete  wie  lat  mensa  (Verfasser  SBAW.  Wien 
144  S.  81,  Brugmann  lA.  14,  47).    Noreen  Lautlehre  S.  50. 

Aber  wenn  auch  möta  die  Bedeutung  *Maut*  allein  ge- 
habt haben  soll,  gamöt  hat  sich  wohl  sicher  nicht  allein  auf  den 
Wegzoll  bezogen,  sondern  auf  jede  Mußabgabe;  denn  das  Zahlen 


212  R.  Meringer, 

war  den  Germanen  ein  Zumessen,  weil  es  an  Geld  fehlte. 
Vgl.  V.  Inama-Stemegg  Pauls  Grdr.  3*,  43.  Bis  zur  Völker- 
wanderung gab  es  nur  römisches  Geld  und  nur  in  den  Grenz- 
bezirken dürfte  es  überhaupt  eine  Geldzirkulation  gegeben  haben. 
Die  Tauschmittel  waren  Ackerfrucht,  Wollzeug,  für  gi-oße  Aus- 
gaben Vieh.  Von  den  beiden  ersteren  begreift  sich  der  Ausdruck 
messen  ohne  weiters. 

Die  weitere  Geschichte  des  Worts  mota  gehört  nicht  hieher. 
Die  Sklaven  haben  das  Wort  übernommen  und  machten  *fnüto 
(vgl.  buky  aus  *böko)  daraus i),  was  die  Germanen  im  Grenzverkehr 
wieder  zurückempfingen  (vgl.  ahd.  mäto,  mhd.  müte\  worauf  das 
Wort  ins  mlat  (mtUa)  eindrang  und  von  da  nach  dem  Norden 
kam:  müia  ^Geschenk,  Bestechung*,  0.  Schade  S.  632,  Cleasby- 
Vigfusson  440,  Falk-Torp  Et  ordbog  532.  Aus  *müto  wurde 
aksl.  myto  (während  buky  blieb),  nsl.  mite  ^Bestechung*,  serb. 
mito  *  Bestechung'  (wovon  alban.  mit$)  usw.  Maut  bedeutet  im 
Bairischen  *Maut*  und  •MahUohn*.  Vgl.  Kluge  D.  Wtb.  Vgl.  auch 
Maute  D.  Wtb.  (ahd.  Horrea  müUun  Steinmeyer  2,  627,  50). 

Für  das  got  gamöt  *habe  Raum*  könnte  man  eventuell  mit 
der  Deutung  *habe  meinen  Wegzoll  erlegt'  auskommen.  Wenn 
aber  die  westgerm.  Sprachen  die  Bedeutung  *habe  Erlaubnis, 
darf'  zeigen,  dann  hat  möt  wohl  von  allen  Verpflichtungen, 
Zahlungen,  d.  h.  von  allem  ^Zumessen  müssen*  gegolten  und  'ich 
habe  zugemessen*  war  die  Grundbedingung  der  büi-gerlichen 
Rechte,  *des  Erlaubnishabens',  Mos  Dürfens',  was  immer  auch  der 
reale  Inhalt  dieser  Wörter  war.  Über  die  Abgaben  später.  Im 
Ahd.  entwickelt  mtwga  ganz  begreiflich  den  Sinn  fas,  facultas, 
licentia,  otium,  Muße  in  unserm  Sinne,  miiogfig  müßig. 

Aus  der  Erfüllung  einer  Mußleistung  haben  sich  also  die 
Bedeutungen  *habe  Raum',  'darf'  entwickelt.  Wo  wurzelt  aber 
unser  müssen?  Es  scheint  sich  erst  später  aus  den  anderen  Be- 
deutungen zu  entwickeln.  Aber  gerade  das  halte  ich  füi-  nicht 
gut  denkbar.  Ich  kann  mir  unser  müssen  nur  so  erklären,  daß 
ein  denominatives  *mötan^  *mötjan  des  Sinnes  'Abgabe  leisten' 
d.  h.  *  Abgabe  leisten  müssen'  in  das  perfektische  möt^  das  die 
Befreiung  von  der  Schuld  ausspricht,  hineingebracht  wurde. 

Und  daß  *mötjan  *Mota  zahlen'  existiert  hat,  beweist  got 
gamötjan^  das  'begegnen'  bedeutet,  aber  eigentlich  'zusammen 


1)  H.  Hirt  PBrB.  23,  339. 


Wörter  und  Sachen.  lU.  213 

Motazahlen'  heiBt,  denn  diese  Zahlungen  fanden  bei  den  großen 
Yersammlungen  statt,  wo  alles  herbei  kam. 

Vgl.  <et  Dunresfelda  on  ßcem  gemoie  *auf  der  Versammlung 
zu  Thundersfield,  Liebermann  Gesetze  der  Angelsachsen  1,  171 
(Jlthelstan,  JEt  Thunresfdda  6»),  Ags.  folcgemöt  v.  Amira«  §  83 
S.  203;  witenagemöt  §  46,  S.  147.  Aisl.  möt  ^Grenze'  ebd.  §  32 
S.  127.  Ags.  mäan  ist  nengl.  meet  Vgl.  gif  he  gemeted  oßerne 
(rt  his  awum  wife  "wenn  er  einen  anderen  trifft  bei  seinem  ehe- 
lichen Weibe'  Liebermann  S.  76  (Alfred  [42,  6]).  Wegen  möt 
'kann':  Borges  man  möt  odsacan  (cetsacan)  Plegium  potest  homo 
pemegare*von  Bürgschaf ts[pflicht]  kann  sich  jemand  freischwören* 
liebermann  S.  106  [Ine  [41]), 

Wir  werden  mit  Recht  gamötjan  auf  die  Versammlungen 
beziehen  können,  von  denen  Tacitus  cap.  11, 12  berichtet,  die  allen 
agendis  rebus  gewidmet  waren,  namentlich  den  juristischen  Ge- 
schäften. Müllenhoff  D.  A.  4,  252. 

Wulfila  nannte  diese  Versammlungen  maß^  mit  welchem  Woi-te 
er  dtopd  übei"setzt.  Daß  diese  zu  öffentlichen  Eröiterungen  benützt 
Würden,  beweist  maßljan  XaXeiv  sermocinaii ;  daß  für  Ordnung 
Vorsorge  getroffen  war,  beweist  faiiramaßleis  apxujv  usw.  und 
faüramaßli  Die  Etymologie  von  maßt  fühil  auf  *mod-tlo-  (Wiede- 
mann  IF.  1, 512  f. ;  vgl.  weiter  Uhlenbeck,  v.  Grienberger  s.  v.)  nach 
de  Saussure's  Gesetz  (M6m.  6,  246,  Brugmann  Grdr.  1 «,  635  f.) 
zurück,  also  auf  die  Wz.  med^  mit  der  wir  es  hier  immer  zu  tun 
haben,  *motl(h  war  also  der  Ort  des  Messens,  nicht  bloß  der 
Markt,  da  die  Wz.  schon  lang  auf  geistiges  Gebiet  übergegangen 
war  (firibofiai,  lidbuüV,  air.  midiur,  meditari  usw.).  Wegen  der  sach- 
lichen Verhältnisse  noch  v.  Amira  Paul  Grdr.  3«,  §  83  S.  203.  — 

Noch  ist  ein  Gedanke  abzuwehren.  Man  könnte  sagen,  muß 
bedeutete  *ich  habe  mir  zugemessen*.  Aber  denkt  denn  der  ein- 
fache Mensch  so?  Für  ihn  ist  das  Muß  nicht  das,  was  er  sich 
zumißt,  sondern  was  ihm  zugemessen  wird,  nicht  was  er  sich 
befiehlt,  sondern  was  der  Andere,  Mächtigere  ihm  befiehlt.  Es 
hieße  ihm  Gedanken  der  nachkantischen  Zeit  zuschreiben,  wenn 
man  sein  'Muß*  aus  dem  Innern  des  Pflichtgefühls,  aus  einem 
'ich  habe  mir  zugemessen*  entstehen  ließe. 

Deutsch  müssen  ist  in  die  slavischen  Sprachen  gedmngen 
und  ziemlich  weit  verechleppt  worden,  ins  Cech.,  Pol.,  Ober-  und 
Xiedersorb.,  Klein-  und  Weißmssische.  Miklosich  Et  Wtb.  205. 
Auch  das  Lit  iind  Magy.  haben  es  aufgenommen.  Die  Aufnahme 

Indogennanische  Fonchimgeii  XVIU.  15 


214  R.  Meringer, 

muß  spät  erfolgt  sein;  vor  ihr  liegt  die  Entlehnung  von  dürfen 
Miklosich  s.  v.  *cterW-  S.  41,  Gebauer  Slovnlk  s.  v.  drbiti.  Was 
war  aber  der  Grund  dieser  Entlehnung?  Man  hat  gewiß  ein  Recht, 
so  zu  fragen,  denn  es  ist  überraschend,  daß  ein  Wort  dieses 
Sinnes  entlehnt  wird.  Das  Wort  muß  den  Slaven  Eindruck  ge- 
macht haben,  d.  h.  seine  Anwendung,  die  Auffassung,  die  ihm 
zugrundelag,  etwa  wie  wir  auf  anderem  Gebiete  des  Gefühllebens 
vom  Engländer  fair^  vom  Franzosen  chic  entlehnt,  das  letztei-e 
mit  neuem  Sinne  zurückentlehnt  haben. 

Wegen  gamöt  *habe  zumessen  müssen*  folgen  hier  einige 
Worte  über  Abgaben  bei  den  Germanen.  Vgl.  0.  Schrader  RL. 
S.  2  s.  V.  Abgabe. 

Wir  finden  bei  Tacitus  verschiedene  Abgaben: 

1.  Die  Geschenke  an  den  Fürsten.  Germ.  c.  15 :  Mos  est 
civüatibm  vitro  ac  viritim  conferre  principäms  vd  armentorum  vd 
frugum,  quod  pro  honore  acceptum  etiam  necessitatUms  subvenit 
Müllenhoff  DA.  4,  276.  Wenn  diese  Abgabe  auch  ultro  *aus 
freien  Stücken'  erfolgt,  so  werden  wir  sie  uns  doch  als  Muß- 
abgabe voi-stellen,  denn  es  war  mos^  eine  Gepflogenlieit,  von  der 
abzuweichen  dem  einzelnen  nicht  erlaubt  war.  Die  Abgabe  war 
freiwillig  in  dem  Sinne,  wie  wir  von  einem  Einjahrig-Freiwilligen- 
Dienst  reden,  bei  dem  sehr  wenig  Fi-eiwilligos  vorhanden  ist.  Cap.  18 
heißt  es  weiter  von  den  pnncipes :  legationibtis  et  tnuneribus  or- 
nantur,  Hildebraud  Recht  und  Sitte  1,  108  f.  Zwischen  diesen 
usuellen  *fi'eiwilligen'  Geschenken  imd  wirklichen  Steuern  wird 
also  nur  ein  formaler  Untei'scliied  bestanden  haben,  kein  essen- 
tieller. Die  Fonn  ist  aber  zweifellos  gewählt  worden;  denn  Tacitus 
findet  das  Abgabenleisten  so  ungennanisch,  daß  er  die  Cotinen, 
die  das  tun,  nur  deshalb  für  Nichtgeimanen  erkläit  (cap.  43  Müllen- 
hoff D.  A.  4,  483). 

2.  Die  Abgaben  der  servi^  Unfreien.  Tacitus  c.  25,  Müllenhoff 
S.  354  ff.  Frumenti  modum  dominus  atä  pecoris  atä  vestis  ut  cclotio 
iniungit^  et  serviis  hactenm  paret.  Der  HeiT  legt  seinem  Sklaven 
eine  bestimmte  Abgabe  von  Getreide,  Vieh,  Geweben  (Wollzeug, 
Leinen)  auf,  wie  es  der  römische  dominm  seinem  colotius  tat  *) 

Hier  haben  wir  eine  Mußabgabe  ureigenster  Art  vor  uns. 
Diese  servi  sind  nach  ffildebrand  a.  a.  0.  101,  104  ihrer  großen 
Mehrzahl  nach  durch  Vei-schuldung  zinspflichtig  oder  hörig  ge- 


1)  F.  Orth,  Feldbau  der  Römer  S.  11. 


Wörter  und  Sachen.  III.  215 

wordene  Bauern.  Ihre  Stellung  entspricht  der  des  römischen  cdonm^ 
des  oiK€uc,  nicht  des  öoOXoc. 

3.  Bei  einigen  Völkerschaften  Abgaben  an  die  Römer.  Vgl. 
Taa  a  29,  38.  Von  den  Batavern  heißt  es  nee  tribtdis  contem- 
nuntur  necpublicanuaatterü.  Es  ist  also  wohl  vorgekommen,  daß  der 
Staatspächter  der  vecHgcdia  die  Völker  geschunden  und  miniert  hat 

4.  Bußen  Schuldiger  Tac.  c.  12,  21.  Die  von  Tacitus  er- 
wähnten Bußen  bestehen  in  Rindern  und  Pferden,  wobei  von 
einem  miian  nur  in  übeilragener  Bedeutung  die  Rede  sein  kann. 
Es  hat  aber  wohl  auch  geringere  Bußen  (in  Getreide,  Webstoffen) 
gegeben.    (Vgl.  weiter  Hildebi-and  S.  145  f,  148,  157,  183). 

Die  Abgaben  der  Sklaven,  die  Geschenke  an  den  Püi-sten,  — 
die  Bußen  der  Schuldigen  —  alles  gewiß  altem  Bi-auche  gemäß 
—  sind  reichlich  fließende  Quellen  füi-  gamät  *ich  habe  zumessen 
müssen*  :  *ich  kann,  darf'  gewesen. 

8.  Aksl.  tribi  "necessarius*. 

Aksl.  tribb  dvaTKaioc,  necessarius ;  tribS  adv,  xptio,  opus  est, 
Miklosich  Gr.  4, 459,  Delbrück  Syntax  1, 207, 573 ;  triba  'negotium, 
sacrificium*;  tribavati  xptiav  fx^iv,  beiv,  opus  habere  Miklosich 
Et  Wtb.  *terbb  2  S.  354. 

Die  Wörter  stammen  alle  von  einer  Wz.  terb,  welche  'roden* 
bedeutete.  Miklosich  terbb  1  S.  354.  Zum  Ablaut  der  Wz.  vgl.  H.  Hirt 
Ablaut  §  220,  der  aber  die  Bedeutung  der  Wz.  (*tereb)  unzutreffend 
als  'Gebäude*  angibt 

Ich  skizziere  die  Bedeutungsentwicklung  der  Wz.  in  einigen 
wichtigen  Stadien. 

a)  Roden.  Aksl.  tribiti  *purgare*.  NsL  tribe^  'ausgerodete 
Wiese*,  poln.  trzebiez  'roden*,  wr.  cerebid*voAQn\  russ.  terebb  'Rodung*. 

b)  Rodestelle,  Rodung.  Büeher  die  Sippe  von  Dorf.  Germ. 
*purpo-  bedeutete  die  Rodestelle.  Wegen  der  Bedeutung  vgl.  iiiss. 
deremja  'Dorf  aus  2—4  Höfen*  (Hildebrand  Recht  und  Sitte,  S.  1 1 1) 
=  deremja  'Holzplatz*  Miklosich  Et  Wtb.  s.  v.  *dervo  S.  42.  Zu 
Dorf  weiter  Xoreen  Lautl.  S.  102,  ühlenbeck  s.  v.  ßaürp,  D.  Wtb., 
0.  Schade  s.  v.,  Brugmann  K.  vgl.  Gr.  S.  123,  131. 

Got  ßaürp  bedeutet  dxpöc ;  ßaürp  ni  gastaistcdd  dypöv  ouk 
iicnicd|LHiv  Neh.  5,  16.  J.  Grimm  Reden  und  Aufsätze  S.  135.  An. 
jSory  Gehring  vollst  Wtb.  'freier  ungeschützter  Platz,  kahler  Hügel*. 
Afi'.  thorp^  therp  Richthofen  S.  1076.  Ags.  ßrep^  ßrdp,  ßorp.  — 
Cjrmr.  tref  'Dorf. 

15* 


216  R.  Meringer, 

c)  Holz  behauen,  Balken  machen.  Lat  ^roJs  *behauener 
Balken*.  Die  Ähnlichkeit  des  Balkenmachens  mit  dem  Roden  liegt 
darin,  daß  beides  mit  dem  Abhauen  der  Äste  beginnt  Dann  wurden 
beim  Roden  und  beim  Herstellen  der  Balken  die  Stämme  gefällt 
Beim  Roden  wurden  dann  noch  die  Sü'ünke  möglichst  durch  Feuer 
zeretört,  wenn  man  nicht  von  vorneherein  das  zu  rodende  Wald- 
stück niederbrannte.  Die  Bedeutung  *behauener  Stamm*  liegt  wohl 
zugrunde  in  aksl.  tribmikb  m.  tdiiievoc,  delubrum  usw.  und  in  polab. 
trebe  •  Weihnachten'  =  *Blockzeit'  vgl.  IF.  16,  152  f. 

Der  Araber  Ibn  Fadhlan  (vgl.  jetzt  0.  Schrader  Totenhoch- 
zeit S.  20  f.)  erzählt  von  einer  Verbrennung  der  Leiche  eines  rus- 
sischen Häuptlings.  1)  Zu  dieser  Feierlichkeit  wurden  auch  'gi-oße 
menschenähnliche  Figuren  aus  Holz'  herbeigebi-acht  Wir  haben  es 
also  mit  dürftig  behauenen  Balken  (vgl.  IF.  16,  157;  17,  159  bei 
an.  dss  ^ss  *Balken,  Ase',  aksl.  balivam)  zu  tun,  die  eben  nur 
menschenähnlich  waren.  Vgl.  auch,  was  Detter-Heinzel  Edda 
2,  101  über  an.  trimadr  sagen  und  unter  s.  v.  Pflock.  Im  Aksl. 
scheint  nun  auch  triba  (vgl.  lat  ^raÄs)  eine  Bezeichnung  dieser  Eoava 
gewesen  zu  sein,  wie  einige  Stellen  beweisen,  die  iliklosich  Lex. 
pal.  s.  V.  triba  negotium  anführt:  triby  eiboXoXatpia,  idoloi-um 
cultus;  trebu  pcloHti  Gueiv;  triby  dMi;  tribu  klasti\  kladuth  triby 
strany  bisomh^  a  ne  bogu  *sie  legen  (setzen,  ponunt)  treba's  den 
Teufeln  des  Liindes,  aber  nicht  Crott' :  bigajte  zertvh  iddlhskyckb  i 
trib^  kladenija  i  vseja  sbuby  iddhskyja  'fliehet  Götzenopfer  und  das 
Aufstellen  von  treby  und  allen  Götzendienst'.  Siehe  unten  VI  1. 

d)  bauen,  Gebäude.  Vgl.  Hirts  Ansatz  *tereb  'Gebäude'. 
Hieher  osk.  fri?6e{m  Momum,  acdificium'  v.  Planta  1,  430.  Lit  trobä 
'Gebäude';  tdpeiivov,  lepainvov  'Haus,  Zimmer';  air.  trebo-  'Haus' 
Stokes  S.  137;  umbr.  tremnu  (=  Hrebno-)  -=  'tabernaculo'. 

e)  bewohnen,  Wohnsitz.  Air.  ^rei;  umbr.  ^/-ei^Y'uersatur'. 
Es   entwickeln   sich  also:   'Roden'  (Holzaushauen),  'Holz- 

behauen'  (zimmern),  'Balken',  'Haus',  'Wohnsitz',  'Dorf'  schön  aus- 
einander, d.  h.  die  Sachen  stehen  im  Zusammenhange,  nicht  nur 
die  Begriffe.  Der  Sinn  durchläuft  alle  Bedeutimgen  vom  ersten 
Roden  bis  zur  fertigen  Ansiedlimg  der  Sippe,  dem  Dorfe. 

Wo  bleibt  aber  trib^  'necessarius',  tribi  'opus  est'?  Wir 
sind  schon  dabei:  Wenn  es  den  Sinn  des  Müssens  angenommen 
hat,  dann  war  *terbom^  das  Roden,  ein  Roden  müssen,  eine 
harte  Mußarbeit. 


1)  Vgl.  auch  Krek  Einl.  in  die  slav.  Literaturgesch.  426  ff. 


Wörter  und  Sachen.  III.  217 

Aber  Hildebrand  Recht  und  Sitte  S.  44  u.  ö.  faßt  das 
Roden  anders  auf.  Er  hält  das  Niedersengen  und  Aushauen  für 
eine  heitere,  lustige  Arbeit,  die  der  Mann  selbst  besorgte  und 
nicht  —  wie  das  Ackern  —  auf  Weib  und  Knecht  abschob. 
Aber  Roden  und  Roden  ist  offenbar  zweierlei.  Wenn  man  heute 
noch  sieht,  wie  sehr  beschwerlich  es  ist,  durch  den  Wald  einen 
Weg  zu  hauen,  wie  anstrengend  und  zeitraubend  das  Beseitigen 
der  Strünke  ist  —  bei  uns  werden  sie  mit  Pulver  gesprengt  — 
dann  wird  man  wohl  den  Bedeutungsübergang  begreifen.  Die 
Slaven  haben  dann  eben  solider  gerodet,  als  das  sonst  der  Fall 
war.  Das  Müssen  entwickelte  sich  dann  daraus,  daß  sie  unter 
fremdem  Geheiß  rodeten,  oder  die  harte  aber  unbedingte  Not- 
wendigkeit des  Rodens  sorgte  schon  selbst  dafür,  daß  roden  ein 
Rodenmüssen  war.  Mit  Recht  betont  0.  Schrader  R.  L.  S.  13, 
eine  wie  schwere  Arbeit  das  Roden  jener  Zeit  gewesen  sein  muß, 
wenigstens  in  sehr  vielen  Gegenden. 

Interessant  wäre  für  die  Geschichte  von  tribb  und  tribi 
zu  wissen,  ob  die  Rodung  bei  den  Slaven  gemeinsam  erfolgte  oder 
einzeln  d.  h.  nur  nach  Familien.  Vgl.  oben  IF.  17,  106  meinen 
Ansatz  'gemeinsam  ackern',  den  man  wohl  nicht  gleich  verstanden 
haben  wird.  Vgl.  Hildebrand  Recht  und  Sitte  S.  99,  120,  44,  48, 
V.  Inama-Stemegg  Pauls  Grdr.  3«,  12  f.,  Schrader  R.  L.  S.  13, 
Ein  Argument  dafür  kann  nur  die  slavische  Flurverteihing 
(eventuell  die  Dorfform,  bei  den  Slaven  der  Rundling)  bilden. 

Da  ist  nun  folgendes  zu  sagen,  wenn  ich  die  Leluren  der 
Fachmänner  recht  verstehe.  Siedelungsart  und  Flureinteilung 
hangen  zusammen.  Erfolgte  die  Ansiedlimg  in  sehr  naheliegenden 
'Gehöften*  (so  primitiv  als  möglich  zu  denken),  so  wurde  in  ge- 
meinsamer Rodung  ein  Stück  Wald  urbar  gemacht.  Jede  Familie 
erhielt  einen  Streifen  davon.  Dann  wurde  ein  neues  Stück  ge- 
rodet und  wieder  nach  dem  Lose  verteilt  usw.  Jeder  Haushalt 
erhielt  in  je  einem  Gewanne  einen  Streifen.  Alle  zu  einem 
Gehöfte  gehörigen  Anteile  an  der  Ackerflur  bildeten  die  Hufe.  — 
In  anderen  Gegenden  erfolgte  die  Ansiedelung  getrennt  (Alpen, 
Voralpen,Westphalen,  Niederrhein  —  bei  den  Deutschen ;  v.Inama- 
Stemegg  a.  a.  0.).  Hier  ist  die  Bildung  der  Ackerflur  *auf  die 
selbsttätige  Rodung  der  einzelnen  Wirtschaft  zurückzuführen' 
(a.  a.  0.  S.  13)^). 

1)  Über  slav.  Fiurverteilung  jetzt  J.  R.  Bunker  Mitth.  der  anthrop. 
Ges.  Wien  35,  16. 


218  R.  Meringer, 

Zu  Dorf  ist  noch  folgendes  zu  bemerken.  Genn.  ^fierpo-^ 
*ßurpo-  bedeutete  wie  erwähnt  'Rodeplatz*.  Auf  einem  solchen 
Rodeplatze  konnte  ein  Haus  entstehen ;  es  konnte  aber  auch  bloß 
zum  Zweck  eines  Ackers  gerodet  worden  sein:  got ßaürp  =  dTpoc 
Rodete  die  Sippe  geraeinsam  einen  Platz,  so  entstand  hier  das  Dorf. 

Was  es  mit  Schweiz.  Dorf  =  *Besuch*  für  eine  Bewandtnis 
hat,  ist  fraglich.  Aber  es  ist  denkbar,  daß  sich  aus  Redew^endungen 
"ins  Dorf  gehen*,  nämlich  um  zu  besuchen,  sich  eine  Wendung 
wie  *Dorf  empfangen'  =  "Besuch  empfangen*  entwickelt  hat,  wie 
auch  Kluge  s.  v.  anzunehmen  scheint^).  Für  die  Urgeschichte 
des  Worts  ist  diese  Verwendung  belanglos.  Lat  turba^  gr.  Tupßii, 
BXi,  pyrpask  "sich  haufenweise  sammeln*  Noreen  Lautlehre  S.  122 
(wozu  vielleicht  auch  aksl.  irtgt  gehört?)  gehen  auf  Wz.  *iuer 
(s.  unten  V  5,  6  bei  lat  partes^  copöc)  zurück.  Prellwitz  s.  v.  Tupßa. 

Die  weitere  Entwicklung  der  Flurgeschichte  berührt  uns 
hier  nicht.  Zu  Tac.  26:  Agri  pro  numero  adtorum  ab  universis 
in  vices  occupantur  vgl.  Müllenhoff  D.  A.  4, 364ff.,  Hildebrand  a.  a.  0. 
S.  114  ff.  Über  den  germ.  vicus  Hildebrand  135,  über  viüa  S.  159. 
Über  die  Nachrichten  Caesars  und  Tacitus'  überhaupt  Schrader 
R.  L.  15ff.  u.  141  ff. 

9.  Crot.  ganah  "es  genügt',  binah  "es  darf,  es  muß*. 

Vgl.  E.  Schulze  Got.  Gl.  S.  242,  Uhlenbeck  Et.  Wb.  s.  v. 
*binai(han  S.  27.  1.  Kor.  10,  23  all  binah  akei  ni  all  daug\  all 
mis  binauht  ist^  akei  ni  all  timreiß  Travta  iHecriv,  dXX*  ou  Trdvra 
cu|Li(p4pei*  TTCtvTa  )Lioi  eH€cnv,  dXX'  ou  Travta  oiKoöoiLieT.  2.  Kor.  1 
böpan  binah  KauxdcÖai  bei.  ^Gananlian  übersetzt  dpKeiv  iivi, 
dpK€TÖv  €ivai,  iKavöv  eivai.  Dazu  ganaüha  sw.  m.  "ein  Genüge', 
ganöh^  iKavöc,  mit  xvisan  dpKeiv. 

Den  ganzen  Ablaut  der  zweisilbigen  Wurzel  *enek  hat  Brug- 
mann  Kurze  vgl.  Gr.  S.  148  zusammengestellt:  V  1  gi\  redupl. 
iv€TK€iv,  Vo  1  ÖTKOC  "Tracht,  Last',  ai.  redupl.  än-qk^  D^  2  got 
ganöhs,  V  2  aksl.  nesq^  ai.  näiati^  V©  2  got.  ganah^  lit.  nasztä,  R.  S. 
ai.  ainöti. 

Auch  ich  bin  von  der  Richtigkeit  dieser  Zusammenstellungen 
überzeugt.  Aksl.  7iesq  nesti^  ht.  neszü^  n^szti^  lit.  naszta  "Tracht, 
Last'  usw.  erweisen  den  Sinn  der  Wz.  als  "tragen,  bringen*. 

Delbrück  Synt.  2,  331  schließt  nun  got.  ganah  au  ai.  tmS 


1)  Vgl.  franz.  aller  en  ville.  Wegen  Dorf  =  'Besuch*  Stalder  2,  290. 


Wörter  und  Sachen.  III.  219 

'erreichen*  an.  Er  faßt  ganah  als  "hat  erreicht,  reicht  aus';  bei 
binah  nimmt  er  an,  daß  die  Bedeutung  'darf,  ist  erlaubt,  muß* 
sich  aus  "nahesein*  entwickelt  hat. 

Ich  schlage  einen  anderen  Weg  ein.  Ich  fasse  ganah  als 
'er  hat  getragen  (was  er  hat  tragen  müssen),  *hat  Genüge  ge- 
leistet* und  denke,  daß  eine  Mußabgabe  den  Sinn  gab.  Wie 
gamöt  dann  die  Bedeutung  'habe  Raum*  entwickelt,  so  erhalten 
auch  ganah^  ganöhs  ahd.  ginuoc  den  Sinn  *genügt*,  *genug*, 
hervorgehend  aus  der  Leistung  der  dem  Gesetze  oder  Brauche 
entsprechenden  Abgabe.  Ohne  daß  ein  Müssen  in  diesem 
Bringen,  Tragen  war,  konnte  sich  meiner  Meinung  nach 
der  Begriff  "genug*  in  das  perfektische  *er  hat  getragen*  nicht 
leicht  einschieben. 

(Zu  got.  nauh  €Ti,  *noch*  will  ich  nur  bemerken,  daß  ich 
es  auch  zur  selben  Wz.  stelle.  Brugmann  Die  Demonstrativpron. 
S.  66  Anm.) 

Und  diese  selbe  Wz.  *enek  hat  auf  einem  anderen  Sprach- 
gebiete zu  einem  der  schärfsten  Ausdrücke  für  ein  "Müssen* 
geführt,  nämlich  zu  gr.  dvciTKTi.  Nur  weil  man  bis  jetzt  an  die 
Möglichkeit  solcher  Bedeutungsübergänge  nicht  gedacht  hat,  hat 
man  das  Nächstliegende  abgelehnt  und  dvdTKTi  nicht  zu  iveTKeiv, 
riv€TKov  gestellt,  zu  dem  es  gehört 

*AvdTKTi  erzählt  von  einer  Zeit,  wo  ein  Teil  der  Griechen 
unter  einer  Mußabgabe  seufzte.  'AvdTKTi  war  durch  gewisse 
soziale  Umstände  nicht  ein  "Tragen,  Biingen*,  sondern  ein  Tragen 
müssen,  Bringen  müssen*.  Vgl.  oben  got  gabaür^  cpöpoc.  Kluge 
stellt  Acht  air.  ecen  Stokes  32  hieher. 

Auch  lat  /ars,  fortüna  sind  in  diesem  Zusammenhange 
interessant  Auch  sie  kommen  von  der  indifferenten  Wz.  *bJierj 
und  fors  ist  auch  indifferent  geblieben,  aber  in  fortuna  hat 
sich  der  Nebengedanke  "Erwünschtes,  Gutes  u.  dgl.*  so  stark 
ausgebildet,  daß  das  Wort  vielfach  einen  nur  günstigen  Sinn 
erlangte. 

Wenn  wir  aber  sehen,  daß  die  Wz.  *enek^  *nek  mehrfach  zu 
dem  Sinne  "müssen*  gekommen  ist,  dann  werden  wir  auch  lat 
necesse  in  diesen  Zusammenhang  ziehen.  Es  kann  =  ^neke-dtü- 
sein,  vgl.  vicissim  nach  Brugmann  Kurze  vgl.  Gr.  143  =  *wci- 
Ät-,  ai.  bhdgha-Ui-^^  ai.  ddtu-  "Aufgabe*,  Lindner  ai.  Nominal- 
bildung S.  80,  bedeutet  also  tautologisch  "Bringengeben*.  Doch 
siehe  Nr.  25. 


220  R.  Meringer, 

10.  Lat  oportet, 
Vaniczek  S.  504;  Stolz  BB.  28,  315.  Ich  fasse  o-port^ 
als  *er  möge  tragen*.  ^)  Ais  diese  Form  aus  dem  Zusammenhange 
mit  den  Konjunktiven  gerissen  war,  entstand  oporteret.  Daß  oportet 
in  einem  gewissen  Gegensatze  zu  necesse  gebraucht  wird  (id  fieri  non 
sdum  oporteret,  sed  etiam  necesse  est  Cic),  ist  begreiflich.  Oportumis 
erst  nach  oportet  aus  opportunus  Lindsay-Nolü  S.  130  Anm. 

11.  Lat  debeo. 
Daß  lat.  debeo  =  ^de-habeo  ist,  ist  angenommen.  Lindsay- 
Nohl  S.  165,  Stolz  Lat.  Gr.»  S.  50.  Praebeo  =  *prae'habeo.  Debeo 
ist  also  *abhaben*,  "abhaben  müssen*,  geht  also  ebenfalls  auf  eine 
Mußabgabe  zurück. 

12.  Lit.  retkja  *es  ist  nötig*, 

reikamas  *das  was  nötig  ist*,  retkalas  Mas  Bedürfnis*,  reika- 
lingas  *nötig*,  alit.  reika  *Not*  {Büket  tadapadüti  ifch  reikas  Bretken 
Rom.  13,  5;  Bezzenberger  Beitr.  z.  G.  d.  lit  Sprache  319),  reikiqsis 
•ein  Armer*,  reikmenS  'Bedürfnis*. 

Es  scheinen  zwei  Möglichkeiten  der  Erklärung  vorzuliegen: 

1.  Annahme  eines  Zusammenhangs  mit  deutsch  ncA.  Da- 
gegen spricht  aber  —  abgesehen  von  vielem  andern  —  daß  das 
entlehnte  Wort  im  Lit  immer  den  i-Laut  hat:  rikunia  *Maierin', 
rikaiäi  'regieren*  Miklosich  Et.  AVtb.  S.  279,  wozu  apreuß.  herre 
rikis  Voc.  404  Berneker  239  zu  stellen  ist. 

2.  Die  Sippe  gehört  zu  lit  rekiü  rSkti  *pflügen*,  *Brot 
schneiden*.  Fick  2»,  643.  Über  lit  e  und  ei  vgl.  Binigmann 
Grdr.  1«,  191. 

Wir  wären  also  wieder  beim  Ackerbau,  als  Mußarbeit  auf- 
gefaßt, angelangt  wie  bei  Robott,  Pflicht,  aksl.  trebb^  lat  opus  est. 

Lit.  rekiü  gehört  zu  ai.  rSkhati  'reißt  auf,  rekliä  *Riß,  Linie 
auf  der  Handfläche,  Wasserfurche*,  ^peiKUj  'reiße  auf*,  ahd.  riga 
nhd.  Reihe.  Auch  nhd.  Reihen,  Reigen  *Tanz,  wobei  man  in 
langer  Reihe  über  Feld  zog',  gehört  hieher.  Leo  Meyer  Hand- 
buch 1,  446,  ühlenbeck  s.  v.  rSkluxti^  Zupitza  Gutturale  S.  67  f., 
Noreen  Lautlehre  178.  Lat.  i^ma  *Ritze,  Spalte*  könnte  man  aus 
*riksma  erklären,  doch  setzt  es  Sommer  Handbuch  231  zu  ags. 
wriian,  ritzen. 


1)  Ähnlich  Fay  Am.  Journ.  of  Phü.  25,  180. 


Wörter  und  Sachen.  UI.  221 

Was  es  mit  dem  so  ähnlichen  aisl.  reik  'Scheitel  von  der 
Stdm  bis  zum  Hinterhaupt'  Noreen  Aisl.  u.  Anorw.  Gr.  §  346 
fHaarfurche*)  für  ein  Bewandtnis  hat,  weiß  ich  nicht  Aisl.  reika 
'to  wander,  take  a  walk'. 

13.  Altmailändisch  art'i  "es  ist  nötig*. 

Jlussafia  DSAW,  Wien  (1873)  22,  201  Anm.  Meyer-Lübke 
BGr.  2,  276. 

Nach  Ascolis  Deutung  ist  arfi  nichts  anderes,  als  ars  est 
resp.  *afiem  oder  *artis  est.  Das  wäre  dem  Sinne  nach  wohl 
möglich.  Es  hätte  sich  dann  aus  dem  Sinne  *es  ist  Geschäft, 
Beruf  (Thesaurus  LL.  s.  v.  ars ;  siehe  unten  span.  es  menester) 
der  Sinn  *es  ist  Pflicht,  notwendig'  entwickelt 

Die  geographische  Verbreitung  des  Wortes  macht  aber  noch 
etwas  anderes  wenigstens  denkbar :  Daß  ein  geniian.  und  zwar 
langobardisches  Lehnwort  art  *Ackerimg'  (vgl.  IF.  17,  123)  vor- 
liegt. W.  Brückner  Sprache  der  Langob.  S.  167  ist  allerdings 
dieser  Annahme  nicht  günstig  'da  im  In-  und  Auslaut  d  die  bei 
weitem  vorherrschende  Schreibung  ist'.  Aber  die  Möglichkeit 
wäre  damit  noch  nicht  ausgeschlossen.  In  diesem  Falle  wäre 
art'i  ein  Seitensttick  zu  optis  est. 

Neuerdings  hat  Salvioni  Arch.  glottol.  16.  Bd.  S.  104  das 
Wort  behandelt  Es  wäre  zu  wünschen,  daß  die  Frage  nochmals 
aufgegriffen  wird. 

14.  Spanisch  es  menester  *es  ist  notwendig*. 

Körting  s.  v.  ministefHum  Nr.  6183  konstatiert  den  Bedeu- 
tungsübergang von  ^Dienstleistung'  zu  *nötige  Verrichtung,  Be- 
dürfnis, Notwendigkeit'  und  •Hand werk'.  Vgl.  Diez^  S.  212. 

Lat  ministerium:  ital.,  span.,  altport.  menester^  neuport 
mister^  prov.  menestier,  mestier^  fianz.  mStier  'Geschäft,  Hantierung, 
Handwerk'. 

Mlat  ministerialis:  span.  prov.  menestral^  port.  iwew^re/,  altf r. 
menestrelj  später  menestrier^  meniUHer  'Handwerker,  Künstler, 
Musiker*. 

Ministerium  est:  it  ^  mestiere  (fa  mestiere\  span.  es  menester 
*opus  est'. 

Einige  Belege  für  das  letztere  (von  Comu):  Ital.  Mestier 
gli  fu  d'aver  sicura  frotite  Dante  Inf.  21,  66;  dir  non  i  mestieri 
ebd.  33,  18;  non  c'b  mestier  lusifighe  Purg.  1,  92;  aver  mestieri 


222  R.  Meringer, 

*avoir  besoin*.  Span.  Haber  menester  una  cosa  *avoir  besoin'; 
ser  menester  *nötig  sein*.  Port  mister  i  de  passarmos  por  Tavirci, 
Altfranz.  Ja  li  cor^iers  ne  nm  avreit  tnestier  Kol.;  engin  qui  ont 
mestier  a  vüle  prendre  Villehardoiiin ;  Se  certes  ont  de  voiis  mestier^ 
Servis  les  de  vostre  mestier  Roman  de  la  Rose. 

Span,  es  msnester^  it  i  mestiere  *opus  est*  sind  nur  aus  ge- 
wissen sozialen  Verhältnissen  heraus  zu  begreifen.  Bei  Tacitus 
Kap.  25  heißt  es:  Ceteris  servis  (von  den  anderen  im  Spiel  er- 
worbenen Sklaven  handelte  Kap,  24)  fion  in  nostmm  morem  di- 
scriptis  per  famüiam  ministeriis  tdufvtur  :  stiam  quisque  sedem^  suas 
penates  regit.  Der  servus  jener  Zeit  hatte  also  keine  Muß  arbeit 
im  Hause  des  Herren,  er  hatte  seinen  eigenen  Haushalt  und 
hatte  bloß  eine  Mußabgabe.  Vgl.  oben  bei  müssen.  Später 
wurde  das  anders.  Ministerium  (vgl.  Du  Gange  s.  v.)  ist  der  Dienst, 
den  man  einem  hohen  Herrn  schuldet,  auch  der  Amtsbezirk, 
Machtbereich  des  Iudex,  des  Maiers  ^).  Gareis  Landgüterordnung 
Kaiser  Karls  d.  Gr.  Anm.  zu  Kap.  8.  Wer  zu  solchen  Diensten 
verpflichtet  war,  war  ministerialis  (Du  Gange  s.  v.),  was  auch  vom 
Handwerker,  der  oft  schon  Künstler  war,  galt  Was  für  Hand- 
werker Karl  der  Große  auf  seinen  Landgütern  wünschte,  das 
ist  im  Gap.  de  villis  c.  45  (Gareis  S.  49)  ausführlich  dargelegt 
Unzertrennlich  ist  das  Emporkommen  des  Handwerks  verbunden 
mit  der  Blüte  der  adeligen  und  geistlichen  Güter,  denn  der 
Bauernhof  besorgte  bis  auf  unsere  Tage  alle  Arten  Hausindustrie 
mit  Ausnahme  des  Schmiedehand werks  selbst  und  konnte  es 
wegen  Mangels  an  Spezialisierung  nicht  zu  der  Fertigkeit  bringen, 
wie  sie  auf  dem  Herrengute  der  artifex  erlangte.  Vgl.  die  guten 
Ausführungen  bei  Otto  Das  deutsche  Handwerk«  S.  7,  16  f.,  19. 

In  der  Geschichte  der  Verhältnisse  liegt  die  Bedeutungs- 
entwicklung von  ministerium  bis  franz.  mitie^'^  und  besonders 
von  ministerium  est  bis  zu  ital.  ^  mestiere^  span.  es  menester^  'es 
ist  Mußarbeit',  opus  est,  begründet  Von  dem  Hörigen,  der 
irgend  ein  Handwerk  (mitier)  als  sein  ministerium  auf  dem  HeiTen- 
hofe  betrieb,  stammt  der  Sinn  von  ^  mestierel 

15.  Franz.  besoin  —  got.  bisunjane. 
Die  Wörter  sind,  w^enn  auch  nicht  identisch,   doch  nahe 
verwandt     Ich  wage   einen  Versuch    der   Rekonstruktion    der 
ganzen  Sippe. 

1)  Lat.  villicm,  actor.  Orth  Feldbau  der  Römer  S.  14 


Wörter  und  Sachen.  III.  223 

a)  6erm.*W«iw(d)jaw- 'der  Beisitzer,  Beiseiende',  Plur.*6iw<n(ef)- 
janiz  'die  Herumwohnenden,  Nachbarn'.  Wegen  got.  bisunjane 
vgl  L  Meyer  got.  Sprache  §  166,  der  schon  Zusammenhang  mit 
*9ifi  "seiend*  erkannte,  v.  Grienberger  Untersuchungen  zur  Got 
Wortt  49  übersetzte  richtig  circumiacentium  und  hatte  meines  Er- 
achtens  auch  Recht  einen  Gen.  Plur.  zu  sehen,  wie  ja  das  Wort  auch 
an  einigen  Stellen  ohne  Gewalttätigkeit  konstruiert  werden  kann. 

Mark.  6,  6:jah  bitavh  teeihsa  bisunjane  laisjands  Kai  TrepifJTev 
Tdc  Kib^ac  kukXiü  bibdocujv  —  Mark.  1,  88  du  ßaim  bisunjane 
haimöm  de  xäc  dx^M^vac  KUifxoTröXeic  —  Luk.  9,  12  inßäs  bisun- 
jane haimös  de  tqc  kukXip  KiJü^ac  —  Luk.  4,  37  and  allans  stadins 
Pis  bisunjane  landis  ek  irdvia  töttov  ttic  ircpixibpou. 

Aus  solchen  Verbindungen  mag  sich  bisunjane  als  adv. 
herausgelöst  haben:  Neh.  5,  IT  us  ßiudöm  ßaim  bisunjane  unsis 
imb  Tüüv  dOvüüv  tujv  kukXiij  fmiliv  —  Neh.  6,  16  allös  ßiudös  ßäs 
bisunjane  unsis  Trdvra  tq  IQvr]  tol  kukXuj  {\\i\jjy. 

Hieher  die  Gruppe  von  sonder,  mhd.  besunder  'abgesondert, 
einzeln',  besonders  usw.,  deren  Bedeutung  von  den  getrennten 
germanischen  Höfen  (ut  fons^  tU  campus^  ut  nemus  placuit  Tacitus 
a  16)  stammt. 

b)  Deutsch  gesund  und  Sippe  gehört  meines  Brach tens 
am  ehesten  hieher.  Doch  vgl.  DWtb.,  Kluge.  Für  die  Gmndbe- 
deutung  halte  ich  *zu  Hause  sein,  beisammensein'.  Der  Gegen- 
satz war  düenti  *im  fremden  Land,  verbannt,  fremd'  dann  *elend*. 

c)  Germ.  *sundi  (oder  8un(d)ß)  ist  zwar  seiner  lautlichen 
Entwicklung  nach  imser  Sünde,  nicht  aber  seiner  Bedeutung 
nach.  Da  franz.  «rfn,  altit  sogna  "Sorgfalt,  Sorge'  bedeuten,  so 
muß  auch  das  germ.  Grundwort  etwas  ähnliches  bedeutet  haben. 
Itsva,  'Arbeit*  (welche  ?),  'Pflege'.  Die  Flexion  war  *stifi(d)i  *sun(d)ies 
oder  *sun(d)m*sun{d)iäs.  Wegen  des  Dentalschwunds  F. Kluge  PBS. 
Beitr.10,444,  Noreen  Lautlehre  S.  173,  Brugmann  Grdr.  1«,  707, 
Kurze  vgl.  Gr.  S.  191,  wegen  i  und  iä  Brugmann  ebd.  S.  350f. 

d)  Germ.  *sun(d)ianan^  fi*anz.  soigner  "besorgen,  pflegen*  zeigt, 
daß  das  germ.  Wort  etwa  bedeutete  *bei  den  Seinen  sein,  arbeiten, 
pflegen*.  Mlat  «mtare^ 'besorgen*,  afranz.  soignam  'focaria'  (Köchin). 

e)  Juristisch:  got. 8unjön\  2. Kor.  12, 19  ef  sunjöma  uns  wißra 
igicis  ÖTi  Ofxiv  dTToXoTOujieGa;  gasünjön  biKaioOv  ti  'rechtfertigen'; 
sunjöns  diroXoTici.  Alles  zunächst  zu  sunja  dXrjGeia.  An.  synja  'sich 
reditfertigen,  sich  von  einer  Schuld  reinigen',  afranz.  essoigner 
'sich  entschuldigen*. 


224  R.  Meringer, 

f)  Germ.  *bi8undi.  Nach  franz.  besoffne  ^Arbeit,  Geschäft', 
besoin  'Verpflichtung,  Bedürfnis*,  ital.  bisogno  usw.  muß  das  germ. 
Wort  bedeutet  haben  'Arbeit,  Geschäft,  Pflege*. 

Germ.  *bisundi  war  die  Tätigkeit  der  "^bisunid^ianiz  s.  u.  a). 
Es  ist  möglich,  daß  sich  der  Sinn  der  *Mußarbeit'  schon  im 
german.  Wort  einstellte.  Aber  *bisundi  war  die  Arbeit  der  in 
einem  Haushalte  Vereinigten,  denn  auf  eine  gemeinsame  Arbeit 
der  Bewohner  der  zerstreuten  Gehöfte  weist  nichts  hin.  Das  Wort 
*bisun{d)ianiz  hatte  also  einen  weitem  Sinn  als  *bisundf. 

Im  Germ,  entwickelte  *8undi  einen  schlechten  Sinn.  Vgl.« 
ahd.  suntea^  mhd.  sünde^  aisl.  synd  (*sunid-)y  ags.  synw,  engl.  sin. 
Noreen  Lautl.  S.  87,  Skeat  Et  Dict  s.  v.  Entspringt  der  neue 
Sinn  etwa  den  bösen  Folgen  des  Zuhausebleibens?  Also  'Sich- 
verliegen', 'faul,  unsittlich  werden'?  Vgl.  afranz.  soignante  can- 
ctibina. 

Man  könnte  einen  ähnlichen  Bedeutungsübergang  in  lat 
eons  'schuldig'  finden.  Aber  ist  vielleicht  doch  sons  vom  Stand- 
punkte des  Richters  'der,  der  es  ist,  der's  getan  hat'?  Auf  germ. 
Boden  bedeutet  das  Wort  'wahr':  an.  sannr^  ags.  söd  Uhlenbeck 
Et  Wtb.  s.  V.  sunja.    Doch  aisl.  sannr  auch  'schuldig*. 

Das  mnnis  dqr  L.  Sal.  und  Rip.  'gesetzliches  Hindeniis' 
bedeutend  gehört  zur  Sippe  sonder,  besonders  (oben  u.  a) 
As.  sunnea  Hei.  21505  übersetzt  Heyne  'Gebrest,  Not,  Krankheit'. 
Wohl  mit  der  Bedeutung  'Sünde'  in  Zusammenhang.  Vgl.  auch 
Grimm  RA.  847,  Körting  8878. 

1<).  Ags.  behöfad  'es  ist  nötig*. 

Vgl.  Sievers  Ags.  Gr.»  §  411  Anm.  4,  §412  Anm.  G.  Bosworth- 
ToUer  s.  v.  behöfjan  :  Mycd  wund  behofad  mycks  lAkedomes  *a  great 
wound  has  need  of  a  great  remedy*.  Engl.  JeÄoo/* 'Vorteil,  Nutzen, 
Geschäft',  mhd.  JeÄMo/^Geschäft,  Gewerbe*  Mhd.  Wtb.  1,  645  (der 
Begriff  'nötig'  in  er  .  .  in  schuof .  .  alvoUeti  behuof)  an.  hdf  'Maß*, 
'richtiges  Verhältnis',  liBfa  'das  Ziel  erreichen*  Noreen  Lautl.  S.  56, 
ndl.  6eÄoe/"Bedarf*,  nind.  behöbich  'bedürftig'  0.  Schade  s.  v.  beMf. 

Behöf  heißt  also  'Geschäft*.  Aber  welcher  Art  war  dies? 
Darauf  scheint  uns  Hufe,  Hube  zu  führen.  Grimm  RA.  535, 
Inama-Steniegg  Pauls  Grdr.  3*,  13,  0.  Schade  S.  431,  Zupitza 
Gutturale  S.  103.  Hufe  stellt  man  mit  Recht  zu  heben,  lat.  capto, 
KUJiTTi  'Griff,  lett.  kampt  'fassen',  köpa  'Haufe,  Summe',  köpina 
'Garbe',  lit.  küpa  'Lösegeld  für  gepfändetes  Vieh*  Nesselmann  206. 


Wörter  und  Sachen.  III.  225 

Nun  sehe  ich  zwei  Möglichkeiten.  1.  höf  heißt  *Ernte,  Er- 
trag* eigentlich  'Hebung',  behöfjan  *emten*.  Vielleicht  hat  sich 
also  aus  dieser  Bedeutung  der  Sinn  'notwendige  Arbeit',  *es  ist 
notwendig*  entwickelt  Daneben  ahd.  huoba^  as.  höba  das  Acker- 
land, das  den  Ertrag  bringt  Vgl.  mhd.  urbor,  das  Grundstück, 
das  eine  Rente  erUrt^  aber  auch  die  Rente,  die  davon  erborn 
wird.  Mhd.  Wtb.  1,  151.  2.  behöfjan  'behüben'  kann  heißen,  von 
seiner  Hube  Abgabe  leisten,  steuern  müssen.  Der  Sinn  des 
'Nötigseins*  würde  sich  auf  diese  Weise  noch  leichter  ergeben. 

17.  Franz.  il  faut 

Franz.  ä  tne  fatU  ==  lat  me  fallü  *es  entgeht  mir',  *ist  mir 
nötig*.  Die  alte  Bedeutung  'es  fehlt'  noch  erhalten  in  tant  s^en 
faut^  peu  s^en  fatä.  Franz.  faillir  'fehlen,  verfehlen,  täuschen*, 
woraus,  nach  Kluge  um  1200  deutsch  fehlen  entlehnt  wurde. 
Die  Bedeutung  des  Müssens  in  ä  faut  ist  keine  vereinzelte  Ent- 
wicklung. Das  Fehlen,  Ermangeln  führt  imperativ  zu  handeln, 
aus  'ich  habe  nicht'  folgt  mehrfach  'ich  muß*  und  zwar  sozial, 
nicht  rein  begrifflich.  So  entwickeln  sich  fehlen*,  'vonnöten 
sein*  zu  'nötig  sein',  'müssen'^).  Aus  'fehlen*  folgt  'brauchen*, 
*haben  müssen*,  'müssen'.  Es  findet  sich  aber  auch,  daß  gerade 
Tiaben*  zu  'müssen'  führt;  vgl.  lit  turiti^  engl,  ought  s.  u. 

18.  Gr.  xpn  *6S  ist  nötig*. 
Brugmann  MU.  1,  64,  J.  u.  Th.  Baunack  Inschr.  v.  Gortyn 
S.51,  L.  Meyer  Handbuch  3,  319.  Auch  hier  ergibt  sich  'müssen* 
aus  'bedürfen,  fehlen*. 

19.  Got  ßaürban  'bedürfen,  nötig  haben'. 

Wie  V.  Grienberger  sich  hier  die  Bedeutungen,  welche  die 
dazu  gehörenden  Wörter  haben,  zusammenreimt,  ist  ein  Muster 
jenes  Hantierens  mit  Begiiffen,  die  ich  für  verfehlt  halte  (Unter- 
suchungen z.  got  Wortk.  213).  Aber  ich  bemerke  hier  nochmals, 
daß  den  Einzelnen  kein  Vorwurf  treffen  kann,  weil  wir  ja  Alle 
bis  jetzt  diese  Art  von  Erklärungen  für  zulässig  gehalten  haben. 

Vgl.  Mat  6,  8  ßizei  juspaürbup  iLv  xp^iav  ?X€T€.  Luk.  14, 18 
Umd  baühia  jah  ßarf  galeipan  jah  saih/an  ßata  'Arpöv  ntop^ca 
Kai  Ix^  dvoiTKiiv  ÖeXGeTv  Kai  iöeiv  aurov  'und  muß  gehen  und 

1)  Beachte  auch  den  Bedeutungsübergang  von  got.  gaidw  'Manger 
zu  ahd.  gft  'Habgier*,  *Geiz',  lit.  geidiü  'verlange  nach  etwas*. 


226  R.  Meringer, 

sehen*.  Liebermann  Gesetze  der  Angelsachsen  1,  446  [3,  2]:  Ne 
dearf  se  landgafol  stfüan  "Grundzins  braucht  er  nicht  zu  zahlen**. 

Aber  im  allgemeinen  kann  man  sagen,  die  Grundbedeutung 
des  Verbs  ist  im  Germ,  dieselbe  wie  im  ersten  Beispiele  hier, 
nämlich  'bedürfen*.  Vgl.  unser  bedürfen,  darben,  dürftig, 
Notdurft  usw.  Aber  die  slavischen  Sprachen  haben  das  Wort 
schon  früh  in  der  Bedeutung  'müssen*  übernommen  vgl.  Miklosich 
Et  Wtb.  S.  41,  früher  als  müssen.  So  konstatiert  Gebauer  Slovnlk, 
daß  im  Cech.  drbiti  ein  Archaismus  gegen  musiH  ist 

Wie  steht  es  aber  mit  der  Etymologie?  Wir  haben  3  Sippen, 
wo  wir  Anschluß  suchen  können. 

a)  Wz.  "^terp  'genießen'  usw.  vgl.  L.  Meyer  Handbuch  2, 795 
8.  V.  T^pTTCcOai 'sich  sättigen';  T^pirciv  'sättigen,  erfreuen*,  rcpirvöc 
'erfreulich,  lieblich*,  ai.  trp  *sich  sättigen*,  lit  tafpti  'gedeihen', 
tarpä  Mas  Gedeihen,  Wachstum*,  lett.  terpinät  'verbessern*,  apreuß. 
enterpo*es  nützt'  usw.  Aus  dem  Germ,  noch  besonders  gotßrafstjan 
'trösten*,  anaßrafstjan  'erquicken*,  dann  aw.  &rqf9da'  'befriedigt, 
reichlich  versehen  mit',  &rqfs-  n.  'Zufriedenheit*  Airan.  Wtb. 
Sp.  805f. 

b)  Ai.  trp  'stehlend',  Fr.  Kluge  K.  Zeitschr.  25, 311,  aw.  tar^p 
•stehlen*  Airan.  Wtb.  Sp.  643. 

c)  Aksl.  terp  'leiden,  quälen*  Miklosich  Et  Wtb.  S.  355  s.  v. 
ierp-  2.  (Daneben  terp-  1,  aksl.  uinnqU  'erstarren*  zu  lat  torpere 
'erstarrt  sein*,  tarpor  'Regungslosigkeit*,  lit  tvpti  'erstarren', 
aisl.  stiarfe  'Starrkrampf  Noreen  Lautl.  S.  85  und  sterben.) 

Wenn  wir  von  c  absehen,  haben  wir  folgende  Entwicklung: 
'Ich  habe  gegessen*  (ßarf)^  d.  h.  'mit  dem  Essen  T^pTrojiai  ist's 
vorbei',  'habe  Hunger,  bedarf*  (woraus  'ich  stehle'),  schließlich 
'ich  muß'. 

20.  Lit  ttir^ti  'sollen*. 

Lit  tur^ti^  lett.  turet  'haben,  sollen*,  apreuß.  tunt,  tunüicei 
'haben'  gehören  zu  lit.  tvirti  'fassen,  halten*  und  weiter  zu  einer 
Wz.  Huer^  welche  das  Herstellen  (eines  Gefäßes,  Behälters,  Zauns, 
einer  Wand)  aus  Flechtwerk  bedeutete  (Kck  1  *,  449,  Bemeker 
Die  preuß.  Sprache  S.  328),  worüber  unten  nälieres  gesagt  ist 

Im  Lit  haben  wir  bei  tiiriti  die  Bedeutungen  'haben,  be- 
sitzen' (vom  umschließenden  Zaune),  'ein  Junges  werfen*,  endlich 
'sollen',  z.  B.  mes  türim  dhpfi  'wir  müssen  arbeiten'.  Die  Grund- 
bedeutung von  turiiti  bezieht  sich,  worüber  tvirti  'fassen,  zäunen', 
tvdrtas  'Hürde'  allein  schon  klare  Auskunft  geben  können,  auf 


Wörter  und  Sachen.  III.  227 

den  Besitz  an  Grund  und  Boden,  oder,  wenn  an  die  Fruchtkörbe  ge- 
dacht ist,  auf  den  Ernteertrag,  was  schließlich  auf  eins  hinausläuft 
Damach  wird  die  Wurzel  auch  vom  Jungen  im  Leibe  gebraucht 
Nun  stehen  wir  bei  einem  Falle,  wo  aus  *haben'  ein  'sollen' 
wird.  Hat  man  sich  das  so  zu  denken,  daß  aus  dem  'Haben', 
dem  Besitze,  ein  Sollen,  des  Zinses,  der  Abgabe,  folgt?  Aber  es 
kann  auch  anders  sein.  Lat  amare  habeo  hat  zur  rein  futurischen 
Bedeutung  cdmerai  geführt.  Wenn  ich  sage,  Meli  habe  zu  arbeiten*, 
so  heißt  das,  ich  *muß'  arbeiten  und  auch  'ich  werde  arbeiten*. 
Nehmen  wir  an,  der  Handwerker  hat  das  Rohmaterial  bekommen, 
um  daraus  etwas  zu  machen.  So  war  es  früher  bis  in  unsere 
Tage  herein  —  Otto  Das  deutsche  Handwerk*  S.  30  —  und  man 
nennt  diesen  Betrieb  das  Lohnhandwerk  zum  Unterschiede  vom 
Kaufhandwerk,  wo  der  Handwerker  die  Rohstoffe  selbst  kauft 
oder  vorrätig  hat,  wie  es  heute  in  den  Städten  die  Regel  ist 
Der  Handwerker  'hat  also  zu  arbeiten',  er  'hat  Arbeit',  die  er 
theoretisch  allerdings  auch  liegen  lassen  kann,  die  er  aber  prak- 
tisch aus  Gründen  des  Erwerbs  macht  'Ich  habe  zu  arbeiten' 
heißt  also  de  facto  für  ihn  'ich  muß  arbeiten'. 

21.  Engl,  ought  'sollte,  mußte'. 

You  ought  to  have  done  it  'Sie  hätten  es  tun  sollen'.  It 
ought  to  be  thus  'so  sollte  es  sein'.  Vgl.  Skeat  s.  v.,  ags.  ägan 
Sievers*  §  420  S.  260.  Ags.  dhte  =  got  aihta.  Das  ganze  Verbum 
mit  seinen  Verwandten  geht  auf  den  Besitz  vgl.  got  aigan 
IX€iv  Ti,  aihts  'Eigentum,  Habe',  aihtrön  'erbetteln'  und  'beten'. 
Aisl.  eiga  f.  'Eigentum,  Besitz*,  leggia  slna  eigu  (oder  eign)  d  eitt 
'Besitz  ergreifen  von  etwas'. 

Wegen  des  Gedankens,  des  Inhalts  von  'Grundbesitz'  in 
alten  Zeiten,  der  von  unserm  abweicht,  vgl.  R.  Hildebrand  Recht 
und  Sitte  S.  48  ff,  S.  85.  Vom  Sinne  'Besitz'  geht  —  auf  Grund 
der  faktischen  Verhältnisse^)  —  der  Sinn  'Geschlecht'  aus  z.  B. 
aisL  ctU  'Familie*.  Detter-Heinzel  zu  V9I.  36.  8  (Edda  2,  50) 
Sindra  cettar  .'des  Gesclilechts  des  Zwergs  Sindri*  =  die  Zwerge. 

22.  Ai.  arhati  'muß*. 
Die  Bedeutungen  der  Wurzel  im  Altindischen:   1.  'wert 
sein*.    Ai.  arghds  'Wert',  sahasra-arghd-  'tausendfachen  Wert 


1)  0.  Schrader  R.  L.  s.  v.  'Dorf. 


228  R.  Meringer, 

habend*  R.  V.  2.  ^können*  dätum  arhasi  R.  V.  5,  79.  10  'Du  kannst 
geben*.  3.  'Anspruch  auf  etwas  haben*.  SÖmänq  prathamdk  pitim 
arhasi  'Dir  gebührt  (Du  bist  wert)  als  Erster  der  Trunk  (den 
Trunk)  der  Somatränke'  R.  V.  1,  134,  6.  Daraus  *Recht  haben, 
dürfen*.  Ärlm-  adj.  *würdig.  Recht  auf  etwas  habend*,  drhanU 
Verdienend,  würdig',  arham-  'Verehrung*,  arhatia  adv.  *nach  Ge- 
bühr, nach  Vermögen*.  4.  *zu  etwas  (Akk.)  verpflichtet  sein*;  tata 
ätfkäramarhati  'darauf  hat  er  die  Silbe  om  zu  sprechen*;  dattd<Jim 
arhati  'er  unterliegt  einer  Strafe*;  paücakq  kUam  arhati  'er  ver- 
fällt in  eine  Strafe  von  5®/o;  na  datjdq  dätum  arhati  'er  braucht 
nicht  die  Strafe  zu  zahlen*;  kartum  arhati  'muß  erfüllt  werden*. 
Die  2.  Ps.  mit  dem  Infinitiv  drückt  einen  Imperativ  aus:  vaktiim 
arJiasij  Socitum  arhasi^  kartum  arhasi;  irotum  arhati;  pre^yitum 
arhatha. 

Aus  dem  Awesta  vgl.:  ar9g  'wert  sein',  'an  Wert  gleich- 
kommen*, ar$ja-  'wertvoll*,  ar$ji-  'würdig',  ardjah-  'Wert,  Preis* 
Airan.  Wb.  sp.  191  f. 

Dazu  gr.  dXcprj  'Erwerb*,  dXcpdvui  'einbringen',  ^Karöjißoiov 
hi  TOI  T^Xqpov  0  79  'brachte  ich  Dir  ein*,  Trap04voi  dXqpedßoiai 
•Rindereinbringende*.  Weiteres  L.  Meyer  Handbuch  1,  322.  Lit 
algä  'Lohn*,  apreuß.  algas  'Lohn*  Bemeker  S.  279. 

Die  Wurzel  bedeutete  also  'besitzen*  (an  Vieh;  an  Grund?) 
und  auch  'Ertrag  haben'.  Der  Sinn  des  'Müssens'  ergibt  sich 
dann  aus  'haben*  oder  aus  der  Folge  des  'Ertraghabens*,  der 
Mußabgabe.  Wir  sagen  allerdings  'er  verdient  das'  im  Sinne  von 
'er  hat  Anspruch  darauf,  er  muß  das  haben*,  und  auf  eine  solche 
Entwicklung  könnte  man  wegen  der  Bedeutungen  'wert  sein*, 
'würdig'  auch  in  unserem  Falle  schließen.  Aber  ich  halte  eine 
der  beiden  ersten  Möglichkeiten  für  wahrscheinlicher. 

23.  Lat  negotium. 

Wenn  das  Wort  wirklich  ötium  (+  nee  oder  *nege  Lindsay- 
Nolü  S.  707,  ßersu  Die  Gutturalen  141)  enthält,  dann  gehört  es 
überhaupt  nicht  hieher.  Aber  ich  kann  das  nicht  glauben  und 
mache  einen  anderen  Versuch.  Ich  denke  an  eine  Wz.  negt^^  fwg^ 
'sich  auskleiden',  wovon  ai.  nagnd-  'nackt*,  lit  nügas^  aksl.  fiap, 
got.  naqaßs  =  *nogifotos^  lat.  nüdus  =  *noQ¥edo8  stammen.  Lat. 
*negos  hieße  also  'nackt',  *negoiö  'ziehe  mich  aus*,  wovon  *fiegötm 
'einer,  der  sich  ausgezogen  hat'  (vgl.  Bildungen  wie  aegrätus: 
aeger  oder  wie   kovtujtöc,    lit.  harzdütas   u.  drgl.  Brugmann 


Wörter  und  Sachen.  lU.  229 

Grdr.  2,  211.  215.  218.  222  f.»)  Negotium  war  der  Zustand  des 
*negcius^  das  Nacktsein  bei  der  Arbeit  Seiner  Bildung  nach 
steht  *negcim  von  vorgerm.  *noff^otos  nicht  so  weit  ab.  Nüdus 
arä\  Yirgil. 

24.  Ags.  bin  •Geheißarbeit'? 

So  übersetzt  Liebermann  Gesetze  der  Angelsachsen  S.  447. 
Das  ags.  Wort  ist  =  an.  h&n  bsn  *ßitto*  Noreen  Aisl.  und  Anw. 
Gr.  §  327.  Vgl.  Kluge-Lutz  S.  23  s.  v.  boon,  Skeat  s.  v.  Das  Wort 
gehört  zu  qpajii,  cpujvr),  wie  schon  0.  Schade  1,  79  annimmt 

25.  Got  *skulan  "sollen*. 

Delbrück  Syntax  2,  331  sagt,  er  vermöge  bei  skal  die 
Perfektbedeutung  nicht  in  überzeugender  Weise  darzutun. 

Über  die  Etymologie  von  *shdan  vgl.  Brugmann  Grdr.  1*, 
587;  Brugmann  stellt  hieher  ccpdXXojiai  'strauchle,  erleide  ein 
Mißgeschick',  ai.  skhalate  'strauchelt,  geht  fehl*,  arm.  sxalem  *gehe 
fehl,  strauchle,  simdige*.  Aber  S.  701  scheint  er  doch  wieder 
diesen  Zusammenhang  zu  bezweifeln. 

Und  in  der  Tat  bietet  sich  eine  weit  bessere  Zusammen- 
stellung, kein  geringerer  als  J.  Grimm  hat  sie  gesehen  und  trotz- 
dem ist  sie  verlassen  worden.  Grimm  hat  GDS.  903  gesagt, 
skal  heißt  eigentlich  "ich  habe  getötet,  venvundet',  woraus  folgt 
'ich  bin  zu  Wergeid  verpflichtet',  'ich  soll,  muß'.  Lautlich  ist 
diese  Zusammenstellung  tadellos.  Vgl.  lit.  skeliu  skäti  *spalten*, 
got  sküja  "Schlächter*,  skalja  ^Ziegel'  eigentlich  "Schindel'  vgl. 
Yerf.  SBAW.  Wien  144  S.  65,  gr.  ckuiXoc  "Spitzpfahl',  aksl.  koh 
"Pfahl*  usw.  vgl.  0.  Schade  Sp.  809,  Zupitza  Gutturale  S.  151, 
ühlenbeck  s.  v.  sküja.  Das  an.  sküia  "spalten*  (Noreen  Lautl.  172) 
hat  eine  besondere  Entwicklung  ins  ethische  Gebiet  durchgemacht 
'trennen*,  "bemerken',  "verstehen*,  "Auskunft  geben*  Gehring  voll- 
ständiges Wtb.  s.  V. 

Die  lit  Sippe  skdiü  skdSti  "schuldig  sein',  skclä  "Schuld*, 
wozu  apreuß.  skeUänts  "schuldig*,  skallisnan  "pflicht*  usw.  Berneker 
S.  321  halte  ich  für  germ.  Lehnwörter.  Aber  auch  wenn  das  nicht 
der  Fall  sein  sollte,  braucht  man  die  Giimmsche  Erklärung  nicht 


1)  Gegen  *nego8,  *negötu8  sprechen  vorare,  volare,  üva  Brugmann 
Grdr.  1  ■,  599  nicht,  denn  es  liegen  nicht  dieselben  Bedingungen  vor.  Nur 
fruor  ebd.  S.  604  spräche  direkt  dagegen.  Doch  vielleicht  liegt  ein  Aus- 
gleich vor  *frugörj  *frugiör,  *fruveri8,  *fruvUur  usw.  *Negütu8  gegen 
*naveda$  wie  got  magus  gegen  mawi, 

Imlogemiaiiiiche  Fonchnngen  XVIU.  16 


230  R.  Meringer, 

aufzugeben,  denn  die  Idee  des  Wergeids  ist  keineswegs  auf  die 
Germanen  beschränkt*)  vgl  Schrader  RL.  s.  v.  Blutrache  nament- 
üch  S.  103  f. 

Genn.  *skuldiz  bedeutete  *das  Schlagen*  wie  lat  scdtis^  von 
dem  es  Kluge  abtrennen  wilL  Über  die  Entwicklung  des  Be- 
griffs der  Schuld  auf  germ.  Boden  v.  Amira  Pauls  Grdr.  3*  §  67 
S.  180  f.  Eine  Walküre  heißt  Shdd  Detter-Heinzel  Edda  2,  29. 42, 
was  doch  'Schlagen'  bedeutet 

Daß  man  die  Grimmsche  Erklärung,  die  lautlich  und  sachlich 
(Tacitus  c.  12,  21)  vollkommen  überzeugend  ist,  wieder  aufgegeben 
hat,  das  hat  wolü  seinen  Grund  darin,  daß  die  Erklärungsar t 
neu  und  vereinzelt  war.  Hier  steht  sie  in  einem  größeren  Zu- 
sammenhange, der  sie  hält  Aber  Grimm  hat  doch  auch  schon 
Kuhns  Zeitschr.  1,  82  für  seinen  Gedanken,  daß  aus  der  Ver- 
letzung sich  der  Schuldbegriff  entwickelt,  Analogien  anzuführen 
gewußt,  von  denen  lat  noxa  *Wunde'  und  *Schuld'  die  wert- 
vollste ist,  sodaß  es  nicht  ganz  ausgeschlossen  ist,  daß  auch 
necesse  zuerst  Totschlag'  bedeutete  imd  daraus  der  allgemeinste 
Begriff  der  Verpflichtung  sich  entwickelte.  Vgl.  auch  Graßmanns 
Erklärung  von  ai.  rndm  'Schuld'  Wtb.  z.  RV.«). 

26.  Got  dxilg^  'Schuld'. 
Zupitza  Gutturale  S.  178,  Uhlenbeck  s.  v.,  Ehrismann  PBS. 
Beitr.  20,  60.  Das  Wort  hat  slavische  und  keltische  Verwandte. 
Das  gotische  Wort  aus  dem  Slavischen  entlehnt  sein  zu  lassen, 
halte  ich  für  nicht  begründet  v.  Amira  Paul  Grdr.  3*  §  67  S.  181 
nach  Kluge. 

1)  D.  Wtb.  X  8.  Lief.  Sp.  1452.  Hier  heißt  es,  Grimms  'sinnige  Deutung' 
verliere  dadurch  an  Wahrscheinhchkeit,  daß  die  Wz.  skeU  in  der  Bedeutung 
'schuldig  sein'  sich  auch  im  Lit.  u.  Preuß.  finde.  'Der  eigentümliche  (!)  Be- 
deutungswandel müßte  sich  also  schon  idg.  vollzogen  haben.'  —  Was  heißt 
'idg.'?  Es  genügt  vollständig  die  Annahme,  daß  in  sehr  alter  Zeit,  bevor 
man  noch  von  einem  eigentlichen  Germanisch  reden  kann,  ein  Wort  zu 
den  Nachbarn  hinübergedrungen  ist.  Und  an  ein  altes  Lehnwort  in  diesem 
Sinne  zu  denken,  gebietet  schon  der  eine  Umstand,  daß  skeU  eben  nur 
auf  den  benachbarten  Gebieten  des  späteren  Germanischen  und  Preußisch- 
Litauischen  den  Sinn  'schuldig  sein'  aufweist.  Wir  haben  es  offenbar  mit 
einer  alten  Spracliwelle  zu  tun,  welche  wohl  zusammen  mit  Sachwellen 
sich  ausbreitete,  wie  der  Verkehr  eben  beiderlei  erzeugt.  Vgl.  die  sehr  früh 
entlehnten  apreuß.  pecku,  klatmton,  aksl.  8vek1'^  usw.,  worüber  Kretschmer 
Einleitung  S.  108. 

2)  Wir  haben  ein  idg.  Wort  für  'Wunde'  *aru8'  n.  vgl.  Fick  1  *,  355, 
aisl.  (^r{r)  Noreen  Lautl.  S.  65. 


Wörter  und  Sachen.  III.  231 

Durch  ahd.  tcig  vulnus  Graff  5,  420  wird  meines  Erachtens 
klar  gelegt,  daß  die  alte  Erklärung  (sieh  0.  Schade  s.  v.  S.  945) 
*durch  unerlaubte  Verwundung  entstandene  Verschuldung'  durch- 
aus gerechtfertigt  ist  Wir  haben  hier  das  erwünschte  Seiten- 
stück zu  shduHj  wie  J.  Grimm  GDS.  S.  903  gesehen  hat 

27.  Gr.  bei  *es  ist  nötig*. 

Delbrück  meint  (Synt  1,  205)  bei,  bei  Homer  nur  I,  337, 
sei  aus  beuei  (äolisch  Meister  1,  94)  entstanden.  Vgl.  Leo  Meyer 
Handbuch  3,  1631  184.  Die  Bedeutung  des  'Nötigseins*  geht 
dann  aus  dem  Begriff  des  Fehlens,  Mangels  hervor,  dieser  aus 
dem  der  räumlichen  Trennung.  Vgl.  ai.  ddvfyqs^  ddvi^ha  *femer, 
sehr  fem*. 

28.  Übersicht 

Die  behandelten  Wörter  für  *müssen*,  *nötig  sein*  ent- 
wickeln sich  also  so: 

a)  aus  solchen  Wurzeln,  die  Mangel  haben  bedeuten. 
Vgl.  xpn?  bei,  franz.  ü  fatd.  Die  Bedeutung  'hungern'  liegt  \del- 
leicht  in  got  ßatirban  zu  gründe. 

b)  aus  *Arbeitenmüssen',  meist  im  sozialen  Abhängig- 
keitsverhältnisse. Vgl.  opus  est  (vom  Ackern),  aksl.  tribb  (vom 
Roden),  lit  refkja  (Ackern),  span.  es  menester  (vom  hörigen  Hand- 
werker), franz.  besoin. 

c)  aus  "Abgabe  leisten  müssen*.  Vgl.  gebührt  (got 
gabaür)^  müssen,  dvdtKTi,  oportet,  debeo. 

d)  seltener  aus  *haben*;  lit.  turAi,  engl,  oiight 

e)  der  Begriff  der  Verechuldung  geht  hervor  aus  der  Ver- 
letzung eines  Andern.   Got  skvlan,  dulgs,  lat  necesse  est? 

Ich  bin  vorläufig  nicht  imstande  mehr  und  besseres  zu 
bringen,  ich  wollte  bloß  mein  *Ackernniüssen*  verteidigen.  Aber 
eins  glaube  ich  schon  sagen  zu  dürfen:  Ein  idg.  Wort  für  müssen 
ist  nicht  zu  finden.  Und  damit  werden  wir  gezwungen  sein,  die 
Bildungen,  die  etwas  derartiges  bedeuten,  uns  auch  noch  einmal 
anzusehen.  Im  Altind.  haben  wir  -aniya-  (Brugmann  Grdr.  2, 1422) 
z.  B.  haraniyas  'faciendus*,  und  -tavya-  kartavyds  *faciendus* 
(a.  a.  0. 1421),  ydjyas  Venerandus',  im  Latein.  -7idm  (a.  a.  0. 1424), 
Lit  -tinas  (a.  a.  0. 1427),  gi-.  öoreoc  Brugmann  Gr.  Gr.»  §  179,  §  425. 
Keine  einzige  dieser  Bildungen  ist  bis  jetzt  als  idg.  nachzu- 
weisen gewesen! 

16* 


232  R.  Meringer, 

29.  •Mußarbeit'  und  'Mühsal,  Schmerz*. 

Die  Bedeutungen  gehen  ineinander  über.  Vgl.  irovoc,  irevo^ai 
zu  spinnen  IF.  17, 164,  ahd.  arabeit  'labor,  molestia'  a.a.O.  128, 
ags.  weork  *pain,  travail,  grief  Bosworth-Toller  1191,  schwed.  värk 
*Schmerz*.  Aksl.  trud^  'Arbeit,  Mühe,  Mühsal*,  truditi  *quälen*, 
germ.  die  Sippe  von  verdrießen  got  us-priutan  Uhlenbeck  s.  v^ 
lat  trüdere  'stoße,  dränge*.  Welche  engere  ursprüngliche  Bedeu- 
tung kam  aber  dem  *treud  zu?  Detter-Heinzel  Edda  2,  261  wird 
bemerkt,  daß  das  Mahlen  eine  knechtische  Arbeit  war^).  Das 
war  es  auch  bei  den  Römern.  Vielleicht  erklärt  sich  *treud  so? 
Detter-Heinzel  2,  592  nehmen  ein  drn  'Mühsal,  Arbeit'  an.  Wenn 
mit  Recht,  dann  gehört  das  Wort  nicht  zu  got  osaws,  asneis 
jiicGujTOC,  sondern  eher  zu  äma  =  got  airinön  (s.  u.  11,  9). 

Andrerseits  wird  neugriech.  Kdjivuj  zu  'tun*.  Wenn  labor 
zu  labi^  aksl.  sfafo,  schlaff,  schlafen,  wie  wohl  sicher  ist, 
gehört,  dann  ist  auch  hier  die  Übertragung  vom  körperlichen 
Zustand  auf  die  Arbeit  erfolgt.  Im  Franz.  ist  labour  spezialisiert 
worden  zu  'Feldarbeit*.  Der  Satz  für  solche  Bedeutungs Ver- 
änderungen heißt:  Ein  Wort  erweitert  seine  Bedeutimg,  wenn 
es  vom  engem  in  einen  weiteren  Verkehrskreis  tritt;  es  verengert 
sich,  wenn  es  vom  weiteren  in  den  engeren  tritt  Vgl.  das 
'Wirken'  des  Bäckers;  slov.  drivo  heißt  'Pflug*.  Paul  Prinzipien* 
S.  80  ff.  Auch  franz.  tramiUer  scheint  von  'quälen'  zu  'arbeiten' 
geworden  zu  sein  (tripälium  'ein  Marterwerkzeug',  der  'Xotstall, 
eine  Vorrichtung  zum  Besclüagcn  böser  Pferde)  usw. 

IL  Zur  Viehzucht 

Vgl.  Schrader  RL.  s.  v.  und  die  ebd.  S.  916  gegebene  Li- 
teratiu*.  Ich  glaube,  es  ist  vorläufig  noch  das  Beste,  die  Frage 
nach  dem  Umfange  und  der  Art  des  Ackerbaus  beim  idg.  Grund- 
volke zu  vertagen.  Nur  das  Eine  halte  ich  für  sicher,  daß  die 
Indogermanen  der  Zeit,  deren  Grundformen  wir  zu  erschließen 
trachten,  einen  Ackerbau  bereits  kannten.  Inbezug  auf  die  gegen- 
wärtig einzuhaltende  Arbeitsmethode  aber  glaube  ich,  daß  es 
das  Beste  ist,  von  allen  Gedanken  darüber  abzusehen  und  die 
Wörter,  die  sich  in  irgendeiner  Weise  auf  den  Ackerbau  be- 
ziehen, in  möglichst  großem  Umfange  zu  studieren  und  darauf 

1)  Grimm  RA.  350. 


Wörter  und  Sachen.  UI.  233 

gestützt,  den  Weg  in  jene  dunklen  Zeiten  der  Vergangenheit 
zu  suchen. 

Ich  weiß,  daß  meine  Worte  "die  Zeit,  deren  Grundformen 
(sagen  wir  besser  Sprachformen)  wir  zu  erschließen  trachten" 
bei  manchem  Forscher  ein  Lächeln  hervon-ufen.  Es  gilt  füi-  das 
Zeichen  sprachwissenschaftlicher  Überlegenheit,  die  Grundformen 
zwar  tapfer  zu  erschließen,  aber  dann  darüber  zu  schmunzeln 
und  ihnen  alle  Realität  abzusprechen.  Wenn  diese  Zweifel  auf 
Wahrheit  beruhten,  dann  täten  wir  besser,  wir  liingen  diesen 
Teil  unserer  Arbeit  auf  den  höchsten  Nagel.  Damit  wäre  aber 
auch  ein  großer  Teil  der  vergleichenden  Grammatik  erledigt. 
''Spottet  ihrer  selbst  und  weiß  nicht  wie".  Ich  überschätze  unsere 
Grundformen  nicht,  aber  daß  die  richtig  rekonstruierten  d.  h. 
ein  großer  Teil  der  rekonstruierten  ein  ziemlich  gutes  Bild  von 
Wörtern  geben,  die  einmal  wirklich  bestanden  haben,  davon  bin 
ich  überzeugt.  Und  das  zu  erreichen,  muß  in  allen  Fällen  unser 
Arbeitsideal  sein.  Nur  die  idg.  Grundsprache  ist  nicht  mehr  zu 
erschließen,  weil  wir  nicht  sagen  können,  daß  die  Wörter,  zu 
denen  wir  kommen,  Zeitgenossen  waren  und  weil  wir  über  die 
Verbreitung  der  einzebien  Wörter  und  Formen  nichts  sagen 
können.  Aber  existiert  muß  einmal  eine  Grundform  haben,  sonst 
ist  sie  eben  falsch  erschlossen.  Eine  Einschränkung  gilt  aller- 
dings :  ein  franz.  Umoignage  führt  auf  ein  *testimofiiatictim  zurück, 
das  nie  existiert  zu  haben  braucht  Aber  die  Teile  des  Worts 
sind  auch  hier  alt  Wenn  man  bedenkt,  daß  es  gamicht  so  selten 
vorgekommen  ist,  daß  eine  Form  erschlossen  wurde,  die  sich 
dann  wirklich  gefunden  hat  (vgl.  das  iouxmenta  der  Forum-Is), 
so  begreift  man  den  Pessimismus  nicht  ^). 

1.  H.  Hirt,  jedenfalls  eine  der  stärksten  konstruktiven  Be- 
gabungen unter  den  Vergleichem,  hat  auch  in  die  idg.  Alter- 
tumskunde eingegriffen  und  fi-uchtbare  Gedanken  geäußert,  was 
man  anerkennen  kann,  ohne  sich  mit  ihm  zu  identifizieren. 
Aber  darin  hat  er  Unrecht  gehabt,  daß  er  die  idg.  Existenz  eines 

1)  Ich  kann  ihn  mir  nur  so  erklären,  daß  die  Pose  des  Zweiflers 
immer  etwas  Überlegenes,  Bedeutendes  an  sich  hat.  Ich  unterschätze  die 
Bedeutung  des  Zweifels  in  der  Wissenschaft  nicht.  Aber  mir  ist  der  Acker, 
auf  dem  etwas  wächst,  mehr  wert  als  das  Sieb,  mit  dem  die  Frucht  ge- 
reinigt wird.  In  der  idg.  Altertumskunde  ist  von  dem  ganz  unfruchtbaren 
P.  v.  Bradke  und  auch  von  Kretschmer  und  Anderen  ganz  genug  gezweifelt 
worden.  Es  ist  Zeit,  daß  wieder  etwas  produziert  wird,  damit  die  Zweifler 
neue  Arbeit  bekommen. 


234  R.  Meringer, 

Wagens  für  den  idg.  Ackerbau  beweisend  erachtete,  und  Schrader 
hat  ihm  RL.  S.  917  richtig  entgegengehalten,  daß  der  Nomade 
den  Wagen  als  Wohnung  gebraucht.  *Wohnimg'  ist  allerdings 
zu  viel  gesagt^  aber  als  Schla&tätte,  Erankenbehausung  und  als 
Wochenbett  der  Frau  gebraucht  der  Nomade  seinen  Wagen  wie 
bei  uns  der  Zigeuner. 

2.  Ich  will  hier  bloß  auf  einige  Wörter  verweisen,  die  aus 
der  Viehzucht  stammen. 

Über  lat  pecünia,  got.  faihu  KTrjiLiaTa,  xpn^ctTa,  dppipiov, 
aksl.  skotb^  got  skatts  bn^apiov,  \ivd^  dpipipiov,  dpfupia  (0.  Schade 
2,  788)  wüßte  ich  nichts  Neues  zu  sagen. 

Wie  gewinnen,  Gewinnst  aus  der  primitiven  Feldwirt- 
schaft entspringen,  so  entsprossen  schon  früher  genießen, 
Nutzen  der  Viehzucht  (0.  Schade  1, 660,  IF.  16, 179ff.).  Lit  naudä 
'Nutzen*  und  'Habe',  naUdyju  'begehren',  pantisti  nach  Schleicher 
'sich  gelüsten  lassen',  aisl.  fiaut^  ahd.  ti^,  ags.  tiyfen,  as.  nötil 
'Vieh'  (Noreen  Lautl.  S.  194,  196*).  Aus  dem  German.  aksl.  ntda 
(Miklosich  Et.  Wtb.  s.  v.),  finn.  natäa  *Yieh'.  Wegen  ags.  nArf  n. 
*Ochs'  oder  *Kuh'  vgl.  Bosworth -Toller  s.  v.  liebermann  Gesetze 
der  Angelsachsen  1,  62  f.  (Alfred  [24]):  Gifneat  mon  gewundige^ 
weorpe  dwt  neat  to  honda  odde  foredingie  "Wenn  ein  Rind  einen 
Menschen  verwundet,  liefere  [der  Eigentümer  ihm]  das  Rind  aus 
oder  begleiche  für  dasselbe  [die  Zahlung  an  ihn]".  Vgl.  dazu  die 
Stelle  a.  a.  0.  S.  32  f.  (.Elfred  [El.  21]).  Man  sagt  gewöhnlich 
Genosse  sei  *wer  mit  einem  andern  genießt'  und  verweist  auf 
got.  galdaiba^  franz.  compagnon  (Kluge  s.  v.  ^Genosse'):  aber  das 
Wort  (ags.  geniat^  ahd.  ginös^  as.  ginöt)  bedeutete  wahi-scheinlich 
*der  zum  Rind  gehört',  *der  Knecht'.  Der  Knecht  hat  kein  Wer- 
geid; tötet  oder  beschädigt  ihn  Jemand,  so  ist  dieser  seinem 
Herrn  verantwortlich.  Der  Knecht  wird  also  ganz  dem  Vieh 
gleichgestellt  (Grimm  RA.  342)  und  ich  glaube,  daß  man  nichts 
besonderes  einwenden  könnte,  wenn  Genosse  als 'Mitvieh'  über- 
setzt wird.  Wie  wenig  die  gewöhnliche  sentimentale  Erklärung 
den  Tatsachen  entspricht,  kann  man  im  ags.  geniates  riht  ersehen 
Liebermann  Ges.  der  Angels.  1,  445.  Vgl.  u.  III,  9  Anm.  Man 
betrachte  die  Liste  der  Mußarbeiten  dieses  'Mitgenießers'*). 


1)  M.  Heyne  D.  d.  Nahrungsw.  S.  162. 

2)  Vgl.  ahd.  epanginoz  conservus  Graff  2,  1126.  Eine  andere  Frage 
ist,  wieso  das  Wort  zu  unserer  Bedeutung,  die  aber  schon  sehr  alt  ist, 


Wörter  und  Sachen.  III.  235 

Im  Got.  bedeutet  nixttan  övivacGai  nvoc;  TUTX^veiv  tiv6c 
Aber  ganiutan  cuXXaiiißdveiv  n,  dTpeueiv  n  und  so  heißt  auch 
ntda  m.  dXieuc  Tanger,  Fischer*.  Mark.  1,  17:  jah  gatauja  igqis 
u?airßan  nutans  manne  Kai  ttohicuj  u)Lxdc  t^v^cOai  dXieic  dvOpujTruiv. 
Aber  dieser  Sinn  des  Einfangens  scheint  sich  im  German.  erst 
entwickelt  zu  haben  und  sich  nicht  etwa  noch  vom  Jägerleben 
vor  der  Viehzucht  herzuschreiben.  Denn  man  wird  (J.  Schmidt 
Voc.  1,  156)  ai.  nwd,  nuMti  *er  stößt,  vertreibt*  herbeiziehen 
dürfen  (anders  ühlenbeck  Et.  Wtb.  d.  ai.  Spr.  s.  v.)  und  dann 
war  die  Wz.  ein  alter  Ausdruck  des  Viehhaltens  wie  *a§  (agere). 
Die  ganze  Geschichte  der  Wz.  (vgl.  0.  Schade  1,  651  f.)  bietet 
noch  viel  Interessantes  und  lehrreiche  Pai*allelen  zu  gewinnen, 
pflegen  usw.  Vgl.  auch  die  oben  (I  Nr.  22)  bei  ai.  arhati  be- 
sprochene Sippe. 

3.  Ein  anderer  alter  Ausdruck,  der  der  Viehzucht  entstammt, 
liegt  in  dem  weit  verbreiteten  *a^  vor,  das  im  lat.  agere  die  all- 
gemeinste Bedeutung  erlangt  hat  Ihering  Vorgeschichte  der 
Indoeuropäer  S.  28  f.  hat  ausnahmsweise  einmal  Recht,  wenn  er 
sagt:  "Unsere  heutige  Wendung:  was  treibst  Du?  ebenso  die 
lateinische  quid  agis?  führt  ihrem  historischen  Ursprung  nach 
auf  das  Hirtenleben  zurück*,  aber  er  behauptet  sofort  wieder 
haltlose  Dinge,  wenn  er  meint  " —  im  Viehtreiben  ist  dem 
Menschen  der  Begriff  der  Tätigkeit  zuerst  zum  Bewußtsein  ge- 
kommen —  am  bezeichnendsten  dafür  ist  das  Sprichwort:  wie 
man's  treibt,  so  geht's,  das  sich  nur  bilden  konnte  in  Anwendung 
auf  das  Vieh**.  Die  Wz.  o^  hat  ganz  allmählich  ihren  Sinn  er- 
weitert, und  die  Sprachen  gehen  hierin  nicht  zusammen  und 
stimmen  in  den  Bedeutungsentwicklungen  nicht  überein.  Und 
a^  ist  nicht  nur  nicht  *dem  Menschen*,  sondern  nicht  einmal 
dem  Indogermanen,  sondern  bloß  dem  Lateiner  ^treiben*  im  all- 
gemeinsten Sinne  geworden. 

4.  Unser  treiben  ist  derselben  Herkunft,  d.  h.  stammt  aus 
demselben  Stadium  der  Kultur,  aus  der  Sprache  des  Hirten. 
Leider  liegt  die  Frage  nach  der  Herkunft  des  Wortes  noch  im 
Argen.  An  zwei  Stellen  könnte  man  Anschluß  versuchen.  Gr.  0pri|i, 
epmöc  Holzwurm*  könnte  darauf  leiten,  ein  *dhrip  ^anbohren*, 
'stacheln'  anzunehmen. 


kommen  ist.  Vgl.  ags.  biodgeniat  Tischgenosse',  heofdgen^at  'Herdgenosse* 
Beov.,  die  Dienstmannen  des  Königs,  die  er  in  seinem  Schlosse  ernährt, 
die  aber  gewiß  keine  Knechte  sind. 


236  R.  Meringer, 

Da  es  aber  noch  drei  ganz  ähnlich  klingende  griech.  Wörter 
für  Holzwurm  gibt  (Leo  Meyer  Handbuch  3,  473),  wird  man 
gegen  Gpiqj  mißtrauisch.  Vielleicht  ist  v.  Grienberger  aber  auf 
der  rechten  Spur,  wenn  er  an  lit.  drinibü^  dripti  anknüpft  (Unter- 
suchungen z.  got  Wortkunde  S.  59),  das  vom  Fallen  des  weichen, 
großflockigen  Schnees  gebraucht  wird,  während  wir  bei  Schnee- 
treiben allerdings  an  etwas  Anderes  denken.  Inbetracht  kommen 
auch  an.  SigrdHfa^  hringdHfi^  bau^drifr^  prdrtfr,  worüber  Detter- 
Heinzel  Edda  2,  422  zu  vergleichen  ist  Falk-Torp  Et.  ordbog 
s.  V.  drive  denken  an  lit  drebii  drebiti  'zittern,  beben',  was  weder 
nach  den  Lauten  noch  nach  der  Bedeutung  paßt  Wichtig  ist 
noch  longob.  haritraib  Brückner  S.  207. 

5.  Auch  halten  gehört  der  Viehzucht  anIF.17, 126  Anm.2, 
J.  Grimm  Reden  und  Aufsätze  S.  133  f.  Ich  habe  schon  a.a.O.  116 
mich  denen  angeschlossen,  die  got  hcddan  ßooceiv  iroi^aiveiv  zu 
ßouKoXoc  usw.  stellen.  Kluge,  Uhlenbeck  s.  v.  Von  germ.  haldan 
*Vieh  weiden'  (wie  heute  noch  österr.  halten;  Halter  =  Hirt) 
bis  zu  nhd.  'halten'  ist  allerdings  auch  eine  große  Bedeutungs- 
veränderung  zu  konstatieren. 

6.  In  wonm  w%d  weide  (Mhd.  Wtb.  3,  817,  Weide  ebd.  552; 
Kluge  s.  v.  Wonne)  liegt  noch  die  alte  sinnliche  Bedeutung  des 
Wortes  Wonne  vor.  Zu  IF.  16,  182.  Wenn  Kluge  sagt:  "Man 
hält  ahd.  tcunnja  (mhd.  tciinne)  ^Weideland*  für  eins  mit  Wonne, 
doch  hat  jenes  mit  got.  imtja  *Weide,  Futter'  seine  eigene  Vor- 
geschichte", so  ist  mir  das  nicht  ganz  begreiflich.  In  icunn  und 
tmcfe  haben  und  niessen  liegt  noch  die  sinnliche  Bedeutung,  in 
äuge  und  6re  heten  dct  treide  und  tvunne  Tristan  die  übeitragene 
vor.  Grimm  RA.  S.  360  hat  die  Frage  nicht  weiter  verfolgt  ilir 
will  es  als  möglich  erscheinen,  daß  in  Wonne  und  Weide  die 
beiden  Ausdrücke  nicht  identisch  sind,  sondern  Wonne  sich  auf 
bebautes  Land  bezieht 

7.  Man  hat  Weide,  Rast,  Weile  benutzt  um  uns  *den 
german.  Stamm  mit  seinen  Herden  auf  der  Wanderung  zu  zeigen'. 
Aber  R.  Mueh  hat  dagegen  mit  Recht  Einspruch  erhoben  (Archiv 
f.  d.  Stud.  d.  neueren  Sprachen  und  Lit  106,  360).  "Ein  dem 
Mittelhochdeutschen  geläufiges  tageumde  hätte  als  Längenmaß 
nur  bei  einem  auf  der  Wanderung  begriffenen  Hirtenvolk  be- 
stehen, nach  Rasten  hätten  nur  Nomaden  ihre  Züge  abschätzen 
können.  Aber  heißt  nicht  mhd.  weide  und  ags.  wäd  allein  schon 
*Wauderung,  Fahrt,  Reise,  Gang'?  Somit  hat  fagetceide  nie  etwas 


Wörter  und  Sachen.   UI.  237 

anders  als  Tagreise,  Tagmarsch'  bedeutet.  Und  warum  sollen 
gerade  nur  Nomaden  und  nicht  auch  andere  Leute  auf  der 
Wanderschaft  gelegentlich  Rast  halten?"  Man  stellt  sich  eben 
immer  den  Verkehr  früherer  Zeiten  zu  geringfügig  vor.  Für  ihn 
sorgten,  wie  auf  dem  Balkan  die  Han  (IF.  16,  142),  bei  uns  Her- 
torgen  und  Einkehrwirtshäuser.  Diese  dürften  schon  so  ziemlich 
eine  Tagereise  von  einander  entfernt  gewesen  sein;  die  Möglich- 
keit ihrer  Existenz  dürfte  das  Ausmaß  ihrer  Entfernungen  reguliert 
haben,  sodaß  Weile,  Rast  zur  Bedeutung  gewisser  Längen- 
maße werden  konnten.  Vom  Noraadentum  verraten  diese  Wörter 
nichts  mehr,  sondern  vom  Handelsverkehre.  Rast,  Weile  und 
Stunde  bedeuten  zueret  *Ruhe*.  Got  rc^n  zu  Rast  IF.  16,  142. 
Daß  Stunde  zu  got.  standan  gehört,  ist  mir  so  sicher  wie  Much, 
nur  möchte  ich  nicht  'Ständchen,  Ruhepunkf  (Much;  'Ruhe- 
punkt* auch  Kluge),  sondern  sinnlich  'Einstellen*  (der  Pferde) 
übersetzen,  wie  ja  von  derselben  Wz.  an.  ags.  stdd  'Roßherde* 
(Kluge  s.  V.  Stute)  kommen,  deren  Bedeutung  nicht  'Stall',  und 
nicht  'Bestand*  war,  sondern  im  besten  Fall  'ein  fliegendes  Dach', 
•eine  gedeckte  Laube',  vielleicht  oft  genug  nur  'ein  Pferch',  wo 
die  Tiere  grasen  konnten,  und  vor  dem  Wolfe  geschützt  waren. 

8.  Damit  ist  aber  Weide  noch  am  allerwenigsten  erledigt. 
Das  Wort  geht  auf  Jagd  und  Fischfang  zurück.  Vgl.  an.  veidr^ 
ags.  icdd  *Jagd',  ahd.  imda  venatio,  piscatio  Graff  1,  774,  weidoft 
pascere,  venari,  errare  (I  775),  weidinärt  venator.  Noreen  Lautl. 
S.  213  hat  gesehen,  daß  die  «-Wurzel  mhd.  geweide  *Fang',  aisl. 
veida  'fangen',  ofvida  'fesseln'  formell  (man  kann  sagen,  auch 
sachlich)  sich  mit  aisl.  vcidr  'Angelschnur',  v^  *Zeug,  Kleidung' 
berührt.  Ich  denke  mir  die  Bedeutungsentwicklung  etwa  so : 
iceida  hieß  'Fang'  (Jagd,  Fischfang),  wie  es  vom  Löwen  heißt, 
der  in  utieido  gat  Aus  solchen  Verbindungen  ergibt  sich  ein 
Sinn  'zum  Fraß',  und  so  erhält  Weide  den  Sinn  pascua,  pabu- 
lum,  herba  z.  B.  gemeine  uueida  compascuus  ager.  So  heißt  weidon 
venari,  pascere  aber  auch  errare  (vom  Hirsche).  Mhd.  tageweide 
bedeutet  demnach  'Tagesreise',  wie  weit  man  an  einem  Tag 
konunt.  Eine  weitere  Entwicklung  stellt  dar  mhd.  afidertveide 
*zum  zweiten  Male'  (D.  Wtb.  1,  314);  dritveide^  vierumde  'drei-, 
viermal*. 

Vgl.  Fick  1*,  543  s.  2  vei-  'treiben,  jagen*.  Zu  ahd.  weida 
setzt  Bartholomae  Airan.  Wtb.  Sp.  1413  av.  västar  'Hirte'.  Wir 
müßten  dann  eine  Wz.  *ueit  für  das  Idg.  ansetzen.  Über  die  Fi-age 


238  R.  Meringer, 

des  Grads  der  Ansässigkeit  der  Germanen  zu  Caesars  und  Taci- 
tus'  Zeiten  vgl.  auch  HUdebrand  Recht  und  Sitte  S.  43  ff.,  57  ff. 

9.  Zur  Bodenverteilung.   Gr.  v^mw  usw. 

Ich  stelle  die  wichtigsten  Bedeutungen  dieser  verbreiteten 
und  höchst  wichtigen  Wurzel  dar.  Vgl.  L.  Meyer  Handbuch  4,  275. 

a)  *NSmö  'ich  teile  zu',  von  der  Bodenverteilung  (gleich- 
giltig  :  an  Waldland,  an  Haideland).  Hom.  vd^w  mehrfach  im  Sinn 
von  'zuteilen'  vgl.  L.  Meyer  a.  a,  0.,  Ebeling  Lex.  Hom.  s.  v. 

b)  *JViftwö=pasco,  pascor  vgl.  Ebeling  s.  v.  J.  Grimm  Reden 
und  Abhandlungen  S.  132  sagt:  "Noch  ahd.  neman  drückt  außer 
capere,  tollere  auch  das  sinnliche  carpere,  vellere  aus  (Graff  2, 
1054),  Abfressen,  Abweiden  des  Grases.  Gerade  so  zu  fassen  ist 
die  Grundvorstellung  des  gr.  v^|i€iv  und  v^^€c9al  pascere,  vi^oc 
Weideplatz,  veiitüv  pascens  Od.  9,  233,  vo|ir|,  vo)ui6c  Weide,  vo)ui€uc 
Hirt  Hier  atmet  alles  Nomadenleben."  Das  letztere  ist  aller- 
dings nicht  richtig,  wie  wir  sehen  werden. 

c)  *NSmoS'  'das  Zugeteilte.*  Gr.  vi)uioc  'Weideplatz'  L.  Meyer 
a.  a.  0.  S.  277.  "Lat.  nemus  ist  eigentlich  Trift'  =  v^imoc,  dann 
öfters  'Baumgruppe*,  später  dann  *Lustwald' ".  Müllenhoff  D.  A.  4, 
221.  "Neraus  ist  eine  Baumgruppe.  Drei  Bäume  sind  schon  ein 
nemus"  ebd.  283.  —  Im  ursprünglichen  Sinn  von  *fiemos  liegt 
weder  'Trift'  noch  *Wald',  es  kann  beides  sein.  II.  11,480 :  u)|no- 
cpotToi  mv  (fXaqpov)  öiDec  ?v  oupeci  öapödirrouciv  dv  v€)ui€i  CKieptu 
bedeutet  gewiß  'im  tiefen  schattigen  Haine'.  Zu  nemus  Hilde- 
brand Recht  und  Sitte  S.  107.  Wo  *nemos  'Wald  bedeutete,  ist 
seine  Grundbedeutung  'abgegrenzter  Wald',  wie  Hain  zu  Hag 
gehört  und  dasselbe  bedeutet.  Auch  gallisch  nemeton  kann  diese 
Grutidanschauung  enthalten,  und  weniger  wahrscheinlich  ist  mir, 
daß  man  es  (Brugmann  Grdr.  2,  206)  'das  Verehrte'  zu  über- 
setzen hat.  Stokes  S.  192.  Vgl.  de  sacris  süvarum  quae  nimidas  [as.] 
vocani  Ind.  superst.  Graff  2,  1090,  0.  Schade  1,  651. 

d)  *Nomd,  vojLiri  'Verteilung',  'Weideplatz'.  Vgl.  die  von 
Hildebrand  K.  u.  S.  59  zitierte,  juristisch  sehr  wichtige  Stelle 
aus  Diodor  3,  33,  wo  es  von  den  Troglodyten  heißt:  TroXeinoöci 
bk  TTpöc  dXXriXouc  oux  6)ioiujc  toic^HXXticiv  utt^p  rnc  ^  tivuüv  öXXujv 
dTKXimdxujv,  dXX'  uTT^p  rrjc  dmTivojidvric  dd  vo)uific. 

e)  *A^owd5,voja6c 'Weideplatz*  und 'Wohnsitz'.  Leo  Meyer 
a.  a,  0.  277.  Wegen  der  Bedeutung  'Wohnsitz'  vgl.  veimecGai 
'wohnen'  ebd.  275. 


Wörter  und  Sachen.  III.  23» 

Dazu  lit  nämas  'das  Haus*,  namat  *die  Wohnung*,  nami  'zu 
Hause*.  Ai.  näme  (KV.  273,  6)? 

f)  *Nömo8.  Gr.  v6^oc  'Gesetz*.  Die  Bedeutungsentwicklung 
war:  'Zuteilung  von  Grund  und  Boden*,  *Bezirk,  in  dem  das 
vi^€lv  stattgefunden*,  'Gesetzsprengel*,  'Gesetz*. 

g)  'Nehmen*  und  'Kaufen*.  Was  in  unserem  nehmen 
steckt,  scheint  mir  am  besten  an.  landndm  n.  'Besitzergreifung 
eines  Stücks  Landes,  um  sich  darauf  anzusiedeln*  zu  erklären. 
Wegen  des  Bedeutungsverhältnisses  von  v^imui  'teile  zu*  zu  got 
nima  'nehme*  vergleiche  geben  zu  air.gabim  'je  prends*  d'Arbois 
de  Jubainville  fil.  de  gram.  Celt.  165. 

Lit.  imä  imti  'nehmen*,  lett.  nemu  nemt^  aksl.  imq  jßti 
Xaimßdveiv  prehendere.  'Kaufen*  ist  zivilisiertes 'nehmen*:  lat  emo. 
Wegen  der  lautlichen  Verhältnisse  dieser  Wörter  Brugmann 
Grdr.  1»,  388. 

h)  'Darlehen',  'Zins*.  Lit.  nümä^  nümäs  'Zins  für  Darlehen*, 
av.  ftamah  'Darlehen*  Bartholomae  Airan.  Wtb.  Sp.  1070  (vgl. 
auch  ndtnata  1068).  Wegen  der  Lautstufe  von  nümä  vgl.  vujiuideiv 
L  Meyer  4,  278. 

Man  wird  auch  hier  zugeben,  daß  diese  Fülle  der  Be- 
deutungen sehr  realen  Verhältnissen  entsprungen  ist,  und  daß 
man  sich  über  diese  ein  Bild  zu  machen  trachten  muß,  während 
mit  'Insich-Erklärimgen*,  mit  Entwicklung  von  Begriffen  aus 
Begriffen  nichts  zu  erklären  ist. 

Ich  kann  hier  nur  soviel  andeuten.  Die  Wz.  berichtet,  daß 
Verteilungen  von  Grund  und  Boden  stattgefunden  haben  und  daß 
diese  die  Grundlage  der  späteren  Besitz-  und  Rechtszustände 
geworden  sind. 

Aber  darüber,  was  geteilt  wurde,  könnten  vielleicht  Zweifel 
geltend  gemacht  werden.  So  sagt  J.  Grimm  RA.  S.  498:  "Nun 
ist  es  einleuchtend,  daß  dem  Hirten  an  der  Ganzheit  des  Land- 
eigentums gelegen  sein  muß,  dem  Bauer  an  der  Verteilung. 
Jener  braucht  imveränderliche  Triften,  Wiesen  und  Wälder 
zu  Weide  und  Mast,  gleich  seiner  Herde  gedeiht  die  Mark  nur 
durch  Zusammenhalten.  Dem  Ackermann  liegt  die  Flur  recht, 
welche  seinen  Hof  umgibt  und  die  er  durch  Zäune  vor  allen 
Nachbarn  einfriedigen  kann;  sein  Pflug  fährt  einsam,  das  Ge- 
lingen seiner  Wirtschaft  hängt  von  Versuchen  ab,  die  er  auf 
eigene  Hand  anstellt.*'  Nur  gegen  den  letzten  Satz  möchte  ich 
schwere  Bedenken  erheben.  Grimm  denkt  an  originelle  Bauern! 


240  R.  Meringer, 

Wie  selten  sind  die  originellen  Köpfe  sogar  unter  den  Gelehrten, 
diesen  Ausgewählten  aus  Hunderttausenden.  Und  der  Bauer  soll 
es  gewissermaßen  handwerksgemäß  sein.  Nein!  Nirgendwo  ist 
die  Macht  der  Tradition  größer  als  beim  Bauer. 

Die  oben  zusammengestellten  Bedeutungen  weisen  auf  das 
Bestimmteste  auf  Teilungen  von  Weideland,  Land  überhaupt,  das 
eben  so  gut  es  ging  zum  Weiden  verwendet  wurde.  Od.  10,  159 
iK  vo^oö  uXtic  Auch  der  Wald  hatte  ja  Stellen,  wo  das  Vieh 
Futter  fand. 

Und  es  gab  Teilungen  zur  Zeit  des  Hirtenlebens.  Vgl. 
Hildebrand  R.  u.  S.  S.  29 :  **In  der  Regel  verteilte  sich  ...  der 
Weide  wegen,  nicht  nur  der  ganze  Stamm,  sondern  auch  wiederum 
jedes  einzelne  Geschlecht  in  mehrere  Zeltlager  oder  Dörfer  [vgl. 
oben  got /owrp *Rodestelle'].  Wie  es  in  der  Bibel  heißt  (I.Buch 
Mos.  13) :  Lot  aber,  der  mit  Abraham  zog,  der  hatte  auch  Schafe 
und  Rinder  und  Hütten.  Und  das  Land  mochte  es  nicht  ertragen, 
daß  sie  bei  einander  wohnten;  denn  ihre  Habe  war  groß.  Und 
war  immer  Zank  zwischen  den  Hirten ...  Da  sprach  Abraham 
zu  Lot :  . . .  Steht  Dir  nicht  das  ganze  Land  offen  ?  . . .  Willst  Du 
zur  Linken,  so  will  ich  zur  Rechten . . .  Also  schied  sich  ein 
Bruder  vom  andern." 

Die  Erzählung  erklärt  manches  aus  der  Geschichte  von 
idg.  *7iemö  *ich  teile  zu'. 

10.  Noch  zwei  Nachträge.  Gr.  KXT]pov6)Lioc  *Erbe',  KXT]povo)Liia 
*das  Erben',  'Erbschaft'  KXripovojaeuj  'beerben'  gehen  von  einer 
Grundverteilung  durch  das  Los  aus  und  ergänzen  die  früheren 
Ergebnisse.  Das  Los  entschied  auch  bei  der  germanischen  Flur- 
verteilung V.  Inama-Sternegg  Pauls  Grdr.  3*,  12  f.  Die  Wörter 
zeigen  durch  ihre  Bedeutung,  daß  das  durch  das  Los  dem 
ersten  KXapovoiaoc  *Losnehmer'  Zugeteilte  im  erblichen  Besitze 
seiner  Nachkommen  blieb.  Andere  Gedanken  hat  sich  darüber 
0.  Schrader  RL.  s.  v.  Erbschaft,  Diebstahl  gemacht.  Vgl. 
auch  RL.  S.  14. 

11.  An.  laiidnäm  n.  wurde  schon  zitiert.  Vgl.  Cleasby- 
Vigfusson  372.  Das  Zeichen  der  Landnahme  war  mehrfach  ein  aus- 
gesteckter Sti^ohwisch.  Wegen  der  Etymologie  von  land  vgl. 
Kluge  s.  V.  Das  Wort  bedeutet  ursprünglich  gewiß  das  unkul- 
tivierte Land.  Dazu  ist  nun  auch  an.  lundr  *Hain,  Wald'  zu  stellen. 
Lid6n  hat  PBS.  Beiti\  XV,  521  allerdings  es  zu  Xdaoc  gestellt, 
aber  R.  Much  hat  Haupts  Zts.  42,  170  ff.   den   Zusammenhang 


Wörter  und  Sachen.   III.  241 

mit  Land  behauptet  Much  sagt:  "Die  Bedeutung  Hain  wird 
bei  lundr  durch  die  von  'freier  Platz,  eingefriedigtes  Land*  ver- 
mittelt." Ich  stimme  bei.  An.  lundr  verhält  sich  zu  Land,  so- 
wie lat  nemtis  *Hain'  zu  vo^6c  *Weide'.  Lundr  ist  der  abge- 
grenzte Wald,  wie  nemus  und  Hain.  Und  hieher  gehört  vielleicht 
auch  der  Fj^iurlundr  der  Edda.  Detter-Heinzel  2, 377,  46  denken 
an  einen  Wald,  in  dem  Ketten  hergestellt  werden.  Aber  ist  es 
unmöglich,  an  einen  mit  Ketten  abgesperrten  Wald  zu  denken? 
War  der  Hain  der  Semnonen  (Tacitus  c.  39)  ein  solcher  fiptur- 
lundr ^  ein  Tesselwald,  Bannwald'?  Ist  der  Brauch,  ihn  gefesselt 
zu  betreten,  nicht  erst  eine  Folge  seines  Namens  gewesen? 
Darf  man  an  die  Eisenketten  rings  um  Kirchen  des  hl.  Leonhard 
als  eine  analoge  Erscheinung  denken?  An.  Hueralundr  (Detter- 
Heinzel  2,  S.  46),  vielleicht  *Kesselwald*  bedeutend,  müßte  auch 
nicht  den  Wald  bezeichnen,  in  dem  Kessel  gemacht,  sondern 
bloß,  wo  Kessel  geopfert  werden. 

Vgl.  noch  zu  land  Falk-Torp  443,  Stokes  239.  Wegen  des 
•genommenen'  Pfands  v.  Amira  Paul  Grdr.  3«  §  68  S.  183. 

12.  Die  Wz.  nam  *beugen,  verehren  (aus  sich  beugen)' 
möchte  ich  vorlänfig  ganz  abtrennen.  Das  Bedenklichste  ist  es, 
die  deutlich  hieher  gehörigen  Wörter  mit  den  früher  erörterten, 
so  ganz  Verschiedenes  bedeutenden,  unbesorgt  durcheinander 
zu  mengen. 

ni.  Zum  Ackerbau. 

1.  Auf  die  Ansichten  der  Juristen  gestützt,  hat  H.  Hirt 
der  Frau  eine  besondere  Rolle  in  der  Entwicklung  des  Ackerbaus 
zugeschrieben.  0.  Schrader  RL  S.  917  f.  hat  dagegen  die  Nach- 
richten über  das  Ackern  der  Frau  sich  so  zurechtgelegt,  daß 
der  Mann  ein  ihm  verhaßtes  Geschäft  gerne  dem  Weibe  aufhalste. 
Aber  damit  ist  Hirts  Meinung  nicht  widerlegt  Wenn  dem  Manne 
die  Feldarbeit  so  verhaßt  war,  dann  hatte  das  wohl  seinen  tra- 
ditionellen Grund  darin,  daß  sie  als  eines  Mannes  unwürdig  galt. 
Vgl.  oben  I,  6  unter  opus  est 

2.  Lat.  solum^  solere,  deutsch  Sal, 

Zu  IF.  16  S.  182  Anm.  und  183. 

An.  salr  bedeutet  außer  'Sal'  noch  *Boden*.  Vgl.  Gehring 
Vollst  Wtb.  S.  878,  und  so  übersetzt  man  seit  Hofforj^  das  d  salar 
steina  der  V9I.  mit  'auf  die  Steine  des  Bodens*  Detter-Heinzel 


240  R.  Meringer, 

Wie  selten  sind  die  originellen  Köpfe  sogar  unter  den  Gelehrten, 
diesen  Ausgewählten  aus  Hunderttausenden.  Und  der  Bauer  soll 
es  gewissermaßen  handwerksgemäß  sein.  Nein!  Nirgendwo  ist 
die  Macht  der  Tradition  größer  als  beim  Bauer. 

Die  oben  zusammengestellten  Bedeutungen  weisen  auf  das 
Bestimmteste  auf  Teilungen  von  Weideland,  Land  überhaupt,  das 
eben  so  gut  es  ging  zum  Weiden  verwendet  wurde.  Od.  10,  159 
iK  vo^oö  uXtic.  Auch  der  Wald  hatte  ja  Stellen,  wo  das  Vieh 
Futter  fand. 

Und  es  gab  Teilimgen  zur  Zeit  des  Hirtenlebens.  Vgl. 
Hildebrand  R.  u.  S.  S.  29 :  **In  der  Regel  vorteilte  sich  .  .  .  der 
Weide  wegen,  nicht  nur  der  ganze  Stamm,  sondern  auch  wiederum 
jedes  einzelne  Geschlecht  in  mehrere  Zeltlager  oder  Dörfer  [vgl. 
oben  got /otirp *Rodestelle'].  Wie  es  in  der  Bibel  heißt  (I.Buch 
Mos.  13) :  Lot  aber,  der  mit  Abraham  zog,  der  hatte  auch  Schafe 
und  Rinder  und  Hütten.  Und  das  Land  mochte  es  nicht  ertragen, 
daß  sie  bei  einander  wohnten;  denn  ihre  Habe  war  groß.  Und 
war  immer  Zank  zwischen  den  Hirten ...  Da  sprach  Abraham 
zu  Lot :  . . .  Steht  Dir  nicht  das  ganze  Land  offen  ?  . . .  Willst  Du 
zur  Linken,  so  will  ich  zur  Rechten . . .  Also  schied  sich  ein 
Bruder  vom  andern." 

Die  Erzählung  erklärt  manches  aus  der  Gescliichte  von 
idg.  *neniö  *ich  teile  zu'. 

10.  Noch  zwei  Nachträge.  Gr.  KXtipovojaoc  *Erbe',  KXtipovojaia 
*das  Erben',  'Erbschaft'  KXtipovojaeuj  'beerben'  gehen  von  einer 
Grundverteilung  durch  das  Los  aus  und  ergänzen  die  früheren 
Ergebnisse.  Das  Los  entschied  auch  bei  der  gei-manischen  Flur- 
verteilung V.  Inama-Sternegg  Pauls  Grdr.  3  2,  12  f.  Die  Wörter 
zeigen  durch  ilire  Bedeutung,  daß  das  durch  das  Los  dem 
ersten  KXapovojaoc  *Losnehmer'  Zugeteilte  im  erblichen  Besitze 
seiner  Nachkommen  blieb.  Andere  Gedanken  hat  sich  darüber 
0.  Schrader  RL.  s.  v.  Erbschaft,  Diebstahl  gemacht  Vgl. 
auch  RL.  S.  14. 

11.  An.  landndm  n.  wurde  schon  zitiert.  Vgl.  Cleasby- 
Vigfusson  372.  Das  Zeichen  der  Landnahme  war  mehrfach  ein  aus- 
gesteckter Strohwisch.  Wegen  der  Etymologie  von  Jmid  vgl. 
Kluge  s.  V.  Das  Wort  bedeutet  ursprünglich  gewiß  das  unkul- 
tivierte Land.  Dazu  ist  nun  auch  an.  lundr  *Hain,  Wald'  zu  stellen. 
Lid6n  hat  PBS.  Beitr.  XV,  521  allerdings  es  zu  Xdaoc  gestellt, 
aber  R.  Much  hat  Haupts  Zts.  42,  170  ff.   den  Zusammenhang 


Wörter  und  Sachen.  lU.  241 

mit  Land  behauptet  Much  sagt:  "Die  Bedeutung  Hain  wird 
bei  lundr  durch  die  von  'freier  Platz,  eingefriedigtes  Land*  ver- 
mittelt." Ich  stimme  bei.  An.  lundr  verhält  sich  zu  Land,  so- 
wie lat  nemtis  *Hain*  zu  vojiöc  'Weide*.  Lundr  ist  der  abge- 
grenzte Wald,  wie  nemus  und  Hain.  Und  hieher  gehört  vielleicht 
auch  der  Fjgiurlundr  der  Edda.  Detter-Heinzel  2, 377, 46  denken 
an  einen  Wald,  in  dem  Ketten  hergestellt  werden.  Aber  ist  es 
unmöglich,  an  einen  mit  Ketten  abgesperrten  Wald  zu  denken? 
War  der  Hain  der  Semnonen  (Tacitus  c.  39)  ein  solcher  ß^ur- 
lundr ^  ein  'Fesselwald,  Bannwald*?  Ist  der  Brauch,  ihn  gefesselt 
zu  betreten,  nicht  erst  eine  Folge  seines  Namens  gewesen? 
Darf  man  an  die  Eisenketten  rings  um  Kirchen  des  hl.  Leonhard 
als  eine  analoge  Erscheinimg  denken?  An.  Hueralundr  (Detter- 
Heinzel  2,  S.  46),  vielleicht  'Kessel wald*  bedeutend,  müßte  auch 
nicht  den  Wald  bezeichnen,  in  dem  Kessel  gemacht,  sondern 
bloß,  wo  Kessel  geopfert  werden. 

Vgl.  noch  zu  land  Falk-Torp  443,  Stokes  239.  Wegen  des 
'genommenen*  Pfands  v.  Amira  Paul  Grdr.  3«  §  68  S.  183. 

12.  Die  Wz.  nam  'beugen,  verehren  (aus  sich  beugen)* 
möchte  ich  vorläufig  ganz  abtrennen.  Das  Bedenklichste  ist  es, 
die  deutlich  hieher  gehörigen  Wörter  mit  den  früher  erörterten, 
so  ganz  Verschiedenes  bedeutenden,  unbesorgt  durcheinander 
zu  mengen. 

ni.  Zum  Ackerbau. 

1.  Auf  die  Ansichten  der  Juristen  gestützt,  hat  H.  Hirt 
der  Frau  eine  besondere  Rolle  in  der  Entwicklung  des  Ackerbaus 
zugeschrieben.  0.  Schrader  RL.  S.  917f.  hat  dagegen  die  Nach- 
richten über  das  Ackern  der  Frau  sich  so  zurechtgelegt,  daß 
der  Mann  ein  ihm  verhaßtes  Geschäft  gerne  dem  Weibe  aufhalste. 
Aber  damit  ist  Hirts  Meinung  nicht  widerlegt  Wenn  dem  Manne 
die  Feldarbeit  so  verhaßt  war,  dann  hatte  das  wohl  seinen  tra- 
ditionellen Grund  darin,  daß  sie  als  eines  Mannes  unwürdig  galt. 
Vgl.  oben  I,  6  unter  opus  est 

2.  Lat.  solum^  solere,  deutsch  SaL 

Zu  IF.  16  S.  182  Anm.  und  183. 

An.  salr  bedeutet  außer  *Sal*  noch  'Boden*.  Vgl.  Gehring 
Vollst  Wtb.  S.  878,  und  so  übersetzt  man  seit  Hoffory  das  d  salar 
steina  der  V9I.  mit  *auf  die  Steine  des  Bodens*  Detter-Heinzel 


242  R.  Meringer, 

Edda  2  S.  12, 23  (Salarsteini  Lokalname).  Dazu  macht  mich  Rhamm 
aufmerksam,  daß  in  der  Historisk  tidskrift  1895  S.  370  von 
Stenstrup  Ortsnamen  mit  sal  nachgewiesen  werden. 

Über  den  Zusammenhang  von  Bedeutungen  wie  *Boden* 
(lat  solum)  und  'Raum'  usw.  («i/)  vgl.  IF.  16  S.  183,  wo  noch  ahd. 
bür  Oraff  3,  18  anzuschließen  ist  Ahd.  bür  gehört  zu  bHafiy  das 
heute  noch  bei  uns  'ackern*  bedeutet  und  in  anbauen  =  'säen* 
gemeindeutsch  ist.  Langobard.  mla  "Hof,  Haus,  Gebäude*. 

Der  Sinn  des  lat.  sölum  ist  'anbaufähiges  Land*,  und  deshalb 
ist  es  wohl  begreiflich,  daß  solere  damit  zusammenhängt;  vgl  lat 
colere^  d.  pflegen. 

Wegen  mhd.  sdlant  v.  Inama-Stemegg  Paul  Grdr.  3*,  21. 

3.  Reuten,  roden. 

Vgl.  oben  I,  8  s.  v.  aksl.  tribb  über  das  Roden. 

Über  die  beim  Roden  in  Verwendung  kommenden  Werk- 
zeuge vgl.  F.  Orth  Feldbau  der  Römer  S.  23  f.  Ich  habe  Mitt  d. 
Anthr.  Ges.  Wien  34  S.  168  Fig.  62  eine  südslavische  motika  'eine 
Haue*,  Fig.  63  einen  tmokop  'einzinkige  Rodehacke*  abgebildet 
Die  motika  findet  sich  in  derselben  Form  bei  den  Rumänen,  vgl 
Dam6  Incercare  de  Tenninologie  S.  38  Fig.  15  und  bei  den  Bul- 
garen Marinow»  Sbomik  Sofia  18  S.  139,  der  tmokop  als  tirtia- 
copxd  bei  den  Rumänen,  vgl.  Dame  a.  a.  0.  Fig.  21.  Eine  Rodehacke 
bei  E.  Mummenhoff  Der  Handwerker  S.  10  nach  einer  Handschrift 
des  12.  Jalirh.  Bilder  der  römischen  Werkzeuge  bei  Anthony  Rieh 
Hl.  Wtb.  d.  röm.  Altertümer,  deutsch  von  Dr.  C.  Müller  1862  ^). 

Bei  allen  Arbeiten  auf  dem  Gebiete  der  Sachen  kommt  man 
so  schwer  vorwärts,  weil  wenig  über  diese  Gegenstände  publiziert 
und  das  wenige  trostlos  zersplittert  ist  Wie  verdienstlich  wäre 
es,  die  Instnimente  der  verschiedenen  Völker  zu  beschreiben. 
Diese  Vorarbeiten  wären  notwendig  zu  dem,  was  heute  noch  ein 
Zukunftstraum  ist,  zu  einer  Gescliichte  der  Werkzeuge*). 

Wir  haben  in  unseren  Gegenden  ein  Rodemesser,  das  ich 
bei  andrer  Gelegenheit  abbilden  werde.  Es  heißt  die  Brachse 
{braxn\  was  natürlicli  zu  brechen  gehört   In  Cornus  Heimat 

1)  Mir  liegt  bloß  die  franz.  Übersetzung  von  Ch^ruel  Paris  1859  vor. 

2)  0.  Förtsch,  die  Entstehung  der  ältesten  Werkzeuge  und  Geräte. 
Dissert  Halle  1892  ist  nicht  viel  wert.  —  Sehr  wertvoll,  auch  in  bezug 
auf  die  Geräte,  ist  L.  Jacobi  Das  Römercastell  Saalburg  1897.  Vgl.  auch 
die  Limes-Pubhkationen. 


Wörter  und  Sachen.  III.  24S 

im  Waadtlande  heißt  es  Ijaudgo^),  Comu  erzählt,  daß  man  mit 
einem  solchen  Messer  zwei-  bis  dreifingerdicke  Stämme  glatt 
durchschlagen  kann.  Das  Werkzeug,  das  an  ein  Winzermesser 
erinnert,  muß  alt  sein,  obwohl  ich  es  vorläufig  sonst  nicht  nach- 
weisen kann. 

Ich  kann  hier  weiter  nicht  auf  alle  Rodewerkzeuge  ein- 
gehen, sondern  muß  mich  beschränken,  auf  die  mein  Augenmerk 
zu  richten,  deren  Namen  mit  dem  Verbum  reuten,  roden  zu- 
sammenhängen, und  das  sind  lat.  rutrum  imd  ahd.  riostar^  das 
aber  andere  Bedeutung  angenommen  hat. 

Zu  ahd.  riutjan  Graff  2,  489,  mhd.  ritden,  ahd.  rinti,  mhd. 
nute  'novale,  urbar  gemachtes  Land*  wurde  ganz  kürzlich  ein 
wichtiger  Fund  gemacht.  Bartholomae  hat  Zts.  f.  d.  Wort- 
forschg.  6,  231  f.  erkannt,  daß  aw.  raoiya-^  raddya-  'reutbar* 
hiehergehört,  und  daß  die  fürs  Germ,  anzusetzende  Wz.  *reudh  ist. 

Lat  rtUrum  kann  nun  aus  *rudhtr(h  entstanden  sein  (vgl. 
Brugmann  1*,  635 f.)  oder  aus  der  unerweiterten  Wz.  reiw,  worüber 
H.  Hirt  Ablaut  §  418  (*rewä),  Fick  1*  528,  Uhlenbeck  s.  v.  riurs 
zu  vergleichen  sind.  Aber,  daß  das  Instrument,  das  Rieh  als 
rutrum  abbildet,  worin  ihm  Orth  zustimmt,  alles  eher  als  ein 
Rodewerkzeug  ist,  liegt  auf  der  Hand*).  Wie  soU  man  mit  einem 
ganz  stumpfen  Blatt  in  einen  bewachsenen,  von  allerlei  Wurzeln 
durchzogenen  Boden  eindringen?  Aber  zum  Schollen  zerschlagen 
war  es  wie  die  südslavische  motika  jedenfalls  sehr  geeignet, 
ebenso  um  den  Sand  aus  den  Flüssen  herauszuheben  (Butrum 
dictum^  quod  eo  harena  eruitur  Festus  ThdP.  355).  Wenn  aber 
das  rutrum  zu  der  eigentlichen  Rodearbeit  ungeeignet  ist,  wird 
man  das  Wort  besser  zu  aksl.  ryti  "graben'  stellen,  d.  h.  zur 
unerweiterten  Wurzel,  welche  'ausreißen',  (lit.  rduti)  'stürzen*, 
(lat  ruere)  'graben'  bedeutet 

Aber  gewiß  gehört  hieher  ahd.  inostar  Graff  2,  553.  Dieses 
wird  diva  und  dentale  erklärt.  Vgl.  ags.  sule-rSost  **aratri  pars 
prima^  in  qua  vomer  indtmtur*  Heyne  D.  deutsche  Nahnmgswesen 
S.  37  Anm.  44.  Heute  bedeutet  Riester  nur  mehr  die  'Pflug- 
sterze'.   Wenn  aber  im  Ahd.  riostar  sowolü  die  Sterze  (stiva) 

1)  Es  sieht  so  aus  wie  die  falx  vinitoria  Rieh  s.  v.  cülter.  Die  Brachse 
hat  aber  die  seitlichen  Zacken  nicht. 

2)  Die  Figur  69,  11,  12  bei  Jacobi  Das  Römerkastell  Saalburg 
S.  444  lassen  es  mir  ebenso  unbegreiflich  erscheinen,  wie  man  mit  einem 
solchen  Instrumente  hatte  roden  können. 


2U  R.  Meringer, 

als  auch  das  *Pflughaapt*  (dentale)  bedeutet,  so  folgt  daraus,  daß 
der  Pflug  der  Zeit  so  war  wie  mein  di  (IF.  17,  129),  d.  h.  bei 
diesem  Pflug  war  Pflughaupt  und  Sterze  ein  und  derselbe  Teil 
In  diesem  Stadium  ist  der  Pflug  ein  Grabscheit,  das  durch  eine 
angemachte  Stange  nach  vorwärts  gezogen  werden  kann,  und 
das  erklärt  uns  wieder,  wie  es  möglich  war,  daß  dieser  Teil  des 
Pflugs  den  Namen  eines  Rodewerkzeugs,  einer  zum  Roden 
dienenden  Stechschaufel  führen  konnte.  Damit  sind  alle  Zweifel 
gelöst.  Kluge  s.  v.  reuten,  D.  Wtb.  8,  953. 

Das  neugerodete  Land  hieß  bifanc  'captura*  Grimm  RA.  538, 
Mhd.  Wtb.  3,  210  bifanc  zu  beoähe  S.  204.  Einiges  findet  man 
bei  Anton  Geschichte  d.  teutschen  Landwirtsch.  2,  325;  3,  187. 

'  4.  Alban.  TiXiouap,  pl'uar  'Pflug*. 

Vgl.  Miklosich  Lex.  pal.  s.  wptugt^  wo  ältere  Literatur.  Wegen 
eih.pruar  G.  Meyer  Wtb.  s.  v.;  IF.  17  S.  113. 

Meyer-Lübke  stimmte  (briefl.)  meiner  Herleitung  des  alban. 
Wortes  aus  dem  Oberdeutschen  zu  und  machte  (woran  ich  nicht 
gedacht)  darauf  aufmerksam,  daß  das  ganze  pFuar  nichts  anders 
sei  als  ein  Versuch,  die  Dialektforrn  wiederzugeben.  Das  ist  umso 
wahrscheinlicher  als  es  in  unseren  steirischen  Dialekten  pfltia  mit 
Schwund  des  g  heißt  wie  ive  =  Weg^  kho  =  Gehag  (lebender  Zaun), 
gm(a  =  genug^  krua  =  Krtig,  Meinen  Satz:  "vielleicht  kam  es  mit 
dem  oberdeutschen  Hause  aus  dem  Deutschen"  bitte  ich  nicht  so 
zu  vei-stehen,  daß  das  oberdeutsche  Haus  so  weit  gekommen  w^äre. 
Ich  meinte  nur  dieselbe  Kulturwelle.  Bei  alban.  2?ri«ar  kommt  auch 
die  steirische  Eisenproduktion  in  Betracht.  Die  deutschen  Werk- 
leute in  den  bosnischen  und  serbischen  Bergwerken  können  das 
Wort  nicht  hinab  gebracht  haben,  denn  sie  waren  meistens  Sachsen. 

5.  Einige  Nachträge  zum  Pflug.  Peisker  bestreitet  (raündl. 
Mitt.)  die  Existenz  von  radlosen  Hakenpflügen,  die  ein  Sech  hätten. 
Ich  habe  diese  Möglichkeit  genau  abgewogen  IF.  17  S.  130.  Vgl. 
Fig.  43  bei  Rau,  einen  Hakenpflug  mit  Sech  dai-stellend.  Bei 
meiner  Fig.  6  (a.  a.  0.  S.  9)  ist  leider  das  Sech  zu  zeichnen  ver- 
gessen worden.  Furtwängler  erklärte  Peisker  (briefl.),  daß  das 
Relief  mit  dem  Pfluge  auf  dem  Amulct  (ein  grüner  Jaspis  in 
Form  einer  Pflugschar)  s.  M.  gefälscht  sei.  Bis  jetzt  haben  alle 
das  Bild  gebracht.  Rieh,  Rau,  Ginzroth,  Daremberg-Saglio. 

Der  *Hainhach'  des  Siegerlandes,  von  dem  E.  H.  Meyer 
Deutsche  Volkskunde  S.  17  spricht,  und  der  ein  leichter  roher 


Wörter  und  Sachen.  III.  246 

radloser  Pflug  sein  soll,  ist  bei  Rau  S.  31  Fig.  29  abgebildet  Vgl. 
dazu  Behlen  Der  Pflug  und  das  Pflügen  1904  S.  58  f.  Nach  Rau 
dient  er  zum  'umbrechen  der  Hauberge  (Hackwälder)'.  Und  damit, 
ist  auch  die  Etymologie  gegeben.  Hainhach  ist  der  *Waldhaken*, 
vgl.  IF.  17  S.  121,  also  zu  ahd.  hahila  *Hahl,  Kesselhaken'  gehörig. 
Der  hölzerne  Kesselhaken,  den  ich  Wissensch.  Mitt.  aus  Bosnien  7 
S.  9  dargestellt  habe,  sieht  ähnlich  aus  wie  ein  Urpflug,  es  ist  ein. 
von  Natur  gebogener  Haken. 

6.  Zur  kulturellen  Bedeutung  des  Pflugs.  E.  H.  Meyer  In- 
dogerra.  Pflügegebräuche  Zts.  f.  d.  Volkskunde  Berlin  14  (1904) 
S.  Iff.,  S.  129  ff.  Rechte,  die  am  Pfluge  haften,  Anton  Geschichte 
(1.  teutschen  Landw.  3  S.  196,  Index  zu  Grimm  RA.  s.  v.  Pflug.  Die- 
soziale  Bedeutung  dieser  ersten  wichtigen  Maschine  war  nicht 
immer  eine  segensreiche.  "Wo  nur  dieses  Werkzeug  hindränge 
hat  es  stets  Knechtschaft  und  Schande  mit  sich  geführt".  Hilde- 
brand R.  und  S.  S.  47 ;  weiter  S.  93.  Vgl.  wegen  'Ackemmüssen* 
Hüdebrand  S.  38,  46,  94,  101  f.,  103  ff.,  142,  153,  156.  Über  den 
germ.  Ackerbau  speziell  ebd.  101,  103.  Schon  daraus,  daß  der 
Freie  nicht  ackerte,  sondern  nur  die  Weiber,  die  Schwachen,  die 
Sklaven,  die  Verschuldeten,  ergibt  sich,  daß  ackern  ein  Ackern- 
müssen war. 

7.  Gemeinsames  Ackern.  Ein  solches  habe  ich  IF.  17  S.  lOft 
aus  Gründen  der  Bedeutungsentwicklung  angenommen.  Vgl.  hier 
Lös.  V.  opus  est,  I,  8  s.  v.  aksl.  tribb.  Ebenso  Hirt  Jb.  f.  National- 
ökon.  u.  Stat.  3.  Folge,  Bd.  15  S.  462 :  "Der  Ackerbau  wurde 
wahrscheinlich  von  einer  gi'oßeren  Gemeinschaft,  der  Sippe,  be- 
trieben". Hildebrand  R.  und  S.  S.  99  hält  die  Rodung  für  ge- 
meinsam, nicht  aber  das  Ackern.  "Ist  doch  der  Ackerbau,  seiner 
Natur  nach,  selbst  auf  höheren  Stufen,  nicht  sonderlich  dazu 
angetan,  mit  Nutzen  assoziationsweise  betiieben  zu  werden^ 
weil  beim  Ackerbau  der  Erfolg  fast  ausschließlich  von  der  in- 
dividuollen Betriebsamkeit  abhängt",  eine  Stelle,  die  mit 
der  oben  (H,  9  bei  vdjatu)  aus  Grimm  RA.  zitierten  im  Zusammen- 
hange steht.  Aber  S.  100  sagt  Hüdebrand  mit  Bezug  auf  Caesar 
BG.  6,  22:  "Ein  Grimdstück  aber  läßt  sich  nicht  ebenso  leicht 
teilen  wie  eine  Herde"  . . .  "Dazu  kommt,  daß  der  jeweilige  Besitz 
ja  niemals  länger  als  ein  Jahr  dauerte.  Unter  diesen  Umständen 
hätte  sich  eine  Teilung  auch  gamicht  gelohnt". 

Ich  kann  hier  nicht  mitreden.  Ich  habe  nur  folgendes 
selbst  gesehen.  Zur  Zeit  der  großen  Feldarbeit  hilft  ein  Bauernhof 

IndogennaniBche  Fonchangen  XVni.  17 


246  R.  Meringer, 

dem  andern  und  erhält  Gegenhilfe.  Das  ist  auch  die  Zeit,  wo 
fast  kein  Unterschied  von  Herr  und  Knecht  ist,  denn  niemals 
ist  der  Knecht  so  notwendig  als  um  diese  Zeit.  Mindestens  das 
wird  aber  wohl  zu  allen  Zeiten  Brauch  gewesen  sein,  und  auch 
damit  allein  schon  kann  man  meinen  Ansatz  'Ackern  (gemeinsam)' 
begründen.  Daß  der  Freie  sich  auch  in  solchen  Zeiten  am  liebsten 
-aus  dem  Staube  machte,  glaube  ich.  Aber  Weiberleute,  Knechte, 
Sklaven,  Schuldner,  die  mußten  um  so  eifriger  robotten.  Über 
Weiberbeteiligung  bei  Pfluggebräuchen  E.  H.  Meyer  Zts.  f.  d. 
Volkskunde  1904  S.  141. 

8.  Einige  Wörter  für  •Scholle*. 
Lat.  gleba  stellt  Vauiczek  zu  glöbtis^  glomm  (I  212).  Das 
ist  nicht  unmöglich.  Aber  ich  will  doch  noch  an  eine  Möglichkeit 
denken,  nämlich  an  Zusammenhang  mit  lat.  gltibere  'abschälen', 
TXucpeiv  *höhle  aus*,  tXOttttic  'Schnitzer'  (Leo  Meyer  Handb.  3,  67), 
imd  klieben.  Freilich  müßte  man  Schwund  von  u  hinter  ^an- 
nehmen. —  Aksl.  brazda  (Miklosich  s.  v.  *borzd<i)  aöXctI,  sulcus, 
gehört  zu  d.  bersten.  —  D.  Scholle  zu  *9kel  (s.  o.  I  25  skulan\ 
goX,  skäja  ^Schlächter'  usw. 

9.  Deutsch  artn  'miser,  pauper'  zu  arare. 
Als  R.  Mucli  meine  Gedanken  über  'Ackernmüssen' 
IF.  17,  106  und  107  gelesen  liatte,  schrieb  er  mir,  ob  ich  denn 
nicht  gesehen  hätte,  daß  got.  anns  ganz  meinen  Ausführungen 
entsprechend  eine  Ableitung  von  *ar  'arare'  sei.  Ich  hatte  aller- 
dings nicht  daran  gedacht,  aber  ich  bin  von  der  Richtigkeit 
der  Zusammenstellung  überzeugt. 

Germ.  *armaz  'der  Ackerer'  ist  der  Mann,  dessen  Gescliäft 
•das  *aran  oder  ^plegan^  *j^i/tiz  war.  Vgl.  wegen  der  Bildung 
got.  hilms  'Helm'  zu  helan  also  'der  Hehlende',  wie  andd.  bann 
^Schoß'  der  Tragende'  ist  usw.  Kluge  Nom.  Stammb.  S.  41.  Lit. 
«ber  das  Wort  bei  Ulilenbeck,  Schade  usw. 

Got.  armöstai  sium  allaiz^  mann^  dXeeivorepoi  TravTiuv  dv- 
epüJTTiuv  kM€v  1.  Kor.  15,  19  (Graff  1  4201,  Mhd.  Wtb.  1,  Ho), 
also  die  'elendesten'.  Der  Begriff  pauper  wird  mit  got.  *müeps 
(unleds)  ausgedrückt.  "Im  Mittelalter  heißen  die  armen  Leute 
die  Untertanen,  die  Bauern"  D.  Wtb.  Mhd.  arm  'von  geringem 
Stande,  arm,  elend',  a^-me  Hute  'geringe  Leute',  'Leibeigene'. 
Orimm  RA.  312.   Mhd.  armman  (Wtb.  2,  35):  "besonders  wird 


Wörter  und  Sachen.  lU.  247 

SO  genannt  der  Bauer,  der  nicht  frei  ist**.  Der  Gegensatz  von 
arm  :  rieh  (Kelle  Glossar  d.  Spr.  Otüids  S.  21),  'niedrig' :  'hoch- 
stehend' bedeutet  in  seinen  Wuraeln:  'Ackersklave'  :  "Herr*. 
Deshalb  armtuiti  'Erniedrigung' :  Otfrid  3,  7,  58 :  thiu  iro  gtiatt 
ihtdtit  hiar  armmti  (Kelle  S.  22)  ^). 

Soviel  ich  sehe,  spricht  nichts  gegen  Muchs  Herleitung, 
auch  nichts  von  dem,  was  über  das  Wort  gesagt  wurde,  denn 
daß  aisl.  aumr  (wenn  es  Noreen  Aisl.  u.  An.  Gr.*  S.  135  richtig 
aus  *arbumH  deutet)  identisch  mit  armr  (aus  ^arbni-)  sein  soll, 
kann  ich  nicht  glauben.  Vielleicht  haben  wir  unser  Wort  in 
ai.  artnakd'  *schmal,  dünn',  armakdm  nach  P.  Wtb.  *Enge',  nach 
Graßmann  Trümmerhaufen',  aber  das  Wort  ist  zu  selten  belegt 
und  daher  sein  Bedeutuugsansatz  zweifelhaft. 

Ich  verweise  in  bezug  auf  die  sozialen  Verhältnisse,  die  den 
realen  Untergrund  der  Bedeutungsentwicklung  von  *armos' Ackerer' 
geben,  auf  das  früher  Gesagte.  Vgl.  noch  außerdem  Hildebrand 
R  und  S  38  und  101  (Knechte),  S.  46  ("Auch  wird  —  bei 
Hirtenvölkern,  d.  h.  da,  wo  es  schon  Reiche  und  Arme  gibt  — 
der  Ackerbau  zuerst  nur  durch  ganz  verarmte  Familien  be- 
trieben .  .  ."),  S.  89  (Verhältnis  von  Arm  und  Reich  zur  Zeit  des 
Hirtenlebens),  S.  90  (mit  Ackerbau  begiimt  Verschuldung,  Ge- 
bundenheit, Hörigkeit),  S.  68,  81  (die  principes  bei  den  Germanen). 
Vgl.  weiter  v.  Amira  Pauls  Grdr.  3«  §  39  S.  1371  (1.  Aufl.  S.  121). 
— -  Bei  den  Römern  war  das  Drehen  der  Mühle  eine  besonders 
verhaßte  Arbeit,  zu  der  Sklaven,  Verbrecher  oder  ein  in  höchster 
Not  befindlicher  Freier  nur  zu  haben  waren.  Blümner  Techno- 
logie 1,  35.  Vgl.  auch  Detter-Heinzel  Edda  2,  261  (oben  T,  29). 

Aus  den  ags.  Gesetzen  habe  ich  mir  folgende  Stellen  notiert 
Liebermann  S.  78 f.  (JClfred  43)  deowum  monnum  &  esfietvyrhtum 
8eruis  et  paupertbus  aperariis.  Wegen  esne  vgl.  got.  asneis  mcOujioc, 
s.  V.  asans  Uhlenbeck«),  Bosworth-Toller  258.  Oben  I,  29.  — 
Liebermann  S.  92  (Ine  7,  1)  Sklaverei  wegen  Diebstahls;  dazu 
auch  S.  110  (Lie  48).  —  Liebermann  S.  445  (Rect.  2)  *Geneates 


1)  Im  Preuß.  heißt  Armut  f.  'Besitz,  Eigentum'  Frischbier  S.  32. 
Darf  man  die  auffallende  Bedeutung  in  die  oben  dargelegten  Gedanken 
hineinziehen  ?  —  Osthoff  hat  P.  B.  S.  18,  252  die  Bedeutung  von  ^armaz 
als  'bemitleidet,  mitleidswert*  angegeben.  Seine  Gedanken  passen  ganz  schön 
zu  dem  oben  zu  Sagenden. 

2)  Vgl.  auch  Nachträge  S.  177,  wo  Uhlenbeck  noch  as.  asna  'Lohn, 
Abgabe*  anführt.  Wadstein  Kleine  as.  Sprachdenkmäler  S.  169. 

17* 


2i8  R.  Meringer, 

rihf  (Rechtspflicht  des  Geneat),  vgl,  Bosworth-Toller  s.  v.  geniat, 
geniatman  usw.  (oben  II,  2).  Daran  anschließend  die  Pflichten  des 
Kotsassen  Lieberraann  ebd.^). 

Wenn  germ.  *armaz  *Ackerer'  ist,  dann  steht  es  in  einer 
Linie  mit  dpoxrip,  arator,  lit.  artqjis,  aksl.  rataj  Fick  1*,  855.  Ich 
habe  schon  IF.  17  S.  121  angedeutet,  daß  ich  die  Sippe  von  Ann 
*bracchium'  für  eine  Verwandte  von  arare  halte.  Ai.  irmd-s  ist  ein 
Nomen  agentis  (Lindner  Altind.  Nominalbildung  S.  90)  und  heißt 
*der  Ackernde*,  vielleicht  von  seiner  Ähnlichkeit  mit  dem  Knie- 
holze, das  als  Pflug  diente.  Und  übrigens  war  der  Arm  beim 
Pflügen  beteiligt  genug. 

Vielleicht  erhält  Muchs  Deutung  von  arms  eine  envünschte 
Bestätigung  vom  Romanischen  her.  Es  handelt  sich  um  spanisch 
aramio.  Vgl.  Körting  85  Nr.  859,  Jules  Taliban  Rom.  9,  429. 
Taliban  sagt,  daß  das  Wort  aramio  noch  heute  in  Galizien  als 
aramia  vorkomme,  und  est  employö  en  pays  16ouais  avec  sa 
signification  actuelle  de  labour,  terre  labourable.  Comu  gibt  mir 
folgende  Zitate :  aramio.  Arada^  oti  terra^  que  se  lavra  etn  hum  dia. 
Cum  aramio  de  uno  jugo  de  hohes.  Ap.  Risco  T.  XXXV.  Hisp. 
sagr.  178.  Santa  Rosa  de  Viterho^  Elucidario.  —  aramia,  adj.  p. 
gal.  qtie  se  aplica  ä  la  la  tierra  de  lahor  y  oportnna  para  semhra- 
dura.  Ager.  Acad.  Esp.  Dicc.  de  la  lengua  castellana. 

Hier  könnte  ein  Lehnwort  aus  dem  Germ.  —  allerdings 
volksetymologisch  in  Zusammenliang  mit  arar  gebracht  —  vor- 
liegen. Zu  *ar(a)7n  kann  ein  Nomen  *ar{a)mf  (Kluge  Nom.  Stamm- 
bildungsl.  S.  53)  die  Bedeutung  *  labour,  terre  labourable'  wohl 
geliabt  haben. 

10.    Ags.  earti  'schnell'. 

Ags.  earu  *quick,  active,  roady',  *schneir  (Sievei^s  Ags.  Or.^ 
§  300);  as.  aru  'fertig,  bereit',  fruhii  rfpia  arwa  Heliand  2568 
Cott.  *reife  Fi-üchte,  bereite  (zur  Ernte'  erkläil  M.  Heyne) :  an. 
p/T  'schnell,  hurtig',  ags.  arod  Bosworth-Toller  1,  51.  Ich  rekon- 
struiere ein  idg.  *arü-s  'ackernd'  dann  'dienstfertig',  'bereit',  'zu 


1)  Die  Pflichten  des  Geneat  sind  folgende:  Grundzins  zahlen,  ein 
Schwein  abliefern,  reiten  und  Vorspanndienst,  Fuhren,  Robott,  Bewirtung 
des  Gutsherrn,  ernten  und  mähen,  Wildzäune  machen,  beim  Bauen  helfen, 
das  Herrenhaus  umhegen,  Abholen  fremder  Ankömmlinge,  Kirchsteuer, 
Wache  beim  Herrn  stehen,  bei  seinen  Pferden,  jede  Gattung  Botendienst. 
—  Demnach  wird  wohl  kein  Zweifel  mdhr  sein,  daß  die  Deutung :  'Genosse, 
der  mit  mir  genießt,'  eine  echte  Gartenlaube-Erklärung  ist. 


Wörter  und  Sachen.   III.  249 

brauchen*,  'schneir  u.  dergl.  Aw.  aurva-  'schnell*.  Joh.  Schmidt 
Voc.  2,  478. 

und  von  da  scheint  mir  auch  ein  Licht  auf  got  ar'wjö 
öuipcdv^)  'umsonst,  ohne  Entgelt'  zu  fallen.  Wie /»mJ/J 'heimlich* 
zu  ßiufs  (ßiubs)  gehört,  so  kann  *artvjö  zu  *arwaz  'Ackerer* 
gehören ;  ariojö  'wie  ein  Ackersmann*,  d.  h.  'umsonst',  denn  seine 
Arbeit  war  unbezahlte  Mußarbeit.  Von  dieser  Herkunft  des  Wortes 
hat  Wulfila  nichts  mehr  geahnt,  als  er  2.  Thess.  8,  8  übersetzte : 
nih  arujö  hlaif  matidedum  at  hamma^  ak  winnandam  arbaidai 
naht  jah  daga  waiirkjandans^  ei  ni  haüridedeima  hana  igwara. 
Bezahlte  Arbeit  hat  Wulfila  gewiß  gekannt,  wenn  auch  zu  seiner 
Zeit  noch  genug  anvjö  geleistet  werden  mußte.  Die  Wörter  ornr/ö, 
winnan^  arbaißs^  watlrkjan^  die  hier  gehäuft  sind,  erzählen  ein 
großes  Kapitel  von  geimanischer  Tätigkeit*). 

11.  Germ.  *aruntio-  'Ackerung*  und  ^airuntio- 
'Botschaft*. 

Joh.  Schmidt  Voc.  2,  476  ff.,  S.  Bugge  PBSBeitr.  24,  430, 
V.  Grienberger  Untersuchungen  S.  15. 

a)  Germ.  *aruntip'  zu  aran^  arjan  'ackern*  war  die  Be- 
zeichnung eines  Ackergeräts,  vielleicht  einer  Art  Pflug,  wie 
die  slavischeu  Sprachen  zeigen,  die  das  Wort  {wqdije  s.  u.)  im 
Sinne  von  'apparatus,  instrumentum'  aufweisen.  Es  scheint  aber 
*aruntio  weiter  den  Sinn  'Ackerimg'  gehabt  zu  haben,  woraus 
sich  die  beim  slavischen  Lehnworte  orqdije  noch  vorkommende 
Bedeutung  negotium  erklärt.  Aisl.  erhide^  aschw.  cerinde,  cerande 
(Noreen  Lautl.  S.  101,  Aisl.  Gr.«  §  150,  2;  149,  8)  'Geschäft, 
Auftrag'  (weil  ackern  Geheißarbeit  war).  Für  aisl.  ayrindi  (eyrende\ 
mrinde  usw.  nimmt  Noreen  Aisl.  Gr.*  §  149,  8  'Wurzelvariationen* 
an,  was  sehr  der  Aufklärung  bedarf. 


1)  Gal.  2,  21  wird  biwpcdv  mit  sware  übersetzt:  afßßau  jah  Xristus 
neare  gaswalt  &pa  XpiCTÖc  bujpedv  dir^eavcv.  Das  Wort  ist  bis  heute  nicht 
erklärt,  aber  der  Möglichkeiten  sind  genug.  Z.  B.  aicare  gehört  zu  swaran 
und  bedeutet  'um  ein  Wort'  (v.  Grienberger  Unters.  S.  204),  d.  h.  'um  ein 
Nichts'  oder  sware  besteht  aus  8wa+re,  wie  wir  sagen  können  'um  eine 
solche  Sache*,  swa-  wie  in  swaleika;  die  Länge  von  re  wie  bipe.  — 
Johansson  hat  PBS.  Beitr.  15,  224-  got.  arwjö  zu  dpaiöc  'locker,  rarus'  ge- 
stellt, welch  letzteres  auch  hieher  gehören  kann. 

2)  Im  ags.  genAites  riht  Liebermann  Ges.  d.  Angels.  1,  445  bedeutet 
wffrcan  direkt  'in  Frohn  arbeiten*. 


250  R.  Meringer, 

b)  Germ.  ^Sruntjo-  *Ackerung,  Geschäft*.  J.  Schmidt  hat 
angenommen,  daß  as.  arundi^  ahd.  arunti  ein  ä  haben,  und  stützte 
sich  dabei  auf  das  Lehnwort  aksl.  orqdije.  Dagegen  behauptet 
Bugge  a.  a.  0.  431,  daß  bei  ags.  cerende  und  as.  ärundi  das  Metrum 
die  Länge  des  Anlautvokals  verlangt  Auch  Luick  hält  (briefl. 
Mitt)  die  Länge  des  ersten  Vokals  in  ags.  ehrende^  as.  ärundi 
und  ahd.  ärunti  (Otfrid)  aus  raetiischen  Gründen  für  vollkommen 
gesichert  und  nimmt  für  sie  eine  westgerm.  Grundform  *ötrundjo- 
an.  Betreffs  des  engl,  errand  schreibt  er:  "Die  Kürze  in  engl. 
errand  ist  vollkommen  normal,  mag  man  sie  nun  mit  Kluge 
und  Morsbach  der  Einwirkung  der  schweren  Endung  -end{e) 
zuschreiben  (Grdr.*  1,  1052  und  Mittelengl.  Gramm.  66)  oder 
nach  meiner  Erklärung  der  englischen  Quantitätsvei'schiebungen 
mit  der  Stellung  der  ursprünglichen  Länge  in  drittletzter  Silbe 
begründen  (Angl.  22,  339) i)." 

c)  Germ.  *airunti(h  zu  got,  airus  firreXoc,  Tipecßcia,  airinön 
xrpecßeüeiv  uirep  nvoc  legatum  esse  in  commodum  alicujus.  War 
airus  der  Gerichtsbote,  der  ein  Gebot  zu  überbringen  hatte? ^) 
Über  die  Etymologie  von  oin/s,  aisl.  prr^  ärr^  ags.  är  Brugmann 


1)  Wegen  engl,  errand  vgl.  Skeat  s.  v.,  wo  zu  ersehen  ist,  daß 
schon  M.  Müller  das  Wort  mit  arare  zusammengebracht  hat.  Vgl.  weiter 
ahd.  arunti  'Botschaft'  (Graff  1,  427,  Kelle  Glossar  s.  v.),  mhd.  erende, 
erint  (Mhd.  Wb.  1,  52)  'Geschäft,  das  man  im  Auftrage  eines  andern  zu 
besorgen  hat'.  Wegen  des  Suffixes  und  seines  Ablauts  vgl.  namentlich 
Noreen  Aisl.  Gr.*  §  150,2,  Kluge  Nom.  Stammbildungsl.  S.  99.  v.  Grienberger 
hat  a.  a.  0.  gesehen,  daß  as.  ärundi  nicht  zu  got.  airm  gehört,  sondern 
zu  as.  aru,  ags.  earu,  mit  denen  es  in  der  Tat  in  weiterer  Verwandt- 
schaft steht. 

2)  Man  wird  vielleicht  sagen :  Nein,  denn  dieser  Mann,  der  Büttel, 
hieß  andbahts,  wie  es  Mat.  5,  25  heißt :  .  .  sa  staua  puk  atgibai  andbahta 
Kai  ö  KpiT/jC  C€  TrapabCjj  tu)  uirrip^Tri.  Mag  nun  immerhin  der  bestellte  Ge- 
richtsbote afidbahts  geheißen  haben,  so  war  doch  der  gelegentliche  Bote, 
der  «»>««,  'der  Läufer',  oft  genug  der  Überbringer  von  Befehlen,  die  ein 
Gehöfte  immer  dem  nächsten  mitzuteilen  hatte.  Bugge  hat  es  geleugnet, 
daß  airus  von  Wz.  ei  kommt,  weil  an.  drr  nicht  nur  den  Sendboten,  sondern 
überhaupt  einen  untergeordneten  Mann,  einen  Diener,  bezeichne.  Aber  das 
beweist  gar  nichts,  denn  aisl.  ßrcplL  ahd.  drigil  'Knecht'  heißt  etymol. 
auch  'Läufer'  (rp^x^)-  Bugges  zweiter  Grund  eine  i-Wz.  in  airus  zu  leugnen, 
das  Wort  erinde  usw.,  fällt  nach  dem  obigen  ebenfalls  weg. 

S.  Bugge  stellt  got.  airus  zu  an.  ags.  är  (engl,  oar)  'Ruder*  und  ver- 
weist auf  uTirip^Tric  'Diener',  ^p^rr^c  'Ruderer'.  Seine  Erklärung  des  germ. 
ai  befriedigt  aber  nicht :  er  nimmt  idg.  *ara  an,  das  wegen  des  i-färbigen 
r  zur  german.  *airö  geworden  sein  soll  (a.  a.  0.  429). 


Wörter  und  Sachen.  III.  251 

Grdr.  2,  303  f.  (zu  ei  'gehen').  Ags.  drende  (aus  *arindi)  •Botschaff 
Sievers  Ags.  gr.  §  100  A  4  M. 

Die  Formen  und  Bedeutungen  von  a,  b  und  c  sind  so  ver- 
quickt worden,  daß  eine  genauere  Untersuchung  von  Nöten  ist 
Die  Möglichkeit  der  Kontamination  lag  in  der  lautlichen  Ähnlich- 
keit sowie  in  der  Berührung  der  Bedeutungen  von  *Gehcißarbeit* 
und  'Botschaft',  die  ein  Befehl  war.  Im  An.  ist  noch  ein  Wort  ähn- 
lichen Klanges  dazugekommen,  nämlich  prendrioss  of  breath',  das 
J.  Schmidt  a.  a.  0.  477  zu  got.  usanan  ^Kirveiv  'sterben'  gestellt  hat. 

12.  Aksl.  orqdije. 

Das  Wort  bedeutet  uTinpecio,  apparatus,  instrumentum,  nego- 
tium, res.  Miklosich  Lex.  pal.  s.  v.,  Et.  Wtb.  S.  226.  Wenn  man 
die  Bedeutungen  der  lebenden  slavischen  Sprachen  vergleicht, 
nslov.  or6d^  orödje  instrumentum,  kr.  arude  'Werkzeug,  Gerät*, 
poln.  arßdzie  nuntius,  orendowcuf  'Aufträge  verrichten',  klr.  oruda 
negotium,  russ.  orudie  negotium,  instrumentum,  dann  sieht  man, 
daß  hier  die  Bedeutungen  von  a,  b  und  c  gemischt  sind,  wenn 
auch  orqdije  formell  nur  dem  ersteren  entspricht.  Hirt  PBrB.  23 
S.  336,  343  geht  auf  die  Frage  nicht  ein. 

13.  Miklosich  stellt  zu  orqdije  auch  lit.  arüdas  'Mehl-,  Ge- 
treidekasten'. Das  ist  wold  unmöglich,  aber  was  ist  lit.  arüdm? 
Xesselmann  erklärt  es  als  'ein  Fach  oder  Brettverschlag  im 
iSpeicher,  zur  Aufbewahrung  des  Getreides,  im  Keller  zur  Auf- 
bewahrung der  Kai-toffeln'.  Das  Wort  ist  auch  im  Preußischen 
vorhanden,  wo  es  nach  Frischbier  (s.  v.  arröde)  ein  Fach  'in 
einer  Schüttimg'  bedeutet.  Xach  Kurschat  ist  arüdas^  arödas  ein 
Mehl-  oder  (Jetreidekasten,  oder  ein  'kastenähnlicher  Verschlagt 
auf  dem  Bodenraum  (also  wohl  eine  Fruchtkiste?),  aber  auch 
eme  Getreidegrube.  Gehört  das  Wort  etwa  als  Lehnwort  zu  germ. 
as  ar  (got.  asans^  Ernte)? 

14.  Wz.  *ual  'wühlen',  'wenden'. 
Vgl.  Kluge  s.  V.  Wahlstatt.    Kluge  hat  Recht,  wenn  er 
an.  mir,  ags.  tccel  'Leichen   auf  dem  Schlachtfelde'  nicht  mit 
wählen  zusammengebracht  wissen  will*).  Das  Wort  scheint  bloß 


1)  Dem  ags.  GenicU  obliegt  u.  a.  (s.  oben):  cerendian  fyr  sica  fiyr^ 
8wa  hwyder  swa  him  mon  to  tcecd  'Botschaft  tragen  fem  wie  nah,  wohin 
immer  ihm  zugewiesen  wird'  (Liebermann  S.  445). 

2)  Zimmer  Die  Nominalsuffixe  A  und  Ä  QF.  13  S.  139. 


252  R.  Meringer, 

•umgewühltes  Feld',  *Acker'  zu  bedeuten.  Die  Bedeutung  der 
Wz.  liegt  am  klarsten  in  wühlen,  ahd.  anvudjan  evertere  vor. 
Graff  1,  795;  ahd.  leuol  clades,  strages.  Ags.  tvä,  as.  ieöl  "Seuche* 
0.  Schade  2,  1214.  Weiter  aksl.  valiti  'wälzen'  Miklosich  vel-  2, 
377,  val^  'Woge'  usw.  Tgl.  Uhlenbeck  Et.  Wtb.  d.  ai.  Spr.  s.  v.  vdlatd 
Vendet  sich,  dreht  sich*. 

Zu  dieser  Wurzel  gehört  nun  ai.  kr^vald  'Ackerbauer*, 
dkfijivala  RV.  'nicht  ackernd*.  Das  Wort  bedeutet  'Furchen wülüer*. 
Dazu  ai.  välii^  vdli  'die  Runzel*  und  zwar  'Runzel*  schlechtweg'), 
mlüa  'gefaltet*,  valind  'mit  Falten  versehen*,  vcdimant  'gekräuselt*, 
vdimukha  'Runzeln  im  Gesichte  habend'.  Allerdings  nimmt  man  ein 
Suffix  vcda  an,  von  dem  Lindner  Ai.  Nom.  S.  148  außer  kr^mlA 
nur  noch  nadvald  'Röhricht*  und  vidvald  *klug*  zitiert.  Dazu  führt 
Whitney  Gr.  §  1228  b  noch  Sikhävcda  und  dantävala  (spät)  an. 

Weiter  gehören  hieher  air.  foü  'Haus'  (also  'Erdhaus,  Gruben- 
haus, d.  h.  Haus  in  einer  Wohngrube*  IF.  17,  160),  ai.  vdla-s  RV 
•die  Höhle' ;  air.  triff oü  'Viehhürde' ;  kymr.  gtnäl  Stratum,  lectus 
(Stokes  S.  275),  das  näher  an  ahd.  wuol  clades  usw.  heranrückt. 

Von  derselben  Wurzel  haben  wir  wieder  ein  Wort,  das 
'Stab'  bedeutet,  got.  tcalm  ^dßöoc.  Nun  ist  ja  möglicherweise 
uxdiis  'der  Runde'  nach  an.  %xdr  'rund',  doch  besteht  auch  die 
Möglichkeit,  daß  es  'der  Wühler'  ist 

15.  *uer  'ziehen,  treiben'. 

J.  Scheftelowitz  hat  BB.  29,  42  arm.  varem  'stoße,  ti-eibe, 
pflüge',  var  'gepflügtes  Land',  ^pOuu  'ziehe,  sclileppe*  (Leo  Meyer 
Hndb.  1,  451),  lit.  varau  varijti  'Viehtreiben'  zusammengestellt; 
wenn  richtig,  so  haben  wir  eine  Entwicklung:  'treiben,  ziehen, 
ackern';  vgl.  die  folgenden  Fälle. 

16.  *selq¥  'ziehen,  ackern'. 

Vgl.  griech.  cXkuj  L.  Meyer  1,  487,  lat.  stdcus  'Furche*,  ags. 
sulh  Tflug'. 

17.  *uelqti  'ziehen,  ackern'. 

Lit.  velkü  vitkti  'schleppen,  ziehen',  euXdKa  'Pflug',  auXaE 
aXoE  'Furche',  ai.  vfki  'Pflug'.   0.  Schrader  RL.  S.  10  lehnt  einen 

1)  Im  PW.  steht :  *Die  (ringsum  laufende)  Falte  der  Haut  bei  Menschen 
und  Tieren'.  Seit  der  Zeit  ist  die  Runzel  die  'ringsumlaufende",  obwohl  das 
ein  Unsinn  ist  und  einer  falschen  Etymologie  entspringt,  denn  die  Wz. 
bedeutet  zuerst  'wühlen',  'wenden',  dann  erst  kommt  über  'wälzen'  der  Be- 
griff 'rund'  herein. 


Wörter  und  Sachen.  III.  253 

Schluß  auf  die  Urzeit  aus  diesen  Wörtern  ab,  weil,  mit  Wieland 
zu  reden,  v.  Bradke  (Methode  S.  121  f.)  ihn  'am  Ohr  zupft*.  Aber 
mich  will  bedünkeu,  daß  die  Wahrscheinlichkeit  des  alten  Zu- 
sammenhangs ungleich  größer  ist,  als  die  Annahme  eines  Zufalls 
im  Zusammenklingen  der  Bedeutungen.  Vgl.  Wolf  in  einem 
Pflugspruche  bei  E.  H.  Meyer  Zts.  f.  d.  Volkskunde  1904  S.  5, 141  ^). 
Bei  den  Tschechen  heißt  der  Pflug  auch  kraJitdec^)  (dazu  Miklosich 
Et  Wtb.  S.  130),  also  Mer  Geier'.  Es  muß  also  nicht  ein  idg. 
Wort  *ulq¥08  Tflug*  vorliegen,  aber  die  Möglichkeit  ist  vorhanden. 
Der  Bonner  Pflug  heißt  *Hundspflug*. 

18.  Der  altindische  Pflug. 
H.  Zimmer  Altind.  Leben  S.  236.  Ai.  Idiagala  m.  klingt  an 
XoTxn  (L.  Meyer  4,  586  f.),  an  lat.  hficea  und  air.  laigen  an,  und 
auch  die  sachliche  Ähnlichkeit  des  Pflughakens  oder  Hakenpflugs 
mit  einer  Lanze  ist  vorhanden.  Aber  die  Laute  fügen  sich  nicht. 
Man  sieht  auch  nicht,  welche  einzelsprachlichen  Störungen  eventuell 
ein  älteres  gemeinsames  weiterverbreitetes  Wort  verändert  haben 
könnten.  —  Ai.  sirü  m.  n.  Tf lug',  sitä  Turche'  gehören  zu  sdyaka  m.  n. 
'Pfeil,  Wurfgeschoß'.  —  Ai.phdla  m.  Tflugschar*  znphdlati  *birst', 
spaltet  Verf.  SBAW.  Wien  144  (Die  Stellung  des  bosnischen 
Hauses  u.  Etymol.)  S.  72. 

19.  Der  Pflug  im  Avesta. 

Geiger  Ostiran.  Kultur  S.  384.  Bartholomae  erklärt  av.  aeSa 
'Pflug*  im  Airan.  Wtb.  32  als  zu  ^aeä^  aü  *in  eilige  Bewegung 
setzen*,  ai.  %att,  an.  eisa  gehörig  (Noreen  Lautl.  30),  und  ver- 
weist auch  auf  ai.  i$d  'Deichsel',  was  ich  für  richtig  halte.  Vgl. 
Uhlenbeck  Et.  Wtb.  d.  ai.  Spr.  s.  v.  S.  27,  der  oir|iov  "Steuerruder' 
heranzieht. 

Lautlich  und  sachlich  könnte  ai.  ishu  "Pfeil'  und  Sippe 
hiehergehören.  Der  Avesta  hat  weiter  ihid  'Schuldforderung', 
üuidya-  'der  (göttl.)  Schuldforderung  Genüge  tun',  vgl.  ai.  iSudhydti 


1)  Der  Spruch  war  in  Loewenich  (Reg.-Bez.  Köln)  in  Gebrauch.  Er 
lautet:  'Der  Acker  feucht,  Wolf  aber  naß,  —  füllt  sich  Scheuer  und  Faß.' 
Das  wurde  bei  der  ersten  Ausfahrt  von  der  Hausfrau  gesagt,  wobei  sie 
den  Pflug  mit  Wasser  begoß. 

2)  Peisker  teilt  mir  folgendes  mit:  Bei  Schmalz  Erfahrungen  im 
Gebiete  der  LandvWrtschaft  1820 — iO  III.  S.  98  wird  von  einem  Teldgeier' 
berichtet.  Das  Wort  ist  im  Zusammenhang  mit  der  obigen  Bezeichnung 
krahulec  oder  krahuUk. 


254  R.  Meringer, 

'erbittet,  erfleht*.    Aber  welcher  konkrete  Sinn  liegt  in  iäud? 
*Pf eilabgabe',  d.  h.  'Abgabe  von  der  Jagd'  ?  ? 

Bartholomae  macht  mich  (briefl.)  aufmerksam,  daß  Wester- 
gaard  av.  suwrä-  (früher  sufrä  gelesen)  zuerst  *Pflug*  übersetzt 
habe.  Warum,  wisse  er  nicht.  Xps.  sülf  'Pflug*  könne,  wenn  es 
das  Wort  überhaupt  gebe,  nicht  damit  zusammengebracht  werden. 
Über  sülf  Hom  Neupers.  Etym.  S.  167. 

Av.  hüitiä  Name  des  vierten  Standes. 

Bartholomae  Airan.  Wtb.  Sp.  1823  s.  v.*  hütay-  meint,  die 
Bedeutung  des  Wortes  sei  'Betrieb',  also  'Gewerbe*.  So  sagt  auch 
Geiger  Ostiran.  Kultur  S.  479,  der  Ausdruck  Hüti  könne  kaum 
etwas  anderes  bedeuten  als  'die  Gewerbetreibenden*. 

Ich  halte  das  für  unmöglich,  denn  einen  eigenen  Gewerbe- 
stand für  solche  Zeiten  und  solche  Kulturzustände  anzunehmen, 
ließe  sich  in  keiner  Weise  rechtfertigen.  Ich  verweise  in  aller 
Kürze  darauf,  daß  bei  uns  der  Handwerker  als  Spezialist  (vgl. 
I.  unter  span.  es  menester)  erst  auf  den  Herrengütem  entstanden 
ist,  daß  er  mit  den  Städten  in  die  Höhe  gekommen  ist,  daß  aber 
unser  Bauernhof  bis  in  unsere  Tage  herein  so  gut  wie  alles, 
wessen  er  bedurfte  —  mit  Ausnahme  der  Schmiedewaren  und 
etwa  der  Töpfe  —  selbst  erzeugte. 

Bartholomae  erklärt  das  Wort,  indem  er  an  ^  hav  (Wtb. 
Sp.  1782)  'antreiben'  denkt,  als  "Eig.  etwa 'Betrieb' sva. 'Gewerbe'". 
Aber  ich  frage  Bartholomae:  Liegt  hier  nicht  ein  Fehlschluß  vor? 
Haben  wir  ein  Recht,  weil  unser  treiben,  betreiben  neben  sich 
ein  B  e  t  r  i  e  b  hat  auch  zu  *  Aat?,  das  ja  nur  sinnlich  'treiben*  bedeutet, 
ein  hüitiS  im  Sinne  unseres  Botrieb  anzunehmen  und  dann  sogar 
noch  'Gewerbe'  daraus  hervorgehen  zu  lassen?  Da  müßte  doch  hu 
zuerst  im  allgemeinen  Sinne  'betreiben'  nachgewiesen  sein. 

Die  Stände  werden  \mA\estapiätrch  genannt.  Wtb. Sp. 908. 
Das  Wort  gehört  klar  und  deutlich  zu  pis  (Airan.  Wtb.  Sp.  817 
s.  V.  paes)  'farbig  machen',  ai.  pii^  ttoikiXoc  usw.  Einst  waren  also 
die  Stände,  d.  h.  die  ursprünglichen  zwei  Stände,  die  Eroberer 
und  die  Unterjochten,  von  verschiedener  Hautfarbe.  Dasselbe 
erzählt  ai.  värna-s^  vgl.  PWtb.  s.  v.,  Zimmer  Aind.  Leben  S.  113. 
In  Indien  ist  von  äryq  varnq  die  Rede,  von  einer  'arischen  Farbe', 
gegenüber  düsq  varnq.  Im  Vergleich  mit  den  schwarzen  Unter- 
worfenen waren  die  arischen  Stämme  hell.  Indra  hat  einen  blonden 
Bart.  Macdonell  Yedic  Mythology  S.  54  f. 


Wörter  und  Sachen.   IlL  255 

Im  Avesta  worden  nun  drei  Stände  unterschieden,  nur 
Y.  19,  17  vier:  ä^rava,  ra^aeSta^  västryö^  /"^wy^,  hüitii  (Bartho- 
loniae  Airan.  Wtb.  Sp.  908).  Daher  auch  adj.  ca^rupiitra  *vier 
Stände  enthaltend*  (a.  a.  0.  Sp.  579).  Die  Namen  der  Priester-  und 
Kriegerkaste  sind  ohne  weiteres  klar.  Zu  den  zwei  Wörtern,  die 
den  dritten  Stand  bedeuten,  vgl.  Geldner  Kuhns  Zts.  30,  518. 
Västryö  hat  Bartholomae  (a.a.O.  Sp.  1416  und  1413)  mit  västar 
Tlirte'  zu  einer  arischen  Wz.  *uat  *weiden'  gestellt  und  auf  ahd. 
weida  verwiesen  mit  Bezug  auf  Brugmann  Grdr.  1*,  504,  denkt 
also  an  einen  sekundären  Ablaut.  Xoreen  hat  Lautl.  213  zusammen- 
gestellt :  mhd.  geimide  *fang*,  aisl.  veida  'fangen',  ofoida  'fesseln', 
aisl.  vadr  'Angelschnur',  vfidr  'Stück  Zeug,  Kleidung',  (auch  got 
gatcidan^  ahd.  giicetan,  die  ich  zu  Wz.  uedh  stellte  IF.  17,  142). 
Wir  hätten  also  eine  Wz.  *ue(i)t^  eigentlich  'mit  einer  Schlinge 
fangen*  s.  o.  Vgl.  ai.  paiii-$  'Vieh,  Haustier',  das  man  schon  — 
aber  kaum  richtig  —  mit  pdS  'Strick',  päios  'Schlinge,  Fessel' 
zusammengebracht  hat,  das  also  das  'eingefangene  wilde  Tier'  ur- 
sprünglich bedeutet  hätte.  Demnach  hieße  vastryö  nicht  eigentlich 
'Hirt',  sondern  besser  'Wildsteller,  Wildfänger'. 

Aber  auch  das  bei  ihm  stehende  Wort  fSuyc^  bedeutet 
nichts  vom  Ackerbau.  Idg.  *pku'iö^  dessen  Part.  Praes.  es  ist, 
bezeichnet  den,  der  das  ^peku  pflegt,  also  den  Viehzüchter. 
Eine  Bezeichnung  des  ackerbestellenden  Bauern  liegt  in  beiden 
Wörtern  etjinologisch  nicht  vor,  sondern  konnte  erst  dem  Ge- 
brauche in  der  kulturellen  Entwicklung  entpringen. 

'Der  Pflüger',  'Ackerer'  heißt  im  Avesta  karSivant-  (Bartho- 
lomae a.  a.  0.  Sp.  458),  was  den,  der  mit  karäü  'Flur',  'Acker- 
land' (ai.  kar^ü  'Furche'  IF.  17,  126)  versehen  ist,  bedeutet.  Vgl. 
auch  ai.  kf^l  f.  'Acker'  und  kr$ivald  'Ackerbauer'  (dkrfivala  RV. 
'nicht  ackerbauend'). 

Noch  ein  Wort  für  den  dritten  Stand  ist  im  Avesta  vor- 
handen, nämlich  ^v9r9Z9na^  vardzäna^  das,  wie  Geldner  erkannt 
hat  (Ved.  Stud.  2,  18  f.)  'Bauernstand',  'Bauernschaft'  bedeutet 
(Airan.  Wtb.  Sp.  1424  f.)  und  zu  ^mrdz  (ebd.  Sp.  1374  gehört. 
Vgl.  IF.  17,  153  ff. 

Der  vierte  Stand  war  gewiß  unfrei.  Geiger  ostir.  Kultur 
S.  481,  485:  "Von  den  Sklaven  mag  dann,  wie  im  alten  Rom, 
das  Gewerbe  betrieben  worden  sein".  Wegen  hüitiä  haben  wir 
an  ai.ÄÄ^-s'Wagenlenker' anzuknüpfen;  sütd-  bedeutet  eigentlich 
nur  'Antreiber'  und  darnach  ist  *sw^f-,  av.  hüüiS  Mie  Antreibung', 


256  R.  Meringer, 

d.  h.  die  Treiberschaft,  die  Vieh-  und  Ackerknechte.  Diese  un- 
freien Knechte,  die  hier  Treiber*  heißen,  mögen  im  Hause, 
zu  dem  sie  gehörten,  zu  aller  Art  Sklavenarbeit,  also  auch  zu 
den  gewerblichen  Tätigkeiten,  herangezogen  worden  sein.  Aber 
*ein  Gewerbe',  einen  ^Betrieb'  gar,  oder  einen  *6ewerbestand'  be- 
zeugen sie  für  das  Avestavolk  nicht 

Über  Stände  auf  germ.  Boden  vgl.  Grimm  KA.  226  und 
jetzt  Detter-Heinzel  Edda  2,  605. 

IV.  Zu  Zaun  und  Stadt 

Vgl.  IF.  16,  120  ff.    . 

1.  Ahd.  etar  *Zaun*  Schade  1,  154,  Heyne  D.  Wohnungs- 
wesen S.  14,  Kluge  s.  V.  Etter.  Ags.  eodor^  as.  edor,  an.  iadarr. 
Wegen  an.  ipdurr  Detter-Heinzel  Edda  2,  13.  Die  ursprüngliche 
Bedeutung  des  an.  Worts  ist  *Zaun,  Grenze*.  Wie  bei  fines  wird 
die  Bedeutung  *Gebiet',  *Land'  daraus.  An.  himinipdurr  Mer 
Honzont*. 

Zu  etar  hat  Uhlenbeck  PBS.  Beitr.  26,  295  aksl.  odn  'Bett- 
gestell*  gesetzt,  tschech.  odr  Tfahl',  odry  *Gerüst  in  der  Scheune*; 
Miklosich  Et  Wtb.  219.  Ich  zweifle  nicht  daß  damit  das  richtige 
gefunden  ist  und  gebe  meinen  Yei*such  SBAW.  144,  111  Anm. 
auf.  Hinzuzufügen  ist  noch,  daß  in  Altaussee  eine  Scheunen- 
abteihmg  Otter  heißt  also  eine  slavische  Bezeichnung  führt^). 
Ein  Otta  *der  Torvveg'  verzeichnet  Schmeller  1,  177.  (Ferner 
führt  er  an  "wend.  tUia  die  Schuppe,  wo  der  Bauer  seine  Wagen 
einstellt  Castelli  Wtb.  213";  Wolf-Pleterschnik  uta  f.  *Hütte, 
Laube*,  was  aber  wie  Strekelj  gesehen  hat  zu  Hütte  gehört.) 
In  Otter  ein  echt  germ.  Wort  mit  o-Ablaut  zu  Etter  zu  suchen, 
geht  nicht  an.  Das  Wort  ist  von  den  Slaven  entlehnt  Wichtig 
ist  die  Bedeutung,  die  wir  kennen  lernen:  *Laube*.  Daß  der 
Torweg'  so  heißt  ist  nicht  auffallend,  vgl.  Ldhn  (Laube)  im 
selben  Sinne,  und  neuerdings  erhält  meine  Ansicht,  daß  der 
Tlur'  oft  aus  einer  angewachsenen  Laube  entstanden  ist,  Be- 
stätigung.   Vgl.  Verf.  Mitt  d.  Anthrop.  Ges.  33,  2o6. 

Klar  wird  jetzt  auch,  was  für  eine  Art  Zaun  wir  uns  unter 
Etter  vorzustellen  haben;  einen  mit  senkrechten  soliden  Pfosten, 

1)  Wie  durch  Frh.  v.  Andrians  Nachforschungen  zuUige  getreten 
ist.  V.  Andrian  schreibt  mir:  'Die  Oder  oder  Otter  sind  Holzabteilungen 
für  Streu  und  Grummet,  welche  auf  die  Tenne  aufgesetzt  sind  und  bis 
zu  ihrer  Decke  reichen.' 


Wörter  und  Sachen.  III.  257 

vielleicht  einen  Palissadenzaun,  gewiß  ursprünglich  nicht  den 
Flechtwerkszaun.  Wegen  hngoh^iderzön  vgl.  Brückner  Die  Sprache 
der  Langobarden  S.  70. 

Hei.  4949 :  leddun  ina  .  .  .  undar  ederös  *sie  geleiteten  ihn 
zwischen  die  Pfähle',  d.  h.  in  den  umzäumten  Hof.  Beov:  1038 
heht  eaJUa  tnearas  on  flet  Uo7i^  in  utidar  eoderas,  Heyne  übersetzt: 
"Ließ  acht  Rosse  in  den  Saal  führen,  hinein  in  das  Haus".  Das 
ist  aber  schwerlich  richtig,  denn  wenn  die  Rosse  schon  im  Saale 
smd,  ist  der  weitere  Zusatz  mindestens  überflüssig.  Ich  habe 
schon  SBAW.  144,  68  die  Scenerie  beschrieben.  Der  Rand  der 
Halle  Lst  gedielt,  dort  sind  die  Bankdielen.  Zwischen  diesen  ist 
das  flet^  ungedielt  und  mit  Steinen  ausgelegt.  Dorthin  werden 
also  die  Pferde  gebracht,  und  zwar  undar  eoderas.  Das  waren 
nun  ent^veder  Pfähle,  welche  das  flet,  wo  man  wohl  auch  oft 
die  Pferde  bestieg,  abgrenzten  —  oder  aber  was  ganz  anderes. 

Ags.  eodor^  eodur  bedeutet  nämlich  Beov.  428,  1045,  664 
Herr*,  Tüi-st*.  Heyne  scheint  von  der  Bedeutung  *Zaun*  aus- 
gehen zu  wollen,  und  das  ist  gewiß  nicht  unmöglich,  vgl.  ^pKOC 
Äxaiiliv.  Der  Zaun  ist  die  Grenze  des  Rechts,  für  den  von  außen 
Kommenden  der  Beginn,  der  Bann,  das  Sinnbild  vielleicht  des 
Rechts.  Die  Äsen  werden  mit  einem  Bauausdruck  h{)pt  und  bgnd 
bezeichnet,  die  Hafte  und  Bande  der  Weltordnung.  Eodor  kann 
der  behaune  Balken  sein,  das  Sinnbild  dos  Fürsten  vgl.  Recht, 
Ge^ic,  7'ex  regere  LF.  17, 143  f.  Weiter  ags.  baldor^  healdor  zu  bald, 
Weichbild  (s.  u.  W  2).  In  diesem  Zusammenhange  scheint 
es  nun  aber  nicht  ganz  ausgeschlossen  zu  sein,  daß  die  eoderas 
Ibava  waren,  Schnitzwerke  in  Pfahlgestalt  in  der  Nähe  der 
Herdstätte  M. 


1)  Man  vgl.  die  Beschreibung  der  ^ufa  bei  GuÄmundsson  Privat- 
boligen  S.  185.  Der  Raum  wurde  durch  zwei  Reihen  Säulen  in  drei  Teile 
geteilt.  Auf  den  Säulen  waren  die  Bildnisse  mythischer  Personen  und  Helden 
ausgeschnitzt.  Auf  den  Hochsitzsäulen  aber  waren  Götter,  vor  allen  Thor, 
dargestellt,  und  deshalb  wurden  diese  in  Ehren  gehalten,  ja  geradezu  als 
Heiligtum  angesehen  und  die  Götterbilder  als  Hausgötter  verehrt.  Die  Be- 
siedler  Islands  nahmen  sie  als  glückbringende  Gegenstände  mit  aus  der 
Heimat  und  warfen  sie  in  der  Nähe  der  Küste  ins  Meer,  damit  sie  zeigten, 
wo  man  den  dauernden  Wohnsitz  zu  wählen  habe.  Hatte  man  schon  ein 
Haus  errichtet  und  fand  später  erst  die  angeschwemmten  Hochsitzsäulen, 
so  verlegte  man  das  Haus  nach  dieser  Stelle.  Ein  Mann  opferte  dem  Thor 
seinen  Sohn,  damit  er  ihm  einen  Baumstamm  für  eine  Hochsitzsäule  sende. 
Bald  kam  ein  63  Ellen  langer  Baum  angetrieben. 


258  R.  Meringer, 

2.  Der  Zaun  im  Rechte.  Nur  einige  Notizen  zu  diesem 
sehr  umfangreichen  Kapitel.  Sehr  wichtig  ist  die  Stelle  Lieber- 
mann Ges.  d.  Angels.  1  S.  72  (Alfred  [40]):  Cyninges  burgbryce 
bid  CXX  scill.,  cercebiscepes  hundnigontig  scül,^  odres  biscepes  &  eal- 
dormonnes  LX  scill,  Uvdfhyndes  monnes  XXX  scill.,  syxhyndes 
monnes  XV  scill.,  ceorles  edorbryce  V  scill.  "[Die  Buße  für]  Eindringen 
in  die  Burg  des  Königs  ist  120  Schill.;  des  Erzbischofs  90  Schill.; 
eines  andern  Bischofs  und  eines  Ealdorman  60  Schill.,  eines 
1200-[Schilling-]Mannes  30  Schill.,  eines  600-[Schilling-]Mannes 
15  Schill.;  [die  Buße  für]  Eindringen  in  den  Zaun  eines  Geraein- 
freien: 5  Schill.".  Der  Ausdruck  ceorles  edorbryce  wird  erklärt 
id  est  riistici  sepis  fradio.  Die  Stelle  ist  auch  wegen  des  60-Systems 
wichtig.  Vgl.  weiter  Liebennann  S.  108  (Ine  [45]),  S.  5  (Aethel- 
berht  [29]);  ferner  a.  a.  0.  S.  107  (Ine  [39]),  ebenda  [42]  eine 
Bestinmiung  wegen  Eindringens  in  ein  aus  Nachlässigkeit  von 
Einzelnen  nicht  ganz  eingehegtes  gememsames  Wiesenland.  — 
Ein  Zaun  macht  erst  ein  Stück  gerodetes  Land  zum  Eigentum 
(ahd.  bifanc)  v.  Amira  Pauls  Grdr.  3«  §  61  S.  170. 

3.  Deutsch  Hag,  Hecke;  Hagestolz. 

Zupitza  Die  Gutturale  S.  111,  Kluge  s.  v.,  Uhlenbeck  PBS. 
Beiträge  29  S.  332  ^).  Daß  ahd.  hag  auch  als  urbs  erklärt  wird, 
entspricht  ganz  der  Entstehung  der  Städte,  vgl.  IF.  17  S.  157. 
Dazu  die  Namen  auf  -hug^).  Langob.  gahagium  *Gehege,  Foi-st', 
Brückner  S.  205.  Interessant  ist  unsere  Bedeutung  des  Wortes 
*hegen*,  die  auch  erst  die  Geschichte  der  Sache  gemacht  hat, 
denn  der  eingehegte  Raum  wurde  eben  auch  "gepflegt*,  ja,  er 
mußte  es  werden,  denn  sonst  ging  das  Eigentumsrecht  an  diesem 
bifanc  verloren,   v.  Amira  u.  a.  0. 

Gegen  0.  Schradei's  Erklärung  vom  Hagestolz  als  den, 
der  in  einen  Hag  gestellt  wiu'dc,  habe  ich  schon  in  der  Anzeige 
von  *Sch Wiegermutter  und  Hagestolz*  IF.  Anz.  18  S.  6  mich  ausge- 

1)  uhlenbeck  denkt  an  Verwandtschaft  mit  aksl.  l-o^.  Das  kroat. 
koä  bedeutet  nicht  nur  'eine  Scheuer  von  Flechtwerk',  sondern  meistens 
den  Maisbehälter,  den  ich  mehrmals  abgebildet  habe  SBAW.  Wien  144 
S.  51  ff.,  dann  Mitth.  der  anthr.  Ges.  Wien  34  S.  161,  156.  Ai.  käk^a 
'Gürtel,  Ringmauer'  könnte  ebenfalls  hierher  gehören.  Pedersen  IF.  5,  53 
hat  ko^  zu  lat.  qualum,  quasillum  'Körbchen'  gestellt. 

2)  Vgl.  die  Namen  auf-  dunum.  Johansson  IF.  3,  230.  Franz.  Plessis 
Diez  SV.  plaia  zu  pUxus  'geflochten',  Körting  Nr.  7239.  Der  Name  der  Stadt 
^euta  zu  lat.  sa&pes  'Zaun'  =  aaepta  (Cornu). 


Wörter  und  Sachen.  III.  259 

sprechen.  Vgl.  hngoh.gastcdd  'Domänenverwalter*  Brückner  S.  205. 
In  dem  *Hag'  können  wir  uns  nicht  bloß  ein  eingefriedigtes  Stück 
Land  denken,  sondern  auch  ein  Häuschen  drauf,  das  allerdings 
für  eine  Familie  nicht  ausreichte,  aber  für  Einen  genug  Unter- 
kunft bot. 

Nach  0.  Schrader  a.  a.  0.  S.  33  gab  es  in  frühen  Zeiten 
keinen  Hagestolz.  Aber  man  sehe  sich  den  Grundriß  des  Heims 
eines  Hagestolzes  der  neolithischen  Zeit  an  bei  Schliz  Mitt  d. 
anthrop.  Ges.  Wien  33,  S.  306.  Mir  wenigstens  erscheint  es  plau- 
sibel, daß  Scliliz  bei  diesem  Häuschen  an  einen  GarQon  denkt 

Wenn  man  die  hohe  Wichtigkeit  des  Zauns,  wie  sie  sich 
im  Rechte  ausspricht,  bedenkt  und  sich  vorstellt,  daß  er  wohl 
auch  durch  Zauber  gegen  die  Einkehr  böser  Wesen  geschützt 
war,  dann  könnte  man  Hexe  als  *die  Haghasserin*  begreifen. 
Vgl.  Noreen  Lautl.  S.  65,  IF.  4,  324,  der  aber  die  Bedeutung 
'feindlicher  Walddämon*  aus  dem  Worte  herausliest. 

4.  Deutsch  Forst. 

Der  Begriff  *Zaun'  liegt  in  einer  Woi'tsippe  vor,  deren 
Zusammengehörigkeit  noch  nicht  erkannt  ist. 

illat  parcus  tritt  bereits  im  frühesten  Mittellatein  auf  (vgl. 
Diez  s.  v.  parco),  und  Diez  hat  deshalb  gesagt,  es  werde  zu  be- 
denken sein,  ob  es  nicht  vom  lat.  parcere  herstammen  kömie. 
Ich  halte  parcus  für  ein  altes  Wort,  das  im  Volke  fortlebte,  von 
der  Bedeutung  *Zaun,  Hürde*,  denn  parcere  weist  in  allen  seinen 
Bedeutungen  ('schonen,  sparsam  sein,  sich  enthalten')  auf  eine 
Wz.  *perk  hin,  des  Sinnes,  *eine  Hürde  machen,  zum  Schutze, 
zur  Abtrennung*,  aus  der  sich  auch  adj.  parcus  erklärt  parcere 
:  parotis  *Zaun*  wie  hegen  :  Hag. 

Mlat.  parcus  bedeutet  einen  eingezäunten  Wald  oder  ein 
Stück  davon.  In  der  L.  Baj.  9,  2  heißt  es  de  ülo  granario  quod 
parc  (var.  parch)  appeUant  Graff  3,  348.  Das  läßt  verschiedene 
Bedeutungen  zu.  Das  landesübliche  granarium  der  Zeit  war  ent- 
weder ein  Haufen  Frucht  eingefriedet  und  zugedeckt,  wie  etwa 
mein  Bild  Mitt  d.  anthrop.  Ges.  Wien  34,  163  Fig.  27  (1904) 
darstellt  (möglich  wäre  auch  eine  Grube  mit  der  Frucht  angefüllt 
und  bedeckt,  sowie  mit  einer  Hürde  umzogen,  wie  heute  noch 
in  Armenien)  oder  aber  parc  bedeutete  einen  großen  gefloch- 
tenen Korb,  wie  er  auf  dem  Balkan  als  koä^  kukuruzniak  vor- 
komnit    Ich  halte  das  Letztere  für  das  Wahrscheinliche,  denn 


260  R.  Meringer, 

eine  etwas  bessere  Forni  des  kukuruzniak  habe  ich  im  ganzen 
Westen  Ungarns  gesehen,  er  kommt  auch  bei  uns  in  Steiermark 
vor,  auf  den  ersten  Blick  erkennbar,  wenn  er  auch  das  Hecht- 
werk  durch  dünne  Latten  ersetzt  hat  Und  sollten  etwa  erst 
die  Türken  dieses  primitive  Gebäude  gebracht  haben  ?  H.  Hürt 
hat  in  der  Zts.  f.  d.  Phil.  81,  505  sich  gegen  die  Annahme  hohen 
Alters  beim  ko$  ausgesprochen.  Aber  wenn  die  Ovambos  in 
Deutsch-Südwestafrika  einen  Getreidespeicher  ganz  ähnlicher 
Form  haben  (vgl.  Globus  85  [1904]  S.  206),  dann  kann  man  einen 
solchen  Kulturbesitz  auch  den  germanischen  Stämmen  zutrauen. 
Auch  der  Sinn  unserer  Wörter  Pferch,  pferchen  scheint 
mir  zu  beweisen,  daß  die  Süddeutschen  ein  kleines  geflochtenes 
Wirtschaftsgebäude,  einen  koä  (auch  dardak  genannt),  hatten  und 
ihn  parc  bezeichneten.  Vgl.  auch  die  geflochtenen  Maisbehälter 
aus  der  Dobrudscha,  gezeichnet  von  G.  Niemann  in  Benndorf 
Adam  Klissi  S.  8. 

Und  zu  *perk  kann  Forst  aus  gcrm.  *furh$to-  (vgl.  got 
waürstw  :  waürhjan)  gehören.  Die  bisherigen  Erkläningen  (vgl. 
Schade  1,  215,  Qareis  Landgüterordnung  §  36  Anm.,  Diez  s.  v. 
foresta^  D.  Wtb.,  Kluge  s.  v.)  sind  nicht  darnach,  daß  sie  eine 
neue  immöglich  machten.  Germ.  *furhdo-  gehört  zu  parctis^ 
parcere  wie  Hain  zu  Hag,  wie  templum  zu  xe^iveiv,  wie  nemus 
zu  ve^ieiv  und  bedeutet  einen  eingefriedeten  Wald.  Vgl.  oben 
II  11  bei  an.  landnäm^  Fipturlundr. 

Diese  Einfriedung  wird  nicht  immer  vollkommen  durch- 
geführt gewesen  sein.  Es  genügte  durch  Zeichen  die  Andeutimg. 
Heyne  Deutsches  Nahrungswesen  S.  5,  155.  Wenn  wir  aber  bei 
Tacitus  c.  9  von  den  heiligen  Hainen  hören  (hicos  ac  nemora 
consecrant)  und  vernehmen  c.  10,  daß  in  ihnen  Pferde  gehalten 
wurden  (equi)  publice  aluntiir  isdem  nemoribus  ac  lucis,  so  werden 
wir  uns  diese  heiligen  Haine  wenigstens  sicher  als  wirklich 
eingehegt  vorstellen  dürfen. 

Es  bestünde  eine  Möglichkeit,  daß  osk.  pestlum  *templum' 
aus  *perkstloni  hervorgegangen  ist,  also  ziemlich  genau  zu  dem 
vorausgesetzten  vorgerm.  ^prfcsto-  paßte.  Freilich  müßte  man 
das  Wort  dann  von  umbr.  persclu  *supplicatione'  (zu  *perk,  *pork, 
*preJc)  abtrennen.  Briigmann  Grdr.  P,  5;il,  v.  Planta,  Conway 
pass.  Oder  man  denkt  an  ursprüngliche  Identität  von  *perk  \nn'' 
hegen'  und  *2)rek  'bitten',  die  sich  aus  der  Art  der  Andacht- 
und  Opfei-stätten  begi'eifon  ließe.  Wegen  der  Bedeutungen  vgl. 


Wörter  und  Sachen.  UI.  261 

aisl.  Aprjrr  'Temper,  •Altar?'  Gering  VoUst  Wtb.  Sp.  512,  ahd. 
harug  *lucus,  nemus,  fanum',  ags.  heargtrcef  Beov.  *6ötterzelt', 
Dazu  Grimm  Myth.  1*,  54,  RA.  794,  Müllenhoff  DA.  4,  221. 
Detter-Heinzel  Edda  2,  17.  Die  auf  der  Hand  liegende  Etymo- 
logie hat  Noreen  Lautl.  S.  87  gefunden  —  lat.  carcer  —  dem  sich 
auch  Zupitza  Gutturale  S.  207  angeschlossen  hat 

Gewöhnlich  sucht  man  in  Forst  ein  romanisches  Wort 
So  sagte  Diez  s.  v.  foresta,  aus  einem  forasticus  (Gramm.  Placidus) 
habe  das  frühe  Mittelalter  forastis  forestis  abziehen  können  mit 
der  Bedeutung  'was  außerhalb  liegt,  nicht  betreten  werden  darf. 
Und  diese  Argumentation,  daß  in  foresta^  forestis  das  alte  faris 
faras  vorliegt,  und  daß  damit  Mas  Draußenseiende*  bezeichnet 
wird,  findet  sich  bei  Kluge  sowohl  wie  bei  M.  Heyne  Deutsches 
Nahrungswesen  S.  154.  So  meint  Heyne,  forestus  weise  "auf  eine 
Sache,  die  außerhalb  der  Gemeinschaft,  hier  einer  Markgenossen- 
schaft, liegt,  herrenloses  Gut  und  folglich  königliches  Eigen  ist". 
Ich  halte  mich  an  ahd.  vurst  nemus,  lucus,  und  finde,  daß  darin 
gar  nichts  von  *foris^  foras*  enthalten  ist,  weswegen  mir  eine 
solche  Erklärung  so  gequält  als  nur  möglich  erscheint  Sehr 
wohl  begreife  ich  aber,  daß  ein  forasticm  'exterior*  in  den 
romanischen  Sprachen  die  Bedeutungen  *wild,  rauh,  störrig,  fremd* 
entwickelt  hat.  Noch  eins.  Nach  meiner  Erklärung  bedeutet 
Porst  den  eingehegten  Wald,  geradeso  wie  parcus.  Nun  sagt 
man  aber  gewöhnlich  "mlat.  und  altrom.  foresta  bedeuten  den 
dem  Wildbann  unterworfenen,  nicht  eingezäunten  Wald.  Der 
eingezäunte  hieß  parcm".  Das  spricht  nicht  gegen  mich,  der 
echte  Sinn  von  Forst  mag  sich  verdunkelt  haben.  Übrigens 
kommt  es  nur  darauf  an,  daß  der  Forst  durch  irgend  etwas 
deutlich  abgegrenzt  erschien,  das  ist  die  Hauptsache. 

5.  Lat  oppidum  'Stadt*,  oppido  *sehr'. 

Schrader  RL.  S.  793.  W.  Corssen  Beitr.  z.  ital.  Sprachkunde 
S.  333.  Lat  oppidum  ist  bei  Schrader  richtig  als  *über  dem  Felde' 
gedeutet  Die  Städte  entstehen  ja  aus  einem  Verschlag  auf  ge- 
sichertem, oft  erhöhtem  Boden.  Über  die  oppida^  welche  Caesar 
vorfindet,  vgl.  Müllenhoff  DA.  4,  281.  Der  höhere  Begriff  ist  in 
historischer  Zeit  urbs. 

Über  oppido  *sehr'  Doederlin  Lat  Synonyme  5,  261.  Der 
Sinn  des  Worts  stammt  daher,  daß  in  oppidum  schon  der  Begriff 
des  Höheren  lag. 

Indogermanische  Fonchnngen  XVIU.  18 


262  R.  Meringer, 

6.  A.  bergen,  Burg  —  B.  Berg. 

Ich  meine,  daß  man  die  bekannten  Wörter  anders  zu 
gruppieren  hat,  als  das  bis  jetzt  geschieht 

A.  Öot.  hairgan  qpuXdTxeiv.  Dazu  aksl.  hrigq  briSti  "pflegen' 
Hiklosich  EtWtb.  S.  10,  Zupitza  Gutturale  S.  177,  Hirt  PBS. 
Beitr.  23,  332.  Ein  genügender  Grund  für  die  Annahme,  daß 
irigq  aus  dem  Germ,  entlehnt  sei,  liegt  nicht  vor. 

Seiner  ganzen  Bedeutung  nach  gehört  got.  baürgs  ttoXic, 
haürgja  TroXirric  hierher.  Die  Burg  hatte  keinen  anderen  Beruf  als 
au  bergen,  für  Zusammenhang  mit  Berg  spricht  nur  "auf  den 
Bergen  die  Burgen**!  Die  Grundbedeutung  dieser  Wz.*JAergÄ  war 
^Höhle*.  Das  wird  durch  öech.  brh  m.  (Gebauer  Slovnlk  1  S.  103) 
"Höhle,  Hütte,  Zelt*,  tabem  aculum,  bräec  m.  chy  zka,*Hütte*,  tugurium, 
Iriek  chyzka  •Hütte*  erwiesen.  M.  Murko  DLZ.  1904  Sp.  3145. 

Wenn  man  aber  baürgs  zu  bairgan  stellt,  dann  ist  es  auch 
möglich,  daß  die  Burgundiones  hieher  gehören.  Ich  stimme  na- 
türlich gerne  Much  Deutsche  Stammsitze  S.  42  zu,  wenn  er  das 
Wort  *die  Hohen*  deuten  will  nach  ai.  brhdt^  av.  bdvdzatit  Airan. 
Wtb.  Sp.  959.  Das  ist  eine  Möglichkeit.  Aber  es  ist  auch  Zu- 
«ammenhang  mit  baürgs  möglich. 

*bhergh  bedeutete  eine  Höhle.  Dann  einen  anderen  Wohn- 
«itz.  Einen  durch  einen  Zaun,  Verhau  u.  dergl.  verteidigten.  So 
-entsteht  got.  baürgs  =  iroXic.  Vgl.  die  Städtenamen  auf  -bürg, 
-engl,  'borough.  Die  älteste  Burg  in  unserem  Sinne  war  ein  starkes 
Block-  oder  Bohlenhaus.  In  diesem  Sinne  können  die  Burgundiones 
"•die  Burgbewohner*  heißen.  Sie  hatten  vielleicht  schon  Häuser 
Ähnlich  wie  unsere  noch  heute  bestehenden  Block-  und  Bohlen- 
häuser als  andere  Stämme  noch  viel  schlechter  hausten.  Es  ist 
auffallend,  daß  die  Burgimden  im  5.  Jahrh.  als  Zimmerleute 
-berülmit  waren  —  offenbar  ein  damals  schon  alter  Ruhmestitel 
—  Müllenhoff  DA.  4,  287. 

Und  daß  Burg  einst  ein  Holzhaus  im  Blockbau  (später 
Bohlenbau)  war,  darauf  weist  mit  Bestimmtheit  an.  borg  hin 
•iCleasby-Vigfiisson  s.  v.),  das  in  der  Edda  auch  'Scheiterhaufen' 
l)edcuteti).  Vgl.  Gering  VoUst  Wtb.,  Detter-Heinzel  Edda  2  S.  480. 

1)  Auf  Island  gibt  es  aus  Erdklumpen  hergestellte  kuppeiförmige 
•tbienenstockartige)  Gebäude,  die  borg  {borgir)  heißen,  auf  den  Shetlands- 
inseln  bürg  genannt  werden.  Gudmundsson  Privatbolfgen  S.  107.  Auf  diese 
Bautechnik,  die  allerdings  uralt  ist,  kann  das  Wort  erst  später  übertragen 
^Verden  sein,  überliefert  ist  es  dafür  aus  so  alten  Zeiten  wohl  gewiß  nicht, 
ygl.  fjärborgir  'Schafhäuser'. 


Wörter  und  Sachen,  m.  263 

Dieser  Zusammenhang  von  "Burg*  und  ^Scheiterhaufen'  bestätigt 
neuerdings  Brugmanns  Etymol.  von  ttoi^ui  und  das  oben  IP.  17 
S.  155  im  Anschlüsse  daran  Gesagte.  Auch  der  Germane  machte 
seine  *Burg'  in  ähnlicher  Art  wie  seinen  Scheiterhaufen.  Die 
uralte  Technik  des  Blockhauses  schichtet  die  Baumstämme  so, 
wie  beim  Scheiterhaufen  die  Scheiter  gelagert  sind. 

Nur  nebenbei  will  ich  bemerken,  daß  die  nordische  Bezeich- 
nung für  'Bohlenwand'  hordveggr  ist  (vgl.  got  haürd^  an.  JonfTisch', 
dordäiU^Tlankenwerk  des  Schiffes')  brotenn  vas  bordvegr  borgar  dsa 
V9I.  Das  Kompos.  bordveggr  ist  ein  ähnlicher  Widerspruch  wie 
Wa  chszündholz,  denn  veggr  stammt  von  der  geflochtenen  Wand  *). 

Auch  eine  iranische  Sippe  gehört  hieher:  Av.  bardg^  Präs. 
b9r9jaya  (Airan.  Wtb.  945)  'willkommen  heißen',  was  ja  nichts 
anderes  ist  als  *in  sein  Heim  aufnehmen,  bergen'.  Das  iranische 
Wort  ist  mir  ein  neuer  Grund,  aksl.  briiti  für  ein  altes  echt 
slavisches  Wort  zu  halten.  Vgl.  weiter  b9r9ymya  iaßta  'willkommene 
Wohnstätte'  (a.  a.  0.  958),  b9i*9x6a  (a.  a.  0.  957)  'geschätzf . 

Ich  stelle  also  zusammen:  I.  *b?iergh  :  got  bairgan^  aksL 
briiti^  got.  baiirgs^  alttschech.  JrÄ,  av.  bar9g.  Hieher  vielleicht 
auch  aksl.  brigh  *Ufer'.  H.  *bher§h  :  Berg,  ai.  brhdt  usw.,  air.  bH 
Zupitza  Gutturale  204. 

V.  Zum  Hause. 
1.  Zum  Erdhause,  Wohngruben  hause. 

Sophus  Müller  Nord.  Altertumsk.  Deutsch  v.  Jiriczek  1,  202 
(wo  Literatur),  Mowsesianz  Mitteil.  d.  anthrop.  Ges.  Wien  22, 165, 
Hehn-Schrader*  S.  517,  Schrader  RL.  s.  v.  •unterirdische  Woh- 
nungen'. 

Ich  meine  hier  nicht  die  Höhlenwohnungen  (vgl.  IP.  17, 160), 
sondern  die  unterirdischen  Häuser,  wo  der  eigentliche  Wohn- 
raum unter  und  nur  das  Dach  über  der  Erde  ist.  Eine  idg. 
Wurzel,  die  eine  solche  Wohnstätte  bezeichnete,  war  *bhöu.  Wir 
finden  sie  in  folgenden  Gestalten: 

*bhc(u):  (pujXeoc  ^Schlupfwinkel,  Lager  der  wilden  Tiere', 
aisl.  böl*)  "Ort,  wo  man  sich  niedergelassen  hat'  Noreen  LauÜ. 
S.  35  •Hufe'  V.  Inama  Paul  Grdr.  3«,  22,  qpujXdc  •Schlupfwinkel 
habend',  got.  bauan  oiKeiv. 

1)  Sachlich  wichtig  ags.  mcegburg  v.  Amira  •  §  54  S.  157  (*  S.  138) 
—  Zu  den  Burgen  Indiens  Zimmer  Altind.  Leben  S.  143. 

2)  Weyhe  PBS.  Beitr.  30,  67  hält  aisl.  böl  =  urgerm.  *bopla-. 

18* 


264  R.  Meringer, 

*bhü:  as.  ags.  ahd.  Jttan,  aisl.  büa  Vohnen*,  an.  büd  'Bude, 
Zelt*  (büdir  wurden  während  des  Alding  auf  dem  Dingplatze  er- 
richtet Moebius  Ares  Isländerbuch  im  Wortverzeichnis),  ahd.  bür 
•Kammer*  (prut  in  bure  HM.)  usw.  Hierher  auch  lit.  bütas^  das 
auch  vom  Vorhause  gebraucht  wird  wie  kroat.  kutfa^  d.  s'Haus. 
Vgl.  Kluge  s.  V.  bauen,  Bauer*,  Bauer*,  Bude.  Griech.  qpöXrj 
Hirt  Ablaut  §  111. 

*bhuu  germ.  buuu  :  aisl.  byggva  "wohnen*  usw. 

Das  Verbum  büan  bedeutet  aber  bekannterweise  oft  *den 
Boden  bestellen*  und  in  manchen  Gegenden  bedeutet  *bauen*  auch 
heute  noch  nur  'ackern*.  Vgl.  Heyne  Deutsches  Wohnungswesen 
S.  26.  Dagegen  ist  ahd.  nahkipiiro  Nachbar  anscheinend  nicht 
der  Feldnachbar,  sondern  der  sein  Jör,  sein  Haus,  neben  mir 
hat    Weiter  RA.  316. 

Das  genügt,  um  folgende  Entwicklung  zu  erkennen.  *bhöu 
bedeutet  Mas  Leben  in  einem  Erdloch*.  Dann  bedeutet  *es  eine 
Grube  zu  einer  Hütte  ausnehmen*.  Dann  "wohnen*.  Alsdann  aber 
auch  "ackern*,  "den  Boden  aufreißen',  um  Samen  hineinzulegen. 

Von  solchen  im  Boden  steckenden  Häusern  bieten  uns  die 
Ausgrabungen  ein  recht  gutes  Bild.  Natürlich  ist  nichts  anders 
mehr  erhalten  als  die  Wohngrube,  manchmal  mit  Resten  der 
Wand,  die  Feuerstelle  und  erhöhte  Teile  des  Bodens,  die 
einmal  bedeckt  waren,  wo  wir  uns  die  Sitz-  und  Lagerstätten 
zu  denken  haben,  ferner  eine  Rampe,  die  nach  abwärts  einst  in 
die  Tür  des  Hauses  führte.  Alles  andere  —  namentlich  das 
Dach  —  ist  unserer  wiederherstellenden  Phantasie  überlassen. 
Vgl.  das  sehr  lehrreiche  Buch  von  A.  Schliz  Das  steinzeitliche 
Dorf  von  Großgartach  Stuttgaii;  1901  und  desselben  Verfassers 
sehr  wichtigen  Aufsatz:  Der  Bau  vorgeschichtliclier  Wohnungen 
Mitteil.  d.  Anthrop.  Ges.  Wien  38,  301  ff.  Der  tpuütXoöOttic  ist  der 
•Höhlentaucher';  Od.  12,  93  heißt  es  Kaid  cTreiouc  öeöuKev  imd 
II.  11,  263  eöuv  öo^iov  "Aiöoc  eicuj,  und  wenn  ich  mir  ein  Bild 
von  den  praehistorischen  Erdhäusem  mache  und  mir  die  Menschen 
die  Rampe  hinabgehend  und  bei  der  Tür  hineinschlüpfend  vor- 
stelle, dann  komme  ich  wieder  darauf,  daß  got.  gadauka  der 
*Mittaucher'  ist(IF.  16, 143),  so  befremdlich  auch  eine  solche  Er- 
klärung zuerst  erscheinen  mag^). 

1)  Auch  der  nordische  Hof  hatte  ein  teilweise  unterirdisches  Haus, 
dyngja^  die  Frauenstube.  Gudmundsson  Privatboligen  S.  244.  Zu  dyngja 
vgl.  Kluge  SV.  Dung.   Dort  wurde  genäht,  gesponnen  und  gewoben,  das 


Wörter  und  Sachen.  III.  265 

Das  Baumaterial  der  Hütte,  die  Stützen  des  Daches  und 
die  Stangen  des  Daches  war  der  Baum  IP.  16,  157  f. 

Eine  ähnliche  Behausung  wird  durch  die  ähnliche  Wz.  *göu 
ausgedrückt.  Vgl.  Verf.  SBAW.  Wien  144,  105,  dazu  Bnigmann 
lA.  14,  47  und  schon  früher  BSGW.  89,  53  f.  Griech.  TUjXeöc 
'Schlupfwinkel  des  Wildes',  lit.  gulis  'Lagerstätte  von  Tieren  und 
Menschen',  ai.  vanargü-  "im  Walde  liegend',  griech.  ^mic,  juecoiinJ 
weisen  auf  eine  Grube  als  Schlafstätte  hin.  Brugmann  faßt  *drni 
als  'anliegend'.  Das  ist  gewiß  möglich.  Vielleicht  ist  es  aber 
wie  ev-bov  'im  gezimmerten  Hause',  dam  *in  der  Höhlenbehausung' 
als  'in  der  Grube  (beisammen)'  zu  fassen? 

2.  Zum  Dache. 

Ich  habe  IP.  17,  156  für  idg.  steg5  eine  Bedeutung  'ich 
flechte'  angesetzt,  nicht  'ich  decke*.  Ich  glaube  eben  nicht  an 
die  uralte  Existenz  einer  abstrakten  Bedeutimg  'ich  decke',  das 
man  ebensowohl  vom  Bedecken  des  Hauses  wie  von  dem  des 
Leibes  sagen  konnte.  Die  Kleidung  ist  ja  zuerst  eher  Schmuck 
als  'Bedeckung'  des  Körpers  mit  Ausnahme  des  Lendenschurzes 
etwa.  Die  Erklänmg  der  Kleidung  als  'Bedeckung'  scheint  mir 
unser  modernes,  übertriebenes  Schamgefühl  gegen  das  Nackte 
vorauszusetzen. 

Ich  glaube  femer  nicht  an  ein  'ich  decke',  weil  ich  mir 
Bedeutungen  wie  *Strick,  Riemen,  sclmüren,  anheften'  doch  nicht 
aus  einem  höheren  Begriff  'Kleidung'  entstanden  denken  kann. 
Wer  das  für  möglich  hält,  für  den  habe  ich  umsonst  geschrieben. 
Man  denke  an  die  ai.  sthagika^  das  Bändchen  am  Penis,  das  die 
Erektion  und  damit  das  Koitieren  unmöglich  machen  sollte.  Wo 
ist  hier  von  einem  'Bedecken'  die  Rede?  Allerdings  hat  Stieda 
Anatom.  Hefte  19  (1902)  S.  295  von  der  Bedeutung  dieses  auch 
bei  den  Griechen  geübten  Brauches  (ebd.  die  Bilder  S.  260  ff.) 
eine  andere  Meinung.  Er  glaubt,  das  Bändchen  hat  —  wie  andere 
Vorrichtungen  —  den  Zweck,  das  praeputium  herunten  zu  halten, 


heißt,  es  war  die  eigentliche  Stätte  der  häuslichen  Arbeit,  die  vornehmlich 
in  die  kalte  Jahreszeit  fiel.  Vgl.  IF.  17,  163  meine  Bemerkungen  über 
spinnen,  lat.  pentia,  penes,  Penates,  Beim  Tung  hat  sich  die  Sitte,  ein 
Haus  in  die  Erde  zu  bauen,  am  längsten  erhalten.  Heyne  Das  deutsche 
Wohnungswesen  S.  4:6.  Auch  die  Römer  legten  auf  germ.  Boden  solche 
unterirdische  Häuser  an.  Jacob!  Das  Römerkastell  Saalburg  S.  116.  —  Vgl. 
weiter  die  Nachrichten  über  das  *£rdhaus'  (jardhüa)  Gutoundsson  251. 


266  R.  Meringer, 

damit  die  Eichel  bedeckt  sei,  eine  Forderung  des  Schamgefühls. 
Und  wenn  das  auch  wahr  wäre,  das  Bändchen  wäre  doch  nicht 
*das  bedeckende'  (sowenig  wie  slov.  stogla  'Riemen*,  russ.  zast^ 
golmica  *Art  Strick*  etwas  vom  "Bedecken*  in  sich  haben),  sondern 
das  praeputium. 

Wir  haben  noch  ein  Wort,  wo  von  einem  'Bedecken*  gar 
keine  Rede  sein  kann.  Slov.  stog  bedeutet  nach  Wolf-Pleterschnik 
s.  V.  'der  um  einen  Pfahl  aufgehäufte  Schober,  die  Getreide- 
harfe* (IF.  16,  129),  'eine  Scheuer*.  Alle  drei  Bedeutungen  weisen 
auf  "Stroh*  hin.  Und  das  hilft  auch  heraus.  Nur  die  Technik 
des  Strohdachs  kann  es  gewesen  sein,  die  es  ermöglichte,  daß 
später  Wörter  dieser  Wurzel  sich  auf  Gewebe,  auf  Kleidung  be- 
ziehen. Und  das  ist  nicht  bloße  Konstruktion :  Die  Hirten  ver- 
stehen es  heute  noch,  sich  einen  Regenmantel  aus  Stroh  zu 
machen,  der  dieselbe  Technik  zeigt  wie  das  Strohdach*).  Wenn 
dieser  Brauch  —  woran  ich  nicht  zweifeln  kann  —  alt  ist, 
dann  erhalten  Wortzusammenhänge  wie  Dach  und  Kleid  einen 
neuen  Inhalt,  und  man  wird  meiner  Polemik  nicht  die  Be- 
rechtigung absprechen  können.  Aber  ich  hätte  nicht  sagen  sollen: 
stegp  *ich  flechte*,  denn  geflochten  ist  das  Hausda^h  aus  Stroh 
sowenig  wie  der  Hirtenmantel.  *steQö  bedeutete  das  Herstellen 
eines  Strohdachs,  eines  Mantels  aus  Stroh,  eines  Strohseils, 
*8togos  war  der  Strohhaufen. 

3.  "Dach  für  Haus*.  Der  Wirt  in  Lessings  Minna  fragt, 
wie  die  Damen  unter  seinem  schlechten  Dache  geschlafen  hätten. 
Das  Dach  war  nicht  so  schlecht,  aber  die  Betten  könnten  besser 
sein,  ist  die  Antwort.  Hier  will  die  Antwortende  die  übertragene 
Bedeutung  nicht  verstehen,  obwohl  lokativisch  "unter  meinem 
Dache*  ganz  klar  ist  Aber  der  Wirt  hätte  wohl  nicht  gesagt, 
etwa  "Mein  Dach  steht  in  der  Hauptstraße*.  Solche  Dinge  über- 
sieht man  oft,  wenn  man  die  verschiedenen  Bedeutungen  eines 
Wortes  angibt.  Darnach  bleibt  erst  zu  untersuchen,  in  welcliem 
Umfang  griech.  cr^Tn  *Haus'  bedeutet  hat  Wenn  eine  geschiedene 
Frau  niederkommt,  so  bestimmt  das  Recht  von  Gortyn  Br.  Baunack 
S.  101,  soll  man  das  Kind  dem  Vater  im  czifav  "zum  Hause' 
bringen.  Für  die  Zeit  von  400  v.  Chr.  fällt  eine  solche  Wendung 
auf,  wie  ja  heute  noch  niemand  in  diesem  Falle  sagen  würde 


1)  Das  Museum  für  österr.  Volkskunde  in  Wien  hat  einen  solchen 
Hirtenmantel  aus  Stroh.  Die  illustrierten  Blätter  haben  vor  etwa  einem 
Jahre  solche  Mäntel  aus  Japan  abgebildet. 


Wörter  und  Sachen.  III.  267 

*zum  Dache*.  So  kommt  man  auf  die  Frage:  Liegt  hier  alter 
Sprachgebrauch  vor  aus  einer  Zeit,  wo  das  Dach  so  ziemlich 
das  einzige  war,  was  über  der  Erde  vom  Hause  sichtbar  war? 

4.  Deutsch  Hof. 

Siehe  Kluge  s.  v.,  0.  Schade  1,  411,  Heyne  Deutsches 
Wohnungsw.  S.  13. 

Die  Bedeutungen  *Hof,  Gehöft,  Garten'  lassen  sich  nicht 
aus  einer  älteren,  etwa  'umzäunter  Raum*  herleiten,  wie  an.  hprgr 
og  hof  (Detter-Heinzel  Edda  2,  17)  zu  zeigen  scheint,  die  wohl 
bedeuten  *Zaun  und  Tempel*  (hgrgr  zu  lat  carcer  oben  IV  4). 
Vorgerm.  *kupo  weist  auch  ganz  wo  anders  hin,  nämlich  auf  ai. 
käpchs  'Grube,  Höhle*,  lat  cüpa^  das  wohl  zuerst  die  Grube  für 
Getreide  usw.,  dann  erst  die  'Tonne,  Kufe*  bedeutet  hat,  'die 
Grabnische*;  griech.  Kurrri  •  rpübT^n  Hes.  Brugmann  Grdr.  1*,  113- 
Eine  weitere  Entwicklung  zeigt  KuireWov  'Becher*. 

Damach  ist  mir  das  wahrscheinlichste,  daß  germ.  Vmfa- 
'die  Grube*,  spez.  'die  Wohngrube*  bedeutet  hat,  wie  lat.  cüpa 
'die  Totengrube*,  später  'Grabnische*  war. 

5.  Lat  paries. 

Lat.  paries  ist  aus  Hmriea  entstanden  und  gehört  zu  lit  tveriii 
fasse  ein*,  tvorä  'Bretterzaun'  Sommer  Handbuch  S.  227,  Brugmann 
Kurze  vgl.  Gr.  S.  104.  Die  altlit  Wörter  bei  Bezzenberger  Beitr, 
z.  G.  d.  lit  Spr.  S.  333.  Lit  twrä  muß  aber  wie  die  Zusammenhänge 
zeigen  werden,  zuerst  den  geflochtenen  Zaun  bedeutet  haben^ 
denn  das  Brett  ist  etwas  spätes. 

Die  folgenden  weiteren  Nachweise  des  geflochtenen  Hauses, 
verdanke  ich  Comu: 

Ovid.  Fasti  6,  261 : 

Quae  nunc  aere  vides^  stiptda  tum  tecta  videres 
Et  paries  lento  vitnine  tectus  erat. 
Prüden tius,  Psychomachia  851 :  textis  parietibus. 
Cic.  ad  Att  IV,  XVI  [14] :  Paulus  in  media  foro  basilicamr 

jam  fere  texuit  isdem  antiquis  cdumnis. 
Lucanus  V,  515. 

Rectorem  dominumque  ratis  secura  tenebat 
Haud  procul  inde  domus^  non  ullo  robore  fulta, 
Sed  sterili  iunco  cannaque  intexta  palustri 
Et  latus  inversa  nudum  munita  phaselo. 


268  R.  Meringer, 

Zur  letzten  Stelle  verweise  ich  auf  das  IF.  17,  139  über 
*Pdtoc  und  PdTTToc  Gesagte.  —  Franz.  parai  vgl.  H.  Davidsen  Die 
Benennungen  des  Hauses  u.  seiner  Teile  im  Franz.  Diss.  Kiel 
1903  S.  16. 

Aus  den  slavischen  Sprachen  ist  hier  besonders  wichtig 
aksl.  pritvorb  ambitus,  saeptum,  tschech.  pHtvor  *Vorhalle',  klr. 
prytvar^  magj.  püvar^  woraus  slk.  pitvar.  Auch  diese  Bezeich- 
nungen des  Flurs  lassen  ihn  als  eine  angewachsene  Laube  er- 
kennen, während  Bancalari  in  ihm  das  eigentliche  Charakteristikon 
des  oberdeutschen  Hauses  hat  sehen  wollen.  Vgl.  Verf.  Mitt  d. 
anthrop.  Ges.  Wien  25  (1895)  SB.  S.  [101]  ff. 

Aber  sonst  ist  die  Wz.  *tuer  auf  slav.-lit  Gebiete  ganz  ver- 
geistigt worden.  Miklosich  Et  Wtb.  S.  366.  Aksl.  tfx>rb  forma, 
creatura,  tvofHti  'machen'  sttvorüi  facere,  creare  (vgl.  die  Her- 
kunft von  TTOieTv,  machen,  wirken  IF.  17,  155,  146,  153), 
tvarh  opus;  lit.  stdvirti  'erschaffen'*).  In  lit  tvorä  'Zaun'  hat  sich 
die  ursprünglichste  Bedeutung,  weil  sie  an  eine  Sache  geknüpft 
war,  am  besten  erhalten  und  hat  nur  die  Wandelung  der  Sache 
—  vom  Flechtzaun  zum  Bretterzaun  —  mitgemacht 

Die  germ.  Verwandten  Fick  2»,  375,  3  3,  142,  1*,  449. 
Fick  unterscheidet  zwei  verschiedene  Wz.  tuer. 

6.  Griech.  copoc. 

Griech.  copoc  ist  *das  Behältnis  für  die  Gebeine  der  Ver- 
storbenen*, 'der  Sarg'.  Prellwitz  leitet  es  aus  *tuor6s  her,  dem 
er  die  etwas  transszendentale  Bedeutung  *in  sich  fassend'  bei- 
legt. Leo  Meyer  Handb.  1,  47  sagt:  "Ist  mit  lit  tvSrti  'fassen, 
umzäunen'  und  tvdrtas  'Einzäunung,  Verschlag,  Hürde'  zusammen- 
gestellt worden,  was  in  formeller  Beziehung  sehr  wohl  das  rechte 
treffen  könnte,  bezüglich  der  Bedeutung  aber  noch  manchen 
Bedenken  unterliegt" 

Gar  keinen,  antworte  ich.  Wir  müssen  nur  aufhören  zu 
erwarten,  daß  bloß  die  Laute  sich  verändert  haben,  aber  die 
Bedeutungen  geblieben  sind.  Griech.  copoc  erzählt  weiter  nichts, 
als  daß  die  Griechen  einmal  ihre  Toten  in  Flechtwerken,  sagen 
wir  gleich,  Körben,  bestattet  haben.  Vgl.  IF.  16,  119.  Vgl.  weiter 
cJjpaKoc  'geflochtener  Korb,  Behälter'   L.  Meyer  1,  47. 


1)  Zu  lit.  tvff-tas  'fest',  aisl.  pritdr  'Kraff  Brugmann  !•,  260.  Anders 
Noreen  Lautl.  S.  216. 


Wörter  und  Sachen.  III.  269 

Man  beachte,  daß  neben  lit  tvirti  'zäunen'  griech.  cop6c 
*Sarg'  steht,  wie  neben  aisl.  serkr  'Hemd*  (also  Gewebe)  ein 
ahd.  sarh  'Sarg*  IF.  17,  158  f. 

Und  da  muß  man  wieder  an  Tacitus  denken.  Germ.  12 
heißt  es:  ignavos  et  inbelles  et  corpore  infames  caeno  ac  palude, 
iniecta  insuper  crate,  mergunt  "Wer  u.  a.  aus  der  Schlacht  davon- 
läuft —  so  fasse  ich  den  Hauptteil  des  Sinnes;  Müllenhoff 
DA.  4,  492  —  den  töten  sie  in  einem  Sumpfe."  Ich  denke, 
man  muß  sich  hüten,  rein  rationalistisch  zu  erklären,  das  darüber 
geworfene  Geflecht  war  weiter  zu  nichts  da,  als  dazu,  den  Feigling 
unter  der  Oberfläche  zu  halten.  Aber  das  hätte  man  doch  auch 
anders  und  zwar  einfacher  machen  können,  indem  man  ihm 
einen  Stein  angebunden  hätte,  oder  ihn  einfach  gefesselt  hätte. 
Wozu  denn  das  Flechtwerk?    Die  Frage  ist  gewiß  berechtigt 

Ich  denke  mir,  es  gab  Zeiten,  wo  die  Germanen  ihre  Toten 
in  Körben  bestatteten.  Dem  Feigling  erging  es  anders.  Er  wurde 
lebend  in  den  Sumpf  geworfen  und  sein  Totenkorb  wurde  über 
ihn  gestülpt ').  Der  letztere  Brauch  kann  den  allgemeinen  leicht 
überlebt  haben. 

7.  Got.  ans  *Balken'. 

Got.  ans  Kdpqpoc  kann  man  mit  lat  owus  *Last*,  ai.  dnas 
"Lastwagen*  zusammenstellen.  So  Hoffmann  BB.  25,  108,  Uhlen- 
beck  Et.  Wtb.  d.  ai.  Spr.  Im  Et.  Wtb.  d.  got.  Spr.  fragt  Uhlenbeck, 
ob  mit  got.  ans  lit.  qwd,  lat  ansa  'Henker  verwandt  sein  kann.  Doch 
vgl.  Walde  Lat.  Et.  Wtb.  s.  v.  ansa.  Ich  suche  die  Verwandten  von 
got  ans  wo  anders,  ich  glaube  nämlich,  daß  vtejuai,  vocroc,  ai. 
dstam  "Heimatstätte*,  dfciiievoc  hiehergehören.  Brugmann  Kurze 
vgl.  Gr.  147,  123;  Joh.  Schmidt  Kritik  152  f.  Man  müßte  dann 
von  einer  zweisilbigen  Wz.  *enes  ausgehen,  um  zu  "^ons  (got  ar^ 
zu  gelangen.  Die  Wurzel  stünde  hier  auf  der  Stufe  Vo  +  S. 

Der  Sinn  von  "^enes  ist  nur  allgemein  als  eine  Technik  der 
Holzgewinnung  oder  Bearbeitung  zum  Hausbau  anzugeben.  Vom 
Wohnhause  aus  (ai.  dstam  RV.  *Heimatstätte')  verstehen  sich  die 
Bedeutungen  veofiiai,  v6ctoc,  ficiiievoc  ebenso  gut  wie  got  ganisan 
(Uhlenbeck  s.  v.  und  s.  v.  gansjan^  Noreen  Lautl.  S.  85).  Zu  gans- 
Jan  Johansson  PBS.  Beitr.  15,  228  f. 

In  bezug  auf  die  Laute  hindert  nichts,  vaiuj,  vaoc-vedüc 

1)  Vgl.  auch  das  Töten  im  Sacke.  Grimm  RA.  698  Cf,  Detter-Heinzel 
Edda  2,  400. 


270  R.  Meringer, 

hierherzustellen.  Wegen  der  Stufe  vac  vgl.  XiXaiojLiai  zu  got  lustus 
Brugmann  Gr.  Gr.*  S.  37.  Leo  Meyer  4,  265.  Aber  sachlich  stehen 
dieser  Erklärung  von  veüjc  Bedenken  entgegen  vgl.  u.  VI  1  s.  v. 
•Pflock*. 

8.  Got  gamains;  lat.  communis. 

Die  beiden  Wörter  sind  noch  keineswegs  erklärt 

Ich  gruppiere  die  Wurzeln,  die  m.  E.  gewöhnlich  nicht 
richtig  auseinandergehalten  werden. 

a)  *meij  *moi  *bauen'i).  Die  Technik,  welche  gemeint  ist, 
wird  durch  die  Bedeutungen  Tfahl,  Pfosten,  Säule'  hierher- 
gehöriger Wörter  approximativ  bestimmt:  es  ist  kein  Flechtwerk 
und  kein  Blockhaus  gemeint  Also  ein  primitives  Ständenverk. 

Wichtig  sind  folgende  Wörter:  Ai.  minöti  'befestigt*'),  miids 
•befestigt,  gebaut*,  mit{$  •Aufrichtung*,  mit  f.  *  Säule,  Pfosten', 
mayäka-s  •Pflock*,  ai.  mär  'Aufrichter  der  Opfersäule'.  —  Av. 
mae^ana  n.  •Aufenthaltsort,  Haus',  ma^  •weilen'  Bartliol.  11 05  f. 
—  Aksl.  mSsto  •Ort'  Mikl.  196;  preuß.  mestan  'Stadt',  maysta 
Bemeker  306;  lett  met  präs.  menu?  'bepfähle',  lit  mStas  Tfahl', 
lett  mits^  metüt  •bepfählen',  lett  maide  •Stange',  maidü  *bepfählen*. 
Leskien  Ablaut  S.  278.  —  Lat  mefa  •Heuschober'  (wahrscheinlich 
zuerst  der  Pfahl  drinnen),  •die  Spitzsäule  im  Zirkus*;  permities 
(=  *pernicies)  hieher?  —  An.  meidr  •Baum,  zugeschnittenes  Holz* 
(Noreen  Lautl.  119).   In  der  Edda  'Baumstamm,  Baum,  Galgen*. 

Man  sieht,  mit  welcher  Hartnäckigkeit  bei  der  primitiven 
Sache  'Pflock'  Wurzel  und  Bedeutung  beisammenbleiben. 

Und  zu  dieser  Wurzel  gehört  nun  klärlich  lat  munire^ 
pamerium^  moenia  murm.  Ich  ordne  dabei  die  Wörter  nach  der 
Entwicklung  der  Sache  an,  vom  befestigten  Zaun  über  die  Holz- 
wand zur  Steinwand.  Und  nun  hellt  sich  der  ursprüngliche 
Wortsinn  von  communis  auf.  Communis  ist  der,  der  mit  mir  die- 
selben moenia  hat,  das  kann  heißen,  denselben  Zaun  oder  die- 
selben Hauswände,  mein  Hof-  und  Hausgenosse  3). 


1)  Osthoff  Forschungen  1,  85  f. 

2)  Vgl.  Walde  Lat.  Et.  Wtb.  s.  v.  admitticulum'Si^ize*.  Waldes  Deutung 
'was  (als  Stütze)  zu  etwas  hinanragt'  übertrifft  fast  alle  schönen  Erklärungen 
und  das  will  viel  sagen. 

3)  Walde  Lat.  Et.  Wtb.  deutet  amoemis  als  *an  den  Stadtmauern  be- 
findlich'. Wegen  der  Bedeutungsentwicklung  von  'an  den  Stadtmauern  be- 
findlich' zu  'angenehm,  hübsch*  vergleicht  er  nhd.  hübsch  eigentl.  'höfisch', 


Wörter  und  Sachen.   III.  271 

Vergeistigt  sind  worden  münis  'gefällig,  dienstfertig*,  immünia 
*frei  von  Verpflichtung*;  münus  *Amt,  Pflicht*  usw.  hat  es  am 
weitesten  gebracht  in  der  ethischen  Höhe  seiner  Bedeutung. 
münis  mag  der  zum  Einfügen  hergerichtete  Pfosten  gewesen  sein, 
*moino8  das  Zusammenfügen  beim  Bau.  Um  nicht  ausführlich 
zu  werden,  bitte  ich  got  fagrs^  engl,  fair,  vom  Fachwerke  stammend, 
zu  vergleichen  IF.  16  S.  176  und  unten  VI,  4  bei  Fug. 

Dieselbe  Erklärung  muß  auch  auf  got  gamains  angewendet 
werden.  Aber  hier,  auf  gerni.  Boden,  fehlen  die  Wörter,  an  denen 
man  die  ganze  Entwicklung  zeigen  könnte.  Nur  an.  meidr  ist  ein 
starker  Halt;  trotzdem  könnte  man  argwöhnen,  daß  bei  gamains 
das  latein.  Wort  irgendwie  mitgespielt  hat.  Zu  untersuchen  bleiben 
got.  maitan  und  Sippe,  sowie  die  keltischen  Wörter.  Stokes  196 
s.  v.  2  maini'  *Stein*,  maisti-^  meisti-  *Korb*,  S.  204  meines^  tninoSj 
minios  'fein,  lind*. 

Fick  1*  S.  103;  3^  S.  238. 

b)  Wz.  *möij  *mi  durchläuft  die  Bedeutungen  'tauschen, 
vertauschen,  täuschen*.  Hat  die  Unredlichkeit  beim  Tauschhandel 
zur  Bedeutung  'täuschen'  geführt?  Mhd.  rostüschaere  'Pferde- 
händler* Mhd.  Wtb.  3,  156,  Kluge  s.  v.  tauschen;  Schrader  s.  v. 
•Handel*. 

Tauschen.  Griech.  ilioTtoc  'Dank,  Vergeltung*.  Prellwitz  s.  v., 
Leo  Meyer  4,  316.  iiioivov  •  dvri  toö  ilioitou  (Hes.).  Lat.  mütare.  Got 
maipms  'Geschenk*.  Lit.  matna^  Tausch*,  aksl.  mina  'Änderung*  % 
Sehr  leicht  möglich  ist  es,  will  mir  scheinen,  daß  meinen  und 
aksl.  minüi  sich  zuerst  auf  das  Feilschen  beim  Handel  bezogen. 
Kluge  s.  V.  und  Uhlenbeck  PBS.  Beitr.  26  S.  303. 

Täuschen.  |liT|lioc  L.  Meyer  4,  388.  Hirt  Ablaut  §  87,  S.  36. 
Got  maidjan  'verfälschen*  KainiXeueiv  (waürd  gudis\  inmaidjan 
'entstellen*,  inmaideins  'Vertauschung*  Schulze  Got  Gl.  219. 

Hieher  Mein-  in  Meineid,  ahd.  mein  'falsch,  betrügerisch*. 
Das  Richtige  bei  Kluge.  Der  Eid  soll  rein  und  unmein  sein. 

c)  Der  Bedeutung  nach  könnte  mf,  ai.  mindti  'mindern' 
ganz  wohl  zu  b)  gehören  mit  jliivuGuj,  lat  mintu)^  got  mins. 

dann  'schön".  Der  Vergleich  entspringt  einem  Mißverständnisse.  Und  'an 
den  Stadtmauern  befindlich'  könnte  vielleicht  beim  modernen  Großstädter 
zu  'angenehm,  hübsch*  führen,  aber  schon  nicht  beim  heutigen  Innsbrucker 
und  am  wenigsten  bei  einem  antiken  Stadtbewohner. 

1)  Damit  ergäbe  sich  die  Möglichkeit  das  en  tnan<nn(m)einom  der 
Duenos-Is.  zu  fassen  als:  *zu  gutem  Tausche,  Geschäfte*. 


272  R.  Meringer, 

9.  Zum  angelsächsischen  Runenkästchen. 

IF.  17, 137  ff.  Adler  waren  am  Tempel  des  Juppiter  Capitolinus 
angebracht  Vgl.  Tac.  Hist.  3,  71  inde  lapsiis  ignis  in  particus  ad- 
posUas  aedibus;  mox  sustinefites  fastigium  aquilae  vetere  ligno 
traxerunt  flammam  aluei^untque.  Ganz  gewöhnlich  scheinen  die 
Adler  im  Giebelfelde  römischer  Grabsteine  zu  sein.  Aus  dem 
Orient  kenne  ich  zwei  Belege.  In  dem  Werke  von  Jul.  Euting 
Nabatäische  Inschriften  finden  sich  S.61  die  Abbildungen  einiger 
Felsnischen,  die  Häuserfronten  nachahmen.  In  der  zweiten  ist 
ein  Tempel  dargestellt  mit  einer  Kuppel,  auf  der  ein  Adler  mit 
ausgebreiteten  Flügeln  schwebt^).  Dazu  macht  mich  M.  Murko 
auf  die  Nachricht  der  Apokryphen  aufmerksam,  derzufolge  Salomon 
auf  dem  Tempel  zu  Jerusalem  zwei  kupferne  Adler  angebracht 
hat,  welche  auf  sein  Gebet  lebendig  wurden. 

Besonders  wichtig  ist  aber  der  doppelköpfige  Adler  auf 
dem  Torpfosten  des  Palastes  zu  öjuk  (anscheinend  sehr  gut) 
reproduziert  bei  F.  Justi  Geschichte  der  orientalischen  Völker 
im  Altertum  S.  184.  Dieses  aus  dem  10.  Jahrh.  v.  C.  stammende 
hettitische  Denkmal  zeigt  einen  Doppeladler  mit  zwei  Köpfen, 
zwei  Rümpfen,  aber  nur  zwei  Fängen  und  zwei  Flügeln.  Gegen 
dieses  noch  ziemlich  deutliche  Doppeltier  sind  die  nur  einen 
bandartigen  Körper  habenden  Doppeltiere  des  Kästchens  schon 
sehr  viel  weiter  entwickelt. 

An  sprachlichen  Tatsachen  noch  folgendes.  Lat.  crista  *Kamm 
der  Vögel'  usw.  hat  in  franz.  crUe  den  Sinn  *First  eines  Gebäudes* 
angenommen.  Vgl.  auch  franz.  pignon  (von  lat.  petina  *  Feder') 
'Giebel*.  H.  Davidson  Die  Benennungen  des  Hauses  und  seiner 
Teile  im  Franz.  S.  19. 

10.  Zu  an.  vindauga, 

IF.  16,  125.  Ich  habe  zu  meiner  Fig.  9  a.  a.  0.  keinen 
eigenen  Beleg  gegeben,  weil  ich  in  meinen  Reisenotizen  keinen 
fand.  Die  Schlitze  im  Hause  des  Kuhländchens,  von  denen  wir 
Nachricht  haben  (a.  a.  0. 126),  sind  nicht  genau  meiner  Zeichnung 
entsprechend,  sondern  (wie  eine  direkte  Anfrage  ergeben  hat) 
rechtwinklig.  Daß  mich  aber  meine  Erinnerung  nicht  getäuscht 
hat,  möge  man  an  dem  Fenster  des  Erdgeschosses  des  bosnischen 
Hans  sehen,  der  in  Österr.-Ungarn,  Bd.  Bosnien  S.  333  abgebildet 

1)  Ich  verdanke  den  Hinweis  D.  H.  Müller  in  Wien. 


Wörter  und  Sachen.  IIL  273 

ist.  Dieses  Fenster  ist  links  in  die  Ecke  geschnitten,  kommt  also 
meiner  Zeichnung  schon  sehr  nahe.  Vor  einiger  Zeit  wurden 
aber  der  Form  nach  meinem  Bilde  genau  entsprechende  Fenster 
sogar  in  Steiermark  nachgewiesen  ^). 

11.  Zum  Wort  *Stube'. 

Verfasser  Mitt  d.  anthrop.  Ges.  Wien  23  (1893),  S.  166  ff. 
—  Drs.  Die  Stellung  des  bosn.  Hauses  imd  Etymol.  zum  Hausrat 
SBAW.  Wien  144  S.  4f.  —  Drs.  Zts.  d.  öst.  Gymn.  1903  S.  397 
Anm.  1.  —  Schrader  EL.  s.  v.  Ofen  S.  593  f.,  auch  S.  58.  —  Kör- 
ting Nr.  3538.  —  Davidson  Die  Benennungen  des  Hauses  usw. 
S.  55  (vgl.  auch  S.  80  s.  v.  poSle).  —  M.  Heyne  Deutsches  Woh- 
nungswesen S.  45  und  ö.  —  ß.  Much  Kluges  Zts.  f.  d.  Wortf. 
2,  286. 

Ich  habe  schon  in  meiner  Arbeit  über  das  bosnische  Haus 
(S.  5)  es  für  das  Wahrscheinlichste  erkläil;,  daß  ein  vom  roman. 
*extufare  (nicht  *extuffare)  kommendes  *extufa  auf  südgerma- 
nischem Boden  sich  mit  stioban  "stieben*  gekreuzt  hat  und  so 
unsere  Stube  entstand.  Das  wäre  sachlich  durchaus  möglich, 
denn  in  der  Badstube,  dem  einzigen  Raum  dos  oberdeutschen 
Bauernhauses,  der  außer  der  Wohnstube  noch  den  Namen 
Stube  trägt,  stob  es  wirklich  von  Wasserdunst,  sobald  man  das 
beliebte  Dampfbad  machte.  Körting  hat  *extufare  durch  tubi^  die 
Bezeichnung  der  Hypokaustumröhren,  zu  *extubare^  franz.  äuver 
*bälien,  schmoren'  werden  lassen.  Indiskutabel  ist  die  Annahme 
Körtings  durchaus  nicht,  denn  die  erste  heizbare  Stube  auf 
deutschem  Boden  war  die  von  den  Römern  angelegte,  durch  ein 
Hypokaustum  geheizte  Stube,  und  bei  dieser  Anlage  spielten  die 
Heizröhren,  die  tubi^)^  eine  genug  wichtige  Rolle,  sodaß  ihre 
Bezeiclmung  sich  wohl  in  das  Wort  *extufa  hineinmischen  konnte. 
Nur  weil  stieben  seinem  Anlaute  nach  dem  Worte  noch  näher 
steht,  w^ill  mich  die  Durchkreuzimg  durch  stieben  wahrschein- 
licher dünken  als  die  durch  tubi. 

Ich  will  jetzt  dort  fortsetzen,  wo  ich  a.  a.  0.  abgebrochen 
habe.   Ich  sagte  damals,  daß  Stube  auch  verschiedentlich  als 

1)  Die  Publikation  steht  noch  aus. 

2)  Ich  muß  es  geradezu  als  einen  Unfug  bezeichnen,  daß  man  viel- 
fach diese  Heizröhren  'Kacheln'  nennt.  An  dem  Namen  läge  ja  nichts,  aber 
diese  Verdeutschung  öffnet  dem  Irrtum  Tür  und  Tor.  Eine  Kachel  ist  keine 
Röhre  und  auch  entwicklungsgeschichthch  hat  unsere  Kachel  gar  nichts 
mit  der  römischen  Heizröhre  zu  tun. 


274  R.  Meringer, 

Name  des  Ofens  erscheint  und  daß  dieser  Umstand  bis  jetzt 
noch  zu  keinen  weiteren  Folgerungen  verwendet  wurde.  Zuerst 
die  Tatsachen.  Ital.  stufa  *Ofen,  Badstube',  span.  e^iufa  *Stuben- 
ofen,  Badestube*  (franz.  Stuve  "Badestube'),  estufero,  port  estufüro 
•Ofenmacher*,  engl,  stove  *Ofen*  (auch  der  eiserne  Kochofen),  nun. 
«oJa,  izbe  'Ofen*,  mag.  ^oba  "Stube*  und  "Ofen*,  igba  *Ofen*  bei  den 
Kroaten  Istriens,  soba  *Ofen*  Montenegro  *),  neugriech.  sompa  *Ofen'. 

Damach  halte  ich  eines  für  so  gut  als  sicher :  Daß,  als  das 
Wort  stuba  zu  den  Romanen,  Magyaren  und  Slaven  kam,  es  nicht 
nur  *Stube',  sondern  auch  'Ofen*  bedeutet  hat  Interessant  ist, 
daß  die  Slaven  nicht  nur  das  Wort  igba^  also  ihre  Entlehnung 
von  stuba^  noch  in  diesem  Sinne  von  *Ofen*  kennen,  sondern, 
daß  sie  auch  das  Wort  mit  der  magyarischen  Veränderung  (^oha) 
gelegentlich  im  Sinne  von  "Ofen*  haben.  Magyarisch  sgoba  *Ofen* 
ist  durch  Vermittlung  der  Slaven  zu  den  Griechen  gekommen. 

Heute  lassen  sich  die  "Sachen*  bereits  soweit  überblicken, 
daß  man  zu  einer  genügenden  Erklärung  des  Wortes  und  seiner 
Bedeutungen  kommen  kann.  Man  vergleiche  in  dem  ausge- 
zeichneten Werke  Jacobi  Das  Römerkastell  Saalburg  S.  250  die 
Fig.  37.  Man  sieht  eine  von  Römern  auf  deutschem  Boden  er- 
baute *Stube*,  d.  h.  ein  heizbares  Gemach.  Der  Boden  des  ganzen 
Raums  liegt  hohl,  und  dieser  Hohlraum  wurde  durch  einen  seitlich 
angelegten  unterirdischen  Ofen  mit  heißer  Luft  erfüllt  und 
wärmte  seinerseits  die  darüberliegende  Stube*).  Dieser  Hohl- 
raum unter  der  Stube  war  nach  meiner  Meinung  der  Träger  der 
Bezeichnung  *extufa.  Nach  ihm  wurde  dann  der  darüber  liegende 
Raum  so  bezeichnet,  ein  Vorgang,  für  den  ich  genug  Parallelen 
gebracht  habe  (vgl.  Laden  IF.  16, 113,  Boden,  Flur,  Saal  usw.; 
auch  S.  183).  Ich  verweise  darauf,  daß  pensile  auch  nichts  andei-s 
als  den  'aufgehängten'  Raum  bedeutet,  d.  h.  den  auf  kleinen 
Pfeilern  schwebenden,  den  mit  einem  Hypokaustum  unter- 
minierten Raum  bezeichnet  Davidson  a.  a.  0.  S.  80  f.  Und  aus 
beiden  Bezeichnungen,  aus  *exfufa  wie  aus  pensile  gehen  die 
Bedeutungen  'heizbares  Gemach'  und  'Ofen'  (franz.  poele)  hen^or. 

