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Full text of "Indogermanische Forschungen; Zeitschrift für Indogermanistik und allgemeine Sprachwissenschaft"

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Toronto 


Snöoorrmnnjßör  iforftöuiiorn 

ZEITSCHRIFT 

FÜR 

INDOGERMANISCHE  SPRACH-  UND  ALTERTÜMSKUNDE 


HERAUSGEGEBEN 


VON 


KARL  BRUGMANN  und  WILHELM  STREITBERG 


NEUNZEHNTER  BAND 

MIT  31   ABBILDUNGEN  IM  TEXT. 


STRASSBURG 

VERLAG  VON  KARL  J.  TRÜBNER 

1906. 


T 

501 
3l\°i 


M.  DuMoiit  Schauberg,  Straßburg. 


Inhalt. 

Seite 

W.  Havers  Das  Pronomen  der  Jener-Deixis  im  Griechischen  ...  1 

A.  Walde   Aspiratendissimilation  im  Latein 98 

K.  F.  Johansson   Arische  Beiträge 112 

von  Grienberger  Das  Carmen  aruale 140 

van  Hellen  Zum  altfriesischen  Vokalismus 171 

A.  Leskien  Das  Slavische  in  dem  Etymologischen  Wörterbuch  der 

griechischen  Sprache  von  Prellwitz 202 

A.  Leskien  Litauisches  mozöti,  mästegüti 209 

Truman  Michelson  The  Indic  ' xooV  khyä  in  Päli  and  Präkrit  .    .  210 

A.  Zimmermann  Zur  Etymologie  von  September,  -bris 210 

K.  Brugmann  Griechische  Miszellen 212 

W.  Streitberg  Zur  Flexion  des  gotischen  Adjektivs 214 

K.  Brugmann  Der  Genus  der  Deminutivbildungen 215 

H.  Osthoff  Griechische  und  lateinische  Wortdeutungen 217 

E.  Hermann  Zur  kyprischen  Silbenschrift 240 

G.  Neckel  Exozentrische  Komposition 249 

E.  Rodenbusch  Bemerkungen  zur  Satzlehre 254 

M.  H.  Jellinek    Zur   Geschichte    einiger    grammatischer   Theorien 

und  Begriffe 272 

E.  Li  den  Zur  iranischen  Etymologie      316 

E.  Li  den   ^ur  germanischen  Wortgeschichte 335 

E.  Liddn  Neue  altenglische  Miszellen 359 

J.  Zubaty  Ai.  titht,  tithih  'lunarer  Tag' 370 

K.  Brugmann  Zu  den  Benennungen  der  Personen  des   dienenden 

Standes  in  den  indogermanischen  Sprachen 377 

W.  Streitberg  Got.  sunnin 391 

N.  van  Wijk  Ags.  cu,  an.  kyr 393 

A.  Leskien  Altkirchenslavisches  oßmim 398 

K.  Brugmann   Griech.  öcxpOc 399 

K.' Brugmann  Die  lit.  Verbalabstrakta  auf  -imas 400 

R.  Meringer  Wörter  und  Sachen  IV.  Mit  31  Abbildungen  im  Text    .  401 

H.  Hübschmann  Armeniaca 457 

L.  Sütterlin  Die  Denominativverba  im  Altindischen 480 

Sachregister  von  H.  Hirt 578 

Wortregister   von  H.  Hirt 582 

Nachträge  und  Berichtigungen 636 


Das  Pronomen  der  Jener-Deixis  im  Griechischen. 

I.    Vorbemerkungen. 

1.  Vorliegende  Arbeit  will  ein  einzelsprachlicher  Beitrag 
sein  zu  dem  Thema,  das  in  Briigmauns  unlängst  erschienener 
Schrift:  "Die  Demonstrativpronomina  der  indogermanischen 
Sprachen".  Leipz.  1904.  (Abhandl.  d.  K.  S.  Gesellsch.  d.  Wissensch., 
phil.-hist.  Kl.  22,  6)  behandelt  ist. 

Das  Pronomen  der  Jener-Deixis  hat  bisher  unter  den 
griechischen  Demonstrativen  am  wenigsten  Beachtung  gefunden ; 
eine  alle  Bedeutungsschattierungen  dieses  Pronomens  berück- 
sichtigende Arbeit  gibt  es  meines  Wissens  nicht;  nur  einzelne 
Gebrauchsweisen  sind  erörtert  worden,  so  die  Verwendung  von 
^Keivoc  in  reflexivischem  Sinne,  worüber  gehandelt  haben  Funk- 
haenel:  Jahrb.  f.  class.  Ph.  77,  S.  316 ff.,  Alex.  Buttmann:  Theol. 
Studien  und  Kritiken,  1860,  2,  S.  507  ff. ;  in  der  letztgenannten 
Schrift  werden  auch  einige  andere  Gebrauchsweisen  des  Pro- 
nomens CKeivoc  kurz  berührt.  Andere  einschlägige  Abhandlungen 
werde  ich  bei  Gelegenheit  nennen. 

Folgende  Literaturwerke  wurden  der  Untersuchung  über 
die  Anwendung  unseres  Pronomens  zu  Grunde  gelegt:  Homer, 
Pindar,  Bacchylides,  die  Pi-agmente  der  Lyriker,  Aeschylus, 
Sophocles,  Euripides,  Aristophaues ,  Herodot,  Thucydides, 
Xenophon,  Plato  (teilweise),  Lysias,  Isocrates  (teilweise),  Aeschines, 
Lycurgus,  Demosthenes  .(teilweise),  die  hauptsächlichsten  In- 
schriftensammlimgen,  die  Bukoliker,  Herodas,  Polybius,  die  vier 
Evangelien  (mit  Berücksichtigung  der  gotischen  und  der  altbulga- 
rischen Übersetzung),  Lucian  (teilweise). 

2.  Es  läßt  sich  folgendes  Schema  aufstellen  für  die  Ge- 
brauchsweise unseres  Pronomens: 

eKeivoc  ist 
I.  rein  Jener-deiktisch : 

1.  lokal, 

2.  temporal. 

Indogermanische  Forschungen  XIX.  1 


2  W.  Havers, 

II.  anderseits-deiktisch. 
ni.  d6r-deiktisch : 

1.  anaphorisch  (vgl.  die  verschiedenen  Unterabteilungen  in 
cap.  5  a), 

2.  praeparativ, 

3.  korrelativ, 

4.  epanaleptisch. 

lY.  ein  Pronomen  der  3.  Person: 

1.  in  den  Nominativformen, 

2.  in  den  obliquen  Casus. 
V.  Besonderheiten: 

1.  cKeTvou,    CKeiviDV    vertreten    ein    Possessivpronomen    der 
3.  Person, 

2.  dKcTvoc  bezieht  sich  in  indirekter  Rede  auf  den  Ange- 
redeten, 

3.  eiceivoc  steht  in  reflexivem  Sinne, 

4.  eKeivoc  berührt  sich  mit  toioötoc, 

.5.  eKeivoc  in  Verbindung  mit  sich  selbst,  oder  mit  anderen 
Demonstrativen  drückt  den  Begriff  der  Mannigfaltig- 
keit aus. 
3.  Reine  Jener-Deixis  liegt  vor,  wo  ekovoc  das  im  Raum 
oder  in  der  Zeit  Entfernte  bezeichnet;  vgl.  Bergk  Carm.  Popul. 
46,  12:  ö|uoiov,  ujCTrep  oi  qpiXoi  |uev  dcxepec  |  f\k\oc  ö'eKtivoc. 
Einigemal  findet  sich  eKeivoc  neben  outoc  gebraucht  beim  Hin- 
weis auf  dasselbe  "Wahrnehmuugsbild,  vgl.  Gebet.  Pin.  27,  1 : 
Tivec  eiciv  outoi  oi  ÖOKouvrec  CKeTGev  dnö  xoö  ßouvoO  TrapaYivecGai ; 
Luc.  Char.  13 :  Küpov  he  auxöv  utt'  eKeivnci  ific  Maccayetiöoc 
dTToeaveiv.  opac  niv  XKu6iba  Tr]V  erri  toü  ittttou  toutou  toö  XeuKOÖ 
eSeXauvoucav ;  Herod.  4,  23 :  Tic  ripa  n'-jv  \i0ov  rauTiiv  |  leKToiv 
^TTo[i]ei,  Kai  TIC  ecTiv  6  cTi^cac;  |  KY.  oi  TTpnHiTeXeu)  iraibec"  ou[k] 
opfiic  K[e]Tva  |  ev  xf^i  ßdci  tu  Ypd|upaT';  In  solchen  Fällen  wird 
durch  outoc  das  bezeichnet,  was  entweder  dem  subjektiven  Inter- 
esse des  Redenden  näher  steht,  wie  in  dem  ersten  Beispiele, 
wo  der  Fragesteller  über  die  Personen  unterrichtet  werden  will, 
die  von  dem  Hügel  kommen,  während  ihm  der  Ort  selbst,  au 
dem  sie  sich  befinden,  gleichgültiger  ist,  oder  das,  was  objektiv 
betrachtet  mehr  in  die  Augen  fällt,  wie  in  den  beiden  letzten 
Beispielen;  so  wird  in  der  Stelle  aus  Lucian  mit  outoc  das 
durch  seine  weiße  Farbe  allgemein  hervorstechende  Pferd  ge- 
kennzeichnet im  Gegensatz  zu  der  nicht  so  leicht  erkennbaren 


Das  Pronomen  der  Jener-Deixis  im  Griechischen.  3 

Person,  die  auf  ihm  sitzt,  und  Herodas  drückt  durch  den  Wechsel 
der  Pronomina  aus,  daß  das  Bildwerk  als  Ganzes  genommen 
leicht  auffällt,  während  die  an  der  Basis  angebrachte  Inschrift 
nicht  so  rasch  in  die  Augen  sticht.  Beim  Hinweis  auf  Bestand- 
teile der  Rede  bezieht  sich  eKtivoc  manchmal  auf  das  zuletzt, 
ouTOC  auf  das  zuerst  Erwähnte,  vgl.  Plut.  v.  Alex.  M.  c.  8 :  'Api- 
CTGTeXn  be  0au|udZ[uuv  ev  äpxr\  Kai  (XYaTTÜJV  oux  ^ttov  .  .  .  tou 
Trarpöc,  ujc  öi'  eKeivov  |uev  ZliDv,  öid  toOtov  he  KaXiJuc  Zwv.  In 
solchen  Pällen  bezeichnet  eKeivoc  stets  das,  was  au  Interesse  und 
Wichtigkeit  zurücksteht  hinter  dem  Bezugwort  von  outoc,  so 
daß  der  Satzteil,  in  dem  eKeivoc  steht,  in  deutscher  Übersetzung 
meist  mit  'während'  eingeleitet  werden  könnte. 

In  Fällen,  wo  wir  in  der  Erzählung  bei  Angabe  von  Ört- 
lichkeiten zur  sogen,  dramatischen  Gebrauchsweise  der  De- 
monstrativa  neigen  (s.  Brugmann  a.  a.  0.  S.  6  und  41),  findet 
man  im  Griechischen  oft  das  wirkliche  Ortsverhältnis  berück- 
sichtigt, vgl.  Poljb.  5,  51,  11:  otTTeqpaive  öiaKXeicöncojuevov  töv 
MoXuuva  TTic  eic  xriv  Mr^öiav  eTravööou  Km  ific  eH  CKeiviuv  xujv 
TÖTTuuv  feTiapKeiac  "und  von  der  Zufuhr  aus  diesen  Gegenden"; 
anders  Arrian  An.  3,  30,  7 :  evöev  öe  erri  töv  Tdvaiv  iroTaiuov 
7Tpoi|)ei.  TUJ  bk  Tavdibi  toutlu  .  .  .;  Her.  4,  109,  3:  luoövoi  tuuv 
TauTV)  'in  jener  (dieser)  Gegend';  ebenso  ib.  106,  5:  toutuuv; 
vgl.  auch  Stein  zu  7,  89,  7.  Es  finden  sich  ferner  Stellen,  an 
denen  eine  abwesende  Person  oder  Sache  mit  öbe  statt  mit 
CKeTvoc  bezeichnet  wird,  z.  B.  y  352:  toöö'  dvöpöc  'Oöuccfioc, 
TT  364,  uj  426;  dagegen  wird  sonst  von  Odysseus,  als  dem  in 
der  Ferne  weilenden,  eKeivoc  gebraucht  (s.  Kühner-Gerth  Griech. 
Gr.  1,  S.  644);  es  kann  eben,  wie  Heutze:  Philol.  27,  S.  511 
sagt,  "alles,  was  den  Redenden  gegenwärtig  lebhaft  beschäftigt, 
mit  öbe  bezeichnet  werden".  Bekannt  ist  der  Gebrauch  des  Pro- 
nomens CKeTvoc  zur  Bezeichnung  des  Übersinnlichen  (vgl.  unter 
Plato  cap.  16)  und  des  im  Jenseits  Befindlichen.  Man  kann 
aber  nicht  behaupten,  wie  das  z.  B.  Kühner-Gerth  a.  a.  0.  tun, 
wenn  von  einem  Verstorbenen  die  Rede  wäre,  würde  stets 
eKeivoc  gebraucht;  dies  geschieht  nur  dann,  wenn  der  Tod  des 
Betreffenden  kurz  zuvor  ausdrücklich  erwähnt  ist,  oder  wemi 
die  Situation  eine  solche  Auffassung  zuläßt;  so  darf  man  z.  B. 
nicht  an  allen  Stelleu,  wo  Xenophon  in  den  Memorabilien  von 
Socrates  als  von  einem  eKeivoc  spricht,  dies  damit  erklären,  daß 
Socrates  nicht  mehr  am  Leben  ist,  es  sind  vielmehr  oft  andere 

1* 


■4  W.  Havers, 

Gründe,  die  den  Schriftsteller  zur  Wahl  dieses  Pronomens  ver- 
anlaßt haben  (s.  cap.  5);  andererseits  ist  z.  B.  bei  Bestimmungen 
über  Testamentsangelegeuheiten  CKeTvoc  mit  Beziehung  auf  den 
Yerstorbenen  durch  die  Situation  und  den  Zusammenhang  ge- 
rechtfertigt, wie  in  dem  Papyr.  UBM.  861  Col.  3,  5:  Ei  öe  Tic 
ßauXerai  irpö  ific  Xuceuuc  npöc  iriv  [öia8riKnv]  [X]eYeiv,  x^jpav  o\jk 
Ixei,  ouK  eTTicTdiuevoc,  ti  eKeivoc  ev  auTf)  eir.  [  .  .  .]  "will  jemand 
vor  der  Öffnung  etwas  gegen  das  Testament  einwenden,  so  geht 
das  nicht  an,  da  er  nicht  weiß,  was  der  Verstorbene  darin  ver- 
ordnet hat".  SchließHch  ist  liier  noch  eKei  au  solchen  Stellen,  wo 
man  übersetzen  könnte  'zu  Hause,  in  der  Heimat',  zu  erwähnen. 
Schon  in  der  Odyssee  finden  sich  hierfür  mehrere  unzweifel- 
hafte Beispiele,  z.  B.  0  550:  eiTi'  övo)li',  ötti  ce  küQx  KdXeov 
inrirrip  xe  iraTrip  le,  sagt  Alkinous  zu  dem  bei  ihm  als  Gast 
weilenden  Odysseus.  Dem  Ke;9i  geht  hier  kein  Bezugwort  vorher. 
Man  könnte  versucht  sein,  diese  Bedeutung  von  eKei  als  einen 
Rest  der  ursprünglichen  Ich-deiktischen  Verwendung  des  *ko- 
*ki-  {*kio-)  Stammes  anzusehen,  vgl.  att.  Tii^epov,  ion.  crmepov 
aus  *Kiä|uepov.  Hiergegen  spricht  aber  die  Tatsache,  daß  sich 
diese  Gebrauchsweise  von  eKei  (bezw.  KeiGi,  Keice  usw.)  fast  aus- 
schließlich an  solchen  Stellen  findet,  wo  derjenige,  dessen  Heimat 
gemeint  ist,  sich  in  der  Fremde  befindet.  Wie  so  eKei  unter  Um- 
ständen zu  Ich-deiktischer  Bedeutung  kommen  konnte,  so  ist 
auch  vielleicht  für  ai.  amä  'daheim'  ursprüngliche  Jener-Deixis 
anzunehmen.  Man  hätte  dann  auszugehen  von  Stellen  wie  Rgv.  2, 
38,  6:  samävavarti  vtßthito  jigißilr  vicvesäm  Kdmac  cdratäm 
amäbhüt.  „Es  kehrt  zurück,  wer  zu  erwerben  ausging ;  die  Sehn- 
sucht aller  Wanderer  strebte  heimwärts".  Graßmaun.  (Von 
Ludwig  wird  die  Stelle  allerdings  anders  aufgefaßt.)  Auf  diese 
Weise  dürfte  vielleicht  etwas  Licht  fallen  auf  das  Verhältnis 
des  gewöhnlich  als  Ich-deiktisch  bezeichneten  Namens  ama-  zu 
den  Jener-deiktischen  amw-m  und  am«  (vgl.  Brugmann  a.  a.O.  S.  111.) 
Was  vom  Raum  gilt,  gilt  auch  von  der  Zeit:  eKeivoc  be- 
zeichnet daher  das,  was  der  fernen  Vergangenheit  oder  Zukunft 
des  Redenden  angehört.  So  werden  bei  den  attischen  Rednern 
die  Vorfahren  der  Zuhörer  oft  geradezu  CKeivoi  genannt,  meistens 
nicht  ohne  Gegensatz  zur  Gegenwart.  Aus  der  Beziehung  auf 
die  Vergangenheit  ist  eKeivoc  in  der  Bedeutung :  'der  Bekannte' 
zu  erklären.  Der  Redende  setzt  voraus,  daß  der  Zuhörer  schon 
bei  früherer  Gelegenheit  mehr  oder  weniger  oft  in  gutem  oder 


Das  Pronomen  der  Jener-Deixis  im  Griechischen.  5 

in  schlechtem  Sinne  von  der  betreffenden  Person  gehört  hat. 
Hierher  ist  auch  die  der  Umgangssprache  angehörige  Wendung 
toöt'  eKeivo  'da  haben  wir's !'  zu  stellen,  über  die  Schanz:  Xovae 
commentationes  Platonicae  pg.  16  sq.  gehandelt  hat.  Nimmt  ferner 
exeivoc  ein  in  der  Rede  entferntes  Bezugwort  wieder  auf,  so 
entsteht  die  Bedeutung  'oben  erwähnt';  (ich  bezeichne  diesen 
Fall  bei  der  Behandlung  der  einzelnen  Beispiele  mit  'Fernanaphora'.) 
Oft  ist  es  nicht  so  sehr  die  große  Entfernung  des  Bezugwortes, 
welche  die  Wahl  des  Pronomens  eKeivoc  veranlaßt,  als  vielmehr 
der  Umstand,  daß  infolge  des  Dazwischentretens  anderer  Wörter 
eine  Wiederaufnahme  durch  ein  einfaches  Pronomen  der  3.  Person 
zu  Mißverständnissen  führen  könnte,  vgl.  Sintenis  zu  Plut. 
Themist.  23. 

Hierher  stelle  ich  auch  den  Fall,  daß  mit  eKeivoc  auf  den 
erstgenannten  von  zwei  vorher  erwähnten  Gegenständen  verwiesen 
wird ;  es  findet  sich  dies  verhältnismäßig  selten,  da  der  Grieche 
meist  6  ,uev  —  6  öe  für  'jener— dieser'  oder  'dieser— jener' verwendet. 

Die  Bedeutung  von  eKei  =^  'damals'  ist  zwar  nicht  besonders 
verbreitet,  aber  doch  häufiger  zu  belegen,  als  Wayte  zu  Demosth. 
geg.  Androt.  §  38  meint.  eKeiöev  in  temporaler  Bedeutung  findet 
sich  erst  bei  späteren  Schriftstellern,  z.  B.  Cass.  Dio  54,  25,  5. 
Zum  Schlüsse  dieses  Teiles  ist  noch  darauf  aufmerksam  zu 
machen,  daß  der  Grieche,  in  der  Erzählung  seine  Ausdrucks- 
weise dem  Standpunkte  der  Vergangenheit  anpassend,  manchmal 
^Keivoc  setzt,  wo  wir,  der  sogen,  dramatischen  Ausdrucksweise 
uns  bedienend,  'dieser'  sagen;  z.  B.  Demosth.  16,  22:  uTrep  toO 
K0|uicac6ai  tnv  TipoTepav  5uva|uiv  iLv  ö'  öt'  eKeivriv  eixov  dipe- 
YOVTO  .  .  .  "wonach  sie  aber  strebten,  als  sie  diese  besaßen,  das 
wißt  ihr" ;  hierzu  Fox  (Demosthenes  Rede  für  die  Megalopoüten. 
Freib.  1890):  eKeivriv  "die  in  der  Rede  eben  erst  erwähnte  (in- 
sofern Tttutriv)  aber  an  sich  in  jene  frühere  (also  weiter  abge- 
legene) Zeit  fallende".  Demosth.  18, 195  :  dWd  OiXiTnruj  Trpoce0evTO 
uTtep  DU  tot'  eKeivoc  Ttdcac  dqpfiKe  cpuuvdc;  mit  eKeivoc  ist  Aeschines 
gemeint,  der  sonst  stets  mit  outoc  bezeichnet  wird ;  hier  hat  ge- 
wissermaßen eine  Assimilation  an  das  Vorhergehende  TÖTe  statt- 
gefunden.    Dagegen  heißt  es  z.  B.  Her.  I  1,  13  und  YI  90,  7: 

TOUTOV    TÖV    XPOVOV. 

4.  Ferner  bezeichnet  eKeivoc  das  auf  emer  anderen  Seite 
Befmdliche.  Hierher  gehört  das  adv.  eireKeiva  'jenseits'  (aus  eir' 
eKeiva,  wie  nhd.  derjenige  aus  älterem  der  jenige;  ebenso  eTiiTaöe 


6  W.  Havers, 

'diesseits'  aus  ^m  rdbe);  es  findet  sich  in  lokalem  und  temporalem 
Sinne,  vgl.  Arr.  An.  II  20,  10;  lY  6,  6;  VII  16,  4.  Isoer.  IX  6,  2. 
Seltener,  und  erst  bei  späteren  Schriftstellern  zu  belegen,  ist 
das  Synonymum  urrepeKeiva.  Auch  ion.  att,  lvr\  Mer  übermorgende 
Tag'  ist  hierher  zu  stellen  (vgl.  Brugmann  a.  a.  0.  S.  S6).  Es 
bezeichnet  eigentlich  den  jenseits  vom  morgigen  liegenden  Tag, 
während  der  diesseits  liegende  criiuepov  aus  *Kiä)uepov  (vgl.  as. 
lündiga  VieuteW'dt.  eis,  citra)  hieß.  Ebenso  verhält  sich  nhd.  'heute' 
zu  dial.Jenntak  'vorgestern',  nur  daß  hier  der  gesti'ige  Tag  als 
Scheidewand  angesehen  wird.  Mit  der  Verschiedenheit  des 
Standortes  hängt  oft  enge  zusammen  eine  Verschiedenheit  der 
gegenseitigen  Interessen,  weshalb  eKeivoc  oft  verwendet  wird  zur 
Bezeichnung  des  persönlichen  oder  politischen  Gegners  i),  vgl,C188 : 
7TU)c  t'  dp'  i'uu  luetd  |uuj\ov;  exouci  öe  leuxe'  CKeTvoi.  Ein  Bezug- 
wort gellt  hier  dem  Pronomen  nicht  vorher.  Ebenso  heißt  eKcT 
manchmal  'im  feindlichen  Lager,  bei  der  Gegenpartei',  und  wenn 
Demosthenes  von  Philipp  so  oft  mit  cKeivoc  spricht,  wenn  auf 
den  attischen  Fluchtafeln  der  zu  Verfluchende  und  jeder,  der 
mit  ihm  in  Verbindung  steht,  eKeivoc  heißt,  wenn  endlich  in  den 
Augen  Julians  die  Christen  nur  'eKeivoi'  sind  (vgl.  z.  B.  Epist.  X  p.  14. 
Heyl),  so  beweist  das,  daß  unserem  Pronomen  oft  eine  gehässige 
und  verächtliche  Färbung  anhaften  konnte. 

5.  Weitaus  am  häufigsten  bezieht  sich  eKeivoc  auf  ein  in 
der  Rede  kurz  vorangehendes  oder  folgendes  Wort.  Bei  dieser 
Der-deictischen  Verwendung  liegt  aber  stets  ein  Nachdruck  auf 
dem  Pronomen,  durch  den  es  von  anderem  unterschieden  werden 
soll  (vgl.  Brugmann  a.  a.  0.  S.  23);  man  kann  also  von  einer 
Gegenüberstellung  im  weiteren  Sinne  des  Wortes  reden,  und 
im  Deutschen  entspricht  dem  eKeTvoc  dann  meist  ein  betontes 
der  oder  er.  Die  Der-deiktische  Verwendung  unseres  Pronomens 
ist  nun  eine  vierfache,  und  zwar: 

a)  eine  anaphorische.  Je  nach  dem  spezielleren  Grunde, 
aus  dem  der  Xachdrucksakzent  auf  dem  Pronomen  ruht,  sind 
hier  verschiedene  Fälle  zu  unterscheiden: 

a)  eKeivoc  steht  zu  einem  anderen  Worte  in  gegensätz- 
lichem Verhältnis  (Ggs.)-)  vgl.  Plat.  Lach.  188  A:  ei  b' eKeivouc 
eXeXr'iGei,    dXX"    ou   toütouc  fe   touc    öiöacKdXouc    auTOÜ   XeXnOev 

1)  Vgl.  apers.  anii/a-  'ein  anderer,  Feind,  Teufel'. 

2)  Der  in  Klammern  beigefügten  Abkürzungen  werde  ich  mich  bei 
Anführung  der  einzelnen  Beispiele  bedienen. 


Das  Pronomen  der  Jener-Deixis  im  Griechischen.  7 

auTÖ  TOÖTO.    Ceb.  Pin.  XXVI  3: KaGdTrep  oi  exio^eiKTai.    id 

Tctp  SriPitt  önrrou  id  ndviac  touc  dXXouc  KaKOTToiouvia  |uexpi 
GavaTou   eKeivouc    ou    Xuirei   öid   tö    Ix^w   dvTicpdp^aKOV   duxoüc 

ß)  Eine  Gegenüberstellung  im  engeren  Sinne  des  Wortes 
(Ggst.)  liegt  z.  B.  vor  Plat.  Lach.  119  B.  tö  iiiev  y^P  ittttiköv  tö 
CKeivuuv  ouTuu  )Lidx£Tai,  tö  öe  öttXitiköv  tö  fe  tüjv  'EXXrivuuv,  die  tf^h 
XcT'Ju.  Plut.  Artax.  2 :  töv  fäp  döeXcpöv  auTfic  dTioKTeivac  6  ßaciXeuc 
eßouXeTo  KUKeiviiv  dveXeiv.  Bei  Kai  'auch',  oube  'auch-uicht'  ist 
CKeivoc  neben  outoc  ganz  gewöhnlich. 

t)  Manchmal  ist  der  Gegensatz  oder  die  Gegenüberstellung 
nicht  klar  ausgesprochen,  und  es  bleibt  dann  dem  Leser  über- 
lassen, sich  das  fehlende  Glied  dem  Zusammenhange  nach  hinzu- 
zudenken (Ged.  Ggs.  bzw.  Ggst.),  vgl.  Epikt.  Euch.  XLII :  ei  KaKÜJC 
auTLu  qpaivexau  eKtivoc  ßXdiTTeTai . . . . ,  "so  hat  er  den  Schaden" 
(nicht  du);  ib.  LL  1:  ttoiov  .  ..  Iti  öiödcKaXov  TTpocöoKdc,  'iva  de 
eKeivov  UTTepör]  xi'iv  enavöpGujciv  TTOirjcai  xrjv  ceauxoö;  Sinn:  "damit 
dessen  Lehre  dich  bessere,  und  nicht  die  meinige".  ib.  XII  2: 
dXX"  oux  ouTuuc  ecTiv  auTUJ  KaXüJc,  iva  err'  eKeivuj  rj  tö  ce  firi 
TttpaxGnvai  "so  daß  es  von  ihm  abhängt,  in  seine  Willkür  gestellt 
ist,  ob  du ... ,  d.  h.  nicht  du  bist  Herr  über  deine  Gemüts- 
verfassung, sondern  er";  man  beachte  den  Unterschied  des  be- 
tonten Dativs  eKeivLu  von  dem  unbetonten  auTiu.  Sehr  gebräuchlich 
ist  auch  folgende  z.  B.  bei  Aen.  Com.  Pol.  Xu  2  vorliegende 
Wendung :  XP^I  uTiepexav  nXriBei  Kai  buvd|Liei  touc  eTra-foiuevouc 
TToXiTac  TuJv  Hevuuv  ei  öe  |uri,  £tt'  eKeivoic  -fiTVOVTai  auToi  Te  Kai 
r\  TTÖXic  "sonst  geraten  sie  unter  die  Herrschaft  dieser  (der 
Söldner)",  während  sie  vorher  ihre  eigenen  Herren  waren. 

b)  Ein  Beispiel  für  den  Ausdruck  eines  auf  Gegenseitigkeit 
beruhenden  Verhältnisses  (Ggstigk.)  bietet  Luc.  Dial.  Deor.  XH  2: 
f\  GeXeic  cu,  iL  iniiTep,  auTri  juriKeTi  epdv  lui^Te  ce  tou  "Apeuuc  ^^Te 
eKeivov  coü;  vgl.  auch  Ceb.  Pin.  XXII  2. 

e)  Ein  Xachdrucksakzent  liegt  ferner  in  all  den  Fällen  auf 
eKeivoc.  wo  sein  Bezugwort  mit  einem  anderen  Worte  verghchen 
wird,  z.  B.  Epikt.  Euch.  XXV  3:  luii  oi'ou  eXaTTOv  exeiv  toü 
XaßovToc-  iLc  T«P  ckcivoc  e'xei  OpiöaKac,  outuu  cij  töv  ößoXöv. 
So  auch  bei  Ausdrücken  der  Gleichheit,  Ähnlichkeit,  bei  Kom- 
parativen, Superlativen,  bei  irpö  vor,  laövoc  allein,  usw.  z.  B. 
Plat.  Theaet.  154  B:  TTpujTaYÖpac  tc  Kai  Tide  ö  xd  auTd  eKeivuj 
eTTixeipujv  XeTeiv.  IL  A  266:  KdpTicTOi  hv,  Keivoi  emxOoviujv  Tpd- 
qpev  dvbpüjv. 


8  W.  Havers, 

l)  Die  Betonung  des  Pronomens  ist  oft  schon  durch  dessen 
emphatische  Stellung  im  Satze  und  durch  den  engen  Anschluß 
von  Enklitica  oder  sogen,  postpositiven  Partikeln  wie  ör|,  bnia, 
)ir|v,  CUV,  iLievToi,  xoi'vuv,  jap  nach  außen  gekennzeichnet  vgl.  £ 
208;  T  318:  dW  de  )uev  MeveXaov  ifd)  Ke\o)Liai  Kai  dvuuYa  [  e\6eTv 
KeTvoc  Totp  veov  dtWoGev  ei\r|Xou6ev.  Yon  diesem  Gebrauch  der 
Partikel  yap  in  reinen  Begründungssätzen  ist  zu  unterscheiden 
die  der  griechischen  Sprache  eigentümliche  Verwendung  dieses 
Wörtchens  im  Anfang  von  Erzählungen,  Schilderungen,  Nach- 
richten usw.,  wo  es  nach  unserer  Auffassung  überflüssig  zu  sein 
scheint,  vgl.  Aesch.  Ag.  279  (ed.  Wecklein):  ireuo^  be  xapMct  laeiZiov 
dXTTiöoc  KXueiv  I  TTpid|aou  fäp  fipriKaciv  ÄpYtToi  ttoXiv.  Andere 
Beispiele  bei  Bäumlein :  'Untersuchungen  über  griech.  Partikeln' 
S.  87.  Nicht  selten  findet  sich  nun  yctp  in  dieser  Yerwendung 
auch  hinter  Formen  von  eKeivoc;  das  Bezugwort  geht  entweder 
unmittelbar  voran,  oder  ist  aus  dem  Zusammenhange  leicht  zu 
ergänzen;  vgl.  Polyb.  XXI  19,  3:  ^'va  be  töttov  dYujvidv  töv  Kaxd 
Touc  Poöiouc  ....  eKeivouc  ydp  .  . . .;  Isoer.  lY  149  :  KeqpdXaiov  bk 
TÜJV  eiptinevujv  •  CKeTvoi  ydp  ouk  em  Xeiav  eXGöviec  . . . :  Soph.  El. 
681 :  KdTTe|UTrö)Liriv  irpöc  raOia  Kai  tö  Tidv  qppdcuu.  |  Keivoc  ydp  eXGuuv 
de  TÖ  KXeivöv  'EXXdöoc  |  TTpöcxn^'  dTUJVoc....:  es  beginnt  die 
berühmte  Schilderung  des  Wagenrennens.  Ich  glaube,  ydp  hatte 
in  solcher  Stellung  ursprünglich  nur  den  Zweck,  das  voran- 
gehende Wort  her\'orzuheben,  um  dadurch  die  Aufmerksamkeit 
des  Zuhörers  auf  den  Beginn  der  Erzählung  zu  leiten.  In  ähnlicher 
Weise  finden  wir  übrigens  im  Altiudischen  die  Partikel  ha  im 
erzählenden  Stil  verwendet,  vgl.  Delbrück:  Altind.  Syntax  S.  499. 

r\)  Eine  verwandte  Erscheinung  ist  folgende :  es  finden  sich 
zahlreiche  Fälle,  wo  eine  mit  ^lev  verbundene  Form  von  eKetvoc 
einem  mit  bi  verbundenen  Worte  des  folgenden  Satzes  gegenüber- 
gestellt wird,  ohne  daß  der  zugrunde  liegende  Gedanke  adversativer 
Natur  ist;  vgl.  Lys.  117:  xaÖTa  eirroOca  .  . .  eKeivri  |aev  d-rrriXXdTn, 
eYÜJ  be  euGcujc  erapaTTOiuriv  "nach  diesen  Worten  entfernte  sie 
sich;  mich  brachte  die  Nachricht  sofort  in  Aufregung".  Luc. 
Philopseud.  31:  "als  wir  ungefähr  ein  Klafter  tief  gegraben  hatten, 
kam  ein  Totengerippe  zum  Vorschein  .  . .,  eKeivov  laev  ouv  e9dv|;a)uev 
dvopuEaviec,  n  oiKia  be  tö  drr'  eKeivou  eiraucaTO  evoxXoujaevri  uttö 
Tüüv  cpaciadTuuv  "wir  gruben  es  aus  und  bestatteten  es;  seitdem 
ist  das  Haus  von  Spuk  verschont  geblieben".  Wir  lassen  also 
im  Deutschen   solche   Sätze   asyndetisch,   oder   doch    nur   mit 


Das  Pronomen  der  Jener-Deixis  im  Griechischen.  9 

schwacher  kopulativer  Partikel  verbunden,  auf  einander  folgen; 
der  Grieche  aber  liebt  es,  dadurch,  daß  er  ein  Wort  des  vorher- 
gehenden Satzes  und  eins  des  folgenden  durch  |uev-6e  einander 
gegenüberstellt,  eine  enge  Verbindung  der  Sätze  herzustellen. 
(|uev-be  Verbindung).  Die  Entstehung  dieses  Sprachgebrauches 
haben  wir  uns  wohl  so  zu  denken,  daß  ursprünglich  nur  im 
zweiten  Satze  öe  hinter  das  erste  Wort  gesetzt  wurde,  um  den 
Anschluß  zu  markieren;  bei  der  weiteren  Ausbildung  der  Kunst- 
sprache setzte  man  dann,  um  einen  gewissen  rhetorischen 
Parallelismus  hervorzurufen,  auch  hinter  ein  entsprechendes 
Wort  des  ersten  Satzes  die  Partikel  |aev,  die  ja  von  Hause  aus 
auch  nur  der  Verstärkung  gedient  hat  (s.  Delbrück  Vergi.  Synt. 
d.  idg.  Spr.  II  S.  507  ff.).  Gute  Bemerkungen  hierüber  finden 
sich  bei  Vogrinz  'Grammatik  des  homerischen  Dialektes',  S.  233 
und  237. 

6)  Ähnlich  verhält  es  sich  mit  den  Verbindungen  xe-xe 
und  xe-Ktti  (xe- Kai  Verbind.);  vgl.  Thuc.  1 137,  3:  Kai  6  0e|uicxoKXfic 
CKeivov  xe  eGepaTieuce  xPnMcixujv  ööcei  .  .  .  Kai  |nexd  xüuv  kcüxu) 
TTepcujv  xivoc  -rropeuOeic  avai  ecTteiuTTei  Tpd|a|Liaxa  ec  ßaciXea  .  .  . 
'Themistokles  erwies  sich  ihm  erkenntlich  durch  ein  Geldgeschenk 
und  reiste  darauf  .  .  ."  Isoer.  V  104 :  ei  öe  cu  öiaßairic  eic  xriv 
rjTTeipov,  eKeivöc  x'  äv  dc|uevoc  i'öoi  ßoriOöv  f^Keiv  auxüj  ce  vo|niZ;iuv, 
xüjv  x'  d'XXujv  caxpaTTuuv  ttoWouc  dtrocxriceic.  In  solchen  Fällen 
genügt  nach  unserem  Sprachgefühl  die  einfache  Anknüpfung 
des  zweiten  Satzes  mit  Kai,  der  Grieche  aber  sucht  durch  die 
Hervorhebung  des  Pronomens  mittelst  der  Partikel  xe  eine  größere 
Korrespondenz  und  Parallelität  zwischen  den  beiden  Sätzen 
herzustellen.  Wie  in  dem  aus  Isocrates  augeführten  Beispiele 
ist  die  Betonung  des  Pronomens  oft  schon  daran  zu  erkennen, 
daß  es  die  Enklitika  xe  vom  Verbum  weg  zu  sich  heranzieht. 

i)  xe-Kai  tritt  übrigens  nicht  nur  satzverbindend  auf,  sondern 
dient  auch  der  Verknüpfung  einzelner  Wörter,  z.  B.  in  einem 
Palle  wie:  eKeivoc  xe  Kai  oi  dXXoi  (Parallele),  wo  wir  im  Deutschen 
meistens  nur  durch  die  Betonung  das  erste  Glied  gegen  das 
zweite  abheben. 

k)  Endlich  ist  noch  eine  Art  der  anaphorischen  Verwendung 
von  eKeivoc  zu  erwähnen,  die  zwar  nicht  besonders  häufig,  aber 
eigentümlich  ist ;  es  handelt  sich  um  die  Fälle,  wo  scharftoniges 
eKeivoc  ein  unmittelbar  vorangehendes  Bezugwort  aufnimmt,  das 
zu  einem  vorhergehenden  und  zu  einem  folgenden  Nomen  bezw. 


10  W.  Havers, 

Pronomen  sich  etwa  so  verhält,  wie  ein  Glied  einer  Kette  zu 
den  sich  beiderseits  anschließenden  Gliedern.  (Aneinanderreihung.) 
vgl.  Thuc.  V  66,  3 :  toic  )aev  rroXeindpxoic  auTÖc  qppd^ei  tö  beov, 
Ol  öe  Toic  XoxaToTc,  eKeivoi  bk  toTc  TreviriKovTfjpciv^  au6ic  b'  outoi 
ToTc  ^vuj)iioTdpxoic,  Kai  ouxoi  Tf]  evuuinoTia,  es  wird  hier  geschildert, 
welchen  Weg  die  Kommandos  im  Heere  der  Lacedaeuionier 
nahmen.  Aen.  Comm.  Pol.  XXII  9 :  eS  eKdcrou  Tdp  cpuXaKeiou  KaG' 
^KdcTr|v  cpuXaKHV  TrpoqpuXaccovTuuv  tic  dvnp  em  xö  exöjuevov  qpuXa- 
Keiov,  Kai  dir'  CKeivou  dXXoc  erri  tö  exö)nevov,  Kai  änö  tujv  dXXuuv 
aXXoi  em  xd  aXXa.  Luc.  Navig.  1.  cu  ]uev,  oijuai,  Xd)aiTTTre,  irpoijeic, 
laexd  ce  be  ö  'Aöei|uavxoc  i^v,  eix  i'fd)  juex'  eKeivov  exo^evoc  auxoö 
d|Li(poxepaic  .  .  .  Daß  eKeivoc  in  solchen  Fällen  die  Geltung  eines 
Der-deiktischen  Pronomens  hat,  geht  klar  aus  den  Stelleu  her- 
vor, wo  betontes  o  sich  in  derselben  Verwendung  findet,  vgl. 
außer  der  oben  aus  Thucydides  angeführten  Stelle,  wo  das  oi 
wolil  zu  akzentuieren  sein  dürfte,  H  163  ff.  oipxo  ttoXu  Trpjjxoc 
)uev  dvag  dvöpuuv  'AYa|ue)avtjuv,  |  xuj  b'  em  Tubeibric  uüpxo  Kpa- 
xepöc  Aio)Linöric,  |  toici  b'  ett'  Aiavxec  . . .  xoici  b'  eir'  'IÖ0|uev6uc  . . ., 
ähnlich  0  261  ff.  oder  Her.  5,  92  Yi  18  (ed.  Stein):  KaxoiKxeipac 
öe  rrapabiöoT  xuJ  öeuxepuj,  6  öe  xuj  xpixuj.  ouxuu  örj  öieSfiXOe  öid 
irdvxuuv  xüjv  öeKa  7Tapabiöö|uevov.  Die  Betonung  der  Der-deik- 
tischen  Pronomina  in  solchen  Verbindungen  ist  erforderlich,  um 
die  emzelnen  Glieder   der  Kette  scharf  hervortreten  zu  lassen. 

b)  In  Der-deiktischem  Sinne  findet  sich  betontes  CKeivoc 
zweitens  beim  Hinweis  auf  etwas  gleich  zu  Erwähnendes:  Epict. 
Euch.  XXXI 1 :  xfjc  irepi  xouc  Geouc  euceßeiac  i'cGi  öxi  xö  Kupiujxaxov 
eKeivö  ecxiv,  öpOdc  uiroXrivi^eic  Ttepi  auxüjv  exeiv.  Dieser  sogen. 
präparative  Gebrauch  ist  namentlich  in  der  Attischen  Prosa 
beliebt. 

c)  Beispiele  für  die  Verbindung  unseres  Pronomens  mit 
folgendem  Relativum  bieten  die  verschiedensten  Schriftsteller. 

d)  D6r-deiktisch  steht  eKeivoc  endlich  auch  da,  wo  es  mit 
rhetorischem  Nachdruck  ein  kurz  vorhergehendes  Bezugwort 
wieder  aufnimmt.  Ein  Beispiel  für  diesen  sogen,  ep an alep ti- 
schen Gebrauch  bietet  Epict.  Euch.  V:  an  sich  ist  der  Tod 
nichts  Schreckliches,  xö  bÖYi^a,  xö  rrepi  xoö  Oavdxou  biöxi  beivöv, 
^Keivo  xö  beivöv  ecxiv. 

Bevor  ich  zu  einem  neuen  Teile  übergehe,  mag  hier  kurz 
auf  die  Berüiirungspunkte  hingewiesen  werden,  die  zwischen 
eKeivoc   und  ouxoc  bestehen.     Letzteres   teilt   mit  eKeivoc   nicht 


Das  Pronomen  der  Jener-Deixis  im  Griechischen.  11 

nur  die  Fähigkeit,  auf  allgemein  Bekanntes  hinzuweisen  und  ge- 
hässige Gesinnung  gegen  eine  Person  zum  Ausdruck  zu  bringen 
(vgl.  Kühner-Gerth  a.  a.  0.  §  467,  4  und  5),  sondern  es  wird 
auch  mit  Nachdrucksakzent  in  Der-deiktischem  Sinne  verwendet, 
vgl.  Plat.  Men.  80  A.  boKac  |uoi  TravteXtuc  .  .  .  ö|LioiÖTaTOC  eivai .  . . 
TttUTr]  Ti]  TrXaTeia  vdpKfi  Tr)  OaXatiia.  Kai  y^P  aüiri  töv  dei  TrXri- 
cidZiovra  .  .  .  vapKdv  TToiei.  Phaed.  108  E;  Grat.  430  A;  Luc. 
Dial.  Mort.  XII  7 :  xpiToc  'Avvißac,  oüöe  outoc  euKaiacppöviiTOC 
ujv.  Plat.  Apol.  21 D:  evieöGev  ouv  toutoi  xe  diTnxöoiiiilv  Kai 
TToWoTc  tJjv  TrapövTuuv.  Luc.  Dial.  Meretr.  lU  '6 :  "wovon  hätten 
wir  im  vorigen  Winter  leben  woUen,  ei  |uri  toötov  imiv  n 
'AqppobiTri  £TTe)LH|je;  für  die  präparative  und  epanaleptische  Ver- 
wendung von  ouToc  verweise  ich  auf  Schneider  zu  Isoer.  I  45,  7, 
Stein  zu  Her.  III  14,  4.  Es  ist  daher  begreif Kch,  wenn  anderer- 
seits EKeTvoc  in  die  Gebrauchssphäre  von  outoc  eindringt,  d.  h.  die 
Bedeutung  eines  schwach  betonten  'dieser'  hat;  bei  den  Klassikern 
der  attischen  Prosa  dürften  sich  allerdings  hierfür  nicht  viel 
Beispiele  finden,  am  ehesten  noch  bei  Lj'^sias,  aber  bei  Herodot, 
Polybius  und  namentlich  im  Griechischen  des  NT.  ist  dieser 
Gebrauch  gar  nicht  selten. 

6.  eKeivoc  kann  auch  die  Rolle  eines  sogen.  Pronomens 
der  3.  Person  übernehmen,  und  zwar  vertreten  die  Noniinativ- 
formen  ganz  gewöhnlich  die  der  griecliischen  Sprache  fehlenden 
Nominative  des  Pronomens  auiöc  in  schlicht  anaphorischem  Sinne, 
vgl.  Xen.  Cyrop.  11  4,  12:  |ue)Livi-mai  cou  aKoücac  ujc  6  'Ap^evioc 
KaTaqppovoir)  cou  vuv,  öti  dKOuei  ToiJc  rroXeiuiouc  TTpociövrac  f]- 
|uTv  .  .  .  TToiei  ydp  xauTa,  lcpr|,  üu  Küpe,  ckeTvoc.  "Ja,  Cyriis,  das 
tut  er".  Im  Griechischen  des  N.  T.  dagegen  hat  auxoc  die  Be- 
deutung 'er'  (s.  Brugmann  a.  a.  0.  S.  124  Fußnote  1),  und  es  findet 
sich  daher  eKeivoc  in  dieser  Verwendung  hier  verhältnismäßig  selten. 

In  den  casus  obliqui  ist  eKeivoc  nicht  ohne  weiteres  gleich- 
bedeutend mit  den  entsprechenden  Formen  des  anaphorischen 
Pronomens  auiöc,  sondern  es  ist  entweder  der  Nachdrucksakzent 
das  unterscheidende  Merkmal,  wie  wir  oben  gesehen  haben,  oder 
es  sind  stilistische,  bzw.  bei  den  Dichtern  metrische.  Gründe, 
welche  die  Wahl  des  Pronomens  eKeivoc  veranlassen.  So  wird 
man  z.  B.  unschwer  erkennen,  daß  in  folgenden  Beispielen  eKeivoc 
lediglich  der  Abwechslung  wegen  gesetzt  ist:  Thuc.  I  132,  5: 
dvrip  'ApTiXioc,  naiöiKd  TTOxe  ujv  auToO  Kai  mcTOTaToc  eKeivuj.  Luc. 
Navig.  10:    irdvu   r|br-|    caq)uL)C   opüj   Kai  Goiiadiiov    auroü  Kai  tö 


12  W.  Havers, 

ßdbic)ia  ^Keivou,  Kai  ^v  XPMJ  H  Koupd.  Dies  hat  schon  Alex.  Butt- 
mann (a.  a.  0.  S.  511)  richtig  erkannt,  und  er  hat  auch  die  irrige 
Ansicht  Kühners,  daß  in  solchen  Fällen  durch  eKeivoc  immer 
auf  nachdrückliche  Weise  ein  Gegensatz  bezeichnet  werde,  mit 
treffenden  Worten  zurückgewiesen  (S.  512  Anm.);  aber  trotzdem 
begegnet  man  bei  Gerth  in  der  neuen  Bearbeitung  der  Kühuerschen 
Grammatik  §  467,  12  noch  der  alten,  falschen  Auffassung.  Da 
die  Abhandlung  von  Buttmann  nicht  jedem  zugänglich  sein 
dürfte,  erlaube  ich  mir,  die  betreffende  Stelle  anzuführen :  "Die 
Worte  Kühners  zu  d.  St.  (Xen.  Mem.  I  2,  3) :  Probe  tenenduni 
est  hanc  pronominum  permutationem  non  admitti,  nisi  ubi  oppo- 
sitio  graviter  efferenda  sit:  quae  vis  inesse  non  potest  in  pron. 
auTÖc,  quod  nihil  significat  nisi  pronomen  tertiae  personae,  nuUa 
adiuncta  vi  oppositionis,  sind,  wenn  auch  im  Prinzip  richtig, 
doch  viel  zu  stark  für  den  Fall,  daß  eKeivoc  bloß  als  Fortsetzung 
oder  Wiederaufnahme  eines  vorangegangeneu  aüiöv  usw.  dient. 
Wiederholung  eines  und  desselben  Wortes  in  demselben  Satze 
(wenn  nicht  gerade  dadurch  ein  rhetorischer  Effekt  bezweckt 
wird)  ist  einem  griechischen  Schriftsteller  immer  unangenehm 
und  für  ihn  Grund  genug,  um,  wenn  keine  IJndeutlichkeit  ent- 
steht, mit  anderen  begriffsverwandten  Wörtern  abzuwechseln. 
In  vielen  der  hierher  gehörigen  Stellen  ruht  durchaus  kein 
größerer  Nachdruck  auf  dem  Pronomen  ...  Es  würde  zu  vielen 
Fehlern  Yeranlassuug  geben,  wollte  man  die  Resultate  der 
wissenschaftlichen  Deduktion,  welche  vom  allgemeinen  logischen 
Standpunkt  aus  vollkonmien  richtig  sind,  überall  auf  jeden 
einzelnen  konkreten  Fall  mit  starrer  Konsequenz  anwenden, 
ohne  zu  bedenken,  wie  oft  in  allen  Sprachen  rein  formale 
Gründe  den  Redner  zu  Abweichungen  von  dem  sprachlich  wolil 
begründeten  Usus  nötigen.  Vgl.  meine  neutestamentliche  Gramm. 
S.  88.  Note".  Selbstverständlich  gilt  dieses  Prinzip  der  Abwechs- 
lung z\\'ischen  Formen  von  auTÖc  und  eKeivoc  zur  Vermeidung 
des  Gleichklangs  nur  für  die  Kunstsprache;  die  naive  Sprache 
des  Alltagslebens  ist  der  Häufung  von  Formen  des  Pronomens 
aÜTÖc  nicht  so  ängstlich  aus  dem  Wege  gegangen,  vgl.  z.  B.  f] 
copöc  .  .  .  ev|i)j  KiTÖeuBriceTai  aÜTÖc  Kai  f]  fvvr]  auToö  Kai  xeKva 
auTOÖ  Kai  ö(v)  dv  aÜTÖ(c)  ßou\ri9]nc[e]Tai  [eTJi  Trep[i]ö[v  =  Nr.  3023 
in  'Altertümer  von  Hierapolis'  =  Jahrbuch  des  Kaiserl.  deutschen 
Archaeol.  Instit.  Ergänzungsheft  IV.  Man  lese  ferner  nur  einige 
Kapitel  aus  dem  Griechischen  der  Evangelisten,  und  man  erkennt 


Das  Pronomen  der  Jener-Deixis  im  Griechischen.  13 

sofort  an  den  zahlreichen  oft  kurz  hinter  einander  folgenden 
obliquen  Casus  von  auiöc,  daß  die  Verfasser  der  kunstmäßigen 
Literatur  ziemlich  ferne  standen.  Hin  und  wieder  begegnen  uns 
aber  auch  im  klassischen  Griechischen  Stelleu,  an  denen  dem 
Schriftsteller  verschiedene  Formen  von  auTÖc  in  kurzer  Auf- 
einanderfolge entschlüpft  sind,  vgl.  z.  B.  Xen.  An.  I  S,  27 :  Köpoc 
öe  auTÖc  xe  d-rreGave  Kai  öktuu  oi  dpicTOi  tujv  rrepi  auiöv  eKeivto 
in'  auTLu.  Dies  ist  hier  um  so  auffälliger,  weil  sonst  mit  Vorliebe 
in  der  Wendung  'er  (selbst)  und  seine  Begleiter'  an  zweiter 
Stelle  eKeivoc  zu  stehen  pflegt,  vgl.  Plat.  Prot.  815  B  eTreibn 
aÜTÖc  dvacrpeqpoi  Kai  oi  laer'  ckcivou.  Aus  solchen  Yerbindungen 
wurde  der  Ausdruck  oi  inei'  CKeivou  'seine  Leute,  seine  Begleiter' 
abstrahiert  und  nun  auch  da  augewandt,  wo  an  erster  Stelle 
kein  auioc  stand,  z.  B.  Xen,  An.  IV  3,  20 :  Kai  Xeipicocpoc  |uev 
eveßaive  Kai  oi  cuv  €Kdvuj.  Dasselbe  gilt  für  die  nicht  seltene 
Wendung  "er  (selbst)  und  seine  Habe'  z.  B.  Xen.  Hell.  IH  1,  26: 
Eine  |lioi,  ecpt],  Mavia  be  xivoc  ^v;  oi  be  TTdvxec  einov,  öxi  OapvaßdZiou. 
ouKoOv  Kai  xd  eKeivrjc,  lcp^^  Oapaßd^ou;  MdXicxa,  eqpacav.  Zum 
Teil  mögen  zur  Entstehung  dieser  Wendung  auch  Stellen  bei- 
getragen haben  wie  Isoer.  XII  70:  auxoi  xdKCivuuv  exouci  'sie 
selbst  besitzen  deren  Eigentum'.  Bei  Berücksichtigung  dieses 
Prinzips  der  Abwechslung  erklären  sich  auch  die  meisten  der 
von  Strange:  Neue  Jahrb.  f.  Phil.  (Jahns  Annal.)  Supplem.  4.  S.  350 
angeführten  Stellen.  Analogiebildungen  liegen  vor,  wo  sich  die 
obliquen  Casus  von  eKeivoc  in  der  Bedeutung  eines  unbetonten 
Pronomens  der  3.  Person  finden,  ohne  daß  einer  der  vorhin 
angeführten  Gründe  zur  Erklärung  herangezogen  werden  kann. 
In  der  attischen  Kunstsprache  der  klassischen  Zeit  finden  sich 
solche  Fälle  selten,  abgesehen  von  den  Rednern,  die  sich,  wie 
Lysias,  einer  volkstümlicheren  Ausdrucksweise  befleißigen; 
häufiger  sind  sie  bei  Herodot,  Polybius  und  Lucian. 

7.  Zum  Schluß  seien  noch  einige  Besonderheiten  der  Ge- 
brauchsweise unseres  Pronomens  erwähnt.  Bekanntlich  haben 
im  Griechischen  der  klassischen  Zeit  die  Genitive  auxoö,  auxujv 
bei  der  Vertretung  eines  Possessivpronomens  der  3.  Person  die 
partitive  Stellung,  d.  h.  sie  stehen  entweder  vor  oder  nach  dem 
mit  dem  Artikel  versehenen  Substantiv  (vgl.  Kühner-Gerth  a.  a.  0. 
I  §  464,  4).  Bei  einem  Zusammentreffen  mehrerer  Formen  von 
auxöc  stellte  sich  nun  in  der  Literatursprache  das  Bedürfnis 
nach  Abwechslung  heraus;  in  diesen  Fällen  griff  man  zu  den 


U  W.  Havers, 

Genitiven  von  cKeivoc,  die  dann  attributive  Stellung  bekamen, 
vgl.  Xen  Ag.  III  1:  tüjv  eKtivou  epTUJV,  bald  darauf:  ev  Ti)  ipuxfj 
auTOÖ.  Dem.  XX  86:  |uri  laövouc  auTOuc  touc  euepYeiac  Tifictv 
dWd  Kai  TOUC  eKeivLuv  qpiXouc  Daß  die  Volkssprache  diese  Fein- 
heiten nicht  kannte,  beweist  z.  B.  die  in  den  Inschriften  von 
Hierapolis  so  häufige  Wendung:  auTÖc  Kai  f]  fvvx]  aÜToö  —  Kai 
Tci  TTaibia  aiiTüuv.  Die  Genitive  von  eKeivoc  in  attiibutiver  Stellung 
finden  sich  nun  aber  auch  ganz  gewöhnlich  bei  Yerti-etung 
eines  Possessivpronomens  der  3.  Person,  wo  keine  Form  von 
auTÖc  in  der  Umgebung  steht;  vgl.  Xen.  Cyrop.  VI  4,2:  Taüia 
b'  eTTOuicaro  Xd9pa  tou  dvöpöc  eK|LieTprica)Lievri  rd  CKeivou  ÖTiXa. 
Da  die  Beispiele  der  letzten  Art  bedeutend  überwiegen,  habe 
ich  diese  zusammen  mit  den  zuerst  genannten  Fällen,  wo  ^Ktivou, 
^Keiviuv  der  Abwechslung  wegen  stehen,  in  einer  besonderen 
Kubrik  (V  1  s.  cap.  2)  angeführt,  obwohl  ein  Teil  der  Beispiele 
eigentlich  zu  IV  2  gehört. 

Wie  das  lat.  ille  bezieht  sich  auch  eKeivoc  in  indirekter 
Eede  manchmal  auf  den  Angeredeten;  aus  den  aufgeführten 
Beispielen  ist  leicht  ersichtlich,  daß  auch  hier  in  den  meisten 
Fällen  auf  dem  Pronomen  ein  Nachdrucksakzent  liegt. 

Was  die  Verwendung  von  eKeivoc  in  reflexivem  Sinne  be- 
trifft, so  kann  man  meiner  Ansicht  nach  die  Regel  aufstellen, 
daß  eKeivoc  unter  denselben  Bedingungen  für  das  Reflexivpro- 
nomen eintreten  kann,  unter  denen  es  für  einfaches  aÜTÖc  steht; 
es  ist  daher  entweder  der  auf  dem  Reflexivum  ruhende  Nach- 
drucksakzent,  der  die  Wahl  des  eKeivoc  veranlaßt,  oder  die  Rück- 
sicht auf  den  Wohllaut;  vgl.  Xen.  An.  VII  3,  4:  r]V  be  Kpani- 
cavtec  TOUTOu  eKeice  eXBaujuev,  ouxe  TTuuXi'iceiv  eii  u]udc  cpriciv  .  .  . 
ouToc  )aev  laöia  XeYer  XeuGric  be  cpiTciv,  dv  irpöc  eKeivov  ir|Te, 
€u  TToniceiv  u^dc.  Die  Aussagen  des  Aristarch  und  des  Seuthes 
werden  einander  gegenübergestellt.  Thuc.VIII45:  dviiXeTUJV . . .  die 
Ol  |nev  XToi  dvaicxuvToi  eiev  .  .  .,  dSioöci  .  .  .  dXXouc  urrep  tfic 
eKeivuuv  eXeu6epiac  Kivöuveueiv.  Andoc.  I  39 :  Kai  TrpaiTov  )nev,  d) 
avbpec,  T0Ü9'  uTTe6eT0  öeivöraTOV  TrpdYiua,  oifiai,  öttuuc  ev  eKeivuj 
£ir|,  övTiva  ßouXoiTO  'A0rivaiujv  qpdvai  tüuv  dvöpOüv  toutuuv  eivai, 
övTiva  öe  |Liri  ßouXoiTO,  Xeyeiv  öti  ouk  iq  v.  'Damit  es  bei  ihm  stünde . . .' 
Dem.  XIII  6 :  dXXd  ti  u,uiv  Y^vriTai ;  irpuüTOv  |uev  oi  cu|U|uaxoi  |uii 
qppoupaic,  dXXd  tüj  raurd  cu,ucpepeiv  u|liiv  KdKeivoic  ujciv  oiKeloi. 
Der  Abwechslung  wegen  steht  z.  B.  eKeivoc  Xen.  Hell.  I  6,  14: 
OUK  eqpri  ^auioö  ye  dpxovToc  oubev'  dv  'EXXrjvuuv  eic  tö  eKCivou 


Das  Pronomen  der  Jener-Deixis  im  Griechischen.  15 

buvaxöv  dvöpaTro6ic9fivai,  hierzu  Dindorf:  DLxit  autem  scriptor 
eKcivoU;  ne  bis  diceret  eauioö.  Allgemein  verbreitet  ist  nun  die 
Ansicht,  eKeivoc  stehe  in  diesen  Fällen  nicht  in  rein  reflexivem 
Sinne,  sondern  im  Sinne  des  Schriftstellers.  Ich  glaube  aber, 
daß  man  da,  "\vo  scharf  betontes  eKcTvoc  für  ein  Reflexivpro- 
nomen eintritt,  i"uhig-  annehmen  kann,  daß  es  in  rein  reflexivem 
Sinne  steht;  denn  ein  betontes  er  ist  semantisch  dasselbe  wie 
auToc  "i^m  (vgl.  Brugraanu  a.  a.  0.  S.  124.  Fußn.)  Hierzu  kommt, 
daß  auch  autoc  mit  Vorliebe  in  reflexivem  Sinne  gebraucht 
wird,  wo  eine  betonte  Gregenüberstellung  vorliegt,  vgl.  z.  B. 
Her.  V  87,  4  und  Stein  z.  d.  St.,  Lys.  XXY  11:  eXTriZioviac  rriv 
ILieTaßoXrjv  ibcpeXeidv  riva  auToic  tcec9ai.  Hierzu  Frohberger :  "nicht 
auToic.  weil  der  Begriff  'selbst'  zu  urgieren  ist;  vgl.  XH  100. 
Plat.  Staat  I  345e.  Gedanke :  Sie  hoffen,  die  (für  andere  verderb- 
liche) Umwälzung  werde  ihnen  selbst  wesentlichen  Nutzen 
bringen."  Es  finden  sich  überhaupt  verschiedentlich  Berührungs- 
punkte zwischen  betontem  eKeivoc  und  aüxoc  'selbst'  vgl.  z.  B. 
Her.  IX  37.  22 :  opeoviac  xö  fiuiioucv  tou  ttoööc  Ke(|uevov,  Kd- 
KeTvov  ou  öuvttjuevoL'C  eupeiv :  sie  verwunderten  sich  über  den 
Wagemut  des  Menschen,  da  sie  zwar  seinen  halben  Fuß  da 
liegen  sahen,  Ihn  (selbst)  aber  nicht  finden  konnten.  Die  Ansicht 
von  Arndt:  De  pronominum  reflexivorum  usu  apud  Graecos 
observationes.  Neubrandenburg  1836.  H  S.46ff.,  wird  vonDyroff: 
Geschichte  des  Pronomen  reflexivum  II  S.  172  folgendermaßen 
formuliert:  "Manchmal  erscheint  eKeivoc  statt  des  Reflexivs  im 
Interesse  der  Deutlichkeit  gesetzt  a)  im  Gegensatze  zu  outoc, 
eyilj,  iiiueic,  cu,  ujueTc  von  Dingen  und  Personen,  die  dem  Orte 
nach,  ß)  von  Dingen,  die  der  Zeit  nach  (Xenoph.  Hell.  1,  1,  27), 
t)  von  Dingen,  die  der  momentanen  Wichtigkeit  nach,  b)  von 
Dingen,  die  der  Reihenfolge  der  Worte  nach  entfernter  sind, 
indem  mehrere  Verba,  Nomina  oder  Pronomina  dazwischen  ge- 
treten sind".  Diese  Erklärung,  die  von  der  Anschauung  aus- 
geht, in  eKeivoc  sei  stets  der  Begriff  des  Fernseins  ausgedrückt, 
paßt  kaum  für  ein  Beispiel.  An  der  zitierten  Stelle  aus  Xenophon: 
eXecBai  öe  eKeXeuov  dpxovxac,  inexpi  dv  dcpiKiJuviai  oi  r]pri|uevoi 
dvt'  eKeivuüv,  erklärt  sich  eKeivoc  aus  dem  Wesen  der  Präposition 
dvTi,  die  stets  eine  Gegenüberstellung  in  sich  schließt. 

Scharf  Der-deiktisches  eKeivoc  berührt  sich  in  seiner  Be- 
deutung oft  mit  ToioÖToc,  wenn  die  Eigenschaften  des  Bezug- 
wortes entweder  als  bekannt  vorausgesetzt  werden,  oder  vorher 


16  W.  Havers, 

geschildert  sind;  vgl.  Dem.  XIX  280 :  ujueTc  iE  eKeivuuv  tuuv  dvöpujv 
öviec  "ihr  als  Nachkommen  solcher,  so  gerechter  Vorfahren". 
Luc.  Dial.  Deor.  V  4 :  oük,  dXXd  töv  "HqpaicTov  eöei  töv  cöv  uiöv 
oivoxoeiv  fmiv  x^^c'JOvra,  ek  xfic  Kajuivou  iiKovia,  eii  tüuv  cttiv- 
Gi'ipujv  dvdTrXeuuv,  dpii  Trjv  TTupdYpav  drroTeBeiiaevov,  Kai  an'  eKeivujv 
auTou  TÜUV  baKTuXujv  Xa|ußdveiv  fmdc  Trjv  kuXikü.  Über  eine  ähn- 
liche Verwendung  von  outoc  s.  Stein  zu  Her.  11  135,  13.  Lehr- 
reich ist,  was  Wunderlich:  Der  deutsche  Satzbau  2,  S.  254  über 
verwandte  Erscheinungen  im  Germanischen  sagt :  "Solche  Sätze 
geben  dem  Demonstrativ  leicht  eine  verallgemeinernde  Bedeutung, 
sobald  an  der  Eigenschaft  oder  Situation,  die  durch  das  Pronomen 
mit  einer  bestimmten  Person  in  Beziehung  gesetzt  wird,  nicht 
das  Individuelle,  sondern  das  Typische  erfaßt  ist:  Dieser  Mensch 
schläft  uns  allen  Schlaf  weg.  Wie  ein  starker  Fresser  eine  ganze 
Wirtschaft  auszehren  kann,  so  wird  uns  der  Schnarcher  an 
Schlummer  bankerott  machen  .  .  .  Sankt  Ursel  mit  den  elftausend 
Jungfrauen  sänge  d^n  nicht  auf.  Immermann,  Münchhausen 
6.  Buch,  4.  Cap.  (Hier  könnte  es  auch  heißen :  solch'  einen  Menschen 
sänge  .  .  .)."  Verwandt  hiermit  ist,  daß  im  Ahd.  sulih  verschie- 
denthch  ziu*  Übersetzung  des  lat.  hie,  ille^  is  verwendet  wird, 
vgl.  Graff :  Ahd.  Sprachsch.  6,  20,  Wunderlich  a.  a.  0.  S.  275.  Die- 
selbe ßedeutungsschattierung  findet  sich  auch  im  Avesta  beim 
Stamme  to-,  vgl.  tern  vdo  ahüm  dregvantö  daend  naesat  (y.  31.  20): 
in  ein  solches  (wie  vorher  gemalt  ist)  Leben  wird  auch  eure 
Daena  führen,  ihr  Ketzer !"  (Valand :  'Zur  Syntax  der  Pronomina 
im  Avesta'  S.  7)  vgl.  auch  Windisch :  Eelativpronomen  in  C.  St. 
2,  S.  269  über  av.  avat  =  tantum. 

Es  finden  sich  ferner  FäUe,  avo  eKeivoc,  um  mich  eines 
von  Wolff  zu  Soph.  OR.  1528  geprägten  Ausdruckes  zu  bedienen, 
*mit  Affekt'  gesagt  ist;  vgl.  Soph.  OR.  1240:  7Teucj;i  rd  Keivr|C 
deXiac  7ra9ri|LiaTa  'der  armen  Frau'.  Luc.  Deor.  concil.  5:  Kai 
TÖV  Kvjva  .  .  .  dvr|YaT€V,  ujc  ]xf\  dviujxo  ri  TtaTc,  ei  |iiri  eEei  ev  tiIj 
oupavo)  TÖ  SuvnOec  eKeivo  Kai  ÖTtep  riYdira  Kuviöiov:  das  traute, 
liebe  Hündchen. 

Schließhch  ist  noch  zu  erwähnen,  daß  Formen  von  keTvoc, 
entweder  doppelt  gesetzt,  oder  mit  anderen  Demonsti-ativen  ver- 
bunden, gebraucht  werden  können,  um  den  Begriff  der  Mannig- 
faltigkeit und  des  Verschiedenseins  auszudrücken  (vgl.  Brug- 
mann  a.  a.  0.  S.  130  ff.).  Diese  Kategorie  ist  namentlich  bei 
Euripides  und  Aristophanes  vertreten. 


Das  Pronomen  der  Jener-Deixis  im  Griechischen.  17 

n.  Die  syntaktische   Verwendung  unseres  Pronomens 
in  den   einzelnen  Literaturwerken. 

Ich  gehe  nunmehr  dazu  über,  die  nach  dem  in  cap.  2 
aufgestellten  Schema  angeordneten  Beispiele  aus  den  einzelnen 
Schriftstellern  anzuführen;  beim  Aufsuchen  der  Stellen  wurde 
nach  möglichster  Vollständigkeit  gestrebt.  Bei  Gruppe  I  ver- 
zeichne ich  der  Kürze  halber  nur  die  interessanteren  Fälle,  über- 
gehe also  z.  B.  alle  Stellen,  wo  eKei  die  gewöhnliche  Bedeutung 
'dort'  hat. 

8.  Homer  (Ausg.  von  A.  Lud  wich.) 
A.  Ilias. 
L  1.  r  391:  'AXe^avbpöc  ce  KaXei  okov  he  veecOai.  KeTvoc  ö  y' 
ev  ea\d|Liuj-,  E  604 ;  K  126 ;  T  344 ;  X  390 :  KeTei  "im  Hades*; 
V  145:    KtTce  'nach  Hause',   ergänzt   durch  den  Zusatz: 
(piXriv  ec  Traipiöa  Totiav,  404 ;  Q  90 :  KtTvoc  =  lueYctc  6eöc, 
244,  412,  766:  KeTGev:  *von  Hause  weg'. 
2.  A  271:  Ggst.  von  Vergangenheit  und  Gegenwart;  B  37, 
330:  Keivoc  tujc  dYÖpeue   'so   sprach   er   einst'   eigtl.  'als 
damaliger'),   482;   A  409,    543.    E  648:    Fernanaphora; 
H  48  vgl.  B  330,  Z  250:  Der  bekannte;   I  324.  O  517. 
n.     Z  188:  eKeivoi  absolut  'der  Feind'. 
IIL  1.  (Die  Unterabteilungen  nach  cap.  5  a) 

a)  Ggs.  0  430,  I  678 :  Keivöc  y'  oük  e0e\ei  cßeccai  xoXov 
'obwohl  du  zur  Versöhnung  geneigt  bist'.  Q  490. 

ß)  T  408.  Z  200:  Kai  kcivoc;  0  179;  TT  648:  Kai  Kavov 

Q  488. 
y)  E  894:  ged.  Ggst. 

b)  r  440 :  vöv  )nev  Ydp  Meve\aoc  eviKricev  cuv  'A9r|vr),  |  Keivov 
ö'  auTic  eYiJÜ:  Die  Gegenseitigkeit  ist  nicht  vollständig 
ausgedrückt,  eigentlich  müßte  es  heißen:  wie  mich 
jetzt  Menelaus  besiegt  hat,  so  werde  ich  umgekehrt  ihn 
besiegen.  H  77:  ei  |uev  Kev  iixe  KeTvoc  e\ri  xavariKei 
XaXKUj,  ...  ei  he  k  tfdj  töv  eXuu  .  .  .  Dies  Beispiel 
zeigt  zugleich,  daß  hier  eKeivoc  gleichbedeutend  ist  mit 
Der-deict.   Pron. 

e)  A  266;  Y  106:  Compar.,  ebenso  W  858. 

Z;)  E  790.  Z  284:  ei  KeTvöv  fe  löoim  KaieXGövT'  "Aiöoc 
eicu),  I  tpairiv  Ke  cppev'  dxepTrou  oi2uoc  eK\e\a9ec0ai  "wenn 
ich  sähe,  daß  der  in  den  Hades  versinkt  .  .  .,"  V.  282 

Indogermanische  Forschungen  XIX.  2 


18  W.  Havers, 

wird  dasselbe  Bezugwort  durch  \jl\v  aufgenommen,  weil 
hier  keine  Betonung  voiiiegt:  ineYa  ydip  )niv  'OXu)aTTioc 
^Tpecpe  TTfjiaa.  I  701 :  dX\'  iiioi  kcTvov  \xev  edco|uev.  Sinn: 
"auf    seine   Hilfe  wollen    wir   verzichten,   wir   selbst 
wollen  uns  helfen";  im  vorhergehenden  Verse  unbe- 
tontes |niv  bei  schlichter  Anaphora.   K  57 :  Keivou  YCtp 
Ke  ladXicTa  TTiGoiaro :  Begründung  und  Superlativ ;  =.  208 ; 
368  vgl.  I  701. 
r|)  P708:    kcTvov  |uev  öt]  vnuciv    eTTirrpoeriKa   6orjciv,    sagt 
Menelaus  zu  Aias,   der  ihm  V.  652  aufgetragen   hat, 
den  Antilochus  zu  Achill  zu  senden.   Aber  nicht  des- 
halb, weil  schon  einige  Zeit  seit  diesem  Auftrage  ver- 
strichen ist.  steht  hier  meiner  Ansicht  nach  KeTvoc,  da 
ja  Menelaus,  ohne  daß  ihn  Aias  mißverstanden  hätte, 
zu  ihm  sagen  konnte:  eiriiTpoeriKa  aÜTOv  oder  )aiv,  ich 
glaube  vielmehr,  daß  wir  es  mit  dem  Anfang  der  in 
der   späteren   Kunstsprache   so   häufigen   ^ev-be -Ver- 
bindung zu  tun  haben;   das  entsprechende  Glied  mit 
öe  folgt  Y.  712:   fmeic  ö'  auioi  irep  cppaZiiLjueGa  lufJTiv 
dpictriv. 
3.  E  636;  I  63,  312,  646;  N  232. 
IV.  1.  A  653,   event.  zu  III,  1,  ebenso  0  94  u.  X  262;  0  148. 
2.  N  109:    Keivo)  für  aÜTiu  vielleicht   zur  Vermeidung  des 
Hiatus,  ebenso  0  45. 
V.  4.  r  411:    V6|U€caiTÖv    öe    Kev    d'n —  |  Keivou    iropcaveouca 
Xexoc  'eines  solchen  Feiglings'.  N  318. 
B.  Odyssee. 
I.  1.  a  209:  Keivuj  dem  in  der  Ferne  weilenden  Odjsseus;  ebenso 
233,  hier  geht  aber  kein  Bezugwort  vorher,  243;  ß  351; 
Y  93  ==  ö  323;  y  113:  Tic  Kev  eKeiva  Ttdvxd  y^  |uu0ricaiTO 
vgl.  V.  116  öca  Kei6i  irdGov  KaKd  öioi  'Ax«ioi;   y  241:  vgl. 
a  283,  ö  90,  149,  262,  819  toö  bn  eYÜj  Kai  ludXXov  öbu- 
pO|Liai  ri  TOP  eKeivou:   kann  auch  zu  I,  2  oder  III,  1  ge- 
stellt werden.    9  467  =  o  181 :    KeTBi  'zu  Hause',  ebenso 
6  550:  ei'TT'  övo|li',  ötti  ce  KeiGi  KdXeov  juriirip  te  Train p  xe. 
H  69,  76:  lokal  zu  fassen;  E  90:  Odysseus,  absolut,  122, 
150;  o  281:  KeiBi  'daheim';   tt  151,  350;  p  593;  c  181, 
239;   t216:   KeiGi   'zu  Hause',   223:    KeiOev  'von  Hause 
weg',  257,  354;    x  165;  w  115,  310:  KeT9ev  'von  Hause 
weg',    321 :    Keivoc  iiiev  xoi  öö'  aOiöc  eYiu,   irdiep,   bv  cu 


Das  Pronomen  der  Jener-Deixis  im  Griechischen.  19 

luexaWac   "der  in   der  Ferne   geglaubte,   steht   hier  leib- 
haftig vor  dir". 
2.  T 185 :  Fernanaphora,  ebenso  224,  e  24  =  uj  480;  1 321,  352 ; 
0  346 :  Fernanaphora;  c  27 1  vgl.  B  330 ;  uj  288 :  Fernanaphora. 
n.  \i  221 :   TOUTOu  |uev   Kam/GO  Kai  Kuiaaroc  cktöc   eepTe  |  vna, 
cu  öe  cKoneXou  emiuaieo,   |uri  ce  XdGrici  |  KeTc'   eHopinricaca 
Kai  ec  KttKÖv   dju^e   ßdXricea:   "halte  dich   an  den  Felsen 
(d.  Scylla),    damit   das  Schiff  nicht   unvermerkt   auf   die 
andere  Seite,  d.  h.  nach  dem  gegenüberliegenden  Felsen 
der  Charybdis  hin  gezogen  wird",  tt  103 :  Keivoici  und  t  322 : 
CKeivujv  zur  Bezeichnung  der  Freier;  im  letzten  Beispiele 
geht  kein  Bezugwort  voran. 
in.  1.  a)  a  163:    ei  Keivöv  t  'lOdKriv    5e  iöoiaro  vocrricavTa  .  .  , 
Sinn :  'um  mich  und  meine  Mutter  kümmern  sich  die 
Freier  wenig,  sähen  sie  aber  meinen  Yater  nach  Hause 
kommen,  dann  würden  sie  davon  laufen',  y  88 :  dWouc 
Mtv  .  .  .  Kcivou  ö'  aO  .  .  .;    ö  693;    836;  \  528;   2  42; 
TT  153:    Keivri   ydp    kcv    dTraTTeiXeie  Y^povii   'nicht   du 
brauchst  hinauszuschlendern  zum  Laertes,  sie  (die  Magd) 
kann  es  ihm  melden'; 
ß)  a  46 :  Kai  Xi'nv  KeTvoc  ye  eoiKori  Keirai  öXeGpin  •  [     ... 
dXXd  faoi  djuqp'   'Oöucfii   ödicppovi   öaieiai    ifrop.    'Here 
KeTvoc   marks    the   conti-ast  with    which    the   Speaker 
turns    to   a  new   case'    (Monro:    A  Grammar    of   the 
Homeric  Dialect  §  250).  177  :  Kai  KeTvoc;  ß  174:  Kai  — 
Keivuj;  y  197:  Kai  KeTvoc;  203,  286;  ö  109,  ev.  zu  I,  1 ; 
ö  832 :  Kai  kcTvov,  ev.  zu  I,  1 ;  z:  166 ;  k  18 :  ouöe  . .  . 
KeTvoc  'auch  er  nicht';  437;  X  175:  eiTre  öe  ^oi  Trarpöc 
re  Kai  uieoc,  öv  KaieXemov,  |  ti  exi  Trdp   Keivoiciv  e)aöv 
Tepac,   ne  Tic  nöri  |  dvöpojv  d'XXoc   exei;  v  418;  l  70; 
183  vgl.  a  46;  0  361;  T  370:  Kai  Keivuj;  u205;  uj  313; 
t)  ß  274:  ged.  Ggst,  ebenso  t  123;  ö  7.39:  ged.  Ggs.  'ich 

selbst  weiß  keinen  Rat' ; 
ö)  a  212:    eK    tou   ö'  out'   'Oöucfia    e^oüv    löov   out'    e^e 

KeTvoc;  X  451 ; 
e)  ß  183:  cuv  eKeivuj;  272:  Vergleich;  ebenso  t  222; 
318:  Begründung;  ö  182:  KeTvov  .  .  .  oiov  'ihn  allein'; 
ö  340  =  p  131 :  Vergleich;  e  211 :  Komparativ;  k  414: 
Vergleich;  X  418:  KeTva  ludXicTa;  429:  Vergleich;  522: 
Superlativ;  ebenso  |ii  258;  p  521;  uj  90;  KeTva  )adXicTa; 


20  W.  Havers, 

Z)  T  195:  dXX'  nioi  Keivoc  jatv  eTTicjLXUTepoic  dneTicev:  em- 
phatische Versicherung;  ebenso  b  157:  Keivou  inevToi 
ob'  uiöc  eTiiTU)iov:  vorher  war  Menelaus  noch  im 
Zweifel,  ob  Telemach  wirklich  des  Odysseus  Sohn  sei; 
b  152,  event.  zu  IV,  1;  t]  75;  k  21 :  Begründung; 
X  118;  V  421;  o  155:  Kai  Xiriv  Keivuj  ye  •  •  •;  212; 
TT  37  ;  267  :  c  254  =  t  127  :  auf  Betonung  weisen  Satz- 
stellung und  Ye- 

r\)  a  235 :  vöv  b'  erepuuc  eßoXovTO  eeoi  kuku  juriTioujVTec,  | 
o'i  KeTvov  |uev  dicrov  enoincav  .  .  .,  auch  hier  haben  wir 
wohl  den  Ausatz  zu  einer  |uev-be-Verbiudung ;  Telemach 
will  sagen :  Die  Götter  haben  mir  nicht  nur  den  Vater 
entrissen,  sondern  mir  auch  noch  die  Freier  ins  Haus 
geschickt  (V.  244  ff.),  aber  die  Digression  in  den  V. 
336 — 343  unterbricht  die  Konstruktion,  und  es  wird 
daher  der  ganze  Gedanke  243  ff.  in  anderer  Form  aus- 
gesprochen. 

i)  c  150. 

3.  2  158;  e  209;  E  156;  o  21. 

4,  0  338:  auidp  inY]v  e\9r)civ  'Obuccfioc  cpiXoc  uiöc,  |  Keivoc 
c€  x^oiTvdv  xe  xi^'J^'^oi  xe  e'ijuaxa  eccei. 

IV.  1.  ßl24;  b731;  n69;  i  457  ;  k379;  X  390,  615;  H  153,  491; 
0  368;  p  110;  x  573;  u  265;  i(j  76. 
2.  a  199:  xc^^^ttoI  be  |uiv  dvbpec  exo'JCiv  |  d'Ypioi,  o'i  ttou 
KcTvov  epuKavduuc'  deKOVxa,  |uiv  und  Ktivov  sind  hier  syn- 
taktisch ganz  gleichwertig,  und  letzteres  scheint  wohl 
zur  Vermeidung  des  Hiatus  für  unbetontes  aüxöv  gesetzt 
zu  sein;  X  503:  o'i  KeTvov  ßiöuuvxai  eepYouciv  x'  dTTÖ  xi|ufic: 
hier  wäre  der  Hiatus  schon  eher  zu  entschuldigen,  da 
o'i  in  der  Arsis  steht;  dies  Beispiel  kann  aber  auch,  je 
nach  der  Auffassung,  zu  III,  1  oder  I,  1  gestellt  werden; 
H  163:  vgl.  Bekker:  Homer.  Blätter,  I  S.  154,  H  501; 
o330:  ou  xoi  xoioib'  eiclv  uTTobpr|cxfipec  eKeivuuv,  vgl.  zu 
E  163,  ev.  zu  III,  1  gehörig,  dann  wäre  der  Sinn:  "an- 
deren bist  du  vielleicht  gut  genug  als  Diener,  die  aber 
macheu  andere  Ansprüche",  tt  386 :  Keivou  für  auxoO 
vielleicht  zur  Vermeidung  des  Gleichklangs  mit  dem  un- 
mittelbar voraufgehenden  auxe.  c  147 :  'metri  causa'; 
uj  19,  312,  437. 
V.  4.  X  614:  Ktivov  xeXamJiJva  'ein  solches  Wehrgehenk'. 


Das  Pronomen  der  Jener-Deixis  im  Griecliischen.  21 

5.  5  145:  Keivoc  dvrip  'der  Arme,  der  Unglückliche';  p  243; 
cp  201. 
Es  fragt  sich  mm,  woher  es  kommt,  daß  sich  in  der  Odyssee 
rund  100  zum  Pronomen  der  Jener-Deixis  gehörige  Formen  mehr 
finden  als  in  der  Ilias.  Man  könnte  glauben,  daß  die  Bezeich- 
nung des  in  der  Ferne  weilenden  Haupthelden  eine  häufigere 
Anwendung  unseres  Pronomens  in  der  Odyssee  veranlaßt  habe; 
aber  es  sind  höchstens  15  Stellen,  an  denen  Keivoc  lediglich  mit 
Eücksicht  auf  die  Abwesenheit  des  Odysseus  gesetzt  ist;  der 
Grund  muß  also  ein  anderer  sein.  Es  finden  sich  zahlreiche 
Stellen  in  den  Homerischen  Gedichten,  au  denen  Formen  des 
*to-/*so-Demonstrativs  in  derselben  syntaktischen  Verwendung 
stehen,  in  der  wir  (e)KeTvoc  angetroffen  haben;  vgl.  z.  B.  für 
Gruppe  I,  2 :  r  380 :  Fernanaphora,  ebenso  E  585  :  'AvxiXoxoc  ö' 
dp'  eTTaiHac  Eiqpei  nXace  KÖpciiv  |  aurdp  ö  y'  dc9|uaivajv  euepTeoc 
^KTtece  bi9pou:  nicht  Antilochos,  sondern  Medon  ist  gemeint. 
K  350:  Fernanaphora;  A  378;  N  373,  386,  609,  618;  E  477; 
0  434,  638 ;  Y  480  ff. :  letzteres  Beispiel,  in  dem  der  Nominativ  o 
viermal  kurz  hintereinander  vorkommt,  zeigt  besonders  deutlich, 
daß  es  der  Aufmerksamkeit  des  Hörers  überlassen  blieb,  sich 
die  Bezugwörter  der  einzelnen  Pronomina  aus  dem  Zusammen- 
hange heraus  aufzusuchen;  über  dieselbe  Verwendung  des  ai. 
Stammes  ta  s.  Delbrück,  Ain.  Synt.  §  139.  0  26,  64;  9.  50,  100; 
t  20;  |u  118;  v  113;  o  297.  Besonders  häufig  begegnet  uns 
der  Stamm  *to-/*so-  in  scharf  Der-deiktischer  Verwendung,  vgl. 
für  Gruppe  III,  1  A  581  ==  B  769:  6  y^P  ttoXu  cpeptaTÖc  eciiv: 
Begründung  und  Superlativ.  (Bei  Ludwich  sind  die  Nominative 
6,  11  usw.  in  dieser  Bedeutung  sonderbarerweise  unakzentuiert). 
E  304:  Ggs.  ebenso  M  449,  Y  287;  Z  185:  Kapticrriv  hx\  t\\v  Y£ 
ILidxriv  qpdTO  öu|aevai  dvöpouv,  473:  |Liev-be-Verbindung;  H  7  (vgl, 
0  365):  Vergleich,  155:  Superlativ;  0  533  :  Ggst.  1 16:  Vergleich, 
25:  Begründung  und  Superlativ,  210:  )aev-öe-Verbindung,  335: 
Ggs.;  N  11:  Kai  Ydp  6  Gaujud^wv  x\cxo.  P  363:  oub'  oi  Ydp  • . . 
T96:  Kai  xöv;  Y493:  Vergleich,  O  226:  x\  Kev  \x^  ba)udcc£Tai, 
f[  Kev  eYiii  TÖv.  ö  388:  töv  y'  ^'i  ttujc  cu  buvaio  .  .  .  \eXaßec9ai 
(vgl.  Z  284);  e  218:  r\  |uev  Ydp  ßpoxöc  ecii,  cu  ö'  dBdvaroc  Kai 
dYnpujc;  p  153:  Ggs.,  x  244:  Begründung;  uu  452:  Begründung 
und  Superlativ.  Für  Gruppe  III,  3  finden  sich  zahlreiche  Beispiele 
bei  Ebeling:  Lex.  Hom.  Vol.  H  S.  12ff.  Für  IH,  4  vgl.  E  132: 
dtdp  €1  Ke  Aiöc  ÖUYdiriP  Äcppobiiri  |  ^Xörjc'  ec  TTÖXe)Liov,  xriv  y'  oüidiLiev 


22  W.  Havers, 

6£ei  xaXKiij ;  Y  182.  Auch  das  mit  dem  Nominativzeichen  -c  ver- 
sehene Demonstrativ  6  (s.  Brugmann:  Griech.  Gr.  ^  §  277)  ist 
manchmal  in  seiner  Bedeutung  identisch  mit  eKtivoc,  vgl.  zu  III,  1 
0  198:  Kai  6c;  X  201  oüb'  öc;  zu  III,  3  Z  59.  Diese  energisch- 
deiktische  Verwendung  des  *to-/*so-  Demonstrativs  ist  ein  Erbteil 
aus  uridg.  Zeit,  wie  Brugmann  a.  a.  0.  S.  24  ff.  mit  Recht  betont. 
Bekanntlich  hat  nun  aber  das  Griechische  diesen  Pronominal- 
stamm auch  zur  Bildung  des  Artikels  verwandt;  dieser  begegnet 
uns  in  den  Homerischen  Gedichten  zwar  noch  nicht  in  dem 
ausgedehnten  Maße,  wie  in  der  späteren  Sprache,  aber  es  läßt 
sich  doch  schon  an  vielen  Stellen  eine  Abschwächung  der  ur- 
sprünglichen demonstrativen  Kraft  des  *to-/*so-  Stammes  nach- 
weisen. Es  mußte  sich  also  schon  damals  bei  nachdrücklicher 
Deixis  manchmal  das  Bedürfnis  nach  Ersatz  durch  einen  volleren 
Lautkörper  herausstellen.  Diesem  Bedürfnis  half  neben  outoc 
in  erster  Linie  das  Pronomen  eKavoc  ab,  die  beide  nicht  proeth- 
nische, sondern  einzelsprachliche  Bildungen  sind.  Die  Tatsache 
nun,  daß  (e)Keivoc  in  der  Odyssee  ungleich  häufiger  auftritt  als 
in  der  Ilias,  erklärt  sich  meiner  Ansicht  nach  leicht  bei  der 
Annahme,  der  *to-/*so-  Stamm  habe  in  der  Ilias  noch  weit  mehr 
deiktische  Kraft  gehabt  als  in  der  Odyssee,  so  daß  er  an  vielen 
Stellen  verwendet  werden  konnte,  wo  nachher  (e)Keivoc  dafür 
einti'eten  miißte. 

9.  Pindar.    (Ausg.  v.  Christ). 
I.  1.  Ol.  VI,  102;  Pv.  II  8:  irübXouc  Keivac  dixit,  quod  illic  vic- 
toriam  reportaverant.  (Christ).   Py.  IV  48. 
2.  Ol.  I  104 :  Fernanaphora,  VII  49 :  Beziehung  auf  die  Ver- 
gangenheit, IX  58 :  Py.  161:  ay'  eTreix'  Aiivac  ßaciXei  |  qpiXiov 
€H£upuj|uev  u|uvov.  |  tuj  TTÖXiv  Keivav  öeobiLidTUj  cuv  IXeu9epia . . . 
'lepuuv  . .  .  eKTicc'  Keivav  'die  berühmte',  vgl.  Christ :  non  rem 
remotam,  sed  sublimem  et  carmine  illustrandam  siguificat. 
Nach  Ansicht   der  meisten  Forscher  wurde  das  Lied  in 
Aetna  gesungen.    IV  144,  289;  IS  68;  Ne.  I  68;  III  11, 
X  14 :   hier  schließe   ich  mich  nicht  der  Erklärung  von 
Christ  an,  sondern  beziehe  Keivou  auf  Jupiter, 
ni.  L  a)  Py.  IV  210. 

ß)  Ol.  III  31:  Kai  Ktivav  xööva,  ev.  zu  I  1 ;  X  30,  41; 

Py.  III  55 ;  Is.  VII  (VIU)  65. 
T)  fr.  243 :  ged.  Ggs. 
e)  Ol.  VIII  62  XIII  87:  cuv  be  Keivuj  'mit  dessen  Hülfe', 


Das  Pronomen  der  Jener-Deixis  im  Griechischen.  23 

ev.  zu  I,  2,  wofür  ttotc  spricht;  Py.  IV  134;  Is.  Y  (VI)  31, 
ev.  zu  I,  2. 
l)  Ol.  VI  25 :  Begründung  und  Superlativ,  80  :  Keivoc  . . . 
Kpaivei  ceGev  euxuxiav  Mer  ist  es,  der  dein  Glück 
vollendet';  IX  28;  Py.  IV  69,  125,  243,  281;  V  57; 
IX  95;  ^G.  VI  19:  VIII  10,  23;  X  62:  Keivou  rap 
emxöoviujv  TrdvTuuv  Tevex'  öHuTaiov  |  ö|H|Lia ;  ebenso  Is. 
I  17,  IV  (V)  47. 

3.  Py.  IV  19. 
IV.  1.  Py.  IX  123. 

V.  2.  Ol.  XIII  76. 

4.  Ol.  VI,  7;  VIII  62;  Py.  V  107;  Is.  III  61. 

6.  Py.  II  89;  XPH  öe  irpöc  Oeöv  ouk  ipiliiv,  \  6c  dvex^i  ttote 
|U£V  xd  KCl  I  vuiv,  tot'  au9'  eTepoic  Iöuj  |  Kev  lueya  KOboc. 

Anm.     Py.  IV  105   lese   ich  mit  v.  Wilamowitz   (Hermes  XIV,  171) 
£€ivoici  für  Keivoici. 

10.  Bacchylides  (Ausg.  v.  Blaß,  Lips.  1899). 
I.  1.  VIII  (IX),  10. 

2.  Vm  (IX),  21,  X  (XI),  23. 

in.  1.  XIV  (XV),  62 :  Keiva  Kai  uirepqjidXouc  |  fdc  iraiöac  oiXeccev 
fiTcxvTac  'die  war  es  auch,  welche  .  .  .'  vgl.  VIII  (IX),  19: 
eXmc  dvGpoumjuv  u(paip[eTTai  vörnua*  |  d  Kai  tot'  "AöpacTOV 
. . .  Tre|U7Tev  ec  Onßac  .  . . 

3.  V,  164:  xpn  Keivo  Xeyeiv  ö,  ti  Kai  |  )ne\Xei  TeXeiv. 

V.  4.  V  90:  ri  Tdxa  KaXXiZ;uuvoc"Hpa  |  keTvov  eqp  djueTepäi  |  jxi^\\fei 

KecpaXdi,  hierzu  Kenyon  :  If  there  is  a  man  alive  who  could 

slay  such  a  hero  as  Meleager,  Hera  will  assuredly  make 

use  of  so  forniidable  a  champion,  to  assail  Heracles. 

Die  übrigen  Lyriker  nach  Bergk  P.  L.  Gr.  *  (1882).    Es 

finden  sich   nur  wenige    sichere  Stellen,   da  die  Überlieferung 

meist   zu   lückenhaft  ist,   um   einen   genauen   Einblick   in  den 

Zusammenhang  zu  gestatten. 
I.  1.  Theogn.  711:  KeTGev  'aus  der  Unterwelt'.  Philox.  fr.  2,  21; 
Carm.  popul.  46,  12. 

m.  1.  Theogn.  1090:  ei  TTOTe  ßouXeucaim  qpiXuj  KaKÖv,  auTÖc 
eXoi|Lii-  I  ei  öe  ti  kcTvoc  einoi,  öic  töcov  auTÖc  exoi-  1205. 
Archil.  fr.  6  (51),  3:  Ggst.  ev.  zu  1, 1.  Simonid.  fr.  7  (8),  51 
imd  84:  Begründung.  Stesich.  fr.  26  (74):  Simonid.  fr.  39 
(54):  eTTiKpejuaTai  OdvaTOC  |  Keivou  ydp  i'cov  Xdxov  juepoc  . . .; 
Philox.  fr.  2,  39:    ÖTe  ö'  ribri  |   ßpuüTuoc    r]bk   TroTdToc,  ec 


34  W.  Havers, 

Kopov  rjiLiev  ^raipoi  |  rfiva  |uev  eEaTtdeipov  ö|nüüec,  eTreita  öe 
TTttiöec  I  viTTTp'   ebocav   Katd  x^ipujv:    |uev-be- Verbindung. 

3.  Sapph.  fr.  2. 

4.  Theogn.  223,  479;  Jon.  fr.  2,  10;  Sapph.  fr.  12  (87). 

V.  4.  Theogn.  47 :    eXtreo    lufj   bripöv   K£ivr|v    rroXiv   dxpeiaieTcGai. 

11.  Die  Tragiker. 
A.  Aeschylus  (Ausg.  v.  Wecklein.  Berl.  1885). 
I.  1.  Pers.  263:  Travia  .  .  .  eKeiva  =  -rrdvia  xd  eKei,  ebenso  395, 
693;  Suppl.  236;  Ch.  178:  ttojc  eKeivoc  öeOp'  eTÖ\|Lir|cev 
|Lio\eiv:  der  in  der  Ferne  gedachte  Orest.  354:  toTc  eK€i: 
den  im  Jenseits  Befindlichen,  ebenso  358;  Eum.  81,  99, 225. 
2.  Pers.  768,    831:    Fernanaphora;    Sept.    250:    toOt'    dvr' 
EKeiviuv  TouTTOc  aipou)Liai  ceBev,  538;  Ag.  1092;  Ch.  738: 
Fernanaphora. 
IL       Sept.  40:  fJKUj  cacpfi  laxeTBev  eK  CTpaioö  qpepuuv;  "ich  komme 
mit  sicherer  Kunde  von  dem  Heere  drüben",  sagt  der  von 
Eteocles  ins  feindliche  Lager  ausgesandte  Späher.     650: 
epYoic  eneivou  Kai  cppeciv  ev.  zu  lY,  2. 
m.  1.  a)  Pers.  794;  Sept.  1055;  Ch.  147,  736;  Eum.  607,  ev.  zu  L 
ß)  Sept.  636  :  roiaöi'  eKeiVLuv  ecii  rdHeuprijuaTa.  |  cu  ö'  auxöc 
riöri  yvüjGi  xiva  ireiaTTeiv  boKCic :  ev.  zu  II  gehörig :  "so 
hat  man  drüben  sich  den  Plan  zurechtgelegt".  Ch.  570: 
KdKfeivov  ev  Gpövoiciv  eupricuu  Tiaxpöc,  vgl.  Tucker  (Ausg. 
d.  Choeph.  Cambridge  1901)  z.  d.  St. 
5)  Ag.  676:  Kai  vüv  CKeivujv  ei  xic  ecxiv  ejUTrveuuv,  |  XeYouciv 
niudc  üjc  öXuuXöxac,  xi  |uri;  |  i^iaeTc  x'  eKeivouc  xaijx'  ex^iv 
boEaZoiiev.    Sinn:  Wir  halten  uns  gegenseitig  für  tot. 
Z;)  Suppl.  217:  Keivou  GeXovxoc  eu  xeXeuxricei  xdbe  "wenn 
d6r  (Zeus)  will,  nimmt's  ein  gutes  Ende",  ev.  zu  I,  1. 
2.  Pers.  233 :  Keiva  b'  eK|iiaGeTv  GeXuu,  |  . . .  ttoö  xdc  'AGr|vac 
qpaciv  iöpücGai  x9ovöc. 
lY.  1.  Pr.  980. 
Y.  2.  Ag.  613. 

Anm.  Ag.  1329  hat  bisher  noch  keine  überzeugende  Erklärung 
gefunden. 

In  den  uns  erhaltenen  sieben  Tragödien  des  Aeschylus 
mit  zusammen  ca.  8100  Yersen  finden  sich  nun  nur  rund  35 
Formen  vom  Pronomen  der  Jener-Deixis ;  die  sieben  Tragödien 
des  Sophocles,  der  gleich  zu  behandeln  sein  wird,  bieten  da- 
gegen rund  230  zu  unserem  Pronominalstamm  gehörige  Formen. 


Das  Pronomen  der  Jener-Deixis  im  Griechischen.  25 

Allerdings    sind    seine    Tragödien    umfangreicher    als    die    des 
Aeschylus  (er  hat  ungefähr  2000  Yerse  mehr),  aber   trotzdem 
bleibt  obiges  Zahlenverhältnis  auffallend,  und  auch  das  dürfte 
zur  Erklärung  nicht  genügen,  wenn  man  einwendet,  ein  Schrift- 
steller könne  gegenüber  einem  anderen  größere  Vorliebe  für  die 
Verwendung    eines    solchen    Pronomens    zeigen,    wie   ja  z.  B. 
Treitschke  sich  des  Pronomens  'jener'  ungleich  häufiger  bedient, 
als  irgend  ein  neuerer  deutscher  SchriftsteUer.   Ich  glaube,  daß 
der  Grund  hauptsächlich  darin  liegt,  daß  zur  Zeit  des  Aechylus 
der  *to-/*so-  Stamm  noch  mehr  von   seiner   deiktischen  Kraft 
bewahrt  hatte,  vgl,  Wecklein :  Studien  zu  Aeschylus  (Berl.  1872), 
S.  165  "der  Artikel  .  .  .  hat  bei  Aeschylus,  welcher  auch  sonst 
der  epischen  Sprache  und  deren  Fonnen  größeren  Einfluß  auf 
seine  Diktion  gestattet,  in  ausgedehnterer  Weise  die  demonstrative 
Bedeutung  beibehalten  als  bei  den  übrigen  Tragikern".    Es  ist 
hier  nicht  der  Ort,  alle  Stellen   zu  verzeichnen,   an  denen  bei 
Aeschylus   der   sog.  Artikel    mit   eKeivoc   in    der  syntaktischen 
Verwendung  übereinstimmt,   ich   beschränke   mich    auf    einige 
Beispiele,  aus  denen  die  Identität  beider  Pronomina  in  scharf 
Der-deiktischem  Sinne   ersichtlich  ist:  Suppl.  362:  tüuv  y«P  ou 
öeirai   ttoXic,  981:   toö  yctp  Trpoxepa  |  lufiTic  .  .  .,   1065:  tö   |uev 
äv  ßeXiaTov  ei'ri;  Ag.  1479:  eK  toO  Yotp  tpujc  .  .  .;  Eum.  2:  TTpoiiov 
|Liev  eüxr]  rf[be  rrpecßeüuj  OeuJv  |  rriv  TTpujTÖ|uavTiv  faiav  eK  öe  irjc 
0e)Liiv,  I  .  .  .  ev  öe  Tuj  ipiTuu  .  .  .  'Aneinanderreihung',  174. 
B.  Sophocles    (Ausg.  v.  W.  Dindorf). 
I.  1.  Ai.  271:  dvrjp  eKeivoc:  Tecmessa  zeigt  aufs  Zelt;  ev.  zu 
V,  5  =  Mer  amie  Mann';  567,  769:   Beziehung  auf  die 
überirdischen  Götter,  795 ;   eKeivov  ist  wohl  mit  dem  in 
der  folgenden  Zeile  stehenden  cKevfic  ÜTrauXov  zu  verbinden, 
Sinn:  "dort  unter  dem  Zelte  sollt  ihr  ihn  halten";  855: 
KttKcT    'auch   im  Jenseits',  991:    wohl   öeTHic  rnc   öipeuuc. 
Ant.  76,  287,  525 :  Keivouc  'die  Toten',  777 ;  El.  356, 1222: 
r\  Yap  cu  Keivoc ;  'den  ich  mir  so  ^weit  weg  gedacht  habe' ; 
1345;  Trach.  29:  Keivou :  der  in  der  Ferne  weilende  Gatte, 
so  noch  oft  in  diesem  Stücke;  342:  TTÖiepov  eKeivouc  öfita 
beöp'  au6ic  .  .  .  KaXüü|uev:  Deianira  weist  auf  den  Palast, 
in  deu  Lichas  und  die  Gefangenen  hineingegangen  sind; 
479:  vgl.  zu  29,  544,  579,  603:  eKeivuj  rdvbpi:  Es  ist  kein 
Grund  vorhanden,  mit  Herwerden  (Exercitatt.  er.  in  poet. 
et  pros.  Attic.  monumenta.  Hag.  1862.  S.  125)  die  Richtig- 


26  W.  Havers, 

keit  des  Wortes  ^Keivuj  za  bezweifeln ;  man  darf  allerdings 
eKeivuj  Tctvbpi   nicht    als   zusammenhängenden    Ausdruck 
betrachten,  sondern  rdvöpi  ist  nur  erklärender  Zusatz  zu 
dem  substantivischen  eKeivuj,  mit  dem  der  abwesende  Gatte 
gemeint  ist;  614;  Ph.  123,  360:  kcTvov  :  den  toten  Achül, 
415,  1143,  1200;  0.  C.  389:  xoic  kei  .  .  .  dvepujTroic  'den 
Leuten  in  der  Heimat'  d.  i.  den  Thebanern  (absolut),  392, 
402,  585:  evtaöGa  y^P  l^oi  KeTva  cuYKO|aiZ;eTai :  xd  .  .  .  ev 
^ecLu,  worauf  sich  Keiva  bezieht,  steht  zwar  grammatisch 
näher,  ist  aber  für  Ödipus  nicht  von  so  großem  Interesse, 
wie  das  in  der  Rede  ferner  stehende  xd  Xoicöia  (sei.  xoO 
ßiou),  worauf  evxaOGa  geht;   589:   KeTce  'in  die  Heimat', 
787,  910:  rrpiv  dv  |  Kefvac  evapYeic  öeöpo  jlioi  cxncric  aYoiv : 
mit  hinweisender  Geste  gesprochen  zu  denken,  1206,  1584: 
KeTvov:  den  soeben  verschiedenen  Ödipus,  ebenso  1760, 
1763,  1768,  vgl.  1775:  tw  Kaxd  ff\Q. 
2.    Ai.  762,  1035,  1303;  Ant.  71:  Fernanaphora,  168,  384: 
i\b'    ecx'  eKeivn   xoupYOv   f]   'HeipYotciaevri :    vgl.  Brugmann 
a.  a.  0.  S.  90;  408,  1312:  aixiav  y^  xiivöe  KdKeivujv  ex^v; 
El.  2,  665 :  i^öe  coi  Keivii  Tidpa  "hier  ist  die,  nach  der  du 
vorher  gefragt  hast",  ähnlich  1115:  xoux'  eKeiv  und  1178: 
xöö'  ecx'  eKeivo,  1351,  1355;  OK  259,  599,  1054,  1145, 
1233,    1528;   Tr.  281,    1091;   Ph.  193,    261,    268,    365, 
423,  720,  850;  OC.  87,  138:  öö'  keivoc  eYw  661,  798, 
1195:  cu  ö'  eic  eKeiva,  |uri  xd  vOv,  dTTOCKÖTrei. 
n.        Ai.  454:  keTvoi  b'  eTreYYeXüuciv  "meine  Feinde  aber  spotten 
meiner",  1039 :  öxai    bk  }xr]  xdb'   ecxiv    ev  yvuj|uji  cpiXa,  | 
KeTvoc  x'  eKeiva  cxepYexuu  KaYiij  xdöe.    Das  eKeiva  wird  hier 
in  der  Regel  reflexivisch  aufgefaßt;   vielleicht  läßt  sich 
aber  auch  die  Bedeutung  'anders,  entgegengesetzt'  recht- 
fertigen.  Sinn :  wem  das,  was  ich  da  gesagt  habe,  nicht 
annehmbar  erscheint,  der  mag  anders,  oder  das  Gegen- 
teil davon  denken,  ich  aber  halte  mich  an  dem,  was  ich 
soeben  gesagt  habe.    Vgl.  Eur.  Suppl.  466:    coi  iuev  öo- 
Keixuu   xaux'    e)noi    be   xdvavxia   (s.  auch  S.  30).    Ph.  431, 
622:    rf    KeTvoc,    f]    Trdca    ßXdßri,    770:    eKeivoi    absolut: 
'meine  Feinde',  vgl.  Blaydes  z.  d.  St.  OC.  505:  xouKeT9ev: 
der   auf   der  anderen  Seite   befindliche,   der  jenseitige 
Teil  des  Haines. 
m.  1.  a)  El.  342;  OR.  785;  Tr.  381. 


Das  Pronomen  der  Jener-Deixis  im  Griechischen.  27 

ß)  Ai.  20:  KeTvov  Tap,  oubev'  dXXov;  1032;  Ant.  170; 
489,  986;  El.  344:  Keivric  öiöaKTOi,  koüÖ£V  ek  cauxfic 
\ije\c;  459:  KotKeiviu;  539,  eKeivoc  berührt  sich  hier 
mit  aÜToc  'selbst';  543,  577,  703;  OR.  139,  141,  720, 
1020:  out'  eKeivoc  out'  6tuj;  1168:  r\  boOXoc  r\  Keivou 
TIC  eTT^vric  y^Tuuc;  Keivoc  berührt  sich  hier  mit  auToc 
'selbst,  eigen';  1253:  üqp'  ou  |  oük  f\v  tö  Keivric  eKGed- 
cacGai  KaKÖv  vgl.  den  folgd.  V.  1254:  ötW  eic  eKeivov 
rrepiTToXouvT'  eXeuccojaev  d.  h.  sie  blickten  nur  noch 
auf  Ödipus  und  nicht  mehr  auf  sie  (Jokaste);  Tr.  85: 
Keivou  ßiov  cuücavToc  .  .  .  'wenn  er  sein  Leben  rettet, 
sind  auch  wir  gerettet',  449;  719  vgl.  Y.  85,  1272; 
Ph.  838,  373,  376;  642:  KotKeivoici,  ev.  zu  II;  OC.  344: 
c(püj  ö' dvT'  eKeivujv;  1343:  cTrjcuj  b' eiuauTÖv,  Keivov 
eKßaXujv  ßia. 

T)  Ai.  28:  Tr|vö'  ouv  eKeivuj  Tide  Tic  aiTiav  veiuei,  Sinn: 
das  kann  kein  anderer  getan  haben,  als  er;  113: 
KeTvoc  öe  Ticei  ir]vbe  kouk  dXXriv  öiKrjv,  Sinn :  wenn 
es  ein  anderer  wäre,  würde  ich  schon  willfahren  und 
mit  einer  weniger  bitteren  Rache  vorlieb  nehmen, 
d6r  aber  .  .  .;  472:  -rreipd  Tic  ZiriTriTea  |  Toidö'  dqp'  fjc 
TepovTi  ön^^cuu  TTttTpi  I  \xr\  toi  qpuciv  t'  dcrrXaTXVOC  eK 
Keivou  T^Tuuc,  Sinn:  Der  inneren  Natur  nach  will  ich 
ganz  sein  Sohn  sein,  wenn  auch  der  Mangel  äußerer 
Ehrenbezeugungen  den  Anschein  erwecken  kann,  als 
wäre  ich  der  Sohn  eines  anderen,  minder  berühmten 
Vaters ;  vgl.  Wunders  Erklärung  der  Worte  9UCIV  ye ; 
Ant.  514,  960,  ev.  zu  I,  2;  El.  924:  TaKeivou  öe  coi  ( 
cuuTripi'  eppei:  Rettung  von  seiner  Seite  ist  ausge- 
schlossen, daher  mußt  Du  selbst  Hand  anlegen ;  den- 
selben Sinn  hat  Y.  925;  OR.  261:  ei  Keivoi  yevoc  )nr| 
'öucTuxricev  "wenn  er  nicht  kinderlos  geblieben  wäre", 
ged.  Ggs.  'ich  selbst  bin  ja  mit  vier  blühenden  Kindern 
gesegnet';  263:  auch  hier  liegt  ged.  Ggs.  vor,  der 
dieselbe  tragische  Ironie  hervorruft,  wie  in  V.  261 ; 
Tr.  31;  00.336:  Sinn:  Die  haben  jetzt  keine  Zeit 
für  solche  Geschäfte,  daher  müssen  wir  uns  dieser 
Mühe  unterziehen. 

ö)  El.  321:  Kai  lariv  eYuuT  £cujc'  eKeivov  ouk  ökvuj:  Ich 
habe  ihn  (den  Orest)  ohne  Bedenken  gerettet,   daher 


28  W.  Havers, 

darf  er  auch  nicht  zaudern,  wo  es  meine  Rettung 
gilt.  Ph.  115:  out'  äv  cu  Keivuuv  x^J^pic  out'  eKeiva  coö: 
583,  1028;  OC.  1191; 

e)  Ai.  275:  keivoc  Te  .  .  .  niaelc  6'  ö)aoiuuc;  Ant.  570:  Ver- 
gleich; El.  269,  862,  908:  \xr\  tou  .  .  .  ttXviv  keivou; 
Oß.  579;  Tr.  605,  608,  1068;  Ph.  385:  kouk  aiTiüu|Liai 
KeTvov  ujc  Touc  ev  TeXei  "ihn  beschuldige  ich  nicht  so 
sehr  wie  die  Heerführer"; 

l)  Ai.  285:  KeTvoc  Tap  .  .  .  Beginn  der  Erzählung;  1198, 
1199,  748:  6  youv  \6yoc  coi  rrac  uirep  Keivnc  obe 
"alle  diese  Worte  sprichst  du  nur  deretwegen";  auf 
dasselbe  Bezugwort  (Antigene)  beziehen  sich  touttiv 
(V.  750)  und  r\be  (V.  751),  beide  ebenfalls  identisch 
mit  betontem  Der-Demonstrativ;  El.  565,  681,  698, 
720;  OR.  855:  ou  kcTvoc  t'  «W  auTÖc  .  .  .;  923,  ev. 
zu  I,  2,  959,  1171 :  Keivou  ^i  toi  bx]  ttuTc  ekXriZ^eB'  "Sein 
(eigener)  Sohn  wurde  er  genannt";  man  beachte  die 
Stellung  des  Pronomens  im  Anfang  des  Satzes  und 
die  dreifache  Hervorhebung;  1440;  Tr.  244,  ev.  zu  I,  1; 
Ph.  37:  Keivou  tö  Gricaüpic|Lia  cr||uaiveic  TÖÖe:  es  liegt 
kein  Grund  vor,  Keivou  in  Kevoö,  kXeivöv  ye  oder 
öeivöv  fe  zu  ändern ;  der  Sinn  ist :  Dieses  einfache 
Gerät  kann  nur  ihm  gehören,  vgl.  die  Erklärung  von 
G.  Hermann:  Ipse  ordo  verborum  docet  hoc  dicere 
ülyssem:  ipsius  has  dicis  divitias  i.  e.  ipse  est,  quem 
quaerimus  Philoctetes,  ut  ex  hac  eins  supeUectile 
inteUego.  Mox,  ubi  de  pannis  accepit,  idem  etiam  con- 
fidentius  dicit,  ut  omni  dubitatione  exempta;  vgl. 
V.  40;  413:  Iüjvtöc  t'  eKeivou  "wäre  der  noch  am 
Leben,  so.  .  .";  424,570,772;  OC.  1197,  ev.  zu  I,  1373. 

ri)  Ph.  359 :  ^ev  —  be  Verbdg.  beim  Übergang  zu  neuem 
Punkte  der  Erzählung. 

i)  Ai.  513;  El.  783;  OR.  714;  Tr.  485,  618,  942;  OC. 
606,  986. 

2.  Ai.  94;  Ph.  310. 

3.  Ai.  1195;  Ant.  1025;  OR.  1454. 

4.  Ai.  1108;  Ant.  468:  eiTÖv  eS  eiafjc  |  |uriTpöc  Oavovr'  olGaTtrov 
rivcx6)iiriv  vckuv,  |  Keivoic  äv  i'iXyouv. 

IV.  1.  Ai.  798;  El.  427,  519;  OR.  718;  Tr.  38,   198,  252,  353, 
488,  577,  581,  759,  777;  OC.  337,  589,  1656. 


Das  Pronomen  der  Jener-Deixis  im  Griechischen.  29 

2.  Ai.  755:  ei  rüuvT'  eKcTvov  eiciöeiv  eeXoi:  vielleicht  nietri 
causa,  vgl.  V.  756:  e\a  rdp  aÜTÖv  .  .  .,  ebenso  Ant.  1039; 
1043:  ediTTeiv  irapricuj  KeTvov :  wohl  zur  Vermeidung  des 
ffiatus;  El.  270,  389,  573,  882,  1118;  Tr.  286:  ttictöc 
uüv  Keivuj :  Keivuu  für  auTuj  möglicherweise  um  den  Gleich- 
klang mit  dem  unmittelbar  folgenden  auxov  zu  ver- 
meiden, ev.  zu  I,  1 ;  287  :  auröv  ö'  CKeTvov:  Der  Ton  liegt 
auf  dem  aÜTÖv,  daher  hier  CKeivov  für  unbetontes  aürov 
der  Abwechslung  wegen;  vgl.  Trag,  adesp.  fr.  363  (Nauck): 
ou  TTttTc  'AxiXXeujc,  äW  eKcivoc  auröc  ei.  Ph.  415:  metri 
causa,  633. 
V.  1.  Ai.  6;  El.  664;  Oß.  928;  Ph.  511:  wegen  der  gehässigen 
Färbung,  die  hier  dem  Keivuuv  anhaftet,  kann  der  Vers 
auch  zu  II  gestellt  werden;  die  Häufung  der  K-Laute 
(TTiKpujc,  dva£,  exOec,  ^Keivuuv,  küköv,  Kepöoc)  ist  Avohl  auch 
nicht  unbeabsichtigt,'  625. 

4.  Ai.  437 :  e-fd)  ö'  6  Keivou  iraTc  'ich,  eines  solchen,  so  be- 
rühmten Vaters  Sohn'.    OR.  930.   Ph.  106. 

5.  Ai.  220,  783;  EI.  1218:    eKcivou  toö  laXamiupou  xctqpoc; 
OR.  1240. 

C.  Euripides  (Ausg.  v.  Prinz-Wecklein). 
I.  1.  Med.  1073 :  eKei  Mm  Jenseits' ;  Ale.  363,  866 :  kcivujv  =  touv 
CKeT,  867,  1056:  Keivric:  Der  hingeschiedenen  Gattin, 
ebenso  1092:  Keivnv,  1096;  Hec.  418;  El.  237 :  keivou: 
Der  abwesend  geglaubte  Bruder,  vgl.  245:  dTrujv  eKeivoc 
QU  Trapwv  rmiv  (piXoc,  335,  557,  581:  vgl.  Soph.  El.  1222; 
Jon  1008;  Hei.  150:  tfic  eKet  xdpiv  Trarpac  'in  der  Heimat', 
972,  1683;  Iph.  Taur.  358:  tnv  evBdö'  AuXiv  ävTiBeTca 
Tfic  keT  'in  Griechenland,  in  der  Heimat,  666;  ecriv  x] 
Hevn  xevoc  |  eKeTGevÄpTeia  Tic  "sie  stammt  aus  der  Heimat, 
aus  Argos",  771,  772;  Bacch.  657;  Heracl.  594,  736, 
948:  Keivov:  Den  verstorbenen  Heracles,  1000;  Herc.  263; 
Or.  877;  Phoen.  159,  180,  583;  fragm.  578,  5  (^^auck): 
TdKeT:  Die  Vorgänge  in  der  Heimat,  erklärt  durch  das 
folgende  Kar'  oikouc. 
2.  Med.  98:  tob'  cKeivo  "da  haben  wir's",  908:  keiva  im 
Ggs.  zu  Tdbe,  ebenso  El.  1096.  Jon.  384,  541,  547:  kei: 
temporal,  d.  h.  -rrpiv  KÖppv  XaßeTv  'EpexÖeuuc  (v.  546),  554, 
1370:  EKeTce  töv  voüv  öouc,  69'  .  .  .  "wenn  ich  an  die 
Zeit  denke,  wo  .  .  ."  vgl.  unten  zu  Herc.  1221.    Hei.  622, 


30  W.  Havers. 

788,  1082, 1651:  Fernanaphora;  Cycl.  10,105;  Iph.T.  256; 
Suppl.  839;  Heracl.  268:  Fernanaphora,  945:  eKeivoc  €i 
cu  . . .  "bist  du  der  (berüchtigte)  Schurke,  der  . . ."  Herc. 
1221:  EKeTc'  dvoicreov,  |  öt'  eEecuucdc  |a'  ec  qpdoc  veKpOüv 
Trdpa :  "eKcTce  —  öre  ist  wirklich  reciprok,  denn  die  Sprache 
hat  die  Bezeichnungen  von  Eaum  und  Zeit  ursprünglich 
nirgend  gesondert,  und  wo  sie  keine  sekundären  rein 
zeitlichen  Bezeichnungen  geschaffen  hat,  da  bleibt  die 
alte  weitere  Geltung  der  Ortsbezeichnungen  in  Kraft" 
(v.  Wilamowitz  z.  d.  St.);  1411;  Andr.  454,  866;  Hipp.  343; 
Or.  528:  eKei:  temporal,  804;  Phoen.  1418:  Fernanaphora, 
1675;  Troad.  61,  624:  tout'  eKeiv'  ö  |uoi  irdXai  |  TaXOüßioc 
aiviYiu'  oü  cacpüijc  eiirev  caqpec. 
n.  Med.  157.  Cycl.  686:  irepidTou,  KeTce,  Trpöc  rdpicTepd : 
"Anders  herum !  Linker  Hand !",  vgl.  V.  682,  wo  der  Chor 
auf  die  Frage  des  Cyklopen  iroTfpac  thc  x^poc;  antwortet: 
ev  beha  cou ;  die  Interpunktion  hinter  irepidTou  halte  ich 
für  überflüssig.  Iph.T.  526.  Suppl.  706:  eKXiveYdpKepac  |  tö 
Xaiöv  fiiuujv  •  öeHioö  ö'  riccdj|Lievov  |  cpeuYei  tö  Ktiviuv  "denn 
der  linke  Flügel  auf  unserer  Seite  begann  zu  weichen, 
aber  von  dem  rechten  zurückgedrängt,  wandte  sich  zur 
Flucht  der  (entsprechende)  Flügel  auf  der  anderen  (feind- 
lichen) Seite.  758:  AA.  6  b'dXXoc  ttou  KeKfirixoTuuv  öxXoc; 
Arr.  xdqpuj  öeöovrai  upöc  KiGaipüuvoc  iTTuxaic.  AA.  TOÜKeiGev 
rj  ToüvGevbe;  Tic  f  eGaipe  viv;  Äff.  Griceuc,  CKiüuöric  evG' 
'EXeuOepic  TieTpa.  Das  Stück  spielt  in  Eleusis,  Adrast 
will  also  erfahren,  ob  die  Toten  auf  attischem  Gebiet 
(diesseits  vom  Cithaeron),  oder  auf  böotischem  (jenseits 
dieses  Gebirgszuges)  begraben  sind;  der  Bote  antwortet, 
daß  sie  diesseits,  bei  Eleutherae  in  Attika  ihr  Grab  ge- 
funden hätten.  Phoen.  98:  CTTOvbdc  öt'  nXGov  cu»  KaciYvriTUJ 
q)epa)v  |  evBevb'  eKeice  beöpo  t'  au  Keivou  Trdpa:  mit  eKeice 
ist  gemeint  das  feindliche  Lager  des  Polyneices  und  der 
argivischen  Führer  vor  Theben;  360:  dvaYKaiujc  ex^i  I 
TTttTpiöoc  epdv  dTTavTac  öc  b'  dXXuJC  XeYei,  |  XoYOici  X^tipe', 
TÖv  be  voüv  CKeTc'  lxe\ :  man  vgl.  Androm.  452 :  ou  XeYOvrec 
dXXa  )uev  |  yXuüccii,  cppovoüvTec  b'  d'XX'  eqpeupicKCcB'  ä^i; 
Theogn.  87 :  |uri  }ji'  erreciv  )aev  CTepYe,  voov  b'  exe  Kai  cppevac 
dXXr).  Der  Sinn  obiger  Worte  ist  also  wohl :  der  spielt  mit 
Worten,  im  Herzen  aber  denkt  er  anders,  oder  entgegen- 


Das  Pronomen  der  Jener-Deixis  im  Griechischen.  31 

gesetzt.  709:  \ifei  öe  öri  ti  tüjv  CKeT  veuurepov;  Eteocles 
fragt,  ob  der  Gefangene  etwas  Neues  über  das  feindliche 
Lager  aussage;  716,  733:  KdKeT  "auch  auf  der  Seite  des 
Feindes",  1103:   iraidv  he  Kai  cd\7TiTT€C  eKeXdöouv  6|aoö  | 
CKeiöev   eK   le   reixeujv   fmüuv    rrdpa    "von  beiden   Seiten 
wurde  zum  Angiiff  geblasen";  1462:  ev.  zu  I,  2:  Troad. 
285 :  das  Lager  der  Griechen  steht  gegenüber  dem  Lager 
der  Trojaner;    fragm.  495,  13:    der  Text  ist  hier  nicht 
sicher,  aber  eins  der  beiden  eKei6ev  kann  dem  Zusammen- 
hange nach  (s.  Blaß  Rhein.  Mus.  35,  S.  295  ff.)  nur  heißen 
"von  der  anderen  Seite"  fragm.  781,  56:  CKeice  'anders'  (?). 
ni.  1.  a)  El.  1020;    1045:    eixa   xöv   |uev    ou    Öavtiv  |  Kreivovra 
Xpfiv  rdia',  e|ue  öe  rrpöc  Keivou  iraGeTv;  Jon.  774;  Hei. 
1011,   ev.  zu  I,   1;    1402;    Bacch.  762;   Troad.  950: 
Tuuv|uev  dWuuv  öaijuövuuv  exeiKpdroc,  KeivricöeöoöXöcecTi; 
ß)  Med.  347 :   Toü)Lioü  jap  oü  )lioi  cppoviic  .  .  .  Keivouc  öe 
KXaiuj;  1302:  Keivriv  luev  .  .  .  ejuüjv  5e  Traibujv;  Ale.  44: 
ouö'    CKeTvov;    517:    KaKeTvoc;    El.   303,    646,    1114; 
Hei.  120:  dWou  Xöyou  |ue|uvrico,  )ufi  Keivnc  eti;  912,  ev. 
zu  I,  2;  979;  eX0eiv  öid  |udxric  ctu  cuytovuj  •  |  KaKeTvov 
IT  '|u^    öeT    9aveiv;    1216:    vgl.  Od.  a  46,   ev.  zu  I,  1; 
Iph.  T.  536 :  Die  Schicksale  der  einzelnen  Helden,  die 
vor  Troja  gekämpft  haben,  werden  einander  gegenüber- 
gestellt; Iph.  T.  1041;  Bacch.  321,  518,  1256;  Heracl. 
554;  Andr.  391:  Kar'  e|Lx',  oü  KtTvov  KteveTc;  713,  1251; 
Hipp,  666 ;  Or.  596 :  CKeTvoc  i\\jiapr\  ouk  exw ;  Plioen. 
418;  Troad.  867,  vgl.  Od.  a  46;  Rhes.  975;  fragm.  723: 
Zirdpiriv  eXaxec,  Keivr|v  KÖC)aer  |  xdc  he  MuKiivac  r)|ueic 
löiqt; 
Y)  Med.  966:  ev.  zu  I  1,  Avenn  man  annimmt,  daß  Medea 
zum  Palaste  hinweist,  973:  xoübe  ydp  ludXicia  öeT,  |  ec 
XeTp'  eKeivr|v  bujpa  be2ac9ai  idöe :  Sie  (selbst)  muß  mit 
eigener  Hand   die   Geschenke   in   Empfang  nehmen; 
Jon.  71;  Hei.  79,    1020:    euepYeTuJ  ydp  keTvov  ou  öo- 
KoOc'  ö)Liujc,  Sinn:  Dem  Anscheine  nach  unterstütze  ich 
euch   (Menelaus   und   Helena),    in   Wirklichkeit   aber 
handele  ich  in  seinem  (KaciTvi'iTou  Y.  1019)  Interesse. 
Bacch.  927 :   aurdc  eKeivac  eicopdv  öokuu  c'  öpüüv  ant- 
wortet Dionysos   auf   die  Frage  des  Pentheus,  ob  er 
in    seinem   neuen  Kostüm   nicht  gerade   so   aussehe, 


32  W.  Havers, 

wie  Ino  und  Agaue;  Betonung  des  iKeivac  ist  anzu- 
nehmen, wenn  der  Sinn  ist:  Eben  die  (und  keinen 
anderen)  glaube  ich  zu  sehen,  wenn  ich  dich  betrachte, 
übersetzt  man  dagegen:  "sie  selbst,  sie  leibliaftig, 
glaube  ich  zu  sehen",  so  gehört  das  Beispiel  zu  IV,  2 ; 
Or.  595; 

b)  El.  929 :  d|Liqpuu  rrovripd)  h'  övt'  dcpeipeicöov  Tuxnv,  | 
Keivr)  Te  Tr]v  cnv  Kai  cu  TouKeivric  kuköv  ;  Jon.  846 :  Du 
mußt  auf  irgend  eine  Weise  den  Sohn  und  den  Gatten 
aus  der  Welt  schaffen  Trpiv  coi  Bdvaiov  ek  kciviüv 
poXeiv;  Andr.  3741375:  öoüXuuv  ö'  eKeTvov  tujv  e|uüjv 
dpxeiv  xpeuuv  |  Kai  tüüv  CKeivou  touc  e|uouc  r]\iäc  re  rrpoc : 
Das  Bezugwort  (Neoptolemus)  ist  aus  dem  Zusammen- 
hange leicht  zu  entnehmen ;  585  :  oukouv  eKeivou  Td|ud 
TdKeivou  t' epd;  Hipp.  321:  jurj  bpiüc'  l^wY  eKeivov 
öqpGeinv  KaKÜjc  "möchte  es  sich  nie  zeigen,  daß  ich 
mich  schmachvoll  gegen  Ihn  benommen  habe",  ant- 
wortet Phaedra  auf  die  Frage  der  Amme,  ob  der 
Gratte  sich  gegen  sie  vergangen  habe;  648;  Or.  742: 
ouK  ^KeTvoc,  äW  CKeivr)  KeTvov  evGdö'  ii\yafev  "nicht 
er  (sei.  hat  sie,  die  Gattin,  hergebracht),  sondern  sie 
hat  Ihn  hierhergeführt".  Troad.  487 :  kout'  eH  eKcivuiv 
eXtric  ibc  6cp9rico)nai ,  |  aurr]  t'  eKeivac  ouket'  önJ0|uai 
TTOie;  656; 

€)  Ale.  825:  ou  Keivri  )Li6vri;  Hecab.  765:  ti  Tdp  tiv'  dXXov 
eieKec  f]  Keivouc  Tuvai;  Jon.  812:  Comparativ;  Hei.  829: 
Koivr)  y'  eKeivr) ;  Iph.  T.  1015:  iKereu'  eKeivov  TrpüJia 
"bitt  Ihn  zuerst",  ebenso  1353;  Or.  615, 1123;  Troad.  641. 

l)  Ale.  809,  ev.  zu  lY,  1;  Hecab.  266:  Keivr)  ydp  uiXecev 
viv  "denn  die  war  es,  welche  ihn  zugrunde  richtete"; 
989:  ToÜKeivou  ^ev  euTuxeic  juepoc:  "was  den  betrifft, 
so  steht  es  gut  mit  dir".  El.  1119;  Jon.  21;  1594; 
Hei.  103;  Andr.  78:  Keivou  Tiapövroc  "wäre  der  zu- 
gegen"; 80,  605;  Or.  586:  öid  tö  ydp  Keivr|C  Opdcoc . . . 
"denn  Ihre  Frechheit  war  es,  die";  1148;  Troad.  479, 
ev.  zu  V,  4;  Rhes.  492; 

n)  Iph.  T.  229 ;  Herc.  69 ; 

0)  Hecab.  1230; 

i)  Jon.  302;  Hei.  1199:  0EOK. . . .  püuv  coi  Geovön  Xerei 
xdöe ;  EA.  Keivrj  xe  cpr|civ  6  le  Trapujv  öt'  oiXXuto.  Iph.  T. 


Das  Pronomen  der  Jener-Deixis  im  Griechischen.  33 

565,  1367:  KeTvoi  xe  yäp  ciöripov  ouk  eixov  xepoiv  |  riineTc 
xe;  Andr.  912,  1005;  ffipp.  1259,  1320; 
k)  Hecab.  587;  830:  i'i  xujv  ev  eüvr)  cpiXxdxuiv  dcTracjLid- 
xuuv  I  xapiv  xiv'  e'Hei  iraTc  e^ri,  Keivnc  ö'  efiw ;  Heracl.  211 ; 
Or.  510.  fragm.  953,  32 :  fiv  ouxoc  auGic  dTToßdXri  xnv 
ouciav,  I  exepuj  ixe  öuuceic  dvöpi;  Kax'  edv  TtdXiv  |  eKCi- 
voc,  ^xepuj; 

2.  Hei.  581:  ekci  vocoO|uev,  öxibdiaapx'  dXXrjvex^;  Siipp].  438; 
Bacch.  771;  Iph.  A.  516;  Andr.  251:  eKeivo  XeHov,  ourrep 
e'i'veK'  ecxdXnv;  Or.  790,  926;  Phoen.  585,  886,  904, 1663. 