1)  Vgl.  Murko  in  einer  demnächst  in  den  Mitteilungen  d.  anthrop.  Ges. 
Wien  erscheinenden  Arbeit  über  das  südslavische  Haus. 

2)  Man  vgl.  auch  den  Plan  eines  römischen  Bauernhofs  bei  Franken- 
bach A.  Schliz  Mitth.  d.  anthr.  Ges.  Wien  33  (1903)  316.  Neben  der  hohlge- 
legten Stube  war  die  Küche.  In  dieser  deutete  'ein  großer  Haufen  gebrannter 
Lehmbrocken'  auf  den  ehemaligen  Ofen  hin,  von  dem  aus  das  Hypokaustum 
der  Stube  geheizt  wurde. 


Wörter  und  Sachen.   III.  276 

Auch  das  letztere  erklärt  sich.  Als  man  einen  Zimmer- 
ofen konstruieren  lernte,  übernahm  dieser  den  Namen  *extufa. 
In  der  Badestube  gab  es  ja  von  jeher  einen  primitiven  Ofen, 
der  mit  Wasser  beschüttet  Dampf  erzeugte,  oder  in  dem  man 
wenigstens  Steine  heiß  machen  konnte,  was  ja  zur  Dampf  erzeugung 
durch  übergegossenes  Wasser  genügte.  Als  man  diesen  oder 
überhaupt  einen  Ofen  als  Kachelofen  herzustellen  gelernt  hatte, 
war  unser  Stubenofen  erfunden.  Auch  der  Kachelofen  weist  uns 
auf  die  technische  Kunstfertigkeit  des  römischen  Bauhandwerks 
hin,  er  ist  eine  römische  Erfindung  auf  germanischem  Boden  ^). 
Verf.  Äüti  d.  anthr.  Ges.  Wien  27,  225  ff. 

Lat.  *eodufa  wurde  also  teils  zum  Namen  des  heizbaren 
Gemachs,  teils  zum  Namen  des  Ofens,  der  das  Hypokaustum 
verdrängt  hatte.  Natürlich  kann  nicht  in  derselben  Gegend 
*€xtufa  beides,  die  Stube  und  ihren  Ofen,  bedeutet  haben.  Aber 
in  Deutschland  müssen  beide  Bedeutungen  vorhanden  gewesen 
sein,  denn  sonst  hätten  sie  die  entlehnenden  Völker  nicht  über- 
nehmen können.  Aus  dem  Umstände,  daß  sich  Stube  im  Sinne 
von  Ofen  auf  deutschem  Boden  selbst  nicht  findet,  aber  etwa 
schließen  zu  wollen,  daß  die  Bedeutung  *Ofen'  bei  Romanen, 
Magyaren  und  Slaven  sich  erst  und  zwar  mindestens  bei  den 
Romanen  einerseits  und  Magyaren-Slaven  anderseits  selbständig 
entwickelt  hat,  halte  ich  für  sachlich  und  sprachpsychologisch 
unmöglich. 

Die  nordische  stofa^  siiifa  ist  kein  Ofenraum  gewesen, 
sondern  hatte  eine  von  Steinen  umrahmte  Feuerstelle  in  der  Mitte 
zwischen  den  Säulen.  Gudmundsson  Privatboligen  S.  171  ft*). 
Eine  erwärmte  Stube,  worin  sich  ein  Ofen  befand,  hieß  teils 
*Ofenstube*  (ofnstofä)^  teils  *  Ofenbadstube'  {ofenhadstofa)  oder 
bloß  'Badstube'  (badstofa).  In  den  älteren  Zeiten  bedeutet  bad- 
stofa  nur  *Badehaus,  Badestube',  konnte  aber  später  von  jeder 


1)  Ich  komme  in  meiner  nächsten  Arbeit  auf  das  Wort  Kachel  und 
die  Geschichte  der  Sache.  Vgl.  Verf.  Zts.  f.  d.  österr.  Gymn.  1903  S.  398. 

2)  Die  Sagaerzähler  nennen  oft  dasselbe  Haus  bald  hgll,  bald  stofa^ 
bald  hinUtofa  a.  a.  0.  195.  Man  beachte  zu  IF.  16,  117  flf.  (got.  hlaiw  usw.), 
daß  auch  der  Grabhügel  hgll  genannt  werden  konnte.  Gudmundsson  a.  a.  0. 
Auf  der  rechten  Seite  des  ags.  Runenkästchens  (Vietor  Taf.  III)  sieht  man 
in  einen  Grabhügel  hinein.  Eine  Hausarchitektur  ist  nicht  darin  dargestellt, 
wohl  aber  sieht  man  —  glaube  ich  —  die  Dielen  des  Fußbodens,  auf 
denen  der  Tote  ruht. 


276  R.  Meringer, 

erwärmten,  d.  h.  geheizten  Stube  gebraucht  werden  a.a.  0.  S.  193  f. 
Später  verschwand  aus  der  stofa  das  offene  Feuer,  und  der  Raum 
erhielt  einen  Ofen.  So  nach  Gudmundsson  a.  a.  0.  198.  Dabei 
bleibt  allerdings  zu  erklären,  wieso  es  kam,  daß  das  Wort  stofa 
vor  dem  Ofen,  der  erst  einen  Raum  zur  Stube  macht,  schon 
für  den  Raum  verwendet  wurde ^). 

Eine  Bemerkung  zu  der  Stube  im  Altpreußischen.  Das 
Elbinger  Voc.  überliefert  uns  220  ff.  (Bemeker  S.  237) :  stöbe 
Stiiho  —  ouen  Stabni  —  Yuerraüer  Katnenis  —  Hert  Pellanno 
—  Brantrute  (wohl  Druckfehler  für  Brandreite  'Feuerbock*) 
Proglis.  Was  soll  dabni  sein?  Bemeker  S.  323  meint,  stabni 
•Ofen'  gehören  zu  stahis  \Stein'.  Dieses  ist  überliefert  Voc.  32 
u.  319:  Moelsteyn  McUunastabis.  Und  was  ist  siabis?  Nach 
TJhlenbeck  Et.  Wtb.  d.  got  Spr.  ist  es  mit  stafs  verwandt  Ich 
halte  das  für  unmöglich,  denn  der  *Stab'  ist  aus  Holz.  Ob  nicht 
stabis  in  beiden  Fällen  verlesen  ist  für  stains?  (Der  Preuße 
hatte  das  Wort  sonst  nicht  entlehnt;  denn  die  Wand  nennt 
er  Seydis.)  Da  also  stcAis  als  'Stein'  ganz  unerklärlich  ist  (und 
unerklärt  hat  es  auch  Bemeker  S.  323  gelassen),  bietet  es  auch 
keine  Stütze  für  stabni  'Ofen',  und  ich  kann  es  nach  der  ganzen 
Sachlage  nicht  für  ausgeschlossen  halten,  daß  wir  *stübtn  zu 
lesen  haden,  kurz  daß  im  Preuß.  sttibo  *die  Stube'  und  *stubni 
*der  Ofen'  bedeutete. 

12.  Der  Herd. 

Über  die  Entwicklung  des  Herdes  vgl.  IF.  17.  122.  Das 
Wort  Herd  ist  noch  unerklärt.  Die  möglichen  Anhaltspunkte 
weist  Kluge  s.  v.  nach. 

Hier  nur  ein  kulturell  wichtiges  Moment.  Eadgar  [2,  2] 
Liebermann  1,  196  schreibt  Kirchensteuer  be  cekum  frigan  eorde 
(Iworpe)  'von  jedem  freien  Herde'  vor.  Vgl.  auch  heorßpening 
Eadgar  [4]  a.  a.  0.  S.  198. 

Über  die  Besteuerung  nach  dem  Herde  bei  den  Byzan- 
tinern (KttTTviKOv)  und  Slaven  vgl.  Peisker  Die  serbische  Zadruga 
(SA.  aus  der  Zts.  für  Sozial-  u.  Wirtschaftsgeschichte  VII)  S.  155. 
Über  das  weitere  Vorkommen  bei  Xordslaven  (Nestor)  und  Nord- 
germauen vgl.  Peisker  ebd.  S.  196. 

1)  Nach  Gudmundsson  a.  a.  0.  S.  8  wurde  die  Stube  in  Norwegen 
von  Olaf  Kyrre,  zweite  Hälfte  des  11.  Jahrhunderts,  eingeführt  (a.  a.  0. 
S.  12  u.). 


Wörter  und  Sachen.  III.  277 

VI.  Zum  Brauch  und  zum  Recht 
1.  Der  verehrte  Pflock. 

Schrader  RL.  S.  860  meint,  die  hölzerne  Säule  sei  zweifellos 
ein  indogermanisches  Kultobjekt  Vielleicht  sagt  man  statt  Säule 
besser  Pflock,  Pfahl.  Daß  ich  Schrader  durchaus  zustimme,  er- 
kennt man  aus  IF.  16,  151  ff.  (namentlich  157),  femer  17,  150 
(aisl.  das  'Balken*,  gss  'Ase*;  öok6c  'Balken*,  lat  decet)  imd  S.  165f.^ 
wo  ich  Meinungen  ausgesprochen  habe,  deren  Unabhängigkeit 
von  Schrader  man  gerne  zugeben  wird,  die  aber  Schrader» 
Grundgedanken  durchaus  bestätigen. 

Aber  ich  stimme  noch  in  einem  anderen  wesentUchen 
Pimkte  mit  Schrader  überein  und  bin  auch  hierin  unabhängig' 
von  ihm  zu  demselben  Resultate  gelangt.  Auch  ich  halte  griech. 
va6c-v€üjc  für  möglicherweise  verwandt  mit  vaöc  'Schiff.  Den 
Zusammenhang  zwischen  'verehrter  Stamm'  und  'Einbaum*  habe 
ich  mir  ebenso  gedeutet,  wie  Schrader  das  tut  Auch  ich  glaube, 
daß  es  ganz  verkehrt  ist,  wenn  man  va6c  zu  vaiuj  stellend 
vaoc  als  'die  göttliche  Wohnung*  auffaßt;  denn  dem  Gotte  ein 
schönes  Menschenhaus  zu  bauen,  ist  auch  nach  meiner  Meinung' 
ein  viel  späterer  Gedanke.  Wenn  ich  trotzdem  die  Möglichkeit 
eines  Zusammenhangs  von  veujc  und  vaiuj  nicht  leugne,  so  ge- 
schieht dies,  weil  auch  die  hier  vorliegende  Basis  den  Sinn 
'Balken*  hat  (s.  o.  V  7),  man  also  auch  bei  dieser  Etymologie 
zu  dem  Gedankengange  Schraders  und  zu  meinen  Darlegungen 
zurückkommen  kann. 

Wir  werden  schwerlich  mehr  ermitteln  können,  was  den 
Pfahl,  den  Pflock  zu  seiner  bedeutsamen  Rolle  befähigte.  Aber 
gewiß  ist,  daß  die  Ethnographie  reichliche  Parallelen  zur  Ver- 
fügung stellt^).  Und  wichtiger  noch  als  das  ist  mir,  daß  auch 
uns  sprechenden  Menschen  von  heute  noch  der  Pflock  als  etwas 
Menschenähnliches  erscheint  oder,  was  auf  dasselbe  hinauskommt, 
der  Mensch  unter  Umständen  als  etwas  Pflockähnliches*).  Wir 
können  'Stock,  Pflock,  Stöpsel,  Zapfen  (dial.)  von  einem  Menschen' 


1)  De  Visser  Die  nicht  menschengestaltigen  Götter  der  Griechen  pass. 

2)  Shakespeare  Kaufmann  von  Venedig  2  t.  Lanzelot :  0  Himmel  \  mein 
eheleiblicher  Vater,  der  zwar  nicht  pfahlblind,  aber  doch  so  ziemlich  stock- 
blind ist .  . .  Gobbo :  Der  Junge  war  so  recht  der  Stab  meines  Alters,  meine 
beste  Stütze.  Lanzelot:  Seh  ich  wohl  aus  wie  ein  Knittel  oder  wie  ein  Zaun- 
pfahl, wie  ein  Stab  oder  eine  Stütze? 

Indogermaniiche  Fonchangen  XVIII.  19 


278  R.  Meringer, 

sagen,  indem  wir  an  seine  Gestalt  oder  seine  Indolenz  denken, 
was  aber  gleichgiltig  ist,  weil  es  nur  auf  die  Assoziation  der 
Bilder  ankommt  Ndd.  een  butt  vam  jungen^  franz.  un  hout  d'homme 
IF.  16,  155.  Als  Schimpfnamen  sind  bei  uns  im  Gebrauch 
Barierestock,  Haubenstock  (das  Modell  für  den  Perückenmacher 
und  die  Hutmacherin).  Russ.  penb  *Klotz'  und  *plumper  Mensch*. 
Es  liegt  im  Kulturfortschritte  der  Zeiten,  daß  ims  der  Vergleich 
mit  dem  Pfahl  oder  Klotz  immer  etwas  Herabsetzendes  bedeutet, 
wie  schon  dem  Römer  (stipes). 

Zu  IF.  17,  159  ist  nachzutragen,  daß  Th.  Korsch  Arch.  f. 
slav.  Phil.  8,  651  über  aksl.  bahvam  und  seine  Verwandten  ge- 
handelt hat  Seine  Ansichten  wären  nachzuprüfen.  Vielleicht 
gehören  die  im  Norden  des  Kaukasus  vorhandenen  primitiven 
Figuren  hieher^).  Auch  die  sonderbaren  menschenähnHchen  bos- 
nischen Grabsteine  werden  nicht  zu  vergessen  sein.  Verf.  SBAW. 
Wien  144,  S.  54  ff. 

Miklosich  hat  in  seinem  Aufsatz  *Die  christliche  Termino- 
logie in  den  slavischen  Sprachen  Dnk.  SAW.  Wien  24  (1876)  36  f. 
die  Ausdrücke  für  Götze  Idolum  und  Götzentempel  zusammen- 
gestellt Ich  bemerke,  daß  er  unter  Götze  6  aksl.  triba  anführt. 
Vgl.  oben  I  8.  Daß  wir  es  aber  mit  einem  göttlich  verehrten, 
wahrscheinlich  sehr  wenig  menschenähnlich  geraachten  Pfahl 
(lat.  trabs)  hier  zu  tun  haben,  hat,  so  viel  ich  sehe,  weder 
Miklosich  noch  ein  Anderer  bis  jetzt  bemerkt  Miklosich  meint, 
die  eigentliche  Bedeutung  von  triba  ist  "Opfer*  oder  *das, 
dem  geopfert  wird'.  Auch  bei  tribiäte  sagt  er  bloß  *der  Ort, 
wo  geopfert  wird'*). 

1)  J.  V.  Klaproth  Reise  in  den  Kaukasus  und  nach  Georgien  1,  264 
sagt :  'Diese  Statuen  tragen  das  Gepräge  eines  hohen  Alters  an  sich,  und 
es  scheint,  daß  sie  schon  zur  Zeit  des  Ammianus  Marcellinus  vorhanden 
waren,  denn  dieser  sagt,  als  er  die  Hunnen  beschreibt:  'Sie  sind  von 
sonderbarer  Gestalt  und  so  krumm,  daß  man  sie  für  auf  zwei  Füßen  gehende 
Tiere  halten  könnte,  oder  für  solche  grob  gearbeitete  Pfeiler  in  mensch- 
licher Gestalt,  wie  man  sie  an  den  Ufern  des  Pontus  sieht.'  Gemeint  ist 
die  Stelle  XXXI«.  Dort  heißt  es  aber:  tU  bipedes  existimes  bestias,  vel  quaUs 
in  commarginandis  pontibus  effigiati  stipitea  dolafitur  incotnpte.  Wie  man 
sich  diese  die  Brücke  einrahmenden,  mit  Abbildungen  versehenen  Pfähle 
zu  denken  hat,  ist  mir  unbekannt.  Waren  es  die  Pfähle  des  Geländers, 
welche  einen  roh  geschnitzten  Kopf  trugen? 

2)  Murko  macht  mich  auf  das  bei  Krek  Einleitung  »,  792  angeführte 
russische  Sprichwort  aufmerksam:  'Sie  lebten  im  Walde  und  beteten  zu 
den  Klötzen  (pem):  Dal  3,  26.  Zu  penb  vgl.  IF.  16,  152. 


Wörter  und  Sachen.  III.  279 

Zu  den  primitiven  Idolen  des  germanischen  Eulturkreises 
\'gl.  Cleasby-Vigfusson  s.  v.  trimadr^  Vigfusson  Corp.  poet.  bor.  1, 
460,  Heinzel-Detter  Edda  2,  101,  S.  MtiUer  Altertumsk.  2,  180. 
Ich  möchte  hier  bei  dieser  Gelegenheit  noch  auf  andere 
in  diesen  Zusammenhang  gehörige  Wortgleichungen  hinweisen. 
Zuerst  auf  lit.  stdbas  'Götze*,  d.  Stab.  Bezzenberger BB.  1, 45. 164; 
drs.  Beitr.  z.  Gesch.  der  lit  Spr.  325;  Zubaty  SB.  böhm.  G.  W.  16 
(1895)  14 f.;  Uhlenbeck  Et.  Wtb.  d.  got.  Spr.  s.  v.  stafs,  drs.  PBS. 
Beitr.  26,  308.  Bezzenberger  sagte  damals  schon  (1877),  er  glaube 
schließen  zu  können,   daß  die  Litauer  in  älterer  Zeit  säulen- 
artige Gegenstände  abgöttisch  verehrten  und  daß  sie  die- 
selben stulpai  oder  sttdpäs  nannten.   Auch  stäbas  sei  in  diesem 
Sinne  nachzuweisen.   Stabu  mddimas  (Bretken  imd  Urkunde  von 
1578)  sei  die  'Anbetung,  Verehrung  der  [heiligen]  Säulen,  Bild- 
säulen'.   Daß  dieses  stäbas  nun  dem  deutschen  Stab  entspricht 
(lit  stulpas  oder  -a  entlehnt  aus  dem  Germ.  aisl.  stUpi  *a  post, 
pillar'  'Pfosten',  Kluge  s.  v.  Pfosten),  kann  nicht  bezweifelt  werden. 
Zu  lit  stäbas  stellt  man  gewöhnlich  apreuß.  stabis  'Stein*.    Ich 
habe  schon  oben  V  11  die  Richtigkeit  dieser  Zusammenstellung 
angezweifelt 

Die  Gleichung  stäbas  'Götze* :  d.  Stab  macht  neuerdings 
die  Frage  notwendig:  War  der  Zauberstab  seiner  Herkunft  nach 
ein  Fetisch?  Auch  der  Stab,  der  Amt  und  Würde  ausdrückt, 
kommt  vielleicht  in  Betracht  Zur  Etymol.  von  an.  gandr  vgl. 
Noreen  Lautl.  S.  146.  Wegen  des  Zauberstabs  Detter-Heinzel 
Edda  2,  31,  430.  Botenstab,  Herrscherstab  v.  Amira  Pauls  Grdr.  3* 
§  70  S.  188.  Über  Stäbe,  die  selbst  Fetische  sind,  de  Visser  Die 
nichtmenschengestaltigen  Götter  der  Griechen  S.  32. 

Die  andere  noch  zu  erwähnende  Sippe  ist  die  von  slav. 
socha.  Ich  habe  17,  117  die  Meinung  ausgesprochen,  daß  die 
slavischen  Wörter  auf  eine  Grundbedeutung  'Pflock,  Pfahl*  zurück- 
gehen. Dazu  stimmt  nun  auch  tschech.  socha  'Statue,  Figur*, 
sochaf  'Bildhauer*.  Die  Bedeutungen  lassen  sich  so  am  besten 
vermitteln,  daß  man  annimmt,  die  ältesten  Figuren  waren  Pfähle, 
Balken,  die  nach  und  nach  menschenähnlicher  wurden.  Von 
einer  Verehrung  solcher  sochy  ist  mir  nichts  bekannt 

An  meiner  Erklärung  von  Zoche  ändert  das  nichts.  Doch 
will  ich  zu  dieser  bemerken,  daß  ich  meine  Meinung  in  etwas 
modifizieren  möchte.  Das  Wort  socha  halte  ich  nach  wie  vor  für 
eine  Entlehnung  aus  dem  Germanischen,  nur  gebe  ich  zu,  daß 

19* 


280  R.  Meringer, 

Zoche  aus  dem  Slavischen  rücken tlehnt  sein  kann  (vgl.  Zobel 
aus  russ.  soboh  usw.)  i). 

Weiter  gehören  hieher  (vgl.  Jliklosich  a.  a.  0.) :  AksL  kaph 
idolum,  kapüte  idolum,  delubrum,  altare,  columna,  statua,  dvbptdc, 
£6avov,  ßuj|Li6c,  cdßac|Lia  Et  Wtb.  111.  Die  Wörter  gehören  klar 
und  deutlich  zu  kötttuj  'schlage,  haue'*).  —  Aksl.  Ulo  (tilo 
iddhdccje)  Miklosich  L  pal  1024  siraulacrum,  columna,  tentorium. 
W.  Vondräk  BB.  29,  178,  248.  Das  Wort  scheint  zu  *tekp  zu 
gehören,  aber  warum  ist  das  s  geschwunden  (vgl.  tesla  'Axt' 
Brugmanu  Grdr.  1*,  790)?  Wegen  des  langen  e-Lauts? 

Über  kumir^  kumirh  idolum,  bei  dem  man  finnischen  Ur- 
sprung vermutet,  vgl.  Miklosich  Et  Wtb.  147.  Aksl.  istukam^ 
stukam  idolum  hat  !&Iiklosich  Denkschr.  a.  a.  0.  als  *  gemeißelt* 
erklärt,  vgl.  auch  Et  Wtb.  368. 

Und  das  letztere  Wort  führt  auch  zu  einer  Deutungs- 
möglichkeit für  nslov.  malik  statua,  idolum,  malus  genius.  Da 
es  nicht  nur  Holzfetische  gab,  sondern  auch  solche  aus  Stein 
und  zwar  aus  bearbeitetem  (de  Visser  a.  a.  0.  56  ff.),  so  könnte 
man  malik  zur  Wz.  md  *zerreiben*  stellen. 

Wenn  unser  Götze  einmal  idolum,  delubrum  bedeutete 
(J.  Grimm  Gramm.  3  N.  A.  S.  671),  dann  handelt  es  sich  auch 
hier  um  einen  Fetisch.  Damach  sollte  in  dem  Wort  eine  Wurzel 
stecken,  welche  'behauen'  (Holz)  oder  'meißeln'  (Stein),  je  nach 
dem  Material  des  Fetischs,  bedeutet.  Wenn  ich  einen  genügenden 
sachlichen  Halt  fände,  würde  ich  Götze  zu  gießen  stellen. 
Gab  es  solche  gegossene  Götzen?  Gewiß  waren  die  Bildnisse 
sehr  roh,  denn  das  Wort  hat  auch  den  Sinn  "dummer,  träger, 
gaffender  Mensch'. 

Andere  Bezeichnungen  des  Pflocks.  Gr.  ckiIiXoc  'Spitzpfahl', 
CKoXovji  'Splitter,  Dom'  (L.  Meyer  Handbuch  4,  88),  aksl.  kol^ 
TrdccaXoc,  lit.  kulas  'Pfahl'  gehören  zu  der  Wz.  *8kel  Vgl.  Persson 
KZ.  33,  284 ff.,  der  auch  Idt  culter  hieherstellt  Uhlenbeck  Et 
Wtb.  d.  ai.  Spr.  s.  v.  kuthära-s  'Axt'.  Da  der  Pflock  öfter  mit 
dem  Rumpf  verglichen  wird,  könnte  man  daran  denken,  daß 
KiIiXov  'Glied'  hieherzustellen  ist 


1)  Meine  Zusammenstellung  von  bair.  Zoch,  Zocken  (IF.  17,  120)  mit 
Stock,  Stück  bitte  ich  als  den  Lautgesetzen  widerstreitend  zu  streichen. 
Auch  dieses  Wort  ist  von  den  Slaven  zurückentlehnt  und  ist  seiner  Wurzel 
nach  identisch  mit  Zoche,  was  ich  a.  a.  0.  Abs.  4  v.  o.  ablehnen  zu 
müssen  glaubte. 

2)  Vgl.  aksl.  kopati  Miklosich  Et.  Wb.  128,  akopiti  ebyovxiUxy, 


Wörter  und  Sachen.  IH.  281 

Gr.  ^6\i(poc  Tflock',  ai.  jdmbhas  *Zahn',  ahd.  chamb  *Kamm', 
aksl.  gqbb,  gf^bq  Miklosich  Et.  Wtb.  401. 

Mhd.  zd  *  zylinderförmiges  Stück,  Klotz'  setzt  Persson 
a.  a.  0.  wohl  mit  Recht  zu  ai.  d<üarm  *Stück,  Hälfte',  dalayaii 
'spaltet'.  Ich  glaube,  daß  Uhlenbeck  Et.  Wtb.  d.  ai.  Spr.  s.  v. 
dälati  mit  Recht  auch  die  Sippe  von  Zahl,  zahlen,  zählen 
heranzieht.  Die  Grundbedeutung  der  Wurzel  war  eine  Prozedur 
mit  dem  Holze.  Persson  trennt  auch  Zoll  im  Simie  von  *  Ab- 
gabe' nicht  ab,  während  Kluge  hier  ein  von  tollere  beeinflußtes 
idoneum  suchen  möchte.  Die  Geschichte  der  'Sachen*  wird  wohl 
in  dieser  Frage  einmal  Licht  bringen. 

Ich  habe  bei  meiner  letzten  Arbeit  das  Buch  von  MW. 
de  Visser  Die  nichtmenschengestaltigen  Götter  der  Griechen 
nicht  mehr  benützen  können  und  habe  in  der  K.  N.  vgl.  IF.  17, 
166  nur  konstatiert,  daß  ich  dadurch  nicht  gezwungen  bin, 
etwas  an  meinen  Meinungen  zu  korrigieren. 

Aber  ich  verweise  trotzdem  auf  de  Vissers  Ausführungen 
nachdrücklichst.  Besonders  wichtig  ist  S.  25  ff.,  wo  er  sich  zur 
Überzeugung  bekennt,  daß  die  Hermen  den  Übergang  von  den 
rohen  Klötzen  zu  ganz  menschenähnlich  gestalteten  Götterbildern 
darstellen.  Mit  Recht  findet  er  es  sonderbar,  daß  diese  evidente 
Tatsache  von  mehreren  Gelehrten  mit  Nachdruck  verneint  ^vird. 
Er  widerlegt  sie  aber,  imd  ein  guter  Teil  der  überzeugenden 
Kraft  seiner  Worte  liegt  darin,  daß  er  genügendes  ethnogra- 
phisches Material  als  Analogie  beizubringen  vermag.  Die  klas- 
sische Archäologie  wird  aber  in  solchen  Fragen  —  so  scheint 
es  —  nicht  eher  ihren  separatistischen  Standpunkt  aufgeben, 
bis  nicht  neben  ihr  eine  vergleichende  Sachwissenschaft  steht, 
wie  zu  der  klassischen  Sprachwissenschaft  die  vergleichende 
Sprachwissenschaft  getreten  ist. 

Winckelmann  hat  schon  die  Hermen  als  Übergänge  vom 
rohen  Steine  zu  den  menschenähnlichen  Bildern  erklärt,  war 
also  durchaus  auf  dem  rechten  Wege.  Daß  die  Ansicht,  die  er 
begründet  hat,  richtig  ist,  beweisen  auch  die  gebrachten  Wort- 
gleichungen, die  alle  den  Übergang  des  Sinnes  von  *Klotz, 
Pflock'  zu  *Bild,  Götzenbild'  zeigen.  Und  in  bezug  auf  die 
gerade  die  Germanisten  interessierende  Frage  nach  dem  Ur- 
sprung der  nordischen  ^sir  kann  man  heute  schon  getrost 
antworten :  Der  erste  Ase  war  ein  göttlich  verehrter  Holzpflock, 
ein  Fetisch.  [Vgl.  Juppiter  Tigillus.] 


282  R.  Meringer, 

Auch  das,  was  de  Visser  über  die  Grenzsteine  (s.  6  ff.  u.  ö.) 
und  Grenzpflöcke  sagt,  stimmt  zu  den  Gedanken,  die  ich  a.  a.  0. 
165  f.  angedeutet  habe.  Vgl.  auch  Orth  Feldbau  der  Römer  S.U. 

2.  Deutsch  Weichbild. 

Man  erklärt  jetzt  Weichbild  gewöhnlich  mit  Kluge  als 
*Stadtrecht,  Ortsrecht*.  Im  ersten  Teile  stecke  ahd.  «?tÄ,  Lehn- 
wort aus  lat  vicus^  im  zweiten  ein  Abstraktum  *bäida  'Recht, 
Gerichtsbarkeit*,  das  nur  noch  in  mhd.  unbüde  vorliege.  Kluge 
meint,  daß  direkter  Zusammenhang  von  unbüde  (vgl.  s.  v.  Unbill) 
mit  Bild  wegen  der  Bedeutung  unwahrscheinlich  seL  Dazu 
möchte  ich  mir  die  Bemerkimg  erlauben,  daß  man  sich  für  ge- 
wöhnlich durch  die  Bedeutungsunterschiede  nicht  abhalten  ließ 
und  läßt,  Wörter,  wenn  sie  lautlich  zusammenpassen,  zusammen- 
zustellen*). Und  das  war  geradezu  ein  Glück  für  die  Entwicklung 
der  Sprachwissenschaft  Aber  jetzt  scheint  es  mir  allerdings  an 
der  Zeit  zu  sein,  daß  auch  die  Bedeutungen  zu  ihrem  Rechte 
kommen.  Ich  glaube,  E^uges  Bedenken  sind  in  diesem  Falle 
nicht  gerechtfertigt. 

Die  Wurzel,  von  der  auch  der  zweite  Teil  von  Weich- 
bild stammt,  führt  auf  rein  sinnliches  Gebiet,  auf  dem  die  alten 
Bedeutungen  sich  meistens  recht  gut  erhalten  haben.  Ich  nehme 
mit  Grimm  und  den  alten  Lexikographen,  die  bedeutend  mehr 
von  der  Welt  der  Dinge  wußten  als  die  heutigen  Bewohner  der 
großen  Städte,  ein  ^bhel  *bhol  der  Bedeutung  'spalten,  behauen' 
an.   Es  gehören  m.  E.  die  folgenden  Wörter  hieher. 

Bohle.  Kluge  s.  v.  An.  bdr  *Baumstrunk*  und  *Rumpf 
(also  wieder  der  Vergleich).  Wegen  der  letzteren  Bedeutung 
vgl.  Edda  H.  Hund.  2,  19  barpesk  bdr^  vas  d  braut  hpfoß  "Der 
Riunpf  schlug  um  sich,  als  das  Haupt  schon  weg  war**  Detter- 
Heinzel  2,  19  (zu  1,  91).  Noreen  Lautl.  157.  Weiter  hieher 
cpdXaTE,  Balken. 

Die  Bohle  ist  ursprünglich  nicht  durch  Sägen,  sondern 
durch  Spalten  des  Baumstammes  hergestellt  worden.  Verf.  SBAW. 
Wien  144,  65,  Beckmann  Beyträge  zur  Gesch.  d.  Erfindungen 
(1788)  2,  254  ff. 

1)  Noreen  Lautl.  S.  155 :  "Lat.  stagnum  'stehendes  Wasser'  (vgl.  aisl. 
8take  'Stecken') :  aisl.  stakkr  'Heuschober' ".  Der  Bedeutungsübergang  von 
'Stecken'  zu  'Heuschober'  wäre  begreiflich;  denn  dieser  wird  um  einen 
senkrecht  in  den  Boden  gerammten  Pfahl  aufgehäuft.  Aber  wie  reimen  sich 
stagnum  und  stakkr  zusammen?  Hoffentlich  sagt  niemand:  Beide  stehen! 


Wörter  und  Sachen.  lU.  283 

Bill.  F.  Kluge  s.  v.  sagt:  "aus  gleichbed.  engl.  Wo,  das 
auf  gleichbed.  anglonormannischem  bälej  eigtl.  'zylinderfönniges 
Stück  Holz*,  dann  •aufgerollte  Urkunde'  beruht"*).  Hieher  wohl 
auch  franz.  bille  'Block,  Klotz*,  biUot  dass.  Vgl.  Hatyf-Daron. 
Dict.  g6n.  s.  vv. 

Bille  F.  *Hacke,  Haue*.  Es  ist  ebenso  schwer,  die  Grund- 
form des  Wortes  zu  bestimmen,  wie  anzugeben,  welche  Form 
das  Werkzeug  hatte,  dem  das  Wort  eignete. 

In  bezug  auf  die  Wortform  sind  folgende  Etymologien 
möglich,  a)  Bille  war  das  Instrument  zum  ♦iAeZ,  zum  Bohlen- 
machen usw.  b)  Bille  ist  mit  Sievers  IF.  4,  339  aus  *bidl'  zu 
erklären  und  stellt  sich  dann  zu  ahd.  bthal  aus  *bißla.  Vgl. 
IF.  16,  161.  Wer  an  das  de  Saussuresche  Gesetz  glaubt,  kann 
*bhid'Üa,  *bhütla^  *bhitlä  als  Grundformen  ansetzen.  Brugmann 
Grdr.  1*,  635  f.  c)  An  der  letzteren  Stelle  hat  Brugmann  darauf 
hingewiesen,  daß  das  Wort  zu  aksl.  büi  'schlagen,  hauen'  ge- 
hören kann. 

Um  die  Eruierung  der  Bedeutung  hat  sich  MüUenhoff 
DA.  4  S.  630  bemüht.  Er  kommt  zu  dem  Ansätze  *Haue,  Klinge', 
womit  aber  nicht  viel  getan  ist,  denn  die  beiden  Begriffe  gehen 
weit  auseinander.  Vgl.  auch  Schade  s.  v.  Wtt  n.  1,  63.  Müllen- 
hoff  sagt,  daß  bäl  im  Beov.  wie  im  Hei.  und  im  Hild.  nur  als 
Synonymum  von  Schwert  gebraucht  wird,  wie  schon  J.  Grimm 
Gr.  3.  440  (N.  Abdr.  438)  bemerkt  habe.  Hei.  4874:  is  bil  atöh, 
smrd  be  sidu;  4884,  4905 :  thes  billes  büi  *des  Billes  Biß*,  was 
gut  zur  Etymologie  b)  passen  würde.  Im  Beov.  findet  sich  bä 
biUes  öfter*).  Über  die  Stelle  2508  billes  ecg^  hond  and  heard  sveord 
Detter-Heinzel  Edda  2,  10.  In  den  Glossen  erscheint  ags.  biU  als 
marra  ligo,  falcastrum,  tvibill  neben  gtdncex,  stänbill  für  bipennis. 
Im  ahd.  billiu  Hild.,  widubtU  runcina'),  biUön  'behauen'  (Graff  3, 95), 
ungapillot  impolitus,  durahpälotemo  terebrato.  Schon  seit  mhd. 
Zeit  ist  bü  (Zeitwort  biUen)  hauptsächlich  von  einem  Werkzeuge 
für  die  Bearbeitung  des  Steins  im  Gebrauch  Mhd.  Wtb.  1  S.  126. 
Der  Steinmetz  W/Ä,  man  billt  die  Mülilsteine.  Nach  dem  DWtb. 


1)  Kluge  bemerkt  dazu  *Nach  G.  Baist'  ohne  Zitat. 

2)  Ags.  bil  in  der  kostbaren  Stelle  Be  gesceadwisan  gerefan  15  Lieber- 
mann Gesetze  1,  455,  wo  eine  Masse  Werkzeuge  aufgezählt  werden.  Dort 
erscheint  es  unter  den  Werkzeugen  zur  Holzbearbeitung. 

3)  Zur  Bedeutung  runcina  sei  bemerkt,  daß  der  römische  Hobel  schon 
unserem  gleicht.  Vgl.  Rieh  s.  v.,  Jacobi  Das  Römerkastell  Salburg  1,  210. 


284  R.  Meringer. 

ist  das  Instrument  womit  der  ^ilüller  die  Mahlsteine  schärft,  die 
Bille.  eine  *doppeIschneidige  Flaehhaue'  (vgl.  mhd.  bähcufce).  Dt- 
gegen  nennt  Jaeobi  Das  Römerkastell  Saalburg  1,  230  Fig.  34 
die  Spitzhauen  S  und  9  *BUlen'  (vgl.  dazu  Rieh  s.  vv.  dolabn, 
dolatus),  versteht  also  darunter  etwas  anderes.  Für  engl,  bäl  geben 
die  Wtbb.  eine  Reihe  von  Bedeutungen  an  'Sichel,  Sense,  Garten- 
messer, Streitaxt  Hellebarde*. 

Bei  dieser  großen  Mannigfaltigkeit  der  Bedeutungen  möchte 
ich  es  vorläufig  für  das  plausibelste  halten,  daß  Bille  in  der 
Tat  verschiedener  etymologischer  Herkunft  ist,  d.  h.,  daß  min- 
destens zwei  verschiedene  Wurzeln  darin  enthalten  sind. 

Der  Name  Bille  für  ein  breitsclmeidiges,  beilartiges  Gerät 
mag  mit  Bohle  zusammenhängen,  also  ein  Zimmermannsbeil 
bedeutet  haben.  Eine  Spitzhaue,  die  zum  Sprengen  des  Holzes 
und  zum  Bearbeiten  des  Steins  gedient  haben  kann,  bedeutend, 
mag  Bille  zu  findere  gehören.  Doch  kann  man  sich  die  Ver- 
wandtschaftsverhältnisse auch  anders  zurechüegen,  da  auch  Beil 
zu  findere  gestellt  wird. 

Bolzen.  Kluge  s.  v.  Ags.  Mt  (IF.  17,  133),  ahd.  mhd.  Jofe. 
!Mlat  hcitio  schon  im  S.  Jahrh.  belegt.  Der  Zusammenhang  mit 
catapulia  ist  wolil  abzulehnen  wogen  des  b  des  germ.  Wortes.  Mit 
der  Annahme  einer  ursprüugl.  Flexion  *bhftön,  *bhftnSs  wäre  aber 
durchzukommen,  denn  Itnj.  ergäbe  geim.  ft.  (Air.  buille  *Sclilag' 
Stökos  17>,  lit.  feWi,  beldeti.  bildHi  cuthalten  dh  vgl.  Kluge  s.  v. 
polteni.) 

Bollwerk.  Mhd.  Wtb.  3,  5SS.  Das  Wort  hat  zwei  Bedeu- 
tungen. *Wurfmaschine'  und  *Wall  mit  Pfählen*.  Im  Sinne  von 
catapulta  setzt  es  Kluge  zu  Ball,  Bollen,  Böller*),  im  letzteren 
Sinne  zu  Bohle.    Das  trifft  vielleicht  das  Richtige. 

Billig  setzt  ein  *i*7/  voraus  der  Bedeutung  ^behauen,  eben, 
glatt,  passend  gemaclit*  (vgl.  ahd.  billön  *polire').  Mhd.  billich 
*passeud,  rocht'.  Wegen  der  Bedeutungsentwicklung  vgl.  engl. 
fair  und  got.  fagrs  IF.  IG,  ITi),  17,  159«).  Das  Wort  steht  dem 
Namen  des  Instruments  zunächst,  und  das  führt  darauf,  daß  es 


1»  Die  Sippe  von  Ball  «zu  lat.  foUis  'Schlaucli*  Schade  1, 36,  Noreen 
Lautl.  96),  Bollen  (Schade  1,  79).  ahd.  bolön  'wälzen,  rollen,  werfen*  halte 
ich  für  nicht  verwandt  mit  den  oben  in  Rede  stehenden  Wörtern.  Vgl. 
Johansson  PBS.  Beitr.  15.  225. 

2i  Vgl.  unjrehobelt,  ungeschliffen,  ungebildet  von  einem 
Menschen  gesagt.  —  Zu  billig  auch  ags.  öileirit  'sanft'. 


Wörter  und  Sachen.   III.  285 

ein  Bille  des  Sinnes  ' breitschneidiges  Beil',  mit  dem  die 
Bohlen  und  Balken  heute  noch  geglättet  werden,  gegeben  hat. 
Dann  aber  rückt  für  dieses  Bille  die  Etymologie  von  findere  usw. 
in  den  Hintergrund. 

Unbilde  mhd.  unbilde  Wtb.  1,  122  ist  darnach  das  Un- 
beliauensein,  die  Roheit.  Vgl.  engl,  unfaimess  'Häßlichkeit,  Un- 
billigkeit', das  auch  in  letzter  Linie  in  der  Sprache  des  Zimmer- 
manns wurzelt  Der  Sinn  'Unrecht'  ergibt  sich  aus  der  sinnlichen 
Bedeutung  leicht,  wobei  ich  aber  bemerke,  daß  wwWW«  mir  zunächst 
der  Sinn  des  Unangenehmen,  des  unabwendbaren  Übels,  aber  meist 
[licht  den  Sinn  des  juristischen  Unrechts,  der  strafbaren  L^beltat, 
zu  haben  scheint  Vgl.  die  Belege  im  Mhd.  Wtb.  Auch  unser 
heutiges  Sprachgefühl  unterscheidet  zwischen  'recht*  und  'billig'  ^). 

Bald.  Got  *6aZ/s,  aisl.  bdllr  'kräftig'.  Das  Wort  mag  'klobig, 
fest  wie  ein  Balken,  eine  Bohle'  bedeutet  haben.  Ags.  baliice 
=  *baldlice  'kühn'  Sievers  Ags.  Gr.»  S.  97.  Die  Stufe  *bald  in  an. 
Baldr^  ags.  bealdor  'Fürst'  Noreen  Lautl.  128.  Wie  *ansaz  *an8uz 
'Ase'  und  'Balken*  bedeuten,  so  haben  wir  hier  den  Eigennamen 
öines  Gottes  und  eine  Bezeichnung  für  'Fürst*,  die  eigentlich 
einen  behaueuen  Baumstamm  bedeuten.  Vgl.  ags.  eodor  'Fürst*  zu 
fthd.  ettar  'Zaun*  oben. 

Geim.  *balßaz  hat  schon  mehrere  andere  Erklärungen  ge- 
funden. Uhlenbeck  stellt  es  zu  lit  bältds  'weiß',  ai.  bhalam  'Glanz* 
[Et  Wtb.  d.  got  Sprache  Nachträge;  Et  Wtb.  d.  ai.  Sprache  s.  v. 
bhälam).  Osthoff  PBS.  Beiti*.  8,  255  hat  ^Ihal-ßa-z  zerlegt  und  auf 
?ot.  aljan  n.  'Eifer',  lat.  alacer  hingewiesen. 

Vielleicht  hat  die  obige  Erklärung  des  Worts  mehr  für  sich. 
An.  bdl^  ags.  bcel  'Scheiterhaufen'  könnten  aber  mit  ai.  bh^m 
'Glanz'  und  lit  bdltas  'weiß'  ganz  gut  zu  der  hier  behandelten 
Sippe  gehören;  denn  die  Holzscheiter  sind  gewiß  etwas  *Be- 
hauenes'  und  vom  brennenden  Scheiterhaufen  sind  Bedeutungen 
wie  'Glanz',  'weiß'  verständlich. 

Lat.  balteus  -eum  'Gurt,  Einfassung,  Rand*  kann  liierher 
gehören,  balteus  bedeutete  'aus  ^balto-  gemacht'  (Stolz  Hist  Gr. 
1*,  4:72  ff.),  d.  h.,  'aus  Balken  hergestellt',  mag  also  einmal  'Zaun' 
bezeichnet  haben. 


1)  lus  und  aequitas  sind  nicht  daselbe.  Wenn  ius  der  aequitas  gegen- 
übergestellt wird,  meint  man  'strenges  Recht'  ius  strictum.  Nach  der  aequitas 
svird  geurteilt,  wenn  das  ius  strictum  zu  Härten  führen  könnte.  Nach  münd- 
lichen Mitteilungen  Puntscharts,  der  mir  hier  vielfach  beistand. 


284  K  Meringer, 

ist  das  Instrument,  womit  der  Müller  die  Mahlsteine  schärft,  die 
Bille,  eine  Moppelschneidige  Flachhaue'  (vgl.  mhd.  bähauiüe).  Da- 
gegen nennt  Jacobi  Das  Römerkastell  Saalburg  1,  230  Kg.  34 
die  Spitzhauen  8  und  9  *Billen'  (vgl.  dazu  Rieh  s.  vv.  dolabra, 
dolatus),  versteht  also  darunter  etwas  anderes.  Für  engl  bill  geben 
die  Wtbb.  eine  Reihe  von  Bedeutungen  an  *Sichel,  Sense,  Garten- 
messer, Streitaxt,  Hellebarde*. 

Bei  dieser  großen  Mannigfaltigkeit  der  Bedeutungen  möchte 
ich  es  vorläufig  für  das  plausibelste  halten,  daß  Bille  in  der 
Tat  verschiedener  etymologischer  Herkunft  ist,  d.  h.,  daß  min- 
destens zwei  verschiedene  Wurzeln  darin  enthalten  sind. 

Der  Name  Bille  für  ein  breitschneidiges,  beilartiges  Gerät 
mag  mit  Bohle  zusammenhängen,  also  ein  Zimmermannsbeil 
bedeutet  haben.  Eine  Spitzhaue,  die  zum  Sprengen  des  Holzes 
und  zum  Bearbeiten  des  Steins  gedient  haben  kann,  bedeutend, 
mag  Bille  zu  findere  gehören.  Doch  kann  man  sich  die  Ver- 
wandtschaftsverhältnisse auch  anders  zurechtlegen,  da  auch  Beil 
2u  findere  gestellt  wird. 

Bolzen.  Kluge  s.  v.  Ags.  holt  (IF.  17,  133),  ahd.  mhd.  bolz. 
Mlat  bdtio  schon  im  8.  Jahrh.  belegt  Der  Zusanmienhang  mit 
/xxtapulta  ist  wohl  abzulehnen  wegen  des  b  des  germ.  Wortes.  Mit 
der  Annahme  einer  ursprüngl.  Flexion  *bhftön^  *bhltnds  wäre  aber 
durchzukommen,  denn  ftn_^  ergäbe  germ.  lt.  (Air.  buiüe  ^Schlag' 
Stokes  178,  lit  bdsfi^  beldUi^  bilditi  enthalten  dh  vgl.  Kluge  s.  v. 
poltern.) 

Bollwerk.  Mhd.  Wtb.  3,  588.  Das  Wort  hat  zwei  Bedeu- 
tungen, *Wurfmaschiue'  und  'Wall  mit  Pfählen*.  Im  Sinne  von 
catapulta  setzt  es  Kluge  zu  Ball,  Bollen,  Böller i),  im  letzteren 
Sinne  zu  Bohle.   Das  trifft  vielleicht  das  Richtige. 

Billig  setzt  ein  *bill  voraus  der  Bedeutung  'behauen,  eben, 
glatt,  passend  gemacht'  (vgl.  ahd.  billön  'polire*).  Mhd.  bülich 
*passend,  recht'.  Wegen  der  Bedeutungsentwicklung  vgl.  engl. 
fair  und  got.  fagrs  IF.  16,  176,  17,  159 «).  Das  AVort  steht  dem 
Namen  des  Instruments  zunächst,  und  das  führt  darauf,  daß  es 


1)  Die  Sippe  von  Ball  (zu  lat.  foUis  'Schlauch'  Schade  1, 36,  Noreen 
Lautl.  96),  Bollen  (Schade  1,  79),  ahd.  holön  'wälzen,  rollen,  werfen*  halte 
ich  für  nicht  verwandt  mit  den  oben  in  Rede  stehenden  Wörtern.  Vgl. 
Johansson  PBS.  Beitr.  15,  225. 

2)  Vgl.  ungehobelt,  ungeschliffen,  ungebildet  von  einem 
Menschen  gesagt.  —  Zu  hillig  auch  ags.  bilewit  'sanft*. 


Wörter  und  Sachen.   lU.  285 

ein  Bille  des  Sinnes  *  breitschneidiges  Beil',  mit  dem  die 
Bohlen  und  Balken  heute  noch  geglättet  werden,  gegeben  hat. 
Dann  aber  rückt  für  dieses  Bille  die  Etymologie  von  findere  usw. 
in  den  Hintergrund. 

ün bilde  mhd.  unhüde  Wtb.  1,  122  ist  darnach  das  Un- 
behauensein, die  Roheit.  Vgl.  engl,  unfaimess  *  Häßlichkeit,  Un- 
billigkeit', das  auch  in  letzter  Linie  in  der  Sprache  des  Zimmer- 
manns wurzelt  Der  Sinn  •Unrecht'  ergibt  sich  aus  der  sinnlichen 
Bedeutung  leicht,  wobei  ich  aber  bemerke,  daß  wwWW«  mir  zunächst 
der  Sinn  des  Unangenehmen,  des  unabwendbaren  Übels,  aber  meist 
nicht  den  Sinn  des  juristischen  Unrechts,  der  strafbaren  Übeltat, 
zu  haben  scheint.  Vgl.  die  Belege  im  Mhd.  Wtb.  Auch  unser 
heutiges  Sprachgefühl  unterscheidet  zwischen  *recht'  und  'billig'  *). 

Bald.  Got.  *6aZ/s,  aisl.  ballr  'kräftig'.  Das  Wort  mag  'klobig, 
fest  wie  ein  Balken,  eine  Bohle*  bedeutet  haben.  Ags.  ballice 
=  *bcMice  'kühn'  Sievers  Ags.  Gr.»  S.  97.  Die  Stufe  *bald  in  an. 
Bcddr^  ags.  bealdor  'Fürst'  Noreen  Lautl.  128.  Wie  *an8az  *ansuz 
'Ase'  und  'Balken'  bedeuten,  so  haben  wir  hier  den  Eigennamen 
eines  Gottes  und  eine  Bezeichnung  für  'Füi-sf,  die  eigentlich 
einen  behauenen  Baumstanmi  bedeuten.  Vgl.  ags.  eodor  'Fürst'  zu 
ahd.  ettar  'Zaun'  oben. 

Germ.  *balßaz  hat  schon  mehrere  andere  Erklärungen  ge- 
funden. Uhlenbeck  stellt  es  zu  lit  bältas  'weiß',  ai.  bhälam  'Glanz' 
(Et.  Wtb.  d.  got  Sprache  Nachträge;  Et  Wtb.  d.  ai.  Sprache  s.  v. 
bhälam).  Osthoff  PBS.  Beitr.  8,  255  hat  ^b^l-ßa-z  zerlegt  und  auf 
got.  aljan  n.  'Eifer',  lat  cdacer  hingewiesen. 

Vielleicht  hat  die  obige  Erklärung  des  Worts  mehr  für  sich. 
An.  b(U,  ags.  bcel  'Scheiterhaufen'  könnten  aber  mit  ai.  bhalam 
'Glanz'  und  lit  bältas  'weiß'  ganz  gut  zu  der  hier  behandelten 
Sippe  gehören;  denn  die  Holzscheiter  sind  gewiß  etwas  'Be- 
hauenes'  und  vom  brennenden  Scheiterhaufen  sind  Bedeutungen 
wie  'Glanz',  'weiß'  verständlich. 

Lat  balteus  -eum  'Gurt,  Einfassung,  Rand'  kann  hierher 
gehören,  balteus  bedeutete  'aus  "^baUo-  gemacht'  (Stolz  Hist  Gr. 
1*,  472  ff.),  d.  h.,  'aus  Balkon  hergestellt',  mag  also  einmal  'Zaun' 
bezeichnet  haben. 


1)  Ins  und  aequitas  sind  nicht  daselbe.  Wenn  ius  der  aequitas  gegen- 
übergestellt wird,  meint  man  'strenges  Recht'  iusstrictum.  Nach  der  aequitas 
wird  geurteilt,  wenn  das  ius  strictum  zu  Härten  führen  könnte.  Nach  münd- 
lichen Mitteilimgen  Puntscharts,  der  mir  hier  vielfach  beistand. 


286  R.  Meringer, 

Bild.  As.  büidi  n.,  ahd.  bilidi  Graff  3,  97,  mhd.  bade.  Das 
DWtb.  faßt  büidi  als  das  "Gehauene*,  ebenso  Heyne  im  Wtb.  zum 
Heiland  as.  bilidi  als  *Schnitzwerk'.  Ich  stimme  dem  voUinhalÜich 
zu;  die  Grdf.  ^bhdetiom^  *beleßian  kann  m.  M.  nichts  anderes  be- 
deutet haben  als  Eöavov.  Daraus  ergeben  sich  ahd.  bildön  formare, 
imitari,  aemulari,  bildari  plastes,  Imitator,  aemulator.  Daß  bildari 
ohne  weiteren  Zusatz  der  Holzbildner  war,  geht  daraus  hervor, 
daß  der  figulus  durch  das  Kompositum  leimbildari  wiedergegeben 
wird.  Wichtig  scheint  mir  auch  zu  sein,  daß  ahd.  büidi  *  Wundmal' 
bedeuten  kann,  Heyne  Körperpflege  und  Kleidung  S.  159  Anm.  222 
iplaga  büidi,  anamöli  Steinm.  Ahd.  Gl.  1,  349,  26);  hier  schimmert 
noch  *iÄ^  ^schlagen*  deutlich  durch,  denn  die  Wunde,  das  Wund- 
mal, sind  der  Erfolg  des  erhaltenen  Schlags. 

Weichbild*).  Da  Weichbild  den  Sinn  von  Ortsrecht 
hat,  glaube  ich  nicht,  daß  in  -bild  dasselbe  Wort  vorliegt  wie 
in  unbüde^  dessen  zweiter  Bestandteil  den  scharfen  Sinn  des  ins 
strictum  nicht  hat.  Hätte  es  ein  *bäida  im  Sinne  von  ius  ge- 
geben, dann  wäre  es  doch  sehr  auffallend,  daß  nirgendwo  ins 
durch  *büida  glossiert  erscheint.  [Normas  bildest  Ahd.  Gl.  3, 414, 34.] 

Da  ferner  das  Wort  Weichbild  klar  und  deutlich,  wie  wir 
sehen  worden,  eine  (Palissaden-)Befestigung  eines  Schlosses  oder 
eines  Ort«  bedeutete,  so  fasse  ich  das  -bild  als  identisch  mit 
ahd.  büidi  imago,  fonna,  dessen  Gnmdbedeutung  der  behauene 
Pfahl  war,  sodaß  Weichbild  den  Zaun  des  vfcus  bedeutete. 
Dieselbe  Schutzvorrichtung  in  etwas  entwickelterer  Technik  heißt 
später  Bollwerk,  das,  wie  gesagt,  zu  Bohle,  also  zur  selben 
Wurzel,  zu  gehören  scheint 

*In  diesem  Weichbilde*  bedeutete  also  einst  nichts  als 
*in  diesen  Ortsgrenzen',  und  weil  dieser  seine  eigenen  Gebräuche 
und  Anschauungen  hatte,  Gepflogenlieiten,  die  später  Recht 
wurden,  entwickelte  sich  in  solchen  lokativischen  Verbindungen 
der  Sinn  'in  diesem  Rechte'^).   Aber  daß  ^Weichbild'  selbst  nicht 

1)  Techen,  Kuhn  Zts.  12,  42  ff. 

2)  Interessant  ist  das  Wort  Sprengel.  Es  gehört  (Kluge  s.  v.)  zu 
sprengen,  besprengen,  bedeutet  also  'Weihwedel'.  *In  diesem  Weih- 
wedeF  bedeutet  also  'soweit  der  Weihwedel  reicht*,  soweit  der  Boden  Besitz 
der  kirchlichen  Behörde  ist,  oder  soweit  ihre  kanonische  Macht  reicht.  Es 
ist  möglich,  daß  eine  spottende  Nachahmung  von  Phrasen,  die  Szepter 
entfalten,  zugrunde  liegt.  —  I  -^üthelstan  Almosenverordnung  Liebermann  I 
S.  148  [i]  lieißt  es  von  dem  Sprengel  des  Bischofs  on  dces  rice  it  sie.  — 
Puntschart  erinnert  an  'Unter  dem  Krummstab  ist  gut  wohnen*. 


Wörter  und  Sachen.  IIL  287 

•Ortsrecht*  etymologisch  heißt,  scheint  mir  auch  daraus  hervorzu- 
gehn,  daß  sich  (ältester  Beleg  a.  1234)  Weichbildrecht  findet, 
eine  Zusammensetzung,  die  darauf  hinweist,  daß  Weichbild  nur 
die  begrenzte  örtlichkeit  bedeutete.  Es  scheint  mir  nichts  dagegen 
zu  beweisen,  daß  der  älteste  Beleg  für  *  Weichbild'  =  •Orts- 
recht', die  Leipziger  Gründungsurkunde  v.  1156 — 1170,  die  Stelle 
iuris  etiam  sui,  quod  tcicbüide  dicüur  enthält.  Der  Übergang  der 
Bedeutung  von  •Ortsgebiet'  zu  •Ortsrecht'  muß  nicht  überall  zur 
selben  Zeit  erfolgt  sein. 

R.  Schroeder  sagt  in  seinem  schönen  Artikel  über  Weich- 
bild S.  28:  ••Da  ein  besonderes  Ortsrecht  sich  nur  innerhalb 
einer  örtlich  geschlossenen  Rechts-  und  Gerichtsgemeinde  bilden 
konnte,  so  bezeichnete  •Weichbild'  ausschließlich  das  besondere 
Recht  von  Städten  und  Märkten,  ähnlich  wie  das  von  süddeutschen 
Quellen  gebrauchte  •ßurgrecht'."  Das  ist  auch  ganz  in  unserem 
Sinne  gesagt,  obwohl  R.  Schroeder  an  Kluges  Erklärung  von 
Weichbild  glaubt  In  wichbilde^  binnen  wichbilde  bedeuten  zuerst 
•im  Ortsgebiete',  dann  'im  Gebiete  des  Ortrechts'. 

Schiller-Lübben  haben  nachdrücklich  auf  die  ursprünglich 
sinnliche  Bedeutung  von  Weichbild  hingewiesen  Mndd.  Wtb.  5, 
710  ff.  Dazu  bemerkt  aber  Schroeder  S.  11 :  ••Die  von  Schiller- 
Lübben  angeführten  Belege,  aus  denen  hervorgehen  soll,  daß 
das  Wort  Weichbild  eine  Befestigung  bedeutet  habe,  sind 
sämtlich  in  dem  Sinne  von  Stadt  oder  Burgflecken  zu  verstehen, 
die  zwar  in  der  Regel,  aber  keineswegs  immer  befestigt  waren. 
Vgl.  a.  a.  0.  die  Mitteilung  aus  Hermann  Körners  Chronik :  bi 
desses  bischuppes  tid  wart  Bremen  erst  umme  ghemuret  vor  was 
id  en  tvicbelde  ghewest" 

Ich  kann  aus  dieser  Stelle  nur  ersehen,  daß  ein  wicbdde 
keinen  gemauerten  Wall  hatte,  sondern  einen  aus  Pfählen.  Es 
ist  auch  möglich,  daß  tcicbelde  auch  örter  genannt  wurden,  deren 
Einheit  durch  Grenzpflöcke  mehr  symbolisch  als  tatsächlich  ge- 
kennzeichnet war. 

Mir  scheinen  durch  die  nachfolgenden  Belege  Schiller- 
Lübben  die  Bedeutung  •Befestigung'  vollkommen  erwiesen  zu 
haben :  Ok  scal  ed  ere  wüle  tvesen,  dat  we  vor  dat  hus  en  tvicbelde 
buwen  .  ,  .;  do  branden  se  dat  wikbelde  .  .  dar^na  stormeden  se  dat 
slot ,  ,  .;  dat  dot  Homborch  unde  dat  wikbelde  da^'vore. 

Die  Formen,  in  denen  das  Wort  Weichbild  auftritt,  hat 
R.  Schroeder  S.  27  gesammelt:  Wir  haben  die  Typen  wikbelde 


288  R.  Meringer, 

(am  häufigsten),  unchbüde^  ucikbüde^  tceichbüd^  tticbüethe^  tcicbdeihe, 
wikbilide^  wikbüühe^  xvkboledhe^  tcigbolde^  ivibbüde^  uibbold. 

Daß  das  Wort  öfter  volksetymol.  als  mit  *trfA-,  *icf^  'Kampf 
zusammengesetzt  gefaßt  wurde  (vgl.  ahd.  wthhüs,  wtghtis^  Heyne 
Wohnungswesen  S.  138  u.  ö.)  scheint  wohl  denkbar').  Auch  an 
das  dem  Sinne  nach  so  nahe  verwandte  belet  n.  *Ende,  äußerste 
Verteidigungslinie'  Schiller- Lübben  1,  223,  das  zu  letz  (vgl 
Kluge  s.  V.  letzen)  gehört,  mag  man  sich  erinnert  gefühlt  haben. 
Was  bei  -bold  in  wigbolde,  assimiliert  wibbold^  mitgespielt  hat, 
kann  ich  nicht  angeben*). 

Schiller- Lübben  meinen  Weichbild  mit  engl,  build  zu- 
sammenstellen zu  können.  Das  ist  ein  Irrtum.  Vgl.  Kluge-Lutz  s.  v. 
Ags.  bold  *a  building,  dwelling'  (Bosworth -Toller  115)  ist  nach 
as.  bodal  (n.  plur.  •Haus  und  Hof,  Gut'  Hei.  2160,  509),  fries. 
bodel  durch  Metathesis  entstanden  Sievers  Ags.  Gr.^  §  196,  2, 
Bülbring  Altengl.  Elementarb.  §  522.  Das  Wort  gehört  zur  Wz. 
iÄÄ,  bhöu  *bauen'  s.  oben.  Eine  wegen  der  Erwähnung  des  tctc 
wichtige  Stelle,  zitiert  bei  Bosworth-Toller,  ist:  dar  ic  ictc  hüge^ 
bald  tnid  bearnum  *where  I  inhabit  a  dwelling,  a  house  with 
children*.  Wichtig  ist  boldgetcel^  mansio,  *Hofgemeinde*  Bosworth- 
Toller  S.  116,  Alfred  [37]  Liebermann  Gesetze  1,  70  (vgl.  auch 
Liebermann  S.  19,  37).  Vgl.  jetzt  Weyhe  PBSBeitr.  30,  67  f. 

3.  Englisch  to  wed  ^heiraten'. 

Zu  IF.  17,  142. 

Schrader  RL.  s.  v.  Ehe;  Müllenhoff  DA.  4,  302  und  die  dort 
angegebene  Literatur,  v.  Amira  Pauls  Grdr.  3*  §  56  S.  161  f. 
(1.  Aufl.  S.  143). 


1)  Vgl.  Magdeburger  Rechtsquellen  hg.  von  P.  Laband  Berlin  1869, 
Rechtsbuch  von  der  Gerichtsverfassung  (S.  53)  VI  §  2 :  vnd  batrte  dorynne 
vil  matich  hoch  wyh  haus,  davon  es  noch  xHchbilde  recht  heisset. 

2)  Noch  ein  Wort  über  an.  ÄiV/w^/Äer 'verbannf/geächtef.  Vgl.Noreen 
Aschw.  Gramm.  §  108,  1;  301;  460,  1.  Tamm  Etym.  Svensk  Ordb.  S.  36, 
Noreen  Aschwed.  Leseb.  S.  22  Z.  6,  Amira  Paul  Grdr.  3*  §4S.57,  §  77  S.  195. 
Ich  erkläre  biltugher  aus  *bild'tugr.  Im  zweiten  Bestandteil  suche  ich  tigu- 
(vgl.  tiguligr  Cleasby-Vigfusson  630  'lordly,  princely'),  wozu  tigenn  'ange- 
sehen' gehört.  Daß  *'tigr  im  Compositum  zu  -tugr  hätte  werden  können, 
beweisen  die  Dekaden.  Wenn  man  im  ersten  Bestandteil  ein  dem  Worte 
Bild  entsprechendes  *ÄfW  des  Sinnes 'Grenzpfahl*  oder  Tfahlzaun*  annimmt, 
kommt  man  zu  der  Erklärung  Tfahlfürst',  'Zaunfürst',  eine  höhnende  Be- 
zeichnung für  den  Verbannten,  der  die  Grenze  nicht  überschreiten  darf, 


Wörter  und  Sachen.  III.  289 

Über  die  Heirat  finde  ich  bei  Liebermann  Gesetze  I  folgende 
Stellen: 

JSthelberht  [77]  Liebermann  S.  7:  Gif  mon  mddgp  gebiged, 
eeapi  geceapod  sy,  gif  hit  unfacne  is  '*Wenn  Jemand  eine  Jung- 
frau [zur  Ehe]  kauft,  sei  sie  durch  [Braut]kaufgeld  [giltig]  er- 
kauft, falls  das  [Rechtsgeschäft]  untrügerisch  ist". 

.tElfred  [18,  1]  Liebermann  S.  58:  Gif  beweddodu  fsemne 
hie  forlicge,  gif  hio  .  .  .  "Wenn  eine  verlobte  Jungfrau  sich  be- 
schlafen läßt,  so  büße  sie  .  . ."  (folgt  die  Buße). 

Lie  [31]  Liebermann  S.  102:  Gif  mon  wif  gebyccge,  &  sio 
gyft  ford  ne  cunie,  agifo  I)8ct  feoh  &  forgielde  &  gebete  I)am 
byrgean,  swa  his  borgbryce  sie.  "Wenn  man  ein  Weib  [zur  Ehe] 
kauft,  die  Brautübergabe  [Trauung]  jedoch  nicht  zustande  kommt, 
gebe  [der  Brautvormund]  das  Geld  [dem  Bräutigam]  zurück  und 
bezahle  [ihm]  noch  einmal  so  viel  [zur  Buße]  und  büße  dem 
[Verlobungs]-bürgen  so  viel,  wie  der  Bruch  einer  durch  letzteren 
[geleisteten]  Bürgschaft  kostet 

Vgl.  weiter  die  ausführlichen  Bestimmungen  in  Be  wif- 
mannes  beweddunge  Liebermann  S.  442  ff.  —  Auch  Detter-Heinzel 
Edda  2,  436  zu  Sigi'drifumal  73,  4. 

Ags.  weddian  ist  Denominativ  von  toed  weddes  *pignus'  und 
bedeutet  in  erster  Linie  *ein  Pfand  einsetzen*.  Formell  dasselbe 
Verhältnis  besteht  zwischen  got  wadi  d^^aßdbv  und  gawadjön 
Verloben*  eigentlich  Verpfänden*.  Vgl.  2.  Kor.  11.  2  gatoadjöda 
izwis  ainamma  waira  f)p|Liocd^r]V  u^dc  bix  dvbpi  eine  Stelle,  die 
insofern  auffällig  ist,  als  liier  in  der  Übersetzung  das  Wort 
gatcadjäti  in  einem  neuen  Gebrauche  erscheint,  den  es  sonst 
meist  wohl  nicht  hatte,  denn  es  war  Sache  des  Mannes  (hier 
wair)  selbst  sich  durch  ein  Pfand  (uxidi)  das  Mädchen  zu  sichern 
igawadjän).  Die  Stelle  kann  aber  der  Wirklichkeit  entsprechen, 
wenn  der  Sprecher  sich  als  Verwandter  oder  Beauftragter  des 
tcair  gibt  und  in  dessen  Namen  das  uHidi  erlegt 

Tac.  12  heißt  es:  dotemnon  uxor  marito^  sed  uxori  maritus 
offert.  K.  Schroeder  (sieh  Müllenhoff  a.  a.  0.)  hat  erkannt,  daß 
Tacitus  hier  irre,  daß  er  den  Kaufpreis,  der  dem  Mundwalt  des 


die  wohl  begreiflich  erschiene.  Vgl.  unsere  Ausdrücke  Strauchritter, 
Heckenreiter,  Buschklepper  für  den  geächteten  Mann,  den  Mörder 
oder  Räuber.  Wegen  des  Übergangs  von  *hild'tugr  zu  büttugher^  biltugher 
Noreen  Aisl.  Gr.  §  210,  215.  Trifft  diese  Erklärung  das  Richtige,  dann  ist 
sie  eine  weitere  Stütze  für  die  oben  gegebene  Deutimg  von  Weichbild. 


290  R.  Meringer, 

Mädchens  zufiel,  nicbt  diesem,  mit  der  Morgengabe,  die  der 
junge  Ehemann  seinem  Weibe  nach  der  Brautnacht  schenkt, 
verwechselte '). 

Die  Juristen  legen  dagegen  Verwahrung  ein,  daß  mau  sich 
die  alte  germanische  Ehe  als  Kauf  ehe  vorstellt:  "Der  Vormund 
(der  Braut)  schenkte  sie  dem  Bräutigam  zur  Ehe,  was  keine 
Zustimmung  der  Braut,  wohl  aber  —  wie  jede  *Gabe'  —  zu 
seiner  Beständigkeit  eine  Gegengabe  des  Bräutigams  erfordert" 
V.  Amira  a.  a.  0.  Diese  Gegengabe  sei  der  mundr  der  skandinavischen 
Eechte,  und  liege  weiter  vor  im  langob.  mSta  (mStfio  Brückner 
S.  209),  ags.  iveotuma  weodum^  ahd.  widemo^  afries.  tvetma.  "Wegen 
dieses  Entgelts  fiel  das  Heiraten  unter  den  Begriff  des  'Kaufes' 
im  alten,  nicht  aber  —  wenn  anders  nicht  mit  dem  Worte  ge- 
spielt werden  soll  —  im  modernen  Sinn   dieses  Ausdrucks." 

Eid  und  Wette  (Pfand),  ags.  dd  and  wed,  waren  zu  einem 
Geschäfte  nötig.  Vgl.  Alfred  [Äfl]  Liebermann  S.  46 :  jEt  arestan 
ive  Uerad^  pod  meest  dearf  fe,  pcet  ceghwdc  man  his  ad  dt  his  teed 
wcerlice  healde  "Zuerst  lehren  wir,  was  zumeist  nötig  ist,  daß  Jeder- 
mann seinen  Eid  und  sein  rechtsförmliches  Versprechen  sorgfältig 
halte."  Weitere  Belege  Bosworth-Toller  1181  a.  Und  'Eid*  und 
•Wette'  oblagen  auch  dem  Manne,  in  dessen  *Mund'  das  Mädchen 
aiLS  der  väterlichen  übergehen  sollte.  Das  macht  die  Etymologie 
Eidam  :  Eid  zu  einer  unumstößlichen.  0.  Schrader  Schwieger- 
mutter und  Hagestolz  S.  40. 

Wie  sich  die  Bedeutungen  von  ags.  ired  (vgl.  ived,  gifu 
vel  fcedren  feoh  Mos'  Bosw.-T.  1180)  und  von  ahd.  mdamo  (Kluge 
s.  V.  Wittum)  weiter  entwickeln,  gehört  nicht  hieher. 

4.  Lat.  testis. 

Ich  habe  IF.  16,  169  lat.  testis  —  unabhängig  und  nicht 
möglicherweise  doch,  wenn  auch  unbewußt,  abhängig  von  Solmsen 
KZ.  37,  18  ff.  —  als  *Drittsteher'  erklärt  und  den  Handel,  der 
heute  noch  anscheinend  sehr  alte  Bräuche  aufweist,  als  die 
Quelle  des  testis  bezeichnet. 

In  nichtschreibenden  Zeiten,  ohne  Bestand  einer  festen 

1)  Unter  den  Geschenken  des  Mannes  erscheinen  a.  a.  0.  iuncti  boves. 
"Ein  Paar  Ochsen'  (Müllenhoff  a.  a.  0.  304  u.)  heißt  das  nicht,  sondern  mit 
Joch  versehene  Rinder.  Ist  das  Joch  ein  Symbol  der  Ehe  gewesen,  so  daß 
gerade  ein  Jocli  Rinder  als  das  für  diese  Gelegenheit  passendste  Geschenk 
erschien  ? 


Wörter  und  Sachen.  lü.  291 

Obrigkeit,  ^ax  der  Zeuge  bei  jedem  Handelsgeschäfte  ein  sehr 
wichtiger  Helfer.  Er  war  gewissermaßen  das  lebendige  Dokument, 
daß  ein  Geschäft  nach  Recht  und  Billigkeit  abgemacht  worden 
war,  nur  er  konnte  gegen  spätere  Bekriminationen  sichern. 
"Zuziehung  von  Zeugen  beim  Verkauf  wertvoller  Sachen, 
um  dadurch  Unredlichkeit  zu  verhindern  und  gegen  die  An- 
sprüche Dritter  zu  sichern,  war,  ehe  der  Einfluß  der  Gerichte 
und  gerichtlicher  Urkunden  überhand  nahm,  allgemeine  Vorschrift 
des  altdeutschen  Rechts."  Grimm  RA.  608 1). 

Und  dieser  selbstgewählte  Zeuge,  der  in  beiderseitigem 
Einvernehmen  zugezogen  war,  war  auch  der  Richter,  falls  es 
zum  Streite  kam.  Grimm  RA.  858.  Ursprünglich  gab  es  ja 
nii^endwo  einen  professionellen  Richter,  so  wenig  und  noch 
weniger,  als  es  einen  Handwerker  oder  überhaupt  einen  Spezialisten 
gab.  Der  Mann  war  alles  in  einer  Person.  Wer  überhaupt  am 
geachtetsten  oder  auch  gefürchtetsten  war,  war  wohl  auch  der 
gesuchteste  Richter,  d.  h.  wurde  am  liebsten  als  Vertrauensmann 
zu  einer  Sache  herangezogen,  v.  Amira  Paul  Grdr.  3*  §  4  S.  58 
(1.  Aufl.  S.  41)  sagt:  "Überhaupt  gab  es  in  der  Jugendzeit  des 
germanischen  Rechts  Niemand,  der  aus  seiner  Kunde  einen 
Beruf  machte.   Es  fehlte  das  Bedürfnis  dazu." 

Lat.  testis  hat  sich  nun  nicht  zum  Sinne  von  'Schiedsrichter' 
entwickelt.  Aber  andere  Wörter,  die  etymologisch  den  Dritten 
bedeuten,  haben  diesen  Bedeutungsübergang  mitgemacht.  Nämlich 
franz.  tiers  'Schiedsrichter'  und  russ.  tretiß  dass.  Mich  will  be- 
dünken, daß  auch  diese  Wörter  zuerst  den  gewählten  Dritten, 
den  Drittsteher,  und  zwar  beim  Handel,  bedeutet  haben  müssen, 
den  Zeugen,  aus  dem  der  Schiedrichter,  der  Richter,  geworden  ist. 

Daß  lat.  testis  sich  nicht  zum  Sinne  von  'Schiedsrichter* 
entwickelt  hat,  hat  seinen  guten  Grund:  Die  Lateiner  hatten 
schon  ein  Wort  dafür,  arbiter.  Und  das  ist  wohl  sicher  ein 
Fremdwort  (vgl.  umbr.  afputrati  Walde  Lat  etym.  Wtb.  s.  v.), 
und  stammt  von   den  \iehzüchtenden  indogermanischen   Mit- 


1)  Vgl.  Ine  [25]  Liebermann  Gesetze  I  S.  100 :  Gif  ciepemon  uppe  on 
folce  eeapie,  do  pcet  heforan  gewitnessum  'Wenn  ein  Kaufmann  landeinwärts 
im  Volke  handelt,  tue  er  das  vor  Zeugen'  [25,  i]  Gif  diefefioh  mon  oet  ciepan 
hefo,  dt  he  hü  nashbe  heforan  godum  weotum  geeeapod  .  .  .  "Wenn  man  Dieb- 
stahlsgut beim  Kaufmann  im  Anefange  faßt,  und  dieser  es  nicht  vor  guten 
Zeugen  gekauft  hat  . .  .'  (so  muß  er  schwören  oder  Strafe  zahlen).  Man 
sieht,  wie  notwendig  der  Zeuge  war. 


292  R.  Meringer, 

bewohnem  Italiens,  denen  die  Römer  ihr  Wort  für  Rind,  Jos, 
entlehnt  haben.  Daß  diese  Stämme  dnrch  ihre  Viehzucht  berühmt 
waren,  beweist  der  Name  Italia,  ein  im  Griechenmunde  ver- 
ändertes *  Fito/ia,  das  im  Osk.  Ffteßiii  heißt  und  zu  lat  vütdus 
gehört  V.  Planta  1,  88,  Stolz  Lat  Gr.»  S.  80.  Jedenfalls  verdient 
festgehalten  zu  werden,  daß  der  arbiter  von  einem  Kai'  i£oxilv 
viehzüchtenden  Volke  stammt,  wie  der  andere  kleine  Zug  von 
uns  registriert  wurde,  daß  der  Viehhandel  gerade  heute  noch 
jene  merkwürdigen,  sonst  nicht  vorhandenen  Bräuche  aufweist 

Gegenüber  dem  Volksworte  arbiter  erkennt  man  sofort  den 
*ioti8dics^  iudex  als  den  gelehrten  Richter,  die  Amtsperson.  Das 
Wort  ist  ein  gelehrtes,  der  höheren  Stellung  des  beamteten 
Richters  entsprechend. 

Wenn  Zeuge  von  ziehen  kommt,  woran  Niemand  zweifelt 
und  zweifeln  kann  (Grimm  RA.  S.  857),  dann  ist  auch  der  Zeuge 
seiner  Herkunft  nach  der  im  voraus  bestellte,  der  gezogene  Zeuge, 
nicht  der  Zufallszeuge,  der  zufällig  anwesend  ist  und  hört  und 
sieht  Und  was  anders  als  der  Zeuge  beim  Handelsgeschäfte 
kann  im  vorhinein  bestellt  worden  sein?  Der  Zeuge  bei  jeder 
andern  Art  von  Vorfällen  war  doch  nur  Zufallszeuge,  weil  ge- 
rade eben  anwesend.  Der  Zeuge  hat  gewiß  nicht  seinen  Namen 
davon,  daß  er  testis  per  aures  tractus  war.  Dieser  Brauch  hat 
sich  vielleicht  umgekehrt  gerade  an  die  durchsichtige  Etymologie 
des  Wortes  angeschlossen.  Aber  der  Brauch  läßt  sich  auch  anders 
erklären.  Der  Zeuge  wird  am  Ohr  gezogen,  um  feierlich  seine 
Aufmerksamkeit  zu  erregen.  Er  soll  den  Moment  festhalten.  Er 
soll  später  nicht  sagen  können,  er  habe  nichts  gehört  und  ge- 
sehen, er  erinnere  sich  an  nichts  mehr.  Die  Affekthandlung, 
Jemand  an  den  Ohren  zu  reißen,  um  ihn  aufmerksam  zu  machen 
(oder  iüv  Unaufmerksamkeit  zu  strafen),  ist  hier  symbolische 
Handlung  geworden*).  Der  Zeuge  kann  längst  mit  diesem  Worte 
bezeichnet  worden  sein,  bevor  der  Brauch  entstand.  Man  be- 
achte, welche  Rolle  Ohrfeigen  in  der  früheren  Zeit  als  mnemo- 
teclmisches  Mittel  spielten.  So  z.  B.  wurden  dem  Knaben  an 
der  Grenze  eine  Maulschelle  verabreicht  damit  er  sich  die  Lage 
des  Grenzsteins  merke!   Otto  Das   deutsche  Handwerk  S.  126. 

1)  Die  Solemnität  der  Zeugenschaft  wird  sich  wohl  nicht  rein  ratio- 
nalistisch erklären  lassen,  aber  die  Bräuche  waren  zum  Teil  auch  direkt 
nützlich;  denn  sie  waren  Hilfen  für  das  Gedächtnis  und  hoben  die  Wichtig- 
keit des  Augenblicks  hervor.  (Vgl.  das  feierliche  Gehen  beim  Eide  unten  s.  4.) 


Wörter  und  Sachen.  HL  293 

Ob  es  sonst  noch  Spuren  eines  *trüÖ8  gibt?  Bekannt  ist 
der  ai.  Trüds^  ein  Gott,  der  den  Agni  anbläst,  ihn  auffindet,  ihn 
in  den  Häusern  aufstellt  und  der  sonst  in  Verbindung  mit  den 
Winden  erscheint,  also  vielleicht  der  Dritte,  der  Hauch  ist,  der 
zu  den  beiden  Reibhölzem  hinzukommen  muß,  wenn  die  glühende 
Stelle  zum  Flammen  gebracht  werden  soll.  Anders  Macdonell 
Ved.  Myth.  S.  67  f.  Das  berührt  uns  also  nicht  Aber,  daß  ai. 
Tritds,  av.  ^ritö^  9rüi  (^raitoona-)^  TpiTO-,  -Tpliri  Fick-Bechtel 
Griech.  Eigenn.  463  sich  als  Eigennamen  finden,  deutet  viel- 
leicht darauf  hin,  daß  schon  früh  der  Dritte  der  Richter  war 
und  daß  diese  Bezeichnung  —  wie  beim  Namen  Richter  —  als 
Personenname  aufkam. 

Skutsch  hat  seine  Grundform  für  testis  als  tris  +  to  angesetzt, 
indem  er  sich  auf  bini  temi  berief.  Aber  ^dyis-ni^  Hris-ni  lassen 
sich  deuten  als :  je  {-ni)  2  mal  (3  mal)  nämlich :  Eins,  was  un- 
ausgesprochen bleibt  Aber  wie  soll  *tris-to  Mer  Dritte*  bedeuten? 
Wie  kann  das  adjektivische  -to  aus  Hris  ^dreimal*  den  Begriff 
^Dritter'  erzeugen  können?  Ich  gestehe,  daß  mir  das  völlig  dunkel 
ist  Die  idg.  Bildung  für  ^Dritter'  war  Hritös^  vielleicht  auch 
*trittos.  Brugmann  Grdr.  2,  470.  Skutsch  beruft  sich  auf  air.  fm, 
tress'  und  sagt,  dieses  sei  aus  Hris  +  to-  entstanden.  Aber  es 
kann  doch  ebenso  gut  aus  *tri'8to  entstanden  sein,  kurz,  es  kann 
auch  heißen  *an  dritter  Stelle  stehend*. 

Die  anderen  Bezeichnungen  des  Zeugen  können  ebensogut 
den  Zufallszeugen  wie  den  gezogenen  (bestellten)  bezeichnen.  Ai. 
säk^n  'Zuschauer,  Zeuge',  got  weiUvops^  an.  drofe  (Noreen  Aisl. 
und  Anw.  Gr.  S.  37),  ahd.  urkundo  m.  testis,  Graft  4,  426,  air. 
ffadti,  aksl.  swidokb  Miklosich  Et  Wtb.  390,  griech.  ^idpiuc  (zu 
memor\  —  Schrader  RL.  s.  v.  'Zeuge*.  Alle  diese  Wörter  be- 
zeichnen, soweit  sie  etymologisch  klar  sind,  den,  der  gesehen  hat, 
weiß,  oder  sich  erinnert^). 

1)  Wenn  es  wahr  ist,  daß  der  Name  des  ältesten  Oberpriesters  der 
Preußen  waidewtU  war  (Nesselmann  Thesaurus  S.  196),  dann  liegt  eine 
Tatsache  von  großer  Wichtigkeit  vor.  Uhlenbeck  hat  s.  v.  tceüwoßs  darauf 
hingewiesen,  und  es  ist  wohl  notwendig,  daß  das  preußische  Wort,  wenn 
es  existiert  hat,  eine  Entlehnung  aus  dem  Germanischen  darstellt.  Wichtig 
wäre  die  Sache  deshalb,  weil  das  preußische  Wort  bewiese,  daß  weitwopa 
'Zeuge'  wohl  schon  auf  germ.  Sprachgebiete  zum  Sinne  "Richter'  gekommen 
war,  sodaß  später  der  Priester,  der  die  höchste  religiöse  und  ebenso  richter- 
liche Grewalt  innehatte,  diese  Bezeichnung  führen  konnte.  Es  läge  dann 
ein  Seitenstück  zu  der  Bedeutungsentwicklung  von  germ.  kuning  zu  lit. 

lodogermaniiche  Fonchiuigeii  XVni.  20 


294  R.  Meringer, 

4.  Zu  den  Ausdrücken  für  Hecht*. 

Vgl.  IF.  17,  143  ff. 

Recht  V.  Amira  Paul  Grdr.  3*  §  4  S.  57  meint,  Recht 
sei  zunächst  Mas  Gerichtete,  in  gehöriger  Richtung  Befindliche, 
Gerade*.  Ich  weiche  davon  insofern  ab,  als  ich  glaube,  daß  *rekt(m 
das  Aufgerichtete  war,  die  Eigenschaft  des  senkrecht  eingerammten 
Pflockes  oder  Pfahls,  der  senkreckten  Wand-  und  Ecksäulen  des 
Hauses,  kurz,  daß  ein  Bauausdruck  vorliegt,  und  zwar  ein  vom 
Ständerwerk  stammender  vgl.  IF.  17  S.  133  Fig.  11.  Lat  redus 
kann  einfach  'senkrecht*  bedeuten.  Aber  richtig  ist,  daß  die  Wurzel 
schon  früh  "gerademachen*  bedeutete.  Vgl.  av.  räitam  "geraden 
Wegs',  raz  "richten*,  arazu-  "gerade,  richtig,  recht*.  Die  Begriffe 
"senkrecht*  und  "gerade*  sind  insofern  des  nächsten  verwandt  als 
der  beschwerte  Faden  das  natürliche  Beispiel  für  beide  ist.  So 
entsteht  mit  dem  Begriff  "senkrecht*  der  von  "gerade*.  Aus  dem 
Begriffe  "gerade*  hat  sich  dann  der  von  "richtig*  entwickelt,  weil 
der  gerade  Weg  der  kürzeste,  also  der  richtige  ist^). 

Daß  wir  mit  Recht  hier  Übertragungen  aus  der  Bausprache 
annehmen,  darauf  weist  auch  got.  statm  m.  Kpirrjc  "Richter*  hin. 
Es  liegt  hier  dieselbe  Wz.  *sthäu  vor,  von  der  ctöXoc  "Säule*,  ctuuj 
"richte  empor'  usw.  kommen*).  Vgl.  auch  IF.  17,  135  f.,  wo  die 
hierhergehörigen  Ausdrücke  des  Fachwerkbaus  und  des  stehenden 
Webstuhls  angeführt  werden^). 

Wo  das  Gesetz  als  das  "Gelegte'  aufgefaßt  ist,  da  wirkt  daj^ 
Bild  des  Blockbaus  mit,  bei  dem  die  Balken  scheiterhaufenartig 
übereinander  liegen.   Vgl.  an.  Ipg  usw.  IF.  17,  144  f. 

künigas  Priester,  Pfarrer,  und  den  enlspreclienden  Erscheinungen  auf 
slavischem  Boden  vor  (Miklosich  Et.  Wtb.  S.  155).  Bevor  wir  aber  von 
berufener  Seite  über  die  Verläßlichkeit  des  Wortes  aufgeklärt  sind,  lohnt 
es  sich  nicht,  zu  fragen,  wie  das  zugrunde  liegende  deutsche  Wort  gelautet 
haben  mag;  denn  dem  got.  weüwops  entspricht  unter  keinen  Umständen 
waidewtU  genau. 

1)  Die  roman.  Wörter  franz.  droit,  ital.  divetto  Körting  Nr.  2988  sind 
aus  directum  entstanden,  das  iüs  (Körting  5231)  ganz  verdrängt  hat.  Auch 
diriyere  ist  ein  Ausdruck  des  Bauhandwerks. 

2)  Die  sinnliche  Bedeutung  der  Wz.  erkennt  man  am  besten  an 
♦cTUJpia,  att.  CTod  'Dach  auf  senkrechten  Säulen',  'Schilddach'.  'Säulenhalle', 
L.  Meyer  4,  168. 

3 )  Bei  den  Texten  der  nordischen  Gesetzbücher  heißen  die  Al^schnitte 
bwlkir^  balkar  oder  Jxktir  d.  h.  Scheidewände*  oder  'Garne'  (aus  denen 
das  Seil  besteht;  an.  pdttr  zu  Docht),  v.  Amira  Paul  Grdr.  3«,  101.  Die 
Bezeichnungen  entstammen  also  der  Baukunst  und  der  Seilerei. 


Wörter  und  Sachen.  UI.  296 

Vom  Flechtwerkbau  stammt,  soviel  ich  sehe,  nur  gotinunnds 
döiKoc,  eigentlich  "schlecht  gewunden'.  Verf.  Etymol.  zum  gefloch- 
tenen Hause  S.  6. 

Vom  Fachwerksbau  kommt  auch  unser  Wort  Fug.  ]^Ihd.  vuog 
ist  in  richtigem  Ablaute  mit  Fach,  got  fagrs  usw.  IF.  16  S.  176. 
Tug'  bedeutet  darnach  das  Ineinanderfügen  der  Balken  und  hat 
von  da  aus  die  begreiflichen  Bedeutungen  "passende  Verbindung, 
Angemessenheit,  was  geziemt,  gebührt*  pWtb.  4.  L  1,  372)  an- 
genommen. Größtenteils  auf  sinnlichem  Gebiete  ist  geblieben  die 
Fuge,  mhd.  vuoge  (a.  a.  0.  378),  die  Stelle,  wo  die  Hölzer  in- 
einandergefügt sind.  Vgl.  mhd.  dagi  maget  kint  truoge  äne  mannes 
fuoge  Wemh.  v.  Teg.  Fundgr.  2,  201  v.  13. 

5.  Zu  Ehe,  Eid,  Eidam. 

Ob  ahd.  Swa  "Gesetz,  Ehe'  mit  lai  aequus  oder  mit  ai.  Aw-  m. 
"Gang,  Lauf,  Sitte'  in  Zusammenhang  steht,  ist  lautlich  zu  ent- 
scheiden immöglich.  Aber  sachliche  Momente  sprechen  gegen 
Verwandtschaft  mit  aequm.  Das  "Recht'  wird  als  das  "Auf- 
gesetzte', *  Auf  gestellte'  gefaßt,  als  das  "Bindende',  "Fesselnde* 
aber  nicht  als  das  "Ebene'.  Die  aequüas  entspricht  der  Billigkeit 
(vgl.  oben  über  die  Herkunft  des  Wortes),  nicht  dem  "Gesetze*  ^). 

Aber  wie  soll  ein  Wort  der  etymologischen  Bedeutung 
"Gang*  zum  Sinne  von  "Gesetz*  kommen?  Dabei  muß  man  auf  Eid 
verweisen,  das  oitoc  entspricht  Osthoff  BB.  24,  209*).  A.Noreen 
sagt  Spridda  Studier  (1895)  S.  76  ^):  "Von  diesem  modernen  Kultur- 
bild versetzt  uns  das  Wort  edgäng  in  die  Verhältnisse  der 
grauesten  Vorzeit.  Ed  bedeutet  nämlich  ursprünglich  "Gang* 
(vgl.  das  Neutr.  ed  "schmale  Passage  zwischen  zwei  Gewässern' 
Lüla  Edet  u.  dgl.),  dann  "Eid*,  indem  dieser  'gegangen*  wurde, 
d.  h.  erst,  nachdem  eine  feierliche  Promenade  vor  dem  Gericht 
von  Zeugen  und  anderen  Eidablegern  ausgeführt  worden  war, 
geleistet  wurde".  Vgl.  auch  Tamm  Etym.  svensk  ordbog  S.  119. 

1)  Vgl.  Steinmeyer  Ahd.  Gl.  I  S.  28.  Z.  33  Aeque  epano ;  Z.  34  iuste 
rehto ;  Z.  35  Aequalitas  a  Aequitas  1  epani ;  Z.  36  iustitia  rehti. 

2)  Osthoff  meint,  die  Deutung  von  oItoc  als  'Gang"  zu  ^\\x\  habe 
nichts  für  sich,  da  es  *Los,  Geschick,  unglückliches  Geschick'  bedeute.  Doch 
scheint  mir  ein  solcher  Bedeutungsübergang  sehr  leicht  mögUch  zu  sein. 
Brugmann  Grdr.  2,  1042.  Lat.  iUor  ist  m.  E.  hieherzustellen ;  es  geht  vom 
feierlichen  Kauf  aus,  bei  dem  auch  auf  germ.  Boden  der  Eid  seine  Rolle 
spielte.   Siehe  oben  bei  engl,  wed  und  lat.  teatis. 

3)  Ich  verdanke  das  Zitat  H.  Schuchardt. 

20*  • 


296  J.  Heckmann, 

Daß  der  Eid  'gegangen*  wurde  vgl.  v.  Amira  Grdr.  3*  §  89 
S.  215,  Fritzner  ^  s.  v.  ganga  i  en  Retssag  optrade  tä  fordet  for 
en  af  Parterne  med  sU  Vidnesbyrd^  sin  Ed,  Dazu  stimmt  auch 
die  Redensart  den  Eid  leisten,  denn  leisten  bedeutet  ur- 
sprünglich "gehen*  Kluge  s.  v. 

Der  Eidam  ist  der  durch  den  Eid  (Schrader  Schwieger- 
mutter und  Hagestolz  S.  39;  IF.  17,  11,  18)  und  durch  ein  Pfand 
(vgl  oben  engl,  tced  "heiraten*)  Gebundene*). 

Welcher  Art  nun  der  "Gang*  war,  den  ahd.  hm  "Ehe* 
bedeuten,  bleibt  zu  ermitteln.  Es  mag  wohl  verschiedene  Arten 
gegeben  haben,  wie  ja  auch  das  Wort  verschiedene  Bedeutungen 
hat.  Bei  der  Heirat  könnte  man  an  eine  bestimmte  Art  'Gang* 
denken.  War  es  der  Gang  der  Neuvermählten  um  den  Herd? 
Schrader  RL.  S.  356.  In  der  Edda  heißt  ganga  med  vere  (eigent- 
lich "gehen  mit  einem  Manne')  "vermählt  werden*. 

Graz.  R  Meringer.   . 


Über  präpositionslose  Ortsbezeiehnnng  im  Altlateinisehen. 

Inhaltsverzeichnis:  Einleitung.  —  Die  im  Altlateinischen  präpositionslos 
zur  Ortsbezeiehnnng  verwandten  Adverbien  und  Substantive  :  I.  Adverbien. 
IL  Substantive:  A.  Nomina  appellativa:  1.  Vorbemerkung.  2.  Einzelne 
Nomina :  a)  Nomina,  von  denen  mehrere  Kasus  prRpositionslos  verwandt 
werden :  rus,  vicinia,  domus,  humus ;  b)  Nomina,  von  denen  nur  je  ein 
Kasus  präpositionslos  verwandt  wird :  a)  Lokative :  hellt,  milUiae,  terrae ; 
ß)  Ablative :  terra  marique,  totus,  locus,  fini;  y)  Akkusative :  ire  (in) 
malam  erticem  {rem) ;  3.  Präpositionslose  Kasus  anderer  Nomina :  a)  Loka- 
tive, b)  Ablative:  a)  in  der  ursprunglichen  Bedeutung  dieses  Kasus; 
ß)  in  der  ursprünglich  dem  Instrumentalis  eigenen  Bedeutung;  y)  in  der 
ursprünglich  dem  Lokativus  eigentümlichen  Bedeutung:  b)  zur  Bezeich- 
nung der  Zugehörigkeit;  c)  Akkusative;  B.  Nomina  propria :  1.  Länder- 
namen; 2.  Namen  von  Inseln;  3.  Städtenamen;  4.  Namen  von  Flüssen, 
Meeren.  Gebirgen,  Vorgebirgen;  von  Stadtteilen;  Namen  der  Einwohner 
statt  der  des  Landes;  Bezeichnung  des  Ortes  durch  ein  Substantiv  mit 
einem  von  einem  Eigennamen  abgeleiteten  Adjektiv;  5.  Ortsnamen,  von 
denen  jeder  einzelne  verschiedene  Bedeutungen  hat:  6.  Eigeimamen  in 
attributiver  Verbindung  mit  einem  andern  Substantiv  an  Stelle  eines 
Adjektives;  7.  Stellen,  bei  denen  es  zweifelhaft  ist,  ob  ein  Eigenname 
steht  zur  Bezeichnung  eines  lokalen  Verhältnisses.  —  Anhang :  Unechtes 
oder  Verdächtiges.  —  Schlußwort. 


1)  Anders  über  Eid  Bnigmann  Kurze  vgl.  Gr.  S.  146,  der  alvoc  her- 
anzieht. Anders  über  Eidam  Wiedemann  BB.  27,  212. 


Ober  präpositionslose  Ortsbezeidmong  im  Altlateinischen.        297 

Einleitung. 

Die  Formen,  deren  sich  die  indogermanischen  Sprachen 
zur  Ortsbezeichnung  bedienen,  zerfallen  in  zwei  Klassen,  indem 
bald  ein  Kasus  eines  Nomens  oder  ein  Adverbium  präpositionslos 
verwandt,  bald  eine  Präposition  zu  Hilfe  genommen  wird.  Es 
kommen  also  drei  Wortarten  zur  Anwendung:  Nomina,  Adverbia, 
Präpositionen,  und  zwar  gehen  die  Präpositionen  alle  auf  Adverbia 
zurück,  die  Adverbia  selber  aber  lassen  sich  zum  größten  Teile 
auf  bestimmte  Kasus  von  Nomina  zurückführen,  und  auch  wo 
dieses  nicht  angeht,  besteht  prinzipiell  kein  Unterschied  zwischen 
den  beiden  Wortarten.  Denn  mögen  wir  den  Kasus  eines  Nomens 
als  Ortsbezeichnung  haben  oder  ein  Adverbium,  die  Bedeutimg 
setzt  sich  überall  aus  zwei  Elementen  zusammen,  nämlich  erstens 
dem  durch  den  Stamm  oder  die  Wurzel  bezeichneten  Begriff, 
und  zweitens  der  Beziehung  dieses  Begriffes  auf  irgend  einen 
andern,  und  zwar  wird  die  Art  dieser  Beziehung  gewöhnlich 
dadurch  angedeutet,  daß  man  den  Stamm  oder  die  Wurzel  durch 
Anfügung  einer  Endung  oder  durch  Dehnung  verändert  (flektiert); 
oft  aber  kann  auch  schon  der  unveränderte  Stamm  oder  die 
Wurzel  eine  bestimmte  Beziehung  des  Begriffes  auf  einen  andern 
ausdrücken. 

Eine  scharfe  Grenzlinie  zwischen  den  Kasus  der  Nomina 
und  den  Adverbia  zu  ziehen,  ist  also  sehr  schwer.  Doch  spricht 
man  bei  einer  Form  gemeinliin  von  einem  Kasus,  wenn  sie 
empfunden  wird  als  die  in  das  gewöhnliche  Deklinationsschema 
sich  einfügende  Ableitimg  eines  deklinierbaren,  d.  h.  zur  Be- 
zeichnung bastimmter  Verhältnisse  bestimmter,  durch  die  Namen 
Nominativ,  Genitiv,  Dativ  usw.  angedeuteter,  Veränderungen 
fähigen  Nomens.  Ist  dieses  nicht  der  Fall,  indem  ein  Ausdruck 
sich  nicht  nach  Form  und  Bedeutung  in  das  gewöhnliche  Schema 
einfügt  (vgl.  z.  B.  cadituSj  istac^  utrimque\  oder  nicht  als  Ab- 
leitung eines  deklinierbaren  Stammes,  sondern  als  starre  Einheit 
empfunden  wird  (vgl.  z.  B.  foras,  peregri\  oder  indem  keine  dieser 
beiden  Voraussetzungen  zutrifft  (vgl.  z.  B,procid^  prop^\  so  pflegt 
man  von  Adverbien  zu  sprechen.  Die  so  bestimmte  Grenze 
zwischen  den  beiden  Wortarten  wollen  auch  wir  im  folgenden 
anerkennen,  unbekümmert  darum,  daß  sich  dem  eindringenden 
Studium  des  Grammatikers  manches  als  Kasus  eines  Nomens  dar- 
stellt, was  auf  den  ersten  Blick  als  Adverbium  ei^scheint. 


298  J.  Heckmann, 

Weil  nun  der  möglichen  Beziehungen  der  Begriffe  zu 
einander  sehr  viele,  der  Kasus  aber  nur  wenige  waren,  so  ergab 
sich  in  vielen  FäDen  die  Unmöglichkeit,  die  Beziehung  durch 
einen  bloßen  Kasus  oder  ein  Adverbium  allein  hinreichend 
deutlich  zu  machen.  Da  half  man  sich  damit,  daß  man  zu  dem 
Kasus  oder  dem  Adverbium  ein  anderes  Adverbium  hinzufügte. 
Da  außerdem  die  den  Kasusendungen  eigentümliche  Kraft  sich 
mehr  und  mehr  abschwächte  und  femer  infolge  der  Ähnlichkeit 
der  Bedeutung  oder  der  Form  der  Kasus  mehrere  zu  einem 
verschmolzen  und  so  ihre  Zahl  sich  verringerte,  so  kam  es  all- 
mählich dahin,  daß  zur  Bezeichnung  bestimmter  Verhältnisse 
bestimmte  Adverbien  stets  mit  einem  oder  mehreren  bestinmiten 
Kasus  verbunden  wurden.  Dann  aber  nennen  wir  sie  nicht  mehr 
Adverbien,  sondern  Präpositionen.  Auf  diese  Weise  erklärt  es 
sich,  daß  der  Gebrauch  der  Präpositionen  um  so  häufiger  wird, 
je  weiter  wir  vom  Altertum  in   die  neuere  Zeit  hinaufrücken. 

Das  Altindische  z.  B.  hat  überhaupt  keine  eigentlichen 
Präpositionen,  und  die  Ortsverhältnisse  werden  durch  bloße  Kasus 
ausgedrückt,  denen,  wenn  es  nötig  ist,  zur  Verdeutlichung  em 
Adverbium  beigefügt  wird,  welches  aber  nicht  so  eng  mit  dem 
Kasus  verbunden  ist,  daß  man  von  Präpositionen  reden  könnte 
(vgl.  Whitney,  A  Sanskrit  grammar  §  1128).  In  den  romanischen 
Sprachen  dagegen  werden  Kasus  von  Nomina  überhaupt  nicht  mehr 
präpositionslos  zur  Ortsbezeichnung  verwandt,  und  auch  bei  den  Ad- 
verbien wird  zum  großen  Teil  eine  Präposition  zu  Hilfe  genommen. 

Ich  bin  dieser  Sache  nun  im  Altlateinischen,  aus  dem  sich 
ja  der  Gebrauch  im  klassischen  und  späteren  Latein  erklären 
muß,  näher  nachgegangen,  und  da  ergab  sich  zweierlei: 

1.  Es  kann  überhaupt  nur  eine  beschränkte  Zahl  von  Oxis- 
Verhältnissen  präpositionslos  ausgedrückt  werden. 

2.  Auch  diese  werden  nicht  immer  präpositionslos  aus- 
gedrückt. 

Über  den  ersten  Punkt  habe  ich  in  meiner  im  vorigen 
Jahre  erschienenen  Dissertation^)  gehandelt  und  dargelegt: 

Präpositionslos  werden  überhaupt  nur  diejenigen  Orts- 
verhältnisse ausgedrückt,  denen  eine  von  den  folgenden  Vor- 
stellungen zugrunde  liegt: 

1)  Priscae  Latinitatis  scriptores  qua  ratfone  loca  significaverhit  non 
uai  praepositionibus,  Inaugural-Dissertation,  Münster  190-i  (im  folgenden 
zitiert  als  D). 


Cber  präpositionslose  Ortsbezeichnung  im  Altlateinischen.        299 

1.  Die  einfache  Vorstellung  wo  ? ; 

2 woher?; 

3 wohin?; 

wobei  das  "einfach*  so  zu  verstehen  ist,  daß  die  Vorstellung 
nicht  anders  näher  spezialisiert  wird  als  durch  die  eigentümliche 
Bedeutung  des  Nomens  oder  Adverbiums  ^); 

4.  einige  näher  spezialisierte  Vorstellungen,  die  ursprünglich 
im  Indogermanischen  durch  den  Instrumentalis  bezeichnet  wurden. 
Wenn  dieser  lokale  Verhältnisse  ausdrückt,  so  bezeichnet  er  ent- 
weder die  enge  Verbindung  zweier  Dinge,  oder  die  Ausdehnung 
einer  Handlung  über  einen  bestimmten  Raum  oder  desseOsemSelne 
Teile,  und  hierher  gehört  auch  seine  Verwendung  zur  Bezeich- 
nung des  Weges,  auf  dem  eine  Bewegung  stattfindet 

Es  fragte  sich  nun:  Wie  werden  diese  Vorstellungen  formell 
im  Lateinischen  ausgedrückt?  Existieren  für  diese  vier  Klassen 
von  Vorstellungen  auch  bestimmte  Klassen  von  Formen,  deren 
jede  nur  zum  Ausdrucke  einer  bestimmten  Klasse  von  Vor- 
stellungen verwandt  wird?  Als  ausgemacht  gilt,  daß  ursprünglich 
zum  Ausdruck  der  Vorstellung  wo  ?  der  Lokativ,  der  Vorstellung 
woher?  der  Ablativ,  der  Vorstellung  wohin?  der  Akkusativ,  der 
Vorstellungen  der  vierten  Ai-t  der  Instrumentalis  diente.  Im 
Lateinischen  ist  aber  kein  Instrumentalis  vorhanden,  seine  Stelle 
vertritt  der  Ablativ,  desgleichen  ist  der  Lokativ  beschränkt  und 
zimi  Teil  durch  den  bloßen  Ablativ  ersetzt,  beim  Lokativ  ver- 
mutet man,  daß  er  auch  zum  Ausdruck  der  Vorstellung  wohin? 
und  woher?  verwandt  werde  usw.  In  Erörterung  aller  dieser 
Fragen  untersuchte  ich  also,  inwieweit  der  Casus  locativus, 
ablativus,  accusativus  oder  die  mit  einem  von  diesen  auf  gleicher 
Stufe  stehenden  Adverbien  in  einem  von  der  ursprünglichen 
Bedeutung  des  betreffenden  Kasus  abweichenden  Sinne  ver- 
wandt werden,  also  inwieweit  der  Lokativ  auch  auf  die  Frage 
woher?  und  wohin?,  der  Ablativ  auch  auf  die  Frage  wohin? 
und  wo  ?  und  in  der  Bedeutung  des  Instrumentalis,  der  Akkusativ 
auch  auf  die  Frage  woher?  und  wo?  stehe.  Dabei  ergab  sich 
folgendes :  Der  Lokativ  bezeichnet  nur  die  einfache  Vorstellung 
wo?,  nicht  auch  die  Vorstellung  woher?  imd  namentiich  nicht, 
wie  dies  bisher  vielfach  angenommen  wurde,   die  Vorstellung 

1)  Eine  nähere  Spezialisierung  des  Woher  ?  haben  wir  z.  B.  in  dem 
Satze  A  Gergotia  discesait,  d.  h.  *aus  der  Umgegend  von  Gergovia',  während 
Gergovia  discessit  einfach  heißen  würde  'von  Gergovia*. 


300  J.  Heckmann, 

wohin?  Der  Ablativ  steht  natürlich  zunächst  auf  die  Frage 
woher?,  entweder  um  die  Bewegung  von  einem  Oi-te  aus  zu 
bezeichnen,  oder  um  anzugeben,  von  welchem  Orte  aus  jemand 
handelt  (z.  B.  hinc  observo)^  das  letztere  eigentlich  nur  bei  Ad- 
verbien; sodann  aber  muß  er  einmal  in  weitem  Umfange  auch 
auf  die  Frage  wohin  ?  gestanden  haben,  denn  manche  Adverbien, 
die  der  Form  nach  auf  einen  Ablativ  zurückgehen,  antworten 
ausschließlich  oder  vorzugsweise  auf  die  Frage  wohin?,  z.  B. 
intro^  retro^  porro  usw.  Wenngleich  sich  für  die  Substantive 
kein  Beispiel  hierfür  mehr  anführen  läßt,  so  finden  sich  Spuren 
davon  doch  auch  bei  diesen,  denn  nicht  nur  ablativigßlie^d- 
verbien,  sondern  auch  bloße  Ablative  von  Substantiven  stehen 
zur  Bezeichnung  der  Zugehörigkeit,  deren  Vorstellung  doch  mit 
der  Vorstellung  der  Bewegung  nach  etwas  hin  enge  verwandt 
erscheint  Femer  ersetzt  der  Ablativ  im  Lateinischen  den  In- 
strumentalis. Dieser  aber  hatte  nach  der  Lehre  der  indoger- 
manischen Sprachwissenschaft  eine  doppelte  Bedeutung,  nämlich 
eine  komitative,  und  so  diente  er  zum  Ausdrucke  des  Dabei- 
seins oder  der  Begleitung,  und  eine  instrumentale,  und  so  wurde 
er  gebraucht  zur  Angabe  des  Mittels  oder  Werkzeuges.  Beide 
Bedeutungsarten  sind  natürlich  enge  miteinander  verwandt,  da 
das,  was  eine  Handlung  begleitet^  leicht  als  Mittel  zu  ihrer  Aus- 
führung erscheint  mid  oft  auch  wirklich  als  solches  dient.  Man 
könnte  ja  nun  denken,  eine  jede  Vorstellung  wo?  ließe  sich 
komitativ  auffassen,  indes  ist  zum  Ausdrucke  der  einfachen 
Vorstellung  wo?  auch  im  Lateinischen  ursprünglich  ein  eigener 
Kasus  vorhanden,  nämlich  der  Lokativ,  und  wo  der  fehlte,  diente 
in  mit  dem  Ablativ  und  ursprünglich  nie  der  bloße  Ablativ  als 
Ersatz.  Wird  aber  die  Vorstellung  wo?  gesteigert  und  entweder 
die  Verbindung  zwischen  zwei  räumlichen  Gegenständen  als  sehr 
enge  gedacht,  oder  die  Handlung  als  über  alle  Teile  eines  Raumes 
sich  erstreckend  vorgestellt,  so  steht  lateinisch  der  bloße  Ablativ, 
und  hier  liegt  auch  der  Ursprung  seiner  Verwendimg  zur  An- 
gabe des  Weges,  auf  dem  eine  Bewegung  stattfindet.  Über  die 
Verwendung  des  Ablativos  als  des  eigentlichen  Instrumentalis 
(zur  Angabe  des  Mittels  oder  Werkzeuges)  endlich  ist  zu  sagen, 
daß  die  Logik  des  Lateinischen  besondei's  scharf  ist  in  der  Er- 
fassung des  Verhältnisses  der  Kausalität  und  alles  als  Werkzeug 
einer  Handlung  zu  fassen  geneigt  ist,  ohne  das  die  Handlung 
nicht  stattfinden  kann.    So  sagt  der  Lateiner  sepukro  condere^ 


Ober  präpositionslose  Ortsbezeichnung  im  Altlateinischen.        301 

fh  pendere,  indem  er  sich  das  Grab  oder  den  Faden  als  Mittel 
des  Bergens  oder  Hangens  vorstellt,  während  der  Deutsche  an 
den  Oi-t  zu  denken  pflegt,  wo  etwas  geborgen  wird  oder  hängt*). 
Es  konnte  aber  der  Lateiner  ebenso  wie  der  Deutsche  sich  die 
Sache  rein  lokal  vorstellen,  und  nicht  bloß  sagen  septdcro  condere^ 
tedo  recipef'e^  sondern  auch  in  sepulcro  condere^  in  tecto  recipere. 
Der  bloße  Ablativ  also  drückte  die  Vorstellung  womit?  oder 
wodurch  ?  aus,  der  Ablativ  mit  in  dagegen  die  Vorstellung  wo  ?. 
Dieser  Unterschied  zwischen  den  beiden  Ausdrucksformen  muß 
wenigstens  ursprünglich  bestanden  haben,  denn  man  darf  un- 
möglich annehmen,  daß  zwei  verschiedene  Formen  von  vorn- 
herein zum  Ausdruck  einer  und  derselben  Vorstellung  dienten. 
Trotzdem  kann  beiden  Vorstellungen  dieselbe  Sache  zugrunde 
liegen.  Man  muß  demnach  unterscheiden  zwischen  der  Sache, 
der  Vorstellung,  die  der  Redende  davon  hat,  und  dem  Ausdruck, 
durch  den  er  seine  Vorstellung  andeutet*).  Je  geringer  nun  in 
unserm  Falle  der  sachliche  Unterschied  war,  um  so  leichter  konnten 
die  den  beiden  Ausdrücken  zugrunde  liegenden  Vorstellungen 
sich  miteinander  vermischen  oder  durcheinander  laufen,  und 
dann  wieder  ein  und  derselbe  Ausdruck  zur  Bezeichnung  beider 
Vorstellungen  gebraucht  werden,  und  dieser  Fall  ist  beim  bloßen 
Ablativ  eingetreten,  der  allmählich  mehr  und  mehr  auch  zum 
Ausdrucke  der  einfachen  Vorstellung  wo?  verwandt  erscheint 
So  liegt  dem  Ausdrucke  coUocat  in  litare  sicher  die  reine  Vor- 
stellung wo?  zugrunde,  dagegen  dem  Ausdrucke  quod  di  cdtis 
clausere  specis  vielleicht  nicht  mehr  die  reine  Vorstellung  wo- 
durch?, sondern  diese  vermischt  mit  der  Vorstellung  wo?,  dem 
Ausdrucke  miles  Hibera  terrast  sicher  die  reine  Vorstellung  wo  ?. 
Beispiele  der  letzten  Art  aber  sind  im  Altlateinischen  sehr  selten, 
fast  überall  läßt  sich  auch  ein  kausales  Verhältnis  denken.  Aus 
diesen  Gründen  nun  glaube  ich,  daß  der  Weg  zur  Verwendung 

1)  Ein  Analogen  bietet  die  Syntax  in  der  Lehre  von  cum.  Bekanntlich 
ist  dieses  tausendmal  mit  dem  Konjunktiv  verbunden,  wo  es  uns  rein 
temporal  verwandt  erscheint,  wenn  nämlich  der  durch  cum  eingeleitete 
Satz  Verhältnisse  angibt,  die  die  im  übergeordneten  Satze  ausgedrückte 
Erscheinung  erst  möglich  machen,  oder  aus  denen  diese  erfolgt.  Ober- 
setzen wir  dann  cum  durch  'als',  so  fassen  wir  das  Verhältnis  rein  temporal, 
der  Lateiner  aber  hat  es  kausal  gefaßt,  was  eben  durch  den  Konjunktiv 
bewiesen  wird ;  zur  Bezeichnung  der  Vorstellung  des  rein  temporalen  Ver- 
hältnisses nämlich  setzte  er  cum  mit  dem  Indikativ. 

2)  Bei  dem  sprachlichen  Ausdrucke  ist  bekanntlich  wieder  der 
schriftliche  Ausdruck  von  dem  lautUchen  zu  unterscheiden. 


302  J.  Heckmann, 

des  bloßen  Ablatives  in  rein  lokativischem  Sinne  über  den  in- 
strumentalen Ablativ  geführt  hat  und  ihn  die  Sprache  erst  kurz 
vor  der  ältesten  literarischen  Periode  eingeschlagen  hat. 

Der  Akkusativ  steht  ausschließlich  auf  die  Frage  wohin? 

Eine  ziemliche  Anzahl  von  Adverbien  läßt  sich  weder  der 
Form  noch  der  Bedeutung  nach  einem  bestimmten  Kasus  zu- 
weisen. Diese  waren  also  zum  Schlüsse  für  sich  zu  behandeln. 

Vorstehende  kurze  Darlegung  schien  mir  zum  Verständnis 
der  folgenden  Abhandlung  angebracht  zu  sein.  Es  handelt  sich 
also  hier  um  die  Beantwortung  der  zweiten  Frage:  In  welchem 
Umfange  werden  eben  jene  Verhältnisse  präpositionslos 
ausgedrückt?  Es  ergab  sich  bei  der  Untersuchung,  daß  dieses 
vorzüglich  abhängt  von  der  Art,  ja  von  der  speziellen  Bedeutung 
der  Wörter,  und  zwar  heben  sich  die  Adverbia  besonders  stark 
von  den  Nomina,  imd  wieder  einige  Gruppen  der  Nomina  von  den 
übrigen  ab.  Man  könnte  deshalb  die  Frage  auch  so  formulieren: 
Welche  Adverbia  und  welche  Nomina  finden  sich  im 
Altlateinischen  präpositionslos  zur  Bezeichnung  ört- 
licher Verhältnisse  verwandt?') 

1)  Funaioli  (in  der  Kritik  meiner  Dissertation  in  der  Wochenschrift 
für  klassische  Philologie  1905  S.  3  ff.)  und  der  Referent  in  der  deutschen 
Literaturzeitung  (in  einer  der  Januar-  oder  Februarnummern  dieses  Jahres) 
scheinen  angenommen  zu  haben,  diese  Frage  liätte  auch  schon  in  dem 
lateinisch  (als  Doktordissertation)  erschienenen  Teile  beantwortet  werden 
sollen.  Daß  dem  nicht  so  war,  ließ  sich  doch  aus  dem  Schlüsse  der  Abhandlung 
und  dem  voraufgeschickten  compectus  rerum  ersehen.  Behandelt  sind  in  der 
Arbeit  drei  Punkte,  nämlich  1.  welche  Verhältnisse  präpositionslos  ausge- 
drückt werden  können,  2.  welche  Formen  dazu  im  Altlateinischen  vorhanden 
sind,  3.  inwieweit  ein  und  dieselbe  Form  verschiedene  Verhältnisse  aus- 
drückt. Die  erste  dieser  Unterfragen  ist  in  dem  voraufgeschickten  allgemeinen 
Teile  (S.  5—7)  beantwortet,  die  beiden  andern  aber  sind  nicht  getrennt  be- 
handelt, sondern  es  sind  die  Formen  als  Leitfaden  genommen  worden,  und 
dann  ist  bei  jeder  gesagt,  welche  Vorstellungen  dadurch  bezeichnet  werden. 
So  erledigen  sich  offenbar  diese  beiden  Punkte  auf  einmal,  wie  auch  S.  5 — 7 
auseinandergesetzt  ist.  Daß  aber  trotzdem  die  Dissertation  äußerlich  in  zwei 
Hauptteile  zerfällt,  hat  einen  andern  Grund.  Um  nämhch  zu  sehen,  inwieweit 
eine  Form  verschiedene  Bedeutungen  bezeichnet,  war  vorher  zu  zeigen,  wann 
denn  die  Vorstellung,  wo?,  woher?,  wohin?  vorhegt,  welche  Unterarten  man 
bei  jeder  derselben  im  einzelnen  unterscheiden  kann,  und  mit  w^elchen  Verben 
sie  sich  verbinden  lassen.  Dies  sollte  dargelegt  werden  in  dem  Teile,  der 
die  Überschrift  trägt :  Qua  raiione  locativusj  ablntirus,  accusativus  loci  (ent- 
sprechend dem  Ausdrucke  der  Vorstellung  wo?,  woher?,  wohin?)  adhi- 
beatUur.  Dann  folgt  als  zweiter  und  wichtigerer  Abschnitt  die  Beantwortung 
der  Frage :    Quetnadmodum  eodem  ehe  adrerbio  aive  casu  vaHae  locorum 


Ober  präpositionslose  Ortsbezeichnung  im  Altlateinischen.        303 

Wir  teilen  also  danach  ein  und  handeln: 
A.  von  den  Adverbien;  B.  von  den  Substantiven.  Bei  den 
Wörtern  oder  Wortklassen,  die  in  der  Regel  oder  doch  sehr 
häufig  präpositionslos  verwandt  werden,  sind  auch  die  mit  Prä- 
positionen verbundenen  Formen  herangezogen,  um  womöglich 
zu  bestimmen,  nach  welchen  Gesetzen  in  der  Hinzufügung  oder 
Weglassung  der  Präpositionen  verfahren  wurde.  —   Übrigens 
soll  auch  hier  nur  von  den  Ausdrücken  gehandelt  werden,  mit 
.  denen  die  Römer  wirklich  eine  lokale  Vorstellung  verbunden 
]  haben.  Einige  Ausnahmen  werden  sich  von  selbst  rechtfertigen. — 
'Zu  den  altlateinischen  Schriftstellern  rechne  ich  diejenigen,  welche 
ihre  Schriften  alle  oder  doch  zum  größten  Teile  vor  dem  Jahre  75 
V.  Chr.  veröffentlicht  haben;  ich  folge  darin  Bell:  Delocativiin 
prisca  Latinitate  vi  atque  mu^  Vratidaviae  1889.  —  Der  in  Klam- 
mem beigefügte  Buchstabe  tt  deutet  an,  daß  Vollständigkeit  in 
Anführung  der  Stellen  erstrebt  ist 

Ich  zitiere  nach  folgenden  Ausgaben : 

T.  Macci  Plauti  com.  ex  rec.  G.  Goetz  et  Fr.  Schoell,  Lips.  1883  ff. 
(Kleine  Ausgabe).  —  P.  Terentii  comoediae.  Ed.  Fr.  Umpfenbach,  Berol. 
1870.  —  Scaenicae  poeseos  Romanorum  fragmenta.  Ed.  0.  Ribbeek,  Lips. 
1897  (Kleine  Ausgabe).  —  Fragmenta  poetarum  Latinorum.  Collegit  et 
emendavit  Aem.  Baehrens,  Lips.  1886.  —  CIL  I.  Ed.  Th.  Mommsen.  — 
M.  Porci  Catonis  De  agricultura  liber.  Recognovit  H.  Keil,  Lips.  1895 
(Kleine  Ausgabe),  die  Zahlen  beziehen  sich  auf  die  Seiten  und  Zeilen.  — 
M.  Catonis  praeter  librum  de  re  rustica  quae  exstant.  Ed.  Henr.  Jordan, 
Lips.  1860  (die  Zahlen  verweisen  auf  die  Seiten  und  Zeilen).  —  Veterum 
historicorum  Romanorum  relliquiae.  Disp.  rec.  praef.  est  H.  Peter,  Lips.  1870 
(die  Zahlen  verweisen  auf  die  Fragmente).  —  Oratorum  Romanorum  frag- 
menta. Collegit  et  illustravit  Henr.  Meyerus,  Turici  1832  (die  Zahlen  verweisen 
auf  die  Seiten).  —  Fontes  iuris  Romani  antiqui.  Ed.  C.  G.  Bruns,  Tubingae 
1879.  —  Jurisprudentiae  antehadrianae  fragmenta.  Ed.  Bremer,  Lips.  1896. 
Die  über  imsere  Frage  bereits  vorhandene  Literatur  ist,  soweit 
sie  mir  zugänglich  war,  vollständig  aufgeführt  D,  S.  3  f. 

ratioties  significentur.  Hierbei  war  allerdings  eine  vollständige  Anführung 
der  im  Altlateinischen  sich  findenden  Adverbien  nicht  zu  umgehen,  aber 
sie  war  nicht  Zweck;  die  Substantive  sind  keineswegs  vollständig  auf- 
geführt, sondern  nur  insoweit,  als  sie,  in  einem  bestimmten  Kasus  stehend, 
eine  diesem  Kasus  ursprünglich  fremde  Bedeutung  ausdrücken.  Der  Gang 
der  ganzen  Untersuchung  gestaltete  sich  dabei  freilich  etwas  verwickelt, 
aber  sollte  man  geneigt  sein,  dieses  zu  tadeln,  so  weise  man  nach,  wie 
es  sich  einfacher  hätte  machen  lassen.  Kann  man  das  aber  nicht,  so 
nehme  man  die  etwas  unübersichtliche  Anordnung  als  unvermeidlich  hin 
und  entschuldige  es  damit  auch,  wenn  in  dem  hier  vorliegenden  Teile  sich 
einiges  aus  der  Dissertation  wieder  abgedruckt  findet. 


304  J.  Heckmann, 


Die  im  Altlatein«  präpositionslos  zur  Ortebezeichnimg 
verwandten  Adverbien  und  Substantive. 

Die  verschiedenen  Formen  der  einzelnen  Adverbia  und 
Kasus  können  im  folgenden  unberücksichtigt  bleiben.  Über  die 
Form  der  Kasus  habe  ich  selber  das  Nötige  in  der  Dissertation 
gesagt,  über  die  der  Adverbien  vergleiche  man  Neue -Wagner, 
Formenlehre  2*. 

I.  AdyerbieB  (ir). 

1.  Ableitungen  von  pronominalen  Stämmen: 

hic^  hinc^  hue^  hoc:  Gas.  971,  Andr.  977,  Enn.  ann.  17f 
(Macr.  VI  1,  19); 

istic^  istinc^  istuc^  istac :  Trin.  383,  Enn.  trag.  226  (Cic.  nat 
deor.  m  25,  65); 

iUic,  iUinc,  üluc,  iUac:  Gas.  968,  Eun.  105; 

tW,  inde,  eo,  ea:  Rud.  178,  Cat  RR  38  (27); 

ibid^m^  indidem^  eodem^  eadem:  Pers.  445,  Stich.  452; 

cUibi^  cdiunds,  alio^  cdia:  Rud.  10  (tt); 

ubi^  unde^  quo^  qua :  Men.  237,  Enn.  ann.  176  (Macr.  I  4,  17): 

vbi  ubi:  As.  287,  Gas.  722;  unde  unde:  Ps.  106;  qtioquo: 
Aul.  448,  504,  Phorm.  551,  quaqm:  Epid.  673,  Mil.  92; 

ubiqtie:  Ein  sicheres  Beispiel  fehlt,  siehe  Luc.  805  (Non. 
223, 25);  undiqtw:  Most.  685,  Enn.  trag.  254  (Non.  183, 14);  quoque 
findet  sich  nur  in  der  Verbindung  quoqueversus:  GIL  I  577  I  19, 
n  6;  quoque  nur  in  der  Verbindung  usque  quoque:  Most  766, 
Afi-an.  198  (Non.  518,  6); 

ubicumque:  Bach.  252,  Ps.  579,  Heaut.575,  Trag.  ine.  ine. 92 
(Gic.  Tusc.  V  37,  108);  undecumque  findet  sich  nicht;  quocumque: 
Hec.  858;  quocumque:  Tog.  Afran.  178  (Non.  147,  1,  Prise.  8,  17 
838  P)  durch  Konjektur  (tt); 

ubivis:  Hec.  284,  Acc.  434  (Non.  219,  1);  quovis:  Acc.  599 
(Non.  185,  6);  undevis  und  quovis  finden  sich  nicht. 

Die  Zusammensetzungen  mit  Übet  sind  noch  nicht  zu  einer 
stan'en  Einheit  verschmolzen.  Quo  lubet  z.  B.  Aul.  647  Tempta 
quo  lubet.  —  JJUnoyn:  As.  328,  Trin.  1079;  undenom  findet  sich 
nicht;  quonam:  Trin.  1077,  Pac.  134  (Non.  38,  31,  codd.  quoniom): 
quonam:  Ad.  577  lU  atigiportum propter  est  —  Qiionom?  So  Fleck- 
eisen richtig;  A  quonam^  die  andern  quodfuxm  (ti).  —  Utrubi  (tt): 
Pall.  Naev.  81  (Ghar.  II 198  P),  Gat.  lord.  54  (5)  (ebenda).  Stich.  696, 


Ober  präpositionslose  Ortsbezeichnung  im  Altlateinischen.        305 

750  (codd.  färumubi^  corr.  Ritschi);  utrinde  (tt):  Cat  lord.  54  (5); 
viro  and  utra  finden  sich  nicht. 

Utrobique  (tt):  Cist  688,  Mil.  466;  utrimque  Amph.  111, 
219,  ö.;  tdroque  (tt):  Stich.  452;  utraque  findet  sich  nicht 

Neutrubi  (tt)  :  Aul.  233 ;  neutrinde^  netdro^  neutra  finden  sich 
nicht  —  Sicubi:  Cat  RR  77  (20),  16  (26);  sicunde  und  aiquo 
finden  sich  nicht;  siqtia  ist  vielleicht  lokal  zu  fassen  Aul.  301, 
Cist  182,  Atell.  Pomp.  114  (Xon.  17, 1),  Cat  RR  36  (18).  —  Necubi 
und  necunde  finden  sich  nicht;  nequo:  Rud.  777,  Cat  RR  14  (27), 
70  (28),  ö.;  nequa  (tt):  Ad.  626  Fieri  potis  est  ut  nequa  exeat\ 
vielleicht  modal. 

Usquam]  quoqmm:  Amph.  272,  Hec.  565,  Cat  RR  49  (4); 
quaquam  (tt):  Atell.  Pomp.  186  (Char.  11  192  P)  Negas  nuplam 
quaquam^  cod.  quamqiia.  vielleicht  modal;  Cist  475  si  a  .  .  .  . 
quaquam  ....  -4? ....  s;  mehr  ist  nicht  zu  entziffern.  —  Uspiam: 
Aul.  620,  Ad.  27;  qtwpiam:  Most  966,  Eun.  462.  —  Nusquam-, 
nequoquam  (tt):  Most  562  (codd.  nee  quoquam)'j  neqmquam  findet 
sich  nicht  lokal.  Nuspiam,  nequopiam^  quapiam^  nequapiatn  finden 
sich  überhaupt  nicht 

Älicubi^  (dicunde^  aliquo^  idiqua:  Mil.  221,  Ad.  283. 

2.  Andere  Adverbia  auf  -ä: 

Cmtra:  Cure.  162,  Mil.  3,  Trag.  Acc.  541  (Non.  512,  12), 
Cat  RR  24  (15).  —  Sxipra:  CIL  I  198,  24;  196,  25,  29,  Cat 
RR  23  (12);  circum  mpraqtw  (tt):  Pac.  86  (Varr.  LL  V  17).  — 
Infra  (tt):  Cat  RR  65  (21),  CIL  I  1166,  2.  —  (Circum)circa  (tt): 
Aul.  467.  —  Dextera:  Amph.  333,  243,  Cat  RR  28  (24).  — 
Sinistra:  Cat  RR  28  (24),  84  (15),  84  (22).  —  Una:  Most  277, 
Ps.  62,  As.  239,  586.  —  Recta:  Amph.  1042,  Jül.  491,  Eun.  87, 
Tog.  Aft-an.  107  (Non.  376,  6).  —  luxta  (tt):  Cl.  Quadr.  57 
(Gell.  II  2,  13). 

Die  Adverbia  auf  -ä  fungieren  meist  als  ablativi  viae. 
Wir  werden  darauf  an  der  betreffenden  Stelle  bei  den  Sub- 
stantiven eben  kurz  zurückkommen. 

3.  Adverbia,  gebildet  mit  dem  Suffix  -tro: 

Intro,  —  Betro:  Enn.  Sot  fragm.  535  (Censor.  70  H), 
Heaut  903,  Luc.  728  (Non.  326,  32).  —  Vitro  lokal  (tt)  :  Amph.  320, 
Capt  551,  Cas.  459,  Rud.  829,  Most  607  Ultro  te,  (Vetro  te  P, 
tino  .  .  .  A).  Porro:  Rud.  1034.  —  Vitro  cUroque  (tt):  Cat  RR 
33  (8),  Cat  orig.  95  (GeU.  VI,  3).  —  Retro  citroque  (tt)  :  Trag.  Pac.  334 
(Fest)  Rapide  retro  citroque  percito  aestu  praecipitem  rotem  reci- 


306  J.  Heckmann, 

procare.    So  Ribbeck,  der  Kodex  hat:   Rapide  reciproco  percUo 
anguslo  citare  reäem;  Hermann:  uUro  cUroque. 

4.  Adverbia,  gebildet  mit  dem  Suffix  -tus: 

Intus.  —  Subtus  (TT):  Cat  RR  41  (21),  62  (21),  80  (13).  — 
Penüus  lokal  (tt):  Trag.  Pae.  99  (Fest  343  M),  Ace.  401  (Cic. 
nat  deor.  II  35,  89),  Acc.  62  (Non.  187,  25);  Trag,  ina  ine.  154 
(Cia  de  off.  H  4,  13),  vielleicht  auch  Nin.  Crass.  2  (Prise.  I  502). 
—  Außerdem  ist  ^'ielleicht  lokal  zu  nehmen  divinum  Amph.  1105, 
Cure.  248,  Enn.  ann.  8  (Varr.  LL  V  59). 

5.  Erstarrte  Kasus  von  Substantiven: 
Foris  und  foras. 

Die  Präposition  ist  einmal  überliefert:  Enn.  trag.  139  (Non. 
353,  14)  Heäor  vi  summa  armatos  educü  [in]  foras^  aber  schon 
Mercer  hat  verbesseil;  edticit  foras,  —  An  einer  Stelle,  nämlich 
Most  405  Hasce  ego  aedis  occludam  hinc  foris^  muß  foris  abla- 
tivische Bedeutung  haben,  es  kann  diese  deshalb  auch  haben 
As.  319  Ne  quaeram  foris.,  Aul.  358  Ne  quaeras  foris;  Bacch.  648 
Ut  domo  sumeret  neu  foris  quaet*eret\  Cist  203  Ni  foris  quaeram; 
Mil.  347  Nee  rogo  utendo  foris  sc.  octdos  (so  AB,  CD  foras); 
638  Ne  quaeras  foris.  Die  Verben  des  Fragens  imd  Suchens 
konstruiert  nämlich  Plautus  ebensowohl  mit  dem  Ablativ  wie 
dem  Lokativ  ^). 

6.  Adverbia,  gebildet  durch  eine  Präposition  und  den 
Kasus  eines  Xomens,  doch  so,  daß  beide  zu  einer  Einheit  ver- 
schmolzen sind: 

Obdam,  —  Interrias  (tt):  Aul.  379,  Poen.  1162,  Eun.  629, 
PaU.  Turp.  196  (Xon.  538,  8).  —  Coram:  Tiin.  580,  Ad.  269, 
Phorm.  914,  Andr.  900,  CIL  I  199,  4.  —  Cominus  (tt):  Com. 
Sis.  Mil.  1  (Char.  II  175  P  194  K).  —  Eminm  (tt):  Naev.  pall.  34 
(Non.  462,  32)  Aiidiebam  hoc  mi  emintis^  ^hoc  mi  ennius'  codd., 
Coel.  Antip.  44  (Non.  89),  Corn.  Sis.  21  (Non.  555).  —  Ilico.  — 
Sublimen:  As.  867,  Men.  992;  Ad.  316.  —  Hieran  schließt  sich 
passend  peregre/i. 


1)  Ich  halte  foras  für  den  Akkusativ  und  foris  formell  für  den  Dativ- 
Ablativ  eines  ^-Stammes  (nach  der  ersten  Deklination,  vgl.  griech.  eöpa). 
Funaioli  (Rezension  S.  10  und  Arch.  f.  1.  L.  13,  324)  sieht  in  -h  eine  Neben- 
form von  -ibus,  also  den  Kasus  eines  Substantives  nach  der  dritten,  kann 
aber  zum  Beweise  nur  Beispiele  aus  dem  Spätlateinischen  anführen  {Sartiis 
neben  Sardibua,  TralUs  neben  TraUihus),  die  aber  docli  nichts  beweisen 
für  die  alten  Formen  foras  und  foris. 


über  präpositionslose  Ortsbezeichnnng  im  Altlateinischen.        307 

Die  beiden  Formen  peregri  und  peregre  halte  ich  für  nur 
in  der  Schrift  verschieden,  dagegen  dem  Ursprünge,  und  wenigstens 
bei  den  Alten,  auch  der  Bedeutung  nach  für  identisch.  Ich  sehe 
in  dem  peregre/i  den  Lokativ  von  ager^  dessen  Endvokal  lautlich 
zwischen  e  und  i  stand  und  deshalb  bald  durch  e,  bald  durch  i 
dargestellt  wurde,  mit  Vorsetzung  von  jper,  das  hier  nicht  als 
Präposition,  sondern  noch  als  Adverbium  zu  nehmen  ist,  aber 
nicht,  wie  Skutsch  (Jahrb.  f.  Philo!.  Supplem.  27,  97)  meint,  in 
der  Bedeutung  *über  —  hinaus',  denn  diese  hat  per  nach  Aus- 
-weis  der  Lexika  nicht,  sondern  einfach  in  der  Bedeutung  "über 
—  hin'.  So  scheint  es  sich  am  einfachsten  zu  erklären,  daß  das 
Wort  auf  die  Frage  wo?,  woher?  und  wohin?  antwortet,  wofür 
sich  Analogien  finden  in  den  Zusammensetzungen  etninus,  obviam^ 
coram^  während  die  einfachen  Kasus  immer  nur  auf  bestimmte 
Fragen  antworten  und  namentlich  der  Lokativ  sonst  nie  auf  die 
Frage  wohin  ?  steht.  In  peregre/i  aber  empfand  das  Sprachgefühl 
eben  infolge  der  Zusammensetzung  mit  dem  per  keinen  Lokativ 
mehr;  man  vergleiche  unser  *über  Land*.  Die  Präposition  ist 
bei  peregre  nirgends  überliefert,  denn  PI.  Caec.  fragm.  VI  in 
peregre  erklärt  Leo  ohne  Zweifel  richtig  =  isne  pe7*egre.  Über- 
liefert ist  Charisius  212  in  peregre  est^  aber  Char.  will  ein  Beispiel 
anführen  für  den  Gebrauch  des  Wortes  auf  die  Frage  wohin? 
Das  est  ist  also  mit  Leo  zu  tilgen. 

7.  Andere  Adverbia,  deren  erster  Bestandteil  eine  Prä- 
position ist: 

Exadvorsum:  Bacch.  835,  Phorm.  87,  Cat.  RR  24  (26).  — 
Advorsum :  Mil.  169,  Men.  437,  Amph.  675.  —  Sursum :  CIL  1 199, 
Cat.  RR  83  (9).  —  Seorsum:  Epid.  402,  Capt.  710.  —  Deorsum: 
Aul.  708,  Rud,  179.  —  Riirsum:  Capt.  128.  —  Prwsum:  Mil. 
1193,  Pei*s.  675,  Hoc.  315  Cursari  rurmm  prorsum, 

Inibi(Ti):  Pers.  125  Marsuppium  habet,  inibi pauilum  praesidv, 
Cat  RR  24  (23)  Preluyn  longum  P  XXV,  inibi  lingulam  P  II  S 
ifacito)',  25  (4)  Fwidamenta  facito  alta  P  F,  inibi  lapides  silices.  — 
Interibi  (tt):  CIL  I  196,  20  Neve  inier  ibei  (in  sacris)  virei  plons 
duobm,  midieres plous  tribus  arfuisse  velent.  —  Insuper  (tt):  CIL  I 
577  I  18,  Cat.  RR  25  (14),  (20),  85  (27),  Cass.  Hern.  37  (Plin.  Nat. 
bist.  Xm  84),  Enn.  ann.  290  (Macr.  VI  1,  24),  Cat.  RR  86  (1), 
38  (10),  38  (11),  50  (24),  61  (5),  61  (16),  84  (13).  —  Ad^o  findet 
sich  nur  einmal  rein  lokal,  und  zwar  in  der  Verbindung  usque 
adeo:  Cat.  RR  38  (6)  Librum  ad  librum  vorsum  facito,  aHito  usque 


308  J.  Heckmann, 

adeo  qtio  praeacueris.  —  Sublime:  Trag.  Naev.  30  (Non.  6,  17), 
Acc.  390  (Xon.  17,  11,  Cic.  Tusc.  II  10,  23),  Acc.  396  (Cic.  nat 
deor.  U  35,  89).  —  SubUmüer  (tt):  Cat  Ml  48  (19),  48  (23),  49  (1\ 
49  (2).  Vielleicht  sind  diese  beiden  Adverbia  mehr  modal  als 
lokal  zu  nehmen.  —  Protinam:  Cure.  363,  Phorm.  190,  PalL 
Naev.  35  (Non.  376, 12).  —  Protinus  lokal  (tt):  Com.  Sis.  6  (Non.376), 
id.  51  (ibid),  id.  56  (Non.  471),  Orat.  Scip.  Afric.  Mai.  (pg.  6, 
Gell.  IV,  18).  —  Procid,  —  Prope,  —  Propinque  (tt):  Ttuc.  498, 
575.  —  Propter  (tt)  :  Ad.  576,  Cat.  RR  76  (6),  Cat  orig.  71  (Probus 
zu  Verg.  bue.  pg.  4  K).  —  Propitis.  —  Proxume  (tt)  :  CIL  I  202 
n  40,  Bacch.  205  Proxume  vidniae  Iwhitat,  So  C  und  Charisius, 
die  andern  proxumae  vidniae;  Aul.  236.  —  Susque  deque  (tt): 
Amph.  885,  Luc.  79  (Gell.  XVI  9,  3);  an  beiden  SteUen  fast  modal. 

8.  Adverbia  mit  der  Partikel  secus: 

Utnmque  secus (n):  Cat  RR  27  (19),  27  (23),  27  (28).  AUrin- 
8ecus(Tc):  Merc.977,  Mil.446,  Ps.357  (altrim  secus),  862,  Rud.  1158.— 
Intnnsecus  (tt):  Cat  RR  28  (3),  77  (1).  —  Extnnsecus  (tt):  Cat 
RR  27  (25),  36  (17),  56  (5).  — 

9.  Adverbia,  gebildet,  indem  zur  Verdeutlichung  die  Partikel 
versus  an  eine  Form  gefügt  wurde,  die  schon  für  sich  allein  als 
Adverbium  im  Gebrauch  war: 

Aliovorsum,  aliquovorsum,  altrovorsum,  dextrovorsum,  liorsum, 
ülorsum,  introxxyrsus,  i^orsum,  pone  versum,  quorsum,  quoqiie  versus^ 
quoqiwvorsum,  retrovorsum.  utroque  vorsum;  —  siirsum  vorsum; 
Capt  656,  Cat  RR  32  (20),  CIL  I  199;  deorsum  versus:  Cat  RR 
78  (25),  Claud.  Quadr.  85  (Gell.  IX  1,  1);  rursum  vorsum:  Epid. 
247.  —  Näheres  über  diese  Adverbien  siehe  bei  Neue  2*,  744  ff. 

10.  Einzelheiten : 

luxtim  (tt):  Liv.  Andr.  11  (Baehr.  Non.  127,  30).  —  Pone  (tt): 
Phorm.  862,  Enn.  ann.  169  (Fest  356,  Paul.  357),  Luc.  292 
(Non.  552,  31)  Pom  pcdudafus  stabat  rorarius  veJox.  Doch  ist 
vielleicht  mit  Luc.  Müller  (Luc.  X,  9)  zu  schreiben:  potie  palu- 
datos.  Cat  lord.  35,  10  (Char.  11  191  P  214  K).  —  Circum: 
Most  348,  Ps.  899,  Trag.  Acc.  571  (Non.  463),  ö.  —  Prae,  nur 
in  den  Verbindungen  i  prae  und  ahi  prae:  Cist  773,  Cure.  487, 
Andr.  171,  Amph.  542,  Ad.  166,  ö.  —  Secundum  (tt):  Amph.  551 
I  tu  secundum.  Dagegen  ist  es  Präposition :  Stich.  453  Ite  hac 
secundum  vos  me  (A  rosmet).  —  QtmpropUr  vielleicht  lokal :  Enn. 
frgm.  465  (Gell.  IV  7),  Qua  propter  Hannibalis  copias  consideranf.  — 
Lotige,  —  Longinque  (tt)  :   Enn.  trag.  64.  —  Longule :  Men.  64, 


Ober  präpositionslose  Ortsbezeichnong  im  Altlateinischen.        309 

Rud.  265,  Heaut.  239.  —  Perlange  (ti):  Eun.  609.  —  Langius.  — 
Longissutne:  Capt  271,  Men.  834.  —  Usque  ist  nirgends  lokal  zu 
nehmen ;  es  hebt  überall  lediglich  den  Begriff  des  Wortes  her- 
vor, dem  es  beigefügt  ist,  und  verstärkt  diesen.  —  Usque  quaqus 
veitritt  die  Stelle  von  ubique:  Most  766,  Rud.  1294,  Afran.  198 
(Non.  518,  6). 

Überschaut  man  diese  Adverbien,  so  ergibt  sich,  daß  zur 
Bezeichnung  des  Ortes  sehr  selten  im  Altlateinischen  eine 
Präposition  einem  Adverbium  vorgesetzt  ist  Es  finden  sich  im 
ganzen  folgende  Beispiele:  iniW,  einmal  bei  Plautus,  zweimal 
bei  Cato  (RR);  inter  ibei^  einmal  im  SC  de  Bacch.;  (usque)  cideo^ 
einmal  bei  Cato  (RR),  inmper^  zehnmal  bei  Cato  (RR),  einmal 
bei  Cass.  Hemina,  einmal  im  CIL,  einmal  bei  Ennius  (ann.  290). 
Dagegen  gibt  es  kein  einziges  sicheres  Beispiel  dafür,  daß  so 
eine  Postposition  einem  Ortsadverbium  angefügt  wäre  (quapropter). 
Daß  es  aber  mit  dieser  Sache  einst  und  zwar  nicht  lange  vor 
dem  Beginn  unserer  literarischen  Überlieferung  sich  anders  ver- 
hielt, das  beweisen  nicht  nur  jene  noch  vorhandenen  Spuren, 
sondern  auch  Redensarten  wie  adhuc  locorum^  interea  loci  u.  a. 
Es  gab  also  eine  Zeit,  in  der  der  Sprachgebrauch  in  der  Hinzu- 
fügung der  'Präpositionen*  zu  den  Ortsadverbien  schwankte,  und 
die  Sprache  hat  hieraus  Kapital  geschlagen,  indem  sie  gemeinhin 
lokal  nur  die  einfachen  Adverbien  gebrauchte,  während  sie  die 
zusammengesetzten  auf  den  temporalen  und  modalen  Gebrauch 
beschränkte.  Obgleich  also  die  zusammengesetzten  Formen  hin 
imd  wieder  lokal  stehen,  und  im  weiteren  Umfange  die  ein- 
fachen temporal  und  modal,  so  gut  doch,  wo  einfache  Formen 
neben  den  zusammengesetzten  vorhanden  sind,  im  großen  und 
ganzen  die  Regel:  Die  einfachen  Adverbien  werden  vom 
Orte,  die  zusammengesetzten  von  der  Zeit  und  der 
Art  und  Weise  gebraucht  ^ 

II.  Sabstantiva. 

A.  Nomina  appellativa. 

1.  Vorbemerkung. 

Bei  den  mit  einer  Präposition  zusammengesetzten  Verben 
wird  die  Präposition  bald  beim  Nomen  nicht  wiederholt,  bald 
wiederholt.  Doch  auch  im  ersteren  Falle  kann  nicht  die  Rede 
sein  von  einer  präpositionslosen  Ortsbezeichnung,  vielmehr  hängt 

IiidosreniiaDiiclie  Forschnxigen  XVÜI.  ^  21 


310  J.  Heckmann, 

der  Kasus  von  der  im  Verbum  steckenden  Präposition  ab.  Es 
^wird  deshalb  genügen,  einige  Beispiele  anzuführen.  —  Die  von 
den  zusammengesetzten  Verben  abhängigen  Dative  bleiben  aus 
demselben  Grunde  unberücksichtigt 

Amph.  207  Abituras  agro\  Hec.  411  Ea  (midiere)  tne  absti- 
nuisse;  Tog.  Tit  45  Aedibus  absterrui;  Most.  900  Mtixumam  his 
qm  iniuriam  foribus  defendit;  Trag.  Liv.  Andr.  14  Temploque  hanc 
dedudtis;  Most  597  Neqtio  abeat  foras  urbe  exulatum;  Ps.  317 
Aut  terra  aut  mari  aliquonde  ev6lvam\  Phorm.  848  Nos  exanerastis 
tnetu;  Trag.  Naev.  9  Exigar  patriae  Acc.  334  Regno  exturbatas; 
593  Ecfer  te^  dimina  urbe\  Cass.  Hern.  17  Agro  publico  eiecti  sunt; 
Antip.  41  Navibus  atque  scaphis  egrediuntur;  Com.  Sis.  125  Marius 
ostio  Liris  evehitur,  —  Ampli.  423  Ingressust  viam;  As.  54  Bectam 
instas  viam\  Capt.  547  Ne  tu  quod  istic  fabtdetur  auris  inmittas 
tuas\  Cas.  307  Gladiutn  faciam  culcitam  eumque  incumbam ;  Merc.  14 
Sed  eam  ut  sim  implicatus  dicam\  Trin.  131  Quos  locos  adisti; 
Truc.  762  Post  id  ego  te  manum  iniciam:  Hec.  418  higressus mare\ 
Ad.  913  Ineo  gratinm;  Enn.  ami.  341;  Luc.  79;  Trag.  Naev.  62; 
Pac.  310;  Acc.  509 ;  598;  Cl. Quadr.  12;  294;  Merc.  334;  Antip.  41; 
Ad.  302  Tot  res  drcumvaUant  se. 

Der  bloße  Ablativ  statt  in  mit  dem  Ablativ  findet 
sich  so  nicht,  auch  der  stellvertretende  Dativ  ist  sehr  selten, 
bei  Plautus  gibt  es  kein  Beispiel  dafür;  die  Wiederholung  der 
Präposition  ist  durchaus  Regel.  Siehe  Ulrich :  De  verborum  com- 
positorum  qtiae  exstant  apud  Plautum  structura,  Halle  1880.  Öfter 
aber  ist  so  der  Ablativ  mit  einer  Partikel  verbunden,  die  in 
gleicher  Bedeutung  als  Präposition  nicht  mehr  gebräuchlich  wai*. 
Beispiele  (tt)  :  Amph.  216  Castris producit  exercitum;  As.  515  Quam 
illo  quem  amo  prohibeor:  831  Pietas  pater  ocidis  dolorem  prohibet: 
Capt  493  Quo  7ios  victu  ac  vita  prohibeant;  Cist  305  Prohibet 
divitiis  maxumis  dote  altüi  atque  opima;  Mil.  700  Me  uxore  pro- 
hibent;  Pall.  Turp.  91  (Xon.  363,  14)  Pat^-ia  p^otelatum  esse:  Tog. 
Afran.  313  (Don.  in  Ter.  Ad.  HI  4,  34)  Domo  atque  nostra  familia 
protruditur  (cod.  provenditur);  Cato  RR  14  (24)  Facilius  malo 
et  alienis  prohibebit^).  Amph.  239  Nee  recedit  loco;  Merc.  73  Post- 
qiuim  recesset  vita  imtri^)  corpore:  Enn.  ann.  324  (Fest  282,  285) 
Impetm  ut  longe  mediis  regionibus  restat:  Enn.  ti^ag.  312  (Cic. 


1)  Ein  Ablativus  instrumenti  dagegen  liegt  vor  Luc.  84  (Non.  217, 14) 
Non  peperitj  verum  posiica  parte  profudit. 


Ober  präpositionslose  Ortsbezeichnung  im  Altlateinischen.        311 

Tose.  I  44,  107,  Non.  405,  3)  übi  corpus  requiescat  malis;  viel- 
leicht auch  Bacch.  631  : 

His  foribus  atqm  hac  .... 

Beppidi,  reieci  Iiominem. 

Ritschi  ergänzte  hinter  hac  ein  mulieri;  Leo  plaiea  abegi, 
—  Acc.  511  (Non.  357,  13)  Ore  obscena  dicta  segregent;  doch 
findet  sich  einmal,  im  Carm.  Nel.  6  Se  cado  cedens  aurora  obstinet 
suumpatrem'^  vgl.  Naev.  bell.  Poin.  3  In  auream  mcHabant  victimam 
(Prob,  zu  Verg.  ecl.  VI,  31  und  Fest  190).  —  Phorm.  722  Nos 
nostro  officio  non  disgressos  esse;  Luc.  553  (Non.  284,  28)  Tarnen 
aut  vemica  aut  cicatrix  media papidae  differunt.  So  nach  Lachmann, 
die  Hddschr.  haben  medius;  Com.  Sis.  93  (Non.  91)  Legati  nocte 
appido  digressi,  —  Enn.  ann.  223  (Non.  110,  7)  Summotas  regno 
famtd  iit  vdut  infimus  esset.  So  Baehr;  die  Hddschr.  summo; 
Acc.  483  (Fest  78  M.)  Classis  adüu  occlvdüur.  So  bei  Ribbeck, 
die  Hddschr.  meist  aditoduditur.  Vielleicht  ist  auch  als  Ablativ 
zu  nehmen  MU.  1242  Prohibendam  mortem  mulieri  video,  vgl. 
jedoch  Cat.  RR  15  (26)  Scabiem  pecori  et  iumentis  caveto, 

2.  Einzelne  Nomina, 

a)  Nomina,  von  denen  mehrere  Kasus  präpositionslos 
verwandt  wurden. 

a)  Bus. 
Vgl.  Guil.  Görbig:  Nominum  qtdbus  loca  significantur  usus 
Flavdinus  eocponitur  et  cum  Terentiano  comparatur.  Hallenser 
Dissert.  1883;  P.  Laugen:  Beiträge  zur  Kritik  des  Plautus, 
Leipz.  1880.  Das  Wort  rus  verwendet  zur  Ortsbezeichnung  den 
Lokativ,  Ablativ,  Akkusativ  Singular  stets  präpositionslos,  wenn 
diese  Kasus  nicht  mit  einem  Attiibut  verbunden  sind.  Es  findet 
sich  (tt):  lokativisch:  Aul.  506,  Bacch.  365,  Capt  84,  Gas.  99, 
105  (vielleicht  liegt  hier  Dativ  vor),  110,  126  (TjCO  ervi),  129, 
781,  eist.  225/6,  Merc.  273,  509,  543,  686,  760,  766,  924, 
3Iost.  4,  7,  19,  35,  799,  Ti'in.  166,  Truc.  277,  914,  Phorm.  250, 
363,  Hec.  215,  Ad.  45,  95,  401,  542,  Tog.  Tit.  60/61  (Char.  I 
115  P),  175  (Fest.  215  M),  Cat.  RR  14  (10);  ablativisch:  As.  341, 
Merc.  586,  705,  807,  810,  814,  Most  1076,  Truc.  669,  693,  694, 
Eun.  611,  967,  Hec.  190;  im  Akkusativ  auf  die  Frage  wohin?: 
As.  342,  Bacch.  899,  Capt.  78,  Gas.  103,  109,  420  (nach  der 
Emendation  von  P.  Langen ;  überliefert  ist  ruri)^  438,  485,  487, 

21* 


312  J.  Heckmann, 

783,  Men.  63,  Merc.  68,  656,  667,  668,  711,  804,  Most  8,  66, 
74,  83,  929,  1044,  Ps.  549,  Truc.  285,  645,  Vid.  21  Operarium 
te  velle  ru<s  condu>c<et'ey\  Eiin.  187,  216,  533,  629,  Hec.  175, 
224,  586,  589,  610,  629,  Ad.  401,  433,  437,  518,  560,  840; 
Fall.  Turp.  77  (Non.  526,  1),  83  (Non.  186,  8),  Tog.  Titin.  43 
(Non.  406,  20),  176  (Fest  210),  Afran.  48  (Non.  475,  20,  codd. 
brtmre^  corr.  Guilelmus). 

Einmal  steht  der  Ablativ  mit  einer  Präposition:  Eun.  971 
Ex  tneo  propinquo  rure  hoc  capto  commodi.  Doch  hat  rws  hier 
die  Bedeutung  von  pi'oedium  und  ist  außerdem  von  einem  Attribut 
begleitet  Im  übrigen  sind  die  Formen  ruri^  rure,  riis  fast  zu 
Adverbien  geworden.  Der  Objektsakkusativ  rus  bezeichnet  bei 
Plautus  Most  16,  Truc.  269,  280  das  plumpe  Landleben  im 
Gegensatz  zur  geschliffenen  Urbanität  —  Den  Plural  soll  Cato 
gebraucht  haben ;  es  heißt  nämlich  bei  Servius  zu  Verg.  georg.  II 412 
Laudato  ingentia  rtirc^  eodguum  coles:  *Hoc  etiam  Cato  ait  in 
libris  ad  ßiurn^  die  Form  findet  sich  aber  nicht  mehr.  Über 
die  Schreibung  und  Unterscheidung  des  Lokatives  ruH  und 
des  Ablatives  rure  habe  ich  ausführlich  gehandelt  D.  S.  25  ff. 

ß)   Vicinia. 

Vgl.  Görbig  a.  a.  0.  S.  8  ff.  Die  Belegstellen  sind  (tt): 
Rud.  613  Sed  quid  hie  in  Veneria  fano  meae  viciniae  Clamoris 
oritur.  Meae  viciniae  fehlt  in  den  Handschriften,  wird  aber  er- 
gänzt aus  den  membranae  des  Tumöbe.  —  Bacch.  205  Ut  istuc 
est  hpidum;  proxume  viciniae  Habitat.  So  Charisius  und  C,  A 
fehlt,  B  proxumae  vicinif,  doch  ist  zwischen  den  beiden  Wörtern 
etwas  ausgekratzt,  D  proxume  vicinf^  FZ  proxume  i>icine.  — 
Mil.  273  Certe  edepd  scio  me  vidisse  hie  proxumae  vidniae-quaerere. 
So  A ;  B  C  D  jyröxume,  —  Phorm.  95  Modo  quandam  vidi  virginem 
hie  viciniae.  Charis.  95 :  hie  vi<nniae  Ter,  in  Hec. ;  Don.  ed.  pr. 
huic  vicine^  hoc  in  loco^  cuius  ad  locum  hinc  vidniam:  huic 
BDEFG,  hic  CP,  corr.  OJV  In  dem  huic  liegt  wohl  ein 
Schreibfehler  vor,  es  steht  für  hinc^  und  das  ist  für  das  ur- 
sprüngliche hic  eingedrungen  infolge  der  häufig  vorkommenden 
Formeln  civis  hinc  und  ähnlicher.  —  Aul.  390  Aulam  maiorem  si 
potes  vicinia  Pete.  So  die  Hddschr.,  A  fehlt,  die  ed.  minor  pote  ex^ 
ebenso  Leo.  —  Most  1062  Sed  quid  hoc  est  quod  foris  concre- 
puit  proxuma  vicinia.  —  Andr.  70  Ex  Andro  commigravit  huc 
viciniae.  A  fehlt;  BCDEGPÄwtc;  C  vicinia%  corr.  C,;  Non. 499 


Ober  präpositionslose  Ortsbezeichnung  im  Altlateinischen.        313 

Datimis  pro  accusativo:  Ter,  in  A:  Intera  ....  huic  viciniae] 
Prise,  n  187  Casttö  pro  casibus  figurate :  T.  in  A:  Ex  .  .  .  . 
huic  viciniae  pro  in  hanc  viciniam;  Don.  zu  V.  78  u.  Ad.  IV  4,  9 
Ex  ...  .  huic  viciniae.  Derselbe  zu  Phorm.  H  3,  21  In  malam 
crucem  adverbialiter  ut  hnc  viciniae.  So  in  der  ed.  Ven.,  in  der 
ed.  princeps  fehlt  der  Satz ;  Donat  zu  dieser  Stelle :  Huic  viciniae^ 
legitur  et  viciniä.    So  der  Par.,  die  ed.  pr.  vidnia. 

An  keiner  Stelle  ist  also  die  Präposition  überliefert.  Wollen 
wir  aber  ein  richtiges  Urteil  gewinnen,  so  sind  zunächst  bei- 
seite zu  lassen  Rud.  613,  Mil.  273,  Phorm.  95,  (Andr.  70).  Dort 
kann  nämlich  viciniae  auch  Genitiv  sein.  In  den  übrigen  läßt 
sich  die  Präposition  sehr  leicht  hinzufügen  Most.  1062  (proxuma 
a  piciniä)^  und  das  scheint  sich  fast  zu  empfehlen  Aul.  390 ;  denn 
die  Formel  si  pote  ist  sehr  häufig  bei  Plautus,  und  entspricht 
außerdem  vielleicht  dem  Sinne  besser.  Nur  in  dem  einen  Verse 
Bacch.  205  läßt  sich  die  Präposition  nicht  gut  einschieben,  man 
müßte  schon,  wollte  man  den  Lokativ  vermeiden,  hinter  proxume 
ein  hie  einfügen ;  denn  einen  Genitiv  von  proxume  abhängig  zu 
machen  erscheint  doch  zu  gewagt,  wenigstens  ist  mir  kein  Bei- 
spiel dafür  aus  der  alten  Latinität  bekannt  geworden. 

Die  Frage  aber,  ob  die  präpositionslosen  Formeln  proxumae 
viciniae  und  proxuma  vicinia  etwas  Anstößiges  haben,  ist  zu  ver- 
neinen. Fi'eUich  waren  Plautus  und  Terenz  im  allgemeinen  sehr 
sparsam  in  der  Verwendung  präpositionsloser  Kasus,  namentlich 
wenn  das  Substantiv  noch  ein  Attribut  bei  sich  hatte,  zur  Be- 
zeichnung lokaler  Verhältnisse.  Hier  jedoch  haben  wir  Formeln, 
die  in  der  Umgangssprache  häufig  gebraucht  wurden  und  sich 
deshalb  unverändert  erhielten  als  Zeugen  einer  früheren  Zeit, 
in  der  der  präpositionslose  Gebrauch  der  Kasns  allgemeiner  war. 
An  die  Umgangssprache  aber  lehnten  sich  die  Komiker  bekannt- 
lich an.  LT)rigens  empfand  man  die  Wortverbindung  proxumae 
viciniae  und  proxuma  vicinia  kaum  als  zusammengesetzt,  sondern 
vielmehr  als  Bezeichnung  eines  Begriffes,  ähnlich  wie  meae  domi 
und  dergleichen,  worüber  später.  Die  Präposition  ist  also  nirgends 
einzufügen,  auch  nicht  Aul.  390,  denn  die  überlieferte  Lesart  ist 
verständlich  und  deshalb  beizubehalten,  obgleich  immerhin  die 
Lesart  »i  pote  mehr  mit  dem  Plautinischen  Sprachgebrauch  über- 
einstimmen mag.  (Man  könnte  auch  an  si  potis  denken,  das  sich 
statt  si  pote  findet,  aber  eine  Änderung  ist  nicht  nötig.)  Ob 
das  viciniae  Rud.  613,  llil.  273,  Phorm.  95  Lokativ  oder  Genitiv 


314  J.  Heckmann, 

ist,  muß  ich  unentschieden  lassen.  Bei  Ter.  Andr.  70  ist  es  natür- 
lich Genitiv,  denn  die  Alten  haben  den  Lokativ  nicht  zur  Be- 
zeichnung der  Vorstellung  wohin?  verwandt.  Der  Genitiv  aber  ist 
beizubehalten  und  nicht  in  tdciniam  zu  ändern,  weil  sich  nicht 
einsehen  läßt,  wie  ein  ursprüngliches  hm  viciniam  zu  huk  vi- 
ciniae  geworden  wäre,  dagegen  ein  huc  viciniae  leicht  zu  huic 
viciniae  wurde,  da  die  Dichter  der  Augusteischen  Zeit  das  Ziel 
der  Bewegung  gern  durch  den  Dativ  ausdrückten.  Die  Lesart 
huc  victniam  endlich  scheint  ein  römischer  Philologe  eingeschwärzt 
zu  haben,  verleitet  durch  das  ziemlich  häufige  hie  viciniae.  — 
Ein  sicheres  Urteil  läßt  sich  auch  über  diese  Stelle  nicht  abgeben. 
Ich  verwerfe  also  die  Lesung  Fleckeisens  Andr.  70:  huc  viciniam^ 
und  möchte  Bacch.  205  schreiben  proxume  viciniae,  Aul.  890  aber 
si  potes  vic.  oder,  wenn  durchaus  die  zweite  Person  vermieden 
werden  soll,  si  potis  vic.  Zu  demselben  Resultate  ist,  z.  T.  von 
anderen  Gesichtspunkten  aus,  auch  Görbig  gekommen. 

t)  Domus. 

Vgl.  Görbig,  S.  12  ff.,  Abraham :  Studia  Plautina,  Jalu-bücher 
für  Philol.  Suppl.  14  S.  127  ff. 

Es  finden  sich  Kasus  des  Singulares  wie  des  Plurales, 
mit  Präposition  und  ohne  Präposition,  mit  Attribut  und  ohne 
Attribut 

1.  Die  Kasus  des  Singulares:  a)  Ohne  Attribut  und 
ohne  Präposition.  Dafür  Belegstellen  anzuführen,  ist  überflüssig. 

b)  Ohne  Attribut  mit  Präposition  (tt):  Aul.  105  Discrucior 
aninii,  quia  ab  domo  af)eufidum  est  mihi.  So  P;  A  fehlt.  —  Ep.  681 
Num  ab  domo  absum.  So  P,  A  fehlt.  —  Stich.  523  Nimiast  volup- 
tas  si  diu  afueris  a  domo.  So  nach  Görbig  in  allen  MSS,  aber 
in  A  liest  man  heute  afueris  domo,  —  Enn.  trag.  63  (Non.  402,  3) 
Lonyinque  ab  domo  bellum  gerentes.  —  Sonst  ist  in  diesem  Falle 
die  Präposition  nirgends  überliefert,  namentlich  fehlt  sie  immer 
bei  Terenz. 

c)  Ohne  Präposition  mit  Attribut.  Nichts  beweisen  folgende 
Stellen:  Ep.  145  Meam  domum  ne  inbitas;  Merc.  831  Hmic  hodie 
postremum  extoUo  mea  domo patria pedem\  Phormio  425  Aut  quidem 
cum  lixore  hac  ipsum  prohibebo  d<ymo.  —  Die  Kasus  können  nämlich 
von  der  im  Verbum  steckenden  Präposition  abhängen.  —  Ein 
instrumentaler  Ablativ  liegt  vor  in  CIL  I  1009  Tefiebris  temntur 
Ditis  aeterna  domu,  —  Außerdem  aber  finden  sich  rein  lokal 


über  präpositionslose  Ortsbezeichnung  im  Altlateinischen.        315 

folgende  Verbindungen^)  (tt):  meae  domi:  Aul.  432,  Cure.  518, 
Epid.  499,  563, 3^ül.  158,  739,  Most.  191;  Hec.  257;  Cat  Jord.49(7) 
(Chans.  101  P,  126  K)  Domi  meae  saepe  fuü.  —  domi  siuw:  Pers. 
512,  Truc.  530.  —  domi  nostrae:  Men.  359,  Most.  874,  Poen.  828. 
—  domum  meam:  C.  Gracch.  118  (Gell.  XV  12),  Domum  meam 
introivit  (Introire  ist  nicht  transitiv  im  Altlateinischen.)  —  domum 
8nam:  Araph.  663,  Rud.  1252.  —  domum  nostram:  Acc.  praet  41 
(Varr.  VI  7,  VU  72)  Nocte  intempesta  nostram  devenit  domum.  — 
domum  vostram:  Amph.  410.  —  domum paternam:  Enn.  trag.  281 
(Cic.  de  erat.  HI  58,  217)  Quo  nunc  me  votiam^  quod  iter  incipiam 
ingredi^  Domum  patemamne  an  ad  Pdiae  ßias? 

d)  Mit  Attribut  und  mit  Präposition :  in  7wstra  domo :  Cas.  620, 
Ps.  84.  —  in  nostram  domum:  Amph.  409  (introeo\  Capt.  911, 
Trin.  382.  —  in  domo  istac:  Cure.  208;  ex  hoc  domu:  Mil.  126; 
in  hanc  domum:  Eun.  365;  una  in  domo:  Ad.  747;  in  patriam 
domum:  Stich.  507;  ad  alienam  domum:  Rud.  116;  in  domum 
meretriciam:  Eun.  381;  in  domo  meretricia:  Eun.  960;  Orat 
Aem.  Pauli.  92:  Si  adversi  quid  populo  Romano  immineret^  id 
totum  in  meam  domum  famüiamque  converteretur  ( Val.  Max.  V 10, 2) ; 
Cat.  RR  64  (27):  lupiter  dapalis  quod  tibi  fieri  oportet  in  domo 
familia  mea  ctdignam  dapi  .  .  . 

e)  Unsicher  oder  schwankend  ist  die  Überlieferung  in 
folgenden  (tt):  Mil.  484.  Hier  hatte  Ritschi  einst  geschrieben: 
Eam  modo  nostrae  offendi  dümi\  A  hat  eam  modo  offendam^ 
P  ea  domo  offeyidi  oder  ostendi,  Ritschi  hat  auch  Stich.  192  des 
Metrums  wegen  die  Präposition  eingefügt.  Hier  hat  A  ni  vere 
perieritj  si  cenassit  domi\  P  ni  vere  perlerü  oder  nive  repleverit 
domo.  —  Stich.  590  f.  Et  equidem  simitu  haud  maligne  vos  invitassem 
domum  Ad  me^  sed  <mi>hi  ipsi  Kdoymi  meae  nü  est  atque  hoc 
scitis  vos,  V.  591  felüt  in  P,  findet  sich  aber  in  A,  die  Er- 
gänzungen sind  von  Studemund  und  Seyffert.  —  Truc.  262  Sed 
volo  scire  quid  debetur  hie  tibi  in  nostra  domo]  so  in  A,  P  hat 
nostrae  domi,  danach  Leo  u.  ed.  min.  —  Enn.  ann.  60  (Fest  325) 
Virgine  nam  sibi  quisque  domi  Bomanus  havet  sa.  Der  Kodex  hat 
Virgines  —  habet  sas,  und  so  muß  schon  Festus  nach  seinen 
eigenen  Worten  gelesen  haben.  Nehmen  wir  die  Verbesserung 
Virgine  —  havet  sa  mit  Baehrens  an,  so  ist  domi  natürlich  Genitiv.  — 


1)  Die  Belegstellen  für  Fl.  und  Ter.  hat  bereits  Görbig  vollständig 
gegeben.  Es  mag  also  genügen,  diese  kurz  anzudeuten. 


316  J.  Heckmann, 

Enn.  ann.  130  (Fest  169)  Nävus  repertm  homo^  Graio  patre,  Oraius 
domo  rex.  So  Baehrens  nach  Fruterius  und  Bergk,  der  Kodex 
hat  homo.  Es  ist  wohl  dornt  vorzuziehen,  vgl.  Tnic.  530,  wenigstens 
weiß  ich  aus  dem  Graius  domo  rex  nichts  zu  machen.  —  Ldv. 
Andren.  Od.  20  (Baehr.,  Char.  197  K)  Donicum  vidMs  Me  car- 
pento  vefientem  en  domum  Denisse.  So  Baehr.,  überliefert  ist 
vehementem  domum.  —  Tit  77  (Non.  102,  2)  gehört  nicht  hierher. 

2.  Für  den  Plural  finden  sich  folgende  Beispiele 
(tt):  Poen.  814  Domos  abeamm  nostras;  Enn.  ann.  179  (Non. 
385,  17)  Mox  auferre  domos  .  .  .;  Cl.  Quadr.  23  (Gell.  XVn  2,  5) 
Domus  Sims  quemque  ire  iussü.  Die  Präposition  findet  sich  dabei 
nicht. 

Der  Lokativ  domui  findet  sich  in  der  alten  Latinität  nicht, 
also  ist  die  Bemerkung  Neue- Wagner  n  650,  domi  sei  der  Lo- 
kativ eines  w-Stammes  und  aus  domui  entstanden,  irrig.  Vielmehr 
ist  domus  wie  das  griechische  öo^oc  ein  o-Stamra  und  dann  in 
die  vierte  Deklination  übergetreten,  hierauf  endlich  durch  Ana- 
logie der  Lokativ  domui  gebildet  Der  Dativ  domui  findet  sich 
Com.  ine.  ine.  53  (Char.  V  252  P)  Qui  te  tutamen  fore  speraret 
famüiae^  domuique  columen.  Der  Genitiv  domi  findet  sich  nicht 
nur  bei  PL  und  Ter.  (Görb.  S.  17),  sondern  auch  Caec.  Stat  284 
Decora  domi  (bei  Don.  zu  Ter.  Eun.  IV,  7,  45). 

Über  die  Bedeutung  des  Wortes  domus  bemerkt  Gürbig: 
"Apud  Pluutum  verba  habere  et  esse  (cum  dativo)  saepe  locativum 
domi  adsciscunt^  quo  vis  possessionis  migeatur  ita,  ut  domi  fere  idem 
significet  quod  nos  didmus  Mn  Besitz,  zur  Verfügung*,  Poen,  857 
Quid  est  quod  male  sit  tibi  cui  domi  sit  quod  edit\  Capt.  318,  581, 
Stich.  693,  Trin.  733^  Mit.  191 — 4,  Similitei'  domi  vel  domo  cum 
'de  me'  iungitur  velpi'o  ^me'  ponitur  cum  significatimie  ""meo  exempio\ 
ut  Cos.  121,  Cist.  204,  Merc.  355,  Amph.  637,  Truc.  454.  Äpud 
Terentium  hae  locutiones  non  inveniuntur  (vergleiche  jedoch  donn 
habuit  U7id£  disceret  Andr.  418)."  Im  übrigen  können  wir  hinzu- 
fügen: auch  bei  den  andern  Autoren  nicht  —  Überhaupt  haben 
die  Alten  mit  den  Worten  domi,  domum,  domos,  domo  kaum  die 
Vorstellung  eines  Gebäudes  verbunden  (diese  wird  durch  aedes 
ausgedrückt),  vielmehr  sind  es  fast  Adverbien  und  die  Opposita 
entweder  foris,  foras  oder  militiae,  belli,  peregri.  Sie  entsprechen 
also  ungefähr  unserem  *heim,  daheim*.  Der  Beweis  für  meine  Be- 
hauptung ergibt  sich  zunächst  aus  den  Stellen,  wo  domi  oder 
domo  bedeuten  'zur  Verfügung,  im  Besitz*.   Außerdem  vergleiclie 


über  präpositionslose  Ortsbezeichnung  im  Altlateinischen.        317 

man  folgende  Stellen :  Tiuc.  530  Sed  istae  (andUae)  reginae  dornt 
suae  fuerurU  ambae;  Amph.  188  Legiones  reveniunt  domum-^  Epid. 
206  Ä  legione  omnes  remissi  sunt  domum  Thebis;  Amph.  207  8e 
exercitum  extempb  reducturum  domum '^  Bacch.  1071  Domum 
reduco  omnem  integrum  exercitum;  Capt  197  Domi  fuistis  credo 
liberi;  Men.  343;  Mil.  1101;  Pere.  685;  Poen.  966;  Ps.  1171;  Trag. 
Enn.  188  (Gell.  XIX  10,  11)  Neque  domi  neque  müitiae  sumus; 
Naev.  pall.  93  (Char.  11  189  P)  Domi  patres  patriam  tU  colatis 
potius  qtiamperegri  probra,  (Überliefert  ist  domos;  domi :  Buecheler 
und  Müller.)  As.  59  domi  dueUique;  Enn.  trag.  221  (Cic.  fam.Vn  6); 
Enn.  ti-ag.  78  (Cic.  Tusc.  HI  9,  44);  Enn.  praet  3  (Non.  471,  18); 
Cat  lord.  47,  17  (Fest.  234);  Sext.  Turp.  97  (Non.  534,  7);  Cat 
orig.  lord.  15,  5  (Prob,  zu  Verg.  buc.  V  3);  Cael.  Antip.  45  (Non. 
508).  Hier  sind  die  Opposita  überall :  peregri^  heilig  müitiae.  Daß 
aber  auch  sonst  nicht  an  ein  Gebäude  zu  denken  ist,  zeigen 
Stellen  wie  Ad.  908  Atqtie  lianc  in  horto  maceriam  iube  dirui. 
Quanttim  potest^  hac  transfer^  unam  fac  domum;  Mil.  121  Hie 
postqtmm  in  aedis  me  ad  se  deduxit  domum.  Damit  hängt  es  denn 
zusammen,  daß  der  Singular  auch  da  erscheint,  wo  an  mehrere 
verschiedene  Heime  zu  denken  ist.  Der  Plural  findet  sich  in 
diesem  Sinne  im  ganzen  nur  dreimal,  sonst  stets  der  Singular. 
Beispiele  dafüi-:  Stich.  29  Nam  viri  nostri  domo  ut  abierunt;  Afran. 
107  (Non.  376,  6)  Domum  digredimur;  Aul.  480;  Epid.  206; 
Poen.  34;  Rud.  302;  Capt.  844;  Cure.  298;  Mil.  165;  Most.  281; 
Poen.  21,  25,  26,  27,  29,  31,  35,  537;  Ps.  211;  Stich.  693;  Pomp.  85 
(Non.  474,  20  nach  einer  Konjektur);  Cl.  Quadr.  45  (Macrobius 
I  4,  18).  Bei  Ter.  findet  sich  ein  solches  Beispiel  nicht  —  Für 
Plautus  vgl.  man  jedoch  auch  Rud.  1252  Sed  cum  inde  suam 
quisque  ibant  divorsi  domum;  Truc.  838  Abite  tu  domum  et  tu  autem 
domum.  —  In  der  Anuäherung  dieser  Formen  an  die  Adverbion 
liegt  offenbar  auch  der  Grund  dafür,  daß  sie  sich  nur  mit  be- 
stimmten Präpositionen  verbinden,  nämlich  mit  »w,  od,  a,  ex  bei 
Plautus;  bloß  mit  in  bei  Terenz;  mit  in  und  ab  bei  den  anderen. 
Vergl.  Görbig  S.  16,  der  fortfähi*t:  Si  connexus  sententiarum  alias 
praepositioms  postidat,  täerque  poeta  usurpat  vocabidum  aedes :  Trin. 
1011,  Andr.  IV,  4,  34.  Ähnlich  Pomp.  33  (Non.  39,  1)  Elimimbo 
extra  aedis  coniugem  und  Enn.  trag.  215  (Non.  39,  1)  Te  extra 
aedis  eliminas.  Den  Genitiv  hat  keiner  der  alten  Autoren  mit  jenen 
Formen  verbunden,  doch  liest  man  Enn.  ann.  361  (Auson.  technop. 
13, 13)  Divom  domus  aliisonum  cael.  Dies  alles  w^ar  hier  auseinander 


318  J.  Heckmann, 

.  zu  setzen,  weil  die  adverbiale  Bedeutimg  von  Einfluß  auf  die  Aus- 
lassung der  Präpositionen  zu  sein  scheint  Die  Präposition  aller- 
dings auch  da  zu  tilgen,  wo  domus  mit  einem  Attribut  verbunden 
ist,  geht  offenbar  nicht  an,  wohl  aber  möchte  ich  dieses  mit 
Abraham  gegen  Görbig  tun  in  den  drei  Plautinischen  Beispielen 
Aul.  105,  Epid.  681,  Stich.  523,  wo  die  Formen  ohne  Attribut 
teilweise  mit  einer  Präposition  überliefert  sind.  Enn.  trag.  63 
(Non.  402,  3)  wird  die  Präposition  indes  wieder  geschützt  durch 
das  Imginque,  —  Abraham  will  die  Präposition  auch  da  tilgen, 
wo  bei  Plautus  ein  possessives  Pronomen  das  Attribut  ist,  also 
Gas.  620,  Ps.  84,  Amph.  409,  Gapt  911,  Trin.  382.  Mir  erscheint 
es  zu  gewagt  —  Zu  dem  Verse  des  Liv.  Andron.  20  Donicum 
videbis  me  carpento  vekentem  en  domum  venisse  gehört  wahrschein- 
lich Hom.  Od.  VI  295  Etc  6  k€V  fmeic  äcwbe  iXGuü^ev  Kai  iKÜb^eöa 
büb^aia  Traipoc  Die  Schreibung  vehentem  en  domum  statt  des  über- 
lieferten vehementem  domum  ist  also  nur  zu  billigen,  wenn  man 
annimmt,  daß  ein  Attribut  wiepatemam  folgte.  Eine  Entscheidung 
über  die  andern  Stellen,  an  denen  die  Überlieferung  schwankend 
oder  verderbt  ist,  erscheint  für  die  Feststellung  der  Regel  un- 
nötig. Die  Regel  würde  also  lauten:  Wenn  das  Wort  domus 
im  Altlateinischen  ohne  Attribut  steht,  so  fehlt  die 
Präposition,  in  der  Verbindung  mit  einem  Possessiv- 
pronomen wird  die  Präposition  bald  hinzugefügt,  bald 
ausgelassen,  in  der  Verbindung  mit  einem  anderen  at- 
tributiven Adjektiv  steht  die  Präposition,  doch  hat 
Ennius  einmal  domum  paternam^  wobei  aber  nicht  zu 
übersehen  ist,  daß  die  beiden  Worte  offenbar  von 
altersher  zu  einem  Bogriffe  vereinigt  sind.  Vergl.  was 
über  viciniu  bemerkt  ist 

Zusatz  1.  Der  Akk.  domum  steckt  auch  in  der  Verbindung  domuUio, 
mag  nun  so  zu  schreiben  sein  oder  domumitio  oder  domum  itio,  worüber 
zu  entscheiden  nicht  zu  unserer  Aufgabe  gehört.  Die  Schreibung  domum 
üio  scheint  empfohlen  zu  werden  durch  die  Art,  wie  PI.  die  Verbalsub- 
stantive auf  'io  gebraucht  und  konstruiert.  Überliefert  ist  meist  domu{i)tio. 
Es  findet  sich  (tt):  Luc.  470  =  Trag.  ine.  ine.  27  DomuHonis  cupidi;  so  die 
Hddschr.,  die  Herausgeber  domum  itionis.  —  Trag.  Pac.  171  domutianem 
dedit;  so  in  den  Hddschr.  des  Non.  96,  1,  auch  im  Lemma;  Herausg. 
domum  itionem.  —  Acc.  172  Ab  domuitione  arcere  (Non.  357,  domuitionem  uj). 
—  Trag.  ine.  ine.  26  lam  domum  itionem  reges  [et]  Ätridae  parant.  Über- 
liefert ist  (Rhet.  ad  Hererm.  III  21,  34)  zweimal  domi  ulHonem. 

Zusatz  2.  Statt  des  Wortes  domus  hat  Ennius  auch  do  gebraucht : 
Ann.  362—364,  vgl.  Arch.  f.  1.  L.  II  475.    362  ..  .  endo  suam  do   363  ..  . 


Ober  präpositionslose  Ortsbezeichnung  im  Altlateinischen.        319 

namque  suam  do\  364. . .  in  do  ibam  ^).  Gharis.  278 K  sagt :  Syllaho  ut  e.  a.  d, 
pro  domutn ;  Prob.  263  K  hat  namque  auam  do  (=  363) ;  Mar.  Vict.  VI  56  K : 
endo  sua  duo,  d.  h.  in  8ua  domo ;  Consent.  V  388  K :  ut  endo  suam  do,  nur 
daß  die  Hddschr.  bieten  tetendit  statt  endo.  —  Anstoß  erregt  nur  364  in 
do  ibam]  es  ist  wahrscheinlich  zu  schreiben  indo  ibam  =  ifitro  ibam. 

b)  Humus. 
Es  findet  sich  nur  ein  sicheres  Beispiel  Ter.  Andr.  726 
Atque  ante  nostram  iamiam  appone.  —  Obsecro^  humine?  (Görb.  S.  18). 
Die  Stellen  Trag.  Enn.  396  (Varr.  LL  V  23)  Cubitis  pinsibant 
humumj  Pac.  351  (Mar.  Vict.  VI  77  K)  Tradate  per  aspera  saxa 
et  humum]  Lex  de  aqu.  duct  aetat  ine.  Bnins  44,  7  Äqtuz  quae 
humum  accidü^  gehören  offenbar  nicht  hierher.  Bei  Luc.  710 
(Non.  175,  12)  Hie  in  stercore  humi  kann  Genitiv  vorliegen,  und 
Stich.  354  Finge  humum  ist  noch  nicht  genügend  erklärt  oder 
verbessert,  doch  zweifelt  man  nicht  an  einem  Akkusativ  des 
Objektes. 

b)  Nomina,  von  denen  nur  je  ein  Kasus  präpositionslos 
verwandt  wird. 

a)  Lokative. 

1.  Dudli  (beut)  und  müitiae.  Vgl.  Görbig  S.  18. 

Die  eine  wie  die  andere  Form  findet  sich  im  Altlateinischen 
nur  in  Verbindung  mit  dem  Lokativ  domi]  ich  vermute  deshalb, 
daß  man  sie  zunächst  nur  in  Verbindung  mit  diesem  gebraucht 
und  erst  später  aus  der  Verbindung  losgelöst  und  selbständig 
verwandt  hat.  Beispiele  (tt):  As.  559  Quae  domi  duellique  male 
fecisti;  Capt.  78  Domi  duellique  dueUafores  optimi\  Ad.  495  Vna 
semper  müitiae  et  domi  fuimus;  Enn.  trag.  188  (Gell.  XIX  10,  11) 
Neque  domi  nunc  nos  neque  müitiae  sumus.  —  Es  liegen  also 
Genitive  vor  an  folgenden  Stellen:  Heaut.  112  Gloriam  armis 
beUi  reppen-,  Amph.  647;  Epid.  442;  Enn.  ann.  299  (Paul.  144) 
Labore  nixi  militiae;  Naev.  23  (Baehr.)  Bellique  inertes.  Sonst 
steht  in  beUo,  z.  B.  CIL  I  541  (ao.  a.  u.  c.  609).  Quod  in  beUo 
voverat]  Ad.  20,  Enn.  trag.  290;  Sempr.  As.  2. 

2.  Terrae. 

Es  findet  sich  nur  ein  einziges,  dazu  nicht  ganz  zweifel- 
loses Beispiel,  nämlich  Enn.  trag.  283  Non.  172,  20  und  504,  3) 
Strata  terrae  lavere  lacrumis  vestem  sqtialam  et  sordidam  (Ribbeck). 
Doch  haben  Ba  und  H  504  terra.    Nonius  muß  ten^ae  gelesen 

1)  So  Bährens ;  nach  Auson.  technop.  13,  17. 


318  J.  Heckmann, 

.  zu  setzen,  weil  die  adverbiale  Bedeutung  von  Einfluß  auf  die  Aus- 
lassung der  Präpositionen  zu  sein  scheint  Die  Präposition  aller- 
dings auch  da  zu  tilgen,  wo  domus  mit  einem  Attribut  verbunden 
ist,  geht  offenbar  nicht  an,  wohl  aber  möchte  ich  dieses  mit 
Abraham  gegen  Görbig  tun  in  den  drei  Plautinischen  Beispielen 
Aul.  105,  Epid.  681,  Stich.  523,  wo  die  Fonnen  ohne  Attribut 
teilweise  mit  einer  Präposition  überliefert  sind.  Enn.  trag.  63 
(Non.  402,  3)  wird  die  Präposition  indes  wieder  geschützt  durch 
das  hnginque,  —  Abraham  will  die  Präposition  auch  da  tilgen, 
wo  bei  Plautus  ein  possessives  Pronomen  das  Attribut  ist,  also 
Gas.  620,  Ps.  84,  Amph.  409,  Gapt  911,  Trin.  382.  Mir  erscheint 
es  zu  gewagt  —  Zu  dem  Verse  des  Liv.  Andron.  20  Donicum 
videbis  me  carpetUo  vehentem  en  domum  venisse  gehört  wahrschein- 
lich Hom.  Od.  VI  295  Ete  ö  k€V  fmeic  äcwbe  lX0u))i€V  Kai  iKuiiieGa 
bdi)iaTa  Traipoc.  Die  Schreibung  vehentem  en  domum  statt  des  über- 
lieferten vehemetitem  domum  ist  also  nur  zu  billigen,  wenn  man 
annimmt,  daß  ein  Attribut  wiepaternam  folgte.  Eine  Entscheidimg 
über  die  andern  Stellen,  an  denen  die  Überlieferung  schwankend 
oder  verderbt  ist^  erscheint  für  die  Feststellimg  der  Regel  un- 
nötig. Die  Regel  würde  also  lauten:  AVenn  das  Wort  domus 
im  Altlateinischen  ohne  Attribut  steht,  so  fehlt  die 
Präposition,  in  der  Verbindung  mit  einem  Possessiv- 
pronomen wird  die  Präposition  bald  hinzugefügt,  bald 
ausgelassen,  in  der  Verbindung  mit  einem  anderen  at- 
tributiven Adjektiv  steht  die  Präposition,  doch  hat 
Ennius  einmal  domum  paternam^  wobei  aber  nicht  zu 
übersehen  ist,  daß  die  beiden  AVorte  offenbar  von 
altersher  zu  einem  Bogriffe  vereinigt  sind.  Vergl.  was 
über  vicinia  bemerkt  ist 

Zusatz  1.  Der  Akk.  domum  steckt  auch  in  der  Verbindung  domuitio^ 
mag  nun  so  zu  schreiben  sein  oder  domumitio  oder  domum  itio,  worüber 
zu  entscheiden  nicht  zu  unserer  Aufgabe  gehört.  Die  Schreibung  domum 
itio  scheint  empfohlen  zu  werden  durch  die  Art,  wie  PL  die  Verbalsub- 
stantive auf  'io  gebraucht  und  konstruiert.  Überliefert  ist  meist  domu{i)tio. 
Es  findet  sich  (tt)  :  Luc.  470  =  Trag.  ine.  ine.  27  Domutionis  cupidi ;  so  die 
Hddschr.,  die  Herausgeber  domum  itionis.  —  Trag.  Pac.  171  domutionem 
dedit;  so  in  den  Hddschr.  des  Non.  96,  1,  auch  im  Lemma;  Herausg. 
domum  itionem.  —  Acc.  172  Ab  domuitione  arcere  (Non.  357,  domuUionem  lu). 
—  Trag.  ine.  ine.  26  lam  domum  ittonetn  reges  [et]  Ätridae  parant.  Über- 
liefert ist  (Rhet.  ad  Herenn.  III  21,  34)  zweimal  domi  ultionem, 

Zusatz  2.  Statt  des  Wortes  dofntis  hat  Ennius  auch  do  gebraucht : 
Ann.  362—364,  vgl.  Arch.  f.  1.  L.  II  475.    362  .  .  .  endo  suam  do   363  ..  . 


Ober  präpositionslose  Ortsbezeichnung  im  Altlateinischen.        319 

namque  suam  do ;  364f ...  in  do  ibam  ^).  Gharis.  278  K  sagt :  SyUaho  ut  e,  s.  d, 
pro  domutn ;  Prob.  263  K  hat  namque  suam  do  (=  363) ;  Mar.  Vict.  VI  56  K : 
endo  sua  duo,  d.  h.  in  sua  domo ;  Consent.  V  388  K :  ut  endo  auam  do,  nur 
daß  die  Hddschr.  bieten  tetendit  statt  endo.  —  Anstoß  erregt  nur  364;  in 
do  ibam ;  es  ist  wahrscheinlich  zu  schreiben  indo  ibam  =  intro  ibam. 

b)  Humus. 
Es  findet  sich  nur  ein  sicheres  Beispiel  Ter.  Andr.  726 
Atque ante nostram ianuamappone.  —  Obsecro^humine?  (Görb. S.  18). 
Die  Stellen  Trag.  Enn.  396  (Varr.  LL  V  23)  Cubitis  pinsibant 
humum^  Pac.  351  (Mar.  Vict.  VI  77  K)  Tradate  per  aspera  saxa 
et  humum  \  Lex  de  aqu.  duct  aetat  ine.  Bruns  44,  7  Aqua  quae 
humum  accidü^  gehören  offenbar  nicht  hierher.  Bei  Luc.  710 
(Non.  175,  12)  Hie  in  stercore  humi  kann  Genitiv  vorliegen,  und 
Stich.  354  Finge  humum  ist  noch  nicht  genügend  erklärt  oder 
verbessert,  doch  zweifelt  man  nicht  an  einem  Akkusativ  des 
Objektes. 

b)  Nomina,  von  denen  nur  je  ein  Kasus  präpositionslos 
verwandt  wird. 

a)  Lokative. 

1.  DuelH  (belli)  und  müitiae.  Vgl.  Görbig  S.  18. 

Die  eine  wie  die  andere  Form  findet  sich  im  Altlateinischen 
nur  in  Verbindung  mit  dem  Lokativ  domi]  ich  vermute  deshalb, 
daß  man  sie  zunächst  nur  in  Verbindung  mit  diesem  gebraucht 
und  erst  später  aus  der  Verbindung  losgelöst  und  selbständig 
verwandt  hat.  Beispiele  (tt):  As.  559  Quae  domi  dueUique  male 
fecisti-^  Capt.  78  Domi  dueUique  dueUaiores  optimi\  Ad.  495  Vna 
semper  militiae  et  domi  fuimus\  Enn.  trag.  188  (Gell.  XIX  10,  11) 
Neque  domi  nunc  nos  neque  müitiae  summ.  —  Es  liegen  also 
Genitive  vor  an  folgenden  Stellen:  Heaut.  112  Gloriam  armis 
belli  reppen-,  Amph.  647;  Epid.  442;  Enn.  ann.  299  (Paul.  144) 
Labore  nixi  militiae-^  Naev.  23  (Baehr.)  BeUique  inertes.  Sonst 
steht  in  bello,  z.  B.  CIL  I  541  (ao.  a.  u.  c.  609).  Quod  in  beUo 
voverat]  Ad.  20,  Enn.  trag.  290;  Sempr.  As.  2. 

2.  Terrae. 

Es  findet  sich  nur  ein  einziges,  dazu  nicht  ganz  zweifel- 
loses Beispiel,  nämlich  Enn.  trag.  283  Non.  172,  20  und  504,  3) 
Strata  terrae  lavere  lacrumis  vestem  squalam  et  sordidam  (Ribbeck). 
Doch  haben  Ba  und  H  504  terra.    Nonius  muß  terrae  gelesen 

1)  So  Bährens ;  nach  Auson.  technop.  13,  17. 


320  J.  Heckmann, 

haben,  und  so  ist  es  auch  wohl  dem  Enn.  mit  einigen  Bedenken 
zuzuschreiben,  obgleich  sich  sonst  stemere  öfter  mit  dem  Ablativ 
verbindet!),  z.  B.  Acc.  557  (Non.  469,  31);  Acc.  pr.  25  (Cic.  de 
div.  I  22,  44). 

ß)  Ablative. 

1.  Terra  marique.  Vgl.  Görb.  S.  18  f.  Bei  Plaut  findet  sich 
nur  ein  Beispiel  Poen.  105  Mari  ie<rraque>  usqm  quaque  quaeritat; 
bei  Ter.  gar  keines;  bei  anderen  Orat.  Lael.  Sap.  (97)  üt  nobis 
terra  matique  simtd  obsidionem  facerent,  —  Wenn  die  beiden 
Ablative  nicht  durch  que  verbunden  sind,  setzen  PI.  und  Ter. 
immer  in  hinzu:  Merc.  197,  Epid.  679  (Görbig).  Dagegen  heißt 
es  Enn.  trag.  87  (Cic.  de  div.  I  81,  66  lamque  mari  magno  classis 
cita  texitur]  ann.  101  (Fest.  258)  Mari  quaesentibus  vitam;  Acc. 
trag.  333  (Non.  14,  27)  ist  überliefert  Nunc  reg'no  exturbatus 
mari  .  .  ,^  man  kann  ergänzen  erro.,  CIL  I  195  Retn  navebos 
marid'  consol  primos  ceset. 

2.  Totus  (7t). 

In  Verbindung  mit  dem  Adjektive  tottis  st^ht  im  Alt- 
lateinischen das  Substantiv  im  bloßen  Ablativ  nur  bei  den 
Verben  der  Bewegung:  Cas.  631  Omnes  festinant  intus  totis  aediitis; 
Andr.  342  Toto  me  oppido  exanimattim  quaerere\  Eun.  245  Tota 
erras  vi<i.  Die  Vorstellung  der  Bewegung  liegt  auch  vor  Merc.  51 
Conclamitare  tota  urbe  et  praedicere.  Liegt  diese  nicht  vor,  so 
steht  iy% :  Poen.  824  Itaqtie  in  totis  aedibm  tenebrae:  Tog.  Titin.  13o 
(Non.  95,  4)  Toto  fit  in  foco  de  lignis  mi  dapalis  cena;  Cato  RR 
81  (11)  Non  possunt  perspirare  in  toto  corpore.  CIL  I  532  liest 
m^w  p\raifectura  tot[a.  Hieraus  läßt  sich  natürlich  nichts  schließen. 

3.  Locm  (tt). 

Der  bloße  Ablativ  von  lociis  findet  sich  in  rein  lokativer 
Bedeutung  auf  die  Frage  wo?  im  Altlateinischen  sehr  selten. 
An  den  meisten  Stellen  läßt  er  sich  anders  als  lokativ  fassen. 
Er  steht  a)  temporal:  Eun.  782  llUic  est  sapere  ut  hosce  instruxit, 
ipse  sibi  cavet  loco:  Cat.  lord.  77  (1)  (Plin.  nat.  bist.  XXIX,  7  14) 
Dicam  de  istis  Graecis  suo  loco. 

h)   in   einer  Bedeutung,    die  ui^prünglich   dem   indoger- 


1)  Auch  wenn  man  Enn.  trag.  283  schreibt  terrae,  hat  man  hier 
doch  noch  keinen  Lokativ  auf  die  Frage  wohin?  anzunehmen,  vielmehr 
liegt  die  Vorstellung  wo?  zugrunde,  die  sich  ganz  gut  mit  dem  Verbum 
stemere  verträgt,  namentlich  wenn  dieses  wie  hier  im  Partizip  Perfekt 
steht,  also  nicht  'zu  Boden  gestreckt',  sondern  'am  Boden  ausgestreckt'. 


über  präpositionslose  Ortsbezeichnnng  im  Altlateinischen.        321 

manischen  Instrumentalis  eigentümlich  war,  dann  aber  auf  den 
Ablativ  überging,  also  komitativ  oder  instrumental:  Luc.  144 
Si  tarn  corpus  loco  vcdidum  ac  regione  maneret\  Orat.  P.  Com. 
Scip.  (Gell,  n,  20)  In  his  regionibm  excdsissimo  locorum  murum 
statuere  aiebat;  Cat  RR  30  (14)  lubeto  suo  quidquid  loco  condi. 
Aus  dem  Instrumentalis  hat  sich  auch  der  Ablat  absol.  und  der 
Abi.  qualit.  entwickelt,  und  so  steht  der  bloße  Ablativ  von  locm : 

c)  teils  absolut,  teils  qualitativ:  Most.  254  Suon  quidque 
locost  ? ;  Ad.  343  Peiore  res  loco  non  potis  est  esse  quam  in  quo 
nunc  sitast;  Volc.  Sed.  Baehr.  279  (10)  (GeU.  XV  24)  Nono  loco 
esse  facUe  facto  Ennium;  Cat  lord.  37  (18)  (Front  ep.  I  1,  109) 
Vi(Usis  quo  loco  res  publica  siet;  Cat  RR  11  (5)  {Praedium  sit) 
loco  salubri;  vgl.  kurz  vorher  Ne  calamitosum  sä,  solo  bono] 
11  (15)  Instrumenti  ne  magni  siet,  loco  bono  siet]  11  (19)  De 
Omnibus  agris  optumoque  loco  iugera  agri  centum,  vinea  est  prima, 
secundo  loco  hortus  insignis,  tertio  —  quarto  —  quinto  —  sexto 
—  septimo  —  octavo  —  nono;  16  (9)  Agi*um  quibus  locis  con- 
seras,  sie  observari  oportet;  ähnl.  3  (9),  (11),  3  (12)  Salicta  locis 
aqumis;  18  (20)  Salicta  locis  aguosis,  umectis,  umbrosis,  propter 
amnis  ibi  seri  oportet;  23  (11)  Loco  saluhri  bono  domino  haec  quae 
supra  posita  sunt^  loco  pestilenti  pars  quarta  preti  accedat,  vgl 
59  (19);  34  (8)  Qt4am  minime  herbosis  locis  serito.  Hierher  kann 
man  vielleicht  auch  rechnen  Enn.  ann.  255  (Fest  325)  Quo  res 
sapsa  loco  sese  ostentatque  iubetque;  denn  der  bloße  Ablativ  zur 
Angabe  des  Ortes,  von  dem  aus  jemand  handelt,  findet  sich 
von  keinem  Substantiv  sonst 

d)  lokativ:  Amph.  568  Homo  idem  duobus  locis  ut  simul  sU; 
Rud.  907  Qui  salsis  locis  incolit  pisctdentis.  Die  Annahme  eines 
Datives  ist  unstatthaft,  denn  PI.  setzt  nie  bei  den  mit  in  zu- 
sammengesetzten Verben  den  Dativ  statt  in  mit  dem  Ablativ, 
vgl.  Ulrich  a.a.0.^).  CIL  1 1 341  Locoprivato  de  suapecunia  faciendum 
curavit;  Com.  Sis.  76  (Non.  159)  lumenta  pecuda  locis  complurxbus 
trepidare;  ibid.  99  (Non.  522)  Si  res  melioribus  locis  constitisset. 
Also  rein  lokativ  im  ganzen  nur  an  fünf  sicheren  Stellen. 
Man  wird  deshalb  die  zweifelhaften  Stellen  womöglich  so  verbessern 
müssen,  daß  der  bloße  Ablativ  vermieden  wird.  Es  sind  folgende : 
Most  673  Non  in  loco  emit  perbono?  —  Immo  in  optimo;  so  A,  P 

1)  Ein  Dativ  dagegen,  nicht  ein  Ablativ,  liegt  vor  Enn.  ann.  65 
(Cic.  de  div.  I  48,  107  Prciepetibua  sese  pulerisque  locis  dant,  auch  GBL  I  34 
Is  ^locyeis  mandatus,  wenn  so  richtig  ergänzt  wird. 


322  J.  Heckmann, 

aptimo.  —  Plaut,  im  Caecus  (Charis.  199, 31)  Nil  quicquam  factumst 
nisi  fabrej  nee  quicqiuxmst  positum  sine  loco.  Bei  Gharisius  ist 
überliefert  luco^  Leo  vermutet  nisi  loco.  —  Acc.  trag.  54  (Non. 
315,  10)  Sed  ubi  ad  finem  ventumst  quo  Hlum  Fors  exspectabat 
loco.  So  Ribbeck,  aber  die  Hddschr.  haben  alle  in  quo.  Viel- 
leicht ist  zu  lesen  Sed  ubi  a.  f.  ventumst  in  quo  fors  exspectabat 
loco  Illum.  —  Luc.  504  (Non.  498,  8)  Sibi  misereantur  sei  ipsi 
vide^  causa  illorum  ut  superiore  conlocavit  se  loco.  So  Baehrens, 
die  codd.  ne  illorum  causa  superiore  loco  conlocavit^  außerdem 
miserafUur  und  si  statt  sibi.  Luc.  Mueller  XXVI  96  schreibt: 
£^'  misereantur  se  ipsi  vide^  causam  illorum  superiore  conlocavit 
ne  loco.  Die  Stelle  ist  mir  unverständlich.  —  Cato  RR  84  (22) 
Locum  sidngere  oportet  bene  qui  habeat  humorem  aut  loco  crasso. 
Keil  will  verbessern  locum  crassum^  aber  das  überlieferte  foco 
crasso  ist  wohl  beizubehalten,  und  ein  passendes  Verbum  zu 
ergänzen.   Die  Stelle  gehörte  dann  unter  c. 

Der  Ablativ  loco  ist  vielleicht  zu  ergänzen  bei  folgendem  (tt): 
Ter.  Hec.  didasc.  Tertio  sc.  acta ;  Eun.  530  Non  herde  veniam  tertio; 
Cat  RR  64  (23)  Ita  postremo  arato;  Coel.  Ant.  59  (Gell.  X  1,  3) 
Tertio  et  quario  consul\  Gl.  Quadr.  82  (ibid.)  Septimo  consul.  — 
In  den  Dialogen  findet  sich  postremo  zur  Einleitung  des  Sclüuß- 
argumentes,  so  steht  es  As.  49,  238,  Aul.  657,  Bacch.  569,  615, 
Capt.  893,  Gas.  376,  609,  Gist.  483,  532,  706,  Epid.  591,  708, 
Merc.  558,  Mil.  1208,  Most.  198, 882,  Poen.  230,  Stich.  53,  Trin.  613, 
662,  1160,  Tnic.  74,  156,  fragra.  109;  Andr.  521,  Heaut.  113,  865, 
Eun.  196,  252,  521,  Phomi.  301,  421,  Hec.  511,  Ad.  52,  123, 
150,  347, 428,  952,  967,  977 ;  Gaec.  Stat.  204  (Gic.  nat.  deor.  IH  29, 
72);  Ti-ag.  Acc.  70  (Non.  470, 11);  —  Atoll.  Nov.  3  (Non.  500,  28): 
Licetne  leno  duo  verbis?  —  Etiamprimo  et  postremo.  Die  Bedeutung 
ist  immer  temporal.  —  Dann  findet  sich  instrumental:  Enu. 
ann.  194,  8  (Gell.  XII 4, 1)  Tufoque  locaret,  sc.  bona  et  mala  dicta.  — 
Endlich  lokal:  Most.  738  Quaene  siibducta  erat  ttäo  in  t^rra?; 
Hec.  620  Postremo  nos  iam  fabidae  sumus.  (PI.  in  ähnlicher  Be- 
deutung: eist.  787  j^stremo  in  cotnoedia^  Fleckeisen  bei  Terenz 
fabula).  —  Zweifelhaft  sind  noch:  Mil.  969  Sed  quis  east?  — 
Senis  huius  uxor  Periplecomeni  —  -^  proxumo'^  Brix  in  proximo^ 
und  ohne  Zweifel  ist  die  Präposition  m  oder  ex  hinzuzufügen. 
Trag.  Acc.  508  (Non.  213,  3)  Atque  lianc  postremo  sdis  usuram 
cape.  •  So  Ribbeck  nach  den  Hddschr.,  Bergk  besser  postremam., 
vgl.  Merc.  831,  Andr.  322. 


Ober  präpositionslose  Ortsbezeichnung  im  Ältlateinischen.        323 

Dagegen  steht  der  Ablativ  mit  der  Präposition  in  an  folgenden 
Stellen  ^) :  Li  loco  =  am  rechten  Ort,  zur  rechten  Zeit  Heaut.  538, 
827,  Ad.  216,  827,  994.  —  In  loco  mit  dem  Genitiv  =  an  Stelle 
von  Andr.  293,  Heaut.  103.  —  In  loco  mit  einem  Adjektiv  (oder 
Pronomen)  Rud.  1185,  Poen.  696,  Men.  56,  Ps.  1052  Animus  in 
tuto  locost^  also  in  übertragener  Bedeutung;  Mil.  83,  Pers.  632, 
Most  643,  Merc.  197  In  Udo  loco]  Merc.  231.  —  Cistell.  697, 
Poen.  1166,  Cure.  711,  Amph.  699,  Stich.  62  In  suo  quicque  loco 
nisi  mihi  situm  suppeUectilis\  Stich.  685;  Cure.  467;  Bacch.  1039 
(in  übertr.  Bed.);  Stich.  243;  Pers.  843  (in  übertr.  Bed.) ;  Ep.  81 
(in  übertr.  Bed.);  Rud.  575  (in  überti\  Bed.).  Bei  Ter.,  immer  in 
übertragener  Bedeutung:  Ad.  718;  Eun.  542;  Phorm  446,  473; 
Hec.  302.  —  In  locis  mit  einem  Adj.  oder  Pron. :  Bacch.  430; 
Rud.  1033;  Cure.  507;  Rud.  275;  Capt.  44;  Men.  984.  Übersehen 
hat  Görbig  Vid.  12  .  .  .  Vos  in  loco  monitum  .  .  .  Cist  416  ..  . 
in  loco  .  .  . 

Bei  andern  steht:  In  loco:  Pall.  ine.  ine.  4  (Rhet  ad. 
Her.  I  9,  14)  Vim  in  loco  aUiilit  (zur  rechten  Zeit).  —  Cat 
RR  76  (5)  Serito  in  loco  tibi ....  —  In  loco  mit  einem  Adjektiv 
oder  Pronomen:  CIL  I  200,  3  Qiiod  in  eo  agro  loco  esf,  21  Quei 
in  eo  ctgro  loco  (das  Verbum  fehlt);  Liv.  And.  35  (Paul.  67)  Dusmo 
in  loco;  Enn.  trag.  197  (Hieron.  in  epitaph.  Nepotiani  pg.  598 
Migne)  Plebes  in  hoc  regi  müistat  loco  licet  \  doch  da  der  Vera 
auf  zwei  jambische  Wörter  ausgeht,  schlägt  Ribbeck  vor  large  zu 
schreiben  statt  loco  (Coroll.  XXVIH);  sonst  in  übeiir.  Bed.;  Tit.  130 
(Charis.  n  183  P)  Facite  in  stw  quicqve  loco  ut  sita  sint-,  Afran.  104 
(Xon.  207, 32)  Quis  tu  es  ventoso  in  loco  Soleatus]  Id.  133  (Non.  541, 10) 
Peregrino  in  loco  Solent  se  sumei^e  (in  übertr.  Bed.  ?) ;  Cat  Orig.  24 
(Don.  z.  Phorm.  IV  3,  6)  Fana  in  eo  loco  compluria  fuere :  Ibid.  83 
(Gell.  III  7)  Qtio  in  loco  ponas  (in  übertr.  Bed.);  Cl.  Quadr.  72 
(Non.  478)  In  eo  loco  populus  mumurari  coepit  (in  übertr.  Bed.); 
Com.  Sis.  53  (Non.  207)  Oppidum  tumtdo  in  excel^  loco  co^üocatum; 
Cat  lord.  71  (9)  (Quint  IX  2,  21)  Quid  si  vos  in  eo  loco  essetis 
(in  übertr.  Bed.);  Cat  RR  16  (21)  Si  in  loco  crasso  aut  caldo 
severis ;  18  (8)  Li  loco  cretoso  atä  aperto  se^-ito;  (10)  In  loco  crassiore 
serito;  34  (8)  Triticum  in  loco  aperto  celso  seri;  (10)  Lentim  in 
rudecto   et   rubricoso   loco;    (13)  Quo   in   loco    sementem   facere; 

1)  Die  Beispiele  aus  PI.  und  Ter.  hat  Görbig  bereits  vollständig 
beigebracht  bis  auf  Vid.  12  und  Cist.  416,  ich  begnüge  mich  also,  die 
Stellen  kurz  anzudeuten. 


324:  J.  Heckmann, 

(16)  Raphanum  in  loco  stercorato  hene  aut  in  loco  crasso  serito] 
48  (3)  In  stio  quicque  loco  reponito;  68  (10)  In  loco  bona  parH 
octava  diüidat^  satis  bona  septima^  iertio  loco  octava;  85  (14)  In 
quo  loco  posturus  eris.  —  CIL  I  200,  95  Qiwdque  in  eo  agro  loco 
vinei  fieL  —  In  locis  mit  einem  Adjektiv  oder  Pronomen :  CIL  I 
204  n  23  Quodqm  quibusque  in  rebus  loceis  fuü\  11  27  Idem  in 
eisdetn  rebus  loceis  agreis  ious  esto;  I  1418  In  quibiis  loceis  humaU 
erunt\  Luc.  736  (Non.  274,  33)  Multis  indu  locis  sermonibus  con- 
celebrarunt.,  Tog.  Afran.  10  (Non.  393,  14)  Istis  exercetur  in  lods] 
Orat  Scip.  Min.  (Meyer  104,  Fest  s.  v.  reque  eapse)  Quibus  de 
hominibus  in  multis  locis  bene  meritus  sitn  (in  übertr.  Bed.); 
Fab.Pict.bei  GcU.  X,  15  (Bremer  10, 3)  In  locis  tectisx  L.  Für.  Philo 
(cons.  618/136,  bei  Macrob.  lü  9,  6—13  =  Bremer  S.  29—30) 
In  his  locis  regionibus;  Cat  RR  16  (16)  Quam  in  iis  locis  optimam 
dicent  esse\  (26)  Sicubi  in  iis  locis  ripae  erunt\  33  (29)  In  caldissimis 
locis  semeniim  fieri  oportet;  34  (6)  Fabam  in  locis  validis  serito;  37 
(18)  In  locis  crassis  et  umectis  tdmos  seri  oportet 

Der  Ablativ  loco  ist  vielleicht  zu  ergänzen  bei  folgendem  (tt): 
Asin.  709  Asta  ut  descendam  nunciam  inprodivi]  Capt  SO  Codeae 
in  oc^ulto  latent:  83,  165  ebenso;  336  In  proclivi  {hoc  tibi  est); 
536  Res  omnis  in  incerto  sitast ;  809  In  publico  conspexero ;  Cist.  100 
Habitat  hie  in  proximo\  752  Hie  in  proximo  (est)]  Merc.  382 
Res  in  ttitost;  891  Ego  istum  in  tran<quüloy  quieto  tuto  sistam; 
Mil.  134  In  proximo  devortifiir;  264  Sese  vidisse  eam  hie  in  proximo 
oscidantem\  ebenso  319,  366;  Most  909,  910  In  publieo  esse; 
Pers.  767  Accumbe  in  summo;  Poen.  342  Tametsi  in  abstruso 
sitast;  Ps.  895  Praeda  in  proxumost;  Stich.  612  Apud  fratrem 
cejio  in  proximo:  Trin.  594  In  ambiguost  etiam;  664  In  occulto 
iaeebis;  712  NU  ego  in  occ^dto  agere  soleo,  —  Andr.  266  In  dubio 
est]  ähnl.  347;  701  In  proclivi  quod  est]  Euu.  1037  In  tranquill-o 
esse]  Heaut.  53  Agrum  in  proximo  hie  mercatust]  689,  695  In 
tuto  ut  conlocetur]  708  Esse  in  tutO]  Phomi.  16  7n  media  omnibus 
palmam  esse  positam]  IM  Vita  ut  in  tiUo  foret]  Hec.  341  Cum 
in  proximo  hie  sit  aegra;  Ad.  267  /n  tuto  est  om)iis  res:  478 
Mater  virginis  in  mediost.  —  CIL  I  196,  15  In  oquoltod,  in 
poplicod,  in  preivatod]  197,  4  In  publico  luuci^  vgl.  Neue  11  ^ 
zum  Lok.  luHci]  1430  Area  in  medio  est]  Enn.  ann.  134  (Fest  298) 
hiitis  in  occulto  mussabant]  Volc.  Sed.  10  (Gell.  XY,  24)  In  sexto 
consequetur  lios  Terentius  (in  übertr.  Bed.);  Tog.  Afran.  236  (Non. 
111,  29)  In  media  nemost]  Atell.  Pomp.  29  (Charis.  I  59  P,  gramm. 


Ober  präpositionslose  Ortsbezeichnung  im  Altlateinischen.        325 

ine.  nom.  Keil  V  574)  Clipeum  in  media  fixum  est\  so  der  An- 
onymus, Charisius  in  medium]  Pomp.  157  (Non.  18,  1)  lamne 
ego  in  ttäo  satis;  Id.  193  (Sen.  ep.  3,  16)  üt  ptdent  in  turbido 
esse  quidquid  est  in  luce;  Cat.  orig.  36  (Gell.  XVII  13,  4)  Eam 
in  occtdto  vitiaverat  —  Cat.  RR  26  (20)  Uti  in  media  prdum 
rede  situm  siet;  59  (25)  Rdinquita  in  ima. 

Bemerkenswert  erscheint  es,  daß  da,  wo  das  Sub- 
stantiv fehlt,  der  bloße  Ablativ  noch  weit  seltener  ist 
als  sonst  Ein  bestimmtes  Gesetz  über  die  Hinzufügung 
und  Weglassung  der  Präposition  läßt  sich  offenbar 
nicht  aufstellen. 

4.  Fini  (tt). 

Es  steht:  Men.  859  Osse  fini  deddldba  assulatim  viscera; 
die  Hddschr.  fini^  Nonius  nisij  Cat  RR  31  (9)  Operita  tetra  radicibus 
fini\  27  (22)  Cupa  qua  fini  in  madidas  erit\  74  (24)  Pabülum 
qua  vendas  fini  dicita]  77  (10)  (Labrum  culleare)  ad  summum 
qua  fini  ctdleum  capiet^  pertundita\  60  (21)  Ampharas  inplere 
ansarum  infimarum  fini.,  Cass.  Hem.  35  (Non.  205  u.  514)  Qua 
fini  amnes  res  atqve  artes  humanitus  aguntur;  514  L Finemj'E quare 
«im;  205  LWF  quare  fine.  Zu  schreiben  ist  fini.  Die  Erklärung 
für  diese  Form  und  für  ihren  Gebrauch  ist  nicht  beim  Lokativ 
zu  suchen,  sondern  beim  komitativen  Instrumentalis,  es  bedeutet 
also  asse  fini  eigentlich:  indem  der  Mund  die  Grenze  bildet 
(abl.  *qual.'  oder  *absolutus'),  mit  ansarum  fini  aber  vgl.  namen 
regiSj  verbum  laudandl  Siehe  auch  Arch.  f.  lat  L.  1,  415. 

f)  Akkusative :  Ire  (in)  malam  crucem  (rem).  Görbig  2^  ff. 

Die  Präposition  in  fehlt  nur  an  einer  Anzahl  Stellen  bei 
PI.  und  Ter.,  doch  ist  bei  diesen  nach  dem  Erscheinen  der 
Görbigschen  Dissertation  (1883)  einiges  Neue  zutage  getreten, 
weshalb  es  geboten  erscheint,  die  Stellen  noch  einmal  in  extenso 
anzuführen  (tt).  —  Men.  328  Numquid  vis?  —  Ut  eas  maxumam 
malam  crucem;  so  die  Hddschr.,  nur  Bi  in  max.  m.  c,  A  fehlt 

—  Pers.  352  Ferant  eantque  maxumam  malam  crucem ;  so  A, 
P  eantque  in  m.  m,  c,  —  Capt  469  Ilicet  parasiticae  arti  m.  m.  c; 
so  P,  A  fehlt  —  Poen.  798  Äbcessit.  —  Utifiam  hinc  abierit 
malam  crucem;  so  P,  nur  abef%  A  fehlt  —  Poen.  1309  Lubet? 

—  Ita  dica  —  Ligula  i  in  malam  crucem;  DA«  /  tn,  B  in^ 
C  tn,  Ai  i.  —  Poen.  496  Malam  crucem  iba  patius;  so  AP.  — 
Poen.  873  Valucres  tibi  erunt  tuae  hirquinae  —  I  in  malam  rem 

Indogermanische  Fonchongen  XYUI.  22 


326  J.  Heckmann, 

—  I  tu  atque  erus;  P  tw,  A  »,  die  Itali  t  in.  Görbig  folgt  A, 
Leo  den  Itali,  die  ed.  min.  I  malam  rem.  —  Tnic.  973  Mciam 
rem  %8\  so  die  Hddschr.  u.  Ausgg.;  Eun.  536  Mcdatn  rem  hinc  ibis\ 
so  A,  Donat,  die  Ausgg.;  DFG  mcUam  in  rem.  —  Phorni.  930 
Ifi*  hinc  mcUam  rem  cum  istac  magnifi€entia\  A  i  in  malam  rem^ 
CD  in  hinc  in  malam  rem\  Fleckeis.  wie  oben,  Dziatzko  m'  him 
malam  rem  —  Most  850  schreibt  Leo  Est !  abi  canis^  est !  abin 
diereda?  Abin  hinc  in  malam  crucem?  Das  in  fehlt  in  GDF, 
steht  in  A  und  den  andern  Palatini.  — 

Die  Auslassung  der  Präposition  scheint  nicht  hinreichend 
begründet  Poen.  1309,  Phorm.  930,  Most.  850,  an  den  andern 
angeführten  Stellen  ist  der  bloße  Akkusativ  genügend  gesichert 
Da  aber  außerdem  noch  oft  die  Präposition  hinzugefügt  ist,  so 
läßt  sich  auch  über  diese  Redensart  keine  feste  Regel 
aufstellen. 

3.  Präpositionslose  Kasus  anderer  Nomina. 
a)  Lokative. 
Abgesehen  von  den  Adverbien,  den  bereits  angeführten 
Substantiven  und  den  Ortsnamen  sind  Lokative  mit  Sicherheit 
nicht  nachzuweisen.  Wahrscheinlich  aber  liegt  ein  Lokativ  vor 
in  der  Form  cordi  in  der  Redensart  cordi  esse^  wenngleich  die 
Römer  schon  zu  PI.  Zeiten  die  Fonii  wohl  nicht  mehr  als  Lokativ 
empfunden  haben.  Gino  Funaioli  (in  der  Rezension  meiner 
Dissertation,  Wochenschrift  für  klass.  Philol.  1905,  G — 7)  erkennt 
darin  mit  Bestimmtheit  einen  Dativ.  Einzuräumen  ist,  daß  cordi 
Dativ  sein  kann ;  es  läge  dann  ein  metonymischer  Gebrauch  dieses 
W^ortes  vor.  Daß  Funaioli  die  Form  zwingend  als  Dativ  nach- 
gewiesen hat ,  vermag  ich  nicht  anzuerkennen.  Stellen :  (tt)  : 
Cist  109  Mihi  cordist  tarnen:  A  fohlt,  P  in  cordist^  cüit.  Camerarius; 
Andr.  328  An  tibi  nuptiac  haec  sunt  cordi?  —  Cordt?  Phorm.  800 
Qiiia  uterqtie  titriqiie  est  cordi:  Tog.  Afran.  328  (Prise.  V,  8  pg.  G59  P) 
Vos  quibus  cordist\  Lue.  144  (Non.  173,  14)  Si  tarn  corpus  loco 
validum  ac  regione  maneret^  Scriptoris  quam  vera  manet  senfentia 
cordi]  Luc.  Müller  hält  cordi  und  merkwüi'diger  Weise  auch 
regione  für  Dative  (V,  3);  Luc.  442  (Xon.  88,  31)  Bes  si  idcitxo 
est  cordi]  441  (ibid.)  Quod  tibi  cordist:  Cat  lord.  6  (21)  (Macr.  III 
5,  10)  Si  tibi  cordist  —  Most.  323  ist  überliefert  Si  tibi  corde 
est  facere  licet  ^  aber  richtig  verbessert  cordi.  —  Bei  der  alten 
bei  Cicero  (pro  Rabirio  4,  13)  und  Livius  (I  26,  6)  überlieferten 


über  präpositionslose  Ortsbezeichnung  im  Altlateinischen.        327 

Formel  Arbori  infelici  simpendito  muß  es  dahingestellt  bleiben, 
ob  ein  Lokativ  oder  ein  Dativ  oder  ein  instrumentaler  Ablativ 
vorliegt  Über  den  Dativ  vgl.  PL  Trin.  720  FtUmentas  iubeam 
suppingi  soccis?  Non  sisti  potest\  Trag.  ine.  ine.  126  Imperi  in- 
sistent  iugo. 

Entschieden  kein  lokaler  Lokativ,  sondern  höchstwahr- 
scheinlich ein  Genitiv  ist  animi  in  der  bekannten  Phrase 
animi  pendere  u.  a.  Zum  Beweise  folgen  zunächst  sämtliche 
Stellen  ^).  Aul.  105  Discrucior  animi -^  Ep.  326  Qui  angas  te  animi] 
389  Ego  med  excruciare  animi;  Merc.  127  Ego  animi  pefideo; 
166  Nimis  diu  animi  pendeo;  Mil.  720  Continuo  discrucior  animi; 
1068  Quid  iUam  miseram  animi  excrucias;  Rud.  388  Hoc  sese 
excruciat  animi;  399  Ne  sie  se  excruciet  animi;  Ad.  610  Continuo 
discrucior  animi;  Phorm.  187  Tum  Äntipho  me  excruciat  animi; 
Heaut  727  Quum  in  spe pendebit  animi;  Hec.  167  Devinctus animi; 
Enn.  trag.  267  (Non.  514,  13)  üt  quod  factumst  fuitile  animi  vos 
feratis  fortiter;  codd.  amici  vos  fueratis^  aber  vos  feratis  die  ed. 
pr.;  Pac.  294  (Non.  22,  16)  Sed  nescio  quidnamst  animi  horresdt^ 
gliscit  gauditim^),  —  Cist.  214  Ita  me  amor  lassum  animi  ludificat; 
673  Pettdantia  mea  me  animi  miseram  habet;  Enn.  274  Ut  falsus 
animist;  Hec.  121  Incertus  animi;  Afran.  tog.  318  (Non.  6,  8) 
Qui  nunc  est  animi  exercitus.  —  Damit  vgl.  man  Ep.  138  Desipiebam 
mentis;  Trin.  454  Satin  tu  es  sanus  mentis  atd  animi  tui;  Rud.  213 
Incerta  sum  consüi;  Phorm.  578  Quod  quidem  me  factum  consili 
incertum  facit;  CIL  I  198,  44  Quo  quis  sitae  alterius  sent^itiae 
certior  siet;  Turp.  157  (Non.  500,  22)  Metuens  sui;  Epid.  239  Nee 
sermonis  fallebar  tamen;  Rud.  247  Ut  me  omnium  iam  laborum 
leves;  Amph.  105  (Meus  pater)  quam  liber  harum  rerum  mtdtarum 
siet.  —  Phorm.  340  Otiomm  ab  animo;  Cist  58  Doleo  ab  animo; 
Trin.  397  Miser  ex  animo;  Epid.  526.  —  Aul.  186  Ain  tu  te 
vcdere?  Pd  ego  haud  perbene  a  pecunia.  —  Cas.  880  Ita  ridictda 
auditu,  iteratu  sunt  ea;  Mil.  101  Qui  est  amor  cuUu  optimus;  Trag, 
ine.  ine.  79  (Cic.  fam.  VII  16)  üsqiw  quaque  sapere  oportet;  Enn. 
ann.  41  (Charis.  128  K)  Fid  dulciferi  lactantes  ubere  toto;  Luc.  695 
(Non.  462,  25)  Vir  bonus  belle;  Inc.  vers.  3  (Baehr.,  Tertull.  de 
spect  11)  Consus  consilio,  Mars  duello,  Lar  est  compito  potens^ 


1)  Sie  finden  sich  auch  bei  Bell,  der  aber  einen  Lokativ  darin  sieht. 

2)  Cist.  209,  Epid.  530  mentem  animi  hängt  der  Genitiv  von  mentem 
ab,  vergl.  CatuU  LXV  L 

22* 


828  J.  Heckmann, 

der  cod.  lares  eviUo  potentes.  —  Enn.  ann.  279  (Fest  278)  Primus 
senex  Bradyn  in  regimen  bdliqm  peritus. 

Holtz  (Synt.  331)  billigt  folgendes  Urteil  Lindemanns: 
Oenetivm  apud  Latinos,  frequentius  aptul  Graecos^  remotiarem 
imprimis  rationem  qtia  se  habet  subiedum  ad  praedicatum  indicat 
Singuiaris  tarnen  Latini  sermanis  condicio  est  qua  adiediva  quae- 
dam  statum  animi  et  affectum  significantia  genetitmm  obiecH  A.  «. 
rei  a  qua  afficitnur  adsciscunt  usw.  Und  freilich  kann  man  in 
allen  oben  angeführten  Beispielen  den  Genitiv  oder  Ablativ 
umschreiben  durch :  quod  attinet  ad^  quantum  spedatur  ad,  nur 
pflegen  die  Lateiner  oft  sich  vorzustellen,  von  welcher  Richtung 
her  oder  von  welchem  Gesichtspunkte  aus  etwas  vom  Subjekte 
ausgesagt  wird,  während  wir  die  YorsteUung  wohin?,  in  welcher 
Hinsicht  oder  Beziehung?  ausgedrückt  zu  sehen  erwarten.  Beide 
Voi-steUungen  nebeneinander  finden  sich  in  dem  Beispiel  bei 
Enn.  ann.  279.  Die  Vorstellung  woher?  wird  nun  zwar  im  La- 
teinischen gemeinhin  durch  den  Ablativ  ausgedrückt,  aber  mit 
diesem  ist  der  Genitiv  bekanntlich  von  altersher  der  Bedeutung 
nach  verwandt  So  ist  denn  die  Lindemannsche  Regel  anzu- 
nehmen, denn  sie  bietet  für  sämtliche  Beispiele  eine  einheitr 
liche  Erklärung.  Anders  Keller,  Fleckeisens  Jahrb.  1887,  488 
und  Neue  2,  643.  Daß  sich  aus  dem  ein-  oder  zweimaligen 
Vorkommen  der  Yerbindimg  animis  pendere  bei  Späteren  (Cic. 
Tusc.  I  40)  nicht  auf  einen  Lokativ  animi  schließen  läßt,  liegt 
auf  der  Hand,  wenngleich  dies  Delbrück  und  nach  ihm  Ebrard 
gemeint  haben.  Einen  Genitiv  sieht  in  animi  auch  Blomquist: 
De  genetivi  apud  PlaiUum  usu,  Helsingförs.  Um  die  Frage,  ob 
animi  Lokativ  sein  könne,  endgültig  zu  entscheiden,  hätte  man 
zu  untersuchen,  inwieweit  in  der  Bedeutung,  die  nachgewiesener- 
maßen durch  den  Genitiv  oder  den  Ablativ  ausgedrückt  werden 
kann,  auch  Hn  mit  dem  Ablativ'  im  Altlateinischeu  steht  Mir 
genügt  es,  nachgewiesen  zu  haben,  daß  von  einem  lokalen  Lo- 
kativ keinesfalls  diQ  Rede  sein  kann,  sondern,  wenn  überhaupt 
von  einem  Lokativ,  dann  höchstens  von  einem  Lokative  der  Be- 
ziehung, von  dem  mir  aber  sonst  nichts  bekannt  geworden  ist 
Keller  (Gramm.  Aufsätze  339)  hält  nicht  nur  animi  und  arbw*i 
infelid,  sondern  auch  /?m,  fodque  (Ter.  Eun.  815  Domi  fociqiie 
fac  vicissim  ut  memineris\  und  lotid  (in  der  lex  Spoletina :  Neque 
ecferto  quod  hiwi  siet)  für  Lokative.  Aber  foci  und  huci  sind 
zweifellos  Genitive,  von  den  andern  ist  schon  gesprochen. 


Ober  präpositionslose  Ortsbezeichnung  im  Altlateiniscben.        329 

b)  Ablative, 
a)  In  der  ursprünglichen  Bedeutung.  Vgl.  Rüge:  De 
(Mativi  in  veteribus  Unguis  Italids  fonna  atqae  imi,  Leipziger 
Diss.  1877.  1.  Abgesehen  vom  ablativus  originis,  der  verhältnis- 
mäßig häufig  präpositionslos  steht,  finden  sich  nur  folgende 
Beispiele  (tt):  Pers.  435  Extemplo  foro  fugiunt;  so  A,  P  a  foro] 
Trin.  265  Peius  perit  qtiasi  saxo  saliat;  639  Neqm  mens  officio 
migrat.  Zweifelhaft  ist  Truc.  82  ff. :  Eadempostquamaliumrepperit 
qui  plus  daret  — ,  Damfiosiorum  [mihi]  exinde  f  immovü  loco  — 
Qttem  ani{ifest\e  hac  odiosum  sibi  esse  memorahat  mihi  Babyhniefisem 
müitem  is  nunc  dicitur  —  Venturus  peregre  e.  q,  s.  So  in  der 
ed.  min.  Man  kann  schreiben  exifide  me  movit  loco^  mit  starker 
Interpunktion  hinter  loco.  Laut  der  Ritschelschen  ed.  maior  hat 
dies  auch  Koch  vorgeschlagen  in  Fleckeis.  Jahrb.  105,  832.  — 
Men.  121  McUo  cavebis  si  sapis;  Bacch.  147  Cave  malo  —  Quid 
cave  malo?',  Gas.  411  Malo  tibi  cavefidum  censeo\  Pers.  369  Mala 
cavere  meliust  fe;  835  Cave  ergo  sis  malo-,  Rud.  828  Cave  sis  >n- 
fortunio;  945  Cave  sis  malo;  1089  Cave  malo  ac  tace;  Poen.  25 
Vitent  andpiti  infortunio;  Stich.  121  Qui  polest  mulier  vitare 
vitiis^)]  Phorm.  32  Cum  per  tumultum  noster  grex  motus  locost; 
Cass.  Hem.  34  (Non.  183)  Utrasque  nostri  loco  moti:  Corn.  Sis.  68 
(Non.  58)  Agmen  loco  commovent;  Enn.  ann.  327  (Lact.  z.  Stat 
Theb.  XI 56)  Etpereunte  viro  raucus  sonus  aere  cucurrit;  Luc.  829 
(Varro  LL  VII  94)  Atque  aliquos,  ibus  ab  rebus  depsere  foro  qui', 
die  Hddschr.  ibi  statt  ibus;  Bergk  Beiträge  76  Atque  aliquo  se 
ibus  ab  rebus  clepsere  foro  qui;  Val.  Aed.  2  (Gell.  XIX  9,  12) 
Imber  concitus  caelo  praecipitans;  Trag.  Pac.  305  (Prise.  X  887  P) 
Satis  habeam  virium,  vi  te  ara  arceam ;  Tog.  Tit.  52  (Non.  306,  29) 
Aliquis  nuntiet  Geminae  ut  res  suas  procuret  et  facessat  aedibus 
(Non.  facessere  significat  recedere) ;  Leg.  XU  tab.  VIII  24  (Bioins) 
Si  telum  manu  fugit  magis  quam  iecit  —  Men.  277  Quam  ego 
obsonatu  redeo;  288  Nunc  obsonatu  redeo;  Stich.  358  Pisces,  qtws 
piscatu  rettuli,  nach  Lipsius,  Leo;  AP  piscator  attulit;  Cat.  RR 

1)  Über  die  Konstruktion  von  eaveo  ist  auch  gesprochen  D  16,  aber 
ich  habe  dort  nicht  gesagt,  daß  es  in  der  plautinischen  Konstruktion  von 
eaveo  etwas  *  Neues'  gäbe,  wie  es  Funaioli  verstanden  hat  (Rez.  S.  4), 
sondern  nur,  daß  das  Wort  im  Vergleich  zu  andern  Verben  überhaupt  eine 
"eigentümliche  Konstruktion'  (structura  singularis)  hat,  indem  hier  neben 
der  Konstruktion  mit  dem  ablativus  loci  auch  die  mit  dem  gewöhnlichen 
Akkusativ  oder  dem  Ablativ  mit  cum  sich  findet. 


330  J.  Heckmann, 

15  (17)  Primus  cubüu  surgat  (vüicus),  Enn.  ann.  144.  Es  ver- 
dient Beachtung,  daß  sich  so  nie  der  Ablativ  von  Personen- 
namen findet,  und  daß  es  sich  auch  bei  den  andern  angeführten 
Substantiven  meist  um  vielgebrauchte  Formeln  handelt,  worauf 
bei  einigen  auch  noch  die  Alliteration  hinweist  (foro  fugiunt^ 
80X0  Sediat^  vitare  vUiisy  — 

2.  Die  sogenannten  Ablativi  originis. 

o)  Die  Präposition  steckt  im  Verbum  und  ist  nicht  zum 
Ablativ  noch  einmal  hinzugefügt  Beispiele  (tt):  Amph.  365  Davo 
prognatum  patre\  614  Davo  prognatum  patre  eodem  quo  ego  mm\ 
Aul.  212  Qtioli  genere  prognatum]  Bacch.  457  Hie  eriim  rite  pro- 
ductust  patri;  Capt  170  Prognatum  genere  summo;  Cas.  399  Her- 
culei  prognatis^  Leo  Hercideis  nach  E*  IFZ;  Ep.  35  Prognatus 
Theti\  107  Genere  prognatam  bono]  Men.  408  Moscho  prognatum 
patre;  1078  ebenso;  1079  Tun  [a]  meo patre's prognatus;  die  Prä- 
position ist  mit  Recht  von  Pylades  getilgt;  Poen.  1201  Eo  genere 
progfiatae;  Phormio  115  Bonam  bonis  prognatam,  —  CIL  I  29 
Onaivod  patre  prognatus;  33  Prognatum  Publio:  Naev.  fragm.  32 
(Baehr.  Macr.  VI  5,  8)  Sanctm  love  progfiatus;  so  nach  Buecheler, 
die  Hddschr.  sanctusque  Delphis^  was  unverständlich  ist,  gewöhnlich 
schreibt  man  sancius  Deli;  Enn.  ann.  28  (Cic.  de  div.  I  20,  40) 
Euridica  prognata;  415  (Prob,  zu  Verg.  ecl.  6,  31)  Corpore  Tar- 
tarino  prognata;  d.  Hddschr.  corpora  tarfareo;  Ti'ag.  ine.  ine.  108 
(Cic.  Tusc.III  12,  26)  TantcUo prognatus;  ibid.  101  (Quiiit.  IX  3, 57) 
love  patre  progfiatus;  Trag.  Nacv.  49  (Non.  109,  25)  Dryante  regem 
prognatum  patre;  Acc.  520  (Apul.  de  deo  Socr.  2,  4)  hiclute  parva 
prodite  i>atria;  Trag.  ine.  ine.  120  (Charis.  IV  254  P)  Si  quis 
sanguine  exortam  tuo  prolem  immolet;  ibid.  132  (Fest.  83  M)  Erebo 
<pro>creata  Nox;  Cl.  Quadr.  12  (Gell.  IX,  11)  Adtdescem  tali  genere 
editus;  Acc.  388  (Prise.  X  906  P)  Quibusnam  te  aibant  \ex>ortam 
locis;  überliefert  ist  ortam^  exortam  Ribbeck,  wohl  richtig. 

b)  Die  Präposition  steckt  weder  im  Verbum  noch  ist  sie 
zum  Nomen  hinzugefügt.  Beispiele  (tt)  :  a)  Der  Name  des  Vaters 
oder  der  Mutter  (oder  das  Nomen  pater  oder  mater)  steht  im 
Ablativ:  Amph.  27  Humana  matre  natus^  humano  patre:  430  Ut 
matre  fuerat  fiatum  (vinum);  Cist.  717  Suae  matrl  et  ixitri  quiius 
natast  reddere:  Men.  854  Qui  clueat  Cycino  patre;  1102  üna 
matre  natos  et  patre  uno;  Pers.  251  lovi  Ope  gfiato;  596  Nata 
quibus  parentibus;  Rud.  738  Nata  Athenis  ingenuis  parentibus.  — 
Andr.  486   Natus  Pamphilo.    —    CIL  I  1351    Crispinia   natus; 


über  präpositionslose  Ortsbezeichnung  im  Ältlateinischen.        331 

1353,  1359,  1362,  1364,  1366,  1368,  1372,  1376,  1377,  1379, 
1392 ;  Enn.  ann.  16  (Pbilarg.  z.  georg.  lU  35)  Assaraco  natm  Capis 
optimu8\  130  (Fest.  169)  Nävus  repertm  Iwmo  Graio  paJtre\  Man.  2 
(Baehr.  284,  Varr.  LL  VU  6)  Lato  est  loco  creata  Tüano\  Acc.  131 
(Non.  314,  20)  Ab  infando  homine  gnato  Laerta;  die  Hdschr. 
laerat  oder  laerata;  240  (Macr.  VI  5,  11)  Semda  gnatus;  610 
(Prise,  de  metr.  Ter.  1325  P)  Tyndareo  gfiata]  643  (Non.  111,  27) 
Cadmogena  natum  Semela;  Trag.  ine.  ine.  107  (Cis.TuscIII  12,  26) 
Pehpe  natus\  Tog.  Afran.  362  (Xon.  493,  1)  Quo  gnatus  patre] 
403  (Maer.  VI  5,  6)  Aurito  me  paretüe  natum ;  Calp.  Pis.  27 
(Gell.  VI  16)  Fl^ivius  patre  libertino  natus, 

ß)  Andere  Nomina  im  bloßen  Ablativ  (tt):  Aul.  778  Genere 
quo  sim  gnatm;  Capt.  294  Quo  genere  gnattis;  319  Summo  genere 
gnatum\  Cist.  25  Summo  genere  gnatas;  Epid.  169  Genere  natam 
bono'^  Merc.  969  Qui  bono  sunt  genere  nati]  Most  1141  SummiKs> 
gnati  generibus;  Pers.  596  Quo  genere  aut  qua  in  patria  nata  sü 
aut  quibus  parentibus;  645  Bono  genere  nata]  Poen.  110  Quo 
genere  gnata ;  1 186  Eo  sumus gnatae  genere-,  1240  Summoque  genere 
g7mtas\  so  P,  aber  A  summoqu,  e  genere-,  Ps.  356  Istoc  es  genere 
gnatus-,  590  Eo  sum  genere  gnatus-,  Trin.  373  Quo  genere  gnatus,  — 
Enn.  ann.  159  (Prise.  I  210  H)  Poenos  Didom  oriundos;  Ace.  618 
(Non.  174,  13)  Ortus  mediocri  satu-,  Enn.  ann.  70  (Cic.  de  r.  p.  I 
41,  64)  0  sanguen  dis  oriundum-,  Lucil.  187  (Non.  363,  5)  Lucanis 
oriundi  montihus  tauri;  Cat  lord.  41,  6  (Gell.  X  3,  17)  Bono  genere 
gnatis;  42,  1  (ibid.)  Bono  genere  ncUos-,  Cl.  Quadr.  10  (Gell.  IX 
13,  4)  Summo  genere  gnato-,  15  (Gell.  VI  11,  7)  Summo  genere 
gnatus-,  Orat.  C.  Gracch.  (Meyer  122,  Schol.  z.  Cic.  pro  Siüla  9) 
Genere  summo  ortus.  —  Diesen  Beispielen  schließt  sich  passend 
an  Amph.  878  Qiu>d  gravidast  viro  et  me  quod  gramdmt 

T)  Der  präpositionslose  Kasus  hat  nahezu  die  Bedeutung 
eines  Ablativus  qualitatis:  Aul.  554  Qui  mi  intro  misti  coquos 
Cum  senis  manibus  genere  Geryonaceo-,  Cist  130  Adtdescens  summo 
genere;  Merc.  634  Rogitares  quis  esset  aut  unde  esset,  qua prosapia] 
Mil.  680  TJxorem  summo  genere  ducere;  Pers.  651  Summo  genere 
esse  arbitror;  Poen.  60  Fratres  fuere  summo  genere  et  summis 
ditiis;  Trin.  326  Adtdescenti  him  genere  summo;  851  Pol  hie 
quidem  fungino  genere  est,  —  Luc.  596  (Non.  25,  14)  Progeniem 
antiquam  qua  est  Maximm  Quintus,  vatrax,  qua  mricosus.  Anders 
zu  deuten  ist  natürlich  der  Städtename  Enn.  ann.  158  Poenos 
Sarra  oriundos.  — 


332  J.  Heckmann, 

c)  Hinzugefügt  finden  sich  die  Präpositionen  rfe,  ex  und  a. 
Gapt  276  Quo  de  genere  gnatusf]  Bud.  1197  Eamdegenere  summo 
adtdescenti  dabo\  Capt  30  De  summo  loco  summoque  genere  equUem 
Jleum ;  Aul.  28  De  summo  adtdescens  loco :  Acc.  34 1  Atque  ut  vides  nm 
tenui  de  loco  (Non.  341, 12  locus:  genus  nobäü<isY  —  Amph.97  Natus 
Argis  ex  Argopatre,  —  Cist  605  Expriore  midiere  fiata]  EJpid.  635 
Füiam  ex  Phäippa  matre  natam;  Mil.  1081  Quam  lupUer  ex  Op$ 
natust:Rxid.604rN(UasexI^ilomelafatqmexProgmessehirundifi^ 
1284  Nam  lenones  ex  Gaudio  credo  esse procreatos\  Heaut  1035  Non 
siexcapiiesismeoNatusüemutMinervamesseaiuntexIove^aloveJ); 
Ad.  iO  At  ex  me  hie  natus  non  est^  sed  ex  fratre;  297  Natam 
ex  tanta  famüia;  657  Esse  ex  alio  viro  natum;  Eun.  241  Viden 
me  ex  eodem  ortum  loco;  460  Ex  homine  natum  haud  dicas.  — 
Acc.  463  (Prise.  VI  677  P,  Macrob.  VI  4,  15)  Ex  taurigeno 
semine  ortam  fuisse  an  humanoferam\  das  vom  Metrum  geforderte 
ex  fehlt  bei  Macr.;  655  (Schol.  Bern.  z.  Georg.  I  502)  Capis  ex 
Assaraco  (d.  Verb,  fehlt);  Trag.  ine.  ine.  101  (Quint  IX  3,  57) 
Ex  Tantalo  ortus  Pelops^  ex  Pelope  autem  satus  Atreus,  —  Cure.  11 
(Cereum)  ex  dtdci  oriundum  mdculo  meo.  —  Die  Präposition  a 
ist  sehr  selten  (tt)  :  CIL  I  204,  5  Queique  ab  ieis  prognati  sunt 
eruntx  Enn.  ann.  131  (Non.  226,  Fest  313)  lovis  memorant  a 
stirpe  siipremo  (Burrum  esse).  —  Cas.  46  Ex  se  fiata;  Epid.  573 
Ex  te  nata\  Heaut.  1020  Ex  te  natum ^  1030  Ex  me  atque  hoc 
natus  es:  Hcc.  279  Ex  me  nata;  399  Ex  te  natum;  651  Cum 
ex  te  esset  aliquis  qui  te  appeUaret  patrem,,  Ad.  40  Ex  me  hie 
natus  non  est^  sed  ex  fratre.  —  Cist.  612  Ex  ea  natast  haec  virgo, 

Anmerkung.  —  Der  Vater  wird  auch  durch  ein  Substantiv  im 
Genitiv  oder  durch  ein  possessives  Pronomen  bezeichnet :  Poen.  1048 
Äntidamae  gnatum  me  e88e\  Phorm.  64  Ems  giiatum;  CIL  I  1354  Titüie 
natwt;  ähnl.  1360,  1380,  1382,  1383;  Trag.  Enn.  93  (Cic.  Tusc.  I  44,  105) 
Hectoris  natum;  Pac.  198  Natum  tuum;  Trag.  ine.  ine.  193  Gnatam  tuam; 
Trag.  Naev.  1  Mi  gnate. 

Es  ergibt  sich  für  den  sog.  Ablativus  originis  die  Regel: 
Bei  einem  substantivischen  Pronomen  fehlt  die  Prä- 
position nie,  bei  andern  Substantiven  wird  die  Prä- 
position bald  hinzugefügt,  bald  weggelassen,  ohne  daß 
sich  ein  Gesetz  darin  erkennen  ließe.  Als  Präpositionen 
sind  in  der  Zusammensetzung  mit  einem  Verbum  nur 
verwandt  pro  und  ex^  vor  einem  Nomen  nur  de^  ex  und 
(selten)  a.  Die  Behauptung  Audouins  (a.  a.  0.  288),  das  Partizip 
natus  verbinde  sich  nicht  mit  dem  Genitiv,  trifft  nicht  zu. 


Ober  präpositionslose  Ortsbezeichnung  im  Ältlateinischen.        333 

Wenigstens  angedeutet  werden  mögen  noch  die  wichtigsten 
Stellen,  an  denen  in  allen  oder  doch  den  meisten  Hdschr.  die 
Präposition  ausgefallen,  aber  von  den  Herausgebern  richtig  ein- 
gefügt ist:  Aul.  687,  Capt  175,  721,  Cura  497,  Merc.  947,  Mü. 
304,  690,  Poen.  691,  1189,  Rud.  366,  Ps.  1216,  Trin.  941,  Trag. 
Enn.  98  (Prise.  Vn  733  P),  Acc.  499  (Non.  485,  5),  Tog.  Afran. 
400  (Non.  146,  32),  Tit  95  (Non.  507,  16). 

ß)  In  der  dem  Instrumentalis  eigentümlichen  Bedeutung. 

1.  Zur  Bezeichnung  der  engen  Verbindung  zwischen  zwei 
Gegenständen.  Stich.  170  Nam  tarn  complures  annos  utero  haeret 
meo  (Ritschi  hält  den  Vers  für  unecht);  Acc.  557  (Non.  469,  31) 
Contempla  hanc  sed^m  in  qua  ego  novem  hiemes  saxo  stratusperttdi] 
Acc.  praet.  25  (Cic.  de  div.  I  22,  44)  Exin  prostratum  terra ;  Trag, 
ine.  ine.  61  (Charis.  IV  252  P)  Vidi  fe,  Ulixes,  saxo  stementem 
Hectora  (wenn  es  nicht  etwa  heißt:  mit  einem  Steine);  Luc.  382 
(Non.  234,  31)  Vix  uno  ßo  hoc  haerere  puiares',  die  Hddschr.  hoc 
se  herere]  144  (Non.  173,  14)  St  tarn  corpus  loco  validum  ac 
regione  maneret]  752  (Non.  401,  14)  Ingo  iungas'^  Leg.XII  tab.  Vn 
Tignum  iunctum  aedibus  tnneave;  ibid.  (Bruns  34,  8)  Cui  auro 
dentes  iuncti  escunt  Man  könnte  hier  freilich  auch  an  einen 
Instrumentalis  des  Mittels  oder  Werkzeuges  denken,  doch  vgl. 
man  die  zweifellos  rein  komitativen  Ablative  CIL  I  198,  53 
Quei  ad  süellum  sorti  veniet;  Amph.  32  Face  advenio\  465  Tuto 
ülam  amplexarier^  und  die  sog.  ablativi  qualitatis  wie  Cat  RR 
76  (21),  45  (25). 

2.  Zur  Bezeichnung  des  Weges,  auf  dem  eine  Bewegung 
stattfindet  (als  ablativi  viae,  vgl.  Görbig  S.  22  ff.)  (tt)  :  Amph.  795 
Huc  alia  via  praecticurristi'^  As.  741  Angiporto  ülac  per  hortum 
circumit]  Aul.  407  Date  viam  qua  fugere  liceat;  Bacch.  113  Quid 
nunc  capessis  ted  htm  advorsa  via-,  711  Becta  porta  invadam  ex- 
temploj  Gas.  510  Nostro  omine  it  dieSj  881  Becta  via  in  condave 
abduxij  922  Ubi  iUum  saltum  video  obsaeptutn^  rogo  td  altero 
sinat  ire;  (Cist.  14  Secundo  vento  vectust  tranquälo  mari  — ;  vgl. 
Trin.  943);  Cist  534  Becta  platea  cursum  huc  contendit  stumi; 
Cure.  31  CaiUe  ut  incedas  via:  35  Nemo  ire  quemquam  publica 
prohibet  ria;  Ep.  208  Quia  ego  ire  vidi  mäites  plenis  viis;  Men. 
881  Ni  mi  indicetis  qua  platea  hinc  aufugerint\  Merc.  115  Simul 
auiem  plenis  semitis  qui  advorsum  eunt;  so  Ritschl^  B  plenissime^ 
C  D  plenissiemüis;  Mil.  221  Anteveni  aligua  et  aliquo  saUu  ctrcum- 
duce  exercUum\  so  nach  EiesL,  die  Hddschr.  aliquos  auttu^  Leo  oZf- 


334  J.  Heckmann, 

quosum ;  252  Dum  modo  hunc prima  via  inducamus  vera  ut  esse  credat 
quae  mentibimur  (in  übertr. Bed.);  329  Transire  redo  ostio\  Pers. 444 
Abi  istac  travorsis  angiportis  ad  forum;  Poen.  627  Viam  qui  nesdt 
qua  deveniat;  631  Si  bene dicetiSj  vosfra  ripa  vos sequar^  si  male  dicetis^ 
vosbro  gradiar  limited  692  Adveniens  irem  in  carcerem  recta  via;  Ps. 
1 05 1  i^  Äac,  triumphe^  ad  cantliarum  recta  wa ;  1 234  Dum  hoc  domum 
redeam  ria;  Rud.  223  Omnibus  latebris  perreptavi;  so  richtig  A, 
P  in  ly  Stich.  484  lero  apertiore  magis  via\  fragm.  12  Beciprocas 
plana  via]  108  Domum  ire  coepi  tramiti  dextra  via.  —  Men.  566 
Em  hac  abiit^  si  vispersequi  vestigiis ;  Mil.  269  TJsque  dotiec  perseciäus 
vdpem  ero  vestigiis.  —  Andr.  442  Etenim  ipsus  secum  eam  rem 
reputavit  via;  d.  Hddschr.  recta rep.via^Fleckels.idrepvia, Umpfenb. 
und  Dziatzko  tilgen  recta  mit  Recht;  600  Recta  proficiscar  via] 
670  Hac  non  successU^  alia  adgrediemur  via;   Heaut.  102  Coepi 
rem  tractare  vi  et  via  pervdgata  patrum ;  329  Eadem  hac  inveniam 
via\  706  Immo  ut  recta  via  rem  narret  ordine  omnem;  789  Foto 
te  dare  operam  tU  fiat^  verum  alia  via ;  850  Ut  ea  via  argentum 
abs  te  auferretur;  Ph.  310  Eo  :  recta  via  quidem  iüuc;  192  Qua 
quaerere  insistam  viam;  AFG,  viam^  die  andern  besser  via  mit 
Donat,  vgl.  Capt  584,  Phorm.  604;  Phorm.  566  Qua  via  (sc.  incedens) 
istuc  facies;  Hec.  360  Non  sciunt  ipsi  viam,  domum  qua  deveniant; 
73  Aut  qua  via.  te  captent^  eadem  ipsos  capi;   569  Nee  qua  via 
sententia  eius  possit  mutari  scio;  Eun.  640  Gerte  extrema  linea 
amare  liaut  nihil  est:  Ad.  574  Praderüo  Iiac  rectal  platea  st4rsum; 
581  Ubi  eas  praeterieris  ad  sinistram  /wie  recta  platea,   —  Trag. 
Pac.  100  (Xon.  508,   28)  Si  qua  potestur  iuvestigaH  via;   Trag, 
ine.  ine.  73  (Cic.  Tusc.  I  16,  37)  Adsum  atque  advenio  Acherunte 
vix  via  alta  atque  ardua;   Pall.  Tiirp.  43  (Xon.  491,  18)  Incerto 
itimre  porti  indigentes;  das  Verbimi  fehlt;  Tog.  Afrau.  119  (Non. 
260,  15)  Non  licet  me  qua  contendi  semita  pervenire;  135  (Non. 
316,  9)  Consimüi  grassantur  via;  Atell.  Nov.  72  (Non.  316,  4)  Ut 
recta  grassatur  via;  Hddschr.  a  recta;  73  (ibid.)  Saepe  eadem  hac 
sum  grassatus  via;  Enn.  aun.  138  (Serv.  z.  Aen.  IV  404)  It  nigrum 
campis  agmen;   273  (Cat.  mai.  5,  14)  Spatio  qui  saepe  supremo 
vicit  Olympia  (=  spatio  supremo  c^irrefhs) ;  Acc.  28  (Baohr.  Serv. 
z.  Aen.  IV  404)  It  nigrum  campis  agmen;  Luc.  458  (Non.  38,  26) 
Chätaque  Omnibus  distento  corpore  ex^iret  viis ;   d.  Hddschr.  vis ; 
CIL  I  199,  7  Inde  fluvio  susovorsum,  9,  12  rect<i  regione,  11  rivo 
rectoVinelesca;  12  deorsum  rivo^  15  ff.  iugo  recto  (12  X),  22  recto 
rivo  Eniseca,  7  i^ule  fluvio  Lemuri  susum^  8  inde  rivo  Comberanea 


über  präpositionslose  Ortsbezeichnung  im  Ältlateinischen.       335 

stisttm,  9  inde  dorsum  flovio  Neviasca^  10  inde  flovio  Procoberam 
(lies  Procobera)  deorsum^  14  inde  Ede  flumo  sursu  vorsum^  15  iugo 
recto  monte  Lemurino  (2  X)?  19  *'w<fe  Apeninum  (lies  Apenino) 
iiigo  redo^  21  iugo  recto  Blustiemelo^  alles  in  der  Beschreibung 
der  Grenzen;  I  1166  Porticum  qua  in  arcem  eitur;  1291  Ex 
hoc  loco  in  via  poplicam  Campanatn  qua  proximum  est;  Cat 
KR  9  (10)  Si  via  ibis^  wenn  nicht  zu  verbessern  ist  viam.  Es 
finden  sich  also  folgende  Substantive  im.  Ablativ  mit 
einem  Attribut:  via,  porta,  {omine\  saltu,  platea,  ostio,  ripay 
litnite,  linea,  spatio,  regione,  rivo,  iugo,  monte,  viis,  semüis,  angi- 
portis,  latebris',  ohne  Attribut:  angiporto,  via,  tramiti,  fluvio, 
rivo,  mari(?),  porticus  qua,  campis,  vestigiis,  und  die  Ablative 
der  Nom.  propria  in  der  sententia  Minuciorum.  Dazu  kommt 
das  Adjektiv  tcdus  mit  einem  Substantiv  und  das  fragliche 
itinere  incerto. 

Mit  Recht  behauptet  Oörbig  (S.  24),  daJS  PL  und  Ter.  beim 
Fehlen  eines  Attributes  per  mit  dem  Akk.  zu  verwenden  pflegen, 
z.  B.  eist  536,  Gas.  137,  Poen.  527,  Ad.  941  usw.,  doch  gibt  es, 
wie  wir  gesehen  haben,  davon  Ausnahmen.  Ähnlich  liegt  die 
Sache  bei  den  andern,  vgl.  Tog.  Atta  3  (Non.  133,  12)  Cum  nostro 
omatu  per  vias  meretricie  lupantur-,  Enn.  ann.  92,  386.  Görbig 
fährt  fort:  Cum  locus  in  quo  quid  agitur,  indicatur,  apud  utrumque 
poetam  ubique  praeposüio  additur:  Cure,  296,  278,  Hec.  828, 
Heaut,  31,  Das  gilt  auch  sonst;  vgl.  CIL  I  551  In  eavia  ponteis 
omneis  poseivei-,  Trag.  Naev.  3  (Non.  306,  7  und  518,  1)  Si  quam 
solam  videre  in  via :  Tog.  Att.  7  (Non.  496,  32)  Qui  vociferere  in 
via.  Doch  fehlt  es  auch  nicht  an  Beispielen  wie  Rud.  268  Per 
vias  caeruleas  estis  vedae  (Görbig);  Com.  Sis.  6  (Non.  376)  Per 
incertas  vias  Aesemiam  profugerant-,  Pac.  274  (Non.  353,  14) 
Ardua  per  loca  agrestia  pes  niHtur-,  Pac.  351  Tractate  per  aspera 
saxa  et  humum,  vgl.  noch  Enn.  ann.  28,  349. 

Anmerkung.  —  Als  ablatM  rioe  erscheinen  auch  folgende  Ad- 
verbien auf  -ö  verwandt :  hac :  Amph.  628 ;  istac :  Merc.  219 ;  illac :  As.  74rl ; 
ea:  Most.  1047;  eadem:  Fers.  445;  qtui:  Cist.  725;  wahrscheinlich  auch 
quacunque:  Tog.  Afran.  178  (Non.  147,  1,  Prise.  VIII17,  838  P);  quaquam: 
Atell.  Pomp.  186  (Char.  II 192  P) ;  sicher  wieder  quaqua:  Mil.92;  {usque) 
quaque:  Poen.  105;  aliqua:  Ad.  283;  cdia:  Rud.  10;   recta  Amph.  1042. 

3.  Zur  Bezeichnung  des  Raumes,  über  den  sich  etwas 
erstreckt.  Hierher  gehören  nur  (tt):  Trag.  Enn.  87  (Cic.  de 
div.  I  31,  66)  lamque  mari  magno  dassis  cita  texitur-,  Acc.  569 
Hac  ubi  curvo  litore  latrans  unda  sub  undis  labunda  sonit. 


336  J.  Heckmann, 

f)  In  der  ursprünglich  dem  Lokativus  eigentümlichen  Be- 
deutung. 

Eine  sicher  nicht  rein  lokative,  sondern  zum  Teil  instru- 
mentale Bedeutung  liegt  vor  überall  da,  wo  der  bloße  Ablativ 
verbunden  ist  mit  Verben  wie  teneri^  se  continere^  candere^  niU^ 
innüij  recipere,  claudere^  indudere^  pendere^  figere,  mergere^  locare^ 
conlocare^  ponere  (=  condere)^  sepdire;  auch  in  den  Verbindungen 
praefui*nio  coquere^  ostio  vires  extentare^  aqua  Stygia  deduci,  campis 
perire^  cruce  perire,  prodio  occidere^  bMo  vincere,  naribtis  lumen 
fundere^  roHbus  adesse^  nave  vehi^  ore  sistere,  capüe  sistere  u.  ä., 
auch  in  Redensarten  wie  corde  amare^  capere^  capessere^  trepidare^ 
rdinquere^  vdutare^  wo  corde  unserm  Von  Herzen,  herzlich, 
gänzlich*  entspricht  —  Fast  temporal  findet  sich  bei  Luc.  19 
(Rhet.  Lat.  Halm.  45 — 46)  Adfuissemus  priore  cansäio,  und  Luc.  23 
Consäio  antiquo  sapiens  vir  sdus  fuisti  (ebenda).  — 

So  bleiben  noch  folgende,  zum  Teil  vielleicht  auch  nur 
scheinbar  rein  lokativische  Ablative:  Andr.  613  Pectore  cansistere 
nü  cansüi  quü.  So  Dziatzko ;  Umpf enb.  Pectore  nihü  sistere  consili 
qua;  A  sistere^  BE  consr^  wo  in  den  Hddschr.  das  nihil  steht, 
ergibt  sich  aus  der  Umpfenbachschen  Ausgabe  nicht;  Fleck  eisen, 
anscheinend  dem  Metrum  zuliebe  Pectori  consistere  —  nä  cdnsili 
quit  Doch  wird  der  Ablativ  zu  halten  sein.  —  Caec.  Stat.  219 
(Non.  392,  2)  Ager  autem  stet  sentibus;  Tit.  144  (Non.  391)  Fundi 
stabunt  setUibus;  Enn.  ann.  198  (Porph.  Hör.  od.  I,  9,  1)  Stant 
pidvere  campi,  Nonius  sagt  a.  a.  0.  zwar  stare  horrere  significat 
und  Stare  =  plenum  esse,  -vielleicht  liegt  diesen  Ausdrücken  aber 
ursprünglich  eine  ümkehrung  der  Vorstellung  zugrunde,  indem 
die  der  Wirklichkeit  entsprechende  Vorstellung  senfes  stabunt  fundis 
im  Geiste  des  Sprechenden  sich  so  umgestaltete,  daß  die  Begriffe 
ihre  Stellen  wechselten,  wie  ja  auch  wir  sagen  *der  Acker  steht 
voll  von  Domen',  während  doch  in  Wirklichkeit  nicht  der  Acker 
steht,  sondern  die  Dornen  auf  dem  Acker.  —  Luc.  148  (Xon. 
392,  2)  Interea  stat  sentibus  pectus.  —  Luc.  602  (Non.  391,  24) 
Hie  Stare  paptUas  pectore  marmoreo.  —  Trag.  Acc.  53  Tum  autem 
Aegisthus  si  med  eodem  lecto  comitasset  patri.  So  Ribb.,  Non.  85,  14 
comitasset  pro  cobuisset^  Hddschr.  uj  me  esse  statt  we,  Buechel.  me 
ex,  Grotius  me,  leto.  Ich  möchte  Grote  folgend  schreiben:  Tum 
autem  Aegisthus  si  me  eodem  leto  comitasset  patri  =  wenn  mich 
Ägisthos  zusammen  mit  meinem  Vater  in  den  Tod  geschickt 
hätte.  Es  wäre  dann  leto  Dativ.  Acc.  537  (Non.  318,  5)  Ubi  habet^ 


Ober  präpositionslose  Ortsbezeichnung  im  Altlateinischen.        337 

urbe  agronef^  so  Ribb.,  Hddschr.  u)  turbe^  außerdem  B  agone.  — 
Carm.  Marc.  2  (Baehr.  Liv.  XXV  12)  Ne  te  Ärgivigenae  campo 
cogant  Diomedis  conseruisse  mantis;  gewöhnlich  schreibt  man 
cagant  in  campo^  Ribbeck  will  in  tilgen.  —  Enn.  ann.  199  (Prise.  I 
480  H)  Densantur  campis  horrentia  tela  virarum ;  338  (Paul.  53) 
Sucdncti  gladiis  media  regione  cracentes  (das  Yerbum  fehlt);  491 
(Yarro  YII  21)  Decem  codites  qua  monttbus  mmmis  Bipaeis  sed^re; 
Enn.  Epich.  499  (Cic.  acad.  pr.  II 16,  52)  Nam  videbar  somniare 
me  lecto  esse  emorttwm;  so  Baehr.,  Hddschr.  me  et  ego^  Emest 
memet^  Seal,  ego  med  esse^  Manut  med  ego\  Luc.  56  (Cic.  orat  44, 
149)  Quam  lepide  \iH\c  compostae  tä  tesserulae  omnes  Arte  pa~ 
vimento  atque  emblemate  vermiculato\  Luc.  109  (Porph.  z.  Hör. 
sat  I  3,  56)  (Nam  md  regionibm  iUis)  incrustatus  calix . . .  habetur. 
So  Baehrens,  doch  zieht  dieser  das  Yerbum  anscheinend  nicht 
zu  den  (von  ihm  selber  in  runde  Klammem  gesetzten)  Worten. 
Luc.  Mueller  (III,  26)  schreibt:  Nam  mel  regionibus  Ulis,  incrustatus 
calix,  rutai  caulis  habetur.  Hddschr.  rutia  oder  rucia  oder  nitai. 
Ich  verstehe  md  regionibus  Ulis  (dat.)  est.  —  Luc.  278  (Prise.  I 
115  H)  Intus  modo  stet  rectus  foris  subteminis  panus.  Dies  erklärt 
Luc.  Mueller  im  Kommentar  (zu  IX  28):  foris  i.  e.  in  foris,  foras 
tdae  dicit.  Baehrens  setzt  eine  Interpunktion  nach  rectus^  scheint 
also  foris  als  Adverb  zu  nehmen,  als  Gegensatz  zu  intus.  — 
Luc.  363  Dum  miles  Hibera  Terrast  atque  meret  (Non.  344,  27 ; 
Hddschr.  terras  ac).  —  Luc.  505  (Non.  394,  28).  Die  Hddschr. 
bieten:  Cum  studio  in  gymnasio  in  duplici  corpus  siccassem  pHa; 
Baehr.  schreibt :  Gymnasio  cum  st.  in  dupl.  c.  s.  p. ;  Luc.  Mueller 
(XXYI94):  Cum  stadio in gymnasii duplici c.s.p.\  ich  möchte:  Cum 
in  gymnasio  stadio  in  duplici  c.  s.  p.  —  Yal.  Aed.  1  (Gell.  XIX  9,  11) 
Verba  labris  obeunt ;  die  Hddschr.  membra  (eine  verba)  labris  abeunt ; 
Hertz  und  Baehr.  wie  angegeben,  doch  kann  labris  Dativ  sein. 

—  In  den  Hddschr.  ist  in  ausgefallen,  aber  in  den  Ausgaben  von 
den  Herausgebern  eingefügt  an  folgenden  Stellen:  Poen.  783, 
1047,  Eud.  1109,  Stich.  432,  Trin.  1029,  Nov.  67  (Non.  455,  14). 

—  Luc.  639  (Non.  315,  29),  doch  hält  Luc.  Müller  (XXIX  19) 
den  bloßen  Ablativ:  Habeas  quoque  animo,  dagegen  Baehrens 
nach  Lachmann  Habeasque  <in>  animo.  —  Pore.  Lic.  (Baehr. 
S.  278)  Mortuost  Stymphali  Ärcadiae  in  oppido.  Überliefert  ist 
(bei  Sueton  in  der  vita  Terenti)  MoHuus  est  in  falo,  Ärcadiae 
oppido 'j  die  obige  Schreibung  nach  Roth  und  nach  Ritschi,  der 
sagt:  Pi-aepositio  töUrari  potest,  necessaria  dicUur  praeter  veri- 


338  J.  Heckmann, 

totem.  —  CIL  I  200,  75;  Cat  RR  70  (12)  vgl.  Keil  Kommentar 
S.  147/8.  — 

Man  wird  zugeben  müssen,  daß,  auch  wenn  man  die 
Belegstellen  mit  loco^  locis^  mari  noch  hinzuzieht,  derer  für  den 
rein  lokativen  Gebrauch  des  Ablatives  nur  so  wenige  unverdorben 
überliefert  sind,  daß  überall  da,  wo  man  an  der  Überlieferung 
irgend  eine  Stütze  findet,  die  Hinzufügung  der  Präposition  ge- 
boten erscheint,  also  Carm.  Marc.  2,  Luc.  505,  Acc.  537  (lies: 
Ubi  habet^  in  urbe  agrdne\  Acc.  54.  Aus  denselben  Gründen 
sind  so  zu  erklären,  daß  der  lokative  Ablativ  ohne  Präposition 
vermieden  wird:  Luc.  109,  Acc.  53,  Enn.  Epich.  499,  Luc.  278. 

—  Nichts  beweisen  natürlich  Beispiele  wie  Merc.  729  Manu- 
festo  ieneo  in  noxia.  —  Qua  noxia?  Abraham  (S.  185)  schlagt 
vor  qtia  in^  unnötigenveiso,  vgl.  Gas.  317  Quictitn  litigas,  Olympia? 

—  Cum  eadem  qua  tu  semper]  Mil.  607  Aut  hinc  aut  ab  laeva 
aut  dextera. 

Als  hinreichend  beglaubigt  imd  gesichert  bleiben  also 
folgende  Stellen:  Ad.  613  (consistere);  Caec.  Stat.  219,  Tit  144, 
Enn,  ann.  198,  Luc.  148,  602,  alle  mit  stare,  Enn.  ann.  199 
(densari);  388  (das  Verbum  fehlt);  491  (sedere);  Luc.  56  (componi): 
Luc.  363  (miläem  esse);  außerdem  mit  dem  bloßen  Ablativ  von 
locus:  Amph.  568,  Rud.  907,  CIL  1341,  Com.  Sis.  76,  99;  endlich 
für  terra  marique:  Orat.  Lael.  Sap.  97 ;  mari:  Enn.  ann.  101  und 
CIL  I  195  (marid).  Denn  Poen.  105  Terra  marique  quaeritare 
läßt  sich  als  Ablativ  des  Weges  fassen  und  Enn.  trag.  87  Mari 
magno  classis  texitur  als  Ablativ  der  Ausdehnung ;  bei  totus  steht 
der  bloße  Ablativ  nur  bei  Verben  der  Bewegung.  Es  sind  also 
im  ganzen  19  Stellen,  und  bei  den  mit  stare^  consistere^  sedere 
und  componi  verbundenen  Ablativen  könnte  man  immer  noch 
allenfalls  an  eine  insti'umontale  Bedeutung  denken. 

b)  Zweimal  bezeichnet  der  bloße  Ablativ  die  Zugehörig- 
keit, nämlich:  CIL  I  198  3,  16,  22  Tri  mil  l  IV primis  atiqua 
earum^  und  ähnlich  Cure.  250  Ea  omnes  stant  sententi<t. 

c)  Akkusative. 

Vgl.  Landgraf  Arch.  für  lat.  Lexikogr.  10,  391  ff.  a)  Von 
Hause  aus  Akkusative  sind  die  sogen.  Supine  auf  -um,  Sie  finden 
sich  im  Altlateinischen  bei  den  Verben  der  Bewegung  in  der- 
selben Weise  verwandt  wie  später.  Wir  können  sie  deswegen 
übergehen. 


Ober  präpositionslose  Orisbezeichnung  im  Ältlateinischen.       339 

ß)  Außerdem  finden  sich  noch  gewisse  Adverbien,  in  denen 
ein  alter  Akkusativ  steckt  Es  sind  dies :  Inf  Utas  in  der  Ver- 
bindung infitias  ire^  welches  sich  findet  (tt):  Bacch.  259,  Cist 
659,  Cure.  489,  Men.  396,  1057,  Mil.  188,  Most  1028,  [Ps.  1086], 
Truc.  793,  851 ;  Ad.  339.  —  Suppetias  (tt):  Men.  1020  Suppetias 
temperi  (zdveni;  doch  kann  der  Akkusativ  von  ad  abhängen.  — 
Venum  (tt):  Merc.  353  lUam  Irans  mare  hinc  venum  asportet; 
Plautus  in  Geminis:  Dolet  huicpviMo  venum  sese  ducier;  Pac.  121 
(Xon.  490,  16)  Delphos  venum  pecus  egi^  inde  e,  3.  «. ;  die  Hddschr. 
peai  secunde ;  Leg.  XII  tab.  IV  2  (Bruns)  Si  pater  ßium  ter  venum 
duuit  Dies  ist  die  einzige  Belegstelle  für  venum  dare;  vendere 
ist  sehr  häufig.  —  Ein  Akkusativ  scheint  auch  zu  stecken  in 
dem  Adverb  pessum^  mag  man  es  nun  als  aus  pedes  versum 
entstanden  ansehen  oder  als  den  Akkusativ  eines  Substantives 
pessus  von  unbekanntem  Ursprünge.  Sehr  häufig  ist  pessum  dare^ 
z.  B.  Eud.  507,  Pac.  320  (Prise.  V  668  P);  außerdem  kommt 
vor(TT):  Cist  223  Eo  pessum\  Most  1171  Pessum  premam;  Eud. 
397  Abiisse  pessum;  Truc.  36  Abiit  pessum. 

T)  Die  übrigen  Beispiele  für  den  bloßen  Akkusativ  sind 
sämtiich  unsicher.  Enn.  ann.  36  (Fest  282)  —  Destituunt  campos 
rivosque  remanant  Festussagt:  remananti,e.reptent^  wasBaehrens 
wohl  richtig  in  repetmU  geändert  hat;  er  schreibt  dann  aber 
rivoque  remanant  und  scheint  rivo  als  Dativ  des  Zieles  zu  fassen, 
aber  für  einen  solchen  gibt  es,  wenigstens  in  rein  lokaler  Be- 
deutung, im  AlÜateinischen  kein  einziges  Beispiel.  So  ist  bis 
auf  weiteres  wohl  rivosque  remanant  beizubehalten.  —  Acc.  599 
(Non.  185,  6)  lussii  proficisci  exüium  quovis  gentium.  Hier  aber 
schreibt  Luc.  Müller  gegen  die  Überlieferung  lussit  proficisci 
qtwquo  vis  gentum  exidem,  —  Pall.  Caec.  Stat  33  (Prise.  760)  Si 
properas  escende  huc  meam  navem^  ita  celeris  est,  Codd.  uj  extende^ 
Eeg.  meam^  9  in  meam^  so  auch  Spengel.  Das  Metrum  scheint 
den  bloßen  Akkusativ  zu  erfordern;  dieser  ist  aber  nicht  als 
Akkusativ  der  Eichtung,  sondern  als  Objektsakkusativ  zu  fassen, 
indem  navem  escendere  prägnant  gesagt  ist  statt  terra  exire  atqm 
navem  scandere.  —  Bei  Cato  EE  64  (5)  heißt  es:  Habitationem 
ddutare,  Terram  quam  maxime  cretosam  vd  rubricosam^  eo  amurcam 
infundito^  paleas  indito  e.  3.  s.  Hinter  rubricosam  hat  Victorius 
ein  sumito  eingeschoben,  und  so  ein  Wort  ist  freilich  zu  ergänzen, 
aber  nicht  in  den  Text  zu  setzen,  vgl.  Keil  Komm.  pg.  131.  Keines- 
wegs ist  hier  aber  an  einen  Akkusativ  des  Ortes  zu  denken,  was 


340  J.  Heckmann, 

nach  den  Worten  Keils  (a.  a.  0.)  vielleicht  dessen  Meinung  ge- 
wesen ist    Er  drückt  sich  nicht  klar  darüber  aus. 

Zum  Schlüsse  sollen  wieder  die  Stellen  angedeutet  werden, 
an  denen  in  den  Hddschr.  der  bloße  Akkusativ  überliefert,  in 
den  Ausgaben  aber  von  den  Herausgebern  die  Präposition  tu 
oder  ad  allgemein  richtig  eingesetzt  ist:  Capt.  175  (ad),  Trin.  817 
(ad),  Phorm.  707  (in),  Trag.  Liv.  Andr.  33  (Fest  181,  orf),  Cat 
RR  23  (22),  32  (22)  (in),  51  (8)  (in). 

Zus.  1.  Ein  sogen.  Akkusativ  des  Innern  Objektes  liegt  vor:  Rud.  1027 
Tu  abi  tacitus  tuam  viam;  Poen.  667  la  leno  viam;  Phorm.  1026  Exequioi 
ire  (in  einer  alten  Formel);  vielleicht  Cat.  RR  9  (10),  wo  aber  überliefert 
ist  Si  via  ibis. 

Zus.  2.  Sogenannte  Gräzismen  erblicke  ich  in  folgenden  Verbin- 
dungen :  Enn.  ann.  451  Perculsi  pectara  Poeni ;  ann.  433  SuccincH  corda 
mat^erta;  ann.  273  Vidi  Olympia.  —  Ein  Genetiv  dagegen  ist  manus 
Ps.  785  Si  quispiam  det  qui  manus  gravior  siet.  —  Bemerkenswert  ist 
dann  noch  Poen.  1120  Qui  te  proximust,  so  P,  A  tu\  te  proximus  nach 
Analogie  von  prope  me  und  ähnlichem. 

B.  Nomina  propria. 

Vgl.  Görbig  a.  a.  0.  S.  25  ff.,  König  Qiiaestiones  Platdinae 
Patschkau  1883,  S.  1  ff.  Beide  haben  die  Beispiele  für  PL  und 
Ter.  fast  vollständig  angeführt^  aber  nicht  alle  Schlußfolgerungen 
gezogen,  die  sich  meiner  Meinung  nach  ziehen  lassen.  Das 
Letztere  gilt  auch  von  der  neuesten  Arbeit  über  diesen  Gegen- 
stand von  Gino  Funaioli:  Über  die  Auflösung  des  Lokatives  im 
Lateinischen  (Arch.  f.  lat.  Lex.  13,  301 — 72). 

Um  also  ein  fürs  erste  abschließendes  Urteil  zu  ermöglichen, 
sollen  hier  sämtliche  Stellen  folgen  für  die  Namen  der  Länder  (1), 
der  Inseln  (2),  der  Städte  (3).  Daran  schließen  sich  die  Stellen 
für  die  Namen  der  Flüsse,  Meere,  Vorgebirge,  Gebirge,  Berge, 
Stadtteile  und  die,  an  denen  der  Name  der  Einwohner  für  den 
des  Landes  steht,  oder  wo  der  Ort  bezeichnet  ist  durch  ein 
Substantiv  mit  einem  von  einem  Nomen  proprium  abgeleiteten 
Adjektive  (4).  Dann  sollen  geti*ennt  behandelt  werden  einige 
Nomina  propria,  deren  jedes  einzelne  mehrere  Bedeutungen 
hat  (5),  endlich  besondei-s  die  Stellen,  an  denen  ein  Nomen 
proprium  an  Stelle  eines  Adjektives  attributiv  mit  einem  Sub- 
stantiv verbunden  ist  (6).  Den  Schluß  bilden  dann  jene  Stellen, 
von  denen  es  zweifelhaft  ist,  ob  sie  überhaupt  hierher  gehören  (7). 
Bei  jedem  Abschnitte  stehen  voran  die  präpositionslosen  Kasus  (a), 


Ober  präpositionslose  Ortsbezeichnung  im  Ältlateinischen.        341 

es  folgen  die  mit  der  Präposition  verbundenen  (b),  je  in  drei 
Abteilungen,  je  nachdem  geantwortet  wird  auf  die  Frage  wo  ?  {a\ 
woher?  (ß),  wohin?  (t),  alles  nach  der  Ordnung  der  Deklinationen 
und  Numeri. 

1.  Ländernamen. 
a)  Ohne  Prä'position. 

a)  Capt.  330  Füim  mens  iUic  apud  vos  servit  capttta  Alide\ 
so  die  Hddschr.^). 

ß)  CIL  I  534  M,  Fulvius  M.  f,  Ser.  n.  cos,  Aetolia  cepit; 
Ardeatis  templi  inscr.  (Baehr.  S.  138)  Hautius  Marcus  duet  Aria 
lata  ecce  oriundus  (Plin.  nat.  bist  35,  115  esse  statt  ecce^  Sillig 
exoriundus).,  Luc.  655  (Non.  288,  32)  Detrusus  tata  vi  deiectusque 
Italia;  die  Hddschr.  deiectaque^  corr.  Bentinus;  Cure.  225  Paves 
parasitus  quia  non  rediit  Caria\  die  Palatini  z.  T.  redit]  Most  440 
Triennio  post  Aegypto  advenio  dotnum, 

T)  Liv.  Andren.  14  (Baehr.  Fest  162)  Partim  errant^  nequeinont 
Graeciafn  redire\  Cure.  206  Minime^  nam  parasitum  misi  nudit»- 
quartus  Cariam:  339 Prehendit  dexteram^  seducit^  rogat  quid  veniam 
Cariam;  Capt  573  Nam  üle  quidem  qtiem  tu  hunc  memoras  esse 
hodie  hinc  abiit  Alidem;  Bothe  hat  umgestellt:  tu  esse  hunc 
memoras.  —  Fraglich  sind  noch :  Trin.  933  Omnium  primum  in 
Pontum  advecti  a  Arabiam  terram  sumus;  so  P,  A  fehlt;  Pore. 
Licin.  (Baehr.  S.  278,  Sueton.  vit  Ter.)  Itaque  ex  conspectu  omnium 
abit  ut  Graeciam  in  terram  ultimam;  so  Bährens,  die  Hddschr. 
greciam^  Bothe  post  Oraeciae^  außerdem  B  abit  in,  A  abit  ohne  ut. 

b)  Mit  Präposition, 
a)  CIL  I  198,  31  Conquaen  in  terra  Italia-,  200,  5  Quod  eius 
agn  in  terra  Italia  III  vir  dedit  assignavit;  200,  7  i]n  terra  Italia 

1)  Falls  sich  herausstellt,  daß  die  präpositionslose  Form  beizu- 
behalten ist,  so  muß  man  schreiben  Älidi,  vgl.  D  26—29.  Funaioli  faßt 
Alide  als  Ablativ  auf  die  Frage  woher?  (Rez.  S.  6),  aber  das  geht  nicht, 
denn  der  Sohn  ist  nicht  aus  Alis  weggefangen,  sondern  er,  der  geborene 
Ätoler,  ist  von  den  Aleern  gefangen  genommen  worden  und  weilt  nun 
als  Gefangener  in  Alis.  Der  Ablativ  hätte  nur  einen  Sinn,  wenn  er  bei 
oder  in  Alis  gefangen  und  dann  von  da  weggeführt  wäre.  Die  Stelle  Ov. 
Her.  8, 11,  die  Funaioli  zur  Bekräftigung  seiner  Ansicht  anführt,  hat  einen 
andern  Sinn,  als  wie  er  meint.  Bedauerlicherweise  ist  D  29  hinter  ruri^ 
Carthagini^  Sicyoiii  über  die  Korrektur  des  überlieferten  Älide  in  Alidi 
nichts  gesagt.  Es  kommt  das  daher,  daß  Alis  zunächst  ein  Ländername  ist 
und  es  sich  also  fragt,  ob  nicht  statt  des  bloßen  Lokatives  in  mit  dem  Ablativ 
zu  schreiben  sei.   Darüber  Näheres  im  folgenden  S.  843  IT.,  und  S.  357  ff. 

Indogermaiiiiclie  Fonchongeii  XYIII.  23 


342  J.  Heckmann, 

dedü  assignavit;  200,  11  Quei  in  terra  Italia  sunt]  200,  13  Quei 
ager  in  terra  Italia  fuü;  200,  33  Quei  ager  <«n  te>rra  Italia  fuU; 
200,  49  Quod  eius  agn  hei  extra  terra  Italia  ed:  200,  50  In 
terra  Italia  imperare  sdent]  200,  1  Quei  ager  poplicus  in  terram 
Italiam  .  . .  .  ;  das  Yerb  ist  ausgefallen,  aber  nach  Zeile  33  zu 
ergänzen  fuü\  200,  28  Quae  viae  pe]r  terram  Italiam  fuerunt; 
200, 48  Quei  ager  in  Africa  es^,  ebenso  51, 60, 67, 75 :  77  Agrum  in 
Africa  dederunt\  200,  86  Quae  vedigalia  in  Africa  sunt;  200,  87 
Oiuae]  publica  in  Africa  sunt.  —  PaU.  Caec.  253  (Char,  I  98  P) 
Quantum  amantum  in  Attica  est;  Hddschr.  in  natica;  Tog. 
Afran.  233  (Char.  I  95  P)  In  Gallia  ambas  cum  emerem;  Cat. 
lord.  11,  1  (Varro  RR  11  4,  11)  In  Italia  in  scrobes  tema  atque 
qtuäema  mUia  f  anlia  sucddia^vere;  so  die  Hddsclu*.,  die  Stelle  ist 
noch  nicht  genügend  verbessert  vgl.  Peter  Cat  fragni.  39 ;  Cat 
lord.  85,  11  (Chans.  79  P  102  K)  Et  in  Italia  atras  capras  lade 
aUmm  habere;  Cass.  Hern.  34  (Non.  183)  In  Hispania  pugnaium 
bis;  Val.  Ant  57  (Gell.  VI  9,  12)  Quei  quaestor  in  Hispania  fuerat; 
Com.  Sis.  126  (Gell.  XII 15,  2  In  Asia  et  Graecia  gesta:  Orat  Scip. 
Afric.  M.  (Meyer  6,  Gell.  IV  18)  Vici  in  terra  Africa;  C.  Gracch. 
(Meyer  121,  Gell.  XI,  10)  Item  uti  in  terra  Graecia  talentum 
magnum  datum  esse,  —  Heaut  181  Huic  scis  esse  ßium?  — 
Audivi  esse  in  Asia;  Cas.  70 — 71  At  ego  aio  id  fieri  in  Graecia 
et  Carthagini  Et  hie  in  nostra  terra  in  Apidia ;  Mil.  52  Quid  in 
Cappadocia  tibi  tu  quingmitos  simid  Occideras:  42  Memini  centum 
in  Cüicia  Et  quinquaginta,  centum  in  Scytholutronia  sc.  sunt  quos  tu 
occidisti\  A  Ciliciam^  ScytlwUitroniam^  P  sycdatroniae;  25  Edepci 
vd  eleplianto  in  India  —  praefregisli  brachium ;  Pers.  826  Reddere 
Diodarus  quem  olim  faciebat  in  lonia;  Poen.  598  Macerati  hoc 
pingues  fiunt  auro  in  Barbaria  boves;  die  ed.  min.  und  Leo  iw 
barbaria;  PI.  fragm.  73  (Fest  372,  27)  Heus  tii^  in  Barbaria  quod 
dixisse  dicitur:  die  Ausgg.  in  barbaria:  Trin.  934  Eho  an  etiam 
Arabiast  in  Ponto?;  Capt  9  Eumque  hinc  p'ofugiens  vendidit  in 
Alide  Patri  huiusce;  94  Nam  Aetdia  haec  est  Ulic  est  captus  in 
Alide;  26  Medicm  Menarchus  emit  ibidem  in  Alide;  544  Tu  usque 
a  puero  servitutem  servivisti  in  Alide;  590  Neque  praeter  te  in 
Alide  Mus  servos  istoc  nominest;  547  Hegio,  hie  homo  rabiosus 
habitus  est  in  Alide;  Luchs  will  istic  statt  hie;  979  Tuo  patri 
ait  se  vendidisse  sex  minis  in  Alide;  638  Satin  istuc  mihi  ex- 
quisitumst  fuisse  hunc  servmn  in  Alide.  — 

ß)  Cure.  438  Venimus  in  Cariam  ex  India;  Pers.  461  Quas 


Ober  präpositionslose  Ortsbezeichnung  im  Altlateinischen.        343 

tu  aUtdisU  mi  ab  ero  usque  e  Persia;  498  Nam  ex  Perria  sunt 
istaec  dUcdae  mi  a  meo  ero\  522  Furtivam  abdudam  ex  Arabia 
penUissuma]  541  Nequis  vero  ex  Arabia  peniHssuma  Persequatur; 
so  A,  P  ea?  barbaria]  Stich.  152  Si  quae  forte  ex  Asia  navis 
heri  \  aut  hodie  venerit]  366  Ecquae  navis  venerit  Ex  Asia;  Trin. 
845  Advenio  ex  Seleucia^  Macedonia^  Asia  atque  Arabia;  Eun.  110 
PueUam  ex  AUica  hinc  abreptam;  471  Ex  Aethiopiast  tisque  haec; 
Heaui  607  Dicam  hanc  esse  captam  ex  Caria;  Orat  C.  Gracch. 
(123,  GeU.  X,  3)  Ex  Asia  missus  est.  —  Capt.  1005  Sed  erus 
eccum  ante  ostiumsty  erm  alter  eccum  ex  Alide  Bediit;  1014  f 
lUic  indicium  fecit^  nam  hunc  ex  Alide  hm  redticimtis]  doch  paßt 
das  illic  hier  nicht. 

t)  Cure.  67  Nunc  hinc  parasitum  in  Cariam  misi  meum\ 
275  Estne  hie  parasitus  qui  missust  in  Cariam;  329  Postquam 
tuo  iussu  profectus  sum  perveni  in  Cariam;  438  f  Quia  nudias- 
quartus  venimus  in  Cariam;  Trin.  599  Ibit  aut  in  Asiam  atU  in 
Cüiciam;  Ter.  Andr.  935  Meque  in  Asiam  persequens  Proficisdtur; 
Phorm.  66  Iter  illi  in  Lemnum  ut  esset^  nostro  in  Ciliciam;  Eun. 
126  In  Cariam  est  profectus;  Heaut.  111  Sed  in  Asiam  hinc  abii; 
117  In  Asiam  ad  regem  militatum  abiit;  Yolc.  Sedig.  2  (Suet.  v. 
Ter.)  Iter  hinc  in  Asiam  fecit;  Cat.  Jord.  44  (Fest  182  M)  Legatus 
sum  in  Aetdiam;  35,  14  (Char.  II  190  P,  218  K)  Itaque  porro 
in  Turtam  proficiscor  servatum  iUos;  33, 15  (ibid.)  Inde  pergo  porro 
ire  in  Turtam.  Der  Cod.  Neap.  hat  beidemale  Turtum^  die  Ed.  pr. 
Zeile  15  ire  Tutram^  Turta  ist  Turdetania.  —  Coel.  Antip.  4 
(Prise.  Xm  960  F  SR)  In  Africam  missus;  12  (Char.  U  183  P 
203  K)  Cdocem  in  Africam  mittit.  —  Most  994  Non  equidem  in 
Aegyptum  hinc  modo  vectus  fui;  Trin.  933  Omnium  primum  in 
Pontum  advecti  a  Arabiam  terram  sumus;  so  P,  A  fehlt  —  Capt 
379  Ut  te  aestumatum  in  Alidem  mittam  ad  patrem;  588  Illum 
restituam  huic^  hie  autem  in  Alidem  me  meo  patri. 

Gewöhnlich  ist  also  die  Präposition  hinzugefügt,  und  es 
fragt  sich,  wie  die  Ausnahmen  zu  erklären  sind.  Am  einfachsten 
erledigen  sich  Italia  (Luc.  655)  und  Arabiam  (Trin.  933);  denn 
dort  enthält  das  regierende  Verbum  die  Präposition.  Überdies 
kann  man  Trin.  933  ebensogut  annehmen,  das  d  sei  ausgefallen, 
wie  das  a  sei  doppelt  geschrieben.  Asia  sodann  in  der  Inschrift 
des  Ardeatischen  Tempels  ist  ein  Ablativ  des  Ureprunges,  worüber 
man  vgl.  S.  330  ff.,  und  Graeciam  in  der  Terenzvita  läßt  sich  als 
Apposition  zu  terram  ultimam  fassen,  wenn  nicht  etwa  mit  Bothe 

23* 


344  J.  Heckmann, 

zu  schreiben  ist  Graeciae.  Weiterhin  Äetölia  cepU  (CIL  I  534) 
scheint  eine  alte  Formel  zu  sein,  und  ist  damit  hinreidiend  er- 
klärt; denn  man  muß  annehmen,  daß  kurz  vor  der  literarisdien 
Epoche  der  Ablativ  der  Substantive  in  weitestem  Umfange  zur 
Bezeichnung  der  Bewegung  von  einem  Orte  her  präpositionslos 
verwandt  wurde.  Als  eine  Spur  dieser  alten  Ausdrucksweise  ist 
endlich  auch  das  Graedam  redire  bei  Livius  Andronicus  zu  be- 
trachten. So  blieben  nur  noch  die  Plautinischen  Beispiele.  Plautus 
aber  hat  im  allgemeinen  keiue  Altertümlichkeiten  in  seiner 
Sprache,  sondern  bedient  sich  der  Rede  der  gebildeten  Gesell- 
schaft seiner  Zeit.  Also  wäre  hier  eine  andere  Erklärung  zu 
suchen.  Es  finden  sich  aber  bei  ihm  präpositionslos  Alis^  Caria, 
Aegyptus,  Um  darüber  richtig  urteilen  zu  können,  ist  es  von 
Bedeutung,  zu  wissen,  was  Plautus  unter  Alis^  Aegyptus^  Caria 
verstanden  hat,  und  schon  längst  ist  die  Behauptung  aufgestellt, 
daß  Plautus  unter  einigen  Wörteni,  die  gewöhnlich  ein  Land 
bezeichnen,  eine  Stadt  verstanden  hat,  und  umgekehrt  So  wird 
allgemein  angenommen,  daß  Sdeucia  dem  Plautus  ein  Land  ge- 
wesen ist  (vgl.  Trin.  845),  und  die  präpositionslosen  Formen 
von  AliSy  Caria^  Aegyptus  wären  einfach  erklärt,  wenn  diese 
ihm  Städte  gewesen  wären.  Für  Aegyptus  jedoch  als  ein 
großes,  bekanntes  Land  geht  das  offenbar  nicht  an,  für  Alis 
und  Caria  schon  eher.  Daß  Plautus  nun  unter  Ca^-ia  eine 
Stadt  (oder  ttoXic)  verstanden  habe,  die  nahe  bei  Epidaurus 
gelegen  hätten,  behaupten  König  S.  8,  Leo  z.  Cure.  67,  Hüffner: 
De  PlaiUi  comoediarum  exemplis  Atticis  quaestianes  maxime 
chrmohgkae^  S.  18.  Letzterer  dehnt  diese  Behauptung  auch 
auf  Alis  aus,  imd  befindet  sich  dabei  in  Übereinstimmung 
mit  Redslob.  Doch  hält  Brix  (Capt.  24)  daran  fest,  Plautus 
habe  sieh  unter  Caria  und  Alis  Länder  gedacht.  Ich  habe 
darauf  die  Komödien,  in  denen  die  beiden  Namen  vorkommen, 
unter  diesem  Gesichtspunkte  durchgelesen,  und  das  Ergebnis 
war  folgendes.  Weder  Alis  noch  Caria  wird  ausdrücklich  als 
Stadt  oder  Land  bezeichnet;  doch  heißt  es  im  Curculio,  der 
Parasit  sei  in  der  kurzen  Zeit  von  vier  Tagen  von  Epidaurus 
nach  Caria  hin  und  wieder  zurückgereist  (V.  20(i).  Das  wäre 
unmöglich,  wenn  unter  Caria  das  Land  gemeint  wäre,  oder  doch 
nur  aus  der  dichterischen  Freiheit  zu  erklären.  Auf  eine  Stadt 
deuten  auch  hin  V.  33.5  ff.  Abeo  ab  illo  ad  forum  e.  j.  s.  Für 
Alis  könnte  man  einen  Fingerzeig  erblicken  in  den  Worten  Ita 


Ober  präpositionslose  Ortsbezeichnung  im  Altlateiniscben.        d46 

nunc  bdUgerant  Aekii  cum  Aleis^  Nam  Adolia  haec  est^  äle  est 
captus  in  Alide.  (Capt  V.  93).  Vgl.  auch  V.  22.  Aber  da  man 
lateinisch  auch  sagt:  Bellum  gesserunt  Persae  cum  Ätheniensibus, 
so  läßt  sich  hieraus  nichts  schließen.  Doch  wird  aus  dem  An- 
geführten soviel  erhellen:  Wenn  sich  herausstellen  sollte,  daß 
Plautus  bei  den  Wörtern,  unter  denen  er  zweifellos  Städte  ver- 
standen hat,  immer  die  bloßen  Kasus  gesetzt,  dagegen  bei  denen, 
die  ihm  zweifellos  Ländernamen  waren,  regelmäßig  die  Prä- 
position hinzugesetzt  hat,  so  läßt  sich  bei  den  zweifelhaften  aus 
dem  Fehlen  oder  Vorhandensein  der  Präposition  darauf  schließen, 
was  der  Dichter  sich  darunter  gedacht  hat  Die  Voraussetzung 
trifft  für  die  Ländernamen  zu  bis  auf  Aegyptus^  das,  obwohl 
zweifellos  auch  für  Plautus  ein  Land,  doch  einmal  (Most  440) 
präpositionslos  steht  Nun  hat  Wölfflin  (Arch.  7,  581  ff.)  nach- 
gewiesen, daß  zu  allen  Zeiten  bei  gewissen  Ländernamen  auf 
-I«,  namentlich  bei  Aegyptus  und  I^rus^  die  Präposition  öfter 
fehlt,  und  dies  aus  der  Form  der  Wörter  erklärt.  Die  Länder- 
namen endigen  nämlich  selten  auf  -m  oder  -um  im  Lateinischen, 
sehr  häufig  aber  die  Städtenamen,  und  so  kam  es  denn,  daß 
man  die  Ländernamen  auf  -us  zuweilen  syntaktisch  ebenso  be- 
handelte, wie  die  Städtenamen.  Die  Erklärung  erscheint  plau- 
sibel, und  man  kann  sie  auch  für  unsere  Stelle  (Most  440)  in 
Anspruch  nehmen.  So  wären  also  alle  präpositionslosen  Kasus 
bis  auf  die  von  Alis  und  Caria  erledigt,  imd  es  unterliegt  keinen 
Bedenken  mehr,  für  diese  nun  aus  ihrem  präpositionslosen  Ge- 
brauche bei  Plautus  zu  folgern,  daß  er  Städte  darunter  ver- 
standen hat  Ausgefallen  nämlich  kann  das  in  nicht  sein;  denn, 
fügt  man  es  ein,  so  enthalten  die  Verse  Capt  330,  Cure.  225 
einen  metrischen  Fehler.  Ob  nun  aber  überall  bei  diesen  Wörtern 
die  Präposition  zu  tilgen  ist,  das  läßt  sich  erst  entscheiden,  wenn 
man  festgestellt  hat,  wie  Plautus  sonst  bei  Städtenamen  verfahren 
ist  Wir  werden  also  bei  diesen  auf  ^fe  und  Caria  zurückkommen. 

2.  Namen  von  Liseln; 

I.  auf  denen  keine  Stadt  gleichen  Namens  ist. 

a)  Ohne  Präposition. 

a)  Phorm.  942  Lemni  habuU  aliam  (uooarem);  1012  Haecine 

erant  üiones  crebrae  et  mansiones  diutinae  Lemni;  Manil.  (Baehr. 

S.  284,  Varro  VII  16)  LaUma  parit  onusta  complexu  lovis  Deli  adeo 

geminas;  d.  Hddschr.  Delia  deos. 


346  J.  Heckmann, 

ß)  Truc.  91  Nam  ego  Lemno  advenio  Athenas  nudiustertius'^ 
355  Quid  tarn  inficetu's  Lemno  adveniens. 

t)  Pac.  218  (Fest)  Äccessi  Aeaeant]  der  cod.  Berb.  acces  . . . 
«am,  der  Vatic.  S.  accesseram.,  Com.  Sis.  125  (Non.  93)  Marius 
ostio  Liris  evehitur  atque  Aenariam  suos  continuatur'^  so  LWJf, 
Mercer  und  Peter  cidque.  Merc.  397  lam  Cyprum  wm;  Phorm.  568 
Qtiid?  Qua  profectm  causa  hinc  es  Lemnum]  Ad.  224  Te  aümt 
proficisci  Cyprum^  doch  D  in  C;  230  Alia  quae  parte  Cyprum. 

b)  Mit  Präposition, 
a)  Men.  409  Qui  Syraeusis  perhibere  natus  esse  in  Sicäia; 
1096  In  Sicäia  Te  Syraeusis  natum  esse  dixisti;  Eud.  495  Mab 
cruciatu  in  Sicilia[m]  perbiteres;  Tun.  928  Rdiqui  ad  Bhadamaniem 
in  Cecropia  instda  (das  Metrum  ist  unsicher);  CIL  I  551  In  Sicäia 
fugüivos  conquisivi;  Phorm.  872  Quid  ais?  Cum  eius  cansuevit  dim 
matre  in  Lemno  danctdum;  1003  In  Lemno  (uxorem  duxit), 

ß)  -. 

T)  Rud.  54  Eai  in  Siciliam;  357  Auferre  vduU  In  SicUiam\ 
eist.  161  Pedibus  perfugium  peperü^  in  Lemnum  aufugit;  Mera 
933  Vos  in  curriculum  conicüis  In  Cyprum  reda^  quandoquidem 
pater  mihi  exüium  parat;  Phorm.  66  Iter  Uli  in  Lemnum  ut  esset^ 
nostro  in  Ciliciam;  A  in  Lemno, 

II.  auf  denen  eine  Stadt  gleichen  Namens  ist. 
a)  Ohne  Präposition. 

a)  Eun.  107  Ea  habitabat  Rhodi\  Luc.  339  (Philarg.  z.  Yerg. 
Georg.  IV  387)  Carpathium  mare  transvectm  cenabis  Rhodi  <^d^ny. 

ß)  Merc.  390  Sed  quid  ais^  ecqiiam  tu  advexti  tuae  matri 
anciliam  Rhodo:  so  B,  CDZ  e  Rhodo^  F  e  Rhodio,  Leo  e  Rliodo^ 
Ed.  raai.  u.  min.  Rhodo. 

T)  Naev.  bell.  Poin.  37  (Non.  90,  27)  TransU  Mditam  exer- 
dtus;  Laev.  20  (Baelir.  291,  Prise.  I  302  H)  Nunc  LerHe  belle 
para  ire  Itliacam]  Merc.  11  Pater  ad  mercatum  hinc  me  mens 
misit  Rhodum\  P  Rhodus^  A  fehlt;  93  Rhodum  t^nimus  %d)i  quas 
merces  vexeram  .  .  .;  Enn.  ann.  418  (Fest.  286)  Lide  Parum\  das 
Yerbum  fehlt;  Luc.  337  (Non.  533,  23)  Ad  regem  legattis  Rhodum^ 
Ecbatanam,  Babylonem  Ibo\  Pac.  327  (Cic.  de  erat.  11  46,  193) 
Segregare  abs  te  ausus  aut  sim  ülo  Salaminem  ingredi;  Acc.  370 
(Non.  259,  26)  Vi  contendam  ut  hinc  cum  patre  tete  una  Salaminem 
aveham;  d.  Hddschr.  habeam. 


über  präpositionslose  Ortsbezeichnung  im  Altlateinischen.      .  347 

b)  Mit  Präposition. 

a)  Andr.  931  Mtdti  alii  in  Andro  id  audivere;  Hec.  171 
IfUerea  in  Imbro  moritur  cognatus  senex;  Andr.  222  Navem  ia 
fregit  apud  Andrum  insulam. 

ß)  Bacch.  472  linde  esse  eam  aiunt?  —  Ex  Samo;  574 
Milüis  qui  amicam  secum  avexit  ex  Samo;  Andr.  70  Ex  Andro 
commigravit  huc  vidniae, 

t)  Andr.  923  AUicas  quidam  olim  nave  fracta  ad  Andrum 
eiedus  est;  so  A^  dagegen  apud  BCEGP,  Prise.  344.  Man 
schreibt  ad  nach  Bentley  *in  significatüme  7notus\ 

Für  sich  zu  beurteilen  sind  die  Stellen  Acc.  327  (Salaminem 
ingredi)^  Pac.  218  {Accessi  Aeaeam\  Andr.  222  (Apud  Andrum 
in8ulam\  923  [Ad  Andrum  eiectus  esf).  Die  Präpositionen  sind 
hier  nach  denselben  Gesetzen  gesetzt  oder  ausgelassen,  die  auch 
für  die  AppeUativa  gelten.  Denn  an  den  drei  ersten  Stellen 
steckt  die  Präposition  im  Verbum,  und  Andr.  222  wird  durch 
apud  die  Nähe  bezeichnet,  desgl.  923  durch  arf,  hier  verbunden 
mit  der  Vorstellung  der  Bewegung  (Bentl.).  Für  die  andern 
Beispiele  aber  wird  man  vergebens  nach  einer  Regel  suchen, 
nur  daß  bei  Sicüia  als  dem  Namen  einer  großen  und  bekannten 
Insel  stets  die  Präposition  steht.  Sonst  ist  sie  scheinbar  regellos 
bald  hinzugefügt,  bald  nicht  Eine  annehmbare  Erklärung  dafür 
gibt  Wölfflin  (Archiv  7,  581  f.,  vgl.  8,  295  f.),  der  darauf  hin- 
weist, daß  dies  natürlicherweise  der  Fall  sein  muß  bei  den 
Nomina,  die  sowohl  eine  Insel  wie  auch  eine  Stadt  bezeichnen, 
und  dann  auch  übertragen  wurde  auf  die  Namen  andrer  kleiner 
und  unbedeutender  Inseln.  Man  muß  es  dann  alä  Zufall  an- 
sehen, daß  die  Beispiele  für  die  Hinzufügung  der  Präposition 
sich  nur  bei  PI.  und  Ter.  finden.  Wo  also  die  Überlieferung 
schwankt,  sind  allein  die  besten  Hddschr.  maßgebend.  Es  ist 
also  zu  schreiben  atque  Aenariam  (Sis.  125),  Cyprum  (Ad.  224), 
e  Rhode  (Sierc.  390),  mit  Verzicht  aufstreben  nach  Regelmäßigkeit. 

3.  Städtenamen. 

a)  Ohne  Präposition. 

a)  Gas.  759  Nee  pol  ego  Nemeae  credo  neque  ego  Olympiae 

sc.  Ixidos  fieri]  CIL  I  199  Romae  sententiam  dixerunt;  200,  48 

Quei  ager  locus  in  Africa  est  quei  Romae  publice;  200,  73  Quei 

Romae  ious  deicet  (2X);  200, 75, 83Ager  quei  Romae  publice  venierü; 


348  J.  Heckmann, 

I  54  Navias  Plautios  med  Romai  fecit;  CIL  I  S.  299  Nundinae 
Interamnae,  Romae^  Capuae^  Fabratemae\  Naev.  63  (Baehr^  Ps.- 
AscoQ.  z.  Cic.  in  Verrem)  Foto  Metdli  Ramae  fiunt  constdes;  Ena. 
ann.  75  (Fest  258)  Est  qtii  se  sperat  Romas  regnare  quadratae; 
Enn.  Heduph.  529  Mitüenae  Est  pecten  crebrum  finisque  apui 
Ämbraciai]  bei  Apuleius,  die  Hddschr.  mitüene-,  Tog.  Tit  106 
(Non.  227,  15)  Virgo  nuUa  est  talis  Setiae;  LFW  taUs  etiae, 
H|  talis  etiam  es^,  H,  Udis  etie^  Urbin.  tale  sentetUia ;  Cat  orig.  64 
(Char.  I  70  P,  91  K)  Qtiescumque  Romae  regfiamssent;  Cat  RR  66 
(26)  Suessae  et  in  Lucanis  plostra;  67  (3)  Trapeti  Nolae  ad  Ruß 
maceriam]  75  (11)  Romae  iudicium  fiat;  Bruns  147  (im  SC  de 
philol.  vom  Jahre  593)  üt  Romae  ne  sient.  —  Bacch.  336  Poptdo 
prtxesente  nuUust  Ephesi  quin  sciat;  1047  Ne  ille  edepcl  Ephesi 
muUo  maveUem  foret;  Mil.  647  Post  Ephesi  stim  natus'j  Epid.  636 
Ex  Philippa  matre  natam  [as]  Thebis^  Epidauri  satam;  Men.  29 
Tarenti  ludi  forte  erant  quom  üluc  venit\  36  fhuds  diebus  post 
Tarenti  emortuost;  39  Patremqm  pueri  f  Tarenti  esse  emortuom; 
Ad. 654  Nam  habitat  Mileti]  CIL  I S.  299  Nundinae  Aquini,  Carini', 
Emi.  Heduph.  529  Brundisii  sargust;  überliefert  Brundisii  sargus 
bonm  est  hunc  magnus  si  est  tibi  sume^  Yahlen  hat  bonus  als 
Glossem  gestrichen;  Suerdso  schreibt  Bnindisio^  so  auch  Lua 
Müller:  Eiinius,  eme  Einleitung  usw.;  ebenda  Sunt  ostrea  plurima 
Abydi]  Pore.  Lic.  (Baehr.  S.  278)  Morttwst  Stymphali^  Arcadiae 
<  in  >  oppido;  bei  Sueton  in  den  Hddschr.  in  fcdo^  Stymphdli 
Roth  und  Hitachi;  Cat  orig.  55  (Scrv.  z.  Yerg.  Aen.  10,  541) 
Lavini  boves  inimolatos  pritisqtmm  caederentur^  cmifugisse  adaram: 
das  Prgm.  ist  nur  im  Parisinus  erhalten,  übrigens  zu  schreiben 
Lavinii;  Cat  RR  67  (10)  Funem  torctdum  si  quis  faci^t  Casini 
Tunnius,  Venafri  C,  Memmius  L.  F.\  Orat  C.  Gracch.  (123, 
Gell.  X,  3)  Ferentini  praetor  quaestores  arripi  iiissiL  —  Cas.  71 
At  ego  aio  id  fieri  in  Graecia  et  Catihagini;  Cist  125, 130  Adtdescem 
qxädam  hie  est  adprime  nobüis  Siajoni^  summo  genere  ei  vivit pater^): 

1)  Die  Hddschr.  haben  Sici/one,  ebenso  die  ed.  minor  und  Leo,  aber  es 
ist  Lokativ  und  also  zu  schreiben  Sicyoni.  Denn  es  läßt  sicli  weder  als  Ab- 
lativ mit  adiilescem  verbinden  (in  V.  125)  wegen  des  hie  noch  laiipater  (in 
V.  130),  da  es  von  diesem  zu  weit  absteht.  So  bleibt  nur  die  Verbindung 
mit  est  übrig.  Dann  kann  es  füglich  nur  Lokativ  sein;  und  daß  dieser 
zu  schreiben  ist  Sicyoni^  habe  ich  nachgewiesen  D  pg.  27 — 29.  —  Ähnlich 
verhält  es  sich  mit  dem  Cas.  110  überlieferten  rure.  Funaioli  (Bezension 
S.  6)  scheint  zu  glauben,  ich  akzeptiere  diese  Form  D  25  'in  lokati\'ischer 
Bezeichnung',  aber  ich  führe  S.  25  nur  an,  wie  die  Formen  in  den  Hand- 


über  präpositionslose  Ortsbezeichnung  im  Altlateinischen.        349 

156  Fuere  Sicyoni  iam  diu  Dionysia ;  190  Ädtdescens  hie  est  Sicyoni: 
ei  vivUjpater\  995  Nam  necessest  hodie  Sicyoni  me  esse  atä  cras  mortem 
exequi'^  Poen.  1038  Carthagini  ego  sum  gnatus  tUtu  eis  sciens^  1056 
Quid  aiSf  qui  potuit  fieri  ut  Carthagini  Gnatus  sis;  Asiu.  492  Merito 
meo  neque  me  alter  est  Äthenis  hodie  quisquam\  Aul.  810  Qui  me 
Athenis  nunc  magis  quisquamst  hämo  quoi  di  sintpropitii\  Bacch.  563 
Qui,  tibi  non  erat  meretricum  aliarum  Athenis  cqpia'^  Epid.  26 
Quem  dices  digniorem  esse  hominem  hodie  Äthenis  alterum\  501 
Fateor  me  omnium  Esse  hominum  Athenis  Atticis  minumi  preti\ 
Epid.  636  Ex  Phüippa  matre  natam  [as]  Thebis  Epidauri  satam] 
Amph.  677  Quam  omnium  Thebis  unam  esse  optimam  diiudicat; 
1046  Qui  me  Thebis  vivit  alter  miserior;  Men.  8  Omnis  res  gestas 
esse  Athenis  autumant;  17  Mercator  fuit  quidam  Syracusis  senex\ 
69  Nunc  nie  geminus  qui  Syracusis  habet '^  409  Qui  Syracusis  per- 
hibere  natus  esse  in  Sicilia]  1097  Te  Syracusis  natum  esse  dixistij 
hie  natust  ibi;  Merc.  945  Sed  de  amica  se  indauditdsse  autumat 
Hie  AHienis  esse]  Mil.  99  Erat  erus  Athenis  mihi  adulescens  optumus'^ 
122  Video  iUam  erüem  amicam  Athenis  quae  fuit\  127  Sese  iUum 
amare  meum  erum  Aihenis  qui  fuit]  130  Meum  erum  qui  Athenis 
fuerat^  qui  hanc  amaverat]  451  Est  domicilium^  Athenis  domus  est; 
Most.  1072  Alter  hoc  Athenis  nemo  doctior  dici  potest]  Eud.  738 
Nam  altera  Jiaec  est  nata  Athenis  ingenuis  parentibus.  —  Quid 
ego  audio^  hanc  Athenis  esse  natam  liberam\  741  Immo  Athenis 
natus  altusque  educatusque  Atticis]  746  Quid  mea  refert^  f  hac 
Athenis  natae  an  Thebis  sient]  Ps.  339  Si  ego  emortuos  sim  Athenis 
ie  Sit  nemo  nequior;  416  Dictator  fiat  nunc  Athenis  Atticis]  Stich. 
448  Licet  haec  Athenis  nobis]  Truc.  10  Aihenis  tracto  ita  ut  hoc 
est  proscaenium]  Enn.  Epich.  487  (Consent.  400  K)  Hinc  statuam 
statui  f  maiorum  et  obatu  Athenis]  die  Stelle  ist  noch  nicht  erklärt; 
Trag.  ine.  ine.  259  (Cic.  ad  Attic.  VI  9)  In  arce  Athenis  statio  nunc 
mea  mihi  placet]  Ps.  480  Quod  scibo  Delphis  tibi  responsum  didto] 
CIL  I  577  in  9  Qui  in  consilio  sdent  esse  Putedleis]  CIL  I  S.  299 

Schriften  überliefert  sind  und  die  Palatini  haben  Gas.  110  rure  oder  iure 
oder  dure.  Freilich  habe  ich  übersehen,  daß  A  das  Wort  nicht  voll- 
ständig überliefert  (er  hat  nur  RUR-,  nach  dem  Zeugnisse  von  Leo,  nach 
dem  der  ed.  minor  aber  RURE).  Doch  will  ich  selber  geschrieben  wissen 
rwrt,  wie  deutlich  zu  lesen  steht  D  29  Z.  8:  Semper  scribendum  iudico 
ruri,  also  selbst,  auch  gegen  Funaioli  (Rez.  6)  Tit.  tog.  61  R.  Soweit  über- 
haupt in  dieser  Abhandlung  meine  Schreibung  von  der  Oberlieferung  ab- 
weicht und  nichts  weiter  darüber  bemerkt  ist,  ist  die  Begründung  dafür 
ev.  in  meiner  Dissertation  zu  suchen. 


350  J.  Heckmann, 

Nundinae  Minturni(i)8',  CIL  X  8054  Beim  Gabinio  es.  CaUbus 
feci  ie,  — 

ß)  Stich.  491  Ämbracia  veniunt  huc  legati  publice;  CIL  I  530 
M.  Claudius  M.  f.  cansol  Hinnad  cepU\  VI  1307  M.  Folvias  cos, 
Ambracia  cepit:  I  561  (auf  einem  Meilenstein)  CXIX  Boma^ 
540  CXXII  Genua  Cremonam;  Naev.  4  (Baehr.,  Sen-.  Dan.  z- 
Aen.  in  10)  Ambarum  uxores  noctu  Traiad[e]  exibant;  Enn.  ann. 
158  (Prob.  z.  Verg.  Georg,  n  506)  Poetios  Sarra  oriundos;  Luc.  74 
(Non.  266,  26)  Bis  quina  octogena  viddns  Ccmmoda  te  Capua 
quinquagifUa  atque  ducenta\  die  Hddschr.  te^  Lachm.  tu^  Lua 
Mueller  tunc\  81  (Chans.  203  K)V6Uurnus  Capua  longe  tria  miUa 
cefitum ;  82  (Porph.  z.  Hör.  sat.  I  6,  68)  Campana  Capua^  weiter 
ist  nichts  überliefert;  496  (Non.  165,  13)  Bediisse  ac  repedasse 
Borna  vix  a  gladiatoribus\  die  Hddschr.  Boma  vitet^  Baehr.  wie 
oben,  gewöhnlich  Bomam;  497  (a.  a.  0.)  Sanctum  ego  a  MekUi 
Boma  iam  repedabam  numere;  d.  Hddschr.  Bomam^  Boma  Munro; 
Cat.  orig.  71  (Prob.  z.  Verg.  buc.  S.  4  K)  Achaei  Troia  domum 
redeuntes;  Calp.  Piso  19  (Gell.  XV  29)  Uti  sua  vduntate  Boma 
concedat'j  die  Hddschr.  Bomam  contendatj  aber  der  Sinn  der  Er- 
zähliuig  verlangt  Boma.  —  Auf  den  alten  Münzen  pflegt  an- 
gegeben zu  sein,  wo  sie  geprägt  oder  ausgegeben  sind,  und  das 
wird  verschieden  bezeiclmet,  bald  durch  den  Namen  der  Stadt 
im  Nominativ  oder  Ablativ,  bald  durch  den  der  Bewohner  im 
Genitiv.  Der  Nominativ  steht  z.  B.  I  10  Alba  und  so  öfters,  zu 
einer  Zeit,  in  der  der  Ablativ  das  d  noch  nicht  verloren  hatte; 
der  Name  der  Bewohner  im  Genitiv  z.  B.  I  1  Bomano,  I  16 
Suessam]  der  Nominativ  des  Landes  z.  B.  I  418,  419  Italia, 
Also  kann  man  Boma^  Copia,  Valentia  u.  a.  auf  Münzen  späterer 
Zeit  (I  212 — 412,  I  511,  512)  für  Nominative  halten.  Für  den 
Lokativ  findet  sich  kein  Beispiel,  denn  Ladinei  (I  24)  sieht 
man  als  einen  oskischen  Genitiv  an.  Der  Ablativ  aber  steht  I  19 
Bemventod^  vielleicht  auch  I  653  Asclaro.  —  Bacch.  230  Mille 
ei  ducentos  Philippum  attidimus  aureos  Epheso\  Ps.  730  Qtd  a 
patre  advenit  Carysto  7iecdum  exit  ex  aedibiis]  Luc.  799  (Fest.  194) 
Priverno  Oufentina  venu  fluvioque  Oufente\  Pac.  167  (Non.  280, 
27)  Beditumst  Pergamo,  —  Poen.  66  Puer  septuennis  surripitur 
CartJiagine:  987  Qui  iUim  sexennis  perienm  Carthagifie;  989 
Periere  piieri  liberi  CaHhagine\  1101  Surrupfasque  esse  parvolas 
Carthagitte;  CIL  1 505  Tiati  (was  vielleicht  oskisch  ist).  —  Ep.  206 
A  legione  omnes  remissi  sunt  domum  Thebis]   416  Quia  Thebis 


Ober  präpositionslose  Ortsbezeichnung  im  Altlateinischen.        361 

scdvas  redierit]  602  Hinc  Athenis  civis  eam  emit  ÄUicus;  Mil.  114 
Vbi  amicam  eräem  Athenis  avectam  scio]  239  Dicam  Athenis  ad- 
venisse  cum  amaiore  aliquo  suo ;  384  Venisse  Athenis  in  Ephesum 
cum  suo  amatore  quodam\  439  Egone  —  Tu<ne>  —  Qtioe  heri 
Athenis  Ephesum  adveni  vesperi;  489  Quae  heri  huc  Athenis  cum 
haspite  advenit  suo\  Rud.  35  Senex  qui  huc  Athenis  exul  venit; 
1105  Haec  Athenis  parva  fuit  virgo  surpta.  —  Die  mihi;  1111 
Quibuscum  f  parva  periit  Athenis  sictdi  dixi  ptnusx  Com.  ine. 
ine.  2  (Rhet.  ad  Her.)  Athenis  Megaram  vesperi  advenit  Simo.  — 
Pers.  137  Sicut  istic  leno  hau  dum  sex  menses  Megaribus  Huc 
est  quam  commigravU.  —  In  den  folgenden  Beispielen  ist  es 
zweifelhaft,  ob  der  bloße  Kasus  lokativiseh  oder  ablativisch  steht: 
Trag.  Aee.  500  Coniugium  Pisis  petere^  at  te  üiner  tendere  (Non. 
482,  26;  die  Hddsehr.  Tisis  patere^  Pisis  petere  Delrio);  Cat 
lord.  77,  1  (Plin.  nat.  bist  XIX  7,  14)  Dicam  quid  Athenis  ex- 
quisitum  habeam\  Cat  RR  28  (25)  Ptmipeis  emptus  omatus,,  29  (6) 
Tantidem  Pompeis  emitur,  — 

t)  Pers.  259  Nam  erus  mens  me  Eretriam  misU;  322  Quid 
tu  ais?  —  Dominus  me  bovis  mercatum  Eretriam  misit;  Rud.  631 
Hoc  anno  futurum  multum  sirpe  et  lasserpicium  Eamque  eventuram 
exagogam  Capuam  scdvam  et  sospitem-,  CIL  I  196  Utei  ad  prae- 
torem  urbanum  Romam  venirent;  I  199  Bomam  coram  venire; 
I  199,  25  Vectigal  Genuam  dent,  ähnlich  27,  35;  I  541  Romam 
redieit'^  I  540  Genua  Cr<e>fßanam  XXVIII^  auf  einem  Meilen- 
steine; 551  Hincine  sunt  Nouceriam  mUlia  L,  Capuam  XXCIIIy 
Cosentiam  CXXIII,  Valentiam  CLXXX;  Lue.  298  (Prise.  1 203  H) 
Inde venit Somam;  337 (Non. 533, 23) Efcftotonamifto;  Trag.Naev.  16 
(Prise.  Vm  801  P)  Spartam  referat  nuntium;  Pae.  249  (Fest  217) 
Spartam  reportare  instat;  Hddsehr.  reponare,  Seal,  reponere;  Com. 
ine.  ine.  2-3  Megaram  advenit  Simo,  ubi  advenit  Megaram  e.  q.  s.; 
an  der  ersten  Stelle  ist  überliefert  Megarum  oder  Megara;  Cat 
orig.  22  (Fest  182  M)  Oratores  misU  Bomam;  86  (Gell.  X  24,  7) 
Mitte  mecum  Romam  equitatum;  Ant  25  ist  vielleieht  zu  sehreiben 
Diequinti  Romam  in  Capitolium  curabo  cena  tibi  sit  cocta^);  Com. 

1)  Vgl.  D  17.  Funaioli  (Rezension  S.  4)  verwirft  meine  Konjektur 
Ronuim  und  will  Romae  (als  Lokativ)  halten.  Seine  Gründe  können  mich 
nicht  völlig  überzeugen.  Ich  bemerke  zur  Erklärung:  Es  wäre  zunächst 
Bomam  akkusativisch  mit  curabo  zu  verbinden,  und  dann  lokativisch 
hieraus  ein  Bomae  zu  eocta  sit  zu  ergänzen.  *'Ich  will  dafür  sorgen,  daß 
nach  fünf  Tagen  ein  Befehl  von  mir  nach  Rom  aufs  Kapitel  gelangt,  nach 
dem  dort  ein  Mahl  für  dich  gekocht  bereit  steht". 


352  J.  Heckmann, 

Sis.  6  (Non.  376)  Romam^  Aesemiam  profugerant;  Cl.  Quadr.  48 
(Non.  516)  Ramam  reverterunt;  70  (Gell.  XVII 13, 5)  Bomam  venU: 
Orat.  C.  Gracch.  (Meyer  118,  Gell.  XV  12)  Cum  Bomam  profedm 
«Mm;  Cat  Jord.  39,  7  (Fest  234)  Cum  Romam  vemebanU  44,  3 
(Pest  182)  Oratores  Bimam  profedos;  M.  Purins  Philo  (Bremer  29) 
Bomam  veniatü.  —  Gas.  522  Cum  cibo  cum  quiqui  facito  ut  veniaiU 
quasi  eant  Sutrium\  Men.  27  Tarentum  avexit  secum  ad  mercatum 
simul;  33  Ispuerum  toUit  avehitque  Epidamnum  eum\  Hddschr.  Epi- 
damnium]  51  Si  quis  quid  vostrum  Epidamnum  curari  sUn  —  Vdit; 
230  Sed  quaeso  quam  ob  rem  nunc  Epidamnum  venimua:  B  tu 
Epid.^  GPZ  Epidamnum-,  1112  Cum  patre  ut  aUi  Tarentum  ad 
mercatum  postea;  P  abiit  arentum  oder  habitarem  tuum,  A  fehlt; 
Mil.  102  Is  publice  legatus  Naupactum  fuit;  116  Inscendo  ut  eam 
rem  Naupactum  ad  erum  nuntiem;  439  Egone?  —  ru<fi^'^  — 
Quae  heri  Aihenis  Ephemm  adveni  vesperi;  975  Eius  <h>uc  ge- 
mina[m]  venit  [e]  Ephesum  et  mater  accersuntque  eam;  976  Ehe 
tu^  advenit  Ephesum  mater  eius?  —  Aiunt  qui  sciunt;  Hec.  86 
Corinthum  hinc  sum profecta;  Ad.  655  Miletum  usq^ie,  obsecro  (avexit)\ 
CIL  I  551  Hindne  Muranum  LXXIII,  Begium  CCCXXXVIII, 
suma  af  Capua  Begium  meilia  CCCXXI;  Luc.  91  (Gell.  I  16,  1) 
Adportam  müle  aportast,  sex  inde  Salernum;  Com. Sis.  94  (Non.  68) 
Legatos  Iguvium  redeuntes;  Orat  C.  Gracch.  (Meyer  122,  Gell.  X,  3) 
Teanum  Sidicinum  consul  venit.  —  Merc.  989  Porro  proficiscor 
quaesUum^  nunc  perveni  Chalcidem;  Poen.  73  Bis  qui  suniptdt 
pu/ei*um,  Calydonem  avehit;  79  Bevortor  rursus  denuo  Carthaginem: 
1419  (im  unechten  Schlüsse)  Quid  ais  patrue,  quando  hinc  ire 
cogitas  Carthaginem;  Luc.  337  Babylonem  ibo.  —  Men.  37  Post- 
quam  Syracusas  de  ea  re  rediit  nuntius]  Mil.  104  Interibi  hie 
miles  forte  Athefias  advenit;  126  Ait  sese  AtJienas  fugere  cupere 
ex  hoc  domu;  938  Atque  hinc  Athenas  avehat;  1146  Ab  se  ut 
[h]abeat  cum  sorore  et  matre  Athenas  —  Efi  probe;  1186  Ut  si 
itura  sis  Athenas;  1193  Prorsum  Athenas  protinus  abibo  tecum; 
Rud.  41  7s  eam  huc  Cyrenas  leno  adveocit  virginem :  Ps.  620  Nam 
equidem  AtJienas  antidliac  Nunquam  adveni;  731  Necdum  exit 
ex  aedibus  Quoqiiam  neqtw  Athenas  advenit;  Truc.  91  Nam  ego 
Lemno  advenio  Athenas  ntidiustertim ;  Andr.  907  Quid  tu  Athenas 
insdens,  sc,  venis;  CIL  I  559  Pisas  XXXII;  Trag.  Pac.  122 
(Non.  490,  1 6)  Delphos  i^enum  pecus  egi^  inde  e.  q.  s.  — ,  Hddschr. 
pecu  secunde,  —  Nicht  hierher  gehört  Cato  lord.  34,  4  Massiliam 
praeterinius,  — 


Ober  präpositionslose  Ortsbezeichnung  im  Altlateinischen.        SbS 

b)  Mit  Präposition, 
a)  Poen.  663  Nam  hie  latro  in  Sparta  fuü^  utquidem  ipse 
nobis  dixit  apud  regem  AUalum;  Trin.  901  Bern  rem  gerebat  — 
Ergo  tibi?  —  In  Sdeucia\  CIL  I  198  17  In  urbe  Ramae propiusve 
urbem  Roma<m  p.  M.  domicüium  non  habeaO;  Lex.  Com.  de  sie. 
(Bruns  85)  Qtwd  in  urbe  Roma  factum  sit  (zwischen  671-674  a.  u.  c.). 

—  Bacch.  309  Qui  nunc  in  Ephesod  Ephesiis  carissutnus;  Ep.  540 
Quam  in  Epidauro  Pauperculam  memini  camprimere]  541  Plane 
hicine  est  qui  mihi  in  Epidauro  primus  pudicitiam  pepulit;  554 
At  in  Epidauro  (sc.  paupertatem  levare);  Men.  267  Quid  metuis? 

—  Ne  mihi  damnum  in  Epidamno  <dM>t8;  380  In  Epidamno?  —  In 
Epidamno  (hominem  navi).  Mil.441  Quid  hie  tibi  in  Ephesost  negotii 
IIS  Sectari  inEpheso\  CIL  I  pg.  299  Nundinae  in  Vico;  Cato  RR  68 
(12)  In  Venafro  ager  optimus.  —  Cure.  394  Apud  Sicyonem  (caput 
ictumst);  Epid.  o3Apud>Thebas8umpsitfaenore\  ähnlich  252;  Com. 
Sis.  54  (Non.  207)  Secundum  Herculaneum  (fiuvius  perfluebat),  — 

ß)  Bacch.  1058  Ecferturpraeda  ex  Troia;  Trin.  771  Quasi 
ad  adulescentem  apatre  ex  SeleuciaVeniat\  845  Advenio  ex  Sdeucia^ 
Macedonia^  Asia  atque  Arabia ;  CIL  I  551  Suma  af  Capua  Begium; 
Pac.  318  (Schol.  Veron.  z.  Yerg.  In.  U  81  S.  84  K)  Nihäne  a  Troia 
adportat  fando,  —  Bacch.  236  In  portum  ex  Epheso  navis  mercatoria 
Advenerit;  389  Ex  Epheso  hue  ad  Pistoderum  meum  sodalem 
literas  f  Misi;  561  Quid  istuc  est?  —  Quid  est?  Misine  ego  ad 
t€  ex  Epheso  epistulam ;  CIL  I  551  Viam  feci  ab  Regio  ad  Capuam. 

—  Ps.  1174  Quotumo  die  Ex  Sicyone  hue  pervenisti]  Lorenz  hält 
den  Vers  für  unecht,  steht  aber  mit  dieser  Ansicht  allein  da.  — 
Pers.  151  Sed  longe  ab  Athenis  esse  se  gnatam  autumet  — 

T)  Bacch.  591  VeliU  hinc  in  Elatiam  hodie  eat  seeum  simul\ 
Trin.  112  Quoniam  hine  inturu\m]st  ispu<^8y  in  Seleudam;  CIL  I 
551  Viam  feci  ab  Regio  ad  Capuam]  Tab.  triumph.  Ti.  Sempr. 
Gracch.  (Baehr.,  Liv.  XLI  28,  8)  Endo  urbem  Romam  redieit;  endo 
Baehr.,  in  Vindob.  (die  Tafel  ist  aus  d.  J.  174  v.  Chr.);  Enn. 
ann.  211  (Paul.  179:  Ob  pro  ad)  Ob  Romam  noctu  legiones  dticere 
coepit;  Trag.  ine.  ine.  85  (Cic.  Tusc.  III 13, 28)  Praeterea  ad  Troiam 
eum  misi  ob  defendendam  Graedam;  Com.  Sis.  56  (Non.  471) 
Protintis  agros  poptdabundus  ad  Nuceriam  eonvertit;  Hddschr. 
Numeriam^  Nuceriam  Gifen.  —  Bacch.  171  Postqtmm  hinc  in 
Ephesum  abii  conspicio  lubens\  249  QiM  hoc^  qua  causa  eum 
<hinc>  in  Ephesum  miseram;  354  Senex  in  Ephesum  ibit  aurum 
arcessere\  388  Nam  ut  in  Ephesum  hinc  abii  —  hoc  factumst  ferme 


354  J.  Heckmann, 

abhinc  biennium;  776  Quam  mox  navigo  In  Ephesum  ut  aurum 
repetam  a  TheoUmo  domum ;  Cure. 562  Quam  advefiis In  Epidaurum; 
Men.  49  Nunc  in  Epidaurum  pedibus  redeundumd  mihi;  70  Hodie 
in  Epidamnum  venu  cum  servo  8uo\  Mil.  114  Eamque  huc  invUam 
midierem,  in  Ephesum  advehit ;  384  Venisse  Athenis  in  Ephesum  cum 
euo  amatore  quodam ;  Poen.  94  Huc  cammigravU  in  Cdlydon<sm> 
hau  diu\  Ps.  1098  Qui  iUam  quidem  iam  in  Sicyanem  ex  urbe 
abduxit  modo.  In  der  ed.  min.  ist  der  Vers  als  unecht  bezeichnet, 
Leo  schreibt:  Quin  iüam  [quidem  iam]  in  Sicyonem  e.  u.  a.  m.  — 
Über  die  Namen,  die  immer  präpositionslos  stehen,  brauchen 
wir  weiter  kein  Wort  zu  verlieren,  die  andern  erfordern  eine 
Besprechung.  Doch  erledigen  sie  sich  alle  ziemlich  einfach  bis 
auf  die  Plautinischen  Beispiele.  Denn :  CIL  I  299  Nundinae  in 
Vico  findet  die  Präposition  darin  ihre  Erklärung,  daß  der  Schreiber 
Vicus  als  Appellativum  empfand,  bei  Cato  KR  68  (12)  heißt  in 
Venafro  im  Venafrischen,  Venafer  ist  also  ein  Adjektiv,  vgl.  73 
(16),  68  (10).  Bei  Corn.  Sis.  54  {secundum  Herculaneum)  und 
CIL  I  198,  17  (in  urbe  Roma  propiusve  urbem  Roma<m>)  wird 
ein  Verhältnis  bezeichnet,  das  ohne  eine  Präposition  nicht  klar 
anzugeben  war.  Das  gilt  auch  für  die  Stellen  CIL  I  551  (af 
Capua,  ab  Regio  ad  Capuam),  Pac.  318  (a  Troia\  Enn.  ann.  221 
(ob  Romam\  Trag.  ine.  ine.  85  (ad  Troiam),  Sis.  59  (ad  Nuceriam). 
Es  soll  die  Richtung  angedeutet  werden,  und  nicht  so  sehr  das 
Ziel,  also  ist  zu  übersetzen  *in  der  Richtung  nach*  oder  Von*. 
In  der  Lex  Com.  de  sicariis  (in  urbe  Borna)  ist  Roma  Apposition 
zu  urbe^  und  Luc.  74  (te  Capuä)  braucht  man  nicht  zu  schreiben 
de  Captui^  vielmehr  ist  die  Schreibung  von  Luc.  Mueller  (tum 
Capua)  vorzuziehen.  Ähnlich  lassen  sieh  einige  der  Plautinischen 
Beispiele  erklären,  nämlich  Bacch.  1058  Ecfertur  praeda  ex  Troia: 
denn  hier  steht  Troia  in  übertragener  Bedeutung  und  ist  also 
die  Präposition  nötig;  desgleichen  wird  sie  durch  das  Adverb 
longe  verlangt  in  der  Verbindung  longe  ab  Atlienis\  apud  Thebas 
femer  und  apud  Skijonem  (Epid.  5,'],  252,  Cure.  395)  sind  zu 
übersetzen:  *in  der  Nähe  von  Theben,  von  Sicyon',  und  das 
konnte  wieder  durch  den  präpositionslosen  Kasus  nicht  aus- 
gedrückt werden.  Unter  Seleucia  verstand  PL,  wie  schon  erwähnt 
wurde,  offenbar  ein  Land,  und  so  sind  auch  Trin.  771,  845, 
911,  112  erledigt.  Dunkel  bleibt  in  Sparta  (Poen.  663).  Vgl. 
Hüffner,  a.  a.  0.  S.  34  ff.  Danach  hat  Plautus  den  Attalus  mit 
dem  Eumenes  vei^w^echselt,  aber  von  diesem  so  wenig  wie  von 


Ober  präpositionslose  Ortsbezeichnung  im  Altlateinischen.        355 

einem  andern  Könige  ist  es  bekannt,  daß  er  Sparta  erobert  oder 
darin  gekämpft  hätte.  Es  ist  also  mit  dieser  Stelle  nichts  anzu- 
fangen, wenn  man  nicht  etwa  annimmt,  PL  habe  unter  Sparta 
sowohl  die  Stadt  wie  auch  die  Gegend  darum  verstanden.  Bei 
den  weniger  bekannten  oder  nur  das  eine  oder  andere  Mal  ge- 
nannten Städten  endlich  könnte  man  denken,  Plautus  habe  gar 
nicht  bedacht,  ob  er  von  einer  Stadt  oder  einem  Lande  sprach, 
so  würden  sich  dann  noch  erklären  in  Calydonetn  (Poen.  94)  und 
in  Elatiam  (Bacch.  591). 

Wenn  man  alle  diese  Erklärungen  gelten  läßt,  so  bleiben 
noch  als  mit  Präpositionen  verbunden  übrig  Ephesus^  Epidaurus^ 
Epidamnm^  Sicyon,  Darunter  aber  muß  PL  Städte  verstanden 
haben;  denn  das  Stück  spielt  in  ihnen,  vgL  außerdem  über 
Ephesus  Mil.  88,  1349,  über  Epidamnus  Men.  72,  263,  über 
Sicyon  Cist  772.  Den  Versuch,  bei  diesen  Namen  überall  die 
Präposition  zu  tilgen,  wird  man  nach  Durchsicht  der  in  Betracht 
kommenden  Yerse  bald  als  unmöglich  erkennen,  da  das  Metrum 
an  den  weitaus  meisten  Stellen  die  Tilgung  nicht  zuläßt  Es 
wäre  auch  unsinnig,  denn  wie  sollte  man  es  sich  erklären,  daß 
die  Präposition  nachträglich  in  den  Text  gekommen  wäre.  Im 
Gegenteile,  viel  eher  könnte  man  annehmen,  daß  hie  und  da 
die  ursprünglich  vorhandenen  Präpositionen  ausgefallen  wären. 
Hieraus  ergibt  sich  aber  Folgendes :  Bei  den  Wörtern,  von  denen 
es  an  und  für  sich  zweifelhaft  ist,  ob  PL  sich  darunter  eine 
Stadt  oder  ein  Land  gedacht  habe,  läßt  sich  aus  der  Hinzu- 
fügung der  Präposition  an  einigen  Stellen  nicht  folgern,  daß  PL 
darunter  irrtümlich  ein  Land  verstanden  habe.  Stellen  wir  nun 
kurz  die  Beispiele  zusammen  für  die  Wörter,  bei  denen  der 
Gebrauch  schwankt: 

Caljfdo:  in  Calydonem  Poen.  94;  Calydonetn  Poen.  73; 
Ephesus:  in  Ephesim  Bacch.  171,  249,  354,  388,  776,  Mil.  113, 
384;  ex  Epheso  Bacch.  236,  389,  561;  in  Epheso  Bacch.  309, 
MU.  441,  778;  Ephesim  MiL  975,  976,  439;  Eplieso  Bacch.  231; 
Ephesi  Bacch.  336,  1047,  MiL  648;  Epidamnus:  in  Epidammm 
Men.  49,  70,  230  (B,  sonst  mit  A  Epidamnum);  in  Epidamm 
Men.  267,  380  (2  X);  Epidamnum  Men.  33,  51,  306;  Epidaurus: 
in  Epidaurum  Cure.  562;  in  Epidauro  Epid.  540,  541,  554; 
Epidauri  Epid.  636;  Sicyon:  in  Sicyonem  Ps.  1098;  ex  Sicyone 
Ps.  1174;  Sicyoni  Cist.  130  (Hddschr.  —  e),  156,  190,  Ps.  995; 
Ekaia:  in  Elatiam  Bacch.  591. 


366  J.  Heckmann, 

Es  sind  lauter  griechische  Städte,  und  zwar  Singularia. 
Städtenamen,  die  bei  den  Römern  damals  viel  genannt  sein 
mußten,  stehen  auch  bei  Fl.  stets  präpositionslos.  Da  außerdem 
die  Hinzufügung  der  Präposition  bei  den  andern  sich  nur  bei 
Fl.  findet,  so  scheint  es  mir,  daß  sich  hieraus  nichts  folgern 
läßt  für  die  Verbindung  der  Städtenamen  mit  Fräpositionen  im 
allgemeinen  Sprachgebrauch.  Wie  ist  es  aber  zu  erklären,  daß 
Fl.  diesem  bei  jenen  Namen  nicht  folgte?  Es  bleibt  nichts  übrig, 
als  anzunehmen,  er  sei  vom  Sprachgebrauche  des  Griechischen 
beeinflußt  worden.  So  fällt  auch  ein  Licht  auf  die  Tatsache, 
daß  die  Städtenamen  nach  der  dritten  nie  lokativisch  im  Ablativ 
mit  in  erscheinen;  denn  auch  die  Griechen  sagten  Zikuuivi, 
MapaOüjvi  usw.  Aus  demselben  Grunde  scheinen  auch  die  Fluralia 
nie  mit  der  Fräposition  verbunden  zu  sein,  vgl.  'AOrjvaZie,  'AGrjvTiav, 
'AörjvnOev,  Grißriav,  SrjßnOev  usw.  Athen  war  überdies  schon 
damals  den  Römern  keine  unbekannte  Stadt  mehr.  Ähnlich 
urteilt  Görbig  a.  a.  0.  S.  38  f.  Noch  fragt  sich,  ob  sich  in  dieser 
Sache  ein  übriges  tun  läßt  und  die  Fräposition  da  zu  entfernen 
ist,  wo  es  unbeschadet  des  Metrums  angeht.  Ich  halte  das  für 
unangebracht,  da  es  unwahrscheinlich  ist,  die  römischen  Fhilo- 
logen  hätten  hie  und  da  eine  Fräposition  eingefügt.  Nur  Men.  230, 
wo  dem  Nomen  proprium  ein  nunc  voraufgeht,  könnte  man 
denken,  das  in  sei  durch  ein  Versehen  des  Abschreibers  in  den 
Text  gekommen.  Dort  könnte  man  also  allenfalls  schreiben  nunc 
Epidamnum^  zumal  auch  B  so  hat.  Nicht  minder  unangebracht 
aber  wäre  es,  nun  überall  die  Fräposition  einzusetzen.  Denn  es 
wäre  geradezu  merkwürdig,  wenn  nicht  PI.  hin  und  wieder, 
durch  die  Analogie  der  übrigen  Städtenamen  verführt^  die  Frä- 
position auch  da  ausgelassen  hätte,  wo  sie  im  Griecliischen 
stehen  müßte.  Man  hat  also  überall  an  den  überlieferten  Les- 
arten festzuhalten. 

Etwas  anders  liegt  die  Sache  bei  Carla  und  Alis,  unter 
denen  FL,  wie  oben  gezeigt  Lst,  Städte  verstanden  hat.  Hier 
nämlich  läßt  sich  ein  vernünftiger  Grund  denken,  weswegen 
die  Fräposition  später  eingefügt  wäre.  Der  Übersicht  wegen 
folgen  hier  die  Stellen  für  Alis  und  Caria  noch  einmal  im  Zu- 
sammenhange, indem  bei  jeder  einzelnen  bemerkt  wird,  inwie- 
weit die  überlieferte  Lesart  geändert  werden  muß,  um,  ohne 
metrische  Fehler  zu  schaffen,  die  präpositionslosen  Kasus  her- 
zustellen.  Vorausgeschickt  sei  noch,  daß  ich  der  Ansicht  Leos 


über  präpositionslose  Ortsbezeichnung  im  Altlateinischen.        357 

und  Lindsays  beipflichte,  die  bei  Plautus  zwischen  m  und  Vokal 
keinen  Hiatus  annehmen. 

Alis:  Capt.  9  Eumque  hinc  profuffiens  vendidü  in  Alide. 
Man  könnte  schreiben :  vendidü  Uli  AI.,  wobei  Uli  (=  illic)  von 
einer  erklärenden  Geste  begleitet  gesprochen  zu  denken  wäre. 

26  Medicus  Menarchus  emit  ibidem  in  Alide,  Das  in  läßt 
sich  einfach  tilgen  [in\ 

94  Nam  Aetdia  haec  est  f  illic  est  captus  in  Alide.  Tilgt 
man  in  und  schreibt  Alidi^  so  wird  der  zerrissene  Anapäst 
vermieden. 

100  Sed  erus  eccum  ante  ostiumst,  erm  alter  eccum  ex  Alide 
Bediit.   Das  ex  läßt  sich  einfach  tilgen  [ex]. 

330  Die  Präposition  ist  nicht  überliefert,  Fleckeisen  und 
Görbig  wollen  sie  einschieben. 

379  Ut  te  aestumatum  in  Alidem  mittam  ad  patrem\  \in\ 

544  Tu  mque  a  pmro  servUtUem  servivisH  in  Alide]  man 
kann  schreiben  servivisti  sermttUem  [in]  Alidi. 

547  Hegio^  hie  homo  rabiosus  habitus  est  in  Alide  \  vielleicht 
Hegio^  istic  est  homo  rabiosus  Iwbüus  [in]  Midi^  ietic  auch  Luchs. 

573  Die  Präposition  ist  nicht  überliefert 

590  Neque  praeter  te  in  Alide  ullus  servos  istoc  nominest] 
ted  [in]  Alidi. 

588  lUum  restituam  huic^  hie  autem  in  Alidem  me  meo 
patri]  [in]. 

638  Satin  isttic  mihi  exquisitumst  fuisse  hunc  servom  in  Alide] 
[in]  Alidi. 

979  Ttw  ixUri  ait  se  vendidisse  sex  minis  in  Alide]  ent- 
weder Tm  patri  se  vendidisse  sex  minis  ait  [in]  Alidi  oder  unter 
Beibehaltung  der  überlieferten  Wortfolge  iUi  Alidi. 

1014  f  Illic  indicium  fedt^  nam  hunc  ex  Alide  huc  reducimus] 
[ex],  doch  kann  dann  nicht  mehr  die  von  Leo  statt  iUic  vor- 
geschlagene Konjektur  id  hie  gebilligt  werden. 

An  zwei  Stellen  steht  nach  der  Überlieferung  der  Ablativ 
mit  in  bezw.  ex  attributiv  an  Stelle  eines  Adjektives,  nämlich: 
511  Rogo  Fhüocraiem  ex  Alide  ecquis  omnium  Noveril]  [ex].  — 
972  Quai  homini?  Theodoromedi  in  Alide  Pdyplmio]  [in]  Alidi] 
der  Hiatus  in  der  Diäresis  ist  statthaft  —  An  allen  Stellen  also 
mit  Ausnahme  von  zweien  (9  u.  547)  läßt  sich  die  Präposition 
leicht  entfernen. 

Caria  (vgl.  Ed.  mai.  praef.  XXIV): 

Indogennaniiche  Forechuigeii  XVIIL  24 


358  J.  Heckmann, 

Cure.  67  Nunc  hinc  parasttutn  in  Cariatn  misi  meum;  [in]. 

205  Minume^  nam  parcisüum  misi  nudimqtiartus  Cariam; 
so  nach  der  Überlieferung.    Ebenso 

225  Paves  parasitus  quia  non  rediit  Caria. 

275  Estne  hie  parasitus  qui  missust  in  Cariam, 

329  Postquam  tuo  iussu profectus  sumperveni  in  Cariam;  [in]. 

339  Prehendit  dexteram^  seducit^  rogat  quid  veniam  Cariam\ 
so  nach  der  Überlieferung. 

438  Quia  nudiusqtiartus  f  venimus  in  Cariam ;  *Qx4ia  nudius- 
quartus  advenimus  Cariam*  Götz. 

Nur  V.  275  ist  nicht  leicht  zu  ändern.  Aber  er  folgt  auf 
274  ohne  Angabe  der  sprechenden  Person,  also  ist  wahrscheinlich 
ZAvischen  Y.  273  und  274  etwas  ausgefallen.  Fleckeisen  meint, 
n,  2  sei  keine  vollständige  Szene,  jedenfalls  findet  sich  darin 
nichts  von  der  Anmut  imd  dem  Witze  der  Plautinischen  Diktion, 
vielmehr  sind  es  Verse,  wie  sie  jeder  des  Lateinischen  einiger- 
maßen Kundige  anfertigen  konnte.  Es  ist  also  auf  diese  Stelle 
nicht  viel  zu  geben.  Wenn  ich  trotzdem  die  angegebenen  Kon- 
jekturen zu  den  beiden  Wörtern  nicht  für  sicher  halte,  so  liegt 
der  Grund  hauptsächlich  darin,  daß  PL  unter  Alis  und  Caria 
griechische  Städte  verstanden  hat,  bei  denen  er  sonst  regellos 
die  Präposition  bald  gesetzt,  bald  ausgelassen  liat.  Ich  stelle 
also  das  Urteil  darüber  völlig  anheim,  zumal  die  grammatische 
Regel,  imi  die  es  mir  zu  tun  ist,  nicht  davon  beeinflußt  wird, 
ob  wir  die  Präposition  stellen  lassen  oder  tilgen. 

4.  Namen  von  Flüssen,  Meeren,  Gebirgen,  Vorgebirgen; 

von  Stadtteilen;   Namen  der  Einwohner  statt  der  des  Landes; 

Bezeichnung  des  Ortes   durch   ein  Substantiv   mit  einem  von 

einem  Eigennamen  abgeleiteten  Adjektive. 

I.  Namen  von  Flüssen,  Meeren,  Gebirgen,  Vorgebirgen. 
a)  Ohne  Präposition. 

Acc.  509  Omnes  qui  arcem  Alpheumque  accoliint^  (Non. 
357,  13,  die  Hddschr.  arcana  asteumque^  coit.  Kiossling;  Pac.  251 
(Non.  223,  1,  Prise.  VI  713  P)  Inde  AeUiam  montem  advenio  in 
scrtiposam  specum^  bei  Non. :  Inde  advenio  montem  Aetam  scriijx)sam 
specum^  Chails.  hat  bloß :  Advenio  in  scrtiposam  specum.  —  Außer- 
dem finden  sich  in  der  sententia  Minnciorum  mehrere  Ablative 
ohne  Präposition  zur  Bezeichnung  der  Grenzlinien,  vgl.  S.  335. 


Ober  präpositionslose  Ortsbezeichnung  im  Altlateinischen.        359 

b)  Mit  Präposition. 
CIL  199  (sent.  ÄDnuc.)  7  ad  flovium  Edem^  in  flovium 
Lemurim^  8  usqm  ad  rivom  Comberane{am\  usqm  ad  convalem 
Caeptiemam^  9  in  rivo  Vendupale  (d.  h.  in  rivom  Vendupalem\  ex 
rivo  Vendupale  in  flovium  Neviascam^  in  flovium  Procoberam^ 
10  usque  ad  rivomVinelascam  infumum^  12  in  fontem  in  Manicdum 
(d.  h.  in  Manicelo\  13  stat  ad  flovium  Edem^  17  in  moniem 
loventionem^  19  in  montem  Tuledonem^  in  flovium  Veragl<$scam 
in  montem  Berigieminam  infumo^  21  in  flovium  Tulelascam,  22, 
23  in  flovium  Porcoberam;  CIL  I  200  Quei  trans  Curionem  est; 
Enn.  ann.  55  (Cic.  de  div.  I  48,  107)  Romulus  pidclier  in  alto 
Quaerit  Äventino\  254  (Varr.  LL  Vn  21)  Isque  Hellesponto pontem 
contefidit  in  alto ;  Pore.  Licin.  4  (Suet  vit  Ter.)  Crebri  in  Albanum . ., 
das  Verbum  fehlt;  Trag.  ine.  ine.  164  (Cie.  orat.  49,  163)  Qua 
pontus  Helles  supera  Tmdum  ad  Tauricos  Finis  frugifera  et 
ecferta  arva  Asiae  tenet\  so  Bibbeek,  die  Hddsehr.  superat  tmdum 
oder  timolum^  at  oder  ac  statt  ad;  Florent.  Pal.  Ottob.  Asia; 
Aec.  249  (Non.  506,  8)  Laetum  in  Pamasso  ludere;  Cass.  Hern.  36 
(Non.  483)  Ex  Tiberi  lacte  haurire;  Cael.  Antip.  55  (Serv.  z.  V. 
An.  ni  206  Marusii  qui  iuocta  Oceanum  cdunt;  Com.  Sis.  3  (Non. 
127)  luxtim  Numidum  flumen  obtruncantur;  53  (Non.  207)  Infra 
Vesuvium  conlocatum ;  Cat  orig.  52  (Varro  KR  11  2,  3)  In  Sauracti 
et  FisceUo  caprae  sunt;  Cat  lord.  34,  7  (Charis.  11 185  P  207  K) 
Ad  Illiberim  adque  Rtisdnonem  deferimur,  der  eod.  Neap.  ad  Uli 
menim  adque  rusci  nonem;  34,  8  (Gell.  IT  17,  15)  Ita  nos  fert 
vetUus  ad  primorem  Pyrenaeum.  —  Hieran  mag  sieh  ansehließen 
Cat.  orig.  83  (Gell.  III  7)  Leonidas  Laco  apud  Thermopylas  fecit 

II.  Namen  von  Stadtteilen, 
a)  Ohne  Präposition. 
Kein  Beispiel. 

b)  Mit  Präposition, 
a)  Capt  489  Omnes  de  compecto  rem  agunt  quasi  in  Velabro 
olearii;  Cure.  269  Locus  non  praeberi  potis  est  in  Capitdio;  Cure. 
483  In  Vdobro  vel  pistorem  vel  lanium  vel  haruspicem  (invenies); 
Eun.  539  Heri  aliquot  adulescenttdi  coiimus  in  Piraeo  In  hiinc 
diem  ut  de  symbdis  essemus,  so  die  Hddsehr.,  Bufinus  und 
Donatus,  der  riehtig  erklärt  consensimus  ac  pepigimus.  Die  Stelle 
wird  aueh  von  Cieero  zitiert  (ad  Attie.  VH  3,  10),  bei  ihm  heißt 

24* 


360  J.  Heckmann, 

es  aber  coimtis  in  Piraetim^  und  er  vergleicht  die  Stelle  mit 
deu  Worten  des  Caeeil.  Stat  (Ribb.  259)  Mane  ut  ex  pariu  in 
Piraeum  . .  .  Das  Verbum  ist  nicht  erhalten.  Aus  Ciceros  Worten 
geht  hervor,  daß  man  zu  seiner  Zeit  die  Präposition  auslassen 
konnte,  er  habe  sie  hinzugefügt,  folgend  dem  Gebrauche  nicht 
so  sehr  des  Caecilius  (malus  enim  est  audar  LcUinitatis)^  als  dem 
des  Terenz,  dessen  Worte  er  dann  aber  nachlässig  agitiert  — 
Leg.  Beg.  8,  4  (Bruns)  In  matris  aram  in  Campo  stwventaurilia 
caedito\  Cass.  Hern.  23  (Non.  346)  Ei  in  area  in  CapUcUo  signa 
quae  erant  demoliunt\  CaL  orig.  86  (Gell.  X  24,  7)  In  Capüotio 
cena  coda  erit. 

ß)  Poen.  86  Cum  nuirice  una  periere  a  Magaräms;  Trin.  84 
Te  surripuisse  suspicer  lovi  coronam  de  capite  ex  Qqntolio;  Enn. 
289  Miror  quid  ex  Piraeo  abierit 

T)  Bacch.  235  Ibo  in  Piraeum;  Most.  66  Ego  ire  in  Piramm 
volo;  Trin.  1103  Gurre  in  Piraeum;  Luc.  697  (Schol.  z.  luv.  X  65) 
Cretatumque  bovem  duci  ad  Capitdia  magna;  Ant  25  (Gell.  X 
24,  7)  Romas  (oder,  wie  ich  vermute  Romam)  in  Ccgntolium 
curabo;  Gl.  Quadr.  76  (Gell.  XHI  29,  1)  Metellus  in  CapUoUum 
vefiit;  Licin.  Mac.  25  (Xon.  260)  Se  in  Capitclium  contendit;  Grat 
C.  Gracch.  (126,  Cic.  orat  3,  56)  Quo  me  vertam?  In  Capüolium? 

III.  Der  Name  der  Bewohner  steht  anstatt  des  Namens  des  Ortes. 

a)  Ohne  Präposition. 

Kein  Beispiel;  denn  die  Stelle  Nov.  46  (Non.  200,  9)  ist 

verderbt  Überliefert  ist  Sardis  veniens  caseum ;  so  schreibt  auch 

Ribbeck  in   der  p-oßen   Ausgabe,  in  der  kleinen  aber  besser 

Sardiniense  caseum, 

b)  Mit  Präposition. 
Mil.  650  Post  Ephesi  sum  nafus,  non  enim  in  Apulis;  Pers. 
717  Quo  illum  sequar?  In  Persas;  CIL  I  547  Inter  AtesHnos  et 
Patavinos  (2  X);  ähnlich  548  u.  549;  Tog.  Afran.  327  (Non.  186, 8) 
In  Hortinos  explodam:  die  Hddschr.  tu  horpinos:  was  es  damit 
auf  sich  hat,  ist  nicht  aufgeklärt;  Atell.  Nov.  48  (Non.  4,  9)  En 
dixin  iturum  hominem  in  Tuscos  tolutim ;  Cat.  RR  66  (26)  Suessae 
et  in  Lucanis  plosfra  (emito):  Cat.  orig.  110  (Non.  151)  Eluvium 
Hiberum^  is  oritur  ex  Cantabris:  LFW*  Catinatis,  W*  Cacinatis, 
Cantubris  Junius:  Sueius  1  (Macr.  HI  18,  10)  Fera  praelia  belli 
in  Persas  tetulere. 


über  präpositionslose  Ortsbezeichnung  im  Altlateinischen.        361 

IV.  Der  Ort  wird  bezeichnet  durch  ein  Substantiv  mit  einem  von  einem 
Eigennamen  abgeleiteten  Adjektive. 

/  a)  Ohne  Präposition. 

a)  Enn.  frgm.  491  (Varr.  TU  71)  Decem  codites  qm  mantihus 
summis  Ripaeis  sedere;  Luc.  363  (Non.  344,  27)  Dum  mües  Hibera 
terrast  atque  meret ;  d.  Hddschr.  terras  ac^  Luc.  Müller  XV  24 
terra  seice  meret.  Vgl.  S.  337. 

ß)  Luc.  187  (Non.  365,  5)  Lmanis  oriundi  montibus  tauri; 
799  (Fest  194)  Privemo  Oufentina  venu  fluvioque  Oufente. 

t)  Acc.  602  (Non.  144,  17)  Qui  ubi  ad  Dircaeum  fontem 
adveniunt  mundtde  Nitidantur  iugtdos  quadripedantum  sanipedum; 
die  Hddschr.  u)  quin  id  circaeo  fönte,  Delrio  schlug  vor  Qui  ubi 
Dircaeo  fönte  adveniunt,  doch  scheint  das  Folgende  eine  Orts- 
bestimmung auf  die  Frage  wohin  ?  zu  verlangen.  Man  kann  aber 
schreiben  Qui  ubi  Dircaeum  fontem  adveniunt  und  den  Akkusativ 
mit  dem  ad  in  adveniunt  verbinden.  Ähnlich  heißt  es  Trag. 
Naev.  64  (Cic.  orat  45,  152)  Vos  qui  adcolitis  Histrum  fluvium; 
Luc.  339  (Philarg.  zu  Georg.  IV  387)  Carpathium  mare  transvectus. 

b)  Mit  Präposition, 
a)  Amph.  822  Cenavi  ego  heri  in  navi  in  portu  Persico; 
Cure.  482  In  Tusco  vico  ibi  sunt  homines  qui  ipsi  sese  venditant; 
Epid.  307  NuUum  esse  opinor  ego  agrum  in  agro  Attico\  Mil.  13 
Quemne  ego  servavi  in  campis  CurculioniiSj  413  Quae  me  in  locis 
Neptuniis  servavit]  CIL  I  199,  8  Ibi  termina  duo  stant  circa  viam 
Postumiam;  199,  11  Terminus  stat  propter  viam  Postumiam,  inde 
alter  trans  viam  Postumiam  t  st.  (2  X);  CIL  I  196  In  agro 
Teurano;  I  199  In  cetero  agro  Genuati  compascuo',  IX  5041  In 
turri  Lascutana;  Enn.  epigr.  511  (Cic.  Tusc.  V  17,  49)  A  sde 
exoriente  supra  Maeotis  paludes  Nemost,  wenn  nicht  Maeotis 
der  Genitiv  ist;  Luc.  306  (Non.  344,  27)  Annos  in  terra  iam 
plures  mües  Hibera  Nobiscum  meret;  so  wohl  richtig  Baehrens 
nach  H«  incertat  iam;  340  (Non.  18,  17)  Quaestor  Hibera  In 
terra  fuü;  Sueius  (Baehr.  S.  285,  Macr.  III 18,  8)  In  pradatis 
fintbus  Grais;  Trag.  Liv.  Andr.  35  (Fest.  181  M)  Haut  ut  quem 
Chiro  in  Pelio  docuit  ocri;  Pac.  420  (Varr.  LL  VE  22)  Siqui  in 
Aegaeo  fretu;  Flor,  fretum;  Acc.  670  (Cic.  nat  deor.  HI  16,  41) 
In  monte  Oetaeo  sunt  inlatae  lampades;  Enn.  trag.  205  (Cic.  de 
fin.  I  2,  4)  In  nemore  Pelio  accidisset  ad  terram ;  Trag.  ine.  ine. 
163  orf  Tauricos  finis;  Cat.  orig.  58  (Prise.  IV  629  P  129  H)  In 


362  J.  Heckmann. 

nemoreÄricino  {lucum  dedicarü):  Cass.  Hem.  29  (Prise.  XV  903  P 
5s7  H»  In  campo  Tiburti  {deme9»uerunt\:  Cat  RR  6S  (10)  In 
agro  Ca&nate  et  Venafro  diridd:  73  (16)  Jm  fundoVenafro  v$n3nL 

ß)  Amph.  403  Natis  <huc>  ex  portu  Permco  Venu:  412  Nam 
nodu  hoc  soliäast  natis  noära  ex portu  Persico:  Luc.  195  (Porph. 
z.  Hor.  sat  1 3. 1 )  J?  Stada  luei  ü  in  terram  Sardhuensem :  Acc.  305 
(Xon.  342,  13)  Adsis  ex  terrU  Pelopüsi  die  Hddschr.  Pidopfs 
externia:  Cat.  lord.  59  (6)  (Fest  169  M)  A  porta  Xaevia  atque 
«r .  . ..  hier  bricht  der  Text  ab. 

T)  Capt  90  Ire  extra  portam  Trigeminam  ad  saccum  äket', 
CILI 199. 14  fit  montem  Lemurino  infumo.  16  in  montem  Lemurinum 
summ  um.  18  iPi  montem  Appeninum.  20  in  montem  Ptenicum^ 
21  in  montem  Claxdunu  22  fit  fontem  Lebriemdum:  1  1291  In 
via  pMicam  Campanam :  Luc.  92  (Prob.  z.  Georg.  III 146)  Quatnor 
hinc  Silari  ad  flumen  portumque  Albtirnum:  195  siehe  unter  ß); 
33S  (Porph.  z.  Hor.  Od.  I  7«  1)  Qirpathium  Rhodux  in  pdagus  9$ 
incUnat  apertum. 

Xicht  an  ein  Ortsverhältnis  ist  zu  denken  Trag.  ine.  ine. 
105  (Sen.  ep.  SO)  Ab  lonio  mari  Urgnetur  Isthmus:  Cat  orig.  96 
(Gell.  Xni  3,  2)  Vrbes  insulasque  omnes  pro  agro  lUgrico  esse. 

Das  Substantiv  fehlt  zuweilen :  Orat.  Bnitus  (Cic.  Orat.  11  54) 
Forte  etenit  ut  in  Priternati  essemus  ego  et  pater.  in  Albano 
eramus.  in  Tiburti  forte  adsedimus:  Cat.  RR  28  (22)  Trapetus 
emptus  in  Siiessano:  68  (12)  In  Venafro  ager  optimus. 

Der  Gebrauch  unterscheidet  sich  nicht  von  dem  der  ge- 
wöhnlichen Appellativa.  Die  Hinzufügung  der  Präposition  ist 
Regel.  Zu  Luc.  363  und  Enn.  491  vergleiche  mau,  was  S.  3011 
über  den  lokativischen  Gebrauch  des  bloßen  Ablatives  gesagt 
ist:  Acc.  509,  602,  Pac.  251,  Luc.  339,  Xaev.  (>4  steckt  die 
regierende  Präposition  im  Verbiun:  Luc.  IST  haben  wir  einen 
Ablativus  originis  (vgl.  S.  3301),  und  Enn.  ann.  799  Priterm 
Oufentina  venit  fluvioque  Oufente  steht  der  bloße  Ablativ  fluvio 
Oufente  unter  dem  Einflüsse  des  vorhergehenden  Priverno.  Über 
die  bloßen  Ablative  in  der  Markbeschreibung  siehe  S.  334. 

5.  Ortsnamen,  von  denen  jeder  einzelne  verschiedene 
Bedeutungen  hat. 

Deren  finden  sich  Pijlu^.  Argi.  Anactoriunu  Sumunu, 
Lüybaeum.  Palinurus.  CoichL  Acheruns, 

Pylus,   Liv.  Andron.  Od.  3  (Fest,  190)  Aut  in  Pylum  ad- 


über  präpositionslose  Ortsbezeichnung  im  Altlateinischen.        363 

veniens  aut  ibi  amentans,  Pylus  bezeichnet  nicht  nur  eine  Stadt, 
sondern  auch  ein  Land  nach  Pape  (Lexikon  der  griechischen 
Eigennamen)  und  Pauly  (Realencyklopädie).  Bewiesen  wird  dies 
klar  durch  die  Verse  II.  IX  150  ff.,  wo  Städte  aufgezählt  werden, 
die  liegen  rrdcai  ö'  dTT^^c  dXoc  v^aiai  TTuXou  ^juaöoevToc,  d.  h.  auf 
der  Grenze  des  sandigen  Pylos.  Vgl.  II.  IX  295,  XI  712.  Daß 
auch  in  dem  von  Livius  übersetzten  Verse  der  Odyssee  (11  317) 
an  die  Gegend  zu  denken  ist,  wird  wahrscheinlich  durch  das 
folgende:  f|  auToö  tuiö'  dvi  örjjLiuj.  Siehe  noch  IL  V  710  Naiov 
BoiujToi  ^dXa  mova  ö^^ov  fx^viec;  Od.  TU.  214. 

Ar  gl  Das  Wort  bezeichnet  die  Stadt  und  auch  die  Gegend. 
Amph.  98  Atnphüruo  natus  Argis  ex  Ärgo  patre\  CIL  I  595 
Italici  quei  Argeis  negotiantur;  Acc.  682  (Fest  281)  Repudio  eiecta 
ab  Argis  iam  dudum  extdo\  283  (Non.  351,  28,  Fest  174)  Nunc 
ego  me  Arges  referam^  nam  hie  mm  gnobüis,  —  Im  Verse  Trag, 
ine.  ine.  104  (Sen.  ep.  80)  En  impero  Argis  scheint  Argis  Dativ 
zu  sein. 

Colchi.  Das  Wort  bezeichnet  die  Gegend  und  ihre  Be- 
wohner. Vielleicht  haben  die  Dichter  auch  an  eine  ttöXic  gleichen 
Namens  gedacht,  doch  ließ  sich  darüber  nichts  ermitteln.  Trag. 
Enn.  210  (Cic.  de  fin.  I  2,  4)  Vedi  petebant  peUem  inauratam 
arietis  Colchis.  —  An  den  andern  Stellen  läßt  sich  der  Kasus 
mit  der  dem  Verbum  vorgesetzten  Präposition  verbinden:  Trag. 
Enn.  241  (Non.  297,  16)  Utinam  ne  Colchis  pedem  extulisses\ 
Trag.  ine.  ine.  182  (Censorin.  fragm.  c.  14  S.  96  Jahn.  2726  P) 
Ax^na  Ponti  per  freta  Cdchos  denique  ddatus  adhaesi. 

Anactorium.  Es  ist  der  Name  einer  Stadt  und  eines 
Vorgebirges.  Poen.  87  Ecis  qui  surripuit  in  Anactorium  devehü] 
93  Is  ex  Anactorio  ubi  prius  habüaverat  Huc  commigramt\  896 
Cedo  qui  id  credam?  —  Quia  ülas  emit  in  Anactorio  parvolas. 

Sunium.  Es  bezeichnet  ebenfalls  eine  Stadt  und  ein  Vor- 
gebirge, nach  Bentley  auch  eine  Gegend  (zu  Eun.  519).  Phorm. 
837  Ego  me  ire  senibus  Sunium  Dicam  ad  mercatum\  Enn.  115 
Se  audisse  abreptam  e  Sunio. 

Lilybaeum,  Der  Name  bezeichnet  wieder  eine  Stadt  und 
ein  Vorgebirge.  Coel.  Ant  12  (Charis.  11 183  P,  203  K)  Sempronius 
Lüijbaeo  cdocem  in  Africam  mittit. 

Palinurus,  So  heißt  ein  Vorgebirge  und  ein  befestigter 
Hafen.  Luc.  93  (Serv.  z.  Aen.  X  244)  Hinc  media  remis  Palt" 
nurum  pervenio  nox. 


364  J.  Heckmann, 

Ächeruns.  Gewöhnlich  denkt  man  bei  diesem  Worte  an 
einen  Fluß  in  der  Unterwelt  Für  diese  Bedeutung  findet  sich 
aber  bei  den  Alten  weiter  kein  Fingerzeig,  als  daß  es  zuweilen 
mit  der  Präposition  verbunden  ist  Sicher  aber  bezeichnet  es 
die  Unterwelt  als  Aufenthaltsort  der  Abgeschiedenen  und  ihrer 
Beherrscher,  vgl.  Capt.  999 ;  und  sieht  man  ab  von  der  Hinzu- 
fügung der  Präposition  an  einigen  Stellen,  so  läßt  sich  diese 
Bedeutung  ohne  weiteres  überall  annehmen. 

Capt  999  Vide  ego  multa  aaepe  pida  quae  AchefunH  fierent; 
689  Facüo  ergo  tä  Acherunti  dueas  gloria;  Merc.  606  Si  nsque 
hie  neque  Acherunti  swiw,  ubi  sum?  —  Ntisquam  gentium;  Poen. 
431  Quantum  Acheruntist  mortuorum;  Truc.  749  Nam  item  ut 
f  Acherunti  ratio  accepti  scribitur.  —  Poen.  844  Quo  die  Orcus 
Acherunte  mortuos  amiserit;  so  A,  P  ab  Adiaerunte:  Trag.  ine. 
ine.  78  (Cic.  Tiisc.  I  16,  87)  Adsum  atque  advenio  Acherunte  vix 
via  (dta  atque  ardua,  —  Gas.  448  Certumst  hunc  Acheruntem  prae- 
mittam  prius\  Most  499  Nam  me  Acheruntem  recipere  Orcus 
ncluit\  509  Fttww  me  accersunt  Acheruntem  mortui:  C Di  ad 
cheruntem^  BDs  arf  Ach,;  Poen.  831  Quodvis  genus  ibihominum 
Videos^  quasi  Acheruntem  veneris.  —  Trag.  Enn.  202  (Festus) 
Acherontem  obibo^  ubi  mortis  thesauri  obiacent;  Hddschr.  adibo. 
Ed.  Aldina  obibo]  Poen.  71  Ipse  aUit  ad  Acheruntem  sine  viatico: 
zu  dem  Perfekt  vgl.  Y.  77;  Amph.  1078  Nee  secus  est  qua^  si 
ab  Acherunfs  veniam  —  Sed  quid  tu  foras  — ;  Ti'in.  494  Cefi^tur 
censu  ad  Acheruntem  mortuos. 

Bei  den  meisten  dieser  Wörter  liegt  es  ja  in  der  Natur 
der  Sache,  daß  die  Präposition  bald  steht,  bald  fehlt  Bemerkens- 
wert aber  ist  es,  daß  bei  den  Pluralia  tantum  die  Präposition 
nur  ein  einziges  Mal  steht,  nämlich  Acc.  682  Repudio  eiecta 
ab  Argis  tarn  dudum  exulo,  was  ich  erkläre  =  hnge  ab  Argis  exido: 
man  kann  bei  dieser  Erklärung  unter  Argi  ebensowohl  die  Stadt 
wie  auch  die  Gegend  verstehen.  Bei  dem  Worte  Colchi  scheint 
Ennius  einmal  (Trag.  210)  in  der  Weglassung  der  Präposition  sich  als 
Dichter  eine  freiere  Konstruktion  erlaubt  zu  haben.  Bei  Pcdinurus 
(Luc.  98)  ist  zu  beachten,  daß  hier  zum  ei'Sten  Male  der  Name  eines 
Hafens  präpositioUvSlos  steht  —  Schwierigkeiten  macht  das  Wort 
Ächeruns,  Da  Plautus  vielleicht  immer  an  einen  Wohnsitz  gedacht 
hat  (dies  scheint  auch  Lodge  anzunehmen,  vgl.  Lex.  Plaut  s.  v.),  so 
ist  man  geneigt,  zu  versuchen,  ob  sich  die  Präposition  überall 
entfernen  läßt    Die  Präposition   ist  überliefert:  Poen.  844  in 


über  präpositionslose  Ortsbezeichnung  im  Altlateiniscben.        365 

den  Palatini,  in  A  fehlt  sie,  das  Metrum  verlangt  sie  nicht; 
Most.  509  in  BD 2,  während  CDi  haben  ad  cheruntem,  auch 
hier  kann  sie  unbeschadet  des  Metrums  fehlen  (die  erste  Silbe 
in  Acheruns  ist  bei  den  Alten  lang  zu  messen);  Poen.  71,  doch 
läßt  sie  sich  wieder  einfach  tilgen ;  an  dem  Perfekt  abiit  nämlich 
braucht  man  keinen  Anstoß  zu  nehmen,  es  schließt  den  ersten 
Teil  der  Erzählung  ab,  wie  V.  77  den  zweiten;  Trin.  494,  man 
kann  umstellen  Cen9u  censetur  Acheruntem  martuoa;  Amph.  1078 ; 
in  diesem  Verse  läßt  sich  die  Präposition  nur  entfernen,  wenn 
man  zwischen  8i  (auch  in  der  Thesis)  und  einem  Vokal  den 
Hiatus  zuläßt  Ich  möchte  mich  eines  abschließenden  Urteils 
enthalten,  und  mich  damit  begnügen,  nachgewiesen  zu  haben, 
wie  weit  man  in  der  Entfernung  der  Präposition  allenfalls  gehen 
könnte,  ohne  das  Metrum  anzutasten. 

6.  Eigennamen  in  attributiver  Verbindung  mit   einem   andern 
Substantiv  an  Stelle  eines  Adjektives. 

Es  findet  sich  dieses  häufig  so,  daß  die  Bedeutung  lokativisch 
oder  ablativisch  ist,  niemals  aber  so,  daß  der  Akkusativ  eines  Eigen- 
namens die  Vorstellung  wohin?  ausdrückte.  —  Wir  müssen  die 
Stellen  von  den  übrigen  sondern,  bei  denen  es  zweifelhaft  ist, 
ob  der  Eigenname  mit  einem  andern  Nomen  oder  mit  dem 
Verbum  zu  verbinden  ist. 
i 
I.  Die  Verbindung  ist  zweifelhaft  an  folgenden  Stellen : 

Zunächst  Enn.  hedyph.  529  und  Cato  ßß  66  (22  ff.).  Über 
diese  Stellen  ist  ein  Wort  im  Zusammenhange  vorauszuschicken : 
Die  Worte  des  Ennius  lauten  bei  Baehrens : 

Omnibus  id  Clipeae  lyraestat  mustela  marina^  — 
Mures  mnt  Aeni  mper^  ostrea  plurima  Abidi^ 

wws,  Mitilenae  — 

Est  peden  crebnim  finisqae  apud  Ambraciai,  — 
Brundisii  sargust^  hunc  magntis  si  est  tibi  sume,  — 
Apriclum  piscem  scito  primum  esse  Tarenti^  — 
Surrenti  tu  dopem  fac  emas,  glaucum  face  Cumis  — 
Pdipus  Corcirae^  calvaria  pifiguia  Atamae.  — 
Das  Fragment  ist  überliefert  bei  Apulejus  (Apol.  39),  aber 
sehr  verderbt  Es  steht  dort  Clipee^  eni,  aspera  statt  super  (Vahlen  *) 

1)  Nach  den  Anmerkungen  von  Baehrens,  die  zweite  Ausgabe  des 
Vahlenschen  Ennius  war  mir  leider  nicht  zugänglich. 


366  J.  Heckmann, 

schreibt  spism)^  abidi^  mitüene\  est  peden  caradrumque  apud 
umbracie  finis^  sargus  bonm  est  statt  sargust^  si  erit  statt  si  eä 
tibi^  targenti  oder  argenti^  tdapem  statt  tu  elapem^  apud  Cumas 
statt  face  Cumis^  corcire^  carne  oder  t<irne.  Ist  die  Schreibung 
von  Baehrens  richtig  —  und  ich  weiß  nichts  dagegen  anzu- 
führen, —  so  sind  sicher  von  einem  Verbum  abhängende 
Lokative  Müüenae^  Abidi,  Brundisiu  Auch  die  folgenden  Formen 
Clipeae^  Aeni,  Tarenti,  Surrenti,  CumiSj  Corcirae^  Atamae  lassen 
sich  als  Lokative  fassen  und  sich  entweder  mit  den  Verben 
praestat^  sunt^  esse,  emas  verbinden,  oder  es  läßt  sich  (bei  Cardrae 
und  Atamae)  leicht  ein  ähnliches  Verbum  ergänzen.  Doch  lassen 
sich  die  Formen  auch  alle  mit  den  entsprechenden  Substantiven 
verbinden,  und  dann  könnte  man  Cutnis  als  Ablativ  betrachten, 
die  andern  als  Genetive,  wenngleich  sich  die  Behauptung,  sie 
könnten  selbst  in  diesem  Falle  Lokative  sein,  nicht  widerlegen 
läßt,  vgl.  CIL  I  199  Z.  6,  12. 

Bei  Cato  heißt  es:  Romae  tunicas:  Calibus  et  MitUumis 
cucuUiones,  Venafro  paleas,  Suessae  et  in  Lticanis  plostra :  Romae 
dolia :  tegidae  ex  Venafro,  trapeti  Pompeis,  Nclae  ad  Rufi  Maceriam^ 
claves,  clostra  Romae,  alia  vasa  Capuae,  Nol<ie,  spartum  omne  Capuae^ 
fiscinas  Romanicas  Suessae  Casino  ....  optimae  erunt  Romae.  Ob- 
wohl auch  hier  die  Verbindung  der  Eigennamen  mit  den  Sub- 
stantiven überall  möglich  ist,  so  ist  es  doch  wahrscheinlicher, 
daß  sie  abhängig  sind  von  dem  überall  zu  ergänzenden  Verbum 
emito  oder  eniantur.  Vgl.  Keil  ed.  mai.  comment.  137 :  In  rubrica 
capitis  in  archeiypo  scripta  erant  Juiec:  Tunicae  et  ceterae  res 
ubicumque  emantur,pro  quibtis  Victorius  dedit  haec:  Quemadmodum 
tunicas  ceterasque  res  et  tibi  emas, 

Führen  wir  nunmelu'  die  Stellen  einzeln  an.  Inwieweit 
man  hie  und  da  darüber  in  Zweifel  sein  kann,  ob  ein  Genetiv 
oder  Lokativ  vorliegt,  bedarf  keiner  weiteren  Andeutimg  mehr. 

a)  Ohne  Präposition. 

Enn.  529  Clipeae,  Aeni,  Tarenti,  Surrenti,  Cumis,  Corcirae, 
Atarnae ;  Cat.  RR  66  (22  ff.)  Calibus,  Minturnis,  Venafro,  Suessae, 
Pompeis,  Nolae,  Romae,  Capuae,  Casino ',  Phorm.  680  Fructum 
quem  Lemni  uxoris  reddunt  praedia,  vgl.  Trin.  530,  Donat  Lemno', 
Eun.  510  Rus  Sunii  ecquod  habeam  et  quam  longe  a  mari;  Luc.  3S0 
(Xon.  201,  15)  Lysippi  lupiter  istac  Trayisibit  quadraginta  cubüa 
altus  Tarento',  Luc.  873  (Don.  z.  Hec.  lU  4,  26)  Myconi  calva 


über  präpositionslose  Ortsbezeichnung  im  Altlateinischen.        367 

omnis  iuventus]  Trag.  ine.  ine.  259  (Cic.  ad  Att.  VI  9)  In  arce 
Athenis  statio  nunc  mea  mihi  placet^  vgl.  Enn.  trag.  219  Quae 
Corinthum  arcem  altam  habetis  (Cic.  ad.  fam.  Vn  6). 

b)  Mit  Präposition. 
Capt  973  Qtun  liomini?  —  Theodoromedi  in  Alide  Pclypltmo 
(vendidi\  vgl.  S.  357;  Cure.  341  Ecqxiem  in  Epidaiiro  Lyconem 
trapezitam  noveriin\  Merc.  257  Ego  conspicor  Navem  ex  Bhodo 
quast  heri  advectus  ßius;  Mil.  778  Itaque  omnis  se  tdtro  sedari 
in  Epheso  memorat  midieres  \  Persa  506  Chrysopdim  Persae  cepere 
urbem  in  Arabia]  Ps.  737  Sed  iste  servos  ex  Carysto  qui  hie  adest 
ecqtüd  sapit\  A,  P  «c  Carysto  qui  advenü]  Truc.  530  Addixi 
anciUas  tibi  eccas  ex  <ß>uri<ja>  duas\  536  Mea  voluptas  attuli  eccam 
paüulam  ex  Fhrygia  tibi^  die  Hddsehr.  pari  gra^  Phrygia  Gronov; 
539  Ex  Arabia  tibi  Attuli  tus^  ex  Ponto  amomum;  die  Hddsehr. 
ex  arat  tibi  attuli  tuas  ponto  (oder  tua  sponte)  amoetias]  die  ed. 
min.  und  Leo  tus^  Ponto;  CIL  I  199,  12  Recta  regione  in  fontem 
in  Manicdum\  CIL  I  200,  61  Quantum  numerum  in  Africa 
hominum  in  coUmiam  coloniasm  deduci  oportuit  licuitve;  Trag. 
Aec.  465  (Xon.  501,  2)  Qtüd  si  ex  Graecia  Omni  ittius  par  nemo 
reperiri  potest ;  W  a  grecia ;  Cat  Jord.  36, 10  Item  uti  ab  Thermopylis 
atque  ex  Asia  maximos  tumultus  disieci  atque  conseduvi  Die  Stelle 
ist  überliefert  bei  Charisius  (II  184  P  205  K),  der  cod.  Neap. 
hat  ubi  ab  tJiermopolieis;  d.  exe.  Canehr.  ita  moti  ad  ThermopylaSy 
die  Ed.  pr.  uli  a  Tliermopylis,  Ein  sicheres  Urteil  ist  kaum 
möglieh,  wahrscheinlich  liegt  eine  kurze  prägnante  Ausdrucks- 
weise vor,  statt:  uti  ab  Thermopylis  fugavi  hostes  atque  ex  Asia 
maximos  tumultus  hostibus  disiectis  removi.  Das  atque  würde 
dann  den  Nachsatz  einleiten;  Beispiele  dafür  siehe  bei  Lodge 
Lex.  Plaut,  s.  v.  atque.  Die  Ablative  wären  dann  mit  den  Verben 
zu  verbinden.  Anders  seheint  die  Stelle  Jordan  zu  beurteilen 
(Praef.  LXVU).   Vgl.  auch  Meyer  S.  74. 

II.  Beispiele,  in  denen  das  Nomen  proprium  sicher  mit  einem  andern 
Nomen  zu  verbinden  ist. 

a)  Ohne  Präposition. 

As.  499  Fortasse  Etiam  f  nunc  dico  Periphanes  Bhodo  mercator 

dives\    Merc.  940  Video  ibi  hospitem   Zacyntho.    Dico   quid  eo 

advenerim ;  943  Eospes  respondit  Zacyntho  ficos  fieri  non  malas^  so 

die  Hddsehr.,  die  Herausgeber  schreiben  meist  Zacynthi,  doch 


368  J.  Heckmann, 

scheint  mir  das  nicht  notwendig  zu  sein;  Mil.  100  f  2]i  amabai 
meretricem  matre  Athenis  Atticis;  Poen.  900  Ingenuas  Carthagim 
aibat  esse-^  990  Quid  aü?  —  Hannonem  se  esse  aü  Carihagitm; 
Ps.  270  CompeUabo,  Salve  multum,  serve  Athenis  pessume  CIL  I 
1279  Magistri  Lavemeis;  Luc.  59  Oraece  ergo^  praetor  Athenis 
(Cic.  de  fin.  I  39);  125  (Fest  322)  Quem  praedarus  heiops,  quem 
Aegtfpto  sargus  mavebit;  328  (Non.  151,  10)  Adde  Sgracusis  sola\ 
Pac.  308  (Non.  237, 2)  Flexa,  nan  falsa  autumare  didio  DdjjMs  soleL 

b)  Mit  Präposition. 

Capt  511  Bogo  Fhilocratem  ex  Alide  ecquis  amnium  noverü; 
Cure.  429  Miles  Lycani  in  Epidauro  hospUi  Salutem  dicit;  Rud.  737 
Atque  eras  tuas  quidem  herde  atque  ex  germana  Graecia;  Eun.  165 
Nonne  ubi  mihi  dixti  cupere  te  ex  Aethiopia  AnciUulam;  Heaut  96 
Est  e  CorintJto  hie  advena  anus  pauperctda;  CIL  I  199,  6  Ah 
rivo  infimo  qui  oritur  ab  fontei  in  Mannicelo,  12  Inde  deorsum 
rivo  quei  oritur  ab  fönte  enManicelo;  I  587  Populus  Laodicefisis 
af  Lyco]  1  1011  Lanius  de  edle  Viminale\  1 1067  Servos  pMicus 
ex  basilica  Opimia;  Naev.  5  (Baehr.  Serv.  Dan.  z.  Aen.  11  797) 
Midti  alii  e  Troia  strenui  viri]  Cael.  Ant  63  (SchoL  Veron.  z. 
Verg.  Aen.  V  251  S.  95  K)  Lana  est  qualis  a  Mdiboea, 

Sieht  man  von  den  Städtenamen  ab,  so  erkennt  man  keinen 
Unterschied  gegenüber  dem  Gebrauche  der  Eigennamen  in  Ver- 
bindung mit  Verben.  Denn  der  Vers  Truc.  589  ist  so  korrupt 
überliefert,  daß  es  nicht  zu  gewagt  erscheint,  mit  einigen 
Änderungen  zu  schreiben:  Atttdi  tus,  ex  Ponto  amomum,  und 
von  dem  Lucilianischen  Aegypto  sargus  gilt  dasselbe,  wie  von 
dem  Plautinischen  Aegyto  advenio.  Vgl.  S.  345.  Die  Städtenamen 
aber  werden  in  Verbindung  mit  einem  Nomen  offenbar  anders 
behandelt  als  in  Verbindung  mit  einem  Verbum.  Denn  nicht 
nur  bei  Plautus,  sondern  auch  bei  den  andern  Autoren  sind 
mehrere  Kasus  mit  Präposition  überliefert:  Capt.  511  Philocratem 
ex  Alide^  973  in  Alide^  Cure.  341  in  Epidauro,  429  in  Epidauro. 
Mil.  778  iyi  Epheso,  Ps.  737  ex  Carysto  (A);  Heaut.  96  e  Coriniho. 
Naev.  5  e  Troia,  Antip.  63  a  Meliboea,  Cat.  RR  66  (22)  ex  Vetiafro. 
Davon  beweisen  zwar  die  Plautinischen  Kasus  nichts,  da  PL 
auch  in  Verbindung  mit  dem  Verbum  die  Präposition  setzt, 
außerdem  kann  man  Venafer  bei  Cato  als  Adjektiv  fassen.  Da 
sich  aber,  abgesehen  von  Plautus,  sonst  kein  Beispiel  anführen 
läßt,  nach  dem  die  Alten  beim  Verbum  die  Städtenamen  mit 


über  präpositionslose  Ortsbezeichnung  im  AlUateinischen.        369 

der  Präposition  nach  andern  Regeln  verbunden  hätten,  als  wie 
sie  auch  für  die  späteren  Schriftsteller  galten,  da  hingegen  in 
der  attributiven  Verbindung  niit  einem  Nomen  auch  bei  livius 
wiederholt  die  Präposition  steht  (z.  B.  I  50,  3;  IV  3, 11;  VI  12,  6; 
13,  8;  17,  7  (vgl.  Nipperdey  Opusc.  182  ff.),  so  läßt  sich  die  Regel 
aufstellen:  Wenn  Städtenamen  attributiv  mit  einem 
andern  Nomen  verbunden  werden,  so  kann  im  Alt- 
lateinischen zur  Bezeichnung  der  Herkunft  oder  des 
Ursprunges  die  Präposition  ab  oder  ex^  zur  Bezeich- 
nung des  Aufenthaltes  die  Präposition  in  mit  dem 
Ablativ  stehen;  gewöhnlich  steht  aber  auch  hier  zur 
Bezeichnung  des  Ursprunges  oder  der  Herkunft  der 
bloße  Ablativ,  während  sich  der  bloße  Lokativ  zur 
Bezeichnung  des  Aufenthaltsortes  nicht  mit  Sicherheit 
nachweisen  läßt.  Werden  die  Städtenamen  lokal  ver- 
wandt in  Abhängigkeit  von  einem  Verbum,  so  ist  der 
Sprachgebrauch  im  Altlateinischen  nicht  verschieden 
von  dem  der  sog.  klassischen  Latinität,  nur  daß  Plautus 
bei  griechischen  Städtenamen,  aber  auch  nur  bei  den 
Singularia,  nach  Belieben  bald  unter  dem  Einflüsse  des 
Griechischen  die  Präposition  verwendet,  bald  unter 
dem  Einflüsse  des  Lateinischen  die  bloßen  Kasus. 
Diese  Regel  wird  sicher  giltig  bleiben,  solange  nicht  neue 
Sprachdenkmäler  entdeckt  sind. 

7.  Stellen,  bei  denen  es  zweifelhaft  ist,  ob  ein  Eigenname  steht 
zur  Bezeichnung  eines  lokalen  Verhältnisses. 

Men.  306  Epidamnum  nunquam  vidi  neque  veni;  Mil.  648 
Post  Ephesi  sum  natus,  non  enim  in  Apulis^  non  sum  in  imula; 
so  P,  in  B  ist  der  Vers  auf  dem  Rande  nachgetragen,  Serv. 
aber  (zu  Verg.  georg.  II  134)  hat:  Sic  Plautus  in  Müite  glcrioso: 
Tum  in  Apulis  non  sum  natuSj  non  sum  Änimula  und  Festus 
Pauli  sagt:  Animtda  urbsparvarum  opum  fuit  in  Apulia.  Mil.  1025 
Quo  pacta  hoc  Ilium  accedi  vdis;  so  Leo,  d.  Hddschr.  hoccilium 
accepi^  außer  der  von  Leo  sind  noch  andere  Verbesserungen 
versucht.  —  Tnic.  497  Nunc  ad  amicam  Atticam  Athenas  viso; 
PI.  im  Fretum  (Gell.  III  3,  7)  Nunc  illud  est  quod  respofisum 
Arretini  ludis  magis  dicitur;  statt  bidis  magis  hat  ein  Teil  der 
Hddschr.  magnis  ludis  ]  Leo  Arreti;  CIL  I  30  Tarausia  Cisauna 
Samnio  cepit    Mommsen  nimmt  einen  Ablativ  in  lokativischer 


370  J.  Heckmann, 

Bedeutung  an,  Buecheler  vermutet  einen  Ablativ  auf  die  Frage 
woher?,  wie  er  ähnlich  steht  in  der  Inschrift  CIL  I  534  Fulvius 
Äetdia  cepit  und  bei  PI.  in  der  Verbindung  ius  PatUo^  Bitschi 
hält  Taraiisia^  Cisautia  Samnio  für  Akkusati ve  des  Objektes 
(Opusc.  IV  225).  —  CIL 1 32, 1  Hone  oino  pUnrtme  cosentiotit  Ä . . .: 
Sirmondi  ergänzt  Bomae^  Ritschi  Bomai^  Grotefend  Bomani^ 
Mommsen  Bomane^  Gamicci  BomanoT ;  CIL  I  32,  5  Cepü  Cornea 
Aleriaque  urbe\  CIL  I  589  (Jjucei  ab  e6>muni  restitutei  in  tnaiarum 
leiber<taiem>  <flb  urbe>  Borna  lovei  CapUdino  e.  j.  s. ;  so  ergänzt 
Garrucci,  Mommsen  dant  Boma^  was  mir  unverständlich  bleibt 
—  CIL  I  687  LVFVASIA;  Mommsen  erklärt  es  =  Lue.  Ftdvius 
Asia,  Enn.  ann.  38  Fluvius  qui  est  omnibus  princeps^  qui  sunt 
Italia;  so  Baehrens,  bei  Fronto  (160  N)  ist  überliefert  qui  sub 
civüia',  Ilberg  qui  sub  caeruleo:  Luc.  89  (Paul.  122)  Inds  Diearchitum 
populos  Delumque  minorem \  das  Verbum  fehlt;  Luc.  599  (Xon. 
406,  30)  Tanti  se  Emporiis  merces  eic  aethera  toUunt;  so  Baehrens, 
die  Hddschr.  temporis  et  faetera,  Luc.  Müller  XXVQI  61  Taniae 
se  emporiis  merces  et  faenera  toUent.,  Laev.  (Baehr.  S.  291,  Prise.  I 
497)  Nunc  quaepiam  alia  de  Ilio  pdlicuit:  überliefert  ist  alia 
te  Hlo,  Scaliger  de  Ilio^  Osannus  te  ilico. 

Über  einige  dieser  Stellen  ist  ein  Wort  zu  bemerken.  Enn. 
ann.  38  läßt  sich  der  bloße  Ablativ  nur  halten,  wenn  man  an- 
nimmt, daß  ursprünglich  folgte  in  terra,  vgl.  S.  336 ff.  u.  343  ff.  Bei 
Lucilius  (599)  hat  Luc.  Müller  zu  Unrecht  geschrieben  emjyoriis^  es 
ist  entweder  eine  andere  Konjektur  zu  versuchen  oder  der  Eigen- 
name zu  schreiben :  Emporiis.  Im  Mil.  glor.  billige  ich  das  von 
Servius  überlieferte  Animtda.  Leo  schreibt  Animulas  und  bemerkt 
Animuhe  (so!)  sei  zu  verwerfen,  quia  7ion  recte  cum  gente  com- 
ponatur  oppidulum.  Diese  Bemerkung  ist  mir  unverständlich. 
Über  CIL  I  687  (LrFVASIA)  wage  ich  kein  Urteil  abzugeben, 
in  Samnio  (I,  30)  aber  und  Corsim  Aleriaqm  urbe  darf  man  nicht 
Ablative  mit  Lokativbedeutung  sehen,  ich  sehe  darin  mit  Ritschi 
Akkusative:  vgl.  zur  Form  Luciom  Scipione  in  denselben  In- 
schriften. Mommsen  nimmt  daran  Anstoß,  daß  dann  Namen  im- 
bekannter Städte  neben  solche  gi'ößerer  Gegenden  gestellt  würden, 
aber  diese  Steigerung  a  minore  ad  maius  braucht  nicht  anstößig 
zu  sein.  Wenn  endlich  Zieler  (Beiträge  zur  Geschichte  de5 
lateinischen  Ablatives,  Leipzig  1892,  S.  69)  es  billigt,  daß  Wölfflin 
keinen  Akkusativ  annehmen  will,  da  man  nicht  gesagt  habe, 
terram  capere.,  so  erledigt  sich  dies  Bedenken  durch  den  Hin- 


über  präpositionslose  Ortsbezeichnung  im  Altlateinischen.        371 

weis  darauf,  daß  Städtenamen  unmittelbar  vorangehen  oder  nach- 
folgen. Als  möglich  ist  immerhin  zuzugeben,  daß  in  Samnio  ein 
Ablativ  zur  Bezeichnung  der  Zugehörigkeit  vorliegt  (Tarosia, 
Cisauna^  Städte,  die  zum  Lande  Samnium  gehören).  Yielleicht 
ist  dieses  auch  die  Meinung  Buechelers  (siehe  den  Kommentar 
zu  seiner  Anthologie).  Der  bloße  Ablativ  kann  nämlich  wohl 
im  Altlateinischen  auf  die  Frage  woher?  stehen  oder  die  Zu- 
gehörigkeit bezeichnen;  dagegen  ist  er  rein  lokativisch  für  die 
älteste  Zeit  kaum  zuzulassen,  wie  dieses  näher  nachgewiesen  ist 
D  S.  37  ff.,  und  66  ff.  —  Bei  Laevius  kann  man  die  Konjektur 
Scaligers  quaepiam  de  Ilio  billigen;  denn  wenn  auch  die  Prä- 
position de  sonst  nicht  mit  Städtenamen  verbunden  erscheint, 
so  steht  sie  doch  öfter  bei  andern  Substantiven  zur  Bezeichnung 
der  Herkunft  und  ist  dadurch  auch  hier  hinreichend  gerecht- 
fertigt. —  Die  Konjektur  Leos  endlich  responmm  Arreti  (in  dem 
Fragmente  des  Fretum)  kann  ich  nicht  gut  heißen,  da  der  Lokativ 
lauten  müßte ^rr^ii.  Man  könnte  schreiben:  Nunc  Uludest^  Quod 
responsum  Ärretini  bidis  magnis  dicitur;  Peribo  si  tum  fecero^  si 
faxo  papulabOj  indem  man  ein  canticum  modis  mutatis  annähme.  — 
Der  Rest  bedarf  keines  Kommentares. 


Anhang. 

Anhangsweise  mögen  die  einschlägigen  Stellen  aus  den 
elogia  clarorum  \irorum  (CIL  I),  den  Periochen  zu  den  Stücken 
des  Terenz,  den  Argumenten  zu  denen  des  Plautus,  dem  edictum 
perpetuum  praetorum  u.  drgl.  hier  folgen.  Was  dem  Sprach- 
gebrauch der  alten  Latinität  oder  wenigstens  des  betreffenden 
Schriftstellers  entgegen  zu  sein  scheint,  ist  mit  einem  Sternchen 
bezeichnet. 

Aul.  I  2  Dornt  suae  defossam ;  3  Penitus  conditam* ;  9  Variis 
abstmdit  locis*;  Merc.  II  2  Peregre  missus:  12  Patria  feigere*; 
Mil.  I  3  Ero  amanti  Ugato  peregrex  12  In  domo  senis  deprensus*^ 
H  8  In  proximo  devortitur:  9  Medium  parietem  Perfodit  servos 
commeatus  clanculum  qua  foret  amantum\  Most.  1  Manu  misit*; 
Sticli.  n  3  Contraque  verbis  delenüus  commodis\  Trin.  1  Abiem 
peregre:  Truc.  If.  Tres  unam pereunt  adulescentes  mulierem  Rure 
unus  alter  urbe^  peregre  tertius.  —  Andr.  8  Ex  Glycerio  natum 
puerum ;  Eun.  5  Rus  abit ;  Heaut  3  Animique  sese  angebat ;  Phorm.  1 


372  J.  Heckmann, 

Aberat  peregre.  —  Elog.  XXIX  Tertio  quarto;  XXX  Tertio] 
XXXEK  Terra  marique,  —  Ed.  praet  perp.  S.  171,  3  Si  quid  w 
tempore  dolo  eins  mMractum  est^  so  der  cod.  Festi,  Brons  aber 
schreibt  Si  quid  eo  tempore  $  domo  eius  3.  d.*;  173,  34  Mulier 
in  domu  konestissimae  feminae  pariai^;  179  2  b  ^  eave  quo  quam 
mortuum  inferre;  179  3a  Ne  quid  in  loco  puUico  facüzs;  2a /» 
loco  sacro  facere;  184  14c  7n  eo  loco  facere.  —  Ed.  aei  S.  186 
3  Qua  vulgo  iter  fit,  —  Bruns  S.  216  in  der  Unterschrift  einer 
Pompejanischen  Quittung:  Statiotie  Nucherinc^\  220  (Sermi) 
c(oloniae)  Ven(eriae)  Com(eliae) ;  22  Ab  ostio  introüm  partem  dex- 
teriorem  porticum^  subsolarium^  aediculam^  et  oUa  frumentaria.  Ich 
vermute  einen  Schreibfehler;  es  sollte  wohl  heißen:  Ab  ostio 
introitus  parte  dexteriore  in  porticum  u.  s.  w.  Es  handelt  sich 
um  eine  Inschrift;  Bruns  S.  167  3,  4  Supra  comprehensum  oder 
scripta,  ähnlich  172,  30;  174.  —  S.  172,  173  Manu  mism\ 
173  Qui  condave  atd  domum  introierunt^\  173  /n  eo  condavi  qua 
praegnans  sU,  So  schreibt  Bruns,  aber  da  das  qua  keinen  Sinn 
hat,  möchte  ich  vorschlagen  ei  qua  =  si  aliqua).  Siehe  das  vo^ 
hergehende;  es  ist  die  Rede  de  mtdieris  honestae  atque  gravidae 
ventris  inspectione;  176,  2  Si  quis  passus  erit  sese  pro  servo  venum 
rfari*;  185  Ex  eo  natum,  —  Bremer  S.  10,  3  (Gell.  X  15)  Ignem 
€  flaminia  L  e.  flaminis  Dialis  domo  nisi  sacrum  efferri  ius  non 
est*,  so  soll  Fabius  Pictor  berichtet  haben. 

Eigennamen :  Elog.  V  In  Asia;  (VI  Imperator  appellatm  ex 
j)romncla  Macedonüi);  IX  Graviscam',  XX  In  I(taliam);  XXT 
Veios  commigrari]  XX VE  Romam  rediit;  XXXIV  Se  Caichadom 
conttdisset  —  Cist.  6  Lemno  post  rediens  dmit  quam  compresserai, 
Lemnique  natam  spondet  adidescentido;  Cure.  1  Curctdio  missM[s] 
Phaedromi  it  Cariam ;  Mil.  I  1  Meretricem  Atlienis  Ephesum  miUs 
avehit ;  5  Suom  arcessit  f  erum  Athenis  et  forat .  .  . ;  LI  2  Nau- 
pact<.mn>  is  domo  Legatus  abiit :  miles  in  eandem  incidit,  Deportd 
Ephesum  inviiam\  6  Ad  erum  ut  veniret  Ephesum  scribit]  Poen.  1 
Puer  septuennis  surripitur  Carthagine ;  Phorm.  2  Relicto  Athenis 
Antiphone  ßio ;  3  Chremes  dam  habebat  Lemni  uxorem  et  ßiam, 
Athenis  aliam  coniugem  et  amantem  unice  Gnaium  fidicinanu 
Maier  e  Lemno  advenit  Athenas;  Hec.  5  Dein  profectus  in  Im- 
brumst  nuptam  haud  attigit.  Der  Vers  enthält  einen  metrischen 
Fehler;  um  ihn  zu  beseitigen,  tilgt  Umpfenbach  die  Präposition, 
Fleckeison  und  Dziatzko  schreiben  Profedus  dein  in  Imbrumd. 


über  präpositionslose  Ortsbezeichnung  im  Altlateinischen.       373 

Schlußwort. 

Ans  der  Menge  der,  wie  ich  hoffe,  vollständig  angeführten 
Beispiele  ließen  sich  noch  manche  Einzelheiten  folgern,  wie  für 
den  allgemeinen  Sprachgebrauch  im  Altlateinischen,  so  für  den 
dieses  oder  jenes  einzelnen  Schriftstellers,  z.  B.  welche  substan- 
tivischen oder  adjektivischen  Noraina  mit  einem  Nomen  proprium 
verbunden  erscheinen,  welche  Präpositionen  außer  in  und  ex 
noch  mit  Eigennamen  verbunden  worden  sind  und  in  welcher 
Bedeutung,  wie  sich  der  Sprachgebrauch  der  Dichter  von  dem  der 
Prosaiker  unterscheidet,  was  für  Eigentümlichkeiten  etwa  der 
des  Ennius  oder  des  Cato  oder  des  Com.  Sisenna  hat  und  manches 
andere  mehr.  Ich  glaube  mich  dieser  Einzelheiten  überheben 
zu  können,  da  die  Beispiele  so  geordnet  sind,  daß  der,  dem 
daran  liegt,  bei  einer  Durchsicht  das  Richtige  leicht  selber  er- 
schließen kann. 

Nur  auf  das  eine  oder  andere,  was  die  Sache  im  allgemeinen 
betrifft,  möchte  ich  zum  Schlüsse  kurz  hinweisen.  Man  hat  wohl 
gefragt,  wie  es  komme,  daß  die  Konstruktion  der  Städtenamen 
eine  andere  ist  als  die  der  Ländernamen  und  anderer  Substantive. 
Madvig  meint,  die  Präposition  fehle  gerade  bei  den  Namen  der 
Städte  und  Inseln,  weil  dort  mehr  an  einen  bestinmiten  Punkt 
gedacht  werde,  während  bei  den  andern  Namen  die  Vorstellung 
eines  räumlich  mehr  ausgedehnten  Ortes  vorschwebe  (Reisig- 
Hase  Vorlesungen  3,  650).  Etwas  Ähnliches  hatte  ich  mir  selber 
ausgedacht,  indes  kann  man  solche  Behauptungen  weder  be- 
weisen noch  widerlegen,  und  ich  lasse  sie  also  dahingestellt 
Delbrück  (Syntax  553)  wirft  die  Frage  auf:  Warum  ist  domi, 
Romae  geblieben  und  nicht  in  domo^  in  Roma  gebildet?  und 
antwortet:  "Ein  im  Lokativ  stehender  Ortebegriff  vertrug  und 
verlangt«  natürlich  eine  genauere  Beschreibung  durch  Adjektiv 
and  durch  Präposition,  welche  im  Laufe  der  Zeit  regelmäßig 
hinzugefügt  wurde.  Bei  domi  und  Romae  aber  ist  eine  genauere 
Beschreibung  nicht  nötig,  denn  es  kommt  nicht  darauf  an,  ein 
Haus  oder  eine  Stadt  mit  ihren  in  die  Augen  fallenden  Eigen- 
schaften zu  beschreiben,  sondern  es  soll  nur  eine  örtlichkeit 
insofern  bezeichnet  werden,  als  sie  Heimat  oder  Aufenthalteort 
ier  betreffenden  Person  ist.  Für  eine  solche,  unanschauliche, 
jar  nicht  individualisierende  Bezeichnung  blieb  der  Lokativ  olme 
&.djektiv  und  Präposition  übrig."  Soviel  ist  zuzugeben,  daß  das 

IndogermaniBche  Fonchniigen  XVUL  25 


374  J.  Heckmann, 

Lateinische  dazu  neigt,  die  Präposition  hinzuzufügen,  wenn  zum 
Substantiv  noch  ein  Attribut  hinzutritt,  vgl.  in  dcmo  istae^  in 
domo  meretricia.  Das  wird  auch  nicht  widerlegt  durch  die  Ver- 
bindungen meae  dornig  proxumae  vidniae  u.  dergl.;  denn,  hia 
sind  die  beiden  Wörter  enge  zu  einer  Einheit  verbunden,  bilden 
einen  Begriff,  oder  wie  Audouin  es  treffend  ausdrückt  *iiw«, 
proxitnae  faü  pari  de  carps\  Weiter  zu  gehen  aber  scheint  mir 
gewagt;  es  gut  im  übrigen  von  diesen  Ansichten  Delbrücks 
dasselbe  wie  von  denen  Madvigs. 

Uns  hat  sich  ergeben,  daß  der  Lokativ  einfach  die  Vor- 
stellung wo?  bezeichnet  Eben  diese  wird  aber  auch  durch  in 
mit  dem  Ablative  ausgedrückt,  wenigstens  habe  ich  in  der  vo^ 
handenen  altlateinischen  Literatur  keinen  Bedeutungsunterschied 
zwischen  den  beiden  Ausdrucksformen  mehr  entdecken  können. 
Ursprünglich  muß  natürlich  ein  solcher  bestanden  haben,  und 
vielleicht  liegt  es  auch  darin  begründet,  daß  von  gewissen 
Nomina,  die  infolge  ilirer  eigentümlichen  Bedeutung  sich  gern 
mit  der  durch  den  bloßen  Lokativ  bezeichneten  Vorstellung 
verbanden,  eben  dieser  Kasus  erhalten  blieb,  während  zur  Be- 
deutung der  andeni  besser  die  durch  in  mit  dem  Ablativ  be- 
zeichnete paßte,  und  hier  die  alleinhen-schende  wurde.  Näheres 
und  Sicheres  aber  läßt  sich  darüber  nicht  angeben.  Auch  läßt 
sich  nicht  mit  Gewißheit  behaupten,  daß  die  Ländernamen  jemals 
in  weiterem  Umfange  zur  Bezeichnung  der  Ruhe  im  Lokativ 
gestanden  haben.  Wir  begnügen  uns  damit,  zu  konstatieren, 
inwieweit  sich  der  Lokativ  in  der  alten  Literatur  nachweisen 
läßt.  Es  stehen  hier  auf  die  Frage  wo?  im  bloßen  Lokativ  in 
der  Regel  die  Städtenanien,  außerdem  finden  sich,  abgesehen 
von  den  pronominalen  Adverbien,  folgende  sichere  Lokative 
rein  lokal  verwandt:  peregrie,  ruri^  vidniae  (auch  mit  Adj.), 
dornt  (auch  mit  Adj.),  humi.  Dazu  kommen  —  hdli^  —  müitiae, 
diese  aber  nur  in  Verbindung  mit  dotni\  und  vielleicht  cordi 
Noch  ist  zu  sagen,  daß  im  Ablativ  auf  -e  bei  der  dritten  keine 
Spur  lokativer  Kraft  mehr  steckt.  Vielmehr  endigt  der  eigenüiche 
Lokativ  auch  bei  den  konsonantischen  Stämmen  durchweg  auf  -i. 
Die  wonigen  Stellen,  wo  auch  die  Ablative  auf  -#  lokativ  stehen, 
sind  auf  eine  Stufe  zu  stellen  mit  den  lokativ  gebrauchten 
Ablativen  auf  -ö  und  -ä,  d.  h.  es  ist  nicht  etwas  Altes,  sondern 
das  Produkt  einer  neueren  Entvvickelung. 

Der  Ablativ  in  seiner  ursprünglichen  Bedeutung  entbehrt 


über  präpositionslose  Ortsbezeichnong  im  Altlateinischen.       376 

die  Präposition  bei  den  Städtenamen  und  in  einigen  yielge- 
brauchten  oder  festen  Formeln,  wie  rure,  domo,  vicinia,  (foris)j 
loco  movere,  manu  fugere  u.  ähnl,  außerdem  ganz  vereinzelt  bei 
Ländernamen  (Aetolia,  Aegypto\  und  dies  ist  vielleicht  z.  T.  eine 
Altertümlichkeit,  endlich  vereinzelt,  aber  nur  bei  Dichtem,  auch 
sonst  Häufiger  ausgelassen  als  hinzugefügt  wird  die  Präposition 
bei  Angabe  der  Abstammung,  was  sich  wieder  aus  der  häufigen 
Verwendung  dieser  Formeln  erklärt. 

Der  Akkusativ  endlich  steht  präpositionslos  außer  bei 
Städtenamen  ebenfalls  in  einer  Anzahl  oft  gebrauchter  Formen. 
Man  darf  annehmen,  daß  diese  wie  auch  die  entsprechenden 
Lokative  und  Ablative  dem  Sprachgefühl  der  Lateiner  mit  den 
Adverbien  auf  einer  Stufe  gestanden  haben.  Sonst  finden  sich 
für  die  Verwendung  des  bloßen  Akkusatives  in  lokaler  Bedeutung 
nur  ganz  vereinzelte  und,  zum  größeren  Teile,  unsichere  Beispiele. 

Bei  der  Hinzufügung  eines  Attributes  macht  sich  für  alle 
Easus  das  Bestreben  geltend,  selbst  dann  die  Präposition  zu 
verwenden,  wenn  das  betreffende  Wort  attributionslos  die  Prä- 
position durchaus  verschmäht 

Dies  sind  allgemeine  Folgerungen,  die  sich,  wie  mir  scheint, 
mit  Sicherheit  aus  der  vorliegenden  Arbeit  ziehen  lassen.  Sie 
verfolgt  das  Ziel,  unter  Anführung  sämtlicher  Belegstellen  einen 
Beitrag  zur  Syntax  des  Lateinischen  und  somit  zur  Erkenntnis 
der  Xatur  dieser  Sprache  überhaupt  zu  liefern.  Da  sie  sich  im 
wesentlichen  auf  die  Behandlung  der  Adverbien  und  Kasus,  in- 
soweit sie  präpositionslos  lokale  Verhältnisse  bezeichnen,  be- 
schränkt, und  präpositionale  Ausdrücke  nur  insoweit  behandelt 
sind,  als  es  zur  Erläuterung  jener  dienlich  zu  sein  schien,  so 
können  auch  die  Ergebnisse  das  dadurch  bestimmte  Gebiet  nicht 
überschreiten,  unbeschadet  ihrer  allgemeinen  Gültigkeit  inner- 
halb seiner  Grenzen.  Zwar  könnte  man  versucht  sein,  aus  dem 
vorgelegten  Material  auch  auf  die  Grundbedeutung  und  die  all- 
gemeine Bedeutung  der  Adverbien  und  Kasus  im  Lateinischen 
zu  schließen,  oder  gar  noch  weitere  Folgerungen  für  die  Syntax 
des  Urindogermanischen  daraus  abzuleiten.  Indes,  so  lockend 
die  Versuchung  sein  mag,  namentlich  für  einen,  der  selber  das 
Material  mit  vieler  Mühe  zusammengeschafft  hat,  so  verderblich 
wäre  es,  ihr  zu  folgen.  Denn  die  hier  behandelten  Ausdrücke 
stehen  im  Lateinischen  nicht  bloß  präpositionslos  und  zur  Be- 
zeichnung lokaler  Verhältnisse,  sondern  finden  sich  zum  größten 

25* 


376  Ä.  Zimmermann, 

Teile  auch  in  Verbindung  mit  Präpositionen  und  zum  Ausdrucke 
temporaler,  modaler  und  anderer  Verhältnisse.  Erst  wenn  auch 
die  Beispiele  hierfür  alle  zusammengetragen,  geordnet  und  mit 
den  hier  gesammelten  verglichen  wären,  ließe  sich  über  die  all- 
gemeine und  die  Grundbedeutung  der  Formen  im  Lateinischen 
Genaueres  ausmachen.  Femer  finden  sich  die  besprochenen 
Easus  alle  und  die  Adverbien  zum  großen  Teile  auch  in  andern 
indogermanischen  Sprachen.  Um  also  für  das  TJrindogermanische 
etwas  Sicheres  schließen  zu  können,  müßten  auch  alle  andern 
Sprachen  dieses  Stammes  in  ähnlicher  Weise  durchforscht  und 
die  Ergebnisse  von  einem  aller  dieser  Sprachen  einigermaßen 
Kundigen  zusammengestellt  werden.  Freilich,  möglich  muß  eine 
Syntax  des  Urindogermanischen  sein,  so  gut  wie  eine  urger- 
manische oder  urindogermanische  Laut-  und  Formenlehre  mögUch 
ist,  und  sie  würde  sicher  nicht  geringeres  Interesse  bieten  als 
diese,  aber  ehe  hier  im  einzelnen  feste  und  sichere  Ergebnisse 
vorliegen,  bleibt  noch  sehr  viel  zu  tun. 

Brilon  i.  W.  J.  Heckmann. 


Zur  Entwickelang  des  Suffixes  -tor  (-ter)  Im  Latein.        l 

Ebenso  wie  im  Griechischen  es  Nomina  agentis  gab  auf 
-TTip  und  -Tiup  vgl.  d|LiuvTr|p  d|LiuvTUjp  usw.,  so  im  Latein  solche  auf 
-ter  und  -tor;  aber  von  den  ersteren  haben  nur  wenige  noch  im 
Latein  sich  erhalten.  Der  Grund  dafür,  daß  die  Sprache  sie  auf- 
gab, war  wohl  der,  daß  sie  mit  den  Substantiven  der  2.  Dekli- 
nation wie  magister  usw.  in  nähere  Beziehung  traten,  zumeist 
deren  Flexion  annahmen  ^)  und  nun  nicht  mehr  als  Parallelformen 
der  Substantiva  auf  -tor  galten.  Arbiter  z.  B.  erinnert  an  seine 
alte  Flexion  nur  durch  die  Form  arbitrix  (CIL.  6, 10128)«);  es  geht 


1)  Indes  ist  es  auch  möglich,  daß,  wie  im  Griech.  (arpoc  aus  \aTi\p 
Idxujp  entstand,  vj,^l.  noch  baixpoc,  so  auch  im  Latein  aus  Substantiven 
auf  'tor  (-ter)  solche  auf  trus  bezw.  ter  (Gen.  -tri)  sich  entwickelten.  Taeter 
taefrus  belegt  bei  Georges  \Vf.)  halte  ich  für  entstanden  aus  taed{i)tor 
vgl.  taeduit  und  übersetze  {hämo)  taeter  mit  'ein  Ekel*  und  morbus  taeter 
mit  'eine  ekle  Krankheit'. 

2)  Nachträglich  bringe  ich  das  mir  entgangene  L.  Luci  L.  1.  Arbitris 
CIL.  10,  M90. 


Zur  Entwickelung  des  Suffixes  -tor  {-ter)  im  Latein.  377 

nach  der  2.  Deklination,  und  außer  der  eben  angeführten  Stelle 
finden  wir  nur  solche  mit  arbitra.  Ich  halte  nämlich  arbiter  für 
ein  Kompositum  von  pater  (vgl  administer).  Im  patrizischen  Rom 
war  pater  gleichbedeutend  mit  Senator;  nur  ein  pater  famäias 
der  patrizischen  Gemeinde  konnte  giltige  Rechtsgeschäft«  ab- 
schließen, als  Volksvertreter  (pater)  in  die  Fremde  geschickt 
werden ;  patratas  bedeutete  "zum  Vertreter  ernannt'  und  pater 
patratus  war  das  zum  Volksvertreter  ernannte  Famüienhaupt 
Daß  nun  das  Wort  arbiter  ursprünglich  arpüer  (d.  h.  ein  zu  einem 
Rechtsgeschäft  hinzugezogenes  Familienhaupt)  lautete,  ersieht 
man  schon  aus  umbr.  afputrati  ^arbitratu*  (tab.  Jguv.  5a,  12); 
denn  nach  v.  Planta  1,  561  findet  sich  auf  den  Jguv.  Tafeln  II-V 
mit  Ausnahme  des  oben  zitierten  afputrati  kein  p^  nur  6,  und  v. 
Planta  kam  darum  auf  den  Gedanken,  das  Wort  mit  putare  zu- 
sammenzubringen. Im  Latein  ist  das  b  wohl  dadurch  in  das 
Wort  gekommen,  daß  man  es  mißverständlich  mit  bitere  in  Be- 
ziehung setzte.  Noch  eigentümlicher  hat  sich  die  Flexion  von 
Sequester  gestaltet.  Da  nämlich  infolge  davon,  daß  der  Verbal- 
stamm auf  s  auslautete  bezw.  Synkope  eintrat,  manche  Verbal- 
nomina auf  stör  ausgingen  vgl.  gestor  suppostor  osk  censtur  (neben 
lat.  censitor  censor)  etc.,  so  bildete  mau  nun  auch  von  andern 
Verben  analogisch  Substantiva  auf  -stör:  pastor^  comestor  (neben 
cotnesor)  fostor  (gl.  Plac.  5,  28.  2),  'nastor  (neben  natrix  vgl. 
nasturcium,  das  schwimmende  Kraut,  und  nassiterna).  Derartige 
Endungen  müssen  aber  in  der  vulgären  Sprache  häufiger  ge- 
wesen sein,  wie  die  nach  regelrechtem  vestrix  pistrix  suppostrix 
impostrix  gebildeten  Femininaformen  defenstrix^  sponstrix,  estrix^ 
persuastrix  etc.  beweisen.  Denn  letztere  bildete)  man  doch  nicht 
immittelbar  vom  Verbalstamm,  also  beispielsweise  defenstrix  aus 
defent'trix,  sondern  aus  den  Maskulinformen  ^).  Dann  mußten 
zu  defenstrix  etc.  die  Maskulina  zu  einer  Zeit  defenstor  etc.  ge- 
lautet haben,  wo  defensor  im  Feminin  lautgesetzlich  defembrix 
werden  mußte.  Ist  doch  fimbria  ursprünglich  fembria  nach 
Niedermann  aus  dhvens-ria  hervorgegangen  (vgl.  9ücavoc)  und 
den  Genitiv  Mulcibris  (Prise.  6,  40)  denke  ich  mir  entstanden 
aus  Midcisris  (faveo  :  mtdceo  =  favisor  :  mtUcisor  bezw.  mulciser)-^ 
nach  den  obl.  Kas.  wäre  dann  analogisch  ein  neuer  Nominativ 


1)  buvdcTic  ist  z.  B.  doch  auch  unmittelbar  aus  buvdcTric  entstanden 
und  nicht  von  bOvainai  aus  gebildet. 


378  Ä.  Zimmermann, 

Mvkiber  gebildet  worden,  der  dann  wieder  die  Flexion  der  obL 
Eas.  beeinflußte  ^).  Die  Bildung  von  Flostumius  neben  Flausurmm 
ist  nur  denkbar,  wenn  neben  plaustrix  nicht  nur  plat4sor  sondern 
auch  plaustor  zu  einer  Zeit  es  gab.  Und  wie  will  man  impuUirix 
Non.  150,  29  neben  expüUrix  erklären?  Von  seinem  Standpunkte 
aus  konnte  darum  Charisius  zu  Cursor  fossar  pransor  als  richtige 
Pemininformen  nur  cursrix  fossrix  pransrix  angeben.  Nun  bildeten 
sich,  den  Verbalsubstantiven  auf  star  entsprechend,  auch  bald 
solche  auf  ster,  zumal  da  auch  von  den  Substantiven  zweiter 
Deklination  auf  ter  manche  wie  magister  (mageder)  minisUr 
vor  der  Endung  ein  s  aufwiesen;  die  Flexion  derselben  war 
dementsprechend  bald  die  der  2.,  bald  die  der  3.  Deklination,  bald 
beides  zugleich.  Letzteros  war  bei  Sequester*)  der  Fall,  einer  Parallel- 
bild ung  von  secutor.  Nun  ist  dieses  Wort  aber  auch  als  Adjektiv 
im  Gebrauch,  wie  ja  die  Verbalia  auf  tor  trix  es  ebenfalls  nicht 
selten  waren.  Die  Flexion  nach  der  2.  Deklination  bewirkte,  daß 
das  Adjektiv  im  Nominativ  Sequester  sequestra  seqiiestrum  lautete, 
während  die  nach  der  3.  Deklination  —  vgl.  acer  actis  acre  — 
Sequester  sequestris ')  sequestre  im  Adjekti^Tiominativ  hervorrief.  Ähn- 
liche Bildungen  auf  -ster  sind  rapister  (bei  Lucilius)  neben  ngpiar, 
auster  (der  glühende  Wind)  neben  ustor^  patraster  neben  patrater 
(Murat.  1958,  6)patrator  'Erzeuger,  Vollführer'.  Pater  verhält  sich 
zu  pastor  —  in  nomadischer  Zeit  galten  diese  beide  Benennungen 
oft  derselben  Person  —  wie  patrater  bezw.  patrator  zu  patraster. 
Ebenso  ist  raster  gebildet  neben  rastrum  (rado\  fortnaster  neben 
farmastrum  (tlies.  gl.  s.  v.)  und  farmator  (zu  formare).  Der  Über- 
gang von  der  Personen-  zur  Sachbedeutung  hat  sich  hier  ähnlich 
vollzogen  wie  in  unserem  Bohrer,  Springerle  (Backwerk)  usw.; 
vgl.  noch  für  diesen  Übergang  griech.  ^aicxrip,  lat  arater  neben 
aratrum,  culter  (==  corter  nach  Skutsch,  also  derselbe  Stamm  wie 
in  Keipiu),  rajyter  (=  ccpöpa  ibieTaXii  xct^^^iuc  nach  dem  thes.  gl.) 


1)  Vgl.  noch  fellebfis  neben  fellator,  alebris  neben  alitor. 

2)  Vgl.  für  Form  und  Bedeutung  noch  c.  gl.  2,  564,  36,  wo  adsec- 
tator  aequister. 

3)  Vergl.  midcebris  als  Adjektiv  neben  Mulciber  als  Substantiv; 
möglicherweise  hat  zur  Bildung  von  sequestrisy  wofür  man  eigentlich 
sequestrix  erwarten  mußte,  auch  der  Umstand  beigetragen,  daß  im  Vulgär- 
latein nicht  selten  ix  in  is  sich  wandelte,  vgl.  ca^atris  CIL.  4,  2125  add, 
(pouTourpic  4, 2004,  felatris  4, 1338  usw.,  Baebia  Vinatris  9,  772  (umgekehrt 
pistrix  für  irptcTic  schon  bei  Cicero). 


Zur  Entwickelung  des  Suffixes  -tor  (-ter)  im  Latein.  379 

neben  raptor.  Nach  Analogie  von  patraier^)  schuf  die  Sprache 
ßiater(CIL.  8, 2848),/«ia^ra(Murat  1 958, 6),Maximater{^Maximu8) 
vgl.  3,  10345  und  ungulater  (»  unguis  magnua  et  asper  nach  Paul 
Fest  578  ThP.).  Die  Bildung  von  patraster  gab  ebenfalls  Anlaß 
zu  Neubildungen,  so  von  ßiaster  ßiastra  bezw.  ßaster  vgl.  6, 26 106 
{fi)lastro  (ein  Bischof  von  Brixia  hieß  Filastrius),  matrastra 
11,  6730  (4),  Jmastra  8,  17323  —  Amastrum  (Akk.)  weist  Aen. 
11,  673  auf  —  zu  amtna  *Mutter'.  Und  so  bildete  sich  allmählich 
ein  Suffix  -aster  -astra  -astrum  heraus,  das  die  'Ähnlichkeit  von, 
Art  von,  etwas  von'  bezeichnete  vgl.  peditaster  neben  pedes^  sur^ 
daster^  puUastra  neben  puUus  *Huhn*,  apiastrum  neben  apium  usw. 
Aber  auch  nach  rapister  sequister  (neben  Sequester)  bildete  man 
analogisch  weiter,  so  calamister  und  calamistrum  zu  calamus^ 
eocister  (aus  eocistrio  zu  erschließen  vgl.  coctor)  zu  coquuSj  rapistrum 
zu  rapum.  Doch  konnten  die  Wörter  auf  -ster  auch  nach  der 
dritten  Deklination  gehen;  hatte  ja  Sequester  für  beide  Mexions- 
weisen  das  Beispiel  gegeben.  Da  ist  zunächst  zu  erwähnen  equester. 
Ich  halte  dies  Wort  für  eine  Weiterbildung  von  equiso]  eqtUster 
wurde  zu  equester  (vgl.  sequister  Sequester)  umgewandelt  wohl  mit 
Bücksicht  auf  eques.  Liefen  doch  gerade  die  Substantiva  auf  o 
häufig  parallel  mit  denen  auf  -tor  -ter  vgl.  scribo  scriptor  rapo 
rapter  raptor  usw.  Ein  equester  mußte  natürlich  pedester  hervor- 
rufen, und  da  man  nun  ester  als  Endung  bei  beiden  ansah,  so 
bildete  man  auch  weiter  Silvester,  terrester^  campester^  pcdudester^ 
Fanester  (zu  Fanum  Fortunae)  bezw.  rurestris  lanestris  vallestris. 
Hierher  ziehe  ich  auch  agrestis  für  agrestris  (vgl.  praestigiae)'^  das 
r  konnte  hier  um  so  eher  fallen,  als  es  kein  Maskulinimx  agrester 
gab,  das  immer  wieder  Anlaß  zur  Einfügung  eines  r  in  die  casus 
obliqui  gegeben  hätte  vgl.  terrester.  Und  so  können  wir  vielleicht 
auch  cadestis  als  aus  cadestris  entstanden  ansehen,  da  auch  hier 
ein  caelester  nicht  vorliegt,  wenngleich  der  Grund  des  Wegfalls 
des  r  hier  unklar  ist  Wer  aber  eques-ter^  pedes-ter  teilte,  der 
schuf  auch  teUus-ter^  palus-ter.  Wie  steht  es  nun  mit  (se)-ine(n)-stris 
usw.  und  menstruus?  Ich  nehme  an,  daß  die  Bömer  für  Monat 
urspr.  nicht  bloß  das  Wort  mensis^  sondern  auch  mensar  (Zeit- 


1)  Ähnliche  Bildung  zu  fcUfer  ist  'f abrater,  das  aus  Fabrateria  urhs, 
vgl.  unser  Schmiedeberg,  zu  erschließen  ist;  Nueeria  Alfatema  (die  Stadt 
der  Tfincher?)  und  Compulteria  (die  Stadt  der  Viehtreiber?)  lassen  auch 
einen  Schluß  auf  *albater,  compulter  zu  (neben  albatw  campulsor  expuUrix). 


880    A.Zimmermanl^ZlIrElltwiclulllllgd6■SllaI)M4•r(•4w^ 

messer)  besw.  mm^tor  branchten  und  daxans  sowohl  -mäfijßm 
(MaalL  -ffM(ii)8fer?)  wie  mmArym  (vgl  jNifnN»  voii|»lir)  hildetaiL 

Schließlich  hfitte  ich  von  hieifaeigehörigen  SnbBtantirai 
der  dritten  Deklination  noch  am  erwähnen:  ttMir,  dessen  Etymo- 
logie mir  dunkel  ist;  imwm-,  das  ich  ebenso  wie  unser  Sptti 
für  eine  onomatopoetische  Bildnng  ansehe  (vg^  Eloge  s.  r.); 
ooc^ijfer,  das  mir  als  eine  Yerderbong  aas  anciQKifar  erscheint 
(za  A  im  Vulgärlatein  für  au  ygU^^ttstes;  die  Nebenform  oeoqitor 
steht  wohl  für  öe^ptor,  a/inß&pkfr^  welch  letztere  Form  in  den 
Glossen  sich  findet);  fmJiM'  (desselben  Stammes  wieFMM^  also 
der  Begehrende?). 

Die  Femininform  -/ni,  die  sich  an  die  Stelle  von  (r£r 
\fnairix  arbUrix  apottatrix  zu  äirocrorrip)  bei  den  Wörtern  auf 
ter  eingeschlichen  hatte,  wie  arbüra^  sequeshu  advütfa  (aber 
adfdatrixj  adulter  :  adtdator  =»  rapier  :  rapinator)  beweisen,  &nd 
nun  selbst  bei  Substantiven  auf  tor  Eingang.  So  erkläre  ich 
porcetra  *Sau'  als  Femininum  zu  'porcUar  (bei  Gradenwitz;  vgl 
genetrix  neben  genUcr  und  imporcUor)  *Furcher,  Eber^  (» jwra«i); 
excetra  (Schlange)  erscheint  mir  als  Femininum  zu  «dcüot  mit 
der  Bedeutung  'die  Au&cheucherin,  Erschreckende';  *fmAn 
(daraus  fenesira  und  festra  vgl.  Georges  Wf.)  ziehe  ich  zu  *fender$ 
(vgl.  offendere  usw.)  als  Femininum  von  *fen8tor  (vgl  defenstrix) 
und  übersetze  das  Wort  mit  *die  Zuschlagende'  —  passende 
Parallelen  bietet  unser  Wort  Schlag  mit  seinen  Bedeutungen 
TCor  (vgl.  |>orto  Fenestella)^  Tür,  Luke*,  wie  aus  den  Wörterbüchern 
zu  ersehen  — ;  lutra  *das  schwimmende,  badende  Tier^  (zu  lutar 
neben  lotor)  ist  vielleicht  nur  infolge  der  Volksetymologie  an 
Stelle  eines  altem  udra  (vgl.  uöpa  dtsch.  Otter)  getreten^). 

Der  parallele  Gebrauch  der  Nomina  agentis  auf  -tor  {4er) 
und  auf  -o(fo)  vgl.  z.  B.  Tac.  ann.  3,  73  desertar  et  praedOy  Suet 
Yit.  7  mulionibus  ac  viatoribm  brachte  es  mit  sich,  daß  nicht 
nur  Doppelformen  auf  -tor  und  -o  desselben  Stammes  sich  bildeten 
{rapo  rap^or  bezw.  rapler  usw.),  sondern  auch  Mischformen  auf 
-tro  bezw.  -trio  (terio).  Schon  aus  patronus  matrona  dürfen  wir 
vielleicht  *patro  und  ^tnatro  (vgl.  virgo)  erschließen,  wenn  wir 
an  centwHonus  neben  centurio  usw.  denken.  Zog  ich  oben  Itära 
zu  lutor^  so   möchte  ich  hierher  lustro  (aus  *lustor)  ziehen  in 


1)  fratria   des  Bruders  Frau   und  lupatria  =  lupa  (vgl.  lupari) 
düxften  wohl  auch  hierher  gehören. 


K.  Brugmann,  Varia.  381 

der  Bedeutung  'der  im  Schmutz  der  Gemeinheit  sich  Badende* ; 
ist  doch  lustrum  der  Badeort  der  Schweine,  die  Pfütze.  Caicitro 
gehört  zu  calcaior  (vgl  calcUrare);  bcäatro  (=  dfcurroc  nach  dem 
Thes.  gl.)  scheint  mir  von  ballator  weitergebildet  —  galten  doch 
die  Tänzer  im  Altertum  als  besonders  unsittliche  Menschen  — ; 
latro  entstanmit  entweder  einem  lator  von  ferre  (vgl.  /är,  qpiijp) 
oder  einem  la(va)tar  vgl.  Lavema^  lavemio  —  das  kurze  a  des 
"Wortes  setze  ich,  wo  es  vorkommt,  auf  Rechnung  falscher  Her- 
leitung — .  Aratrio  (ab  arando  nach  C.  gl.  11  568,  15)  gehört  zu 
arator,  cocistrio  (vgl.  Thes.  gl.  s.  v.)  zu  oben  besprochenem  cocister; 
histrio  wird  von  LiWus  7,  2,  6  zu  ister  gezogen ;  linirio  erschließt 
in  plausibler  Weise  Gothofredus  zu  Cod.  Theod.  13,  5,  13,  wo 
linteonibus  ac  naviculariis  steht  {Indus  :  litdio  =  Unter  :  lintrio)'^ 
adulterio  brauchte  Laberius  nach  Nonius  70,  3  für  aduUet\ 

Es  gab  ohne  Frage,  wie  wir  gesehen,  im  Latein  Nomina 
mit  den  Suffixen  -tra  und  -tro(n\  und  man  ist  darum  nicht  be- 
rechtigt, Eigennamen  auf  -tra  und  -tro  (vgl.  Satra  Calatro  neben 
sator  ccHator)  nur  wegen  dieser  Endungen  für  Eigennamen  etrus- 
kischer  Bildung  anzusehen. 

München.  Aug.  Zimmermann. 


y  r  ■ 

Yaria.  {  v 

1.  Umbrisch  purtif  ele.  Es  ist  klar,  daß  sich  im  Formans 
die  umbr.  purtifele  •*porricibilem',  fa9efele  **facibile,  *sacrifi- 
cabile'  und  die  lat  Adjektiva  auf  -büis  wie  agibäis,  d^lebüia, 
laudabilis^  die  ihrerseits  den  Neutris  auf  -buLum  nahe  stehen, 
im  wesentlichen  decken.  Unerklärt  ist  aber  bis  jetzt  der  Aus- 
gang -feie  statt  des  erwarteten  -fle.  Ich  gehe  von  *-/?«d- 
aus,  woraus  über  *-^fO-  die  Lautung  -feljo-  entstehen  mußte: 
zum  Ausgang  -e  vgl.  pefaem  pefae  *humi  Stratum'  =  *pedaiiom 
(Bück  Gramm.  120).  Berücksichtigt  man  einerseits  lat.  -üis  in 
agüis,  bibilis,  docäis,  facüis  usw.  und  in  den  im  Anschluß  an 
das  ^o-Partizipium  gebildeten  pötäis,  adapertüis,  indütüis,  ver- 
säiüis  usw.,  und  anderseits  die  gleichbedeutenden  armen.  Verbal- 
adjektiva  auf  -li,  die  zu  den  to-Infinitiven  gehören,  wie  sireli 
*amabilis'  zum  Infin.  sirel,  so  ergibt  sich  für  alle  diese  Adjek- 
tiva eine  Erweiterung  des  /-Formans  mittels  desselben  Formans 


382  K.  Brugmann,  Varia. 

-(»}jo-:  -f-,  das  die  Verbaladjektiva  wie  lat  eximius  gr.  fir^oc 
cnrfxoc  ai.  ydjya-s  sturt-yahs  und  got  hroks  aufweisen.  Der  alte 
Nom.  Sg.  auf  ^-is,  den  das  Gotische  behauptet  hat,  ist  auch  in 
lat  agüis  agibilis  bewahrt,  und  hier  sind  diese  Adjektiva  gau 
zu  t-Stämmen  geworden,  während  im  ümbrischen,  so  weit  die 
dürftige  Überlieferung  einen  Schluß  erlaubt,  umgekehrt  die  (%)i(h 
Kasus  das  ganze  Paradigma  der  o-Deklination  zugeführt  haben. 

2.  Aksl.  kamykb.  In  den  zu  den  Maskulina  auf  -my, 
Gen.  -mene^  gehörigen  Substantiva  auf  -mykh^  die  teils  demi- 
nuierenden,  teils  in  anderer  Weise  individualisiei*enden  Sinn 
haben,  wie  aksl.  aruss.  kamykb  russ.  kam^k  serb.  kamik  £ech. 
katnyk  poln.  kamyk  (zu  kamy  *Stein'),  aksl.  plamykb  (zu  plamy 
•Ramme'),  remykb  (zu  *remy^  remem  'Riemen')  u.  a.  (Beliö  Arch. 
f.  slav.  Phil.  23,154,  Meillet  fitudes  335),  ist  -Jb  an  den  Nom. 
Sing,  angefügt  Dies  erklärt  sich  daraus,  daß  von  einer  älteren 
Zeit  her  z.  B.  symkb  neben  sym^  cvitdcb  neben  a>^,  Idihka 
neben  kUtb,  mybJca  neben  myib  stand:  diese  A;-Formen  waren 
zwar  vom  Stamm  aus  geschaffen  worden,  aber  nach  Abfall  des 
Nominativ-8  der  zugrunde  liegenden  Nomina  erschienen  sie  als 
auf  der  Form  des  Nom.  Sing,  beruhend.  Vgl.  lat  rescula  (ApuL 
Met  4, 12  u.  a.)  für  älteres  recida,  zu  res:  resctda  wurde  dadurch 
hervorgerufen,  daß  Deminutiva  wie  fiöscidm,  ösculum,  pultHsculus, 
corptiscidum^  deren  -s-  Stammauslaut  war,  aussahen,  als  ent- 
hielten sie  den  Nom.  Sing,  des  Grundwortes.  Um  so  leichter 
begreift  sich  der  Typus  kamykb,  wenn  kamy^  plamy  usw.  damals, 
als  kamykb  usw.  aufkamen,  auch  schon,  wie  im  Aksl,  zugleich 
als  Akk.  Sg.  gebraucht  wurden.  Denn  auch  die  Formen  «yn», 
kUth  u.  dgl.  waren  Nom.  und  Akk.  zugleich. 

3.  Griech.  öpuin  öpodrj.  Von  Aeschylus  an,  bei  dem 
dieses  Wort  zuerst  begegnet,  wechselt  in  den  Hdschr.  die 
Schreibung  zwischen  oi  und  u.  Der  M.  des  Aeschylus  schreibt 
Ol,  doch  ist  Choeph.  996  bei  öpoiinc  -u»  übergeschrieben.  Osthoff 
Et  Par.  1,  146  vermutet  als  Grundform  *öpo[u-c]iTa  *Holzgefäß', 
zu  öpöc  und  zu  lat  siUda:,  öpuTTj  sei  durch  Anlehnung  an  öpöc 
entstanden.  Ich  betrachte  vielmehr  hpivr\  als  die  alte  Form  (vgl. 
lit  drütas^  gr.  6pö^6c,  ai.  drüna-m)  und  öpoirri  als  Anlehnung  an 
das  Synonymum  koitt)  *  Kiste',  das  zuerst  bei  Menander  (Athen. 
4, 146  E)  belegt  und  wohl  mit  koitti  *Lager,  Bett'  identisch  ist 

Leipzig.  K.  Brugmann. 


W.  Streitberg,  Gotica.  388 


Gotica« 

1.  z  b  d  im  Auslaut 

Die  im  absoluten  Auslaut  und  vor  -s  statt  8  f  ß  er- 
scheinenden  z  b  d  haben  schon  früh  die  Aufmerksamkeit  der 
Forscher  auf  sich  gezogen;  doch  sind  die  Versuche,  die  Be- 
dingungen ihres  Auftretens  zu  formulieren,  samt  und  sonders 
fehlgeschlagen.  Als  ich  daher  in  der  ersten  Auflage  meines 
Gotischen  Elementarbuchs  (S.  32  f.)  die  von  Sievers  schon  längst 
gefundene,  bisher  aber  noch  nicht  veröffentlichte  Erklärung^) 
mitteilen  durfte,  gab  ich  mich  der  Hoffnung  hin,  der  peinlichen 
XJnsi<iherheit  hierdurch  ein  Ende  zu  machen.  Ich  war  der  Ober- 
zeugung, daß  jeder  durch  die  unbefangene  Nachprüfung  des 
gesamten  Materials  gleich  mir  zur  Anerkennung  des  Sievereschen 
Gesetzes  geführt  werden  müsse.  Seine  einfache  Harheit  schien 
mir  unwiderleglich. 

Bekanntlich  hat  Sievers  in  den  Schreibungen  z  b  d  den 
graphischen  Reflex  eines  satzphonetischen  Gesetzes  erkannt: 
vor  stimmhaftem  Anlaut  seien  die  stimmhaften  Spiranten 
des  Auslauts  erhalten  geblieben,  nicht  zu  afp  verhärtet  worden. 
Das  Schwanken  der  Handschriften  zwischen  z  und  s,  b  und  fj 
d  und  p  sei  daher  als  ein  Schwanken  zwischen  *Satzschriff 
und  "Wortschriff  aufzufassen. 

Es  ist  klar,  daß  ein  solches  Sandhigesetz  in  die  Zeit 
Wulfilas  zurückreichen  muß;  ebenso  klar  aber  ist  es,  daß  der 
graphische  Ausdruck,  den  es  bei  einigen  Schreibern  gefunden 
hat,  nur  nachwulfilanisch  sein  kann.  Die  Regeln  der  wulfila- 
nischen  Orthographie  werden  bisweilen  unwillkürlich  durch- 
brochen, die  gesprochene  Sprache  siegt  momentan  über  die 
geschriebene. 

Die  weitaus  überwiegende  Mehrzahl  aller  Fälle,  wo  z  b  d 
auftreten,  schien  mir,  wie  ich  ausdrücklich  hervorhob,  die 
Sieverssche  Regel  zu  bestätigen.  Ich  war  daher  einigermaßen 
überrascht,  als  sich  die  Hoffnung  auf  allgemeine  Zustimmung 
nicht  erfüllte.    Soviel  ich   sehen   kann,   ist  nur  JeUinek  (HZ. 


1)  Irre  ich  nicht,  so  geht  auch  Kögels  Äußerung  im  Ldteraturbl. 
f.  germ.  und  rom.  Philologie  6,  276  auf  Sievers  zurück. 


384  W.  Streitberg, 

Anz.  41,  331  Fußnote  2)  für  die  ''schöne  und  übeizeugende 
Deutung**  von  Sievers  eingetreten;  die  Mehrzahl  der  Forsdier 
scheint  jedoch  nicht  überzeugt  worden  zu  sein.  Vielmehr  eihob 
sich  von  drei  verschiedenen  Seiten  energischer  Widersprach. 

Zuerst  trat  Hench  in  die  Schranken,  der  unserer  Wissen- 
schaft leider  allzufrüh  entrissen  werden  sollte.  Im  ersten  Bande 
des  eben  begründeten  Journal  of  G^ermanic  Philology  8.  49  ff 
suchte  er  seinen  Widerspruch  ausführlich  zu  begründen;  was 
er  selbst  als  Erklärung  bietet,  ist  freilich  merkwürdig  zwie- 
spältig und  wenig  ansprechend.  So  konnte  es  nicht  Wnnder 
nehmen,  daß  sich  Bethge  gegen  ihn  wandte  und  einen  neuen 
Erklärungsversuch  wagte,  vgl.  Jahresbericht  für  germ.  Philologie 
1897  S.  173  f.  und  Dieters  Laut-  und  Formenlehre  der  altgerm. 
Dialekte  S.  200.  Aber  auch  er  sollte  nicht  ohne  Widersjpruch 
bleiben.  Der  ausgezeichnete  schwedische  Forscher  Axel  Kock 
eröffnete  den  Kampf  gegen  zwei  Fronten  und  suchte  durch 
die  Kritik  Bethges  wie  Henchs  für  eine  von  ihm  vor  Jahren 
aufgestellte,  von  den  Fachgenossen  jedoch  wenig  beachtete 
Theorie  freie  Bahn  zu  schaffen,  vgl.  KZ.  36,  571  ft 

So  sehr  diese  Gelehrten  imter  sich  abweichen,  in  der  Ver- 
werfung der  Sieversschen  Erklärung  sind  sie  einig.  Es  scheint 
daher  nicht  überflüssig,  die  Frage  noch  einmal  aufeunehnien 
und  einer  sorgfältigen  Prüfung  zu  unterziehen. 

Hench  wendet  gegen  Sicvers  und  mich  vor  allem  ein, 
daß  die  Nominative  auf  -bs  -ds  mit  Stillschweigen  übergangen 
seien.  Das  aber  mache  die  Erklärung  unvollständig;  denn  der 
Nominativ  Sg.  dürfe  nicht  anders  erklärt  werden  als  der  Akkusativ. 
Da  für  jenen  die  Sandhitheorie  nicht  zutreffe,  sei  sie  auch  für 
diesen  abzulehnen. 

Die  b  und  d  des  Nominativs  sind  für  Hench  das  Produkt 
einer  Analogiebildung  nach  den  obliquen  Kasus;  folglich  sei 
dieselbe  Erkläriuig  auch  für  den  Akkusativ  aufzustellen.  Wie 
der  Akkusativ  aber  müsse  auch  die  1.  3.  Sing,  des  starken 
Perfekts  aufgefaßt  werden. 

Nur  bei  den  Yerbalendungen  auf  -td  -eid  usw.  besteht 
nach  Hench  kein  Verdacht,  daß  sie  durch  Formen  mit  inlautender 
stimmhafter  Spirans  beeinflußt  seien.  Von  einem  Sandhi  aber 
kann  auch  hier  keine  Rede  sein;  denn  in  den  sieben  ersten 
Kapiteln  des  Lukasevangeliums  erscheint  d  in  37  ^/o  aller  Fälle 
vor  stimmhaftem  Anlaut,  ß  dagegen   in   44  ^/o.    Hieraus  muß 


Gotica.  385 

geschlossen  werden,  daß  d  nicht  der  Einwirkung  eines  fol- 
genden stimmhaften  Lautes  sein  Dasein  verdanke.  Eher  scheint, 
der  Quantität  des  vorausgehenden  Vokals  ein  Einfluß 
auf  den  Übergang  von  ß  in  d  zuzuschreiben  zu  sein;  denn  d 
erscheint  meist  nach  Länge. 

Ebenso  ungünstig  wie  bei  den  Verbalformen  sind  auch 
bei  den  Nominalformen  die  Verhältniszahlen  der  Sandhitheorie. 
Wir  müssen  beachten,  daß  das  Verhältnis  von  stimmhaftem  zu 
stinmüosem  Anlaut  etwa  wie  6  :  4  ist,  wie  eine  Durchsicht  der  15 
ersten  Verse  von  Mark.  3,  Joh.  4,  2.  Kor.  1  dem  Verf.  gezeigt  hat 
Infolgedessen  ist  die  Tatsache,  daß  b  d  häufiger  vor  stimmhaftem 
als  vor  stimmlosem  Anlaut  erscheinen,  in  der  Natur  der  Dinge 
begründet  Die  Sandhitheorie  könnte  nur  dann  als  bewiesen 
gelten,  wenn  wesentlich  mehr  als  60  ^/o  aller  Belege  vor  stimm- 
haftem Anlaut  erschienen.  Nun  aber  treten  f  ß  in  59  ^/o  aller 
Fälle  vor  stimmhaftem  Anlaut  auf,  b  d  dagegen  nur  in  61  ^/o. 

Gegen  die  Sandhitheorie  spricht  femer,  daß  J  d  in  un- 
betonten Nominalsuffixon  (abgesehen  vom  Partizip  Perf.)  nur 
12  mal  belegt  sind,  während  f  ß  109  mal  auftreten;  auch  hier 
hilft  nur  die  Annahme  analogischer  Ausgleichung.  10  j5-Formen, 
5  d-Formen  sind  mask.  oder  femin.  Akkusative,  86  j5-Formen, 
5  rf-Formen  dagegen  sind  neutrale  Nominative  oder  Akkusative. 
Es  ist  nun  für  Hench  klar,  daß  die  neutrale  Doppelform  der 
Ausgleichung  mehr  Widerstand  leisten  konnte  als  der  isolierte 
Akkusativ  Mask.  oder  Fem. 

In  der  1.  3.  Sing.  Perf.  erscheinen  fß  in  66<>/o  aller  Fälle 
vor  stinmihaftem  Anlaut,  b  d  dagegen  nur  in  64  ^/o.  Außerdem 
ist  zu  beachten,  daß  gaf  in  allen  Stellungen  festes  f  hat 

Unverändert  wie  bei  gaf  erscheinen  8  fß  (aus  zb  d)  überall 
da,  wo  sie  dem  Einfluß  der  Formen  mit  inlautender  stimmhafter 
Spirans  entzogen  sind.  Hier  finden  sich  nur  ganz  vereinzelte 
Ausnahmen  vor  EnkUtizis. 

Aus  diesen  Beobachtungen  schließt  Hench:  z  b  d  **are  not 
in  the  main  dtie  to  a  conscUms  ar  systematic  attempt  at  setUence 
uriting  by  the  hier  scribes".  Zufällig  und  unbewußt  freilich 
könne  der  Sandhi  sehr  wohl  mitunter  vorkommen.  Er  muß 
angenommen  werden  zu  Erklärung  des  stimmhaften  Spiranten 
einiger  starken  Präterita;  er  ist  ebenso  evident  Hilfsursache  bei 
den  10  Partizipien  Perf.  auf  -d  in  Lukas,  von  denen  8  vor 
vokalisch  beginnender  Enklitika  stehen.  — 


3M  W.  Streitberg, 

Ich  habe  Hench  so  ausfOhilioh  m  Worte  kommea 
weil  sein  AnfBatz  mir  das  typische  Beispiel  einer  falaoh  uh 
gewandten  statistischen  Methode  zu  sein  scheint  Wir  haben 
in  den  letasten  Jahren,  namentlich  auf  syntaktischem  OeUe^ 
wiederholt  das  zweifelhafte  Yergntlgen  genossen,  mit  statiatiaehtti 
Ifaterialien  überschüttet  zu  werden,  die,  unter  meChodiseh 
fiülschen  Gesichtspnnkten  zusammengetragen,  als  wertloser  Ballast 
bei  Seite  zu  schieben  sind.  Wie  yerderblich  eine  onmetfaodisdie 
Statistik  wirken  kann,  wenn  es  sich  darum  handelt,  das  Ter- 
hSltnis  der  griechischen  Überlieferung  zur  lebendigen  Spiaoha 
festzustellen,  das  hat  erst  yor  kurzem  Leskien  gezeigt»  da  er 
mit  souyeräner  Meisterschaft  an  Söepkui  und  seiner  Behandlung 
des  SayarEvangeliums  ein  warnendes  Exempel  statuierte,  Tg^ 
Archiv  t  slay.  Philologie  27, 1  ff.  Der  Aufsatz  Leskiens  dfiifie 
auch  für  die  Leser  Henchs  manches  Lehrreiche  enthalten. 
Denn  wenn  es  mir  auch  fem  liegt,  Hench  und  Söepkin  auf 
eine  Stufe  zu  stellen,  so  kann  ich  doch  der  scheinbar  so  be- 
stechenden Statistik  Henchs  den  Yorwurf  nicht  ersparen,  daB 
sie  von  falschen  methodologischen  Voraussetzungen  ausgdie  und 
daher  nicht  zum  Ziele,  sondern  nur  in  die  Lre  führen  könne. 

Das  TTpdrrov  i|;€Oboc  des  amerikanischen  Forschers  besteht 
darin,  daß  er  von  der  Annahme  ausgeht,  es  handele  sidi  bei 
der  Sandhitheorie  um  "a  canscious  or  sysiematic  aUempt  at 
setUence  writing  by  (he  laier  scribes"  Das  ist  eine  reine  Fiktion 
des  Verfassers,  die  an  dem  Wortlaut  meiner  Formulierung  keinen 
Anhalt  hat.  Die  Epitheta  consciom  or  systematic  fallen  daher 
ausschließlich  ihm,  nicht  mir  zur  Last.  Dieses  unglückliche 
Mißverständnis  ist  aber  für  den  Gang  seiner  Untersudiung  ve^ 
hängnisvoU  geworden.  Denn  es  hat  ihn  veranlaßt,  allen  Nach- 
druck auf  die  Verhältniszahlen  beider  Schreibungen  zu  legen, 
anstatt  die  vorhandenen  Belege  für  die  Schreibung  stimmhafter 
Spiranten  einfach  aufzuzählen  und  aus  den  so  gewonnenen  Daten 
die  notwendigen  Schlüsse  zu  ziehen.  Durch  diesen  Fehler  ist 
das  ganze  Problem  verschoben  und  die  Untersuchung  auf  eine 
falsche  Basis  gestellt  worden. 

Denn  das  leuchtet  unmittelbar  ein :  wenn  es  sich  um  die 
Kopie  einer  Vorlage  handelt,  hat  der  Schreiber  im  allgemeinen 
die  Absicht,  das  Original  in  seiner  eigentümlichen  Form  wieder- 
zugeben. Je  sorgfältiger  er  ist,  um  so  besser  wird  es  ihm  ge- 
lingen. Unterscheidet  sich  jedoch  seine  lebendige  Sprache  von 


Gotica.  387 

der  Schriftsprache  seiner  Vorlage,  so  wird  ihn  bei  der  Abschrift 
unwillkürlich  die  Erinnerung  an  die  eigene  Sprache  beein- 
flussen, und  in  größerm  oder  geringerm  Maße  wird  sich  diese 
Beeinflussung  in  seiner  Kopie  bemerkbar  machen.  Unter  solchen 
Umständen  aber  muß  den  Yerhältniszahlen  klärlich  jede 
Bedeutung  abgesprochen  werden:  Wert  haben  nur  die  Ab- 
weichungen von  der  Vorlage.  Ob  diese  selten  oder  zahlreich 
seien,  ist  lediglich  Sache  der  Sorgfalt,  mit  der  der  Abschreiber 
seines  Amtes  waltet  Oder  zweifelt  jemand,  daß  das  isolierte 
mid  in  midriddjedun  Luk.  7,  11  neben  mip^djedun  Luk.  14,  25, 
Mark.  15,  41  und  den  zahlreichen  andern  miß  der  getreuere 
Reflex  lautlicher  Verhältnisse  sei  als  alle  entgegenstehenden 
"normalen*  Beispiele?  Wiegt  nicht  das  einzige  had  gaggis  Joh. 
13,  36  mehr  als  die  regelrechten  Belege  hap  gaggis  Joh.  14,  5. 
16,  5  hap  gaggip  Joh.  12,  35  hap  galeipa  Joh.  8, 14?  Es  bedarf 
keiner  Verhältniszahlen,  damit  wir  wissen,  daß  uz-etin  Luk.  2,  7. 
12.  16  und  tiz-on  Mark.  15,  37.  39  den  Lautstand  genauer  wieder- 
geben als  die  große  Menge  der  Komposita  mit  w«-  wie  us-agjan 
us-agljan  ^is-aiwjan^  us-alpan  usw.  usw.  Das  einzige  oJ-m  pas 
silbin  Joh.  18,  34  lehrt  uns  mehr  über  das  Schicksal  von  ante- 
vokaUschem  b  als  af-agjan^  af-aücan  af-airzjan,  af-etja  usw. 

Diese  einfache  und  naheliegende  Erwägung  scheint  Hench 
nicht  angestellt  zu  haben,  sonst  hätte  er  nie  auf  den  Gedanken 
kommen  können,  aus  dem  Prozentsatz  der  vor  stimmhaften 
Lauten  stehenden  zb  d  und  s  f  p  auf  die  Gültigkeit  oder  Un- 
gültigkeit des  Sieversschen  Gesetzes  zu  schließen.  Denn  wie 
man  auch  z  b  d  erklären  möge,  jedenfalls  verdanken  sie  nicht 
Wulfila  ihr  Dasein,  sondern  spätem  Schreibern.  Es  ist  daher 
durchaus  nicht  zu  erwarten,  daß  die  Neuerung  an  Häufigkeit 
das  Ursprüngliche  erreiche,  geschweige  denn  übertreffe. 

Doch  Hench  hat  noch  andere  Einwände  zu  erheben.  Er 
geht  davon  aus,  daß  in  gaf  und  gif  ausschließlich  f  erscheine, 
obwohl  das  Wort  in  49  von  79  Fällen  vor  stimmhaftem  Auslaut 
vorkomme.  Das  sei  ein  indirektes  Zeugnis  gegen  die  Sandhi- 
theorie,  da  man  ebensowolil  ein  *gab  ina  (für  gafina  Luk.  9, 1.  42 
10,  19;  19,  13)  erwarten  müsse  wie  ein  had  hm.  Auf  derselben 
Stufe  mit  dem  konstanten  f  von  gif  gaf  stehen  für  Hench  die 
beiden  großen  Gruppen  mit  fester  stimmloser  Spirans  im  Auslaut: 
1.  die  Partikeln  af  uf  mip  hap  und  us  sowie  2.  die  beim  Nomen 
wie   beim  Verbum   ungemein  häufigen  «-Endungen.     Obwohl 


388  W.  Streitberg, 

hier  überall  stimmhafte  Spirans  das  Ursprüngliche  ist,  existiert 
auch  nicht  ein  einziges  Beispiel  von  der  Wirksamkeit  des 
Sieversschen  Gesetzes.  Den  unzähligen  Endungs-s  gegenüber 
sind  die  7  Fälle  von  auslautendem  -2r  um  so  charakteristischer; 
denn  sie  erscheinen  sämtlich  in  Nominalstämmen,  stehen  also 
unter  dem  Einfluß  des  inlautenden  -z-. 

Auch  bei  dieser  Argumentation  hat  die  falsche  Vorstellung 
von  dem,  was  wir  nach  Lage  der  Dinge  erwarten  dürfen,  das 
Auge  des  Forschers  getrübt  imd  ihn  gehindert,  aus  einer  an 
sich  richtigen  Beobachtung  die  richtigen  Folgerungen  zu  ziehen. 

Wir  müssen  von  der  bekannten  Tatsache  ausgehen,  daß 
auch  in  jenen  beiden  Gruppen  mit  ^konstant'  auslautend« 
stimmloser  Spirans  der  stimmhafte  Laut  vor  vokalisch  beginnender 
Enklitika  vereinzelt  auftritt.  Da  Hench  die  Beispiele  nicht 
vollständig  gegeben  hat,  erlaube  ich  mir,  sie  hier  nochmals 
aufzuführen : 

A. 

1.  ab-u  pus  Job.  18,  34. 

2.  ub-uh'wopida  Luk.  18,  38. 

3.  mid'iddjedun  Luk.  7,  11  »)• 

4.  uz'U  Gal.  3,  2.  5  (4  mal).  —  uz-tüi  Mark.  11,  30.  Luk.  6,  45. 
20,  4.  (2  mal).  Joh.  6,  66.  —  uz-uh-hof  Joh.  11,  41.  17,  1.  —  uz-uh-iädja 
Joh.  16,  28.  —  uz-on,  uz-etin  s.  o.  —  ur-riqiza  2.  Kor.  4,  6. 

5.  dis'  :  diz-uh-pan-8<U  Mark.  16,  8. 

B. 

1.  Nom.  Sing,  ainz-u  1.  Kor.  9,  6.  —  sumz-uß-pan  1.  Kor.  11,  21.  — 
hijandz'Up'pan  Philem.  22.  —  Ferner  i>-ci,  haz-uh,  harjiz-uh. 

2.  Gen.  Sing.  an^ar»2r-M7»Matth.  11,  3.  Ferner piz-ei,  piz-uh ;  hiz-uh; 
harjiz'uh.  —  Fem.  pizoz-ei.  —  Filippaiiz-uh  Luk.  3,  1. 

3.  Akk.  PI.  8utnanz-uh  Mark.  12,  5.  Eph.  4,  11.  Ferner  panz-ei, 
hanz'Uh.  —  Fem.  poz-ei. 

4.  Dat.  Sing,  pitz-ei.  Nom.  Fl.  weiz-up-pan,  juz-up-pan  1.  Kor.  4, 10; 
juz-ei.  Dat.  PI.  izuiz-ei. 

ö.  Komparativ:  matz-up-pan  Gal.  4,9.  Skeir.  8,  6.  faurpiz-ei;  viel- 
leicht andiz-uh  Luk.  16,  18. 

6.  2.  Sing.  Opt.  wileiz-u  Luk.  9,  54. 

Wider  die  Regel  erhält  sich  -s  auch  vor  Enklitizis  im 
Nom.  Sing,  simis-uh  1.  Kor.  7,  7  A  und  im  Akk.  PI.  bidjandam- 

1)  Das  Verbum  leimt  sich  hier  enklitisch  an  die  Präposition  an. 


Gotica.  389 

uß-pan  Matth.  6,  7.  Hat  Holthausen  (IT.  14,  340)  recht,  in 
dem  ersten  Teil  von  halis-aiw  Luk.  9, 39  einen  adverbialen 
Genitiv  Sing,  wie  raihtia,  allis,  ßaus  zu  sehen,  so  ist  auch  dieses 
Wort  als  Ausnahme  hierherzustellen.  Unklar  sind  die  häufigen 
8un$-aiw  und  suns^.  Hier  nimmt  Bethge  in  Dieters  Laut-  und 
Formenlehre  S.  200  Anm.  3  ursprüngliches  -s  an,  ohne  ahd.  -sun 
in  hera-sun  usw.  zu  berücksichtigen. 

Daß  die  Erhaltung  der  stimmhaften  Spirans  vor  vokalisch 
beginnender  Enklitika  nach  dem  Sieversschen  Gesetze  zu  er- 
klären ist,  darüber  herrscht  allgemeine  Übereinstimmung;  aber 
grade  aus  der  Tatsache,  daß  für  diese  Verbindungen  das  Sandhi- 
gesetz  gültig  ist,  sucht  man  einen  Einwand  gegen  die  Aus- 
dehnung seiaes  Wirkungsbereiches  zu  konstruieren.  Man  meint, 
es  müßten  sich  dann  auch  anderswo  Spuren  seiner  Wirksamkeit 
nachweisen  lassen. 

Dagegen  ist  erstlich  zu  bemerken,  daß,  wenn  in  ab-u 
ub-iih  UZ'U  die  Erhaltung  der  stimmhaften  Spirans  dem  voka- 
lischen Anlaut  der  Enklitika  verdankt  wird,  es  nicht  abzusehen 
ist,  warum  in  analogen  Fällen  nicht  derselbe  Einfluß  wirksam 
gewesen  sein  soll.  Auch  in  Verbindungen  wie  af  airßai  Joh.  12, 32, 
af  (Mamma  ludaias  Luk.  6, 17  ;  uf  anstai  1.  Kor.  9,  20,  uf  ina 
1.  Kor.  15,27;  us  allamma  Jiairtin  Mark.  12,  30  Luk.  10,  27, 
US  ubilamma  huzda  hairtins  seinis  Luk.  6, 45  und  vielen  andern 
steht  die  Spirans  der  Präposition  unzweifelhaft  im  Inlaut 
Der  Stimmton  muß  also  auch  hier  in  der  lebendigen  Sprache 
imversehrt  erhalten  sein.  Daraus  folgt  aber  mit  zwingender 
Notwendigkeit,  daß  in  all  diesen  Fällen  ein  offensichtlicher 
Widerspruch  zwischen  Schrift  und  Sprache  besteht,  daß  die  von 
Wulfila  eingefülirte  Wortschrift  dem  Zusammenhang  der  Rede 
nicht  gerecht  wird. 

Ganz  dasselbe  gilt  von  dem  -s  der  nominalen  und  verbalen 
Endungen.  Wenn  ainz-u, ßiz-tdi,  sumafUMih\  wUeiz-u  anerkannter- 
maßen die  Repräsentanten  lautgesetzlicher  Sprachformen  sind, 
dann  ist  es  gar  nicht  anders  möglich,  als  daß  man  auch 
*aim  ist,  *ainz  asßizai  managein;  *piz  auhumistim  gudjina,  *piz 
awepßs;  *sumam  uz  im,  *managanz  anparam;  *ganimiz  in  kUr 
Pein  gesprochen  hat,  mag  auch  unser  Text  ausschließlich  s-Formen 
überliefern :  ains  ist  Mark.  12,32,  ains  uspizai  managein  Mark.  9,17 ; 
pis  auhumistins  gudjins  Joh.  18,10,  pis  awepjis  1.  Kor.  9,7; 
sumans  us  im  Rom.  11, 14,  managans  anparans  ebd.;  ganimis  in 

IndogennanlBche  Fonchangen  XVin.  26 


390  W.  Streitberg, 

kUßein  Lnk.  1,  31.  Die  Wulfilanische  Wortschrift  hat  Ober 
jeden  Yersudi  einer  Satzschiift  triumphiert 

Warum  aber,  wird  man  mit  Heneh  fragen,  ist  grade  hier 
bei  den  Endungen  dieser  Triumph  so  vollständig,  während  sidi 
bei  den  Nominalstämmen  auf  -z  trotz  ihrer  Seltenheit  nickt 
weniger  als  7  Belege  für  stimmhafte  Spirans  im  Auslaut  finden? 
Dieselbe  Frage  hat  Bethge  angeworfen  (Jahresberidit  S.  176), 
ohne  sie  beantworten  zu  können,  und  doch  hat  Hench  schon 
die  richtige  Antwort  gegeben;  nur  sein  irriger  Standpunkt  ist 
schuld  daran  gewesen,  wenn  sie  nicht  zur  Geltung  kommen 
konnte. 

Die  Lösung  ist  einfach  die,  daß  der  graphische  Ausdrudr 
des  Sandhigesetzes  dem  Schreiber  erleichtert  wurde,  wenn 
Formen  mit  inlautender  stimmhafter  Spirans  neben  jenen  mit 
auslautender  standen.  Bei  allen  Formen  mit  Endungs-a  fehlten 
aber  Parallelbildungen  mit  Inlaut  -z  so  gut  wie  völlig.  Kein 
Wunder,  daß  der  Schreiber  hier  wenig  Anlaß  hatte,  von  der 
Vorlage  abzuweichen.  Wie  fest  die  orthographische  Tradition 
grade  beim  Endungs-«  ausgebildet  war,  lehrt  deutlicher  als  alles 
andere  die  sonst  unerhörte  Tatsache,  daß  selbst  vor  Enklitizis 
mehrfach  -s  statt  des  korrekten  -z  geschrieben  ward,  vgl.  die 
oben  zitierten  Formen  sums-uh  bicljandans-uß-ßcm  und  wohl  auch 
hcdis-^iw, 

Ist  man  dessen  eingedenk,  daß  ein  gi'oßer  Teil  aller  aus- 
lautenden -s  nur  der  graphische  Ausdnick  eines  gesprochenen 
'Z  ist,  so  wird  ohne  weiters  die  äußere  Form  einer  Kategorie 
klar,  die  für  Hench  und  andere  wohl  der  eigentliche  Stein  des 
Anstoßes  gewesen  ist:  ich  meine  die  Nominative  Sing,  auf  -bs 
-ds.  Es  ist  richtig,  was  Hench  mir  vorwirft,  daß  ich  die  Fälle 
dieser  Art  nicht  ausdrücklich  einer  Erklärung  gewürdigt  habe: 
die  Ursache  dieser  Unterlassungssünde  ist  aber  nicht  Ratlosigkeit 
gewesen,  wie  mein  Gegner  anzunehmen  scheint,  sondern  das 
Vertrauen  auf  die  unmittelbare  Vei-ständlichkeit  dieser  Klasse 
von  Beispielen. 

Auch  heute  noch  scheint  mir,  daß  die  Tatsachen  einfacli 
genug  liegen.  Man  darf  sich  nur  nicht  durch  die  Ortho- 
graphie venvirren  lassen. 

In  allen  Fällen,  wo  der  Buchstabe  -s  als  Vertreter  der 
stimmhaften  Spirans  steht,  muß  auch  der  vorausgehende 
stimmhafte    Spirant   unverändert   erhalten   bleiben.     In    einer 


(jk)tica.  391 

Ptigung  wie  stve  ßiubs  in  naht  1.  Thess.  5,  2  ist  6»  die  unvoll- 
kommene graphische  Wiedergabe  des  gesprochenen  bz  —  oder 
wenn  man  den  Übergang  des  stimmhaften  Spiranten  in  den 
Verschlußlaut  vor  -z  annehmen  zu  müssen  glaubt,  -bz.  Genau 
ebenso  steht  etwa  gods  ist  Luk.  6, 35  für  *godz  ist.  Diese 
Schreibung  ist  genau  das,  was  wir  zu  erwarten  berechtigt  sind: 
das  Zeichen  -«  bleibt  wie  immer  unverändert,  die  vorausgehende 
stimmhafte  Spirans  dagegen  wird  zum  Ausdruck  gebracht,  weil 
die  Schreibung  b  oder  d  an  den  obliquen  Kasus  eine  starke 
Stütze  hatte. 

Es  bleiben  die  Verbalendungen  auf  -d  übrig.  Offenbar 
hat  diese  Kategorie  Hench  die  größten  Schwierigkeiten  bereitet 
Eines  freilich  steht  ihm  fest:  **It  is  evident  that^  so  far  as  the 
verbal  ending  is  concemed^  final  d  is  not  due  to  the  influence  of 
foUounng  voiced  initial'.  Der  Ausgleichimg  wie  die  b  und  d 
der  Nominalstämme  kann  der  stimmhafte  Spirant  gleichfalls  nicht 
zugeschrieben  werden,  da  er  nicht  im  Inlaut  erscheint  Viel- 
mehr ist  er  unzweifelhaft  einem  ostgotischen  Lautgesetz  zuzu- 
schreiben, das  in  unbetonter  Silbe  stimmlose  Spirans  stimmhaft 
werden  ließ. 

Das  •Lautgesetz',  das  Hench  für  die  Verbalformen  auf 
'd  aufstellt,  berührt  sich  nahe  mit  einer  Theorie,  die  Axel  Kock 
schon  im  Jahre  1881  veröffentlicht  hat  (HZ.  25,  226  ff.),  für  die 
er  neuerdings  abermals  eine  Lanze  bricht  (KZ.  36,  571  ff.). 
Kock  formuliert  seine  Regel  folgendermaßen:  "Im  späten  Gotisch 
hat  sich  dialektisch  flg.  Lautgesetz  oder  LautentwicklungstendeuÄ 
geltend  gemacht:  auslautende -/ -^ gehen  nach  Vokal  in  relativ 
unakzentuierter  Stellung,  d.  h.  in  relativ  unakzentuierter  Silbe 
und  in  Fortissilbe  nach  langem  Vokal  oder  Diphthong  in  die 
entsprechenden  stimmhaften  Laute  (d.  h.  -ef  -6,  geschrieben  -d  -b) 
über.  In  dieser  Stellung  wurde  auch  -ßs  -fs  zu  -efs  -6s  (ge- 
schrieben 'ds  -bs).  Die  Entwicklung  von  -/  -ßs  zu  -d  -ds 
(geschrieben  -d  -ds)  tritt  bei  verschiedenen  Wortgruppen  in 
verschiedenen  Graden  je  nach  dem  Grad  der  Akzentlosigkeit 
der  Laute . . .  auf.  Es  ist  unsicher,  ob  man  in  njfe,  aiz  statt 
riqis,  ais  eine  hiermit  analoge  Entwicklung  von  -s  zu  -z  hat". 

Hier  befremdet  vor  allem  die  auf  -z  bezügliche  Ein- 
schränkung. AVarum  die  7  Belege  von  -z  für  -s  anders  zu  be- 
urteilen seien  als  die  Beispiele  für  -b  und  -d  will  dem  un- 
befangenen Leser  nicht  einleuchten.  Kock  ist  zu  seiner  Auffassung 

26* 


392  W.  Streitberg, 

durch  die  Flexionsendungen  veranlaßt  worden;  denn  mit  Hench 
findet  er  es  **unleugbar,  auffallend,  daß  -z  nicht  statt  -s  in 
den  zahlreichen  Flexionsendungen  auf  -ig  -ös  etc.  in  mehr- 
silbigen Wörtern"  begegne.  Da  die  Ursache  dieser  allerdings 
auffälligen  (orthographischen)  Differenz  schon  vorhin  zur  Sprache 
gekommen  ist,  brauchen  wir  mit  dieser  Einschränkung  des 
Kockschen  Gesetzes  nicht  mehr  zu  rechnen.  An  überzeugender 
Kraft  gewinnt  es  freilich  durch  die  Erweiterung  nicht.  Denn 
für  jeden,  der  mit  Kock  imd  Hench  die  stimmhaften  Spiranten 
des  Auslauts  alle  oder  zum  Teil  einem  ostgotischen ^)  Lautgesetz 
zuschreiben  will,  bildet  eine  unbestreitbare  Tatsache  ein  im- 
übersteigliches  Hindernis.  Bestünde  nämlich  das  postulierte 
*o8tgotische'  Lautgesetz  zu  Recht,  dann  müßte  es  unter  den 
gleichen  Bedingungen  auf  alle  f  und/  (sowie  auch  $) 
gleichmäßig  wirken.  Alle  ohne  Ausnahme  müßten  laut- 
gesetzlich zu  stimmhaften  Spiranten  geworden  sein;  die  Ab- 
weichungen wären  einzig  und  allein  der  Bewahrung  des  über- 
lieferten Orthographiesystems  zuzuschreiben. 

ißt  andern  Worten:  es  müßten  irgendwelche,  wenn 
auch  noch  so  dürftige,  Spuren  dafür  vorhanden  sein,  daß 
nicht  niu'  die  aus  b  d  (z)  hervorgegangenen  stimmlosen  Laute 
f  p  (s)  im  *Ostgotischen'  erweicht  worden  seien,  sondern  daß 
auch  die  urgerraanischen  f  p  (s)  das  gleiche  Schicksal  ge- 
troffen hätte. 

Bekanntlich  ist  dies  jedoch  keineswegs  der  Fall.  Kein 
einziger  Beleg  für  b  d  aus  altem  f  p  ist  vorhanden. 
Ursprüngliches  f  und  p  und  ui-sprüngliches  b  und  d  sind  viel- 
mehr überall  streng  geschieden. 

Einen  Ausweg  freilich  gäbe  es,  doch  dürfte  er  für  einen 
so  vorsichtigen  und  exakten  Forscher  wie  Kock  meiner  Über- 
zeugung nach  ungangbar  sein :  man  könnte  mit  Wrede  zwei 
verschiedene  f  und  p  fürs  Gotische  postidieren :  p  ß^  =  urspr. 
f,  P;  P  ß^  =  ui-spr.  b  d,  vgl.  Grammatik  10  §  58  und  §  63.  Nur 
diQ'fte  man,  um  das  hypothetische  Lautgesetz  zu  retten,  den 
Unterschied  nicht  mit  Wrede  in  einer  Verschiedenheit  der 
Aitikiilationsstelle,  sondern  müßte  ihn  in  einer  Verschieden- 
heit der  Stimmbandmitwirkung  suchen  :  hai  f^  ß^  —  so  müßte 
man  schließen  —  habe  der  Stimmton  gänzlich  gefehlt,  bei  P  /* 

1)  Was  wissen  wir  denn  überhaupt  vom  'ostgotischen  Dialekt'?  Nichts. 


Gotica.  393 

sei  er  nur  reduziert  gewesen.  Derselbe  Unterschied  wäre  dann 
auch  für  s^  =  8  und  8^  =  z  vorauszusetzen^). 

Leider  fehlt  es  uns  jedoch  bei  diesen  Konstruktionen  an 
jedem  tatsächlichen  Anhalt  Sie  sind  ein  reiner  lusu8  ingenii.  Da 
Kock  Wredes  Hypothese  mit  keinem  Worte  erwähnt  hat,  muß 
er  über  ihren  Wert  wohl  ähnlicher  Meinung  gewesen  sein. 

Ich  glaube  keinen  Widerspruch  befürchten  zu  müssen, 
wenn  ich  das  angebliche  ostgotische  Lautgesetz  sowohl  in  Henchs 
wie  in  Kocks  Fassung  ablehne.  Es  fragt  sich  nur,  ob  wir  hier- 
durch gezwungen  sind,  zum  Sieversschen  Gesetz  unsere  Zuflucht 
zu  nehmen  oder  ob  es  noch  eine  andere  Erklärungsmöglichkeit 
gibt  Bethge,  der  Henchs  Lautgesetz  eine  "unmögliche  Verlegen- 
heitshypothese" nennt,  glaubt  eine  befriedigende  Deutung  des 
-d  der  Verbalendungen  gefunden  zu  haben.  Er  billigt  die  An- 
sicht Henchs,  daß  die  Schreibung  z  b  d  statt  8  f  ß  aus  dem 
Einfluß  des  Inlauts  zu  erklären  sei  und  sucht  diese  Theorie 
auch  auf  die  Verbalformen  anzuwenden.  Ihm  sind  "die  Verbal- 
ausgäuge  -id  usw.  aus  der  häufigen  Verbindung  mit  -w  uh-  zu 
erklären".  Formen  wie  tväeid-u  usw.  seien  für  das  Sprachgefühl 
6in  Wort  gewesen,  hätten  also  auf  tcäeiß  usw.  genau  so  wirken 
können  wie  fahedais  haubidis  auf  faheß  haubiß. 

Man  wird  nicht  behaupten  können,  daß  die  Basis  dieses 
Deutungsversuches  fest  gegründet  sei.  Denn  "die  häufigen  Formen 
auf  'U  -uh"  schrumpfen  bei  näherm  Zusehn  zu  einem  bedenklich 
kleinen  Häuflein  zusammen.  Die  3.  Person  Sing,  ist  meines 
Wissens  überhaupt  nicht  in  Verbindung  mit  -m  oder  -uh  belegt; 
von  der  2.  Person  Plur.  aber  sind  mir  nur  folgende  Beispiele 

1)  Wrede  Gramm.  ^^  §  65  Anmerkung  2  glaubt,  daß  sich  -z  in  riqtz  usw. 
ähnlich  erkläre  wie  -b  und  -d  in  gleicher  Stellung  d.h.  wohl,  er  nimmt 
auch  hier  Unterschiede  der  Artikulationsstellungen  an.  Wenn  er  jedoch 
fortfährt :  "die  Unsicherheit  der  Schreiber  z  und  8  zu  unterscheiden,  zeigt 
sich  auch  in  Formen  wie  saizlep  'schlief  Joh.  11, 11,  1.  Kor.  15,  6  gegen- 
über saislep  Matth.  8,  24,  Luk.  8,  23,  1.  Thess.  4,  14  oder  praizbytairi  {-ei) 
gegenüber  irpccßuT^piov",  so  bekundet  er  eine  völlige  Yerständnislosigkeit 
für  die  tatsächliche  Bedeutung  der  von  ihm  zitierten  Schreibungen.  Von 
einer  "Unsicherheit"  kann  bei  ihnen  keine  Rede  sein;  vielmehr  zeigt  praiz- 
bwtairi  die  genaue  Wiedergabe  der  Lautform  des  griechischen  Wortes, 
da  die  Verbindung  cß  stimmhaftes  c  aufweist,  ga-saizlep  Joh.  11, 11  und 
ga-saizlepun  1.  Kor.  15,  6  aber  sind  die  lautgesetzlichen  Formen,  ihr 
z  ist  dem  Vemerschen  Gesetz  zuzuschreiben,  während  saislep  Matth.  8, 24 
ana-saislep  Luk.  8,  23  ana-saislepun  1.  Thess.  4, 14  ihr  8  dem  Einfluß  der 
unreduplizierten  Formen  verdanken. 


392  W.  Streitberg, 

durch  die  Flexionsendungen  veranlaßt  worden;  denn  mit  Hench 
findet  er  es  **unleugbar,  auffallend,  daß  -z  nicht  statt  -3  in 
den  zahlreichen  Flexionsendungen  auf  -ig  -ös  etc.  in  mehr- 
silbigen Wörtern"  begegne.  Da  die  Ursache  dieser  allerdings 
auffälligen  (orthographischen)  Differenz  schon  vorhin  zur  Sprache 
gekommen  ist,  brauchen  wir  mit  dieser  Einschränkung  des 
Kockschen  Gesetzes  nicht  mehr  zu  rechnen.  An  überzeugender 
Kraft  gewinnt  es  freilich  durch  die  Erweiterung  nicht  Denn 
für  jeden,  der  mit  Kock  und  Hench  die  stimmhaften  Spiranten 
des  Auslauts  alle  oder  zum  Teil  einem  ostgotischen*)  Lautgeseta 
zuschreiben  will,  bildet  eine  unbestreitbare  Tatsache  ein  un- 
übersteigliches  Hindernis.  Bestünde  nämlich  das  postulierte 
*ostgotische*  Lautgesetz  zu  Recht,  dann  müßte  es  unter  den 
gleichen  Bedingungen  auf  alle  f  und  /  (sowie  auch  «) 
gleichmäßig  wirken.  Alle  ohne  Ausnahme  müßten  laut- 
gesetzlich zu  stimmhaften  Spiranten  geworden  sein;  die  Ab- 
weichungen wären  einzig  und  allein  der  Bewahrung  des  über- 
lieferten Orthographiesystems  zuzuschreiben. 

Jlit  andern  Worten:  es  müßten  irgendwelche,  wenn 
auch  noch  so  dürftige,  Spuren  dafür  vorhanden  sein,  dali 
nicht  nur  die  aus  b  d  (z)  hervorgegangenen  stimmlosen  Laute 
f  p  (s)  im  "Ostgotischcu*  enveicht  worden  seien,  sondern  daß 
auch  die  urgermanischen  f  p  (s)  das  gleiche  Schicksal  ge- 
troffen hätte. 

Bekanntlich  ist  dies  jedoch  keineswegs  der  Fall.  Kein 
einziger  Beleg  für  h  d  aus  altem  f  p  ist  vorhanden. 
Ursprüngliches  f  und  p  und  ursprüngliches  b  und  d  sind  viel- 
mehr überall  streng  geschieden. 

Einen  Ausweg  fi'eilich  gäbe  es,  doch  dürfte  er  für  einen 
so  vorsichtigen  und  exakten  Forscher  wie  Kock  meiner  Über- 
zeugung nach  ungangbar  sein :  man  könnte  mit  Wrede  zwei 
verschiedene  f  und  p  fürs  Gotische  postulieren:  f^  p^  =  urspr. 
f^  P''>  P  ß^  =  ^rspi*-  f>  ^.  ^'gl-  Grammatik  10  §  58  imd  §  63.  >'ur 
di'Q-fte  man,  um  das  hypothetische  Lautgesetz  zu  retten,  den 
Unterschied  nicht  mit  Wrede  in  einer  Verschiedenheit  der 
Artikulatioass teile,  sondern  müßte  ihn  in  einer  Verschieden- 
heit der  Stimmbandmitwirkung  suchen  :  bei  f^ß^  —  so  müßte 
man  schließen  —  habe  der  Stimmton  gänzlich  gefelüt,  bei/"'/* 

1)  Was  wissen  wir  denn  überhaupt  vom  'ostgotischen  Dialekt'?  Nichts. 


Gotica.  393 

sei  er  nur  reduziert  gewesen.  Derselbe  Unterschied  wäre  dann 
auch  für  s^  =  s  und  s^  =  2  vorauszusetzen^). 

Leider  fehlt  es  uns  jedoch  bei  diesen  Konstruktionen  an 
jedem  tatsächlichen  Anhalt  Sie  sind  ein  reiner  lusus  ingenii.  Da 
Kock  Wredes  Hypothese  mit  keinem  Worte  erwähnt  hat,  muß 
er  über  ihren  Wert  wohl  ähnlicher  Meinung  gewesen  sein. 

Ich  glaube  keinen  Widerspruch  befürchten  zu  müssen, 
wenn  ich  das  angebliche  ostgotische  Lautgesetz  sowohl  in  Henchs 
wie  in  Kocks  Fassung  ablehne.  Es  fragt  sich  nur,  ob  wir  hier- 
durch gezwungen  sind,  zum  Sieversschen  Gesetz  unsere  Zuflucht 
zu  nehmen  oder  ob  es  noch  eine  andere  Erklärungsmöglichkeit 
gibt  Bethge,  der  Henchs  Lautgesetz  eine  "unmögliche  Verlegen- 
heitshypothese" nennt,  glaubt  eine  befriedigende  Deutung  des 
-d  der  Verbalendungeu  gefunden  zu  haben.  Er  billigt  die  An- 
sicht Henchs,  daß  die  Schreibung  z  b  d  statt  s  f  ß  aus  dem 
Einfluß  des  Inlauts  zu  erklären  sei  und  sucht  diese  Theorie 
auch  auf  die  Verbalformen  anzuwenden.  Ihm  sind  "die  Verbal- 
ausgänge 'id  usw.  aus  der  häufigen  Verbindung  mit  -w  1^-  zu 
erklären".  Formen  wie  wüeid-u  usw.  seien  für  das  Sprachgefühl 
fein  Wort  gewesen,  hätten  also  auf  loüeip  usw.  genau  so  wirken 
können  wie  fahedais  haubidis  auf  faheß  haubiß. 

Man  wird  nicht  behaupten  können,  daß  die  Basis  dieses 
Deutungsversuches  fest  gegründet  sei.  Denn  "die  häufigen  Formen 
auf  -w  -MÄ"  schrumpfen  bei  näherm  Zusehn  zu  einem  bedenklich 
kleinen  Häuflein  zusammen.  Die  3.  Person  Sing,  ist  meines 
Wissens  überhaupt  nicht  in  Verbindung  mit  -u  oder  -uh  belegt; 
von  der  2.  Person  Plur.  aber  sind  mir  nur  folgende  Beispiele 

1)  Wrede  Gramm.  ^^  §  65  Anmerkung  2  glaubt,  daß  sich  -z  in  riqiz  usw. 
ähnlich  erkläre  wie  -b  und  -d  in  gleicher  Stellung  d.h.  wohl,  er  nimmt 
auch  hier  Unterschiede  der  Artikulationsstellungen  an.  Wenn  er  jedoch 
fortfährt :  "die  Unsicherheit  der  Schreiber  z  und  8  zu  unterscheiden,  zeigt 
sich  auch  in  Formen  wie  saizlep  'schlief  Joh.  11,  11,  1.  Kor.  16,  6  gegen- 
über saislep  Matth.  8,  24,  Luk.  8,  23,  1.  Thess.  4,  14  oder  praizbytairi  (-«i) 
gegenüber  irpccßur^piov",  so  bekundet  er  eine  völlige  Yerständnislosigkeit 
für  die  tatsächliche  Bedeutung  der  von  ihm  zitierten  Schreibungen.  Von 
einer  "Unsicherheit**  kann  bei  ihnen  keine  Rede  sein;  vielmehr  zeigt  praiz- 
buftairi  die  genaue  Wiedergabe  der  Lautform  des  griechischen  Wortes, 
da  die  Verbindung  cß  stimmhaftes  c  aufweist,  ga-saizlep  Joh.  11, 11  und 
ga-aaizUpun  1.  Kor.  15,  6  aber  sind  die  lautgesetzlichen  Formen,  ihr 
z  ist  dem  Vemerschen  Gesetz  zuzuschreiben,  während  saislep  Matth.  8, 24 
ana-saislep  Luk.  8,  23  ana-aaialepun  1.  Thess.  4, 14  ihr  8  dem  Einfluß  der 
unreduplizierten  Formen  verdanken. 


394  W.  Streitberg, 

bekannt:  wUeid-u  Mark.  15,  9.  Job.  18,  39.  wUud-u  Job.  13,  12. 
8ijaid't4  2.  Kor.  2,  9.  13,  5.  —  qipid-vh  Mark.  16,  7.  unkdd^ 
Matth.  27,  65.  umrpaid-uh  Eph.  4,  32.  standaidruh  1.  Eor.  16, 13. 

Ist  es  wahrscbeinlicb,  frage  icb,  daß  diesen  sparlicben 
Musterformen  die  42  Belege  der  2.  Person  Plur.  auf  -rf  ihr 
Dasein  verdanken?  Tragen  sie  vielleicbt  ancb  die  Schuld  an 
der  Existenz  der  31  Belege  für  die  3.  Person  Sing,  auf  -d^ 

Für  die  Verbalformen  auf  -d  ist  also  die  Annahme  von 
Analogiebildungen  nicht  gerade  verlockend;  aber  könnte  sie 
nicht  wenigstens  mit  Hench  zur  Erklärung  der  Nominalformen 
benutzt  werden?  Was  hindert  uns  anzunehmen,  daß  fdheds 
fahed  eine  einfache  Analogiebildung  nach  fahedaia  fahedai  sei? 
Bequemer  und  unverfänglicher  als  dieser  Ausweg  wird  nicht 
leicht  ein  anderer  sein. 

Gewiß,  der  Vorschlag  ist  verlockend;  nur  steht  zu  be- 
fürchten, daß  er  nicht  zum  Ziele  führe.  Denn  der  Appell  an 
die  Analogie  vergißt  die  Tatsache,  daß  die  stimmhaften  Spiranten 
nicht  in  beliebiger  Stellung  erscheinen,  sondern  fast  durchweg 
in  ganz  bestimmter  Umgebung  auftreten.  Daß  hier  ein  bloßer 
Zufall  walte,  ist  ausgeschlossen,  da  die  Zahl  der  Belege  hin- 
reichend groß  ist 

So  wären  wir  wieder  beim  Ausgangspunkt  der  Unter- 
suchung, bei  dem  Sieversschen  Gesetz  augelangt 

In  gewissem  Umfange  haben  es  ja  die  Gegner  gelten  lassen: 
Hench  hat  es  zur  Erklärung  der  stimmhaften  Spirans  einiger 
starken  Präterita  herangezogen;  er  sieht  in  ihm  a  contributary 
cause  des  auslautenden  -d  von  10  Partizipien  Perf.  Auch  Bethge 
operiert  mit  nimid  imma  und  ähnlichen  Fällen,  ja  selbst  Axel 
Kock  hat  früher  (HZ.  25,  228)  das  d  von  bad  aus  den  Ver- 
bindungen wie  had  ina  hergeleitet 

Die  Frage  ist  also  nur:  ist  das  Sieverssche  Gesetz  im 
Sinne  seiner  Gegner  zu  beschränken  oder  ist  es  als  die  Ursache 
aller  stimmhaften  Spiranten  des  Auslauts  anzuerkennen?  Die 
Entscheidung  kann  nur  die  Aufzählung  aller  Belege  bringen. 
Sie  mögen  daher  folgen.  Ehe  ich  jedoch  die  Sammlung  vor- 
lege, erlaube  ich  mir,  auf  einen  Punkt  hinzuweisen,  der  bei  der 
Beurteilung  mancher  Beispiele  nicht  aus  dem  Auge  verloren 
werden  darf. 

Das  Sieverssche  Gesetz  besagt,  daß  vor  stimmhaftem  Anlaut 
die   stimmhafte  Spirans  des  Auslauts  erhalten  bleibt     Das  ist 


Gotica.  395 

natürlich  dasselbe  Prinzip  wie  jenes,  das  vor  vokalisch  an- 
lautender Enklitika  stimmhafte  Spirans  des  Auslauts  fordert, 
das  auch  den  Ausgang  des  ersten  Oliedes  in  einigen  isolierten 
Eompositis  bestimmt  Von  Beispielen  der  letzten  Kategorie  sind 
tnid-iddjedun^  uz-on,  uz-etin  schon  erwähnt;  femer  sei  an  ttdsh 
werjai  Mark.  11,  23,  twdib-wintrus  Luk.  2,  42,  ilhdalßn  Luk.  19, 37 
ffud^blostreis  Joh.  9,  31*)  erinnert  Auch  die  zahlreichen  Kom- 
posita mit  tir-  setzen  uz-  voraus,  dessen  stimmhafte  Spirans  sich 
vor  dem  flg.  stimmhaften  r  erhalten  hat 

Hier  wie  dort  ist  also  die  Voraussetzung  für  die  Erhaltung 
der  stimmhaften  Spirans  des  Auslauts,  daß  im  Fluß  der  Rede 
ein  stimmhafter  Laut  unmittelbar  folge.  Nun  haben  wir  es  aber 
in  unsem  Texten  nicht  mit  der  direkten  Wiedergabe  lebendiger 
Rede  zu  tun,  sondern  mit  Kopien  geschriebener  Vorlagen. 
Daraus  ergibt  sich,  daß  dem  Schreiber  bei  seinem  Werke  nicht 
die  mannigfachen  Betonungsabstufungen  des  natürlichen  Voitrags 
vor  dem  Geiste  schweben,  sondern  daß  ihm  nur  kleinere  Gruppen 
von  Wörtern,  wie  sie  das  Auge  mit  einem  Blick  umfaßt,  gegen- 
wärtig sind  und  in  seinen  Gedanken  eine  gewisse  Einheit  bilden, 
ohne  Rücksicht  auf  die  streng  logische  Gliederung  der  Rede. 
Denn  das  Abschreiben  ist  im  wesentlichen  eine  mechanische 
Tätigkeit  Unter  diesen  Verhältnissen  darf  es  nicht  wunder 
nehmen,  daß  mehrfach  Pausen  nicht  beachtet  werden,  vielmehr 
der  Schreiber  in  gleichförmigem  Tempo  die  Worte  aneinander- 
reiht So  erklärt  es  sich,  daß  benachbarte  Worte  aufeinander 
einwirken  können,  auch  wenn  sie  in  lebendiger  Rede  durch 
stärkere  Intervalle  geschieden  wären. 

Vielleicht  darf  ich  schließlich  auch  noch  auf  die  an- 
sprechende Beobachtung  Kocks  und  Henchs  hinweisen,  daß  b  d 
—  vorab  im  Johannesevangelium  —  mit  Vorliebe  nach  langem 
Vokal  erscheinen.  Es  ist  sehr  wohl  möglich,  daß  mit  Kock 
und  Hench  ein  Kausalzusammenhang  zwischen  beiden  Tatsachen 
anzunehmen  ist:  durch  die  Länge  des  Vokals  ward  für  den  Schluß- 
konsonanten ein  Minimum  von  Expirationsdruck  übrig  gelassen ; 
daher  fiel  der  Unterschied  gegenüber  f  und  ß  besonders  ins 
Gehör. 


1)  So  ist  die  Abkürzung  gpUostreis  aufzulösen,  vgl.  die  volle  Schrei- 
bung ffudhma  Joh.  18,  20.  Schon  Hench  PBrB.  21,  566  hat  darauf  auf- 
merksam gemacht,  trotzdem  erscheint  bei  Heyne-Wrede  auch  in  der  10. 
Auflage  noch  gußUostreisl 


396  W.  Streitberg, 

Die  sogen.  Ausnahmen,  d.  h.  die  vor  stimmlosem  Anlaut 
auftretenden  stimmhaften  Spiranten  sind  unschwer  verständlich; 
z.  T.  beruhen  sie  auf  einfachen  Assoziationen  an  andere  Formen 
desselben  Wortes,  z.  T.  sind  sie  durch  lautgesetzliche  Bil- 
dungen der  Nachbarschaft  veranlaßt;  diese  letzte  Erklärung 
gilt  namentlich  für  die  zahlreichen  2.  Personen  Plur.  in  Christi 
Predigt  Luk.  6, 20  ft 

Im  übrigen  reden  die  Beispiele  eine  nicht  mißzuverstehende 
Sprache;  sie  bedürfen  daher  keines  besondem  Kommentars. 

Belege. 

I.    -2. 

1.  ni  nemeitia  ...  in  gairdos  aiz  ak  gashohai  8uljom   Mark.  6,  8. 

2.  ni  matja  mimz  aiw   1.  Kor.  8,  13  A. 

3.  minz  frijoda   2.  Kor.  12,  15  B.  {mim  A). 

4.  Mosez  lagida   2.  Kor.  3,  13  {Moses  A) 

5.  riqiz  ist:  pata  riqiz  haan  filu  Matth.  6,  23.  —  ei  riqiz  izwU 
ni  gafahai.    Job.  12,  35.  —  wesuß  auk  suman  riqiz  ip  nu  .  ,  .  Eph.  5,  8  B 

8  Belege,  2  Ausnahmen. 

IL  -h, 

A.  b  im  absoluten  Auslaut. 

1.  gadoh  ist  weihaim  Eph.  5,  3.  —  patei  gadoh  ist  1.  Tim.  2, 10  (A 
und  B).  —  patuh  wesi  wipra  pata  gadob,  ei  frauja . . .  Skeir.  1,11.  —  gadob 
nu  was  Skeir.  1,  14  —  jah  gadob  tcistai  Skeir.  2,  15. 

2.  nih  hlaib  nih  skattans  Luk.  9,  3.  —  hlaib  bame  Mark.  7,  27.  — 
bi  hlaib  ainana  Luk.  4,  4.  —  saei  tnatida  mip  mis  hlaib  ushof  ana  mik 
fairzna.  Joh.  13,  18  —  andnam  pana  hlaib  jains  Joh,  13,  30.  —  hlaib 
tnatidedun  2.  Thess.  3, 8  B  {hlaif  A).  —  ei  seinana  hlaib  matjaina  2.  Tbess. 
3,  12  (A  und  B). 

3.  gawiüjands  im  im  twalih  ^a^izei ....  Luk.  6,  13.  — pai  twalib 
mip  imma  Luk.  8,  1. 

4.  gadoh  ^am  Skeir.  3,  12. 

17  Belege,  2  Ausnahmen. 

B.  'bs. 

1.  qip  pamma  staina  ei  wairpai  hlaibsjah  andhof  lesus  Luk.  4,  3. 

2.  piubs  ni  qimip  Joh.  10, 10.  —  unte  piubs  was  Joh.  12,  6.  —  stet 
piubs  in  naht  1.  Thess.  5,  2  B.  —  sive  piubs  gafahai  1.  Thess.  5,  4  B. 

5  Belege,  keine  Ausnahme. 

m.  'd. 
A.  d  im  absoluten  Auslaut 
1.  gada  awiliud  izei  gaf  ...  1.  Kor.  15, 57  B  {awiliup  A).  —  guda 
awiliud  ^mma   sifiteino  ustaiknjandin   2.  Kor.  2,  14  B    {awiliup  A). — 


Gotica.  397 

awiliud  ufarassjai  2.  Kor.  4,  15  B.  —  awiliud  gada  2.  Kor.  8,  16  B 
{awiiiuß  A).  9, 15  B. 

2.  jabai  salt  band  wairpip  Luk.  14,  34. 

3.  braid  daur  Matth.  7,  13. 

4.  8u?e  miß  sis  haband  brußfad  ni  magun  fcutan  Mark.  2, 19. 

5.  faheid  mihüa  Luk.  2, 10.  —  fahed  izwara  Joh.  16, 22.  —  fahed 
meina  Joh.  17, 13.  —  uafulleiß  meina  fahed  ei ßata  eamo  hugjaiß  Phil.  2,  2. 

6.  AU  bagme  ni  taujandane  akran  god  uemaitada  Matth.  7,  19. 
Luk.  3,  9.  —  taujands  akran  god.  hoarjizuh  .  .  .  Luk.  6,  43.  —  god  ist  unsie 
Luk. 9, 33.  —  ^od  Bah  Luk.  14, 34.  —god  sinteino  1. Thess. 3,6B.  —  god  ist 
witoß  1.  Tim.  1, 8  B  (goß  A).  —  god  J ah  andauern  1.  Tim.  2, 3  (A und B).  5,4 B. 