3.  Hec.  627;  El.  913,  933;  Iph.  T.  904,  ev.  zu  III,  2;  Or.  944; 
fragm.  890,  2. 

4.  Bacch.  445:  de  ö'  au  cu  BdKxac  efpHac  (V.  443)  .  .  .  cppoö- 
bai  t'  eKeivai  .  .  .;  fragm.  506,  6. 

lY.  1.  Med.  77;  Jon.:  1359,  ev.  zu  I,  1;  Hei.  126. 

2.  Ale.  358;  Hec.  799,  ev.  zu  I,  1;  894;  El.  13,  319,  1047. 
Heracl.  470,  923,  991.  Iph.  A.  1455.  Andr.  35,  72.  Or.  593. 

V.  1.  El.  251 ;  Heracl.  10. 

3.  Ale.  18;  Hec.  892;  Iph.  A.  130. 

4.  Heracl.  509,  651;  Or.  483:  Keivou  ydp  ööe  ireqpuKe,  xoioö- 
xoc  TeTiJuc; 

5.  Jon.  364:  xi  ö'  ouk  eKeivr)  xf]  xaXamuüpai  vocei; 

6.  Ale.  529;  Phoen.  266,  315;  Bacch.  625:  fjcc'  eKeice  Kdx' 
EKeTce  "er  lief  hin  und  her";  Jon.  1504;  Hei. 713, 1141:  öeupo 
Kai  au0ic  eKeice;  Troad.  333:  eXicce  xdö'  eKetce;  Or.  1262: 
CKeTGevevGdöe,  1450;  Andr.  1131.  ßhes.  216:  eKeice  Kai  iraXiv. 

12.  Aristophanes,  (Ausg.  v.  Aug.  Meineke.) 
I.  1.  Ach.  653,  899  :  )]  qpopxi'  exep'  evGevö'  eKeic'  dSeic;  "oder  willst 
Du  andere  AVaren  (dafür)  von  hier  nach  Hause  mit- 
nehmen?", 902:  AIK.  'Aqpuac  dp'  aHeic  TTpid|uevoc  OaXti- 
piaKdc  I  r)  Kepa|uov.  BO.  Acpuac  f\  Kepa|uov;  dXX'  evx'  eKei: 
"Das  haben  wir  zu  Hause  auch".  Equ.  1196:  eKeivoii 
Tdp  ujc  e|Li'  epxovxai.  Yesp.  67:  öecTioxric  eKeivoci,  1500; 
Pax  105:  eKeivov :  den  Zeus,  313:  euXaßeicöe  vöv  eKeivov 
xöv  KdxuuGev  Kepßepov,  545,  547,  649,  650,  651;  Av.  167: 
eKei  Ttap'  rnnTv  "bei  uns  zu  Hause",  vgl.  758;  340:  eni 
xt  xdp  |u'  eKeiGev  nxec;  'weshalb  hast  Du  mich  von  Hause 
weggeführt?"  Lys.  903:  dTTel^'  eKeice:  "Dann  werd  ich 
auch  nach  Hause  kommen",  vgl.  V.  899  die  Frage  des 
Kinesias:  ou  ßaöiei  fidXiv;  "wirst  Du  nicht  mehr  heim- 
indogermanische Forschungen  XIX.  3 


34  W.  Havers, 

kehren?"  Eccl.  167,  315:  keivo  —  touti  (318);  Ran.  69, 
77  :  ^KcTGev  "aus  der  Unterwelt",  421,  1461 :  Ikex  "auf  der 
Oberwelt"  —  evöabi  "hier  in  der  Unterwelt";  Plut.  770. 
2.  Ach.  41 :   toOt'    ^keTv'   ouyüj   'XeTov  •  "da  haben  wir's !", 
677,    708,    821:    toOt'    keiv';    Equ.  73,    393,    530,   786, 
894;   Nub.  180:    ^KeTvov  töv  GaXfjv,  342:   Fernanaphora, 
ebenso  391,  534,  882:   ev.  zu  III,  2;   985,  1052:  raOr' 
ecTiv  aur'  exeTva  "das  ist  genau  dieselbe  Leier,  die  man 
so  oft  hören  muß"  (Kock.),  1149,  1167:  öö'  cKeTvoc  dvrip, 
vgl.  Soph.  OC.  138;  Vesp.  236,   356,   405,   1182,   1200, 
1403,  1479;  Fax:  289,  516,  574,  741,  1304.    Av.  354: 
toOt'  eK6ivo,  485,  489:  otTTÖ  rfic  piJujuTic  xfic  tot'  cKeivnc, 
507,  1312:  Feruanaphora ;  Lys.  240,  281,  1038;  Thesm. 
161:  "IßuKoc  eKeivoc,  770:  vgl.  v.  Leeuwen  z.  d.  St.,  775, 
806;    Eccl.  671,  814,   815,  1053,  1080;  Ran.  279,  318: 
toOt'  Ict'  keiv',  ebenso  1342;  Plut.  82,  778,  957. 
n.  Ach.  236  :  ßdWuuv  CKeTvov  oük  dv  eiaiiXi^iuriv  XiOoic :  'diesen 
Schuft',    mit   derselben    verächtlichen   Bedeutung   V.  234 : 
ZriTcTv  TÖV  divöpa   'den  KerF,  vgl.  479:   dvrip   üßpiZlei:   "der 
Kerl  will  mich  zum  Besten  halten",  707  :  utt'  ctvbpöc  toHotou. 
Equ.  1405,  1407 ;  Nub.  840;  Fax  272;  Thesm.  470:  mcoi  töv 
avöp'  tKcTvov;   Eccl.  817:   tö   kÖ|li)li'  .  .  .  eKcTvo :    "das   ver- 
fluchte Kupfermünzendekret". 
m.  1.  a)  Fax  211,  645;  Lys.  764;  Thesm.  861; 

ß)  Ach.  314 ;  Equ.  657  :  cTieveucev  eic  keivov  f)  ßouXf)  TrctXiv : 
nachdem  sie  vorher  mir  beigestimmt  hatten ;  Nub.  796: 
ei  coi  TIC  uioc  ecTiv  .  .  .  irejUTreiv  cKeivov  dvTi  cauToO 
inavedveiv;  Fax  981;  Ran.  769;  Flut.  520:  KdKeTvoc, 
ebenso  580; 
y)  Av.  1558:  r\  \  ^üuvt'  eKeivov  irpoiüXiTre:  während  sonst 
die  Seele  erst  beim  Tode  den  Menschen  verläßt;  Thesm. 
1219:  auTri  .  .  .  dKeivn  "eben  die";  Ran.  552:  eKeivoc 
aOröc  bfiTa  "eben  der  ist  es"  788:  }xä  Ai'  ouk  ^KeTvöc; 
1144; 
b)  Eccl.  199:  Kopiveioic  rixOecGe,  KaKcTvoi  fe  coi;  Flut. 
979:  ÜTTavT'  €7T0iei  koc)liiujc  |uoi  Kai  KaXüjc  |  ifd)  ö' 
iKeivuj  y'  öö  Td  ndve'  uTtripeTOuv. 
e)  Ach.  663:  Vergleich;  ebenso  Equ.  718;  761:  irpiv 
eKCivov  .  . .  irpÖTepoc  cu  . . .;  Nub.  1429 :  ti  öiaqpepouciv| 
rmil'v  ^KcTvoi  .  .  .;  Yesp.  1470; 


Das  Pronomen  der  Jener-Deixis  im  Griechischen.  35 

l)  Nub.  1189  ;  1378;  Fax  618;  ouca  cuYTtvric  CKeivou  "weil 
sie  eine  Verwandte  von  dem  ist";  Lys.  59:  dW  oüöe 
TTapdXaiv  ouöejuia  fvvr]  irdpa,  |  ou6'  ek  ZaXajuivoc.  KAA. 
dW  eKeivai  y'  (Die  Frauen  von  Salamis)  oiö'  öti  |  eni 
Tüuv    KeXrjTUJv  öiaßeßriKac'  öpGpiai;  Plut.  918;  929. 

2.  Ach.  1195;  Nub.  657;  Yesp.  47,  784;  Fax  146;  Thesm. 
477,  498;  Eccl.  258,  263,  422,  465;  Ran.  7;  Flut.  357, 
921. 

3.  Nub.  1408;    Yesp.  403,   745,   946,  996;    Fax  240,  1097. 
IV.  1.  Equ.  1331  ;Nub.  159,  680;  Fax  1174;  Lys.  521;  Eccl.  328: 

auTÖc  öfix'  eKeivoc;  Ran.  1457;    Flut.  83:   eKeivoc  autoc, 
92,  587,  704. 

2.  Equ.  713:  vielleicht  metri  causa,  ev.  zu  II,  879;  Av,  47, 
660,  1543;  Lys.  347,  413,  852;  Thesm.  378;  Eccl.  856; 
Flut.  122:  ev.  zu  I,  1,  1203. 
T.  1.  Eccl.  319:    touti  t6  ttic  xuvaiKÖc  fmibiTrXoiöiov,  |  Kai  rdc 
^Keivnc  TTepciKdc  ucpeXKO|Liai. 

6.  Fax  611:  üjcie  tuj  Kanviu  |  ndvTac  "EXXrivac  öaKpOcai, 
Touc  t'  eKei  touc  t'  ^veabi.  Lys.  568,  570;  Thesm.  784 
ßdcKei',  feTreiYeie  Ttdcac  KaB'  ööouc,  |  Keivot,  lauTot;  Eccl.  487 ; 
Ran.  1076:  iiXeT  öeupi  Kauöic  eKcTce. 
13.  Herodot.  (Aus^.  v.  Stein,  mit  deutschem  Komm.). 
L  1.  I  182,  5;  209,  23:  eKeT  =  eKeke;  V  49,  19;  68,  11:  Kai 
im  KXeicBeveoc  dpxovioc  Kai  ^Keivou  leöveOuTOc;  VII  5,  2; 
11,  17;  34,  6;  43,  7;  102,  9;  129,  27;  VIII  102,  11: 
ceo  xe  TTepieovToc  Kai  eKeivujv  tüuv  TtpriYMdTuuv  "wenn  du 
(Xerxes)  nur  gerettet  bist  und  die  Macht  in  der  Heimat". 
(Absolut.) 

2.  I  32,  34:  o  öe  loiciöe  rrpoexei  eKeivou,  35:  ouk  Ö|lioiujc 
öuvaröc  eKeivuj :  Beide  Beispiele  ev.  zu  III,  1 ;  ib.  38 :  outoc 
eKeivoc  Töv  cO  ^riTeeic;  45,  6;  86,  29;  91,  27;  207,  20; 
115,  6;  121  e,  24;  127,  5;  181,  14:  nv  oi  utt'  eKeivnv 
Trjv  vuKTa  fiixSri  6  "Ajuacic,  wir:  'in  dieser  Nacht';  III  1, 
26;  51,  4:  CKeivou  be  toO  eireoc  .  .  .  ouk  e)iie|avnTo;  140, 
19,  20;  IV  124,  10;  196,  15;  V  13,  6;  50,  6;  82,  12; 
91,  22;  VI  13,  3;  65,  15,  21;  137,27;  138,  11;  Vni3, 
7;  17,  7;  50,  16:  cKeTvoi  oi  Trpö  e|ueö  Tevojievoi  ßaciXeec; 
59,  5;  185,  13:  eKeivrici  'den  oben  aufgezählten';  186, 
7;  189,  15;  235,21;  VIII  9,  3;  60,  3;  79,  8:  eKeivuuv: 
superiora  obliviscens   (Stein);  IX  39,  2;  51,  2:    eKeivnv 

3* 


36  W.  Havers, 

Tr)v  nMepnv,  vgl.  oben  zu  11  181,  14;  52,  1;  58,  21;  88, 
9;  108,  1;  111,  26. 
IL  182,    30:    töv   be   cqpexepov   TrapaiueivavTa   Kai   CKuXeucavia 
Touc  CKeivujv  veKpouc   "der  Ihrige   aber   sei  geblieben  und 
habe  die  auf  der  anderen  (feindlichen)  Seite  gefallenen  ihrer 
Rüstung   beraubt";    120,    25:    eiirav   rrpöc   xaÖTa   oi   MdYoi 
"iL  ßaciXeO,  Kai  auxoTci  r\^xv  Trepi  ttoXXoö  ecxi   KaxopGoöcöai 
dpxnv  xriv    ci'iv.   Keivuuc  )Liev  yctp   dXXoxpiouxai  ec  xöv  Tralöa 
xoOxov  .  .  .,"  Keivujc  kann  hier  nur  heißen:   "andrenfalls", 
d.  h.  wenn  die  Dynastie  des  Astyages  nicht  erhalten  bleibt; 
gegen  die  Übersetzung  Steins :    'in  jenem  von  uns  früher 
vorausgesetzten  Falle,  daß  der  Knabe  dereinst  König  würde* 
spricht   der  Zusammenhang ;    207,    19,   kann   auch   zu  in, 
1   gestellt   werden,    ebenso    ib.    25:    CKeivojv    TrepiTevecöai ; 
IV  139,    16:    biZ;r|c9ai    eKeivouc    "den  Feind   aufzusuchen", 
ein  Bezugwort  geht  hier  nicht  vorher;  A^II  103,  19;  VIII  60, 
23 :  xö  Yotp  ev  cxeiVLu  vau|uaxeeiv  irpöc  fmeuuv  ecxi,  ev  eüpu- 
Xujpir)  öe  TTpöc  eKeivuuv  "zugunsten  des  Feindes". 
in.  1.  a)'l  124,  18;  HI  36,  32;  VII  11,  12;  136,  13;  IX  37,  22; 
53, 12 :  xö  )nr)  ireiGecGai  eKeivov  ccpici :  während  die  übrigen 
Hauptleute  sich  dem  Befehle  gefügt  hatten,  vgl.  ib.  6; 
ß)  I  3,  5:  ouöe  .  .  .  eKeivouc;   11,  13;  108,  11:  öxi  ineXXoi 
6  xfjc  GuYaxpöc  auxoö  yovoc    ßaciXeuceiv   dvxi  eKeivou; 
II  120,    19 :    ouöe  x]    ßaciXriiri    ec  ÄXeEavöpov   Trepinie, 
ujcxe  ...  eir'  eKeivuj  xd  irpriTiuaxa  eivai  "so  daß  der  zu 
schalten  gehabt  hätte,  sondern  Hektor  sollte  das  Reich 
bekommen".  121  ö,  21:  Kai  eKcTvov;  ib.  2,  10;  11134, 
22;  53,  25;  65,  23:  Kai  Xjaepbiv  xöv  Kupou  )nr)Kexi 
u|uTv  eövxa  XoTiZiecGe  •  oi  he  Ü)liiv  Mdyoi  Kpaxeouci  xuuv 
ßaciXriiuuv,   xöv  xe  eXmov  emxpoiTov  xüljv    oikiuuv  Kai  ö 
eKeivou    dbeXcpeöc    Zjuepöic.    Cambyses    hatte    auf 
ein    trügerisches    Traumgesicht    hin    seinen    eigenen 
Bruder  Smerdis  umbringen  lassen,   obwohl  in  Wirk- 
lichkeit nicht  dieser,  sondern  der  gleichnamige  Bruder 
des  Magiers,  den  Cambyses  als  Reichsverweser  zurück- 
gelassen hatte,  nach  der  Herrschaft  strebte;    74,  15; 
IV  133,  11;  140,  11:  Kai  eKeivouc;  VI  52,  30;  ib.  31: 
oüöe  eKeivn;    67,  7:   TeYovuuc   rjörj  auxöc  ßaciXeuc  dvx' 
eKeivou;  68,  10;  111,  1:  luc  be  ec  eKeivov  TtepiriXGe  "als 
die  Reihe  an  ihn  kam";   VH  103,  8;    136,  15;  164, 


Das  Pronomen  der  Jener-Deixis  im  Griechischen.  37 

15:  Kai  eKeivoc;  236,  19:  eKeivoi  ye  •  .  .  niaeic  öe  .  .  .; 
VIII  3,  11:  djcd|U6voi  töv  TTepcnv  Trepi  xfic  eKeivou  fiöri 
TÖv  dTiiJva  erroieOvio :  während  sie  vorher  in  Griechen- 
land noch  um  ihre  eigene  Existenz  gekämpft  hatten; 
29,  5:  ev  toTci  "EWrici,  öcov  xpdvov  eneiva  njuTv  fivöave, 
vgl.  6:  vOv  xe  irapd  tuj  ßapßdpuj;  74,  10:  ec  Trjv 
TTeXoTTÖvvricov  xpedv  ei'n  drroTTXeeiv  Kai  uepi  eKeivnc  Kivbu- 
veueiv:  während  andere  rieten,  man  solle  um  Attika 
kämpfen;  144,  30;  IX  79,  8; 

T)  I  100,  4;  II  77,  14:  dpToqpaTeouci  he  eK  tüjv  öXupeoiv 
TTOieövrec  aprouc,  touc  keTvoi  KuXXricric  6vo)ad2ouci :  sei. 
'bei  uns  heißt  es  anders';  162,  27:  oi  eti  id  eKeivou 
ecppöveov  "die  noch  auf  seiner  Seite  waren",  und  nicht 
bereits  zu  Amasis  hielten;  IV  5,  17:  was  die  beiden 
andern  Brüder  vergebens  versucht  hatten,  gelang  dem 
jüngsten:  V  23,  15;  VIII  6,  11;  90,  3:  öießaXXov 
TOUC  "liuvac,  djc  öi'  eKeivouc  dTroXoiaxo  ai  veec :  sie  wären 
Schuld  daran,  daß  .  .  .";  IX  110,  4:  triv  }Jir\Tepa  amr\c 
eivai  aiTiriv  Kai  laöia  eKeivriv  Tipricceiv; 

b)  in  39,  9;  59,  15:  jaeydXa  KaKd  etroiricav  AiTivrirac  Kai 
eTTaOov  utt'  eKeivoiv;  133,  8;  IV  119,  11  u.  13:  u|aeTc  le 
ec  T»iv  eKeivaiv  ecßaXöviec  yf[V  .  .  .  CTreKpaTecTe  ...  Kai 
eKcTvoi  .  .  .  xriv  6|uoir]v  u)aiv  d-rroöiöoGci,  d.  h.  "sie  fallen 
jetzt  in  euer  Land  ein';  V  111,  16;  VI  62,  11;  VII 
236,  16:  ooTC  cu  Iceai  CKeivoici  xpnci|uoc  ouxe  eKeivoi  coi; 

e)  I  8,  18:  Superlativ;  99,  10:  eovxec  cuvxpocpoi  xe  eKeivtu 
"die  zusammen  erzogen  worden  waren  mit  ihm";  133, 
2;  II  120,  20;  136,  7:  Superlativ,  auch  zu  I,  2  ge- 
hörig; III  119,  6;  IV  111,  10;  114,  12:  ou  .  .  .  xd 
auxd  vö,uaia  f)nTv  xe  Kai  Keivrici  ecxi;  V  21,  5:  Be- 
rührung mit  auxöc 'selbst'.  82,  11;  93,  3:  xouc  auxouc 
emKaXecac  Geouc  eKeivLu;  VI  125,  25,  ev.  zu  I,  2;  dasselbe 
gilt  von  137,  22;  VII  48,  6;  50,  22:  Vergleich,  ev. 
zu  I,  2,  weil  CKeivoi  =  die  Vorfahren.  IX  27,  12; 

Z:)  I  119,  7;  III  62,  12,  ebenso  ib.  17:  ou  ^n  xi  xoi  €k 
Te  eKeivou  veujxepov  [KaKÖv]  dvaßXdcxri;  IV  111,  12; 
VII  104,  21:  eTiecxi  Ydp  cqpi  öecTiöxric  vöjuoc  .  .  .  ttoi- 
eOci  YUJV  xd  dv  ckcTvoc  äv[b-fr\  "was  immer  der  ihnen 
befiehlt,  das  tun  sie"; 

9)  I  22,  5;  207,  34:  Kelvoi  iöö^evoi  dyaOa  iroXXd  TpeipovTai 


38  W.  Havers, 

xe  TTpöc   aüid   Kai   niiiTv  .  .  .  XeiTreiai   "re  sollte  hinter 
eKcTvoc  stehen,  oder  das  zweite  Glied  lauten :  Kai  f]|LiTv- 
Xemouci  dTTÖöeHiv  €.  |a."  (Stein);  III  158,  11;  IV  3,  12 
VI  73,  6:  oute  oi  AiTivfiTai  .  .  .  cKeTvoi  re;  IX  111,  1 

i)  I  89,  14;  m  34,  17;  VI  88,  8;  125,  24;  VII  8  ß,  8 
vnip  xe  eKCivou  Kai  xüuv  dXXuuv  ITepceiJuv;  191,  12 
CKeivric  xe  Kai  xüuv  dXXeuuv  Nripniöujv;  VIII  58,  6; 

k)  I  31,  3;  196,  11;  II  148,  16:  oiKn^axa  h'  evecxi  ömXct, 
xd  i^ev  uTTÖyaia,  xd  be  luexeoupa  ett'  eKeivoici;  VII  188, 
5 :  ai  )aev  br]  rrpüuxai  xoiv  veüuv  op|ueov  irpöc  v%  d'XXai 
b'  tTi'  eKeivr]ci  err'  dyKupeujv,  "die  anderen  aber  lagen 
hinter  diesen  vor  Anker"; 

2.  IV  162,  15. 

3.  I  32,  24;  207,  10; 

4.  I  204,  11. 

IV.  1.  I  11,  24;  129,  5;  132,  15;  164,  11;  207,  24;  II  115,  25: 
dXX'  auxd  efd)  xuj  "EXXiivi  Seivuj  qpuXdHuu,  ec  ö  dv  auxöc 
eX0ujv  EKeTvoc  dTiaTaTecöai  eQeh}.  "bis  er  selbst  kcänie,  um 
sie  wegzubringen";  177,  11;  III  21,  11;  52,  5:  oube  aüxöc 
eKeivoc  ebiKaiou:  "er  selbst  aber  hielt  es  auch  nicht  für 
Eecht";  75,  4;  V  23,  19;  92t,  10;  ib.  ö,  11;  VH  69,  25; 
VIII  143,  11;  144,  29;  IX  116,  15;  122,  3; 
2.  I  17,  15:  auxöc  öe  CKeivouv  epyaZloiuievujv  .  .  .;  127,  6; 
164,  9;  II  107,  12:  auxouc  ö'  e-rr'  eKeivouv  emßaivovxac-; 
136,  15;  III  14,  32:  ticav  b'  dpa  auxoO  qpuXaKOi,  di  xö 
7roie0)aevov  irdv  eS'  eKeivou  .  .  .  eaiiaaivov;  IV  139,  17: 
uTtep  xe  fiiaeujv  Kai  ujueouv  auxujv  xicacGai  ouxuu  die  Keivouc 
Ttpeixei;  V  17,  4:  |aex'  auxöv  eKeivov  "nach  ihm  selbst"; 
VII  104,  6;  119,  14:  xaöxa  }xkv  auxuj  xe  ßaciXei  Kai  xoTci 
6)aocixeouci  |uex'  eKeivou  erreTTOirixo  "für  den  König  selbst 
und  seine  Tischgenossen";  VIII  106,  7;  137,  29:  dnaX- 
Xdccexo  auxocxe  Kai  oi  |aex'  eKeivou;  IX  38,  6:  oüxe  auxoTci 
TTepcrici  ouxe  xoTci  juex'  eKeivuuv  eouci  'EXXrivuuv;  63,  7: 
Mapbövioc  d-nreeave  Kai  xö  Tiepi  eKeivov  xexaY|ievov;  113, 
13:  KaxeKxeive  auxov  xe  eKeivov  Kai  xouc  iraTöac  auxoö; 
119,  3; 
V.  1.  I  129,  6;  II  30,  27;  IH  63,  7:  auxöc  xoi  I)aep5ic  .  .  . 
evexeXXexo  xaöxa  r\  xuov  xic  eKeivou  uTiripexeuuv ;  160,  10: 
xriv  BaßuXüJvd  oi  ebuuKe  dxeXea  ve|aec0ai  )aexpi  xrjc  eKeivou 
lör]c;   IV  140,  3;   V  90,  7:   öxi  xe  dvbpac   Seivouc  ccpici 


Das  Pronomen  der  Jener-Deixis  im  Griechischen.  39 

iövTac  eHeXriXdKecav  ^k  rfic  eKeivujv  (sei.  thc);  YII  54    9- 

181,   7;    197,  6;  Vni  97,    13;  IX  2,  10;   90,   21;    107^ 

17  . . .  Kai  .=.epSTi,  eKCLÜruuv  töv  döeXqpeöv  töv  eKeivou;  113,  14. 

2.  12,    14,    16:    Touc  be  uTroKpivacGai   die  ouöe  eKeivoi  ... 

eöocdv  cqpi  biKac  •  ouöe  luv  auroi  öuuceiv  eKeivoici;  II  110 

10:  lecujcTpiv  faev  Totp  dUa  le  KaTacTpei|»aceai  ^Gvea  ouk 

eXdccuj  eKeivou  Kai  . . .  direkt :  Sesostris  hat  nicht  weniger 

Völker  bezwungen,  als  Du.  121a,  14:   toutoici  öe  dTrri- 

■fncaceai  ibc  eKeivuuv  rrpoopeujv,  vgl.  ib.  16:  auToTci,  dem  in 

direkter  Rede  kein  Pronomen   der  2.  Person  entspricht 

ebenso  wenig,  wie   dem  toutoici;  121  ß,  16:  ökuuc  |Lin  . . . 

TTpocaTToXecri    KaKeTvov;    133,    14:    Kai  touc  )Liev  öuo  touc 

TTpö  eKeivou  revojaevouc  ßaciXeac  |ua9eTv  toOto,  eKcTvov  be 

oü;  III  32,  12:  ibc  eKeivuj  oük  eui  6  Tijuuupricujv:  direkt: 

Dir  wird  kein  Helfer  kommen,   wenn  Du  bedrängt  bist, 

während  dem  Hunde  sein  Bruder  zu  Hülfe  kommt;  156, 

6:  ö  öe   ccpi  nTÖpeue  ujc  eiV)  Te  ZuÜTTupoc  Kai  auToiuoXeoi 

ec  eKetvouc;    lY  43,   11:    qpdcd  oi  aÜTn  [xelw  lr]}jiir[v  im- 

Giiceiv  r]  irep  eKeivov;  Y  13,  8:  ti  KeTvoi  eOeXovrec  eXBoiev; 

ib.  9;  67,  12:  "AbpncTov   Mev  .  .  .  eKeivov  ö^;   YI  62,  5: 

TÖ  dv   aÜTÖc  eKeivoc  eXrjTai;  67,  10:  Ggs.;  69,  9:  ujc  öe 

lie  eiöe  exoucav  cTecpdvouc,  eipiJuTa  Tic  ein  Moi  6  bouc  •  eyuj 

öe  ecpd^nv  eKeivov  "er  selbst  sei  es,  der  sie  mir  gegeben 

habe";  YII  136,  16;  IX  90,  19. 

4.  II  110,  12:  ouKUJV  öiKaiov  eivai  iCTdvai  ejunpocGe  tuiv  eKei- 
vou dvaermdTUJv  lurj  ouk  uTrepßaXXöjuevov  toTci  epyoici  "es 
wäre  daher  nicht  recht,  daß  er  stände  vor  dem  Weih- 
geschenk eines  solchen  Mannes,  sofern  er  ihn  nicht  durch 
seine  Taten  übertreffe".  lY  114,  18:  oOk  dv  iJuv  öuvaiiueGa 
eKeivrici  cujucpepecGai  "mit  solchen  können  wir  uns  daher 
nicht  vertragen"  (eigtl.  "mit  denen,  da  sie  solche  sind, 
solche  Lebensweise  haben").  YII  103,  7. 

Besonderheiten  im  Gebrauch  des  Pronomens  keivoc  bei 
Herodot. 

1.  keivoc  ist  bei  Herodot  identisch  mit  sogen.  Pron.  der 
3.  Pers.  abgesehen  von  den  unter  lY  1  und  2  besprochenen 
Fällen;  vgl.  18,  12:  Tuth,  ou  ydp  ce  öokcuü  TreieecOai  |lioi 
XeTovTi  Tiepi  toO  eiöeoc  Tfic  Tuvamoc  (uuTa  ydp  TUYxdvei 
avSpiiiTToici  eovTa  dmcTOTepa  öqpöaXiiiajv),  Troi'ee  ökuuc  CKeivriv 
Gericeai  Tu^vr|v  •  Man  müßte  denn  annehmen,  ^Keivnv  hätte 


40  W.  Havers, 

hier  die  Geltung  von  betontem  aürriv  bezw.  auxfiv  cKeivriv, 
so  daß  der  Sinn  wäre :  Du  mußt  sie  selbst  sehen,  da  das 
Bild,  welches  ich  Dir  durch  meine  Worte  entwerfe,  Dir 
keine  genügende  Vorstellung  gibt  von  ihrer  Schönheit. 
24,  31;  27,  11;  117,  21;  209,  21;  III  51,  6;  VII  136, 
11;  Vin  68  a,  13:  o'i  5e  xoi  dviectricav,  dirriWaHav  outuü 
ujc  Keivouc  eTTperre;  114,  5,  14:  TOiYcip  cqpi  Mapöövioc  öbe 
biKac  ödjcei  Toiauiac  o'i'ac  eKeivoici  upeTTei;  140a,  3: 
'AOrivaioici  idc  d)aapTdöac  xdc  ec  ejue  eE  eKeivuuv  Y£V0|uevac 
TTdcac  inexiniui;  IX  53,  13;  55,  12;  57,  13;  93,  26;  109, 
9;  113,  11. 
2.  Hierher  stelle  ich  drei  Beispiele,  wo  (e)Keivoc  bei  einem 
Substantivum  steht,  während  nach  dem  gewöhnlichen 
griechischen  Sprachgebrauch  der  einfache  Artikel  genügt 
hätte;  eine  ähnliche  Verwendung  unseres  Pronomens  ist 
mir  nur  noch  im  Griechischen  des  NT.  begegnet;  II  39,  7 : 
dYayövxec  xö  cecri)aacjuevov  Kxfivoc  irpöc  xöv  ßuujuöv  . .  .  cqpd- 
Z;ouci,  cqpdSavxec  be  drroxdiuvouci  xriv  KeqpaXrjv.  ca)|ua  |aev 
bx]  xoö  Kxrjveoc  öeipouci,  KeqpaXfj  öe  Keivi]  TioWd  Kaxapii- 
cdjuevoi  9epouci  .  .  .;  40,  5:  eiredv  dTTobeipuuci  xöv  ßoöv, 
Kaxeu5d|uevoi  koiAiiiv  |U£v  Keivriv  irdcav  eH  luv  eiXov;  VI  91, 
12 :  dTTOKÖipavxec  aüxoö  xdc  x^^pctc  iY(ov  oüxo),  ai  X^iP^c 
öe  eKeTvai  ejUTrecpuKuTai  r\cav  xoTci  emcTTdcxpoici. 
Anm.  VI  40,  9  gebe  ich  der  Lesart:  Kai  |niv  oi  AöXo-fKOi  KaxriYaYOV 
den  Vorzug  vor  der  von  Stein  aufgenommenen  Kai  eKeivov  k.  t.  \. 

14.  Thucydides.  (Ausg.  v.  Stahl.) 
I.  1.  I  51,  2;  n  81,  4:  uttö  xojv  tKeiv»]  iiTreipuuxüJv;  III  71,  2; 
88,  3:  oi  CKeivri  dv6pujTroi,  ebenso  109,  2;  IV  7;  77,  2: 
xö  Hu|Li|uaxiKÖv  xö  eKeivri  rrdv;  95,  2;  VI  18,  4;  76,  2: 
xdc  )aev  eKei  ttöXeic  dvacxdxouc  rroieiv,  xdc  öe  evGdöe  Kaxoi- 
KiZieiv :  eKei  (absolut)  —  'in  der  Heimat,  in  Griechen- 
land', €v9döe  'in  Sizilien';  ähnlich  76,  3;  83,  4:  eKeT  'in 
der  Heimat';  84,  3;  85,  2:  xoic  eKei  Hu)Li)Lidxoic  'den 
Bundesgenossen  in  der  Heimat'  (absolut),  ebenso  87,  2: 
dpxeiv  |Liev  xdiv  ei<eT  .  .  .  eXeuGepoöv  öe  xd  ev9döe;  VII  16, 
1 :  auxoO  eKei  'ebendaselbst' ;  64,  1 :  xouc  xe  evödöe 
TToXeiuiouc  eu6uc  eii'  eKeiva  nXeucoiiievouc :  'ctt'  ^Keiva  i.  e. 
eiri  xd  eKei  sive  xd  oikoi  u|uTv'  (Stahl.);  Vm  86,  7 :  f)  xö  ev 
Zd)Liuj  f\  'kcTvoi  'die  Leute  in  der  Heimat',  der  Redner  be- 
findet sich  in  Samos. 


Das  Pronomen  der  Jener-Deixis  im  Griechischen,  4:1 

2.  143,2:  YVÖvxecToOTOveKeTvoveivaiTÖvKaipöv,  eviLÖTeuTToup- 
Yüüv  cpiXoc  )Lid\icTa  Kai  6  avTicidc  ^xQpöc  "jene  Gelegenheit, 
von  der  es  notorisch  ist,  daß  in  ihr  .  .  ."  (Krüger.);  144, 
2;  n  15,  2  u.  5;  18,  3:  Fernanaphora;  49,  1:  ev.  zu  DI, 
1;  92,  2 :  Fernanaphora ;  III  22,  3 :  ev.  zu  IV,  1 ;  IV  21,  3; 
25,  5;  69,  2;  V  30,  3:  Geüuv  yctp  Tticxeic  öfiöcaviec  eKeivoic 
ouK  dv  euopKeiv  TTpobibovrec  aurouc :  pronomina  ck.  et  aux. 
de  iisdem  accipienda  sunt,  sagt  Stahl  z.  d.  St.  und  ver- 
weist auf  I  132,  5;  die  beiden  Beispiele  sind  aber  wesent- 
lich von  einander  verschieden;  an  unserer  Stelle  steht  ek. 
in  fernanaphorischer  Geltung  (Bezugwort :  touc  em  OpdKric), 
und  auTOuc  ist  regelrechte  Vertretung  des  unbetonten  Pro- 
nomens der  3.  Person;  die  Stelle  I  132,  5  gehört  dagegen 
zu  IV,  2,    da  es  sich  hier   um  reine  Abwechslung  han- 
delt. VI  80,  1 :  eKtivriv  Tt]v  Trpo|ari0iav  "jene  vielgerühmte 
Vorsicht'   (Classen.);    VIII  46,   3:   Fernanaphora. 
n.  I  77,  3:  dX\d  toO  evöeoöc  xot^c^iJUTcpov  qpepouciv  f\  ei  dirö 
rrpuüTnc  dTToBeiuevoi  xöv  vö)iov  9avepa)ceTrX60veKT0U|uev.  eKeivujc 
ö'  ouö'  dv   auToi  ävTeXefov  .  .  .,  eKeivuuc  'sonst,  andrenfalls' 
mit  Bezugs  auf  den  aus  dem  Irrealis  ei  .  .  .  eiiXeoveKToOiLiev 
sich  ergebenden  Gedanken :  'Dies  haben  wir  aber  nicht  ge- 
tan'; 121,  5;  utt'  exeivaiv;  126,  11 :  evaYeic  Kai  dXiTipioi  ific 
Geou  eKeivoi  re  eKaXoüvro  Kai  xö  x^voc  xö  dir'  eKeivuuv;  143, 
2 :    xriv   xe    auxoö    cpeuYeiv   Kai    .  .  .    eKeivoic    suvaYuuviZlecöai 
'seinem  Vaterland  den  Bücken  zu  drehen,    um  auf  selten 
des  Feindes  zu  kämpfen'.  11  86,  5 :  vo)ai^ovxec  irpöc  eKeivuuv 
eivai  xi^v  ev  öXiyuj  vau|uaxiav  'sei  der  Vorteil  auf  selten  des 
Feindes';  III 12,  2:  ev.  zu  V,  1;  42,  2:  eKeivwc  'andernfalls': 
IV  9,  2 :  eKeivouc  'die  Feinde',  ebenso  12,  3 :  d^üvecGai  eKeivouc 
emirXeovxac ;   36,    2;    38,   l:    laexd   5e  xaOxa   Yevo)ievric   xfjc 
dvaKUJxnc  HuvfiXOov  ec  Xoyouc  ö  xe  KXeujv  Kai  6  Armocöevnc 
Kai  eKeivujv  üxuqpuuv  6  OdpaKoc :  Kleon  und  Demosthenes  (auf 
der  einen  Seite),  und  Styphon,  des  Pharax  Sohn,  von  der 
anderen  Seite,  traten  zur  Unterhandlung  zusammen.  VI  11, 
3:  eKeivuuc  'andrenfalls';    22:   rrpöc  xö  eKeivuuv   ittttikov:  ev. 
zu  V,  1 ;  63,  2 :  rrXeovxec  xd  xe  eix'  eKeiva  xfic  liKeXiac  'jenseits 
von  S.'  vgl.  62,  2 :  -rrapaTrXeovxec  ö'  ev  dpicxepd  xqv  ZtKeXiav, 
x6  ]uepoc  xö  Tipöc  xöv  TupcnviKÖv  köXttov;    77,  1:   xüuv  CKeT 
'EXXrivuuv  "der  überseeischen  Hellenen";    VII  13,   1:   irapa 
xr|v  eKeivuuv  iroXiv  "an  der  feindlichen  Stadt  vorbei";  31,  4; 


■42  W.  Havers, 

49,  2:  6peipovTai  TTopGoOviec  xd  tüüv  TroXeiiiiujv  Kai  cKeivouc 
ßXctvpouci;  58,  1:  ev  TuJ  6tt' eK€iva  ibpu)Lievoi  ZeXivouvtioi :  Die 
jenseits  des  Grenzgebietes   von   Agrigent  wohnenden  Seli- 
nuntier ;  62,  1 :  irpöc  Trjv  eKeiviuv  .  .  .  TrapacKeur|v  "gegen  die 
feindlichen  Veranstaltungen";  65,  3:  TrapeKeXeOcavTo  tKeivoic 
"auf  der  Seite  des  (regners  ermunterte  zum  Kampfe  .  .  ."; 
vorher  geht    die  Rede    des  Nikias  an    die   Athener.    Vm 
21 :    Kai    toTc   Teuu|Liöpoic    laeiebibocav    oute    dXXou    oüöevoc, 
ouie  eKÖoövai  oub'  dTaYecOai  irap'  tKeiviuv  oü6'  ec  eKcivouc, 
oubevi  ^Ti  ToO  br||Liou  feSfjv.   Die  Volkspartei  hatte   sich  auf 
Samos  erhoben  und  ein  Verbot  erlassen  gegen  die  wechsel- 
seitigen Heiraten  zwischen  Angehörigen  der  Gamoren  und 
der  Volkspartei;  mit  eKeivoi  werden  also  hier  die  Mitglieder 
der  Gegenpartei  bezeichnet;  104,  5:    xoO  x^piou   xoö  uepi 
xö  Kuvöc   cfi)ua  oHeiav  Kai   Yuuviuubn  xr|v   TrepißoXriv   exovxoc, 
üjcxe  xd  ev  xlu  err'  eKCiva  aüxoO  yiTvöiaeva  inr)  KdxoTixa  eivai 
"so  daß  man  das,  was  jenseits  desselben  vor  sich  ging,  nicht 
sehen  konnte". 
in.  1.  a)  I  95,    6;    121,  4:    ö  ydp    HM^ic  exojLiev   cpOcei   dYaööv, 
eKeivoic  ouk  dv  Tevoixo  öiöaxfi;  137,  4;  143,  3;  II  65, 
8 :  Ggs.  mit  Beziehung  auf  die  Staatsmänner,  die  das 
gerade  Gegenteil  von  Perikles  waren    (ev.  zu  y);   III 
10,  2:  dTToXiTTOvxujv    |uev    ujuaiv  .  .  .  Trapajieivdvxuuv    öe. 
eK€ivuuv;  12,  3:  en'  eKeivoic  bk  övxoc  dei  xoO  eirixeipeTv 
Kai  eq)'  f]|iiv  eivai  öei  xö  TrpoajuuvacBai;  IV  60,  2;  V46, 
1:  ev  |aev  xuj  cqpexepuj  KaXuJ,  ev  be  xuj  ckciviuv  dirpeTrei; 
ib.  cqpici  juev  Ydp  .  .  •  eKeivoic  be;  VI  49,  4,  ev.  zu  I,  2; 
79,  2;  99,  2;  VHI  2,  4;  86,  5; 
ß)  I  35,  4;  69,  1:  vgl.  Classen-Steup :  "xouc  utt'  eKeiviuv 
bebouXiu^evouc  ist  auf  die  att.  £u)u|uaxoi  zu  beziehen  . . ., 
denen   mit  dem  hervorhebenden  fibrj  (jetzt  auch)  die 
u|Liex6poi  Hujujuaxoi  gegenübertreten;  83,  2:  Kai  eKeivoic; 
84,  4;  90,  1;  121,  4:  ö  b'  cKeTvoi  eTTicxrmri  TTpouxouci 
KaGaipexeov  ri|uTv  ecxi  iiieXexri;  127,  2;  142,  3;  144,  2; 
n34,  5;  62,  1;  92,  4,  ev.  zu  II;  III  16,4;  36,5;  44,1: 
ou   Ydp   Tiepi    xf)C   eKeivujv    dbiKiac  .  .  .  dXXd   irepi    xnc 
rjiuexepac  eüßouXiac;  ib.  4;  56,  3 :  vgl.  Stahl  z.  d.  St.;  60 
Kai  eKeivoic;  65,  2:  oux'  eKeivoi  .  .  .  ou9'  imeTc ;  77,  1 
IV  28,  2 :  OUK  ^qpri  aüxöc  dXX'  eKeivov  cxpaxriYcTv ;  38,  2 
73,  4;  78,  4;  99;  VI  17,  5;  61,  2;  88,  8:  Kai  eKeivouc 


Das  Pronomen  der  Jener-Deixis  im  Griechischen.  43 

VII  6,  1;  12,  3:  KoiKeivoi;  ib.  5;  21,  3:  oube  CKeivouc; 
56,  2;  62,  4:  |ur|Te  auxouc  . . .  jurit'  exeivouc;  YIII  75,  3 : 
0UT6  eKeivoic  .  .  .  oüxe  cqpiciv;  76,  6; 

t)  I  13,  5 :  ged.  Ggst. ;  93,  4:  Tf)  exeivou  Tvui|ni;i  "so  wie 
er  es  für  gut  hielt";  145;  II  7,  2:  ged.  Grgs.  zur 
anderen  Partei;  13,  1 :  eveKa  eKeivou  "nur  seinetwegen"; 
20,  1 :  Kai  ec  tö  irebiov  eKeivi]  rr)  ecßoXf]  ou  Kaiaßnvai : 
hierzu  bemerkt  Stahl  richtig:  "respicitur  ad  posteriores 
incursiones,  in  quibus  revera  Archidamus  in  planitiem 
descendit,  cf.  55,  1;  III  1,  1";  vgl.  11  57,  2:  tt)  ecPoXf^ 
TttUTr]:  wo  kein  Ggs.  vorliegt;  20,  4;  59,  2;  72,  2: 
ged.  Ggs.;  HI  52,  2:  ged.  Ggst;  lY  29,  4:  €tt'  6K€ivoic 
Totp  av  eivai  Tfjv  emxeipriciv:  Dasselbe  Bezugwort  ist 
kurz  vorher  durch  unbetontes  auiouc  aufgenommen; 
37,  2:  ei  ßoüXoivTo  xd  ÖTtXa  TiapaboOvai  Kai  cqpdc  aii- 
Touc  'ABrivaioic  oicxe  ßouXeOcai  ö  ti  dv  €K6ivoic  boKfj: 
Durch  den  Nachdrucksakzent  des  Pronomens  wird 
die  vollständige  Abhängigkeit  vom  Willen  der  Athener 
hervorgehoben ;  Y  57 ,  2 :  ev.  zu  l ;  ebenso  67,  2 ; 
116,  3:  Suvexuupricav  ToTc  A9rivaioic  iüct'  eKeivouc  Tiepi 
auTojv  ßouXeöcai,  vgl.  zu  lY  37,  2;  YI  56,  2:  öi' 
eKeivov  "seinetwegen";  61,  1;  ib.  5:  öi'  eKeivou;  89,  2: 
ged.  Ggs.; 

b)  I  142,  4,  ev.  zu  II;  143,  4;  II  60,  4:  noXic  |nev  xdc 
i&iac  Hupqjopdc  oia  xe  cpepeiv,  eic  be  eKacxoc  xdc  eKeivric 
dbuvaxoc;  89,  5;  III  12,  1;  23,  4;  55,  3;  IV  29,  3; 
V  17,  2:  ecTreicavxo  Trpöc  xouc  ÄGrivaiouc  Kai  uj|Liocav, 
eKeivoi  xe  Trpöc  xouc  AaKebai|Lioviouc,  xdbe;  YI  18,  1: 
wir  müssen  ihnen  helfen  und  dürfen  nicht  einwenden 
öxi  oube  CKeTvoi  fiiniv  (sei.  geholfen  haben);  36,  4:  eirei 
eyaiTe  dYarrdv  oi'o)iiai  auxouc  oxi  oux  f)|ueTc  err'  eKeivouc 
epx6)ue9a :  Sinn :  ich  glaube  nicht,  daß  die  Athener  es 
wagen  werden,  eine  Expedition  hierher  nach  Sizilien 
zu  unternehmen,  sie  werden  vielmehr  froh  sein,  wenn 
wir  nicht  gegen  sie  ziehen;  eKeivouc  unterscheidet  sich 
also  durch  den  Nachdrucksakzent  von  dem  vorhergehen- 
den auxouc;  Classen  bemerkt  z.  d,  St.  "auxouc-eKeivouc 
beides  auf  die  Athener  zu  beziehen;  letzteres  gewählt 
im  Sinne  des  Syracusaners  von  dem  Zuge  über  die 
See";  richtiger  sagt  Krüger:  "eKeivouc,  ein  betontes  sie"; 


44  W.  Havers, 

63,  1 :  Triv  eqpoöov  oi  AOrivaToi  km  ZupaKoucac  irape- 
CKeudZ[ovTO,  oi  be  XupaKÖcioi  Kai  auxoi  ujc  err  eKeivouc 
ioviec;  ähnlich  ib.  2;  82,  o:  oubev  TrpocfJKov  )ud\Xöv  ti 
eKeivouc  f)|nTv  fi  Kai  niuiäc  eKeivoic  eTTiidcceiv;  VII  44,  5; 
VIII  43,  1:  em  |uev  tö  .  .  .  vauxiKÖv  oux  öpiurjcavTec, 
ovh'  eKEivoi  ett'  eKeivouc  .  .  .  dTreTrXeucav;  76,  5:  ujcie 
auToi  öuvaiiJÜTepoi  eivai  eipxeiv  eKeivouc  . .  .,  f)  utt'  eKeivuuv 
ei'pTecGai;  82,  3:  tuj  )Liev  Ticcacpepvei  touc  'A6r|vaiouc 
qpoßeiv,  eKeivoic  he  töv  Ticcaqpepvri; 

e)  I  55,  1 :  riv  öe  koivov  KepKupaiuuv  Kai  eKeivuuv  "es  gehörte 
den  K.  und  ihnen  gemeinschaftlich" ;  142,  5 ;  ib.  9 ; 
II  65, 5;  III  13, 1 :  drro  Te'AOr|vaiuuv  |U)i  auroi  öiaqpBapfivai 
utt'  eKeivuüv  ev  uciepiu,  dWd  rrpoTTOificai,  sed  hoc  (tö 
biaqpGeipai)  ante  faceremus,  sed  eos  hoc  faciendo  prae- 
veniremus  (Stahl);  IV  80,  1;  V  83,  3;  VII  21,  3: 
Vergleich;  73,  2;  81,  5:  oü  TTpöc  eKeivuuv  ladWov  fjv 
eil  f]  rrpöc  tujv  'Aörivaiuuv;  VIII  82,  3;  91,  3; 

Z;)  V  16, 1 :  "Dessen  Rückkehr  sei  Schuld  daran,  daß  . . ."; 
21,  2:  ßia  eKeivuuv,  'wenn  die  dagegen  sind';  66,  3: 
ßaciXeuuc  yotp  axovToc  utt'  CKeivou  irdvia  dpxerai  "so 
steht  alles  unter  dessen  Kommando",  ev.  zu  y;  VI  28; 
29,  3 :  öl'  eKeivov  "nur  seinetwegen",  (ev.  zu  f) ;  89,  4 : 
Kai  dtr'  CKeivou  . . .  "und  das  ist  der  Grund,  weshalb  . . ." ; 
VIII  47,  1,  vgl.  Classen  z.  d.  St.;  48,  6:  tö  fxev  kn 
eKeivoic  eivai  "wenn  es  auf  die  ankäme"; 

r\)  in  34,  3 :  eKeivov  )aev  ev  cpuXaKi]  döec|ULu  eixev,  auxöc 
öe  TTpocßaXujv  tuj  TeixicjaaTi  .  .  .  aipei  "er  ließ  ihn  be- 
wachen und  machte  dann  einen  Sturm  auf  die  Festung". 
V  22,  2 ;  VIII  9,  1 ; 

9)  I  126,  6;  137,  3;  IH  30,  2 ;  IV  9,  3 :  ouTe  yap  otmol  . . . 
eKeivoic  Te  .  .  .;  30,  4;  36,  3;  V  65,  5;  VI  76,  3; 
VII  6,4; 

i)  n  36,  2;  IV  76,  2,  ev.  zu  I,  2;  VI  19,  1;  61,  4; 
93,  2;  103,  4;  VII  85,  1;  VIII  97,  3; 

k)  n  67,  3;  IV  89,  1;  V  66,3; 

2.  VII  63,  3. 

3.  I  81,  6. 

IV.  1.  I  99,  3;  II  58,  1;  90,  3;  III  75,  3;  IV  38,  1  ev.  zu  I  2; 
VI  99,2;  VII  42,3; 
2.  I  45,  3;  53,  4;  62,  6:    tö   toO  'ApiCTeuuc  Kepac  Kai  öcoi 


Das  Pronomen  der  Jener-Deixis  im  Griechischen.  45 

Tiepi  eKeivov  i^cav  KopivGiuuv;  102,  4;  132,  5;  138,  6:  rd 
bi  öcid  qpaci  KOiuicGrivai  aÜToO  oi  irpocriKovTec  oiKaöe  KeXeu- 
cavTOC  eKeivou;  VI  34,  4:  öriXov  iroificai  auToTc  .  .  .  f]  toö 
exeivouc  Trepaiuuöfivai  töv  'löviov,  judXicT'  av  auTouc  ... 
VII  1,  1;  44,  5;  VIU  56,  3. 
V.  1.  I  95,  4;  121,  5;  III  37,  2;  64,  4;  IV  114,  4;  V  7,  1; 
38,  3;  116,  1. 

2.  I  28,  3  ;  ib.  5  :  Kai  eKeivoi ;  91,5:  dveu  eKeivu)V-|ueT'  eKeivuuv 
136,4;  11  67,  2;  72,  2;  IV  65,  2:  KaKeivoic;  78,4;  98,4 
8;  99;  114,  5:  ou  c(pfeic  döiKefcGai,  dW  eKeivouc;  V  49,  5 
Ggst. ;  VI  6,  2:  Kai  triv  CKeivoiv  öuvaiuiv;  64,  3;  88,  7 
Kai  EKeivoic;  VII  5,  3:  Ggst;  VIII  27,  1;  46,  3:  Ggs. 
50,  5:  öl'  eKdvouc  "um  ihretwillen";  92,  10:  Kai  CKeivoic 

3.  n  11,  6 :  Ggst.  IV  56,  2;  VI  78, 1 :  Ggst. ;  VIII  12,  2 ;  45,  5. 
15.  Xenophon  (Ausg.  von  Sauppe). 

I.  1.  Cyrop.  I  3,  15:  eKeivouc  touc  djaGouc:  adverbial;  16:  xnv 
öe  öiKaiocuvriv,  iJu  TraT,  ttujc  laaGricei  evGdöe,  eKei  övtuuv  coi 
Toiv  öiöacKdXuuv  "während  deine  Lehrer  zu  Hause  sind" ; 
4,  19;  ni  1,  38;  IV  5,  11;  6,  2,  6 ;  VII  1,  17;  3,  29; 
An.  III  3,  17 :  eKeivai  fäp  ...  oi  öe  Poöioi  .  .  .  "denn 
während  diese  nur  auf  kurze  Strecken  treffen,  verstehen 
die  Rhodier  . .  .",  ebenso  Mem.  I  3,  13 :  toüto  tö  Gripiov 
ö  KaXoüci  KaXöv  Kai  djpaiov,  tocoutuj  öeivöiepov  ecii  töjv 
cpaXaYTiuuv,  öcuj  eKeiva  )Liev  dnjd)Lieva,  toüto  öe  ouö'  diTTÖ- 
fievov  .  .  .  evi'nci  ti  .  .  . :  das  Gespräch  dreht  sich  um  das 
KaXöv  Kai  ujpaTov  und  dieses  wird  daher,  obwohl  es 
grammatisch  ferner  steht,  mit  toüto  bezeichnet,  während 
die  qpaXdYTict  trotz  der  grammatischen  Nähe  mit  eKeiva 
aufgenommen  werden,  weil  sie  eben  nur  zur  Veranschau- 
lichung herangezogen  sind;  4,  10:  oütoi  ...  uTrepopüJ  tö 
öai)Liöviov,  dXX'  eKeivo  jueTaXoTTpeTrecTepov  fiYoüf.iai  f\  ujc : 
transzendentaler  Begriff;  vgl.  hierüber  Alex.  Buttmann 
a.  a.  0.  S.  513  ;  III  7,  8  :  vgl.  oben  zu  I  3,  13;  dem  Sokrates 
kommt  es  in  erster  Linie  darauf  an,  den  Charmides  zu 
einem  öffentlichen  Auftreten  in  der  Volksversammlung  zu 
bewegen ;  IV  1,  1 ;  3,  10 :  TpeqpovTai  yoüv  Kai  xPHI^otTiZlovTai 
oubev  fJTTov  üTTÖ  ToÜTLuv  f\  dii'  eKeivüuv :  vgl.  zu  Mem.  I 
3,  13 ;  Sokrates  will  beweisen,  daß  die  Tiere  dem  Menschen 
mehr  Nutzen  bringen,  als  die  Pflanzen ;  Hell.  13,  10 ;  VI  1, 
19;  4,  33:  dTToGavövxoc  luevToi  eKeivou;  5,  1;  Conv.  4,  62. 


46  W.  Havers, 

2.  Cjrop.  VI  2,  14 :  ttoXu  TiXeiouc  cuv6i\eT|ue6a  vOv  f\  öxe 
eviKuJ)nev  eKeivouc:  keine  Fernanaphora;  eKeivouc  für  aurouc 
mit  Beziehung  auf  die  Vergangenheit,  um  den  Gegensatz 
zur  Gegenwart  schärfer  hervortreten  zu  lassen;  VII  5,  20; 
VIII  1,  7;  An.  V  6,  31;  VII  1,  28:  'AGrivaiuuv  be  Kai  o'i 
eKcivoic  TÖTE  ncav  cu)a|uaxoi :  tKeivoic  für  toutoic  oder 
auToic  durch  den  Einfluß  des  folgenden  xore;  Mem.  II 
7,  9;  9,  8;  III  5,  10,  ib.  eKcivoi  Wie  Vorfahren';  IV  2,  7  : 
laOra  eKeivuuv  öucKatepTacTOTepa  qpaiverai;  5,  4:  CKeiva: 
das  zuletzt  Erwähnte,  ähnlich  7;  HeU.  I  1,  30;  6,  11; 
n  2,  23 :  vo|ui2ovTec  eKeivtiv  Trjv  f])uepav  .  .  .  dpxeiv  Tf\c 
eXeuOepiac:  wir:  "dies  sei  der  erste  Tag  der  Freiheit". 
3,  23 :  TTOJC  ou  laöia  . . .  CKeiviuv  döiKUJTepa;  III  1,  17;  V  4, 
5 :  Fernanaphora ;  VII  2,  2  :  OXidcioi  toivuv  qpiXoi  |aev 
exevovTO  AaKeöaijiiovioic,  öx'  eKeivoi  ineYicxoi  i^cav  •  cqpa- 
Xevxuuv  ö'  auxuuv  ev  rr\  ev  AeuKxpoic  ladxT)  .  .  .,  eKeivoi  be- 
zieht sich  auf  die  unmittelbar  vorher  genannten  Lace- 
daemonier;  (vgl.  oben  Cyrop.  VI  2,  14)  5,  20;  Oec.  IV  19; 
XIV,  7;  Ag.  Vm,  7;  KL.  XV,  7;  Ven.  VI,  18;  VII  11: 
xouxou  judXXov  f]  CKeivou  cppovxiJIeiv. 

IL  Cyrop.  III  2,  1 :  dei  ckottoi  eiciv  eKeivujv :  es  sind  immer 
feindliche  Kundschafter  da;  3,  17:  eKei  "im  Lande  des 
Feindes"  (Ggs.  evBdbe) ;  ib.  eKeivoi  "der  Feind" ;  ib.  eic  xrjv 
eKeivuuv    "in  Feindesland",  (Ggs.  evGdöe) ;  ib.  eir'   eKeivouc  ; 

3,  18 :  ev.  zu  III,  1 ;  dasselbe  gilt  von  der  ebendaselbst 
stehenden  Stelle :  ouk  dvainevoiaev,  euuc  dv  r\  r^exepa  x^jpa 
KttKiIixai,  dXXd  cpOdvovxec  nör|  brioOiuev  xrjv  eKeivuuv  Tfjv  ;  ebenso 
3,  19:  eKeivouc  |aev  9oßepuuxepouc  TToirjCoiaev,  r])ndc  b'  auxouc 
OappaXeiuxepouc;  ib.  30:  hier  finden  sich  kurz  hintereinander 
drei  Bezeichnungen  für  "Feind":  irpöc  xö  epu|ia  xüuv  dv- 
bpüuv  .  .  .  edv  jur]  dvxeTieEiuuciv  eKeivoi  .  .  .  oi  TToXe|uioi ;  über 
Ol  dvbpec  =  Ol  TroXe)Liioi  bei  Xenophon,  vgl.  Hertlein  z.  d.  St. ; 
VI  1,  10:  Kai  xaux'  eirpaxxov  xd  oiKeia  barravojv.  vOv  b'  exuu 
|Liev  xd  eKeivuuv  cppoupia,  ou  qpoßoOiLiai  be  eKeivouc,  euuuxoö|iai 
be  xd  eKeivuuv  Kai  Trivuu  xd  xüuv  iroXeiaiuuv  :  hier  stehen  xd 
eKeivuuv  und  xd  rroXeiaiuuv  ganz  gleichwertig  neben  einander; 
ib.  15 :  xüuv  )iev  ^Keivuuv  öxupuüv  "von  den  feindlichen 
Festungen";  ib.  42:  iva  KdKeivoic  mcxoxepoc  fjc,  Sinn:  Hier 
in  unserem  Lager  glaubt  man  schon,  daß  du  wirklich  aus 
Furcht  vor   meiner   Strafe   ein  Überläufer  geworden   bist. 


Das  Pronomen  der  Jener-Deixis  im  Griechischen.  47 

nun  sorge  auch,  daß  du  drüben  beim  Feinde  Glauben  findest 
(vgl.  §  39);   43:  Ttap'  CKeivoic;  An.  III  2,  17:    ^qpuTov  yoOv 
Trpöc  eK€ivouc  KataXiTTÖviec  fifidc  "sie  ließen  uns  im  Stich 
lind  flohen  zum  Feinde" ;   V  4,  3 :   oi  ck  toO  erreKeiva :  die 
jenseits  des  Gebirges  "Wohnenden;  ib.  KaXecai  eKeivouc;  Hell. 
I  6,  11;  II  2,  10;  in  5,  17;  IV  8,  32;  Y  2,  24;  hierher  ge- 
hört auch  wohl  das  in  RL.  so  oft  vorkommende   eKei  "in 
Sparta';  es  ist  hier  nicht  einfache  Ortsbezeichnung,  sondern 
drückt  den  Gegensatz  aus,  der  zwischen  den  Yerhältnissen 
in  Athen  und  in  Sparta  besteht,  so  daß  man  es  mit  Mrüben' 
übersetzen  kann.    (Ggs.  'bei  uns"). 
in.  1.  a)  Cyrop.  I  5,  36 :  qpavepouc  coi  övrac   dqpavrjc  auToc   ojv 
eKeivoic;  II  2,  15;  IV  5,  21,  ev.  zu  ß;   47;  52;  V  3, 
12:  ei  7tpocßdXoi)ai  )Liev  ejd)  .  .  .  diroiudxoiTO  bk  eKeivoc 
14 :  rd  |uev  evöov  eKeivou  .  .  .  xd  ö'  eSuuBev  coO ;  5,  1 
An.  III  1,  35:  fiiiiiv  .  .  .  rrdvia  TToirirea,  ujc  juriiroT'  em 
ToTc  ßapßdpoic  Y£vuj|ue0a,  dWd  indWov  .  .  .  eKeivoi  eqp' 
f]|Liw;  V  5,  18;  VII  7,  21;  Mem.  I  2,  60:   ^iiKpd  |uepti 
irap'  CKeivou  rrpoiKa  Xaßoviec  ttoXXoO  toTc  dXXoic  eTTUj- 
Xouv;  III  14,  5  bis;  IV  4,  4;  Hell.  12,  15:  ujc  auioi 
|uev  övtec   drixiriToi,    eKcTvoi  he  f)TTrmevoi  rJKoiev;  4,  13; 
7,  9;  II  1,  26:  auiol  ydp  vöv  crparriYeTv,  ouk  eKeivov; 
3,  35;  ni  2,  18;  IV  1,  8;  VI  5,  16;  VII  4,  34:  öttujc 
}xf]  auToi  err'  eKeivoic,  dXX'  eKeivoi  em  ccpiciv  eiev;  Oec. 
VH  7;  Conv.  IV  30;  Vect.  III  8; 
ß)  Cyrop.  I  4,  8:  KdKeTvov;  19:  KdKeTvoi,  ebenso  5,  8;  6,  42; 
n  4,  7:  KdKeivou;  8:  e|uo0  juev  .  .  .  eKeivou  6';  III  1,  41: 
TiTpdvqc  errnpero  inv  YuvaTKa,  'H  Kai  coi,  eqpr),  iL  'Ap|uevia, 
KttXöc   eöOKei   6  Köpoc   eivai;    AXXd    |nd   Ai',   eqpn,    ouk 
Ikcivov  e9euj)uriv.  'AXXd  riva  fir|v;  eqpr)  6  TiTpdvric  Töv 
eiTTOVia  vri  Aia,  ujc  .  .  .;  2,  27:  Kai  xd  eKeivujv  'auch 
ihre  Angelegenheiten';  3,  6;  12;  ib.  eitrev  auroTc  .  .  . 
bibdcKeiv  l'KacTov  xouc  eautoö  dtrep  autöc  eKeivouc;  15; 
IV  2,  1;  12;  V  2,  17:  outuj  KdKeivoi,  ebenso  25  u.  28; 
3,  8:  eTuiye  KaKeivoc;  ebenso  12;  VI  1,  16:  ouöev  öiaqpe- 
pojuiev  Tüjv  ev  tuj  TreXdYei  irXeövTUJV  •  Kai  ydp  eKeivoi . . . ; 
so  wird  stets  in  Vergleichen  das  unmittelbar  vorher- 
gehende Bezugwort  durch  betontes  eKeivoc  aufgenommen ; 
Beispiele   dieser  Art  finden  sich  besonders  zahlreich 
bei  Polybius;  VII  3,  15;  5,  79;  An.  I  1,  4;  3,  9:  oute 


4S  W.  Havers, 

Yttp  ni^eic  CKeivou  eii  cTpaxiüJxai,  enei  ye  ou  cuverroiLieGa 
auTLu,  ouie  eKeivoc  eri  fjiLiTv  mcGobotric;  II  3,  24;  6,  5; 

III  i,  21;  lY  5,  33;  VI  3,  12;  4,  11;  VII  2,  30:    Kai 
keivouc;  6,  5;  9:  eKcTvov  |uev  .  .  .  f)|idc  be;  7,  39;  40; 
Mem.  I  1,  3:  KaKtivoc;  7,  2  bis;  II  3,  14;  17;  10,  5: 
ouie  coi  .  .  .  out'  eKeivuj;  IH  11,  6,  vgl.  ib.  7:  Kai  e)iioi 
ouv;  13,  6;  Hell.  I  1,  18;  29;  3,  10;  11 :  KaKtTvov;  ib. 
KttKeivoc;   II  3,  22;  30;  35;  46;  4,  23;  lü  1,  3:  dvi' 
eK€ivou;  14;  27;  5,  14;  IV  1,  10;  11;  37;  2,  15;  4,  2; 
5,  19,  ev.  zu  I,  2;  6,  14;  7,  2;  8,  5:  ouö'  eKeivouc;  23; 
V  2,  27 ;  3,  20:  dvi'  eKeivou;  4, 13;  24:  be  sollte  eigentlich 
hinter Iqpoöpiav  stehen;  45;  50;  66;  VII,  14;  5,  51 
VU  1,  7;    13;   3,  8:  ufidc  dvx'  eKeivuuv;  4,   3;  5,  18 
Conv.  n  25;   VIII  34;  Ag.  I  8;   IE  2;   V  7;   XI  15 
EL.  X  5;  Hipp.  I  16;  VI  4  (auch  Komparativ);  REq. 
IX  11; 

y)  Cyrop.  III  2,  30:  eKeivou  eveKev  'seinetwegen',  kurz 
vorher  unbetontes  auTuJ;  3,  56:  eTiei  eKeivuj  öoKeT,  d'Hiü 
f|öri :  ged.  Ggs. :  "ich  halte  es  noch  nicht  für  ratsam" ; 

IV  1,  13;  6,  2:  ged.  Ggs.;  ebenso  6;  VIII  2,  25:  ged. 
Ggst.;  An.  13,  18;  epuuTdv  eKeivov  ihn  (selbst)  zu  fragen, 
nachdem  wir  uns  bisher  nur  auf  Vermutungen  ge- 
stützt haben;  ev.  zu  I,  2;  8,  27:  ged.  Ggst,  (sei.  ich, 
der  ich  mich  im  Heere  des  Cjrus  befand,  berichte 
wie  viele  um  den  fielen),  V  5,  7 :  ged.  Ggst.,  d.  h.  die 
Kotyoriten  waren  nicht  ihre  eigenen  Herren,  sondern 
abhängig  von  Sinope;  Mem.  12,  60:  ged.  Ggs.  zu 
anderen  sogen.  Philosophen ;  III  9 ,  11:  ged.  Ggst. ; 
IV  2,  2 :  ujcie  Tipöc  eKeivov  dTroßXeTieiv  iriv  ttöXiv  "nur 
auf  ihn',  vgl.  oben  HI  5,  12;  HeU.  IV  1,  40;  8,  12: 
ged.  Ggst;  V  2,  14;  17  ;  3,  27  :  üjcre  . . .  TTavidTraciv  eTT 
CKeivoic  eivai:  Durch  den  Nachdrucksakzent  des  Pro- 
nomens wird  der  Gegensatz  zwischen  Autonomie  und 
Abhängigkeit  bezeichnet;  VI  1,  6:  ged.  Ggst;  3,  11: 
vuv  ToOv,  ibc  ecTTGuödcaie  auTov6|uouc  rdc  ttoXcic  Tevec9at, 
TTOtcai  TTdXiv,  eTTei  i'ibiKriGricav  oi  ©nßaToi,  in'  eKeivoic 
TeTtvnvTai;  VII  1,  6:  errel  b'  6  9eöc  eöuuKe  noTe  auToTc 
Kaxd  BdXaTTav  eiriKpaTficai,  euGuc  uir'  eKeivoic  TravieXiiJC 
eTevecGe;  VII  1,  24:  ouctivac  eKeivoc  KeXeuoi  d.  h.  sie 
richteten  sich  ganz  nach  seinem  Willen,  Ven.  116;  XH  21. 


Das  Pronomen  der  Jener-Deixis  im  Griechischen.  49 

ö)  Cyrop.  I  3,  17  ;  IV  4,  13  :  em  toutouc  f))ndc  dfeie,  öttiuc 
uiLieic  €K6ivuuv ,  ixf]  uueTc  utt'  eKeivuuv  dpxncOe ;  6,  6 : 
qpiXiKd  erraGov  utt'  eKCivou  Kai  urrnpexrica  eKeivuj,  ev. 
zu  I,  1  ;  VI  1,  11 ;  VIII  3,  38;  An.  I  2,  27  ;  II  6,  19 ; 
in  5,  16 ;  IV  8,  7 :  oi  MciKpujvec  .  .  .  toTc  "EWriciv,  oi 
bk  "EWrivec  eKeivoic;  Mem.  II  3,  11:  Kardpxoiiu'  dv  toö 
auToc  .  .  .  KaXeTv  eKeivov,  bevor  ich  verlange,  daß  6v 
mich  einladet;  ebenso  12,  13;  7,  9:  oure  cu  eKtivac 
(piKexc  out'  keTvai  d;  10,  5;  III  8,  1;  Hell.  III  4,  6; 
IV  1,  4 ;  Conv.  IV  63  :  AicxuXov  .  .  .  irpöc  eine  enaivuuv 
Ktti  iixe  Trpöc  eKeivov;  Ven.  XII  19  :  oicirep  auxoic  eKeivr) 
e|Li9avric  ecxiv,  outuu  Kai  auroi  utt'  eKeivj"|c  öpüjvrai; 

e)  Cyrop.  14,  24:  laövoc  rOuv  dWoiv  eKeivoc;  6,  20  :  Ver- 
gleich; 112,  9:  6  dWoc  öe  rrdc  Xöxoc  ibujv  eKeivov 
cuvexpexe  'als  der  ganze  übrige  Lochos  sah,  daß  der 
lief,  liefen  auch  sie';  III  1,  27;  IV  1,  7:  cuvriceeic 
eKeivuj  Koivri;  17:  ou  cu  ludWov  .  .  .  Xaßeiv  eTTi9u)iieTc  f| 
eKeivoi  cuucai;  V  1,  8  :  Komparativ;  2,  35;  VI  1,  47:  TTeipUü- 
iLievoc  öjaoioc  eivai  TTepi  eKeivov,  oiöcTrep  eKeivoc  TTepi  ce ; 
VII  2,  28:  Vergleich;  VIII  3,  14:  TTapiuxeiTo  öeauTUJ 
fjvioxoc  lue^ac  |aev,  laeiuuv  b'eKeivou;  4,  29:  eTTeTpeqjev 
auToic  öiaveiaeiv  uucTTcp  auiöc  eKeivoic  5ievei|iiev;  An.  I 
3,  9:  id  )aev  bx]  Kupou  .  .  .  ouiuuc  exei  TTpöc  fi)udc  äiCTrep 
td  rmeiepa  TTpöc  eKeivov;  4,  8:  KaKiouc  eici  TTepi  fi|udc 
fi  fmeic  rrepi  eKeivouc;  114,  9;  VI  3,  13:  cuv  eKeivoic 
(Ggs.  laövoi);  18;  Mem.  I  2,  60;  62:  Superlativ;  II  6, 
3:  Komparativ,  ev.  zu  I,  2:  7,  14;  III  5,  14  bis: 
Komparativ;  IV  1,  1;  8,  11  ;  HeU.  I  7,  21;  IUI,  11; 

3,  2  ;  9 :  eqp'  eva  eKeivov  "daß  es  einzig  auf  ihn  ab- 
gesehen wäre;  IV  1,  8:  |nr|  eKeivov  .  .  .  juövov  . . .  dXXd 
Kai  efae;  VI  1,  11 ;  3,  12;  VII  1,  9  bis:  Vergleich;  24; 
Conv.  II  22;  IV  12:  "Sein  Anblick  geht  mir  über 
alles";  ähnlich  14;  23;  Hipp.  IH  13;  REq.  I  1  bis; 
Ven.  I  12:  Komparativ;  15:  i^övo»  eKeivuj;  X  23; 

l)  Cyrop  V  1,  8 :  i'cuuc  dv  d|ueXricac  div  |ue  bei  rrpdTTeiv 
Kaet]nr|v  eKeivrjv  9ed»^evoc,  Sinn :  Die  Zeit,  die  ich 
meinen  Geschäften  widmen  sollte,  würde  ich  dann  ihr 
widmen;  VII  2,  15,  ev.  zu  t;  VHI  2,  13 :  eKeivoc  Toivuv  ; 

4,  2  ev.  zu  t;  8,  16:  cacprjvicai  be  ßouXo|aai  Kai  rriv  6puiiJiv 
aÜTuijv.  eKeivoic   jap  .  .  .,  Beginn   der  Erzählung;  An. 

Indogermanische  Forschungen  XIX.  * 


60  W.  Havers, 

n  6,  6  ;  Mera.  I  1,  10:  dWct  inriv  keivoc  ye  •  •  •  2,  15 : 
€1  ö)mXiicaiTriv  eKeivuj  "durch  Umgang  mit  ihm",  ev. 
zu  t;  ebenso  24;  III  5,  12  ev.  zu  y;  IV  2,  6:  eveKa 
ToO  lan^^v  dfveu  ttic  ^Keivcuv  yvüu)jtic  Troieiv ;  Hell.  III 1,  1 : 
KttKeTvoc  ^evTOi;  ö,  9:  Begründung;  ib.  tö  faev  eir'  eKeivoic 
€ivai  "so  viel  an  ihnen  lag",  V  1,  20:  Beginn  der 
Begründung;  4,  20,  ev.  zu  lY,  1;  4,  32:  eKeivöc  ye; 
YI  1,  3:  KdKeivoc  nevTOi;  18;  3,  4;  YII  1,  29;  33; 
5,  25 :  enei  fe  }if\\  eKtivoc  eirecev;  Oec.  lY  4;  Conv.  I  9; 
Ag.  lY  5:  eKeivoc  xoivuv,  ähnlich  YII  5;  YIII  3:  Be- 
ginn der  Erzählang;  XI  2:  CKeTvöc  xe  M^v  .  .  .  ebenso 
14;  KL.  I  2;  III  5;  IX  3;  Yen.  XII  20. 

n)  Cyrop.  YI  3,  6  Hell.  II  3,  48;  III  4,  26;  lY  5,  2;  8,  8; 
Y  1,  3;  2,  10;  36;  3,  19:  eHou  toO  iepoö  eTeXeuTnce. 
Kai  eKeivoc  \xkv  ev  lueXm  xeGeic  .  .  .  eiuxe  rrjc  ßaciXiKf^c 
Taqpfjc.  AYriciXaoc  öe touto  dKoOcac  oux . . .  eqpricBri . , .  "Sein 
Leichnam  wurde  in  Honig  gelegt  und  mit  königlichen 
Ehren  begraben ;  als  Agesilaus  die  Todesnachricht  erhielt, 
freute  er  sich  nicht...",  4,  6;  58;  YI  2,  26;  39: 
KÖtKeTvoc  laev  öf]  .  .  .  oi  be  'ABrivaToi:  Übergang  zu 
neuem  Punkte;  4,  3;  5,  17;  YH  2,  18;  23;  4,  29 :  oi 
öe  'ApKdöec  eKeivouc  ixev  ouk  dv  iroxe  ujovto  eXGeiv  eiri 
ccpdc,  auToi  öe  cuv  TTicdraic  öiexiOecav  ti]v  iravriTupiv : 
Der  einfache  Gedanke  ist  hier  beinahe  allzu  künstlich 
durch  piiv-bi  periodisiert ;  39;  5,  14;  Conv.  I  11; 

0)  Cyrop.  Y  1,  24 :  6  .  .  .  tüjv  lueXixaiv  iiTeiuujv  eKeivuj 
xe  ydp  .  .  .  Kai  irpöc  ce  .  .  . ;  YHI  8,  1  ev.  zu  5 ;  An. 
YII  6,  32 ; 

i)  Cjrop.  II  1,  7;  III  1,  6:  KaKeTvov  Kai  xd  dXXa;  3,  27; 
An.  I  5,  13:  r|Xauvev  erri  xouc  Mevuuvoc,  uicx'  eKeivouc 
eKireTTXfixOai  Kai  auxöv  Mevuuva;  Mem.  II  7,  10;  lY  4,  3  ; 
Hell.  17,  18:  utt'  eKeivuuv  xe  Kai  xivuuv  dXXuuv;  III  2,  9; 
Y3,  5; 

k)  Cjrop.  II  1,  22;   YIH  3,  19:    ei  xic  xi  auxoö  öeoixo, 
bibdcKeiv  xiJüv  mTTdpxujv  xivd  .  .  .  eKeivouc  5e  eqpri  irpöc 
aüxöv  epeiv;  Hell.  HI  1,  6; 
2.  Dieser  präparative  Gebrauch  des  Pronomens  eKeivoc  ist 

charakteristisch  für  den  Xenophonteischen  Stil.  Cjrop.  I 

5,  14;  n  1,  3,  21;  3,  6;  4,  25;  III  1,  28;  lY  2,  26;  3,  8; 

13 ;  Y  2,  35 ;  3,  30 ;  5,  29 :  eKeivo  Kaxav6r|Cov •  ei  Tic  .  .  ., 


Das  Pronomen  der  Jener-Deixis  im  Griechischen.  51 

"bedenke  Folgendes  .  .  .";  YII  5,  80;  83;  VIII  8,  11; 
Mem.  II  6,  27 ;  IH  3,  9 ;  4,  11 ;  5,  26 ;  6,  13 ;  IV  3,  9,  15 ; 
5,  9;  6,  14;  Hell.  II  3,  56;  UI  4,  18;  Oec.  I  16;  XV  1; 
Conv.  II  18;  IH  6;  IV  40,  49;  V  7;  Hi.  II  2;  VHI  2; 
Ag.  I  27;  Vm  4,  5bis;  IX  6;  KL.  VI  4;  X  5;  vect. 
IV  10,  22,  25;  Hipp.  VI;  VII  10;  VIII  9,  15. 

3.  Cyrop.  IV  2,  44;  V  2,  8;  Hell.  VI  3,  16;  5,  51;  Oec.V 
17;  XII  2;  Hi.  VI  1;  Ag.  X  4;  EL.  XI  8;  vect.  V  9; 

4.  Cyrop.  I  4,  19;  6,  9;  VI  1,   17;  2,  33;  Mem.  I  2,  24 ; 
Hell  II  4,  41 ;  RL.  X  4 : 

IV.  1.  Cyrop.  II  2,  4;  4,  12;  HI  1,  38;  IV  5,  1 ;  V  3,  4;  4,  36; 
VI  1,7;  3,  10,  19,  36;  An.I  2,7;  II  5,27;  6,  8;  III  1,29; 

IV  6,  3;  7,  20;  Mem.  12,  15;  4,1;  IV  2,  40:  ev.  zuIII,  1; 
7,  6;  Hell.  I  1,  32:  6,  12;  II  3,  54;  IH  1,  10,  12;  5,  1: 

V  1,  26;  VI  3,  12;  Oec.  VII  32;  X  6;  Conv.  VII  4. 

2.  Cyrop.  IV  5,  21;  V  1,  24;  2,  29,  37;  VIII  1,  39:  ttoXu 
)aev  aÜTÖc  öieqpepev  .  .  .  ttoXu  öe  oi  uepi  CKeTvov;  An.  I  2, 
15:  KXeapxoc  Kai  Ol  eKeivou;  3,  1:  aüröv  te  eßaWov  Kai  rd 
uTToZiuYia  Tot  eKsivou;  4:  'iva  . . .  ibqpeXoinv  auiöv  dv9'  ujv  eu 
eTTaöov  utt'  eKeivou;  7:  oi  be  crpaTiüjTai  o'i  le  auToO  eKeivou 
Kai  oi  dWoi;  8,  26:  ßaciXea  Kai  tö  d|ucp'  eKeivov  crTcpoc; 
II  4,  1 :  TTpöc  ÄpiaTov  .  .  .  Kai  irpöc  touc  cuv  eKeiviu ;  IV  3, 
20;  V  1,  9  :  exojuev  fäp  rd  eKeivuuv  "denn  Avir  besitzen 
ihr  Eigentum";  Mem.  III  11,  1:  eicievai  rrpöc  auiriv  .  .  . 
oic  eKeivriv  eiriöeiKVueiv ;  IV  1,  1;  Hell.  I  5,  19:  qpuTdöa  .  .  . 
uTTÖ  'A9i-ivaiujv  KaTei|iri<piCMevuuv  auToö  6dvaTov  Kai  tüjv 
eKeivou  cuYT^vüuv ;  7,  25 :  ou  cuinTroXeiuriceTe  AaKeöaijuovioic 
TOUC  eKeivouc  eßöo|uriKOVTa  vaOc  dcpeXojaevouc  .  .  .  toutouc 
dTToXXuvtec  dKpiTOuc :  durch  touc  toutouc  wäre  hier  Kako- 
phonie  entstanden;  IH  1,  26;  V  2,  10;  4,  25:  töv  öe 
'ATnciXaov  Kai  touc  eKeivou  cpiXouc;  VI  4,  35. 
V.  1.  Cyrop.  IV  1,  17;  5,  20;  6,  2 ;  VI  1,  42;  4,  2;  VIII  8,  7 
udciv  eHecTiv  ev  Tf)  X^JP«  auTÜuv  dvacTpeqpecöai  ...  öid 
THV  eKeivLuv  .  .  .  dceßeiav;  An.  I  4,  8;  II  2,  8;  III  2,  5 
ev.  zu  I,  1 ;  VI  1,  28 ;  Mem.  II  1,  2 ;  HeU.  I  6,  10 ;  IV  8 
24,  33 ;  V  2,  40 :  Aepbav  Kai  toijc  eKeivou  iTTireac;  Ag.  III  1 
TÜJV  eKeivou  epYUJV,  bald  darauf:  ev  Tf)  h^uxti  auToO.  VI,  4; 
Ven.  X  12; 

2.  Cyrop.  I  4,  10;  III  2,  12;  V  3,  5;  4,  24:  KaKeTvoc;  VIII  3,  1; 
An.  Vn  2,  33 ;  4, 10 :  eTiripeTO  6  Zeuönc  töv  iraiba  ei  Ttaiceiev 

4* 


52  W.  Havers. 

auTÖv  dvT'  EKeivou:  dir.  "an  deiner  statt";  Hell.  I  1,  28 
Ggst;  II  1,  13;  2,  18:  Ggst.,  III  1,  15:  cuv  auTUJ  eKeivuj 

V  2,  35:  eKcTvöc  re  Kai  'AvöpoKXeibac;  VI  2,  4:  Kai  eKeivtu 
4,22:  Ggst;  VII  4,  2:  Ggs. 

3.  Cyrop.  V  2,  33;  3,  30:  ewoeiiai  ...  ei  oi  luev  irpoc  n^ac 
dqpicTd|aevoi  juriöev  ütt'  eKeivou  KaKÖv  -rreicovrai,  oi  be  cuv 
dKeivuj  ÖVTCC  uqp'  fjiaüjv  dTToXoüviai;  5,  29:  ckeivou  judXXov 
f|  coO;  VI  1,  7:  fiiuTv  expuJVTO  ibc  eKeivoic  r\v  rj^icTov, 
f)|LiTv  fe  yif\v  djc  x^^^^'J^TaTov;  An.  II  5,  38;  VII  3,  4; 
Mem.  I  2.  3 :  ehixileiv  erroiei  toüc  cuvbiatpißovTac  eauTUJ 
|ui|uou|uevouc  eKeivov  .  .  .;  Hell.  I  1,  27;  4,  13:  utto  tOuv 
^XaiTov  eKeivou  öuvajuevuuv;  6,  14;  III  4,  2:  KaracTaGeicac 
utt'  EKeivou  . . .  eKTTeTTTuuKuiac  be  biä  touc  eqpöpouc;  V  2,  13; 

VI  4,  25,27;  VII  5,2:  Ggst. 

4.  Cyrop.  IV  1,  10;  An.  III  1,  18;  Ag.  XI,  13. 
16.  Plato.  (Ausg.  von  C.  Fr.  Hermann.) 

I.  1.  Euthyphr.  6  D :  Me|uvricai  ouv,  öxi  ou  toöto  coi  öieKeXeuojuriv, 
ev  Ti  r|  buo  |ue  öibdEai  tojv  ttoXXujv  ociuuv,  dXX'  eKcivo  autö 
TÖ  eiboc,  tL  irdvTa  id  öcia  öcid  ecxiv;  "sondern  jenen  Begriff 
selbst",  ib.  E:  Taurriv  roivuv  |ue  auTr)V  öiöaSov  xriv  ibeav, 
TIC  TTOxe  ecTiv,  'iva  eic  eKeivov  dTToßXeirujv  .  .  .;  Phaed.  58  E: 
EKeice,  vgl.  61  E ;  62  D :  TÖ  Geöv  Te  eivai  töv  eTTi)ueXou|uevov 
f)|aujv  Kai  niudc  eKeivou  KTrunaTa  eivai;  69  A:  Fernanaphora; 
75  A,  B,  E;  76  E;  79  D:  eKeice  oi'xexai  eic  tö  KaBapöv  Te 
Kai  dei  öv  Kai  dödvaTOV  Kai  ibcauTuuc  exov  .  .  .  Kai  .  .  .  dei 
f^eT'  eKeivou  .  .  .  TiTvexai;  ib.  irepi  eKeiva  "in  bezug  auf 
die  Ideen";  84 A:  Xuoucnc  be  eKeivric;  mit  Bezug  auf  die 
qpiXococpia;  ib.  tö  dXrjGec  Kai  tö  GeTov  Kai  tö  dööSacTOV 
6euü)uievri  Kai  utt'  eKeivou  Tpe(po)aevri ;  100  C:  cpaiverai  ydp  |aoi, 
ei'  Ti  ecTiv  dXXo  KaXöv  irXrjv  auTÖ  tö  KaXöv,  oübe  5i'  ev 
dXXo  KaXöv  eivai  f\  öioti  |U6Texei  eKeivou  tou  KaXou;  100  D; 
103 B:  Trepi  eKeivuuv  auTuüv  "über  die  Begriffe  selbst";  C; 
Symp.  211  B:  Td  be  dXXa  irdvTa  KaXd  eKeivou  j^eTexovTa 
"hat  Teil  an  der  Idee  des  Schönen";  ib.  eKeivo  und  eKeivo 
TÖ  KaXöv;  211 C:  dpxö|Lievov  dnö  Tüuvöe  tüuv  KaXoiv  (von 
dem  Schönen  der  Erscheinungswelt)  eKeivou  evcKa  tou  KaXou; 
ib.  eTi'  eKeivo  tö  juderma,  und  auTOu  eKeivou  tou  KaXou; 
212  A;  213  A;  Phaedr.  229  A;  232  D:  ouk  dv  toic  cuvoOci 
cpBovoTev,  dXXd  touc  |uri  eOeXovrac  juicoiev,  fiTOU)Lievoi  utt' 
dKeivujv  ^ev  uTrepopdcGai,  unö  tüjv  cuvövtujv  öe  diqpeXeiceai : 


Das  Pronomen  der  Jener-Deixis  im  Griechischen.  53 

eKCivoi  mit  Bezug  auf  die  unmittelbar  vorher  genannten 
'oi  ixf\  cuveTvai  eeeXovTec'  weil  das  Hauptinteresse  'oi  cuvoviec' 
beanspruchen,  um  die  sich  das  Gespräch  dreht;  ähnlich 
231 A  und  233  A;  250 A:  dva)Lii|LivricKec6ai  ö'  k  Tüuvöe  keiva 
ou  pdbiov  dTtdcr)  "sich  beim  Anblick  der  Erscheinungswelt 
an  die  Ideen  zu  erinnern,  ist  nicht  leicht  für  jede  (Seele)". 
Gorg.  467  C,  D;  482  B:  keivriv  =  xiiv  cpiXococpiav;  527  B. 

2.  Euthyphr.  5  B:  Apol.  18  E:  dEiuücaTe  ouv  Kai  u|neic  .  .  . 
biTTouc  |uou  Toüc  KOTriTOpouc  TeTovevai,  eiepouc  |lx6V  touc 
dpii  KaxTiTopricavTac,  exepouc  öe  touc  TtdXai,  .  .  .  Kai 
oiriGriTe  öeiv  Tipöc  eKeivouc  TrpüjTÖv  |ue  dTToXofr|cac9ai, 
wir :  "daß  ich  mich  gegen  diese  zuerst  verteidigen  muß", 
dem  Griechen  aber  ist  das  Zeitverhältnis  maßgebend; 
22  D :  Fernanaphora,  ebenso  E ;  32  C :  eKeivoi  =  oi  xpidKovia, 
ev.  zu  II;  32D;  38E;  Grit.  47B;  49A;  Phaed.  86  A; 
92  C;  100  B;  116  B:  eneibr]  he  .  .  .  ai  oiKcTai  YuvaiKcc 
dqpiKovTO,  eKeiva:c  evaviiov  toO  KpiTUJvoc  öiaXexOeic  .  .  . 
eKcivaic,  weil  Erzählung  eines  vergangenen  Ereignisses; 
jedoch  ist  die  Lesart  nicht  sicher,  C.  Fr.  Hermann  klammert 
EKeivaic  ein;  116  C:  Fernanaphora;  Symp.  173  B,  E:  dXXd 
öiriincai,  Tivec  ^cav  oi  Xöyoi.  ATTOA.  'Hcav  roivuv  eKeivoi 
Toioiöe  Tivec,  wir:  Das  waren  ungefähr  folgende";  183 D; 
185B;  192B;  195 C;  209D;  210 E:  touto  eKeivo;  213  A; 
215  B,  C:  223  A:  raOia  eKeiva  .  .  .  rd  eiuueÖTa.  Phaedr. 
241 B:  iva  iir]  TTpdTToiv  rauid  tuj  irpöcGev  Ojuoiöc  te  eKeiVLu 
Kai  6  auTÖc  rrdXiv  Tevriiai,  wir  "damit  er  nicht  .  .  .  diesem 
ähnlich  wird";  243 B;  249  C:  ev.  zu  I,  1;  267  C;  Charm. 
164C :  ei'Ti  cu  oi'ei  ek  tüjv  £)LiTrpoc9ev  utt"  efnoO  uj|uoXoTnMevuuv 
eic  TOÖTO  dvaTKaiov  eivai  cu)aßaiveiv,  eKeivuuv  dv  ti  exuJTe 
ladXXov  dvaGeijuriv  "dann  möchte  ich  lieber  etwas  davon 
zurücknehmen";  Protag.  317  B;  323  B:  eKei  "in  jenem 
Falle"  —  evraOea  "in  diesem  Falle";  333  A;  339  C; 
350  C :  EKei  "bei  dem  vorigen  Punkte  der  Erörterung", 
vgl.  351  A;  355  C;  Gorg.  448  B;  452  D;  493  E;  494  A; 
499B;  500C;  508B;  517B;  518  D,E;  Meno  82E; 
89 B;  92 A. 
II.  Euthyphr.  15  E:    Sokrates    spricht    von    seinem    Ankläger 

Meletos;  Phaed.  102  E:  dXXd  öuoTv  tö  eiepov,  f\  tpeuTeiv  .  .  . 

öiav  auTuJ  TTpocir)  tö  evavriov,  tö    c)aiKpöv,  f\   TrpoceXGovTOC 

eK€ivou  dTToXuuXevai,  ev.  zu  I,  1,  da  es  sich  um  einen  philos. 


54  W.  Havers, 

Begriff  handelt;  112 B:  örav  eic  tö  eir'  eKeiva  irjc  yh^  opiarjcrj 

Kai  ÖTttv  eic  tö  erri  xdbe; 
III.  1.  a)  Apol.  19E;  Phaed.  64C;  108B;  116A;  Symp.  179C; 
Phaedr.  240 D,  Berührung  mit  auxöc  "selbst";  Charm. 
171  E;  Lach.  183  A;  185  A;  187  A;  Gorg.  499E; 
ß)  Euthyphr.  4D:  ujc  qpaciv  eKeivoi:  ich  aber  behaupte, 
daß  er  ihn  wohl  umgebracht  hat;  Apol.  21 A,  Berühr- 
ung mit  auTÖc  "selbst";  25  A:  KotKeivoi;  28 E;  Phaed. 
68E:  qpoßou|uevoi  ycip  eiepoiv  rjbovuuv  crepTiörivai  Kai 
emeu)LioövTec  eKeivuuv,  dWujv  diTexovTai;  73 C;  88E: 
KoiKeTvoc,  ebenso  91 A;  99E:  eöoEe  öri  )lioi  XP^vai  eic 
Touc  XoYouc  KttTaqpuYÖVTa  ev  eKeivoic  CKoneiv  tuuv  övtuüv 
iriv  d\r|0eiav  "um  darin  (in  den  Begriffen)  das  wahre 
Wesen  der  Dinge  zu  erkennen",  vgl.  vorher  ßXeTrujv 
TTpöc  rd  TTpaYiaata  (die  Erscheiuungswelt);  106  B:  dTro- 
Xo)Lievou  öe  auToö  dvr'  eKeivou  dpxiov  YfeYovevai;  auToO 
und  eKeivou  gehen  auf  dasselbe  Bezug  wort  (tö  TiepiTTÖv), 
nur  ist  aÜTou  unbetont,  eKeivou  aber  betont,  wie  stets 
in  der  Verbindung  mit  dvTi  "an  Stelle  von";  117 D 
bis;  Symp.  178  A;  190  B:  irepi  eKeivuuv  XeYeTai,  Mas 
ist  von  ihnen  zu  verstehen';  223 D,  ev.  zu  I,  2;  Phaedr. 
252C;  259D;  275D:  dXriBojc  öjuoiov  laiYpaqpia.  Kai  Yap 
Td  CKeivric  eKYOva  .  . .;  276 D;  Charm.  162 D:  ßouXö|uevoc 
far)  auTÖc  ÜTiexeiv  Xoyov,  dXX'  eKeivov  .  .  .;  Lach.  183  A; 
191  B;  Protag.  311  B:  Trapd  TTpuuTaYÖpav  vOv  eTiixeipeic 
ievai  dpYupiov  TeXuuv  eKeivoi  .  .  .,  ei  eirevöeic  napa  töv 
cauTOÜ  ö)Lidivu)aov  eX9ujv  'iTnioKpdtri  töv  Kujov,  .  .  . 
dpYupiov  leXeiv  urrep  cauToO  |uic9öv  eKeivuj  .  .  .,  C:  ei  be 
Trapd  TToXuKXeiTov  .  .  .  n  Oeiöiav  .  .  .  eirevöeic  dcpiKÖ)Lievoc 
)Liic9öv  uTiep  cauToü  TeXeiv  eKeivoic  .  .  .,  D:  Tiapd  öe  ör) 
TTpuuTaYÖpav  vüv  dcpiKÖ|uevoi  .  .  .  dpYupiov  eKeivuj  mc0öv 
eToi|aoi  ecö|ue9a  TeXeiv  ÜTrep  cou  .  .  .,  die  vier  Sätze 
stehen  also  im  Verhältnis  der  Ggst.  zu  einander:  318  C; 
333 C;  346  C;  347  D:  öid  Tfic  eKeivuuv  qpuuvfjc  ...  bid 
Tfic  auTÜuv  cpuuvnc:  Gorg.  455D;  471C;  524E:  erreiöav 
oijv  dqpiKuuvTtti  irapa  töv  biKacTr|V,  oi  juev  eK  ttic  'Aciac 
Tiapd  TÖv  'Pabd)nav0uv,  6  Pabd|uav9uc  eKeivouc  eTTicTncac 
6edTai  ^KdcTOu  Triv  ipuxriv  "wenn  sie  (Die  Seelen  der 
Verstorbenen)  nun  vor  den  Richter  kommen,  und  zwar 
die  aus  Asien  vor  den  Rhadamanthys,  so  hält  Rh.  die 


Das  Pronomen  der  Jener-Deixis  im  Griechischen.  55 

an  und  betrachtet  eines  jeden  Seele" :  Ggst.  d.  h.  die 
Seelen  der  in  Europa  Verstorbenen  unterstehen  dem 
Richterspruche  des  Aeacus,  vgl.  524  A:  touc  luev  ek 
Tnc  Aciac  'Paöd|uav9uc  Kpivei,  touc  be  eK  Tf^c  EüpdjTtric 
AittKÖc,  ferner  ib.  526  C;  Meno  71  D; 

t)  Euthyphr.  14 C,  ev.  zu  l:  Phaed.  58  E:  Ged.  Ggs.  sei. 
während  dies  bei  anderen  Menschen  kaum  vorkommt, 
vgl.  das  hervorhebende:  etirep  Tic  TtuuTTOTe  Kai  aWoc; 
82  D  :  TttUTr]  TpeTiovTai,  eKeivr]  e7TÖ)Lievoi,  rj  eKeivr)  ucpriYciTai : 
während  andere  dem  Leibe  folgen,  folgen  sie  der  Philo- 
sophie; HIB:  Tdc  öe  aipac  auToTc  Kpdciv  ex^^v  ToiauTriv, 
ujCTe  eKeivouc  dvöcouc  eivai  Kai  xpovov  Te  l\\v  ttoXu 
uXeiiJu  Tüuv  evOdöe:  ged.  Ggs.  die  gewöhnlichen  Sterb- 
lichen bleiben  von  Krankheiten  nicht  verschont;  Symp. 
174  A :  eqpn  Ydp  oi  XuuKpdTii  evTuxeiv  Xe\ou|uevov  Te  Kai  Tdc 
ßXaÜTttc  orroöeöeiLievov,  d  eKeivoc  oXi^dKic  enoiei:  während 
sich  das  bei  anderen  von  selbst  verstand;  E;  Phaedr. 
253  A;   Protag.  309  B  bis:   ged.   Ggst;   Gorg.  481  E; 

b)  Euthyphr.  14  D:  uiv  beoineöa  irap'  eKeivuuv,  vgl.  E:  div 
eKEivoi  TUTX«vouci  öeö|aevoi  nap'  iijuüuv;  ib.  TaÖTa  eKeivoic 
au  dvTibuupeTcBai,  ev.  zu  ß;  15  A;  Phaedr.  245  D; 
Gorg.  512  C; 

e)  Euthyphr.  5  B :  Komparativ,  ebenso  C ;  HD;  Apol.  21 D ; 
22  B;  Phaed.  72  C:  Ausdruck  der  Gleichheit;  86  B; 
91  A;  Symp.  209  C:  cuveKTpecpei  Koivf)  juet'  eKeivou: 
starker  Ausdruck  der  Gemeinsamkeit;  215  C:  Super- 
lativ, ib.  Yergleich;  Phaedr.  232  D;  235  B;  241  D; 
255  D:  KaTd  TauTd  eKeivoi,  vgl.  E;  Lach.  183  A;  Protag. 
318C;  Gorg.  465D;  48'5E;  510D:  toic  auToTc  xaipeiv 
Kai  dx6ec9ai  tlu  öecttöti^,  Kai  irapacKeudZleiv  öttuuc  oti 
ludXiCTa  ö)aoioc  ecTai  eKeivai;  Meno  71  D;   73  C. 

l)  Euthyphr.  2  0;  9  B :  eKeivoic  ye ;  Apol.  33  E :  ouk  dv 
eKeivöc  Ye;  Phaed.  59  B:  eKeivoc  Te  toivuv;  101  E; 
Symp.  184  C;  Phaedr.  228  A:  dgiujc  eKeivou  °so  daß  es 
dessen,  d.  h.  eines  so  großen  Meisters  würdig  wäre; 
ib.  eu  oiba,  on  Auciou  Xöyov  dKouoiv  eKeivoc  ou  |liövov 
diraS  riKOucev :  daß,  wenn  der  eine  Rede  des  Lysias 
hörte,  er  sie  nicht  bloß  einmal  hörte";  obwohl  das 
Gespräch  nur  zwischen  Sokrates  und  Phaedrus  geführt 
wird,  spricht  hier  Sokrates  in  scherzhafter  Wendung 


56  W.  Havers, 

von  Phaedrus  mit  CKeTvoc  wie  von  einem  Dritten, 
vgl.  vorher:  'Q  Oaiöpe,  ei  eyai  Oaiöpov  dYVOÜu,  Kai 
ejLiauToö  eTTiXeKric^ai.  aXKä  fäp  ouöeTepd  ecri  toutujv; 
231  C;  233  E:  Begrimdung;  264  B:  ich  (der  Schüler) 
soll  dessen  (des  Lehrers)  Ai'beit  richtig  beurteilen 
können?;  Lach.  184E:  eKeivuj  eiKoc  fe...  "selbstver- 
ständlich diesem",  er.  zu  y;  186  B;  Protag.  309  B: 
TTapovTOc  yäp  eKeivou :  "obwohl  er,  der  doch  sonst 
wegen  seiner  Schönheit  alle  meine  Sinne  gefesselt 
hält,  anwesend  war  .  .  .";  309  D:  Kai  dpti  dpa  eKeivuj 
cuYTeTOVujc  fiKeic ;  "und  Du  kommst  eben  von  d6m  her 
(von  dessen  Kuhm  ich  schon  so  viel  gehört  habe)"?; 
355  C:  €Keivuj  bn  .  .  .;  Oorg.  457  B:  502  A;  503  B; 
516  B  bis; 

ri)  Phaed.  60  A; 

9)  Phaed.  116  E;  Meno  71  C; 

i)  Euthvphr.  4  C;  Apol.  21  E;  Svmp.  213  A;  Protag.  309  C; 

k)  Euthyphr.  6  A:  töv  Aia  . .  .  ojuoXotoöci  töv  auToö  Tratepa 
bfjcai,  ÖTi  Touc  uieic  KaxeTTivtv  ouk  ev  öiKrj,  KaKeTvov  fe 
au  TÖV  auTou  Traxepa  eKTe|ueTv  öi'  exepa  roiaOia  "und 
der  andrerseits  habe  seinen  Vater  entmannt";  Phaed. 
100  C;   101  D,  E; 

2.  Euthyphr.  2  B;  8  D;  Apol.  39  D;  Phaed.  88  A;  90  B; 
Phaedr.  234  B,  E;  236  C;  Meno  72  C; 

3.  Euthyphr.  8  B;  Grit.  47  B;  Phaed.  65  E;  82  D;  Symp. 
200  A;  204  D;  Phaedr.  255  C;  Charm.  164  B;  Lach.  184  E; 
185  D;  189  E;  Gorg.  468  G;  Meno  75  D;  77  D.  E. 

4.  Euthyphr.  8  B;  Phaedr.  231  G;  233  B;  252  D;  278  G; 
Gorg.  468  G. 

lY.  1.  Euthyphr.  5  A;  Phaed.  59  A;  89  A;  102  A;  Symp.  179  G; 
Phaedr.  255  D;  264  B;  Gharm.  158  A;  Protag.  319  G; 
Gorg.  486  D:  . .  .  rivd  tuiv  XiGujv,  |  rj  ßacavi^ouci  töv  xpucöv, 
Tf|V  dpicTiiv,  I  Trpöc  fjvTiva  efieWov  TipocaTaYibv  auTr)V,  |  ei 
|aoi  ö|aoXoYriceiev  eKeivr)  |  KaXuuc  TtBepaTreOcBai  Trjv  vjjuxriv: 
Der  IS^ominativ  cKcivri  ist  wohl  nur  der  Symmetrie  wegen 
hinzugefügt;  ähnlich  Meno  71  G:  dXX'  icujc  eKeivoc  Te 
oibe,  I  Kai  cu  d  eKeivoc  eXeYev. 
2.  Eutyphr.  14  D:  aiTeiv  Te  qpfic  auTouc  Kai  öibovai  CKeivoic; 
Phaed.  101  D:  eKeivnc  aÜTfic;  Phaedr.  252  D:  auTÖv  eKeivov; 
263  E:  aÜToü  eKeivou;  Gharm.  162  D:  auTÖv  eKeivov;  Lach. 


Das  Pronomen  der  Jener-Deixis  im  Griechischen.  57 

189  E;  Protag.  310  D:  äv  auxtu  öiöuJc  dpTupiov  Kai  7rei0r|C 
eKeivov;  315  B. 
V.  1.  Euthyphr.  HC;  Apol.  33  D;  Phaed.  82  D;  103  B;  Symp. 
203  C;  Phaedr.  236  B;  246  C;  Gorg.  512  C; 
4.  Phaed.  60  D. 
17.  Lysias  (Ausg.  von  Thalheim.  Leipzig  1901). 
I.  1.  VIll :  KaraTreqppovriKe  tüjv  Geüjv  Kai  ujv  eKeivoic  öeTTijLiiJupeiv; 
Xm  2,  57,  73,  94,  95;  XIX  18:  ö  ye  'ApiCTOcpdvnc  .  .  . 
ÖTi   TToWoTc   äv   jLiäXXov  expfiTO  ri  tuj   ejULu  iraTpi,    pdbiov 
Yvüüvai  . .  .  eKeivuj  \xkv  y^P  <!dpKoOv>  tiv  rd  eauxoö  TipdiTeiv, 
'ApicTocpavi^c  be  .  .  .   "denn  während  dieser  sich  nur  mit 
seinen  eigenen  Angelegenheiten  zu  beschäftigen  pflegte, 
wollte  Aristophanes  . .  .";  dem  Redner  kommt  es  in  erster 
Linie  darauf  an,  die  Eigenart  des  Letzteren  zu  schildern; 
XXXII  7:  dTToBavövTOc  öe  eKeivou;  15. 
2.  II  2 :  ihre  Tapferkeit  war  so  hervorragend  oicxe  KaXd  |aev 
TToWd   ToTc  TTpoiepoic  irepi   auxdiv  eipf]c0ai,  iroWd  öe  Kai 
EKeivoic  TiapaXeXeicpOai,  wir:  "vieles  aber  auch  von  diesen 
übergangen  worden  ist",  20,  42:  eKeivoi  "die  Vorfahren"; 
52:   Pernanaphora,   ebenso  68;   VI  20:   xouc  eE  eKeivujv 
"ihre  Xachkommen";  VIII  9;  X  24:  dva|uvric9rixe  be  öxi 
laeYdXriv  Kai  KaX)]v  eKeivnv  buupeidv  auxuj  bebuuKaxe,  "daß 
ihr  ihm  schon  früher  einmal  ein  großes,  schönes  Geschenk 
gemacht  habt".  XII  17,  74,  85,  88:  ouxoi  )uev  .  .  .  eKeivoi 
öe;  XIII  18,  20,  33:  öxi  ...  änif pa\\)e.v  .  .  .  xüjv  dvöpüuv 
eKeivuuv   xd   6vö|uaxa   .  .  .  Kai   ecxi    cpoveuc   eKeivuuv    "und 
daß  er   deren   Mörder   ist";    61,    92,    93:    ev.   zu   I  1  ; 
XVIII  10;    XXI  17;    XXV  31 :    oubev   öiacpepovxec   xiLv 
xpidKOvxa  TiXriv  öxi  eKeivoi  |uev  .  .  .  ouxoi  öe;  XXVI  15; 
XXIX  13:  eKei  "damals";  XXX  4,  25;  XXXII  8. 
IL  Xn  50:  eKeiva:  das  Treiben  der  dreißig  Tyrannen;  54,57: 
eKeivoi  =  Ol  xpidKOVxa;    64 :    eKeivuj    und   eKeivov   mit   Be- 
ziehung auf  Theramenes;  XIV  37;' XXV  2,  5;  XXVIH  4: 
eKeivov :  den  Thrasybulos. 
IIL  1.  a)  VI  17;  VIII  9:  eKeivoc  .  .  .  e^oi  xapiZ]ö)aevoc  dTrriYYeiXe 
xoTc  eiuoTc  dvaYKaioic,  u)aeic  öe  ßXdirxeiv  e'|ue  ßouXö|uevoi 
TTpöc  eKeivov  eXeYexe;  XIE  61;  96;  XVIII  15;  XIX  33; 
37;  XXV  33;  XXXIV  9. 
ß)  I  29;  31;  42:  KdKeTvoc;  II  3:  KdKeivuuv;  6;  13:  eKeivoc 
berührt  sich  hier  mit  auxoc  'selbst';   15;   45;  51;    56: 


58  W.  Havers, 

KttKeivouc;  64:  ific  |uev  aÜTiiv  eXeuGepiac  Kai  toic  ßouXo- 
laevoic  öouXeueiv  ineTCÖocav ,  rfic  b'  tKeivujv  bouXeiac 
auToi  iLietexeiv  ouk  riHiuucav ;  66;  III  5;  13;  X  28 : 
Kai  fcKeivou;  XII  4;  12;  60;  66;  69;  72:  ufieic  xe  |ar| 
xd  xr]  TTÖXei  cujucpepovxa  eXoic9e,  dXXd  xdKeivoic  bo- 
KoOvxa  ijjriqpicaicBe :  vorher  unbetontes  auxoTc;  77:  ouk 
i\xo\  bei  mcxeöcai,  dXXd  eKeivLu;  XIII  53;  57;  XIV  30; 
XVI  5,  ev.  zu  I,  2  oder  II;  XVin  4;  XXIV  20: 
KttKeivoiv;  XXXI  9:  ßouXnöeic  Tiap'  eKeivoic  laexoiKeTv 
lndXXov  n  l^tö'  rifiujv  noXixric  eivai;   18;  XXXII  5; 

t)  I  6:  mixe  Xiav  ctt'  eKeivr]  eivai  "daß  es  nicht  zu  sehr 
in  ihr  Belieben  gestellt  war";  ib.  rrdvxa  xd  ejuauxoO 
eKeivr)  TtapebuuKa :  ich  behielt  mir  nichts  mehr  vor, 
sondern  überließ  alles  ihr;  33:  irdcav  eir'  eKeivoic  xqv 
oiKiav  YeYovevai  "ganz  in  ihre  Hand";  III  42:  xö  y' 
eKeivuuv  "so  viel  an  ihnen  lag",  kurz  vorher  geht  un- 
betontes auxoTc;  (ev.  zu  £);  XIII 46 :  ei  err'  eKeivoic  y^voixo  : 
wenn  es  von  ihrem  Gutdünken  abhinge.  XXV  6:  bi' 
eKeivouc  "ihretwegen";  XXXI  14:  ei  juevxoi  xi  laepoc 
irepiecxi  xiliv  ttoXixujv  .  .  .  )aex'  eKeivuuv  .  .  .  ßouXeueiv 
dHiouxuj :  sei.  an  die  zwei  vorhandenen  Parteien  braucht 
er  sich  nicht  zu  wenden. 

e)  II  40:  Superlativ;  75:  Ausdruck  der  Gleichheit;  VIII  9: 
KaKÖc  dv  ei'riv,  ei  xauxd  TT0iricai|ui  aüxöv  dnep  eKeivoc 
u|udc.  ou  fäp  em  xoTc  aüxoTc  eKeivoc  fi)uiv  dirriYYe^^ev, 
ecp'  olcTiep  ufieic  eXeYexe  irpöc  eKeivov.  XII  31:  Kom- 
parativ; XIII  21:  Ausdruck  der  Gleichheit;  28:  Kom- 
parativ; XVI  10;  XVIII  15:  Komparativ:  XIX  52: 
ömXdcia  eKeivuj  iiHiouv  ai  iroXeic  öiöovai  f)  dXXuj  xivi 
xujv  cxpaxHYuuv;  nachher  unbetontes  auxtu;  62;  XXI  10: 
Vergleich; 

l)  VIT  16 :  eü»  Ydp  dv  rjöeiv,  öxi  eTt'  eKeivoic  riv  "daß  es  nur 
von  ihnen  abhing",  kurz  vorher  unbetontes  Tiap'  auxüJv; 
XIII  18:  OL)  Yoip  br\-nov  CKeivoi;  58:  x6  ye  eir'  eKeivov 
eivai  "so  viel  an  ihm  lag";  XIA''  16:  die  eKeivov  ttoXXuiv 
dYaOÜJV  .  .  .  ai'xiov  fe^evr]\xevov  "als  ob  der  euch  viel 
Gutes  erwiesen  hätte";  XVIII  2:  Beginn  der  Erzählung; 
ebenso  XIX  14;  49;  XXXI  21. 

r\)  I  13;  17;  22:  ^KeTvoc  |Liev  dmdjv  ujx^to,  eYuu  b'  eKd- 
eeubov;  II  7;  10;  XHI  11;  12;  Xl'x  50; 


Das  Pronomen  der  Jener-Deixis  im  Griechischen.  59 

e)  14;  II  69;  III  37;  VIII  3; 

i)  14;  II  22 :  ei  }xiv  irpÖTepov  ^tt'  dXXnv  ttöXiv  i'aciv, 
EKeivoic  Ktti  'AGrjvaioic  TroXeiaricoua  "so  würden  sie  mit 
der  und  den  Athenern  zu  kämpfen  haben";  XIII  27; 
59;  XVm  10;  XXI  24; 

2.  Xni  52;  XVI  6:  eKcivoc  ö'  ecxiv  eXeTXOc  ineYicroc  "Fol- 
gendes ist  die  beste  Widerlegung" ;  XIX  28 ;   XXVI  9. 

3.  II  61;  Xn79;  XIII  10; 

4.  Vn  18;  XXXII  22. 

IV.  1.  114,  15,  19,  20,  25,  27,40;  Xm  40,  61;  XIV  35;  XIX  19, 
35;  XXIII  6;  XXIX  2. 

2.  XII  62,  70 ;  XEI  26;  XIV  28 :  iEe■n€^^^^  rnv  auToO  Tuvaka, 
cpdcKuuv  TOÜTOV  oux  ujc  ctbeXcpöv  auTfjc  dXX'  ujc  dvöpa 
CKeivric  eic  rnv  oiKiav  eicievai  ty]V  auxoö ;  XIX  44 :  utt' 
auTOÖ  eKeivou  "von  ihm  selbst";  XXV  9:  Opuvixoc  \ikv 
Kai  Tleicavöpoc  Kai  oi  laet'  eKCivuuv  örmaTouToi;  XXVIII  5. 

V,  1.  120;  II  48,  49,  68:  xck  t^P  AaKeöaijuoviujv  cumudxoic 
Trepi  Trjc  eKcivuuv  eXeu9epiac  ejLidxovxo;  VII  4;  X  27 ;  XII 18  : 
eic  xriv  eKeivou  raqprjv :  daß  hier  eKeivoc  nicht  deshalb 
steht,  weil  von  einem  Verstorbenen  die  Rede  ist,  beweist 
das  vorhergehende  npouBevxo  au x6  v ;  XII  55 :  ev.  zu  IV  2 ; 
dasselbe  gilt  von  XVII  1;  XIX  34;  XXI  19. 

3.  XV  11:  TTepi  d)V  oi  vöjuoi  .  .  .  ouöeva  KUpiuixepov  eKeivuuv 
dixoöeiKVuouG,  nepi  xouxujv  .  .  .;  XXI  12:  Ggs. 

Anm.  An  folgenden  Stellen  sind  die  obliquen  Kasus  von  ^Ketvoc 
identisch  mit  denen  des  Pronomens  aürcJc,  abgesehen  von  den  unter  IV,  2 
erwähnten  Fällen :  I  23  :  KäYiii  eiTtdiv  ^Keivri  ^miueXeicöai  xfic  Oüpac,  Kaxaßdc 
ciuuTTfj  eH^pxo,uai:  "ich  sagte  ihr,  sie  solle  auf  die  Tür  achtgeben  .  .  ." 
38:  ei  fxev  y^P  ■  •  •  inexeXBeiv  ^K^Xeuov  ^keTvov  .  .  .  vgl.  im  folgenden  Satze: 
eib^- .. .  d\d|aßavov  auxöv;  40:  elxa  boKiiJ  dv  li|uTv  töv  cuvbeiTrvoövTa  dqpeic 
luiövoc  KaTaXeicp6f|vai  .  .  .  fj  KeXeüeiv  ^kcvvov  in^veiv  .  .  . ;  III  17 :  biöxi  .  .  . 
ToiauTa  TTapr]v6|aouv  eic  ^Keivov,  oük  ri6^Xri<^ctv  eiireiv  lpwri-\Qlv-:ec,  vgl.  im 
vorhergehenden  Satze:  6-tn\a|aßdvo|ixai  aOxoö;  VIII  12 :  ö  TTo\uK\fic  elirev 
ÖTi  Kai  xoTc  ^|noTc  ^-rrixribeioic  dbiKcTv  boKoiiiv,  die  -rrpöc  ^Keivov  Xe^oiev ;  XII 16 : 
dcpiKüiaevoc  bd  eic  'Apxeveuu  roö  vauKXfjpou  eKeivov  ireinTra)  eic  dcxu  ; 
XIII  91 :  xöv  re  TTOir|TÖv  Tiarepa  dqpeiXexo  ä  r\v  UTrdpxovra  eKeivLU  dYciSd. 
XIX  7:  ctKpiToi  diT^eavov,  irpiv  irapaTevecOai  xivd  aüroTc  ^\eYXO>^^voic 
üjc  fibiKouv.  oübeic  ydp  oüb'  elbev  ^Keivouc  inerd  Trjv  cüXXriiiJiv.  XXIII  6; 
XXXII  10. 

18.  Isocrates  (Ausg.  von  Benseler-Blaß.  Leipzig  1882). 
I.  1.  V  51 :  TToXe)Lioöci  |Liev  Yap  •  •  •  "Tpöc  xouc  6|uöpouc,  aicrrep  AaKe- 
bai|u6vioi,  xocoOxov  öe  biacpepouciv  öcov  eKeivoi  }xkv  rrpöc 


60  W.  Havers, 

fJTTOuc   auTüuv,   ouToi   06   Ttpöc   KpeiTTOuc :    Die   Lacedae- 
monier   werden   nur  zum   Vergleich    herangezogen,   das 
Hauptinteresse  bleibt  bei  den  mit  ouxoi  bezeichneten  Ar- 
givern;  vgl.  V97;  ebenso  VI  11;  24:  Trjv  6|LioXoYou)aevriv 
fnueiepav  eivai  x^J^pciv  ouöev  biaqpepovTiuc  K€KTrmevoi  tutx«- 
vojxev  r\  rriv  d)Li(picßnTou)Lievriv.  xauTriv  xe  Tap  oiKoO)Liev  .  .  . 
^Keivriv  x'  e\dßo|aev  .  .  .,  xauxriv  Mieses  Land  hier,  unser 
Heimatland',    eKeivnv  'jenes   ferner  liegende   Land'   (das 
umstrittene  Messenien);  ähnlich  92:  eKei —  evSdöe;  VIH  55; 
Xn  193:  ecp'  l-mroXuxriv  .  .  .  xrjv  xouc  xe  v6|uouc  Tiapaßdcav 
xouc    rrap'    auxaic    Kei|uevouc,    epacBeicdv    xe    Gncemc    Kai 
cuvaKoXouBncacav  eKeiGev  Kai  cuvoiKrjcacav  auxu>  "und  die 
ihm  aus  ihrer  Heimat  folgte  und  mit  ihm  lebte". 
2.  IS,  38;   IV  164,  178:  V  33,  65,  132;   VI  71;   VII  49: 
vöv  —  eKeivoi;  64:  xaTc  cu)acpopaTc  eKeivaic:  die  allgemein 
in  trauriger  Erinnerung  sind;  VIH  47,  54,  91:  XTT  42: 
Fernanaphora;    55,   74,   91,  92:  Fernanaphora;   126:  oi 
Yevö)aevoi  iier   tKeivov ;  159,  176; 
n.  IV  7 :    ei  |uev  iuriöa|uuuc   dWuuc  oiov  x'    r\v  öriXoöv   xdc  auxdc 
TrpdEeic  dXX'    r)   bid   |uidc   iöeac,   eixev   dv  xic  uTToXaßeTv    ujc 
irepiepTÖv  ecxi  xöv  auxöv  xpoirov  eKeivoic  Xeyovxa  TrdXiy  evoxXeiv 
xoic  dKououciv:  "in  derselben  Weise  wie  andere  zu  reden", 
vgl.  ib.  5:   ujcxe  )Liribe)uiav  XeXeiqpBai  xoTc  dXXoic  UTrepßoXi'iv, 
wegen  der  großen  Entfernung  kann  aber  keine  anaphorische 
Beziehung  des  eKeivoic  auf  xoTc  dXXoic  angenommen  werden. 
66:  Ttepi  xfic  riYCMoviac  xfic  eir'  CKeivouc  "über  die  Oberan- 
führung  gegen  die    Barbaren",   zu    deren  Bekriegung  der 
Eedner  auffordert;  ebenso  V  137:  bid  xrjv  cxpaxeiav  xrjv  eir' 
eKeivouc;  IV  69,  VII  52:  TtapeTxov  y^P  ccpäc  aüxouc  xoTc  )Liev 
"EXXrici   TTicxouc,  xoTc  öe  ßapßdpoic  cpoßepouc.  xouc  |uev  (die 
Griechen)  Ydp  cecoiKoxec  ricav,  Trapd  5e  xiJuv  (den  Barbaren) 
biKriv  xriXiKauxiiv  eiXriqpoxec  üjcx'  dYairdv  eKeivouc,  ei  )ur|öev  exi 
KttKÖv  Trdcxoiev:  Hierzu  bemerkt  Schneider:  "auf  xujv  geht 
auch  eKeivouc,  das  sich  also  hier  auf  das  zunächst  vorher- 
gehende  bezieht   im   Sinne    von   auxouc";   in  Wirklichkeit 
steht  hier  eKeivouc  nur  um  das  feindliche  Verhältnis  zu  be- 
zeichnen, in  dem  die  Barbaren  zu   den   Griechen  standen. 
XII  54,   93:    ou   |uövov  iiXeu0epujca|uev  xüuv  'EXXi'ivuiv  xouc 
)Lie9'  f))Liüjv  övxac,  dXXd  Kai  xoijc  dvaYKac6evxac  YCvecGai  |uex' 
eKeivuuv,  "nicht  nur  die,  welche  auf  imserer  Seite  standen, 


Das  Pronomen  der  Jener-Deixis  im  Griechischen.  61 

sondern  auch  die,  welche  gezwungen  waren,  mit  dem  Feinde 
zu  halten";  98:  ev  toTc  eireKeiva  xpövoic  toTc  dvapi9|ar|Toic : 
in  den  jenseits  der  historischen  Überlieferung  liegenden 
Zeiten;  vgl,  VI  41;  IX  6:  touc  |uev  irepi  rd  TpiuiKd  Kai  touc 
eTTCKeiva  Yevojaevouc;  X  68. 
in.  1.  a)  V  54;   129:  eKeivriv  ixev  ei'aca,  ttic  öe  npaTluaTeiac  ouk 

dTTecTTiv;  ebenso  144;  VII  73;  VIII  44;  45;  60;  85; 

XII  43:  die  Kärer  werden  vertrieben  —  sie  ziehen  ein; 

200;  215;  XIV  47; 
ß)  IV  84:    Kai  .  .  .  eKeivuuv;    137;    145:    Kai   ydp  tKeivoi; 

V  38:  Kai  .  .  .  eKeivouc;  61;  125;  148:  Kai  .  .  .  eKeivuiv; 

VI  53:  ZupaKOcioic  ßonöricac  ou  |li6vov  CKeivouc  öiecuucev, 
dUd  Kai  ...;  VII  32;  56:  KÖKeTva;  VIII  42;  102: 
KttKeivtic;  XII  18:  oüöev  -rrap'  auTÜuv  XeYOViec,  xd  ö' 
eKdvujv  paqjujboövTec  .  .  .;  41;  70;  99;  101;  123;  214; 
225:  Kai  .  .  .  fcKeivai,  ebenso  226;  XIV  59. 

y)  IV  120:  vOv  h'  eKEivoc  ecxiv  6  öioiKoiv  xd  xiüv  'EWrivuiv: 
während  früher  wir  dies  besorgten;  121:  ev  CKeiviu 
xdc  iXmbac  ixo\i^v;  ev.  zu  l;  142:  xö  |Liev  err'  eKeivuj 
"soweit  es  auf  ihn  ankam";  154:  ged.  Ggst.;  178: 
uTrep  eKeivou  "seinetwegen" ;  V  7 :  biKaiuuc  dv  eKeivoi 
xriv  aixiav  exoiev  "sie  selbst  und  nicht  ich" ;  22 :  ouöev 
dWo  irepi  auxoO  irXriv  o  xi  dv  tKeivoic  öoHyi  ;  XII  65 : 
uTTep  eKeivuuv  "ihretwillen";  233:  ßouXeucacGai  |iiex' 
auxüuv  .  .  .  OTTOxepa  b'  dv  eKeivoic  böEr),  xaüxa  iroieiv 
"was  aber  immer  sie  für  gut  halten,  das  zu  tun"; 

b)  VI  20;  VIII  59:  cumudxouc  eKeivoi  nev  rmiv  ttoioOciv, 
f]|ieic  ö'  eKeivoic ;  XIV  40 ; 

e)  IV  8:  Komparativ;  ebenso  18;  121:  Vergleich;  V  36: 
Komparativ;  58:  ou  xriv  auxriv  YVUJ|unv  ecxev  eKeivoic; 
129 :  eKeivnv  .  .  .  irpüuxriv  "sie  eben  an  erster  Stelle", 
nachher  unbetontes  auxriv ;  VI  46 :  Vergleich;  VII  28: 
Ausdruck  der  Grleichheit;  67:  Komparativ;  VIII  38: 
Ausdruck  der  Verschiedenheit;  ebenso  41:  ouöev  öe 
xüuv  auxüüv  eKeivoic  irpdxxonev;  XII  11;  66;  82:  xil» 
ÖOKeTv  eKeivov  djueivov  uirep  xf^c  xüuv  dWuuv  ßouXeuec9ai 
CLUxripiac  fi  xouc  dXXouc  irepi  cqpüuv  auxiijv;  93,  112; 
125;   189;  199;  263;  XIV  30;  53;  57; 

l)  IV  75 :  eKeivoi  Tdp  ncav  "denn  die  waren  es,  welche  . . .", 
93  :  xOjv  b'  dXXuuv  iröXeuuv  uirö  xoTc  ßapßdpoic  xeTevrmeviuv 


62  W.  Havers, 

Kai  cucTpaT£\jo|ueviJuv  ^Keivoic :  sie  schlössen  sich  den 
Barbaren  und  nicht  den  Griechen  an;  ev.  zu  y  od.  II; 
149:  Beginn  der  Erörterung;  175;  V  58:  cKeTvoc 
TÖip  . . . :  Beginn  der  Erzählung;  90 ;  111 :  tKeivoc  YOtp  •  •  • ; 
ebenso  119;  VII  51 :  eKeivoi  y^P  »icav  .  .  .  "denn  die 
waren  es,  welche  . . .";  VIII 143 :  Begründung;  XII 211 : 
Beginn  der  Erzählung; 

n)  IV  140; 

e)  I  29;  V34;  104;  XII  85; 

i)  V  35:  kurz  vorher  unbetontes  auTctc; 

k)  III  15 :  ai  bi  juovapxiai  TTXeTcTOV  )aev  vefiouci  tuj  ßeXxicTUj, 
öeuxepuj  be  tlu  iner'  eKeTvov,  xpiTtu  öe  Kai  TeiapTLu  Kai  toTc 
dWoic  KttTCt  TÖv  auTÖv  \6yov;  vgl.  IX  18:  'AxiXXeuc  |Liev 
dTTdvTuuv  öirjveYKev,   Arne  be  fier'  eKeivov  iipicieuce; 

2.  I  22;  IV  12,  40:  bfjXov  ö'  eKeiBev  "aus  folgendem";  179: 
CKeivouc;  V  5,  153;  VI  60;  XII  2,  136,  141,  170,  184. 

3.  V  127,  XII  119,  150. 

4.  XII  92. 

IV.  1.  VII  47 ;  XII  130,  143. 

2.  Vm  79:  TdKCivujv  "ihre  Habe";  XII  70,  164:  ouk  auroc 
eupujv,  dXX'  £K  Tujv  eKeivoic  TTerrpaYinevuuv  cuXXoYicd)aevoc; 
184;  XIV  41;  ev.  zu  IL 

V.  1.  IV  2,  137,  161:  uttö  tujv  exöpüjv  tüüv  eKcivou;  V  33 :  toTc 
bi  TTOici  TOic  keivou;  114;  VI  100;  Vin  67,  95;  Xü  4, 
127,  130,  194,  254; 

3.  XII  160; 

4.  XII  71:  dpeidc  exo"VTac  ou  )tiövov  xdc  Toiauiac  iLv  ttoXXoi 
Kai  TuJv  qpauXujv  koivujvoöciv,  dXXd  KaKeivac  iLv  oubeic  äv 
TTOvripöc  a)v  buvtiGeir)  fieiacxeiv. 

19.  Aeschines. 

I.  2.  I  6  :  löXuuv  eKeivoc;  25:  oi  dpxaioi  eKCivoi  pniopec;  26; 

II  33. 

ni.  1.  a)  I  41;  49  :  ifd)  juev  ...  ex^  •  •  •  o-W  ouk  cKeivoc;  138; 

ß)  I  75:  Kai  ^nbev  eKiivr)  autöc,  dXX'  exepoc  urrep  eKeivou, 

vgl.  Lycurg  141;    172:   toioutiüv   eicTiYnfric   auxuj   Kai 

bibdcKaXoc  epYUJV  eYevexo,  ii.  ujv  eKeivoc  )Liev  qpeuYei  xr|V 

Traxpiba,  ouxoc  b'  ...  II  66 ;  123  ;  III  228 :  dqpo^oioT 

Ydp  |aou  xnv  qpuciv  xaic  Zeipfjciv.  Kai  y^P  eKeivujv  .  .  .; 

y)  I  67  :  YeYpaqpa  b'  auxuJ  laapxupiav  Kocjiiiuuxepav  |iev  f\  Kax' 

CKelvov,  iLiiKpuj  be  caroecxepav  p  xuj  MicYÖXa:  "ich  habe 


Das  Pronomen  der  Jener-Deixis  im  Griechischen.  63 

ihm  ein  Zeugnis  ausgestellt,  das  für  ihn  zwar  immer 
noch  zu  gelinde  ausgefallen  ist,  aber  .  .  ."  III 133; 
b)  in  201 :  £dv  öe  |uri  irpocTTOifiTai  u|uujv  otKOueiv,  |ur|b'  ujaeic 

eKeivou. 
e)  II 152  :  ixpobouvai  OiXittttuj,  Kai  irepi  nXeiovoc  rriv  ^Keivou 

qpiXiav  Tnc  toutujv  cuuiripiac  rroiricacGai; 
Z:)  I  142  :  Begründung; 
2.  In  dieser  Verwendung  findet  sich  CKeTvoc  bei  Aeschines 
verhältnismäßig   oft;  ich  verzeichne   nicht  alle   Stellen; 
I  18,  153;  UI  59:   CKeivouc  "auf  folgende  Weise";  164, 
195:  ^Kei0ev. 
IV.  1.  n  63. 
V.  1.  I  56;  III  152. 

2.  I  61,  146:   ovbk  ^KeTvoc:  dir.  "auch  du  nicht". 
Anm.     III  162:   töv  'AX^Savbpov  xmoTpix^i   Kai  uXricidZci   ^Keiviu: 
identisch  mit  unbetontem  aÜTiu. 
20.  Lycurg. 
I.  1.  45:  CKeivujvTÜuv  dvbpüüV==^TU)vevXaipujv6iaTeXeuTricdvTU}v; 
109 :  eKeivoic  |iev  .  . .  toTc  be  u)LieTepoic  Trpofovoic  .  .  .,  CKei- 
voic  bezieht  sich  auf  die  zuletzt  genannten  AaKebai|aövioi, 
deren  Vorfahren  aber  für  den  Redner  von  geringerem  Inter- 
esse sind,  als  die  der  Athener;  136 :  enei  "im  Jenseits". 
2.  69 :  eKeivuuv  tüuv  dvbpüjv  "der  Vorfahren",  und  so  noch 
oft  bei  diesem  Redner,  vgl.  z.  B.  111,  115,  121,123;  129: 
[LieYicTov  be  tüüv  eKei  YeTtvimevuuv  TeK|uiripiöv  ecxiv  .  .  .  "der 
beste  Beweis  für  das,  was  damals  geschehen" ;  140,  142 : 
Fernanaphora. 
III.  1.  a)  60,  die  Der-Deixis  wird  bewiesen  durch  die  stellver- 
tretenden Touc  |Liev  und  oi  |Liev; 
ß)  23:  ei  |aev  oviv  lAv  etuYxavev  6  'A|uuvTac,  eKeivov  dv 
auTÖv  napeixoiuriv.  vuvi  be  u)aTv  KaXuj  touc  cuveiboiac: 
ev.  zu  IV,    2;  98;   130:  ou   |li6vov  cKeivoic,  dXXd  Kai 
Toic  dXXoic  dvBpüuTToic:  das  Bezugwort  (die  Lacedae- 
monier)   ist  aus  dem  Zusammenhange   leicht  zu  ent- 
nehmen;   136;    141:  eneibri  ...  dvaTKaiov  u|udc  UTtep 
eKeivuuv  biKdZieiv  "ihr  in  Ihrem  Namen"; 
T)  49 :  ei  be  bei  Kai  uapaboHoTaTov  }xkv  eirreiv  dXriÖec  be, 
eKeivoi   viKüuvTec    dTteOavov:  während  für  gewöhnlich 
der  in  der  Schlacht  aufgeriebene  Teil  für  besiegt  gilt; 
eKeivoi  =  die  bei  Chäronea  Gefallenen ;  ev.  zu  I,  1 ; 


64  W.  Havers, 

e)  143:  'Pobiouc  iKeitutTuu.  xrjv  y«P  dcqpdXemv  ev  xf] 
EKeivuuv  TToXei  inaXXov  r\  ev  xr]  eauxoö  -rraxpiöi  ev6|aicev 
eivai ; 
l)  47:  feKeivoi  y^P  •  •  •;  65:  Begründung;  111; 
V.  3.  50  121  :  ttOüc  ouv  böEexe  diroYOvoi  eivai  eKeivuuv  xujv 
dvbpüüv; 
21.  Demosthenes  (Ausg.  von  Blaß.  Leipzig  1888). 
I.  1.  I  2:  xüuv  TTpaYiLidxLUV  .  .  .  eKeivuuv:  absolut;  infolge  der 
Situation  versteht  der  Hörer,  daß  Olynth  gemeint  ist;  10: 
xfic  irap'  eKeivuüV  euvoiac  euepYexrm'  dv  eYuuYe  Geiqv :  das  Ttap' 
eKeivuüv  haben  wir  uns  wohl  mit  einer  zum  Himmel  wei- 
senden Geste  gesprochen  zu  denken,  wie  bei  dem  vorher- 
gehenden xfic  fmexepac  djuieXeiac  dv  xic  9eni  öiKaiu)C  der 
Kedner  auf  die  Zuhörer  hingewiesen  haben  wird;  II  28: 
evxaüöa  |Liev  .  .  .  exei  hi:  evxauGa  mit  Bezug  auf  das  ferner 
stehende  xoOxov  .  .  .  xöv  TioXeiiov  "den  Krieg  mit  Phüipp", 
der  aber  den  Hauptpunkt  der  Erörterung  bildet,  eKei 
mit  Beziehung  auf  das  näherstehende  ibiouc  . . .  TToXe)Liouc 
"die  Kriege  auf  eigene  Faust",  die  an  Interesse  bei  den 
Feld  herrn  zurückstehen  sollten  hinter  dem  Kampfe  gegen 
Philipp;  Vni  72;  IX  72;  XV  27;  XVIH  287,  288,  314; 
XIX  152;  ev  eKeivoic  xoTc  iToppuu  ...  irepi  xüjvbe  tujv 
eYYuc;  260;  XX  16  vgl.  H  28  u.  VIII  72,  ebenso  27: 
evGdb'  .  .  .  eKei:  es  handelt  sich  um  die  Abschaffung 
oder  Beibehaltung  der  Atelie;  104;  XXI  175:  Das  mit 
CKeivoc  bezeichnete  Mysteriengesetz  wird  gegenüber  dem 
vofioc  uepi  xiijv  Aiovuciuuv  nur  beiläufig  erwähnt;  XXIII 
119,  165;  XXIV  159. 
2.  I  9:  XUJV  TTpoxepuuv  eKeivuuv;  II  6,  7,  19:  KaXXiav  eKeivov 
"den  berüchtigten";  IH  21;  V  18;  VI  11,  16;  VII  25, 
28;  Vin  74;  IX  21,  25,  41,  72;  X  63;  XIV  1  bis;  XV  27, 
35;  XVI  5:  |nri  TTpoxepov  xoucbe  .  .  .  f\  'Keivoi,  vgl.  Fox 
a.  a.  0.  zu  d.  St.;  22,  26  bis;  XVIH  66:  eKeic'  eiravep- 
Xo^ai,  ebenso  163;  188,  195,  210,  219,  224,  238,  317, 
318;  XIX  65,  90:  ou  Ydp  Taux'  dvx'  eKeivuuv  YtTOvev: 
hier  bezieht  sich  xaöx'  nicht  auf  das  zuletzt  genannte 
dv6'  u)V  drreöovxo,  sondern  bezeichnet  das,  was  die  Athener 
augenblicklich  (infolge  des  Friedens)  besitzen,  CKeiviuv 
dagegen  das,  was  sie  verloren  haben;  111,  115,  137: 
eTTOincev  dv  xauxö  xil»  ßaciXei .  xi  b'  rjv  ö  Keivoc  eTTOincev ; 


Das  Pronomen  der  Jener-Deixis  im  Griechischen.  65 

wir:  "was  aber  ist  es,  das  dieser  tat?";  ib.  ä  'kciviu 
Toe'    uTTkxeTo;    191,  197,  234,  242,  251,  254,  268,  269, 
277,  278:  Touxoic-eKeivuuv;  282:   junre  Tauxa  inrix' eKeiva, 
285,  311,  312,  313:  Touc  eg  eKeivuuv  "ihre  Nachkommen", 
315;  XX  5,  11,  29,  63:  ejuj  |aev  eKeivo  oi|Liai  "ich  denke 
das  Erstere";  73:  Xe^exai  xoivuv  eKeivoc  "es  heißt  nämlich, 
daß  dieser  (Themistokles)";  81;  89:   Xuuuv  eKeivov  (sei. 
vö^ov)  "das  vorher  bestehende  aufhebend",  vgl.  XXIV  34: 
edv  [iX]  Xucri  xöv  Trpoxepov  Keinevov;  111,  156;  XXI  20, 
35,  37,  62,  78:  ev.  zu  III  1;  104,  134,  143,  147:  eKeivoc- 
ouxoc  vöv;  156,181,185,215:   xoöx'  eKeivo  "die  alte  Ge- 
schichte"; XXII  13,  14,  16,  18,  38:  eKei  "damals";  76; 
XXIII  11,  12,  15,  30,  31:  oi  eec^oOexai  xouc  em  cpoviu 
qpeuyovxac  Kupioi  Oavdxuj  ZiriiLiiuücai   [eici],   Kai  xöv  ck  xqc 
eKKXrjciac  Tiepuciv  irdvxec  euupdxe  utt'  eKeivuuv  duaxOevxa: 
wir:  "und  ihr  alle  habt  gesehen   wie  im   vorigen  Jahre 
durch    diese   einer  aus   der  Volksversammlung  hinweg- 
geführt wurde";  98,  111,  136,  141,  143,  171,  190,  192, 
199:  öl'  eKeiva-bid  xaöxa;  XXIV  3,   14,   15,  44,    57,  74, 
122, 170,  175;  dir'  eKeivou  "seitdem";  193,  200,  201,  209; 
XXV  33;  XXVII  22,  32,  54,  56,  63;  XXX  1,   30,  33; 
XXXI  1,  3,  9,  12;   LVII  18,  26,  32,  49. 
n.  Hierher  gehören  in  erster  Linie  alle  die  Fälle,  wo  Philipp 
mit  eKeivoc  bezeichnet  wird;  wegen  der  großen  Menge  dieser 
Beispiele  mag  hier  von  einer  Aufzählung  abgesehen  werden ; 
es  bleiben  dann  noch  folgende  Stellen  IV  3;  XIV:  eKeivoc 
"der  Perserkönig",  z.  B.  4,  28,  32,  36;  ebenso  XV  6:  xriv  trpöc 
eKeivov  exOpav;   XVIII  323:  eKeice:  nach  Macedonieu,   ins 
Läger  der  Gegenpartei;   XIX  15:  'Keivuj,  vgl.  das  vorher- 
gehende   KaxdTTXucxoc;   XXIII  17  :  oux'  dTTOKxeivac  eKeivov 
ouxe  iLiri :   den  Räuberhauptmann  Charidemus,  der  dem  Vater- 
land Verderben  bringt;  54:  eKeivoc:  "der  Gegner  im  "Wett- 
kampf"; 78:  eKeiviu  "dem  Angeklagten",  ev.  zuI2;  89,  134: 
d|Lieivov  eKeivou:  wo  der  eine  Freund  mehr  Einsicht  hat,  als 
der  andere;  186,  189;  LIV35:  cKeivouc:  die  Gegner,  Ariston 
und  Genossen;  ev.  zu  III  1,  weil  Komparativ. 
in.  1.  a)  I  24:  xrjv  dKaipiav  xriv  eKeivou  Kaipöv  u|uexepov  vo|ai- 
cavxec;  25;   II  3;   IV  4:  xüuv   |aex'  eKeivou  vöv  övxujv 
eGvuJv  waren  fi-üher  viele  selbständig;  41;  V7;  VI  4; 
VIII  36;    46;    52;    IX  9;   X  3;    XIV  39;    XV  26; 

Indogermanische  Forschungen  XIX.  ^ 


66  W.  Havers, 

XYin  72;  178;  194:  oure  xfic  xuxnc  Kupioc  nv,  dW 
eKcivri  riJuv  navTiuv;  211;  XIX  149;  158  bis;  338; 
XX  63;  81;  87;  106;  109;  110;  XXII  39;  63:  oübek 
CKeivoj  TToXeiLie'i:  während  sie  mit  Androtioii  Avohl  im 
Streit  liegen;  XXIII  17:  tujv  b' rmexepuuv  |Liev  cpiXuuv, 
eKeivou  ö'  .  .  .  exOpuJv;  126;  127:  oüb'  otioOv  ujhujv 
qppovticac  TÖtKeivou  cppovei;  151;  169:  den  mit  Kephi- 
sodotus  geschlossenen  Yertrag  erklärtet  ihr  für  un- 
vereinbar mit  euerer  Würde,  aber  den  mit  Charidemus 
geschlossenen  haltet  ihr  für  ehrenvoll.  XXVII  43; 
XXVIII  7;  LVII2; 
ß)  I  25;  114:  eKeivoc  |a£v-u|aiv  hi;  22  bis;  III  27;  33: 
Kai  Yap  eKeiv';  IV  36;  39;  40:  ihr  betreibet  den  Krieg 
mit  Philipp  geradeso,  wie  der  Barbar  den  Faustkampf  . . . 
Kai  Yctp  eKeivuuv  6  TrXiiffeic • . • ;  VI  12;  ev.  zu  I  2;  ib. 
eKeivouc  dv9'  u|uüjv  .  .  .  aipeirai;  20;  VII  12;  31;  43: 
€i6'  ujaexepa  eciiv  eiV  eKeiviuv  f]  x^J^P«'.  45;  VIII  33; 
53;  64:  xi  ttgx'  ouv  CKdvuuc  xoTc  dWoic  Kai  ou  xöv 
auxöv  xpÖTTOv  ujuiv  TTpocqpepexai:  eKeivuuc  "in  der  so- 
eben geschilderten  Weise";  X  16:  )irix' eKeivuj  inrix'  dWuj; 
33;  48;  56:  äv  yap  eKeivoc  TreicGf),  xd  y'  äcp'  ^|nu)V 
uTTdpxei  "wenn  der  sich  bereden  läßt";  ev.  zu  Zi;  59; 
66;  vgl.  VIII  64;  XIV  6;  11:  KdKeTvov;  31:  82:  ouö' 
eKeivuj;  34:  xdKeivou  qppovouvxuuv-xd  xOuv  'EXXrivuuv 
cppoveTv;  XV  6:  KdKeTvov;  22;  XVI 18;  23;  XVIII 19; 
117;  XIX  37;  88;  70;  71;  87;  90  bis;  96;  185: 
oub'  dxpncxoxepouc  vojuicac  Grißaiuuv,  e'Keivouc  eiXex' 
dv6'  umjjv  "nicht  schätzte  er  euch  geringer  als  die 
Thebaner,  als  er  die  euch  vorzog";  185;  214:  Phi- 
lipp würde  es  sich  nicht  gefallen  lassen  ei  nap'  eKeivuj 
Touc  eKeivou  xic  euepYexac  KttKÜuc  XeYei,  und  da  wollt 
ihr  hinter  Philipp  zurückstehn?;  227;  236;  252;  275; 
290;  291:  rjviK'  CKpivev  'Apicxoqpüuv  OiXövikov  Kai  öi' 
eKeivou  xdiv  coi  TreirpaYinevuuv  KaxnYopei;  XX  69;  83; 
84;  105:  Kai  Tiap'  eKeivoic;  111;  XXI  122:  jaex' eKeivou 
Kd)Lie;  XXII  26;  35:  eKeivuuv  dYUJV,  ouk  eVöc;  63;  73: 
dvx'  eKeivuuv;  XXIII  24:  oub' fi)aiv  — oub' eKeivuj;  128: 
ouG'  HMiv  oux'  eKeivuj;  130;  132  bis;  133;  169:  xöv  |aev 
uiöv  direccpaEav,  eKeivov  b'  ^iribovxa  [xöv  uiöv]  diro- 
cqpaxxonevov  Kaxenövxicav  "ihn  selbst  aber , . .  ertränkten 


Das  Pronomen  der  Jener-Deixis  im  Griechischen.  67 

sie",  Berührung  mit  auToc  "selbst",  vgl.  vorher  Xaßöviec 
KauTÖv  Ktti  TÖv  uiov;  XXIY  79:  eivai  auTiu  f\  dXXuj 
uTcep  eKeivou  effuriTdc  KaracTflcai  "es  soll  ihm,  oder 
einem  anderen  an  seiner  Statt  erlaubt  sein,  Bürgen  zu 
stellen";  124:  Sie  gleichen  den  Sklaven,  Kai  jap 
feKcivuuv  .  .  .  XXYII  5;  19;  20:  out'  eKeivuj  .  .  .  out' 
e|HOi  .  .  .;  65:  KaKeivoic;  LIY8:  elc  |Liev  ...  OavocTpdTUJ 
rrpocTTiTTTei  Kai  KaTeixev  eKeivov,  Kövuuv  b'  .  .  .  e|iAOi 
TTpocTTecövTec  .  .  .;  LYII  55. 

t)  YII  26:  ou  luevToi  t'  eKeivou  eivai  'AjucpirroXiv,  vgl.  27: 
Tfiv  A.  u^eTepav  eivai;  XIY  10 :  Ged.  Ggst;  XYHI  224: 
Ged.  Ggs.;  XIX  103:  tö  }xiv  eKeivou  luepoc  "so  viel 
es  auf  ihn  ankam";  226:  qpiXouc  Te  vo|LiiZ:eiv  oüc  dv 
eKeivLu  boKf}  Kai  |ar]  qpiXouc  ujcauTuuc;  XX  78;  82:  öi' 
eKeivov  "durch  seine  Schuld":  86:  öi'  eKtivov  "ihm 
zu  Liebe";  XXIU  12;  131:  bi'  keivou;  XXIY  84: 
eTt'  eKeivuj  TreiToiriKe  "es  steht  bei  Ihm";  vorher  unbe- 
tontes aÜTLJj;  135:  err'  eKeivuj  "seinetwegen";  XXYII  22: 
Ged.  Ggst;  ebenso  25:  KeKXriKaci  KaT'  eKeivou  indpTUpac, 
vgl.  26;  LIY  1 :  bi  eKeivouc  "auf  ihre  Veranlassung 
hin";  28:  irap'  eKeivoic  dv  riv  f)  biKr] :  wälu^end  sie  jetzt 
bei  einem  anderen  Gerichtshof  verhandelt  wird; 

•b)  lY  24 :  )ue9'  ujuuuv  eviKuuv  [outoi]  oi  Eevoi  Kai  u|ueTc  luer' 
eKeivujv:  YII  13:  XY  26;  XIX  189:  OiXoKpdTnc  coi 
cu|U7TeTTpecßeuKe,  KdKeivuj  cu  Kai  (t>puvujv;  LIY  23; 

e)  lY  4:  |ndXXov  f]\MV  .  .  .  f\  'Keivuj;  8:  Yergleich;  YIII  19: 
cuveunopouvTac  eKeivuj:  ihr  müßt  vereint  mit  ihm 
Mittel  herbeischaffen;  IX  8;  52:  Komparativ;  XIY  1; 
3;  9;  32;  39:  Yergleich;  XY  12;  XYUl  162;  178; 
213;  XIX  244;  XX  110  bis:  Komparativ;  XXIII  56: 
liiovov  dvepujTTUJV  eKeivov;  162:  ouk  em  töv  Kötuv,  dXX' 
ecp'  fi|udc  laer'  eKeivou  e-rropeueTO  "im  Bunde  mit  dem 
zog  er  gegen  uns";  ib.  Ausdruck  der  Identität;  196: 
Komparativ;  ib.  TrpouKpivov  eKeivouc:  ident.  mit  Super- 
lativ; XXYII  56:  ixer    eKeivnc;  XXX  31;  XXXI  11. 

Z)  in  24:  eKeivoi  Toivuv;  YIII  31;  43:  ö-rtou  Tic  eKeivov 
d|auveTai,  evTauö'  urrep  riMUJV  dj.iuveTTai,  ev.  zu  ß;  59: 
eKeivoc  |Liev  fäp  .  .  .;  IX  14:  eKeivöc  y';  X  61;  XYIII 
43:'rTdvT'  eKeivoc  rjv  auToic  "der  war  ihnen  alles" ;  175: 
Beginn  der  Erzählung;  213;  XIX  61 :  eKeivoc  t'  198;  263: 

5* 


68  W.  Havers, 

Ixoixe  b'  av  eHerdcai  KaGapuJc  ck  toOv  cujußeßriKOTuuv 
aÜToTc  EKeTvoi  t^P  •••;  vgl.  278;  832:  öcov  riv  in' 
eKeivLu  — bid  touc  b'  .  . .  Xu|aaivo|Li6VOuc  .  .  .;  ev.  zu  ß; 
XX  32:  Beginn  der  Erzählung;  ebenso  XXI  144; 
XXIII  141 :  ü|LieTc  eiroincace' . . .  'ApioßapZidvnv  ttoXittiv 
Kai  bi'  eKtivov  OiXickov;  ev.  zu  ß;  154:  Beginn  der  Er- 
zählung; 199;  XXIV  127:  cKeTvoc  Te; 

n)  XXI  179:  Taut'  gXetev  \xev  eKewoc,  ex^^PO'i'ovilcaTe  b' 
(iMeic;  XXIII  179; 

e)  XIX  125;  XX  34; 

i)  Y  16;  Vni  45;  X  17;  XIX  222  bis;  261;  XX  36; 
78;  XXIII 17;  134;  159;  183;  199  :  tKeivoi  re  KaXwc  ... 
Kai  fiiuieic  ouK  öp9üjc; 

k)  XIX  22;  XXm  28;  XXIV  13:  u^dc  \iiv  eicTTpaiTeiv 
TOUC  Tpiripdpxouc,  eKdvoic  b'  eivai  irepi  auidiv  eic  touc 
eXOVTttc  dvacpopdv. 

2.  Wie  bei  Xenophon,  findet  sich  auch  bei  Demosthenes^ 
unser  Pronomen  in  ausgedehntem  präparativem  Gebrauch : 
n  24;  III  3,  14;  IV  50;  V  22;  VII  5,  37;  VIU  16; 
1X30,  68;  X50:  eKeivmc  "auf  folgende  Weise":  72; 
XIV  8,  34;  XV  17;  XVI  5,  30;  XVIII  142,  150:  eKeTeev 
"aus  Folgendem"  195,  277,  316;  XIX  29,  89,  154: 
keiOev;  182,  214,  221,  239,  282,  283,  294:  CKeivuuc, 
ebenso  335;  XX  2,  6,  7,  15,  18,  25,  49,  56,  61:  eKtivoic, 
72,  81,  82:  Kai  kut'  CKeTvo  .  .  .  "auch  insofern,  als",  99, 
109,  111,  143,  148;  XXI  25,  173,  196;  XXII  12,  17, 
22,  23,  42,  62,  64,  75,  76;  XXIII  144;  XXIV  61,  88 
eKeieev,   ebenso  XXVII  32;   XXX  12;  LIV  6;  LVII  57 

3.  XIV  1;  XVI  6;  XVHI  204,  XXI  186;  XXIII  89,  116; 
XXIV  109,  144,  187,  213;  LVII  27. 

4.  VII  38:  öc  .  .  .  ckcTvoc;  vgl.  die  aus  Xenophon  ange- 
führten Stellen  und  Sintenis  zu  Plut.  Pericl.  c.  15;  IX  14: 
Kai  "fdp  otv  dßeXTepOuTttToc  eiri  TidvTuuv  dvBpdiTruuv  ei  .  .  . 
eKeivoc  .  .  .  TTpoeirroi :  hierzu  Rehdantz :  Das  Subjekt  wird, 
um  den  vielen  ujliüüv  das  Gleichgewicht  zu  halten,  wieder 
aufgenommen,  und  zwar  durch  eKeivoc  'der  draußen', 
weil  das  aindcGai  .  .  .  eben  hier  in  der  Volksversammlung 
geschieht".  Daß  man  doch  in  dem  eKeivoc  immer  den 
Begriff  der  Ferne  ausgedrückt  sehen  will !  XXII  29 ; 

IV.  1.  VII  3,  5:  auTÖc  keivoc;  XV  9;  XVI  16;  XVIII  103,  153, 


Das  Pronomen  der  Jener-Deixis  im  Griechischen.  69 

170;  XIX  54,  58,  139;  XX  31,  35,  39,  82;  XXI  182; 
XXIII  38,  130,  163,  164,  169,  190;  XXIV  1,  135:  auTÖc 
emvoc;  XXV  56,  88;  XXX  27; 
2.  Vn  9 :  ouöev  eTKaXeixe  auTuJ  .  .  .  dXXot  ßeßaioOre  öiKaiujc 
auT^v  CKeTvov  Kai  Xaßeiv  Kai  KCKTficOai.  XV  11;  23:  oure 
TuJv  öouXuuv  Tijuv  ßaciXeuuc  out'  auToü  Keivou;  XVIII  18, 
41:  rd  Veivuuv  "ihren  Landbesitz";  94:  TToXXd  Kai  biKai' 
ctv  CKeivoic  eiKOTuuc.  Die  K-Laute  soUen  hier  wolü  ein 
rhetorisches  Effektmittel  bilden;  XIX  116:  KaO'  auTÖv 
eKeivov;  XX  68:  d'Kupov  xi  TToiiicai  tojv  eKeivoi  öoGevxojv; 
hier  steht  wohl  eKeivuj,  nicht  aÜTUj,  um  die  Dentale  nicht 
allzusehr  anzuhäufen;  wenn  es  aber  trotzdem  im  folgenden 
Paragraphen  heißt:  Kai  fotp  toi  laövuj  tüjv  -rrdvTuuv  auTUj|| 
toüt'  ev  xrj  cxrjXri  Y£TpaTrxai,  so  ist  hier  die  Häufung  der 
x-Laute  wegen  der  Sprechpaase  hinter  dem  starktonigen 
aöxLu  nicht  so  unangenehm;  was  ferner  die  Stelle  in 
XVIII 50 anbetrifft:  oi  Kai  Tipiv  e^'  emav  oxioüv  eiböxec  xriv 
xouxou  xoxe  juicOapviav,  so  dienen  hier  die  Dentale  dazu, 
den  zornigen  und  gehässigen  Ton  der  Worte  zu  steigern. 
Dasselbe  haben  auch  wohl  Westermann-Rosenberg  sagen 
wollen,  wenn  sie  zu  der  letzten  Stelle  bemerken:  "Das 
griech.  Ohr  hatte  Freude  an  dieser  Wiederholung  des  x", 
obwohl  der  Satz,  in  dieser  Form  ausgesprochen,  leicht 
zu  der  Ansicht  führen  kann^  als  sei  das  griech.  Ohr  an 
und  für  sich  ein  Fi'eund  von  Dentalen  gewesen;  86: 
auxöv  eKeivov  "ihn  selbst";  ib.  |uii  |liövouc  auxouc  xoijc 
euepTexac  xi|udv  aXXd  Kai  xouc  eKeivuuv  qjiXouc;  XXIII  62: 
öc  dv  .  .  .  aixioc  f\  .  .  .  dxijaoc  ecxuu  Kai  oi  Traiöec  Kai  xd 
eKeivou.  ev.  zu  II,  vgl.  §  22,  II;  109  :  Kai  xouc  eKeivou  9iXouc 
Kai  auxöv  xöv  OiXittttov  dTtOKxeivavxec;  131:  rjHiou  fiev 
auxöv  cujUTToXiopKeiv  .  .  .  ouk'  eBeXovxoc  6'  eKeivou,  Xaßujv 
auxöc  . . .;  XXTV  127  :  utt'  auxoO  dv  eKeivou,  ebenso  138; 
XXVII  55;  XXX  12:  )aexd  öe  xfic  TuvaiKÖc  xdKeivnc 
dTToöouc  .  .  .;  ebenso  31  u.  35;  LIV  5:  XoiöopnÖevxoc  ö' 
aüxoTc  eKeivou  Kai  KaKicavxoc  auxouc  .  .  . ;  LVII  29. 
V.  1.  VI  16  ...  Giißaiouc,  xoic  eKeivuuv  exOpoic;  XII  10: 
EuaYÖpa  ...  Kai  Aiovucilu  .  .  .  Kai  xoic  eKTÖvoic  xoTc 
eKeivuuv.  XVIII  136,  218:  Die  Annahme  Dissens  (Dem. 
or.  d.  cor.  ed.  p.  319),  daß  hier  eKeivou  stände,  weil  ein 
Gegensatz  vorliege,  wird  mit  Recht  zurückgewiesen  von 


70  W.  Havers, 

Fnnkhaenel  a.  a.  0.  S.  816  ff.  XXII  31;  XXIH  103,  181, 
138:  XXV  97;  XXVII  13,  59. 

2.  IX  11:  €i7T6  (sei.  ToTc  '0\uv9ioic)  f\  keivouc  ev  'OXuvGuj  )Lir| 
oiKeTv  f)  auTÖv  ev  MaKeöovia  .  .  .;  XVIII  178:  Ggs.; 

3.  VII  26:  qpnci  ö'  'AiucpiiroXiv  eauTOu  eivar  u|uäc  Ydp  ipricpi- 
cac0ai  eKeivou  eivai.  XVI 17 ;  XX  106 :  Die  Lacedaemonier 
dürfen  nieht  die  in  Athen  oder  in  einem  anderen  Staate 
herrschenden  Gesetze  loben,  oXK'  ä  rr\  uap'  eKdvoic 
TToXiteia  cujuqpepei,  Taui'  eiraiveiv  dvöTKri :  "sondern  sie 
müssen  loben,  was  Ihrer  (eigenen)  Staatsform  zuträglich 
ist". 

4.  XIX  280;  XXII  32,  57. 
22.  Die  Inschriften. 

Sie  bieten  trotz  ihrer  großen  Menge  nur  äußerst  wenig- 
Material  für  unsere  Untersuchung.  Der  Grund  hierfür  liegt  teils 
in  der  fragmentarischen  Überlieferung,  teils  darin,  daß  sehr 
viele  Inschriften  den  gleichen  oder  ähnlichen  Inhalt  haben. 
I.  1.  Inscr.  Gr.  I,  IB  29/30:  eKei;  II,  266,  4:  KaTacTa0ei[c 
em  TTivTJoöEupiTTOu  qpuXttKriv  iJ7TÖTToXe|aa[iouTeXeuT]ricavTOC 
eKeivou  .  .  .;  271,  12:  OaXepoT  KotKeTOev  iraXiv  .  .  .;  ib.  30: 
KttKeT;  III,  49,  9:  toö  töttou  eKeivou,  öc  Ttepiexei  .  .  .;  VII, 
2225  BII,  28,  29,  30:  eKei;  XII  fascicul.  3,  1188,  5: 
eKei  "im  Jenseits";  fascicul.  5,  1:  2A,  7:  ä  eKeic'  e[i]xe; 
445 AI,  15:  eKeiBev  aux  ...;  588,  2:  [Mrj  TT]oi[e]i  E[u]- 
ß[iov  (?)  KUKÖv]  I  KeTvov  öv  ßXe[7Teic  Tacpevta]  •  (3.  Jahrh.  n.Chr.); 
XIV,  830,  24:  eKei;  1290,  46;  1545,  4:  Keivuuv  "der 
Verstorbenen";  Collitz-Bechtel :  SGDJ.  2561 C,  37:  ... 
}xr\b'  ÖTOTuZlövTuuv  e[x]Oöc  rdc  Forniac,  irpix  k'  em  t6  cd|Lia 
BiKuuvTi.  TtiveT  b'  ev  dtoc  ^cxuu,  wir:  hier  aber  dürfen 
sie  sich  satt  klagen,  (Delphi;  um  400  v.  Chr.);  vgl.  Cap. 
23  B.  5165,  6:  KeT[ce  "nach  Teos";  Kaibel:  Epigr.  Gr. 
397,  4;  640,  2;  815,  6;  Ancient  Greek  Inscr.  Part.  IL 
181,  8:  Triv  dTrajXdv  Keu9ei  |nopqpdv  T[d(p]oc,  dXX'  d|ad- 
[pavTov!7rveu)Li]a  iiievei  Keivac  ec  qpdoc  d9dvaT[ov.  (1.  Jahrh. 
V.  Chr.)  Part.  III,  404,  4,  7.  Kern:  "Die  Inschriften  von 
Magnesia  am  ]\Iäander",  Nr.  92  b,  3:  eTreira  eYXmövToc 
auTOu  TÖ|Li  ßiov  Kai  laeid  Trjv  eKeivou  reXeurriv  |neTaXXdH[av  | 
Toc  Kttl  Maiavbpiou,  .  .  . 
2.  Inscr.  Gr.  III,  52,  32ff. :  eKeivoc  verschiedentlich  gebraucht 
mit  Beziehung  auf  Theseus;    1382,    11:   aüiöc  eiaauTÖv 


Das  Pronomen  der  Jener-Deixis  im  Griechischen.  71 

[riYov  TTpoqppov]fciJuc,  eqp'  äirep  äv  Kai  CiJuvrec  ii^ov  ^Keivoi: 
ev.  zu  I,  1  od.  III,  1 ;  IV,  682,  1 :  ich  lese  mit  Boeckh : 
ei|ui  5e  KeTv[oc|nueo]K\eric  .  .  .;  XIV,  1284,  9:  inv  vukt' 
eKeivnv;  1368,  9:"A\KncTic  eKeivn;  1942,8:  uiXeo,  MoOca, 
exotKri  ö'  ö|U|aaTa  €KeTva  ceo,  |  Kai  cröfia  TrecppaKtai  xö  xpuceov. 
(n.— III.  Jahrli.  n.  Chr.).  SGDJ.  321,  19:  khvujv  ck  xtveac 
(Balbilla;    130   n.  Chr.);    1671,  1:  Trivuu  toi  (T)öbe  cajLia 
TÖ  Xdivov,    Ol    (5)ev'   Eu9uöd|Li[(ju],    öc    ttok'   ev   djaqpidXuji 
TTpdToc  e(T)e[v]T'  'IGdKai  .  .  .;  (Alexandrinerzeit);  3342,58: 
ey  Keivoici  xpovoic;  3758,  126:  Kai  dTiö  ky]vov  toö  xpövou 
(Rhodos.);  4629,  I  137:  rrivuui:  Feruanaphora  (Herakleia.); 
Epigr.  Gr.  633:  Bdccoc  i-fdiv  ob'  eKeivoc  öv  eKtave  Auc- 
[qpjopoc  dvnp;  919a,4:Keie6v  =  deinde(?)(4.  Jalirh.n.Chr.); 
Anc.  Gr.  Inscr.  IL  231,   3 :    eTreiör)  'ApaiÖKpiToc  'ApicTia 
öiabeHdjuevoc  xdv  7Tapdx[a)V  lYOveujveuvoiavavexovxec  biexc- 
Xecav  TTOxi  xouc  TroXixac  ev  xe  xoTc  Xomoic  Kaipoic  [dKo  |  Xou9ujc 
xa  Keivuüv  aipecei  irdvxa  Trpdccuuv  xd  xpnciina  biaxexeXriKe 
xa  Tiaxpiöi  .  .  .;  (Calymna)    ev.  zu  III,   1;    Part.  III.  403, 
126:  dTTÖKiivouxoöxpövou(Priene);Insclir. V.Magnesia:  203, 
2 :  'EpiLiiic  eipLi  Tuxujv,  eK  XaXKiboc  ouxoc  eKeivoc,  |  AvxiXoxöc 
1^'  eTTOirice  TioXixaic  Ttdci  xopniöv.  (3.  Jalirb.  v.  Chr.);  53, 
53;   100b,  14:  ev  eKeiv»]  xf^i  rnuepai ;  105,  24:  KaKeivri  r\ 
TTpecßeia:   "die  oben  erwälmte";  Fränkel:  Die  Inschriften 
von   Pergamon:   II  Nr.  613  A,    3:  Trpüjxoc  e7Tpux[d  |  veuev 
'ApxijacKtti  iE  eKeivou  laexpi  vövTTpuxd|veic  eivaijbiaxeXouciv. 
Patan-Hicks:    The   Inscript.  of  Cos.  Nr.  325,    13:  Trdvx' 
eKei[v]ov  xöv  xpovov.  Herzog:  Koische  Forschungen  und 
Funde:   Nr  190,  5:   xouc  ev  eKeivuurxuJi  exei  cxpaxriTOuc; 
IL  Inscr.  Gr.  I,   9,   33:   edv  be  xic   [d]Xa)[i  irpobijbouc  xo[i]c 
xupdvvoic  xniaTTÖXiv  [x]u)V  'Epu9pai[uj]v  Kai.  .  .  xe6vdxuu  [K]a[i] 
Ttaibec  Ol  e5  eKeivou.    Diese   Stelle    wird    bei   Meisterhans- 
Schwyzer  Granmi.  ^  236  als  Beispiel   dafür  angeführt,   daß 
eKeivoc  manchmal  als  Pron.  der  3.  Person  sich  fmdet,  wo  ein 
eventueller  Fall  gesetzt  wird  und  keine   bestimmte  Person 
gemeint  ist,   so   daß    man   es  übersetzen  könnte   "der  Be- 
treffende, der  NN.",  während  es  dagegen  bei  Nennung  des 
Namens   z.  B.  hieße   eivai  be  'AcxuKp[dxriv  *A9r|vaiov  Ka]i 
eKYÖvouc  auxou  =  Inscr.  Gr.  II,  54,  b,  11;  (vgl.  auch  Brug- 
mann  a.  a.  0.  S.  132,  Fußnote).  Ich  glaube  nicht,  daß  diese 
Erklärung  richtig  ist,  mir  ist  wenigstens  kein  Beispiel  be- 


W.  Havers, 

gegnet,  wo  eKeivoc  diese  Bedeutung  haben  muß.  Zudem 
findet  sich  sowohl  bei  eventuellen  Fällen  aÜToc  in  obiger 
Verwendung,  vgl.  z.  B.  bc  av  rriv  cii'iXriv  dcpavic[r)]  xct  f\  tv 
auTTJ  YeY^u)Li(|a)eva,  f\  ineTapr]  auTri[v],  avjTÖv  dHüüXri  Kai  yivoc 
auToO  (=  Le  Bas-Waddington:  Yoyage  Arch.  Vol.  Ill,  2 
Nr.  1764a.),  als  auch  umgekehrt  bei  Namennennung  eKeivoc, 
z.  B.  [ejireibr]  öe  0op[|Li]iujva  xöv  OopjLiiuuvoc  Kai  Kap[0]iv[a] 
[irdTTTToJv  eTTOiricaTO  'AGrivaTov  6  öfiiuoc  6  'ABrivaiujv  K[ai 
t]o[uc]  eKeivou  [eKYÖjvouc  .  . .  {=^  Inscr.  Gr.  II,  121,  17). 

Inscr.  Grr.  1, 31,  A,  23 :  [diiinGv]  eivai  auröv  KaiTraibacTOuc  eH 
[eKeivou].  (444  i 440  v.  Chr.)  Def.  tab.  =  Append.  zu  Inscr.  Gr.III : 
die  meisten  der  nun  folgenden  Inschriften  gehören  dem  3.  Jahrh. 
v.Chr. an;  56:  qjuxnv  Kai  irpdHeic  rdc  eKei[vou]  Kai  rjrjv  eKe[i]- 
vou  Kai  ipuxnv  (der  Name  ist  vorher  genannt).  59:  Kaia(u)TÖ(c) 
Kai  rd  e|<e>Keivou  d-rravTa.  67:  'Ovriropibric  E[ur|](6)iöricj.  .  . 
'ApxebiKOC  NauKpiTOC  |  OiXoHevibric  |  AtiinnTpioc  AiTUTriia  |  OiXo- 
öriMOC  TTpoKXeiöric  I 'ApicTuXXa  I  Kai  touc  luex'  eKeivuuv  |  üucTiep 
xaÖTa  ipuxpd  Kai  eTiapicxepa  |  ouxujc  xd  Kpdxrixoc  xd  pri|uaxa 
i|;uxpd  [Kai  |  enapijcxepa  Tev[oi]xo  Ka[i]  xüuv  pter^  eK[eivuj]v 
jLiri  I  vuxujjv  Kai  xüjv  öiKa[cxüJv  .  .  . ;  74,  6 :  OeöSevov  Kaöbiöri)Lii 
K]ri  |auxöv  KT]  [v|j]uxdv  Kai  xd  eKe[ivou  |  iidvxa.  80,  8:  öcxic] 
ßor|0e(i)v  eKeivoic  |aeXXe(i),  [eJKcivujv  [ßi]ov  Kai  qppevac  Kai 
TTOÖac.  102:  Tißixiöa  |  xr)v  Xoipivr|c  |  xriv  e|u(e)  dbiKo(ö)cavl 
6uTax(epa)|dvöpa  |  Kaixpia(7T)aibia  |  eKeivric.  lO7:0]epev[iKo]c 
TTpöc  xöv  'EpiLiriv  xöv  xöoviov  Kai  [xrjv  'E  |  KdxrjV  xöoviav 
KaxabebecBuj  •  faXrivriv,  fjxic  0epev[i  |  kuui,  Kaxabeuu  Tipöc 
'Epjuf]v  xöoviKÖv  Kai  'EKdxnv  x^oviav  Kaxa[b  |  euu  ■  Kai  mc 
ouxoc  6  ßoXußboc  dxi|uoc  Kai  lyuxpöc,  oüxm  eKe(T)voc  Kai  xd 
eKe(i)vuj  dxi|ua  [k  |  ai  Uiuxpd  ecxuj  Kai  xoTc  inex'  eKe(i)vo(u) 
d  Tiepi  e)Lio(ö)  XeToiev  Kai  ßo(u)Xeuoiaxo;  die  letzte  Wendung 
wird  auf  derselben  Inschrift  in  ähnlicher  Fassung  noch 
einmal  wiederholt.  108:  Ancuu  efd)  XouciKXeiav  Ka[i  K]xri|aaxa 
Kai  |LieYa  Kuboc  |  Kai  irpaHiv  Kai  voöv,  exOpd  be  9iXoici  T^- 
voixo  •  I  Ai'icuj  eYÜJ  Keivriv  uttö  Tapxdpov  dep6evx[a  |  becfioic 
dpTaXeioic  .  .  .;  142,  158,  159,  160. 

"Neue  attische  Fluchtafeln"  hrsg.  v.  Erich  Ziebarth,  Nachr. 
d.  (iött.  GeseUsch.  d.  Wiss.  1899,  S.  106—135.  Nr.  11: 
KaxaTpdcpuj  EuaYopav  x^ipac  TTÖbac  HJUxnv  |  Y^iAJx(x)av  ^pY« 
epYac[i]ac  Kai  xd  eKeivric  d[TTavxa  •  |  KjaxaYpdqpuj  Bi6x)iv  xeTpac 
TTÖbac  vjjuxnv  I  YXOüx(x)av  epYaciav  xeKva  Kai  xd  CKeivac  dTrav[xa. 


Das  Pronomen  der  Jener-Deixis  im  Griechischen.  73 

14  vs  3  u.  7;    16  b  vs  11.   SGDJ.  281 A,   23:   KaT[dpa]Tov 
€)U|uevai  Kai  auröv  Kai  Yevoc  tö  Kr|vuj.  (Eresos.)  Dittenberger : 
Sylloge  Inscr.  Gr.  2.   523,    49:    [6   öe  eiJTrac   n   [irpriHJac  ti 
irapd  TÖvöe  töv  vÖ|uov  r\  |ur)  rroiricac  ti  toiv  TrpocTeraYiuevujv 
€v  TLui  vö)ua)i  Tüijiöe  eHuuXric  d'r|<i>  KauTÖc  Kai  Yevoc  tö  eKdvou. 
ib.  64:  öctic  .  .  .   |uri   cuvTeXoir]   toi  cuvTeTaY|ueva  TuJi  v6|liuji, 
eHuüXric  eiTi<i>  Kai  auTÖc  Kai  ycvoc  tö  eKdvou.  95,  15:  ei  be 
TIC  TaÖTa  TTapaßaivoi,  eEuuXri  YivecGai  Kai  auTÖv  Kai  touc  CKeivou 
irdvTac:  dieselbe  Formel  vs.  30  u.  49;  Bechtel:  Jon.  Inschr. 
156a:  öctic  cpdp^aKa  öriXriTnpia  ttoioT  im  Triioiciv  tö  Huvöv  r] 
ctt'  iöiuÜTrii  KeTvov  dTr6XXuc0ai  auTÖv  Kai  Yevoc  tö  keivou:  die- 
selbe Wendung  noch  dreimal  in  dieser  Inschrift.    EQerher 
kann  man  auch  stellen  Aeschin.  III,  111:  YeYpaTrTai  Ydp  oütujc 
ev  Tf)  dpa,  "ei  Tic  Tdöe"  qprici  "irapaßaivoi  r\  ttöXic  .  .  .  Kai  ctt- 
euxerai  aüroTc  jui^Te  yhv  Kapirouc  qpepeiv,  lui'iTe  Yuvakac  TCKva  . . ., 
Kai  eHiüXeic  eivai  Kai  aÜTOuc  Kai  oiKiac  Kai  y^voc  tö  eKeivoiv". 
in.  1.  a)  Epigr.  Gr.  1046,  88:  oü  Gejuic  djacpi  veKucci  ßaXeiv  ipö- 
xOova   ßuJXov,  I  ■n:\r\v   ö   Kev   djuaroc  rjici  Kai   eKY[o]voc 
ecca^evo[io  •   Keivoic  5'  oük  döe^iicTov  •   (Rom  2.  Jahrh. 
n.  Chr.) 
ß)  Inscr.  Gr.  I,  47  c,  5:  uTiep  eKeivou  (-ouv)?;  IV  940,  6:  K]ai 
öl'  [eKJeivou  Kai  tujv  'AXiujv  (?);  VII,  2870,  I:  öi]Kaiov  . . . 
KdKeivouc  (6)ic  TÖ  |ur|  Trep[iJopdv  ujudc  ve|uovTac  TpeTtecGai; 
SGDJ.  1537,  2 :  Tdcöe  y'  'A9avaiai  öpaFeouc  (?) . . .  dpicToc 
eGriKe  |  Hripai  tc   Hujc   Kai   Keivoc  exoi  kXcFoc  dirGiTov 
aiFd.  (Phocis.  6.  Jahrh.  v.  Chr.);  3636,  26:  eird  öe  Ka 
ev  Tdi  dYopdi  euj[vT]i,  dYopeuei  ou  Ka  m  6  ßoöc,  f)  dXXoc 
uirep  Ki^vou  evbeHioc  "oder  ein  anderer  an  Stelle  von 
ihm".  (Kos);  Epigr.  Gr.  1034,  13 :  (pövuj[v  . . .  ujvjrd  |uev 
Keivou  v[ö]oc  I  TejXoT,  [T]d  ö'a[u  . . .  (?),  ev.  zu  V,  1 ;  Anc. 
Gr.  Inscr.  III,  491,  9:  T]nv  qpiXoTijuiav  r\v  q)iXoTi|u[eTTai| 
TTpöc  u|u]dc  0[uriöioc]  'AvTuuveTvoc  e,ua9ov  oux  outuu[c  e]K 
TuJv  u)ueTepuj[v  YPaMJMdTuuv  u)C  eK  töjv  [cKJeivou "  (Brief 
des  Antoninus    Pius    an    die    Ephesier).    Inschr.   von 
Pergamon :  I,  XIII,  33 :  edv  Te  Tiva  aic6dvüU|uai  eTTi[ß]ou- 
XeuovTa   Eujuevei  tüui  0iXeTaipo[u   f\  dX]Xo  ti  TrpdccovTa 
evavTiov  eKeivuui  f]  toTc  TtpdYiuaciv  auTOÜ  . . .  (Bald  nach 
263  V.  Chr.):  Berührung  mit  auTÖc  "selbst", 
ö)  SGDJ.  4998  I,  4 :  [eiri  tlu]i  döi[Kri]0evTi  iiiunv,  [ai'JKa  Xf|i, 
TÖ[Föv]  auTuj  öö|uriv,  tö  öe  Krivuu  exev.  (Gortyn); 


74  W.  Havers, 

e)  Inscr.  Gr.  III,  38,  5 :  inöva  yotp  CKeTva ; 
Z)  Inscr.  Gr.   IX,   256,   11:   [K]e[T]voc   av   e[ij]öai)aa)V   ei'17 
jLidXXov   Trapaßdxac  |  [toö]   ciuTepoö   YnpiJuc  ouk  eciödiv 
ßiovTov.  ("inferioris  aetatis");  878,  3:  ei  cu  t'  öv  ii'iGeuJV 
AfiXoc  ecpepße  edXoc;  ]  Keivoc,  eop'  uj  Kai  ireTpoc  uXiEdviai 
irapd  TU)aßuj  |  öaKpuei  ToepoO  Bpfjvov  ieic  croiaaToc;  der 
Tote  antwortet  auf  die  Frage  mit  Keivoc  "der  bin  ich". 
k)  "Altertümer  von  Hierapolis"  Nr.  51,  7  :  <t>Xaoüioc  ZeuHic 
epYcxcTric  irXeucac  üirep  MaXeav  eic  'IxaXiav  TiXöac  eßbo- 
ILiriKOVia  I  bvo  KatecKeuacev  tö  |Livri|aeT|ov  eauTuJ  Kai  toTc 
TCKVoic  <J>Xa|ouiuj  Geobuupuj  Kai  OXaouiuj  [  Oeuba  Kai  iL 
dv  eKeivoi  [  cuvxujpncuuciv  (2. — 3.  Jahrh.  n.  Chr.)  ev.  zu  ß. 
4.  Epigr.  Gr.  440,  4. 
IV.  2.  Inscr.  Gr.  II,  271,  82:  irpoipeipdiLievoc  auxouc  eiri  xe  TröXeiuc 
cu|i(pepovxi  K[ai  xuj  aujxüjv  eKeivuuv  eu[cxnMov]i  6epaTT[eiicav- 
xac  .  .  .  XIV,  889,  6:  metri  causa; 
V.  1.  Inscr.  Gr.  II,  121,  17;  1675,  3;  IV,  556,  15;  VII,  2870  I: 
eic  xiiv  eKeivuuv  xuupa[v] ;  XII,  fascicul.  III,  330,  26 :  Kaxd 
xdc  eKeivuuv  evxoXdc  (Thera;  Anfang  des  2.  Jahrh.  v.  Chr.). 
SGDJ.  3409,  3 :  Hoc  xöö'  dYctXjLi'  dveOriKe  OiXöcxpaxöc :  ecx' 
6vv}x  auxüiji  I  Ttaxpi  öe  xüui  xrivou  Aaiaoqpöuuv  övu|ua.  (Aegina.) 
Epigr.  Gr.  824  a,  4;   Inschr.  von  Pergamon:  I,  248,  40; 
Bull,   de   corr.  Hell.  25   (1901)  S.  356  vs.  3:   ^[exd  toO 
auxoKpjdxopoc  Kai  uexd  xüuv  eKeivou  Ttpecßeuxuuv.  (Delphi; 
48—44  V.  Chr.) 
4.  Epigr.  Gr.  203,  1 :  "Hßac  bx]  Keivac,  [o'iac  xuttov  ecxiv  iöec- 
0ai,  I  )avd|ua   TTaxpö[c    x^ipec   KaXöv   eSevxo  xoöe"   (Knidos 
3.-2.  Jahrh.  v.  Chr.) 
23.  Die  Bukoliker  (Ausg.  v.  Ahrens.  Leipz.  1899.) 
A.  Prüfung  der  einzelnen  Stellen. 
I.  1.  Theoer.  I  1:  d  mxuc  .  .  .  xi'iva;  7,  23,  106:  xnveT;  11  17: 
'IuyH,  eXKe  xu  xfjvov  eiaöv  rroxi  bu),ua  xöv  dvöpa:  den  ab- 
wesenden   Geliebten,   nachdem    sich    die  verlassene    Si- 
maetha  zurücksehnt;   derselbe  Vers   22,  27,  32,  37,  42, 
47,  52,  57,  63 ;  60 :  xdc  xrjvuu  (pXidc ;  84 :  iroinTTdc  |  xrjvac 
"des   Gepränges   dort";   98:   xrjvei:  bis;  III  10:  xrivüu9e, 
25:  xr|vüij  "von  dort";  IV  15,  35;  V  15,  45:  oux  epipil) 
xnveT  •   xouxei    bpuec ;   vielleicht  zu  II  gehörig ,  vgl.  65 : 
öc  xdc  epeiKac  1  xrivac  xdc  irapd  xiv  SuXoxiZ^exai :  "drüben 
bei  dir";  97:  xrjveT -fap  eqpicöei  "dort  oben  brütet  es  im 


Das  Pronomen  der  Jener-Deixis  im  Griechischen.  75 

Nest";  117;  Vm  26,  44:  invöe«,  51  bis,  86;  XI  45; 
XII  34;  Epigr.  I  1 :  d  KaidTTUKVoc  CKeiva  |  epiTuWoc;  YI  5; 
Incert.  Id.  I  (Mosch.  III)  20  :  KeTvoc  Mer  verstorbene  Bion'. 
2.  Theoer.  I  120 :  Adqpvic  tfwv  obe  ttivoc  'hinc  iisqiie  ad 
sidera  notus'  (Virg.  Ecl.  V  43).  126:  cd|ua  |  Tfjvo  AuKa- 
oviöao;  II  153;  IV  59;  Y  43 ;  VH  63:  xnvo  Kai'  d,uap; 
98,  151,  XI  29:  ek  irivui  "seit  jeuer  Zeit";  XIY  26:  töv 
KXu^evov...  Tfivov  IpujTa;  XV  15;  XVI  42;  XVII  118; 
Incert.  Id.  I  71;  VII  (Theoer.  XXVII)  39:  ouvo|aa  cöv 
Xeye  tfivo  'deinen  (berühmten)  Namen,  der  solchen  Ein- 
fluß haben  soll';  IX  (Theoer.  XXV)  172; 
II.  Theoer.  V  1:  Aitcc  e|Liai,  rfjvov  töv  iroiiueva  Tovöe  rißupxa  ( 

q)euTeTe  töv  AdKuuva.  XV  8 ; 
in.  1.  a)  Theoer.  V  63 :  ouöev  eYub  Ttivuu  TTOTibeuo|uai '  dWd  töv 
dvöpa  •  •  •   "nach   dem  verlangt  mich  nicht,   aber  den 
da  .  .  .";  Incert.  Id.  VIII  (Mosch.  IV)  124:  eKeivuj  "an 
ihm  (d.  Eurystheus)  möge  mein  böser  Traum  sich  er- 
füllen, nicht  an  unserem  Hause" ;  IX  (Theoer.  XXV)  215. 
ß)  Theoer.  I  4:  ineTandva  tö  öeuTepov  dGXov  dTTOiqi.  |  aka 
TTIVOC  eXr)  Kepaöv  Tpdyov,  aiya  tu  Xavjjfj.  5 :  aiKa  ö'  affa 
Xdßr]  Tfjvoc  Tepac,  eic  Te  KttTappeT  |  d  xi^ctpoc;  ähnliche 
Ggst.  Vers  11 ;  IX  25 ;  XIV  7  :  Kai  Ttivoc  (wie  du);  Incert. 
Id.  I  80;  128:  Kai  Keiva;  Bion  I  16:  KeTvov  nev  . . .  d 
ö'  'AcppoöiTa; 
T)  Incert.  Id.  lU  (Theoer.  XXI)  16:  Ged.  Ggs.:  was  andere 
Menschen  für  notwendig  halten,  schien  ihnen  überflüssig ; 
ö)  Theoer.  I  144/145 :  kouts  ti  ttivoc  e)aiv  eTTe(a€|uijjaTO  .  . . 

out'  eyuj  au  Tr|VLU.  Mosch.  I  25. 
e)  Theoer.  II  31;  XIV  41:  Komparativ; 
Z;)  Theoer.  171:   Tfjvov  ^dv  .  .  . ,  ev.  zu  I,  1 ;  IV  7 :  Kai 
TTÖKtt  Tfivoc  eXaiov  en'  öqp9aX|uoiciv  ÖKuOTrei;  "wann  hat 
der  denn  je  Salböl  vor  seinen  Augen  gesehen?";  29: 
ou  Trjva  y',  ou  Nuiucpac  .  .  .  Sinn:   die  Kühe  allerdings 
sind  jetzt  vernachlässigt,  aber  nicht  die  Syrinx,  da  er 
mir  die  hinterlassen  hat;  XIV  38:  Trjvuj  Td  cd  ödKpuci 
jLidXa  peovTi  ""apage!  alium  quaere  araasium,  me  enim 
ludibrio   habes;    illi   tuae  fluunt   lacrimae,   non   mihi*^ 
(Friztsche);  XVII  16;  Bion  I  69;  Mosch.  II  24. 
3.  Theoer.  n  40:  em  Trivtu  ...  öc;  Epigr.  XXHI  (XVIE)  3 : 
dvTi  Tnvouv,  I  iLv;  Incert.  Id.  IX  (Theoer.  XXV)  179. 


76  W.  Havers, 

4.  Bion  VIII  (IV)  4,  6; 

IV.  1.  Theoer.  XVII  46;  Bion  X  (XVI)  5; 

2.  Theoer.  VII  104 ;  Bion  111;  Incert.  Id.  IX  (Theoer.  XXV) 
36:  rie  ti  AuYeiriv  rj  Kai  öiauuuuv  Tivd  kcivou  |  bileax;  ib.  121: 
eTTri\u9e  voücoc  eKeivou  |  ßouKoXioic:  wohl  metri  eausa. 
V.  6.  Theoer.  I  86 :  aW  ÖKa  jaev  rfjvov  TTOTiöepKeiai  dvbpa  feXäca,! 
dXXoKa  ö'  aij  ttoti  töv  piirreT  vöov. 

Anm.    An  folgenden  Stellen  sind  die  obliquen  Casus  von  xfivoc 
identisch  mit  unbetontem  Pronomen  der  3.  Person :   Bion  XIII  (XVII)  7 
buvai|ne9a  xfjvov  dXOSai;  vgl.  Vers  6 :  ^c  ti  bi  viv  iTTavöv ;  Mosch.  II  13 
|iiiKKi)\a  |aev  TrjvLU  rd  x^pübpia,  vgl.  Vers  7 :  ö|H|LiaTa  b'  auTiü  u.  Vers  15 
vöoc  be  Ol  eu  -rreTTÜKacTai;  IV  (VI)  5 ;  Incert.  Id.  VI  (Bion  XV)  23 :  koI  iroTe 
|uev  Trjvac  ^cpiXei  x^P«,  iroWäKi  b'  aüxäc  |  CTd|Liova  köXöv  äeipe. 

B.  Kritik  der  von  Ahrens  über  das  Verhältnis  von  invoc  zu  eKeivoc 
aufgestellten  Hypothese. 

Der  Gebrauch  des  Pronomens  ttivoc  bei  den  Bukoükern 
unterscheidet  sieh  also  durch  nichts  von  dem  Gebrauch  des 
Pronomens  eKeivoc  bei  anderen  Schriftstellern.  Nun  hat  aber 
Ahrens  (De  dial.  Dor.  S.  267  ff.),  anknüpfend  an  die  Bemerkung 
des  Et.  M.  321,  31,  ktivoc,  welches  im  Dorischen  neben  xiivoc 
vorkommt,  werde  bei  Ferndeixis  gebraucht,  rfivoc  aber  bei  Xah- 
deixis,  nachzuweisen  versucht,  xfivoc  sei  in  seiner  Verwendung 
grundverschieden  von  eKeivoc,  es  stehe  vielmehr  dem  outoc  ziem- 
lich nahe.  Die  von  Ahrens  angeführten  Gründe  für  diese  Be- 
hauptung sind  aber  nicht  beweiskräftig.  Wenn  er  zu  Epich.  124: 
TÖKtt  |uev  ev  Trjvoic  eyujv  fjv,  xÖKa  öe  irdp  xr|voic  eTiibv,  und 
Theoer.  I  36:  dXX'  ÖKa  |Liev  xiivov  TTOXibepKexai  dvbpa  TeXdca,  | 
dXXoKa  b'  au  ttoxi  xöv  piTTxeT  voov  bemerkt  (S.  268):  Attici  eodem 
sensu  articulum  geminant  ut  Xen.  d.  rep.  Ath.  2,  8 :  xoöxo  |uev  eK 
xfic,  xoOxo  be  CK  xfjc  et  ibid.  2,  12:  xö  |Liev  xf),  xö  be  xi]  sei.  iroXei, 
so  ist  darauf  zu  erwidern,  daß  sich  auch  eKeivoc,  entweder  doppelt 
gesetzt,  oder  in  Verbindung  mit  anderen  Demonstrativen,  so 
gebraucht  findet,  vgl.  die  bei  Euripides  und  Aristophanes  unter 

V,  6  angeführten  Stellen ;  unrichtig  ist  es,  wenn  Ahrens  behauptet. 
Theoer.  II,  8,  23;  V  15,  117;  VIII  86  sei  xfivoc  gleichbedeutend 
mit  öbe ;  an  keiner  von  diesen  Stellen  ist  irgend  ein  Grund  vor- 
handen, von  der  rein  jener-deiktischen  Bedeutung  abzugehen. 
Die  Beispiele,  die  für  die  Beziehung  des  xnvoc  auf  die  2.  Person 
angeführt  werden,  Theoer.  V  65;  XXVII  39  (=  Incert.  Id.  VE); 
V  45,  lassen  sich  alle  anders  erklären :  V  45  und  65  kann  man 


Das  Pronomen  der  Jener-Deixis  im  Griechischen.  77 

ZU  n  stellen,  wenn  man  keine  Jener-Deixis  annehmen  will, 
XXVII  39  habe  ich  unter  I,  2  behandelt.  Theoer.  VII  97  ist 
kein  Grund  vorhanden,  für  das  gut  überlieferte  epa  die  1.  Pers. 
epuj  einzusetzen,  und  damit  erweist  sich  die  von  Ahrens  für  das 
im  folgenden  Vers  stehende  dvepi  irivLU  angenommene  Beziehung 
auf  die  1.  Pers.  als  hinfällig.  Daß  im  Attischen  nicht  nur  outoc 
eine  verächtliche  Bedeutung  haben  kann,  wie  Ahrens  mit  Bezug 
auf  Theoer.  V,  1  behauptet,  sondern  auch  eKeivoc,  brauche  ich 
nach  dem  Bisherigen  hier  wohl  nicht  mehr  auszuführen.  Auf 
S.  269  werden  dann  einige  Fälle  zusammengestellt,  in  denen  sich 
TTivoc  auf  kurz  zuvor  Erwähntes  bezieht;  aber  keine  dieser 
Stellen  zeigt  eine  Verwendung  des  Pron.  ttivoc,  die  uns  nicht 
auch  schon  bei  CKeTvoc  begegnet  wäre,  und  wenn  Ahrens  meint, 
der  anaphorische  Gebrauch  von  betontem  outoc  sei  häufiger  als 
der  von  eKeivoc,  so  glaube  ich  schon  jetzt  zur  Genüge  nachge- 
wiesen zu  haben,  daß  gerade  eKeivoc  ein  vorhergehendes  Bezug- 
wort mit  Nachdruck  aufnimmt;  weiter  heißt  es  dann:  eadem 
ratio  est  adverbii  xriveT  in  hislocis:   Epich.  19,  Theoer.  11  98; 

IV  35 ;  V  97  ;  XI  45 ;  Epigr.  4,  13,  ubi  interpreteris  'ibi'.  Postremo 
rrivüuGev  Acharn.  720  est  Mnde'.  Vulgo  Graeci  adverbiis  ev6a  et 
evGev  in  eam  rationem  utuntur.  Aber  an  den  angeführten  Stellen 
handelt  es  sich  entweder  um  reine  Ferndeixis,  wie  z.  B.  Theoer. 

V  97  :  KrjTiJu  ^ev  öaicüu  xa  TrapOevuj  aütiKa  cpdccav  |  ek  xdc  dpKeuGuu 
Ka9eXdiv  Trjvei  ydp  ecpicbei  "dort  oben  brütet  es  ja  im  Neste", 
oder  um  solche  Fälle,  wo  der  Grieche  das  wirkliche  Ortsver- 
hältnis berücksichtigt,  während  wir  zur  sogen,  dramatischen  Aus- 
drucksweise hinneigen,  z.  B.  Theoer.  II  98 :  dXXd  ^oXoTca  |  iripricov 
TTori  xdv  Ti|uaYrixoio  TiaXaicxpav.  |  x^veT  jap  qpoixf),  xr|veT  öe  oi  dbu 
Kaöficear,  (vgl.  auch  die  Kap.  22  unter  I,  1  aus  Delphi  ange- 
führte Stelle).  Was  endlich  die  wenigen  Fälle  betrifft,  an  denen 
xfjvoc  mit  folgendem  Relativum  verbunden  ist,  so  kann  man 
Ahrens  zugeben,  daß  für  gewöhnlich  ouxoc  so  gebraucht  wird, 
aber  ich  glaube  doch  auch  schon  genug  Beispiele  angeführt  zu 
haben,  wo  eKeivoc  sich  auf  ein  folgendes  Relativum  bezieht.  Es 
ist  also  daran  festzuhalten,  daß  xfivoc  sich  seiner  Bedeutung  nach 
vollständig  mit  eKeivoc  deckt.  Die  Tatsache  nun,  daß  sich  im 
Dorischen  xfivoc  und  ktivoc  neben  einander  finden,  kann  nicht 
gut  erörtert  werden,  ohne  auf  die  einschlägigen  etymologischen 
Fragen  einzugehen;  ich  werde  daher  diesen  Punkt  am  Schlüsse 
behandeln  (Kap.  32). 


78  W.  Havers, 

24.  Herodas  (Ausg.  v.  Meister). 

I.  1.  142:  KeTvoc:  Der  in  der  Ferne  weilende  Mandris;  26: 
K[e]i  'in  Ägypten'.  II  20:  K[e]ivriv:  reine  Deixis,  vgl.  Vers 
65:  beupo  MupTdXn;  IV  28:  vgl.  S.  2;  27,  30; 
2.  II  SO:  epdic  |uev  i'cuu[c]  MuprdXric;  oubev  öeivöv  |  efd)  öe 
TTupe[LuJv  —  TaÖTa  bouc  eK[e]iv'  eE[e]ic.  V  61 :  tdc  'Axdindc 
K[e]ivac,  |  de  rrpiuv  e6r|Kac,  toic  cqpupoici  Tpißovra:  Für 
den  Fall,  daß  irpüüv  hier  "vorgestern"  und  nicht  "kürzlich" 
bedeutet,  wird  man  doch  wohl  kaum  für  Keivac  die  an- 
derseits-deiktische  Bedeutung  "vorgestrig"  annehmen 
können  (vgl.  Kap.  4);  durch  das  Pronomen  wird  hier 
nur  ausgedrückt,  daß  der  Sklave  schon  bittere  Bekannt- 
schaft mit  den  Fesseln  gemacht  hat. 
in.  1.  IV  38:  ei  jiiri  Tic  autriv  [ejiöe  BaiaXiiv,  ßXen^ac  |  ec  toöto 
TÖ  [e]iK6vic)na,  jlui  e[Keiv]ric  Ö[e]ic9uu:  Berührung  mit  auTÖc 
'selbst';  ib.  76:  öc  öe  K[ejivov  . . .  fir)  TrajacpaXricac  eK  öikhc 
öpubpriKev  . . .  "wer  den  nicht  bewundert  .  .  .";  leise  Be- 
rührung mit  toioOtoc;  VI  20:  Metro  fragt  die  Koritto, 
Aver  ihr  den  scharlachroten  Baubon  genäht  habe,  darauf 
diese  ganz  erstaunt:  koö  b"  öpuupriKac,  |  MriipoT,  cuK[e]Tvov; 
"wo  hast  du  denn  den  gesehen?" 

2.  VI  42 :  eKeivo  6'  ou  coi  Kai  ludXici',  eireiLivricGriv-  |  Tic  ec[T] 
6  pdijjac  aÜTÖv; 

3.  V22;  VII  64,  111; 

4.  IV  77; 

IV.  2.  IV  73:   wohl  metri  causa;   oder  ist  die  Stelle  verderbt? 

vgl.  Meister  S.  726. 
V.  1.  IV  76. 

25.  Polybins    (Ausg.  v.  Büttner-Wobst,  Leipz.  1882). 

I.  1.  I  86,  6:  eKeivoc  mit  Bezug  auf  den  zuletzt  genannten 
Spendios,  weil  das  Hauptinteresse  Hannibal  beansprucht; 
III  49,  7 :  Die  sogen.  Insel,  zu  der  Hannibal  kam,  ist 
dem  ägyptischen  Delta  ähnlich,  irXriv  eKeivou  luev 
edXuTTtt  Triv  )Liiav  TrXeupdv  .  .  .  emlevfvvci ,  TauTnc  5' 
öpri  .  .  .,  das  Delta  wird  eben  nur  zum  Vergleich  heran- 
gezogen; IV  3,  3:  euuc  'Avti'yovoc  llr]  . . .  eTreibn  ö'  eKcTvoc 
laeTnXXaHe  töv  ßi'ov  . . .;  V  35,  2;  51,  11;  XV  20,  2  ebenso 
25,  26 :  ^uuc  iiiev  6  ßaciXeuc  elr\  . . .  ä|ua  be  tlu  jueTaXXdEai 
'KeTvov  .  .  .;  XVIII  35,  9:  Als  Scipio  Carthago  erobert 
hatte  .  .  .  dTrXüuc  tüuv  eS   eKeivnc  oubev  eic  tö  ibiov  ßiov 


Das  Pronomen  der  Jener-Deixis  im  Griechischen.  79 

jaetriTaTtv :  im  Deutschen  ist  auch  dramatische  Ausdrucks- 
weise möglich;  53,  3:  tto\u  küWiouc  d9op)Lidc  eixe  ZKÖTtac 
KXeofievouc  irpöc  tö  TrapaßdXXecGai  Kai  xoXiudv.  eKeivoc  fiev 
TÖtp  .  .  .  iKÖTTttc  öe  . . .    "denn    während  der  Letzere  .  .  . 
wurde  Skopas  .  .  .; 
2.  17,  12:    Fernauaphora;    68,  3;    114,   3;    22,   4;   45,    6; 
71,    6:    TTapaTrXriciov  tdp    &n    ti   cuveßr)   toutoic   Kai   toTc 
TTpujToic  . .  .  keivoi  le  Tctp  Tidviec  . .  .  outoi  xe  . . .;  in  7, 
3,  6;  9,  1:  wolil  Beziehung  auf  die  Vergangenheit ;  87,  6; 
Die  Römer  ernannten  zum  Diktator  den  Fabius  Maximus 
noch  heute  heißen  die  Mitglieder  dieser  Familie  Maximi 
öid  xdc  eKdvou  xdvöpöc  exrixuxiac  Kai  TrpdHeic,  vgl.  zu  XVIII 
35,  9;   87,  8;   lY  81,  4;   VI  52,  5;   YII  5,  1 :  wenn  sie 
zurückgäben  ö  irap'  'lepujvoc  eXaßov  xoö  TrdTTTTOu  .  .  .  Kai 
xdc    dXXac    bojpedc,    de  eixov   rrap'   eKeivou    "die   sie  von 
diesem  bekommen  hätten;  VIII  16,  10;  X  3,  2;  XII  13, 
9;  21,  6;   XY  11,   11;   XYIE  13,   9;    23,  5;    XX  4,  6.- 
ouxujc   dveirecov   xaic   ijJuxaTc  ujcx'   utt'  eKeivrjc  xfjc  xpei«c 
dTTXujc    oööevöc   exi   ...  exöX|uncav.    "ihr    Mut   wui'de   so 
sehr  gebrochen,  daß  sie  seit  diesem  Vorfall  .  .  .";  XXI  26, 
16:  xoxe  ö'  eKei'vuj  Kai  xauxofjaxov  cuviip-pice :  eKeivuj  für 
auxu)  vielleicht   wegen   des   vorhergehenden  xöxe;    doch 
sind  auch   andere  Erklärungen  möglich;   31,  15;  38,  5; 
XXIX  3,   4;    12,  7;   19,  7:    CKeTvov  oiKeiöxepov  eivai  xöv 
Kaipov,  öxe...;  8;  XXX  8,   7;  XXXI  27,  9;  XXXLV  .5, 
1 :  TToXußioc  öe  xrjv  EupuuTTriv  xujpoTpaqpuuv  xouc  juev  dpxaiouc 
edv  qprici,  xoijc  ö'  eKeivouc  eXefXOvxac  eSexdZleiv. 
n.  III  70,  4;  V  81,  3  :  öid  xö  TToiKiXTiv  eivai  KaKeivujv  xjiv  öuvamv 
"weil  auch  die  feindliche  Streitmacht  sich  aus  bunten  Ele- 
menten zusammensetzte".   VIII  28,  10:  errei  xö  Ttap'  eKeivujv 
TTup  TTdXiv  eujpuuv  dTTocßevvuiLievov  "als  sie  sahen,  daß  das  Feuer 
drüben  bei  Hannibal  erlosch",  dieser  steht  vor  den  Mauern 
von  Tarent  und  gibt  dem  in  der  Stadt  befindlichen  Nikon 
und  seinen  Genossen  ein  verabredetes  Feuerzeichen.  XVI 15, 
5 :  ^TTi  xf)  'keivoiv  cxpaxoireöeia  "auf  dem  feindlichen  Lager- 
platze";   XXIV  9,    7:    edv    öe   Ttapopdxai   xoöxo    xö    )uepoc 
ctTTavxac   diroveuceiv   ett'  eKeivr|v   xnv  UTröBeciv    "zur  Gegen- 
partei",   vgl.  den  Anfang  des  Kapitels,   wo  von  zwei  Par- 
teien gesprochen  wird. 
in.  1.  a)  I  79,  12;  II  60,  10:   cu|Li)Liaxiav  eGevxo  .  .  .  irpöc  xouc 


80  W.  Havers, 

'IWupiouc,  Ka9'  r]v  eKeivoic  )aev  .  .  .  cuvripYouv,  toTc  b^ 
'AxaioTc  . . .  avTCTTpaTTov;  68,  2,  auch  zu  V  2  gehörig; 
X  49,  12;  XI  la,  5:  ich  hielt  es  für  gut,  das  ganze 
Werk  so  einzurichten,  irXriv  et  iiJuv  TrpüuTuuv  ßußXiuuv, 
ev  eKeivoic  (öe)  npoTpacpac  erroiricdiaeOa  .  .  .;  16,  6; 
XII  14,  7;  XXVII  8,  4;  XXXI  23,  10:  Ti  öai  .  .  . 
rdc  dTTOCpdceic  iroieT  rrpöc  eKcivov,  e)ae  öe  TtapaTTeiiiTTeic : 
Publius  Scipio  fragt  den  Polybius,  weshalb  er  sich 
bei  Tisch  immer  mit  seinem  (d.  Scipio)  Bruder  unter- 
halte ohne  ihn  zu  beachten;    XXXII  9,  4;  XXXYIH 

8,  11; 

ß)  I  43,  4;  II  48,  1 :  öid  tö  KdKeivouc  "weil  auch  die  . .  /'; 

III  15,  12:  KdKeivouc;  29,  4:  KaKeTvoi;  48,  8;  57,  8: 
TTXriciöv  Ti  Trdcxovxec  xoTc  Xixvoic  tüjv  öemvriTojv.  Kai 
Ydp  eKeivoi  .  .  .;  58,  4:  KdKeivoi;  63,  9;  103,  4: 
KdKeTvov;  IV  23,  3;  49,  4;  80,  1:  Kai  rrap'  eKeivuüv; 
V  2,  8;  VI  44,  4:  dei  ydp  Trore  xöv  xüuv  'A0r|vaiujv 
örjinov  TTapaTiXriciov  eivai  cu)Lißaivei  xoTc  döecTTÖxoic 
CKdqpeci.  Kai  ydp  err'  eKeiVuuv...;  VII  4,  6;  14,  4; 
VIII  24,  10 :  ßouX6)Lievoc  auxuj  )aev  dvacxpoqpriv  boövai 
TTpöc  xö  TToXuTTpaYiuovficai  xd  Kaxd  xouc  veaviCKOUc, 
CKeivoic  öe  kicxiv  irapacKeudZieiv  .  .  .;  IX  28,  4;  32,  4; 
X4,  3:  KdKeTvov;  25,  2;  XII  3,  8;  25c,  3;  25h,  3; 
XV  20,  5;  XXI  4,  8:  KaKeivuuv;  XXII  14,  12;  XXVII 

9,  3;  XXIX  11,  5:  KOKeivouc;  XXX  9,  2:  KdKeivou: 
Berührung  mit  auxoc  "selbst";  XXXI  2,  2;  17,  6: 
KdKeTvov;  27,  5;  XXXIII  17,  2;  XXXIX  8,  5:  KdKeTvoc, 
auch  zu  I,  2  gehörig. 

f)  I  4,  8 ;  68,  5  :  baipiXeTc  eirüuXouv,  KaGujc  eKeTvoi  ßouXoivxo 
sie  selbst  verzichteten  auf  jede  Preisbestimmung ;  12 
oux  nxicxa  öl'  eKeTvov  "durch  seine  Schuld  namentlich" 
79,  5:  cxacidcavxec  Ttpöc  xouc  Xapöoviouc  eSeirecov  utt 
eKeiviuv:   während   sie    sich   bisher  allen  Völkern  ge- 
wachsen gezeigt  hatten;   II   7,   6;   40,  4:   ged.  Ggs.; 
ni  9,  8:   öcov   eir'   eKeivuj   "so  viel  an  ihm  lag",  ev. 
zu  2;  75,  3:  xouc  KeXxouc  Tidvxac  drroveveuKevai  irpöc 
xfjv  eKeivuüv  qpiXiav:  seien  alle  auf  deren  Seite  getreten; 
106,  9:  ndvxa...  exeipi^ov  Kaxd  xrjv  eKeiviuv  TVubMnv; 

IV  86,  6:  xdc  ö'  eXtriöac  exovxa  xfic  cuuxripiac  .  .  .  ev 
CKeivu;  "auf  ihm  beruhe  seine  Hoffnung  auf  Rettung", 


Das  Pronomen  der  Jener-Deixis  im  Griechischen.  81 

er.  zu  l:  V  11,  8:  t6  ye  xai'  eKeivouc  inepoc;  35,  1: 
bi  CKeivou  "durch  Ihn",  ev.  zu  Zi;  YIII  27,  8:  iräv  tö 
TTpaTTOiLievov  dn'  eKeivou  Xriv^eiai  Tr\v  dpxnv ;  X  5,  3 : 
bi'  CKeivov  "ihm  zu  Liebe";  XI  10,  7;  XIV  6,  10:  ujc 
|uidc  eil  KaxaXeiTToiuevric  eXiriboc  ific  ev  eKeivuj  tlu  cTpaxriTuJ 
Kai  Tttic  luei'  eKeivou  öuvd|iieciv ;  ev.  zu  l ;  XX  6,  7 : 
auTic  direveucav  irpöc  touc  'Axaiouc  Kai  t^v  eKeivujv 
a'ipeciv;  XXIII  10,  2;  XXXI  24,  3:  tlu  TrpecßuTepov 
eivai  TÖv  d5e\9Öv  ev  le  xaTc  6)uiXiaic  apxo)Liai  (t')  dir' 
eKeivou  Kai  Xe^uu  iraXiv  eic  eKeivov  ev  (re)  raic  dTToqpdceci 
Kai  cujaßouXiaic  Tipöc  eKeivov  dTTepeiöoinai :  Antwort  des 
Polybius  auf  die  Frage  des  Pnbl.  Scipio,  weshalb  er  sich 
bei  Tisch  stets  mit  seinem  Bruder  und  nicht  mit  ihm 
(d.  Scipio)  unterhalte ;  vgl.  unter  a ;  XXXVIII  20,  8  :  toj 
CTpairiYUj  ineYdXac  dTieveiue  idc  xdpitac,  öiori  tö  |uev  ^Keivou 
ILiepoc  . .  .  "so  viel  an  ihm  lag";  XXXIX  1,  3  :  öi'  eKeivov 
"seinetwegen";  7,  4:  öi'  eKeivov  "durch  ihn"; 

ö)  VIII  25,  1 :  auToi  Te  toTc  Trepi  töv  'Avvißav  ebocav 
mcTeic  Kai  Trap'  eKeivuJV  eXaßov ;  XV  20,  6 :  dKeivoi 
KaTd  TÜLJV  TTeXac  eßouXeucavTO  Trapavoiixuuc,  TauTa  Kax' 
eKeivuuv  biKaiuuc  eKupuuce;  XXX  8,  1:  tüjv  fpa\x]x6.ni)V 
eaXuuKOTuuv  Kai  necpuuTiciaevujv  Kai  tujv  rrapa  toO  TTepceuuc 
TTpöc  eKeivouc  biaTreiaTToiiievuuv  Kai  tüjv  irpöc  töv  TTepcea 
Tiap'  eKeivuuv ;  XXXVI  9,  8 ; 

e)  11199,  2:  Ausdruck  der  Gemeinsamkeit;  V  11,  2: 
Ausdruck  der  Gleichheit;  9:  ouöev  eiXeTO  tüuv  Ö|lioiuuv 
eKeivoic  eiriTribeueiv;  YI  50,  3:  Komparativ;  VII  7,  2; 
Vni  9,  10;  XII  6b,  7;  XVI  14,  4;  9:  Vergleich; 
XVIII  4,  7:  Ausdruck  der  Gemeinsamkeit;  XXI  13, 
9:  Superlativ;  20,  3;  7;  XXVIII  4,  7:  Vergleich; 
XXXI  24,  3 :  öokuiv  Kai  ce  Tfic  auTfic  jueTexeiv  YVUJ)aric 
eKeivuj ;  12  :  ouKeTi  tö  laeipdKiov  exwpicOn  tou  TToXußiou, 
rrdvTa  ö'  r\v  aÜTuJ  öeuTepa  Tvic  eKeivou  cujunepicpopdc ; 
XXXn  3,  9;  XXXVI  9,  5;  XXXVIK  7,  9; 

l)  I  80,  2;  II  42,  4;  60,  4:  Beginn  der  Erzählung;  III  7, 
2:  Begründung;  ebenso  8,  2;  ferner  9,  7;  111,  3: 
Begründung;  IV  35,  6;  38,  2;  74,  5;  85,  1;  V  26, 
5 :  OeTTaXiac  eTTicTdrai  Kai  x^ipiCTai  Trjv  dvaqpopdv 
eTToioOvTO  TTpöc  eKeivov  "nur  an  ihn",  (d.  Apelles)  vgl. 
nachher:  tö  b'  öXov  auToic  f\v  Kai  tö  Tiäv  'ArreXXiic; 

Indogermanisclie  Forschungen  XIX.  " 


82  W.  Havers, 

VIII  7,  8:  €Keivoi  fovv:  Beginn  der  Auseinauder- 
setzimi;-;  IX  34,4:  Begründung;  ebenso  X  1,  6;  3,  1: 
Beginn  der  Erzählung;  47,  7;  XI  6,  3;  XII  4 d,  6; 
12b,  2;  25f,  1;  27,  10;  XVI,  11;  21,  6:  KaGdTrep 
Ivxa.  TÜüV  dXoYUJV  Ziiüuuv.  CKeiva  Ydp  .  .  .;  35,  2:  Be- 
ginn der  Erzählung;  XVI  9,  3 :  Mn  yotp  eKeivou  To\|Lir|- 
cavTOc  "denn  wenn  er  nicht  den  Mut  gehabt  hätte";  4; 
39,  4;  41,  2;  XXI  19,  3;  XXIX  21,  2:  Beginn  der 
Erzählung,  bezw.  Begründung;  XXXIII  5,  4; 

)-\)  II  68,  4 :  TTpocTTiTTTOVTac  ToTc  TToXeiaioic  rd  |aev  eKeivuuv 
CTiqpn  cuvrapdTTeiv  .  .  .  auxouc  h'  uiroxujpeiv;  III 15,  7, 
auch  zu  I,  2  gehörig;  50,  3;  VII  4,  9;  XXI  35,  3; 
XXIII  8,  2;  XXXI  8,  3; 

0)  I  58,  8:  xd  be  itoXiTeuiaaT'  riv  diacpotepujv  napaTTWicia 
ToTc  vpuxo^axoüci  tüuv  euYevüuv  öpviBiuv.  CKeTvoi  xe  ydp 
TToXXdKic.oi  Te'Puu|LiaioiKai  Kapxn^ovioi ...;  V  26,  13; 

i)  II  43,  9;  XII  28,  12;  XXXI  10,  9;  26,  4; 

2.  X30,  5;  XXXI  22,  8. 

3.  IV  86,  6. 

4.  V  67,  6. 

rV.  1.  IX  34,  3;  XII  6  a,  2  ev.  zu  I,  2;  ebenso  25,  5. 

2.  182,  10:  Touc  fuev  ydp  rrapaßeßoriOriKOTac  auioTc  -rrap' 
eKeivoiv  .  .  . ;  II  4,  4 ;  III  68,  6 :  töv  Teßepiov  Kai  xdc  |U€t' 
€Keivou  öuvd)aeic ;  V  51, 11 :  dvaYKac6»icec9ai  biaKivbuveueiv 
auTÖv,  f\  ixi]  6eXovToc  toöto  ttoiciv  eKeivou  .  .  .;  VIII  10, 
3:  irepi  XapbavarrdXXou  .  .  .  ri  tujv  eKtivou  cujußiuuTiJuv ;  5: 
TTepi  öe  0iXiiTTTOu  Kai  tüuv  eKeivou  qpiXuuv;  1X38,  2;  XII5, 
11;  6,  2;  XII  13,  8:  oü  jliovov  aÜTÖv  'AvTiTrarpov,  dXXd 
Kai  TOUC  ^Keivou  öiaboxouc  Kai  cpiXouc;  XV  29, 14:  aurriv 
CKeivnv  "sie  selbst";  XVIII  15,  12;  51,  10;  XXI  38,  6; 
XXVII  7,  8;  XXVm  1,  5;  XXX  9,  6;  XXXVIII  12,  3. 
V.  1.  II  16,  13:  id  Ttepi  OaeBovia  Kai  Trjv  eKeivou  tttujciv;  25, 
7:  rjKoXouOouv  xoic  iTTTreOci  Kaid  xi^v  eKeivuuv  dTTOxuupnciv; 
58,  2;  III  8,  5;  9,  3;  44,  10;  87,  9;  102,  9;  IV  35,  6: 
xnc  eKeivou  Ttapouciac;  49,  2;  V  50,  11;  VIII  10,  7; 
X  38, 1;  XI  84,  2;  XII  6a,  2;  12b,  2;  XV  34,  6;  XXI 10, 
9;  XXII  17,  10;  XXVm  2,  4;  XXX  9,  21 :  bis;  XXXVI 
16,  9. 

2.  III  77,  4:  Ggst;  V  110,  10:  oubevi  KaGiiKeiv  ^dXXov  fi 
'KeivLu;  VU  3,  4:  Superlativ;  ib.  7;  4,  5:  \Ji^bev\  Kaer|Keiv 


Das  Pronomen  der  Jener-Deixis  im  Griechischen.  83 

ladXXov  T11V  dTTdvTuuv  ZiKeXiiuTUJV  dpxnv  ujc  eKeivuj;  VIII 19, 
4;  31,  2:  uuep  eKeiviuv  "ihretwegen";  X  4,  6;  38,  1; 
Xni  7,  4;  XY  1,  6;  17,  3:  Ggst.;  5:  Kdmvoic;  XVHI 1, 
11:  ouK  Icpri  TÖv  Xöyov  auTUJ  KaBriKeiv,  dXX'  eKeivuj;  7,  1; 
XX  9,  8;  XXI  18,  9:  Komparativ:  19,  1;  XXXVI  6,  6: 
Ggst;  XXXVIII  8,  3:  Ggst; 
3.  XII  16,  5 :  TTap'  auTOÜ  cpdcKOVioc  x^Tovevai  iriv  dToupiv 
—  eK  Yttp  Tfic  oiKiac  Tf\c  exeivou  tö  cu)|aa .  .  .  fiKeiv  dTiaYÖ- 
Mevov;    XVIII  36,  4;  XXXIH  6,  5. 

Besoiiderlieiten. 

1.  Mit  oüToc  scheint  eKeivoc  an  folgenden  Stellen  identisch 
zu  sein:  V  50,  11:  YpaM^otc  ujc  Trapd  MöXuuvoc  dTTecTaX|aevnv 
emcToXr)V  TtpöcTÖv  'EiTiYevriv  7T£i6ei  iiva tojv  eKeivou  Traiöuuv  ...; 
XV  25,  29  :  iruvGavöiaevoc  . . .  Kai  idc  buvd^elc  . . .  eir'  eKeivLu  xdc 
eXiTiöac  Ix^iv:  "er  erfuhr,  daß  auch  die  Truppen  darauf  ihre 
Hoffnung  setzten";  XVIII  9,  5:  TTpecßeueiv  eqpti  rrpöc  rriv  cuykXh- 
Tov,  KdKeivnv  ireiceiv  .  ..;  XXIV  11,  4:  üjcie  Tidv  xö  rrpocopopov 
*Puu|aaioic  eE  eToi|uou  ttoicTv,  evia  be  Kai  irplv  f)  TTpocxdEai  'Ktivouc; 
XXVI  1,  13,  ev.  zuL  2:  ebenso  XXXI  27,  7:  irpocTTopeuoiaevuuv 
rrpöc  xöv  Tpanelnr\v  .  .  .  KaKeivou  KeXeuovxoc. 

2.  Identisch  mit  imbetontem  auxöc  sind  die  obliquen  Kasus 
von  eKeivoc:  X  37,  7,  8;  XXXVIII  8,  15;  11,  8:  KaxriYOpiav 
TTOiouiaevoc  'Puj|Liaiujv  Kai  Tidv  xö  XeYÖ|Lievov  utt'  eKeivujv  em  xö 
XeTpov  ^K5exö|Lievoc ;  18,  3. 

26.  Die  Evangelisten  (Ausg.  v.  Tischendorf.  Für  das  Alt- 
bulgarische:   Jagic:    Quattuor  Evangeliorum   codex  Marianus). 

Der  Gebrauch   des  Pron.  eKeivoc  bei  den  Synoptikern  ist 
zu  unterscheiden  von  dem  bei  Johannes. 
A.  Die  Synoptiker. 

Ziemlich  verbreitet  ist  die  Verwendmig  von  eKeivoc  zur 
Bezeichnung  des  räumlich  und  zeitlich  Entfernten.  Dem  griech. 
€Kei  entspricht  abg.  durchweg  tu,  got.  jainar ;  Mt.  XIII,  42  ent- 
spricht abg.  hgda,  Mt.  VI  21,  Mk.  XVI  7  got.  ßaruh;  griech. 
CKeT  =  eKeice  wird  abg.  übersetzt  durch  tamo  z.  B.  Mt.  II  22 ; 
dem  eKeiGev  entsprechen  abg.  fünf  Formen:  oh  tqdu  (Mt  IV  21), 
otb  tqde  (Mt.  V  26),  oh  tudq  (Mt  IX  9),  oh  tqdq  (Mt  XI  1),  oh 
tude  (Mt  XIV  13,  XV  21,  29;  XIX  15);  got  wird  jainßro  ge- 
b'-aucht  Vgl.  außerdem  folgende  Stellen :  Mt  VIII  28 :  üjcxe  }if\ 
icxOetv  xivd  -rrapeXGeTv  bid  xfjc  oöoö  eKeivoc  —  minqti  pqtetm  temb 

6* 


84  W.  Havers, 

—  mleißan  ßairh  ßana  mg  jainana ;  IX  26 :  eic  ö\r|V  xnv  rnv 
CKeivriv  —  po  visei  zemi  toi  —  and  alla  jaina  airpa.  XIV  1)5; 
XY  22;  XXVII  8 :  6  dYPÖc  eKeivoc  — •  selo  to  —  akrsjmns;  Lk.  X  31. 
Die  häufigen  Wendungen  ev  eKeivi;)  ir]  ninepa,  ev  eKeivaic  laic 
fiiuepaic,  ev  tri  üjpoi  eKeivr)  werden  wiedergegeben  durch  abg.  vi, 
h  denh^  Vb  tyje  dinii  oder  ti>  dhni  ty^  m>  tb  casb,  got.  in  jainamma 
daga^  in  jainaim  dagam,  in  jainai  heilai.  Das  abg.  irb  Uj  dhni 
wird  übrigens  auch  zur  Übersetzung  des  griech.  kv  xaTc  riMepaic 
TauTttic  verwendet,  vgl.  Lk.  I  39,  VI  12;  Mt.  XIV  1  wird  ev 
eKeivuj  tlu  Kaipuj  übersetzt  mit  m  vreme  ono.  Ferner  mögen  hier 
erwähnt  werden  Mt.  XXIII  23:  Tauia  eöei  rroificai  KaKCiva  |nr) 
dqpeivai  —  si  ze  podobaase  Sbivoriti  i  tecki  ne  ostaviti;  XXVII  19: 
TLU  öiKaiuj  eKeivLU  —  pravedhniku  tomii^  wo  eKeivoc  =  "der  be- 
kannte"; Lk.  XI  42:  tauia  eöei  iroificai  KctKeiva  )uri  Tiapeivai  — 
si  ie  .  .  .  i  oneckb  ne  ostavieti ;  XIII  4 :  eKeivoi  oi  beKaoKTuj  —  oni 
osme  na  desete\  XVIIl  14:  Kaießri  outoc  öebiKaiuj|uevoc  eic  töv 
oiKOV  auToö  f\  Toip  eKeivoc  —  Sbnide  sh  opramdam  m  dorm  svoi, 
pace  onogo  —  atiddja  sa  garaihtoza  gataihans  du  garda  seinamma 
pan  raihtis  jains.  Für  die  Anderseitsdeixis  findet  sich  ein  Bei- 
spiel bei  Lk.  XVI  26 :  jueraSu  f]mijv  Kai  u|auuv  xac)aa  ^ija  eciri- 
piKiai,  ÖTTuuc  oi  öeXovtec  biaßfivai  evBev  rrpöc  u)adc  }xr]  bOvaivrai, 
|Lir|be  oi  eKeiGev  Trpöc  f])ndc  öiaTrepuüciv  —  oti  tqdq.  Die  Ver- 
wendung unseres  Pronomens  im  Sinne  eines  betonten  Der-De- 
monstrativs  ist  ziemlich  selten;  vgl.  Mt.  XIII  11 :  ui^iv  öeboiai . . . 
eKeivoic  öe  oü  beboiai  —  vam^  dano  estb  .  .  .  onem^  ze  ne  dano 
esh:  ähnlich  Mk.  IV  11,  hier  auch  got.  izwis  atgiban  ist  .  .  .  iß 
jainaim  .  . . ;  Mk.  XII  4 :  KdKeivov  —  i  togo  — j ah  ßana  \  5:  KdKeivov 

—  i  togo  — jah  jainana \  XVI  13:  oube  eKeivoic  —  ni  tema\  20: 
eKeivoi  be :  Ggst.,  —  oni  ze :  Lk.  VIII  32 :  eic  CKeivouc  eiceXBeiv 

—  Vb  tii  vbniti  —  in  ßö  galeißan ;  XX  1 1 :  KdKeivov  —  i  togo  — 
jah  jainana.  Beispiele  für  praeparative  Verwendung  finden  sich 
Mt.  XXIV  43 :  eKeivo  be  YivuucKeTe,  öti  .  .  .  se  ze  vedite,  eko  .  .  . ; 
Lk.  XII  47:  eKeivoc  be  ö  boöXoc  6  tvouc  .  .  .  th  ze  rahi  vedevy; 
korrelativ  steht  eKeivoc  Mt.  XXIV  46 :  6  boüXoc  eKeivoc  öv  . . .  — 
rahi  tb,  egoze:  XXVI  24:  tuj  dvBpuiTToi  eKeivuj  bi'  oij  —  cloveku 
tomu  imhze\  Mk.  IV  20 :  eKeivoi .  . .  o'irivec  —  si  . . .  ize,  ßai .  . . 
ßaiei;  in  cpanaleptischer  Verwendung  findet  es  sich  Mk.  VII  20: 
TÖ  eK  Toö  dv9pd»TT0u  eKTTOpeuö|aevov,  eKeivo  KOivoi  töv  dvOpiuTTOV. 

—  fo  —  ßata.  Im  übrigen  ist  der  Gebrauch  des  Pronomens 
eKeivoc  bei   den  Synoptikern   ein  ganz   eigenartiger;  ich  führe 


Das  Pronomen  der  Jener-Deixis  im  Griechischen.  85 

zunächst  die  betreffenden  Stellen  an :  Mt.  VII  25 :  6|uoiuu9r|ceTai 
dvöpi  qjpovifiuj,  octic  ujKoö6|uricev  auTou  inv  oiKiav  em  triv  ire- 
xpav . . .  Kai  £TTveucav  oi  dve)iioi  Kai  -n-poceTTecav  Ty\  oiKia  eKeivr],  Kai 
ouK  eirecev  —  napadq  na  chraminq  tq  —  bistugqun  bi  pamma 
razna  jainamma\  ebenso  27;  XII  45 :  KaioiKeT  eKti,  Kai  Yiverai 
TOI  Icxata  ToO  dvGpuuTTOu  eKeivou  xeipova  TuJv  TrpuuTuuv  —  cloveka 
togo:  XIII  44:  6|uoia  ecTiv  r\  ßaciXeia  tujv  oupavüuv  öricaupuj  Ke- 
Kpu|H|aevLu  ev  tuj  dTpuJ,  öv  eupujv  dvGpuuTTOC  . .  .  TTuuXeT  iravTa  öca 
€xei  Kai  dTOpdZiei  töv  dTpöv  CKewov  —  kupueU  selo  fo;  XVII  27: 
eupnceic  cTarfipa  •  eKeivov  Xaßdiv  ...  —  ü  ubzenn  .  . . ;  XVIII  26 : 
TTecujv  ouv  6  öoöXoc  eKelvoc  TrpoceKUvei  auiuj  (der  Schuldner,  von 
dem  unmittelbar  vorher  die  Rede  gewesen  ist).  —  pad^  uho  rahotb 
(^  rah^  tb)\  27:  cirXaTXVicGeic  öe  6  Kupioc  tou  öouXou  eKeivou  — 
raba  togo;  28:  eHeXöujv  be  ö  boöXoc  eKeivoc  —  isbdd  ze  rahotb\ 
32 :  Ttdcav  i\\v  öqpeiXrjv  eKeiv^v  dqpfiKd  coi  "die  ganze  Schuld  habe 
ich  dir  erlassen"  —  visb  dhg^  tvoi  otvpusUcln  tebe.  XX  4 :  eibev 
dXXouc  ecTÜüTac  ev  if)  dYopa  dpYOuc,  Kai  eKeivoic  eiTrev  "und  er 
sprach  zu  ihnen"  —  i  tenn  rede :  vgl.  6  u.  7  :  Xexei  auxoTc  — 
irm.  XXI  40 :  ötav  ouv  eXGr)  6  Kupioc  xoö  djUTreXaivoc,  ti  uoiricei 
Toic  •ft'J^PToic  eKeivoic;  "was  wird  er  dann  mit  diesen  Arbeitern 
anfangen?"  c^to  sbtvoritb  delatelenn  tenn:  XXII  7:  diriJuXecev  toijc 
qpoveic  eKeivouc  "er  ließ  die  Mörder  umbringen"  —  p)oguhi  ubice 
ty\  10:  Xeyei  toTc  öouXoic  auTOu  . . .  Kai  eHeXGövxec  oi  boöXoi  eKeivoi 
eic  rdc  ööouc  ...  —  i  iseddse  rabi  ti  na  pqti\  XXIV  50:  fjSei 
6  Kiipioc  TOU  bouXou  eKeivou  "der  Herr  dieses  Knechtes"  —  raba 
togo:  XXV  7:  TÖTe  rifepGricav  Trdcai  ai  TrapGevoi  eKCivai  "aUe 
(diese)  Jungfrauen"  —  devy  ty  vtse;  19:  epxeTai  6  Kupioc  tüjv 
öouXujv  eKeivuüv  "der  Herr  dieser  Knechte"  —  rab^  techi-,  XXVI 
24 :  KaXöv  fjv  auTUJ  ei  ouk  eYevvriGri  6  dvGpuuiroc  eKeivoc  —  clovekb 
ti ;  Mk.  III  24 ;  edv  ßaciXeia  £9'  eauTrjv  iiiepicGfi  ou  öüvaTai  cTaGfivai 
f)  ßaciXeia  eKeivri  —  cesanstvo  to  —  so  piudangardi  jaina ;  ebenso 
25:  f}  oiKia  eKeivn  —  domotb  —  sa  gards  ja  ins:  XIV  21  ==  Mt. 
XXVI  24;  XVI  10:  eKeivr)  "diese"  —  owa  —  soh:  11:  KdKeivoi 
"und  diese"  —  oni  — jah  eis:  ebenso  13:  Dual  —  to;  Lk.  VI 
48:  Tri  oiKia  eKeivrj  (vgl.  Mt.  VII  25,  27)  —  chramine  toi  —  bi 
jainamma  razna ;  49 :  i^c  oiKiac  eKeivnc  —  cliraminy  toje  —  pis 
raznis;  XI  26  =  Mt.  XII  45;  Lk.  XII  45:  edv  be  emri  6  öoOXoc 
eKeivoc  —  rabi  fe;  46  =  Mt.  XXIV  50;  XIV  24:  tujv  dvbpoiv 
€Keivuuv  TiiJv  KeKXrjfievujv  —  mqzh  tecJn  —  manne  jainaize;  XX  18: 
XiGov  öv  direboKiiittcav  oi  oiKGÖofiouvTec  outoc  efewr\Qr\  eic  KcqpaXnv 


86  W.  Havers, 

fuuviac;  ttöc  6  Trecdiv  ctt'  eKcivov  töv  Xi9ov  cuvGXacGricetai  —  na 
Jx-amene  tomh  —  ana  pana  stain.     Au  den  meisten  der  hier  an- 
geführten Stellen  entspricht  CKeivoc  unserem  schwach  betonten 
"dieser",  was  für  Mt.  XVII  27  auch  von  Winer-Schraiedel  (Gram, 
des  neutestamentlichen  Sprachidioms  8.  Aufl.  Gott.  1898.  S.  217) 
zugestanden  wird,  während  Blass  (Gram,  des  neutestamentlichen 
Griechisch  S.  167)    meint,    daß    eine   Vertauschung   mit   outoc 
selten  anginge.  Auf  die  Ausbreitung  dieser  uns  schon  von  Polybius 
her  bekannten  Erscheinung  wird  wohl  der  Umstand  nicht  ohne 
Einfluß  gewesen  sein,  daß  im  Griechischen  des  NT.  outoc  auch 
die  Funktion  von  ööe  übernommen  hat,   vgl.  Brugmann  a.  a.  0. 
S.  57,  Fußnote;  eKcTvoc  konnte  daher  zur  Entlastung  von  outoc 
verwendet  werden.     An  einigen  der  oben  angeführten  Stellen 
scheint  cKeTvoc  vollständig  überflüssig  zu  stehen,  z.  B.  Mt.  XVIII 
26,  27,  28,  wo  es  denn  auch  tatsächlich  in  der  von  Tischendorf 
mit  B   bezeichneten  Handschrift  fehlt   (vgl.   die  ähnliche  Ver- 
wendung bei  Herodot,  Kap.  13:  Besonderheiten). 
B.  Der  Gebrauch  unseres  Pronomens  im  vierten  Evangelium. 
Er  unterscheidet  sich  kaum  von  dem  klassischen. 
I.  1.  III  28:  ouK  ei)Lii  t^(x}  6  XpicToc,  dW  öti  d-rrecTaXiaevoc  ei)ni 
e^TTpocGev  eKeivou:  Rücksicht  auf  die  Gottheit  Christi  — 
predi  nimh\  ähnlich  IV  25  —  fo,  VI  29  —  om>  — jains; 
XVI  8  —  om>  —  is\  13:  örav  öe  eXöii  cKeTvoC;  xö  irveöua 
Tfic  dXrjöcictc,  om — jains\  ebenso  14. 
2:  IV  39:   eK   öe  ■xr\Q  TToXeuuc  eKeivnc;   Fernanaphora  —  otb 
grada  ze  togo\  V  35  :  eKBVoc  —  om — jains-^  46:  eKeivoc: 
Moses,  h  — jains;  XVIII  15:  6  öe  ^aBriTnc  eKeivoc:  Be- 
ziehung auf  die  Vergangenheit  —  ucenikb  ze  tb  —  sah\ 
XXI  23 :  6  )Lia9riTric  eKeivoc :  Fernanaphora  —  tb. 
II.  VII  11:   TToO   ecTiv  eKeivoc;   verächtliche  Frage  der  Juden 
nach  Jesus,  —  om  —  jains.  45 :  eKeivoi :  die  Hohenpriester 
und  Pharisäer,  —  ti  —  jainai\   44:    eKeivoc:   der  Teufel, 
otvb  —  jains:  XIII  27:  eic  eKeTvov:    Judas  —  vo  nh  —  in 
jainana. 
m.  1.  I  8:  OUK  T^v  eKeivoc  TÖ  cpüuc  "nicht  der  war  das  Licht",  — 
ne  beh  svetb\  II  21 :  eKeivoc  öe  eXeyev  "er  aber  sprach  von 
dem  Tempel  seines  Leibes",  während  die  Juden  an  den 
Tempel  von  Jerusalem  dachten,  —  om  ze\  III  30:  eKeTvov 
bei  auHdveiv,  e^e  öe  eXarToucOai  —  onomu  podohaah  rasti 
—  jains  skal  ivahsjan;  V  19:  ä  y«P  «v  eKeivoc  TTOiri,  tauia 


Das  Pronomen  der  Jener-Deixis  im  Griechischen.  87 

Kai  6  uiöc  iroiei  6)lioiujc — eze  ho  om  tvoritb\  39:  ^Keivai 
eiciv  —  tbi  sqtb;  47  :  ei  be  toic  eKeivou  Ypctmaaciv  ou  mcTeuexe, 
TTUJC  ToTc  eiaoTc  prjfiaciv  TTicTeuceTe;  —  togo  kbnigarm  — jainis 
melam\  VIII  42:  tKeivoc  )ne  dTrecieiXev  "d§r  ist  es,  der 
mich  gesandt  hat",  —  ti  tue  posüa  —  is  mik  insandida] 
IX  9 :  dWoi  IXeYov . . .  eKeivoc  eXefev  "er  selbst  aber  sprach", 
also  Berührung  mit  auiöc;  —  om  ze —  ip  is  qaß;  28: 
cu  |Lia9nTr]c  ei  eKeivou,  f\\xe\c  be  toö  Muuüceujc:  vorher  un- 
betontes auToO,  —  togo  —  ßu  is  siponeis  pamma ;  X  6 : 
eKeivoi  be  ouk  eYVuucav  oni  ze  —  ip  jainai\  16:  KoiKeTva 
"auch  die"  —  i  ty  — jah  po;  XI  13:  vgl.  II  21 :  oni  ze 

—  ip  jainai\  XIV  12 :  KciKeivoc  —  i  h  — jah  is;  XVII  24: 
KctKeTvoi  —  i  ti  —  jah  pai ; 

3.  IV  53 ;  X  35 :  ei  CKeivouc  eiTrev  öeouc  . . .  irpöc  oüc  . . .  ony 

—  jainans;  XIII  26:  CKeivöc  ecriv  iL  eTub  . . .  tb  —  sa; 
XXI  7. 

4.  I  18:  6  liOvoTevric  uiöc . . .  CKeTvoc  —  fe;  33:  6  7Te|iVi;ac 
)ae  .  . .  cKeTvöc  )lioi  . .  .  fe;  V  11 :  6  rroincac  . .  .  eKeivoc  |iOi . . . 
ti;  43  :  edv  dWoc  eXÖr] . . .  eKeivov  —  togo;  VI  57 :  6  TpiuTiuv 
iue  KÜKeTvoc  Z:ricei — jah  sa\  IX  37:  6  XaXdjv  . . .  eKeivoc 
ecTiv  —  tb  estb  —  saist-^  XI:  6  \xt[  eicepxö|aevoc  . . .  eKeivoc 
tb  —  sah ;  XII  48 :  6  Xoyoc  . . .  eKeivoc  —  to  —  Pata ; 
XIV  21 :  6  Ix^AJv  . . .  eKeivoc  —  tb  —  sa\  26:  ö  be  irapoi- 
kXhtoc  . . .  eKeivoc  —  ty  —  sa\  ebenso  XV  26. 

IV.  1.  V  38 :  keivoc  —  tb  — jains\  VII  29 :  KUKeivoc  —  itb  — jah 
is\  IX  11 :  om  —jains;  12:  tb  —  sa;  25  =^  11,  ebenso  36 
XI  29 :  eKeivn  —  ona  —  jaina;  XIII  25  :  tb  — jains]  30 
ony  — jains,  ev.  zu  II.;  XVIII  17  :  om  —  is,  ebenso  25 
XIX  15:  eKeivoi  —  oni\  21 :  eKeivoc  —  satm  (auröc);  35 
KdKeivoc  —  itb]  XX  13 :  eKeivoi  —  ona  (Dual);  15 :  iKeivri 

—  ona,  ebenso  16. 

27.  Lnkian  (Ausg.  v.  Jakobitz). 
I.  1.  Tim.  16:  out'  ouv  ^Keivouc  oüxe  toijc  iravu  Tipoxeipouc  eic 
d|ae  TouTouc  eTraivüu :  ck.  bezieht  sich  auf  die  unmittelbai; 
vorher  genannten  Geizigen,  sie  stehen  aber  dem  Interesse 
des  Sprechenden  nicht  so  nahe,  wie  die  Verschwender 
von  der  Sorte  des  Timon,  um  die  sich  das  Gespräch  dreht, 
und  die  daher  mit  toutouc  bezeichnet  werden;  31 :  reine 
Deixis,  und  so  oft  bei  Lukian;  Deor.  Dial.  V  2;  XX  6: 
beupo  r)X9ov  utt'  ^Keivou  KaxaTreiiqpöeic ;  Charon  3,  6,  9,  11: 


88  W.  Havers, 

Tivac  eKeivouc  ö  Kpoicoc  eK-rreiuTTei ;  ib.  eKcTvo  Yotp  ^ctiv  6 
Xpucoc,  t6  Xaiairpöv  ö  drrocTiXßei .  . . ;  EPM.  'EkeTvo,  oi  Xdpuuv, 
*Ma,  lieber  Charon" ;  22 :  rrpö  tuüv  TroXeuuv  €Keiva  tu  xiAJ^otia 
opac  .  .  .;   eKeTva  Trdvxa  veKpoboxeTct  Kai  cuj)iiaToqpu\dKid 
€ici:  wir:  "Das  sind  alles  Gräber";  23,  24;  Piscat.  25; 
Catapl.  22:  oux  ö)aoia  xoTc  eKei  rd  ev6dbe:  das  Gespräch 
wird  in  der  Unterwelt  geführt:  Somn.  s.  GaU.  18;  Philo- 
pseiid.  15:  tö  evaviiov  toTc  cpdc|iaci  TteTTOvGev.  eK€iva  |iiev 
Ydp  . .  .  avTt]  öe  . . .,  vgl.  oben  Tim.  16;  20:  irdvia  eKtiva; 
Dial.  meretr.  VI  1 :  öie  öe  eKcTvoc  llx]. 
2.  Somn.  11:  ujcre  tujv  öpuuvTuuv  eKacxoc  töv  irXriciov  Kivrjcac 
öeiSei  ce  xiu  öaKiuXtu  "outoc  eKeivoc"  XeTuuv ;  vgl.Harmonid.  1 ; 
NigT.   7,   12,   13  Fernanaphora,   ebenso  23;   Prometh.  s. 
Caucas.  10,  13:  tö  ütt'  eKeivou  "von  jener  Zeit  an";  Deor. 
Dial.  IV  1:   ttüjc  ouv  id  luiev  TiTepd  coi  tKeiva  eHeppOriKe;: 
"wo   sind   denn  die  Flügel,   die  du  vorher  hattest,  hin- 
gekommen ?" ;   Dial.  Marin.  II  2 ;    Dial.  Mort.  II  2 ;   V  1 : 
Fernanaphora;   VIII  1;   IX  4;   XI  1 ;   XIII  5;    XV  2; 
XVI  2 ;  3 ;  XXV  2 ;  XXIX  2 ;  Charon  3 ;  Piscat.  9 ;  42 ; 
Jup.  Confut.  7;  9;  18;  Somn.  s.  Gall.  1,  2,  4,  6,  ib.  eKeivoc 
"Homer";  8,  12,  24:  cu  be  ÖTröre  ßaciXeüc  iicGa  .  .  .  ttoiou 
tot'  erreipdGric  toö   ßiou  eKtivov;   "wie  hat  dir  denn  da- 
mals  diese  Lebensweise  gefallen?";   Icarom.  5,  21,  29; 
Anachars.  15:  Fernanaphora;   16:  bis;  22:  dpeTdc  Te  dv- 
öpüjv  TTaXaiujv   Kai  KaKiac   Seuuiuevouc,    ujc  tüljv  )aev  diro- 
TperroiVTO,  ctt'  eKeTva  hk  cTreüöoiev;  23,  32;  Philopseud.  2; 
Dial.  meretr.  VI  3:  Fernanaphora;  XII. 
n.  Dial.  Mort.  V  1 :  ti  ydp  eKeivoi  iraGovTec  euxovxai  .  .  .  "was 
für  eine  Ursache  hat  dies  Gelichter?";  Charon  5:  dirö  öe 
TüüV  dpKTUJUuv   Td  em  Tdbe  tou  "Icxpou  |li6vov  (sei.  qpaiverai), 
KdKeT9ev  f]  Kpiirr)  ou  irdvu  caqpJjc  "gegen  Norden  ist  nur  das, 
was  diesseits  der  Donau  liegt,  sichtbar,  und  auf  der  gegen- 
überliegenden Seite  (gegen  Süden)  kann  man  kaum  bis  Kreta 
sehen";  Anachars.  33;  Dial.  meretr.  VII 3:  töv  epYdTnv  eKeivov 
Kivdßpac  d-TToZiovTa  "diesen  stinkigen  Bauernjungen" ;  X2: 
Ti  iraGujv  be  eKeivoc  .  .  .  "was  fiel  dem  Menschen  ein,  daß 
er...?";  3:  6  Xfipoc  eKeivoc. 
ni.  1.  a)  Tim.  10 :  keivou  |aev  biniuaprov,  —  uirepecxe  Tdp  auToO  thv 
xeTpa  TTepiKXfic  —  6  be  Kepauvöc  eic  tö  'AvaKeiov  irapa- 
CKr|i}jac  .  .  . ;  22 ;   Deor.  Dial.  XIX  1 :   luövnc  be  d^iex»;! 


Das  Pronomen  der  Jener-Deixis  im  Griechischen.  89 

Tfjc  Ä9rivdc  Ktti  err'  eKeivr|c  otTTupoc  |Liev  coi  n  öde ;  Dial. 
Mort  VI;  XIV  6;  XV  2;  XXn  3 ;  Piscat.  32;  Jup. 
Confut.  12:  em  töv  cOv  dqpeic  triv  Xoyxnv,  eKeivou  uev 
djuapTricerai,  qpoveucei  he  töv  toO  Kpoicou  iraiöa ;  Somn. 
s.  Gall.  17 :  feKeiviu  |Liev  oubev  cuvnvexönv  . . .  töv  juevToi 
eTttipov  auToO  .  .  .  ou  x^XeTTojc  drreKTeiva:  Berührung- 
mit  auTÖc  "selbst";  Anachars.  23;  Navig.  22;  Dial. 
meretr.  II  3 ;  IV  4 ;  VE  3 ;  XV  2 :  buo  TdXavTa  aitri- 
caca  . . .  enei  }xi]  eöiöou  6  Aeivojuaxoc,  eKeivov  |aev  dTte- 
KXeicev  .  .  .  TÖV  föpYov  öe  .  .  .  Tipocie^Aevri  •  •  • ;  Deor. 
Concil.  18. 

ß)  Deor.  Dial.  III  1 ;  V  2:  oüb'  CKcTva  ^ev . . .;  4;  XVI  2; 
XIX  1;  XXV  3;  Dial.  Marin.  VII  2;  Dial.  Mort.  I  3: 
eipnceTai  Kai  TaÖTa  irpöc  eKeivouc :  vorher  geht  ein  Auf- 
trag an  die  Philosophen ;  II  1 :  ou  qpepojuev,  uj  TTXoutujv, 
MeviTTTTOv  TOUTOvi  TÖV  Kuvtt  TTttpoiKouvTa  *  ujcTe  n  tKeivöv 
TTGi  KaTdcTHCov  r|  fiiuieic  )LieToiKrico)aev  ec  eTepov  töttov  : 
Der  reinen  Deixis  dient  nur  toutovi;  das  betonte  cKeTvov 
steht  lediglich  der  Gegenüberstellung  wegen,  weshalb 
es  nicht  richtig  ist,  wenn  Jakobitz  in  der  Anm.  z,  D. 
St.  übersetzt  "setze  oder  bringe  jenen  irgend  wohin 
zur  Ruhe";  VI  3;  VII  2:  etüj  •  •  •  ävr'  keivou  veKpoc: 
VIII:  KdKeivoc;  ib.  ti  ouv  örj  CKeTvoc;  "was  tat  er  nun?" 
(nachdem  du  so  gehandelt  hattest);  XVI  1:  ou  fäp 
CKeTvoc  TeOvr|K6V,  dXX'  eTou  n  eiKubv  aÜTOÖ ;  2 :  cu  toivuv 
dvr  cKeivou  veKpöc  ei;  XVII  1;  XIX  1;  Charon  9: 
KttKeTvoc;  10;  16;  Piscat.  3:  6  |Liev  "Ojuripoc  f)|uTv  dirpaK- 
toc,  f)  laeYiCTri  eXmc.  im  töv  Eupiiriöriv  br|  |aoi  KOTa- 
<peuKTeov  •  Tdxa  fäp  dv  eKeivoc  cuuceie  )ae;  25;  27: 
Kai  rrpöc  eKei'vouc;  Catapl.  4;  Jup.  Confut.  6;  11;  15: 
cu  öe  |uoi  Kai  uirep  tKeivric  diTÖKpivai  "auch  in  ihrem 
Xamen";  ebenso  18;  Somn.  s.  Gall.  9:  cu  dvT'  eKeivou 
fJKe;  19;  22;  24:  ö|uoiov  ovTa  toTc  . .  .  KoXoccoTc  . . .  • 
KdKeivouv  yäp  eKacToc...;  26;  Icarom.  16:  KdKeivouc; 
Anarchars.  16;  31 ;  Philopseud.  18:  |uujv  töv  biCKeuovTa, 
Tiv  ö'  eTuu,  cpric  töv  .  . .;  ouk  eKeivov,  n  ö'  öc  . . .,  cu  öe 
ei  Tiva  TTapd  tö  üöuup  tö  emppeov  ciöec  -rrpoTacTopa . . . 
eKeivov  XeTuu  "den  meine  ich";  39;  Dial.  meretr.  XI  3; 
Deor.  Concil.  6; 

Y)  Mgr.  27 :   sie   sollten   sofort   mit  der  Besserung   be- 


90  W.  Havers, 

ginnen;  Prometh.  s.  Caucas.  10:  ged.  Ggs.;  Dial.  Marin. 
XV  1 :  NOT'  Nai  •  töv  Tf)c  Eupubmic  itaTepa.  xi  |uriv;  ZEO* 
TTepi  auTvic  CKeiviic  buiYt'icoiuai  coi  "von  eben  dieser 
Europa  habe  ich  dir  etwas  zu  erzählen";  Dial.  Mort. 
VII  1 :  KAA.  oicGa  ^äp  Kai  cu  ttou  TTToioöuupov  töv 
TepovTtt  ZHN.  Töv  dieKVov,  töv  ttXouciov  .  .  . :  KAA. 
eKeivov  auTÖv  dei  eBepd-rreuov  "eben  der  ist  es,  den  ich 
immer  pflegte" ;  XXIX  2  :  ged.  Ggs. ;  Charon  4 :  aÜTÖv 
GKeTvov  TÖV  'ATXavTa;  21:  oukoöv  CKtivoic  jov\  e|ußoii- 
cu))Liev;  "wollen  Avir  denn  nicht  denen  wenigstens  zu- 
rufen?" ev.  zu  Z;;  Piscat.  3:  eKeivoc  auTÖc  "eben  der"; 
10;  11;  irap'  auTfjc  eKeivr|c  fiKeiv  "sie  kämen  gerade 
von  ihr  her";  Demon.  12:  dpHacOai  bk  drrö  OaßLupivou 
KttXöv  Kai  ujv  TTpöc  tKtivov  eiTtev :  um  nachher  zu  er- 
zählen, was  er  zu  änderen  gesagt  hat;  Jup.  Confut.  9, 
ev.  zu  ZI;  Somn.  s.  Gall.  4:  CKeivoc  auTOC  "d6r  eben"; 
20;  27:  ged.  Ggs.;  28:  rrap'  auTÖv  eKeivov  töv  !Ei)Liujva 
"zu  eben  diesem  Simon" ;  Icarom.  3 :  ged.  Ggs. ;  Dial. 
meretr.  II  1 :  oi|uai  ydp  eKeivov  Xeyeiv  ce  "denn  den 
meinst  du  doch  wohl" ;  VI  2  :  KOP.  KaGdfrep  i-\  Aacpviöoc 
öuTttTrip  Aupa;  KPQB.  Nai.  KOP.  dXX'  eKeivr)  eTaipa  ecTiv: 
ged.  Ggs.;  XI  2:  TPYO.  'OiroTepav  Xijexc;  öuo  ydp 
eici  •  Tiiv  CK  TTeipaiuJc . .  .  r\  tvjv  eTepav,  »iv  TTaYiöa  em- 
KaXoöciv;  XAPM*  'EKeivr|v,  Kai  4dXuuKa  ö  KaKoöai|Liujv  Kai 
cuveiXri|Li)aai  irpöc  aÜTfjc  "welche  (Philemation)  meinst 
du  ?  Denn  es  gibt  ihrer  zwei,  die  aus  dem  Peiraeus  . . ., 
oder  die  andere,  die  man  auch  die  "Schlinge"  zu 
nennen  pflegt  ?  Charm.  "die  letztere,  und  ich  Ärmster 
sitze  ganz  in  der  Schlinge  drinn";  hier  wird  also  nur 
durch  den  Zusatz :  Kai  edXuuKa  ktX  •  verständlich,  welche 
gemeint  ist;  ib.  hi  eKeivov  "doretwegen"; 

ö)  Deor.  Dial.  XII  2.  Dial.  meretr.  XI  1. 

e)  Nigr.  32;  Deor.  Dial.  IV  1 :  luövov  Tdp  eKeivov  vfff)  Geov; 
Dial.  Mort.  VI  3  :  Komparativ ;  VIII :  eKeivoi  . . .  ndvTa : 
identisch  mit  Superlativ ;  IX  4 :  Komparativ ;  Charon  1 : 
Vergleich;  Demon.  2:  Superlativ;  Icarom.  29;  Ana- 
chars.  17;  Philopseud.  23;  27:  Vergleich;  44:  dveu 
eKeivuuv  )li6vuuv;  Dial.  meretr.  IV  4:  eKeivov  |Li6vnv;  VI  2 
Kai  cu  Ydp  trXouTriceic  ujc  eKeivr) .  . .;  VII  3;  Komparativ 
X  3 :   TTpocßXerreiv   a.\\\jj  oüöevl  eSecriv  öti  \xi-]  eKeivuj 


Das  Pronomen  der  Jener-Deixis  im  Griechischen.  91 

l)  Tim.  18:  Begründung;  Deor.  Dial.  lY  2:  ttoO  TÖtp  enei- 
voc  öiperai  ce  "wie  soll  der  dich  sehen?";  YII  4; 
XX  3 :  ouK  dv  eKeTvoc  öiKdceie  KaKÜJC  "der  wird  gewiß 
keinen  falschen  Spruch  fällen" ;  5  :  opüu  vOv,  et  ye  eKeivöc 
ecTiv  EPM.  dW  eKeTvoc.  "Ich  sehe  ihn,  wenn  der  es 
ist".  Herrn.  "Ja,  der  ist  es" ;  ev.  zu  y  ;  13 :  Begründung ; 
Dial.  Marin.  V  2 ;  ib.  diriTe  öe  ec  Tr)v  "löriv  ixapd  töv 
TTpid|Liou  TTaTöa  . .  .  ouk  dv  eKeTvoc  Kpivai  KaKUJC :  auf 
dessen  Urteil  könnt  ihr  euch  verlassen.  Dial.  Mort. 
IX  4:  eKeTvoc  toivuv;  XX  4;  Charon  7 :  rröGev  cu  exeic 
Ti  Tüüv  eKeivou  eiöevai;  "wie  kannst  du  (als  Schiffer) 
etwas  von  dem  (Homer)  wissen?";  ähnüch  8;  12: 
eKeTvoc  Te;  19:  eKeivuuv  xoivuv;  22 : 'EKeivouc  eti  Ttiveiv 
r\  ecGieiv  . . .  "Die  sollten  noch  trinken  oder  essen  ?" ; 
Jup.  Conf ut.  6 :  eKeTvoi  yovv  . .  .  "Die  sind  es,  die  . . ." ; 
Somn.  s.  Gall.  6 ;  17 ;  Icarom.  5 :  eKeivouc  Te;  Anachars.  15 : 
Begründung;  27:  eKeivou  toivuv ;  Philopseud.  5 ;  Xavig.  26 : 
f]v  eKeivri  dTroppaYf)  TtdvTa  oi'xerai ;  Dial.  meretr.  lY  3 : 
TTou  5'dv  i'öoic  eKeTvov;  "wo  willst  du  den  zu  sehen 
bekommen?"  nachher  unbetontes  auiov;  X  1 :  |ur|  ti 
TÖV  rraiboTpißriv  AiOTiiaov  Xeyeic;  eirei  eKeTvoc  yc  cpi\oc 
ecTiv;  ib.  CKeTvöv  cpriiui  "eben  den  meine  ich";  2; 
XIY3:  bis; 

Ti)  Somn.  s.  Gall.  10;  24;  Philopseud.  31 ;  36 ;  Dial.  meretr. 
XH  1; 

9)  Tim.  10:  6  .  .  .  Kepauvöc  eic  tö  'AvaKeTov  TTapacKnvjiac 
CKeTvö  Te  KaTeqpXeHe  Kai  auTÖc  öXiyou  öeTv  cuveTpißr]; 
Deor.  Dial.  XXY  2 ;  Demon.  2 ; 

i)  Dial.  meretr.  lY  5 ; 

k)  Charon  16;  Xavig.  1; 

2.  Xigr.  8;  9;  10;  33:  KaKcivouc  .  .  .  toüc  TTOiou|uevouc ; 
Tim.  12;  Prometh.  20;  Charon  1;  17  bis;  Jup.  Confut.  5; 
9:  eKeivuuv...  tüuv  dvaipouvtouv ;  15;  Somn.  s.  GaUus  7 ; 
18;  Icarom.  18;  24;  28;  Anachars.  18;  23. 

3.  Somn.  s.  Gall.  9 ;  Philopseud.  24 :  auTd  CKeTva  eTi  djUTrexö- 
ILievov,  ev  oic  auTov  KaTeBdipaiuev. 

4.  Deor.  Dial.  XXYI  1 ;  Dial.  Marin.  lY  3  ;  Dial.  Mort.  IX  3; 
X  12:  Kai  Td  iraiöia . .  .  KdKeTva:  Charon  1;  Piscat.  46; 
Catapl.  11;  Xavig.  43;  Dial.  meretr.  lY  4. 

lY.  1.  Deor.  Dial.  HI  1;  XI  1;  Dial.  Mort.  III;  YIU:  schwach 


92  W.  Havers, 

betont;    IX    4;    XII    5;    Charon    21;    Jup.   Confut.   14; 

Philopseud.  13;  Navig.  1,  2;  DiaJ.  meretr.  I  1 ;  II  1 ;  VI  3; 

VII  3,  4:  IX  3;  XI  4. 
2.  Nigr.  13 :  uicrrep  ou  irpöc  auxöv  cKtTvov  dTroTeiviuv  *'gleich 

als  ziele  er  nicht  auf  ihn  selbst" ;  Deor.  Dial.  XVIII  1 : 

dßpÖTepoc  auTüüv  eKtivujv  "weichlicher  als  diese  selbst"; 

Dial.  Marin.  XII  1 :  pufivai  öid  tou  öpöcpou  eir'  aurriv,  be- 

Ha|Liev)iv   bk   eKeivnv   ec  töv  köXttov  .  .  . ;  Dial.  Mort.  I  2  : 

TTpoc  auTouc   eKeivouc;    Jup.  Confut.  10:   auiuiv  eKeivujv; 

Icarom.  2 :  Trap'  auroö  eKeivou  "von  ihm  selbst" ;  Anachars. 

15:    Kai   auToTc   eKeivoic;    22:    auiiJuv   xe    eKeivuuv    x^tpiv; 

Philopseud.  27 :  r)  Arnnaivetri  auir)  eKeivn  "die  leibhaftige 

D.";  Navig.  10;  Dial.  meretr.  III  1. 
V.  4.  Dial.  Deor.  V  4. 

5.  Dial.  Deor.  XIV  1 :  tö  KaXöv  eKeivo  laeipdKiov ;  Dial.  Mort. 

XXIII  3  :  xf]  KaXf]  cou  eKeivri  vu)Liq)ri.  Somn.  s.  Gall.  5 :  xöv 

Tiaveubaipova  öveipov  CKeivov;  Deor.  Concil.  5. 

Anm.  Identisch  mit  den  obliquen  Kasus  von  aüxöc  ist  unbetontes 
tKeivoc:  Dial.  Deor.  V  2:  ev.  zu  I  2;  XIX  2;  Philopseud.  19;  Navig.  4: 
uape\r|\u6dvai  ^KeTvov,  vorher  KapaboKeiv  aÜTÖv;  Dial.  meretr.  III  1:  oube 
....  cuveKdOeubec  ^er'  auroO  ....  XuiroOca  eKeivov. 

III.  FolgeruDgen  aus  dem  Bisherigen  für  die  Semasio- 
logie und  Etymologie  unseres  Pronomens. 

28.  Ich  hoffe,  durch  die  angeführten  Beispiele  die  Rich- 
tigkeit der  in  Kap.  1 — 8  aufgestellten  allgemeinen  Gesichts- 
punkte nachgev^^iesen  zu  haben. 

Es  fragt  sich  nun,  welche  von  den  Zeigarteu  des  Pro- 
nomens eKeivoc  als  die  ursprünglichste  zu  gelten  hat,  und  zwar 
kann  es  sich  nur  handeln  um  die  Priorität  einer  von  den  mit 
L  11  und  in  bezeichneten  Demonstrationsarten;  denn  daß  eKeivoc 
von  Hause  aus  ein  einfaches  Pronomen  der  3.  Person  gewesen 
sein  sollte  (vgl.  die  unter  IV  angeführten  Beispiele),  daß  sich  all- 
mählich zum  Demonstrativnm  entwickelt  hätte,  ist  ausgeschlossen, 
weil  es  für  einen  solchen  Bedeutungswandel  kein  Analogen  in 
den  indogerm.  Sprachen  gibt;  über  die  scheinbare  Ausnahme, 
daß  "Wörter  mit  der  ursprünglichen  Bedeutung  'ipse'  sich  zu 
Demonsti'ativen  entwickeln,  vgl.  Brugmann  a.  a.  0.  S.  121  ff. 
umgekehrt  ist  es  eine  ganz  gewöhnliche  Erscheinung,  daß  sich 
bei  hinweisenden  Pronomina  das  Bedeutungselement  der  Deixis 


Das  Pronomen  der  Jener-Deixis  im  Griechischen.  93 

im  Laufe  der  Zeit  mehr  oder  weniger  verflüchtigt,  vgl.  z.  B.  ai. 
die  von  den  unbetonten  Stämmen  a  und  ena  gebildeten  Kasus 
wie  asmai^  asijai  u.  s.  w.  (Delbrück,  Altind.  Synt.  S.  28),  arm, 
na  "jeuer"  und  "er",  roman.  «7,  el  aus  lat.  ille,  aisl.  Mnn,  kann 
"er",  hön  "sie",  preuß.  täns  "er",  lit.  ans,  ana  für  jis,  ß  in 
der  Gegend  von  Memel  (s.  Kurschat:  Gramm,  d.  lit.  Spr.  §  896), 
slav.  ond  "jener"  und  "er";  (mehr  Beispiele  s.  bei  Brugmann 
a.  a.  0.  S.  128  ff.).  Auf  Grund  der  Tatsache  nun,  daß  eKeivoc  in 
weitaus  den  meisten  Fällen  bei  einer  Gegenüberstellung  im 
weiteren  Sinne  des  Wortes  (s.  Kap.  5)  gebraucht  wird,  kann 
man  wohl  mit  ziemlicher  Sicherheit  annehmen,  daß  die  mit  II 
bezeichnete  Demonstrationsart,  d.  h.  die  Andererseits-Deixis  bei 
CKCivoc  die  ursprüngliche  gewesen  ist,  und  Brugmann  dürfte 
Recht  haben,  wenn  er  a.  a.  0.  S.  12  sagt:  "Der  Hinweis  auf 
das  anderseitig  Befindliche  ist  vermutlich  die  Grundbedeutung 
der  Pronomina  der  Jener-Deixis  gewesen  und  das  Bedeutungs- 
element der  größeren  Entferntheit  durch  die  Gruppierung  mit 
Pronomina  der  Ich-  und  der  Der-Deixis  entsprungen".  Was 
das  Verhältnis  von  eKeivoc  zu  ööe  und  outoc  betrifft,  so  haben 
wir  uns  dies  demnach  so  zu  denken,  daß  eKeivoc  die  dem 
Redenden  (ööe)  und  dem  Angeredeten  (outoc)  gegenüberstehende, 
gewissermaßen  auf  der  anderen  Seite  befindliche  dritte  Person 
bezeichnete.  In  ähnlicher  Weise  wird  ja  auch  im  Armenischen 
und  im  Bulgarischen  die  Beziehung  auf  die  drei  Personen  aus- 
gedrückt durch  die  Elemente  -s,  -d,  -n  bezw.  -s,  -t,  -n,  von 
denen  das  n-Element  in  engstem  etymologischem  Zusammen- 
hang steht  mit  unserem  eKeivoc,  ebenso  wie  das  im  Serbischen 
bei  Beziehung  auf  die  3.  Person  gebrauchte  onaj  (vgl.  Brug- 
mann a.  a.  0.  S.  43  ff.).  Daß  auch  lat.  ille  von  Hause  aus  nicht 
die  Entfernung  im  Raum  oder  in  der  Zeit  bezeichnete,  sondern 
die  dem  Redenden  und  Angeredeten  gegenüberstehende  dritte 
Person  hat  Jos.  Bach  nachgewiesen  in  seiner  Untersuchung: 
De  usu  Pronominum  Demonstrativorum  apud  priscos  Latinos, 
in  Studem.  Stud.  II  147  ff.  Wenn  nun  eKeivoc  seiner  ursprüng- 
lichen Bedeutung  nach  ein  Pronomen  der  Anderseits -Deixis 
war,  wodurch  wurde  dann  urgriech.  die  Jener-  und  die  Der- 
Deixis  ausgedrückt?  Was  die  letztere  Zeigart  betrifft,  so  kann 
es  nach  den  Ausführungen  von  Windisch  (a.  a.  0.  S.  376)  und 
Brugmann  (a.  a.  0.  S.  24  ff.)  nicht  zweifelhaft  sein,  daß  ihrem 
Ausdruck   seit  uridg.  Zeit   der  Stamm   *to-  diente,    der  erst  in 


94  W.  Havers, 

den  Einzelsprachen  infolge  des  Verblassens  seines  Bedeutungs- 
inhaltes durch  lautuugsvollere  Neuschöpfungen  verdrängt  wurde, 
etwa  in  der  Weise,  wie  nhd.  "diese)'"  dem  "der"  Konkurrenz 
macht.  Ich  habe  oben  bei  Besprechung  des  Homer  und  des 
Aeschylus  darauf  hingewiesen,  wie  sich  in  deren  Gedichten  die 
Verbreitung  des  ckcivoc  auf  Kosten  des  *to-  Demonstrativs  noch 
verfolgen  läßt;  ebendaselbst  habe  ich  auch  gezeigt,  daß  in  den 
homer.  Gedichten  der  Stamm  *to-  noch  ganz  gewöhnlich  bei 
Fernanaphora  verwendet  wird,  indem  es  dem  Hörer  überlassen 
wurde,  sich  die  Beziehung  selbst  zurechtzulegen.  Wir  dürfen 
daher  annehmen,  daß  im  Urgriech.  auch  auf  entfernte  Gegen- 
stände des  äußeren  Wahrnehmungsbildes  mit  ^to-  hingewiesen 
Averden  konnte.  Dem  fürs  urgriech.  vorauszusetzenden  Zustande 
entsprechen  meiner  Ansicht  nach  die  im  Altbulgarischeu  vor- 
liegenden Yerhältnisse.  Hier  wird,  wie  wir  gesehen  haben, 
das  eKeivoc  der  griech.  Vorlage  fast  durchweg  durch  zum  *to- 
Stamme  gehörige  Formen  übersetzt,  und  otn  wird  —  abgesehen 
von  den  Nominativformen,  vgl.  Leskien:  Handbuch  der  Alt- 
bulgarischen Sprache  3,  §  78  —  meistens  nur  da  gebraucht,  wo 
es  sich  um  Anderseits-Deixis  handelt,  vgl.  ob  om  poh  =  Ttepav, 
dvTiTTepav,  Mat.  XIX  1;  Job.  I  28;  IH  26;  VI  22;  Lk.  VIII  26; 
na  ompoh:  Mat.  XVI  5;  Mk.  IV  35;  V  21;  VIH  13;  Lk.  Vin22; 
sb  onogo  polu  "von  der  anderen  Seite  her";  po  onomu  polu, 
u.  s.  w.  (Der  got.  Bibeltext  macht  im  Gegensatz  zum  Abg.  viel 
mehr  den  Eindruck  einer  wörtlichen  Übersetzung.) 