7.  grid  goda  fairwaurkjand  1.  Tim.  3, 13.  A. 

8.  haubid  meinata  Luk.  7,46.  —  galagidedun  imma  ana  haubid 
joh  wastjai  ....  Joh.  19,  2. 

^,  kad  gaggis  Joh.  13,  36. 

10.  jugga-laud  du  ßue  qißa :  urreis  Luk.  7,  14.  —  ei  andnimaina 
sama-laud.  sweßauh  .  .  .  Luk.  6,  34.  —  swa-laud  melis  miß  izune  was 
Joh.  14,  9.  Gal.  4,  1  A. 

11.  ei  .  .  ,  saihaina  liuhad,  ni  auk  iet ,  .  .  ,  Luk.  8, 16.  —  liuhad 
nist  in  imma  Joh.  11, 10.  —  »ä:  liuhad  in  ßamma  fairhau  qam  Joh.  12,46. 

12.  usiddja  Lod  us  Saudaumim  Luk.  17,  29. 

13.  manased  alla  Luk.  9,  25.  —  ik  insandida  ins  in  ßo  manased 
joh  fram  im  ik  weiha  mik  süban  Joh.  17,  18.  nih  ßan  qam  ei  etcjau 
manased  ak  ei  ganasjau  manased.  saei  .  .  .  Joh.  12,  47. 

14.  ßatei  garaid  sijai  izwis  Luk.  3,  13. 

15.  ßishdh  ßatei  gariud  ßish^ah  ßatei  garaiht  Phil.  4,  8. 

16.  sad  itan  Luk.  15, 16. 

17.  Saud  qiwana  Rom.  12, 1  (Garolinus). 

18.  bigat  st  ad  ^rei  was  gamelid  Luk.  4,  17.  —  galaiß  ana  außjana 
st  ad  jah  manageins  sokidedun  ina  Luk.  4,  42.  —  stad  "parei  Joh.  10,  40. 

45  Belege,  10  Ausnahmen. 

2.  Imper.,  1.  3.  Sing.  Perf. 

1.  anabiud  ]>ata  1.  Tim.  4,  11,  B.  — jah  ßata  anabiud  ei  unga- 
fairinodos  sijaina  1.  Tim.  5,  7  (A  und  B). 

2.  ßatei  anabaud  Moses  Luk.  5, 14.  —  unte  anabaud  ahmin  Luk. 
8,  29.  — jah  anabaud  izai  Luk.  8,  55. 

3.  jah  is  faurbaud tmma Luk. 5, 14. — iß is  faurbaud im Luk.8, 56. 

4.  bad  ina  Luk.  5,  12  8,  31.  41  15,  28.  —  sa  Fareisaius  standands 
eis  ßo  bad :  guß,  awiliudo  ßus  .  .  .  Luk.  18, 11.  —  ßatei  filu  ina  bad  ei  is 
qemi  ...  1.  Kor.  16,  12  B. 

5.  jah  afskaiskaid  sik  Gal.  2, 12  B. 

15  Belege,  2  Ausnahmen. 

Partizipia  Perf. 

1.  bam  .  . .  galagid  in  uzetin  Luk.  2,  12. 

2.  gamelid  ist  Luk.  2,  23;  3,  4;  4,  4.  8.  10;  7,  27.  —  ßarei  was 
gamelid:  ahma  fraujins  ana  mis  Luk.  4, 17. 


396  W.  Streitberg, 

3.  gaaulid  auk  toaa  ana  pamma  9laina  Luk.  6,  48. 

4.  ha  uaiddjedup  in  außida  saüvan?  raus  fram  winda   wmgii? 
akei  ha  usiddjedup  saihan  ?  Luk.  7,  24. 

10  Belege,  keine  Ausnahme. 

3.  Person  Singularis. 
I.  Lukasevangelium. 

1.  gabairid  sunu  1,  13. 

2.  leißu  ni  drigkid  jah  ahmins  weihis  gafulljada  1,  15. 

3.  fauraqimid  in  andwairpja  is  1, 17. 

4.  gibid  imma  frat^fa  1,  32. 

5«  mahts  Iwuhistina  ufarskadweid  ^us  1,  35. 

6.  mikileid  saiwala  meina  1,  46. 

7.  swegneid  ahma  meine  1,  47. 

8.  libaid  manna  4,  4. 

9.  ßatei  wcUdufni  habaid  sa  sunus  5,  24. 

10.  plat  snagins  niujis  ni  lagjid  ana  snagan  fair^ana  5,  36. 

11.  aippau  Jah  sa  ninja  aftaurnid  jah  ...  5,  36. 

12.  pamma  fair^jin  ni  gatimid  ^ata  5,  36. 

13.  aifishun  ni  giutid  wein  5,  37. 

14.  aippau  distairid  ^ata  b,  37. 

15.  usbairid  ^iup  ....  usbairid  ubil  6,  45. 

16.  müh  aUis  ufarfullein  hairtins  rodeid  munps  is  6,45. 

17.  gahailnid  sa  piumagus  7,  7. 

18.  jah  qipa  du  pamma  :  gagg  jah  gaggid  jah  anparamma:  7,  8. 

19.  qim  her  jah  qimid  jah  du  skalka  meinamma :  7,  8. 

20.  tawei  pata,  jah  taujid.  gahausjands  pan  pata  lesus  ...  7,  8. 

21.  saei  gamanweid  wig  peinana  7,  27. 

22.  hapar  nu  pize^  qip,  mais  ina  frijod?  andhafjands  pan  Seitnon 
qap.  .,  7,  42. 

23.  pammei  leitil  fraletada,  leitil  frijod.  qapuh  pan  ...  7,  47. 

24.  pizuh  8unu8  mans  skamaid  sik  9,  26. 

II.  Johannesevangelium. 

25.  saei  galaubeip  du  mis  pauh  ga-ba-daupnip^    libaid  jah  hazuk 
saei  libaip  ...  11,  25. 

26.  saei  frakann  mis  .  .  .  habaid  ^ana  stojandan  sik  12,  48. 

27.  saei  galaubeid  mis  14,  12. 

28.  saei  habaid  anabusnins  meinos  14,  21. 

29.  duppe  fijaid  izwis  so  manaseps  15,  19. 

30.  qifU)  pan  bairip  saurga  habaid  utUe  qam  heila  izos  16,  21. 

31  Belege,  11  Ausnahmen. 

2.  Person.  Plur. 
I.  Lukasevangelium. 

1.  bigitid  barn  2,  12. 

2.  manweid  wig  fraujins  3,  4. 


Gotica.  399 

3.  ni  mantMhhun  anamahijaidjah  taMaip  annom  iztcaraim  3, 14. 

4.  athahid  po  natja  izwara  5,  4. 
6.  nu  manne  siud  nutans  5,  10. 

6.  e»  trt^tf^d  I)a<a  tpcUdufni  habaid  sa  sunus  5,  24. 

7.  rfufee  m»^  /atm  tnotarjam  .  .  .  matjid  jah  drigkid?  Jah  and- 
fjands  ...  6,  30. 

8.  ni  magud  sununs  brupfadis  . . .  gataujan  feuian  5,  34. 

9.  ha  taujid  ^ei  ni  skuld  ist  tat^an  6,  2. 

10.  ni  pata  ussuggwud  ^atei  gatatoida  Dawtid  6,  3. 

11.  faginod  in  jainamma  daga  6,  23. 

12.  jäh  laiJcid  unte  sai  mizdo  izwara  managa  6,  23. 

13.  unte  ju  habaid  gaplaiht  iztoara  6,  24. 

14.  utUe  gaunon  jah  gretan  duginnid.  Wai  pan  .  .  .  6,  25. 

15.  frijod  T^ans  hatandam  izwis  6,  27. 

16.  waHa  taujaid  \)aim  fijandam  izwis  6,  27. 

17.  bidjaid  iram  paitn  anamahtjandam  izwis  6,  28. 

18.  Jah  ewaetce  wileid  ei  taujaina  izwis  mans  ...  6,  31. 

19.  jah  jus  taujaid  im  6,  31. 

20.  jabai  frijod  ^^ans  frijondans  izwis  .  .  .  6,  32. 

21.  jabai  piup  taujaid  \aim  piup  taujandam  izwis  ...  6,  33. 

22.  jabai  leikid  Iram  paimei ...  6,  34. 

23.  paimei  weneid  andniman  6,  34. 

24.  frijod  \ians  fijands  iztcarans  6,  36. 

25.  piup  taujaid  jah  ...  6,  35. 

26.  leihaid  ni  waihtais  uswenans  6,  35. 

27.  wairpaid  bleipjandans  6,36. 

28.  jah  ni  stojid  ei  ni  stojaindau  6,  37. 

29.  ni  afdomjaid  jah  ni  afdomjanda  6,  37. 

30.  fraletaid  jah  fraletanda  6,  37. 

31.  gibaid  jah  gibada  izwis  6,  38. 

32.  pizai  auk  samon  mitadjon  pizaiei  mitid  mitada  izwis  6,  38. 

33.  ha  mik  haitid  [rauja  6,46. 

34.  jah  ni  taujid  '^^atei  qipa  6,  46. 

35.  faginod  in  pammei  10,  20. 

II.  Johannesevangelium. 

36.  jus  wopeid  mik  laisareis  13,  13. 

37.  jabai  friapwa  habaid  mip  izwis  misso  13,  35. 

38.  jabai   mik   frijop,  anabusnins   meines    fastaid  jah    ih    bidja 
tan  14, 15. 

39.  jabai  anabusnins  meinos  fastaid^  sijup  infriapwai  meinai  15,10. 

40.  in  pamma  fairhau  aglons  habaid  akei  prafsteip  izwis  16,  33. 

III.  Paulin.  Briefe. 

41.  jahpoei  ist  us  Laudeikaion,  jus  ussiggwaidjah  qipaip  Ärkippau 
.  Kol.  4,  16. 

42  Belege,  15  Ausnahmen. 


4/00  W.  Streitberg, 

B.  -ifo. 

1.  unte  sa  bruß-fads  miß  im  ist  Luk.  5,  M,  — jah  ßan  affUmaäa 
af  im  sa  brup-fads  jah  ßan  fastand  Lok.  5,  35.  —  inaandida  du  iwm§ 
8a  hunda-fads  irijonda  Luk.  7,  6. 

2.  fahedsjah  swegnipa  Luk.  1, 14.  —  fdhedg  wairßiß  Luk.  16,  7. 10. 

—  faheda  izwara  Job.  15,  11.  —  faheda  aüaize  izwara  2.  Kor.  2,  3  B 
(fakeps  A).  —  friapwa  faheds  gawairßi  . . .  Gal.  6,  22  B  (faheßä  A). 

3.  ni  sijais  galiugaweitwods,  ni  anamaktjais  Mark.  10, 19.  — 
m  galiugaiceitteods  sijais  Luk.  18,  20.  —  galiugaweitwods  gtidit 
1.  Kor.  15, 15  A. 

4.  is  gods  ist  Luk.  6,  35.  —  bagma  gods  taujanda  akran  Luk.  6, 43. 

—  ik  im  hairdeia  gods,  hairdeia  aa  goda  . .  Job.  10, 11.  —  awe  godi 
gadrauhta  2.  Tim.  2,  3  B. 

5.  gafaura  gaatigoda  laiaeiga  1.  Tim.  3,  2  (A  und  B).  —  gaati- 
goda  hleipa  .  . .  Tit.  1,  8  B. 

6.  gaguda  ragineia  Mark.  15,  43. 

7.  ip  un-leds  suma  waa  Luk.  16,  20. 

8.  ao  mana-aeda  afar  imma  galaip  Job.  12,  19.  — jabai  ao  mana- 
aeda  izwia  fijai  Job.  15, 18.  —  ao  mana-aeds  swesana  frijodadi  Job.  15, 19. 

9.  miaaa-deda  ize  Rom.  11, 12  A. 

10.  mitada  goda  Luk.  6,  38. 

11.  andapdhta  ga-riuds  fropa  1.  Tim.  3,  2  (A  und  B). 

12.  aada  wairpan  Pbil.  4, 12. 

13.  jah  nauh  atada  iat  Luk.  14,  22. 

14.  bap  ina  aaei  tcaa  wo  da  ei  mip  imma  tceai  Mark.  5,  18. 

31  Belege,  8  Ausnahmen. 

Partizipia  Perf. 

1.  at-augida  iat  1.  Kor.  15, 5  A.  —  a^-au^»rf«  M«r^  I.Tim. 3, 16Ä. 

2.  un'ga-fairino[n]d8  wisan  1.  Tim.  3,  2  B  {-opa  k).  —  jabai 
haa  iat  un'ga-fairino[n]da  ainaizoa  qenaia  aba  Tit.  1,  6  B. 

3.  ufar-hauhida  in  ataua  1.  Tim.  3,  6  A. 

4.  ga-hrainida  waa  Luk.  4,  27. 

5.  jah  and'hulida  wairpai  2.  Thess.  2,  3  A. 

6.  ga-lapoda  warp  1.  Kor.  7,  18  A. 

7.  ip  ga-manwids  hoarjizuh  wairpai  Luk.  6,  40. 

8.  merida  warp  1.  Tim.  3,  16  A. 

9.  mikilids  iram  allaim  Luk.  4, 15. 

10.  namnids  sijai  1.  Kor.  5,  11  A. 

11.  uf  waldufnja    ga-aatids    habatida   uf  mia   ailbin   gadrauhtins 
Luk.  7,  8. 

12.  ga-aweraids  warp  Joh.  13,  31. 

13.  niat  ga-piwaida  bropar  1.  Kor.  7,  15  A. 

14.  ga-waaida  was  Luk.  16,  19. 

15.  ga-weihaida  iat  1.  Kor.  7,  14  A. 

17  Belege,  4  Ausnahmen. 


Gotica.  401 

2.  Got  ni  waikts. 

Der  Nominativ  oöö^v,  ^riö^v  wird  im  Gotischen  auf  doppelte 
Weise  wiedergegeben:  durch  ni  tmihts  und  durch  ni  tmiJU, 
In  früherer  Zeit  pflegte  man  im  Anschluß  an  Gabelentz-Löbes 
Bemerkung  zu  Mark.  7,  15  beide  Verbindungen  so  von  einander 
zu  unterscheiden,  daß  man  als  Subjekt  ni  waihtj  als  Prädikat 
dagegen  ni  u?aihts  berechtigt  glaubte.  Diese  Theorie  war  jedoch 
nicht  ohne  gewaltsame  Eingriffe  in  den  Stand  der  Überlieferung 
durchzuführen:  man  mußte  sich  entschließen,  den  Text  von 
Mark.  7,  15  ni  waihts  ist  utapro  mans  in  ni  waiht  zu  ändern 
und  umgekehrt  an  den  Stellen  ni  waiht  tvisands  Gal.  6,  3,  ni 
Umait  waiht  ist  Gal.  6,  15  waihts  für  toaiht  einzusetzen.  Mit 
Recht  hat  Bernhardt  Vulfila  S.  287  die  grammatische  Be- 
rechtigung dieser  Konjekturen  geleugnet.  Eine  befriedigende 
Erklärung  der  merkwürdigen  Doppelheit  hat  aber  auch  er  nicht 
gegeben.  Denn  wenn  er  meint:  "Vielmehr  ist  wahrscheinlich 
das  Wort  ursprünglich  Femininum  (waihts)  und  *erst  nach  und 
nach  durch  die  häufige  Verbindung  mit  wt,  in  der  es  fast  aus- 
schließlich auftritt,  für  den  Begriff  nichts  ungeschlechtig  ge- 
worden' (Leo  Meyer  S.  91)",  so  läßt  sich  gegen  diesen  Gedanken- 
gang zwar  nichts  Wesentliches  einwenden,  den  Weg  aber,  auf 
dem  man  zur  Neuerung  gekommen  sei,  vermag  auch  er  uns 
nicht  zu  zeigen.  Und  die  unmittelbar  folgenden  Worte :  "Die 
hier  eingetretene  Synesis  (inngaggando^  ßatei)  zeigt  den  Über- 
gang" sind  ohne  nähere  Erläuterung  zu  mindesten  mißverständlich. 

Im  allgemeinen  scheint  sich  ihm  Bethge  in  Dieters  Laut- 
und  Formenlehre  S.  575  Anm.  2  anzuschließen,  wenn  er  sagt: 
"Ein  neutraler  Nom.  *waiht  kommt  in  der  Verbindung  m  waäit 
'nichts'  neben  älterm^)  (aber  seltnerm)  ni  waihts  vor".  Wenn 
aber  Bethge  fortfährt:  "Übrigens  ist  Skeir.  11  d  auch  der  Akku- 
sativ Plur.  waihts  als  Neutrum  behandelt,  ebenso  der  Nominativ 
Sing,  ni  waihts  Mark.  7,  15",  so  wird  wohl  mancher  Leser  stutzig 
werden.  Er  wird  sich  unwillkürlich  fragen,  ob  wirklich  diese 
ausgesprochen  geschlechtigen  Formen  als  Neutra  gefaßt  seien. 

Skeir.  2,  18  heißt  es  dem  Sinne  nach:  Da  der  Mensch  aus 
zwei  Wesenheiten  besteht,  aus  Leib  und  Seele,  also  einer  sicht- 
baren und  einer  geistigen,  hat  Christus  sachgemäß  bei  der  Tauf- 
handlung zwei  entsprechende  Substanzen  genannt,  nämlich  das 

1)  Von  mir  gesperrt. 


402  W.  Streitberg, 

sichtbare  Wasser  und  den  nur  der  Vorstellung  zugänglichen  Geist 
—  dußPe  gatemiba^  and  ßana  ßize  Und,  jah  twos  ganammda 
waihts^  Sicesa  bajoßum  du  daupeinais  garehsnai  ijahßaia  raHtii 
anasiunjo  wato  jah  ßana  andaßaktan  ahman . . .  Daß  hier  der 
Akk.  PL  tDaihts  ebensowenig  Neutrum  ist  wie  der  Akk.  PL  waihtim 
(bi  ßo$  gafuUatceisidans  in  uns  tüaihUns  Luk.  1,  1)  erhellt  aus 
der  femininen  Form  des  Pronomens  (ßos)  unmittelbar.  Bethge 
hat  sich  durch  das  folgende  Neutrum  swesa  irre  führen  lassen; 
aber  dieses  ist  hier  ebensowohl  substantivisch  gebraucht 
(griech.  id  Töia)  wie  1.  Thess.  4,  11:  Jah  taujan  aufesa'  m 
iTpdcc€iv  id  fbia  Die  Stelle  ist  also  so  durchsichtig  wie  möglich 
und  hat  keineswegs  die  Bedeutung,  die  ihr  von  Bethge  zuge« 
schrieben  wird. 

Etwas  anders  liegt  die  Sache  beim  zweiten  2iitat  Es  lautet 
vollständig:  ni  waihts ist  iUaßro  tnans  inngaggando  in  ina  ßat$i 
tnagi  ina  gamainjan  *  ovhiv  icnv  Öuj9€V  toö  <iv9pdi7rou  €iarop€u6- 
^levov  €{c  auTÖv  8  öiivaiai  auTÖv  KOiviDcai  (Mark.  7,  15).  Sowohl 
inngaggando  wie  ßatei  sind  unzweifelhafte  Neutra.  Wenn  man 
nicht  annehmen  will,  daß  das  neutrale  Geschlecht  beider  Wörter 
eine  rein  mechanisclie  Nachahmung  der  griechischen  Neutra 
dcTTOpeuöfievov  und  6  sei  —  und  ich  glaube,  zu  dieser  ver- 
zweifelten Ausflucht  wird  sich  niclit  leicht  ein  Forscher  verstehen 
— ,  so  seheint  nur  die  Erklärung  ßernliardts  übrig  zu  bleiben, 
die  in  der  Verbindung  des  Nominativs  waihts  mit  neutralen  Be- 
stimmungswörtern einen  *  Übergangszustand*,  eine  Etappe  auf 
dem  Wege  vom  ui-sprünglichen  Femininum  zu  dem  später  auch 
formell  charakterisierten  Neutiiini  erblickt. 

Ich  muß  bekennen,  daß  ich  eine  solche  Auffassung  nicht 
zu  teilen  vermag.  Daß  ein  Nominativ  auf  -s  neutrales 
Geschlecht  habe,  ist  so  unerhört,  daß  es  stärkerer  Beglaubigung 
bedürfte  als  die  einzige  Stelle  bieten  kann,  ehe  man  eine  solcho 
Seltsamkeit  hinzunehmen  geneigt  wäre. 

Sind  wir  aber  wirklich  gezwungen,  ein  solches  Unikum 
anzuerkennen?  Ich  glaube  nicht  Denn  man  hat  bisher  eine  ebenso 
einfache  wie  einleuclitendo  Erkläningsmöglichkeit  übersehen: 
die  Fügung  ni  waihts  kann  den  Genitiv  Sing,  jenes 
konsonantischen  Stammes  enthalten,  dessen  Akkusativ 
Pluralis  durch  die  Skeireins  belegt  ist 

Formell  steht  dieser  Deutung  kein  Hindernis  entgegen: 
denn  waihts  ist  ein  ebenso  regelrechter  Genitiv  wie  baurgs.  Syn- 


Gotica.  403 

taktisch  aber  ist  sie  nicht  bloß  zulässig,  sondern  der  bisherigen 
Auffassung  unzweifelhaft  weit  tiberlegen. 

Man  weiß,  daß  die  alte  slavische  Sitte,  einen  partitiren 
Genitiv  von  der  Negation  abhängen  zu  lassen,  auch  im  Germa- 
nischen noch  in  Spuren  nachweisbar  ist^).  Im  Gotischen  sind  flg. 
deutliche  Beispiele  voriianden:  ni  was  im  rumia-  ouk  i^  aurok 
TOTTOc  Luk.  2,  7 ;  vgl  ne  bißma  mista  (Zographensis).  —  ni  uwa 
im  barne'  oök  i^v  auToTc  t^kvov  Luk.  1,  7;  vgl.  ne  bi  ßma  dfda, 
—  ni  bilißun  barne'  ou  Kcrr^mov  T^Kva  Luk.  20,  31;  vgl.  ne 
ostavhSe  c§db,  —  jabai  .  . .  barne  ni  bUeißai'  iäv  . .  .  T^Kva  juti*! 
dcpfj  Mark.  12,  19;  vgl.  a  d§db  ne  ostavitb,  —  etce  lamba  ni  ha- 
bandana  hairdeis'  ouk  fxovra  Troijidva  Matth.  9,  36;  yg\.jako^e 
avhcg  ne  im^§  pastucha.  —  in  ßieei  ni  hdbaida  diupcAzoe  airp08' 
b\ä  TÖ  firi  Ixeiv  ßdOoc  tflc  Mark.  4,  5.  —  ni  ßau  habaidedeiß 
frawaurhiais'  ouk  Sv  cIxctc  d^apTiav  Joh.  9,  41;  vgl.  ne  biete  imili 
ffricha.  —  inilone  ni  haband'  Ttpocpaav  oök  Jxo^civ  Joh.  15,  22; 
vgl.  gricha  ne  bg  imili,  —  ni  habandein  tcamme  aißßau  maäe 
aißßau  ha  swalikaize'  |ui*|  Jx^^cav  cniXov  f|  ^uriöa  f\  xi  xdiv  toioü- 
Tu)v  Eph.  5,  27.  —  arbaide  ni  ainshun  mis  gansjai'  xfrirouc  ^loi 
^iTiöeic  7Tap€X^TUj  Gal.  6,  17.  Andres  ist  weniger  durchsichtig. 

Diese  Genitivkonstruktion  ist  eine  Altertümlichkeit; 
neben  ihr,  sie  verdrängend,  erscheint  häufig  die  normale  Kon- 
struktion. Vgl.  Mark.  4,  5  (unmittelbar  vor  dem  eben  zitierten 
Passus)  ni  habaida  airßa  managa-^  Mark.  8,  16  Maibans  ni  h(d>am; 
vgL  cklSbb  ne  imamfb]  Mark.  12,  20  m  büaiß  fraitea,  vgl.  ne  oeta- 
vi  simene;  Luk.  8,  16  ni  manna  lukarn  tcmdjands  dishidßß  ita 
kasa.  —  Mark.  12,  32  ains  ist  jah  nist  anßar  älja  imma^  vgl. 
jedim  jestb  i  nistb  inogo  razvi  jego  usw. 

Mit  ni  uHis  rumis,  ni  was  barne  steht  also,  meiner  Auf- 
fassung nach,  ni  imihts  ist  auf  einer  Linie.  Die  altertümliche 
Formel  erscheint  außer  Mark.  7, 15  nur  noch  an  flg.  Stellen; 
so  hauheins  meina  ni  waihts  ist '  f\  höEa  )liou  ovbiv  knv  Joh.  8, 54. 
ßata  bimait  [ni  waikt]  ni  waihts  ist '  i]  7r€piT0)uf|  oxjhiv  Icnv 
1.  Kor.  7, 19.  ni  waihts  im  '  ovbiv  ei\xi  1.  Kor.  13,  2.  jah  jabai  ni 
waihts  im'  d  Kai  oööev  ei\i\  2.  Kor.  12, 11«). 

1)  Zuerst  hat,  soviel  ich  sehe,  J.  Grimm  Gramm.  4:,  691  auf  sie 
hingewiesen.   Vgl.  auch  Bernhardt  ZZ.  2,  292  fr. 

2)  Die  im  1.  Korintherbrief  10,  20  in  den  Text  gedrungene  Glosse 
n$y  ßaiei  ßo  galiuffttguda  waihts  sijaina  •  oöx  öri  etbuoXov  ^ct(v  ti  gehört 
nicht  in  diesen  Zusammenhang,  da  waihts  ohne  Negation  steht  und  griech. 
tI  wiedergibt. 


404  W.  Streitberg, 

Eine  nähere  Bestimmung  zu  m  toaihts  findet  sich  nur 
Mark.  7, 15.  Wenn  hier  das  Neutrum  steht,  wenn  es  heißt 
fU  waihts  ist  utaßro  mans  inngaggando  in  ino,  ßatei  magi  im 
gamainjan^  so  folgt  daraus  ebensowenig,  daß  der  Oenitiv  waikU 
neutral  sei,  wie  aus  Job.  15, 2  aK  taine  in  mis  unbairandane  akran 
goß,  usnimiß  ita  oder  1.  Tim.  4, 4  oS  gaskaftais  gudis  goß  auf  das 
neutrale  Geschlecht  von  tains,  gaskafts  geschlossen  werden  darf. 

Wohl  aber  ist  es  begreiflich,  daß  eine  solche  Konstruktion 
unverständlich  werden  mußte.  Die  Form  tpoihts  war  doppel- 
deutig; dem  Sprachgefühl  der  Spätem  mußte  es  am  nächsten 
liegen,  sie  als  Nominativ  aufzufassen.  Durch  diese  Ver- 
schiebung aber  entstand  ein  Zwiespalt  zwischen  Bildimgsart 
und  Genus.  Diesem  Widerspruch  ward  durch  die  Neuschöpfung 
waiht  ein  Ende  gemacht.  Nun  erst  herrscht  wieder  völlige 
Übereinstimmung  in  Sätzen  wie  Matth.  10,  26  ni  waiht  auk  M 
gahuliß  ßatei  ni  andhtdjaidmi,  jäh  fulgin ßatei  ni  uPcunnaidau] 
Köm.  14,  1^  ßatei  ni  waiht  gawamm  ßairh  sik  silbo;  1.  Tim.  4,4 
jah  ni  waiht  du  uswaurpai  miß  atoüiudam  andnuman\  Tit  1,15 
ungalaubjandam  ni  waiht  hrain. 

Nachdem  ni  leailU  einmal  entstanden  war,  den  eben  be- 
rührten Widerspi-uch  zu  beseitigen,  verdrängte  es  das  alter- 
tümlichere ni  icaihts  auch  in  Fällen,  wo  dies  keinen  Anstoß  ge- 
geben hätte,  vgl  ni  waiht  ßus  jah ßamma  garaihtin 'MatÜh  27, 19: 
7ii  waiht  pannu  nu  wargißos  ßaim  in  Xristau  lesu  ni  gaggandam 
hi  leika  Rom.  8,  1;  ni  waiht  mis  wtdßris  ist  Gtil.  2,  6;  ni  waiht 
wisands  Gal.  6,3;  unte  nih  bimait  waiht  ist  Gal.  6,15. 

Wie  hier  im  Gotischen,  so  wird  auch  in  den  übrigen 
germanischen  Dialekten  das  neuti'ale  Geschlecht  von  uixti- 
aus  der  Verbindung  mit  der  Negation  erwachsen  sein. 

3.  Spirantendissimilation  und  Kompositum. 

In  seinem  schönen  Aufsatz  über  den  gotischen  Spiranten- 
wechsel (IF.  8,  208  ff.)  schreibt  Thurneysen:  ^'Ausgenommen 
sind  ...  die  Konsonanten  der  zweiten  Glieder  der  Nominal- 
komposita, da  für  diese  der  Konsonantismus  des  Simplex  maß- 
gebend bleibt,  nicht  nur  im  Anlaut  des  zweiten  Gliedes  wie 
weinagards,  lusttisams,  sondern  auch  im  Inlaut:  afgudei,  Ahmod-a, 
andaugi,  gariudi,  andawizns,  wailwcizns,  andatrleizn,  faihugeigo, 
framwigis,  gastigodei,  hraiwadnbo,  kunawida  usw.;  andastaßjis. 
ataßni,  gaskoh,  lausiqißrs,  unqeßja  (Dat.),  fidtco)iaihun  usw.   Das 


Gotica.  405 

gilt  auch  für  solche  Komposita,  deren  zweites  Glied  als  Simplex 
in  dieser  Gestalt  nicht  belegt  ist;  vgl.  etwa  noch  die  Wörter 
auf  'laußs:  swalaud,  helaudoj  samcUaud,  jtiggalatid  neben  laudi 
oder  fidurdogs  .  .  .  ahtaudogs  neben  dags  usw.  Immerhin  ist 
zweifelhaft,  ob  dies  immer  so  gewesen^);  vielleicht  darf  8 
in  tceinabasi  gegenüber  ahd.  beri  oder  d  in  hruPfadis,  hunda- 
fada^  ßu8undifadim,  sgnagogafade  gegenüber  griech.  ttögc  ind. 
patih  als  Wirkung  unserer  Regel  betrachtet  werden  ..." 

Ich  glaube,  daß  Thumeysens  Vermutung  manches  für  sich 
habe.  Freilich,  die  Beispiele,  die  er  anführt,  sind  keineswegs 
einwandsfrei.  Die  Zusammensetzungen  mit  -fads  sind  als  Beweis- 
stücke schwerlich  zu  verwenden;  denn  das  im  Vergleich  zu 
pdti9  TTÖGC  'unregelmäßige'  d  wird  eher  auf  einer  vorgerma- 
nLschen  Betonung  beruhen,  die  mit  jener  der  indischen  Kompo- 
sita gandpati^^  gfhdpati^^  g(ipati9  übereinstimmt.  Vgl.  Kluge 
German.  Konjugation  S.  25  Fußnote,  Hirt  Idg.  Akzent  S.  319. 
Verlockender  scheint  es  auf  den  ersten  Blick,  das  s  von  weitM- 
bctöi  durch  das  Dissimilationsgesetz  zu  erklären ;  aber  auch  hier 
setzen  sich  kaum  zu  überwindende  Schwierigkeiten  entgegen: 
zur  gotischen  Form  stellt  sich  nämlich  neundl.  bes  clev.  bese^  auf 
die  Kluge  KZ.  26,  94  liingewiesen  hat  Der  Wechsel  von  s  und  z 
wird  in  -basi  daher  nicht  als  eine  Wirkung  des  Dissimilations- 
gesetzes gelten  dürfen,  sondern  dem  bekannten  Tonwechsel  zu- 
zuschreiben sein,  der  Singular  imd  Plural  der  neutralen  o-Stämme 
unterscheidet,  vgl.  Hirt  IF.  7, 119  ff.  Dann  verhält  sich  basi :  beri 
wie  kos :  aisl.  ker^  raus :  ahd.  ror^  bloß  :  bltiot  u.  a.  m. 

Nur  dann,  scheint  mir,  läßt  sich  aus  der  lÄutform  gotischer 
Komposita  ein  Schluß  auf  die  Wirkung  des  Dissimilationsge- 
setzes ziehen,  wenn  diese  Lautform  isoliert  ist  und  im  Wider- 
spruch zu  jener  der  übrigen  germanischen  Dialekte  steht. 

Zwei  oder  drei  Beispiele  genügen  diesen  Bedingungen; 
sie  sind  aber  leider  aus  Gründen  anderer  Art  nicht  eindeutig. 

Got  ganohs  könnte  man  wie  niuklahs  beurteilen.  An  der 
ursprünglichen  Betonung  des  Präfixes  geh  ist  nach  dem,  was 
Kluge  KZ.  26,  68  ff.  beigebracht  hat,  nicht  zu  zweifeln ;  dem 
gotischen  h  steht  nord-  und  westgermanisches  g  gegenüber,  ohne 
daß  man  an  vorgermanischen  Akzentwechsel  denken  dürfte.  Trotz- 
dem ist  das  Beispiel  nicht  vertrauenswürdig,  da  sein  h  aller 


1)  Von  mir  gesperrt. 
IndofermaDiiche  Forachuiigen  XVIII.  ^ 


406  W.  Streitberg,  Gotica. 

Wahrscheinlichkeit  nach  nur  der  Assoziation  an  yanah  sein  Dt- 
sein  verdankt 

Ähnlich  steht  es  mit  and-^cairßs^  Adv.  andwairßiSj  and- 
wairßi.  Das  Westgermanische  zeigt  durchgehends  stimmhafte 
Spirans,  vgl.  ae.  andweard^  as.  andioard^  ahd.  atUwart^  anhpert 
jViit  Kluge  KZ.  26,  84  an  grammatischen  Wechsel  zu  denken  und 
für  das  got  Adjektiv  eine  Grundform  *anda-wirpch  zu  konstru- 
ieren, geht  heute  nicht  mehr  an.  Die  Formen  wären  tadeUose 
Beispiele  für  die  Wirksamkeit  des  Spirantendissimilationsgesetaes 
in  Kompositis,  wenn  nicht  die  Möglichkeit  bestünde  ihr  p  dem 
Einfluß  des  Yerbums  toairpan  zuzuschreiben.  Dies  trifft  auch 
für  das  Paar  gawairpi :  ahd.  gitvurt  zu.  Auch  gilt  für  andwairpi 
und  gawairpi  zugleich  das  bei  -basi  Bemerkte. 

Ein  Beispiel  aber  gibt  es,  das  allen  Anforderungen  zu 
entsprochen  scheint.  Es  ist  dies  gabaurPs,  Dem  gotischen  p  steht 
in  den  westgennanischen  Dialekten  überall  d  gegenüber,  vgl 
ae.  g^yrd^  afries.  berthe^)  berde^  as.  gtburd^  ahd.  giburt. 

Daß  hier  die  stimmhafte  Spirans  das  Ursprüngliche  sei, 
unterliegt  nicht  dem  mindesten  Zweifel.  Das  Simplex  betont  im 
Rigveda  nur  die  Endsilbe,  vgl.  bhfti-;  die  beiden  Komposita  tragen 
den  Akzent  auf  dem  ersten  Glied,  vgl.  sd-bhfti-  und  idhmä-bhjrti-. 
Außerdem  besteht  bekanntlich  für  die  Verbalabstrakta  auf  -f»  die 
Akzentregel,  daß  bei  Ableitungen  von  Verben,  die  mit  Präpo- 
sitionen zusammengesetzt  sind,  die  Präposition  den  Ton  trägt 
Die  Übereinstimmung  zwischen  dem  Yedischen  und  dem  Grie- 
cliischen  sichert  diesem  Gesetz  lu-sprachliche  Geltung.  Vgl.  Lindner 
Altind.  Nomiuidbildung  S.  76. 

Ein  lebendiger  Akzentvvechsel  hat  bei  den  i-Stämmen  schon 
zur  Zeit  der  Sprachtrennung  kaum  melir  bestanden.  Daß  er  in 
einer  frühern  Periode  des  Indogermanischen  einmal  vorhanden 
gewesen  sei,  soll  damit  natürlich  nicht  geleugnet  werden;  nur 
davor  sei  gewarnt,  die  überlieferten  Doppelformen  samt  und 
sonders  ohne  weitei-s  aus  jenem  ui"sprünglichen  Paradigma  mit 
wechselnder  Betonung  herzuleiten.  Sie  gehören  sehr  verschie- 
denen Zeiten  an  und  sind  sehr  verschieden  zu  beurteilen. 

Xun  ist  neben  dem  vedischen  bhiii-  im  Satapathabrähmana 
ein  einziges  Mal  auch  die  Form  bhfti-  belegt  Ich  glaube  nicht 
daß  jemand  wagen  möchte,  dieses  änai  XeT6^evov  für  die  Alter- 


1)  Vgl.  van  Helteii  Altostfricsische  Grammatik  S.  97. 


E.  Lid4n,  Altenglische  Miszellen.  407 

tümlichkeit  des  p  von  gahaurp%  ins  Treffen  zu  führen.  Sollte 
dies  jedoch  wider  Erwarten  der  Fall  sein,  so  ist  zu  bemerken, 
daß  auch  dieser  Kronzeuge  nicht  frommen  kann,  da  es  sich  bei 
dem  gotischen  Worte  um  ein  Kompositum  handelt,  auf  dieses 
aber  die  vorhin  erwähnte  Akzentregel  Anwendung  findet,  gleich- 
viel, welches  der  Akzent  des  Simplex  ist 

Unter  diesen  Umständen  bin  ich  der  Ansicht,  daß  sich 
der  stimmlose  Spirant  der  gotischen  Form  nur  durch  das 
Dissimilationsgesetz  ungezwungen  und  befriedigend  erklären 
lasse.  Ein  aus  urgermanischer  Zeit  ererbtes  jef-ftur-df-  ist  nach 
Thurneysens  Regel  zu  got.  gabaurßi^  geworden. 

Münster  i.  W.  Wilhelm  Streitberg. 


AltengUsehe  Miszellen. 

■^  •  1.  Ae.  mearh. 

In  den  altenglischen  Wörterbüchern,  wie  Bosworth-Toller's, 
Sweet's,  Clark  HalFs  usw.,  werden  für  mear^  (mearh)  zwei  Bedeu- 
tungen angegeben:  1.  *marrow,  pith,  medulla*;  2.  'a  sausage, 
lucanica\  Man  scheint  nicht  an  der  kaum  zu  erklärenden 
Doppelbedeutung  Anstoß  genommen,  noch  weniger  ist  es  bemerkt 
worden,  daß  wir  es  mit  zwei  auch  formal  getrennten  Wörtern,  welche 
Träger  der  verschiedenen  Bedeutungen  sind,  zu  tun  haben. 

In  den  Epinaler  Glossen  (588)  finden  wir  lucanica  maerh^ 
in  den  Corp.  (1249)  und  Erf.  Gl.  (588)  lucanica  marh-,  dagegen 
Corp.-Gl.  (1308)  meduUa  merg^).  Das  Wort  mear^  'medulla*  hat 
bekanntlich  urgerm.  -3-  (awnord.  mßrgr^  ahd.  marag\  und  eine 
etwaige  Nebenform  mit  -ä-  ist  durch  außergerm.  Formen  (asl. 
mozgü,  av.  mazga-)  ausgeschlossen.  Nun  werden  die  Lautver- 
bindungen r^  und  rA,  welche  in  der  späteren  Sprache  im  Aus- 
laut zusammenfallen  (also  wsächs.  mearh  *Mark'  usw.),  in  den 
drei  envähnten  Glossensammlungen  noch  auseinandergehalten, 
s.  Dieter  Sprache  und  Mundart  d.  alt  engl.  Denkm.  §  46,  Kolk- 
witz Anglia  17,  461»,   Bülbring  Altengl.  Elementarb.  1,  §  489. 

1)  Die  Zitate  nach  Sweet  OET. 

27* 


i06  £.  Lidön, 

Als  die  einzige  Ausnahme  wird  a.  a.  0.  eben  mamrh  Bp^  boL 
nuBrh  (Torp.  u.  Erf.  angegeben.  OewiS  mit  Unrecht  Die  nattb^ 
liehe  Folgerang  ist,  daß  h  in  diesem  Worte  eben  nicht  fOr  3 
steht  Auch  unterscheiden  die  Corp.-GL  offenbar  mmh 
*lucanica'  und  mer^  *medalla'.  —  Erst  später  fidlen  die  beiden 
Wörter  zusammen,  und  zwar  zunächst  nur  in  den  unftektierteii 
Kasus;  vor  vokalischer  Endung  soUen  sie  getrennt  bleiben,  z.  & 
Oen.  Sing,  mearys  ^medullse',  aber  *fiiAim  *lucanic89'.  Ton  dem 
letzteren  Worte  scheint  indessen  nur  der  NooL-Akk.  Sing,  (auch 
meargh  Wright-Wülck.  Yoc.  1,  286,m  geschrieben)  belegt  zu  sein. 

Lat  Iftcofdcoj  das  mit  mearh  glossiert  wird,  ist  eine  Art 
Wurst  Zusammengesetzt  kommt  das  fragliche  Wort  vor  in 
mearhjieha»^  nuBrhyhcec^  als  Übersetzung  von  *isica*  oder  isida', 
d.  h.  insicia  *genus  fiu-ciminis,  seu  obsonii  ex  came  condsa', 
und  in  mearhasood  als  Übersetzung  von  *fiurcimen'^).  Was  mit 
jfikcee  und  hasccd  gemeint  ist,  zeigen  ne.  diaL  hack  *the  ligfats, 
liver,  and  heart  of  a  boar  or  swine*,  hackin  *a  pudding  made 
in  the  maw  of  a  sheep  or  hog^  (Halliwell). 

Berechtigt  uns  somit  das  Altenglische  selbst  bei  genauerem 
Zusehen  zur  Aufstellung  eines  Wortes  mearh  aus  wgerm.  *Marft* 
*eine  Art  Wurst* ,  so  gibt  uns  die  Etymologie  die  voUe  Bestä- 
tigung. Ich  verbinde  es  mit  nnorw.  dial.  mor  (mär  märr  moirr  etc.) 
Mask.  •Gehacktes,  eßbare  Teile  der  Eingeweide  von  Tieren, 
Fleisch wurst,  geräucherte  Wurst**);  awnord.  wprr  Gen.  mgr$y 
Dat  m^^rui  M.  *das  Fett  im  Imiem  eines  geschlachteten  Tieres', 
mpr-biüga  *eine  mit  zerhacktem  Fett  {mprr)  und  Fleisch  gefällte 
Wurst',  vgl.  nisl.  ntar-vömb  *suet-paunch',  garfMnör  "Eingeweide- 
fetf ,  btöd-tnar  *a  kind  of  black  pudding'.  Die  isländische  Be- 
deutung tritt  auch  in  nnorw.  nyre-mor  =  nisL  nyma-^mör  'Nieren- 
fett  von  Tieren*  hervor«). 

Daß  aber  die  aus  der  aisl.  Literatur  bekannte  Bedeutung 
*Eingeweidefett  der  Tiere,  Talg'  gegenüber  der  im  Nnorw.  gel- 
tenden auf  einer  sekundären  Spezialisierung  beruht,  beweist  das 
uralte  lappische  Lehnwort  mar^fu-^  marfo^mar^fe-^marhvis^yiVJ^i^ 
Blutwurst,  Warst  aus  Robbenfleisch  und  Speck',  auch  T)arni, 

1)  S.  die  Belege  bei  Bosworth-Toller. 

2)  Aasen  Ordb.  508,  Kofi  Ordb.  523. 

3)  Aus  den  übrigen  nordischen  Sprachen  ist  mir  das  Wort  nicht 
bekannt.  Eine  unrichtige  schwed.  Entsprechung  bei  Rietz  Sv.  Dial.-Lex. 
S.  445,  Sp.  1. 


Altenglische  Miszellen.  409 

der  zur  Hülle  einer  Wurst  dient;  Mastdarm;  Bauch  von  einem 
gefräßigen  Tiere  oder  Menschen**).  Dazu  stimmt  genau  die  alt- 
engl.  Bedeutung :  mcerh  *lucanica',  mearhr^ehcßc  "insicia*,  mearhaccel 
*farcimen*. 

Aus  dem  Nordischen  stammen  weiterhin  mir.  iwar-(fc,  gL 
•hilla*,  ä.  nir.  mar  'Wurst',  nir.,  gäl.  mar-ag  \  pudding*  (-öc^  -ag 
Demin.-Suffix)«). 

Finn.  maru  *Schmalz,  Schmer*  hat  nach  Thomsens  Ver- 
mutung (a.  a.  0.)  vielleicht  denselben  Ursprung.  Die  Form  stimmt 
aber  nicht  dazu. 

Der  ursprüngliche  Stammausgang  des  altengl.-nord.  Wortes 
ist  nicht  immittelbar  klar.  Nach  dem  Nord,  zu  urteilen,  ist  ae. 
mearh  ein  Maskulinum  und  muß  dann  ein  o-  oder  w-Stamm  sein; 
awnord.  m^r  flektiert  als  uw-Stamm;  wir  hätten  dann  einen 
urgerm.  Stamm  *marhua-  anzusetzen.  Allein  die  lappische  Form 
mar^fu'  beweist  m.  E.  unzweifelhaft,  daß  wprr  auf  umord. 
*marhu-  zurückgeht.  Tatsächlich  ist  der  alte  w-Stamm  awnord. 
Aiprr  'Schwert*  (got.  hairus^  ae.  heoru)  zu  den  tm-Stämmen  über- 
getreten imd  flektiert  Gen.  Sing.  Aiprs  (neben  urspr.  hiarar%  Dat. 
Sing,  higrui'j  ebenso  müssen  zu  den  regelrechten  Formen  Nom.  mgrr^ 
Akk.  mpr  der  Gen.  tnprs  und  der  Dat.  in(>rui  statt  urspr.  *fnararj 
bezw.  *in^i  neugeschaffen  sein^).  Dem  läpp,  tnar^u-  liegt  der 
umord.  Akk.  *marhu  zugrunde*);  die  läpp.  Form  mar^fe-  geht  da- 
gegen auf  den  schon  umgebildeten  nord.  Stamm  *marua-  zurück*). 

Wir  setzen   demnach   als  urgerm.   Grundform  *tnarhu' 


1)  Thomsen  Einfl.  d.  germ.  Spr.  auf  die  finn. -läpp,  lö^,  Wiklund 
Lule-lapp.  Wörterb.  64,  Qvigstad  Nord.  Lehnw.  im  Läpp.  232. 

2)  Craigie  Ark.  f.  nord.  fd.  10,  164,  Macbain  Etym.  Dict.  of  the 
Gael.  Lang.  218. 

3)  Mehrere  neutrale  u^a-Stämme  des  Nordischen  sind  alte  u-Stämme, 
wie  awn.  fi^r  'Leben,*  Dat.  fi^rui,  vgl.  got.  fa^rfvus;  gl  'Bier',  vgl.  ae. 
ealu  lit.  cUüs  (urspr.  f-Stamm).  Auch  für  amigr,  smer  Dat.  smigrui,  smyrui 
besteht  derselbe  Verdacht :  vgl.  finn.  meru  Flur,  merut  'die  unschmelzbaren 
Teile  des  Talgs'  und  air.  smir  Gen.  smera  'Mark'  aus  ^smeru- ;  solchen- 
falls wäre  auch  die  wgerm.  Flexion  (ae.  smeoru^  -o.  Gen.  ameortces,  as. 
smero,  -m;  ahd.  smero)  unursprünglich. 

4)  Im  Läpp,  wechseln  /" und  h  häufig;  läpp,  /"entspricht  öfters  einem 
nord.  Ä,  besonders  in  der  Nähe  von  u,  vgl.  Wiklund  Laut-  u.  Formenlehre 
d.  Lule-lapp.  Dial.  §  231,  1,  2. 

5)  Zu  mar^fe-  vgl.  Wiklund  a.  a.  0.,  §  201. 


410  E.  Lid^n, 

an  ^).  Als  die  ursprüngliche  Bedeutung  ergibt  sich,  nach  den  zu- 
sammenstimmenden Zeugnissen  des  Altenglischen  und  Nennor- 
wegischen,  sowie  der  läpp,  und  irisch-gäl.  Lehnwörter,  "(Jedänn 
oder  Magen  von  Tieren  mit  gehackten,  eßbaren  Eingeweiden 
und  Fleisch  (oder  Blut)  zugleich  mit  Fett  gefüllt*. 

[Wie  ich  anderswo  näher  ausführen  werde,  steht  dieses 
germ.  *marhu-  in  nächster  Verbindung  mit  gr.  ^ifiapicuc  "Ge- 
därme und  Eingeweide  geschlachteter  Tiere  zusammen 
mit  Blut  angerichtet'  (KOiXia  Kai  Cvrepa  toO  iepcCou  fieO'  a'i^aTOC 
CKeuaZ;6^€va  Hes.).  Idg.  *(iwt-)iwarAu-  ist  also  ein  in  die  Urzeit 
hinaufreichendes  Gericht] 

2.  Ae.  ncEsc. 
Dieses  Wort  hat  nur  wenige  Spuren  hinterlassen.  Die  Zeug- 
nisse mögen  folgendermaßen  zusammengestellt  werden: 

a)  nebris:  tuesc^  odde  Äeor/a  Wright-Wülcker  Voc.  1,  337*; 
vgl.  die  spätere  Glosse  nebris:  ruBst^  ibid.  1,  552**.  Nunistlat 
nebris  s.  v.  a.  Mas  Fell  eines  Hirschkalbes,  Umwurf  der  Bacchan- 
tinnen usw.';  und  eine  andere  ae.  Glosse  lautet  nebris:  sceat  uel 
heortes  hyd^  ibid.  1 ,  125  **.  Hieraus  entnehmen  wir,  daß  nctsc  s.  v.  a. 
weiches  Leder,  wie  das  des  Hirschkalbes  bedeutet. 

b)  tractibus:  naescum  Corp.-Gl  2061;  —  tracta  ist  u.a. 
Tflaster,  auf  einen  Lappen  gestiichen'  (s.  ForceUini).  Hiermit 
sind  wohl  drei  Stellen  in  ae.  Heilbüchem  (s.  Bosworth-ToIIer) 
zusammenzuhalten;  so  lautet  eine  Vorschrift,  daß  ein  gewisses 
Heilmittel  (foxes  tiLxl)  *on  ncesce  gebunden  und  dann  aufgelegt 
werden  soll.  Im  Lichte  der  obigen  Belege  gesehen,  wird  tuesc  hier 
ein  Stück  weiches  Leder  bezeichnen,  wie  solches  auch  heut- 
zutage beim  Applizieren  von  Pflaster  und  dergl.  gebmucht  wird. 

c)  partica:  reocbiaesc  Corp.-Gl  1529.  Was  mit /xir^iea  ge- 
raeint ist  liat  Schlutter  Journ.  of  Germ.  Phil.  2,  32  an  der  Hand 
althochdeutscher  Glossen  evident  nachgewiesen^).  Ahd.  Gl.  1, 325^^ 
finden  wir:  particis.  i.  losge\  aber  losge  hski  mhd.  lösche  nhd. 
bayr.  lösch  bedeutet  *eine  Art  kostbaren  Leders,  besondere  rotes 


1)  Falk  u.  Torp  Etym.  Ordb.  2,  2-41  verbinden  awn.  mgrr,  daß  sie 
auf  urgerm.  *mar^a-  zurückführen,  mit  awnord.  smigr,  nhd.  schmer,  got. 
smairpr  'Fett'  usw. 

2)  Bosworlh-Toller  791  lassen  reodnceac  unübersetzt;  Sweet  Stud. 
Dict.  nimmt  es  nicht  auf;  Clark  Hall  übersetzt  es  'perch?*,  faßt  dAso partica 
als  periica  auf! 


Altenglische  Miszellen.  411 

Leder,  Saffian*  ^).  Unsere  Glosse  ist  demnach  als  reod-ncesc  *rotes 
Leder*  zu  verstehen.  —  Freilieh  vermutet  Schlutter,  daß  reodnaesc 
nur  eine  Korruptel  für  reodlcesc  sei,  und  die  nachher  veröffentlichten 
AldhelmgIossen,woeinrubricatis(pellibus):mfdreflrdfescMW,var. 
4e9ce  (Napier  Old  Engl.  GL,  S.  134,  N.  5324)  sich  findet,  könnten  ihm 
darin  Recht  zu  geben  scheinen,  vgl.  Schlutter  Angl.  24,  529  u.  N.  2, 
Napier,  a.  a.  0.  Es  ist  in  der  Tat  wohl  unbestreitbar,  daß  ein 
mit  ahd.  loski  in  Verbindung  stehendes  Wort  mit  im  Spiele  ist, 
aber  die  Form  reodnaesc  wird  gewiß  eben  darum  ins  Leben  ge- 
rufen sein,  weil  das  synonyme  ncesc  *Leder*  in  der  Sprache 
existierte  und  den  Schreibern  vertrauter  war.  Es  ist  aus  mehreren 
Erwägungen  undenkbar,  daß  v<b8c  überhaupt  nur  durch  Ver- 
derbnis eines  dem  ahd.  loski  entsprechendes  Wort  zustande  ge- 
kommen wäre,  Avie  Schlutter  zu  meinen  scheint.  —  Bosworth- 
ToUer  stellen  sämtliche  oben  unter  a)  und  b)  erwähnte  Belege 
zusammen,  aber  mit  der  offenbar  zu  engen  und  irreführenden 
Bedeutung  *fawn-skin'.  Sweet  Stud.  Dict.  nimmt  ein  'ncesc  skin* 
auf,  aber  der  Zusatz  *61.*  zeigt,  daß  er  nur  den  Glossenbeleg 
unter  a)  berücksichtigt 

Es  scheint  aus  dem  gesamten  Tatbestand  mit  großer  Wahr- 
scheinlichkeit zu  erhellen,  daß  ncesc  s.  v.  a.  Leder,  namentlich 
weiches  Leder  wie  z.  B.  Hii-schleder,  bedeutet  hat. 

Ein  gerra.  *naska-  oder  *na8kö'^  wovon  ae.  ncesc  'Leder', 
findet  vielleicht  anderswo  einen  Anhalt.  Finn.  nahka  -han 
•Leder,  Haut,  Fell'  (PI.  nahat  Telz'),  wot  nahka^  weps.,  esthn. 
nahkj  -ha^  liv.  näg^  nög,  läpp,  nahkke  *ds.'  hat  man  schon  früher 
als  Lehnwort  angesehen,  ilikkola  Bali  u.Slav.  28  (FinskaVetensk.- 
soc:  s  Förhandl.  45,  1902 — 1903)  denkt  an  Zusammenhang  mit 
apreuß.  nognan  'Leder*.  Mit  Lönnrot  Finskt-sv.  lex.  2,  3  erinnert 
er  auch  an  das  anklingende  gr.  vcikoc,  vdKn*).  Aber  das  preuß. 
Wort  liegt  ja  formell  fern  ab;  besonders  das  gemeinfinn.- 
lapp.  d  bleibt  dunkeP).  —  Dagegen  dürfte  finn.  nahka  eine  uralte 


1)  S.  des  näheren  Schlutter  a.  a.  0. 

2)  Es  wäre  vielleicht  nicht  unnötig  gewesen,  wenn  Mikkola  auf 
meine  motivierte  Zusammenstellung  eben  von  nognan  und  gr.  vcIkti,  -oc 
(Stud.  2.  altind.  u.  vergl.  Sprachgesch.,  S.  66  f.,  Upsala  1897)  hingewiesen  hätte. 

3)  Ob  hk  aus  außerfinn.  k  erklärlich  ist,  muß  ich  der  Beurteilung 
der  Fennisten  überlassen;  pihka  *Harz*  ist  jedenfalls  kein  ganz  sicheres 
Beispiel,  wie  ich  glaube  wahrscheinlich  machen  zu  können. 


418  B.  Lid6n, 

EaflehnungaasgenI^  wahraoheinliohgot^iiaafo  Zum 

hk  ^  germ.  $k  Tgl.  finn.  ahku  'Aschenklofi'  za  awnorcL,  ahd.  odn, 
got  azgö  'Asche'  (Thomsen  Einfl.  d.  gerat  Spr.  auf  d.  finiL-laiqp.  78). 
Germ,  ^naihch  od.  -d-  dürfte  aus  idg.  *nap4Mhj  -är  ent* 
standen  sein.  Ich  verbinde  es  mit  gr.  vdKoc  N.,  vdKn  F.  VoUigeB 
Fell,  YlieB,  bes.  der  Ziege  und  des  Schafes',  vaxubptov-  b^p^n 
Hes.,  dp vaidc  (a.  *äp vo-vaKic)  "Schaff eil',  womit  auch  apreufi.  iM^iMni 
"Leder*  (statt  ^noJbiaii)  aus  idg.  *fiäq'no-  zusammenhingt,  s.  des 
Näheren  beim  Terf.  a.  a.  0.  Die  Orundlage  von  *iia}-«-l»-  wiie 
der  im  Oriech.  vorli^ende  a-Stamm  vcoccc-.  —  Wegen  germ.  -«t- 
aus  -loh-  vgl  z.  B.  Noreen  Urgerm.  Lautl.  175.  Ein  weiteres 
Beispiel  bietet,  wie  ich  vermute,  mhd.  loBche  M.  "Fetzen,  Lappen, 
Streifen',  nhd.  lasche  F.,  mndd.  las  M.  (aus  *laseh\  lasche  F.  za 
nnorw.  lake  M.  "Lappen,  Fetzen,  Ilicken'  ^). 

3.  Ae.  a-fi^en  "geröstet*. 

Das  vereinzelte  altengL  Part  d-^fi^  kommt  nur  in  da 
filtesten  Olossensammlungen  vor:  frixum  afi^asn  Epin.  und 
Corp.,  afi^en  Erf. 

Sievers  PBrB.  9,  277,  Angels.  Gr. «  §  382,  Anm.  1  setzt 
auf  Grand  dieser  Form  ein  starkes  Verbum  *f{^an  rösten'  an; 
ebenso  Kluge  Altengl.  Leseb.*  175:  ^igan  frigere**).  Allein  das 
Verbum  ist  gewiß  nicht  der  germ.  f-Reihe  zuzuweisen. 

Meines  Eracbtens  gehört  a-fi^en  zu  der  weit  verbreiteten 
idg.  Wurzel  pe^-  *rösten,  braten,  backen,  kochen' :  ai.  päcaA 
*kochen,  backen,  braten',  asl.  pekq  'backen,  braten',  alb.  jQik  ds., 
gr.  Tikciü,  lat  coquO^  cymr.  popufyes  *pistrix'  etc. 

Es  wäre  allerdings  ae.  *äfewen  als  regelrechte  Form  des 
Part  pass.  zu  erwarten,  vgl.  Part,  seumi  "gesehen'  zu  seon  got 
^han  aus  idg.  sej^-.  Auch  ^äfe^en  wäre  in  Anbetracht  des  ana- 
logisch gebildeten  ^e-se^en  'gesehen'  möglich.  Aber  die  überlieferte 
Form  -/ijön  bietet  keine  Schwierigkeit,  so  bald  wir  für  das  Germa- 
nische ein  dem  gr.  ttcccijü  (aus  ^peg^-iö)  entsprechendes  fo-Pra- 
sens  voraussetzen  ^) :  idg.  *peq^^ö  urgerm.  *fi;iiO  (vor  i  schwindet 
die  Labialisation)  würde  einen  ae.  Inf.  *fic^(e)an  ergeben,  vgl. 

1)  Anders  Falk-Torp  Etym.  Ordb.  1,  Uß. 

2)  Clark  Hall  Dict.  bietet  die  Unform  aft^m. 

3)  Vgl.  ai.  pdcyate  'kochen,  reifen.'  Wie  bekannt,  ist  schwanken 
-zwischen  wurzel-  und  suffixbetontem  i'o- Präsens  häufig,  vgl.  Brugmann 
Vergl.  Gr.  2,  1059. 


Ältenglische  Miszellen.  413 

z.  B.  ae.  fric^(e)an  'erfahren'  aus  urgerm.  *fri^iö  zur  Wz.  *prek-. 
Wie  nun  fric^ean  das  Part,  ^efri^en  bildet^),  so  gehört  äfi^en 
einem  einst  vorhandenen  Inf.  *fic^(e)an  Vösten'  an*). 

Die  Wurzel  peq^-  ist  sonst  in  allen  oder  fast  allen  Sprach- 
zweigen lebendig  geblieben.  Auch  im  Germ,  hat  sie  somit  wenig- 
stens diese  unscheinbare  Spur  hinterlassen  8). 

4.  Ae.  tri;^, 

Ae.  tri^  Neutr.  Trog',  me.  trei/^  ne.  tray  Trog,  Mulde, 
Kübel;  flache  Schüssel,  Schale'  geht  auf  urgerm.  *irau-ia- 
zurück  und  ist  mit  got  triu  *Baum*,  ae.,  ahd.,  awnord.  trog  aus 
urgerm.  Hru-^a-  usw.  verwandt,  s.  Bosworth-ToUer  Dict.  sub  *tr6g', 
Skeat  A  concise  etym.  dict,  new  ed.,  S.  570  und  besonders  Holt- 
hausen  IF.  17,  294. 

Ein  genau  entsprechendes  Wort  ist  aschwed.  tri  Neutr. 
*ein  best  Maßgefäß,  ein  best  kleineres  Getreidemaß  =  Ve  Tonne'. 
Es  kommt  1-m.  im  dalekarlischen  Gesetz  (um  1350)  und  2-m. 
in  dalekarlischen  Urkunden  aus  dem  15.  Jahrh.  vor;  als  veralteter 
kameralistischer  Ausdruck  lebt  trö  noch  jetzt  in  den  Landschaften 
Dalekarlien  und  Härjedalen  fort  Die  daneben  vorkommende 
späte  Scliriftform  trog  verdankt  wahrscheinlich  nur  der  sprach- 
lichen Willkür  der  Steuerbeamten  ihr  Dasein ;  es  könnte  sonst 
nnorw.  dial.  trau(g\  trag  Trog'  entsprechen*). 

Aschw.  tr£f  verhält  sich  lautlich  zu  ae.  tri^  ne.  tray  wie 
z.  B.  aschw.  ha  N.  zu  ae.  A/j  N.,  ne.  hay.  Wie  ha  (awnord.  hoy)  für 
urgerm.  Vtaiiia-^  so  steht  tra  (awnord.  Hray)  für  urgerm.  *trau'iar. 
Die  präsuffixale  Grundlage  trau-  lautet  mit  treu-  in  urgerm. 

1)  Vgl.  Sievers  Angels.  Gr. »  §  391,  Anm.  8,  §  389,  Anm.  3. 

2)  Möglich  wäre  ja  auch  aus  einer  älteren  Form  mit  -im,  wie  ae. 
d^en  got.  aigin,  das  t  von  äfi^en  zu  erklären,  welchenfalls  ein  urgerm. 
Inf.  ohne  i  angesetzt  werden  könnte. 

3)  Osthoff  KZ.  23,  427,  Bugge  PBrB.  24 ,  455,  Falk  u.  Torp  Etym. 
Ordbog  1,  152  verbinden  awnord.  feigr  ahd.  feigi  usw.  mit  ai.  pakvd- 
'reif  zu  pdcati,  aber  die  vorausgesetzte  germ.  t- Epenthese  ist  m.  E.  un- 
be^iicsen  und  unwahrscheinlich,  s.  Zupitza  Die  germ.  Gutt.  190,  Wiede- 
mann  BB.  28,  36  f. 

4)  Vgl.  Rielz  Dial.-Lex.  760,  Falkman  Om  matt  och  vikt  i  Sverige 
1,  (295,  296),  297,  Hildebrand  Sveriges  Medeltid  1 :  751.  Falkman  ver- 
bindet trö  mit  awnord.  trog  u.  s.  w.,  aber  die  Verwandtschaft  ist  nur  eine 
entfernte,  denn  aschw.  tre  kann  nicht  für  *trßgh  stehen.  Brate  Vestmanna- 
lagens  Ijudl.  39  bezeichnet  das  Wort  als  etymologisch  dunkel. 


4U  E.  Lidön, 

Hr0if4M'  got  tfiu  awnord.  tri  ab.  Mit  ^mi^  aas  idg.  ^ilno^  t^ 
gr.  bpoini  'Badewanne',  boiTpov*  ihicXov.  cicdqniv  Hes.  (an 
*bpoiTpov  dissimiliert),  b  paiö  v*  fidicrpov.  irueXov  Hes.  (cod.  funcpöv. 
irueXov  emend.  Fick),  s.  Fick  BB.  28:  110,  Prellwitz  Etym.  Wb. 
79.  VgL  auch  lat.  trua  *Kelle'  falls  aas  ^dmyd-. 

Eine  mit  aschw.  tri  ae.  irf^  nahe  verwandte  Bildung  stellt 
awnord.  trMyiurdpÖuU^  eine  Art  Sattel,  dar;  damit  mafi  ipM- 
irMffia  (vgl.  Fritzner*  s.  v.)  zasammengehören.  Ohne  ZweiM 
ist  trMyiuspduU  gieichbedeutend  mit  irog-Bpötdlj  das  ein  llölz6^ 
ner,  trogförmiger  Saumsattel  sein  dürfte.  "Es  erUfirt  sich  frjyia 
Trog  oder  trogähnliches  Gerät*  am  einfachsten  aas  aigerm. 
Hraurjfynr.  Die  Nebenform  tr^uapduU^)  setzt  dann  oigorm. 
*irithj(ön'  voraus;  der  präsuffixale  Bestandteil  stimmt  katlich 
zu  got.  triu^ 

Kock  PBrB.  20,  129  erklärt  zweifelnd  tr0yia  aus  *irmh 
3Jo»-,  das  sich  eng  an  nnorw.  traug  *Trog^  anschliefie.  Es  ist 
die  Möglichkeit  nicht  ganz  abzuweisen,  daß  die  nur  zweimal 
belegte  Form  trjtnfia  für  älteres  HrMygja  stehen  könnte,  denn 
sporadisch  zeigen  sich  ziemlich  früh  Spuren  der  Assimilation 
voll  -3Jh  zu  (iO^i^  vgl.  Noreen  Aisl.  Gr.«  §  283,a.  Aber  angesichts 
des  durch  das  erwähnte  aschw.-ae.Wort  gesicherten  urgerm.*fratff(a- 
scheint  mir  die  oben  gegebene  Erklärung  von  trj9yia  den  Vor- 
zug zu  verdienen. 

Dagegen  ist  Kock  entschieden  im  Unrecht,  wenn  er  (a.a,0.) 
sich  für  den  angeblichen  Ausfall  eines  -j-  in  tryiu-spdtUl  auf 
nnorw.  trjtig  beruft.  Denn  trjug  trug  M.,  auch  truga  tryge  F. 
*eine  Art  Schneeschuhe,  große  runde  Platten,  welche  unter  die 
Füße  gebunden  werden  und  durch  Zusammenpressen  des  Schnees 
beim  Gehen  das  Hineinsinken  verhindern',  hat  ursprünglich  an- 
lautendes/, nach  Ausweis  des  gleichbedeutenden  m^.pniga  F.  Bß 
gehört  ohne  Zweifel  zu  nisl.  pruga  *  Weinkelter*,    aisl.  pruga 

1)  Diese  Form  {tryio  sardull)  in  der  Grägäs;  die  entsprechende 
Stelle  der  Jönsbök  hat  trei/io  sodull. 

2)  So  faßt  Noreen  Aisl.  Gr. »  §  157, 2  trjfiu-  auf.  Nnorw.  trygje  Mask. 
(Roß)  oder  Neutr.  (Aasen)  wage  ich  nicht  mit  Sicherheit  zu  beurteilen. 
In  Ermangelung  der  nötigen  Dialektliteratur,  muß  ich  den  Kennern  der 
betreffenden  Mundarten  anheimstellen,  ob  diese  Form  aus  awnord.  *trjfi 
erklärbar  ist,  was  mir  wahrscheinlich  ist,  oder  notwendig  *tryffi  zur  Vor- 
aussetzung hat.  In  letzterem  Falle  wäre  das  einmalige  trjfiu^pdtUl  am 
ehesten  als  eine  späte  Form  für  *tr^giu-  zu  halten. 


Altenglische  Miszellen.  416 

'(drohend)  nötigen*.  Der  Zuname  des  Einarr  priügr^  der  unter  den 
norwegischen  Becken  in  der  Bravallaschlacht  erwähnt  wird,  ist 
mit  nnorw.   trjug  'Schneeschuh*  identisch*). 

5.  Ae.  han^ra. 

In  altengl.  Urkunden  kommt  ein  Subst  han^ra  M.  als 
Flurname  häufig  vor.  Die  Bedeutung  ist  etwa  "Wald  an  einem 
Abhänge,  Hügelwald'  (vgl.  "o/*  däm  dien  stabbe  on  done  yfemestan 
han^rarC*  Gray  Birch  No.  226,  aus  dem  Jahre  778)«).  In 
nengl.  Dialekten  lebt  es  in  der  Form  hanger  *a  hanging  wood 
on  tho  side  of  a  hill'  fort;  als  Schlußglied  zusammengesetzter 
Ortsnamen  oft  -anger.  Vgl.  Middendorff  Altengl.  Flumamenbuch 
(1902),  S.  65,  Anglia  Beibl.  15,  46,  Wright  Engl.  Dial.  Dict  3,  53. 

In  Norwegen,  und  zwar  auch  hier  als  topographisches 
Namenelement,  findet  sich  ein  entsprechendes  Wort  wieder: 
Hangrar  kirkia,  14.  Jahrb.,  das  ein  Fem.  Sing.  *hpngr  aus  *han;irO- 
vorauszusetzen  scheint,  daneben  ein  PL  [Hangrar],  Dat  af 
Hangrom,  Gen.  Hangra  kirkia,  15.  Jahrb.,  jetzt  Hangran;  — 
d  Hangr-dse,  um  1200  {dss  ^Bergrücken,  Erdrücken*);  —  nnorw. 
Hangers'hndten,  Name  eines  Felsenrückens;  vgl.  die  Belege  bei 
Eygh  Norske  Gaardnavne  4,  285  (14,  321),  welcher  hangr-  richtig 
mit  nnorw.  hamge  "hangen*  zusammenstellt. 

Ae.  *hai0;^ran',  nord.  *haid^rö'  setzen  ein  urg.  Adj.  Vw/id^-rd- 
'hangend'  zu  *haidh'  got.  hahan  usw.  voraus.  Es  gehört  zu  den 
nicht  besonders  zahlreichen  primären  Adjektiven  auf  -ra-,  wie 
got  baitrs,  fagrs,  ahd.  zangar,  ijoacchar,  awn.  dopr,  hür  usw.  (Kluge 
Nom.  Stammbild.«,  S.  93  f.). 

Ae.  hasu. 

Ae.  hasu  (beasu\  -o.  Gen.  baswes,  Adj.  *purple,  crimson 
(purpureus,  phoeniceus,  coccineus),  baswian  *to  stain  purple  or 
red  (with  blood)'»)  stellt  sich  zu  ir.  basc  "red,  scarlet*  (Corm., 
O'Davoren  etc.)^),  gäl.  basg-luath  "vermilion*  usw. 

1)  Olrik  Ark.  f.  nord.  fil.  10,  259.  Vgl.  den  Zunamen  des  f)orsteinn 
gndurr  in  der  Eyrb.  saga;  gndurr  'eine  Art  Schneeschuh*. 

2)  Weniger  richtig  gibt  es  Bosworth-Toller  mit  'a  meadow  or 
grassplot,  usually  by  the  side  of  a  read;  the  village  green*  wieder. 

3)  Dial.-Form  für  b{e)<i8u  ist  beosu,  -o,  s.  Bülbring  Altengl.  Elementar- 
buch I,  §  231,  Anm. 

4)  Belege  im  Arch.  f.  celt.  Lex.  2,  249  und  Suppl.  185.  —  Stokes 
hat  früher  basc  mit  lat.  bäca  "Beere'  verbinden  wollen ;  in  seinem  'Urkelt. 
Sprachschatz*  hat  er  diese  Deutung  nicht  wiederholt. 


416  E.  Lid^n,  Altenglische  Miszellen. 

Ae.  basu  hat  das  in  mehreren  Sprachen  zur  Bildung  von 
Farbenadjektiven  produktive  Suffix  -yo-.  Hinsichtlich  der  Suffixe 
verhält  sich  basu  aus  urgerm.  *ba8ua'  zu  ir.  basc  aus  idg.  bhas-ko- 
genau  vrie  lat  furvus  aus  *dhu8-^(h  zu  lat  fuscus  ae.  dax  (aus 
*dosc)  *dark*  ne.  dusk^\  oder  wie  ae.  hasu  'graubraun*  awnord. 
hp88  *grau'  aus  urgenn.  *Aas-aa-  zu  sab.-lat  caactis  *alt*  aus  idg. 
*kas-hh  (vgl.  ahd.  hasan  lat.  cänus  *grau'  aus  *^eM-no-). 

Kck  Vgl.  Wb.  1»,  686,  1*,  489  (vgl.  Weise  BB.  2,  280) 
verbindet  ae.  basu  mit  ai.  bhdsati  'leuchten,  scheinen'  {bhäsa- 
*Licht,  Glanz',  bhds-  N.  *ds.*):  dieses  bhäs-  ist  wiederum  eine 
Erweiterung  der  Wz.  bhä-  in  ai.  bhdti  "leuchten*,  air.  bdn 
*weiß'  usw.*).  Die  Grundlage  von  ae.  basu  und  ir.  basc  wäre 
solchenfalls  ein  idg.  *6Äds-,  das  zu  ai.  bhüs-  *Glanz,  licht'  in 
nächster  Beziehung  stünde.  —  Pick  zieht  außerdem  ahd.,  aschw. 
bar  ae.  beer  awnord.  berr  *bloß,  entblößt;  deutlicli,  bekannt',  lit 
bäsas  asl.  bosü^  arm.  bok  *barfuß'  mit  in  Vergleich  ein;  die  Grund- 
bedeutung von  idg.  *bhas(h  wäre  dann  *blank'.  Die  Richtigkeit 
hien'on  scheint  mir  mindestens  sehr  zweifelhaft  zu  sein').  Der 
Vokal  0  (arm.  bok)  ist  jener  Kombination  nicht  günstig. 

Grimm  DW.  1, 1243  stellt  ahd.  Jen,  awnord.  ber^  got  tcma- 
Josi,  nndl.  bes  etc.  *Beere'  mit  ae.  basu  zusammen;  germ.  *ba2jfl'. 
*basia'  würde  dann  *das  Rote,  die  reifen,  roten  Früchtchen  der 
Pflanzen'  bedeuten.  Diese  Erklärung  von  beere  ist  jedenfalls 
enister  Beachtung  wert*).  Vgl.  besondei's  die  ae.  Glosse  basu 
*bacca'(?)  und  air.  derc  *Beore'  (urkelt.  *derkeS'\  falls  dies,  wie 
ich  möglich  finde,  mit  ahd.  zoraht,  as.  txyrht  'glänzend'  und  der 
Wz.  derk'  'sehen',  ursprünglich  'glänzen,  leuchten'  (Cuitius 
Gnmdz.^  lli^)  im  Grunde  zusammengehört^). 

Göteborg-Gotenburg.  Evald  Lid6n. 


1)  Zu  diesen  und  verwandten  Worten  vgl.  Weyhe  PBrB.  30,  56-58. 

2)  Brugmann  Vergl.  Gr.  2,  1022,  1024,  Persson  Wurzelerw.  89. 

3)  Ich  finde  es  jedoch  nicht  so  ausgemacht,  wie  Pedersen  Arkiv 
f.  nord.  fil.  20,  385,  daß  die  ursprüngliche  Bedeutung  'barfuß'  ist. 

A)  Sonstige  Etymologion  s.  bei  Uhlenbeck  (Got.)  etym.  Wb.*  169. 
Falk  u.  Torp  Etym.  Ordbog  1,  90,  Grienberger  Unters,  z.  got.  Wortk.  2:^9 
(wogegen  Uhlenbeck  PBrB.  30,  324). 

5)  Zur  Wurzel gestaltung  des  verwandten  ai.  dräk^a  'Weintraube' 
vgl.  ai.  ädräk^tt  'sah\  drak^ydti  'wird  sehen'. 


Ä.  Mein  et,  Les  nominatifs  sanskrits  en  -f.  417 


Les  nominatifs  sanskrits  en  -^ 


Les  noms  sanskrits  dont  le  thöme  se  termine  par  une 
ancienne  palatale,  ^  =  zd  s,  y  ou  A  ==  zd  «,  ont  les  uns  le  no- 
minatif  en  -A:,  ainsi  cUk^  bhißdk,  u^ik,  les  autres  le  nominatif 
en  -^,  ainsi  vlf^  rdf,  -vät.  Comme  le  groupe  palatale  +  s  aboutit, 
ä  Imtörieur  du  mot,  ä  skr.  k^  ainsi  dans  le  locatif  vik^  et 
que,  d'autre  part,  le  sanskrit  61imine  le  second  616ment  de  tout 
groupe  de  deux  eonsonnes  ä  la  fin  de  mot,  on  admet  que  le 
type  cUk  est  phon6tique,  et,  pour  expliquer  le  type  v/^,  on  i^ecourt 
ä  l'analogie  (v.  Bartholomae  ZDMG.  50,  705,  et,  en  dernier  lieu, 
Thumb  Handb.  d.  Skr.  1, 122). 

Mais  la  preuve  ainsi  foumie  n'est  rien  moins  que  döcisive. 
En  effet  on  sait,  par  le  contraste  de  skr.  dbhakta,  en  regard  de 
gath.  baxSta,  et  de  skr.  dpra^^  en  regard  de  gäth.  fraSta^  que 
le  groupe  palatale  +  s  et  le  groupe  gutturale  +  s  ne  sont  venus 
ä  se  confondre  qu'au  cours  de  Thistoire  particuliöre  du  sanskrit 
On  ne  saurait  donc  affirmer  que,  lors  de  Taction  de  la  loi  qui 
a  amenö  Tölimination  des  secondes  eonsonnes  de  groupes  finaux, 
la  confusion  du  type  vikßü  (thöme  vi(-)  et  du  type  vOk^ü  (thöme 
vok')  etait  accomplie.  Si  Taneienne  palatale  n'ötait  pas  encore 
confondue  avec  k  au  moment  de  la  chute  de  la  sifflante  finale, 
on  peut  admettre  que  cette  palatale  ait  alors  donn6  f  tout  aussi 
bien  et  meme  mieux  que  L  II  n'est  donc  pas  6tabli  a  priori  que 
dik  soit  phon6tique  plutöt  que  vif, 

Or,  d'autre  part,  Thypothöse  que  le  type  v(t  serait  ana- 
logique  fait  difficultö  ä  plusieurs  6gards: 

1^  La  r6partition  des  raots  entre  le  type  p(t  et  le  type 
dlk  n'est  r6gl6e  par  aucun  principe  morphologique.  Or,  une 
action  analogique  ne  s'exerce  pas  au  hasard,  atteignant  un  mot 
9a  et  lä  Sans  principe  d6fini. 

2o  On  voit  mal  pourqiioi  le  datif-ablatif  plur.  vidbhydh^ 
duel  vidbhyäm  et  Tinstruraental  vidbMh^  formes  relativement 
peu  employöes  et  formes  du  pluriel  et  du  duel,  auraient  en- 
train6  la  Substitution  de  djf  ä  un  plus  ancien  *v{k,  forme 
trt«  fr6quente  et  trös  importante  du  nominatif  singulier,  et 
ceci  alors  que  le  locatif  pluriel  vik^  attestö  en  v6dique,  tendait 


418  A.  Meillet, 

au  contraire  ä  maintenir  le  k  et  balan9ait  dans  nne  iaige 
mesure  rinflacnce  possible  de  vidbMh^  etc. 

30  La  forme  ^t  *six',  en  regard  de  lat  mt,  ne  peut  passer 
pour  analogique.  En  effet,  servant  ä  la  fois  de  nominatif  et 
d'aecusatif,  eile  est  beaueoup  plus  fröquente  que  les  fonnes 
de  datif-ablatif  et  d'instrumental  d'oü  on  aurait  tir6  le  f:  le 
Rgveda  n'a  qu'une  seule  forme  de  ce  genre,  ^aibhih,  attestfe 
une  seule  fois.  De  plus,  les  noms  de  nombre  de  cinq  ä  dix 
ötaient  invariables  en  indo-europ6en;  les  textes  iraniens  ne  pr6- 
sentent  pas  trace  de  gönitif-ablatif  ou  d'instrumental  de  ces 
noms  de  nombre,  et,  encore  dans  le  Rgveda,  il  y  a  beaueoup 
d'exemples  de  la  foi-me  invariable.  II  est  donc  impossible  d  ei- 
pliquer  ^  par  Tinfluence  de  la  forme  ^adbhih^  qui  est  r6eente 
et  encore  rare  dans  le  RgA^eda. 

Les  formes  en  t  ne  s'expliquent  donc  pas  par  Tanalogie, 
et  les  formes  en  k  ne  sauraient  non  plus  etre  autre  chose  que 
phon6tiques;  ceci  revient  ä  dire  que  le  principe  de  la  ^6pa^ 
tition  de  ^  et  A  est  puroment  phon6tique,  et  qu'il  y  a  lieu 
d'examiner  les  conditions  particuli^res  des  deux  traitements. 

La  forme  normale,  sauf  influence  particuliore,  est  -t;  les 
principaux  exemples  sont,  parmi  les  thömes  en  -f-:  spät  (vi^pdtl, 
vit^  vlpät;  parmi  les  thomes  en  -j-:  rät  (et  virdt)^  bhräf:  parmi 
les  thoraos  en  -A-:  -ßät  (pftafiä^f)  et  -vät  (havirfäf).  A  ceci  il 
faut  ajouter  le  nom  de  nombre  ^t  *sL\*  (sur  ces  exemples  et  les 
suivants,  v.  Wackernagel  Altind.  (h-amm.  1,  §  149,  p.  173  et  suiv.). 

Le  traitement  -i  est  de  rögle  dans  les  cas  suivants: 

10  Apres  r;  themes  en  -f-:  -dfk  (tädfk),  -spfk  (divisj)fk): 
theme  cn  -j- :  ärk ;  theme  en  -A- :  -dhfL 

2o  Quand  le  mot  renferme  une  dentale:  thöme  en  -f-: 
dik  (et  aussi  -dfk,  d6jä  cito);  theme  en  -j-:  ftM;  theme  en  -Ä-: 
giääriik 

30  Quand  le  mot  renferme  une  c6r6brale;  thöme  en  -/-: 
bhi^äk\  theme  en  -Ä-:  ^i^ik  (cf.  le  fömiuin  u^ihä,  qui  indique 
la  natui'e  palatale  du  h),  Si  la  c6r6brale  provient  d'assimilation 
d'un  s  initial  au  ^  final,  on  a  ^:  ßdf^  -ßät. 

Les  meines  reglos  s'appliquent  aux  formes  verbales :  ä  la 
2«  3c  personne  du  singulier,  on  a,  d  une  part,  des  racines  en  -f- 
ou  'j- :  aväf.  ayäf^  nat  [anat\  apräf  (racine  jprof-),  et,  de  Tautre, 
asräk  (racine  sarj-\  adräk  (racine  dar^-),  abhi^nak^  pranak.  La 
difförenco  de  traitement  entre  apräf  et  asräk^  adräk  montre,  on 


Les  nominatifs  sanskrits  en  -f.  419 

»  notera  en  passant,  qae  la  mötathöse  de  r  dans  les  formes  du 
rpe  asräkf  adrdk  est  relatdvement  röcente  et  par  cons6quent 
e  nature  phonötique,  et  qu'il  ne  faut  pas  chercher  ici  la  trace 
'altemances  vocaliques  indo-europ6ennes. 

Dans  le  premier  cas,  celui  de  -df-k^  -spfk^  ü  y  a  iine  diff6- 
Bnciation;  dans  les  deux  autres,  il  7  a  des  dissimilations;  la 
entale  peut  exercer  une  action  dissimilatrice  et  empecher  le 
6veloppement  d*une  c6r6brale,  parceque  la  dentale  et  la  c6r6- 
rale  ont  un  trait  commun:  rarticulation  par  le  bord  externe 
e  la  langue,  et  ne  sont  que  deux  vari6t6s  du  type  dental  par 
pposition  au  type  guttural,  qui  comporte  Tarticulation  par  la 
urface  de  la  langue.  La  dissimilation  ne  porte  jamais  que  sur 
i  finale,  qui  6tait  r616ment  sujet  ä  des  variations  au  cours  de 
i  flexion;  les  616ments  radicaux  se  maintenaient  nfecessaire- 
lent  (cf.  Grammont  Dissimilation  consonantique,  p.  88  et  suiv.). 

Le  traitement  -k  des  finales,  bien  que  relativement  fröquent, 
st  donc  toujours  du  ä  des  influences  particulidres.  Quand  il 
e  rencontre  dans  la  s6rie  en  -j-  oü  le  -j-  est  ambigu,  il  a 
ouvent  entrainö  une  certaine  extension  analogique  de  la  gut- 
iirale  dös  T^poque  v^dique,  c'est-a-dire  en  un  temps  oü  les 
nciennes  racines  en  j  =  zd  z  et  en  j  =  zd  /  ötaient  encore 
enues  bien  distinctes  dans  TLide.  Le  nominatif  bh^äk  a  entrain6 
hi^dktatnah^  et  les  2«  3«  personnes  telles  que  abhi^tiak  ont 
ntrain6  bhi^kti^  qui  est  la  forme  du  Rgveda;  en  face  de  zd 
aeSazö^  le  v^ique  maintient  du  reste  bhe^ajdh  dont  le  j  devant 
'a  th6matique  suffit  ä  garantir  que  le  k  de  bhv^k^  abhi^fjMk 
st  proprement  sanskrit  et  ne  repr6sente  pas  une  gutturale  g 
ado-iranienne.  Le  -k  de  asrak  explique  v6d.  asfgran^  dsasf- 
ram,  etc.,  et  le  substantif  sdrgah,  D'aprös  les  rögles  pos6es, 
A  racine  marj-  devait  poss6der  des  2«  3©  personnes  *mark^ 
mpuik^  qui  ne  sont  pas  attest6es,  par  simple  hasard  sans  doute, 
t  c'est  ce  qui  justifie  v6d.  n/iwfjrraA,  etc.  (v.  Wackernagel  Alt- 
ad.  Gramm.,  1,  p.  161);  de  merae  le  mot  obscur  v6d.  rndnapigah 
'expliquerait  par  *p%ak  (non  attest6,  aussi  par  hasard).  Mais, 
n  regard  de  ayät^  le  v6dique  ne  connait  naturellement  que 
yäjor,  et  il  faut  descendre  jusqu'ä  Töpoque  classique  pour 
rouver  -yöga-,  Dans  le  cas  de  Taspiröe  ä,  il  n'y  a  pas  d'exemple 
ür  des  raemes  faits  (v.  Wackernagel  1.  c,  p.  254);  la  racine 
kr.  deh-^  qui  r6pond  ä  zd  dmz-^  a  toujours  gh  dans  les  formes 
laires:  degdhi^  digdhäht  et  c'est  seulement  dehck-^  sandehä-^  en 


420  A.  Meillct,  Les  nominatifs  sanskrits  en  -/. 

face  de  zd  daeza-^  qui  porte  trace  en  sanskrit  du  caractöre 
palatal  ancien  du  A;  on  pourrait  attribuer  cette  gutturale  i 
Tinfluenco  de  la  2«  8«  personne  *dhdc  ou  d'un  nominatif  ^-^Utik, 
qui  sont  egalement  non  attestds  Tun  et  Tautre;  mais  le  peisan 
a  deg  'pof,  ä  c6t6  de  c?fö,  et  Thösitation  entre  les  deux  types 
de  gutturales  pourrait  avoir  ici  une  antiquit6  indo-iranienne; 
au  cas  oü  le  fait  sentit  purement  sanskrit  et  oü  Ton  6cartendt 
le  rapprochement  avec  pers.  deg^  la  g6n6ralisation  du  type  gh 
tiendrait  au  parall61isme  avec  dögdhi  *il  tndt',  dugdhdh;  inverse- 
raent,  ce  parall^lisme  a  entrainö  döhah  *traite*. 


Les  formes  ^f  *six'  et  -^  "prenant  par  la  force'  (pjfUh 
nä^dt,  etc.)  attestent  que  la  chuintante  finale  de  ces  formes 
(cf.  zd  xivaä  *six',  pers.  iaä)  s'est,  avant  de  disparaitre,  assimilee 
un  ^  pr6c6dent,  exactement  corame  g  s^est  assimiI6  «  dans 
le  type  gvdfurah.  Cette  assimilation  a  du  etre,  ä  un  certain 
moment,  un  fait  g^n6ral;  mais  Tanalogie  Ta  61iniin6e  dans  la 
plupart  des  cas,  et  Ton  a  par  exemple  säk^  d'aprös  sdhaU, 
sehändh,  etc. :  prosque  partout  lo  s  de  la  racine  a  6t6  r^tabli. 
Aiix  exemples  d'assimilation  il  faut  sans  doute  ajouter  encore 
le  d  de  anad-väk',  oü  le  z  final  du  preraier  terme  du  compos6 
so  serait  assimik»  a  la  chuintante  snivante  du  nominatif  singulier, 
(hl  datif-ablatif  et  de  rinstrumental  pluriels  et  duels  (v.  Thumb 
Handb.  d.  Skr.  1,  2'M)).  II  est  remarquable  que  le  ^  ne  se  soit 
maintcnu  en  sanskrit  quo  dans  des  cas  oü  le  ^  qui  a  exerc6 laetion 
assimilatrice  a  6t6  61imino  par  chute,  comme  au  nominatif  singiilier 
(type  ^öt),  et  devant  dentale,  dans  ved.  ßolhä,  ou  par  passago  du  i 
a  d  devant  bh  (type  ßodbhih):  si  Ton  a  v6d.  ^a^ih,  c'est  öndemment 
sous  Tinfluence  de  ^df, 

11  y  a  donc  Heu  de  se  domander  ce  qui  doit  arriver  dans 
lo  cas  oü  aucune  aotion  analogique  ii'61iminait  le  ^  r6sultant 
de  Tassimilation  et  oii  le  ^  assimiiateur  se  maintenait,  comraent 
par  exemple  devait  etre  trait6  *ß\ißka'^  issu  de  *ÄM^ia-  =  zd 
hiika-,  v.  perse  uika-  *sec*,  ou  le  verbe  *^u^ati^  issu  de  *8u^ti, 
cf.  v.  sl.  süMü\  dans  ce  cas  particulier,  le  sanskrit  ne  conserve 
pas  les  deux  ^  suceessifs,  il  dissimile  le  premier  en  la  pala- 
tale  $r  et  dit:  QÜ^kah^  gü^yati\  teile  est  Texplication  ä  peu  pres 
övidentc  du  ^  de  la  racine  skr.  fw^-,  qui  est  demeur6  obscur 
jusqu'ici.  Deux  autres  des  exemples  de  j?,  au  Heu  du  ^  attendu, 


W.  Streitberg,  Gotisch  twa  püsundja.  421 

que  Signale  M.  Wackernagel  Altind.  Gramm.,  1,  p.  225,  s'expliquent 
par  la  meme  loi :  *pyäM^mahi  est  devemi  par  assirailation 
^pjfä^fimahi^  et  de  lä  par  dissimilation  pj/Ogi^mahi;  et  i'on  a 
de  meme  ogi^fhahän-  en  regard  de  o^dm.  Les  exemples  de  g 
au  lieu  de  s  cit6s  par  M.  Wackemagel  ont  im  g  ancien :  skr. 
^kft  *ordure*  a  6t6  correctement  rapproehö  de  gr.  KÖTrpoq  et 
skr.  ^hrdh  'brillant*  de  arm.  surb  *pur,  sainf. 

Si  la  dissimilation  de  9  par  ß  est  en  s  et  non  en  g  dans? 
le  cas  connu  de  sisak^i  (cf.  si^kti)^  sisar^^  sisik^i^  sisik^^  etc.^ 
c'est  que  des  raisons  morphologiques  ont  fait  rötablir  s :  toutes 
ces  fomies  ont  un  redoublement,  et  Tensemble  du  systöme 
excluait  la  sifflante  palatale  qui  aurait  fait  disparattre  tont  sen- 
timent  du  redoublement.  Un  cas  plus  embarrassant  est  celui 
de  yäsisi^hah  en  regard  de  yäsi^am;  ici,  en  effet,  on  con^oit 
bien  que  la  forme  g6n6rale  de  l'aoriste  en  s  ait  fait  substituer 
5  ä  f  dans  yäsisf^hahi  mais,  d'aprös  le  principe  posö,  on  at- 
tendrait  pour  co  systöme  meme  *yäsi^m^  puis  *yö/gi^am\  et, 
en  fait,  on  a  dans  un  texte  de  brähmaija  pydffifitnahij  qui  est 
pr6cis6ment  la  forme  phonötique;  mais  la  2«  3©  personne  du 
type  ayäsiU  et  surtout  la  forme  simple  ayäsam  dont  le  type 
ayasi^m  n'est  qu'un  Ölargissement,  ont  fait  rötablir  s,  d'oü 
ayäsi^m^  qui  est  la  forme  du  Rgveda. 

Le  seul  exemple  tout  ä  fait  clair  de  Tassimilation  de  s 
ä  un  ^  suivant,  et  de  la  dissimilation  ultörieure  en  ^  du  ^  ainsi 
obtenu,  est  la  racine  gu^-]  mais  c'est  aussi  le  seul  cas  oü  les 
conditions  de  röalisation  du  phönomone  sont  constamment  r6unies 
et  oü  l'analogie  n'en  entrainait  jamais  Tfelimination.  Les  deux 
mots  ßdt  et  gu^kah  repr6sentent  donc  deux  types  distincts,  tous 
deux  strictement  phonötiques. 

Paris.  A.  Meillet 

/ 
Gotisch  ttoa  ßüsundja. 

Man  kann  nicht  behaupten,  daß  Mahlow  allgemeinere  Zu- 
stimmung gefunden  habe,  als  er  das  äiraH  eiprm^vov  ttm  ßüsundja 
(Neh.  7,  19)  dem  abg.  Dual  tvi  tysgMi  gleichsetzte.  Brugmann 
Grundriß  2,  643  läßt  die  Form  bloß  als  unsichere  Spur  des 
fem.  Duals  gelten.  Braune^  §  145  spricht  nur  von  dem  neu- 
tralen Plural  päsundja^  verweist  aber  wenigstens  auf  Mahlow» 
Selbst  dieser  Hinweis  fehlt  bei  Wrede  ^^  §  193  und  in  der 


482  W.  Streitberg,  Gotiech  Im»  fOgun^ 

2.  Auflage  Ton  Kluges  Voi^geschiohte,  die,  wie  fsat  immer,  nur 
wiederholt,  was  die  erste  schon  gesagt  hat:  **Obertritt  sm 
Neutr.  (gr.  -Kaoo,  dazu  -Kdcioi)  zeigt  Esra  2,  16 ')  twa  fiHnrnJUtT 
<S.  491).  Bethge  pieter  §  317)  würdigt  Mablow«  Ansicht  wenig' 
«tens  einer  Polemik.  Wenn  er  meint,  die^Erhaltung  einer  Doal- 
ionn  sei  Neh.  7,  19  unwahrscheinlich,  da  *zwei  Taosende'  kein 
natürlicher  und  häufig  gebrauchter  Dual  sei,  so  übersiefat  ^ 
tdafi  der  got  Dual  sich  keineswegs  auf  paarige  Begriffe  beschränkt, 
eondem  überhaupt  bei  der  Zweizahl  gilt  Auch  die  Yennutiing, 
püBimdja  sei  im  Genus  von  hunda  beeinflufit,  Termag  nicht  sa 
erklären,  warum  dieser  Einfluß  grade  nur  Neh.  7,  19  wirksun 
gewesen  sei 

Nun  ist  es  an  sich  gewiß  möglich,  daß  ein  Nomen  an  re^ 
schiednen  Stellen  der  got  Bibel  verschiednes  Geschlecht  habe. 
Nur  muß  ich  gestehn,  daß  ich  keinen  konkreten  Fkll  kenna  Denn 
bei  -tvaddjus,  an  das  man  erinnern  könnte,  li^  die  Sache  anden. 
Hier  sind  die  verschiednm  Genera  auf  verschiedne  Komposita  T€^ 
teilt:  baurgd-^oaddjus  ist  durch  Neh.  5, 16.  6,  15.  7,  1  als  Fem. 
gesichert;  grundtMßoddjus  dagegen  wird  an  der  einzigen  Stelle,  die 
ein  Urteil  erlaubt  (2.  TioL  2, 19)  als  Hask.  bezeugt  Man  darf  daher 
vermuten,  daß  hier  das  erste  Kompositionsglied  bestimmend  auf  das 
Geschlecht  des  zweiten  gewirkt  habe,  vgl. z.B. nhd.dia].*cfas'£Mflä/2. 

Wie  dem  auch  'sei,  jedenfalls  berechtigt  uns  die  Stelle 
Neh.  7, 19  nicht  ohne  weiters,  von  einem  Genuswechsel  heißüsunii 
zu  reden.  Denn  nur  wenige  Verse  nach  twaßüsundja,  im  40.  Vers 
desselben  7.  Nehemiaskapitels,  findet  sich  das  Femininum^. 
ßüsundjOs '  TpicxiXioi.  Durch  diese  von  Mahlow  angeführte,  t^ot^ 
dem  aber  nirgends  gewürdigte  Tatsache  ist  die  Frage  entschieden. 
ttoa  pümndja  gegenüber  ttcös  püsundjös  (Mark.  5, 13)  zeigt  dasselbe 
Verhältnis  wie  gaggats  afar  ßamma  (Mark.  14,  13)  gegenüber 
jah  jainar  manwjaiß  unsis  (14, 15).  Oder  sollte  wirklich  der- 
selbe Übersetzer,  der  ßüsundi  Neh.  7,  40  in  Übereinstimmung 
mit  der  gesaraten  Überlieferung  als  Femininum  gebraucht,  es 
Neh.  7, 19  der  Abwechslung  halber  einmal  als  Neutrum  ver- 
wenden?   Credat  ludaeus  Apella. 

Münster  W.  Wilhelm  Streitberg. 

1)  Natürlich  müßte  es  Esra  2, 14  heißen.  Aber  wie  ungezählte  andere 
Flüchtigkeitsfehler,  ist  auch  dieses  Versehn  aus  der  ersten  Auflage  in 
die  zweite  übergegangen. 


K.  Brugmann,  Alte  Wortdeatungen  in  neuer  Beleuchtung.      428 

'    Alte  Wortdevtangeii  in  neuer  Belcn^taiig.— ---^ 

1.  Got  sunnö.        1         ^^  ^iif^ÜY 
Man  verbindet  got.  sunnö  ahd.  «untia/SoDge*ansprechend 
mit  gthav.  x*^  =  urar.  *8uan'8^  dem  Gem.  9^^?'  '^ft'QwÄiöoN. 
•Glanz,  Himmel,  Sonne'  (dessen  -r  als 
durch  kret  dFfXioc  att  ^Xioc,  got  muU  usw.).    So  zerlegt^ 
sunnö  zunächst  in  sun-^.    Wie  ist  das  Wort  aber  zu  seinem 
zweiten  n  gekommen? 

Die  Annahme,  daß  der  schwache  Stamm  urgerm.  *5Mn-, 
der  lautgesetzlich  uridg.  *swn-  und  uridg.  *sui}'  sein  kann,  zu- 
nächst mit  -no-  weitergebildet  sei,  ist  unstatthaft,  weil  nirgends 
in  den  idg.  Sprachen  -no-  an  n-Stämme  unmittelbar  angetreten 
ist.  Allerdings  glauben  ZubatJ  Arch.  f.  slav.  Phil.  15,  496  f.  und 
Meillet  fitudes  434.  436  ff.,  aksl.  kaminb  klruss.  kdmjanyj  kamjanyj 
serb.  kämen  *steinern'  sei  aus  urslav.  *kam^nb  hervorgegangen, 
dessen  Ausgang  älteres  *-enw»  (uridg.  ^-en-no-)  oder  älteres  *->nw 
(uridg.  *-9-tio-)  sei.  Aber  diese  Ansicht  ist  schon  deshalb  abzuweisen, 
weil  sie  lautgesetzlich  nicht  zu  rechtfertigen  ist;  über  das  von 
Zubat^  als  vermeintliches  Analogen  beigebrachte  aksl.  pominqti 
ipomenqti  s.  J.  Schmidt  Kritik  141,  Verf.  Grundr.  1«  S.  388. 
sunnö  geht  vielmehr  auf  ein  von  *«i«-  *  Glanz'  mit  dem 
Sekundärformans  -en-  -on-  gebildetes  *8unön  ^sunen-  *sunn-  *ein 
glänzendes  Wesen,  ein  Glänzender*  zurück.  Nach  der  Stammform 
*sunn'  wurde  *sunön  zu  *sunmn  (got.  sunnö\  *sunenr  zu  ^sunnen- 
(got  sunnin\  ^sunn-  selbst  aber  (z.  B.  Gen.  Sg.  *sunn-4z  =  got 
*suns)  verschwand  aus  dem  Paradigma.  Vgl.  got  manna  ahd. 
ags.  man  aisl.  madr  auf  Grund  von  urgerm.  *mannan^^  schwach 
*ma««- :  got  Gen.  PI.  manne  wie  aühsne.  Gen.  Sg.  *mann'iz 
=  mans^  wonach  Nom.  Sg.  manna  für  *mana^  Akk.  Sg.  mannan 
für  *manan^);  ferner  ahd.  hunno  *centurio'  (zu  hunt  'hundert') 
=  *hundnö  auf  Grund  von  Nom.  Sg.  *hundö^  Gen.  usw.  *At/«rfw-; 
weiter  die  große  Klasse  von  ew-Stämmen,  bei  denen  sich  die 
alte  antesonantische  schwache  Stammform  (vgl.  got  auhsne)  noch 

1)  Nach  den  ansprechenden  Ausführungen  von  Hempl  Am.  Joum. 
of  Phil.  22,  426  ff.  ist  dies  Wort  von  einem  Wort  für  die  Hand  abgeleitet 
und  mit  lat.  man-  (neben  mantu)  'Hand'  zu  verbinden  (Hand  als  Arbeits- 
instrument). 

Indogermftiiische  Fonchimgen  XVin.  28 


484  K.  Brag mann, 

dnich  die  uigenn.  YerachliifilAatgeminata  bekundet^  dto  danh 
Assimilation  dee  w  an  den  Yoraosgehonden  Komsonantea  henw- 
gerufen  worden  iat^  wie  i.  B.  ahd.  Ingi/b:  fro^o  Tropfen'  (mgeoL 
*drupö^  Gen.  usw.  *dntpp-  aus  *<fnQN»-,  dann  Auag^eiohiuiigai 
swischen  den  verschiedenen  Kasus),  $kipko  :  "ttaffo  ^Stqita^, 
ämxho :  d$hho  *Steoken\  ndd.  wodc$  *Wooken'  :  norw«  ob  'tet- 
fitzte  Masse  von  Zwirn'  (Eauffmann  PBrB.  12,  504  ft,  LuUa 
Stud.  26£).  Die  Geminata  -im-  dürfte  auf  diesem  W^ge  anler 
in  sun$iö  und  iiiaiifia  noch  in  got  brutma  ahd.  bnmno  ags.  hmrm 
"Brunnen*  entstanden  sein.  Dieses  Wort  h&agt  mit  arm.  Mmr 
^Quelle'  und  griecb.  cppiop,  &lter  *(pp/)[F]ap,  "Brunnen'  sosammeo, 
deren  uridg.  Grundform  *thriiff  war.  Der  dazu  gehörige  n-Stamm 
*hhriyen'  ist  repräsentiert  durch  cppteroc  hom.  q^pifjora  (fiUsdilidi 
(ppelara  geschrieben).  Die  Schwundstufengestalt  des  letsteren, 
*hhrun^  (♦Äfcrtm- :  *<ppn[F]<»P  =  *«*^  •  AFÄiocX  war  die  Grund- 
lage eines  urgerm.  *bruiiö  *ftrwfMft-  *bnint^\  nach  der  letzten 
Stammform  entsprang  *brunnö  *hnmnm^j  während  *&niiif»-  selbst 
aufgegeben  wurde. 

Ansprechend  nimmt  man  Verwandtschaft  von  tmmö  mit 
germ.  *sunßera'  *8ad'  (aisl.  audr  ags.  säderra  ahd.  mmdar-^Mj 
an,  das  sich  den  aus  vorgermanischer  Zeit  ererbten  Wörtern 
für  die  drei  andern  Himmelsrichtungen  aisl.  austr^  narÖTj  v$9tr  erst 
auf  germanischem  Boden  zugesellt  zu  haben  scheint,  wenigstens 
bis  jetzt  in  keinem  andern  idg.  Sprachzweig  aufgefunden  worden 
ist.  *8un'Pera'  entsprang  wohl  schon  vor  Durchführung  des  tm  in 
sunnö.  Es  kann  ^mnun-pera-  {^mm^-tero-)  oder  ^mmn-ßera- 
(*8unen-t€r(h^  vgl.  arkad.  dppdv-repoc,  ai.  vffaiP4amars)  gewesen 
sein,  ist  aber  auch  direkt  von  dem  zugrunde  liegenden  *«m- 
'Sonnenglanz'  herleitbar. 

Einer  Erklärung  bedarf  noch  die  Ablautverschiedenheit 
mnnö  sunnin^  da  sunnö  Femininum,  nicht  Neutrum  war. 

Die  geschlechtigen  Nomina  mit  sekundären  fi-Formantien 
(-«n-,  -jen-,  'Uen-  und  -men-^  soweit  dieses  -nuh  +  -en-  war) 
weisen  in  den  meisten  Sprachzweigen  im  Akk.  Sing.  usw. 
eine  verschiedene  Quantität  des  Formansvokals,  -dtt-  :  -ön-  usw., 
auf,  die  als  altererbt  zu  gelten  hat.  Die  Wörter  mit  langem 
Vokal  sind  von  Haus  aus  denominativ,  sie  sind  Ausdrücke  fär 
Lebewesen  und  irgendwie  als  gleichartig  mit  Lebewesen  vor- 
gestellte Gegenstände,  z.  B.  alat  hemönem  osk.-umbr.  Aomön- 
(umbr.  hamonua  *hominibus')  lit  ^on-  {^u^  Hmdn^  HnoM^ 


Alte  Wortdeutungen  in  neuer  Beleuchtung.  425 

ursprünglich  'der  Irdische',  zu  *§dhtm''  'Erde'  ai.  kfäm-  usw.; 
av.  spasaiv-  'wer  hinspäht',  Nom.  PL  spasOn-ö^  zu  spow-  ai.  spdi- 
"Späher',  ebenso  man-  'wer  ein  Haus,  Hauswesen  hat'  zu  rw- 
•Haus',  hazavhan-  'Bäuber*  zu  hcuMh-  N.  'Gewalttat',  mar^tan- 
'Mensch,  sterblich'  zu  marHch  'sterblich'  (genauer  zu  dessen 
substantiviertem  Neutrum);  griech.  TvdGuiv  'Dickback,  Pausback', 
Akk.  Sg.  Tvd6u)va,  zu  TvdGoc  'Backe',  ebenso  yacrpijjv  'Schlemmer' 
zu  Tocrrip  'Bauch',  iröpöuiv  "Furzer'  zu  Tropörj  Turz',  xpißarv  'ge- 
riebener Mensch'  und  'schäbiger  Mantel'  zu  rpißi^  'das  Beiben*, 
Tprjpujv  Beiwort  der  Taube,  etwa'Pürchtling*,  zu  xpiipöc  'furchtsam*, 
icdq>ujv  'Krummschließer,  Werkzeug  zum  Krummschließen  von 
Missetätern'  zu  Köq)öc  'krumm' ;  iTuXdiv  (-iwva)  Torbau,  Eingangs- 
tor* zu  iruXn  'Tor\  dvöpibv  'Männergemach'  zu  dvrjp  'Mann* 
(dvöpeiiiv  pamph.  d(v)öpuii)v  ist  damit  nicht  identisch,  es  beruht 
vermutlich  auf  dvöp€[ji]o-),  ebenso  dyKiiiV  'Ellenbogen',  dyiiiv  'Ver- 
sammlungsort, Versammlung, Wettkampf' u.a.;  oupaviiuv 'Himmels- 
bewohner' zu  oupdvioc  'himmlisch'  u.  a.,  wonach  solche  wie  fictXa- 
Kiujv  'Weichling'  zu  fioXaKÖc;  Xaadiv  'Dickicht'  zu  rd  Xdcia  'was 
dicht  bewachsen  ist' ;  a([F]ii)v  (-üjva)  'Lebenszeitraum,  Zeitraum'  zu 
lat  aevam  got  aiws;  KcuGmiiv  'Schlupfwinkel'  zu  KtuGMOC  'Schlupf- 
winkel', x€iMiiiv  'stürmisches  Wetter'  neben  x^^M«?  OiiMiiiv  'Haufe* 
neben  dvd-Gima,  Xeimiiv  'feuchter  Ort'  u.  a. ;  lat  silo  'Plattnasiger* 
zu  «f/tis,  coxo  'Hinkender'  zu  coxa^  föbtdo  'Ltigenschmied*  zu  fäbtüa^ 
pofUo  'Brückenschiff*  zu  pönSy  isabtdo  'grobkörniger  Sand'  zu 
sabtdum ;  cönsedo  assedo  zu  -ses  ai.  -säd-  'sitzend' ;  pellio  'Kürschner* 
zu  pellis^  cürio  'Vorsteher  einer  Kurie'  zu  curia  u.  a.,  wonach 
libeUio  zu  ItbeUus  u.  a.;  ir.  imbliu^  Gen.  imblenn  'Nabel*,  urir. 
*imbilänr,  zu  griech.  öfiqpaXöc,  ebenso  fiadti^  Akk.  fiadain^  'Zeuge* 
urkelt  "^ueidön'  u.  a. ;  got.  fauhö  ahd.  foha  aisl.  föa  'Fuchs',  ver- 
mutlich nach  seiner  Bute  benannt,  zu  ai.  püccha-s  'Schwanz, 
Bute'  usw.,  got.  'dübö  ahd.  täba  aisl.  düfa  Taube',  ursprünglich 
wahrscheinlich  'Schwärzung',  zu  ir.  dvb  'schwarz*  griech.  Tuq)X6c 
'blind';  got  mörjö  'aus  Schnüren  geflochtener  Korb'  zu  ahd. 
muor  F.  'Schnur',  aisl.  gedda  'Hecht'  zu  gaddr  'Stachel',  ahd. 
btdga  'lederner  Sack'  zu  balg  *Balg*,  härra  'härenes  Gewand' 
zu  hör  'Haar*,  got  gaiimrjö  ahd.  zimbirra  'Bau'  zu  ahd.  zimbar 
•Bauholz',  aisl.  birkia  'Birkensaft*  zu  biprk  'Birke';  im  Bal- 
tischen sind  als  Beste  dieser  -ön-Flexion  außer  jhnonä  imönäs 
zu  betrachten  Formen  wie  iit  szirszonas  szirszonis  neben 
ssirszu  'Hornisse',  palaidanas  neben  palaidu  'zügelloser  Mensch* 


426  K.  Bragmann, 

(Leskien  Bild.  d.  Nom.  397),  vgl.  alat  hemöna  *hamana*  neb« 
hemönem. 

Dieses  -an-  war  von  uridg.  Zeit  her  nicht  vorhanden  im 
Lok.  Sg.,  worauf  hinweisen  griech.  oi^v  neben  oidiv  und  unser 
got  smnnin  neben  sunnö  usw.  Auch  nicht  in  den  schwachen 
Kasus,  das  zeigt  z.  B.  der  av.  Gen.  Plur.  hagam-qm ;  mit  diesen 
ist  gleichartig  jenes  urgerm.  *8unn-  in  Oen.  Sg.  *$mm'4g  usw., 
worauf  das  nn  von  sunnö  beruht  Das  Eindringen  von  -an-  in 
das  Gebiet  der  sehwachen  Kasus,  z.  B.  av.  pisän-e^  griech.  Tvdduivoc 
aiuivoc,  umbr.  hamanm  lat  säänis^  got  Oen.  faühäns^  fällt  in  die 
Zeit  der  einzelsprachlichen  Entwicklungen  oder  geschah  in  uridg. 
Zeit  höchstens  erst  in  einzelnen  Ansätzen'). 

Die  fem.  ön-Stämme  des  Germanischen  sind  also  keine  ge^ 
manische  Neubildung  zu  den  mask.  an-Stämmen  wie  ^äk 
'Verkünder',  das  zu  spill  'Erzählung'  gehört,  sondern  die  beiden 
Klassen  stammen  gleicherweise  aus  der  uridg.  Zeit,  und  -ön- 
war  von  Haus  aus  ebensowenig  speziell  femininisch  wie  -^ 

1)  Daß  ich  hier  meiner  allen  Theorie  von  uridg.  o  =  ar.  a  in  offner 
Silbe  eine  Stütze  entziehen  helfe  (s.  Meillet  M6m.  de  la  Soc.  de  lingu.  11. 
11  ff.),  dessen  bin  ich  mir  natürlich  voll  bewußt.  Auf  diese  Hypothese  hier 
näher  einzugehen,  ist  kein  Anlaß.  Nur  möchte  ich  bemerken,  daß  man  Tcm 
ai.  dätäram  und  gr.  imi'iCTtüpcc  aus  nicht,  wie  es  wiederholt  geschehen 
ist,  auf  eine  der  uridg.  Doppolheit  -Ön- :  -un-  parallel  gehende  Doppelheit 
-Ör- :  -Ör-  schließen  darf.  Erstlicli  handelt  es  sich  bei  den  -öw-Stämmen 
um  eine  besondere  Klasse  von  Nomina,  bei  denen  die  Vokallänge  irgend* 
wie  mit  der  besonderen  Bedeutung  zusammengehangen  zu  haben  scheint 
die  die  ältesten  Beispiele  dieses  Bildungstypus  hatten.  Zweitens  aber  mufi 
jAi^CTujp-  bei  der  Frage,  wie  -är-  in  datäram  zu  deuten  ist,  darum  beiseite 
bleiben,  weil  ^ir'iCTtüp  das  einzige  Nomen  agentis  ist,  das  bei  Homer  -Tiup 
auch  außerhalb  des  Nom.  Sg.  aufweist  (nach  Homer  nur  bei  Dichtem  auch 
f|\^KTUJp  -uupoc,  TTpoTTdriup  -ujpoc  nach  Herodian  2,  749,  -i).  Diese  Isoliert- 
heit erregt  den  dringendsten  Verdacht,  daß  das  Wort  überhaupt  nicht  in  die 
Kategorie  der  Substantiva  des  Typus  buirtüp  gehört.  Man  hat  zu  erwägen, 
ob  es  nicht  ursprünglich  ein  ♦|Lir|CTUjpo-c  gewesen  ist,  das  wie  |idpTU-po-c 
:  |udpTu-p-  u.  dgl.  in  konsonantische  Deklination  einbog.  Vgl.  dviapöc 
iTovripöc  icxiJpüC,  ciTäXöc  |nT|Lir|Xoc  q)€ibujX6c,  KdTtnXoc  TpdxnXoc  €tbu)\ov.  ai. 
karmdra-8  'Schmied*  zu  kärman-.  jxiläla-  M.  N.  *Halm,  Stroh'  =  *pelö[fi]-iO' 
oder  *pelö[fi]-ro-  zu  paldva-a  'Spreu'  letl.  pelu^  PI.  'Spreu*  u.  dgl.  EJD 
*|Lir|CTuu[F]-po-c  könnte  sich  zu  |udpTu-po-c  verhalten  wie  etbuiXov  'Bild'  zu 
eibuXic  'wissend,  kundig'  lit.  pa-vidulis  'Ebenbild*  preuß.  weidulis  'Augapfel' 
ai.  vidura-s  'verständijr,  klug\  Das  Wort  würde  hiernach  von  einem  Subst. 
*|ur|CTO-  oder  ♦furjCTu-  utictuj[F]-  ausgegangen  sein.  Auch  kommt  Komposition 
in  Frage,  etwa  mit  Oupä  (♦Fujpa)  'Hut,  Sorge,  Berücksichtigung,  Beachtung* 
oder  mit  dem  Warzclnomen  ♦Fiup-,  das  dem  ♦Fdip-a  zugrunde  liegt. 


Alte  Wortdeutungen  in  neuer  Beleuchtung.  427 

spesiell  maskulinisch.  sunnö  und  sunnin  war  eine  Doppelheit 
wie  etwa  lat  hemönem  und  homine.  Als  Altertümlichkeit  hat 
sich  sunnin  in  der  formelhaften  Wendung  at  sunnin  urrinnandin 
(Mark.  4,  6  und  16,  2)  behauptet  Es  ist  somit  zur  Erklärung 
dieser  Form  durchaus  nicht  nötig,  anzunehmen  (Mahlow  Die 
lang.  Voc.  156),  daß  es  auch  einmal  ein  Neutrum  sunnö  sunnins 
gegeben  habe. 

Nach  der  Analogie  des  zwischen  urgerm.  -an-  (-ön^)  und 
-ä'  (-o-)  bestehenden  Verhältnisses  ist  urgerm.  -an-  =  uridg.  -ön- 
au  -ö-  =  uridg.  -ä-  in  engere  Beziehung  gesetzt  und  so  erst 
dem  'änr-  der  speziell  fem.  Charakter  zugebracht  worden.  Bei 
welchem  Wort  oder  welchen  Wörtern  der  Prozeß  der  Scheidung 
nach  dem  Geschlecht  eingesetzt  hat,  wird  wohl  nicht  mehr  zu 
ermitteln  sein.  Es  können  z.  B.  Wörter  wie  got.  -dübö^  gatimrjö 
gewesen  sein,  wo  sich  der  femininische  Charakter  des  Formans 
zuerst  befestigte,  und  nach  denen  dann  die  Scheidung  in  arbja 
-dm  'Erbe'  und  arljö  -öns  *Erbin',  *awa  -dns  (aisl.  de  'Urgroß- 
vater*) und  awö  'Großmutter'  (vgl.  lat.  avuncultis  auf  Grund  von 
*avö  -önw,  neben  kymr.  ewühr  acom.  euiter  bret.  eontr  'Onkel' 
=  urkelt  *aven-Ur  mit  dem  Ausgang  der  uridg.  Verwandtschafts- 
wörter)^),  ahd.  hiux)  'Gatte'  aisl.  hye  'Bedienter'  und  ahd.  hiwa 
'Gattin'  (zu  got  heiwa-  'Haus'),  got  garazna  aisl.  granne  'Nachbar' 
und  got  garaznö  aisl.  granna  'Nachbarin',  sowie  in  got  Uinda 
-tiM  'der  Blinde'  und  blindö  -öns  'die  Blinde*  usw.  vollzogen 
wurde.  Von  den  alten  Nomina  mit  -ön-  behielten  Tiemamen 
und  Namen  für  Geräte,  Kleidungsstücke,  Baulichkeiten,  Schiffe, 
Bäume  u.  a.  ihre  (5n-Flexion  bei,  nur  daß  sie  eben,  soweit  sie 
nicht  schon  von  früher  Feminina  waren,  jetzt  diesem  Geschlecht 
folgten,  während  bei  Menschenbezeichnungen,  falls  das  männ- 
liche Wesen  gemeint  war,  ein  Einschwenken  in  die  ebenfalls 
altüberkommene  Flexion  jfwmajfttwtfw  notwendig  ward.  Vfiesunnm 
neben  sunnö  zeigt,  war  beiden  Klassen  im  Urgermanischen 
wenigstens  noch  der  Lok.  Sg.  auf  -in[f]  gemeinsam.  Man  ver- 
gleiche hierzu  die  Verhältnisse  im  Litauischen.  Die  Substantiva 
mit  Nom.  Sg.  auf  -ü  (z.  B.  rudu  'Herbst'  zu  rMas  'rotbraun', 
*maiu  'Kleiner'  in  isz  maiefis  'von  klein  an,  von  Kindheit  an* 
SU  mäias  'klein')  haben  in  der  historischen  Zeit  alle  nur  die 

1)  Das  hohe  Alter  des  von  ♦ayo-*  lat.  avos  aus  geschaffenen  n-Stamms 
auf  germanischem  Boden  wird  durch  ahd.  oheim  ags.  iam  'Oheim*  =  urgerm. 
*d[^]uB-xaima'Z  (Osthoff  PBrB.  13, 447  ff.)  verbürgt. 


428  K.  Brugmann, 

Flexion  -ens  -enitd  -mj  usw.  Aber  jene  Formen  wie  szirssxnm 
neben  szirsssu  -ens^  palaidanas  neben  palaidi  -ens  beweisen,  dafi 
es  vorher  auch  ö«-Formen  gegeben  hat  Hier  war  es  wohl  ent- 
weder die  Gleichheit  des  Ausgangs  des  Nom.  Sg.  (vgl.  lat  hmno 
hämo  neben  -änem  und  neben  -inem  oder  süo  -önis  neben  coaro 
carnis  aus  *carinü)  oder  zugleich  auch  die  des  Lok.  Sg.,  die 
alles  in  die  «»-Flexion  herüberzog. 

Zum  Schluß  muß  ich  noch  bitten,  mit  dieser  Darlegung 
die  Bemerkungen  von  Meillet  M6m.  de  la  Soc.  de  lingu.  11,  llfL 
über  die  »-Stämme  der  idg.  Sprachen  nebst  dem  mir  erst  nach 
Abschluß  dieses  Aufsatzes  über  sunnö  zugekommenen  Nachtrag 
ebend.  13,  250  f.  zu  vergleichen.  In  der  Scheidung  der  beiden 
Klassen  der  -ön-  und  -<J»-Stämme  gehe  ich  mit  Meillet  einig. 
Dagegen  scheint  mir  unhaltbar  seine  Annahme,  daß  die  ö»-Stämme 
seit  uridg.  Zeit  durch  alle  Kasus  hindurch  ö  gehabt  hätten: 
Nom.  Sg.  *-ö(»)  Gen.  *-önr08  (*-ö»-«s)  usw.  Ihr  widerspricht  zu- 
nächst die  Tatsache,  daß  das  Avestische,  das  Griechische  und 
das  Germanische,  wie  wir  gesehen  haben,  auch  im  Gebiet  der 
ö»-Stämme  schwächere  Stammformen  kennen,  denn  es  liegt  kein 
begründeter  Anlaß  vor,  hier  einzelsprachliche  Neuerung  (nach 
Art  der  Flexion  der  ^»-Stämme)  anzunehmen.  Dann  aber  wider- 
spricht aucli  die  zu  den  iön-Stämmen  gehörige  schwache  Fornians- 
gestalt  -f»-,  die  uridg.  sein  muß,  z.  B.  ai.  Gen.  PI.  kanin-äm  av. 
Akk.  PI.  ymn-ö  (der  alte  Nom.  Sg.  zu  kanin-äm  ist  ai.  kaniyä  kam/ä 
av.  ka*ne\  griech.  beXqpTv-  dKiTv-  ßriTM^v-,  umbr.  tribrisine  zu  Nom. 
Sg.  tribfivu  **tripedicio,  temio',  natine  *natione*  (vgl.  Nom.  Sg:. 
osk.  fruktatiuf  'fruetus'),  got.  gamainein-  (vgl.  Nom.  Sg.  lat  com- 
münio).  Daß  hier  umgekehrt  die  schwache  Formansgestalt  (-in-) 
vielfach  ins  Gebiet  der  starken  Kasus  eingedrungen  ist,  ist  leicht 
begreiflich.  Der  Gen.  Sg.  got.  gamaineins  z.  B.  verhält  sich  zu  lat 
commünio  -tönern  nicht  anders  als  av.  Gen.  Sg.  mar^&nö  zum  Akk. 
PI.  mar*tän'ö  oder  als  urgerni.  Gen.  Sg.  *8unn'iz  zum  Nom.  Sg. 
*sunö  (woraus  sunm)  und  Akk.  Sg.  *8unön'un  (woraus  8unnön\ 

2.  Homerisch  Kpölaroc. 
Für  seine,  nach  meinem  Dafürhalten  unrichtige  Ansicht, 
daß  die  uridg.  sogenannte  lange  Liquida  sonans  /•  (alias  ,/•*)  im 
Griechischen  durch  pö  vertreten  sei,  führt  Hirt  Handb.  d.  gr. 
L.  u.  F.  95  zwei  Belege  an :  Kpaioc  aus  *KpacaToc  =  ai.  Mr^atds 
(nach  J.  Schmidt  Plur.  366.  874),  und  TpaOc :  ai.  jfriid'm  neben 


Alte  Wortdeutangen  in  neuer  Beleuchtung.  429 

griech.  T^pac.  Mit  TpöOc  muß  das  homer.  TpnOc,  richtiger  tP^Iöc, 
gemeint  sein.  Was  soll  aber  dessen  Grundform  sein?  *Tpöiuc 
(Schulze  Quaest  ep.  448)  ist  ausgeschlossen,  weil  f  («r»)  in 
urindogerm.  Zeit  vor  i  nicht  vorkam.  Natürlich  auch  *TpaFuc. 
Also  *TP<3icuc?  Woher  aber  dann  das  -c-?  Oder  soll  fpa- 
aus  einem  verschollenen  *Tpavo-  =  si.ßrnd-  verschleppt  sein? 
Das  klingt  wenig  wahrscheinlich.  So  lange  Hirt  über  diese 
Fragen  sich  nicht  näher  ausgelassen  haben  wird  (was  er  Ablaut 
S.  66.  79  über  ♦rpaOc  sagt,  hilft  nicht  weiter),  darf  man  diesem 
Beleg  für  pa  =  f  jede  Beweiskraft  absprechen.  Vgl.  über  das 
Wort  noch  J.  Schmidt  KZ.  27,  375,  Verf.  IP.  9,  372,  Sommer 
IF.  11,  30. 

Und  ebenso  wenig  Beweiskraft  hat  Kpaxöc,  KpdlaToc 

Die  weitverbreitete  Meinung,  daß  es  ein  *Kpac-  =  ai.  Mrf- 
gegeben  habe,  beruht  wesentlich  auf  dem  hom.  KpdlaToc.  Ich 
habe  sie  nie  anzuerkennen  vermocht,  wie  sie  auch  von  Bartholomae 
EF.  1,  308  abgelehnt  worden  ist  Die  folgenden  Darlegungen,  die 
die  älteren  Auseinandersetzungen  verschiedener  Gelehrten  (be- 
sonders Danielsson  Gramm,  u.  etymol.  Stud.  1  und  J.  Schmidt 
Flur.)  über  die  schwierige  griechische  Wortsippe,  zu  der  Kpaxöc 
gehört,  als  bekannt  voraussetzen,  sollen  in  möglichster  Kürze 
die  Berechtigung  der  Abweisung  jener  Gleichung  darlegen. 

Zu  erschließen  sind  nach  meinem  Dafürhalten  *KSpSc-  und 
*KpSc-. 

1.  KöpSc-.  Hom.  Kdpnva  Kaprjvuuv  aus  *Kapacv-a  -ujv,  wo- 
zu sich  darnach  (seit  den  Hymnen)  der  Sing.  KCtpnvov  att  dor. 
Kdpötvov  stellte;  äol.  Kapavvo-  ist  belegt  durch  Hesychs  Kopawoc  • 
KexpiKpoXoc.  KpnöeMvov  und  durch  den  Namen  Köpawoc  (mit 
äol.  op  aus  ap).  Zu  *Kapacv-a  (*Kapahv-a)  wurde  außerdem  in 
urgriech.  Zeit  ein  Sing.  *KapacS  (*Kapaha)  gebildet  nach  6vo\xa 
neben  PL  *dvoMV-a  -uiv  (vgl.  vu)vu|livoc).  *Kapa[c]a  ergab  dann 
ion.  Kdpn,  att  Kdpa,  wobei  durch  das  r\  von  Kdpnva  das  n  ^^^ 
Kdpn  für  lautgesetzliches  a  hervorgerufen  wurde  (denn  laut- 
gesetzlich wurde  öS  auch  im  Ionischen  zu  a).  Von  Kdpn  aus 
entsprang  weiter  Kdpn-xoc  -xi  nach  dv6|ia-xoc  -xi  :  övofia,  |li4Xi-xoc 
-XI  :  ^i^i.  Wieder  eine  andere  Neubildung  von  Kdpn  aus  war 
KopnSxoc  -XI  -xa,  wobei  Kpdäxoc  -xi  -xa  sowie  övÖMäxoc  -xi  -xa  vor- 
bildlich wirkten;  man  drückt  sich  aber  richtiger  vielleicht  so 
aus,  daß  ein  *Kapa[c]Sxoc  durch  Veränderung  in  Kaprjoxoc  für 
den  Vers  brauchbar  gemacht  wurde  (vgl.  ^KnßöXoc:  ^KotepToc, 


4M  K.  Bruf  maaM, 

iktvnßoXoc:  UaqKNcrdvoc  a.  dgL).  SdiUefifidi  InUete 
so  mpf^oc  einen  Nom.-Akk.  icdpriap  nwab  fimnoc :  limifi.  IGt 
lormans  -ftn  (vgl  lat  epivbnM»  ras  *e$r§Brih  oder  ^^mtom^ 
Kopdpa  -  KcqwX^  (HesychX  wom  Kapil^iuiv,  Vater  de«  Kdpaera^ 
ras  '^capoc-pcH. 

2.  Kp8c-.  Diese  Form  hatte  von  Hans  ans  ihie  Stelle  ia 
Koropositis  und  übeifaaupt  im  TonansefaloA,  rfgL  itokA-'Aac  xtr 
TXSfiev  neben  TdXac  MiXacca  TokKHppuiv,  noXä-ppipr  neben  Fapijii^ 
ai.  gru-muftH  neben  $nfnf-#,  aL  d-Shm^  lai  aMi-i[|i]cMi  nebaa 
aL  hhiiwmam  lat  /Wowi,  aL  Ü-ihjfwr  neben  U^tfiMf^  o.  dgL  dfift 
Kpovoc  4KaTÖT-icpavoc  o.  a.,  ion.  M-Kpnvov  (Hesych)  n.  a.  an 
^-KpScvo-.  vau-Kpapoc  *Schifbhaapt,  SchifEBoberstei^  böot  [A]a- 
Kpopfboc  von  ^Xa-Kpopoc  * Volkshaupt,  Tolksoberstar*  ans  *-«p8cpo> 
(ygL  Solmsen  Rhein.  Mos.  53,  161  ft).  Att  Kpdc-ncbov  "Sanm, 
Band,  HeeresflOger;  diese  Etymologie  des  Wortes  ist  swar  nidit 
sicher,  wird  aber  durch  XP^  b'  bd  xcfXea  Kocpdonma  b  611 
*seine  Mündung  ist  oben  mit  Oold  gesäumt*  (Danielason  a.  a.  0. 
371)  empfohlen.  Außerhalb  der  Komposition  erscheint  Kpftc- 
meines  Ermessens  in  hom.  Kpotröc  xpori  icpciruiv  Kpacfv  (Kpdra  ai 
singularischer  Bedeutung),  aus  ^kp5[c]Stoc  usw.;  die  Schlal- 
betonung  xparoc  kam,  wie  bei  diröc  iraiboc  u.  a.,  erst  auf,  nadi- 
dem  durch  die  Kontraktion  ein  einsilbiger  Stamm  entstanden 
war.  Auf  r\0L  kann  das  a  von  xparoc  nicht  zurückgeführt  werden. 
Daher  soll  xparoc  nach  J.  Schmidt  und  Hirt  aus  hom.  xpdoTOC 
(xpaar-  nur  dreimal:  H  177  xpdaxoc,  x  218  xpdan,  T  93  xpdoru) 
kontrahiert  sein.  Aber  woher  dessen  a?  J.  Schmidt  (Flur.  366) 
läßt  xpdaToc  aus  ^xpriaroc  "assimiliert'  sein.  Diese  Ansidit  ist 
aber  nicht  zu  begründen.  Schmidt  trägt  daher  S.  372  für  xparoc 
noch  eine  andere  Vermutung  vor:  es  sei  an  die  Stelle  eines 
älteren  "^xpavoc  getreten  infolge  der  Ersetzung  von  '^'ivoiiivoc 
durch  övoMaroc,  das  a  stanune  aus  der  vorionischen  ftoUschea 
Dichtung.  Das  leuchtet  wenig  ein.  Weitaus  das  einfachste  ist 
augenscheinlich,  xparoc  auf  *xpfi[c]STOc  zurückzuführen  (so  auch 
Bartholomae  IF.  1,  308)  und  in  xpdaroc  diese  selbe  ältere  Form, 
nur  mit  metrischer  Dehnung  das  a  (vgl.  &v£poc,  ööccroc  u.  d^ 
Danielsson  Zur  metr.  Dehn.  13  ff.),  zu  sehen.  Solches  xpdoroc 
xparoc  verhält  sich  zu  dem  oben  für  xaprjaToc  vorausgesetzten 
♦xapdaToc,  wie  att  dor.  dMq)i-xpavoc  ion.  dm-xpnvov  *)  zu  att  dor. 

1)  Ob  mit  -Kpavoc  (bei  Hesych  Kpdva*  KcqxxXi^)  das  ion.  att.  xp^vn 
dor.  Kpivä  lesb.-äoL  xpdvva  (thess.  Kpavvo(»vioi)wurzeUiaft  znsammenhingti 


Alte  Wortdeutimgen  in  neuer  Beleuchtung.  431 

Kdpovov  ion.  xdpiivov.  Daß  die  epischen  Sänger  von  Kpdoroc  nicht 
zu  *Kpr|aToc  übergingen,  wie  sie  vermutlich  *KapSaToc  des  Verses 
wegen  in  Kaprioroc  umgemodelt  haben,  erklärt  sich  aus  dem 
umstand,  daß  sie  eine  dem  Kdpn  Kdpnva  entsprechende  von  xpSc- 
aus  gebildete  Form  mit  der  Bedeutung  *Eopf  in  ihrer  Mundart 
nicht  hatten^). 

Außer  KpdttToc  Kpctroc  hat  man  zugunsten  von  *Kp<ic-  noch 
Herodots  Kpncq)irr€Tov  und  das  homer.  Kpaidvuj  verwerten  wollen. 
Von  ersterem  sagt  Solmsen  Rhein.  Mus.  53,  1551,  es  verbürge 
die  Länge  des  a  in  *Kpac-.  Das  Wort  bedeutet  'Zufluchtsort',  so 
viel  als  q)u£ifiov,  z.  B.  5,  124  curxaXdcac  touc  cucracuÜTac  dßou- 
X€U€TO,  X4tu)v  dic  d|Li€ivov  cq)ia  e\r\  Kpiicq)UT€T6v  n  inrdpxov  eivai, 
f^v  dpa  d£u)8£(juvTai  bc  Tf\c  MiXrjTou,  und  daß  man  hineinlegen 
kann  *Ort,  wo  das  Haupt,  d.  h.  das  Leben  jemandes  eine  Zu- 
flucht findet*  (Kretschmer  KZ.  33,  273),  ist  zuzugeben.  Kaum 
schlechter  aber  ist  Wackemagels  Deutung  aus  *xpnc-<pvrr€Tov  = 
*Xpn€c-9UT€Tov  (KZ.  33,  56  f.).  Man  braucht  nur  anzunehmen, 
daß  sich  der  ursprüngliche  Sinn  *Ort,  wohin  man  den  Schulden 
entflieht'  zu  dem  Sinn  'Zufluchtsort  in  Not*  erweitert  hatte.  Aber 
vielleicht  ist  weder  die  eine  noch  die  andere  Etymologie  richtig. 
Denn  aus  dem  Gebrauch  des  Worts  ist  nicht  zu  ersehen,  was 
ursprünglich  der  besondere  Sinn  des  Bestandteils  xpric-  gewesen 
ist  Was  weiter  Kpaiaivuj  betrifft,  so  liegt  dessen  etymologischer 
Zusanmienhang  mit  xpdaTOC  Kpctroc  Kdpn  auf  der  Hand.  Zu 
Kpdaroc  verhält  sich  dieses  Verbum  wie  övojiaivuj  zu  dvojiaToc 
Die  Bedeutungsentwicklung  war  dieselbe  wie  bei  Kapovöui, 
KecpoXduj,  franz.  achever  (von  capiä).  Bekanntlich  betrachtete  nun 
die  ältere  Grammatik  Kpaiatvui  als  zerdehnt  aus  Kpaivu).  Daß  diese 
beiden  Formen  etymologisch  zusammenhängen,  ist  möglich,  ja 
wahrscheinlich.  Aber  von  wirklicher  Identität  kann  nicht  die 
Rede  sein,  wie  besonders  deutlich  das  Futurum  KpSv^ecOai  (I  626) 
zeigt  Da  Kpaivu)  keinesfalls  etwas  für  *Kpac-  beweist,  so  braucht 


ist  wegen  Kpouvöc  sehr  zweifelhaft.  S.  außer  der  in  meiner  Griech.  Gramm.' 
.^f.  genannten  Literatur  Bück  Am.  Joum.  of  Phil.  21,  320,  Sommer  Griech. 
Lautst.  80.  Sollte  es  zu  dem  Wort  f&r  den  Kopf  gehören,  so  ergäbe  es 
übrigens  auch  seinerseits  nur  ein  ♦xpäc-,  kein  ♦xpac-. 

1)  Kpf\-e€v  (Kp/|-bc|Livov,  Kp/|-Tuoc)  rechnet  J.  Schmidt  Plur.  370  mit 
Recht  zu  dem  «-losen  Stamm  'hccpa-  (vgl.  K^pac).  Daß  Kpf^Bcv,  als  Adverbial- 
form, dazu,  aus  xpaaroc  eine  ♦xp/iaToc  zu  machen,  nicht  so  geeignet  war, 
wie  die  lebendige  Kasusform  Kdpri  dazu,  *Kap(iaToc  in  Kapi^oroc  umzu- 
bilden, ist  klar. 


tfS  K.  Bruf mann, 

uns  die  Frage,  von  wo  xporfviii  ausg^gangea  ist  (vgL  Daniebaon 
«.  a.  0.  34£,  Osffaoff  Bt  Fftr.  1,  4£),  hier  nicht  weiter  wa  be- 
schäftigen^). Hier  ist  nur  die  Enge,  ob  icpaiaivuf  auf  nigr. 
«Kpacov-iui  aurackgeführt  werden  maß  oder  nicht  Belegt  smd 
bei  Homer  faepoknvcv  ^Tiexpaiatvc,  xpfinvov  iinicpVii|vov  Kpfifjvoi^ 
Kpiiflvai,  KCKpdavTat  xeicpdavTo  (zu  diesen  beiden  Ftosivförmai 
s.  Danielsson  S.  37 1)  und  d-Kpdavroc  Es  soll  nun  (wie  ich  selber 
wohl  als  erster  angenommen  habe,  Morph,  ünt  1,  50)  in  der 
epischen  Praxis  entweder  ixpifiifva  gegenüber  dem  kfiiaem 
ixpriva  oder  d-xpdavroc  g^enübcnr  dem  küneren  ä-icpavTOC  ab 
lerdehnte  d.  h.  den  Stammvokal  mit  poetischer  Lixens  ver- 
doppelnde Form  angesehen  und  infolge  davon  *KpT)a{vui  oder 
*icpaa(vui*)  in  Kpaiofvui,  femer  ^dKpifjavroc  in  dxpdovroc  oder 
^^pdiiva  in  ixpifinva  umgemodelt  worden  sein.  DaB  dies  mfiglich 
ist,  ist  ohne  weiteres  zuzugeben.  Aber  man  hat  bisher  nicht 
beachtet,  daß  an  allen  17  Homerstellen,  wo  unser  Verbnm  auf- 
Iritt,  mit  Ausnahme  von  I  101  der  dem  xp  folgende  Vokal  in 
der  Senkung  steht,  z.  B.  A  455  t6ö'  imKpifjnvov  idXbuip,  und  es 
hindert  deshalb  nichts,  anzunehmen,  dafi  der  Vokal  in  dieser 
Stellung  in  Wirklichkeit  kurz  gewesen  ist  (KpSoivui  usw.),  und 
daß  dieselbe  Thesisdehnung  bei  kretischer  Silbenfolge  stattge- 
funden hat,  die  irvefovrec  (irv^ovrec),  ^öicvefu)  (ökv^ui),  uirobcät 
((nroöeStii)  ^*  ^  aufweisen  (s.  Danielsson  Zur  metr.  Dehn.  51  fL). 
Die  Stelle  I  101  aber  rd»  ce  XP'^  ^^pi  M^v  (pdcOai  {ttoc  ^ö'  iiro- 
KoOcai,  I  Kpnf^vai  bi  Kai  dXXiw,  6t'  dfv  xiva  Gufiöc  dvilurq  |  ctirciv  de 
äraOdv  ist  dann  dieselbe  Erscheinung,  wie  das  6  361  im  Versanfang 
auftretende  Trvefovrec:  dieses  steht  nämlich  mit  den  ebenMb 
im  Versanfang  erscheinenden  detöi),  ödtJluiv,  tavOQ  auf  gleicher 
Linie,  und  bei  ihm  hat  die  sonst  bei  dem  Verbum  nv^ui  herr- 
schende Thesisdehnung  des  €  (jidvea  irveJovrec,  diroirveluiv  usw.)  die 
Längung  in  der  ersten  Arsis  begünstigt  (Danielsson  a.  a.  0.  39  ff.). 

1)  An  '^Kpdcvo-  ließe  sich  Kpaivuj  nur  so  anschließen,  daß  man  von 
'hcpdcv-iui  ausginge.  xpdv^ccGai  verhielte  sich  zu  diesem  Präsens  wie  att 
q>äviD  d.  i.  ^^acv^uj  hom.  ^q)advOiiv  d.  i.  *i<pa4vQr\v  zu  q>a€(vu),  das  doch 
wohl  auf  ♦q)aF€Cv-iui  (zu  q)a£iv6c)  beruht.  Vgl.  Griech.  Gramm.*  305,  Ber. 
d.  Sachs.  G.  d.  W.  1901  S.  105.  Ich  kami  auf  die  einschlägigen  schwierigen 
Formen  hier  nicht  näher  eingehen  und  möchte  nur  noch  fragen,  ob  xpatpa 
f||Li(-Kpaipa  wirklich  nicht  auf  *Kpäcp-]ia  zurückführ  bar  ist  (vgl.  Danielsson 
a.  a.  0.  33  f.). 

2)  ^iTCKpdaivc  ist  B  419  in  einem  Pap.  Oxon.  (TT*),  ^Kpdaivcv  E  508 
in  YbRb  geschrieben. 


Alte  Wortd^utangen  in  neuer  Beleuchtong.  438 

Vgl.  noch  Kpdavov  •  rtXecov  Hes.,  dmKpaävai  •  tQ  KeqxxXq  iiriveöcai. 
reXkai  Hes.  und  Fat  dmKpavei  aus  ^-Kpaavei  Aesch.  Ag.  1294  E. 
War  hiernach  xpSatvuj  die  wirkliche  Form  des  Wortes,  so  ent- 
stand der  Schein  der  Zerdehnung  aus  Kpaivu)  zunächst  bei  den 
Formen  Kpaalvuj  KeKpdavxai  dKpdavroc  (dKpdavGev  Theokr.  25, 196). 
Ich  halte  hiemach  meine  und  anderer  Forscher  Ansicht,  daß 
-pui-  die  lautgesetzliche  Entsprechung  des  ai.  -fr-  -ör-  (uridg.  -f-) 
sei  (z.  B.  CTpuiToc  :  ai.  stirnd-s^  TCTpdjKovra  :  lat  quadrOgintä)  für 
anwiderlegt  Wie  ich  natürlich  auch  Hirts  Meinung,  -Xa-  in 
rXiiToc,  äol.  irXdOoc,  CKXnpöc  sei  uridg.  Jta  (/),  ablehnen  muß :  tXiitöc 
lind  cicXiipdc  enthalten  uridg.  -^-,  und  äol.  TrXdOoc  hätte  nach 
iem,  was  andere  über  diese  Schreibung  bemerkt  haben  (z.  B. 
3.  Meyer  Griech.  Gramm.  »75,  0.  Hoff  mann  Griech.  Dial.  2,  284. 
2901),  als  Beleg  überhaupt  nicht  genannt  werden  sollen. 

3.  Griech.  XoicOoc,  XoicGioc. 

XoicGoc  *der  letzte'  (bei  Homer  nur  ¥  536)  mit  den  Er- 
weiterungen XoicOioc  (nachhom.)  und  XoicOeiic  (bei  Homer  nur 
V  751  XoicGfJi),  Xoicerjioc  (bei  Homer  nur  V  785)  wird  von 
Danielsson  in  Paulis  Altital.  Stud.  4,  172  mit  lett  laifchu  laift 
it  liidzu  lüdi  Massen'  lit  at-laidä  *Erlaß'  laisvas  *frei'  verbunden 
mter  Hinweis  auf  die  gleiche  Bedeutungsentwicklung  von  ahd. 
^eggist  laggöst  Metzter',  das  zu  lägan  got.  letan  Massen'  gehört, 
wrorin  ihm  u.  a.  Persson  Wurzelerweit  187  und  IF.  Anz.  12,  16 
folgt  Solmsen  IF.  13,  140  ff.  bemerkt  hiergegen,  daß  man  ver- 
geblich überlege,  welcher  Ajt  das  Suffix  -dho-  in  dem  als 
Jrandform  anzusetzenden  *loid'dh(h8  sein  könnte.  Er  geht  daher 
ron  einem  *Xöc-ictoc  aus,  das  er  an  got  Umws  'schwach,  kraftlos' 
nhd.  er4e8iDen  'schwach  werden'  ahd.  ir-leskan  "erliegen,  er- 
öschen'  lat  sub-lestus  *schwsich'  anknüpft;  der  Hauch  von  ♦Xohicroc 
$ei  auf  das  nachfolgende  t  übergesprungen.  Diese  Etymologie 
preist  wiederum  Sommer  Griech.  Lautstud.  81  f.  zurück,  weil  es 
5U  solcher  Hauchübertragung  keine  sicheren  Analoga  gebe ;  man 
Brwarte  *XhoTcToc.  Ich  stimme  Sommer  um  so  lieber  bei,  als  es 
loch  sehr  auffallend  wäre,  daß  dieser  eine  Superlativ  ohne  Ver- 
lunklung  des  Superlativsinns  durch  sein  -icOoc  von  allen  andern 
Superlativen  auf  -icroc  sich  sollte  auf  die  Dauer  getrennt  haben. 
Ein  *X6ic9oc,  wenn  es  entstand,  wäre  doch  wohl  sogleich  nach 
ien  andern  Formen  auf  -icroc  zu  *X6ictoc  rektifiziert  worden. 

Die  Danielssonsche  Deutung  darf  man  sich,  von  dem  for- 


4M  K*  Bruf  mann,    . 

mantisoheii  0  itmäohst  noch  abgesehen,  sehr  woU  goCdlen  1 
Ans  dem  Qriechischen  selbst  würden  sidi  ab  wondirennari^ 
abernütanderorWendnngderGixmdbedentnngfnochhinssigeselkn 
Xoibopoc  ^schmähend,  schimpfend'  (vom  nngesflgelten,  des  » 
iorderlichen  Anstände  oitbehrend^i  Schelten,  s.  H.  Schmidt 
^fnonym.  1,  139  fE.)  nnd  XKouciv*  iraiZoiiav  Hesjch  (Fkelhrüi 
Bt  Wtb.  185).  Im  Lat  liegt  diese  Wnnel,  wie  schon  Daniehsoa 
angenommen  hat,  in  IMm  Uldus  nebst  kkimre  vor,  ui^rftn^kk 
*freie  Bewegong,  ITngebnndenheif.  Zur  Bedeutung  Tetj^aieht 
man  aus  dem  Litauischen  aufier  dem  genannten  Iojhnm  *M* 
noch:  pakUdas  'lose,  nicht  ang^unden'  {palakR  pkmbai  *heiib- 
hängende,  au^elöste  Haare'),  pakdda  *Zügellosigkeit,  Hureiei', 
ptdaidu  palttidUMtt  panUidäis  ^zügelloser,  liederlicher  Meosch'. 
Xoibopoc  kann  aus  '^'Xotbepoc  entstanden  sein  (vgL  TpuucdvTopoc 
«  TpiaKdvTcpoc  u.  dgl.  bei  J.  Schmidt  KZ.  32,  3261).  Als  Simplex 
betrachtet,  wäre  es  eine  BUdung  wie  das  begrifEsirerwandte 
&€u9€poc.  Aber  es  kann  auch  als  ein  Kompositum  angesehen 
werden,  wobei  dann  der  zweite  Teil  sich  gleich  gut  an  nt^ 
schiedene  Wurzeln  anknüpfen  ließe. 

^hid-dho-s  als  Grundform  von  XoScdoc  wäre  aUerdings  eise 
befremdliche  Bildung,  -dh-  müfite  ein  sogenanntes  WuraeIdete^ 
minativ  gewesen  sein,  und  da  ließe  sich  allerdings  einzelnes 
vergleichen,  wie  ai.  m9dhd  ^Weisheit'  =  ^madh-dhä^  älter  ^m^dft-Ad, 
woneben  av.  mqzdrch  *weise,  verständig'  d.  i.  ^mendh-dkrth  oder 
*inondh'dhr(h  (vgl.  ai.  mSähira-s)^  zu  got  mundän  'sein  Augenmerk 
auf  etwas  richten',  griech.  MuGeTv  lernen',  ahd.  munknr  lebhaft, 
eifrig',  lit  mandras  mandrüs  'munter*,  aksl.  mqdrd  Veise*  gehörig. 
Doch  kommt  solches  -c^A-  gerade  bei  unserem  laid^  sonst  nidit 
vor,  und  das  läßt  Danielssons  Ansicht  als  recht  gewagt  e^ 
scheinen.  In  einen  größeren  Zusammenhang  kommt  aber  XotcOoc, 
wenn  >vir  es,  was  zulässig  ist,  auf  *Xoic9Xo-  zurückführen.  Bs 
war  dann  ursprünglich  ein  Substantivum  mit  der  Bedeutung 
•Überbleibsel,  Rest'  und  zwar  entweder  Mask.  *XoicOXoc  wie  liOXoc 
•Geseig,  leeres  Geschwätz',  ÖXeOpoc  'Verderben',  oder  Neutr. 
♦XoTcOXov  wie  T^veOXov  'Abstammung*,  irXtepov  TrdXeOpov  'Hufe, 
Morgen  Landes*.  Zur  Anfügung  von  -9Xo-  an  einen  Dentalstamffl 
vgl.  iMcicGXn  zu  Ijidccuj  Aor.  iMOCcai  (iMUT-).  Der  Übergang  lu 
adjektivischer  Bedeutung  geschah  wie  z.  B.  bei  ^drac  'groß*  aus 
neutr.  \xiya  'Größe',  nmcuc  'halb'  aus  fjfiicu  'Hälfte',  jidKap  ^oKopc 
•glückselig'  aus  neutr.  jidKup  'Glückseligkeit',  oOXoc  und  iXcOpoc 


Alte  Wortdeutungen  in  neuer  Beleuchtung.  486 

*vmlerblicb,  unglückselig,  niederträchtig'  aus  oOXoc  und  dXeOpoc 
•Verderben'  (vgl.  Verl  Griech.  Gramm.«  415  f.  und  die  dort  zitierte 
Literatur  nebst  BF.  11,  266  ff.,  Wackemagel  Altind.  Gramm.  2,  1 
S.  3).  Speziell  zum  Übergang  von  *Rest*  zu  'restlich'  vgl.  ai.  iifa-^ 
zunächst  ^Best,  das  Übrige,  Ende,  Schluß*,  dann  erst  'übrig, 
letzlier',  lit  ät-I&as  lett  ai-Uks  aksl.  ah-Wtt  'Rest'  und  lit  ISkas 
'übrig,  überzählig,  unpaar,  einzeln  bleibend'.  Direkt  als  vom  alten 
Substantiv  *Xoic6Xo-  abgeleitet  können  XoicOtoc  und  XotcOeüc  be- 
trachtet werden  (vgl.  zum  ersteren  fiaKdpioq  ofiXtoc,  6Xe6pioc), 
aber  auch  als  von  einem  substantivierten  Neutrum  XoicOov  aus 
herkommend  (vgl.  hom.  ucrdrioc  Mer  letzte'  zu  tö  ücxaTov). 

Was  den  dissimilatorischen  Schwund  der  zweiten  Liquida 
betrifft  (vgl.  dXoq)UKric,  dXoq)UTÖüiv  —  dXoq)Xuicric),  so  fragt  man 
vielleicht,  aus  welchem  Grunde  die  Dissimilation  der  beiden  X 
bei  *XoicGXo-  nicht  vielmehr  zu  *XoicOpo-  (vgl.  TXujTrapTia  für 
TXuiTToXTia)  geführt  hat  Man  darf  da  wohl  mit  der  Gegenfrage 
antworten,  warum  ist,  trotzdem  daß  die  Ausgänge  -OXo-  und  -tXo- 
geläufig  waren,  MdpaOov,  nicht  *^dpa9Xov  aus  ^dpa9pov,  ^drrrov, 
nicht  *jioTrrXov  aus  ßoirrpov,  Giipujxov,  nicht  *GupujTXov  aus  Güpu)- 
Tpov  geworden?  Vielleicht  läßt  sich  aber  doch  noch  der  ge- 
nauere Grund  angeben.  So  viel  ich  sehe,  ist  überhaupt  nirgends 
<pX,  9X,  xX  dissimilatorisch  zu  9p,  Gp,  xp  geworden  (*q)XaöXoc  z.  B, 
wurde  zu  q)XaOpoc  und  zu  q>aOXoc,  aber  nicht  zu  '^^paöXoc),  und 
das  kann  mit  der  eigentümlichen  Natur  zusammenhängen,  die 
p  hinter  den  Tenues  aspiratae  hatte,  die  sich  in  Schreibungen 
wie  G^voc,  x{>6voc^  d(p^dc,  Trhepto^  Crhysippm^  Prhonimus  und 
darin  bekundet,  daß  ^rpthiva^  zu  Gpiva^,  iTpohoöoc  zu  q)po06oc, 
aber  *Tr^hoc  (si.pdsas)  zu  irtec,  nicht  zu  *q)4oc,  geworden  ist 
(vgl.  Sommer  Griech.  Lautst  45  ff.,  Hirt  Lit  Zentralbl.  1905  Sp.  386). 
Es  braucht  nicht  jede  Gattung  von  l  mit  jeder  Gattung  von  r 
in  dissimilatorischem  Austausch  gestanden  zu  haben. 

4.  Ahd.  ioetar^  aksl.  vedro. 
öfters  findet  man  ahd.  toetar  as.  tvedar  aisl.  vedr  N.  *Wetter' 
mit  aksl.  vedro  'gutes  Wetter'  vedrb  'heiter'  (vom  Wetter)  zu- 
sammengestellt Ich  halte  diese  Vergleichung  für  richtig  und 
ziehe  die  Wörter  zu  got  tvaian  aksl.  vijati  'wehen'  griech.  drjp 
(Stamm  äFep-)  deXXa  aöpa  usw.;  zu  *ue'  vgl.  griech.  ace-Gpoc, 
itXt-Opov,  ai.  dä-tra-m^  kfa^rd-m  u.  dgl.  Ahd.  wetar  könnte  ebenso 
gut  uridg.  ^ffe-dhro-  als  uridg.  *^-tr6'  gewesen  sein,  und  da  sich 


486  K.  Bruf  mann, 

im  Slavisohen  -ähro-y  -dkbh  an  die  Stelle  Ton 
haben,  wie  aksLjadra  Neatar.  PL  *Busen'  {mmÜpMd)  =  *i 
neben  grieoh.  iVrpov  *Baach'  ahd.  adara  *Ader,  Sehne*  ir. 
^Eingeweide'  nrkelt  ^m^Mtv-  (vgL  ahd.  khOdin  'Eingeweide'^  ^oä 
iech.  rddlo  poln.  radio  aksL  ndo  rosa,  rdh  neboi  lit  äHda$  grieek 
dpoTpov  arm. ofotfr  lat  tnräirmmiT.aratkartM.ardr'PRxjiffjmiM 
aach  vom  SUivischen  aas  die  arsprOngliche  (Gestalt  des  Framau 
nicht  an  ermitteln^).  Von  einer  andern  Seite  her  läBt  aich  jedooh 
zeigen,  daB  -d%r9-Formen  von  unserer  Worsel  ans  seit  lltanr 
Zeit  nicht  gefehlt  haben.  Denn  im  Lit  hat  man,  nar  mit  anderer 
Gestaltung  der  Basis,  äudra  *8turm,  Tosen,  Fluf  (la  tfiH  tgL 
griech.  d/jp)  und  vidras  vydra  *Sturm'  (zum  t  vgl.  griech.  AcOui). 
Allerdings  scheint  nun  auch  wiederum  *^ui9rh  als  Orundfonn  Ihr 
teeiar^  vedro  eine  Stütze  zu  haben  an  lit  «Am  "Sturm*,  aksL  «ir« 
*Luft,  Wind',  die  natürlich  eben&lls  hieriier  gehören,  und  die 
sich  bezüglich  der  Wurzelsilbenform  zu  aksl.  VBdro  so  verhalten 
wie  ai.  mäträ  *Maß'  zu  griech.  ^£Tpov,  av.  dä9r$-m  *Oabe'  m 
ai.  ddtra-m  u.  dgl.  Indessen  liegt  die  Möglichkeit  sehr  nahe,  dal 
sie  auf  einem  dem  ai.  vätar-  *Wind'  (unbelegt)  entsprechenden 
*ffiter'  bemhen,  das  erst  im  Baltisch-Slavischen  selbst  in  die  d- 
und  die  o-Deklination  übergeleitet  wurde  nach  Art  von  lit  dAM 
preuß.  sestro  aksl.  sestra  und  aksl.  bratn.  So  hat  *fi$dkfrh  ab 
Grundform  von  wetar  und  vedro  das  meiste  für  sich.  Auch  eine 
Üo-  Bildung  ist,  wie  noch  beiläufig  erwähnt  sein  mag,  von  unserer 
Wurzel  ausgegangen,  aber  mit  einer  Bedeutung,  die  sie  von  den 
bisher  genannten  Wörtern  abrückt:  ahd.  tcadal  M.  'Wedel',  als 
Adjektivum  *sch  weifend,  imstät"'),  ags.  ivckdl  uxkdla^  uigerm.  *wdfbh 
(d.  i.  uridg.  *u9tl(h)  *fvffpla^^  woneben  ^wadlä-  in  ahd.  ioaUän  ags. 
ivedUian  *umher8chweifen,  wandern*. 

5.  Aksl.  mpzdra  und  nozdri. 
öfters  besprochen  und  noch  nicht  aufgeklärt  sind  aksL«^^«^ 
•feine  Haut  auf  frischer  Wunde,  das  Fleischige  an  etwas'  (ross. 

1)  Hesychs  COpia  *  cöbta  klingt  wohl  nur  zufällig  an.  Gemeint  wird 
sein  atOpia  (alep(a). 

2)  Vgl.  lat.  rfdiculus  'Spaßmacher*  und  Adj.  'Spaß  machend'  m 
tndiculum  *Spaß,  Scherz\  lüdicro-  (Nom.  Sg.  in  alter  Zeit  nicht  belegt) 
"Kurzweil  erzeugend'  zu  lüdicrum  'Kurzweil,  Spiel',  gr.  baiTp6c  'Zuteilefi 
Vorleger'  zu  bairpov  'Zuteilung',  odcrpoc  "kläglich,  erbärmlich,  elend*  (got 
aihträn  'betteln'),  ai.  atifyds  Tresser'  zu  ötifjrct-m  (Traß*)  •NahrungstolT, 
vjird'S  und  vfird-m  'Bedränger,  Feind'  zu  av.  V9r*9r9'm  'Bedrängong',  ann. 
cnami  'genitor,  parens*  neben  av.  zq9r9'm  'Geburt'  u.  dgl. 


Alte  Wortdeatongen  in  neuer  Beleuchtung.  437 

mezdrd  mjaedrd  äech.  mdadra)  in  seinem  Verhältnis  zu  griech. 
jiiipoc  'der  fleischige  Teil  des  Schenkels'  lat  tnembrum  ir.  mir 
(PI.  mirenn)  *Stück  Fleisch*  (aus  *mim»-ro-^  zu  ai.  mq»-  mqsi-  got 
mimzon  aksl.  mfso  Tleisch')  und  aksl.  nozdri  PL  'Nasenlöcher^ 
(russ.  fiozdrjd  serb.  ndzdra)  in  seinem  Verhältnis  zu  lit  nasrat  PI. 
•Rachen'  ndd.  rnister  *Nüster'  *)  (zu  ai.  nds-  nas-  lat  när-em  ags. 
nosu  fMSU  ahd.  ntisa  *Nase').  Allgemein  betrachtet  man  -d-  als 
lautlichen  Einschub  wie  in  ishd-^eiii  'aussagen',  bez-d-^rala  *ohne 
Pflug'  u.  dgl.  Pedersen  IP.  5,  69  und  ich  Ördr.  1«,  788  haben 
vermutet,  unsre  beiden  Wörter  zeigten  die  lautgesetzliche  Be- 
handlung von  -«r-  im  Slav.,  und  das  entgegenstehende  sestra  sei 
mit  seinem  t  durch  die  andern  Verwandtschaftsnamen,  wie  bratn^ 
beeinflußt  Zupitza  KZ.  37,  397  dagegen  erklärt  sowohl  m^zdra 
und  nozdri  als  auch  sestra  für  lautgesetzlich  entstanden.  Im 
ersteren  Fall  habe  der  stimmhafte  Nasal  im  Anlaut  das  nach- 
folgende 8  stimmhaft  gemacht  Eine  solche  Assimilation  wäre 
aber  beispiellos,  und  deshalb  möchte  Meillet  !^tudes  sur  l'ötjm. 
129.  409  lieber  glauben  —  es  freilich  selber  als  une  tentative 
d6sesp6r6e  d'explication  bezeichnend  — ,  die  alten  Wurzelnomina 
*mem8^  *näs  hätten  im  Urslav.  im  Nom.  Sg.  zum  Teil  den  Auslaut 
"Z  für  -s  gehabt,  und  von  da  aus  sei  man  zu  ^memz-Ta-^  ^noz-ri- 
gekommen. 

Ich  möchte  jetzt  für  die  beiden  Wörter  das  uridg.  Formans 
•<lhr(h  ansetzen. 

Bekanntlich  ist  nicht  selten  ein  Wechsel  zwischen  den 
Nominalformantien  -tro-  -{Uh  und  -ro-  -lo-  (welcher  vergleichbar 
ist  dem  Wechsel  ai.  kf-iya-s^  iru-iya-s,  -M-tt/a-m  -hatyd  andd. 
güdea  lit  ginczas  ginczä  :  ai.  dfi-ya-s  bhidrya-9  usw.).  So  griech. 
XdicTpov  aisl.  löir  M. :  ahd.  legar  N.  got  ligrs  'Lager'.  Griech. 
fiacrpoc  'Untersucher*  :  lit  isz-matrus  *scharf sichtig,  vorsichtig* 
aksl.  Denominativ  um  st-motriti  'betrachten'  (zu  lit  matyti  'sehen'). 
kLdqitra'S  fBeißer*)  'Zahn' :  dAii.zangar  'beißend, scharf .  Griech. 
Kdcrpov  'spitziges  Eisen'  K^crpoc  'Pfeil'  :  Kdvxpov  'Spitze,  Stachel*. 
Lat  rästrum  :  räUum  (zu  rädo),  Lat  pistillumj  Deminutivum  eines 
^pfstidutn  :  pflum  aus  *pins4o-m.  Ai.  pdtatra-m  'Flügel' :  patard-$ 
'fliegend,  flüchtig',  kymr.  eterinn  (PL  atar)  'Vogel',  griech.  irrepo-v 
•Feder,  Flügel'  (vgl.  auch  ai.  pdtra-m  'Fittich,  Feder,  Blatt',  ahd. 
fedara  "Feder'  urgerm.  *feßrö).   Av.  dä^tB-m  'Gabe',  lit  düldas 

1)  Dies  Wort  ist  von  ags.  no9dyrl  engL  nostrils  zu  trennen,  welches 
ein  Kompositum  ist. 


488     K.  Brugmann,  Alte  Wortdeutongen  in  neoer  Bdeachtanf. 

*Korb,  in  dem  den  Pferden  Futter  gegeben  wird' :  arm.  twr  griedL 
öuipov  aksl.  darb  *6abe'.  Av.  dä&r9^m  *Sats,  Lohn,  Eintragt,  lett. 
pa-dMs  'untergelegtes  Ei'  :  lit  pordAyB  'Hingelegtes'  pr9-dM 
'Beilage',  aksl.  dilo  *Werk'.  Ai.  mdträ  griech.  ^^pov  :  aksL  mir« 
•Maß'.  Lit.  hüldä  'Aufenthaltsort,  Wohnung"  :  ahA  bür  M.  "Woh- 
nung'  aisl.  bür  N.  'Gemach'.  Es  kann  nicht  auffallen,  wenn  dieser 
Wechsel  auch  da  auftritt,  wo  -ro-  den  Charakter  eines  Sekundar- 
formans  hat:  lat  SepUmbris  nach  Thumeysens  einleuchtender 
Erklärung  aus  ^sepUm-^membri-^  aus  *'men9-ro-^  zu  fn#i»-f-s,  und 
daneben  si-m^ri^stri-s  menstruaa.    Ebenso  wechseln  auch  -dkro- 
-dhUh  und  -ra-  -Uh^  wenn  auch  seltener,  was  mit  der  geringeren 
Verbreitung  von  -dkro-  -dhlo-  zusammenzuhängen  scheint  Lit 
dudra  'Sturm,  Tosen,  Flut'  (s.  S.  436) :  griech.  aupa  'Lufthauch, 
Luft';  von  lat  aura  ist  unsicher,  ob  es  eutlehntes  aupa  oder 
mit  ihm  urverwandt  ist  Lat  sübula  öech.  Sldlo  :  ahd.  gitda  'Ahle, 
Pfrieme',  lit  siülas  'Faden  zum  Nähen'.   Griech.  ^bedXov  "Sitz' 
:  lak.  öiKd  aus  *kb\a  att  ^'öpa  'Sitz',  lat  sella  aus  *8edlä,  gall.  -sedkik 
aisl.  setr  N.  'Sitz',  aksl.  serb.  aedlo  'Sattel*  (vgl.  aksl.  o-aedtlamH 
Griech.  CKeöpoc  'knapp,  genau,  sorgfältig'  aus  *cxeOpoc  :  cxcpöc 
'ununterbrochen'  (iv  cxepui),  zu  Ix^-  La^  agibilis  :  cyäis^  genää- 
bilis :  genitalis  und  so  auch  bei  sekundärem  Charakter  des  Formans 
sessibulutn  sessibüe  :  sessüis  u.  dgl.  Hier  darf  auch  an  av.  mqzdror 
'weise,  verständig'  =  *fnendh'dhro-  oder  ^mondh-dkro-  erinnert 
worden,  das  sich  von  ahd.  muntar  lit  mandras  aksl.  mqdrb  durch 
das  Mehr  des  einen  dh  unterscheidet  (oben  S.  434).    Bedenkt 
man  nun,  daß  neben  mezdra  und  nozdri  noch  ihre  Grundnomina 
meso  und  riosb  lebendig  waren,  so  ist  die  Annahme  nicht  kühn,  daß 
in  ihnen  das  ältere  -ro-  (-rä-,  -n-)  durch  -dro-  ersetzt  worden  ist 
Aber  noch  eine  etwas  andre  Auffassung  ist  möglich,  und 
ich  gebe  ihr  den  Vorzug.  Zunächst  entstanden  rein  lautgesetzlicb 
*mpstra  und  *nostri,  wie  sestra  aus  *8esra.   Neben  meso  und  noß 
stehend,  schienen  sie  das  Formans  -tro-  zu  enthalten,  und  als 
man  -tro-,  -tlo-  durch  -dro-^  -dlo-  (=  giiech.  -öpo-,  -GXo-)  ereetzte 
(jadra  =  griech.  nrpov  usw.,  öech.  rddio  =  lit  ärklas  aus  *rfrto, 
öech.  bydlo  =  lit  büklä  u.  a.),  wandelte  man  auch  ^mpstra,  *nostri 
in  mezdra^  nozdri  um.  Daß  dieses  d  nicht  auch  in  seatra^  phdf^ 
ostn^  jetro,  qtn,  jutro  täro  eindrang,  erklärt  sich   daraus,  daß 
damals,  als  die  Formantia  -tro-^  -Üo-  durch  -dhro-^  -dhlo-  ersettt 
wurden,  keine  Primitiva  neben   ihnen  standen,  die  eine  Par- 
allelisierung  mit  den  alten  <ro-Nomina  ermöglichte.  uÄr»  'Wind\ 


.  Stolz,  Neue  Beiträge  zur  latein.  Sprachgeschichte  u.  Lautlehre.    489 

3  sicher  als  zu  v^^aU  *wehen'  gehörig  empfunden  wurde,  wird 
oh  dem,  was  S.  436  über  das  Wort  gesagt  ist,  mit  ai.  f)äiar* 
^  zusammenhängen  und  eine  Bildung  nach  Art  von  bratrh 
wesen  sein,  die  zustande  kam,  als  jene  analogische  Ausbreitung 
n  -dra-  schon  abgeschlossen  war. 

Leipzig.  E.  Brugmann. 


Neue  Beiträge  zur  Uteinisehen  Spnchgeiseliiclite  und 
Lautlelire. 

Inhaltsübersicht. 
Sur  Frage  der  Dissimilation  der  «-  und  r-  Laute.  nUaer.  casaariea.  aaer, 
laaer.  roaa.  Adjektiva  auf  -äriua.  Die  Vereinfachung  von  am-  an-  aU 
zu  m-  n-  U  keine  Dissimilationserscheinung,  ni-af  und  die  Zu- 
sammensetzungen mit  de^  po-  und  mit  a  anlautendem  Worte.  — 
n.  triduam.  nuditta.  Samprasärana  bei  vidua  abluo  tridwHn.  interdiua 
und  ai.  fürvedyüf.  ai.  addivaa.  lat.  hodis.  ai.  aadyäa  und  adyä  adffd, 
lat.  Diua,Vediua,  DiuaFidiua,  diälia.  Flexion  YonJuppUerJavia  usw. 
Verwendung  des  schwachen  und  schwächsten  Stammes  im  zweiten 
Gliede  der  Nominalkomposita :  ai.  parut  griech.  ir^puci;  ai.  idta-gu- 
griech.  'EKaröiißn;  ai.  upa-bdä-  griech.  ^iri-ßbai;  lat.  ntdua;  ai.  -^rU' 
in  au-df-üf,  griech.  bpu-,  Flexion  von  bpOc,  griech.  irpöxvu  tvOE,  die 
Adverbien  irOH,  6b(&j  \d!E,  äiroH,  im\i{l,  iiouvdE,  cOpdL  Basen  von 
griech.  bopu  und  tovu.  —  111.  nemo,  eögö  eöpula  digö.  alat.  coepere 
und  eoepi  (coepU)  coeptua.  coetua.  eo-itiö,  co-itua.  co-inquiö.  nemo 
gleicher  Bildung  wie  neßa  neceaae  vorliterarisch.  Birts  Schwund  des 
'echten*  h.  —  IV.  Zum  t-  und  o-Umlaut.  Einschränkung  der  von 
Sommer  aufgestellten  Theorie.  —  V.  Die  Längung  des  Vokals  vor  -wt 
ist  nicht  italisch,  sondern  einzeldialektisch,  an^.  Chronologische 
Schlußfolgerungen.  Komposita  von  frangö  pango  tangd :  Der  Über- 
gang von  en  -\-  Guttural  in  in  -f-  Guttural  ist  vorliterarisch.  Ver- 
hältnis zur  lateinischen  Vokalschwächung  im  allgemeinen.  aavUw  der 
XII  Tafelgesetze  eine  modernisierte  Form,  ebenso  decidito,  Vitium, 
aaaidutUy  uritOy  uretve.  Verhältnis  von  Vokalschwächung  und  Anfangs- 
betonung. Italische  Synkopierungserscheinungen  {dexter  (?),  Kom- 
posita mit  ambi'),  Widerspruch  in  dem  zeitlichen  Verhältnis  von 
Vokalabsorption  (italisch)  und  Vokalschwächung  (lateinisch).  — 
VI.  inquiltnua  in  seiner  Bedeutung  für  die  Lautchronologie.  Ist  quo- 
für  späteres  co-  historisch? 

I. 
Sommer  IF.  11,  330^  und  Handbuch  der  lateinischen  Laut- 
1  Formenlehre  S.  211  hat  einen  von  y.  Planta  Grammatik 

bidogermaniBohe  Forschiugen  XYIIL  29 


^ 


440  Fr.  Stolz, 

der  oskisch-umbrischen  Dialekte  1, 527  '  hingeworfenen  Gedanken 
hinsichtlich  der  Erklärung  des  lautgesetzwidrigen  intervokalischen 
-9-  in  miser  und  caesariis  aufgegriffen,  indem  er  a.  a.  0.  ausein- 
andersetzt, der  Wandel  von  -a-  in  -r-  sei  in  diesen  beiden  FlUen 
infolge  der  dissimilatorischen  Wirkung  des  auf  das  -a-  folgenden 
-r-  unterblieben.  Damach  läge  also  eine  Dissimilationserscbei- 
nung  vor.  Auch  Brugmann  Kurze  vergleichende  Grammatik  2011 
hat  sich  dieser  Auffassung,  die  meines  Wissens  zuerst  schon  von 
dem  französischen  Sprachforscher  Br6al  ausgesprochen  worden 
ist,  angeschlossen,  und  auch  Walde  Lat  elym.  Wort  teilt  diese 
Ansicht,  vgl.  aaser,  caesaries^  crfsö. 

Allerdings  zeigen  noch  zwei  andere  Worte  ein  intervoka- 
lisches  8  vor  folgender  mit  r  schließender  Silbe,  oaw,  das  Sommer 
in  der  Fußnote  S.  211  erwähnt,  und  loser.  Erstere  Form  wird 
von  Tindsay  The  Liat  Lang.  S.261  und  Sommer  211*  insbeson- 
dere mit  Berufung  auf  Corp.  Gloss.  2,  23  CGloss.  Philox.  23.  566.' 
Lindsay)  als  die  ursprüngliche  Gestalt  dieses  Wortes  bezeichnet, 
während  bei  Paul.  Fest  12,  19  Th.  d.  P.  die  Form  ossyr  zur  Er- 
klärung von  *a88aratuin*  (dicebatur  apud  antiquos  genus  quoddam 
potionis  ex  vino  et  sanguine  temperatum,  quod  Ijatini  prisci  san- 
guinem  'assyr*  vocaront)  angeführt  wird.  In  der  Tat  scheint  nur 
s  berechtigt  nach  der,  so  viel  ich  sehen  kann,  allgemein  ange- 
nommenen Zusammenstellung  des  altlateinischen  Wortes  mit 
ai.  (isfk  lett  asins  gr.  Jap.  Vgl.  Curtius  Grundzüge*  398,  wo 
ausdrücklich  bemerkt  wird :  "auf  das  doppelte  s  im  Lat  ist  nach 
der  Geschichte  der  lateinischen  Schrift  nichts  zu  geben" ;  Prell- 
witz Et.  Wort.  d.  griech.  Spr.  s.  v.  'f ap' ;  Schmidt  Pluralbildungen 
S.  173;  Brugmann  Grundriß  1«  918  und  2,560;  Uhlenbeck 
Kurzgefaßtes  etym.  Wörterbuch  d.  altindischen  Spr.  18;  Hirt  Ak- 
zent S.  233  und  jetzt  neuestens  Walde  Lat.  etym.  Wörterbuch 
S.  48  s.  V.  'asser',  "wohl  *a8ir  mit  dissimilatorischem  Unter- 
bleiben des  Rhotaeismus,  oder  eher  Überliefenmg  aus  vorrotaci- 
stischer  Zeit".  Da  an  der  Richtigkeit  der  oben  erwähnten  Zusam- 
menstellung nicht  zu  zweifeln  ist,  kann  ebensowenig  bezweifelt 
werden,  daß  in  dem  lateinischen  Träger  dieses  gemeinindoger- 
manischen Wortes  nur  das  einfache  s  etymologisch  berechtigt 
erscheint.  Denn  anzunehmen,  daß  in  dem  lateinischen  -ss-  von 
*assaratum'  und  'assyr'  das  Ursprüngliche  vorliege,  ist  durch 
nichts  berechtigt,  da  ja,  abgesehen  von  der  altindischen  und 
lettischen  Form,  bei  denen  man  noch  allenfalls  vermutungsweise 


Nene  Beiträge  zur  lateinischen  Sprachgeschichte  nnd  Lautlehre.    441 

von  Yereinfachung  eines  -s»-,  allerdings  nur  in  sehr  wenig  wahr- 
scheinlicher Weise,  sprechen  könnte,  das  griechische  Cap  ganz 
sicher  auf  grundsprachliches  einfaches  -a-  hindeutet  Als  Grund- 
form ergibt  sich  unter  Berücksichtigung  des  epischen  etap,  dessen 
€t  sicher  ursprüngliches  e  repräsentiert,  *€8ar  (vgl.  J.  Schmidt 
Pluralbildungen  173,  Sommer  Griechische  Lautstudien  13).  Sollte 
also  trotzdem  -s»-  ursprünglich  sein,  so  müsste  aus  Gründen,  die 
sich  unserer  Kenntnis  entziehen,  schon  in  der  Grundsprache 
die  Vereinfachung  dieses  -»-  stattgefunden  haben,  und  dann 
wären  lat  *assaratum'  und  'assyr'  erst  recht  ein  Rätsel,  wenn 
man  nicht  annehmen  wollte,  der  Stamm  sei  in  doppelter  Form 
mit  -58-  und  -a-  aus  der  idg.  Grundsprache  in  die  Einzelsprachen 
übergegangen,  wozu  man  allenfalls  ai.  dsi  av.  ahi  gr.  et  neben 
gr.  £c-ci  alat  e9S  vergleichen  könnte  (s.  Brugmann  Grundriß  1' 
725).  Kurz,  es  unterliegt  wohl  kaum  einem  Zweifel,  daß  in  der 
Tat  *a9er*  die  allein  berechtigte  Form  ist  Darauf  reimt  sich 
*laaer\  über  dessen  Herkunft  ich  vollkommen  im  Dunkeln  bin, 
das  aber  doch  wohl  ebenso  wie  kuserpicium  zum  alten  Sprach- 
gute gehört  1).  Doch  ist  hinsichtlich  des  letztgenannten  Wortes 
nicht  zu  übersehen,  daß  der  Ambrosianus  Plautus  Pseudolus  816 
LASSERPICI  hat,  also  wohl  das  -ss-  das  ältere  und  ursprüngli- 
chere darstellt  Rudens  630  liest  man  in  der  Ausgabe  von  Götz- 
SchöU  im  Text  ebenfalls  'lasserpicium',  während  in  der  adnotatio 
critica  *Iasserpicium  vel  laserpicium'  steht  Somit  bleibt  es  nur 
bei  dem  äußeren  Anklang  von  kiser  und  aser^  da  wir  als  ältere 
Form  des  ersteren  Wortes  lasser  anzusehen  haben. 

Obwohl  nun  die  eingangs  erwähnte  Erklärung  der  Erhal- 
tung des  'S'  in  miser^  caesaries^  aser  infolge  von  Dissimilation 
ganz  plausibel  klingen  mag,  so  erheben  sich  gegen  die  Annahme 
dieses  lautlichen  Vorganges  Zweifel,  denen  ich  in  den  nach- 

1)  Ich  habe  Hist.  Gramm.  1,  280  das  Wort  als  wahrscheinliches 
Lehnwort  bezeichnet,  wie  ich  gestehen  muß,  ohne  zureichenden  Grund. 
Diesen  Tatbestand  hat  schon  Saalfeld  Thesaurus  S.  611  festgestellt,  indem 
er  bemerkt,  es  gehe  nicht  an,  ein  griechisches  Grundwort  *Xdcapi  zu  kon- 
struieren, von  dem  die  Worte  entlehnt  sein  sollten.  Nicht  unnötig  ist  es 
hinsichtlich  dieser  Pflanze  auf  Hehn  Kulturpflanzen  und  Haustiere*  189  zu 
verweisen:  'Das  Laserpitium  (richtig  ist  l<uerpicium\  das  die  Römer  Jahr- 
hunderte nachher  für  einerlei  mit  dem  griechischen  Silphium  hielten  und 
aus  Asien  bezogen  —  obgleich  nachbildende  Dichter  und  altertümelnde 
Literatoren  dabei  Kyrene  zu  nennen  liebten  —  war  wahrscheinlich  ferula 
asa  foetida,  deren  Beimengung  die  verschlemmte  Zunge  vornehmer  Wüst- 
linge fremdartig  reizte**. 

29* 


442  Fr.  Stolz, 

folgenden  Worten  Aasdrack  yerieihen  will.  Wenn  wirklich  im 
nachfolgende  r  den  Übergang  des  in  der  vorausgehenden  Silbe 
stehenden  -9-  oder  richtiger  -«-  in  -r-  aushalten  haben  soll, 
so  möchte  man  glauben,  es  sei  dies  geschehen,  weil  die  Römer 
eine  Abneigung  gegen  die  Lautfolge  r  . ,  .r  gehabt  hätten.  Denn 
so  wird  man  wohl  vom  Standpunkte  der  Sprechenden,  die  ja 
doch  der  einzige  maßgebende  Faktor  sind,  die  Sache  aufEassei 
und  erklären  müssen.  Dabei  bleibt  natürlich  theoretisch  auf- 
recht, was  Brugmann  Grundriß  1  *  850  über  *Femdi8similation 
von  Gonsonanten'  sagt  "Im  allgemeinen  bleibt  der  stärkere 
Gonsonant  und  wird  der  schwächere  dissimiliert  Stärker  kann 
ein  Gonsonant  sein  durch  seine  Stellung  in  bestimmter  Laat> 
Umgebung,  durch  die  Natur  des  Wortaccentes ,  durch  seines 
morphologischen  Gharakter  u.  dgl.  m.".    Wenn  Sommer  a  a.  0. 

sagt:  **mizer,  caizaries wurden  wegen  des  folgenden  r 

nicht  2u  *mir6r  *caerarie8  umgestaltet",  so  heißt  das  doch  nichts 
anderes  als:  die  Sprechenden  haben  die  Rhotazierung  des  •»- 
unterlassen,  weil  sie  gegen  die  Lautfolge  r-r  eine  gewisse  Ab- 
neigimg  hatten  und  sie  deshalb  vermeiden  wollten.  Dabei  0^ 
weist  sich  r  insoweit  als  stärker,  als  es  den  Übergang  von  -«- 
in  -r-  verhindert  oder  aufhält  Und  das  sollen  dieselben  Mensche» 
getan  haben,  die  sicher  zur  selben  Zeit  mirer  (1.  Sgl.  conj.  praes.) 
im  Munde  führten,  die  rärm  verum ^  litterärum^  virörum  und 
verschiedene  andere  gleichgebiidete  Genitive  des  Plurals  ^ 
brauchten!  Gerade  diese  zuletzt  angeführten  Fennen  beweisen 
wohl,  daß  man  nicht  wie  dies  Archiv  f.  lat  Lex.  12,  289  ge- 
schehen ist  zur  Erklärung;  der  Formen  fabrum.  virunt,  liberum, 
amphorum  die  Begründunj^  ins  Feld  führen  darf,  sie  seien  aus 
fabrörum  usw.  gekürzt  um  die  Aufeinanderfolge  zweier  nüt  r 
beginnender  Silben  zu  vermeiden.  Es  tut  dabei  gar  nichts  wir 
Sache,  daß  die  Endung  -rum  des  Genitivs  des  Plurals  aus  *-«)m 
hervorgegangen  ist.  Vielmehr  wird  dadurch  deutlich  erwiesen, 
daß  trotz  der  sich  ergebenden  Lautfolge  r-r  das  Eintreten  des 
Rhotiizismus  nicht  gehindert  wurde,  wenn  r  voranging.  Genau 
so  verhält  es  sich  mit  röris  rörö^  rüris  rürö,  Cereris^  Eirüria^ 
die  aus  *rösis  *rösö,  *rüsis  *msö,  ^Ceresis^  *Etrüsia  (vgl.  Etrüsci) 
hervorgegangen  sind.  Gerade  die  Fälle  wie  röris  und  rüris  be- 
weisen deutlich  genug,  daß  man  bei  rosa  nicht  etwa  an  Erhaltung 
des  -Z'  durch  Dissimilation  denken  darf,  was  Sommer  a.  a.  0. 
(Fußnote)  für  möglich  zu  halten  scheint,  ganz  abgesehen  davon, 


Nene  Beiträge  zur  lateinischen  Sprachgeschichte  und  Lautlehre.    4tö 

daß  überhaupt  die  Geschichte  des  Wortes  rom  noch  nicht  hin- 
länglich aufgeklärt  ist^).  Jedenfalls  ist  soviel  sicher:  man  müßte 
es  unbegreiflich  finden,  warum  gerade  nur  bei  rasa  bei  der  Laut- 
folge r-  . .  -8-  die  dissimilierende  Ej*aft  des  r-  wirksam  gewesea 
sein  sollte,  die  bei  röris  rörö,  rüs  rürö  sich  als  gänzlich  un- 
wirksam erweist  Auch  die  etwas  anders  gearteten  Fälle  roburU 
arborem^  verberis^  die  bekanntermaßen  aus  *robo9e8  (vgl  alüat 
robosem)  arbosem^  *verbe8es  hervorgegangen  sind,  zeigen  keine 
Spur  einer  dissimilierenden  Wirkung  des  r  der  vorausgehenden 
Silbe  auf  das  -*-  der  folgenden.  Auch  ist  es  gewiß  nicht  nur 
nicht  unpassend,  sondern  geradezu  geboten,  darauf  hinzuweisen, 
daß  die  Rhotazierung  des  intervokalischen  -s-  in  zwei  aufeinander- 
folgenden Silben  stets  und  ausnahmslos  erfolgt,  obwohl  natürlich 
auch  hier  die  'unbequeme*  Lautfolge  r-r  das  Ergebnis  seia 
mußte.  Man  vergleiche  auröra^  die  Infinitive  curare  speräre 
kaurire^  das  abgeleitete  Adjektiv  aerürius^)^  Formen,  die  aus 

1)  Vgl.  Hist.  Gramm.  1,  267;  Mikkola  BB.  22,  244;  Brugmann  Grundr. 
1«.  624;  Schrader  Reallexikon  695. 

2)  Daß  die  ursprüngliche  Suflixform  -äsia-  gewesen  ist,  scheint  mir 
sicher.  Läge  irgendwelche  begründete  Berechtigung  für  die  Annahme  vor, 
daß  die  Grundform  *aesärio8  gewesen  sei,  dann  hätten  wir  einen  un- 
mittelbaren Gegenbeweis  gegen  die  angebliche  dissimilierende  Kraft  eines 
auf  '8'  folgenden  r.  Allerdings  könnte  man  sich  bei  aerarius  darauf 
hinausreden,  daß  durch  die  lautgesetzlich  gerechtfertigte  Gestaltung  von 
merU  aer^  aera  usw.  die  Veranlassung  gegeben  war,  *ae8äriu8  in  aeräriu§ 
umzugestalten.  Auch  könnte  man  zu  dem  Auskunftsmittel  greifen,  die 
Bildung  von  aeräriua  erst  in  die  Zeit  nach  Abschluß  des  Rhotazismus 
zu  verlegen.  Bei  dieser  Gelegenheit  sei  es  gestattet,  hervorzuheben,  daß 
mir  die  Herleitung  unserer  Adjektive  auf  -ärius  von  Lokativen  des  Plurals 
auf  ♦-«»*  oder  ♦-««,  welche  Prellwitz  BB.  24,  94fr.  zu  erweisen  sucht 
(vgl.  übrigens  auch  Bück  Der  Vok.  d.  osk.  Sprache  3ö),  doch  auf  all- 
zu hypothetischer  Grundlage  zu  beruhen  scheint,  wenn  ich  auch  nicht 
mit  W.  Schulze  Eigennamen  436'  die  Herleitung  von  Adjektiven  aus 
Lokativformen  auf  das  Adjektiv  bioc  beschränken  möchte.  Vgl.  über 
Prellwitz'  Hypothese  auch  Skutsch  Krit.  Jahresber.  f.  rom.  Philol.  VI  1,  68. 
Die  außerordentliche  Fruchtbarkeit  des  Suffixes  -ärius  ersieht  man  u.  a. 
aus  dem  Vorkommen  in  den  Notae  Tironianae  (vgl.  Heraeus  im  Arch.  f. 
lat.  Lex.  12,  68  f.),  auf  den  gallischen  Inschriften  (Pirson  La  langue  des 
inscriptions  latines  de  la  Gaule,  Bruxelles  1903).  Über  seine  Entwicklung 
im  Romanischen  vgl.  man  Zimmermann  Die  Geschichte  des  lateinischen 
Suffixes  -ariua  in  den  romanischen  Sprachen,  Darmstadt  1895.  Als  eine 
mittellateinische  Spezialität,  auf  die  ich  bei  dieser  Gelegenheit  aufmerksam 
nutchen  möchte,  erscheint  Acta  Tirolensia  2  Nr.  47  v.  J.  1246  romariu§ 
ICupferschmied',  wobei  der  Herausgeber  von  Voltelini  auf  rom«  (*vox  Italica, 


444  Fr.  Stolz, 

*au9ö9CL,  *cfA9äd  *8perä8i  *haim9ij  *ae9asiu8  hervorgegangen  sind. 
Ich  gestehe  gern  zu,  daß  sich  die  zuletzt  angeführten  EUle 
anders  verhalten^  da  bei  ihnen  der  dissiniilierende  Eaktor  fehlt, 
aber  daß  die  Lautfolge  r  .  .r  wohl  gelitten  wurde,  erweisen  sie. 
Dagegen  scheint  mir  die  oben  bereits  gestellte  Frage,  was  denn 
hindere,  dieselbe  Dissinülationserscheinung,  die  für  die  Lautfolge 
-0- . . .  -r  angenommen  wird,  auch  für  die  umgekehrte  Lautfolge, 
so  daß  r  vorausgeht  und  s  nachfolgt,  prinzipiell  vorauszasetsen, 
in  verneinendem  Sinne  beantwortet  werden  zu  müssen.  Höchstens 
könnte  man  sich  darauf  berufen  wollen,  daß  die  regressive 
Dissimilation  der  konsonantischen  Laute  viel  häufiger  sei  als 
die  progressive.  Sagt  doch  Meringer  Versprechen  und  Verlesen 
S.  176:  **£s  ist  bekannt,  daß  im  indogermanischen  Sprachleben 
die  Laute  zumeist  vorauswirken,  d.  h.  die  noch  nicht  gesprochenen 
auf  die  eben  zu  sprechenden.  Aber  es  kommt  doch  auch  das 
Entgegengesetzte  vor".  Daß  dies  durchaus  nicht  so  selten  ist, 
zeigen  die  von  Brugmann  Grundriß  1»,  851  zusammengesteUten 
Beispiele,  die  sich  allerdings  nur  auf  die  Dissimilation  der 
Liquida  beziehen.  Aber  Dissimilationserscheinungen  zwischen 
(intervokalischen)  s-  und  r-Lauten  sind  sonst  meines  Wissens 
überhaupt  nicht  belegt.  Denn  auch  bei  Grammont  La  dissimi- 
tation  consonantique  vermag  ich  kein  entsprechendes  Beispiel 
zu  finden.  Sonach  dürfte  es  prinzipiell  gerechtfertigt  erecheinen, 
dem  vorausgehenden  r  auf  nachfolgendes  intervokalischos  -s-  (-«-) 
dieselbe  dissimilatorische  Wirkung  zuzuschreiben,  wie  dem  auf 
das  -s-  (-Z-)  folgenden  r.  Und  das  scheint  auch  Sommer  mit 
seiner  Frage  "So  auch  rosa?"  (S.  211,  Fußnote),  nämlich  wie 
aser^  anzudeuten.  Nachdem  aber  vollkommen  sicher  ist,  daß  vor- 
ausgehendes r  auf  folgendes  -s-  (-z-)  absolut  keine  dissimilierende 
Wirkung  ausübt,  müssen  wir  auch  starke  Zweifel  darüber  aus- 
sprechen, ob  dem  -.s-  (-z-)  folgendes  r  eine  solche  auszuüben 
vermöge.    Nach  meinen  vorstehenden  Ausführungen  dünkt  mich 

Aes,  Aeramen,  unde  origo'  Du  Gange)  verweist.  An  Vom,  roma'  'Zigeuoer' 
zu  denken,  wozu  vielleicht  alb.  J/^t/Ät  'Schmied',  eigentlich  =  AtfOrmoc 
'Zigeuner'  (0.  Schrader  Sprachvergl.  u.  Urgesch.'  228)  einladen  könnte, 
verbietet  das  frühe  Vorkommen  des  Wortes,  wenn  man  auch  die  unge- 
wöhnliche Verwendung  des  Suffixes  durch  Anlehnung  an  das  bekannte 
cdldarim  entschuldigen  könnte.  Vgl.  auch  Wiener  Zur  Geschichte  des 
Wortes  Zigeuner  im  Archiv  f.  d.  Studium  der  neueren  Sprachen  69  (N.  S.  IX) 
S.  280,  bes.  288,  nach  dessen  Ausführungen  man  geneigt  sein  könnte,  ein 
früheres  Auftreten  der  Zigeuner  im  westlichen  Europa  anzunehmen. 


Neue  Beiträge  zur  lateinischen  Sprachgeschichte  und  Lautlehre.    446 

dies  nicht  eben  besonders  wahrscheinlich,  und  so  bleiben  miser^ 
eaesarm^  caer^  wie  noch  andere  Falle  (vgl.  Hist  Gramm.  1,  279  f.) 
auch  jetzt  noch  unerklärt 

Vielleicht  könnte  jemand  geneigt  sein,  in  dem  Schwunde  des  s 
der  Anlautsgruppen  «m-  snr  und  d-  eine  durch  das  r  der  folgenden 
Silbe  verursachte  Dissimilationserscheinung  zu  sehen,  wenn  man 
merda^  mürus^  nurus^  lübricus  vergleicht  Allein  eine  Betrachtung 
der  in  Berücksichtigung  zu  ziehenden  Fälle,  welche  Historische 
Granun.  1,  301  f.  verzeichnet  sind*),  zeigt,  daß  derselbe  Schwund 
auch  unter  lautlich  anders  gearteten  Bedingungen  der  folgenden 
Silbe  stattfindet,  und  es  daher  nicht  angeht,  von  einer  dissi- 
milierenden Wirkung  des  r  zu  sprechen. 

Mit  gutem  Grunde  hat  Sommer  den  an  erster  Stelle  (s.  S.  17) 
ausgesprochenen  Gedanken,  daß  in  miser  und  caesaries  **ein  aus 
intervokalischem  8  entstandenes  z  fortgelebt  haben"  müsse,  in 
seinem  Handbuch  S.  211  dahin  abgeändert,  daß  z  vielleicht 
später  wieder  zu  s  geworden  sei,  da  die  Grammatiker  nichts 
von  der  Existenz  eines  tönenden  z  in  echt  lateinischen  Wörtern 
wußten.  —  Damach  stellt  sich  auch  das  über  nm  IE.  11,  3291 
Gesagte  als  unhaltbar  heraus,  insoweit  es  wenigstens  die  tönende 
Natur  des  s  anlangt  Denn  auch  hiefür  fehlt  jegliches  Zeugnis. 
Und  überhaupt  erscheint  meines  Wissens  in  Zusammensetzungen, 
deren  zweites  Glied  mit  s  beginnt,  dieser  Laut  auch  in  der 
Stellung  nach  vorausgehendem  Vokal  niemals  rhotaziert 
Sommer  Handbuch  S.  211  nimmt  für  de-siliö^  di-sinö^  pasUus 
nia  'Ausgleichung'  an,  hervorgerufen  durch  die  Lautgestalt 
der  Simplizia  saliö  sinö  sitm  ai.  Nun  ist  es  eine  bekannte  Tat- 
sache, daß  die  Lautgestalt  der  Komposita  durch  die  des  Simplex 
beeinflußt  wird,  aber  es  muß  doch  merkwürdig  erscheinen,  daß 
auch  nicht  ein  einziger  Beleg  der  Bhotazierung,  wenn  diese 
tatsächlich  auch  das  anlautende  s  betroffen  hat,  überliefert  ist 
Sollte  da  nicht  vielleicht  der  Gedanke  näher  liegen,  daß  der 
Rhotazismus  in  dieser  Stellung  des  s  überhaupt  nicht  eingetreten 
ist,  indem  es  die  tonlose  Aussprache  auch  in  der  Zusammen- 


1)  Zur  Ergänzung  bemerke  ich :  Zu  languere  vgl.  Zupitza  Die  ger- 
manischen Gutturale  16Ö;  zu  an.  sUikr  wird  ib.  216  nur  griech.  XdpurS 
gestellt.  Hinzuzufügen  sind  marcidus  lit.  smefkti  'in  Not  zu  versetzen 
suchen*  (Zupitza  a.a.O.  137);  möUs  lit.  smagüs  Solmsen  KZ.  29, 86,  G.  Meyer 
Griech.  Gramm.'  330;  moUi»  deutsch  schmelzen  (Wackernagel  Altind. 
Gramm.  1, ! 


4M  Fr.  Stols, 

setKnng  beibehielt,  und  iwar  aadi  nadi  dnem  TokaL 
müßten  also  dMI0  dAJiidjNWJft»  iriW  sofort  lUK^ 
der  beiden  getrennten  Bestandteile  la  einem  Wort  mit  dam- 
selben  tonlosen  $  gesprochen  worden  sein,  wie  die  betraffBDdfln 
Simpliua.  Dann  ist  es  überhaupt  nimials  m  ^MrUie  %toM 
^porsdM  *njrf  gekommen,  and  dies  ist  ohne  Zweifel  andi  dm 
Wahrscheinlichste.  Sommer  dürfte  die  Sache  schweilieh  so  aif- 
gefiafit  haben,  da  es  IF.  11,  329  ausdrücklich  heiBt:  *Tn  Wort- 
innran  mnfite  aber  jedes  intervokalisdie  s  laatgesetilioh  n  s 
w^en :  wenn  dies  bei  niri  nicht  eingetreten  ist,  so  ist  das  dar 
etymologischen  Wiedervereinigong  mit  »  m.  verdanken''.  Mir 
scheint  es  ziemlich  sicher,  dafi  die  Sprechenden  in  diesen  lUlea 
das  anlautende  s  in  den  betreffenden  Simplim  und  das  in  den 
Inlaut  geratene  nicht  verschieden  artikulierten,  was  um  so 
leichter  begreiflich  wird,  wenn  man  bedenkt,  daB  die  FHIpodtioB 
wenigstens  mit  dem  Yerbum  noch  bis  in  historische  Zeit  hereiB 
eine  sehr  lockere  Einheit  bildete,  die  auch  gelegentlich  duidi- 
brochen  werden  konnte  (vgl.  Hist  Oranun.  1,  187).  Zeigt  sich 
ja  doch  auch  im  Satzzusammenhang  beim  Zusammentreffen  von 
auslautendem  Yokal  mit  anlautendem  s  +  Vokal  nie  die  E^ 
scheinung  des  Rhotazismus.  Man  könnte  die  Sache  auch  so 
fassen :  Das  Bestreben,  die  etymologische  Zusammengehdiigkdt 
zu  unverkennbarem  Ausdruck  zu  bringen,  dieser,  ich  möchte 
sagen,  geistige  Faktor,  trug  über  die  rein  lautmechanische  Begel 
des  alten  Latein,  daß  s  zwischen  zwei  Vokalen  tönend  gesprochen 
wurde,  den  Sieg  davon  und  bewirkte,  daß  auch  in  der  Zusammen- 
setzung die  Lautgestalt  des  Simplex  unverändert  erhalten  blieb. 
Diese  Auffassung  scheint  mir  den  wirklichen  Tatbestand  in 
richtigerer  und  bestimmterer  Weise  zum  Ausdruck  zu  bringen, 
als  es  bisher  geschehen  ist,  und  darum  war  es  sicherlich  nicht 
überflüssig,  auf  die  Präge  mit  einigen  Worten  einzugehen.  Ab- 
sichtlich verzichtet  habe  ich  darauf,  einen  Gedanken  fruchtbar 
machen  zu  wollen,  auf  den  man  füglich  zur  Erklärung  der  fra^ 
liehen  Erscheinung  auch  verfallen  könnte,  daß  die  betreffenden 
Zusammensetzungen  erst  aus  der  Zeit  nach  dem  Aufhören  des 
Gesetzes  des  Rhotazismus  stammen  könnten. 

IL 
Schon  bei  Vanißek  Etym.  Wtb.  d.  lat.  Sprache«  S.  123 findet 
sich  unter  div  auch  -divo-m  -diuhm  zur  Erklärung  von  tndMtm- 


Nene  Beiträge  zur  lateinischen  Sprachgeschichte  und  Lautlehre.    447 

Brugmann  Grundriß  1»,  2301,  dem  Sommer  Handbuch  116  f. 
beistimmt,  läßt  tridunm  durch  Zusammenziehung  yon  hetero- 
syllabischem  tu  entstanden  sein,  mit  dem  die  Zusammenziehung 
Ton  ouauznu  Biui  eine  Stufe  gestellt  wird.  Sommer  sagt  a.  a.  0. : 
**Älle  kurzen  Yokale,  denen  ein  die  nächste  Silbe  anlautendes  u 
folgt,  fließen  mit  diesem  zu  u  zusammen".  Hinsichtlich  der  beiden 
Lautverbindungen  ofc  und  au  unterliegt  die  Richtigkeit  dieser 
Annahme  nicht  dem  geringsten  Zweifel,  wie  die  einfache  B^ 
trachtung  von  tMua  abluö  aus  *fiidaiiä  *ablaiiö  *abla^  zeigt  Es 
ist  aber  beachtenswert,  daß  bei  nachfolgendem  i  zwischen  diesem 
und  dem  vorausgehenden  u  sich  ein  Gleitvokal  entwickelt,  der 
in  der  Schrift  durch  v  dargestellt  wird:  depuviö  ist  durch  die 
Mittelstufen  *d4pouiö  *d4puiö  *d^fn4(fi)iö  aus  *d4paviö  entstanden  i). 
Man  sieht,  das  Zusammentreffen  von  u  +  i  bedingt  eine  etwas 
andere  Weiterentwicklung  als  die  von  u  +  a  oder  u  +  o.  Obwohl 
nun  gewiß  bei  den  Lautverbindungen  ou  aif  ifi  keine  unmittelbare 
kausale  Beziehung  zu  den  Verbindungen  uo  ua  ui  obwaltet,  die 
uns  etwa  zu  dem  Schlüsse  berechtigte,  daß,  wie  ui  so  auch  i^ 
eine  von  der  Behandlung  der  übrigen  beiden  Lautgruppen  ver- 
schiedene habe  erleiden  müssen,  klingt  es  doch  nach  meinem 
Dafürhalten  schwerlich  glaublich,  daß  i  mit  u  in  einen  Laut  u 
zusammengeflossen  seL  Wenigstens  vermag,  soviel  ich  sehen  kann, 
niemand  einen  analogen  Fall  beizubringen.  (S.  Nachtr.)  Sollte  es 
daher  nicht  wahrscheinlicher  sein,  daß  bei  der  Worteinung»)  von 
trü  divom  zunächst  *trrdfu(nn  enstand,  indem  der  erste  der  beiden 
die  Silbe  bildenden  Sonanten  konsonantische  Funktion  übernahm. 
*trfdiuom  aber  mußte  wohl  über  *iridduom  zu  iriduom  führen. 
Die  vorstehende  Erklärung  des  Kompositums  triduom  steht  aber 
im  Widerspruche  zu  der  Behandlung  von  -rf|-in  mehreren  anderen 


1)  Es  wäre  ganz  und  gar  nicht  statthaft,  depuvio  etwa  beurteilen 
zu  wollen  wie  abgtergö  ieeemö  sümö  pergö  porgö  (Hist.  Gramm.  1,  205) 
aus  *äb8tr{i)gd  *8ecr{i)nö  *8ubs{e)mö  *perr{e)gd  *pafr{e)gö  und  *dip{a)^iö  als 
Vorstufe  anzusetzen.  Denn,  wie  aperiö  aus  *ap^eri5  (Laut-  und  Formen- 
lehre •  90)  zeigt,  würde  dep{a)^id  eher  zu  *dippid  *dipiO  geführt  haben 
als  zu  depi4»)id.  Anders  ^depouiö  *dSpüiö  (vgl.  unten)  *dtpuiö^  wo  die 
Lautverbindung  ou  von  Hause  aus  vokalisch  fangiert  hat. 

2)  Brugmann  Kurze  vergl.  Gramm.  310 :  "Lat.  triduom  aus  *tri9  divam 
ist  in  Sätzen  wie  übt  iriduom  praeterierit  ursprünglich  'wenn  dreimal  ein 
Tag  vergangen  ist*  entstanden."  Der  Urheber  der  Erklärung  von  biduom 
iriduom  in  dem  eben  angegebenen  Sinne  ist  Sommer  Archiv  f.  lat.  Lex. 

19    Rft9f 


448  Fr.  Stolz, 

lateinischen  Wörtern,  in  welchen  es  zu  -:f j-  -t-  geworden  ist 
Ich  verweise  in  dieser  Hinsicht  auf  Sommer  IF.  11,  78  fL  Hand- 
buch  222,  Brogmann  Grundriß  1^  672,  Eist  Gramm.  1,638 
(Nachtrag  zu  S.  305),  Laut-  und  Formenlehre'  90.  Die  Ver- 
schiedenheit in  der  Behandlung  derselben  Lautgruppe  dürfte 
wohl  ihre  ausreichende  Begründung  in  der  Natur  des  der  Laut- 
gruppe -df'  folgenden  Lautes  finden.  Denn  -<^-  konnte  sich  eben- 
soleicht zu  -^Id-  wie  zu  -jp-  assimilieren.  Und  soweit  das  dne 
Beispiel  ein  Urteil  erlaubt,  ist  ersteres  nur  vor  nachfolgendem 
u  geschehen,  während  in  allen  übrigen  FSllen  das  Assimilations- 
produkt "jH"  war.  Solche  verschiedene  durch  Kontaktwirkung  za 
erklärende  Behandlung  derselben  Lautgruppe  ist  keinesfalls  auf- 
fallender als  die  Wiedergabe  derselben  inlautenden  indoger- 
manischen Aspirata  -cZA-  durch  -d-  oder  -6-,  des  indog.  -^k- 
durch  -A-  und  -jr-,  des  indog.  -g"A-  durch  -^-  oder  -v-  je  nach 
der  Natur  der  umgebenden,  vorausgehenden  oder  folgenden  Laute. 
Ist  diese  Ausführung  richtig,  dann  fällt  die  Möglichkeit  -dm 
in  nuditis  von  einem  maskulinen  o-Stamme,  entsprechend  ai.  dm- 
in  divdrkias  *im  Himmel  wohnend'  und  in  dM-dive  *Tag  für 
Tag',  abzuleiten,  woran  Solmsen  Studien  zur  lateinischen  Laut- 
geschichte 73  gedacht  hat,  weg.  Denn  aus  *nu^mt8  hätte,  wenn 
meine  Darlegung  über  triduom  als  richtig  anerkannt  wird,  nur 
*nudiuos  *nuddiws  *nuduas  werden  können.  Dadurch  wird  die 
a.  a.  0.  an  zweiter  Stelle  gegebene  Deutung  von  nudius  aus 
*nurdieti8  ^)  (*'dieu8  lautgesetzlicher  Vertreter  von  *difu$,  wie  Z€uc 
*Znuc),  die  ohnehin  mit  Recht  Anerkennung  von  verschiedenen 
Seiten  gefunden  hat  (vgl.  Brugmann  Grundriß  1«  210,  265,  800 
und  Berichte  d.  k.  sächs.  Ges.  d.  Wiss.  1900,  400,  wo  allerdings 
nicht  über  die  lautliche  Form  unseres  Wortes,  sondern  über 
die  Art  und  Bedeutung  der  Zusammensetzung  gehandelt  ist, 
Sommer  Handbuch  47,  429),  als  einzig  möglich  hingestellt 

Vendryes  Recherches  sur  Thistoire  et  les  effets  de  Tintensit^ 
initiale  S.  238  setzt  unter  Berufung  auf  Uhlenbeck  Etym.  Wtb. 
d.  altind.  Spr.  S.  150  *netuhdius  als  Grundform  für  nudius  an. 
Allerdings  steht  bei  Uhlenbeck  idg.  *nü  aus  *newo  und  auch 
Brugmann  Kurze  vergl.  Gramm.  S.  617  bringt  unsere  Partikel 
mit  *neuo-8  in   Zusammenhang.    Aber  Vendryes   übersieht  bei 

1)  Vgl.  Lindsay  The  Lat.  Langu.  377:  'Tor  the  Nom.  we  should 
expect  *d%eu8  (Gk.  ZeOc),  with  iu  from  iu^  which  would  become  in  Latin 
diü8  (cf.  nü'diu8'tertius?y\ 


Neue  Beiträge  zur  lateinischen  Sprachgeschichte  und  Lautlehre.    itH^ 

seinem  Ansatz,  daß  schon  in  der  indogermanischen  Grandsprache 
aus  der  von  Uhlenbeck  angenommenen  Basis  *neuH>  die  Formen 
nu-  nü'  entstanden  waren,  welche  dann  auch  in  die  indoger- 
manischen Einzelsprachen  übergingen.  Also  hat  das  Lateinische 
nur  *nä  aus  der  Grundsprache  übernommen,  das  uns  eben  in  nuhdim 
entgegentritt,  aber  nimmer  ein  *fiefiO'.  Ebenso  ist  die  Form  des  idg. 
nü'  sicher  erhalten  in  nü-per  (vgl.  Hist  Gramm.  1,  245,  Brugmann 
Kurze  veigL  Gramm.  617)  und  es  ist  ebenfalls  unrichtig,  eine 
lateinische  Vorstufe  *nüWhparos  oder  *n(Wf(o)per  konstruieren  zu 
wollen,  was  Vendryes  233,  Ahlberg  Eranos  5, 166  tun.  (S.  Nachtr.) 
Wenn  Brugmann  Kurze  vergl.  Grammatik  251  die  drei 
Fälle  vidtiCL^  cMuö^  triduom  unter  *n)  Samprasära^a'  aufführt, 
so  ist  hiebei  der  Begriff  Samprasära^a  in  dem  Sinn  gefaßt,  wie 
er  Grundriß  1*,  474  definiert  ist:   "Geschieht  die  Absorption 
in  der  Weise,  daß  die  Silbe  ihren  Wert  als  Silbe  behält,  was 
nur  dann  möglich  ist,  wenn  ein  anderer  Laut  die  Bolle  als 
Träger  des  Silbenakzentes  zu  übernehmen  vermag,  so  nennen 
wir  den  Prozeß  (im  Anschluß  an  einen  Terminus  der  indischen 
Grammatik)  Samprasära^a'^    Rein  äußerlich  genommen  hat  in 
der  Tat  in  den  drei  oben  aufgeführten  Fällen  das  vorher  kon- 
sonantisch fungierende  Element  v  die  Bolle  als  Träger  des  Silben-* 
akzentes  übernommen,  damit  ist  aber  nicht  ausgesprochen,  auf 
welchem  Wege  dies  geschehen  ist  In  den  beiden  ersten  Fällen, 
richtiger  eigentlich  nur  im  zweiten,  hat  sich  aus  afi  zunächst 
ofi  entwickelt,  das  in  seiner  weiteren  Ausgestaltung  kaum  einen 
anderen  Gang  der  Entwicklung  eingeschlagen  haben  wird,  als 
idg.  o|r,   um  das  es  sich  im  ersteren  Falle  handelt,  oder  aus 
idg.  efi  entstandenes  ou  in  solchen  Silben,  auf  welche  eine  kon- 
sonantisch anlautende  folgt  Wie  *louco8  doucö  zu  lücm  dücö  ge- 
worden sind,  kann  ich   mir  auch   den  Entwicklungsgang  von 
vidua  cMuö  aus  *vldouä  *<iblouö  nur  über  *v{düä  *dbliiö  vorstellen, 
in  denen  allerdings  die  Länge  des  u  wahrscheinlich  niemals  zur 
Geltung  kam,  sondern  sofort  nach  Überführung  des  Diphthongs 
in  einen  Monophthong  die  Kürzung  eingetreten  sein  dürfte.  Es 
hat  also  eigentlich  nur  den  Anschein,  als  ob  das  u  von  *yido^ 
*dbla9iö  Träger  des  Silbenakzentes  geworden  wäre,  während  das  u 
von  vidua  Muö  das  Ergebnis  eines  lautlichen  Prozesses  ist,  den 
wir  oben  genauer  geschildert  haben.    Und  in  demselben  rein 
äußerlichen  Sinne  hat  man  auch  ein  Recht,  in  triduom  eine 
Samprasärapa^Erscheinung  zu  sehen,  insofern  in  der  mit  völliger 


460  Fr.  Stolz, 

Sicherheit  zu  erschließenden  Orandfonn  HruU^fom  i  oisprfing^di, 
wenigstens  beim  Simplex  *dHiomy  als  Träger  des  Silbenakzentea, 
u  als  Konsonant  fungierte.  Aber  damit  ist  nicht  im  entfemtestea 
angedeutet,  was  mit  diesem  i  eigentlich  geschehen  ist  Bb  hat 
keine  wesentlich  andere  Rolle  gespielt  als  o  in  *^idaifä  *iUoi^ 
nachdem  es  seine  Rolle  als  Träger  des  Wortakzentes  hatte  auf- 
geben müssen,  wie  ja  auch  dieses  o,  bezw.  Oj  ursprünglich  Träger 
des  Wortakzentes  gewesen  war,  was  sich  bei  lavO  von  selber 
▼ersteht  und  für  viduti^  aus  dem  ai.  vidhdvd  deutlich  hervoigeht 
Während  aber  die  Schwächungsprodukte  von  o  und  a  +  dem 
folgenden  fi  den  naturgemäßen  Entwicklungsgang  zu  u  nahroen, 
konnte  t  in  *tridi^am^  da  es  nicht  imstande  war.  mit  dem 
folgenden  ji  sich  zu  einem  Laute  u  zusammenzuschließen  wie  o 
mit  m  keine  andere  Funktion  einnehmen  als  konsonantische, 
wenn  tatsächlich,  wie  dies  ja  auch  der  Fall  war,  das  im  Simplex 
*diuom  konsonantisch  fungierende  fi  die  Rolle  des  Trägers  des 
Silbenakzentes  übernahm.  Wir  kommen  also  naturgemäß  zur 
Aufstellung  der  Zwischenform  Undpiom^  aus  der  das  historische 
triduom  auf  dem  oben  auseinandergesetzten  Wege  entstanden  ist 
Die  an  biduom  triduom  gemachte  Beobachtung  trägt  auch 
zur  Entscheidung  der  Frage  über  die  Entstehung  von  interdm 
wesontlicli  bei.  Somsen  Untersuchungen  zur  lat.  Sprachgeschichte 
192  setzt  unser  -dius  gleich  ai.  ditxis^  Lindsay  The  Latin  Langu. 
555,  Brugmann  Grundriß  1*  219,  letzterer  unter  ausdrücklicher 
Verweisung  auf  Solmsen,  vertreten  dieselbe  Ansieht,  der  auch 
ich  Lat.  Laut-  und  Formenlehre^  124  gefolgt  bin.  Nun  zeigt 
aber  der  Vergleich  von  Hridiuom  und  *interdiuos  (so  müßte  natür- 
lich die  vorauszusetzende  lateinische  Grundform  lauten,  wenn 
-dius  =  ai.  =  dtvds  sein  sollte),  daß  wahrscheinlicher  Weise  aus 
letzterer  Grundform  doch  auch  nur  *int€rdtws  geworden  wäre, 
da  der  Unterschied  der  auslautenden  Konsonanten  (-m  und  -i) 
schwerlich  die  Annahme  einer  verschiedenen  lautlichen  Be- 
handlung der  beiden  im  übrigen  unter  den  gleichen  Bedingungen 
auftretenden  Lautverbindungen  -iuo-  rechtfertigen  wird.  Darum 
scheint  es  mir  gerechtfertigt  mit  J.  Schmidt  KZ.  25,  59  und 
W.  Schulze  ib.  27,  546,  mit  denen  auch  Delbrück  Grundriß  3, 
627  übereiustinmit,,  in  -dius  den  unmittelbaren  Repräsentanten 
von  ai.  -dyti^  in  pürvedyü^  (Wackernagel  Altindische  Grammatik 
1,  77  pürvi'dym)  Tags  zuvor'  u.  a.  zu  sehen.  In  -dyu^^  als  zweitem 
Glied  der  Zusammensetzung,  ist  die  schwächste  Stammform  (SSS 


Neue  Beiträge  zur  lateinischen  Sprachgeschichte  und  Lautlehre.    461 

nach  ffirt  Ablaut  S.  150)  nicht  auffallend,  während  in  aL  dicdB 
griech.  AiFöc  BSV  der  dreisilbigen  Basis  dejeico  (van  Wijk  Der 
nominale  Genetiv  SingularS.  7 ,}fom*defSwe80ten*dejew48)voTliegt 
Es  liegt  aber  weiter  auf  der  Hand,  daß  im  Lateinischen  dem  ai.  -dtfttf 
nur  '<liu8  entsprechen  kann,  wie  dem  ai.  mddhyas  usw.  lat  medim 
gegenüber  steht  Ich  betrachte  also  divda  und  -dyvi  als  zwei  über- 
einstimmende, nur  durch  die  Akzentverhältnisse  verschieden  ge- 
staltete Formen,  und  man  hat  daher  keinen  Grund  -dyt^  von  einem 
eigenen  »-Stamm  abzuleiten.  So  W.  Schulze  KZ.  28, 546,  dem  Brug- 
mann  Grundriß  2,  611  und  Solrasen  a.  a.  0.  zustimmen.  (S.  Nachtr.) 
Wenn  man  sädims  zur  Erweisung  eines  »-Stanmies  dtvaa- 
ins  Feld  führt,  so  scheint  mir  überhaupt  die  Aufstellung  eines 
solchen  s-Stammes  imi  des  6inen  sddifxts  willen  nicht  notwendig. 
Denn  ich  glaube,  es  steht  kaum  etwas  der  Auffassung  von  -ditm 
als  Genitiv  des  Singulars  entgegen.  sA-divoB  ist  ein  Stamm- 
kompositum,  wie  lat  ho-die^).  Der  Gebrauch  des  Genetivs  für 
eine  Zeitbestimmung  kann  nicht  wohl  beanstandet  werden,  wenm 
auch  Delbrück  Grundriß  3,  356  geneigt  ist,  nur  västos  *am 
Morgen*  für  das  Altindische  anzuerkennen  und  Brugmann  Kurse 

1)  Diese  Auffassung  von  lat.  hodie  halte  ich  jetzt  für  wahrschein- 
licher als  die  von  Solmsen  Stud.  z.  lat.  Lautgesch.  S.  100  vorgeschlagene 
ZuröckfQhrung  auf  hö  dit,  die  ich  Laut-  und  Formenlehre'  55  unter  Ver- 
weisung auf  Hist.  Gramm.  1, 109  als  die  wahrscheinlichste  bezeichnet  hatte. 
Denn  das  faliskische  foied  beweist,  daß  wir  doch  wohl  von  ursprünglichem 
♦Äörf  ditd  auszugehen  hätten,  nicht  von  *hö  die,  und  dadurch  entfällt  die 
für  die  Solmsensche  Erklärung  unentbehrliche  Voraussetzung.  Denn  aus 
*hdddisi  könnte  selbstverständlich  nur  *hddie  entstehen.  Ich  bin  also  der  An- 
sicht, daß  in  lat.  ha-  wie  in  fal.  fo-  (foied  =  *fo-died  *foiied)  der  reine  Stamm 
des  Pronomens  vorliegt.  Dieser  Auffassung  scheint  auch  Delbrück  Grund- 
riß 3,  549  sich  zuzuneigen,  wenn  er,  allerdings  zweifelnd,  das  ho-  von 
hodii  mit  dem  a-  von  a-dyd  auf  eine  Linie  stellt,  während  er  B,  223 
einfach  bemerkt  hatte,  daß  man  über  den  ersten  Teil  von  hodie  pridiS 
perendii  nicht  recht  im  klaren  sei.  Diese  erwünschte  Klarheit  scheint 
mir  durch  das  fal.  foied^  das  man  von  lat.  hodif  nicht  wohl  trennen  kann, 
erbracht  zu  sein,  sodaß  man  das  Wort  nicht  mehr  mit  Wackernagel  Bei- 
träge z.  Lehre  vom  griech.  Akzent  S.  22  als  'dunkel'  zu  bezeichnen  braucht. 
Wenn  hodie  als  Stammkompositum  zu  betrachten  ist,  trifft  dies  noch 
sicherer  zu  bei  hömu8,  das  man  mit  Brugmann  Grundriß  1',  279,  282 
aus  *A<H[t]ortno9  herzuleiten  hat,  während  Solmsen  a.  a.  0.  von  einem 
angeblichen  *hOrd  aus  *hSiörö  für  *hö  iorö  ausgeht,  in  dem  er  eben  das 
Korrelat  zu  *hö  die  sieht.  Ich  leugne  ganz  und  gar  nicht,  daß  die  zuletzt 
angeführte  Herleitung  von  hömua  ganz  wohl  möglich  ist,  aber  notwendig 
ist  sie  nicht,  und  an  hodie  hat  sie  nach  den  vorangehenden  Auseinander- 
setzungen keine  Stütze.  Vgl.  auch  Wedding  BB.  28, 47f. 


462  Fr.  Stolz, 

veigl.  Gramm.  438  nur  dvir  dhnah  'zweimal  des  Tages'  anf&hit 
vdstos  kann  man  wohl  ohne  Zweifel,  wie  lat  nox  für  ^noct(0)B^ 
got  dagis^  ahd.  tages^  vgl.  nhd.  utUeriags,  als  Adverbiom  bssen, 
wie  dies  auch  Whitney  Sankritgramm.  §  1115  tut,  der  außerdem 
noch  als  Adverbien  in  Genitivform  akUe  *bei  Nacht'  und  oraya 
lange'  anführt  Schwierigkeiten  macht  bei  dieser  Auffassang 
des  -dyuf  nur  die  Form  des  Vordergliedes  pürve-^  die  natüiiidi 
nichts  anderes  als  die  des  Lokativs  sein  kann.  Zwar  die  Heraus- 
geber des  Petersburger  Wörterbuchs  (vgl.  *difus'  und  *parveifu£ 
haben  daran  ebensowenig  Anstoß  genommen  als  Benfey  Gramm. 
§  613  (S.  236  f.),  aber  J.  Schmidt  KZ.  25,  57  hat  gegen  diese 
Erklärung  eben  wegen  des  Lokativs  im  ersten  Gliede  Einsprache 
erhoben.  Meines  Erachtens  wäre  die  Verbindung  des  Lokatirs 
pOrve-  mit  dem  Genitiv  -^yuf  gar  nicht   sonderlich  auffallend, 
wenn  die  Erklärung  *früh  morgens'  richtig  wäre.  Aber  auch  in 
der  Bedeutung  Tags  zuvor*  scheint  mir  die   Verbindung  von 
fiürve  mit  dem  Ablativ  -dyui  nicht  auffallend,  wenn  man  die 
Konstruktion  von  parva  mit  dem  Ablativ  berücksichtigt  (Speijer 
Sanskrit  Syntax  S.  78).    Der  Sinn  unseres  Easuskompositums 
ist  somit  am  'früheren  von  dem  Tage  (gerechnet)'  d.  i.  'tags  zu- 
vor*. Auf  dem   eben   angegebenen   Wege  bleibt  uns   die  Not- 
wendigkeit erspart,  die  Form  -dyai  auf  die  von  W.  Schulze  KZ. 
28,  546  vorgeschlagene  nicht  ganz  einfache  Weise  zu  erklären, 
und  vor  allem  bleibt  so   die  Identität  der  Form  mit  lat  -dm 
"die  doch  von  vonieherein   die  größte  Wahrscheinlichkeit  für 
sich   hat"    (vgl.  die   Bemerkung  Delbrücks  Grundriß  3,  627), 
unangefochten.    Neben  dem  oben  erwähnten  sddivas  hat  schon 
Delbrück  sddyas  ei^wähnt,  das  orsterem  offenbar  bildungsgleich 
ist  und  daher  nach  unserer  Auffassung  auch  eine  Genitivform 
-rfyas  enthält.  Sicher  gehört  zum  selben  Stamme  auch  der  zweite 
Bestandteil  von  a-dyä  a-dyd  'heute'  von  dem  Delbrück  GrundriB 
1,  549  sagt:    *Ai.   adyd   ist  nicht  sicher  zu  deuten,  doch  liegt 
der  Verdacht  sehr  nahe,   daß   in  a  das   Pronomen   'dieser',  in 
dya  des  Wort  Tag'  stecken  möge'.  Uhlenbeck  Wort  s.  v.  Wyö* 
verzeichnet  diese  von  Delbrück  vermutungsweise  ausgesprochene 
Erklärung  als  sicher,  indem  er  schreibt:  "Das  anlautende  a ist 
ein  pronominaler   Stamm   und  -dijd  -dyd  gehört  zu  dyäu^".  Da 
diese  Erklärung  alle  Wahrscheinlichkeit  für  sich  hat,   liegt  in 
-dyas  'dyä^  vgl.  divds  divä^  eine  sekundäre  Ablautsform  von  idg. 
deieuo  dejeue  vor  vgl.  Reichelt  KZ.  39,  49. 


Neue  Beiträge  zur  lateinischen  Sprachgeschichte  und  Lautlehre.    463 

Nachdem  wir  durch  die  vorstehenden  Ausführungen  die 
Berechtigung  nachgewiesen  haben,  trotz  der  verschiedenen  Kasus 
in  pürte^yüi  im  zweiten  Gliede  einen  Genitiv-Ablativ,  und 
zwar  die  Variante  von  divds  zu  erkennen,  kehren  wir  zum  lat. 
-^ius  zurück.    (S.  Nachtr.) 

Da  'diiM  nur  eine,  allerdings  schon  indogermanische  Variante 
des  Genitiv- Ablativs  *diu6s  (*dijid8)  ist,  so  gilt  natürlich  der  von 
Solmsen  a.  a.  0.  wegen  der  Verbindung  von  inier  mit  dem  Genitiv 
beigebrachte  Hinweis  auf  inier  viäs  auch  für  unseren  Fall  Und 
daß  viäs  in  der  angegebenen  Verbindung  wirklich  mit  Bücheier  i) 
und  Bergk  als  Genitiv  aufzufassen  ist,  scheint  mir  trotz  Jordans 
Einwendungen  in  seinen  Krit  Beitr.  271  ff.  (vgl.  früher  schon 
Corssen  Ausspr.  und  Vocalismus  1*,  23)  und  Delbrücks  Bedenken 
(Grundriß  3,  638)  so  gut  als  sicher.  Dies  lehrt,  wie  eigentlich 
Delbrück  wenigstens  betreffs  der  Stelle  Terent  Eunuch.  629 
selbst  zugibt,  die  genaue  Betrachtung  der  einzelnen  Stellen,  an 
denen  sich  unsere  üVendung  findet  Schon  Bücheier  hat  hervor- 
gehoben, daß  in  der  eben  erwähnten  Terenzstelle  der  Akkusativ 
völlig  sprachwidrig,  in  den  übrigen  Stellen  unnatürlich  ist  Und 
dann  darf  man  doch  wohl  das  von  Delbrück  Grundriß  3,  673 
beigebrachte  ai.  antdr  asya  sdrvasya  'innerhalb  der  ganzen  Welt', 
mhd.  under  des  'unterdessen*  (Brugmann  Kurze  vergl.  Gramm.  466) 
als  entsprechende  Belege  der  Konstruktion  mit  dem  Genitiv  bei- 
bringen und  wird  dann  auch  inter  viäs  'unterwegs*')  vollkommen 
begreiflich  finden. 

Zufall  ist  es,  daß  mit  diesem  aus  der  indogermanischen 
Grundsprache  ererbten  Gen.-Abl.  -dius  infolge  lautgesetzlicher 
Umgest^tung  auch  das  idg.  *dieus  durch  die  Mittelstufen  *dj[eus 
*dpus  zu  dius  geworden  ist  In  dieser  Hinsicht  beachte  man 
zunächst  die  Äußerung  von  Wissowa  Religion  und  Kultus  der 
Römer  S.  100*:  "Daß  Dius  =  Diovis  ist,  beweisen  Vedius  neben 
Vediovis^  fulgur  Dium  und  flamen  Dialis  von  Dius  gebildet,  wie 
fulgur  Summamim  und  Flamen  Quirinalis  von  Summanus  bezw. 


1)  Außer  Grundriß  d.  lat.  Dekl.«  63  vgl.  Comment.  Mommsen.  232. 
Auch  Lindsay  563  hält  vioB  irrtümlicher  Weise  für  den  Akk.  d.  Plurals. 

2)  Ich  kann  nicht  mit  Delbrück  glauben,  daß  unterwegs  aus  dialek- 
tischem utUerwegen  entstanden  sein  soll,  da  ich  die  'ratio*  dieser  Her- 
leitong  nicht  einzusehen  vermag.  Eher  finde  ich  es  begreiflich,  daß  wegen^ 
vgl.  meinetwegen^  seinetwegen  u.  a.,  einen  assimilierenden  Einfluß  auf  das 
regelrechte  unUnoege  ausgeübt  hat  Vgl.  auch  untertags. 


454  Fr.  Stoli, 

QmrifiMs".  Dafi  Vedius  als  Kompositum  aus  w  •+-  dius  au&a- 
&ssen  ist,  wird  man  Wissowa  (TgL  a.  a.  0.  S.  190)  trotz  der  B^ 
merkung  Niedermanns  LP.  10,  253,  daß  man  von  diesem  Götter- 
namen  nicht  einmal  sicher  wisse,  ob  er  überhaupt  indogermanisch 
sei,  wohl  zugeben  müssen,  wenn  auch  die  Bildung  des  Wortes 
einigermaßen  auffällig  erscheinen  mag.  Wenn  man  aber  bedenkt, 
dafi  ve-  tatsächlich  die  Geltung  eines  verneinenden  Präfixes  auf- 
weist (Hist  Gramm.  1,  396)  i),  so  wird  man  sich  auch  über  den 
Vedius  als  das  negative  Gegenbild  oder  Gegenstück  des  Dius  kaum 
zu  verwundem  brauchen  und  daher  den  Ursprung  des  Namens 
nicht  aufierhalb  des  Lateinischen  oder  gar  Indogermanischen 
suchen.  Auch  in  Dius  Fidius  steckt  natürlich  dasselbe  Dius 
(Wissowa  a.  a.  0.  S.  48, 120).  Übrigens  findet  sich  auch  bei  Aust 
in  Roschers  Ijcxikon  U  1,  169  dieselbe  Herleitung  von  Dum. 
Dabei  ist  allerdings  die  Messung  Dius  Voraussetzung.  Wenn 
man  bei  Georges,  Solmsen  u.  a.  Dius  angesetzt  findet,  so  scheint 
dies  durch  dichterische  Messungen,  wie  Plaut  Asin.  23*)  ge- 
rechtfertigt zu  sein.  Andererseits  ist  aber  nicht  zu  übersehen, 
daß  in  dieser  Messung  vielleicht  nur  der  Anklang  an  dius^  dimu 
die  Schuld  trägt,  während  die  eigentliche  und  ursprüngliche 
Quantität,  die  durch  die  Herkunft  von  idg.  *djieus  erwiesen  wird, 
t  gewesen  sein  muß.  Und  i  setzen  auch  die  älteren  an,  z.  B. 
Corssen  Ausspr.  u.  Voc.  1 »,  381  Dea  Dia^  Di-u-s  gegen  dHiSj  sub 
diu  (dfo)^  2*,  857,  wo  medi  und  medius  angeführt  sind  und  aius 
der  Verbindung  von  me  (Akk.)  mit  der  Vokativ-  bezw.  Nominativ- 
form -c?t  und  -dius  erklärt  werden.  Daß  -dius  gleich  dem  sei, 
also  -«-  für  kurz  zu  halten  ist,  ist  die  Ansicht  Vaniöeks  Et  lat 
Wtb.*  124.  Bestimmend  für  die  Ansetzung  von  i  in  Dius  ist 
für  mich  die  Tatsache,  daß  nur  in  diesem  Falle  eine  wirklich 
befriedigende  Erklärung  dieser  sprachgeschichtlich  interessanten 
und  wichtigen  Form  geboten  wird.    Gewiß  spricht  auch  für  ihre 

1)  Im  Vorbeigehen  sei  liier  darauf  hingewiesen,  daß  Brugmann 
Kurze  vergl.  Gramm.  S.  468  (§  600)  zu  idg.  *a}ie  *au  *tf/ 'herab,  wegTcm* 
neben  lat.  au-  auch  vi-  stellt,  also  die  von  Niedermann  IF.  10,  247  ff.  auf- 
gestellte Ansicht  von  der  Abstraktion  des  ve-  aus  vemena  nicht  zu  teilen 
scheint.  Auch  Walde  Lat.  etym.  Wtb.  S.  51  faßt  ve-  in  vescor  (dieses  Wort 
führt  auch  Brugmann  a.  a.  0.  an)  und  ve-  in  ve-cara  (andere  Komposita 
mit  ve-  werden  nicht  angeführt)  als  Ablautstufe  von  idg.  *aiK(«)-.  ve-cari, 
ve-sdnus  scheinen  mir  aber  auch  ein  Ve-dius  Ve-iovig  (man  müßte  natür- 
lich Ve-dius  Ve-iovis  ansetzen)  zu  rechtfertigen. 

2)  Die  Verse  23  und  24  gelten  als  unecht. 


Neue  Beiträge  zur  lateinischen  Sprachgeschichte  und  Lautlehre.    466 

Richtigkeit  die  bereits  früher  erwähnte  Entdeckung  derselben 
Form  in  dem  zusammengesetzten  nuditis  (tertius)^  die  Solmsen 
verdankt  wird  und  mit  vollem  Recht  von  verschiedenen  Seiten 
Zustimmung  gefunden  hat  Dabei  ist  jedenfalls  beachtenswert, 
daß  die  Doppelheit  der  Bedeutung  von  dim  in  Dius  und  nudius 
auch  in  dem  davon  abgeleiteten  Adjektiv  düüis  sich  erhalten 
hat,  wie  der  Vergleich  von  flämen  Diälis  einerseits  und  aequidiälis 
ncvendiälis  (Hist  Gramm.  1,  415)  andererseits  zeigt  Allerdings 
muß  aber  zugegeben  werden,  daß  in  den  beiden  letztgenannten 
Kompositis  auch  eine  Ableitung  von  dies  vorliegen  kann  nach 
dem  Verhältnis  dialis  :  dUs  =  glaciälis  :  glacies.  Es  bmucht  wohl 
nicht  ausdrücklich  hervorgehoben  zu  werden,  daß  man  Dialis 
nicht,  wie  dies  früher  wohl  geschehen  ist  (vgl.  z.  B.  Vaniöek  Lat 
et  Wtb.*  124),  von  divus  als  Grundwort  herleiten  darf,  da  ein 
lautgesetzlicher  Grund  zum  Ausfall  des  -t>-  in  einem  allfälligen 
*divälis  nicht  vorlag  und  eine  solche  Form  sich  ebenso  hätte 
behaupten  müssen,  wie  rivölis^  canpfvälis^  nivalis.  Die  Quantitäts- 
differenz divus  :  dtolis  könnte  man  wohl  nach  dem  bekannten 
Vokalkürzungsgesetze  erklären,  wie  ich,  wenn  auch  imger 
Weise,  früher  anzunehmen  geneigt  war.  Aber  die  richtige  Ein- 
sicht in  die  Herkunft  von  düÜis  eröffnen  die  vorausgehenden 
Bemerkungen,  sodaß  alle  früheren  Vermutungen  und  Auf- 
stellungen hinfällig  und  überflüssig  werden.  Noch  eines  üm- 
standes  muß  gedacht  werden.  Nach  unserer  Deutung  von  Dius 
müßte  eigentlich  ü  erwartet  werden,  das  sich  vor  -s  behaupten 
mußte.  Nun  wissen  wir  aber  über  die  Quantität  dieses  u  der 
Schlußsilbe  von  Dius  gar  nichts  Bestimmtes^  da  meines  Wissens 
kein  Zeugnis  aus  dem  Altertum  dafür  vorliegt  Es  steht  daher 
nichts  der  Annahme  im  Wege,  daß  u  wirklich  lang  gewesen  sei. 
Und  wenn  es  kurz  gewesen  sein  sollte,  richtiger  gesagt  aus  dem 
ursprünglichen  ü  ein  u  hervorgegangen  war,  dann  wird  diese 
Messung  im  Hinblick  auf  deüs^  insbesondere  in  der  Verbindung 
Dius  fidius  leicht  verständlich,  und  ist  also  auch  diese  Schwierig- 
keit, die  gegen  die  Auffassung  von  Dius  als  Nominativ  gleich 
idg.  *dieus  zu  sprechen  scheint,  in  befriedigender  Weise  aus  dem 
Wege  geräumt  Ausdrücklich  sei  aber  nochmals  hervorgehoben, 
daß  wir  von  der  Quantität  des  u  in  Dius  nichts  Sicheres  wissen, 
und  es  also  ganz  gut  lang  gewesen  sein  kann,  wie  es  die  Her- 
kunft des  Wortes  verlangt. 

Im  Anschluß  an  die  eben  vorgebrachten  Bemerkimgen  über 

Indogermanische  Fonchnngen  XVUL  30 


466  Fr.  Stols, 

lat  DiuB  =  idg.  *djius^  sei  es  gestattet,  aach  der  lateinischeii 
Flexion  luppüer  laids  usw.  mit  einigen  Worten  za  gedenken. 

Wenn  das  idg.  dieus  p9ter  im  ürlateinischen  *d^(m8  *djß$ 
*diüspaier  lautete,  erklärt  sich  auch  unschwer  seine  Verdrängung 
durch  das  nach  dem  Akk.  *djfim  (*d^lem)  patrrnn  neugebildete 
DiespUer^  d.  h.  *IHüspitsr  wurde  durch  DidpUer  ersetzt  Aller- 
dings muß  der  ursprtLngliche  Akkusativ,  der  im  umbr.  Di  Dei 
aus  *dfim  noch  fortlebt,  im  Lateinischen  schon  frühzeitig  durch 
die  nach  dem  Vokativ  *diau  aus  *dieu  lüpUer^  älter  *I(nirpUer, 
der  schon  seit  sehr  alter  Zeit  als  Nominativ  fungiert,  auch  in 
den  obliquen  Kasus  eingeführte  Stammform  ""cfioj^-  (für  idg.  difh, 
wovon  sich  merkwürdigerweise  im  Italischen  keine  Spur  findet, 
nur  das  entsprechende  diu-  haben  wir  in  -ditts  nachzuweisen 
vermocht),  also  durch  lovem  verdrängt  worden  sein,  das  dem 
Genetiv  und  Dativ  lotns  und  lovi  nachgebildet  worden  ist  Be- 
zeichnend ist  der  frühzeitige  Verlust  des  zweiten  Wortes  paier 
in  den  obliquen  Kasus,  das  im  alten  Umbrischen  noch  erhalten 
war  (Dativ  luvepatre).  Dieser  frühzeitige  Verlust  von  paier  hat 
den    Uniformierungsprozeß    sicher   sehr   beschleunigt   und   ist 
andererseits  auch  der  Grund  gewesen,  daß  die  nach  den  An- 
gaben der  Grammatiker  im  älteren  Latein  spärlich  vorkommende 
Flexion  lupitris  (vgl.  Sommer  Handbuch  S.  388)  nicht  durch- 
zudringen  vermochte.    lüpiter  (luppiter)  hatte  seine  feste  Ver- 
wendung als  Vokativ-Nominativ   und  konnte  aus   dieser  alten 
Position  durch  das  gelegentlich  vorkommende  lovis  ebensowenig 
verdrängt    werden,    wie    umgekehrt    lovis    lom    lovem    durch 
luppitris  usw.  Der  Grund  liegt  eben  in  der  äußerlichen  scharfen 
Abgrenzung  der  Form  luppiter  einerseits   und  lovis  lovf  lovem 
andererseits.  Die  Einführung  der  ^-Stufe  in  den  obliquen  Kasus 
ist  ursprünglich  durch  den  Lokativ  (idg.  *dieui)  sicher  sehr  er- 
leichtert worden,  wenn  aucli  diese  Form  nach  Solmsen  Stud. 
z.  lat  Lautgesch.  192    nur   in   dem   Adverbium   diu   aus  *dieui 
*d}Ou(i)  vorliegt. 

Betreffs  der  oben  berührten  Verwendung  des  schwachen 
Stammes  im  zweiten  Gliede  eines  Nominalkompositums  ver- 
gleiche man  ai.  parut^  griech.  irepua,  idg.  ^per-uUi^  mit  -td-  SS 
zu  griech.  Feioc;  ai.  iafa-gu-  *  hundert  Kühe  habend',  griech. 
4KaT6|Li-ßr|  aus  *4KaT0|Li-ßF-G,  idg.  g^w-  S  zu  idg.  g^ou-.  Vgl.  femer 
das  ai.  upa-hdä-  M.  'Stampfen,  Gestrampel,  Geräusch*,  griech. 
diri-ßbai  Plur.  *Tag  nach  dem  Feste,  Nachfeier'  fdazutretend'), 


Neue  Beiträge  zur  lateinischen  Sprachgeschichte  und  Lautlehre.    467 

Tgl.  Brugmann  Gmndrifi  1  ^,  624,  mit  S  -M-  zxxped^;  ai.  nütä-  M., 
lat  nidus  aus  idg.  *ny-zdr<hs  mit  -zd-  S  zu  «od-.  Genau  dem 
ai.  -^uyi  lat  -dius  entspricht  aber  ai.  -dn/h  in  m^rü-f  ^starkes 
Holz',  in  welchem  wir  die  8SS  zu  idg.  dareiio  anzuerkennen 
haben.  Dieselbe  Ablautsstufe  liegt  auch  in  ai.  dru-md-  M.  *Baum' 
hom.  öpu-fid  Plur.  'Wald,  Gehölz,  Strauchwerk'  vor.  Wir  haben 
daher  wohl  auch  ein  Recht,  in  den  homerischen  Znsanmien- 
setzungen  öpu-TÖ)ioc,  öpu-oxoc,  ApuoTt*  dieselbe  Ablautsstufe  idg. 
dru-  wie  in  dem  zweiten  Gliede  des  altindischen  surdrA-i  zu 
erkennen,  und  dies  ist  auch  Brugmanns  Ansicht,  der  Kurze 
vergl.  Gramm.  S.  144  neben  dem  eben  erwähnten  surdni-i  und 
griech.  öpu-TÖ)ioc  auch  noch  ai.  dn/hfäd  *auf  dem  Baum  sitzend' 
und  galLDru-to/ti«  anführt  (S.Nachtr.)  Vom  speziellen  Standpunkt 
des  Griechischen  aus  könnte  man  nämlich  geneigt  sein,  das  öpu- 
in  den  oben  angeführten  homerischen  Komposita  zu  beurteilen 
nach  dem  Verhältnis  öpOc  :  öpiiöc  öpuec  usw.  Jedoch  wird  öpuö- 
in  bpuöc  von  Hirt  Ablaut  S.  151  wohl  mit  Recht  als  V.  HI 
von  idg.  derewo  (richtiger  doreuo^  vgl.  unten)  d(0)r(e)uHi  drud-  er- 
klärt und  ist  daher  sprachgeschichtlich  anders  aufzufassen  als 
öpu-  in  den  oben  angeführten  Fällen.  Für  das  Sprachgefühl  der 
homerischen  Sänger  bestand  allerdings  sicher  kein  Unterschied 
der  Auffassung,  und  wurde  ebensogut  öpu-öc  getrennt,  wie 
öpu-T6)ioc,  öpu-oxoc,  Apu-0%  daher  auch  schon  die  homerische 
Ableitung  öpuivoc.  Vgl.  auch  im  zweiten  Gliede  der  Zusammen« 
Setzung  döpua  *  irXoTa  jiovoguXa.  Kurrpioi  (Hoffmann  Griech. 
Dial.  1,  106,  164  •Einbaum').  Die  Flexion  öpu-6c  :  öpöc  ist 
genau  so  gestaltet,  wie  die  von  69pu-oc  :  d9pöc*),  ix^u-oc 
:  (x60c  usw.  Daß  letztere  indogermanische  tJ-Stämme  sind  (Suffix- 
wechsel -Ä-  und  -w*-  [Brugmann  Griech.  Gramm."  184])  scheint 
mir  nicht  zweifelhaft  zu  sein.  Daher  sind  für  69PU-OC  ix^u-oc 
die  Vorstufen  *69puF-oc  *ixOuF-oc  anzusetzen.  Dagegen  sind  wir 
nicht  berechtigt,  auch  ein  *öpuF6c  anzusetzen,  wenn,  wie  wir 
angenommen  haben,  Hirts  Auffassung  von  Öpu6-  richtig  ist  Ein 
*öpuF6c  könnte  sprachgeschichtlich  nur  gerechtfertigt  werden 


1)  Es  verschlägt  nichts,  daß  die  idg.  Form  *bhrüs  eine  ältere  und 
ursprünglichere  Form  *bhreu8  verdrängt  hat  (Hirt  IF.  7,  161  {*bhrSu8), 
Ablaut  198,  Brugmann  Kurze  yergl.  Gramm.  160,  van  Wijk  Der  nominale 
Genitiv  Singular  69).  Jedenfalls  ist  Hhrüa  und  die  Flexion  *bhrü8  ^bhruvda 
{*hhruväi),  auf  welche  eben  Kriech.  Ö9pOc :  Ö9pOoc  zurückgeht,  bereits  in 
der  indogermanischen  Grundsprache  vorhanden  gewesen. 

30* 


468  Fr.  Stolz, 

in  dem  gleichen  Sinne,  wie  -F-  in  böot  BaKcuFa  und  anderen 
von  G.  Meyer  Gr.  Gr."  230  verzeichneten  Fällen,  in  denen  es 
sich  allerdings  immer  um  einen  aus  einem  fi^Diphthong  ent- 
wickelten Gleitiaut  handelt  Gleichwohl  dürfte  die  Übereinstim- 
mung in  den  obliquen  Kasus  bpuöc  öpikc  usw.  neben  ix^^ 
IxOüec  usw.  die  Veranlassung  zur  Formation  des  Nominativs 
öpOc  gewesen  sein.  Denn  wenn  man  mit  Berufung  auf  idg. 
*dejhoo$  auch  einen  Nominativ  *derSum  ansetzt,  so  kommt  man 
auf  die  Form  *dr^,  die  auch  Hirt  tatsächlich  als  V 11  erschließt 
Daß  daraus  griech.  *öpeiic  hätte  werden  müssen,  ersieht  jeder- 
mann leicht,  wenn  er  sich  an  Zeuc  aus  idg.  *diiii8  erinnert 
Da  aber  der  überlieferte  Nominativ  öpOc  lautet,  so  muß  in  dem- 
selben eine  griechische  Neubildung  vorliegen,  mit  anderen  Worten : 
die  ursprüngliche  Flexion  *öp€iic  Öpu6c  usw.  ist  durch  die  nach 
dem  Muster  von  {xööc  :  ix^uoc  usw.  neugeschaffene  öpöc  :  öpuöc 
verdrängt  worden,  was  um  so  weniger  auffallend  erscheinen 
muß,  wenn  man  bedenkt,  daß  die  altererbte  Flexion  *öp€uc 
öpuöc  usw.  ganz  isolieil  dastand,  da  sie  weder  an  dem  ebenfalls 
isolierten  und  übrigens  durch  seine  Bedeutung  aus  der  Gesamt- 
heit der  übrigen  Nomina  heraustretenden  Zeuc  AiFöc  usw.  noch 
an  der  Flexion  von  ßaciXeuc  ßaciXfi(F)oc  einen  Stützpunkt  fand. 
Man  könnte  dagegen  einwenden,  daß  in  dem  eleischen  jiieijc, 
das  Meister  Dialekte  2,  39  als  *unerklärlich'  bezeichnet  hatte, 
sicher  eine  Analogiebildung  nach  Zeuc  vorliegt,  wie  jetzt  wohl 
allgemein  mit  Recht  nach  Solmsen  und  Baunack  angenommen 
wird.  Vgl.  gegen  Meister  2,  817  Schulze  in  der  Rezension  des 
zweiten  Bandes  S.  6  d.  S.;  G.  Meyer  Griech.  Gramm.^  79,  408; 
Brugmann  Griech.  Gramm.^  219;  Blaß-Kühner  »  2,  583  (Nachtrag 
zu  1,  462).  Wenn  in  einem  einzelnen  Dialekte  sogar  eine  Neu- 
bildung nach  dem  ganz  singulären  Zeuc  aufgekommen  ist  konnte 
sich  doch  auch  das  oben  als  urgriechisch  enviescne  *öpeuc  un- 
schwer halten  und  brauchte  keiner  Neubildung  Platz  zu  machen. 
Dieses  Bedenken  hat  nur  scheinbaren  Wert  Denn  die  Neu- 
bildung )Li€uc  und  die  Beseitigung  von  *5p€uc  entstammen  einer 
und  derselben  Quelle.  In  beiden  Fällen  sind  es  die  obliquen 
Kasus,  welche  die  Neubildung  des  Nominativs  hervorgerufen 
haben.  Daß  dadurch  in  dem  einen  Falle  eine  Neubildimg  von 
derselben  äußeren  Form  ins  Leben  gerufen  wurde,  wie  in  dem 
anderen  Beseitigung  der  gleichgearteten  Form  erfolgte,  steht  in 
keinem  kausalen  Zusammenhange,   sondern  auf  je   einem  ge- 


Neue  Beiträge  zur  lateinischen  Sprachgeschichte  und  Lautlehre.    469 

sonderten  Blatte.  Ob  die  Neubildung  öpöc  bereits  in  urgriechische 
Zeit  zurückreicht,  muß  jedenfalls  bezweifelt  werden.  Denn  da 
die  Neubildung  auf  Grund  des  Verhältnisses  öpuöc  :  ixOüoc  usw., 
also  zu  einer  Zeit  erfolgte,  wo  letztere  Form  und  die  ihr  ent- 
sprechenden bereits  ihr  intervokalisches  -F-  verloren  hatten,  ist 
Entstehung  von  öpöc  in  voreinzeldialektischer  Zeit  kaum  wahr- 
scheinlich, so  sehr  auch  die  Tatsache,  daß  im  ganzen  griechischen 
Sprachgebiete  nur  die  eine  Form  öpöc  nachweisbar  ist,  dafür  zu 
sprechen  scheint  Es  steht  aber  auch  nichts  der  Annahme  im  Wege, 
daß  die  Neubildung  von  öpöc  sich  in  den  einzelnen  griechischen 
Dialekten  gesondert  vollzogen  hat,  da  in  allen  die  gleichen  hiefür 
notwendigen  Vorbedingungen  vorhanden  waren.  Auf  Übertragung 
von  öpöc  öpöv  beruht  das  ö  von  öpö)Li6c  (erst  nachhomerisch), 
öpöjiuiv  und  einigen  davon  abgeleiteten  Bildungen.   (S.  Nachtr.) 