29.  Es  erübrigt  noch,  auf  die  Etymologie  von  eKeivoc  ein- 
zugehen. Prellwitz  setzt  BB.  XV  155  als  Grdf.  für  eKeivoc  an 
*e-Kei-evoc.  Dieses  aus  -ev-  erweiterte  Suffix  -evo-  soll  im  Ablaut 
stehen  mit  dem  ebenfalls  zur  Bezeiclmung  von  Lokalitäten  ver- 
wendeten Suff,  -uuv-  in  dXaiuuv  'Olivenhain',  TTap6evübv  'Jung- 
frauengeraach'  usw.  Im  Lettischen  sei  das  Suff,  in  der  Form 
-ene-  bewahrt  und  dor.  xfivoc  aus  *Tei-evoc  entspreche  vollständig 
dem  lett.  Uij-en-e  (aus  *tei-en-  iä).  Johansson:  Nord.  Tidskr.  f. 
Filol.  N.  R.  Vin  372  ff.  sieht  in  aeol.  k^voc  eine  Ableitung  von 
Kf) ;  ion.-att.  KeTvoc  =  *Kenevoc  denkt  er  sich  aus  dem  ursprüng- 
lich zweisilbigen  (zusammengesetzten)  pron.  Stamm  *keio-^  *keie- 
gebildet,  dessen  kürzeste  Form  vorliege  in  lat.  cis^  lit.  szis.  Solmsen 
KZ.  XXXI  475  nimmt  für  (e)Keivoc  und  rfivoc  Zusammen- 
rückung aus  den  lok.  (e)KeT  rei  und  *^voc  an,  so  daß  die  Grund- 
bedeutung  gewesen   wäre    "jener   dort",   "jener  hier".    Dieser 


Das  Pronomen  der  Jener-Deixis  im  Griechischen.  95 

letzteren  Erklärung  schließt  sich  Brugmann  a.  a.  0.  S.  54  an,  be- 
merkt aber  ausdrücklich:  "ob  .  .  .  das  für  KeTvoc  Kfjvoc  voraus- 
zusetzende *Keevoc  aus  *Ke\  (vgl.  e-xeT)  evoc  hervorgegangen  war, 
wie  Solmsen  annimmt,  oder  aus  *Ke  evoc  (vgl.  raöeiva  aus  *Tdbe 
Iva  §  37,a)  muß  meines  Ermessens  unentschieden  bleiben".  Auch 
ich  stimme  mit  Solmsen  insofern  überein,  als  ich  in  dem  zweiten 
Teil  unserer  Pronomina  nicht  ein  Sekundärsuffix  -evo-  oder  -vo- 
erblicke,  sondern  das  Pronomen  *evoc,  wie  es  in  dem  bekannten 
evri  "der  dritte  Tag"  vorliegt;  ich  halte  es  aber  für  verfehlt,  in 
dem  ersten  Teile  von  cKeTvoc  den  loc.  eKcT  sehen  zu  wollen. 
Denn  bei  dieser  Erklärung  muß  man  von  der  Ansicht  ausgehen, 
cKeTvoc  sei  von  Hause  aus  ein  Pronomen  der  Jener-Deixis;  es 
ist  aber  auch  prinzipiell  verwerflich,  ein  Wort  durch  ein  in 
seinem  Verhältnis  zu  verwandten  Bildungen  selbst  noch  dunkeles 
Wort  erklären  zu  wollen;  denn  wie  verhält  sich  das  Jener- 
Deiktische  eKei  zu  dem  ich-deiktischen  *ko-  *ki-  (*4«'o-)Stamme, 
wie  er  vorliegt  in  dem  suffigierten  arm.  -s,  in  griech.  crmepov 
att.  Triiuepov  aus  *Kiö)Liepov,  alb.  sivjet  "heuer",  lat.  cedo^  cis^  ir. 
c#,  got.  himma  daga,  as.  hiu-du^  lit.  szis  "dieser",  abg.  sh.? 

Meiner  Ansicht  nach  kann  KeTvoc  nur  aus  *Ke-evoc  abgeleitet 
werden.  Die  Partikel  ce-  ist  besonders  im  ital.  Sprachzweig  ver- 
breitet, und  zwar  hat  sie  lüer  teils  ich-deiktische  Bedeutung, 
wie  in  lat.  cedo,  ose.  ce-hmst^  teils  ist  sie  allgemein-deiktisch  wie 
in  hi-c,  isti-c,  illi-c  (vgl.  Brugmann  a.  a.  0.  S.  56,  51).  Es  hindert 
uns  nichts,  diese  allgeraein-deiktische  Bedeutung  der  Partikel 
ce  auch  für's  Griechische  anzunehmen,  so  daß  *Ke-evoc  "der  auf 
der  anderen  Seite  befindliche"  sich  vergleichen  ließe  mit  lat. 
ceteri  aus  *ce-ete7'oi  "die  anderen",  wo  das  Präfix  ce-  dem  bestimmten 
Artikel  gleichkommt;  vgl.  Brugmann  IF.  YI,  87,  Fußn.  2.  Wie 
übrigens  bei  KeTvoc  aus  *Ke-evoc  die  von  Hause  aus  ich-deik- 
tische Partikel  in  der  Komposition  mit  dem  Jener-Deiktischen 
*evoc  allgemein-deiktisch  geworden  ist,  so  sind  umgekehrt  bei 
thess.  To-ve  'xöbe',  ark.  loi-vi  'xoubi'  und  kypr.  ö-vu  '6be'  die 
ursprünglich  jener-deiktischen  w-Partikeln  in  Zusammensetzung 
mit  dem  ich-deiktischen  to-  allgemein-deiktisch  geworden  (vgl. 
Brugmann  a.  a.  0.  S.  61).  Anders  verhält  es  sich  mit  dem  ai.  svds 
"morgen",  wenn  die  ansprechende  Etymologie  Brugmanns  a.  a.  0. 
S.  72  richtig  ist;  hier  haben  wir  zwar  auch  die  Verschmelzung 
eines  ich-  und  eines  jener-deiktischen  Elementes,  aber  der  Stamm 
*ko-  dient  hier  nicht  lediglich  der  Verstärkung  des  folgenden 


96  W.  Havers, 

Stammes  *«o-,  sondern  beide  stehen  gleichberechtigt  nebenein- 
ander. Für  die  Ableitimg  von  keTvoc  aus  *Ke-evoc  spricht  be- 
sonders die  Bildungsweise  der  entsprechenden  Pronomina  in 
anderen  indogerm.  Sprachen,  vgl.  ai.  a-säü,  av.  Jiäu,  "jener", 
Grdf.  *so-n;  ai.  tva-,  av.  &wa-,  eine  Verschmelzung  von  *to-  und 
*M0-;  \a,t.  ille  ans  *is-le;  ir.  t-all;  got.  jams  mit  Der-deiktischem /, 
das  z.  B.  in  \it.  jts  vorliegt  (Brugmann  a.  a.  0.  S.  91  ff.),  got.  swa^ 
ags.  swä^  aisl.  sud  "so",  aus  *so-{-uo-;  aisl.  hinn  "jener",  das 
eine  gute  Parallele  bildet  zu  Keivoc;  Schweiz,  däna  "jener"  und 
dain,  also  Verbindung  des  w-Demonstrativs  mit  dem  *to-St. 
wie  griech.  Tfjvoc  aus  *Te-evoc.  Es  ergibt  sich  aus  diesen  Beispielen 
für  die  zum  n-,  Z-,  und  M-Demonstrativum  gehörigen  Pronomina 
als  allgemein  geltender  Bildungstypus:  Verstärkung  des  eigent- 
lichen Ti'ägers  des  Bedeutungsinhaltes  durch  ein  vorgesetztes, 
allgemein-deiktisches  Pronomen  oder  Präfix.  Schon  deshalb  sind 
also,  abgesehen  von  semasiologischen  Schwierigkeiten,  alle  von 
exei  ausgehenden  Erklärungsversuche  des  cKeTvoc  abzuweisen,  i) 
30.  "Was  nun  die  Adverbia  eKei,  KeTGi,  eKeice,  eKeiGev,  be- 
trifft, so  ist,  die  Richtigkeit  der  von  KeTvoc  gegebenen  Deutung 
vorausgesetzt,  klar,  daß  sie  erst  auf  sekundärem  Wege  zu  ihrer 
Jener-Deixis  gekommen  sein  müssen,  da  der  Stamm  *^o-,  *ki 
{*kio-)  in  allen  übrigen  indogerm.  Sprachen  ich-deiktisch  ist. 
Das  Problem  dürfte  sich  nun  wohl  am  einfachsten  folgender- 
maßen lösen.  Im  Dorischen  gab  es  Adverbia  wie  xiivei,  trivöBi, 
Trivüu.  Hesvch  bezeugt  für  die  Kreter  ein  K)i(v)ouei  d.  h.  Krjvui,  und 
ein  Krivu)  im  Sinne  von  eKei;  für  das  Aeohsche  haben  wir  ein 
KrivoGev  =  eKcTGev  bei  Alcaeus  Fr.  86;  wir  dürfen  daher  auch  für 
das  Jon.  Att.  die  entsprechenden  Adv.  mit  dem  charakteristischen 
v-Element  voraussetzen  (att.  exeivri  "dort"  ist  junge  Bildung); 
daß  dieses  der  eigentliche  Träger  des  Bedeutungselementes  war, 
wurde  im  Laufe  der  Zeit  nicht  mehr  gefühlt,  und  man  betrachtete 
das  -vo-  in  eKeivoc  als  suffixartigen  Bestandteil ;  es  ist  daher  be- 
greiflich, daß  man  nach  Lok.  wie  oiKei,  dei  ein  eKei  bildete,  woran 
sich  dann  die  Adv.  wie  KeTGi,  Keice  usw.  anschlössen  (vgl.  aber 
S.  97  Fußn.).  Ähnlich  urteilte  schon  Windisch  a.  a.  0.  S.  276; 
vgl.  auch  Brugmann  a.  a.  0.  S.  122.  Daß  sich  übrigens  im  Aeoli- 
schen  ein  ähnlicher  Vorgang  abgespielt  haben  muß,   darf  man 

1)  Dasselbe  gilt  für  die  von  Liden  (Ark.  f.  n.  fil.  III  S.  242)  für  got. 
jains  gegebene  Etymologie,  wonach  dieses  Pron.  eine  Ableitung  aus  dem 
loc.  *ioi  durch  suff.  no-  sein  soll. 


Das  Pronomen  der  Jener-Deixis  im  Griechischen.  97 

wohl  aus  dem  im  neuen  Berliner  Sapphofi'agm.  Col.  II  18  über- 
lieferten KfjGu  =  CKeice  neben  dem  oben  erwähnten  Kfivo6ev  = 
kKexQev  schließen. 

31.  Das  Nebeneinander  von  KeTvoc  und  eKeivoc  im  lon.- 
Att.  vergleicht  sich  mit  den  Doppelformen  xOec  :  e-xöec;  ai.  a-säü: 
ao.  hau,  apers.  hauv,  osk.  ekü-,  päl.  eco-  "hie":  lat.  cedo,  ce-ve  usw. 

32.  Was  die  dialektischen  ^Nebenformen  von  lon.-Att. 
(e)KeTvoc  betrifft,  so  kann  aeol.  k^voc  lautgesetzlich  aus  *Ke-^voc 
hergeleitet  werden,  vgl.  lesb.  rpfic  =  att.  ipeTc  aus  *Tpeec.  Im  Do- 
rischen haben  wir  nebeneinander:  tfivoc,  Kfivoc  und  (ekeivoc, 
vgl.  Ahrens:  De  Dialecto  Dorica  S.  270  ff.  Da  im  sogen.  Mild- 
dorischen ee  zu  ei  d.  i.  e,  im  sogen.  Strengdorischen  aber  zu  x] 
kontrahiert  wurde,  können  auch  diese  Formen  auf  *Te-evoc  bezw. 
*Ke-evoc  zurückgeführt  werden;  über  xe  als  Nebenform  von  xfj 
"da!  nimm!"  vgl.  Brugmann,  Griech.  Gr. ^  §  279,  2  Aum.  Wie 
ist  nun  das  Nebeneinander  von  tfivoc  und  Kfivoc  zu  erklären?  Ich 
habe  bereits  oben  (Kap.  23  B.)  erwähnt,  daß  die  alten  Gramma- 
tiker dem  TTivoc  Nahdeixis,  dem  Kfivoc  aber  Ferndeixis  zu- 
schrieben; ich  glaube  aber  nachgewiesen  zu  haben,  daß  ifivoc 
sich  in  seiner  Bedeutung  ganz  mit  eKeivoc  deckt.  Wir  sind  daher 
berechtigt,  anzunehmen,  daß  die  syntaktische  Verwendung  der 
Fron.  Tfivoc  und  k^voc  die  gleiche  war,  und  daß  man  im  Alter- 
tum obigen  Unterschied  nur  konstruiert  hat,  um  eben  die  Tat- 
sache zu  erklären,  daß  sich  tfivoc  und  Kfivoc  im  Dorischen  neben- 
einander finden,  wie  denn  auch  schon  Westphal  (Griech.  Gramm.  I, 
S.  405)  in  dieser  Angabe  der  Grammatiker  "eine  den  wirldichen 
Sprachgebrauch  allzusehr  utrierende  Spitzfindigkeit  der  gram- 
matischen Theorie"  vermutet  hat.  Der  im  Et.  M.  angegebene 
Unterschied  zwischen  tfivoc  und  ktivoc  verträgt  sich  auch  nicht 
mit  unserer  Ansicht  über  die  Grundbedeutung  dieser  Pronomina, 
die  nicht  so  sehr  eine  Jener-Deixis  als  vielmehr  eine  Anderseits- 
Deixis  war.  Es  wird  daher  ursprünglich  entweder  bloß  *Te-evoc 
"der  Anderseitige",  oder  bloß  *Ke-evoc  in  derselben  Bedeutung 
bestanden  haben ^);  beide  Formen  von  Anfang  an  nebeneinander 
sind  wohl  nicht  gut  denkbar,  vielmehr  muß  eine  von  ihnen 
sekundären    Ursprunges   sein.    Dafür,   daß  tfjvoc  die  ursprüng- 

1)  Setzt  man  dagegen  sowohl  *T6-gvoc  wie  *Ke-gvoc  als  urgriech. 
an,  so  kann  man  sich  die  Entstehung  von  ^Kei  folgendermaßen  denken : 
Neben  *Te-gvoc  stand  *Tei  (dor.  rei-be  "hier"),  daher  entstand  *KeT  (cf. 
Kei-0i  usw.)  zu  *Ke-gvoc.  Im  Anschluß  an  eKeivoc  und  *Kei  wurde  dann 
^Kei  gebildet. 

Indogermanische  Forschungen  XIX.  • 


98  A.  Walde, 

lichere  Form  war,  scheint  besonders  ihr  häufigeres  Vorkommen 
zu  sprechen;  die  Form  Kfjvoc  könnte  man  dann  ansehen  als  eine 
Umbildung  der  aus  dem  Milddorischen  eingedrungenen  Form 
Keivoc  nach  dem  vorhandenen  xfivoc.  Andererseits  legt  die  Tat- 
sache, daß  wir  in  allen  übrigen  griechischen  Dialekten  die  Form 
*Ke-?voc  finden,  die  Vermutung  nahe,  daß  auch  im  Dorischen 
Kfivoc  die  von  Hause  aus  allein  berechtigte  Form  war;  die  Form 
xfivoc  müßte  man  sich  dann  durch  Anlehnung  an  das  *^o-De- 
monstrativ  entstanden  denken  infolge  der  häufigen  Verwendung 
des  Pron.  Kfivoc  in  betont  derdeiktischem  Sinne.  Auch  Brug- 
mann  (a.  a.  0.  S.  91)  ist  der  Ansicht,  daß  *Teevoc  eine  Neu- 
bildung des  Dorischen  ist,  aber  er  denkt  sich  dessen  Entstehung 
anders;  "*Keevoc  Kfivoc",  sagt  er,  "war  ferndeiktisch  schlechthin, 
und  wenn  nun  auf  zwei  Gegenstände  hingewiesen  wurde,  die 
beide  in  der  Ferne,  aber  in  verschiedener  Entfernung  waren, 
wurde  für  den  näheren  *Teevoc  xfivoc  gesagt:  neben  dem  Gegen- 
satz "der  da"  (ouxoc):  "der  dort"  (Kfivoc)  stellte  sich  der  pa- 
rallele Gegensatz  "jener  da"  (xfivoc):  "jener  dort"  (ktivoc)  ein". 
Aber  es  wäre  doch  sehr  sonderbar,  wenn  gerade  die  Dorer 
diesen  feinen  Unterschied  in  der  Sprache  zum  Ausdruck  gebracht 
haben  sollten,  während  den  Joniern  und  Attikern  das  eine 
feKeivoc  genügte  für  den  Ausdruck  "jener  dort"  und  "jener  da"; 
Beispiele  für  letztere  Bedeutung  finden  sich  z.  B.  zahlreich  in 
Geb.  Pin.,  vgl.  auch  Herod.  11  20;  IV  27,  30. 

Leipzig-Andernach.  Wilhelm  Havers. 


Aspiratendissimilation  im  Latein. 

Die  Frage  nach  der  Behandlung  der  Lautgruppeu  ghr-^  ghl- 
im  Lat.  wird  von  der  Mehrzahl  der  Forscher  heute  dahin  be- 
antwortet, daß  gr-,  gl-  als  Entsprechung  zu  gelten  habe,  und  tat- 
sächlich müssen  mindestens  gradior  und  glaber  als  unverdächtige 
Zeugen  dieses  Lautwandels  anerkannt  werden.  Andererseits  hat 
aber  Hoffmann  BB.  26,  140  ff.  (vgl.  auch  Pedersen  KZ.  38,  394) 
wesentlich  im  Anschlüsse  an  Fi'öhde  KZ.  22,  250  mit  gutem  Rechte 
hervorgehoben,  daß  auch  Worte  von  nicht  geringerer  etymo- 
logischer Durchsichtigkeit  mit  r-,  l-  aus  ghr-^  ghl-  vorhanden 
sind  und  Anspruch  haben,  in  der  Sache  gehört  zu  werden. 


Aspiratendissimilation  im  Latein.  99 

Beide  Teile  haben  Recht.  In  der  Anlautgruppe 
Media  aspirata  +  Konsonant  tritt  Wandel  zu  Media  + 
Konsonant  ein,  wenn  die  nächste  Silbe  mit  Aspirata 
anlautet;  andernfalls  bleibt  die  Grruppe  unverändert 
und  ghr-^  ghl-  geht  dann  über  x*'-,  X^-i  ^ir-,  hl-  in  r-,  l- 
über.  Ich  lege  das  Material  vor. 

ghr-  :  gr'adior  'schreite',  got.  grips  'Schritt,  Stufe',  ab. 
gredq  'komme',  ir.  ingrennim  'verfolge',  aw.  garad-  'gradi'.  Wurzel 
*Qh{e)redh-  'schreiten',  dissimiliert  zu  ital.  *gredh-.  Daß  lat.  g- 
dem  Einflüsse  der  Zusammensetzungen  con-,  in-,  ex-gredior  zu 
verdanken  sein  könne  (Pedersen  KZ.  38,  394)  ist  an  sich  un- 
wahrscheinlich, da  es  ruo  trotz  con-,  in-gruo  heißt,  und  erledigt 
sich  von  selbst,  wenn  sich  andere  Fälle  derselben  Anlautbehand- 
lung als  gesichert  ergeben.    Ein  solcher  ist: 

grunda  'cxeTl'?  suggrunda  'das  auf  den  Wänden  des 
Hauses  liegende  und  die  Dachdeckung  tragende  Sparrenwerk, 
Dachstuhl',  auch  'die  an  sumpfigen  Orten  nötige  Pfählung  des 
Grundes,  die  Grundpfähle',  nach  Lagercrantz  KZ.  37,  182  ff.  aus 
*gronda  und  zu  aisl.  grind  'Tür,  Gatter,  Pferch',  ags.  grindel  'bar, 
holt',  ahd.  grintil  'Riegel,  Balken,  Deichsel',  ab.  gred^  'Balken', 
apr.  grandico  'Bohle',  lit.  grandä  'Latten,  Reiser,  die  auf  den 
Deckenbalken  des  Stalles  liegen',  grindls  'gedielter  Fußboden, 
Zimmerdecke' ;  idg.  *Qhrendh-,  *Qhrondh-.  Die  vollständige  Beweis- 
kraft dieses  Beispieles  ist  durch  Pedersens  a.  a.  0.  Eventual- 
vorschläge  nicht  erschüttert. 

Andererseits : 

ruo  'stürze'  (zu  scheiden  von  ruo  'renne,  eile  Avohin,  stürme', 
ir.  rüathar  'Ansturm'  usw.,  sowie  von  ruo  'reiße  auf,  wülile, 
scharre',  lit.  rduti  'ausreißen,  jäten'  usw.,  s.  mein  Lat.  et.  Wtb.), 
ingruo  'stürze  mit  Heftigkeit  herein,  breche  herein',  congruo  'falle 
zusammen,  ti-effe  zusammen',  zu  lit.  griüvti,  griüti  'zusammen- 
fallen, in  Trümmer  fallen',  griduju,  griöviau,  griäuti  'niederbrechen, 
donnern',  griech.  hom.  expcov  'überfiel,  bedrängte',  Z^axpneic  'heftig 
andrängende,  ungestüme'.  Gegen  die  Versuche,  ruo  'stürze'  von 
con-,  ingruo  zu  trennen  und  mit  einem  der  beiden  andern  ruo 
gleichzusetzen,  wendet  Hoffmann  zutreffend  die  dabei  nicht  zu 
Rechte  kommende  Bedeutimg  'stürzen,  fallen'  ein. 

rävus  'grau,  graugelb'  =  aisl.  gi'dr,  ahd.  gräo,  gräwer  'grau' ; 
ags.  jroyj  ds.  weist  nicht  auf  urgerm.  *;z^re^waz  (vgl.  Jellinek 
PBrB.  14,  584),  sodaß   sich  idg.  *ghre-uo-s  {gh  wegen  ab.  zhreti 

7* 


100  A.  Walde, 

USW.,  s.  über  die  Sippe  z.  B.  Hirt  Abi.  80,  Wiedemann  BB.  27, 
239)  als  Grundform  ergibt.  Ich  halte  an  der  vollkommenen  Gleich- 
heit der  lat.  und  germ.  Worte  fest  wegen  des  genau  entsprechenden 
Falles  lat.  gnävus  'tätig,  rührig',  aisl.  kndr  'tüchtig,  kräftig'  und 
vermute  wegen  des  ab.  Stammes  zire-,  daß  der  Vokalwandel  auf 
Seite  des  Lateinischen  zu  suchen  ist.  Den  vollen  Beweis  dafür 
würde  flävus  erbringen,  wenn  es  nach  Lettner  KZ.  7,  183,  Bremer 
PBrB.  11,  285,  Fick  Wtb.  1\  498,  2^  187  zu  ahd.  bläo,  aisl.  bldr 
*blau'  (mhd.  blä  auch  'gelb')  gehörte,  indem  letztere  Worte  nach 
Much  ZfdA.  42,  163  mit  ahd.  blio,  aisl.  bly  'Blei'  als  Lehnwörtern 
aus  einem  kelt.  *blivo-  zu  verbinden  sind.  Leider  ist  aber  flävus 
mehrdeutig,  und  ir.  bld  'gelb'  (Fick  2'^,  187)  doch  nicht  sicher 
als  germ.  Lehnwort  in  Anspruch  zu  nehmen.  An  der  Zusammen- 
gehörigkeit von  lat.  rävus  und  germ.  *;^rewa-  ändert  dies  aber  nichts. 

rüdus  (rödus).  -eris  'zerbröckeltes  Gestein,  Geröll,  Schutt, 
Mörtel,  Estrichmasse',  zu  as.  griot,  ahd.  griog  'Sand,  Kies',  nhd. 
Griess,  ags.  grht  'Sand',  aisl,  grjöt  'Gestein',  lett.  grauds  'Korn', 
ab.  gruda  'Scholle'  usw.,  s.  Fick  1*,  418,  Prellwitz  Wtb.  ^  s.  v. 
Xpöcöc  (das  aber  semitischen  Urspnmgs),  Johansson  Beitr.  z.  gr. 
Sprachk.  132,  Hoffmann  a.  a.  0.;  idg.  *ßhreud-.  Die  abweichende 
Verbindung  von  rüdus  mit  aisl.  rnst  'Trümmer',  ai.  losfd-s  'Scholle* 
(Persson  BB.  19,  268 ;  idg.  *reus-,  wohl  nicht  nach  ühlenbeck 
Ai.  Wtb.  s.  V.  aus  *reud-s-  herzuleiten)  kann  auch  vom  Stand- 
punkte der  Bedeutung  aus  nicht  den  Vergleich  mit  der  erst- 
genannten aufnehmen. 

Nicht  hier  zu  nenaen  ist  lat.  reus  'schuldig,  Beteiligter  am 
Prozesse',  da  es  nicht  nach  Fröhde  KZ.  22,  251  f.  zu  griech. 
XpficGai  gehört,  zu  dem  Petr  BB.  21,  214  noch  ab.  greckb  'Sünde' 
usw.  fügt,  sondern  gewiß  richtig  von  Thurneysen  IF.  14,  131 
an  res  in  der  Bedeutung  'Prozeß'  angeschlossen  wird. 

WidersprechendeFäUe fehlen.  Lat.  /"rewr^o 'zerreibe,  knirsche 
die  Zähne'  gehört  zwar  zu  ags.  grindan^  engl,  to  grind  'zerreiben, 
zermalmen,  schärfen',  to  grind  on&s  teetit'die  Zähne  knirschen',  nhd. 
(eigentlich  nd.)  Grand  'Sand',  lit.  grmdu,  gresti  'reiben',  griech. 
Xpaivuj  'streife,  bestreiche'  (Fröhde  KZ.  18,  313  f,  s.  auch  Persson 
Wzerw.  721);  aber  es  wird  nicht  den  Auslaut  dh  dieser  germ. 
und  halt.  Worte  enthalten,  sondern  d,  wie  das  von  Prellwitz  Wtb. 
überzeugend  aus  *xpovöp6c  erklärte  griech.  xovöpoc  'Graupe, 
Korn'.   Lat.  fr  statt  {x)r  durch  alten  Einfluß  von  f^'iäre,  fricäre. 

Daß  grando  'Hagel'  nicht  zu  ai.  hrädtinis^  Ärä<^M«f 'Schloßen, 


Aspiratendissimilation  im  Latein.  101 

Hagel'  gehört,  darf  heute  als  ausgemacht  gelten,  vgl.  bes.  Wiedemann 
BB.  27,  247  f.,  Pedersen  KZ.  38,  394  (vielmehr  mit  Ah.grad^  'Hagel', 
lit.  grödas  'frischer,  steifgefrorener  Sfraßenschmutz'  zu  arm.  karkut 
"Hager,  idg.  *ßräd-). 

Füi'  grämen  'Gras'  ist  zwar  der  Vergleich  mit  got.  ahd.  usw. 
gras  'Gfras',  mhd.  gruose  'junger  Trieb',  ahd.  usw.  gruoan  'grünen, 
wachsen',  gruoni  'grün'  (J.  Schmidt  KZ.  25,  133  a,  Brugmann 
Mü.  1,  50  f..  Kluge  AYtb.6  s.  v.,  Uhlenbeck  Got.  Wtb.  s.  v.  gras) 
von  Seite  der  Bedeutung  tadellos,  und  selbst  mit  der  hier  zu 
erweisenden  Anlautsbehandluug  vereinbar,  wenn  wir  grämen  aus 
*ghrädh{s)men,  gras,  gruose  aus  *ghrädhs-  herzuleiten  berechtigt 
sein  sollten;  aber  ebensogut  kann  es  als  altes  *grasmen  mit 
griech.  YpacTic  'Grünfutter',  ypctuu  'nage',  ai.  grdsati  'verschlingt, 
frißt',  aisl.  kräs  'Leckerbissen',  air.  greim  {*gresmen)  'Bissen'  ver- 
bunden werden  als  'Futter'  (Vanicek  Lat.  Wtb.^  80,  Curtius  Gdz.^ 
478,  Fick  Wtb.  2\  118);  selbst  Verwandtschaft  mit  ahd.  krüt 
"Kraut'  (s.  Persson  Wzerw.  123)  liegt  wenigstens  im  Bereiche 
der  Möglichkeit. 

grundio  'grunze'  gehört  zu  griech.  YPÜZ^uu  ds.,  aisl.  krytia 
"grunzen' ;  ahd.  grunzian^  engl,  to  grünt  ds.  erweisen  nicht  ghr-^ 
da  vielmehr  durch  Stocken  der  Lautverschiebung  im  SchaUworte 
zu  erklären. 

Endlich  frag  rare  'duften'.  Die  Deutung  als  *^hrä-^hrä-iö 
(Intensivreduplikation)  unter  Verbindung  mit  griech.  öc-qppaivo|Liai 
(oc-  =  *obc-  zu  lat.  odor^  Wackernagel  KZ.  33,  43)  'wittere,  rieche', 
fut.  öccpprico|uai,  ai.  jighrati  'sie  riechen',  ghrdti  'er  riecht',  ptc. 
ghrätd-s,  ghräna-m  'Geruch' (Pott  Wzwb.  1,  641;  Brugmann  IF.  6, 
100 ff.)  ist  zwar  begrifflich  unanfechtbar;  auch  daß  frägro  bei 
dieser  Auffassung  der  einzige  lat.  Fall  einer  derartigen  Intensiv- 
reduplikation von  einer  mit  Doppelkonsouanz  anlautenden  Wurzel 
wäre,  vermag  keinen  ernstlichen  Einwand  zu  begründen.  Ja  selbst 
mit  unserem  Dissimilationsgesetze  brauchte  die  Form  nicht  in 
unlöslichem  Widerspruche  zu  stehn,  da  die  Annahme,  daß  die 
Dissimilation  im  Sfreben  nach  Deutlichhaltung  der  Reduplikation 
nicht  eingeü'eten  oder  wieder  rückgängig  gemacht  worden  sei, 
mindestens  erwägenswert  wäre.  Aber  ich  besfreite  die  Möglichkeit, 
das  inlautende  gr  aus  *g¥hr  herzuleiten.  Was  man  zugunsten 
dieser  Lautentsprechung  angeführt  hat,  hält  bei  näherer  Prü- 
fung nicht  stand.  Es  handelt  sich  außer  frägräre  wohl  nur  um 
die  Beurteilung  des  Verhältnisses  von  mufrins  zu  muger^  die  man 


102  A.  Walde, 

als  osk.-umbr.  und  echt  lat.  Entwicklungen  aus  einer  gemein- 
samen Grundform  *mitgvhrio-,  bczw.  *mug^hro-  betrachtet  hat  (A^gL 
Stolz  HG.  1,  291;  Brugmann  12,604).  Nun  ist  aber  muger  'qui 
talis  male  ludif  (Fest.  154  PhdP.)  von  Zupitza  Gutt.  216  evident 
richtig  mit  spätahd.  mühhiläri^  nhd.  Meuchler,  mhd.  miuchel  'heim- 
lich', ahd.  mühhäri,  mühJio,  mühheo  'Wegelagerer,  Straßenräuber', 
mühlien,  -ön  'heimlich  lauernd  anfallen',  mhd.  vermachen  'heimlich 
auf  die  Seite  schaffen,  verbergen',  mhd.  mocken  'versteckt  liegen', 
mengl.  micher  'Dieb',  engl.  dial.  to  mitch  'versteckt  sein'  (Gdbed. 
'in  tückischer  Absicht  verbergen'),  ir.  formüigthe  Verborgen'  ver- 
knüpft worden,  während  das  bei  Petronius  belegte  dialektische 
Schimpfwort  mufrius  entweder  als  'Schwätzer'  zu  griech.  |uu6eo|Liai 
(Bücheier  Rh.  Mus.  39,  426),  oder  allenfalls  als  *mömrios  'Narr* 
zu  momar  'Siculi  stultum  appellant'  (Paul.  Fest.  117  ThdP.)  zu 
stellen  sein  Avird.  aeger  'verstimmt,  krank'  endlich  gehört  nicht 
zu  griech.  aicxoc,  got.  aiwiski  'Schande',  sondern  hat  -gr-  aus 
idg.  -gr-  oder  -gAr-,  s.  mein  lat.  et.  Wtb.  s.  v. 

Ist  es  demnach  um  die  Beweiskraft  der  angeführten  Worte 
schlecht  bestellt,  so  sprechen  zwei  andere  Worte  entschieden  für 
die  Entwicklung  auch  eines  inlautenden  *gw/jr  zu  */r,  hr.  Zu- 
nächst praen.  nefrönes^  lanuvin.  nebrundines  'Nieren,  Hoden',  zu 
gr.  veqppoc,  ahd.  nioro  usw.  Daß  diesen  ein  echt  lat.  *negrimdines 
oder  *negrones  entsprechen  würde,  ist  ganz  unglaublich,  wenn 
man  die  enge  Verwandtschaft  dieser  ebenfalls  auf  dem  Boden 
Latiums  heimischen  Dialekte  mit  dem  Lateinischen,  sowie  die 
Tatsache  berücksichtigt,  daß  das  Lanuvinische  im  Gegensatze 
zu  allen  andern  italischen  Dialekten  mit  dem  Lat.  sogar  die  Yer- 
wandlung  inlautender  Spiranten  in  Medien  teilt.  Man  hätte  sich 
ohne  das  L.Tlicht,  das  fragrare  und  muger  verbreitet  haben,  auch 
kaum  zu  einer  solchen  Annahme  verführen  lassen.  Ebenso  wie 
nebrundines  zeigt  aber  endlich  auch  febris  'Fieber'  br  aus  *guhr. 
Denn  von  allen  Deutungsversuchen,  die  das  Wort  erfahren  hat, 
ist  die  Verbindung  mit  ai.  ddhati  'brennt',  griech.  Teq)pa  'Asche', 
Isitfavilla  usw. (Collitz BB. 3,  321;  Fröhde  BB.  21,  327 ff.;  Pedersen 
KZ.  36,  324)  als  'Hitze'  (vgl.  z.  B.  nhd.  dial.  'die  Hitzen  haben' 
für  'fiebern')  weitaus  die  einleuchtendste;  Gdf.  *dheߥ}iris.  Durch 
das  Gesagte  erledigt  sich  auch  Nazaris  Riv.  di  fil.  29,  265 ff. 
Meinung,  daß  die  Entwicklung  letzterer  Gdf.  zu  febris  auf  dia- 
lektischen Ursprung  des  Wortes  weise. 

Somit  ist  -br-  die  regelrechte  lat.  Vertretung  von  -gvhr-. 
Ich  schließe  mich  daher  wie  Wiedemann  BB.  27,  242  a  2  der 


Aspiratendissimilation  im  Latein.  103 

Auffassung  Ficks  1»,  697;  2  3,  175;  3  3,  215,  Yaniceks  Lat.  Wtb.« 
189  und  Kluges  Wtb.^'  s.  v.  Bracke  an,  wonach  frägräre  als 
Denominativ  eines  *fräg-ro-s  'riechend,  duftend'  oder  eines  *fräg-rä 
'Geruch'  zu  mhd.  hrcehen  'riechen',  ahd.  hracko,  nhd.  Bracke  'Spür- 
hund' und  vielleicht  —  nach  Stokes  IF.  2,  168  —  zu  ags.  hrk^  engl. 
breech  'Steiß',  ahd.  bruoh,  ags.  bröc,  aisl.  brök  'Hose'  (gall.  bräca  aus 
dem  Grm.,  Kluge  Wtb.^  59)  zu  stellen  ist,  wozu  nach  Schrader 
Z.  f.  dt.  Wortforsch.  1,  239  auch  lat.  suffrägines  'Hinterbug  der 
Tiere';  idg.  *bhräg-  'riechen'. 

ghl-  :  glaber,  -bra,  -brum  'glatt,  unbehaart,  kahl',  aus 
*ghladhros  zu  ahd.  glat  'glänzend,  glatt',  ags.  glcßd^  aisl.  gladr 
'glänzend,  fröhlich',  mhd.  glatz,  nhd.  Glatze  {*gMadhnä),  ab.  gladtkd, 
russ.  gladkij  'glatt',  ab.  gladüi  'glätten',  lit.  glodks  'glatt  anliegend', 
galästi  'wetzen'  (=  glätten),  lett.  galüds  'Wetzstein',  apr.  glosto  ds. 
(s.  z.  B.  Johansson  PBrB.  14,  325;  Zupitza  Gutt.  174;  Hirt  Abi.  88, 
Prellwitz  Wtb.  s.  v.  xXapöv  fekdv).  Abzulehnen  ist  die  abweichende 
Verbindung von^^aJer mit griech.Y\aq)up6c  (z.B.  Yaniceklat.Wtb.^ 
83;  Curtius  Gdz.s  178;  Fick  Wtb.  1^405;  Prellwitz  Gr.  Wtb.  61, 
aber  nicht  mehr  Wtb.  2),  dessen  Bedeutung  'geglättet,  fein'  sekundär 
ist  gegenüber  seinen  sonstigen  Bedeutungen  'behauen,  gewölbt, 
hohl',  vgl.  xXdcpuu  'höhle  aus'. 

Nicht  in  Beti'acht  kommt  laena,  da  aus  griech.  xKaiva 
entlehnt.   Andererseits : 

lens^  -dls  'Lausei,  Nisse',  lit.  glinda  ds.  (z.  B.  Vanicek  Lat. 
Wtb.2  98).  Idg.  *gJdend-;  zwar  läßt  sich  der  Ansatz  von  idg.  c?, 
nicht  dh^  nicht  unmittelbar  beweisen,  hat  aber  doch  eine  gewisse 
Stütze  am  Stammauslaute  der  gleichbedeutenden,  wenn  auch 
etymologisch  femstehenden  Sippe  griech.  kovic,  -boc,  ags.  hnitu, 
ahd.  {}i)nig^  air.  sned^  cymr.  nedd.  Unannehmbar  über  diese  Worte 
Liden  Stud.  z.  ai.  und  vgl.  Sprachg.  84  f. 

lüridus  'blaßgelb,  fahl,  leichenblaß',  griech.  x^.ujp6c,  x^o- 
(F)ep6c  'grünlich,  gelblich',  zu  helnos,  ahd.  gelo  'gelb'  usw.  (Fröhde 
KZ.  22,  250  ff.).  Gegen  die  abweichende  Verbindung  mit  griech. 
Xeipoc  s.  Hoffmann  BB.  26,  139. 

Nicht  ins  Feld  führen  will  ich  Hoffmanns  a.  a.  0.  Ver- 
bindung von  lud  US  mit  lit.  glaudas  'Kurzweil',  griech.  xkevr] 
'Scherz,  Spott',  ags.  gUo,  gliowes  'Scherz,  Spaß',  da  ich  von  der 
Unrichtigkeit  der  arch.  Schreibung  loidos  nicht  überzeugt  bin  und 
die  Zugrundelegung  letzterer  Form  auch  lautlich  unanstößig  ist, 
indem  loi-  nur  vor  Labialen  (oder  Labiovelareu)  zu  li-  entwickelt 
ist;  das  Gegenbeispiel  lira  'Furche'  ist  nicht  beweisend,  da  es 


104  A.  Walde, 

niclit  die  Yokalstufe  von  ahd.  waganleisa  'Wagenspur',  nhd.  geleise, 
ab.  lecha  'Ackerbeet'  zu  enthalten  braucht,  sondern  im  Vokale 
dem  lit.  li/se  'Gartenbeet',  apr.  lyso  gleichzusetzen  sein  wird. 

Ein  nur  unsicheres  Beispiel  ist  laetus  'fett,  üppig,  frucht- 
bar, freudig,  fröhlich,  heiter',  das  nach  Fick  2  3,  84;  3  3,  112;  Ost- 
hoff Mü.  4,  145  als  *QJilaitos  zu  ahd.  gli^gan  'gleißen',  as.  glitan, 
got.  glitmunjan^  ai.  glita^  glitra  'glänzen'  usw.  gehören  kann,  wozu 
nach  Prellwitz  Wtb.  s.  v.  xXiuu  auch  lett.  glaima  'Scherz,  Schmei- 
chelei', lit.  glitiis  'glatt'  (=  glänzend),  lett.  glits  'glatt,  nett,  hübsch' 
u.  dgl.  Doch  s.  auch  die  abweichende  Auffassung  Osthoffs 
PBrB.  13,  401  ff. 

Widersprechende  Fälle  habe  ich  nicht  gefunden,  glacies 
'Eis'  gehört  nicht  zu  glaber  usw.  {Prellwitz  Wtb.  s.  v.  x^«pov, 
aber  nicht  mehr  Wtb.  2),  sondern  zu  ig.  *ge?ä-  in  gelidus  usw.  (Pictet 
Orig.  1,  113;Hirt  Abi.  87); ^^aeswm,  besser  ^^eswm 'Bernstein'  ist 
entlehnt  aus  der  germ.  Sippe  von  ags.  glmre  'Baumharz',  ahd.  nhd. 
glas  usw.;  glärea  'Kies'  stellt  sich  nicht  nach  Wharton  Et.  lat.  zu 
griech.  x^fiöoc  'Schlamm,  Schutt',  sondern  ist  aus  ^grärea  dissi- 
miliert, das  ich  zu  idg.  *gerä-  'zermalmen'  in  lat.  gränum,  got.  usw. 
kaum,  lit.  Firnis  usw.  stelle,  oder  zu  '*Q¥€rä-  in  got.  qairnus,  ahd. 
usw.  quirn  'Mühle',  lit.  girnos,  ab.  znny  'Mühle',  ir.  hrö  'Mühlstein, 
Handmühle',  ai.  grävan-  'Stein  zum  Somapressen',  wenn  letztere 
Bedeutungen  aus  dem  Begriffe  'zerreiben,  malmen',  nicht  —  wie 
Fick  1^,  411;  Hirt  Abi.  79  gewiß  möglich  annehmen  —  aus  dem 
Begriffe  'schwer'  entwickelt  sind;  endlich  ist  gliscere  'unver- 
merkt zunehmen,  an  Stärke  gewinnen;  vom  Feuer:  entglimmen' 
nicht  nach  Yanicek^  91  f.  und  andern  mit  griech.  xKm  'bin  warm', 
nhd.  glimmen  usw.  zu  verbinden,  da  die  Anwendung  auf  das 
Anwachsen  des  Feuers  nicht  im  ursprünglichen  Wortsinne  be- 
gründet ist  (vgl.  Paul  Fest.  70  ThdP.:  "gliscere  crescere  est.  Glis- 
cerae,  mensae  gliscentes,  id  est  crescentes,  jper  instructionem  epularum 
scilicef),  sondern  mit  idg.  *glei-  in  ai.  jrayati  'stürmt  an,  läuft 
an'  usw.  (Bersu  Gutt.  186). 

bhr-:  Beispiele  mit  Dissimilation  gegen  inlautende  Med. 
asp.  sind  nicht  vorhanden. 

Sonst  regelrecht  /r-,  z.  B.  frango  :  got.  hrikan,  f räter  : 
ai.  hhrätar-,  frigo  'quietsche'  :  griech.  qppuYiXoc  'ein  Vogel',  ai. 
hhftdgas  'eine  Bienenart',  frigo  'röste'  :  griech.  cppuTUJ  ds.,  friior: 
got.  hrükjan  usw. 

hhl-:  Der  Regel  widerspricht  nur  scheinbar  fligo  'schlage, 


Aspiratendissimilation  im  Latein.  105 

schlage  an,  schlage  zu  Boden' :  got.  bliggwan  'bläuen,  schlagen',  ahd. 
hliuivan^  nhd.  {durch)bläuen^  wozu,  wenn  die  gerra.  Worte  -w-  aus 
-ghu-  (MO-Präs.,  wie  allenfalls  auch  lat.  -ßigo  mit  sekundärem  «-Ver- 
lust nach  fiixi  usw.?  doch  s.  über  die  germ.  Worte  auch  den  Nach- 
trag zu  ^ä^o  in  meinem  etyra.  Wtb.)  aufweisen,  auch  wohl  ab.  hlizna 
'JSTarbe',  hlizb  Mkb  'offensus  fui',  lett.  hlaißt  'schlagen,  quetschen, 
zusammendrücken'  (Lettner  KZ.  11,  200;  Hoffmann  BB.  26,  131). 
Um  der  Schwierigkeit  zu  entgehen,  braucht  man  auch  nicht  zu 
einem  ohne  Not  nicht  anzunehmenden  Anlaut  idg.  ml-  seine  Zu- 
flucht zu  suchen;  denn  ziehn  wir  griech.  cpXißuj  'drücke,  quetsche' 
—  0\ißuj  kann  auf  Vermischung  von  cpXl'ßu)  mit  GXduu  beruhn,  erfor- 
dert also  mchiguh-  als  Anlaut  —  und  cymr.  öZe/'catapult,  ballista' 
(Fick  2*,  188)  in  Rechnung,  so  ergibt  sich  eine  zweite  Wurzel- 
form idg.  %}ileißy-  {*bhleig-u-?\  auf  die  auch  fligo  zu  beziehen  ist. 

Nicht  sicher  gedeutet  ist  flägito  'fordere  mit  Ungestüm', 
wovon  flägitium  ursprgl.  'öffentliche  Ausscheltung',  dann  deren 
Ursache  'Schande,  Schändlichkeit'  (vgl.  zur  Bedeutung  Usener 
Rh.  Mus.  56,  5  ff.)  nicht  zu  trennen  ist.  Die  Verbindung  mit  lett. 
blägs  'schwach',  wonach  flägifäre  "durch  Fragen  und  Fordern 
schwach,  mürbe  machen",  flägitium  "die  Schwächlichkeit  und 
daher  Schlechtigkeit"  bedeuten  würde  (Prellwitz  BB.  25,  282) 
genügt  der  ältesten  Bedeutung  von  flägitium  nicht;  aus  demselben 
Grunde  ist  Ficks  1*  94  Anknüpfung  an  ab.  blagd  'gut,  erwünscht' 
(ursl.  *bolg^).  av.  bdVdxda-  'erwünscht'  (?)  unwahrscheinlich;  Ver- 
bindung mit  air.  dliged  'Pflicht,  Gesetz,  Recht',  cymr.  dleu  'schul- 
dig sein',  got.  usw.  dulgs  'Schuld'  (Schrader  R.-L.  907),  wornach 
flägitäre  eigentlich  "die  Schuld  eines  anderen  gegen  den  Spre- 
chenden geltend  machen'^flägitium  die  'öffentliche Beschuldigung' 
bedeuten  würde,  ist  schon  des  Vokalismus  halber  verdächtig;  am 
ehesten  trifft  Usener  a.  a.  0.  das  richtige  mit  seiner  Anknüpfung 
Sin  flagrum,  flagellum  'Geißel';  ich  halte  dann  einen  Mittelbegriff 
"durch  körperliche  Mißhandlung,  dann  durch  bloße  Drohung  er- 
pressen" für  den  wahrscheinlichsten  Weg,  um  zur  Bedeutung 
von  flägitäre^  flägitium  zu  gelangen.  Da  flagrum  bekanntlich  mit 
aisl.  blaka  'schlagen'  zu  verbinden  ist,  entspricht  bei  dieser  Ety- 
mologie auch  flägitäre^  flägitium  unserer  Regel. 

fistula  'hohles  Rohr;  Rohrpfeife'  kann,  wenn  überhaupt 
von  letzterer  erst  bei  Lucrez  belegten  Bedeutung  auszugehn  ist, 
entweder  aus  *flistula  dissimiliert  sein  und  nach  Bugge  BB.  3,  97  f 
zu  aisl.  blistra   "mit  dem  Munde  pfeifen  oder  flöten"   gehören 


106  A.  Walde, 

oder  nach  Petr  BB.  21,  214  zu  ab.  zvizdati^  cech.  hvizdati^  poln. 
givizdac  {\\x^\üx.  *gvizdaii)  'pfeifen';  auch  in  letzterem  Falle  wieder- 
spricht es  nicht  der  Re^el,  da,  abgesehn  von  dem  möglichen 
Ansätze  *ghuizd-tlä^  auch  eine  Grundform  *Qhuizdh-tlä  ihr-zdht- 
schon  in  frühester  Zeit  zu  zt.  st  umgestaltet  haben  müßte. 

Bei  nicht  mit  Aspirata  anlautender  zweiter  Silbe  begegnet 
regelrecht  /?-,  zb.  flagriim  (s.  o.),  flagro  'brenne':  aisl.  blakra 
'blinken',  flämen:  got.  hlotan  'verehren'  usw. 

dhr- :  Ein  sehr  wahrscheinliches  Beispiel  der  Dissimilation 
ist  traho  'ziehe,  schleppe,  schleife',  das  weitaus  am  natürlichsten 
mit  aisl.  draga^  ags.  dragan  'ziehen',  aisl.  drög  'Streifen',  aschw. 
drjffgh  'Schlitten',  lett.  dragät  'reißen'  (mit  Auslautsvariation  dazu 
ai.  dhrdjati  'gleitet  dahin,  streicht,  zieht',  dhräji$  'das  Streichen, 
Zug',  aisl.  drdk  'Streifen')  verbunden  wird,  vgl.  Zupitza  KZ.  37,388, 
der  allerdings  nur  an  Anlautsdoppelheiten  denkt,  wofür  wir  jetzt 
berechtigt  sind,  eine  Entwicklung  *dhraghö,  *draghö^  traho  einzu- 
setzen. Wir  dürfen  nun  auch  um  so  eher  darauf  verzichten,  den 
lat.  Anlaut  mit  Meillet  JS'otes  d'etymologie  grecque  (1896),  S.  5, 
und  Niedermann  Berl.  phil.  Wochenschr.  1902,  1302  durch  eine 
Kreuzung  der  Wurzeln  *dher{ä)Q{^)h-  und  *dergji-  (nhd.  usw. 
zergen,  russ.  dergath  'zerren')  zu  erklären. 

Freilich  ganz  zwingend  ist  diese  Auffassung  von  traho  nicht, 
da  auch  eine  Wz.  Hrägh-  in  ir.  traig  'Fuß',  gall.  vertragus  'Wind- 
hund', cymr.  usw.  troed  'Fuß',  nslov.  trag  'Spur',  traziti  'suchen, 
spüren',  aserb.  trag^  'Nachkomme',  ir.  trog  'Nachkommenschaft', 
träig  'Strand',  abret.  guotroit  Vous  trayez'  u.  dgl.  (s.  Fick  2*  136, 
Zupitza  BB.  25,  96)  belegt  ist,  die  die  Begriffe  "am  Boden  hin- 
schleifen, schleppen,  ziehen ;  großziehen,  erziehen ;  sich  bewegen, 
laufen"  vereinigt. 

Andererseits  regelrechtes  fr-  z.  B.  in  frans,  -dis  'Betrug'  (ai. 
druhyati  "sucht  zu  schaden",  as.  bidriogan^  ahd.  triogan  'trügen' 
mit  anderer  Wurzelerweiterung), /"r^<s^^<m  'Brocken,  Bissen,  Stück- 
chen' (wahrscheinlich  zu  gr.  Bpauuj  'zerbreche',  ptc.  Gpaucrröc). 
Auch  für  frons^  -dis  'Laub'  wird  die  Annahme  eines  alten,  nicht 
aus  dh  entstandenen  d  gestützt  durch  das  ähnliche  Suffixverhältnis 
zwischen  glan-di- :  ßdXavoc  usw.,  da  wohl  nach  Solmsen  KZ.  35, 
474  ff.  zu  ab.  dhrhm  'Rasen',  gr.  öpova  "Kräuter,  Blumen,  wie  sie 
in  kunstvolle  Kleider  eingestickt  Avurden." 

dhl-:  Beispiele  fehlen. 

dhu-:   Während  f-  (zunächst  aus  *fu-)   als  Entsprechung 


Aspiratendissimilation  im  Latein.  107 

dieser  Anlautsgruppe  allgemein  ist,  bot  bestia  eine  bisher  un- 
begreifliche Ausnahme.  Seine  Zugehörigkeit  zu  got.  dius  'wildes 
Tier',  ahd.  tior  usw.  Tier',  lit.  dvesiü,  dvesti  'keuchen',  ab.  dichnqti 
'atmen',  mhd.  getiväs  'Gespenst'  usw.,  Wz.  '*dheuese-  'atmen'  (vgl.  zur 
Bedeutung  animal :  ai.  aniti  'atmet')  ist  über  jeden  Zweifel  erhaben. 
Die  Versuche  W.  Meyers  KZ.  28, 1 73  und  AViedemanus  Lit.  Prät.  128, 
dem  lat.  hestia  zuliebe  die  ganze  Sippe  in  zwei  Gruppen  zu  zerreißen 
—  einerseits  *dheuese-,  andererseits  *deuese-  —  müssen  als  hoff- 
nungslos gescheitert  gelten,  da  kein  einziger  ihrer  Angehörigen 
einen  Anlaut  d-  fordert.  Die  Schwierigkeit  findet  ihre  Lösung  viel- 
mehr auf  lat.  (ital.)  Boden :  Gdf.  *dhuezdhiä,  woraus  *duezdhiä,  bestia. 
Das  von  bestia  nicht  zu  trennende  bellua  kann  *dhuezdhlouä,  allen- 
falls auch  im  Anlaute  nach  *duezdhiä  umgestaltetes  *dhueslouä  sein. 
Die  Beweiskraft  von  bestia  wird  auch  durch  Brugmanns, 
KG.  148  a  1,  Annahme  nicht  geschmälert,  daß  hier  ein  Wechsel 
d  :  dh  vorliege,  wie  er  sich  im  Bereiche  der  Gutturalreihen  in 
lat.  gena^  griech.  Y£vuc,  arm.  cnaut  'Kinnbacke,  Wange',  got.  kinnus 
'Wange,  Backe'  :  ai.  hdnus  'Kinnbacke',  in  ego^  eyiJu,  got.  ik  :  ai. 
ahäm^  aw.  azam,  in  magnus^  M^Tac,  got.  tnikils,  arm.  mec :  ai.  mahdn 
(vor  Kons,  j,  majmän-  'Größe'),  in  griech.  (xyoctöc  'flache  Hand': 
ai.  hastas  'Hand'  finde.  Denn  daß  in  diesen  Fällen  nicht  Wechsel 
zwischen  Media  und  Media  aspirata  vorliegt,  sondern  die  Ent- 
sprechung eines  Lautes,  der  keines  von  beiden  war,  gleichviel 
wie  er  lautphj^siologisch  genauer  zu  bestimmen  sei,  halte  ich 
heute  für  ebenso  sicher,  wie  KZ.  34,  504 f.;  die  Entsprechung 
ist  eben  für  jede  einzelne  Sprache  fest,  ai.  //-  (außer  vor  Kon- 
sonant), griech.  y  usw.  Darin  einen  Zufall  zu  sehen  und  auf  noch 
zu  findende  Beispiele  zu  hoffen,  die  diese  Ordnung  stören  würden, 
wie  Foy  KZ.  35,  19  tut,  verbietet  meines  Erachtens  die  doch 
nicht  so  geringe  Zahl  der  Beispiele.  Und  ein  Gegenbeispiel  steht 
aus;  denn  daß  die  von  Brugmann  Grdr.  1^,  634  (2,  816,  818), 
Dem.  71  ff.  in  diesem  Sinne  besprochenen  mit  Guttural  anlautenden 
Partikeln  hervorhebender  Bedeutung  es  liefern,  davon  habe  ich 
mich  nicht  zu  überzeugen  vermocht.  Was  zunächst  e|ue-T€,  got. 
mik  anlangt,  so  ist  sein  g  palatal,  denn  arm.  z  is  ist  wohl  nur 
aus  *inc  =  i^i-ye  zu  erklären  (gegenüber  dem  Dativ  inj  'mihi' 
mit  _;■  =  echtem  gh).  Allerdings  hat  die  2.  Pers.  /cez  für  Akk.  und 
Dat. ;  dennoch  erweist  dies  nicht  gh  auch  für  z  is^  da  wir  dem 
Gegensatze  is  :  inj  —  gleichsam  der  'lectio  difficilior'  —  größere 
Beweiskraft  zuzuerkennen  haben  werden,  als  der  Gleichheit  des 


108  A.  Walde, 

Dat.  und  Akk.  Icez.  Anders  freilich  Torp  auf  S.  114  der  Be- 
merkungen zu  Knudtzon  Die  zwei  Arzawa-Brief e :  zis  mit  anderer 
Stellung  der  Präp.  =  arzawisch  as-za  (Akk.  oder  Dat.),  d.  h.  eigentlich 
Nominativform  (wäre  aber  arm.  es !)  +  Postpos.,  bezw.  Präp.  za  {z) ; 
ich  bin  von  dem  Indogermanismus  der  Arzawabriefe  nicht  über- 
zeugt. —  Hieher  auch  ai.  Ai,  aw.  2^,  hervorhebend  nach  dem 
Fragepronomen,  dann  allgemein  "denn',  ab.  zi^  und  —  wie  Delbrück 
Grdr.  4,  505  ansprechend  vermutet,  mit  Übernahme  des  ab- 
weichenden Guttiu'als  von  der  folgenden  Gruppe  —  lit.  gi^ 
vgl.  negi^  negü  :  ai.  nahi  'nicht'.  Dieselbe  Übernahme  auch  für 
griech.  ouxi,  inrixu  vai'xi  (über  ouki  s.  Brugmann  Gr.  Gr.^  117) 
anzunehmen  hindert  nichts,  da  wir  wegen  lit.  gl  (Zweifel  gegen 
seine  Zugehörigkeit  allerdings  bei  Solmsen  KZ.  39,  227)  ohnehin 
auch  mit  einem  Ausätze  von  idg.  ^ghi  für  diese  Partikel  mit 
i-Yokalismus  nicht  ohne  Annahme  analogischer  Umgestaltungen 
auskommen.  Dazu  gesellt  sich  noch  *gi  in  lat.  negotium,  nego. 
Von  dieser  Gruppe  scheidet  sich  schon  durch  ihren  Yelar 
folgende :  ai.  gha,  ha,  ab.  -go,  ze  (griech.  öe  ist  sicher  fernzu- 
halten), ai.  hänta  'wohlan,  auf,  da  nimm,  sieh  da',  lat.  Mc,  u.  hont 
Pronominalpartikel  (Persson  IF.  2,  238),  die  demnach  echte  Media 
aspirata  zeigen  (über  lit.  g\,  gü,  griech.  -xi  s.  0.).  AUerdiugs  neigt 
Brugmann  Dem.  69  mehr  zur  Yerbindung  von  lat.  hie,  u.  hont 
mit  dem  zweiten  Teile  von  ahdm,  ego  usw.  unter  Berufung  auf 
die  Media  asp.  von  ai.  mahtjam,  lat.  mihi,  arm.  inj,  womit  er  auch 
ai.  hi,  aw.  zi,  gTiech.  vaixi,oüxi  zusammenbringt.  Über  den  zweiten 
Teil  dieser  Annahme  s.  0.;  aber  auch  von  der  Gleichsetzung 
des  Gutturals  von  mihi  usw.  mit  dem  von  ego  usw.  kann  ich 
mich  ebensowenig  überzeugt  erklären,  wie  Kretschmer  Einl.  138. 
Daß  *e-ghom  'meine  Hierheit',  *me-gh  .  .  .  (Dat.)  'zu  mir  her' 
bedeutet  habe,  ist  eine  bloße  Möglichkeit,  die  wir  unbedenklich 
aufgeben  dürfen,  wenn  sie  lautlichen  Schwierigkeiten  begegnet. 
Yielleicht  aber  ist  sie  offen  zu  halten,  indem  —  wohl  bereits 
uridg.  —  die  Artikulationsart  als  wirkliche  Media  aspirata  vom 
Dativ  der  zweiten  Person  (ai.  tubhyam  usw.)  herübergekommen 
sein  und  die  ursprünglichere  verdrängt  haben  kann ;  dafür  spricht 
vielleicht  bis  zu  einem  gewissen  Grade,  daß  ein  idg.  pronominales 
Element  mit  dem  Anlaut  gh-  (echte  Media  asp.)  nach  dem  oben 
auseinandergesetzten  nicht  nachzuweisen  ist.  Wir  haben  also 
einerseits  eine  Partikel-(Pronominal-)Gruppe  mit  Anl.  europ.  g, 
ar.  gh  (also  nicht  idg.  gh)  und  eine  andere  mit  Anl.  gJi.  Nach- 


Aspiratendissimilation  im  Latein.  109 

trägliche  Yerquickungen  beider  können  bei  ihrer  wohl  ganz  sich 
deckenden  Bedeutung  nicht  befremden.  Ich  halte  daher  daran 
fest,  daß  hier  Artikulationsverhältnisse  vorliegen,  die  mit  dem 
anderwärtig  zu  beobachtenden  Wechsel  zwischen  Media  und 
Media  aspirata  nichts  gemein  haben. 

Gegen  Herleitung  von  lat.  fimhria  aus  *dhuendhriä  ver- 
weise ich  auf  mein  Et.  lat.  Wtb.  224. 


Für  den  Inlaut  ist  mir  kein  Beispiel  von  Aspiratendissimila- 
tion zur  Hand.  Man  könnte  zwar  daran  denken,  arduus  'steil' 
mit  aisl.  grdugr  'steil'  unter  idg.  ^^ardhugvhos  zu  vereinen.  Aber 
abgesehen  davon,  daß  dh  hier  den  zweiten  Teil  der  Konsonanten- 
gruppe bildete,  bleibt  der  entscheidende  Einwurf,  daß  das  aisl. 
Suffix  zweifellos  ein  idg.  -uqo-  fortsetzt,  und  es  ist  daher  lat. 
arduus  nach  wie  vor  auf  eine  Wurzelform  *ard-  neben  ardh- 
zurückzuführen,  vgl.  von  der  mit  u  anlautenden  Parallelwz.  lat. 
rädix,  got.  waurts  gegenüber  ai.  vardhate,  griech.  öp9öc. 


Ich  habe  im  Vorstehenden  stets  von  Aspiraten-,  nicht  Spi- 
rantendissimilation gesprochen  und  glaube  an  dieser  Auffassung 
des  Vorganges  festhalten  zu  sollen;  der  Lautwandel  gehört  hier- 
mit der  uritalischen  Zeit  an,  bevor  noch  (tonlose)  Spiranten  ent- 
standen waren.  Allerdings  hat  Ceci  Rendic.  d.  R.  Acc.  d.  Lincei 
Ser.  5,  tomo  3  (1894),  469  ff  in  einer  Reihe  von  Wörtern  mund- 
artlichen Übergang  von  /r-,  fl-  in  br-,  hl-  angenommen,  und  es 
würde,  wenn  seine  Beispiele  Stich  hielten,  die  Frage  wenigstens 
zu  erwägen  sein,  ob  die  in  Rede  stehende  Aspiratendissimilation 
nicht  vielleicht  erst  nach  dem  Übergang  der  Aspiraten  in  Spi- 
ranten, aber  allerdings  noch  vor  dem  Wandel  von  p-  zu  f-  erfolgt 
sei  und  so  die  ersten  Stadien  eines  Vorganges  vorstelle,  der  sich 
später  mundartlich  auch  unter  anderen  Bedingungen  wiederholt 
habe.  Aber  abgesehn  davon,  daß  nur  drei  der  von  Ceci  beige- 
brachten Fälle  zur  Not  als  Dissimilation  einer  Spirans  gegen 
eine  folgende  aufgefaßt  werden  könnten  —  was  übrigens  Ceci 
auch  nicht  denkt — ,  kann  ich  sein  Material  nicht  anerkennen: 

hlatta  'Schabe,  Kakerlack,  Motte',  lett.  blakts  'Wanze',  lit. 
5ZäÄ:e 'Wanze'  (Vanicek  ^  1 79).  Es  hindert  nichts,  idg.  h  anzunehmen. 

hlandus  'schmeichelnd,  liebkosend':  gegen  die  von  Ceci 
angenommene  Vergleichung  mit  lit.  paglöstyti  'streicheln,  schmei- 
cheln', lit.  galdndu,  gländu  'wetze'  usw.  (Bezzenberger  BB.  5,  168) 


110  A.  Walde, 

spricht,  daß  die  letzteren  Worten  zugrundeliegende  Wz.  *ghladh- 
'glatt,  glätten'  (s.  o.  wniQr  glaher)  idg.  gÄ,  nicht  qvIi  zeigt;  *Qhlandhos 
hätte  nur  zu  lat.  *glandus  führen  können.  Vielmehr  hat  Prell- 
witz BB.  25,  284  Recht,  wenn  er  hlandus  als  "freundlich  schwaz- 
zend,  auf  jemanden  einschwatzend"  an  lett.  blädu,  bläst  'schwatzen', 
lit.  balandis  'Taube'  anknüpft,  die  auch  entferntere  Beziehungeu 
zu  den  Sippen  von  babidus^  balbiis  (idg.  b)  haben.    Ebenso : 

blateräre,  blatire  'plappern,  schwatzen',  die  trotz  Ceci 
nicht  mit  lat.  fiäre^  nhd.  blähen  usw.  zu  verbinden  sind.  Aisl.  bladra, 
mhd.  bladeren^  ahd.  blabbizön,  nhd.  plappern  (vgl.  auch  lit.  blebenti 
'schwatzen')  können  ebenfalls  idg.  b-  enthalten  mit  Stocken  der 
Lautverschiebung,  wie  infolge  stets  nebenher  wandelnder  Neu- 
schöpfung nicht  selten  in  Schallworten,  sind  aber  auch  anderer 
Auffassung  zugänglich,  vgl.  Prellwitz  Wb.  s.  v.  cpXuaH.  Für  enge 
Zusammengehörigkeit  von  bladra,  bladeren  und  blaferäre  spricht 
freilich  kräftig  die  weitgehende  Übereinstimmung  der  Bildung; 
haben  die  ersteren  idg.  M,  so  wird  man  sich  damit  bescheiden 
müssen,  anzuerkennen,  daß  zur  Bezeichnung  des  Plapperns  im  Idg. 
Worte  mit  Anlaut  *bh{e)l-  und  *b(e)l-  nebeneinander  standen,  die 
einzelsprachlich  mit  einander  in  Austausch  getreten  sind.  Wer  es 
demnach  vorzieht,  für  die  grm.  Worte  idg.  bhl-  anzunehmen,  kann 
lat.  bl-  sehr  wohl  als  bereits  idg.  Nebenform,  oder  als  einen  erst 
lat.  (ital.)  Ersatz  für  fl-  nach  balbus  u.  dgl.  betrachten. 

blatea:  wenn  die  Erklärung  als  'bulla  luti'  (Paul.  Fest. 
24  ThdP,  34  M.)  zutrifft,  ist  Cecis  Anknüpfung  an  aisl.  bladra^ 
ahd.  blättara  'Blatter'  nicht  ohne  weiteres  von  der  Hand  zu  weisen ; 
aber  wie  beim  vorher  besprochenen  Worte  ti-effen  wir  auch  hier 
neben  idg.  Formen  mit  Anlaut  bli-  solche  mit  Anlaut  i-,  vgl. 
lat.  bid.la  'Blase',  arm.  palar  'Blase,  Pustel',  lat.  bulbus  'Zwiebel, 
Knolle',  gr.  ßoXßoc  'Zwiebel'  usw.  (s.  ühlenbeck  PBrB.  20,  326  f, 
Johansson  KZ.  36,  344,  IF.  14,  318  f).  Damit  erledigt  sich  auch 
Cecis  schon  an  sich  ganz  rätselhafte  Herleitung  von 

bulla  'Blase,  Buckel,  Knospe,  Kapsel'  aus  *fluva{l)  und 
Verbindung  mit  gr.  qpXuuu  "sprudle  auf,  walle  über,  schwatze" 
und  (?)  ab.  bljuvati  'speien'.    Ebenso  haltlos  ist  seine  Erklärung  von 

bilis  'Galle'  aus  *flislis  als  einer  auch  morphologisch  unglaub- 
würdigen Weiterbildung  von  fei  usw.;  vielmehr  nach  Fick  2*  175 
als  *bislis  zu  cymr.  bustl^  corn.  bistel,  bret.  bestl  'Galle',  oder  — 
mir  allerdings  nicht  wahrscheinlicher  —  nach  W.  Meyer  KZ.  28, 
169  zu  lit.  dvylas  'schwarz'. 


Aspiratendissimilation  im  Latein.  111 

hrassica  'Kohl'  gehöre  als 'Weißkohl'  zu  lat. /raaymMs,  lit. 
herzas^  ahd.  hirihha  usw.,  got.  bazrhts  'gläuzeud',  griech.  qpopKÖc 
"weiß,  weißgrau"  u.  dgl.  Die  Verbindung  ist  schon  aus  Gründen 
der  Bedeutung  ganz  problematisch.  Ihre  Richtigkeit  vorausgesetzt, 
würde  auch  ss  aus  /s  ks  auf  dialektischen  Ursprung  weisen,  wie 
auch  tt  aus  /t  kt  in  dem  von  Ceci  zur  selben  Wurzel  gestellten 
hrattea  "dünnes  Metall-  oder  Holzblättchen,  Flitterstaat",  das 
urspr.  "leuchtendes  Blättchen"  bedeutet  habe  —  das  Wort  harrt 
trotz  Ceci  noch  der  Erklärung  — ,  sowie  in  dem  obengenannten 
blatta;  hier  wäre  eine  junge  Folge  zweier  Spiranten  allerdings 
vorhanden,    die  aber  eben  für  alle  andern  Fälle  mangelt. 

hroccns  'mit  hervorstehenden  Zähnen,  raffzähnig'  verbindet 
Ceci  unrichtig  mit  lat.  frango,  nhd.  brechen,  statt  mit  griech. 
ßpuKuu  'beiße',  ßpouKoc  'eine  Heuschreckenart'  (Fick  1"^,  409);  es 
weist  mit  diesem  auf  idg.  b  (kaum  als  o.-u.  Dialektwort  auf  idg. 
gw,  da  ahd.  krouwil  'dreizinkige  Gabel,  Kralle,  Klaue',  nhd.  krauen 
wohl  vielmehr  zu  lat.  grumus  zu  stellen  sind). 

Ebensowenig  überzeugt  seine  Anknüpfung  von  bria  'Wein- 
gefäß, Becher'  an  ahd.  brio  'Brei'  oder  (richtiger :  und)  lat.  friäre 
'zerreiben',  frivola  'vasa  fictilia  quassa'.  Mit  aller  gebotenen 
Zurückhaltung  möchte  ich  eher  an  Entstehung  aus  *QWiä  (lat. 
vordre,  lit.  geriü  'trinke'  usw.)  denken,  mit  o.-u.  b  aus  g¥. 

brigantes  'kleine,   in   den  Augenhöhlen   sich   einnistende 
Würmer',  trotz  Ceci  nicht  aus  fricantes. 

Endlich  bruscum  'der  Schwamm  am  Ahornbaume',  von 
Ceci  mit  frutex  'Gesträuch,  Busch',  mhd.  briezen  'schwellen, 
knospen'  verbunden.  Aber  ebensogut  kann  bruscum  als  o.-u.  Lehn- 
wort zu  ahd.  krüt  'Kraut'  gehören,  über  dessen  z.  T.  zweifelhafte 
weitere  Verwandtschaft  ich  auf  mein  lat.  et.  Wtb.  s.  v.  frutex, 
grämen,  veru  verweise. 

Am  ehesten  könnte  im  Sinne  Cecis  das  Nebeneinander  von 
italien.  bioccolo  neben  fiocco  aus  lat.  floccus  und  von  bricia,  briciolo 
neben  fregolo,  fregare  aus  lat.  fricare  bestechen;  doch  scheint 
das  letzte  Wort  darüber  den  Romanisten  zu  gebühren.  Firr 
unsere  Frage  sind  sie  nicht  auszubeuten. 

Man  wird  nach  dem  im  Vorstehenden  Bemerkten  die  be- 
sprochene Erscheinung  als  Aspiraten-,  nicht  Spirantendissimilation 
zu  bezeichnen  haben. 

Innsbruck.  Alois  Walde. 


112  K.  F.  Johansson, 


Arische  Beiträge. 

2.   Über  die  indogermanische  Verbindung 
Dental +  s(;2)  +  Dentali). 

Hier  wird  untersucht  werden,  wie  indogermanisches 
Dent.  4-  s{z)  +  Dent.  behandelt  worden  ist.  Im  allgemeinen 
bemerke  ich  vorerst  nur,  daß  ich  gegen  Osthoff  MU.  4,  3291 
und  mit  Brugmann  Grdr.^  1,  448.  ^  1^  733.  Wackernagel  Aind. 
Gr.  1,  269  u.  a.  der  Ansicht  bin,  daß  iuterexplosivisches  s{z) 
nicht  schon  indogermanisch  geschwunden  sei.  Ein  Spezialfall 
ist  der  hier  zu  erörternde,  und  da  ist  hingegen  schon  indo- 
germanisch die  erste  Explosiva  (der  Dental)  reduziert 
worden.  Fröhde  BB.  17,  312  ff.  Persson  BB.  19,  271  ff.  und 
Brugmann  IR  6,  102 ff.  haben  dies^)  für  das  Lateinische, 
Germanische  und  Litu-Slavische  nachgewiesen,  ich  selbst 
außerdem  für  das  Indische  (IF.  8,  162  ff.).  Ich  führe  hier  — 
zum  Teil  als  Referat  —  die  mir  zufällig  bekannt  gewordenen 
Beispiele  an. 

Es  wird  hier  Aufgabe  sein,  die  Fälle  mit  'interdentalem' 
s{z)  von  denen  abzugrenzen,  wo  Dental  -j-  Dental  anzunehmen 
sind.  Und  zwar  geschieht  dies  durch  folgende  Kriterien.  1.  Wenn 
eine  Wortgruppe  nur  in  den  europäischen  Sprachen  vorkommt 
oder  jedenfalls  nicht  einen  f-  ü-  r-  (oder  Ä:-)Laut  vor  der  Dental- 
verbindung hat,  hat  man  zu  untersuchen,  ob  das  etymologische 
Resultat  einer  Dentalverbindung  mit  den  für  jeden  Zweig  der- 
selben geltenden  Gesetzen  für  die  Behandlung  von  Dental 
4-  Dental  stimmt  oder  nicht.  Im  letzteren  Falle  wird  in  den  meisten 
Fällen  Annahme  von  Dent.  -f-  Sib.  +  Dent.  Genüge  leisten.  Wenn 
z.  B.  im  Lateinischen  und  Germanischen,  wo  -tt-  zu  -ss-  Avird, 
dennoch  -st-  vorliegt,  kann  man  a  priori  vermuten  und  etymo- 
logisch den  Nachweis  führen,  daß  (entweder  urspr.  idg.  -st-^ 
worauf  es  hier  nicht  ankommt,  oder)  idg.  -tst-  zugrunde  zu  legen 
ist.  2.  Wenn  in  den  arischen  Sprachen  als  Resultat  einer  Dental- 
verbindimg -st-  -zd{h)-  nach  t-  ü-  r-  (und  Ä:-)Lauten  erscheint, 


1)  Vgl.  IF.  14,  265  ff. 

2)  Vgl.  schon  Kluge  PBrB.  9,  195  f.  und  s.  Noreen  Urg.  Lautl.  174  f. 
und  daselbst  zit.  Lit. 


Arische  Beiträge.  113 

dann  können  wir  darauf  sicher  sein,  daß  diese  nicht  Dent. 
+  Dent.,  sondern  Dent.  +  Sib.  -)-  Dent.  gewesen. 

Wir  beginnen  demnach  mit 

1.  Fällen,  wo  vor  der  Dentalverbindung  entweder  kein 
f-  u-  r-  (oder  Ä;-)Laut  vorhergeht,  infolgedessen  die  arischen 
Sprachen  keinen  Beweis  abgeben  für  das  einmalige  Vorhanden- 
sein eines  s-Lautes  zwischen  den  Dentalen,  in  denen  aber  etymo- 
logische Zeugnisse  mehrerer  (besonders  europäischer)  Sprachen 
dazu  hinreichen,  einen  Sibilanten  zu  bezeugen,  oder  von  denen 
keine  Verwandten  auf  arischem  Gebiet  aitfzutreiben  sind. 

S.  gasta-  N.  *eine  Art  Gürtel'  Harsac.  (ed.  Bomb.)  143,  4. 
436,  11.  Eine  Wurzel  gas-,  wovon  es  abgeleitet  sein  möchte, 
kenne  ich  nicht.  Der  nächste  Gedanke  dürfte  der  sein,  daß  es 
zu  lat.  catena  gehört.  Dann  könnte  man  es  gemäß  uusrer  oben 
(14,  26.5  ff.  336)  erörterten  Regel  aus  *kaJ-to-  erklären.  Aber 
a  priori  ebenso  möglich  ist,  von  dem  s-Stamm  in  catena  Sius*cates-nä 
auszugehen,  folglich  als  Grundform  *kaJ-s-to-  anzusetzen.  Dieses 
gewinnt  an  Wahrscheinlichkeit,  Avenn,  wie  ich  glaube,  man  mit 
Recht  noch  ein  lateinisches  Wort  als  verAvaudt  heranzieht:  ich 
meine  castula  'Mieder,  Schnürleib  der  Frauen'  (Varro  b.  Non, 
S.  548).  Vermutlich  ist  dies  eine  Deminutivbildung  auf  Grund 
eines  *casto-  N.,  das  dann  mit  s.  casia-  N.  auf  ein  idg.  ^kaj-s-to- 
zurückgeht.  Von  einem  pedus  castigatum  (Ovid.  Am.  1,  5,  21) 
zu  schließen,  daß  castula  zu  einem  lat.  *casti-  s.  cästi-  'Züchtigung, 
Belehr  gehöre  (Fröhde  KZ.  23,  3101),  geht  nicht  an.  Denn  ent- 
weder ist  der  Ovidische  Ausdruck  nur  ein  kühn  poetisches 
Bild,  oder  es  hat  noch  ein  Wort  casti-gäre  oder  desgleichen 
{*castäre,  *castire)  gegeben,  das  'einschnüren,  einbinden'  hat  be- 
deuten können,  dessen  homonyme  Beschaffenheit  mit  (resp. 
Anklang  an)  dem  andren  casti-gare  der  poetischen  Diktion  eine 
spezielle  Färbung  gab,  ohne  daß  der  Dichter  der  tatsächlichen 
Existenz  zweier  Verba  bewußt  sein  brauchte. 

Daß  wir  bei  der  Erklärung  von  casta-,  lat.  castula  von 
einem  *kaj-s-  auszugehen  haben,  wird  erhärtet,  falls  noch  aus 
dem  Griechischen  Kacdc  (Xen.  Cyrop.  VIII,  3,  7.  8)  M.  Tferde- 
schabracke'  oder  'Reitrock' i)  heranzuziehen  sein  sollte.    Es  er- 


1)  So  nach  Phot.  Mb  Bkk.  Kac(c)äc '  (i|uq)iTdTTr|C.  Kai  TTiXuiTd,  Koiccov  ' 
ilucxTiov,  uaxi)  Kai  rpaxu  irepißöXaiov  Hes.  Döderlein  Hom.  Gl.  3,  322  führt 
u.  a.  ein  schwäb.  h^ss  'Kleidung'  an;  dies  hat  indessen  eine  ganz  andere 
Verwandtschaft  (vgl.  Zupitza  Gutt.  112). 

Indogermanische  Forschungen  XIX.  8 


114  K.  F.  Johansson, 

klärt  sieh  dies  unzweifelhaft  am  besten  aus  einem  *kat-s-ä^ 
d.  h.  wohl  ein  außerjonisches  *Kaca-FevT-  als  Grundform. 

Nach  alledem  scheint  man  berechtigt  zu  sein,  ein  idg.  *kat- 
*schnüren,  binden'  aufzustellen.  Letzter  Hand  kann  dies  mit 
dem  idg.  *ket-  *kat-  identisch  sein,  das  ich  in  ags.  headorian 
'einschließen,  einengen'  finden  will.  Wie  d.  hegen  eig.  'mit  hag 
versehen'  bedeutet,  und  hag  'Domgesträuch,  Gebüsch,  Umfrie- 
digung' eigentlich  soviel  als  'Flechtwerk'  ist  (vgl.  g.  waddjus 
:  lat.  viere  usav.),  so  ist  das  dem  ags.  headorian  zugrunde  liegende 
heaöor  eigentlich  wohl  'Umfriedigung',  dann  'receptaculum'. 
Meines  Erachtens  liegt  das  in  s.  catant-  'sich  versteckend', 
cätayati  'verscheuchen'  steckende  *qet-  begrifflich  ferner.  — 
Lat.  cassis  'Helm',  wenn  zu  gasta  oder  etwa  zu  catati,  setzt  da- 
gegen -tt-  voraus. 

Für  das  afries.  höst  'eheliche  Verbindung'  setzt  v.  Helten 
Verh.  d.  koninkl.  Ak.  v.  Wetensch.  Afdeel.  Letterk.  1896,  S.  9  ein 
*banstuz  an.  Eine  Ableitung  *banstilön-  dazu  ergab  das  aisl.  Bestla 
(s.  Siebs  ZfdPh.  29  [1896],  897  n.  2).  Es  kann  keinem  Zweifel 
unterliegen,  daß  die  vorauszusetzende  Grundform  idg.  *bhondh-s-tu- 
gewesen  ist  und  zur  Wz.  *bhendh-  'binden'  gehört.  Zur  selben 
Wurzel  wird  man  vielleicht  noch  folgendes  ziehen  wollen. 

Gall.  bemia  'Wagenkasten'  stellt  man  mit  Recht  zu  griech. 
TTOtBvri,  qpdivri  'Krippe'  (s.  z.  B.  Kluge  Wtb.  s.  benne\  und  Lideu 
Spräkv.  sällskapets  förhandliugar  1891—94  S.  77  =  BB.  21, 109  f. 
118  (vgl.  Stokes  BB.  21,  129)  zog  sie  ansprechend  zur  Wz.  ^'bhendh- 
unter  Annahme  von  Grundformen  resp.  *bhendhnä  und  *bhndhnä. 
Es  scheint  mir  nicht  unangemessen,  in  diesem  Zusammenhang 
des  g.  batists  M.  'Scheuer'  Erwähnung  zu  tun.  Es  kann  ein  zu 
i-Stamm  umgewandelter  «/-Stamm  sein,  somit  eigentlich  mit  afries. 
böst  formell  identisch.  Ein  urgerm.  *ba7istuz^  eig.  'Bindung,  Ge- 
bundenheit', hat  sich  sehr  wohl  in  so  verschiedenen  Speziali- 
sierungen der  Bedeutung  teilen  können  wie  afries.  böst,  g.  bansts. 
Ich  setze  voraus,  was  eben  bekannte  ethnologische  Parallelen 
hat,  daß  die  'Scheuer'  uj-sprünglich  durch  Flechtwerk  hervor- 
gebracht werden  konnte.  Mit  g.  *banstuz  identisch  ist  nun  air. 
bes{s)  M.  'Gewohnheit  Sitte'  (Windisch  IF.  3,  76  ff.  Foy  IF.  6,  331). 
Ob  die  Bedeutungsentwickluug  mit  der  von  afiies.  böst  oder  der 
von  g.  bansts  (s.  Windisch  a.  a.  0.)  parallel  gegangen,  mag  vor- 
läufig dahingestellt  bleiben.  Dabei  leugne  ich  freilich  nicht,  daß 
die  von  Strachan  BB.  14,  312  ff.   20,  35.  Fick  2^  174.   Stokes 


Arische  Beiträge.  115 

BB.  23,  49  angenommene  Grundform,  d.  h.  kelt.  *bend-tu-, 
auch  zum  Ziel  führt.  Dabei  hat  man  nämlich  auch  das  alb. 
bess  F.  'Glaube,  Vertrag,  Waffenstillstand,  freies  Gebiet'  (G.  Meyer 
EW.  33.  AS.  3,  25.  4,  45)  in  Betracht  zu  ziehen.  G.  Meyer  setzt 
eine  Grundform  *bend-ti-  oder,  mit  Übergang  in  die  Klasse  der 
Fem.  auf  -ä,  *bend-tiä  (AS.  2,  50),  während  Pedersen  KZ.  36,  308 
die  erstere  Form  vorzieht.  Oben  (14,  267  f.)  habe  ich  zu  zeigen 
gesucht,  daß  idg.  -tt-  im  Alban.  als  st  erscheint.  Dem  wider- 
spricht jetzt  Pedersen  KZ.  39,  429  f.  unter  Hinweis  auf  das  von 
ihm  KZ.  36,  308  aus  *püt-to-  gedeutete  alb.  ;pass  'gehabt'.  Ich 
lasse  mich  gern  in  albanesischen  wie  in  andren  Dingen  be- 
lehren. Vielleicht  bin  ich  im  Unrecht,  und  idg.  ~tt-  wird  im 
Alban.  -s{s)-^  wie  in  den  westeuropäischen  Sprachen.  Ich  be- 
streite aber,  daß  der  Beweis  dafür  in  pass  'gehabt'  Liegen  soll. 
Weder  Pedersen  noch  jemand  anders  wird  so  genau  wissen, 
was  pass  eigentlich  ist.  Es  ist  sogar  nicht  eben  wahrscheinlich, 
daß  pasf  aus  *pot-to-  sei,  zunächst,  weil  die  verbale  Verwendung 
von  pot-  in  s.  pati-,  ttöcic,  lat.  potis  aUem  Anschein  nach  eine 
spezifische  Neuerung  des  Albanesischen  ist,  aber  die  part- 
Kategorie  auf  -to-  sichtlich  im  Aussterben  begriffen  ist,  also 
seit  jeher  nicht  eine  lebende  Kategorie  gewesen  ist.  Es  könnte 
pas£  z.  B.  aus  *potio-  sein.  Und  bess  könnte  z.  B.  zum  s-Stamm 
gehören,  also  etwa  aus  *bend-s-iä  oder  *band-s-iä.  Der  idg. 
s-Stamm  ist  auch  sonst  reichlich  belegt :  z.  B.  ahd.  bant,  PI.  bentir, 
in  TTeTc^a.  Das  von  G.  Meyer  EW.  467.  AS.  4,  45  aus  *suoid-U- 
resp.  *suoid-Uä  gedeutete  vess  F.  'Tau'  wird  von  Pedersen 
KZ.  36,  308  aus  *vend-ti-  oder  *vöd-ti-  hergeleitet.  JVIindestens 
ebenso  möglich  wäre  eine  Grundform  *vend-s-iä  oder  vielleicht 
*vand-s-iä  ^),  wobei  man  sich  zu  vorhandenen  Stammesmöglich- 

1)  Man  könnte  hiergegen  einwenden,  daß  man  ^  zu  erwarten  hätte 
(Brugmann  Grdr.  1,  759.  Pedersen  Alb.  texte  180.  KZ.  26,  290;  anders 
IF.  5,38).  Ich  halte  diesen  Einwand  nicht  für  stichhaltig:  dent. +s  kann 
zunächst  ss  geworden,  und  dies  ist  nicht  palatalisiert.  Wenn  man  ein 
pase  'ich  hatte',  l'ase  'ich  hieß'  oder  per-pos  'unten'  entgegenhält,  so  hat 
man  zu  bedenken,  daß  diese  Formen  eigentlich  nichts  beweisen:  sie  stehen 
unter  Einfluß  von  Kategorien,  wo  sonst  nur  oder  fast  nur  ä  zu  stehen 
hatte,  nämlich  vom  -s-Aor.  wie  cTaie  'gab',  rase  'fiel',  ^eäe  'war',  dase. 
'sagte'  usw.  (G.  Meyer  KAG.  38  f.),  wie  denn  auch  Pedersen  selbst  genötigt 
ist,  pase  'er  sah'  nach  base  'er  gab'  usw.  zu  erklären.  Weiter  vom  Abi. 
PI.  (eig.  wohl  oder  wenigstens  zum  Teil  Lok.)  auf  -s  (aus  -*su).  —  Meiner 
Meinung  nach  wäre  es  also  möglich  vese.  aus  *suoid-s-iä  zum  s-Stamm  in 
1.  südor,  kymr.  chwys,  körn,  whijs  'Schweiß'  (aus  *suid-s-o-)  usw.  herzuleiten. 

8* 


116  K.  F.  Johansson, 

keiten  hält,  was  bei  den  ersteien  Konstruktionen  nicht  der  Fall 
ist :  der  s-Stamm  ist  vorhanden  in  ion.  uöei,  s.  utsa-^  wohl  arm. 
get^  aisl.  vass  'Schilf  usw.  —  Mit  dem  nackten  Hinweis  auf 
prese  'schneide'  ist  nichts  gewonnen,  wenn  nicht  gar  eine  Grund- 
form *pret-iä  anzunehmen  wäre. 

Mit  g.  bansts  zu  verbinden  sind  natürlich  ags.  bös,  aisl. 
bds,  mhd.  banse  'Scheune'.  Diesen  Wörtern  liegt  ein  germ. 
*bansa-  N.  zugrunde;  dies  aber  erkläre  ich  aus  einem  idg. 
"^bhondh-s-o-,  das  sich  zu  dem  s-Stamm  verhält  wie  z.  B.  lat. 
saxum  ahd.  sahs  zu  saces-  (in  lat.  sacena),  lat.  e-lixum  zu  Uquör, 
s.  sam-vatsa-ra-  zu  Feioc,  aisl.  hrös  N.  'Kuhm'  zu  aisl.  hröör.  ags. 
hrödor,  hrid  u.  a.  mehr')  (s.  z.  B.  J.  Schmidt  Plb.  144.  ;J79. 
Persson  BB.  19,  269  ff.  u.  a.).  Den  s-Stamm  sehe  ich  auch  in 
der  Weiterbildung  griech.  rreiciua  aus  *7T6v0-c-)Lia,  wie  z.  B.  ahd. 
rosamo  aus  *rudh-s-men-  (neben  rotamo-  aus  *rud/i-men-),  vgl. 
lett.  esma  'Lockspeise  für  AVölfe'  aus  *ed-s-ma  (:  lit.  edes-is^  ahd. 
äs,  aisl.  dSj  ags.  ^s,  lat.  es-ca  aus  '"ed-s-cä,  abg.  jas-li  aus  *ed-s-li- 
J.  Schmidt  Plb.  252.  279),  abg.  cisme  aus  *cit-s-men-^  öc|Liri  (:  lat. 
odor^  6b-c-  in  öcqppaivoiuai)  usw.  (vgl.  z.  B.  noch  J.  Schmidt  KSB.  7, 
243.  KZ.  27,  314.  Solmsen  KZ.  29,  90  f.  117  ff.  TR  S,  Anz.  64. 
Kretschmer  KZ.  29,  429  f.  Gr.  Vaseninschr.  148  f.  Bartholomae 
AF.  2,  86.  IF.  4,  124).  Zu  den  Weiterbildungen  von  s-Stämmen  s. 
noch  Bugge  AfnF.  1,  7.  Brugmann  MU.  1,  81.  Grdr.  2,  351.  GG.^ 
185  ff.  J.  Schmidt  Plb.  148.  KZ.  32,  388.  Persson  BB.  19,  271. 

Ahd.  {h)last,  ags.  hlcest  erklären  sich  aus  germ.  ^'hlasti- 
*hlasta-  und  gehen  auf  idg.  *Mat-s-U-,  *-to-  (oder  *Mad{h)-s-ti-,  *-<o-; 
A^gl.  Noreen  Urg.  Lautl.  175.  Brugmann  IF.  6,  103)  zurück.  Sie 
gehören  zu  g.  af-hlapan  'überbürden',  ahd.  {h)ladan  (Prät.  ki-hlatan\ 
aisl.  hlada  mit  /,  ags.  as.  hladan,  afr.  hlada  mit  d :  mit  ß  noch 
ags.  hlöd  'Beute';  anfränk.  hlötha  'Beute'  (:  mhd.  luot^  md.  lüt 
'Last,  Masse,  Rotte,  Schar,  Menge')^).  Wie  Persson  Wurzelerw.  46 

1)  Sowohl  die  Zusammenstelking  mit  s.  bharhsas-  (worüber  s.  Verf. 
BB.  18,  22  f.)  wie  die  zu  cu-cpe(i)öc  (Schrader  KZ.  80,  4-83  f.  Sprachvergl. 
u.  Urgesch.  501)  muß  aufgegeben  werden  (vgl.  auch  Feist  PBrB.  15,  5'iß  f.). 

2)  Osthoff  IF,  5,  301  identifiziert  damit  das  ags.  hlöd  'Haufe,  Schar, 
Menge",  spezieller:  'eine  zum  gemeinsamen  Stehlen  vereinte  Gesellschaft 
oder  Bande  von  7  bis  25  Dieben'  (Schmid  Gesetze  der  Angelsachsen  S.  17). 
Hierzu  afr.  hlöth  'Herd'  (Kern  Taalk.  Bijdr.  2,  191.  Jaekel  ZfdPh.  23,  140. 
Bremer  PBrB.  17,  319).  Wie  Sievers  (b.  Bremer  a.  a.  0.  N.  1)  und  Kauff- 
mann  PBrB.  18,  lil)  erkannt,  gehen  hUd  und  hUdere  'praedo'  mit  ahd. 
landeri  'lalro'  (Tatian  199,  8.  Sievers '^  S.  XXXVI  f.),  aisl.  hlenni  'Räuber' 
{hlenni-madr)  auf  ein  germ.  Wurzelelemenl  *hlanp-  zurück. 


Arische  Beiträge.  117 

und  Osthoff  IT.  5,  300  f.  annehmen,  liegt  hier  eine  mit  -t-  er- 
weiterte Wurzel  *klä-t-  vor  (gegen  Kluge  ^  224.  Brugmann  Grund- 
riß 2,  1047.  1051  f.  IF.  6,  103  u.  a.).  Daneben  steht  mit  -d- 
(oder  -(^/»-)Erweiterung  abg.  Madq  klasti  'legen,  stellen',  r.  kladü 
*last'  usw.  zu  lit.  klö-ju  klö-ti  'zudecken'  (aber  mit  -d-  oder 
-c?Ä-Erweiterung :  iiz-klodas  'Bettdecke',  paklöde  'Bettlaken'  usw. 
s.  Leskien  Abi.  114-376). 

G.  beist  'Sauerteig'  {ga-heistjan  'durchsäuern',  un-heistei 
*das  Nichtgesäuertsein',  un-heistjöps  'nicht  gesäuert')  aus  einem 
%heid-s-to-  zu  beitan  usw.  (Brugmann  IF.  6,  103,  anders  Kluge 
PBrB.  8,  524). 

Ahd.  quist  F.  'Yerderben,  Vernichtung',  g.  qistjan  'ver- 
derben' (trans.),  aisl.  kvista  'verstümmeln'  aus  *ged}i-s-ti-  (Brugmann 
IF.  6,  103)  zu  lit.  ge-n-dü  gesti  'entzweigehen,  verderben'  (intr.), 
gadmti  'verderben'  (trans.),  pagadas  'verderben'  (weiteres  Material 
aus  dem  Lit.  s.  Leskien  Ablaut  64  =  326,  vgl.  Verf.  KZ.  32,  484  f.), 
s.  Schade 2  2,  696.  Brugmann  IF.  5,  375.  6,  103.  Zupitza  Die 
germ.  Gutt.  87. 

Nhd.  rist,  mhd.  rist,  riste  'Hand-  oder  Fußgelenk',  ags. 
wyrst^  wrisf,  aisl.  rist  'Fußgelenk',  aschwed.  wrist  usw.  ist  lange 
her  zusammengestellt  mit  ags.  wridan  'torquere',  ahd.  ridan 
'winden',  aisl.  rida  'winden,  flechten,  knüpfen',  schw^ed.  vrida 
:  '^uri-t-s-t-.  Die  ursprüngliche  Flexion  ist  nicht  zu  bestimmen. 
Der  zugrunde  liegende  -s-Stamm  findet  sich  in  ags.  wrdsen, 
ahd.  reisan  'Knoten',  sowie  schwed.  (d.)  vres  M.  'Drüse',  vgl.  vresa 
'drehen,  krümmen;  (übertr.)  störrisch  sein',  vres-ig  'knorrig, 
knotig  (voll  Bäumen) ;  (übertr.)  mürrisch,  störrisch',  vresalm  'ulmus 
effusa'.  —  Vielleicht  wird  man  hierzu  s.  bleskd-  'Schlinge  zum 
Erwürgen'  stellen,  falls  aus  *ureid-s-qo-,  worauf  ich  hier  nicht 
näher  eingehe. 

Sehr  schwierig  ist  das  germ.  Wort  für  brüst.  G.  brusts 
ist  bekanntlich  ein  F.  PI.  taut,  eines  Kons.-Stammes  als  Über- 
setzung der  griech.  Vorlage  tö  cifiBoc,  id  cirXdYXva.  Auch  ahd. 
N.  A.  PI.  brüst  (Fem.),  D.  brustum  gehört  zu  der  konsonantischen. 
Stammesflexion;  aber  schon  im  9.  Jahrh.  erscheint  es  als 
-z-Stamm  flektiert  (Braune  Ahd.  Gr.  §  243.  Bugge  PBrB.  13,  320). 
Ln  Alts,  ist  breost  Neutr.  Plur.  tan  tum.  Ags.  breost^  aisl.  brjöst, 
ursprünglich  dieselbe  Form,  ist  Sing,  geworden ;  aber  Plur.  dazu 
wird  als  Sing,  verwendet.  Kluge  PBrB.  8,  510  nimmt  für  die 
as.  ags.  aisl.  Form  urspr.  Nom.  Dual.  *breustö  an,  das  als  Neutr. 


118  K.  F.  Johansson, 

Pliir.  aufgefaßt  worden  sei.  Dual.  *breustö  und  (got.)  Plur. 
*brustum  usw.  setzen  ein  urgerm.  Paradigma  mit  wechselndem 
Akzent  und  wechselndem  Ablaut  (etwa  wie  s.  Du.  pddä{u)  :  PI. 
padbhis)  voraus.  War  aber  noch  urgermanisch  ein  solches  Para- 
digma vorhanden,  als  fester  Typus  konnte  natürlich  zu  einem 
*brustum,  wie  auch  immer  entstanden,  analogisch  ein  *breustö 
erwachsen.  Das  hat  auch  Bugge  PBrB.  13,  320  ff.  bei  seiner 
Etymologie  annehmen  müssen.  Man  könnte  nun,  unter  Ab- 
lehnung von  Bugges  Zusammenstellung,  die  erwähnte  Annahme 
verwenden  und  brusts  zu  abg.  brüdo  (-s-Stamra)  'Erhebung,  HügeF 
stellen  :  *bru{dh)-s-t- \  dazu  wäre  dann  *breu{dh)-s-tö  neugebildet. 
Abg.  brüdo  ist  aus  *bhrdhos  (resp.  *mfdhos^  vgl.  r.  berdo  'Weber- 
kamm', pol.  bardo^  cech.  brdo  usw.  aus  *birdo,  J.  Schmidt  Vok.  2, 18; 
von  Diefenbach  KZ.  16,  221  zu  got.  fötu-baurd  usw.  gestellt, 
anders  Yerf.  KZ.  30,  449).  Xun  ist  aber  auch  die  Annahme,  daß 
in  germanischer  Zeit  in  einem  Nominal-Paradigma  durch 
Analogie  bedingte  Ablautsentgleisung  stattgefunden  habe,  etwas 
bedenklich.  Dies  setzt  nämlich  voraus,  daß  in  der  Nominalflexion 
noch  in  germanischer  Zeit  der  Ablautswechsel  ein  lebendiger 
Wortbildungsfaktor  gewesen  sei.  Das  ist  aber  in  weiterer  Aus- 
dehnung kaum  annehmbar.  Man  kann  aber  meines  Erachtens 
aisl.  brjöst  usw.  :  g.  brusts  usw.  aus  idg.  *bhreu-dh-s-t-  :  *bhru-dh-s-t- 
erklären,  ohne  sie  dennoch  ganz  von  abg.  brüdo  zu  trennen. 
Man  hat  nur  eine  Wechselform  idg.  *bhreiidhos-  :  *bhrudhs-  an- 
zunehmen. Die  Wurzelformen  *bh{e)r{e)-dh- :  *bhreu-dh-  verhalten 
sich  zueinander  wie  *bh{e)r{e)-^  *bher-io- :  *bhreu-  in  lat.  ferio^  aisl. 
berja,  abg.  borjq,  qpap-öuu,  wozu  nsl.  brana^  r.  boronä^  pol.  brona 
*Egge'^),  alb.  brane  (aus  dem  Serb.  entlehnt  G.  Meyer  Wtb.  44f.) 
usw.  :  s.  bharv-ati  'zernagt'  usw.,  s.  Persson  Wurzelerw.  18.  125, 
oder  mit  andrer  Bedeutungsentwicklung:  von  'scharf,  spitzig 
sein'  zu  'emporragend,  hevortretend,  sich  erhebend'  in  lit.  bridujü-s 
briduti-s  'sich  andrängen',  akt.  'zwängen',  briaunä  'stumpfe  Kante' 
usw.  (s.  Leskien  Ablaut  3  =  293);  wie  *bli(e)r{e)-s-  :  *bhreu-s-  (air. 
berraim  'tondeo',  cpdpc-oc  'Stück',  ahd.  bres-tan,  s.  bhr?-ti-  'Spitze, 
Zacke,  Ecke',  aisl.  burs-t  :  ags.  brysan  'brechen',  air.  brtiim  'zer- 
schlage' usw.).  Die  Bedeutungen  wechseln  in  dieser  Wortfamilie 
zwischen  'stechen,  stoßen,  nagen,  kauen,  spalten'  und  'spitzig, 
hervorstechend,  empoiTagend,  hervortretend  sein'.   Zu  *bher-dh- 

1)  Sicher  nicht  aus  *bhorsnä  wie  Pedersen  IF.  5,  72  annimmt.  Ein 
np.  bern  'Egge'  ist  nach  Hörn  XIX.  il  unsicher. 


Arische  Beiträge.  119 

in  TTepöuj  'zerstöre',  aisl.  harda^  ahd.  harta  'Beil',  g.  fötu-haurd 
'Fußbank',  ahd.  hord^  hört  'Rand,  Saum,  Seite  des  Schiffes,  Schiffs- 
rand', as.  bord  'Rand,  Tafel,  Tisch,  Haus',  ags.  hord  'Rand,  Schiffs- 
bord, Tisch,  Haus',  aisl.  bord  'Randlänge,  Stange,  Schiffsbord, 
Tisch'  mit  sowohl  ahd.  pret  'Tafel,  dicke  Stange',  mhd.  nhd.  hret^ 
ags.  bred  'Tafel'  wie  ahd.  prot^  prat  'Rand,  Borte,  Schiffsvorder- 
teil, Mund,  Lippe'  usw.,  sowie  schließlich  abg.  brüdo  'Hügel' 
(weiteres  Material  bei  Walde  KZ.  34,  506  f.).  Zu  einem  damit 
wechselnden  *bhreu-dh-  imd  daraus  gebildetem  *bhreudJios-  könnte 
nun  aisl.  brjöst  :  g.  briists  usw.  gehören i).  Eine  andere  Weiter- 
bildung vielleicht  in  abg.  brüzda  'frenum'.  Sollte  das  Yorgetragene 
zu  verwickelt  erscheinen,  so  ließe  sich  auch  noch  die  alte  Zu- 
sammenstellung mit  aisl.  brjöta,  ags.  breotan  'brechen',  mhd. 
hriegen  'hervorbrechen,  aufschwellen,  knospen',  as.  brustjan 
'knospen'  hören.  Auch  dann  hätten  wir  Wegfall  von  einem 
Dental  anzunehmen:  *bhreu-d-s-t-  :  *bhru-d-s-t-.  Die  Bedeutungs- 
entwicklung wäre  dann  von  'Hervorbrechung,  Anschwellung' 
zu  brüst.  Zur  Bedeutung  vgl.  dann  aisl.  bringet :  lit.  brlnkti  'quellen, 
schwellen'  (Zupitza  Die  germ.  Gutt.  129).  Fi'eilich  auch  dann 
entlegene  Wurzelverwandtschaft  mit  den  genannten  Wörtern. 
Ich  habe  das  Vorstehende,  vor  acht  Jahren  über  brusts 
Niedergeschriebene,  stehen  lassen,  obwohl  seitdem  mehrere  Ver- 
suche, das  Wort  zu  erklären,  erschienen  sind.  Ich  nenne  z.  B. 
die  von  v.  Grienberger  Unters,  z.  got.  Wortk.  53  mit  einer  von 
V,  Helfen  Fünfzig  Bemerk,  z.  Grimmschen  AVörterb.  16  ff.  ge- 
äußerten identische  Zusammenstellung  mit  s.  bhrü-s  griech. 
öcppO-c,  und  die  ausfühi'liche  Behandlung  von  Wiedemann  BB.  27, 
226  ff.  Trotz  der  etAvas  verwirrenden  Darstellung  ist  dieser  Auf- 
satz scharfsinnig  und  lehrreich.  Wie  man  finden  wird,  sind 
einige  unserer  Aufstellungen  identisch;  namentlich  suchen  wir 
das  verwandte  Material  in  demselben  etymologischen  Kreis.  Nur 
glaube  ich  nicht  an  die  von  W.  angenommenen  Bedeutungs- 
entwicklungen. Vielmehr  wird  man  in  den  meisten  Fällen  von 
ähnlichen  Zusammenstellungen  die  Bed.  'Rand ;  Saum ;  erhöhter 


1)  Zum  Bedeutungswechsel  vgl.  air.  bruinne  aus  *brondhio-,  akymr. 
bronn  nkymr.  bron  'putus,  mamma',  bret.  bron{n)  'mamelle',  aber  in  Orts- 
namen 'runder  Hügel'  wie  kymr.  bri/nn  M.  'collis'.  Ev.  zu  abg.  grqdi  'Brust', 
slovak.  hrud  'Erhöhung'  usw.  (b.  Fick  *  2,  184;  ein  anderer  Vorschlag 
bei  Zupitza  Die  germ.  Gutt.  129;  bruinne  könnte  auch  *bhrudhnio-  sein. 
Es  läge  dann  ein  mit  dem  -s-Stamm  wechselnder  -n-Stamm  zugrunde). 


120  K.  F.  Johansson, 

Kaiid,  Erhebung'  als  die  zentrale  anzusetzen  haben.  Weiter 
zurück  lieg-en  Bedeutungen  wie  'Bruch:  durch  Brechen,  Bersten 
entstandene  Kante,  Rand'  usw. 

Lit.  l^ste  'Ackerbeet'  (Bezzenberger  LF.  s.  v.  Leskien  Bild, 
d.  Nom.  396  =  546),  ahd.  liista  'Rand,  Saum,  Borte,  Sti-eifen', 
aisl.  Usta  'Rand,  Streifen',  ags.  Ust,  alles  aus  Hit-s-tä-  vom  -s-Stamm 
in  lat.  lltus^  wohl  auch  lit.  lyse  'Ackerbeet'.  Lit.  lyse  :  hjste  =  lett. 
rüsa  :  rusta^  rüste  (aus  *rud-s-a  :  ^rud-s-tä,  s.  unten).  Indessen 
kann  ja  lyse  vielleicht  direkt  zu  lat.  llra^  ahd.  ivagan-leisa,  abg, 
lecha  'area',  r.  lecha  'Furche'  gestellt  werden  (Fick  KZ.  18,  412  ff. 
Pedersen  IF.  5,  40.  78  u.  a.).  Sollte  nun  Pedersens  an  der  letzt- 
erwähnten Stelle  behauptete  Regel  richtig  sein,  sollte  das  aus 
idg.  -s-  nach  -f-,  -ü-,  -r-,  -^--Lauten  im  Litauischen  zu  erwartende 
-sz-  nach  'gestoßen'  betontem  -i-  und  -u-  bewahrt  sein,  so 
würden  wir  natürlich  *lysze  erwarten.  Nun  sind  aber  freilich 
die  Regeln  Pedersens  fürs  Litauische  weit  davon  entfernt,  als 
gesichert  gelten  zu  können i). 

Lat.  frustum  wird  gewöhnlich  und  kann  zu  griech.  9paucTÖc 
gestellt  werden  (vgl.  z.  B.  Walter  KZ.  12,  412.  Fröhde  BB.  1, 
193.  Solmsen  KZ.  29,  95).  Indessen  scheint  mir  der  alternative 
Vorschlag  von  Stokes  KZ.  31,  235.  Persson  Wurzelerw.  126  N.  2. 
KZ.  33,  292.  Stolz  Hist.  Gr.  1,  150,  daß  es  zu  abg.  brüs-nq-ti, 
brysati  gehöre,  in  formaler  Hinsicht  den  Vorzug  zu  verdienen; 
vgl.  weiter  ags.  brysan  'zerbrechen',  air.  {brosne.  brosnu)  briiim 
'zerschlage'  usw.  (s.  noch  Fick^  2,  187.  Thurneysen  Keltor.  94  f. 
Strachan  Bß.  20,  15).  Zu  ags.  brysan,  alb.  bresen  'Hagel'  (G.  Meyer 
Wtb.  47.  Alb.  St.  3,  90;  vgl.  indessen  Wiedemann  BB.  27,  248  f.), 
mhd.  brüsen  'brausen'  usw.  kann  unter  Annahme  einer  'Wurzel'- 
fonn  *bhreu-s-,  die  übrigens  auch  durch  air.  briiim  'zerschlage, 
zerschmettere'  usw.  bezeugt  sein  kann,  gezogen  werden;  um 
es  aber  zu  abg.  brysati  'abreiben',  brüsnqti  'rädere,  corrumpere', 
brüselü  'Scherbe'  direkt  zu  stellen,  brauchen  wir  eine  'Wurzel'- 
f orm  *bhreu-d-s- :  in  diesem  Fall  *bhrtid-s-to-{ygl  Pedersen  IF.  5, 38) ; 
*bhreu-d-  (in  aisl.  brjöta   usw.)  :  *bhreii-d-s-   (abg.  brysati  usw.) 


1)  Mit  1.  lltus  eig.  'gebogene  Rand',  so  'Ufer,  Strand'  ist  identisch 
der  als  ursprüngUcher  -s-Stamm  von  Liden  Spräkv.  sällskapets  förhandlingar 
1891—94,  74  =  BB.  21,  106  dem  ahd.  lid  N.  und  M.,  ags.  lid  N.,  aisl.  lidr 
M.,  aschwed.  liper  M.  und  N.  (daneben  -«-Stamm  im  got.  lißus  usw.)  zu- 
grunde gelegte  *li-tos,  -tes-.  Der  -«-Stamm  in  lißus  läßt  sich  mit  dem 
-M-o-Stamm  in  1.  lituus  vergleichen. 


Arische  Beiträge.  121 

=  *dh{u)r9u-d-  (lat.  fraud-) ') :  *dh{u)rau-d-s-  (in  umbr.  frosetom  'frau- 
datum'2);  lat.  frustra  entweder  *dh{u)ru-s-trä  oder  *dh{u)ru- 
d-{s-)trä).  — 

Lat.  mustum  —  wovon  ahd.  most,  wie  die  meisten  den 
Weinbau  betreffenden  Wörter  vom  Lateinischen  entlehnt  sind  — 
erkläre  ich  aus  *mud-s-to-  und  beziehe  es  auf  den  -s-Stamm  in 
juucoc  aus  *)u^ö-c-oc  eig.  'Nässe',  so  'Befleckung-,  Makel',  so  'Ver- 
brechen' u.  dgl. ;  der  -s-Stamm  auch  in  ir.  mosach  'immundus, 
spurcus'  (aus  *mut-s-äko-),  kymr.  mws  'spurcus'  (vgl.  Fick*  2,  206); 
wurzelverwandt  mit  jivhoc  'Nässe'  usw.,  mhd.  smm,  lit.  mäud-au 
maud-yti  'baden',  lett.  maud-ät  'schwemmen',  lit.  mdus-tau, 
mäus-tyti  'schwemmen',  sowie  abg.  miizga  'Lake,  AVeiher'  aus 
*maud-z-gä  (Miklosich  Asl.  Lautl.^  286.  Et.  Wtb.  207  s.  müzg-, 
vgl.  Walde  KZ.  34,  514)  und  weitere  Formen  der  Wurzel  ohne 
die  c?-Erweiterung  bei  Leskien  Abi.  41  =  303).  Hierzu  s.  mödate 
'lustig,  fi'öhlich  sein,  sich  freuen'  von  RY.  an;  ursprüngliche 
Bedeutung,  wohl  etwa  'naß,  feucht  sein',  noch  vorhanden  in 
schwed.  dial.  muta  'staubregnen'  und  andres  mehr,  s.  unten.  Die 
ursprüngliche  Allgemeiubedeutung  dürfte  noch  in  s.  mudira-  M. 
'Wolke',  lexikalisch  auch  mit  der  Bedeutung  'Frosch',  durch- 
schimmern. Hierzu  auch  air.  micad  'Wolke'  aus  *moiido-,  muad- 
rosc  'lippus':  weiteres  bei  Fick^  2,  206.  Persson  Wurzelerw.  24. 
155.  183  u.  a. 

Das  bei  Hes.  vorkommende  Wort  ßacxd  •  uTToörDnaxa. 
'ItaXiOuTai  ist  wohl  am  ehesten  ein  messapisches  Wort.  Als  solches 
könnte  es  mit  mhd.  hast  buost,  engl.  ndl.  an.  bast^  ags.  bcBst  zu- 
sammengestellt werden,  mit  dem  alb.  basks  'zugleich'  usw.  auf 
ein  *bhadh-s-tu-,  -to-  zurückgehen. 

Daß  die  Wurzel,  die  in  s.  nahyati^  naddha-,  natsijati  usw. 
erscheint,  idg.  *nedh-  war,  ist  jetzt  anerkannt  (Hübschmann 
KZ.  23,  393  mit  N.  1  f.  v.  Bradke  ZDMG.  40,  666.  Stokes  BB.  21, 
130  u.  a.)3)  und  von  Brugmann  BSGW.  1890,  236  weiter  er- 
härtet. Ob  das  lat.  necto  nexui  nexi  nexum  auch  mit  der  Glosse 


1)  Hierher  ziehe  ich  lit.  draudzu  draüsti  'drohen',  lett.  draudi  m. 
PI.  'Drohungen',  lit.  nu-draud-us  'tadelnswert',  lett.  draudet  'drohen'.  Lett. 
drausma  'Drohung',  lit.  drausme  'Zucht',  drausmüs  'strafbar'  setzen  ent- 
weder *dhr3u-s-  oder  *dhr9u-d-s-  voraus. 

2)  Anders  z.  B.  v.  Planta  Gr.  d.  osk.-umbr.  Dial.  1,  4^21  f.  — 

3)  Früher  z.  B.  Fick^  3,  159.  *  1,  501.  506.  Windisch  KZ.  21,  427 
setzte  man  allgemein  *negh-  als  Wurzelform  an. 


122  K.  F.  Johansson, 

noxcB  colligatso  (Löwe  Prodr.  371)  hinreicLt,  um  aucli  eine  idg. 
Wurzel  *negh-  anzusetzen,  ist  sehr  zweifelhaft  Osthoff  b.  Brugmann 
a.  a.  0.  ist  der  Meinung,  daß  nedo  usw.  duich  Umbildung  nach 
plecto  plexui  plexi  plexum  entstanden  ist^).  Sicher  ist,  daß  außer 
dem  Indischen  das  Germanisehe  und  Keltis(;he  (sowie  selbst  das 
Italische)  die  Wurzel  *nedh-  bezeugen.  Das  Air.  hat  ein  naidm  N. 
'nexum'  belegt  durch  Gen.  nadma,  Akk.  PI.  nadman  (in  ecoir 
nadma  'impos  contrahendi',  for  nadmand  'super  obligationes',  Zeuss- 
Ebel  269  f.),  fo-naidm  'Binden,  Vertrag',  nir.  an-naid  (Stokes 
BB.  21,  130).  Hierzu  gesellt  sich  air.  Superl.  nessam  (Kompar, 
nessa\  körn,  nessa  'proximus,  proxime',  nes  'propius',  kymr.  Superl. 
nesaf,  Kompar.  nes  aus  *nedh-s-7iinio-  (resp.  '^nedh-s-os-).  Hier- 
nach ist  es  offenbar,  daß  von  den  vielen  Deutungsversuchen 
über  0.  nessimo-^  die  v.  Planta  1,  377  f.  verzeichnet,  nur  der 
von  Brugmann  BSGW.  1890,  236  zu  halten  ist.  Es  ist  aus 
*ned,h-s-rp,mo-.  Der  hier  zu  Tage  tretende  -s-Stamm^)  erscheint 
nun  auch  außer  in  den  unten  zu  behandelnden  Formen  mit 
-^-Erweiterung  (wie  s.  nißka-,  ahd.  nuska  'fibula',  air.  nasc  'Ring' 
nsw.,  vielleicht  auch  av.  naska-  'Buch,  Textsammlung',  eigentlich 
'Bündel'  Bartholomae  Ai.  Wtb.  1060)  in  folgenden  Fällen,  die 
Osthoff  MU.  0,  6  und  J.  Schmidt  Krit.  d.  Son.-Theor.  85  in  ähn- 
lichem Zusammenhang  erwähnt  haben.  Zunächst  ahd.  nusta 
*nexa',  nustun  'ansulas',  das  wohl  nicht  aus  *nuskta  (zu  nuskjan, 
nusken  'nectere,  vincire')  herzuleiten  ist;  eher  aus  *n^dh-sto-, 
in  welchem  Fall  es  sich  direkt  zu  aisl.  nis-t,  niste  'Heftnadel, 
Mantelschnalle',  nista  'zusammenheften',  ahd.  nestilo  M.  nestila  F. 
'Bandschleife'  stellen  läßt,  denen  ein  *nedh-s-to-  zugrunde  liegt, 
agutn.  nast  nestli  (aus  *nodh-s-to-  oder  *nddh-s-to-).  Mit  lat.  nödus 
(vgl.  Kluge  KZ.  25,  313.  Noreen  Urg.  Lautl.  139)  können  diese 
Wörter  direkt  nur  vereinigt  werden,  wenn  man  für  beide  Sprach- 
gruppen ein  *n^dh-z-do-,  *nddh-z-do-^  *nodh-z-do-^  *nedh-z-do-  an- 
nähme. Dazu  liegt  kaum  hinreichender  Anlaß  vor.  Die  Wörter 
sind  wohl  nur  wurzelverwandt :  lat.  nödus  ist  idg.  *nödho-  (anders 
Persson  Wurzelerw.  881).  —  Um  hier  noch  eine  unsichere  Ver- 
mutung vorzuführen,  möchte  ich  den  Vorschlag  machen,  vocciöec 
uTTÖbriiaa  YuvaiKeTov  aus  *voec-ib-  zu  deuten  und  darin  den  -s-Stamm 
in  aisl.  nis-t,  agutn.  nas-t  zu  sehen. 


1)  Ganz  anders  Bloomfield  IF.  4-,  69. 

2)  Vgl.  noch  ir.  im-ni-se  (bei  Stokes  BB.  21, 130)  wohl  aus  *-nedh-s-io-. 


Arische  Beiträge.  123 

Ahd.  rüsten,  ndl.  rüsten,  ags.  hyrstan  (aus  *hrystan)  'aus- 
statten, schmücken',  ahd.  rust  'Rüstung',  ags.  hyrst,  setzen  im 
Verhältnis  zu  ags.  hrSodan  'schmücken',  aisl.  hrjöda  'säubern'^) 
usw.  (s.  Kluge ^  308)  ein  idg.  *krut-s-to-  voraus.  Richtig  stellt 
Zupitza  Die  germ.  Gutt.  125  hierher  aisl.  hraustr  'rüstig,  tapfer, 
gesund'  :  lit.  krutü  kruteti  'sich  regen',  krutüs  'rührig'  (Leskien 
Abi,  54  =  316).  Ursprüngliche  Allgeraeinbedeutung  'schaben, 
schröpfen',  die  sich  einerseits  zu  'sich  bewegen,  regen',  andrer- 
seits zu  'reinigen,  säubern,  schmücken'  usw.  entwickelt  hat. 

Ahd.  mhd.  hörst,  hurst  'Gesträuch,  Gebüsch',  me.  hurst,  mnd. 
hörst,  hurst  'niedriges  Gestrüpp,  abgeholzte  Stelle  im  Walde,  wo 
junge  Schößlinge  nachwachsen;  wüster,  "wilder  Ort'  im  Ver- 
hältnis zu  ahd.  hart  'Wald'  (und  andern  Wörtern  bei  Noreen 
Urg.  Lautl.  87,  vgl.  Much  PBrB.  17,  104  und  Kögel  AfdA.  19,  6  f. 
Osthoff  Par.  1,  47  ff.)  setzt  theoretisch  ein  vorgerm.  *krt-s-to-, 
resp.  *kfd{h)-s-to-,  voraus.  Ein  idg.  *krtto-  (s.  krttd-  statt  *krsta-, 
lit.  kifstas),  wie  Zupitza  Die  germ.  Gutt.  121  als  Grundform  an- 
nimmt, sollte  germ.  '*hurs{s)  *hors{s)  werden.  Das  -t  wäre  dann 
jüngeren  Ursprungs,  wie  in  obst  u.  dgl.,  was  aber  schwerlich 
geht2j.    S.  jedoch  jetzt  Osthoff  Par.  1,  53  ff. 

Dem  got.  hröt,  aisl.  hröt  'Dach'  entsprechen  ags.  hrösf  Schlaf- 
stange der  Hühner',  as.  hröst  'Dachgespen-e'  %  Ein  ursprünglicher 
-s-Stamm  ist  zu  *kröd-s-to-  *kröd-s-tiio-  (*kroud-s-to-,  *kroud-s-tiio-) 
erweitert  worden  (weiteres  Liden  ISTordiska  studier  432  f.). 

Unsicher  ist,  ob  ahd.  harsta  'frixura',  ga-harstit  'frixus', 
ags.  hierstan  'rösten',  hierstepanne  'Bratpfanne',  mnd.  hörst  'Rost', 
mit  lit.  kdrsztas,  lett.  karsts  'heiß',  lit.  karsztis  'Hitze',  sowie  aisl. 
Äers^r 'barsch'  (Bezzenberger  Lit.  u.  lett.  Drucke  des  16.  Jahrhs.  1, 


1)  Hierher  gehören  auch  mit  Anlauts-;  a.gs.  screadian  'schneiden', 
ahd.  scrötan  'hauen,  schneiden',  aisl.  skrjödr  'etwas  Zerfetztes',  skrüd  Hhe 
shrouds  of  a  ship',  ags.  scrtid  Tuch'  und  weitere  bei  Zupitza  Die  germ. 
Gutt.  157  genannten  Wörter. 

2)  Um  soviel  weniger  als  das  Wort  auch  in  den  nordischen  Sprachen 
bezeugt  ist :  schwed.  dial.  röst  F.  'Waldung',  norw.  dial.  rust  'kleine  Waldung, 
Land,  Sammlung  von  Bäumen,  Waldrücken'  usw.  (auch  in  der  Form  ryst). 

3)  Verwandt  schwed.  röste  'Dach-,  Giebelgestell,  Gerüst',  norw. 
dial.  rost,  rest,  raste,  reyste,  raust  mit  ähnlichen  Bedeutungen,  wo  aber 
die  vokalischen  Verhältnisse  etwas  verwickelt.  Die  Zusammenstellungen 
bei  Wiedemann  IF.  1,  124:.  Zupitza  Die  germ.  Gutt.  127  sind  zweifelhaft.  — 
Man  hat  Wechselformen  *krö-d-  und  *krou-d-  anzunehmen,  sei  es  daß 
*krö-d-  aus   *kröu-d-  ist   oder  verschiedene  Wurzelerweiterung  vorliegt. 


124  K.  F.  Johansson, 

Xn  Anm.  2,  anders  KZ.  22,  479)  mit  lit.  kersztas  'Zorn'  (weiteres 
s.  Leskien  Abi.  70  -  322.  Verf.  KZ.  32,  481.  487  f.  Zupitza  Die 
germ.  Glitt.  114)  in  ähnlichem  Yerhältnis  zu  ahd.  herd,  ags.  heord^ 
as.  herth  (vsl.  abg.  krada  'iTupd,  Kd)aivoc')  stehen.  Nehmen  wir 
hier  *kert-s-to-  *koH-s-to-  *kft-s-to-  an,  so  haben  wir  wohl  den 
-s-Stamm  (resp.  den  -s-Aor.-Stamm)  in  lett.  karset  'erhitzen',  lit. 
klrszti  'zornig  werden',  pa-klrszti  'entbrennen',  klrszinti  'zum 
Zorne  reizen',  kerszingas  'zornig',  kerszüs  'zornvoll',  kerszyti 
*zornen'  usw.  (d.  h.  *kert-s-  *kort-s-  *krt-s-).  Ein  hierzu  gehöriges 
*krötsä  oder  *krätsä  möchte  ich  in  abg.  krasa  'Schönheit'  sehen. 
Ich  nehme  als  Bedeutungsentwicklung  au :  'Brand,  Flamme'  — 
*rote  Farbe'  (vgl.  r.  kräsnyj  'rot')  —  'Farbe'  (vgl.  r.  krdska^  lit. 
krasas  'Farbe,  Farbestoff,  Farbekraut',  le.  krasa  'Schönheit')  und 
'Schönheit'  (vgl,  abg.  krasiti  'ornare',  krasiti  se  'Isetari,  superbire'). 
Ganz  andere  Anknüpfung,  zum  Teil  umgekehrte  Bedeutungs- 
entwickluug,  befürworten  Bezzenberger  KZ.  22,  478  f.  Bechtel 
Hpr.  209.  Zupitza  Gutt.  147.  Pedersen  IF.  5,  58. 

2.  Hiernach  komme  ich  zu  AVörtern,  die  (auch)  in  den 
arischen  Sprachen  vorkommen  und  zugleich  f-  ü-  {r-  oder  Ä:-)Laut 
vor  der  Lautverbindung  haben. 

Lit.  rustas  'lila,  bräunlich',  lett.  rusta,  rüste  'braune  Farbe' 
(Bezzenberger  Lit.  Forsch.  165.  Geitler  Lit.  St.  107.  Leskien 
Abi.  44  =  306.  Bild.  d.  Nom.  398  =  548),  lett.  rüstet  'rotfärben', 
ahd.  as.  rost,  ags.  ri'ist  'Rost'  und  mit  andrer  Ablautsstufe  ahd. 
röst  'Rost,  Scheiterhaufen,  Glut,  Feuer'  aus  *rüdh-s-to-  {*roudh- 
s-to-),  von  dem  -s-Stamm  aus  weitergebildet,  der  in  lett.  rüsa 
'Rost',  lit.  rüsvas,  raüsvas  'rotbraun',  lat.  rubor,  epeuGoc,  lat.  russus, 
lett.  rusla  'Art  rotbrauner  Farbe',  lit.  ruslis  'Bratrost',  ruseti 
'glimmen,  brennen'  (Geitler  Lit.  St.  107),  ahd.  ros-amo  'Rost' 
(vgl.  Bugge  Ark.  1,  7  f.)  usw.  zutage  tritt.  Zu  diesem  spricht 
nun  vollständig  s.  lö?ta-  N.  'Eisenrost'.  Es  ist  freilich  nur  durch 
^KDr.  bezeugt,  aber  dort  vom  älteren  medizinischen  Wb. 
Räjanirghanta,  und  an  der  Richtigkeit  des  Wortes  wie  der  Be- 
deutung kann  kein  Zweifel  bestehen.  Ebenso  unzweifelhaft  ist 
es,  daß  es  nicht  mit  lö$ta-  'Scholle'  identisch  sein  kann  (s.  so- 
gleich unten).  Es  ist  zunächst  aus  ar.  *rausta-  und  dies  aus 
idg.  *rousto-   aus  noch  älterem  *roudh-s-to-  (s.  Yerf.  IF.  8,  162). 

S.  lö?tä-  'Scholle',  aisl.  rtist  F.  'Sammlung,  Reihe  nieder- 
gefallener Steine',  d.  h.  mit  annähernd  derselben  Bedeutung  wie 
lat.  rüdus  rüdera,  aus  *reud-s-to-  *rüd-s-ti-  mit  dem  -s-Stamm  in 


Arische  Beiträge.  125 

lat.  rüdus  {rödus)  rudera  'zerbröckeltes  Gestein,  Stückchen  Kalk, 
Erde,  Schutt',  wie  auch  nach  meinem  Dafürhalten  s.  rödas-. 
rödasi  'Welt'  (vgl.  rödasi-prä  'die  Welt  erfüllend'),  eigentlich 
'Erde',  du.  rödasi  'die  beiden  Welten',  soviel  als  'Himmel  und 
Erde',  eigentlich  'die  beiden  Erden'  (anders,  unwahrscheinlich, 
Pischel  Yed.  St.  1,  60) ;  weiter  lit.  pelen-rüsis,  -e,  -rüsa  'Aschen- 
brödel' usw.  (s.  Persson  BB.  19,  268.  Yerf.  IF.  8,  162 ff.)'). 

S.  kü^thä  bedeutet  a)  'das  hervorragende  Ende  eines  Dinges, 
Schnabel,  Spitze',  und  zwar  'die  Schnauze  eines  Korbes'  Pär. 
Grhy.  1,  7,  b)  vielleicht  'Afterklaue  und  als  solche  wohl  Bez. 
eines  Zwölftels'  MS.  III,  7,  7.  In  der  letzten  Bedeutung  viel- 
leicht auch  küsthikä  AV.  10,  9,  23.  9,  4,  16.  7,  10.  Äit.  Br.  2,  11 
(wo  es  von  Säyana  als  'der  Inhalt  der  Gedärme'  gedeutet  wird)^), 
jedenfalls,  wie  es  scheint,  'ein  best,  für  das  Opfer  wertloser 
Teil  am  Fuße  des  Opfertieres',  hustha-  M.  in  der  Bedeutung 
'Lendenhöhle'  ist  natürlich  hiervon  zu  trennen;  dagegen  kann 
küßtha-  (Un.  2,  2)  M.  N.  'ein  best,  heilkräftiges  Kraut,  Costus 
speciosus  od.  arabicus'  (auch  'Saussurea  auriculata')  zu  küsthä 
'Spitze'  gehören.  Wohin  kiißtha-  N.  'Aussatz'  (kusthaka-  id.  in 
angära-ku^thaka-^  vgl.  kusthaghna-  'ein  best,  gegen  den  Aussatz 
angewandtes  lyiittel',  kusthaja-  'im  Aussatz  entstehend')  gehört, 
kann  zweifelhaft  sein.  In  Anbetracht  aber  der  Beziehung,  die 
zwischen  Namen  von  Aussatzkrankheiten  und  Verbalbegriffe  wie 
'schaben'  (vgl.  lat.  Scabies  :  scabo\  'stoßen'  (vgl.  g.  ßrtdsfill  :  lat. 
tt'üdo),  'schlagen'  (vgl.  'ausschlag')  usw.  besteht,  möchte  ich 
kustha-  'Aussatz'  direkt  zu  küsthä  'Spitze'  stellen ;  denn,  wie 
sich  ergeben  wird,  gehört  dies  zu  einer  Sippe  mit  der  Allgemein- 
bedeutung 'scharf  sein,   stechen,   stoßen,   bohren'  usav.    Es  gab 

1)  Die  von  Ahrens  Beitr.  z.  griech.  u.  lat.  Etymologie  1,  186  her- 
rührende von  Fröhde  BB.  17,  313  befürwortete  Zusammenstellung  von  lat. 
7-üdera  und  holt,  gruis,  schwed.  grus,  ndd.  grüs,  weiterhin  xpöcöc,  as, 
griot,  ahd.  crioz,  nisl.  grautr  usw.  (vgl.  Fick*  1,  418.  Verf.  Beitr.  z.  griech. 
Sprachk.  132)  muß  aus  lautlichen  Gründen  fallen.  —  Der  soeben  genannte 
-s-Stamm  ist  übrigens  noch  weiter  vorhanden  in  lett.  grüslis  'Sonnen- 
stäubchen', lit.  grausmas  'Donner',  grausme  'Warnung',  grausvingas  'schreck- 
lich, drohend'.  Dagegen  ist  wohl  grüstüvas  'stampfe'  eher  aus  *ghrüd-tuo- 
als  aus  *Qhrüd-s-tuo-  zu  erklären,  obwohl  letzteres  auch  möglich  ist.  Idg. 
-s-Stamm  *Qhreudo-s-,  *ghrüd-s-.  Wurzelverwandte  bei  Leskien  Abi.  35  = 
297.  Danielsson  Gramm,  u.  et.  St.  1,  54f,  N.  1.  Persson  Wurzelerw.  124  — 
Eine  Grundform  *ghreud-dho-  liegt  dem  abg.  gruzdije  'Scholle'  zugrunde. 