Eine  weitere  genau  dem  ai.  -dytif  lat  -dius  entsprechende 
Analogie  stellt  uns  Ttpö-xvu  dar,  das  I  570  in  Verbindung  mit 
•Ka9€2o)i4vTi*  trotz  des  von  G.  Meyer  Griech.  Gramm.'  290  aus- 
gesprochenen Zweifels  doch  wohl  nur  ♦rrpö-tvu  bedeuten  kann. 
Es  hat  sich  nach  der  sehr  einleuchtenden  Vermutung  Brugmanns 
Griech.  Gramm.*  S.  571  (Nachtrag  zu  108)  in  seiner  Form  an 
ein  anderes  Ttpo-xvu  (mit  x  aus  k  wegen  des  darauffolgenden  c, 
bezw.  A,  vgl.  ai.  kina-  'reiben,  wetzen')  gerichtet  Ihm  entspricht 
im  ersten  Gliede  tvu-  in  tvu-7T€T€Tv,  eigentlich  'in  die  Kniee 
sinken*,  von  TvurreToc  abgeleitet  (G.  Meyer  Griech.  Gramm.'  336), 
sowie  TviiS  in  der  Verbindung  mit  'dpiTteiv*  bei  Homer;  dieses 
TVU-  ist  idg.  gnur  und  stellt  die  SSS  zu  §enewo^  richtiger  §<meuo 
(vgl.  unten,  Hirt  Ablaut  119)  dar,  entspricht  also  ebenso  wie 
öpu-  dem  lat  -diihs. 

Dieses  tvu2  ist,  wie  inig,  död£,  Xd£,  äiraS,  diriiLiK,  nach  den 
Ausführungen  von  R.  Meister  Die  Mimiamben  des  Herodas  747  ff., 
denen  auch  Brugmann  Griech.  Gramm.*  177,  Kurze  vergl.  Gramm. 
449  (daselbst  ist  auch  verwiesen  auf  Wegener  De  casuum  non- 
null.  Graeconim  Latinorumque  historia,  Berol.  1871,  S.  26  ff.) 
beistimmt,  als  erstarrter  Nominativ  des  Singulars  zu  betrachten, 
und  aus  der  allein  nachgewiesenen  Verbindung  mit  ipmeiv  ist 
diese  Herkunft  unseres  tvu2,  das  soviel  bedeutet  als  'die  Kniee 
beugend',  sowie  wdl  von  Meister  a.  a.  0.  749  gedeutet  wird  : 
•(die  Finger  zur  Faust)  faltend*,  auch  noch  recht  gut  zu  erkennen. 
Allerdings  sind  wir  nicht  in  der  Lage,  ein  Verbum  *tvu2[u)  oder 
*TvuTTuj  nachzuweisen,  aber  von  einem  Stamm  *tvut-  oder  tvuk- 


460  Fr.  Stolx, 

mllflBOi  wir  ausgehen,  wie  neben  irfiE  iiuic-¥6c  nuH-dZw  Hq^n. 
Wenn  wir  ron  tvihc-  anziehen  dfirfen,  kiBnnte  wohl  eine  den 
Tuvai-K-)  lat  mme  dabrf-e'  usw.  analoge  Bildung  ToiliflgQii,  die 
den  Ausgangspankt  fOr  yvü  gebildet  hat  Hat  aber  tvu-t-  d« 
Ansgangsponkt  gebildet,  dann  mflfite  in  dieser  StammUldsiig 
eine  Art  ^gebrochener^  Bednplikation  rorli^gen,  wie  in  lat  jnvf» 
nnd  anderen  fthnlichen  Bildungen,  worüber  man  vgl  Eist  GiamoL 
1, 440.  Jedenfalls  darf  man  nicht  etwa  yvü  als  eine  NadibiUiuig 
Ton  iruE  aufEassen,  wie  man  wohl  fflr  hom.  iiouvdE  das  Master 
in  dini£  sehen  darl  Vgl.  jü  22  *btcOav£cq  Are  t' dXXoi  ftnoE  OWjacou^ 
dvOpumoi*  und  X  417  VouvdS  ktcivom^vuiv'.  Femer  liegt  6  371 
Vouvd£  öpxtfjcacOai*.  Erleichtert  wurde  diese  Neubildung  imowÜ^ 
die  nur  als  Nachbildung  einer  bereits  fertig  vorliegenden  Xaster- 
form  begreifbar  ist,  durch  den  Umstand,  dafi  auBer  diraS  anck 
noch  6b6i  und  XdE  Torhanden  waren,  von  denen  allerdings  die 
erstere  Form  durch  Beeinflussung  von  öboik  aus  llterem  ME 
▼on  ödKvui,  das  die  Sprache  der  homerischen  Gedichte  allerdingi 
nicht  kennt,  das  wir  aber  mit  Fug  und  Becht  Toraussetien  dttrfoo, 
umgeformt  sein  dürfte.  DaB  durch  das  neugebildete  6b6£  das 
iltere  bd£  verdrängt  wurde,  ist  durchaus  unauffiUlig.  Kaum  aber 
geht  es  an  mit  Meister  a.  a.  0.  748  f.  öbdE  aus  jüngerem  öbdZui 
öbuTiüiöc,  die  wohl  erst  aus  öb6£  rückgebildet  sein  dürften,  ab- 
leiten zu  wollen.  Besonders  fällt  hiebei  ins  Gewicht,  daß  bei 
der  früher  gegebenen  Erklärung  des  homerischen  öbd£  das  an- 
lautende ö-,  in  dem  man  kaum  einen  Vertreter  des  alten  Präfixes 
0  sehen  darf  (vgl.  Wackemagel  Das  Dehnungsgesetz  der  griechischen 
Komposita  S.  50,  Brugmann  M61anges  Kern  30,  Stolz  Bezzenbeigers 
Beiträge  28,  313  ff.),  eine  durchaus  befriedigende  Erklärung  find^ 
Als  vierte  homerische  Bildung  auf  -a£  konmit  noch  eupdS  hinzu, 
das  nur  A  251  und  0  541  in  der  Wendung  •cifj  b'  cäpdS  cöv 
öoupf  vorkommt  und  von  alten  und  neuen  Erklärem  mit  £upuc 
in  Verbindung  gebracht  worden  ist  (*dK  tou  irXaTiou,  irXoriuic* 
SchoL,  *dK  TrXaTiou,  Ik  beSiujv'  Hesych).  Es  wäre  in  diesem  Falle 
eine  nach  jiouvdS  geschaffene,  wohl  begreifliche  Bildung.  Ich 
halte  es  für  viel  wahrscheinlicher,  diese  alte  Deutung  beizu- 
behalten, die  sich  mit  dem  Sinne  der  beiden  Stellen  recht  wohl 
verträgt,  als  mit  Meister  statt  des  überlieferten  cupdE  ein  sehr 
problematisches  bi  Fpä£  in  der  Bedeutung  *stoßend'  zu  kon- 
struieren, das  meines  Erachtens  nicht  einmal  dem  Zusammenhange 
entspricht  fcrfi  6'  eupdS  cuv  öoupi'  A  251  und  •crf|'  b'  cöpdE 


Neae  Beiträge  zur  lateinischen  Sprachgeschichte  und  Lautlehre.    461 

cifv  öoupi  Xa9div'  0  541).  Dazu  kommt  noch  der  Umstand,  dafi 
^rJTvufii  in  der  Sprache  der  homerischen  Gedichte  nicht  einfach 
'stoßen'  bedeutet  Dagegen  läßt  sich  gegen  £Öpd£,  dessen  Bildung, 
wie  wir  gesehen  haben,  sich  sehr  wohl  begreifen  und  erklären 
laßt,  in  der  Bedeutung  'von  der  Seite  her*,  eigentlich  Von  der 
Breite  her(kommend)*  kaum  ein  ernstlicher  Einwand  erheben, 
und  das  Verhältnis  von  eäpdE :  eupiic  ist  kein  anderes  als  das 
von  )iouvd£ :  iioOvoc  In  der  eben  ausgeführten  Weise  finden 
£ÖpdE  und  fiouvoE,  sowie  ihr  Verhältnis  zu  änaE,  worauf  Delbrück 
Grundriß  3,  567  f.  nicht  näher  eingegangen  ist,  eine  vollkommen 
befriedigende  Erklärung.  Freilich  muß  auch  bemerkt  werden, 
daß  Delbrück  a.  a.  0.  irüS  und  XdH  als  Lokative  auffaßt,  •'nach 
denen  sich  tvuH  und  öödH  gerichtet  haben  werden**.  Ich  glaube, 
die  vorstehende  Auseinandersetzung  gibt  eine  richtigere  und 
einleuchtendere  Aufklärung  über  diese  homerischen  Adverbien. 
Nur  ein  Punkt  sei  noch  hervorgehoben.  Man  könnte  gegen  unsere 
Darlegung  ins  Feld  führen  wollen,  daß  der  Akzent  von  &no£ 
und  fiouvä£  nicht  übereinstimme.  Jedoch  dürfte  die  Annahme 
nicht  zu  kühn  sein,  daß  auch  äTtaH  ursprünglich  auf  der  Schluß- 
silbe den  Ton  trug  und  ihn  nach  dem  Muster  von  ä^xa  auf  die 
erste  Silbe  zurückgezogen  hat    (S.  Nachtr.) 

Hirt  Ablaut  150  setzt  als  Grundform  die  dreisilbige  Basis 
derewo^  van  Wijk  Der  nominale  Genitiv-Singular  59  derewe-  an. 
Es  muß  aber  sicher  doreujo^  dareuo  angesetzt  werden,  wie  ja 
auch  Hirt  Handbuch  der  griech.  Laut-  und  Formenlehre  S.  91,  96 
ganeu  als  Basis  für  griech.  tövu  ansetzt,  während  er  Ablaut  S.  119 
genewo  als  Basis  angesetzt  hatte,  worin  ihm  van  Wijk  a.  a.  0. 
S.  58  mit  dem  Unterschiede  folgt,  daß  er  für  die  dritte  Silbe 
gleichfalls  den  «-Laut,  also  als  volle  Basis  ^enewe-  ansetzt  Da 
die  tatsächlichen  Verhältnisse  für  die  beiden  Worte  griech.  böpu 
und  yövxj  genau  übereinstimmen,  sind  auch  für  beide  die  sich 
entsprechenden  dreisilbigen  Basen  dorewo  und  §(meux)^  bezw. 
doreuo  und  goneuo^  anzusetzen,  wenn  überhaupt  die  Annahme 
solcher  dreisilbigen  Basen  richtig  ist  Andernfalls  müßte  dem 
ganeu  entsprechend  auch  doreu  angesetzt  werden.  Brugmann 
Kurze  vorgl.  Gramm.  148  nimmt  §eneur  als  Basis  an,  woraus  sich 
allerdings  lat  genu^  got.  kniu  anstandslos  erklären.  Woher  kommt 
aber  das  o  in  griech.  t6vu,  wenn  man  nicht  von  §(meu  oder 
§(meuo  ausgeht?  Denn  daß  der  o-Laut  spezifisch  griechisch  ist, 
etwa  durch  Assimilation  an  das  o  der  folgenden  Silbe  entstanden. 


462  Fr.  Stolz, 

wird  man  wegen  griech.  Tujvfa  nicht  annehmen  dürfen,  dessen 
(jü  sicher  Dehnstufenvokal  ist  An  and  für  sich  nämlich  könnte 
man  ja  annehmen,  daß  in  dem  obliquen  Kasus  '^^€vFöc  '^^£vF-ulv 
das  unbetonte  e  dem  o  der  folgenden  Silben  sich  angeglichea 
habe,  vgl.  Hirt  Handbuch  S.  115.  Immerhin  aber  müßte  die 
üniformierung  des  gesamten  Paradigmas  nach  den  beiden  Ge- 
nitiven als  nicht  ganz  gewöhnlich  bezeichnet  werden.  Es  wird 
aber,  wie  schon  oben  hervorgehoben  worden  ist,  durch  ituvia 
ursprüngliches  o  für  die  erste  Silbe  erwiesen,  sodaß  also  die 
Ansetzung  zweier  Basen  mit  o  und  e  in  der  ersten  Silbe  un- 
erläßlich erscheint  Das  bekannte  hesychische  t^uvüjv  •  Tovdruiv 
würde  bestenfalls  nur  dafür  Zeugschaft  ablegen,  daß  auch  die 
griechische  Sprache  die  Variante  *t^vu  gekannt  hat,  nicht  aber 
dafür,  daß  überhaupt  nur  die  letztere  für  das  XJrgriechische 
anzunehmen  ist  Übrigens  bereitet  ja  die  Erklärung  dieser  ziem- 
lich rätselhaften  Form,  wie  man  aus  G.  Meyer  Griech.  Gramm."  174, 
Brugmann  Griech.  Gramm.*  69  ersieht,  schier  unüberwindliche 
Schwierigkeiten. 

m. 

nemo  ist  aller  Wahrscheinlichkeit  nach  aus  *nehemö  hervor- 
gegangen. Es  hat  sieh  von  diesem  Wortpaare,  das  die  Allegro- 
und  Lentoform  darstellt,  wie  in  manchen  anderen  Fällen  nur 
die  erstere  in  lebendigem  Gebrauche  erhalten  (Brugmann  Grund- 
riß 1*,  679),  während  in  anderen  Fällen,  wie  nihil  m/,  mihi  mf, 
vdiemens  t^mens,  beide  Formen  von  den  Sprechenden  festgehalten 
worden  sind.  Die  Form  nemo  unseres  Kompositums  scheint  zu 
beweisen,  daß  es  zu  einer  Zeit  entstanden  ist,  in  welcher  das 
VokaJschwächungsgesetz,  demzufolge  e  in  offener  nachtoniger 
Silbe  zu  i  werden  mußte,  nocli  nicht  in  Kraft  war. 

Denn  aus  *nehimö  könnte  wohl  nur  *neimö  werden,  wie  man 
aus  einsilbigem  m,  zweisilbigem  deinde  aus  reideinde  zu  schließen 
bereclitigt  ist  (vgl.  Sommer  Laut-  und  Formenlehre  131).  (S.Nachtr.) 
Ob  man  als  Vorstufe  von  nemo  *nehomö^  ansetzen,  also  die  nach 
dem  von  Sonmier  IF.  1 1,  882  ff.  nachgewiesenen  o-Umlaut  ein- 
getretene Form  zugrunde  legen  darf,  ist  ohne  Zweifel  unsicher. 
Denn  für  das  Verhalten  von  e-o  in  dem  nur  hypothetisch  an- 
gesetzten *nehonw  fehlt  es  uns,  soviel  ich  sehen  kann,  über- 
haupt an  einem  analogen  Beispiel.  Freilich,  wenn  man  bedenkt 
daß  a  +  0  zu  ä  zusammengezogen  werden,  so  würde  die  An- 
nalime  der  Kontraktion  von  e  +  o  z\i  e  auch  nicht  eben  un- 


Neue  Beiträge  zur  lateinischen  Sprachgeschichte  und  Lautlehre.    463 

glaublich  erscheinen.  Dann  müßte  also  die  Eontraktion  vor  der 
Wirksamkeit  des  Yokalschwächungsgesetzes  eingetreten  sein,  so- 
wie dies  ja  auch  für  cögö  cöpula  degö  angenommen  werden  muß. 
Denn  nur  aus  *(Xhagö  *c<hapula  *de-agö  können  diese  Formen 
erklärt  werden,  während  *c(higö  *c(hiptda  *d^ö^  d.  h.  die  nach 
der  Wirksamkeit  des  Vokalschwächungsgesetzes  vorauszusetzenden 
Formen  nur  zu  *coegö  *coepula  *deigö  hätten  führen  können.  Be- 
weisend für  die  ersteren  beiden  ist  das  alat.  coepere^  das  nur  aus 
*€0-ipere  entstanden  sein  kann  und  jedenfalls  auch  die  Umge- 
staltung von  coqn(coepU  dreisilbig  gemessen  beiEnn.  Annal.536M. 
und  darnach  wohl  auch  Lucret  4,  617  Bemays^))  als  hauptsäch- 
lichster Faktor  beeinflußt,  nicht  nur,  wie  Sommer  Handbuch 
S.  132  meint,  unterstützt  hat.  Denn  alat  dreisilbiges  coqn,  vier- 
silbiges co^fdsti  usw.  waren  genau  gleich  eoigi  co^/isti  usw.,  die 
niemals  Zusammenziehung  des  zweisilbigen  -o#  in  -oa-  erfahren 
haben.  Wir  fragen  doch  wohl  mit  Recht,  warum  nicht  auch 
*eoeffif  da  doch  auch  bei  coegüti  die  genau  gleichen  akzentuellen 
Bedingungen  zur  Entstehung  eines  -oe-  in  erster  Silbe  gegeben 
waren,  wie  bei  *coepüti.  Da  co^  sicher  die  regelrechte  Ent- 
wicklung darstellt,  so  muß  coepi  von  irgendwelcher  Seite  be- 
einflußt worden  sein.  Und  dies  ist  eben  durch  coepere  geschehen, 
das  meines  Erachtens  den  Ausschlag  für  die  Umgestaltung  von 
eaepi  usw.  in  coepi  gegeben  hat  Denn  es  wird  wohl  niemand 
in  Abrede  stellen  wollen,  daß  das  alat  coepere  aus  *co^pere  *C0' 
ipere  und  das  Perfektum  coepf^  das  allerdings  in  der  klassischen 


1)  L.  Müller  hat  den  von  Lachmann  für  Ennius  in  Anspruch  ge- 
nommenen Vers  nach  der  Oberlieferung  beibehalten:  'rex  ambas  (über- 
liefert amus)  ultra  fossam  teuere  coäpit*.  Dagegen  hat  Vahlen  schon  in 
der  ersten  Auflage  V.  55ö  (=  '  618)  Lachmanns  Konjektur  protendere  coepU 
in  den  Text  aufgenommen.  Nun  findet  sich  allerdings  nur  an  dieser  ein- 
zigen Stelle  von  Ennius*  Annalen  die  dreisilbige  Form  coipü^  sonst  immer 
die  zweisilbige  eoepU  (219,  297  Vahlen'  auch  am  Versschluß).  Warum 
sollte  aber  Ennius  die  dreisilbige  Form,  die  durch  die  Überlieferung  für 
diese  Stelle  allein  bezeugt  ist  und  nur  bei  Korrektur  des  vorausgehenden 
Wortes  durch  die  zweisilbige  ersetzt  werden  kann,  nicht  gekannt  haben? 
Jedenfalls  hat  sie  Lucretius  nicht  aus  eigener  Initiative  geschaffen,  sondern 
muß  einer  vorhandenen  Tradition  gefolgt  sein,  für  die  uns  der  eine 
Ennianische  Versschluß  als  wertvoller  Zeuge  vorliegt.  Und  sollte  nicht 
auch  die  äußere  Obereinstimmung  (Infinitiv  -|-  eoipU,  'teuere  coäpit'  Enn. 
und  'siccare  coßpit'  Lucret.)  für  die  Oberlieferung,  somit  für  dreisilbiges 
'coßpif  sprechen?  Unrichtig  habe  ich  Hist.  Gramm.  1, 166  coepit  als  eine 
poetische  Lizenz  aufgefaßt. 


4M  Fr.  Stolx, 

Spfiohe  neben  dem  pusiTen  0oqrfai0  MM  altoin  flUiohin^^ 
Yerbalsystem  gehörten,  sodaB  die  formale  Beeinfloesang  der  loni 
desPerfokts  durch  die  desFlrlaenevoIlkonmien  begieiflUoh 

Alat  eotp§r$  ans  *efh4p9r9  stallt  natOrlioh  ein  jflngeies  Bat- 
wioklnngssiadinm  dar  als  eögö  ed^ptdo,  nnd  es  wird  ein  Ding  der 
Unmöglichkeit  sein,  den  Gfrund  anzugeben,  weshalb  ans  in  diesem 
lUle  die  ältere  Ibrm  *cßp§n  nicht  flberiiefert  ist  Doch  ist  dm 
Yeiiiältnis  kein  wesentlich  anderes  als  das  «wischen  jvraeM  und 
jpnMJUM^  jMiSM  und  jirnJk^^ 

Bntwicklungsstadien  darstellen.  Kaum  darf  man,  wie  dies  Hiet 
Gramm.  1,  219  geschehen  ist,  die  Formen  praMbtS  ptrokib§8  9k 
rekomponierte  bezeichnen,  und  sonach  auch  eoepmu  Die  riditvge 
Auffassung  wird  sich  uns  später  eigeben.  Es  ist  nicht  anhistcMrisdi, 
wie  Osthoff  zur  Oesch.  d.  Perl  159  meint,  sich  mit  Pott  die 
Entstehung  von  eoq^$r$  in  der  eben  auseinander  gesetsten  Weise 
zu  denken.  Man  muß  nur  zugeben,  dafi  zwei  verschiedenaltiige 
Bildungsweisen  TorUegen,  deren  Vorhandensein  durch  die  oben 
beigebrachten  Analogien  vollkommen  beruhigt  und  gerecht* 
fertigt  erscheint  *e(hipmre  ist  prinzipiell  von  ciholsscö  nicht  ver- 
schieden, nur  die  Durchführung  der  Yokalsohwächang  in  der 
nachtonigen  Silbe  weist  auf  eine  frühere  Entstehungszeit  dieses 
Kompositums,  das  sicher  noch  älteres  *eöpere  verdrängt  hat  Das 
Paar  eoepere  coepi  macht  auch  die  Durchführung  desselben  -o^ 
im  Partizipium  d.  pass.  Perf.  co&ptu^-  verständlich.  Vergleicht 
man  nochmals  die  beiden  Systeme  coep&re  ooefi  eoepius  mit  cögen 
coegi  coäctus,  so  stellt  sich  bei  genauer  Abwägung  aller  in  Be- 
tracht kommenden  Faktoren  heraus,  daß  sie  trotz  der  unleugbar 
vorhandenen  Übereinstimmimgen  doch  nicht  unerhebliche  Ver- 
schiedenheiten aufweisen,  die  eine  verschiedene  Beurteilung 
beider  bedingen. 

Dabei  kommt  für  co-igi^  co-öcft»,  wie  Osthoff  a.  a.  0.  geltmd 
macht,  gewiß  der  Umstand  vornehmlich  in  Betracht,  dafi  die 
einfachen  egi  actus  im  lebendigen  Gebrauche  fortlebten  und  so 
kräftige  Stützen  auch  für  die  ersteren  waren.  Gleichwohl  dürfte 
man  zweifeln,  ob  nicht  auch  ein  *coegi  usw.  entstanden  wäre, 
wenn  tatsächlich  co^,  bezw.  coepisti  und  nicht  oo-qn  eo-^pitä 
die  regelrechte  ohne  Beeinflussung  eines  weiteren  Fkktors  zu 
erwartende  Lautgestalt  gewesen  wäre.  Diesen  Faktor  haben  wir 
aber  eben  in  dem  alat  eoepere  erkannt  Mit  eoepere  kann  man 
eoetiAs  aus  *eO'üus^  vgl.  Plautus  Amphitruo  657  *primo  coeta 


Neae  Beiträge  zur  lateinischen  Sprachgeschichte  und  Lautlehre.    465 

yicimos',  nicht  unmittelbar  vergleichen,  da  in  diesem  Worte 
unmittelbare  Eontraktion  von  o  +  i  vorliegt  Somit  muß  coetti» 
auf  eine  Stufe  mit  cögö  cöpula  usw.  gestellt  werden,  in  denen 
ja  auch  unmittelbare  Kontraktion  von  o  +  a  vorliegt  Nur  ist 
das  Kontraktionsprodukt  mit  Rücksicht  auf  die  Verschiedenheit 
der  zusammentreffenden  Yokale  im  einen  Falle  ein  Diphthong, 
im  anderen  ein  langer  Monophthong.  Vielmehr  ist  coepere  aus 
*c<hipere  sprachgeschichilich  zu  beurteilen,  wie  co-Uiö  Terent 
c(hüuSj  c(hinquinö^  die  allerdings  einer  jüngeren  Bildungsscbicht 
angehören  und  daher  auch  keine  weitere  lautliche  Entwicklung, 
bezw.  keine  Kontraktion  der  Vokale  mehr  erfahren  haben,  während 
mit  coetus  CHodius  und  öboedio  auf  eine  Linie  gestellt  werden 
müssen,  insofeme  sie  aus  *CUmlws  *6lhauizdiö  entstanden  sind 
und  einen  durch  Kontraktion  zusammengeflossenen  Diphthong 
-Ol-  (-oer)  enthalten.  Gegen  unsere  Darlegung  kann  nicht  geltend 
gemacht  werden,  daß  uns  das  Simplex  apere  fast  ausschließlich 
durch  Glossen  überliefert  ist  Denn  dadurch  wird  doch  unter 
allen  Umständen  der  Beweis  hergestellt,  daß  es  im  alten  Latein 
überhaupt  üblich  gewesen  ist  Und  so  konnte  *c(hapere  coepere 
geradesogut  entstehen,  wie  prae-hibeö  prö-hibeö.  Nur  wird  man 
vielleicht  das  Verhältnis  dieser  Formen  noch  schärfer,  als  es 
oben  geschehen  ist,  so  auffassen  müssen,  daß  zunächst  neben- 
einander *cöpere  und  coapere^  praebeö  und  *praeihabeö^  pröbeö 
(allerdings  belegt  nur  prObeat  bei  Lucretius,  aber  sicher  für  die 
ältere  Zeit  vorauszusetzen,  wenigstens  kann  es  bei  Plautus  überall 
ebenso  wie  cohibeö  dreisilbig  skandiert  werden,  also  pröbeö  cöbeöy 
vgL  Lindsay  The  Lat  Langu.  143)  und  *prökabeö  bestanden  und 
in  zweiter  Linie  praehibeö  pröhibeö  an  die  Stelle  der  älteren 
Lentoformen  traten.  Es  ist  nach  dem  Gesagten  sicher,  daß  die 
unkontrahierte  Form  neben  der  kontrahierten  bestand,  eine  Tat- 
sache, die  mit  großem  Gewicht  für  die  Richtigkeit  der  Theorie 
der  Allegro-  und  Lentoformen  spricht,  für  deren  Existenz  im 
Lateinischen  sich  neuestens  wieder  Skutsch  in  seiner  Besprechung 
von  Wundts  Völkerpsychologie  I  (Zeitschrift  für  Psychologie  und 
Physiologie  der  Sinnesorgane  37,  122  und  zuletzt  bei  Kroll  Die 
klassische  Altertumswissenschaft  usw.  S.314  [K.N.])  ausgesprochen 
hat,  was  ich  wegen  Vendryes  in  den  MÖianges  linguistiques  off.  ä 
M.  A.  Meillet  S.  122  bemerke  (vgl.  meine  Besprechung  in  der 
Zeitschr.  f.  d.  öst  Gymn.  1903  S.  115).  Auch  ist  höchst  beachtens- 
wert, daß  die  Lentoformen,  wenn  unsere  an  zweiter  Stelle  vor- 


466  Fr.  Stolz, 

getragene  Ansieht  richtig  ist,  die  Yokalschwächnng  durchgemadit 
haben,  deren  verhältnismäßig  spätes  Eintreten  ja  auch  aus  anderen 
Gründen  erhellt  In  der  eben  vorgebrachten  Weise  erklärt  mdi 
das  Verhältnis  der  oben  aufgeführten  Formenpaare  in  durchaus 
natürlicher  Weise,  nur  darf  man  nicht  außer  Acht  lassen,  dafi 
die  Allegroformen  debeo^  probeä,  cöbeo  die  noch  ungeschwächte 
Form  des  Stammsilbenvokals  voraussetzen.    Da  d^m  bis  jetit 
noch  nicht  erwähnt  worden  ist,  so  sei  hier  ausdrücklich  hervco^ 
gehoben,  daß  es  nur  aus  *di'habeö  hergeleitet  werden  kann,  dt 
man  von  dehibeö  nur  zu  *deibeö  [*düeö  (?)  E.  N.]  gelangen  könnte. 
Kehren  wir  nach  der  durch  die  Verwandtschaft  des  Gegen- 
standes gerechtfertigten  Abschweifung  wieder  zu  nemo  zurück, 
von  dem  wir  ausgegangen  sind.  Unsere  bisherigen  Auseinander- 
setzungen haben  ergeben,  daß  ngtnö  aus  *ne-'hemö  oder  vielleicht 
auch  allenfalls  aus  *ne'homö  entstanden  sein  könnte.    Da  aber 
unsere  literarische  Überlieferung  die  Stammform  hemo^)  noch 
kennt,   und,   wie  sich   später  herausstellen   wird,   die  Bildung 
unseres    Kompositums    höchstwahrscheinlich   in    vorliterarische 
Zeit  zurückgeht,  können  wir  von  der  Annahme  einer  Vorstafe 
*nehomö  überhaupt  absehen,  da  der  o-ü  miaut  offenbar  erst  in 
späterer  Zeit  eingetreten  sein  muß.    Wenn  uns  auch  die  volle 
Form  in  der  literarisclion  Überlieferung  nicht  mehr  entgegen- 
tritt, ist  immerhin  die  Voi-stufe  ^ne-hemö^  deren  Entstehung  ebenso 
wie  die  von  nefäs  *ne  fas  est'  (Delbrück  Grundriß  4,  534)  und 
necesstis  necesse  *ne  cessus  est'  (Brugmann  Ber.  d.  k.  sächs.  Ges. 
d.  Wiss.  1900,   S.  400)   zu    denken   ist   (Skutsch    Arch.  f.  iat 
Lex.  12,  197**,  Brugmann  Kurze  vergl.  Gramm.  S.  310),   nach 
dem  oben  Bemerkten  soviel  als  sicher.  Im  übrigen  brauchte  die 
Worteinung  von  *nehemö  nicht  in  vorliterarischer  Zeit  geschehen 
zu  sein,  wie  man  aus  dem  Fehlen  dieser  Form  in  der  literarischen 
Überlieferung  scliließen  könnte,  während  nihä  und  m/  neben- 
einander belegt  sind.  Es  könnte  Zufall  sein,  daß  *n^Ä^mö  nirgends 
belegt  ist.    Denn   die  Möglichkeit   des  Bestehens  dieser  Form 

1)  Ich  glaube  annehmen  zu  dürfen,  daß  in  'hemonem  hominem' 
Paul.  Fest.  71,  Th.  tatsächlich  die  alte,  echte  Form  vorliegt,  wie  mir  dies 
auch  von  helus  durchaus  nicht  so  unglaubwürdig  erscheint.  Ich  be- 
merke dies  ausdrücklich  wegen  Sommer  IF.  11,  331,  der  helus  "erst 
wiederum  aus  den  obliquen  Kasus  gewonnen"  sein  läßt.  Oder  müßte  er 
nicht  dasselbe  von  hemonem  behaupten?  Auch  Niedermann  Sp^cimen  d'un 
precis  de  phonötique  hislorique  du  Latin  S.  93  hält  hemö  für  alte  Übe^ 
lieferung,  ebenso  aucli  Brugmann,  IF.  17,  170. 


Nene  Beiträge  znr  lateinischen  Sprachgeschichte  nnd  Lautlehre.    4ff7 

beweist  aach  noch  für  die  späteste  Zeit  vehemens^  das  wohl 
sicher  aus  *vehemena8  herzuleiten  ist,  worüber  meines  Wissens 
zuletzt  mit  Angabe  der  Literatur  Niedermann  in  den  IF.  10,  255 
(mit  Fußnote  3)  gehandelt  hat  In  vehemina  hat  offenbar  die 
assimilierende  Kraft  des  Vokals  der  Tonsilbe  auch  den  Vokal 
der  ursprünglich  nachtonigen  Silbe  in  seiner  älteren  Gestalt  er- 
halten und  seinen  Übergang  in  -t-  aufgehalten.  Vgl.  auch  sepeliö^ 
dementum^  vegetäre  (Sommer  IF.  11,  332^).  Genau  dasselbe  Ver- 
hältnis liegt  auch  bei  nemö^  bezw.  *nehemö  vor,  insbesondere 
wenn  man  die  abhängigen  Kasus  *nehemenos  *nehemene  ins  Auge 
faßt  Bei  Betrachtung  dieser  Formen,  die  vorauszusetzen  uns 
alat  neminia  nemini  (die  Belege  bei  Georges  Lex.  d.  lat  Wort- 
formen s.  V.)  berechtigen,  springt  die  Gleichartigkeit  der  laut- 
lichen Verhältnisse  mit  *vehemetw8^  dem  Vorgänger  von  vehemens^ 
besonders  deutlich  in  die  Augen.  Wie  vehemens  und  daneben 
auch  vemins  wirklich  bestanden,  so  ist  auch  theoretisch  nichts 
einzuwenden  gegen  die  Annahme,  daß  neben  nemo  auch  *nehemö 
im  Munde  der  Sprechenden  gelebt  habe.  Wenig  wahrscheinlich 
wird  jedoch  diese  theoretische  Möglichkeit  durch  die  Tatsache, 
daß  sich  schon  bei  Plautus  und  Cato  die  Verbindung  *fiemo 
hämo*  findet  (vgl.  Amphitruo  566  'nemo  umquam  homo';  Casina  294 
^homini  nato  nemini';  Persa  211  *nemo  homo  umquam'  und 
Hist  Gramm.  1,  125),  wodurch  denn  doch  die  Vermutung  sehr 
nahe  gelegt  wird,  daß  bereits  Plautus  und  dem  alten  Cato  die 
Herleitung  von  nemo  aus  *nehemö  schwerlich  mehr  bekannt  und 
daher  sicher  auch  die  letztere  Form  schon  zu  seiner  Zeit  nicht 
mehr  üblich  war.  Somit  scheint  allerdings  die  Entstehung  des 
Wortes  nämö,  bezw.  die  Worteinung  von  *ne  hemo  (est)*  zu 
einem  einheitlichen  Begriff,  in  ältere  Zeit  verlegt  werden  zu 
müssen.  Und  so  werden  wir,  da  in  der  literarischen  Über- 
lieferung nirgends  ein  *nehemö  uns  entgegentritt,  diesen  Prozeß 
der  Worteinung  in  die  vorliterarische  Zeit  verlegen  müssen, 
wie  dies  ja  auch  bei  den  oben  bereits  erwähnten  nefäs  necesstts 
necesse  der  Fall  gewesen  sein  muß.  Auch  nihü  aus  ^ne-hilom 
und  ne-9ciö  gehören  in  dieselbe  Reihe. 

Im  Vorbeigehen  sei  hier  auf  Birt  Der  Hiat  bei  Plautus 
und  die  lateinische  Aspiration  (Marburg  1901)  hingewiesen,  der 
S.  19  ff.  des  angeführten  Buches  über  den  Schwund  des  inter- 
vokalischen  echten  h  handelt  Ich  begreife  nämlich  ganz  und 
gar  nicht,  daß  h  zwischen  zwei  gleichen  Vokalen  eine  andere 


468  Fr.  Stols, 

Artikulation  gehabt  haben  soll  als  zwischen  zwei  versdiiedenen. 
Allerdings  erklärt  die  Natur  des  lateinischen  A,  wie  wir  sie 
bisher  nach  den  Zeugnissen  der  lateinischen  Sprachgeschidite 
angenommen  haben,  die  Vereinigung  der  beiden  gleichen,  ur- 
sprünglich zwei  verschiedenen  durch  h  getrennten  Silben  an- 
gehörigen  Vokale  zu  einem  langen,  sehr  leicht,  aber  es  berechtigt 
deswegen  nichts  zu  dem  Schlüsse,  daß  das  h  in  v$hö  eine  andere 
Artikulation  gehabt  habe,  als  in  *nehemö^  das,  wie  wir  eben 
gesehen  haben,  freilich  schon  in  Torliterarischer  Zeit  zu  nimö 
geworden  ist  vehere  vehsns  (vgl.  übrigens  auch  das  oben  be- 
sprochene vehemens)  verdanken  ihre  volle  Lautgestalt  ihrer  Stellung 
im  System,  woraus  man  übrigens  wieder  umgekehrt  zu  schließen 
berechtigt  ist,  daß  h  in  vehö  vehia  vehunt  nicht  wohl  anders 
artikuliert  worden  sein  kann  als  in  vehere  und  veh^ns, 

IV. 
Über  den  t-ümlaut  in  Tonsilben  bemerkt  Sommer  IF.  11, 338 
mit  Recht,  daß  er  erst  eingetreten  sei,  nachdem  idg.  ä  i  ö  in 
nachtonigen  Silben  zu  t  gewandelt  worden  seien,  wie  sich  z.  B. 
aus  simüiSj  älter  *seinali8,  deutiich  ergibt  Denn  es  mußte  zuerst 
die  Lautgestalt  *8emi/is  erreicht  sein,  ehe  die  weitere  Stufe 
similis  eintreten  konnte.  Aber  auch  für  die  Endsüben  ergibt 
sich  aus  dem  t-Umlaut  in  Tonsilben  ein  nicht  unwichtiges  chrono- 
logisches Moment  Aus  dem  Umstände,  daß  es  im  klassischen 
Latein  heißt  legis  legit^  vehis  vehit^  folgt  mit  Sicherheit,  daß  die 
Wirkung  des  »-Umlautes  bereits  abgeschlossen  gewesen  sein 
muß,  ohevor  das  e  in  Schlußsilben  in  i  übergegangen  war.  Denn 
nur,  wenn  *leges  *leget^  *vehes  *vehet  lautgesetzlich  noch  be- 
standen, als  die  oben  besprochenen  Formen  von  der  gleichen 
Art  wie  similis  lautgesetzliches  i  in  der  nachtonigen  Silbe  schon 
hatten,  finden  die  Formen  legis  usw.  ihre  Rechtfertigung,  sonst 
müßten  wir  *ligi3  *ligit  usw.  erwarten.  Mit  anderen  Worten, 
€  (bezvv.  d  6)  in  nachtonigen  Silben  ist  bereits  früher  in  f  über- 
gegangen als  e  in  Schlußsilben.  Daraus  würde  sich  auch  erklären, 
daß  bei  einer  so  beträchtlichen  Anzahl  von  Verben  der  thema- 
tischen Konjugation  der  o-Umlaut  unterblieben  ist,  bezw.,  wenn 
er  bereits  durchgeführt  war,  durch  Systemzwang  wieder  die 
Formen  mit  e  wiederhergestellt  worden  sind.  *logö  ^logant,  die 
man  nach  dem  Umlautsgesotze,  wie  es  von  Sommer  formuliert 
worden  ist  erwarten  müßte,  sind  nach  dem  Muster  von  *lege$ 


Nene  Beiträge  zur  lateinischen  Sprachgeschichte  und  Lautlehre.    469 

*leget  *legäes  wieder  zu  legö  ^legend  geworden.  Die  1.  Flur., 
welche  ursprünglich  *Ug(mos  gelautet  haben  muß,  dtirfte  ver- 
mutungsweise zur  selben  Zeit,  als  die  Formen  *leges  ^leget  noch 
bestanden,  in  das  Stadium  *legema8  eingetreten  gewesen  sein. 
Es  bezeichnet  diese  Form  bekanntlich  die  erste  Etappe  auf  dem 
Wege  der  Yokalschwächung  in  nachtonigen  Silben  und  die  Vor- 
stufe zu  dem  historischen  legimus.  Indessen  kann  ich  nicht  ver- 
schweigen, daß  diese  bekanntlich  von  F.  Sommer  IF.  11,  332  ff. 
aufgestellte  Umlautstheorie,  wenigstens  was  den  o-Umlaut  be- 
trifft, kaum  in  dem  ganzen  Umfang  wird  aufrecht  erhalten 
werden  können,  da  es  sich  mit  Ausnahme  des  einen  nicht 
sicheren  modus^)  nur  um  solche  Fälle  handelt,  in  denen  dem  e 
entweder  {  m  oder  n  folgen.  Es  wird  sich  also  wohl  empfehlen, 
die  Sommersche  Umlautstheorie  auf  die  zuletzt  genannten  Fälle 
zu  beschränken.  In  anderer  Weise  hat  Hirt  IF.  12,  241  den 
Yokalumlaut,  und  zwar  den  von  e  zu  o,  in  haupttonigen  Silben 
einzuschränken  gesucht  Jedoch  bin  ich  der  festen  Überzeugung, 
daß  nicht  der  dem  e  vorausgehende,  sondern  mit  Ausnahme 
eines  einzigen  später  zu  berührenden  Falles  der  ihm  folgende 
Konsonant  als  allein  maßgebender  Faktor  für  den  Umlaut  von  e 
in  o  in  Betracht  kommt  Dies  wissen  wir  wenigstens  ganz  be- 
stimmt von  dem  gutturalen  {,  dessen  Einfluß  die  Umfärbung 
des  betonten  e  in  den  Fällen,  wie  holus  olor  und  anderen  von 
Sommer  Handbuch  S.  76  aufgeführten,  bewirkt  hat  Denn  mag 
auch  hier  die  Umfärbung  des  e  zm  o  nur  auf  Rechnung  der 
gutturalen  Natur  des  /  zu  setzen  sein,  so  ist  doch  klar,  daß 
nur  in  der  Stellung  vor  diesem  gutturalen  /  die  Umfärbung 
des  e  in  0  erfolgt  ist  Es  ist  also  nur  konsequent,  wenn  wir 
auch  bei  dem  o-Umlaut  neben  dem  o  der  nachfolgenden  Silbe 
auch  die  Natur  des  dem  umzulautenden  «-Vokal  folgenden  Kon- 
souanten  in   Betracht  ziehen  und  ihn  daher  auf  die  Stellung 

1)  Ich  kann  die  von  Sommer  IF.  11,  33ö  vorgebrachten  Bedenken 
gegen  den  o-Stamm  modus  nicht  teilen.  Und  was  die  Vermischung  des 
•-Stammes  *m€dos  mit  dem  o-Stamm  modo-  anlangt,  so  liegt  ja  ein  ganz 
analoger  Fall  in  pandus  vor,  das  seine  Gestalt  zweifelsohne  der  Anlehnung 
an  einen  alten  o-Stamm  pondo-  verdankt,  der  bekanntlich  in  pondö  vor- 
liegt. Wenigstens  der  Erwähnung  wert  wäre  diese  auffallende  Analogie 
gewesen,  zumal  auch  Brugmann  Grundriß  2,  392  diesen  Tatbestand  an- 
erkennt Auf  jeden  Fall  kann  modus  nicht  zum  Beweise  des  Eintritts  des 
o-Umlauta  vor  folgender  Media  angefahrt  werden,  da  es  ein  durchaus 
nicht  einwandfreies  Beispiel  ist. 


470  Fr.  Stolz, 

des  e  vor  gewissen  Lauten  —  l^  m^  n  — ,  soweit  überhaupt  b© 
dem  erstgenannten  von  Vokalumlaut  gesprochen  werden  kann, 
beschränken.  Allerdings  bleiben  auch  so  noch  Ausnahmen  genug, 
zu  deren  Erklärung,  wie  dies  schon  von  Sommer  IP.  11,  336 
geschehen  ist,  die  Wirksamkeit  der  Analogie  herangezogen  werden 
muß.  Aber  unschwer  erklärt  sich  die  ausgleichende  Wirkung 
der  Analogie  in  einem  Falle,  wie  gemö  usw.  Lautgesetzlich  wäre 
allerdings  die  Flexion  *gomö  gemis  gemit  gemimtts  gemiUs  *gomwü 
zu  erwarten.  Daß  nun  *gamö  und  ^gomutU  nach  dem  Muster 
der  übrigen  Formen  zu  gemö  und  gemunt  umgestaltet  wurden, 
ist  weniger  auffallend,  als  die  Uniformierung  des  Optativs  des 
Präsens  von  esse,  die  trotz  des  gegenteiligen  Stärkeverhältnisses 
der  Formen  —  simus  sftis  gegen  siem  sies  siet  sient  —  nach 
dem  Muster  der  beiden  Pluralformen  erfolgt  ist,  indem  natürlich 
zuerst  die  3.  Plur.  zu  sint  und  dann  nach  dem  Plural  auch  der 
gesamte  Singular  zu  sim  sis  sü  umgestaltet  wurde.  Daneben  darf 
allerdings  mit  Sommer  Handbuch  577^  auch  an  die  Möglichkeit 
gedacht  werden,  das  potisU  neben  siet  die  lautgesetzliche  Ent- 
wicklung aus  potisiet  darstelle,  also  in  enklitischer  Stellung  das 
aus  *siet  gekürzte  siet  zu  *sit  sit  kontrahiert  worden  sei.  Genau 
so  wie  mit  gemö  verhält  es  sich  mit  emO  fremö  und  mutandis 
mutatis  auch  mit  cremO.  Wenn  wir  nun,  immer  die  Richtigkeit 
des  o-Umlautes  in  dem  oben  eingeschränkten  Maße  vorausgesetzt, 
vomö  vomis  vomit  usw.  als  die  einzig  üblichen  Formen,  also  einen 
Ausgleich  in  entgegengesetzter  Richtung  finden,  insofern  hier 
vomö  vomunt  die  lautgesetzlich  vorauszusetzenden  Formen  *vmis 
*vemit  *vemimus  *vemitis  überwunden  und  umgestaltet  haben,  so 
drängt  sich  allerdings  zur  Erklärung  dieser  auffälligen  Erscheinung 
die  nalieliegendo  Vermutung  auf,  daß  in  diesem  Falle  die  Wirkung 
des  o-Umlautes  noch  verstärkt  worden  ist  durch  das  dem  e  voraus- 
gehende v-.  Und  das  ist  der  oben  angedeutete  Ausnahmsfall, 
in  welchem  wir  auch  dem  vorausgehenden  Konsonanten  eine 
Einwirkung  auf  den  nachfolgenden  e-Laut  zugestehen  müssen. 
Und  hierin  ist  um  so  weniger  etwas  Auffälliges  zu  erblicken, 
als  ja  eu  ev  bekanntlich  schon  im  üri talischen  zu  ou  op  ge- 
worden und  damit  die  umgestaltende  Kraft  des  u  v  in  der  um- 
gekehrten Stellung  mit  voller  Deutlichkeit  dargetan  ist  Dagegen 
ist,  um  nochmals  auf  das  Frühere  zurückzukommen,  kein  einziger 
Fall  bekannt,  in  welchem  etwa  die  Silbe  le  in  lo  übergegangen 
wäre,  so  wie  ve  unter  gewissen  Bedingungen  zu  vo  geworden 


Nene  Beiträge  zur  lateinischen  Sprachgeschichte  und  Lautlehre.    471 

ist  {  vor  e  bat  eben  ausscbließlicb  palatalen  Charakter,  und 
daher  fehlt  die  Orundbedlngang  zum  Übergange  in  o,  die  in 
der  Kombination  ^  -f-  { -f  o  tatsächlich  gegeben  ist  glamm,  das 
allerdings  sicher  aus  *glemus  entstanden  ist  (Sommer  Handbuch 
S.  128  •)  kann  nicht  als  beweisend  anerkannt  werden,  es  fällt 
vielmehr  unter  jene  Fälle,  in  welchen  der  o-Umlaut  durch  das 
auf  das  -e-  folgende  m  seine  Erklärung  und  Rechtfertigung  findet 
Es  ist  eben  glomus  genau  so  zu  beurteilen  wie  homo^  das  be- 
kanntlich aus  alat.  hemo  hervorgegangen  ist  und  bei  dem  neben 
dem  o  der  folgenden  Silbe,  der  eigentlichen  Ursache,  nur  noch 
das  zwischen  beiden  Vokalen  stehende  m  als  mitwirkender  Faktor 
des  eintretenden  o-ümlautes  in  Betracht  kommen  kann. 

V. 
Wenn  ich  in  meiner  lat  Laut-  und  Formenlehre  ®  S.  57  • 
gegen  den  Einspruch  Brugmanns  Grundriß  1*  805*  f.  mit  v.  Planta 
Gramm,  d.  osk.-umbr.  Dialekte  1,  206  und  Skutsch  Satura  Viar 
drina  123  die  Dehnung  des  Vokals  vor  ns  als  wahrscheinlich 
uritalisch  bezeichnet  habe,  so  muß  ich  jetzt  >),  wo  ich  mich 
neuerdings  damit  beschäftige,  die  lautgeschichtlichen  Tatsachen 
des  Lateinischen  in  eine  chronologische  Reihenfolge  zu  bringen, 
meine  Ansicht  zugunsten  Brugmanns  abändern  und  meine 
Meinung  dahin  aussprechen,  daß  die  fragliche  Dehnungserschei- 
nung als  eine  im  Sonderleben  der  lateinischen  Sprache,  unab- 
hängig vom  Oskischen  (und  ümbrischen)  entwickelte  sprachliche 
Neuerung  betrachtet  werden  muß.  Der  Beweis  hiefür  läßt  sich 
aus  der  Betrachtung  des  Verbums  anheldre  erbringen.  Über  dieses 
Wort  habe  ich  bereits  IF.  4,  237  gehandelt  und  unter  Hinweis 
auf  Fick  Et  Wtb,  1»,  15,  Osthoff  Zur  Gesch.  des  Perfekts  115*, 
Brugmann  Grundriß  1,  177  dargetan,  daß  als  nominales  Grund- 
wort, von  dem  das  denominative  Zeitwort  anheläre  mit  ursprüng- 
lichem h  abgeleitet  ist,  "^an-andos  (mit  d,  was  dort  nicht  aus- 
drücklich bemerkt,  aber  aus  dem  Zusammenhang  mit  Notwen- 
digkeit zu  schließen  ist)  angesehen  werden  müsse.  Heute  muß 
ich  richtiger  unser  Wort  als  eine  Zusammenziehung  von  an-  und 
{h)öläre  erklären.  Die  oben  ausgesprochene  Herleitung  des  Wortes 
hat  Brugmann  auch  in  der  Kurzen  vgl.  Gramm.  S.469  festgehalten, 
wenn  er  in  dem  an-  allerdings  nur  Vielleicht',  die  Präposition  an(a) 
sieht,  während  Sommer  Laut-  u.  Formenlehre  S.  109  und  Walde  Lat 

1)  Diese  Zeilen  sind  im  Jahre  1900  niedergeschrieben  worden. 
Indo^rmaniiclie  Fonchaii^n  XVIII.  31 


472  Fr.  Stolz, 

etym.  Wtb.  8. 32  die  Herleitung  aus  an  +  alö  bedingungslos  8ne^ 
kaunt  haben.  Dagegen  finden  sich  bei  Fick  1^3  unter  {äna-)  ant- 
'bauchen'  animus^  ansmo,  dläre,  anüus  vereinigt  Auch  Thumejsen 
Arch.  f.  iat  Lex.  13,  23  verbindet  unser  aneläre  mit  der  in  anmta 
steckenden  Wurzel  und  sucht  von  einem  ^anifla  aus  zu  anäön 
zu  gelangen.  Mit  Walde  a.  a.  0.,  der  auch  noch  auf  den  ähnlichen 
Erklärungsversuch  von  Faj  Glass.  Rev.  12,  18  a,  1  verweist,  kann 
ich  diesen  Versuch  nicht  überzeugend  finden.  Vendryes  R&- 
cherches  sur  Thistoire  et  les  effets  de  l'intensitö  initiale  112  und 
161,  der  von  ai.  dnüah  *souffle'  ausgeht  und  eine  Grundfonn 
*än(a)läre^  *alläre  konstruiert,  kann  noch  weniger  in  Betracht 
korameu,  da  bei  dieser  Annahme  schon  das  einfache  {  der  hi- 
storisch überlieferten  Form  unerklärt  bleibt  Unter  diesen  Um- 
ständen verdient  doch  wohl  die  an  erster  Stelle  vorgebrachte 
Erklärung  der  Bildung  des  Zeitworts  anhelare  auch  heute  noch 
den  Vorzug,  zumal  in  der  Bedeutung  des  Verbums  die  Geltung 
der  Präposition  an-  ganz  entschieden  wahrzunehmen  ist  Und 
warum  sollte  denn  ein  Kompositum  aus  an-  und  (h)äläre  etwas 
ganz  Unerhörtes  sein?  Freilich  erklärt  sich  anhüö  nur  aus  älterem 
*an'ändö^  d.  h.  das  Kompositum  muß  zunächst  aus  einer  Zeit 
stammen,  wo  das  Simplex  noch  *än4o  lautete.  Das  Gesetz,  nach 
welchem  ein  kurzer  Vokal  vor  tis  gedehnt  wird,  kann  damals,  als 
unser  Kompositum  entstand,  noch  nicht  in  Kraft  gewesen  sein ;  denu 
aus  einem  vorauszusetzenden  *anänslö  hätte  sich  nur  *ancdö  er- 
geben, da  ja  ä  bekanntlich  niemals  V^okalschwächung  in  nachtoniger 
Silbe  erleidet  Es  muß  aber  weiter  noch  bis  zum  Eintritt  der  Vokal- 
schwächung *ändö  gesprochen  worden  sein,  da  nur  *anändö  durch 
regelrechte  Vokalschwächung  *aninslö  ergibt,  woraus  sich  durch 
Dehnung  des  e  vor  ns  *an^nslö^  *anedö  an(h)elö  erklärt^). 

Aus  der  eben  gegebenen  Darlegung,  die  freilich  auf  der 


1)  Es  sei  gestattet,  auf  eine  Bemerkung  Waldes  Lat.  etym.  Wtb. 
S.  60  s.  V.  'baculum'  einzugehen :  **Lat.  imbicillus  fordert  keine  Hochslufe 
*bek',  sondern  ist  als  *im'öacciilu8  mit  baculum  aus  *baC'{c)lom  bildungs- 
gleich (Duvau  Mem.  soc.  hngu.  8,  iHöff.)".  Ohne  mich  auf  eine  nähere 
Auseinandersetzung  über  die  Annahme  einer  Latitstufe  *b€k'  einzulassen, 
bemerke  ich  nur,  daß  meines  Erachtens  imbecillus  aus  *imbeccillu$,  das 
als  des  ersteren  Vorstufe,  hervorgegangen  aus  *imbaccillu8,  angesetzt 
werden  müßte,  nicht  hergeleitet  werden  kann.  Ich  wenigstens  wüßte  nicht 
wie  das  Eintritten  eines  Dehnvokales  (so  müßte  man  e  auffassen)  nach 
der  Vereinfachung  der  Doppelkonsonanz  -cc-  gerechtfertigt  werden  könnte. 
Neben  *bac{p)uium  ist  nur  *imbic\c)illm  berechtigt,  aber  niemals  imbecillus. 


Neue  Beiträge  zur  lateinischen  Sprachgeschichte  und  Lautlehre.    47$ 

nicht  unbestrittenen,  aber  immerhin  höchst  wahrscheinlichen 
etymologischen  Zergliederung  des  Wortes  anheläre  beruht,  ergibt 
sich,  daß  in  diesem  Falle  —  und  so  natürlich  in  allen  gleich- 
gearteten,  in  denen  die  Lautverbindung  -iw-  sich  vorfand  — 
die  Dehnung  des  vor  -ns-  stehenden  Vokals  erst  in  verhältnis- 
mäßig später  Zeit,  nämlich  nach  dem  Eintritt  der  Wirksamkeit 
des  Schwächungsgesetzes,  eingetreten  sein  muß.  Bei  dieser  Gestalt 
der  Sachlage  wird  man  einen  unmittelbaren  Zusammenhang 
zwischen  der  Erscheinung  der  Vokaldehnung  vor  -w*-  im  Latei- 
nischen und  Oskischen  nicht  mehr  behaupten  dürfen,  sondern 
anzunehmen  haben,  daß  in  beiden  Hauptzweigen  des  Italischen 
diese  Dehnung  vor  der  Lautgruppe  -ns-  unabhängig  voneinander 
durchgeführt  worden  ist  Wer  dennoch  diese  Dehnung  des  Vokals 
vor  -iw-  als  uritalisch  ansehen  wollte,  müßte  mit  Rücksicht  auf 
die  oben  dargelegten  lautlichen  Verhältnisse  des  Lateinischen 
annehmen,  daß  der  vor  -n^-  im  Uritalischen  gelängte  Vokal  im 
Lateinischen  zunächst  wieder  gekürzt  worden  sei  und  erst  ij^ 
viel  späterer  Zeit  neuerdings  wieder  Längung  erfahren  habe. 

Die  lautlichen  Schicksale  von  anheläre  ergeben  somit  für 
die  Lautchronologie  folgende  Erscbeinungsreihe :  1.  Schwächung 
von  d  zu  e  in  nachtonigen  Silben;  2.  Dehnung  des  #  vor  der 
folgenden  Lautgruppe  -»s-;  3.  Ausfall  des  -m-  vor  l. 

Sommer  Handbuch  S.  262  drückt  sich  folgendermaßen  aus: 
"Dazu  (h)ölo  und  an(h)äo  aus  ^-enslo  mit  Vokalschwächung  §  7^ 
I  C  1  a :  der  Schwund  von  -ws-  ist  also  später  als  die  Wirkung 
des  vorhistorischen  Akzents''.  Dabei  ist  auf  das  Moment  der 
Dehnung  des  kurzen  Vokals  vor  -ns  keine  weitere  Rücksicht  ge- 
nommen, obwohl  dies  wenigstens  für  meinen  Fall  von  ausschlag- 
gebender Wichtigkeit  ist  Denn  eben  durch  die  Tatsache  der 
Vokalschwächung  wird  die  Dehnung  des  vor  der  Gruppe  -ns 
stehenden  kurzen  Vokales  als  eine  chronologisch  genau  einzu- 
ordnende Erscheinung  in  der  lateinischen  Lautgeschichte  er- 
wiesen. Jedenfalls  wird  diese  Dehnung  dadurch  als  eine  relativ 
ziemlich  junge  Erscheinung  dargetan  und  kann  auch  nicht,  Viel- 
leicht', wie  dies  Sommer  Laut-  und  Formenlehre  S.  135  tut,  als 
•uritalisch'  bezeichnet  werden '). 

1)  Nach  meinem  Dafürhalten  sind  wir  durch  nichts  berechtigt,  etwa 
einen  prinzipiellen  Unterschied  zu  machen  zwischen  der  Dehnung  des  i 
in  *dnensld  und  der  der  kurzen  Vokale  vor  der  Lautgruppe  -na-  in  cönaul 
ifutgnis  usw.  in  der  historischen  Latinität.  Denn  sicherlich  reicht  auch 

31* 


474  Fr.  Stolz, 

Es  ist  beachtenswert,  daß  unser  anhelö  uns  auch  einen 
chronologischen  Anhaltspunkt  für  das  Eintreten  der  Vokal- 
schwächung in  nachtonigen  Silben  gewährt  Dieser  ergibt  sich 
aus  dem  Verhalten  der  Komposita  von  frangö^  pangö^  tanga, 
welche  bekanntlich  die  Lautgestalt  -fringö^  -pingö^  -tingö  an- 
nehmen. Es  ist  klar,  daß  die  Vorstufen  dieser  letzten  Eti^pe 
der  Vokalschwächung  ^)  *-frengö^  *'pengö^  *iengö  gewesen  sein 
müssen.  Diese  müssen  solange  bestanden  haben^  bis  nach  allge- 
meinem Gesetze  der  Übergang  von  en  +  Guttural  in  in  +  Guttural 
erfolgte,  der  allerdings,  abgesehen  von  den  Eompositis  der  drei 
oben  genannten  Verba  zunächst  nur  für  Tonsilben  nach- 
zuweisen ist  Man  vergleiche  die  betreffenden  Belage  Eist 
Gramm.  1, 135,  Laut-  und  Formenlehre  •  25,  Lindsay  229,  Sommer 
Handbuch  72  f.  Nun  stünde  wohl  nichts  der  Annahme  im  Wege, 
daß  en  +  Guttural  auch  in  nachtoniger  Silbe,  obwohl  dafür  be- 
stimmte Belege  fehlen,  in  in  +  Guttural  übergegangen  sei,  wenn 
wir  anzunehmen  berechtigt  sein  sollten,  daß  dieser  Übergang  in 
den  drei  oben  genannten  Verbalkomposita  noch  zur  Zeit  der 
herrschenden  Anfangsbetonung  erfolgt  sei,  infolge  deren  die  un- 
bedingt notwendiger  Weise  vorauszusetzenden  Formen  *iffr€n^ 
*c6mpengö^  ^äUengö  entstanden  sein  müssen.  Da  sich  jedoch,  wie 
oben  hervorgehoben  worden  ist,  dieser  Übergang  sicher  nach- 
weisbar nur  in  Tonsilben  vollzogen  hat,  so  steht  wohl  nichts 
der  Annahme  im  Wege,  daß  der  genannte  Übergang  in  unseren 
drei  Vorbalkomposita  zu  einer  Zeit  erfolgte,  als  man  bereits  nach 
jüngerer  Weise  *effringö,  *compingö^  *atUngö  betonte.    Nua  ist 

letztere  Erscheinung  in  vorhistorische  Zeit  zurück,  wenn  sie  auch  nicht, 
wie  oben  nachgewiesen  wurde,  vorlateinischen  Ursprungs  sein  kann,  und 
sind  beide  übrigens  ja  auch  vollkommen  identische  Erscheinungen  auch 
chronologisch  gleichzusetzen.  Vgl.  übrigens  betreffs  der  Tatsachen  Hist. 
Gramm.  1,  2i2n'. 

1)  So  dürfen  wir  die  Erscheinung  nennen,  wenn  auch  der  Obergang 
von  *-frengö,  *-pengöy  *'tengö  in  -fringö,  -pingö,  -tingö  zunächst  nicht 
auf  Rechnung  der  Schwachtonigkeit  der  Silbe  gesetzt  werden  darf,  wie 
Brugmann  Grundriß  1*,  222  mit  Recht  ausdrücklich  hervorhebt,  sondern 
in  einem  allgemeinen  Lautgesetze  begründet  ist.  Aber  von  einer  Schwächung 
des  Vokals  darf  man  gleichwohl  sprechen,  wenn  man  bedenkt,  daß  nach 
dem  durch  die  Tieftonigkeit  bedingten  Vokalschwächungsgesetz  für  offene 
Silben  die  Reihe  a-e-i  die  regelmäßige  ist,  und  wir  auch  bei  den  in  Frage 
stehenden  Komposita  denselben  Vokalwandel  beobachten,  den  wir  also 
mit  Rücksicht  auf  die  erstgenannte  lautliche  Erscheinung  immerhin  als 
eine  'Schwächung'  des  ursprünglichen  Vokals  bezeichnen  dürfen. 


Neue  Beiträge  zur  lateinischen  Sprachgeschichte  und  Lautlehre.    475 

aber  gewiß  die  Tatsache  besonderer  Beachtung  wert,  daß  uns 
in  keinem  Worte  die  Lautstufe  en  +  Guttural  historisch  bezeugt 
ist  Denn  die  scheinbar  widersprechenden  drei  Wörter  mencepe^ 
iuvencus^  nömendator  sind  längst  vollkommen  aufgeklärt,  wie 
man  aus  den  zusammenfassenden  Ausführungen  von  Niedermann 
i  und  I  im  Lateinischen  S.  33  f.  ersehen  kann.  Diese  Tatsache, 
daß  keine  historischen  Zeugnisse  für  die  Lautverbindung  en  + 
Guttural  vorliegen,  berechtigt  uns  ohne  Frage  zu  dem  Schlüsse, 
daß  der  fragliche  Übergang  von  en  +  Guttural  in  in  +  Guttural 
schon  in  vorliterarischer  Zeit  erfolgt  sein  muß.  Und  da  diesem 
Übergange  die  Schwächung  von  d  zu  ^  in  nachtoniger  Silbe 
Torausliegt,  wie  sich  aus  unserer  Auseinandersetzung  mit  not- 
wendiger Folgerichtigkeit  ergibt,  so  muß  auch  diese  Schwächungs- 
erscheinung bereits  in  vorliterarischer  Zeit  vor  sich  gegangen 
sein.  Dieses  Ergebnis  steht  nicht  im  Widerspruch  mit  der  Be- 
merkung von  Skutsch  in  der  Berliner  philoLWoch.  1900  Sp.  1106  *: 
••Die  lateinische  Vokalschwächung  ist  ein  recht  junger  Vorgang 
und  fällt  nach  den  12  Tafelgesetzen  und  der  Duenosinschrift, 
also  vermutlich  in  den  Lauf  des  4.  Jahrhunderts".  Damit  ist 
auch  zugegeben,  daß  meine  Berufung  auf  das  angebliche  aevUäs 
der  XII  Tafelgesetze  (IF.  4,  240)  und  dessen  Verwertung  für  die 
Chronologie  der  lateinischen  Vokalschwächung  wegen  des  Zu- 
standes  der  Textesüberlieferung  dieser  Tafeln  nicht  hinlänglich 
berechtigt  war,  obwohl  auch  Solmsen  Studien  zur  lat  Lautgesch.  1 10 
kein  Bedenken  gegen  die  Form  aevitos  erhebt  und  auch  Sommer 
Handbuch  S.  146  sie  ohne  weitere  Bemerkung  anführt  Denn 
da  in  der  Zeit  der  XII  Tafelgesetze  der  Diphthong  ai  sicher  noch 
vollständig  unangefochten  bestand  imd  mithin  das  ae  der  uns 
überlieferten  Form  der  Modernisierung  der  alten  Form  zuge- 
schrieben werden  muß,  kann  ebensogut  auch  das  t  der  zweiten 
Silbe  auf  dem  gleichen  Vorgange  beruhen,  und  im  ursprünglichen 
Texte  wird  wohl  sicher  *aivota8  gestanden  haben.  Dagegen  werden 
wir  jetzt  mit  größerem  Vertrauen,  als  dies  Laut-  und  Formen- 
lehre« 103  geschehen  ist,  incanfassü  (Till  1  a  Bruns  Fontes*  27) 
als  ursprüngliche  Form  ohne  Vokalschwächung  bezeichnen  dürfen, 
während  decidito  (Tab.  XII  3  Bruns  37)  ebenso  wie  •aevitas'  als 
spätere  Modernisierung  zu  gelten  hat.  Die  Form  späterer  Zeit 
tragen  ja  auch  zur  Schau  vitium  (1 3  neben  aemtas\  assiduus  (1 4), 
uriio  (X  1),  uretve  (X  8);  für  letztere  beiden  ist  für  den  Urtext 
sicher  *ou3etod  und  *au8etve  vorauszusetzen.   Überhaupt  ist  auch 


476  Fr.  Stolz, 

bezeichnend,  daS  keiner  der  Imperative  anf  -töj  die  sich  der 
Katur  der  Sache  nach  in  anseren  Fragmenten  ziemlich  hfinfig 
finden,  die  alte  Endung  auf  -4  aufweist,  die  selbstverständlich 
für  die  Zeit  der  Zwölftafelgesetze  als  einzig  mögliche  und  übliche 
vorausgesetzt  werden  muß.    Ausdrücklich  will  ich  hervorheben, 
daß  sich  meine  Hist  Gramm.  1,  27  stehende  Bemerkung  über  die 
Überlieferung  des  Zwölftafelgesetzes  hiermit  nicht  im  wesent- 
lichen Widerspruch   befindet,    da  tatsächlich   der  Text   dieser 
Öesetzesfragmente  ohne  Zweifel  gerade  wegen  der  mit  dem  Gange 
der  allgemeinen   Sprachentwicklung  Schritt  haltenden   Neuge- 
staltung der  einzelnen  Wörter  der  Hauptsache  nach  vollständig 
verständlich  geblieben  ist,  während  bekanntermaßen  vom  Arval- 
und  Saliarlied  nur  unsicher  zu  deutende  Trümmer  vorliegen. 
Man  wird  anzunehmen  berechtigt  sein,  daß  die  alte  Fassung  und 
Fügung  jener  Gesetzesfragmente  erhalten  blieb  und  nur  in  der 
äußern  Form  der  Wörter  zeitgemäße  Modernisierungen  vorge- 
nonmien  wurden.    In  diesem  Sinne,  glaube  ich,   ist  man  be- 
rechtigt, zu  behaupten,  daß  es  mit  der  Überlieferung  der  Zwölf- 
tafolgesetze  besser  bestellt  sei  als  mit  der  des  Arval-  und  Saliar- 
liedes,  deren  Entstehung  ja  auch  bekanntermaßen  in  eine  weit 
hiuter   die    Abfassung   der    Zwölftafelgesetze    zurückreichende 
Zeit  fällt. 

Es  unterliegt  keinem  Zweifel,  daß  die  Vokalschwächling 
eine  Folge  der  Tieftonigkeit  ist  Da  sich  nun  die  bekannten  Er- 
scheinungen dieser  Schwächung  der  nachtonigen  Vokale  auch 
in  solchen  Silben  zeigen,  welche  nach  der  späteren  Betonung 
den  Ton  trugen,  also  in  dritt vorletzten  oder  vorletzten  Silben 
mit  positions-  oder  durch  einen  Diphthong  naturlangen  Silben, 
so  liegt  es  nahe,  außer  dem  unzweifelhaft  bestehenden  kausalen 
Zusammenhang  beider  Erscheinungen  auch  eine  enge  zeithche 
Zusammengehörigkeit  derselben  anzunehmen  und  zu  behaupten, 
daß  die  lateinische  Anfangsbetonung  ^)  ebenfalls  eine  verhältnis- 

1)  Über  die  besonders  von  französischen  Sprachforschem  vertretene 
Theorie  der  'intensite  initiale',  welche  unserer  Auffassung  von  dem  Wesen 
des  lateinischen  Akzentes  und  insbesondere  der  wohlbegründeten  Annahme 
der  lateinischen,  bezw.  der  italischen  Anfangsbetonung  widerspricht,  sind 
die  ablehnenden  Ausführungen  von  Skutsch  Deutsche  Literaturzeitung  190i, 
Sp.  3220  f.,  Solmsen  Archiv  f.  lat.  Lex.  13,  137  ff.  und  von  mir  Zeitschrift 
f.  d.  österr.  Gymn.  1903, 113  ff.  zu  vergleichen.  Übrigens  will  ich  doch  nicht 
unterlassen,  darauf  hinzuweisen,  daß  Meyer-Lübke  sich  in  den  Wiener 
Sitzungsberichten  CXLllI,  11,  II.  dahin  geäußert  hat,  er  sei  "von  der  gnind- 


Neue  Beiträge  zur  lateinischen  Spradigeschichte  und  Lautlehre.    477 

m&Big  junge  Erscheinung  der  lateinischen  Sprachgeschichte  sein 
müsse.  Denn  es  gehe  nicht  gut  an,  diese  beiden  Erscheinungen 
der  Anfangsbetonung  und  der  Vokalschwächung,  welch  letzterö 
durch  die  erstere  bedingt  ist,  chronologisch  zu  trennen,  sonderü 
man  habe  anzunehmen,  daß  mit  der  Akzentzurückziehung  auch 
unmittelbar  die  Vokalschwächung  verbunden  war,  mit  andern 
Worten,  beide  Erscheinungen  zu  gleicher  Zeit  eingetreten  seien. 
In  der  Tat,  wenn  die  Vokalschwächung  eine  Folge  der  Tief- 
oder Schwachtonigkeit  ist,  so  mußte  sie,  möchte  man  meinen, 
von  Anfang  an  eine  Begleiterscheinung  der  herrschenden  Be- 
tonung, in  unserem  Falle  der  Anfangsbetonung,  gewesen  sein. 
Nun  lehrt  aber  die  Betrachtung  der  Tatsachen  der  italischen 
Sprachgeschichte,  daß  diese  Betonung  bereits  der  italischen 
Sprachperiode  angehört  Sagt  doch  Brugmann  Grundriß  1*,  214: 
"Die  Absorptionen  (Synkope  und  Samprasäraija)  haben  be- 
reits in  uritalischer  Zeit  begonnen,  während  Vokalschwächung, 
Zusammenziehung  von  otf,  ctti,  iu  in  u  und  Konsonantierung 
von  f,  u  einzeldialektische  Vorgänge  waren."  Während  Brugmann 
a.  a.  0.  eine  Anzahl  von  Erscheinungen,  die  in  unser  Kapitel 
gehören,  mit  Bestimmtheit  als  gemeinitalisch  bezeichnet,  bemerkt 
er  in  der  Kurzen  vergl.  Gramm.  S.  250  (§  345)  weniger  be- 
stimmt: "Vokalschwund  hat  höchstwahrscheinlich  schon  in 
nritaüscher  Zeit  begonnen.  Es  ist  aber  schwer,  die  Ergebnisse 
der  verschiedenen  Perioden,  in  denen  Vokalverlust  stattfand, 
auseinander  zu  halten."  Er  hat  sich  mit  diesen  Worten  im 
wesentlichen  auf  den  Standpunkt  gestellt,  den  Sommer  Hand- 
buch S.  147  einnimmt,  indem  er  sagt:  "Auch  die  oskisch- 
umbri sehen  Dialekte  weisen  zahlreiche  Beispiele  von  Vokal- 
absorption auf;  es  läßt  sich  aber  meist  nicht  feststellen,  wieweit 
die  mit  dem  Lateinischen  harmonierenden  Fälle  einer  gemein- 
samen uritalischen  Entwicklung  entstammen  oder  wieweit  auch 
sie  auf  erst  einzeldialektische  Vorgänge  zurückzuführen  sind." 
Auch  Bück  A  Grammar  of  Oscan  and  ürabrian  S.  58  äußert 
sich  über  die  in  Frage  stehenden  Fälle  nur  folgendermaßen :  "The 
loss  is  common  to  Latin  also  in  dexter^  0.  destrst,  ü.  destram.  etc. : 

sätzlichen  Anfangsbetonung  des  Lateinischen  noch  nicht  überzeugt**. 
Neuestens  hat  Ahlberg  Studia  de  acccntu  Latino  (Lundae  1905)  den  Ge- 
genstand behandelt  und  sich  gleichfalls  für  die  von  den  meisten  Nicht- 
^anzosen  angenommene  Theorie  des  altlateinischen  Akzentes  ausge- 
sprochen, die  auch  wir  vertreten.  [Vgl.  meine  Anzeige  Neue  phil.  Rund- 
schau 1905,  346—349  K.  N.] 


«8  Fr.  Stoli, 

Ork.  bcEfrepoc,  and  in  the  prafiz  of  L.  cMift^,  liiM^ , 

0.  am-Tfannud,  IT.  a^-ftrmmr,  eta:  Oik.  d»MpL"  Da  nun  doch 
anoh  Sommer  nach  der  oben  litierten  Änfiemng,  dafi  aioh  meiat 
nicht  feststellen  lasse,  ob  eine  Synkopierongseischeinang  gemein- 
italisch  sei,  anzunehmen  scheint,  dafi  es  solche  lUle  gemein- 
italischer  Synkope,  wenigstens  in  sehr  beschränktem  MaBe,  gebe^ 
so  legen  wir  uns  doch  wohl  mit  Recht  die  Frage  Tor,  wdoiie 
dies  sein  könnten.  Sommer  hat  sich,  soviel  ich  sehen  kann, 
darüber  nicht  ausgesprochen,  welche  FfiUe  er  im  Auge  gehabt 
hat  Mir  scheint  aber,  wenn  überhaupt  SjnkopierungseiBchei- 
nungen  als  gemeinitalisch  anzuerkennen  sind,  so  können  diei 
keine  anderen  als  die  oben  angeführten  seio.  Und  in  der  Tkt 
sind  diese  Übereinstimmuiigen  doch  so  auf&dlend,  dafi  man  nidit 
gerne  den  Gedanken  an  gemeinsamen  Ursprung  au^bt  und  die 
Ausbildung  dieser  Sjnkopierungserscheinungen  eLnselsprach- 
licher  Entwicklung  des  Lateinischen  und  Oskisch-umbrischen 
anweist  Ein  strikter  Beweis  ist  ja  für  die  gemeinitalische  Heiv 
kunft  auch  dieser  Synkopierungserscheinungen  nicht  ssu  erbringen, 
aber  man  kann  doch  unmöglich  in  Abrede  stellen,  dafi  die  aller- 
gröfite  Wahrscheinlichkeit  dafür  vorliegt  Dafi  gerade  deximr  und 
Anhang  eine  eigenartige  Stellung  einnehmen,  zeigt  auch  die 
Bemerkung  von  Vendryes  Becberches  usw.  S.  249 :  "Ce  serais 
un  cas  de  syncope  tout  ä  fait  isol6/'  Somit  halten  wir  an  der 
früheren  Annahme  fest,  daß  bereits  in  gemeinitalischer  Zeit  Er- 
scheinungen von  Yokalabsorption  nachweisbar  sind. 

Allerdings  muß  zugestanden  werden,  daß  die  verschiedene 
Behandlung  der  Lautgruppe  -est-  in  dexter  und  umbr.  destr$  auch 
nicht  vollständig  unbeachtet  bleiben  darl  Vergleicht  man  nämlich 
dexter  mit  iUüstris  Sestim^  so  zeigen  die  letzteren  beiden  dieselbe 
Behandlung  der  Lautgruppe  -est-  wie  das  umbr.  e&eietäasiaruj 
destre^  das  wir  indes  vielleicht  lieber  beiseite  lassen,  da  sie  ans 
*8extia8  *inlüc8tris  *enloucstris  hervorgegangen  sind.  Diese  über- 
einstimmende Behandlung  der  Lautgruppe  -est-  dürfte  wohl  die 
gemeinitalischc  gewesen  sein,  und  in  diesem  Falle  würde  die 
Vokalsynkope  in  *dexitero8j  nach  deren  Eintreten  die  Lautgruppe 
-C8^  unbeanstandet  geblieben  ist,  als  spezifisch  lateinisch  be- 
zeichnet werden  müssen. 

Zu  einer  nicht  wesentlich  anderen  Schlußfolgerung  kommt 
Bück  A  Grammar  of  Oscan  aud  Umbrian,  S.  91  {§  145,  1  Note), 
der  die  Reduktion  von  ks  zu  s  in  umbr.  sesientaeiaru  *sextanta- 


Neue  Beiträge  zur  lateinischen  Sprachgeschichte  und  Lautlehre.    479 

riarum'  als  italisch,  in  osk.  desträ  Mextra  est'  als  oskisch-umbrisch 
bezeichnet  Dabei  scheint  mir  aber  gerade  wegen  der  Überein- 
stimmung in  der  Behandlung  von  -est-  in  lat  Sestim  iUüstriSj 
die  wir  bereits  früher  hervorgehoben  haben,  mit  der  in  den 
ambrisch-oskischen  Beispielen  vorliegenden  Behandlimgsweise 
derselben  Lautgruppe  ein  kausaler  Zusammenhang  zu  bestehen. 
Wir  fragen  mit  Kecht:  Wenn  Sestius  lautgesetzlich  ist,  warum 
heißt  es  nicht  auch  *de8terj  da  äußerlich  wenigstens  ein  Unter- 
schied der  lautlichen  Verhältnisse  der  beiden  in  Frage  stehenden 
Wörter  nicht  ersichtlich  ist?  Und  mehr  Wahrscheinlichkeit  liegt 
sicher  dafür  vor,  daß  osk.  desirst  umbr.  destram  mit  sestentasiaru 
auf  eine  Stufe  zu  stellen  sind.  Denn  lat.  dexter  kann  unmöglich 
als  ältere  lautgesetzliche  Gestaltung  betrachtet  werden,  sondern 
findet  seine  Erklärung,  wie  es  scheint,  nur  durch  die  oben  bereits 
erwähnte  Annahme,  daß  es  erst  auf  lateinischem  Sprachboden  durch 
Synkope  entstanden  ist  und  keine  Veränderungen  der  infolge 
des  Vokalverlustes  zusammengeratenen  Konsonantengruppen  er- 
litten hat  In  anderer  Weise  wird  man  schwerlich  das  Verhältnis 
von  lat  dea^er  zu  den  entsprechenden  Wörtern  des  Oskisch- 
ambrischen  befriedigend  erklären  können.  Dann  müßte  natürlich 
auch  in  den  umbrischen  und  oskischen  Wörtern  die  Synkope, 
nach  deren  Durchfühnmg  aber  im  Oskisch-Umbrischen  dieselbe 
Vereinfachung  der  Lautgruppe  -kst-  zu  -st-  durchgeführt  wurde, 
wie  im  Italischen,  in  der  Zeit  der  umbrisch-oskischen  Sprach- 
periode erfolgt  sein,  und  es  müßte  also  dieser  angebliche  Beleg 
für  gemeinitalische  Synkope  entfallen.  Dann  bleibt  aber  noch 
immer  die  übereinstimmende  Behandlung  der  Präposition  •aw/i- 
(Mmbi"  übrig,  aus  welcher  sich  ein  Beleg  für  gemeinitalische 
Synkope,  bezw.  Vokalabsorption,  zu  ergeben  scheint 

Nun  stehen  aber  doch  Vokalabsorption  und  Vokalschwächung 
tatsächlich  in  einem  ähnlichen  Verhältnis  wie  die  indogermanische 
Schwundstufe  zur  Reduktionsstufe,  d.  h.,  die  Absorption  ist  eine 
bis  zum  Schwunde  gesteigerte  Schwächung  des  Vokales.  Es  muß 
daher  auffallen,  daß  unter  Verhältnissen,  die  wir  doch  als  wesent- 
lich gleiche  zu  betrachten  berechtigt  sind,  die  stärkste  Wirkung 
nachtoniger  Stellung,  derVokalschwund,  bezw.  die  Vokalabsorption, 
in  der  oben  angeführton  und  überhaupt  in  nichtletzter  Silben- 
stellung bereits  italisch  ist,  aber  die  schwächere  Wirkung,  die 
Vokalschwächung,  erst  in  wesentlich  späterer  Zeit  eingetreten 
sein  soll.  Daß  hier  ein  gewisser  Widerspruch  vorliegt  oder  we- 


iab  tt.  ätoii, 


iiigBteüs  Tonaliegeb  scheint,  wirft  inaii  nicht  in  Abrede  steDäi 
können,  wenn  anch  bis  jetzt  niemand  darauf  aniiueAsrih  gemadli 
Kai    Die  Lückenhaftigkeit  der  Überlieferang  kann  niüfai  iÜ 
Bntschaidigangsgrand  ins  Feld  gefflhrt  #erden.   Denn  es  iit 
TöUkdmmen  sicher,  daB  die  ttbrigen  italischen  Dialekte  die  b^ 
scheinong  der  YokalschwBchung  entweder  gar  nicht  kennen,  tri» 
das  Oskische,  oder  nur  in  eiigamgrenEten  Spuren,  wie  dii 
timbrische  mit  seinem  preh^Aui.  AUeMings  sind  wir  anderefseüi 
Über  die  Yokalabsorption  in  der  oben  erwähnten  SteHong  ü 
Aiittvorletzter  nachtoniger  Silbe  und  die  eventaeüen  Bedingonfpft 
Ihred  Eintritts  nur  höchst  ongenäu  unterrichtet,  da  hier  wiiUidi 
iiur  spfirliche  Belege  vorhanden  sind.  Der  oben  berührte,  nnt 
ihindesten  wenigstens  scheinbare  Widerspruch  könnte  mögüdier- 
weise  seine  Auftjäruiig  durch  die  Annahme  finden,  daB  in  jen^ 
ilritalischen  Zeit,  in  welcher  die  oben  erwähntenYokalabeoiptiQneil 
erfolgt  sind,  ein  stärkerer  exspiratorischer  Akzent  herrschte,  der 
die  Absorption  des  nachtonigen  Silbenvokals  verursachte,  ds  iä 
der  späteren  lateinischen  Sprachperiode,  in  welcher  die  Vokit 
Schwächung  eintrat   Oder  stellen  die  uritalischen  sljiikopieriai 
Wörter,  von  denen  oben  die  Rede  gewesen  ist,  die  Allegroföimeä 
dar,  welche  als  die  einzigen  auf  die  Folgezeit  fortgepflanzt  wurden 
tind  so  in  den  Sprachschatz  der  klassischen  Latinität  gelangten? 
Man  wird  auch  diese  Möglichkeit  im  Auge  behalten  müssen. 
Dabei  bleibt  aber  dann  immer  noch  das  späte  Auftreten  der 
Vokalschwächung  auffallend,  während  es  durch  die  Annahme 
feiner  Abnahme  der  Intensität  des  exspiratorischen  Akzents  in 
der  oben  angedeutetenWeise  eine,  wie  mich  dünken  wiU,  immerliin 
wenigstens  halbwegs  probable  Erklärung  findet  Ganz  außer  Acht 
lassen  wird  man  den  von  mir  oben  aufgedeckten  Widerspruch 
nicht  dürfen,  wenn  dies  auch  bis  jetzt  ganz  allgemein  geschehen 
ist  Gerade  aus  dieser  Beobachtung  ersieht  man  aber  auch,  dtiB 
scheinbar  ganz  klare  und  einfache Verhältnisse,wieVokalabsorption 
und  Yokalschwächung,  wenn  man  sie  auf  ihren  unleugbaren 
kausalen  Zusammenhang  prüft,  dem  nachgrübelnden  Sprach- 
forscher manche  schwer  zu  lösende  Rätsel  aufgeben. 

VI. 
Die  Ansicht,  daß  das  Kompositum  inquäinus  uns  einen 
lautchronologischen  Anhaltspunkt  gewähre,  den  ich  im  Anschlol 
an  Brugmann  Grundr.  1,  322  in  den  IF.  4,  2351  betont  habe, 


Neue  Beiträge  zur  lateinischen  Sprachgeschichte  und  Lautlehre.    48i 

bäbe  ich  auch  in  der  3.  Aufl.  meiner  Laut-  und  Formenlehrcl 
8.  67  in  summarischer  Weise  festgehalten.  Es  sei  mir  gestattet, 
hier  ausführlicher  auf  die  Frage  einzugehen.  Ich  erwähne  zu- 
erst die  übereinstimmende  Äu£erang  lindsays  in  The  Lat.  Langu. 
S.  227 :  'The  Compound  inquilinm  with  -quil-  for  -quol- ')  in  the 
unaccented  syllable,  was  formed  before  the  change  from  qtu>  tö 
eoy  and  being  a  legal  term  kept  its  old  spelling,  unlike  ineola". 
Dag^en  hat  Solmsen  Studien  zur  lat  Lautgeschichte  S.  29  Ein- 
sprache erhoben,  indem  er  schreibt:  •'Brugmann  grdr.  1,  322 
und  Stolz*  s.  289  wollen  aus  inquilfnus  folgern,  daß  der  Über- 
gang von  qui-  in  c(h  jünger  sei  als  die  Schwächung  von  ^zu  t 
in  unbetonter  silbe;  wäre  dies  aber  der  maßgebende  grund,  so 
ttüßte  es  auch  *inquila  heißen.  —  cola  verdankt  übrigens  sein 
-<rf-  statt  des  in  unbetonter  silbe  laatgesetzlich  zu  erwartenden 
-ul"  (sididm  tettdi  usw.  W.  Meyer- Lübke  abh.  zu  ehren  Schweizer- 
Sidlers  s.  16)  der  anlehnung  an  colo".  Dieser  von  Solmsen  er- 
hobene Einwand,  den  stillschweigend  auch  Brugmann  in  der 
zweiten  Auflage  des  1.  Bandes  seines  Grundrisses  berücksichtigt 
hat,  indem  er  von  einer  chronologischen  Verwertung  unseres 
Wortes  absieht,  ist  aber  meines  EJrachtens  in  vollem  Umfange 
floch  nur  scheinbar  richtig.  Wenn  Solmsen  eine  Form  *inquUa 
toraussetzt,  gerät  er  dadurch  in  Widerspruch  mit  der  von  ihm 
^Ibst  mit  so  großem  Scharfsinn  begründeten  wesentlich  ver- 
schiedenen Einwirkung  des  palatalen  und  gutturalen  {,  die  auch 
in  nachtoniger  oder  schwachbetonter  Silbe  sich  ebensogut  äußern 
mußte,  wie  die  der  Labialen  in  derselben  Stellung.  Ein  ursprüng- 
liches *enquela  konnte  sich  nur  in  der  Richtung  *enquolä  *en- 
cula  (analog  infula  instda)  weiter  entwickeln,  während  die  Weiter- 
totwicklung  von  *enquelfnQS  zu  inquüinus  durch  die  palatale  in- 
folge der  Stellung  vor  dem  folgenden  -f-  gerechtfertigte  Natur 
cles  l  ihre  Erklärung  findet*).  Damit  ist  denn  auch  zugestanden, 
was  in  der  Laut-  und  Formenlehre'  S.  40  ausdrücklich  hervor- 
gehoben ist,  daß  eben  der  Charakter  des  /  maßgebend  ist  für  ^ 
die  Färbung  des  vor  ihm  stehenden  Vokals,  und  zwar  ebensogut 
in  betonter,  wie  unbetonter  Silbe.  Aus  der  eben  vorgebrachten 
Auseinandersetzung,  die  allerdings  auch  deutlich  genug  zeigt, 

1)  Es  sollte  wohl  richtiger  heißen  -quel-^  und  in  der  Tat  steht 
auch  S.  229:  'Inquftinua  may  thus  represent  an  older  *enquelinO',  ineola 
an  older  *inqw>la,  both  from  an  early  q^ü-'. 

2)  In  dem  angegebenen  Sinne  ist  es  gerechtfertigt,  wenn  Hist 
Gramm.  1,  195  von  „assimilierender  Wirkung  eines  •*'  gesprochen  wird. 


4ßi  Fr.  Stoli, 

daB  anch  die  Natur  der  konaonantiadien  Liiite  roa  weeenflicIittB 
Binflafi  auf  die  Fftrbang  der  Yokale  nachtoniger  Silben  ia^  w- 
gibt  sich  mit  awingender  Notwendi^eit  der  SofaloA»  daB  ein 
*niqmlä  voraoszusetaen  überhaupt  keine  Bereohtigang  roili^gt 
Die  Entwicklung  von  ineola  wird  in  dem  gleichen  SinnCi  wie 
ea  oben  geschehen  ist,  auch  von  Brogmann  OnmdiiB  1*,  223 
Cif^cola  für  laulgesetdiches  *incula  dnrch  Einfloß  von  eoUT)  nnd 
Sommer  Handbach  174  (^ineola  aus  *€»juolä  ^M^iüte**  und  in 
der  Fofinote  **tficoIei  statt  lantgesetslichem  *tMciftb  nach  cobT) 
angenommen.  Dagegen  sieht  Skntsch  Erit  Jahr.  d.  rom.  PhiL 
y  1,  61  in  ineola  **eine  nachträgliche  Ableitung  von  einem  ilterea 
fertigen  Yerbum  ineolo".  Ist  die  letztangeftlhrte  Ansicht  richtig; 
dann  hat  das  Wort  übeiiiaupt  keinerlei  Bedeutung  für  die  obea 
berührte  lautliche  Frage  weder  in  Solmsens  noch  in  unserem  Sinna 
unter  diesen  umständen  erscheint  die  frühere  aus  dem 
Verhältnisse  von  inquiUnus  zu  eoiire  gezogene  lautchronologisohe 
Schlußfolgerung  doch  in  einem  anderen  lichte.  Tatsächlich  mnl 
das  Simplex  noch  *quolö  ^quetis  *qtMt  usw.  gelautet  haben,  ab 
das  Kompositum  inquiünm  und  ebenso  das  bis  jetzt  nicht  aus- 
drücklich erwähnte  EsguUioß  entstand.  Denn  wäre  bereits  da> 
mals  der  Übergang  von  *quolö  zu  colö  (ebenso  natürlich  cdumm 
colunt)  und  die  offenbar  in  unmittelbarem  Zusammenhange  da- 
mit stehende  Yerdrängung  von  *quelis  *qudU  durch  eolis  eolä 
eine  vollendete  Tatsache  gewesen,  so  könnte  es  nur  ein  Kom- 
positum *incolinus  *incilinm  geben,  nimmer  aber  inquäinus.  Aus 
dem  Gesagten  ergibt  sich  aber  notwendigerweise  der  Schluß,  daß 
das  Kompositum  inquüinm  älteren  Ursprunges  ist,  als  der  Über- 
gang von  qiie-  qwh  in  co-.  Die  bisherige  Auseinandersetzung 
dürfte  schwerlich  auf  Widerspruch  stoßen  können.  Dagegen  moS 
zugestanden  werden,  daß  die  früher  aus  dem  Verhältnis  voa 
inquiUnus  zu  colö  gezogene  allgemeine  Schlußfolgerung  von  der 
Priorität  der  Schwächung  des  e  zu  t  in  nachtoniger  Silbe  vor 
dem  Übergange  von  que-  in  co-  deshalb  nicht  als  sicher  hin- 
gestellt werden  darf,  weil  das  -i-  der  Silbe  -jmü-  in  inquäxnM 
auf  dem  Wege  der  Assimilierung  erklärt  werden  kann.  Sollte 
aber  nicht  der  Übergang  von  *inquelfnu3  in  die  normale  Gestalt 
inquilinus  gerade  durch  den  unter  gewissen  Bedingungen  regel- 
mäßigen Übergang  von  nachtonigem  e  ia  i  beeinflußt  gewesen 
sein  und  daher  doch  mittelbar  für  den  letzteren  Vorgang  ab 
Zeuge  aufgerufen  werden  dürfen? 


Neue  Beiträge  zur  lateinischen  Sprachgeschichte  und  Lautlehre.    483 

Im  Anschlüsse  an  diese  Ausführung  über  die  lautchrono- 
logische Bedeutung  von  inquüfnus  möchte  ich  noch  folgende 
Frage  zu  beantworten  versuchen:  Ist  die  Lautstufe  quolö  wirklich 
noch  historisch  nachweisbar?  Ich  stelle  die  Frage  mit  Rück- 
sicht auf  die  Ausführungen  von  Bersu  Die  Gutturalen  S.  60  f. 
und  Lindsaj  The  Lat  Langu.  227,  der  sie  in  dem  faliskischen 
qudundam  (Inschrift  der  Eöche)  sieht  Nach  meiner  Meinung 
handelt  es  sich  in  allen  Fällen,  höchstens  mit  Ausnahme  des 
letzterwähnten,  nur  um  orthographische  Besonderheiten^  die  frei- 
lich, wie  ich  auch  Bersu  Hist.  Gramm.  1,  84  ausdrücklich  zu- 
gegeben habe,  in  alte  Zeit  zurückgehen.  Als  Belege  für  die  Aus- 
sprache quo-  könnten  wohl  überhaupt  nur  die  plautinischen  Lese- 
arten in  Betracht  kommen,  nämlich  quoquinatum  Ambr.Pseud.853, 
quoquas  Tei  854.  In  qdunt  822  liegt  die  bekannte  Verwendung 
von  }  für  c  vor.  Aber  daß  auch  die  beiden  erstzitierten  Schreib- 
weisen nur  orthographischen  Wert  haben,  ergibt  sich  aus  dem 
Umstände,  daß  in  demselben  plautinischen  Stücke,  auf  das  ich 
mich  beschränken  kann,  auch  die  folgenden  Schreibungen  durch 
den  Ambrosianus  überliefert  sind:  890  coque^  851  coquomj 
854  coquas^  während  allerdings  893  quo^ui)  überliefert  ist  Ent- 
sprechend diesem  Tatbestande  werden  auch  von  Götz  und  SchöU 
die  Formen  mit  anlautendem  c  in  den  Text  gesetzt  Wenn  dem- 
nach von  den  beiden  neben  namhaft  gemachten  Gelehrten  schon 
für  Plautus  der  Schreibung  mit  qu-  nur  eine  orthographische 
Bedeutung  beigelegt  wird,  aber  durchaus  keine  phonetische,  so 
darf  man  natürlich  umsoweniger  mit  Bersu  a.  a.  0.  die  Behauptung 
aufstellen,  daß  "die  Geschichte  des  Wortes"  zeige,  "daß  VergU 
nur  quoquere  gesprochen  haben  kann".  Auch  dem  faliskischen 
qudundam  ist  keine  strikte  Beweiskraft  für  die  Aussprache  bei- 
zulegen, es  dürfte  für  qdundam  verschrieben  sein,  vgl.  ququei 
(=  •coqui')  derselben  Inschrift,  das  doch  wohl  für  *qoquei  stehen 
wird  und  eben  die  Unsicherheit  des  Schreibers  (oder  Arbeiters) 
in  der  Wahl  von  qur  und  q-  zeigt  Nach  den  eben  gegebenen 
Auseinandersetzungen  sind  wir  zu  der  Annahme  berechtigt,  daß 
der  Übergang  von  que-  zu  co-  in  dem  Worte  coquö  und  den  von 
ihm  herkommenden  Ableitungen,  sowie  in  den  analogen  Laut-  und 
Formenlehre'  67  angeführten  Fällen  bereits  in  vorliterarischer 
Zeit  stattgefunden  hat 


jM    Fr.  Stolz,  Neue  Beiträge  zur  latein.  Sprachgeschichte  n.  Lautlehre. 

Nachträge. 

S.  447.  Wenn  Sommer  Handbuch  S.  607  mamif  auf  *mom^fi(d 
zurückführt,  so  scheint  mir  auch  hier  *m(miuai  die  vermittelnde 
Form  zu  sein,  also  auch  nicht  unmittelbare  Verschmelzung 
von  i  +  u  zu  u  vorzuliegen. 

S.  449.  Übernii-istbereitsvonmirgehandeltWienerStudien27,98. 

S.  451.  Walde  Lat.  etym.  Wtb.  S.  180  billigt  die  Gleichstellung  von 
lat  diu8  mit  ai.  divds.  Ich  habe  der  oben  gegebenen  Darstellung 
nichts  hinzuzufügen  und  halte  sie  aufrecht 

8.  453.  0.  Richter  IF.  9,  238  vermutet,  daß  in  vorindischer  Zeit 
für  Temporaladverbia  eine  Endung  *-«s  (=  ai.  -as)  existierte,  die 
vom  Lokativ  der  s-Stämme  oder  auch  vom  Gen.  d.  Sing, 
anderer  konsonantischer  Stämme  ausgegangen  war,  und  nimmt 
an,  daß  idg.  ^-diues  schon  proethnisch  zu  -^vis  geworden  sei 
Auch  in  diesem  Punkte  fühle  ich  mich  durch  Richters  früher 
übersehene  Darstellung  nicht  veranlaßt,  von  der  oben  ent- 
wickelten Ansicht,  die  sich  ja  hinsichtlich  der  Auffassung  des 
Verhältnisses  von  ai.  divds  zu  lat  dius  mit  Richters  Annahme 
gewissermaßen  berührt,  abzugehen.  Mit  pürve-d/itfüf  kann  man 
vielleicht  vergleichen  kl.  pare-präna-  (Richter  a.  a,  0.  S.  241) 
'mehr  als  das  Leben  geltend*,  zumal  wenn  dieses  Kompositum, 
wie  ich  glaube,  von  R.  richtig  von  einem  vorauszusetzenden 
Adverbiuni  *par€-pränam  'über  das  Leben  hinaus'  herge- 
leitet wird. 

S.  457.  Über  die  Komposita  mit  drM- im  ersten  Gliede  vgl.  Wacker- 
nagel Altind.  Gramm.  II  1,  53,  über  TV-u-Treioc  S.  54,  über 
-jnu-  als  'gesetzmäßige  Hintergliedsform'  S.  94. 

S.  459.  Nach  Osthoff  Etym.  Parerga  S.  148  liegt  in  bpöc  bpöMOC  die 
Wurzelform  *rfrö-  vor.  Trotz  lit  drütas  *fest  stark',  aind. 
drü-na-m  scheint  mir  diese  Annahme  zweifelhaft 

S.  4i)L  Von  einem  'Bildungssuffix  -^  bei  den  oben  behandelten 
Adverbien  auf  -aE  spricht  H.  Ehrlich  KZ.  39,  557  f. 

S.  462.  Die  Glossen  discas  descas  für  'dehiscas'  habe  ich  über- 
sehen. Jedenfalls  repräsentieren  in  diesem  Kompositum  »und« 
den  aus  dem  Diphthong?  ei  entstandenen  geschlossenen  ^Laiit 
Man  könnte  also  wohl  nur  vermuten,  daß  in  der  Schrift- 
sprache aus  *neimö  ein  *7iimö  hätte  hervorgehen  können,  wie 
dicö  aus  deicö  sich  entwickelt  hat. 

Innsbruck.  F.  Stolz. 


«•^ 


E.  Lid6n,  Baumnamen  und  Verwandtes.  4 


BaDmnamen  und  Terwandtes. 


1.  Ir.  fern  'Erle*,  alb.  vefe  arm.  getan. 

Arm.  geran  Instr.  Sing,  -avkh  (oder  -ivkh)  'trabs,  tignum*,  z.  B. 
Luk.  6,  41,  setzt  regelrecht  ein  vorarm.  *uer-i}na'  voraus;  g-  kann 
hier  nur  it  vertreten,  denn  gA  hätte  vor  e  zu  /  werden  müssen  ^). 

Ich  verbinde  es  mit  brot.  gioem  F.  1.  •Schiffsmasf,  2.  "Erle, 
Erlengehölz',  mbret  guem-enn;  com.  guem  'malus*,  gwern-en 
•alnus*;  cymr.  gwem  F.  'an  alder  grove,  PL  older-trees*'),  gwem-en 
1.  'a  mast  of  a  ship',  2.  *the  alder  tree';  mir.  fem^  -og  *Erle', 
nir.  feam  M.  1.  'Mast',  2.  'Erle*,  feam-ög  •Erle*,  gaL  feäm-a  Ms.* 
Hierher  gehört  gall.  Vemo-dubrum  (Plin.  3,  4)  'Verdouble*,  eig. 
TSrlen Wasser*.  Dem  Keltischen  entstammen  piemontes.  wrno,  prov. 
fwmo,  t»mo,  frz.  veme  (vergne)  *Erle'').  Die  kelt  Grundform  ist 
^yer-nör*), 

ünberechtigterweise  betrachtet  Bezzenberger  bei  Fick  Vergl. 
Wtb.  2\  274  bret  gwern  ir.  fem  usw.  "Mast*  und  das  formell 
damit  identische  Wort  in  der  Bod.  'Erle'  als  zwei  etymologisch 
verschiedene  Worte  und  bringt  (fragend)  ersteres  mit  griech. 
ßöiraXov  'Keule*,  fiamc  'Ruthe*,  letzteres  mit  griech.  ?pvia  'wilde 
Feigen*  zusammen.  Mit  vollem  Recht  bezeichnet  er  selbst  beide 
Kombinationen  als  unsicher.  —  Pictet  Orig.  indoeurop.  1*,  229, 
263  läßt  den  kelt.  Baumnamen  mit  ai.  varafta-  'arbre  en  g6n6rar(!) 
verwandt  sein;  die  tatsächliche  Bedeutung  des  letzteren  ist  aber 
nach  dem  PW.  'Crataeva  Roxburghii  (ein  heil-  und  zauberkräftiger 
Baum)*.  Ob  die  Worte  wirklich  zusammengehören,  mag  dahin- 
gestellt bleiben. 

1)  V.  Patrubäny  Sprachwiss.  Abh.  II,  219  erklärt  geran  aus  *ver9n 
zu  lit.  virszäs  'das  Obere*.  Es  wäre  dann  /  zu  erwarten.  Die  Gleichung 
ist  außerdem  semasiologisch  durchaus  unwahrscheinlich. 

2)  Auch  'a  swamp,  a  mead',  eigentlich  'von  Erlen  bewachsener  Ort*, 
erst  sekundär  'sumpfiger  Boden',  s.  Thurneysen  Keltorom.  115. 

3)  S.  Thurneysen  a.  a.  0.  Über  die  Verteilung  der  Namen  veme  und 
aune  in  Frankreich  s.  IF.  Anz.  16,  17. 

4)  Ob  daneben  *y0rno-?  Auf  den  gall.-lat  Kompositionsvokal  in  Venw 
ditbrum  ist  natürlich  an  sich  nichts  zu  bauen.  Das  Geschleclit  des  irischen 
Wortes  kann  auf  Anlehnung  an  erann  'Baum'  und  andere  maskuline 
Baumnamen  beruhen.  Zugunsten  des  ä-Stammes  zeugen  das  Britannische, 
piemont.  usw.  vema  und  alb.  vefe.  Frz.  veme  hat  selbstverständlich  männ- 
lich werden  müssen  (vgl.  ehinef  atin«,  frine  usw.). 


jBi    Fr.  Stolz,  Neue  Beiträge  zur  latein.  Sprachgeschichte  n.  LauÜehre. 

Nachträge. 

S.  447.  Wenn  Sommer  Handbuch  S.  607  mamii  auf  ^mont-Miij 
zurückführt,  so  scheint  mir  auch  hier  *manj[uai  die  vermittelnde 
Form  zu  sein,  also  auch  nicht  unmittelbare  Verschmelzung 
von  i  +  u  zu  u  vorzuliegen. 

S.  449.  Übernfi- ist  bereits  von  mir  gehandelt  WienerStudien27,98. 

S.  451.  Walde  Lat  etym.  Wtb.  S.  180  billigt  die  Gleichstellung  von 
lat.  diu8  mit  ai.  divds.  Ich  habe  der  oben  gegebenen  Darstellung 
nichts  hinzuzufügen  und  halte  sie  aufrecht 

8.  453.  0.  Richter  IF.  9,  238  vermutet,  daß  in  vorindischer  Zeit 
für  Temporaladverbia  eine  Endung  *-«s  (=  ai.  -as)  existierte,  die 
vom  Lokativ  der  »-Stämme  oder  auch  vom  Gen.  d.  Sing, 
anderer  konsonantischer  Stämme  ausgegangen  war,  und  nimmt 
an,  daß  idg.  *'diues  schon  proethnisch  zu  -ditis  geworden  sei 
Auch  in  diesem  Punkte  fühle  ich  mich  durch  Richters  früher 
übersehene  Darstellung  nicht  veranlaßt,  von  der  oben  ent- 
wickelten Ansicht,  die  sich  ja  hinsichtlich  der  Auffassung  des 
Verhältnisses  von  ai.  diväs  zu  lat  dius  mit  Richters  Annahme 
gewissermaßen  berührt,  abzugehen.  Mit  pürve-dhyüf  kann  man 
vielleicht  vergleichen  kl.  pare-präna-  (Richter  a.  a,  0.  S.  241) 
'mehr  als  das  Leben  geltend*,  zumal  wenn  dieses  Kompositum, 
wie  ich  glaube,  von  R.  richtig  von  einem  vorauszusetzenden 
Adverbium  *pare-pränam  'über  das  Leben  hinaus*  herge- 
leitet wird. 

S.  457.  Über  die  Komposita  mit  drM- im  ersten  Gliede  vgl.  Wacker- 
nagel Altind.  Gramm.  II  1,  53,  über  tv-O-ttctoc  S.  54,  über 
-jnu-  als  'gesetzmäßige  Hintergliedsform'  S.  94. 

S.  459.  Nach  Osthoff  Etym.  Parerga  S.  148  liegt  in  bpöc  bpö^oc  die 
Wurzelform  *rfrö-  vor.  Trotz  lit  drütas  'fest  stark*,  aind. 
drü-na-m  scheint  mir  diese  Annahme  zweifelhaft 

S.  40L  Von  einem  'Bildungssuffix  -E'  bei  den  oben  behandelten 
Adverbien  auf  -aH  spricht  H.  Ehrlich  KZ.  39,  557  f. 

S.  462.  Die  Glossen  discas  descas  für  'dehiscas*  habe  ich  über- 
sehen. Jedenfalls  repräsentieren  in  diesem  Kompositum  »und« 
den  aus  dem  Diphthong  ei  entstandenen  geschlossenen  e-Laut 
Man  könnte  also  wohl  nur  vermuten,  daß  in  der  Schrift- 
sprache aus  *neimö  ein  *nimö  hätte  hervorgehen  können,  wie 
dicö  aus  deicö  sich  entwickelt  hat 

Innsbruck.  P.  Stolz. 


\^' 


E.  Lid6n,  Baumnamen  und  Verwandtes.  48^ 

BaDmnamen  und  Terwandtes.  ^^ 

1.  Ir.  fern  'Erle*,  alb.  vef^  arm.  geran. 

Arm.  getan  Instr.  Sing,  -^tvkh  (oder  -ivkh)  'trabs,  tdgnum*,  z.  B. 
Luk.  6,  41,  setzt  regelrecht  ein  vorarm.  *ttw-5na-  voraus;  g-  kann 
hier  nur  ^  vertreten,  denn  gA  hätte  vor  e  zu  /  werden  müssen  ^). 

Ich  verbinde  es  mit  bret.  gioem  F.  1.  •Schiffsmast*,  2.  'Erle, 
Erlengehölz',  mbret  guem-enn^  com.  guern  *malus*,  gtpem-en 
•alnus';  cymr.  gtoem  F.  'an  alder  grove,  PL  older-trees*'),  gwem-en 
1.  'a  mast  of  a  ship*,  2.  *the  alder  tree';  mir.  /im,  -oy  'Erle', 
nir.  feam  M.  1.  "Masf,  2.  'Erle*,  feam-ög  •Erle',  gäJL  feäm^  •ds.^ 
Hierher  gehört  gall.  Vemo-dubrum  (Plin.  3,  4)  •Terdouble',  eig. 
•Erlen Wasser*.  Dem  Keltischen  entstammen  piemontes.  wmo,prov. 
fwmo,  t»mo,  frz.  veme  (vergne)  •Erle*').  Die  kelt  Grundform  ist 

ünberechtigterweise  betrachtet  Bezzenberger  bei  Fick  Vergl. 
Wtb.  2*,  274  bret  gufern  ir.  fem  usw.  •Mast'  und  das  formell 
damit  identische  "Wort  in  der  Bed.  •Erle'  als  zwei  etymologisch 
verschiedene  Worte  und  bringt  (fragend)  ersteres  mit  griech. 
ßÖTraXov  •Keule*,  jiaTric  •Ruthe',  letzteres  mit  griech.  ?pvia  'wilde 
Feigen*  zusammen.  Mit  vollem  Recht  bezeichnet  er  selbst  beide 
Kombinationen  als  unsicher.  —  Pictet  Orig.  indoeurop.  1*,  229, 
263  läßt  den  kelt.  Baumnamen  mit  ai.  varatux-  •arbre  en  g6n6rar(!) 
verwandt  sein;  die  tatsächliche  Bedeutung  des  letzteren  ist  aber 
nach  dem  PW.  *Crataeva  Roxburghii  (ein  heil-  und  zauberkräftiger 
Baum)*.  Ob  die  "Worte  wirklich  zusammengehören,  mag  dahin- 
gestellt bleiben. 

1)  V.  Patrubäny  Sprachwiss.  Abb.  II,  219  erklärt  geran  aus  *ver9n 
zu  lit.  virwzäs  'das  Obere*.  Es  wäre  dann  /  zu  erwarten.  Die  Gleichung 
ist  außerdem  semasiologisch  durchaus  unwahrscheinlich. 

2)  Auch  "a  swamp,  a  mead',  eigentlich  'von  Erlen  bewachsener  Ort*, 
erst  sekundär  'sumpfiger  Boden*,  s.  Thurneysen  Keltorom.  115. 

3)  S.  Thurneysen  a.  a.  0.  Über  die  Verteilung  der  Namen  vem$  und 
aune  in  Frankreich  s.  IF.  Anz.  16,  17. 

4)  Ob  daneben  ♦yerno-?  Auf  den  gall. -lat.  Kompositionsvokal  in  Vemo- 
dubrum  ist  natürlich  an  sich  nichts  zu  bauen.  Das  Geschlecht  des  irischen 
Wortes  kann  auf  Anlehnung  an  erann  'Baum*  und  andere  maskuline 
Baomnamen  beruhen.  Zugunsten  des  ö-Stammes  zeugen  das  Britannische, 
piemonl.  usw.  vema  und  alb.  r«f€.  Frz.  verne  hat  selbstverständlich  männ- 
lich werden  müssen  (vgl.  chine,  atiiM,  frine  usw.). 


4m  E.  LiMa, 

Einen  nnsweifelhaftan  Yennmdten  des  kelt  Wortes  find» 
ich  in  slb.  wfc  F.  ^populns  slba\  das  O.  Mejer  Etym.  Wth.  i 
alb.  Spr.  467  unerklärt  Iftfit  Die  regelrechte  Gnindfonn  ist  VthA 
Es  kann  schwerlich  ein  roman.  Lehnwort  sein;  denn  ein  dem 
te.  fsriM,  proY^  piem.  mma  entsprechendes  Wort  scheint  dta 
romanischen  Gebieten,  welche  ffir  das  Albanesische  in  Betracht 
kommen,  su  fehlen,  nnd  die  abweichende  Bedeutung  ^ridt 
übrigens  zngnnsten  der  Unabhängigkeit  des  alb.  Baomnamena 
Znr  Bedeutongsverschiedenheit  des  Eelt  nnd  Alb.  Teiig^eiohe 
man  port  alama^  das  sowohl  die  Pappel,  ab  die  Erle  beaeiehnet; 
sp.  alamo  negro  ist  Erle,  atasfoNafioo  Pappel  Beide  Baamgattangea 
lieben  die  Ilufiufer  und  wässerigen  Boden. 

Ober  die  ursprüngliche  Bedeutung  des  so  erschlossenen 
idg.  *^fir-nä  *^f$r^nä  läBt  sich  ja  rechten.  Die  Geltung  als  Name 
bestimmter  Baumarten  (kelt  und  alb.)  beruht  möglicherweise  auf 
Spesialisierung  irgend  einer  nicht  genau  au  bestimmendoi  all- 
gemeineren Bedeutung  (Baum,  Stamm,  Balken  oder  dg^X  weide 
am  treuesten  durch  kelt  *^femä  *Ma8t'  und  arm.  geran  *Balkea' 
widergespiegelt  wäre.  Aber  die  Geltung  als  Name  hydrophiler 
Bäume,  wie  Erle  und  Pappel,  könnte  auch  die  relatir  ureprOng- 
lichere  sein;  dem  Arm.  wäre  sie  abhanden  gekonmien  (die  Erie 
heißt  jetzt  Uuteni^  worüber  unten  S.  487  f.  gehandelt  ist).  Für  letztere 
Alternative  hätte  man  sich  zu  entscheiden,  falls  das  fragliche  Wort 
mit  ai.  väri  'Wasser*  väri  *Fluß*,  preuß.  umrs  Teich*,  ae.  ühbt  *See', 
awnord.  ür  'feiner  Regen*,  ir.  ferath  'humor*  usw.  im  Grunde 
zusammenhängen  sollte.  Als  begriffliche  Parallelen  mag  auf  esset 
fartce^  färw  'Erle*  ahd.  f&awa  nhd.  fdber  'Weidenbaum'  zu  al 
palvaldm  Teich,  Pfuhl*,  lit  pä-k^  •Bruch*,  lat  jwZäa"),  und  anf 
griech.  dxepiüic  'Weißpappel*  zu  lit.  Heros  äieras  Teich*  (Prell- 
witz BB.  24,  106)  hingewiesen  werden.  Umgekehrt  hat  cymr. 
gwem  'Erlengehölz*  die  Bed.  'wässeriger  Boden,  Sumpf  ent- 
wickelt; auch  für  pror.  vemo  wird  die  Bed.  'maröcage*  ange- 
geben (Mistral). 

Es  verdient  hervorgehoben  zu  werden,  daß  der  jetzt  nachge- 
wiesene uralte  Name  der  Erle  und  der  sonst  verbreitetste,  lat 
alnus  nhd.  erle  lit.  dkmis  hsI,  jeHcJui,  sich  gegenseitig  ergänzen; 
in  keinem  Sprachzweige  sind  beide  zugleich  vorhanden.  Ein 
dritter  voreinzelsprachlicher  Name  ist  durch  griech.  KXfjOpT)  *Eile' 


1)  Schade  Altd.  Wb.  176. 


Baumnamen  und  Verwandtes.  487 

und  nhd.  ludere^  -em  *Alpenerle,  Betula  nana'  vertreten  (Schrader 
BB.  15,  289). 

2.  Arm.  lasty  lit  lazdä, 

Ann.  last  Gen.  Plur.  -a^  oder  -v  TBloß,  Holzfloß;  einfaches 
Eahrzeug,  Flotte,  Nachen,  Schiff;  Boden  und  Kiel  eines  Fahr- 
zeuges ;  brettemes  Bett  oder  Bank*,  z.  B.  2.  Chron.  5, 9,  Weish.  14, 5; 
last-chphaä  'cxeöin,  ratis,  einfaches  Fahrzeug*  (phaü  'Holz,  Baum*), 
z.  B.  Weish.  14,  6. 

Es  liegt  wohl  auf  der  Hand,  daß  die  ursprüngliche  Be- 
deutung s.  V.  a.  ^Baumstamm  (Brett,  Balken  u.  dergl.)',  dann 
auch  in  kollektivischem  Sinn  *Floß'  gewesen  sein  muß.  Zur 
Bed.  'Floß'  vgl.  z.  B.  ne.  raft  *Floß',  aber  mengl.  *a  spar,  a  beam*; 
zur  Bed.  Tahrzeug,  Nachen'  vgl  ai.  ddru^  gr.  öopu,  nschw.  stock 
in  ähnlicher  Bedeutung. 

Das  Denominativum  lästern  wird,  wenigstens  in  der  älteren 
Literatur,  zumeist  metaphorisch  gebraucht:  Mnstauro;  assestare,  as- 
settare,  congegnare',  z.  B.  Jerem.  6, 26  lastesfi  VapaToJetai*.  Tgl.  den 
ähnlichen  bildlichen  Gebrauch  z.  B.  von  awnord.  timbra  *zimmem'i). 

Von  last  ist,  mittelst  des  zur  Bildung  von  Baumnamen  pro- 
duktiven Suffixes  -«m,  lasteni  *Erle*')  abgeleitet 

[Scheftelowitz  BB.  29,  32  zieht  arm.  last  zu  ahd.  latta^  ae. 
keU  'Latte',  •'ir.  slath  Stange,  Brett"  (er  meint  wohl  slat  •Ruthe') 
und  mhd.  lade  *Brett,  Bohle*.  Es  ist  wenigstens  nicht  leicht  er- 
sichtlich, wie  dies  alles  lautlich,  geschweige  denn  morphologisch 
unter  einen  Hut  zu  bringen  wäre.  —  Nach  Pictet  Orig.  indoeur.  2*, 
239  f.  wäre  es  mit  ir.  lestar  *Gefäß',  cymr.  Uestr^  bret  lestr  Vaisseau' 
verwandt  Die  Etymologie  v.  Patrubänys  Sprachwiss.  Abh.  2, 159 
(zur  Wz.  pleu'  'fließen,  schwimmen')  mag  der  Vollständigkeit 
wegen  erwähnt  werden.] 

Arm.  last  erklärt  sich  aus  idg.  *lazdä'  und  findet  dann 
einen  Anhalt  in  lit  lazdä  (dial.  lazä)  'Stock,  Stecken;  Hasel- 

1)  Nar  wemi  man  kutel  aus  seinem  natürlichen  Zusammenhang 
mit  lasi  losreißt,  kann  man,  wie  de  Lagarde  Arm.  Sind.  62  es  tut,  auf  den 
Gedanken  verfallen,  daß  lagtel  mit  npers.  last  'gut,  dauerhaft'  irgendwie 
in  Verbindung  stehe. 

2)  Diese  Bedeutung  geben  z.  B.  Calfa  und  Goilaw  an.  Daß  Ciakciak 
UuUni  in  besondere  Beziehung  zu  last  in  der  speziellen  Bed.  *Floß'  setzt 
Csorta  di  albere,  albero  selvatico  pell*  uso  di  zattere'),  ist  natürlich  ohne 
Belang.  Nach  Scheftelowitz  BB.  29,  32  soll  lastsni  'Holz,  das  zum  SchifT- 
bau  verwendet  wird',  bedeuten! 

IndogarmaiiJBche  Fonchnogen  XVIII.  ^ 


488  B.  Lid^n, 

nufistrauch'  (lazdinis  *ein  dicker,  starker  Stock*),  lett  lafda  lagfda 
*HaseInußstraach*,  auch  lagfck  M.  'ds/,  preufi.  laxde  (dL  h.  lagMj 
*Haser,  keNaxde  'Speerschaft*.  —  Betreffe  des  Lautlichen  bietet 
sich  eine  genaue  Entsprechung  in  lit  llzdas  {lizas)^  lett  ligfd» 
'Nesf  im  Verhältnis  zu  arm.  nist^  G.  Sing,  nsttnf  *Sitz,  Lage',  ai 
f^^d-  *Nest',  ahd.  nest  aus  idg.  *nizdo,  *).  Auch  hier  finden  wir 
im  Lettischen  das  vorgeschobene  g  vor  zd^  eine  eben&lls  im 
Preußischen  häufige  Erscheinung,  s.  Bielenstein,  Lett  Spradie 
1,  215  f.,  Berneker  Die  preuß.  Sprache  261  i 

Arm.  last  und  lit  lazdä  lett.  la(g)fda  setzen  genau  dieselbe 
Grundform  *lazda"  voraus.  Das  die  begriffliche  Differenz  nicht 
schwer  ins  Gewicht  fällt,  zeigt  z.  B.  nschw.  stock  'Baumstamm' 
im  Verhältnis  zu  nhd.  stock.  Die  speziellere  Bedeutung  'Hasel- 
stock'  ist  selbstverständlich  eine  sekundäre. 

Die  halt  Wörter  werden  sonst  vielfach  mit  asl.  loza  *palmes', 
serb.  Idza  'Weinrebe',  russ.  lozä  'Ruthe,  Zweig,  Reis',  poln.  toan 
•Wasserweide',  bisweilen  auch  mit  alb.  l'ai^  'Haselnuß,  Hasel- 
nußbaum' zusammengestellt  (Miklosich  Etym.  Wb.  174 1,  G.Meyer 
Etym.  Wb.  der  alb.  Spr.  234,  Lid6n  Ein  balt-slav.  Anlauls- 
gesetz  25,  Berneker  Die  preuß.  Spr.  303,  Brugmann  Vei^ 
Gr.  1  *,  569),  was  nicht  ohne  Schwierigkeit  ist,  s.  Leskien  Bild, 
d.  Nom.  im  Lit.  214.  Das  slav.  Wort  könnte  nach  Schulze  Quaest 
epicae494  raitgr.  6-Xötivov  öMbec  Hes.  verwandt  sein*).  Sollte 
es  sich  aber  bewähren,  was  Zupitza  KZ.  37,  398  zu  begründen 
sucht '*),  daß  idg.  s  unter  bestimmten  Bedingungen  zu  slav.  z  wird, 
so  stünde  die  Möglichkeit  offen,  slav.  loza  unter  Voraussetzung 
einer  Grundform  "^lasä  mit  arm.  last  und  lit  lazdä  aus  *laz'dä 
zu  kombinieren.  Meinesteils  wüßte  ich  dagegen  keine  ernstliche 
Bedenken  vorzuführen.  [Über  loza  s.  jetzt  Strekelj  Arch.  f. 
slav.  Phil.  27,  52  ff.].  Falls  dies  das  Richtige  trifft,  wäre  eine 
neue,  lautlich  befriedigende  Erklärung  von  lat  lärix  *Lei*chen- 
baum'  angebahnt    Aus  dem  Kreise  der  in  Rede  stehenden  Wort- 

1)  Der  abweichende  Anlaut  des  Baltischen  wird  auf  dem  Einflüsse 
etwa  des  sinnverwandten  lit.  lastä  'Brutnesf,  lett.  läksts  *ds.*,  preuß.  Un^ 
•Bett  beruhen.  Teilweise  anders  Walde  KZ.  34,  508.  Brugmann  Vergl.  Gr.  1*, 
Ö69  trennt  das  halt.  Wort  ganz  von  nest  usw.  —  Über  asl.  gnimdo  'Nest*  s. 
Meillet  IF.  5,  333,  Nchring  IF.  4,  398. 

2)  v.  Patrubäny's  Ausführungen  Sprachwiss.  Abb.  2,  182  kann  ich 
nicht  beistimmen. 

3)  Das  eine  oder  andere  seiner  Beispiele  mag  nicht  stichhaltig  sein, 
s.  Osthoflf  Parerga  1,  44f ,  Pedersen  KZ.  39,  379. 


Baumnamen  und  Verwandtes.  489 

reihe  mit  der  allgemeineren  Bedeutung  *Stamin,  Stock'  u.  dergl. 
sind  einige  besondere  Baumnamen  —  arm.  kuieni  *ErIe',  lit  lazdä 
•Hasel*  und  vielleicht  serb.  usw.  loza  'Weinrebe*  —  durch  Be- 
deutungsspezialisierung hervorgegangen.  Ihnen  gesellt  sich  viel- 
leicht auch  larix  aus  *lasi(i'  hinzu.  Nach  herrschender  Ansicht 
gehört  es  vielmehr  mit  ir.  cfair,  maked.  bdpuXXoc  *Eiche*,  mhd. 
mrbe  *ZirbeIfichte',  got  triu,  gr.  böpu,  bpOc  usw.  zusammen  und 
wird  den  Fällen  zugezählt,  wo  lat  l  statt  eines  zu  erwartenden 
d  mundartlichem  oder  sabinischem  Einfluß  zugeschrieben  wird, 
8.  Stolz  HisL  Gramm.  235,  Conway  IF.  2,  157, 166,  Petr  BB.  25, 
129!.,  Brugmann  Vergl.  Gr.  1*,  533  f.,  wo  weitere  Literatur. 
Grundsätzlich  wird  man  aber  darüber  einig  sein  können,  daß 
man  um  die  Eliminiernng  jenes  willkürlichen  Faktors  stets 
bestrebt  sein  muß.  Auch  hat  die  fortschreitende  wortgeschicht- 
liche Forschung  tatsächlich  eine  lange  Reihe  der  für  l  aus  d 
herangezogenen  Beispiele  als  auf  falsche  Etymologien  gebaut 
verworfen,  andere  durch  volksetymologische  Anlehnung,  wieder 
andere  durch  echt  lateinische  Lautregeln  erklärt,  s.  die  letzte  zu- 
sammenfassende Behandlung  der  ganzen  Frage  von  Petr  BB.  25, 
127  ff.,  bes.  140  ff.  Die  übrig  gebliebene  Zahl  wird  gewiß  noch 
manche  Redaktion  erfahren.  Was  jene  Erklärung  von /arte  betrifft, 
so  spricht  Osthoff  Parerga  1,  156  wohlberechtigte  Zweifel  aus. 

3.  Asl.  oskoruia^  arm.  arösi. 

Arm.  arösi  [arausi]  *6ii,  sorbus ;  tq  6a,  sorbum'  das  große 
Vened.  Wörterb.;  Goilaw  Deutsch-Arm.  Wörterb.  übersetzt  Eber- 
esche und  Sperberbaum  mit  vairi  arösi. 

Das  Wort  erinnert  auffallend  an  einen  weitverbreiteten  slav- 
ischen  Namen  desselben  Baumes :  slovak.  skaruSa,  pohi.  skoruszoj 
asL,  nsl.,  serb.  odcoruia^  öech.  oskoruSe  oskemSe  usw.  ^Eberesche, 
Sperberbaum'.  Namentlich  lassen  sich  die  resp.  Wortenden  unter 
einen  Hut  bringen:  arm.  -öst  setzt  ^-aukiiä  voraus,  slav.  -nia 
kann  aus  *'aukiä  erklärt  werden.  Aber  auch  die  Wortanfänge 
können  verwandt  sein :  arm.  ar-  läßt  sich  regelrecht  auf  vorarm. 
«jr-  oder  a^qr-  oder  o^qr-  zurückführen.  Miklosich  EW.  227 
bemerkt,  daß  das  anlautende  o-  einiger  der  slav.  Formen  ein  Vor- 
schlag sein  kann.  Vielleicht  handelt  es  sich  um  eine  alte,  ver- 
dunkelte Zusammensetzung. 

Der  letzte  Bestandteil  des  slav.  Wortes  findet  einen  Anhalt 
in  lett.  termaukschiy  sermnkschi  und  zermaukm  germuksis  *Eber- 

32* 


480  K  Lidiii, 

eBohe*, lit  tmrMifaftt,  $mrmileumt  *d8.';  du 4»^  wird  umniirfiiif- 
lieh  sein'). 

Da  ich  fflr  jetrt  nicht  in  der  Loge  hin,  die  Oesohiehte  im 
flkyisohen  Wortes  genauer  sa  verfolgen,  überiaaee  ich  es  dea 
Slaviaten,  die  in  Yorschlag  gebrachte  Gleichung  dea  näheren  n 
prüfen.  —  Es  fehlt  auch  sonst  nicht  an  besonderen  Bertthmagen 
awisohen  dem  Slavobalt  und  dem  Armen,  auf  dem  Gduet  dar 
Baumnamen;  a.  die  folgenden  Abschnitte. 

Giakoiak  Dinonaiio  und  das  groBe  Yenediger  WSitnii. 
scheinen  den  fraglichen  Baumnamen  mit  orffi  Tnqppei  OtisT  (aa 
wird  die  Bedeutung  von  Oalfa  Dictionnaire  und  Gtoilaw  WörtsriK. 
sub  Trappe  angegeben)  in  Verbindung  bringen  au  wollen.  Jüe» 
Lautfthnlichkeit  wird  aber  für  die  Etymologie  ebenso  wertlos  sein, 
wie  die  zwischen  JE&iTMcA«  und  JSkr  ^er  8p$rbmrbaum  nndfjpmir. 
Die  Trappen  sind  ausgeprägte  Flachlands-  und  SteppenvOgel  und 
sind  durch  aufhllende  Scheu  gerade  vor  Bftumen  und  Wildem 
gekennzeichnet 

4.  Arm.  bar  tu 

Arm.  barti  *Espe,  Pappel'  (und*Eeuschbaum'?),  im  Dia- 
lekt von  Yan  bärdi  *populus  tremula'  und  *alnus'  *).  —  Die  Endung 
-f  ist  ein  produktives  Baumnamensuffix  (Gjandschezian  Zeitschr. 
1  arm.  Phü.  1,  55.») 

Es  besteht  wahrscheinlich  Verwandtschaft  mit  gemeinslaT. 
*bersta-  'Ulme,  Rüster'  (im  Balg,  auch  *Birke') :  asL  bridü^  balg. 
bresi^  serb.  brijesi;  brijista^  slov.  6r^,  öech.  bfest^  poln.  brzost^  ross., 
kl.-rass.  birest.  —  Arm.  barti  wäre  demnach  idg.  *bhfstiiä'.  In 
einer  Anzahl  klarer  Fälle  ist  der  mittlere  Konsonant  dreikon- 
sonantischer Gruppen  im  Arm.  geschwanden,  und  soviel  ich  sehe 
steht  nichts  der  Annahme  im  Wege,  daß  nt  (vielleicht  über 
rit)  arm.  ri  ergibt. 

Der  germ.  und  balt-slav.  Name  der  Espe,  ahd.  aspa  lett 

1)  Zum  Teil  anklingende  slav.  Wörter  bei  Miklosich  EW  33,  wo 
jedoch  sowohl  in  Form  als  in  Bedeutung  Ungleichartiges  zusammen- 
geworfen wird.  Es  ist  eine  wohl  bekannte  Tatsache,  daß  Banmnamen 
stark  variieren :  durch  zufällige  Assoziationen  wird  die  ursprfingliche  Form 
oder  die  alte  Bedeutung  häufig  gestört. 

2)  Ciakciak:  pioppo;  Galfa:  tremble;  das  große  Venediger  Wb. :  ftrvoc, 
agnus,  vitex,  it.  agnocasto,  vetrice. 

3)  V.  Patrubäny  Sprachwiss.  Abh.  1,  311  hält  hoHi  für  urverwandt 
mit  rum.  brad  'Fichte',  tU>er  dessen  Etymologie  aber  vgl.  6.  Meyer  Etym. 
Wb.  d.  alb.  Spr.  46. 


Baunmamen  und  Verwandtes.  491 

apsa  asl.  osina  usw.,  ist  einst  vielleicht  auch  im  Arm.  Yorhanden 
gewesen,  wenn  türk.  osm.  apsak  Tappel'  tschuw.  twis  *£spe', 
wie  Pedersen  KZ.  39,  462  glaubt,  dem  Urarmenischen  entstam- 
men sollte. 

5.  Arm.  etevin^  russ.  jalovecü. 

Arm.  etevin  Gen.  Sing,  etetmi  *Zeder',  aber  Gen.  21,  15 
als  Übersetzung  von  griech.  i\&Tr\  'Fichte* ;  etevtHi-phaü  'Zedem- 
baum,  Zedemholz,  K^bpoc',  etevneay  *K^bpivoc*,  eievni  *zedem,  Zeder' 
Alt  und  häufig.  Goilaw  Wtb.  übersetzt  'Fichte,  Tanne'  mit  etevin. 

Bugge  Beitr.  z.  etym.  Erläut  d.  arm.  Spr.  37  *)  sucht  es  mit 
iech.jedla,  ^o\n,  jedta  jodia^  asl.  jig/a,  preuß.  addle^  lit  egU  *abies, 
Tanne'  aus  urbalt-slav.  *«Ka-,  -ie-  zu  verbinden,  was  auf  unüber- 
windliche lautliche  Schwierigkeiten  stößt :  dl  wird  kaum  zu  arm.  f, 
die  Endung  -evin  bleibt  dunkel  usw.,  s.  Hübschmann  Arm.  Gr.  1, 442. 
Noch  schlimmer  steht  es  mit  dem  von  de  Lagarde  Arm.  Stud.  49 
vorgeschlagenen  und  von  Bugge  zweifelnd  befürworteten  Ver- 
gleich mit  griech.  iXdTii,  wenn  dies,  wie  B.  annimmt,  aus  *edlijta 
erklärt  werden  müßte. 

Dagegen  läßt  sich  etevin  ohne  Schwierigkeit  verbinden  mit 
iec\a,jalovec  M.,  ^Q\n.jatowiec^  kl.-russ.jafoüe^,  russ.jrffowctt  *Wach- 
holder'  aus  *yoZawcf;  mit  anderer  Suffixgestaltung  poln.jafoiw^y, 
usovh.  jdUwenc  usw.«).  Es  kann  hier  kein  d  vor  l  geschwunden 
sein.  —  Soviel  ich  weiß,  harrt  auch  dieses  Wort  seiner  etymo- 
logischen Erklärung*). 

Tatsächlich  berühren  sich  der  Wacholder  und  die  Zeder 
in  der  Namengebung :  letzterer  Baum  ist  dem  größten  Teile  des 
alten  Verbreitungsgebietes  der  Indogermanen  fremd;  bei  später 
«rfolgter  Bekanntschaft  mit  der  Zeder  wurde  auf  sie  der  alte 
Name  des  Wacholders  übertragen.  So  bezeichnete  das  griech. 
K^öpoc  von  Haus  aus  Wacholderarten;  Theophrastus  (v.  Schneid, 
in  Ind.)  "uses  the  word  both  for  the  pinus  cedrus  of  Syria, 
and  for  the  juniper,  which  is  still  called  K^bpoc  in  Greece, 
and  this  probably  is  its  sense  in  Homer"*),  und  Kebpoc  ist  mit 
lit  kadagis^  preuß.  kadagis  'Wacholder*  urverwandt  Asl.  smri^ 


1)  Ebenso  z.  T.  Pictet  Orig.  indoeurop.  1«,  271. 

2)  Miklosich  Etym.  Wb.  99.  Einige  der  von  ihm  zusammengestellten 
Formen  gehören  zu  jedla  'abies'  (so  sicher  kl.-russ.  ^WyÄ» 'Fichte')  oder 
sind  jedenfalls  davon  beeinflußt. 

3)  Miklosich  a.  a.  0.  vergleicht  ein  "lit.  jalua  subamarus". 
4c)  Liddeli  and  Scott  Lezicon  s.  v.  K^bpoc. 


492  E.  Lid^n, 

smfiUfi  ist  'Wacholder',  smr«fa  "Zeder",  dech.  mnrk  *Kchte',  kl.- 
smerek  Tanne*.  —  Auch  etevin  wird  von  Hanse  aus  den  Wach- 
older bezeichnet  haben. 

Sehen  wir  von  den  wohlbekannten  slav.  Suffixen  {-id  usw.) 
ab,  bleibt  als  Stammwort  jaloü'j  das  sich  aus  vorslav.  *eleif'  oder 
*öfett*  erklärt  und  von  der  arm.  Grundlage  *deft^  in  etethin  nur 
betreffs  der  Ablautsstufe  des  Wurzekokals  verschieden  ist  In 
den  Baumnamen  ist  Ablaut  eine  häufige  Erscheinung :  lat  äur 
:  ahd.  äham\  lat  alnus  :  ssljelfcha\  ai.  bhürjor:  russ.  beriza;  ahd. 
äm-bourn :  awnord.  almr\  awnord.  hlynr :  ahd.  (h^Un-baum  asL  Idmi; 
ahd.  faraha :  ahd.  fereh-eih lat  quercus;  ahd.  fiuhia :  lit pussAs u. a m. 

Idg.  fi  wird  in  arm.  Inlaut  regelrecht  zu  g;  das  v  von  «feiwi 
stammt  aus  dom  einst  vorhandenen  Grundwort 

Das  Suffix  von  etevin  ist  mehrdeutig  >).  Wahrscheinlich 
steht  es  zum  Suffix  von  lat  frax-inus^  kymr.  deno-en^  Tus&.jasgid 
und  anderen  Baumnamen  in  Beziehung;  vgl.  besonders  wrass. 
jelenec,  russ.  dial.  elenicü  "Wacholder*.  Aber  -in  könnte  auch 
mit  dem  bekannten  Suffix  -fno-  der  Stoffadjektiva  zusammen- 
gehören ;  etefAn  Gen.  etevm  falls  aus  *^-fnäL-  wäre  solchen&lls  mit 
Kollektivbildungen  wie  nsl.  Jrforina  "Nadelholz*  (zu  jrfa  Tanne'), 
lat  cepina^  griech.  ßoXßivn  usw.  verwandt;  oder,  falls  -in  aus  -inp- 
oder  -fniiß-,  sind  lit  Collectiva  wie  kaiagynas  kadagfne  "Wach- 
oldergesträuch*,  elksnynas^  -ynä  *Eilerngehölz*  (Leskien  Bild.  d. 
Nom.  im  Lit  408  f.)  und  awnord.  eikini  aus  *-fwio-  "quercetum* 
usw.  zu  vergleichen. 

Mit  der  Gleichung  arm.  etev-in  aus  idg.  *eleu'*  und  slav. 
jalomci  usw.  aus  idg.  *öleu'*  (oder  *eleu*^)  wäre  noch  ein  uralter 
Baumnamen  erschlossen.  Einen  ebenfalls  arm.-slav.  Baumnamen, 
arm.  arösi  —  asl.  oskoru^a  'Eberesche,  Sperberbaum',  habe  ich 
oben  S.  489  besprochen. 

Es  wäre  verlockend,  den  Lautkomplex  *el€U'  ^cleu-  weiter 
zu  analysieren  und  mit  ai.  drä  *Ahle,  Pfrieme'  {ali-  *Biene'?)> 
ahd.  dfa,  cUunsa  älansa^  nndl.  rfs,  awnord.  cdr  *ds.'  in  Verbindung  zu 
bringen;  die  Grundbedeutung  wäre  dann*Nadel-baum',vgl.nschw. 
barr-träd  'Nadelbaum'  zu  harr  *Baunmadeln'  Wz.  bhers-  'stechen, 
borstig  sein'.  Allein  die  Baumnaraen  entziehen  sich  zumeist  einer 
sicheren  Bestimmung  ihres  ursprünglichen  Begriffskems. 

Jetzt  dürfte  in  Erwägung  gezogen  werden  können,  ob 
schließlich  nicht  auch  griech.  ^Xdiri  'Fichte,  Rottanne'  hier  unter- 

l)Ein  funktionell  ganz  verschiedenes -tn  bespricht  MeilletlfSL.  10,27d. 


Bamnnamen  und  Verwandtes.  408 

zubringen  sei.  Die  übliche  Zosammenstellung  mitahd.  linia  *Linde' 
awnord.  lind  Ms/,  russ.  Itdii  *die  zum  Abschälen  tauglichen  jungen 
Linden',  lit  lentä  'Brett'  usw.  hat  jeden&Us  verschiedenes  gegen 
sich*).  Das  griechische  Wort  wäre  dann  in  *rf-9-W-  zu  zeriegen; 
zum  Suffix  vgl.  z.  B.  ahd.  fiuh-ta  "Eichte*  (asL  brfy-tü  •ülme*);  *d-tßr 
hätte  in  wmss.  jelen-ec  'Wacholder*  einen  Anhalt.  Der  anlautende 
Vokal  von  l\&Tr\  würde  so  eine  einfache  Erklärung  finden. 

Ob  air.  aüm  *Föhre*  hierher  gehöre,  ist  mir  nicht  klar. 
Jedenfalls  ist  die  bei  Kck  Tergl.  Wtb.  2*  240  gegebene  Er- 
klärung nicht  wahrscheinlich. 

6.  Arm.  mair  *pinus,  cedrus*. 

Arm.  mair  G.  Plur.  -t>  'l.  pinus,  abies;  pineus,  abiegnus; 
2.  cedrus;  cedrinus';  mairi  'Wald,  von  Nadelholz,  von  Cedem,  auch 
(Faust  Byz.  18)  von  Eichen*,  barfr-a-mairi^  thanjr-ormairi  usw. 

Das  von  mair  abgeleitete  mairi  ist  eine  deutliche  EoUek- 
tivbildung  auf  idg.  -ijp-m^  gleichsurtig  mit  den  awnord.  neutralen 
Eoll.  hiki  (urgerm.  ^böktia")^  eiki  zu  bök^  eUe  usw.*). 

Er.  Müller  Armeniaca  6,  4  (Sitz.-Ber.  d.  Wiener  Ak.,  Ph.- 
hist  CL  122)  verbindet  mairi  mit  lat  maierie»  —  mair  läßt  er 
merkwürdigerweise  außer  Betrachtung — ,  was  Bugge  KZ.  32, 17 
mit  Recht  beanstandet  Die  von  Bugge  a.  a.  0.  in  Anschluß  an 
Pictet  Orig.  indoeur.  1^,271  befürwortete  Zusammenstellung  von 
ifiaJr,  mairi  aus  ^srnfgi-  mit  asl.  smriöi^  amrudi  "Wacholder^, 
9mrida  *Zeder*,  bulg.  smfrda  *Tanne*,  kroat  smraka  *Eichte*  (so 
auch  Brugmann  Tergl.  Gr.  1*,  741)  ist  verlockend,  muß  aber 
aus  lautlichen  Gründen  aufgegeben  werden. 

Schon  der  Umstand,  daß  mairi  einfach  Wald  bedeutet, 
berechtigt  uns  zu  der  Vermutung,  daß  mair  von  Hause  aus 
überhaupt  einen  größeren  Baum,  Waldbaum  hat  bezeichnen 
können.  Ähnliche  Spezialisierungen  auf  dem  Gebiete  der  Baum- 
namen sind,  wie  allgemein  bekannt,  häufig;  vgl.  das  klassische 
Beispiel  gr.  bpuc  *Baum*  und  *Eiche*,  cymr.  derwen  ir.  dair  *Eiche* 
zu  got  triu^  asl.  drivo^  npers.  dar  *Baum*.  Nun  kann  arm.  mair 
für  *maUr^  stehen;  es  besteht  daher  m.  E.  Verwandtschaft  mit 
awnord.  meidr  M.  (urgerm.  ^mai-ßar  oder  *mai'da-)  "wachsen- 
der Baum;  Baumstamm,  Stange,  Galgen,  Schlittenkufe*,  lit  mS-ta-s 
•Pfahl*  lett  mi'ts  Tfahl,  Staken,  Hopfenstange*,  ai.  me-ihi-^  me-dhi- 

1)  Vgl.  Falk  u.  Torp  Etym.  Ordbog.  1,  461. 

2)  Vgl.  Gjandschezian  SSeitschr.  f.  arm.  Phil.  1,  56. 


4M  B.  Lid6n, 

M.,  mf4M,  mi-dht  F.  'Pfeiler,  Pfosten',  mt-^  F.  *Säa1e,  PfoBtoi', 
mayükha-  'Pflock*,  lat  mita  (*mettä')  'Spitzsäule',  ir.  meüum  i*mh 
ithsUh)  •Grenzmark',  mMe  (*fniidhi(h)  'Nacken*,  vgl.  lett  mf4, 
maf-dit  T)epfählen*  (maide  'Stange'),  ai.  minäH  mimäya  'befes- 
tigen, errichten'  usw.M. 

Demnach  wäre  motr  auf  '^nm-^m-  zurückzuführen  (die  arm. 
f-Flexion  kann  an  Stelle  älterer  t-a-Flexion  eingetreten  sein).  Es 
schließt  sich  am  nächsten  an  lett  mi-tra^  mi-ira  'Buxbaom',  das 
ich  zu  der  fraglichen  Wortsippe  stellen  möchte.  Das  Suffix  -irär 
ist  (wie  auch  -tra-)  besonders  in  germ.  Baumnamen  häufig,  y^ 
awnord.  iplstr  F.  'Salix  pentandra',  ahd.  affoUra^  mazzaUra.  ae. 
mapuldre  usw.*).  Im  Griech.  finden  vrir  das  verwandte  Suffix 
-Mra-  wenigstens  im  hom.  KXrj-Opn  'Erle*. 

Ober  eine  andere  arm.  Benennung  der  Zeder  und  der  Fichte, 
$tevin^  welches  als  Baumname  ein  höheres  Alter  als  motr 
besitzen  dürfte,  habe  ich  oben  gehandelt 

7.   Arm.  gi  'Wacholder*.     Russ.  vicha.    Nhd.  wisch  usw. 

Arm.  ^1,  Gen.  Sing,  giay  'dfpKCuOoc,  Wacholder*,  schon 
im  A.  Test,  z.  B.  Jes.  41, 19;  1.  Kön.  6,  31,  33.  —  Kein  ety- 
mologischer Versuch  mir  bekannt 

Das  jr-  wird  ursprüngliches  u  sein*).  Nach  dem  Stamm- 
vokale muß  ein  s,  weniger  wahrscheinlich  ein  t,  geschwunden 
sein.  Als  mutmaßliche  Grundform  ergibt  sich  demnach  *uis(h 
oder  *ueis(h,  ^uoiso- ;  im  letzten  Falle  wäre  in  einsilbigen  Formen 
*ge^  in  zweisilbigen  gi-  zu  erwarten,  letzteres  könnte  dann  ver- 
allgemeinert worden  sein. 

Die  j  ungen,  zähen,  biegsamen  Zweige  des  Wacholderstrauches 
liefern  bekanntlich  ein  treffliches  und  vielseitig  benutztes  Material 
zum  Flechten  z.  B.  von  Körben,  zu  Schlingen,  Quirlen,  Besen, 
Wischern  u.  dergl.    Ich  ziehe  daher  das  arm.  Wort  zu: 

ai.  vi^-ta-U  *sich  winden  um,  sich  schlängeln  um',  CausaL 
ve^iayaii  vi^itd-  '(einen  Strick)  winden;  umwinden,  umwickeln, 

1)  Vgl.  z.  B.  Uhlenbeck  Altind.  etym.  Wb.  231,  Falk  u.  Torp  Ordb.  1, 
606.  —  Scheflclowitz  BB.  29,  27  stellt  hierher  arm.  moith  'fulcrum',  aber 
oi  ist  iclg.  eu,  ou\ 

2)  S.  Kluge  Nom.  Stammbildungslehre«  §  96,  Hellquist  Arkiv  f. 
nord.  fil.  7,  170. 

3)  Qh  hätte  vor  ursprünglichem  i  oder  ei  zu  /  werden  müssen.  Zur 
Not  wäre  eine  Grundform  *ghoi8o-  an  sich  möglich,  welche  aber  wenigstens 
mir  etymologisch  dunkel  bliebe. 


Baumnamen  und  Verwandtes.  496 

umbinden,  umkleiden* ;  ve$-0'  M.  ^Schlinge,  Binde' ;  lit  9^94^ 
'(ein  Kind)  wickeln*,  v^s-tn^s  •Schnürbnisf  *); 

ai.  vi^chs  Tracht,  Anzug';  —  vifati  vivi^ti  ^tig,  emsig 
sein,  ausführen,  dienen'  (eig.  'sich  um  etwas  drehen,  hin  und 
herbewegen*)*);  weiterhin 

ai.  f>S$-kd-8  ^Schlinge  zum  Erwürgen'  (aus  idg.  *uaü-^)]  dies 
steht  meines  Erachtens  in  nächster  Verbindung  mit  awnord.  tnsk 
P.  (Judm-j  sef-vidc)  *BündeI  aus  Stroh  oder  Schilf,  nisl.  vide  F. 
'a  wisp  (of  hay) ;  a  handful  (of  wool)*,  nnorw.  visk  M.  'zusammen- 
gewickeltes Bündel  von  Heu  oder  Stroh  als  gewöhnliche  Bation 
des  Viehes',  nschw.  vide-a  'kleiner  Besen,  Wischer*,  ahd.  vrisk 
M.,  mhd.  msch  "Wisch,  Strohwisch*  (aus  idg.  *uü-qo-^  -d-).  Nord. 
Lehnwort  ist  me.  imk  'whisk,  swift  stroke',  ne.  whisk  'to  move 
or  sweep  quickly*  (orig.  'to  wipe,  brush,  sweep,  esp.  with  a  quick 
motion,  as  when  using  a  light  brush')*). —  Besonders  lehrreich 
bezüglich  der  ursprünglichen  Bedeutung  ist  das  echt  englische 
Denominativum  ae.  fald  weoxian  (aus  ^wUciati)^  me.  falda  u^w- 
üanda  (Urk.,  um  1208)  "Hürde  aus  Ruthen  flechten'«);  das 
ae.  Grundwort  *wisc  muß  also  'Buthe(n)  zum  Flechten'  bedeutet 
haben.  In  dieselbe  Richtung  führt  uns  das  interessante,  von 
Pogatscher  Engl.  Stud.  27,  274  aufgeklärte  afrz.  guiachet^  nfrz. 
guichet,  pikard.  toisket^  prov.  guisquet  (engl.  Lehnwort  tricket)  Tfört- 
chen',  eig.  aus  Flechtwerk,  wie  got  haurds  nhd.  hürde\  es  ent- 
stammt dem  germ.  *unska'^  und  im  Zusammenhang  mit  dem 
erwähnten  me.  wüken  'aus  Ruthen  flechten*  gesehen  entschleiert 
86  uns  klar  eine  wesentliche  Bedeutung  des  germ.  trislca-.  Als 
weitere  Bestätigung  kommt  ai.  veßkd-  'Schlinge  zum  Erwürgen' 
hinzu  ^). 

1)  Persson  Wurzelerw.  78,  Johansson  KZ.  32,  469. 

2)  Skeat  A  Goncise  Etym.  Dict.,  New  Ed.,  p.  608,  Björkman  Scand. 
Loanw.  139. 

3)  Liebermann  Gesetze  der  Angels.  1,  454,  Herrigs  Archiv  111:  408, 
vro  die  richtige  Bedeutung  zuerst  nachgewiesen  ist  (die  Wörterbücher 
geben  für  ae.  weoxian  nur  die  Bed.  *to  keep  clean,  cleanse*  an).  Mit 
Unrecht  nimmt  aber  Liebermann  Verwandtschaft  mit  ne.  tneker  an. 

4)  Nebenbei  möchte  ich  bemerken,  daß  unser  Wort  un9ch  auch  in 
Dihd.  witbaum,  nhd.  unesbaum^  uneaenbaum  (mit  volksetymologischer  An- 
lehnung an  wiese)  ^  mundarÜ.  toiechbam^  toiebam^  misbam  usw.  stecken 
ddrfte.  Ein  'Wiesbaum'  ist  *ein  Baum,  welcher  der  Länge  nach  über  den 
Beu-,  Grummetwagen  befestigt  wird,  damit  die  Ladung  festen  Halt  be- 
komme*. Es  werden  bei  uns  in  Schweden  junge  Birken,  Erlen  u.  dergl. 
9der  grofie  belaubte  Zweige  als  "Wiesbäume*  gebraucht ;  sie  halten  so  zu 


406  B.  Lid«n, 

Da6  «löh  lui  wkfa  'Batiie*  ant  idg.  «^M-fll^  um  Ste 

angenommen,  hieAer  gehört,  ist  mir  niobt  iweiMhaft^);  es  irt 
nicht  ohne  Bedeutung,  dafi  sinnTerwandte  Wörter  wia  hL  wm/k 
"btrioken'  mäMga$  *Enoten'  (nhd.  tmudm)  und  lit  rmgü  Irtiiifteii' 
ebenfalls  die  Lanbrerbindung  jg  aufweisen. 

Yen  %ri$ck  mit  Zubehör  trennt  man  ungern  nnonr.  witp  IL 
"Quaste,  Büschel',  nschw.  «fap  *Quiii  aus  Buflien',  me.  tsäjp  «fi 
Visp,  torques,  mempirium,  a  small  bündle',  na  iniqi  (TieilsiGht 
skandin.  Lehnwort,  s.  Björicman  a.  0.).  Ein  idg.  Suffix  -^  itt 
gerade  nach  $  nicht  allsu  sdten*):  TgL  al pi^pam  *BlfUe,  Blums' 
BU  jnS^yati  'gedeihen',  fi^pmm  "junger  Trieb  ron  Beis'.  I^  Uaibt 
indessen  unsicher,  weil  die  Möglichkeit,  dafi  tp  aus  -jff»>  umge- 
stellt sein  kann,  zuzugeben  ist,  TgL  s.  B.  nndd.  w^  wovon  nhl 
wkp$  'Strohwisch'  und  verwandte  Worte*). 

Aus  dem  Slavischen  bietet  sich  ungesucht  zum  Yergleich: 
öech.  vtA  "Wisch,  Strohwisch ;  Hegewisch',  vicha  "Kraus  ans  Stroh, 
Schankzeichen',  vkhet  vichtu  "Strohwisch,  Bbge-,  Wascfawisch'; 
poln.  m§dia  "Rispe;  ein  Strauch  von  Tannenreisem,  wdoher  ab 
Schankzeichen  ausgehängt  wird',  irteAa^  'Wisch  von  Stroh  oder 
Heu';  sorb.  viecha\  kl.-ra8S.  ticha  "Laubbündel;  Wasserschieriing^, 
vicho(  'Strohwisch' ;  ross.  vichä  'Zweig  zum  Bezeichnen  des  Weges, 
Absteckpfabl  beim  Feldmessen,  eine  Stange  überh.  als  Zeichen', 
dial.  vicharü  "Haarbüschel' ;  sIoy.  vichei  Gen.  vichta  "Büschel  (Heu)'. 
Die  idg.  Grundlage  ist  *f^oi80-^  -tf-,  daB  dem  arm.  gi,  fadls  aas 
*yais(hj  besonders  nahe  kommt  ^). 

sagen  wie  ein  Netz  die  Ladung  zusammen.  Gewiß  unrichtige  Erklänmgen 
bei  Weigand  Deutsch.  Wb.  s.  v.,  Schmeller-Frommann  Bayer.  Wb.  2,  1031, 
Schade  Wörterb.  1171. 

1)  S.  z.  B.  Kluge  Etym.  Wb*.  427,  Noreen  Urgerm.  Lautt.  1S9. 

2)  Damit  hängt  das  s.  g.  Wurzeldeterminativ  •p-  (Perswm  Wurzel- 
erw.  49  ff.)  selbstverständlich  zusammen. 

3)  Aus  dem  Gesagten  geht  hervor,  daß  ich  mit  den  Auaf&hnmgeii 
Heinr.  Schröders  IF.  17,  .S18,  insofern  sie  nhd.  iMteA  und  ne.  wiMp  usw. 
berühren,  nicht  einverstanden  zu  sein  vermag.  Die  Gleichung  nhd.  tnidud- 
kirschs  --  lat.  viaeum  —  gr.  (Eöc  (Schröder  a.  0.,  Hehn  Knlturpfl.*  393) 
besteht  gewiß  zu  Recht,  aber  das  vereinigende  Band  dieser  Pflanzen  ist 
ohne  Zweifel  ihr  bekannter  Reichtum  an  Harz  (Leim).  Keine  Brücke  f&hit 
aber  zu  wiaeh,  wf$p  usw.  hinüber.  —  Wegen  jener  Gleichung  wäre  vielleicht 
auch  an  ai  vi^-fa-  'Gummi,  Harz*  als  entfernter  verwandt  su  erinnern. 

4t)  Pedersen  IF.  5,  53,  denkt  zweifelnd  an  Verwandtachaft  von  ran. 
«ieftd  und  ai.  vayd  'Zweig*,  was  richtig  ist,  insofern  die  Wz.  |it-  (wofoa 
fay^)  mit  der  jetzt  besprochenen  Wz.  y^-«-  im  Gnmde  ina«mmenhäii|t 


Baumnamen  und  Verwandtes.  487 

Hieran  schließe  ich  nschw.  dial.  vese  M.  (awnord.  *veisi  oder 
*mj)  'Büschel;  zusammengedrehter  Knoten',  aisl.  nisl.  vlar  IL 
*a  germ,  sprouf ,  nnorw.  vise  M.  'Rispe,  Spitze  wie  an  Oras  und 
Eom;  Stengel  und  Blätter  einer  PQanze;  Blüte,  Sproß  der  Bäume, 
weibliche  Blüte  der  Haselstaude  usw.',  ma  F.  *Sproß ;  Blüte  der 
Obstbäume  usw.*,  vis  N.  'Rispe;  Stengel  und  Blätter  einer 
Pflanze*,  wozu  ae.  tobe  F.  'a  sprout,  a  stalk'  (str6awberian,  hwite- 
ds^fran  wfse  usw.),  me.  wyse  {of  strawbery\  ne.  dial.  irtse,  trieze 
•a  set,  stalk,  haulm,  of  a  plant' *).  Weiterhin  nnorw.  veis F.  'Stengel': 
humle-veis  'Hopfenstengel'  eple-veis  'Kartoffelstenger  blaa-y  &t*- 
veis  nschw.  Wd-,  hvi^ves  *blaue,  weiße  Anemone'  (nnorw.  auch 
itÄ-,  blaa-vise  M.,  hlaa-ms  N.).  —  Die  nord.  und  engl.  Formen 
gehen  auf  urgerm.  *|ttsan-  (nnorw.  vm\  *yisön-  (ae.  irwe,  nnorw. 
visci)  und  *uai8ö-  (nnorw.  ms,  nschw.  veii)  zurück*).  Die  letzte 
Form  ist  mit  slav.  vkha  identisch. 

Mitdiesen  Zusammenstellungen  einiger  Wortgruppen,  welche 
auf  einer  Grundlage  *|ims-  beruhen,  habe  ich  in  umrissen  das 
Milieu  angeben  wollen,  worin  der  Ursprung  von  arm.  jri  •Wach- 
holder' zu  suchen  wäre. 

Wesentlich  dieselbe  würde  die  Bedeutungsgeschichte  des 
arm.  Wortes  sein,  wenn  man  es  unbedenklich  finden  sollte,  darin 
den  Schwund  eines  idg.  i  —  also  gi  ans  idg.  *ut'Uh  oder  *f^'-(a- 
—  anzunehmen.  Es  wäre  dann  ein  Zugehöriger  der  bekannten 

1)  Bosworth-Toller  s.  v.,  Wright  Engl.  Dial.  Dict.  6,  616. 

2)  Isl.  vUir  ist  wahrscheinlich  ursprünglich  ein  an-Stamm  (Nom. 
*WM)i  nnorw.  tfiB  Neutr.  hat  nur  kollektivische  Bedeutung  und  wird  von 
riJf  N.  formell  attrahiert  sein ;  nschw.  wüse  kann  eine  Mischform  von  (norw.) 
MM  M.  und  ves  F.  sein. 

Nach  Ross  Ordb.  899  wird  veis  vorzugsweise  von  saftigen  Stengeln 
gebraucht,  vgl.  veisa  *fügtig  Gresstribe'.  Das  muß  auf  einer  dunklen  sekun- 
dären Assoziation  mit  veisa  'Dynd,  Slam,  Sump"  beruhen,  womit  vi9a 
"Equisetum,  Grs&s  i  en  v  e  i  s  a*  (vgl.  veisegra»  'Graesarter  som  voxe  i  Mudder- 
grund*)  offenbar  in  Verbindung  stehen. 

Gleichbedeutend  mit  nschw.  bld-,  hvH-ves  'Anemone'  sind  -9«m, 
-vira,  'Vtrra,  -viring^  -verv  (Rietz  802),  vgl.  ä.  nschw.  vedraroa.  Diese 
Formen  gehören  schwerlich  mit  den  oben  erwähnten  zusammen.  Es  wäre 
ja  denkbar,  daß  sie  durch  mehrfache,  volksetymologische  Umbildungen 
einer  mit  -vis  verwandten  Form  *ver  aus  urgerm.  *%aiza-  geschaffen  wären, 
aber  dafür  gibt*s  meines  Wissens  keinen  sicheren  Anhalt.  Noch  andere, 
weiter  abliegende  schwed.  und  dän.  Namen  der  weißen  Anemone  s.  bei 
Falk  u.  Torp  Ordb.  1,  31«^.  Eine  mehrfach  abweichende  Auffassung  dieser 
Wortgruppe  bei  Karsten  Nord.  stud.  tillegn.  Noreen,  S.  46  ff. 


«6  B.  Lid«]i, 

Sippe  «l  vigati  "fleohten,  weben*,  aeL  fM  ^fleohten,  drehen',  iL 
fAMef-0  "Calamiie  xotuig^  Rate*,  griech.  oicoc  *Dotterweide',  hte 
*Weide*,  lat  iMkj  mU»,  tfmm;  ahd.  «0feb,  awnord  «iMr  *Weid0| 
ealiz",  vidia,  «Jd*Weidenband'  asw.i).  Übrigens  hingt  bekanndkk 
die  oben  erörterte  Bmib  fei-«-  mit  dieeer  WortCunilie  im  letitn 
Grande  sosanmien. 

8.  Lat  tignum^  arm.  ihalm. 

Arm.  thakn  (mod.  CAolX  Gen.  ffing.  thaban  *Kntlttel,8dilegel, 
Kenle',  alt  und  hfinfig;  Aainif  "inatnunento  di  legno  die  batie 
aopra  an  asse  per  oäiamar  il  popolo  alla  chieea';  ttttfegfrfll-, 
AoM-ai  *eapitello,  architraye'. 

Ich  möchte  thakn  mit  lat  tignum  "Balken,  Baomstamm' 
ansammenbringen.  Dieses  hat  meines  Brachtens  bisher  keine 
befriedigende  Etymologie  gefanden.  Die  seit  Pott  üblidie  und 
noch  immer  wiederholte  Zasammenstellang  mit  aL  tdk^aU  *be- 
hauen',  aw.  takh  *Axf ,  ahd.  dAsa  'Beil',  mhd.  dSum  Men  Badis 
bearbeiten',  lit  focen^'  *behaaen\  lat  teer»  IranstvoU  Teifertigeii, 
bauen;  weben,  flechten',  griech.  tIktuiv  "Zimmermann*,  Ttxvi) 
(aas  *ukpnär)  "Handwerk,  Eunsf  asw.*)  onteriiegt  in  laailidber 
Hinsicht  schwerem  Bedenken.  Diese  Warzel,  nach  Brogmanns 
Bezeichnung  *iekß'^  lautet  sonst  überall  auf  einen  Spirant  ans; 
tignum  aber  kann,  nach  einstimmiger  Ansicht,  auf  ^uifina-  nicht 
zarückgefübrt  werden;  es  hätte  daraus  *Unum  werden  müssen. 
Osthoff  IF.  8,  30  hebt  diese  Schwierigkeit  scharf  hervor.  Eine 
einfachere  Wurzelform  te^  au&ustellen,  sei  unzulässig  (vgl 
Brugmann  Vergl.  Gr.  2,  918),  und  übrigens,  '"sollen  wir  an  den 
dünnen  Faden  des  einzigen  tignum  das  Schwergewicht  einer 
weitergreifenden  Hypothese  über  die  ursprüngliche  Wurzelge- 
staltung von  texere^  griech.  t^ktuüv  und  allem,  was  damit  sicher 
in  genealogischer  Verbindung  steht,  hängen?"  Osthoff  sucht  den 
Mangel  durch  die  Annahme  leidlich  abzuhelfen,  daß  das  voraus- 
zusetzende urlat  *teX'nO'm  auf  irgend  einer  Stufe  seiner  Lautent- 
wickelung  eine  Wurzelanbildung  an  das  bedeutungsähnliche  Ugmm 
erfahren  habe.  Es  kann  dies  offenbar  nur  als  ein  Notbehelf  gelten. 

1)  S.  über  die  hierhergehörigen  Namen  der  Weide  zuletzt  Hoops 
IF.  14,  480  f. 

2)  S.  die  von  Osthoff  IF.  8,  30  f.  zusammengestellte  Literatur.  Seit- 
dem haben  sich  u.  A.  Brugmann  Vergl.  Gr.  1',  122,  Niedermann  /  nnd  f 
im  Lat.  26,  36,  Meringer  IF.  16,  141 ;  17,  162  der  althergebrachten  Er- 
klärung angeschlossen. 


Baumnamen  und  Verwandtes.  499 

Das  lat  Wort  dürfte  mit  arm.  thakn  lautlich  geradezu 
identisch  sein.  Die  ti-Flexion  thakn  Gen.  thakan  usw.  beruht 
gewiß,  wie  sonst  häufig,  auf  analogischer  Umbildung  eines  älteren 
no-Stammes  thakn  Gen.  *thaknoy  usw.  —  Wie  arm.  tarn  Gen.  tasanp 
*zehn'  aus  *delafl  und  andere  anerkannte  Fälle  lehren,  kann  das 
a  von  thakn  auf  Assimilation  an  das  a  der  Endungen  der 
flektierten  Formen  beruhen ').  Wir  gelangen  so  zu  einer  Grund- 
form *^6g-tio-,  welche  auch  lat  tignum  in  befriedigender  Weise 
erklärt 

Von  semasiologischer  Seite  dürfte  die  vorgeschlagene  Zu- 
sammenstellung keine  weitere  Begründung  nötig  haben.  Vgl  z.  B. 
lit  grandinis  *  Knüttel,  Keule'  zu  preuß.  grandico  *  Bohle',  asL 
grpda  *Balken',  lit  grindls  'Dielenbrett*.  Der  Knüttel,  die  Keule 
und  der  Balken  sind  ja  derselbe  Gegenstand,  nur  an  Größe  ver- 
schieden und  verschiedenen  Zwecken  angepaßt 

Die  Wurzelform  teg-  in  thakn  und  tignum  betrachte  ich  als  eine 
Nebenform  von  «^g-,  stog-,  welche  die  Grundlage  folgender  Wort- 
reihe bildet:  awnord.  stiaki  (nnorw.  stjakje)  M.  aus  \iTgeTm.*8tekanr 
*P&ihl,  Stange',  stiaka  (nnorw.  stjaka)  *(mit  einer  Stange)  stoßen',  ahd. 
st^ho^  mhd.  steche  M.  *Knüttel,  Pfahl,  Stecken,  Pflock' ;  —  aschw. 
stM  M.  aus  urgerm.  *8takan-  'Staken,  Stange ;  Spießstange,  Spieß' 
=  nschw.,  nnorw.  stake^  ndän.  stage  'Staken,  Stange,  Pfahl*,  awnord. 
staka  'stoßen ;  anstoßen,  stolpern' ;  ae.  staca  M.  *a  stake',  af ries., 
mndd.  stake  M.  'Stange'  (woher  nhd.  staken)y  mndd.  staken  'Palissaden 
setzen ;  mit  einem  Staken  schlagen,  stoßen ;  vertreiben ;  stocken, 
ins  Gefängnis  setzen  usw.'  und  außerhalb  des  G^rm.:  lett  stega  F. 
und  Stegs  M.  'Stock,  Stange ;  Pike,  Spieß ;  große  Rute*;  —  lit  stegerfs 
und  stägaras  'trockner  Stengel,  Strunk' ;  —  nslov.  stej^e^  stoye  N. 
•Schoberstock', stoidnje  Türpfoste*, sto^ir ds.,  russ. stoian'Stange', 
osorb.  sdeiar  'Mast',  serb.  sto^er  'Baum  auf  der  Dreschtenne'. 

Ahd.  steccho,  mhd.  stecke  M.  'Stecken,  Knüttel,  Pfahl,  Pflock', 
nhd.  stecken,  ae.  sticca  M.  'a  stick,  peg',  ne.  ^ick  "Staken,  Stange, 
Stock,  Holzpflock  usw.*  aus  urgerm.  *stekk'an,  -in-  erklärt  sich 
am  einfachsten  als  eine  Ableitung  mittelst  -an-  von  urgerm. 
*stekkar  aus  idg.  *steg'n(hy  das,  von  dem  anlautenden  s-  abgesehen, 
mit  der  Grundform  von  lat  tignum  und  arm.  thakn  zusammenfällt*). 

1)  Arm.  a  kann  natürlich  auch  idg.  9  sein  und  mit  dem  e  der 
Grundform  von  tignum  ablauten. 

2)  Wechselnden  Anlaut  st-  und  t-  zeigt  auch  die  mit  {s)teg'  verwandte 
Wanel  (f)^«»^- in  got<<^^n 'stoßen*  (aus  *«^m^-y-),  awn.<<iVÄ:A:i«a 'prallen* 


1 


wo  B.  Lidta, 

Oewöhnliob  reiht  man  die  gen«imte&  genn.  Wüitar  te 
idg.  Wonsel  *al0%-  %t8ohen'  (grieoh.  ctttm  "Meohe*;  kt  in  itlyiwi 
ai.  t^jM  *8charf  sein',  Hg-md-  *8pitiig^  usw.)  an,  wosa  nhd.  nkAm, 
awnord.  sMkla  usw.  unstreitig  gehSren ;  die  abweiöhmden  Yobli 
(ä  in  nhd.  äakm  nsw.)  erklfirt  man  durch  Entg^eismig;  r^gL  %.  K 
Uhlenbeok  Oot  etym.  Wtb.  anter  «tofa.  Aber  eine  gesunde  eljmo* 
logische  Methode  scheint  mir  mit  Notwendigkeit  su  TedangeSi 
dafi  die  lange  Reihe  gennanisoher  und  anfielgermanischer  WMv 
mit  den  konkreten,  memlich  wohl  abgrenabaren  BedeatmgBt 
*8tange,  Pfahl,  Stock,  Staken  nsw.'  in  erster  Hand  unter  sieh 
in  Zusammenhang  betrachtet  werden  müssen.  Dagegen  soll  nicht 
geleugnet  werden,  dafi  eine  reinliche  Scheidung  der  Zagehdrigea 
der  Wz.  äe^  einerseits  und  derjenigen  der  Wz.  iMg-  andreneHi 
nicht  in  jedem  einzelnen  Falle  tunlich  sein  wird.  Im  Gegenlsil 
gilt  es  mir  als  sicher,  dafi  auf  mehreren  Punkten  eine  Te^ 
mischung  der  beiden  von  Anfimg  an  yerschiedenen,  aber  warn 
Teil  bedeutungsverwandten  Wortsippen  im  SpradibewofitBein 
stattgefunden  und  zu  begrifflichen  oder  lautlichen  Yerinderungoi 
geführt  hat;  vgl  z.  B.  das  nengl.  Subst  stick.  —  Die  letzte  und 
beste  Zusammenstellung  des  Zubehörs  der  Wz.  (s)l^g-  bieten  BUk 
und  Torp  Etym.  Ordbog  1,  282,  Zupitea  Germ.  Gutt  167  t 

Ein  anklingendes  Wort  ist  arm.  thakard  (t-o-Stamm)  *trappola, 
laccio,  rete',  alt  und  häufig;  zum  Suffix  vgl  z.  B.  mahard  *lab\ 
Yielleicht  läßt  es  sich  auch  begrifflich  mit  ihakn  vereinigen.  Eine 
gute  Parallele  bietet  it  irappola^  welches  eigentUch,  seinem  Ur- 
sprung gemäß  (aus  germ.  irappa)^  eine  Falle  im  allgem.,  schliefi- 
lich  aber  geradezu  ein  Fischnetz  bezeichnet  Ebenso  dürfte 
ihakard  ursprünglich  eine  aufgestellte  Vorrichtung,  z.  B.  eine 
Stock  falle,  zum  Fangen  von  Tieren  bedeutet  haben,  wäre  dann 
aber  zur  Bed.  Talle,  Fallstrick,  Fangnetz'  weiter  fortgeschritten. 

9.  Arm.  aigi,    Lat  üva,    Griech.  öa. 

Aim.  aigi,  G.  Sg.  aigvoy^  G.  PI.  aigeap  1.  ^Weinstock, 
d|iTT€Xoc*;  2.  ^Weinberg,  d)LiTTeXuiv',  z.  B.  1.  Makk.  14,  12;  aigeaätm 
(aus  *aigi-a'dan)  •Weinberg',  z.  B.  Rieht  21:  20,  21,  Jes.  16,  10; 
aigegorc  *Weingärtner',  z.  B.  Jes.  61,  5. 

Anlautendes  arm.  ai  vertritt  anerkanntermafien  ein  idg.  ci 

cymr.  sangu  'treten',  aber  ai.  iawgati  'straucheln*  (zur  Bed.  vgl.  awn.  tUl» 
*8tofien* und  'straucheln'),  vgl.  Falk u.  Torp  1,  S82,  Zupitxa Qerm.  GKitt9i 


Baomnamen  und  VerBrandtes.  501 

in  ait  *Wange",  aU^u-m  'schwelle',  aU-umn  •Geschwulst*  zu  air. 
M  *Wange',  griech.  oiboc  'Geschwulst*,  oibiw  'schwelle',  ahd.  eü 
*G^chwür\  Bsl.jadro  'Schwellung,  Busen',  s.  Hübschmann  Arm. 
Gr.  1,  418,  Brugmann  Vergl.  Gr.  1«,  179,  Bartholomae  BB.  17, 93, 
Pedersen  KZ.  36:  94,  98  f.,  Stokes  KZ.  35,  595.  —  Das  -y-  mufi 
in  erster  Hand  ein  ursprüngliches  fi  sein  (idg.  ßh  würde  vor  • 
arm.  /  ergeben  haben).  Als  Grundform  setze  ich  demnach  idg. 
*o^jp^  an. 

"Von  den  armenischen  Baumnamen  werden  diejenigen,  die 
Fruchtbäume  bezeichnen,  durch  Hinzufügung  des  Suffixes  -j  an 
die  betreffende  Fruchtbenennung  gebildet",  z.  B.  kafn-i  'Eiche' 
Ton  tatin  'Eichel',  mkuz-i  'Nußbaum'  zu  dnkoiz  'Nuß' ').  Aller 
Wahrscheinlichkeit  nach  hat  daher  das  verlorene  Grundwort  von 
oj^-f  die  Bedeutung  Traube'  gehabt  und*oi|M>-  oder  ^otjiä  gelautet 

Hieran  möchte  ich  lat  üva  Traube',  insbesonders  'Wein- 
traube' aus  *(nuä-  anknüpfen.  Eine  allseitig  befriedigende  ITr- 
sprungsdeutung  dieses  Wortes  scheint  mir  immer  noch  zu  fehlen. 
Die  meisten  Forscher  sind  freilich  zur  Zeit  darin  einig,  daß  es 
mit  lit  itga^  asl.  jagoda  'Beere',  vin-jaga  Traube'  zusammengehöre, 
aber  eine  einfache  Lösung  der  mit  dieser  Gleichung  verbundenen 
lautlichen  Schwierigkeiten  ist,  wie  es  von  verschiedenen  Seiten 
auch  zugegeben  wird,  nicht  erzielt  Eine  Übersicht  der  bis  1893 
laut  gewordenen  Ansichten  gibt  Osthoff  IF.  4,  283,  N.  1,  wozu 
jetzt  auch  Brugmann  Vergl.  Gr.  1*,  204,  604  und  Sommer  Handb. 
d.  lat  Laut-  u.  Formenl.  140,  204  zu  vergleichen  sind.  Die  ver- 
schiedentlich befürwortete  Vermittelung  der  balto-slavischen 
Formen  mit  üva  durch  Zugrundelegung  eines  alten  Ablauts  (öu)  ö: 

ü  —  üva  demnach  aus  *üg¥ä ist  nicht  recht  überzeugend, 

80  lange  die  Berechtigung  einer  solchen  Analyse  der  balto-slav. 
Wurzelsilbe  durch  anderweitige  Tatsachen  nicht  begründet  ist'). 
Mit  Osthoff  a.  0.  (vgl  Solmsen  Stud.  z.  lat  Lautgesch.  168)  das 
lat  ü  durch  volksetymologische  Anlehnung  an  üveO^  üvülus  er- 
klären, heißt  eigentlich  die  alte,  mit  Recht  verpönte  Varronische 
Etymologie  'uv»  ab  uvore'  durch  eine  Hintertür  wieder  hinein- 
lassen. So  wie  80  möchte  man  dies  nur  als  einen  Notbehelf 
gelten  lassen. 

1)  Gjandschezian  Zeitschr.  f.  arm.  Phil.  1,  65, 

2)  Früher  hat  man  in  lit.  ü  eine  Stütze  für  idg.  ä|»  zu  finden  ge- 
^sobt,  was,  wie  jetzt  anerkannt,  fklsch  ist,  s.  bes.  Znbaty  BB.  18,  241  ff., 
fiber  üwa  S.  269  f. 


508  B.  Lidta, 

Besfiglioh  dee  Ton  Solmsen  Stad.  s.  lat  LintgeBoh.  166  IL 
und  Sommer  Handb.  139  t  gelehrten  ÜbeigingB  toh  antefokaB- 
Bohem  1^  Aber  141  in  li  im  Lat  genüge  es  la  bemerken,  dal 
die  Bogel  selbBtrerBtändlich  auf  ein  ans  oj|i  >entstandenei  iy 
nicht  ohne  weiteres  aoasadehnen  ist'). 

Zu  arm.  aigi  ond  lat  üsa  gesellt  sieh«  wie  ich  e^nbe^  aneh 
gr.  6a,  0rh  oln  [oOa]  *8perberbaam,  Sorbos',  6ov,  FL  6a  [oOa,  tU^ 
*Smoht  des  Sperb^iMiums,  Sorbum',  ans  ^ajjpd-,  *oh!0-').  Der 
Baum  wfire  also  nach  seinen  in  die  Angen  fallenden  Beeren, 
welche  auch  nicht  ohne  wirtschaftliche  Bedeutung  waren  (ne 
wurden  s.  B.  als  Pickles  genossen^  benannt  Lat  tfmi  wird  nicht 
nur  Ton  den  Weintrauben,  andern  s.  B.  auch  tou  den  Beenn 
des  Lorbeerbaumes  gebraucht  Es  ist  daher  als  ursprfinj^die 
Bedeutung  des  idg.  *otvä  Beere,  namentlich  Ton  Bäumen 
und  hochwachsenden  Pflanzen  au  yermuten. 

Mit  griech.  6a  rerbindet  Beasenberger  BB.  23,  314  lit  jM 
M,  lett  iwi  Taulbaum,  Bhamnus  frangula  L.'  und  asL  im  serin 
ha  russ.  tva  poln.  iwa  *Weide',  idg.  *m^  (oder  *oiifär7).  Bi 
wäre  diese  Kombination  mit  der  meinigen  wohl  vereinbar,  be- 
sonders wenn  man  annehmen  dürfte,  daß  das  balto-slaT.  Wort 
ursprünglich  den  Faulbaum,  welcher  sich  ebenfalls  durch 
charakteristische  (anfangs  rote,  schüefilich  schwarze)  Früchte 
kennzeichnet,  bedeutet  hätte.  Indessen  kommt  hier  auch  der 
germanische  Name  der  Eibe  —  ahd.  in»,  ihoj  ae.  itr,  4o&,  awnord. 
j^-r  —  in  Betracht,  womit  man  den  slav.  und  halt  Baumnamen 

1)  Nebenbei  bemerkt,  wird  sich  m.  E.  Solmsens  Regel  in  der  er- 
wähnten weiten  Fassung,  auch  nach  den  von  Sommer  gemachten  Modi- 
fikationen, schwerlich  behaupten  können.  Es  ist  nicht  recht  glaublieh, 
daß  ein  aus  ügf^  gewiß  sehr  früh  entstandenes  üft  anders  als  ursprüng- 
liches fij^  behandelt  sein  sollte,  wie  Sommer  mit  Rücksicht  auf  üva  und 
(alternativ)  üveö  annimmt.  Die  Erklärung  von  üoiö  mit  Zubehör  aus  ♦«}•»• 
(Solmsen)  findet  Osthoff  IF.  4,  278  mit  vollem  Recht  sehr  gesucht.  Wegen 
frut,  früges,  angebhch  aus  ^frügV-,  vgl.  Meillet  MSL.  13,  216,  N.  1.  -  Um 
schwankenden  oder  ganz  widerstrebenden  Fällen  (wie  jütü)  beizukoimnen, 
hat  man  den  Einfluß  verschiedener  Redetempi  zu  Hülfe  genommen: 
an  jenen  deus  ex  machina  der  lateinischen  Lautlehre  habe  ich  mir,  wie 
ich  bekennen  muß,  keinen  Glauben  anzueignen  vermocht ;  die  neuerdings 
von  Ahlberg  diesbezüglich  ausgesprochenen  Bedenken  (Eranos  6, 167  U 
Upsala  1904)  werden  hoffentlich  nicht  vereinzelt  bleiben. 

2)  Die  Belege  der  verschiedenen  Formen  s.  bei  liddeU-Scott  Greek* 
Engl.  Lex.  sub  da.    Vgl.  zum  Lautlichen  tröo,  itoCt);  ^60,  ^11^. 


Baamnamen  und  Verwandtes.  603 

aal  die  eine  oder  andere  Weise  zusammenzubringen  pflegt  Das 
kompliziert  die  Frage;  auf  eine  genauere  Erörterung  derselben 
mufi  ich  für  jetzt  verzichten. 

Trennen  wir  also  lit  iga  *Beere;  Kirsche'  und  aBhjoffoda 
'Beere',  vitirjaga  Traube'  von  lat  üva^  so  finden  sie  zum  Ersatz 
einen  Anhalt  in  got  akran  ^Kopiröq  Erucht',  awnord.,  aschw. 
akam^  ae.  cecem^  wie  ich  im  nächsten  Abschnitt  nachzuweisen 
suchen  werde. 

10.  Arm.  aöem^  got.  akran  usw. 

Arm.  adetHj  Aor.  adepi  *crescere,  accrescersi,  aumentarsi, 
aggrandirsi;  figliare,  fruttare,  propagarsi;  abbondare,  divenir  piü 
forte  etc.',  t^de^ufanem  *far  crescere  etc.';  —  ad  'crescimento, 
aumento;  la  prole  cresciuta  degli  animali';  ad-umn  *crescimento, 
aumento;  moltitudine,  abbondanza,  copia  etc.';  —  y-ad-ax  'molto, 
copioso,  pleno,  denso,  frequente',  yadax-em  'crescere,  aumentarsi, 
abbondare'. 

Nach  Pedersen  KZ.  39,  393  f.,  396  wäre  a^^m  aus  idg. 
*ä^^  entstanden;  *äg-  sei  aus  *äug-  kontrahiert  und  mit  lat 
augtO  lit  dugu  (ai.  öjas-^  awnord.  auka)  zu  verbinden  >).  So  lange 
aber  für  diese  Wurzel,  trotz  ihrer  weiten  Verbreitung  und  reichen 
Verzweigung,  eine  Ablautsform  *ag  sonst  nicht  mit  Sicherheit 
nachgewiesen  ist*),  dürfte  es  berechtigt  sein,  sich  nach  einer 
anderen  Erklärung  des  arm.  Wortes  umzusehen. 

Es  scheint  unzweifelhaft  zu  sein,  daß  ursprünglicht^s  g|  im 
Arm.  als  d  erscheint;  adem  läßt  sich  demnach  auf  idg.  *ag0  zu- 
rückführen*). In  teilweiser  Übereinstimmung  mit  Pick  BB.  16, 170, 
Vergl.  Wtb.  1*,  371  meine  ich,  daß  auch  sonst  nicht  wenige 
Spuren  einer  Wurzel  dg-  dg-,  etwa  'wachsen',  vorhanden  sind.  Als 
solche  erkenne  ich  namentlich  folgende  Wörter  in  verschiedenen 
Sprachen  an: 

Got  akran  N.  'Kapiröc,  T^vnina,  Pruchf ,  aschw.  akarn  N., 
ndän.  agem^  nnorw.  aakom  (akall)  'Frucht  der  Eiche,  Eichel', 


1)  Anders  über  aiem  deLagarde  Arm.  Stud.  9. 

2)  Air.  dsim^  nir.  fänaim  'wachsen'  (vgl.  Macbain  An  Etym.  Dict. 
of  the  Gael.  Lang.  148,  Pedersen  a.  a.  0.)  ist  lautlich  mehrdeutig. 

3)  Das  Prät  wäre  dann  eine  Neubildung.  Das  Subst.  aö  betrachte 
ich  als  deverbativ.  Weniger  wahrscheinlich  ist  aöem  von  ai  aus  *agjo- 
abgeleitet. 

iBdogennanische  Forschangen  XVIIL  38 


awnord.  dbrm  *die  Eraidit  wilder  Binme'  (nosnL  afapii  ans  *aifw 
durch  üxnsteilang  oder  Suffixweohael);  «e.  memmj  acrm  N^  mndL, 
nndL  akir  H.  (statt  *ak0rm^  ztam  Flor,  aitrm  neugehildeQ^  modd. 
«dbr,  -m  (odbr,  -m)  N.  *Eichel',  woher  mhd^  nhd.  adbr;  mhi 
ddbrtm  (ahd.  *ac^aran)  Trooht  der  Eiche  und  Budie',  nM. 
schweia.  admram^  baier.  akntm.  Germ.  Omndfonn  Viroiia-  and 
wegen  der  niederdeutschen  Form  Tielleicht  auch  *akmm  ^  — 
Damit  rerbindet  Zupitsa  Genn.  Gntt  213  nach  Heinr.  ZimnMr 
überseugend  cymr.  aeroi^  *Frfichte,  Früchte  der  BAume',  ibitm 
'Pflaume'  {eirin  wm  ^Stachelbeeren^  com.  aenm  Tflaume',  mhret 
irin^  nbret  Atrm  *prunelle\  air.  dürm^  arm^  nir.,  gäL  djnii*8chiehe'*). 

Mit  Fiok  letstgen.  Ortes  bringe  ich  weiterhin  got  ahm 
ausammen  mit  lit  iga  "Beere;  Kirsche',  lett  i'jfa  *Beere',  ad. 
win-jaga^  nsL  vin-jäga^  serb.  ti»-Jaga  Vilder  Weinstock;  wiMs 
Traube'  aus  idg.  *öeär;  asLjagoda  "Beere*,  faBrb.Jägoda  ^Erdbeere^ 
fragaria',  nsL  jdgoda  "Beere;  Erdbeere'  {jagodiina "Erdbeenrtnudi')^ 
tech.  jaiioda  'ds.',  poln.  iagoda^  russ.  ßgoda  "Beere*. 

Die  nahe  begriff  liehe  Zusammengehörigkeit  der  genannioD 
Wörter  der  drei  Sprachsweige  liegt  auf  der  Band.  Oberall  handelt 
es  sich  um  Ausdrücke  für  Beeren  oder  beerenihnlicke 
Früchte. 

Nur  got  akran  weicht  teilweise  ab.  Die  entsprechenden 
Formen  des  Nord,  und  Westgerm,  bezeichnen  nur  die  Fracht 
der  Eiche  und  der  Buche.  Das  gotische  Wort  aber  bedeutet  — 
Ton  den  bildlichen  Oebrauchsweisen  abgesehen  —  teils  Baam- 
frucht  (wie  Luk.  6,  44  k/atjizuh  raihtis  bagme  u»  9wnamma 
akrana  uskunßs  ist;  Matth.  7,  17  oU  bagme  godaism  akrana  goda 
gataujiß\  teils  das  Korn,  die  Frucht  «der  Saaten  und  den 
Ertrag  der  Erde  (wie  Mark.  4,  7  sum  \fraiw]  gadram  in 
ßaumuns  .  .  .  jah  akran  ni  gaf;  vgl  Mark.  4:  28,  29;  12,  2  usw.)l 
Zum  Teil  mag  die  gegenüber  den  übrigen  germ.  Sprachen  weitere 
Bedeutung  auf  den  Einfluß  des  griecb.  KupTröc  beruhen,  aber  in 
der  Hauptsache  dürfte  das  Gotische  hier  einen  alten  Zug  bewahrt 
haben. 


1)  Ndd.  eeksr  kann  auch  so  erklärt  werden,  daß  es  das  Saffiz  -am- 
mit  dem  geläufigeren  -Ina-  ersetzt  hat  —  Die  suffijuüe  Bildung  des  frag- 
lichen Wortes  ist  am  besten  von  Hellquist  Arkiy  f.  nord.  fiL  7,  7  (vgl 
Lidto  Bland,  spräkhist.  bidrag  1, 18,  Göteborgs  Högskolaa  Irsskr.  IM) 
erörtert  worden. 

2)  Unrichtig  Stokes  bei  Fick  Vergl.  Wb.  2 ',  19,  Macbain  Etym.  Diet 9. 


Baumnamen  und  Verwandtes.  506 

Die  herkömmliche  Yerbindung  von  germ.  akrana-  mit  got 
akrs  *Acker*  muß  man  nach  dem  Vorgang  Zupitzas  und  Ficks  fallen 
lassen.  So  lange  jenes  Wort  isoliert  dastand,  könnte  man  sich  die 
Kombination  zur  Not  gefallen  lassen,  obgleich  die  gewöhnliche  Er- 
klärung desselben  als  *'die  wilde  Frucht",  unter  Hinweisung  auf 
lat  agresUs  undgriech.  dtpioc  *wild',  in  der  tatsächlichen  Bedeutung 
des  genn.  akra-  keinen  Anhalt  hat  Auch  aus  lautlichem  Orunde 
muß  akra-  *Acker*  (mit  idg.  Palatal)  fern  bleiben,  so  bald  wir  die 
genannten  balto-slavischen  Wörter  hinzuziehen.  Aus  Rücksicht  auf 
lat  uro,  womit  diese  bisher  verbunden  wurden,  hat  das  früher  nicht 
geschehen  können ');  aber  uva  ist,  wie  ich  oben  S.  500  ff.  wahr- 
scheinlich gemacht  zu  haben  glaube,  von  lit  äga  usw.  ganz  zu  trennen 
und  mit  arm.  aigi  *Weinstock'  aus  *oiU'i}ä'  zusammenzuhalten. 

Aus  dem  Griech.  stellt  sich  wahrscheinlich  hierher  dt-X-iOec 
•Knoblauchsknollen'  (Aristoph.  Ach.  763,  Vespro  680);  Suffix  wie 
in  öpvic,  -iOoc,  t^Xtic  (TeXtic),  -iGoc  u.  a.  Mit  yikfxc  läßt  sich 
atXlOec  nicht  ohne  Gewaltsamkeit  zusammenbringen;  das  d-  würde 
jedenfalls  dunkel  bleiben'). 

Nschw.  oxd  F.  'Mehlbeerbaum,  Sorbus  scandica',  ndän.  akad- 
har-trcB  (urgerm.  *6h'sVy  *ah'Sl*)  dürfte  nach  seinen  Früchten 
benannt  sein  und  sich  an  die  fraglichen  Worte  für  *Beere,  Frucht* 
anschließen.     Des  näheren  hierüber  bei  anderer  Gelegenheit 

Falls  die  jetzt  gemachten  Zusammenstellungen  im  wesent- 
lichen das  Richtige  treffen,  ist  die  Yorstellung,  welche  von  Anfang 
an  durch  die  Wurzel  ig-  besonders  zum  Ausdruck  kommt,  etwa 
dasjenige  Zunehmen,  welches  sich  durch  das  Schwellen,  das  sich 
Runden  z.  B.  der  Früchte  kundgibt  As\,jagoda  bezeichnet  auch 
*Wange,  Backe'  (so  ebenfalls  im  Poln.  und  Cech.),  vgl.  serh,  jägodica 
*Wange',  russ.^'rf5rorft«i 'Hinterbacke;  Brustwarze',  6ech,  jahüdhf 
*Wangen;  Fleisch  Wärzchen',  Bedeutungen,  die  im  Verhältnis 
zu  der  von  'Beere'  nicht  sekundär  zu  sein  brauchen.  Zum  Be- 
grifflichen vergleiche  man  griech.  oföaH  'unreife  Feige',  arm.  aü 
air.  6il  'Wange'  zu  griech.  oiöau;  'schwellen',  arm.  aünum  'ds.', 

1)  Für  Fick  besteht  dies  Hindernis  nicht,  weil  er  unrichtig  üva  aus 
♦J^«-  erklärt.—  Fick  (vgl.Zubat^  BB.  18, 260)  zieht  auch  gr.ößcXdc,  6b€X6c 
"Bratspieß*,  5ppia,  ößp(KaXa  'die  Jungen  der  Tiere*  u.  a.  zum  Vergleich 
heran ;  in  den  erwähnten  kelt.  Wörtern  (cymr.  am-on  usw.)  kann  aber  kein 
idg.  ^y,  kelt.  b  geschwunden  sein. 

2)  Vgl  Prellwitz  Etym.  Wb.  3,  Fick  Gott.  Gel.  Anz.  1894,  S.  229, 
Ifansion  Les.  galt,  grecques  175,  Brugmann  Vergl.  Gr.  1  *  436,  Griech.  Gr. '  80. 

38* 


006  B.  Lidta, 

nitL  §mU  'glandoUt  in  oame,  ligno,  Uq^dibos  eta',  ahdl  m 

Aber  die  weitere  Bedeatang  'waehsen'  hietat  nidit  nur 
ann.  oAm.  Zubatf  Aroh.  f.  dav.  FhiL  16, 394  <)  Terbindet  mU 
richtig  rase.  jag4^  *frachtt>ir,  kriftig,  Ton  der  Erde',  jagdiTL 
Tleohte,  Moos^/t^  jciyilodkii  Tiippago  raoemoea'  und  lit  iigU4 
*einjibiiger  Sohöfiiii^  (formell  -  twa.  jagdt),  i^gt-UhM  *PBmuß\ 
ig4^  "Sohlöfiling,  Trieb',  weiterhin  dav.  ja^^  "BBisekonn'  und 
jagoda  *Beere'. 

11.  Oriech.  dtvoc   AbI  jagnßdi 

Orieoh.  dtvoc  Vem^  att  Masa  "Eeosehlamm,  Eensdibaiim, 
ein  weidenartiger  Bamn*  (Hymni  hom.  Henn.  410,  Plat  Hiaedr. 
230b  etc.),  ngr.  dyvcio,  latinisiert  agnus  eadus  (it  agnoeaslo)^  woher 
deutsch  kiusMamm.  —  Die  Zweige  des  Baomes  worden  von  den 
Franen  bei  den  Thesmophorien  auf  ihre  Betten  gestreut,  und 
volksetymologisch  wurde  der  Name  mit  drvöc  "keusch*  assomiert 
Die  alten  Etymologen  verbanden  ihn  dementsprechend  mit  diesem 
Worte  oder  mit  orovoc;  so  noch  Yaniöek  Etjm.  Wtb.  756, 
Lobeck  Parerg.  346.  Andere  wie  P^>e  denken  an  Yerwandtsdufi 
mit  dTvujüii.  Die  Unrichtigkeit  dieser  ürsprungsdeutungen  liegt 
auf  der  Hand;  auch  gilt  der  Name  allen  neueren  WorterU&rern, 
so  viel  ich  weiß,  als  dunkel. 

Wahrscheinlich  gehört  dtvoc  zu  asi.  jagnßdü  "populns 
nigra',  nsl.  jdgned^  jdgnjed^  jaganica  Mie  schwarze  Pappel',  serb. 
jägnjedjagnjida  'i/L,^  jägnjeda  F.  'ds.',  öeobjdtnida  •populus  alba', 
jehnid  •Baumkätzchen'  (magy.  jegenye  'Espe',  slav.  Lehnwort)  aus 
urslav.  *ogn-^nd(hy  -a-.  Serb.  dial.  auch  jänt  M.  Tappel'.  —  Das 
Suffix  -ndo-  ist  im  Slav.  nicht  allzu  selten,  z.  B.  asl.  gavfido  n)os', 
J^elqdi  'Eichel'  (Ut  ^;  lat  gland-),  ielqdükü  'Magen'  (zu  griech. 
XoXdbec),  poln.  iabfdi(dhA.  albiz)  'Schwan',  vgl.  lit  bcdandisTwihe' 
bcddnda  'Melde',  lett  tüandi  'Bodenbretter  des  Kahnes'  u.  a.,  vgl.  lat 
arundoj  rotundus  u.  a.,  s.  besonders  Persson  Orig.  ac  vi  primig. 
gerundii  et  gerundivi  lat  28 — 35  (üpsala  1900),  vgl.  Liden  Stud. 
z.  altind.  u.  vergl.  Sprachgesch.  76  f.,  97. 

Dem  Aussehen  nach  sind  dieWeide  und  diePappel  ziemlich 
ähnlich ;  außerdem  haben  beide  wässerigen  Standort  und  umrahmen 

1)  Vgl.  Fick  a.  a.  0.,  ZubatJ  BB.  18,  259  f. 

2)  Lit.  agnus  'sUrk,  fest,  dicht'  (Mitteil.  d.  littau.  liter.  Ges.  1,  BBSj 
wird  wohl  eine  dialektische  Nebenform  von  augnu$  (zu  äugü,  FortonatoT 
BB.  8,  64)  Bein? 


Baamnamen  und  Verwandtes.  507 

die  Flüsse  und  Seen.  Aas  denselben  Ursachen  berühren  sich 
die  Nomenklatur  der  Weide  und  der  Erle  und  die  der  Erle  und 
der  Pappel:  vgl  awnord.  iplstr^  üsiri  'Weide,  Salix  pentandra*  zu 
nhd.  erle  aslßlicha  (Hellquist  Arkiv  f.  nord.  fil.  7,  170);  ir.  fem 
•Erle*  zu  alb.  vefe  •populas  alba*  (oben  S.  486). 

Die  gTieeh.-slav.  Grundform  ist  *ag-n<h^  über  deren  weitere 
Yoi^eschichte  ich  vorläufig  nichts  recht  Wahrscheinliches  zu 
sagen  wüßte. 

12.  Griech.  dpKCuGoc. 

Serb.  räkita  *Rotweide,  Salix  caprea  L.',  nsl.  rakita  'Bach- 
weide,  Sahlweide*,  bulg.  raA/te,  slovak.  rakt/ta  *Weide*,  ßech.  rokyta 
Talmweide*  roiy^  M.Talmenstamm',  poln.roWfei*Sandweide*,  nsorb. 
rokitc^  osorb.  rokot  M.  •Haarweide',  kl.-russ.  rok^  Turpurweide, 
Sahlweide*,  russ.  rakita  •Weide*.    Slav.  Grundform  ^orkykhy  -d-. 

Als  vorslavische  Grundlage  setze  ich  *arqü'to-  voraus  und 
verbinde  es  mit  griech.  dpKeuGoc  P.  •Wachholderbeerstrauch, 
juniperus*,  dpK€u9ic  *  Wachhold  erbeere;  Wachholderstrauch* 
(Theoer.,  Theophr.  usw.).  Daß  Namen  der  Weide  und  des  Wach- 
holders  verwandt  sind,  erklärt  sich  zur  Genüge  durch  die  be- 
kannte Tatsache,  daß  die  Zweige  beider  Bäume  als  Material  zum 
Flechten  dienen.  Ich  glaube  oben  S.  494  ff.  nachgewiesen  zu 
haben,  daß  arm.  jr»  •Wachholder*  mit  Benennungen  für  Weide 
wurzelverwandt  ist  Aus  eben  demselben  Umstände  versteht  es 
sich  am  einfachsten,  daß  awnord.  einir  •Wachholder*  mit  nir.  aain 
•Binse*  nahe  verwandt  ist  (Stokes  bei  Pick  Vergl.  Wtb.  2*,  336).— 
Verschiedene  Namen  der  Weide  gehören  anerkannt  zu  Wurzeln 
mit  der  Bed.  'drehen,  flechten,  winden,  weben*,  wie  nhd.  teeide 
lat  vitex  vfmen  griech.  tiea  oicoc  zur  Wz.  uei-  (ai.  vdyati  •flechten, 
weben*  etc.),  oder  ae.  wdi^  ne.  tvillow  as.  tvilgia  'Weide*  zur  Wz. 
uel-  •drehen,  winden'  (Hoops  IP.  14,  481  ff.). 

Dementsprechend  ziehe  ich  slav.  orkjfUh,  -ä-  und  griech. 
dpK€u6oc  zu  griech.  dpKu-c,  -uoc  P.  'Netz,  Jagdnetz*  (auch  yiiv- 
aiKEiov  K€Kpu(paXov'  Hes.),  dpKuov  'ds.'  (Hes.,  E.  M.),  dpKuXov 
Wktuov  Hes.;  dpKdvr)'  tö  iid)Li)Lia,  iL  töv  crninova  dTKaTaTrXdKOuciv 
(d)  Öia2:6|i€vai  Hes.,  wozu  nach  Bezzenberger  BB.  21,  295,  N.  1 
lett  &ktU8  •die  Spindel;  das  Ärmchen  am  Spinnrade,  darum 
der  Plachs  gewickelt  wird ;  ein  Wickel  von  Heede  (?)  zum 
Spinnen*').   Das  lett  Wort  kann  für  *arkul8  stehen:  im  Bali 

1)  Davon  trenne  ich  lit.  arAri/af 'befestigte  Hauptbäume  in  der  Flachs- 
brechstabe*, arklai  'das  Stangengerüst  in  der  Brechstube'  (vgl.  afdai  'das 


608  E.  Lid^n,  Baumnamen  and  Verwindtes. 

wechseln  a-  und  0-  sehr  häufig  im  Anlaut  ab').  —  Hit  dpKuc 
verbindet  man,  kaum  richtig,  ip&yyr\  lat  aräneoy  -eus  "Spimie' 
aus  *arak8ti!'  (s.  zuletzt  Walde  Lat  etym.  Wtb.  40,  anders  Bagg» 
Beitr.  z.  etym.  Erlänter.  d.  arm.  Spr.  39)  und  ohne  Zweifel  mit 
Unrecht  awnord.  rakkr  *Rock;  Rocken*,  nhd.  rock  und  rodm 
(Walde  a.  0.,  Schrader  Sprachvergl.  u.  Urgesch.«  479  u.  A\ 
welche  vieUnehr  mit  ir.  rudU  *tunica'  und  rogait  Mistaff  aas 
idg.  *rug-  verwandt  sind,  s.  Zupitza  Germ.  Gutt  216,  Stokes 
Zs.  f.  celt  Phil.  3,  470«). 

Der  Suffixkomplex  -€u8oc  von  dpKeuGoc  kommt,  so  viel 
ich  weiß,  sonst  nur  in  K^XeuGoc  (:lit  kilias  'Weg*,  lat  callis)  vor. 
Trennen  wir  zunächst  -9o-  ab  (vgl.  z.  B.  KdXaOoc  'Korb*,  Tvip- 
TaOoc  *ds.*),  lassen  sich  dpKCu-,  dfpKu-  und  vorslav.  *arjii-  mor- 
phologisch auf  eine  gemeinschaftliche  Grundlage  zurückführen. 

Das  fragliche  slav.  Wort  hat  Torbiömsson  BB.  20,  140, 
N.  3,  Die  gemeinslav.  Liquidametathese  1  :  8  (vgl.  Zupitza  Germ. 
Gutt  63,  Mikkola  Halt  u.  Slav.  38  in  Finska  Vetensk.-Socrs 
Förhandl.  45, 1902-1903,  Pedersen  KZ.  39:475)  mit  got  ar/wiaw 
ae.  earh  awnord.  pr  Tfeil'  und  lat  arctis  'Bogen*  zusammenge- 
stellt; diese  Kombination  wäre  mit  der  obigen  vereinbar,  falls 
man  das  u  von  arhazna  und  lat.  arqtU-tenens  als  suffixal  faßt 
(Zupitza  a.  a.  0.),  aber  recht  wahrscheinlich  ist  sie  nicht 
Miklosich  Etym.  Wtb.  226  (vgl.  Uhlenbeck  Etym.  Wtb.  d.  altinA 
Spr.  13)  hat  Verwandtschaft  mit  ai.  arkd-  'Calotropis  gigantea' 
("wegen  der  Keilform  der  Blätter"  llikl.)  angenommen. 

Mit  dpKeuGoc  sucht  Pedersen  KZ.  32,  257  (vgl.  Mansion 
Les  gutt  grecques  254),  mit  kühnen,  ich  möchte  sagen  gewalt- 
samen Mitteln,  mhd.  reckhdter^  nhd.  reckholder  (Nebenform  von 


Stangengerüst  zum  Trocknen  des  Flachses  in  der  Brechstube')  und  gr. 
ÄpKaXa*  ....  HuXa  Enpd  Hes.  (dpKaX^ov  Enpov  .  .  .  Hes.),  vgl.  Leskien  Bild, 
d.  Nom.  im  Lit.  496,  Mansion  Les  gutt.  grecques  14:^,  151. 

1)  S.  Bezzenberger  BB.  23,  296  ff., Zubaty  Arch.  f.  slav.  Phil.  25, 364 N. 

2)  Gr.  ftpKuc  verbindet  Prellwitz  Etym.  Wb.  32  (fragend)  mit  dpapicKU). 
Nach  Fick  Gült.  Gel.  Anz.  1894,  S.  231  soll  es  mit  ahd.  snerhan  'zusammen- 
ziehen' und  gr.  vdpKH  'Krampf  verwandt  sein.  —  Bugge  Beitr.  z.  etym. 
Erläut.  d.  arm.  Spr.  39  denkt  an  Verwandtschaft  mit  arm.  utkan  TJelz, 
Strick',  was  lautlich  unmöglich  ist  (über  utkan  s.  Scheftelowitz  BB.29,o2). 
—  Scheftelowitz  a.  a.  0.  bringt  ftpKuc  mit  arm.  ora  zusammen,  das  aber 
begrifflich  fern  ab  liegt  (=*Jagd,Vogelfang, Fischfang;  Köder ;  Fallstrick  usw.'; 
andere,  freilich  ebenso  zweifelhafte  Etymologien  von  ors  Scheftelowitz 
BB.  28,  282,  v.  Patrubäny  Sprachwiss.  Abband.  2, 204,  KZ.  37,  428;  39, 341). 


H. Schröder,  Die germ. Würz. iUl-  a. ster-  u. ihre  d. p, k^ t  erw.  Formen.   509 

ahd.  toehhaltar^  mhd.  waehätUr^  nhd.  waehhoUUr^  dial.  wachandd^ 
reekholder  usw.)  zasammenzupassen.  Es  müfite  vorerst  wenigstens 
eine  leidliche  Entwirrung  des  bunten,  durch  mehrfache  anar 
logische  Umbildungen  verwickeltenFormenbestandesdesdeutschen 
Baumnamens  vorgenommen  werden  (wenig  gelungene  Erklärungs- 
Tersuche  von  Ublenbeck  PBB.  26,  311,  Much  Zeitschr.  f.  deutsche 
Wortforsch.  2,  286). 

Göteborg.  Evald  Lid6n. 

\  Die  germ.  Warsein  stel-  und  ster-  und  ihre  durch  />,  A;,  t 
^  erweiterten  Formen. 

I.  Germ,  stel-j  stelp-j  stelk-^  sieli-. 

Nhd.  mhd.  ahd.  stolz  hält  Kluge  Et  Wtb.«  s.  v.,  für  ent- 
lehnt aus  lat  stuUus,  Es  ist  aber  unzweifelhaft  ein  echt  germ.  Wort 

Zu  nhd.  Stulpe  bemerkt  Kluge:  **erst  nhd.,  aus  dem  nd.; 
vgl  nL  sitdp  *Dampf-,  Schmordeckel'  neben  stülpen  'mit  einem 
Deckel  bedecken',  wofür  nhd.  (seit  Steinbach  1734  gebucht) 
sMpen  {stdpen  'hemmen' ;  dazu  anord  Stolpe  'pfosten')''.  Sehr 
klar  sind  diese  Bemerkungen  nicht;  vor  allen  Dingen  vermißt 
man  jede  Andeutung,  wie  die  verschiedenen  Worte  sttdpe  'Deckel; 
Hutbämpe;  Manschette  usw.',  stülpen  'wenden,  kehren',  sUlpen 
'hemmen',  sklpe  'pfosten*  sich  begrifflich  vereinigen  lassen. 
Franck  Nl.  et  Wdb.  Sp.  961  f.  s.  v.  stelpen,  sagt:  "De  met  veel- 
vuldige  beteekenissen  voorkomende  woorden  mnd.  nnd.  vroegnnl. 
sMpe^  Stulpe  (vanwaar  nhd.  stülpe)  hedendaagsch  nnl.  sklp^  stulp^ 
vanwaar  het  ww.  nd.  nhd.  stülpen^  nl.  stülpen  schijnen  derhalve 
(d.  h.  wegen  nL  stdpen^  anord.  Stolpe)  oorspr.  te  beteekenen  'toestel 
om  vuur  te  smoren;  toestel  (als  omlijsting,  omslag)  om  iets 
stijf  te  doen  stilstaan'."  Auch  diese  Vermutung  trifft  sicher  nicht 
das  Richtige. 

Nhd.  stolpern  erklärt  Kluge  wie  schon  1780  Adelung  für 
eine  'onomatopoietische  Bildung  wie  holpern'.  Franck  Becens. 
der  5.  Aufl.  von  Kluges  Et  Wtb.  AfdA  21,  297  ff.  (vgl.  ders. 
Becens.  der  1.  Aufl.  AfdA  11,  Iff.)  ist  derselben  Ansicht,  und 
ebenso  Wilmanns,  der  Gr.  2'  95  stolpern  zu  denjenigen  verben 
auf  -em  zählt,  die  weder  als  Ableitungen  von  nominibus  er- 


610  H.  Schröder, 

•cheiaen,  noch  nnmittribar  Terwaadte  ibake  oder  adtwaohs 
Yerben  ohne  das  «Umteode  r  snr  Seite  haben«  Wir  werden  im 
folgenden  sehen,  dafi  anoh  hier  die  Sache  anden  11^ 

Ne.  ä«a^  me.  äalk$  "Stengel,  Stiel,  Seitenstange  der  LsHtt^ 
worin  die  Sprossen  befestigt  sind',  eiUiren  Stntmann-Bnrikj 
nnd  Skeat  a  t^  Elnge,  s.  t.  iMrf,  ffir  eine  DeminatiTbildo]^ 
▼on  me.  ttob  *8talk  of  a  plant;  rang  of  a  ladder;  handle*.  Ako 
die  Benennung  der  langen  schweren  Seitenbalken  der  Leiter 
soll  eine  Deminntivbildung  von  der  Benennung  der  koraen  leiditen 
QneiBtäbe,  der  Sprossen  sein.  Wire  das  BedeatongsreihiltDii 
nmgekehrt^  so  liefie  sich  das  eher  begreifen.  In  der  Tut  li^!t 
hier  auch  keine  Deminativbildang  vor. 

Wir  haben  yielmehr  für  die  genannten  Worte  {äo^pm^ 
äolZf  iUdk)  drei  genn.  Stimme  ddp-^  sMt*,  afaft-  anausetsen,  denea 
saUreiche  germanische  Wortformen  entqirossen  sind.  Biese  drei 
Stämme  aber  sind  wieder  erweiterte  Formen  dergerm.  Wa.  itf-. 
Diese  Wursel  genn.  atel-,  indogerm.  ä{h)ilr^  die  selbst  wohl  eine 
Weiterbildung  der  ursprünglichen  indogerm.  Wa.  iihär  *8tehn'  sein 
wird  (Tgl.  n.  a.  Persson  Zur  Lehre  Ton  der  Wurzelerweitenmg 
und  Wurzelvaiiation,  (Tpsala  1891,  S.  63;  Uhlenbeck  Altini 
et  Wib.,  Amsterdam  1898199, 8. 3461  s.  v.  dhdlamy  aOOr,  sOamiA 
steckt  in  sind,  sthöktm^  sthaU  ^Erhebung,  Anhöhe,  trocknes  Lind, 
Festland,  Erdboden  usw.',  sthdla  *Erdau&chüttung',griech.CTä^iu, 
cTÖXoc,  cT€Xe6v,  creXed  'Stier,  crÄ-exoc  *Stammende'.  Vielleicht 
(wenn  mit  9  aas  In)  gehört  hierher  noch  aind.  sthä^ßu^  als  adj. 
*stebend,  unbeweglich';  als  sb.  *Stumpf,  Stock,  Block';  es  würde 
dann  dem  ahd.  stoUo,  mhd.  stoUcy  nhd.  stolle{n)  entsprechen. 

Dem  germ.  stdp-  entspricht  indog.  stM-  in  verschiedenen 
baltisch-slav.  Worten  (Zubat^  Über  gewisse  mit  st-  anlautende 
Wurzeln  im  Baltisch-SIavischen,  in  den  8itz.-Ber.  der  Böhm.  Oes. 
d.W.,  phil-hist  Kl.  1895,  Nr.  XVI,  S.  21):  lett  rfMÄe 'Pfeüer'; 
mit  übertragener  Bedeutung  (*starren,  unbeweglich  dastehn*): 
Lett  siidbs  ^betäubt'  dazu  sHUbi,  stuMt)]  russ.  stoUmjak  *tetanas', 
kleinruss.  tovba^  wruss.  stovbenja  'ungeschicktes  Frauenzimmer'; 
ferner  mit  anderer  Vokalstufe  lett  stUbo^  siUbs  'Vorderarm, 
Schienbein'  (wegen  der  Bedeutungen  vgl.  lit.  stc^bas  'Pfeiler, 
Pfosten' :  8taü)y8  'Schienbein'),  lit  sUfbU  'schal  werden'  (Tom 
abgestandenen  Bior;  vgl.  Kilian  std  hier  'vetus  cerevisia  etde- 
faecata',  hier  flg.  S.).  Neben  stM-  steht  slav.  glbd.  sMp-,  s.  Za- 
baty  a.  a.  0. 


Die  genn.  Wurzeln  iid-  o.  t^<r-  o.  ihre  durch  p,  k,  i  erweiterten  Formen.    511 

Dem  germ.  stM-  entspricht  indog.  steig-  in  lit  äidgüs 
"länglich  rund',  stvlgyn  'in  die  Höhe',  stulginti  'verlängern' 
stdgH  *8tarr  hinsehen',  sldgii-s  'prahlen',  stalgus  'trotzig,  frech, 
stolz'  (vgl.  ZubatJ  a.  a.  0.  21  i). 

Dem  germ.  stelt-  entspricht  ein  indog.  stdd-^  das  vielleicht 
in  aind.  sthc4u$  *6ackel,  Höcker'  enthalten  ist,  wenn  dies  auf 
*dhaidu  zurückgeht  (s.  Uhlenbeck  Aind.  et  Wtb.  346  s.  v.  sthague). 

Nach  den  hier  angeführten  Worten  dürfen  wir  für  die 
indog.  Wz.  gUlr  und  ihre  erweiterten  Formen  sUHh-^  stdg-  (und 
steld-?)  folgende  Bedeutungsentwicklung  annehmen:  *stehn  — 
zum  Stillstand  kommen  —  fest,  steif,  starr  sein  (machen,  wer- 
den)". Aus  diesen  Bedeutungen  lassen  sich  alle  übrigen  unge- 
zwungen ableiten. 

Dieselbe  Bedeutungsentfaltung  finden  wir  nun  auch  im 
Germ.  Neben  std-  steht  hier  steU"  aus  sUlnj.  (s.  vor.  Seite).  Hierher 
gehören  ahd.  stuUan  *sistere',  ga-sttdlan  *resistere,  consistere, 
substare',  westf.  osnabr.  stoUen  ^gerinnen',  osnabr.  stotterig  *ge- 
ronnen,  wird  nur  vom  Fett  gesaget',  nL  stellen  'stocken,  ge- 
rinnen, sich  verdicken,  dick,  steif,  starr  werden;  stocken,  plötzlich 
innehalten'  (das  Mhd.  hat  stellen  nur  in  der  Bdtg. :  'stützen',  die 
sich  unmittelbar  aus  dem  sb.  erklärt,  s.  unt).  —  anord.  stallra 
*standse',  in  übertragener  Bdtg. :  stdUrar  (auch  stallar)  hjarta  e-s 
*ens  hjerte  bsever  af  frygt,  en  er  forfserdet',  schwed.  norw.  std 
*8tarr,  steif,  schwed.  stelbent  'steifbeinig',  std-frusen  *(vor  Kälte) 
erstarrt*,  stdhet  'Starrheit,  Steifheit,  Steifigkeit',  stelkramp  'Starr- 
krampf, stdna  'erstarren',  anord.  stiUa  'standse  etc.',  dän.  stille 
'(Blut  usw.)  stillen',  schwed.  stilla  'stillen;  füttern'  (d.  h.  den 
Hunger  stillen),  mit  nhd.  nd.  stillen  usw.  zum  adj.  schwed.  stilla^ 
dän.  stille^  norw.  stille^  stiU^  ahd.  as.  stiUi^  mhd.  mnd.  afrs.  stiUe, 
nhd.  nd.  nfrs.  still^  ae.  stille^  ne.  still.  Mit  etwas  abweichender 
Bedeutung  wvl.  std  'abgestanden,  schal  (Bier),  ranzig  (Butter)', 
vgl.  EUian  std  bier  'vetus  cerevisia  et  defaecata'  (weg.  der  Bdtg. 
8.  vor.  S.)  lit  stdbti  'schal  werden*  (vom  Bier). 

Von  den  hierhergehörigen  Substantiven  seien  ihrer  Be- 
deutungen wegen  erwähnt:  ae.  stda((B)  'stalk;  supporf,  stelch 
müe  'vessel  with  a  handle',  anord.  stidr  'bagdel,  stjert';  ahd. 
stdlo^  mhd.  stcUe^  stoU  'Basis,  Stütze,  Gestell,  Pfosten;  hervor- 
ragender Teil,  Spitze,  Zacke;  großes  Stück',  nhd.  stolle{n).  Ob 
auch  ahd.  mhd.  stilj  nhd.  stid  usw.  hierher  «(zu  ae.  stela  usw.) 
gehört,  ist  wegen  des  Vokals  (bezw.  wegen  des  Suffixes)  zweifelhaft 


•It  EL  Sehrddar, 

Wegen  der  BedeotnngseiitwHUiiiig,  die  wir  anoh  in  dei 
Sippen  der  erweiteten  Wnneln  wiederfinden  weiden,  eoi  nock 
ab  hierheigehdrig  erwähnt:  sohwed.  diaL  (Rieti  687  b)  *Ai 
^rackla,  g&  latande  ooh  pl  evigi  fBtter  (elsom  ndeftade  per* 
•oner)*. 

Dieselbe  Bedeatongsenthltong,  die  wir  in  den  nrverwandta 
E^praohen  und  fOr  die  Sippe  der  nraprOngüohen  SVum  der  gem. 
Ws.  etal-  beobachtet  haben,  finden  wir  aooh  in  den  Sippen  der 
dnroh  p  k  t  {>^  indogeim.  b  jf  d^  erweiterten  genn.  Womia 
wieder.  Nach  den  Bedenümgen  können  wir  das  hierfaergehfiiige 
Wortmaterial  in  awei  Haaplgrappen  teilen. 

1.  gensLä  —  Ip-jBt  —  lt-jSt — ft-*aamStehn  oder  Still- 
stand bringen,  kommen;  fest,  steif,  starr  eein,  machen 
oder  werden,  erstarren  gerinnen*. 

a)  s^  — ^:  andd.  ädpAn  "stagnare*  (bei  Qraff  Ahd.  SpncL 
6,  678),  nhd.  Mpm  (Sdiottel  Haabtspr.  1422)  "aiatere  eangoinem', 
mnd.  äalpm  *stagnare',  Mpe  *Schma]i  oder  eine  andere  IMt- 
arf  (also  eig.  *nach  dem  Schmelzen  Geronnenes*),  nd.  {gMn§) 
jfaljMm  in  b$rialpmm  ^gerinnen,  erstarren,  fest  werden',  niiL 
(Kil.)  Mpmj  8hdp$n  *obtarare,  obstmere,  oocolere,  restringm^ 
inhibere*,  nL  sMpm  'stillen,  zam  Stillstand  bringen',  norw.  düd. 
Mpa  Vsere  til  hinder  eller  skade',  Mp  *hindring'.  Die  hd 
Form  muß  ein  f  statt  p  haben ;  sie  liegt  vor  in  dem  mhd.  stf. 
sMfen^  das  Lexer  Hwb.  2,  1171  nicht  zu  deuten  weifi.  Die 
einzige  Belegstelle  Malag.  314b  lautet:  hdtit  ir  gr6§  itioeU,  m 
id  behendic  und  dar  in  96  genendic^  dag  er  ikoer  yrobheU  «( 
itelfen  (ihdfen).  Die  aus  den  übrigen  Dialekten  sich  ergebende 
Bedeutung  *zum  Stillstand  bringen,  hindern,  hemmen,  ESnhalt 
tun'  paßt  hier  ganz  genau. 

Folgende  Substantive  gehören  auch  hierher  mit  den  schon 
in  den  urverwandten  Sprachen  beobachteten  Bedeutungen :  mnd. 
ädpe  ^kleiner  Balken,  Pfosten',  ma  sttJpß  *peg,  poet,  pazillus', 
ne.  dial.  stdpe,  stülp  *a  short,  stout  posf,  anord.  gtolpi  ^saile, 
i  en  bygning;  om  paelen,  hvortil  den  er  bunden,  som  hudstryges', 
norw.  dän.  schw.  Stolpe  Tfahl,  Stange,  Pfosten';  femer  mit  -er 
(vgl.  unter  sl-li-  ostfries.  stilter^  stdter)  schott  ääpers  "Stelzen, 
Krücken'. 

b)  st  —  Uc'i  mnl.  (Eil.)  stdckeren^  MUkutm  *concrescere, 
ooadunari,  coagulari',  vläm.  stolkerm  *stremmen,  Stollen'  (vom 
Fett,  Wasser)  vgl  De  Bo,  Westvl.  idiot  959. 


Die  germ.  Wurzeln  Hd-  u.  Her-  xl  ihre  durch  p^  k,  t  erweiterten  Formen.    513 

Hierhergehörige  Sabstantive  sind,  anord.  stäkr^  dän.  stak, 
schwed.  stßUk^  norw.  dial.  stdkj  dilk^  stylk  'Stengel,  Stiel',  me. 
dalk9,  ne.  skdk  ^Stengel,  Stiel,  Seitenbalken  einer  Leiter',  ne. 
dial.  Btulich  *a  onitch;  a  stilt  for  boys',  stdch  *a  stilt,  a  pole, 
a  posf ;  femer  anord.  stelkr  *et  slags  fugl  (Strandvibe),  stringa 
(tringa)  islandica  L.',  norw.  stak,  ääk  *totanu8  calidris'  (Vögel 
aus  der  Ordnung  der  Stelzvögel;  vgl  unten  unter  9t4t-  nhd. 
mhd.  bachsMze^  ahd.  tcaggarstäza). 

c)  ä  —  U-i  mnd.  stuUen,  üoUm  *dick,  fest  werden,  gerinnen', 
waldeck.  MUen  'gerinnen',  ostfries.  stuUen^  stillten  'stehend,  fest 
oder  starr  werden,  gerinnen',  stuUerig^  stuUerg  'leicht  fest  werdend 
and  gerinnend;  klumperig,  klumpig,  klößig';  mit  übertragener 
Bedeutung  ae.  ^estyÜan  'to  be  stupified,  astonished'  (vgl.  nhd. 
'starr  sein,  werden',  sowie  lett  üidbs  'betäubt*  oben  S.  510). 

Hierzu  die  Substantive  ahd.  stäza^  mhd.  stSae  mnd.  sliUe^ 
mnd.  steUe^  nd.  steU(e\  mnl.  steUe^  nl.  stdt^  vläm.  stüt^  me.  stilU^ 
ne.  s^itt,  schwed.  stylta^  dän.  stylte^  norw.  styUra  'Stelze' ;  ostfries. 
jMK«,  stüter^  stdter  'Stamm,  Stange,  Stengel;  Bein,  Lende,  Keule 
usw.*,  ne.  stüt  dial.  auch  Tflugsterz',  techn.  (im  Wasserbau) 
'Hinter-,  Stützpfahl  (einer  Spundwand)',  zool.  'Stelzenläufer,  hi- 
mantopus',  ein  Yogel,  wie  nhd.  Bachstelze^  mhd.  bachstäcze^  toagger- 
stäze,  ahd.  waggarstäza. 

2.  st  —  Ijh^  st  —  M:-,  st  —  It-  'steif,  gerade  aufgerichtet, 
hochmütig,  oder:  steif,  schwerfällig,  unbeholfen  sein 
oder  gehn,  und  daher:  straucheln,  fallen,  umschlagen, 
trans.  umkehren,  umkehrend  bedecken'. 

a)  ^  —  Ip-:  anord.  stdpa  'käste  omkuld',  schwed.  stjälpa  tr.  u. 
intr.  'umwerfen,  umkippen,  umschlagen,  umstülpen,  umstürzen', 
norw.  dial.  stclpa  'vade,  gaae  med  moie',  nl.  stülpen^  mnd.  stülpen 
'umstürzen,  umkehren' (davon  stülpe  '^ö/p^,  Hülle,  bes.  Topf deckel', 
ütdper  'stülper^  topfdeckel',  nhd.  sttdpe  'eig.  das  umgeschlagene 
Ende  des  Ärmels  und  Stiefels',  stülpe  Topfdeckel',  urspr.  'eine 
umgekehrt  (mit  der  offenen  Seite  nach  unten)  auf  einen  Topf 
aufgelegte  Schüssel',  nd.  nhd.  stülpen  'stürzen,  umkehren,  um- 
schlagen', Schwab,  stalpen  'geschäftig,  mühsam  einherschreiten',  bair. 
(Schm.-Fr.  2,  753)  stdpen,  stolpen  (veraltet)  *  stolpern',  stolp^  stülp 
'stolpernd,  tölpisch',  westf.  stülpeln^  sliUpem^  nhd.  sfolpem]  zu  nhd. 
stdprian  vgl.  westf.  stolperjän^  altmärk.  stdperjochen^  stolperföt  'ein 
Mensch,  der  leicht  stolpert',  gött  stolperjochen  'ein  Mensch,  der 
im  Gtehen  oft  mit  dem  Fuße  anstößt  und  dadurch  in  Gefahr 


tu  EL  Sehrddar, 

kommt  sa  fdlen*.  Hienu  t^  ontar  o)  tt  —  i^  die  |^bd.  wertL 
MUrjän,  nd.  Familienname  SkÜmftdk. 

h)9t—tk-:  din.  atoZftt  ^stapfen,  einhenohreiteii,  dnhentol- 
lieren*,  dftn.  diaL  atoZftt  *gaae  sagte,  med  arage  akridif  (hieno, 
wegen  des  Paialielismiia  mit  nhd.  äoUf  usw.  wichtig:  afalb  *€n 
HUe,  i  sine  lader  og  sin  gang  opUeet,  hoTmodigperaonT»  a».  äfd- 
aM3  SvaUdng  caatioosly',  me.ifaGMi,  ne.  aCott  *heimliidi  oder  Ima 
omheisohleioheii;  stols  oder  wftrdeToll  groBe  Sohiitte  nehmen', 
mndL  (Oodemans  6, 699)  ttolkm  Mecken,  bedecken*,  mnd.  afaUariii 
'arrogare',  nd.  altmOik.  «Mfam  %tolpern^  afeliar^  "atolperig^  gStt. 
slolkmr  *ein  langer,  hagerer  und  dabei  steifer  und  onbehilflicher 
Mensch,  namenüioh  ein  solches  Frauenzimmer^,  $t6lk§rig  Srie 
ein  Stoiker^,  ffierher  anch  md.  Mtk&nmf  in  ZfdA.  17.  25, 433 
k0  gink  aa  ein  armer  Btolkenire^  wofür  Lexer  Hwtb.  2, 1209 
ohne  zwingenden  Gfmnd  ein  anch  sonst  nicht  belegtes  ^Mobmir« 
Tormatei 

c)  a  —  ft-:  (Die  hierher  gehörigen  Formen  sind  z.  T.  woU 
abgeleitet  von  den  unter  Ic  angeführten  Worten  der  engeren 
Sippe  von  nhd.  sUhe^  oder  werden  doch  Tom  Sprachgefühl  ab 
Ableitungen  davon  aufgefaßt,  wodurch  in  manchen  FSllen  sidier 
auch  eine  Bedeutnngsbeeinflussung  eingetreten  sein  wird,  deren 
umfang  sich  natürlich  nicht  mehr  feststellen  l&Bt). 

D&n.  stjfUe  *auf  Stelzen  gehn;  gravitätisch  einherschreiten', 
dän.  dial.  stylte^  styÜre  *gaae  daarligt,  vaere  slet  til  fods  af  alder- 
dom',  schwed.  stuUa  'trollen,  trotten,  watscheln'  mnd.  stoUem 
*arrogare',  dithm.  stiäiem  'stolpern',  stüUeri  adj.,  ostfries.  stoUem 
'unsicher  oder  stolpernd  gehn,  stolpern,  stürzen,  schlagen*,  ostfrs. 
westf.  osnabr.  usw.  stoUerboUem  'einen  Purzelbaum  schießen', 
westf.  stoUetjän  =»  stolperjän^  nd  Familienname  Skdterfoth  (vgl 
oben  2b  altmärk.  8tolperf6t\  mhd.  stolzen  'hinken;  stolz  einher- 
gehn',  äiäz^  etulzer  'loripes',  stülzen  'hinken',  thür.  eiohen  ^gravi- 
tätisch  schreiten',  fmhd.  Schm.-Pr.  2,  754)  etalzdn  'stottern' 
(schlecht  gehn  und  schlecht  sprechen  werden  viel&ch  durch 
dasselbe  Wort  bezeichnet). 

Hierher  gehört  nun  ohne  Zweifel  anch  das  gemeingerm. 
adj.  anord.  sioltr^  norw.  dän.  schwed.  stoU^  ae.  stoU  in  stott-ferhd 
'superbus  animo*  (Ettmüller  Vorda  vealhstöd,  732.  734,  vgl  Skeat 
8.  y.  stout),  afrs.  mnd.  nd.  stoU^  nl.  staut^  spätahd.  mhd.  nhd.  etob. 

Dieser  Ansicht  war  anfangs  auch  Kluge.  In  den  erstea 
Auflagen  seines  Et  Wtbs.  sagt  er,  Weigand  folgend:  "Die  An- 


Die  genn.  Wurzeln  iUl-  u.  iter-  n.  ihre  durch  p,  k,  t  erweiterten  Formen.    516 

nähme  der  Entlehnung  aus  lat  stultm  'töricht'  trifft  nicht  das 
Richtige.  Denn  afrz.  esUnU  'übermütig,  kühn'  ist  seinerseits  Lehn- 
wort aus  vorhd.  ^stoUa-^  dessen  Bedeutung  aus  lat  siuUus  schwer 
begreiflich  ist;  nur  mhd.  stolz  'töricht*  zeigt  Einfluß  der  lat  itaL 
Bedeutung.  Das  genn.  stoUo-  gilt  als  verwandt  mit  stelze.  EngL 
staid  'stark'  scheint  aus  mnL  stout  (für  stoU)  entlehnt  mit  anderer 
Bedeutungsentwicklung". 

Ungefähr  denselben  Standpunkt  vertritt  auch  Franck  NL  et 
Wtb.  Sp.  977  s.  V.  8t(nd\  wenigstens  sagt  er  da:  "Dat  lat  didius 
(itaL  stoUo)  'dwaas'  alleen  de  bron  van  dit  woord  is,  wordt  terecht 
botwijfeld;  als  echt  germ.  en  als  klankwisseling  bij  stelt  zoude 
het  oorspr.  'stijf  of  *met  hooge  schreden  gaande'  beteekend 
hebben.  Ofra.  estout  'overmoedig,  koen'  is  uit  het  germ.  onüeend; 
eng.  gtaut  'stevig,  zwaar'  is  van  het  fra.  (of  van  het  nl?)  adj. 
afkomstig". 

Inzwischen  ist  Kluge,  den  schon  von  jeher  eine  wunder- 
same Neigung,  Lehnwörter  zu  entdecken,  getrieben  zu  haben 
scheint  ^),  entgegengesetzter  Ansicht  geworden.  Li  der  neuesten 
(6.)  Aufl.  des  Et  Wtbs.  lautet  der  Artikel: 

**Stolz  adj.  mhd.  (spätahd.)  stdz  'töricht,  anmaßend,  über- 
mütig, vornehm,  fein,  prächtig'.  Die  Annahme  von  Entlehnung 
aus  kt  sttdtus  'töricht'  (=»  ital.  stoUo  'töricht')  macht  der  mhd. 
Bedeutungen  wegen  einige  Schwierigkeit  Aber  afrz.  estout  'über- 
mütig, kühn'  stimmt  zu  der  herrschenden  Bedeutung  von  mhd. 
stdz.  Neuere  deutsche  maa.  verbinden  mit  stolz  die  Bedeutung 
'straff,  steif  (rheinfränk.  preuß.).  Wahrscheinlich  führte  der  Weg 
von  lat  stuUus  zu  nhd.  stdz  über  die  Bedeutungen  'unbesonnen 
—  übermütig  —  anmaßend  —  vornehm,  steif*  (vgl.  sauber  wegen 
des  Wandels  der  Bedeutungen,  auch  keusch).  .  .  .  Engl,  stout 
'stark'  aus  frz.  estout  zeigt  wieder  andere  Bedeutungsentwicklung". 

Blluge  geht  also  aus  von  der  von  Lexer  Hwtb.  für  mhd. 
stolz  neben  'übermütig;  stattlich,  prächtig,  herrlich;  hohen  Sinnes, 

1)  Bezeichnend  für  diese  Neigung  Kluges  ist  der  Artikel  humpe  in 
seinem  Et  Wlb.  Nachdem  er  darin  dargetan  hat,  daß  gegen  den  echt 
germ.  Ursprung  des  Wortes  sich  nichts  einwenden  läßt  (und  zweifTelos  ist 
kumpe  echt  germ.,  wie  ich  demnächst  in  größerem  Zusammenhange  be- 
weisen werde),  erklärt  er  doch:  "Verlockend  wäre  (wie  bei  pfad)  Annahme 
früher  Entlehnung  aus  einem  pers.  Dialekt  wegen  des  avest.  x^m^**.  So 
hat  Kluge  sich  denn  'Verlocken'*  lassen,  für  zahlreiche  Worte,  die  ohne 
jeden  Zweifel  echt  germanisch  sind,  Entlehnung  anzunehmen  oder  gar 
als  sicher  hinzustellen. 


U6  &  8€hrdd«r, 

hoohgmiaf  gegebenen  Bedeotmig  Hfiriohtf  .  FOr  die 
dieser,  ron  Kluge  fOr  das  Wort  sk  fiteste 
Bedeutung  ^rioht  schlechthin'  aber,  die  sich  weder  im  Mhl 
Wib^  noch  bei  Schade  findet,  li^  anoh  nach  den  Von  Lsar 
gebrachten  Belegen  kein  AnlaB  Tor.  Allerdings:  tSrioht  vi  ja 
sohlieftlich  jeder  Übennnt;  aber  eben  deshalb  war  es  auch  fibev- 
flttssig  mhd.  ä6Uf$c-^imi  durch  ^törichter  Übennnt^  Hochmnf 
(Lexer)  zn  übersetsen;  'Obermnt,  Hochmuf  allein  bitte  aneh 
in  diesem  Falle  schon  genug  gesagt  Zu  berüeksiditigsn  ist 
snch,  daß  äolz  im  Althochdeatschen  ansschlieMieh  die  Bedeabmg 
^übermütig,  hochmütig^  fsnperbos,  festos*)  aufweist;  s.  Onff 
Ahd.  Sprach.  6,  678. 

Aber  angenommen  auch,  die  BedeutungsentwicUnng  wir» 
wirklich  so  vor  sich  g^;angen,  wie  Kluge  annimmt:  Höridit 
—  unbesonnen  —  übermütig  —  anmaßend  —  yomehm,  sieify 
so  würde  dadurch  und  auch  durch  den  Hinweis  auf  keusch, 
sauber  die  Bedeutung  *straf^  steif  0  immer  noch  nidit  an%»- 
klärt  sein,  und  noch  weniger  die  des  engl.  Wortes:  me.  äM 
*stout,  bold,  proud'  (davon  Btoidmsi  ^stubbomness*)  ne.  itoiil  litufc, 
stämmig,  handfest;  fig.  tapfer,  entschlossen,  tüchtige  wacker, 
kühn  usw/.  Bei  der  hier  gegebenen  Etymologie  jedoch  bleibt 
keine  der  zahlreichen,  auf  den  ersten  Blick  sum  TeH  unverein- 
bar scheinenden  Bedeutungen  unerklärt  Das  afrz.  pror.  e^tout 
•übermütig,  kühn'  ist  mit  Diez  Et.  Wtb.  d.  rom.  Spr.*  577  der 
Bedeutungen  wegen  auf  das  germ.  Wort  zurückzuf  üliren,  während 
ital.  stoUo  das  lat  stuUus  ist  Für  das  me.  siout  ist  Entlehnang 
aus  dem  Frz.  oder  vielleicht  auch  NL  anzunehmen  (vgl  Franck 
Nl.  et  Wtb.  Sp.  977  s.  v.  rfotrf).  — 

Genau  dieselbe  Bedeutungsenthltung  wie  die  hier  be- 
sprochenen Sippen  7on  stelp-,  stelk-,  stelt-  weisen  die  von 
germ.  sterp-,  sterk-,  stert-  auf. 

II.  Germ,  ster-^  sterp-j  sterh-^  stert-. 

Neben  der  indogerm.  Wz.  8t(h)el'  steht  die  ungefähr  gleich- 
bedeutende iudogerm.  Wz.  sfer-  *starr,  fest,  trocken  sein':  griech. 
crepeoc,  crc^ßoc  fest,  hart,  starr*,  lit  störas  *dick*,  griech.  acipo 
*Kielbalken'  usw.  Mit  der  Bedeutungsentwicklung:  'starr  — 
trocken  —  unfruchtbar  —  nicht  gebärend,  weil  zu  jung,  »u 

1)  Preuß.  tiolg  *'yon  der  Butter,  wenn  sie  im  Winter  steif  gewordea 
ist  und  sich  schwer  streichen  läßt**.   Frischbier  2, 374. 


Die  genn.  Wurzeln  iiti-  u.  «ter-  u.  ihre  durch  jp,  k,  t  erweiterten  Formen.    617 

alt  oder  männlichen  Oeschlechts':  lat  steräis  'unfruchtbar',  balg. 
tteriea  *gelf ,  griech.  cr^picpoc  •unfruchtbar*,  creipa  'unfruchtbare 
Kuh,  die  noch  nicht  geboren  hat*,  alban.  itjen.  'Lamm,  junge 
Kuh',  armen,  sterdi  'unfruchtbar*,  aind.  stari-  'unfruchtbare,  nicht 
trächtige  Kuh,  Stärke*.  Weiteres  u.  a.  bei  Persson  Zur  Lehre 
von  der  Wurzelerweiterung  und  Wurzel  Variation  S.  57,  63,  77, 
178,  185;  Zubatf  Über  einige  mit  st-  anlautende  Wurzeln  im 
balt-slav.  S.  3,  28;  ühlenbeck  Got  et.  Wtb.«  s.  v.  andstaürran^ 
daM\  ders.,  Aind.  et  Wtb.  s.  v.  9tart$,  sfhirda. 

Die  indogerm.  Wz.  der-  hat  verschiedene  Erweiterungen 
erfahren,  von  welchen  hier  (wie  bei  siel-)  nur  die  durch  idg.  -6-, 
-y-,  -d-  (=  geroL  -p-,  -i-,  -<-)  in  Betracht  kommen. 

Idg.  sierb'  finden  wir  in  aslav.  ustr^rngti^  uärMH^  ustrMU 
9§  'fortem  fieri*;  ustnbnffU  'maturescere';  strMfb  'fortis*;  dazu 
ablautend  8torb<  strabüi^  uärabüiy  ustraba  Vecreatio',  serb.  ostrch 
hUi  ranu  'stulli*,  tschech.  strabiti  'heilen*,  poln.  postrobic  'stärken*, 
kleinruss.  oäerbnuty  'erstarken*.  Vgl.  Miklosich  Et  Wtb.  d.  slav. 
8pr.  8.  322,  wo  mit  Unrecht  von  den  genannten  Worten  folgende 
getrennt  werden:  poln.  atorfto^' d^ 'wanken*,  kleinruss.  08tora(yfy 
ia  *scheu  werden*  (Wz.  starb-,  ablautend  zu  sterb-).  Dieselbe 
Bedeutungsentwicklung  haben  wir  auch  in  den  Sippen  der  er- 
weiterten Formen  von  idg.  germ.  stel-  kennen  gelernt  und  werden 
wir  auch  für  sUr-  im  Germ,  wiederfinden. 

Idg.  sterg-  wird  in  griech.  xöpTOC  'Geier'  (*ct-)  vorliegen, 
vielleicht  auch  in  lat  tergm  'harte  Haut*  {*st'). 

Eine  der  germ.  Wz.  steti-  entsprechende  idg.  Wz.  sterd- 
scheint  in  den  urverwandten  Sprachen  nicht  vorzukommen. 

Germ,  ster-  haben  wir  in  mhd.  starren  'starr,  steif  sein 
oder  werden,  rigere',  starrig  'rigosus',  mhd.  starr,  nl.  stdr  'starr, 
unbeweglich',  ahd.  stttrro,  mhd.  storre,  nhd.  storren  'Baumstumpf, 
ahd.  siorrin,  mhd.  slorren  'starr  sein  oder  werden,  steif  hervor- 
stehn',  hambg.  (Richey  v.  J.  1755,  S.  299)  sturr  'starr,  steif; 
in  übertragener  Bedeutung  in  got  and-staürran  'widerspenstig 
»ein,  murren',  wie  nhd.  stärrig,  störrisch,  nd.  pom.  (Dähnert) 
sturr  'starr,  störrig,  mürrisch*,  sturrkopp  'störriger,  mürrischer 
Mensch*.  Femer  mit  demselben  Bedeutungswandel  wie  in  den 
urverwandten  Sprachen:  got  staird  f.  'die  unfruchtbare',  ahd. 
stiro,  mhd.  sttr,  stire,  stirre  'widder',  nhd.  dial.  (Schm.-From.  2, 776) 
sleTj  steren  'Männchen  vom  Schwein,  vom  Schaf,  thür.  ster 
^Schafbock*. 


516  EL  Sehrödar, 


Die  im  ahd.  tfarahilM,  nhd.  aar  (AngeDknuddieH)  ent- 
haltane  Bedeatung  kommt  fllr  die  Sippen  dar  dmeh  gerat  j^ 
h^  t  erweiterten  Fonnen  der  Ws.  itor*  nicht  in  Betiaoht  Dtt 
sn  diesen  Wnneln  gehörige  Wortmaterial  ist  im  folgenden  wie 
bei  affifp-  usw.  nach  den  Bedentongen  in  swei  Hraplgroppen 
angeordnet  Ans  dieser  Übersicht  ist  der  FtodleUsmos  bdder 
Wnisebi  (ä^Hp-  ttsw,]  und  «far[p-  mw.])  in  Stammbüdiing  und  Be- 
dentnngsentwicklnng  klar  su  erkennen. 

1.  germ.  ä — rp-^  ä--  rh-^  ä — rl-  *fest,  steif,  staxr,  troAm 
sein,  machen  oder  werden;  erstarren,  gerinnen;  Ä.  etw.  Stüfai, 
Stsires,  Trocknes:  Stamm,  Stengel,  Stiel  nsw*. 

a)  g^ — rp-:  nhd.  diaL  tirol.  skrfn  ^Stnmk,  Knorren;  Stampf 
Ton  einem  Baum  usw.',  kämt  äarfßy  starfn^  dem.  Mrfl^  Stumpf 
Ton  einem  Baume  usw.,  von  einem  Zahne,  Zahnwuner,  dmf% 
g'titwrfn  *6e£äS  aus  Baumrinde',  eig.  '(ausgehöhlter)  Baumstunm*. 

h)ü—rh'':  got  jfostettribiafi  *ei8t&rren',  anord.  norw.  itorbia^ 
dän.  dmrkm  'gerinnen',  ahd.  U-,  #r-  äorAa/nin  'erkalten,  eistsrren', 
Tläm.  (De  Bo  8.  y.  ^dlurm)  fltwrhflm^  üwrUlm  'stremmen,  stoDen' 
(Ton  Fett  und  Wasser),  nmL  (KU.)  iltfrdMm,  stordbbn,  ooncces- 
cere,  constipari,  coagulari',  na  diaL  Morkm  to  gain  strengtfa;  to 
cool,  to  stiffen';  Kaltschmidt,  Qesamtwtb.  935  a,  Stalder  2,  401 
Schweiz,  storchdn  'gerinnen  (Blut),  erstairen*.  —  Hierher  gehört  das 
adj.  as.  ahd.  starc^  nhd.  starke  ae.  stearc^  ne.  storA:,  anord.  sUrkr. 
Die  ursprüngliche  Bdtg.  des  adj.  ist  u.  a.  bewahrt  in  ne.  diaL 
stark  'stiff ,  starky  *stiff,  dry*,  sowie  in  dem  vom  adj.  abgeleiteten 
sb.  nhd.  Stärke  'Amelmehl'  (zum  Steifen  der  Wäsche  »  mnd.  nd. 
sttvels).  —  Femer:  tiroL  stork  'Strunk,  Knorren;  Stumpf  von  einem 
Baum  usw.',  bair.  (Schm.-Fr.  2,  782)  stark  'Fischerstange',  Sterken 
'Stengel,  Strunk',  Fulda  Idiotikensamrolg.  Sp.  895,  pflugsterken 
'Pflugsterz';  auch  mhd.  bair.  (Schm.-Fr.  2,  781)  storch  'penis' 
gehört  hierher,  und,  wie  [bach-^  toasser-)  stdze  zur  Wz.  sidt-:  ahd. 
starach  usw.  ^storch*.  Mit  dem  Bedeutungswandel:  'starr  — 
trocken  —  unfruchtbar,  nicht  gebärend',  oder  'starr  —  trocken  — 
keine  Milch  gebend',  weil  zu  jung,  zu  alt,  oder  männlichen 
Geschlechts,  gehören  unmittelbar  zur  Wz.  sterk-  (wie  isl.  sUrÜa^ 
nhd.  dial.  sterzel:  stert-):  mhd.  sterke^  stirke  'juvenca',  tirol.  stercken 
'männliches  Zuchtschwein',  Schweiz.  (Stalder)  sterchi  'Zuchtochs', 
bair.  (Schm.-Fr.  2,  781)  sterch^  sterchen  'männliches  Zuchtschwein 
oder  Schaf',  mnd.  nd.  sterke^  starke^  ostfries.  stitse^  stüze  (<  *st$rt2e 
<  *stirke)  "junge  Kuh,  die  zum  erstenmal  kalbt  oder  gekalbt  haf. 


1 


Die  germ.  Wurzeln  iiti-  u .  ater-  u.  ihre  durch  p,  ky  t  erweiter  ten  Formen.    51 9 

ae.  stirc^  stiarc^  styrc^  styric  *bucula,  juvenca,  vitula;  buculus, 
juvencus',  ne.  (dial.  u.  schoti)  stire  "junges  Rind*. 

c)  st  —  rt-:  mhd.  stirzen  stv.,  sterzen^  starzen  sw.  v.  'steif 
emporragen,  turgere;  tr.  steif  aufwärts  richten',  nhd.  dial.  Schweiz. 
(Stalder  2,  401  vgl.  Schmeller- Fromm.  2,  786)  storz'n  Mick, 
dicht  sein  oder  machen,  stopfen',  kärnt  *hervorstehn,  strotzen*, 
Schwab.  (Schraid  507)  starzen^  storzen  "hervorragen;  steif,  voll 
sein'  g'storzet  vdl^  Schottel  (Haubtspr.  1421)  startzend  vcl  *tur- 
gidus',  anord.  sterta  'stramme,  stive  op'.  Hierzu  sb.  mhd.  stürzd^ 
fl^rs^Tflanzenstrunk',  auch  nhd.  dial.,  z.  B.  schwäb.  storze  "Strunk 
der  Staudengewächse',  rheinhess.  (Pfister  289)  storze  *Sterz,  bes. 
Strunk  der  Häuptergewächse,  Schoß  am  Hemde'  (vgl.  lauenbg. 
hemmsti9t\  steir.  slarz  *Kohlstrunk',  thür.  stürzet^  storzel  "Baum- 
stumpf;  femer  ahd.  sterz^  mhd.  sterz  "Schweif,  Stengel,  Stiel, 
Pflugsterz',  nhd.  sterz,  md.  stirt,  mnd.  nd.  stert  "Steißbein;  Sterz, 
Schwanz;  Hintere  (Podex);  Sterz  am  Pflug*  (so  gött),  mnl.  stertj 
staerty  nl.  staart,  afrs.  stert,  ae.  steort,  ne.  start,  anord.  stertr  "stjsert, 
bagdel  paa  fugle',  dän.  schwed.  stjcert,  norw.  stert,  stjart  "Schwanz, 
Schweif,  Sterz',  norw.  auch  "en  stub,  en  afhugget  stilk  usw.*.  — 
Wie  zu  Wz.  st  —  rk'  nhd.  Stärke  usw.,  so  zu  Wz.  st  —  ri-  unmittel- 
bar :  isl.  stirtla  "a  dry  cow',  nhd.  dial.,  z.  B.  steir.  sterzel,  sterzen 
"junger  Stier'. 

2)  8^  —  rp-,  st  —  rk-,  st  —  rt-  "steif,  schwerfällig,  unbeholfen 
sein  oder  gehn  und  daher:  fallen,  umschlagen;  tr.  umkehren, 
umkehrend  bedecken'. 

a)  st  —  rjh:  westf.  storpeln  "straucheln',  thür.  idortodn  "stol- 
pern' (Hertel  Thür.  Sprachsch.  s.  v.  stolpern ;  wegen  thür  -r«^-  = 
germ.  -rp-  vgl.  u.  a.  thür.  schlarwe  "Pantoffel,  schlechter  Schuh'  = 
nd.  darpe). 

b)  st  —  rk-:  nd.  lauenbg.,  holst,  (z.  B.  Kr.  Segeberg)  storkn 
"stürzen',  westf.  starkein  "straucheln,  stolpern',  gött.  storkeUg  "vom 
Gange  eines  vor  Alter  steif  gewordenen  Menschen*,  nhd.  dial. 
z.  B.  bair.  (Schm.-Fr.  2, 781  f.)  storkdn,  starkein,  störchdn,  stürcheln, 
tirol.  starken,  starkein,  starggVn  "stolpern,  straucheln*  und  (vielL 
unter  Einfluß  von  storch,  stark  'ciconia')  "mit  langen  Beinen  ein- 
herschreiten*,  thür.  starchen  "plaudern,  stammeln,  lallen;  wie  ein 
Storch  gehn*.  (Der  Bedeutungswandel :  "mit  den  Füßen  —  mit 
der  Zunge  anstoßen';  "schlecht  gehn  —  schlecht  sprechen*; 
'hinken,  stolpern  —  stottern,  stammeln*  findet  sich  sehr  häufig). 

c)  st  —  ri-i  anord.  sUrÜa  "to  hobble,  to  stagger'  (vgl.  norw. 

Indosermanifclie  Foncliaiigen  XVIII.  34 


580  H.  Schröder, 

dial.  slerta^  starta  'slaebe,  anstrenge  sig,  for  ex.  med  en  tang 
bjrde*:  han  gjekk  og  äerte  med  den  tunge  sekken.  Hierher?), 
ae.  stearUian  *to  stumble',  me.  sterilen  *rush,  stumble  along^,  ne. 
starüe  •erschrecken;  in  plötzlichem  Schreck  davonlaufen',  me. 
sUfien  (prt.  gierte^  stirte^  sturie%  ne.  start  'schnell  (sich)  bewegen; 
bestürzt  werden ;  tr.  auch  stürzen,  umkehren  (ein  Faß  o.  dgL*); 
mhd.  Sterzen  'stelzen',  ein  stürzender  'loripes',  bei  Schottel,  Haubt- 
spr.  1422,  stertzer  =  stellzer  •grallatoi^,  mhd.  stürzen^  stürm 
*intr.  umfallen,  umsinken,  stürzen;  tr.  fallen  machen,  stürzen; 
(umkehrend)  setzen  oder  decken;  gießen*,  stürz  *Sturz,  Fall; 
Deckel  eines  Oefäßes',  stürze  *Deckel  eines  Gefäßes';  in  denselben 
Bedeutungen  auch  neuhochdeutsch.  Wir  haben  hier  also  bei 
sterz^  sturz^  stürze^  stürzen  dieselbe  Bedeutungsentfaltung  wie  bei 
Stulpe^  stülpe^  stülpen^  stolpern. 

Ha.  Die  nasalierten  Formen   von  sterp-^  sterk-,  stert-. 

Nhd.  strumpf  Strunk  strunze;  nL  strtnnpelen  stronkden,  nhd. 
strunzen. 

Neben  den  Stämmen  st  —  rp-^  st  —  ri-,  st  —  rf-  stehn  gleich- 
bedeutend str  —  mp-^  str  —  nAr-,  str  —  nt-. 

[Das  Lautverhältnis  ist  dasselbe  wie  in  aisl.  skorpenn: 
skroppen  (pp  aus  mp)  *einp:eschnimpft*,  isl.  herpa(st)  *(sich)  krampf- 
artig zusammenziehii' :  ahd.  hrimfan  'contrahere',  aisl.  korpa 
'schwinden':  kreppa  {pp  aus  mp)  'zusammenschrumpfen',  aisl. 
verpa  'krümmen',  nhd.  sich  werfen  'sich  krümmen  (vom  Holz)': 
mnd.  wrimpen  'rümpfen',  wrempich  'distortus*,  isl.  korkna  'dahin- 
schwinden': schwed.  Dial.  krynk  'zusammenschrumpfen*  usw. 
(Über  diese  und  verwandte  Formen  ausführlich  verf.  PBBr.  29, 
489 — 515).  Ferner  ahd.  scartan  'schartig  machen':  scrintan  'rissig 
werden',  mhd.  schii^zen  'springen':  scJiranz  'Sprung,  Riß',  ae. 
wrin;tfln  'drehen',  got.  wruggö  'Schlinge':  aisl.  mrgell  'Strick', 
ahd.  umrgen  'würgen'.    Vgl.  Noreen,  ürgerm.  Lautlehre  210  f.]. 

Wir  ordnen  das  Wortmaterial  wieder  wie  vorhin. 

1.  str  —  mp'^  str — nk-,  str  —  nt-  'starr(er),  steif(er),  fester 
Gegenstand)'. 

a)  str  —  mp-:  mhd. strumpf  mnd. s^rwwp 'Stumpf,  Stummel, 
Baumstumpf,  verstümmeltes  Glied,  Rumpf,  nhd.  strumpf  nd. 
strump.  Seit  Mitte  des  16.  Jhs.  auch  'gestutzte  Hosen',  woraus 
die  heutige  herrschende  Bedeutung;  in  dieser  auch  in  die  nor- 
dischen Sprachen  übergegangen:  schwed.  strumpc^  dän.  sirjmfi 


Die  germ.  Wurzeln  tid-  u.  tier-  u.  ihre  durch  jp,  h^  t  erweiterten  Formen.    581 

^Strumpf ;  auf  die  ursprünglichere  Bedeutung  weisen  hin  norw. 
dial.  strump  *et  smalt  kar  (=  strokk);  smerspand,  butt,  holk*, 
isl.  strompr  'chimney-pot*,  gtrympa  'a  kind  of  water- jug  or 
bücket'.  Diese  Bedeutungen  lassen  sich  alle  erklären  aus  *(aus- 
gehöhlter)  Baumstamm'. 

b)  str  —  ftA:-:  norw.  Dial.  sfn^  *et  smalt  trsekar  med  laag, 
en  smorbotte;  en  smorkjeme;  en  tonde',  isl.  strokkr  *a  chum' 
eig.  '(ausgehöhlter)  Baumstamm'  wie  norw.  strump  usw.,  nhd., 
mhd.  Strunk  'kurzer,  dicker  Stengel',  mnd.  Strunk  'Stengel  eines 
größeren  Krautes;  Strumpf  ohne  vöüink'  =  nd.  Strunk,  nL  stronk. 

Dieselbe  Bedeutungsentwicklung  wie  bei  stolz  (starr  —  steif 
—  gerade  aufgerichtet — hochmütig)  finden  wir  hier  im  Skand. :  dän. 
Strunk  'steif,  stramm,  aufrecht,  hochmütig',  schwed.  dial.  (Riez  687) 
strurüc  (stronk^  strank)  'smart,  läng  och  smal  1  kreppen,  l&ngsträckt, 
välbildat;  hurtig;  välklädd;  högmodig',  aschwed.  strunker  'rak'. 

c)  str  —  nt-:  ne.  Dial.  (nördL  u.  schott)  strunt  'Schwanz, 
bes.  eines  Vogels;  membrum  virile',  schwed.  dial.  (Rietz  687b) 
strunt  *kort  halm;  ytterste  endan  af  en  ryssja';  ahd.  ^strunzo 
'truncus'  ist  zu  erschließen  aus  mhd.  strunze  'Stumpf,  Stummel; 
Lanzensplitter;  grober  Bengel',  strunzere  'detruncator'.  Mit  einem 
auch  sonst  vorkommenden  Bedeutungsübergang  (vgl.  mnd.  drummd 
'Baumstumpf;  hartes  excrement')  bezeichnet  mnd.  strunt  'Kot, 
Dreck*  =  nd.  strunt^  mnl.  nl.  stront^  auch  in  der  Bedeutung, 
'wertloses  Zeug,  Lappalie',  so  auch  schwed.  (aus  nd.)  strunt  'Lappalie, 
Lumperei,  Bettel';  das  Wort  ist  auch  ins  Romanische  übernommen: 
afranz.  estranty  nfranz.  itron  'Kof,  ital.  stronzo^  stronzolo  *runder 
dürrer  Kof  (Diez,  Et  Wtb.  d.  rom.  Spr.*  S.  404).  —  Aus  der  Be- 
deutung '(ausgehöhlter)  Baumstamm'  erklärt  sich  nhd.  Dial.  hess. 
(Vilmar)  strunz  'Gelte,  Zuber*  (s.  oben  norw.  strump  strokk). 

2.  str  —  wp-,  str  —  tfi-,  str — n^  'starr,  steif,  schwerfällig 
und  in  nachlässiger  Haltung  gehn  und  daher  stolpern,  straucheln  — 
oder:  starr,  steif,  in  gerader  Haltung  auftreten,  stolzieren,  prahlen'. 

1.  Sir — mp-:  mnd.  «krampen 'mit  den  Füßen  heftig  auftreten', 
davon  nhd.  (aus)  nd. strampeln ;  nmd. strumpen^ sfrumpe/^n'straucheln, 
anstoßen',  nd.  ostfries.  strumpdn  'gebrechlich  oder  steif,  stockend, 
lahmend,  hinkend  und  unsicher  gehn,  mit  einem  Fuße  ziehn, 
humpeln,  straucheln,  stolpern  usw.',  nl.  strompden  'humpeln,  sich 
mit  Anstrengung  fortbewegen',  mndL  strampen  'draven',  strom- 
pden 'struikelen,  gebrekkig  loopen;  door  iets  tegengehouden, 
opgehouden,  of  gestuit  worden';  vgl.  auch  afries.  strumphalty 


6»  H.  Sehröder» 

drmgJüdt^  nach  Biohthofen  1064b  *six>oklahin,  lahm  um  an  der 
Krücke  gehn  la  mflssen',  eher  wohl  vom  verb.  *8irnmpm  ^Bhim/ä 
als  *stranohellahm  d.  L  steif»  lahm,  aodafi  man  leioht  fifflf  la 
eiidSren;  aaoh  noch  in  mitt^-  und  obd.  Dialekt^  s.  R  nan. 
shr%mypek0nj  dnmqpchen  *die  Beine  beim  Gehn  wie  lahm  soUeifan', 
steir.  (Unger*E}iall  585)  rirumpfm  'schleppend  oder  watend 
gehn.'  Eehreln,  Nass.  Wtb.  395,  yeneiohnet  drampdn  M.  L 
stottern,  ättem,  wanken  beim  Hersagen  der  Eidesformel  dnzfie 
nicht  Torkommen';  in  demselben  Sinne  wurde  mnd.  Mrumpm 
gebrancht   Wegen  der  Bedentang  vgL  S.  514.  519. 

b)  Mtr — nk-:  mhd.  stTtmixln^  stnmim  *8trancheln,  innm', 
mnd.  drwiUen  "strauchebi',  ffyrofikdmi  Vanken,  schwanken',  moL 
ärondnlen^  nL  stronkelm  'strancheln,  stolpern',  dän.  diaL  (Mol- 
bech  560)  sMmke  *at  halte,  vaere  lam  i  beneme'. 

c)  dr — nt-:  mhd.jm^fviu»*müfiigee  umherlaufen,  Ghrofltan', 
a^rmsv,  shint»  'stolze  faule  Dirne,  eqna',  strmu^r  latro'  («  9iirm% 
nhd.  diaL  (Schm.-Erom.  2,  817)  $tra$i2m  *Orofitan,  müfiig  henun- 
lanfen',  dra9u»m  faule  Weibq>er8on',  steir.  a^ronam  Hinreinlich 
essen;  zaudern,  säumen,  langsam  handeln  und  reden',  hesB. 
(Yilmar)  drumim  'müfiig  umherstreichen',  drunsm  *eine  sidi 
müfiig  umhertreibende  Weibsperson',  hess.  (Pfister)  strenzdn 
*bummeln,  strolchen,  umherschlendem',  nass.  strömen  drans^n 
dass.  Eine  Streckform  von  stranzen  ist  steir.  sirabanzen  'müßig 
umherstreichen,  landstreichen,  strömen',  dazu  strabanzer  Mäßig- 
ganger,  Stromer,  Vagabund,  faullenzender  Strolch';  eine  Streck- 
form von  strunzen  wird  das  (urspr.  wohl  nicht)  mnd.  strabumen 
sein,  dessen  Bedeutung  üaubfischerei  treiben  ohne  Schonzeit?' 
von  Lübben-Walther  mit  einem  Fragezeichen  versehen  ist 

Von  außerdeutschen  Formen  gehören  hierher  ne.  diaL 
(nördl.  u.  schott)  to  strunt  'stolzieren',  dän.  diaL  strante  'skride 
ud  eller  ind,  vige  af  fra  den  rette  linie',  norw.  dial.  stranta 
Voxe  staerkt  i  beiden,  skyde  hoit  op\ 

IIb.  Germ,  sträk-^  sträp-,  strut-, 
1.  Nhd.  Strauch  straucheln^  nl.  struik  struikden. 
Nach  Weigands  und  Schades  Vorgang  stellt  Eluge  Et  Wtb. 
nhd.  strauchdn^  nl.  struikden  zu  anord.  strpika  'streichen,  glätten 
usw.*.  Dies  Verbum  aber,  das  noch  in  allen  nordischen  Sprachen 
und  Mundarten  lebendig  ist,  hat  nirgends  Bedeutungen  ange- 
nommen, die   einen  Zusammenhang   mit  straucheln  struikdm 


Die  germ.  Wurzeln  shl-  u.  tier-  u.  ihre  durch  p^  k,  t  erweiterten  Formen.    523 


wahrscheinlich  machen  könnten ;  vielmehr  deckt  sich  die  ganze 
Bedeutungsentfaltung  mit  der  von  nhd.  streichen^  ahd.  strthhan 
usw.,  zu  dem  ja  auch  anord.  sirjüka  mit  Wurzelvariation  (indo- 
germ.  str-vrg- :  str-i-g-)  unzweifelhaft  gehört.  Vgl.  Persson  Wurzel- 
erweiterung und  Wurzel  Variation,  Upsala  1891,  S.  185. 

Franck  Nl.  et.  Wdb.,  Sp.  987  s.  v.  struHcden^  ist  schwankend ; 
er  hält  Zusammenhang  von  stratichdn  strutkden  mit  anord.  sttfäka 
für  möglich  (Vellichf),  aber  Volgens  den  maatstaf  der  Etymo- 
logie von  str(mpelen'  (istramp)  auch  Zusammengehörigkeit  mit 
nhd.  Strauch  nl.  struik  nicht  für  ausgeschlossen.  Dagegen  er- 
klärt VercouUie,  Beknopt  Et.  Wtb.  der  nl.  taal«,  S.  283a  s.  v. 
struikelen^  ganz  bestimmt:  *Verband  met  struik  is  zeker*. 

Wenn  ich  mich  auch  Vercoullies  Ansicht  über  die  Be- 
deutungsentwicklung (eig.  *over  een  hobbeligen  grond  gaan,  d.  i. 
die  vol  struiken  en  stronken  is*)  nicht  anschließen  kann,  so  ist 
doch  auch  für  mich  der  etymologische  Zusammenhang  von 
Strauch  struik  mit  strauchdn  struikden  nicht  zu  bezweifeln.  Das 
Bedeutungsverhältnis  ist  genau  dasselbe,  wie  wir  es  bei  sämt- 
lichen nasalierten  und  nasallosen  Formen  der  Wurzeln  sterp-^ 
sterk'^  Stert'  kennen  gelernt  haben.  Wir  hatten  dort  u.  a.  folgende : 


I.  Substantive  mit  der  Bedeu- 
tung *ein  starrer,  fester  Gegen- 
stand, bes.  ein  Pflanzenstamm 
oder  -Stengel*: 

nhd.  dial.  storfn 

nhd.  dial.  stork^  sterken 


mhd.  stürzet^  stürzet^  nhd.  Dial. 
storze^  stürzet^  stcrzd 

mhd.  strumpfe  mnd.  strump 


mhd.  strunc  nhd.  mnd.  nd.  strurüc^ 
mnl.  stronc^  nl.  stronk 

mhd.  strunze^  nhd.  strunz 


IL  Verba  mit  der  Bedeutung 
*(steif  gehn):  stolpern,  fallen; 
stolzieren' : 

nd.  westf.  storpdn 

nd.  holst  störkn^  westf.  starkdn^ 
nhd.  dial.  starkein,  störcheln, 
stürchdn  usw. 

mhd.  stürzen,  stürzen,  nhd.  stür- 
zen, ae.  stearüian,  aisL  stirtla 

mnd.  strumpen,  strumpden,  mnl. 
nl.  strompden 

nl.  stronkden,  nd.  strunkdn 


nhd.    dial.    strunzen,   strömen, 
strenzdn. 


bU  H.  Sehrödar, 

Das  Bedentungsreriilltiiis  toh  dmmk:  itnmMln  taMet 
also  keine  Schwierigkeit,  yielmehr  spricht  es  gerade  fSr  die 
Zusaiimiengeh5ri^eit  der  beiden  Worte.  Wie  sind  sie  nun 
formell  zu  erklären? 

Ich  stelle  die  fOr  dramk  strauekdn  anzosetsende  gma. 
Wurzel  ärik-  anmittelbar  zu  der  oben  behandelten  Woziel  ätrh-. 
Ausgegangen  ist  sie  von  der  Schwnndstnfe  (indogerm.  ätg-^ 
aas  deren  f  im  Germ,  ein  «r  oder  ru  oder  aoch  beides  neben 
einander  sich  entwickebi  konnta  So  eridärt  sich  das  Neben- 
einanderstehen der  beiden  scheinbar  von  einander  unabhingigea 
Worzelformen  tterb-  and  «IrdSb-,  and  wenn  wir  die  nasalierte 
Form  Strunk-  hinzunehmen,  der  drei  Wurselformen  auf  das 
einfachste.    (Weitere  Beispiele  dieser  Art  s.  S.  526  ff.) 

Unterstützt  wird  diese  Auffassung  noch  durch  den  Um- 
stand, daß  nL  druihden  mundartlich  auch  heute  noch  in  dem 
Sinne  von  ^stellen'  d.  i.  'gerinnen,  dick,  steif,  starr  werden*  ge- 
braucht wird,  also  dieselbe  Bedeutung  bewahrt  hat,  von  der 
auch  die  ganze  Bedeutungsentwicklung  in  allen  zu  den  Wuneln 
sUrh-y  8t9rp-y  steri-  gehörigen  Wortsippen  ausgegangen  ist 

Zu  nhd.  sbratich  (mhd.  wMkh^  mnd.  nd.  sMük  [woraus  din. 
DiaL  iirug  •Kohlstrunk',  vgl.  hess.  —  Pfister  —  Strauch  •Strank, 
auch  Strauß'],  mnl.  strunc^  nL  strtdk  *Strauch')  und  nhd.  drauchek 
(mhd.  stHkhdn^  mnd.  nd.  mnl.  8triUcel(e)fiy  ndl.  struikeUn  'stolpern, 
straucheln',  ahd.  8trüchal{tn)  'strauchelnd,  stemax',  ahd.  sirüehony 
mhd.  strüchen^  strocken^  nhd.  Dial.  Sträuchen  'straucheln',  mhl 
strüch  'straucheln,  Sturz')  gehört  femer  mhd.  strüche  *p6Stis, 
catarrus,  reuma',  strüchen  'reumatisare',  nhd.  dial.,  z.  B.  baii. 
(Schmeller-Frommann  2,  805)  die  Sträuchen  'bei  gemeinen  Leuten 
das,  was  bei  vornehmen  der  Schnupfen  oder  Katarrh*.  Das 
Bedeutungsverhältnis  ist  etwa  dasselbe  wie  in  mhd.  bürzd,  börzd 
'eine  katarrhalische  Seuche' :  burzdn^  bürzen^  nhd.  burzdn^  purzeb^ 
und  nhd.  krank :  ahd.  krankolAn  'straucheln' ;  mhd.  Strucks  also 
eig.  'Hinfälligkeit*. 

Aus  der  ursprünglichen  Bedeutung  des  'Starrseins'  (vgl 
nl.  dial.  struikden  'erstarren')  erklärt  sich  das  von  Schmeller- 
Erommann  2, 808  und  Graff  6,  744  verzeichnete  mhd.  struchel  (tf  ?) 
'sublinguium,  guttur*.  Dieselbe  Bedeutungsentwicklung  finden 
wir  auch  wieder  in  den  Sippen  von  strüt^  und  sträp-  (aus  sffrf-, 
stflh  von  sierd-,  sterb-). 


Die  geim.  Wurzeln  std-  u.  sUr-  o.  ihre  durch  p,  k^  t  erweiterten  Formen.    626 

2.  Genn.  strät-. 

Die  Grundbedeutung  des  Starr-,  Fest-,  Steifseins  ist  deut- 
lich bewahrt  in  ae.  strütian  'to  stand  out  stiffly,  be  rigid',  me 
strüten^  strauten  *strut,  swell  ont,  turgeo,  contend',  strütj  strout 
*swelling,  contention',  ne  sind  (älter  auch  stroot^  strout)  *hervor- 
stehn,  strotzen,  aufschwellen  (in  diesen  Bedeutungen  veraltet); 
sich  brüsten,  stolzieren,  prangen,  stolz  einhergehen',  strui  sb. 
Mas  Strebeband,  die  Strebe,  Steife,  Spreize'  (archit),  dän.  strude^ 
strutte  'strotzen,  starren',  dial.  (Molbech)  'stae  ud,  stae  frem  med 
enden',  anord.  strütr  *opstaaende  kegleformig  spids  eller  top  paa 
hat  eller  heette',  norw.  dial.  strut  (uu)  *tud,  fremstaaende  rer, 
ogsaa  en  snude',  stryta  *snude,  fremstaende  mund',  dän.  strut 
*mund,  maul';  vom  Gang:  schwed.  strutta  'trollen',  dial.  (Rietz 
686  b)  ürutta  *g&  med  en  fremät  stupande,  stapplande  och  stötande 
g&ng;  hoppa  omkring'.  Auf  die  Bedeutung  '(ausgehöhlter)  Baum- 
stamm' scheint  zurückzugehn  schwed.  dial.  (R.  687  b)  stryt  *bytta'. 

Aus  dem  Deutschen  gehören  hierher:  nd.  (götting.)  struUe^ 
strut  'gespreizt,  starr,  steif,  ns.  (Brem.  Wtb.)  struit  'starr,  steif, 
nhd.  (Fulda  720  b,  Campe  4,  1810)  siroiz  'starr,  steif,  strotzen^ 
mhd.  strotzen^  strengen  'angeschwollen  sein,  strotzen,  aufwallen'  i), 
mhd.  striug  'sich  sträubend,  in  die  Brust  werfend',  stringen 
'sträuben,  spreizen',  nhd.  (Schottel  Haubtspr.  1425)  streussen 
'horrere  wie  die  zornigen  Tiere',  bair.  (Schm.-Form.  2,  819)  skh 
streussen  'sich  spreizen',  nhd.  sich  üf  etw.  stritten  'darauf  pochen' 
(wegen  der  Bedeutung  vgl.  nhd.  sich  steifen^  versteifen  auf  etw.\ 
sich  üf  einen  striugen  'ihn  anrennen,  mit  ihm  einen  strüg  be- 
stehn',  strüg  'Widerstand,  Zwist,  Streit,  Gefechf  =  nhd.  strauß 
dass.  (vgl.  auch  me.  strüt,  strout  '1.  swelling;  2.  contention'); 
hierher  auch  nhd.  strauss  'Strauch,  Büschel',  mhd.  *stri^  in 
dieser  Bedeutung  zu  erschließen  aus  gestriuge  'Buschwerk'  und 
strügach  'Gebüsch'. 

Hierzu  stelle  ich  mit  Schade,  Ad.  Wtb.«  2,  883  b  auch 
mhd.  strme  'Kehle,  Luftröhre',  nhd.  Dial.  (Schm.-From.  2,  819) 
stross  'Kehle,  Schlund',  andd.  strota  'tuba,  guttur*,  mnd.  strote 
(ärotte,  strate\  nd.  (götting.)  slröte^  lauenb.  strütt  usw.  'Kehle, 
Gurgel,  Schlund,  Luft-,  Speiseröhre',  mnl.  strote^  störte^  nl.  sirot 

1)  Wegen  der  Bedeutungsentfaltung  von  atert-^  str^U  vgl.  nhd.  sterz 
:  stürzen  :  slorzen  Cstrotzen') :  ne.  strut  ('stolzieren')  nhd.  strotzen  =  nhd. 
bürzd :  burzeln :  borzen  ('strotzen') :  brotzen  (refl.  'sich  aufblähen,  stolz  tun'). 


586  a  Schröder, 

*Eehle,  Oorgel,  Schlund',  afrs.  äfül  in  gtrotUBa  "EehlkopE,  Chnger, 
ostfries.  ärQU($)j  ürmß)  *Kehle,  Luftrfihre,  Schlund,  Qoigel  nsw/. 
(DasuEormen  ohne  das  anlautende  9 in  nhd.  drosaeL,  na  tkroaii  anoid. 
ßroht  usw.  wie  anord.  finUenn  ^geschwoDen':  nhd.  «frettmi  usw.). 
Dieselbe  Bedeutung  finden  wir  auch  bei 

3.  Gterm.  sM^  (aus  dfb-:  timrb^). 

Aisl.  sMfipe,  dnip$j  adfin.  aschwed.  sM^  *Eehle*,  nonr.^ 
s^ni|w  *strube,  Hals;  en  smal  aabning*,  «fruft,  9tfi^  (uu)  *aabniiiK 
gab',  schwed.  dng^e  *Eehle,  Gurgel',  diaL  (Rietz  687  b)  auch 
*pip  p&  en  dricks-kanna'  (wie  norw.  strutX  dän.  stmfo  *Edile, 
Gurgel';  dazu  (wohl  aus  dem  nord.)  me.  äri^  *throaf. 


Analoga  für  germ.  sirüp-^  strüh-^  Birüi- 
aus  vorgerm.  sifh-^  ^ifg-^  sifd-  (:s^#r&-,  si^rg-^  9Uri'\ 

Wie  die  soeben  besprochenen  FBUe,  eiUSre  ich  auch  germ. 
9trüh-  in  nhd.  diaL  üraub^  mhd.  Orüp^  sMIbej  andd.  mnd.  nd. 
shrUf  ^starrend',  nhd.  strauben^  mhd.  arüben^  ahd.  shübtHy  mnd.  nd. 
sMhen  *starren';  dazu  ahd.  strcbaUnj  mhd.  streben  =  shrübm  usw. 
Germ.  striUh  ^starren'  aus  vorgerm.  stfp-  stellt  sich  zu  idg.  sterp- 
{ster-p-,  Nebenform  von  »fer-6-),  germ.  sterb-  in  anord.  djarfe 
"Starrkrampf ,  stirfenn  'starrsinnig',  nd.  ostfrs.  starfen  st  v.  "er- 
starren, steif  werden  (Hände,  Füße),  gerinnen  (Fett),  fest,  hart 
werden  (Lehm,  Kalk,  Mörtel);  sterben',  vgl.  Fulda,  Idiotiken- 
Samml.  513  starben  *starr  machen*,  nhd.  sterben  usw.  also  eig. 
'erstarren'.  Idg.  sterp-  in  lit  sterptis  (iii  satßo  teisibf  'auf  seinem 
Becht  bestehn',  vgl.  mhd.  sich  stritten  üfj  nhd.  sich  steifen,  ter- 
steifen  auf  in  ders.  Bedeutung),  stirpstü,  stifpti  'emporkommen, 
heranwachsen',  stärplis  'Hinterteil  des  Pferdes,  Brust  des  Pferdes*, 
stürples  'Steiß  eines  Vogels',  kleinniss.  ostoropyty  sfa  Tbetroffen 
werden';  ferner  verschiedene  balt-slav.  Worte  ohne  das  an- 
lautende S-:  lit.  tirpH  'einschlafen,  gefühllos  werden',  lett  Ürpl 
'starr  werden'  usw.,  dazu  lat  tarpere,  torpescere,  iorpor,  tarpidus. 
S.  Persson  Wurzelerweiterung  und  Wurzelvariation  Upsala  1891, 
S.  57.  Zubaty  Ber.  d.  böhm.  Ges.  d.  Wiss.  Prag  1895,  Stück  16, 27  t 
und  schon  früher  ten  Doomkaat  Koolman  Ostfries.  Wtb.  3,  302 1 
s.  V.  starfefi.  Nach  diesen  auch  Siebs  KZ.  37,  312. 

Unbedingt  sicher  scheinen  mir  jetzt  auch  folgende  Wie 
zu  sein: 


He  genn.  Wurzeln  Hei-  u.  Hm'-  u.  ihre  durch  p,  h^  t  erweiterten  Formen.    687 

a)  Genn.  kerp-  in  aisl.  korpa  'pining  away\  korpna  *to 
'all  off,  norw.  korpuU  *knudret,  ru,  haard*,  korpenaver  "haard 
)g  rynket  nsever*  usw.:  genn.  kr — mjh  in  ahd.  krimfany  mhd. 
mmpfen^  md.  nind.  nd.  ninL  nl.  krimpen^  aisl.  *kreppa  (ptc. 
arappenn)  *sich  zusammenziehen,  sich  krümmen,  zusammen- 
schrumpfen*: genn.  kräp-  in  ae.  crüpan^  contract,  clench  (hands)*, 
län.  krybe  ind,  satnmen  'einkriechen,  zusammenschrumpfen', 
lorw.  krjBnfpa  'krympe  sammen",  ae.  criapafty  aisl.  krjüpa^  as. 
hrüpaitf  nd.  krüpm^  nl.  kruipen  usw.  'kriechen',  eig.  *durch 
Krümmung,  Zusammenziehung  sich  fortbewegen'  (vgl  lat  serpo 
krieche*,  serpens  'Schlange*,  griech.  gpiru)  "krieche*,  aind.  sdrpati 
kriecht'  (ptc.  Sfptas)^  sarpds  'Schlange,  Natter',  alban.  ^arp^r 
Schlange',  zu  griech.  äpTrri,  lett.  sirpe^  aksl.  srupüj  poln.  sferp, 
•uss.  serpu  "Sicher,  eig.  'krummes  (Messer)',  Verf.  IF.  XVÖ, 
3.  463);  dazu  ae.  crypel  'contractus',  nhd.  Krüppel  usw. 

b)  Germ,  skerp-  in  aisl.  skorpenn^  norw.  skorpen^  schwed. 
Aurpen  'skrumpen,  indtorret,  indskrumpet*,  aisl.  norw.  skorpna 
indtorres,  indsbrumpne*  usw. :  germ.sir —  mp-  in  ahd.  schrumpfen^ 
nhd.  schrimpfen,  md.  mnd.  schrimpen^  nd.  schrumpen^  aisL  norw. 
Jkreppa  usw.  'einschrumpfen,  sich  zusammenziehen,  vertrocknen 
isw.'  :  germ,  skrüp-  in  schwed.  skröplig^  dän.  skrabdig^  norw. 
Arjfbeleg  'schwach,  gebrechlich,  abgelebt*,  norw.  sirypa  'forode'  usw. 

c)  Germ,  kerk-  z.  B.  in  isL  korka  'a  pining  or  wasting 
iway',  korkna  *to  d windle  away*  usw.  :  germ.  kr-  nk-  in  ne. 
Tinkle^  mnd.  nd.  krunkd^  krünkel  'Runzel,  Falte*,  me.  crinklenj 
renkten^  mnd.  krunkelen^  nd.  krünkdn^  nmdl.  kronkden  'crispare, 
ntorquere,  flectere*,  schwed.  dial.  krynk  'torka  ind,  dragas  till- 
aunmen,  minskas,  krympa  ihop*  usw.  :  geruL  krük-  in  norw. 
hrBkUiy  krtfkla  'forkroblet  trae,  skrobeligt  v»sen*,  krßika  'trsekke 
jig  sammen,  krybe*,  krukla  'sammenkroget  figur*,  nd.  krökd^ 
il.  kreuk  'Runzel,  Falte*  zu  ahd.  kriechen  usw.  'durch  Krümmung, 
Susammenziehung  sich  fortbewegen*,  vgl.  auch  nhd.  einkriechen  = 
'sich  zusammenziehen,  einschrumpfen*. 

d)  Germ,  skerk-  in  me.  scorcnen  'to  crack,  to  furrow*, 
jchwed.  dial.  skorhf  'skorpna*,  norw.  siarA^n  'svag,  affäldig*  :  germ. 
rir — nk'  z.  B.  in  ae.  scrincan,  ne.shrink  'einschrumpfen*,  aisl. 
Jarukka  westf.  (mit  Ausfall  des  inneren  Gutturals)  schruntsel 
Runzel,  Falte'  :  germ.  skruk-  z.  B.  in  nd.  dithni.  schrökdi  'krüp- 
pelig*, holst  schrökd  'Krüppel,  elender  Kerl',  ns.  (Brem.  Wtb.) 
}ckräkei  (d,  ^'ein  jedes  Ding,  das  sein  gehöriges  Wachstum  nicht  hat*. 


MB  &  SchochardC, 

Das  lu  diesen  vier  Panllebeihen  gehörige  genn.  Wort- 
meterial  habe  ich  erschöpfender  ao^gefQhrt  in  meiner  Abhandlmig 
ttber  *da8  bewegliche  s  vor  Gnttoial  +  r  in  den  genn.  Spinudieii', 
PBrB.  29,  479—554,  bes.  a  489—616,  sowie  &  5301  {Mtb^* 
krUh-)  und  a  532  (äb^,  kri^). 

Diese  Zusammenhinge,  die  ich  schon  damals  (die  Ab- 
handlung habe  ich  bereits  im  Ifai  1903  abgeschlossen)  Termutsls, 
aber  noch  nicht  erwShnte,  scheinfin  mir  jetit  gans  aweifeUos 
SU  sein:  die  Paialleiformen  {B)kmrp' :  {$)kr — Mp- :  (s)irdlfp-  und 
(8)jbrl^• :  (s)tr — «ib- :  {gyerük-  entsprechen  formell  genau  den  oben 
behandelten  st^rp- :  str—mp- :  Btri^  ämrk- :  tir — nk-  :  ärii- 
und  ätr^  :  str—nt- :  iträh-. 

SkL  Heinrich  Schröder. 


Korrekturnote:  Nach  dem  AbschlnA  dw  liskr.  erschien  das  9. 
und,  nachdem  die  Abhandlung  bereits  sesetzt  war,  das  10.  Heft  v€o 
Falk  og  Torp,  Etym.  ordb.  over  det  norske  og  det  danske  sprog  (9.  tq& 
ikod  bis  tM,  10.  bis  trmkk^).  Die  oben  zaletst  (S.  620  ff.)  behanddten 
Wortsippen  eridären  F.  u.  T.  anders  (mich  nicht  tibeneugend);  dsgqgsD 
stimmen  sie  inbesng  auf  das  hier  unter  I.  und  DL  Gebrachte  im  weaeot* 
liehen  mit  mir  tÜMrein.  Dennoch  scheint  mir  auch  dieser  Teil  noch  nicU 
Oberflflssig  geworden  zu  sein,  weil  er  den  Parallelismus  in  der  Form- 
und  Bedeatongsentfaltong  der  beiden  Reihen  klarer  hervortreten  lifit, 
als  es  in  einem  Wtb.  möglich  ist,  und  auch  zu  dem  von  F.-T.  Gebrachten 
noch  manche  Ergänzung  bietet  H.  S. 


Über  den  aktiyischen  und  passiylschen  Charakter   V^ 
des  Transitiys.  >» 

Was  von  mir  und  andern  (auch  hier)  über  diesen  Gegen- 
stand gesagt  worden  ist,  will  und  muß  ich  in  der  folgenden 
Skizze  unberücksichtigt  lassen,  zu  der  ich  AnlaS  und  Mufie  einer 
unfreiwilligen  Reiseunterbrechung  verdanka 

Das  transitive  Verb  (ich  meine  das  was  man  sonst  Yerbal- 
stamm  nennt)  ist  neutral  und  kann  nichts  anderes  sein.  Es 
vnrd  aktivisch  oder  passivisch  erst  in  der  Verbindung  mit 
nominalen  (und  pronominalen)  Momenten,  sei  es  innerhalb  des 
gegliederten  Satzes,  sei  es  innerhalb  des  verschmolzenen,  de& 
wir  als  Yerbalform  bezeichnen.    Bin  Yerbalnomen  wie  *SdiUi(f 


Ober  den  aktiv,  und  passiv.  Charakter  des  Transitivs.  529 

gibt  am  besten  eine  Vorstellung  von  dieser  Neutralität,  Tvährend 
•Schlagen*,  obwohl  noch  außerhalb  einer  solchen  Verbindung, 
wegen  der  Möglichkeit  eines  'Geschlagen-werden'  sich  nicht 
allzugut  dazu  eignet  Stellung  und  Form  der  nominalen  Elemente 
ergeben  den  Charakter  des  Transitivs.  Wenn  ich  von  etwas 
(als  Bekanntem)  etwas  (als  Neues)  aussage,  so  nenne  ich  natur- 
gemäß das  zweite  an  aweiter  Stelle  und  mit  Nachdruck.  In  dem 
Satze  (I)  der  Vater  ruft  dich  (die  beiden  letzten  Worte  sollen 
hier  einen  einheitlichen  Ausdruck  darstellen,  es  soll  von  seiner 
möglichen  Differenzierung  abgesehen  werden)  ist  der  Vater  reales 
Subjekt  und  zugleich  logisches,  dem  grammatisch  die  Subjekt- 
form, der  Nominativ,  entspricht  Den  objektiv  gleichen  Inhalt 
hat  der  Satz  (11)  dich  ruft  der  Vater  (oder  es  ruft  dich  d.  F.), 
aber  nicht  den  gleichen  Wert  Hier  erscheint  das  reale  Subjekt 
als  logisches  Prädikat,  von  dem  Geschehen  dich  ruft  wird  der 
Vater  als  Urheber  ausgesagt;  wenn  der  Nominativ  steht,  so  nur 
der  äußern  Sprachform  nach,  es  birgt  sich  hinter  ihm,  in  der 
innem  Sprachform,  der  Aktivus.  Kurz,  I  ist  aktivisch,  II  ist  pas- 
sivisch (=  du  wirst  gerufen  vom  Vater).  Wir  dürfen  demnach  auch 
sagen,  daß  der  grammatische  Ausdruck  für  das  reale  Subjekt 
ans  drei  Komponenten  besteht: 

a)  Lautform:  'Nominativ,  "Aktivus; 

b)  Stellung:    'vor  dem  Verb,  "nach  dem  Verb; 

c)  Betonung:  'schwach,  "stark. 

Wenn  nun  I  a'  +  b'  +  c'  darsteUt  und  11  a'  +  b"  +  c",  so 
bleiben  noch,  bei  unverändertem  a',  die  beiden  Möglichkeiten 
(EI)  a'  +  b'  +  c":  der  Vater  ruft  dich,  und  (IV)  a' -f-b" -f-c': 
dich  ruft  der  Vater.  Das  sind  aber  nur  sekundäre  Varianten 
von  n  und  I,  welche  für  die  Erwägung  des  Ursprünglichen 
nicht  in  Betracht  kommen.  II  und  IV  können  gar  nicht  ein- 
treten, wo  keine  Kasusunterschiede  bestehen ;  ich  kann  es  ruft 
Karl  oder  es  ruft  Karl  nicht  erweitem  zu  Paul  ruft  Karl 
oder  Paul  ruft  Karl 

Wohl  aber  kann  Paul  ruf-t  Karl  in  der  einen  Sprache 
—  so  im  Deutschen  —  aktivisch  sein,  in  der  andern  passivisch 
(=  Paul  wird  gerufen  von  Karl),  Doch  finden  sich  aküvische 
und  passivische  Fassung  des  Transitivs  auch  in  der  gleichen 
Sprache,  entweder  getrennt  bei  verschiedenen  Kategorien  des 
Verbs  oder  verschmolzen  in  einem  und  demselben  Satz.  Um 
diese  Verhältnisse  auf  den  einzelnen  Sprachgebieten  mit  Klarheit 


A80  H.  Schnchardt,  Üb«r  den  «ktiY.  u.  punr.  filwiTaktar  du 

erSrtem  sa  können,  mttaen  wir  nns  gegenwirtig  halten,  dil 
der  passlTisohe  Charakter  eines  Satiee  erkannt  wird:  1)  anTeib 
+  Sobjekt,  2)  am  AktiTos  »■  realem  Subjekt,  3)  am  unerweitertea 
Nomen  *-  realem  Objekt;  der  aktivisohe:  1)  an  Subjekt  +  Verii, 
2)  am  unerweiterten  Nomen  =>  realem  Subjekt,  3)  am  Ak- 
kuaaÜT  »  realem  Objekt  Auf  die  Entstehung  des  AkkusativB 
gehe  loh  nicht  ein;  der  des  AktiTUS  aber  muß  ioh  einige  Worte 
widmen.  Der  Aktivus  ist  wie  alle  Kasus,  vom  NominatiT,  der 
gar  kein  Kasus  ist,  und  vom  Genetiv,  der  ein  Adjektiv,  abge- 
sehen, ein  Adverb  und  kann  durch  Angliederung  einer  Appo- 
sition entstanden  sein:  VaUr-Ort  (  mtens  ds$  VaUrs,  Vater- 
Werkzeug  {  durch  den  Vater  o.  ä.  Aber  der  von  Anfang  an  mit 
ihm  verbundene  Nachdruck  kann  sich  audi  durch  einen  pro- 
nominalen Zusatz  verstärken:  Vaier-er  (e^eei  le  pire  jui...\ 
was  ich  besonders  mit  Hinblick  auf  die  Erklärung  des  arischeD 
-f  und  des  semitischen  -n  erwähne. 

Was  nun  die  Vermischung  anlangt,  so  wird  wohl  die 
Stellung  der  YoUwörter  für  Subjekt  und  Objekt  am  besten  beiseite 
gelassen,  da  sie  meistens  eine  aiemlich  freie  ist,  und  nur  wenige 
Sprachen  sich  so  fest  binden  wie  das  Fransösische.  Im  Bas- 
kisch an  ist  das  Präsens  rein  passivisch,  das  Imperfekt  z.  T. 
passivisch-aktivisch :  van-mir  er4ninff'4xm'mir :  vanrmir  ieh-iratiiU 
er.  Im  Kharthwelischen  ist  das  Präsens  rein  aktivisch, 
der  Aorist  passiviscb-aktivisch :  ich  ich-bringe  ihn :  van-mir  ick- 
brachte  er.  Im  Semitischen  ist  das  reale  Subjekt  beim  TranslüT 
ebenso  wie  beim  Intransitiv  durch  das  mit  Endung  versehene 
Nomen,  also  durch  einen  Aktivus  ausgedrückt,  womit  der  Akku- 
sativ als  Bezeichnung  des  realen  Objekts  im  Widerstreit  steht 
Die  Yerbalform  ist  aktivisch  im  Imperfekt  (assyr.  Präteritoni, 
Präsens)  und,  auch  beim  Intr.,  passivisch  im  Perfekt  (assyr. 
Permansiv).  Im  Arischen  (Idg.)  ist  das  Verhältnis  bezüglich  des 
freien  Subjekts  und  Objekts  das  gleiche  wie  im  Semitischen;  aber 
die  Verbalform  ist  nur  passivisch.  Allerdings  ist  die  Überein- 
stimmung: templum  aedificai  rex  ^  fUium  vocat  pater  neben 
tetnplum  aedificatur:  ßius  vwxxtur  zu  bemerken.  Die  Bildung 
eines  eigenen  Passivs  beweist,  daß  der  passivische  Charakter 
des  Transitivs  dem  aktivischen  Platz  gemacht  hatte;  es  fragt 
sich,  ob  nicht  die  präsentischen  Stammerweiterungen,  wie  das 
wohl  mit  den  sehr  ähnlichen  kharthwelischen  der  Fall  ist,  der 
Umwandlung   eines  passivischen  Transitivs   in   ein  wii^hches 


K.  Brugmann,  Umbrisch  purditom,  531 

Aktiv  gedient  hatten.  In  den  neuen  Sprachen  sind,  zum  Teil 
durch  mechanische  Wirkungen,  die  passivischen  Spuren  noch 
stärker  verwischt  worden.  Man  vergleiche  ü  re  ehiama  mit  reg-s 
dafna-4;  manche  Mundarten  sagen  sogar  ü  re  d-chiamdi  wo  also 
die  völlige  ümkehrung  von  dama-t  vorliegt 

Mögen  diese  Bemerkungen,  hinter  deren  dogmatischer 
Kürze  sich  mancherlei  Bedenken  verstecken,  die  Bebauer  des 
arischen  (idg.)  Sprachgebietes  zum  Büinüberblicken  über  dessen 
Grenzen  verlocken,  damit  sie  untersuchen,  wie  viel  von  den 
berührten  Übereinstimmungen  dem  *Völkergedanken',  der  Ur- 
verwandtschaft, der  EnÜehnung  angehören. 

H.  Schuchardt. 


'A 


Umbrisch  purdäom, 

^  Den   Schluß  teil  von   umbr.  pur-douitu  *porricito'   pur- 

tuvies  *porricies'  bringt  man  zusammen  mit  lat  duam  duim  ad- 
dues^  gthav.  Inf.  däväi  ai.  Inf.  dävdni^  kypr.  Inf.  öoFevai  Opt 
buFavoi,  lit  datnaü  *ich  gab'  dovanä  'Gabe',  und  hiergegen  ist 
nichts  einzuwenden.  Zur  W.  dö-  "geben*  oder  zu  dem  von  ihr 
ausgegangenen  Stamm  döu-  sollen  aber  auch  gehören  pur- 
tiius  'porrexeris*,  pur-ditom  *porrectum*,  pur-tifele  **porri- 
cibilem'.  v.  Planta  2,  252  setzt  einen  Präsensstamm  *d'ii(h  (zu 
da-)  nach  der  lat  vierten  Konjugation  an.  Dieser  ist  jedoch 
darum  wenig  wahrscheinlich,  weil  er  nirgends  sonst  in  den 
indogerm.  Sprachen  wiederkehrt.  Andere,  zuletzt  Bück  Grammar 
67,  gehen  von  einem  ^du-iio-  aus,  worin  *du'  die  Schwund- 
stufenform zu  dou'  (pur-douitu)  sein  solL  Gegen  diese  Kon- 
struktion wendet  v.  Planta  ein,  daß  Übergang  von  du-  in  d-  im 
Oskisch-Umbrischen  nicht  erwiesen  sei.  Und  damit  hat  er,  wie 
mir  scheint,  trotz  Bück  a.  a.  0.  Recht 

Als  Belege  nennt  Bück  di-fue  *bifidum'  und  akkatus 
'advocati*.  Jenes  beweist  darum  nichts,  weil  lat.  di-färiam,  di- 
entUum  u.  a.  ebenso  wie  griech.  öi-irouc  usw.  ein  uridg.  *di'j 
nicht  ^dui-^  enthalten  (Solmsen  Unters,  zur  griech.  Laut-  u. 
Versl.  212 f.,  PBrB.  27,  362  f.,  Verf.  K.  vergl.  Gr.  104.  263. 
364).  So  wird  doch  wohl  auch  umbr.  du  uridg.  *df-  sein.  Und 


532  K.  Brugmann, 

die  Verbindang  akkatus  inim  trstus  auf  der  Bleiblatte  bä 
y.  Planta  no.  119  entspricht  zwar  dem  Sinne  nach  gewifi  dem 
advocoH  et  festes  Plaut  Poen.  531  (Skutsch  BB.  23,  101).  Aber 
daß  ^ad-uMHo-  durch  die  Zwischenstufen  *adohäto-^  ^adkäto- 
zu  akkäto-  geworden  sei,  ist  wenig  glaublich;  wenn  u  nicht 
durch  die  Analogie  der  Simplizia  von  W.  yeqff-  mjv-  in  dem 
Kompositum  *ad''yokär  festgehalten  wurde,  wie  es  sich  im  Latei- 
nischen in  den  Komposita  wie  advoco  behauptet  hat,  so  sollte  man 
eher  wenigstens  '*'adukatus  erwarten  (u  durch  Samprasärai^ 
aus  uo).  Ich  vermute,  daß  in  akkatus  ein  Kompositum  mit 
dem  durch  umbr.  kaf  etu  karitu  carsitu  *calato,  vocato,  appellato' 
vertretenen  Verbum  vorliegt  Das  l  von  *ad'kaltös  wurde  re- 
duziert gesprochen  oder  war  ganz  geschwunden:  vgl.  atrud 
•altero'  (neben  aUrei)  Tab.  Baut  Z.  24,  umbr.  motar  'raultae' 
(v.  Planta  1,  299,  Bück  69).  In  dem  Dialekt  unserer  Inschrift 
kann  l  in  4t-  jedenfalls  dieselbe  Behandlung  erfahren  haben  yne 
in  dem  Dialekt  von  Bantia.^) 

^)  Was  das  f,  rs  von  kafetu  karitu  carsitu  betrifft,  so  scheint 
mir,  daß  im  Umbrischen  1}  bei  starker  Mouillierung  des  /  durch  die 
Zwischenstufe  ü  hindurch  zu  dj,  und  daß  in  dieser  Verbindung  d  weiter 
zu  r,  7'8  geworden  ist.  Die  Beweisstücke  sind:  famefias  'familiae', 
Hu  He  Horse  Dat.  Sg.,  Name  eines  Gottes,  neben  Hule  Dat.  Sg.,  Name 
einer  Göttin  (v.  Planta  1,  413  Fufm.  3  und  439  Fußn.  1),  und  arsirXh 
6.  7.  das  sehr  wahrscheinlich  'alius'  ist.  In  den  Formen  carsitu  und 
uictu  'adoleto'  (vgl.  ai.  a/äfa-m  Teuerbrand,  Kohle*,  lat.  a//rtr«.  s.  Walde 
Lat.  et.  Wtb.  9.  20  f.)  liegt  zwar  nicht  eine  ältere  Verbindung  /i  vor,  aber 
auf  Grund  des  Verhältnisses  von  habet u  habitu  Tiabeto'  zu  habia  'habeal' 
habiest  'habebif,  von  tusetu  'fugato'  tursitu  'terreto'  zu  tursiandu  'fu- 
gentur'  und  von  purtuvetu  purtuvitu  purdouitu  'porricito'  zu  pur- 
tuvics  'porricies'  ist  wahrscheinlich,  daß  andere  Formen  des  Präsons- 
systems  jener  beiden  Verba  die  Lautgruppe  Jjf  gehabt  hatten.  Von  diesen 
Formen  aus  ist  dann  f  in  den  Imperativ  übertragen  worden  in  ähnhcher 
Weise,  wie  leftu  dirstu  'dato'  sein  f,  rs  von  tera  dirsa  *det'  (Indik. 
♦rf»-rfö)  bekommen  hat  (v.  Planta  2,  246.  2ö2,  Bück  83).  Auch  der  Nom.Sg. 
arair  'alius'  hatte  sein  rs  aus  andern  Formen  seines  Formensystems. 

Gegeninstanzen  sind  die  drei  Formen  feliuf  filiu  'lactantes',  prt- 
soliaf-e,  Bezeichnung  einer  Lokalität,  und  Salier  Gen.  Sg.  Die  zwei  letzten 
Wörter  aber  sind  etymologisch  dunkel ;  bei  ihnen  wäre  /  =  //  möglich 
(v.  Planta  1,  29(5).  feliuf  aber  erledigt  sich  vielleicht  so,  daß  hinter 
langer  Silbe  damals,  als  der  Wandel  von  li  begann,  nicht  /y,  sondern 
li}  gesprochen  wurde.  Und  auch  jene  zw^ei  andern  Wörter  können  lange 
Silbe  vor  li  gehabt  haben. 

Bei  dem  kärglichen  Untersuchungsmaterial,  das  wir  für  das  Um- 
brische  haben,  wird  man  so  über  eine  bloße  Vermutung  vorläufig  schwerlich 
hinauskommen. 


Umbrisch  purdüom.  538 

unter  diesen  Umständen  hat  es  mehr  für  sich,  pur-tiius, 
purdüom  an  die  Wurzel  da-  'zerteilen,  teilen'  d.  h.  an  aL  dyrf- 
(i,  däychte^  griech.  baioiiai  anzuschließen. 

Der  Begriff  des  Teilens  geht  leicht  in  den  des  Oewährens 
über.  Man  teilt  etwas  für  eine  Mehrheit  von  Personen  zum 
Zweck  der  Zuweisung  der  einzelnen  Teile  an  sie.  Oft  nun  denkt 
man  bei  dem  Zuerteilen  des  Gegenstands  nicht  mehr  daran, 
daß  er  Teil  eines  Ganzen  war,  und  indem  das  Bedeutungs- 
element des  Distributiven  verschwindet,  bleibt  nur  noch  der 
Begriff  des  Gewährens,  Gebens  im  aUgemeinen  übrig.  Diese  Be- 
griffsentwicklung zeigt  jene  Wurzel  da-  im  Arischen  und  im 
Griechischen:  ai.  dänd-m  'das  Austeilen,  Mitteilen'  und  passivisch 
'Teil,  Anteil,  Eigentum,  Besitz',  däyd-s  'Anteil,  Erbteil;  Gabe, 
Geschenk',  däird-m  'Anteil;  Eigentum,  Besitz',  ddychte  'teilen, 
erteilen,  zuteilen;  als  seinen  Teil  haben,  besitzen';  griech. 
bar^oiiai  'ich  teile,  teile  zu',  z.  B.  Herodot  1,  216  tuiv  Oeüjv  t(^ 
TaxicTU)  TidvTUJV  tüjv  ÖVTjTuiv  TÖ  TdxiCToy  öaitevrai  'dem  schnellsten 
Gott  teilen  sie  das  schnellste  der  Geschöpfe  zu',  ödvoc  'Darlehn, 
Geschenk',  wie  auch  bei  öalvu^l,  das  vom  Bewirten  und  Sich- 
bewirtenlassen  gebraucht  wurde,  der  Begriff  der  Teilung  in 
den  Hintergrund  gerückt  war.  Im  Lateinischen  hat  tribtiere  die 
W.  da'  in  diesem  Sinne  abgelöst  Dieses  Verbum  ist  eine  Ab- 
leitung von  dem  Substantivum  tribm^  umbr.  trifo  'tribum'  Gen. 
Sg.  ^n/br,  das  auf  ^tn-bhu-  zurückzuführen  ist  und  ursprünglich 
"Dritter  bedeutet  hat  Wie  bei  Stadtviertel^  bei  entzweimachen 
und  in  ähnlichen  Fällen  der  dem  Wortsinn  nach  vorhandene 
Zahlbegriff  erloschen  ist,  so  hat  ital.  Hrifu-  schon  in  vorhisto- 
rischer Zeit  seinen  ursprünglichen  Sinn  zu  dem  Begriff  'Teil' 
erweitert*)  Und  während  nun  in  Stellen  wie  Cic.  de  fin.  2, 
6,  17  omnem  vim  loquendi  .  .  .  in  duas  tributam  esse  partes  noch 
der  Sinn  des  Teilens  vorliegt,  dieser  auch  noch  in  tribütum 
'Steuer'  durchblickt,  da  das  Wort  das  nach  dem  Verhältnis  zum 
Ghmzen  dem  Einzelnen  Zugewiesene  imd  Auferlegte  ist  (genau 
so  griech.  bac)iöc,  das  zu  öaTlo^al  gehört),  ist  tribtiere  oft  nichts 

•)  Was  Schloßmann,  der  in  Wölfflins  Archiv  14,  25  ff.  tribuere  und 
was  etymologisch  zu  ihm  gehört  ausführlicher  bespricht,  auf  Grund 
des  umbr.  irifo  gegen  die  Ableitung  aus  Hri-bhu-  vorbringt  (S.  34),  ist  be- 
langlos. Es  ist  nichts  natürlicher,  als  daß  dem  trifu-,  nachdem  es,  ähnlich 
wie  z.  B.  bei  uns  quartier,  eine  technische  Bezeichnung  geworden  war, 
mit  der  Verschiebung  der  sachlichen  Verhältnisse  auch  seine  ursprüng- 
liche Bedeutung  'dritter  Teil'  sich  verschoben  hat. 


l 


634  K.  BrugmanD,  Umbrisch  purdüi?m. 

anderes   mehr  als  'zuweisen,  gewähren,  geben*,  z.  B.  auperhm 
tribuere  alicui  aliquid,  wie  darp  in  gleichartigen  Wendungen 

Im  Umbrisclien  hat  sich  aiso,  nachdem  die  VorstellüHjEf 
des  Znweisens,  Gebens  die  dominierende  geworden  war,  diese 
Wurzel  in  der  Komposition  mit  dem  Präfix  por-  mit  dou-  ver- 
einigt, wobei  der  gleiche  Anlaut  dr-  fördernd  mitgewirkt  h^ea  mag. 

Ob  auch  der  Iraper.  ditu  tita  tetii  'dato*  heranzuziehen 
istj  bleibt  zweifelhaft.  Er  kann  die  lautgesetzliche  Fortsetzung 
von  *did[€]iod  (zum  reduplizierten  *di-dö)  gewesen  sein,  die- 
jenige Form,  für  die  dirsiu  teftu  als  Nenschöpfung  nach  dirsa 
eintrat  (8,  532),  Sicherer  scheint  dia  mit  pur-ditam  zu  ve^ 
binden:  YJa  20  eo  iso  oaiefidu^  pun  pir  pureto  cehefi  dia  'ea 
(vasa)  sie  ostendito,  ut  igncm  ab  igne  accenij^uni  det'  oder  ^lt 
ignis  ab  igtie  accensus  sit  faciat\  Die  Verbindung  von  dia  mit 
griech.  bafui  'ich  ziijide  an',  an  die  Bücheier  ümbr,  52  neben 
der  Verbindung  mitdarf,  duam  denkt,  liegt  erstlich  dem  Sinne 
der  Stelle  nach  weniger  nahe,  und  sie  würde  zweitens,  weil  öalui 
aus  'bafiui  entstanden  ist,  wiederum  zum  Ansatz  eines  *d^i& 
nötigen. 

Die  Präscnsbildung  *rf»|ö  hat  in  formantischer  Beziehung 
auf  italischem  Boden  ihre  nächste  Parallele  an  lat  sdo.  Mit 
pur-ditam  (t)  vergleicht  sich  etymologisch  und  formantisch 
as.  tid  ahd.  ssU  (aus  *(fö-tf-),  weiter  aisL  Urne  'Zeit,  Stunde',  ur- 
sprünglich 'Zeitabteilung*  (Persson  KZ.  33,  287). 

Leipzig.  Karl  Brugmann. 


Sachregister. 


Ablaut.  Dehnstufe  51.  SR  V.- 
Formen neben  RSV.- Formen  56  f. 
Ablaut  in  ßaumnamen  nicht  selten 
492.  Ablaut  bei  den  w-Stämmen  424. 
Verwendung  des  schwachen  Stam- 
mes im  zweiten  Glied  eines  Nominal- 
Kompositimis  456.  Ablaut  von  sunnö, 
sunnin  434. 

Adverbia,  Temporal-  mit  -es 
gebildet  484. 

Akzent.  Akzcntwechsel  bei  den 
i-Stämmen  in  den  historischen  Zeiten 
nicht  mehr  nachweisbar  406.  Latei- 
nischer Akzent  476.  Anfangsbeto- 
nung des  Latein  476. 

Allegro-  und  Lentoformen 
468.  480. 

Alphabet,  griech.  arkad.  NA  be- 
zeichnet eine  Spirans  80.  Wert  des 
^ade  80. 

Baumnamen,  indogermanische 
485. 

Artikel  im  Griechischen,  Ge- 
brauch gleichmäßig  entwickelt,  nur 
im  Kretischen  abweichend  145.  Er- 
klärung des  Auftretens  145,  hervor- 
gerufen durch  den  Einfluß  der  ge- 
meingriech.  Kanzleisprache  146. 

Bauernsprachc  294 f. 

Bedeutungswandel  und 
Bedeutungsentwicklung  512. 
515 f.  Bedeutungsverschiedenheit  bei 
Baumnamen  486,  Weide  und  Wach- 
holder  507,  Wachholder  und  Zeder 
491,  Weide  und  Pappel  506,  Wald- 
baum und  Baum  überhaupt  493. 
Wörter  mit  dem  Sinn  von  müssen 
204,  ackern  zu  ackern  müssen  204. 
Robott  204,   Gebühr,  gebühren  205, 

Indo^rmaniflche  ForschnngeD  XYUI. 


Zeche  206,  Gilde  206,  Zuber  206, 
d^aEa  206,  Eimer  206,  gr.  (pdpoc  206, 
1.  refert,  ahd.  gaföri  207,  ags.  gafol 
208,  opus  est  208,  iroicTv  208,  öiwieiv 
208,  TTnv€X6Tr€ia208,  laitservus  209, 
müssen211,Ahg.trgbü21b,Dorf21öfr., 
got.  ganahj  binah  218,  gr.  dvdxKn 
219,  lat.  fors,  fortüna  219,  lat.  necesse 
219,  lat.  oportet  220,  lat.  debeo,  ht. 
retkja  220,  altmailänd.  aH'^  221, 
span.  es  menester  221,  franz.  besoin 
222,  Sünde  224,  ags.  behöfad  224, 
franz.  il  faut  225,  griech.  xp'f],  got. 
paürban  225,  lit.  turAi  226,  engl. 
ought  227,  ai.  arhati  127, 1.  negotium 
228,  ags.  ben  229,  got.  skulan  229, 
got.  dulgs  230,  griech.  bei  231,  ge- 
nießen 234,  lat.  agere  235,  d.  treiben 

235,  halten  236,   Wonne  und  Weide 

236,  Weide,  Rast,  Weile  236,  Weide 

237,  d.  Sal  241,  rcM^tfn,  roden  242, 
P/Zw^r  247,  arm  246,  Forst  259,  lat. 
oppidum  'Stadt',  bergen,  Burg  262, 
Ab/*  267,  Dach  268,  gemein,  lat.  com- 
mönw  270,  BoÄ^e  282,  284,  Bill  283, 
Bt/^e  283,  Bolzen  284,  Bollwerk  284, 
WKi^  284,  CTw^iWe  285,  *«/rf285,  lat. 
balteus  285,  ßiW  286,  ee»7«n  zu  ge- 
währen  533. 

Chronologie  der  Lautgesetze^ 
im  Lat.  en  -f  Guttural  zu  in  474,  475, 
inquilinus  und  die  daraus  gezogenen 
Folgerungen  486. 

Deklination  des  idg. dj(euspater 
im  Lat.  456,  der  iöw-Stämme  428, 
der  wi-Stämme  424  f.,  «^o-Stämme 
werden  im  Nord,  zu  M-Stämmen  409, 
Duale  im  Germ.  421.  Nominative  auf 
-t  im  Sanskrit  417. 

35 


536 


Sachregister. 


Griechische  Dialekte.  Arka- 
dische Formen  in  der  Xuthiasin- 
Schrift  77.  dor.  al,  arkad.  et  77.  Feh- 
len des  Hauchzeichens  Arkadismus 
78.  Der  Hauchlaut  schon  vor  der 
Auswanderung  der  Kyprier  ge- 
schwunden 79.  Arkadisch-kyprischer 
Dialekt  haben  gemeinsame  Eigen- 
tümlichkeit 82. 

Hand.  Verschiedene  Benenn- 
ungen im  Idg.  130. 

Hypostasierung  in  der  Kom- 
4)ositionsbildung  63.  Ihr  Wesen  63, 
dabei  Pluralisierung.  DuaUsierung 
oder  Singularisierung  innerhalb  von 
JCasussystemen  64. 

Komparation.  Komparativ  und 
Superlativ  ganz  unabhängig  vom 
Positiv  67. 

Komposition.  Die  Stellung  der 
•Bahuvrihi  im  Kreis  der  Nominal- 
komposita  59  ff.  Komposita  ohne 
Veränderung  der  Bedeutungsbezieh- 
oinjr  ^^e wohnlich 60.  Davon  dieBahu- 
vrihi  unterschieden  60.  Exozentrische 
Nominalkomposita  eine  einheitliche 
Kategorie  61,  bei  osüzentrischen  No- 
minalkomposita  die  liezieliung  der 
Glieder  aufeinander  viel  mannig- 
faltiger ()1.  aus  Redensarion  ent- 
standen 61.  Imperativ-Komposita 61. 
DeiTypus  dpx^Kaxoc  indogermanisch 
61.  i^räpositionale  Komposita  62. 
Baliuvrihi  schiel'  als  Mutata  be- 
zeichnet 62.  keine?  Nebensiitze  ge- 
wesen 62,  Aulkunnnen  der  exozen- 
trisclien  Nominalkornposita  im  Idg. 
64,  in  einer  Zeit,  als  das  Kasus- 
.syslem  noch  nicht  ausgebildet  war 
Sii.  Entstehung  der  Flexion  bei  ihnen 
■();").  o-.Stämnie  jjtalt  kons.  Stämme  CAy. 
Das  adjektivische  Wesen  der  Rahu- 
viihi  durch  -ijo-  gekennzeichnet  iyil 
Exozentrische  Nominalkornposita  im 
wesentlichen  selbständig  67  Bahu- 
vrihi im  Anschluß  an  schon  vorhan- 
dene esoterische  Komposita  ent- 
standen 67.     Der  mangelhafte   Ge- 


schlechtsausdruck der  BahuvrHii  im 
Griech.  67  f.  Der  Typus  dpx^Kcacoc 
68  ff.,  Voranstellung  eines  verbalen 
Bestandteils,  der  den  zweiten  nomi- 
nalen regiert,  für  sie  charakteristisch 
68,  impcrativische  Erklärung  69  f. 
Der  Typus  ^XkccittcitXoc  70  ff.  aus 
^»-Abstrakten  entstanden  70.  Ver- 
baler Charakter  d.  griech.  Komposita 
des  Typus  ^KCcl-ireTrXoc  72  f.  oVf- 
rddvasu-Tyj^us  73.  Die  Vorderglieder 
in  den  vitula-x^ar^na -Formen  von 
den  Ariern  als  aktive  Partizipia  oder 
Nomina  agentis  aufgefaßt  75.  Ver- 
schwinden des  Typus  äpx^Kaxoc  im 
Indischen  durch  Ausbreitung  des 
vidvädrasu-Ty^us  hervorgerufen  76. 
Der  Kompositions  -  Typus  JvOcoc 
127  ff.  Komposita  mit  dru-  im  ersten 
Gliede  457. 

Konjugation  des  Verbum  Sub- 
stantivum  49;  atliematische  und 
thematische  Konjugation  49. 

Konsonantismus.  Verlust  des 
r  im  Idg.  4.  7.  «mobile  499.  Auslaut. 
'k  im  Aind.  419.  Idg.  gj  zu  arm. 
C  503 ;  rst  zu  rt  im  Arm.  4iH).  /-Dissi- 
milation im  Griech.  4H-k  Labio- 
velare  im  Griech.  81  f.  Verhältnis  von 
T  und  VN  im  Arkad.  81.  -ks  z«  -o- 
im  Hai.  478.  -est-  im  Latein.  478. 
lat.  -d}-  i4S,  lat.  /  für  f/ 489.  Schwund 
des  intervokalischen/iini  Latein  4<)7: 
palatales  und  gutturales  /  im  Lat. 
481 :  Erhaltung  des  -s-  im  Lat.  wegen 
des  folgenden  oder  voraufgehenden 
r  wird  bestritten  4M)  ff.;  lat.  .vmj-, 
«n-,  al'  zu  m-,  ii-,  i-  nicht  durch 
Dissimilation  445.  Umbr.  f'  '^'^'l 
unib.  1}  zu  f  532.  Ferndissimilation 
zweier  t  im  Genn.  nicht  erwiest^n 
84  f.  ir  im  Germ,  zu  5  1U2:  germ. /" 
aus  7»''  94,  sk  aus  ksk  412.  Spiranten- 
dissimilation im  Got.  -KU;  got.  c. />. 
(l  im  Auslaut  nach  Sievei-s'  Gestio- 
H83:  ostgot.  wird  stimmlose  Spiran> 
in  unbetonter  Silbe  nicht  stimmhaft 
:t91.    Anord.  ^  zu  j  414.    Vor:«- 


Sachregister. 


537 


schobenes  g  im  Lett.  4^.  %  im 
Slav.  zu  2r  488;  -w-  im  Slav.  437. 
Lappischer  Wechsel  von  /'undÄ 
409. 

Kulturhistorisches. 
Abgaben  bei  den  alten  Germanen  214. 
Ackerbau   209.   241.    Gemeinsames 
Ackern   248.     Feldarbeit    ist 
Zwangsarbeit  204.  209. 
Arme  und  Reiche  246  f. 
Bodenverteilung  238. 
Brauch  und  Recht  277,  der  verehrte 

Pflock. 
Ehe,    Eid,   Eidam  295  ff.   Eid   und 

Wette  290.    Heiraten  288  ff. 
Gastmahl   auf  gemeinsame  Kosten 

206. 
Haus,  ErdliauSjWolmgrubenhaus  263, 
geflochtenes  H.  267,  gehört  zur 
fahrenden  Habe  207.  Dach  265, 
Fensler  vindauga   272;   Herd 
276. 
Los  240. 
Pllug244,  Altindischer  253,  im  Avesta 

253. 
Hecht,  Ausdrücke  dafür  294. 
Hunenkästchen,  augelsächs.  272. 
Speisen,  ein  idg.  Gericht  410. 
Stände,  hüitiS^  der  Name  des  vierten 

Standes  im  Awest.  254. 
Stube  273. 
Vielizucht  232. 
Weichbüd  282. 
Zaun  und  Stadt  256.  Der  Zaun  im 

Rechte  258. 
Zeuge,  lat.  tcstis  290. 

Lehnwörter,  lat.  aus  demUmbr. 
291;  romanische  aus  dem  Kelt.  485; 
spanische  aus  dem  Germ.  248;  germ. 
aus  dem  Slav.  279,  280;  lit.-preuß. 
aus  dem  Germ.  230;  slavische  aus 
Germ.  121 ;  aus  dem  Deutschen  213, 
214;  finnische  aus  dem  Germ.  411; 
lappische  aus  dem  Germ.  408. 
Personalendung  -ttüi  52. 
Satzphonetik  im  Got.  383. 
Stammbildung.    -<«-  und   -t- 
wechschid  seit  idg.  Zeit  als  Stamm- 


auslaut bei  femininischen  Abstrakta 
71.  'ön-  und  -ön-Stämme  im  Idg.  428. 
Die  fem.  ön-Stämme  keine  Neubil- 
dung des  Germ.  426. 

Stellenverzeichnis: 
Griechisch  siehe  S.  203  f. 
Xuthiasinschrift  S.  77,  Z.  2  S.  79, 

Z.  10,  11  S.  83. 
Terenz  Eunuch  629  S.  453. 
Lucret.  4,  617  S.  463. 

Suffixe.  Bedeutung  des  Wortes 
S.  50,  idg.  -lio-  von  Formen  auf  -» 
ausgegangen  66,  idg.  -ähro-  437,  idg. 
-jw-  496,  '8t-  129, 132,  -trä  in  Baum- 
namen 494,  aind.  -aniya-  231,  ai. 
'tavt/a-  231,  arm.  -*  Baumnamen- 
suffix  490,  501,  arm.  -in  492,  griech. 
-T^oc  231,  lat.  -ariunUSy  -aster^ld, 
-tor,  -ter  376,  -tra  380,  umbr.  -feU 
381,  Farbensuffix  -^o-  im  Germ.  416, 
lit.  -tinas  231,  slav.  -ndo  506. 

Syntax.  Genetiv  in  kretischen 
Dialektinschriften  133  ff.  Unabhän- 
giger Genetiv  135 ff.  Gcnetivus  .ibso- 
lutus  135,  alleinstehendes  Partizi- 
pium als  Genetivus  absoiutus  136; 
statt  des  Partizipiums  ein  Verbal- 
nomen eingetreten  137.  Genetiv  der 
Zeit  138  ff.  zur  Bezeichnung  einer  all- 
gemeinen Zeitbestimmung  schlecht- 
hin 138 ff.;  temporaler  Genetiv  in 
distributivem  Sinne  140;  bei  der  Be- 
zeiclmung  einer  Frist,  binnen  der 
etwas  geschehen  soll,  steht  der  Ar- 
tikel 141,  ^v  beim  Dativ  mit  Artikel 
142,  ohne  Artikel  143.  Ersetzung  des 
unabhängigen  temporalen  Genetivs 
durch  präpositionale  Wendungen  145. 
Unterschied  zwischen  Genetiv  und 
Dativ  der  Zeit  146.  Genetiv  des  räum- 
lichen Bereiches  und  der  Zugehörig- 
keit 147,  als  alleinstehendes  Satz- 
glied 147,  häufig  in  Verbindung  mit 
Ortsadverbien,  besonders  ^v  und  €ic 

148,  nicht  aus  Ellipse  zu  erklären 

149,  allmählich  durch  andere  Wen- 
dungen ersetzt  151 ;  Genetiv  in  Auf- 
schriften  151  ff.     Genetiv  bei   clvai 

35* 


688 


Sachregitter. 


162f.  Adverimler  Genetiv  IMff.,  als 
primIre  BestimmiiDg  eines  Verbal- 
inhalts  164ff.  Partitiver  GeneÜY  166, 
der  Genetiv  als  sekundäre  Bestim- 
mong  eines  Verbalinhalts  167  f.,  bei 
AEioc,  169,  Genetiv  des  Sachbetreft 
169  f.  Ablativischer  Genetiv  187  ff. 
AdnominalerGenetiv  169f.  Genetivns 
partitivus  170,  Stellung  171  ff.,  Ge- 
netiv des  Inhalts  173,  chorographi- 
scher  Genetiv  177  f.  Entwicklung  des 
adnominalen  Genetive  180,  Genetivus 
possessivus  180,  Stellung  180.  Ge- 
netiv der  Zugehörigkeit  182 ff.,  Ge- 
netivus definitivus  186,  andere  Aus- 
drucksmittel an  dessen  Stelle  188, 
Genetivus  objectivus  189,  nach  Sub- 
stantiven mit  dem  Artikel  190,  nach 
Substantiven  ohne  den  Artikel  191, 
meist  nachgestellt  192,  Genetivus 
pretii  198,  Genetivus  subjectivus  193, 
Genetivus  comparationis  196,  Grenz- 
fälle 196,  Vatersname  im  bloßen 
Genetiv  hinzugefügt  196,  mit  und  ohne 
Artikel  197,  Personalpronomina  als 
adnominaler  Genetiv  198.  Oberblick 
der  habituellen  Stellungen  des  Ge- 
netivs  201.  Partitiver  Genetiv  im 
Gotischen  von  der  Negation  ab- 
hängig 403.  Dativ,  temporaler  146, 
147.  Verwendung  von  cum  301.  Prä- 
positionslose Ortsbezeichnungen  im 
alten  Latein  296  ff.  Lokativische  Ad- 
verbien im  alten  Latein  304ff.  Sub- 
stantiva  lokativisch  verwendet  309  ff. 
S.  auch  S.  296. 

Transitiv,  aktiver  und  passiver 
Charakter  528  f. 

Verbum.  3.  Pers.  Plur.  Praes. 
nimmt  der  Form  nach  eine  beson- 
dere Stellung  ein  ö3.  Plur  des  V. 
subst.  im  Germ.  ö3,  1.  sum,  osk.  »tltn, 
1.  sumus  ö7.  Arischer  Imperativ  auf 
-tu  71.  Infinitiv  auf  -at-  im  Veda  74, 
ai.  stöfi  72,  aw.  frädati,  dmi  72, 
1.  atquimini  72.    Infinitive  vom  Hi- 


staminen 70.  Adhortativer  Infibutb 
in  den  modernen  Sprachen  71. 

Verbalellipse  im  Ind.  189. 

Verwandtschaft  der  Spra- 
chen. Besondere  Berührungen  zwi- 
schen Slavobalt  und  Armenisch  490. 

Verwandtschaft  derWortelff. 

Vokalismus.  Schwund  des  9 
im  Idg.  vor  Vokalen  63.  Idg.  o  =  ai. 
5  426.  Idg.  f  im  Griech.  durch  pui 
vertreten  428.  Kret  cu  zu  ou  198. 
Dehnung  des  Vokals  vor  -m  im 
Uritalischen  471.  Wird  urital.  «m 
zuom?68.  Sampra8aranaimltal.449. 
Vokalschwächung  im  Latein  475. 
Chronologie  476.  Synkopierungs- 
gesetze  des  Latein  und  Voka^ 
Schwächung  476.  Kontraktion  lat. 
«  +  «462,o  +  ozu  3  462,  «  +  o  462. 
i-Umlaut  in  Tonsilben  im  Lat.  46& 
Lat.  antevok.  u^  Ober  dly  zu  n  d02. 
Schwund  des  -u  im  Germ. 92,  Genn. 
i-Epenthese413.  Li  1.4  501.  Redak- 
tion der  Vokale  im  Russischen 
am  stärksten  nach  dem  Hauptton  56. 

Wu  r  z  e  1  n,  Bedeutung  derselben  oa 

Zahlwort,  zahlreiche  Beein- 
flussungen der  Zahlworte  unter  ein- 
ander 84.  »-Deklination  der  Zahl- 
worte im  Germ.  85.  Z.  im  Germa- 
nischen 84  ff.,  zwei  iil  fr.,  beide  92  f., 
drei  93,  vier  94,  kons.  Flexion  96, 
anord.  Formen  97  f.,  fünf  98,  «edk« 
98  f.,  8ieben  99,  acht  102,  neun  10211., 
zehn  lOö,  elf  106  ff.,  zwölf  108  f., 
dreizehn  —  neunzehn  109  ff.,  die  mit 
tigjus  usw.  gebildeten  Zehner  Hoff., 
zwanzig  117  f.,  dreissig  118,  fünfzig 
118,  siebenzig  118;  die  mit  -Äiiwrf, 
hund'j  ant'  gebildeten  Zehner  118  ff., 
nicht  gemein-germanisch  121;  tau- 
send 121 ;  Ordinalformen  123  f.,  dritte 
123,  vierte  124,  fünfte  124, 8ech9te\2i 
siebente  124,  achte  125,  zehnte  125, 
elfte,  zioolfte  126.  Verlust  einer  Zahl 
für  sechzig  126. 


Wortregister. 


I.  Indogermanische  Sprachen. 


Altindisch. 

dlcr^Tcala  252. 
aktdf  4ö2. 
awha^m  2^1 
dvkas  29. 
awkäs  29. 
awgam  29. 
dwghri^  H(). 
awgüli^  29.  VM). 
avgu^fhäs  180. 
rf;rflw  132. 
aücati  29. 
atidürcLH  (>(). 
rf^/t  51. 
ät{t)ram  4Sil 
at\t)rds  486. 
fi^a«  74. 
deftfm  58. 
öda^  58. 
rf(2M^  58. 
a<fy</  iol.  152. 
a(2yd  452. 

adharahanü^  (30.  (j5. 
adhaspadd'  iM\. 
adhäk  51. 
adhäkfit  5j. 
ddhi'pttstra  J27. 
ana4'Vdh  420. 
anatUds  61. 
(l)Kf«  2(>9. 
<f»i7a^  472. 
dnurratas  65. 


a;)/(fr  26. 

c/ntorn»  26. 

rfn/n«  119. 

antastyam  2(>. 

dnty-üti'  127. 

avUrdm  26. 

anydrüpaa  61.  62.  65. 

dpra^fa  417. 

apräf  418. 

c^ÄaÄr^a  417. 

abhi^ak  418.  419.  4()9. 

(töAiHi«  480. 

a»i/  64. 

ayfl/  418.  419. 

arÄrrf-  508. 

arghdif  227. 

artnakd'  247. 

arÄa-  228. 

arha^  228. 

arÄö/i  227.  285. 

rfrÄöw/-  228. 

alntam  582. 

a//-  492. 

dcak^xi  51. 

rfp«/  51.  418. 

avö-deca  59.  61.  65.  127. 

diraram  51. 

dsasj'gram  419. 

asäma  55. 

(i8»  441. 

rf«/-Ä;  44<). 

asj'gran  419. 

rf^fam  269. 

rtm7/fc  4J8.  419. 


rina/  418. 

äpnuvdtUi  58. 

4ra  492. 

/i«/»Vb<^  64. 
1  lYrf-ö/t  127. 
I  idhmd'bhpi-  MKi. 

i^d  253. 

Aä^i*  258. 

i^udhydti  258. 

t^a^  74. 

^ya<>  258. 
'  ihdcittas  r>5.  127. 
I  irm<fo  24*<. 
I  tiA-^a/i  21. 

uk^dn  21. 

upa-bdd-  456. 

üpamäsya»  66. 

dparas  &S. 

updri  Qß. 

updribtidhnas  62. 

urhanä  228. 

M^#/t  417.  418. 

M^/^a  418. 

örtV  27. 

iJrÄr  418. 

7*(i(fm  280. 

/^PÄ-  418. 
I  /po-  295. 

ö;W  508. 

oSi^hahdn-  421. 

kak^aa  26. 

Arrfjfc^ri  258. 

kanfya  428. 

kantnäm  42«. 


640 


Wortregister. 


90.  36. 
kand^kas  80.  36. 
hdnduf  80.  86. 
IcamiMamM  80. 
kan^a  428. 
kapdia  U, 
käoaii  11. 
kdriati  21. 
karmdnu  426. 
£ar^  266. 
i^lMlft^  61. 

*/yfV64. 

kf'f^an  61. 

ihcito  36. 

iwe«ft»  6.  29.  34.  36.  39. 

kucas  29.  39. 

kuücaU  6.  29. 

kutkärat  280. 

kurpänti  63. 

Ä;iffNM<l-  29.  34. 

ini/^JhilM  61.  67. 

MieKi  6. 

küpa  34.  267. 

ilT^cft»  6.  21. 

krSa-  11. 

ir/^/i  11. 

kf^(  25Ö. 

kr^rald  2.o2.  255. 

Xr^^a-  H4. 

A-dtf^t  (). 

kri^änti  53. 

krtittcati  6.  28.  H5.  39. 

kröfoti  ii. 

k'^räm  435. 

VAii-4a6, 

ya^dpati^  405. 

^flrf  74. 

gäbhasti^  129.  131.  132. 

gdrhati  47. 

gutardk  418. 

ywriV  430. 

gfnjanas  42. 

gfhdpati^  405. 

göpaii^  405. 

^ö/a-  .S4. 

^ö/<7  34. 

grathndti  12. 

grafUha  12. 


granihd^aü  12. 

ffru-muffif  480. 
^dca^l46. 
glät^  m,  46. 
ghtuinti  53. 
catit^pad-  66. 
tafpär<i0  96. 
«i'ro^j^  452. 
cddivfi  6. 

jdinbhati  33. 
jombhdyaii  33. 
jdmbh^  33.  281. 
jaUistfimba»  61.  64. 

Ji>rf  2ö. 
jiriMfm  428. 
i<*Arf  74. 
i/^»'  72. 
jī-  484. 

i^Jfcrf  26. 

t^nti  51. 

r(*Af*  5. 

/rfÄv^flii  4J>8. 
I  r^^iöc;«^/  500. 
jfarAy  21. 


touÄi  21. 
tigmd-  500. 
tümra-  21. 
^aM/»  21. 
^rp  226. 
^/•/Ki«  74. 
^C/o'«  500. 
rriVii»  293. 
(frf/ram  435.  436. 
daniäcala  252. 
dabhmti  5. 
dabhrd  5. 
ddmedame  60. 
cfrfya/«  5a3. 
^o/am  281. 
dalayati  281. 
ddviyäs  231. 
d(adtl2.  11,9. 
«/«^(i//^  72. 


dmäram  426. 

diHvärat  69. 

tfibM-  219. 

dSln^  633. 

<2tffu^  633. 

daydf  633. 

ildrt«  487. 

litffNffa  631. 

ilO;  417.  418. 

dl^vOif»  419. 

cltWfc^  448. 

«jftHf«  4Ö1.  484. 

rftW-rfir?  448, 

dtcy^  66. 

dÜg-agni-  68.  76. 

dMp«2ft<f»  420. 

-<f/jk  418. 

drAi*  74. 

(I?^»  419. 

dA-  419. 

d^ta-  419. 

<ld^»  420. 

iMM  420. 

dgdti  633. 

-rfyu^  4.97.  4o9. 

drakiffdti  416. 

dravat  74. 

drapdd-aJras  In. 

drahyat  74. 

drflifciW  416. 

dru-  4.Ö7.  4«4. 

dru'tnd-  457. 
1  dru^dd'  457. 

drüf^am  382.  484. 

dra  87. 

dvadaJa  60. 

dr?  87. 

drtfu  87. 

(/A<a>^/  51. 

dhampürvd-  (>1. 

dharaydtkapi,^  «)9. 

dhü-nÖU  39. 

<fÄ/-Ä:  418. 
I  d*/-^^  74. 

dhf^aiä  74. 

miJtfi^  72. 

nagnd'  228 
i  »a/  418. 


Wortregister. 

l 

lä  252. 

präpra  60. 

mäuli^  33. 

Ib. 

pra-mj^d'  Ih. 

j^iyM  231.  382. 

239. 

pravdt-  72. 

yathätathd'  61. 

ti  ö. 

/>Äd/a<i  253. 

18  f. 

phdla  253. 

yrfn<i  53. 

50. 

*i6Äywr  430. 

-yäga  419. 

33. 

^/•Ärf^  262. 

j^a^a  419. 

37. 

bhägatti^  219. 

yOsi^am  421. 

iifu-  127.  129. 

bhandkti  44 

yäsisi^fhät  421. 

ra^  419. 

Bharäd'vajas  69. 

yuvaids  102. 

nam  129. 

dAo/»  416. 

rawgati  13. 

r  4d7.  488. 

MO/am  285. 

RafUidevas  69. 

i  235. 

ÄÄfl«  416. 

rrfm^o/e  13. 

413. 

6^«a^t  416. 

rdjaptUras  61.  65. 

412. 

hhiyanda  430. 

räjaputrds  60.  65. 

Je  412. 

^ÄiiJFdifc  417.  418.  419. 

rd/  417.  418. 

um  437. 

bki^dktama^  419. 

ratrfdimm  67. 

rf  74. 

&Ä*if(tt^/  419. 

r?/y-tfp  69.  72. 

is  437. 

bhujdti  28.  34.  39. 

ri«a<  74. 

405. 

M^c/o«  28. 

r^A:Ad  220. 

n  437. 

bhumnam  430. 

i'^ibAo^i  220. 

/c  28. 

bhümigrhas  61. 

reriÄrf-  75. 

456. 

&Äwr»  21. 

%a^e  43. 

jrwfw-  484. 

&Äwr;a-  492. 

Idwgala  253. 

t-  426. 

M/ft-  406. 

/IÄ-/4  23. 

w  426. 

bhrti'  406. 

/lifcÄd^i  23. 

dm  486. 

Mrd/  418. 

;iA:Aya«  23. 

55. 

mddhuhasttfos  66. 

/impd^/  13. 

255. 

mddhyas  451. 

linas  43. 

iastas  65. 

rndnapaga^  419. 

roAirrf  28. 

flrfi  131. 

mamasatydm  61. 

vdk^  51. 

131.  255. 

mayÜkas  270. 

rdX:^  51. 

70. 

mayükha-  494. 

rdffco/i  28. 

*  66. 

mahäbähu^  68. 

vanargü  265. 

74. 

mä8'  437. 

rc(pa^>  6. 

>4. 

mi/ra  436.  438. 

vdyati  22.   25.   498. 

w  425. 

mÄ  270.  494. 

507. 

8  29. 

m*<rf«  270. 

myd  496. 

m  496. 

miYijf  270. 

carapa-  485. 

«  496. 

mtnd^i  271. 

r<{ri  486. 

29.  39. 

miwd^t  270.  494. 

9dr;a</  14. 

/yiV4öO. 

m/Y^U^  23. 

prfriKW  254. 

^hyü4  484. 

mÄ/-  270. 

vdrpaa  14. 

im  130. 

meM-  493. 

9<i^^i  22.  252. 

tmaA»  421. 

m^A/-  494. 

vdlas  252. 

k  418. 

me<^d  434. 

ro/t/a  252. 

p«  62. 

tne-dM'  493.  494. 

rahW  252. 

tfam  66. 

mSdhiras  ^i. 

vdli^  252. 

Ö4i 


542 


WortregiBter. 


M/f  252. 
PoifmMnt  252. 


9dXkd» 


va9anUk  85. 

wMt-  72. 
vät  51.  417.  418. 
9«for-  436.  4d9. 
«flr>486. 
c^64. 

9ffff^9a8  61.  65.  127. 
«i*/  417.  418. 
H^fihyäh  417. 
tfiddd-vtuulf  69. 
rMmM  252. 
ei-^Uiyd-  Ib. 
vipäf  418. 
rf^^  418. 
cilii9  7.  22. 
vSUmroB  69. 
tndura$  426. 
iT^iba  252. 
vfjinä'  14. 
«7:;#na  14. 
cj^dkti  ().  14. 
r//  71. 
iT^K?  72. 
ffjiräm  48(5. 
vf^rds  436. 
•pf^niamas  424. 
47era«(i9  498. 
räpate  6. 
r^ma  22. 
4?/ifa^f  49Ö. 
f^/^a«  495. 
ve^kä-  495. 
rcifitrfÄ  495. 
r#^/flr-  496. 
r/^/o^^  494. 
»?^/4  495. 
vyäwga  127. 
^oAr/t  421. 
Javkhd  86. 
^o/dm  119. 
Jdrkara  8o. 
^fM/Him  496. 


452. 


^tfMA  96. 
Mkatfoiu  252. 
AfMiKl»  421. 
AVhiA420. 

irawat  74. 
SraväyfOB  64. 
iriMbama-  75. 
ir0|MW  28. 
ir^K^  28. 
irS^mHapas  51. 
hfoiurat  420. 
M^  418.  428. 
^ata^gu-  456. 
^i#r«  420. 
^teWb<M  124. 
^4  418.  420. 
MJWI  420. 
«db^i  51. 
9äk^  51. 
«4tof  72. 
9ddiva9  451 
«cfelyo«  452. 
M11MI0M-  419. 
sunt'  52. 
MiJ^d  101. 
sdbhrti-  406. 
«amt^-  72. 
samiti^  72. 
«dm-ö^*(M  127. 
Mrrft-  72. 
sdrga^  419. 
sarpdg  527. 
sdrpati  b21. 
I  «dAo^^  420. 
«dib^f  420. 
«aJb^n  293. 
säk^a  51. 
8äddd-göni^  76, 
säptam  110. 
adyaka-  253. 
sähasfam  HO. 
«ntf/*  24.  131. 
tf/nö^i  24. 
<<»rrf-  258. 
aisakid  421. 
sUar^i  421. 
siaik^ati  421. 


fMi^  421. 
•te  253. 

MH(f|KW  208. 
MMlnt-/ 457. 
««ift  255. 

9äu$  131. 
«äUliMV420. 
«MilM27. 
«Mal8l?229. 
«torY  517. 
aiimitaM  2. 
jfüriuCt  433. 
jfitt-  71. 
Huti^  71. 
MuifM  382. 
J<tl/Ml  14. 

jf^i».  14. 
fltö^'  72. 
tihagikü  265. 
jfAo^if^  511. 
«fMiiV  510. 
«Odfam  510. 
9thali  510. 
sthdvira-  21. 
<fAä-  510. 
itthäfßu^  510. 
sthä-raSman-  68  f.  70. 
«^dto  510. 
«^örd-  21. 
stydyate  2. 
anayati  24. 
«ndyu  24. 
mdyfi^  24. 
«ndran  24. 
«p(i/  418. 
spandate  5. 
8/Ni^-  425. 
-«P/-X;  418. 
apfhaydd'VartuM  76. 
sphurdti  27. 
«yrf/i  24.   131. 
*r«rctt-  72. 
srdvati  5. 
Affnu  32. 
Ärfrew-  131. 
A<i«to«  129  f. 
hinvd-  Ib. 


Wortregister. 


543 


hirapjfahastas  65. 
hematUäs  85. 

Awestisch. 

ae^a  253. 

aurva-  249. 

apat/e*ti  70. 

angttäta  130. 

ar9g-  228. 

araj/rt-  228. 

ar9fah'  228. 

ar>/i-  228. 

azrä-daäi  131.  132. 

(fAt  441. 

akuiri^  66. 

arazM-  294. 

9n9*'^  70. 

U^'Xia&ra-  68. 

iiuidya-  258. 

»itM^  253  f. 

i^tm  70. 

A-a'n«  428. 

karSivant  255. 

i^iir^  255. 

k9¥^rUa'  Ib. 

capuHir»'  95. 

caßwärd  96. 

x«m^  515. 

xfy^üi'  72. 

j-iwfi  420. 

x'V»^  423. 

tor»/)  226. 

taröHtUi  70. 

toifl-  498. 

(^o^r  419. 

daeza  420. 

<ia(fa-  75. 

darätöiä  70. 

rfa^r^  436.  437.  438. 

Därayai-ratki  69. 

daiH;>  531. 

rfötfi  72. 

^(ff9da'  226. 

«r(j/«-  226. 

&ritt  293. 

dnYö  293. 

p9r*8a'  Ib. 

piStra  254. 


baeiazD  419. 
dooritö  417. 
&ar9^  263. 
b^roxdä  263. 
b9r9zant  262. 
fraoxtayae-[da]  70.  72. 
frao^i-Mpa  75. 
Fradada-ßu  68. 
froÄä  417. 
fra(ra/#[.Äi]  73. 
FrädattnapqmhujaHiä 

69. 
fäuyqa  255. 
nama/a  239. 
na»naA  239. 
niSä'Snäi&i^-  68. 
mrt«y  270. 
moe^ana-  270. 
mar^tan-  425. 
mar»tan-ö  428. 
mar^^'^nö  428. 
m<|^rt;ra-  434.  438. 
mändayasni^  66. 
yaoidäifim  70. 
ydvin'd  428. 
vanat'p9Sana  69. 
rar9«a-  22. 
var9zäna  255. 
twirfar  237.  255. 
Vastryö  255. 
V9r^»r9-m  436. 
if9roz9na  255. 
mnda-xmr^fia  68. 
vTk9r^t-uStana  73. 
vik9fOt-uitäna  69.  76. 
918  425. 
t7t«ara-  425. 
9t«an-0  426. 
rctoidya-  243. 
raodya-  243. 
ra^;-  294. 
räA*m  294. 
M»/a  119. 
suwrä'  254. 
**-ar-  10. 
staera-  2. 
staorn-  21. 
««N  71. 


spaaan-  425. 
9ntfmir9  24  f. 
arävaya-  Ib. 
8rut'gaoia  75. 
zq9r9m  486. 
zafan-  33. 
zafar9  33. 
zan^a-  28. 
2;a«to-  129. 
Aanf-  52. 
harecayeUi  23. 
AozavAan-  425. 
haza$n-qm  426. 
hctzah'  425. 
Auiika  420. 
AiiiYii  254.  255. 
Ara/xiA  208. 

Altpersisch. 

(^«^a-  129. 
hamapitar  66. 

Mittelpersisch. 

2:an^  28. 

Neupersiflch. 

dar  493. 
/o^  487  f. 
riirifc  23. 
«ü/F  254. 
^a;  420. 
ii^ika  420. 

Ossetisch. 

/ar«?«,  ftfrir  486. 
«dTn^A  28. 

Armenisch. 

af>i  500  ff. 
a»f  501.  505. 
a»^-nu-m  501.  505. 
a/6iur  424. 
04*503. 

a<üem  503.  50<). 
aieQufanem  503. 
adumn  503. 
angorc  66. 
araur  436. 


544 


Wortregister. 


ani$i  489. 
barti  490. 
bok  416. 
geran  485.  486. 
gi  494.  496.  607. 
etevin  491.  492. 
thakard  500. 
thakn  498f. 
/«/  487. 
^fl^em  487. 
la»teni  487.  489. 
/a«fe9iM'  487. 
ctuita  Am. 
jefn  131. 
mair  493. 
tnairi  493. 
makat'd  500. 
moiYA  494. 
tf-ad-ax  503. 
yaöax-em  503. 
n^iif  488. 
di/  505. 
or«  508. 
/i/^Äw;i  508. 
4fir«/e  381. 
i<ara/e»w  229. 
ÄwrÄ  421. 
srbazan  66. 
sierdz  517. 
r<ir  252. 
rarem  252. 
/rw«  499. 
fwr  438. 

Griechiftch. 

'A'foiÖriTuxoc  62. 
böot.  'ATacciböinoc  78. 
dT€(pu)  130.  131. 
dTiv^u)   130. 
ÜTioc  67.  382. 
(iTKciXn  29. 
dfKoc  29. 
dTKiüv  425. 
ÄT^*6€C  505. 
(iTV€(a  506. 
öiTvöc  506. 
uYvoc  506. 
äYovoc  506. 


ÖTOC  130. 

drocTÖc  129  f.  132. 

dTp^ecvTO  131. 

&Tp€i  131. 
IdTp^uj  131. 
I  &TPn  131. 
I  &TP10C  Ö05. 
I  dTpöc  132. 
!&Tpn  132. 
j  &Tupic  130. 
I  ÖTXiw  30. 

frfiw  132. 

äy\by  425 

&bpua  457. 

dFÖdoc  423. 

d^a  4.35. 

d/|p  435. 

*Aer|vii  151. 
j  AGfJvai  151. 

ai  77. 

aUv  426. 

aiX€ef|  131. 

alpcBflvai  131. 

alpciV;  alpctcBai  167. 

alp^uj  131. 

diceu)  436. 

aiTioc  164. 
j  ai(F)üjv  425. 
j  aiujv  426 

aliövoc  426. 

AK^c-avbpoc  69. 

uKpdavToc  432. 

dKTiv-  428. 

HaX^ai  78. 

dXofc  252. 

dXq)dviu  228. 

dXq)r)  228. 

'A|aabp\jdb€C  62. 

ä^ala  20(). 

d|aq)i  478. 

hom.  d|aq)(aXoc  127. 

duqpiBdXaccoc  127. 

duqpiKpävoc  430. 

d,u<pi(X)X^TW)  83. 

d|aq)i<popeuc  206. 

ä|a<popä  206. 

dva  128. 

'Avapn<^iv€^c  73. 


dvdTKTi  219.  231. 
dvhoiXi^ceui  131. 
dvatXfi6(e)ai  131. 
dvbpeObv  425. 
dvbpObv  425. 
dviSpoc  426. 
dvTi  66. 
dvxioc  66. 
dvq)iX^TÖvToi  83. 
diToS  4o9.  460. 
dTroKp(v€B6ai  161. 
dTTO^öcai  160. 
dwowövev  163. 
dTTocTareiv  168. 
ÄTTUKaÖTCrdTtJu  70. 
dpapiCKLu  50ft. 
dpdxvr)  508. 
dpTuptJ  176. 
dp^CTtti  131. 
Fap/|v  430. 
dpiloc  80. 
dpKoXa  508. 
dpKdvri  507. 
dpK€uBic  507. 
dpKCuBoc  507.  508. 
dpKuXov  507. 
dpKuov  507. 
dpKUC  507  f.  508. 
dpvuKic  412. 
dpoT>*|p  248. 
dpoTpov  436. 
dpTrri  527. 
dpp^vT€poc  424. 
'ApTdjuiToc  79. 
dpX^KQKOC   61.   f>8. 
dpx€v  168. 
äc|üi€voc  269. 
aöBaip€Toc  131. 
auXaH  252. 
aöpa  43S. 
aöpa  435. 
aOTdfpeToc  131. 
auTo  200. 
aÖTÖc  137. 
d<peK€  79. 
dq)edjcBiu  79. 
dcpicTttcBai  158. 
dq)^öc  435. 


Wortregister. 


546 


IC  486. 
•a  458. 
l. 

149. 
5. 

oc  137. 
)öc  23. 
47. 

n  492. 
:  57. 
1  41. 
:(  33. 
|Xa(  33. 
c  6. 
UV  425. 
42. 
505. 
6. 
ov  434. 

V  32. 
32. 

32. 

V  462. 
47. 

poc  41. 
IV  41. 
j  42. 
41. 

;3. 

43. 

43. 
5c  29.  45. 
nc  246. 
IV  246. 
aXTia  435. 
apTla  435. 
c  32. 
IV  425. 
ivoc  426. 
rrui  31. 
pv  37.  38. 
c  32. 
459  ff. 
T€iv  459. 
Toc  484. 
K  281. 
32. 

151. 


TpaOc  428. 
TPnOc  429. 
Tpivoc  16. 
TpovSoc  12. 
Tpouvöc  16. 
Tpuvöc  16. 
fOpTaeoc  508. 
Tüpöc  28. 
Tüpöuj  28. 
TujXcöc  265. 
TtJvCa  32.  462. 
ba(vu^i  533. 
baixpöc  376.  436. 
ba(uj  534. 
baK^eOMOC  68. 
ba^acUiLißpoToc  69. 
bdvoc  533. 
bdirxuj  5. 
bac|üi6c  533. 
bar^oiLiai  533. 
b€i  231. 
b€Kdb-  115. 
b€X<piv-  428. 
b€Ei6c  66. 

b€E(T€pOC  478. 
bcOpO,  b€f>T£  128. 
b^oXaK^v  170, 
bioXOccOai  169. 
biKdbbcv  159. 
bivoc  34. 
AiFöc  451. 
bioc  66.  443. 
biirXEiöc  158. 
bdrouc  531. 
bi(ppoc  206. 
boFcvai  531. 
boirpov  414. 
boKÖc  277. 
böpu  487.  489. 
boupiicniTOC  60. 
bpatöv  414. 
bpdl  129.  131. 

bp^lTUJ    5. 

bpoirn  382.  414. 
bpöivoc  457. 
bpuiüid  457. 
bpöjiöc  .382.  459.  484. 
bpü^djv  459. 


Apöoir'-  467. 
bpuöc  467. 
bpOoxoc  4Ö7 
bpOc  484.  493. 
bpÖTn  382. 
bpuTÖiLioc  457. 
buFavoi  531. 
buvdcnc  377. 
böuj  87. 
boipov  438. 
Atjc(q>ptjv  69. 
(ap  440  f. 
^TT^c  265. 
^TKdc  26. 
CfKaxa  26. 
^rpoTTOi  163. 
^b€eXov  438. 
^pS  438. 
^€iKacdßoioc  73. 
^eiKÖcopoc  73. 
Sepia  436. 
€i  77. 
€l  441. 
eibuXic  426. 
€Tbu)Xov  426. 
ciKocaen^c  73. 
€(KociTnixwc  73. 
€(KOc6pYuioc  73. 
€Tkui  7. 
€tC€  82. 
cTcic  82. 
€(coir(cu}  60. 
€Tt€  79. 
4Kd€pT0C  429. 
4KaTÖTKp5voc  430. 
dKOTÖ^-ßn  466. 
^Kard^Tttboc  66. 
UaT^^^^uXoc  60. 
4*wtTÖv  119. 
diciißöXoc  429. 
^Kpdaiv€v  432. 
gicToc  124. 
AdTTi  491.  492. 
iXatpupöXoc  430. 
&atpoicr6voc  430. 
4X€tv  131. 
AeX([K]xeajv  68. 
4X(icn  22.  :)6. 


546 

Wortregister. 

F^^  22. 

€<}p<&  460. 

aiE  ae. 

Cxoucav  198. 

iKkcw  22. 

^cp-ovTp^veciv  131. 

^XK€clw€irXoc  69.  70. 

^<pair  .  .  79. 

^kcxCtuiv  63. 

Z€Öc  448. 

?Xkuj  2Ö2. 

I6e  77. 

4Ud  438. 

f\ip\oc  6(>. 

^lajui^vioc  Wi. 

kypr.  f\  Ki  cic  82. 

€^.unvoc  65.  66. 

flX^KTuip  426. 

^v*'Aibou  150. 

f^Xioc  423. 

fvblKOV   €m€v    16-1'. 

#|XiTÖMnvoc  76. 

Ivbov  2(>5. 

HtM^pac  79. 

«vboeev  170. 

fjlüilKpaipa  432. 

^vcTKeiv  219. 

HepaicXdoc  78. 

^vcKupdbbev  167. 

^Top  25. 

lve€oc  62.  65.  127. 

f|Tpiov  25.                         j 

4vv^a  94. 

f|Tpov  43<i. 

€vT€pa  26. 

edr^poi  78. 

^vTÖc  26. 

eeÖTovoc  60. 

^vTOcBi  26. 

Oniüiibv  425. 

^vTOcGibioc  26. 

BpivaE  435. 

^vröcOia  26. 

GptHi  235  f. 

vüjTTa  60. 

e^övoc  435. 

^irdpTupoc  127. 

eöpujTov  435. 

^TT^Kpaaive  132. 

eOcavoc  377. 

lesb.  ?Tr€poc  127. 

iarpöc  376. 

^TTißbai  ir)(). 

Fibioc  64. 

^TiiTaioc  62. 

i^vai  mit  biu  c.  Gon.  365. 

ion.  ^TTiKpnvov   130. 

hi€pa  79. 

^TTiuiE  459. 

indcexn  434. 

^TTiuoXev  1()1. 

iMdccuj  43.<^. 

^ttixoXkoc  127. 

iv€c  25. 

^TTixpücoc  127. 

iviov  25. 

^TTTd    101. 

(Eöc  496. 

^peiKiu  220. 

tcxupöc  426. 

^p^xnc  250. 

(rea  498.  507. 

^p^cpuj  13. 

iqpioc  ()6. 

^pvia  485. 

KaG'  ^KttCTov  79. 

tpTTUJ  527. 

KdXaeoc  508. 

^pucdpuaT€C  69.  72. 

KuXXiTTaic  67. 

^pucixO^uv  72. 

KdlUTTTUJ    3i. 

^puuj  252. 

Kduipa  3-i'. 

^cci  441. 

Kauvyöc  34. 

^CTcicacBai  161. 

KdvBapoc  30. 

ark.  ecxeicic  73 

Kaveöc  30. 

^TdXaccrt  430. 

KavBuXri  30. 

€UCUJV0C    ilO. 

KavBüjbnc  30. 

euXdKa  252. 

KdTrrjXoc  426. 

KdpS  429. 
Kdpawoc  429. 
KdpSvov  429. 
Kapävöuj  431. 
Kapdpa  430. 
Kdpnap  430. 
Kap/|aTOc  429. 
Kdpn  429. 
Kdpnva  429. 
Kdpnvov  429. 
KdpHToc  429. 
Kdpq>oc  15. 
Kdpq>ui  15. 
KOTabiKdbbcv  159. 
KaTdcKioc  59.  65.  127. 
i  Kaxdxpücoc  127. 
K^bpoc  491. 
Kcipuj  21. 

K€XtOUK€ITOC  62. 

KacuBoc  508. 

KCVT^U)   6. 

K^plüia  21. 
K€u6|Liuiv  425. 
K€(paX6u}  431. 
KXi^epn  486.  494. 
icXnpovo^^iu  240. 
xXripovo^ia  240. 
kXtipovÖ|-ioc  240. 

KVdTTTUJ   38. 

Kvaq)€uc  38. 
Kvrmn  30. 
KvriMÖc  30. 
Kvqv  30. 
KviLUJ  23.  38. 
Kvmöc  30.  38. 
Kvicpöc  30.  38. 
Kvvlw  31.  38. 
KvuBöv  31. 
Kvu|ia  30.  38. 
Kvuo)  30.  38. 
Kvdiccuj  30.  38. 
KÖTXOC  36. 
Koirri  382. 
KÖvboc  ;M). 
KÖvbuXoc  30. 
KOvib€c  23. 

KOVTIUTÖC   228. 

KÖTipoc  421. 


Wortregister. 


547 


>  280. 
voc  429. 
3C  428. 
vui  431  f. 
i)  481  f. 
oc  10.  15. 

430. 

•cGai  431  f. 
J  430. 
:  429.  430. 
^  6. 
}ä  131. 
oc  431. 
ivov  431. 
/  431. 

430. 

CrfCTOv  431. 
eai  167. 
ir\  35. 

35. 
6uj  10. 

6. 
'ppu8  435. 
tCvuj  41. 
k  35. 

/bpoc  69.  72. 
6ipa  72. 

V  34. 

:  29.  U. 

>67. 

29. 

29.  34. 

29.  34. 
'  425. 

280. 
224. 

apibac  430. 
jj  27. 

27. 
9. 
;  445. 

241. 

425. 
'  425. 
b3. 

V  437. 
7. 

V  434. 


XiXdo^ai  270. 
Xmap^tj  17. 
Xmapöc  17. 
XÖTXn  253. 
Xo(bopoc  434. 
Xoi|Li6c  43. 
XoicecOc  433. 
XoicBioc  433. 
XoTcOoc  433. 
XuTirui  23.  39. 
XutictVic  23. 
XÖTOC  23. 
^ae€lv  434. 
^aKp6x€lp  68. 
MoXaKiujv  425. 
^dpaOov  435. 
\idpr\  131. 
MdpiTTUi  131. 
Mdprupoc  426. 
MdpTiJC  293. 
juacTdZu)  33. 
lüidcTaE  33. 
^acTp6c  437. 
^auX(c  33. 
^^bl^voc  211. 
li^buiv  213. 
M^Mq)eceai  161. 
jxcccnTW  265. 

^I^TOIKOC    127. 

li^Tpov  211.  436.  438. 
licOc  458. 
)i/|boMai  213. 
|üir|p6c  437. 
|i/|CTU)pec  426. 
^(uapKuc  410. 
nT|ir|^oc  426. 
}i\\ioc  271. 
lüiivueu)  271. 
jxoivov  271. 
lioiToc  271. 
jiouvdfc  460. 
vaCui  269. 

VOLKY]    411  f. 

vdKoc  411  f. 
vaKubpiov  412. 
vöoc  269.  277. 
vdpKTi  508. 
vauKpapoc  430. 


vaöc  277. 
vi^iexv  260. 
v^^€ceal  23«. 
v^^oc  238. 
v^MUJ  208.  238. 
v^o^ai  269. 
v€upd  24. 
vcOpov  24  f. 
v€djc  277. 

viK€v,  viK€66ai  161  f. 
vo^/|  238. 
vo^6c  238.  241. 
v6^oc  239. 
v6cToc  269. 
vocq)(bioc  64. 
Ol  vöv  63. 
vöH  72. 
vuj^d€iv  239. 
vdjvuiLivoc  66. 
öä  502. 
ö߀X6c  505. 
ößpia  505. 
ößpiKaXa  500. 
öbttTiiöc  460. 
öbölw  460. 
öhdl  459  ff. 
otbaE  505. 
o(bdu)  505. 
oib^uj  501. 
olboc  501. 
otn  502. 
oii^iov  253. 
oiicrpöc  436. 
oicoc  498.  507. 
oItoc  295. 
ÖKvciuj  4.32. 
öktOj  94. 
öXeOpo    itt4, 
ÄXÜTivov   W8. 
ÖXocpuTbibv  435. 
ÖXo(puKT{c  435. 
Üuix^uj  148, 
rtuvuvra  Kpivtv  160. 
öjxoXoT€Tv  166. 
bfiOTTdrpioc  66. 

6^0TTdTtJp   6(). 

ÖMÖcai  160. 
öjLKpoXöc  425. 


548 


OvdciXov  (fl. 

dvu£  3(> 
dov  r)Ü2. 

diri  cic  K£  81. 
üiricOdjctip  127. 

ip^uj  13, 

dp  Vit  ÖUJ, 
^pücpdc  13. 
ÖTt  äl.  82. 
oupavlujv  42o. 
ttd^ot  41. 
Ttaul  HJ . 
niiv<iirp<>c  1*H1. 
TTavoircOc  löJ. 
Trap>an<ip<pi*pot  127. 
-rrdtpiuc  H^* 
näxvn  'tl. 

iTt5dFoiicoc  J27, 
Tiatepov  4iH. 

ireptdpTiJpoc  127. 
TitptxpOcoc  tjö,  127, 
TT^puci  4öö. 
ir^ccm  412, 
iT^copec  Uö. 
irriT^UMi  41. 
TTiiTuA^k  41. 
TTrjvtXdTTtia  208. 
iT^^iXi^t  41, 
TtXäöuc  433. 
TtX^epov  434.  43:>, 

TTVtlüVTtC    "kS^J, 

TTOl^U»   263. 
TTOJKlXoC   2^. 

nüX^ptJUKaltiprivacL^f. 
TToMupxoc  72. 
TToXOav^poc  6ö, 
iiüXiLippqv  43ü. 
TToXOTXäc  430. 
T:ovr]poc  42tj. 
tt6voc  232. 
itdpbufv  42ö. 


irdcic  405, 
Trpdbbev  lt>7, 
trpiiTT€iv  16«. 

trpoavTpi[ci]  131. 
TTpöh^pa  7S, 
Prhonimus  435. 

UpOTTdTÜLfp   42t>, 

trpoToö  60. 
Ttpöxvu  4dl*, 
TTTtpöv  437. 
TTüTn  29.  39. 
1^üT^^  2Ö.  39. 
TtuYiiiv  29. 
nwdZui  44K), 
WUKVtSc   4*iO. 
iruXuJv  425. 
TTÜE  459  i. 
itvpdTpn  131, 

Mivöc  13. 
^aicn^p  37b. 
^ap<pn  13. 
^d^(püc  13. 
pa^<pöc  13. 
()aTr6c  486- 
pt^^6c  13. 
p^^ßuu  13, 

fl^TItJU   Ü.    14, 

pnTRv-  42a. 

plTTtUÜ    6. 
pOÖobdKTUXöC    (>Ü.    tj7. 

^ü6^uj  o4. 

j>Dpß^UJ    13. 

^öpiioc  13. 
f>öTtoiXov  405. 
poTTr^   14. 
pdiTTov  436. 
i)oqpriv  34. 
(luqjtiv  34, 
piljöiov  34. 
d  ßöX^  HL 
ciTÖXoc  42ü. 
CKdIü)  27, 
CKf^Ipuj  10. 
CKoXnvöc  37, 


CKdiTTW    4. 

wepÄc  435,  438. 
cKfXk  27, 
otAoc  27. 

CK^PpoXOC   1*. 

CKXnpÄt  433. 
CKoXiöc  27. 

ck6Xov  280. 
CKopTrilu]  9. 
ocuiXoc  229.  28a 
ccp6c  2ia  268. 
CTfavöc  ö. 
CTrapvdc  5. 

CTTivbui    6. 

CTactapxoc  73, 

CTaupüc  21. 
CT€ipa  51t>r. 
CTtXcd  älO. 

cTtXcöv  aiu. 

CT^€XOC  ÄlO, 
CT€p€dc   ÖIÖ. 

CT^ptcpoc  517. 
CTtppöc  516, 
CT^qjOc  5. 

CT^tpU>   5. 

iTTicixopoc  73. 

CTiLUU    5.    ÜOO. 

CTiXri  2. 

CTIOV  2, 

CTltpoC    2 

ctoa  21*4. 
cTÖXoc  510. 

CTpdßr;Xoc  36. 
cTpfßXöc  3t;. 

CTp^tpUJ   5. 

CTp6ßoc  36. 
CTpö^ßoc  36. 
crpöqpoc  5, 
ctpuq^vöc  5. 
CTpiuTöc  433. 
cTuiftuu  4L 
criTTioc;  382. 
CTTÜXoc  21.  294. 
CTDo^ai  2L 

CTUTTOC   35. 


^ 


Wortregister. 

5. 

Tpdq>oc  5. 

(ptüXcöc  263. 

>. 

TpdxnXoc  426. 

<pujv/|  229. 

K 

Trhepto  435. 

Xa^a(  58. 

}94. 

Tpi'ipujv  425. 

Xovbdvui  20. 

i  229. 

TpldKOVTQ    131. 

X€l^aJv  425. 

7. 

Tp»äKOVTa€Tr|C  73. 

X€{p  131. 

TptÜK0VTdZ;UTOt  73. 

X€ipob(Knc  62. 

S. 

TpläKOVTÖpTUtOC   73. 

XBa^aXöc  58. 

TpiätcdvTopoc  73.  434. 

X(bpa  6. 

268. 

Tp{ßujv  425. 

XvaO|ia  32. 

^c  (>8. 

Tphn  293. 

Xvaüu)  32. 

). 

TpiTO-  293. 

XoXdb€C  506. 

UV  430. 

TpiTpa  195. 

XoXX€ibeüc  151. 

poc  ()9. 

TpÜTTduj  5. 

XPii  225.  231. 

8. 

TptJTXobÖTTic  264. 

x(>övoc  435. 

l. 

TUKdvn  5. 

XpücoKoiLiii  68. 

TUKOC   5. 

dipä  426. 

51. 

TUTTOC   5. 

73. 

TU1TTUJ    5. 

Neugriechisch. 

K  60. 

rOpßn  218. 

b6c|ao\JT€  64. 

)8. 

TucpXoc  425. 

Kd^vuJ  232. 

€Cc(-CT[pOTOC] 

TUjb€   169. 

sompa  274. 

öbpa  380. 

Makedonisch. 

60. 

i)6l  5. 
liuiuv  79. 

bdpuXXoc  489. 

216. 

öeXoc  434. 

Albanesisch. 

26. 

Ö7T€p    66. 

dore  131. 

226. 

uirriP^Tric  250. 

jimi  444. 

>26. 

UTTobeEtn  432. 

^arper  527. 

OTOC  69. 

UTTOeCTOC  60. 

gi^t  130. 
grat  130. 

430. 

UTioHuXoc  127. 

p€C  95.  96. 

Oirodbripoc  127. 

taidt  4SH. 

Ta  '^33. 

uTioxpöcoc  127. 

mite  212. 

(pdXarS  282. 

gek  412. 

cpöni  229. 

irXiouap,  pTnar  24i. 

l 

cpaüXoc  435. 

Ä/cre  517. 

:\a\  81. 

(pciba'Xoc  426. 

vrap  14. 

cp^pacmc  72. 

vert  485  f.  507. 

u  81. 

(pep^Tiovoc  72. 

<p0€iciMßpo-oc  73. 

Lateinisch. 

tpiXüttvoc  75, 

ahluo  447.  449. 

IOC  (>8. 

qiXaijpoc  435. 

accipiter  380. 

33. 

cpopoc  206.  219. 

acer  492. 

(pp^ap  424. 

Acherum  3(52  f. 

17. 

(ppouboc  435. 

acupedius  66. 

(puToiTToXeiaoc  75. 

adapertiUs  381. 

69. 

(puXn  26-1. 

adeo  307. 

206. 

q)UjXdc  263. 

(mque)  adeo  309. 

549 


S60          ^^^^^ 

Wortregi»^^^ 

^^1 

tiä  mtfridU  63. 

^luvtfon  um  362  f. 

^M^ri^  378. 

udminicuium  270. 

anifip&rfis  335. 

cew/o  6, 

adstctutnr  378. 

anffijHtrto  336, 

enfi^seis  379, 

udnUtr  il% 

artjfü  ;WJ, 

mtuitvfa  380> 

rtftjför  3(), 

ealamiai^r  379. 

iitit^riHm  307* 

cm^ttvfitt  30. 

cn/9f^Mfrt«iA  379. 

ae^rfjtttn  22H. 

mhUärv  471  f. 

cyi/niro  :W1. 

afifuuit'ath  iöö. 

amW  337» 

ör/ct/j-ö  :I8J,                 1 

fUijuHK  295. 

anstt  2m. 

ciüdaHu*  444.             1 

ueraHm  'W3. 

ttntOte  (;6. 

catcfacio  fJO*                1 

»rr>t^(M  475, 

up^frio  447, 

<»//üf  50f<,                    1 

«(trowi  425. 

o^ndf/rum  379- 

reHNfw^Kf*  379.            | 

«f  «iw  62. 

<»j>örfri*rw^  ;i80. 

ee>m/>;«  a36.           ^ 

ary#,'  1:h2. 

arünm  60H, 

Ai^r^  4in.          ■ 

ttjf^t**:  23Ö, 

«rar*  24fi, 

eapia  224                   " 

«7^*'V(>  .1«1.  438. 

droTtfr  378, 

c«iM*^  3i,                      i 

nr/i//^  :wr  438. 

firatrio  381, 

Airc^r  24>1               J 

titfftuit  5l)f>. 

arff/r«Frt    i3<l 

Cörw  35(i,             ^ 

ttjfrfstt'H  379,  öOe. 

at^ä*r  291  f,  37(J- 

<M«£1«tf  41  fi,                         j 

rt/fri:r>'  286. 

«rWff^fl  377,  380. 

^atapuha  284. 

«W^r«  378. 

ttrbitrix  37f>,  380, 

ctfttfitor  377, 

Aif<itft^ta  373. 

(ircm  -^8. 

<V**/HIK    H9, 

rf//rt  3<H,  .^^6, 

.Irj^i^  3fJ2f, 

f^tttufionu*  380. 

r*/(A»  mi. 

tirfjuilfnemt  508, 

w>fjia  492, 

alicuhi  306. 

aruftdo  rüHL 

r*reÄr"m  430. 

uUcHnde  306. 

«wrr  4i*>. 

(•*>(?«  :}oö. 

«/*^  :i<)4. 

OÄStirafurti  440  r. 

t'»rr«m  :^«. 

f*//otwf'jfU7n  3ÜH. 

ft^^pi*  -y^}. 

tfVrum  ^ff/^rafiM  306, 

»y/*/rvfi  3(Jö.  336. 

a99tdHu«  476. 

rftitn  2tJ5. 

titiqi/ti  H^iö. 

*Mwyr  44^5  f , 

c^<i*ttittff  28. 

ttltqtuivoi'jiurtt  308, 

fl«  464, 

C/oe/iw  465. 

-4/*>  3^1«. 

aucupator  380. 

c/tfttM  28. 

fl/(V  ti7. 

ou/;*f>  üO;^. 

c<?**4>  4«6, 

«/^V^r  378, 

»u^t^-  378, 

co£<»ifer  379. 

ff^**w/?  304. 

ar»ffff  427. 

codettt-io  381. 

fl^'«.^  07. 

ffruf]f»/f£^  427. 

n>(f;;*rff  463  l 

ahtu^  4Wi  492, 

axilla  \m. 

coFpi  463. 

«/fffre  i'>32. 

baiatro  381. 

«?*^«ir  464  f 

rf//ri;i>f^tts  308. 

Mca  -Wh. 

i^ogr,  44j3rr, 

ttUrot^rifUtn  flOft, 

baÜBHs  286. 

co-i»9«tW7  4ö5. 

am/t-feim  430, 

6^?;/*  374.                            1 

cmio  4C6. 

^mo^'-o  379, 

hibilk  381. 

wtfM  4*iö, 

Amn«f^(«m  379. 

iirfwom  460. 

Co/cAi  362  f. 

fimhij/Ct  478, 

bini  293, 

(^oiffFV  242, 

«mm«  H79. 

biprdiiüt  fiß. 

atme^or  377. 

amofunü  270, 

i^inrfw*  23- 

c<>mfn*i«  306, 

rfrH/>/fl   131, 

^//io  284. 

cOTwmHn/<;  438, 

L 

ttmjti^or  47Ö. 

fefl  292. 

communis  270, 

Wortregister. 


651 


CompukeHa  379. 
canficio  60. 
consedo  425. 
cön8ul  473. 
contra  305. 
cöpula  463  fr. 
coquas  483. 
co^u«  483. 
coguo  412. 
coqttam  483. 
coram  306  f. 
cordf  326.  374. 
coxa  26. 
coxo  425. 
cracentes  11. 
crww  440. 
crista  272. 
ciibüre  29. 
c'w//er  280.  378. 
'cumbere  29.  34. 
cÄ/w  34.  267. 
cwrio  425. 

debeo  220.  231.  466. 
rf«c«<  277. 
deciditio  475. 
decimtts  6ß. 
defefietrix  377. 
^%ö  463. 
r^ei#ki«^462. 
delehilis  381. 
detiräre  132. 
deorsum  .307. 
deorsutn  versus  308. 
<iepj/i>  127. 
deplümis  127. 
depuvio  447. 
descas  484. 
desilio  445  f. 
desind  445  f. 
</exf «r  477  f. 
dexfera  305. 
dextrovorsum  308. 
diälis  455. 
diennium  531. 
DiespUer  456. 
difäriam  531. 
directum  294. 
dirigere  294. 


discas  484. 
ditt  456. 
diW  457.  484. 
-<2fW  453.  459. 
Dt««  Fidiua  454. 
divinitus  306. 
do  318. 
c^ct^M  .381. 
dornt  315.  374. 
(^omo  375. 
<2omMt  316. 
domuitio  318. 
domum  315.  318. 
domus  314  ff. 
e^Mam  531. 
<;u«//t  319. 
ea,  ecM^em  304.  335. 
egregius  66. 
elementum  467. 
elinguis  127. 
eminere  33. 
eminus  306  f. 
«mo  239. 
inervis  127. 
?nö(^t9  127. 
eo  304. 
6o<^0m  304. 
equester  379. 
Esquiliae  482. 
««  4-^1. 
c«<rwr  377. 
exadvorsum  307. 
«arce^ra  380. 
excomis  127. 
eximius  382. 
expultrix  378. 
exsomnis  66. 
extrinsecus  308. 
fahrater  379. 
fabtUo  425. 
/act/t«  .381. 
Fanester  379. 
/«//ator  378. 
felatris  378. 
f«//c^^rw  378. 
fenestra  380. 
/•e«<ra  380. 
/i^a  25. 


Indogermanisohe  FonchnoRen  XYIII. 


/Stopfer  379. 

/KtiM<tfr  379. 

/Mtflrftfr  379. 

/i/tflrfra  379. 

/t/ttm  25. 

/imÄrta  377. 

/inc^^tf  284.  285. 

/int  325. 

/S6ct<«  25. 

/{f<rto  335. 

fo//M  284. 

/bra«  306. 

/<>rw  306.  375. 

formaster  378. 

formastrum  378. 

farmatar  378. 

/or«  219. 

for^ana  219. 

f(Wrfor  377. 

frango  4. 

/V<rfrto  380. 

fraxinus  492. 

frw^e«  502. 

/"rß^t  63. 

/Vw#  502. 

/Vwor  229. 

/*Möm  430. 

furvus  416. 

fuscus  416. 

^^äre  40. 

gelidus  40. 

^e/u  40. 

^emo  470. 

^«na  32. 

genitäbilis  438. 

genitalis  438. 

^^u  32.  461. 

genutni  32. 

fiftfro  130. 

gestor  377. 

glacies  40. 

gladius  42. 

^/am^  506. 

^/e^  40.  42.  246. 

globäre  42. 

j^/(9f^^«  14.  36.  40.  42. 

246. 
glamero  15.  41. 

36 


;)fta 


WorUegisten 


ijlwHm  lö,  40.  41.  246. 

i7l. 
ifluUvr  246. 

pluftf  Sil 
fftütna  4h. 
iilm  2^X  37.  *5. 

jfiün  46> 

j;/h/**m  20.  4S,  4ö. 
f/tütu4/  46. 
jiafö^^  248, 
i^rffi^-  4tiO. 
A«r  304.  335. 
Acmo  400, 

Acmivn^t  434.  466, 

Aic  304, 
Ai'nr  304, 
Ar**Wo  3S1. 
.A(Mfi7  4öL 
A^Ttf^  466. 
Mltut  46^. 
Amef  471, 
Äw*rti(ii  451. 
Jtor*au7H  306. 
ii«t<:  304, 
kumtts  31R 
Aifm/  374. 
humiliM  öS. 
Aummt  £>8. 
iÄ*  304, 
ibidem  304. 
tfiCTT  :-i0«- 

/«ff<:  304.  336. 

Ulk  :^04. 

♦7^tVi(r  :^**4. 

«T/o/^^um  308. 

ülu^rit^  478  f- 
ünbeciUiiA  472. 
im&fvbts  66. 
jm*«ii*i(>  271, 
httpuljttrij'  378. 
i«co»to*«*/  475, 
/ji«^^  481  F. 
»fwf«  304. 
i?trfirf*m  JKH. 


indütilit  381.    '«IW 

♦M/'-a  305, 
.»»dl*  307,  30». 
iM  /<►«>  323. 
inCTW  62. 
inquin¥iu^  480t 
^fWi^J«  473. 
ifusiigüre  600. 
/»*üj)*r  307.  309. 
int^  26. 
•nltfr^Mtffür  26. 
ifüer^  207. 
iMerihti  30». 
*»*#n^r  26* 
iW^t'ii^fVs  !ä6* 
«n/ef<?ia  26. 
tt*£«^^iM  26. 
%fdtrt>iQ4  306.  4ö3, 
infctf^mwj  26, 
mlaL  itUraiia  26. 
ifUrifi^ti^ui  30Ö, 
i»/rö  300,  305. 
iWn>c^r9ua  308. 
if^u9  2(k  a06. 
/ot^w  456. 
ioujemt^Uu  233. 
»pfff  60. 

intac  304,  ^430. 
iitfie  304, 
MfNi;  304, 
M^ar^^um  308, 
ijftuc  304, 
7/«;w»  21)2. 
ftöte  64. 
(wrfw^  292- 
»ujT^  335. 
iüs  294, 
f»f^/)£?M«  475, 
Jupfter  (j3. 
Jupitna  4ö6. 
JuppiUt'  \ö^. 
juvencu^  102, 
idrf  502. 
iifxfa  305. 
ii«^»m  308. 
foÄ»  232. 


fitbor  232L 
fanero  253. 
^Mt^ru  379. 
iarttfuh^e  44ÖW'P^ 
art;r  488  f     -^ 
/uvrr  44ür. 
taserpicium  441. 
/a««frriV  335, 
/o/rd  381, 
latiääöiiiM  381. 
/ei>^««  24, 
UbeiUo  425, 
/»*rf  304. 
LU^itum  363  f. 
I^mfte  335. 
/fMAi  336. 
Untm-  38a 
i/filWo  381, 
fof £9  338, 
ioco  338.  375- 
iocu*  :^20. 
ioidH4  434. 
to#i^  308. 
Un^nqu^  306. 
/oKf/i^fim«  309. 
lottßiHü  3oy, 
loH^ie  ;303, 
tnbricujt  446. 
/iM^iVi-o  436. 
/a<2iM  434. 
luptstria  380. 
?t**fro  380. 
/»p/rtim  38K 
;«/ro  ;i80. 
magifttr  378, 
»fam>rj>d  475, 

martrfo  33. 
manif  376. 
wi>i*Wf  131-  423. 
marcitiits  445. 
fwtr)'  338. 
war/  (?)  335. 
mOt^eM  493. 

mfl^Wj-  380. 
Pfio^r-ü^ttj  380. 
^faxim^tier  37^1, 


meditari  213. 
medius  451. 
memlnrum  437. 
memor  293. 
menta  211. 
menstmos  438. 
menstrutis  379  f. 
menium  33. 
merda  445. 
meridianus  (>4. 
mfriäies  ö4. 
me^a  270.  494. 

militiae  319.  374. 

minister  378. 

mlat.  minister ialis  221. 

ministerium  221. 

mintfo  271. 

mwer  440. 

modius  211. 

moc^M«  211.  469. 

moenia  270. 

mö/e»  445. 

mollits  445. 

moN«  33. 

mofUe  33ö. 

monui  484. 

mulcein'is  378. 

Mulciber  378. 

Mulcibns  377. 

muntre  270. 

müni«  271. 

munus  271. 

murus  270.  445. 

mlat.  mMfa  212. 

mütare  271. 

närem  437. 

nassiterna  377. 

nastor  377. 

nasturcium  377. 

neln'is  410. 

neceMe  219.  230.  466. 

n^ev^ti«  466. 

»ec/o  30. 

neculn  305. 

necunde  305. 

ne/ow  466. 

negotium  228. 


Wortregister. 

nAMiiiM,  -f  467. 

iftfmo  462.  466. 

nemiM  238.  241.  260. 

nfgua  305. 

nequapiam  305. 

nequaquam  305. 

ne^tfo  305. 

nequopiam  305. 

neguogiMim  305. 

»em««  25. 

netfcto  60.  467. 

/leu/ro  305. 

fi#»<r?Mdfe  305, 

neutt^o  30Ö» 

ncxärubi  305. 

nüiiM  457. 

n/A»/,  nt7  462. 

ntM7  466.  467. 

m/  466. 

n»^r  445  f. 

twmendator  475. 

»löitti«  66. 

novendiälis  455. 

nox  452. 

/io.ra  230. 

fiA-  484. 

nudius  448.  455. 

nudiustertius  448. 

nrMfu»  228. 

nupfr  449. 

;itirtM  445. 

nuspiam  305. 

nt^guam  305. 

oblucuviässe  132. 

oboedio  465. 

o^iam  306  f. 

o/or  469. 

omtn«  335. 

onii«  269. 

o>petf  210. 

opoWe^  220.  231. 

oportunus  220. 

oppido  261. 
.  oppidum  261. 
I  o/w«  wf  208f.  231.  241. 
I  or6f«  13. 
j  o«fio  335. 
i  Pafinurus  362. 


553 


paludester  379. 
IMi/a«  486. 
paluster  379. 
parcere  259. 
mlat   parcHs  259. 
jNiriM  218.  267. 
passer  380. 
jMw^or  377. 
j»a<«r  377. 
pMrtuler  378.  379. 
patrater  378.  379. 
patrator  378. 
patrius  66. 
patrönus  380. 
pecünia  234. 
pedester  379. 
peditaster  379. 
jwJ/io  42ri, 
Penates  265. 
l>enM  265. 
penna  272. 
pensile  274. 
/»mu»  265. 
pereftdie  451. 
peregreji  306  f. 
peregri/e  374. 
perlonge  309. 
permities  270. 
persuastrix  377. 
1>?8  28. 
pessum  339. 
I>f/Mm  437. 
pistillum  437. 
pistrix  378. 
j)/a<ea  335. 
Plausumius  378. 
piexus  258. 
Plostumius  378. 
pomtrium  270. 
pondus  '169. 
ixme  308. 
pone  versum  308. 
jM>n/o  425. 
poreetra  380. 
porro  300. 
jKjWa  335. 
porticus  qua  335. 
posUus  446  f. 

36* 


prtte  :«W. 
prnf/ifo  22il    WJ-i 
ptiifhihto   U^. 
praeistfnf-  68. 
pf^httido  äO. 
p9'^dit  -(ÖL 

procul  i*08, 
prokib^  ^i6^. 
pf^mrfföv  ö2, 
propr  3t  )W» 
propittqt4^  a08- 
pfopiuM  308. 

proptci'  :^n8. 

ptotinam  ^fW, 

pfi}jntfHf  iW.^8. 

puU'tatrti  ;^7l', 
puntfo  2d^ 
Pyfti^  'Am  f. 

fjutjcumque  3f>4, 
qwtCHnqiif  335, 
qutidrfiifinta  433. 

fjttapiartt   3(J>Ö, 
ffiinpro^ttt^  HOK* 
i/Hu^ua  33/i. 
qmiqnam  3()o.  ;-i3&. 
q^aque  /KU.  3:^, 
tfttavifs  /tot, 

ijutpqui»  fiO. 

quoctimqu^  3<14. 
qitolunt  4>t3. 
^i^«;^M  304. 
y«ft/w^»i  305, 
quwjtiam  305* 
quoquns  i^. 


\  quöque 

\  quo<j\M*)  -4^3. 

^f>5WJ   Fornum  SOfiL 
^uctr^^fm  3(W. 

quopi^i  J-)Oi. 
/*<^/;uffi  437, 
rtipiDtti*  37«.  37il. 
rap^rum  379. 
«rpü  3H0. 
rap**r  378.  HHO. 
mpföt*  380. 
rffriw  412. 
rrwftr  378. 
f^^fr«»!  37H.  4H7, 
re.(?/(i  305.  33Ö. 
r*irr(«  204. 
f  r/-*^  20«  r 
rftjiotie  335. 

rr»(^fa  382, 
rr/r^  300.  3Ü5. 
retrofitroquf  305, 
rrfroi^^*^«™  ^^(}8. 
ridkrtitt«  43«, 

rijxf  335, 
r^ro  335. 
rrH^<#  33. 
rortw^-^K*  443. 
rojjo  '(42. 
r5rw  442. 
jvJrfrroM  33. 
tottitidttH  506. 
rur^sins  370. 
r«***  375. 
r«ri  374, 
rr(r*wm  307. 
rur^Hfft  ev?f#ttm  308. 
r*«  311. 
f«ir»m  243. 
^^(f/o  425* 
i*f«j>«s  258. 
«a^a  J31. 
Ww;  22.  23. 
9txtiH  33Ö, 


A'^ni  381. 

*(Wjw«    i. 

<i»/iu  27.  23tJ. 
grinäo  4. 

jrCC^fttffll    W*    15, 

wrSfrö  t, 
iecundum  308. 
tfrvflw  72. 
«WM  4.^. 
ß&mei^tt)gtri»  37H 
MfhMtriit  43K. 
gfmitüi  .335. 
MDTjfEfm  307. 
»^ptih  4fi7 
iteptemht^  |38. 
tfiqu^tr  377.  37*t, 
^^Mcrifrfi  H^f80, 
stquestrim  378, 
■(t^uimiji^  72. 
«#7ti*.«/^  378.  379. 
B«r7»«fM  627, 
i«trr/w  527. 
s^r*ti*Ä  209. 
a^aibih  438. 
#(^i«fi5w/«m  438. 
tfwwZ/M  438, 
Se^tiun  478  f. 
^tVrw^i  305. 
jnruwie  306. 
*»7o  425. 
sFM««  426* 
ȟve^ff  879. 
*Jmt7ü<  4^8. 
»ni'Ai»>7  305. 
»'fUa  305. 
«f'gt«t>  3U5, 
**^M/fl!  382. 
ffo/p**  241.  242. 
«o/um  24J  r. 
tiilat.  sottiftre  223. 
tfon«  224, 
«ont-  52. 
«pafffO  5 
apaiio  335. 
ftpenui  27, 
»pofutrw  377* 


H 


Wortregister. 


555 


17. 


09.  515. 

57. 

433. 
308. 

306. 
r  3()8. 
J6. 
38. 
J2. 

7  f. 

362  f. 

57. 

66. 

»  339. 

r  377. 

)o. 

"  379. 

307. 

ror«um  308. 

eque  308. 

76. 

}76. 

II. 

379. 

281. 

260. 
17. 
19  f. 
trique  320. 

379. 
23. 

3  f.  293.  295. 
)8. 

1-98  f. 

Sl. 

J26.  526. 
526. 
26.  526. 
).  335. 


trabe  216.  278. 
Trallis,  Trallibus  306. 
iramiti  335. 
tribuere  533. 
/W^M»  533. 
tributum  208. 
/HiG^ttom  460. 
triduum  4-i6.  449. 
^rwa  414. 
trüdere  232. 
^Hm^o  5. 
fu^t  273. 
/Mmfo  21. 
tundo  5. 
/urdo  218. 
u^t  304. 
ubicumque  304. 
tt&tnam  304. 
M6igt#e  304. 
M^'ritf  30'i'. 
lUtro  305. 
i*/^ro  citroque  305. 
um^  33. 
Mfia  305. 
unde  304. 
undenatn  304. 
undeeumque  304. 
undique  304. 
undevU  304. 
unguis  30. 
ungula  30. 
ungtUater  379. 
uretve  475. 
uri^o  475. 
urvum  27. 
uspiam  305. 
tf^guam  305. 
tt^^M«  309. 

M«gMe  gwo^tt«  304.  309. 
t«/or  378. 
Mtor  295. 
i«/ra  305. 
I  M/ra^e  *-K)5. 
utrimque  305. 
utrimque  aecus  308. 
utrinde  305. 
M/ro  305. 
utrobique  305. 


tUroque  305. 
tUroque  varaum  308. 
Mfruöt  304. 
ßra  501  f.  505. 
ur^o  501. 
üvidus  501. 
vallestries  379. 
f?tf-  454. 
Kerfttt«  453.  454. 

f'ejjrtfo  6. 

vegetäre  A&7. 

vehemefis  467. 

vemenB  454. 

p«i/er  380. 

venum  339. 

verbera  13. 

pgr^ro  14.  16. 

versätau  381. 

re^anu«  454. 

PMCor  454. 

vestigiüi  335. 

via  335. 

ricmia  312.  375. 

viciniae  374. 

üicisHtn  219. 

rncti«  282. 

i^Ma  447.  449. 

n't^  335. 

rtmeM  22.  498.  507. 

Vincemalus  61.  64.  69. 

f?ir^a  496. 

üirop8  62. 

viscum  496. 

rt/ÄT  498.  507. 

9ltM  7.  22.  498. 

Vitium  475. 

t^iYtt/u«  292. 

rowo  470. 

Falisekisch. 

/o»M^  451. 
^Mo/undam  483. 
ququei  483. 

Oskisch. 

oArA^^us  531. 
amruvnnM^  478. 
a^rtMf  532. 


WoTtregistet. 


^^tutttur  877, 

d^tat  All  nr. 

frtiktatiuf  128. 
ptatUm  mi 
i*0i  52, 
««Int  hl, 
itiMm  216. 

HTUWi    27. 

Umbriflch, 

afputrati  "^11.  291. 
anffV  532, 
rf«/r«*«  477.  479, 

rvir#*eii  532. 

i^Ni  5:^. 
/W  Dti  456- 
di/(**  531. 
(fintf»^  532.  534. 
äitu  52U. 
/afe/-«i<i  88L 
famti'iaii  532. 
ftff^Mf  532. 
^ffAtf^tt  ö32. 
Aomonu«  424.  128. 
kondr^  58. 
J/<*ie  i>32. 
/ft*/Ve  533, 
Juvt^patre  45(i. 
Jln/efu  Ö32. 
Mü/af'  532. 
r*ttJi»a  42U. 
p^rsclu  2flO. 
prehubUi  480. 
prenoimfe  532. 
pur^itom  531,  533. 
j7urrf0u»^it  531. 
puftif^B  381.  531. 
pufiiiujf  531.  533. 
/»HrfUf^f««  531. 
«^(^  52. 
fff^^u  532, 
Ä«(rfeti^a,*Jor«   476. 
/r*Ä*t7  216. 
frcmtm  21ti. 


tribrUifte  42«. 
iW/ö  533. 
wf«ftf  532. 

FranzibiBcb. 

odUwr  431. 

9unm  485. 

b^Offfte  224. 

Awöm  222.  224.  231. 

anglom>nn.  btile  283. 

A*//e  2r:^ 

AiH«r  2a3. 

compagncn  234. 

crft*-  272. 

droU  2W. 

afra.  ««/rai>»e  26. 

mtratVe^  26, 

afrz.  r»*i>»V*^^  ^-^^ 

afrj&.  Atfouf  515.  51(3. 

Ä«-o»  52L 

Aut>€  274. 

«i«t>«r  273. 

faiUtr  225. 

*7  /ö«f  225,  331. 

gtiffe  13h 

^^»cAef  495. 

afrz.  guischet  496. 

/odoM/-  232. 

ljuud$o  243. 

afrz.  mt¥U9Utl  22L 

m*rtrt(n>j-  22  L 

fft^N^fKfr  221, 

«wftiV  221. 

p^iroi  268, 

pignon  272. 

P/ea«^  258, 

jw>^?*  274, 

afrz.  migtiarüt  224. 

afrz.  Äöj'^nrtfW'  223. 

soign^r  22B. 

«oirt  223, 

t^moigttage  233. 

(»■*»'*  291* 

iravatHer  232. 

wrii«  485  f. 


Ttalieniecli. 

altmoil.  arf-;  22L 
bisogno  224. 
iffVf^Jü  294. 
^  meätierr  231  f. 
«tUragtio  2U. 
men^tj^  221, 
ifogna  223. 
»/<Wto  516. 
etronxo  521. 
iftron^oh  531. 
rfu/d  274. 
irappola  500. 
piem,  wrfOT  4flB(. 

Fikfirdlseli* 
•«M«f  495 

Portugi«tsiaeti, 

o^omo  4^i, 
tatufiito  274. 
allport,  üBCTiwfer  2ä4 
»N^tfr  22!. 

Prov«iL£aUseh. 
yifftf^ttff  495, 

meHeAtf*at  221. 

ref*na;  t^ttto  485, 


Rnmäitia^li, 

274. 
274. 

Spanisch. 

»ram^ü  248. 
Ceuta  258. 

«9  mtntgttt^  221.  231. 
erttt^a  274, 
m0fte,s^fr  221. 
m€7^t^val  221. 

Gallisch. 

/>/^4/4]|ujr  4o7. 
keil,  dnunm  258, 


Wortregister. 

i238. 

mir  437. 

«aii^u  500. 

21. 

öil  501. 

fr€f  215. 

lubrum  48Ö. 

rogait  508. 

rttcA/  508. 

Germanisch. 

Irisch. 

s-aidbir  66. 

Burgundiones  26?. 

«to/A  487. 

13. 

«/ematw  8. 

Gotisch. 

(H. 

smir  409. 

aÄ-u  387. 

7. 

tfrud  34. 

aggtcus  30. 

m. 

tarlk  21. 

oA^iM/a  102.  225. 

436. 

^re6  216. 

aigan  227. 

K 

/r^-  216. 

ai>n  413. 

5f. 

tresa-  293. 

aihtrön  227.  43(5. 

. 

/rAfai7  252. 

at'Ato  227. 

84. 

tri8  293. 

aitüibim  85. 

K). 

atWi/  106. 

Bretonisch. 

ain^TM  389. 

\^. 

«ow^r  427. 

airinön  250. 

9.  493. 

guem-enn  485. 

ain«  250. 

6. 

^trern  485. 

aiwa  425. 

127. 

Atrtn  504. 

oArrav»  503. 

hiil  66. 

irin  504. 

oAtä  132.  505. 

». 

/«rfr  487. 

aljan  285. 

19. 

anaprafstjan  226. 

PI  127. 

Gälisch. 

ftndbfthta  250. 

503. 

basg-luath  415. 

«m^a/tnirrott  517. 

85. 

/«arna  485. 

andwairßs  406. 

7  485. 

mar-ag  409. 

an«  269. 

m. 

ar6oi^«  249. 

6.  507. 

Komisch. 

ar6;a  427. 

93.  425. 

a^an  504. 

ar6;ö  427. 

2. 

euiter  427. 

arhxizna  508. 

J. 

^ti«m  485. 

anr/ö  249. 

1. 

oMiw  232.  251. 

!08.  239. 

aanei«  232. 

29. 

Kjrmrisoh. 

at'pinsan  51. 

11.  15.  128. 

aeron  504.  505. 

ati/lfd  211. 

43. 

cfmr«!»  492.  493. 

atiA«a  21. 

.  39. 

eirinen  504. 

auhsne  423. 

t25. 

«feWwn  437. 

aww  427. 

•  25.  436. 

ewithhr  427. 

a«^(>  412. 

S53. 

^»  25. 

bairgan  262. 

3. 

^/ynw  43. 

6at/r«  415. 

87. 

gwäl  252. 

bajoßs  93. 

4()9. 

^«m  486. 

M[A«285. 

>4. 

llBBtr  487. 

^«an  263. 

494. 

popuryes  412. 

baiird  2&3. 

213. 

tarn?  21. 

6aiirÄ/a  262. 

557 


rrf» 


biUihan  VI. 

histJnJant  222f. 
Slituiit  427. 
A/iwrfö  4137. 

W«^  405 

6r4i/i»i<  424. 

-rfÄ^>  420.  4^. 
dwV  230. 
ftidrein  fl4, 

/Ji?r*271   204,295.416, 
/^>tH  IHI. 

ftiirhfuit  409. 
/huA^  425. 
fatlhöH»  42ft. 
fatir^maßleia  218. 
faäi-amapU  2ia. 

fittuytftfiihHn  llÜi 

A/fiw  2H. 

j/«Afltir  206.  219.  2:iU 
^baürjaia  206, 
getbaüyjdpug  2Qtt. 
yahinh-m  20ü. 
ffabaurPü    KKi, 
ff€idt4Hka  2H4. 
ff  ag ff  an  28, 
jfahtaiöa  234. 
^«»fiitf?  226. 
ffa-lükan  23, 
^amatR«in-  428. 
j^ffiaMw  271, 

if(*«H?/  211.  2ia 

jffiiHvtjtMn  212. 
|;a»aA  218  f. 
f/tintttiha  218. 
^nJAitt  260. 


ffnniufttn  2H5. 
^A^A«  2t8r  415. 
j^dtm'^n  26ti^. 
^T-oft»!?  427, 
paroft»^  427. 
gatiotürknan  518 
gasunjön  223. 
gatimrjö  425,  427, 
yfli«?«rf/dn  289. 
ffatttfir*/»  40t. 
t/iiH-idttn  255, 
^^iHduwaddju9  422, 
j^umo  427. 
A<jA^n  415. 
Aairuv  44J!J 
A/T^af«  28ö. 
Aa?j*-«;«J  889. 

AtlNtflM    131. 
kahi-<igga  29. 
AdtcÄ*^  29. 
A/ia*  2!^.  36. 
Aaurr^  495. 
Atnufi-  427, 
Afr  96. 
*Am^n  131. 
A^*«'  275. 
AH**  fi, 
A(4f[/Vifi  103. 
fcarf  :i87. 
inmaideins  271. 
>jima^/i>*n  271. 
innaftrö  26. 
iiUfailjau  13  f, 
inwittd*  295, 
;üA/^a  102. 
^'ir^lfffl    102. 
irw*   Wo. 
itn^HUtf  32^ 

klimtö  48. 
ilmu  32.  4&U 
Ja9itc9  433- 
lafialeiko  206. 
/effi«  433. 
f^an  17. 
/i^*  437. 
tusttt«  270. 
lHdiVl£;VlTJ  271. 


maitan  271. 

maifims  271 

**Mr»fivi  423 

meii:«  211. 

m«;^  213, 
I  mnpijan  213. 

mrV/^»W>«r/tjn  387* 

mimsQ'  437. 
,  rrti'wf  271 

mitan  211 

ff«tto/ir  72. 

ff>»<i  SflL 

>HÖ*Ö^«  311, 

mM»<fün  434^ 

munPff  33, 
:  ruiga^  228. 

nofih  219. 

fiiffui  208. 

Nru;i/aA«  405. 

wuH  103. 

njfind«  103 

niuian  235. 

m  imiA/  401. 

Hi  ttuihU  401. 

ftw^a  235. 
Päoc  268, 

*P(iirroc  268. 

/Yitw  405. 

r^£H  237. 

W^(>  393. 

nai^ltp  .393. 
«(»<*7  423. 
Munt^tund  118  f. 
jyum  ,^3. 
8ka}  229. 
#Jto/>a   22^J. 
tfA^JW*  234 
skitja  229.  246. 
tfilu/an  231. 
»lahan  23. 
amairpr  4-10. 
*rt»»f^»  24. 
isnOrjö  425 
J»5  87. 
sparu^  27. 
4f^/a  426. 
3pt^autö  &. 


Worlretpster. 

76.  279. 

uz-etin  387. 

fi^cMfi  289. 

17. 

tcaddju8  422. 

237. 

wahetjan  21. 

)4. 

tratan  435. 

5. 

trafrjMn  14.  23. 

499. 

wajamirjan  90. 

l. 

icalus  252. 

waürJcjan  249.  260. 

2. 

waurHw  260. 

uh  389. 

weinabasi  405.  416. 

388. 

weUwöps  293. 

J3.  223. 

M;aeiz-M  389. 

J23. 

wtn/a  236. 

^6. 

trinnan  249. 

23.  426. 

icraiqa  6. 

rMm»n  427. 

tcruggö  520. 

389. 

89. 
49. 

Althochdeutsch 

105. 

d^n/  85. 

1  126. 

ddara  25.  436. 

hunä  126. 

a/To^ra  494. 

15. 

AAom  492. 

.  414.  489.  493. 

aÄ<o  102. 

a9. 

aAtocio  125. 

undja  421. 

a^otW  102. 

a^u  102. 

06. 

öte  492. 

im. 

(t/an«a  492. 

89. 

albiz  506. 

(t/un«a  492. 

andi  66. 

anc^  29. 

►  225.  231. 

anMa/  29. 

115.  218.  240. 

antwart  406. 

anticert  406. 

^. 

araÄÄiY  232. 

armuo^»  247. 

n  22(). 

arwitf»  250. 

5. 

arwuoljan  252. 

123. 

^A»  412. 

121  f. 

aspa  490. 

8  66. 

ÄAtfn  6. 

an  21.  28. 

doAAo  28. 

X 

balg  425. 

251. 

6ar  416. 

in  232. 

beide  93. 

559 


beklmniMu  15.  41. 
6ert  405.  416. 
^/anc  244. 
bihal  283. 
6f/<2ari  286. 
bMön  286. 
6i7u/»  286. 
6///tu  283. 
biUön  283.  284. 
dirum  53.  55. 
bluat  405. 
6o//a  34. 
bolm  284. 
^2?  284. 
btiMea  102. 
brunno  424. 
^ȟan  242.  264. 
^M/^a  425. 
6w/to  21.  28.  34. 
bür  242.  264.  438. 
dihsa  498. 
diozan  5. 
dW^rtV  250. 
cfrfo  94. 
dHUio  123. 
drizug  115. 
drucchen  5. 
durdhpiUotemo  283. 
dühan  5. 
^Aw«un^  122. 
e^Mr  100. 
etmtor  206. 
ei?  501.  506. 
dfnbaum  492. 
encAa  29. 
em^»7  29. 
enJto  30. 
epanginoz  234. 
emiM^  100. 
e^ar  256. 
e^ar  285. 
euHi  295. 
feeiara  437. 
/«>•  413. 
filaica  484. 
/eor,  /lor  95.  104. 
fereh-eih  492. 
salfr.  fither  96. 


hm 


Wortregister. 


salfr.  fUkerUund  96. 

finfte  113. 
viorzekan  110. 
firH  130. 
fiuhta  M)2.  i»3. 
fledarmüs  19. 
fledaröH  19. 
/oAa  425. 
/broAa  492. 
/TMfu  105. 
Friduwin  105.   115. 
fun/ife  113. 
fünfte  124. 
&Mr8<  261. 
fM  130. 
gaföri  207. 
gefuore  207. 
giburt  406. 
gifuari  207. 
^iMö;7  234. 
ginuoc  219. 
/If«  225. 
giwetan  255. 
giwuti  i06. 
gnttan  24. 
Ärii^  258. 
Ä<iÄ/7a  245. 
hahsa  26. 
hamma  30. 
Äflr  425. 
harra  425. 
Äar«^  261. 
hasan  416. 
heraatun  389. 
hiuru  85. 
/ti(«^K  85. 
/»ifw'rt  427. 
/«Tm?o  427. 
{h)linöoum  492. 
hnaffezen  35. 
[h)tiapf  34. 
AM«/  30.  38. 
hnioian  38. 
hniiiiran  30. 
Äwo^  30.  38. 
Aow/^  29. 
Äomr  29. 


1  AoMfoan  6. 
I  hrimfan  520. 

(A>two  41. 

{AJrMcibi  28. 
I  Aw/-  29. 
•  Aii/b  29. 
i  Amwim)  423. 
I  Anote  225. 
!»Aa  502. 

in-ädiri  25.  436. 

ffinoA^  26. 

inn{e)ödi  26. 

innödile  26. 
'  innuodri  26. 

it'leskan  433. 

tfoa  502. 

^VAaii  105. 

jügiro  103. 

jugund  102. 
IcAamÄ  281. 

cÄeevr  .33. 

Hnn»  32. 

A;to/  34. 

Kuu^  33. 

kiuwan  33. 

kizzilOn  (). 

Ar/a^a  47. 

klagön  47. 

klamma  41. 

k'lapßn  47. 

hläwa  29.  45. 

W«/</a  20. 

A/ei7y  43. 

Heimen  43. 

kleini  43. 

clecchan  47. 

klenan  43. 

khnken  42. 

AVe««  20.  44. 

A-/f«   14. 
I  ^'^iw  20. 
:  Ar/tiwn  20.  43.  4^f. 
i  A•Z*m^«n  41.  44. 

klingan  46. 

klinkan   (6. 

klioban  45. 

kliitwa  29.  40.  45. 

Wo/>o  45. 


;  iUocirön  37.  46. 

klopßn  46. 

i^o?  45. 

i-Zü^M  45. 

ä7nm^  14.  40.  42. 

AriMNlo  32. 
!  knodo,  knoto  3. 
'  Ämo/o  32. 
'  Xiio/>f  32. 
,  knüpfen  32. 
U-or6  11. 
I  Itä^o  12.  35. 
Ilrrtfiko  12.  35. 
,chrampf  6.  11.  28 
I  krankoion  12. 
'Arrnfir  12.  15. 
j  Aro/)/b  11. 
j  itr««o  12. 
'  krezzo  12. 

kriechen  527. 

i-ftmman  12. 

krimfan  527. 

krimpfan  8.  11.  28. 

kriohhan  39. 

krippa  11. 

Arop/"  28. 

krucka  35. 

krumb  11.  15. 

krumben  11.   15. 

kruog  35. 
j  ArMw/if  1. 

kuning  293. 

/a//rt  487. 

/«<7ar  437. 

/«rzi»/  433. 

^m  43. 

/in/fl  493. 

Liobwin  105.   115. 

/o«^c  410. 

/t/ren  43. 

^M2:«j/  43. 

/w^^V/  43. 

m^;i  423. 

marag  407. 

nuizzaltra  494. 

mein  271. 

mt/MA  100. 

mt?/a  33. 


Wortregister. 

56 

4M.  Aas. 

Sigifrid  105.  115. 

atiuri  21. 

11. 

afmo  24. 

«fo//o  510.  511. 

212. 

»M/a  438. 

aiolz  509.  516. 

212. 

seaban  4. 

atorach  518. 

12. 

acarbOn  920. 

atorchanen  518. 

l 

8cartan  520. 

*forr?n  517. 

0. 

«c«itA;en  27. 

«Torro  517. 

tro  264. 

«c«ran  10. 

irfoiipf  35. 

). 

«cern  10. 

atrobaWn  526. 

L 

scertfyi  10. 

^rii^n  5. 

24. 

sciiiko  27. 

^HIcAal(»n)  527. 

17. 

seintan  4. 

atrüekon  524. 

). 

«crcincA^n  10. 

«^f<;/an  511. 

238. 

acrevOn  4.  9. 

atüH  21. 

?. 

acrecchön  4. 

aundar-wini  424. 

18. 

«crecib^n  9. 

«UMMa  423. 

38. 

»erifUan  4.  9.  520. 

wn/ea  224. 

3. 

acurgen  9. 

awingan  13. 

las. 

«curar  9. 

^a^e«  452. 

\A. 

«/r^Aaii  8. 

salfrk.  thüachuftde  122 

104. 

»lingan  23. 

salfrk.  <icÄ  115. 

«na*f*/  83. 

<o/^  231. 

«noAAan  35. 

trtzene  111. 

27. 

«ne^^o  35. 

<ro/fo  424. 

PI  6. 

anerhan  508. 

/ro^  413. 

«nik^en  33. 

tropfo  424. 

13. 

»nfk>r  425. 

/rii^i7  102. 

0. 

wOä^n  33. 

tüba  425. 

li  12.  16. 

«Oll  5. 

salfrk.  tu«  90. 

243  f. 

apioz  5. 

ungapülat  283. 

3. 

«pM<ar)i  20. 

urkundo  293. 

\3. 

apizi-rnüa  20. 

uww^  28. 

243. 

«por  27. 

fran^a  28. 

1, 

iito/fo  424. 

irodo/  436. 

19. 

atatnpßn  5. 

waeckar  415. 

22.  23. 

«tepfo  424. 

fTo//^  436. 

9. 

stara-blirU  518. 

wanaratilza  513. 

^4. 

8torc  518. 

ireAAa/tor  509. 

l. 

«/eAAo  424.  499. 

fre»Mn  6. 

131. 

ateccho  424.  499. 

tcMa  237.  255. 

, 

atilza  513. 

wtidinari  2.S7. 

24. 

«/#ro  517. 

iretdon  237. 

31.  104. 

«^^ff^  519. 

ireraA  14. 

)l.  104. 

ata  511. 

Mwrc  14. 

9. 

«^•W  511. 

wttar  435. 

100. 

atimma  100. 

tri^  22.  498. 

100. 

«^imna  100. 

widamo  290. 

116. 

«^u>2»ai»  273. 

widamo  290. 

^«2^^^^^^B 

f        WortrDgis(€T* 

^H 

mdui^m  283. 

itwUrtr^üi*!  237. 

6.  ^^^^^H 

tvlghü^  ä8H. 

öachntgtze  513, 

jf/iAf/rff  24             ^1 

*rfA  2«2. 

6öcl:*  28. 

pni«/  21.                      1 

M'lAA^f»  7.                        1 

Ä*A«or  334. 

9^S.                           1 

i(>%hhüs  28«. 

AwiiuJ^r  223. 

ft«f«r  8.                        1 

«nVA^*7fft  22. 

bietf^n  3H, 

h^mmtn  8.                     1 

[Vtttifritf  lOft.  llö. 

*^/Jf  286, 

Ai>/fn  30, 

it^'»;«iT>  fi,  35. 

ÄtfAofw*  284, 

hiufel  29. 

H^rO^ii  Sfj. 

fiilten  2HH. 

Ao-yer  29.  39. 

i^M  495. 

bUlkh  284, 

höuc  39. 

iwrA  14 

biUMcktn  8. 

AuM  39. 

{ic)riifan  «. 

ÄocA-^tt  ,S9. 

küchen  29.  39 

«r»f»»ja  2iUI. 

A£>;:t  284. 

tiürei  29. 

uuiti  252, 

bHiejtn  B. 

Wittyen  52(J. 

£rii^cA<r  fi. 

Aä/Tc/  29. 

snn^ttr  415. 

bVich  28.  34,  3». 

A  «r  ^^3. 

^^AfTVi    105. 

iurir/  28.  30. 

JtÄ^/etj  33. 

jffi^fi/»  125. 

bücken  39. 

K^^n  m.                   1 

;rA«i#:r<>  MST 

MfcA  6. 

A^»l^«/  :W. 

«cAr»  106. 

itViTi/«»  83. 

jfft   lüö. 

^rrUffAfK    111. 

kif^H  33. 

zig  11« 

ffi7(iV  KW. 

t*w«  33. 

*»»rtiar  425. 

tcktr  504. 

JWw  33. 

zimöirf*(x  425. 

erffnrfe  250. 

kippen  33, 

2tt  5.H4. 

«f'^tfjMrwi  4:iH, 

Ktiw'f  33. 

.*tf  88. 

Waoitwtt   IS*. 

A^wr«/  33.                     ^ 

^oraht  41**. 

r*//*w«//  81 

Hai*r  36.  41.  44. 

-z«y  115.  12H. 

f€Uf  98. 

klaf  47. 

zuo  8^. 

/-i^w«/-  fi8. 

klaffen  47. 

zw?Ä  S^J. 

/S«/^  98. 

it^ai^  46. 

zu^ei  89. 

Ptumf  98. 

JW«m  TK.  41.  43.  W, 

swfinzug  iW.  117. 

/f««/-  98. 

iHamirn  41. 

^wa/i/  106.  108. 

fxmifzen  98. 

khfHbf  3ti.  41. 

3W?«*  91, 

TOn^98. 

Jt^am&en   14.    18.   3£. 

ZH^C  88. 

ro«/-  98. 

41.  44. 

foxifzk  113. 

iBiampfer  14. 

LofigobardiAch. 

rwo^  295h 

Hnm/*r«v  42. 

arr  221, 

iJ«o^*  295. 

Hfl«  42, 

ffahaffium  258. 

i^umf  98. 

klappern  47. 

/Aw^öirf  25fl. 

/'Ämf  98, 

Wajjf  46. 

Anrlff  dt^  23Ü. 

vunf  98. 

it/o*ff  23.  42.  U. 

idfirzün  257. 

i?ö<  98, 

kleben  U, 

mf(<*  2i>0. 

^««^(0  m. 

klebe-tuoch  44. 

*a/«  24ti, 

funfzich  96, 

kleiben  37.  44. 

gekroese  11. 

kltiden  44, 

L              Mittelhoclidentach. 

gttttcke  30. 

W*.H*  43. 

«drr  25. 

geatt^enzt  522. 

W(!V  43. 

ack^^an  504. 

jfffr*K?(r  237,  255. 

kieit  44. 

Wortregister. 

5« 

36.  46.  47. 

ktiögerltn  31.  37.  39. 

Ärru«  16.  35. 

m  41.  44. 

kfu)c(ek)  31. 

Arrü««  35. 

y  41. 

knocke  31.  38. 

t7. 

ibn^^efte/  31.  .39. 

lade  487. 

knocken  31. 

to«cA«  412. 

4. 

knocken  31.  .39. 

löecke  410. 

41. 

ib>fo//0  38. 

mtife  212. 

41.  44. 

ifciwpf  37. 

««//,  ndle  30. 

t  41.  44. 

knorre  32. 

wtp/Vn  38. 

n  47. 

itnasjM;  32. 

Ht<r«n  104. 

t  14. 

knote  .37. 

nol  30. 

1  8.  16.  46.  47. 

itmw/-  32. 

ftfi//«  30. 

f  36. 

ibidde/  .32.  37.  39. 

ramph  12. 

:2. 

knügel  31.  37.  39. 

rankett  13. 

(3. 

knuckel  31. 

reckkoüer  508. 

t  37.  46. 

^wß/>l>«/  37. 

rimpken  12.  28. 

44. 

knüpfel  36.  37. 

r»M/<f  243. 

}7. 

Arni7/>ftfn  37. 

#i*u/«n  243. 

37. 

knar(e)  32. 

rostüsckctre  271. 

'.  45. 

Arwur/i?  32. 

mm/;/-  12.  28.  34. 

ih  37. 

knütel  37. 

rümphen  12. 

46. 

ÄvM7teen  32.  38. 

rt7ttrfii  18. 

37.  46. 

kockev  39. 

HWwt  18. 

io. 

At«^<5  12.  35. 

sallaiU  242. 

40. 

kragen  12. 

tfc/rarx;  9. 

40.  46. 

ckraken  12. 

Schenkel  27. 

46. 

kramtn  12. 

«cAA-^en  9.  520. 

^7.  45. 

itram;>f  11.  41. 

sckinke  27. 

kränge  12. 

tfc^0  4. 

46. 

A:ra#ic  7.  12.  35. 

eckrage  9. 

•e»  47. 

krapfe  11. 

sckramen  10. 

2. 

Arr«^»«  11. 

«cArflpmen  10. 

36.  37.  4(). 

kreuze  12. 

«cA/*r7emtfn  15. 

46. 

Ä-rrf-?«  J2. 

«cÄmiMT  9.  520. 

e4. 

kriechen  6.    16.   35. 

eckrenken  10. 

44. 

39. 

eckrenzen  9. 

31.  36.  38. 

kr  impf  11. 

sckricken  9. 

:  36.  38. 

A'Wmmeii  12. 

acfirimpf  8. 

i  36.  48. 

krimpfen    11.    15.    41. 

sckrimpfen    4.    8.    15 

n.  36.  38. 

527. 

527. 

38. 

Av/fi«/«/  12. 

eckürzen  9.  15. 

37.  38. 

ib-i«c  7.  12.  35. 

«i>^0  125. 

.38. 

krinne  15. 

«/«/  8. 

36.  48. 

Arri/ize  12. 

«/erfen  8. 

'^i  38. 

kripfen  11. 

«/»ecÄw  .39. 

31.  37. 

A-riM^e/  .35. 

ä/icä  8. 

mch  37. 

A-rfö«»  6. 

tf/o^tf  8. 

{7. 

krüche  3o. 

/f/uo/  8. 

umitsftft  39.  4a. 

itturrs  ;V 

«A«6f/4    33. 

imtffel  3fi. 
»Ttfffffff  snwke  35. 

snüfm  M. 

%nupf9H  ä4. 

**ai-r  517- 
ttarren  517* 
tffar^fM  51 Ö. 

***eiv  4m>. 

üi/lftn  512. 
«f/fcf«  513 
#^#r(e)  517, 
Sterke  51K 

*?/?*^  oliK 
rf/rtffji  olO.  o2lJ. 

»iiiff  51 L 
*/iVA?*  5I*<. 
Mottet ntitre  51*. 

i^;t>ii(^)  51L 

iftotlen  511. 

Wo/^Mtfif  51G. 

jstor^H  517. 
«/orru  517- 
»ti^uh  5:±6. 
j/jyjijtf  522. 
idr^ncehi  522. 
^i*fMZfv  522. 


«frttt^  525. 

ti$HUStn  5.  520.  525. 

«^i'f>^n  5ä(>. 

^foxz^  525, 
rtrwfftj  52tj. 
«ff'ücA  524. 
gtrüvhtf  524. 
ttti*HcMeI  524 
atnuktrt  524 
eirwwtpf  Ö20.  ö:&3. 
rfrM«f  52H. 
läruHMn  522. 
>^fri/rt^(»  52L  623- 
^/■ifnceii  5S2. 
^ruM^^j-F  52  t. 
«*ri?p  Ö2Ö. 
rfö/iT  5U, 
«fr7/»»  514 
*f  Jrjpf  519.  523. 
rf*?i^;*«  523, 
9tmU  5, 

«IfUHC   13- 

ta^etoeide  237. 
Ittc  30, 

tuclnt.  tücktn  m. 
unbilde  282.  285. 
under  des  453. 
«'(j/rf?  236. 
tpkke  22, 
«■»/^^  22. 
wisbitum  4tl&, 
^it-Ätf  489. 
^  281 
swa  89. 

zM<ft4  94. 
ar/rf/r  109. 
zwo  88. 
;wcoi/'  109. 
xtcölf  l(n*. 
Zicofif  B9, 
^^ö  88. 
^ir«;/  109. 


.-wö/fif*  109. 

Neiiliocb4entflcb< 
ae/ifm^i  5f4, 
nci/  219. 
tyrol  fliftrf/^/  tOft 
bair,  fii-ram  S<R 
cj^-m  24*;. 
Ba<!hätelze  513, 
AaW  257,  28ö, 
Mi  28t. 
BaritrestocJc  278. 
bedürfen  226. 
B^r^  2*52. 
&fr^«  2G3, 
A«r8/et<  24ti. 
5i7J  286. 
hilU  283. 
6pf/i>  284. 
B/*irf*/3f  422, 
öohJf  2^4.  28a 
M/jP^rJt  284.  28& 
M^«rt  284. 
*;;«*  410. 

brajrn  242. 
frwr^  262. 
MtschJciepper  289. 
(iai  Ä^»  226. 
rf(fi  90. 
desfaiUi^  64. 
rfo^  294. 
dotf  215.  218. 
drtifus^  68. 
rföf/ftif  226. 
ec^tfr  504. 
e«f  295. 
trh  486,  507. 
^öcA  295. 
allg.  fainf  98, 
/^anj  131. 
fau^n  131, 
^rtttcA^Jt  113. 
fehle^i  225. 
/>Wer  486, 
yio^/^M  19 
Fom  259,  260.  261 
frfigeiitf  68. 


Wortregisler. 

565 

n  113. 

klöhnepi  47. 

schmelzen  445. 

113. 

bair.  kluttg  42. 

«cAmer  410. 

►. 

ibtoö^r»  31. 

«cAiMticil-^i  34. 

ö. 

Ami^^n  81. 

«eAodl*  126. 

goti  61.  69. 

knapp  38. 

«cW/i!  246. 

m  234. 

A;mipjpe(r)n  31. 

schrumpfen  527. 

2M. 

knäubeln  32. 

Schicaben  64. 

223. 

knaufein  32.  39. 

schwirren  48. 

^»  23-^. 

A;miwpe  32.  39. 

idoncein  5  9* 

/  2at. 

A:iiaM;>«i  32.  39. 

*i>*z*^  118. 

)6. 

knamer  32. 

spinnen  232.  265. 

»ura«  62. 

knautschen  32. 

sprefigel  286. 

iO. 

knittern  38. 

Springinsfeld  61. 

8. 

ArocAru  28.  39. 

«toÄe»  499. 

). 

krabbeln  11. 

Schwab.  «<a(p«w  513. 

z  2bS. 

ArriMtf/n  11. 

«/oZare/n  514. 

Je  24Ö. 

ArrummÄetn  68. 

«/ar  518. 

236. 

kräppel  527. 

Ä(7rA:«  518. 

4üten  2'CS. 

/««rf  240  f. 

starrig  517. 

Filter  236. 

^«cA«  412. 

stechen  500. 

iock  278. 

/tffz  288. 

«^ecAr«»  499. 

r«7  61. 

/i«/er«  487. 

«f«/pen  512. 

JÖ8. 

manche  496. 

^rfete«  514. 

eiter  289. 

meinwrf  271. 

«^er  517. 

!58.  259. 

meinen  271. 

jf/er&e»  52(i. 

'6. 

misbam  495. 

«<ercÄ  518. 

►1  39. 

m/7tfjt^/t  204  ff. 

sterchen  518. 

9. 

Notdurft  226. 

sterchi  518. 

.  39. 

«ii/re;i  2afr. 

»fcrA-e»  518. 

29.  39. 

o«a  256. 

*f«^  519.  525. 

29.  39. 

0//«-  25<).  380. 

^e^«/  518.  519. 

Pferch  260. 

Sterzen  519. 

9. 

pferchen  260. 

«^tW  511. 

27Ö. 

/>/f«^^n  242. 

stm  511. 

?4. 

lYiW  236. 

«^fV/en  511. 

ölö. 

m-Ä^  294. 

stock  280.  488. 

•  29.  38. 

reckholder  508.  509. 

jr/o//0(n)  511. 

t95. 

reiben  220. 

bnir  sloipeny  Stolpen  bis. 

yelieUr  62. 

reihe  220. 

Aiolpern  WX 

i. 

reiAen  220. 

stolprian  513. 

i7ü. 

ricÄ  220. 

stolz  509.  514.  521. 

r61. 

robott  2at. 

thür.  Stolpen  514. 

intm  506. 

rocÄ-  508. 

«<orcÄ  518. 

41. 

rocken  508. 

storchein  518. 

4ö. 

*«;  241. 

«<or/e  518. 

47. 

sauf  aus  61. 

«<orf  1»  518.  523. 

36.  48. 

scJilarwe  519. 

stork  518.  528. 

47. 

«rÄ;<fi7  8. 

bair.  btorkeln  519. 

566 


Wortregister. 


starren  517. 
störrig  öl7. 
storz$  519. 
strabamen  522. 
strampeln  5.  521. 
^ran7en  522. 
strauben  526. 
Hfrarf^^  .^2:-).  524. 
idmucttelH  522.  524. 
«erau^A^  624. 
Mtrauchriftet^  289. 
idrauß  n3/>, 
»^reichen  523. 
streussen  525. 
4<^roir«  525. 
strotz  525. 
strotzen  525. 
strumpf  520. 
strumpfen  522. 
«^rw»t  520.  523. 
«<rM;iar  521.  523. 
strunze  520. 
strunzen  520.  523. 
*»/MÄ«  273. 
.y/»7dt  280. 
ä/mZ/w  50i).  513. 
xtillpe  513. 
stülpen  513. 
stunde  237. 
stürzen  520. 
sümte  223. 
trei/jen  235. 
TraugoU  (Jl. 

tuniclägnt  iSS^. 
unhiJde  28«. 
nngebildct  2M. 
ungehoöelt  284. 
ifUifv-Kthliffen  284- 
untpiiinjs  452.  453. 
unlenregs  453. 
rerg  issmein  nicht  (>1. 
rerschhtgen  22. 
wachalter  509. 
wachandel  509. 
Wacholder  509. 
Weichbild  257. 282. 286ff . 
weich  sei   iB^). 


ireide  236.  237.  507. 

fret7«  236. 

werfen  520. 

friepe  496. 
I  trissbaum  495. 
!  triesenhaum  495. 

trigbofdt  288. 

^riadk  494.  40a 

wischbam  495. 

frwfp  496. 

rrittwm  290. 

troMne  236. 

fr0A/«n  252. 

rn^/  281. 

4raA/fM  281. 
\  zahlen  281. 
'  2r«c^  206. 
j  r«M^«  292. 
I  zoÄc/  280. 
I  ^ocī  279  f. 
I  ^f«Ä<?r  206. 
I  ;;m«m  64. 
I  zufrieden  64. 
!  zwanzig  118. 

'  2rM'(7//'  109. 

Altsächsisch. 

'  aband  85. 

ahtetian  llü. 
'  ahtodo  J25. 
I  ui^dtiurd  KHi. 

antahtoda  119. 
I  antsibunta   1 19  f. 
I  r?/v/  248. 
' arundi  250. 

rtj*;K/  247. 
!  A<yÄ-  28. 
I  bel'llban  44. 
I  AfMie  93. 
i  6/7iVf  /  28«. 
I  biwerpan  14. 
:  /;o</«/  288. 
I  ÄMrt/»  264. 
'  ^r/or  256. 
I  elevnn  107. 
I  tf//^ra/i  107.  108. 
'  erntist  1(X). 


re»r  95. 

/ier<A«  112. 

/Jor  95. 

/iorrfo  112. 

fi(u}uuor  95. 

^f'^rf  406. 

(/tmT^  234. 

hiudu  85. 

A/t;ioM  101. 

A/ior  28. 

Atf^i  225. 

innathri  26. 

^'ö^ro  103. 

Ä:a/f  aS. 

Wt/  44. 

krüpan  527. 

ktHÜca  35. 

muggia  102. 

nichofUe  120. 

lu'^^n  104. 

nigun  103. 

niguda  103. 

nigunda  103.  126. 
!  /w/iV  2iU. 
I  *iftMH  99. 
'  sibuniun  100. 

^Jlrf?n  101. 

sirondo  l(X). 
I  skakan  4.  27. 
I  sciirgan  9. 

sjfilon  lOl. 
I  stemma  100. 
!  Stern  na   100. 

stelpOn  512. 
:j?^i7/»  511. 
I  st  rot  a  525. 
:  .'»//•ö/^  526. 
'  sunnea  224. 
\fegotho  103.   125. 

tehan  105. 

tehando  125. 

/cÄiw  105. 

/fMi  105. 

/Äff  89. 

thriddio  123. 

/;*;•?/!>  115. 

thriu-,  thrütein  111. 

/m;i  105. 


Wortregister. 

567 

kerse  111. 

««rjire»  526. 

b. 

kinke  35. 

«frttm/)  520.  523. 

16. 

Artoffipe  14.  42. 

strumpelen  621. 

klateren  47. 

Strumpen  521.  522.  523. 

A;/a/^e  47. 

Strunkelen  522. 

106. 

ik/tre  20. 

«/rtf»/  521. 

L06.  108. 

klJge  U. 

Stulpen  513. 

106. 

khtaren  44.  45. 

«/tfften  513. 

106. 

k'loutceren  44.  45. 

/adr/«/i<k;A  120. 

>1.  92. 

krimpen  11.  15. 

^etii  108. 

117. 

ÄnnÄ:  12.  15.  35. 

tseventich  120. 

.09. 

h'unke  12.  16. 

^«08<»(A  120. 

ArrunÄre/w  12.  15.  527. 

/ifc»«r  92. 

109. 

ktüte  45. 

/tr0m<;,  /ir»,  ttrt  92. 

435. 

las  412. 

twi{g)er  92. 

22.  507. 

to«c^tf  412. 

tM^Vt/icA  118. 

2. 

negentig  120. 

wimpen  16. 

0/-  101. 

imtiiPipadU^A  13. 

niederdeutsch. 

or«r  101. 

wrempem  13. 

e  125. 

ramp  13. 

wrempich  13.  520. 

h  224. 

ranA:  13. 

irrte/*  7. 

«. 

r#mpe  13. 

wrimpen  8.  13.  620. 

111. 

rimpen  12.  16. 

11. 

rfim/>  13.  28.  34. 

Neaniederdeatscli. 

11. 

rumpe  13. 

«cÄ/i>  120. 

l. 

rumpelen  13. 

d«rde  123. 

u  Jll. 

ttchrempen  9. 

dai-<em  111. 

Jll. 

schrimpfen  8. 

dartig  118. 

118. 

schrumpe  9. 

rffrrfc  123. 

23. 

»epe«  101. 

dertein  111. 

24. 

snüven  M. 

rfer<f>  118. 

124. 

80S  98. 

rfJrrfc  123. 

118. 

spakeren  5. 

dörtein  111. 

124. 

«p«/«/*  101. 

fWrft>  118. 

?/  521. 

«i>a/<m  101. 

drittig  118. 

»  118. 

apratiken  5. 

drfl«*^  118. 

04. 

«faÄr«  499. 

r^MCÄ/  204. 

107. 

«/»A:<>ft  49i). 

ecker  504. 

08. 

Stulpen  512. 

/•ocA/*>  114. 

1. 

«f«//tf  r>13. 

fofte  114. 

114. 

<*^«rA-c  518. 

/•of/em  113.  114. 

11. 

stolkeren  514. 

foftig  114. 

114. 

«/o/y>ö  512. 

Aamm  30. 

nä9  19. 

«<o//ew  513. 

Awmp  29. 

l. 

«/o/^er»  514. 

klasprn  44. 

4.  111. 

strampen  521. 

klauern  44. 

strankelen  522. 

knauen  31. 

11. 

«<ro/e  525. 

itn/7Men  31. 

Kermaniictae  Fonctanngf  n  XVIII. 


37 


Ö66 


Wortregister. 


starren  517. 
stÖrrig  517. 
^orze  519. 
strabanzen  522. 
strampeln  5.  521. 
^ran7en  522. 
strauben  526. 
«rtnntfA  528.  594. 
strauctieln  522.  524. 
Sträuchen  524. 
Strauchritter  289. 
straufi  525. 
i*treichen  52«S. 
streussen  525. 
tffrojw  525. 
strotz  525. 
strotzen  525. 
strumpf  521). 
strumpfen  522. 
«/rww^•  520.  523. 
strunz  521.  528. 
strunze  520. 
strunzen  520.  528. 
«/Mfte  273. 
.s/?7c^-  280. 
stulite  509.  518. 
sttVpe  5J8. 
stülften  518. 
stunde  287. 
aturzen  520. 
sfinde  228. 
treiben  285. 
Trauifott  iW. 
tuffut  m. 
funichtffut  {\\\. 
unhiUle  28«. 
KHf/ebi/det  28.f. 
Httf/efuMt  284. 
ttiffji.'n'h  ifjen  2Hi. 
unteiiagA  .(.52.  458. 
unterwegs  ■1-58. 
rfifffisstH  ei  n  u  ich  /  (>  1 . 
v^mchhtgeft  22. 
wachalter  .509. 
wachandel  501:). 
Wacholder  509. 
Weichbild  2bl.  282. 286ff. 
weich  sei   i9r). 


irwtfe  236.  237.  507. 

irei7«  236. 

%cerfen  520. 

fTtepe  496. 

We«6aifm  495. 

rriVjr^jiAflmH  495. 

trigbatde  288. 

i^McA  494.  496* 

irifidk^m  495. 

tn'«^  496. 

rri^^uiM  290. 

iconne  236. 

frS;»/0ii  252. 
.  r«Ä/  281. 

^a^/«/»  281. 
I  2raM«/f  281. 
'  ztfcÄtf  206. 
j  2'tfM470  292. 
I  roÄe/  280. 
I  a'ocÄc  279  f. 
i  :rw^»<?r  206. 
j  ;rM€w  64. 
I  zufrieden  64. 
'  zwanzig  118. 

i'fr^ I  JK). 

■  c»/v7V  109. 

I 

Altsächsisch. 

aband  85. 
i  ahtetian  110. 
i  ahtodo  125. 

■  amlwnrd  MMS. 
\antahtoda  119. 

I  afitsibu)Ua   119  f. 

rrn/  2  ('S. 
' arundi  250. 

(/^//r/  2f7. 

■  /w/-  28. 

I  />?^Ä/>  98. 
•  6///Vf /  28«. 
I  biwerftan  14. 


Aw/«/  288. 


:  Äi7a//  264. 
rf/or  256. 
i  eleran  107. 
I  f//era/i  107.  108. 

frr/M/J^/    100. 


ivir  95. 
/ieHAe  112. 
/Jor  9Ö. 
/forrfo  112. 
fifu^uor  95. 
^fÄwrf  406. 
^iwö^  234. 
hiudu  85. 
A/inoM  101. 
«lor  28. 
höba  225 
innathri  26. 
yii^ro  108. 
itn/f  83. 
fc/t/  44. 
krüpan  527. 
Arr«Ara  35. 
muggia  102. 
nichonte  12i). 
wi>ew  104. 
nigun  103. 
niguda  103. 
nigunda  108.  12f). 
I  /«ö/»/  234. 

«r/ftfOl   99. 
j  sibuniun  liH). 
!  .virf?w  lOJ . 

sirondo   100. 
1  skakan  4.  27. 

scurgan  9. 

spilon  101. 
'  stemma  100. 

Stent  na    100. 

stelpOn  512. 

ä/i7//  511. 

st  rot  a  525. 

«//•«/•  526. 

sunnea  224. 

^f/7(rfÄf>  108.   12Ö. 

/«ÄÖM     105. 

teJutfido  12'). 

^^Ä/«   105. 
I  ffl/^  105. 
I  /Äff  89. 

/ÄnW/o  128. 

/;«•»%  115. 

thriu-,  thrutein  111. 

/i<i//   105. 


Wortregister. 

567 

herst  111. 

^rüre»  526. 

'). 

kinkt  35. 

«frwmp  520.  523. 

l«. 

klamp€  14.  42. 

Hrumpelen  521. 

klatereti  47. 

Strumpen  521.  522.  523. 

it/a«i?  47. 

Strunkelen  522. 

106. 

Ar/tiJ(?  20. 

«/nin<  521. 

106.  108. 

klxgt  W. 

«^ti/l>eM  513. 

106. 

klouicen  44.  45. 

««tfft^i  513. 

106. 

klouiceren  44.  45. 

tachtentich  120. 

H.  92. 

krimpen  11.  15. 

^ein  108. 

117. 

Ärr»»iJfc  12.  15.  35. 

tseventieh  120. 

09. 

kranke  12.  15. 

t«08<icA  120. 

ArrunJl-e/«!  12.  15.  527. 

^ircter  92. 

109. 

klüte  45. 

tweine,  twei,  tun  92. 

*35. 

las  412. 

^fr»(^)er  92. 

22.  507. 

/(wcAtf  412. 

twintich  118. 

}. 

negentig  120. 

wimpen  16. 

ör  101. 

tmmjwd^c^  13. 

Diederdeutsch. 

or«r  101. 

u^rempem  13. 

e  125. 

ramp  13. 

wrempich  13.  520. 

\  224. 

ranA:  13. 

irrtcÄ  7. 

i8. 

/•»mpc  13. 

wrimpen  8.  13.  520. 

111. 

rimpen  12.  16. 

11. 

riim/>  13.  28.  34. 

Neaniederdeatsclu 

11. 

rtimpe  13. 

acÄ/t>  120. 

l. 

rumpelen  13. 

darc/e  123. 

M    111. 

Hchrempen  9. 

(fartein  111. 

111. 

schrimpfen  8. 

dartig  118. 

118. 

schrumpe  9. 

(^eit/i-  123. 

23. 

wpc;i  101. 

dertein  111. 

24. 

snüren  3^1'. 

rfer^tV  118. 

124. 

«0«  98. 

rf<;rrf<5  123. 

118. 

spakeren  5. 

dörtein  111. 

124. 

«i>e/6n  101. 

rförf»^  118. 

!/  521. 

«i>a/tfw  101. 

drittig  118. 

\  118. 

spranken  5. 

cfri^/^tV  118. 

04. 

«fait«  499. 

(fMcA^  204. 

107. 

«fditen  499. 

ecker  504. 

08. 

Stulpen  512. 

/(?cA/f>  114. 

1. 

«fe/f«  513. 

fofte  114. 

114. 

#/<;rA-«  518. 

/•ü^ein  113.  114. 

11. 

stolkeren  514. 

foftig  114. 

114. 

«/o/y>ö  512. 

Aamm  30. 

nm  19. 

«to//en  513. 

Aum/>  29. 

l. 

«/o//er»  514. 

klasprn  44. 

4.  111. 

strampen  521. 

klauern  44. 

strankden  522. 

knauen  31. 

11. 

«<rof«  525. 

kn^uen  31. 

Sermaniiche  Fonctanngen  XVIII. 


37 


knocl't  3L 

dithm,  #eÄfr*f*»  fiU. 

ib^#^^  ^. 

Anrntn  :^2.  B7. 

**«rr  517, 

nrytf«   KÖ. 

kt^^mpfTt  Ö27. 

StMrA-/)pp  617. 

Het/fttftt  103. 

i'.ri>M  627 

racAe»/t>  taO. 

rawr  13. 

krünk^lix  5ü7. 

totfA/»V  12^»^ 

»i>H   105. 

krunkef  527. 

r*(m  105. 

#fi<lMfr#n  33. 

/rji;*m  527. 

r«'»;^  l()M. 

tf/*7tfi'«ir*(  612. 

neprrdiff  130. 

i«^;r  lo^t^ 

^rf/N?»   .=il2 

/^1/w  ;^8- 

U€^f  \m. 

-**//.-  513. 

riN^«r  437, 

^ikb^m  387. 

^^cr/  5lSr 

^ekr^ktl  Ö27. 

«i>  4W. 

stohktren  512. 

)i«lst.  wÄ*'Jjt#?  627. 

iwcAre  434. 

rfor/ff  526, 

^hrnktti  527 

jsirJirumpfti  527, 

Altniedcrfrttnkisch, 

iirompt9i  521, 

jv^rArr^nH;«/  527. 

dr«»/  Ho. 

Wrwiitr  523. 

«<r*?*rt  im,  lOL 

*»V(*n  £*9. 

j/«r/»*r  5ta 

jir^t^müf  10(), 

«/*'<?/«  525. 

j«j)£i<;A<t^  5. 

^imma    UXJ. 

Ä/rwtH'  524. 

^««iei*  33. 

i^-rt  105. 

Mutp^  512. 

jiuattf*en  38. 

Mäjm«*  122, 

facÄf«-Ä   1*» 

s/*«7Ä^n  5. 

toim  14, 

^•>rkf«  125. 

HHÜtt  S-L 

.yojf*rfr#N   Ua   111. 

Mttt6lniederltfndji»ch. 

tntit^üi<^k  120. 
^jrr«firA    120. 

d^^hin  !J8.    11+, 

ac^en«/^  12Ö. 

fa^rrrt^fVÄ    12(1, 

utaijftyn  512, 

dterfif  n2. 

tm^tlf  lOS, 

fitarftn  52fi 

rf«W>«»  112. 

/«vi/r/^  lOK 

«/ffre  513, 

dtrtig                                \ 

/*fM*/pc/*     Jt^ 

dt'oitsen  5. 
r//fr*«  107. 

NiederlfiQdisch. 

j*/oW^cr  51*. 

ch  492. 

aci-*r  504. 

Hiolkti'ig  514-, 

/^e^rf/f«   112- 

6*Aüi-/^  224. 

Stoikern  514. 

p*W-rf*  112. 

Aw  4ia 

^tolptfrjorhcfi  ol3. 

/ifr/^fj»  112. 

/.•<p^^6>  121». 

i^iü?/  5It. 

jfMir  92, 

fi^riig  12CJ. 

jtfü:r*i^<>irFf'tt  614. 

i?»>«  105. 

/y/äf'>  1^ 

.ifoIUi'foth  514. 

j|i^#  92. 

fiaddeten  19. 

f^lorkeJiu  51J). 

ffont^  92, 

vledermtiU  19. 

jkforAy/tt  519. 

cancfterr*  32. 

hlnuttrett  14, 

j/w^*A'>^  519.  523. 

Ä7£irÄ**n  47. 

knijprn  38. 

^fori^ehi  519.  523. 

f/m<!  2<). 

trcia^  .527. 

Jittri4tttp  52U. 

cUppei  17, 

krimpen  527, 

Mrumpeltt  521. 

Ww*  aL 

ibn^ipeiri  527. 

Mtruiik^H  523. 

c/o*r  42. 

n*i^fr*   126. 

^n*/ir  52f. 

dörf  42. 

mguHfie  12fi. 

**r//r  525. 

t-ftoop  H2. 

i»0j>fn  3«, 

jrfvt//*  525. 

Atmjhw*!^  3t. 

rimpfff/i  13. 

j*r**wl**  520. 

t-urtt  38. 

tytmpeiig  13. 

^/w^^fl  Ö13. 

AroiiA.«/e>i  527, 

ffAmoj  9. 

Wortregister. 

)1. 

hJr  96. 

/Mtl   110. 

8. 

hör  101. 

tianda  125. 

ö. 

^eM  101. 

/i^M^a  125. 

)1. 

meiokon  100. 

nne  86. 

7. 

ni^Mn  99.  100.  108. 

/o/e/^  108. 

509.  512. 

niOgen  103.  104. 

<r««e»  110.  112. 

'6. 

niügen  104. 

ticä  89. 

m  518. 

/»»«^t»  104. 

fire«»  91. 

toikeren  512. 

«tö^w  108. 

ttcel(e)f  107.  108. 

ill. 

niügun  103. 

^ir«/«f  108. 

09. 

niügunda  108.  186. 

twene  91. 

torkelen  518. 

^-  101. 

/iriVi/  107.  109. 

Ä. 

tfa«m/a  100. 

ticfne  91. 

/«/i  5-20. 521. 523. 

sa{u)wen  100. 

ttrifUich  118. 

521.  528. 

sauwetida  100. 

^iriVa  92. 

'en  520.  522.  523. 

«c  98. 

fr«/ma  290. 

)21. 

Ä/d(«)  99. 

wngia  7. 

\b. 

«i^Mw  100.  101.  108. 

328.  521. 

sigun  108. 

An^lsftchsisch, 

en  022.  52<t. 

sigunda  100. 

a'./fS«»  412. 

}9. 

snacel  32. 

({yan  227. 

50J>. 

«<?ye/*  94.  108. 

(Fn{d)  Ufan  106. 

5CW. 

«ö^t/i  101. 

andweard  406. 

126. 

«o«r«w  100. 

än-/?^e  66. 

(friesisch. 

sOgon  100. 
«/Jdfo/»  101. 

fir  250. 
ar-hc  23. 

25. 

«/«Ar«  499. 

arorf  248. 

la  125. 

steifer  518. 

tf<f  290. 

/a  125. 

*/c/-^  519. 

ä'Pruten  21. 

107. 

stifne  JhK  100. 

cScf^'e  25. 

c  107. 

«f^/0  518. 

Ofen  85. 

il3. 

stüter  512.  518. 

ceftetitid  85. 

40«. 

«/lY«^  518. 

c^5«n  413. 

3. 

stolt  514. 

a>A/otfa  125. 

188. 

«<o/<ey/i  514. 

nortli.  oehtotce  102. 

107. 

strotbolfa  526. 

north.  (pA/m  102. 

107. 

atrumphaH  521. 

flpce?-»  503.  504. 

n. 

^f</ftfra  513. 

lellefne  107. 

;. 

«/i7//^;i  518. 

(w-^Hrfc  250. 

'. 

Htultetii)g  518. 

(h'ettde  251. 

124. 

/«^o/Äflr  108.  125. 

«rfc/r>i«  20.  U, 

5. 

/e«c  86. 

ha,  bü  93. 

124. 

^Äo;7>,  therp  215. 

^«Wor  257. 

110. 

^/ir?  98  f. 

balltce  285. 

thredda  124. 

ÄflWM  415  f. 

124. 

threUene  110.  112. 

baswian  415. 

/ÄrW/y  115. 

Ä<»5ei»  91.  92. 

95. 

Mm«^w/  122. 

ba^c  28. 

37* 


^Two 

WijftregisfCT. 

^^1 

H    Ut!  t>^. 

f#/a  m^ 

WadfÄ^^^^B 

^L  bmddor  2£»7.  i8ö. 

^/ft  105, 

A*»tf  ff  SÄ,                   ^ 

^P  4lWaii  «. 

/Wm  99. 

htMppüiH  35.  :t7            1 

V  «F^^fi  f»2. 

^<f<?»'  i)5. 

Anrr/>^y  M.                    ^^ 

^H     UyfOtuitiH  S^t. 

^#orf^>^  100. 

h*Krppttti  37.             ^1 

^P     hc^itnda  1)2, 

ffodorfafd  9fi. 

Anra*/^  :^)    38.           ■ 

■     A«'/»^//'»^  22i, 

/V^rrf^r   124. 

Anf^TA  30,                    ^H 

^H     hfvltUi'ftH  42,  4d. 

feoii'rr  l»ö. 

A«;/b/  :^fr              ~ 

■    b^lingan  14  4fi. 

j¥dc<jr  iJi. 

kmfoi-oumb  m 

■    /^«  229, 

flicorian  19. 

Amff«/P  38.                         1 

■    U<M0en4<ü  23A. 

foi^NnfftiH  i2. 

hHOnau  *M                ^J 

^H     Af'jjfff   ft5. 

fvrfr  115. 

AnTf^n  23.  38.           ^H 

■     hth  m. 

/riV5i>VJt/'  413. 

hniHt  23                     " 

■    Ät/c/r/i  284. 

f^^rßtt  65,  »Ö. 

Af«>cr  35.  39, 

■     A^//  2H:^. 

(^r,/*!/  20K. 

A»ö//  30   38. 

■    bf^bi  2m, 

i^fV^  wxi. 

hnof  m 

■     boidg^nl  288. 

gtdrttf^  fi. 

hafrr  2^P. 

■    Wy»  34, 

fffi-hrump^fH  H.   UK   15 

An(fr«rt  fi,. 

■    W/  2H4. 

ffcctifHt  47, 

Ai*#flc  fi. 

^1       AlVU^fVTl    6. 

?,dircHtan    112. 

Arf(cim  fi. 

^H     hrttsmi  f>. 

^fmeitinf/  112. 

hrtaPf  mÜJi  «.   18. 

■     ^ryt^^  102. 

jirenÄd/  234. 

Af'«m»i<jM  *?, 

H    ^fkit/  Sf>4. 

j*«rf  92. 

Ar^(va;i  41, 

■   /^'7c  28.  »4. 

ÄMftrf  H2. 

Arrm«   19. 

^    *«r/«r  21. 

^WM*-*    ^, 

hf*h't-mi4»  18. 

hntm  4:H. 

JCIN/Od    16. 

ht'ifidatt  ti. 

A^/f  2t 

fff^cincio  27. 

Arm*/    11.    15. 

/7üj:  ua 

^e#/^/ffin  513. 

Ar^cy  28. 

tifeojjfin  ö* 

üws.  3i>t»<f  92. 

hriffn}ifi€  10.  15. 

drifgian  ö. 

i-St'rf  92, 

Arv^i'^  18. 

«wA^ir^wfii  125, 

5#«rf  i)2. 

huwisiofoHti^  119. 

€{amoda   125, 

Ä'«*  i*2. 

A«n</  /«Wf//ff   119. 

«/A^^rfci  125. 

51«»^  92. 

Ä#  :h. 

</i/w   «W, 

ffti^p  32. 

A^P*  29, 

tr«m  4^7. 

^Hfffan  24. 

*rtrt«T*M^^Ji3f  2ßw 

cfo-A  506. 

j7fl«/fli  24. 

fnnod  26. 

(Trtru  2-*8. 

ffrCttm  0. 

(w  .502, 

«Wr^rrt  122 

Artfü/«  .^1. 

c*af  33. 

%n{ti\f^fan  107 

httmim)  i^\ 

tw/I  33. 

tHdUofan  107,   108. 

hi4n^m  41 Ö. 

rölf  34, 

tsn\d)hfan  107, 

A^jfl"  4in. 

cface  28. 

endtufan  107, 

Aefffi   (j. 

rfrttfjj  32, 

rftdlttfort  107.  108, 

hc**rffft^f  2Äi. 

rittdtt'gtica  47, 

ttiUfan  107, 

he<mn  21, 

cUUrian  17. 

w*d<w^  256  f.  285. 

A<fci;'wrt  21. 

Wäw  43. 

eo/"or  100. 

heorde  14, 

cfamm   15.  44. 

<oA  503. 

Aienan  6. 

c/fl/*  20,  43. 

Ai'^ef*  85. 

Af3  413. 

clQp  44 

Wortregister. 

\  u. 

crincan  12.  35. 

rimpan  8.  12.  16.  S 

4b. 

crtf^  35. 

seaih  22.  23. 

9  4b. 

croce  35. 

»eo/"!»!  101. 

i  43. 

cro|j|/>  28. 

seofon  100.  108. 

13. 

crüce  35. 

north.  ««)/b(»)  100. 

"tau  41. 

CTMmft  11. 

seofoda  100. 

lu  18.  41. 

crump  11. 

tfeoo?  99. 

i  4ö. 

crympan  11. 

8ibun  100. 

47. 

cry/>e/  527. 

tf»5or  99. 

r. 

ci/tuyn  115. 

«tnu  24.  99. 

ü. 

/«/a»  17. 

8i(o)du  99. 

37.  U. 

/cp«  4fi7. 

wo/b»  105. 

20. 

/occ  23. 

siofoda  100. 

n  37.  44. 

/ßc«;*  23.  39. 

i^w/^ww  99  f. 

»41. 

lütan  43. 

aws.  siofun  laS. 

m  41. 

man  423. 

siofunda  100. 

»14.1H.20.42.46. 

tmipuMre  494. 

north,  »iofune  100. 

X  47. 

matgburg  2^3. 

kcnt.  «i'onM  99. 

47. 

mofrÄ  409. 

jfoiran  27. 

0. 

m«ar/i  407.  409. 

«canca  27. 

50.  43. 

mearA^eAoM;  407  f. 

scearp  9. 

M.  M).  iö. 

mearhaiccel  408  f. 

tfcencan  27. 

0. 

jnedu  99. 

sceotfan  20. 

tJ.  37.  40.  4o. 

mÄa«  212. 

sceorpan  9. 

n  46. 

mio/uc  99.  100. 

scierfe-müs  20. 

^. 

myc^e  102. 

«cr?arf  20. 

t  39.  4«. 

;uif«c  410. 

acreatca  20. 

"e  42. 

nauft  410. 

8cremman  10. 

(0. 

/*?a/  234. 

sa'tpan  4.  9. 

n  46. 

nM  33. 

«crimman  10.  15. 

iti  32. 

»•5«»  104. 

«crim;  9. 

i  3«. 

»•»5^»  104. 

scrincan  10.  15. 

n  31.  37. 

nierc.  m^on  99. 

«cröd  4. 

«. 

WS.  ni^on  103. 

«/Tepo  8. 

32.  37. 

ni^ona  103. 

«/Tm  8. 

31. 

»»50»«  104. 

«/ipiy  7. 

%n  31.  38. 

WS.  merc.  ni^oda  103. 

tf/ii/Min  8. 

n  25. 

north.  n^o;i0  103. 

smügam  39. 

if  20. 

«fo/wj  IW. 

«mc^e/  36. 

norüi.  nioda  103. 

«NO/I  34. 

12. 

»owfyr/  437. 

8n0an  33. 

lian  H.  11. 

nosti  437. 

«^  52.  224. 

•A/  11. 

»y-,  neo^an  104. 

speanva  27. 

n  527. 

«jf^^n  234. 

apecan  4. 

11. 

ra«c  13. 

spiercan  5. 

n  Ö27. 

rempefule  12. 

sprecan  4. 

tan  11. 

reodtiaesc  410. 

«/>r0a^  5. 

»  12.  35. 

n7W«/e  Iß. 

irfara   «H). 

571 


67Ä           ^^VBI 

F        Wuflre^jisttr, 

^^1 

ittiiMtl  2S3- 

itrifäiff  in.  117. 

wd/  253^^^^^H 

iftealcHH;^  514* 

tvihm  283, 

n^t*ttii  7.                 ^^^^1 

*fiaj»  35, 

/iirTnMifi  ni, 

trrM-^n  B.                 ^^H 

«l^f^f  518. 

norlh.  ^</^5*  ^1- 

Mfrpwc  14.                 ^^H 

Mtwfitian  ü2iX  62fJ. 

^M^^  108. 

u^r^HCftn  6.  14h               I 

*/*/■»,  >rftffrtii  tOO. 

rfrf  90. 

icWti^aft  i/Sil                  1 

*/!>?«    Ölt 

pitutan  5. 

tr^iV^*  U.  Iß.       ^J 

«(wrf  51Ü. 

tfirrfrrfy»  124. 

wrUan  220.             ^H 

iftUca  4Ö9- 

Prü&b. 

ifripan                     ^^H 

Wi7/(.  511, 

drA^/wi  110.  111 

»'y''^  '^2^             ^H 

vrf*Vc  öty. 

dr/oifftif   IIÜ     HI. 

^ 

^ö^f  nU. 

<Jr«>f^*?ii*  Ml.  112. 

Mittf^lf^nirLiBoh.       1 

-^A»  2S7. 

Ptcft,  ptop,  lioty  1315. 

^iriCr   19.                         J 

HtrtCflH   5h 

(5r*W</«   124. 

buU  21                             1 

if/r»/rart  Tj.  525. 

Printatt  5, 

^fyfiWfnncjEijf^  19.             1 

ittupiftn  21.  36, 

(*r*7*i  115. 

cUtckfit  47.                        ■ 

«*f(^»  tOK 

drittiff  112.   U8. 

frfOi/); n  44* 

*wg«  Krä. 

ftrüfittu  5.  21. 

ehfffff'  37. 

«(/f-rA»*^  243. 

dryH?*«f  11  !2. 

r/fl«rf  29. 

*<*/A  2h2, 

Ary/i  21. 

du£chen  37.  39.  W. 

ntiderm  424. 

düitenä  122. 

i*r.if>W><^  32.  37, 

^v/'ö»  iw* 

ymbrifH   115 

knuccht  31.  37. 

it^^til  iÜ2, 

iro/fA»  (). 

€0Urcn  28. 

*y«w  123* 

«tfltf  236.  237. 

cf'mjC!/^  527, 

üwintjan  13* 

ipdW/  43«. 

rtitilUn  527. 

/(Ta    Ktö. 

uä^tln  43ß. 

i-rrti-  12.  36. 

let^A*  12n. 

«wZ  251. 

i^roi'f^A^n  39. 

nnrth.  ^*(f)5da  103. 

«wr  ki6. 

rrwMj*<  3ö. 

^*;(V^  i2o. 

we^5  f>07. 

*»a;jf  30. 

tr*ft  105. 

urfttUian  436. 

r'eremous   18. 

/^  105- 

WMi'P   14. 

^mp*  28. 

norlh.  ieo^eda  KK-l.  ls?,=>. 

««rf  290, 

ifchrette  20. 

r<foru  409. 

«■tfrfrfwrt  289. 

^Jt*rre  9. 

~thn€  m. 

*r*<^o  22. 

Ätfor<mrH  527, 

ti^n  \m. 

fPrort-  232. 

State  510. 

ihn,  t^u,  t^n  110. 

ireorpan  13. 

ttefJt«  510.  513 

-ti^  99.  115. 

iixp/;/i(mrt  290. 

sfatkin  514. 

M^  413. 

trwdum  290. 

jrfricÄ  513, 

/« (HK. 

tfvtirian  495. 

*f#r<(^j  520. 

tu<rtr  JOS. 

(rejf^*»  86. 

fiHtril^  520, 

f««  HH. 

wedi^  99. 

«*tfrr  513. 

^Ä^i*   105. 

iWerp^  13h 

tttotä  516. 

/ir*i  «a.  m 

tnUffe  22. 

*^^ü;v  52*>. 

^*fy*5*  1>1. 

iciHrri  35. 

»fruf***  525. 

/i^//-  108. 

-ff^iiw/e  :^5. 

8tl*Ip€  512. 

norlli.  ^imtr^>5  t*l. 

*ff^e  497. 

(^*Sf  413. 

iire^^«  ai. 

«>F^^  7.  22, 

tpipB  496. 

1»«^/'  107. 

u^öh  22. 

ir»>Avn  495. 

Wortregister. 

JS 

^ 

erra^irf  250. 

«ftdfc  499.  500. 

497. 

dux  416. 

Schott,  stilpertf  512. 

/atV  271.  284. 

«et7<  513. 

^enenglisch. 

fang  131. 

stire  519. 

K 

/{»cArer  19. 

^o/ib«n  514. 

9. 

flickermouse  19. 

Stolpe  612. 

224. 

/IiWer  19. 

starken  518. 

«f. 

fiindermouse  19. 

«fofrf  516. 

288. 

flittermouse  19. 

»foM  274. 

28. 

gallows  64. 

«</i<ii/  521.  522. 

36. 

Aa<;;k  6.  408. 

strta  526. 

fr  41.  U. 

Aan(7er  415. 

^M/p  512. 

►Z^41. 

Aay  413. 

Stulpen  513. 

42. 

Aump  29.  31. 

8fM/fcA;513. 

47. 

hunck  29. 

^o«7  14. 

►r  47. 

AmncA  2t). 

tray  413. 

47. 

iliiU;  6.  35. 

unfairness  285. 

44. 

Ar»iiAr/e  6. 

«wrp  14.  16. 

7. 

itnoA  37. 

ir«r/  295. 

20. 

meet  212. 

/o  wed  288. 

All  15. 

nostrils  437. 

irAi^ib  495. 

42.  47. 

oflr  250. 

irjciter  22.  495. 

a«.  47. 

o«yÄ/  225.  227.  231. 

tcicket  495. 

20. 

raft  487. 

friftse  497. 

42. 

ram^«  13. 

wiggle  7. 

20.  44. 

rank  13. 

M^otr  507. 

42.  4(5.  47. 

rerf  4. 

icinkle  35. 

20. 

rimple  13. 

irw«  497. 

!0.  43. 

rump  28. 

imj!>  496. 

17. 

rumple  13. 

wriggle  7. 

20. 

scrimp  4. 

wHmple  13.  16. 

42. 

«^14/  5. 

ir#ftik/e  14.  16. 

j^4o. 

«AriiU;  10.  15.  527. 

u^'ap  14. 

37.  39.  46. 

«ÄriW  9.  15.  41. 

». 

sin  224. 

ümordisch. 

25. 

ifkimp  4. 

paiäK  89. 

^  6.  11. 
6.  12. 

aerimp  9. 
tf/arpi>  8. 

Altwestnordisch. 

le  12. 

*/oiicÄ  39. 

akarn  503.  504. 

16. 

«muy  43. 

«/r  492. 

6.  11. 

«Majt>  5. 

afertän  114. 

15. 

snoia  33. 

(f(OMl»   114. 

t  12.  16. 

»pritikle  5. 

(i<fritf/»r  114. 

>  6.  12.  15.  527. 

«to/A-  610.  513.  514. 

apertän  114. 

k  39. 

irfarA-  518. 

atUra  50). 

>/«  11. 

fftarky  518. 

bfr  416. 

5. 

irfrtrf  519. 

Äfrr  416. 

e  5. 

startle  »20. 

ÄiYr  415. 

673 


874 


WortMgüter. 


hdkiiM. 

9Hmki4M. 

Avr416. 

Mmkkm  499. 

Mi49B, 

MMNor  97. 

Mim  492. 

-Hän  86. 

MfUrm. 

<^ir  116. 116. 

M$fo  107. 

timbra  487. 

«Imr  498. 

##H>87. 

fmffr  413. 

^#^  114. 

f&mmr  Ö7. 

tmg-  116. 

/H««)dB. 

«r/  414. 

/fcfi^iifi  114. 

>M«  184. 

/lo^for  95.  97. 

tucf  87. 

tuau  87. 

to9n^  112. 

«tktr  87.  89. 

/l<Jr»r  97. 

pd97. 

fAridn  112. 

ßau  87. 

yio^  124. 

/rfr87. 

/I(>r  409. 

Peir  87. 

At>rr  409. 

/rittdfi  111. 

Alynr  492. 

fir  486. 

.^(>m416. 

Mt«;495. 

tUiHWi, 

1^498. 

iphir  494.  Ö07. 

vidir  498. 

/icf  86. 

vidia  498. 

lind  493. 

^  502. 

m«(h-  493. 

mfrgr  407. 
mprlnüga  408. 

Altisländisch 
und  Altnordisch. 

m(>rr  408.  410. 

de  427. 

wfttrfif  114. 

aj[^an(if)  85. 

iifto^r  114. 

dm  232. 

nir^pr  114. 

rfrtki  232. 

0/  409. 

rfro/-«  298. 

^  508. 

drr  250. 

(JrtofMfo  125. 

ardr  436. 

roifcitr  508. 

ds8  216.  277. 

säte  124. 

dt{t)ande  125. 

j<<;j:<(ln  114. 

aMmr  247. 

sid  86. 

aiwfr  424. 

siaunde  124. 

*aÄ-  28. 

siaut{i)dn  114. 

bdi  285. 

«•tfm?«  101.  124. 

Ba/dr  2a'>. 

*m»(>r  409.  410. 

ballr  285. 

^pdultrßyia  414. 

6rf)5er  93. 

ÄteÄ-a  499. 

badstofa  275. 

j)/ia)ka  49t). 

baugdrifr  286. 

-»/ctVbVi  500. 

^M^-flf   6. 

6. 

toiUr  294. 
M^93. 
Mhtg^ksr  888. 
M^48&. 
MrUa  435. 
Uoi»  19. 
bUarm  19. 
Moftto  19. 
M263. 
hoie  81. 
Mr  288. 
Ml  229. 
bord9€0§r  263. 
6or^  268. 
ftoft)  263. 
borddaie  263. 
6m  829. 
hrauha  6. 
brygija  102. 
Mia  264. 
Mb-  28. 
Mir  438. 
bdd  264. 
^^^TM  264. 
<faA>  425. 
dÜM  5. 
cfynsE;a  264. 
eiga  227. 
«MO  253. 
fitite  30. 
ellefo  107. 
ertW«  249. 
ero  54. 
«#-om  53  ff. 
/«/  28. 
feta  28. 

Fiqiurlundr  260. 
fiughur  97. 
fjdrborgir  262. 
Fj^urlundr  241. 
/<5a  425. 
yocMr  425. 
(/antfr  279. 
^Micto  425. 

<7n^^  24. 
^ntta  32. 


Wortregister. 

t       5' 

I  427. 

ÄpAw)  34. 

kldkke  42. 

j  427. 

hgll  275. 

Ar/eima  43. 

. 

Ä(ir^r  261.  267. 

A;;«w«  43.  45. 

U. 

hrapa  10. 

klmOnui  41. 

«r  41Ö. 

hrapadr  10. 

klengiask  42. 

tndkiapla  76. 

Ära^a  6. 

A;;0i>pr  14.  36.  40.  42. 

^apta  76. 

ÄraiiÄrr  6.  39. 

klessa  43. 

k  10.  15. 

hrt^a  11. 

Ar/f«r  42. 

(KH*rr  256. 

Ar0^•»a  11. 

klif  44. 

/a  275. 

/lr<•^•Ä•r  11. 

A://A»  20.  44. 

28. 

hreda  6. 

klifra  44. 

8. 

Ar^yfa  6. 

A;;/»ki  43. 

e  HO. 

hringdrifi  236. 

Ar/^ra  43. 

ao.  8s. 

Aru^jra  41. 

klökr  42. 

B  87. 

AriV^  18. 

Ar/dra  45. 

r  37. 

hrokkann  11. 

km  36.  42. 

35. 

Ar#a-ua  11.  15. 

A:/(>m^  41. 

38. 

hrdga  28.  39. 

A-;#ArA-r  42. 

a  30.  38. 

AriiAAra  11. 

klmkkua  44>. 

I  30.  34.  37. 

hrun  6. 

^•;itfA;r  42. 

f  30. 

hryggr  39. 

www  WWWww99       Wxß* 

-  30.  34.  37. 

hrynja  6. 

klungr  20.  42. 

ta  38. 

Alf  102. 

kltUr  4i. 

30.  38. 

Hueralundr  241. 

A:/y/-45. 

1  38. 

Ai^A-rt  6.  29.  39. 

klypa  37.  45. 

1  30. 

Äyf  427. 

Amap/w-  31.  36.  38. 

r  38. 

iVi()a#-r  256. 

knau88  32. 

31.  38. 

jardhÜH  265. 

ArNtffon  31. 

r  31.  38. 

iVi/iar  26. 

knefe  30.  31.  38. 

23. 

»;»nr0  26. 

kneif  88. 

r   38. 

»()t)ur>-  256. 

AmeiArui  38. 

18. 

tdrar  26. 

iiusy/a  31  37.  39. 

31. 

idr«  26. 

knia  32. 

!  31. 

kafie  33. 

knifr  38. 

ua  38. 

Aa/a  40. 

A:noA»  31.  37.  38.  39. 

31.  39. 

kaldr  40. 

knosa  32.  37. 

35.  38. 

kanpr  32. 

knoda  36. 

35.  38.  39. 

Ar«f.7r  7. 

A^pttr  36. 

31.  38. 

it«r  405. 

A^O«  31.  37. 

31.  38. 

itki/rfr  3:^. 

kn^ta  32.  38. 

31.  38. 

kipfta  33. 

knütr  32.  37.  38. 

7  39. 

Arto/>  41. 

Arnj^f«//  39. 

7  38. 

Ar/aA»  47. 

kn^  31.  37.  38. 

1  31. 

klake  Afd,  42. 

knyia8k  31. 

}4. 

it/am*ra  14.  41. 

A;n^  32. 

J24. 

klappa  47. 

Artiyf«  32. 

1  2S).  39. 

A-^r  42. 

korpa  11.  15.  627. 

39. 

kidfia  45. 

korpna  11.  527. 

676 


Wortregister. 


kraflo  11. 

krafm  11. 

krake  12. 

krdkr  12.  36. 

kranga  12. 

krangr  12.  36. 

krappr  11. 

irwiMa  11. 

kreppa  11.  620. 

krini^  12. 

ib-in^  7.  12.  16.  36. 

hH4pa  16.  41.  627. 

ibntt^r  12.  36. 

kropna  16. 

hroppa  11. 

I^roppimi  11.  16. 

krappr  28. 

Ä;n<ib(ti  36. 

ibS^  39. 

küla  U. 

landndm  239  f.  260. 

liUr  437. 

/<^  27. 

/«^^  27. 

Udr-blaka  19. 

/p^  294. 

lundr  240  f. 

madr  423. 

meidr  270  f. 

miS'kUd  44. 

m<;<  212. 

mM/e  33. 

mundr  290. 

mri^a  212. 

nati^  234. 

nef  33. 

/lordr  424. 

ofenöadstofa  21b. 

ofnfrtofa  275. 

ojo<  210. 

ofüida  237.  255. 

or/-  14. 

jgrinde  249. 

myrindi  249. 

gudurr  415. 

prdrt/r  236. 

grendi  251. 

pr(r)  2.W. 


9rr  248.  260. 
^  216.  277. 
ral-ibr  13. 
rtuHba  13. 
rMl;  221. 
r«tA»  221. 
SaiarUtini  242. 
M/r  241. 
9afmr  224. 
9amf9dr  66. 
MtilMiii  99.  114. 


««^  438. 

««yfufn  114. 

Sigrdrlfa  236. 

MM  24. 

M  101. 

«ikoika  4. 

«ibiibhi  27. 

skakkr  27. 

skarpr  9. 

skauder  4. 

«ikeiJkta  27. 

skenkid  27. 

skenkr  27. 

skiarr  9. 

»H/a  4. 

«A///a  229. 

akin*a  9. 

skorpenn  520.  527. 

skorpinn  9.  15. 

skarpna  527. 

skorpr  4.  9.  15. 

skorir  9. 

skrapa  4. 

akretfask  9.  15. 

«Ärrrfte  10.  15. 

skrdlingr  10. 

skrdlna  10.  15. 

«Airrebna  10. 

akrefa  9. 

skreppa  8. 

skroppen  .520. 

«itrwjfcifca  10.  15.  52.  54. 

skrykkr  10. 

«toya  22. 

«/aA;r  445. 

slodra  8. 


8. 

<2i^  22. 
jiicii|rlMii  22. 
aiyngua  23. 
Mi^«II  36. 
«nop/»  34. 
«Mt{a  24. 
•firilto  6. 
«prto  6. 


02fb. 


«tol:ikr  282. 
«ftOlm  611. 
«faMp  36. 
«toMrr  21. 
ae0a;r613. 
«««JflNt  613. 
«farlrr  618. 
<e<rea  619. 
«e^rfr  619. 
fl<€f[pa  27. 
«#Mirfe  226. 
afOfer  613. 
8tüla  611. 
«i»o/r  611. 
stirfenn  526. 
«<»rt/rt  519.  523. 
«i/rwr  2. 
«^pe  509. 
«^/pi  279.  512. 
gtoltr  514. 
storkna  518. 
striüka  5.  522. 
«frtMpe  526. 
«fni/r  525. 
«fi«^r  35. 
sfrimt  21. 
stüpa  27.  35. 
«tt<)r  424. 
synja  223. 
«ynd  224. 
-tän  86.  110. 

toM<7    14. 

t^itpr  114. 
-^»rfn  105.  110. 
tigenn  288. 
tiguligr  288. 
fAn«  534. 
fio  105.  110. 


Wortregister. 

kjiika  28. 

«Ä^y/w  527. 

7.  108. 

itorAra  527. 

irfe/A;  513. 

116  f. 

Arorifciia  520.  527. 

«<«/pa  512. 

.07. 

steria  520. 

91.  97. 

n^ma-mör  408. 

«<i7Är  513. 

u  117. 

rtiW/a  518.  519. 

8tm(e)  511. 

u  117. 

Hrokkr  521. 

«/o/i»  513. 

^  116. 

strompr  521. 

«/o/pe  512. 

}94. 

gtrympa  521. 

stranta  522. 

294. 

^rU^a  414. 

«/roÄJÄr  521. 

^1. 

p^t/-  497. 

strtib  526. 

15. 

n«it  4«5. 

«<rMmp  521. 

250. 
r  97. 

Altnorwegisch. 

«^wpe  526. 
strut  525. 

1  94. 

(ellifu  107. 

i)<r^a  525. 

^ftaunti  110. 

(FWu^tt  107. 

styUra  513. 

21. 

Äni^a  103. 

«fy/ik  513. 

Jl. 

stauka  5. 

/raw^  414. 

5.  103.  414. 

^yffii^w  116.  117. 

irauis)  413. 

n  ö.  21. 

PriU. 

fr;i#y  414  f. 

21. 

pr4a  94. 

trmg  413. 

21. 

prentände  111. 

truya  414. 

m2  122. 

/Jr^irfn  111. 

ri»8  497. 

l  122. 

Priügr  415. 

«i«497. 

Ä-  218. 

Visa  497. 

Nennorwegiflch. 

rw«  497. 

31. 

caArom  503. 

visk  495. 

37.  255. 

edgäng  295. 

rMr/>  496. 

Jl. 

A«pn^«  415. 

237.  255. 

HangerS'knolten  415. 

Ostnordiflch 

>37. 

Är/or«  45. 

attän  114. 

d-KaÜa  76. 

klumra  45. 

dt{t)unde  125. 

520. 

Är/nm«a   io. 

orfWfw  105.  107. 

;24. 

JtorpM«  527. 

f<^m  98. 

35. 

A:riti€  15. 

fiorpe  124. 

ga  272. 

Arr/fJAt»  527. 

fiughuf-tdn  112. 

520. 

hrmkla  b21. 

/ffiH{r)  97. 

«7. 

krmupa  h'll. 

/ffiHdn  112. 

}2. 

kruke  12. 

Aorw/^  97. 

17. 

krukla  527. 

sdUe  124. 

55. 

AryHa  527. 

^iVi^^e  99.  124. 

lake  412. 

8iax  99. 

moV  408. 

«tofop  99. 

»aislftndisch. 

nyre-mor  408. 

«rf«e  124. 

eFr  408. 

oit«  424. 

8iü  86. 

»06. 

«A;arÄ:en  527. 

Ml{/<flt   114. 

^  408. 

skorpen  527. 

-tighi  116. 

520. 

skrßMeg  527. 

«y*f(r)  115. 

577 


578 


Wortregister. 


thighi  115.  116. 
tiughu  116. 
tag-  116. 
tud  87.  88.  89. 
tudr  87.  m. 
tu4  87.  89. 
tuir  89. 
tyghi  116. 
iW  87.  89. 
pAr  87.  89. 
^^  87.  89. 
ph'  87.  89. 

Altschwedisch. 

akarn  ö08. 
ofUiuvu  107. 
/F/Ziru  107. 
(Elhro  107. 
(rrande  249. 
terinde  249. 
Äf*'!'  416. 
fiamder  97. 
/f<W7&m  124. 
run.  schw.  /im  98. 
fioghirtäfi   112. 
fiopertiogher  97. 
Ar/  96. 

fiughertdn  112. 
/2«Xr«  19. 
fUrdhermus  19. 
fyoyha*fidu  112. 
/•i/'-  97. 
/liff  41H. 
A/fa   U. 
Ä-/jn/er  42. 
kiKpkker  38. 
X:«oA:a  31.  H9. 
knoekker  36. 
natt-hakka  19. 
lueppei'  87. 
tyw/jor  31. 
«tfj-  99. 

*fff.rM/i  99.   in. 
nkrunkin  10.   lo. 
i<*M  99.   101. 
sniüva  34. 
snuppa  3'«. 
.s/r/Xv*  -i99. 


«<Mr  21. 

«i  87. 

treUiughu  118. 

/r#  413. 

/ij  88. 

/Md  88. 

run.  schw.  /m^  87. 

run.  schw.  ^iiatr  87. 

run.  schwcd.  tuaia  89. 

run.  schwed.  twalf  108. 

fM£^  87. 

tuikr  87. 

fuer  87. 

run.  schwed.  pä  87. 

run.  schwed.  pai  89. 

run.  schwed.  ^iir  87. 

run.  schwed.  paiR  89. 

pä  88. 

prattän  111. 

prmwtdndi  111. 

^rcMti  94. 

prektighi  118. 

^r/a  94. 

/>r^  94. 

Pretighi  118. 

j&r/flp  94. 

run.  schw.  pritaunti  111. 

)&r//M/i  111. 

/r^  88. 

run.  schwed.  püsind  122. 

Neuschwedisch. 

Äa/r  492. 
barrträd  492. 
6a«a  19. 
Wdcfa  19. 
Mo/^a  19. 
fladdra  19. 
Ä>/>w  33. 
kink  35. 
ifc/a/"r^  41. 
^•tom;>  42. 
klampa  47. 
^•W  45. 

klänga  20.  42.  -41. 
Ä-/<Jn(7e  20.  42. 
klättra  42.  44. 
kli  44. 


ik/Mi  44. 
ib/t/m  44. 
klimp  42. 
ib/tiO»  46. 
klint  42. 
i;/i>ro  48. 
Xr/tffHffwen  45. 
klamsen  45. 
Är^etea  37.  45. 
Idunga  42. 
ib/MNi»  46. 
kigka  37.  46. 
ktiapra  31. 
knoga  31. 
knoge  3t. 
Xmo/a  32. 
X-n^ra  37.  39. 
^-oika  39. 
Ara/Io  11. 
A^roma  11. 
kränga  12. 
kring  12. 
ibrytO-  520.  527. 
natt'hlacka  19. 
mif/^re  30. 
Otto  102. 
oa?^/  r>l)o. 
ratikig  13. 
«Ä•or^•p  527. 
«Ära/   10. 
skranglig  9. 
skrefra  9. 
skröplig  527. 
skfitmpen  9. 
skrgnka  10. 
skrtfnklig  10. 
skryt^  o. 
«/-Mrpen  527. 
«wo  24. 
«noA^a  34. 
»<rf  511. 
stelbent  511. 
steif rusen  511. 

«<tf//MI  511. 

«fi7/a  511. 
irf;(«A:  513. 
stjälpa  513. 
««orA-  4^7  f. 


Wortregister. 

d2. 

klam  41. 

eoirre  48. 

7. 

klamme  41. 

«»of^er  22. 

I  520. 

Wa/  47. 

re^r«  22. 

521. 

Wflrfre  42.  44. 

vögger  22. 

526. 
525. 

Matte  47. 
it/aw«  42.  44. 

Litraisch 

Ib. 

klekke  46. 

agnue  506. 

.12. 

A/irf  4-*. 

aigä  228. 

.u. 

Ar/irf«/   iC^. 

a/i>^  i09. 

kUmpre  47. 

afdai  507. 

7. 

ik/r/t^  42. 

arA-ttef  507. 

13. 

Wirr«  48. 

arA^/aa-  507. 

3. 

Ar/o«;;-  42. 

drklas  436. 

;2. 

klunge  sig  42. 

c/-f(yw  248. 

j  497. 

W//w^«  *i>  20.  44. 

arüdas  251. 

22. 

klynke  \ß. 

?«f)  269. 

)7. 

knap  81. 

a//at(;a  433. 

W7. 

kno  31. 

dtsaili  181. 

)7. 

A-ww^e  31.  38. 

rfu/fr«  436.  4^. 

1 

kmise  32. 

dugu  503. 

1. 

^•o^•  28. 

^»aMitrfa  506. 

22. 

Ä*/*yA«  527. 

öalaüdis  50(». 

17. 

rank  13. 

M/^ff«»  2a5. 

497. 

«'A*a/fA-  27. 

barzdiUae  228. 

95. 

skraa  9. 

^^JNM  416. 

). 

«Arrö/  10. 

*e/rfÄf  284. 

tgntnisch. 

skrante  9.  15. 
8kt'(flling  10. 

belsti  284. 

{. 

akrahelig  527. 

WiÄi^f-  23. 

•^ 

skrumpe  9. 

büklä  488. 

101. 

skrumpen  9. 

All««  21.  28. 

'. 

skryde  5. 

blilius  21. 

«/a^«  499. 

6if^a«  264. 

irwitän  111. 

/rfa/A«  514. 

dangujejis  64. 

Wn  111. 

K/f7A-  513. 

(/aM^  6. 

Itdänisch. 

«f»7/e  511. 
ir/o/A-e  514. 

daviaü  531. 
rf«ry«l  94. 

107. 

«/o?p«  512. 

doraw\  531. 

107. 

siarkne  518 

rfre^f>  236. 

►2«. 

strfente  522. 

drignüs  5. 

mdänisch. 

irfrt>«Arc  522. 
strßmpe  520. 

drim*iV  236. 
(^ri^ajf  382.  484. 

ke  19. 

^ruAe  526. 

(^üArM  436. 

JA. 

^(^/•Mrf«  525. 

dAL-ite  64. 

f)5. 

«^rwwA-  521. 

«/ÄA-Zff«  437. 

\us  19. 

Ä/rwf  525. 

dtjf-lika  106. 

^. 

jrfy/^<?  513.  514. 

/^/^  491. 

t  22. 

«////^r«  514. 

elksiiffnas  492. 

579 


580 


Wortregister. 


elksnis  486. 
^ngiu  29. 
ekti  51. 
füä  502. 
^iettM  486. 
gabamk  129.  208. 
gaMnti  280. 
gaudwt  6. 
yaudiid  6. 
geidiü  22/). 
i^ye^  25. 
if;/<?  i>0(i. 

glauduH  i-L  45. 
y//Äiu  14.  42. 
gläbys  42. 
^/e6u  42. 
gl^mitt  41. 
gleinus  42. 
gliaünuis  45. 
gliaumua  45. 
^/%«  4;j. 
^//W  20.  4a. 
^/i7/i«  43. 
ijUnda  24. 
globiu  42. 
ylonwju   15.    M. 
giopti  4i. 
glosneü  2o. 
gniduszias  31.  87. 
t/niduziu  81.  87.  39. 
goddü  20. 
gratidiit  12. 
grandinitf  12.  499. 
yraudojti  f>. 
tjraudiis  k\. 
greziu   12. 
grynnii   IG. 
j5^/-iw/iV  499. 
ijrohaa   1 1 . 
f/Hzas  28.  8^L 
///<i</i<  2.S.  8L  89. 
guzys  2H. 
/jr«/i,v  2()5. 
/m/>  289. 
//«y*i*  80. 
/^f^*  matruH  487. 
MC  mdzeiia  427. 


jWm«  491. 
i^pa  502. 

kadagiftuts  492. 

iroofa^«  491. 

kankpas  34. 

kdrszti  11.  15. 

kartfut  21. 

kasmitq  64. 

itauy^  39. 

A-aMJkord  29. 

ibatUo«  29.  34.  35.  39. 

kaukiA  6. 

kaukole  34.  35. 

kaüpas  29.  3^1-. 

A*at<^;;a«  34. 

iktf/ia«  508. 

Aer/Ä  21. 

kei'iäkaa  21. 

Aerfī  21. 

kidusze  34. 

ibMÄtf  38. 

knaibaü  30. 

A-w^-6/w  30.  34. 

kniaukle  35. 

knybau  80.  88. 

X;;*»mAii  80.  38. 

kniiijisau  81. 

A;#i/^«  81.  89. 
;  knujwju  81. 
I  krauHi  85. 
'  krattpiu  (>. 
\k-rH'ti  41. 
I  kretnblys  10. 
I  Avc«A'/(f   11. 

kt'ükis  Si). 

krutu  6.   18. 
I  krufiku  18. 
i  A-M^ii<  6.  89. 
I  kumjKis  M. 
I  kuuiyas  294. 
I  kuprä  29. 
I  ki)j).sta;i  29. 
j  kufrytf  6. 

kutrus  (i. 
I  A'm/i/  6. 
I  A-if/ö.v  280. 
I  Ai5pa  224. 
I  Idihnn  48. 


/aiMo«  43. 
^oMi»«  433  f. 
^M  480. 
<cMeia  487.  489. 
/ozv^Ihm  488. 
MifV  27. 
/<^MföN  433. 
leinas  43. 
/tfm/r)  24. 
/0M/a  493. 
/f Aw  106. 
2^ba«  43. 
/«n<iu  24. 
/Jznr<ur  488. 
/m^imi«  23.  39. 
mainas  271. 
manärtu  434.  438. 
mandrüs  434. 
matyti  437. 
ifioia«  427. 
mdzgas  496. 
uiA?^fV  496. 
m^o«  270.  493. 
minksztgalris  66. 
musüjüi  64. 
Nfl^a  80. 
nngas  VA). 
naktts  72. 
namai  289. 
ndmas  239. 
nam/  289. 
narinu  24. 
ftasrat  487. 
naÄ2f(>  218. 
naudä  234. 
naüdyju  28  f. 
/»^riM  24. 
fi^^ni  218. 
nu-^nkii  30. 
ntlgas  228. 
>ttim<{  289. 
näma«  289. 
jM-d^fys  488. 
jmttjida    t84. 
jxi/didos  -SvW. 
paiaidonoif  42 J.  428. 
^xOaKf^  425    428. 
palaidÜHOS  -^84. 


Wortregister. 

sti  234. 

statöas  510. 

rtf/AiV  252. 

Hdilia  434. 

«/aift^«  510. 

vilii  22. 

duiis  426. 

stalgwt  511. 

rerÄÄ  13.  23. 

wti  129. 

stegerj/a  499. 

verbiet  13. 

istU  129. 

«/«/Aft  510.  511, 

vergas  14. 

^  486. 

irfe/^<»  511. 

verpiü  14. 

/a«  130. 

^0/j7^M  511. 

iv7ra  436. 

W/  438. 

sterptia  526. 

vtnMika  10f>. 

\8  492. 

«f^i^f  2. 

ryrfra  43(j. 

»M«    13. 

Htirpsth  526. 

rirfrflw  436. 

ä  131. 

«/yrflM  2. 

riii^iV  6. 

r  220. 

«<(jra«  516. 

r»f*«r  13.  23. 

i/iM  220. 

stulgyn  511. 

virbinis  13.  23. 

aingoB  220. 

iftulgitUi  511. 

Hrpii/  6.  14. 

a^M  220. 

tf^ti/^  511. 

virszüs  485. 

\a  220.  231. 

«<M//>at  279. 

vysias  495. 

»w«/  220. 

<rfiir/>/i?«  526. 

ry«/^/  495. 

äti  13. 

«türplia  526. 

rj^a/7  7. 

>  490. 

Mrfr<fr/i  268. 

ryf»  22.  25. 

r  22U. 

8zakd  3(>. 

vytis  22. 

tti  220. 

»ffoXr  ;w>. 

iainAcM  33. 

»iia  2-20. 

«;raAvii>  3^5. 

£dndas  32. 

H  131. 

azei-miiktizU  489. 

i«/i^»»>  28. 

i»  127. 

itzermhksziii  489. 

imovfi  425. 

■  427. 

Hzikszuosparnis  19. 

imi$;f€«  424. 

mos  220. 

*2:|/Ä/a*   119. 

)2. 

szirgzonas  425.  428. 

Preafiisch 

r  131. 

««*;vriJ  425.  428. 

a  438. 

szlaunin  28. 

addle  491. 

Ä  4. 

^ir/>cV  226. 

a/^flw  228. 

»1  27.  229. 

/a/>»  226. 

arrflrff  251. 

jr  10. 

^rt*z^/  498. 

enterpo  22(). 

iiiu  9. 

tau  ras  21. 

-/7iWo  25. 

ra«  9. 

«tfA-Ä  5. 

gUntsis  23. 

fV  10. 

/»7y/  226.  526. 

graudico  499. 

!  229. 

trii-äÜH  6(J. 

grandis  12.  15. 

>irf£W  9.  ir>. 

</-w^>  216. 

grobis  11. 

«II  9.  15. 

^U-»/a;f/itf  121  f. 

Aarfa^i«  491. 

i/iV  9.  15. 

tuvki  225.  226.  231. 

kamenis  276. 

Hu  39. 

trdrUt«  226. 

kd'laxde  488. 

'1«  Uh. 

/r«riii  267  fl. 

klausTton  230. 

hti  445. 

tverti  22(>. 

/ewfo  ^188. 

1*  34. 

fw/vl  267  f. 

/aarff«  188. 

liau  5. 

üga  501  ff.  5()-t.  505. 

malunastabis  276 

Uidziu  5. 

ligis  506. 

maysta  270. 

iV  o. 

Jy/f*  5(H>. 

mM/a>i  270. 

«  279. 

&glus  506. 

nognan  411. 

;-«^  199. 

r<#n#Ä  252. 

p^rX-w  230. 

581 


0^2 


Wortr^ 


f trotzt iit  276, 
f'Uuü  230. 

A-t'itmpat  9.  15, 
tffülfM  271K 
Hfahtii  276, 
if/«Afj  i*7H, 
/«Hr  228. 
tHt-rtftvei  22ß. 
wmdmvut  WA. 
weiäiäU  42Ö. 
wirf^   IH,   23, 

ceß-tntjtik^i»  ^y. 

ffiu'mt  45. 
,i/^»m^f  11.  lü. 
tjur»tf  129. 
/fff  Ö(I2. 
X-r^wy  224, 

Äöpa  224, 

^rtjr//A  4ö8. 
/flti«  43^, 

;»V^f*  4Ö8. 
itiü/if«  270. 
maidit  270. 
ÄiA  270. 
«Ä*  27Ü.  493* 
iHirfa  494, 
MMnt«  239. 


jmJo«  4lä(S. 
»<i-t'ertft  14.   IH. 
9ermüuA-^i  489, 
««rMMJtJi  489. 
suaujiit  24, 
«#sj?a  44J9, 
a*^^*  499. 
KfiM«  510, 
iftM/t  ölO. 
«f«/A<  :)10.  513. 
tfrpittäi  22ti. 
fiTaw/j'  ÖÜ6. 
/;rp*  h2H. 
tur^t  226. 
li^tfff  50*. 
rfkt  7, 
?ä</;»  32. 

AltbalgariBch. 

batUHin*  216.  278. 
iw^Äii-a/a  437. 
besumlji  tSß. 
friVi  :i3,  28S. 

bi'itida  246, 
hraÜja  6-i. 
Äro^f«  't;-i6,  439, 
br(^fü-^t^J^ra  64. 
dr^ffi?  262.  263. 
^'/Äi  2ß3. 
brieiü  490.  493. 
br^ati  6, 
«for»  438. 

d«9fti  72. 

derftr  94. 
-«/o  438. 
dtivo  Vim. 
dt^oöiti  b. 
gladiti  24. 
giit^Ü  43. 
p/itwt  43. 
ynis^o  488. 
gov^io  0O6. 
i^/^ffiü  49!^. 
'gtühoHl  11.  28. 
yf-v^  28, 


I  jfr^/tf   IS 
^ülezi  7. 
j^r^M  11. 
tjAfbÜkü  7. 
jinp  239. 
iiiiiiknnm  280. 

iairt^ti  437. 

j«rfra  436, 

jw/rd  501. 

>ff^'(i  ÖCH). 

JaffttfdC  ö<W>. 

>oVrt^irj    501.    503.    504 

5(>ö.  506. 
>;te  4?J1.  I 

jeia  491.  j 

>«/rdba  486.  492.  d07. 
jfittt  26. 

JcuTn^M   423. 

inM^jU  382. 
Aop»  286. 

lyipi^t  28(1  I 

i/tfȀ  492. 
kofi  229.  280. 
Jttjij  2ÖS. 

K-rqgiü  11. 
krqgÜ  11.   lö. 
l*rrfp*f  n. 
kumii^  280. 
/ö-r«  488. 
«9^/^  434.  438. 
mfw  437. 
♦rtf^i/r»  43ör  43& 
minn  271. 
minUi  271. 
«Mfvj  438. 
m^jjlü  270. 
mmidtu^  8L 
mtfuiÜ  23. 
»Myi"  (><?. 
w<y*f^  212. 
na^^  228. 

»1009  218. 
fwpa  30. 

f^tdri  436  r.  438. 
234. 


Wortregister. 

6. 

tesla  280. 

^erica  517. 

249.  251. 

tilo  280. 

smfr^  493. 

1»  438. 

^r/^  215.  216.  27S. 

91. 

tribi  215. 

Czechisch 

a  489. 

<r#*iÄ<f  278. 

W'ftrf  490. 

2. 

triMnikü  216. 

brh  262. 

K). 

«rÄr^i  215. 

*r:«ec  262. 

j  382. 

tribovati  215. 

örieAr  262. 

ti  423. 

fr^to  210.  215.  231. 

drbiti  214.  216. 

ta  129. 

triidüi  232. 

A/(»;^»  24. 

.  268. 

/rtM^»  232. 

hnida  24. 

30. 

trbgb  218. 

iaAoA»  504. 

M. 

^ii^*n^i  5. 

jahüdky  505. 

6. 

<MrÖ  21. 

jalovee  491. 

48. 

tykati  5. 

iad/a  491. 

3. 

/^»^^^  121  f. 

jehnida  506. 

382. 

tysf^a  121  f. 

ÄramyA?  382. 

3. 

/wr»  268. 

krahulec  253. 

127. 

<por»  268. 

^•r*  11.  15. 

127. 

tvoriti  268. 

Ärr«a/t  11. 

iistraba  517. 

i»kl2<;ra  437. 

J8. 

tistrabüi  517. 

nw/WmÄ  61.  6^. 

m.  437. 

ustrühiti  517. 

musiti  226. 

ustrübUi  517. 

o<?r  256. 

l. 

«^rrßAn<^^t  517. 

odry  256. 

Mh^itqtt  22fj. 

oskeru^e  489. 

28(). 

t?a/i7*  252. 

pokräUi  11.  15. 

J4. 

lYi/»  252. 

pHivor  268. 

i2. 

p^rfro  435. 

rcirfZo  436. 

')1. 

r«ir»  435. 

roifcy^  507. 

492.  493. 

p//rt/i  435.  439. 

roA;^a  507. 

491.  493. 

r^^r»  436.  438. 

«mr^•  492. 

492.  493. 

wVt/a^a  501.  504. 

«oc^  279. 

)27. 

vUi  498. 

sochaf  279. 

517. 

r/aA;/{0  22. 

«<raW^»  517. 

517. 

rlasü  22. 

Äa/o  438. 

'  5. 

w-Äfta  13.  23. 

vicka  496. 

1. 

orügq  14. 

v€ch€t  49o. 

280. 

^^Ä»  281. 

vichtü  496. 

H  8f  12.  15. 

zfhq  33.  281. 

r/cA  496. 

H  sf  11.  15.  41. 

ie/<?df  506. 

i  437. 

zelqdükü  506. 

Polabisch. 

420. 

itca  25. 

irebe  216. 

l  268. 

if/a  25. 

>  293. 

Polnisch. 

Bulgarisch. 

^z(wrf  490. 

J30. 

brest  490. 

garb  28. 

6. 

rerm&iiiflehe  Foneh 

roÄÄa  507. 
nneen  XVIII. 

y/octsruf  24. 

38 

58a 


■H^^H 

BMH 

^^^1 

^T   384    ^^^^^H 

Wü'rtregistfrr 

^^^i^^l 

■       jiti^i<*  HU  ^G.  38. 

fMwM  437. 

AnfMfA-  3H2. 

■        «/»rt'i^  Hl. 

orw«*  25L 

iu#  258.  ä6n 

■       ffttida  24. 

fif^r-mor'  6(). 

ib(Ai  364. 

■       sfuz  2H. 

|w»»*  27W. 

/A^a  4W.  4«9. 

■         tVri  502. 

rtMta  mi. 

m»(o  212 

H       ^jT^a  Ö1H. 

rdlö  4H*i, 

ndzfti^*  437. 

■      jaimratii  i<M , 

ff^rpÄ  527. 

ffrurff  25r 

^H       jaiowiec  4in. 

M>6<»A»  286. 

tmkortiJa  i^. 

■      jWM  491. 

«fof^f^oJt  ÖIO. 

<Mtfn>ÄÜ4  Ö17_ 

■        ihimj/i-  382. 

Mo^ri  499. 

f^Uito  g07. 

■        ^o^fW^  ÖUJ. 

iftugnuti  4l. 

wrf?ö  438. 

■        to£a  48M. 

^^rfÄ»  2i;>. 

jri>Ao  274. 

^1        ^feudowaö  351. 

^r*/iji  291. 

iwmJt«  493, 

H        oTft/W/  251. 

f^<?A(i^  49t.  49t>, 

rfoi**^  499. 

^H        OtfttfHittutt/  517, 

Hchot^  496. 

f^Jfya^  504. 

H        jw^roZ^^^  Ö17. 

zfUftegoietiica  2G6. 

■         rorf/ü  UM^, 

81o\Äkiwh. 

H         lyiAii/A  6(^7. 

Weiflruflskch. 

h-tt^^ftit  IL                 I 

^1        WTp  527. 
■        jfUtrl«i<*  517. 

cereltid  215. 
>i!/«iee  49:2.  493. 

piti^r  268. 
wJfcyto  507. 

Kletnraflsi^clt. 

SloreniMb. 

ir*?»/  490. 

jahvtic  49 J. 

*/fi#ft(i  2a2 

ßnsKisch. 

ja/y^«  491, 

yrftfjifrf  50(f 

if^r***  4JI0. 

himjan^  423. 

Jrf<7orf«  504. 

Afrf^a  492. 

oy-ttrfö  251. 

Jelnvitifi  492. 

^hfivrü   192. 

ostonyhtfftf  517. 

kr^pett  IL 

;;f*/^a  24, 

wtoropyt^/  sjfi  586, 

«ta/ifc  2HtL 

i/«;irf'  129.  i:-ji. 

^/yr'ür  2t;8, 

möt»  212. 

/rfl  [VI2. 

rol-yia  fi07. 

ar<W  251. 

>f;*/i  50t>. 

^irreJt  492. 

ororf/*  25L 

>p/y  .'yj«. 

toüba  510. 

OBkorttJa  4ö9, 

>y/ocAÄ  ol^B. 

riMö  196. 

roi'i/a   &J7. 

ja^lu)  50*^ 

rkhot'  mi 

«krtp^niti  9,  41. 

jrfi^ofi«  504. 

rf*i/>  49SJ. 

j4gQdit<^  5tJ5. 

Serbisch. 

*fo^  2(W^ 

ja/o^*ri!  491. 

brijest  490. 

a#oy/a  2(;ä. 

J<i«ciii  492. 

grC  12,   15, 

»Mdtijß  499. 

A*«ffii?it^  382, 

*r«  502. 

rfoi^^  499. 

A^üf-^^f  10, 

izba  274. 

^oije  499, 

korzdvitr  IL  41. 

J()i7nj'ÄI  50f;. 

w/Mrf*/i  4L 

/o7^  48^. 

jäffotia  5(Vf. 

/f^/*  5. 

/w^V  493. 

jäffOdica  505, 

tribe£  215. 

»te^drä  437. 

iä«f  506. 

t^fArf  49#^. 

TrtJit^fM  4H7. 

A-d^we«  i2:i 

^inji^ats  504. 

Wortregister. 


58;') 


Sorbisch. 

Jahrenc  491. 


rokot  5()7. 
rokita  507. 
afeior  W,). 


ntta  2r>(). 
riecha  4JH). 


II.  Nichtindogermaiiische  Hprachen. 


Aramäiscli. 

hari^  Sil 

Esthniscli. 

nahk  Hl. 

Finnisdi. 

ahk'u  412. 
maru  i()i). 
meru  409. 
nahka  411. 
nauta  2H4. 
pihka   «1. 


Lappisch. 

mar*/b  408. 
tnarfa  408  f. 
fnarhvie  408. 
fwAHv  411. 

Livisch. 

/Kif/,  ;k7(/  411. 

Magiarisch. 

•jegenye  501). 
I  /x^^rör  268. 
I  9Z()i}a  274. 


lieipzig-liohlis. 


Sumerisch. 

ia^  12(>. 

Türkisch. 

opsak  491. 
/fr^  491. 

Wotniakisch. 

nahka  411. 


H.  Hirt. 


ANZEIGER 

FÜR 

IDOGERNANISOHE  SPRACH-  UND  ALTERTUNSKUNDE. 

BEIBLAH  ZU  DEN  INDOfiERMANiSCHEN  F0RSCHUN6EN 

HERAUSGEGEBEN 

VON 

WILHELM  STRBITBERG 


ACHTZEHNTER   BAND 


STRASSBURÖ 

VERLAG  VON  KARL  J.  TRÜBNER 

1905/1906. 


* 

n 

?'•■•    '       '^V  YORK 

35a97ü 

»!              190C              L 

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M.  DiiMont-Sch»uberg,  StraObai^. 


Inhalt. 