2)  Vgl.  sakusthika-  Äpast.  1,  5,  22  nach  dem  Komm.  =  sagulpha- 
oder  sängu^tha  ('samt  mit  dem  Fußknöchel  oder  der  großen  Zehe'). 


126  K.  F.  Johansson, 

eine  indogermanische  einfache  Wurzel  {*s)keue-  mit  dieser  ap- 
proximativen Allgemeinbedeutung;  vorhanden  ist  sie  in  abg. 
kujq^  kovq  kovati  'hauen,  schlagen",  lit.  Jcduju  MuH  'schlagen, 
schmieden',  lett.  kauju  kaut  usw.  (s.  Leskien  Abi.  38  f.  =  300  f.), 
ahd.  houuuan,  as.  hauwan,  ags.  liedwan,  aisl.  lipggva  'hauen'  usw. ; 
mit  s-  (vgl.  lit.  skutü  'schaben,  scheren'  usw.  unten  sowie) 
s.  sku-nötU  sku-näti  (Dhätup.),  skätdi  in  der  Bed.  'stören,  stöbern, 
stochern'  [skutvä  Äpast.  Qr.  1,  31,  24,  skuyämäna-  MS.  2,  1,  11, 
vgl.  danta-skavana-)  ^),  ev.  k§u-^  Hu-  usw. ;  cKupoc,  CKUpoc  'Abhaii 
beim  Behauen  der  Steine,  Gips,  Mörtel',  cKöpwTdv  (oböv  Find. 
Pyth.  5,  93),  mhd.  schiel  'abgesprungenes  oder  abgerissenes  Stück, 
Splitter'  (s.  Persson  Wurzelerw.  1331).  Mit  -t-  erweitert:  lit. 
skutü,  lett.  skütu  (aus  *sku-n-tu)  sküsti  'schaben,  scheren',  skütas 
'kleines  Stück',  skutä  'Staub',  skütos  'Abschabsel',  skutnä  'Kahl- 
kopf, skuste  id.,  skutineti  dem.  iter. ;  lett.  skütite-s  'sich  schubben' 
(aus  '^skö{ii)-t-\  lit.  skidute  'Hahneukamm,  Flick',  lett.  schk'aute 
'scharfe  Kante'  (usw.  s.  Leskien  Abi.  46  =  308 ;  wohl  aus  *skeu-t-)^). 
Für  uns  wichtiger  sind  die  Erweiterungen  mit  Wurzeldetermi- 
nativ -d- :  *{s)keue-d-  ( *{s)keu-d-,  *{s)kue-d-^  *{s)ku-d-).  So  lat.  cüdo 
'schlage,  schmiede'  (wohl  *keudö),  s.  cödati  'treibt  an';  mit  -s-\ 
ahd.  sciozan  'schießen,  werfen',  as.  skeotan  'schießen',  ags.  scSotan 
'werfen,  schießen,  schlagen,  stoßen',  aisl.  skjöta  'schießen,  stoßen, 
schleudern'   avozu   got.  aisl.  skaut  'Saum   des  Kleides'   usw. 3); 

1)  Vgl.  speziell  ä-sküuti,  a-skunöti  1.  'durch  Stochern  zei'kleinern' 
(^.at.  Br.  1,  2,  1,  5  (an  entsprechender  Stelle  Käty.  Q,r.  2,  4,  27:  ä-hrti/a); 
2.  'Einschnitte  machen'  (in  den  Ohren  von  Tieren)  AV.  12,  4,  6  (etwa  — 
aksitöti). 

2)  Hierher  gehören  auch  s.  gcötati  (kl.  Qcyötati  nach  cyöt-  Wacker- 
nagel Aind.  Gr.  1,  §  188,  S.  208)  'träufeln',  ags.  scüdan  'eilen',  sowie  as. 
skuddian,  ahd.  scutian,  scuttan,  mhd.  schütten  usw.  (S.  z.  B.  Fick^  1.  244. 
817  f.  2,  272.  490.  681.  3,  338.  *  1,  142.  566),  abg.  skytati  sf  'vagari'.  Ohne 
S-:  lit.  kustu  und  kit-n-tü,  kusti  'sich  aufrütteln',  kutü,  küteti  'aufrütteln', 
lett.  kut{d).  kutet  'kitzeln',  kittä  'Quaste,  Franse',  kutrus  'hurtig'  (Leskien 
Ahl.  55  =  317);  violleicht  aisl.  hossa  'to  toss'  und  lat.  quatio  :  kv-  wird 
im  lat.  qu-  (nicht  v,  wie  mehrmals  angenommen  worden  ist,  zuletzt  z.  B. 
Wiedemann  IF.  1,  255  ff.  J.  Schmidt  KZ.  32,  404  ff.  Zupitza  Germ.  Gutt. 
56  u.  sonst.  Keins  der  in  Anspruch  genommenen  Beispiele  ist  stichhaltig, 
wie  schon  Danielsson  Gramm,  anm.  1,  16  u.  2,  vgl.  Verf.  GGA.  1890,  763, 
768.  Zubaty  SFUW.  1892:  Zur  Elym.  einiger  lat.  Wörter  1  ff.  IF.  5,  155 f. 
Liden  Uppsala  Studier  95  mit  N.  3  und  das.  zit.  Litt,  gezeigt  haben). 

3)  Diese  pflegt  man  auch  zu  lit.  szäuju  'schieße',  abg.  sujq  'ent- 
sende, schieße'  (Leskien  Abi.  50  =  312),  was  auch  angeht,  zu  stellen  (vgl. 
Fick^  1,  243  f.  817  f.  u.  a.);  doch  ist  dies  weniger  wahrscheinlich. 


Arische  Beiträge.  127 

alb.  he»  'werfe'  (für  *heS)  G.  Meyer  BB.  14,  56.  Wtb.  150.  Alb. 
St.  3,  90.  Die  'Wurzer-Form  *kue-d-  :  g.  höta^  fvötjan,  ga-hatjan^ 
hassaba  'scharf,  hassei^  ags.  hwces^  aisl.  huass^  ahd.  {h)was]  aisl. 
huatTj  ags.  hwcet,  ahd.  {h)waz\  aisl.  hvMa  'durchbohren',  aschwed. 
hMa  'den  Boden  durchlöchern'  ('nedslä  gärdsgärdsstörar'),  ahd. 
far-hwäzan,  nihd.  ver-wäzen^  as.  for-huätan  'verfluchen',  wo  ur- 
sprüngliche und  auf  das  moralische  Gebiet  übertragene  Bedeu- 
tungen durcheinander  gehen.  Dies  ist  im  hohen  Grad  der  Fall 
bei  mehreren  Wörtern,  die  schwache  Wurzelstufe  haben.  So 
mit  S-:  s.  sku-n-d-ate  'vorspringen'  i^äpravane^  äplavane')^  vgl. 
pra-skunda-  vielleicht  'Stütze'  MBh.  5,  2700,  eigentlich  'stoßen, 
werfen,  eilen'  usw.  Von  körperlichen  und  seelischen  Leiden: 
lit.  pra-sku-n-dü  sküsti  'anfangen  zu  schmerzen',  lett.  skundu 
skundet  'mißgönnen,  murren'  zu  lit.  skundä  'Anklage'  (vgl.  g.  Ivöta 
und  KuödZiiu  unten)  usw.,  skudurStis  'Geschwür',  skudrus  'scharf, 
flink',  skaust  skaudeti  'Schmerzen',  skaudulys  'Geschwür',  lett. 
skaudrs  'scharf,  skaudre  'scharfe  Kante'  (Leskien  Abi.  46  =  308), 
CKubjaaivuu  'zürne',  cKÜZioiuai  (weitere  Belege  s.  z.  B.  Fick^  1,  453. 
2,  491.  *  1,  566.  Prellwitz  291),  alb.  (geg.)  hu»  (für  hud  ;  G.  Meyer 
Alb.  St.  3,  90.  Wtb.  150) i).  Ohne  s-:  Ku-v-ö-aXoc  Tfahf  (Bugge 
Nord,  tidskr.  f.  fil.  3,  264);  weiter  abg.  kydati  'werfen'  Kuöiac  • 
rd  dv0ri  tüjv  öbövTuuv,  nhd.  dial.  hiitzen  'hetzen,  antreiben'  (Zupitza 
Germ,  Gutt.  127),  sowie  nhd.  dial.  hutzen  'stoßen',  hotzen  id., 
hossen  hotzen  'schnell  laufen'^).  Hierzu  kommen  nun  Wörter 
mit  (meist)  übertrageneu  Bedeutungen  (vgl.  Fick  ^  1,  50) :  6  kuöoc  • 
Xoiöopia,  KaKoXoYicx,  von  Hes.  zusammengeworfen  mit  tö  kuöoc 
(vgl.  Lobeck  Rhem.  298),  Kvbälvj  'beschimpfe',  Kubdyxotc  •  ludxac. 
Xoiöopiac,  KuöaY xo|Lieva  •  Xoiöopou|ueva,  Kubdccei  •  rapdccei.  XoibopeT 
(Tarent),  KubaiteTv  e-mcpoiveiv  (KubdZiecBai  •  XoibopeicOai  usw.), 
Kuboijiioc  •  TTÖXeiLioc,  |udxri  (bekanntlich  auch  homerisch),  vgl.  Curtius 
est.  3,  195  f.  Richtig  sind  diese  Wörter  von  Fick  u.  A.  zu 
abg.  kuditi   'schimpfen,    tadeln'    (mhd.  hiuzen   'sich    erfrechen', 

1)  Hierher  ziehe  ich  auch  s.  khudati  RV.  10,  101,  12  'stoße  hinein' 
(kapftham),  indem  ich  glaube,  daß  kh  aus  sk-  (sq-)  unter  gewissen  Sandhi- 
bedingungen  schon  vorsanskritisch  (nicht  bloß  prakritisch)  entstehen  konnte; 
ohne  s-  nhd.  dial.  hiäzen,  hotzen  s.  Zupitza  Die  germ.  Gutt.  127. 

2)  Aisl.  hossa  'to  toss'  wird  von  Zupitza  Germ.  Gutt.  56,  121  zu 
nhd.  dial.  hottein,  hotzeln  'schütteln',  mhd.  hotze  'Wiege'  sowie  zu  lit.  kuteli 
'aufrütteln'  gezogen.  Das  ist  natürlich  möglich.  Es  gehört  sonach  zu  *kut-, 
wovon  oben  die  Rede  war,  folglich  zur  selben  Sippe.  Es  kann  natürlich 
auch  zu  *kud-  gehören  (vgl.  unten  und  Ehrismann  PBrB.  18,  232). 


128  K.  F.  Johansson, 

hiuze  'munter,  frech'  werden  daselbst  genannt,  aber  zur  Interj. 
hui  gezogen;  Zupitza  Germ.  Gutt.  117,  der  auch  ahd.  as.  hose 
'Schmähung,  Spott'  heranzieht,  zieht  sie  mit  Eecht  hierher); 
weiterhin  gehört  hierlier  s.  kutmyati  'schmäht,  tadelt',  das  schon 
Wackernagel  Aind.  Gr.  1,  §  125  S.  145  zu  cödati  gestellt  hat; 
ködayati,  kiindrayati  (lex.  "anrtabhäsane'  Dhätup.),  letzteres  ein 
Denom.  von  einem  kundra-,  wozu  KUVÖaXoc  zu  stellen  ist. 

Zu  kutsayati  stimmt  phlv.  n{i)kühitan^  np.  nikühidan 
'schimpfen'  (statt  nigühidan\  s.  Hörn  KZ.  .'}3,  434.  443,  vgl. 
Bartholomae  GiPh.  1,  ^  5  S.  7.  F.  Müller  WZ.  9,  82).  Der  in 
kutsayati'^)  erscheinende  -.s'-Stamm  liegt  nun  vor  —  außer  in 
ahd.  as.  hosc^  ags.  hüsc,  norw.  dial.  husk  'stoßen',  ags.  hosp 
'Hohn',  lat.  mispis,  wovon  später  —  im  Namen  Kutsa-  (vgl.  FtToc 
:  s.  vatsa-^  vboc  :  s.  utsa-  usw.).  Dies  läßt  sich  vermuten  auf 
Grund  von  der  Bedeutung,  die  einem  homonymen  Appellativum 
kutsa-  Näigh.  2,  20.  ISTir.  3,  11  beigegeben  wird,  nämlich  'Blitz, 
Donnerkeil'.  Eben  das  Wort  'Donnerkeil'  weist  auf  die  anzu- 
nehmende Bedeutungsentwicklung  hin,  vgl.  z.  B.  schwed.  äsk- 
vigge  'Donnerkeil'  (zu  ahd.  weggi,  ivekki  'Keil',  lit.  vdgis  'Pflock', 
lett.  wadfis  'Keil';  übrigens  s.  Verf.  BB.  18.  36 f.  und  daselbst 
zit.  Lit). 

Derselbe  -s-Stamm  findet  sich  nun  in  dem  oben  genannten 
s.  küsthä  'Spitze'.  Es  ist  aus  idg.  *kud-s-tho-,  das  schon  indogerm. 
zu  *kustho-  ward  und  deshalb  im  Sanskrit  mit  -s-  auftritt. 

Ein  andres  kustha-  M.  bedeutet  'Lendenhöhle'  VS.  25,  6.  So 
nach  Komm.  Mahidh.,  der  es  mit  kakundara-  wiedergibt.  BR.  und 
Böhtl.  weisen  auf  Identität  mit  küsthikä  hin.  Dies  aber  gehört 
zum  Teil  zum  vorigen  kustha-  'Spitze'.  Wenn  aber  Säyana  zu 
Äit.  Br.  2,  11  küsthikä  mit  'Inhalt  der  Gedärme'  deutet,  so  gibt 
dies  an  der  Hand,  die  Erklärung  mag  an  der  Stelle  richtig  sein 
oder  nicht,  daß  es  ein  ku$tha-  resp.  küsthikä  gegeben  hat  mit 
Bedeutungen,  die  zu  Körperkavitäten  in  Beziehung  stehen. 
Zudem  wird  die  angenommene  Bedeutung  bestätigt  durch 
kößtha-  M.  'Eingeweide,  die  Behälter  von  Speise,  Flüssigkeiten  usw., 
Unterleib';  (M.)  N.  'Vorratskammer;  Ringmauer;  eine  um- 
schlossene Fläche,  Feld';  M.  'eine  Art  Gefäß,  Tiegel,  Topf  und 
andre  bei  Lexikogr.  angegebene  Bedeutungen. 

Die  hier  in  Betracht  kommenden  etymologischen  Möglich- 


1)  Auch  hierzu  kann  aisl.  hossa  gezogen  werden. 


Arische  Beiträge.  129 

keiten  siüd  so  manni^altig,  daß  es  schwierig  ist,  eine  Ent- 
scheidung zu  treffen.  In  bezug  ani  die  einfache  Wurzel  gehören 
die  Wörter  zum  Kreise  folgender  Erweiterungen  einer  Wurzel 
*{s)keu-  'umgeben,  -hüllen,  bedecken;  sich  krümmen,  wölben'  u.  dgl. 
So  *keu-q-  (s.  Icuca-,  g.  hauhs  usw.),  *keu-g-  (lit.  kügis,  mhd.  schoc\ 
vielleicht  auch  *keu-gh-\  *keu-p-  (s.  küjM-,  kuttki),  *keii-h-  (Kußoc, 
g.  hups^  lat.  cubitum),  *keu-hh-  (vielleicht  Kuqpoc,  Kücpöc),  *keu-t- 
(  (c)kutoc,  lat.  scütum,  cutis),  *keu-dh-  (s.  kuhara-  Keuöou,  ags.  hydan\ 
^keu-8-  (s.  kö^a-,  lit.  kiäusze^dSA.  hauss)*keu-k-  {s.köga-,  ev.  kuksi)usw. 
Etwas  ausführlicher  bespreche  ich  folgende  Erweiterungen.  Zu- 
nächst *keu-t-.  Dies  erscheint  z.  B.  in  s.  cuti-  'After'  (statt  *kuti~ 
nach  '^cöt-  aus  *keut-).  kutoc  'Höhlung,  Wölbung',  kutic  'kleiner 
Kasten',  Kuccapoc  'anus'.  KÜTiapoc  'Höhlung,  Wölbung,  Bienen- 
zelle', Kucoc  •  TTUYn  {^^^  *KUT-]oc  odcr  *KUT-co-,  *Ku0-co-  s.  untcu). 
Lat.  cunnus  (aus  ^kut-no-),  cut-ur-nium  'vas  quo  in  sacrificiis 
vinum  fundebatur'  (Paul  Fest.  51),  ir.  cuthe^)  'Grube',  kymr. 
cwd  'Hodensack',  ahd.  hodo,  afrs.  hotha  'Hode',  lit.  kutys  'Beutel', 
apr.  keuto  'Haut',  lit.  kiautas  'Hülse'  (vgl.  Fi-öhde  BB.  14,  100. 
16,  196.  Verf.  IF.  2,  19  N.  1.  Zupitza  Germ.  Gutt.  127  f.  u.  a.). 
Zu  *{s)keu-dh-  gehören  beispielsweise  s.  kuhara-  'Höhle'  usw. 
(s.  Hübschmann  KZ.  24,  412.  v.  Bradke  ZDMG.  40,  667.  Verf. 
IF.  2,  54  N.  1  und  daselbst  zit.  Lit),  ev.  aw^  xaoSa-  'Helm'  (ob- 
wohl dies  eine  Wz.  *kheu-dh-  vorauszusetzen  scheint;  kh-  w^ohl 
sekundär),  Keuöuu,  KeöBoc,  KeuGjuujv,  lat.  cüdo  'Helm',  corn.  cuthe, 
akymr.  cuddio  'celare'  (s.  Windisch  b.  Curtius  Et.^  259.  Ebel 
KSB.  2,  160.  Zimmer  b.  J.  Schmidt  KZ.  25,  1661,  wozu  Sti-achan 
KZ.  33,  306  K  2);  ags.  hydan,  ahd.  hutta  'Hütte',  schwed.  dial. 
hudda  'Schauer'  (Hellquist  Ark.  f.  n.  fil.  7,  167.  Verf.  Beitr.  z. 
gl'.  Sprk.  132),  ags.  hodma  'Versteck,  verborgener  Ort',  g.  skauda- 
raip  'Schuhriemen',  aisl.  skaudir  'Scheide',  mhd.  schote  'Schote', 
weiteres  Material  Persson  Wurzelerw.  44  f.  Zupitza  Germ.  Gutt. 
127  f.  153. 

Eine  Wurzelvariation  *keu-s-^chQmi  man  genötigt  anzusetzen 
für  s.  (sp.)  kösa-'^\  eventuell  lit.  kiäusze  'Hiruschädel',  käuszas 
'Schöpfgefäß,  Trinkgeschirr',  kiäuszas  'jede  Schale,  Nuß-,  Eich- 
schale', kiaüszis  'Ei',  lett.  kauss  M.  'Napf,  Schale'  (vgl.  Leskien 

1)  Oder  ist  es  cute  zu  lesen  (vgl.  mörchute  Fiaccs  Hymn.  37  Stokes 
Goedelica  127,  cuithech  laquear'  Z.-E.  811),  so  ist  es  aus  *kuzd-. 

2)  Absolut  sicher  ist  es  nicht:  l-üsa-  kann  eine  sekundäre  Schreibung 
statt  köga  sein.  Av.  kusra-  'Höhle'  ist  eben  *kukro-  (Bartholomae  IF.  1,  491  f.). 

Indogermanisclie  Forschungeu  XIX.  9 


130  K.  F.  Johansson, 

Bildung  der  Nom.  44  =  194.  129  =^  279);  diese  können  doch 
zu  *keu-k-  gehören,  die  Regel  Pedersens  IF.  5,  78  f.  scheint, 
auch  wenn  sie  richtig  wäre,  nicht  anwendbar  zu  sein,  denn 
wenigstens  kiaüszis  hat  schleifende  Betonung.  Dagegen  wohl 
aisl.  hauss  'Hirnschädel',  obgleich  auch  dies  anders  gedeutet 
werden  kann,  z.  ß.  aus  *koudh-so-.  Got.  hüs  kann  auch  (wie 
Fröhde  BB.  17,  313  annimmt)  aus  *küdh-so-  sein,  eine  Erklärung, 
die  freilich  kaum  auf  lat.  curia  verwendbar  ist,  das  auch  nicht 
unbedingt  zu  hüs  gestellt  werden  muß ').  Lit.  kuszijs  Vulva'  ist 
wohl  aus  *kuk-s-i-  und  gehört  direkt  zu  s.  kuksi-  (Fröhde 
BB.  16,  196.  Verf.  IF.  2,  20).  Als  Resultat  dürfte  feststehen, 
daß  es  möglicherweise  ein  *keu-s-,  sicher  aber  *keu-k-  gegeben 
hat,  von  denen  die  letztere  Yariation  uns  hier  nicht  näher  angeht. 

Daß  köstha-  kußtha-  zunächst  idg.  {*keustho-)  *koustho-  und 
*kustho-  voraussetzt,  ist  nämlich  sicher.  Denn  richtig  wird  abg. 
cista  F.  'Unterleib'  verglichen.  Dies  kann  nur  ursl.  *k'eustä 
(resp.  *k'eustä)  sein.  Somit  könnten  wir  von  *ken-s-  ausgehen 
(wie  auch  z.  B.  Fick^  3,  79.  ^  1,  27.  181.  Uhlenbeck  Kurzgef. 
et.  AVtb.  63.  80).  Ist  aber  die  Existenz  dieser  Yariation  nicht 
sicher  bezeugt,  ist  es  in  methodologischer  Hinsicht  ratsamer, 
eine  andere  Anknüpfung  zu  suchen,  und  zwar  bietet  sich  die 
Möglichkeit,  daß  ein  Dental  vor  -s-iho-  schon  indogerm.  reduziert 
worden  ist.  Dann  aber  kann  man  sowohl  von  *keid-s-tho-  *kout-s-tho- 
*kut-s-tho-  wie  von  *keudh-s-tho-  *koudh-s-tJw-  *kudh-s-tho-  aus- 
gehen. Im  ersteren  FaUe  stände  es  in  Beziehung  zu  dem  -s-Stamm 
in  KUToc  'Höhlung,  Wölbung'  (eventuell  kucoc  falls  aus  *kutco-), 
im  zweiten  zu  Keö9oc,  ku9oc,  ev.  g.  hüs. 

Ist  dies  der  Fall,  kann  kuc9oc  'cunnus'  ebensowohl  oder 
lieber  aus  *ku{t)-s-tho-^  resp.  ^■^ku{dh)-s-tho-^  wie  aus  *kut-tho-^ 
*kudh-tho-  erklärt  werden,  vgl.  noch  kuctic  'Harnblase,  Beutel', 
Kuciri  •  apxoc  CTTOYTiTnc^).  Der  -s-Stamm^)  liegt  in  der  Wortbildung 


1)  Vgl.  L.  Meyer  Vgl.  Gr.  1  «,  561.  Schracler  Sprachvgl.  496.  572. 
H.  Webster  Zur  Gutt.-Frage  im  Got.  30  f.  Bartholomae  IF.  2,  492.  Stolz 
Hist.  Gr.  1,  254  u.  a. 

2)  Die  von  Aufrecht  KZ.  9,  232,  von  J.  Schmidt  KZ.  25,  126.  28, 
180  N.  1  gebilligte  Zusammenstellung  von  s.  gn^i-,  lil.  küszys  und  kücOoc 
unter  Annahme  einer  Wurzel  *keu-s-  ist  aufzugeben,  denn  keins  der  ge- 
nannten Wörter  ist  mit  einem  der  übrigen  verwandt. 

8)  In  Anbetracht  des  Glossems  konnte  man  vermuten,  daß  Kuca- 
|uevr|  •  Kuqcaca  •  cxKueov  ^dp  tö  droKiov  aus  *Ku9ca-iui^vri  sei.  Sonst  natür- 
lich  zu  KUUU. 


Arische  Beiträge.  131 

im  Griechischen  noch  sonst  vor :  so  in  Kucepr)  •  Tru9|ar|v.  x«c|ua 
Hes.  (vgl.  Lobeck  Proll.  262,  20),  Kuctepoi  •  dYTCiot  tujv  lueXiccuJv. 
Kai  TupicKoi  Hes.  (s.  M.  Schmidt  z.  St.). 

Bis  dahin  scheinen  die  Verhältnisse  nicht  allzu  verwickelt. 
Zieht  man  aber  lat.  custöd-,  g.  huzd  usw.  hinein,  knüpfen  sich 
die  Rätsel.  Lat.  custöd-  ist  schon  seiner  Bildung  nach  unklar. 
Es  liegt  wohl  am  nächsten,  es  als  eine  Bildung  auf  -d-  von 
einem  {nom.-)verbalen  Stamm  custö-  zu  fassen  (wie  z.  B.  here-d- 
zu  Äere-,  vgl.  Curtius  Kl.  Sehr.  2,  146.  Skutsch  Forsch.  1,  25  f.), 
obwohl  die  Spuren  der  abgeleiteten  Verbalstämme  auf  -o  des 
Typus  bouXouu  öouXuj-cuu  im  Lat.  sehr  gering  sind.  Ein  Verbum 
*custo{i)ö  hat  wohl  auf  dem  einen  oder  andern  Weg  die  Be- 
deutung 'bewachen'  angenommen  und  custöd-  kann  dazu  als 
Abstr.  'Wacht,  Bewachung',  als  Konkr.  "Bewacher,  Aufseher' 
aufgefaßt  werden.  Ein  dem  abgeleiteten  Verbum  zugrunde 
liegendes  custo-  (Nora.  *cudos^  -us)  hat  wohl  'Wölbung,  Gewölbe, 
Loch,  Aufbewahrungsort'  bedeutet.  Und  von  dieser  Voraus- 
setzung aus,  die  mir  übrigens  richtig  erscheint,  hat  man  all- 
gemein *custo-  mit  g.  huzd^  kucOoc  —  in  der  einen  oder  andern 
Weise  —  zusammengestellt.  Unter  Annahme  einer  'Wurzel' 
*keu-s-  z.  B.  Grimm  Mythol.  2  3,  922.  J.  Schmidt  KZ.  25,  1661 
28,  180  K  If.  Fick^  1,  51  f.  503  f.  537.  2,  316.  529.  3,  79. 
*  1,  28.  ISl  u.  a.  Dies  dürfte  am  w'enigsten  annehmbar  sein, 
zumal  die  'Wurzel'  *keu-s-  nicht  eben  sicher  bezeugt  ist.  Eine 
andere  Ableitung  nimmt  vorzugSAveise  darauf  Rücksicht,  daß 
es  custöd-  mit  langem  -ü-  zu  heißen  scheint,  was  aber  gegen 
keine  der  vorgeschlagenen  Erklärungen  als  Instanz  erhoben 
werden  kann.  Jedenfalls  hat  man  *coistöd-  vorgeschlagen  und 
es  zu  curare  coiraverimt,  couraverunt,  pälign.  coisatens  (worüber 
s.  z.  B.  Corssen  1^,  668.  7031  Bücheier  Rh.  M.  32,  1877,  640. 
Bugge  Ait.  St.  81.  Lindsay  Lat.  lang.  246  ff.  Osthoff  Perl  369  u.  a.) 
gezogen  (vgl.  Corssen  1^,  3541  Stolz  Hist.  Gr.  1,  316  u.  a.). 
Am  häufigsten  aber  bezieht  man  die  genannten  Wörter,  und 
zwar  zunächst  lat.  custöd-^  g.  huzd  auf  die  Wz.  *{s)keudh-  (in 
KeuGuu  usw.,  vgl.  schon  Bühler  KZ.  8,  149  und  Hübsclmiann 
KZ.  24,  412),  und  zwar  zunächst  als  Primärbildungen  davon. 
Li  diesem  Faü  hat  man  entweder  eine  Ableitung  mit  -c^A-Suffix 
vorgeschlagen  (Brugmann  Grdr.  1  §  469  S.  347.  §  507  S.  373. 
§  509  S.  375.  §  536  S.  394.  §  538  S.  396.  §  552  S.  406,  vgl. 
IF.  6, 104.  Persson  Wurzel  erw.  45  N.  Noreen  Urg.  Lautl.  189 1  u.  a.), 

9* 


132  K.  F.  Johansson, 

(1.  h.  idg.  *hidh-dho-.  Oder  man  hat  eine  Bildung  *kudh-to-  vor- 
geschlagen unter  Voraussetzung  der  Richtigkeit  des  Bartholomae- 
schen Gesetzes,  wonach  die  Entwicklung  ganz  mit  einem  *kudh-dho- 
konform  geworden  sei  (Bartholomae  AF.  1,  176.  BB.  10,  290. 
Kluge  PBrB.  9,  153.  Pauls  Grdr.  1,  329.  W.  Meyer  KZ.  28,  166. 
V.  Planta  1,  423  f.  u.  a.).  Meiner  Überzeugung  nach  wurde  aus 
obigen  Verbindungen  griech.  -cG-,  lat.  -st-,  air.  -t-,  germ.  -zd- 
(g.  -zd-,  ahd.  -rt-,  aisl.  -dd-)^).  Lat.  *custo-  —  sowie  wenn  man 
überhaupt,  was  aber  gar  nicht  nötig  ist,  kucGoc  damit  identi- 
fiziert —  und  g.  huzd  können  auf  idg.  *kudh-dho-,  resp. 
*kudh-to-  zurückgeführt  werden.  Für  lat.  *custo-  notwendig  ist 
auch  dies  nicht,  wenn  man  nach  einem  alternativen  Vorschlag 
von  Brugmann  IF.  6,  104  *custo-  aus  *kudh-s-fo-  herleitet;  in 
welchem  Falle  es  eventuell  kucBoc,  sowie  s.  kusfha-  näher 
rücken  würde.  G.  huzd  usw.  könnte  auch  auf  idg.  *kust{h)o- 
aus  *kudh-s-t{h)o-  beruhen,  falls  die  Annahme  von  Bechtel  Z.  f. 
d.  A.  21,  214  und  Meringer  Z.  f.  d.  ö.  G.  1888,  145.  147  ff.,  vgl. 
Verf.  IF.  3,  245  N.  2  (dagegen  Kögel  PBrB.  7,  192.  Kluge  Pauls 
Grdr.  1,  328  N.  1.  Walde  KZ.  34,  496  f.)  richtig  sein  sollte,  daß 
idg.  -st-,  nach  dem  Vemerschen  Gesetz,  im  Germ,  auch  als  -zd- 
erscheinen  kann.  Ist  dies  aber  nicht  möglich  —  es  würde  zu 
weit  führen,  hier  diese  Frage  zu  erörtern  — ,  hätte  man  wenig- 
stens das  germ.  Wort  dem  Keltischen  näher  zu  rücken.  Das  kymr. 
cw^Är'anus,  intestinum  rectum',  ursprünglich  wohl  nur 'Loch,  Höhle, 
Kavität',geht  auf  *kuzdhro-{*kuzdh-r-)znviick{Stra.c\\SLnKZ.  33, 306) 
und  es  stellt  sich  wohl  hierher  auch  air.  ciite  'Grube',  alles  zu  *keu-dh- 
(KeuGuj  usw.,  kymr.  kudd  'gloom,  hiding ;  hidden,  coucealed'  usw. 
s.  Fick^  2,  89).  Dies  kann  aber  auch  idg.  -'kudh-s-dho-  sein. 

Nach  dem  Vorgebrachten  scheint  mir  vorläufig  folgendes 
das  Wahrscheinlichste.  Es  lagen  nebeneinander  indogermanische 
Weiterbildungen  eines  -s-Stammes  vor,  nämlich :  1.  *keid-s-t{h)o- 
oder  *keudh-s-t{h)o-,  *kut-s-t{h)o-  oder  *kudh-s-t{h)o-  m  s.  köstha-, 
kußtha-,  abg.  cista.  Hier  kann  man  einordnen  kücöoc  (was  auch 

1)  Ich  kann,  was  das  Lat.  angeht,  weder  mit  Osthoff  Perf.  522  ff. 
Persson  BB.  19,  270,  vgl.  Meringer  ZfdöG.  1888,  1-il  ff.  u.  a.  glauben,  daß 
idg.  -dht-  in  ungestörter  Entwicklung  -ss-{-s-)  geworden  isl,  noch  —  viel 
weniger  —  mit  Bartholomae  BB.  12,  90  f.  anerkennen,  daß  die  Entwickkmg 
der  von  idg.  -zd-{-dd-)  analog  sei.  Ich  stimme  folglich  mit  W.  Meyer  KZ. 
28,  166  ff.  und  Brugmann  Grdr.  1,  §  507,  S.  373  f.  §  509,  S.  375.  §  522, 
S.  406.  §  594,  S.  452  überein.  Die  Ausführungen  Waldes  KZ.  34,  487  f., 
496  ff.  haben  meine  Ansicht  nicht  zu  erscliüttern  vermocht. 


Arische  Beiträge.  133 

*kut-t{h)o-  *kudh-t{h)o-  oder  *kudh-dho-  sein  kann),  sowie  lat. 
*custo-,  eventuell  g.  huzd;  2.  *kudh-z-dho-  (ev.  *kut-s-dho-  zu 
*kud-z-dho)  in  kymr.  cwthr,  ev.  kucöoc,  lat.  *ctisto-^  g.  huzd 
{welche  letztere  auch  *kiidh-to-,  resp.  *hidh-dho-  sein  können). 
Es  ist  sogar  möglich,  daß  die  im  Sanski'it  erscheinende  Suffix- 
form -tha-  (ev.  -9o-)  eben  nur  durch  frühzeitige  Konfusion  von  -to- 
und  -dho-  entstanden  ist.  Solche  Parallelbildungen  z.  B.  in  air.  gat 
'Weidenrute'  (zu  g.  gazds,  ahd.  gart,  gerta,  aisl.  gaddr)  :  air.  gas 
'Schoß,  Sproß,  Reis'  aus  *ghadh-z-dho-,  *-dhä  :  *g}iadh-s-to-,  *-tä 
(zu  beiden  kann  lat.  hasta  gehören),  vgl.  Fick*  2,  108^);  viel- 
leicht gäl.  fad  'lang'  :  ir.  gäl.  fds  (wozu  lat.  västus,  ahd.  wuosti) 
aus  *uäs-dho-  :  *uäs-to- ;  aisl.  oddr,  ahd.  ort  'Spitze' :  alb.  ust  'Ähre' 
aus  *uz-dho-  :  *us-to-  (wenn  nicht  *uesto-  :  *uste-);  abg.  uzda 
'Zügel'  :  usta  'Mund'  aus  *ous-dho-  :  *ous-t{h)o- -,  inacSöc  :  luacTÖc 
(:  jLiaZ;öc)  aus  *mad-dho  :  *mad-to-  (:  *mad-do-)\  abg.  mizda  'Lohn' 
(s.  midha-,  aw.  mizda-,  ^iicGoc,  g.  mizdö) :  abg.  wiis^i 'Vergeltung'^); 
KicGoc,  KicGapoc  :  kictoc,  nhd.  hess.  heister  'Buche'  aus  *kis-dho: 
*kis-to- ;  vielleicht  g.  brusts  usw.  :  abg.  hrüzda  'frenum'  aus 
*bhrudh-s-t-  :  *bhrudh-z-dh-  (s.  oben)  usw. 

Über  die  mit  -k-  erweiterten  Formen  des  -s-Stammes  wie 
engl,  husk  'Hülse,  Schote',  norw.  dial.  husk  'Hülse'  wird  später 
die  Rede  sein. 

S.  ve?fd-  'Schlinge,  Binde;  Zahnhöhle  (Su9r.  I,  304,  1.  6. 
n,  126,  8  (danta-v.) ;  Terpentin,  Gummiharz'  (nach  den  Lexikogr.) 
ist  seiner  Bildung  nach  unklar.  Man  kann  es  als  deverbatives 
Nomen  zu  vest-  (worüber  s.  Yerf.  KZ.  32,  469)  fassen;  in  An- 
betracht aber  von  veßkä-  'Schlinge  zum  Erwürgen'  (aus  *ueit-s-ko- 
s.  unten)  könnte  man  ve$ta-  aus  *ueit-s-to-  erklären  und  zu  vetas- 
{vant-),  vetasa-  stellen.    Dies  ist  mir  jedenfalls  das  wahrschein- 


1)  Ob  abg.  gvozdt  'nagel'  (Nehring  IF.  4,  398)  hierher  gehört,  bleibt 
zweifelhaft. 

2)  Ich  hatte  IF.  2,  33,  N.  1  diese  Wörter  aus  *midh-dho-  resp. 
*tnidk-to-  erklärt.  In  Anbetracht  der  noch  bestehenden  Schwierigkeit,  die 
Lingualisation  des  daraus  entstandenen  -s-Lautes  zu  erklären,  die  mir 
Bartholomae  GiPh.  1,  §  37  s.  14  vorgehalten  hat,  ziehe  ich  jetzt  vor,  diese 
Wörter  mit  derselben  etymologischen  Anknüpfung  im  übrigen  aus  *midh- 
z-dho-  zu  erklären.  So  dürften  z.  B.  abg.  gruzdije  igrudije)  'schollen'  auf 
* ghreu-d-zdho-  (vgl.  holl.  gruis,  schwed.  dän.  grus,  nnd.  grüs;  anders 
Nehring  IF.  4,  399.  Walde  KZ.  34,  499.  509),  lit.  barzdä  'Bart',  abg.  brazda 
Turche'  (abg.  brada  'hart'  usw.)  aus  *bhordh-z-dha  (vgl.  Pedersen  IF.  5, 
73.  Walde  KZ.  34,  505  ff.)  usw.  —  S.  jetzt  auch  Brugmann  Grdr.  '  1,  626  N. 


134  K.  F.  Johansson, 

lichste.  ^lau  kann  meiner  Meinung  nach  nicht  vestati  vesMyati 
direkt  mit  lit.  vystau  vydijü  'windeln'  vergleichen  (wie  Pedersen 
IF.  5,  18  es  tut):  vijstyti  ist  eine  spezifisch  lettische  Bildung 
derselben  Art  wie  die  übrigen  abgeleiteten  Yerba  auf  -sta-Uy 
-sty-ti  (s.  Verf.  KZ.  32,  502  und  das.  zitierte  Literatur) ;  sie  sind 
deutlich  denominativer  Natur,  wie  z.  B.  Leskien  Abi.  180  ff.  =  442  ff. 
gezeigt  hat;  und  zwar  sind  solche  Nomina  auf  -sta-  (ausgegangen 
von  ursprünglichen  mit  -^o-Suffix  erweiterten  -s-Stämmen,  Yerf. 
KZ.  32,  502),  wo  -sta-  deutlich  produktives  Suffix  ist,  reichlich 
vorhanden  (Leskien  a.  a.  0.  und  Bild,  der  Nom.  382  =  532  ff. 
395  =  544).  Wie  z.  B.  lankshjti  Denominativ  zu  lankstas  ist,  so 
ist  mjstyti  zu  einem  vystas.  Wenn  nun  wirklich  ein  vystas  vor- 
liegt, aber  in  einer  zur  Ableitung  anscheinend  nicht  stimmenden 
Bedeutung  'Schnürbrust',  so  kann  vystyti  entweder  doch  zu 
diesem  in  einer  ursprünglicheren  Bedeutimg  gebildet  worden 
sein,  oder  es  ist  schlechterdings  zu  vijti  als  Iterativum  gebildet, 
wie  sonst  nebeneinander  Verba  auf  -styti  (als  Iterativa)  und 
primäre  Verba  lagen ;  vystas  wiederum  kann  entweder  im  litauischen 
Sprachgebiet  entstanden  sein  (gebildet  mit  dem  produktiven  Suffix 
-sta-).  oder  es  kann  dem  s.  vesta-  ziemlich  genau  entsprechen. 
Dann  aber  ist  vesta-  eben  nicht  deverbatives  Nomen  zu  vestati^ 
sondern  wahrscheinlich  aus  *ueit-s-to- :  *mt-s-to-^  woraus  ev.  vystas. 
—  Sollte  man  nun  sagen,  daß  vesta-  Nom.  und  vestati  Vb.  eine 
Parallele  durch  wurzeldeterminativen  -s-  und  -t-  von  der  Wurzel 
*uei{d)-  aus  gebildete  Stämme  sind  (vgl.  Persson  Wurzelerw.  35.  78), 
so  wüßte  ich  nichts  Entscheidendes  dagegen  vorzubringen; 
nur  wäre  es  befremdend,  daß  diese  Bildung  nur  als  sanskritisch 
sicher  bezeugt  ist,  wie  man  denn  auch  dann  den  von  mir 
KZ.  32,  409  hervorgehobenen  Tatsachen,  daß  vest-  eben  nur 
mediale  Bedeutung  zeigt  und  vest-  (nicht  vist-)  die  ältest  be- 
zeugte AVurzelstufe  zu  sein  scheint,  nicht  genügend  Rechnung 
trägt  ^). 

Oben  (14,  321)  habe  ich  s.  mustu-  M.  F.  'Faust'  (lex.)  aus 
*mut-tu-  erklären  zu  müssen  geglaubt.  Im  Verhältnis  dazu  schien 
es  mir  notwendig,  mußti-  'die  geschlossene,  geballte  Hand,  Faust*, 
auch  'penis',  aus  *mut-s-ti-  herzuleiten.  Diese  Kombinationen 
machte  ich  mit  besonderer  Rücksicht  auf  lat.  müto  'das  männliche 


1)  Genannt  sei  schließlich  noch,  daß  ein  vistä  'Schlinge'  Divyävad. 
274',  22  vorkommt. 


Arische  Beiträge.  135 

Glied',  mütönium  'peuis'  usw.,  wohl  auch  mir.  moth  (Fick*  2,  210), 
das  wohl  weniger  sicher  zu  s.  manihati  'rühren,  drehen,  quirlen' 
von  Brugmann  Grdr.  1^,  522  geführt  wird.  Daß  freilich  ein 
Wort  mit  dieser  Bedeutung  von  der  Wurzel  *menth-  vorkommt, 
sehe  ich  als  durch  lat.  mentula  gesichert  an.  Beachtenswert  ist 
freilich  die  Bemerkung  von  Uhlenbeck  KZ.  39,  260  f.,  obwohl 
er  keineswegs  damit  mustii-  erledigt  hat. 

Sehr  belehrend  sind,  betreffend  das  Indische,  Zusammen- 
setzungen von  ud  +  sthä-.  Wir  erwarten  idg.  *ud-sthä-  zu  *u-sthä-, 
woraus  ar.  *u-sthä-  s.  *u-sthä-.  Diese  ungestörte  Entwicklung 
liegt  meiner  Meinung  vor  in  s.  pröstha-  'Bank,  Schemel ;  Stier'. 
Die  erste  Bed.  kommt  TBr.  II,  7,  17,  1  vor,  die  zweite  Schol. 
zu  Pän.  V,  4,  120 1),  lexikalisch  kommt  es  auch  als  Name  'einer 
Karpfenart'  vor.  Es  mit  BR.  u.  a.  aus  *pra-ava-stha-  herzuleiten, 
geht  kaum  an.  Ursprüngliche  Bedeutung  ist  etwa  'vorn  auf- 
gerichtet stehend'.  Von  dieser  ursprünglichen  Behandlungsweise 
haben  wir  auch  sichere  Spuren  in  der  prakritischen  Sprach- 
periode. In  den  A(,'öka-Inschriften  kommt  das  sanskritische  Wort 
utthäna-  in  folgenden  Formen  vor:  in  den  meisten  Versionen 
Ed.  6  liest  man  uthäna-^  sogar  Mansehra  6,  29.  30 :  u[thanasi]^ 
uthane  und  Shähbäzgarhi  6,  15  uthanas{i)  neben  uthimam;  nur 
Girnär  6,  9.  10  hat  ustäna-.  Wie  ich  Shähbäzgarhi  1,  165.  168. 
186.  2,  17  f.  ausgeführt,  können  diese  Formen  —  außer  möglicher- 
weise Sh.  uthanam^  was  doch  wohl  für  uthanam  steht  —  nur 
auf  ein  gemeinprakr.  *ußthä7ia-  zurückgeführt  werden.  Dort  hob 
ich  als  die  nächste  Erklärungsmöglichkeit  hervor,  daß  diese  Form 
durch  Rekomposition  mit  ud-  und  *stJiäna-^)  (resp.  thäna-  im 
Pali  imd  Prakrit,  das  *sthäna-  voraussetzt)  entstanden  sein  könne. 
Aber  hiergegen  ist  doch  einzuwenden,  daß  die  Behandlung  nach 
der  Rekomposition  *ud-ßthäna-  (resp.  *ud-sthäna-)  kaum  anders 
gestaltet  worden  sei  wie  im  Sanskrit,  wo  die  rekomponierte  Form 
*ud-sthäna-  utthäna-  geworden  ist.  Es  hat  folglich  daraus  nur 
utthäna-  (utthäna-)  entstehen  können.  Dies  kann  freilich  in  uthana- 
{uthana-,  uthana-)  der  meisten  Versionen  stecken,  nicht  aber 
Girnär  ustäna-^  das  nur  ußthäna-  sein  kann.    Ist  dem  so,  dann 


1)  Da  steht:  prösthö  gäuh  und  das  Bahuvrlhi-Komp.  prOsthapada- 
wird  erklärt:  prösthasyeva  pädäu  yasya. 

2)  Dies  aus  tisthati,  und  Zusammensetzungen  wie  adhi-^ßä-,  pari- 
ftha-  usw.  S.  Whitney  §  185,  Verf.  Schähbcäzgarhi  1,  169.  Wackernagel 
Aind.  Gr.  1,  235  f.  8  205  f. 


136  K.  F.  Johansson, 

wächst  die  Wahrscheinlichkeit,  daß  auch  die  Formen  der  übrigen 
Versionen  auf  tißthäna-  zu  beziehen  sind.  Dies  aber  kann  nur 
vorsanskritisches  *iisthäna-  idg.  *iistlmno-  (aus  *tid-sthäno-)  sein ; 
d.  h.  es  steht  auf  demselben  Standpunkt  wie  i^rößtha-.  Diese 
Schlußfolgerung  wird  erhärtet,  wenn,  wie  ich  (nach  andren)  tue, 
mit  dem  sauskritischen  utthäna-^  d.  h.  eig.  *usthäna-,  das  av. 
ustätia-  'leben'  identifiziere  (WZKM.  19,  236). 

Fröhde  BB.  17,  3.  12  erklärte  lat.  cestas  cestus  aus  *aidh-s-tät- 
*aidh-s-tu-  und  Brugmann  IF.  6,  102  f.  fügte  unter  Beistimmung 
im  übrigen  ahd.  gan-eista,  -o  hinzu  ^).  Der  -s-Stamm  in  s.  edhas-^ 
ai9oc,  sowie  in  av.  aesma  'Brennholz'  (viell.  im  Namen  aezaxa- 
Bartholomae  IF.  4,  124),  aisl.  eisa  'glühende  Asche'  (J.  Schmidt 
Plb.  379)  usw.,  vgl.  noch  Walde  KZ.  34,  488.  492.  498.  Hierzu 
hat  man  nun  zunächst  einige  slavische  Wörter  zu  stellen,  die 
Prusik  KZ.  33,  159  f.  verzeichnet  und  zur  idg.  Wz.  *aidh-  'brennen' 
gezogen,  im  übrigen  nicht  morphologisch  richtig  gedeutet.  Acech. 
niesteja  'Herd,  Feuerstätte,  Ofenmündung,  Ofen,  Backofen'  ist 
(mit  Vorschlag  von  n-)  aus  -est-eja^  dies  aber  aus  idg.  "^aidh-s-to- 
(wie  lat.  astus  cestas  usw.).  Daneben  auch  sloven.  isteja  istje,  steja 
'Ofenmündung',  das  ein  idg.  Hdh-s-to-  voraussetzt.  Hiermit  hat 
man  nun  unbedenklich  zu  verbinden  s.  istakä  F.  'Ziegel,  insbes. 
gebrannter  Backstein';  insbes.  der  zum  Aufbauen  eines  Opfer- 
herdes verwendete,  V. +;  sowie  aw.  j.  istya-  N.  'Ziegel,  Back- 
stein', mp.  ist  xist^  np.  xist  (vgl.  Bartholomae  Ai.  Wtb.  378. 
Salemann  GiPh.  I,  1,  262.  265.  270.  Hörn  GiPh.  I,  2,  67.  87. 
NE.  108),  woraus  afgh.  Lehnw.  xasta  'Ziegel'  (Geiger  ELdA.  31); 
dagegen  bei.  ist  'Ziegel'  urverwandt  (Geiger  EdB.  129.  LdB.  407). 
Zugrunde  liegt  auch  hier  ein  Hdh-s-to-.  Ob  auch  aw.  j.  iskata-  N. 
'Fels'   —   dessen    sowohl  Bed.   und  Etymologie   wie  zum  Teil 


1)  Dies  Wort  ist  wohl  noch  nicht  lange  klargelegt:  vgl.  Verf.  PBrB. 
14,  355.  Fick  *  1,  391,  N.  1.  Wadstein  IF.  5,  25.  Osthoff  ib.  303.  Zupitza 
Germ.  Gutt.  120.  Es  müssen  wohl  apr.  knaistis  'Brand',  ahd.  gatieheista 
in  Betracht  zu  ziehen  sein,  ev.  auch  das  schwed.  (dial.)  snaikstä  F.  Tunke'. 
Brugmann  wird  wohl  recht  haben.  Wahrscheinlich  haben  wir  Zusammen- 
setzungen, deren  letztes  Glied  dasselbe  ist,  das  erste  aber  wechselt.  In 
kn-aistis,  isl.  {h)n-eiste  und  schwed.  sn-aikstä  sehe  ich  ein  Verbalnomen 
*{s)k{e)n-  'reiben';  ebenso  in  gan-eista,  isl.  gn-eiste\xsw.  ein  *g}i{e)n-  'reiben' 
(s.  Qhanä-ghana-,  ghanä-,  ghani-ghn-at-,  han-ti  usw.).  Die  Wörter  bedeuten 
somit  wörtlich  'Reibfeuer'  d.  h.  Tunke',  vgl.  schwed.  nSd-eld,  norw.  nöd-eld, 
d.  nothfeuer,  eig.  'Reibfeuer'  zu  ahd.  nüan,  aisl.  mia  'reiben,  drücken', 
usw.    Ein  ^ra-Präfix  liegt  hier  jedenfalls  nicht  vor. 


Arische  Beiträge.  137 

Schreibung  von  Bartholomae  Ai.  Wtb.  376  als  unsicher  angegeben 
wird   —   lasse  ich  hier  unerörtert  (vgl.  noch  WZKM.  19,  236). 

Av.  g.  yaosti-  F.  'Rührigkeit,  Emsigkeit'  gehört  natürlich 
zu  aw.  j.  yaozaiti  yaozayeiti^  ap.  yaudatiy  'in  unruhige  Bewegung 
geraten'  (Bartholomae  Ai.  Wtb.  1231  f.),  und  man  würde  dann 
auf  eine  Wz.  '^ieug-  oder  dgl.  schließen.  Aber  es  liegt  aitf  der 
Hand,  daß  die  Wörter  doch  mit  idg.  *ieudh-  in  s.  yödhati  yudhyati^ 
-te,  aw.  j.  yüidyeiti  'kämpfen'  gehören.  Daß  diese  Wurzel  ursprüng- 
lich eine  und  dieselbe  Bed.  wie  die  aw.  yaoz-  gehabt,  geht  zur 
Genüge  hervor  schon  aus  s.  ud-ijödhati  'wallt  auf  u.  dgl.,  wie 
aus  Yerwandten  in  andern  Sprachen,  wie  lit.  ju-n-dü  jüsti  'an- 
fangen sich  zu  regen',  judü  judeti  'sich  regen',  pa-juda  'Än- 
Teg\mg\jüdra  '"Wirbelwind'^  judüs  'zanksüchtig',  jwc^m^e  'rütteln', 
judüti  'sich  bewegen',  su-jaudmti  jaudrinti  'in  Bewegung  setzen', 
\e.  jauda  'Kraft',  Jai<c?ä^ 'Vermögen'  (bei  Leskien  Abi.  36  =  298), 
lat.  jubeo  eig.  'ti'eibe  an'  usw.  Xur  haben  wir  von  *ieudh-s-  (dem 
'Aor.'-St.)  auszugehen,  wovon  wir  übrigens  noch  einen  Rest  er- 
halten haben  in  uciaiv»-)  aus  *iudh-s-minä.  Idg.  *ieudhsö  ward  idg. 
*ieiidzhö  ar.  *yaudhzä^  was  die  iranischen  Formen  ohne  weiteres 
ergaben.  Hierzu  idg.  *ieudh-s-ti-  zu  idg.  *ieusti-  und  direkt  aw. 
yaosti-  (vgl.  noch  WZKM.  19,  237). 

Vorliegender  Aufsatz  war  —  abgesehen  von  einigen  jetzt 
hinzugekommenen  Bemerkungen  —  schon  1896  fertiggestellt; 
nun  nach  dem  Erscheinen  von  dem  in  zweiter  Bearbeitung  vor- 
liegenden 1.  Band  des  Bragmannschen  Grundrisses  muß  ich,  da 
ich  in  einigen  Funkten  andere  Ansichten  geäußert  habe,  als  die 
daselbst  zum  Vorschein  gekommenen,  zu  diesen  Stellung  nehmen. 
Es  handelt  sich  vornehmlich  um  die  Behandlung  von  idg.  -dh-j-s- 
und  -dh-\-st-.  Brugmann  Grdr.^  1,  628.  637.  640.  647.  656 f. 
659  f.  660  f.  664  f.  669  f.  670  f.  674  f.  692.  704  f.  721.  724. 
730.  731.  733.  737.  756.  759.  769.  775.  781.  789  f.  KVG.  186  ff. 
nimmt  unter  strikter  Anerkennung  des  'Bartholomaeschen  Ge- 
setzes' Wandlung  von  -dhs-  zu  -dzh-  und  -dhst-  zuerst  zu  -dzdh-, 
und  zwar  in  gemeinspraclilicher  Zeit,  an.  Aus  -dzh-  sei  dann 
in  den  meisten  indogermanischen  Sprachen  tatsächlich  -fe-,  resp. 
weiter  -ss-,  geworden.  Für  das  Indische  ist  die  angenommene 
Entwicklung  ohne  weiteres  mit  übrigen  Tatsachen  als  überein- 
stimmend zu  beti-achten.  Im  Griechischen  und  Lateinischen 
soUten  auch  —  wenn  man  streng  analogisch  nach  der  Entwick- 
lung von  dh  bh  gh  ßh  zu  Q  cp  X  (p  Q  als  ursprünglichen  Aspi- 


138  K.  F.  Johansson, 

raten  resp.  tonlosen  Fi^ikativen  —  zunächst  -dsh-  und  weiter 
wohl  Tc  c(c)  ts  s{s)  werden.  Im  Germanisehen  aber  —  um  uns 
darauf  zu  beschränken  —  und  ich  betone  nochmals,  daß  wir 
auch  hier  nach  der  Analogie  andrer  verwandter  Vorgänge  ur- 
teilen müssen  —  kann  die  Entwicklung  bestimmt  nur  zu- 
nächst dz  gewesen  sein,  was  entweder  zz  und  durch  Lautver- 
schiebung ss^  oder  zunächst  mit  Lautverschiebung  ts,  schließlich 
SS  gegeben  hat.  Idg.  -dhst-  soll  nun  nach  denselben  Analogien 
-dzdh-  geworden  sein.  Daraus  griech.  -c9,  lat.  -st-^  wogegen  an 
sich  nichts  einzuwenden  wäre.  Im  Germanischen  soll  -st-  ent- 
standen sein,  während  man  meines  Erachtens  nur  -zd-  zu  er- 
warten hat. 

Ist  es  nun  aber  zunächst  so  selbstverständlich,  daß  —  um 
Bartholomaes  Gesetz  im  übrigen  gelten  zu  lassen  —  idg.  -dhs- 
und  -dhst-  sich  in  derselben  Weise  entwickelt  haben  wie  z.  B. 
-hhs-  und  -hhst-  usw.  ?  Die  physiologische  Yerwandtschaft  zwischen 
dh  und  s[t)  ist  ja  weit  größer  als  zwischen  hh  und  s(^),  und 
das  hat  sehr  wohl  eine  verschiedene  Behandlung  bedingen  können, 
wie  eben  idg.  -dht-  anders  behandelt  worden  ist  als  -hht-.  Das 
Gesetz  Bartholomaes,  das  eben,  z.  B.  in  bezug  auf  -Ms-,  nur 
im  Iranischen  seine  Stütze  hat  (AR  1,  3  ff.  18  ff.  2,  54  ff.),  scheint 
in  bezug  auf  dieselbe  Wandlung  von  -dhs-  nur  schwache  Stützen 
zu  erhalten.  Für  die  Wandlung  von  -dhst-  zu  -dzdh-  ist  sogar 
kein  einziges  Beispiel  in  Anspruch  genommen i);  für  die  von 
-dhs-  zu  -dzh-  hat  Bartholomae  IR  4,  181  GiPh.  1  §  53  S.  21  f. 
zwei  Beispiele,  von  welchen  das  eine  nämlich  aezaxa-,  Name 
eines  der  im  19  yt  aufgezählten  Berges,  freilich  unsicher  ist, 
das  andre,  jungaw,  aesma-  "Brennholz"-),  mp.  hezm,  up.  hezum^ 
g.  izma  usw.  (s.  Hörn  Grdr.  249).  Aber  auch  wenn  aesma  aus 
*aizhma  stichhaltig  ist,  ist  es  nur  für  -dhs-  zu  -dzh-  beweisend. 
Ein  weiteres  Beispiel  ist  das  oben  im  Zusammenhang  mit  aw. 
yaosti  erörterte  av.  yaozaiii  yaozayeiti^  ap.  yaudatiy  'in  unruhige 
Bewegung  geraten'. 

Positiv  gegen  die  Brugmannsche  Fassung  spricht  der  Um- 
stand, daß  der  Sibilant,  nach  den  oben  vorgeführten  Beispielen 
zu  urteilen,  lingualisiert  vorkommt.  Ist  der  Anfang  dieses  Pro- 

1)  Vgl.  Hübschmann  Pers.  St.  223.  Brugmann  Grdr.  '^  1,  626.  647.  737. 

2)  Es  könnte  nach  Brugmann  wohl  nur  als  av.  -zd-{-dd-)  erscheinen, 
denn  wenn  das  erste  explosive  d  nicht  schon  in  idg.  Zeit  geschwunden 
sei,  würde  es  erst  urariscli  geschehen  können  (vgl.  Grdr.  ^  1,  S.  647). 


Arische  Beiträge.  139 

zesses  in  indogermanische  Zeit  zu  verlegen,  dann  muß  der 
Dental  auch  schon  indogermanisch  geschwunden  sein  oder  soweit 
assimiliert,  daß  der  Lingualisierungsprozeß  auf  den  eventuell 
langen  Sibilanten  wirken  konnte.  Die  sanskritischen  Beispiele, 
die  ich  als  beweisend  ansehe,  sind  oben  ausführlich  behandelt 
und  ich  nenne  sie  hier  noch  einmal  im  Zusammenhang:  lösta- 
'Eisenrost',  lößtd-  'Scholle',  küßthä  Mas  hervorragende  Ende 
eines  Dinges,  Schnabel,  Spitze",  kußtha-  M.  K  'ein  best,  heil- 
kräftiges Kraut,  Costus  speciosus  od.  arabicus',  kustha-  N.  'Aus- 
satz'; kustha-  M.  'Lendenhöhle',  köstha-  M.  'Eingeweide,  die 
Behälter  von  Speise,  Flüssigkeiten  usw.,  Unterleib ;  Vorrats- 
kammer' usw.  (die  beiden  letzten  eventuell),  vestd-  'Schlinge, 
Binde',  vißtä  'Schlinge' :  pröstha-  'Bank,  Schemel,  Stier' ;  "^usthäna- 
=  s.  utthäna-,  s.  istaka-  'Herd',  av.  yaosti-  'Kührigkeif.  Yon  diesen 
sind  für  idg.  -dhst-  direkt  beweisend  lösta-  'Eisenkraut',  istaka-^ 
yaosti-  und  (ev.)  kustha-  'Lendenhöhle',  kößtha-  M.  'Eingeweide' 
usw.  Es  hat  somit  nie  eine  Verbindung  -dzdh-  aus  -dhst-  ge- 
geben, auch  wenn  -dhs-  soweit  sein  dh  bewahrt,  daß  es  zuerst 
idg.  -dzh-^  ar.  -dzh-  und  av.  -z-  werden  konnte.  Die  Gegenprobe 
bilden  solche  Wörter,  wo  nach  i  ü  und  r  ein  -s-  vorkommt,  das 
im  Sanskrit  nicht  lingualisiert  ist,  und  wo  mit  großer  Wahr- 
scheinlichkeit -st-  aus  der  idg.  Verbindung  -tt-  stannnt:  niustu- 
'Faust',  musta-  M.  IS",  'ein  Gras,  Cyperus,  rotundus';  tusta-  und 
tüsta-  N.  'Staub',  busfa-  M.  N.  'Kruste  bei  gebratenem  Fleische, 
Schale  bei  Früchten',  kistd-  'Lobsänger,  Dichter'. 

Ein  Beispiel  von  -dzdh-  aus  -dhst-  konnte  es  überhaupt 
nicht  geben;  denn  -dhst-  wurde  gemeinindogermanisch  zu  -st-. 
Wenn  aber  ein  schon  idg.  -dh-z-dh-  vorhanden  war,  ergab  dies 
idg.  -z-dh-^  das  eventuell  nach  -t-  {-ü-  -r-)  ar.  -z-dh^  av.  -i«?-, 
s.  -zdh-  ward.  Als  Beispiel  möchte  ich  av.  mizda-,  s.  midha-, 
^icGöc,  g.  tnizdö,  abg.  mizda  hinstellen,  wenn  es  aus  *midh-z-dho- 
(vgl.  medhas-  usw.)  und  nicht  *miz-dho-  ist. 

Der  Hauptinhalt  der  vorstehenden  Erörterungen  wurde  auf 
dem  Xin.  Orientalisten-Kongreß  in  Hamburg  1902  mitgeteilt, 
s.  Verh.  S.  8. 

üpsala.  K.  F.  Johansson. 


140  von  Grienberger, 


Das  Carmen  aruale\). 

1.  Einleitung. 

Die  Auffassung  des  Gebetes  der  römischen  Feldbruder- 
schaft, die  Th.  Bergk  in  der  Z.  f.  die  Altertumswissenschaft  Jg.  14 
(1856)  Col.  142  ablehnend  mit  den  Worten  entwirft:  "Man 
hat  bisher  dieses  Lied  in  der  Regel  als  ein  Gebet  für  das  Ge- 
deihen der  Feldfrüchte  angesehen :  statt  von  einer  unbefangenen 
strengen  Prüfung  des  Gebetes  selbst  auszugehen,  hielt  man  sich 
an  Äußerlichkeiten:  Die  Genossenschaft  der  Fratres  arvales 
spricht  dieses  Gebet  ...  im  Monat  Mai,  wo  die  reifende  Saat 
mannichfachen  Gefahren  ausgesetzt  ist  ...  es  kann  sich  also  nur 
auf  eine  Lustration  der  Äcker  beziehen;  und  dies,  daß  neben 
Mars,  unter  dessen  Obhut  Feldflur  wie  Waid  und  Trift  ...  ge- 
stellt sind,  die  Lares  (agrestes)  und  die  Semones  . . .  angerufen 
werden,  scheint  zur  erwünschten  Bestätigung  zu  dienen  . . .", 
diese  Auffassung  wird  durch  die  umsichtige  Darstellung,  die 
Wissowa  1896  im  2.  Bande  von  Pauljs  Real-Encyclopaedie 
Col.  1463  ff.  sowie  in  seinem  Buche  Religion  und  Kultus  der 
Römer,  München  1902  von  dem  Wesen  und  den  Handlungen 
dieses  Priesterkollegiums  gegeben,  wieder  recht  greifbar  in  den 
Bereich  des  Erkennbaren  gerückt,  und  ich  könnte  nicht  finden, 
daß  der  Grad  der  Befangenheit,  der  sich  darin  aussprechen  soll, 
daß  man  den  textlichen  Bestand  des  Gebetes  in  diesem  Sinne 
zu  erklären  sucht,  ein  höherer  sei,  als  der  ist,  daß  man  mit 
Bergk  a.  a.  0.  Col.  143  von  der  in  den  Arvalakten  keineswegs 
irgendwie  angedeuteten  Tatsache  der  fiebererzeugenden  Sonmier- 
hitze  Roms  ausgehend  in  dem  Gebete  ein  solches  um  Abwehr 
des  Fiebers  erblickt;  ja  wohl  ein  geringerer,  denn  die  Meinung 
Bergk's,  das  Carmen  aruale  sei  ein  Fiebersegen,  an  die  auch 
neuerdings  die  Übersetzung  Fay's  von  Urnen  sali^  sta  berber  mit 
*skip  (our)  threshold;  halt,  fever'  (Bursians  Jahresb.  106,  47) 
in  anderer  Form  anknüpft,  hat  ja  doch  ihre  wesentlichste  Stütze 


1)  (Literatur  bis  1885:  Pauli  Altital.  Studien,  Heft  4,  Hannover  1885, 
S.  1 — 13;  bis  1886:  Schneider  Dialector.  Italicar.  exempla  pars  1,  Lips. 
1886,  S.  103;  für  die  Jahre  1894—97  und  später:  G.  Herbig  in  Bursians 
Jahresbericht  üb.  die  Fortschritte  der  klass.  Altertumswiss.,  Bd.  106,  Leipz. 
1901,  S.  46—49.) 


Das  Carmen  aruale.  141 

in  der  sehr  problematischen  Erklärung  des  Complexes  uerue  im 
2.  LangA^erse  als  'febrem',  der  zuliebe  dann  nicht  minder  be- 
denklich der  Passus  Urnen  sali,  sta  herber  des  3.  Langverses  auf 
Sonnenglut  bezogen  und  als  'lumen  solis  sta  fervere'  zu  recht- 
fertigen gesucht  wird. 

Das  Urteil,  das  seine  Gesichtspunkte  für  die  Erklärung 
des  Gebetes  aus  der  religiösen  Bedeutimg  des  Arvalkollegiuras 
zu  gewinnen  sucht,  aus  seinen  Handlungen  bei  Gelegenheit  des 
dreitägigen  Maifestes  zu  Ehren  der  dea  Dia^)  und  i.  b.  denen 
des  Festes  Ende  Mai  des  Jahres  21S,  zu  dessen  2.  Tage,  dem  29., 
das  Gebet  als  gesprochen  bezeugt  ist,  ist  gut  begründet  und 
kann  durch  des  Yarro  oftzitierte  Erklärung  Fratres  Aruales  dicti 
qui  Sacra  publica  faciunt  propterea  ut  fruges  ferant  arua  (De 
lingua  lat.  ed.  Spengel  Berol.  1885  1.  Y,  85),  auf  die  sich  z.  B. 
schon  Klausen  De  carmine  fratrum  arualium  Über,  Bonnae  1886 
S.  3  beruft,  und  mit  der  auch  Henzen  die  Einleitung  zu  seiner 
Ausgabe  eröffnet,  am  allerwenigsten  Abbruch  erfahren,  denn 
die  bei  dem  röm.  Grammatiker  sogleich  folgende  falsche  Etymo- 
logie a  ferenda  et  aruis  fratres  aruales  dicti  stellt  den  Wert  der 
Nachricht  als  einer  tatsächlichen  nicht  in  Frage.  Es  wäre  ja 
vöUig  unglaublich,  Yan'O  habe  das  Yerbum  ferre  aus  frater  ge- 
schlossen und  aus  dem  erschlossenen  Yerbum  seine  Erklärung 
formuliert,  und  nicht  vielmehr  umgekehrt  der  ihm  geläufigen 
Kenntnis  von  dem  AYesen  der  Feldbrüder  gemäß  das  Substan- 
tivum  frater  ad  hoc  aus  dem  Yerbum  ferre  abgeleitet. 

Im  Sinne  der  von  Bergk  bekämpften  Auffassung  bewegt 
sich  wieder  die  ausführliche  Abhandlung  Th.  Birts  'das  Arval- 
lied'  im  11.  Bande  des  Archivs  f.  latein.  Lexicographie  u.  Gram- 
matik Leipz.  1900  S.  149—96,  nur  daß  ihr  Yerfasser  die  Bitte 
an  die  Laren,  an  Mars  und  die  Semonen  nicht  bloß  auf  die 
Feldfrüchte  beschränkt  sein  läßt,  sondern  nach  Analogie  des 
bei  Cato  De  agii  cultura  ed.  Keil  Lips.  1895  Kap.  141  mitge- 
teilten Gebetes  an  Mars  zu  Gelegenheit  der  Ackerlustration 
auch  Nutzvieh  und  selbst  die  Menschen  in  üiren  Bereich  zieht. 
Schon  Jordan  Kritische  Beiträge  zur  Geschichte  der  latein. 
Sprache,  Berlin  1879  S.  203  hatte  auf  dieses  Gebet  sowie  auf 
die  iguvinischen  Lustrationsformeln  verwiesen. 

Birts  neue  Erklärungen  des  Textes :  neuel  .  .  .  sinas  wie  caue 
sinas  S.  190,  incurrere  in  plures  wie  abire  ad  plures  bei  Petronius 

1)  Henzen  Acta  fratrum  arualium  quae  supersunt.  Berolini  1874,  S.  3. 


142  von  Grienberger, 

gleich  'sterben,  zugrunde  gehen'  S.  167,  ferner  Urnen  sali  vom  Rie- 
seln des  Quellwassers  S.  181  ff.  haben  viel  bestechendes,  weniger 
allerdings  die  Gleichsetzung  von  uerue  und  herber  als  Ertrag  des 
Frühlings  'omnia  quae  uere  naia  sunt'  S.  169.  Unannehmbar 
scheint  seine  Auflösung  von  semunis  alternei  in  *semu'nes  sali  ternei 
S.  186,  die  in  sali  das  Subjekt  für  das  folgende  Futurum  aduocapit 
gewähren  soll,  und  man  kann  wohl  sagen,  daß  die  Auslegung  des 
3.  Langverses  die  wenigst  gelungene  Partie  der  ganzen  Arbeit 
darstellt. 

Ich  brauche  mich  nicht  dauiit  aufzuhalten,  daß  ein  Noni.  Sing. 
*sali  für  salius  durch  die  inschrifthchen  s-losen  Nominative  von 
Personennamen :  Clodi^  Corneli  neben  Clodis,  Caecilis  für  Clodios, 
Cornelius,  Caecilios  nicht  bewiesen  w^erden  kann,  da  diese  Formen, 
falls  sie  nicht,  wie  F.  Neue  wollte,  überhaupt  nur  graphische 
Kürzungen  sind  (Bücheier  Grundriß  der  latein.  Deklination  S. 
24 — 25  und  Note  6),  sehr  wohl  als  Vokative  erklärt  werden 
können,  die  wie  schon  früh  im  Germ,  an  die  Stelle  der  Nomi- 
nativformen der  bezüglichen  Namen  getreten  sind,  denn  die 
fratres  aruales  sind  ja  überhaupt  eine  andere  priesterliche  Körper- 
schaft als  die  salii  (s.  Pauli  S.  15)  und  das  tripodare  der  Feld- 
brüder im  Tempel  ist  ohne  Zweifel  ein  Aufmarsch  und  spätere 
verfeinerte  Form  eines  ursprünglichen  Ackerbeganges,  der  im 
Wesen  mit  den  bei  Strabo  geschilderten  Ambarvalien  sowie 
mit  der  von  Marini  aus  den  Acta  martyrum  Anaunensium 
(Raetien)  zum  28.  Mai  nachgewiesenen  Bauernlustration  (Jordan 
mit  Berufung  auf  Marini  und  Mommsen  S.  200  ff.,  Birt  160) 
identisch  sein  muß^);  sicherlich  kein  gesprungener  Tanz,  aus 
dem  man  die  Berechtigung  herleiten  dürfte,  auch  die  Fi'atres 
aruales  als  salii,  d.  i.  salientes^),  aufzufassen.  Endlich  ist  auch 
der  Übergang  von  der  ersten  Person  enos  'uns',  in  der  die 
Brüder  von  sich  selbst  sprechen,  zur  vermeintlichen  dritten 
*salius  aduocahit  stilistisch  wenig  empfohlen. 

Es  werden  sich  im  Verlaufe  meiner  Beti-achtung  des  Textes 
noch  andere  Bedenken  ergeben,  die  gegen  Birts  Aufstellungen 
sprechen. 

Das  Zeremoniell  des  Maifestes  der  römischen  Feldbrüder 
ist  an  der  Hand  des  Textes  der  Akten  schon  oft  beschrieben,  so 

1)  Zu  Ende  des  Mai  fallen  auch  die  katholisch-süddeutschen  Bitt- 
gänge um  Erntesegen. 

2)  salius  gleichbedeutend  mit  saliens  wie  scius  gleich  sciens. 


Das  Carmen  aruale.  143 

z.  B.  bei  Klausen  S.  7  ff.,  ausführlich  von  Wissowa  in  Realen- 
cyclop.  Col.  1475 ff.  nach  Henzens  Kommentar  der  Stelle  in 
Acta  fratrum  arvalium  S.  18  ff.,  es  mag  jedoch  zweckdienlich 
erscheinen,  den  Bericht  des  Marmorprotokolles  vom  Jahre  218 
unter  Elagabalus  CIL  6,  568 — 9  zum  zweiten  Tage  des  Mai- 
festes, insoweit  er  die  Handlungen  vor  der  tripodatio  betrifft, 
in  deutscher  Übersetzung  noch  einmal  zu  übersehen.  Der  Be- 
richt lautet:  "Desgleichen  am  vierten  Tage  vor  den  Kaienden 
des  Juni  weihte  {jmmol.)  der  Promagister  Alfenius  Auitianus  im 
Haine  der  Göttin  Dia  {in  luco  deae  Diae)  beim  Altare  {ad  aram) 
zwei  Ferkel  zur  Sühne  {porcil.  piacul.)  für  die  Beschneidung  des 
Haines  und  die  zu  vollziehenden  Arbeiten  {lud  coinq.  et  operis 
faciimd.).  Daselbst  weihte  er  eine  Ehrenkuh  {uacc.  honor.)  und 
setzte  sich  von  dort  in  das  Viersäuleuhaus  {in  tetrastylo)  zurück- 
gekehrt auf  den  Bänken  {subsellis)  nieder.  Hierauf  zum  Altare 
zurückgekehrt,  brachte  er  die  Eingeweide  der  Ferkel  dar  {extas 
reddidit).  Ebenso  brachte  er  im  Cirkus  {in  circo)  auf  dem  sil- 
bernen mit  Rasen  geschmückten  Herde  {in  focido  arg.  cespiti 
ornatö)  die  Eingeweide  der  Kuh  dar  und  kehrte  in  das  Vier- 
säulenhaus zurück  und  trug  es  in  das  Buch  ein  {in  codice  cauit) 
und  legte  die  Praetexta  ab  und  begab  sich  zurück  in  sein  Zelt 
{in  papiUione  suo). 

Vor  Mittag  {pro  meridie)  aber  nahmen  die  Feldbrüder  die 
Praetexten  und  kamen  im  Viersäulenhause  zusammen  und  setzten 
sich  auf  den  Bänken  nieder  und  bezeugten  {cacerunt  richtig 
*cauerunt)^  daß  sie  zugegen  gewesen  und  die  heilige  Handlung 
vollzogen  hätten  und  verzehrten  die  Sühnferkel  und  das  Blut 
darnach.  Hierauf  stiegen  sie  in  der  Praetexta  mit  bedecktem 
Haupte  {capite  uelato)  und  mit  den  Ährenbinden  bekränzt  {uittas 
spiceis  coronati)  zum  Harn  hinauf  {adscenderunt)  und  weihten 
durch  den  Promagister  Alfenius  Auitianus  ein  feistes  Lamm 
(agnam  opimam)  und  besichtigten  die  Darbringung  des  Opfers. 
Nach  Beendigung  desselben  opferten  sie  alle  mit  Weihrauch 
und  Wein.  Dann  in  das  Haus  {in  aedem)  zurückgekehrt,  voll- 
zogen sie  auf  dem  Tische  {in  mensa)  die  heilige  Handlang  mit 
den  Töpfen  {otiis  richtig  *ollis),  und  vor  dem  Hause  auf  dem  Rasen 
vollzog  sie  der  Promagister  und  der  Flamen.  Desgleichen  brachten 
sie,  hinaus  zum  Altare  zurückgekehrt,  Geldspenden  dar.  Ebenso 
opferten  der  Flamen  und  der  Promagister  Weihi-auch  und  Wein, 
silberne  Becher  mit  weingefüllten  Gefäßen  <  und  >  Weihrauch- 


144  von  Grienberger, 

kästchen  vor  die  Türe  <  tragend  >,  und  <(  sie  >  stellten  sich  vor 
der  Türe  auf,  und  zwei  von  ihnen  gingen  zugleich  mit  den 
Dienern  hinab  {cum  puhlicos  desciderunt),  um  Ähren  zu  holen 
{ad  fruges  petendas)  und  reichten  sie,  zurückgekehrt,  mit  der 
Rechten  und  empfingen  sie  mit  der  Linken:  darauf  reichten 
sie  sie  einer  dem  anderen  {ah  richtig  ad  alterutrum)  herum  und 
übergaben  den  Dienern  die  Ähren  {frug.).  Hierauf  traten  sie 
ins  Haus  ein  und  sprachen  ein  Gebet  über  die  Töpfe  {ollas 
precati  sunt)  und  warfen  sie  bei  den  offenen  Türen  über  den 
Abhang  {per  cliuum)  hinunter;  hierauf  setzten  sie  sich  auf  den 
marmornen  Bänken  und  verteilten  belorberte  Brote  {panes  lau- 
reat.)  unter  die  Diener  {per  public).  Daselbst  erhielten  sie  alle 
die  'lumemulia'  mit  Rübchen  {cum  rapinis)  und  salbten  die 
Göttinnen,  und  das  Haus  wurde  geschlossen;  alle  gingen  hinaus. 
Dort  eingeschlossen  bewegten  sich  die  Priester  {sacerdotes),  auf- 
gegürtet, nachdem  sie  die  Textbüchlein  in  Empfang  genommen 
{Ubellis  acceptis),  ein  Gebet  hersagend  {carmen  descindentes)  im 
Schritte  {tripodauerunt)  nach  folgenden  Worten :  . . .  Nach  dem 
Reigen  {post  tripodationem)  gingen  dann  auf  ein  gegebenes  Zeichen 
die  Diener  {publici)  hinein  und  nahmen  die  Textbüchlein  zurück . .  /' 

Zur  Erläuterung  dieser  Stelle  seien  einige  Bemerkungen 
beigefügt. 

Der  Hain  der  Göttin  lag  auf  einer  Anhöhe  ^),  denn  er  wird 
erstiegen,  wie  z.  B.  im  vorliegenden  Abschnitte  fratres  aruales . . . 
inde . .  .  lucum  adscenderunt^  und  es  wird  als  Ausgangspunkt  der 
Ersteigung  das  Tetrastylum  angegeben,  das  nach  Henzen  23  ein 
mit  4  Säulen  an  der  Front  gezierter  Bau  war.  Ebenso  lassen 
die  Akten  zum  19.  Mai  87  (Henzen  S.  CXIX)  von  den  6  mit 
Namen  genannten  Brüdern  berichtend:  in  tetrastijlo  consederunt 
et  ex  sacrificio  epidati  sunt,  sumptisq.  praetextis  . . .  lucum  deae  Diae 
ad  summotum  escenderunt.,  oder  die  zum  19.  Mai  183  (Henzen 
CLXXXVn)  sacerdotes  in  tetrastulo  consederunt  et  ex  sacrificio 
epulati  sunt,  sumtisque  praetextis  ...  lucum  deae  Diae  summoto^) 
ascenderunt  . . .  darüber  keinen  Zweifel,  daß  das  Ersteigen  vom 
Tetrastylum  aus  zu  verstehen  ist.    Daß  sich  auf  der  Anhöhe  des 


1)  Belegen  beim  5.  Meilensteine  an  dem  von  Rom  nach  la  Magliana 
führenden  Wege  im  Weinberge  der  Gebrüder  Cecarelli,  Henzen  S.  XII. 

2)  Den  Ausdruck  ad  summotum  oder  summoto  versteht  Henzen  28, 
vom  'Platz  schaffen'  submouere,  hier  vielleicht  der  voranschreitenden  cala- 
tores  für  den  Zug  der  Würdenträger. 


Das  Carmen  aruale.  145 

Haines  auch  das  Haus  {aedes)  der  Gröttin  befunden  haben  müsse, 
wenn  auch  nicht  gerade  auf  der  Spitze,  wo  sich  heute  keinerlei 
Baureste  finden  (Henzen  XXH),  erhellt  aus  dem  weiteren  Texte 
der  zweitgenannten  Stelle  et  . . .  agna.  opima.  immolauerunt  . . . 
deinde  coronis  inlatis  signisque  unctis  Petronium  Priscum  . . .  mag. 
fecerunt,  ähnlich  auch  in  den  Akten  vom  27.  Mai  90  (Henzen 
XXVIl)  sowie  in  denen  vom  19.  Mai  87,  denn  die  signa  dieser 
3  Stellen  entsprechen  den  Göttinnenbildern  des  Berichtes  vom 
29.  Mai  218  1),  und  die  Brüder  haben  während  aller  mitgeteilten 
Handlungen  den  Hain  nicht  verlassen.  Das  geschieht  erst  nach 
der  vollzogenen  Wahl  des  Magisters  und  des  Flamen.  Die  Akten 
zum  19.  Mai  87  fahren  sogleich  fort  deinde  in  Ketryastylum 
desciderunt  ibiq.  in  triclinio  discumbentes  epulati  sunt  ad  magi- 
strum...,  ebenso  die  zum  27.  Mai  90  -(.deinde  in  tetrastylum 
desciyderunt^  während  der  bei  Henzen  CLXXXVII  hergestellte 
Text  der  Akten  zum  19.  Mai  183,  der  an  nominaueruinf}  an- 
schließt :  <Jbique  in  tetrastulo  . .  .>  epulati  sunt  . . .  entweder  eine 
Auslassung  enthält,  oder  statt  ibique  vielleicht  deinde  hätte 
setzen  sollen. 

Dem  Ersteigen  des  Haines  vom  Tetrastylum  aus  steht  also 
das  Hinabsteigen  zu  diesem  gegenüber,  und  es  ist  klar,  daß 
dieses  Gebäude  an  einem  tieferen  Punkte  des  Hügels,  am  Fuße 
vielleicht,  belegen  gewesen  sein  mußte.  An  Stelle  desselben 
wird  aber  in  den  Akten  zum  27.  Mai  81  (Henzen  CIX),  wo  vom 
Promagister  und  den  Brüdern  berichtet  wird :  inde  cum  in  aedem 
Caesarei  consedissent  et  ex  sacrificio  gustarunt ;  inde  ad  summotum 
in  aede  sacrificio  facto  immolauit  deae  Diae  agnam  opimam  ein 
anderes  Gebäude,  eine  aedes  Caesarei  genannt.  Beide  Bezeich- 
nungen zugleich  erscheinen  nur  einmal,  in  den  Akten  zum  Jahre 
183  (Henzen  CLXXXVÜ)  und  zwar  das  Caesareum  zum  13., 
das  tetrastidum  zum  19.  Mai.  Die  Frage,  ob  beide  Namen  auf 
ein  und  dasselbe  Gebäude  zu  beziehen  seien,  oder  ob  das  Tetra- 
stylum der  jüngere  Bau  sei,  der  den  älteren  zu  ersetzen  hatte, 
muß  offen  gelassen  werden,  wenn  auch  die  Wahrscheinlichkeit 
mehr  für  die  zweite  Auffassung  spricht. 

Der  Altar  {ara)  der  Göttin  stand  vor  dem  Haine,  d.  h. 
doch  wohl  dem  Tetrastylum  näher  gelegen,  als  die  Aedes.  Das 
ergibt  sich  aus  den  Akten  zum   19.  Mai  87  (Henzen  a.  a.  0.), 

1)  Ob  deren  zwei,  etwa  das  der  dea  Dia  und  der  Juno,  oder  mehrere 
waren,  ist  nicht  zu  entscheiden,  Henzen  32. 

Indogermanische  Forschungen  XIX.  1^ 


146  von  Grienberger, 

die  mit  den  "Worten  beginnen  . . .  in  luco  deae  Diae  . . .  fratres 
artiales  deae  Diae  sacrificium  fecerunt.  C.  Saluius^  Liberalis  . . . 
ante  lucum  in  arani  porcas  piaculares  duas  . . .  immolauit. 

Vor  dem  Haine  aufgestellt  erscheint  auch  der  foculus  zum 
27.  Mai  90  (Henzeu  a.  a.  0.)  <(deinde  uaccam  . . .  immolauity  ante 
lucum  in  foculo  P.  Sallustius  Blaesus  mag.  II,  während  im  Be- 
richte zum  29.  Mai  218  der  Foculus  im  Circus  der  Arvalen 
genannt  wird.  Aber  der  Foculus  war,  wie  Henzen  23  behauptet, 
beweglich,  konnte  also  nach  Belieben  aufgestellt  werden  und 
fällt  daher  überhaupt  nicht  mehr  unter  den  Gesichtspunkt  der 
festen  Orte  des  liturgischen  Schauplatzes. 

Die  Imniolatio  zweier  Ferkel,  die  nach  Henzen  am  frühen 
Morgen  vorgenommen  wurde,  geschah  zur  Sühne  für  die  Be- 
nutzung eiserner  AVerkzeuge  bei  der  Beschneidung  des  Haines 
(coinquere  =  coercere  Henzen  22),  da  es  verboten  war,  am  ge- 
heiligten Orte  mit  Eisen  zu  hantieren. 

Unter  dem  opus  faciundum  versteht  Henzen  die  gesamte 
gärtnerische  Arbeit  an  den  Bäumen  des  Haines,  die  im  Yerlaufe 
eines  Jahres  notwendig  ist. 

Das  Verbum  immolare  bezeichnet  nicht  eigentlich  die 
Tötung  des  Opfers,  sondern  das  dieser  vorausgehende  Bestreuen 
desselben  mit  einer  Mischung  von  Melil  und  Salz  (Henzen  93 — 94). 
Ich  habe  das  Verbum  daher  mit  "weihen'  übersetzt. 

In  dem  Passus  in  foculo  argenteo  cespiti  ornato  ist  nach 
Henzen  23  nicht  mit  Marini  das  Adj.  zu  cespes,  sondern  zu  foculus 
zu  ziehen.     Der  Herd  war   aus  Silber  und   mit  Rasen   belegt. 

Extas  reddere  erklärt  Henzen  ebenda  als  Aufstellen  eines 
Teiles  der  in  einem  Topf  gekochten  Eingeweide  auf  der  Ära, 
beziehungsweise  dem  Foculus.  Das  Zelt  papilio  dient  dem  Pro- 
magister zum  Aufenthalt  in  der  vormittägigen  Pause  der  religiösen 
Handlungen.  Es  ergibt  sich  daraus,  daß  das  Tetrastylum,  obschon 
es  ein  triclinium  besaß,  erwähnt  in  den  Akten  zum  19.  Mai  87 
und  27.  Mai  90,  keinen  Raum  gewährte  für  den  Aufenthalt  der 
einzelnen  Priester,  und  es  ist  demnach  wohl  zu  glauben  (Henzen 
23),  daß  auch  diese  ihre  eigenen  Zelte  hatten. 

Der  besondere  Kopfschmuck  der  Feldbrüder,  mit  dem  sie 
zum  zweiten  male  den  Hain  hinaufgehen  uittas  spiceis  coronati 
wird  auch  in  den  Akten  zum  19.  Mai  87  erwähnt  smnptisque 
praetextis  et  coronis  spiceis  uittatis,  ebenso  zum  27.  Mai  90,  zum 
19.  Mai  105  (Henzen  CXLVII)  und  zum  19.  Mai  183  (bittatis) 


Das  Carmen  aruale.  147 

und  zwar  mit  einem  Ausdrucke,  der  die  Sache  'mit  Binden  um- 
wundene Ährenkränze'  klarer  hervortreten  läßt  als  der  an  unserer 
Stelle  gewählte.  Schon  Gellius  und  Plinius  heben  diesen  priester- 
lichen Schmuck  als  besonderes  Abzeichen  der  Feldbrüder  hervor 
(Pauü  S.  14). 

Worin  die  heilige  Handlung  mit  den  Töpfen  besteht,  ist 
nicht  ersichtlich.  Den  später  folgenden  Satz  et  ollas  precati  sunt 
versteht  Henzen  30  als  Gebet  an  die  Töpfe.  Es  scheint  mir 
näher  zu  liegen,  ein  Gebet  über  die  Töpfe,  d.  i.  eine  Art  Segen 
oder  Benedizierung  anzunehmen.  Die  Stelle  selbst  ist  sonst 
nicht  zweifelhaft,  da  Gefäße  von  sehr  primitiver  Form  im  Haine 
der  dea  Dia  ausgegraben  wurden,  Pauli  S.  14. 

Die  thesauri  dati  sind  wohl  mit  Henzen  31  als  freiwillige  Geld- 
beiträge der  Priester  zum  Tempelschatze  der  Göttin  zu  verstehen. 

Der  Satz  item  flam.  et  promag.  sci/fos^)  arg.  cum  sumpuis 
uino  repletis  ante  osteum  acerras  ture  et  uino  fecer.  ist  unver- 
ständlich, wenn  nicht  acerras  mit  einer  Konjunktion  'und'  ge- 
bunden und  ein  Verbum,  von  dem  die  beiden  Akkusative  abhängen, 
ergänzt  wird.  Henzen  ergänzt  <e^  acerras  Kferentesy.,  man  könnte 
allerdings  auch  *ac  acerras  oder  *acerrasque  vorschlagen. 

Sümpüium  ist  vulgäre  Nebenform  zu  simpüuium.,  von  dem- 
selben Stamme  wie  simpulum  'Schöpfkelle'. 

Die  fruges  sind  nach  Henzen  32  und  Jordan  S.  201  grüne 
Ähren,  die  die  Priester  auf  den  umliegenden  Äckern  brechen. 
Auch  am  ersten  Festtage  des  Maifestes  vom  Jahre  218,  der  auf 
den  27.  Mai  fällt  —  der  28.  ist  Pause  —  und  am  dritten,  dem  30., 
spielen  fruges  eine  symbolische  EoUe.  Es  heißt  hiezu  Henzen 
S.  CCII — III  V  •  •  •  ^^^  Palatio . . .  >  ...  fratr{es)  Aru{ales)  prima 
■Cluce  . .  .>  frug{es)  arid(as)  et  nirid(es)  contiger{unt) etpanes laureatos 
et  deam  Diam  <^ungiientauerunty  . . .  und  Henzen  CCVI  . . .  frug. 
lihat.  cum  calat.  et  public,  ad  aram  <jetuleruni>.  Diese  beiden 
Handlungen  fiijden  in  Koni  statt. 

Desciderunt  versteht  Henzen  32  als  descenderunt,  was  mit 
Eücksicht  auf  die  Akten  zum  19.  Mai  87  Henzen  CXIX,  wo 
die  Formen  escenderunt.,  desciderunt.,  escidit  mit  der  einheitlichen 
Bedeutung  des  'Steigens'  nebeneinander  vorkommen,  wohl  ein- 
leuchtet. 


1)  Nach  Rosenstock  Die  Akten  der  Arval-Brüderschaft.  Jahresber. 
der  k.  Gymn.  zu  Strasburg  W.-Pr.  1895,  S.  13,  die  ältest  bezeugte  lat. 
f-Schreibung  für  ph. 

10* 


liS  von  Grienberger, 

Dann  ist  es  aber  auch  nicht  nötig,  für  das  folgende  Parti- 
zipium Carmen  desclndentes  mit  Hcnzen  33  von  discindere,  Kara- 
cxi^eiv  auszugehen  und  dahinter  eine  besondere  Bezeichnung 
des  Rezitativs  'dictum  . . .  pro  recitando  et  quasi  dividendo  Carmen 
ex  numero  et  rhythrao'  zu  suchen,  da  wir  das  Part,  als  de- 
scendentes  nach  scandere  uersus  verstehen  dürfen.  Zur  Form  in 
statt  en  M'äre  u.  a.  der  Dativ  Herclinti  neben  Herdenti  Brambach 
CIEh.  315  u.  666  zu  vergleichen. 

Die  lumemulia^  Sing.  *himemidium,  bei  Henzen  32  nur 
flüchtig  gestreift,  erklärt  Bücheier  Archiv  f.  lat.  Lex.  1,  110  als 
Compos.  aus  luma  eine  Pflanze,  nach  der  Philoxenusglosse  gleich 
7T0Ta|U0TeiTUJV  oder  KaXa|uiv9ric  und  möla  'Mehl',  dessen  o  im 
zweiten  Teile  als  u  erscheine,  wie  in  adulescens,  sedido,  emule 
(hsl.  var.  zu  Persius  6,  26),  mit  ^-Erweiterung  wie  aedificium, 
auciipium,  ferriterium^  wozu  wir  auch  tripudium  neben  tripodare 
fügen  können.  Die  Bedeutung  des  Wortes  sei  'luma  molita', 
sachlich  gleich  mit  der  in  jüngerer  Zeit  genannten  menta  trita. 

Es  könne  aber  auch  eine  mit  derartigem  Mehle  zubereitete 
Brühe  oder  Tunke  gemeint  sein.  Die  rapinae  hält  Bücheier 
a.  a.  0.  für  Deminutivform  zu  räpa,  also  'Rübchen',  sachlich 
vielleicht  'Radieschen'. 

Ich  möchte  dagegen  erinnern,  daß  es  nicht  nötig  ist,  in 
lumemtdium  e- Schreibung  für  i  wie  in  ibe  und  sonst  in  den 
Akten  anzunehmen,  da  man  wohl  auch  genitivische  Zusammen- 
rückung wie  in  aquaeductus  annehmen  und  hinsichtlich  der  io~ 
Erweiterung  auf  vulgärlat.  terrimotium  für  terrae  motus  verweisen 
kann.  Lumemulium  ist  also  im  allgemeinen  das  aus  der  mola 
lumae  bereitete.  Für  die  mögliche  Bedeutung  des  Comp,  könnte 
vielleicht  auch  möla  als  'Opferschrot'  in  Betracht  zu  ziehen  sein. 

2.  Das  Lied. 

Ich  gehe  zur  Erklärung  des  Liedes  über.  Der  Text  des- 
selben ist  nach  Bormanns  Lesung  in  CIL.  6,  2104  mit  Wort- 
treunung  und  einzelnen  Interpunktionen  dargestellt,  während 
Pauli  S.  3,  der  sich  auf  Bormanns  Abschrift  beruft,  zwar  keine 
Interpunktion  und  keine  Worttrennung,  sondern  scriptura  con- 
tinua  darbietet,  doch  so,  daß  vom  dritten  neiieluerue  an  einzelne 
Einschnitte,  im  ganzen  11,  dieselbe  durchbrechen;  doch  nicht 
durchweg  derart,  daß  diese  Einschnitte  an  Wortgrenzen  stünden, 
denn  einmal,  beim  dritten  marmarsersin  currere,  werden  die  zu- 


Das  Carmen  aruale.  149 

sammengehörigen  Teile  eines  "Wortes :  in  currere  von  dieser 
Trennung  betroffen.  S.  86  behauptet  Pauli  auf  Grund  eines  ihm 
zur  Verfügung  gestellten  Papierabklatsches,  daß  er  im  Texte  weder 
Interpunktion  noch  irgendwelche  Worttrennung  entdecken  könne, 
ohne  sich  doch  über  die  11  einzelne  Komplexe  formierenden 
Einschnitte  seiner  ersten  Darstellung  zu  äußern.  Grotefend,  der 
S.  289  die  Inschrift  nach  Marini  i)  darbot,  gab  7  Distanzen  zu- 
gleich mit  Interpunktionen,  mit  denen  die  des  CIL  6  nur  zum 
Teil  zusammenfallen.  Birt,  dessen  Abdruck  S.  150  auf  Ritschi 
fußt,  zeigt  5  Punkte  und  eine  sehr  viel  weiter  reichende  Kom- 
plextrennung als  Pauli  gegeben  hatte. 

Ich  rücke  im  folgenden  die  Worttrennung  des  CIL  6  wieder 
zusammen,  behalte  aber  die  Interpuugierungen  desselben  bei, 
da  es  wahrscheinlich  ist,  daß  dieselben  zum  mindesten  an  Stellen 
graphischer  Distanzen  stehen,  ohne  jedoch  dieser  Interpunktion 
bei  meiner  Erklärung  des  Liedes  irgendwelche  Bedeutung  einzu- 
räumen. Zugleich  markiere  ich  die  Zeilenenden  in  üblicher  "Weise. 

.  .  .  ENOSLASESIVYATE  ||  (Verlust)  NOSLASESiVVATEENOS 
LASESIVVATENEVELVAERVEMARMASINSINCVRREREI 
NPLEORESNEVELVERVEMARMAR  ||  (Verlust) NSI NC VRRE 
REINPLEORISNEVELVERVEMARMAR  •  SERSINCVRRER 
EINPLEORISSATVR  •  FVREREMARSLIMEN  ||  (Verlust)  I  • 
STA  •  BERBERSATVR  •  FVFEREMARSLIMENSALI STABER 
BER  •  SATVRFVFEREMARSLIMENSAIISIABERBERll(Verlust) 
VNISALTERNEIADVOCAPITCONCTOSSEMVNISALTERNEI 
ADVOCAPITCONCTOSSIMVNISALTERNIEADVOCAPIT  || 
(Verlust)  OSENOSMARMORIVVATOENOSMARMORIVVATO 
ENOSMAMOR  •  IVVATOTRIVMPETRIVMPETRIVMPETRI 
VM  II  (Verlust)  VMPE  .  .  . 

Indem  ich  in  die  Erläuterung  des  Textes  eintrete,  verzichte 
ich  zunächst  darauf,  die  "Worttrennung  noch  besonders  ersichtlich 
zu  machen,  da  sich  dieselbe  aus  dem  je  3  mal  gesprochenen  und 
fixierten  Texte  der  einzelnen  Verse  von  selbst  ergibt  und  nur 
die  Zäsur  in  den  3  mittleren  Langversen  der  Erwägung  bedarf. 

Im  ersten  Kurzverse  enös  LäsSs  iüuäte,  wozu  Birt  S.  159 
in  dem  Ausruf  Lares  uiales,  ut  me  bene  iuuetis  bei  Plautus 
Merc.  866  eine  schöne  Parallele  beibringt,  bedarf  die  Form  enos 
für  nos  einer  Erklärung. 

1)  Gli  atti  e  monumenti  dei  fratelli  Arvali.  Roma  1795. 


150  von  Grienberger, 

Für  eine  mit  nos  mehr  oder  weniger  verschmolzene  Inter- 
jektion e  nach  dem  Vorbilde  von  ecastor,  eiuno^  equirine^  edepol 
haben  sich  Klausen  S.  23,  Corssen  Origines  poesis  Romanae, 
Berolini  1846  S.  93,  Bergk  Col.  131,  Pauli  S.  24  ausgesprochen, 
für  Analogie  zu  griech.  eiaoi  neben  )iioi  nebenher  schon  Klausen 
a.  a.  0.,  der  auch  noch  em'm,  eheu,  ehern  neben  warn,  heu^  hem 
vergleicht,  und  nach  ihm  Mommsen  CIL  1  Berolini  1863  S.  10, 
Bttcheler  Inscriptiones  Saturniis  nuraeris  conceptae')  S.  3,  Birt 
S.  .159.  An  eine  archaische  Form  für  nos  nach  alat.  esum  zu 
späterem  siim  dachte  Lanzi  (Saggio  di  lingua  Etrusca  zit.  bei 
Bergk  a.  a.  0.)  sowie  nebenher  auch  Grotefend  Grrössere  latein. 
Gramm.  2^  Frankfurt  a.  M.  1824  S.  289,  dessen  Hauptmeinung 
sich  aber  in  der  Konstruktion  en\  nos  ausdrückt. 

Der  ersten  dieser  Vermutungen  steht  die  ganz  anders  geartete 
Bildung  der  Ausrufe  mit  einem  folgenden  Gottnamen  im  Vokativ 
entgegen;  man  dürfte  nicht  e  mit  wos,  sondern  müßte  vielmehr  e 
mitLases  verbinden.  Da  aber  innerhalb  dieser  Kategorie  von  Inter- 
jektionen, deren  Anlaut  Mommsen  a.  a.  0.  nach  mecastor  neben  ecastor 
als  einen  Rest  von  me  verständlich  machen  wollte,  neben  dem 
vollen  edepol  auch  gekürztes  epol  (Forcellini)  auftritt,  so  scheint 
es  weitaus  glaublicher,   die  ecastor,  eiüno,  eqiärine,  ecere,  eccere 

—  das  letztere  mit  dem  Vokativ  des  alat.  Wortes  cerus  'creator' 

—  deren  Messung  mit  anlautendem  lang -e  bei  Forcellini  oder 
Georges  wohl  keinem  Bedenken  unterliegt,  gleichfalls  als  Syn- 
kopen von  *edecastor  usw.,  oder  zum  Teil  vielleicht  auch  als 
Analogiebildungen  nach  dem  vollzogenen  Kürzungsergebnis  epol, 
zu  fassen,  edepol  erklärt  sich  unschwer  als  Imperativ  zu  edo, 
edere  im  Sinne  von  do,  dare,  sinngemäß  dem  deutschen,  nur  mit 
dem  Optativ  statt  des  Imperativs  gebundenen  "gebe  Gott'  oder 
bair.  *Gott  geh'  entsprechend,  das  nach  Schmeller-Frommann  1, 
960  sowohl  in  ein  Wort  zusanmiengezogen,  als  auch  interjektional 
verwandt  wird.  Beruht  demgemäß  eccere  auf  *edecere,  so  ist  es  klar, 
daß  die  Geminata  cc  auf  Rechnung  einer  Assimilation  de  zu  setzen 
ist,  während  sie  bei  bloßem  e  weniger  verständlich  bliebe. 

Ist  diese  Entwicklung  richtig,  so  ist  die  Gruppe  dieser  mit 
e  anlautenden  Beteuerungen  formell  für  enos  umsomehr  ausge- 
schlossen, aber  auch  eine  an  sich  denkbare  Konstruktion  e .. .  Lases 
im  Zusammenhange  mit  ihr  unmöglich,  da,  abgesehen  von  anderem, 

1)  Index  scholarum  quae  in  univers.  Rhenana  per  menses  aest.  habe- 
buntur.  Bonnae  1876. 


Das  Carmen  aruale.  151 

jedesfalls  beide  Teile  nicht  durch  ein  zwischengeschobenes  nos 
getrennt  werden  könnten. 

Der  zweiten  Annahme  steht  entgegen,  daß  griech.  ejue-, 
i\xo-  nach  Brugmann  griech.  Glraram.  S.  65  ^)  ihr  anlautendes  e 
der  Analogie  zu  eTuu  verdanken.  Da  es  unmöglich  ist,  daß  die 
griech.  Übertragung  aus  i^üj:  e\xov^  €|uoi,  ifie  neben  )Lioi,  p.i  auf 
lat.  nos  eingewirkt  haben  könne,  müßte  man  vielmehr  lat.  enös 
aus  lat.  ego^  herleiten,  beziehungsweise  eine  erweiterte  Stamm- 
bildung *enö-  nach  *egö  in  vorlatein.  Zeit  hinaufrücken ;  d.  h.  man 
wäre  im  wesentlichen  bei  Lanzis  Meinung  angelangt,  denn  wenn 
es  ein  urlat.  enö-  gab,  wäre  es  eigentlich  nur  mehr  für  die  Ab- 
stammung von  nös  von  Bedeutung,  ob  die  urlat.  Form  eine  ana- 
logische sei,  oder  ob  der  vokalische  Anlaut  gleich  dem  alten  e 
von  esum  oder  dem  den  Vokal  der  nasalis  sonans  vertretenden  e 
von  centum^  decem  zum  ursprünglichen  Stamme  gehöre,  nicht 
aber  für  die  Beurteilung  des  mos  im  Carmen,  das  eben  direkte 
Fortsetzung  der  hypothetischen  archaischen  Form  wäre.  Ich  kann 
mich  nun  der  Erkenntnis  allerdings  nicht  entziehen,  daß  nos  mit 
ego  in  der  lebendigen  Rede  gepaart  eine  formelle  Einwirkung 
von  dem  letzteren  hätte  erfahren  können,  so  wie  der  got.  Dat. 
Plur.  unsis  seine  Flexion  dem  Dat.  Sing,  mis  verdankt,  aber  das 
Beispiel  des  griech.  e|uoi,  e|ue,  das  auf  paradigmatischer  Fort- 
führung des  Anlautes  beruht,  müßte  uns  eher  lat.  *emihi,  *eme 
erwarten  lassen,  die  es  doch  nicht  gibt,  und  die  Annahme  eines 
Stammablautes  *enö-,  *9nö  neben  nö-  scheint  mir  ebenso  pro- 
blematisch. 

Grotefends  Auffassung,  an  sich  nicht  immöglich,  da  man 
en  .  .  .  iutiate  immerhin  verbinden  dürfte,  wird  durch  die  6  malige 
Schreibung  mit  einfachem  n  zwar  nicht  ausgeschlossen,  aber 
doch  auch  nicht  gestützt. 

Unter  diesen  Umständen  tritt  mir  der  Gedanke  nahe,  daß 
doch  vielleicht  Schuchardt  das  Richtige  gesehen  habe,  der  in 
Vokalismus  des  Vulgärlateins  Leipzig  1866 — 68  Bd.  2,  361  die 
Form  enös  seiner  großen  Sammlung  von  prothetischem  e  und  i 
anreiht. 

Ich  lege  kein  übermäßiges  Gewicht  auf  die  aus  Rossi 
Inscriptiones  Christianae  urbis  Romae,  Romae  1857 — 61, 1  S.  281  f. 
bezogene,  dem  Jahre  426  u.  Z.  angehörige  angebliche  Parallele 
*inm,  da  Rossi  selbst  daran  zweifelte,  daß  aus  dem  Eingang  der 

1)  Handbuch  der  klass.  Altertumswiss.,  Bd.  2. 


152  von  Grienberger, 

Inschrift  cöstatinos  emis  \  se  .  .  .  locum  .  .  .  eine  dem  enos  des 
Carmen  arnale  entsprechende  Form  *inös  auszuscheiden  sei  und 
die  mögliche  e-hasta  lieber  als  Trennungszeichen  erklären  wollte, 
aber  die  dem  Wiener  Livius  (6  Jh.)  entnommenen  Beispiele 
Schuchhardts  enegotium,  enecessitatis  nebst  den  zahlreichen  anderen 
Prothesen  vor  n,  w,  /  und  namentlich  vor  s  scheinen  mir  den 
Verdacht  von  bloßer  e-Prothese  für  mos  zu  einem  dringenden 
zu  steigern.  Ich  stelle  auch  nicht  die  Behauptung  auf,  daß  die 
Vokalprothese  im  Latein,  nur  einen  und  einen  einheitlichen 
Grund  habe,  aber,  insoweit  sie  vor  nasalis  und  liquida  auftritt 
inares,  imerito,  ilociis,  ireddere^  ist  sie  doch  wohl  aus  dem  voka- 
lischen Eigentone  des  anlautenden  Konsonanten  zu  erklären,  und 
man  kann  sich  vorstellen,  daß  sie  aus  ihm  als  eine  Art  Wort- 
auftakt abgespalten  sei.  Man  vergleiche  hierzu  die  gelängte 
Aussprache  des  anlautenden  n  in  dem  nhd.  ungeduldig  ablehnen- 
den nnein  oder  in  dem  gleichfalls  gereizt  betonten  nnu  Ja,  neben 
dem  eine,  glaublich  prothetisch  aufgelöste  Form  mw  Ja  tatsächlich 
vorkommt.  In  dem  Falle  des  metrischen  Bedürfnisses  einer 
anlautenden  Senkung,  das  bei  nös  Lases  iüuäte  nicht  geläugnet 
werden  kann,  wird  man  gegen  die  prothetische  Herkunft  des  e  um 
so  weniger  etwas  einwenden  können  und  die  Form  mos  demnach 
als  eine  vulgäre  und  eine  gelegentliche,  nicht  als  eine  archaische 
und  grundsätzliche  zu  betrachten  haben. 

Über  die  auch  bei  latein.  Grammatikern  noch  bekannte 
ältere  sigmatische  Form  des  Laren-Namens  ist  nichts  zu  be- 
merken. Daß  die  Lares  Ortsgottheiten,  die  des  Carmen  aruale 
i.  b.  die  der  römischen  Gemeindeflur  seien,  hat  Wissowa  Relig. 
d.  Rom.  S.  150  in  überzeugender  Weise  dargetan. 

Am  Eingange  des  folgenden  Langverses  haben  schon  Bergk 
Col.  142  und  Bücheier  Inscriptiones  S.  4  die  gewöhnliche  Wort- 
teilung neue  luerve,  bei  der  wir  uns  Corssens  Betonung  luerve 
S.  92  anmerken  wollen,  verlassen,  das  l  zum  vorhergehenden 
Abschnitt  gezogen  und  in  neuel,  wobei  wir  wieder  Büchelers 
Betonung  ne  uü  behalten  wollen,  im  wesentlichen  eine  andere 
Form  der  negativen  Konjunktion  neue  erblickt,  die  den  Satz  neue . . . 
Marmar  sinas  an  den  vorhergehenden  Lases  iuuate  anknüpfte. 

Auf  dieser  Einteilung  des  Komplexes  beruht  Birts  inter- 
essanter Verweis  S.  190  f.  auf  den  Gebrauch  von  neuel  mit 
folgendem  Konjunktiv  im  Sinne  von  einfachem  ne  in  der 
Augustinusstelle  siquis  tibi  intulerit  mala,  neuel  irascaris  sed  dole 


Das  Carmen  aruale.  153 

potins  . . .,  wonach  er,  der  an  der  Konjektur  *sinas  für  die  beiden 
Lesarten  des  drittnächsten  Wortes  sers  und  sins  festhält,  netiel  . . . 
*sinas  incurrere  mit  caue  . . .  manare  . . .  sinas  eines  Orakels  bei 
Livius  V,  16,  8  hinsichtlich  der  Konstruktion  gleichsetzt. 

Aber  diese  Auffassung  wäre  nur  möglich,  wenn  sowohl 
*sinas  zurechtbestünde,  als  auch  in  uet'ue  das  zu  incurrere  ge- 
hörige Objekt  steckte;  ich  werde  sogleich  entwickeln,  was  es 
mit  diesen  beiden  Annahmen  auf  sich  habe. 

Die  Lesarten  sins  und  sers  stehen  ausgeschrieben  nur  je 
einmal  an  erster  und  dritter  Stelle,  während  an  der  zweiten 
sich  bloß  der  Auslaut  des  Wortes  . . .  ns  darbietet.  Es  ist  be- 
greiflich, daß  der  Wortrest  an  der  zweiten  Stelle  gewöhnlich 
aus  der  Lesart  der  ersten  ergänzt  wird,  so  daß  man  den  Ein- 
druck empfängt,  als  ob  zwei  sins  einem  sers  gegenüberstünden, 
aber  ich  bin  nicht  völlig  darüber  beruhigt,  daß  nicht  ein  Vor- 
urteil auf  die  Lesung  des  nur-  fragmentarisch  vorhandenen  ersten 
Buchstaben  n  in  dem  Komplexe  . . .  ns  eingewirkt  habe.  Sei 
dem  wie  immer,  so  haben  wir  die  Aufgabe,  uns  füi'  sins  oder 
sers  zu  entscheiden  und  die  eine  Eorm  als  einen  Lesefehler  der 
andern  verständlich  zu  machen,  wenn  wir,  was  ich  mit  Bezug 
auf  den  Mangel  eines  zweiten  Beispieles  im  Carmen  aruale 
allerdings  tue,  an  Wortvariation  nicht  glaaben  wollen. 

Für  die  Durchführung  der  Lesart  sins  und  die  Auflösung 
zu  sinas  haben  sich  Grotefend,  Klausen,  Bergk,  Mommsen,  Birt 
entschieden,  für  sers  oder  *seirs  gleich  sonstigem  szris  aus  siueris 
Hermann  (zit.  bei  Pauli  S.  4 — 5)  u.  Corssen,  während  Bücheier 
Inscript.  an  Wortwechsel  *sinas  und  *seiris  zu  denken  scheint. 

Gegen  sins  aus  sinäs  erhebt  sich  nun  das  Bedenken,  daß 
nicht  nur  ein  langer  Vokal  synkopiert  sein  müßte,  sondern  daß 
diese  Synkope  auch  den  Modalcharakter  des  angenommenen 
Verbums  völlig  verwischte ;  denn  sins^  falls  es  überhaupt  von 
sinere  stammen  könnte,  würde  man  wohl  eher  für  sinis  als  sinas 
halten  müssen. 

Das  ist  ja  bei  inschriftlichem  lubs  für  lubens^  das  Birt 
188 — 9  vergleicht  1),  ganz  anders;  die  Kontraktionen  luhs^  lihs 
und  serps  bei  Venant.  Fort.,  vermittelt  durch  luhes  usw.  wie  plebs 
aus  plebes^  saeps  neben  saepes  (Bücheier  Grundriß  S.  12,  Stolz 

1)  Sein  zweites  Beispiel  facs  aus  facies  ist  hinfällig;  die  Appendix 
Probi  Archiv  f.  lat.  Lexikographie  11,  315  weist  vielmehr  facis  als  Vulgär- 
form auf. 


löi  von  Grienberger, 

Histor.  Gramm,  d.  lat.  Sprache  Leipz.  1894 — 5  1,  208),  fallen, 
insoweit  sie  überhaupt  sprachliche  und  nicht  bloß  graphische 
Kürzungen  sind,  in  eine  Kategorie  von  typischen  Auslaut- 
kürzungen, so  daß  ihre  Durchsichtigkeit  dem  Sprachbewußtsein 
niemals  abhanden  kommen  konnte,  und  sie  verlieren  durch  die 
Kürzung  nichts  an  ihrer  grammatischen  Qualität,  denn  der  Nom. 
Sing,  ist  an  der  gekürzten  Form  set'ps  z.  B.  ebenso  unzweifelhaft, 
wie  an  der  vollen  serpens.  Aber  an  sins  wäre  der  Konjunktiv 
nicht  zu  erkennen  und  eine  vorhergehende  Kürzung  der  ver- 
balen Flexion  -äs  zu  -äs  durch  keinerlei  analoge  Vorgänge  gestützt. 
Ich  bin  auch  nicht  der  Ansicht,  daß  das  System  ne  .  . .  sinäs 
so  stark  wirkte,  um  auch  noch  in  einem  gekürzten  ne  . . .  sins 
die  konjunktivische  Funktion  des  Verbums  selbstverständlich  er- 
scheinen zu  lassen. 

Gegen  die  Geltung  von  sers  als  siris  spricht  die  graphische 
Darstellung.  Der  Wechsel  von  i  und  e  in  pleoris^  pleores  ist  nicht 
vergleichbar,  da  es  sich  hier  um  paradigmatischen  Wechsel  in 
nachtoniger  Silbe  handelt,  der  von  simunis  neben  semunis  eben- 
sowenig, da  hier,  wenn  nicht  überhaupt  nur  ein  Lesefehler  vor- 
liegt, umgekehrt  langes  e  der  Hauptforra  zugebilligt  werden  muß, 
das  an  dritter  Stelle  einmal  mit  t  gegeben  ist. 

Es  scheint  mir  daher  des  Versuches  wert,  von  sers  aus- 
zugehen, so  wie  es  dasteht,  und  sins  als  einen  Kopierfehler 
des  Steinmetzen  zu  erklären.  Angesichts  der  unter  diesen  Ge- 
sichtspunkt fallenden  Verstöße  innerhalb  des  Textes  der  Tafel 
zum  Jahre  218  (CIL  6,  2164):  traetextati,  tost  (p),  epulap^  luniap 
(s),  dlvisa^  Avltianus  («'),  otiis  {11)^  extn  (as),  cathedivs  (n),  cacerunt  {v) 
wird  dies  nicht  allzu  gewagt  sein.  Diese  Art  Unrichtigkeiten 
sind,  insoweit  sie  in  den  Buchstabenformen  der  Steintafel  selbst 
begründete  Lesefehler  sind,  schon  von  Edon  Restitution  et 
nouveUe  Interpretation  du  chant  dit  des  freres  arvales  1882  und 
nach  ihm  von  Pauli  S.  18  ff.  als  Lesefehler  aus  einer  Vorlage 
in  Kursive  und  zwar  von  dem  ersteren  auf  Grund  der  der 
pompeianischen  Wandschriften,  von  dem  zweiten  nach  der 
Wachstafelkursive  CIL  III,  2  S.  921  ff.  erklärt  worden.  Das 
letztere  gewiß  mit  höherem  Rechte,  denn  daß  die  gleichzeitig 
mit  den  festlichen  Handlungen  angefertigten  Protokolle  und  für 
das  Lied  die  Libelli  der  Feldbrüder  notwendig  die  Vorlage  des 
Steinmetzen  gewesen  sein  müssen,  ist  klar,  und  daß  sie  Wachs- 
tafeln waren,   ist  zum  mindesten   sehr  wahrscheinlich. 


Das  Carmen  aruale.  155- 

In  der  Tat  erklärt  die  eine  Form  desPder  dacischen  Urkunden 
mit  geradlinig  abdachender  oberer  Hasta  ohne  weiters  die  Ver- 
wechslung von  t  für  p  während  iu  für  ri,  cer  für  uer  aus  den 
Ligierungen  dieser  Schrift  begriffen  werden  könnten,  doch  sollte 
man  für  das  s  der  Vorlage  allerdings  eine  etwas  abweichende, 
d.  i.  weniger  nach  unten  ausgeschwungene  Form,  als  die  der 
dacischen  Urkunden  ist,  voraussetzen. 

Das  e  dieser  Kursive  hat  durchgängig  die  alte  Form  von 
2  parallelen  aufrechten  Hasten,  die  aber  im  Ductus  zumeist  von 
links  oben  nach  rechts  unten  schief  abfallend  einsetzen ;  es  werden 
Hasten  ligiert,  so  daß  z.  B.  in  dem  Komplexe  um  oder  en  die 
erste  Haste  des  m  oder  n  mit  der  zweiten  des  ti  beziehungsweise 
e  zu  einem  graphischen  Gebilde  verschmolzen  ist.  Die  Buchstaben- 
folge er  wird  auch  bei  zwischenliegender  Worttrennung  so  aus- 
gedrückt, daß  die  erste  aufrechte  Hasta  des  r  als  rückgewendeter 
Abstrich  unten  an  die  zweite  des  e  gehängt  ist,  so  daß  die  Ligatur 
statt  4  nur  3  Hasten  auf  der  Zeile  enthält.  Da  nun  der  An- 
strich des  N  sich  iu  Form  und  Stellung  ganz  ähnlich  dieser  an- 
gehängten ersten  r-  Hasta  verhält,  so  treten  sich  innerhalb  dieser 
Majuskelkursive  die  Komplexe  er  und  in  graphisch  so  nahe, 
daß  sie  bei  allen  grundsätzlichen  Unterschieden  doch  gelegent- 
lich für  einander  verlesen  werden  können.  Ich  will  nicht  so 
weit  gehen,  zu  behaupten,  daß  die  Verlesung  von  er  zu  in  wahr- 
scheinlicher sei,  als  die  umgekehrte,  obwohl  ich  diesen  Eindruck 
habe,  aber  daß  sers  die  richtige  Lesung  sei,  ist  möglich  und 
nur  die  Frage,  ob  die  Erklärung  des  Textes,  die  sich  aus  ihr 
ergibt,  diese  Annahme  zu  rechtfertigen  vermöge. 

Ich  fasse  sers  nicht  als  Verbalform,  sondern  als  attributives 
zu  Marmar  gehöriges  Adjektiv  lat.  serus  mit  jener  Synkope  des 
Elexionsvokales  u  (o),  die  im  Oskischen  und  Umbrischen  Regel, 
vgl.  osk.  hürz  'hortus',  Bantins  'ßantinus',  umbr.  pihaz  'piatus', 
termnas  'terminatus'  Planta  Gramm,  der  osk.  umbr.  Dial.  Straßburg 
1897,  2,  100,  lat.  zum  mindesten  in  der  alten  Rechtsformel  dare 
damnäs  esto,  sowie  in  epigraph.  termins  neben  terminus  CIL,  1, 
199,  15,  Bücheier  Grundriß  S.  24  behauptet  werden  darf,  wenn 
auch  Stolz  1,  207  die  Form  termins  nur  als  graphische  Kürzung 
gelten  lassen  wollte  und  in  jüngster  Zeit  von  Vetter  für  damnäs 
eine  Erklärung  als  Infinitiv  gleich  fäs  vorgeschlagen  wurde. 

Ich  wende  mich  zu  neuil  zurück,  das  ich  nicht  mehr  als 
negative  Konjunktion,  wozu  es  in  dem  von  Birt  S.  190  zitierten 


156  von  Grienberger, 

Yers  neu  desis  operae  neuel  immoderatus  abundes  Horaz  Sat.  2, 
5,  89  allerdings  geworden,  sondern  als  Verbalform  und  zwar 
als  alten  Imperativ  von  neuelle,  nolle  im  Sinne  von  noli  betrachte. 
Ich  verbinde  demgemäß  neuM  .  .  .  incurrere  gleich  noli  .  .  .  in- 
currere  mit  der  intransitiven  Bedeutung  dieses  Verbums  'herein- 
brechen, einh erstürmen',  die  ganze  Phrase  *noli  .  .  .  serus  in- 
currere 'wolle  nicht  verspätet  einherstürmen',  gerichtet  an  Marmar 
oder  Mars  als  physikalischen  Wettergott,  veie  der  vorhergehende 
Imperativ  iuuate  an  die  Lases,  gesagt  mit  Rücksicht  auf  die 
Jahreszeit  Ende  Mai  und  das  bevorstehende  Reifen  der  Saaten. 
*Serus  incurrere  erläutert  sich  aus  den  bei  Georges  verzeichneten 
Beispielen  mit  adverbialer  AVirkung:  uenis  serus,  serus  abi  Ov., 
sera  assurgis  Verg.,  serus  uersare  boues  Prep.  3,  5,  35,  die  Syn- 
kope des  u  in  sers  kann  man,  wenn  man  die  angeführten  Ana- 
logien nicht  gelten  lassen  wollte,  ohne  Schwierigkeit  auch  als 
eine  dem  metrischen  Bedürfnis  genügende  ad  hoc  erklären. 

Das  zwischen  neud  und  Marmar  stehende  Wort  mit  aus- 
lautendem e  ist  notwendig  ein  attributives,  zum  Vokativ  des 
Gottnamens  gehöriges  Adjektiv.  Doch  beginnt  es  keineswegs 
mit  u,  sondern  schon  deshalb  mit  dem  haplographischen  l  des 
Komplexes  neueluerue^\  weil  die  metrische  Betonung  neuel  Po- 
sitionslänge erfordert  und  mit  konsonantisch  anlautendem  *iierue{s\ 
so  nach  Birts  Meinung  S.  173,  ein  gerundeter  und  einfacher 
Sinn  des  Verses  nicht  zu  erzielen  ist.  Ich  behaupte  demnach 
*lüerüe  sei  Vokativ  eines  Adj.  ^lüerüiis.  Schon  Bücheier  Index 
schol.  S.  4  dachte  an  die  Möglichkeit  eines  Vokativs:  'facilius 
equidem  rue  uocatiuum  esse  crediderim  cum  dei  nomine  coniun- 
gendum,  etiamsi  enim  ruus  fluus  similia  per  analogiam  non 
admitti  solent  nisi  in  compositis,  usurparunt  tamen  antiqui 
scius  .  .  .',  nur  daß  er  nicht  an  die  eines  Compositums  mit 
-rüus  dachte,  dessen  erster  Teil  nichts  anderes  als  das  schon 
von  Lanzi  (zit.  bei  Pauli  S.  3)  in  dem  vermeintlichen  Komplexe 
luerve  gesuchte  Wort  lües  ist,  das  ja  auch  aus  den  Erklärungen  der 
Grotefend,  Klausen,  Corssen,  Mommsen  nicht  mehr  verschwunden 
ist.  Da  bei  den  Kompositionen  mit  einem  Worte  der  e-Dekli- 
nation  im  ersten  Teile  wie  jedesfalls  fide-didor,  -iussor  und  viel- 
leicht auch  bei  den  Temporaladverbien  die-pristitie,  die-pristini  u.  a. 


1)  Vgl.  die  von  Birt  S.  190  zitierte  Haplographie  uelineis  d.  i.  *uel 
lineis  aus  dem  Pentateuch  cod.  Lugdun.  ed  Robert,  S.  223,  12. 


Das  Carmen  aruale.  157 

das  thematische  e  als  Fugenvokal  erscheint,  so  wie  das  thematische 
a  in  capredginus  Plaut,  fabäginus  Cato,  ist  gegen  Hüerüus  formell 
nichts  einzuwenden.  Wir  werden  das  Wort,  da  rüere  zuweilen 
transitiv  gebraucht  wird,  vorwiegend  aber  allerdings  intransitiv 
ist,  weniger  wahrscheinlich  als  luem  ruens,  sicherer  als  cum  lue 
ruens  verstehen  und  mit  'verderblich  einherstürzend,  herein- 
brechend' oder  abgeschwächt  bloß  'verderblich'  übersetzen  dürfen. 
Das  Verbaladjektiv  verhält  sich  wie  congruus,  mellifluus,  influus 
zu  congruo  und  /?mo,  deren  Wert  sich  mit  dem  der  partizipialen 
Bildungen  congruens^  mellifluens,  influens  deckt.  Die  Tonstelle 
des  Wortes  kann,  auch  metrisch,  nur  auf  dem  Kompositionsvokal 
ruhen  •^j.^'^^  und  es  ergibt  sich  demnach  für  das  Ganze:  neuel 
lüerüe  Märmär,  d.  i.  genau  die  Messung,  die  Birt  S.  162  Note, 
allerdings  mit  abweichender  AVorttrennung  *neue  Im  rue  er- 
schlossen, jedoch  verworfen  hat. 

Es  kann  nicht  entgehen,  daß  luerue  Marmar  nur  eine 
andere  Fassung  von  fere  Mars  des  folgenden  Langverses  ist, 
aber  es  ist  denkbar,  daß  in  dem  zusanunengesetzten  Adjektiv 
die  erste  Bedeutung  des  ursprünglichen  Nomen  actionis  Ines 
'sich  ausbreitende  unreine  Flüssigkeit,  geschmolzener  Schnee' 
noch  voll  verstanden,  in  ihm  also  der  meteorologische,  Sturm 
und  Regen  bringende  Mars  mit  einem  Bilde  von  lebendiger 
Anschaulichkeit  geschildert  ist.  Das  ae  für  e  der  ersten  Stelle 
luaerue  ist  rein  orthographisch:  der  Wechsel  von  ae  und  e  tritt 
in  den  Inschriften  seit  dem  2.  Jahrh.  u.  Z.  als  dauernde  Er- 
scheinung auf,  Rosenstock  Die  Akten  der  Arval-Brüderschaft 
S.  23 ;  ae  für  e  weist  derselbe  in  dem  Worte  saenatus  schon  zum 
Jahre  89  in  diesen  Akten  nach. 

Es  erübrigt  noch  eine  Erklärung  von  in  pleores,  worin 
man  im  Zusammenhange  der  gewonnenen  Einsicht  ein  Rich- 
tungsobjekt mit  der  Bedeutung  'Saaten,  stehende  Feldfrucht' 
vermuten  könnte,  sodaß  die  Konstruktion  sich  wie  etwa  incurrere 
in  Romanos,  in  Macedoniam  u.  dgl.  verhielte.  Aber  ein  Subst. 
*pleor,  das  zu  com-  im-  pleo,  plenus  gehörte  und  wie  fluor,  cruor, 
ador,  calor  abgeleitet  wäre,  gibt  es  nicht,  und  es  ist  der  näher 
liegenden,  schon  von  Marini,  Klausen,  Bergk,  Mommsen,  Lindsaj 
berücksichtigten  Möglichkeit  gegenüber,  die  Form  pleores  mit 
alat.  ploeres  gleichzusetzen  nicht  angebracht,  ein  Substantiv 
*pIeor,  Plural  *pleores,  das  etwa  'Erntefülle,  copiae'  bedeuten 
könnte,  zu  verteidigen.     Es   muß   wohl   beim  Komparativ   sein 


158  von  Grienberger, 

Beweaden  haben,  nur  daß  die  Bedeutung,  die  Birt  S.  167  aus 
der  Redensart  abire  ad  plures  bei  Petronius  gleich  'sterben'  und 
ähnlichem  abgezogen  hat,  innerhalb  meiner  Erklärung  nicht 
Platz  finden  kann. 

Die  formelle  Seite  des  Komparativs  ist  mir  von  geringem 
Belange,  doch  glaube  ich  freilich  nicht  an  die  auf  Schleicher 
und  Corssen  zurückgehende  Erklärung,  eines  3  silbigen  pleores 
aus  *ple-iöses^  gegen  die  schon  Jordan  S.  194 ff.  Stellung  nahm, 
während  Stolz  S.  165  und,  etv^'as  anders  abgetönt,  Birt  S.  191 
sich  neuerlich  dafür  einsetzen.  Ich  vertrete  vielmehr  die  An- 
sicht, daß  pleores  nichts  anderes  als  verkehrte  Schreibung  für 
ploeres  sei,  entsprechend  der  archaistischen  Form  inploera  Cic. 
De  leg.  3,  3,  6. 

Vielleicht  nicht  unbelehrend  für  den  Fall  lat.  eo  für  oe, 
gesprochen  5,  ist  die  vollkommen  einstimmende  gelegentliche 
ags.  Darstellung  des  Monophthongs  oe  mit  eo  wie  urkundl. 
meodren,  feo,  beoc  an  Stelle  von  möedren,  föe,  böec  Siev.  ags. 
Gramm.  §  27  und  wie  diese  ags.  verkehrte  Schreibung  damit  zu- 
sammenhängen kann,  daß  in  der  Aussprache  gar  nicht  mehr  oe, 
sondern  der  entrundete  Laut  e  gehört  wurde,  so  kann  sich  das 
auch  bei  pleores  verhalten.  Es  ist  also  pleores  keine  archaische, 
sondern  eine  archaisierende  Schreibung  für  gesprochenes  *pleres, 
die  in  den  Mitteln  der  wahren  archaischen  Schreibung  fehl- 
gegriffen hat. 

Grammatisch  ist  *in  plüres  nichts  anderes  als  ein  elliptischer 
adverbialer  Ausdruck,  der  etwa  auf  *in  plures  uices  beruht  und 
hinsichtlich  seiner  Form  und  Vereinfachung  durch  die  bekannten 
Adverbia  insemel  'auf  einmal',  paulis,  imprimis,  plerumque,  alternä, 
alternis  (die  letzteren  wohl  a.  uice,  a.  uicibus)  oder  durch  nhd. 
Bildungen  des  weiteren,  ohne  weiters,  des  mehreren,  des  längern, 
im  kurzen  erläutert  werden  darf.  Und  keine  andere  Bedeutung 
als  'des  weiteren,  noch  weiter,  noch'  schreibe  ich  dem  Adv.  in 
plures  zu,  so  daß  der  ganze  Vers  mit  dem  ebenso  einfachen 
als  genügenden  Satze  'wolle  nicht  verderbenbringender  Marmar 
verspätet  noch  einherstürmen'  wiedergegeben  werden  kann. 
Das  setzt  voraus,  daß  der  Gott  der  Frühlings wetter  vorher  her- 
einbrechend Schaden  gebracht  habe  und  der  am  Ende  des  Mai 
ausgesprochene  Wunsch,  er  möge  das  nunmehr  zum  Heile  der 
Saaten  unterlassen,  ist  vollkommen  am  Platze. 

Deshalb  kann  ich  es  auch  keineswegs  für  gesichert  halten, 


Das  Carmen  aruale.  159 

daß  der  Satz  satur  fu  fere  Mars^  der  den  ersten  Teil  des  fol- 
genden Langverses  darstellt,  sich,  wie  Birt  S.  178  meint,  entweder 
auf  die  selbstgeholten  oder  besser  auf  dargebrachte  Opfer  be- 
ziehe, wenn  man  gleich  versucht  wäre,  diese  Anrede  mit  der 
des  Marsgebetes  zu  Gelegenheit  der  Ackerlustration  bei  Cato :  Mars 
pater  .  .  .  macte  hisce  suovitaurilibus  .  .  .  esto,  insbesondere  mit 
Hinblick  auf  den  daselbst  folgenden  Passus  Mars  pater^  siquid 
tibi  in  illisce  suovitaurilibus  ladentibus  neque  satisfactum  est^  te 
hisce  suovitaurilibus  piaculo,  in  Beziehung  zu  bringen ;  denn  der 
Umstand,  daß  beim  Fest  der  dea  Dia  keines  Marsopfers  gedacht 
wird,  bewiese  nichts  dagegen,  daß  das  Cannen  ursprünglich 
mit  einem  solchen  verbunden  gewesen  wäre.  Der  Unterschied 
ist  nur  der,  daß  das  Gebet  bei  Cato  das  Opfer  eben  ausdrücklich 
namhaft  macht,  während  das  kahle  satur  fu  auch  als  satur  in- 
currendi  verstanden  werden,  ja,  da  nun  einmal  Mars  hier  wie 
bei  Cato  als  Gott  der  Fruchtbarkeit  funktioniert,  der  die  Semones, 
die  Saatgenien  herbeizurufen  gebeten  wird,  selbst  nach  den  von 
Corssen  S.  95  zusammengetragenen  Parallelen  saturum  rtis,  prae- 
sepia  satura,  saturae  messes^  satur  auctumnus^  lanx  satura^  d.i.  'frucht- 
beladene  Schüssel',  als  'sei  fruchtbar'  erklärt  werden  kann,  ob- 
schon  Corssen,  der  fufere  noch  für  einen  Infinitiv  hielt,  das 
Adj.  nicht  auf  Mars  bezog,  sondern  zu  satur  ein  sachliches  Sub- 
stantiv hinzugedacht  wissen  wollte.  Satur  fu,  'sei  fruchtreich', 
enthält  meiner  Meinung  nach  die  positive  Aufforderung  zu  einer 
Leistung  an  Mars,  die  sich  der  vorhergehenden  Aufforderung 
zu  einer  Unterlassung  als  naturgemäße  Steigerung  anschließt. 
Der  Imperativ  fu  ist  zuerst  von  Bergk  nach  einer  Idee  Hermanns, 
der  fufere  als  fueris  gedeutet  hatte,  zit.  bei  Pauli  S.  4 — 5,  richtig 
verstanden  und  auf  Grund  von  osk.  fufans  'eraut',  umbr.  futu 
'esto'  bestimmt  worden.  jS'ach  lat.  füam,  före  Birt  S.  176  wird 
es  angemessen  sein,  den  Yokal  des  Imperativs,  zu  dem  Bücheier 
Index  schol.  S.  4  griech.  öeiKvu  verglichen  hat,  als  kurz,  also 
/m,  anzusetzen. 

An  der  unmittelbaren  Verbindung  des  Attributes  ferus  zu 
Mars,  mit  der  angenommenen  Aufforderung  an  ihn,  fruchtbar 
zu  sein,  nehme  ich  keinen  Anstoß,  da  ja  dieses  Beiwort  ein 
herkömmliches  ist,  wie  denn  schon  Bergk  auf  fero  Marti  Ov. 
Fast.  4,  25,  Mars  ferus  Herold.  7,  160  verwiesen  hat.  Bezieht 
man  das  Adj.  hier  auf  die  meteorologische  Seite  des  Gottes,  so 
ist  von  einem  Widerspruche  nicht  die  Rede. 


160  von  Grienberger, 

Die  Form  furere  an  erster  Stelle  des  Textes  wollte  Jordan 
S.  208  als  'unwillkürliche  Konjektur'  betrachtet  wissen.  In  Wirk- 
lichkeit ist  sie  ein  barer  Lesefehler  des  völlig  unkritisch  über- 
tragenden Steinmetzen,  der  an  Stelle  des  kursiven  f  ein  r  ge- 
sehen hat.  Kursive  Formen  des  f  mit  nur  einer  und  zwar  rechts 
abdachenden  Seitenhasta  statt  den  zwei  des  gewöhnlichen  Buch- 
staben alat.  p ,  die  also  mit  r,  verwechselt  werden  können,  sind  in 
der  Kursive  der  Pompeianischen  Wandschriften  hinreichend  be- 
glaubigt. 

Die  beiden  dem  ersten  koordinierten  Imperativsätze  des  Verses 
Urnen  sali,  sta  berber  müssen  sich,  da  wir  salire  wie  stare,  der  nächsten 
Wahrscheinlichkeit  folgend,  als  Intransitiva  zu  erwarten  haben, 
wohl  an  neue  Subjekte,  d.  i.  Urnen  und  berber  wenden.  Was  das 
zweite  Wort  betrifft,  kann  ich  nicht  zweifeln,  daß  es  mit  dem  be- 
kannten Neutrum  uerber  gleich  sei,  nur  daß  sein  Anlaut  mit  ortho- 
graphischem b  statt  u  dargestellt  ist.  Diese  vulgäre  Schreibung, 
die  aus  den  Formen  berbeces^  uerbeces  für  tierueces  'Hammel'  der 
Arvalakten,  oder  biclus  CIL.  10,  1589  neben  uidus,  uitulus 
Append.  Probi  Archiv  für  lat.  Lexikogi-.  11,  303  bekamit  ist, 
tritt  nach  Rosenstock  S.  14  zusammen  mit  der  selteneren  um- 
gekehrten Schreibung  m  füi'  b  in  diesen  Akten  seit  dem  Jahre 
164 — 69  auf,  so  daß  man  die  Anfertigung  der  Vorlage  des 
Steinmetzen  v.  J.  218,  der  Libelli,  keineswegs  in  sehr  alte  Zeit 
hinaufzurücken  berechtigt  ist.  Der  Schlüssel  zum  Verständnis 
des  Wortes  im  Carmen,  das  Mommsen  CIL.  1  S.  9  für  einen 
apokopierten  Imperativ  *uerbere  statt  uerbera  gehalten  hat,  während 
es  Bücheier  Ind.  schol.  S.  4  allerdings  als  Subst.  erkannte,  aber 
wenig  glücklich  mit  'flagellum'  übersetzen  wollte,  ist  doch 
wohl  schon  bei  Fick  2  3,  247  gefunden,  der  lat.  uerber  mit  litt. 
icifbas  m.  'Reis  eines  Strauches,  Gerte',  mrbalas  m.'dünnes  Stäbchen, 
Strichnadel,  Prickel'  (Kurschat),  aksl.  vrüba  f.,  nsl.,  s.,  c.  vrba, 
klr.,  wr.,  r.  verba  'salix'  Miklos.  383  zusammenstellt  und  die 
Bedeutung  'Schlag',  Plur.  uerbera  'Prügel'  ebenso  vom  Instrumente 
ausgehen  läßt,  wie  dies  bei  dem  nhd.  Prügel  der  FaU  ist.  Die 
bedeutungsgeschichtliche  Analogie  des  Verbums  uerberare  zu 
deutschem  prügeln,  geißeln,  peitschen^  die  Rute  geben,  sämtlich 
vom  Werkzeuge  ausgehend,  ist  überzeugend.  Daß  lat.  uerber 
ursprünglich  s-Stamm  sein  und  sich  wie  ueter  neben  uetus, 
Bücheier  G-rundr.  S.  17,  verhalten  müsse,  ergibt  sich  ebensowohl 
aus   dem   von  Bücheier  Index,  schol.  S.  4  verglichenen  Worte 


Das  Carmen  aruale.  161 

subuerbustus^},  als  auch  aus  uerhenae:  uerhenas  uocamus  omnes 
frondes  sacratos  ut  est  laiirus,  oUiia  tiel  myrtus  Serv.,  sonst  als 
'Maien,  junge  belaubte  Baumzweige'  erklärt,  da  uerhena  augen- 
scheinlich auf  *uerbesna  zurückgeht,  wie  uenenum  auf  *uenesnom. 
In  unsemi  Falle  ist  uerber  entweder  'Reis'  eines  Baumes  oder 
'Schößling'  einer  Kulturpflanze,  ja  es  Wcäre  w^ohl  denkbar,  daß 
es  im  besonderen  auf  den  'Halm'  der  stehenden  Feldfrucht  sich 
bezöge.  Die  Meinung  des  Satzes  sta  uerber  'steh,  Reis,  Schößling, 
Halm!'  ist  klar,  sta  ist  gleich  'bleib  stehen',  d.  h.  werde  nicht 
vom  Sturm  und  Unwetter  gebrochen  oder  niedergelegt. 

In  Urnen,   das  er  gewiß  mit  Recht  als  Vokativ  faßt,   hat 
Birt  S.  182  sehr   ansprechend   ein  zu  liqueo,   lixa  'Wasser'  ge- 
höriges, verschollenes  "Wort  für  diesen  Begriff  gesucht,  nur  daß 
seine  Konstruktion    nicht  zutrifft,   da  wir  nach    dem   von   ihm 
verglichenen  lümen,  das  nicht  auf  *lucmen,  sondern  gleich  lüna 
aus  *louxna,  praenestin.   losna  Archiv  f.  lat.  Lex.  11,  436,  apr. 
lauxnos   'Sterne'    auf   Houcsmen    beruht,    richtiger    Hiqsmen   als 
Grundform  aufzustellen  hätten.    Nach  der  vorzitierten  Stelle  ist 
ja  die  Ursache  für  den  Schwund  der  Gutturalis  in  einem  fol- 
genden s  gelegen.  Um  so  ansprechender  wäre  diese  Erklärung 
als   Birt  S.  181   zeigt,   daß   salire   ein   verbreiteter   technischer 
Ausdruck  für  das  Entspringen   von  Quellen  ist.    Dazu   kommt, 
daß  Paarung   und  Kontrast   der   Sätze   'entströme  Quell,    bleib 
stehen  Reis!'  stilistisch   wie  inhaltlich   empfohlen,   ein   schönes 
Bild  für   das  im  reifen  Lenze  zum  Gedeihen  der  Früchte  Not- 
wendige  böte.    Aber  der  Zweifel  an  dem  Bestände  eines  alten 
Wortes  Urnen  'Wasser,   Quelle'  ist   doch  nicht  zu  bannen,  und 
aus   dem   Umstände,   daß  saUre  vom  Aufspringen    der  Quellen 
gebraucht  wird,  folgt  so  wenig  wie  etwa  für  das  ähnliche  surgere, 
daß  es  notwendig  auf  diese  besondere  Beziehung  eingeschränkt 
sein   müsse.    Man   kann   saUre  auch  in   dem  Sinne   von    engl. 
*to  spring  forth',   d.  i.  'hervor  wachsen,    entsprießen,  sprossen', 
also  wie  'procrescere'  verstehen  und  für  Urnen  'Schwelle',  dessen 
begriffliche  Entwickelung  zu  'Grenze,  Grenzgebiet'  bekannt  ist, 
nach    ahd.    marcha   auch   eine  Bedeutung    'Land,   Flur,   Feld- 
mark' geltend  machen,  so  daß  in  den  Sätzen  'entsprieße  Feld- 
mark, bleib  stehen  Reis!'  oder  'Halm'  eine  zeitliche  Folge  der 

1)  Dieses  Plautische  Wort  ist  bei  Forcellini  gleich  uerbero  'Schlingel, 
Schurke'  erklärt,  gleichsam  ein  Kerl,  der  Prügel  verdient.  Ähnlich  wohl 
das  nhd.  dial.  'ein  gehauter  Kerl'  für  einen  Spitzbuben. 

Indogermanische  Forschungen  XIX.  H 


162  von  Grienberger, 

Vorgänge  des  Wachsturas  sieh  spiegelt,  deren  erster  Teil  auch 
im  Mai,  wenigstens  rückblickend  und  zusammenfassend  noch 
gesagt  werden  kann,  abgesehen  davon,  daß  ja  die  verschiedenen 
Feldfrüchte  verschiedene  Wachstumsperioden  und  Reifezeit  haben 
und  daß  salire  nicht  notwendig  gerade  ein  erstes  Aufkeimen 
bezeichnen  muß.  Sachlich  scheint  der  Vers  einen  Ausschnitt 
des  Gebetes  bei  Cato  Mars  pater  te  precor  .  .  .  uti  sies  uolens 
propitius  .  .  .  quoius  rei  ergo  agrum  terram^  fundumque  meiim 
movitaurilia  circiimagi  iussl  .  .  .  utique  tu  fruges,  frumenta^  uineta^ 
uirguUaque  grandire  beneque  euenire  siris  ...  zu  enthalten,  wobei 
Urnen  an  ager,  terra  fundusque^  salire  an  grandire,  uerher  an 
fruges  frumenta,  uineta  uirgidtaque  gemahnt. 

Das  wichtigste  in  dem  folgenden  mit  Semunis  eingeleiteten 
Langverse  ist  die  Sicherstellung  der  Verbalform,  die,  das  ist  ja 
deutlich,  in  aduocapit  gelegen  sein  muß.  Diese  Form  aber  könnte 
als  solche  genommen,  nur  die  3  Sing.  Futuri  von  aduocare  sein, 
wobei  sich  gegen  das  p  für  b  schwerwiegende  Bedenken  nicht 
erhöben;  denn,  wenn  man  schon  dem  falisk,  cupat  oder  dem 
Sabin,  alpus  keine  Beweiskraft  beimäße,  so  müßte  doch  das  lat. 
propom  der  Münze  von  Beneventum  CIL  1,  19  neben  probom 
einer  Münze  von  Suessa  ebda  1,  16  und  neben  argentum  probum 
bei  Liv.  32,  2,  1  (Schneider  S.  1)  sowie  der  Torso  hap  ...  zu 
habere  auf  dem  Cippus  vom  Forum  Romanum  Archiv  f.  lat.  Lex. 
11,  432  genügen,  eine  lat.  Schreibung  mit  p  für  b  zu  stützen. 

Aber  affirmatives  aduocabit  'er  wird  herbeirufen'  entbehrt 
des  Subjektes,  affirmatives  aduocabitis  ist  wegen  des  beispiellosen 
Endungsabfalles  formell  nicht  zulässig;  beide  wären  außerdem 
in  dem  durchaus  auf  Imperative  gegründeten  Texte  des  Liedes 
stilwidrig.  Dagegen  gewinnt  das  ganze  Gefüge  Anschaulichkeit, 
wenn  wir  in  unsere  SteUe  zwar  keinen  Imperativ  Futuri  *aduo- 
cabite,  den  es  nicht  gibt  und  für  den,  wie  schon  Bergk  urgierte, 
einfaches  adiiocate  völlig  genügt  hätte,  hineinkünsteln,  wohl 
aber  aus  dem  gegebenen  Komplexe  einen  Imperativ  aduoca, 
der  materiell  an  Marmar-Mars  gerichtet  ist,  abschneiden  und 
semunis  . . .  aduoca  . . .  conctos  'ruf  alle  Saatgeister  herbei'  inter- 
pretieren. Dann  erklärt  sich  alternei  leicht  mit  Jordan  S.  209 — 10 
als  temporales  Adverbium  auf  -f  wie  die  nöni,  diepristmi,  die- 
crastini,  diequarti  'am  neunten,  ersten,  morgigen,  vierten  Tage' 
und  wäre  im  Sinne  dieser  als  die  alterno  'an  jedem  der  auf- 
einanderfolgenden Tage*  zu  verstehen,  d.  h.  sein  Wert  deckte 


Das  Carmen  aruale.  163 

sich  mit  'quotidie',  oder  es  ist  trotz  seiner  besonderen,  außer 
den  vorzitierten  temporalen  nur  bei  lokalen  Adverbien,  wie 
ibi{ei),  ubi{ei),  Uli,  istt,  In  falisk.  hei^  begegnenden  Form  gleich 
'alternatim,  alternis',  deutsch  etwa  'in  wechselnder  Folge'  zu 
verstehen.  Und  diese  Auffassung,  die  auf  die  verschiedenen 
zeitlich  aufeinanderfolgenden  Wachstumsvorgänge,  oder  vielleicht 
auch  auf  die  verschiedene  Keifezeit  der  Früchte  abzielte,  könnte 
man  vielleicht  für  besonders  empfohlen  halten.  Das  ei  für  i  des 
Adverbiums  ist  ein  verspäteter  Rest  früherer  Orthographie,  eidus 
für  idus  findet  sich  in  den  Akten  zum  Jahre  14  Henzen  S.  XXIX, 
und  nach  den  Aufklärungen  bei  Bücheier  Grundriß  38  gleich  i 
zu  sprechen,  die  Lesart  aUernie  an  dritter  Stelle  erklärt  sich 
leicht  aus  der  vorausgesetzten  Majuskelkursive  der  Libelli,  in 
der  ei  wie  ie  als  3  aufrechte  parallele  Hasten,  nur  mit  ver- 
schiedenen Hauptdistanzen,  nach  der  zweiten  in  dem  einen  III, 
nach   der  ersten   in  dem    andern  Falle  III,   erschemen   mußten. 

Pit  aber  ist  meiner  Meinung  nach  eine  Kurzform  aus  Mas- 
piter^  beziehungsweise  einem  aus  diesem  abgelösten  *piter  als  Anrede 
an  Mars.  Es  ist  dabei  weniger  von  Bedeutung,  auf  die  vokalische 
Kürzung  patr  CIL  1,  130,  oder  auf  die  konsonantische  falisk. 
mafe  Schneider  105  Bezug  zu  nehmen,  obwohl  die  gesprochene 
Vorstufe  von  pit  ein  gekürztes  *2^itr  oder  *pite  gewesen  sein 
könnte,  es  genügt  vielmehr  auf  die  bekannte  vokativische  Kürzung 
lat.  pol  für  Pollux  zu  verweisen,  die  uns  jnt  aus  *piter,  Maspiter 
hinreichend  glaublich  erscheinen  läßt.  Damit  haben  wir  das 
Subjekt  für  adiioca  gewonnen  und  die  Erklärung  des  Yerses, 
dessen  Yerbum  nicht  als  'inuocare',  das  paßt  nicht  für  den  Gott, 
sondern  eher  als  'conuocare'  zu  verstehen  ist,  läßt  keine  Lücke  offen. 

Das  ü  in  Semunis  besonders  zu  rechtfertigen,  könnte  fast 
überflüssig  erscheinen.  Es  findet  sich  nicht  nur  in  demselben 
"Worte  in  paelign.  samracma;  Semunu  des  Gebetes  von  Corfinium^), 
sondern  auch  sonst  für  ö  in  der  gleichen  Stellung  vor  n :  falisk. 
Nom.  Petrimes,  praenestin.  Terebuni  Schneider  S.  106,  19,  wozu 
vulgärlateinische  Beispiele  bei  Schuchhardt  2, 105 — 6  ebensowenig 
fehlen  als  romanische  ün  ausö«.  Die  Lesung  simunis  an  dritter  Stelle 


1)  Mit  Abzug  der  Sekundärvokale  ergibt  sich  für  das  paelign.  Wort 
Triesterin'  die  Form  *sacracrix,  die  denselben  Übergang  von  t  zn  c  vor 
Liquida  zeigt,  der  in  vulgärlat.  cracli,  capidum,  ueclus,  uiclus  für  glatri. 
capitulum,  uetulus,  iiitulus  App.  Probi  in  Archiv  f.  lat.  Lexikogr.  11, 
301 — 31  eingetreten  ist. 

11* 


164  von  Grienberger, 

kann  als  Lesefehler:  Übersehen  einer  der  beiden  e-Hasten,  aber  nach 
cinsum  für  censum  Schneider  S.  88  auch  lautlich  erklärt  werden. 

Das  Vei'hältnis  von  semo^  semönis  zu  dem  Neutrum  seme»?  (hier- 
über Jordan  S.  206,  Pauli  S.  64)  ist  dasselbe  wie  das  von  mask. 
termo,  termönis  bei  Ennius  Ann.  470 — 71  zu  dem  neutralen  termm 
CIL  1,  199.  2,  59,  oder  gewöhnlicher  terminus,  d.  h.  das  alat.  Wort 
ist  mit  ahd.  sämo  buchstäblich  gleich.  Daß  aber  die  semüms, 
*semönes  überhaupt  als  Dämonen  des  Pflanzenwuchses  oder  der 
Fruchtreife,  nicht  etwa  als  bloßes  Sachwort  gleich  'semina'  zu 
verstehen  seien,  ergibt  sich  nicht  nur  aus  der  paelignischen 
Priesterin  dieser  Dämonen,  sondern  auch  aus  der  späteren  mytho- 
logischen Literatur  der  Römer  (hierüber  Jordan  S.  205),  in  der  die 
Semones  mit  den  Lares  gepaart  erwähntwerden — nachdem  zweiten 
Buche  des  Martianus  Capella  De  nuptiis  philologiae  et  Mercurii 
(recens.  Eyssenhardt  Lips.  1866)  155  ff.  wohnen  die  Laren 
als  nach  dem  leiblichen  Tode  verklärte  Geister  am  Sonnenkreise, 
die  Semonen  im  oberen  Teile  des  Raumes  zwischen  dem  Mond- 
kreise und  der  Erde  sed  superior  portio  eos  sie  ut  conspicis  claiidit 
quos  f]|uii9eouc  dicunt  quosque  latine  Semones  aut  Semideos  conuenit 
memorare  —  ferner  aus  dem  Beinamen  semo  sancus^  mit  dem 
der  von  Juppiter  losgelöste  Dius  FidinSj  der  auf  dem  Quirinal 
eine  Kultstätte  besaß,  ähnlich  wie  Janus  als  duonus  cerus  be- 
zeichnet wurde  (Wissowa  Religion  d.  Rom.  S.  120). 

Das  Adj.  cimctus  wird  in  der  Regel  aus  *couinctus  hergeleitet. 
Ich  bin  nicht  sicher,  ob  nicht  eine  Ableitung  aus  cön-citiis  zu  concio, 
concXeo  'zusammenbringen'  vorzuziehen  wäre  ^)  Der  Wortsinn, 
wie  er  bei  Forcellini  definiert  ist:  'cuncti  cu)UTTavTec,  omnes  simul, 
omnes  coniuncti.  et  congregrati'  spricht  nicht  dagegen,  und  eine 
Redensart  wie  totam  urhem  conciere,  *die  ganze  Stadt  auf  die  Beine 
bringen',  scheint  den  Sinn  des  Wortes  trefflich  zu  beleuchten. 

Der  letzte  Halbvers  bietet  in  seinem  Verbum  iuuato 
einen  Imperativ,  nicht  der  3.,  sondern  der  2.  Pers.  Sing.;  alle 
Anreden  des  Grebetes  sind  direkt:  iuuate^  neuel^  fu,  sali,,  sta, 
aduoca^  es  muß  also  auch  der  eine  Imperativ  auf  -töd:  iuuato 
in  diesem  Sinne  gefaßt  werden;  nur  daß  nach  dem  von  Lindsay 
516  aus  Plautus  zitierten  und  nicht  ganz  zutreffend  als  futurisch 
angesprochenen  Beispiel  cras  petito^  dabitur,  nunc  abi  'morgen 
sollst  du  bitten  . . .  jetzt  geh!'  dieser  Form  vielmehr  obligatorische 
Bedeutung  'Marmor,  du  sollst  uns  helfen'  beizumessen  ist. 

1)  So  jetzt  auch  Walde  Latein,  etymol.  Wtb.  Heidelberg  1905,  S.  158. 


Das  Carmen  aruale.  165 

Eine  besondere  innere  Beziehung  des  fünfmaligen  Aus- 
rufes triumpe  am  Ende  des  Liedes  zu  diesem  anzunehmen,  ist 
Jordan  S.  210  und  Pauli  S.  37  so  bedenklich  erschienen,  daß 
sie  sich  der  Meinung  zuneigten,  der  Ausruf  gehöre  ursprünglich 
überhaupt  nicht  dazu.  Ich  kann  natürlich  nicht  wissen,  welche 
Vorgeschichte  der  Text  des  Liedes  hat;  so,  wie  das  fünfmal  ge- 
setzte Wort  triumpe  aber  dasteht,  das  Jordan  S.  204  abenteuer- 
lich mit  'tanze'  übersetzt,  gehört  es  zum  Liede  und  ist  ein  zu 
Marmor  konstruierter  Vokativ. 

Wenn  triumpus,  wie  auch  Jordan  S.  210  annimmt,  eine  Ent- 
lehnung aus  griech.  9pia|ußoc  ist,  wofür  man  nicht  einmal  mit  Prell- 
witz eine  Nebenform  *Tpia)ucpoc  als  unmittelbare  Vorlage  zu 
fordern  nötig  hätte,  da  sich  lat.j^für  griech.  ß  auch  in  carpatinus 
aus  KapßdTivbc  'rohledern'  und  lat.  u  für  a  in  aplustrum  aus 
dqpXacTOv  Lindsay  96  findet,  so  liegt  es  doch  nahe  für  das  griech. 
Wort,  das  ein  Beiname  des  Dionysos  ist,  ursprünglich  adjek- 
tivischen Charakter  zu  behaupten  imd  in  demselben  ein  Epi- 
theton ornans  zu  erkennen,  das  in  gleicher  Weise,  wie  an 
Dionysos,  so  auch  an  Mars,  oder  an  den  im  Tiiumphe  ein- 
ziehenden Sieger  gerichtet  werden  konnte.  Von  diesem  Stand- 
punkte ist  also  auch  der  lat.  Zuruf  iö  triumpe  Hör.  Carm.  4,  2, 49  ff., 
Epod.  9,  21  u.  23  ein  Vokativ,  etwa  wie  der  Zuruf  macte,  und 
das  Nomen  actionis  triumpus  ist  gleich  dem  Verbuni  triumphare^ 
griech.  6pia|Lißeueiv  als  sekundäre  Entwicklung  etwa  aus  triumphum 
agere  alicuius  oder  de^  ex  aliqua  re  zu  fassen. 

Gehen  wir  nach  Prellwitz  von  einer  Eorm  *tri-ambhos 
aus,  so  läßt  sich  dieselbe  sehr  wohl  als  Steigerung  eines  zu  ai. 
amhhns  n.  'Gewalt,  Furchtbarkeit'  Fick  2,  19  gehörigen  Adj. 
*ambhos,  *d)Licpoc  'gewaltig',  vertreten  vielleicht  in  dem  kelt. 
Personennamen  Cisi-ambos  Holder  1030,  verstehen,  deren  Präfix 
mit  dem  altkeit.  Intensivpräfixe  tri-  'trans,  per'  Holder  1940,  air. 
tri-^  tre-,  tar-,  lat.  in  tra7is^  ai.  tirds^  Fick  1,  66  u.  2,  101,  got.  in 
ßairh  identisch  ist.  Die  Steigerung  verhält  sich  dann  gleich 
den  lat.  mit  per-  und  den  ahd.  mit  duruh-  und  kann  mit  dem 
bei  Ammianus  belegten  lat.  Adj.  perualidus  übersetzt  werden, 
Perualide  ist  aber  ein  schicklicher  Zuruf  ebenso  an  den  Trium- 
phierenden wie  an  einen  Gott.  Und  nur  eine  andere  Formierung 
der  Steigerung  wird  das  zweite,  gleichfalls  als  Beiname  des 
Dionysos  bekannte  im  Anlaute  öFi  =  lat.  bi-^  Fick  2,  131,  ent- 
haltende griech.  öiGupaiixßoc  darstellen,  das  mit  dem  ersteren  auch 


166  von  Grienberger, 

ZU  einer,  äußerlich  an  Reduplikation  gemahnenden  Bildung 
GpiaiaßobTeupaiaßoc  verschmolzen  wird.  Gehen  wir  bei  diesem 
Adjektiv  von  einem  älteren  *Tupa|aqpoc  aus,  so  ist  es  sogar  mög- 
lich *Tup  mit  *Tpi  als  Ablautformen  ein  und  desselben  Wortes 
zu  erklären  und  das  erstere,  dem  u  aus  o  in  ursprünglich  un- 
betonter Silbe  zuzuerkennen  wäre,  in  griech.  ropoc  durchdringend, 
von  den  Sinnen  oder  der  Stimme  gesagt,  metonym.  auch  'stark, 
kräftig*  widerzufinden,  so  daß  sich  für  Öi0upafißoc  etwa  die  Be- 
deutung 'zweimal  großmächtiger'  ergäbe. 

Hat  aber  auch  das  Beiwort  triumpe  etymologisch  nichts 
mit  der  tripodatio  zu  tun,  wie  Birt  meinte,  der  S.  195  ganz 
unkritisch  auf  lat.  Hri-  un(tis)  -pes  verfallen  ist,  so  ist  mir 
doch  etwas  anderes  zweifellos,  nämlich  daß  die  metrische  Be- 
tonung des  Liedes  mit  der  Tripodatio  im  engsten  Zusammen- 
hange stehen  müsse,  was  sich  ja  wohl  schon  aus  der  Angabe 
des  Protokolls  tripodauerunt  in  uerba  haec,_  zu  deutsch  'nach 
diesen  Worten',  abnehmen  läßt. 

Das  Yerbiun  tripodare,  griech.  Tpmobileiv,  gilt  von  der  als 
Ti'ott'  oder  'Trab'  bezeichneten  Gangart  des  Pferdes.  Bei  dieser 
Gangart  wechselt  das  Pferd  mit  dem  Ausschreiten  je  eines 
Vorder-  und  Hinterbeines  der  ungleichnamigen  Seiten,  sodaß 
bei  jedem  dritten  Schritt  die  gleiche  Auslage  erzielt  wird,  je 
zwei  unmittelbar  aufeinanderfolgende  Schritte  aber  notwendig 
ungleich  sind.  Die  griech.-lat.  Bezeichnung  der  Gangart  TpiTToöov, 
tripodum,  in  der  ja  wohl  rrouc  nicht  als  Fuß,  sondern  als  Schritt 
zu  verstehen  ist,  dient  also  vermutlich  zur  Scheidung  von  dem 
auf  dem  Sprung  beruhenden  Galopp,  bei  dem  je  die  Vorder- 
und  Hinterbeine  zugleich  auf  den  Boden  gestellt  werden.  Da 
das  Merkmal  des  tripodare  auch  auf  den  menschlichen  Schritt 
oder  Lauf  Anwendung  hat,  so  kann  ich  umso  weniger  daran 
zweifeln,  daß  die  tripodatio  der  Priester  ein,  nur  rhythmisch 
geregelter,  aber  sonst  ganz  gewöhnlicher  Aufmarsch  gewesen  sei, 
den  wir  mit  'Tanz'  gar  nicht  zutreffend  bezeichneten,  da  wir 
dabei  an  die  Tanzschritte  der  modernen  gehüpften  Tänze  oder 
an  die  verwickelten  Figuren  der  geschrittenen  Quadrille  zu 
denken  verleitet  würden. 

Um  so  weniger  kann  die  Tripodatio  etwas  anderes  als  ein 
Aufmarsch  gewesen  sein,  als  sie  an  Stelle  des  alten  Flurbeganges 
getreten  ist  und  Avie  dieser  im  wörtlichen  Sinne  ein  Umgang, 
ein  Umschreiten   der  Peripherie   der   Feldmark    gewesen    sein 


Das  Carmen  aruale.  167 

wird,  so  ist  wohl  die  Tripodatio  der  Priester  gleichfalls  als  ein,  nur 
im  Tempel  ausgeführter  Umgang  zu  verstehen,  wie  denn  auch 
in  den  Gloss.  Labb.  tripudatio  xopeia  iepeuuv  irepl  töv  ßuu^öv  er- 
läutert ist.  War  nun  der  Rhythmus  dieses  Aufmarsches  durch 
den  der  Verse  bestimmt,  so  mußten  die  Hochtöne  derselben 
mit  den  markantesten  Phasen  des  Schreitens,  mit  dem  jeweiligen 
Ausschritte,  genauer  mit  dem  Aufstellen  des  ausschreitenden 
Beines  zusammenfallen,  und  die  rhythmische  Zusammenfassung 
des  Textes  zu  einzelnen  Yersen  mit  je  3  Hebungen  mußte  sich 
in  der  Bewegung  der  Schreitenden  so  ausdrücken,  daß  jeder 
Vers  mit  einem  gleichnamigen  Ausschritte  eröffnet  wurde, 
während  der  notwendig  dazwischen  liegende  ungleichnamige 
Ausschritt  in  die  Zäsur  oder  Verspause  fiel.  Wir  hätten  uns  also  die 

r,  l,  r,  r.  l.  r. 

Sache  etwa  so  vorzustellen :  enös  loses  iüiiäte  \\  enös  loses  iüuäte  . . . 
ein  Schema,  das  ohne  Anstand  auf  das  ganze  Carmen  ausgedehnt 
Averden  kann. 

Für  den  letzten  Vers,  der  nur  ein  zweimaliges  triumpe 
bietet,  ergibt  sich  hieraus  keineswegs  die  Notwendigkeit,  ein 
drittes  zu  ergänzen,  sondern  nur  die,  die  beiden  triumpe  gelängt 
gesprochen  auf  3  Schritte  zu  verteilen,  so  daß  dadurch  erst  das 
Carmen  mit  verlangsamtem  Tempo  zum  stilgerechten  Abschluß 
gebracht  wird. 

Wie  die  Priester  geordnet  waren,  wird  aus  der  Wahrschein- 
lichkeit abgeleitet  werden  können,  daß  der  Umgang  im  Tempel 
auch  in  diesem  Punkte  so  ziemlich  die  Form  des  ursprünglichen 
Beganges  am  Raine  der  Felder  bewahrt  haben  dürfte.  Demnach 
ist  von  mehrstelligen  Reihen  wohl  abzusehen  und  am  ehesten  ein 
Aufmarsch  zu  Paaren  anzunehmen.  Auch  hinsichtlich  der  Vortrags- 
weise meine  ich,  es  sei  am  sichersten  eine  Unisono-Rezitation  vor- 
auszusetzen, wenn  es  auch  denkbar  wäre,  daß  je  der  erste  der  3  Mal 
wiederholten  Verse  von  einem  Vorsänger  angegeben  worden  sei. 

Das  meti'ische  Bild  des  ganzen  Carmen  stellt  sich  mir  in 
folgender  Weise  heraus: 

1.     enös  loses  iüuäte;  3  m. 

f)  (  neuM  luerüe  mdrmär  strs   )  3  ,y. 
\  incürrere  in  plöerh;  J 


q  (  sätür  fü  f^re  märs^  ]  o 

\  Urnen  sali,  stä  uSrber,  J 

\  aa 


semünis  altirnei  \ 

äduöcä  pif  cönctös;  I 


168  von  Grienberger, 

5.     e7iÖs  mdrmor  iüuätö;  3  ro. 

P  {  trithnpe,  triümpe^  trnimpe^      1  m. 

\  trimipe^  triimipe !  1  m. 

Ich  habe  noch  das  Verhältnis  der  Formen  Marmar,  von 
Pauli  S.  26  mit  Unrecht  aus  griech.  ^dpiuapoc  'schimmernd, 
leucliteud'  erklärt,  und  Marmor  untereinander,  sowie  zu  Mars 
zu  erläutern.  Das  Fehlen  des  auslautenden  r  in  Marma  sins, 
richtiger  sers,  an  erster  Stelle  möchte  ich  als  assimilatorischen 
Ausfall  betrachten,  und  da  dieser  Vorgang  unmittelbaren  An- 
schluß von  Auslaut  und  Anlaut  erheischt,  der  bei  zwischen- 
liegender Verszäsur  nicht  gegeben  wäre,  darin  eben  einen  Grund 
für  die  von  mir  gewählte  Teilung  mit  sers  am  Ende  des  ersten 
und  nicht  zu  Beginn  des  zweiten  Halbverses  finden.  Ebenso 
wird  die  an  dritter  Stelle  stehende  Form  Mamor  Ausfall  des  r 
erlitten  haben,  der  in  natürlicher  nachvokalischer  Schwäche 
dieses  Lautes  begründet  ist  und  sich  den  r- Synkopen  Maio 
Tutia,  Maio  Anicia^  Mino  Meclonia,  ant.  die  XI  k.  Mati.^  falisk. 
mate^  Maci  Äcacelini  uxo  Schneider  S.  20,  22,  106  anreiht. 

Diese  beiden  Formen  Marmar  und  Marmor  werden  durch 
die  Variante  Mamor  mit  osk.  Mamers^  Mamertis  Varro  11.  5,  73, 
Fest.  131,  12,  möge  das  nun  alt  oder  auch  nur  in  alter  Zeit 
aus  den  Namen  Mamercus  u.  Mämertini  (Messana  in  Sizilien) 
erschlossen  sein,  unverkennbar  in  dem  Sinne  verknüpft,  daß 
sich  für  Marmar  und  Mamers  ein  und  dieselbe  Grundform 
*Marmerts  ergibt,  der  gegenüber  die  osk.  Form  *Mamert- 
r-AusfaU  wie  Mamor^  die  alat.  *Jfan«ar^-vokalharmonischen  Aus- 
gleich oder  Lautübergang  von  e  zu  a  vor  r  wie  in  vulgärlat. 
carcar,  ansar,  passar^  nouarca  Appendix  Probi  im  Archiv  f.  lat. 
Lex.  11  S.  308,  324,  325  erfahren  hat.  Fügen  wir  hierzu  die  aus 
den  Dativen  Mavortei  u.  Maurte  CIL  6,  473  u.  14,  2578  und  aus 
der  seit  Ennius  auftretenden,  auch  CIL  14,  4178  bezeugten  Ab- 
leitung Maiiortius  sich  ergebende  ältere  Form  *Mauort-,  *Mawt- 
für  späteres  *Märt-,  so  erhellt,  daß  Marmor^  Mamor  sein  o  dem 
zweiten  Kompositionsteile  *-uort  verdanke,  daß  auch  lat.  *Mäuort- 
Ausfall  des  r  erlitten  habe  und  auf  *Maruorf-  beruhe,  daß  end- 
lich alle  Formen  mit  inlautendem  m  assimilatorischen  Ausgleich 
des  zweiten  Silbenanlautes  u  zum  ersten  m  durchgeführt  haben. 
Wir  halten  demnach  vor  der  Grundform  *Maruert-  oder  mit  Über- 
gang von  ue  zu  uo:  *Maruort-,  die  in  den  Vokativen  Marmar  und 
Marmor  des  Carmen  unmittelbar  fortgepflanzt  sind,  worden  aber 


Das  Carmen  aruale.  169 

zugeben,  daß,  falls  das  auslautende  r  des  ersten  "Wortes  auf  s  be- 
ruht, die  Synkope  desselben  in  Mäuors  und  Mämers  auch  auf  der 
Stufe  0,  also  in  *Mazuors^  "^Maziiers^  *Mazmers  eingetreten  sein 
kann  und  wie  in  di-uello  aus  *diz-uellö  Länge  hinterlassen  hat. 

Der  asigmatische  Ausgang  der  beiden  vokativischen  Formen 
Marmar  und  Marmor  charakterisiert  sie  als  ursprüngliche,  er- 
starrte Vokative,  und  ihr  ^-Verlust  ist  nach  dem  ti?- Verluste  im 
Neutrum  cor  aus  cörd  zu  beurteilen.  Sie  sind  Umbildungen 
des  alten  vollen  Kompos.  und  keineswegs  mit  Corssen  S.  92  u. 
Birt  S.  171  —  2  als  Reduplikationen  des  einfachen  Mars  anzu- 
sehen. Das  0  von  Marmor^  Mamor  scheint  auch  in  dem  Gottnamen 
Mämürms  Vehirius  {=  Feroc  'annus')  zugrunde  zu  liegen.  Anders 
als  in  der  ausgeführten  Weise  wäre  es  nicht  zu  erklären,  da 
es  einen  selbständigen  Übergang  von  a  zu  o  nicht  gibt  und  in 
Quorta  Tondia  Schneider  S.  20  z.  B.  gleichfalls  die  verdunkelnde 
Wirkung  des  u  den  Wandel  bewirkt.  Die  Kontraktion  von 
*Mauort-  durch  *Maurt-  zu  *Märt-  verhält  sich  wie  archaist. 
auoncidus,  gewöhnlich  auunculus  zu  aimcidus  Plautus  und  änculus 
CIL  8,  3936.  9,  998  und  direkt  aus  der  konti^ahierten  latein. 
Form  Mars  ist  die  etruskische  Maris  abzuleiten,  die  nur  eine 
sekundäre  Vokalisierung  derselben,  keineswegs  eine  alte  Form 
von  grundsätzlicher  Bedeutung  sein  kann. 

Die  Form  Maspiter^  neben  Marspiter  bei  Varro  kann  nur 
auf  Grund  von  assimilatorischem  Ausfall  des  r  wie  in  controuosias^ 
susum  Schneider  S.  42,  nicht  etwa  als  altes  zu  möglichem 
*Masuors  paralleles  Kompositum  verstanden  Averden.  Sie  leistet 
also  nichts  für  die  Erkenntnis  der  Etymologie  des  Namens,  die 
ja  allerdings  für  das,  was  zum  Carmen  aruale  zu  sagen  war, 
nicht  gerade  wesentlich  ist. 

Soviel  ist  klar,  daß  -u€7'ts  ein  konsonantisches  Nomen  und 
zwar  am  ehesten  ein  nomen  agentis  zu  iiertere  (litt,  wercziii, 
wersti^  got.  wairpan)  ist,  das  sich  in  der  Komposition  wie  iüdex^ 
coniux,  princeps^  aiiceps^  artifex,  ffdicen  zu  dicere,  lungere,  cäpere, 
fäcere,  cänere  verhält,  weniger  wahrscheinKch  ein  Nomen  actionis 
wie  incüs  zu  cüdere,  ja  auch  das  Verhältnis  der  vokalischen  zur 
konsonantischen  Ableitung,  das  uns  iüridicus  und  urhicäpus  Plaut, 
gewährt,  scheint  in  der  Form  MdpjuepToc  und  Md|uepToc  bei 
Lycophron  V.  938  wiederholt  zu  sein. 

Mit  lat.  mas  ist  der  Gottname  schon  bei  Varro  V,  73  in 
Beziehung   gebracht   Mars  ah  eo  quod  maribus  in  hello  praeest, 


170  von  Grienberger, 

mit  qiiod  Sabinis  acceptiis  ihi  est  Mamers,  nur  daß  der  röm. 
Grammatiker  zweifelt,  ob  nicht  Mars  eine  umgestaltete  Ent- 
lehnung aus  niclit  weiter  gedeutetem  Mamers  sei. 

Entschieden  für  mas  im  ersten  Teile  spricht  sich  Pauli 
S.  57  aus,  der  -uers  als  TpOTraToc  erklärt  und  mas  auf  die  feind- 
liche Schlachtreihe  bezieht.  Daß  aber  tnas  gleich  acies  sein  kömie, 
leuchtet  mir  ebensowenig  ein,  als  ich  überliaupt  einen  derartigen 
Terminus  für  den  Kriegsgott  hinreichend  charakteristisch  finden 
könnte.  Die  Sache  wird  sich  anders  verhalten.  Für  -uers  ist 
die  besondere  Bedeutung  des  Verbums  uertere  'umstürzen,  ver- 
nichten, verderben'  zugrunde  zu  legen,  die  i.  b.  im  Kompos. 
suhuertere  zutage  tritt,  und  dann  ist  mas  Objekt  im  Kompositum, 
nicht  anders  wie  iüs  in  iüdex^  und  die  Meinung  des  Gottnamens 
wird  sich  nicht  allzuweit  von  ags.  tnansla^a^  ahd.  manslecho, 
mhd.  manslege  entfernen.  Nicht  das  praeesse  in  bello^  noch  die 
Überwindung  der  Gegner  als  Gesamtheit  liegt  in  demselben, 
sondern  die  für  den  einzelnen  Krieger  gefahrdrohende  Seite 
des  Gottes  'qui  marem  subuertit,  prosternit',  und  dazu  gehören 
die  Adjektiva  ferus  und  lüerüus  des  Carmen  aruale  in  genauer 
begrifflicher  Einstimmung.  Daß  dieser  Gott,  der  auch  nach 
dieser  Entwicklung  ursprünglicher  Kriegsgott  oder  Todes- 
gott im  Kampfe  ist,  als  Frülüingsgott  verehrt  w^erden  konnte, 
das  rührt  wohl  zunächst  daher,  daß  der  nach  ihm  benannte 
mensis  Martins  zugleich  der  Frühlingsmond  ist,  in  zweiter  Linie 
vielleicht  aber  auch  daher,  daß  Stürme  und  Unwetter  des  Fi'üh- 
jahrs  in  tropischer  Weise  als  Äußerungen  eines  meteorologischen 
Kriegsgottes  gedeutet  werden  konnten. 

Kein  zufällig  ist  die  etymologische  Beziehung  der  germ. 
Göttin  ahd.  uurt  f.  'fatum,  fortuna,  euentus'  Graff  1,  992,  as. 
murd.,  aisl.  urär,  ags.  iinjrd,  deren  Name  zu  dem  mit  lat.  uertere 
identischen  got.  ivairpan  gehört.  Diese  mythologische  Abstraktion 
ist  offenbar  nichts  anderes,  als  das  'schicksalsmäßige  Geschehen', 
und  ihr  sprachlicher  Ausdruck,  ursprünglich  wohl  konsonantisch, 
dann  aber  zum  Teil  in  die  Klasse  der  ^-Stämme  eingetreten,  ist 
unkomponiert  wie  lat.  düx^  rex^  lex,  dkis  causa  zu  dücere,  regere, 
legere,  dicere,  während  es  ein  unkomponiertes  Wort  Hierts  eben- 
sowenig  wie  jemals  unkomponierte  ceps,  cen,  fex  gegeben  hat. 

Die  übertriebenen  Vorstellungen  von  dem  außerordentlich 
hohen  Alter  des  Liedes  wird  man  zurückdrehen  müssen.  Jedes- 
falls  den  überlieferten  Text  wird  man  nicht  als  alat.  bezeichnen 


van  Hellen,  Zum  altfriesischen  Vokalismus.  171 

dürfen,  in  dem  nichts  wirklich  alt  ist  als  das  s  von  Lases  und 
das  durch  die  verkehrte  Schreibung  eo  geforderte  ploeres.  Aber 
Namen  in  älteren  Formen  sind  für  die  Annahme,  daß  sie  als 
Reste  wirklicher  älterer  Fassungen  eines  Textes  stehen  geblieben, 
nicht  unbedingt  beweiskräftig,  und  oe  aus  altem  oi  reicht  zwar  im 
allgemeinen  nur  bis  ins  2.  Jh.  v.  u.  Z.  herauf,  ist  aber  doch  auch 
in  einigen  Wörtern  der  Amtssprache  foedus^  moenia,  poena  über- 
haupt stehen  geblieben  (Lindsay  S.  246).  Ich  äußere  keine  Ver- 
mutung darüber,  wann  das  Carmen  verfaßt  sei,  ob  unter  Augustus, 
dem  "Wiederhersteller  der  Feldbruderschaft  oder  früher,  oder 
später,  aber  ich  fasse  meine  Überzeugung  dahin  zusammen: 
das  Carmen,  so  wie  es  uns  vorliegt,  ist  gleichzeitiges  Latein 
aus  dem  Anfang  des  3.  Jh.  mit  deutlichen  vulgären  Formen 
und  einigen  archaistischen  Anklängen.  Ein  Produkt  kunst- 
mäßiger Poesie  ist  es  nicht;  die  Sprache  weist  auf  bäuerliche 
Herkunft;  vermutlich  ist  es  von  eben  jenen  Landleuten  entlehnt, 
von  denen  das  Fest  der  Ackerlustration  durch  die  aus  vor- 
nehmen Kreisen  stammenden  römischen  fratres  aruales  einmal 
abgeborgt  wurde. 

Czernowitz.  von  Grienberger. 


Zum  altfriesischen  Tokalismus. 

L  Zur  Palatalisierung  von  tonsilbigem  a  in 

geschlossener  Silbe. 
Die  Palatalisierung  von  tonsilbigem  a  in  geschlossener  Silbe 
(aofries.  awfries.  bec  dorsum,  berd  'Bart',  dei  'Tag')  ist  jüngeren 
Datums  als  die  Umlautswirkung :  durch  einfache  Konsonanz  ge- 
schlossene Silbe  entstand  (abgesehen  von  den  Präteritalformen 
*nam,  *gaf  usw.  =  afries.  nam,  ief  usw.  und  den  Imperativen 
Sing.  *far^  *slah  usw.)  erst  durch  sekundäre  Vokalapokope  (vgl. 
PBrB.  28,  522  ff.),  der  Umlaut  aber  wirkte  vorfries.  (wie  vorengl.) 
bereits  vor  Einti-itt  besagter  Apokope^).  Dieser  Chronologie  wider- 


1)  Berücksichtigung  dieser  durch  die  Tatsachen  auch  für  das  Ur- 
englische gebotenen,  chronologischen  Fixierung  verbietet  die  übliche 
Annahme  von  urengl.  in  geschlossener  Silbe  aus  a  entwickeltem  a«  (ce), 
das  durch  Umlaut  zu  e«  (e)  geworden  wäre. 


172  van  Hellen, 

spricht  eben  nicht  das  a  von  aofries.  laster  (av^^fries.  durch  Dehnung 
vor  s-t  laester)  'Schmach':  Nichtaffizierung  des  a  in  *lahstf  oder -at\ 
Hahstr-  (wie  in  *wahs,  *wahsan  usw.,  woraus  wax,  waxa  usw.) 
durch  Einwirkung  der  Verbindung  äs,  die  in  der  Stellung  vor 
Konson.  bekanntlich  erst  nach  der  sekundären  Yokalapokope  ihr 
h  (x)  einbüßte  (vgl.  PBrB.  8,  149). 

Außerdem  ist  zu  der  in  Rede  stehenden  Vokalentwickelung 
u.  a.  noch  Folgendes  zu  bemerken. 

a)  Während  das  Ags.  in  geschlossener  Tonsilbe  aus  a  ent- 
standenes ce  aufweist,  das  mengl.  wieder  zu  a  wird,  ist  für  das 
Ofries.  ein  durch  intensivere  Palatalisierung  entwickelter  Laut 
anzusetzen,  dessen  Reflex  sich  in  den  neufries.  Mundarten  als 
€",  unter  Umständen  auch  als  e'  findet. 

ß)  Zu  den  gedehnten  Konsonanzen,  die  in  der  Palatalisierungs- 
periode  konservierend  auf  voranstehendes  a  einwirkten,  rechnet 
Siebs  (Pauls  Grdr.  1^,  1188)  außer  bb,  pp  (s.  Aofries.  Gr.  §  la) 
auch  ff  sowie  die  dentalen  und  gutturalen  gedehnten  Mutae, 
und  zwar  unter  Hervorhebung  von  nwfries.  saterl.  taka  'Ast', 
afries.  katte  'Katze',  wanger.  snak  'schnacken',  saterl.  lata  'Latte', 
ßagd  'Soden'  (=  mnd.  plagge\  hlafjd  'bellen'.  Doch  sind  diese 
Konsonanzen  nicht  als  absolut  die  Palatalisierung  verhindernde 
Faktoren  zu  fassen :  vor  e"  (nicht  vor  i)  der  Folgesilbe  entwickelte 
sich  hier  e".  Man  beachte  (ich  verwende  hier  o.  =  aofries.,  w. 
=  awfries. ;  wegen  anderer  Siglen  s.  unten  S.  177,  Anm.  1):  o. 
ahba  'Abt',  snabba  'Mund',  o.  w.  lappa  'Lappen',  w.  knappa  'Knabe, 
Jüngling'  1),  0.  gabbath  'Tumult',  o.  gabbia  'einen  Tumult  machen', 
bidappia  'beschuldigen'  (s.  PBrß.  14,  257),  straffia  'schelten', 
saterl.  blafjd^  wanger.  snak  (aus  *snakkia  =  mnd.  snacken),  w. 
hlackia  'lachen'  (s.  PBrB.  30,  231),  passia  'gehen',  w.  kynbacke 
(aus  -backa)  W,  kenbacka  Hett.  191,  o.  stac  (flekt.  stacke)  'eine 
Art  Mantel'  B  161,  12.  15  (vgl.  aisl.  stakkr  'kurzer  Mantel'), 
saterl.  nwfries.  latd  (aus  altem  *latta  oder  Happe^  vgl.  die  PBrB. 
30,  223  zitierten  Formen  ags.  Icetta^  mnl.  latte  oder  mengl. 
läppe,  ahd.  ladda,  latta;  für  den  Fall,  daß  unser  Nomen  fem. 
wäre,  ist  das  a  des  Nom.  Sing,  auf  -e  als  aus  den  flektierten 


1)  In  der  Doppelform  kneppa  J  2,  19.  3,  6.  11,  5.  15,  2.  60,  20.  21. 
62,  6  usw.  geht  das  e  als  Umlautsvokal  zurück  auf  alten  Dat.  *kneppi, 
vielleicht  auch  auf  alten  Gen.  *kneppis  (wenn  die  PBrB.  30,  227  erörterte 
Flexionsverschiebung  erst  nach  der  Entstehung  von  suffixalem  -i-  aus  -e- 
erfolgte). 


Zum  altfriesischen  Vokalismiis.  173 

Kasus  herrührend  zu  fassen),  o.  w.  Icatte  (fem. ;  das  a  des  Nom. 
Sing,  "wie  im  ev.  fem.  latd\  o.  platte  'Tonsur'  (ahd.  blatta  tonsura), 
nwfries.  saterl.  takd  'Ast'  (M.  oder  F.  ?  =  mnl.  mnd.  tacke\  nwfries. 
Maddd  'Fleck'  (=  nnd.  mnl.  kladde  F.),  saterl.  plagd  {=  mnl. 
mnd.  plagge  'Scholle'),  o.  appel  F  66,  w.  aeghappel  (ob  der 
Vokal  auf  nach  der  alten  w-Deklination  gehendem  appla  Gen. 
Dat.  Sing,  und  den  Pluralbildungen  beruht  oder,  indem  zur 
Zeit  der  e^-Entwickelung  hier  bereits  Endungen  der  a-Klasse 
in  Schwang  waren,  nur  aus  dem  Plur.  stammt,  ist  nicht  zu 
entscheiden ;  aus  ajjples,  -e  wäre  epjjel  =  ags.  ceppel,  s.  unten 
S.  174,  Anm.  3,  hervorgegangen;  daß  übrigens  durch  l  hervor- 
gerufene Eonsonantendehnung  älteren  Datums  als  die  Palata- 
lisierung  von  a,  ist  zu  erschließen  aus  appel^  denn  ap-l-  hätte 
bei  anderer  Chronologie,  wie  aus  o.  skep  'Gefäß'  =  as.  scap  zu 
ersehen,  über  ep-l-  nur  eppl-  ergeben  können),  o.  habbane,  -ath 
(Gr.  §  287,  Anm.),  w.  habba^  hob  1.  Sing.  Ind.,  habben^  -eth  {-9- 
für  -a-)  mit  habb-  aus  durch  Einwirkung  des  alten  a  der  2. 
3.  Sing.  Präs.  Ind.,  des  Imper.  Sing,  und  der  Präteri talformen 
für  regelrechtes  *hebbj-  eingetretenem  *habbj-  [ob  o.  hebba,  -ath 
usw.  auf  *hebbj-  zurückgeht  oder  dem  ags.  ce  von  hcebbe  usw.  zu 
vergleichen  ?  In  letzterem  Fall  müßte,  weil  der  ags.  "Wechsel  von 
a  und  CB,  ersteres  in  habban^  -ath  vor  a,  letzteres  in  hcebbe^  -ende 
vor  e"  der  Folgesilbe,  auf  unmittelbaren  Einfluß  des  Endungs- 
vokals hinweist,  auch  für  das  Friesische  Ausfall  von  postkon- 
sonantischem j  als  der  Palatalisierung  von  a  vorangegangene 
Erscheinung  gelten]. 

Dagegen  o.  w.  ecker  mit  e"  aus  *ekkres^  -e,  o.  sket,  w. 
sehet  'Geld,  Vieh'  mit  e"  aus  den  Formen  des  Singulars  auf 
-es.  -e  neben  o.  scat  'Geld'  F  11 6  m.  (im  Druck  steht  stat),  w.  schat 
•Geld'  W,  Hett.  43,  163,  Seh  771  mit  a  aus  *skatt,  *skattar,  -a 
oder  -or^  -o),  -wm,  w.  secke  sacco  J.  2,  31  (nwfries.  sek\  wanger. 
wrcek  'beschädigt'  mit  in  ^wrakkes,  -e,  -ere  usw.  entwickeltem  e", 
woneben  auf  altes  a  hinweisender  Vokal  von  saterl.  wrdk^)\ 
0.  ebbete  'Abt'  H  aus  '^abbete  oder  -i  mit  nicht  durchsichtigem  ^  2) 


1)  Wegen  der  Etymologie  des  Adjektivs  (=  mnd.  wrack,  flekt.  wracke 
usw.)  s.  PBrB.  14,  278. 

2)  Ob  man  hier  vielleicht  an  eine  auf  *abbäte  zurückgehende  Ent- 
lehnung zu  denken  hat,  die  vor  der  fries.  Palatalisierung  von  ü  eingeführt 
wurde  und  in  der  Folge  in  nebentoniger  (wie  in  haupttoniger)  Silbe  ihr 
ö  in  a«  usw.  umwandelte  ? 


l?^  van  Hellen, 

[hiernebeu  abbet  R^  R^  ')  mit  a  durch  Anlehnung  an  abha^ 
s.  oben]  2)  3). 

y)  Mit  Recht  beanstandet  Siebs  in  Pauls  Grdr.  1^,  1187  die 
Annahme  von  durch  vorangehendes  p  erhaltenem  a  in  o.  wain- 
path,  w.  paed ;  die  Form  stammt  aus  den  flektierten  Kasus  mit  a 
in  offener  Silbe  (vgl.  w.  neben  iet  überliefertes  gat^  dem  nwfries. 
gat,  saterl.  wanger.  gat  entsprechen),  weist  w.  sogar  die  in  offener 
Silbe  entstandene  Tonlänge  auf. 

b)  Auf  die  Erhaltung  von  ofries.  a  in  der  Verbindung  war 
wurde  Gr.  §  1  ß  hingewiesen :  swart  niger,  nefarius,  sward{e)  "Kopf- 
haut', wardia  'hüten',  warte^  -tha  'Warze'  (ags.  wearte,  aisl.  warta\ 
Liüdward,  Thiädward^  warm^  achta  warve^  sex  hwarven^  warf 
'Gerichtssitzung',  warth  3.  Sing.  Prät.  Die  Erscheinung  ist 
auch  w.  zu  beobachten,  wo  der  Yokal  Dehnung  erlitt:  swärt, 
nyöghen  himra.,  ivärf^  waerf  'Gerichtssitzung',  wärth,  wärd^  waerd 
Prät.,  nwfries.  wärm.  Indessen  gibt  es  auch  Ausnahmen :  o.  (s.  Gr. 
§  Iß)  swert,  achte  werf  slms  hüswerdrar  "HsiUshüteT'  (Gr.  §  159) 
zu  erschließendes  altes  *hüswerdere^  werve  'Sitzung'  (Gr.  §  7,  Anm.), 
w.  swert[h\  achte  werve.,  niögen  iverva^  gretwerdere  'Grieswärtel',  werf 
were  'Sitzung',  deren  affizierter  Vokal  offenbar  auf  Einwirkung 
von  e  der  Folgesilbe  beruht  {sivert  aus  *swerte^  -ere  usw.,  werf 
nsw.  aus  *hwerves.,  -e).  Trotz  des  -e  begegnet  aber  a  in  dem  ahd. 
antwarta  praesentia  entsprechendem  o.  ondwarde  (Dat.)  'Gegen- 
wart' R2  544,  20,  -a  (Dat.;  -a  durch  Übertritt  in  die  schwache 


1)  Die  Form  ist  belegt  durch  aöÄeifesR«  539,1,  a&iefe  (Dat.)  R»126,27; 
einmal  begegnendes  abbit  R*133,  3  hat  als  Schreibfehler  zu  gelten:  -i-  wäre 
hier,  sogar  wenn  sich  ein  Prototyp  ahbit  plausibel  machen  ließe,  nach  dem 
von  Kock  in  PBrB.  29,  178  ff.  für  die  Rüstringer  Mundart  ermittelten  Aus- 
lautsgesetz nicht  am  Platze. 

2)  In  0.  leckte  'ich  lehne  (als  Zeugen)  ab'  E.  Sgr.  255,  16  liegt  an  das 
Nomen  *lek  (^  w.  leck,  mnd.  mnl.  lak  vituperium)  angelehnte  Neubildung 
vor ;  die  regelrechte  Form  müßte  lakia  =  meng,  lakien,  mnd.  mnl.  laken 
vituperare  (aus  *lakdn)  lauten;  über  w.  leckia  und  lackia  mit  laeckinge  s. 
PBrB.  19,  348  f. 

3)  Auch  urengl.  scheint  die  nämliche  Regel  geherrscht  zu  haben. 
Vgl.  die  in  Sievers'  Ags.  Gr.  aufgeführten  Formen  habban,  -ad  (neben  hcebbe, 
-ende,  beachte  das  S.  173  hierzu  Bemerkte),  crabba,  hnappian  (auffällig  ist 
das  ce  von  spälws.,  nach  Sievers'  Gr.  §  416,  Anm.  10  auch  einmal  in  der 
Gura  past.  begegnendem  hnceppian),  lappa  (daneben  selten  Iceppa  mit  ce 
aus  dem  Gen.  PI.  auf  -ena;  vgl.  auch  Icetfa  'Latte'),  appla  PI.  zu  ceppel, 
daccian,  mattuc,  assa,  cassuc,  hassuc,  abbud,  sacc  (a  aus  *sacc  und  den 
Flexionsformen  mit  kein  e«  enthaltender  Endung). 


Zum  altfriesischen  Vokalismus.  175 

Flexion  nach  Ur.  §  168  t  oder  als  Schreibung  für  -d  nach  Gr.  §  60, 
Anm.  3)  R2  544,  16 ;  man  beachte  die  nebentonige  Stellung  der 
betreffenden  Silbe.  Die  Formen  o.  w.  ütawerdes  usw.  neben  üta- 
wardes  usw.  bieten  zweideutigen  Vokal  (Gr.  §  Iß). 

e.  Für  das  a  von  o.  flarde  'Lungenlappen',  Uöd-,  liüdgarda^ 
'Dorf mark',  carda  'Werkzeug  zum  Rauhen  der  Wolle'  F  130, 
w.  litcedgärda,  nwfries.  flarre  'Lappen'  ist  nicht  r  -\-  d  (Gr.  §  If), 
sondern  r  -\-  da  verantwortlich  zu  machen  {flarde  mit  a  aus  den 
flektierten  Formen  mit  -a). 

n.  Zum  Umlaut  des  a  im  Vorfriesischen. 
Bekanntlich  gewähren  die  altost-  und  altwestfries.  Denk- 
mäler a  und  e  zur  Darstellung  von  Lauten,  die  zurückgehen  auf 
altes,  vor  w,  vor  langem  Nasal  (ww,  mm),  vor  Nasal  +  Muta, 
vor  II,  Id^  U  oder  cht  stehendes  a  mit  i  bez.  i,  i  der  Folge- 
silbe. Zur  Deutung  der  aus  diesen  a,  e  zu  folgernden,  auch  aus 
neufries.  Mundarten  (vgl.  IF.  7,  313  f.  und  Pauls  Grdr.  1^,  1183 f.) 
nachzuweisenden  Verschiedenheit  der  Entwickelung  glaubte  ich 
in  der  Altostfries.  Gr.  §  27  und  in  IF.  7,  314  ff.  die  Existenz 
zweier  vorfries.  Perioden  des  a-Umlauts  annehmen  zu  müssen : 
zur  Zeit  des  allgemeinen  Umlauts  Affizierung  von  a, 
insofern  dasselbe  nicht  vor  einer  der  besagten  Konsonanzen  stand; 
nach  der  Wirkung  von  Sievers'  Synkopegesetz  (also  auch 
nach  der  sekundären  Vokalapokope)  und  dem  Vokalschwund 
in  den  Endungen  für  die  2.  3.  Sing.  Präs.  Ind.  (vgl.  PBrB.  17, 
5561)  Umlautung  des  zuvor  nicht  affizierten  a  durch  noch  er- 
haltenes j  bez.  e,  i  der  Folgesilbe.  Die  Berechtigung  bez.  die 
Notwendigkeit  solcher  Annahme  wird  von  Bremer  (in  PBrB.  17, 
329.  346),  Morsbach  (Anglia  7,  Beibl.  3241)  und  Siebs  (Pauls 
Grdr.  P,  1183  ff.)  geleugnet,  von  Morsb.  unter  Berufung  von 
aengl.  vor  gewissen  Konsonanten  oder  Konsonantverbindungen 
als  a*  und  e"  erscheinenden  (durch  ce  bez.  e  dargestellten)  Umlauts- 
vokalen, wofür  mengl.  a  (aus  cb)  und  e",  e  (==  bez.  aus  altem  e") ; 
als  eine  Parallele  dieses  mengl.  neben  e«,  e  auftretenden  a  wäre 
nach  besagtem  Forscher  fries.  neben  e",  e  stehendes  a  zu  beur- 
teilen 1).  Daß  in  dieser  Bemerkung  ein  nicht  zu  unterschätzender 


1)  Wegen  Siebs'  Bemerkung,  daß  die  These  zweier  Umlautsperioden 
bedenklich  sei,  weil  sie  zweierlei  Umlaute  mit  ganz  verschiedener  Wirkung 
(zuerst  mit  Nichtaffizierung,  dann  mit  Affizierung  des  a  vor  nd  usw.)  postuliere, 
sei  darauf  hingewiesen,  daß  sich   eben   eine  solche  Verschiedenheit  der 


176  van  Hellen, 

Fingerzeig  für  die  Lösung  der  in  Rede  stehenden  Frage  zu  er- 
blicken, liegt  auf  der  Hand.  Anknüpfung  an  dieselbe  dürfte  die 
richtige  Basis  bilden  zu  einer  behufs  Ermittelung  der  ehemals 
für  die  Entwickelung  von  fries.  a  und  e"  bez.  e  geltenden  Be- 
dingungen vorzunehmenden  Materialmusterung.  Einen  Versuch 
in  dieser  Richtung  machte  schon  Siebs,  indem  er  (a.  a.  0.)  den 
Satz  aufstellte:  aus  a  vor  besagten  Konsonanzen  zu  a*  umge- 
lauteter  Vokal  wurde  nach  Synkope  kurzer  Endsilbenvokale  zu 
e",  wenn  auf  der  Konsonanz  ein  Vokal  folgte;  sonst  entstand  a. 
Doch  führt  diese  These  nicht  zum  Ziel :  sie  versagt  für  Bildungen, 
wie  neben  engel^  menteU  hemethe,  prelleng  usw.  begegnende  angel^ 
mantel^  hamede,  pralling  usw.,  die  nach  besagter  Regel  nur  e"  bez. 
e  aufweisen  konnten  (alte  Formen  *a^ngil  und  '^a^ngles  usw.)  und 
für  deren  a  sich  schwerlich  ein  die  Regel  durchbrechender  Faktor 
nachweisen  ließe.  Vielleicht  aber  könnte  man  durchkommen  bei 
folgender  Fassung  (die  sich,  mutato  mutando,  z.  T.  an  meine  frühere 
Deutung  der  e",  e  anlehnt): 

Zur  Zeit  der  allgemeinen  Umlautung  vor  den  oben 
erwähnten  Konsonanzen  zu  a*  umgelauteter  Vokal  wurde 
in  der  (ebenfalls  schon)  oben  beschriebenen  Periode  zu  e'* 
(woraus  später  in  offener  Silbe  tonlanges  e),  Avenn  die  schwach- 
tonige  Folgesilbe  ein  (nicht  durch  Apo-  oder  Synkope  ver- 
klungenes)  j  oder  i  ev.  i  enthielt  (durch  dem  llj  folgenden 
dunklen  Vokal  wurde  jedoch  die  Wirkung  des  j  ver- 
hindert); sonst  entstand  a  aus  a*  (also  auch  vor  nebentonigem 
i  ev.  i  der  Mittelsilbe  und  vor  llj  +  dunklem  Vok.). 

Die  Belege  für  das  zur  Beleuchtung  dieser  Regeln  anzu- 
führende Material  werden  im  folgenden  meistens  ohne  direkte 
oder  indirekte  Quellenangabe  erwähnt;  ich  verweise  dafür  nach 
V.  Richthof ens  Wb.,  Aofries.  Gr.  §  27  und  IF.  7,  315  ff.i)  (statt  e 
erscheinen  unter  Umständen  wfi-ies.  e\  ei  oder  ie^  s.  PBrB.  19, 
407.  867,  IF.  7,  317.  334  ff. ;  für  a  ist  unter  bestimmten  Be- 
dingungen wfries.  ä  eingetreten,  vgl.  wegen  vor  Nasal  stattge- 
fundener Dehnung  IF.  7,  324  ff.  und   beachte  die  aus  awfries. 


Behandlung  beobachten  läßt  in  der  obd.  älteren  NichtafRzierung  und 
jüngeren  Umlautung  des  vor  bestimmten  Konsonanten  stehenden  a  (vgl. 
Braunes  Ahd.  Gr.  §  27  mit  Anm.  2  und  Kauffmann  Gesch.  der  schwäb. 
Mundart,  50  ff.).    Wegen  Bremers  Hypothese  s.  IF.  7,  312  ff. 

1)  Wegen  der  auszuschließenden  Präteritalformen  bant,  sang  usw. 
s.  aber  PBrB.  28,  524,  Anm. 


Zum  altfriesischen  Vokalismus.  177 

Belegen  öngefael  'Unfall',  faele^  faelle  Opt.  Präs.,  to  fälen  Ger., 
faelt  cadit,  waell  vallo,  aeld  'alt',  ivaelde  'walten',  aechte  octo,  aechta 
octavus  u.  dgl.  hervorgehende  Yokaldehnung,  die  vor  l  (aus  ZZ), 
Id,  It^  ch-t  entstand  und  ev.  durch  Ausgleichung  auch  in  Formen 
des  Paradigmas  eindringen  konnte,  denen  die  Dehnung  regelrecht 
nicht  zukam;  auch  hier  o.  =  aofries.,  w.  =  awfries.)^). 

Mask.  ev.  auch  ntr.  ja-Stämme:  o.  mask.  fenne  'Weide' 
aus  *fa^nni  (vgl.  PBrB.  21,  475  ,  16,  278;  o.  fene^  w.  feen  mite 
für  altes  e"  aus  a),  saterl.  fän  'Moor'  für  o.  *fan{n)  (wegen  saterl. 
ä  aus  a  vgl.  Siebs  in  Pauls  Grrdr.  1^,  1184),  w.  mask.  ntr.  faett 
(mit  angelehntem  Gen.  fänis,  faens,  und  mit  fannes)  aus  *fa^nn ; 
0.  hemme  (Dat.)  'für  einen  Zweikampf  eingehegtem  Raum'  aus 
*ha^mmje  (zu  *hemme  oder  *hem  M.  oder  Xeutr.  ?). 

Substantive  und  Adjektive  mit  «a-Stamm  (hier  kein 
a,  indem  neben  dem  Kasus  mit  _;-haItigem  Suffix  ein  Nom.  Akk. 
Sing,  auf  -i  stand):  o.  ende^\  ililende  'Elend',  hende  'Fessel'  (Gr. 
§  160  und  165,  Anm.  2),  eivenpende  'ein  gleiches  Wertobjekt  dar- 
bietend', unlende  'bodenlos',  inlendes,  -is  'ins  Vaterland',  ütlendes 
'ins  Ausland'  (Gr.  §  230),  fidfensze  'genügenden  Ertrag  liefernd' 
(bahuvrihi- Kompositum  mit  *fang  =^  nmd.  vanc  'Kornertrag') 
ß  167,  2,  fulfensze  'zur  Genüge  vermögend'  (mit  an  aisl.  fqng 
'Yermögen'  erinnerndem  *fatig)  B 162,  18. 19,  omhecht{e)  (Gr.  §  162), 
fensze"  kollektives  Erbe'  (aus  *gifa^ngi,  Kollektivbildung  zu  *fang 
'Erbportion'),  w.  end(e\  ein[d){e\  el{l)ende^  inlende  arva,  ämbecht^  heynd 
'nahe'  (vgl.  ahd.  kehente  'zugehörig') ;  [der  Vokal  des  ahdeutschen 
gislahti  entsprechenden  o.  al  slachte  (Akk.),  det  slacht,  w.  dat  slächte 
muß  demnach  auf  Analogiebildung  beruhen ;  vgl.  w.  fem.  slächte 
genus  =  ahd.  slahta]. 

Fem.  f-,  iö-  bez.  Jö-Stämme:  o.  bende  'Fessel'  (Gr.  §  165ß 
mit  Anm.  2),  scemie  'Schenkkanne'  H  328,  8  [schansa  F  156 
mit  a  durch  Anlehnung  an  das  Verb  skansa,  s.  unten],  {et)fenne 
'Weideland'  (Gr.  §  165ß),  helle  aus  Via'llje,  w.  fenne,  -a,  fyn{ne\  -a 
'Grasland'  aus  *fa^nnj-  (vgl.  ahd.  fenna\  *klemme  bez.  '^klimme  (= 
nwfries.  klimme  'Klemme'),  helle. 

Abstrakta  auf  -i  bez.  -i  (mit  a  nur,  wenn  Anlehnung  im 
Spiel  war):  o.ee/c?e'Alter'(Gr.§44),  /?en(7e 'Gefangenschaft' (Gr. §195, 

1)  Wegen  der  im  folgenden  bei  Quellenangabe  verwandten  Siglen 
s.  Aofries.  Gr.  S.  VI  und  PBrB.  19,  345;  nur  tritt  beim  Zitieren  aus  awfries. 
Quellen  Hett.  an  die  Stelle  von  H  (weil  diese  Sigle  bereits  zur  Bezeichnung 
der  Hunsigoer  Rechtsquellen  dient). 

2)  Über  die  o.  Quantität  des  e  vor  nd  s.  IF.  7,  312,  Anm. 
Indogermanische  Forschungen  XIX.  12 


178  van  Hellen, 

Auni.  2),  helde  'Fessel,  Gewahrsam'  (Gr.  a.  a.  0.),  strumphelte  'Ge- 
brechlichkeit durch  ein  verstümmeltes  Glied  (strump\  kelde  [avo- 
neben  halde  durch  Anlehnung],  frlhelse  [woneben  frihalse],  lentze 
*Länge',  skeme  'Scham'  (Gr.  §  27  H),  oflethegenze  PBrB.  14,  260), 
rende  Mas  Zerreissen'  F  92,  weywend  (Gr.  §  195,  Anm.  2),  w.jelde 
'Alter',  helde,  hilde,  Melde  'Fessel,  Obhut'  usw.,  hihelde,  bihield 
Tormundschaft'  (IF.  7,  335.  337),  hilde,  Melde  'Deichhalde'  (IF. 
a.  a.  0.),  kelde,  kielde  'Kälte'  (a.  a.  0.)  [daneben  kälde  Hett.  148], 
hirlenze,  -Uns  'Aussteuer'  und  hendedich  'durch  Erbschaft  erworben 
habend'  (zur  Lexikol.  des  Awfries.  8.  31). 

Mask.  langsilbige  i-Stämme:  o.  hanck,  (nach  Pauls 
Grdr.  1^,  1179  und  Zs.  f.  d.  Wortforschung  7,  281  zu  fagia  'Land 
benutzen'  stehendes)  facht  'Feldfrucht',  {-)fal,  {-)fang,  swang,  aus 
Sing.  *ba^nk,  -es  usw.  und  benc,  fech(t\  {-)fel,  {-)feng,  sweng,  höldhreng, 
hend,  Ihem,  rend  'Kiß',  wend  (Gr.  §  170)  aus  den  Pluralbildungen 
mit  alten  -i  oder  -i,  -io  oder  -ia,  -im  (wegen  Verwendung  der 
Abstrakta  in  Plurali  vgl.  R.'s  Wtb.)  und  aus  dem  Instrum.-Dat. 
auf  -?,  w.  -fäl,  fang  und  fei,  -feng,  -sweng,  -swing,  bend,  beynd, 
reijnd,  wend,  iveind;  für  w.  oenbreng,  -bring{h)  'eidlich  erhärtete 
Klage'  (PBrB.  19,  408),  das  nur  im  Sing,  begegnet,  ist  außer 
Einwirkung  des  Instrumentals  auch  Anlehnung  an  das  Verb 
oenbrenga,  -bringa  'die  Klage  eidlich  erhärten'  und  das  Adjekt. 
oenbrensze,  -brinsche  usw.  (s.  unten)  in  Betracht  zu  ziehen. 

Fem.  langsilbige  «-Stämme:  o.  macM{e),  toald  aus  *ma^cht 
usw.  des  Nom.  Akk.  Sing,  und  mecht{e\  weld,  offlech(t)  'Enthäutung' 
(Gr.  §  176)  aus  ma^chti  usw.  Gen.  Dat.  Sing.,  av.  mächt,  wäld  und 
wyeld^  oen-,  onflecht  'Enthäutung'.  [Durch  Synkope  seines  -i-  ver- 
lustig gewordenes  and-  (=  aisl.  fem.  ^- Stamm  pnd  'Atem'),  in 
andern  'Fenster'  eig.  'Atemtürchen'  (PBrB.  14,  232)], 

Schwache  Maskulina  mit  Jim  Suffix:  o.walla '"Bru.nnen' 
(vgl.  ags.  wwlle,  ws.  wiell)  aus  *ivaHlja,  -a{n)  ^),  o.  av.  kempa  'Kämpe' 
aus  *ka^mpja,  -a{n)  [daneben  o.  kampa  durch  Anlehnung  an  das 
Verb  kampa,  s.  unten],  av.  enka,  inka  'Ackerknecht'  (=  ahd.  anchio, 
encho);  [in  o.  letslachf{a)  'zur  Klasse  der Liten  gehörig(er)',  w.  letslächt 
steckt  ein  Adjekt.  =  ahd.  gislaht  congener]. 

Der  Nom.  Akk.  PI.  des  Konsonantstammes  mon,o.man, 
w.  man  aus  *ma^mi  für  *ma^nni{z)  [daneben  o.  auch  men,  s.  Gr. 

1)  Wegen  wang.  nwfries.  tvel  'Brunnen',  dessen  e  auf  altes  e  zurück- 
zuführen, vgl.  das  übereinsliinmende,  in  Bülbrings  Ags.  Gr.  §  175,  Anm. 
hervorgehobene  welle. 


Zum  altfi'iesischen  Vokalismus.  179 

§  196,  durch  aualogische  Neubildung  nach  dem  Muster  suffix- 
loser Pluralia  mit  Umlautsvokal  wie  fet.,  teth,  *dec  zu  föt^  töth^  döc\.^) 

Adjektive  mit  i-Stamm:  o.genzie,  gens  (F  56),  ^Y.  ghinse 
■'gänge'  aus*3a*^^j-  und  durch  genzie  beeinflußtes  aus*^«*^^  des Nom. 
Sing,  stammendes  o.  ganse,  unwelde  und  mw-,  ürwalde  'unbeab- 
sichtigt' (Gr.  §  201,  S.  161),  0.  gersfaUe  Mus  Gras,  auf  den  Boden 
gefallen',  stalle  'fest'  mit  a  aus  *-faHl^  *staHl  des  Nom.  Sing,  sowie 
aus  -*faHlj-^  *sfaHlj-  mit  dunklem  Suffixvokal  und  gres-^  gersfelle 
mit  e"  aus  -*faHlj-  mit  hellem  Suifixvokal,  o.  stefgenze^  -a  'am 
Stab  gehend'  aus  *;^a"'ngj-,  henszehen,  -sine  os,  nervus  dependens 
aus  *ha^ngj-,  w.  oenbrensze^  -brensze^  -brinsze,  -hrinscJie^  -brins  'zum 
oenbreng^  -bring{h)^  zur  eidlichen  Erhärtung  der  Klage  berechtigend', 
strengh  J  50,  21.  22.  und  aus  nwfries.  s^raw^  zu  folgerndes  '*strang{e\ 
aus  nwfries.  klim  amplecteus  zu  folgernde  ^klemme^  "^klimme  so- 
wie durch  Erweiterung  aus  {-ff alle  gebildete  fällich,  gers-^  balck-, 
speerfällich. 

Komparativ- und  Superlativbildungeu:  o.  ^aw^  Adv. 
[woneben  als  Neubildungen  langor,  -ere,  -er,  s.  Gr.  §  232],  w.  langh 
Hett.  94  [o.  durch  Anlehnung  an  die  Adjektivformen  mit 
*lengir-  entstandene  leng^  lenger\  o.  lengra  Adv.  und  w.  len- 
g{e)ra,  ling{e)raAdi.AdY.  [woneben  langera  Adv.  durch  Anlehnung], 
lenghist  Hett.  161,  linghest  Hett.  241,  doch  langist,  -{e)st  mit  a 
aus  ^la^nglst-  (z.  T.  auch  wohl  durch  Anlehnung),  o.  eld[e)ra  und 
aldra  [aldera  als  Mischbildung  aus  eldera  und  aldra  oder  etwa 
durch  Anlehnung  an  den  Positiv  für  eldera],  w.  iädera  [und  äldera], 
o.  (h)eldest.  Beachte  auch  die  Substantive  o.  eider  und  aus  den 
synkopierten  Formen  stammendes  alder  parens,  w.  iMd{e)ra,  -en 
und  aldera  PI.  (IF.  7,  316.  334.  336).  Spezielle  Berücksichtigung 
aber  erfordert  aldirmon  'Amtszeuge'  R^R^  (vgl.  Hecks  Afries. 
Gerichtsverfassung,  96  f.),  w.  äldermän  'Vorsitzender  der  Schöffen' 
usw.  (s.  a.  a.  0. 190.  345.  372.  385)  mit  vor  nebentonigem  -i-  aus 
a^  entstandenem  Yokal  (auf  Nebenton  ist  zu  schließen  aus  Rüstring. 
-«■-:  nach  der  von  Kock  in  PBrB.  29,  178  ff.  für  besagte  Mundart 
eruierten  Regel  wurde  nichtschwachtonigesEndungs-«(-)  eben  durch 
seinen  Nebenton  vor  Schwächung  zu  -e(-)  geschützt)^). 

1)  Für  den  Nom.  Akk.  Sg.  men  B  und  den  Nom,  Sg.  man  R^  (Aofries. 
Gr.  §  196)  ist  wohl  eher  Einwirkung  von  Seiten  der  Pluralform,  als  An- 
lehnung an  einen  alten  Dat.  Sg.  men,  man  anzunehmen  (vgl.  als  Gegenstück 
durch  mon  des  Sg.  beeinflußten  Nom.  Akk.  PI.  mon). 

2)  Kocks  Vorschlag  (PBrB.  29,  182),  diesen  Beamtennamen  als  Ent- 
lehnung gelten  zu  lassen,  käme  somit  in  Wegfall. 

12* 


180  van  Hellen, 

Starke  Konjugation.  Formen  wie  o.falt^  fald  [fallit  mit 
-it  für  älteres  -t)  cadit,  haUt^  halt{h)  2.  3.  Sg.  Präs.  Ind.  dürften 
an  sich  nicht  beweiskräftig  erscheinen;  wohl  aber  bei  Yergleichung 
derselben  mit  daneben  überlieferten  felt^  helt  (Gr.  §  274),  die 
auf  neben  normal  synkopierten  *faHt{h\  *haHs[t\  *haHt{h)  stehende 
Prototypen  hinweisen,  die  ausnahmsweise  (durch  Einwirkung  der 
zu  kurzsilbigen  Verben  gehörenden  Flexionsbildungen)  die  volle 
Endung  noch  nicht  aufgegeben  oder  wieder  angenommen  hatten. 
Beachte  auch  o.  stant^  stand  3.  Sg.  (zu  stonda)  aus  *sta^?d{h)  und 
Stent  aus  *sta^ndit(h). 

Als  Partizipien  Prt.  begegnen  neben  o.  fengen^  {ejfenszeriy 
-{d)sen,  {e)gengen^  egendzin,  -zen,  -sin^  kwendzen  'gehangen',  [e)sten- 
den^  w.  fens{z)en,  -zen^  finsen,  -zen^  gensen,  -z{i)en.  gvnsen,  -zen, 
hwensen,  -{t)zen,  hwinsen,  hinsen  auch  o.  {e)fangen,  egangen^  für 
deren  Vokal  außer  den  eventuell  synkopierten  Flexionsformen 
auch  eine  Vorstufe  mit  altem  -en  {—  ags.  -en  der  keinen  Um- 
laut aufweisenden  Partizipialbildungen)  verantwortlich  zu  machen 
(wegen  solcher  urfries,  Endung  -ew  beachte  die  Partizipien  (^)- 
bunden,  ütekwnken^  ivunnen^  bürsten,  ürholna,  {e)komen,  (e)slagen 
usw.).  Zweideutig  sind  o.  {e)f allin,  -en  (Grr.  §  274a),  {e)haldin,  -en, 
w.  fällen,  holden;  -w.  bannen  kann  dem  o.  bonnen  entsprechen 
(w.  a  für  0.  0  vor  Nasal). 

Schwache  kurzsilbige  Verba  I.Klasse.  Als  Bildungen 
mit  regelrechtem  Tonvokal  erscheinen :  o.  lemith  3.  Sg.  Präs.  Ind.^ 
lemi  Opt.  (mit  unurspr.  m  für  mm),  lemid,  -ed,  -et  Part.,  fremme 
Opt.,  efremid,  wlemma,  ivlema  'zum  zweiten  Male  vor  Gericht 
bringen'  (eig.  'schelten'^),  unewlemeth  'unverletzt'  F  44,  w.freme 
Opt.  W  69,  20.  Für  das  Präter.  und  das  flektierte  Part.  Prt.  gibt 
es  leider  keine  Belege,  doch  sind  Formen  wie  lamlde,  -ede,  lamld-, 
lamed-  zu  erschließen  1.  aus  neben  lemid  usw.  begegnenden, 
durch  Ausgleichung  entstandenen  Partizipien  o.  lamed,  {e)lameth, 

1)  Die  Infinitive  begegnen  an  den  Parallelstellen  H  829,  30  ff.  und 
F  160 :  Hwasa  enne  dorn  and  enne  enda  due  (eine  gerichtliche  Entscheidung 
zum  endgültigen  Urteil  werden  läßt,  d.  h.  indem  er  dieselbe  nicht  schilt) 
ende  thes  letera  ieres  (im  folgenden  Jahr,  worin  andere  Richter  im  Amte 
sind)  welle  wlemma  and  thet  berethet  (erwiesen)  iverthe,  thettere  emmer 
redgevum  geve  ene  hävdlesne.  — -  Hwasa  änne  dorn  and  änne  enda  dwe  and 
thes  letera  ieris  welle  wlema  and  thet  biiecht  (erwiesen)  iverthe,  thetter 
ämmer  tha  reddium  ieive  ene  hävdlesene.  Das  Verb  vergleicht  sich  als 
Denominativ  zu  *wlame  (=  mnd.  wlame  vitium)  dem  oben  S.  174,  Anm.  2 
erläuterten  leckia  'ablehnen',  eig.  'schelten'  (zu  *leck  vituperium). 


Zum  altfriesischen  Vokalismus.  181 

2.  aus  0.  Part,  lammefh^  dessen  mm  auf  die  Existenz  hinweist 
Ton  durch  Einwirkung  eines  Präteritums  mit  a  neben  regel- 
rechtem *lemma  entstandenem  *lamma\  eine  Parallele  der  letzten 
Form  bietet  in  F  44  und  Hett.  93  belegtes  o.  w.  framma. 

Schwache  langsilbige  Verba  1.  Klasse.  Regelrechte 
Bildungen :  o.  berna,  -ane  usw.  (trans.  und  intr.)  mit  harnt  3.  Sg., 
barnde,  (g){e)berned^  -et  und  auf  *gibra^nd-  zurückgehendes  barnd, 
harnt  [daneben  durch  Ausgleichung  barna^  -e  usw.,  ghe-^  [e]- 
barned,  -et^)  und  bernt  3.  Sg.,  bernde\  brenga,  -dza  usw.  mit 
brangth,  branch  3.  Sg.  [daneben  branga^  -ande^  -ath,  -e^)  und 
breng,  brenck,  brench{t)  3.  Sg.,  brengest^  -et{h\  Gr.  §  289],  blenda 
(dan.  blend  3.  Sg.),  demma  'eindämmen'  mit  tödampt  3.  Sg.  [und 
demjJt],  *enda  'enden'  (=-=  aisl.  endi^  -da,  -de)  mit  anth  3.  Sg.  E. 
Sgr.  256,   15,  echta  'Urteil  sprechen',  'taxieren'  usw.^)  mit  acht 

3.  Sg.,  acht  Part,  [daneben  achfa,  -e,  -ene,  echt  3.  Sg.,  ech{t)  Part], 
falla  'fällen',  -ath  PL  (aus  *faUja  bez.  -jan,  -jath  für  *fa^Uja  oder 
-an  usw.),  falt  3.  Sg.,  aus  dem  flekt.  Kasus  stammendes  Part. 
{e)fald,  feile  Opt.  (aus  '^fellje  bezw.  -en  für  *faHlje  usw.  (e)felled 
Part,  [daneben  durch  Ausgleichung  efalled,  fallit  'gefällt']'^), 
ehemmed  mutilatus  [dan.  hammed,  -eth,  Gr.  S.  224],  henda  'fangen' 
undhenda  'empfangen'  mit  haut  3.  Sg.,  undhanfe{n)  Prät.  PI., 
un{t)hant  Part,  [woneben  hent  3.  Sg.,  undhente  Prät.  Opt.,  {ge)hent, 
undhent  Part.],  henzia  'zulassen'  F  4,  ekalt  'erkältet'  F  100,  \kelt 
'nennt'  H  335,  6  ist  regelwidrige  Bildung  zu  *kelta  =  mhd. 
kelzen  'schreiend   sprechen',   ahd.  aus  chelzuntun  orantis  zu  fol- 

1)  Zur  Entstehung  der  Formen  mit  a  wirkte  hier  indessen  noch  ein 
jüngerer,  nach  dem  Verklingen  von  postkonsonantischem  j  tätiger  Faktor 
mit,  näml.  die  Entwickelung  von  a  aus  e  vor  r  -\-  a  der  Folgesilbe  (vgl. 
Gr.  §  26,  Anm.  2). 

2)  Wegen  dieser  auf  die  Einwirkung  von  *brangs{t),  brangth  zurück- 
zuführenden Neubildungen  beachte  gleich  unten  zu  erwähnende  bithanka, 
thantse,  -ze  sowie  aus  *wiüchs{t),  iviücht  2.  3.  Sg.  Präs.  Ind.  (für  *ivfcks{t), 
*wfcht  aus  *'wiks{t)^  *ivTkth)  entstandenes  tviäka  'weichen'  (PBrB.  14,  277) 
und  fä{n),  worüber  unten  V. 

3)  Die  Begründung  der  hier  und  im  folgenden  für  echta,  achta  und 
dazu  gehörige  Verbalia  angesetzten  Bedeutungen  bringt  Zs.  f.  d.  Wort- 
forschung 7,  271  ff.  (das  Verb"^ wurde  PBrB.  14,241,  Gr.  §  42,  176  und  Pauls 
Grdr.  1^,  1183  irrtümlich  als  echta,  ächta  'ächten'  gefaßt). 

4)  Fella  'büßen',  das  Gr.  §  288  ß  (S.  224)  als  Denominativ  zu  *fal 
=  mhd.  ral  'Geldbuße'  gedeutet  wurde,  ist  wegen  seines  konstanten  e  nicht 
auf  fa«llj-  zurückzuführen.  Ich  ziehe  jetzt  mnd.  vorvullen  'ersetzen'  (mit 
g^breck,  schaden  als  Objekt)  heran  imd  identifiziere  das  Verb  mit  durch 
to  feilen  'zu  füllen'  E''  210,  26  belegtem  fella  ~  as.  fullian. 


182  van  Hellen, 

gerndem  chelzen]^),  kempa,  -e  mit  kemped  |dan.  campa  mit  a  aus 
*kamps{t),  *kampth,  kampte\  hikenna  usw.,  untkenna  F  12  mit 
bikant  3.  Sing.,  hikande  Prät.  Opt.,  tmtkande  (Gr.  §  27  F),  hikand 
Part.  [won.  bikatina,  hikan^  hikent  3.  Sing.],  lenda  'zu  Ende  bringen' 
(Gr.  §  288  ß,  S.  224),  [mengde  Prät.  als  regelwidrige  Form],  pendan 
'pfänden'  F  152  mit  pant  3.  Sing.  F  130,  untpant,  -tis  Part.  F  130. 
124  [dan.  pent  3.  Sing,  und  Part.],  terende  'zerreiße'  (vgl.  ags. 
rendan  scindere)  mit  herant  3.  Sing.,  te-^  torant  Part.  [dan.  (in)rent 
3.  Sing.,  erent,  terent  Part,  und  tvärent  H  335,  5],  rennande  intr. 
[dan.  rent  3.  Sing.]  (s.  Gr.  §  270  ß),  senda  usw.  mit  sant  3.  Sing., 
sanie,  -on  Prät.,  {e)sant^  sante  Part.,  saw^r/t  'sengt',  [sannath,  -e 
'streiten,  -e',  Gr.  S.  225],  ürsanc  'versenkt'  [dan.  te  sansane  mit  a  aus 
*sankte  usw.],  scenzie  'schenke'  mit  scanc^  schanch^  schanght  'schenkt' 
und  scandim  schenkte  ihnen'  [(\a,n.skenc  3.Sing.und skanse  Opt.Fl  08], 
sprensze'hGs^veü.ge\swense  'gieße' mits«mw^(^),  svangh{t)  3.  Sing.  [dan. 
sveng,swencd.Sing.,s.(}r.%i^9\{be)thenziausw.  '(be)denken'  [dan.  bi- 
thanka,  thantse,  -zemita  wie  in  branga  iiiiw. ],nwnda  usw.  mitwant  3.  Sg. 
und  Part,  j  dan.  went  3.  Sg.  u.Part.],  wense  'wackle'  ( vgl.Pßrß.l4, 27  6)^) ; 
w.  berne  mit  baernt^  bärnt,  bärnde,  baernd  \baerna,  bärnane, 
-ene  usw.],  brenga,  bringa  usw.  [brinkt^  brincht],  enda^  einda^ 
bifälla  'schlichten'  Hett.  50,  lienzia,  hinzia  'gutheißen'  (PBrB.  19, 
408),  kempa  J  60,  22,  &j-,  {be)kenna  mit  bikänt^  bicaent  3.  Sing.^ 
caend^  bicänt,  -känd,  bekänth  Part,  [be-,  bikänna,  -et  usw.,  bikäna^ 
s.  IF.  7,  319],  bykrinsa^  -zen  'kränken,  schaden'  J  76,  4.  78,  1 
mit  bykrinst  Part.  J  46,  17  für  *biknnset,  [lenth  'zum  Landbe- 
sitz gehört',  PBrB.  19,  411],  lynsa  'verlängern'  J  2,  38.  8,  2, 
menzia  'vermengen',  naemt  3.  Sing.,  naemde  'nannte',  binaemd^ 
{Ön)naemd.  foernaemd  [nämna^  naemna,  -ane^  naemmen,  s.  IF.  7, 
321.  318.  319],  penda^  peynda  'pfänden',  ränth  'zerreißt',  biränt 
'zerbrochen'  Hett.  108,  [renth^  raint  3.  Sg.,  rind,  reint  Part, 
PBrB.  19,  367],  renna^  rinna  (IF.  7,  318  f.),  senda,  seinda  mit  sänt 
3.  Sing.,  sänte  [sent,  seint  3.  Sing.,  seinte\  [sengt^  singt  'sengt'],  sänd 
'gestritten',    Ön{be)saend,    'unbestritten'    [sänna,    -e,    -et^    sänet{h), 

1)  In  Gr.  §  288  ß  (S.  224)  herangezogene  ahd.  challit,  -int  (Bib.  5)  sind  an- 
gesichts normaler  cliallön,  ags.  cealUan,  mnl.  kalten  als  junge  Neubildungen 
zu  fassen. 

2)  Die  zu  beachtende  Tatsache,  daß  sieb  neben  den  Präsensbildungen 
mit  end  {Jienda,  penda,  renda  usw.)  keine  Neubildung  mit  a  findet,  erklärt 
sich  hieraus,  daß  die  nach  Gr.  §  122  t  statt  d{d)  ein  t{t)  aufweisenden 
Präteritalformen  und  die  2.  3.  Sing.  Präs.  Ind.  mit  für  d  eingetretenem  t, 
indem  sie  formell  aus  dem  normalen  Rahmen  herausgetreten  waren,  die 
übrigen  Präsensformen  nicht  beeinflußten. 


Zum  altfriesischen  Vokalismus.  183 

s.  IR  7,  318,  319],  scenda  (PBrB.  19,  367),  truchstrinzede  (s.  Zur 
Lexikol.  des  Awfries.  62),  tynsa,  hitensa^  -t{h)inzia  '(be)denkeii' 
(PBrB.  19,  408),  *wemmid  (Hs.  ivemnid)  'geschädigt'  Hett.  33, 
oeneivemmid  (bei  Hett.  115  falsch  -ed)  'unbeschädigt',  weemd, 
önweemd  (mit  vor  md  gedehntem  Vok.)  und  ömvemed  (als  Kom- 
promißbüdung),  [swengli{e%  sivengh^  sivingtS.  Sing.],  \tveinten  Prät.Pl.]. 

Erstarrte  Lokativbildungen  und  Partikeln  mit  -t 
(aus  *-f):  0.  hilikepende  'vermittelst  equivalenter  Pfandnehmung' 
B  167,  3,  a  lende  'zu  Land'  (IF.  7,  315,  Anm.  3),  eile  mit  elle- 
machtig  und  elmetha  (auch  w.,  s.  Zur  Lexikol.  des  Awfries.  20  ff.), 
ondlenge  'entlang'  (zum  Reflex  von  as.  andlang,  ags.  ondlong  'sich 
in  der  Länge  ausstreckend'),  {h)ivenne,  -de,  -te,  thenne,  w.  den 
(IF.  7,  315  und  PBrB.  28,  564f). 

Derivata  mit  i  oder  i  enthaltendem  Suffix: 

0.  pennig  [indem  aus  der  von  Heuser,  Altfi'ies.  Leseb.  §  33 
für  die  Rüstr.  Mundart  hervorgehobenen  Erscheinung,  -ig  vor- 
zugsweise bei  unflektierter,  -ing  meist  nur  bei  flektierter  Ver- 
wendung des  Wortes,  zu  schließen,  daß  in  vorostfries.  Periode 
*pa^nnig  dem  '^pa^nnmg-  gegenüberstand,  ist  das  a  von  o.  pannig, 
pannig-  auf  Anlehnung  an  panning-  zurückzuführen] ; 

o.hendsegch,  henzeg  (Gr.  S.  33  oben)  'unterworfen',  w.hensich, 
hinsich  'dienstbar'  und  o.  hanzoch  (Substituierung  von  -og  oder 
-ug  für  -ig  vor  der  Entwickelung  von  a*  zu  e"  und  a),  o.  weidig, 
w.iveldig,  uyeldig,el{l)endich,  o.  elmechtig,  vi.overlendichHQti.  132  [wo- 
neben 0.  machtich,  w.  mächtich,  o.  ellemachtich,  w.  ovirländich  durch 
Anlehnung,  wie  o.  en-,  tivifaldech,  monslachtich,  w.  mänsläcJdich, 
fällich  'zu  Geldstrafe  (*/a^=-  mhd.  val  'Geldstrafe')  verpflichtet'  J.  3, 
13];  [o.  menichfald  und  menie  'Zahl'  haben  alten  Umlautvokal]; 

0.  mentel  'Mantel'  und  mantel  angel  'Engel'  sprangel  'Sprengel', 
mit  a  aus  ^ma^ntl-  etc.,  w.  mentel,  engel  (vgl.  auch  nwfries.  ingel, 
hingel  'bengel')  [o.  hemilinge,  -elenge  'Verstümmelung'  mit  regel- 
widrigem e  durch  Anlehnung  an  *hemil] ; 

0.  luitelamelsa  'Verunstaltung  des  Äußern  durch  Verwun- 
dung' mit  regelrechtem  a  aus  ^-tvla^mUs-  oder  *-ivla^mlsl-  [dan. 
wliti-,  wlite{w)lemmelsa  durch  Anlehnung  an  wlem[m)a,  s.  oben 
S.  180],  w.  wlitetdmmelsa  mit  gleicher  Bedeutung  S,  Hett.  230. 
248  (zu  wenima,  s.  diese  S.  oben); 

0.  semin  [mit  daran  angelehntem  semine]  und  samene  aus 
*sa^mine  [mit  angelehntem  samin],  w.  lenden,  o.  lendern  (vgl. 
aonfrk.  lendin); 


184  van  Hellen, 

0.  wedskemmene  'Kleidimgsbeschädigung'  (Gr.  §  176,  S.  144], 
thempene  'Erstickung'  (a.  a.  0.),  stempene  'das  Verstopfen,  Hemraea', 
echfene  'Rechtsweisuugspflicht,  Anpfändung'  usw.,  londechtene 
'Landabschätzuug'  (s.  oben  S.  181,  Anm.  3),  blendene,  ütrendene'^dsLS 
Herausreißen' F  94,  wendene  'Verletzung',  tveiivendene 'Belästigung 
auf  dem  Wege',  w.  hendene  'Gefängnis'  aus  *-ska^mmfn  usw.  und 
0.  *netskammene  (Gr.  §  176,  S.  144),  thampene,  achfene  'Anpfändung' 
usw.  aus  *-ska^mmfn-  usw.  der  flektierten  Kasus  mit  neben- 
toniger Pänultima; 

0.  blendinge,  -enge.  w.  kenninghe  Seh  657,  töhinsinge  'Ge- 
nehmigung' mit  aus  dem  alten  Nom.  Sing,  auf  -ing  stammendem 
Vokal  und  o.  hekannynghe^  w.  [hi)känninge  Seh  334,  S,  J  9,  1  mit 
a  aus  *{-)ka^nnmg-  (natürlich  ist  hier  sowie  für  die  Verbalia  auf 
-ene  außerdem  gelegentliche  Beeinflussung  von  selten  des  Verbs 
nicht  auszuschließen;  vgl.  auch  w.  saeninghe  'Streit'  Ag  139  für 
*sanninghe  durch  Anlehnung  an  sän{n)a^  s.  oben  S.  182); 

0.  w.  pennmg^  o.  prelling  'Hode'  mit  Vorstufe  *pa^nnig, 
*praHUg  (vgl.  oben  zu  pannig)  und  o.  w.  panning,  o.  pralUng  aus 
*pa^nnmg-,  *praHüng- ; 

0.  frem{m)(e)the,  frem(e)de,  w.  fremed{e)  S  480,  1.15,  freemd{e) 
J  72,  4,  0.  hemethe,  -ede  (im  Wurst.  Vokab.  hemmin,  PBrB.  13,  542, 
bei  Cad.-MüUer  46  hembde\  w.  aus  nwfries.  himhd  zu  erschließen- 
des *hemde,  *himde  mit  aus  dem  alten  Nora,  ^fra^mip^  -id  (für 
*framip%  -idi\  *ha^miß  (für  *hamißi)  stammendem  Vokal  und  o. 
fram[e)de  (saterl.  främd^  wanger.  frammit),  w.  fraemd{e)^  främd{e) 
(s.  Wb.  und  IF.  7,  313 ;  nwfries.  freamd  mit  ea  aus  gedehntem  a\ 
0.  hamed{e)  (wanger.  hammin\  die  auf  *fra^mtd-,  *ha^mld-  zu- 
rückgehen ; 

0.  lemithe^  -ethe  aus  altem  Nom.  Ha^miß  {lemmethe  e  220,  29 
mit  mm  nach  dem  Verb)  und  o.  lamethe,  -athe  {-a-  als  Schreibung 
für  -3-),  w.  lam{e)the  aus  *la^mld-  (für  die  w.  Form  wäre  aber 
auch  gelegentliche  Anlehnung  an  das  Adjektiv  denkbar);  [o.benethe 
'Klage  wegen  Mord'  hat  alten  Umlautsvokal;  für  w.  {daed)bante, 
-bannethe,  -ede  W,  Hett.  89.  136.  304  ist  demnach  Anlehnung 
an  *bannia  =  o.  bonia  'für  den  Mörder  erklären'  bez.  *banna  =  o. 
bona  'Mörder'  geltend  zu  machen  (wegen  ann  der  av.  Formen 
vgl.  IF.  7,  330)] ; 

der  0.  Völkername  Am{e)sga  aus  ^A^mh{i)ga  oder  -o,  wo- 
neben Emsga  aus  *Ä^msiga  mit  regelwidrig  nicht  synkopiertem 
-i-  (wegen  einer  alten  neben  Amisia  verwandten  kurzen  Form 


Zum  altfriesischen  Vokalismus.  185 

des  Flußnamens  beachte  Äm{p)sivar{i)i) ;  der  o.  Flußname  Emese 
aus  dem  Nom.  *A^mis  (für  *Amisi  bez.  -i)  und  Ämese  aus  "^Ä^mlssja 
Gen.  Akk.,  -je""  Dat. ; 

0.  englisk^  -esk,  w.  engelsch  aus  *amgUsk  und  o.  anglisk^  -elesk 
aus  *a^nglisk-  [auf  Anlehnung  an  anglisk  beruht  Ängelond^  wofür 
nach  ags.  Ongel  Anglia  die  Form  Onge{l)lond  zu  erwarten  wäre], 
0.  engleska  angelica,  ütlendesca  B  162,  27  mit  e  aus  der  unflekt. 
Form,  0.  man{ni)ska  [woneben  men{ne)ska^  w.  menscha,  mynscha 
mit  regelwidrigem,  aus  dem  Adjekt.  *mennisk  entlehntem  Vokal]; 

0.  hengst,  saterl.  wanger.  hingst^  w.  *hengst,  *hingst  (—  nwfries. 
hinxt)  aus  *ha^ngist  und  o.  hängst^   saterl.  hängst  aus  *ha^ng\st-\ 

0.  hangnese  "Genehmigung'  F  58  aus  *hangnlssia  [dagegen 
w.  henghnese^  -tiisse,  hinghnisse  durch  Anlehnung  an  *hengja{n\ 
woraus  henzia,  hinzia^  s.  oben  S.  182],  w.  onderstannisse  J  1,  1, 
5y-,  becannisse  J,  1,  1.  13,  46. 

Anmerkung  1.  Mit  Rücksicht  auf  die  aus  Gr.  §  1  a  und  S.  244 
(Nachtr.  zu  §  39)  sowie  aus  Pauls  Grdr.  1'^,  1198  sich  ergebende  velare 
Qualität  von  altem  hs  ist  für  die  vor  i  usw.  der  Folgesilbe  stehende  alte 
Verbindung  ahs  die  nämliche  Behandlung  zu  erwarten  {a«hs  woraus  ahs 
und  ehs,  wie  aeht,  woraus  aht  und  eht);  doch  läßt  sich  leider  keine  der 
überlieferten,  einschlägigen  Formen,  Sexena  und  Saxinna,  -ina  usw.  (Gr. 
§  193,  Anm.),  {e)wexet  ceratus,  tvext  und  waxt  3.  Sing.  Präs.  Ind.,  als  sicherer 
Beweis  verwerten. 

Anmerkung  2.  Aus  der  Partizipialendung  -ande  (in  jüngeren  o. 
Quellen  und  den  w.  Denkmälern  begegnendes  -ende  hat  aus  -a-  geschwächtes 
-a-)  geht  hervor,  daß  in  mit  schwachem  Nebenton  gesprochener  Silbe  das 
a«  trotz  des  folgenden  i  bez.  j  zu  a  wurde. 

III.  Zu  altfries.  ä  (a)  und  e{e)  aus  germ.  nicht  in  schwach- 
toniger  Silbe  stehendem  ai  (aus  idg.  a?,  äi,  oi). 

Im  Jahrb.  des  Yereins  für  niederd.  Sprachforschung  (1890), 
163  beanstandet  Bremer  mit  Recht  meinen  in  §  22  der  Aofries. 
Gr.  gemachten  Versuch,  afries.  ä  und  e  aus  ai  mit  ags.  ä  und  m 
in  eine  Linie  zu  stellen;  es  ist  hier  unbedingt  für  das  Fries, 
alte  direkte  Kontraktion  zu  ä  und  durch  einen  Umlautsfaktor 
veranlaßte  Entwickelung  des  ä  zu  e  in  Abrede  zu  stellen. 

Zur  Deutung  der  fries.  ä  und  e  stellt  Bremer  a.  a.  0.  den 
Satz  auf :  "germ.  ai  (wurde)  in  offener  Silbe  zu  e,  in  geschlossener 
zu  ä  oder  a  {eth:  aththa,  hem:  hamreke,  reka:  rächte)".  Doch 
führt  diese  Fassung,  wenn  schon  derselben,  wie  sich  später  heraus- 
stellen dürfte,  ein  richtiges  Prinzip  zugrunde  liegt,  in  der  ge- 
gebenen Formulierung  nicht  zum  Ziel.    Sie  scheitert  an  Formen 


186  van  Hellen, 

wie  fäd  'Falschmünzerei'  (aus  *faihöduz\  sceltata  'Schulze',  an 
den  Präteritalbildungen  mit  e  der  1.  3.  Sing.  Ind.  nach  1.  starker 
Klasse,  an  ä  'immer',  nä  'nie'  usw.  (s.  IF.  7,  339  f.). 

Aber  auch  die  von  mir  in  IF.  7,  340  ff.  erschlossenen  Regeln 
"altes  ai  wird  normal  zu  e,  doch  ä  entwickelt  sich  1.  in  schwach- 
tonigen  Einsilblern  (1.  in  schwachtoniger  Silbe),  2.  vor  immittelbar 
folgendem  oder  nur  durch  Aspirata  getrenntem  o  oder  m,  3.  vor 
tautosyllabischem  Labial,  durch  folgendes  w  oder  u  labial  gefärbtem 
Konson.  oder  gutturalem  Spirant,  4.  vor  tautos3dlabischer  oder 
über  zwei  Silben  verteilter  zwei-  oder  mehrfacher  Konsonanz, 
5.  vor  Geminata"  haben  zum  Teil  ihren  Haken.    Von  den  für 
1.  zitierten  Belegen  (IF.  1,  341.  344)  sind  einige  (ä  'immer',  nä 
'nimmer'  und  'nein')  nicht   zu  den   unter  Umständen   schwach 
betonten  Formen  zu  zählen ;  thä^  dae^  da  Nom.  Akk.  PI.  M.  begreift 
sich  als  Entlehnung  aus  dem  F.  und  N.,  fM,  dae^  da  Dat.  Plur. 
(=  aind.  täis  und  toic)  und  (durch  Analogiebildung  auch)  Dat. 
Sing.  ]\I.  Ntr.  als  die  Folge  von  Anlehnung  an  für  die  nämlichen 
Kasus  verwandtes  thäm^  däm,  daem;  die  letzte  Form  und  üväm 
Dat.  hat  vor  tautosyllabischem  Labial  stehenden  Yokallaut;  daß 
twä  Nom.  Akk.  N.  nicht  auf  hvai  zurückzuführen,  wurde  IF. 
18,  90  f.  betont;  wegen  der  übrigen  Belege,  an  'ein'  und  sceltata, 
s.  weiter  unten.  Auch  die  2.  Regel  für  ä  muß  in  Wegfall  kommen: 
es  spricht  dagegen  neben  aofries.  awfries.  fäd  'Falschmünzerei" 
(IF.  7,  341.  344)  in  Hett.  165  und  (nach  Pauls  Grdr.  1^,  1228) 
öfters  im  Cod.  Unia  überliefertes  awfries.  fed.    Die  4.  Regel  aber 
ist  einzuschränken.  Von  den  hierfür  (IF.  7,  342.  345)  angezogenen 
Formen  sind  haest  'Eile,  Böswilligkeit'  (aus  *hä^fst),  haste,  haeste 
'heftig'  (aus  *hafsti),  rächt  3.  Sing.  Präs.  Ind.,  rächte  Prt.,  rächt 
Part,  (zu  reka,  retsia  'reichen'),  säver  'Seifer'  (aus  *sä^vres  usw.), 
fämne  puella  (vgl.  ags.  foemne\  äyn  'eigen'  (aus  *ä^g-nes  usw.), 
wäynia  'weinen*  (aus  *wä^ß;-nia\  äthum,  -om  'Schwager'  und  täker 
'Mannsbruder'  (ags.  täcor)  (aus  "^ä^ßmes  usw.,  Hä^kres  usw.)  nach 
Regel  3,  hlädder  'Leiter',  ällewene'^eW  usw.  nach  5  zu  beurteilen; 
nicht  zugunsten  der  Regel  sprechen  Präteritalbildungen  wie  delde, 
lerde,  kerde,  lende,  -on,  {e)deld,  hikerd,  Und  u.  a.,  deren  konstantes 
e,  mit  Rücksicht  auf  rächte  usw.  zu  reka^  lätte  'leitete',  lät,  laet 
'geleitet'  zu  leda,  schälte,  schaet  usw.  zu  schetha  'scheiden',  wohl 
kaum  auf  Rechnung  von  Analogiebildung  zu  stellen  sein  dürfte; 
wegen  des  durch  -a  beeinflußten  Vokals  in  fiämända  und  wegen 
anich  (?),  äeng  ullus,  ängne  ullum  s.  unten.    Es  bleiben  also  nur 


Zum  altfriesischen  Vokalismus.  187 

die  neben  f,eesc^  ffßst-^  geest  animus,  geest  'hohes,  trockenes  Land', 
Usta  'leisten',  mest^  mester  überlieferten  Formen  ftäsc^  flaesch,  gäst^ 
gaest  animus,  gaest  'hohes,  trockenes  Land',  last  'leistet',  laesta, 
mäst,  niäster,  maester  als  Zeugnisse  für  qualitative  Yertiefung  von 
ä*  vor  sk^  st  und  zwar,  wie  aus  den  Doppelformen  mit  e  hervor- 
geht, vor  tautosyllabischem  sk,  st  {mäster  aus  *mä^st-res  usw.; 
wegen  äskia,  aeskia  und  äsche^  aesk  s.  unten). 

Nach  Siebs  (in  Pauls  Grdr.  1^,  1228  ff.)  sollte  sich  ä  bez.  a 
entwickelt  haben  1.  in  offener  Silbe,  wenn  die  Folgesilbe  dunklen 
Yokal  oder  w  enthielt  (ägon,  -un  'sie  haben',  äthom,  -um^  täker 
'Mannsbruder'  =  ahd.  zeihhur,  usw.),  2.  unter  Einfluß  eines  w, 
insofern  nicht  ^-Umlaut  wirkte  {^mch  'Wand',  tim  'zwei'  F. 
N.,  *wäk  'weich'),  3  ^  vor  kürzender  Doppelkonsonanz  {flask  caro, 
mast  'meist',  latfe  'leitete',  skatte  'schied',  usw.),  3^  in  minder- 
betonten Einsilbern  {thä  'die',  'den'  Dat.  PL,  usw.),  wäre  aber  4. 
in  geschlossener  Silbe  vor  einfachem  Konson.  sowie  in  allen 
Fällen,  worin  die  Folgesilbe  «,  j  enthielt,  zu  e  geworden  {bred,  ben, 
dela  'teilen'  aus  dailjan,  weden  'blau'  =  ahd.  weitin,  bet  'biß',  grep 
'griff'  usw.). 

Gegen  Satz  1  sprechen  indessen  ewe  'Ewigkeit'  H  337,  1, 
neben  fäd  'Falschmünzerei'  stehendes  fed  (Grundf .  *faihöduz ;  was 
S.  hier  meint  mit  "fed  aus  Formeln  mit  *-Suffix?"  ist  mir  nicht 
ersichtlich)  und  in  reräf  reesraef  'Leichenraub',  hrelic  'Leichnam' 
belegtes  hre  aus  *hrä^u,  *hräetves  usw. 

Wegen  der  2.  Regel  sind  das  Numerale  tivene,  tween  (vgl. 
IF.  18,  91),  sii^et,  swes,  aus  nwfries.  we  'weh'  zu  folgerndes  afries. 
*we  und  wet  novi,  -it,  zu  beachten. 

Regel  3  a  trifft,  was  die  qualitative  Entv\äcklung  angeht, 
das  Richtige  (Vertiefung  der  Klangfarbe  vor  tautosyllabischen  sky 
st  und  vor  Geminata);  bezüglich  der  Quantität  aber  sei  bemerkt: 
erstens  daß  das  Yorhandensein  in  den  nfries.  Dialekten  von 
vor  tautosyllabischen  sk,  st  und  vor  Geminata  gekürztem  Yokal 
(wanger.  flask,  fat  'fett',  saterl.  ftäsk,  fat,  nwfries.  mast  'meist'  u. 
dgl.)  keineswegs  als  Beweis  für  afries.  Kürzung  gelten  kann; 
zAveitens  daß  aus  den  afries.  Quellen  die  Existenz  von  altem, 
vor  tautosyllabischen  sk,  st  gekürzten  Yokal  nicht  zu  ermitteln, 
dagegen  aus  wanger.  ask,  saterl.  askja  'heischen',  deren  a  nur  auf 
Anlehnung  an  das  F.  ask  beruhen  kann,  erst  nach  Yollzug 
der  Apokope  von  altem  -a,  d.  h.  nach  Eintritt  von  äsk  für  afries. 
äsche  F  154,  sich  entwickelnde   Kürzung    zu    erschließen   ist; 


188  van  Helten, 

drittens  daß  für  die  Vokalkürzung  vor  Greminata  eine  so  junge 
Entwicklungszeit  zwar  nicht  zu  erweisen  und  die  Möglichkeit 
von  afries.  latte  'leitete',  schatte  'schied'  u.  dgl.  mithin  nicht  zu 
leugnen  (vgl.  auch  IF.  7,  343,  Anm.  2),  daneben  aber,  wenigstens 
für  das  Westfriesische,  auf  Grund  von  Präteriten  wie  schaete^ 
schaet  {-e  apokopiert),  läten  'Ihr  leitetet',  laet  (für  täte)  (s.  IF. 
7,  3451  und  PBrB.  19,  4081),  auch  als  Tatsache  Erhaltung  der 
Länge  zu  gelten  hat  (Dehnung  von  gekürztem  a  ist  hier  natürlich 
ausgeschlossen),  die,  insofern  den  überlieferten  Dialekten  bereits 
Kürzung  zukäme,  so  zu  deuten  wäre,  daß  vor  alten  tt^  thth  ent- 
standenes ä  im  unflektierten  Partizip,  worin  auslautende  Greminata 
in  der  Folge  Kürzung  erlitt,  regelrecht,  im  flektierten  Part,  und 
im  Prät.  durch  Anlehnung  die  alte  Quantität  bewahrte  (umge- 
kehrt wäre  hier  auch  lautgesetzwidriges,  durch  latte,  schatte  beein- 
flußtes Part,  lat,  schat  für  möglich  zu  halten);  viertens,  daß  dem 
Erörterten  zufolge  ein  direkter  Zusammenhang  zwischen  einer 
quantitativen  und  der  qualitativen  Entwicklimg  des  in  Kode 
stehenden  Lautes  in  Abrede  zu  stellen. 

Gegen  Siebs'  Regel  3  b  wäre  an  sich  nichts  einzuwenden, 
doch  lassen  sich  die  hierfür  angezogenen  Formen  thä,  da,  dae 
'die'  und  an  unus  (beachte  in  awfries.  Quellen  begegnendes  aen) 
auch  anders  deuten:  wegen  thä  usw. 's.  oben  S.  186;  f ür  a«  ist 
nach  Siebs'  dankenswerter  Bemerkung  (Grdr.  1  ^^  1229)  der  Akk, 
Sing.  M.  änne  (aus  *ä^7ine,  also  mit  vor  Geminata  entstandenem 
Yok.)  verantwortlich  zu  machen  (in  der  Tat  ist  die  Form  mit  ä 
oder  a  nicht  nur  auf  das  M.  beschränkt,  sondern  begegnet  auch 
vorzugsweise  im  Akk.  Sing,  änne,  ännen). 

Unzulässig  ist  aber  die  unter  4.  erwähnte  Regel,  e  vor 
tautosvllabischem  einfachen  Konson.;  es  widersprechen  derselben 
räp  'Seil',  uneläf  'ohne  Nachkommenschaft',  äch  'ich  habe',  'er 
hat'  (das  nach  dem  bereits  oben  Bemerkten  nicht  auf  Anlehnung 
an  ägun  beruhen  kann),  Math  'Kleid',  fach  reus  u.  a.  Und  daß 
i  bezw.  j  der  Folgesilbe  die  Entstehung  von  e  bedingt  hätte, 
leuchtet  kaum  ein,  wenn  man  we  'weh',  twene  duo,  sele  anima 
und  auf  die  flektierten  Formen  Vireives,  -e  (für  *hrä^wes,  -e) 
zurückgehende  {h)re  und  rees  (in  hrelic,  reräf,  reesraef)  berück- 
sichtigt, die  auf  in  offener  Silbe  ohne  Mithilfe  eines  Umlauts- 
faktors entwickeltes  e  hinweisen. 

Gänzlich  verfehlt  ist  derIF.  12,  372fl  von  Walde  gemachte 
Versuch,  den  fries.  e  und  ä  beizukommen  durch  Aufstellung  der 


Zum  altfriesischen  Vokalismns.  189 

Sätze:  ai  Avurde  zuerst  in  offener  Silbe  zu  ä*,  woraus  e  vor  i 
oder  j  der  Folgesilbe,  sonst  ä ;  später  erfolgte  in  geschlossener 
Silbe  Kontraktion  von  ai  zu  ä*,  woraus  ä  vor  cÄ,  Labial  und 
Geminata,  sonst  e.  Die  für  die  These,  ä  in  offener  Silbe  bei 
nicht  folgendem  i  oder  j,  ins  Feld  geführten  Belege  aber  sind 
alles  eher  als  beweiskräftig:  die  Annahme  eines  Prototyps  mit 
ai  ist  für  den  Nom.  Akk.  PI.  M.  thä  nicht  geboten,  für  den  Nom. 
Akk.  Nti\  twä  ausgeschlossen  (s.  oben) ;  der  Dat.  PI.  comm.  Gen. 
und  der  Dat.  Sing.  M.  N.  thä  kann  durch  Anlehnung  an  thäm 
entstanden  sein  (s.  oben);  für  ä  'immer',  nä  'nie',  äthum^  -om  und 
täJcer,  gäd  'Bedürfnis',  wräk  'gekrümmt'  (nach  W.  mit  ä  aus  ä*  in 
offener  Silbe  von  gä^do,  wrä^ko^  vgl.  got.  gaidiv^  wraiqs)  ist  der 
Umstand  zu  berücksichtigen,  daß  hier  Beeinflussung  des  ä*  durch 
tautosyllabisch  gewordenen  Labial  bez.  durch  labial  gefärbten, 
silbenschließenden  Konson.  im  Spiel  sein  konnte;  für  /äwa 'Nachlaß' 
(Flur,  taut.),  fräse  'Gefahr',  läre  'Lehre'  ist  mit  dem  Umstand  zu 
rechnen,  daß  diese  starken  Feminina  im  ISTom.  Akk.  und  Gen.  PL 
(man  beachte  die  aus  der  Überlieferung  hervorgehende  Tat- 
sache, daß  diese  Abstrakta  ausnahmslos  bez.  vorzugsweise 
im  PI.  verwandt  wurden)  Suffix  -a  aufwiesen,  das  für  die  qualitative 
Änderung  des  vorangehenden  ä*"  in  gleicher  Weise  verantwortlich 
zu  machen  wäre,  wie  das  -a(-)  in  *scelt{h)äta  (woraus  sceltata 
'Schultheiß')  mit  -a{n)  im  Gen.  Dat.  Akk.  Sing,  und  Nom.  Akk.  PL, 
*fäJiad  (woraus  fäd  'Falschmünzerei'),  Häha[n)  Gen.  Dat.  Akk.  Sing, 
und  Nom.  Akk.  PL  (woraus  *tä,  die  Basis  von  neugebildetem 
täne  'Zehe'*)),  äskas{t)^  -ath,  -ad  (woraus  äskia,  das  wieder  auf 
den  Vokal  von  dazu  stehendem  starkem  Fem.  einwirken  konnte), 
wäsanda  'Luftröhre'  (Zusammenhang  des  Nomens  mit  ahd.  weisont^ 
-ant  arteria  wurde  von  Walde  S.  377  f.  hervorgehoben),  cläthar 
Nom.  Akk.  Flur.,  mära  major  (vgl.  auch  aus  niüghenspätze  'neun- 
speichig'  zu  folgerndes  *späke  mit  aus  den  Pluralkasus  auf  -a 
stammendem  ä).  Nur  aofries.  nä  'nein'  könnte  beim  ersten  Blick 
für  Waldes  Ansatz  zu  sprechen  scheinen ;  doch  steht  dieser  Form 
awfries.  ne  (=  aisl.  nei)  gegenüber,  dessen  Vok.  mit  Rücksicht 
auf  die  entschieden  für  e-Entwickelung  in  offener,  nicht  durch 


1)  Durch  Ausfall  von  h  entstand  ein  Sing,  tä  Nom.  (aus  *tähe),  Gen. 
Dat.  Akk.  tä  (aus  *täha  bez.  -an),  einPlur.  tä  Nom.  Akk.  (aus  *täha  bez.  -a^i), 
Gen.  tana  (aus  Hähona) ;  die  Gleichförmigkeit  des  Nom.  Akk.  Sing,  und  des 
Nom.  Akk.  Plur.  veranlaßte  gelegentlich  die  Fassung  von  täna  als  Gen.  Sing., 
was  hinfort  die  Neubildung  eines  Nom.  Sing,  täne  zur  Folge  haben  konnte. 


190  van  Hellen, 

i  oder  J  beeinflußter  Silbe  zeugenden  *we,  twene  ^),  sele,  {h)re{s.  oben) 
als  der  regelrecht  entwickelte  zu  gelten  hat  (wegen  aofries.  nä 
mit  aus  'nie'  entstandener  Bedeutung  'keines\yegs'  vgl.  mhd.  und 
nhd.  im  DAYb.  7,  740  hervorgehobenes,  als  emphatische  Negation 
verwandtes  nie).  Aus  der  Unzulässigkeit  aber  von  W.'s  erstem 
Satz  geht  das  Unzulässige  hervor  der  von  ihm  aus  dieser  Prämisse 
gezogenen  Konsequenzen  (jüngere  Entstehung  von  ä%  woraus  e, 
in  geschlossener  Silbe,  usw.),  auf  die  also  nicht  weiter  einzugehen. 

Das  Ungenügende  bezw.  Unbefriedigende  der  bis  jetzt  be- 
treffs unserer  Frage  erzielten  Resultate  ladet  ein  zum  neuen 
Versuch,  einer  Lösung  näher  zukommen.  Und  die  Ergebnisse 
einer  zu  dem  Zweck  widerholten  Musterung  und  Prüfung  des 
zur  Verfügung  stehenden  Materials  möchte  ich  hier  dem  Urteil 
der  Fachgenossen  unterbreiten. 

Aus  ai  kontrahiertes  ä^  wird  in  einer  nach  der  "Wirkung 
von  Sievers'  Synkopegesetz  und  dem  Vokalschwund  in 
den  Endungen  für  die  2.  3.  Sing.  Präs.  Ind.  (vgl.  PBrB.  17, 
556  f.)  und  vor  dem  Verklingen  von  postkousonantischem 
Endungp-J  liegenden  Periode  zu  ä 

1.  vor  tautosyllabischera  Labial  bezw.  Labio-velar 
oder  gutturalen  Spiranten,  vor  durch  ehemals  folgen- 
des u  labialisiertem  und  infolge  von  Syn-  oder  Apo- 
kope  dieses  i<  in  den  Auslaut  der  voranstehenden  Silbe 
getretenen  Konsonanten,  sowie  vor  m  (aus  altem  -m  oder 
-ui),  das.  mit  dem  ä^  tautosyllabisch  verbunden,  zum 
Element  eines  Langdiphthongs  geworden  war  (voran- 
gehendes i  aber  oder  f  der  Folgesilbe  hebt  die  Wirkung 
des  u  auf); 

2.  vor  a  enthaltender  End-  oder  Mittelsilbe  (außer 
wenn  vor  diesem  a  ein  j  steht); 

3.  vor  Geminata,  dreifacher  Konsonanz  und  vor 
tautosyllabischeni  sk,  st,  ts. 

In  allen  andren  Fällen  sowie  in  den  unter  1  und  2  er- 
wähnten Ausnahmefällen  wird  das  ä^  erhöht  (ob  zur  Zeit  der 
ö-Entwickelung  oder  erst  nachher,  läßt  sich  nicht  ermitteln). 

1)  Was  W.  (S.  381)  meint  mit  den  Worten  "aber  sie  (d.  h.  die  Form 
twene)  verliert  jede  Beweiskraft,  werm  wir  ags.  twejen,  be^en  vergleichen", 
ist  mir  und  auch  wohl  Anderen  nicht  ersichtlich. 

2)  Ob  famme  H  SS^,  n.  9  Schreibfehler  ist,  wie  fatine  E.  Sgr.  254,  23, 
oder  die  Entsprechung  von  nwfries.  faem  repräsentiert,  ist  kaum  zu 
entscheiden. 


Zum  altfriesischen  Vokalismus.  191 

Belege  für  das  ä  erster  Kategorie  (o.  =  aofries.,  w. 
=  awfries.) :  o.  süräp  "Geschirrseil'  (Gr.  §  8a),  o.  uneläf  'ohne  Nach- 
kommenschaff, 0.  säver  'Seif er'  mit  ä  aus  *sä^v-7'es,  -re  [daneben 
0.  w.  sever  als  die  regelrecht  dem  Nom.  Akk.  zukommende 
Form],  0.  tlmm,  w.  daem  Dat.  Sing.  M.  Ntr.  und  Dat.  Plur.  comm. 
Gen.  (=  ags.  dcem)  [hieran  angelehntes  o.  w.  thä^  dae^  da  des 
Dat.  Sing,  und  Plur.,  s.  oben],  o.  w.  twäm  duobus,  duabus,  o.  w. 
fämne  puella  (wegen  des  ä  vg].  IF.  7,  345)  aus  *fä''mnje  oder 
-ie  für  ""faiminiä  [die  nach  Job.  Schmidts  Kritik  der  Sonanten- 
theorie,  104  f.  zu  einem  noch  iw  ü\)diis.iv.  paeman-  'Weibermilch' 
erhaltenen  w-Stamm  stehenden,  durch  -f,  -iö  bezw.  -w-  gebildeten 
Derivata  erscheinen  wgerm.  als  in  die  schwache  Flexion  über- 
getretene Nomina:  as,.  femea^  aisl.  feima  (Prototyp  '^faimf,  -iöz 
usw.  der  Schmidtschen  Regel  gemäß  mit  m  aus  mn  nach  langem 
Vokallaut),  ags.  fcemne^  afries.  fämne  (Prototyp  *faimem);  aus 
den  flektierten  Kasus  dieses  *fai7nem,  denen  durch  frühzeitige  Kon- 
sonanteudehnung(vgl.PBrB.28,530)-«m(5(-)  aus -mö(-)zukam,  mußte 
als  Nebenform  zu  ^faiminiä  ein  *faiminniä  hervorgehen,  das 
bei  regelrechter  Entwickelung  eine  afries.  Form  mit  e  und 
nicht  synkopiertem  Pänultimavokal  ergab,  infolge  von  Ein- 
wirkung des  synkopierten  fämne  aber  auch  durch  femne  fort- 
gesetzt werden  konnte,  das  o.  in  der  Tat  als  femne  erscheint], 
[w.  foerfeemd  'verurteilt'  mit  e  aus  *-femid],  o.  wräk  'krumm' 
{=  got.  wraiqs^  s.  PBrB.  14,  278^),  o.  \x.  äch  habeo,  -et,  ächte 
Prät.  [auch  ägon,  -e«,  -e,  -a,  durch  Ausgleichung  statt  regel- 
rechter egon  usw.],  o.  w.  t^ächt  'er  reicht',  rächte^}  Prät,  rächt 
Part,  zu  reka  [auch  o.  recht  3.  Sing.  (Gr.  §  289,  Anm.  1)  und 
räkt  3.  Sing,  durch  Anlehnung],  o.  w.  äin^)  'eigen',  aus  flektierten 
*ä3nes  -e,   -a  usw.  stammend    [daneben   o.  w.  ein^)   aus   *egin\ 

1)  Nach  Siebs  (Pauls  Grdr-  l^  1252)  wäre  das  Adj.  als  'beschädigt' 
=  saterl.  wrak,  wang.  wrcek  (vgl.  oben  I  ß)  zu  fassen.  Doch  müßte  solche 
allgemeine  Bedeutung  an  der  Belegstelle  unpassend  erscheinen:  (fingera) 
stivande  .  .  .  fiüwer  skillinga  tvichtgoldis ;  helpande  and  haldanäe  (noch  fähig 
zur  Arbeit  und  zum  Anfassen),  twira  skillinga  tvichtgoldis  öni  Otherhalva 
pannig  tvichtgoldis;  sendse  ivräk,  audio fta  half  pannig  tvichtgoldis. 