Seite 
Erdmann  E.  Th.   Drei  Beiträge  zu  einer  allgemeinen  Theorie  der 

•Begriffe'  (D.  Ed.  Marlinak) 1 

Jaspers en  0.  Lehrbuch  der  Phonetik  (Reinhart  Michel)      ....        2 

—  Phonetische  Grundfragen  (Reinhart  Michel) H 

Rihezzo  Fr.  11  Problema  capitale  delle  GutturaU  indo-europee  o  la 
riduzionc  Glottogonica  delle  tre  serie  sistematiche  ad  una  sola 

(H.Hirt) 6 

Brugmann  K.  Die  Demonstrativpronomina  der  indogermanischen 
Sprachen,  eine  bcdeutungsgeschichtliche  Untersuchung  (K.  Brug- 
mann)   • 7 

Gricrson  G.  A.  Linguistic  Survey  of  India  (A.  F.  Rudolf  Hoernle)  .       10 
Bartholomae  Chr.   Die  Gatha's  des  Awesta  (Ferd.  Justi)    ....       19 

Mansion  J.   Les  Gutturales  grecques  (Albert  Thumb) 40 

Audollenl  A.   Deiixionuni   tabellae   quotquol   innotuerunt   tarn   in 

graecis  Orientis   quam    in    totius  Occidentis    partibus   praeter 

Atticas  in  Corpore  Inscriptionum  Atlicarum  editas  collegit  di- 

gessit  commentario  instruxit  A.  A.  (Albert  Thumb) .....       41 

Meister  U.   Dorer  und  Achäer.  Erster  Teil  (E.  Schwyzer)   ....       Mi 

Meister  R.  Beiträge  zur  griechischen  Epijrraphik  und  Dialektologie  4 

(E.  Schwyzer) öl 

Ahlberg  Axel  W.  Studia  de  acccntu  latino  (A.Walde) 51 

Nieder  mann  M.  Sp(^cimen  dun  procis  de   phonötique  historique 

du  Latin  (Hans  Meltzer) 55 

Landgraf  Gust.  Historische  Grammatik  dor  lateinischen   Sprache. 

ni.  Band  (Hans  Meltzer) 56 

d'Arbois  de  Jubainville  H.    1.ä  famille  celtique.  (J.  Vendryes)  .    .       67 
Nordiska  Studier  tillegnade  Adolf  Noreen  pä  hans  50-ärsdag  den 

18  mars  1904  af  Studiekamrater  och  Lärjungar  (W.  Ranisch)  .       68 
Heuser  W.  Die  Kildare-Gedichte,  die  ältesten  mittelenglischen  Denk- 
mäler in  «anglo-irischer  llberlieferung  (E.  Kruisinga) 71 

Walde  A.  Lateinisches  etymologisches  Wörterbuch.  Lief.  1—5.  (Max 

Niedermann) 72 

Mitteilungen : 

Die  idg.  Sektion  auf  der  48.  Versammlung  deutscher  Philologen 

und  Schulmänner  in  Hamburg.  .3.-6.  Oktober  1905    ....      81 
Eine  typograplnsche  Torheil SS 


ANZEIGER 

FÜR  HOGERMAIQSCl  SPMCfl-  DND  ALUITIISKIHE. 

BEIBLATT  ZU  DEN  INDOGERMANISCHEN  FORSCHUNGEN 

HERAUSGEGEBEN 

VON 

WILHELM  STBEITBEBG. 

ACHTZEHNTER  BAND.  1.,  8.  und  8.  HEFT. 


Erdmann  E.  Th.  Drei  Beiträge  zu  einer  allgemeinen  Theorie  der  'Begriffe*. 
Leipzig,  Oswald  Mutze,  1904.  26  S.  0.50  M. 

Der  vorliegenden  Arbeit  gegentiber  fällt  es  vor  allem  schwer,  za 
entscheiden,  ob  sie  eine  Gabe  des  Linguisten  für  den  Logiker  oder  um- 
gekehrt des  Logikers  für  den  Linguisten  sein  soll ;  auf  beiden  Seiten  wäre 
es  gewiß  eine  höchst  willkommene  Sache,  wenn  das  so  viel  umstrittene 
Problem  des  'Begriffes'  einer  allgemeinen  endgiltigen  Lösung  näher  ge- 
bracht würde.  Referent  bezweifelt  aber,  ob  durch  die  vorliegende  Schrift 
auch  nur  ein  Schritt  nach  vorwärts  getan  ist;  vielmehr  hat  er  den  Ein- 
druck, als  sei  das  bisherige  Chaos  von  Meinungen  eben  nur  um  einige 
ziemlich  unklare  und  verworrene  Gedanken  vermehrt  worden.  Wie  viel 
besser  orientieren  da  z.  B.  die  "Vorträge  u.  Besprechungen  über  das 
Wesen  der  Begriffe**,  herausgegeben  von  der  Philosophischen  Gesellschaft 
in  Wien  (Leipzig,  I.  A.  Barth  1903). 

Als  einigermaßen  brauchbarer  Kern  des  I.  Abschnittes  ergibt  sich 
die  Gegenüberstellung  von  Begriffen  des  gleichzeitigen  Nebeneinander  und 
solchen  des  zeitlichen  Nacheinander,  und  zwar  mit  Anlehnung  an  den 
von  Chr.  v.  Ehrenfels  geschaffenen  Begriff  der  Gestaltqualität.  Die  weiter- 
führenden Arbeiten  von  A.  v.  Meinong  ("Ober  Gegenstände  höherer  Ord- 
nung", Zeitschr.  f.  Psychologie  21,  S.  198  ff.  und  "Ober  Annahmen"  Leipzig 
1902)  werden  nicht  erwähnt. 

Aus  dem  II.  Abschnitte  vermag  ich  nur  das  Eine  verständlich  heraus- 
zuschälen, daß  der  Verfasser  gewisse  Gruppen  von  Bedeutungsänderungen 
nach  seinem  komplizierten  Begriffsschema  zu  erklären  unternimmt.  Es  sind 
dies  zum  Teil  Begriffe  komplexer  Art,  die  Psychisches  und  Physisches  ge- 
mengt enthalten,  wie  'warten',  'suchen',  'finden'  und  ähnliche,  teils  Wörter 
für  Psychisches  oder  Abstraktes,  die  ursprünghch  sinnlich-konkrete  Be- 
deutunghatten: 'vergessen',  'anfangen',  'sehr'  und  ähnliche.  Auch  hier  kann 
Referent  nichts  unser  Wissen  wesentlich  Förderndes  entdecken. 

Der  III.  Abschnitt  trägt  im  Inhaltsverzeichnisse  die  Oberschrift:  eine 
Analyse  des  'Verstehens'  und  'Begreifens',  Referent  konnte  aber  trotz  mehr- 
facher Versuche  eine  irgend  befriedigende  Analyse  darin  nicht  finden,  noch 
ist  ihm  überhaupt  der  ganze  Abschnitt  verständlich,  er  muß  infolgedessen 
auch  auf  eine  Kritik  desselben  verzichten. 

Graz,  Februar  1905.  D.  Ed.  Martinak. 


AoMiger  XYIIL 


2  Jaspenoi  Lehrimch  der  FhoneCik. 

jMpenwn  0.  Lehrimch  der  Phonetik.  Aotorieierte  Obenetxmii  toq 
H.  Davidsen.  Mit  2  TafefaL  [VI  und  266  S.].  gr.  8.  1904.  Leiinif  und 
Berlin,  B.  G.  Tenhner.    Geh.  6  M. 

Wir  haben  gote,  Ja  Torsd^che  LehrMeher  der  Fiioiietik,  aber 
klare  phonetische  Einsichten  sind  auch  in  den  Kreisen,  die  sie  aelur  not- 
wendig braachten,  immer  noch  erschreckend  selten.  Alles,  was  sor  Be- 
seitigong  dieses  Mangels  beitragen  kann,  bt  daher  mit  Freude  sn  be- 
grüßen. Wenn  Jespersen  hofft,  daß  sein  Bach  sowohl  Ar  dm,  der  in 
der  Phonetik  zunächst  nur  die  nötige  Grundlage  f&r  Tergjeichflnde  und 
historische  Sprachforschung  sieht,  als  auch  Ar  den  neusprachlicben  Lehrer 
brauchbar  sein  werde,  so  teile  ich  diese  Hofbiung,  ja  glaube,  daß  die 
Beschäftigung  mit  dem  Buche  selbst  Ar  den  'altsprachlichMi  Lehr«^ 
recht  nützlich  wäre.  Mit  besonnenem  Urteile  hdbt  der  Ver&sser  ans  der 
Menge  des  Stoffes  das  Ar  rein  sprachwissenschaftliche  Zwecke  besonders 
wichtige  heraus  und  befleißigt  sich  überall  einer  möglichst  elementaren 
Darstellung.  Und  das  muß  ihm,  wie  die  Sachen  heute  noch  li^^en,  trotz 
Koschwitzens  Beurteilung  als  Verdienst  angerechnet  werden.  Der  analytische 
Teil  des  Buches  behandelt  die  Stellungen  und  Bewegungen  aller  Tcdle  des 
Sprachorgans  ohne  Rücksicht  auf  ihr  Zusammenwidken  bei  der  Erzenganf 
des  einzelnen  Sprachlauts.  Die  dabei  eingeschlagene  Methode,  mit  den 
Lippen  anzufangen  und  über  die  weiter  zurückliegenden  Teile  des  Sprach- 
organs  bis  zu  den  Lungen  fortzuschreiten,  bietet  im  Vergleich  mit  dem 
sonst  üblichen  Verfahren  unverkennbare  praktische  Vorteile. 

Im  synthetischen  Teile  werden  die  einzelnen  Konsonanten  und 
Vokale  behandelt  mit  besonderer  Berücksichtigung  des  Deutschen,  Eng- 
lischen und  Französischen;  die  ausAhrlichen  Beschreibungen  skandi- 
navischer Laut  Verhältnisse  in  der  dänischen  Ausgabe  sind  wesentlich 
gekürzt,  doch  wird  hier  immer  noch  viel  Interessantes  beigebracht;  auf 
Einzelheiten  einzugehn  ist  wegen  deren  Menge  nicht  gut  mögliclL  Die 
'Kombinationslehre'  handelt  von  der  zeitlichen  Aufeinanderfolge  der  Einzel- 
laute, von  An-  und  Abglitt,  progressiver  und  regressiver  Assimilation, 
Lautausstoßungen  und  Haplologien,  Lautdauer,  Zusammenschluß  der  Laute 
zu  Gruppen,  Expirationsdruck  und  Tonhöhe.  Durch  zahlreiche,  gut- 
gewählte Beispiele  werden  die  theoretischen  Ausführungen  dieses  Teiles 
erläutert ;  besondere  Aufmerksamkeit  verdienen  die  Abschnitte  über  Lant- 
dauer  und  Silbe.  Den  Schluß  bildet  eine  kurze  'nationale  Systematik', 
worin  versucht  wird,  die  phonetischen  Haupteigentümlichkeiten  der  be- 
handelten Sprachen  übersichtlich  zusanunenzustellen.  Daß  nicht  alle 
allgemeinen  Sätze  dieses  Kapitels  allgemeine  Gültigkeit  beanspruchen 
können,  darf  nicht  überraschen.  Als  Lautschrift  wird  das  Alphabet  der 
Association  phon^tique  internationale  benutzt,  was  deren  Mitgliedern  will- 
kommen sein  wird.  Daneben  verwendet  Jespersen  für  jeden  Laut  eine  Formel 
die  sich  aus  lateinischen  und  griechischen  Buchstaben  und  aus  Ziffern  zn- 
sammensetzi  und  die  Stellung  der  einzelnen  Teile  des  Sprachorgans  bei  der 
Bildung  des  Lautes  bezeichnet.  Zum  praktischen  Crebrauch  bei  Transkription 
einer  Sprache  sollen  und  können  diese  Formeln  natürlich  ebensowenig 
dienen  wie  ehedem  Techmers  physiologische  Artikulationsschrift  mit  Noten. 

Die  Übersetzung  liest  sich  gut,  nur  an  wenigen  Stellen  —  vergl.  S.  2, 
Z.7;  5,29;  8, 4  v.u.;  11,11;  12,17;  31, 23  —  schlägt  das  Dänische  durch. 
Ausstattung  und  Druck  des  Buches  sind  vorzüglich« 

Grimma.  Reinhart  MicheL 


Jespersen  Phonetische  Grundfragen.  3 

1 0.  Phonetische  Grundfragen.  Mit  2  Figuren  im  Text  1904.  Leipzig 
und  Berlin  B.  G.  Teubner.  186  S.  8».    Geh.  3,60  M.,  geb.  4,20  M. 

Die  ersten  drei  Kapitel  behandeln  in  gemeinverständlicher  Form 
Dinge,  die  auch  weitere  Kreise  interessieren :  Laut  und  Schrift,  Lautschrift, 
die  beste  Aussprache.  Kap.  4—6  betreffen  mehr  interne  Fragen  der  Pho- 
netik :  Aukustisch  oder  Genetisch?  Systematisierimg  der  Sprachlaute,  Unter- 
suchungsmethoden. Das  umfangreichste  und  für  die  Sprachwissenschaft 
wichtigste  ist  das  letzte  Kapitel :  Zur  Lautgesetzfrage. 

I.  Jespersen  warnt  davor,  Bezeichnungen  aus  der  Sphäre  des  Lautes  und 
der  Schrift  promiscue  zu  gebrauchen.  Laut  und  Schrift  sind  an  sich  schon 
inkommensurable  GrOßen,  aber  die  Übertragung  der  lateinischen  Schrift- 
zeichen auf  Sprachen  mit  abweichendem  Lautsystem,  die  Schreibertradition, 
die  Erfindung  des  Buchdrucks  und  das  Bestreben,  die  Etymologie  der  Worte 
in  der  Schreibung  auszudrücken,  haben  den  Zwiespalt  zwischen  Laut  und 
Schrift  noch  größer  gemacht,  sodaß  unter  den  europäischen  Sprachen 
höchstens  im  Finnischen  noch  ein  leidlich  konsequentes  Verhältnis  zwischen 
Laut  und  Zeichen  zu  finden  ist.  Der  angehnde  Phonetiker  muß  sich  des- 
wegen gewöhnen,  die  Sprache  zu  betrachten,  als  ob  sie  niemals  nieder- 
geschrieben worden  wäre,  und  durch  das  Studium  und  die  eigene  An- 
fertigung genauer  Lautschrifttexte,  wie  durch  fortgesetzte  Obungen  im 
Isolieren  der  Laute  das  wirkliche  Verhältnis  von  Laut  und  Schrift  zu  er- 
fassen suchen. 

II.  Ohne  eine  Lautschrift  mit  konstanten  Werten  kann  die  Phonetik 
nicht  existieren.  Wenn  auch  alle  bisherigen  Versuche,  die  ungeheure  Mannig- 
faltigkeit der  Sprachlaute  graphisch  zu  bewältigen,  ihre  Mängel  haben, 
läßt  die  zunehmende  Obereinstimmung  der  verschiedenen  Systeme  doch 
auf  das  allmähliche  Zustandekommen  einer  relativ  vollkommnen  universellen 
Lautschrift  hoffen.  Die  Anwendung  diakritischer  Zeichen  über  oder  unter 
den  Buchstaben  führt  immer  zu  Schwierigkeiten.  Die  meiste  Aussicht  auf 
Erfolg  hat  die  Weiterbildung  des  lat  Alphabetes  durch  eigens  konstruierte 
Typen,  wie  sie  z.  B.  Lundell  für  Svenska  landsmälen  in  größerem  Um- 
fang angewandt  hat.  Nach  einer  Charakteristik  von  EUis*  Palaeotye,  Sweets 
Narrow  und  Broad  Romic  bespricht  J.  die  Lautschriften  des  Maltre  phon^ 
tique,  Bell-Sweets  Visible  Speech  und  zuletzt  sein  eigenes  analphabetisches 
Zeichensystem,  das  er  zuerst  in  seinen  Articulations  of  Speech  Sounds 
ausführlich  dargestellt  hat.  Es  zeichnet  sich  ohne  Zweifel  durch  große 
Elastizität  aus;  ob  ihm  eine  größere  Rolle  beschieden  sein  wird  als 
anderen  analphabetischen  Systemen,  muß  abgewartet  werden. 

III.  Der  Sprachforscher  hat  Recht,  wenn  er  sich  den  Sprachformen 
gegenüber  aller  Werturteile  enthält,  aber  für  die  Praxis  der  Spracherlernung 
ist  die  Frage  nach  der  besten  Aussprache  keineswegs  gleichgiltig.  Ent- 
schieden werden  kann  die  Frage  weder  durch  den  Hinweis  auf  die  Ortho- 
graphie, noch  die  Sprachgeschichte,  noch  die  Hauptstadt  des  Sprachgebiets, 
noch  die  Bühne,  noch  bestimmte  Volksschichten.  Die  gute  Aussprache  strebt 
nach  allgemeiner  Verständlichkeit  durch  Befreiung  von  allen  rein  örtlichen 
oder  provinzieUen  Eigentümlichkeiten,  aber  die  beste  Aussprache  ist  nicht 
für  jeden  Ort  und  jede  Gelegenheit  die  gleiche,  was  durch  einen  hübschen 
Vergleich  (§  65)  illustriert  und  mit  Rücksicht  auf  die  Umgangssprache  und 
die  Sprache  des  öffentlichen  Redners  näher  ausgeführt  wird.  Der  schon  in 
Progress  in  Language  (1894)  betonte  Gedanke,  daß  die  natürliche  täg- 
liche Umgangssprache  immer  (freilich  nicht  in  allen  Stücken:  D.  Ref.) 


du  l^pmeliiDni  kl»  du  uC  Zakonft  und  FortMlnitt  d««M,  KIii[«l  v^ 
hier  ttberaU  durch.  Dm  Kapitel  mt  ISW^  faedirkbea;  anf  die  i 
erfolgte  Refehttg  der  deatechen  THhnanenwfffauhe  wird 


IV.  Die  kvhUXtoatfVk  der  Phonetiker,  die  ihre  Aiheit 
der  akoetiaeheB  Seite  der  LantprohleaM  lufewandt  hahen, 
aeharfea  Kritik  antenogeD.  Weil  ee  den  Btiebniaaen  der 
Zeit  noch  an  der  wftnachenawerl«  Obereiaathnouuif  Cahle»  aei  ea  t 
forlAiifig  daa  Hauptgewicht  anf  die  genaue  Uateracheidmg  andHeerlinritmin 
dw  ArfaTrolationen  la  legen.  An  ein^gM  Stellen  aehliefit  Jerewan  Um 
daa  Ziel  hinana«  ao  wenn  er  (S.  ttQ  einen  "PolyBMrphiaBMM  dar  Tokale* 
leognet  Kicht  hloA  Yokalklinge,  aaeh  Konaonantm  kflMen  dnek  gi^in- 
aeitige  Kompenaation  der  aimaltanen  ArtikolAtionen  ianeihnlh  gowiiMi 
Gireuen  auf  yerachiedene  Weiae  herforgehrmcht  werden.  SL  87  würd  im 
AnachloA  an  Stricker  der  allgemeine  Sata  aoageaprochen»  daß  daa  iiifach- 
liehe  Yeratlndnia,  auch  die  Aaflbaaang  Ton  der  Eigenart  einea  Laielaa 
viel  intimer  mit  den  für  die  Anaaprache  dea  Wortea  oder  Laatea  erforder- 
lichen Mnakelbewegiingen  yerknfipft  aei  ab  mit  dMi  alraatiaclMn  Einkf^^ 
Daa  trifft  aicher  für  die  erate  SSeit  der  Spracheriemong  nicht  n«  waxk 
q^ter  nicht  für  Individuen  yqo,  "viaaellen'  und  vom  'akuatiachen  Typos'. 
&  89  heißt  ea,  daß  hei  einem  atimmhaften  a,  t  uaw.  gar  kein  Gerftaich 
hervorgebracht  werde,  weil  der  stimmhafte  Lnftatrom  nicht  kräftig  gMHf 
dasa  sei.  Daß  die  Intenaitit  der  oralen  Artikulation  nnd  der  davon  ab- 
hängigen akustischen  Reipe  hei  gewöhnlichem  Sprechen  regelmißig  in 
umgekehrtem  VerhUtnia  su  dem  Grade  der  Hemmung  dea  Expiraliona- 
stromes  durch  die  Stimmbänder  steht,  ist  bekannt,  aber  deswegen  dea 
Gerättschlautcharakter  von  z,  v  etc.  zu  leugnen,  geht  doch  nicht  an.  DaA 
kein  stimmhaftes  s  herauskommt,  wenn  zwei  Personen  gleichzeitig,  die 
eine  i  und  die  andere  stimmloses  s  sprechen,  ist  kein  Beweis  für  Jesperseni 
Auffassung. 

V.  Infolge  seines  streng  artikulatorischen  Standpunktes  lehnt  Jespersen 
jede  Systematisierung  der  Sprachlaute  nach  ihren  akustischen  Qualitäten 
ab.  Wenn  aber,  wie  er  meint,  alle  akustischen  Eigenschaften  der  Spracb- 
laute  eindeutig  artikulatorisch  bestimmt  sind,  muß  dann  nicht  jede  akus- 
tische Einteilung  von  selber  zugleich  eine  genetische  werden?  Daß  die 
Auffassung  des  Tatsächlichen  durch  die  verschiedene  Systematisierung 
nicht  berührt  wird,  erkennt  Jespersen  selber  an.  Man  braucht  nur  seine 
analphabetischen  Formeln  von  rückwärts  zu  lesen,  um  sofort  mit  der  herr- 
schenden Systematik  im  Einklang  zu  sein.  Daß  die  regressive  Behandlung 
der  Artikulationsstellen  erhebliche  pädagogische  Vorteile  bietet,  ist  schon 
bei  der  Anzeige  des  Lehrbuches  ausgesprochen  worden.  Wenn  Jespersen 
§§  llß  ff.  gegen  die  Bezeichnung  Momentan-  und  Plosivlaute  polemisiert 
und  beispielsweise  §  114  meint,  der  Lippenverschluß  bei  m  sei  der  gleiche 
wie  bei  b  und  p,  scheint  er  zu  übersehen,  daß  die  Spannung  des 
sphincter  oris  —  also  etwas  rein  artikulatorisches  —  bei  m  und  m  durch- 
aus nicht  dieselbe  ist  wie  bei  b  oder  gar  p. 

VI.  Bei  einer  kritischen  Betrachtung  der  phonetischen  Untersnchungt- 
methoden  kommt  Jespersen  zu  dem  Resultat,  daß  das  Bestreben  der 
neueren  Experimentalphonetik,  objektive  Kennzeichen  zu  gewinnen,  in 
hohem  Grade  anzuerkeimen  sei,  wenn  auch  die  InstrumentaJphonetik  nicht 
alle  Rätsel  lösen  könne  und  ihre  Ergebnisse  noch  mit  großer  Vorakht 


Jespenen  Phonetische  Grandfragen.  5 

•nbimehmen  seien.  Wichtig  ist,  daß  auch  Jespersen  Rosengrens  aufsehen- 
erregende Untersnchnngen  om  identiteten  of  antikens  kvantitet  och  den 
modärna  fonetikens  s.  k.  dynamiska  accent  bei  eigener  Nachprüfung  nicht 
best&tigt  gefunden  hat.  Beachtenswert  ist  femer  die  Warnung  vor  einer 
falschen  Auslegung  der  allerdings  mißverständlichen  und  mißverstandenen 
Worte  Rousselots:  Les  lettres  vivent  encore  alors  que  nous  les  croyons 
mortes,  et  leurs  demiers  moments  nous  ^happent  comme  leurs  premiers. 
Vn.  Wenn  ein  Kind  zu  bl&baer  (bl&ber)  den  Plural  bläberne  bildet, 
liegt  keine  andere  Form  der  Analogiebildung  vor,  als  wenn  es  in  dem 
Augenblicke,  wo  es  zum  ersten  Male  das  Wort  tropper  hört,  fragt:  Jamen, 
mor,  hvor  er  tropperne?  Der  einzige  Unterschied  besteht  darin,  daß  das 
Resultat  im  zweiten  Falle  mit  dem  Sprachgebrauch  übereinstimmt,  im 
ersten  Falle  nicht.  Von  "falschen  Analogiebildungen*  zu  reden,  ist  deshalb 
nicht  so  verkehrt,  wie  man  es  dargestellt  hat.  Jespersen  sieht  in  beiden 
F&llen  eine  Kombinationsbildung.  Worte,  die  aus  der  Kinder-  oder  aus 
der  Schriftsprache  stammen,  sollen  nicht  als  Lehnworte  aufgefaßt  werden; 
denn  zwischen  der  Sprache  des  Kindes  und  des  Erwachsenen  lasse  sich 
keine  feste  Grenze  ziehen,  und  zwischen  der  mündlichen  Einwirkung  durch 
Lehrer,  Prediger  usw.  und  der  durch  Eltern  oder  Geschwister  sei  kein 
wesentlicher  Unterschied ;  die  Einwirkung  der  Lektüre  aber  bestehe  in  der 
Hauptsache  darin,  die  mündliche  Tradition  zu  stützen  und  eine  Aussprache- 
form etwas  länger  am  Leben  erhalten,  als  sie  sonst  bestanden  haben  würde. 
Für  die  Beispiele,  die  Jespersen  anführt,  mag  das  zutreffen,  in  andern 
Fällen  kommt  man  mit  seiner  Erklärungsweise  nicht  aus.  Die  exzep- 
tionelle Lautentwicklung  in  Guten  Abend  zu  nämt,  s'il  vous  plalt  zu  spie, 
vuestra  merced  zu  Usted,  fader  zu  far  u.  dgl.  sei  weder  imter  die  Laut- 
gesetze zu  bringen,  noch  durch  Entlehnung  zu  erklären,  sondern  durch 
die  Leichtverständlichkeit  der  häufig  gebrauchten  Ausdrücke  und  durch 
ihre  Wertlosigkeit  für  die  Auffassung  des  Sinnes  bedingt.  Laute,  Silben 
und  Worte,  deren  undeutliche  Artikulation  zu  unerwünschten  Mißver- 
ständnissen führen  würde,  können  durch  verstärkten  Expirationsdruck 
gegen  einen  sonst  eintretenden  Lautwandel  geschützt  werden.  Akzent  ist 
nicht  bloße  Bedingung  von  Lautübergängen,  sondern  selbst  ein  Lautüber- 
gang, der  erklärt  werden  muß.  Im  Dänischen  besteht  bei  nicht  wenigen 
Menschen  die  Neigung,  intervokalisches  s  stimmhaft  werden  zu  lassen, 
aber  man  kann  von  denselben  Sprechern  unter  ganz  gleichen  Bedingungen 
bald  s,  bald  z  hören :  *'Müssen  wir,  um  die  Unverbrüchlichkeit  der  Laut- 
gesetze zu  konstatieren,  genau  genommen,  bis  zu  einem  Momentandurch- 
schnitt in  der  Sprache  eines  einzelnen  Individuums  gehn,  .  .  .  wie  kann 
man  aus  einer  Augenblicksphotographie  Regelmäßigkeit  der  geschichtlichen 
Entwicklung  ersehen?**  Lautgesetze  sind  nichts  weiter  als  Formeln  für 
lautliche  Obereinstimmung,  Normen,  wie  weit  wir  in  unserem  Ety- 
mologisieren gehn  dürfen,  ohne  uns  auf  unsichern  Boden  hin- 
auszuwagen, eine  Art  von  Gesetzen  im  juridischen,  nicht  im  natur- 
wissenschaftlichen Sinne.  —  Die  Abhandlung  stammt  aus  dem  Jahre  1886. 
In  einem  1904  geschriebenen  Nachtrage  geht  Jespersen  auf  die  psycho- 
logische Seite  der  Frage  noch  etwas  näher  ein:  Jeder  Bestandteil  hat  eine 
gewisse  Richtigkeitsbreite,  ein  Gebiet,  innerhalb  dessen  er  wiedererkannt 
werden  kann.  Die  Breite  des  zulässigen  Schwankens  und  die  Festigkeit 
der  Grenze  ist  abhängig  von  der  Bedeutungsseite  der  Sprache  und  für 
jede  Sprache  verschieden.    Gibt  es  in  einer  Sprache  zu  einer  gewissen 


6        Ribeno  n  Probleme  autele  deDe  Gattmeli  indo-emopee. 

Zeit  Tiele  Wortpaare,  die  nur  durch  die  Beacfatmig  ihrer  lantlidm  Unter- 
■Ghiede  aoeeinandergäialten  werden  kfinnen,  eo  werden  diese  Unterechiedi 
streng  innegehalten  (?)  Im  andern  Falle  wird  man  »ich  leichter  grfm  liiin 
können.  Unter  den  Ursachen,  die  ein  Schwanken  innerhalb  der  snUbnig« 
Richtigkeitsbreite  der  ArtikolatioDen  oder  one  Oberschreitang  dieser  Zone 
bewirken,  ist  die  gemeinmenschliche  Tatsache,  dafi  man  sieht  gewöhnlich 
mit  dem  M inimnm  der  notwendigen  Anstrengung  begnügt,  die  wichtigste. 
Daß  eine  neae  Art  der  Artikulation  mitimter  eine  grOfiere  Moakelbewegimg 
(nämlich  in  demselben  Teile  des  Sprachorgans  :  D.  Ret)  erfordert  ab  die 
alte,  beweist  nichts  dagegen:  es  ist  leichter,  Hols  sa  spalten,  als  den  Star 
SU  operieren. 

Die  scharfsinnigen  AusfOhrungen  Jespersens  seien  angelegentlich  der 
Beachtung  empfohlen ;  denn  als  endgiltig  gelOst  wird  die  Lantgesetsfirageauch 
nach  der  letzten  eingehnden,  alle  Möglichkeiten  erwägenden  Behandlung 
durch  Wundt,  YOlkerpsych.  *  S.  300  ff.  noch  nicht  angesehen  werden  kOnnen, 
und  es  wird  noch  langer,  aufinerksamer  Beobachtungen  am  lebendoi 
KOrper  der  Sprache  bedürfen,  eh  alle  Schwierigkeiten  beseitigt  sind. 

S.  120,  Z.  29  ist  dän.  Foaur  stehn  geblieben;  das  Wort  ist  in  dem 
Sinne,  wie  es  dort  gebraucht  wird,  nicht  gemeinhochdeutsch,  ebenso  S.  185, 
Z.  18  Tau  (dug).  S.  141,  Z.  14  1.  ungefähre  Schätzungen  st  Ungefährlich- 
keiten.  Z.  27 1.  eben  st.  aber.  S.  95,  Z.  18  L  §  96  st  92. 

Grimma.  Reinhart  Michel. 


Bibezso  Fr.  II  Probleme  capitale  delle  Gutturali  indo-europee  o  la 
riduzione  Glottogonica  delle  tre  serie  sistematiche  ad  una  sola.  Estratto 
dal  RendicofUo  dell  *Academia  di  Archeologia,  Lettere  e  Belle  Arti  di 
Napoli.    XVU,  1903.    80  S.   8«. 

Die  Gutturalfrage  wird  die  Forschung  aller  Wahrscheinlichkeit  nicht 
so  bald  loslassen.  Was  der  Verfasser  will,  ergibt  sich  schon  aus  dem 
Titel,  er  will  die  drei  Gutturaireihen  auf  eine  einzige  zurückführen.  Za 
diesem  Zweck  muß  er  sich  zunächst  mit  meiner  Theorie  über  die 
Gutturale  beschäftigen,  die  es  gestattet,  die  drei  Reihen  wenigstens  auf 
zwei  zu  reduzieren,  oder,  da  er  dieser  Theorie  zustimmt,  mit  den  Aas- 
führungen H.  Pedersens  KZ.  36,  292.  Ich  freue  mich,  daß  der  Verfasser 
meine  Sache  gegen  Pedersen  vertritt,  was  ich  selbst  schon  längst  getan 
hätte,  wenn  nicht  wichtigere  Arbeiten  zu  erledigen  gewesen  wären,  und 
ich  kann  das,  was  Ribezzo  ausführt,  nnr  unterschreiben.  Pedersens 
Argumente  haben  auf  mich  gar  keinen  Eindruck  gemacht.  Ich  habe  all- 
mählich gelernt,  wie  lange  es  in  der  Wissenschaft  dauert,  bis  sich  neue 
Ansichten  durchsetzen.  Ich  brauche  dabei  nur  an  meine  Erklärung  der 
germanischen  Auslautgesetze  zu  erinnern,  die  jetzt  nach  13  Jahren 
wenigstens  einigermaßen  durchgedrungen  ist.  Zu  meiner  Gutturaltheorie 
bin  ich  auch  schon  vor  13  Jahren  gekommen  und  nicht  auf  Grund  vor- 
gefaßter Meinungen,  sondern  auf  Grund  von  Bezzenhergers  Material.  Dafi 
es  eine  Reihe  von  Ausnahmen  gibt,  in  denen  sie  scheinbar  nicht  stimmt, 
das  weiß  ich  auch,  aber  diese  scheinen  mir  doch  gegenüber  der  großen 
Verschiedenheit  in  dem  Auftreten  der  Gutturale  vor  hellen  und  dunkehi 
Vokalen  verschwindend  klein  zu  sein. 

Uns  stehen  außerdem  jetzt  noch  einige  andere  Mittel  zur  Verfügung, 
um  die  Ausnahmen  zu  erklären :  ich  meine  den  indogermanischen  Schwund 


Bragmann  Die  Demonstrativpronomina  der  indogerm.  Sprachen.      7 

von  j  nnd  w  nach  Konsonanten,  an  den  ich  nun  schon  seit  einer  Reihe 
von  Jahren  glaube.  Diese  Annahme  wird  sich  mit  der  Zeit  ebenso  durch- 
setzen, wie  sich  die  des  Schwundes  von  %  und  u  nach  langem  Vokal  als 
richtig  erwiesen  hat.  Der  Herr  Verfasser  steht  auch  auf  dem  Standpunkt, 
daß  y  {w)  nach  k  hat  schwinden  können,  und  kann  so  ko^hiöc  gegenüber 
lit.  9zvanhi8  aus  idg.  Doppelheit  erklären«  Ich  glaube,  er  hat  vollkommen 
Recht  Alle  Schwierigkeiten,  die  Kdirvoc,  vapw  usw.  bieten,  lösen  sich 
so  auf  das  einfachste.  Er  sacht  aber  weiter  zu  zeigen,  daJß  auch  der 
sogenannte  Labial  der  Labiovelare  nichts  weiter  als  ein  y  ist,  das  in 
der  Schwundstufe  als  regelrechtes  u  erscheint.  So  stehen  von  der 
Basis  ♦^Ä  "gehen,  kommen*  nebeneinander  ai.  tatnö-gd  und  vanar-gü, 
gr.  \x€a\'f<)C,  Wer  sich  auf  diesen  Standpunkt  stellt,  der  wird  leicht  ein 
hübsches  Material  zusammenbringen  können«  k6kXoc  ist  und  bleibt  eine 
Schwundstufe  zu  idg.  *k^ek^la8  wie  fvyrf\:  got.  qinö.  Durch  diese  An- 
nahme wird  auch  auf  die  verschieden  gefärbten  idg.  /*,  /  Licht  fallen. 

Ist  das  aber  richtig,  so  braucht  das  k  der  ^^-Reihe  von  dem  k 
der  q-  und  it-Reihe  nicht  im  geringsten  verschieden  gewesen  zu  sein, 
und  wir  haben  dann  in  der  Tat  nur  eine  idg.  Gutturalreihe  anzusetzen. 
Welcher  Herkunft  der  u-Nachschlag  war,  das  entzieht  sich  vorläufig 
unserer  Erkenntnis.  Der  Verfasser  schließt  mit  einem  Worte  Brugmanns : 

"Es  ist  mit  Meinungen,  die  man  wagt,  wie  mit  Steinen,  die  man 
im  Brette  bewegt;  sie  können  geschlagen  werden,  aber  sie  haben  ein 
Spiel  eingeleitet,  das  gewonnen  wird."  VorläuGg  kann  die  Sache  zwar 
noch  nicht  als  erledigt  gelten,  aber  die  Studie  ist  jedenfalls  anregend 
und  sei  den  Sprachforschern  empfohlen. 

Leipzig.  H.  Hirt. 


Bragmann  K.  Die  Demonstrativpronomina  der  indogermanischen  Sprachen, 
eine  bedeutungsgeschichtliche  Untersuchung.  (Abhandlungen  der  philol.- 
bist  Klasse  der  kgl.  sächs.  Gesellschaft  der  Wissenschaften,  XXII.  Bd., 
Nr.  VL)    Leipzig  B.  G.  Teubner  1904.    Iö2  S.    Lex.-8«.    ö  M. 

Während  auf  gewissen  Gebieten  der  Bedeutungslehre  und  Syntax 
der  indogermanischen  Sprachen  die  Forschung  schon  seit  längerer  oder 
kürzerer  Zeit  in  erfreulicher  Rührigkeit  am  Werke  ist,  sind  manche  andere 
Gebiete,  die,  im  Hinblick  auf  die  Ziele  und  Aufgaben  der  Sprachwissen- 
schaft überhaupt,  dasselbe  Interesse  zu  beanspruchen  haben,  heute  noch 
recht  wenig  oder  auch  gar  nicht  angebaut.  Es  ist  wahr,  in  denjenigen  Teilen 
der  Grammatik,  die  von  älterer  Zeit  her  im  Mittelpunkt  des  Interesses  stehen 
und  demgemäß  heute  die  meistdurchforschten  sind,  gibt  es  immer  noch  genug 
und  übergenug  zu  tun,  und  insofern  ist  diese  Bevorzugung  nicht  zu  tadeln. 
Aber  die  neueste  Entwicklung  der  Indogermanistik,  ihre  engere  Verbindung 
mit  der  Sprachpsychologie  fordert  denn  doch  dazu  auf,  allmählich  auch 
andere  Aufgaben  energischer  anzufassen,  insbesondere  solche,  die  den  über 
Laut-  und  Formenlehre  hinaus  liegenden  Teilen  der  Sprachlehre  angehören. 
Ein  Versuch,  die  Aufmerksamkeit  der  Forscher  nachhaltiger  auf  ein 
solches  verhältnismäßig  noch  stark  vernachlässigtes  Gebiet  zu  lenken,  ist 
die  vorliegende  Schrift.  Angeregt  ist  sie  durch  die  beiden  ersten  Kapitel 
in  Wundts  Völkerpsychologie  I,  die  von  den  Ausdrucksbewegungen  im  all- 
gemeinen und  von  der  Gebärdensprache  handeln.  Mit  gewissen  Betrach- 
tungen, die  ich  über  das  Verhältnis  der  demonstrativen  Pronomina  und 


der  ihncii  hiIm  TtnrantonPwgopal^iioiiiiiift  m  dtn  febiiüiohtii  i 
draetabewammm»  besonden  sa  d«i  himrciienden  GeUUrdon» 
kam  ich  mcht  weit  Es  fehlte  aa  den  nOtifeii  Yombeitea  fftr  «iae  sokiM 
QBtennchiiiig.  Denn  was  winea  wir,  eiaeiaeiti»  bis  jetit  nm  dea  hia- 
deateadea  Gettan»  die  bei  dea  vefechiedenen  ¥(HkeRi  aatnr  beaHmintfiB 
YeritAltaiieea  gewohnhrttemäftig  die  Rede  bef^iteOp  uad  der  Art  ibne  Zu- 
naunoiwirkeBt  mit  dea  reia  apraehlichea  Anedraekflaitlehi?  Aadenott 
iit  aber  aaeh  die  Sprachforachaag  aiit  der  FeatitollQaf  dea  GMnaneha  der 
verachiedeaen  Artea  der  deiktiachea  Wörter  aodi  aehr  im  Rtdotaad.  Jeaa 
eratere  Vorarbeit  an  leiatea,  war  aad  bia  ich  gaaz  aaßerataade.  Was  da- 
gegea  die  sweite,  die  reia  qnraehlidbe,  betrifft,  ao  doifle  idi  wani|rteBi 
hoffea,  dorch  yeri^eicheade  Betraehtaag  gewiaae  Graadliaiai  Ar  &  Be- 
deotongaeatwicklaagea  bei  dea  DeaKmatraüfpronoaiiaa  sieben  sa  kdnaea. 
Dadorch  koaate  dea  Spedalforachera,  deaea  die  Tataaehea  dea  Gebraaehi 
ia  dea  verachiedenen  Spraehea  uad  Ifuadartea  iaa  einsehie  bineia  sa  er- 
forachen  obliegt,  geseigt  werdea,  voa  wdchor  htatoriacbea  Graadlage  ans- 
sogehea  ist,  and  um  welche  entwiekluagageacfaiehtlichea  ProUeaie  es  sich 
bei  dea  verachiedeaea  DemoaatrativproaoBiiaa  haadelt  Uad  aar  dieaea 
Teil  der  einea  Yoa  dea  beidea  adtigea  Vorarbeitea  aabm  ich  deaa  wirk- 
lich für  jetxt  ia  Aagriff. 

Die  Schrift  gibt  demgeaiAß,  nach  eiaigea,  beaoadera  die  Terachiedeaea 
Demonstratioaa-  oder  Zeigartea  betreffeadea  Vorbemerkoagea,  im  weaeat* 
liehen  eine  Daratellang  der  bedeatangageachichtlichea  Batwickluag  der 
eiaselnea  indogermaniachea  Proaomiaa  ia  groAen  Umriaaea.  Ea  war  so* 
aächat  festzustellen,  welche  Zeigarten  achon  ia  der  Zeit  der  iadogerma- 
nischen  Urgemeinschaft  ausgedrückt  waren,  und  mit  welchem  Pronominal- 
stamm  oder  welchen  Pronominalstämmen  sie  bezeichnet  wurden.  Sodann 
werden  aber  auch  die  wichtigsten  einzelsprachlichen  Neuerungen  darge- 
stellt. Hierbei  werden  die  zahlreichen  Konglutinate  yon  mehreren  demon- 
strativen Elementen  zu  Einern  Worte,  wie  ai.  asaü^  gr.  o&roc,  ^kcIvoc,  lat 
hie,  istij  osk.  eora-,  got.  sah,  ahd.  dese  deaer,  Iit  anUtUy  poln.  tanUet^  erörtert, 
die  zum  Teil  zu  eingehenderen  Untersuchungen  über  ihre  Enstehungsweise 
Anlaß  geben.  Ein  Schlußkapitel  befaßt  sich  mit  der  nicht  seltenen  Er- 
scheinung, daß  anfänglich  demonstrative  Pronomina  das  Bedeutungselement 
der  Deixis  in  gewissen  Zusammenhängen  völlig  einbüßen. 

Es  sei  mir  erlaubt,  hier  noch  einige  Einzelheiten  zur  Sprache  zq 
bringen. 

S.  32.  Das  altindische  Demonstrativum  aydm  ist  jetzt  von  Leskien 
(IF.  17,  491)  auch  im  Slavischen  überzeugend  nachgewiesen  als  <t^  in  der 
seltenen  Wendung  q;»  dbn^  'aOeriMcpov'.  Ursprünglich  war  diea  'an  eben 
döni  Tage".  Die  starke  Betonung  des  Pronomens  hatte  hier  dieselbe  Wir- 
kung wie  sonst  die  Doppelsetzung  (vgl.  alat.  em-em  *eundum*),  wobei  die 
Vorausstellimg  des  Pronomens  zu  beachten  ist  (vgl.  Bemeker  Die  Wort- 
folge in  den  slav.  Spr.  llö  u.  sonst).  Ähnlich  steht  im  Lateinischen  oft 
00  die,  wo  auch  eodem  die  gesagt  sein  konnte.  Durch  dieses  qfh  wird  be- 
stätigt, daß  die  ich-deiktische  Bedeutung  von  aydm  eine  Sonderentwicklung 
des  Arischen  war. 

S.  U  f.  Thumb  Lit.  Zentralhl.  1905  Sp.  280  schreibt  mir  die  Ansicht 
zu,  die  Nachstellung  des  Artikels  im  Bulgarischen  beruhe  auf  Einfluß  des 
Armenischen.  Das  ist  ein  Versehen  meines  Rezensenten.  Nur  für  die  auf- 
fallend genaue  Übereinstimmung  dieser  beiden  Sprachen  in  der  Scheidang 


Brai^mann  Die  Demonstrativpronomina  der  indogerm.  Sprachen.       f 

nach  allen  drei  Personen  habe  ich  die  Frage  aufgeworfen,  ob  ar- 
menischer Einfluß  im  Spiele  gewesen  sei,  und  ausdrücklich  gesagt,  daft 
ich  **weit  davon  entfernt  sei,  den  postponierten  bulgarischen  Artikel  an 
sich  f&r  entlehnt  aus  dem  Armenischen  zu  halten"*. 

S.  46  ff.  Bei  dem  Gebrauch  der  Ich-Demonstrativa  für  das  Irdische, 
das  Hienieden  im  Gegensatz  zum  Jenseits  war  auch  lat  hümanus  zu  nennen, 
falls  mein  Deutungsversuch  IF.  17,  166  ff.  das  Richtige  trifiFt. 

S.  69.  Hirt  Woch.  f.  klass.  Philol.  Id04  Sp.  1331  bleibt  bei  seiner 
Gleichstellung  von  lat  hi-e  mit  got.  hi-mma.  Er  sagt :  "Ich  kann  mich  dem 
Gewicht  von  Gleichungen  wie  1.  Ate,  got.  her  *hier',  beide  aus  idg.  *kha^ 
hoeUe^  got  himma  daga^  ahd.  AMw,  lat.  abhine,  got  fram  himma  nu  *dird 
ToO  vOv",  hörnw  aus  *hqjema8  oder  ^ht^omus  [gemeint  ist  wohl  *hqjömo9], 
h€uer,  ahd.  hiu  järu  nicht  entziehen  und  bleibe  daher  bei  meiner  alten 
AuffjRssung**.  Daß  dies  Gleichungen  von  irgend  welchem  Gewicht  sind,  kann 
ich  schlechterdings  nicht  finden.  1.  Got.  hi-  hatte  uridg.  i,  während  der 
Stamm  des  lateinischen  Pronomens  ho-  war.  Diese  beiden  Pronomina 
kommen  also  im  besten  Falle  nur  halb  überein,  während  man  bei  der 
von  mir  vertretenen  Gleichheit  von  got.  hi-  mit  lat.  et-  (eis  usw.)  voll- 
kommene Obereinstimmung  hat.  2.  Daß  1.  hie  ursprünglich  -et  gehabt  habe, 
hat  Hirt  durch  nichts  erhärtet.  Es  steht  natürlich  jedermann  frei,  in  Af-e 
eine  Lokativform  auf  uridg.  -it  zu  suchen.  3.  Hirt  sagt  PBrB.  23,  357, 
während  got.  hfir  mit  1.  hfc  zu  verbinden  sei,  sei  got.  hidre  eher  mit  lat.  eitrü 
zu  vergleichen  (vgl.  auch  das  von  Hirt  unerwähnt  gelassene  ahd.  häumum 
=  lat.  eäimua  nach  Francks  überzeugender  Ausführung  Tijdschr.  v.  Ned. 
Taal-  en  Letterk.  16,  62  ff.).  So  her  und  hidre  auseinanderzureißen,  ist 
doch  wahrlich  nicht  empfehlenswert!  4.  Das  Gewicht  der  Gleichungen 
nhd.  heute  es  1.  hodie  und  nhd.  heuer  =  1.  homus  wird  völlig  aufgehoben 
durch  gr.  c^iiicpov  und  cf^roc  (vgl.  auch  ht.  ezeü-din^  ezf-met^  aksl.  d»»»-«», 
arm.  ais-aur).  Wenigstens  sagt  Hirt  nichts  davon,  daß  er  auch  in  diesen 
griechischen  Formen  *xio-,  nicht  *kio-,  suche,  sie  also  von  k€ivoc  trenne. 
—  Tatsache  bleibt,  daß,  wenn  wir  von  lat.  hie  absehen,  keine  einzige 
indogermanische  Sprache  eine  Form  aufzeigt,  die  auf  aspirierte  Tennis 
hinwiese,  und  auch  das  wird  Hirt  nicht  leugnen  können,  daß  es  bei  got  hi- 
niemandem  eingefallen  wäre,  an  Tennis  aspirata  zu  denken,  wenn  nicht 
das  lat.  hie  etymologisch  unterzubringen  gewesen  wäre.  Eben  nur  darum, 
weil  man  bei  arm.  ^,  gr.  xeivoc,  ir.  ee^  lit  szie  aksl.  eh  und  natürlich  zu- 
gleich bei  lat.  cie  ee-do  -ee  umbr.  ä  i  v  e  mit  ursprünglicher  Tenuis  aspirata 
nicht  wohl  ankommen  konnte,  mußte  das  eher  zweideutige  germ.  hi-  her- 
halten, um  einen  Unterschlupf  für  1.  hie  zu  konstruieren !  Daß  es  für  dieses 
Pronomen  auch  noch  eine  andere,  längst  (von  Windisch  und  Fick)  erkannte 
Unterbringungsmöglichkeit  gibt  (s.  S.  71),  will  ich  hier  nicht  betonen.  Auch 
wenn  diese  nicht  wäre,  würde  die  Wahrscheinlichkeitsrechnung  immer 
noch  durchaus  für  got  hi-  =  lat  et-,  nicht  ♦*»-  (Äo-),  sein.  Wie  viel  Fälle 
gibt  es  denn,  wo  germ.  h-  ursprüngliche  Tenuis  aspirata  war,  gegenüber 
denen,  wo  wir  es  auf  reine  Tenuis  zurückzuführen  haben? 

S.  103.  Das  vielerörterte  Problem  der  Entstehung  von  oötoc,  in 
dem  nach  allgemeiner  Annahme  drei  Elemente,  6,  die  Partikel  u  und  etwas 
zum  Stamm  to-  Gehöriges,  sich  verbunden  haben,  scheint  nicht  so  bald 
zur  Ruhe  kommen  zu  sollen.  Wieder  eine  neue  Theorie  entwirft  Hirt 
a.  a.  0.  (in  Anknüpfung  an  seine  Griech.  Gramm.  S.  304  f.),  wonach  *6 
u,  *a  u  allmählich  umgestaltet  worden  sei  durch  toOto,  das  dem  adverbialen, 


10  Grieraon  Linguistic  Sorvey  of  India. 

zweimal  im  SB.  vorkommenden  täd  uidd  *in  diesem  Falle  nun*  (mit  satz- 
verbindendem u\)  ''ganz  genau  entspreche**,  das  soll  wohl  heißen  eben- 
falls zunächst  adverbial  gewesen  sei.  Möglich  ist  das,  aber  nicht  mehr. 
Und  wiederum  anders  jetzt  Rretschmer  KZ.  39,  552  ff.  über  oOtoc.  Dieser 
scheint  mir  darin  durchaus  im  Recht  zu  sein,  daß  er  Gewicht  legt  auf 
die  Schreibung  TOTO  (toOto)  in  der  uralten  Inschrift  der  Dipylonkanne, 
und  gegen  die  Folgerungen,  die  er  aus  dieser  Schreibung  zieht,  ist  nichts 
einzuwenden.  Dagegen  kann  ich  auf  das  von  Kretschmer  in  Rechnung 
gestellte  oOto  (=  oOtoc)  einer  dor.  Vaseninschrift  wenigstens  vorläufig 
nichts  geben.  Ich  habe  diese  Form  in  meiner  Erörterung  nicht  erwähnt, 
weil  ich  sie  für  eine  jüngere  Neubildung  hielt,  wie  Kretschmer  früher 
selbst  tat,  Vaseninschr.  S.  219.  Jetzt  ist  Kretschmer  nicht  ganz  abgeneigt, 
in  diesem  oOto  eine  hohe  Altertümlichkeit  zu  sehen  und  somit  eine  Stütze 
fQr  die  in  meiner  Griech.  Gramm. '  242.  428  gegebene  Deutung  von  oOtoc 
Wenn  die  Form  unter  den  massenhaften  Belegen  für  oötoc  nur  nicht  gar 
so  einsam  dastünde!  Gegen  die  von  mir  hervorgehobene  Möglichkeit,  dafi 
sich  OÖTOC  auf  Grund  eines  ♦ö  ure  (vgl.  f^öxe,  bcOxc)  entwickelt  habe,  be- 
merkt Kretschmer,  *oOt€  wäre  in  seiner  Flexion  vermutlich  nicht  anders 
als  öb€  behandelt  worden.  Dabei  ist  übersehen,  daß  der  vokalische  Anlaut 
von  -UT€,  der  konsonantische  von  -b€  ganz  verschiedene  lautliche  Ver- 
hältnisse bei  den  beiden  Konglutinaten  hervorrufen  maßte,  z.  B.  Nom.  Sg. 
♦oÖT€  ♦aÖT€  kontrahiert  und  zweisilbig,  dagegen  Akk.  Sg.  ♦tovut€  ♦ravurc 
dreisilbig.  Außerdem:  andre  Zeiten,  andere  Flexionsneigungen ;  äol.-thess. 
Tuivb^uiv,  Touvv^ouv  wareu  einzeldialektische  Neuerungen,  die  Schlußflexion 
von  OÖTOC  dagegen  muß  im  wesentlichen  schon  in  urgriech.  Zeit  ausge- 
bildet worden  sein.  Endlich  ist  gegen  Kretschmer  noch  zu  bemerken, 
daß  auch  in  andern  Sprachen  in  solchen  Fällen  nicht  gleichmäßig  ver- 
fahren worden  ist:  lat.  hi'C{e)  ist  anders  behandelt  als  is-te^  ille  i^is-le)  usw., 
wenngleich  die  Schlußelcmente  reimten.  Dem  ganzen  Problem  gegenüber 
gilt  heute  noch  die  ^ttoxi^i.  Vielleicht  wird  es  nie  spruchreif,  wenn  nicht 
neue  Tatsachen  aus  der  Vorgeschichte  dieses  Konglutinats  ans  Licht  kommen. 

S.  138.  Bei  der  Besprechung  der  Herkunft  von  lat.  iälio  ist  Osthoff 
Suppletivw.  70  übersehen,  wo  das  Wort  mit  ir.  im-thünad  'vicissitudo, 
alternatio'  tünise  'secundus'  verbunden  wird. 

Druckfehlerverbesserung.  S.  89  Z.  5  v.  o.  lies:  erscheinen,  statt: 
erschienen.    S.  104  Z.  i  v.  u.  lies:  ^vGeOTCv,  statt:  ^vTcOeev. 

Leipzig.  K.  Brugmann. 

Grierson  G.  A.  C.I.E.,  Ph.  D.,  D.  Litt.,  I.C.S.;  Linguistic  Survey  of  India.  Volume  U. 
Mön-Khmer  and  Siamesc-Chinese  Families  (including  Khassi  and  Tai\ 
218  S.  —  Volume  111,  Tibcto-Burman  Family;  Part  11.  Specimens  of  the 
Bodo,  Nägä,  and  Kachin  Croups ;  518  S.  —  Volume  III,  Tibeto-Burman 
Family ;  Part  III,  Specimens  of  the  Kuki-Chin  and  Burma  Groups ;  358  S.  — 
Vol.  V,  Indo-Aryan  Family,  Eastern  Group ;  Part  I,  Specimens  of  the  Bengali 
and  Assamese  Languages;  431  S.  —  Volume  V,  Indo-Aryan  Family: 
Part  II,  Specimens  of  the  Bihäri  and  Oriyä  Languages;  439  S.  —  Volume  \% 
Indo-Aryan  Family:  Mediate  Group;  Specimens  of  the  Eastern  Hindi 
Language;  257  S.  Calcutta,  Office  of  the  Superintendent  of  Government 
Printing,  India,  1903-4. 

Die  Linguistic  Survey  of  India  ist  ein  großartiges  wissenschaftliches 

Unternehmen,  das  wir  ganz  der  zähen  Ausdauer  ihres  gelehrten  Leiters 


Grierson  Lingoistic  Sarvey  of  India.  11 

Dr.  Grierson  verdanken.  Auf  dem  Orientalisten-Kongreß  in  Wien,  im  Herbst 
1886,  entwickelte  er  zum  erstenmal  vor  Fachgenossen  seinen  Plan  einer 
solchen  Sarvey,  und  das  Resultat  war  eine  warme  Befürwortung  desselben 
seitens  des  Kongresses  bei  der  indischen  Regierung.  Doch  dauerte  es 
noch  eine  Reihe  von  Jahren  bis  sich  die  letztere  durch  das  sachkundige 
und  energische  Betreiben  Dr.  Griersons  zur  endgültigen  Ausführung  des 
Projekts  bestimmen  ließ.  Mit  seiner  Vollendung,  die  jetzt  in  nicht  allzu 
femer  Aussicht  steht,  werden  wir  über  die  sprachlichen  Verhältnisse  Nord- 
indiens besser  unterrichtet  sein  als  über  diejenigen  irgend  eines  andern 
Landes,  Europa  nicht  ausgenommen. 

Die  vorbereitende  Arbeit  begann  1894.  Sie  bestand  in  der  Samm- 
lung eines  unglaublich  ausgedehnten  Materials.  Fast  der  ganze  Zivildienst 
des  Landes  war  auf  Anordnung  der  Regierung  bei  dieser  Sammlung  be- 
teiligt Gedruckte  Fragebogen  wanderten  bis  in  die  entferntesten  Ortschaften. 
Auf  Grund  der  Ordnung  und  Sichtung  der  eingegangenen  Antworten  begann 
Dr.  Grierson,  1898,  die  Zahl  und  Grenzen  der  Sprachen,  Dialekte  und 
Unterdialekte  festzustellen;  und  eine  Probe  seiner  endgültigen  Ergebnisse 
konnte  er  schon  1899  dem  Orientalisten-Kongreß  in  Rom  vorlegen. 
Oberarbeitet  erschien  sie  dann,  1903,  in  ihrer  vollendeten  Form  als  ein 
stattlicher  Band  von  431  Seiten.  Der  Band  ist  aber  in  Wirklichkeit  der 
erste  Teil  des  *  Volume  V."  der  projektierten  Serie;  er  behandelt  die 
Sprachen  und  Dialekte  der  Provinzen  Bengalen  und  Assam.  In  rascher 
Folge  erschienen  dann  im  Verlauf  von  1903-4  die  weiteren  fünf  Bände, 
welche  voranstehend  genannt  sind.  Außer  diesen  sind  noch  zehn  Bände 
vorgesehen,  so  daß  das  Endergebnis  der  Survey  voraussichtlich  nicht 
weniger  als  16  Bände  umfassen  wird. 

Die  noch  ausstehenden  Bände  sollen  folgende  sein: 

Volume       I,  Allgemeine  Einleitung. 

Volume  in,  Part  I,  Tibeto-Birmesische  Sprachen  von  Tibet  und  Nord- 
Assam. 

Volume    IV,  Dravido-Munda  Sprachen. 

Volume  Vn,  Indo-Ärische  Sprachen,  Südliche  Gruppe  (Maräthi). 

Volume  VIII,  Indo- Arische  Sprachen,  Nordwestliche  Gruppe  (Sindhi, 
Lahndä,  Kaschmiri,  und  die  'Nicht-Sanskritischen'  Spra- 
chen). 

Volume    IX,  Indo-Arische  Sprachen,  Zentral  Gruppe: 
Part      I,  Westliches  Hindi  und  Panjäbi. 
Part     II,  Räjästhäni,  und  Gujaräti. 
Part    III,  Himalayische  Sprachen. 

Volume     X,  Eranische  Sprachen. 

Volume    IX,  *Zigeuner '-Sprachen  und  Supplement. 

Auf  den  ersten  Band,  der  die  allgemeine  Einleitung  enthalten  soll, 
darf  man  am  meisten  gespannt  sein.  Er  wird  natürlich  das  Gesamtresultat 
der  ganzen  Forschung  ziehen  und  kann  erst  in  Angriff  genommen  werden, 
wenn  alle  anderen  Bände  fertig  gestellt  sind.  Indessen  hat  uns  Dr.  Grierson 
eine  vorläußge  Darstellung  dieses  Gesamtresultats  bereits  anderwärts 
mitgeteilt.  Der  große  Indische  Census  Report  von  1901  enthält  nämlich 
ein  von  Dr.  Grierson  geliefertes  Kapitel  über  die  Sprachen  Indiens,  in 
welchem  er  seine  im  Verlauf  der  Linguistic  Survey  gesammelten  Erfah- 
rungen zusammenfaßt.  Demnach  gibt  es  in  Indien  nicht  weniger  als  147 
verschiedene  Sprachen,  von  denen  allerdings  zwei  dem  politisch  zu  Indien 


10  Grieraon  Linguistic  Snnrey  of  India. 

zweimal  im  SB.  vorkommenden  täd  uiäd  *in  diesem  Falle  nun*  (mit  satz- 
verbindendem m!)  ''ganz  genau  entspreche**,  das  soll  wohl  heißen  eben- 
falls zunächst  adverbial  gewesen  sei.  Möglich  ist  das,  aber  nicht  mehr. 
Und  wiederum  anders  jetzt  Rretschmer  KZ.  39,  552  ff.  über  o(rroc.  Dieser 
scheint  mir  darin  durchaus  im  Recht  zu  sein,  daß  er  Gewicht  legt  auf 
die  Schreibung  TOTO  (toOto)  in  der  uralten  Inschrift  der  Dipylonkanne, 
und  gegen  die  Folgerungen,  die  er  aus  dieser  Schreibung  zieht,  ist  nichts 
einzuwenden.  Dagegen  kann  ich  auf  das  von  Kretschmer  in  Rechnung 
gestellte  o(rro  (=  oOroc)  einer  dor.  Vaseninschrift  wenigstens  vorläufig 
nichts  geben.  Ich  habe  diese  Form  in  meiner  Erörterung  nicht  erwähnt, 
weil  ich  sie  für  eine  jüngere  Neubildung  hielt,  wie  Kretschmer  früher 
selbst  tat,  Vaseninschr.  S.  219.  Jetzt  ist  Kret3chmer  nicht  ganz  abgeneigt, 
in  diesem  o(rro  eine  hohe  Altertümlichkeit  zu  sehen  und  somit  eine  Stütze 
fQr  die  in  meiner  Griech.  Gramm. '  242.  428  gegebene  Deutung  von  oGtoc 
Wenn  die  Form  unter  den  massenhaften  Belegen  für  oOtoc  nur  nicht  gar 
so  einsam  dastünde!  Gegen  die  von  mir  hervorgehobene  Möglichkeit,  daß 
sich  oOtoc  auf  Grund  eines  ♦ö  ure  (vgl.  fjörc,  beOxc)  entwickelt  habe,  be- 
merkt Kretschmer,  *oOt€  wäre  in  seiner  Flexion  vermutlich  nicht  anders 
als  öb€  behandelt  worden.  Dabei  ist  übersehen,  daß  der  vokalische  Anlaut 
von  -i)T€,  der  konsonantische  von  -b€  ganz  verschiedene  lautliche  Ve^ 
hältnisse  bei  den  beiden  Konglutinaten  hervorrufen  maßte,  z.  B.  Nom.  Sg. 
♦oÖT€  ♦aÖT€  kontrahiert  und  zweisilbig,  dagegen  Akk.  Sg.  ♦tovutc  ♦ravurc 
dreisilbig.  Außerdem:  andre  Zeiten,  andere  Flexionsneigungen ;  äol.-thess. 
Tuivb^uiv,  Touw^ouv  wareu  einzeldialektische  Neuerungen,  die  SchlußQexion 
von  oOtoc  dagegen  muß  im  wesentlichen  schon  in  urgriech.  Zeit  ausge- 
bildet worden  sein.  Endlich  ist  gegen  Kretschmer  noch  zu  bemerken, 
daß  auch  in  andern  Sprachen  in  solchen  Fällen  nicht  gleichmäßig  ver- 
fahren worden  ist:  lat.  hi'C{e)  ist  anders  behandelt  als  i8-te,  iUe  {^ia-le)  usw., 
wenngleich  die  Schluftelemente  reimten.  Dem  ganzen  Problem  gegenüber 
gilt  heute  noch  die  ^iroxi'i.  Vielleicht  wird  es  nie  spruchreif,  wenn  nicht 
neue  Tatsachen  aus  der  Vorgeschichte  dieses  Konglutinats  ans  Licht  kommen. 

S.  138.  Bei  der  Besprechung  der  Herkunft  von  lat.  talio  ist  Osthoff 
Suppletivw.  70  übersehen,  wo  das  Wort  mit  ir.  im-thänad  'vicissitudo, 
alternatio'  tünise  'secundus'  verbunden  wird. 

Druckfehlerverbesserung.  S.  89  Z.  5  v.  o.  lies:  erscheinen,  statt: 
erschienen.    S.  104  Z.  4  v.  u.  lies:  ^vGcOtcv,  statt:  ^vreOeev. 

Leipzig.  K.  Brugmann. 

Grierson G.  A.  d.E.,  Ph. D., D.  Litt., I.C.S.;  Linguistic Survey  of India.Volume U, 
Mön-Khmer  and  Siamese-Chinese  Families  (including  Khassi  and  Tai), 
213  S.  —  Volume  III,  Tibeto-Burman  Family;  Part  U.  Specimens  of  the 
Bodo,  Nägä,  and  Kachin  Groups ;  518  S.  —  Volume  HI,  Tibeto-Burman 
Family ;  Part  111,  Specimens  of  the  Kuki-Chin  and  Burma  Groups ;  358  S.  — 
Vol.  V,  Indo-Aryan  Family,  Eastern  Group ;  Part  I,  Specimens  of  the  Bengali 
and  Assamese  Languages;  431  S.  —  Volume  V,  Indo-Aryan  Family; 
Part  II,  Specimens  of  the  Bihäri  and  Oriyä  Languages;  439  S.  —  Volume  VI, 
Indo-Aryan  Family:  Mediate  Group;  Specimens  of  the  Eastern  Hindi 
Language;  257  S.  Calcutta,  Office  of  the  Superintendent  of  Government 
Printing,  India,  1903-i. 

Die  Linguistic  Survey  of  India  ist  ein  großartiges  wissenschaftliches 

Unternehmen,  das  wir  ganz  der  zähen  Ausdauer  ihres  gelehrten  Leiters 


Grierson  Lingoistic  Survey  of  India.  11 

Dr.  Grierson  verdanken.  Auf  dem  Orientalisten-Kongreß  in  Wien,  im  Herbst 
1886,  entwickelte  er  zum  erstenmal  vor  Fachgenossen  seinen  Plan  einet 
solchen  Survey,  und  das  Resultat  war  eine  warme  Befürwortung  desselben 
seitens  des  Kongresses  bei  der  indischen  Regierung.  Doch  dauerte  es 
noch  eine  Reihe  von  Jahren  bis  sich  die  letztere  durch  das  sachkundige 
und  energische  Betreiben  Dr.  Griersons  zur  endgültigen  Ausführung  des 
Projekts  bestimmen  ließ.  Mit  seiner  Vollendung,  die  jetzt  in  nicht  allzu 
femer  Aussicht  steht,  werden  wir  über  die  sprachlichen  Verhältnisse  Nord- 
indiens besser  unterrichtet  sein  als  über  diejenigen  irgend  eines  andern 
Landes,  Europa  nicht  ausgenommen. 

Die  vorbereitende  Arbeit  begann  1894.  Sie  bestand  in  der  Samm- 
lung eines  unglaublich  ausgedehnten  Materials.  Fast  der  ganze  Zivildienst 
des  Landes  war  auf  Anordnung  der  Regierung  bei  dieser  Sammlung  be- 
teiligt Gedruckte  Fragebogen  wanderten  bis  in  die  entferntesten  Ortschaften. 
Auf  Grund  der  Ordnung  und  Sichtung  der  eingegangenen  Antworten  begann 
Dr.  Grrierson,  1898,  die  Zahl  und  Grenzen  der  Sprachen,  Dialekte  und 
Unterdialekte  festzustellen;  und  eine  Probe  seiner  endgültigen  Ergebnisse 
konnte  er  schon  1899  dem  Orientalisten-Kongreß  in  Rom  vorlegen. 
Oberarbeitet  erschien  sie  dann,  1903,  in  ihrer  vollendeten  Form  als  ein 
stattlicher  Band  von  431  Seiten.  Der  Band  ist  aber  in  Wirklichkeit  der 
erste  Teil  des  'Volume  V.'  der  projektierten  Serie;  er  behandelt  die 
Sprachen  und  Dialekte  der  Provinzen  Bengalen  und  Assam.  In  rascher 
Folge  erschienen  dann  im  Verlauf  von  1903-4  die  weiteren  fünf  Bände, 
welche  voranstehend  genannt  sind.  Außer  diesen  sind  noch  zehn  Bände 
vorgesehen,  so  daß  das  Endergebnis  der  Survey  voraussichtlich  nicht 
weniger  als  16  Bände  umfassen  wird. 

Die  noch  ausstehenden  Bände  sollen  folgende  sein: 

Volume       I,  Allgemeine  Einleitung. 

Volume  in,  Part  I,  Tibeto-Birmesische  Sprachen  von  Tibet  und  Nord- 
Assam. 

Volume    rV,  Dravido-Munda  Sprachen. 

Volume  Vn,  Indo-Arische  Sprachen,  Südliche  Gruppe  (Maräthi). 

Volume  VIII,  Indo-Arische  Sprachen,  Nordwestliche  Gruppe  (Sindhi, 
Lahndä,  Kaschmiri,  und  die  *Nicht-Sanskri tischen'  Spra- 
chen). 

Volume    K,  Indo-Arische  Sprachen,  Zentral  Gruppe: 
Pari      I,  Westliches  Hindi  und  Panjäbi. 
Part     II,  Räjästhäni,  und  Gujaräti. 
Part    ni,  Himalayische  Sprachen. 

Volume     X,  Eranische  Sprachen. 

Volume    K,  *2ügeuner'-Sprachen  und  Supplement. 

Auf  den  ersten  Band,  der  die  allgemeine  Einleitung  enthalten  soll, 
darf  man  am  meisten  gespannt  sein.  Er  wird  natürlich  das  Gesamtresultat 
der  ganzen  Forschung  ziehen  und  kann  erst  in  Angriff  genommen  werden, 
wenn  alle  anderen  Bände  fertig  gestellt  sind.  Indessen  hat  uns  Dr.  Grierson 
eine  vorläufige  Darstellung  dieses  Gesamtresultats  bereits  anderwärts 
mitgeteilt.  Der  große  Indische  Census  Report  von  1901  enthält  nämlich 
ein  von  Dr.  Grierson  geliefertes  Kapitel  über  die  Sprachen  Indiens,  in 
welchem  er  seine  im  Verlauf  der  Linguistic  Survey  gesammelten  Erfah- 
rungen zusammenfaßt.  Demnach  gibt  es  in  Indien  nicht  weniger  als  147 
verschiedene  Sprachen,  von  denen  allerdings  zwei  dem  politisch  zu  Indien 


tf 

iihifacton  Aden  angehOnn.  Für  faktai  IOmImb  imiMr  Mch  145 1 

VoD  dieien  gahOran  M  nr  DraTi^Mo^^frAaiilie, 

im  Slldttii  und  Zantnim  d«r  mdiichen  HaümMwl  gw|n^oclMii  wwdn.  D« 

grOfieren  nördlichen  Teil  dasdben  aelinm  die  85  Sptmebmi  der  ndb- 

criedien  Funilie  in  Ampmch.    Lingp  der  (k^  und  Noidfremen  finta 

sich  aber  noch  iwei  Sprechen  der  nuJayiich-polyneilechaa  vid  mdift 

weniger  als  98  Sprachen  der  indo-chineeiMhen  Flunilia 

man  leratreui  im  Himalaya,  in  Biima  und  im  &ii5eralen 

Indien.    Wie  anhedeatend  ne  sind,  lUt  eich  darant 

insgesamt  von  nicht  mehr  als  (nmd)  11  Millionea  Um 

werden.    Dahingegen  kommen  auf  die  indo-ailachen  ^rächen  die  fiber- 

wiltigende  Ansahl  von  (rand)  881  MUlionen,  wihicnd  die  DraTifb-Mo^jb- 

Sprachen  wiederom  nur  von  (nm^  59  liiHioiien  gebrancht  wvden.   In 

groften  nnd  ganzen  mnfi  also  Indien,  oder  jedenüaDs  der  grOfierenSrdlidii 

Teil  desselben,  com  indo-eoropäischen  Sprachgebiet  gerechnet  wetdsik 

Der  Frage  der  Arianisierang  der  nordindischen  Sprachen  widmet 
Dr.  Grierson  einen  sehr  interessanten  Abschnitt  Unter  anderem  seigt  er,  dsB 
die  Resultate  der  Lingnistic  Sarvey  eine  vom  Schreiber  dieses  schon  vor 
etwa  zwanxig  Jahren  aufgestellte  Theorie  Ton  zwei  anfeinanderfidgendes 
arischen  Binwanderongen  auf  das  stärkste  unterstützen.  Die  erste  Ein* 
Wanderung  kam  von  Westen  Aber  den  Indus;  die  spätere  kam  direkt  tob 
Horden  in  den  Pam'ab  durch  die  Täler  von  Gilgit,  Ghitral,  Swat  uni 
Bajaur.  Diese  letztere  arbeitete  sich  wie  ein  Keil  in  die  ältere  arische 
Kinsiedlung  und  trieb  sie  auseinander.  Auf  diese  Weise  bildete  sie  eis 
Zentrum,  um  welches  sich  die  ältere  Ansiedlung  in  einem  Dreiviertdkreii 
gruppierte.  Damit  stimmt,  in  der  Tat,  die  heutige  Gruppierung  der  modernes 
indo-arischen  Sprachen  überein.  Dr.  Grierson  zeigt  an  der  Hand  von 
aasgeprägten  Unterschieden  in  Aussprache,  Deklination  und  Konjugation, 
daß  sie  in  zwei  Familien  zerfallen:  eine,  welche  in  einem  kompakten 
Landstrich  gesprochen  wird,  welcher  so  ziemlich  genau  dem  alten  madhjf&- 
deäa,  d.  h.  Mittelland,  entspricht,  während  die  andere  sie  in  einem  Dreiviertel- 
kreis umgibt,  welcher,  mit  Kaschmir  anfangend,  durch  das  westliche 
Panjäb,  Sind,  das  Maratha-Land,  Zentralindien,  Orissa,  Bihar,  Bengal 
und  Assam  verläuft.  Der  einzige  Punkt,  an  welchem  die  innere  Familie 
den  Kreiswall  der  äußeren  durchbrochen  hat,  ist  Gujarät,  das,  wie  bekannt, 
von  Mathurä  (im  Madkyadtia)  aus  erobert  worden  ist.  Zu  der  inneren 
Familie  gehören,  nach  Dr.  Grierson,  West-Hindi,  Rajästhäni,  Pazgäbi,  Gn- 
jaräti  und  Pahäri.  Den  Kreis  der  äußeren  Familie  bilden  Kaschmiri,  Ko- 
histäni,  Lahndä,  Sindhi,  Maräthi,  Oriyä,  Bengali,  Assamesisch,  Bihäri  und 
Eastern  Hindi,  von  welchen  die  zuletztgenannte  Sprache  eine  gewisse 
Mittelstellung  einnimmt.  Diese  Hypothese  einer  zweifachen  arischen  Ein- 
wanderung fmdet  in  den  Resultaten  der  ethnologischen  Forschung  eine 
beachtenswerte  Bestätigung.  Auf  diese  Resultate  geht  zwar  Dr.  Grierson 
nicht  ein;  dagegen  sind  sie  klar  dargelegt  in  dem  äußerst  interessanten 
Kapitel  über  „Caste'S  welches  Mr.  H.  H.  Risley,  der  verdiente  Leiter  der 
Ethnological  Survey  zu  dem  obengenannten  Census  Report  geliefert  hat. 

Es  ist  interessant  zu  beobachten,  wie  die  Sprache  der  arischen 
Einwanderer  die  Ursprache  Nordindiens  so  vollkommen  verdrängt  hat 
während  ihr  dies  mit  der  Ursprache  Südindiens  nicht  gelungen  ist  Andere 
Einwanderungen,  an  Zahl  und  Zivilisation  der  arischen  kaum  nachstehend, 
haben  in  späteren  Jahrhunderten  noch  stattgefunden.  Aber  ihre  tfirkiscbe 


Grienon  Linguistic  Survey  of  India.  13 

oder  mongolische  Sprache  konnte  sich  neben  der  arischen  von  Nordindien 
und  der  dravidischen  von  Südindien  nicht  behaupten.  Diese  Tatsache 
zevgt  für  die  große  inwohnende  Lebenskraft  der  beiden  letzteren  Sprachen 
gegenüber  der  der  türkischen  Völker  Mittelasiens  sowohl  als  der  Ursprache 
von  Nordindien.  Die  Dravido-Munda  werden  als  die  Hauptursprachea 
Indiens  angesehen.  Die  dravidischen  Sprachen  finden  sich  im  Süden,  die 
Honda-Sprachen  im  Norden.  Von  letzteren  sind  nur  spärliche  Reste  vor- 
handen, hauptsächlich  im  Nordosten;  aber  sie  müssen  einst  viel  weiter 
tkber  den  Norden  verbreitet  gewesen  sein.  Bisher  wurde,  auf  mehr  oder 
weniger  sicherer  Grundlage,  angenommen,  daß  sie  mit  den  dravidischen 
urverwandt  seien.  Die  Ergebnisse  der  Linguistic  Survey  aber  haben  es 
Dr.  Konow,  dem  Mitarbeiter  von  Dr.  Grierson,  welchem  die  Untersuchung 
über  die  Dravido-Munda-Sprachen  zi^eteilt  war,  ermöglicht,  die  vollkommene 
Unabhängigkeit  derselben  von  einander  nachzuweisen.  Damit  würde  denn 
übereinstimmen,  daß  während  die  dravidischen  Sprachen  dem  Arischen 
standhalten  konnten,  die  Munda-Sprachen  vor  demselben  untergingen. 

Alle  Bände  der  Linguistic  Survey  sind  genau  nach  demselben 
Plane  bearbeitet  Den  Beginn  macht  eine  allgemeine  Einleitung,  welche 
die  Ursprünge,  geographische  Verbreitung  und  dialektische  Ghederung 
der  betreffenden  Sprachen,  die  geistigen  und  physischen  Eigenschaften 
der  sie  sprechenden  Völker,  und  dergleichen  mehr  bespricht ;  und  ferner 
eine  Bibliographie  und  eine  ganz  kurz  gefaßte  Grammatik  gibt.  Darauf 
folgt  der  Hauptteil:  eine  Wiedergabe  des  Gleichnisses  vom  verlorenen 
Sohn  in  der  betreffenden  Sprache  oder  Mundart,  nebst  anderen  Proben. 
Diese  sind  in  den  landläufigen  Schriftzeichen,  sofern  solche  existieren, 
gedruckt;  immer  aber  ist  eine  Umschrift  in  römischen  Lettern  gegeben, 
und  diese  wieder  mit  einer  englischen  Interlinear-Obersetzung  versehen, 
welche  dem  Original  Wort  für  Wort  folgt.  Das  Ende  bildet  eine  ver- 
Reichende  Liste  von  Wörtern,  Phrasen  und  grammatischen  Formen,  welche 
den  vergleichenden  Sprachforschem  besonders  willkommen  sein  werden. 

Zwei  der  umfangreichsten  unter  den  bisher  veröffentlichten  Bänden 
sind  die  Parts  I  und  II  des  sogenannten  'Volume*  V.  Sie  behandeln  die 
östUche  Gruppe  der  arischen  Sprachen  Nordindiens,  d.  h.  die  Sprachen 
von  Bengalen  und  Assam  in  Part  I,  und  von  Bihar  und  Orissa  in  Part  11. 
Unter  sich  sind  die  Sprachen  von  Assam  und  Orissa  wieder  viel  enger 
verwandt  mit  derjenigen  von  Bengalen;  und  zwar  ist  die  Ähnlichkeit  des 
Assamesischen  so  groß,  daß  es  vielfach  nur  für  einen  besonderen  Dialekt 
des  Bengalischen  gehalten  wird.  Andererseits  ist  es  aber  bemerkenswert, 
daß,  wie  uns  Dr.  Grierson  mitteilt  (Vol.  V,  Pt.  IT,  p.  368),  das  Oriyä,  d.  h. 
die  Sprache  Orissas,  **ein  älteres  Stadium  der  grammatischen  Entwickelung 
repräsentiert  als  selbst  das  klassische  Sanskrit,  und  daß  es  unter  den  indo- 
arischen Sprachen  nur  mit  dem  ältesten  Sanskrit  der  vedischen  Zeit  ver- 
glichen werden  kann".  Übrigens  sind  das  Assamesische  und  das  Oriyä  keines- 
wegs die  einzigen  Sprachen  von  Assam  und  Orissa.  Neben  ihnen  kommen 
dort  noch  eine  ganze  Reihe  nicht-arischer  Sprachen  vor,  und  zwar  Tibeto- 
Birmesische  oder  Dravido-Munda  Mundarten,  welchen  besondere  Bände, 
der  IIL  und  IV.,  gewidmet  sind.  Die  Zahl  derer,  von  welchen  die  indo- 
arischen Sprachen  der  östlichen  Gruppe  gesprochen  werden,  beläuft  sich 
anf  etwas  über  88  Millionen ;  und  zwar  kommen  von  diesen  auf  Bengali  und 
Bihäri  respektive  über  41  und  36  Millionen,  auf  Oriyä  nur  etwa  9  Millionen, 
imd  anf  Assamesisch  sogar  nur  etwa  IVt  Millionen. 


14  Grienoa  lingniitic  Sunej  of  India. 


Der  Name  Bengali  ist  vertiiltnlwniWg  modern.  Dm  Sanakiit  1 
nur  Vmnga.  Die  Form  mngaim  acheint  im  11.  Jahibmidert  in 
entatanden  an  aein,  wo  die  arabiichen  Geographen  aie  kennen 
Ana  dem  Arabiachen  ging  aie  ina  Peraiaehe  überi  mid  von  dort  ina  ffindn- 
ataniache,  ana  welchem  achhefiKeh  die  in  Bnropa  gelinfige  Form  Bengai 
and  Bengaliach  aich  bildete. 

Die  Bengaliache  Sprache  iat  ein  Karioanm  in  ihrer  Art  Die  ga- 
achriebene  Sprache  onteracheidet  aich  wohl  tiberall  in  der  Watt  von  der 
geaprochenen;  in  den  nordindiachen  Sprachai  iat  der  ünterachied  grSto 
ala  anderawo;  aber  im  Bengaliachen  iat  er  geradem  ina  migehmieriicfae  ga- 
ibrieben  worden.  Nirgenda  iat  die  Kluft  awiaehen  der  kleinen  gribüdeta 
Klaaae  and  derMaaae  der  BevOlkerang  ao  grofi  ala  in  der  Prorina  Bengaka. 
Die  heatige  Literataraprache  iat  niemand  veratindlich  ala  nar  denen,  wddie 
Sanskrit  gelernt  haben.  Faat  ihr  ganaer  Wortschata,  etwa  M—90  Froceoft, 
iat  direkt  aoa  dem  Sanskrit  entlehnt,  and  anter  dieaen  befinden  aich  Tiele 
der  gewöhnlichsten  Worte  des  täglichen  Umgangs.  Mit  der  Grammatik  iit 
es  ebenso.  In  einem  der  neuesten  Lehri>flcher  vmi  etwa  180  Seiten  a.E 
beschäftigt  sich  etwa  ein  Viertel  derselben  eingehend  mit  den  Regeln  des 
sogenannten  mndhi  oder  Laatverbindang  des  toten  klaaaiachen  Sanakrit, 
die  dem  lebendigen  Bengali  des  Volkes  ganz  fremd  iat  Bengalen  wartet 
noch  des  Genius,  der  die  lebendige  Umgangssprache  der  Jetatseit,  etwa 
wie  sie  im  Hooghly  Distrikt  gesprochen  wird,  aar  Koltor-  and  literatar- 
aprache zu  erheben  versteht  Es  war  anders  in  früheren  Jahrhundertea. 
Bengalen  besitzt  nämlich  eine  ziemlich  aasgedehnte  alte  Literator.  Aber 
die  Dichter  jener  Zeit,  z.  B.  ein  Chandi  Das  im  14,  Käsi  Ram  im  16., 
Mukunda  Räm  im  17.  Jahrhundert,  schrieben  ihre  großen  Gesänge  im 
lebendigen  Bengali  ihrer  Zeit.  Die  groteske  Sprache  der  heutigen  Presee 
ist  ein  Kunstprodukt  der  Literatur  des  19.  Jahrhunderts.  Leider  zeigt  sie 
vor  der  Hand  noch  kein  Zeichen  des  Absterbens  (Vol.  V.  Ft.  I,  pp.  14—17). 
Die  lebendige  Umgangssprache  zerfällt  in  mehrere  Dialekte.  Bis  jetzt  sind 
diese  noch  wenig  erkannt  worden.  Dr.  Grierson  zählt  hauptsächlich  zwei, 
einen  westlichen  und  einen  östlichen  Dialekt,  welche  nicht  unbedeutende 
Unterschiede,  namentlich  in  der  Aussprache  (VoL  V.  Pt.  I,  p.  201),  auf- 
weisen. Die  in  Calcutta  und  Hooghly  gesprochene  Mundart  ist  eine  Unter- 
art des  westlichen  Dialekts  und  gilt  für  das  reinste  und  beste  Bengalisch 

Das  Bihtäri  ist  in  gewissem  Sinn  die  jüngste  der  großen  nordindischen 
Sprachen.  Noch  vor  kaum  30  Jahren  war  seine  Existenz  nicht  bekannt 
Es  war  der  Schreiber  dieser  Zeilen,  welcher  in  seiner  Comparative  Granunar 
(1880)  zuerst  das  Recht  des  Bihäri  nachwies,  unter  dem  Namen  Eastem 
Hindi  als  eine  besondere  Sprache  gerechnet  zu  werden.  Bisher  hatte  es 
nur  als  ein  obskurer  Dialekt  des  allmächtigen  Hindi  gegolten.  Dr.  Grierson 
hat  das  Verdienst,  die  Stellung  des  Bihäri  noch  genauer  präzisiert  zu 
haben,  indem  er  es  auch  vom  Eastem  Hindi  im  engeren  Sinn  trennte 
und  es  als  eine  eigene  Sprache,  unter  dem  jetzigen  Namen  Bihäri,  zur  An- 
erkennung brachte  (Vol.  VI,  p.  3).  Nach  der  von  ihm  aufgestellten  und 
jetzt  giltigen  Zählung  hat  das  alte  ungefüge  Hindi  vier  großen  Sprachen 
Platz  gemacht,  dem  Räjästhäni,  West-Hindi,  Ost-Hindt  und  Bihäri;  und 
diese  vier  Sprachen  gehören  überdies  noch  zu  drei  ganz  verschiedenen 
Gruppen  der  Indo-arischen  Sprachenfamilie.  Das  Bihäri  gehört  zu  der 
östlichen,  und  das  West-Hindi  und  Räjästhäni  zu  der  mittleren  Gruppe, 
während  das  Ost-Hindi  eine  besondere  Zwischengruppe  zwischen  jenen  bildet 


Grierson  Linguistic  Survey  of  ladia.  16 

Der  Name  Bihäri,  statt  dem  ursprünglichen  Eastern  Hindi,  ist  von 
Dr.  Grierson  aus  zwei  Gründen  gewählt  worden:  einmal,  um  den  neu- 
entdeckten Unterschied  zwischen  ihm  und  dem  eigentlichen  Eastern  Hindi 
ZQ  markieren,  und  dann,  weil  der  bedeutendste  Dialekt  des  Bihäri,  das 
Maithili,  eben  in  der  Provinz  Bihär  zu  Haus  ist.  Verglichen  mit  dem 
Bengalischen  nämlich,  hat  das  Bihäri  zwei  ganz  auffallend  verschiedene 
Dialekte,  einen  östlichen  und  einen  westlichen.  Ersterer  zerfällt  in  zwei 
Unterdialekte,  Maithili  und  Magahi.  Dr.  Grierson,  aus  praktischen  Gründen, 
obwohl  es  nicht  ganz  folgerichtig  ist,  zieht  es  vor,  diese  drei  Sprach- 
arten als  drei  ebenbürtige  Dialekte  des  Bihäri  zu  behandeln.  Die  Zwei- 
teilung hat  aber  nicht  nur  eine  sprachliche,  sondern  auch  eine  ethnische 
Berechtigung.  Denn,  wie  Dr.  Grierson  ganz  richtig  sagt  (Vol.  II,  Pt  II, 
p.  4),  "das  Maithili  und  Magahi  sind  Dialekte  von  Nationalitäten,  welche 
den  Konservatismus  der  Formen  ins  Obermaß  getrieben  haben,  während 
dasBhojpuri  [der  westUche  Dialekt]  die  praktische  Sprache  einer  energischen 
Rasse  ist,  welche  jederzeit  sich  den  Umständen  anzupassen  weiß,  und 
welche  ihren  Einfluß  über  ganz  Indien  fühlbar  gemacht  hat.  Der  Bengali 
und  der  Bhojpuri  sind  die  beiden  Träger  der  indischen  Zivilisation,  der 
eine  mit  seiner  Feder,  der  andere  mit  seinem  Prügel".  Diese  Charakter- 
eigentümlichkeiten kennzeichnen  auch  in  der  Tat  ihre  beiderseitigen 
Sprachen.  Das  Maithili  z.  B.  ''besitzt  eine  verwirrende  Masse  von  Formen 
des  Zeitworts.  Für  jede  Person  einer  jeden  Zeit  gibt  es  mitunter  sieben 
oder  acht  verschiedene  Ausdrucksweisen,  weil  das  Zeitwort  nicht  allein 
dem  Subjekt,  sondern  auch  dem  Objekt  sich  anpassen  muß.  Der  Unter- 
schied der  Einzahl  und  Mehrzahl  ist  allerdings  heutzutage  verschwunden ; 
dagegen  hat  sich  aber  ein  Unterschied  des  Ranges  herausgebildet:  man 
konjugiert  verschieden  für  den  Höher-  und  Niedergestellten"  (Vol.  II, 
Pt  II,  p.  25).  Diesen  ganzen  Schwärm  von  Verbalformen  hat  das  Bhojpuri 
beiseite  geworfen;  von  Rangunterschieden  weiß  es  nichts;  seine  Gram- 
matik ist  so  einfach  wie  die  des  Englischen  (ibid.,  p.  44). 

Zu  dem  Formenkonservatismus  des  Maithili  hat  ohne  Zweifel  die 
Tatsache  viel  beigetragen,  daß  diese  Mundart  schon  in  sehr  früher  Zeit 
literarisch  kultiviert  worden  ist.  Mithila  ist  von  jeher  in  ganz  besonderer 
Weise  das  Land  der  Brahmanen  gewesen.  Seine  Pandits  sind  berühmt 
wegen  ihrer  Gelehrsamkeit  im  Sanskrit.  Aber  was  sie  vor  anderen  ihrer 
Kaste  auszeichnet,  ist,  daß  sie  es  nicht  verschmäht  haben,  die  sonstwo 
verachtete  Sprache  des  gewöhnlichen  Lebens  in  ihren  religiösen  Dichtungen 
zu  verwenden.  Einer  der  berühmtesten  unter  ihnen  ist  schon  im  16.  Jahr- 
hundert Bidyäpati  Thakur;  und  er  ist  nur  der  erste  einer  langen  Reihe 
von  Dichtem,  die  bis  auf  unsere  Zeit  herabreicht. 

Das  Bhojpuri  besitzt  keine  Literatur;  aber  abgesehen  von  diesem 
Punkt  ist  es  der  weit  bedeutendere  Dialekt.  Denn  er  wird  über  ein 
größeres  Gebiet  und  von  einer  größeren  Anzahl  von  Menschen  gesprochen, 
als  die  beiden  anderen  Dialekte  zusammen  genommen.  Sein  Territorium 
begreift  50000  Quadratmeilen  und  erstreckt  sich  von  Norden  in  süd- 
östlicher Richtung,  vom  Fuße  des  Himalaya  bis  an  die  Grenze  der  Pro- 
vinz Orissa,  in  einem  breiten  Bande,  das  sich  von  Benares  bis  nach 
Patna  ausdehnt.  Gesprochen  wird  es  von  (rund)  20  Millionen,  während 
auf  die  beiden  anderen  Dialekte  nur  etwas  mehr  als  16  Milhonen  kommen, 
and  zwar  auf  das  Maithili  (rund)  10  MilUonen  und  auf  Magalü  etwa 
8  Millionen  (Vol.  II,  Pt.  U,  p.  6,  41). 


UB§VitK  aUtWWf  Ol 


Wie  Mhon  arwlfant,  imteneheidek  bmb  jelit 
nd  Blhiii  al»  iw«i  gans  Twichiadanan  Spracban  ->  «a 
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aOU^  aiigi>agreiiata  SpradM»  waldie  aich  wie  ain  aebmaler  Kafl,  ahm 
tBO  6BgL  Malen  breit,  swiadiaii  Waat-ffinfi  and  BUiiri    ~ 
Ttoritorium  beaehrlnkt  aich  angafithr  avf  dia  Prmns  Oodh 
BitteUMir  attdUeh   davon  Mafendan  klaiaan  Staaten  der 
Gntral  Indian  Afancy.  Die  Zahl  dar  aia  ^rechandoi  baMft  nir  • 
«her  MlliUionen.  Etwaa  anteea  üAt  aich  ] 

Zwiachanapracha,  wie  ea  daa  Oat-ffindl  iat,  gar  nicht  «rwartan.  Dk 
Oranian  iweier  anatoßanden  Spradian  huaen  ndi 
baatimmen.  Ea  giht  da  imnu»  einen  Streite  Land,  in  \ 
Sprachen  «ich  miaehen.  In  dem  hier  in  FVaga  I 
aich  swei  Sfurachan  roa  aharaher  berflhzt  Zn  Beginn  maetar  Zsi^ 
rechnong  waren  ea  die  beiden  Prikritapiracheny  Migadhi  und  SanraaeaL 
Die  ana  ihnen  reaultierende  Miachqirache  naimte  man  Ardha-lfigad^ 
d.  L  Halb-MägadhL  Unaer  Oat-fiindi  iat  der  modene  Repriaenftant  dim» 
Halb-Mäghadi,  während  Bihäri  dem  lOgadM,  mid  Weat-Ifindi  dem  San» 
aeni  entapricht  (VoL  VI,  p.  8,  8).  In  der  Deklination  der  Nomina  mä 
Pronomina  geht  das  Ost-Hindi  mit  ffihiri,  dagegen  in  dm'  Koi^iigatim 
dea  Yerbnms  adoptiert  ea  die  Merkmale  aeiner  bmden  Nachbarn.  Zan 
Beii^kiel  im  Perfektum  haben  wir 

1.  aifir-#>0  oder  aiSr-f«-df  Ich  achhig, 

2.  aiar4-a  oder  aiar-j^a-a  Da  schlugst, 
2.  inar-^  oder  aiar-fia-a  Er  schlag. 

Hier  ist  das  Element  ya  oder  <  oder  i  daa  Waat-^indi^Merimal  dv 
▼ergangenen  Zeit,  während  die  enklitischen  Pronomina  ü  nnd  «  Merimalt 
des  Bihäri  sind. 

Im  Futurum  haben  wir: 

1.  mär-ab-ü  Ich  werde  schlagen, 

2.  mär-ab-es  Du  wirst  schlagen, 

3.  marihai  Er  wird  schlagen. 

Hier  sind  o^O,  abea  einerseits  und  ikai  anderseits  die  Merkmale  dei 
Bihäri  und  West-Hindi. 

Das  Ost-Hindi  teilt  sich  in  keine  ausgeprägten  Dialekte.  Bei  einer 
so  eng  begrenzten  Sprache  läßt  sich  dies  auch  kaum  erwarten.  Nor  im 
äußersten  Süden  seines  langgestreckten  Gebietes  tritt  die  Ghatisgarfai- 
Mundart  etwas  mehr  hervor.  Dr.  Grierson  zählt  zwar  noch  zwei  andere 
Dialekte,  das  Awadhi  und  Bagheli ;  aber,  wie  er  selbst  zugibt  (VoL  VI,  p.  1), 
hat  er  ihre  separate  Existenz  nur  als  Konzession  an  das  landläufige  Vo^ 
urteil  zugelassen.  Es  ist  bemerkenswert,  welch  hohes  Ansehen,  trotz  seiner 
geringen  Ausdehnung,  das  Ost-Hindi  als  Literatursprache  genießt  Es  Te^ 
dankt  diese  bevorzugte  Stellung  TulsiDäs,  dem  größten  Dichter  Nordindiens, 
welcher  seinen  berühmten  Rämäyan  im  Awadhi-Dialekt  ver&ßte.  Seit  seiner 
Zeit  ist  dieser  Dialekt  zur  obligatorischen  Mundart  der  nordindischoi 
Dichtung  (außerhalb  Bengalens)  geworden. 

Der  dritte  Band,  von  welchem  bis  jetzt  zwei  Teile  Torliegen  (Vo- 
lume 111,  parts  I  und  II),  behandelt  die  tibeto-birmesischen  und  der  zweite 
Band  (Volume  II)  die  siamesisch-chinesischen  Sprachen.  Waa  von  diesea 
in  Indien  existiert,  sind  nur  sehr  kleine  Ausläufer,  resp.  Reste,  jener 
Sprachen,  welche  sich  meistenteils  in  den  engen  Tälern  dar  ringa  am  die 


Grieraon  Lingoistic  Survey  of  India.  17 

änAersten  Nordostgrenzen  Indiens  gelegenen  Gebirge  festgesetzt  haben.  Es 
lassen  sich  ihrer  nicht  weniger  als  etwa  72  (nach  anderer  Rechnung  so- 
gar 92)  Mundarten  zählen,  welche  sich  wieder  in  etwa  sieben  Gruppen 
zusammenfassen  lassen.  Die  gebietliche  Ausdehnung  sowie  die  Sprecherzahl 
der  einzelnen  Dialekte  ist  minimal.  Die  Bodo-  und  die  Kuki-chin-Gruppen, 
welche  die  größte  Sprecherzahl  besitzen,  haben  derer  nicht  mehr  als  (rund) 
600000;  und  die  Kachin-Gruppe  wird  sogar  nur  von  1920  Menschen  ge- 
sprochen. Mit  diesen  Sprachen  sehen  wir  uns  einem  vollständig  anderen 
Gebiet  von  sprachlichen  Erscheinungen  gegenüber,  nämlich  den  aggluti- 
nativen  im  Gegensatz  zu  den  inflektionellen  der  indo-arischen  Sprachen. 
Auch  liegt  ihr  Interesse  nicht  so  sehr  auf  dem  engeren  Gebiet  des  Philo- 
logen als  auf  dem  weiteren  des  Anthropologen,  welcher  die  Ursprünge 
und  Entwickelung  der  Sprache  und  der  Kultur  zu  erforschen  sich  zur 
Aufgabe  macht.  In  beiden  Richtungen  bieten  Dr.  Griersons  Berichte  vieles 
Interessante.  Mit  Bezug  auf  die  tibeto-birmesische  Sprachengruppe  bemerkt 
er  (Vol.  III,  Pt  II,  p.  2),  daß  "ihr  Hauptinteresse  in  der  Tatsache  liegt,  daß 
sie  agglutinative  Mundarten  sind,  welche  infolge  ihrer  Berührung  mit  der 
Sprache  der  arischen  Völker  inflektionell  werden".  Er  zeigt  dies  eingehender 
an  einem  der  Bärä-  oder  Kächäri-Dialekte,  welcher  z.  B.  statt  das  Verbum 
mit  den  charakteristischen  agglutinativen  Infixen  zu  modifizieren,  dasselbe 
nach  arischer  Weise  zu  inflektieren  anfängt.  Von  den  Dialekten  der  Kuki- 
chin-Gruppe  sagt  uns  Dr.  Grierson  (Vol.  III,  Pt.  III,  p.  16),  daß  "sie,  wie 
alle  tibeto-birmesischen  Sprachen,  eine  starke  Neigung  haben,  abstrakte 
Bezeichnungen  zu  vermeiden.  Ihre  Worte  sind  in  der  Regel  Ausdrücke 
für  Einzelbegrifife  und  nicht  für  abstrakte  Ideen.  Viele  der  Dialekte  z.  B. 
scheinen  ein  Gemein  wort  für  "Mensch"  zu  vermeiden  und  gebrauchen 
gewöhnlich  lieber  an  seiner  Stelle  den  Namen  des  eigenen  Stammes.  Für 
den  Angehörigen  des  Singpho-  oder  Khami-Stammes  bedeutet  sing-pho 
und  khcMni  eben  nur  Mensch  im  allgemeinen".  Wie  Dr.  Grierson  ganz 
richtig  weiter  bemerkt,  "macht  es  diese  Neigung,  alles  unter  Einzelbegriffen 
zu  verstehen,  schwer,  die  Vokabularien  verschiedener  Dialekte  zu  ver- 
gleichen, weil  in  vielen  Fällen  es  unsicher  bleibt,  ob  die  in  den  zu 
vergleichenden  Worten  ausgedrückten  Ideen  auch  wirklich  ganz  dieselben 
sind".  Von  ganz  besonderem  Interesse  ist  die  jetzt  tote  Ahom-Sprache 
(Vol.  U,  pp.  61,  81  ff.)*  I)ie  Ahome  sind  ein  Stamm  des  in  Hinterindien 
weitverbreiteten  Tai-  oder  Shan-Volkes,  welcher  um  1228  A.  D.  nach 
Assam  einwanderte  und  um  1540  die  Herrschaft  der  ganzen  Umgegend 
an  sich  riß.  Ihr  Reich  währte  bis  gegen  den  Schluß  des  18.  Jahrhunderts, 
ging  aber  dann  samt  ihrer  Ahorn-Muttersprache  an  ihren  hinduisierenden 
Neigungen  zugrunde.  Dieser  Untergang  der  Ahom-Mundart,  über  welchen 
Dr.  Grierson  einen  eingehenden  Bericht  gibt  {ibid.,  pp.  62,  63),  macht  es 
anschaulich,  wie  man  sich  den  totalen  Untergang  der  Munda-Ursprache 
von  Nordindien  vor  dem  Andrang  des  Arischen  etwa  zu  denken  hat. 

Wohl  am  interessantesten  für  den  Indologen  unter  all  diesen  zer- 
stückelten Sprachformen  sind  die  Monkhmer  Dialekte,  über  welche  Dr.  Grier- 
son im  zweiten  Band  (Vol.  II,  pp.  1, 59  ff.)  berichtet.  Wie  Professor  Kuhn  nach- 
gewiesen hat,  war  einst  in  vorgeschichtlicher  Zeit  eine  Art  von  Monkhmer- 
Sprache  über  ganz  Hinterindien  verbreitet.  Von  dort  ist  sie  durch  ander- 
sprachige Eindringlinge  an  die  Seeküste  verdrängt  worden,  und  nur  spär^ 
liehe  Ueberreste  haben  sich  in  den  unzugänglichen  Gebirgstälern  am  Me- 
kong und  Chindwin  erhalten.    Zu  diesen  gehört  der  Rest,  welcher  sich 

Anseifer  XYIU.  2 


18  Orfonon  liBgautie  9nrv«y  of 

in  die  KhaHi-  und  Juntiyft-Bnge  geflttehtol  hftt  Diew  Bof»  1 
halb  das  indobrituchMi  Gebietet,  und  in  ihnea  Uegt  ShiHnng,  der  Ukuad» 
Siti  der  Anemeeiichen  Provinsialregieniiig.  DaalntereMuiteanderlfcB- 
kbmer  Spreche  ist,  dafi  eie  enfftiHende  Khnüehkeitwi  imgt  mit  dem  Mimda, 
der  mutmafilicheii  Unpreche  Yorderindiene.  So  ist  ee  netllrlich,  daft  dk 
Fhife  sich  anfdringt,  ob  etiva  in  der  Urseit  eine  «nsife  ft»nK^^«^¥ 
Sprache  in  gans  Vorder-  und  Hinderindien  geherraeht  habe.  Die  Frage  iit 
nicht  leicht  an  beantworten.  Die  beiden  Unpraehen  eziatieren  heotsiitife 
mir  in  spArlichen  Ueberresten.  Daa  Honda  ist  im  Sttden  von  Yorderindim 
Tom  DraTidischen,  und  im  Norden  Tom  Arischen  in  die  gebirgigen  Gegenden 
des  Inneren  Indiens  rerdringt  worden,  wo  es  mir  noch  in  kfkmmerlichm 
Resten  tiberlebt  Ähnlich  ist  es,  wie  schon  gesagt,  dem  Mon-khmer  er- 
gangen. Daxn  kommt,  daA  in  ihrem  heotigen  Zustand  die  beiden  Sprachen 
einen  durchgreifenden  Unterschied  aofweisen:  Mmida  ist  Tielsilbig,  wihread 
Mon-khmer  einsilbig  ist  Es  ist  daher  nicht  zu  verwundern,  daft  eine  so- 
Iriedenstellende  Antwort  auf  die  Frage  der  Einheitlichkeit  noch  nicht  ge* 
ftmden  worden  ist  Ob  unter  den  obwaltenden  Umständen  eine  solche 
Oberhaupt  möglich  ist,  darf  Tielleicht  besweifelt  worden. 

In  der  Ausarbeitung  der  Resultate  der  linguistic  Sunrey  besitzt 
Dr.  Grierson  an  Dr.  Sten  Konow,  Dosent  an  der  Christiana-lhiiTenitit, 
einen  ganz  ausgezeichneten  Mitari>eiter.  Ihm  verdanken  wir  den  gröfieren 
Teil  des  zweiten  Bandes,  nimlich  Volume  II,  Parts  I  und  m,  und  doi  Be- 
richt über  Kachln  in  Part  IL  Wie  wir  hören,  sollen  die  noch  in  der  Er- 
scheinung begriffenen  4.  und  7.  Bftnde,  über  die  Dravido-Munda  und  Ukr 
rä{M-Sprachen,  auch  von  ihm  bearbeitet  werden. 

Eine  besondere  dankenswerte  Beigabe  zu  den  Binden  ist  die  große 
Anzahl  von  Karten,  welche  die  einzelnen  Sprachgebiete  veranschaulicheo. 
Es  würde  aber  die  Benützung  derselben  erleichtert  haben,  wenn  der  Karto- 
graph sich  darauf  beschränkt  hätte,  nur  die  bedeutendsten  Flußläufe,  Ge- 
birgszüge und  Wohnstätten  anzugeben  und  auch  durch  entsprechende 
Druckweisen  für  das  Auge  übersichtlicher  zu  machen.  Die  Masse  der  ge- 
gebenen Ortsnamen  und  Nebenflußlinien  ist  etwas  störend;  und  fQr  die 
Erkenntnis  der  geographischen  Verteilung  der  Sprachen  und  ihrer  Ursachen 
sind  die  Angabe  der  Eisenbahnen  und  die  unschönen,  dicken,  schwarzen 
Grenzlinien  der  Administrationen,  welche  ohnehin  dem  Wechsel  unter- 
worfen sind  (z.  B.  in  der  Karte  zum  Bihäri  in  Vol.  II,  Part  I)  von  keinem 
Nutzen.  Im  allgemeinen  aber  kann  man  den  Druck  und  die  Ausstattung 
der  Bände  nur  loben.  Der  erstere  ist  durchaus  groß  und  geflülig;  eine 
Ausnahme  machen  nur  die  *skeleton  grammars',  deren  Anlage  freilich  die 
dem  Auge  peinlich  kleinen  Typen  notwendig  machte. 

Bei  der  Masse  der  mcihr  oder  weniger  ungewöhnlichen  Schriften 
und  ihrer  Umschriften  in  diesem  weitläufigen  Werke  gereicht  die  verhält- 
nismäßige Fehlerfreiheit  des  Druckes  den  Druckern  und  Korrektoren  za 
großer  Ehre.  Freilich  sind  nicht  alle  Fehler  vermieden  worden.  Als  Bei- 
spiel möge  das  Bihäri-Specimen  dienen,  das  auf  Seite  56 — 63  im  zweiten 
Teil  des  zweiten  Volume  gedruckt  ist.  Es  ist  in  zwei  Schriftarten  ge- 
geben, im  Maithili  und  Kaithi.  Diese  beiden  Versionen  stimmen  durchaus 
nicht  immer  überein ;  und  die  Umschrift,  welche  ihnen  folgt  und  welche 
beabsichtigt  zu  sein  scheint,  die  Maithili -Version  wiederzugeben,  stimmt 
öfters  mit  keiner  der  beiden  Versionen.  Zum  Beispiel,  das  Maithili-Original 
schreibt  durchweg  diä,  was  die  Umschrift  auf  Linie  11  (p.  61)  mit  du, 


Bartholomae  Die  Gatha's  des  Awesta.  19 

dagegen  auf  Linie  15,  17  mit  diä  wiedergibt.  Das  Wort  sügar  wird  von 
der  Umschrift  auf  Linie  21  und  23  so  geschrieben,  während  das  Original 
dafOr  das  eine  Mal  [^gar]^  das  andere  Mal  [9ügar]  hat.  In  einigen  Fällen, 
wo  das  Original  das  anunO^ika  oder  Nasalisationszeichen  durchweg  weg- 
läßt, z.  B.  in  süy  miy  häfi  etc.,  nasaliert  die  Umschrift  ebenso  regelmäßig 
«0,  fM/,  bati  etc.  In  anderen  Fällen,  wo  das  Original  nasaliert,  unterläßt 
es  die  Umschrift,  z.B.  in  atäfrahäf,  L.  19,  läf,  L.  21,  bharäf,L,  23.  Über- 
dies schreibt  in  diesen  Fällen  das  Original  ein  t  statt  dem  äi  der  Um- 
schrift Es  kann  ja  kein  Zweifel  sein,  daß  in  allen  solchen  Fällen  die 
Umschrift  die  nachlässige  Orthographie  des  eingeborenen  Originals  still- 
schweigend korrigiert  Wer  mit  dem  Maithili  so  vertraut  ist  wie  Dr.  Grier- 
8on,  läßt  sich  durch  den  Mangel  an  Obereinstimmung  nicht  stören.  Aber 
das  ist  nicht  jedermanns  Sache ;  und  für  Übereinstimmung  hätte  so  leicht 
durch  Korrektur  der  Originale  gesorgt  werden  können.  Denn  der  Zweck 
dieser  Originale  ist  ja  doch  nicht,  die  Nachlässigkeit  der  indischen  Schreiber, 
sondern  die  normale  Erscheinung  der  Sprache  zu  veranschaulichen.  Die 
Umschrift  di^ä^  in  L.  6,  für  das  Maithili  Original  dtbä  und  das  Kaithi  dUt 
ist  nicht  recht  verständlich.  Die  Umschrift  chdhait,  L.  23,  scheint  ein 
Druckfehler  zu  sein;  beide  Originale  haben  chahait.  Auf  Seite  31,  letzte 
Linie,  sollte  es  140  heißen  (wie  richtig  auf  Seite  Yll)  statt  147.  In  Vol.  II, 
Seite  65,  Linie  22,  ist  aus  Versehen  das  zwölfte  Jahrhundert  angegeben 
statt  dem  dreizehnten;  denn  wie  auf  Seite  61  gesagt  ist,  fand  die  Ein- 
wanderung um  das  Jahr  1228  statt. 

Aber  es  ist  ein  undankbares  Geschäft,  nach  kleinen  Mängeln  zu 
suchen  in  einer  so  großartigen  Arbeit  von  bleibendem  Werte.  Wir  wollen 
mit  dem  herzUchen  Wunsch  schließen,  daß  es  dem  gelehrten  Forscher  ver- 
gönnt sein  möge,  sein  großes  Werk  in  Bälde  zum  reichlich  verdienten 
glücklichen  Ende  zu  führen. 

Oxford.  A.  F.  Rudolf  Hoernle. 


Die  Gatha's  des  Awesta.  Zarathushtra's  Verspredigten  übersetzt  von 
Christian  Bartholomae.  Straßburg.  Verlag  von  Karl  J.  Trübner,  1905. 
X  u.  133  S.  in  kl.  8».  3  M. 

Von  den  Schriften,  welche  in  dem  heiligen  Buche  der  Magier,  dem 
Awestä,  enthalten  sind,  haben  die  Gäthäs  als  älteste  Denkmale  der  alt- 
medischen  Sprache  und  Religion  die  größte  Bedeutung.  Das  übrige  Awestä 
selbst  erkennt  und  verehrt  in  ihnen  Worte  des  Propheten  Zarathustra, 
der  vom  iranischen  und  griechischen  Altertum  als  ein  der  Zwiesprache 
mit  der  Gottheit  gewürdigter  Religionslehrer  und  als  ein  in  himmlischen 
und  irdischen  Dingen  erfahrner  Weltweiser  verehrt  worden  ist  Es  sind 
fünf  metrisch  verfaßte  religiöse  Reden,  welche  von  den  Priestern  in  den 
Mittelpunkt  ihrer  Liturgie  gestellt  worden  sind;  und  zwar  folgen  die  Gathas 
hierbei  so  aufeinander,  daß  die  erste,  sieben  Abschnitte  oder  Lieder  um- 
fassende Gatha  voransteht,  worauf  sich  ihr  zwei  mit  je  vier  Abschnitten 
anreihen  und  zwei  aus  nur  einem  Liede  bestehende  Gathas  den  Schluß 
bilden*).  Diese  Anordnung  findet  sich  ähnlich  im  ßigweda,  dessen  ur- 
sprüngliche Bücher  nach  der  wachsenden  Anzahl  der  in  ihnen  enthaltnen 
Lieder  zusammengestellt  sind,  während  in  den  einzelnen  Liederreihen  die 

1)  Man  sehe  die  ausführhche  Darstellung  Geldner's  im  Iranischen 
Grundriß  2,  25. 

2* 


10  BwOioknuM  Die  OttQia't  des  Airata. 


ULngiteii  yonxvMtm;  sowie  auch  im  Pentateochy  dewen  PMikopen  oder 
SabbaÜeraDgen  dl>enfiall8  luteh  der  abnehmeDdeii  ZaU  anliKereQit  eind^ 
Man  konnte  geneigt  sein,  diese  Ywwendimg  eines  Töls  der  heüign 
Schriften  und  die  daran  ansehlieftende  literarische  Titigkeit  der  Magier 
als  eine  Nachahmong  der  jüdischen  Exegese,  die  ja  in  den  Schalen  des 
smn  persischen  Reiche  gehörigen  Mesopotamiens  betridien  worden  ist, 
sa  betrachtaü;  da  indessen  bereits  Herodot  1,  182  von  der  beim  Gottes- 
dienst gesungenen  Litnrgie  berichtet  mid  anch  die  Bischis  ihre  wedischea 
Hymnen  schon  sehr  frflh  an  den  Verlauf  des  Opfers  anschliefiend  redigieit 
haben,  so  dürfte  das  Verfahren  der  indischen  und  medischen  Priester 
schon  in  alter  Zeit  und  unabhängig  von  der  Titi^it  der  jüdischen  Masorsh 
eben  durch  das  gottesdienstliche  BedtkrCois  sidi  ausgebildet  haben. 

Aus  dies»  iußerhchen  Anordnung  erklärt  sich,  daft  nicht  ein  fort- 
laufender (jedankengang  die  Gathas  durchzieht,  etwa  eine  Schilderanf 
des  Anfangs  und  Fortgangs  der  Welt  bis  su  den  lotsten  Dingen;  selbst  in 
den  einzelnen  Liedern  (ßSihä)  oder  Kapiteln  (M»M)  ist  oft  der  Zusammen- 
hang der  Strophen  sehr  locker,  weshalb  Geldner  nach  indischen  Analogioi 
annimmt,  daß  ein  ihnen  sugrund  Hegender,  vielleicht  mündlich  fortge- 
pflanzter Prosatext,  mit  dem  sie  ursprünglich  verwc^n  waren,  verloren 
sei,  Bartholomae  (S.  V)  aber  vermuten  möchte,  dafi  die  Verse  am  SchfaiA 
einer  vorangegangnen  Predigt  deren  Inhalt  in  gebundner,  dem  Gedächtnis 
leichter  sich  einprägender  Rede  wiederholt  hätten.  Doch  läßt  sich  in 
mehrem  liedem  mit  Leichtigkeit  ein  einheitlicher  Gedanke  eri[ennen,  wie 
im  zweiten  Lied  der  ersten  Gatha  (Jasna  29),  welches  die  Sendung  Zsia- 
thuftras  als  Förderers  der  auf  dem  Ackerbau  beruhenden  Kultur  als  gött- 
liche Fügung  darstellt,  oder  im  dritten  und  vierten  Lied,  worin  die  an- 
gebliche dualistische  Weltanschauung  der  Iranier  zuerst  ausgesprochen 
und  zum  Kampf  des  Goten  gegen  das  Böse  aufgefordert  wird. 

Diese  hier  in  grammatisch  genauer  Obersetzung  vorliegenden  Gatbss 
sind  in  einem  Zeitpunkt  entstanden,  den  die  zoroastriscben  Priester  drei 
Jahrhunderte  vor  Alexander  den  Großen,  also  etwa  in  die  Zeit  des  Phraortes 
(647—625)  verlegen'),  womit  sie  aber  wohl  die  Erhebung  der  zarathustrischen 
Lehre  zur  medischen  Staatsreligion  im  Auge  gehabt  haben,  während  der 
Prophet  selbst  bereits  in  einer  Zeit  gelebt  hi^en  wird,  wo  Medien  noch 
in  kleinere  Herrschaften  zerfiel:  außer  den  Kawi-Fürsten  und  Wistäspa 
selbst  nennt  uns  eine  Jascht  Aurwasära,  der  mit  Kawa  Husrawa  kämpfte, 
und  Spiil^auruska  als  Gegner  des  Wistäspa,  eine  Gatha  Bendwa  und  Grehma 
(letzterer  nach  Bartholomae  ein  Priester  der  frühem  Religion).  Auch 
assyrische  Inschriften  nennen  aus  der  medischen  Vorzeit  zahlreiche  Teil- 
fUrsten,  die  nicht  viel  älter  als  Zarathustra  sein  können*). 

Das  außerordentliche  ist,  daß  diese  alten  Predigtlieder  bereits  an 
die  Stelle  des  arischen  Heidentums  einen  Theismus  gesetzt  haben,  den 
man  für  eine  späte  Form  der  iranischen  Religion  halten  möchte  und 
wirklich  gehalten  hat,  wenn  nicht  literarische  und  besonders  sprachliche 

1)  Abel  Bergaigne,  S^ances  de  TAcad.  d.  Inscr.  21.  Mai  1886.  Revue 
arch^ol.  Juli-Aug.  1886,  105.  Journ.  asiat.  Sept.-Oct.  1886, 193.  Febr.-Män 
1887,  191.  Derenbourg,  S^ances  le  TAcad.  28.  Mai  1886, 106.  Oldenberg, 
d.  Hymnen  des  Rigweda.  1888,  191.    Pincott,  Journ.  R.  As.  Soc.  16,  381. 

2)  s.  A.  V.  Williams  Jackson,  Zoroaster  160. 

3)  s.  Grundriß  2,  405. 


Bartholomae  Die  Gatha's  des  Awesta.  21 

Gründe  mit  Sicherheit  ihren  Verfasser  an  den  Beginn  der  iranischen  Kultur 
zu  setzen  nötigten. 

Die  Gathas  sind  frei  von  aller  Superstition  und  vermeiden  jede  mit 
den  alten,  fortan  als  höse  Geister  gekennzeichneten  Göttern  verbundne 
mythologische  Bildersprache  ^),  und  setzen  an  die  Stelle  der  Naturwesen 
eine  theologische  Hierarchie  der  Gottheit  und  ihrer  Engel,  die  aber  aus 
abstrakten  Begriffen  noch  nicht  zu  persönlichen  Wesen  fortgebildet  sind; 
sie  sind  vielmehr  noch  Eigenschaften  und  Wirkungen  Gottes,  der  in  den 
Gathas  in  Verbindung  mit  einem  oder  mehrem  der  Erzengel,  d.  i.  in  der 
durch  diese  versinnbildlichten  Äußerung  seines  allumfassenden  Wesens 
erscheint. 

Die  Gathas  bekämpfen  auch  alte  arische  Opferbräuche  (J.  48, 10),  und 


1)  Daher  kann  die  Obersetzung  der  schwierigen  Worte  amäm  u^ä 
J.  ÖO,  10  und  u^änö  asnam  J.  46,  3  durch  'Stier  der  Tage*  d.  i.  die  Morgen- 
röte, und  'Stiere  der  Tage',  d.  i.  die  Morgenröten,  nicht  richtig  sein.  Die  im 
Weda  gebräuchliche  Vergleichung  der  Götter  mit  Bullen  und  Hengsten  ist 
ganz  imverträglich  mit  zarathastrischen  Anschauungen  und  vollends  mit 
der  Vorstellung  der  Uschas  oder  Eos.  der  Himmelstochter  {duhitä  diwds\ 
die  indisch,  iranisch  und  griechisch  eine  weibliche  Grottheit  ist.  Es  ist 
vielmehr  ein  von  Bartholomae  nicht  anerkanntes  Nomen  u^an  'Förderer*, 
*der  wachsen  macht*,  verschieden  von  u^n  'Ochse',  anzusetzen,  dessen 
Dativ  ui^f  er  selbst  nicht  bestreiten  kann,  aber  als  besonderes  Wort  mit 
Infinitivbedeutung  anführt.  Die  eine  der  zitierten  Strophen,  J.  50, 10,  ist 
zu  übersetzen:  "und  welche  (fromme)  Handlungen  ich  verrichten  werde 
und  welche  vordem  (verrichtet  sind),  und  was  (ja  statt  ja/,  wegen  des  ja 
vorher)  vom  frommen  Sinne  (des  Gläubigen  betrachtet)  für  dessen  Augen 
wertvoll  ist  (was  ihn  glücklich  macht,  da  er  in  ihm  seinen  Schöpfer  er- 
kennt, nach  Mills):  Sterne,  Sonne,  der  Tage  Vermehrerin,  die  Morgenröte, 
(das  alles)  dient  durch  Ascha  (die  heilige  Ordnung  des  Universums)  euch 
zum  Preis,  o  Mazda  Ahura  (die  zu  allen  Zeiten  gebrachten  Lobopfer  und 
die  Gestirne  in  ihrer  unveränderlichen  Bahn  verkünden  deine  Herrlichkeit)". 
Die  Morgenröte  wird  hier  nicht  m^4,  sondern  af**rufi  genannt,  was  Darme- 
steter  richtig  durch  daum  (engl.)  übersetzt;  es  ist  ein  dem  Medischen  eignes 
Wort  und  scheint  mit  ajar^  (Tag,  vgl.  f\\bc  Tag  II.  7,  458)  und  mit  got. 
air  und  fjpi  verwandt  (fjpi-iroXn,  f]pi-T^v€ia).  Die  Uschas  vermehrt  die 
Tage,  da  mit  dem  Aufleuchten  jedes  Frührots  ein  weiterer  Tag  in  die 
Reihe  der  dem  Sterblichen  bestimmten  Lebenstage  tritt.  Die  Pahlawi- 
Obersetzung  hat  u^a  und  ap^ruS  nicht  mehr  verstanden  und  etymologisch 
irrig  erklärt.  Die  andere  Strophe,  J.  46,  3,  bedeutet:  "wann,  o  Madzä, 
werden  die  Vermehrer  der  Tage  zur  Erhaltung  der  Welt  des  Ascha  (des 
heiligen  Gesetzes,  nach  welchem  sich  alle  Vorgänge  vollziehen)  hervor- 
treten? mit  den  gewaltigen  (nach  der  Tradition:  mit  den  getanen,  in  Taten 
umgesetzten)  Lehren  die  Verstandeskräfte  der  Retter  (der  weisheit^oUen 
Propheten  der  Zukunft,  der  cuirf^pcc)  (sich  zeigen)?  wem  zur  Hilfe  soll 
kommen  (dein  Reich)  mit  dem  frommen  Sinne  (vgl.  J.  30, 8t>.  31,  6  c)?  für 
mich  dich  zur  Vollendung  ich  wähle  (ich  vertraue  auf  dich  für  meine 
Rettung)".  Hier  sind  die  Saoschjafitö  oder  Heilande  'Vermehrer  der  Tage* 
genannt,  denn  sie  sollen  in  Erfüllung  ihrer  Lehren  die  Welt  im  Reiche 
Gottes  erneuen,  und  die  Tage  der  verstorbenen  Frommen  zu  ewiger  Dauer 
vermehren,  vgl.  jawaf^m  Jt.  19,  89. 


tt  Butiwloflme  Die  Gatlut't  dot  Awwte. 

das  emiige,  was  an  daa  Wunder  atieift,  iat  die  InspiratkMi  des  Prapiieln, 
die  doch  wieder  ihren  Grund  in  der  Wirklichkeit^  in  einon  erfaolMiiM 
Zmtand  der  seelischen  Krifte  hat,  in  welchem  Zaralhnftra  Gott  nüt  Angn 
sieht  (J.  81, 8.  46, 5).  Dieser  Gott  seihst  gleicht  nicht  den  Gdttem  andnr 
asiatischer  Religionen,  Vor-  oder  Ahhildem  ihrer  kriegerischen  Trmnnai^ 
w  ist  Tielmehr  ein  Lichtgeist  ohne  AnCuig  nnd  Ende,  ans  dessen  leheodigeBi 
Wesen  sich  einzehie  Kräfte  entfalteüm  and  in  die  Wdt  selhsttttig  (»%i/iaa» 
J.  80, 8}  eintraten.  Zarathoftra  hat  anter  dem  Bild  der  Gebart  des  MenschMi 
anschaaen  gelehrt,  was  spfttere  Religionslehren  als  Kmanationen  beimdim«, 
die  Ton  der  Gottheit  ansgingen  and  deren  lichtnatar,  je  weiter  aie  skh 
Ton  ihrem  Urqaell  entfernten,  stufenweise  beeinträchtigt  ward  doreh  die 
Finsternis,  den  Gegensats  oder  die  Kehrseite  des  lichtes,  ohne  welche 
dieses  nicht  za  denken  ist  In  der  gegenwärtigen  Weltperiode  (»rünf 
äm^^  die  nor  eine  Episode  im  ewigen  Dasein  Gottes  ist,  hat  sich  ein 
Kampf  entsponnen,  dessen  Zweck  ist,  die  Ton  den  Schlacken  der  Finsternis 
gereinigten  Lichtteile  mit  dem  Urgeist  wieder  zu  vereinigen,  oder,  da  in 
sittlichem  Betracht  das  Licht,  das  Leben  and  das  Gate,  die  Finsternis, 
der  Tod  and  das  B^tee  ist,  die  der  Sflnde  and  dem  Tode  verfkllene  Seele 
sa  erlösen  and  der  Gemeinschaft  mit  Gott  teilhaftig  za  machen,  die 
prästabilierte  Harmonie  herzasteilen.  Dieser  Kampf  wird  Ton  allen  Wesen, 
die  sich  in  zwei  Parteien  (ränm)  teilen,  anter  Führung  des  heiligui  and 
des  schädlichen  Geistes  ausgefocfaten.  Gewöhnlich  ist  Gott  selbst,  Ahnra 
Mazda,  der  eine  Heerführer,  aber  die  genaue  und  ursprfingliche  Änschannng 
ist  die,  daß  der  heilige  Geist  {tp^Üö  mtM^nf)  als  iimerwelthch^  Gott,  die 
gute  Schöpfung  leitet  und  dem  bösen  Geist  (oMrff  mah^tt^,  Ahriman)  gegoi- 
flber  steht,  wogegen  Gott  als  allerheUigster  (apeiUdiemo)  am  Kampf  nicht 
beteiligt  ist.  Deutlich  unterschieden  ist  Ahura  Mazda  vom  heiligen  Geist 
in  der  Gatha  Spentämainjü  J.  47;  auch  J.  48,  6.  44,  7  u.  a.  Dieses  Ver- 
hältnis der  drei  Geister  spricht  sich  auch  aus  in  der  zur  Sasanidenzeit 
verbreiteten  Lehre  der  Zcrwaniten,  in  welcher  die  kämpfenden  Örmazd 
und  Ahriman  als  Zwillingskinder  der  'unendlichen  Zeit'  bezeichnet  werden, 
die  demnach  an  die  Stelle  des  ursprünglichen  Lichtwesens  getreten  ist, 
mit  Berufung  auf  die  nicht  richtig  interpretierte  Awestä-Stelle,  Wend.  19,  9: 
**der  heilige  Geist  (hier  Örmazd)  schuf  (das  heilige  Wort)  in  der  unend- 
lichen Zeit  {zrünf  akaranfY  *)  Da  das  Leben  auf  Erden  von  diesem  Kampf 
erfüllt  ist,  so  gewinnt  die  zarathustrische  Religion  das  Aussehen  eines 
schroffen  und  konsequenten  Dualismus  oder  Ditheismus,  der  doch  mit  der 
Anschauung  der  Gathas  nicht  vereinbar  ist  und  auch  von  den  heutigen 
Bekennern  der  Lehre  entschieden  zurückgewiesen  wird*).  Das  Problem 
der  Entstehung  des  Bösen  oder  der  Finsternis  und  Materie  aus  oder  neben 
dem  Guten  oder  dem  Licht  und  Geist  hat  bis  in  die  neuere  Zeit  Religions- 
lehrer und  Denker  beschäftigt,  und  Zarathustra  gebührt  der  Ruhm,  diese 
Frage  lange  vor  Piaton  aufgeworfen  und  auch  für  die  Fassungskraft  seines 
Zeitalters  befriedigend  beantwortet  zu  haben. 

Erst  wann  die  jenseitige  Welt  sich  öffnet,  dienen  mythologische 
oder  sinnbildliche  Vorstellungen  zu  einer  eindrucksvollen  Schilderung  des 
Jenseits,  die  in  weit  größerem  Maße  zu  rechtschaffnem  Leben  aneifem 

1)  Vgl.  Jackson,  Grundriß  d.  ir.  Phil.  2,  630. 

2)  J.  C.  Coyajee,  The  Spirit  of  the  Gathas,  in:  The  Gatha  Society*s 
Publications  n^  1,  19.  Sohrab  J.  Bulsara,  God  in  the  Gathas,  das.  n*  2. 


Bartholomae  Die  Gatha's  des  Awesta.  28 

maßte,  als  die  durch  die  Wirklichkeit  allzu  oft  widerlegte  Annahme,  daß 
schon  hier  auf  Erden  Recht  und  Unrecht  durch  Lohn  und  Strafe  aus- 
geglichen würden.  Der  Sünder  zittert  vor  dem  **grausigen,  schrecklichen, 
unheilvollen  Weg,  der  Trennung  von  Leib  und  Seele'*  (Jt  22, 17. 35),  nach 
welcher  seine  Seele  die  angstvolle  Brücke  des  Richters  (J.  46, 10. 11. 51, 13} 
betreten  muß,  die  vom  höchsten  Berg  der  Erde  über  einen  Abgrund  in 
die  Ewigkeit  reicht.  An  ihr  wird  der  unerbittliche  Spruch  über  ihr  künftiges 
Los  gesprochen,  und  das  Gewissen  tritt  der  frommen  Seele  in  einem 
Mädchenbild  entgegen,  dessen  Reize  den  tugendhaften  Erdenwandel  spiegeln, 
und  in  dessen  Geleit  sie  über  die  Brücke,  die  sich  gefahrlos  ausbreitet, 
in  das  Paradies  schwebt,  während  die  gerichtete  Seele  ihre  Gewissensbisse 
in  einem  häßlichen  Weib  verkörpert  sieht,  ehe  sie  über  die  schwertscharfe 
Brücke  in  den  Abgrund  stürzt. 

Die  Betätigimg  der  zarathustrischen  Religion  ist  nicht  Weltflucht 
und  eine  Gott  angeblich  wohlgefällige  Askese,  sondern  sie  besteht  in  der 
Teilnahme  am  Kampf  gegen  das  Böse,  der  aus  der  Gewißheit  des  endlichen 
Sieges  und  himmlischen  Lohnes  immer  neue  Kraft  erhält.  Es  gibt  bei 
Medem  und  Persern  keine  Götzen-  und  Heihgenbilder,  auch  keine  Opfer, 
womit  man  die  Kraft  der  Götter  zu  stärken  oder  ihre  Entschlüsse  sich 
zugunsten  zu  beeinflussen  vermeint.  Die  himmlischen  Wesen  stehn  von 
vornherein  auf  der  Seite  des  Menschen  gegen  das  Reich  des  Bösen,  und 
statt  des  Opfers  dient  im  Gottesdienst  der  Lobgesang  'X  dessen  Inhalt  die 
Vergegenwärtigung  der  göttlichen  Wohltaten  ist  und  der  an  einem  Ort 
dargebracht  wird,  wo  die  Dämonen  keine  Macht  haben,  in  Gegenwart  des 
heiligen  Feuers,  des  irdischen  Symbols  der  als  Lichtstrahl  gedachten  Gott- 
heit*); wie  auch  im  Paradies,  dem  Hause  des  Gesanges  (garo  demäna) 
das  Entzücken  der  Seligkeit  und  geistigen  Vollendung  sich  in  der  Musik 
auslöst  ^) 

Wie  andere  Religionstifter  mag  auch  Zarathustra  in  einer  aus- 
gebildeten Lehre  zusammengefaßt  haben,  was  hie  und  da  vor  ihm  andre 
hervorragende  Männer  aus  dem  in  ihnen  lebendigen  Wesen  des  Volkes 
als  Gedanken  höherer  Art  geäußert  haben,  und  insofern  ist  auch  bei  ihm 
die  Religion  der  untrügliche  Ausdruck  der  geistigen  Veranlagung  der  Nation, 
die  nicht  nach  den  Missetaten  einzelner,  sondern  nach  dem  was  ihre 
besten  Mitglieder  für  sie  und  den  Fortschritt  der  Menschheit  geleistet, 
geschätzt  werden  muß.  Stiergefechte  und  Autodafes  sind  unverträgHch 
mit  einer  Religion,  deren  heiligste  Urkunden  mit  der  Einschärfung  des 
Tierschutzes  beginnen  (J.  28. 29),  und  welche  für  "die  frommen  Seelen  der 
irgendwo  (auf  Erden)  gebomen  Männer  und  Frauen,  die  (für  das  Gute) 
kämpfen,  kämpfen  werden  und  gekämpft  haben**  zu  beten  lehrt  (J.  39,  2).  *) 
Seit  Zarathustra  hat  die  Vorstellung  von  der  Bekämpfung  des  Bösen  durch 
das  Gute,  von  endlichem  Sieg,  von  Unsterblichkeit  und  Seligkeit  die  Re- 
ligionen und  Philosophien  beeinflußt  und  hat  sie  von  dem  Pessimismus 
befreit,  der  die  Menschheit  durch  das  Bestehen  von  Leiden,  Sttode  und 


1)  ^droc  dvf|p  .  .  .  ^irocCbei  OeoTOvCnv,  Herod.  1,  132. 

2)  Rapp,  Zeitschr.  DMG.  20,  78.  79.  89. 

3)  Bundehesch  75,  2 ;   vgl.  Söderblom  La  vie  future  98.  Sohrab  J. 
Bnlsara  21. 

4)  ZönaMe  A.  Ragozin,  Media,  Babylon  and  Persia.  Lond.  1889, 
166.  167. 


U  Btttliokniiae  Bkt  Oatfaa't  dot  AwMla. 

Tod  ohne  Aiuticht  anf  deren  Vemichtang  bedrOekt  hat.  Seine  Ethik  iit 
tranasendent,  indem  sie  dem  göttlichen  Geaetx,  dem  Aacha  (pera.  crli) 
entspringt,  welches  alle  Forderungen  menschlich»  Sittenlehre  deotlick 
Torseichnet,  dem  Inbegriff  aller  Togendod,  der  gWliehen  Tridikraft  in 
Hersen  des  einzelnen,  die  uns  der  Gemeinschaft  mit  Gott  nihert  Sie  vi 
femer  altruistisch,  indem  sie  famnanitäre  Werke  fördert  mid  fttr  alle 
Menschen  die  Seligkeit  verheifit;  sie  ist  otihtansch  anf  irdische  Wcdüfthrt 
and  Gesondheit  und  anf  die  Fortdauer  im  kOnftigod  Leben  gerichtet 

Zarathuf  tra  war  kein  Schwirmer,  sondern  ein  Wdser,  der  dnrck 
sein  Gesetz  die  edlen  Regungen  des  Menschenhersens  erweckt  und  für  den 
Kampf  gegen  das  Böse  aulJKeboten  hat  Auch  ist  er  nicht  zum  Gott  gemacht 
wordod,  obwohl  die  Religion  in  Ai^Mssung  an  die  Vorstellungen  der  Menge 
geistig  tiefer  stehender  Bekenner  alte  mythische  Vorstellungen  wieder 
hervorholt,  und  obwohl  die  Magier  die  Vergöttlichung  ihres  Oberhauptes 
leicht  an  die  Gathastelle  bitten  anknüpfen  kOnnen,  wo  der  unsterbliche 
Geist  (die  Frawaschi)  des  Zarathu^tra  (J.  29, 8. 10)  unter  den  hdhem  Wesen 
weilt  Auch  seine  Mutter,  deren  Namen  wir  erst  ans  spätem  nicfat- 
awestischen  Schriften  kennen,  wird  als  eine  Anhftngerin  der  alten  Rdigicm 
bezeichnet:  Wendidad  19,  6  sagt  der  Versucher  Ahriman,  der  den  Zan- 
thuftra  von  seinem  Vorhaben,  die  anti-da^wische  Religion  zu  stiften, 
zurttckhalten  will,  seine,  des  Zarathu^tra,  Mutter  selbst  habe  ihn,  den 
Ahriman,  angebetet 

Die  Sprache  der  Gatbas  verdankt  gewifi  dem  Zarathnstra  grOftten- 
teils  ihre  Ausbildimg;  denn  die  yon  ihm  gestiftete  Religion  «rfordrate  eine 
Ausdracksweise,  welche  von  der  Sprache  des  gewOhiüicben  Lebens  und 
des  vorzarathustrischen  Gottesdienstes  abwich.  Sie  ist  feierlich  prophetisch 
und  gelegentlich  mystisch  und  esoterisch,  wie  wenn  mit  den  Namen  der 
Amescha-spentas  oder  Erzengel  nicht  nur  diese  kaum  persönlichen  Wesen 
bezeichnet  werden,  sondern  zugleich  die  Äußerungen  des  göttlichen  Waltens, 
ftir  welche  sie  gewissermaßen  als  Organe  dienen,  und  auch  die  ihnen 
entsprechenden  Regungen  im  Innern  des  Menschen  mitverstanden  werden, 
so  daß  es  unmöglich  ist,  in  einer  Obersetzung  einen  Ausdruck  zu  finden, 
der  diese  verschiednen,  nur  dem  Eingeweihten  gelaufigen  Vorstellungen 
umfaßte.  Frühere  Obersetzer,  wie  Kossowicz  (in  latein.  Sprache)  und  der 
um  das  Verständnis  der  Gathas  hochverdiente  Mills  u.  a.  haben  daher 
neben  der  wörtlichen  Wiedergabe  eine  erläuternde  Paraphrase  gegeben, 
wodurch  das  Verständnis  gefördert  wird,  aber  das  Aenigmatische  des  Stils 
weniger  zum  Ausdruck  kommt. 

Der  Leser  wird  vielleicht  auch  Anstoß  nehmen,  daß  er  oft  mitten 
unter  metaphysischen  Ausdrücken  den  Viehzüchter,  den  Bauer,  den  Stier, 
und  zwar  nicht  als  mythologisches  Gleichnis  der  Götterstärke,  wie  im 
Weda,  oder  als  verkleideten  Gott,  wie  in  der  griechischen  Fabel,  sondern 
als  wirkliches  Tier  oder  als  Oberhaupt  (ratu)  der  nützlichen  Tiere,  dessen 
Seele  als  Anwalt  der  Tiere  bei  den  Himmlischen  auftritt,  sogar  die 
trächtige,  nach  der  Oberlieferung  die  dreijährige  Kuh  (gäu^  azi^)  findet 
Dem  frommen  Zarathustrier  ist  der  Landbau  eine  religiöse  Angelegen- 
heit, denn  durch  dessen  Betrieb  wird  die  Wüste  in  Fruchtland  verwandelt 
und  den  Daewas  die  Macht  genommen,  und  dem,  welcher  fleißig  den 
Pflug  führt,  bringt  die  Erde  Reichtum,  und  er  fördert  die  Religion  des 
Mazda  (Wend.  3,  25).  So  gemahnt  dieses  naive  Nebeneinander  an  Dürers 
Allerheiligenbild,  wo  unter  andern  gen  Himmel  Schwebenden,  aus  ritter- 


Bartholomae  Die  Gatha*s  des  Awesta.  26 

liebem  und  fürstlichem  Stand,  auch  ein  Bauer  mit  dem  Dreschflegel  er- 
scheint 

In  der  Obersetzung  Bartholomaes  *)  ist  diesen  Verhältnissen  durch 
Anmerkungen  und  durch  eine  genaue,  von  eindringlichem  Verständnis 
zeugende  Inhaltsübersicht  eines  jeden  Liedes,  sowie  durch  eine  Erklärung 
der  von  Zarathustra  geprägten  religiösen  Ausdrücke  und  der  in  der  Ober- 
setzung beibehaltenen  altiranischen  Wörter  Rechnung  getragen,  so  daß 
auch  ein  der  medischen  Sprache  nicht  mächtiger  mit  einiger  Vertiefung 
sich  von  den  ältesten  Urkunden  einer  Religion,  deren  Einwirkung  auf 
andere  weit  über  die  Grenzen  Irans  reichte,  eine  genaue  Vorstellung 
machen  kann.  Da  auch  von  Geldner  eine  Obersetzung  der  Gathas  in 
Aussicht  gestellt  ist'),  so  wird  eine  noch  gründlichere  Kenntnis  aus  der 
Vergleichung  der  Arbeiten  beider  Gelehrten  entspringen. 

An  diese  allgemeinen  Bemerkungen  über  die  religionsgeschichtliche 
Wichtigkeit  der  Gathas  und  ihre  Obersetzung  durch  den  Geschicht- 
schreiber der  altiranischen  Sprache  mögen  einige  sachliche  und  sprach- 
liche Verhältnisse  berührt  werden,  in  denen  seine  Ansichten  unrichtig 
scheinen. 

Mit  Recht  betrachtet  Bartholomae,  wie  die  meisten  Forscher, nicht  nur 
den  Zarathustra,  sondern  auch  seinen  in  den  Gathas  gefeierten  Beschützer 
Wistäspa  und  andere  Gestalten  seines  Kreises  als  geschichtlich  mit  legen- 
darischen Zutaten  (S.  132).  Nicht  aber  ist  Wistäspa  ein  ostiranischer 
Fürst,  wie  er  im  Altir.  Wörterb.,  Sp.  1473,  und  in  den  'Gathas',  S.  131,  133, 
ausspricht.  Diese  Ansicht  ist  mehrmals  vom  Unterzeichneten  aus  histo- 
rischen und  religionsgeschichtlichen  Gründen  als  unhaltbar  nachgewiesen, 
und  es  ist  auch  erklärt  worden,  warum  in  dem  späten  Zardust-nämeh 
die  Stadt  Balch  als  Sitz  des  Gustäsp  erscheint,  und  warum  dessen  Vater 
Lohräsp  oder  angeblicher  Vorfahr  Kai  Pisina  aus  der  Persis  (ein  Päsin 
ward  von  dem  Sasanier  Artachschathr  I.  in  Persis  besiegt)  nach  Balch 
versetzt  wird.  Die  richtige  Ansicht  haben  u.  a.  auch  Jackson  und  der 
ausgezeichnete  dänische  Religionsforscher  Edvard  Lehmann')  zu  der 
ihrigen  gemacht.  Da  nun  Bartholomaes  Ansicht  für  viele  Benutzer  seiner 
'Gathas'  und  des  Wörterbuches  autoritatives  Gewicht  haben  mag,  so  sei 
nochmals  bemerkt,  daß  selbst  wenn  das  angebliche,  von  Ktesias  erwähnte 
baktrische  Reich  bestanden  hätte,  es  keinesfalls  für  die  Stiftung  einer  so 
hochgearteten  Religion,  wie  die  zarathustrische,  den  Boden  hätte  bilden 
können.  Diese  Religion,  sowie  die  westiranische  Kultur  Überhaupt,  ist 
erst  durch  die  Achaemeniden  in  Baktrien  eingeführt  worden,  und  die 
Stadt  Balch  vnrd  im  Awesta  nur  in  der  zur  Zeit  der  Parther  verfaßten, 
recht  kindlichen  Aufzählung  der  damals  unter  dem  Namen  Ariana  zu- 
sammengefaßten ostiranischen  Länder  erwähnt,  und  zwar  nicht  in  der 
altiranischen,  sondern  in  einer  aus  dem  modernen  Namen  Bälh  oder 
Balh  zurückgebildeten  Wortform  ^);  es  ist  sogar  dadurch  als  buddhistische 
Stadt  gekennzeichnet,  daß  es  eredvödraffa  genannt  wird,  was  sich  auf 

1)  Der  bereits  vor  einem  Vierteljahrhundert  die  Gathas  behandelt 
hatte :  die  Gathas  u.  heil.  Gebete  des  altiran.  Volkes.   Halle  1879. 

2)  Sitzungsberichte  der  Kgl.  Akad.  d.  Wiss.,  21.  Juli  1904,  S.  1081. 

3)  Jackson,  Zoroaster  221.  Lehmann,  Zarathustra,  en  bog  om 
Persernes  gamle  tro  II,  7.  13. 

4)  Marquart,  Eranschahr  88. 


d&s  grünsejdene  Banner  bedehl,  welches  aaf  dem  Slupa  oeben  dem 
buddhistischen  KJosler  Nanbihär  wehte^  demselben  Kloster,  dessen  Vcr- 
waUunjj  in  der  äut  Zeit  der  abbäsidiscben  Chalifcn  vielgenannten  Familie 
des  Barmek  erblich  war^  welches  aber  von  der  Zarathustra legende  ak 
Feuerhaus  bezeichnet  wird  (Firdusi  1496,  15) ').  Nach  Alexander  war 
Baklrien  den  baniem  entrissen  und  ward  erst  von  Chusrau  L  um  560 
der  aasauiscben  Herrschaft  wiedergewonnen.  So  wird  denn  die  aoroastnsche 
Religion  in  alJen  Nachrichten  der  Alten  (die  schon  von  Th,  Hydc,  Rapp, 
Jackson  zusammengestellt  sind)  als  mediscbes  Gewächs  bezeichnet.  Bar- 
thobmae,  der  doch  wohl  an  diesem  Ursprung  der  Religion  nicht  mehr 
Eweifeln  mag,  läßt  den  Zarathustra  reisen  —  ein  nicht  ungewöhnlicher 
Behelf  in  der  Religion^gescbtcbte  —  aus  Medien  nach  dem  Temen  Osten, 

also  einen  Weg  £urücklegenf  der  ao  weit  ist»  wie  

KflnifsbCTgimd,  abgesehen  Ton  der  AiM^^ 

auch  geOhrdet  war  yon  miaaniadien  Daewas,  Jitns,  menedtfichen  and 
üenschen  CSuafrtras').  Der  einaige  Halt  fttr  diese  liiaaioiiBreiaei  aaf 
wtiche  Zarathoftra  doch  aodi  seine  Familie,  der  in  den  Qaihaa  Er- 
wähnung geschieht,  müßte  mitgenommen  haben,  ist  J.  46,  1,  wo  aboc 
doch  nur  bestätigt  wird,  daß  der  Prophet  bei  seiner  LandediSRsdiaft 
nicht  Anklang  geftmden  nnd  daher  in  das  Nachbarland  sidi  begdbea 
hat,  was  eines  der  kleinen  modischen  FttrstentOmer  sein  konnte.  Wistinpa 
wird  ün  Awesta  niemals  in  Verbindnng  nut  dem  Land  seiner  Hmsehail 
genannt,  weil  das  jedem  Hoerer  bekannt  war.  Doch  ist  der  Oit,  wo  er 
die  Ardm-söra  nm  Sieg  bittet,  das  Wasser  Frasdaan,  der  anaMMsdn 
Hrasdan,  der  in  den  Gelam-See  fließt,  während  sein  Bmder  ZaJ^mnM^ 
an  der  Dä'tja,  dem  Aras  in  Atropatene,  steht  (Ji.  5,  106, 118),  wo  auch 
Zarathustra  sie  anruft  (Ji.  5,  104).  Die  Heere  der  beiden  Brftder  hatten 
wahrscheinlich  in  der  hier  nur  angedeuteten  Sage  den  in  Medien  einge* 
brochenen  Are^adaspa  nach  Armenien  yerfolgt,  und  dieser  hatte  sich 
ihnen  in  der  Nähe  des  Kaspischen  Meeres  (des  Wo^rukasa,  Jt  5,  116) 
entgegengestellt.  Wistäspas  Sohn  Wista^ms  aus  dem  Haus  des  Naotara 
(nach  der  Tradition,  die  in  der  Anordnung  der  Namen  Jt  13,  99—108 
übereinstimmt)  opfert  an  der  WitaAuha>ti,  über  die  ihm  von  Ardwisärt 
eine  Furt  geschaffen  ward,  um  die  Daewajasnaa  zu  verfolgen;  dieser 
Fluß  muß,  wie  der  verstorbene  Kawasji  Edalji  Kanga  (Diction.  492)  be- 
merkt hat,  am  Padash^ar-gar,  dem  Gebirge  von  Tabaristän,  also  im 
Osten  von  dem  zarathustrischen  Raga,  fließen. 

Die  älteste  Erwähnung  des  Wistäspa  (Hystaspes)  in  Yerlnndimg 
mit  dem  Lande  seiner  Herrschaft  findet  sich  in  der  oft  angeführten,  vcm 
Chares  von  Mytilene,  einem  Hof  beamten  Alexanders  auf  dessen  Zug  durch 
Asien  ^),  bewahrten  iranischen  Sage,  in  welcher  Hystaspes  Medien  and 
das  darunter  liegende  Land  (rf^c  OiroKdrui  x<bpac),  sein  Bruder  Slariadret 

1)  8.  Grundriß  U,  403.   Garrez,  Joum.  asiat.  VI,  13,  179.  180. 

2)  Auf  seinen  alten  Kamelen,  s.  Altir.  Wörterb.,  Sp.  1676. 

3)  Menschliche  Chrafstras  (Fleischfresser,  BarthoL:  Raubzeug,  S. 34, 9) 
werden  die  Ungläubigen  genannt,  ein  ähnlicher  Ausdruck,  wie  gr.  «Jd^riCT/ic 
oder  \b\ir\CTf\p  vom  Löwen  und  Wolf,  aber  auch  vom  Achilleus  (blntgieh{) 
11.  24,  207. 

4)  Bei  Athenaios  575.  XIU,  c.  35;  ed.  Meineke  3,  36;  vgl.  Rapp 
Z.  d.  DM6.  20,  65,  66.    Spiegel,  Z.  d.  DMG.  45,  197. 


Bartholomae  Die  Gatha's  des  Awesta.  27 

^Wriwa^ris)  das  über  den  kaspischen  Toren  liegende  Land  bis  zum 
Tanals  beherrschte^). 

Hat  diese  Sage,  von  welcher  die  im  Schähnämeh  erzählten  Aben- 
teuer des  Gostäsp  am  Hof  des  (griechischen)  Kaisers  (Fird.  liöl  ff.)  Nach- 
klänge sind,  keinen  geschichtlichen  Wert,  so  zeigt  sie  doch,  daß  Hystaspes 
zur  2^it  Alexanders  noch  als  König  in  Medien  galt,  und  auch  eine  spätere 
Nachricht  tritt  bestätigend  hinzu:  Hystaspes,  der  neben  der  Sibylla  ge- 
nannt wird,  hat  den  Untergang  der  sündigen  Welt  durch  Feuer  geweis- 
sagt; er  hat  vor  der  Gründung  Roms  gelebt  und  wird  von  Lactantius 
als  Medorum  rex  antiquissimus  bezeichnet  Ob  hier  Hystaspes  ein  Weis- 
sager (vates)  gewesen  ist  oder  ob  er  mit  Zoroastres,  dem  Schützling  des 
Königs  Hystaspes,  verwechselt  ist,  läßt  sich  schwer  entscheiden,  jeden- 
falls war  die  Anschauung  der  betreffenden  Schriftsteller,  daß  er  ein 
Meder  gewesen  sei').  Die  Verbindung  des  Zoroastres  mit  Baktrien,  die 
sich  bei  einigen  Schriftstellern  findet,  steht  in  Zusammenhang  mit  dem 
fjBJ>elhaften  Zug  des  Ninos  gegen  Baktrien,  dessen  König  Ktesias  Oxyartes 
(Diodor  2,  6),  später  auf  ihn  zurückgehende  Autoren,  Eusebios,  Arnobius 
Zoroastres  nennen;  Mose  von  Choren  1,  16')  läßt  Semiramis,  während 
sie  in  Wan  weilte,  die  Statthalterschaft  von  Nineveh,  den  Zradascht,  den 
Magier  und  Fürsten  der  Meder,  führen,  der  sich  unabhängig  macht  und 
die  Semiramis  besiegt 

Als  aber  dieses  Medien,  dessen  Priesterstamm  die  Magier  (im 
Awestä  mogu,  armen,  tnog,  noch  heute  möbed^  d.  i.  mo^paHt)  den 
Zarathustra  als  ihr  Haupt  betrachteten,  samt  seinen  heiligen  Feuer- 
stätten in  die  Hände  der  Seleukiden  gefallen  war,  versetzte  die  Legende 
den  Gustäsp  nach  Balch,  der  größten  und  berühmtesten  Stadt  in  Osterän, 
wo  die  achaemenischen  Unterkönige  oder  Prinzen-Satrapen  (unter  ihnen 
auch  ein  Hystaspes,  Sohn  des  Xerxes)  und  nach  ihnen  auch  Alexander 
Hof  gehalten  hatten,  und  man  ließ  auch  den  medischen  Propheten  dorthin 
reisen.  Wistäspa-Guätäsp  brachte  auch  das  von  Kai  Chusrau  gestiftete 
heilige  Feuer  Ädar  gusnasp*),  nachSebeos^)  *ein  großes  Feuer  in  Atrpa- 

1)  Die  kaspischen  Tore  sind  in  parthischer  und  sasanischer  Zeit 
der  Paß  von  Derbend  und  übertragen  auch  das  Tor  der  Alanen  oder 
die  Kaukasuspforte  (Paß  von  Dariel);  bei  den  Geschichtschreibem 
Alexanders  bezeichnen  sie  aber  den  Paß  zwischen  Medien  und  Hyrkanien 
bei  dem  heutigen  Aiwän-i  Kaif,  und  der  TanaKs  würde  der  Jaxartes  sein, 
der  damals  für  denselben  Fluß  gehalten  ward,  wie  der  Don-Tanals,  der 
die  medischen  Sauromaten  von  den  europäischen  Skythen  trennte,  s.  Niese 
in  der  Histor.  Zeitschr.  XLIU,  33.  Marquart,  Eranschahr  18.  71.  124. 
Untersuchungen  z.  Gesch.  v.  Eran  U,  27. 

2)  Man  s.  Fabricii  Bibl.  graeca  I,  93,  wo  bereits  auf  eine  mögliche 
Verwechslung  des  Weissagers  und  des  Königs  hingewiesen  wird ;  Hilgen- 
feld,  Nov.  Test,  extra  canonem  receptum  IV,  p.  60  und  Note  p.  66. 
Iran.  Namenb.  372  b. 

3)  Aus  Kephalion  (resp.  Eusebios),  Fragm.  histor.  graec.  3,  366.  627, 
wo  Zaravastes  Magier  und  König  der  Baktrier  ist  (was  hier  ganz  un- 
passend ist). 

4)  Fird.  761,  1401,  770,  86.  vgl.  Nöldekes  Tabari-Obers.,  S.  100. 

5)  Schrieb  nach  der  Thronbesteigung  Mu^^äwiahs  (661);  ed.  Patkan- 
ean  24,  5. 


S8  BartholomM  Die  GftHia't  dot 

takaii%  nach  Balch,  wo  es  ipiter  iBkander  lentOrte  *).  Zur  Zeit  dir 
Sasemden  ist  du  Feuer  linkst  wieder  an  aeinem  alten  Sitz  in  Atropaten^ 
Ghnsran  n  tat  ihm  Gelflbde,  um  die  Brhaltnng  seines  KOmftnnis').  I« 
in  der  Legende  war  es  mit  Giiftisp  nach  Balch  Tenetzt  wordien.  DenH]|S 
Veraetxmigen  heiliger  Feuer*)  werden  öfter  erwihnt:  Biftisf  (Wl^tiq^) 
fand  das  ewige  Feuer  des  G'amföd  in  der  Hauptstadt  Ton  CSliwirizm  (wo 
man  demnach  den  Wara  des  ^ima  in  Ahjanem  wae^ö  sich  dachte)  laid 
Tersetzte  es  nach  Kirgin,  anf  dem  Weg  Ton  Dirihgird  nadi  Srif,  wo 
es  Unr  turräf  aralh-pers.  nur  funm  genannt  ward;  rar  Zeit  der  aia- 
hischen  Brobemng  sollen  die  Magier  ans  Furcht  vor  soner  Ausiaschmig 
Teile  des  Feuers  nach  dem  abgelegenen  Nisä  und  al-Bai^  (peta,  Dis4 
npM,  das  weifie  Schloß,  Ober  Nisä«)  gebracht  haben").  Jesdegerd  HL 
aber  nahm  das  heilige  Feuer  von  Raga  mit  sich  auf  die  Flucht  nach 
Marw,  wo  er  ihm  ein  (Feuer-)Haus  baute,  auch  einen  Garten  (ringsonO 
anlegte,  worin  er  eine  große  Halle  errichtete*).  Dies  ist  eine  wiiUich 
geschichtliche  Nachricht  Wie  wichtig  die  Kämpfe  der  Sasaniden  gegen 
die  aus  Innerasien  vordringenden  Völker  fOr  die  Gestaltung  der  Le^nds 
und  besonders  die  Versetzung  des  Wi^täspa  nach  Baktrien  gewesen  sind, 
zeigt  die  Erwähnung  der  C3iioniten  (h^tuma)  im  Awestä,  welche  zuerst 
zur  Zeit  Sapors  IL  etwa  seit  856  auftauchoi,  die  Kuschan  in  Baktrin 
ablösten  und  bis  in  die  Nähe  von  Marw  vorgedrungen  sind;  ihr  Kfinif 
ist  im  Awestä  Are^adaspa,  und  Sapor  IL  erscheint  als  Wi^täzpa*). 

Wiftäspa  führt  vor  seinem  Namen  das  Beiwort  kawi  (Nom.  imtä 
Wi^tüBpg^  Was  Bartholomae  im  Altir.  Wtb.  Sp.  442  und  *Gathas*  187,  131 
Ober  hawi^  bemerkt,  ist  nicht  treffend,  denn  es  ist  nicht  eine  Benennung 
des  Rriegerstandes,  sondern  die  ganze  Oberliefenmg,  nicht  bloß  die  awestische, 
bezeichnet  kawi,  was  ursprünglich  vielleicht  der  Name  des  Stammvaten 

1)  AbduU-^ädin  Lex.  schahnäm.  ed.  Salemann  1,  5,  13. 

2)  Fird.  ed.  Mohl  VU,  26,  265,  ed.  Macan  1876,  17. 

3)  S.  Fr^d^ric  Rosenberg  in  seiner  Ausgabe  des  Zarätusht  Näina, 
Petersb.  1904,  S.  74. 

4)  Acht  Farsang  nordwestl.  v.  Schiräz,  Istachri  102, 4. 126. 11. 134, 8; 
verzeichnet  auf  der  Karte  von  Wells  Proceed  R.  Geogr.  Soc.,  März  1^. 

6)  Istachri  (J.  de  Goejes  Bibl.  Geogr.  arab.  I)  117,  2. 118,  8.  Hama- 
dhani  (das.  V)  246,  3.  Masudi  4,  75.  76  (wo  Äzar  ^  statt  Ädar  hurrä); 
G.  Hoffinann  Syr.  Erzähl,  pers.  Märtyrer  285.  286.  289.  292. 

6)  Tabari  2682,  3.  4. 

7)  Grundriß  d.  ir.  Ph.  II,  522.    Marquart  Eranschahr  50. 

8)  Bartholomae  setzt  den  Stamm  haway  an,  wie  er  auch  pam» 
(lat.  pecu)  gibt,  was  gegen  das  Herkommen  ist  und  nicht  einmal  den 
Vorzug  größerer  Berechtigung  hat.  Im  Sanskrit  pflegt  man  a^i  anzu- 
setzen, weil  der  Nominativ,  der  wichtigste  Kasus,  agni-^  (lit  ii^-«, 
lat.  igni-8\  der  Akk.  agni-m,  der  Instrum.  agni-n-a  (älter:  pätj-ü),  der 
Akk.-Plur.  agtii-n^  der  Instrum.-Plur.  agni-bhi^,  Lokat.  agm-^u  das  t  des 
schwachen  Stammes  zeigen,  die  seitnern  Kasus  den  starken:  agnai-f 
{agne-^,  Genet.),  agnaj-ai  (älter:  pätj-ai.  Dat.),  agnaj-as  (Nom.-Plur.);  wie 
soll  man  nach  diesem  Vorgang  sich  im  Griechischen  und  Römischen 
verhalten?  Soll  man  irocg  statt  irocic,  igtutf  statt  ignis  ins  Lexikon  auf- 
nehmen, eine  Stammform,  die  gar  nicht  mehr  sich  zeigt?  Es  lacht  der 
unbewölkte  Zev? 


Bartholomae  Die  6atha*s  des  Awesta.  29 

gewesen  war  ^),  als  den  Fürstentitel  der  kajanischen  (kawijanischen) 
Dynastie  *),  und  gibt  ihm  die  Bedeutung  *hochi¥Ürdiger  Herrscher,  Sultan, 
König  der  Könige',  und  sein  Plural  kajän  ist  die  Dynastie^)  deren  nur 
im  jungem  Awesta  mit  Namen  genannte  Mitglieder  Bartholomae  aufzählt, 
zu  welcher  aber  die  Perser  auch  Bahman-Ardaschir  dirazdast  (Langhand), 
Humai  und  die  beiden  Därä,  also  die  Achaemeniden,  und  sogar  Alexander 
rechnen^),  auf  welche  alle  das  kenea^m  ^*^arend,  das  Glück,  der  Nimbus 
der  Kawis,  übergegangen  war. 

Die  Kawis  der  Gathas  sind  Feinde  der  neuen  Religion  und  werden 
neben  den  Karapan,  den  heidnischen  Pristern,  öfter  genannt,  und  doch 
kann  kein  Zweifel  sein,  daß  wir  dasselbe  Wort  vor  uns  haben  wie  das 
Yor  dem  Namen  Wistäspa  stehende.  Andererseits  ist  Wistaspa  nicht  ein 
Kawi  von  Geburt,  sondern  ein  Nachkomme  des  Naotara  (Firdüsi's  Naudar), 
naoiah'f  wf^Ospö  Jt.  6,  98  (statt  naota*r)Oy  nach  dem  kurz  vorhergehenden 
Plural  naotah'f  aus  naotairfa);  die  Gattin  des  Wistäspa  ist  Hutaosa  aus 
dem  Hause  Naotara,  Jt.  15,  35,  also  eine  nahe  Verwandte,  nach  dem 
Jätkär-i  Zarerän*)  seine  Schwester;  sein  Sohn  ist  Wtstauru^  naotahydnd, 
man  sehe  die  vielfach  überarbeitete  und  mit  Namen  belastete,  bei  Firdüsi 
weit  einfachere  Genealogie  im  Iran.  Namenbuch  392.  Der  erste  König 
der  Kawidynastie,  Kawäta  (Kai  kobäd),  ward  von  Zaw  (Uzawa),  Neffen 
des  Naotara,  adoptiert,  nach  anderer  Nachricht  von  der  Haraberezaiti 
geholt,  vielleicht  ein  Euphemismus  für  den  gewaltsamen  Sturz  der  Naotaras. 
Die  schwierige,  von  Bartholomae  in  Z.  d.  DMG.  36,  585  besprochene  Stelle 
Jt.  17,  5^,  scheint  zu  besagen,  daß  während  der  Schrecken  des  Krieges 
(wie  des  von  den  Naotaras  mit  den  Turas  geführten)  der  Genius  des  Segens 
und  häuslichen  Glückes  sich  verbirgt. 

Auch  Tma')  ist  Sohn  des  Naotara,  und  nach  dem  Tode  des  Kawa 


1)  Hafiz  d,  85,  5  nennt  einen  König  der  Vorzeit  Kai. 

2)  Ähnlich  das  römische  Caesar  oder  das  von  Karl  dem  Großen 
hergenommene  lit.  karälius,  russ.  korolj  König. 

3)  tu^-i  kajän,  Firdusi  ed.  Macan  1876,  12. 

4)  S.  außer  Vullers  Lex.  pers.  auch  Abdu'l-kädir,  Lex.  schahnäm. 
ed.  Salemann  182,  19.  Asadis  np.  Wtb.  v.  P.  Hörn  118,  Z.  9. 

5)  Das  Yätkär-i  Zarirän  von  W.  Geiger  S.  59.  Aiyädgär-i  Zarirän 
transl.  by  Jivanji  J.  Modi  p.  31. 

6)  Der  Name  dieses  Helden  wird  von  Bartholomae  (Wtb.  657)  nicht 
erklärt,  auch  nicht  auf  den  Tös  des  Schähnämeh  hingewiesen.  Der  med. 
Namensform  liegt  die  Tiefstufe  der  Wurzel  zugrund,  der  neupers.  die  diph- 
thongische, wie  im  Namen  der  Hutaosa  (Atossa),  die  aus  demselben  Ge- 
schlecht wie  der  Held  stammt.  Die  Z.  d.  DMG.  49, 684  vorgeschlagne  Erklärung 
des  letzteren  Namens  war  irrig,  aber  auch  Dar  mesteters  von  Bartholomae  1822 
gebilligte  Etymologie :  'schönes  Dickbein,  Schenkel  habend*  kann  nicht  richtig 
sein  aus  dem  dort  angeführten,  von  Bartholomae  nicht  für  stichhaltig  ge- 
achteten Grund,  daß  es  kein  geziemender  Name  sei.  Die  von  Bartholomae  an- 
geführten Parallelen  skr.  wäm5rü  und  KaXXdrirroc  sind  keine  Eigennamen, 
sondern  Beiwörter ;  würde  wohl  ein  griechischer  Vater  seine  Tochter  mit 
diesem  Beinamen  der  Aphrodite  behaften?  Taosa  kann  nicht  'das  Dick- 
bein* heißen.  Einen  sichern  Anhalt  für  die  Etymologie  bietet  np.  tägah 
(phl.  *tS8ak  mit  der  Endung  ak,  die  oft  an  altiran.  Wörter  auf  a  tritt)  'feist, 
gemästet',  welches  also  mit  T^  (äus  taosa)  identisch  ist.    Die  sinnliche 


90  B&rUioloma«  Die  G»üui's  dea 

Usa  tritt  er  nach  dem  Schäbnftmeh  als  Bewerber  um  die  Krone  auf^  inÄer^ 
lieigt  aber  dem  Kai  Chusrau.  £rst  Wisläspa  bringt  die  Naotaras  irieder  zur 
Herrschaft  und  nitmbt  ab  Zeichen,  dafi  die  kajani^che  Majestät  {kattofm 
^^ar§n&)  auf  ihn  iibergegaogen  ist,  den  Titfei  kawi  der  gestürzten  Dynastie 
au.  Die  im  Schah nameh  erzählten  Vorgänge  vor  Gustäsps  TbronbeateiguBf 
seh  einen  nur  deaaen  feindseliges  Vorgehen  verschleiern  zu  sollen^  Xai 
Cbusrftu,  ein  siegreicher  Herrscher,  bekommt  plötzlich  fromme  Anwsnd- 
langen,  geht  ins  tiebirg  und  läßt  sich  vom  Schnee  verschOtten  samtemigen 
seiner  Helden,  von  denen  nur  ein  Teil  zurückkehrt,  um  den  trauHgen 
Vorfall  zu  melden  ^).  Sein  Sohn  Achrüra  (J  1.13^37)  kam  nicht  tmt  Herrschaft: 
er  ward  beseitigt  oder  ist  bereits  als  vor  seinem  Vatej-  verstorben  gedacht 
Nachdem  ao  die  Kawis  in  einer  Reü^ionsfehde  {vgl.  J.  3t,  18  &3, 8)  beseitigt 
tmd  der  nunmehrige  Kawa  Wistospa  als  ihr  Blutsverwandter  (mit  Hilfe 
eines  in  solchen  Fällen  üblichen  Eintrags  in  den  Stammbaum)  und  Nach- 
folger angesehn  ward,  verlor  der  Titel  kawi  die  rcligionsfeindiich«  Be- 
deutung und  behielt  diese  nur  da^  wo  von  ungläubigen  Machthabem 
Oberhaupt  die  Rede  war  :?o  daß  die  Tradition  später  in  i«m'  und  Avimjwi 
nicht  mdir  die  Kawidynastie  und  ihre  Priester, 
Taiihe  \sk  Sachen  d«r  Reüfioii'  nh,  M*  u  ter,  in  den 
des  M ihr  Nerm^  ^«1  mv  1^  (tanb  vnd  Uünd).  IHeie 
eilLlftrt  den  Widersprach,  dafi  dasselbe  Wort  howi  der  Hsme  einer  der 
neuen  Religion  feindtichen  Dynastie  uid  sonst  ein  BfarsnlHri  des  ssdil* 
fUlnbig«!!  Wisti^Mt  »t 

Der  Vater  des  Wistispa,  A«mdaspa,  hat  denTitd  htmi  iridit  (X. 
6, 105),  nur  in  np.  BOchem  heifit  er  Kai  Lnhrasp.  Diese  ÜniiranilBii 
seines  Namens  dürfte  eine  besondere  Yeranlassang  haben:  e»!  wdsijps 
ist  ein  Beiwort  des  Sonnengottes  Hware  hsaeta  (np.  ^Sryü)  and  der  ver- 
götterte König  gilt  als  dessen  Sohn,  wie  die  Sage  bei  Chares  bestfttigt, 
welche  Hystaspes  und  Zariadres  Söhne  des  Adonis  und  der  Aphrodite 
nennt.  Adonis  ist  der  Baal  von  Byblos*);  selbst  die  Sasaniden  nannten 
sich  Brüder  des  Mondes  und  (auf  den  Münzen)  'göttlichen  Geschlechts*. 
Diese  Anschauung  widersprach  der  monotheistischen  Anschanong  der 
Magier,  und  sie  verwandelten  den  Namen  in  den  weniger  bedeatongs- 
vollen  Luhräsp  (aus  Ruhräsp,  d.  i.  rote  Rosse  habend,  *^p66pmoc)i 

Mit  Wistäspa  findet  auch  seine  Dynastie  ein  Ende;  denn  sein  Sohn 
Speütödäta  (Sphendadates  ist  der  Name  des  Magiers  Gaumäta  bei  Ktesiss) 

Bedeutung  geht  in  die  von  *reich*,  über,  wie  gr.  Xmapoc  oder  idiuv  *fetl' 
(von  Tieren),  'fruchtbar*  (vom  Land),  'reich*  (vom  Haus)  bedeutet;  TTicpoc 
ist  ein  (makedonischer)  Mannsname ;  Hataosa  wäre  die  'sehr  reiche*  (e6- 
idcipa),  und  die  Stadt  Tös  (Tüs)  'die  reiche,  wohlhabende'  (meCpac  voXoc 
n.  18,  342).  Das  zugehörige  Verbnm  ist  ind.  tu4  {tdäasi,  du  pbst  preis, 
eigentl.  du  läßt  fließen),  wovon  ftf^mafMi  triefend,  befriedigt,  Idsif  träufelnd, 
spendend,  töäata$nä  räjas  reichlichste  Schätze  (sind  in  Indra),  s.  Peteid). 
Wtb.  Das  lit.  taukai,  Fett,  von  tüHi,  ufUkM  tünka,  der  Wolf  wird  fett, 
russ.  tuk  Fett,  Fruchtbarkeit,  erfordern  eine  indog.  Wurzel  tuk  neben  ttJk; 
lat.  tueetum]  auch  ags.  ßeöh  Schenkel,  engl,  thigh  gehört  hierher,  kann  aber 
nicht  für  hu-taofta  verwendet  werden. 

1)  Vgl.  auch  Söberblom  La  vie  future  825. 

2)  s.  Landau,  Freih.  v.,  Beiträge  zur  Altertumsk.  des  Orients  IV. 
Leipz.  1905,  S.  14. 


Baxtholomae  Die  Gatha's  des  Awesta.  31 

kommt  nicht  auf  den  Thron,  und  die  Herrscherfolge  springt  auf  die  Achae- 
meniden  über.  Die  medischen  Großkönige  haben  die  kleinen  Fürsten 
beseitigt. 

Die  Gathas  enthalten  viel  Sätze,  deren  Auffassung  trotz  den  ein- 
dringlichen grammatischen  Untersuchungen  Bartholomaes  noch  unsicher 
sind,  und  es  werden  daher  Bemerkungen  über  einzelne  Ausdrücke  nicht 
ohne  Nutzen  sein. 

Das  Wort  adreüg  J.  29,  3  ist  wichtig  fdr  die  ganze  Strophe ;  nach 
dem  was  bereits  Anz.  XVU,  123  bemerkt  worden  ist,  ergibt  sich  eine  von 
der  Bartholomaeschen  abweichende  Übersetzung;  der  Geist  der  Tierwelt 
ist  besorgt,  daß  der  Schutz  der  Tiere  nicht  ausreichend  bewirkt  werden 
könne ;  daher  '^antwortete  ihm  Ascha  (der  Genius  der  Gerechtigkeit) :  nicht 
(ist)  ein  Schützer  für  das  Rind  (die  Haustiere)  ohne  Anfeindung  (der  nicht 
dem  Haß  der  Feinde  ausgesetzt  ist);  du  kannst  (jedoch)  nicht  wissen, 
durch  wen  unter  jenen  (Wesen,  welche  die  Himmlischen  ausersehen)  ge- 
langen zu  ihren  Absichten  (verwirklichen  ihre  Absichten)  die  Erhabenen 
(die  gerechten  Wesen,  welche  für  den  Schutz  des  Landbaues  und  der  nütz- 
lichen Tiere  sorgen)".  Die  Seele  des  Rindes  {ßeu^  urwä)  spricht:  "unter 
den  Seienden  (allen  Wesen)  ist  er  der  stärkste,  (er  ist*s)  für  welchen  ich 
zu  Anrufungen  schreite  mit  Erfolg*',  d.  h.  gewiß  wird  der,  welchen  ihr  im 
Sinne  habt,  nämlich  Zarathustra,  die  Absichten  Gottes  am  sichersten 
ausführen. 

Wir  begegnen  in  Bartholomaes  Übersetzung  mehrfach  dem  Ausdruck 
*Yiehzüchter*,  der  sich  etwas  fremdartig  in  die  esoterischen  mit  überirdischen 
Dingen  befaßten  Gedichte  eindrängt.  Der  Ausdruck  ist  zudem  nicht  treffend, 
weil  die  Beschäftigung  des  frommen  Zarathustriers  der  Landbau,  freilich 
mit  Hilfe  der  Haustiere,  sein  soll,  und  gerade  der  kulturfeindliche  Nomade 
Viehzüchter  ist.  Das  Wort  fsujatU  (J.  29,  5  u.  a.)  hat  Bartholomae  selbst 
von  f^  =  pasu  (Vieh)  getrennt,  ohne  eine  Anknüpfung  in  verwandten 
Sprachen  zu  finden,  hat  es  aber  doch  mit  'Viehzüchter'  übersetzt.  Es  ist 
aber  fsttjaiU  das  umgekehrte  altind.  pü^jant  'in  Gedeihen,  in  Wohlstand 
befindlich',  dann  auch  'nährend,  züchtend  (das  Vieh)',  pö^a  und  pu^t^  ist 
Gedeihen,  Wohlstand,  Zucht  des  Viehs,  der  Gott  Pü^än  ist  ein  Hüter  der 
Herden.  Die  Pahlawi  Obersetzung  läßt  das  'Vieh'  mit  Recht  ganz  aus  dem 
Spiel  und  gibt  als  Bedeutung  'Gedeihen  machend'  (Nerios.  tojrddhikartf) 
J.  29,  6 ;  und  für  a-faujantö  J.  49,  4  'die  nicht  gedeihlichen,  die  armseligen 
(Nomaden)';  J.  29,  ö  ist  dregwatU  Anhänger  der  Dru^,  d.  i.  des  Ahriman 
(dessen  Namen  die  Gathas  nicht  aussprechen),  das  Gegenteil  von  fyuja^. 
Für  f^jö  'laß  gedeihen'  (phl.  fsuunni^)  gebraucht  Neriosengh  aphUajtUi^ 
von  9pikäj^  med.  spä,  B.  1616 ;  mit  diesem  ist  verwandt  und  mit  fsujatU 
fast  gleichbedeutend  fyenghjaj  wozu  B.  1029  eine  arische  Grundform 
p9(h)anaija  ansetzt ;  es  ist  aber  dieselbe  Wurzel  skr.  aphaj  umgestellt  und 
mit  8  (iran.  h)  erweitert  und  mit  n  verstärkt,  welches  in  apenwaf  (er  fördert) 
und  in  q>6dvu)  erscheint.  Wahrscheinlich  gehört  dazu  auch  der  Name 
Spefigha  (B.  1619).  So  erfährt  auch  die  andere  Wurzel  spä  (wegwerfen, 
wegnehmen,  beseitigen)  die  Umstellung  fyä  in  f^anajf^iiti,  von  einem 
Nominalstamm  *f^äna  'das  Wegwerfen',  wie  B.  1028  richtig  bemerkt ;  np. 
af-^ndan  'ausstreuen,  ausbreiten,  werfen';  die  Tradition  übersetzt  das 
med.  Wort  durch  'vernichten',  B.  durch  'auseinander  renken'. 

Das  wirklich  ftu  =  p<Mu  enthaltende  Wort  ^i^fiur^/  {skr,  paäumänt 
"herdenreich*),  welches  Bartholomae  gleichfalls  mit  'Viehbesitzer,  der  viel 


Bartholoma«  Die  Gatha'B  de«  Awesta. 

Vieh  hÄlf,  ÖberseU!,  kommt  in  den  Gathas  nicht  vor;  es  k&nn  diese  Be- 
deutung nicht  hab«n.  weil  f^umd  einer  der  Namen  Gottes  ist,  Jt,  1, 13; 
er  ist  der  "^Teiche*  Gotl,  der  seine  unerschöpflichen  Gaben  schenkt,  ood 
die  Stelle  J.  68,  ^,  wo  das  Wort  noch  vorkommt^  bedeutet  —  höchst  be- 
zeichnend für  die  Hochschätzung  des  Reichtums^  welcher  Hochherz tgkeil 
und  die  Tugend  der  MildtHli^keit  auftzuühcn  gestattet  — :  'der  Reiche  i£t 
gerecht^  ist  sieghaft,  ist  der  besle\  ÄlurpSt  sagt  in  seinen  Lehrsprücben  *): 
'wer  durch  rcchtscbafTue  Tätigkeit  Reichtum  erwirbt,  kann  mit  dem  Reich- 
tum einen  Schatz  guter  Werke  sammeln\  Daher  gibt  die  Oberlierenmg 
auch  dieses  Wort  durch  "reich' (Nenos.»^;itWAimfl*»#).  Ähnlich  wird  alüüd, 
^  Ttuh*  verwendet  in  ^opd  oder  göpäld^  cigenll,  'Kuhhirl\  dann  Ttönig*; 
gZird  'Kuhatail,  Geschlecbt'f  gotrapafa  'Stammbaum*,  götfhd  IvuhstaU.  Ver- 
snmmlung,  Unterhaltung*,  sogar  gö-gtf^fhä  'Kuh(Xub)sta.ir.  <Uica-gi>^fkä 
'Pferde{Kuh)stflJr,  wie  gr.  iinropouKoXoc.  Unter  ^Vieh'  versteht  man  zo- 
nÄchat  Groilvieh;  paJu  (zu  griecb.  it^KU)  'scheren',  lit.  pi^zti  'rupfen')  Ist 
uraprQnglich  das  'SchaT*),  wie  auch  med.  pttjut^-ha^nt^  *Schlferbund\  und 
j^asu^-hatta  'Schafpferch'  zeigt.  Es  ist  schon  gezeigt  *),  daJS  Veich  oü  Vieh 
^^  ßftrden'  leicht  in  den  Begriff  'reich'  iUiergeht.  Man  hfttte  deui  Aiv^ 
drack  *Vieb*  in  der  Sprache  der  Qathas  gins  Termeiden  dlkrf«iiL 

In  wamhäu  sieht  Bartholomae  dasselbe  Wort  wie  waikm  'gut*,  und 
übersetzt  daher  'Guthaben,  Lohn*,  was  den  Menschen  nach  Ahwignnf 
seiner  Taten  erwartet  (Sp.  1386);  mit  u9ääHi:  die  Einweisiing  auf  das  Gut* 
haben,  also  wanhih$  iMäiä  Qoc)  'bd  der  Yerteihmg  des  Gofliabens* 
(Sp.  1443).  Man  hätte  hier  eher  den  Genetiv  wtmkht^  erwartet,  wie  auch 
hei  JSm  wadhäu  (Sp.  1264).  Es  wttrde  dabei  die  VorsteUung  hensdien, 
daß  die  Seele  des  Verstorbnen  hingewiesen  werde  auf  das  Buch,  in 
welches  die  im  Leben  begangnen  Handlungen  eingetragen  sind,  und  nach 
deren  Abwägimgen  das  Maß  des  Lohnes  und  der  Strafe  bemessen  wird. 
Der  Ausdruck  *gut'  für  'Guthaben'  ist  doch  nur  ein  deutscher  Sprachge- 
brauch, und  'gut*  steht  hier  ziemlich  bedeutungslos  wie  etwa  in  gut-willig 
oder  Gut-achten,  während  der  Nachdruck  auf  Haben  (credit)  im  Gegensatz 
zum  Soll  (debet)  liegt.  Die  Oberlieferung  trennt  sehr  genau  zwischen  zwei 
Wörtern  wanhu^  von  denen  sie  das  eine  mit  wih  (gut,  np.  bih)^  der  Pah- 
lawiform  des  Wortes,  wiedergibt,  das  andre  aber  durch  wiJtäri^n,  in  der 
np.  Obersetzung  guzäri^n^  Entscheidung,  dijudicatio  (Neriosengh  ujaiH 
J.  31, 19,  wiwikti  J.  47, 6)  übersetzt;  der  np.  Ausdruck  Möm ^«c5ftfa»  "Schuld 
bezahlen'  bezeichnet  also  das  Gegenteil  von  der  wamhu  beigelegten  Be- 
deutung. Diese  Oberlieferung  muß  alt  und  richtig  sein,  wie  auch  Geldner 
(Grundriß  2,  52,  3)  betont;  sonst  würden  die  Obersetzer,  auf  eigne  Ver- 
mutung angewiesen,  sicherlich  hier  das  geläufige  Wort  für  'gut'  gefunden 
und  danach  interpretiert  haben.  Daß  die  Pahl.  Obers,  an  einer  andern 
Stelle  (J.  49,  8),  wo  Bartholomae  1264  ebenfalls  'Guthaben*  übersetzt,  nicht 
mJtari^y  sondern  pun  ^pirth  (spr.  pa  wehth)  'in  Gutheit*  wiedergibt, 
spricht  ebenfalls  zugunsten  der  Oberlieferung. 

Wenn  man  daher  mit  Berücksichtigung  dieser  Auffassung  übersetzt: 
"du  vdrst  bei  der  Entscheidung  (des  Gerichts,  im  Schlußurt^l)  die  Verteilung 

1)  Ganjeshäyagän,  Andarze  Ätrepät,  ed.  Peshutan  D.  B.  Sanjana 
p.  7,  §  iia 

2)  Schrader  Reallexikon  708. 

3)  Anzeiger  XVU,  122. 


Bartholomae  Die  Gatha^s  des  Awesta.  SB 

▼ollziehn*'  (J.  47,  6)  und  '*in  der  beim  Schlußurteil  (vollzognen)  Yerteihing 
(von  Lohn  und  Strafe)'*  J.  31, 19,  so  würde  noch  die  Aufgabe  bleiben,  die 
Bedeutung  "Entscheidung*  auch  etymologisch  zu  rechtfertigen,  was  ver> 
mutungsweise  versucht  sei:  nimmt  man  eine  Aphaerese  an,  die  freilich 
im  Modischen  nur  bei  ufajäi  (wehe)  neben  (uvöi,  äwöja  und  awoftät,  im 
Sanskrit  bei  wagaha  (nur  beim  Grammatiker  Wöpadewa,  Pet.  Wtb.)  neben 
mmagOha  (Baden),  watasa  neben  awatdsa  (Schmuckreif),  vielleicht  bei 
«MirtfAa,  med.  ufarOza  (Eber)  ^  sich  findet,  so  würde  waMu  für  awu^-nh-^ 
stehn  können,  indem  h  (hh)  die  Tiefstufe  von  hä,  skr.  «tf,  mit  dem  Affix  u 
wäre;  ein  ^awa-s-u  (gebildet  wie  apa-^fh-ü  widrig,  von  stha;  anu-^fh^ 
dabeistehend;  j-ü  (genet  jö-r  .  .  .  rdtha^a  des  fahrenden  Wagens,  von  jfL 
Rigw.  1,  74,  7);  wanar-g-ü  Waldgänger;  ddhH-g-u  unaufhaltsam  gehend, 
von  ga  {ganC) )  findet  sich  nicht,  wohl  aber  andre  Ableitungen  mit  der  Be- 
deutung von  wanhu:  ein  Prekativ  moasejäs  du  magst  entscheiden  (als 
Richter),  äiffo^^i-ta  [si  tiefstufig  für  s\  beendigt,  awa^d^a  Beschluß,  Ent" 
Scheidung,  atca-sä-na  Beschluß,  Ende,  dasselbe  wie  med.  atca-nha-na  Ab- 
schluß, Vollendung  (in  eschatologischem  Sinne,  J.  33,  5),  paHi-^ä-ßra  Ent- 
schließung (Bartholomae  836.  1866). 

Es  ist  fraglich,  ob  die  mit  wanhäu  verbundnen  Vorstellungen  von 
Schuld  und  Lohn,  wie  sie  Greldner,  Bartholomae,  Jackson  u.  a.  in  den 
Gathatexten  gefunden  haben,  als  sicher  anzusehen  sind.  Zunächst  ist  die 
Annahme  eines  Buches,  worin  die  guten  und  bösen  Taten  aufgezeichnet 


1)  Die  Ableitung  des  np.  guräztdan  von  skr.  wra^  und  iran.  *tpräzaii 
ist  unrichtig,  weil  dies  *rutpäj^dan  ergeben  würde;  auch  die  Ansetzung 
von  urwag,  Bartholomae  1636  ist  unrichtig,  weil  das  ^  des  indischen  wra^ 
nicht  für  g,  sondern  für  z  steht.  In  der  Stelle  J.  34,  13  bedeutet  urtod^f 
nicht  'er  wandelt',  sondern  'er  ist  froh,  er  befindet  sich  wohl  (auf  dem 
Weg)*.  Ferner  kann  man  guräztdan^  was  nicht  'gehen',  sondern  'einher- 
stolzieren' bedeutet,  nicht  trennen  von  gurOz,  Eber,  von  dem  es  ein 
Denominativum  ist  (etwa  wie  frz.  st  pavaner,  vom  Pfau).  Guräz  ist  der 
Name  eines  Helden  (Fird.  78,  293)  und  bedeutet  Held,  und  von  Guräzeh 
sagt  Firdusi  668,  874  gurOzeh  hijämad  ba  sän-i  guräz,  G.  kam  nach  Art 
(im  Gang)  des  Ebers;  von  Dancwart  heißt  es  Nibel.  1883  (1990):  'er  gie 
vor  sinen  vienden  alsam  ein  cbcrswin  ze  walde  tuet  vor  hunden* ;  kymrisch : 
•f  gwenü  adan  dwrch  trahauc  Adan  durchbohrte  den  stolzen  Eber  {ttareh, 
d.  h.  Helden ')).  Der  Eber  ist  durch  seinen  heldenhaften  Gang  ausgezeichnet, 
wie  es  im  altdeutschen  Gedicht  heißt:  "der  lieber  gat  in  ITtun,  er  tregit 
sper  in  situn,  sin  halt  eilen  ne  lazit  in  valiin"»),  und  nach  dem 
schnellen  leichten  Gang  des  tapfersten  Raubtieres  der  altdeutschen  Wälder 
ist  der  Heldenname  Wolfgang  gebildet,  np.  gurgdaw,  der  Gang  des  Wolfes. 
Der  np.  Anlaut  gu  ist  meist  aus  ir»  entstanden,  daß  er  auch  einem  alten 
wa  entsprechen  kann,  zeigt  eben  warOza,  skr.  loarahd.  Bartholomae  Sp.  1626 
verzeichnet  ein  Verbum  raz  gehen,  welches  mit  ir«  verbunden  von  Were- 
I>ra^na  gebraucht  wird,  der  Jt.  14,  15  in  der  Gestalt  des  Ebers  erscheint 
Dies  mag  das  Stammwort  von  waräza  sein,  im  Altindischen  gibt  es  kein 
roh,  doch  findet  sich  rähati  rinnen  lassen,  rdhaa  Schnelle,  Geschwindigkeit. 


1)  Y  Gododin  by  Aneurin,  ed.  by  John  W.  Ab  Ithel,  Vers  913. 

2)  Hofifmann  von  Fallersleben,  Fundgruben  1,  16;  vgl.  das  Rätsel 
41, 18  in  Grein's  Angelsächs.  Bibl.  2. 

Anxeiger  XVIII.  3 


84  Bartholomae  IHe  Gatha's  des  Awesta. 

sind,  für  die  Zeit  Zarathustras  und  der  Gathas  nicht  berechtigt,  denn  der 
Begriff  Buch,  selbst  wenn  man  eine  Anzahl  Pergamentrollen  darunter 
yerstehn  wollte,  war  damals  unbekannt,  da  noch  in  später  Zeit  die  baby- 
lonischen Bankhalter,  wie  man  weiß,  ihre  Handelsurkunden  auf  Backsteine 
ritzten;  vollends  würde  die  Annahme  einer  Ungeheuern  in  einer  himm- 
lischen Bank  deponierten  Tafel  mit  den  Namen  aller  Menschen  und 
Kolumnen  für  die  Eintragung  ihrer  Handlungen  eine  abenteuerliche  und 
mit  dem  verständigen  Sinn  der  Perser  unverträgliche  Vorstellung  sein, 
abgesehen  davon,  daß  weder  in  den  Gathas  noch  im  spätem  Awestä  kein 
Genius  als  himmlischer  Schreiber,  wie  der  babylonische  Nebo  oder  der 
ägyptische  Thoth  genannt  wird,  der  mit  einem  solchen  hochwichtigen 
Geschäft  betraut  gewesen  wäre.  Selbst  auf  der  Abbildung  des  Gerichts  im 
Totenbuch  der  schreibseligen  Ägypter  zeichnet  Thoth  nur  das  Ergebnis  der 
Abwägung  bei  einem  Verstorbnen  auf  ein  Täfelchen,  nicht  aber  wird  ein 
Buch  aufgeschlagen  wie  in  spätem  Zeiten  der  Religionsentwicklung,  wo 
von  einem  ßißXtov  rf^c  lw?\c  und  einem  defter-i  a^n%äl  die  Rede  ist.  So 
kann  auch  nicht  von  Eintragungen  oder  Posten  die  Rede  sein,  sondern 
das  betreffende  Wort  däfn-a  bedeutet  nicht  das  in  ein  Buch  Eingesetzte 
(von  <2ä,  skr.  dha) ;  es  gibt  im  Sanskrit  nur  ein  unbelegtes  dhätra^  Geföß, 
auch  keine  entsprechende  Form  in  verwandten  Sprachen;  selbst  skr.  dätrd 
ist  nicht  *Gabe*,  sondern  'Anteil,  Besitz*,  und  scheint  von  da,  djati^  schneiden, 
verteilen  (mit  Praeverbien)  zu  kommen.  Vielmehr  müssen  die  beiden  von 
Bartholomae  Sp.  732,  733  getrennten  dapra  ein  und  dasselbe  Wort  in  den 
Bedeutungen  'Gabe,  Lohn  (das  gegebne),  Abstattung'  sein.  Man  kommt 
aus  mit  der  einfachen  Vorstellung,  daß  beim  Gericht  an  der  'Brücke  des 
Scheiders'  [ttinwato  peretd)  untersucht  und  abgewogen  wird  von  dem  alles 
sehenden  Mithra,  Sraosclia  (dem  Gehorsam  gegen  den  göttlichen  Willen) 
und  Raschnu  (Gereclitigkeit),  ob  das  dem  Menschen  geliehene  Pfund  durch 
sittliche  Handlungen  als  zurückerstattet  betrachtet  werden  kann.  Der  Aus- 
druck i^ud  wird  in  der  Plil.  Cbers.  durch  aftlm,  np.  atram  (aram\  Nerios. 
j^a  Schuld,  wiedergegeben,  aber  der  Verbindung  i^udö  dadentf  J.  31,  U 
entspricht  np.  wäm  dadan,  welches  nur  'leihen'  (preter)  bedeutet,  was  der 
von  Bartholomae  gegebnen  Übersetzung  sehr  nahe  kommt:  die  Gottheit 
wird  als  Gläubiger  oder  Schuldfordrer  hingestellt,  welcher  ausleiht  iwäm 
dihed),  nämlicli  mancherlei  Gaben,  Verstand  und  Urteil  über  Bös  und  Gut, 
wofür  er  als  Gegengabe  die  Bekämpfung  des  Bösen  und  das  Wirken  für 
sein  Reich  fordert;  hierbei  ist  aber  von  Eintragen  in  ein  Buch  nicht  die 
Rede,  sondern  nur  von  der  Wirksamkeit  jener  drei  Genien  oder  göttlichen 
Kräfte,  die  vermöge  ihrer  Allwissenheit  und  Gerechtigkeit  keines  Buches 
bedürfen  und  in  gleichsam  mündlichem  Verfahren  Lohn  und  Strafe  ver- 
teilen. So  wäre  J.  81,  Li  zu  übersetzen:  "die  Verleihungen  (credit),  welche 
gegeben  werden  (von  Gott,  der  uns  mit  geistlichen  Gaben  ausstattet)  für 
die  Erstattungen  (debet,  die  erwarteten  Gegenleistungen)  von  Seiten  des 
Frommen  und  welche  (erwartet  werden)  von  seilen  der  Gottlosen  bei  dem 
Abschluß  (des  Urteils  gemäß  der  Abwägung),  o  Mazda  (frag  ich  dich),  wie 
die  sein  werden  (ob  sie  erreicht  oder  ausgeglichen  werden  von  den  Er- 
stattungen, der  diTobocic)";  d.  h.  welches  sind  die  von  Gott  verliehenen 
Gaben,  wofür  er  beim  Gericht  an  der  Brücke  sowohl  von  Frommen  wie 
von  Bösen  die  Erstattungen  oder  Gegenleistungen  erwartet.  Die  Antwort 
wird  in  den  folgenden  Strophen  gegeben,  die  Einsicht  und  das  Wissen 
um  göttliche  Dinge  und  die  Fähigkeit  dem  Übel  zu  widerstehen.    Die  Aus- 


Bartholomae  Die  Gatha's  des  AwesU.  36 

drücke  erinnern  an  die  in  der  Parabel  (Matth.  25, 14}  von  dem  Herrn,  der 
seinen  Dienern  6,  2  und  1  Talent  (bei  Luk.  19, 13. 15  Minen  oder  GeldX 
jedem  nach  seinem  Vermögen  gibt  und  nachher  den  inzwischen  damit 
erzielten  Gewinn  erfordert,  oder  in  dem  Gleichnis  Matth.  18,  23.  25.  26, 
wo  der  König  die  Schuld  (bdv€iav,  wie  med.  i^ud,  bdvoc  ausgeliehenes 
Geld)  zurückverlangt,  die  der  Knecht  nicht  zu  erstatten  (diroboOvai,  med. 
daßrem  para-dahijäf)  vermag.  Ferner  J.  34,  15  (Bartholomae  375):  "o 
Mazda,  die  besten  Lehren  und  Handlungen  sag  (bezeichne)  mir,  du  mit 
Wohumanö  und  Ascha  (dem  frommen  Siim  und  der  Gerechtigkeit:  die 
besten  Lehren  und  Taten  geschehen  durch  die  in  uns  wirkenden  Genien 
der  Frömmigkeit  und  RechtschafTenheit),  die  Verleihungen  (deines)  Preises 
(verleih  mir  die  Fähigkeit  für  tätige  Frömmigkeit,  womit  ich  die  von  dir 
geliehenen  Gaben  dir  zum  Preise  vergelten  kaim)".  So  würde  auch  die 
Stelle  Wend.  19,  27  (Bartholomae  738),  wo  die  Rede  ist  von  den  Erstatt- 
ungen (daßra^  np.  dareh  Sold,  Gehalt  für  Dienste)  den  Gegenleistungen, 
welche  beim  Gericht  abgewogen  werden  gegen  die  Ausleihungen  (i^udö), 
mit  denen  Gott  uns  zum  Kampf  gegen  das  Böse  gerüstet  hat,  wiederzu- 
geben sein  (mit  Ausschluß  der  Vorstellung  von  einem  Schuldbuch):  **wo 
geschehen  die  Ausgleichungen  (nach  deren  Ergebnis  die  Entscheidung, 
wmhu  ausgesprochen  wird),  wo  werden  sie  verglichen  (Bartholomae  849; 
nach  der  rezipierten  Lesart:  durchgeführt,  Bartholomae  851,  phl.  attgi- 
tünand  d.  i.  ratcand^  gehn  vor  sich),  wo  erledigt,  wo  zusammengebracht, 
die  der  Mensch  in  der  bekörperten  Welt  (im  irdischen  Leben)  für  seine 
Seele  (zu  deren  Heil)  erstattet  hat  (dirdbuJKc)?*'  Etymologisch  mit  däßra 
verwandt  sind  adä  und  ädäna,  die  sich  aber  in  der  Bedeutung  mehr  dem 
Begriff  von  mtj^a  Lohn,  nähern,  pahl.  mizd-p(Udahi^,  Bund.  75,  18,  np. 
muzd-padään,  Bartholomae  320.  321. 

J.  31, 19  bezieht  Bartholomae  auf  den  Propheten,  während  offenbar 
Ahura  Mazda  gemeint  ist.  '*Man  höre,  sagt  V.  18,  nicht  auf  des  Bösen 
Sprüche  und  Gebote,  sondern  (V.  19)  man  höre  (vielmehr  auf  den)  welcher 
erdacht  hat  (in  seiner  Weisheit  und  vorsehendem  Ratschluß  in  Wirkung 
treten  ließ,  wie  maiüä  in  jäm  Jtisftm  a^ä  manta  ahurö,  die  Weisheit,  welche 
Ahura  mit  der  Gerechtigkeit  ausgedacht  hat,  J.  51,  16,  wie  auch  J.  31,  7 
matUa  vom  schöpferischen  Erdenken  Gottes  steht;  auch  das  folgende 
ahümbifij  die  Welt  heilend,  genesen  machend  wie  ein  Arzt  (bof^aza)  ist 
ebenfalls  Gott,  siehe  die  Stelle  bei  B.  Wtb.  285;  die  'Zunge*  wird  J.  31,  3 
dem  Ahura  Mazda  zugeschrieben,  und  Z.  3  kann  nur  von  diesem  verstanden 
werden,  da  das  mazda  zu  dem  ahura  der  ersten  Zeile  gehört)  die  Gerechtig- 
keit, als  Weltheilender,  als  (all-)  wissender  —  (auf  dich)  o  Ahura,  der  du 
die  Macht  hast,  nach  deinem  Willen  wahrgesprochen  zu  machen  die  Worte 
deiner  Zunge,  nämlich  durch  dein  rotes  Feuer  (welches  am  Ende  alle 
Sünden  und  Schlacken  der  Erde  verzehren  wird),  o  Mazda,  bei  der  Ent- 
scheidung im  Verteilen  (von  Lohn  und  Strafe)  für  die  beiden  Streiter  (für 
das  Gute  oder  Böse  gekämpft  habenden)". 

J.  30  beginnt  mit  dem  Dogma  von  der  Teilung  der  Welt  in  die  beiden 
Reiche  des  guten  und  bösen  Geistes  und  von  der  jedem  Menschen  über- 
lassenen  Wahl,  welchem  von  beiden  er  angehören  will.  Nur  der  Unver- 
ständige, der  nicht  erkennt,  wie  es  seiner  Seele  zum  Heil  gereicht,  die 
Religion  des  Ahura  Mazda  zu  wählen,  verharrt  bei  dem  alten  Aberglauben, 
der  noch  den  Schutz  der  Kawi  und  Karapan  genießt,  obwohl  seine  Daewas 
(Götter)  sich  auf  die  Seite  des  Bösen  gestellt  haben.    Sodann  geht  der 

3* 


Prophi^t  über  auf  die  Verheißung  der  Seligkeit  für  dff  AahÄng*ir  des  Gmen 
und  die  Androhonjf  von  Strafen  für  dio  Gottlosen  in  der  andern  Welt  und 
»agi  in  Str  9,  daß  der  Fromme  dort  ««hauen  wird,  was  er  bi»r  nur  ^ 
flaiiH  hatte,  wie  os  an  ein^r  andern  Stelle  J.  28,  6  heißt:  *'waQti  werd* 
ich  dich,  o  Ascha.  schauen  und  Wohumanö  als  ein  Wissender  ?"  Bartho- 
lomae  interpretiert  die  Strophe  so,  daß  der  Dichter  nochmals  auf  dw 
in  den  sechs  ersten  Strophen  geschilderte  Wahl  znriickkomtnt,  die  doch 
im  Anfang  der  Welt  und  eines  jeden  Menschfnlehcns  statt^fünden  hat 
Es  muß  vielmehr  in  Str.  9  ebenfalls  ein  oschalologischer  Gedanke  Ads- 
drurk  finden,  wie  schon  das  dort  vorkommende  Wort  firtt^em  ktr^n^tm 
aküin  zeigt,  und  wit»  die  10.  Strophe  auf  ein  weiteres  Ereignis  vom  Weit- 
ende anspielt.  Er  übersetzt  also  die  letzten  Worte  der  Strophe:  ""aufdafi 
da  die  Gedanken  sich  sammeln,  wo  die  Einsicht  noch  schwankend  isr, 
aiwAkh  «t  vollen  akdi  die  Gedanken  der  einen  oder  andern  Fallet  T9^i 
wvndeft  mid  nidit  onantadiMeii  IMben.  VMiMlKr  dMte  imWmtmtam 
m^:  **al9o  mAch»  mO^ton  wir  wtk^  W6iobe  Um  W^  jimc  wmipIiwi  4^ 
Tirflending  der  Walt  vnd  das  ewiga  Leiiaft  kcgbeifüiran  lielfeii^  o  Ir 
Akara  Mastis  (d.i.  Omaad  xmä  <Ma  ttrigaa  litaii^MsiMii  Wsmmi)!  «bI 
(te)  oA8du^  dieilur^Vanaiiiiitofef*)l>eraft(rsriHttlal^ 
von  ans  waaämoMBtMImäii  sai,  wo  die  Waisbnt  w^aludl  isl  (dsisil  wir 
afie  in  Q^neinsdiafl  [oder  ftUr  ewig]  Meiben,  wo  «na  die  volttsoniaMM 
nwicht  in  die  föttiichMi  l^age  sateü  wird)**.  Oss  med.  iM^  isit  wäM 
die  Yenuuift  oder  der  Intellekt,  der  ^wlw»  Mftty  sondern  die  iNiMä, 
das  Verstftn^bEiis  rebgäteer  Dinge,  pld.  /Vajpiiwiil*,  np.  fkimmm§r,  was  ta 
•der  Spradie  der  Sdfii  die  ^a#ljN  oder  ^oUkOHuaene  Erkomlais  det  Ihki^ 
heil  nnd  die  Freiheit  von  weltlieher  UnvoUkommenheit  beseiclmet  Das 
med.  mofpa  wird  von  der  Oberliefenmg  and  in  den  bisherigen  Werken 
ftber  die  Oathas  mit  'wohnhaft*  übersetst"),  nnd  es  ist  nnnötig,  hiervon 
abzugehn;  maffa  'wohnhaft*  verhält  sich  zu  mafPama  'Wolmong*  wie 
hamara  Teind'  zu  ktmarana  "Schlacht*,  mipva  'gepaart*  zn  mipmma  Taar', 
iura  'sich  bewegend*  zn  ätre-iarana  'Feuergerät',  skr.  Jtarä  'gehend*  z« 

1)  amoJ€tsira  baranä,  ähnlich  hoM^mantm  fra-harata  Wand.  2, 20i 
Nach  einer  Glosse  der  Phl.  Übers,  bezieht  sich  der  Ausdruck  anf  die  Er- 
eignisse am  Ende  der  Welt,  wie  schon  Geldner  bemerkt  hat  und  aaeh 
Jivanji  J.  Modi,  Jamaspi  (Bombay  1903)  S.  42,  n.  11  annimmt,  s.B.  Wtb.1190 
alt.  Da  die  Versammlung  aller  Auferstandenen  zum  Gericht  einen  großen 
Raum  einnehmen  muß,  so  hat  man  ihre  Benennung  SmUpätitran  (Bund.  73, 8) 
mit  '100  Weiden  groß'  erklärt,  wofür  man  sich  auf  die  eddische  100  Rasten 
breite  und  lange  Ebne  Wigridr  (Waft>rudnismäl  18)  berufen  könnte,  anf 
welcher  die  Götter  mit  Surtr  kämpfen;  eine  andere  Erklärung,  auf  die 
auch  B.  Wtb.  372  hinweist,  sieht  hier  den  Namen  Isatwästras,  des  Sohnes 
Zarathustras,  s.  Söderblom  La  vie  future  264.  Wahrscheinlich  aber  ist 
Saiwcutrün  eine  irrtümliche  Lesung  des  medischen  amojtutra :  in  der  Pab- 
lawischrift  gleicht  ^  dem  tf,  und  es  werden  beide  Zeichen  oft  verwechselt, 
und  das  t  kann  der  Verbindung  mo  sehr  ähnhch  werden ;  auch  der  Rest 
der  Zeichen  läßt  sich  in  Einklang  bringen,  besonders  wenn  man  noch  die 
Wahrscheinlichkeit  einer  Umdeutung  des  nur  einmal  vorkommenden  Nameni 
in  Anschlag  bringt. 

2)  Mills  The  Gäthas  of  Zarath.  Leipz.  1900,  S.45:  where  wisdea 
lives  in  her  home. 


Bartholomae  Die  Gatha*s  des  Awesta.  37 

idraißa  *Faß',  ^awa  'tönend'  zu  ärdwa^  *Ohr\  sawä  'anregend*  zu  sd- 
wana  'Antreiben*.  So  hei^t  es  auch  J.  31, 12 :  "Ärma^ti,  wo  sie  wohnhaft, 
mafßiL,  ist** ;  J.  46, 16  "wo  Ärma^ti  mit  Ascha  vereint  ist,  haJtaHi;  ferner  J.  34, 6 
"^dann  mir  das  Zeichen  gebet  (oder:  sei  gegeben)  samt  (mit)  jedem  Be- 
wohner (mafpa)  dieser  Welt'*,  zerstreuet  die  Zweifel  und  erleuchtet  mich 
und  alle  Menschen  und  gebt  uns  zu  wissen,  wie  man  euch  würdig  ver- 
ehre. J.  33,  9 :  "möge  man  den  Geist,  o  Mazda,  deiner  beiden  die  Heilig- 
keit mehrenden  Gefährten  (Haurwatät  und  Ameretät)  samt  dem  Glanz, 
welcher  wohnt  (verbunden  ist)  mit  dem  Glück,  durch  (Beistand  des)  besten 
Sinnes  (Wohumanö)  bringen  —  eine  Hilfe  für  die  beiden  ist  verbürgt  (das 
wird  eine  Unterstützung  sein  für  die)  deren  Seelen  verbunden  sind  (heh 
Jta^tUf,  wie  haitaHt  J.  46,  16  synonym  mit  ma^pa)  *).  Die  beiden  sind  Fra- 
faostra  und  G'ämäspa,  und  der  Sinn  der  Strophe  ist:  es  möge  der  Geist 
der  beiden  Amschaspand,  welche  Wohlfahrt  und  Unsterblichkeit  verleihen 
{hu^itqjö  J.  33, 10),  die  Wirksamkeit  der  beiden  Männer  begleiten,  die  im 
Kreise  WistAspas  für  die  Annahme  und  den  Schutz  der  Religion  wirken. 
Das  med.  maja  in  Z.  2,  welches  auch  sonst  mit  wanhfu^  mananhö  ver- 
bunden erscheint  (s.B.  1141. 1169),  findet  sich  auch  Jt.  22, 16  in  mäjawaHibjaa, 
von  den  glücklichen  mit  Tieren  und  Vögebi  bevölkerten  irdischen  Stätten. 
Die  Bedeutung  'des  Schwankens',  welche  Bartholomae  dem  Worte 
gegeben  hat,  kommt  der  Wurzel  miß  nicht  zu,  aus  der  vielmehr  nur  Aus- 
drücke der  Verbindung  und  des  Paarweisen,  des  Wechsels  mit  einander 
entspringen.  Auch  die  von  Bartholomae  1106  angeführte  Wedastelle  nd 
müheti  nd  tasthatu:  (Rigw.  1, 113, 3)  bedeutet  nicht  'die  beiden  schwanken', 
sondern  'sie  begegnen  sich  nicht  (treffen  nicht  aufeinander),  sie  stehen 
nicht  stille',  vom  Morgen-  und  Abendrot,  die  dieselbe  Bahn  wandeln  und 
sich  nicht  wie  der  Mond  und  die  Nakschatra,  und  die  Sonne  und  die 
Tierkreisbilder  begegnen.  Die  Verteilung  einer  Reihe  lautlich  ähnlicher 
Wörter  auf  verschiedene  Wurzeln  (Basen)  im  altir.  Wtb.  1105 — 1107  scheint 
noch  der  Berichtigung  zu  bedürfen.  Erstens  die  Wurzel  müh  (Bartholomae 
w%aH)  bedeutet  1.  paarweise  verbinden,  sich  zugesellen :  daher  ma^pmanem 
sich  paaren,  Bartholomae  1107 ;  mißvana  gepaart,  mißra  Vertrag,  Geselle, 
Freund,  skr.  mitrd  {t  für  th  vor  r),  und  altp.  ha-mißrija  (Bartholomae  1777) 
abtrünnig,  aufrührerisch,  gebildet  wie  ha-zaa^ja,  ha-zaa^  gleichen  Willens, 
Bartholomae  1796;  das  Wort  ist  gebildet  wie  cOv-opKoc,  cuv-di^oToc,  got. 
fi/^-ot/b'a*' (Verbündete,  Verschworene,  Nehem.  6,' 18  für  ehr.  ba^^ali  ^ebW-ah), 
2.  Zusammenstoßen,  Zusammenkommen  a)  in  gutem  Sinne,  mjastra  Ge- 
sellschaft, amOjastra  Versammlung  (s.  oben),  welches  Bartholomae  1190 
mit  skr.  med/n  Verbündeter,  zusammenstellt;  dieser  indischen  Nebenform 
der  Wurzel,  tnid  bedarf  es  nicht,  weil  mjastra  sich  ebenso  aus  mith  ab- 
leiten läßt,  und  htttnid-paHi,  nach  Bartholomae  1777  'Herr  der  Gelehrten- 
genossenschaft'*), nach  der  Oberlieferung  aber  'Möbed  (*ma^paHi)\  gar 
nicht  midy  sondern  deutlich  skr.  sam-idh  Brennholz,  enthält,  also  urspriUig- 
lich  den  Priester  bezeichnet,  welcher  für  geeignetes  und  trockenes  Holz 
zum  heiligen  Feuer  zu  sorgen  hatte  ^).    Auch  der  neben  hamidpaiU  dem 


1)  Auch  von  Geldner  übersetzt  in  BB.  16,  250. 

2)  Titel  des  Manthrawäka,  über  welchen  s.  Marquart  Untersuch,  z. 
Gesch.  V.  Eran  2,  17. 

8)  Der  Ätrewahs,  s.  Spiegel  Awesta  übers.  2,  17  und  vgl.  Wend. 
14,  2.  18,  71. 


Manthrawüka  (wie  es  scheint  einem  eifrigen  Gegner  der  Aschemaoghas 
oder  Ketzer)  gegebne  Titel  ttfprapaUi^  phL  h^pat,  in  Piaendschrifleo  ^) 
dürrh  möbttdätt  m^bad  erläutert,  wird  iwar  'Herr  der  Lehre'  (Nerioa. 
a^ärjMhipatf)  übersetzt,  da  er  die  Ausbildung  der  jungen  Priester  leitet, 
bedeutet  aber  ursprünglich  'Herr  des  Feuers^  von  *nfpm,  np.  für,  Feuer 
{a^pta  I^hre,  gibt  es  nicht)  wie  denn  Hirbad  in  Äl-Q»owÄrazmis  Mafätih 
al-'olüm  38t  7  durch  a^  an-türän,  116,  IL  12  dureb  ^dim  annar  Teuer- 
diener*  erklärt  wird;  fff^rtj«  Schüler,  phl  Aatt?i>f,  ist  erst  von  afpra-paili 
in  der  späteren  Bedeutung  abgeleitet,  wobei  das  zweite  Wort  dieses  Com- 
posilums  unterdrückt  wird,  b)  Alis  Nebenbuhler  oder  Feind,  daher  fc<iww!«rar, 
Widerpart,  Opposition,  Nerios,  pro/ipo^^u;  nicht  TJnterdrücker,  der  einen 
au  Boden  wirfl\  von  dem  Sp,  1105  angeführten  ftUifd^  nhd.  schm^iwen. 
Dagegen  scheint  kamista  und  hamisti  Sp*  1105,  177H,  welches  die  Pehl, 
Obers.  gteichfaLls  mit  hamesfüt^  überselzit,  in  der  Tat  zu  diesem  mafd  zu 
geboren.  3.  Sich  nahen,  einem  Orte,  daher  weilen,  wohnen^  Fehl.  Obers, 
vmlHtan,  müni^n;  die  Verbal  Tormen  ver^ei ebnet  Bartholomae  UOö  unter 
maft.  Zu  ihnen  kommt  paHi-mipnäHi  sagt  ab,  kehrt  sich  ab  (bei  Bartholomae 
unter  mafp),  die  durch  Vortritt  \OTi  pa^ti  bewirkte  gegenteilige  Bedeutung^ 
dann  auch  'bereut*,  ahnlich  wie  von  Ha,  a^bit^  gegangen,  das  Gegenteil 
pa'tita  rückgängig  gemacht,  Reue,  Palel  bedeutet').  Hierher  gehört  auch 
das  unthematische  Präteritum  (Aorist)  hfm^^-w^M,  AhuramazdÄ  wohnt 
zusammen  mit  ihnen,  Fehl.  Übers,  kutarunand,  spr  mänand,  Nerioa. 
Htii'fi^toHti  (auf  die  frommen  Türa  bezogen),  bei  Bartholomao  1106  durch 
'zulassen'  übersetzt^  aber  von  mafß  beranbenj  abgeleitet.  4.  Sich  im  Geist 
nAhern,  an  etwas  denken,  wie  skr,  manas  oder  Jtinidm  junakti  er  ver- 
bindet den  Geist  mit  etwas,  denkt;  ajar€  OmipnäHi  (Barthoiomae  unter 
wMfP)  an  den  Tag  er  denkt,  pehl.  miHut^  Nerios.  kintajaU^),  ganz  wie  skr. 
diufoaam  ji^S^a  Petersb.  Wtb.  6,  163.  6.  Verändern,  verfälschen,  Yon  der 
Bedeutung  *wechseln*  ausgehend,  wie  sich  die  gleiche  Bedeutungsfolge  im 
Got.  inmaideina  das  Abwechseln  der  Namen,  in  der  Skeirein,  inmaidjam 
verwandeln,  inmaidida  sik  ^€T€^op9d>6ii  Mark.  9,  2,  und  maidjtmiana 
verfälschende,  KairiiXcdovTcc.  Dahin  gehört  mipd  falsch,  nUpao^ta  und 
andere  Sp.  1182  angeführte  Wörter. 

Zweitens  die  Wurzel  mip  berauben,  lat.  mitto,  welche  ganz  andere 
Formen  als  das  erste  mip  bildet,  ist  unter  ma^p  belegt  mit  möipaf  und 
k^m)'mipjat. 

J.  46,  16  lautet:  'Traschaostra  Hwögwa,  dahin  geh  mit  den  Recht- 
schaffenen (Getreuen),  denen  wir  beide  (nämlich  Fraschaostra  und  der 
Str.  17  genannte  G'ämäspa)  Heil  (zu  sein)  wünschen  (d.  h.  laßt  uns  zu 
unserm  und  der  Gläubigen  Heil  vor  die_  Gottheit  und  ihre  Engel  treten 
und  uns  dahin  im  Geist  versetzen),  wo  ÄrmaUi,  die  fromme  Ergebenheit, 
mit  Ascha,  der  Gerechtigkeit,  vereinigt  ist,  wo  des  Wohumanö,  des  guten 
Sinnes,  Wünsche  sind  mit  Chschathra,  der  Herrschermacht  (wo  diese 
beiden  so  gesellt  sind,  daß  die  Macht  mit  der  Güte  verbunden,  die  Güte 
stets  machtvoll  ist),  wo  Ahuramazdä  das  Wunschhaus  (Paradies)  bewohnt**. 
Barthoiomae  faßt  tparedemdm  als  Infinitiv  auf  und  übersetzt:  '%im  es  (das 
Reich)  zu  vermehren" ;  indessen  ist  nicht  eigentlich  vom  Reich  Gottes,  sondern 

1)  AogemadaeKa  ed.  Geiger  §  59. 

2)  Geiger  ZDMG.  34,  420.  Barth.  Wtb.  829. 

3)  Aogemada^Ma  ed.  Geiger  §  53. 


Bartholomae  Die  Gatha's  des  Awesta.  39 

von  Chschathra  und  den  anderen  Amschaspands  die  Rede,  außer  Haurwatät 
und  Ameretät,  die  oft  abgesondert  von  den  übrigen  genannt  sind  als 
Genien,  die  der  vemunfllosen  Natur  vorstehen.  Daher  iltbersetzt  zwar 
auch  Geldner:  '*wo  Ahuramazda  thront  in  seiner  Herrlichkeit**,  indem  er 
skr.  teardhman,  dessen  Bedeutung  freilich  in  einer  ganz  anderen  Richtung 
liegt,  herbeizieht,  Mills  dagegen  "in  his  chosen  home",  ähnlich  Coyajee, 
Spirit  of  the  Gathas  23:  *'where  Mazda  in  his  most  honoured  home  abides**, 
im  Anschluß  an  die  Überlieferung.  Der  Stamm  detna  findet  sich  in  diesem 
Liede  selbst,  Vers  14  (ha^emöi  in  derselben  Wohnung).  Das  Zeitwort  ^ 
wohnen,  hat  meist  den  Lokativ,  aber  auch  wie  hier  den  Akkusativ  neben 
sich.  Das  Compositum  hat  weibliche  Form;  untre  Wunsch  ist  dasselbe 
Wort  wie  in  ware-f^wa^);  die  Wohnung  der  Wünsche  ist  der  LicHthimmel, 
wo  alle  Wünsche  erfüllt  sind,  das  Paradies '),  welches  auch  garo  demäna 
die  Wohnung  der  Lieder  (der  Musik)  heißt. 

Zum  Schluß  sei  noch  eines  in  den  Gathas  mehrmals  erwähnten  gesell- 
schaftlichen Verhältnisses  gedacht,  welches  durch  Bartholomaes  Inter- 
pretation eine  andre  als  die  überlieferte  Auffassung  erfährt.  Gerade  in 
solchen  Dingen  wie  die  staatliche  Ordnung,  die  Jahrhunderte  lang,  bei 
den  nomadischen  Stämmen  noch  bis  heute  sich  erhalten  hat,  ist  es  mißlich, 
mit  Hilfe  von  Etymologien  eigne  Meinungen  aufzustellen.  Die  bisher  als 
richtig  betrachtete  Auffassung  ist  die,  daß  es  sowohl  eine  gesellschaftliche, 
wie  eine  Standeseinteilung  gibt:  die  erstere  nennt  a)  die  Verwandten, 
also  die  Familie  ohne  Unterschied  des  Berufs,  t*^aftUy  wovon  der  Ausdruck 
i^a^wadapa  'Verwandtenheirat'  abgeleitet  ist,  der  natürlich  von  priester- 
lichen, adlichen  und  bürgerlichen  Familien  gilt,  b)  die  bürgerliche  Ge- 
meinde, werezena,  die  Bürgerschaft  oder  Civitas,  altp.  tcardana  (Stadt), 
wie  Bartholomae  sachlich  und  sprachlich  richtig  bemerkt;  Städte  im 
Sinne  der  Griechen  wurden  in  Iran  erst  nach  Alexander  angelegt,  und 
die  Verteidigung  größerer  Wohnorte  geschah  durch  die  naheliegende  Burg 
oder  Feste;  c)  die  dienenden  Personen,  die  Dienerschaft,  a*rjaman\  diese  Be- 
deutung steht  ganz  fest,  sowohl  durch  das  Zend  und  Päzend  des  Awestä,  wie 
durch  die  übrige  Pahlawiliteratur,  wie  es  z.  B.  im  Dinkart')  heißt:  "er  ist  der 
Herr  (oAi?),  nicht  der  Diener  {airman)\  im  Persischen  ist  trmän  eine  Person, 
die  ohne  Erlaubnis  (Einladung)  in  das  Haus  eines  andern  tritt  %  also  der 
Familie  und  der  Gemeinde  nicht  angehörige,aberGastfreundschaft  genießende. 
Gegenüber  diesen  drei  Gesellschaftsklassen  gibt  es  vier  Berufstände  oder 
Kasten,  pi^ra:  Priester  {apa^wan)y  Adel  oder  Krieger  [raßof^ar,  eigentl. 
Wagenkämpfer),  Landbauende  (wOstrija)  und  Künstler  und  Handwerker 
QiüHi)  J.  19, 17.  Bei  Firdüsi  sind  diese  Namen  sehr  verderbt  überliefert  •). 
Daß  von  diesen  vier  nur  der  dritte  Stand  in  den  Gathas  genannt  wird, 
ist  Zufall,  zumal  die  Namen  der  beiden  ersten  in  die  arische  Urzeit  zu- 
rückreichen (skr.  ätharwan  und  rathe^fhä).  Bartholomae  will  ^aftu  als 
Gathaausdruck  für  den  Adel,  airjaman  für  den  Priester  oder  Sodale  (wie 
er  sich  wohl  nach  dem  im  Petersb.  Wtb.  gebrauchten  sodalis  ausdrückt) 
ansehn.  Dieser  Ausdruck  steht  immer  an  dritter  Stelle,  eine  Zurückhaltung, 

1)  S.  Anzeiger  17,  122. 

2)  mines  Wunsches paradts  von  einer  schönen  Frau,  Grimm  Myth.  126  ff. 

3)  The  Dinkard  by  Peshotun  D.  Behr.  Sunjana  HI,  p.  150,  7. 

4)  Vullers,  Lex.  pers.  lat.  s.  v. 
6)  Iran.  Namenb.  XVI. 


ManBion  Les  Gultwrales  grecques. 

welche  dieser  Stand  sonst  auf  Erden  nicht  bewiesen  hat.  Es  düri^e  daher 
bei  der  schon  längst  von  Spiegel  ^)  überzeugend  festgealelUen  Auflassm^ 
sein  Bewenden  haben. 

Ferd,  Justi.  ^ 

Manaion  J.  Les  Gutturales  grecques.  Gaud  Librairtc  Vuylsteke  1904. 
(Universit^  de  Gand.  Recueil  de  travaux  publi^s  par  la  Facuh*  d« 
Philosophie  et  lettrea.    29"  fascicule.)    VI!  U.  338  S. 

Der  Schwerpunkt  des  Bucbea  liegjt  im  3.  Teil.  S.  79— 26*^  in  welchem 
das  elymologiflche  Material  zusammengestellt  wird,  das  ftir  die  GeschicMe 
der  Gutturale  im  Griechischen  in  Betracht  kommt:  es  ist  in  vier  Ab- 
Bchnitten  (Palatale»  Velare,  Labiovelarp,  GuUurale  unbestimmten  Charakters) 
jeweils  nach  der  Stellung  im  An-  oder  Inlaut  bezw.  vor  Vokalen,  Ronso-  » 
nanten  und  Halbvokalen  geordnet.  Der  Verra$ser  hat  mit  großem  FleLA  fj 
^e  sprachwiaseiisdiafUielie  Literfttvr,  Bewmdti»  die  Z/ml^BdmttBUt  dmdi- 
ttmstort  und  ausgesogen;  wss  ihm  swdfirihaft  sduen,  bat  er 
gemaeht,  und  das  ist  nichl  wenig.  Er  IrfUte  jedodb  in  der 
seiner  Zweifel  oft  nodi  weiter  gehen  dUrfen,  denn  stariw  ZweiM  ter- 
üeaen  s.  B.  die  Ar  icoipöc  (S.  96),  ^kKi[  (ß.  148),  Kpfim  (S.  IM)  ud 
TfMiiicrnc  (S.200)  angegd»enenBtymotogien.  ibidererseits  ist  er  za  aite|rtisA 
gegenüber  Gleichungen  wie  «dvoßoc  «t  bmHf^  (S.  150)  oder  «op^ö^ 
ai.  JmrbkmW  (S.  2S7),  od«  wenn  er  mH  &pilsa  Xihcoc  got  tM^  fer- 
wirft  (S.  66,  168).  MÜision  ist  nicht  darauf  angegangen,  i»  Elpnologien 
SU  vermehren,  aber  was  er  gelegentlich  beisteuert,  Ilfil  «idb  b8M; 
Gleichungen  wie  cdXmTi  lit.  &mäjpU  Ws.  Isg^  (^  190)  und  dfmm 
Ut.  9züpii  Wz.  ta^ap-  (S.  120)  oder  cirardTTnc  lat  9fumma  (S.  916)  änd 
Ton  Interesse,  weil  sie  das  Material  für  einige  seltene  Konscmanten- 
gruppen  vermehren.  Daß  dem  Verfasser  einiges  entgangen  ist,  redme 
ich  ihm  nicht  schlimm  an.  Was  die  Anordnung  des  Stoffes  betrifft,  so  mag 
auf  ein  an  sich  bedeutungsloses  Versehen  hingewiesen  werden :  wie  kommt 
der  Verfasser  dazu,  die  Formen  dir^T^Ka*  dir^pporra  Hes.  und  Tkuto*  dldpcro 
Hes.  (S.  168)  für  die  Stellung  vor  Nasalis  sonans  in  Anspruch  zu  nehmen? 

Eine  kurze  Geschichte  des  Problems  der  Ü^Laute,  worin  die  Dar- 
stellung Bechtels  bis  auf  die  jüngste  Gegenwart  fortgeführt  wird,  bildet 
den  1.  Teil  des  Buches.  Mansion  nimmt  mit  der  Mehrheit  der  Forscher 
die  Existenz  dreier  ib-Reihen  an ;  gegenüber  der  Hypothese  Pedersens, 
daß  das  Albanesische  die  3  Reihen  differenziert  zeige,  hätte  sich  der 
Verfasser  etwas  skeptischer  ausdrücken  dürfen,  da  die  Sache  keineswegs 
so  sicher  ist,  wie  Mansion  in  Anlehnung  an  Pedersen  glaubt. 

Bei  der  Erörterung  der  griechischen  Lautverhältnisse  (2.  Teil)  spidt 
eine  wichtige  Rolle  die  Frage,  in  welchem  Umfang  eine  Delabialisienmg 
ursprünglicher  Labiovelare  stattgefunden  habe  (S.  49 ff-);  der  Verfasser 
prüft  vor  allem  die  Wirkung  eines  benachbarten  «-Lautes  und  kommt 
zum  folgenden  Schluß:  1.  a)  Vorhergehendes  u  hob  die  Labialisierung 
auf,  wenn  es  sich  um  indogerm.  u  handelte ;  dafür  spricht  eine  Etymologie 
wie  Oypöc  lat.  uvidus;  man  muß  dann  allerdings  eine  Gleichung  wie 
ößpic  =  ai.  ugra-  streichen,  b)  Vorhergehendes  sekundäres  v  soll  diese 
Wirkung  nicht  gehabt  haben ;  aber  wariyn  eigentlich  der  Verfasser  diese 
Wirkung  in  Fällen  wie  XOkoc,  vOS  bezweifelt,  ist  mir  nicht  recht  klar 

1)  Ztschr.  DMG.  17,  69.  Kommentar  2,  256. 


Mansion  Les  Gotturales  grecques.  —  AodoUent  Defixionum  tabellae  etc.    41 

geworden.  2.  a)  Vor  einem  orsprünglichen  (idg.)  u  tritt  keine  Delabiali- 
siernng  ein,  wohl  aber  b)  vor  einem  sekundAr  entstandenen  u.  Was 
a)  betrifft,  so  hält  der  Verfasser  nur  dirui  und  verwandte  Formen  fOr 
einen  'absolut  sichern*  Beleg  des  Lautwandels,  während  er  ^ox^^c  lat 
Ums  von  ikaippoc  trennt.  Aber  gerade  bei  dmii  usw.  liegt  die  Möglich- 
keit analogischer  Umbildung  so  nahe,  und  die  übrigen  Fälle  sind  so 
vieldeutig,  daß  es  schwierig  ist,  daraus  ein  unanfechtbares  Lautgesetz 
zu  gewinnen;  vor  allem  wird  man  Fälle  mit  Sonderbedingungen  auszu- 
scheiden haben,  wie  z.  B.  fOm],  wo  der  Labial  der  zweiten  Silbe  Dis- 
similation in  der  ersten  Silbe  hervorgerufen  haben  mag;  daß  man  mit 
solchen  Sonderverhältnissen  zu  rechnen  hat,  nimmt  Mansion  in  anderm 
Zusammenhang  selbst  an,  wobei  er  Solmsen  folgt  (s.  S.  69  ff.).  Im  übrigen 
halte  ich  es  aber  immerhin  für  wahrscheinlich,  daß  ursprüngliches  u 
Delabial isiemng  bewirkte,  wenn  sogar  sekundär  entstandenes  u  nach  b) 
diese  Wirkung  hatte;  dann  darf  man  getrost  ikax<)C  mit  ursprünglichem 
Labiovelar  ansetzen  und  es  bei  4Xa<pp6c  und  Verwandten  lassen. 

Bei  der  Feststellung  der  lautgesetzlichen  Verhältnisse  hat  der  Ver- 
fasser nicht  genügend  berücksichtigt,  daß  seltene  Glossen,  auch  wenn 
sie  etymologisch  richtig  gedeutet  sind,  doch  nur  dann  zur  Aufhellung 
dienen  können,  wenn  ihr  Ursprungsgebiet  bekannt  ist ;  Hesychglossen  wie 
XdXic  oder  <paXiKp6v  'ungemischter  Wein'  bedeuten  für  die  Aufstellung 
eines  Lautgesetzes  wenig,  solange  wir  nicht  wissen,  welchem  Dialekt 
sie  angehören,  und  ebensowenig  läßt  sich  z.  6.  mit  einer  Glosse  wie 
dmvaTMoc  *  tivotmöc  etwas  anfangen,  obwohl  man  an  thessal.  idc  denken 
könnte.  Aber  notwendig  ist  diese  Beziehung  nicht:  ich  möchte  darauf 
aufmerksam  machen,  daß  das  Tsakonische  älteres  ti  in  ki  verwandelt 
hat  (z.  B.  leimü  =s  n^iB),  und  es  ist  sehr  wohl  möglich,  daß  dieser  Laut- 
wandel bereits  der  jüngsten,  den  alten  Grammatikern  schon  bekannten 
Entwicklung  des  Lakonischen  angehört  hat;  wenn  also  etwa  das  ge- 
nannte dtavoTMoc  in  dieser  Richtung  zu  erklären  ist,  dann  hat  es  mit  der 
Gutturalfrage  nichts  zu  schaffen  oder  gehört  in  das  Kapitel  der  'Questions 
dialectales*  wie  arkad.  de  u.  dgl.,  worüber  der  Verfasser  S.  67  ff.  handelt. 
Die  Schwierigkeiten,  welche  freilich  Formen  wie  ark.  c(c  neben  t(c  und 
thess.  Kic  bieten,  hat  Mansion  nicht  besser  zu  heben  vermocht  als  dies 
bisher  der  Fall  war;  denn  was  er  zur  Erklärung  vorschlägt,  sind  nur 
vage  Vermutungen.  Auch  anderer  Probleme  ist  Mansion  nicht  Herr  ge- 
worden :  ich  erinnere  an  die  Vertretung  der  Labiovelare  durch  it,  ß  statt 
T,  b  vor  hellen  Vokalen  (dir^a,  6cit€toc,  ßioc,  6q>\c  S.  217,  219f.,  226f., 
235),  über  die  der  Verfasser  nichts  neues  zu  sagen  weiß.  Aber  trotzdem 
soll  ihm  nicht  die  Anerkennung  versagt  werden,  daß  er  durch  seine 
fleißige  Materialsammlung  und  die  übersichtliche  Darstellung  der  Probleme 
die  Bearbeitung  derselben  gefördert  hat. 

Marburg.  Albert  Thumb. 

AudoUent  A.  Defixionum  tabellae  quotqnot  innotuerunt  tam  in  graecis 
Orientis  quam  in  totius  Occidentis  partibus  praeter  Atticas  in  Gorpore 
Inscriptionum  Atticaram  editas  collegit  digessit  commentario  instruxit 
A.  A.   Pariser  These.   Paris  Fontemoine  1904.   CXXVlll  u.  568  S. 

Die  305  Nummern  an  Verwünschungsinschriften,  welche  A.  in  der 
vorliegenden  Sammlung  vereinigt,  bilden  eine  wichtige  Ergänzung  zu  dem 
Appendix  des  attischen  Inschriftenwerks,  in  welchem  Wünsch  die  attischen 


FluchlaMn  lierausgefreben  hat  Das  Material  ist  vom  Herausgeber  aos 
den  verschiedensten  Quellen  z  usaiu  menge  tragen  worden  ^  einiges  auch  von 
ihm  selbst  zum  erstenmal  verÖtTentlicht,  und  wir  finden  in  dieser  Samra- 
Inng  nicht  nar  griechische  und  lateinische  Texte^  die  natürlich  die  Haupt- 
masse bilden,  darunter  die  schon  von  Wi^nscb  besonders  bearbeiteten 
SeÜiiani sehen  Fluchtafelnj  sondern  auch  solche  in  oskischer  (Nr.  192  flX 
etraskischer  (Nr.  12+  ff.),  keltischer  (Nr,  107),  iberischer  (Nr,  121)  und  pu- 
nischer  (Nr.  213)  Sprache;  warum  der  Verfasser  im  letzten  Falle  nur  die 
Übersetzung  und  nicht  den  Urtext  mitteilt,  ist  mir  nicht  klar.  Daß  tn  den 
Dicht  griechisch  oder  lateinisch  geschriebenen  Texten  noch  vieles  sehr 
dunkel  ist^  versteht  sich  von  selbst,  da  ja  auch  die  griechischen  und 
iateimscheu  Texte  noch  genug  Rätsel  bieten.  Läßt  sich  doch  bei  Nr.  113 
iauf^  der  Provirtcia  Narhonensis)  nicht  einmal  sagten,  ob  der  Text  keltisch 
'oder  lateiniseh  ist 

Man  begegnet  in  der  Sammlung  mandien  gnten  Bekannten,  ao  der 
Daenosinschrift  (Nr.  1S6),  Dialektinsduiften  aas  Kn^  tei  alten 

Bleitftfelchen  ans  Styra  (Nr.  80).  Da  die  Bibliogri^e  Hber  die  elnaefaien 
Inschriften  immer  sorgsam  Terzeichnet  ist,  so  Terstehe  ich  ni^,  ans 
welchem  Grande  der  Verfasser  bei  der  Doenosinschrift  nor  auf  Ckmway 
▼erweist  und  auf  die  Mitteilang  der  Terschiedenen  Dentongsr^siiclie  ver- 
sichtei  Wie  weit  die  Sammlong  irollstAndig  ist,  ▼«rmag  ich  nicht  m  be- 
urteilen; doch  Termisse  ich  Hom<^e  Bnll.  de  corr.  hell.  25»  41iff.  (ans 
Amorgos). 

Die  Texte  sind  fEtr  Kultur-  und  Sprachgeschichte  gleich  wichtig. 
In  volkskundlicher  Beziehung  ist  zunächst  die  örtliche  und  zeitliche  Ver- 
teilung dieser  eigenartigen  Inschriften  interessant  Von  486  Bleitifelchen 
ans  Styra  abgesehen,  kommen  91  Nummern  auf  Nordafrika  (mit  Ausschluß 
Ägyptens),  20  auf  Gypern,  81  auf  ganz  Italien,  nur  14  auf  die  Balkan- 
halbinsel, d.  h.  auf  das  Festland  außer  Attika  (vgl.  die  Einleitung  S.  GVII  f.); 
femer  ist  zu  bemerken,  daß  von  den  306  Nummern  163  in  griechischer 
Sprache,  79  in  lateinischer,  31  in  einer  Art  griechisch-lateinischen  Misch- 
dialekts abgefaßt  sind  (S.  CIX),  während  man  andererseits  nicht  überrascht 
ist,  daß  die  Mehrzahl  dieser  Texte  dem  sinkenden  Altertum  angehört 
(S.  CXVII).  Dem  Folkloristen,  der  dem  Zusammenhang  alten  und  modernen 
Aberglaubens  nachspürt,  hat  der  Herausgeber  vorgearbeitet,  indem  er  die 
wichtigsten  volkskundlichen  Ergebnisse  (so  z.  B.  über  die  angerufenen 
Dämonen)  zusammenstellte  und  antike  Schriftstellererzeugnisse  f&r  die 
Sitte  der  Verwünschung  sammelte  (S.  CXVII— CXXIV).  Freilich  die  paar 
Zeugnisse  über  die  Sitte  der  Verwünschung  in  neuerer  Zeit  (S.  CXXV  f.) 
sind  so  kärglich  und  ungenügend,  daß  sie  ruhig  hätten  wegbleiben  können. 
Orientalische  und  neugriechische  Volkskunde  hat  der  Verfasser  nicht  ein- 
mal erwähnt,  und  er  scheint  jener  Verbindung  von  Altertumsforschung 
und  Volkskunde  fernzustehen,  die  von  Gelehrten  wie  A.  Dieterich  und  Wünsch 
so  erfolgreich  hergestellt  wird.  Ich  möchte  den  Zusammenhang  alter  und 
neuer  Volkskunde  wenigstens  in  sprachlicher  Hinsicht  an  einem  Beispiel 
illustrieren :  hiw,  das  häufigste  Wort  für  Verwünschen*  in  den  allen  Texten, 
lebt  im  neugriech.  t6  b^a|uio(v)  'Beschwörung'  (z.  B.  von  Schlangen)  fort 
(die  Bedeutung  fehlt  in  den  neugriechischen  Wörterbüchern ;  ich  habe  sie 
in  Amorgos  kennen  gelernt). 

Der  sprachliche  Gewinn,  den  wir  aus  unsern  Texten  ziehen  können, 
hegt  vor  allem  in  der  Vermehrung  des  Materials  für  die  gesprochene 


Andollent  Defixionum  tabellae  quotquot  innotuerunt  tarn  in  graecis  etc.    43 

Koine  und  das  Vulgärlatein.  Besondere  Beachtung  verdienen  einige  In- 
schriften, die  Latein  in  griechischer  Schrift  (Nr.  231, 270  aus  Afrika,  2.  Jahrh.) 
oder  Griechisch  in  lateinischer  Schrift  (Nr.  261  aus  gleicher  Gegend  und 
Zeit)  bieten ;  auf  die  Sprachverhältnisse  in  Nordafrika  wirft  ein  helles  Licht 
Nr.  2Ö2:  hier  wechseln  nicht  nur  griechische  nnd  lateinische  Sätze  mit- 
einander, sondern  es  finden  sich  sogar  Stellen  wie  contra  yf^c  eofUraherUe 
coO  und  in  omni  mamento  f\bY\  laxf),  woraus  man  eine  griechisch-römische 
Mischsprache  erschlief^n  kann,  die  mit  der  heutigen  lingua  franca  und 
dem  Levantinergriechisch  zu  vergleichen  ist.  Der  Text  ist  übrigens  nicht 
glatt  verständlich;  das  an  verstümmelter  Stelle  vorkommende  [.  .]9al€Xo[.] 
vccui  (Z.  43),  das  dem  Herausgeber  dunkel  geblieben  ist,  enthält  vielleicht 
die  mittel-  und  neugriechische  Wortsippe  C9aK^oc,  9dcK£Xoc,  C9aK€Xdivui 
(zu  lat.  fwcinum  'Behexung'),  über  welche  man  G.  Meyer  Neugriech.  Stud.  3, 
68  f.  vergleiche.  Daß  t  statt  k  steht,  ist  nicht  unerhört,  wie  ZOkXq  =  icOicXa 
(Nr.  169  b,  Z.  18)  zeigt ;  vgl.  auch  Ref.  Die  griech.  Sprache  im  Zeitalter  des 
Hellen.  S.  191 ;  die  daneben  vorkommende  Schreibung  mit  k  (XaKivia, 
9dxtT€)  spricht  nicht  gegen  meine  Deutung,  da  auch  das  genannte  ZiOicXa 
in  der  Nachbarschaft  von  öpK(2;ui,  BiKcvrfac  steht.  Was  für  eine  Form  von 
c<pdK€Xoc  oder  ccpaKcXöuj  vorliegt,  weiß  ich  freilich  nicht  zu  sagen;  doch 
kommt  vielleicht  ein  anderer  mit  meiner  Vermutung  in  der  Lesung  der 
Stelle  weiter.  Von  den  lautlichen  Erscheinungen  der  angeführten  Misch- 
texte dünkt  mich  am  bemerkenswertesten,  daß  in  Nr.  270  (2.  Jahrh.  n.  Chr.) 
lat  c  und  i  häufiger  durch  x  und  6  (xairoue  caput^  oOpaToup  uratur)  als  k 
nnd  T  wiedergegeben  werden,  daß  aber  immer  it  einem  lat.  p,  9  einem  lat.  f 
entspricht  (xöpiropic  corporis,  9(Xiouc  filiua) ;  auf  Formen  wie  dßiaT  habeatj 
douT€|ui  autem,  ciinpiTouc  apirUus  sei  hingewiesen,  um  den  Sprachcharakter 
dieser  Inschriften  zu  illustrieren.  Gelegentlich  finden  sich  in  lateinischen  oder 
griechischen  Texten  einzelne  Buchstaben  aus  dem  andern  Alphabet.  Nicht 
immer  haben  sie  einen  lautlichen  Grund,  aber  Schreibungen  wie  Vicsnttua 
=  Vicentius,  ampittatru  =  amphiteatrum  und  lie  =  die  (Nr.  253  aus  Afrika, 
2.  Jahrh.  n.  Chr.)  mögen  doch  neben  Schreibungen  mit  z  {KaUnzo  =  Ka- 
lendio,  oze  =  hodie  u.  a.,  was  der  Herausgeber  zusammenstellt)  für  die 
Geschichte  des  t,d  +  j,  /  einige  Bedeutung  haben.  Der  Romanist  sei  be- 
sonders auf  einige  vulgärlateinische  Inschriften  aufmerksam  gemacht,  welche 
hier  zum  erstenmal  veröffentlicht  sind  oder  bisher  nur  schwer  zugänglich 
waren  (besonders  Nr.  272  ff.). 

Auch  der  Gewinn,  der  sich  für  die  Kenntnis  des  Vulgärgriechischen 
ergibt,  kann  nur  angedeutet  werden.  So  dürfte  z.  B.  eine  genauere  Unter- 
suchung der  aus  Cypern  stammenden  Texte  (Nr.  32 — 37,  etwa  3.  Jahrh. 
n.  Chr.)  uns  darüber  aufklären,  wie  ein  'Koinedialekt'  aussieht.  Denn  da 
scheint  mir  zunächst  bemerkenswert,  daß  in  irariOoiüiev  (22 S9)  die  Fort- 
setzung eines  altdialektischen  iTapT(6€M£v  vorliegt,  daß  ferner  vielleicht 
0|uiA  b^imovcc  (22  so)  und  rf^  {>ricixBöv[Tic  die  Wirkung  eines  ebenfalls  alt- 
dialektischen Sandhi  sind  (vgl.  kret.  rdb  bi  =  xdc  bi  u.  dgl.) ;  die  Jonismen 
in  den  öfter  vorkommenden  Worten  Od^öv  dirö  Kpabdic  ircXux/ibca  (224 
und  sonst)  haben  dagegen  nichts  mit  der  lebenden  Sprache  zu  tun,  sondern 
sind  metrische  Reminiszenzen.  Zu  den  Merkmalen  eines  Koinedialekts 
rechne  ich  folgende  Züge :  1.  Schreibung  von  9  (d.  h.  wohl  f)  durch  ß 
(b)  in  Tdßujv  =  Td9Uiv  (2246.  26  st).  Entweder  ist  9  tönend  oder  ß  tonlos 
geworden;  der  heutige  Dialekt  von  Cypern  erweicht  9  zu  ß,  allerdings 
nur  vor  p  und  X  (vgl.  Mcvdpboc,  'A6iivä  VI,  160,  über  die  gleiche  Er- 


acheifiung  auf  Ikaros  s,  Hatzidakis  TF.  2,387);   besser  aber  ist  vieüeicliin 
der  Wandel  von  ß   in  <p  lu   vergleichen,  der  auf  Cypern   und  Ikan»  itt" 
Fällen  wie  »ca^Oqji,  KüpacpÖc  erscheint.    2.  Die  Formen  des  Artikels  werden 
als  Relalivuni  gebraucht   Daß  dieser  Gebrauch  in  der  Kotne  mundartlich 
st? i^  darf  aus  den  Belegen  desselben  vermutet  werden  (s.  K.  Dietehcli  Unter- 
such. S.  1£M^  f.) ;  rUr  die  literarischen  Belege  ist  ea  kaum  ^ufaJlig^  dal^  ge- 
rade der  auf  Cypern  heimische  l.,eonüos  den  Gebrauch  kennt,  und  heute 
gehört  er,   wie  es  scheint^   nur  den   östlichen  Mundarten    an  (Kleinasien 
mit  den  zugehörigen  Inseln^  darunter  Cypern).  3.  Besonders  charakteristisch 
ist  die  Nominativbildung  6  Kpdrepov  (30k«).    Der  Zusammenfall  von  Nonis 
und  Akk,  Sijig.  der  o-Stämme  ist  meines  Wissens  ^us  {voinetexteu  bisher 
niclit  belegt  und   ist  heule    em   wichtiges  Kennseichen   der  pontische 
iindarten. 

So  ergibt  abo  die  eypriedw  Groppe  naiefer  FteehlsiBte  dnüche 
Uge  einer  MUcheB  QdeinasifttiMliea)  MEwidut  der  Koine,  die  dM  BOi 
weit«  TenrolletHndigeTi,  dbs  ich  am  tndeni  Orten  schon  entworfMi  hite; 
iii^.]Megr.Spr.aie4ir.iindTheoloc.Lit-Z«tQBf  1908&4aDlL  Ikteanfe 
CMehrte  meine  Ansrauningen  über  Koinediialete  lOr  sehr  eclMraieh  ftindkiit 
halten,  so  hebe  ich  diese  neaea  Tateachen  ansdrOdküdi  hervor,  wwl  m 
«oCl  beste  SQ  neinen  Hypothesen  stimimm  hitaB  d»  Heraimfeber  die 
i^rachlichen  Tatsach«i  d«r  InsehrüteDgnqppe  besoadem  sasaBnneaste&te 
^.  83ff.),  stett  sie  in  den  Gesamtindiees  an  Teiaibeiten,  angt  er,  daA  er 
ihre  Sonderstellung  erkannt  hat;  ein  richtiges  Yerstindttb  dieser  Dings 
geht  jedodi  den  Vertesser  ab,  wim  schon  ääm  IntalifiiMi  od  wsnfbmil 
geradezu  falsche  Qrapptenmg  der  l^racfaersehsiiinDigen  erkennen  lUt  So 
wird  z.  B.  unter  dem  Titel  *litterae  insenmtmr  errore"  (S.  S6  f.)  dKp<c>«c 
und  irotnca<i>Tc  angeführt  Natürlich  handelt  es  sich  im  letzten  Fall  um 
itezistische  Schreibung  für  tron^cerc,  das  neben  iroti^corre  in  den  Radien 
Texten  sich  findet.  Im  ersten  Fall  liegt,  glaube  ich,  ein  interessanter 
Beleg  für  die  Mischung  der  -oc-  und  -uc-A4Jektiva  yor ;  denn  ein  f|  dicpda 
statt  &Kpa  (geschrieben  dxp^a,  wie  TcXcdicoua  u.  dgl.  in  unsern  Texten) 
ist  gebildet  wie  etwa  ein  neugriech.  imaxpeid  zu  ^oxpöc;  vgl.  über  diese 
Vermischung  der  Adjektivs  auf  -oc  und  -uc  Hatzidakis  Einl.  S.  381,  K.  Die- 
terich Unters.  S.  177  und  mein  Handbuch  der  nengr.  Volkssprache  §  94,  96. 
Zwar  reichen  unsere  bisherigen  Belege  für  die  Femininbildnng  anf  -da 
nicht  über  Prodromos  (12.  Jahrh.)  hinaus,  doch  weiß  Hatzidakis  Einl.  S.  79 
Anm.  ein  6  MaxpOc  schon  aus  den  apokryphen  Acte  Apostolomra  zu  be- 
legen. Es  ist  nicht  überflüssig,  immer  und  immer  wieder  zu  betonen,  dafi 
hellenistische  Texte  sprachlich  nur  dann  richtig  verstanden  werden  können, 
wenn  man  das  Studium  der  Koine  mit  den  ihr  zukommenden  Methoden  und 
Hilfsmitteln  betreibt  —  und  das  wichtigste  Hilfsmittel  ist  die  neugriechische 
Sprachgeschichte.  Wer  Denkmäler  der  Koine  herausgibt,  hat  die  Pflicht, 
sich  mit  den  Tatsachen  der  Koine  bekannt  zu  machen,  und  hierfür  be- 
sitzen wir  heute  einige  ganz  nützliche  Hilfsmittel.  Wenn  dem  Verfasser 
z.  B.  fJTUicav  (25  is)  dunkel  gewesen  oder  vielmehr  erst  in  den  Nachträges 
(S.  417)  klar  geworden  ist,  so  hätte  ihn  ein  Blick  in  Dieterichs  Buch  (S.  287) 
rasch  belehren  können,  daß  diese  Form  {=^  Icruicav)  weder  dunkcd  noch 
merkwürdig  ist.  Und  wenn  der  Verfasser  das  genannte  Werk  oder  Hatzi- 
dakis* Einleitung  oder  mein  Buch  über  die  Koine  sich  einmal  angesehea 
hätte,  so  wüßte  er  z.  B.,  daß  *Ovacd  zu  'Ovocdc  (Nr.  ddt)  kein  'dorischer 
Genitiv*  ist.    Wenn  ein  Herausgeber  klassischer  Texte  elementare  üb- 


Audollent  Defizionom  tabellae  quotqnot  innotnerant  tam  in  graecis  etc.    46 

kenntnis  der  Grammatik  verriete,  so  würden  die  klassischen  Philologen 
stark  mit  ihm  ins  Gericht  gehen;  wer  vulgärlateinische  Denkmäler  be- 
arbeitet, muß  in  den  Tatsachen  des  Vulgärlatein  zu  Hause  sein ;  wer  sich 
aber  mit  Koinetexten  befaßt,  pflegt  von  den  Philologen  nicht  so  sehr  ge- 
tadelt zu  werden,  wenn  er  in  der  Koinegrammatik  nur  mangelhafte  Kennt- 
nisse aufweist  Mein  Tadel  soll  darum  auch  nicht  gegen  den  Verfasser 
im  besonderen  gerichtet  werden,  sondern  gegen  die  auch  heute  noch 
herrschende  Neigung,  spätgriechische  Texte  ohne  tieferes  Studium  der  spät- 
griechischen Sprache  zu  behandeln.  In  den  letzten  Jahren,  wo  das  Interesse 
an  der  Erforschung  der  hellenistischen  Kultur  stark  zugenommen  hat,  ist 
es  allerdings  schon  besser  geworden,  und  man  hütet  sich  wenigstens,  durch 
vorschnelle  Koi^jekturen  hellenistische  Texte  nach  dem  Muster  der  klas- 
sischen Sprache  zu  korrigieren.  So  respektiert  auch  Audollent  den  ge- 
gebenen Text,  um  dessen  Verständnis  er  sich  oft  mit  Erfolg  bemüht  hat. 
Manches  ist  freilich  noch  verzweifelt  dunkel  und  wird  wohl  immer  dunkel 
bleiben;  aber  die  Texte  bieten  schon  genug  klaren  Sprachstofifes,  der  für 
die  griechische  Sprachgeschichte  unmittelbar  nutzbar  gemacht  werden  kann, 
und  zwar  besonders  in  der  Richtung,  daß  weitere  Keime  neugriechischer 
Sprachentwicklung  in  der  Koine  aufgedeckt  werden.  Dabei  kann  es  manche 
Überraschung  geben.  So  sieht  z.  B.  ein  irtiKa]  X^o^iai  =  ^iriKaXcO^ai  (Nr.  189, 
aus  Latium)  wie  eine  neugriechische  'aufgelöste*  Verbalform  aus  (vgl.  neugr. 
iroTc^oOimai  u.  dgl.);  daß  aber  aufgelöste  Formen  so  weit  zurückgehen,  würde 
man  ohne  direkte  Belege  kaum  anzunehmen  wagen  (Hatzidakis  Einl.  S.  131 
gibt  als  ältesten  Beleg  irouXi^Tm  bei  Prodromos). 