2)  Daß  cht  aus  kt  der  3.  Sing,  verhältnismäßig  alte  Entwickelung  reprä- 
sentiert, ist  aus  der  PBrB.  14,  277  hervorgehobenen  Entstehung  von  tvtäka 
'weichen'  zu  ersehen. 

3)  Statt  der  in  IF.  7  und  auch  anderswo  von  mir  zur  Darstellung 
von  Langdiphthong  verwandten  Schreibungen  ai,  ei  usw.  verwende  ich 
hier  und  im  folgenden  die  Zeichen  äi,  ei,  äu,  öu. 


192  van  Hellen, 

0.  Z>/-,  [he)iimnia  'beweinen'  (Belege  s.  PBrB.  14,  2741)  für 
*wäsn'ta[n)  aus  *ivä^gnejan,  das  auf  aus  *wai  'weh'  und  mit  got. 
gaunön  'klagen'  im  Ablautsverhältnis  stehendem  *gunöjan-  ge- 
bildetes Kompositum  zurückgeht,  das  bereits  frühzeitig  nicht 
mehr  als  solches  empfunden  wurde  und  so  zur  Zeit  der  Wirkung 
von  Sievers'  Synkopegesetz  sein  u  verklingen  ließ  ^)  [daneben 
0.  biweinia  (IF.  7,  343,  Anm.  1),  w.  weinia  aus  durch  "^'we  be- 
einflußtem *ivesnia{n)\  o.  waech,  w.  waegh  'Wand'  (^  as.  weg^ 
mnl.  weech,  ags.  traj^),  o.  fach  'straffällig'  bez.  'der  Privat- 
fehde ausgesetzt'  (==  ags.  fäh  'verfehmt')  [beachte  auch  o.  feithe 
aus  *fä^gith-  (=  ags.  fcegd  mors  imminens),  das  durch  Ver- 
mischung mit  zu  *fä^ch  gehörendem  ^fä^hiili-  (=  ags.  fSid,  ahd. 
fehida)  für  'Fehde,  Blutschuld'  verwandt  wurde  ^) ;  durch  Ein- 
wirkung von  semantisch  zu  diesem  feitJie  stehendem  fach  ent- 
stand als  jS'eubildung  o.  fäijthe  'Fehde',  dem  gleichbedeutendes 
w.  fäite  entspricht,  woraus  durch  Abstraktion  fäy  faedosus  für 
regelrechtes  fäcK\\ 

0.  äthum,  -om  'Schwager'  und  w.  täker  'Mannsbruder', 
(=  ahd.  zeihhu7\  ags.  täcor)  mit  ä  aus  den  flektierten,  synkopierten 
Formen  *äthmes  usw.,  Häkres  usw.  für  *ä^pmes^  Hä^kres  usw.,  o.  gäd 
'Bedürfnis'  (vgl.  PBrB.  14,  2491)  aus  ^gä^d  für  dem  got  gaidw 
entsprechendes  *gä^du^): 

0.  w.  ä  'immer',  o.  wä 'nie' und 'keineswegs' (s.  obenS.  1891), 
w.  nae  'nie'  aus  *ä^u,  *nä^u  (für  *ne  aiua\  ä  'Gesetz'  (in  o.  nfte^ 
w.  aefte  'gesetzlich,  ehelich',  o.  äsega^  äsiga,  w.  aesga  'Richter', 
0.  äfretho  oder  -e  'Rechts-,  Sonderfrieden')  aus  *äHt  =  ags.  ce 
[daneben  aus  flektiertem  *ä^wt  Gen.  Dat.  Sing.  =  ags.  cewe  stam- 
mendes %  dessen  Existenz  aus  den  durch  das  Simplex  beein- 
flußten Kompositen  o.  efte  legitimus,  w.  ehera  'Richter'  (eig.  'der 
die  Rechtsverhandlung  anhört'),  eeher{e)  'das  Anhören  der  Rechts- 

1)  Der  PBrB.  14,  274  und  IF.  7.  343  f.  vorgeschlagenen  Deutung  dieses 
Verbs  liegt  die  Annahme  einer  problematischen  Metathesis  von  n-j  zu  fn 
zugrunde. 

2)  Wegen  des  Nomens  vgl.  PBrB.  30,  241,  Anm.  2  und  beachte  noch 
aind.  vivyakti  'umfaßt,  umschließt'  sowie  lat.  vincire. 

3)  Die  gegenseitige  Berührung  der  erwähnten  Wörter  wurde  bereits 
in  PBrB.  14,  244  f.  hervorgehoben. 

4)  Dieser  nach  Vollzug  dar  sekundären  Vokalapokope  (Prototyp 
*^aidua)  erfolgte  Schwund  begreift  sich  als  das  Resultat  der  Einwirkung 
von  regelrecht  aus  *^aid{u)u  entstandenem  Nom.  Akk.  PI.  *^aid  bez.  *^äed 
(wegen  Verwendung  des  Nomens  in  Plurali  vgl.  as.  metiged{e)ono  Hel.  4331). 


Zum  altfriesischen  Vokalismus.  193 

Verhandlungen'  (s.  Heck,  Altfriesische  Gerichtsverfassung,  335)  zu 
folgern]. 

[Die  Ausnahmen  o.  left{h)  3.  Sing.  Präs.  Ind.,  lefde  Prät, 
lefde^  -a  Part,  (zu  leva  'zurücklassen'),  hem  in  o.  hemsecninge,  -sekinge 
'Heimsuchung',  w.  heemstede,  -steed  'Domizil',  hemweghum  'Dorf- 
wegen' S  491,  22,  hem,  Um  'Dorf'  (IR  7,  356),  o.  hrelic  'Leich- 
nam', reräf  'Leichenraub',  o.  w.  se  'see'  (Nom.  Akk.)  begreifen 
sich  als  die  Folgen  von  Ausgleichung  (vgl.  o.  hemes  'Hauses, 
Dorfs'  F  124.  138,  rees  über  *hrewes  aus  ViräHves  in  w.  reesraef., 
w.  sees  Gen.,  o.  w.  se  Dat.  aus  *sä^wes,  -e) ;  die  Präterita  o.  grep, 
skref,  *hneg,  steg,  Heck,  w.  screef,  *grep,  *kneep  (nwfries.  griep^ 
kniep)  usw.  beruhen  auf  Systemzwang  (die  starken  Yerba  1.  Kl. 
mit  wurzelauslautendem  Dental  und  k  bilden  eben  die  Majorität)]. 

Belege  für  e  aus  durch  i  oder  i  beeinflußtem  *äHi: 
o.  iewehjc  'jeglich'  E.  SgT.  256,  20,  w.  mv{e)Uck  aus  o.  giä^u{h)tvelfk, 
Neubildung  mit  gi-  aus  altem  *ä^u{h)welik  =  ahd.  iowelih  [daneben 
0.  (h)iähwel{i)k,  j{h)äweUk  (Gr.  §  254),  aus  w.  iä{u)welik,  iöu{we)lick 
nach  PBrB.  19,  421  f.  zu  erscliiießendes  *iätvelfk  mit  ä  durch 
Einwirkung  von  aus  *ä^u{h)welfk  entstandenem  *ä{h)welfk;  vgl. 
auch  0.  iähweder  uterque  H  88,  9,  e'  89,  9.  17  neben  ähwedder 
alteruter];  o.  eider  uterque  aus  *äHigi{h)wedar  [daneben  o.  äider, 
w.  äyder  mit  ä  durch  Anlehnung  an  ä] ;  o.  #fc,  w.  eelc,  elk,  ellik 
(IF.  7,  344)  aus  *ä^ulfk  (vgl.  ags.  die  mit  durch  Anlehnung  an 
dghwelc,  ceghiüä,  dghivader  oder  irgendwelche  Vorstufe  derselben 
für  regelrecht  aus  *am-  von  *aiultk  entstandenes  *d-  einge- 
tretenem ög-;  wegen  des  ce-  von  wghwelc  usw.  s.  unten  S.  200, 
Anm. ;  aus  einem  dem  ahd.  iogilih  entsprechenden  Prototyp  aiugilik 
wäre  ags.  ceglic,  fries.  eilk  hervorgegangen). 

Belege  für  das  ä  zweiter  Kategorie:  die  bereits 
S.  189  erwähnten  sceltata,  o.  w.  fäd  [woneben  fed  (s.  S,  187)  aus 
*fehodes,  -e  für  *fä^hodes,  -e  mit  in  nebentoniger  Pänultima  noch 
nicht  zu  a  geschwächtem  o],  o.  w.  täne,  o.  äskia,  -ie  und  -ast, 
-ath,  w.  aeschia,  -ie  und  -at  [aus  *ä'skia{n),  -ie  oder  -iu,  -iath, 
-ode  usw.  stammende  Doppelform  mit  e  begegnet  nicht,  war  also 
zur  Zeit  unserer  Überlieferung  wohl  nicht  in  Schwang;  umge- 
kehrt finden  sich  nur  o.  wekande  emarcescens  mit  -ande  für 
-iande  (beachte  Gr.  §  304  und  vgl.  ahd.  weichen,  ags.  wdcian  'welk 
sein'),  serade  'schmerzte'  (PBrB.  14,  260),  w.  hitecnia  Hett.  71, 
0.  hiteknath,  schenien  'sichtbar  werden  lassen'  (Gr.  S.  232)  und 
vielleicht  nur  o.  w.  ma,  -ie,  -ade  (in  W  410,  3  stehendes  ärade 

ludogermanische  Forschungen  XIX.  13 


194  van  Hellen, 

dürfte,  wenn  hier  kein  Schreibfehler  vorliegt,  gegenüber  erade 
Hett.  114,  F  44  die  regelrechte  Form  repräsentieren);  beachte 
auch  an  äskia  angelehntes  Subst.  o.  äsche  F  154,  w.  äsche  Hett.  82, 
aesk\  0.  iväsanda^  cläthar  Plur.  mit  clätha,  -thra  Gen.  [hierneben 
durch  Ausgleichung  o.  kläth^  -e,  -on  usw.,  doch  auch  mit  regel- 
rechtem e  kleth],  w.  klaen  aus  *klädan  mit  -an  für  älteres  -ar 
[auch  kläd,  -em,  klänem]^  o.  w.  mära  major  [durch  Anlehnung 
auch  0.  mä  und  war,  w.  maer  neben  regelrechten  o.  me.  meer 
(Gr.  §  224,  Aum.  und  232),  w.  meer] ; 

die  S.  189  angezogenen  o.  läioa  (wegen  w.  läuiva  s.  PBrB.  19, 
354),  0.  fräse^  w.  fräse  (Sing,  oder  Plur.),  fraes  [w.  auch  frees 
mit  aus  dem  Sing,  und  dem  Dat.  Plur.  stammendem  Yok.],  o.  läre^ 
aus  0.  niiighenspätze  zu  folgerndes  *späke  [doch  begegnen  auch 
regelrechte  niügen-^  tiänspetz{i)e  usw.],  sowie  w.  läda  Plur.  'Eides- 
leistungen' [woneben  Sing,  lede^  led\  wegen  der  Zusammen- 
gehörigkeit des  Subst.  mit  leda  'leiten,  den  Beweis  erbringen' 
vgl.  Richth.'s  Wtb.] ; 

außerdem  o.  läivia  'Erblasser  sein'  F  138  (überliefert  ist 
lawiane)  mit  ä  wie  in  äskia  sowie  unter  Mithülfe  von  läwa, 
0.  fiämända  consortium  mit  -mända  aus  *gimä^nda  (Suffix  -ßan^ 
vgl.  Gr.  §  184,  S.  150  und  Kluges  Nom.  Stammbild.  §  118 1)  und 
0.  iväse  'Schlamm',  w.  *wäse  (woraus  nwfries.  iveaze  'Schlamm') 
SL\is*wä^se{vg\.üis\.weisa  palus)  [hierzu  mit  regelwidrigem Tonvok. 
wäsich,  -ech  'schlammig'],  sowie  vielleicht  auch  Ädaiverth^  wenn 
der  erste  Teil  dem  ahd.  Eito  und  nicht  dem  ahd.  Ato  entspricht. 
0.  spedla  'Speichel'  hat  e  durch  Anlehnung  an  gleich  u.  zu  be- 
sprechendes spedel.  Für  w.  leka  laicus  ist  wegen  seines  e  Ent- 
lehnung aus  dem  Nd.  anzunehmen;  e  als  der  fries.  Lautent- 
wickelung entsprechenden  Laut  gewährt  o.  w.  leia  =  ahd.  leijo]. 

Von  den  adjektivischen  a-Stämmen  mit  einfachem  Dental, 
k,  einfacher  Liquida  oder  einfachem  n  im  Auslaut,  denen  in  dem 
Kasus  auf  -a,  -a{n)  ein  ä  zukam,  erscheinen  nur  zwei  mit  solchem 
durch  Ausgleichung  festgewordenen  Yokal,  näml.  aus  wanger. 
wö"k  saterl.  tvök  (Pauls  Grdr.  1^,  1228),  nwfries.  iveack  (bei  G.  Jap.) 
zu  folgerndes  o.  w.  "^wäk  [doch  begegnet  in  nwfries.  Mundarten 
auch  auf  altes  *ivek  hinweisendes  wiak]  und  aus  nwfries.  wrea(d) 
'grausam,  feindlich'  zu  erschließendes  w.  *wräth  {=  as.  wred, 

1)  Wegen  o.  monda,  fiämonda,  s.  Gr.  §  184  am  Schluß.  Doppeldeutig 
ist  w.  mända  'Gemeinschaft'  entweder  =  o.  -mända  oder  nach  IF.  7,  328  ff. 
=  0.  monda. 


Zum  altfriesischen  Vokalismus.  195 

ags.  tvrdd  iratiis,  infensus)  [doch  auch  w.  ivreet{h)  mit  wreedheet 
H  84.  145,  J  64,  21;  sonst  erscheinen  mit  aus  den  andren  flek- 
tierten Kasus  und  der  unflekierten  Form  stammendem  Vokal 
0.  hred,  w.  hreed,  o.  w.  hei  het,  o.  leth  H  6,  8,  E^  6,  9,  B^  246, 
15,  R^  122,  1,  w.  leed^  o.  men^  w.  meen  'falsch',  o.  swes  Verwandt']. 
Yon  solchen  substantivischen  mask.  a-Stämmen  bietet  nur  neben 
o.  eth,  w.  eeth  auftretendes  äth  (in  Cod.  IJnia  nach  Pauls  Grdr.  1^, 
1230,  §  57)  in  dem  [N'om.  Akk.  Plur.  auf  -ar  und  dem  Gen.  Plur. 
auf  -a  entstandenen  Vokal  [sonst  ger  in  o.  etger,  w.  etker,  o.  gergeve, 
w.  fyüchtleeck  'Kampf(spiel)'  (s.  PBrB.  19,  373),  o.  w.  sten^  slek 
'Schlag',  w.  hermscheed  'auferlegte  kircMiche  Buße'  (vgl.  ahd.  sceü 
disciscio,  ags.  gescead  'Entscheidung'),  w.  wed  sandix]. 

[Bei  den  neutr.  a-Substantiven  konnte  der  isolierte  Gen. 
Plur.  auf  -a  sein  ä  der  Stammsilbe  nicht  behaupten  gegenüber  dem 
erhöhten  Laut  der  anderen  Kasus ;  daher  ausnahmslos  o.  w.  ben, 
del^  0.  windsei  'Seil  zum  winden';  für  o.  leth^  w.  leed^  o.  swet 
(das  übrigens  auch  M.  sein  könnte)  käme  überhaupt  kein  Gen. 
Plur.  in  Beti'acht.  Beachte  auch  o.  spedel  'Speichel'  (=  ags. 
spddl)^  0.  w.  len  {=  ahd.  lehan\  o.  teken^  w.  teken  J  13,  4,  Hett.  24. 
69.  167.  173  (=  as.  teccm),  mit  aus  flektierten  *spä^d-les  usw., 
Hä^-hnes  usw.,  *tä^k-nes  usw.  stammendem  e\  ein  Prototyp  mit 
anorganischem  -a-  hätte  eine  Form  mit  ä  ergeben.  Beim  o.  w. 
Verb  heta  ist  das  eigentlich  dem  Plur.  Ind.  (auf  -ath\  dem  Infin. 
und  dem  Gerundium  zukommende  ä  durch  das  e  der  I.  Sing. 
Präs.  Ind.,  des  Opt.  Präs.,  Imperat.  Sing,  und  Part.  Prt.  verdrängt^) 
{in  der  3.  und  2.  Sing.  Präs.  Ind.  ä  vor  tt,  ts,  s.  unten  und  wegen 
o.  Belege  Gr.  §  274,  Anm.  3)]. 

Belege  für  e  vor  Ja  der  Folgesilbe:  o.  w.  Uia  'Laie' 
(s.  oben),  o.fretha  'Geächteter'  (vgl.  ahd.  freideo  profugus),  o.  sketha, 
w.  scheda  mit  auf  *skäHhj-  zurückgehendem  Stamm  (vgl.  unten), 
o.  w.  dela,  o.  -ande,  o.  w.  -ane,  o.  -atJi  Plur.  Präs.  Ind.,  w.  -et  (für 
*-ath\  w.  to  helane,  o.  w.  kera  'kehren',  o.  w.  leda,  o.  -ane,  o.  w.  -at{h), 
o.  w.  lena,  -ande^  w.  mena,  o.  leiva  'zurücklassen',  -ath^  o.  w.  lera, 
0.  reka^  -ane,  ritsa,  -ande,  w.  reka  usw.  aus  *däHja{n)  usw.  Für 
0.  w.  wesa,  -e,  orphanus,  -a  ist  demnach  eine  Vorstufe  mit  j  im 
Suffix  anzusetzen,  [Auch  für  o.  w.  eive  'Gesetz',  das  im  Gegensatz 
zu  ahd.  ewa,  -a,  -u  lex  nach  der  schwachen  Flexion  geht  (vgl. 

1)  Ob  dem  Part.  Präs.  regelrechtes  ä  oder  e  zukam,  ist  nicht  zu  ent- 
scheiden, weil  nicht  zu  ermitteln,  ob  zur  Zeit  der  Affizierung  von  s«  in  be- 
sagtem Modus  -andi  usw.  oder  -amdi  usw.  (vgl.  oben  S.  185)  gesprochen  wurde- 

13* 


196  van  Hellen, 

durchstehendes  -a  der  flektierten  Formen)  wäre  mit  Rücksicht 
auf  ahd.  em  (vgl.  PBrB.  21,  474,  Anm.)  die  Möglichkeit  von  j- 
hal tigern  Suffix  denkbar;  doch  könnte  hier  das  e  auch  aus  dem 
Nom.  Sing,  herrühren]. 

Belege  für  das  ä  {a)  dritter  Kategorie:  zu  o.  w.  leda^ 
*hireda  'bereiten'  und  schwachstämmigem  o.  sketha^  w.  scheda 
gehörende  Präteriten  o.  lätte,  w.  lät{te),  laet,  lät,  lätten^  läten^  o.  birät, 
'bereitet'  F  40,  w.  sc1iaet{e)  und  Partizipien  o.  lät^  schätz  w.  lät^ 
scJiaet,  byscliätte,  -a,  önbescätte  (Belege  s.  IF.  7,  345 f.  und  PBrB.  19^ 
408 f.;  wegen  der  Quantität  des  Vokals  vgl.  oben  S.  188),  nebst 
der  3.  Sing.  Präs.  Ind.  o.  sMt{h)  (Bei.  Gr.  §  274,  Anm.  3.  289, 
Anm.  1),  w.  laet,  lät{h\  scliaet  (Bei.  IF.  7,  345 f.;  vor  gekürztem  i, 
ih  stehender  Vokal  erlitt  von  Rechts  wegen  keine  Kürzung,  konnte 
aber  durch  event.  regelrecht  gekürztes  a  der  2.  Sing.  Hatst,  *schatst 
beeinflußt  werden,  während  umgekehrt  auch  läf,  skät  auf  die 
Quantität  des  Vokals  der  2.  Sing,  einzuwirken  vermochte)  [als  Ana- 
logiebildungen erscheinen  o.  let  3.  Sing.,  litte,  {e)let,  w.  bereet  Part., 
0.  scheet  3.  Sing.  E.  Sgr.  249,  29,  skelh  Part.],  o.  Mt{h),  w.  hae, 
'heißt'  und  *Jiätst  2.  Sing.  [Analogiebildung  o.  het  H,  heeth  E. 
Sgl".  248,  14],  w.  fät  pinguis  und  o.  aus  wang.  saterl.  fat  zu 
folgerndes  *fät  aus  flekt.  *fäHt-  für  *faitit-  (aus  unflekt.  Form 
wäre  fet  hervorgegangen),  [o.  w.  hette  'Hitze'  E  ^  247, 8  (aus  *haitiß-) 
durch  Anlehnung],  äththa,  w.  ätt{h)a  'Geschworener'  aus  *§iaißido 
(vgl.  Siebs  in  Heck,  Die  altfries.  Gerichtsverfassung,  93),  o.  hlädder 
in  hläddergong  'Leitergang'  [daneben  o.  Jdedere],  o.  änne,  -a,  ännen, 
w.  änne^  ännen^  o.  äne^  -a,  w.  äwe,  änen  (mit  n  als  Schreibung 
für  nn\  an  Akk.  Sing.  M.  [hierneben  durch  Ausgleichung  seltenes 
an  Nom.  Sing.  M.,  vgl.  oben  S.  188*);  umgekehrt  auch  enne\ 
0.  w.  hämmerk{e)  'Dorfsgebiet'  [auch  o.  hemmertse^  w.  Jiemmerket 
hem{me)rike,  him{me)rik^  mit  i  für  e,  wie  in  den  PBrB.  19,  369 
erwähnten  Belegen;  das  e  durch  Anlehnung  an  hem^  s.  oben 
S.  193],  o.  {n)ämmon,  *ämman  (Gr.  i^  107  y,  Fußn.  1),  o.  {n)ämmer 
aus  *{n)ä^mmonj  *(w)ä*mmäV  mit  mm   durch  Assimilierung  des 

1)  Durch  Anlehnung  an  änne  entstand  der  o.  Akk.  Sing.  M.  ängne  (zu 
enig)  E*  145,  8  (wo  ange  als  Schreibfehler  steht),  H  34-8,  n.  7,  P  355,  10. 
In  B  öfters,  in  E'  E*  mitunter  stehendes  aetig,  -e  (bei.  in  R.'s  Wtb.)  kann 
kein  ä  darstellendes  ae  enthalten  {ae  als  Schreibung  für  S  ist  in  B '  B  * 
völlig  unbekannt,  vgl.  Gr.  §  14);  es  ist  hier  an  aus  ä  'immerhin'  und  en{i)g 
zusammengerücktes  äeng  zu  denken.  In  dem  einmal  (R'^  542,  1)  begegnen- 
den anich  repräsentiert  das  a  offenbar  einen  der  in  ms.  R  *  nicht  seltenen 
Schreibfehler. 


Zum  altfriesischen  Vokalismus.  197 

ti  von  *{n)ä^u^)  [hierneben  o.  nemman,  nemmer,  w.  nemmen^  nemmer 
(und  nach  PBrB.  19,  369  zu  beurteilende  nimmen^  nimmer)  sowie 
0.  nemen{t\  erstere  durch  teilweise,  letzteres  durch  gänzliche  An- 
lehnung an  die  Negation  ne\  sodann  auch  o.  emmen^  emmer^  w. 
emmen^  emmer  (und  immen^  immer)  durch  Einwirkung  von  nemman 
usw.],  0.  ällewene^  -wa  usw.,  äl{le)fta^  w.  äl{li)fta  [woneben  o.  elleva^ 
-en  usw.,  ellefta,  eleva,  elefta  niit  teilweiser  bez.  gänzlicher  An- 
lehnung der  ersten  Silbe  an  twelef,  üveJefta\  o.  ärra^  w.  ära  [r 
als  Schreibung  für  rr)  'frühere'  J  46,  62.  50,  40.  41.  87,  1  [durch 
Anlehnung  o.  neben  erost,  -est  überliefertes  ärist  und  w.  aerst\ 
neben  ärra  auch  durch  er  und  erost.,  -est  beeinflußtes  o.  erra\\ 

0.  (in  R'K^)  ändlova,  -lofta  'elf,  elfter'  aus  *ä^ndl-  (für 
*ä^nl-)  mit  epenthetischem  c?; 

S.  187  erwähnte  o.  fläsc,  w.  flaesch  [woneben  o.  fleesc^ 
w.  *flesk  =  nwfiies.  flesJc\  o.  gästlik,  w.  gaest  animus  [woneben  o. 
iestlic]^  w.  gaest  'hohes,  trockenes  Land'  (wegen  der  Etymologie 
s.  Nederl.  Wtb.  4,  735)  [w owehen geest,  s.IR7,345],  o.läst  'leistet', 
eläst,  w.  last  Part,  [aus  den  Präsensformen  mit  *lä^stj-  stammende 
e-Bildungen  bieten  o.  w.  lesta,  -e,  -ande^  woneben  o.  lästa^  -ane  usw., 
w.  lästa^  laesta  usw.  (IF.  7,  345)  als  Analogiebildungen;  beachte 
auch  0.  lestene  'Zahlpflicht'],  o.  mäst,  w.  maest  [woneben  o.  mest], 
0.  mäster,  w.  maester  [woueben  o.  mester] ; 

[o.  lesta  'geringste'  H  334,  13,  woneben  o.  w.  lessa  Kompar. 
durch  Anlehnung  an  lest-  und  les  H  334,  17  =  ags.  Ices  Adv.; 
0.  w.  hera  dominus  ist  wohl  mit  Walde  (IF.  12,  381)  als  Lehn- 
wort zu  fassen  =  as.  herro,  mnd.  here^)  (vgl.  außer  an.  herra  auch 
ags.  auf  Entlehnung  beruhendes  hearra)]. 

Belege  für  e  bez.  e  (außer  den  bereits  oben  verzeichneten): 
benen  Adj.,  bethe  'beide',  brede  'Fläche',  mülabredene  'Erweiterung 

1)  Vgl.  Gr.  §  88.  Die  IF.  7,  359  vorgeschlagene  Gleichung  des  in 
mhd.,  mnd.,  mnl.  {n)immer  (aus  niemer)  vorliegenden  tntn  =  mm  der  fries. 
Bildungen  empfiehlt  sich  nicht :  neben  {n)immer  steht  {n)ieman{t),  neben 
(n)ämmer  jedoch  {n)ämmon;  für  das  mm  von  besagtem  {n)immer  ist 
demnach  ein  nicht  bei  {n)ieman  tätiger^Faktor  geltend  zu  machen;  für  das 
mm  der  beiderlei  fries.  Formen  ist  ein  und  derselbe  Lautprozeß  in  Anspruch 
zu  nehmen.  Die  Annahme  von  in  schwachtoniger  Pänultima  erfolgter 
Kürzung  wäre  übrigens  für  diese  Formen  kaum  zulässig. 

2)  Die  IF.  7,  S^S  für  dies  Nomen  vermutete  Anlehnung  an  her 
empfiehlt  sich  nicht,  weil  solches  Adjektiv  aus  unseren  Quellen  nicht  zu 
belegen ;  in  W  438,  22  (bei  Hett.  28)  begegnendes  herahoerna  {heerehdrna) 
hluud  hat  hera-  {heere-)  als  Gen.  Plur.  zu  here  exercitus,  nicht  als  zu  hoerna 
stehendes  Adjektiv. 


198  van  Hellen, 

des  Mundes  (durch  Verletzung)'  F  70.  72,  del  mask.  i-  Stamm 
(Gr.  §  170),  eke  quercui,  etszen  quernus,  ere  honor,  ewe  'Ewigkeit' 
H  337,  1,  ewen  'ewig'  (Gr.  §  86  ß),  eivig,  -elic  'ewig',  geia  'Buße 
zahlen'  (aus  *gä^gjan  eig.  'einen  durch  Bußgeld  des  erlittenen 
Schadens  erledigen',  vgl.  aisl.  geigr  'Schaden'),  -hed{e)  in  wished, 
kerstenede  usw.,  helig^  hethin,  -ew,  -on  paganus,  heme  'Haus'  E  ^ 
22,  7.  70,  26  (entweder  =  mhd.  mnd.  heime  'Heimat'  oder  Neu- 
bildung nach  Gr.  §  177  =  got.  fem.  ^-Stamm),  üthemede  'aus- 
ländisch* (Gr.  §  288.  Anra.  2),  hemelic,  hefe  'Hitze',  klene,  ofledene 
(Gr.  §  176),  leia  laicus,  ler{e)st  minimus,  mene  'Vorsatz',  mene 
'gemein',  mente  'Gemeinde',  rede  'zur  Hand',  rethe  'vorhanden' 
F  152  (vgl.  mhd.  reite  paratus  und  s.  wegen  th  als  Schreibung 
für  d  Gr.  §  124,  4°),  sele  anima  (aus  *säHe  für  *sai-u-l-  aus  *saiuul-^ 
vgl.  PBrB.  20,  509.  21,  462  ff.),  sere  Adv.,  serilsa  'Wunde',  stenen, 
twede  'zwei  Drittel  betragend',  Uvene  duo,  -os,  weden  'Waidfarben', 
wednelsa  und  wedling  'blaufärbige  Wunde',  die  Verbalformen 
delU  -e,  -den^  {e)deled^  kert,  -e,  lendon^  len[e)d^  lerde,  seit: 

Av.  bede  ambo.  del  mask.  «-Stamm,  drewe  (s.  Zur  Lexik,  d. 
Awfries.  12),  eek^  eive,  -ig,  -elik^  ere  mit  eerlick,  -sam,  felich  'sicher' 
Seh  732,  -heed,  helig,  helg,  hilg  und  hellig  (das  II  durch  junge 
Dehnung)  sanctus,  cleen^  leedlik  W  imd  leellick  J  77,  9  [11  durch 
junge  Assirailierung),  ledene,  leia  laicus,  mene  'gemein',  mensingheed 
'Beteiligungseid'  (s.  Zur  Lexik,  d.  Awfries.  36),  meente  'Gemeinde', 
neen  'nein'  J  28,  3,  mrethe  'in  einen  Körperteil  eingerissene 
Wunde'  (Z.  Lexik.  34),  sele^  seer  Adv.,  ermskethe  'Armscheide', 
scheed  'Scheide',  steente,  stens^  stins  'steinernes  Haus'  (s.  PBrB. 
19,  369),  twede^  tween,  die  Verbalformen  delt,  lent^  lende.  Und,  lerty 
-e,  lerde,  meent^  (hi)serd  Part. 

IV.  Zu  altfries.  äi  (ev.  ä)  und  ei  (ev.  e)  aus  *a  vor  ""jj. 
Ein  ganz  anderes  Bild  als  die  Behandlung  von  altem  ai 
gewährt  die  Entwickelungsgeschichte  von  ^ai  aus  *a  vor  *;}'.  Be- 
lege (s.  Zur  Lexikologie  des  Altwestfries.  54) :  w.  ka{e)y  Schlüssel' 
(=  ags.  c%),  laeyda  'schiefern'  (vgl.  as.  leia  'Fels'),  scräija  'schreien* 
(ahd.  screiön\  nwfries.  kaei^  laei,  skraeie,  klaei  'Lehm'  (ags.  clces\ 
aei  'Ei'  (ags.  ce^),  Häye  {=  ahd.  Haio,  as.  Heio,  vgl.  PBrB.  30,  242); 
0.  c/äy,  saterl.  äe,  wanger.  m,  im  Wursten.  Vokab.  (PBrB.  13,  540) 
und  bei  Cad.-Müller  44  käy^  bei  C.-M.  40  öye  'Ei'.  Daneben  o. 
(oft  in  H,  aber  auch  nur  in  dieser  Quelle  überliefertes)  kei 
mit  keia,  -em  als  Gen.  Dat.  PI. 


Zum  altfriesischen  Vokalismus,  199 

Aus  dem  oben  in  III  Erörterten  ergibt  sich,  daß  den  ä- 
haltigen  Formen  keinesfalls  ein  Prototyp  zugrunde  liegen  kann, 
das  vor  der  Kontraktion  von  altem  ai  zu  ä*  ein  aus  a  +  dem 
ersten  Teil  von  jj  entstandenes  ai  enthielt:  beim  Zusammenfall 
der  beiden  ai  wäre  die  nämliche  Behandlung  zu  gewärtigen, 
hätten  kaij^  skrai-jan  usw.  über  käej\  sh'ä*ja{n)  usw.  kej^  screija 
usw.  ergeben  müssen.  An  durch  Dehnung  direkt  aus  jungem  ai 
entstandenes  äi  ist  nicht  zu  denken,  weil  sich  solche  Annahme 
meines  Wissens  durch  keinen  parallelen  phonetischen  Vorgang 
stützen  ließe.  Eher  empfiehlt  sich  hier  Anknüpfung  an  die  nach 
PBrB.  19,  376  ff.  durch  Doppelformen  wie  däu  ros,  thäu  mos, 
häuiven  und  höuwen  'gehauen',  scäwiane  (d.  h.  scäuwiane)  und 
scöuwia  usw.  sich  für  das  Vorwestfries.  ergebenden  Lautent- 
wickelungen: aus  *aiv-iv-  entstandenes  *au-w-  wird  zu  *ä-w-^) 
bez.  (unter  bestimmter  Bedingung)  *ö-w-^  woraus  äu-iv-  und  öu-w-; 
auf  auslautendes  '*aww  zurückgehendes  *auw  wird  zu  *äu\  wo- 
für durch  Einwirkung  von  äu-io  flektierter  Bildungen  äu  (Ab- 
sorption von  w  durch  u).  Als  Gegenstücke  hierzu  begreifen  sich 
im  Vorwestfries.:  aus  *aj-j-  entstandenes  *ai-j-^  woraus  *ä-j-, 
woraus  äi-j-^  und  aus  *ajj  entstandenes  *ay,  woraus  *äj.  wofür 
äi.  Aus  diesen  vorwestfries.  Lautprozessen  aber  sind  hiermit 
übereinstimmende  vorostfries.  zu  folgern,  welche  die  Entstehung 
veranlaßten  von  überlieferten  o.  däwe  rori,  häuwen,  häwen  Part., 
häwa,  -e,  häut{h\  biskäuiviath,  -skäiviath  (hier  indessen  kein  auf 
ö  zurückgehendes  öu)  und  cläi/.,  käyde^  *äi  (s.  oben);  (nur  für 
die  Mundarten,  näml.  R^HFP,  wofür  wegen  in  den  betreffenden 
Quellen  fehlender  Schreibungen  auw  usw.,  s.  Gr.  §  38  y,  die 
Existenz  zur  Zeit  der  Überlieferung  nicht  feststeht  von  post- 
vokalisch  vor  heterosyllabischem  iv  entstandenem  homor- 
ganen  Vokallaut,  folglich  auch  gleichartiges  vor 
heterosyllabischem  j  entwickeltes  *  fraglich  sein  könnte, 
wäre  die  Möglichkeit  von  noch  nicht  zu  äii-iv-,  äu,  äi-j-,  äi 
entwickelten  ä-w-,  äw,  ä-j-^  äj  in  Betracht  zu  ziehen).  Die  aus 
dem  voranstehenden  hervorgehende  chronologische  Konsequenz, 
d.  h.  relativ  späte  Entstehung  von  *ai  aus  *aj  von  *ajj  (mithin 

1)  Ob  diese  Kontraktion  jüngeren  Datums  als  die  vor  anderen  Kon- 
sonanten erfolgte  Monophthongierung  des  au  und  die  Umlautung  von 
hierdurch  entstandenem  ä,  bleibt  eine  offene  Frage.  Möglich  wäre  ja  auch 
folgendes:  zunächst  Erhaltung  von  au,  woraus  durch  Umlaut  ei/  (d.  h.  c«ä); 
dann  gleichzeitige  Kontraktion  von  au  vor  w,  von  au  vor  anderer  Kon- 
sonanz, von  ey  (zu  e«,  woraus  e). 


200  van  Helten, 

auch  von  *au  aus  *aw  von  *aww\  kann  nicht  befremdlich  er- 
scheinen bei  Berücksichtigung  von  aus  Rüstring.  tre{u)we,  as. 
üthleuiian  usw.  (s.  PBrB.  HO,  248)  zu  folgernder,  verhältnismäßig 
junger  Genesis  von  eu  aus  *ew^). 

Gegenüber  den  Bildungen  mit  äi[-)  bez.  ev.  äj{-)  nimmt 
0.  Mi  H  eine  isolierte  Stellung  ein,  die  auf  eine  unter  besonderen 
Umständen  erfolgte  Entstehung  des  abnormalen  Lautes  hinv^eist. 
Neben  altem  Subst.  *kajja,  -es  usw.  stand  ein  aus  o.  käyde  'unter 
Verschluß,  Verwahr  hielt'  F  120  zu  folgerndes  Denominativ  mit 
*kajji-.  Durch  jj  wurde,  wie  das  oben  Ausgeführte  lehrt,  das  a 
nicht  umgelautet;  für  ""kajjf  (Instrum.  des  Subst.)  und  *kajji-  des 
Verbs  ist  dagegen  Umlautung  des  Wurzelvokals  durch  -f,  -i-  an- 
zunehmen. So  entstanden  neben  *kajjes  usw.  *kaijes  usw.  *käjes 
usw.  und  *kajj^  *kaij,  *käj  ein  Instrumental  *kejj^  "^keijf,  *keji 
und  Verbalformen  mit  *kejji-^  *keij{i)-,  *kej{i)-,  woraus  durch  gegen- 
seitige Beeinflussung  neben  *käjes  usw.,  *käj  auch  "^kejes  usw., 
*kej,  neben  *keji  und  *kej{i)-  auch  *käji,  käj{i)-  (weil  für  den 
Hunsigoer  Dialekt  nach  Gr.  §  38  t  Entstehung  von  Langdiphthong 
aus  langem  Vok.  vor  heterosyllabischem  _;'  nicht  absolut  feststeht, 
lasse  ich  hier  Bildungen  mit  äi-j^  äi  und  event.  ei-j^  ei  beiseite). 
Daß  in  unseren  Quellen  nur  kei  und  käyde  begegnen,  kann  nur 
auf  Zufall  beruhen ;  man  beachte  übrigens  im  Wursten.  Vokab. 
und  bei  Cadov.-Müller  verzeichnetes  käy. 

V.  Zu  den  Reflexen  von  altem  aw  vor  stimmloser  Spirans. 

Die  PBrB.  14,  241  aus  ächta  für  die  Entwicklung  des  Ton- 
vokals von  0.  {bi)netha  periclitando  petere,  acquirere,  evest  'Neid', 
seftechhed  gezogene  Konsequenz  wird  hinfällig  durch  das  in  Zs.  f.  d. 
Wortforsch.  7,  271  ff.  über  die  Nichtexistenz  eines  ächta,  echta 
'ächten'  Bemerkte;  war  haben  uns  deshalb  nach  einer  anderen 

1)  Auf  eine  ältere,  in  die  der  Umlautung  vorangehende  Periode  zu 
verlegende  vorengl.  Entstehung  von  in  Rede  stehendem  ai  (und  au)  könnte 
man  beim  ersten  Blick  schließen  aus  dem  ce  von  ags.  ccBg,  cldg,  wg.  Doch 
ist  für  die  Beurteilung  dieses  Lautes  der  Umstand  zu  berücksichtigen, 
daß  aus  ags.  ceghwelc,  wghwä,  ceghwceder  sich  eine  junge,  durch  folgendes 
5  hervorgerufene  Affizierung  von  d  zu  ce  ergibt :  im  Hinblick  auf  für  die 
Umlautung  feststehende  Chronologie  (zuerst  Umlaut,  dann  sekundäre  Vokal- 
apokope)  ist  eben  die  Entwickelung  von  ce  in  ceghwelc  usw.  nicht  auf 
Rechnung  des  i  von  -^i-  zu  stellen ;  denn  erstens  dürfte  es  fraglich  sein, 
ob  zur  Zeit  der  Umlautung  die  beiden  Teile  besagter  Pronomina  bereits 
zusammengerückt  waren,  zweitens  aber  hätte  solche  Zusammenrückung 
Formen  wie  aiua-  oder  äuagihwelTka  usw.  ergeben  müssen. 


Zum  altfriesischen  Vokalismus.  201 

Deutung  des  besagten  Lautes  umzusehen  (wegen  des  hier  nicht 
in  Betracht  kommenden,  in  §  42  der  aoMes.  Gr.  auf  fanhti  zu- 
rückgeführten fech{t)  s.  oben  S.  178).  {Bi)neiha^  w.  binetten  Prät. 
W  440,  19  usw.  könnten  an  sich  die  Annahme  gestatten  von  zu- 
nächst auch  vor  ?*,  f,  i  der  Folgesilbe  für  an  eingetretenem  ö,  das 
hinfort  zur  Zeit  der  ümlautswirkung  zu  d  wurde,  woraus  über- 
liefertes e  (Pauls  Grdr.  P,  1183.  1209);  vgl.  auch  o.  te'th  Nom. 
Plur.  neben  töth  und  brockte,  {e)brÖcht,  thögte  'dachte',  tögta 
*Gedanke',  öther,  w.  brockte,  tockte,  öder.  Doch  widersetzt  sich 
solcher  Fassung  das  ä  von  o.  /a(«),  w.  faen  'fangen',  o.  fätk,  w. 
faetk  Plur.  Präs.  Ind.  bez.  Imper.:  bei  allgemeiner  Entwicklung 
von  ö  wären  für  das  Yerb  als  historische  Reflexe  der  alten  Formen 
nur  solche  mit  uä  aus  ö  vor  a  (wie  in  o.  to  kwände  'zu  hangen' 
und  hiernach  anzusetzenden  *hwä{n),  *kwätk,  vgl.  Gr.  §  20  y)  und 
e  (vor  i-haltigem  Suffix)  zu  gewärtigen.  Das  ä  von  fä{n\  fätk 
weist  unbedingt  darauf  hin,  daß  aus  altem  an  beim  Yerklingen 
des  Nasals  außer  ö  auch  ä  entstand  i).  Als  Faktor  aber  solcher 
Nichtverdumpfung  ist  natürlich  ein  i-  bez.  ^-Laut  der  Folge- 
silbe in  Anspruch  zu  nehmen.  VorderUralautung  nun  konnte 
dieses  der  2.  und  der  3.  Sing.  Präs.  Lid.  zukonunende  ä  durch 
Ausgleichung  in  die  anderen  Präsensfoimen  eindringen.  Daher 
dem  überlieferten  ä  zugrunde  liegendes  ä,  woneben  durch  Um- 
laut enstandenes  e  in  der  Analogiebildung  *^ifekin  (woraus  o. 
neben  {e)fenszen,  -äsen,  -sen,  -gen  überlieferte  gefen,  {e)fen^)  und 
der  2.  3.  Sing.  Präs.  Ind.  *fe/is{t),  ""fe/itk  (woraus  nach  Gr.  §  276ß 
*fechs{t),  *feckt{k\  die  in  der  Folge  durch  Anlehnung  an  die  Ä-lose 
Form  der  anderen  Flexionsbildungen  o.  */'es<,  feth  ergaben^); 
wegen  o.  w.  /e,  w.  kive  Opt.  als  Analogiebildungen  nach  o.  ie,  sie, 
skie,  w.  sie,  sckie  s.  PBrB.  14,  142;  dem  Part,  fm  entspräche  *ken, 
das  durch  Anlehnung  an  *kwd{n)  usw.  zu  o.  w.  kwen  wurde). 

Also  auch  (bi)netka  usw.  mit  e  bezw.  e  aus  ä. 

Groningen.  W.  van  Helfen. 


1)  Zurückführung  von  fü  auf  fwö  (Pauls  Grdr.  1^  1210)  ist  abzuweisen : 
lautgesetzlicher  Schwund  von  u  ließe  sich  schwerlich  plausibel  machen 
und  für  die  Annahme  analogischer  Entwickelung  von  fä  nach  *fest,  feth 
spricht  eben  nicht  duä  mit  *dest,  deth. 

2)  Die  w.  Quellen  gewähren  faen  mit  aus  dem  Präs.  entnommenem 
Vokal  oder  als  Fortsetzung  von  *;^ifähen. 

3)  W.  waren  die  Analogiebildungen  *fuchst,  *fochst,  fücJit,  focht 
(s  PBrB.  19,  384)  in  Schwang. 


202  A.  Leskien, 


Das  Slavische  in  dem  Etymologischen  Wörterbuch  der 
griechischen  Sprache  von  Prellwitz. 

Beim  Gebrauch  der  zweiten  Auflage  von  Prellwitz'  Werk 
habe  ich  einige  Bemerkungen  gemacht,  die  ich  zu  Nutz  und 
Frommen  andrer  Benutzer  zusammenstellen  will. 

In  der  vergleichenden  Lauttabelle  (gleich  nach  der  Ein- 
leitung) werden  als  Vertreter  von  idg.  r  und  /  angegeben  slav. 
n  und  il.  Das  ist  unmöglich,  entweder  man  muß  schreiben  fr, 
il,  denn  so  kann  man  die  urslavisclien  Formen  ansetzen,  oder 
man  braucht  n,  li  als  Transkription  des  Kirchenslavischen  pi  p&. 
Es  ist  einerlei,  ob  man  das  abg.  r  (in  der  Schrift  p»  oder  pa) 
mit  rti  oder  ri  wiedergibt,  wenn  man  nun  einmal  buchstäblich 
umschreiben  will.  In  dem  ganzen  Buche  wird  aber  ri  außer  in 
einigen  vereinzelten  Fcällen  {srtdice  unter  Kfip,  vrichü  unter  piov, 
skvrma  unter  cKUjp)  nicht  angewendet,  sondern  das  meist  von  den 
Sprachforschern  gebrauchte  rw;  ir  bei  mirknqti  (u.  luöpqpvoc), 
mit  dem  Beisatz  kirchenslavisch ;  eine  solche  Lautgestalt  ist  aber 
gerade  nicht  kirchenslavisch.  Wer  einige  Kenntnis  des  Slavischen 
hat,  kann  wissen,  daß  mit  dem  rü  nichts  anderes  gemeint  ist 
als  r.  Ich  glaube  aber,  man  kann  ruliig  annehmen,  daß  von  den 
Benutzern  des  Buches  kaum  der  zehnte  Teil  diese  Kenntnis  hat. 
Was  mögen  sich  nun  die  übrigen  bei  Schreibungen  wie  vrüzq, 
vlükü  usw.  denken,  wenn  sie  sich  das  n  der  Lauttabelle  gemerkt 
haben?  Wenn  manche  Etymologen  etwas  mehr  Slavisch  und 
ihren  Vorteil  verstünden,  würden  sie  die  Schreiberei  r«,  lü  über- 
haupt aufgeben,  die  an  sich  ganz  unberechtigt  ist  und  nur  irre 
führt,  und  würden  die  altrussische  Form  der  Worte  einführen^ 
denn  da  heißt  es  wirklich  mirknqti^  virzq  und  zum  Unterschiede 
davon  gürdü^  während  in  der  kirchenslavischen  Lautform  es 
m'^knqti  g^dü  ohne  Unterschied  heißt.  Bei  il  versagt  für  den 
Unterschied  auch  das  Altrussische,  da  hier  altes  ü  ül  in  ül  zu- 
sammengefallen sind:  pülnü  (=  *pilm)  gülkü,  allein  das  böte 
immer  noch  den  Vorteil,  daß  wenigstens  die  alte  Stellung  von 
Vokal  und  Konsonant  daran  zu  sehen  ist,  und  somit  kenntlich 
gemacht  würde,  daß  diese  Silben  von  rü  in  krüvi  plüti  ver- 
schieden  sind  (im  heutigen  Russisch  potnyj  goik;  krov  ptot'). 
Wer  ohne  weitere  Kenntnis  bei  Prellwitz  liest  plünü  krüm,  wie 


Das  Slavische  in  dem  Etym.  Wörterb.  der  griech.  Sprache  v.  Prellwitz.    205 

soll  der  auf  den  Gedanken  kommen,  daß  es  sich  um  ganz  Ver- 
schiedenes handelt?  Wie  irreführend  das  ganze  Verfahren  wirken 
muß,  kann  man  an  dem  Artikel  piov  beobachten :  "piov  n.  Berg- 
spitze, Vorgebirge  (Hom.),  *vrisom^  vgl.  ksl.  vrkhü  Höhe,  Gipfel, 
vgl.  as.  wrisi-ltk  riesengleich,  an.  herg-risar,  ahd.  riso^  nhd.  Riese^ 
ai.  vfßan  hervorragend,  gewaltig,  vris-  aus  vrs- :  vers-,  s.  öpoc". 
Die  Art  der  Zusammenstellung  muß  den  Leser  notwendig  zu 
dem  Glauben  bringen,  das  slav.  vrich-  sei  =  vris-^  während  es 
==  *vbrch-  ist;  umsomehr  als  unter  öpoc,  wenn  er  das  zur  weiteren 
Belehrung  nachschlägt,  zwar  lit.  virszüs  (das  dem  slav.  vbrchü 
entspricht)  steht,  aber  das  slavische  Wort  fehlt.  Zum  Irrtum  muß 
auch  veranlassen  russ.  perdet'  u.  irepöo^ai;  Aver  soll  raten,  daß 
dies  =  pirdeti  ist,  namentlich  wenn  er  lit.  perdHu  daneben  sieht. 
Dazu  kommen  noch  Druckfehler  oder  Verschreibungen :  u.  d|ue\YUj 
mluzq  1.  mlüzq,  u.  ßXdßri  mluciti  1.  mlüciti^  u.  eKdepioc  vrugq 
1.  vrügq^  u.  Kpeac  kruin  st.  krüvi. 

Wo  im  Kirchenslavischen  ^  [ü]  h  (f)  stehen  außerhalb  der 
Verbindung  mit  r,  /,  ist  nicht  mit  der  nötigen  Genauigkeit  ver- 
fahren; öfter  begegnen  u  statt  m,  i  statt  f:  u.  d'YX^Ju  qziiku  1.  qzükü-^ 
u.  Geiviu  zinjq  (schneide)  1.  Hnjq,  u.  Kav9öc  kqtu  1.  -tü^  u.  K\eic 
kljuci  1.  -et,  u.  kujXov  cUnu  1.  -nü^  u.  judxeicai  minq  meti  1.  minq^ 
umgekehrt  inü  u.  oivr)  st.  inü^  u.  efxc^^c  und  u.  i)Lißripic  qgoristi 
st.  qgoristi^  u.  eE  zweimal  izü  st.  izü^  u.  ituc  viti  'drehen'  st.  viti ; 
u.  bepr)  grivina  st.  grivina\  u.  7Teii9o|uai  hudeti  1.  büdeti^  u.  Tricca 
^"Hm  ].  -Zm,  u.  ttXivOoc  pUnuta  1.  plinüta,  u.  ttövtoc  ^(?h'  1.  ^^^i", 
u.  xöXoc  zluci  1.  i^fjY.  Es  sind  das  freilich  Kleinigkeiten,  aber 
gerade  durch  die  Nachlässigkeiten  etymologischer  Wörterbücher 
verbreiten  sich  falsche  Formen  immer  weiter.  Welcher  des 
Sla vischen  unkundige  Leser  kann  auch  wissen,  daß  es  eine 
Präsensform  zinjq,  minq,  eine  Wortform  qgoristi  nicht  gibt? 

Etwas  mehr  Sorgfalt  wäre  auch  geboten  gewesen  in  der 
Scheidung  von  älteren  und  späteren  Formen,  wenn  sie  sich 
unterscheiden  durch  Festhalten  oder  Weglassen  des  m,  i;  die 
altkirchenslavischen  Formen  sind  nicht  zreti  (u.  fepiuv)  zvati  (u. 
Tooc),  dva  (u.  öuo),  gnati  (u.  9dvuu)  prati  (u.  rrepa),  sondern  zbrefi, 
züvati,  düva,  pirati,  günati\  u.  x^^ic  stehen  neben  einander  zelim 
und  zelvi,  beide  sind  ganz  dasselbe,  in  dem  zweiten  ist  ü  aus- 
gefallen. Einen  alten,  immer  wiederkehrenden  Irrtum,  für  den 
ich  Prellwitz  nicht  verantwortlich  mache,  will  ich  bei  der  Ge- 
legenheit hervorheben,  die  slavische  Form  für  YaXouuc  ist  nicht 


20 i  A.  Leskien, 

zlüva,  sondern  zülüva^  das  geht,  von  anderm  abgesehen,  aus  dem 
serbischen  zaova  hervor,  denn  wenn  lü  ursprünglich  wäre,  müßte 
es  dort  *zuva  heißen. 

Yon  Einzelheiten  sind  mir  noch  aufgefallen:  u.  afxu^J  qzq 
1.  azq  (Pi'äs.  zu  qziti) ;  u.  (xkic,  osütü  heißt  nicht  'scharf,  sondern 
bedeutet  eine  dornige  Pflanze;  u.  aWd:  das  dazu  gestellte  slav. 
aU  (aber)  besteht  aus  den  beiden  Partikeln  a  (=  lit.  ö)  und  Ze, 
daneben  a-li,  und  lit.  alh  ist  ganz  sicher  ein  Lehnwort  aus  dem 
Slavischen.  Unter  d)LieißiJU  ist  ein  ksl.  miglivü  'beweglich',  unter 
Berufung  auf  Fick^  510  herangezogen.  Es  heißt  nicht  'beweg- 
lich', sondern  'blinzelnd';  in  Mklosich  LP  steht  sogar  das  Zitat 
oko  malo  i  miglivo  (ein  kleines  und  blinzelndes  [zwinkerndes] 
Auge),  also  gehört  es  zu  mignqti  migati  lit.  rriigti  (einschlafen), 
megöti;  bei  Fick  ist  hinzugefügt  'russ.  wi^d^i" blinzeln,  ausschlagen'. 
Tatsächlich  wird  russ. -dialektisch  migdf  vom  Ausschlagen  der 
Pferde  gebraucht,  natürlich  ist  es  ein  bildlicher  Ausdruck.  Wenn 
Fick  migdf  'blinzeln'  mit  d)aeißuj  vergleicht,  so  ist  das  seine 
Sache,  aber  Prellwitz  nimmt  das  unter  seinem  djueißuu  nicht  auf, 
dagegen  steht  bei  ihm  slav.  mignqti  mizati,  lit.  megöti  unter  ö|LiixXr|. 
Unter  d|ucpi  obü  'überhinaus',  das  Wort  heißt  nur  'um'  und  'an'; 
u.  ßöeuj  neus\^\.  pesdeti  \.  pezdeti-,  u.  ßoperjc  :  *^on,  bei  dem  ich 
mir  nichts  denken  kann,  wahrscheinlich  ist  der  russ.  Plur.  gory 
zu  gora  gemeint,  das  Kreuz  überflüssig;  u.  ßpOxioc  grezq,  das 
Yerbum  heißt  greznqti,  Fräs,  greznq;  u.  ßpuxuj  gryzq,  muß  heißen 
gryzq  (Präs.  zu  grysti).  Unter  beXroc  polu.  dton  (flache  Hand); 
warum  hier  nicht  ksl.  dlani:,  man  wird  überhaupt  zuweilen  durch 
heutige  slavische  Sprachformen  überrascht,  wo  man  sie  nach 
der  ganzen  Anlage  des  Buches  nicht  erwartet:  so  steht  unter 
äp-rrn  ksl.  srüpü^  poln.  sierp.,  russ.  serpüx  die  russischen  und  pol- 
nischen Formen  sind  hier  ganz  nützlich  zur  Aufklärung  des 
Lesers,  daß  die  altkirchenslavische  Form  für  srtrpü  steht,  aber 
dann  hätte  das  auch  sonst  bei  gleichartigem  Lautverhältnis  ge- 
schehen müssen.  Unter  GficGai,  dojq  (Präs.  zu  dojiti)  heißt  nicht 
'saugen',  sondern  'säugen';  u.  'icTr||ui  stati  'stehen',  es  heißt  'sich 
stellen';  u.  icxvoc  seknati  'fließen',  bedeutet  'sickern,  versiegen'. 
Unter  KeKacpriöia  und  u.  Kriqpriv  steht  ein  capü;  das  Wort  kommt 
allerdings  bei  Miklosich  LP  vor,  aus  einer  späten  kirchen- 
slavischen  Quelle,  aber  mit  dem  Zusatz  forma  et  genus  dubia 
sunt.  Ich  meine,  die  Etymologen  haben  genug  mit  zweifelhaften 
Dingen   zu   tun   und    brauchen   nicht    ihnen    ausdrücklich    als 


Das  Slavische  in  dem  Etym.  Wörterb.  der  griech.  Sprache  v.  Prellwitz.    205 

zweifelhaft  bezeichnete  Wörter  zu  verwerten.  Ein  gleicher  Pall 
findet  sich  u.  juapaivuj  zamarinü  'eitel,  nichtig';  es  steht  Mikl. 
LP  'f Litilis',  in  seinem  Etym.  Wtb.  schon  zweifelnd  (unter  marinü) 
'wohl  futilis'.  Das  Wort  kommt,  so  viel  ich  habe  nachkommen 
können,  an  einer  einzigen  Stelle  einer  altrussischen  Schrift  vor 
(zitiert  von  Sreznevskij  Materialy  dlja  slovarja  drevne-russkago 
jazyka):  ovy  gusUnyja  glasy  ispuscajusce^  drugijja  ie  orüganmyja 
glasy  pojuäce^  inemü  zamarmyja  pisky  glasjascemü.  diese  ließen 
Gusli-Töne  los,  andere  sangen  Organ-Töne  und  andere  ließen  . . . 
Pfiffe  (schrillende  Töne)  erschallen.  Da  die  Adjektiva  gushnyj 
und  orgamnyj  von  Namen  musikalischer  Instrumente  abgeleitet 
sind  [gusU^  organü),  liegt  es  nahe,  dasselbe  bei  zamarbnyj  anzu- 
nehmen; Sreznevskij  führt  auch  wirklich  ein  zamüra  'musikali- 
sches Instrument'  an,  aber  ohne  Beleg.  Es  fällt  mir  natürlich  nicht 
ein  zu  verlangen,  daß  Prellwitz  diese  Dinge  wissen  soll,  aber 
man  darf  wohl  fragen:  wenn  Miklosich  ein  Warnungszeichen 
aufpflanzt,  warum  läßt  sich  der  Etymolog  nicht  warnen? 

Da  ich  mehrmals  Miklosich'  Lexicon  palaeosloveuiciun 
(1862 — 65)  erwähnt  habe,  möchte  ich  eine  allgemeine  Bemerkung 
einschalten.  Die  in  etymologischen  Schriften  gebrauchten  kirchen- 
slavischen  Wörter  stammen  fast  alle  aus  diesem  Buche ;  seit  dem 
Erscheinen  von  Miklosich'  Etym.  AVtb.  d.  sl.  Spr.  (1886)  wohl 
auch  aus  diesem.  Das  Lex.  pal.  ist  ein  bewundernswertes  Werk, 
aber  richtig  gebrauchen  kann  es  nur,  wer  eine  ordentliche 
Kenntnis  der  altkircheuslavischen  Grammatik  hat  und  den  Wort- 
gebrauch wenigstens  der  ältesten  Quellen  kennt,  denn  erstens 
steht  bei  Miklosich  manches,  was  überhaupt  nicht  kirchenslavisch 
ist;  zweitens  sind  Wörter  aus  Handschriften  aufgenommen,  deren 
Form  oder  Bedeutung  unsicher  ist;  drittens  werden  kirchen- 
slavische  Wörter  in  einer  jüngeren,  späteren  Lautgestalt  aufgeführt; 
viertens  ist  die  unmittelbar  nach  dem  Stichwort  stehende  latei- 
nische oder  griechische  Yersion  oft  sehr  unbestimmt,  gibt  nicht 
die  eigentliche  Bedeutung  des  slavischen  Wortes  wieder,  sondern 
ein  griechisches  Wort,  das  aus  dem  griechischen  Grundtext  des 
slavischen  Übersetzers  von  diesem  übel  und  böse  durch  ein 
slavisches  übertragen  ist.  Wenn  nun  einer  die  Stichworte  mit 
dem  Finger  herunterfährt  und  dabei  die  nächste  Bedeutungs- 
angabe aufrafft,  gerät  er  in  allerlei  Fallstricke.  Ich  erinnere  mich 
vor  Jahren  einmal  —  ich  weiß  nicht  mehr  wo  —  bei  einem 
Etymologen   die  Vergleichung  von  xoinqpoc  oder  YaiLKpn^ai  n^it 


206  A.  Leskien, 

«iner  angeblichen  slavischen  Wurzel  zah-  in  einem  angenommenen 
'zab-iW  gelesen  zu  haben.  Im  Lex.  Pal.  steht  zufällig  als  erste 
Bedeutung  unter  zabiti  n\oOv  clavo  figere,  die  Versuchung  lag 
also  ualie,  das  slav.  AVort  mit  Wörtern  für  Nagel  oder  Pflock 
(lit.  ghnbe)  in  Verbindung  zu  setzen.  Wer  ein  wenig  Slavisch 
verstand,  hätte  der  Versuch img  widerstanden  und  richtig  za-biti 
{za  Präposition,  hiti  schlagen)  geteilt  und  gewußt,  daß  dies  'zu- 
schlagen, einschlagen'  bedeutet.  Prellwitz  ist  auch  vor  solchen 
Dingen  nicht  bewahrt  geblieben :  unter  cpdoc  steht  'ksl.  obaviti 
zeigen',  er  hat  also  geteilt  o-  (als  Präposition)  baviti.  Das  Wort 
obaviti  ist  richtig,  bei  Miklosich  steht  es  so,  'öeiKVuvai  monstrare\ 
aber  man  muß  den  Artikel  ein  bischen  weiter  lesen,  da  steht 
*pro  obüjaviW;  das  Wort  ist  zu  trennen  ob-aviti  und  enthält  das 
Verbum  javiti  (aviti)  kund,  offenbar  machen,  anzeigen. 

Unter  Koeuu  stehen  als  möglicher  Weise  verwandt  lat.  caveo, 
lit.  kavöti,  lett.  kavdt  verwahren,  behüten ;  ich  erwähne  es  hier 
mit,  weil  es  sich  um  ein  slavisches  Wort  handelt,  kavöti  ist  ent- 
lehntes poln.-weißruss.  cliovat'.  Es  scheint  trotz  Brückners  'Die 
slav.  Fremdwörter  im  Litauischen'  (1877)  unmöglich  zu  sein,  diese 
Lehnwörter  als  echt  litauisch  aus  den  etymologischen  Wörter- 
büchern auszurotten ;  auch  bei  Prellwitz  kommen  wieder  magöti 
{\\.  lufixoc)  aus  sisiy.-magati,  mllt/ti  'verfehlen'  (u.  |ue\eoc)  aus  poln.- 
weißruss.  mylic\  eine  andere  Form  des  Wortes,  wo  y  durch  w«, 
wie  oft  im  Lit,  wiedergegeben  ist,  steht  bei  Kurschat  Ld.  Wtb. 
unter  mmlyju :  ap-si-mmhjju  'sich  betrügen,  sich  versehen',  fälsch- 
lich zu  mmlyti  "seifen'  bezogen;  stäine  (u.  ctia)  ist  weißruss. 
stajna ;  lett.  studins  Sülze  (u.  CTuqpuu)  aus  russ.  stiideni  dss.,  u.  a. 
Unter  KÖWa  serb.  klja  Leim  1.  klija]  u.  KÖpcri  srachükü  1.  srüchükü; 
u.  KocKivov  cediti  1.  cediti]  u.  Xa)u6c  bulg.  laynja  'Art  Schlange', 
es  ist  aus  dem  NeugTiechischen  \a|aia  entlehnt,  das  in  mehrere 
Sprachen  der  ßalkanhalbinsel  übergegangen  ist.  Unter  laöpqpvoc 
marka  als  kirchenslavisch  'Verfinsterung',  existiert  nicht ;  u.  vairn 
steht  hinter  'ags.  neowol'  in  Klammern  'ksl.  niklü\  was  mag  das 
hier  besagen  sollen  ?  niklü  ist  das  sogen,  l-  Part.  Prät.  zu  nik-nq-ü. 
Unter  veioc  '=  ksl.  niva  (aus  '*neivä)  Acker;  serb.  njiviti  pflegen'; 
das  serbische  Wort  hat  mit  njiva  nichts  zu  tun,  sondern  ist 
eine  dialektische  Nebenform  zu  njihati  {od-njihnti\  gebraucht 
vom  Wiegen,  Hätscheln  der  Kinder;  nebenbei  bemerke  ich,  daß 
das  serb.  njiva  {niva)  mit  seinem  n  die  Etymologie  erschwert. 
Unter  ößpi|uoc  ksl.  ja^a  Beere,  das  Wort  heißt  ^'a^oc?a ;  u.  öktüu, 


Das  Slavische  in  dem  Etym.  Worte rb.  der  griech.  Sprache  v.  Prellwitz.    207 

osmi  heißt  nicht  Mer  achte',  sondern  'acht',  die  Ordinalzahl  ist 
osmü;  u.  TidWaH,  das  nach  Bezzenberger  mit  clovekü  Mensch  zu- 
sammengestellt ist,  hat  Prellwitz  noch  clovecica  ''Magd'  hinzu- 
gefügt, wie  es  scheint,  um  zu  der  Bedeutung  'Kebsweib'  über- 
zuleiten; das  Wort  stammt  aus  einer  serbischen  Urkunde  des 
15.  Jahrhs.  und  wird  dort  nach  Analogie  von  clovekü^  das  manch- 
mal in  den  Urkunden  im  Sinne  des  mhd.  'man'  (Abhängiger,  zum 
Hause  Gehöriger)  gebraucht  wird,  so  angewendet;  u.  Treidwuiuii 
'neuslov.  pleste  Schulter',  es  ist  das  allgemein  slav.  "Wort,  und 
die  Anführung  als  JSTeuslovenisch  (wo  es  plece  heißt)  kommt 
nur  durch  den  Druckfehler  nsl.  für  asl.  (=  altslovenisch,  d.  h. 
nach  seiner  Terminologie  kirchenslavisch)  in  Miklosich  Et.  Wtb. 
Unter  meZiuu  pihati\  warum  ist  hier  h  geschrieben  (auch  sonst 
gelegentlich,  z.  B.  duhü  unter  0u|a6c),  die  von  Miklosich  befolgte 
Schreibung  nachgeahmt,  während  Prellwitz  sonst  ch  schreibt; 
ich  denke  dabei  immer  an  die  Verwirrung,  die  solche  Ungleich- 
heiten bei  einem  des  Slavischen  unkundigen  Leser  hervorrufen 
müssen.  Unter  poödvri ;  niss.^rowrw  ist  kein  Adjektiv,  sondern  Sub- 
stantiv. Unter  poGoc  figuriert  ein  ksl.  strada  tö  uYpov,  bei  Miklosich 
mit  dem  Zusatz  vocabulum  dubium.  Die  dort  zitierte  Stelle  stammt 
aus  dem  Sestodnev  des  Exarchen  Johannes  (Bodjanskij's  Aus- 
gabe Bl.  178b):  da  ne  tezestiju  strüdi  ta  ispadetü  vonü,  d.  h. 
'damit  nicht  durch  die  Schwere  der  Honigseim  herausfalle' 
(nämlich  aus  den  Waben,  von  deren  Bau  dort  die  Rede  ist); 
strüdi  ist  das  richtige  slav.  Wort  und  strada  eine  falsche  Lesart. 
Das  kann  Prellwitz  freilich  nicht  wissen,  aber  was  hat  er  mit 
solchem  vocabulum  dubium  zu  schaffen  und  damit  seine  Leser 
irre  zu  führen?  Unter  cKd-rrTou  'ksl.  skopati^  grabe';  gibt  es  nicht, 
ich  vermute,  es  ist  russ.  skoimt'  (abgraben)  gemeint,  dies  aber 
ist  =  sb-  (Präposition)  kopati-^  u.  ckcWuj  neuslov.  skeleti  skleti 
'brennen',  das  Wort  wird  nur  gebraucht  von  beißenden,  brennen- 
den Schmerzen,  von  ßaucli,  der  in  die  Augen  beißt;  u.  CKepacpoc 
neuslov.  scrba  1.  scrba\  u.  cKeuoc  ksl.  scuti^  soll  heißen  neuslov.; 
u.  CKu\a2  poln.  skolic  skidic^  1.  c  statt  c  (derselbe  Fehler  unter 
Taxuc  dqzt/c,  u.  x^ctpov  gtodzic^  1.  -c).  Unter  laXic:  'lat.  talea  f. 
Reis,  SetzKng  =  ksl.  talija  f.  ramus  virens';  bei  Miklosich  steht 
zu  dem  gleichbedeutenden  talij  beigeschrieben:  de  slavicitate  hujus 
vocabuU  dubitari  potest ;  an  der  dort  zitierten  Stelle  wird  es  noch 
mit  &  geschrieben  und  ist  das  spätgriechische  ins  Slavische  über- 
gegangene eaWiov  =  6aX\6c.  Unter  Te\|aa  steht  neben  dem  ksl. 


208     A.  Leskien,  Das  Slav.  in  dem  Et,  Wlb.  d.  griech.  Sprache  v.  Prellwitz. 

ttleti  corrumpi  noch  bulg.  tleja,  russ.  tleti;  zu  welchem  Zweck? 
beides  sind  nur  jüngere  Lautformen  für  ttleti;  u.  re^viu  ein  ksl. 
timeti  spalten,  ein  solches  Wort  gibt  es  nicht ;  u.  tiuj  :  cena  heißt 
nicht  'Ehre',  sondern  'Preis'  (Wert  eines  Dinges),  und  das  ti|liii 
bei  Mikl.  LP.  ist  im  Sinn  von  Preis  zu  verstehen;  u.  töttoc:  der 
Inf.  zu  tepq  heißt  nicht  tepti^  sondern  teti.  Unter  TuXri  steht  lett. 
tiize  {z  =  ts)  Regenwolke,  es  ist  entlehntes  russ.  tuca  und  dies 
ist  =  ^^m;  u.  qpaiöpöc  'ksl.  po-zeti  schauen',  ist  nicht  kirchen- 
slavisch,  sondern  russisch  -  dialektisches  j^ozef  {z,  nicht  i);  u. 
qpepiu:  sü-berq  sammeln,  warum  das  Kompositum?  berq  ist  ein 
allgemein  slavisches  Wort.  Nebenbei  bemerke  ich :  das  unter 
qpGdvuj  mit  lett.  spiics  u.  a.  verbundene  englische  spite  ist  romanisch, 
aus  despite  entstanden.  Unter  xapoTiöc  ztreti  1.  zhreti]  u.  -xi  steht 
se-zi  neben  si-zi  ganz  überflüssig  und  kann  nur  irre  führen,  es 
ist  nichts  anderes  als  die  spätere  Lautform  für  si-zi\  u.  njeubu» 
ispijti  vergebens,  das  sind  zwei  Wörter:  is  (für  izüVtsc^.)  spyti\ 
statt  spytnü  ebd.  1.  spytinü. 

ISTeben  dem  Slavischen  habe  ich  mir  auch  das  Litauische 
angesehen.  Ich  habe  keine  Lust,  mich  damit  w^eiter  abzugeben, 
nur  auf  eines  will  ich  hinweisen:  in  der  Akzentuierung  der  lit. 
Wörter  herrscht  eine  erstaunliche  Konfusion.  Ganz  bekannte 
Wörter  stehen  ohne  Akzent  (wenn  Prellwitz  ihn  nicht  kannte, 
konnte  er  ja  bei  Kurschat  nachschlagen),  z.  B.  avizos  (aiYiXujip), 
kaupas  (d|U(piKU7TeXXov),  nügas  (tuilivöc),  gulti  (TuuXeöc),  degti  (ödqpvri), 
devas  (öeatai),  daina  (öiejuai),  dübe  (BdTTTuu),  usw.  Da  Prellwitz  das 
Kurschatsche  Zeichen  des  geschleiften  Tones  ~  anwendet,  muß 
man  annehmen,  er  habe,  so  weit  es  möglich  ist,  nach  dessen 
Art  akzentuieren  wollen,  aber  man  würde  sich  täuschen;  bei 
geschleiften  Längen  wendet  er  auch  '  an :  vögti  st.  vögti  (dxvujui), 
vdszkas  st.  väszkas  (iSöc),  kvdpas  st.  kväpas  (dTroKdTTUCcev),  um  so 
störender,  als  daneben  richtig  kvSpti  steht;  käias  (KeXeuOoc) 
st.  kelias;  geisti  st.  geisti  (Kicca),  kränkti  st.  krankti  (KopaE),  kumpas 
st.  kumpas  (kuttcWov).  Falsch  sind  außerdem  akzentuiert  katnas 
st.  kdlnas  (koXujvoc)  knebenu  st.  knebenü  (KvdiTTUj),  kruvlnas  st.  krü- 
vinas  (Kpeac),  szü  st.  szü  (kuuuv),  ^mw^i  (das  viäxQ  piaTdi)  s^.  piduti 
(TTauuu),  skaistas  (das  wäre  skatstas)  st.  skdistas  (cKid),  trükstu  trükti 
st.  trükstu  trükti  (Tpuxuu).  Unter  dpa  steht  lit.  är  statt  richtig 
ar,  dasselbe  als  Druckfehler  bei  Kurschat  Ld.  Wtb.  s.  v. 

Leipzig.  A.  Leskien. 


A.  Leskien,  Litauisches  mozöti,  mästegüti.  209 


Litauisches   mozöti,  mästegüti. 

Ein  litauisches  mozöti,  nach  Kurschat  LDW.  'womit  hin- 
und  herfechten,  wedeln,  schwenken',  verbindet  Prellwitz  BB.  26. 
306  mit  |uaio)uai  (so  auch  in  seinem  Etyra.  Wtb.)  und  stellt  die 
Vermutung  auf,  z  möge  aus  zd  entstanden  sein.  Die  Etymologie 
ist  mir  gleichgiJtig,  ich  möchte  nur  feststellen,  daß  die  Form 
mozöti  (oder  mozüti,  wie  Kurschat  an  andern  Stellen  schreibt) 
falsch  ist,  es  muß  mosüti  heißen.  Wo  es  in  der  Literatur  vor- 
kommt, ist  es  immer  so  geschrieben:  Juszkiewicz  Dainos  191.  3, 
oszMle  rägajs  mosävu  (3.  Sing.  Prät.  zu  mosüti),  Svodb.  d.  904.  6 
öszka  szökdama  su  rägajs  mosävu;  Dainos  1102.  10  su  muskietoms 
tabäj  mosüdami ;  Witolorauda  42.  2  sii  meceis  ant  pekliszku  dwasiu 
mosüdami,  140.  4  lekia  per  Lietuwq  ir  su  skarq  mosüja;  234.  19 
haisus  aitivaras  su  sparnais  mosüdams;  in  einer  Besprechung  von 
Kurschats  Lit.  d.  Wtb.  in  den  Mitt.  der  Lit.  liter.  Ges.  IL  127 
wird  ausdrücklich  gesagt,  mozöti  kenne  man  in  Kagnit  nicht, 
es  heiße  mosüti. 

Das  Yerbum  mästegüti  hat  Prellwitz  BB.  24.  106;  26.  305 
und  darnach  im  Etym.  Wtb.  mit  indcTiH  luiacTiTÖuj  zusammenge- 
stellt. Ob  das  richtig  ist,  weiß  ich  nicht;  wenn  ich  die  ver- 
schiedenen Formen  des  Wortes  zusammennehme,  scheint  es  mir 
mißlich  damit  zu  stehen.  Prellwitz  kannte  das  Wort  nur  aus 
Jurkschats  Lit.  Märchen  S.  16  su  kärdu  mästiegüt  *mit  dem 
Schwert  umherfuchteln',  bei  Kurschat  fehle  es.  Doch  nicht,  es 
steht  im  DLW.  unter  'herumfahren'  sü  rankomis  mastegöti  und 
unter  'schwingen'  kdrdu  mastegöti.  Da  Kurschat  oft  nicht  recht 
weiß,  ob  er  e  oder  e,  o  oder  ü  setzen  soll,  kann  es  auch  mästegüti 
gelesen  werden ;  außerdem  steht  es  in  Bezzenbergers  Lit.  Forsch, 
143  als  mästagöti  herumfuchteln,  hantieren.  Prellwitz  selbst  hat 
aus  eigener  Erfahrung  BB.  26.  305  noch  hinzugefügt  mästagüti, 
nach  Mitteilung  anderer  BB.  24.  106  möstagüti.  Ebendort  wird 
ein  stark  abweichendes  mäskatüti  (aus  Pilkalleu)  angeführt ;  dies 
steht  bei  Geitler  Lit.  Stud.  S.  96  als  maskatoti  'wackeln';  endhch 
bei  Bezzenberger  Lit.  Forsch.  139  maskavöti  mit  der  Peitsche 
herumfuchteln,  'erinnert  sich  Mr.  einmal  gehört  zu  haben'. 

Leipzig.  A.  Leskien. 


Indogermanische  Forschungen  XIX.  !•* 


210    Trum  an  Michelson,  The  Indic  'root'  khyä  in  Pali  and  Prakrit. 


The  Indic  'root'  khyä  in  Pali  and  Prakrit. 

As  Professor  Pischel  has  shown  (Gr.  d.  Präkrit-Sprachen, 
§  492)  the  'root'  khyä  was  conjugated  according  to  the  redu- 
plicating  class  in  Päli  and  Prakrit,  and  then  was  transfered  to 
the  thematic  conjugation  (thus  *cikhyati  =  Päli  -cikkhati)  preci- 
sely  as  Sanskrit  tisthati  as  coutrasted  with  Greek  'icirici;  more- 
over  from  the  present  stein  cikkha-  *cikhya-  a  secondarj  root 
*cikkh  was  formed,  and  from  it  forms  were  carried  throughout 
the  entire  inflection  (e.  g.  the  Päli  geruud  ä-cikkhitvä\  the  Päli 
future  ä-cikkhissämi^  etc.).  —  This  hypothesis  is  confirmed  philo- 
logically  bj  the  collocation  of  abhhäcikkhi  ....  abbhakkhänarn  in 
the  following  passage :  mä  evam  ävuso  Arittha  avaca,  mä  Bhaga- 
vantam  abbhäcikkhi^  na  hi  sädhu  Bhagavato  abbhakkhänarn^)^  na 
hi  Bhagavä  evam  vadeyya,  Majjhima  Nikäya  (ed.  P.T.S.)  vol.  1, 
pp.  130,  131.  'Do  not  speak  thus,  veuerable  Arittha;  do  not 
slander  the  Exalted  One ;  for  slandering  the  Exalted  One  is  nn- 
seemly,  for  the  Exalted  One  would  not  speak  thus'.  —  Compare 
also  evamakkhäyitn^)  .  .  .  abbhäcikkhanti,  ibidem  p.  140,  and  ak- 
khäto . . .  äcikkhitum,  Samyutta  Nikäya  (ed  P.  T.  S.)  vol.  IV,  page  166. 

I  am  indebted  to  Prof.  Lanman  of  Harvard  University  for 
kindly  verifying  the  above  references. 

Columbia,  Missouri.  Truman  Michelson. 


Zur  Etymologie  von  September,  -bris. 

Thurneysen  läßt  septembris  aus  septem-  membris  entstehen, 
und  -membris  ist  nach  ihm  eine  Adjektivbildung  von  mens-is, 
ähnlich  wie  funebris  fenebris  von  funus  fenus.  Daß  in  Septem- 
ber ein  Monat  bedeutendes  Wort  stecken  werde,  läßt  sich 
von  vornherein  annehmen.  "Wollen  wir  mensis  als  dieses  Wort 
betrachten,  müssen  wir  uns  zuerst  die  Frage  beantworten,  wie 
es  kommt,   daß   die   Sprache  —  ähnlich  wie  biennis,  perennis 

1)  abbhäcikkhi  =  *abhyäcikhy- ;  abbhakkhänarn  =  Skt.  abhyäkhyänam^ 

2)  Cf.  Skt.  -khyäyin.  Päli  evamakkhäyim  (acc.  sing.)  is  an  analo- 
gical  transfer  to  the  i  declension. 


A.  Zimmermann,  Zur  Etymologie  von  September,  -bris.         211 

etc.  —  nicht  auch  bimensis,  semensis  etc.  gebildet  hat,  zu- 
mal da  wir,  wenn  auch  ziemlich  spät,  trimensis  wirklich  finden. 
Und  zweitens  erhebt  sich  die  Frage:  Wie  sind  menstruus, 
-me(n)sti'is  zu  erklären?  Können  die  überhaupt  aus  mens-is 
hervorgegangen  sein  ?  Wenn  aber  letzteres  zu  verneinen  ist,  kann 
dann  nicht  ein  anderes  Wort  sowohl  für  September  als  für 
menstruus,  -me(n)stris  etc.  die  Grundlage  abgegeben  haben?  Ist 
doch  das  Suffix  ris  im  sekundären  Gebrauch  überhaupt  selten, 
und  die  als  Beispiel  gewöhnlich  angeführten  funebris  fenebris 
muliebris  lassen  sich  auch  anders  erklären.  Nun  habe  ich  IF. 
XYIII  p.  379  für  menstruus  (cf.  pater  patruus)  -me(n)stris  (cf. 
Sequester  sequestris)  als  Grundform  das  lat.  me(n)stor  bezw.  me(n)- 
sor  (cf.  comestor,  esor)  angenommen,  und  bin  der  Ansicht,  daß 
auch  September  etc.  hiervon  abzuleiten  sind').  Wenn  man  die 
im  Indogermanischen  etymologisch  zusammengehörigen  Ausdrücke 
für  Monat  betrachtet,  so  findet  man,  daß  in  allem  zwar  als 
gemeinschaftliche  Wurzel  me  'messen'  enthalten  ist,  daß  aber 
die  an  diesen  Stamm  angehängten  Suffixe  bedeutend  von  ein- 
ander abweichen.  Der  Begriff  'Zeitmesser'  konnte  eben  verschieden 
ausgedrückt  werden.  Die  Römer  nahmen  zuerst  mensor  (auch 
mensura  wurde  vom  Zeitmaß  gebraucht,  vgl.  auch  modo,  mo- 
dernus) ;  da  aber  wegen  der  sonstigen  Bedeutungen  dieses  Wortes 
Mißverständnisse  nicht  zu  vermeiden  waren,  entschieden  sie  sich 
später  für  mensis^),  cf.  mensio.  Vorher  aber  hatte  man  schon  von 
me(n)sor  [Gtiv.  me(m)bris  aus  mensris^)]  septem-  me(m)bris  bezw. 
septembris  (woraus  September)  gebildet  und  natürlich  dies  Wort 
auch  nach  Einführung  von  mensis  beibehalten.  Ebenso  entstand 
november,  december.  Nun  sah  man  in  ber  ein  Suffix  und  bildete 
analogisch  octo-ber.  Was  aber  den  Bedeutungsübergang  eines 
n.  actionis  'mensis'  in  den  eines  n.  agentis  anlangt,  so  ist 
der  im  Indogermanischen  nicht  so  selten,  vgl.  Brgm.  II  §  99 
und  optio,  coctio,  jadvTic  indpTTTic;  die  Annahme  des  genus  mas- 
culinum  hatte  nur  darin  ihren  Grund.  Als  Parallelbeispiele  für 
me(n)sor  me(n)sis  füge  ich  hier  noch  bei:  vector  vectis,  fustor 
(zu  erschließen  aus  fusterna  cf.  lanterna  neben  Xa^TTirip,  uassi- 


1)  [Vgl.  hierzu  IF.  18,  4.38.  —  K.  B.] 

2)  Genitiv  Plural  gewöhnlich  mensi-um  nach  Georges  Wf.,  die 
Nebenformen  mensuum  und  mensus  lassen  auf  eine  Parallelform  auf  us 
gti".  üs  schließen;  vgl.  sensus  neben  sensim. 

3)  Vgl.  sobri-nus  aus  sosri-nus  von  suesor  (soror). 


212  K.  Brugmann, 

terna  neben  nastor)  neben  fustis  (=  der  Niederstrecker,  vgl. 
über  diese  liäufige  Bedeutung  von  fu-ndo  Georges),  actor  axis 
(cf.  vexare  neben  vector).  Nach  vuKTuup  vuE,  noctur-nus  nox  (gen. 
pl.  nocti-ura)  zu  schließen,  ist  der  Dämon  der  Nacht  (=  necator?) 
passend  durch  das  Suffix  der  n.  agentis  bezeichnet,  die  Nacht 
selbst  aber  als  Abstraktum  aufgefaßt  worden.  Auch  der  Eigen- 
name {H)ostorius  dürfte  mit  hostis  hierher  zu  ziehen  sein.  Somit 
bietet  bei  dieser  Auffassung  die  Erklärung  der  Adjektivformen 
weniger  Schwierigkeiten;  das  spätere  Adjektiv  trimensis  paßt 
gut  zu  dem  späteren  mensis,  während  die  früheren  Adjektiva 
menstruus,  -me(n)stris  bezw.  -me(m)bris^)  sich  passend  an  das 
ältere  me(n)stor  bezw.  me(n)sor  angliedern. 

München.  Aug.  Zimmermann. 


Oriechische  Miszellen. 

1.  IF.  18,  426  habe  ich  die  Ansicht  abgewehrt,  daß  die 
homer.  Formen  )iiriCTiup  -Toupa  -Tiupec  -Tuupe  eine  Abart  der 
Flexion  der  Nomina  agentis  wie  bujTuup  -Topoc  usw.  darstellten. 
Nur  um  zu  zeigen,  daß  jene  landläufige  Auffassung  nicht  die 
einzig  mögliche  sei,  habe  ich  dabei  auf  zwei  Entstehungsmög- 
lichkeiten hingewiesen,  die  das  Wort  von  der  Nominalklasse 
öubTuup  trennen.  Wenn  ich  diesen  jetzt  eine  dritte  anreihe,  an 
die  ich  damals  noch  nicht  gedacht  hatte,  so  geschieht  es  in 
der  Überzeugung,  daß  diese  dritte  mehr  für  sich  hat  als  jene 
beiden  und  am  ehesten  den  wahren  Sachverhalt  darstellt. 

jLiricTuup  kann  ursprünglich  ein  Neuti'mn  mit  der  Bedeutung 
'Ersinnung,  Beschluß,  Rat'  gewesen  sein,  eine  Bildung  wie  hom. 
TeKjLiuup  'Ziel',  eeXöuup  'Verlangen,  Wunsch',  e\ujp  'Raub',  TreXuup 
'Ungetüm',  Sophron  (Herodian  1,  391,  8.  2,  938,  4)  viKiup,  ion. 
att.  vuKTiup  Adv.  'nachts'  ^)  und  üöujp  'Wasser'.  Da  diese  Neutra 
engstens  mit  denen  auf  -ap,  lat.  -ur^  -er  zusammenhängen,  läßt 
sich   lurjCTUjp    bezüglich   seines  t  mit   lat.  i-ter   vergleichen.    So 


1)  Sollte  durch  -me(n)stris-me(m)bris  nicht  auch  auf  Wörter  wie 
felatris  feilebris  usw.  Licht  fallen. 

2)  vÜKTUjp  war  nicht  Lok.,  sondern  Akk.  in  derselben  Weise  wie 
ai.  dhar-aJiar  'tagtäglich',  vasar  in  vasar-hdn-  'in  der  Morgenfrühe  schla- 
gend', ndkta-m  'nachts'  u.  a.  S.  Delbrück  Grundr.  3,  597  ff. 


Griechische  Miszellen.  213 

wie  nun  vielfach  sonst  Nomina  actionis  zur  Bezeichnung  einer 
Person  geworden  sind,  die  die  betreffende  Tätigkeit  ausübt, 
z.  B.  nhd.  rat  ^  ratgeber^  aufwartung  =  aufwartende  person,  und 
wie  dies  bei  Neutra  oft  Übergang  in  maskulinische  Flexion  ver- 
anlaßt hat,  z.  B.  griech.  öaiipöc  'Zuteiler,  Yorleger'  auf  Grund 
von  baixpöv  'Zuteilung',  iörpoc  'Arzt'  (neben  iriirip)  auf  Grund 
von  *iäTpöv  'ärztliches  Tun,  Arzthandwerk',  ai.  vrtrd-s  'Bedränger, 
Feind'  auf  Grund  von  ijtrd-m  =  av.  vdr'd^rd-m  'Bedrängung',  das 
auch  schon  als  Neutrum  (besonders  im  Plur.  vrträ)  'Bedränger, 
Feind'  bedeutet,  wurde  juncTuup  in  dem  Sinne  'Ersinnender,  Be- 
schließender, Veranlassender,  Herrscher'  gebraucht  (z.  B.  H  366 
TTpiajUGc,  Geöqpiv  luqcTujp  drdXavTOC,  0  22  Zfiv,  uTtarov  jurictujpa) 
und  nahm  außerhalb  des  Nom.  Sg.  maskulinische  Endungen  an. 
Daß  das  Wort  als  Mask.  gerade  diese  Flexion,  -loupa  usw.,  zeigt, 
erklärt  sich  daraus,  daß  es  als  Neutrum,  ebenso  wie  reKiuaip 
usw.  (ausgenommen  uöujp),  auf  den  Gebrauch  als  Nom.-Akk.  Sg. 
beschränkt  gewesen,  eine  andere  Ablautstufe  als  -uup  also  nicht 
vorhanden  war.  Ein  Analogen  zum  Mask.  inricToip  dürfte,  wenn 
diese  Deutung  des  Wortes  die  richtige  ist,  das  Mask.  KeXuup 
'Sohn,  Nachkomme'  sein:  denn  zu  ahd.  helid  'Mann,  junger 
Mann,  Kämpfer,  Held',  aksl.  clo-vekb  urslav.  *cilo-vekb  'Mensch' 
gehörig  (Solmsen  KZ.  34,  548  f.,  Verf.  IF.  12,  26),  wird  es  ur- 
sprünglich ebenfalls  ein  Neutrum  wie  ireXujp  usw.  gewesen  sein. 

2.  Neben  derea'  rd  tuj  auTUj  eiei  Tevviju|ueva  (Hesych),  üetric' 
6  auToeiric  (ders.)  und  hom.  oieieac  (B  765),  die  Solmsen  Unt.  zur 
griech.  Laut-  u.  Versl.  96  f.  bespricht  und  erklärt,  erscheint  bei 
Hesych  auexfv  xöv  auToerfi.  Diese  Form  setzt  man  identisch 
mit  deiea,  indem  man  sie  für  äolisch  hält  (Meister  Gr.  D.  1,  110, 
Blass  Gott.  gel.  Anz.  1905,  S.  863).  Aber  äolisch  müßte  sie  auexriv 
lauten.  Sie  ist  vielmehr  mit  auxo[F]exric  zu  identifizieren,  woraus 
sie  durch  dieselbe  haplologische  Kürzung  entsprungen  ist,  die 
dor.  aucauxoO  aus  auxocauxoö  und  ÄTToXXiuqpdvric  aus  'AttoXXujvo- 
(pdvric  u.  a.  aufweisen  (Verf.  Ber.  d.  sächs.  Ges.  d.  Wiss.  1901, 
S.  31  ff.,  Sommer  Griech.  Lautst.  15). 

3.  mvuxoc  'verständig',  irivuxri  'Verstand',  ttivuccuü  ttivuckuu 
'mache  verständig,  witzige',  TTivu|Lievriv  cuvexriv  (Hesych)  sind  mit 
Tre7rvü|nai  nicht  zu  vermitteln;  daß  mvu-  aus  *Trevu-  entstanden 
sei  (Schulze  Quaest.  ep.  323),  ist  nicht  wahrscheinlich  zu  machen. 
Meine  Hypothese,  daß  *ttFi-vu-  zugrunde  liege,  dessen  erster 
Teil  zu  vri-TTu-xioc  gehöre  (Griech.  Gramm.  ^  293),  ist  zwar  eine 


21-i'         W.  Streitberg,  Zur  Flexion  des  gotischen  Adjektivs. 

an  sich  mögliche  Konstruktion,  aber  ich  gebe  sie  preis  zugunsten 
einer  einfacheren  Deutung.  Ich  sehe  nämlich  jetzt  in  ttivutoc 
ein  Kompositum  von  tti-  =  ^tti  (vgl.  TTieZ;iJU  ai.  piddyati  u.  a., 
s.  neuerdings  Sommer  Griech.  Lautst.  71.  75)  und  einem  *vut6c, 
das  zu  v6[F]oc  gehört.  Vgl.  enivoeuj.  tti-vutöc  war  also  genau 
'besonnen'.  Neben  ÖOKeeic  öe  \xo\  ouk  dirivucceiv  'nicht  unbe- 
sonnen, nicht  unverständig  zu  sein'  e  342.  l  258  erscheint  0  10 
Kfjp  dirivuccijuv  auf  den  ohnmächtig  aus  der  Schlacht  getragenen 
Hektor  bezogen:  'nicht  bei  Verstand,  ohne  Denkvermögen,  ohne 
Besinnung  seiend'. 

Leipzig.  Karl  Brugmann. 


Zur  Flexion  des  gotischen  Adjektivs. 

In  dem  schönen  Nekrolog,  den  Löwe  dem  allzufrüh  der 
Wissenschaft  entrissenen  Eichard  Bethge  gewidmet  hat,  heißt  es : 
"Aus  der  Formenlehre  erscheint  unter  anderm  die  scharfsinnige 
Erklärung  des  Überganges  der  adjektivischen  w-Stämme  in  die 
/o-Deklination  bemerkenswert.  Bethge  geht  hier  vom  Femininum 
auf  idg.  -ie-i  z.  B.  in  ai.  tanv-i^  griech.  9r|Xe(F)-ia  aus,  das  dann  durch 
-iä  ersetzt  wurde,  vor  dem  u  lautgesetzlich  ausfiel;  das  -iä  des 
Femininums  erzeugte  dann  im  Maskulinum  und  Neutrum  ein  -io, 
also  z.  B.  Akk.  PI.  Mask.  got.  hardjans  für  *harduns  nach  Fem. 
hardjös  aus  *}iard{w)jöz"  (ZZ.  36,  117). 

Hierzu  bemerkt  Behaghel :  "Löwe  rühmt  oben  S.  1 1 7  die 
'scharfsinnige  Erklärung',  die  K.  Bethge  für  den  Übergang  der 
adjektivischen  ^*-Stämme  in  die  /o-Deklination  gegeben  habe.  Ich 
freue  mich  dieses  Lobes,  denn  geraume  Zeit  vor  Bethge  habe 
ich  selber  diese  Erklärung  gegeben,  Litbl.  f.  germ.  u.  rom.  Philol. 
1886,  Sp.  486,  die  dann  auch  in  der  zweiten  Auflage  von  Pauls 
Gnmdriß  Aufnahme  gefunden  hat:  1,  513"  (ZZ.  36,  236). 

In  Wirklichkeit  ist  die  ausgezeichnete  Erklärung  wesentlich 
älter  und  stammt  weder  von  Bethge  noch  von  Behaghel,  sondern 
von  keinem  Geringern  als  Johannes  Schmidt  her.  In  Mahlows 
heute  leider  allzuwenig  gekannter  Untersuchung  über  die  Langen 
Vokale  (Berlin  1879)  steht  S.  30  zu  lesen:  "Bei  den  Adjektiven 
auf  -u  ist  der  j"a-Stamm  nicht  ohne  weiters  für  den  w-Stamm 
eingetreten;  er  ist,  wie  Joh.  Schmidt  annimmt,  aus  dem  Femi- 
ninum eingedrungen,   das  durch  das  Suffix  ia  gebildet  wurde. 


K.  Brugmann,   Der  Genus  der  Deminutivbildungen.  215 

Augenscheinlich  ist  er  mit  dem  lat,  i-Stamme  in  suavis  gravis  zu 
vergleichen,  und  da  es  im  Lateinischen  suavis^  nicht  *suadis  heißt, 
so  muß  germ.  *svätja-  aus  *svätvja-  entstanden  sein,  mit  Yerlust 
des  V  vor  j.  Das  v  blieb  auch  hier  als  u  erhalten,  wenn  ein 
kurzer  Vokal  vorherging;  daher  mavi  mäujos,  Fem.  zu  magus". 

J.  Schmidt  selbst  ist  auf  seine  Erklärung  mehrfach  zurück- 
gekommen; am  ausführlichsten  in  KZ.  26,  371  f.  (1883).  Ich 
hebe  aus  dieser  Erörterung  nur  die  folgenden  Sätze  heraus: 
*'Aus  den  beiden  alten  Femininbildungen  hardus  und  *hardi  ist 
die  historisch  überlieferte  Femininflexion  in  der  Weise  ent- 
standen, daß  der  Nom.  *hardi  im  Gotischen  durch  hardus  ver- 
drängt ward,  alle  übrigen  Kasus  aber  nur  von  *hardi  gebildet 
wurden:  hardja  =  lit.  Mrcza,  ßaursja  =  skr.  trßinm,  kaurja 
==  gurvim.  Dementsprechend  wurden  dann  auch  alle  Kasus  des 
Maskulinum  und  Neutrum  außer  dem  Nom.  hardus  hardu  vom 
Stamme  Viardja-  gebildet,  der  in  allen  außergotischen  Sprachen 
in  alle  Kasus  aller  Geschlechter  gedrungen  ist.  Der  selbe  Prozeß 
hat  sich  bei  dem  Part.  Perf.  Akt.  vollzogen,  wie  das  männliche 
Geschlecht  von  berusjös  . . .  lehrt,  der  selbe  auch  bei  den  Part.  Präs. 
Akt,  im  Westgermanischen,  was  hier  nicht  weiter  ausgeführt 
werden  kann". 

Zum  letztenmal,  soviel  ich  sehe,  hat  J.  Schmidt  1889  in 
den  Pluralbildungen  der  Neutra  S.  72  f.  die  Frage  im  Zusammen- 
hang behandelt ;  er  verweist  dort  ausdrücklich  auf  die  eben  zum 
Teil  zitierte  Stelle  im  26.  Bande  von  Kuhns  Zeitschrift. 

Vielleicht  darf  ich  hinzufügen,  daß  Schmidts  Erklärung 
schon  um  die  Mitte  der  achtziger  Jahre,  also  etwa  6  Jahre 
nach  ihrer  ersten  Veröffentlichung  durch  Mahlow,  den  Schülern 
Zarnckes  geläufig  war  und  ihnen  damals  schon  als  endgültige 
Lösung  des  Rätsels  gegolten  hat. 

Münster  i.  W.  Wilhelm  Streitberg. 


Der  Genus  der  Deminutivbildungen. 

Während  Schwabe  De  demin.  p.  54  behauptet,  das  Genus 
des  substantivischen  Deminutivums  sei  von  Haus  aus  immer 
das  des  Grundworts  gewesen,  nimmt  Osthoff  in  v.  Patrubänys 
Spr.  Abh.  2,  98  ff.  umgekehrt  an,  ursprünglich  seien  alle  Derai- 
nutiva  Neutra  gewesen.  Keines  von  beidem  ist  richtig.    Neutra 


216  K.  Brugmann,   Der  Genus  der  Deminutivbildungen. 

waren  nur  diejenigen  substantivischen  Deminutiva,  die  mit  einem 
adjektivischen  Eorraans  gebildet  und  substantivierte  Adjektiva 
waren.  Das  sind  die  mit  -{i)io-,  wie  griech.  dvöpdimov,  dvöpiov, 
aisl.  fijl  'Fidlen',  preuß.  maldian  'Füllen',  die  mit  -ino-  {-eino- 
-oino-),  wie  gotgaitein  'Böcklein',  italien.  casino  —  volkslat.  *casi- 
num,  die  slav.  mit  -hsko-  wie  poln.  drzewsko  'elender  Baum'  u.  a. 
Dagegen  stimmte  von  Haus  aus  das  Genus  der  mit  -lo-  und  -ko- 
-go-  -gho-  gebildeten  Deminutiva  zum  G-enus  des  Grundnomens  ^), 
weil  diese  Formantien  gegen  den  Unterschied  von  Substantiv  und 
Adjektiv  indifferent  waren,  z.B.  ai  vfsalä-s :  vfsan-^  asvakd-s  :  dsva-s, 
lat.  hortulus :  hortus,  homunculus  :  homo,  got.  niagula  M.  :  magiis^ 
aisl.  ymlingr  :  ormr^  aksl.  symkb  :  sym,  griech.  dpKTuXoc  :  dpKTOC, 
ßüj|uaS  :  ßiju|u6c,  ipdqpiYS  (lesb.)  :  ijjfiqpoc,  öpidXixoc  :  öpraXic.  Der 
Beweis  ist  dadurch  geliefert,  daß  die  zweite  Klasse  von  For- 
mantien und  nur  diese  auch  zur  Deminuieruug  von  Adjektiva 
diente,  z.  B.  ai.  bahuld-s  griech.  -rraxuXdc  lat.  limulus^  ai.  tdnuka-s 
aksl.  thmkb^  armen,  ancuk  anjuk  aksl.  aztkb^  ai.  sanakd-s  lat.  senex 
(ursprüngl.  Adj.),  lat.  nigriculus,  as.  Itittic  ahd.a^f^7^, griech.  -rruppixoc. 

Viele  einzelsprachliche  Erscheinungen  sind  hiernach  anders 
aufzufassen  als  es  bisher  geschehen  ist.  Nur  dreierlei  sei  hier 
erwähnt.  1.  Arm.  unkn  'Ohr'  kann  altes  N.  auf  -ko-m  gewesen 
sein,  vgl.  das  N.  got.  ausö  griech.  ouc  usw.,  aber  auch  an- 
geschlossen sein  an  die  Körperteilbenennungen  mit  n-  Formans 
wie  akn^  und  nur  die  letztere  Auffassung,  Übertritt  in  die  n- 
Dekliuation,  erscheint  jetzt  glaubhaft  für  mukn  und  armukn^  die 
Osthoff  a.  a.  0.  für  alte  ISTeuti-a  auf  -ko-ni  erklärt.  2.  Die  lit. 
Deminutiva  auf  -elis,  -elis,  -ijtis,  -utis,  -uzis  (Stamm  -elia-  usw.) 
waren  ursprünglich  Neutra  auf  *-eUo-m  usw.,  vgl.  preuß.  tvo- 
sistian  'Zicklein'  usw.  (vgl.  lit.  vaikisztis)  wie  maldian.  Dagegen 
war  z.  B.  parszükas  :  parszas  'Ferkel'  ein  Verhältnis  wie  aksl. 
symkb  :  sym.  3.  Als  Abstammungsbezeichnungen  (Patronvmika) 
mußten  auch  die  Deminutivbildungen  der  ersten  Klasse,  wenn 
sie  von  Personen  gebraucht  wurden,  M.  oder  F.  sein,  daher  z.  B. 
griech.  'AbpricTivn  und  hiernach  z.  B.  beXqpaKivn. 

Leipzig.  K.  Brugmann. 


1)  Daß  das  Deminuüvum  zuweüen  F.  ist,  das  Grundnomen  aber 
M.  und  umgekehrt,  kommt  hier  nicht  in  Betracht.  Es  sind  das  einzel- 
sprachliche sekundäre  Erscheinungen. 


H.  Osthoff,  Griechische  und  lateinische  Wortdeutungen.         217 


Griechische  und  lateinische  Wortdeutungen. 

Vierte  Reihe  (vgl.  IF.  8,  1  ff.) 

20.    Tö  Tdp  Tepac  ecii  Tepoviouv. 

Indem  ich  das  Wort  yipac  aufs  Korn  fasse,  will  ich  zu 
zeigen  versuchen,  daß  ihm  seiner  mutmaßlichen  Herkunft  und 
ursprünglichen  Bedeutung  nach  der  Platz  unmittelbar  neben 
Tepuuv  'Greis'  und  xnpcc  'Alter,  Greisenalter',  den  ihm  nament- 
lich die  ältere  Etymologie  mit  Vorliebe  zugewiesen,  die  neuere 
aber  meistens  vorenthalten  oder  abgesprochen  hat,  allerdings  von 
Rechts  wegen  gebührt. 

Die  heute  in  der  Sprachwissenschaft  übliche  etymologische 
Beurteilung  des  griech.  T^pac  N.  'Ehrengabe'  ist  die,  daß  man 
es  zu  der  Gruppe  dreier  awestischer  Wörter,  die  Justi  Handb. 
d.  Zendspr.  102  a  als  gar-  N.  'Ehrwürdigkeif,  gara-  M.  'Ehrfurchts- 
bezeigung'  und  garatdh-  N.  'Ehrerbietung'  aufführt,  stellen  zu 
müssen  glaubt.  Dies  tun  Fick  Vergleich.  Wörterb.  1*,  34.  198. 
402  und  Pott  Wurzel -Wörterb.  2,  1,  228,  nach  ihrem  Vor- 
gange ferner  G.  Curtius  Grundz.  d.  griech.  Etym.^  176.  475,  Leo 
Meyer  Vergleich.  Gramm.  1^,  57.  686,  Prellwitz  Etym.  Wörterb. 
d.  griech.  Spr.^  92.  108  f.,  Kretschmer  KZ.  31,  3981,  Stokes  Ficks 
Vergleich.  Wörterb.  2^,  111  f.  und  Uhlenbeck  Kurzgef.  Etym. 
Wörterb.  d.  altind.  Spr.  81b.  Die  meisten  dieser  Gelehrten  ziehen 
dann,  ebenfalls  im  Anschluß  an  Fick  und  Pott,  noch  weiteres 
zujn  Vergleich  heran,  nämlich  die  Sippe  von  g-aw.  aihi  gdrante 
'sie  preisen'  und  ai.  grnäti  'ruft  an,  kündigt  an,  belobt,  preist', 
sam-girdte  'gelobt,  verspricht',  gtr  F.  'Anrufung,  Spruch,  Preis, 
Lob',  gürtdh  'gebilligt,  willkommen,  angenehm',  gmiik  F.  'Beifall, 
Lob',  lit.  giriu,  glrti  'loben,  rühmen',  lat.  grätiis,  grätes  und  air. 
goiriii  'magis  pius',  gaire  goire  F.  'Frömmigkeit',  mir.  grdd  K 
'Liebe';  nur  diese  letzteren  Wörter,  oder  einzelne  unter  ihnen, 
bringen,  mit  Beiseitelassung  jener  drei  zendischen  Nomina  gar-^ 
gara-,  garardh-,  mit  yepac  Pott  Etym.  Forsch.  2^,  590,  Neisser 
BB.  13,  293  f.,  Bezzenberger  ebend.  16,  251,  Bechtel  D.  Haupt- 
probl.  d.indogerm.  Lautl.  205. 209.  213,  Stokes  BB.  19,  85  =  Trans- 
actions  of  the  philol.  soc.  London  1894  S.  76,  Brugmann  Grund- 
riß 12,  571  und  Jos.  Mansion  Les  gutt.  grecques  Gand-Paris 
1904  S.  176  in  Verbindung. 

Indogermanische  Forschungen  XIX.  15 


218  H.  Osthoff, 

Nun  ist  aber  die  Verknüpfung  des  Tepac  mit  dem  aw. 
garawh-  "Ehrerbietung'  und  mit  g.-aw.  aibi  garante  \sie  preisen', 
ai.  gfnäti,  gfr,  lit.  giriü  auch  sclion  beanstandet  worden,  in- 
dem man  an  der  mangelhaften  begrifflichen  Übereinstimmung 
sich  stieß.  Solche  Bedenken  äußerte  Job.  Schmidt  KZ.  25,  81  f. 
D.  Pluralbild.  d.  indogerm.  Neutra  340,  nachdem  er  früher, 
D.  Verwandtschaftsverhältnisse  d.  indogerm.  Spr.  59,  die  Identi- 
fizierung des  griechischen  Wortes  und  des  aw.  gararah-  ein- 
fach angenommen  hatte.  Ähnlich  sagt  Leo  Meyer  Handb.  d. 
griech.  Etym.  3,  41  über  die  von  Fick  vorgeschlagene  Zusammen- 
stellung des  Yepctc  mit  lit.  gh'ti  und  ai.  grndfi^  sie  setze  eine 
Bedeutungsentwicklung,  'preisen'  zu  Murch  Gaben  auszeichnen', 
voraus,  die  keineswegs  für  selbstverständlich  gelten  könne.  Und 
besonders  bemerkenswert  ist  das  Verhalten  Kretschmers  a.  a.  0. 
in  dieser  Frage :  ihm  scheint,  daß  T^pac  samt  seinem  Zubehör 
Yepa-p6-c  'ehrwürdig'  und  Yep«ipiJu  'ich  ehre'  allerdings  "von  aw. 
garö  'Ehrerbietung'  nicht  wohl  zu  trennen"  sei,  dagegen  mit  ai. 
jaritdr-  'Anrufer,  Sänger'  und  gtr  'Loblied',  gfndli,  gürtih^  lit.  gir'm^ 
sowie  auch  mit  ai.  gürtäh  und  lat.  grätus  sei  "obige  Wortreihe 
begrifflich  kaum  zu  verbinden". 

Das  aw.  garaiah-  'Ehrerbietung'  glaubten  Schmidt  KZ. 
25,  81  f.  und  Kretschmer  a.  a.  0.  als  das  Abstraktum  zu  gouru- 
'schwer',  ai.  gurü-k,  griech.  ßapu-c,  got.  kauru-s,  lat.  gravis  und 
somit  als  die  genaue  Entsprechung  des  griech.  ßdpoc  N.  be- 
trachten zu  dürfen;  die  Bedeutungsentwicklung  sei  wie  in  ai. 
giirü-h  'schwer,  wichtig,  ehrwürdig',  garimän-  'Schwere,  Wichtig- 
keit, Würde,  ehrenvolle  Stellung'  und  wie  bei  got.  swers  'geehrt' : 
ahd.  swär  'schwer'  zu  beurteilen.  Kretschmer  aber  erstreckte 
diese  Anschauungsweise  auch  auf  das  griech.  Tepcic,  was  dann 
offenbar  wegen  der  Verschiedenheit  der  anlautenden  Gutturale 
von  Yepac  und  ßdpoc,  ßapuc  mit  dem  Makel  der  Lautgesetz- 
widrigkeit behaftet  ist. 

Die  ganze  Frage  gewinnt  ein  verändertes  Ansehen  dadurch, 
daß  es  mit  der  Dreiheit  der  awestischen  Nomina  gar-  N.,  gara- 
M.  und  garaiah-  N.  und  den  ihnen  von  Justi  zugewiesenen  Be- 
deutungen 'Ehrw^ürdigkeit',  'Ehrfurchtsbezeigung'  und  'Ehrerbie- 
tung' überhaupt  nichts  ist.  Das  neue  Bartholomaesche  Altiran. 
Wörterb.  5121  514  kennt  anstatt  dieser  veralteten  Ansätze  nur 
die  zwei  Nomina  g.-  und  j.-aw.  gar-  F.  'Lob,  Preis,  Loblied'  =  ai. 
gir-  F.  und  g.-aw.  garah-  N.  'Lob-,    Preislied',   jenes   vertreten 


Griechische  und  lateinische  Wortdeutungen.  219 

durch  den  Gen.  Sing,  garö  in  g.-aw.  garö  damäna-,  j.-aw.  garö 
nmäna-  'Haus  des  Lobs',  "als  Bezeichnung  für  den  Aufenthalt 
Mazdähs  und  der  Seligen,  sva.  Paradies",  das  Neutrum  garah- 
durch  garöbis  Instr.  Plur.  Y.  34,  2.  Also  sind  denn  diese  gar- 
F.  und  garah-  N.  zweifellos  Wurzelverwandte  von  g.-aw.  aibi 
gardnte  und  ai.  grnäti,  gir,  gürtih,  lit.  giriü^  und  folglich  ist 
ihre  Beziehung  zu  Yepac  aus  demselben  semasiologischen  Grunde 
unhaltbar,  den  Joh.  Schmidt,  Kretschmer  und  Leo  Meyer  gegen 
die  Yerknüpfbarkeit  von  ai.  grnäti,  gtr  und  lit.  giriü  mit  dem 
griechischen  Worte  mit  vollem  Recht  ins  Feld  führten. 

Es  ist  nun  schon,  wie  es  ja  auch  durch  den  lautlichen 
Anklang  nahe  gelegt  war,  Y^pac  mit  ^HPotc  und  T^puJv  in  Yer- 
bindung  gebracht  worden.  Yon  sprachwissenschaftlicher  Seite 
geschieht  dies  bei  Froehde  BB.  9,  112,  Johansson  ebend.  18,  33 
und  Hirt  D.  indog.  Ablaut  79;  jedoch  sagt  keiner  dieser  drei 
Gelehrten  ein  Wort  darüber,  wie  er  sich  die  Yermittlung  der 
Bedeutungen  denke,  und  da  sie  T^pac  in  dem  Zusammenhange, 
in  welchem  sie  es  bringen,  ohne  jede  Bedeutungsangabe  anführen, 
so  ist  nicht  ganz  klar,  ob  sie  überhaupt  unser  Y^pctc  'Ehren- 
gabe' meinen  und  nicht  vielmehr  ein  hypothetisches,  aus  Yepaiöc 
erschlossenes  *Yepac  'Alter',  wie  es  wenigstens  bei  Froehde  dessen 
Bemerkung  "Y^pac  (in  Y^potioc  aus  *Yepacjöc)"  bestimmter  mut- 
maßen läßt. 

Daß  Y^pac  mit  Y^pu^v,  YHPOic  und  Y^paioc  etymologisch  zu- 
sammengehöre, war  aber  auch  schon  die  Lehre  der  alten  Gram- 
matiker und  Glossographen,  und  sie  kamen  hauptsächlich  des- 
wegen zu  dieser  Yerknüpfung,  weil  ihnen  der  homerische  Ge- 
brauch von  Yepujv,  namentlich  in  der  Pluralform  Y^povrec  als 
Bezeichnung  des  auch  jüngere  Männer  zu  Mitgliedern  habenden 
Beirats  der  Könige,  den  Nebensinn  des  Ehrenvollen,  der  ange- 
sehenen Stellung  zu  haben  schien.  Sie  erklärten  darum  mit 
Yorliebe  Yepovrec  durch  evTi|uoi,  vereinzelt  auch  wohl  durch 
dpicTcTc;  letzteres  demgemäß,  wie  in  der  Hiasstelle  B  404  Yepovrac 
dpicTfiac  TTavaxaiujv  diese  beiden  Wörter  parallel  stehen,  wie 
dieselben  ferner  I  421  f.  so  als  Wechselbegriffe,  hier  denn  auch 
mit  Yepac  zusammen  auftretend,  erscheinen,  in  dpicxriecciv  'Axaiüuv 
dYYeXiriv  d-rroqpacGe,  xö  Y^p  Yepac  ecTi  Y^poviiuv. 

Tonangebend  für  diese  Auffassung  war  schon  Aristarch 
nach  dem  Schol.  Yen.  A  zu  B  21  YepövTuuv  tüuv  evriiuijuv,  ev  ofc 
Kai  Aio|ar|&ric  Kai  Aiaviec,  d.  i.  auch  jüngere  Helden,   die  nicht 

15* 


220  H.  Osthoff, 

Xpovuj  oder  Ka9'  n^iKiav  auf  die  Bezeichnung  tepoviec  Anspruch 
haben  (vgl.  Lehrs  De  Aristarchi  stud.  Homer.  ^  11,5).  Deutlicher 
setzt  dann  Yepuuv  imd  Tcpac  in  Beziehung  zu  einander  die  Notiz. 
bei  Apoilon.  Soph.  Lex.  p.  54, 14  Bekk.  Yepinv  im  }xkv  toö  evtiiuou . . . 
xepac  Tap  ^  Timi.  die  auch  in  Hesychs  Lexikon  s.  v.  fepinv 
übergegangen  ist.  Es  gehört  ferner  die  Hesychglosse  Tepoviec 
IvTijUGi  hierher,  sowie  Etjm.  M.  p.  226,  32  Gaisf.  (^epinv . . .)  Trapd 
TÖ  Tcpac,  ö  cr|)uaivei  xrjv  iijuriv,  vgh  auch  id.  230,  46  s.  v.  yriPCioc 
und  Etym.  Gud.  p.  123,  35.  125,  23.  25  Sturz  s.  vv.  Yepujv^ 
Ynpaioc  und  YnP«c.  So  gibt  endlich  auf  alter  Überlieferung 
fußend  Eustath.  p.  32,  11  für  Yepaioc  die  Erklärung  dTtö  toO 
Yepac"  Yepotpoi  Yotp  Kai  Ti|uioi  oi  Y^povrec,  und  derselbe  erläutert 
p.  167,  14  sqq.  zu  B  21  in  dem  gleichen  Sinne,  daß  Yepovtec 
bei  Homer  oi  evTi|uoi  heißen,  ausführlicher  das  Verhältnis  zu 
dem  inhaltlich  nahestehenden  Begriffe  dpicrfiec,  kürzer  auch 
p.  246,  8  zu  B  404.  Die  Wendung  t6  y^P  T^pac  ecfi  YepövTuuv 
hat  Homer  zweimal,  außer  an  der  bereits  angeführten  Ilias- 
stelle  I  422  auch  noch  A  323 ;  "die  den  Vorzug  des  Alters  be- 
zeichnende Formel"  hat  man  es  passend  genannt  (Jungclaussen 
Über  das  Greisenalter  bei  Homer  Gymnasialprogr.  Flensburg  1870 
S.  14).  Und  daß  darin  nicht  nur  die  rhetorische  Figur  einer 
Trapi'ixncic,  die  Verbindung  ähnlich  klingender,  aber  nicht  not- 
wendig wurzelverwandter  Worte,  vorliege,  sondern  zugleich  das 
cxillLia  eTUjuoXoYiKov  anzuerkennen  sei,  spricht  deutlich  Eustath. 
p.  477,  41  zu  A  324  aus:  'Attiköv  be  tö  aixiudc  aix|udccouciv,, 
ÜDC  TÖ  öaivu  öaTia,  Kai  i5puJ9'  öv  'iöpiuca"  Kai  dTrXujc  f]  |uupiaxoO 
cu|aTTapaKei)uevri  Becic  tujv  pruudiujv  Kai  tojv  eKeiGev  Y^vvoJinevinv 
övö)aaTuuv.  icuuc  öe  Kai  TTapi^XHCic  toOto  ecii,  Ka9d  Kai  tö  "tö 
Ydp  Yepctc  ecTi  y^POVtujv".  aÜTÖ  he  Kai  eic  eTUjaoXoYiac  iriTTTei  cxii^ct* 
irapd  TÖ  Yepac  YÖtP  oi  YtpovTec. 

Man  vergleiche  zu  diesen  Zeugnissen  aus  dem  Altertum 
über  das  verwandtschaftliche  Verhältnis  von  Y^pac  und  Y^pi^Jv, 
YTipac  noch  C.  Gr.  Heyne  Homeri  carmina  4,  270.  606.  620, 
Dindorf  Steph.  Thes.  2,  540  s.  v.  Yepujv,  Ameis-Hentze  ^ '^  zu  ß  14 
"YepovT€C,  wobei  der  Begriff  des  physischen  Alters  zurücktritt, 
sind  die  Volksältesten  (öriiuoYepovTec)  d.  i,  die  dem  Könige  als 
Berater  zur  Seite  stehenden  Häupter  der  edelsten  Familien" 
(vgl,  auch  Ameis-Hentze  Anhang  zu  Homers  Odyssee*  zu  ß  14), 
Faesi*  zu  B  21  "Y^povTec,  oi  evTi|uoi,  die  Edlen,  ohne  Rücksicht 
auf  das  Alter"  und  Faesi-Hinrichs  ^  zu  ß  14.  Ausführlicher  ver- 


Griechische  und  lateinische  Wortdeutungen.  221 

breiten  sich  Nitzsch  Erklärende  Anmerkungen  zu  Homers  Odyssee 
1,  68  ff.  (zu  ß  14),  Schoemann-Lipsius  Griech.  Altertümer  1*,  24  f. 
und  Jungclaussen  a.  a.  0.  über  die  homerischen  Yepoviec  als 
Bezeichnung  der  beratenden  Edlen  in  der  ßouXri  des  Königs,  bei 
der  Rechtspflege  wie  in  der  Yersammlung  der  Yolksgemeinde, 
der  diTopd.  "Die  Häupter  der  edlen  Häuser",  sagt  Schoemann, 
''bilden  des  Königs  Rat,  seine  ßouXTT,  und  heißen  deswegen 
ßouXriqpopoi  oder  ßouXeuTai.  Auch  Yepovtec  werden  sie  genannt, 
welcher  Name  keineswegs  nur  die  Bejahrten,  sondern  allgemein 
auch  die  Geehrten  und  Angesehenen  bedeutet";  und  ähnlich 
bemerkt  Jungclaussen,  daß  "bei  diesem  offiziellen  ISTamen  keines- 
wegs ausschließlich  oder  auch  nur  vorzugsweise  an  das  höhere 
Alter,  sondern  zunächst  au  die  Häupter  der  edelsten  Familien 
zu  denken  ist".  Von  Nitzsch  a.  a.  0.  69  wird  auch  in  Anknüpfung 
an  die  Odysseestelle  r]  148 — 150  auf  "die  Geronten  der  Phäaken" 
Bezug  genommen,  "welche  vom  Volke  ein  yepac  haben,  d.  h.  ein 
Te|uevoc,  dergleichen  nicht  bloß  die  Oberkönige  besaßen,  sondern 
auch  andere  durch  besondere  Verdienste  erwarben". 

Den  Niederschlag  der  Anschauungsweise  der  alten  Er- 
klärer, die  Tepotc  und  y^P^jv,  Y^ipac  in  etymologischen  Zusammen- 
hang bringen,  finden  wir  auch  bei  neuern  Lexikographen  vor. 
So  bemerkt  Passow  Handwörterb.  l^  549  a  über  Yepaiöc:  "Hom., 
der  die  Form  YHpo'ioc  nicht  hat,  gebraucht  es  überall  von  Menschen 
und  mit  dem  Ausdruck  der  Verehrung,  durch  Alter  ehr- 
würdig, bes.  6  Ycpaiöc,  der  Alte,  den  zugleich  seine  "Würde 
und  sein  Amt  (Yepac)  ehrwürdig  machen,  ebenso  Y^pcuai:  vor- 
nehme Matronen,  II.".  Und  noch  bestimmter  kommt  bei 
Matthiae  Lex.  Eurip.  1,  643  s.  v.  jipüjv  und  bei  Pape-Sengebusch 
Handwörterb.  1^,  484b.  485b.  486b.  490a  zum  Ausdruck,  Avie 
man  sich  auf  diesem  Wege  das  Bedeutungsverhältuis  zu  denken 
habe.  Von  Matthiae  a.  a.  0.  wird  bemerkt:  "fepuuv  (YnP«c)  et 
Yepac  cognata  esse  in  promtu  est:  ambobus  enim  dignitatis 
et  honoris  notio  communis  .  .  .  Rpuuv  igitur  dictus  propter 
honorem  (Yepac),  qui  senectuti  defertur".  Bei  Pape-Sengebusch 
dagegen  heißt  es  S.  486b  über  Yepuuv:  "verwandt  mit  Y^pac, 
Yepapöc,  Yepaioc,  eigentlich  =  der  A^ornehme,  der  Geehrte; 
zunächst  Bezeichnung  der  Vorsteher  der  Gemeinde,  der  Anführer 
des  Volks;  da  diese  jedoch  in  der  Regel  nicht  jung  waren,  und 
ohrehin  das  Alter  besonders  geehrt  wui'de,  bekam  das  Wort 
Yepijuv  die  Bedeutung  Greis.  Beide  Bedeutungen  bei  Hom.,  der 


222  H.  Ost  hoff, 

das  Wort  sehr  oft  liat;  in  vielen  Stellen  sind  beide  Bedeutungen 
gar  nicht  von  einander  zu  sondern".  Und  ebendort  S.  490  a  über 
Tfjpac:  "aus  yepac  gedehnt;  yepac  'die  Ehrengabe'  und  YHPac 
sind  ursprünglich  ein  und  dasselbe  Wort,  vgl.  yepujv,  T^pac, 
Tcpapöc,  Yepctiöc.  Als  das  Wort  Tepujv  neben  der  Bedeutung  'der 
Vornehme'  die  Bedeutung 'der  Greis'  angenommen  hatte,  setzte  sich 
für  den  zugehörigen  Begriff  'Greisenalter'  die  gedehnte  Form  yripac 
fest,  während  die  ältere  Form  yepac  für  die  ursprüngliche  Bedeu- 
tung der  'Ehre'  blieb.  Ähnlich  verhält  sich  yripaiöc  zu  yepaioc". 

Es  heißt  das  Kind  mit  dem  Bade  ausschütten,  wenn  man 
darüber  so  kategorisch  abspricht,  wie  Heinr.  Schmidt  Synoymik 
d.  griech.  Spr.  2,  90:  "Die  Angabe  der  AVörterbücher,  daß  es 
[xepaiöc]  'den  durch  Alter  Ehrwürdigen'  bedeute,  gründet  sich 
auf  nichts".  Indes  gilt  in  betreff  des  von  Pape-Sengebusch 
Gelehrten,  daß  umgekehrt  wohl  ein  Schuh  daraus  werden  kann. 
Wenn  zwischen  T^pac  und  xepujv,  Y^ipac  Wurzelgemeinschaft 
besteht,  kann  diese  nur  so  gedacht  werden,  daß  von  der  Basis 
der  Begriffe  'alt,  Greis'  und  'Alter,  Greisenalter'  auszugehen  ist. 
Daran  läßt  die  offenkundige  außergriechische  Yerwandtschaft 
des  Yepuuv,  Tnpac,  nämlich  ai.  järant-  'gebrechlich,  alt,  Greis', 
jdrati  'macht  gebrechlich,  macht  altern,  läßt  alt  werden',  jarand-h 
'hinfällig,  alt',  ^ards-  F.  und /am  F.  'das  Altwerden,  A\iex\jarimd 
M.  'Alter,  Altersschwäche',  jiryati  'wird  gebrechlich,  kommt  in 
Verfall,  wird  morsch,  altert',  jirnd-h  'gebrechlich,  abgelebt,  ab- 
genutzt, zerfallen,  morsch,  alt',  j.-aw.  zaurva  M.  'Greisenalter, 
Altersschwäche',  saMrwrö  'altersschwach,  gebrechlich',  zaratö  'alters- 
schwach', zairinö  'aufreibend,  erschlaffend',  a-zardmö  'nicht  ab- 
nehmend', a-zardsant-  Part.  Aor.  Act.  'nicht  alternd',  npers.  zar 
'Greis,  Greisin',  osset.  zärond  'alt',  armen,  cer  'alt,  Greis'  und 
aksl.  zreti  'reif  werden',  sb-zorh  'reif,  keinen  Zweifel  bestehen; 
und  im  Griechischen  selbst  weist  auf  diesen  Ausgangspunkt  der 
Bedeutungsentwicklung  hin,  daß  an  einer  einzigen  Stelle  doch 
auch  schon  Homer  Yepuuv  nicht  von  einer  Person,  sondern  von 
einer  Sache  im  Sinne  einfach  von  'alt,  abgenutzt'  gebraucht,  in 
X  184  cctKoc  eupu  T^pov,  TTeiraXaYiuevov  dZ^r],  daß  ferner  YepYep-i|uio-c, 
die  Bezeichnung  überreifer  abfälliger  Früchte,  die  morphologisch 
dem  ai.  jarjar-a-h  'hinfällig,  gebrechlich,  zerfallen'  besonders 
nahe  steht,  von  Yepujv  nicht  zu  trennen  ist. 

Es  ist  wahr,  daß  die  alten  Erklärer  nicht  nur  für  gewöhn- 
lich Yepuuv  oder  YHPac  aus  Yepac  herleiteten,  wie  das  Etym.  M. 


Griechische  und  lateinische  Wortdeutungen.  223 

226,  32  von  Tepujv,  das  Etym.  Gud.  125,  25  von  THPac  lehrt, 
daß  es  TTapd  tö  T^pac,  b  crmaivei  rrjv  Ti|ariv,  oder  das  letztere 
123,  35  über  TepuJV  sagt,  daß  es  irapa  tö  repac,  iv'  fj  Trapuuvu|Liov 
TÖ  övo|ua,  benannt  sei;  sondern  daß  dieselben  gelegentlich,  d.  i. 
wenn  sie  es  gerade  niit  der  Deutung  von  yepac  zu  tun  hatten, 
auch  den  Spieß  umzudrehen  wußten  und  so  im  Etym.  M.  227,  14 
Tepac,  11  Ti^iV  TTapd  tö  -fnpac-  aiboöc  t^P  «^loi  KaiTi|nfic  oi  TepovTec, 
im  Etym.  Gud.  123,  50  =  Orion  p.  41,  22  Sturz  T^pac  fi  Ti|nr|, 
TTapd  TÖ  YHPoic  TÖ  Ti|uiov,  TpoTTv]  Toö  fj  dc  e  von  ihnen  etymo- 
logisiert wird.  Sie  haben  dann  aber  schwerlich  bei  letzterem 
Verfahren  eine  einigermaßen  klare  und  bewußte  Yorstellung 
davon  gehabt,  daß  und  inwiefern  sie  damit  den  richtigen  Sach- 
verhalt trafen,  vielmehr  auch  nur  ganz  im  allgemeinen  den  Zu- 
sammenhang der  unter  sich  lautähnlichen  Wörter  behaupten 
wollen.  Eine  etwas  tiefere  etymologische  Einsicht  scheint  mir 
die  Bemerkung  Plutarchs  An  seni  ger.  resp.  10  =  Mor.  S.  789 e 
zu  verraten:  der  pythische  ApoUo,  heißt  es  dort,  habe  der  in 
Lakedaimon  den  Königen  an  die  Seite  gesetzten  Aristokratie 
den  Namen  der  Altgeborenen,  TTpecßuTeveac,  beigelegt,  Lykurg 
aber  sie  geradezu  T^povTac  genannt,  der  Rat  der  Römer  aber 
heiße  noch  jetzt  Y^poucia,  und  gleichwie  das  Gesetz  das  Diadem 
und  die  Krone,  so  setze  die  Xatur  das  graue  Haar  als  ehren- 
volles Symbol  obrigkeitlicher  Würde,  evTi|aov  i^YeMOviKoO  cu|aßoXov 
dHiuj)LiaToc,  aufs  Haupt,  Kai  tö  Y^pac  oi|Liai  Kai  tö  Y^paipeiv  övo|aa 
ce|Livöv  drrö  tiIjv  y^PÖvtuuv  Y£vö)Lievov  bia|aevei;  welches  letztere 
also  wohl  dem  Zusammenhange  nach  besagen  soll,  daß  y^P^c 
nebst  Yepciipeiv  entsprechend  seiner  Herkunft  von  y^Pujv  der 
Sprache  als  ein  Achtimg  bezeichnender  Ausdruck  verbleibe,  wenn- 
gleich mit  den  Y^povrec  die  Vorstellung  des  Ehrwürdigen  nicht 
dauernd  verbunden  erscheine. 

Indem  wir  unserseits  die  Worterklärung  Yepac,  r\  Ti|ari,  TTapd 
TÖ  YHPac  oder  nach  Plutarch  6vo\xa  cej^vöv  drrö  tuuv  y^POVTujv 
Yevö|uevov  aufs  reine  und  zu  Ehren  bringen  wollen,  haben  wir 
zunächst  eine  Eeststellung  derjenigen  Bedeutung  des  Yepac,  die 
uns  als  die  auf  dem  Boden  der  vorliegenden  griechischen  Sprach- 
überüeferung  erreichbare  älteste  erscheint,  zu  versuchen. 