Solange  die  Texte  nicht  in  einer  sprachlichen  Monographie  bear- 
beitet sind,  bieten  die  sorgfältig  ausgearbeiteten  Indices  wertvolle  Hilfe 
für  grammatische  Studien.  Sachliche  und  sprachliche  Gesichtspunkte  sind 
gleich  ausführlich  berücksichtigt :  man  kann  aus  den  Indices  z.  B.  alles 
kennen  lernen,  was  bei  der  Sitte  der  Verwünschung  in  Betracht  kommt. 
Aufgefallen  ist  mir  ein  negatives  Ergebnis,  daß  nämlich  mit  Ausnahme  von 
in  Zde  MercK^c^uri  auf  einer  einzigen  Inschrift  (Nr.  253,  Afrika)  die  Namen  der 
Wochentage  nicht  begegnen,  obwohl  sie  doch  gerade  in  diesem  Kultur- 
kreis zu  erwarten  sind  (vgl.  Zschr.  f.  deutsche  Wortf.  1, 163  ff.  und  Schürer 
Zschr.  f.  wiss.  Theol.  6, 1  ff.)  und  obwohl  genauere  Zeitbestimmungen  häufig 
genug  angewendet  werden  (s.  Index  S.  556—58).  Auch  das  Fehlen  von 
Namen  auf  -de  (außer  einmaligem  'Ovacdc)  ist  auffällig.  Ich  hebe  ferner 
aus  den  Namenindices  (S.  4SI  ff.)  hervor,  daß  zwar  der  Austausch  von 
griechischen  und  lateinischen  Namen  sehr  stark  ist,  daß  aber  fremde, 
d.  h.  etwa  orientalische  Namen  ziemlich  selten  sind;  die  Pferdenamen 
(S.  464r  ff.)  sind  auch  in  griechischen  Texten  meist  lateinisch  —  eine  Tat- 
sache, die  vor  allem  den  Kulturhistoriker  interessieren  muß.  Die  gramma- 
tischen Indices  leiden  an  dem  schon  gerügten  Fehler,  daß  sie  ganz  äußer- 
lich sind.  Aber  zu  loben  ist,  daß  die  Belege  der  einzelnen  Erscheinungen 
nach  Landschaften  geordnet  sind.  Bei  den  *vocabula  lexicis  addenda* 
(S.  553)  und  den  'Notabilia  varia'  (S.  559  ff.)  wäre  wohl  die  Durchführung 
einer  alphabetischen  Reihenfolge  bequemer  gewesen.  Willkommen  ist 
endlich  das  Verzeichnis  der  Ephesia  grammata  (S.  4r99  ff.),  denen  die  Pa- 
rallelen aus  den  Papyri  beigefügt  sind. 

Daß  die  Sammlung  von  Audollent  nach  den  verschiedensten  Seiten 
hin  mit  Dank  zu  begrüßen  ist,  wird,  hoffe  ich,  aus  meiner  Besprechung 
klar  geworden  sein;   der  griechischen  Sprachforschung  ist  hier  neues 


40  ^eiater  Dor^r  und  AchSer.  Erster  Teil. 

Material  in  bequemsUr  Webe  ^^^ängUch  geworden^  das  recht  bald  einen 
Bearbeiter  finden  möge,  wie  er  sich  vor  einigen  Jaiiren  für  die  altischen 
Flnchtafeln  in  E.  Schwyzer  gefunden  hat. 

Marburg.  Albert  TbamK  - 

Veister  R.  Dorer  und  AchSer.  Erster  TeiJ.  AbhatidJung^n  der  phil-bist* 
Klasse  der  k*  afirbs.  Gesellschaft  der  Wissenacbaftenj  Band  XXIV ,  Mo,  3» 
100  S.  hoch  4.   Leip7ig,  Teubner  imi.   3,60  M. 

Die  Probleme,  die  einer  der  ersten  Kenner  der  griechischen  Dialekt« 
in  seiner  neuesten  Arbeit  in  Angriff  nimmtj  sind  nach  ihrer  prinzipiellen 
Seite  bin  in  den  letzten  Jahren  von  bedeulenden  Vertretern  der  romanischen 
wie  germanischen  Philologie  aufs  lebhafteste  erörtert  w^orden:  die  Frage 
nach  Existenz  und  Bedeutung  der  Dialektgrenzen,  die  Frage  nach  d^^ 
Beziehungen  zwiachen  Sprache  und  Geschichte  ftberluuqii  *).  Wer  die^ 
gleichen  Probleme  für  Sprachen  behandeln  will,  die  der  lebend^;eii  Be- 
obachtung entrückt,  nur  in  schriftlichen  Denkmilem  erhalten  aiiid,  wird 
auch  hier  gut  tun,  immerhin  in  Wahrung  seiner  Sdbetiiidi|^eity  die  an 
lebenden  Sprachen  gewonnenen  Ergebnisse  lu  Rate  au  sidieii.  Dean  für 
eine  ferne  Vergangenheit  ist  nidit  nur  ä»B  sprachlidie  Material  kir^idi  — 
Sprachatlanten  wie  sie  jetzt  auf  germanischem  wie  romanischem  Gebiet  schon 
vorliegen  oder  doch  in  Angriff  genommen  nnd,  sind  z.  B.  für  dbs  Alt- 
griechische schlechterdings  unmöglich,  obwohl  andihiearmeinerAniridrtnadi 
der  Versuch  unternommen  werden  sollte,  die  für  uns  feetsteOharen  ^radh 
liehen  Unterschiede  kartographisch  zu  fixieren  —  es  üsUt  andi  eine  mtiBi» 
Kenntnis  der  Lokalgeschichte,  insbesondere  der  Siedelangsgesdiidile,  wiesle 
in  neueren  Zeiten,  wenn  auch  nicht  immer,  doch  häufiger  zu  erreichen  ist 
Die  neueren  Untersuchungen  auf  dem  Gebiete  der  germanischen  und 
romanischen  Dialekte  haben  nun  gezeigt,  daß  der  Begriff  Dialekt,  freilich 
nicht  unbedeutend  modifiziert,  doch  zurecht  besteht,  daß  es  wirkUch 
Dialektgrenzen  gibt,  daß  sich  dieselben  in  vielen  Fällen  unschwer  erklären 
lassen,  seltener  durch  geographische  Grenzen')  als  durch  Verkehrsgrenzen, 

1)  Zugleich  eine  vorzügliche  Orientierung  über  den  Verlauf  dieser 
Erörterungen  im  allgemeinen  und  eine  Behandlung  einzelner  Probleme 
aus  dem  speziellen  Arbeitsgebiet  der  Verfasser  bieten  L.  Gauchat  Gibt  es 
Mundartgrenzen?  Archiv  für  das  Studium  der  neueren  Sprachen  111, 365 fL 
und  E.  Tappolet  Über  die  Bedeutung  der  Sprachgeographie  mit  besonderer 
Berücksichtigung  französischer  Mundarten.  Festgabe  für  H.  Morf  1906, 
S.  385  ff.  Außerdem  sei  hier  verwiesen  auf  einige  einschlägige  germani- 
stische Arbeiten  :  F.  Wrede  Ethnographie  und  Dialektwissenschaft.  Historische 
Zeitschrift  88,  22  ff.,  mit  der  Erwiderung  von  0.  Bremer  Politische  Geschichte 
nnd  Sprachgeschichte.  Historische  Vierteljahrsschrift  5,  315  ff.,  woran  K. 
Bohnenberger  Sprachgeschichte  und  politische  Geschichte.  Zeitschrift  fftr 
hochdeutsche  Mundarten  3,  321  ff.  anknüpft,  der  ebd.  4, 129  ff.  241  ff.  6, 129 ff. 
bei  der  Untersuchung  bestimmter  Dialektgrenzen  auf  allgemeine  Fragen 
zurückgreift;  endlich  sei  genannt  K.  Haag  7  Sätze  über  Sprachbewegong. 
Zeitschrift  für  hochdeutsche  Mundarten  1,  138  ff. 

2)  Man  hat  sich  gewundert,  daß  z.  B.  der  Monte  Rosa  keine  Sprach- 
grenze bildet  (Tappolet  a.  a.  0.  S.  2  f.  des  SA.).  Aber  Tappolet  selbst  er- 
wähnt gleich  nachher  den  Monte  Moro-Paß.  Die  böcli^ten  Stufen  der 
von  deutschen  Wallissern  besiedelten  Hochtäler  südlich  der  Alpen  sind 


Meister  Dorer  und  Achäer.  Erster  Teil.  47 

von  denen  die  geschichtlichen  Grenzen  nur  eine  besondere  Art  darstellen, 
seien  es  nun  jüngere  Territorialgrenzen,  seien  es  alte  Stammesgrenzen  ^}. 
Wenigstens  auf  germanischem  Gebiet  sind  auch  Mischungen  verschiedener 
Dialekte  vermutet  worden,  wobei  z.  B.  ein  Dialekt  den  in  Spuren  noch  sicht- 
baren Untergrund,  ein  anderer  die  Oberschicht  bildet,  oder  ein  im  übrigen 
homogener  Dialekt  einzelne  Elemente  enthält,  die  auf  Einwanderung  anders 
Sprechender  deuten.  Erhält  in  vielen  sicheren  Fällen  eine  Dialektgrenze 
oder  eine  Dialektmischung  ihre  Erklärung  durch  die  Geschichte,  so  kann 
man  auch  umgekehrt  von  der  Sprache  aus  einen  unbekannten  geschicht- 
lichen Vorgang  erschließen  oder  wenigstens  eine  an  sich  nicht  gesicherte 
geschichtliche  Oberlieferung  stützen. 

Nicht  ohne  Anregung  wohl  namentlich  aus  dem  germanistischen 
Lager  hat  man  daher  neuerdings  auch  auf  die  griechischen  Dialekte  Grund- 
sätze und  Methoden  wieder  angewendet,  die  zwar  schon  längst  bekannt  waren, 
deren  Ergebnissen  aber  ein  namhafter  Teil  der  eigentlichen  Sprachforscher 
ziemlich  kühl  gegenüber  stand,  um  so  mehr  als  angesehene  Historiker  die 
Oberlieferung  vom  Einbruch  der  nordwestgriechischen  Gebirgsvölker  nach 
Ost-  und  Südgriechenland,  die  sogenannte  dorische  Wanderung,  als  un- 
geschichtlich betrachten  zu  müssen  glaubten*).  Die  Abkehr  der  Historiker 
von  der  Hyperkritik  trifft  mit  den  Ergebnissen  der  Sprachforschung  zu- 
sammen; F.  Solmsen  Thessaliotis  und  Pelasgiotis.  Rh.  M.  58,  598  ff.  (vgl. 
ebd.  60, 148  fif.)  hat  in  einer  methodisch  vorbildlichen  Abhandlung  über- 
zeugend nachgewiesen,  daß  sich  die  dialektischen  Verhältnisse  dieser  beiden 
thessalischen  Landschaften  nur  aus  einem  von  Westen  nach  Osten  hin 
schwächer  werdenden  Einschlag  nordwestgriechischer  Elemente  in  eine 
äolische  Grundlage  erklären  lassen;  L.  Sad^e  De  Boeotiae  titulorum  dialecto. 
Diss.  Hai.  16,  143  ff.  hat  von  neuem  die  schon  lange  feststehende  Tat- 
sache erhärtet,  daß  der  böotische  Dialekt  eine  Mischung  von  nordwest- 


oder  waren  sämtlich  von  der  Bergseite  leichter  zugänglich  als  von  den 
tieferen  Talstufen  aus,  von  denen  die  obersten  Talstufen  gewöhnlich 
durch  ohne  Straßenanlagen  schwer  zu  passierende  Schluchten  getrennt 
sind.  Diese,  nicht  die  Spitzen  der  Berge,  bilden  die  natürlichen  Verkehrs- 
acliranken. 

1)  Bremer  a.  a.  0.  S.  321  scheint  sich  mir  mit  Recht  gegen  den 
'alten  romantischen*  Begriff  von  Stamm  zu  wehren.  *'In  Wirklichkeit 
sind  die  altgermanischen  Stämme  nichts  anderes  als  politische  Verbände, 
Staaten,  gerade  so  gut  wie  die  modernen  Staaten*'.  Das  dürfte  auch  für 
die  griechischen  Stämme  gelten. 

2)  Die  ausführlichste  Behandlung  dieser  Probleme  vom  sprach- 
wissenschaftlichen Standpunkt,  die  jetzt  freilich  im  einzelnen  überholt  ist, 
bildet  die  durch  Aug.  Fick  angeregte  Arbeit  von  0.  HofTmann  De  mixtis 
Graecae  linguae  dialectis.  Göttmgen  1888.  Es  ist  für  die  Schätzung  der 
dialektologischen  Erforschung  der  Stammesgeschichte  bezeichnend,  daß 
man  bei  E.  Meyer  Geschichte  des  Altertums  2,  74  ff.;  G.  Busolt  Griechische 
Geschichte'  1,  192  ff.;  ü.  von  Wilamowitz  Zeitschrift  für  das  Gymnasial- 
wesen 38,  106  ff.;  Euripides  Herakles*  1,  1  ff.,  auch  bei  E.  Drerup  Homer 
42  ff.  mehr  darüber  findet  als  z.  B.  in  den  Grammatiken  von  K.  Brugmann 
nnd  G.  Meyer.  Eine  Skizze  der  Entwicklung  der  stammesgeschichtlichen 
Erforschung  der  griechischen  Dialekte  gibt  jetzt  0.  Hoffmann  bei  W.  Kroll 
Die  Altertumswissenschaft  im  letzten  Vierteljahrhundert  S.  57  ff. 


griechischen  und  iolischcn  Elementen  darätetU,  die  sieb  auch  in  den 
böotischen  Personennamen  wied^rsptegeU,  w^ie  dies  F.  SoUnscn  Rh.  H.  69, 
481  fr.  besonders  ausgeführt  hat. 

Ähnlich  versucht  nim  Meister  die  gewöhnlich  als  dorisch  bez«iduk«ifln 
Div^lekte  m  ihre  Bestandteile  zu  »erlegen^  den  alUchäischen  und  den  echt- 
dorisctien,  froibcb  in  ganz  anderer  Weise  als  dies  seiner  Zeit  0.  HoCTnuma 
in  seiner  Diaaertation  durchgefDhrt  baUe.  [m  vorliegenden  ersten  Teil 
beschränkt  sich  Heister  auf  die  Untersuchung  der  spraclilichen  Verhäitniw« 
Laikcniens  (mit  Messenlen)^),  der  Argolis  und  Kretas  *]l 

Kr  geht  aus  von  LaJconten,  Hier  haben  nach  ihm  bis  ins  2.  JaIlHu 
n.  Chr.  zwei  Sprachen  nebeneinander  bestanden,  das  Dorische,  gesprochen 
in  der  Hauptstadt,  dem  Sitz  der  Dor^^r,  und  das  Äcbäiache,  die  Spradi« 
d**r  Landschaft,  da^  Idiom  der  Perit>ken  und  Heloten,  das  wesentlich  gleich 
auch  in  Messenden  (sowie^  um  dies  vorwegzunehmen^  in  den  achäiscben 
Teilen  der  Ärgolis  und  Kretas)  gesprochen  wurde.  So  sehr  es  zu  begrü&ea 
ist,  wenn  auch  beim  Studium  der  grioi^hischen  Dialekte  noch  mehr  als 
builier  auf  lokale  Unteradiiede  geadiM  wird,  wie  sie  ja  ai 
Sprachen  mcbi  aelten  Ton  Dorf  aa  Dorf  mA  finden,  mmi  m 
wert  die  sprachgeofn^^hiBclie  MeUiode  am  «eh  iat,  eo  i 
eeine  Tlieee  rerfidit  •—  bewieaen  hat  or  cKe  Vereduedeniieil  im  ^Murü- 
atiachen  und  periOkiacheii  Idioms  in  hisioriseher  Zeit  meiiiea  BfachteM 
niel^  Da6  ein  solcher  Nachweis  nieirt  feluigeii  kann,  Hegt  mm  Gharakter 
der  Qnellen;  ^  bischnlten  der  lakeaisehen  Penötinurtidte  feUreQ  fiMt 
dnrchaiis  in  die  Zeit,  in  der  b«reits  die  awigldclienden  Tendemen  in  der 
griecfaischenSprachaiitwicUiingdieObechaiidfewinnea;  eBBegtniher,dii 
darin  auftretenden  Unterschiede  Tom  Altspartanischen  aof  Recfaniuig  der 
peloponnesischen  und  attischen  koiv/|  zu  setzen,  als  mit  Meister  die  in  den  spär- 
lichen alten  Periökeninschriften  auftretenden  *spartiati8chen*  Erscheinungen 
von  Fall  zu  Fall  als  hauptstädtischen  Einfluß  zu  erklären.  Nur  wenn  alte 
periökische  Quellen  in  größerer  Fülle  vorlägen,  ließen  sich  vielleicht  Unter- 
schiede im  Sinne  Meisters  nachweisen;  vielleicht,  denn  die  Urkunden  sind  in 
den  neueren  Sprachen  häufig  schlechte  Zeugen  für  Lokaldiaiekte,  die  dem  Ein- 
fluß eines  herrschenden  Zentrums  ausgesetzt  sind^),  und  für  die  Historiker 
ist  es  gar  nicht  ausgemacht,  ob  die  Periöken  in  historischer  Zeit  nicht  ai^ 
dorische  Elemente  enthielten,  ob  nicht  der  soziale  Gegensatz  das  Maß- 
gebende war.  Vollends  in  den  Zeiten  vom  Ende  des  3.  Jahrh.  v.  Chr.  an 
war  die  auf  klägliche  Reste  zusammengeschrumi^,  fast  ganz  ausgestorbene 
spartanische  Bürgerschaft  unmöglich  mehr  imstande,  die  numerisch  sehr 

1)  Doch  reicht  für  Messenien  das  inschriftliche  Material  noch  weniger 
aus  als  für  die  übrigen  Länder. 

2)  An  Meisters  Untersuchungen  knüpft  an  der  anregende,  die  Probleme 
selbständig  weiterführende  Aufsatz  von  A.  Thumb  Griechische  Dialekt- 
forschung und  Stammesgeschichte.  Neue  Jbb.  15,  385  ff.,  auf  den  im 
folgenden  an  einigen  Stellen  Rücksicht  genommen  ist. 

3)  Vgl.  was  eben  Jellinek,  Z.  f.  ö.  G.  1905,  586  ausführt:  "Den  Satx 
von  der  Identität  der  (deutschen)  Kanzleisprache  mit  der  Mundart  wird 
heute  kein  Urteilsfähiger  mehr  aufrecht  erhalten.  Wir  haben,  namentlich 
durch  die  bahnbrechenden  Arbeiten  R.  Brandstetters,  gelernt,  daß  das 
schriftsprachliche  Problem  ein  ungemein  verwickeltes  ist;  daß  im  Mittel- 
alter oft  an  demselben  Orte  neben  der  Mundart  eine,  manchmal  auch 
zwei  von  ihr  verschiedene  Kanzleisprachen  bestanden". 


Meister  Dorer  und  Achfter.  Erster  Teil.  49 

stark  überwiegenden  Neubürger  zu  assimilieren  (vgl.  Busolt  Griech.  Staats- 
altert.*  115 ff.);  die  altdialektischen  Inschriften  aus  dem  2.  Jahrb.  n.  Chr. 
würden  also  gerade  für  die  Sprache  der  Periöken  und  Heloten  Zeugnis 
ablegen,  wenn  sie  eben  nicht  künstlich  archaisiert  wären').  Für  diese 
spätere  Sprache  gibt  ja  übrigens  Meister  selbst  Einflüsse  sogar  von  außen 
zu:  der  junglakonische  Rhotazismusist  nach  ihm  ein  'Ableger*  des  eleischen. 
Geschichtlich  gesprochen  kann  das  doch  kaum  etwas  anderes  heißen,  als 
daß  die  Erscheinung  durch  eleische  BevOlkerungselemente,  die  z.  B.  als 
Söldner  nach  Lakonien  kommen  konnten,  ins  Land  gebracht  wurde.  Endlich 
zeigt  noch  die  Sprache  der  Tsakonen,  die  wohl  nicht  auf  die  Spartiaten, 
sondern  auf  die  Eleutherolakonen  zurückgehen,  wesentlich  dieselben  Eigen- 
tümlichkeiten wie  das  Lakonische,  das  wir  aus  Sparta  kennen;  das  hat 
Thumb  bereits  hervorgehoben.  —  Das  argivische  Inschriftenroaterial  ist 
derart  beschaffen,  daß  Meister  selbst  den  Versuch  lokaler  Scheidung  nicht 
voll  durchzuführen  wagt;  aber  auch  gegen  die  auf  Kreta  angenommene 
Trennung  von  Zentralkreta  (Knossos,  Gortyn)  als  dorisch  von  Ost-  und 
Westkreta  als  achäisch  habe  ich  Bedenken,  einmal  wegen  der  großen 
Ungleichheit  des  Materials  für  die  verschiedenen  Gebiete  (das  Zentrum  mit 
Gortyn  ist  durch  ältere  Inschriften  besonders  gut  vertreten,  die  sonst  fast 
fehlen),  zweitens  weil  die  Hauptsitze  der  Achäer  gerade  die  Gegenden 
sein  sollen,  wo  sich  teilweise  (sicher  in  Praisos  in  Ostkreta)  bis  in  die 
historische  Zeit  hinein  ungriechische  Bevölkerungen  gehalten  haben. 

Wenn  somit  in  historischer  Zeit  eine  räumliche  Scheidung  zwischen 
Dorisch  und  Achäisch  in  Lakonien,  der  Argolis,  auf  Kreta  nicht  mehr 
bestanden  hat,  läßt  sich  vielleicht  doch  noch  in  den  Mundarten  dieser 
Landschaften  eine  Mischung  zweier  Dialekte  erkennen;  es  fragt  sich 
nur,  welche  Elemente  in  den  historisch  gegebenen  Mundarten  altdorisch, 
welche  altachäisch  sind.  Meister  operiert  in  seiner  Untersuchung  mit 
5  oder  6  Charakteristika  des  echten  Dorisch,  die  er  am  Lakonischen  ge- 
wonnen hat.  Nach  Tappolets  methodologischen  Darlegungen  ist  dem 
Subjektivismus  ein  gewisser  Spielraum  gelassen,  ob  man  eine  Erscheinung 
als  für  einen  Dialekt  charakteristisch  gelten  lassen  will  oder  nicht,  im 
allgemeinen  sind  lautliche  Erscheinungen  sicherer;  Meister  hat  solche 
gewählt.  Bei  lebenden  Mundarten  kann  man  sich,  wie  z.  B.  Gauchat  a.  a.  0. 
auf  eine  bedeutsame  Auswahl  beschränken;  wo  das  Material  so  knapp  ist 
wie  bei  den  griechischen  Dialekten  —  trotz  allem  —  wäre  es  besser,  alle 
feststellbaren  Erscheinungen  namhaft  zu  machen,  um  dann  erst  das  für 
den  Dialekt  Wichtige  auszuwählen;  so  ist  Solmsen  vorgegangen.  Es  heißt 
doch  auf  den  Zufall  abgestellt,  wenn  Meister  die  Häufigkeit  zum  Aus- 
gangspunkt genommen  hat').   Seine  echtdorischen  Kriterien  sind  1.  inter- 

1)  S.  29.  34  begründet  Meister  die  Ansicht,  daß  im  spartiatischen 
Dialekt  vO  erhalten  geblieben,  nicht  zu  vc  geworden  sei.  Also  ist  *Avc^- 
[tou  GDI.  4442  (Meister  S.  26)  ein  Beweisstück  für  künstliche  Archaisierung. 
—  Daß  der  Wandel  regelrecht  auch  bei  Elision  eintrat,  zeigt  übrigens 
die  von  Meister  Beiträge  zur  gr.  Epigraphik  und  Dialektologie  4  S.  38 
besprochene  lak.  Glosse  Kucdvcic*  dvöcic.  —  Den  Schwur  oö  tU^  cidi  legt 
auch  Xen.  anab.  7,  6,  39  einem  Spartaner  in  den  Mund. 

2)  So  hätte  Meister  gerade  die  von  W.  Schulze  KZ.  33,  124  f.  nach- 
gewiesene Obereinstimmung  zwischen  Geronthrae  in  Lakonien  und  Tarent 
zugunsten  seiner  Annahme  verwenden  können,  die  tarentinische  Bevölkerung 
sei  wesentlich  periökisch-achäisch  gewesen. 

Anztigtr  XVIIL  ^ 


ae  lUttor  Donr  nd  AAler.  bitar  1UL 

ipplnliicliet«wiid&;i.  0  wM  fim  allgem.)  >(nd  b  n  4);  8.Mflff2; 
4^fllrF;ft.CTor«,  •  wird  l  Am  w«ii|irt»  ehankteiuliMh  iit  w^ 
Mhkdtfi  4;  in  ittofutr  Zeit  iM  9  «eHtieniBi  Ibit  sa  «ner  SdirrilMiv 
tm  F  gtwordfiB.  Auch  6  iit  über  dbs  doriacha  Gebiet  Unene  feihteitit; 
der  Wandel  Hegt  ancb  pbonetiacb  ao  nahe,  dmA  er  kanm  ab  KriterioB 
brmucbbar  iat  Wbwc  rind  8  «nd  8  geeifnet;  bei  8  (nicht  in  Aifoal)  be- 
fnden  wir  mm  leider  im  QeMeta  Ton  l,  wo  der  Lantwert  der  Sdreibaif 
•ft  etreitig  ist;  die  qmntiaciie  CMtang  too  8  und  b  iat  in  ihrer  Tei^ 
breitoni  aehwer  feafamateUen  nnd  aplter  siemlich  aUgamein;  waa  Maiatar 
ana  dem  Kretiadien  anfuhrt,  beweiat  IQr  einfachea  8  (vnd  b)  mebta; 
Meiaterberildcaichtigtanehmefat,  da5  in  Lakomen  8  aehliefilidi  (vieUeicM 
adxm  Teriiiltaiamifiig  IMh)  mit  c  in  a  raaammengeAdleB  iat  So  bkAt 
ala  deuüichatea  Kemneidwn  die  Yerbaocfaniif  raa  intermladiadbem  a; 
aber  anch  hier  gdit  die  Reehmuig  nicht  glatt  ant  Die  Breeheimmg  ükXt 
m  den  doriachen  Kolonien  wie  Kreta,  Tarent,  Heraklea,  Thera  n.  a.,  findet 
aich  dagegen  aoch  in  Argoa  nnd  weiter  in  Btia,  auf  Kyproa  (hier  in  genan 
gleicher  Weiae  wie  im  Lak.).  Spontanen  Übergang  von  a  an  A  an  all 
diesen  Orten  wird  man  nicht  wohl  annehmen  woUen;  ah  man  mm  aber 
mit  Meiater  daa  Merkmal  ala  altdoriaeh  in  Anaprach  nehme,  oder,  waa 
beaondeia  daa  Kypriache  nahe  legt,  mit  Thmnb  ab  altachüach,  ea  Ueiben 
Schwierigkeiten.  Warum,  wird  man  im  zweiten  FaUe  fragen,  hat  nur 
gerade  daa  Ariiadiache  daran  keinoi  Teil,  während  ea  für  Aif^  Lakomen, 
Elia  nachgewieaen  ist?  uid  warmn  finden  aich,  wenn  man  Thnmba  Er^ 
klftnmg  von  irot  aua  irohi,  voci,  irort,  deren  Richti^teit  ich  dahin  geetellt 
lasse,  annimmt,  Spuren  der  Veihanchung  bia  nadi  Lokria  und  Ddpiä 
hinauf,  aber  gerade  nur  da,  wo  westgriechische  Elemente  ziemlich  stark 
▼ertreten  sind,  dagegen  in  keinem  Dialekt,  der  von  der  Wanderung  in 
geringem  Grade  beeinflufit  ist?  Lak.  TTooibdv  muß  allerdings  auf  dit 
achäische  Form  TTocoibdv  zurückgehen,  kann  aber  gerade  die  Form  sein, 
die  das  achäische  Wort  in  dorischem  Munde  annahm;  wer  will  bestreiten, 
daß  die  Verhauchung  zur  Zeit  der  Besetzung  Lakoniens  bei  den  Dorem 
noch  wirksam  war?  Liegt  ein  westgriechisches  Merkmal  vor,  bleibt  freilich 
für  die  ilberseeischen  dorischen  Kolonien  nur  die  Erklärung,  daß  das  Fest- 
halten an  c  nicht-dorische  Elemente  in  der  Bevölkerung  verrät,  sei  es 
nun,  daß  altachäische  Kolonisationen  vorliegen,  zu  denen  noch  ein  dorischer 
Einschlag  kam,  sei  es,  daß  sie  von  Teilen  des  von  Dorern  eroberten  Ge- 
bietes ausgingen,  wo  die  dorische  Eigentümlichkeit  sich  nicht  oder  noch 
nicht  durchgesetzt  hatte,  was  in  der  ersten  Zeit  nach  der  Eroberung 
wohl  denkbar  ist.  Umgekehrt  wäre  die  kyprische  Verhauchung  dorischen 
Elementen  zuzuschreiben,  vielleicht  auch  der  Wandel  von  6  zu  ^  in  Paphos. 
Wie  die  Dinge  liegen,  scheint  eine  sichere  Entscheidung  nicht  möglich; 
der  Zweifel  würde  behoben,  wenn  es  gelänge,  die  Verhauchung  im  wesl- 
griechischen  Stamm  !ande  nachzuweisen.  Epirotische  Inschriften  bieten 
allerdings  einige  Spuren :  TTciavbpoc  für  TTcfcavbpoc  und  Apdiiroc  wohl  für 
ApdcmiToc  GDI.  1351.  Sie  lassen  sich  freilich  anfechten  und  bedürfen 
sehr  der  Bestätigung  durch  weiteres  Material  —  ich  möchte  nur  darauf 
aufmerksam  gemacht  haben  — ;  ihre  Vereinzelung  neben  den  Beispielen 
mit  erhaltenem  c  fällt  an  sich  nicht  ins  Gewicht,  da  auch  tt,  das  zuerst 
W.  Schulze  GGA.  1897,  900  f.  als  westgriechisch  betrachtet  hat,  nur  noch 
in  wenigen  Resten  auftritt. 

Auch  wer  gerade  in  den  wichtigsten  Punkten  Meisters  Ausfüh- 


Meister  Beiträge  z.  griech.  Epigraphik  u.  Dialektologie.  4.  --  Ahlberg.    51 

nmgen  nicht  zuzustimmen  vermag,  wird  ihm  gerne  das  Verdienst  zuer- 
kennen, die  Frage  nach  der  Entwicklung  der  dorischen  Dialekte  tob 
neuem  in  Flufi  gebracht  zu  haben;  die  Probleme  sind  derart,  daß  sie  wo- 
möglich von  allen  Seiten  betrachtet  werden  müssen.  Der  bleibende  Wert 
der  Arbeit  Uegt  aber  in  den  überall  eingestreuten  Einzelbeobachtnngen 
Zürich.  E.  Schwyzer. 


Meister  R.  Beiträge  zur  griechischen  Epigraphik  und  Dialektologie  4. 
Die  Inschrift  von  Sillyon  und  der  pamphylische  Dialekt.  Abdruck  aus 
den  Berichten  der  phil.-hist.  Klasse  der  k.  sächs.  Gesellschaft  der  Wissen- 
;ichaften  zu  Leipzig  1904.  8«,  42  S. 

Die  einzige  längere  Inschrift  pamphylischen  Dialektes  wird,  wenn 
auch  schon  längst  bekannt  und  oft  behandelt,  doch  erst  durch  Meisters 
eindringende  Bearbeitung,  die  sich  auf  zwei  Papierabdrücke  Petersens 
stützen  konnte,  lesbar  und  für  die  Grammatik  recht  nutzbar;  und  wenn 
auch  er  nicht  alle  Rätsel  hat  lösen  können,  wird  doch  jede  weitere 
Forschung  auf  dem  Gebiete  des  Pamphylischen  an  ihn  anzuknüpfen  haben. 
Als  sicherer  Gewinn  für  die  Grammatik  seien  beispielsweise  genannt  die 
Erörterung  von  dvbpiiUiv  S.  30  (nicht  aus  ^avbpcFdiv;  vgl.  dazu  die  neueste 
Deutung  des  Suffixes  von  H.  Pedersen  K.  Z.  39,  473),  die  Sicherstellung 
der  Neutra  auf  -i  für  -lov  S.  22  (vgl.  neugr.  ^dxi,  iraibi);  die  Formen 
^(piiEwÖra,  ^<pi^obu  stellen  sich  dem  oft  behandelten  ^<p(opKoc  zur  Seite. 
—  Die  Präposition  (c  scheint  Meister  S.  23  auf  ck  zurückzuführen,  wie 
dies  für  die  attischen  Beispiele,  die  er  beibringt,  sicher  steht;  da  aber 
die  Inschrift  von  Sillyon  keine  Spur  von  Itazismus  zeigt,  liegt  es  näher, 
an  das  i  von  (v  zu  denken  (((v)  iröXu  Z.  11),  sei  nun  (c  unmittelbar  aus 
*ivc  entstanden  oder  beruhe  es  auf  sekundärer  Umbildung  von  *^c  nach 
Iv  *).  —  Für  c[u]tOxi  Z.  3  erwartet  man  bei  dem  regehnäßigen  Wandel  von  vt 
zu  (v)b  ♦cubux^  die  Form  ist  rekomponiert.  —  In  der  Inschrift  von 
Aspendos  besteht  Petersens  Lesung  Tf|v  (cti^Xiiv  zurecht  (S.  10);  es  spricht 
doch  nichts  gegen  Annahme  der  bekannten  spätgriechischen  «-Prothese 
(vgl.  Thumb  Hell.  144  f.). 

Zürich.  E.  Schwyzer. 

Ahlberg  Axel  W«  Studia  de  accentu  latino.  Lundae,  Hj.  Möller,  1905. 
(IV)— 6H— (1)  S. 

Daß  der  lateinische  Akzent  wesentlich  exspiratorisch  war,  ist  eine 
heute  wenigstens  in  Deutschland  allgemein  durchgedrungene  Anschauung. 
Sie  gegen  die  neuerdings  von  Vendryes  vertretene  Annahme  einer  wesent- 
lich musikalischen  Betonung  nachdrücklich  zu  verteidigen,  hat  sich  die 
vorliegende  Schrift  zum  Ziele  gesetzt,  der  man  die  Bezeichnung  'anregend* 
nicht  vorenthalten  darf,  mag  man  sich  auch  von  manchen  Ansichten  des 
Herrn  Verfassers  zum  Zweifel  oder  zum  Widerspruche  herausgefordert 
fühlen. 

Im  I.  Abschnitte  *'De  testimoniis  veterum  grammaticorum"  setzt  er 
sich  mit  den  vielbesprochenen  Äußerungen  der  lat.  Grammatiker  aus- 
einander, die  im  Widerspruche  zu  der  von  der  Sprachgeschichte  erwiesenen 

1)  Nur  dies  im  Arkad.-Kypr.  (Hoffmann,  Dial.  1, 160).  Die  pamph. 
Form  mit  -c  ist  möglicherweise  ein  Produkt  der  Dialektmischung. 

4» 


Alilberg  Studla  de  accenlu  latiao. 

exspiratorischen  Betonungsweise  vielmehr  auf  musikalische  Betonun| 
weisen  würden.  Berichterstatter  steht  auf  dem  Standpunkte,  daß  die  lat. 
Gr&mmaüker  unter  dem  Einflüsse  ihrer  griechischen  Meister  bestenfalU  an 
dem  Akrente  ihrer  eigenen  Sprache  nur  das  neben  dem  herrschenden 
eispiratorischen  Momente  gewiß  nicht  fehlende  musikalische  heraushöHen 
oder  herauszuhören  suchten,  für  das  ihnen  ja  von  ihren  Vorbildern  eine 
fertige  Ttirminologie  in  den  Mund  gelegt  war,  es  aber  darum  auch  sn 
keiner  Klarheit  bringen  konnten.  Dem  gegenüber  versucht  Ählberg  eine 
Ehrenrettung  der  allen  Grammatiker:  sie  hätten  nicht  so  sehr  die  — 
cjtapiratorische  —  Wortbetonung  im  Auge  gehabt,  sondern  vomehmlicb 
die  Stimmodulation  im  Satzgansen:  da  nun  in  vielailbigen  Worten  die- 
selben Stimmunterschiede  wie  im  Satie  zu  beobachten  waren,  hätten  sie 
dieselben  Bezeichnungen  auch  für  die  Silb^^nhetonnng  in  Gebrauch  ge- 
nommen« Er  sttttzl  dies  durch  seine  Deutung  der  jpr^Mfia  meJüi,  die  eilMl 
Heuerling  Varros  sei  (aber  nicht  ist,  a.  SehOU  199.)  imd  daher  a»f  eigner 
Beobachtung  beruhen  mOsee,  and  wormtfer  er  die  HebentOne  verstdit,  die 
auf  im  Sati^anien  nicht  herrorgdiobenen  IlTOrtem  mhen  und  aoeh  ia 
Ungern  WOrtem  nd^n  dem  Hanpttone  Torfaanden  aind.  SoUtoi  aber  dmb 
HebentiOne  nicht  anch  weaenUich  eupiratoriach  gewesen  8«n? 

"De  testimoniia  tfiiae  ab  ipea  lingna  petnutmT  handelt  der  sweite 
Abschnitt.  Hier  wird  sunächst  gegenüber  Pedersens  Annahme,  der  hl 
Akzent  sei  anch  in  dmi  ältesten  Zeiten  uUit  ezspiiatorisch  gewesen  imd 
die  der  ezspir.  Betonuig  sngesdiriebenen  Sabenschwftchnngen  seian  ml- 
mehr  ans  dem  Flüstertone  bin  musikalischer  Betonnng  sn  erkUraiy  gewü 
EUtreffend  gelragt,  waram  dann  das  uusweifelhaft  wesentlich  mmrikaltifili 
betonende  Griechische  keine  vergleichbaren  Schwächungserscheinnnfe& 
zeige.  Die  Erklänmg  der  Vokalschwftchmigen  ans  dem  Flüstertone  mag 
fürs  Lat.  wie  für  andere  Sprachgebiete  zutreffen;  daß  aber  das  Herab- 
sinken des  Stimmtons  zum  Flüstertone  meistens  doch  nur  die  musikalische 
Kehrseite  einer  ausgesprochenen  Exspirationsschwächung  der  betreffenden 
Silbe  ist  —  allerdings  slav.  >, »  aus  ü,  I  ist  vom  Akzente  unabhängiger, 
absoluter  Lautwandel  —,  wird  nicht  übersehen  werden  dürfen.  Im  ein- 
zelnen betrachtet  Ahlberg  die  Vokalsynkopen  der  historischen  Zeit,  den 
Obergang  unbetonter  av  zu  «,  früher  zu  av,  die  Verkürzungen  langer 
Konsonanten  vor  dem  Ton  —  mit  guten  Bemerkungen  über  omiUOf  oporUt, 
die  keine  Präp.  o  erweisen  — ,  die  Wiedergabe  eines  griech.  x  durch  edf^) 
nach  betontem,  durch  c{h)  nach  unbetontem  Vokale,  endlich  die  Jamben- 
kürzung ;  da  es  auf  der  Hand  liegt,  daß  ein  musikalischer  Akzent  keinen 
Einfluß  auf  die  Quantität  einer  Nachbarsilbe  hätte  ausüben  können,  hatte 
Vendryes  seine  Zuflucht  zur  Annahme  genommen,  die  Jambenkürzung 
stamme  aus  einer  Zeit,  in  der  der  exspiratorische  Hauptton  der  ersten 
Silbe  noch  bestand  oder  wenigstens  noch  nicht  ganz  geschwunden  war. 
Ahlberg  hätte  seinen  zutreffenden  Einwänden  dagegen  noch  den  weitem 
hinzufügen  können,  daß  dann  nur  zweite  Wortsilben  gekürzt  sein  köimten, 
eine  Einschränkung,  die  nach  Ausweis  der  Metrik  bekaimtlich  nicht  zu  Recht 
besteht.  Wenn  Ahlberg  als  Bedingungen  der  Jambenkürzung  nicht  bloß  Un- 
betontheit der  zu  kürzenden  Silbe,  sondern  auch  Haupt-  oder  mindestois 
Nebentonigkeit  der  vorhergehenden  Silbe  aufstellt,  so  vermag  ich  an  letztere 
Beschränkung  wegen  Messungen  wie  pSneränt  hüc,  öbaecrö  vds  nicht  za 
glauben  (richtig  darüber  Skutsch  Rom.  Ib.  I,  34),  und  es  entfällt  dann  auch 
jeder  Grund,  in  Fällen  wie  nüdöj.,  ömniümj.  unsilbisches  i  zu  lesen. 


\ 


j 


Ahlberg  Stadia  de  accenta  latino.  53 

Der  nL  Abschnitt  **De  versificatione**  beschäftigt  sich  mit  der  viel- 
verhandelten  Frage,  ob  die  alten  Szeniker  Obereinstimmung  von  Wort- 
und  Versakzent  gesucht  haben.  In  Verfolgung  eines  von  Skutsch  Forsch.  I. 
153  ff.  aufgestellten  fruchtbaren  Gesichtspunktes  setzt  Ahlberg  zunächst 
auseinander,  daß  infolge  der  mannigfachen  Akzentveränderungen,  die  beim 
Zusammenschluß  von  Worten  im  Satze  durch  En-  und  Proklise  eintreten, 
der  Versrhythmus  nicht  mit  dem  Akzente  der  einzelnen  Worte,  sondern 
nur  mit  dem  Akzente  im  Satzganzen  übereinzustimmen  brauche;  man 
vgl.  Fälle  wie  circüm  me,  eömpaaitde  sunt.  Es  ist  klar,  daß  sich  dadurch 
viele  Fälle  vermeintlicher  Nichtübereinstimmung  erledigen.  Es  sei  dazu 
eine  Randbemerkung  gestattet:  die  in  letzterem  Beispiele  durch  den  Antritt 
des  enklitischen  sunt  erzeugte  Endbetonung  von  eampositae  hatte  ein 
weiteres  zur  Folge:  Die  vorhergehende  Silbengruppe  bekam  einen  Neben- 
ton, der  so  weit  an  den  Wortanfang  zurückverlegt  wurde,  als  es  der  Drei- 
silbenakzent erlaubte;  umgekehrt  vermochte  in  einer  Verbindung  lo  domum 
der  Hauptton  der  ersten  Silbe  nach  dem  Dreisilbengesetz  nur  die  folgenden 
zwei  Silben  zu  beherrschen,  die  Schlußsilbe  von  damum  mußte  also  wieder 
einen  Nebenton  erzeugen;  im  Verse  konnten  diese  Nebentöne  Ikten  werden. 

Neue  Bahnen  wandelt  Ahlberg,  wenn  er  mit  Übertragung  von  Ge- 
danken der  neuem  skandinavischen  Akzentforschung  auf  das  Lat.  viele 
Widersprüche  zwischen  Wort-  und  Versakzent  durch  die  Annahme  eines 
accentus  rhythmicus  zu  beseitigen  versucht.  Der  Sitz  dieser  dem  levis  der 
nordischen  Akzentforscher  entsprechenden  Nebentöne  hänge  von  der 
Quantität  der  Silben,  sowie  von  ihrer  Entfernung  von  der  Haupttonsilbe 
ab.  Unmittelbar  dem  Haupttone  vorangehende  oder  folgende  kurze  Silben 
können  ihn  nicht  tragen  (weshalb  Betonungen  wie  üd^  armd,  conspiee^ 
equües  unerlaubt  seien,  mit  Ausnahme  bestimmter  Versstellen  unter  dem 
Drucke  des  Metrums ;  gerade  diese  Einschränkung  weckt  aber  Zweifel  an 
der  Richtigkeit  der  Erklärung),  wohl  aber  lange;  folgen  zwei  Silben,  so 
habe  die  letzte  den  Nebenton;  gehn  mehrere  Silben  voran,  so  ruhe  der 
Nebenton  lieber  auf  einer  langen,  als  auf  einer  kurzen,  bei  mehreren  vor- 
ausgehenden Längen  auf  allen.  Alle  diese  Nebentöne  können  Versikten 
werden  (cbmpkio^  ärrndtus,  ärmdti  usw.).  Ebenso  in  Wortgruppen.  Daß 
durch  diese  vornehmlich  auf  langen  Silben  ruhenden  Nebentöne  sich  die 
meisten  Schwierigkeiten  lösen  würden,  ist  zuzugeben.  Und  doch  ist  es 
mir  ganz  fraglich,  ob  dies  des  Rätsels  Lösung  sei.  Denn  auch  hier  er- 
hebt sich  die  Frage,  ob  diese  Nebentöne  von  Anfang  an  da  waren  und 
nicht  vielmehr  erst  durch  Akzentverschiebungen  im  Satze  neu  erzeugt 
wurden.  Die  Musterbeispiele  Ahlbergs  wenigstens  —  eine  Nachprüfung 
im  einzelnen  ist,  da  er  das  Material  nicht  mitteilt,  erschwert  —  fügen 
sich  der  oben  angedeuteten  Erklärung,  wonach  die  dem  Hauptakzente 
vorangehenden,  sowie  die  der  Hauptakzentgruppe  folgenden  Silbenkomplexe 
ihre  Betonung  durch  einen  sekundären  Dreisilbenakzent  geregelt  hätten, 
z.  B.  mh'etrieem  ädulescintulam  gegenüber  meretrteem  e  pr6xum6,  cdntinuo 
U  me  gegenüber  eontinuo  adviniens]  fdcis  delicitu  und  faeü  delicias  sind 
gleich  gut  möglich,  da  -m  nach  betontem  fdc-  kurz,  sonst  aber  lang  ist; 
et  erat  servüs  mens  ist  daher  trotz  Ahlberg  ebensogut  möglich,  wie  et 
irat  eervüe  m«us\  daß  es  kein  fuU  auxüio^  sondern  nur  füit  auxilio  gibt, 
ist  bei  der  Kürze  der  Schlußsilbe  -U  selbstverständUch. 

Sehr  anfechtbar  ist  der  IV.  Abschnitt  *T)e  accentu  circumflexo". 
Dieser  Akzent,  der  nach  den  lat.  Grammatikern  langen  Einsilblem,  durch 


Apokop6  sekundär  auslautend  geworden^in  langen  Silben,  «Jidlich  deri 
■libe  trochä^ischer  (aber  nicht  spondÄischer)  Worte  zukonimen  sültj 
ein  fjcbler  zwei£:;pflig^r  Ton  gewesen,  eine  Vereinigung  von  Akut  und 
Levis  in  derselben  Bilbt^;  diese  Zweigipfligkeit  aei  in  der  zwreiten  Grupp« 
(st,  B.  prodüe),  sowie  in  Fällen  wie  dös,  au  dürcb  Verlust  einer  iweil«ü 
Silbe,  hei  lUx,  rät  usw,  durch  den  einstigen  Diphlboaig  (für  ?w  wlre  ^-eiliiCh 
schon  auf  idg*  *ri9  zu  rekurrieren)^  endlich  in  der  dritten  Gruppe  —  di& 
doch  handgreiflich  ""sapientiam  graecam  redolet"  —  daraus  eu  erklären^ 
da(^  der  im  Spondaeus  auf  die  Sch!ußstU>e  fallende  Levis  im  Trochaeu 
■ehon  kl  die  StaaM—aiw  gairilm  id;  j«,wwi|  dm  im  Jhn  Bammtßkmm 
iJt  «knitrt  boniokiMl  w«db,  mi  ndttiiMr  m  ä^oamätUiimm.  4a  mmk 
km  QfkdL  kmir  Tokal  +  r,  i  ikmIiMU  wd^jiM^mabBtkmaLlmwm 
ToU  tt^l  AttM  dM  Mi  »ir  wiaMlMdw;  diS  dir  S^ 

wOm  fegenttbcr  'akBierteni'  ort  >««  »idiii<a,»irWt.  Allerdjap  «ndrf  A  Wtwuf 
die  Aimahme  «aas  aehten  Zirkamfiexai  m»«^  in  trocbäSMiiM  WorlM 
dadurch  la  statsen,  dafi  er  mit  ihrer  ffilfe  der  VeiMraong  täam  lanfoa 
Tokals  unter  Dehnung  dee  folgenden  Koneenanten  heikoaunen  aa  kdanea 
glauht  Thnmeyaens  Ansicht,  daA  die  Silhenzahi  eine  Rolle  gespMt  habe 
—  man  vgl.  Heu$:  mteeidmt  —  interpretiert  er  dahin,  daft  hei  Silben- 
anwachs  der  Zirinunflez  zum  Akat  habe  werden  mfiieiin,  der  dann  all 
■diarf  geechnittener  Akzoit  den  Uagenanatanach  hewtril  habe.  Aber 
war  die  Süboiaabi  der  einzige  Faktor?  Warum  «^pat  ans  ^d^Me,  ohwobl 
keine  dretnlbigoi  Formen  zu  ffilfe  kamen,  und  waram  aaderereeili  di«- 
dibiges  fc^'o?  Aodi  die  Synkope  bei  dd§  osw.  ans  *Mfo  gefeaCOier  km» 
sHbigem  cn^,  cMs  uaw.  (freilich  dap$,  fax)  nötigt  nicht  zur  Annäht 
eines  Zirkumflexes;  lange  Staomisilbe  verbrauchte  eben  schon  an  siek 
mehr  Ausatmungsdrack  als  kurze.  Gut  ist  die  Bemerkung,  in  orUt,  rilit, 
vttis  sei  die  Synkope  unterblieben  oder  rückgängig  gemacht,  um  den  Zu- 
sammen fall  mit  urbSj  ria^  «m  zu  vermeiden. 

Im  V.  Abschnitte  untersucht  Ahlberg,  auf  welchem  Wege  die  alte 
Anfangsbetonung  zu  dem  uns  vorliegenden  Dreisilbenakzente  geführt  habe. 
Er  führt  dabei  in  ansprechender  Weise  den  Gedanken  ans,  daA  zugleich 
mit  der  Schwächung  der  Anfangstöne  die  auf  folgenden,  wenn  möglich 
langen  Silben  ruhenden  Nebentöne  erstarkten  imd  endlich  zum  Haupt- 
tone wurden.  Diese  Versq^ebung  gelangte  in  verschiedenen  Quantitäts- 
typen zu  verschiedenen  Zeiten  zum  Durchbruche.  Die  Vorliebe  des 
Nebentons  für  lange  Silben  erzeugte  z.  B.  ddfieißbätUur,  UngüMo^  säpihdmj 
c^nqidrere,  dmleu8\  in  eönficerij  fdeiliüs  rückte  der  Nebenton  mangeb 
langer  Silben  wenigstens  möglichst  weit  vom  Haupttcme  weg;  beim  Wett- 
streite langer  vorletzter  und  drittletzter  siegte  der  Nebenton  der  vorletzten, 
z.  B.  cöntubemälis,  vermutlich  infolge  des  Oberwiegens  der  Betonungs- 
typen wie  löngitüdo,  ednquir^bam^  cönglomerätus.  Erst  nachdem  der 
Nebenton  dieser  Fälle  zum  Hauptton  geworden  war,  wurde  z.  B.  c^fieeri 
durch  Analogie  von  z.  B.  eonquirere  zu  eonfieBre,  und  zog  endlich  faeüim 
nach  sich.  Letztere  Betonung  ist  bei  Plautus,  wenn  auch  wohl  nicht  ganz  za 
läugnen,  bekanntlich  noch  stark  in  der  Minderheit  gegenüber  herrschendem 
fddlius ;  bei  Pbaedrus,  Publilius  Syrus  und  Seneca  halt^i  sie  sich  scfaca 
das  Gleichgewicht.  Bezüglich  der  Ausgänge  .^^^  und  v^v>.l>  haben 
Plautus  wie  Seneca  sowohl  ednficiünt  als  eonfietufU,  sowohl  säpimUh  als 
MapidfUea,  letzterer  aber  nur  mehr  am  Versschlusse,  wenn  vor 


Niedermann  Sp^imen  d'on  pr^cis  de  phon6tiqae  historiqne  du  Latin.    56 

jambischen  Worte  stehend  oder  elidiert,  z.  B.  MpiA  deus,  nUliar4m  9$quif 
Unperium  ixaequar^  präiosa  ömnia ;  auch  hier  beachte  man  übrigens,  wie 
das  Dreisilbengesetz  in  der  Silbengmppe  vor  dem  starkem  zweiten 
Hochtone  wirkt,  wie  auch  in  den  plantinischen,  zu  Senecas  Zeit  nicht 
mehr  möglichen  Verbindungen  wie  hdspitiö  dwMitur^  dlienäst  oratio ;  es 
wäre  eine  wohl  dankbare  Aufgabe,  zu  untersuchen,  in  wie  weit  Jen* 
Oberbleibsel  der  einst  allgemeinen  Anfangsbetonung  im  angegebenen  Sinne 
▼on  dem  Akzente  der  folgenden  höchsttonigen  Silbengruppe  bedingt  sind; 
▼ielleicht  empfienge  dadurch  auch  die  immerhin  etwas  auffällige  Betonung 
9dpimU4»  Licht 

Ich  verkenne  nicht,  daA,  wenn  Ahlberg  in  der  Annahme  eines 
organischen  alten  Nebentones  auch  in  Fällen  wie  e&nqulro^  dnUeua^  d.  h. 
unmittelbar  nach  der  Tonsilbe,  Recht  behält,  dies  eine  gewisse  Stütze  für 
die  von  ihm  im  IIL  Abschnitte  ausgeführte  Nebentontheorie  (ärmM) 
bieten  würde ;  freilich  nicht  im  kausalen  Sinne,  denn  es  handelt  sich  um 
verschiedene  Zeiten  der  Sprache,  aber  doch  als  einigermaßen  analoger  Fall. 

Innsbruck.  A.  Walde. 


Niedermann  M.  Späcimen  d'un  pröcis  de  phon^tique  historique  du  Latin, 
Beilage  zum  Jahresbericht  des  Gymnasiums  in  La  Chaux-de- Fonds  1903/4; 
VU  und  30  S.  4^ 

Der  Abhandlung  geht  ein  Geleitwort  von  A.  Meillet  voraus,  worin 
dieser  beklagt,  daß  durch  den  scholastischen  Betrieb  der  lateinischen 
Grammatik  eine  tiefe  Kluft  entstanden  sei  zwischen  dieser  und  den  modernen 
Wissenschaften,  so  daß  man  sagen  müsse:  il  est  devenu  un  ÜimeiU  mort. 
Der  Gefahr  immer  größerer  Verkümmerung  dieses  Unterrichtszweiges  sei 
abzuhelfen  durch  seine  Wiederbelebung  mit  den  Mitteln  der  neueren  Sprach- 
forschung. Es  sei  mit  aufrichtigem  Danke  zu  begrüßen,  daß  Niedermann 
den  reichet  Schatz  seiner  Kenntnisse  in  den  Dienst  der  Aufgabe  gestellt 
habe,  rein  auf  den  Boden  der  lateinischen  Sprache  bleibend,  eine  auch 
dem  heranwachsenden  Geschlecht  u^erer  Tage  zusagende  Darstellung 
der  lautlichen  Erscheinungen  zu  bieten,  ein  Verdienst,  das  um  so  höher 
angeschlagen  werden  müsse,  als  trotz  der  Beschränktheit  des  Raumes  und 
trotz  des  Ausschlusses  aller  übrigen  idg.  Mundarten,  auch  des  Griechischen, 
überall  die  höchste  Genauigkeit  erzielt  worden  sei. 

Was  die  didaktische  Seite  dieses  Urteils  anbelangt,  so  fehlt  mir  die 
Kenntnis  des  französischen  Gymnasialwesens  zu  sehr,  als  daß  ich  mir 
eine  Meinung  darüber  zu  äußern  gestattete;  für  Deutschland  triilt  es  in 
solcher  Schärfe  sicherlich  nicht  zu.  Wie  hier  zuerst  G.  Curtius  der  griechischen 
Grammatik  eine  freiere  Bahn  gebrochen  hat,  so  sind  auch  die  Verfasser 
lateinischer  Lehrbücher  eifrig  tätig  gewesen  in  dem  Bestreben,  die  Er- 
gebnisse der  Wissenschaft  für  die  Schule  nutzbar  zu  machen;  indem  ich 
im  allgemeinen  auf  den  einschlägigen  Abschnitt  in  Rethwischs  Berichten 
über  das  höhere  Schulwesen  verweise,  greife  ich  nur  aufs  geratewohl 
ein  paar  Namen  heraus:  Deecke,  Harre,  Landgraf,  Perthes,  Ziemer,  denen  ich 
noch  auf  dem  Grebiete  der  Lexikographie  Stowasser  anreihen  möchte.  Auch 
gebe  ich  zu  erwägen,  ob  nicht  bei  jedem  Erlernen  einer  Fremdsprache  zu 
überwiegend  praktischen  Zwecken,  zumal  auf  niedereren  Stufen,  das  mecha- 
nische Gedächtnis  mit  hmerer  Notwendigkeit  einen  Vorrang  vor  dem  judi- 
ziösen  behaupten  wird;  es  ist  dem  jungen  Gelehrten  zu  wünschen,  daß 


fetorjsche  Grammatik  der  lateinischen  Sprache. 

ihn  hier  sein  hohes  Streben  nicht  zu  einer  allzu  idealistischen  Betrachtung 
der  Dinge  verleite. 

Dl6  wissenschaftliche  Seite  seiner  Leistung  belreSend»  kann  ich 
MeiUets  Worte  nur  unterschreiben:  die  Arbeit  ist  ein  Muster  klarer  und 
übersichtlicher  üarstelltmE,  an  der  fast  nichts  auszusetzen  ist.  außer 
wenigen  Kleinigkeiten:  S.  1  L.  3  v,  u.  klingt  der  Ausdruck  zu  sehr  nach  ah- 
ftichtlichein  Ziclbewußtsein^  wenn  es  heißt,  die  analogische  Hekompo^tion 
stelle  Laute  der  Simpbria  in  den  Zusammensetzungen  wi^er  her,  um 
die  Verwandtschaft  zu  he  l  on  en  (pour  tu^cejtluer  teur  affiniid).  S  8,  L.  11  w  u* 
vgl.  zu  der  Angabe,  das  historische  Latein  habe  nur  einen  musiVali sehen 
Tön  gehabt ,  doch  wenigstens  Sommer  Laut.  u.  Flejü,  S,  104 ;  Brugmann 
K.  V»  Gr.  S.  f>3!  Mehrfach,  z.  B.  bei  ai,  oe,  S.  23,  ot*  S.  24,  ö  S,  25  wSre  eine 
nähere  Erklärung  über  den  Lautwert  der  Schrift^ eichen  erwünscht;  N^i«r 
S,  24  L.  9  V.  u.  ist  mehrdeutig;  soll  es  min  =  n^ter  oder  ne-£~ltr  oder 
was  sonst?  S.84L.8lt  t.  a:  daA  mFlll6&  wiemomtia^poma^MMo^ma 
dem  Einfluß  der  SchrBibong  auf  die  Voiksspimdie  sn  Terdanlceii  sei,  liat 
Sommer  &.  &.  0.  S.  89  mit  guten,  nonmebr  offmbar  andi  Tcm  BrogmasD 
a.a.O.S.84  anerkannten  GMnden  bestritten.  Dagegen  halte  ich  des  ersteren 
Gelehrten,  wenngleich  nicht  ohne  Kinschrinkpng  a.a.O.  S.  196  und  612  tw 
tretene  Anerkennung  des  sog.  Lachmannschen  Gesetses  (ä^a :  «eM»  usw.) 
nicht  fttr  so  sicher,  daß  ich  es  (S.  96,  ü)  in  einen  Leitfaden  QbemomnMA 
hfttte.  Femer  scheint  mir  das  VeriiiHnis  toh  «ni  sn  9  in  pitMo  ijM» 
mit  Sommer  a.  a.  0.  S.  91  f.  verwickelter  als  S.  24  f.  Niedeimann,  deasea 
Erwägung,  ersteres  hfttte,  woui  urqirfinglich,  in  den  K<mi|io8it^  sa  yiftfi 
werden  müssen,  sich  durieh  die  Md^ichkeit  der  RdumqioaitiQii  m.S.  leidit 
erschüttern  l&ßt.  —  Doch  schließen  wir  mit  der  Ericlftmng,  daß  es  dem 
Verfasser  gelungen  ist,  einen  hervorragend  kurzen  und  klaren  Abriß  zu  ent- 
werfen, dessen  Benutzung  dem  Lehrer  Freude  machen  und  so  mittelbar 
auch  den  Schülern  zugute  kommen  wird;  die  Darlegungen  über  Lautbildung 
und  Lautgesetz  nebst  denen  über  Analogie,  sowie  die  Lauttabellen  bieten 
geradezu  die  Quintessenz  modemer  Betrachtungsweise.  Das  tp^eimen  erregt 
den  lebhaften  Wunsch  nach  der  Yqjlendung  des  Werkes,  das  nach  ihm  zu 
schließen  ein  chef-d'ceuvre  werden  soll! 

Stuttgart.  Hans  Meltzer. 


Historische  Grammatik  der  lateinischen  Sprache,  herausgegeben  von 
Gust.  Landgraf.  Dritter  Band,  Syntax  des  einfachen  Satzes,  1.  Heft, 
Einleitung  in  die  Geschichte  der  latein.  Syntax  von  Golling  (87  S.); 
Literatur  zur  histor.  Syntax  der  einzelnen  Schriftsteller  von  Landgraf 
und  Golling  (S.  88 — 96);  Tempora  und  Modi;  Genera  verbi  von  Blase. 
Leipzig,  Teubner,  1903.  gr.  8».  8  M. 

Was  die  zweite  Abteilung  (S.  88 — 96)  betrifft,  so  ist  sie  eine  biblio- 
graphische Zusammenstellung,  die  für  den  Spezialforscher  von  Wert  ist, 
weil  er  hier  das  Material  für  seine  Arbeit  in  großer  Vollständigkeit  und 
übersichtlicher  Anordnung  zu  raschem  Zugreifen  bereit  findet. 

Auch  dem  ersten  Teil  gegenüber  muß  ich  mich  im  wesentlichen 
auf  die  Stelle  des  Berichterstatters  beschränken  und  vermag  nur  den  all- 
gemeinen Eindruck  auszusprechen,  daß  er  über  die  Leistungen  der  einzehien 
Epochen  und  deren  Fortwirkung  auf  die  Folgezeit  in  dankenswerter  Weise 
orientiert;  von  des  Dionysius  Thrax  kleinem,  aber  von  beispiellosem  Erfolg 


Historische  Grammatik  der  lateinischen  Sprache.  57 

begleiteten  Büchlein  über  die  t^xvti  Tpam^ctTtKi^  bis  auf  Morris*  im  Jahre 
1902  erschienenes  Werk  über  die  Grundsätze  und  Methoden  der  lateinischen 
Syntax  wird  vor  uns  die  Rette  der  Überlieferung  mit  einer  großen  Anzahl 
von  Gliedern  aufgerollt,  und  der  Leser  erhält  einen  Begriff  davon,  wie  die 
Probleme  entstanden  sind  und  wie  jede  Periode  auf  die  folgenden  von 
Einfluß  gewesen  ist.  Dabei  werden  die  drei  Hauptzeiten :  Altertum,  Mittel- 
alter und  Neuzeit,  treffend  gekennzeichnet  und  die  einzelnen  Erschei- 
nungen gebührend  gewürdigt.  So  heißt  es  vom  Mittelalter,  daß  es  zwar 
an  dem  Mangel  geschichtlichen  Sinnes  und  dem  Oberwuchem  scholastischer 
Spekulation  gekrankt  und  seine  Untersuchungen  im  Grunde  nur  auf  die 
zeitgenössische  Sprache  gerichtet,  trotzdem  aber  bahnbrechende  und  fort- 
dauernde Ergebnisse  gewonnen  habe  durch  die  grundsätzliche  Scheidung 
von  Syntax  und  Formenlehre,  durch  die  Zerlegung  des  Nomens  in  Sub- 
stantiv und  Adjektiv,  durch  die  Einführung  der  Apposition  wie  der  Casus 
absoluti  (bes.  des  Ablativs),  durch  die  Wiederentdeckung  grundlegender 
Begriffe  wie  Subjekt  und  Prädikat  usw. 

In  der  Neuzeit  ist  für  sich  behandelt  zuerst  das  16.  Jahrb.,  in  dem 
Sanctius  mit  seiner  Minerva  als  der  Urheber  des  modernen  Betriebes  der 
Syntax  erscheint.  Es  schließen  sich  an  das  17.  und  18.  Jahrb.,  in  denen 
der  Geist  erstickt  wird  vom  Stoff;  vor  allem  das  letztere  bezeichnet  den 
Tiefstand,  sodaß  gegenüber  dem  14.  Jahrb.  sogar  ein  Rückgang  zu  ver- 
zeichnen ist.  Das  19.  Jahrb.  bringt  die  Erlösung  aus  diesem  Bann  und 
zwar  in  seiner  ersten  Hälfte  vornehmlich  durch  den  Einfluß  der  kritizisti- 
schen  Philosophie  einerseits,  der  geschichtlichen  und  vergleichenden  Sprach- 
forschung andererseits.  Von  einschneidender  Bedeutung  war  dann  L.  Langes 
Vortrag  im  Jahre  1851  und  das  Aufkommen  der  psychologischen  Be- 
trachtung, die  in  der  Sprache  das  seelische  Erzeugnis  lebender  Menschen 
erblickt. 

Vom  größten  Belang  für  uns  ist  der  dritte  Abschnitt.  Hervorzuheben 
und  festzuhalten  ist  der  Umstand,  daß  Blase  nunmehr  dem  Gebäude  seiner 
historischen  Modus- und  Tempuslehre  das  Fundament  der  sprachvergleichen- 
den Lehre  von  den  Aktionen  untergelegt  hat  und  zwar  in  der  ihr  von  Del- 
brück im  zweiten  Bande  seiner  Syntax  verliehenen  Ausprägung :  was  sich 
also  etwa  gegen  diese  einwenden  ließe  und  was  ich  IF.  17, 186—277  zu- 
sammenzufassen versucht  habe,  trifft  damit  von  selbst  auch  Blases  Dar- 
legungen. Den  Reigen  eröflhet  das  Präsens;  hiebei  zeigt  sich,  daß  das 
historische  Präsens  im  Altlateinischen  regellos  mit  dem  Perf.  wechselt, 
dagegen  von  Cicero  mit  künstlerischer  Absicht  gegenüber  dem  Perf.  oder 
Imperf.  gesetzt  wird  "da,  wo  die  Ereignisse  sich  drängen";  ähnlich  ist  es 
in  Cäsars  Bell.  GalL,  weniger  deutlich  im  Bell.  Civ. ;  im  ganzen  dürfte  bei 
den  Historikern  bis  auf  Justin  der  Wechsel  stilistisch  begründet  sein, 
während  Schriftsteller  wie  Petronius,  Apuleius,  Ammianus  und  überhaupt 
die  späteren  das  feinere  Gefühl  dafür  verloren  haben.  Das  Eintreten  des 
Präsens  für  das  schildernde  Imperfekt  ist  vornehmlich  den  Dichtem  ge- 
läufig. Besonders  frei  im  Gebrauch  des  Präsens  für  vergangene  Hand- 
lungen ist  die  Dichter-  und  Umgangssprache,  zumal  bei  den  verbü  dicendi 
et  audiendi;  für  die  augusteische  Zeit  möchte  Blase  griechischen  Einfluß 
annehmen:  dies  mag  sein,  doch  liegt  der  psychologische  Grund  wohl 
tiefer,  nämlich  in  der  im  innersten  Wesen  unepischen,  nervös  rhetorischen 
Art  jener  dekadenten  Zeit.  —  Beim  Futurum  mache  ich  zunächst  auf- 
merksam auf  die  hübsche  Bemerkung  über  die  verschiedenen  Anwendungen 


des  forme! hatlen  amabo  auf  S.  U5-  feratjr  darauf,  daß  beim  FuturuTD  anstatt 
dea  Imperativs  lediglich  der  Züsananienbang  darüber  entscheidet,  ob  du 
Ge-(Ver-)bot  stärker  oder  schwächer  klingt.  S.  118  f,  bieten  eine  lehrreiche 
Beobachtung  Über  das  Verhältnis  von  Ha  ms  nmadä  (amhunt)  und  Wt  nu 
dl  amaU.  Mit  Recht  wird  betont,  daß  auch  im  Lateinischen  der  Übergang 
von  Futur  und  Konjunktiv,  d.  h.  von  Tempus  und  Modas  besonders  leicht 
ist  Interessant  ist  wieder  die  Mitteilung  S.  122/:^,  daft  das  -am-Futurum 
wohl  wegen  des  Zusammenfalls  mit  dem  Optativ  im  Spätlatein  eher  sehwand 
als  das  -^Futurum,  Daß  das  merkwürdige  Futurum  der  Vergangenheit 
{ät.  ß.  Liv.  XXI,  46,  8)  nicht  vergessen  ist,  verdient  ebenso  Lob  wie  sieb 
daran  die  Bemerkung  knüpfen  läßt,  daß  Parallelen  au5  dem  Deutschen 
und  vornehmUch  Slavischen  leicht  beuuhringen  waren.  S.  125'6  wird  die 
Annatinie,  daß  der  ConiuHdhus  als  ju^itfus  hezw.  prohihitivt^  müder  sei 
denn  der  imperatiiiUSj  abgelehnt;  der  Wechsel  zwischen  beiden  ist  in  der 
Poesie  und  hei  späteren  häufig,  nicht  aber  in  der  guten  Prosa:  wenn  er 
fOx  diese  als  *fremd*  bezeichnet  wird  (S.  19Q»  so  isl  so  baftclitea,  dtft 
unter  den  Bräpielen  immerhin  liv.  UI,  id^4tpHmmm  i^mo9M  —  ti§imi§  9kmt 
erscheint  Der  0^.  i'mti#.  der  2.  Pen.  des  Prie«,  im  AlÜnlein  und  bei 
den  Dichtem  üblich,  wird  bei  Cicero  an  dne  bestimmte  Person  §»- 
liditet  nur  in  den  Briefen  {curm^  ui  seimm);  anch  als  prokü^vm  ist  die 
%  Pers.  Koi\j.  Pris.  im  Altlaieinischen  und  bei  Dichtem  hinfig,  bei  GieeffO 
idten  und  da  nur  an  die  allgemeine  Person  geriebtel;  Rimers 
Yersnch,  ihn  auch  fttr  bestimmte  Personen  nacbsnweiaen, 
ist  gescheitert  Dagegen  ist  die  8.  Peis.  als  kmivm  wie  als  jm- 
MiSrivM  in  der  gesamten  Latinititdorchaassnlisdg,  ebensowie  die  1.  Flor. 
—  lUi  9ivam^  ttf  fado  erscheint  zuerst  bei  Cicero  ad  Att  V,  16,  2.  —  Der 
Konj.  des  Wunsches  steht  in  unbeschränkter  Anwendung.  Dabei  ver- 
tritt im  Altlateinischen  der  Konj.  Präs.  nicht  bloß  den  potentialen, 
sondern  auch  noch  den  irrealen  Wunsch.  Es  treten  hervor  Glück- 
wunsch- und  Verfluchungsformeln  wie  perduim,  noch  öfter  perdam,  dtm^ 
klass.  besonders  quod  di  omen  avwtatU^  bei  den  Dichtem  d»  fadtuU  mit 
folgendem  Konj.  Altlateinisch  sind  die  Einleitungen  mit  ut  und  qui^  nach- 
ciceron.,  bes.  dichterisch,  die  mit  sie  oder  ita\  die  mit  utinam  ist  allgemein. 
Die  Negation  beim  Jussiv,  Hortati v,  Optativ  ist  im,  bei  besonderer  Betonung 
aber  iton,  das  freilich  seit  der  augusteischen  Zeit  häufiger  werdend,  seinen 
verstärkten  Sinn  nicht  mehr  stets  deutlich  erkennen  läßt;  Eimers  Versuch, 
für  die  Fälle  mit  non  und  ne^pu  mit  Koi\j.  Perf.  potentiale  Färbung  heraus- 
zustellen, ist  mißlungen;  utinam  non  haben  wir  zuerst  bei  Cic.  ad  Att  11, 
9,  3.  Die  regelrechte  Fortsetzung  von  ne  ist  n«M,  neque  ist  seltener ;  die 
Komiker  lieben  unverbundene  Weiterführung.  Im  Folgenden  (S.  126  f.)  wäre 
es  nach  meinem  Dafürhalten  im  Interesse  der  Klarheit  wünschenswert  ge- 
wesen, wenn  die  Beispiele,  in  denen  der  Vetativ  auf  einen  Jussiv  folgt, 
geschieden  worden  wären  von  denen,  wo  er  sich  wiederum  an  ^en 
Yetativ  anschließt.  Für  die  gute  Prosa  fehlt  das  Material,  um  zu  ent- 
scheiden, ob  es  f€te  neque  fecerie  oder  fae  neve  feeeris  heißt,  wohl  deshalb, 
weil  ndi  so  sehr  vorherrscht;  bei  Seneca  und  den  Dichtem  findet  man 
hier  oft  neve.  —  Was  den  Konj.  Präs.  als  potententialis  angeht,  so 
hat  Eimer  ihn  leugnen  wollen,  ist  aber  nicht  durchgedrungen.  Im  Spät- 
latein wird  auch  nisi  forte  damit  verbunden,  das  klassisch  mit  Indik.  steht 
In  der  silbernen  Latinität  macht  der  Konj.  Perf.  starke  Konkurrenz,  doch 
sind  velim^  nolim,  malim  stets  üblich  gewesen,  deren  optativische  Auf- 


Historische  Grammatik  der  lateinischen  Sprache.  59 

fassnng  durch  Morris  von  Blase  und  Bennett  bestritten  worden  ist  Die 
Konstruktion  mit  dem  (aaristischen)  Infin,  Ferf.  ist  den  Komikern  fremd; 
sie  tritt  erst  bei  Cato  auf  i)%abwM9t  vßlim).  Archaisch  ist  fara  fuat  an  mit 
Konj.;  forsUan  ist  nicht  altlateinisch  und  nimmt  später  auch  den  Ind. 
XU  sich,  wie  umgekehrt  fartasse  altlateinisch  nur  den  Ind.,  bei  Cic.  aber 
auch  den  Konj.  hat.  Wie  der  Indik.,  so  kann  auch  der  Konj.  Präs. 
als  eine  Art  von  Historicus  für  die  Vergangenheit  stehen;  daß  er  im 
Altlatein  noch  irreal  verwendet  werden  durfte,  ist  schon  gesagt.  Der  Gon* 
cessivus  ist  im  Altlatein  selten,  mit  Negation  nicht  belegt,  welche 
übrigens  in  der  Regel  ne  lautet.  Für  Cicero  kennzeichnend  ist  seine 
Stellung  am  Anfang  des  Satzes. 

Gehen  wir  zum  Indikativ  des  Imperfektes  über,  so  haben  wir 
anzuerkennen,  daß  sich  Blase  ernstlich  bemüht,  los  zu  kommen  von  dessea 
üblicher  Auffassung  als  eines  Tempus  der  dauernden  Wiederholung,  der 
Schilderung  und  Relativität;  mit  der  sprachvergleichenden  Forschung  er- 
kennt er  an,  daß  diese  im  Lateinischen  nachher  allerdings  fast  allein- 
herrschend gewordene  Verwendung  erst  das  Ergebnis  einer  Entwicklung 
ist  Schätzbar  wäre  immerhin  noch  die  Beifügung  eines  mit  möglichst 
zahlreichen  Beispielen  versehenen  Abschnittes  gewesen  über  die  bei 
näherem  Zusehen  nicht  so  seltenen  Fälle,  in  denen  im  Lateinischen  wie 
im  Griechischen  und  Deutschen  das  Imperfekt  eine  nicht  verweilende, 
sondern  energisch  weiterführende  Handlung  bringt;  man  vgl.  Liv.  1,  26; 
26,  10;  Caes.  b.  g.  7,  25;  Nep.  Ep.  8;  Cic.  Deiot.  4, 11;  Mil.  9,  25  u.  a.  m. 
Bei  dieser  Gelegenheit  sei  auch  hingewiesen  auf  den  wertvollen  Aufsatz 
von  Kratz  im  Korrespondenzbl.  f.  d.  Gel.  Seh.  Württ.  1869,  S.  203.  Mit  der 
Verschiebung  aus  der  Sphäre  der  Vergangenheit  in  die  der  Gegenwart, 
die  von  den  Ausdrücken  des  Könnens,  Müssens  usw.  ausgeht,  bei  Lucrez 
beginnt  und  umso  eher  eintreten  mochte,  als  die  Abgrenzung  oft  sehr 
schwierig  ist,  betritt  der  Verfasser  sein  eigenstes  Grebiet.  An  dem  von  ihm 
auffallend  gefundenen  Gebrauch  des  Imperfekts  bei  Ammian  fällt  mir 
jedoch  nichts  auf,  und  die  weitgehenden  Schlüsse  auf  die  Geltung  des 
Perf.  Pass.  als  Präsens,  nach  Art  der  romanischen  Sprachen,  halte  ich  für 
recht  gewagt,  wie  ja  Blase  selbst  auch  andere  Möglichkeiten  andeutet 
Der  Konj.  Imperf.  als  Jussiv  der  Vergangenheit  {auf erreit  =  du  hättest 
forttragen  eoUenl)  ist  im  Altlatein,  zahlreicher  vertreten  als  in  der  ganzen 
übrigen  Latinität  zusammengenommen,  während  er  in  der  unwilligen  Frage 
allgemein  gilt  {egon  intud  facerem?  ich  hätte  das  tun  sollen?):  wenn  dort 
die  Negation  ne  ist,  so  lautet  sie  hier  wegen  starker  Betontheit  non.  Der 
Optativ^  fast  stets  mit  (o)  utinam,  seltener  (o)  m,  erscheint  Altlat.  auch 
noch  präterital  (utinam  hie  prope  adesset  =  dagewesen  wärel):  letztere 
Bedeutung  ist  beim  Potential  durchgehend  gewahrt  geblieben,  für  die 
klassische  Zeit  besonders  in  der  allgemein  gedachten  2.  Sing,  {crederes  usw.), 
in  der  ersten  und  dritten  Plur.  im  alleinstehenden  Hauptsatz  selten,  um 
so  öfter  im  Nebensatz,  unter  dem  wahrscheinlich  eine  große  Anzahl  der 
Temporalsätze  unterzubringen  ist,  zumal  in  der  bedingenden  Periode» 
recht  oft  im  archaischen,  seltener  im  klassischen  und  silbernen  Latein, 
schließlich  in  Italien  und  Gallien  geschwunden,  während  er  bei  den 
Afrikanern  infolge  des  Einflusses  der  punischen  Sprache  (?)  und  des 
Studiums  der  Klassiker  wieder  auftaucht  und  zwar  a)  in  beiden  Gliedern 
(ni  vellent,  non  fieret  =  wenn  sie  nicht  gewollt  hätten^  wäre  es  nicht  geschehen^ 
oder  b)  im  Vordersatz  (si  arbitraretur)  oder  c)  im  Nachsatz  (veniretU), 


Natürlich  ist  Repräsentation  u.  Ä*  auszuschließen.  Die  Verwendung  des 
KoTsj.  Imperf,  als  Irrealis  der  Gegenwart  beruht  aof  euier 
Tempusverac hiebung.  Eine  Art  futunschen  Gebrauchs  —  ai  ^up^aatfU^ 
omnia  ten^^nt  =  oc^^peUuri  eixirU  —  hängt  mit  dem  potenlialen  lu- 
aammen.  Trefflich  ist  das  Perfektum  bebandelt  ^s  eine  formale 
Mischung  aus  idg.  Perf,  und  Aorist;  gut  wird  seio  oft  nur  nuancierender 
Unterschied  gegenüber  dem  Imperfekt  dargestellt.  Sein  gnomischer 
Gebrauch  wird  aufgezeigt  al«  vom  Griechischen  höchstens  leicht  beein- 
flußt, im  übrigen  über  als  die  Entfaltung  eines  einheimischen  Kerns.  Bei  den 
Kunst  dichtem  wird  jedoch  meinem  Gefühle  nach  eine  stärkere  Cinwirtong 
der  hellenischen  Vorbilder  zugegeben  werdeo  dürfen,  als  ßlase  geneigt 
ist,  einzuräumen,  weil  hier  die  ganze  Technik  auf  Entlehnung  beruht. 
Scharfsinnig  widerlegt  wird  die  Annatuue  eines  ingresaiven  Perfekts:  wenn 
0ciin  bedeute  nicht  bloß  habä  gewußt^  sondern  auch  AöA*  *r/aAr«»,  so  ^ 
komme  jenes  Ton  9eio^  dieses  aber  Ton  sejfeo.  Dsf^^en  ist  meines  Er- 
achtens  crMäimm  Hör.  caim.  8, 6, 1  nicht  soTiel  wie  nesfotiM,  sondem 

fportfofi.  Bedeutsam  ist  die  Feststelhmg,  daft  bei  den  Dichtern 
Perfekt  und  Praesens  bistorieum  ihre  Rolle  vertanscht 
haben:  letsteres  ftberwiegt  Wennesnnn  aberbdfit,  dasPerfekt 
male  schon  wegen  seiner  meist  schwereren  Form  den  langsamereQ 
Fortochritt  der  Handlang,  so  besweifle  ich,  d>  damit  das  Weseutlidü 
getroffen  ist:  Aeneis  ü,  120  soll  es  ja  nach  Blase  selbst  ^'lor  Be^ 
Torhebnng  eines  unerwartet  eintretenden  Sreigniases*  dienen. 
Richtiger  wird  sein,  daA  das  P^ekt  der  Handlang  «nen  krifligwen  Tän 
verleiht,  besonders  gern  auch  den  Abschluß  bringt,  während  das  Präsens 
mehr  Teilhandlungen  gibt  und  so  bei  den  die  Unterordnung  vermeidenden 
Dichtem  dennoch  **die  Teile  der  Rede  gewissermaßen  durch  ein  unsicht- 
bares Band  von  Beziehungen  verbunden  sind**.  Treffend  ist  wieder  die 
Beobachtung,  daß  nicht  selten  der  Schriftsteiler  in  Nebensätzen,  wo  er  die 
Vorzeitigkeit  durch  das  Plusquampeif.  hätte  ausdrücken  können,  sich  mit 
der  einfachen  Konstatierung  durch  das  bist  Perf.  begnügt.  Von  der  Zu- 
kunft kann  es  stehen  analog  dem  Präsens  (pmt,  9%  m€  (upexerü).  Das 
Perf.  pass.  mit  sum  gewann  einerseits  konstatierenden  Sinn,  blieb  aber 
andererseits  dem  Präsens  sehr  nahe,  sodaß  z.  B.  zwischen  aoleo  und  solUut 
«Mm,  operar  und  operattu  Bum  oft  kein  rechter  Unterschied  aufzudecken 
ist;  um  welche  Feinheiten  es  sich  hier  dreht,  zeigt  der  Umstand,  daß 
Cicero  neben  libeTf  qui  inscribitur^  auch  zuläßt  ^t  inscriptus  m^,  aber  nnr 
^t  dicitury  nicht  qui  dictua  est.  Das  Vulgärlatein  behandelte  amatu$  9um 
gerne  als  Präsens  (je  ßuia  aimi)  und  verwendet  als  Perfekt  demgemäß 
daim  amatua  fui.  Die  klassische  Sprache  aber  lehnt  sich  hiegegen  auf, 
besonders  Cicero  ist  sehr  empfindlich  und  auch  Livius  nicht  nachgiebig, 
ebensowenig  wie  die  augusteischen  Dichter,  während  bei  Caesar  [Bellum 
civile !]  III,  101, 4  fuit  defensum  zuzulassen  scheint;  in  der  silbernen  Latinität 
findet  sich  der  Gebrauch  gelegentlich,  aber  erst  im  6.  Jahrb.  scheint  er 
häufiger  zu  werden. 

Der  Konj.  Perf.  und  das  Fut.  exact  erfahren  eine  lichtvolle 
Behandlung.  Sie  sind  ursprünglich  nur  nach  der  Aktionsart  bestimmt  (ab 
aoristisch),  nicht  nach  der  Zeitstufe  oder  der  Zeitrelation:  faxo  (=  Koiy. 
aor.)  heißt  im  Unterschied  von  faeiam^  das  gleich  ist  'ich  werda  ü- 
treiben^  vielmehr  'ich  werde  bewirken';  auch  die  Bedeutung  der  Vorzeitig- 


Historische  Grammatik  der  lateinischen  Sprache.  61 

keit  (nicht  wie  Blase  S.  177,  180,  186,  192  sagt,  Tergangenheif)  Hch 
werde  bewirkt  haben*^  steckt  anfänglich  nicht  in  der  Form.  Was  die 
Statistik  anbelangt,  so  begegnet  von  der  ersten  Person  im  Haupt- 
satze nur  faxoj  während  capeOy  accepao,  indieaeeo  usw.  fast  alle  im  Be- 
dingungssatz auftreten.  Die  Jotapersonen  erscheinen  bloß  im  Nebensatz 
und  sind  auch  dem  Konjunktiv  (Optativ)  gegenüber  nicht  scharf  abge- 
grenzt, sondern  nur  aus  dem  Zusammenhang  näher  zu  erkennen.  Wenn 
es  S.  178  heißt  **Sie  erscheinen  nie  in  selbständigen  Sätzen",  so  dürfte 
hier  irgend  ein  einschränkender  Zusatz  nicht  fehlen,  denn  S.  179  ff.  erhalten 
wir  eine  Reihe  von  selbständigen  Optativen  (besonders  faxim,  di  faxint^ 
doch  auch  4t  rhotazisierte  wie  voluerie)  und  Potentialen  (besonders  ftixim^ 
auaimj  aber  auch  andere  wie  iueeim^  empeim,  neg<usim\  Prohibitiven  (mit 
na,  cave:  ne  dixis;  cave  fcuHe), 

Dem  Fut.  exact  bestreitet  Blase  das  Merkmal  der  Raschheit, 
Plötzlichkeit  und  schreibt  ihm  das  der  aoristischen  Aktion  in  der  Zukunft 
zu,  wobei  sich  im  Beginn  das  rhotazisierte  fecero  von  fcuco  nicht  unter- 
schieden habe.  Der  Nebensinn  der  Vorzeitigkeit  entwickelte  sich  erst  in 
der  temporalen  Periode.  Verwendet  wird  es  im  Ältlatein  sehr  häufig,  doch 
meist  in  der  1.  Pers.  Sing.,  im  klassischen  und  silbernen  Latein  seltener, 
besonders  bei  den  Dichtern,  sehr  oft  wieder  bei  den  Archaisten  Fronto 
und  Apuleius;  der  klassische  Gebrauch  liebt  die  (oft  koinzidente)  Neben- 
einanderstellung in  Neben-  und  Hauptsatz  (ßraiiesimum  mihi  fecerie^  ei 
venerie);  besonders  behandelt  wird  videro  (is,  itie,  int):  bei  Cicero  bezeichnet 
viderOy  imus  die  Hinausschiebung  der  Erörterung  auf  eine  spätere  Zeit  (gern 
mit  mox,  poet  u.  ä.),  während  viderie,  ä,  äw,  int  mehr  eine  Aufforderung, 
ein  Zugeständnis  ausdrücken  (Stoici  videriwt  mögen  ztieehenVj.  S.  184 
lesen  wir :  "Dem  Stil  der  Epiker  scheint  es  fremd  zu  sein",  womit  offen- 
bar viderit  gemeint  ist,  kurz  vorher  jedoch  wird  es  aus  Verg.  Aen.  10,  744 
angeführt.  Auf  S.  185  wäre  der  Ausdruck  eindeutiger,  wenn  nicht  bloß 
von  dem  formelhaften  videro  in  der  1.  Person  Sing,  die  Rede  wäre.  Da- 
gegen machen  die  Ausführungen  über  das  rhotazisierte  Fut.  II  in  dem 
allmählich  erworbenen  Sinne  des  exactums  wieder  einen  völlig  klaren 
Eindruck.  Die  vulgäre  Wendung  amatus  fuero  statt  ero  ist  seit  Plautus 
eingedrungen,  wurde  bis  auf  E.  J.  A.  Seyfert  sogar  für  die  regelrechte  ge- 
halten und  erst  von  diesem  ersetzt  durch  die  jetzt  geltende.  Besondere 
Behandlung  erfährt  das  Futurum  II  von  Verben  des  Seins  und  Habens 
(fuerOy  habuero)  =  ich  werde  eein,  ich  werde  haben.  Abgelehnt  wird  die  An- 
nahme, daß  fui  hier  sei  =  ich  bin  geworden  statt  ich  bin  geweeen,  auch  die 
andere,  daß  ein  Vulgarismus  vorliege,  weil  nicht  bloß  die  ältere  Gesetzes- 
sprache, sondern  auch  die  Nichtklassiker,  bei  denen  doch  besonders  |>rofi*«ro 
sehr  häufig  ist,  diesen  Gebrauch  nicht  aufweisen.  Ob  nun  aber  Blases 
Aufstellung  einer  aus  dem  Nebensatz  bezogenen  Verschiebung  wahrschein- 
licher ist,  weiß  ich  nicht  und  erlaube  mir  die  Frage,  ob  nicht  an  ein  Fort- 
wirken der  ursprünglich  futurisch-aoristischen  Bedeutung  des  Fut.  II  ge- 
dacht werden  darf.  Dann  wäre  Tac.  Agr.  9  abstinentium  in  tanto  viro 
referre  iniuria  fuerit  griechisch  dbuipoboxiac  bi  bf|  ir^pi  dv  otqi  ^Keivqi 
T'  Ävbpl  (öcnc)  ^vTi|iov€ÖC€i€,  XÜJßTiv  dv  iTcpidt)! €i€v,  gegenüber  eit  ircpi- 
dwToi,  oder  Plaut.  Poen.  973  fortuna  fuerit  adiutrix  tibi  TOxn  cu^iirapa- 
CT/jC€Tai  (wird  neben  dich  hintreten)  gegenüber  cu^irapccT^iEei  (wird  neben 
dir  atehen),  lat.  Fortunam  fautricem  nancisceris  neben  Fortuna  fautriceuteris. 

Zuzustimmen  ist  Blases  Bemerkung,  daß  die  i-Personen  sehr  oft 


■Uht  mit  «DtaehiodenMr  HuMH  d«iB  Fat  n  oder  dam  Koig.  Vmt  \ 
gOTPiaeen  wsrdoi  kOonMi;  dodi  war  m  TiaUeiciit  no^  ■iiMiiiiiliaiia 
dk  S.  196  Amn.  gwumitan  Fine,  wm  U  mimiwin^  dte  too  ilim 
MteMte  alt  Futnra  ga&iAt  «ad. 

Dagegen  haben  wir  im  ProhibitiTOS  m  (oder  aaü)  fieir(l^^  i 
«•  (mm)  f§09ri{fiß  aicher  den  ala  Fortaetser  dea  idg.  Injankttra  adt  atf 
beseicbneten  Konj.  Perl  in  der  aoriatiaeben  Bedantong  «rwMi(l)  «MM 
gagentkber  n$  ftt^^  daa  gleich  iat  lafrafla  «loftlt  Efanera  MeiBiBig^  ea 
I^  in  der  erateran  Form  etwaa  Bfadringliebafe^  aina  Brregimg^  wiid 
abgewieaen;  allein  man  wird  logeben  mtkaan,  daft  die  aoiiatiacba  Aktien 
n  dieaer  Sehattienmg  oft  eine  Verwandtachaft  aeigt  Shitittiaeh  liagl 
ea  80,  daA  im  AlÜatein  m  /tea  nnd  m  fMm$  daa  Tonrnng 
dann  kommt  m  f^emriM  imd  an  letzter  Stelle  fial^  fmw. 
überwiegt  seit  der  klaaaiachen  Zeit,  doch  beTorzogen  die 
Dichter  «a  fmc\  am  f^emrU  hat  Cicero  in  den  Briefen  hinfiger,  in  dan 
Reden  and  Dialogen  aelten,  Livioa  nnd  Seneca  philoa.  haben  ea  allem 
▼on  den  Späteren  hAofiger,  im  Spätlatein  aber  yerachwindet  ae  bat 
ganz.  Die  Negation  iat  regelrecht  aa,  doch  iat  Elmera  Veraneli,  da  wo 
«ae,  nMum  a.  ä.  ateht,  den  Potential  dnrchzafthren,  geacbeitert  Selten 
waren  Formen  von  Deponentien  (PaaaiYen)  wie  «qiariNitea  ce— wafwa  «a  aii 
(and  aach  fii^riä),  Ala  Jaaaiv  eracheint  der  Koig.  Perf.  Act  mit  pilaen» 
liacher  Bedeatang  bei  Verben  wie  wmmini  (aiawiiwaHa  ^  du  miOti  ^imftimk 
aeinQ,  bei  anderen  mit  Vergangenbeitaainn  (ateartfa  &=  dm  müUt  gmitgi 
haben!),  während  daa  Paaaiy  (bea.  bei  dem  formelhaften  9M  diülumfj 
wiederam  oft  präaentiach  aaftritt 

Als  Optativ  ist  der  Konj.  Perf.  selten  aoristich  {woiusrit  «a  wUf§f§d 
du  eine  gnädige  GesinMing  fassen  »  cTOc  cOvo^caac!),  bei  Plantas  nnr 
im  Nebensatz:  (Tenerem  veneremor,  ut  nos  adiuverü  hodie*);  bei  ihm 
kann  perieria  zweierlei  heißen:  a)  =  €l6€  diröXoio!  aber  auch  schon 
b)  ctBc  öXUjXoic!  Naturgemäß  sind  Wünsche  in  der  Vergangenheit  an  sich 
selten,  bes.  bei  Pass.  und  Depon.  Negiert  nur:  ne  di  n{vyie)ri9tt\  3»  dSc 
fxf|  ^dc€iav  (von  der  Zukunft),  also  mit  Koiy.  Perf. 

Als  Potentialis  der  Gegenwart  üblich  war  der  Konj.  Perf.  offen- 
bar  im  Anfang  nur  in  den  sigmatischen  Formen  anf  'Sim,  dann  aber 
kommt  auch  die  rhotazisierte  Form  -erim  auf,  häufiger  erst  seit  Cicero, 
aber  auch  bei  ihm  noch  nicht  in  de  inventiane;  führend  sind  Verben  wie 
dixerim  und  putaverimj  besonders  in  der  augusteischen  Zeit  ist  die  erste 
Person  auf  im  sehr  beliebt  (mehr  als  die  auf  »g  =3  ä,  die  zweideutig 
waren).  Der  Flur,  ist  im  ganzen  Latein  selten,  ebenso  der  Gebrauch  von 
Deponentien  und  Passiven;  einige  Beispiele  finden  sich  im  Relativ-  und 
Folgesatz  (ut  ita  dixerim).  Selten  ist  der  Konj.  Perf.  als  Potential  der 
Vergangenheit,  bei  Plautus  nur  im  Nachsatze  eines  Bedingnngsgefüges, 
selbständig  belegt  erst  bei  Gatull  (attigerit  =  mag  berührt  haben).  In 
Redensarten  wie  paee  tua  dixerim  findet  Blase  mit  Gramer  vielmehr 
einen  Voluntativus. 

Als  Concessivus  erscheint  der  Konj.  Perf.  erst  bei  Cicero  nnd  da 
stets  mit  Vergangenheitsbedeutung  {fuerit  =  mag  gewesen  sein). 

Im  Passiv  dient  als  K*»njunktiv  gewöhnlich  die  Ausdrucksweise 
laudatus  sim^  aber  bei  deren  Neigung  ins  Fräsen  tische  überzugehen  kommt 
schon  bei  Plautus  fuerim  auf;  besonders  in  Nebensätzen  der  wiederholten 
Handlung,  die  einem  Präsens  untergeordnet  sind,  ist  dies  öfter  geschehen. 


Historische  Grammatik  der  lateinischen  Sprache.  83 

Wohlgelungen  ist  die  Behandlung  des  Plusquamperfektes.  Ein 
reines  Präteritum  zum  reinen  Perfekt  wie  griech.  Qbca  zu  olba  ist  im 
Lat.  überaus  selten,  am  ehesten  in  Formen  wie  od$ram  u.  ä.  Ganz  über- 
wiegend bezeichnet  es  die  Vorvergangenheit  und  ist  ein  relatives  Tempus 
mit  Beziehung  auf  eine  andere  vergangene,  manchmal  nur  in  Gedanken 
vorschwebende  Handlung.  Rhetorisch  heißt  es  dann,  wenn  es  sich  auf 
ein  folgendes  Präteritum  bezieht;  hieher  gehören  die  Beispiele  des  sog. 
piu8quamp$rf,  eeleritatiSj  besonders  oft  dix^rat,  fatus  erat  usw.  bei  Dichtem. 
Sehr  beliebt  ist  es  bei  Gurtius.  Etwas  ähnliches  haben  wir  bei  {non) 
ptäarttm^  malueram  {hatte  gewollt,  aber  e$  iet  etwas  dazwischen  getreten); 
der  Konjunktiv  (putassem  usw.)  ist  hier  selten. 

Fachmann  im  vollsten  Sinn  ist  der  Verfasser  mit  der  Vor- 
führung der  Verschiebung  fueram  fQr  eram,  schon  von  den  Komikern  an, 
ein  Solözismus,  gegen  den  sich  die  klassische  Sprache  nicht  immer  mit 
Erfolg  wahrte,  der  bei  Vitruv  stark  emporwuchert  und  um  600  n.  Chr. 
bei  Fulgentius  den  Unterschied  von  Imperf.  und  Plusquamperf.  einfach 
auslöscht.  Wenn  aber  Blase  das  'falsche*  fueram  aus  einer  Presto-Kon- 
tamination  von  fui  +  eram  erklären  will,  so  vermag  ich  ihm  hierin  nicht 
beizustimmen.  Es  scheint  mir  zweifellos,  daß  die  psychologischen  Gründe 
dieser  Erscheinung  inhaltlicher  Natur  sind  und  sich  aus  einer  von  ihm 
selbst  zur  Erklärung  auf  S.  219  beigezogenen  'unlogischen*  Verwechslung 
herleiten:  die  hier  beigebrachten  und  richtig  gedeuteten  Fälle  erinnern 
an  Beispiele  wie  die  auf  einem  anderen  Gebiete  liegenden,  aber  eine 
ähnliche  Vermischung  zweier  Anschauungsweisen  in  sich  bergenden  Aus- 
drücke nach  Art  des  griech.  töt€  C9UT0V  ol  ^k  rf^c  dxopdc:  der  Erzähler 
nimmt  das  Ergebnis  in  der  Phantasie  vorweg.  Es  liegt  also  leicht  etwas 
Rhetorisches  in  dieser  Art  zu  reden,  was  Blase  natürlich  nicht  entgangen 
ist  (vgl.  S.  224).  Daß  besonders  Wendungen  mit  aequom,  par,  melius  oder 
mit  Verben  des  Müssens,  Wollens,  Könnens  usw.  (S.  222  ff.)  in  dieser  Hin- 
sicht empfänglich  sind,  zeigt  das  griech.  ibex  =  er  sollte  (jetzt).  Wie 
starken  durchaus  inhaltlich,  nicht  auch  formal  begründeten  Verschiebungen 
das  Zeitstufenbewußtsein  zugängUch  ist,  zeigen  deutsche  Mundarten,  in 
denen  man  etwa  hören  kann:  da  war  ich  ganz  ruhig  gesessen,  da  war 
mein  Sehneider  um  die  Ecke  gekommen  =  sass,  kam.  Auf  eine  weitere 
Art  der  Entstehung,  die  Bedeutungsübertragung  {obvius  fueram  nach  obvius 
venerum),  macht  wiederum  Blase  S.  225  aufmerksam.  Nach  all  dem  teile 
ich  seine  Auffassung,  daß  wir  es  hier  mit  Verschiebungen  zu  tun  haben, 
glaube  aber,  daß  diese  nicht  auf  formaler,  sondern  auf  materialer  Grund- 
lage ruhen. 

Anschließend  wird  der  Konj.  Plusquamperf.  behandelt  und  über 
seine  Verschiebung  gesagt,  an  fueram  habe  sich  in  der  Vulgärsprache  zu- 
nächst fuissem  angelehnt  und  andere  seien  dann  gefolgt;  nicht  unwahr- 
scheinlich däucht  Blase,  daß  die  Afrikaner,  bei  denen  die  Verschiebung 
zuerst  weiter  um  sich  greift,  durch  ihr  gegenüber  den  Zeitstufen  nicht 
scharf  reagierendes  semitisches  Sprachgefühl  besonders  schuld  daran  sind, 
zumal  sie  umgekehrt  auch  den  Konj.  Imperf.  von  dem  des  Plusquamperf. 
nicht  recht  scheiden.  Ich  gestehe,  daß  ich  gegenüber  solchen  Erklärungen, 
die  mit  der  Entstehung  von  dialektischen  Differenzierungen  auf  dem  Boden 
von  Rasse  Verschiedenheiten  arbeiten,  für  die  Syntax  bezw.  Semantik  etwas 
mißtrauisch  bin  und  verweise  auf  die  ablehnende  Behandlung  solcher 
Einwirkungen  durch  Deißmann,  Thumb  u.  a.  hinsichtlich  einer  *juden- 


Historische  Grammatik  der  lateinisdien  Sprache. 

griechischen*  Färbung  der  köiW]  :  gerade  der  Tempusgebraach  macht  di 
einen  g\xi  griechischen  Eindruck,  wobei  allerdings  zugestanden  werden 
muß]  daß  das  HeUeniscbe  mit  seiner  Bevorzugung  der  Aktion  dem  Semi- 
tischen näher  steht  als  daa  Lateinische, 

Der  Konj.  des  PJuaquamperf.  ist  Ausdruck  des  unerfülN 
barenWunsches  in  der  Vergangenheit,  stets  mit  uiinam,  bei  augusL 
Dichtem  auch  o  utinam^  mit  Negation  m«,  bei  Cicero  auch  iMm  (doch  mit 
bezeichnender  Stellung:  uiinam  suseeptus  non  essem^  während  es  sicher 
heißen  mnMe,  mit  anderer  Färbung:  utirtatH  n4  t^^iom  nu^c^us}.  ^V«  wird 
fortgesetzt  durch  neve  (n4u)  im  Altlatein^  hei  Catull  durch  netf  welch 
letzteres  hei  den  aagusL  Dichtem  nach  positivem  SaLx  Bege)  ist. 

Ala  Jussiv  der  Vergangenheit  erscheint  der  Konj.  Plusquamperf. 
im  AUlatein  nichts  da  er  hier  noch  durchaus  dorch  den  Konj  Iraperf.  ver- 
treten ist,  erat  hei  Ciceros  Rose.  Am,  73  vcnw««  (du  hdtugt  kommtti 
Aollen)^  aucb  in  unwilliger  Frage  (ejfont  ut  ötn^fidum  acc€pi»*em?)  zieut- 
Sich  häufig  bei  den  august.  Dichtem ;  ein  Beispiel  noch  bei  Hieronymus.  — 

Der  Imperativ  steht  im  allgemeinen  auf  dem  indogermanischen 
Standpunkt,  insbesondere  in  der  Unterscheidung  des  einfachen  und  des 
auf  -to(d),  der  gebraucht  wird,  um  den  Eintritt  der  Handlung  erst  in  einer 
bestimmten  zukünftigen  Zeit  zu  bezeichnen;  eine  Neuerung  ist  die  Hjinzu- 
fügung  von  ne.  Im  klassischen  Latein  tritt  der  imper.  II  hinter  df^m  1  sehr 
zurück;  schon  bei  Plautus,  noch  mehr  später,  ist  seine  Beziehung  auf  di« 
Zukunft  nicht  immer  mehr  deulheh,  besonders  ist  acito  statt  *c*  von  jeher 
üblich.  Der  ünLerachied  der  Bedeutung  verwischte  sich  mehr  und  mehr. 
-4o  iat  überwiegend  von  der  2.,  selUa  von  der  3.  Person  gebraucht;  m 
faeUo  ist  häufig  nur  in  Gesetzen.  Besonders  lehnreieh  ist  die  schon  beim 
Koi^.  Präs.  und  Perf.  gestreifte  Frage  nach  dem  Ansdrack  des  Verbotes 
in  der  2.  Person.  Es  ergibt  sich:  im  Altlatein  ist  n$  mit  Imper.  praea, 
Konj.  praes.  oder  Perf.  üblicher  als  nolUfe)  mit  Inf.  Cicero  vermeidet  den 
negierten  Imper.  präs.  und  den  an  eine  bestimmte  Person  gerichteten  ne- 
gierten Konj.  Präs.  der  2.  Person;  die  urbane,  etwa  140— 150 mal  vor- 
kommende Form  ist  die  mit  no/»(^0),  und  so  bleibt  es  im  ganzen  in  der 
folgenden  Prosa;  dagegen  lieben  die  Dichter  den  (meist  mit  im,  selten, 
altlat.  nie,  mit  wm  verneinten)  Imperativ ;  sie  knüpfen  ihn  an  einen  voraus- 
gehenden positiven  oder  negativen  Imperativ  an  mit  neve^  «mm,  doch 
auch  mit  neque,  das  schon  in  klassischer  Prosa  auftritt,  so  bei  Gic.  Att 
XII,  22,  3  habe  . .  .  nee  .  .  .  exUtima  (wo  also  doch  in  besonderem  Falle  der 
2.  Imp.  Präs.  bei  bestimmter  Person  zugelassen  ist!);  auch  «mc  . . .  ii«c 
kommt  vor  und  nee . . .  neve  oder  neve .  . .  imc,  ja  auch  et  ne. 

Die  Bedeutung  betreffend,  so  enthält  der  Imper.  schon  indogermanisch 
nicht  nur  einen  Befehl,  sondern  auch  ein  Ansinnen,  eine  Bitte  usw.,  je 
nach  dem  Ton;  diese  Färbungen  können  verdeutlicht  werden  durch  be- 
sondere Zusätze  wie  amaho\  altl.  obaecro;  quaeeo;  rogo;  dicht,  preeor;  tue 
{ei  pis)y  sultie  {ei  vultie)^  weniger  freundlich  eddee  {ei  audee);  manchmal  ne 
time.  Den  Befehl  anktlndigend  oder  verstärkend:  proin,  prainde;  dum 
{manedum  wart  eine  Weile\\  klass.  nur  in  aff{it)edum;  ag{ü)e,  age  eie; 
modo  {vide  modo) ;  fae  oder  fae  modo  {permaneae) ;  schließlich  quin,  wobei 
eine  Ausgleichung  vorliegt:  quin  audil  =  quin  audie?  +  audid%iml  Ähnlich 
iamdudum  {eumite  poenael). 

Der  Imper.  steht  auch  als  Konzessiv  und  zwar  häufiger  der  II.  als 
der  I.,  der  lieber  durch  den  Konj.  praes.  ersetzt  wird. 


Historische  Grammatik  der  lateinischen  Sprache.  65 

PutUy  ut  puta^  zum  Beispiel  findet  sich  zuerst  bei  Horaz  und 
dann  bes.  häufig  bei  den  Juristen;  tu,  tute;  vos,  vosmet  beim  Imper.  zur 
Hervorhebung  ist  den  Komikern  eigen.  Der  im  Griech.  nicht  seltene  Imper. 
im  Relativsatz  kommt  auch  bei  Cicero  vor. 

Während  die  Umschreibung  des  Imper.  mit  foc,  facito^  effice,  tnds 
mit  utj  oder  bloßem  Konj.  Präs.  nur  im  Altlat.  üblicher  ist,  so  ist  die  des 
Prohibitivus  weit  mehr  im  Gebrauch  und  zwar  am  seltensten  mit  fac,  ne, 
öfter  mit  vide,  ne,  am  gewöhnlichsten  mit  cave  {caveto)y  ne  imd  noch  weit 
lieber  ohne  ne  mit  Konj.  Präs.,  nur  im  Altlatein  häufiger  mit  Konj.  des 
aoristischen  Perf.  Die  Erklärung  der  Formel  eave  facias  bezw.  faxis  im 
Sinne  von  tue  nicht,  ist  nach  Blase  einfach  darin  zu  suchen,  daß  cave 
ziemlich  mechanisch  für  fac  ne  eingesetzt  wurde.  Cave  mit  Inf.  ist  nur 
altlat ;  sonstige  ähnliche  Wörter  sind  parce,  desine,  mitte,  amitte,  remittas, 
fuge,  ab8i8(ti)te,  aufer  mit  Inf.,  bei  Dichtem  und  ihnen  nachfolgenden 
Prosaikern. 

Sehr  inhaltsreich  ist  das  Kapitel  von  den  umschreibenden 
Formen.  Selten  (aber  nicht  gräzisierend)  ist  das  Partiz.  Präs.  mit  eum] 
nur  Vitruv  liebt  diese  Ausdrucksweise.  Der  Ind.  der  Verba  der  Möglich- 
keit und  Notwendigkeit  mit  Infin.  ist  eine  Art  Umschreibimg  des  Konj. 
Präs.  oder  des  Ind.  Fut.;  ebendahin  gehören  Ausdrücke  wie  aequum  est 
u.  ä.,  daher  Fälle  wie  ne  ei  eupiam  quidem,  possum;  quid,  si  hostes  ad 
urbem  veniant,  facturi  eetie?  Bei  Cicero  finden  sich  in  Verbindung  mit 
Ausdrücken  des  Müssens  32  Fälle,  während  im  Altlat.  bes.  aequom, 
mdiue,  aatiue  est  hervorstechen. 

Ähnhch  steht  es  bekanntlich  bei  der  Vergangenheit,  wo  uns 
diese  Gestalt  des  Satzgefüges  sogar  vertrauter  anmutet  und  die  Form  mit 
-urus  eram,  fui  die  indikativische  Grundlage  für  die  abhängigen  -urum 
fuisse,  -urus  fuerim  (fuissem)  bildet.  Wenn  wir  finden,  daß  Sätze  wie 
factum  iam  esse  oportuit,  also  mit  Infin.  perfecti,  überwiegen,  so  stimme 
ich  Blase  zu,  der  (S.  261)  Ziemers  Erklärung  durch  eine  Ausgleichung  ab- 
lehnt, bezweifle  aber,  ob  seine  Ansicht,  daß  wir  es  mit  punktueller  Aktion 
zu  tun  haben,  ganz  richtig  ist:  das  iam  deutet  m.  E.  darauf  hin,  daß  ge- 
nauer nicht  perfektive  (aoristische),  sondern  perfektische  Handlungsweise 
vorliegt:  das  hätte  schon  getan  dastehen  sollen,  wie  gr.  oO  ßouXeOecOai 
üüpa,  dXXd  ßcßouXcOcOai.  Bei  den  aktiven  Beispielen  wie  cavisse  aequom 
fuit  kann  man  angesichts  der  aoristischen  s-Bildung  imd  angesichts  des 
Sinnes  eher  zu  Blases  Auffassung  neigen.  Aber  notwendig  scheint  sie 
mir  auch  da  nicht  und  dies  um  so  weniger,  als  er  selbst  (S.  263)  für  die 
augusteische  Zeit  einräumt,  Maß  das  Bewußtsein  eines  Unterschiedes 
zwischen  kursiver  und  aktueller  [sehr.:  punktueller!]  Aktionsart .  .  .  nicht 
mehr  vorhanden  war;  das  Altlat.  würde  Inf.  Präs.  verwandt  haben'.  Die 
Konstruktion  hat  für  mein  Gefühl  etwas  Kunstmäßiges,  Stilisiertes  an  sich. 
Neben  dem  Indik.  findet  sich  aber  auch  der  Konjunktiv  (possim ; possem, 
b)  =  ich  hätte  können  b)  =  ich  könnte)  und  zwar  sowohl  im  selb- 
ständigen Satze  als  im  bedingenden  Satzgefüge,  in  welchem  a)  der  potentiale 
Konj.  Präs.  (possim)  im  Nachsatz  fast  schon  so  übhch  ist  wie  der  Indikativ, 
b)  der  irreale  Konj.  Imperf.  passem  und  Plusquamperf.  (potuissem)  gleich- 
falls nicht  nur  sehr  gebräuchlich  sind,  sondern  in  der  klass.  Zeit  den  Indi- 
kativ poteram,  potui  sogar  weit  überwiegen ;  gelegentlich  ist  dabei  passem 
noch  =  hätte  gekonnt ;  später  steht  es  so,  daß  der  eine  Schriftsteller  (wie 
Seneca  philos.)  den  Ko^j.,  andere,  so  die  Historiker,  den  Indik.  vorziehen. 

Anzeiger  XYm.  ^ 


griechischen'  Färbung  der  xoivjf) :  gerade  der  Tempusgebrauch  macht  da 
einen  gut  griechiachcti  Eindruck^  wobei  allerdings  zugestanden  werden 
muß]  daJ^  das  HeUenische  mit  seiner  Bevorzugung  der  Aktion  dem  Semi- 
tischen näher  steht  als  das  Lateinische. 

Der  Konj.  des  Piusquamperf.  ist  Ausdruck  de»  unerfüll- 
baren Wunsches  in  der  Vergan(!enheit,  stets  mit  wtifurm,  bei  aügost 
Dichtem  auch  o  utinam^  mit  Negation  »e,  bei  Cicero  auch  iwwi  (doch  mit 
bezeichnender  SteULmg:  tUifunn  vu^c^pttts  non  «»«m.  während  es  sicher 
beilSen  mußte,  mit  anderer  Färbung:  tainam  nt  €ABem  susctptus).  Newird 
rortgesetzt  durch  n*t>e  (mru)  im  Aillatein,  bei  CatuU  durch  i*«c^  welch 
letzteres  bei  den  augu^t.  Dichtem  nach  positivem  S&U  Regel  ist. 

Als  Jussiv  der  Vergangenheit  erscheint  der  Konj.  Plusquampert 
I  AlÜatein  nicht,  da  er  hier  noch  durchaus  durch  den  Konj .  Imperf.  ver- 

isti  ent  bei  Gtcaro«  R«»c.  Am.  72  mmmmi  {du  hMUst  kommm 
miUm\  auch  in  unwilliger  Frage  (i^en«  «t  Um^dmm  ■awrjii'tegwl)  aeoh 
lieh  hinfig  bei  den  angnst  IKehtem;  «n  Beispiel  noeh  bei  ffieronymns.  — 

Der  Imperativ  eteiit  im  allgemeinfin  anf  dem  indogenneniirhwi 
Standpunkt,  insbesondere  in  der  Ihitersdieidiuig  des  eiwfadien  md  dei 
auf  '4o{d^  der  gebraneht  wird»  vm  den  Bintiitt  der  Handhing  erst  in  einer 
bestimmten  snkttnftigen  Zeit  in  bezeichnen;  eine  Neuerung  Ist  die  ffinm- 
fOgmig  von  nM.  Im  klassischen  Lalmn  tritt  dw  Imiwr.  II  hhUer  d«n  I  s^ 
sorftck;  schon  beiPlantns,  noch  mehr  spitor,  ist  seine  Besiehimg  «nf  die 
Zokmift  nicht  immer  mehr  deutlich,  bescmders  ist  aste  statt  ssl  Ton  jeher 
fkblich.  Der  Unterschied  der  Bedentmig  verwischte  sidi  mdir  mid  mehr. 
"io  ist  tiberwiegend  von  der  8.,  selten  von  der  8.  Person  gebrandit;  m 
faeUo  ist  häufig  nur  in  Gesetzen.  Besonders  lehrreich  ist  die  schon  bdm 
Konj.  Präs.  und  Perf.  gestreifte  Frage  nach  dem  Ausdruck  des  Verbotes 
in  der  2.  Person.  Es  ergibt  sich:  im  Altlatein  ist  im  mit  Imper.  praea, 
Ko^j.  praes.  oder  Perf.  üblicher  als  noliKfi)  mü  Inf.  Cicero  vermeidet  den 
negierten  Imper.  präs.  und  den  an  eine  bestimmte  Person  gerichteten  ne- 
gierten Konj.  Präs.  der  2.  Person;  die  urbane,  etwa  140 — 150 mal  vor- 
kommende Form  ist  die  mit  nolMf$)y  und  so  bleibt  es  im  ganzen  in  der 
folgenden  Prosa;  dagegen  lieben  die  Dichter  den  (meist  mit  ne,  selten, 
altlat.  nie,  mit  tum  verneinten)  Imperativ ;  sie  knüpfen  ihn  an  einen  voraus- 
gehenden positiven  oder  negativen  Imperativ  an  mit  neve,  neu,  doch 
auch  mit  neque^  das  schon  in  klassischer  Prosa  auftritt,  so  bei  Cic.  Att 
XII,  22,  3  habe  . .  .  nee  , ,  .  existima  (wo  also  doch  in  besonderem  Falle  der 
2.  Imp.  Präs.  bei  bestimmter  Person  zugelassen  ist!);  auch  nee  . . .  nae 
kommt  vor  und  nee . . .  neve  oder  neve .  . .  nee,  ja  auch  et  ne. 

Die  Bedeutung  betrefitend,  so  enthält  der  Imper.  schon  indogermanisch 
nicht  nur  einen  Befehl,  sondern  auch  ein  Ansinnen,  eine  Bitte  usw.,  je 
nach  dem  Ton;  diese  Färbungen  können  verdeutlicht  werden  durch  be- 
sondere Zusätze  wie  atnabo;  altl.  obseero;  quaeeo;  rogo\  dicht,  preeor;  9U 
(ei  via),  aultis  (ei  vultia),  weniger  freundlich  eödee  (ei  audee);  mancJimal  ne 
Urne,  Den  Befehl  anktbidigend  oder  verstärkend:  proin,  proinde;  dum 
(manedum  wart  eine  Weile  \),  klass.  nur  in  €tff(it)edum;  ajf{it)e,  age  eit; 
modo  (vide  modo) ;  fae  oder  f€ie  modo  (permanoae) ;  schließlich  ^in,  wobei 
eine  Ausgleichung  vorliegt:  quin  audi\  =  quin  audie^ -^ audiduml  Ahnlich 
iamdudum  (eumüe  poenasl). 

Der  Imper.  steht  auch  als  Konzessiv  und  zwar  häufiger  der  II.  als 
der  I.,  der  lieber  durch  den  Konj.  praes.  ersetzt  wird. 


Historische  Grammatik  der  lateinischen  Sprache.  65 

PuUt,  ut  puta,  zum  Beispiel  findet  sich  zuerst  bei  Horaz  und 
dann  bes.  häufig  bei  den  Juristen;  tu^  tute;  vos,  voemet  beim  Imper.  zur 
Hervorhebung  ist  den  Komikern  eigen.  Der  im  Griech.  nicht  seltene  Imper. 
im  Relativsatz  kommt  auch  bei  Cicero  vor. 

Während  die  Umschreibung  des  Imper.  mit  fac,  facito,  effice,  vide 
mit  ut,  oder  bloßem  Konj.  Präs.  nur  im  Altlat.  üblicher  ist,  so  ist  die  des 
Prohibitivus  weit  mehr  im  Gebrauch  und  zwar  am  seltensten  mit  fac,  ne, 
öfter  mit  vide,  ne,  am  gewöhnlichsten  mit  cave  {caveto\  ne  und  noch  weit 
lieber  ohne  ne  mit  Konj.  Präs.,  nur  im  Altlatein  häufiger  mit  Konj.  des 
aoristischen  Perf.  Die  Erklärung  der  Formel  cave  fttcias  bezw.  fcueis  im 
Sinne  von  tue  nicht,  ist  nach  Blase  einfach  darin  zu  suchen,  daß  cave 
ziemlich  mechanisch  für  fac  ne  eingesetzt  wurde.  Cave  mit  Inf.  ist  nur 
altlat. ;  sonstige  ähnliche  Wörter  sind  parce,  desine,  mitte,  omitte,  remittas^ 
fuge,  ab9i8(ti)te,  aufer  mit  Inf.,  bei  Dichtern  imd  ihnen  nachfolgenden 
Prosaikern. 

Sehr  inhaltsreich  ist  das  Kapitel  von  den  umschreibenden 
Formen.  Selten  (aber  nicht  gräzisierend)  ist  das  Partiz.  Präs.  mit  8um\ 
nur  Vitruv  liebt  diese  Ausdrucksweise.  Der  Ind.  der  Verba  der  Möglich- 
keit und  Notwendigkeit  mit  Infin.  ist  eine  Art  Umschreibung  des  Konj. 
Präs.  oder  des  Ind.  Fut.;  ebendahin  gehören  Ausdrücke  wie  aequum  est 
u.  ä.,  daher  Fälle  wie  ne  ei  cupiam  quidem,  possum;  quid,  ei  hoetes  ad 
urbem  veniant,  facturi  estie?  Bei  Cicero  finden  sich  in  Verbindung  mit 
Ausdrücken  des  Müsse ns  32  Fälle,  während  im  Altlat.  bes.  aequam, 
melius,  satiue  est  hervorstechen. 

Ähnlich  steht  es  bekanntlich  bei  der  Vergangenheit,  wo  uns 
diese  Gestalt  des  Satzgefüges  sogar  vertrauter  anmutet  imd  die  Form  mit 
'urue  eram,  fui  die  indikativische  Grundlage  für  die  abhängigen  -urwm 
fuisse,  -urus  fuerim  (fuiseem)  bildet.  Wenn  wir  finden,  daß  Sätze  wie 
factum  iam  esse  opartuit,  also  mit  Infin.  perfecti,  überwiegen,  so  stimme 
ich  Blase  zu,  der  (S.  261)  Ziemers  Erklärung  durch  eine  Ausgleichung  ab- 
lehnt, bezweifle  aber,  ob  seine  Ansicht,  daß  wir  es  mit  punktueller  Aktion 
zu  tun  haben,  ganz  richtig  ist:  das  «im  deutet  m.  E.  darauf  hin,  daß  ge- 
nauer nicht  perfektive  (aoristische),  sondern  perfektische  Handlungsweise 
vorliegt:  das  hätte  schon  getan  dastehen  sollen,  wie  gr.  oö  ßouXeOecOai 
(tipa,  dXXd  ßeßouX€öcOai.  Bei  den  aktiven  Beispielen  wie  cavisse  aequom 
fuit  kann  man  angesichts  der  aoristischen  s-Bildung  und  angesichts  des 
Sinnes  eher  zu  Blases  Auffassung  neigen.  Aber  notwendig  scheint  sie 
mir  auch  da  nicht  und  dies  um  so  weniger,  als  er  selbst  (S.  263)  für  die 
augusteische  Zeit  einräumt,  'daß  das  Bewußtsein  eines  Unterschiedes 
zwischen  kursiver  und  aktueller  [sehr.:  punktueller!]  Aktionsart .  . .  nicht 
mehr  vorhanden  war;  das  Altlat.  würde  Inf.  Präs.  verwandt  haben'.  Die 
Konstruktion  hat  für  mein  Gefühl  etwas  Kunstmäßiges,  Stilisiertes  an  sich. 
Neben  dem  Indik.  findet  sich  aber  auch  der  Konjunktiv  {possim ; possem, 
b)  =  ich  hätte  können  b)  =  ich  könnte)  und  zwar  sowohl  im  selb- 
ständigen Satze  als  im  bedingenden  Satzgefüge,  in  welchem  a)  der  potentiale 
Konj.  Präs.  (possim)  im  Nachsatz  fast  schon  so  üblich  ist  wie  der  Indikativ, 
b)  der  irreale  Konj.  Imperf.  possem  und  Plusquamperf.  (potuissem)  gleich- 
falls nicht  nur  sehr  gebräuchlich  sind,  sondern  in  der  klass.  Zeit  den  Indi- 
kativ poteram,  potui  sogar  weit  überwiegen;  gelegentlich  ist  d&hei  passem 
noch  =  hätte  gekonnt ;  später  steht  es  so,  daß  der  eine  Schriftsteller  (wie 
Seneca  philos.)  den  Konj.,  andere,  so  die  Historiker,  den  Indik.  vorziehen. 

Ansoiger  XYm.  ^ 


n  ffistomdie  Gnunmatik  der  laleniitclMn  Sprache. 

Merkwürdig  icheiiit,  daA  von  der  Koigugatio  perij^inst  nicht  blofi  der  hidik^ 
■ondem  auch  hie  ond  da  der  Koig.  auftritt  (Formel  etwa:  M  fuimä, 
futurum  fu49Bti).  Der  Koiy.  perf.  pohmim  ist  nirgends  als  nnahhlngiger 
Potential  gebraucht ;  postim  und  pottmu  gehen  manchmal  schon  bei  Cicero, 
noch  mehr  aber  bei  den  Späteren  ineinander  über. 

Etwas  anders  verhalten  sich  die  Verben  der  Notwendigkeit:  bei 
ihnen  fehlt  der  Konjunktiv  im  Altlatein  (bis  G.  Gracchus)  und  auch  im 
Klassischen  sowie  im  Spitlatein  schligt  der  Indikat  vor;  besonders  ist  der 
Konj.  Prfts.  selten,  der  der  Prftterita  etwas  zahlreicher,  wobei  der  dei 
Imperf.  («SMf  fm-mdum;  oparUrM)  gelegentlich  noch  Vergangenheitabe- 
dentung  bewahrt. 

Die  S.  870  erwähnte  spätlat  vulgäre  Umschreüning  des  einfachen 
Koi\j.  Imperf.  (fac^rem)  mit  tM^rmm  in  abh.  Neben-,  bes.  Fragesätzen 
(Apuleius:  Mib§rapi,  an  . . .  nsear§  deb^rmn)  würde  ich  einer  anderen 
Klasse  zuteilen. 

Ein  verzweigtes  Kapitel  bilden  die  Umschreibung^i  mit  -unu 
9um  usw.  Während  im  Spätlatein  der  Unterschied  gegenüber  dem  einfachen 
Futurum  gewahrt  scheint  (ebenso  wie  bei  -urw  §ro),  verwischt  er  sich 
in  der  nachklassischen  Sprache.  Fein  ist  die  Bemerkung,  daß  «t  iudicobuni 
sich  von  9i  iudietUuri  sunt  dadurch  abhebt,  daß  beim  ersteren  das  Ein- 
treten des  Richtens  vorausgesetzt,  beim  zweiten  dagegen  die  Möglichkeit 
auch  des  Nichteintretens  nahegelegt  wird:  dies  erklärt,  inwiefern  in  der 
irrealen  hypothetischen  Periode  im  Nachsatz  ein-  uri  fitUHM  oder  bei  Gic., 
liv.,  Ovid  noch  lieber  tratia  einem  -isntis  des  Vordersatzes  so  leicht  ent- 
sprechen und  dieses  wieder  zur  Grundlage  für  die  abhängige  Konstr.  werden 
konnte.  Während  im  Altlatein  der  Konj.  Präs.  bezw.  Imperf.  anstatt  des 
Konj.  der  Konjugatio  periphr.  im  abhängigen  Satze  sehr  beliebt  ist,  verfährt 
die  klassische  Latinität  mit  -urus  sim,  -e$sem  genauer  und  schränkt  jenen 
Gebrauch  sehr  ein;  im  Hauptsatz  findet  sich  dagegen  etwas  wie  utinam 
visura  sim  nur  einmal,  bei  Valerius  Flaccus;  -urus  farem  ist  selten  und 
belegt  bei  Nepos,  Livius,  Sallust,  Seneca,  Apuleius.  Farem  ist  schon  im 
Altlat.  von  essem  nicht  mehr  scharf  getrennt.  Bei  Plautus  ist  es  a)  futurus 
€88em  b)  essem  und  c)  fuiaaem  (im  irrealen  Bedingungs-Nebensatz),  was 
sich  sonst  nur  noch  bei  dem  Afrikaner  Aurelius  Victor,  findet.  Im 
klassischen  Latein  ist  forem  sehr  beschränkt  und  selten,  so  bei  Cic.  und 
Caesar,  während  es  den  übrigen  Schriftstellern  und  Dichtem  nicht  fremd 
ist;  (bei  Catull  stets  -esaem). 

Den  Beschluß  der  Darstellung  der  Zeitenlehre  macht  eine  lichtvolle, 
besonders  an  Em.  Zimmermann  angelehnte,  Obersicht  über  die  Tempora 
im  Briefstil.  Der  Grundgedanke  ist  der,  daß  der  Lateiner  den  Brief 
auffaßt  als  ein  Zwiegespräch  zwischen  Empfänger  und  Schreiber  nach 
Eintreffen  des  Briefes,  sodaß  die  Tempora  gern  vom  Standpunkt  des 
Empfängers  gewählt  werden.  Doch  sind  hier  Beschränkungen  anzubringen: 
regelmäßig  ist  der  Gebrauch  nur  bei  den  Verben  des  Schreibens,  Schickens, 
Vorhabens,  der  Absicht  in  Verbindung  mit  diesen  u.  ä.,  bloß  bisweilen 
auch  bei  anderen,  wenn  dabei  an  das  Schreiben  und  Schicken  von  Briefen 
gedacht  wird.  Selten  ist  das  Perf.,  häufig  das  Imperf.  bei  Handlungen, 
von  denen  der  Empfänger  vermuten  konnte,  daß  sie  sich  in  der  Zwischen- 
zeit geändert  hätten  oder  bei  solchen,  für  die  der  Absender  ein  besonderes 
Interesse  des  Empfängers  voraussetzen  durfte,  wo  jedoch  oft  auch  das 
Präs.  gebraucht  wird.    Das  Imperf.   femer  verdankt  seine  Anwendung 


d'Arbois  de  JübainviUe  La  famiUe  celtiqne.  67 

einer  Angleichong  an  die  umgebenden  Vergangenheitszeiten  des  Briefstils; 
Bnitus  gebraucht  letztere  nie. 

Dagegen  entspricht  es  der  Auffassung  des  Briefes  als  eines  Zwie- 
gespräches, wenn  alles  zwischen  Schreiben  und  Lesen  liegende  im 
Präsens  steht.  Ist  dieses  bei  der  überwiegenden  Mehrzahl  der  Verben 
Überhaupt  die  gewöhnliche  Form,  so  tritt  es  auch  bei  denen  des  Schreibens 
und  Schickens  gerne  auf  a)  wenn  ganz  im  allgemeinen  davon  gesprochen 
wird;  b)  wenn  ihre  Handlung  bis  zum  Lesen  oder  darüber  hinaus  dauert, 
besonders  in  negativen  Sätzen;  c)  bei  wiederholten  Handlungen;  außerdem 
bei  Angabe  des  Grundes  und  bei  rhetorischen  Figuren  wie  revocatio, 
praeteritio  usw. 

Der  Gebrauch  des  Plusquamperfekts  dagegen  weicht  vom  sonst 
üblichen  auch  im  Briefe  nicht  ab  und  dasselbe  gilt  im  wesentlichen  vom 
Futur,  für  das  nur  selten  das  zu  erwartende  Perfekt  erscheint;  hie  und 
da  findet  sich  -urus  eram^  ebenso  wie  für  ein  prcies.  pro  fut.  ein  Imperf.- 
Plinius,  der  die  Briefform  mehr  nur  als  stilistische  Einkleidung  der  Ab- 
handlung verwendet,  bedient  sich  der  Briefzeiten  kaum. 

Ober  den  letzten  Abschnitt,  den  über  die  Genera  verbiß  gehen  wir 
mit  der  Bemerkung  hinweg,  daß  er  auf  der  Höhe  der  neuen  Forschung 
steht.  Unsere  ausführliche  Wiedergabe  des  Hauptinhaltes  zeigt  von  selbst, 
daß  wir  es  mit  einer  sehr  tüchtigen  Leistung  zu  tun  haben,  die  niemand 
unbeachtet  lassen  darf,  der  sich  mit  lateinischer  Syntax  beschäftigt;  das 
Buch  zeugt  auf  Schritt  und  Tritt  davon,  daß  sein  Verfasser  den  Gegenstand 
ebenso  als  selbständiger  Forscher  wie  als  Kenner  der  überaus  reichlialtigen, 
bes.  auch  vielfach  in  Programmabhandlungen  zerstreuten  Literatur,  be-. 
herrscht  und  ihn  auch  scharf  zu  gliedern  und  anschauhch  darzustellen  ver- 
steht. Wenn  ein  Wunsch  geäußert  werden  darf,  so  ist  es  der,  daß  an  manchen 
Stellen  der  Zusammenhang  umfänglicher  kenntlich  gemacht  werden  möchte, 
inmitten  dessen  dieses  oder  jenes  Beispiel  steht,  weil  auf  diese  Weise  allein 
ein  unmittelbares  Urteil  über  seine  Beweiskraft  gewonnen  wird.  An  Druck- 
fehlern habe  ich  mir  noch  bemerkt:  S.  102  L.  2  v.  u.  steht  omme  statt  omne\ 
S.  162  L.  10  V.  o.  Abschnitt  statt  Abschluß',  S.  108  L.  26  v.  o.  sanguina 
statt  sanguine;  S.  178  L.  20  v.  o.  iOso  doch  wohl  statt  u.  s.  w.;  S.  189  L.  4 
V.  0. :  vorigen  statt  vorvorigen ;  S.  195  L.  14  v.  o.  omnio  statt  omnino ;  S.  208 
L.  22  V.  0.  Spatlatein  statt  SpOtlatein;  S.  209  L.  3  v.  o.  getrennt  statt  ver- 
wendet ?  S.  24Ö  L.  3  V.  u.  iudue  statt  indtie.  S.  269  L.  15  v.  o.  praeponendas 
statt  'US ;  S.  259  L.  10  Wissens  statt  MUssens.  Im  übrigen  gereicht  auch 
der  Druck  dem  Buche  zur  Zier. 

Stuttgart.  Hans  Meltzer. 


d'Arboia  de  Jabainville  H.  La  famille  celtique.  £tude  de  droit  compar^. 
Paris,  Bouillon  1905.  XX  et  221  p.  pet.  in-8o.  4  fr. 

Cet  ouvrage  se  divise  en  deux  parties,  dont  la  premi6re  est  consacr^e 
k  la  composition  de  la  famille.  En  Irlande,  la  parent^  (fine)  comprenait 
qnatre  groupes,  qui  se  nomroent,  en  commen^ant  par  la  parent^  la  plus 
proche,  gelfine  (parentö  de  la  main),  derbfine  (parent6  certaine),  iarfine 
(parent6  ult6rieure),  indfine  (parent6  finale) ;  en  Galles,  le  premier  groupe 
existait  seul  et  portait  le  nom  de  gwely  (lit).  C'est  d'apr^s  cette  parent^, 
exactement  comparable  ä  rdTX»CT€ia  "»rpöc  iroxpöc  des  Grecs,  que  s'6ta- 
blissaient  d'une  part  la  responsabilit^  en  cas  de  crime  et  d'autre  part 


68      Nordiika  Studier  tlllf^ade  Addf  Nonen  pl  hang  604xsd«g. 

le  droit  k  la  succetsion.  L'antenr  montre  qae  U  lögialation  inicceBaorale 
de  l*Irlande  avait  poiir  base  Findivisibilitö  da  domaine  familiale,  mait 
admettait  la  tanistry  (tantMmMtj;  pois,  aprte  im  chapitre  aar  la  dot, 
qni  figurerait  peut-6tre  mieuz  dans  U  partie  soiTante,  ü  itadie  le  dnnt 
qae  les  filles,  k  döfaot  de  fils,  avaient  k  la  saccession:  dans  le  S.  de 
Galles,  ce  droit  ötait  absolo;  dans  le  N.  de  Galles,  ü  6tait  liö»  comme 
en  Irlande,  k  Tobligation  poor  la  fille  d'^pooser  an  ^tranger  dödgn^  par 
ea  famiüe;  la  fille  n*h6ritait  alors  qae  potir  transmettre  lliöritage  k  son 
fils.  Tout^ois,  soas  Tinflaence  chrötienne,  les  filles  earent  plas  tard, 
mtoie  qoand  il  y  avait  des  fils,  droit  k  ane  part  de  lliöritage;  mais  ü 
sobsista  an  droit  de  retoar  k  la  famille  aoqael  6tait  aoamis  dans  certaines 
conditions  le  fils  de  la  fille  {nia  oa  garmae\  moins  favorisö  k  ce  point 
de  vue  que  le  fils  adoptif  {mae  fimma). 

La  deoxiöme  partie  traite  da  manage  et  des  qaestions  qai  8*y 
rattachent.  L*aatear  y  Studie  successivement  le  prix  d*achat  de  la  feimne 
(irl.  eoibehe,  gall.  amoh^  oa  9obyr\  le  douaire  (irl.  tinntcra^  gall.  eatffj^ 
la  dot  (irl.  Hnol,  gall.  agw^ddi  oa  gwadcM)  et  consacre  un  chapitre  aa  ins 
primae  noctis ;  pais  il  examine  les  difförentes  esptees  d'anion  {länammoi), 
qae  le  Senchas  Mör  ramtoe  ä  dix  et  qai  se  distingaent  d*abord  par 
rorigine  de  la  fortune,  saivant  qa'elle  vient  de  Thomme,  de  la  femme  oa 
des  deax  ögalement,  et  ensaite  par  la  sitaation  legale  de  la  femme, 
saivant  qa*elle  est  legitime  {täig;  eStmufUar^  primben)  oa  concabine 
(adaliraeh;  aireeh,  earvihach,  etc.).  Les  demiers  chapitres  traitent  da 
divorce,  Mqaent  en  Irlande  et  pour  leqael  le  consentement  matael  saffi- 
sait,  et  de  la  sitaation  legale  de  la  prostita^e  {baitsedi  oa  merdrddi). 
Enfln,  dans  an  appendice,  les  Celtes  sont  lavto  de  Taccasation  de  p^^ 
rastie,  lancöe  contra  eux  par  plusieurs  öcrivains  de  Tantiquitö  grecqae. 

Ce  simple  r^sum^  suffit  k  montrer  Tint^r^t  du  livre,  appelö  k  rendre 
de  grands  Services  ä  tous  ceux  qui  ^tudient  la  litt^rature  m6di6vale  de 
rirlande  ou  du  pays  de  Galles  et  rhistoire  de  la  civilisation  celtique; 
plus  d'un  detail  obscur  des  recits  6piques  irlandais  s'^claire  par  la  con- 
naissance  du  droit,  et  bien  des  faits  historiques  en  tirent  leur  explication 
(voir  pp.  81,  86,  154-,  158,  163  etc.,  et  surtout  p.  135,  oü  est  donn§e  la 
traduction  juxtalin^aire  d'un  curieux  r6cit  emprunt6  au  Lebor  na  h-Uidre). 
Mais  le  livre  a  aussi  une  port^e  plus  g^n^rale;  Tauteur  n'est  pas  seule- 
ment  en  efTet  Thistorien  le  plus  comp^tent  du  droit  celtique»  c>st  un 
juriste  au  sens  le  plus  large  du  terme,  et  les  comparaisons  qu'il  etablit 
Sans  cesse  avec  le  droit  romain,  grec  ou  assyrien  (loi  d'Hammurabi),  issues 
toujours  d'une  ^tude  directe  des  textes,  donnent  ä  son  ouvrage  un  grand 
int6r6t,  qu'augmentent  encore  l'aimable  aisance  de  Fexposition  et  la  gräce 
spirituelle  du  style. 

Clermont-Ferrand  (France).  J.  Vendryes. 


Nordiska  Studier  (illegnade  Adolf  Noreen  pä  hans  50-ärsdag  den  13  mars 
190i  of  Studiekamrater  och  Lärjungar.  Uppsala  1904.  K.  W.  Appelbergs 
Boktryckeri. 

Am  13.  März  1904  feierte  Adolf  Noreen  den  60.  Geburtstag.  Seine 
Arbeit  hat  er  der  Erforschung  der  nordischen  Sprachen,  insbesondere  auch 
seiner  Muttersprache,  des  Schwedischen,  gewidmet.  Er  ist  im  Grunde  nur 
Sprachforscher;  auch  wo  er  sich  an  mythologische  Fragen  und  an  philo- 


Nordiska  Studier  tillegnade  Adolf  Noreen  pä  hans  50-ärsdag.      69 

logische  Interpretation  macht,  tut  er  es  von  Standpunkt  des  Grammatikers 
aus.  Aber  als  Sprachforscher  ist  er  höchst  vielseitig;  er  zieht  alle  Er- 
scheinungen des  Sprachlebens,  alle  Epochen  der  Sprachgeschichte  in  seinen 
Bereich.  Wir  alle  sind  seine  Schüler  durch  die  Altnordische  Grammatik, 
deren  erster  Teil  "Allisländische  und  altnorwegische  Grammatik"  nun  in 
dritter  Auflage  vorliegt.  Aber  breiter  und  tiefer  ist  natürlich  die  Wirkung, 
die  er  auf  seine  Landsleute  ausgeübt  hat.  Die  41  Aufsätze  größern  und 
kleinem  ümfangs,  die  Freunde  und  Schüler  ihm  zum  Feste  darbringen, 
erstrecken  sich  auf  alle  Gebiete,  denen  N.  selbst  seine  Mühe  zugewandt 
hat,  imd  auf  einiges  Verwandte.  Die  Festschrift  zeigt,  wie  N.'s  Arbeit  auf 
allen  Stellen,  wo  er  mit  anfaßte,  reiche  Früchte  getragen  hat;  sie  ehrt 
den  Lehrer  und  die  Schüler. 

Da  eine  große  Zahl  von  Gelehrten  zu  dem  Bande  beigesteuert  hat, 
da  jeder  eine,  wenn  auch  kleine,  Gabe  bringen  wollte,  ist  es  nicht  mög- 
lich, hier  über  die  einzelnen  näher  zu  berichten. 

Etymologien  von  Worten  verschiedener  Sprachen  geben:  P.  Persson, 

1.  engl,  dough,  2.  ndl.  klingen,  schw.  ku8e,  jul-kuae,  4t.  schw.  dän.  kutting, 
E.  Björkman,  1.  an.  dkafr,  2.  an.  fox,  3.  an.  gd^  4.  aschw.  lekter,  5. 
aschw.  Igra,  6.  schw.  mattram,  7.  ne.  red.    E.  Hellquist,  1.  aisl.  hara^ 

2.  aisl.  iTpm,  3.  der  Ortsname  Histret,  4.  der  schw.  Vogelname  Jute,  jiäar, 
b.  schw.  kavat,  6.  an.  Uppaalir.  T.  Torbiömsson,  1.  russ.  gvozdb  'Zapfen, 
Nager  +  schw.  kvtust,  kvist,  2.  russ.  vSräa  'Reuse'  +  norw.  rggse,  3.  schw. 
hah  -f-  abulg.  kolo  'Rad*.  0.  Lagercrantz,  1.  got.  gößs  u.  Verwandtes, 
2.  nhd.  ritid. 

In  einem  der  umfänglichsten  Aufsätze  behandelt  K.  F.  Johansson 
die  Nominalzusammensetzungen  im  Gotischen.  Der  Runenforschung  gelten 
drei  Arbeiten :  H.  Pipping  teilt  eine  sehr  sorgfältige  Lesung  und  Deutung 
des  Runensteins  auf  dem  Gehöft  Pilgärds  auf  Gotland  mit.  L.  Fr.  Läffler 
beschäftigt  sich  eindringlich  mit  mehreren  Stellen  der  Rökinschrift. 
£.  Wadstein  teilt  einen  hübschen  Einfall  mit,  vermittelst  dessen  man 
das  schwierige  ui  auf  dem  zweiten  Vedelspangstein  aus  der  Welt  schaffen 
könnte.  —  Einige  Fragen  der  isländischen  Grammatik  werden  erwogen: 
M.  Kristensen  findet  für  Noreens  Bezeichnung  der  Halbvokale  im  Inlaut 
eine  Bestätigung  bei  dem  Verfasser  der  ersten  grammatischen  Abhandlung, 
der  freilich  auch  anlautenden  Halbvokal  durch  m,  e  (od.  t)  ausdrückt. 
R.  Nordenstreng  bespricht  von  Pippings  Erklärung  der  «-Brechung  aus  den 
u-Brechungsdiphthong  im  Aisl.  Er  ist  gegen  Noreen  mit  Kahle  [und 
jetzt  F.  JönssonArk.21,  244  ff.]  der  Meinung,  daß  dieser  Diphthong  ursprüng- 
lich den  Wert  t (>  hatte ;  für  piokkr  (ßiukkr)  nimmt  er  —  freilich  zweifelnd 
—  ostnordischen  Einfluß  an.  E.  H.  Lind  weist  nach,  daß  die  Schreib- 
ungen Karlsson,  Torfadöttir  in  den  normalisierten  Ausgaben  an.  Texte 
Anachronismen  sind;  in  Norwegen  haben  sich  die  Schreibungen  Karls  8on, 
T&rfa  döttir  bis  in  den  Anfang,  auf  Island  bis  in  den  Schluß  des  14.  Jhrds. 
gehalten.  H.  Psilander  trägt  eine  gewagte  und  nicht  notwendige  Konjektur 
zu  Alv.  1,6  vor.  R.  Arpi  behandelt  einige  Erscheinungen  der  nisl.  Gram- 
matik, das  nisl.  U  und  rl,  nn  und  m,  sowie  die  2.  Pers.  Sing.  Präs.  auf 
-rä.  —  Die  Mehrzahl  der  Arbeiten  beziehen  sich  auf  die  schwedische  Sprache 
und  Sprachgeschichte:  0.  v.  Friesen  handelt  von  der  Entwicklung  des 
9  im  Schwedischen.  0.  F.  Hultman  stellt  neue  Fälle  von  Vokallängung 
im  Aschw.  zusammen  imd  erklärt  sie  durch  eine  Verminderung  der 
Schnelligkeit  der  Aussprache  im  allgemeinen.    0.  Ottelin  schreibt  über 


70      V<»diikA  8tiidi«r  till^nade  Adolf  MoreM  pl  hu»  604ndaf  . 

d«n  angehingUn  Artikel  im  Codex  BoreAiiiu  TeQ  L  R.  Brmte  hat  Bedb* 
achtongen  angestellt  Ober  die  Pnokte  im  Södermannalag;  er  stdlt  fett, 
dafi  der  Ponkt  hier  als  Pausenzeichen  fttr  den  Vorlesenden  gebrandit 
wurde,  und  glaubt,  dies  Ergebnis  venllgemeinem  ni  dflrfen.  G.  Kall* 
sCenins  stellt  einige  Gesichtspunkte  zusammen,  die  bei  der  Bildung 
schwedischer  Ortsnamen  in  Frage  kommen.  B.  Hessehnan  behandelt 
dm  Einfluß  der  Dialekte  auf  die  Quantititsbehandlung  in  einigen  litem 
neuschwedischen  Wörterbllchem  und  grammatischen  Arbeiten.  M.  Lagern 
heim  betrachtet  die  biblischen  Ausdrücke  im  heutigen  Schwedisch  und 
klassifiziert  sie  nach  ihrer  geringem  oder  weitem  Entfernung  von  dem 
ursprOnglichen  biblischen  Sinn.  N.  Beckmann  sucht  im  Gegensatz  la 
den  Angaben  im  Wörterbuch  der  schwedischoi  Akademie  Regeln  anfira* 
stellen  fQr  das  Auftreten  der  Nebentdne  in  den  mehrfachen  scfawachtonigen 
Silben  vor  dem  Hauptton.  Eine  ganze  Reihe  schwedischer  Worte  firifJM, 
Hahike  HäUingland,  i^äl,  kyla,  rdka,  spö,  §Udk$H,  9Upyi,  pattwto;  bäh, 
ßMni,  kaUdr,  hirta  9iff,  hidmüU,  ihanUH)  bespricht  Fr.  Tamm;  Aber 
nschw.  diiig,  aisl.  ddligr  handelt  H.  Geländer,  Ober  gräa  £.  Ekwall, 
über  go$9e  J.  Reinius.  —  Von  den  Sprachen  der  umwohnenden  Völker 
sind  mit  Beiträgen  bedacht  das  Deutsche,  das  Giliscbe  und  das  Finnische. 
Ernst  A.  Meyer  legt  Messungen  über  die  Dauer  deutscher  Vokale  vor. 
B.  Grip  behandelt  den  Gleitelaut,  der  im  Hd.  bei  dem  Obergaag  von  Vokal 
zu  /  oder  r  entsteht.  K.  H.  Waltman  teilt  Beobachtungen  über  den 
gtlischen  Akzent  mit.  K.  B.  Wiklund  stellt  die  ziemlich  zahlreichsn 
Fälle  von  Liquidametathesis  in  finnischen  Lehnworten  fest  und  gibt  eine 
Regel  für  ihr  Auftreten;  T.  E.  Karsten  weist  einige  finnische  Worte  als 
Lehnworte  aus  dem  Germanischen  nach. 

Gegenüber  der  großen  Zahl  der  sprachlichen  Aufsätze  ist  die  der 
rein  philologischen,  metrischen  und  literarhistorischen  Arbeiten  nur  klein. 
V.  Gödel  verfolgt  die  Geschicke  einer  im  17.  Jahrh.  mehrfach  genannten 
und  benutzten,  1697  verbrannten  Hs.,  der  *Ormr  Snorrasons  bok';  aus 
Angaben  von  Johannes  Thomae  Bürens  und  0.  Verelins  weist  er  nach, 
welche  Papierhss.  der  Kgl.  Bibliothek  zu  Stockholm  auf  sie  zurückgehen, 
und  rekonstruiert  eine  Beschreibung  der  Hs.  in  der  Form,  wie  man  sie  in 
modernen  Katalogen  von  einer  tatsächlich  erhaltenen  Hs.  zu  geben  pflegt 
S.  Ambrosiani  behandelt  eine  Stelle  im  Ärfdabalk  III  des  Uplandsgesetzes, 
in  der  König  Erich  der  Heilige  als  Gesetzgeber  genannt  wird.  K.  6. 
Westman  bespricht  in  einem  langem  Aufsatz  Entstehung  und  Hss.  des 
Södermannagesetzcs.  Sv.  Lampa  steuert  Untersuchungen  über  die  ältesten 
schwedischen  Strophenformen  bei.  0.  Klockhoff  handelt  über  die  Sam- 
sonsvisa.  Er  versucht  die  Herstellung  einer  Urform  und  bestimmt  das 
Verhältnis  der  überlieferten  Fassungen  zu  jener.  Wo  sich  Berührungen 
mit  anderen  Volksliedern  finden,  erklärt  er  sich  gegen  Annahme  von 
Benutzung  des  einen  durch  das  andre  und  empfiehlt  die  Vermutung,  dafi 
die  erhaltenen  Lieder  aus  nicht  mehr  bewahrten  Liedern  schöpften.  Der 
Samsonsvisa  spricht  er  jede  Originalität  ab;  die  meisten  ihrer  Strophen 
fänden  sich  auch  in  andern  Visur  wieder.  R.  G :  son  Berg  gibt  eine 
sprachliche,  genauer  stilistische  Untersuchung  über  den  Prolog  zum  Phos- 
phoros,  mit  dem  Atterbom  das  Zeitalter  der  Neuromantik  in  Schweden 
einleitete.  A.  Schagerström  teilt  ein  paar  Volkssagen  aus  Upland  mit.  -^ 
Ins  Gebiet  der  Altertumskunde  schlägt  ein  Aufsatz  von  R.  Sax^n  ein, 
"Onomatologische  Beiträge  zur  Beleuchtung  der  altern  Ausbreitung  der 


Heuser  Die  Kildare-Gedichte.  71 

schwedischen  Bevölkerung  im  eigentlichen  Finnland*'.  Kulturgeschicht- 
lichen Inhalts  ist  die  umfangreichste  Arbeit  des  Buchs,  ein  Aufsatz  von 
0.  Almgren.  Der  Verf.  behandelt  die  Begräbnissitten  der  Vikingerzeit 
zunächst  auf  Grund  der  archäologischen  Fimde.  Dem  stellt  er  die  Berichte 
der  an.  litteratur  gegenüber,  die  Angaben  der  EddaUeder  und  Skalden- 
gedichte, Snorris  Theorie  von  der  brunagld  und  haugsgld,  endhch  die 
Stellen  der  Sagas.  Die  Abhandlung  fördert  unsere  Kenntnis  der  Bestattimgs- 
brauche  durch  die  zusammenfassende  Darstellung  und  manche  gute  Einzel- 
beobachtung. 

Osnabrück.  W.  Ranisch. 

Heuser  W.  Die  Kildare-Gedichte,  die  ältesten  mittelenglischen  Denkmäler 
in  anglo-irischer  Überlieferung.   Bonn  1904-.   P.  Hansteins  Verlag.    7  M. 
—  (a.  u.  d.  T. :  Bonner  Beiträge  zur  Anglistik,  herausgegeben  von  Prof.  Dr. 
M.  Trautmann,  Heft  14). 

Unter  diesem  Titel  hat  Dr.  Wilhelm  Heuser  die  englischen  Gedichte 
aus  der  Sammelhandschrift  Harleian  913  herausgegeben.  Obgleich  die  ein- 
zelnen Texte  schon  früher  von  englischen  Herausgebern  an  verschiedenen 
Stellen  abgedruckt  worden  sind,  ist  doch  die  neue  Ausgabe  willkommen 
zu  heißen;  schon  darum,  weil  sie  einen  vertrauenswürdigen  Text  gibt, 
während  die  früheren  Ausgaben  ungenau  sind  und  bisweilen  den  Text  bis 
zur  UnVerständlichkeit  verderben  (vgl.  z.  B.  Heusers  Fußnoten  zum  "Land 
of  Gokaygne**).  Glossar  und  Anmerkungen  fehlen;  doch  werden  die  einzelnen 
Gredichte  durch  die,  besonders  das  Literarische  und  Metrische  berührenden, 
Einleitungen  dem  Verständnis  der  Leser  näher  gebracht. 

Was  die  neue  Ausgabe  aber  besonders  wertvoll  macht,  ist  die  Ein- 
leitung (S.  1 — 75),  worin  Heuser  zeigt,  wie  aus  den  fremdsprachlichen  so- 
wohl als  aus  den  englischen,  aus  den  profanen  sowohl  als  aus  den  kirchlich- 
firommen  Gedichten  hervorgeht,  daß  die  Handschrift  in  Irland  entstanden 
sein  muß.  Die  'grei  abbei*  aus  dem  Land  of  Gokaygne  bezieht  er  mit 
großer  Wahrscheinlichkeit  auf  die  Gray  Abbey  der  Franziskaner  in  Kildare 
(Süd-Irland),  wie  auch  durch  die  Hymne,  als  deren  Verfasser  sich  'Frere 
Michel  Kildare*  nennt,  nahe  gelegt  wird.  Einige  Gedichte  sind  zwar  nicht 
in  Irland  entstanden'),  doch  zeigt  ihre  sprachliche  Form  ganz  dieselben 
Eigentümlichkeiten.  —  Was  die  Entstehungszeit  betrifift,  der  Inhalt  einiger 
Gedichte  zwingt  uns,  den  Anfang  des  14  Jahrhs.  als  terminus  post  quem 
anzusetzen.  Die  Sprache  zeigt  entschieden  südenglischen  Charakter.  Aus 
der  Schreibung  u  (neben  ou)  für  ae.  ü  schließt  Heuser,  daß  die  Handschrift 
wohl  im  ersten  Viertel  des  14.  Jahrhs.  entstanden  sei ;  die  Verstummung 
des  End-6  und  die  gelegentliche  Verdoppelung  von  Konsonanten  (hoppe, 
iwriUe  usw.)  zeige  aber,  daß  die  Sprache  der  Gedichte  eine  aus  dem  Süd- 
englischen selbständig  weiter  entwickelte,  anglo-irische  Mundart  bilde. 

Diesen  meines  Erachtens  zweifelhaften  Schluß  versucht  Heuser  zu 
erhärten  durch  den  Nachweis,  daß  die  aus  dem  18.  Jahrh.  bekannte  Mund- 
art von  Forth  und  Bargy  die  regelrechte  Fortsetzung  der  Kildare-Mundart 
sei.  Dieser  Nachweis,  wobei  Heuser  sich  auf  die  'prinzipiellen  Oberein- 
stimmungen* der  beiden  Mundarten  stützt,  scheint  mir  verfehlt,  erstens 
weil  die  'Obereinstimmungen'  sich  oft  auch  in  südenglischen  Mundarten 
finden  (wie  amang  neben  wng^  necU  'needle*),  dann  aber  auch,  weil  die 

1)  Im  Anhang  weist  Heuser  verwandte  englische  Versionen  nach. 


78  Walde  Tiatninlifhei  etjincilogischM  WOitoilrach. 

engÜBchen  Mundarten  noch  in  wenig  nnteiaacht  mid  flbeidies  za  sdir 
▼on  der  Schriftsprache  heeinflnAt  sind,  nm  uns  m  argomenta  e  siloitio 
das  Recht  sn  geben.  Ich  glaobe  eher,  dafi  die  Kildare-Mnndart  nicht 
wesentlidi  vom  sfldlichen  llittelenglisch  verschieden  ist. 

Am  Schluß  der  Einleitong  bespricht  Heuser  *die  anderen  Oberreste  des 
alten  anglo-irischen  Dialektes*,  wdirend  im  Anhafig  ans  *noch  nicht  be- 
nntzten  anglo-irischen  Handschriften*  Proben  mitgeteilt  werden.  Diese  Texte 
aber  sind  sprachlidi  weniger  rein  und  bilden  eigentlich  nur  eine  irische  Fonn 
der  englischen  Schriftsprache  (vgl.  ih§iyng€  *tidings',  rythasAe  *riche8')L 

Sollte  es  sich  herausstellen,  daß  die  Annahme  eines  anglo-irischoi 
Dialektes  nicht  haltbar  ist,  so  haben  wir  doch  in  Heusers  Buch  einen 
wertvollen  Beitrag  erhalten  zur  mittelenglischen  Sprachkunde  und  zur  Ge- 
schichte der  englischen  Sprache  in  Irland. 

Wintersw^k.  E.  Kruisinga. 


Walde  A.,  Lateinisches  etymologisches  Wörterbuch.  Lieferung  1—5. 
Heidelberg  1906.  Carl  Winterte  Universitätsbuchhandlung.  400  S.  8*. 
YollstAndig  in  ca.  10  Lieferungen.  Jede  Lieferung  von  je  5  Bogen  Sub- 
skriptionspreis 1,60  Mk. 

Unter  der  Menge  sprachwissenschaftlicher  Handbücher,  die  alJljfthr- 
lich  auf  den  Markt  geworfen  werden,  sind  es  in  der  Regel  nur  wenige, 
für  die  die  Bedürfhisfrage  ohne  weiteres  bejaht  werden  darf.  Zu  diesen 
wenigen  gehört  das  Lateinische  etymologische  Wörterbuch  Waldes,  mit 
dessen  Besprechung  an  dieser  Stelle  betraut  worden  zu  sein,  dem  Re- 
ferenten zum  ganz  besonderen  Vergnügen  gereicht. 

Die  richtige  Beurteilang  einer  wissenschaftlichen  Arbeit  irgend 
welcher  Art  setzt  in  erster  Linie  eine  allseitige  Würdigung  der  Schwierig- 
keiten voraus,  die  deren  Urheber  zu  überwinden  hatte.  Dieser  Voraus- 
setzung kann  im  vorliegenden  Fall  wohl  nur  derjenige  vollständig  genügen, 
der  bereits  selber  eine  ähnliche  Leistung  hinter  sich  hat.  Zu  unserer 
wenigstens  teilweisen  Legitimation  erlauben  wir  uns  zu  bemerken,  daß  wir 
vor  etlichen  Jahren  den  heute  von  Walde  verwirklichten  Plan  auch  unserer- 
seits gefaßt  und  die  Vorarbeiten  zu  dessen  Durchführung  bereits  ziemlich 
weit  gefördert  hatten,  leider  aber  durch  die  Ungunst  der  Verhältnisse  genötigt 
worden  sind,  unsere  Tätigkeit  in  andere,  bescheidenere  Bahnen  zu  lenken. 
Das  Urteil  über  die  uns  zur  Zeit  vorliegenden  fünf  ersten  Liefer- 
ungen wollen  wir  gleich  eingangs  dahin  zusammenfassen,  daß  der  Ver- 
fasser ein  zwar,  wie  wir  sehen  werden,  in  vielfacher  Hinsicht  der  Ver- 
besserung fähiges,  aber  nichtsdestoweniger  schon  in  seiner  jetzigen  Form 
überaus  wertvolles,  monumentales  Hilfsmittel  von  dauerndem  Wert  ge- 
schaffen hat,  das  die  aufrichtige  Anerkennung  und  den  freudigen  Dank 
aller  Mitforscher  verdient.  Da  wir  im  Folgenden,  wie  das  ja  in  Rezensionen 
stets  der  Fall  ist,  vorzugsweise  von  den  der  Arbeit  anhaftenden  Mängeln 
werden  zu  reden  haben,  so  sei  hier  ein  für  allemal  nachdrücklich  hervor- 
gehoben, daß  diese  Mängel  das  angesichts  der  gar  nicht  hoch  genug  an- 
zuschlagenden Schwierigkeiten  des  Unternehmens  von  vornherein  zu  er- 
wartende, sozusagen  unvermeidliche  Maß  nicht  übersteigen,  jedenfalls  der 
Brauchbarkeit  des  Buches  kaum  irgendwie  Abbruch  tun. 

Die  äußere  Anlage  von  Waldes  Wörterbuch  stellt  einen  unseres 
Erachtens  glücklichen  Kompromiß  zwischen  der  etymologischen  Anordnung 


Walde  Lateinisches  etymologisches  Wörterbach.  73 

und  der  Gruppierung  der  zu  deutenden  Wörter  nach  der  gleichen  Wurzel 
zugehörigen  Sippen  dar.  Im  einzelnen  fallen  kleine  Unebenheiten  auf,  so 
z.  B.  daß  dam  'heimlich'  nicht  unter  celOy  -dre  'verheimlichen,  verbergen*, 
sondern  in  einem  separaten  Artikel  behandelt  erscheint,  während  dagegen 
Carduus  'Distel*  unter  das  Stichwort  cäro,  -ere  '(Wolle)  krämpeln*  ver- 
wiesen ist,  obwohl  doch  offenbar  die  Verwandtschaft  zwischen  Carduus 
imd  cärere,  wenn  eine  solche  wirkhch  anzunehmen  ist,  viel  weniger  deut- 
lich zutage  tritt  als  diejenige  zwischen  dam  und  celo.  Desgleichen  war 
s.  V.  audeo  ein  Hinweis  auf  audax  allenfalls  entbehrlich,  während  s.  v. 
dfco  ein  solcher  auf  das  die  ursprüngliche  Bedeutung  der  Wurzel  be- 
wahrende, soviel  wir  sehen  überhaupt  nirgends  besprochene  index  'Zeig- 
finger' mit  den  Sinnparallelen  ai.  deginty  pradegini,  deutsch  Zeig  fingere 
schwed.  pekfinger  etc.  ungern  vermißt  wird.  Treten  wir  an  die  einzelnen 
Artikel  heran,  so  erweckt  die  gründliche  Gewissenhaftigkeit,  mit  der  der 
Verfasser  die  gesamte  ihm  zugängliche  Literatur  durchgeackert  hat,  sofort 
ein  günstiges  Vorurteil.  Besonders  hoch  rechnen  wir  ihm  das  überall 
sichtbare  aufrichtige  Bestreben  an,  den  wirklichen  Urheber  einer  jeden 
Deutung  zu  ermitteln,  wobei  es  nichts  verschlägt,  daß  der  Erfolg  manch- 
mal hinter  dem  guten  Willen  zurückgeblieben  ist.  Von  wichtigeren  Publi- 
kationen, deren  Beschaffung  Walde  nicht  möglich  gewesen  zu  sein  scheint, 
nennen  wir  z.  B.  J.  Loth  Les  mots  latins  dans  les  langues  brittoniques 
(Paris  1892)  und  J.  Vendryes  De  hibemicis  vocabulis  quae  a  latina  lingua 
originem  duxerunt  (Paris  1902),  die  ihn  mehrfach  davor  behütet  haben 
würden,  aus  dem  Lateinischen  entlehntes  keltisches  Sprachgut  als  urver- 
wandt anzusehen.  Die  Kritik  der  aufgeführten  Etymologien  macht  der 
sprachwissenschaftlichen  Schulung  des  Verfassers  alle  Ehre;  nach  der 
philologischen  Seite  hin  freilich  werden  seine  Bemerkungen  hin  und  wieder 
einiges  Kopfschütteln  erregen.  Die  dem  Benutzer  gebotene  Auswahl  des 
Stoffes  vertrüge  nach  des  Referenten  Dafürhalten  wesentliche  Abstriche. 
Zwar  ist  natürlich  in  dieser  Beziehung  eine  Grenze  schwer  zu  ziehen, 
aber  notorisch  Falsches  oder  ganz  in  der  Luft  Hängendes,  wie  z.  B.  der 
Stowassersche  Aprilscherz  cniasta  aus  xar'  hasta  oder  die  s.  v.  lanio  an- 
geführten Mutmaßungen  wären  entschieden  besser  mit  Schweigen  über- 
gangen worden.  Einen  wunden  Punkt  bildet  die  vorläufig  noch  recht  im 
Argen  liegende  Darstellung  der  bedeutungsgeschichtlichen  Entwickelung 
des  lateinischen  Wortschatzes,  doch  trifft  dieser  Vorwurf  nicht  so  sehr 
den  Verfasser  als  seine  Quellen.  Es  ist  geradezu  unerhört,  was  die  Ety- 
mologen vielfach  in  der  Vernachlässigung  der  semasiologischen  Seite  ge- 
leistet haben.  Hoffentlich  zeigen  in  dieser  Hinsicht  die  künftigen  Auflagen 
des  Waldeschen  Buches  ein  gänzlich  verändertes  Bild. 

Wann  ist  ein  Wort  als  gedeutet,  als  erklärt  anzusehen  ?  Vielleicht 
bringt  uns  das  wohl  zusammen  mit  der  letzten  Lieferung  erscheinende 
Vorwort  hierüber  ein  paar  prinzipielle  Erörterungen.  Zur  Zeit  haben  wir 
den  Eindruck,  als  ob  in  bezug  auf  die  Definition  des  Begriffs  'Erklärung' 
in  etymologischem  Betreff  die  Ansichten  des  Verfassers  einigermaßen 
schwankend  seien,  auch  hier  wiederum  entsprechend  der  mehr  oder 
weniger  laxen  Praxis  seiner  Gewährsmänner.  Eine  etwas  einheitlichere, 
geschlossenere  Verarbeitung  des  vorzuführenden  Materials,  wobei  eventuell 
auch  für  die  typographische  Anordnung  noch  etliches  getan  werden  könnte, 
scheint  uns  ein  Punkt,  den  Walde  bei  der  weiteren  Ausgestaltung  seines 
Werkes  nicht  aus  den  Augen  verlieren  sollte. 


74  Wald«  LAtmuiicliM  etynologMeliM  WMailNKh. 

Di«Mii  Bemerkangen  angememer  Natur  «chliatei  wir  auf  Gnmi 
unserer  KoUektaneen  eine  Answahl  voa  Berichtigimceii,  Machtrifen  und 
eigenen  Vortchlägen  an,  ffir  die  mu  vielleielit  die  Benntser  dea  Walde* 
achen  Lesdkona  und  der  Verfasser  selbst  Dank  wiaaen  werden. 

ao0((Ml#r.  -*  Wenn  die  ZnsammenstiUlwng  mit  aL  a0i|MffMM-,  griedk 
Oneo-ir^rnc  das  Richtige  trifft,  so  ist  hinsnftgen  ksl.  jatirfM  *accipitei^, 
eine  Ableitong  ans  ^fmdro-  «■  idg.  ^ökro;  das  sieh  zn  aL  00«-  in  a^h 
pdimm  und  griech.  U»ku-  in  dPRU-iciTV|C  rerhielte  wie  s.  B.  grieöh.  <Xaq»p6c 
zn  ai.  rof^Ut^;  zom  Suffix  vgl.  apr.  gtiimkmn  *blan'  and  weiterhin  kd. 
pelfM-Tanbe',  UteolMüteetc  So  Meillet  MSL.  XI  S.  186  f.  —  Zogonstai 
der  Holthansenschen  Dentnng  von  oedpümr  als  Tanbenstflfter'  ließen  si^ 
die  Bedeatnngsparallelen  aL  kapämi^  Valke',  und  grieeh.  qNißorOaoc 
^Habicht*,  ^occoqpdvoc,  fKicco(p6vrr)C  *S^beK  geltend  machML 

adüio^  -tfr«.  —  Zar  Bedeutnng  vgl.  griech.  irpoccaCvui. 

aiUr,  -^  Es  war  vor  allem  aaf  air.  atttmr  "iUe,  alterior*  za  ver* 
weismi,  das  mit  osk.  alUrmm  bildongsgleich  ist  (Grdf.  ^Utra-,  gegenflber 
lat  alUr  aus  ^al-im^) ;  s.  J.  ▼.  Rozwadowski  Qaaest.  gramm.  et  etym.  S.  9f. 
(«  Abhandl.  d.  Akademie  d.  Wissensch.  von  Krakan,  philoL-hist.  GL 
Band  XXV,  [1897]  S.  d97f.). 

a/sot  s/mn«.  —  Die  vom  Verfasser  zitierte  Etymologie  Lidtos  (Zu- 
sammengehörigkeit mit  aisl.  äH  usw.)  hat  dieser  selbst  aofjgegeben.  Er 
fllhrt  jetzt,  Blandade  sprikhistoriska  bidrag  I S.  18  ff.  (in  Göteborgs  hfigs^ 
kolas  ftrsskrift  1904)  alfmty  olfmu  auf  eine  Grandform  ^dUOui^fO'  zorfick, 
die  er  an  arbali-slav.  «oIcTtia  *Schir  (Ut  Miia  Tlafikahn',  ksL  M^l 
VXotov,  ocdcpoO  mid  orgerm.  ^aUm,  *ald9m  Trog'  (schwed.  «Kts  osw.)  an- 
knüpft. Seine  Ausführongen  sind  sachlich  sehr  beachtenswert,  sto6«n 
aber  leider  auf  lautliche  Schwierigkeiten,  die  Lidto  a.  a.  0.  unseres  £r- 
achtens  nicht  völlig  gehoben  hat. 

amu9$ie  (davon  amussim^  ad-^  txmustmC),  —  Zur  Vermeidung  von 
Mißverständnissen  mußte  bemerkt  werden,  daß  amu99im  erst  nachträglich 
aus  admuuim  abstrahiert  ist,  wie  z.  B.  fatim  (Servius  zu  Aen.  I  123)  aus 
adfaiim  oder  deutsch  wegenj  kraft,  laut  aus  wm  w^gen,  in  kraft,  noA 
laut]  s.  Lindsay  Die  lat.  Sprache  S.  647  und  namentlich  Brugmann  Her. 
d.  Sachs.  Ges.  d.  Wissensch.,  philol.-hist.  Gl.  Jahrg.  1900,  S.  396  f. 

anser.  —  Es  liegt  kein  stichhaltiger  Grund  dafür  vor,  ksl.  ^^als  aus 
dem  Germanischen  entlehnt  anzusehen,  s.  Meillet,  MSL.  XIII S.  243 ;  derselbe, 
Etudes  sur  Tötymologie  et  le  vocabulaire  du  vieux  slave  S.  178  und  206. 

änus  'Kreis,  Ring,  After*.  —  ir.  dnne,  äinne  *After*  ist  lat.  Lehn- 
wort; s.  Vendryes  De  hib.  vocab.  S.  111. 

o^ut'/fi« 'dunkel*:  lit.  äHa«,lett.aik2s*blind'.— Zur  Bedeutung  vergleicht 
Lid^n  Stud.  z.  aind.  u.  vergl.  Sprachgesch.  S.  77  f.  treffend  lit  blfsti  'sich 
verfinstern':  got.  Idinds  und  besonders  ir.dub  'schwarz' :  griech.  Tuq)X6c  'blind*. 

arepennia.  —  Die  romanischen  Formen,  frz.  arpent,  altspan.  ars- 
pende  weisen  auf  in  den  Glossen  (CGL.  11  23,  24)  überliefertes  arepmuiis. 
Der  Verfasser  bemerkt:  gall.  Wort  nach  Columella.  Es  wäre  dringend  zu 
wünschen,  daß  er  in  derartigen  Fällen  stets  die  Stelle  hinzufügte,  hier 
also  z.  B.  Colum.  V  1,  6. 

atriplex  'Melde*  aus  griech.  dTpd<paEuc,  mit  Anlehnung  an  ättr  und 
jplieo.  —  Hiezu  bemerken  wir:  afrz.  arrae§  und  ital.  atrepice  gehen  auf 
ein  dem  griech.  drpdfpaEuc,  dxpdqxxEtc  wesentlich  näher  stehendes  *a<ro- 
pium,  *atrepieem  zurück.    Der  Nominativ  war  wohl  ursprünglich  ^atra» 


Walde  Lateinischeg  etymologiflches  Wörterbuch.  76 

piei$y  eine  Form,  die  dann  aber  im  Laufe  der  Zeit  durch  von  den  casibus 
obliquis  aus  falsch  erschlossenes  *<drap€x  verdrängt  wurde.  Aus  diesem 
*atrapex  ist  atriplßx  ohne  Zuhilfenahme  der  Volksetymologie,  auf  rein 
lautlichem  Wege  zu  gewinnen,  unter  Ansetzung  folgender  Entwickelungs- 
reihe:  *atrapex  zu  ^atripex  zu  *atripr4x  zu  atriplex  (Femversetzung  des 
r  von  ^atripex  mit  nachheriger  oder  gleichzeitiger  Dissimilation,  eine  gar 
nicht  seltene,  bisher  aber  wie  es  scheint,  wenig  beachtete  Erscheinung» 
der  wir  demnächst  eine  größere  Abhandlung  zu  widmen  hoffen). 

auea  'Vogel*,  bes.  'Gans'  aus  ^avica,  s.  aviB.  —  Ein  Analogon  zur 
Bedeutungsverengerung  von  'Vogel*  zu  *Gans'  bietet  neugriech.  dpviOa 
"Henne*.  Durch  den  Hinweis  auf  apw,  unter  welchem  Stichwort  über 
aiuea  nichts  gesagt  ist,  leistet  der  Verfasser  der  irrtümlichen  Auffassimg 
Vorschub,  als  sei  auca,  *amea  eine  Ableitung  aus  avia  mit  dem  Sekimdär- 
snfßx  H»,  während  es  in  Wirklichkeit  eine  Rückbildung  aus  avieula  dar- 
stellt, genau  so,  wie  z.  6.  naiiea  (sard.  naüea^  afrz.  nache  usw.)  aus  nati* 
etila;  s.  Ref.,  Berl.  philol.  Wochenschr.  Jahrg.  1903,  Sp.  1305  und  Contrib. 
k  la  critique  et  k  Texplic.  des  gloses  lat.  S.  24,  Anm.  1. 

audio.  —  Die  schon  bei  Benfey  Griech.  Wurzellexikon  I  S.43  stehende 
Herleitung  von  audio  aus  *auz^io  'ich  leihe  Gehör'  scheitert  keineswegs» 
wie  der  Verfasser  meint,  an  obo§dio;  s.  Havet  BISL.  IV  S.  410  und  Arch. 
f.  lat.  Lexikogr.  UI  S.  281. 

baeulum.  —  Für  die  Deutung  von  imbeeiUua,  -4$  als  *ungestützt* 
{in-  privativum  -{-  baeillum)  führt  der  Verfasser  Fick  als  Urheber  an. 
Dieselbe  findet  sich  aber  schon  in  den  von  Sehopen  in  einem  Bonner 
Gymnasialprogramm  von  1847  publizierten  Leidener  Juvenalscholien,  wo- 
selbst es  zu  Juv.  in  28  heißt:  baeulus  faeit  diminutivum  baeiUuM;  hinc 
eomponüur  imbeeillis  quoH  sine  baeulOj  qui  nulliu$  rei  iuvamine  more 
baculisusiinetur;  s.  Rönsch  Collect,  philol.  S.  147  f. 

barlw.  —  Wegen  der  Assimilation  von  *farba  zu  barba  war  in  erster 
Linie  auf  Meillet  MSL.  XIII  S.  25  ff.  zu  verweisen. 

boHua,  —  Die  Deutung  als  ptc.  auf  -tno-  zur  Wurzel  von  ai.  düwjtt> 
"Ehrenerweisung*,  duvaaydti  *ehrt'  usw.  stammt  nicht  von  Osthoff,  sondern» 
soviel  wir  wissen,  von  Darmesteter  De  coniugatione  latini  verbi  *dare* 
(Paris  1876)  S.  26  ff. 

bruta  •nurus*(Gl.)  --  Dieses  vielfach  in  Inschriften  nachgewiesene 
Wort  scheint  im  8.  Jahrhundert  von  den  über  die  untere  Donau  ins  Reich 
eindringenden  Goten  übernommen  worden  zu  sein.  Die  Belegstellen  sind 
vollständig  gesammelt  und  eingehend  besprochen  von  Gundermann  Zeit- 
schrift f.  deutsche  Wortforschimg  I  S.  240--347.  Die  ursprüngUche  Form 
ist  brvii%\  bruta  ist  daraus  sekundär  umgebildet,  wie  z.  B.  vulgärlat.  napta 
(CIL.  XII  8032;  3866)  aus  neptis,  worüber  wir  unsere  Contributions  k  la 
critique  et  k  Texplication  des  gloses  latines  S.  33  ff.  zu  vergleichen  bitten. 

buatum:  durch  falsche  Trennung  von  comb-üro  ins  Leben  gerufen. 
—  Statt  eomb-üro  ist  natürlich  zu  lesen  amb-üro. 

eavitta.  -^  Der  vom  Verfasser  aufgeführten  Deutung  scheint  una 
vorzuziehen  die  von  Rönsch  Coli,  philol.  S.  194  vorgeschlagene  Zurück- 
führung  auf  *calvüla  (zu  calvor)  mit  dissimilatorischem  Schwund  des 
ersten  {.  griech.  xoßaXoc  "Ränkeschmied,  Gauner'  stellen  wir  vielmehr  zu 
ai.  ^abdlafi  *bunt,  scheckig*  (zur  Bedeutung  vgl.  griech.  iroiioXoc  "bunt* 
und  im  übertragenen  Sinn  'listig,  verschlagen*). 

eadOy  pl.  c§iU,  —  Die  vom  Verfasser  ohne  Begründung  als  unwahr- 


76  Wald«  Latoiiiudiw  efymologiMhM  Wditerimch. 

•chemlich  hmgesteUte  Dentang  von  emh  als  lueher,  hena*  (Kombinatk» 
▼<m  zwei  Partikeln)  leuchtet  uns  bener  ein  als  die  gewCOuiliche  Auf- 
fiuuning,  wonach  im  sweiten  Teil  ein  Imperativ  za  dmn$  m  snehen  «lie. 
Ihr  Urheber  iit  nicht  Zimmermann  Arch.  f.  lat  Lezikogr.  ¥  S.  668,  aenden, 
aoweit  wir  sehen,  Stadelmann  De  qnantitate  yocahom  latinas  voces  tenni- 
nantiom  (Basler  Dies»,  Luxem  188^)  S.  75.  Zustimmend  Infiert  sich  anch 
Per  Persson  Stndia  rtymologica  (Dias.  Upsala  1886)  S.  71  Anm.  1.  Zur 
Pluralisierang  des  als  Imperatir  empftmdenen  ewis  YgL  griech.  bcOpo  Mh€ 
nnd  Iit  fies  ÜegU. 

esM.  —  Wohl  eher  ans  ^lasi-fs  Vie  auch*  (koI);  o»  zu  s  wie  ia 
ßr^kmidö  (nach  gütiger  brieflicher  Mitteilong  Wackemagels). 

drcm.  —  ir.  emrcmm^  kymr.  cjfrdkfn  usw.  sind  Lehnwörter  ans  das 
Lateinischen;  s.  Vendryes,  S.  124^  Loth,  S.  167. 

«loMit.  —  Der  Verfasser  hat  sich  leider  die  evidente  Identifikation 
Ton  cia$9iB  mit  ai.  kfrt^  {(ptinqus  dosMt  =  paMea  iT^/ays^!),  die  wir  de 
Sanssnre  M6m.  snr  le  syst  prim.  des  voy.  indo-em*.  S.  862  Anm.  1  Te^ 
danken,  entgehen  lassen. 

coUum.  —  Sollte  es  nicht  möglich  sein,  Anknüpfung  an  Iit  häüoi 
Hals*  zu  gewinnen,  indem  man  dieses  letztere  auf  eine  Gnmdform  ^^M-tfs- 
zurückführte  (woraus  *haüda9  wie  z.  B.  9ihlä  'Saat*  ans  ^994Ul  nnd  weiter- 
hin käkUu  mit  dissimilatorischem  Schwmid  des  ersten  der  beiden  l  wie 
in  frz.  Me  "Weififisch*  aus  *attiU\  lat  eoUnm^  got  Aalt  nsw.  setzten  dann 
ein  *^cl-$Uh  vorans.  Die  Wurzel  ist  jedenfalls  ^^i  'drehen',  nicht  qd 
'erheben*;  vgl.  ksl.  mM  'Hals'  zu  vHUMi  'drehen*  (MeiUet  Btudes  snr 
r^t  et  le  lex.  du  vieux  slave  S.  224). 

eolua  'Spinnrocken*.  —  Zu  ai.  hptaUi  'spinnt*,  griech.  icXüiBui  nach 
Osthoff  Verhandl.  d.  41.  Pbilol.  Versamml.  München  1891,  S.  302  (unter 
Zustimmung  von  Wackemagel  Altind.  Gramm.  I  S.  33). 

cotiV',  cum-.  —  Unter  den  Literaturangaben  vermissen  wir  Skutsch 
De  nom.  lat.  compos.  quaest  sei.  S.  32,  Meyer-Lübke  Philol.  Abhandl. 
H.  Schweizer-Sidier  gewidmet  S.  20  f.  und  besonders  Meillet  MSL.  DC  S.  49  ff., 
der  u.  a.  zeigt,  daß  zwischen  einem  der  Form  nach  mit  ai.  kam,  der  Be- 
deutung nach  mit  ai.  aam-  (cf.  conventus:  ai.  säiftgatiti)  identischen  com-, 
con-  und  einem  zu  griech.  Koxa-  (cf.  lat.  canaöpio:  griech.  KaOeObui.  xara- 
bapOdvu),  lat.  contüdo:  griech.  KaxaicTeivu))  und  weiterhin  zu  ksl.  sü-  z.  B. 
in  süchoditi  'xaraßf^vai',  air.  e^t-,  akymr.  cant-  gehörigen  con^  streng  zu 
scheiden  ist. 

comu,  —  ai.  ^fngam  'Hom*,  griech.  Kpcrpfdiv  'Krabbe',  nach  dem 
Verfasser  auf  einer  Basis  terevg-  beruhend,  dürften  vielmehr  aus  einer 
in  indogermanische  Zeit  hinaufreichenden  Vermischung  der  Sippe  von 
lat.  comu,  got.  kaum,  gall.  xdpvov  mit  derjenigen  von  ksl.  rogH  'ic^poc*, 
Iit.  rdgtu,  lett.  rage,  apreuß.  ragis  zu  erklären  sein. 

eurtus,  —  Nach  Wackemagel  Altind.  Gramm.  I  S.  169  vielmehr  zu 
ai.  küfäfi  'ungehörnt';  dazu  nach  Bartholomae  Zeitschr.  d.  deutschen 
morgenl.  Ges.  L  S.  702  noch  kurd.  kitrd  'kurz',  wodurch  eine  «-Basis  ge- 
sichert wäre. 

deleo,  -ere.  —  Die  vom  Verfasser  als  sehr  ansprechend  gelobte 
Herleitung  aus  *de-(o)leo  (vgl.  ab-oleo)  ist  weder  von  Pedersen,  noch  von 
Per  Persson  zuerst  gefunden  worden,  sondern  stammt  in  letzter  Linie  von 
Löwe  Prodromus  corp.  gloss.  lat.  (Leipzig  1876)  S.  342  f. 

drungm.  —  ir .  drang  ist  aus  dem  Lateinischen  entlehnt ;  VendryesS.  136. 


Walde  Lateinisches  etymologisches  Wörterbuch.  77 

ebulua.  —  Der  in  unserer  Studie  über  ebulus  (Mölanges  Meillet  S.  100) 
stehen  gebliebene  Druckfehler  poki.  odta  statt  jodta  ist  leider  auch  in  die 
Darstellung  des  Verfassers  übergangen.  HofTenUich  wird  er  von  da  nicht 
weiter  verschleppt. 

^ementum.  —  Der  Verfasser  erklärt  sich  mit  vollem  Recht  für  die 
Ableitung  von  /,  m,  n.  Daß  bei  der  Zerlegung  des  altlat.  Alphabets  von 
20  Buchstaben  in  zwei  Reihen  der  Anfang  der  zweiten,  und  nicht  viel- 
mehr der  ersten  Reihe  zur  Namengebung  verwendet  wurde,  ist  ja  freilich 
seltsam,  hat  aber  ein  bemerkenswertes  Analogon  in  ital.  wlfa  'Tonleiter* 
aus  (la)  8ol  fa,  d.  h.  drei  rückwärts  gelesenen  Elementen  aus  der  Mitte 
der  Tonleiter  tU^  r4,  mi,  fa^  aoly  la,  at, 

$xiguu8,  —  Zur  Bedeutung  vgl.  ai.  mitäii,  griech.  M^xpioc. 

fattgo,  -^re  'ermüden"  aus  ^fcUi-ago.  —  Verstößt  gegen  ein  sicheres 
Lautgesetz;  vgl.  Bocietaa,  varietaa,  abietia  usw. 

femur,  -oris.  —  Die  zuerst  von  Br6al  MSL.  V  S.  158  vorgeschlagene 
Zusammenstellung  mit  ahd.  bein  usw.  hat  V.  Henry  MSL.  V  S.  233  ff.  aus- 
führlich zu  begründen  versucht.  Er  setzt  eine  ursprüngliche  Grundform 
*bhim-ft,  bhim-n-es  an,  entsprechend  idg.  iiq^Ji^  ♦i/g*-n-«  Tieber*.  Im 
Germanischen  wäre  die  Stammgestaltung  der  obliquen  Kasus  verallge- 
meinert; ebenso  beruhten  der  lat.  Nom.-Acc.  fernen  und  die  obliquen 
Kasus  femorie,  femori  usw.  auf  analogischer  Verschleppung.  Die  ursprüng- 
liche Messung  femur  stellt  Henry  MSL.  VI  S.  74  f.  bei  Plautus  Miles  1 1,  27 
ex  conjeetura  her;  desgleichen  will  Lejay  Revue  de  philol.  Jahrg.  1894, 
S.  261  bei  Ovid  Metam.  XIII  928  mit  Merkel  und  Riese  eoüectaa  femine 
fhres  lesen,  was  eine  indirekte  Instanz  für  femur  bildete. 

flagrum  'Peitsche'.  —  Der  etwas  vagen  Zupitzaschen  Wurzel- 
gleichung möchten  wir  eine  Wortgleichung  gegenüberstellen,  an  die  bisher 
nicht  gedacht  worden  zu  sein  scheint.  Wir  halten  nämlich  flagrum  für 
im  wesentlichen  identisch  mit  lit.  sprdgilae  'Dreschfleger.  Was  zunächst 
die  Bedeutung  anlangt,  so  sei  daran  erinnert,  daß  auch  das  lat.  Dimi- 
nutivum  flageüum  im  Spätlatein  'Dreschflegel*  bedeutete  (cf.  Hieronymus 
in  Jesai.  IX  28,  ferner  frz.  flAiu  und  das  aus  dem  Lateinischen  stammende 
deutsche  Flegel).  Lautlich  kann  man  entweder  von  ^frag-lo-m  oder  von 
*frag-r(hm  ausgehen.  Im  ersteren  Falle  läge  Metathese  vor  wie  z.  B.  in  nsorb. 
kramla  'Klammer'  aus  *klamra  (Brugmann  Grundr.  I  ■  S.  873),  im  letzteren 
Dissimilation  wie  z.  B.  in  frz.  flairer  aus  lat.  fragrare.  Hinsichtlich  der 
Stammbildung  verhielte  sich  *fraglom  zu  sprägüae  genau  so  wie  aisl. 
mSl  'Gebiß  am  Zaum*  aus  *minßla  zu  ahd.  mindil  aus  *minpüa  (s.  Lid^n 
Uppsalastudier  tillegnade  Sophus  Bugge,  Upsala  1892,  S.  79  f.).  Bei  An- 
setzung  einer  Grundform  *fragrom  kann  passend  auf  das  Nebeneinander 
von  griech.  föpa,  aisl.  setr  und  lat.  aella  aus  *8edla,  got.  eitle,  verwiesen 
werden.  Der  Anlaut  erledigt  sich  nach  dem  Siebs'schen  Gesetz  (KZ.  XXXVII 
S.  277  ff.). 

farmido.  —  Zum  Lautlichen  Grammont  La  dissim.  conson.  S.  44 
und  besonders  S.  46  f. 

farmus.  —  Betreffend  die  Heranziehung  von  ligur.  aquae  Barmiae 
darf  der  Referent  Kretschmer  gegenüber  die  Priorität  beanspruchen:  s.  BB. 
XXV  S.  81,  Anm.  2,  woselbst  er  auch  noch  auf  lat.  Farmiae,  den  kappadok. 
Stadtnamen  Oarm%a(8)  (auf  der  Peutingerschen  Tafel)  und  weiterhin  auf 
die  in  Thermalstationen  Galliens  zutage  geförderten  Dedikationen  an  einen 
Gott  BarmOf  Barmanue^  Bormanicue,  Barvo  aufmerksam  gemacht  hat. 


78  Wald»  Lftteimidi«  etymologiMhM  WMaitadL 

fH^,  -mt.  ^  ntloT.  «rfli  Troif  ist  temnihaltaii,  dm  idg.  Hr^ 
jiskiv.  *«MSi  bitte  ergvbcsi  rnttsMO  (Ref.  Beri.  philoL  Wochensdir.  Jahif. 
190ft,  Sp.  617).  Nach  gütiger  brieflicher  llitteihiiig  knApft  MmlM  $Hi  m 
*««ri  Tielmehr  an  arm.  m/w  "Eis*  an. 

/W^  "BliAhnhn*.  ^  Dam  wohl  auch  ai.  teldlhl  'eine  Knuicbair, 
deasen  abweichender  AnUiit  doreh  Annahme  einer  Beeinfloaemig  Yviii  Seitoa 
des  bedentmigBYerwandten  hakd^  *eine  Reiherart*  erklärt  werden  konnte. 

für,  —  Eine  sorgftltige  semaaiologieche  Unterauchnng  Ober  das  meht 
erwähnte  /Wtom  Diebstahl'  bietet  der  Antats  Pokrowskgs:  Semasiokh 
gi^^eskaja  samStka  po  povodn  latinskago  fmfum  in  der  Filoiogitakiqt 
obozr«nije,  Jahrg.  18M,  S.  886  flf. 

(foUuB  *Hahn*.  ^  Am  meisten  Wahrscheinlichkeit  hat  fOr  nns  ^ 
trotz  Schrader  Reallezikon  S.  884  —  immer  noch  die  von  Wilamowitz 
Philo].  Unters.  1  78  vertretene  Annahme,  das  Tier  sei  von  den  Galliem, 
zn  denen  es  sicher  schon  in  sehr  alter  Zeit  durch  die  Phönizier  gebracht 
worden  war,  in  Italien  eingeführt  und  wie  bei  den  Griechen  Ifedei^ 
(Mf^oc  bei  Aristoph.  av.  488,  707,  883)  oder  Terser'  (TTcpoicoc  Kratm. 
bei  Athen.  374  d),  so  hier  'Gallier*  genannt  worden.  So  nenerdings  auch 
Lorents  Knltargeschichtl.  Beitr.  zur  Tierkunde  des  Altertums  (Gymn.  Progr. 
T(m  Würzen  i.  S.  1904)  S.  VI,  Anm.  80. 

gradUo^  -ärt  "Naturlaut  der  Hühner,  gackern',  grümdim  Dohle*.  — 
(Das  Stichwort  müßte  eigentlich  doch  wohl  ffrueuhm  und  nicht  graeOk 
sein).  Die  den  romanischen  Sprachen  zugrunde  liegende  Form  gragtilm 
ist  überliefert  bei  Varro,  de  lingua  lat.  Y  76,  und  ebenso  de  re  rust  DI 
16,  4  in  allen  guten  Handschr.,  bei  Phaeder  1 8, 4  im  codex  Pithoeanns  usw.; 
siehe  Phaedri  fabulae  Aesopiae  ed.  Havet  (Paris  1898),  S.  6. 

hatid  (haut,  plant,  hau  yor  Konsonanten)*eben  nicht,  gerade  nicht*. — Die 
ursprüngliche  Bedeutung  von  haud  gegenüber  nan  ist  von  F.  Sigismund  De 
haud  ncgationis  apud  priscos  scriptores  usu  (Diss.  von  Jena,  Leipzig  1883) 
richtig  dahin  definiert  worden,  daß  AaiMfursprünglich  Begriffsnegation,  no« 
dagegen  Satznegaiion  war.  Die  von  Habich  Observationes  de  negationum 
aliquot  usu  Plautino  (Hallenser  Dissertation,  Halle  1898)  hiegegen  vorge- 
brachten Gründe  sind  nicht  stichhaltig.  Was  die  Form  anlangt,  so  weist 
Sigismund  nach,  daß  sich  hatä  bei  Plautus  und  Terenz  seltener  findet  als 
haud,  immerhin  aber  noch  recht  häufig  ist.  Habich  will  haut  dem  Text 
des  Plautus  gänzlich  absprechen,  da  diese  Dublette  nach  Ausweis  der 
Inschriften  erst  im  achten  Jahrhundert  der  Stadt  aufgekommen  sei  (so 
übrigens  bereits  Ritschi,  Opuscula  IV  169),  ein  Postulat,  das  selbstredend 
übers  Ziel  hinausschießt,  haud,  hau  und  haut  sind  Satzdubletten,  von 
denen  ursprünglich  die  erste  vor  vokalischem  Anlaut  des  folgenden  Wortes, 
die  zweite  vor  folgendem  Konsonant  mit  Ausnahme  von  r  und  die  dritte 
vor  anlautendem  r  gebraucht  war.  In  der  Tat  ging  das  d  von  haud  mit  kon- 
sonantischem Anlaut  des  folgenden  Wortes  stets  Assimilation  ein  außer 
mit  r,  vor  dem  es  sich  lautgesetzlich  in  t  wandelte.  Damit  ist  das  relativ 
seltenere  Vorkommen  von  ?Mut  erklärt.  Natürlich  ist  dieser  Urzustand 
durch  analogische  Verschleppung  früh  verdunkelt  worden. 

hedera.  —  Zum  Suffix  vergleiche  man  ai.  hhadird^  *Acacia  catechu*, 
griech.  Klccapoc  '£feu'  und  'Cistrose'  (ein  strauchartiges  Gewächs),  xoMapoc 
'Erdbeerbaum',  ahd.  hemera  'Nieswurz'. 

hinuleus.  —  Die  Grundform  *enelo-  kann  durch  Metathese  aus  ♦•(«••- 
entstanden  sein,  wodurch  wir  Anschluß  gewännen  an  griech.  CXo^oc, 


Walde  Lateinisches  etymologisches  Wörterbach.  79 

ksl.  jelenfy  alit.  elUnU  'Hirsch',  gall.  ElMtbiu  'Name  eines  Monats  auf 
dem  Kalender  von  Coligny,  entsprechend  dem  griech.  Aaq>nßoXidiv*,  kymr. 
elain  'junge  Hirschkuh,  Rehkalb*.  Zur  Metathese  vergleiche  man  beispiels- 
weise das  vielen  Patoisformen  der  romanischen  Schweiz  imd  der  an- 
grenzenden Landstriche  Frankreichs  zugrunde  hegende  *gantla  'Henne* 
aus  gal(l)tnay  so  dzAii4^  im  WalUs  (Vionnaz),  dxfnflye  in  der  Waadt,  dzit^ 
in  der  Franche-Comt6  (Damprichard). 

hircus.  —  Hier  besteht  ein  Widerspruch  mit  dem,  was  s.  v.  hispidut 
vorgetragen  wird.  Zuerst  nämlich  sieht  der  Verfasser  in  dem  Guttural 
von  hireus  eine  Wurzelerweiterung,  nachher  aber  zieht  er  ihn  zum  Suffix. 
Diese  letztere  Auffassung  ist  offenbar  die  richtige.  Damit  ist  gesagt,  daß 
hir8ütu8  und  hirtus  nicht  auf  *hircsütu8  und  *hiretus  zurückgeführt  werden 
dürfen.  Aber  auch  gesetzt  den  Fall,  diese  Grundformen  wären  berechtigt, 
so  wäre  doch  nicht,  wie  Walde  meint,  der  Bock  als  der  'struppige'  be- 
nannt, sondern  es  hieße  umgekehrt  hirtus,  hirsütus  'struppig  wie  ein  Bock*. 

hybrida.  —  'Blendling*.  Dieses  von  Minton  Warren  Amer.  joum. 
of  philol.  V  S.  501  f.  scharfsinnig  gedeutete  Wort  fehlt  bei  Walde.  Gestützt 
auf  die  Bemerkung  Isidors  Orig.  XII 1,  6:  in  animantibus  bigenera  dicuntur 
quae  ex  diversis  nascuntur,  ut  mulus  ex  equa  et  asino,  burdo  ex  equo 
et  asina,  hybridae  ex  apris  et  porcis  und  auf  die  Hesychglosse  (ßptKoXoi* 
Xoipoi  statuiert  Warren  a.  a.  0.  ein  griechisches  Kompositum  ♦ö-ißpic 
woraus  *ößptc  (wie  ßorpu^iov  aus  ßoTpuibiov;  zur  Bildung  vgl.  kuvoXukoc, 
XeÖTrapboc),  das  bei  der  Obemahme  ins  Lateini&che  zu  hybrida  wurde 
wie  etwa  griech.  cto|li(c  'Gebiß*  zu  «tomida  (bei  Apul.,  Metam.  VIII  26). 

Janus.  —  Der  Verfasser  bemerkt:  inschriftlich  häußg  JenuäHui, 
Tatsächlich  ist  nur  Jenuarius  bezeugt  (z.  B.  *l€vouap(u)v  GIG.  94S6);  s. 
Ref.  Contrib.  S.  27,  Anm.  3. 

igtiösco,  'ire  'verzeihen*.  —  Pokrowskij  Rhein.  Mus.  LH  S.  428  f. 
und  besonders  im  Sbomik  statej  v  öest'  Fortunatova  (Warschau  1902) 
S.  6  ff.  des  Separatabzugs  hat  unseres  Erachtens  schlagend  dargetan,  daß 
igndscere  nicht  im  Sinne  von  'non  nOscere*  gefaßt  werden  darf,  einmal 
weil  die  negativen  lateinischen  Partizipialbildungen  zu  keinen  negierten 
Verba  geführt  haben  {inseiens  z.  B.  hat  ebensowenig  einem  *in8cire  gerufen 
als  deutsch  unwissend  je  ein  unwissen  produzieren  wird),  und  sodann, 
weil  'ignorieren'  als  Grundbedeutung  durch  Stellen  wie  Terenz,  Phormio 
1014  ausgeschlossen  erscheint,  ignöscsre  heißt  'einsehen,  begreifen*  (vgl. 
frz.  tout  comprendre,  c^est  tout  pardonner).  Dazu  stimmt,  daß  sehr  häufig 
ignöscere  mit  vorausgehendem  cognöseere  verbunden  erscheint. 

ille,  —  Uns  wahrscheinlicher  aus  *tle  zu  arm.  ayZ,  kypr.  aiXoc  'alius*, 
kymr.  at7,  bret.  eil  'secundus*;  so  Meillet  MSL.  VIII  S.  237  und  Rozw»- 
dowsky,  Quaest.  gr.  et  etym.  S.  1  ff.  (389  ff). 

jusumj  bei  Augustinus  (wo?).  Gegensatz  von  susum:  unerklärt.  — 
Hier  gibt  sich  der  Verfasser  einmal  eine  wirkliche  Blöße.  Es  handelt 
lieh  natürlich  um  die  regelrechte  vulgärlateinische  Entsprechung  von 
hochlat.  deorsum^  wie  wir  sie  z.  B.  auch  im  Itinerarium  Antonini  Piacentini 
(Itinera  Hierosol.  ed.  Geyer  S.  173,  15)  und  sehr  häufig  in  der  Mulomedicina 
Ghironis  (s.  den  Index  der  Ausgabe  Oders  S.  3öö  f.)  finden,  und  wie  sie 
auch  durch  die  romanischen  Sprachen,  afrz.  jus  usw.,  vorausgesetzt  wird. 

lagoena  {Jiagena,  -aena^  -Ona^  -üna)  'Flasche'  aus  griech.  Xd^üvoc. 
•—  Der  Verfasser  hätte  es  nicht  unterlassen  dürfen,  mit  ein  paar  Worten 
das  lautliche  Verhältnis  der  lat.  Formen  unter  sich  und  zum  griechischen 


80  Wald«  liatitiniiifthin  «lyiiiolofiMlMt  WOrtoriNKh. 

Original  ansndeaten.  Die  Wiedergabe  ran  griech.  Xfirüvoc  darch  lai 
Utgomia  erklärt  Yendzyee  Recherehes  tur  lldatoire  et  les  effists  de  riiilensit6 
initiale  (Din.  Paria  1902)  S.  284. 

hmbtrai  'scindit  ac  laniat*.  —  Schwerlich  identisch  ndt  immbträn 
im  Sinn  von  'zerlecken*;  ebensowenig  wohl  zu  aL  rdmdkrmm  "öfbnmg, 
Höhlong^,  das  wir  mit  lat  itmhm$  Ijende'  zusammenbringen  möchten  (sv 
BedenUmg  vgl.  griech.  kcvciIiv),  sondern  za  aL  idmMaU  'füSt,  packt*  nnter 
JBeeinflnssung  dorch  lac$r§r$  in  Form  nnd  Bedentong. 

totcf ,  -#rtt.  —  Wir  halten  die  Znsammenstellnng  dieses  Wortes  mit 
ir.  Utk  "Seite*  fttr  antreffender  als  die  Gleichsetznng  mit  aL  jpmika^  "Breite* 
nnd  Terweisen  noch  anf  den  akymr.  (inschr.)  GenitiT  Mfo  ans  *Uilim$; 
s.  Rhys  Lectnres  on  welsh  philology'  S.  27  nnd  898  t 

Uetutj  -t  "Lagerstätte,  Bett*.  —  Es  hätte  vielleicht  Erwähnung  m- 
dient,  daß  sich  das  lat  Uchu  mit  dem  griech.  Xöcrpov  direkt  identifizieroi 
lä5t  unter  Annahme  einer  Grundform  *M-lfo-;  s.  Ref.  Berl.  phik>L  Wochen- 
schr.  Jahrg.  1904,  Sp.  1804.  ir.  UM  'Grab*  ist  Lehnwort;  die  Bedeutimg 
"Sarg*  ist  schon  im  Lateinischen  bezeugt,  z.  B.  bei  TibuU  1 1,  76  und  öfters 
in  Inschriften;  s.  Vendryes  De  hib.  vocab.  S.  160. 

Im»,  liems  'Milz*.  —  Hier  und  unter  Ungua  mußte  Tor  allem  auf 
M eillet  Etudes  sur  T^tym.  et  le  vocab.  du  vieux  slave  S.  169  ff.  anfinerksam 
gemacht  werden,  der  die  Quintessenz  seiner  diesen  Sippen  gewidmeten 
prinzipiellen  Besprechung  treffend  in  die  Worte  zusammen£aßt:  ü  fwai 
noter  ces  ressemblances  Stranges  de  mots  ayant  le  m6me  sens;  mais  avec 
les  moyens,  dont  on  dispose  actuellement,  il  sentit  chim^que  d'en  vouknr 
rendre  compte  dans  le  detail. 

Unum  'Lein,  Flachs*.  —  ir.  //n,  kymr.  Uin  sind  sicher  entlehot; 
s.  Vendryes  S.  161,  Loth  S.  182. 

ttra  'die  Furche  im  Ackerbeet'.  —  Dazu  wohl  auch  griech.  Xicrpov 
'Schurfeisen,  Spaten*,  eigentlich  'Werkzeug  zum  Durchfurchen*. 

lümen^  'inis.  —  Grundform  nicht  *leuq-men  das  wohl  lügmen  er- 
geben hätte,  sondern  *leuq'8men.  Die  Zwischenstufe  laumen  ist  bezeugt 
durch  Marius  Victorinus  GL.  VI  12,  18  K. 

marra  'Hacke  oder  Haue  zum  Ausjäten  des  Unkrauts*.  Lehnwort? 
—  Nach  Winkler  Die  babylon.  Kultur  in  ihren  Beziehungen  zur  unsrigen 
(Leipzig  1902)  wäre  Entlehnung  aus  assyr.  marru  'Hacke*  zu  statuieren, 
was  wegen  griech.  it^ckuc  aus  diS&yt,  pUakku  'Axt*  nicht  unwahrschein- 
lich klingt. 

Mätüta  usw.  —  Außer  in  dem  vom  Verfasser  zitierten  Aufsatz  in 
KZ.  XXXV  S.  233  ff.  ist  Pokrowskij  noch  zweimal  eingehend  auf  lat  Moma^ 
mätütxnus,  mOtürus  zu  sprechen  gekommen,  nämlich  in  den  XapiciVipia. 
Sbornik  statej  v  öest'  F.  E.  Korscha  (Moskau  1896)  S.  353  fif.  und  in  seinen 
Materialy  dlja  istor.  gramm.  latinskago  jazyka  (Moskau  1898)  S.  61,  Anm. 
Seine  Erläuterung  des  begrifflichen  Zusammenhangs  zwischen  mätütfnut 
'morgendlich*  und  mOtürus  'reif  einerseits  und  zwischen  diesen  beiden 
Wörtern  und  münus  'gut*  anderseits  gehört  zum  Besten,  was  auf  dem 
Gebiete  der  Semasiologie  bisher  geleistet  worden  ist.  Des  ferneren  ver- 
missen wir  bei  Walde  einen  Hinweis  darauf,  daß  bereits  Festus  Mätüta^ 
mätürua,  mäne^  mäneSj  münus  unter  sich  verbunden  hat;  vgl.  Paulus  ex 
Festo  S.  87  Th.:  Matrem  Matutam  antiqui  ob  bonitatem  appellabant,  et 
maturum  idoneum  usui  et  mane  principium  diei  et  inferi  di  manes  ut 
suppliciter  appellati  bono  essent  (also  ein  Euphemismus,  was  auch  Walde 


Mitteilungen.  81 

S.  365  als  Möglichkeit  andeutet),  et  in  carmine  Saliari  Geras  manus  intel- 
legitur  Creator  bonus. 

mdicae  gallinae,  quod  in  Media  id  genus  avium  corporis  amplissimi 
fiat.  —  Es  hätte  erwähnt  werden  können,  daß  Persien  den  Völkern  des 
Abendlands  von  jeher  für  die  Heimat  des  Haushuhns  galt,  und  daß  z.  B. 
die  Griechen  dasselbe  gemeiniglich  den  'persischen  Vogel'  oder  den  *Meder* 
hießen;  s.  unsere  vorstehenden  Bemerkungen  s.  v.  gallua.  Was  das  Laut- 
liche anlangt,  so  steht  der  Erklärang  des  l  statt  d  durch  Annahme  von 
Dialektmischung  nichts  im  Weg.  Indessen  ist  sie  nicht  die  einzig  mög- 
liche. Wie  Lorentz  in  seinem  bereits  erwähnten  Programm  dartut,  sollen 
die  Bewohner  von  Delos  die  Mästung  von  HQhnera  zuerst  versucht  und 
zu  großer  Vollkommenheit  gebracht  haben,  wobei  sie  die  Tiere  vorzugs- 
weise von  der  großen  medischen  Rasse  nahmen  (die  Belegstellen  aus  Plinius 
bei  Lorentz  a.  a.  0.  S.  VII  Anm.  26  u.  26).  Gestützt  hierauf  könnte  man, 
scheint  es  uns,  an  eine  Kreuzung  von  Medieae  -{-  Deliacas  (sc.  gallinae) 
denken. 

meridiea.  —  tnedidiea  sah  Varro  auf  einer  Sonnenuhr  in  Praeneste 
(de  lingua  lat.  VI  4:  meridies  ab  eo  quod  medius  dies,  d  atUiquij  non  r  in 
hoe  dicebant  ut  Praeneste  ineisum  in  solario  vidi).  Damit  ist  Stowassers 
Herleitung  aus  dem  Lokativ  meri  die  'am  hellen  Tage*  gerichtet. 

-met.  —  Hiezu  gestatten  wir  uns  auf  unsere  anläßlich  der  Be- 
sprechung von  Sommers  Handb.  d.  lat.  Laut-  u.  Formenl.  in  den  neuen 
Jahrb.  f.  d.  klass.  Altert.  IX  S.  403  gemachten  Bemerkungen  zu  verweisen. 

mundus.  —  Nach  P.  Persson  De  origine  ac  vi  primigenia  gerandii 
et  gerundivi  latini  S.  75  aus  *mu-ndos  zur  Wz.  mü  'waschen':  kypr.  ^ubd- 
caceai  (Hesych),  preuß.  au-mü-snan  'Abwaschung*,  lit  mäu-d-yti  *baden', 
eine  Herleitung,  die  ungleich  mehr  für  sich  hat,  als  was  der  Verfasser 
vorbringt,  uns  aber  doch  noch  nicht  recht  befriedigt.  Wir  denken  unserer- 
seits an  Zusammenhang  mit  lit.  maßdagus  'anmutig,  anständig',  zu  dem 
sich  mundus  verhielte  wie  etwa  ai.  ärbha^  'klein'  zu  ai.  drhhaga^  'dass.* 
(wegen  ai.  -ga^i  lit.  -gus  vgl.  beispielsweise  griech.  (paibpoc:  lit.  gaidtiis), 
imundus  statt  des  zu  erwartenden  *mondus  wäre  alsdann  aus  immundus 
(immundus:  *m<mdus  =  dipunäius^  dupundius :  pondo)  verselbständigt,  wie 
z.  B.  seulpo  neben  scalpo  aus  exseulpo,  inseulpo  (s.  Hülsen  Philologus  LVI 
S.  388  f.).  Das  nach  Walde  fernzuhaltende  ai.  ma^^äyati  'schmückt*  gehörte 
natürlich  ebenfalls  hieher. 

La  Chaux-de-Fonds.  Max  Niedermann. 


Mitteilungen. 

Die  idg.  Sektion  anf  der  48.  Tersammlnng  deutscher  Philo- 
logen nnd  Schulmänner  in  Hamburg.  3.— 6.  Oktober  1905. 

In  der  ersten  (konstituierenden)  Sitzung  vom  3.  Oktober  wurden 
die  Herren  Professoren  Wackernagel  (Göttingen)  und  Fritsch  (Hamburg)  zu 
Vorsitzenden,  die  Herren  Dr.  Kappus  (Frankfurt  a.  M.)  und  Dr.  Hermann 
(Bergt-Äorf)  zu  Schriftführern  gewählt. 

In  der  zweiten  Sitzung  vom  4.  Oktober  sprachen  die  Herren  Prof. 
Bezzenberger  (Königsberg)  über  die  Entstehung  der  griech.  Verbalbetonung, 

Anzeiffer  XYIIL  6 


81  Mittiiilmutn. 

Prof.  Bartholomae  (GieAen)  Aber  das  Thema:  Iit  im  Altinnisdimi  aodi 
die  Klangrenchiedenheit  der  indogerm.  «-Vokale  naehacuweiaen?  md 
lOr.  Hermann  Ober  di6  Rekonstruktion  als  Gnmdlage  der  indogerm.  Sprack- 
mssenflchaft  An  der  Debatte  mm  1.  Vortrag  beteiligten  neh  die  Herren: 
Qol&nann,  Oethoff,  Solmien,  Slltterlin  nnd  Wackemagel,  an  der  sweitoa 
Debatte  die  Herren:  Bezienberger,  Hoffknann,  Osthoff  nnd  Wackemagel,  aa 
der  dritten  die  Herren:  BarthoUmiae,  Holbnann,  Meltser,  Oithoff,  Sohnsea, 
SQtterlin,  Thnmb  nnd  Wa^Lemagel. 

Eüi  Begrfißangstelegramm  Ton  Herrn  Frei.  Kreteehmer  (Wien)  wivdi 
von  der  Sektion  beantwortet. 

Der  5.  Okt.  war  mit  Rücksicht  anf  die  kombinierte  IStsnng  d«p 
philolog.f  archiolog.,  hi8t.-epigr.  Sektion  freigeblieben. 

Die  dritte  Sitsung  (6.  Okt.)  war  mit  der  philol.  kombiniert  Et 
sprachen  die  Herren  Prof.  Solmsen  (Bonn)  über  die  griechische  Btymologi«, 
niamb  (Marburg)  über  Prinzipienfragen  der  Koineforschung,  Zacher  (Brse- 
lau)  über  die  dämonischen  Urväter  der  Komödie.  Zum  ersten  Vortrag 
sprachen  die  Herren  Bezienberger,  Frey  und  Solmsen;  an  den  zweiten 
Vortrag  8chlo5  sich  wegen  Mangel  an  Zeit  keine  Debatte  an;  zu  dem 
dritten  Vortrag  äußerten  sich  die  Herren  Meltzer,  Solmsen  und  Ttdtü». 

Von  besonderem  Interesse  fOr  Indogermanisten  waren  femer  di« 
Vorträge  des  Herrn  Prof.  Diels  (Berlin)  über  den  lateinischen,  griechischen 
nnd  deutschen  Thesaurus  in  der  allgemeinen  Sitzung,  der  Herren  ProlL 
Gehrke  (Greifswald)  über  die  Heimat  nnd  Sprache  Homers  nnd  Putsch 
(Breslau)  über  einige  ausgewählte  Punkte  aus  der  lateinischen  Grammatik 
in  der  philologischen  Sektion.  Auf  den  Bericht  des  Herm  Prof.  Strauch 
(Halle)  über  den  Stand  der  Arbeit  am  Grimmschen  Wörterbuch  und  den 
Vortrag  des  Herrn  Privatdoz.  Dr.  Mensing  (Kiel)  über  das  schleswig-hol- 
steinische Idiotikon  in  der  germanischen  Sektion  mußten  die  Indogerma- 
nisten verzichten,  wenn  sie  nicht  die  2.  Sitzung  ihrer  eigenen  Sektion 
versäumen  wollten.  Eingeschrieben  bei  der  Sektion  waren  20  MitgUeder. 


Der  Vortrag  des  Herrn  Prof.  Bezzenberger  wird  in  seinen  Bei- 
trägen erscheinen.  Von  den  anderen  Vorträgen  haben  die  Herren  Redner 
selbst  folgende  Auszüge  zur  Verfügung  gestellt: 

1.  Chr.  Bartholomae,  Gießen:  Ist  im  Altiranischen  noch  die  Klang- 
verschiedenheit der  indogermanischen  a-Vokale  nachzu- 
weisen? 

Das  Thema  wurde  durch  den  Vortrag  bestimmt,  den  F.  C.  Andreas  1902 
beim  13.  Orientalistenkongreß  in  Hamburg  gehalten  hat*),  und  der  nunmehr 
auszugsweise  in  den  "Verhandlungen"  (S.  99—106)  vorliegt:  "Die  Ent- 
stehung des  Avesta-Alphabets  und  sein  ursprünglicher  Lautwcrt**.  Andreas 
bewertet  darin  eine  Anzahl  von  Buchstaben  des  Avesta-Alphabets  anders 
als  bisher  geschehen  und  kommt  zu  dem  Schluß :  die  durch  paläographische 
Analyse  gewonnenen  neuen  Lautwerte  'liefern  eine  Fülle  von  Belegen 
für  die  Richtigkeit  der  seit  langem  von  mir  vertretenen  Ansicht,  daß  die 
Sprache  des  Avesta  und  damit  das  Altiranische  überhaupt  noch  die  indo- 
germ. Vokaltrias  a,  «,  o  besessen  hat".  Redner  erklärt,  gegen  die  neue 
Bewertung  der  avestischen  Zeichen  keine  Einwendungen  erheben,  sondern 
lediglich  die  Richtigkeit  der  gezogenen  Folgerung  nachprüfen  zu  wollen. 

1)  Den  Redner  zu  seinem  Bedauern  nicht  hören  konnte. 


Mitteilungen.  83 

1.  A),  im  Grundriß  der  Iran.  Philol.  durch  a  umschrieben,  ist  nach 
Andreas  seinem  Lautwert  nach  "in  den  meisten  Fällen  «,  außerdem  a. 
In  vielen  Fällen  .  .  ein  bloßer  Lückenbüßer  für  einen  durch  keine  mater 
lectionis  bezeichneten  Vokal,  der  .  .  .  ein  dunkler  war".  So  läßt  sich  aller- 
dings ein  av.  yazata  'er  verehrte*  direkt  gleich  idg.  *ia§eto  setzen,  aber 
bewiesen  ist  es  damit  nicht,  daß  die  drei  a),  die  das  Wort  enthält,  der 
Reihe  nach  a,  e  und  o  zum  Ausdruck  bringen  sollen. 

2.  AM,  im  Grundriß  ä,  hat  nach  Andreas  den  "Lautwert  5,  #;  er- 
scheint aber  oft  als  Lückenbüßer  für  dunkles  a".  Es  gilt  das  unter  1.  Gesagte. 

3.  {MO,  im  Grundriß  A,  dient  nach  Andreas  "zur  Bezeichnung  von  9 
(vielfach  idg.  ö)'*.  Es  ist  richtig,  daß  wir  den  Laut  öfters  da  finden,  wo  idg. 
ö  stand ;  z.  B.  Avhö — lat.  öri>,  bardnte  —  griech.  (p^puivrai.  Aber  unter  gleichen 
äußeren  Bedingungen,  in  der  Stellung  vor  vh  und  nt,  erscheint  der  gleiche 
Laut  auch  für  idg.  ä  und  e;  z.  B.  dvha  —  griech.  7|a,  yävhgm  —  lat.  e-^rtim, 
vAtUi  'sie  wehen'  —  griech.  &r]^i.  Die  Vokalfärbung  im  Avestischen  hängt 
eben  nicht  von  der  indogermanischen  ab. 

4.  X»,  im  Grundriß  q,  dient  nach  Andreas  zur  Bezeichnung  von  ön, 
dann  auch  von  ö  vor  Nasalen;  erst  sekundär  ist  die  Verwendung  für  oHj 
un.  Auch  hier  gilt  vielmehr:  das  Auftreten  der  Laute  hängt  nicht  von 
der  idg.  Vokalqualität,  sondern  allein  von  der  Stellung  ab.  nqma  ist  lat. 
nötnenj  vät-qm  'der  Winde*  griech.  bö^-ujv,  tqs-da  griech.  tövc(t€),  aber 
ebenso  haben  wir  dqma  —  griech.  Of^iia,  d-yqm  —  griech.  6€-(riv,  tqm  — 
griech.  Tötv,  qzö  —  lat.  angtis-tua,  mq9-rd  —  griech.  ii^vT-ujp. 

5.  Zu  J  =  i  bemerkt  Andreas :  "Hinter  Palatalen  ist  j  in  einigen 
Fällen  die  mater  lectionis  für  6,  und  zwar  idg.  e,  das  in  einem  Ablauts- 
verhältnis zu  0  steht,  z.  B.  in  säend  —  skondo  u.  a*'.  Andreas  meint  damit 
die  avestischen  Wörter  aäindaya  'zerbrich*  und  8k9nd9m  'Bruch*.  Es  ist 
möglich,  daß  im  ersten  Wort  idg.  *8kend-^  wahrscheinlich,  daß  im  zweiten 
ein  idg.  *8kond-  steckt.  Aber  wiederum  ist  das  Auftreten  des  t  ganz  allein 
durch  die  Stellung  —  zwischen  Palatallaut  und  Nasal  —  bedingt  und 
ohne  jeden  Zusammenhang  mit  der  ursprachlichen  a-Färbung ;  das  lehren 
yim  —  griech.  Öv,  haiinte  —  griech.  ^wovrai,  vüöim  —  griech.  öira.  lat. 
vocem,  worin  idg.  ^  enthalten  ist. 

6.  ^,  c,  im  Grundriß  e  9  sollen  sicher,  trotz  Justi  IF.  Anz.  17,  100, 
dumpfe  a -Vokale  zur  Darstellung  bringen,  nach  Andreas  o,  d.  Aber  auch 
ihr  Erscheinen  hängt  allein  von  der  Umgebung  ab.  So  entsprechen  sich 
zwar  tom,  t9m  —  griech.  töv,  bar9nte  —  griech.  cp^povrai,  aber  auch 
f9ra9-§m  —  griech.  x^p-Sv,  ti-yim  griech.  €-!riv,  9vi8tö  —  griech.  äFictoc, 
got.  unwia^  mit  idg.  p. 

Der  Andreassche  Beweis  kann  sonach  ganz  und  gar  nicht  für 
gelungen  gelten.  Gegen  seine  Annahme  spricht  auch  die  Transkription 
altiranischer  Wörter,  besonders  Namen  durch  die  Griechen.  So  erscheint 
z.  B.  das  dem  lat.  equos  entsprechende  Wort  immer  mit  a  in  der  ersten 
Silbe:  Xodcirric,  'AciraiitTpiic,  und  in  der  Kompositionsfuge  schreiben  die 
Griechen,  die  doch  selber  o  hatten,  fast  immer  a:  'ApraE^pEnc,  BaTairdTt^c. 
Besonders  bemerkenswert  ist  die  Ersetzung  des  Wortes  für  'Gott'  am  An- 
fang von  Kompositen  durch  M€Toi,  z.  B.  MefdßuZoc  —  ap.  bagahuxSaK 
Darauf  konnten  sie  doch  nur  dadurch  kommen,  daß  sie  eben  in  der  zweiten 
Silbe  ga  hörten,  wodurch  sie  an  ihre  Kompositen  wie  M^TdOu^oc  usw. 
erinnert  wurden. 


M  IfittsOiiDgiD. 


8.  S.  Hmnaiin,  Bersedovf:   Die  Rekonttrnktion   alt  OrnndUge 
der  indogerm.  Spraehwittentchaft 

AiMg^end  Ton  dem  Widei^nichy  daft  tprachliche  Keiieniiiffui  anf 
einem  Sprachgebiet  sich  bie  sa  verechiedenen  Grenien  anadehnen,  daft 
aber  die  von  ans  rekonttmierteii  indogerm.  Laute  als  Aber  daa  ganie 
Gebiet  der  indogerm.  Ursprache  ausgedehnt  gedacht  werden,  wies  Redner 
an  zwei  fingierten  Beispielen  nach,  daß  wir  mit  miserer  Rekonstmkiiont- 
methode  jedesmal  zu  einem  eüiheitlichen  Ansatz  kommen.  Da  die 
Resultate  ans  den  fingierten  Beispielen  den  Laoten  der  fihlichen  Ansitze 
widersprechen,  mofi  die  Methode  anrichtig  sein.  Der  logische  Fehler 
bei  dem  Rekonstmieren  liegt  darin,  daß  wir  die  unbewiesene  Vor- 
anssetsnng  machen,  wir  mflfiten  mit  Hfllfe  der  du^  eine  Lsntgleichnng 
gegebenen  rerschiedenen  Laote  die  indogerm.  einheitlichen  Lsnte 
wiederfinden,  ans  denen  die  Laote  der  Einzelsprachen  entstanden  sind. 
Wenn  trotz  dieses  Fehlers  zom  grOfieren  Teil  richtige  Resoltate  erzieh 
werden,  liegt  das  nur  daran,  dafi  sich  die  indogerm.  Sprachen  noch  nicht 
so  sehr  weit  von  der  gemeinsamen  Wurzel  entfernt  haben.  Will  man  den 
logischen  Fehler  vermeiden,  so  muß  man  zunächst  von  einer  Einzel- 
sprache aus  zu  einem  älteren  Lautbestand  vorzudringen  suchen.  Der 
Vortragende  veranschaulicht  dies  an  mehreren  Beispielen  aus  dem  Griechi- 
schen und  stellt  dabei  jedesmal  die  Art  der  Scldufifolgerung  und  die 
Wahrscheinlichkeit  der  erschlossenen  Laute  fest.  1.  Auslautendes  -m  läfit 
sich  vom  Griechischen  aus  erschliefien  fOr  Wörter  wie  tMsy,  €v  mit 
HlUfe  von  x^aiüiaXöc,  lüiia;  andere  vorurgriechische  -m  (d.  h.  -«•  in  dem 
indogerm.  Dialekt,  aus  dem  sich  das  Griechische  gebildet  hat)  wie  z.  E 
in  der  Akkusativendung  läßt  sich  erst  durch  die  Vergleichung  mit  Arisch 
und  Italisch  gewinnen.  2.  Nasalis  sonans  kann  man  ebenso  f&r  das  Vor- 
urgriechische aus  dem  Wechsel  der  Akkusativendung  -a:  -v,  dem  von 
-oxai,  -aro:  -vrai,  -vto,  -ac:  -vc  und  aus  den  Parallelen  ^^^a^ev,  iraOcW: 
füi^lLAova,  ir^irovöa  gegenüber  Ic|li€v  Xnrctv :  olba,  XAoiira  finden.  Bei  isolierten 
Wörtern  wie  ^kotöv  braucht  man  wieder  die  anderen  Sprachen.  Vorur- 
griechische -m  ist  darum  wahrscheinlicher  als  vorurgriechisches  Nasalis 
sonans,  weil  letztere  in  keiner  indogerm.  Sprache  erhalten  ist.  3.  Media 
aspiraia  ist  aus  dem  Griechischen  allein  nicht  erschließbar;  der  Ansatz, 
der  für  das  Vorurindische  selbstverständlich  ist,  kann  also  im  Vorur- 
griechischen  leicht  einen  Fehler  enthalten.  4.  Die  Guttnralfrage  ist  in  der 
verschiedensten  Weise  angepackt  worden,  eine  reinliche  Lösung  ist  noch 
nicht  gelungen.  Da  nun  die  Rekonstruktion  einheitlicher  Laute  nur  eine 
der  unzähligen  Möglichkeiten  darstellt,  der  Versuch  aber,  mit  dieser  Mög- 
lichkeit ein  sicheres  Resultat  zu  erzielen,  mißlingt,  so  scheint  es  ange- 
bracht, bei  den  Gutturalen  auf  die  Erschließung  der  indogerm.  Einheits- 
laute zu  verzichten.  —  So  ergeben  sich  bei  den  Rekonstruktionen  ver- 
schiedenartige Wahrscheinlichkeiten.  Diese  genau  festzustellen,  ist  un- 
bedingt nötig;  der  Vortragende  hält  daher  eine  Revision  aller  Re- 
konstruktionen für  unumgänglich. 


3.  F.  Solmsen,  Bonn:  Über  griechische  Etymologie. 

Er  entwickelte  einige  Grundsätze,  die  gegenwäriig  bei  dem  Betriebe 
der  griechischen  Etymologie  besonders  beachtet  zu  werden  verdienen  und 
eine  Erweiterung  oder  Sicherung  unserer  Erkenntnis  versprechen.  Ein- 
leitend berührte  er  die  in  den  letzten  Jahren  vor  allem  von  H.  Schuchardt 


Mitteilungen.  86 

eingeschärfte  Forderung  bei  den  Wörtern  stets  auch  die  Sachen,  die  sie 
zum  Ausdruck  bringen,  im  Auge  zu  halten;  wie  unerläßlich  ihre  Erfüllung 
auch  auf  griechischem  Gebiete  ist,  legte  er  an  dem  Beispiel  von  Tpdn^la 
dar.  Die  Postulate,  die  der  Vortragende  selbst  außerdem  glaubte  erheben 
zu  sollen,  sind  teils  vorwiegend  linguistischer,  teils  vorwiegend  philo- 
logischer Natur.  Von  linguistischer  Seite  gilt  es,  das  Material,  mit  dem 
gearbeitet  wird,  zu  erweitern  durch  eine  systematische  Ausbeutung  der 
lebenden  Idiome,  die  den  von  der  Literatur  der  älteren  Phasen  der  indo- 
germ.  Einzelsprachen  dargebotenen  Wortschatz  in  umfassendem  Maße 
zu  ergänzen  vermögen;  natürhch  muß  diese  Ausnutzung  mit  der  nötigen 
Vorsicht  und  Umsicht  durchgeführt  werden.  Wie  viel  auf  diesem  Wege 
zu  gewinnen  ist,  wurde  an  der  Hand  der  heutigen  slavischen  Sprachen 
für  irdXXuf  und  Xf^v  nebst  dessen  weitverzweigter  Sippe  gezeigt.  In  philo- 
logischer Richtung  ist  ein  Dreifaches  erforderlich:  1.  Auch  hier  muß 
der  Stoff  vervollständigt  werden,  indem  die  Ergebnisse  der  neuen  inschrifl- 
lichen  und  handschriftlichen  Funde  verarbeitet,  aber  auch  die  längst  be- 
kannten Quellen,  namentlich  die  entlegeneren  grammatischen  und  lexi- 
kalischen, eindringender  durchforscht  werden.  Als  Belege  wurden  xpoiöc 
und  beica  genannt.  2.  Die  Bedeutung  der  Wörter  muß  nicht  selten  rich- 
tiger bestimmt  werden  als  in  unseren  Wörterbüchern  geschehen  ist,  aber 
auch  da,  wo  die  letzteren  zu  keinem  Bedenken  Anlaß  geben,  muß  die 
Etymologie  mehr  als  vielfach  üblich  Rücksicht  nehmen  auf  den  tatsäch- 
lichen Gebrauch  der  Wörter  in  den  Texten.  Beispiele:  al|LAU)b(a  und  ckö- 
ir€Xoc.  3.  Der  Etymologie  muß  jedesmal  die  Feststellung  der  Geschichte 
des  Wortes  vorangehen  nach  den  verschiedenen  Gesichtspunkten,  die  dafür 
in  Betracht  kommen,  also  namentlich  nach  der  formalen,  literargeschicht- 
lichen,  stammesgeschichtlichen  Seite.  Diese  zurzeit  vielleicht  wichtigste 
und  den  reichsten  Ertrag  versprechende  Aufgabe  wurde  an  TdXavTOv, 
^dKopoc  und  a(cu|LAv/|Tr)c  erläutert.  Mit  der  Bitte  an  die  klassischen  Philo- 
logen, sich  lebhafter  als  bisher  an  den  durchaus  in  ihre  Domäne  ent- 
fallenden Arbeiten  zur  griechischen  Wortforschung  zu  beteiligen  und  so 
den  Linguisten  die  Wege  zur  Etymologie  zu  bahnen,  schloß  der  Vortrag. 


4.  K.  Zacher,  Breslau:  Die  dämonischen  Urväter  der  Komödie. 

Daß  die  eigentümliche  Bühnenerscheinung  der  Phlyaken  und  der 
Schauspieler  der  alten  attischen  Komödie  ihren  Ursprung  hat  in  der 
dramatischen  Vorführung  jener  dionysischen  Dämonen,  die  auf  Vasen  des 
7.  u.  6.  Jahrb.  statt  der  Silene  auftreten,  und  von  diesen  wie  von  den  Satyrn 
sich  dadurch  unterscheiden,  daß  sie  nichts  theriomorphisches  haben,  sondern 
nur  groteske  menschliche  Körperformen  (dicken  Bauch  und  Hinteren, 
Phallus)  zeigen,  ist  von  der  Archäologie  erwiesen  worden.  Gattungsname, 
Heimat  und  Wesen  dieser  Dämonen  ist  aber  noch  gänzlich  unbekannt 
Vortragender  glaubt  dies  Dunkel  lichten  zu  können. 

Er  geht  aus  von  der  Bemerkung,  daß  es  nicht  der  Chor  ist,  welcher 
von  jenen  Dämonen  die  Gestalt  entlehnt,  sondern  nur  die  Schauspieler, 
also  die  Träger  der  KUJ^i^ibta  <popTiK/|,  des  t^ujc  MerapöBcv  k€kX€|üI|la^voc, 
des  CKurmuia  dceXT^c  und  dtopaiov.  Nun  hat  Aristophanes  einmal  einen 
Idealtypus  des  dyopaioc  geschaffen  im  Allantopoles :  die  Genien  also, 
deren  Hilfe  dieser  in  seinem  Kampfe  gegen  Kleon  anruft  (Eq.  221.  634) 
werden  auch  die  Genien  der  KuiMipbia  drropaia  sein,  nämlich  KodXciioc, 
XxiTaXoi,  0^vaK€C,  Bep^cxcOoi,  KößaXot,  Mö6u)v.  Erfunden  kann 


W  MitteihuifBii. 

Aristophuiw  diese  ÜAineii  nicht  haben,  da  aie  cmn  Teil  als  Eifen«> 
schailswüTte  widerkehreli,  und  gerade  ihre  Bedentang  als  solche  ist  aneh 
beweisend  fttr  ihren  Znsainmeilhang  mit  der  Posse  (q>6radE  Prahler,  Anf-^ 
Schneider,  |i6eu»v  frech,  verhöhnend,  auch  Name  eines  kordazattigen 
Tanies,  KdflaXoc  Possenreißer  und  Betrflger,  Ton  Aristoteles  mit  Mt^1T^1o^ 
iqmonym  gebraucht). 

Das  unattische  8  in  KodX€^oc  KÖpaXoc  adraAcc  ^dvoE  kann  erklärt 
Urerden  durch  Entlehnung  aus  der  dorischen  Komödie  oder  als  Ober- 
Ueibsel  aus  einem  frttheren  Sprachzustand.  Jenes  ist  unwahrscheinlich, 
da  diese  Dftmonen  oltanbar  dem  einheimischen  Volksglauben  angehören; 
auch  ist  Suff.  SIC  (v^vaE)  alleseit  im  Attischen  zur  Bildung  Ton  Schimpf- 
namen gebraucht  («Xo6t«E,  CT6|iq»o£  u.  a.),  überhaupt  gemdngriechisch: 
auch  lesb.  TO'&PcdE.  Bin  gleichbedeutMides,  gleichfalls  gemeingriechisches 
JSuffix  ist  uiv  (tX(cxpuiv,  t^Okuiv  u.  a.,  lesb.  q»(rcicuiv  Tdcrpuiv).  So  ent- 
spricht dem  att  möOiiiv  das  lakon.  |i66aS,  Bezeichnung  fto  bevorzugte 
Metoekensöhne :  beides  offenbar  von  dem  bei  Homer  schon  veralteten 
|i66oc  abgeleitet,  also  beide  Worte  wohl  sicher  ach  Ais  eh. 

Dagegen  scheint  thrakisch  ßcp^cxcOoi  (vgl.  Bcpcvdni,  B€p^ 
mivTcc),  wohl  auch  KÖßaXoc,  vgl.  mit  dem  mäonisch-phrygi sehen  Volks«' 
harnen  KaßoXetc  Kaßn^^cc,  woneben  inschrifUich  die  Form  KauaX?)vo{,  welche 
ftuf  eigentliches  KaFaX^€C  und  also  auch  köFoXoc  schliefien  Itfit.  Damit 
wohl  verwandt  xodXcfiocnicoFdXcfioc,  mit  Suffix  oXciüioc,  das  sonst  nur 
in  (dX€|yioc  erscheint,  dem  Namen  eines  wahrscheinlich  aus  Phrygien 
Stammenden  Threnos.  (Dazu  auch  diexdßcipoi?  vgl.  den  Berg  Kdßctpoc 
in  Phrygien.  Auf  den  böotischen  Kabirenvasen  erscheinen  ähnliche  groteske 
Dämonen). 

Wir  hätten  also  einen  Thiasos  verwandter  niederer  phallischer 
Gottheiten,  teils  achäischen,  teils  thrakischen  Ursprungs,  dessen  Zu- 
sammensetzung  auf  einen  vorhistorischen  Zustand  der  Volksmischung  oder 
Stammesmischung  weist. 

Eigentümlich  istdenjenigen  dieser  Namen,  deren  Bedeutung  erkennbar 
ist,  daß  sie  sowohl  eine  Eigenschaft  eines  Menschen  bezeichnen,  als  einen 
Dämon,  der  eben  dieses  Menschen  Genius  oder  alter  ego  ist,  aber  nur 
insofern  derselbe  diese  Eigenschaft  besitzt  (wer  selbst  (p^vaS  ist,  hat  einen 
O^vaS  zum  Dämon).  Es  sind  also  Eigenschaftsdäroonen  (für  welche 
religiöse  Vorstellung  sich  auch  andere  Beispiele  beibringen  lassen,  wie 
der  dXdcTuip,  'Ep^fjc  ^aioinIjXr)C ,  ZcOc  dcpdcrujp  u.  a.).  Die  umfassendste 
Bedeutung  hat  KÖßaXoc;  dies  Wort  kommt  überhaupt  am  häufigsten  vor 
und  wird  der  eigentliche  Gattungsname  sein. 

Dies  Wort  ist  aber  sicher  identisch  mit  dem  deutschen  KobM, 
welches  aus  mlat.  cobalus  abgeleitet  ist  (ältere  Form  kobel).  Und  auch 
das  Wesen  unseres  Kobold  hat  mit  dem  der  Kobalen  viel  Ähnlichkeit. 
Auch  er  ist  possenhaft,  schabemackisch,  betrügerisch,  auch  er  wird  zum 
Gegenstand  dramatischer  Aufführung  {kobelte  =  Marionetten^  auch  er 
ist  von  Haus  aus  Vegetationsdämon,  erst  dann  Hausgeist,  auch  er  haftet 
an  der  Person,  und  die  Person  wird  mitunter  mit  demselben  Namen  ge- 
nannt wie  er. 

So  können  wir  wohl  auch  für  den  griech.  KÖßoXoc  eine  ähnliche 
Entwicklung  annehmen.  Aus  einem  Wald-  und  Feldgeist  wird  er  Haus- 
geist des  Bauern,  dessen  Genius  und  alter  ego,  ebendeshalb  nach  dem 
Charakter  des  Besitzers  individuell  differenziert  als  (p^vaE  oder  ^öOuiv  usw. 


Mitteilungen.  87 

Bei  den  kiD^oi  umschwännten  diese  xößoXoi  als  Hanswürste  oder  Scho- 
dabei  den  Zug,  wobei  die  Bauern  sich  selbst  oder  ihre  guten  Nachbarn 
burlesk  karrikierlen.  Natürlich  gab  es  noch  mehr  Spielarten,  als  die 
grade  hier  von  Aristophanes  genannten :  zum  (pival  gesellt  sich  der  (pXOoS 
und  der  xöpbaE,  zum  |üi66ufv  der  €lpu)v  und  |LAa(cufv;  dahin  gehören  der 
ILAÖpuxoc  und  ^OXXoc  u.  v.  a:  lauter  Gestalten  dieses  Kobalenthiasos,  Eigen- 
schaftsdämonen, karrikierte  Verkörperungen  von  Charaktereigentümlich- 
keiten der  das  Fest  aufführenden,  in  ihm  sich  selbst  burlesk  darstellenden 
bäuerhchen  Bevölkerung.  So  sehen  wir  schon  hier  die  Anfänge  jener 
Ethopöie,  die  dann  einerseits  in  der  megarischen  und  altattischen  Komödie 
und  der  Atellane,  andererseits  in  der  jüngeren  Komödie  ihre  weitere 
Entwicklung  fand.  

ö.  A.  Thumb,  Marburg:  Prinzipien  der  Koiv/|-Forschung.  (Der  Vor- 
trag wird  vollständig  in  den  "Neuen  Jahrbüchern  für  das  klass.  Alter- 
tum" erscheinen.) 

Das  reiche  Material  an  Texten  der  hellenistischen  Zeit  macht  die 
Koivr'i-Forschung  zu  einem  besonderen  Teil  der  griechischen  Sprachge- 
schichte, für  den  besondere  Methoden  und  Spezialkenntnisse  erforderlich 
sind.  Vor  allem  ist  das  Neugriechische  als  Hilfsmittel  heranzuziehen,  weil 
es  jene  Sprachphase  im  ganzen  wie  in  vielen  einzelnen  Fällen  verstehen 
und  richtig  beurteilen  lehrt.  Das  gilt  auch  von  einem  der  wichtigsten 
Probleme,  der  *Hebraismenfrage'  im  neuen  Testament.  Die  Forschung  der 
letzten  Jahre  gibt  den  *Anti-Hebraisten'  immer  mehr  Recht  und  steht 
allen  literarischen  und  theologischen  Hypothesen  skeptisch  gegenüber, 
die  die  Annahme  von  Hebraismen  zur  Voraussetzung  haben.  Aber  auch 
sonst  ist  die  Exegese  oft  von  richtiger  sprachgeschichtlicher  Einsicht  ab- 
hängig, so  z.  B.  in  der  Übersetzung  der  Verbal präposition,  sofern  diese 
ihre  materielle  Bedeutung  verloren  hat  und  nur  zur  Unterstützung  der 
aoristischen  (perfektiven)  Aktionsart  dient. 

Ein  weiteres  Problem,  die  Existenz  von  Koivi^-Mundarten,  erscheint 
auf  Grund  neuer  Tatsachen  heute  in  hellerem  Lichte:  ein  deutlich  cha- 
rakterisierter Koiv/|-Dialekt  zeigt  sichnämlichin  einer  Gruppe  von  kyprischen 
Verfluchungstafeln  (worüber  man  jetzt  des  Vortragenden  Rezension  von 
Audollent  Defixionum  tabellae,  A.  oben  S.  41  ff.,  vergleiche).  Die  Feststellung 
von  Koiv/)-Mundarten  kann  gelegenthch  zur  Herkunftsbestimmung  neu- 
testamentlicher  Bücher  und  Handschriften  wichtige  Dienste  leisten. 

Über  den  Ursprung  und  das  Wesen  der  Koiv/|  haben  die  letzten 
Jahre  keine  neuen  Tatsachen  ergeben,  die  den  Vortragenden  nötigen 
könnten,  von  seiner  früheren  Formuherung  abzugehen.  Daß  endlich  die 
hellenistische  Weltsprache  in  ihrem  ganzen  Umfang  auch  fernerhin  am 
besten  mit  dem  gut  eingebürgerten,  prägnanten  Wort  Koivi^  bezeichnet 
wird,  daran  ist  trotz  jüngst  erhobener  Einwendungen,  betreffend  die 
historische  Richtigkeit  des  Terminus,  festzuhalten. 


6.  Fr.  Skutsch,   Breslau:   Über  einige   ausgewählte   Punkte   der 
lateinischen  Grammatik.    (Philologische  Sektion.) 

Der  Vortragende  betonte  die  unauflösliche  Zusammengehörigkeit 
der  Syntax  mit  der  Lautlehre  und  Morphologie;  wer  nicht  in  den  letzten 
beiden  heimisch  sei,  werde  auch  nie  zu  einer  befriedigenden  Lösung  der 
wichtigsten  Fragen  der  Syntax  gelangen.   Aus  diesem  Grunde  erscheine 


86  IGttMlmigML 

die  Imteinifche  Syntax  heute  als  der  am  schlechteBteii  beeteüte  Tai  der 
lateinischen  Grammatik;  die  Indogermanisten  hitten  sich  gerade  om  die 
kteinische  Syntax  nnr  wenig  gekümmert,  den  Philologen  aber  ginge  die 
Kenntnis  der  Lautlehre  ond  Morphologie  allenndstens  gänzlich  ab.  Der 
Vortragende  zeigte  dann  an  einer  Reihe  von  Beisiäelen  ans  der  Syntax 
des  Nomens,  wie  einfiach  sich  vielverbandelte  Probleme  bei  gleichm&ßiger 
Berttcksichtigang  aller  Teile  der  Grammatik  erledigen.  Die  behandelten 
nUle  waren  I.  aas  der  Lehre  von  der  Adjektivierung  des  Snbstantivun 
1.  Vetos,  dessen  Zusammenhang  mit  F^oc  durch  neue  semasiologische 
Brwigungen  aufgehellt  wurde,  und  2.  arma  victrida,  tela  ultrida;  II.  aus 
der  Kasuslehre  1.  Nominativus  pro  vocativo,  2.  der  partitive  Genetiv  bei 
Adverbien  (vini  largiter),  8.  foras  foris,  4.  refert,  (Ur  das  weder  die 
Schöllsche  noch  die  Brugmannsche  Erklärung  genügen  kann. 


Eine  typognphlgelie  Torheit. 

Unter  diesem  Titel  wendet  sich  Karl  Brugmann  in  Nr.  156  der 
Beilage  zur  Allgemeinen  Zeitung  (vom  9.  Juli  1905)  gegen  die  immer 
mehr  überhand  nehmende  Unsitte,  den  Sonderabzügen  von  Zeitschriften- 
aufsätzen u.  dgl.  besondere  Seitenzählung  zu  geben.  Mit  Rech^ 
hebt  er  hervor,  daß  durch  diesen  Übeln  Brauch  die  wissenschaftliche 
Verwertung  der  Sonderabzüge  erheblich  erschwert  wird.  Wer  sie  zitieren 
will,  muß  entweder  Band  und  Seitenzahl  der  Originalpublikation  mühsam 
feststellen  oder  er  muß  sich  damit  begnügen,  nach  der  Seitenzählung 
des  Sonderabdrucks  zu  zitieren.  Im  ersten  Fall  verliert  das  Zitat  für 
die  glücklichen  Besitzer  des  Sonderabzugs  seinen  Wert,  weil  sie  meist 
nicht  in  der  Lage  sein  werden,  es  zu  identifizieren;  im  andern  Fall  da- 
gegen sind  alle  die  empfindlich  geschädigt,  denen  nur  das  Original,  nicht 
aber  der  Einzeldruck  zugänglich  ist. 

Man  sucht  diesem  Obelstand  mitunter  dadurch  abzuhelfen,  daß 
man  neben  die  Seitenzählung  des  Sonderabdrucks  auch  jene  der  Original- 
publikation setzt.  Hierdurch  wird  freilich  dem  Schlimmsten  abgeholfen,  zu- 
gleich aber  auch  der  besondern  Paginierung  des  Einzeldrucks  jede  Bedeu- 
tung genommen.  Die  Doppelzählung  sinkt  zur  zwecklosen  Spielerei  herab. 

Unter  diesen  Umständen  wäre  es  dringend  zu  wünschen,  daß  bei 
Sonderabzügen  von  jeder  eignen  Seitenzählung  abgesehn,  dagegen  um 
80  größere  Aufmerksamkeit  der  genauen  Angabe  des  Ortes  gewidmet 
werde,  wo  die  im  Sonderabdruck  ausgegebene  Abhandlung  ursprünglich 
erschienen  ist. 

Es  ist  ein  eigentümliches  Beispiel  ftlr  die  Duplizität  der  Ereignisse, 
daß  der  bekannte  amerikanische  Sanskritist  Charles  Lanman  grade 
im  Begriffe  war,  gegen  die  Neupaginierung  der  Sonderabzüge  Einspruch 
zu  erheben,  als  ihm  Brugmanns  Aufsatz  zuging.  Man  findet  seinen  ge- 
harnischten Protest  zugleich  mit  einem  Auszug  aus  Brugmanns  Artikel 
in  The  Nation  vom  2.  November  1905. 

W.  Str. 


Berichti^ng. 

IF.  S.  529  Z.  11  und  Z.  15  v.  o.  lies:  psychologisches 
statt  logisches. 


shr 


«;PP  1     1935 


9f^P  1     1935