Bei  Homer  bezeichnet  bekanntlich  unser  Wort  weitaus 
überwiegend  das  praecipuum  oder  praemium,  welches  Fürsten 
und  Heerführer  von  der  Kriegsbeute  außer  dem  gewöhnlichen 
gleichen  Anteile,  der  inoTpa,  für  sich  empfingen,  daher  in  \  534 


224  H.  Osthoff, 

ILioTpav  Kai  Y^poic  ecGXöv  ex^J^v  die  Unterscheidung  der  beiden  bei 
der  Beuteverteilung-  einem  einzelnen  Helden  zufallenden  Anteil- 
stücke; oder  es  heißt  seltener  das  besondere  gute  Stück,  was 
ein  vorzüglich  zu  ehrender  Tischgenosse  vor  dem  gleichen  Anteil 
an  der  Mahlzeit  voraus  bekommt,  ein  y^poic  des  Empfängers,  wie 
des  Hausherrn  Menelaos  b  66  (s.  unten  S.  225 f.  230).  Im  Falle  des 
letzteren  Gebrauches  ist  einmal  bei  Homer  laoTpa  i'cri  der  zwar 
nicht  unmittelbar,  aber  doch  entfernter  sich  einstellende  Gegen- 
satz zu  Yepac:  u  293  ff.  wird  in  der  Rede  des  Ktesippos  an  die 
übrigen  Freier  der  Ochsenfuß,  den  er  zum  Hohn  dem  als  Bettler 
verkleideten  Odysseus  in  Zugabe  zu  der  schon  längst  von  diesem 
empfangenen  |uoTpa  icri  am  Gastmahle  hinschleudern  will,  zu- 
nächst ein  Heiviov,  darnach  aber  ein  xepac  genannt,  das  der 
damit  Beschenkte  seinerseits  als  solches  einem  der  Sklaven 
des  Hauses  w^eiter  verehren  möge.  Den  abgeblaßten  Sinn,  daß 
Yepac  "überh.  Gabe"  oder  "donum"  bezeichne,  will  man  hier  finden 
(Passow  Handwörterb.  1^,  549b,  Ebeling  Lex.  Homer.  1,  253  a), 
doch  erscheint  dieser  sonst  in  Ilias  und  Odyssee  noch  nicht, 
und  gerade  hier  lag  darum  zur  Wahl  des  Wortes  eine  individuelle 
Veranlassung  vor,  weil  das  dem  Odysseus  zugedachte  Seiviov 
zunächst  für  ihn  auch  die  Geltung  eines  yepac  hatte  oder  haben 
sollte;  man  möge  Yepotc  u  297  etwa  mit  'Extragabe'  übersetzen, 
um  die  oittö  koivoO  darin  liegende  Doppelbedeutung  einigermaßen 
zu  treffen.  Vgl.  auch  Pape-Sengebusch  Handwörterb.  1^,  485  b, 
sowie  die  von  Ameis-Hentze '  zu  d.  St.  gegebene  Erläuterung: 
"T^pac  als  Ehrengabe,  scherzhaft  für  Trinkgeld".  In  der 
Rolle  des  Kontrastes  zu  den  juoTpai  der  Mahlzeit  zeigt  sich  yepac 
ferner  Hymn.  Merc.  129  f.  ecxice  öiLöeKa  luoipac  icXripoTraXeic* 
TeXeov  be  yepac  irpoceGriKev  eKdcTr). 

Darin  also,  wie  es  Od.  X  534  und  besonders  häufig  in  der 
Ilias,  A  118.  120  usw.,  anderseits  dann  Od.  b  66  und  an  der 
Hymnenstelle  verwendet  wird,  sieht  man  mit  Recht  die  älteste 
Gebrauchsweise  des  Wortes,  die  wir  kennen  oder  historisch  be- 
zeugt finden.  Aber  fraglich  ist,  ob  darum  von  'Ehrengabe',  wie 
allgemein  geschieht,  als  dem  Grundbegriffe  ausgegangen  werden 
dürfe.  Von  Joh.  Schmidt  KZ.  25,  81  ist  sogar  behauptet  worden, 
daß  yepac  "bei  Homer  überall  eine  Ehrengabe"  sei,  das  bezeichnet 
jedoch  schon  Kretschmer  ebend.  31,  398  Anm.  2  unter  Hinweis 
auf  A  323.  Y  9.  uu  190.  als  eine  irrige  Ansicht.  Nach  Ebeling  Lex. 
Homer.  1,  252b  f.  kommen  dem  homer.  yepac,   dessen  Grund- 


Griechische  und  lateinische  Wortdeutungen.  225 

bedeutiing  "muniis  honorificum"  sei,  außer  "praemium,  quod  e 
praeda  capitiir  atque  additur  ad  jnoTpav"  und  "munus  praecipuum 
in  convivio  honoris  causa  datum"  noch  folgende  Spezialanwen- 
dungen  zu:  "honor  praecipuus  dis  oblatus"  A 49.  Q  70,  "honor  quo 
mortuos  prosequimur"  TT 457.  675.  V  9.  ö  197.  uu  190.  296,  "dignitas 
regia"  Y  182.  X  175.  184.  o  522,  ähnlich  auch  n  150,  "donuni 
honorificum"  Hymn.  Merc.  573.  Hymn.  Ven.  29  und  "ironice" 
Hymn.  Merc.  291,  "ins  honorarium"  A  323.  I  422.  Nur  ein 
unvollkommenes  Bild  der  Mannigfaltigkeit  des  Gebrauches  des 
Yepac  und  seiner  verschiedenen  Begriffsschattierungen  gibt  die 
Hesychglosse  Yepac  Ti|uri,   ceßac,   d9\ov   dpeific,   d|uoißr|,  öuuped. 

Der  in  Y^pac  liegende  charakteristische  Begriffskern  ist 
nun,  wie  mir  scheint,  weniger  der,  daß  damit  etwas  bezeichnet 
wird,  was  ehrenhalber  jemandem  von  andern  gegeben  oder 
geschenkt  wird,  als  vielmehr  die  Vorstellung,  daß  im  Gegensatz 
zu  der  pars  aequalis,  ^oTpa  i'cri,  die  man  mit  andern  Anteil- 
berechtigten gemein  hat,  die  pars  praecipua  gestellt  wird,  die 
einem  Einzelnen  im  Vorzug  vor  andern  mit  ihm  Teilenden  ge- 
bülui;,  ihm  vorab  oder  ihm  ausschließlich  zukommt,  auf  die  er 
einen  durch  Recht  oder  Gewohnheit  begründeten  Anspruch  hat; 
dieselbe  Vorstellung  also,  aus  der  heraus  bei  Plautus  Rud.  189 
hancine  ego  partem  capto  ob  pietatem  praecipuam  gesprochen 
wird.  Ich  würde  daher  Ehr  enteil  als  die  älteste  erreichbare 
Bedeutung,  die  das  Wort  historisch  aufzuweisen  hat,  hinstellen; 
'Ehren teil',  nicht  'Ehrengabe,  Ehrengeschenk',  denn  darauf 
kommt  es  zunächst  weniger  an,  daß  das  praecipuum  auch  wirk- 
lich zur  Vergebung  gelangt,  von  den  übrigen  dem  Vorabberech- 
tigten gutwillig  überlassen  oder  eingeräumt  wird. 

Mit  'Ehrenteil'  haben  denn  auch  schon  andere  das  homer. 
Yepac  sehr  passend  wiedergegeben.  Im  Anschluß  an  ö  65  f.  Kai 
cq)iv  vujTa  ßoöc  Trapd  mova  BfiKev  ottt'  ev  x^pciv  eXuJV,  rd  pd  oi 
Yepa  irdpOecav  aÜTLu  sagt  K.  F.  Becker  Weltgeschichte  1  *,  390 : 
"Menelaos  selbst  fügte  noch  sein  Ehrenteil,  den  fetten,  ge- 
bratenen Rückgrat,  hinzu".  Bei  seiner  Schilderung  der  bevor- 
rechteten Stellung  des  Königs  im  homerischen  Zeitalter  erwähnt 
Schoemann-Lipsius  Griech.  Altertümer  1^,  34  auch,  "daß  im 
Kriege  dem  Könige  ein  vorzüglicher  Teil  der  gemachten  Beute 
als  sem  Ehrenteil  (Yepac)  zukommt,  und  daß  bei  gemeinsamen 
Mahlzeiten  ihm  außer  dem  Ehrenplatz  auch  größere  Portionen 
und  vollere  Becher  gebühren" ;  und  in  fast  wörtlicher  Überein- 


226  H.  Osthoff, 

Stimmung  damit  äußert  sich  Busolt  D.  griecb.  Staats-  u.  Rechts- 
altertümer^  (Iw.  v.  Müllers  Handbuch  d.  klass.  Altertiimswiss, 
42, 1,  1)  S.  28.  Von  einer  "Ehrenportion  an  Fleisch  und  Wein" 
bei  den  Gemeinmahlen,  die  einen  Bestandteil  der  TijLiri  der  ho- 
merischen Könige  ausmache,  redet  Nitzsch  Erklär.  Anmerk.  zu 
Homers  Odyssee  1,  28  anläßlich  von  a  117;  ein  "Ehrenstück" 
nennt  derselbe  ebend.  238  die  T^pa,  die  b  65  f.  Menelaos  vor 
sich  hat  und  seinen  Grasten  überläßt. 

Von  der  Bedeutung  'Ehren teil'  aus  gelangt  man  augen- 
scheinlich auch  noch  besser  und  zwangloser,  als  von  der  'Ehren- 
gabe' aus,  zu  den  übrigen  Anwendungsweisen,  die  das  Wort 
bei  Homer  und  im  späteren  (jriechisch  hat,  zu  'Ehrenamt,  Ehren- 
stellung', 'Ehrenrecht',  'Ehre',  'Auszeichnung,  Belohnung'  u.  a. 
Wie  glaubt  man  z.  B.  es  als  eine  Gabe,  ein  Geschenk  verstehen 
zu  können,  daß  an  einer  Stelle  der  Ilias  und  mehrmals  in  der 
Odyssee  yepac  deutlichst  von  dem  'Herrscheramt',  der  einem 
einzelnen  Geschlechte  erbtümlich  eigenen  'Würde  des  Ober- 
königs' gebraucht  wirdj?  So  erscheint  Y  182  f.  oü  toi  xouveKd  fe 
TTpia)Lioc  T^pac  ev  x^pi  örjcer  eiciv  y^P  oi  iraTöec  das  Y^pac  des 
Priamos,  das  dieser  nicht  dem  Aineias,  sondern  einem  seiner 
Söhne  übergeben  wird,  doch  gewiß  seinem  Begriffswerte  nach 
nur  als  ein  Synonymum  der  Ti|ufic  tfic  TTpid)uou  in  dem  unmittelbar 
vorhergehenden  Verse;  \  175,  184.  0  522  ist  es  das  Yepac  des 
Odysseus,  dessen  Besitz  für  seinen  Vater  Laertes,  für  ihn  selbst 
und  seinen  Sohn  Telemach  in  Frage  steht,  indem  es  andere 
ehrgeizige  Fürsten  des  Landes  an  sich  zu  reißen  suchen,  etwa 
einer  der  übermütigen  Freier  es  erlangen  kann,  sowie  \  503  der 
im  Hades  weilende  Achill  für  die  von  mutmaßlichen  Wider- 
sachern bedrohte  ti|u»t  seines  Vaters  Peleus  rächend  eintreten 
zu  können  sich  wünscht.   Vgl.  Nitzsch  a.  a.  0.  1,  62  f.  zu  a  387. 

Ziemlich  weit  vom  Richtigen  entfernt  sich,  wie  man  hier 
ersieht,  die  Bemerkung  Heinr.  Schmidts  Synonymik  d.  griech. 
Spr.  3,  199:  "Gewissermaßen  sinnverwandt  mit  buuped  ist  das 
homerische  Y^pac,  welches  jedoch  die  Ehrengabe  für  die  Höher- 
stehenden, namentlich  die  Könige,  ist".  'Gabe,  Geschenk'  schlecht- 
hin ist  für  Yepac  als  Bedeutung  mit  Sicherheit  erst  nachhomerisch 
nachzuweisen:  man  führt  dafür  Stellen  wie  Eurip.  Troad.  253  Dind. 
a  (Casandrae)  6  xpucoKÖ|uac  (Phoebus)  eöuuK'  aXcKipov  I6av,  Plato 
Phaedr.  p.  259  b  c  Y^pac  Trapd  Geüjv,  napd  Moucüjv  an  (Matthiae 
Lex.  Eurip.  1,  641,  Pape-Sengebusch  Handwörterb.  1 3,  485  b).  Am 


Griechische  und  lateinische  Wortdeutungen.  227 

nächsten  aber  kamen  die  Lexikographen  dem  Grundbegriffe  des 
Yepac,  indem  sie  ihm  unter  andern  Bedeutungen  auch  die  von 
"omnino  quod  quis  insigne  et  prae  aliis  praecipuum  habet"  zu- 
wiesen (Dindorf  Steph.  Thes.  2,  583,  Matthiae  a.  a.  0.). 

Die  Bedeutung  'Ehrenteil'  kann  nun,  da  tatsächlich  häufig 
das  höhere  Lebensalter  es  ist,  das  den  Anspruch  zu  der  Bevor- 
rechtung verleiht,  ihrerseits  wohl  auf  Grund  des  metonymischen 
Gebrauchs  eines  Wortes,  das  ursprünglich  nur  *Alter,  aetas  pro- 
vecta'  ausdrückte,  sich  entwickelt  haben.  Eine  solche  Metonymie 
widerfährt  ja  auch  unserm  nhd.  Alter^  daß  es  gelegentlich  die 
abgeleitete  Bedeutung  'was  dem  Alter  zukommt,  Altersvorzug, 
Altersvorrecht'  aufweist:  bei  Adelung  Gramm.-krit.  Wörterb.  d. 
hochd.  Mundart  1 2,  238  und  in  Grimms  Deutsch.  Wörterb.  1,  269 
sind  Beispiele  dieses  Gebrauchs  von  Alter,  daß  es  "zuweilen 
auch  ein  mit  dem  Alter  verbundenes  Vorrecht  bezeichnet",  zu 
finden,  das  Alter  vor  einem  haben  so  viel  als  'länger  in  dem  Be- 
sitze einer  Sache  oder  eines  Bechtes  sein',  das  Alter  erlangen 
'die  mit  dem  altern  Rechte  verbundenen  Vorzüge  bekommen' 
u.  ähnl.  mehr. 

Indem  auf  die  in  Rede  stehende  Metonymie,  die  Begriffs- 
entwicklung von  'Alter'  zu  'Altersvorzug,  Ehrenteil  des  Alters', 
eine  Erweiterung  des  Bedeutungsumfangs,  die  von  'Ehrenteil  des 
Alters'  zu  'Ehrenteil  überhaupt',  folgte,  ergab  sich  die  tat- 
sächlich im  Griechischen  vorliegende  Verwendungsweise  des 
Yepac.  Dieser  letztere  Schritt  hat  aber  auf  dem  Boden  der  alten 
Griechensprache  selbst  ein  handgreifliches  Analogen.  Daß  irpec- 
ßeiov,  homer.  -rrpecßriiov  gemäß  seiner  Herkunft  von  Ttpecßuc, 
genauer  von  Ttpecßeuc,  eigentlich  'was  einem  Alten  zukommt'^ 
'Ehre,  Vorzug,  Vorrang,  Vorrecht  eines  Älteren'  bedeutet,  zeigen 
noch  manche  Stellen  seines  Gebrauches  in  der  Literatur,  z.  B. 
Demosth.  p.  1003,  10  ujct'  oü  tlu  xpovuj  juövov,  ctWd  Kai  tuj  öiKaiiu 
TTpecßeTov  exoiju'  äv  eYUJTe  Touvo|ua  toOt'  eiKÖTUJc,  id.  p.  955,  11 
eK  Tivoc  TpÖTTOu  TTpecßeia  Xaßdiv  ty]v  cuvoiKiav  xaid  Trjv  öia0r|Kriv 
^Xei  vom  Erstgeburtsrecht,  dem  größeren  Anteil  des  Erstgebornen 
an  der  Erbschaft;  und  mehrere  Worterklärungen  der  Alten  er- 
härten dasselbe,  wie  Pollux  2,  12  rrpecßeia,  Y^pa  xd  xoTc  Trpec- 
ßuiepoic  bebo)Li6va,  Schol.  Soph.  p.  26  (nach  dem  für  mich  un- 
kontrollierbaren Zitat  in  Stephanvis'  Thes.  6,  1581)  TTpecßeTov 
inv  5id  Y^pac  TrpoTiiuriciv,  Kai  xö  bi'  aüxö  öi5ö|uevov  Y^pac  Kaxd 
TTpoxiiariciv,  dies  wohl  in  bezug  auf  Soph.  Fragm.  19  Dind.  npecßeia 


228  H.  Osthoff, 

vei)nac  THCÖe  Yfjc  "de  praecipua  terrae  Atticae  parte  Ae^aeo 
concessa  in  honorem  aetatis"  (Bllendt  Lex.  Sophocl.  2,  630),  be- 
sonders aber  Plut.  Mor.  p.  787  d  tö  otTTÖ  toO  xpovou  TrpuuTeTov, 
ö  KaXeTxai  Kupiuuc  irpecßeTov,  d.  i.  "honor  senectutis,  qiiod  Trpec- 
ßeiov  Graeci  ab  ea  aetate  deflexo  yerbo  dicuut"  (Xylander  bei 
D.  Wyttenbach  Flut.  Chaeron.  Moral.  4,  162),  verdeutscht  "der 
Vorzug  des  Alters,  den  man  im  eigentlichen  Sinne  TrpecßeTov 
nennt"  (Plutarchs  moral.-philos.  Werke  übers,  von  J.  F.  S.  Kalt- 
wasser 6,  142).  Aber  bisweilen  zeigt  TTpecßeiov  auch  die  ur- 
sprünglich in  ihm  liegende  Beziehung  auf  das  Alter  abgestreift 
oder  wenigstens  ganz  in  den  Hintergrund  getreten.  Dies  ist  vor- 
nehmlich der  Fall  an  der  einzigen  Stelle  seines  Yorkommens 
bei  Homer.  0  289  verspricht  Agamemnon  dem  tapfer  kämpfenden 
Teukros :  nach  der  glücklichen  Eroberung  Ilions  TrpuiTUj  toi  luet' 
e)ae  Trpecßrjiov  ev  x^Pi  örjcui,  f\  Tpmoö'  r]e  öuuj  'ittttouc  auToTciv 
öxecqpiv  f\i  yuvaix',  und  hier  kann  eben  das  Wort  schlechthin 
nur  'Ehrenteil'  oder  allenfalls  'Ehrengeschenk,  auszeichnende 
Belohnung'  bedeuten,  denn  Teukros  ist  ja  als  ein  jüngerer  Mann 
zu  denken,  sicherlich  war  er  keiner  der  Ttpecßriec  oder  Trpecßuiepoi 
im  Griechenheere;  daher  lautet  mit  bezug  auf  die  HomersteUe 
auch  die  erklärende  Umschreibung,  die  das  Etym.  Magn.  687,  10 
gibt,  einfach  Tipecßriiov,  'IXidöoc  0,  tö  uTtep  Tiiurjc  öibö|uevov  öüupov. 
Den  homerischen  Gebrauch  des  Wortes  ahmt  der  späte  byzan- 
tinische Dichter  des  Epigramms  bei  Dübner  2  S.  599  Append. 
Planud.  Nr.  351  nach,  der  eiKÖva  xa^^eiriv  ein  rrpecßi'iiov  für  den 
Wagenlenker  Porphyrios  sein  läßt.  Ein  'Ehrenamt',  ebenfalls 
ohne  Hervortreten  des  Umstandes,  daß  der  es  Ausübende  der 
ältere  sei,  oder  auch  schlechthin  so  viel  als  'Amt',  scheint  mit 
TTpecßeia  bei  Plato  Gorg.  524  a  Mivuj  öiücuu  -rrpecßeia  eTTiöiaKpiveiv 
gemeint  zu  sein;  und  das  ist  dann  wie  der  entsprechende  Ge- 
brauch des  Tepac  bei  Homer  A  323,  noch  ähnlicher  aber  He- 
rodot  1, 114  TU)  öe  tivi  tccc  dYTcXiac  ecqpepeiv  ebibou  fepac  und  Eurip. 
Ehes.  107  Dind.  dtXXuj  ö'  dXXo  -npöcKeiTai  Tepac,  coi  juev  ludxecOai, 
toTc  be  ßouXeueiv  KaXüuc,  wo  yepac  richtig  als  'munus,  provincia' 
verstanden  wird  (Matthiae  Lex.  Eurip.  1,  641).  Die  zu  TrpecßeTov 
gehörige  Femininbildung  Trpecßei'a  bildet  ihren  Grundbegriff 'Alter' 
in  zwei  verschiedenen  Richtungen  dahin  weiter  aus,  daß  sie 
einerseits  'Gesandtschaft',  'Verrichtung  eines  Gesandten'  und 
konkret  als  Kollektivum  'die  Gesandten',  anderseits  aber  'Vor- 
recht des  Alters',  sowohl  'die  auf  dem  höhern  Alter  beruhende 


Griechische  und  lateinische  Wortdeutungen.  229 

Würde,  Ansehen  oder  Vorrang  des  Alters'  wie  insbesondere  Mas 
Erstgeburtsrechf,  dies  z.  B.  in  Kaid  irpecßeiav  'nach  dem  Yor- 
recht  der  Erstgeburt'  Aischyl.  Pers.  4,  im  Attischen  ausdrückt 
(vgl.  Heinr.  Schmidt  Synonymik  d.  griech.  Spr.  2,  88). 

Die  Anerkenntnis  der  etymologischen  üntrennbarkeit  von 
Yepac  und  Yepuuv,  xfipac  hilft  ferner  über  einige  Schwierigkeiten 
hinweg,  die  andernfalls  die  Beurteilung  mehrerer  im  Griechischen 
vorliegender  Wortbildungen  bereitet,  einiger  solcher  Wörter  näm- 
lich, die  man  formal  und  begrifflich  sowohl  zu  Tepujv  wie  auch 
zu  Tcpac  zu  beziehen  ein  offenbares  Recht  hat. 

Es  bestehen  neben  einander  die  beiden  Adjektiva :  Yepapoc 
'ansehnlich,  stattlich,  ehrwürdig',  das  Homer  zweimal  von  der 
äußern  Gestalt  eines  Helden,  des  Agamemnon  P  170  und  des 
Odysseus  ebend.  Y.  211,  gebraucht,  spätere  aber  auch  im  Sinn 
von  'alt,  greisenhaft'  kennen,  z.  B.  Aischyl.  Ag.  722  Dind.  Weil 
(\eovToc  iviv)  euqpiXoTTUiba  Kai  Yepcxpoic  eTTixaprov,  der  Yorwurf 
der  Hesychglossen  Y^papov  eviiiuov,  laeYaXoTrpeTrf)  und  Yepap^- 
lepoc*  evTiiuoTepoc,  irpecßuTepoc  (vgl.  Ebeling  Lex.  Homer.  1,  252  b) 
imdEurip.  Suppl.  42  Dind.  Yepapüjv  ek  CTOiudriuv;  undYepaioc,  dies 
in  der  Bedeutung  'alt,  bejahrt',  homerisch  und  nachhomerisch,  aber 
bei  Homer  Z  87.  270.  287.  296  heißen  Yepaiai  die  'vornehmen 
Matronen'  in  der  Gefolgschaft  der  Mutter  des  Hektor,  darunter 
"nach  vs.  379  auch  Andromache,  so  daß  also  der  BegTiff  'alt'  hier 
gar  nicht  paßt"  (Pape-Sengebusch  1  ^,  484  b). 

Die  übliche  etymologische  Unterbringung  der  beiden  Wort- 
bildungen vom  Standpunkte  derer,  die  Y^pac  und  Y^puJV  von 
einander  trennen,  ist,  daß  Y^pa-po-c  zu  Yepac,  Y^paioc  aber  zu 
Yepujv,  YHpac  gestellt  wird;  so  lehren  z.  B.  G.  Curtius  Grund- 
züge d.  griech.  Etym.^  176,  Fick  Yergleich.  Wörterb.  1%  34.  52. 
216.  402.  432,  Yanicek  Griech. -lat.  etym.  Wörterb.  203.  210, 
Leo  Meyer  Yergleich.  Gramm.  1^,  282.  685.  686.  Handb.  d. 
griech.  Etym.  3,  41.  42  f.  44,  Joh.  Schmidt  D.  Pluralbüd.  d. 
indog.  Neutra  148.  340  und  Prellwitz  Etym.  Wörterb.  d.  griech. 
Spr.2  92.  93.  Und  zugunsten  dieser  Auffassung  mag  man  noch 
auf  das  zu  Ycpapo-c  gehörige  denominative  Yerb  YepaipuJ  'ich 
zeichne  aus,  ehre'  sich  berufen,  da  es  ja  Homer  in  Ilias  und 
Odyssee  immer  von  der  Auszeichnung  durch  den  Ehrenteil, 
Yepac,  bei  der  Mahlzeit  gebraucht,  H  321.  g  437.  441. 

Dennoch  läßt  sich  die  strenge  Scheidung,  Yepapoc  zu  Yepac, 
Yepaiöc  zu  Yepujv,  YHPac,  nicht  durchführen,  da  eben  die  Begriffe 


230  H.  Ost  hoff, 

'Alter'  und  'Auszeichnung,  Ehre'  bei  jedem  der  beiden  Adjektiva 
augenscheinlich  ineinander  übergehen,  ihre  Crrenzen  sich  ver- 
wischen. So  hat  denn  auch  schon  Legerlotz  KZ.  8,  45  Yepapoc 
vielmehr  zu  Yepuuv  bezogen.  Anderseits  knüpft  das  homer.  Yepaiai 
an  Tepac  bereits  ApoUon.  Soph.  Lex.  54,  22  Bekk.  Yepaiac-  Tctc 
yepac  ti  ^xo^^ac  YuvaiKac.  oi  juev  rctc  lepeiac  TrpoTToXoucac  an, 
sowie  auf  dasselbe  Etymon  offenbar  auch  Eustath.  p.  642,  27  zu 
n.  Z  287  rdc  Tepaidc  nioi  xdc  eviiiuouc,  Kctv  outtuj  xivec  eic  T^pac 
^Xöov  hinaus  will,  "sine  causa",  wie  dazu  Ebeling  Lex.  Homer.  1, 
252  b  bemerkt,  während  wiederum  die  Wörterbücher  von  Passow^ 
und  Pape-Sengebusch  3,  wie  wir  oben  sahen  (S.  221  f.),  die  Mitbe- 
rechtigung des  Yepac  bei  der  Erklärung  des  Tepaiöc  und  seines 
homerischen  Gebrauches  anerkennen.  Für  'Priester,  priesterliche 
Personen'  wird  yepapoi  bei  Aischyl.  Suppl.  666  Dind.  "Weil  Y^pa- 
poTci  irpecßuTOÖOKOi  9u|aeXai  (pXeöviuuv  gebraucht  (vgl.  Liddell- 
Scott  Greek-Engl.  Lex.  *,  264b),  sowie  die  Femininbildung  Ttpaipai 
oder  TepaTpai,  die  Demosth.  p.  1369,  29.  1371,  18.  1372,  2  mit 
der  abweichenden  Lesart  Yepapai  vorkommt  und  die  das  Schol. 
D  zu  IL  Z  270  auch  als  Yariante  für  Yepaiai  an  den  Stellen  Z  87. 
270.  287.  296  kennt,  bei  Demosthenes  'Priesterinnen  des  Dionysos* 
bezeichnet;  vgl.  auch  noch  die  Homerscholien  BLV  zu  Z  87 
Yepaidc  •  xivec  Yepapdc  dvaYiviLcKOuciv,  iva  öriXoi  idc  iepeiac,  rdc 
eK  TuJv  iepujv  Y^pac  5exo|uevac  und  die  Hesychglosse  Y^papai ' 
iepeiai  koivüjc,  iöiuuc  öe  ai  tuj  Aiovvjcuj  tuj  ev  Ai)Livaic  id  iepd 
€7TiTeXoöcai.  Auch  in  dieser  Bedeutung,  daß  es  als  Epitheton 
priesterlicher  Personen  dient,  ist  Anknüpfung  des  Yepctpoc 
nebst  Yepaipai  an  y^P^jv  nicht  minder  statthaft,  als  Beziehung 
zu  Y^pac. 

Sicher  gehört  zu  Yepac  das  Adjektiv  d-Yepac-xo-c  'ohne 
Ehrengeschenk,  unbelohnt',  zuerst  D.  A  119,  dann  Hesiod.  Theog. 
395,  wo  daneben  synonymes  diiiuoc,  dann  auch  bei  noch  Späteren 
Epitheton  von  Personen  oder  Lebewesen;  auf  Lebloses  in  der 
Bedeutung  'ohne  Ehrung,  ungeehrt'  wird  es  in  der  altern  Zeit 
nur  von  Euripides  bezogen,  der  xujußov  dYepacxov  Hec.  117, 
dYepacxov  övo|ua  Bacch.  1378  Dind.  hat.  Und  Yepdc|iuoc  erweist 
sich  durch  Hymu.  Merc.  122  vüuxa  Yepdc|uia,  verglichen  mit  den 
vujxa  ßoöc  TTiova  öirxd,  die  Od.  b  65  f.  die  y^P«  des  Menelaos 
sind,  und  mit  H  321.  H  437  vduxoiciv  b'  Aiavxa  ('Oöucfla)  öirive- 
Keecci  Ycpaipev,  als  'ein  Ehrenteil  darstellend',  daher  'ehrend, 
honorificus'.    Aber  Euripides  hat  Yepac|aioc  im  Sinne  von  'alt. 


Griechische  und  lateinische  Wortdeutungen.  231 

greisenhaft'  in  fepaciuiou  ipixöc  Phoen.  923  Dind.,  Yep«c)Liiuuv 
öccuuv  Suppl.  95.  Dind. 

Von  dem  Standpunkte  aus,  daß  der  Begriff  des  Alters, 
Tiipac,  auf  den  der  Elire,  yepac,  zurückgehe,  bemerkt  über  die 
hier  in  Rede  stehende  Gruppe  von  Adjektiven  Matthiae  Lex. 
Eurip.  1,  640:  'Tepaiöc  lepapöc  Yepdc)aioc  proprie  sunt  honora- 
bilis,  venerabilis;  cum  autem  hac  vi  de  senibus  potissimum 
dicerentur,  etiani  hominem  senilem  et  corpus  senüe  denotant" 
und  ebend.  S.  641:  "Yep«C)uioc,  venerabilis,  hinc  etiam  senilis, 
ut  Yepapoc". 

Vornehmlich  ist  hier  aber  auch  Yepoucioc  und  die  Art  und 
"Weise,  wie  das  alte  Epos  diese  Adjektivbildung  verwendet,  zu 
erwähnen.  Daß  sie  auf  *YepövT-io-c  zurückgehe  und  in  der  Be- 
deutung 'die  Greise  betreffend'  Ableitung  aus  dem  Stamme  von 
Yepuuv  sei,  steht  ja  durchaus  fest,  und  wie  X  119  Ycpouciov 
öpKov  für  Men  Geronteneid,  den  von  den  Yolksäl testen  ge- 
leisteten Eid',  "den  die  Geronten  für  das  ihnen  untergebene 
Volk  zu  schwören  haben"  (Schoemann-Lipsius  Griech.  Alter- 
tümer 1*,  25),  gesagt  wird,  so  muß  A  259.  v  8  Yepouciov  aiOoTta 
oivov  "den  Gerontenwein,  den  den  Geronten  gereichten  Ehren- 
wein", wie  sich  Ameis-Hentze  ^  zu  A  259  und  Ameis-Hentze'^ 
zu  V  8,  "Ehren wein,  wodurch  die  Ältesten  ausgezeichnet  werden", 
wie  sich  Leo  Meyer  KZ.  7,415  ausdrückt,  "Wein,  der  den  Geronten 
vorgesetzt  wird",  wie  es  bei  Schoemann-Lipsius  a.  a.  0.  Anm.  2 
heißt,  bezeichnen. 

Die  alten  Interpreten  jedoch  brachten  auch  diesen  oivov 
Yepouciov  mit  Yepac  in  Verbindung,  obschon  sie  meistens  zugleich 
Yepuuv  als  Etymon  heranzogen  oder  dies  durch  evTifioc  andeuteten. 
So  Apoll.  Lex.  Homer.  54,  19  Bekk.  Yepouciov  •  töv  toic  evii- 
|Lioic  Kaid  Ti|Liriv  öiöojuevov  oivov,  oittö  öe  toO  auToO  "ouö'  oütuli 
Yepapöv  •  ßaciXfii  y^P  eoiKev  [f  170]";  und  so  ähnlich  mehrere 
der  Homerscholien,  B  und  V  zu  A  259  Yepouciov  he  töv  toTc 
dvTiiuoic  öiöö|Lievov,  V  zu  V  8  Yepouciov  oivov,  töv  toic  evTi|uoic 
öiböjuevov;  in  aller  Kürze  Suidas  1,  2,  1095  a  Beruh.  YeTouciov 
evTijLiov.  Das  Wort  Ytpujv  selber  bringen  mit  ins  Spiel  das  Etym. 
M.  227,  12  Gaisf.  Ycpovjcioc,  Kai  Yepoucia'  Trapd  tö  YepuJV,  Ycpou- 
cioc  oivoc,  6  evTijLioc,  die  eKÜJv,  eKoucioc  •  Kai  eöeXuuv,  eeeXoucioc,  wo- 
bei denn  auch  die  Richtigkeit  der  Einsicht  in  die  Wortbildung 
des  Yepoucioc  bemerkenswert  ist,  und  ferner  Eustath.  p.  470,  5 
zu  B.  A  259  oivoc  öe  Kai  vOv  Y^poucioc  ö  toTc  Yepouciv  fiToi  toic 


232  H.  Osthoff. 

evTi'iaoic  öiö6|Lievoc  ev  cujuttocilu  koivlu.  Anderseits  operieren  mit 
yepac  am  klarsten  und  bündigsten  das  Schol.  H  zu  v  8  Y^pouciov 
oivov  •  TÖv  eviijaoic  dvöpdci  biöö)Lievov  •  T^pcxc  fäp  r]  Ti|ari  •  et  ou 
Kai  TJ]V  eTTUuvu|niav  ei'Xriqpev  und  die  Hesychglosse  Yepouciov  •  tö 
Toic  evTi)Lioic  Ktttd  Yepac  biöö|uevov,  indem  hier  eben  Kard  Y^pac 
für  das  synonyme  Kaid  ti|U)tv  des  Apollonius  eintritt  und  dieses 
letztere  zu  etymologischem  Z^vecke  verdeutlicht. 

Solche  Erklärung  kann  nun,  wer  Yepac  und  Yepuuv  etymo- 
logisch trennt,  nur  striktweg  ablehnen.  Er  muß  notwendig  mit 
Ebeling  Lex.  Homer.  1,  253  b  urteilen,  daß  Ytpoucioc  als  Epitheton 
von  oivoc  "non  bene  ad  Yepac  refertur",  oder  dem  Resume  C.  G. 
Heynes  Homeri  carmina  4,  606  "est  ergo  vinum  senioribus. 
h.  principibus  viris  apponi  solitum ;  sane  quideni  honoris  caussa, 
nee  tamen  reddi  potest  vinum  honorarium"  sich  anschließen; 
denn  bei  einer  Zweifelstellung,  ähnlich  dem  von  Nitzsch  Erklär. 
Aumerk.  zu  Homers  Odyssee  1,  42  mit  "entweder  den  Geronten 
gereichter,  oder  Wein  vom  Yepac,  dem  Herrenberge,  dem  leiaevGC 
des  Königs"  eingenommenen  Standpunkte,  wird  man  sich  ja 
nicht  beruhigen  dürfen.  Ich  denke  aber,  uns  kann  dieser  homeri- 
sche "Gerontenwein",  da  er  ja  zugleich  ein  "Ehrenwein"  ist 
und  von  allen  so  verstanden  wird,  auch  von  Voß  in  seiner 
deutschen  Nachdichtung  der  Stellen  A  259.  v  8,  gut  veranschau- 
lichen, wie  ein  Adjektiv  von  der  Grundbedeutung  'auf  einen 
Alten  bezüglich,  was  einem  Greise  zukommt'  sich  zu  dem  Sinne 
'honorarius,  honorificus'  fortentwickeln  mag. 

Was  in  dem  Falle  von  Yepoucioc  okkasionell  geschehen, 
das  wäre  also  bei  Yepac  nach  unserer  Auffassung  der  Herkunft 
dieses  AVortes  frühzeitig  usuell  geworden.  Ein  ähnlicher  Be- 
deutungswandel aber  läßt  sich  auch  sonst  noch  an  Wörtern,  die 
ursprünglich  lediglich  Träger  des  Begriffes  'alt'  oder  'Alter'  sind, 
nachweisen. 

Von  dem  homer.  Ttpecßriiov  'Ehrengeschenk'  war  schon  in 
diesem  Sinne  die  Rede  (S.  328).  Die  zu  Ttpecßuc  gehörigen  Gra- 
dationsformen npecßuTepoc  Komp.,  irpecßuTaToc  und  TrpecßicToc 
Superl.  beziehen  sich  bei  Homer  noch  durchaus  auf  das  Alter, 
nachhomerisch  jedoch  drücken  sie  vorzugsweise  einen  ehren- 
vollen Vorrang  oder  schlechthin  einen  Vorzug  aus,  gehen,  wie 
Heinr.  Schmidt  Synomymik  4,  311  bemerkt,  vielfach  auf  das, 
"was  den  höheren  Rang  einnimmt,  die  höhere  Stelle  einnimmt 
oder  verdient",  vgl.  xd  xoö  Geoü  Trpecßuiepa  Troieicöai  r\  td  tuuv 


Griechische  und  lateinische  Wortdeutungen.  233 

dvöpujv  Herod.,  e|uoi  oubev  ecri  Trpecßurepov  toö  ktX.  *iiihil  anti- 
quius  habeo'  Plat,  ouöev  npecßuxepov  vo|uiZ;uu  rdc  cuuqppocuvac 
Eurip.,  TTpecßuTaxov  toöto  Kpivac  Thuk.  und  anderes,  was  die 
Wörterbücher  s.  v.  irpecßuc  und  H.  Schmidt  a.  a.  0.  verzeichnen. 
Das  Verbuni  -rrpecßeueiv  heißt  'älter  oder  der  älteste  sein,  an 
Jahren  oder  Alter  übertreffen'  und  'Gesandter  sein,  als  Gesandter 
unterhandeln',  aber  auch  Men  Vorzug  oder  Vorrang  vor  andern 
haben'  bei  Sophokles  und  Plato,  sowie  transitiv  Vorziehen,  höher 
schätzen'  und  'ehren,  acliten'  bei  den  Tragikern,  Plato  u.  Spät. 
Und  das  Xeutram  -rrpecßoc  bedeutet  'Gegenstand  der  Verehrung'  in 
ßaciXeia  Yuvai,  irpecßoc  TTepcaic  Aischyl.  Pers.  623  Dind.  Weil, 
'ehrwürdige  Versammlung,  Ehrenversammlung'  in  -rrpecßoc  'ApTeiuuv 
Tööe  Aischyl.  Ag.  855.  1393  Dind.  Weil. 

Nun  drückt  ja  allerdings  das  irpec-  in  irpec-ßu-c  eigentlich 
'vor,  voran'  aus,  da  es  Verwandter  von  irdpoc,  ai.  purdh,  aw, 
parö  'vor,  vorn,  zuvor,  früher',  weiterhin  auch  von  got.  faura 
ist  (zuletzt  so  Leo  Meyer  Handb.  d.  griech.  Etym.  2,  631,  Brug- 
mann  IF.  13, 164.  Kurze  vergleich.  Gramm.  473  f.  und  Jos.  Mansion 
Les  gutturales  grecques  43),  und  somit  könnte  es  sich  fragen, 
ob  dann  nicht  die  Bedeutung  'wichtiger'  für  TrpecßuTepoc,  wie 
entsprechend  'Ehrengabe'  für  Trpecßrjiov,  besser  direkt  aus  dem 
Ursinn  von  'voran  seiend',  nicht  vermittelt  durch  den  Begriff 
des  höhern  Alters,  zu  gewinnen  sei,  sowie  lat.  antfquos  seine 
Doppelbedeutung  'alt,  früher,  vormaHg,  einstig'  und  im  Kompa- 
rativ antfqiäor  'wichtiger'  parallel  aus  der  Bedeutung  'was 
vorhergeht',  d.  i.  spezialisiert  "was  in  der  Zeit  bezw.  im  Räume 
oder  Range  vorhergeht",  entwickelt  habe  (A.  Walde  Lat.  etym. 
Wörterb.  35).  Allein  eben  in  Anbetracht  der  Tatsache,  daß  die 
Sprache  Homers  mit  Trpecßuiepoc,  TrpecßuTaxoc  und  TrpecßuTevrjC 
immer  nur  die  Beziehung  auf  das  Alter  verknüpft,  verbietet  sich 
jener  andere  Weg  der  Bedeutungsentwicklung.  Auch  das  weiblich- 
geschlechtige  irpecßa,  als  Epitheton  der  Here  E  721.  0  383.  E  194. 
243,  der  Ate  T  91,  einmal  auch  einer  Sterblichen,  der  Eurydike 
Y  452,  hat  wahrscheinlich  seine  Bedeutung  'Vorrang  habend,  die 
Vornehme,  Ehrwürdige'  erst  sekundär  auf  dem  Boden  des  Be- 
griffes 'älter,  maior  natu'  entwickelt,  wie  ja  auch  allgemein  an- 
genommen wird  und  bei  der  Here  besonders  durch  A  59  Kai 
|Lie  TTpecßuxdTriv  xeKCxo  Kpövoc  dYKuXo|urixric  deutlich  ist  (vgl.  L.  Kräh 
Phüologus  17,  210,  Faesi-Fi-anke «  zu  IL  A  59.  E  721). 

Ehrenerweisung,  Zuerkennung  höheren  Ranges,  größerer 

Indogermanische  Forschungen  XIX.  1" 


234  H.  Osthoff, 

Würde  und  Wertschätzung,  die  man  dem  vorgerückten  Lebens- 
alter einräumt,  sind  Yorstellungen,  die  sich  häufig  dem  Begriffs- 
inhalt der  Wörter  von  der  Bedeutung  'alt,  bejahrt'  oder  'Alter, 
älterer  Mann'  beimischend  den  ursprünglichen  Wortsinn  der- 
maßen überwuchern  können,  daß  dieser  späterhin  ganz  verdunkelt 
wird  oder  doch  für  das  lebendige  Sprachgefühl  in  den  Hinter- 
grund zurücktritt.  Es  erscheinen  uns  daher  derartige  Wörter  oft 
in  der  Übertragung  auf  Würdenträger  der  verschiedensten  Gat- 
tung, auf  Personen  in  mannigfachen  führenden  und  amtierenden 
Stellungen,  nunmehr  einfach  Rang,  Stand  und  Amt  ausdrückend. 
Auf  staatlichem  Gebiet  gehören  hierher,  wie  die  Yepovrec  und 
Ycpoucia  der  Griechen,  so  senätus  und  senätöres  im  alten  Rom, 
aus  dem  Slavischen  aksl.  starejh  Komp.  'senior'  und  'praefectus, 
praepositus',  starejbsina  'dux,  princeps,  magistratus,  praefectus', 
russ.  stdrosta  'der  Bauernälteste,  Dorfschulze',  aus  dem  germa- 
nischen Altertum  der  ealdor  und  ealdoi'man  der  Angelsachsen, 
afries.  aldirmon;  vgl.  0.  Schrader  Reallex.  d.  indog.  Altertums- 
kunde 443.  445.  448.  Doch  waren  es  nicht  nur  Stammeshäupter, 
Heri-scher,  Fürsten,  Magistratspersonen,  die  auf  diesem  Wege 
ihre  Titulatur  empfingen.  Im  Romanischen  konunt  bekanntlich 
die  allgemeine  ehrende  Anrede  'Herr',  das  Italien,  signore,  span. 
senor,  portug.  prov.  senhor,  franz.  seigneur  zusamt  den  kürzeren 
Seitenformen  Italien,  sere  {messere\  franz.  sire  und  sieur  {monsieur), 
"von  senior  der  Ältere,  Geehrtere,  Angesehenere,  wie  gr.  -rrpec- 
ßuTepoc,  wovon  Isidorus  7,  12  sagt:  preshijter  graece  latine  senior 
interpretatur,  non  pro  aetate  vel  decrepita  senectute,  sed  propter 
honorem  et  dignitatem;  oder  wie  ags.  ealdor^  das  in  die  Bed. 
Fürst  überging",  und  "senior  für  dominus  kennt  schon  das  älteste 
M[ittel]latein"  (Diez  Etym.  Wörterb.  d.  roman.  Spr.  ^  294  f.).  Viel- 
fach heißt  bei  uns  dem  Gesinde  der  Dienstherr,  dem  Lehrling 
der  Handw^erksmeister,  auch  dem  Schüler  der  Lehrer  oder  Schul- 
direktor  der  Alte^  unser  Älter.  "Die  Ältesten^  sagt  ferner  Paid 
Deutsch.  Wörterb.  14  a,  "heißen  die  Vorsteher  einer  Genossen- 
schaft, auch  wenn  sie  nicht  mehr  wie  zur  Zeit,  wo  diese  Benennung 
entstand,  die  an  Lebensjahren  ältesten  sind".  Und  ähnlich  Bos- 
worth-Toller  An  Anglo-Saxon  dict.  229  a  über  ealdorman:  "The 
title  of  Ealdorman  or  Äldorman  denoted  civil  as  well  as  military 
pre-eminence.  The  word  ealdor  or  aldor  iii  Anglo-Saxon  denotes 
princely  dignity:  in  Beowulf  it  is  used  as  a  synonym  for  cynin^^ 
pMen.,  and  other  words  applied  to  royal  personages.  Like  many 


Griechische  und  lateinische  Wortdeutungen  235 

other  titles  of  rank  in  the  various  Teutonic  languages,  it,  strictly 
speaking,  implies  age,  thoiigh  practically  this  idea  does  not  survive 
in  it  any  more  than  it  does  in  the  word  Senior^  the  original  of 
the  feudal  term  Seigneur".  Das  ist  alles  Bedeutungsentwicklung 
von  demselben  Schlage,  wie  die  Aufnahme  der  Nebenvorstellung 
Ti)Liri  in  den  Begriff  der  homerischen  Y^poviec,  wenn  dieses  die 
alten  Erklärer  mit  Vorliebe  als  ungefähres  Äquivalent  von  evTi|uoi 
empfanden  und  deuteten.  "Welche  große  Rolle  in  der  Denkweise, 
in  den  Sitten  und  Gebräuchen  der  altgriechischen  Welt  von  Homer 
an  "die  Ehre  des  Alters",  "das  Vorrecht  des  Alters",  die  "Ehr- 
würdigkeit der  Greise"  spielte,  das  zeigt  anschaulich  die  aus- 
führliche Schilderung  Jungclaussens  a.  a.  0.  11  ff.,  die  er  mit  den 
Worten  einleitet:  "Reich  an  Ehren  ist  das  Alter  bei  Homer,  und 
€S  genießt  eines  außerordentlichen  Ansehens.  Der  Grund  solcher 
Würdigung  wird  in  der  einfachen  Form  des  geselligen  Zustandes 
zu  finden  sein,  wo  noch  das  Haupt  der  Familie  und  der  ehr- 
würdige Vorstand  patriarchalischer  Verfassung  in  anerkannter 
Superiorität  stand.  Von  dieser  Grundlage  einer  auf  natürlichen 
Verhältnissen  beruhenden  Pietät  erhebt  sich  die  Anerkennung 
des  Alters  zu  einer  sittlichen  Forderung  usw." 

Was  sagt  nun  endlich  die  Laut-  und  Formenlehre  dazu, 
daß  T^pac  und  Y^pctc  "ursprünglich  ein  und  dasselbe  Wort"  sein 
sollen?  Dem  Habitus  von  fepiuv  und  Y^paioc  ist  durch  eine 
eigentümliche  Fügung  diejenige  der  beiden  Formen  des  alten 
Neutrums  auf  -ac,  die  ihm  begrifflich  ferner  getreten  war,  Tepac, 
formal  näher  geblieben,  und  gerade  die  andere  macht  mit  ihrer 
Vokalverschiedenheit  der  ersten  Wortsilbe  Schwierigkeit.  "Gr. 
ff\pac  zeigt  unorganische  Dehnung",  so  erklärt  man  oder,  rich- 
tiger gesagt,  so  umschreibt  man  mit  einem  nichtssagenden  Schlag- 
wort diese  Schwierigkeit  (Hirt  D.  indogerm.  Ablaut  79);  das 
heißt  ja  eben  nur,  daß  man  mit  der  bekannten,  übrigens  auch 
manches  andere  noch  im  Dunkeln  lassenden  Streitbergschen 
Theorie  über  "die  Entstehung  der  Dehnstufe"  hier  keinen  Rat 
zu  schaffen  weiß.  Nur  auf  unsichere  Vermutungen  sind  wir  in 
diesem  Falle  angewiesen. 

Alt  könnte  der  e-Laut  in  der  Aoristbildung  e-Ynpaca,  die 
wegen  ion.  Kar-eYnpäcav,  jr]pdcacav  Herod.  2,  146.  7,  114  an- 
zuerkennen ist  (vgl.  Hoffmann  D.  griech.  Dial.  3,  300  ff.),  gewesen 
sein,  da  hier  das  dii.järisuh  RV.  1,  125,  7.  139,  8  zugimsten  der 
aoristischen  Basis  indog.  gerd-s-  mitspricht,  woran  auch   schon 

16* 


236  H.  Osthoff, 

von  anderer  Seite  erinnert  worden  ist  (Bechtel  D.  Hauptprobl. 
d.  indog.  Lautl.  164).  Oder  es  könnte,  was  vielleicht  noch  eher 
anzunehmen  ist,  der  den  Zweiklang  von  Y^pac  und  Tnpac  her- 
beirufende Faktor  in  einem  analogischen  Einfluß  zu  suchen  sein, 
den  eine  bedeutungsverwandte  Wortsippe  hier  ausgeübt  hätte: 
das  Yerbum  Jißdai  ist  der  begriffliche  Gegensatz  von  YnP«Wi  ^^1- 
Aischyl.  Sept.  622  Dind.  Weil  Tepovia  töv  voüv,  cdpKa  b'  »ißOücav 
qpuei,  id.  Suppl.  7 75  dYT^^ov  5'  ou  }xipLy\)tTai  ttoXic  Y^povO',  rißüJvia 
b'  6UYX.IWCCUJ  cppevi,  id.  Agam.  584  dei  Yap  nßd  toic  Ytpouciv  eu 
luaöeiv,  und  so  könnte  eine  cuveK5po|uri  Kar"  evavTiÖTiiTa  es  bewirkt 
haben,  daß  frühzeitig  ein  *Yep«uu  sich  nach  rißduu  in  y^P«^  um- 
gestaltete. Um  das  einigermaßen  Avahrscheinlich  zu  machen,  ist 
hier  auf  morphologische  und  semasiologische  Beschaffenheit,  Alter 
und  Überlieferung  des  YOpo^iJu  etwas  näher  einzugehen,  da  über 
diese  Punkte  eine  Klarheit  und  Einhelligkeit  der  Ansichten  bis- 
her nicht  erzielt  ist. 

Das  Verbum  Ylpoi^J^  sieht  wie  ein  Denominativum  aus,  war 
aber  schwerlich  seinem  Ursprünge  nach  ein  solches,  sondern 
mag  wohl  ein  in  die  themavokalische  Konjugation  umgesprungenes 
Yripd-m  sein,  sowie  man  in  eXduu,  Yt^au^,  6a)nduu  und  eptiw,  dpouj 
Umbildungen  älterer  Formen  auf  -d-|ui,  -e-)ui,  -o-^xx  sieht  und  e\d-|Lii» 
YeXd-)Lii  besonders  auf  Grund  der  noch  der  mi-F\exion  folgenden 
Formen  arg.  TroT-eXdxuj,  kor.  eXdvxuj  und  arg.  bi-ejeka,  Kaia- 
YeXd|nevoc  anzusetzen  sich  berechtigt  glaubt  (Brugmann  Iw.  v. 
Müllers  Handb.  2  3,  1,  277  f.  Kurze  vergleich.  Gramm.  501  f.,  Hü-t 
Handb.  d.  griech.  Laut-  u.  Formenl.  364).  So  ist  auch  Ynpa-|Lii 
meines  Erachteus  noch  direkt  beglaubigt  durch  die  Form  des 
Partizips  YHPSc  bei  Homer  P  197,  Y>lP«vTecci  Hesiod.  Op.  188. 
Denn  dies  war  ein  Präsens-Partizip,  nicht  ein  aoristisches,  wie 
an  der  Hesiodstelle  die  offenbare  Bedeutungsgleichheit  des  Ynpav- 
lecci  TOKeöciv  mit  den  drei  Verse  vorher  genannten  YlpoiCKOviac 
TOKiiac  handgreiflich  erweist,  wie  dann  auch  die  IHasstelle  die 
Auffassung  erlaubt,  daß  der  Yater  des  Achilleus  diesem  seine 
Waffen  'heranalternd,  als  er  mählich  alt  wurde,  als  er  das  Alter 
nahen  fühlte',  vermacht  hatte.  Diese  Auffassung  war  schon 
die  des  Herodian  2,  266  Lentz  =  Etym.  Magn.  230,  50  Gaisf., 
und  der  alte  Grammatiker  konstruierte  seinerseits,  nicht  weit 
vom  richtigen  entfernt,  ein  Präsens  "Yripr|)ui";  vgl.  auch  Gramer 
Anocd.  Oxon.  4,  339,  sowie  besonders  das  Schol.  B  zu  P  197 
Tivec  hk  diTÖ  ToO  YnpiMi'  TTapaidceuüc  Yap  MdXXöv  ecriv,  f)  cuvxe- 


Griechische  und  lateinische  Wortdeutungen.  237 

Xdac,  Ktti  evBdöe  ouv  tö  YTlpac  dvTi  toö  jr\p(bv.  Entsprechend  ist 
dann  die  PräteritaKorm  homer.  ejY\pa,  "am  Versende"  H  148. 
P  197.  H  67,  aber  "mitten  im  Verse"  KaieYnpä  i  510,  imper- 
fektisch zu  verstehen,  was  dem  Sinne  nach  durchweg  angeht. 
Z.  B.  auf  P  197  paßt,  wenn  man  dW  oux  uiöc  ev  evteci  Trarpöc 
eyripa  imperfektisch  'sollte  nicht  alt  werden,  non  erat  perventurus 
ad  seuectutem,  ou  bx]  eineXXe  T»lP«cecBai'  auffaßt,  was  Gildersleeve 
Synt.  of  class.  Greek  1  §  216  S.  95  f.  vom  Imperfekt  mit  Negation 
lehrt,  daß  es  häufig  Enttäuschung,  "disappointment",  bezeichne: 
es  wäre  gerade  das  Ahnungsvolle  des  epischen  Vorausblicks 
trefflich  gewahrt,  wenn  man  au  dieser  Homerstelle  das  Imperfekt 
gelten  läßt.  Die  Form  KaxtTnpQ  i  510  ist  dann  aber  einfach  die 
3.  Sing.  Imperf.  von  ^r\Q6.w^  dem  Substitut  des  älteren  Y'ipctm, 
also  aus  *-eYr|pae  kontraliiert,  ebenso  dieselbe  Form  bei  Herodot  6, 
72,  wo  ihr  Erscheinen,  mag  nun  ein  von  dem  Historiker  über- 
nommener Homerismus  vorliegen  oder  nicht,  keineswegs  die 
Schwierigkeit  des  Verständnisses  macht,  die  Hoffmann  D.  griech. 
Dial.  3,  303  vorzufinden  meint.  Das  dreimal  bei  Homer  am 
Versende  begegnende  eynpa  hat  man  nun  am  einfachsten  in 
derselben  Weise  als  Imperfekt  von  yripduj  zu  verstehen,  wie  es 
auch  schon  Lobeck  zu  Buttmann  Ausführl.  griech.  Sprachl.  2  2, 
13.  138  und  Passow  Handwörterb.  1^,  553b,  im  Altertum  Ari- 
stonikos  nach  dem  Schol.  Ven.  A  zu  H  148  eYnpa :  öti  dvii  toö 
eYripace  töv  TrapaiaTiKÖv  eiaEev  tat;  mit  kurzem  -d  aber,  wobei 
dann  eYnpd  zu  lesen  und  zu  betonen  wäre,  bliebe  die  Form  auch 
Imperfekt,  wäre  jedoch  alsdann  auf  das  noch  unthematische  Präsens 
Yripa|ui  zu  beziehen.  Die  jetzt  meist  befolgte  Erklärung  des  eYnpa 
als  einer  nichtsigmatischeu  Aoristform  (Gr.  Curtius  Verb.  d.  griech. 
Spr.  12,  198,  Gust.  Meyer  Griech.  Gramm.  ^  §  527  Anm.  S.  605, 
Kühner-Blaß  Ausführl.  Gramm,  d.  griech.  Spr.  1^,  2,  390,  Brug- 
mann  Iw.  v.  Müllers  Haudb.  2  3,  1,  315,  Hoffmann  D.  griech. 
Dial.  3,  302)  vermag  der  eben  in  homer.  und  herod.  KaieYiipcx 
liegenden  formalen  Schwierigkeit,  da  man  dafür  in  ionischen 
Texten  *KaTeYripii  erwarten  sollte,  nicht  in  überzeugender  Weise 
Herr  zu  werden,  und  an  den  andern  Homerstellen  ist  sie  syn- 
taktisch durchaus  nicht  erforderlich;  die  von  Fick  Götting.  gel. 
Anz.  1881  S.  1430  aufgestellte,  von  Bechtel  D.  Hauptprobl.  d. 
indog.  Lautlehre  164  gebilligte  Lehre,  wonach  e-Yripa  in  dem 
Sinne  als  Aoristgebilde  zu  betrachten  sein  soll,  daß  sein  alt- 
indisches Gegenstück  ein  *d-järit^  die  3.  Sing,  zu  der  überlieferten 


238  H.  Osthoff, 

-/^-Forni  3.  Pliir.  ved.  järiß-uh^  wäre,  darf  vollends  auf  Grund 
der  dagegen  erhobenen  Bedenken  (vgl.  Hoffmann  a.  a.  0.)  als  be- 
seitigt gelten.  Nach  Yeitch  Greek  verbs  irreg.'*  153  f.  soll  efY\pa 
H  148.  H  67  und  KareYnpS  i  510  und  bei  Herodot  Imperfekt,  aber 
ifr]pa  P  197  Aorist  sein,  während  Ebeling  Lex.  Homer.  1,  255b 
in  eYnpa  H  148  und  P  197.  5  67  den  Aorist,  aber  ebend.  S.  435b 
s.  V.  e-rrei  in  demselben  eT'ipct  H  148  das  Imperfekt  sieht;  ein  un- 
nötiges und  ungerechtfertigtes  Schwanken  der  Auffassung,  di& 
ja  jedenfalls  bei  der  einen  Verbalform,  um  die  es  sich  handelt, 
eine  einheitliche  zu  sein  hat.  Zu  unserm  unthematischen  yripa-iiu 
und  Part.  Präs.  yr]pdc  gehört  der  schon  von  Herodian  a.  a.  0. 
geforderte  Infinitiv  des  Präsens  Y»lP«vai,  die  von  CobetMnemos. 
11,  124  mit  Recht  energisch  verteidigte  und  dem  sicher  ver- 
werflichen vermeintlich  aoristischen  rnpoivai  vorgezogene  Lesart, 
die  auch  Dindorf  bei  den  Tragikern  und  sonst  durchweg,  ob- 
schon  er  sie  nicht  für  den  Infin.  Präs.  nimmt,  herstellt  (vgl. 
Kühner-Blaß  a.  a.  O.y). 

Der  Aorist  zu  Tnpoi|Lii  und  yiP^^^  war  zunächst  die  sig- 
matische  Bildung  in  der  Form  eYnpaca,  die  bei  Herodot  über- 
liefert ist  (s.  0.)  und  sich  zu  yhP«^  ebenso  stellt,  wie  riXaca  zu 
Öi&iu,  tfiKaca  zu  YeXauu;  wenn  auch  ein  att.  eYnpäca  ion.  *eYnpnca 
bestanden  haben  sollte,  was  noch  fraglich  bleibt,  so  müßte  diese 
Form  von  -j^päiu  aus,  nachdem  man  es  als  ein  Denominativum 
wie  rißduu  zu  empfinden  und  zu  behandeln  begonnen  hatte,  ent- 
sprungen sein,  die  bei  ionisch  schreibenden  Dichtern,  Herodas, 
Simonides  von  Keos  und  Kritias,  überlieferten  a-Formen  YCTnpSKe, 
Tnpsceiuev,  Ylpöcetai  (vgl.  Hoffmann  a.  a.  0.  301)  dürften  am  ehesten 
als   Nachwirkungen   des   mißverständlich   aoristisch   gedeuteten 

1)  Herr  Professor  Dr.  H.  Meltzer,  der  sich  durch  seine  scharfsinnige 
Abhandlung  'zur  Lehre  von  den  Aktionen  bes.  im  Griechischen'  IF\  17, 186  ff. 
als  ein  besonders  feinfühliger  Beurteiler  des  Unterschiedes  der  Aktions- 
arten von  Präsens-Imperfekt  und  Aorist  erwiesen  hat,  hatte  die  Güte,  den 
gesamten  griecliischen  Sprachgebrauch  auf  das  Vorkommen  und  die  jedes- 
malige Bedeutung  der  Formen  ^Tnpa  und  Yipa?>  Ynpo''vcii  einer  eingehenden 
Prüfung  zu  unterwerfen,  und  er  bestätigt  mir  brieflich  (Cannstatt,  1.  Dez. 
1904),  "daß  die  inhaltliche  Erklärung  des  tatsächlich  vorhandenen  Stellen- 
materials kein  ausschlaggebendes  Gewicht  gegen  die  präsentisch-imper- 
fektische Auffassung  in  die  Wagschale  wirft",  wenn  man  anderseits  auch 
zugeben  müsse,  daß  eine  Anzahl  der  in  Betracht  kommenden  Stellen  diese 
Auffassung  der  Formen  nur  als  eine  vom  Standpunkte  der  Semasiologie 
zulässige,  nicht  als  eine  notwendig  gebotene  und  den  Aorist  unbedingt 
ausschließende,  erscheinen  lasse. 


Griechische  und  lateinische  Wortdeutungen.  239 

homer.  eTnpa  sich  erklären  lassen.  Alt  war  aber  auch  als  Aorist 
zu  Yripa-|ui  und  ^Y]p6.uj  die  e-Bildung  d-yripri-v,  und  sie  hat  augen- 
scheinlich ihre  Spur  in  dem  Partizip  TIP^ic  'gealtert',  dvöpöc 
■fnpevToc  Xenophan.  Fragm.  8  Bergk*,  hinterlassen,  dies  T^peic 
hätte  also  schon  Gr.  Curtius  Verb.  2  2,  354.  355.  365  richtig  beur- 
teilt; formal  e-Tripr|-v  zu  Tipotiu,  wie  e-öd)ur|-v  zu  öajudiju. 

Der  Grundirrtum  war,  daß  man  es  verkannte,  daß  die  Präsens- 
bildung in  der  Form  Tnpot'J^  bereits  in  homerischer  Zeit  vorhanden 
war.  Wenn  bei  Kühner-Blaß  a.  a.  0.  "xnpcicKa»,  werde  alt"  und 
"xripduu,  lebe  im  Alter"  unterschieden  werden  und  gelehrt  wird, 
daß  "ersteres  seit  Hom.",  letzteres  aber  erst  bei  Späteren  er- 
scheine, so  ist  also  die  damit  gegebene  Altersdatierung  der  zwei 
Formen  zu  korrigieren,  aber  auch  die  hier  getroffene  Bedeutungs- 
unterscheidung nicht  haltbar,  denn  thP«^  diente  zweifellos,  so 
gut  wie  YripdcKuu,  im  inkohativen  Sinne  von  'werde  alt,  altere', 
wie  die  von  Lobeck  zu  Buttmann  a.  a.  0.  2  2,  393  gegebenen 
Belege  klar  genug  dartun  (vgl.  auch  Gr.  Curtius  Verb.  1^,  282 
und  Leo  Mejer  Handb.  d.  griech.  Etym.  3,  46). 

In  ursprünglicherer  Vokalisation  aber  bestanden  für  fr\pa-\i\ 
und  tTipdo)  die  Lautungen  *yepa-^\,  *fepäix},  wobei  T^pa-  hier  und 
in  dem  Neuti'um  yepa-c  'Altersvorzug',  in  Yepa-pö-c  und  Yepaioc  die- 
selbe Gestaltung  der  zweisilbigen  Basis  war  wie  in  ai.  jari-md{n~) 
'Alter,  Altersschwäche'.  Die  volle  Form  der  Basis  hat  man  als 
uridg.  gere-  anzusetzen  mit  Hirt  D.  indog.  Ablaut  79,  der  das  -e- 
aus  dem  aksl.  zre-ti  'raaturescere'  erschließt;  und  ein  weiteres 
Zeugnis  dafür  ist  jetzt  der  griechische  e-Aorist  e-yripri-v,  Part. 
Tnpeic.  Der  letztere  sollte  eigentlich  *e-Tdpri-v  lauten  als  Vertreter 
der  Basisgestaltung  idg.  grre-  =  aksl.  zhre-  in  zire-h  'reif,  wie  für 
das  gewöhnliche  zre-h  noch  im  Cod.  Suprasl.  und  in  einer  andern 
alten  Quelle  überliefert  ist  (Miklosich  Lex.  Palaeoslov.  232  b  f.). 

Wenn  nun  rjßduj,  das  Denominativ  zu  fjßri  dor.  fißa  =  alit 
jega  'Kraft,  Besinnung',  lett.  jega  'Verstand,  Einsicht'  (nach  der 
anerkannten  Etymologie  Bezzenbergers  in  seinen  Beitr.  2,  190), 
es  gewesen  ist,  von  dem  die  zufolge  der  Begriffsgegensätzlichkeit 
assoziierbare  Wortfamilie  mit  T^pa-,  *Tapri-  den  langen  ^-Laut 
bekommen  hat,  so  ist  dieser  wohl  zunächst  auf  die  dem  fißduj 
äußerlich  am  ähnlichsten  erscheinende  Verbumsform,  also  auf 
*Tepdiu,  übergegangen ;  im  Gefolge  von  THPo^^  wurde  dann  dessen 
ältere  Nebenform  *Yepa-)uii  zu  THpa^ii  ferner  der  Aorist  *e-Ydpri-v 
zu  e-Ynpri-v,  "ganz  abnorm  ist  der  lange  Vokal  des  erwähnten 


240  E.  Hermann, 

Tnptic",  konstatierte  schon  G.  Curtius  Verb.  2%  355.  Und  vom 
Verbum  aus  ist  dann  der  ^-Laut  weiter  gewuchert,  so  daß  nun 
auch  das  Nomen  Y^pa-c  die  Metamorphose  zur  e-Form  Y'ipotc 
erfuhr,  außer  wo  es  durch  seine  Bedeutungsisolierung,  Entfaltung 
des  metonymischen  Sinnes  'Altersvorzug,  Ehrenteil',  dem  Verbum 
begrifflich  entfremdet  war.  Eine  assoziative  Wechselwirkung 
zwischen  fHPO'UJ  und  rißctuü  nimmt  auch  schon  Brugmann  Iw.  v. 
Müllers  Handbuch  2  3,  1,  294  an,  indem  er  seinerseits  nach  dem 
Nebeneinander  von  "mpauj  und  YnpotCKuu  die  Form  fißdcKoi  neben 
rißduj  aufgekommen  sein  läßt,  eine  von  der  Sprachgeschichte  in- 
sofern unterstützte  Konstruktion,  als  tip^ckuj  "gemeingriechisch 
von  Homer  an"  auftritt,  iißdcKoi  aber  erst  "von  Euripides  an" 
bezeugt  ist  (vgl.  G.  Curtius  Verb.  12,  282). 

In  Verbindung  damit,  daß  es  nach  unserer  Vermutung  die 
verbalen  Gebilde  fr\p6.-ix)  und  yripd-CKiJu  waren,  die  das  zuerst 
bei  ihnen  aufgekommene  YiTpa-  weiter  trugen,  würde  es  auch 
stehen,  daß  außerhalb  des  Verbums  eben  nur  solche  'Nominal- 
bildungen, die  vordem  die  Basisform  y^P«-  enthielten,  diese  im 
Laufe  der  Zeit,  die  einen  von  ihnen  früher,  die  andern  später, 
durch  das  jüngere  y'IPö-  ersetzten:  also  Y'lpa-c  und  mit  ihm 
d-YHpa-TO-c,  d-  und  TToXu-Ynpa-o-c,  mit  YHpa-c  zusammen  natürlich 
auch  die  es  enthaltenden  Komposita  Y'lpo-ßocKÖc,  -kÖ)uoc,  -xpöqpoc, 
ferner  Ynpa-^£o-c  bei  Xenoplian.  Fragm.  1,  18  Bergk*,  bei  Piudar 
und  Aischylos,  wofür  aber  noch  bei  Hesych  YepaXeov  •  Y^povra, 
fi  dc6evrj  durch  die  Buchstaben  folge  gesichert,  YnP«ioc  bei  Hesiod, 
Pindar,  Herodot  und  Attikern  für  das  dem  Homer  noch  allein 
geläufige,  auch  der  nachhomeriscben  Poesie  und  Prosa  nicht 
abhanden  kommende  Yepcuöc;  dahingegen  niemals  ein  ^Ynpiuv 
für  fipwv. 

Heidelberg.  Hermann  Osthoff. 


Zur  kyprischen  Silbenschrift. 

Für  das  kyprische  Syllabar  hat  Meister  IF.  4,  175  f.  das 
Prinzip  der  Silbenschreibung  richtig  herausgefunden.  Die  Wahl 
der  Silbenzeichen  richtet  sich  genau  nach  der  Silbentrennung: 
Im  Silbenanlaut  wird  ein  Konsonant  zusammen  mit  dem  folgenden 
Vokal  durch  ein  Zeichen  ausgedrückt;  für  den  Konsonanten  im 


Zur  kyprischen  Silbenschrift.  241 

Silbenauslaut  steht  dasjenige  Zeichen,  das  den  vorhergehenden 
Vokal  enthält;  für  den  Konsonanten  im  Wortauslaut  das  Zeichen 
mit  dem  Vokal  e,  z.  B.  ÄpicrioKUTTpac  =  a'  ri'  si'  to'  kw  pa'  ra'  se': 
c  wird  hier  zur  vorausgehenden^),  tt  zur  folgenden  Silbe  gezogen. 
Wie  verhalten  sich  hierzu  die  Proklitika  und  Enklitika?  Werden 
sie  als  selbständige  Wörter  betrachtet,  oder  werden  sie  zum  fol- 
genden, bezw.  vorausgehenden  Wort  gerechnet?  Auf  den  ersten 
Bück  scheint  die  Wahl  ganz  regellos  zu  sein :  neben  ta'na'ta' 
na'ne-  =  idv  'AOdvav  GDI.,  Bd.  1,  60, 27  (Hoffmann  Griech.  Dial. 
Nr.  135)  findet  man  tw  se'  a'ta'na'  sc  =  rdc  Aödvac  60, 20  (135); 
neben  o'pi' si- si'kc  =  ömcic  Ke  60,29  (135)  steht  ti'mokw 
pa' ra' se' emi.  =  TinoKUirpac  ri|ui  23  (73).  In  xdv  ist  also  -v  mit 
dem  folgenden  'A-  verbunden,  in  ötticic  ist  das  zweite  s  (c)  als 
s«,  nicht  als  se  geschrieben,  Ke  ist  demnach  als  unselbständiges 
Wort  behandelt;  aber  xdc  und  r||ai  sind  als  selbständige  Wörter 
geschrieben,  das  -c  in  xdc  ist  hier  ebensowenig  mit  dem  folgenden 
Ä-  zu  einem  Silbenzeichen  verbunden  wie  r\-  in  rml  mit  dem 
vorausgehenden  -c.  Sollte  hier  wirklich  ein  regelloses  Durchein- 
ander herrschen?  Es  ist  das  wenig  wahrscheinlich,  da  bei  in- 
lautenden Konsonantengruppen  die  Vokalverteilung  genau  zu  der 
Silbentrennung  stimmt,  wie  wir  sie  aus  anderen  Dialektinschriften, 
aus  den  Theorien  der  Alten  und  den  Handschriften  kennen,  vgl. 
Meister,  a,  a.  0.  Die  kyprische  Silbenschrift  ist  also,  worauf  hin- 
zuweisen nicht  ganz  überflüssig  ist,  obwohl  von  einem  nicht- 
griechischen Volke  überkommen,  doch  der  gi-iechischen  Sprech- 
weise genau  angepaßt.  Wenn  aber  sonst  in  der  Vokalverteilung 
ein  Prinzip  streng  diu'chgeführt  ist,  wird  sich  hinter  der  Regel- 
losigkeit bei  demProklitikon  und  Enklitikon  ebenfalls  eine  sinnvolle 
Regel  verbergen. 

1.  Proklitika. 

Innerhalb  des  Artikels  sind  die  Formen  auffällig  ver- 
schieden behandelt,  und  zwar  je  nach  ihrem  Auslaut.  Im  Auslaut 
des  Artikels  stehen:  Vokale,  konsonantisches  -i  (i),  -c  und  -v. 

Die  vokalisch  auslautenden  Formen  werden  nie  zum  fol- 
genden Worte  gezogen.  Beginnt  das  folgende  Wort  mit  Vokal 
oder  mit  einem  Konsonanten,  so  läßt  sich  natürlich  gar  nicht 
erkennen,  daß  die  Proklisis  nicht  zum  Ausdruck  kommt;  eben- 
sowenig ist  es  möglich  bei  Wörtern  mit  Muta  cum  Muta  oder 

1)  Vgl.  Meister  a.  a.  0.  und  unten  S.  245  fg. 


242  E.  Hermann, 

Muta  cum  Liquida,  da  diese  Konsonantengruppen,  auch  wenn 
sie  im  Wortinnem  stehen,  stets  zur  folgenden  Silbe  gehören; 
a'po'toli- se-  =  d  tttöXic  60,  2  (135)  kann  also  nichts  beweisen. 
Deutlich  sind  solche  Formen  vom  folgenden  Worte  getrennt  nur 
vor  s  -\-  Konsonant: 

0' sa' ta' si'vo' i' ko' ne'  =  6  ZtaciFoiKijuv  27, 1  (94). 

0' sa'ta' si'ke' re' te' 0' se'  =  6  XTaciKpexeoc  14 c  (in  der  Er- 
gänzung bei  Meister,  Griech.  Dial.  II  169)  (67). 

to' se-pe- 0' se-  =  xüu  crrfioc  31,2  und  32,2  (98  und  99). 

to' sa-  ta' sa ' ko'  ra'  w  =  Tii)  ZracaYopau  Hell.  Stud.  1 1,  69,  13 
und  12,  330  u.  ö. 

Zusammengeschrieben  müßte  es  o'  so'ta'  si' usw. 

heißen. 

Auslautendes  -i  ist  stets  durch  das  Zeichen  für  vokalisches 
*  ausgedrückt  und  wird  vom  folgenden  Worte  getrennt.  Dies  tritt 
klar  zutage,  z.  B. : 

in:  o'i'\o'na' si'hi'po'ro'ne'  =  oi  'OvaciKUTrpuuv  60,3o(135). 
Hier  ist  -i  nicht  mit  dem  folgenden  '0-  zu  jo '  vereinigt, 
obwohl  hinter  vokalischem  i  sich  ein  j  entwickelt  hat,  das  mit 
folgendem  Vokal  zusammengeschrieben  wird,  vgl. 

i'ja'sata'i'  =  ijdcGai  60,3  (135). 

Die  Formen  auf  -s  werden  ebenfalls  durchweg  vom  fol- 
genden Worte  getrennt.    Vor  Vokal: 

ta'  se'\a'ta'  na'  se'  =  xdc  'AÖdvac  60, 20  (135). 

ta' se' a' na' sa' se'  =  idc  dvd(c)cac  33, 1  (100). 

ta'se'onasi'lo'  =  xdc  'OvaciXou  Hell.  Stud.  11.63,5. 

ta' se'O' na' sa'ko'ra'U'  =  xdc  'OvacaTopau  ebenda  69, 14. 

to' se'\a'to'ro'po' se'  =  xuuc  d(v)9pdj7TUJC  60,3  (135). 

to '  se '  \  0 '  na '  si '  lo '  ne '  =  xujc  'OvaciXujv  60,  23/4. 
Vor  Konsonant: 

ta' se'pa' pi' ase'  =  xdc  TTaqpiac  1, 1  (59)  u.  ö. 

ta' se'va'na' sa' se'  =  xdc  Favd(c)cac  39,2  (104)  u.  ö. 

ta'se'te'O'  =  xdc  9euj  14a  (35). 

to '  i ' se '  \ka ' si ' ke '  ne '  to ' i ' se '  =  xoTc  KaciTvrixoic  60,  5 (135) u. ö. 

to' i' se'lpa'i' si'  =  xoic  iraici  60, 13  u.  ö. 

to'  se'  \ka'  si'  ke'  ne'to'  se'  ^  xdic  KaciTvnxuuc  60, 3  u.  ö. 

to' se'\pa' i' ta' se'  =  xujc  iraibac  60, 11   u.  ö. 

to' se'\ka' po' se'  =  xwc  Karnjüc  60, 30  u.  ö. 

ta' SB'lve' re'  ta' se'  =  xdc  Fprixac  60, 28  u.  ö. 


Zur  kyprischen  Silbenschrift.  243 

Wären  diese  Formen  des  Artikels  mit  dem  Substantivum 
verbunden,  so  müßte 

*ta  •  sa'ta-  na-  se-  =  idc  'A9dvac 

*ta ' sa'  ve'  re'ta' se'  =  xdc  Fpriiac  usw.  geschrieben  sein. 
Anders  ist  es  mit  den  Formen  auf  ~n.    Yor  Vokal  ist  -n 
ausnahmslos  zur  folgenden  Silbe  gezogen,  gleichgültig,  ob  das 
dazugehörige  Substantivum,   ein   abhängiger  Genetiv  oder  eine 
Präposition  folgt. 

to'na'ti' ri'ja'ta'ne-  =  xöv  d(v)bpijd(v)Tav  59,  2  (134)  u.  ö. 

to' nona' si'kupo' rone'  =  töv 'OvaciKu-rrpujv  60,2  (135). 

to  •  ni  'ja  'te'ra'ne'  =  töv  ijaTfjpav  60, 3. 

to'ni'  =  TÖV  i(v)  60,9  und  60,20. 

to'na' ra'kw ro' ne'  =  töv  d'pfupov  60, 13  u.  ö. 

to' no' na' sa'ko'  ra'  w  =  töv  'OvacaYÖpau  60,  22. 

to'no' ro'kone'  =  töv  öpKov  (109,6). 

ta'ni' e' re'vi'ja' ne'  =  Tdv  iepriFijav  60, 20  (135). 

ta'na' ta'na'ne'  =  Tdv  'AGdvav  60,2?. 

to' na'i'lo' ne'  =  tOuv  aiXuuv  60, 14. 

to'  no' na' si'kw po' ro'  ne'  =  tüjv  'OvaciKUTrpujv  60, 11. 

Vor  Konsonant  war  auslautendes  -n  entweder  bereits  ganz 
geschwunden,  oder  es  hatte  sich  soweit  verflüchtigt,  daß  nur 
noch  der  Vokal  nasaliert  wurde,  vgl.  Meister  2,  261  f.,  Hoffm.  1, 
210,213.  Geschrieben  wurde  bloß  to'  und  to*;  beide  wurden 
so  behandelt  wie  andre  auf  Vokal  ausgehende  Formen;  nur  einmal 
findet  sich  ta' ne'  in : 

ta' ne' pe' re' ta'li' 0'  ne'  —  Tdv  Tiep'  'HödXiov  oder  'HöaXioiv 
60,27  (135). 

Wie  sind  die  Verschiedenheiten  zu  erklären?  Keinesfalls 
waren  töv,  rdv,  tüjv  allein  proklitisch,  während  die  anderen  Formen 
orthotoniert  gewesen  wären.  Dafür  Ließe  sich  kein  auch  nur 
einigermaßen  glaubhafter  Grund  ausfindig  machen.  Direkt  wider- 
legen ließe  sich  dies  allerdings  erst,  wenn  eine  der  aus  töv,  rdv, 
TiiJv  zu  TÖ,  Td,  TU)  verkürzten  Formen  vor  s  +  Konsonant  belegt 
wäre.  Aber  wir  dürfen  auch  so  als  sicher  annehmen,  daß  der 
Artikel  stets  proklitisch  war;  daß  er  in  manchen  Formen  es 
war,  beweist  das  Hinüberziehen  des  -n  zur  folgenden  Silbe.  Es 
kann  sich  also  nur  fragen,  warum  in  diesem  Fall  allein  die  Proklise 
das  Zusammenschreiben  veranlaßt  hat,  bei  den  anders  auslautenden 
Formen  aber  nicht.  Die  Antwort  auf  diese  Frage  liefert  der  ver- 
schiedene Auslaut  der  Formen.   In  der  Tat  ist  auslautendes  -n 


244  E.  Hermann. 

vor  Vokalen  anders  zu  beurteilen  als  auslautendes  -s.  Ersteres 
hatte  noch  seinen  vollen  Wert,  letzteres  nicht  mehr. 

"Da  nun  der  Artikel  sich  proklitisch  an  das  folgende  Wort 
anlehnte,  gehörte  -v  in  töv  dpYupov  zu  der  Silbe  ap-.  Es  war 
daher  sehr  natürlich,  daß  man  to'na'ra'kwro'ne'  schrieb.  Hätte 
man  wie  sonst  die  Wörter  der  Übersichtlichkeit  halber  getrennt 
—  daß  man  nach  Übersichtlichkeit  strebte,  beweisen  vor  allem 
die  häufig  zwischen  den  Wörtern  oder  Wortgruppen  stehenden 
Divisoren  —  so  hätte  man  einen  Fehler  gegen  die  Silbenschrift 
gemacht.  Denn  deren  Prinzip  war,  für  jeden  Konsonanten  das 
Zeichen  zu  setzen,  das  der  Vokal  der  Silbe  enthielt,  zu  der  der 
Konsonant  gehörte.  Eine  Schreibung  *to  •  ne'a-ra-ku-ro'  ne  •  konnte 
nur  besagen,  daß  -v  in  töv  zu  der  Silbe  to  gehöre;  also  war  sie 
unmöglich. 

Anders  stand  es  mit  den  Formen  auf  -s.  Yor  Vokal  war 
auslautendes  s  des  Artikels  entweder  zu  h  geworden  oder  ganz 
geschwunden,  vgl.  Meister,  Grriech.  Dial.  2, 246  f..  Hoff  mann  1, 198  f. 
Eine  genaue  Entscheidung,  unter  welchen  Bedingungen  -s  zu  h 
geworden,  unter  welchen  es  ganz  geschwunden  war,  scheint  mir 
bei  dem  geringen  Material  nicht  möglich.  DasFehlen  eines  Zeichens 
für  h  in  id  uxnpujv  60,  5  und  is  (135),  rroexöiusvov  60,  i9  und  21, 
'ApiCT0cpa(v)T0  ö  28(95),'A(v)Tlcpa^o  6  83(157),'Exeöa^o  ö  148a(218), 
)liic6lüv  Kd  d(v)Ti  60,  5,  FeGoxo  ^)  äXeFo(v)Tec  88, 1  (161),  'AOavo  e 
86,6  (160)  könnte  durch  Dissimilation  infolge  benachbarter  Aspirata 
zu  erklären  sein.  Die  übrig  bleibenden  Beispiele  genügen  aber 
nicht,  um  den  völligen  Schwund,  wie  es  Hoffmann  205  will,  im 
Auslaut  zu  beweisen.  Wenn  -s  zu  h  geworden  war,  würde  zwar 
rdc  'OvaciXuj  tahonasüo,  aber  xdc  'AOdvac  und  tüjc  d(v)6pd)TTUJc 
vermutlich  infolge  von  Dissimilation  taathanas  und  tonthropos  ge- 
sprochen worden  sein.  Vor  Vokal  also  hatte  xdc  z.  B.  vermutlich 
die  Gestalten  ta  und  ta  h-.  Vor  manchen  Konsonanten  hatte  -s  viel- 
leicht ebenfalls  seinen  Lautwert  verloren.  Es  heißt  in  38,4  (103)  ta  ' 
va  nasase'  =  xd  Favd(c)cac.  Wenn  trotzdem  meist  ta'  se'  vor 
Vokal  und  Konsonant  geschrieben  wird,  so  ist  das  entweder  ety- 
mologische Schreibung,  herübergenommen  von  Verbindungen,  wo 
sich  -s  +  Konsonant  länger  gehalten  hatte,  oder  es  ist  historische 
Schreibung.  In  jedem  der  beiden  Fälle  würde  sich  das  Bestreben 
zeigen,  etwas  anderes  zu  schreiben,  als  man  sprach.  Beim  Schreiben 
stellte  man  sich  vor,  daß   man  'richtiger'  tas  sprechen  müsse; 

1)  Mit  zwei  Aspiraten  kaum  riclitig,  vgl.  aber  Brugmann,  Gr.  Gr.*  102. 


Zur  kyprischen  Silbenschrift.  245 

bei  einem  Yersuch  z.  B.  tas  'AGdvac  zu  sprechen,  machte  es 
Schwierigkeit,  ein  s  in  dieser  Stellung  hervorzubringen;  man  legte, 
um  sich  die  Aussprache  zu  vereinfachen,  die  Silbengreuze  hinter 
das  s,  denn  im  Silbenauslaut  machte  dieser  Laut  keine  Schwierig- 
keit. In  einer  Verbindung  wie  rdc  TTaqpiac  aber  kam  das  s,  wenn 
es  nicht  überhaupt  lautgesetzlich  geblieben  war,  bei  einem  solchen 
Versuch  natürlich  gerade  so  in  den  Auslaut ;  er  wurde  dann  wie 
im  Inlaut  bei  s  +  Konsonant  zur  ersten  Silbe  gerechnet.  Man 
schrieb  aber  ta- se'pw pi' a' se-  und  ta- se' a'tw na' se-,  nicht 
ta  •  sa  •,  um  die  Wörter  auch  durch  den  Divisor  trennen  zu  können. 
Eine  Darstellung  des  h  selbst  war  das  Zeichen  für  se  •  inta'se' 
ß' na' 8a- se-  =  xdc  dva(c)cac  nicht,  denn  h  gehörte  zur  folgenden 
Silbe;  um  h  zu  schreiben,  hätte  man  dann  ja  *ta' sa- na' sa' se' 
schreiben  müssen,  wie  man  to' na' i'lo' ne'  =  xüuv  ai'Xuuv  schrieb. 

Man  könnte  fi-agen,  warum  man  wohl  die  Formen  auf  -c 
fast  durchweg  etymologisch  oder  historisch  schrieb,  während  man 
es  bei  denen  auf  -v  vor  Konsonanten  nicht  tat.  Denn  nur  ein  Bei- 
spiel kennt  hier  ein  -v :  ta' ne'pc  re'ta'U' o' ne '  =  rdv  rrep'  'Höd- 
Xiov  oder  'HöaXiuuv  60,27  (135);  daß  dieses  -v  hier  lautgesetzlich 
steht,  wie  Meister  2,  261  meint,  ist  angesichts  des  zur  Präposition 
gezogenen  Auslautes  von  xöv  in  to '  ni '  60, 9  und  60, 20  (135)  nicht 
sehr  wahrscheinlich.  Indes  ist  es  hier  für  uns  gleichgiltig,  ob 
dieses  -v  analogisch  oder  lautgesetzlich  ist. 

Daß  das  -v  für  gewöhnlich  nicht  geschrieben  wurde  trotz 
des  -c  vor  Vokalen,  könnte  ich  mir  erklären,  wenn  -c  noch  nicht 
geschwunden,  sondern  nur  h  geworden  war.  Sprach  man  in  idc 
'OvaciXcu  zwischen  a  und  '0  ein  /»,  so  war  dies  'falsch',  weil  man 
kein  Zeichen  für  h  hatte ;  deswegen  setzte  man  des  "richtige'  -c 
ein.  Sprach  mau  aber  Td(v)  tttöXiv  mit  nasaliertem  Vokal,  so  be- 
fand sich  zwischen  Vokal  und  tt  kein  Laut,  also  brauchte  mau 
auch  keinen  zu  schreiben ;  für  den  nasalierten  Vokal  aber  setzte 
man  den  nicht  nasalierten  ein. 

Nunmehr  wird  auch  die  Schreibung  o'i'\o'na'si'ku'po'  ro '  ne' 
=  Ol  'OvaciKUTTpuu  60,30  (135)  in  ihrer  ganzen  Bedeutung  verständ- 
lich. Das  i  in  oi  gehörte  zur  Sübe  oi  allein,  sonst  hätte  *o  •  i  'jo '  na ' 
si'kw po'ro'ne'  oder  *o'jo'na'si'ku'po'ro'ne'  geschrieben 
werden  müssen.  Ein  Analogon  für  den  Inlaut  ist  zufällig  nicht 
belegt,  o'na'i'  o'ne-  =  'Ovaiuuv  21  (71)  hatte  ein  s  verloren  und 
könnte  daher  auch  viersilbig  sein. 

Eine  Erklärimg    verlangt   nur  noch    die   Schreibung   der 


246  E.  Hermann, 

vokalisch  ausgehenden  Formen  vor  s  +  Konsonant.  Warum  schrieb 
man  nicht  nach  Analogie  von  a'H-  si'to'  ku  'pa  'rase'  =  'ApiCTo- 
Kurrpac  25  f  (80)  auch  *to' so' pe' o' se'  statt  to' se'pe' ose'  = 
Toi  cTifioc  31,2  (98),  da  man  ja  auch  to'  na'ilo'  ne'  =  toiv  ai'Xuuv 
60,14  (135)  zusammenschrieb?  Wenn,  wie  Meister  IF.  4,  182 f. 
denkt,  bei  s  +  Konsonant  die  Silbengrenze  in  das  s  hineinfiel, 
so  wäre  ganz  natürlich,  daß  man  das  s  in  diesem  Fall  nicht  in 
der  ersten,  sondern  in  der  zweiten  Silbe  schrieb.  Es  wäre  aber 
dann  eigentlich  sonderbar,  daß  man  im  Inlaut  ein  solches  s  zur 
ersten  Silbe  rechnete,  wie  in  a'ri' si'to '  kwpa'ra' sc;  denn 
in  va' na' sa' sa' se'  ^  Favd(c)cac  38,  4  (103)  u.  ö.  lag  die  Silben- 
gi'enze  vielleicht  auch  in  dem  s,  dieses  s  aber  wurde  zur  zweiten 
Silbe  gezogen.  Allein  es  zwingt  gar  nichts  zu  der  Annahme,  daß  im 
Kyprischen  inlautendes  s  in  s  +  Konsonant  zu  zwei  Silben  ge- 
hörte; das  mag  im  Attischen  oder  in  der  Koine  so  gewesen  sein;  im 
Kyprischen  kann  die  Silbengrenze  auch  hinter  dem  s  gelegen  haben. 
Wie  erklärt  sich  to'  se'pe'O'  se'  dann ?  Ich  finde  darauf  folgende 
Antwort:  In  tojv  aiXuuv  wurde  der  Endlaut  des  unselbständigen 
Wortes  mit  der  folgenden  Silbe  des  selbständigen  vereinigt;  in  toi 
CTTTioc  aber  machte  man  den  Anlaut  des  selbständigen  Wortes  nicht 
zu  einem  Bestandteil  der  vorausgehenden  Silbe  des  proklitischen. 
Ich  vermute  darin  nicht  bloß  eine  besondere  Schreibung,  sondern 
vielmehr,  daß  sich  in  der  Schreibung  die  Aussprache  widerspiegelt. 
Ich  glaube  also :  der  Endlaut  eines  proklitischen  und  der  Auslaut 
eines  orthonierten  Wortes  waren  in  dem  Falle  nicht  in  derselben 
Weise  zusammengewachsen  wie  Laute  im  Wortinnern,  wenn  durch 
solchen  Zusammenschluß  ein  Laut  des  orthonierten  Wortes  zu 
dem  proklitischen  Wort  hinübergebunden  worden  wäre.  Dieser 
Fall  lag  jedesmal  vor,  wenn  das  Proklitikon  vor  s  +  Konsonant 
auf  Vokal  ausging. 

Genau  so  wie  der  Artikel  wurde  das  ebenso  lautende  Rela- 
tiv um  behandelt.  Für  das  Zusannnenwachsen  liegt  nur  ein  Beispiel 
vor,  für  Ausstoßen  des  -v  vor  Konsonant  keines,  to'ne'to'  he  •  ne  • 
=  TÖv  ebuuKev  14  e  (141). 

Außerdem  geben  noch  die  Präpositionen  Grelegenheit,  die 
Behandlimg  der  Proklitika  zu  erkennen.  In  folgenden  vier  Fällen: 

i' ne'üi'U' o'i'  =  iv 'HöaXiuui  62(138)  vgl.  Meister  2,156. 

sw no' ro'ko' ise'  =  cuv  öpKoic  60,28  (135). 

pe' re'ta'U'  one'  =  Tiep'  'HödXiov  oder  'HöaXiuuv  60,27. 

apo'i'  =  ütt'  uui  59,3  (134)  ist  der  Endkonsonant  der  Prä- 


Zur  kyprischen  Silbenschrift.  247 

Position,  wie  zu  erwarten  stand,  zum  Yokal  des  folgenden  Wortes 
gezogen ;  ein  Beispiel  für  auslautendes  -c  vor  Vokal  gibt  es  leider 
nicht.  Vor  Konsonanten  haben  die  Präpositionen  im  Auslaut  nur 
Vokal,  S  oder  -c  und  sind  nie  mit  dem  folgenden  Worte  ver- 
bunden. Auslautendes  -n  ist  vor  Konsonanten  regelmäßig  abge- 
fallen wie  bei  dem  Artikel: 

i'tu'ka-i-  =  i(v)  xuxai  17  (68)  u.  ö. 

i'  te'  re  i'  =  i(v)  xepei  14a  (65). 

ito-  =  i(v)  TÖJ  60,8  (135)  u.  ö.  , 

i'to'i'  =  i(v)  Tuji  60,1  u.  ö. 

itai'  =  i(v)  xdi  60,3  u.  ö. 

i'ta'  =  i(v)  Td(v)  60, 27. 

i-fe' me' nose-  =  i(v)  teiuevoc  72(147). 

su'tu'ka'  =  cu(v)  Tuxa  120,4(128). 
Konsonant  hinter  -c : 

po-se'\to'  =  TTÖc  TÖ(v)  60,19  (135). 

po'se'\ta'ni'ere'vi'jane'  ^  ttöc  rdv  iepriFijav  60,19/20. 

po'  se'\pa'  sw  ko'  ra'  ne'  =  ttöc  TTacaTÖpav  60, 21 . 

Die  Beispiele  mit  Konsonant  hinter  x  könnten  zweideutig 
sein,  weil  der  vorausgehende  Vokal  auch  e  ist: 

exeto'i'  =  eH  tuji  60,5  (135)  u.  ö. 

e' xe'ta'i'  =  il  Tcti  60,  e  u.  ö.  Daß  man  xe '  als  Auslaut  zu 
betrachten  hat,  lehren  nicht  bloß  Formen  wie  po'se'to',  sondern 
auch  die  Schreibung  für  eS  im  Kompositum  e- xe-\o-ru' xe'  = 
eH  opuEri  60, 11  u.  ö.,  wo  durch  den  Divisor  eH  als  selbständiges 
Wort  geschrieben  ist.  Natürlich  hindert  nichts,  dieses  Wort  gleich- 
wohl als  proklitisch  zu  betrachten;  denn  das  enklitische  cic  ist 
60, 10  und  23  (135)  auch  durch  einen  Divisor  vom  vorausgehenden 
Ke  getrennt.  Daß  man,  wenn  man  einmal  für  g  ein  Zeichen  nahm 
(darüber  Meister,  IF.  4,  185),  nicht  e-xo-  ru-xe'  schrieb,  ist 
leicht  erklärlich,  weil  im  Sandhi  durchaus  nicht  gleich  beide 
Konsonanten:  k -]-  s  zur  ersten  Silbe  des  orthotonierten  opuHn 
gefallen  sein  müssen. 

Die  Behandlung  der  Präposition  im  Kompositum  zeigen  viele 
Beispiele,  in  denen  -n  zur  folgenden  Silbe  gezogen  ist,  z.  B. 
i' na'la'U'  si' me'  na'  =  ivaXaXic|ueva  60, 26  (135) ;  für  -c  ist  das 
schon  besprochene  Troex6)uevov  das  einzige  Beispiel;  bei  Elision 
wird  der  vorausgehende  Konsonant  natürlich  auch  hinüberge- 
bunden, z.B.  e-pe'tu'ke-  =  e-rreToxe  59,4  (134). 

Überschaut  man  die  sämtlichen  Beispiele,  so  ergibt  sich  hier 


248  E.  Hermann,  Zur  kyprischen  Silbenschrift. 

deutlich:  Die  Proklitika  werden  als  selbständige  Wörter 
geschrieben,  außer  wenn  dadurch  das  von  Meister  er- 
kannte Prinzip  der  kyprischen  Silbenschreibung  ver- 
letzt würde.  Wenn  vokalisch  auslautende  Proklitika  vor  -c  + 
Konsonant  ebenfalls  selbständig  geschrieben  av erden,  steht  das 
mit  diesem  Prinzip  nicht  im  Widerspruch,  weil  hier  die  Aus- 
sprache von  der  im  Wortinnern  wahrscheinüch  abwich.  Die 
scheinbar  große  Regellosigkeit  in  der  Schreibung  läßt  sich  also 
aus  der  Aussprache  völlig  erklären. 

2.  Enklitika. 
Man  könnte  vermuten,  daß  die  Enklitika  genau  entsprechend 
behandelt  wiirden.  Das  ist  aber  nicht  ganz  so.  Es  liegen  folgende 
deutliche  Fälle  der  Enklise  vor: 

o'pi' si' si' ke'  =  ömcic  ke  60,29  (135). 

ta'  sa'  ke'  =  rdc  je  oder  Ke  60, 29. 

ta'sa-pa'i'  =  toc  Trm  71,3  (146). 

ka'sa'pa'i'  =  Kdc  -rrai  60,4  (135). 

a'utarami-  =  auidp  |ui  2,  2  und  ähnlich  öfter. 

{pa- sa' ka- se-  =  rrdc  Kac  41,2  (106)  unsichere  Lesart). 

(o'  vo-  ka-  re  •  =  oü  yoip  68, 3  ebenfalls  unsicher). 

Die  Enklitika  sind  hier  als  Teile  des  vorausgehenden  Wortes 
behandelt,  deswegen  ist  für  s  nicht  das  Zeichen  für  se-,  sondern 
das  Zeichen  für  s  mit  dem  vorausgehenden  Vokal  gesetzt. 

Demnach  waren  für  das  Gefühl  der  Kyprier  die  Enklitika 
mit  dem  vorausgehenden  Worte  enger  verwachsen  als  die  Pro- 
klitika mit  dem  folgenden,  vgl.  o'pi'si'ke-  gegenüber  ta'se' 
papia'se'.  Das  stimmt  aber  genau  zu  der  im  Attischen  üblichen 
Betonung  der  Proklitika  toTc  tujv  gegenüber  der  Enklise  von  ye  usw. 
Wunderbar  könnte  es  scheinen,  daß  r\\x\  *ich  bin^  ausnahms- 
los von  dem  vorausgehenden  Worte  getrennt  bleibt.  Das  ist  nicht 
bloß  der  Fall  hinter  -c,  wo  ja  nur  etymologische  Schreibung 
vorliegen  könnte,  wie: 

ti  ■  mo  •  ku  ■  pa  •  ra'  seemi-  —  TiiuoKUTipac  ri|ui  23  (73),  sondern 
auch  hinter  -w,  z.  B. : 

teotimo'ne'emi'  =  Oeoxiiuujv  r\\x\  42(117). 

Man  könnte  an  verschiedene  Gründe  denken:  Es  könnten 
die  zweisilbigen  Enklitika  anders  behandelt  sein  als  die  einsilbigen. 
Aber  recht  überzeugend  klingt  das  nicht.  Eine  Bestätigung  oder 
Widerlegung  ließe  sich  von  der  Zukunft  erhoffen,  falls  vielleicht 


G.  Neckel,  Exozen tri  sehe  Komposition.  249 

Formen  von  qpaini  oder  der  Plural  zu  cic  aufgefunden  würde. 
Eine  andere  Möglichkeit  wäre,  daß  rmi  im  Kyprischen  nicht 
enklitisch  war;  aber  wie  sollte  man  das  wahrscheinlich  machen? 
Ich  Terraute  vielmehr  etwas  Drittes ;  ich  glaube,  daß  ri)ui  aus  dem- 
selben Grunde  nicht  an  das  vorausgehende  Wort  angelehnt  wurde, 
aus  dem  ein  vokalisch  auslautendes  Proklitikon  nicht  mit  dem 
folgenden  Worte  verwachsen  konnte :  d.  h.  ich  vermute,  daß  man 
nicht  OeoTimu  |  vrim,  sondern  0eoTi|iiuuv  |  rmi  sprach;  ein  Analogen 
für  die  Silbengrenze  hinter  einem  einfachen  Konsonanten  ist  oi 
in  o'i' \o' na  siku'  porone'  =^  oi  'OvaciKUTrpuuv  60,  so  (135). 

Meine  Vermutung  gewinnt  dadurch  an  Wahrscheinlichkeit, 
daß  zwei  verschiedene  Erscheinungen  bei  Proklitikon  und  En- 
klitikon eine  gleichmäßige  Erklärung  fänden.  Ist  meine  Annahme 
richtig,  dann  ergäbe  sich  damit  eine  bisher  nicht  beobachtete 
Tatsache,  daß  nämlich  proklitische  und  enklitische  Wörter 
in  dem  Falle  sich  nicht  mit  dem  hochbetonten  Worte  zu 
verschmelzen  brauchen,  wenn  sonst  ein  Laut  des  hoch- 
betonten Wortes  zu  der  Silbe  des  schwachbetonten  ge- 
zogen würde.  Ich  weiß  dies  durch  ein  Analogen  in  einer 
lebenden  Sprache  nicht  zu  belegen;  ich  denke  mir  aber,  daß  in 
Sprachen,  die  wesentlich  musikalischen  Wortakzent  haben  und 
im  Wortinnern  vor  einfachem  Konsonanten  kurze  offene  Silben 
kennen,  so  etwas  leicht  vorkommen  könnte. 

Bei  dieser  Auffassung  scheint  in  der  Enklise  das 
Meistersche  Prinzip  ebenfalls  durchgeführt.  Ein  voll- 
gültiger Beweis  hierfür  ließe  sich  erst  durch  einsilbige  mit  Vokal 
beginnende  Enklitika  führen. 

Bergedorf.  Eduard  Hermann. 


Exozentrische  Komposition. 

Auch  nach  den  neuesten  Ausführungen  von  K.  Brugmann 
über  die  exozentrischen  Komposita  (EF.  18,  59ff.  127 ff.)  halte  ich 
diese  Gebilde  für  nicht  allseitig  erklärt.  Einige  vermittelnde  und 
weiterführende  Erwägungen  dürften  der  Fi'age  nach  ihrem  Ur- 
sprung noch  zustatten  kommen. 

Brugmann  zieht  eine  scharfe  Grenze  zwischen  esozentrisch 
und  exozentrisch.  Bei  Entstehung  von  Komposita  der  ersten  Klasse 

Indogermanische  Forschungen  XIX.  17 


250  G.  Neckel, 

sei  die  syntaktische  Funktion  der  Wortgruppe  unverändert  die- 
selbe geblieben.  Dabei  verdient  es  im  Auge  behalten  zu  werden, 
daß  bei  Stammkomposita  die  ursprüngliche  Beziehung  ihrer  Be- 
standteile sowohl  zu  einander  wie  zum  Satzganzen  etwas  durchaus 
Hypothetisches  ist.  Zwar  sind  wir  zu  der  Annahme  gezwungen, 
daß  Komposita  vom  Typus  räja-putrds  (Königssohn)  auf  unflektierte 
Wortgruppen  zurückgehen,  deren  Glieder  sich  zu  einander  ver- 
hielten wie  später  in  der  Worteinuug  —  d.  h.  das  erste  Glied 
war  genetivisch  —  und  die  folglich  auch  als  Ganzes  syntaktisch 
entsprechend  fungierten  wie  später.  Aber  dürfen  wir  dasselbe  von 
griva-haddhds  oder  6vo)LidK\uToc  voraussetzen?  Letzteres  pflegen 
die  Wörterbücher  zu  übersetzen  'mit  berühmtem  JSTamen'.  Ebenso 
könnte  griva-baddhds  bedeuten  ""mit  gebundenem  Hals'.  Bei  dieser 
Auffassung  würden  sich  diese  Komposita  nur  durch  die  Ordnung 
ihrer  Glieder  von  den  Bahuvrihi  unterscheiden.  Allerdings  geben 
wir  die  Bedeutung  am  besten  wieder  durch  'uameuberühmt',  'hals- 
gebunden'. Aber  nichtsdestoweniger  können  wir  den  Termini  nicht 
ansehen,  ob  von  Anfang  an  die  ersten  Glieder  als  Bestimmung 
zu  den  zweiten  aufgefaßt  worden  sind.  Wir  müssen  im  Gegenteil 
annehmen,  daß  das  nicht  der  Fall  war.  Denn  auf  flexionsloser 
Stufe  muß  die  Kontaktstellung  solcher  Gruppen  wie  'halsgebunden' 
eine  engere  Sinneseinheit  bedeutet  haben,  das  Gebundensein  wurde 
zunächst  auf  den  Hals,  erst  in  zweiter  Linie  auf  das  vorschwebende 
Subjekt  bezogen.  Der  Hals  war  nicht  das  Bestimmende,  sondern 
das  Bestimmte. 

Die  Fälle,  um  die  es  sich  hier  handelt,  sind  solche,  wo  das 
adjektivische  Endglied  eines  Kompositums  dem  Sinne  nach  eben- 
sowohl auf  den  Begriffsinhalt  des  Vordergliedes  als  auf  den 
Begriff,  zu  dem  das  Ganze  gehört,  bezogen  werden  kann.  Diese 
Fälle  sind  nicht  selten,  und  es  ist  nicht  zu  bezweifeln,  daß 
Bildungen  dieser  Art  schon  unter  den  ältesten  Mustern  der  Nomi- 
nalkompositiou  waren.  Wir  dürfen  umso  entschiedener  hiervon 
ausgehen,  als  es  überhaupt  eine  Altertümlichkeit  in  der  Ent- 
wicklung der  idg.  Sprachen  ist,  daß  ein  Zustand  oder  Vorgang 
auf  zwei,  sprachlich  nicht  differenzierte  Substanzvorstellungen 
bezogen  wird.  Man  denke  an  das  otTTÖ  koivoO  und  an  die  Ver- 
bindung eines  Verbums  mit  zwei  Akkusativen  wie  in  hom.  cXkoc 
6  \x\v  ßdXe  Doli,  töv  b'dopi  TrXfit'  auxeva  A  240  (Brugmann,  K. 
Tgl.  Gramm.  443).  Solche  Ausdrucksweisen,  passivisch  gewandt, 
können  eine  Quelle  von  Kompositionen  wie  griva-haddhds  gewesen 


Exozentrische  Komposition.  251 

sein.  Lehrreich  sind  hier  die  aisl.  Yerba  hälshpggva  (den  Hals 
abschlagen),  föthpggva,  heinhriöta^  hdlsUösta  u.  ä.  Sätzen  wie  pnnur 
kvez  hafa  hdlslostit  hana  (eine  andere  sagte,  sie  habe  sie  an  den  Hals 
geschlagen)  liegt  die  Konstruktion  mit  dem  doppelten  Akkusativ  zu- 
grunde. Das  eine  Objekt  —  und  zwar  das  'nähere'  im  eigent- 
lichen Sinne  —  ist  aber  in  den  Hintergrund  getreten,  indem  es 
eine  Komposition  einging.  Wie  wir  hier  durch  Auflösen  der  Uni- 
verbierung  den  im  Indischen  und  Grriechischen  noch  tiberlieferten 
doppelten  xlkkusativ  gewinnen,  so  ergibt  die  Auflösung  von  griva- 
baddhds  das  doppelte  Subjekt  der  Ursprache. 

Denken  wir  uns  einen  beliebigen  Satz,  der  griva-baddhds 
oder  ein  ähnliches  Kompositum  enthält,  in  die  flexionslose  Zeit 
zurtickprojiziert,  so  scheint  mir  eine  einfache  sprachpsychologische 
Erwägung  zweifellos  über  den  grammatischen  Charakter  des  griva 
zu  entscheiden.  An  diesem  Elemente  war  keinerlei  Kasusver- 
hältnis ausgedrückt,  ebenso  wenig  am  Subjekt;  folglich  konnte 
allein  der  Sinn,  das  natürliche  Yerhältnis  der  Y orsteilungselemente, 
füi-  ihre  Gruppierung  maßgebend  sein.  Wir  werden  kaum  Gefahr 
laufen,  nennenswerte  Fehler  zu  begehen,  wenn  wir  die  Wirkung 
eines  entsprechenden  nhd.  Satzes  auf  unser  Sprachgefühl  beob- 
achten und  das  Gefundene  auf  die  vorflexivische  Zeit  übertragen. 
'Manu  Hals  gebunden  wurde  hingeführt.'  Wir  empfinden  hier, 
daß  man  sagen  wolle,  der  Mann  sei  hingeführt  worden,  während 
sein  Hals  gebunden  war.  Also  zwei  Sätze,  einer  dem  andern 
untergeordnet.  Ein  derart  gegliedertes  Satzgefüge  muß  auch  für 
die  Ursprache  vorausgesetzt  w^erden.  Ausdrucksweisen,  die  etwa 
vergleichbar  sind  französischen  Sätzen  wie  il  la  regardait,  la  Ute 
rejetie  en  arriere,  l'expression  dure. 

Daneben  ist  ein  anderer  Fall  denkbar :  'Mann  Hals  gebunden', 
als  selbständige  Äußerung.  Auch  hier  kann  von  einer  ursprüng- 
lichen Unterordnung  oder  bestimmenden  Funktion  des  Wortes 
Hals  keine  Rede  sein.  Es  fällt  ims  nicht  schwer,  den  Yorstellungs- 
ablauf  zu  vollziehen,  den  dieser  primitive  Satz  abbildet.  'Hals 
gebunden',  das  ist  der  Kern  der  Äußerung,  'Manu'  steht  dem 
Prädikat  ferner  als  'Hals'. 

Dieses  ursprüngliche  Karmadhäraya- Yerhältnis  zeigt  sich 
noch  auf  weit  jüngeren  Stufen  in  der  Wortbüdung  lebendig.  Das 
Altnordische  hat  eine  Gruppe  von  Adjektivkomposita,  deren  erstes 
Gb'ed  einen  Körperteil  bezeiclmet.  Das  Adjektivum  gibt  dabei  eine 
Eigenschaft  des  Körperteils  an,  die  nach  der  Natur  der  Sache 

17* 


252  G.  Neckel, 

oder  dem  Sprachgebrauch  nur  diesem,  nicht  auch  der  Person, 
von  der  das  Ganze  ausgesagt  wird,  beigelegt  werden  kann.  Solche 
Bildungen  sind  heinstörr  (starkknochig),  fingrmiör  (mit  dünnen 
Fingern),  handsidr  (großhändig),  föthrotinn  (wer  einen  gebrochen 
Fuß  hat),  hdlsdigr,  hälslangr  (mit  dickem,  bezw.  langem  Hals), 
Imrulangr  (mit  langem  Grauhaar,  Beiname)  u.  a.  Sie  sind  nicht  zu 
trennen  von  hardhauss  (mit  hartem  Schädel),  hdleggr  (hochbeinig) 
und  sonstigen  Bahuvrihi.  Diese  wie  jene  sind,  wie  wir  mit  Jacobi 
annehmen  müssen,  erstarrte  ursprachliche  Sätze. 

Dabei  haben  wir  natürlich  von  dem  Begi'iff  des  Satzes,  wie 
ihn  die  grammatische  Betrachtung  hoch  entwickelter  Literatur- 
sprachen geschaffen  hat,  durchaus  abzusehen.  Die  Behauptung^ 
derartige  exozentrische  Komposita  seien  einmal  Sätze  gewesen, 
besagt  vielmehr  nur,  daß  die  Gebilde,  aus  denen  sie  oder  viel- 
mehr ihre  ältesten  Muster  hervorgegangen  sind,  sich  der  Form 
nach  von  selbständigen  Äußerungen  nicht  unterschieden.  Mit 
andern  Worten :  es  gab  in  der  vorflexivischen  Periode  selbständige 
Äußerungen,  die  etwa  die  Form  'Hals  gebunden'  oder  'weiß  die 
Arme'  oder  '(ein)  König  (der)  Sohn"  hatten,  also  des  verbum  sub- 
stantivum  nicht  bedurften.  Da  solche  Sätze  bis  auf  deu  heutigen 
Tag  vorkommen  und  im  älteren  Idg.  sehr  gewöhnlich  sind^),  so 
dürfen  wir  sie  imbedenklich  für  ein  uraltes  Erbe  ansprechen. 
Sätze  wie  'Mann  —  Hals  gebunden  —  wurde  hingeführt'  bestanden 
also  aus  zwei  formell  selbständigen  Äußerungen.  Die  eine  war  dem 
Sinne  nach  untergeordnet;  sie  wurde  nicht  um  ihrer  selbst  willen 
ausgesprochen ;  aber  sprachlich  bestand  infolge  des  Mangels  einer 
Differenzierung  ein  gewisses  Gleichgewicht  der  logisch  verschieden 
gewerteten  Elemente.  Derartiges  kann,  aus  einer  ähnlichen  Geistes- 
verfassung heraus  oder  zu  bestimmten  Stilzwecken,  auch  in 
jüngeren  Perioden  immer  wieder  auftreten.  Man  vergleiche  etwa  die 
Parenthesen  in  der  Edda:  hitt  kvad  pä  Sgrli,  svinna  hafdi  hami 
liyggiu  (das  sprach  da  Sorli,  einen  kräftigen  Verstand  hatte  er). 

Aber  es  kam  mit  der  Zeit  dahin,  daß  man  das  Auseinander- 
fallen der  Äußerung  vermied.  Die  zwei  Einheiten  verschmolzen 
zu  einer.  Irre  ich  nicht,  so  haben  wir  diesen  Vorgang  in  eine 
Linie  zu  stellen  mit  der  Herausbildung  der  Pluralität  der  nomi- 
nalen Satzteile,  insbesondere  mit  der  Differenzierung  zwischen 
Subjekt  und  Objekt.  2)  Die  Vorbedingung  für  diese  Entwicklung 

Ij  Delbrück  AlUnd.  Syntax  11  ff.,  Jacobi  89  Note  3. 
2)  Vgl.  Paul  Principien'''  113  C  §  98). 


Exozentrische  Komposition.  253 

lag  darin,  daß  mau  lernte,  immer  größere  Gruppen  von  Spracli- 
elementen  als  ein  Ganzes  zu  empfinden.  An  die  Stelle  der  suk- 
zessiven Entwicklung  einer  Yorstellungsmasse  trat  das  simultane 
Erfassen.  Man  machte  nicht  mehr  die  langsamen  Schritte  von 
*Mann'  zu  *Hals'  uud  weiter  zu  'gebunden',  sondern  man  stempelte 
*Mann'  zum  Mittelpunkt  der  Aussage,  indem  man  es  im  Subjekt- 
kasus auftreten  ließ,  und  das  mit  solcher  Entschiedenheit,  daß 
*Hals'  demgegenüber  zurücktrat  und  an  den  Kennzeichen  des 
Subjektes  nicht  partizipierte.  Indem  es  naturgemäß  in  dem  engeren 
Verhältnis  zum  Prädikat  'gebunden'  verharrte,  entstand  das  Stamm- 
kompositum 'halsgebunden'.  Der  Vorgang  bleibt  prinzipiell  der- 
selbe, wenn  das  Prädikat  zwischen  den  beiden  ursprünglichen 
Subjekten  steht  uud  das  zweite  von  diesen  zum  hinteren  Kom- 
positionsglied wird.  Dies  liegt  vor  bei  den  Typen  räja-putras 
(einen  König  zum  Sohn  habend),  XeuKubXevoc,  ev9eoc.  Die  ur- 
sprünglichen N'ebensubjekte  sind  hier  putras,  ibXevri,  Geöc. 

Die  unsern  Fällen  nächst  verwandte  Art  der  Differenzierung 
des  Doppelsubjekts  ist  der  sogen,  griechische  Akkusativ,  z.  B.  in 
hom.  ßoriv  dyaOoc.  Dieser  Akkusativ  scheint  ausgegangen  von 
solchen  Neutra,  bei  denen  der  Objektkasus  mit  dem  reinen  Stamm 
identisch  war,  also  von  Fällen  wde  6vo)udKXuToc  (övo)Lia  kXutoc). 
So  bildete  man  iröbac  ojkuc  neben  TToöuuKr|C  und  ujkuttouc,  Kctpri 
SavOoc,  qpoSöc  KeqpaXrjv.  Dieses  letzte  Beispiel  ist  semantisch  voll- 
kommen gleichartig  mit  aisl.  liälsdigr  und  seinesgleichen.  Es  wäre 
denkbar,  daß  in  den  aisl.  Bildungen  auch  der  Akkusativ  steckte ; 
doch  bleibt  diese  Annahme  unwahrscheinlich,  solange  zn  dem 
homerischen  Gebrauch  direkte  außergriechische  Parallelen  kaum 
nachgewiesen  sind.  — 

Brugmann  hat  für  den  von  ihm  erläuterten  Vorgang  der 
Hypostase  mannigfache  Beispiele  beigebracht,  darunter  auch  solche, 
bei  denen  es  sich  um  ursprünglich  selbständige  Äußerungen  handelt 
(ai.  ki-räjan  u.  dgl.).  Es  kann  keinem  Zweifel  unterliegen,  daß  viele 
exozentrische  Komposita  durch  Hypostase  zu  erklären  sind.  Aber 
die  ürtypen  der  bisher  als  Bahuvrihi  zusammengefaßten  Bildungen 
reichen  in  die  vorflexivische  Periode  hinauf.  Dürfen  wir  einen 
Begriff,  der  aus  dem  Leben  von  Sprachen  mit  ausgebildeter  Flexion 
und  Syntax  abstrahiert  ist,  ohne  weiteres  auf  ]ene  Periode  anwen- 
den ?  Eine  morphologische  Eigentümlichkeit  der  ältesten  Schicht 
aller  Nominalkomposita,  die  Stammform  des  ersten  Gliedes,  er- 
klärt sich  evident  aus  den  besonderen  Verhältnissen  jener  flexions- 


254  E.  Rodenbusch, 

losen  Stufe.  Es  verspricht  also  von  vornherein  Aussicht  auf  Erfolg, 
auch  für  die  semantische  Eigentümlichkeit  eines  Teiles  dieser 
Komposita  eine  Erklärung  in  derselben  Richtung  zu  suchen.  Dazu 
ermutigt  noch  besonders  der  Umstand,  daß  die  Bahuvrihi  sich 
deutlich  als  aussterbende  Altertümlichkeiten  zu  erkennen  geben, 
während  Hypostase  in  alten  und  jungen  Perioden  gleichmäßig 
häufig  sein  dürfte. 

Die  Brugmannsche  Annahme  hypostatischer  Vorgänge  vor 
dem  Aufkommen  der  Flexion  beruht  auf  der  Hypothese,  daß 
wesentlich  dieselbe  syntaktische  Struktur  wie  später  schon  damals 
bestanden  habe,  nur  ohne  formantisch  in  die  Erscheinung  zu  treten. 
Gegen  eine  solche  Hypothese  erheben  sich  schwere  Bedenken. 
Eine  höhere  syntaktische  Struktur,  die  Unterscheidung  der  Ele- 
mente des  erweiterten  Satzes,  kann  sich  erst  Hand  in  Hand  mit 
der  Flexion  entwickelt  haben ;  ohne  diese  ist  sie  nicht  denkbar. 
Ohne  Flexion  sind  entweder  alle  Gebrauchsweisen  eines  Wortes 
hypostatisch  oder  keine. 

Bahuvrihi,  wie  überhaupt  Nominalkomposita,  entstanden 
erst  durch  das  Aufkommen  der  Flexion;  zwei  Elemente  erschienen 
dadurch  als  Einheit,  daß  nur  das  zweite  von  ihnen  Endungen 
annahm.  "Wir  würden  also  über  die  Entstehung  der  Bahuvrihi 
erst  dann  völlig  befriedigend  unterrichtet  sein,  wenn  wir  das 
Aufkommen  der  Flexion  im  Lichte  einer  reichen  Überlieferung 
vor  uns  sähen.  Da  uns  das  nicht  beschieden  ist,  müssen  wir 
uns  mit  mehr  oder  weniger  wahrscheinlichen  Vermutungen  be- 
gnügen. Die  prinzipielle  Berechtigung  aber,  die  Frage  in  einen 
solchen  Zusammenhang  zu  rücken,  dürfte  außer  Zweifel  stehen. 

Breslau,  G.  Neckel. 


Bemerkungen  zur  Satzlehre. 

1.  Die  Agensform  als  Subjekt. 
Zur  Funktion  des  Subjekts  als  des  psychologischen  Mittel- 
punkts im  Satze  ist  die  Vorstellung  des  tätigen  Gegenstandes  des- 
wegen besonders  disponiert,  weil  sie  vor  den  andern  Vorstellungen 
das  Interesse  in  Anspruch  nimmt').    Der  Nominativ  als  die  Form 

1)  Wenn  Paul  diejenige  Vorstellung  als  die  psychologisch  bedeut- 
samere ansieht,  die  im  Bewußtsein  zu  einer  schon  vorhandenen  hinzutritt^ 


Bemerkungen  zur  Satzlehre.  255 

des  Agens  ist  sozusagen  das  potenzierte  Subjekt.  Subjekt  und 
Agens  schlechthin  gleichzusetzen,  verbietet  jedoch  schon  der  Um- 
stand, daß  die  Agensvorstellung  aus  dem  Subjektsnominativ  der 
Passivkonstruktion  ausgeschaltet  ist.  Andrerseits  bleibt  mit  Rück- 
sicht auf  die  engen  Beziehungen  zwischen  Subjektsfunktion  und 
Nominativ  zuerst  noch  zu  erweisen,  daß  das  Nominativformans  -s 
von  Haus  aus  zur  Bezeichnung  des  Agens  und  nicht  vielmehr 
des  Subjekts  diente. 

Das  psychologisch  bewegliche  Verhältnis  zwischen  Subjekt 
und  Prädikat  ist  der  Ausbildung  einer  bestimmten  formalen  Unter- 
scheidung nicht  günstig.  Nur  da,  wo  verhältnismäßige  Stabilität 
herrscht,  konnte  sich,  wie  bei  dem  neuhochdeutschen  Prädikats- 
adjektiv, eine  eigene  Form  für  das  Prädikat  herausbilden;  vgl.  auch 
Delbrück  Vgl.  Synt.  3,  63.  Ferner  läßt  sich  die  formale  Un- 
bestimmtheit des  Subjekts  als  solchen  (und  ebenso  des  Prädikats) 
aus  gewissen  Einzelerscheinungen  erscliließen.  Daß  das  Subjekt 
in  andern  Kasus,  z.  B.  im  Genitiv  (Brugmann  Gr.  Gramm.^  386), 
dessen  der  Nominativfunktion  entsprechende  Verwendung  in  den 
meisten  indogermanischen  Sprachen  wohl  für  altererbt  gelten  miiß, 
einer  besondern  Form  nicht  bedurfte,  spricht  gegen  die  Auffassung 
des  -s  als  Subjektzeichens.  Doch  können  hierbei  Analogiewirkungen 
im  Spiele  sein.  Dagegen  ist  schwer  verständlich,  weshalb  z.  B. 
die  Feminina  auf  -ä  dieses  subjektanzeigende  Formans  nicht  er- 
halten, oder  wenn  sie  es  erhalten,  wieder  verloren  haben  sollten. 
In  der  Fähigkeit,  Subjekt  zu  werden,  besteht  ja  zwischen  ihnen 
und  den  Maskulina  kein  Unterschied.  Ferner  konnte  die  Ent- 
wicklung eines  formativen  Elements  zum  Subjektsformans  —  auf 
welchem  Wege,  ist  hier  gleichgiltig  —  doch  nur  im  Gegensatz 
zum  Prädikat  ffeschehen.  Ein  solcher  Formunterschied  zwischen 


so  war  für  ihn  dabei  wohl  die  Beobachtung  maßgebend,  daß  das  im  Vor- 
gang der  Satzgliederung  neu  hinzutretende,  von  ihm  Prädikat  genannte 
Element  stets  stärker  betont  ist.  Dieser  stärkere  Akzent  der  neu  hinzu- 
tretenden Vorstellung  ist  jedoch  noch  kein  Beweis  für  ihre  größere  Be- 
deutsamkeit, sondern  hat  lediglich  differenzierende  Bedeutung.  Denn  die 
früher  sich  im  Bewußtsein  absondernde  Einzelvorstellung  oder  Vorstellungs- 
gruppe ist  zunächst  ohne  Konkurrenz  und  bedarf  daher  einer  besondern 
Betonung  nicht;  die  neu  hinzutretende  dagegen  sucht  sich  mit  Hülfe  des 
stärkern  Tones  gegen  die  frühere  individuell  zu  behaupten.  Im  Bereich 
zweier  selbständigen  Sätze  zeigt  dieser  differenzierende  Akzent  seine  Be- 
deutung in  Was  habe  ich  deine  Freundschaft  nötig?  und  in  der  Er- 
widerung  Was  habe  ich  deine  Freundschaft  nötig? 


256  E.  Rodenbusch, 

Subjekt  und  Prädikat  besteht  aber,  übereinstimmend  mit  dem  oben 
angeführten  allgemeinen  Grunde,  nicht.  Denn  alle  formalen  Unter- 
schiede, die  sich  im  einzehien  Falle  zwischen  Subjekt  und  Prädikat 
einstellen  können,  sind  zugleich  auch  Unterschiede  zwischen  den 
Subjektsformen.  Das  schon  erwähnte  prädikative  Adjektiv  des 
Germauischen  ist  syntaktisch  eine  jüngere  Erscheinung;  vgl. 
Brugmann  Kurzgef.  vergl.  Gramm.  644  Anm.  "Wenn  so  in  der 
historischen  Zeit  der  Einzelsprachen  das  Bedürfnis  nach  Diffe- 
renzierung sich  nicht  eingestellt  hat,  vielmehr  in  der  fort- 
schreitenden Kongruenz  zwischen  Subjekt  und  Prädikat  sich  die 
entgegengesetzte  Tendenz  bemerkbar  macht,  so  ist  es  wenig  wahr- 
scheinlich, daß  in  einer  Zeit  geringer  flexivischer  Ausbildung 
das  Subjekt  ein  besonderes  Zeichen  zum  Unterschied  vom  Prädikat 
erhalten  haben  sollte.  Nicht  auf  Scheidung,  sondern  vielmehr  auf 
formale  Bindung  beider  ging  das  sprachliche  Bedürfnis;  die  Schei- 
dung beschränkte  sich  im  allgemeinen  auf  die  Differenzierung  durch 
den  Ton.  Vgl.  dazu  noch  die  von  Hübschmann  Zur  Kasuslehre  98 
angeführten  Bemerkungen  von  Curtius  und  Böhtlingk;  ferner 
a.  a.  0.  120;  Wundt  Yölkerpsychologie  I,  1,  2,  86  nebst  Fußnote. 
Man  hat  nun  seit  Bopp  verschiedene  Yersuche  gemacht, 
das  Nominativ-s  etymologisch  zu  erklären;  vgl.  dazu  auch  Müller 
IF.  8,  308  ff.  Alle  diese  Yersuche  aber  laufen  zugleich  wieder 
mehr  oder  weniger  bestimmt  darauf  hinaus,  das  Nominativ-s  für  das 
eigentliche  Subjektszeichen  auszugeben.  Hübschmann  a.  a.  0. 131 
hebt  sogar  ausdrücklich  hervor,  daß  das  Suffix  des  Nominativ-s 
die  subjektive  Beziehung  des  Nomons  zum  Prädikat  ausdrücken 
soll.  Demgegenüber  läßt  sich  also  sagen,  daß  die  Nominativform 
als  solche  von  Haus  aus  mit  der  Subjektsbezeichnung  nichts  zu 
tun  hatte,  daß  dagegen  infolge  mancher  Beziehungen  die  Nomiuativ- 
bedeutung  sich  in  größerm  Umfang  mit  der  Subjektsfunktion  deckt. 
Dazu  kommt,  daß  das  Nominativ-s  von  dieser  Grundlage  aus 
aualogisch  auf  Fälle  übertragen  Avorden  ist,  wo  es  ursprünglich 
nichts  zu  tun  hatte.  Im  folgenden  soll  eine  kurze  Übersicht  über 
die  Hauptpunkte  dieser  allmählichen  Entwicklung  gegeben  werden. 
Wir  lassen  dabei  die  eigentlich  etymologische  Frage,  deren  sichere 
Beantwortung  allerdings  zur  Grundbedeutung  im  eigentlichen 
Sinne  führen  würde,  beiseite  und  beschränken  uns  darauf,  von 
derjenigen  Bedeutung  auszugehu,  die,  obwohl  vielleicht  aus  einer 
andern  abgeleitet,  dennoch  den  in  den  indogermanischen  Sprachen 
begegnenden  Yerwendungsweisen  zugrunde  liegt. 


Bemerkungen  zur  Satzlehre.  257 

Mit  Recht  wird  von  Uhlenbeck  IF.  12,  170  der  Mangel 
einer  vom  Akkusativ  verschiedenen  Nominativendung  beim 
Neutrum  damit  in  Zusammenhang  gebracht,  daß  der  Nominativ 
(Aktivus)  ursprünglich  nur  den  Agens  bezeichnete.  Zur  Ergänzung 
vgl.  dazu  Brugmann  a.  a.  0.  361.  Wie  eine  besondere  Bezeich- 
nung des  Subjekts  überflüssig,  ja  störend  war,  so  war  umgekehrt 
eine  Bezeichnung  des  Agens  um  so  nötiger,  als  in  der  Zeit,  wo 
das  Nominativformans  seine  Punktion  annahm,  am  Verbum  ver- 
mutlich noch  in  keiner  Weise  ausgedrückt  war,  daß  in  der  Ver- 
bindung von  Nomen  und  vorgangbezeichnendem  Yerbum  das 
Nomen  die  Funktion  des  Agens  hatte.  Von  hier  aus  läßt  sich 
die  weitere  Entwicklimg  bestens  begreifen.  Wir  müssen  die  Aus- 
bildung eines  formalen  Gegensatzes  zwischen  Agens  und  direktem 
Objekt  in  solchen  Sätzen  suchen,  die  aus  Agens,  direktem  Objekt 
und  Bezeichnung  eines  Vorgangs  bestanden ').  Wie  sich  die  formale 
Scheidung  vollzog,  wissen  wir  nicht,  jedenfalls  machte  das  Be- 
dürfnis nach  Deutlichkeit  eine  solche  wünschenswert.  Vermutlich 
konnte  damals,  wie  in  historischer  Zeit  mit  Hilfe  der  Passiv- 
konstruktiou,  das  Objekt  ebensogut  wie  der  Agens  die  Funktion 
des  Subjekts  ausüben.  Nur  ist  aus  den  oben  dargelegten  Gründen 
das  Vorwiegen  des  Agens  in  der  Subjektsfunktion  psychologisch 
wohlbegrimdet^).  Hiermit  war  die  erste  Verbindung  zwischen 
Subjekt  und  Nominativ  vollzogen. 

Von  hier  aus  hat  sich  dann  die  Nominativform  mit  HUfe 
der  mit  ihr  assoziierten  Subjektsvorstellung  weiter  ausgebreitet. 
Von  vornherein  lag  es  nahe,  sie  auf  den  als  Subjekt  fungierenden 
Agens  auch  dann  zu  übertragen,  wenn  dem  Agens  kein  Objekt 
gegenüber  stand.  Daß  das  Prädikat,  auch  wenn  es  eine  Substanz 
bezeichnet,  weniger  häufig  als  das  Subjekt  zugleich  als  Agens 
hervorgehoben  werden  soll,  ist  nach  dem,  was  über  die  Be- 
ziehungen von  Subjekt  und  Agens  gesagt  ist,  ohne  weiteres  ver- 
ständlich. Vgl.  auch  Paul  Prinz,  d.  Sprachgesch.^  250,  wo  darauf 
hingewiesen  ist,   daß  Substanzbezeichnungen  als  Prädikat  sich 

1)  Wodurch  ein  Vorgang  damals  sprachlich  bezeichnet  wurde,  muß 
unbestimmt  gelassen  werden,  da  wir  für  diese  Zeit  die  Kategorie  des 
Verbums  keineswegs  als  fertig  voraussetzen  dürfen. 

2)  Mit  dieser  psychologischen  Vorzugsstellung  des  Agens  steht  ohne 
Zweifel  auch  der  Umstand  im  Zusammenhang,  daß  das  Verbum,  sobald 
es  imstande  war,  die  Personen  zu  unterscheiden,  die  Person  des  Agens 
in  sich  aufnahm,  nicht  die  des  Objekts.  Über  teilweise  anders  geartete 
Verhältnisse  in  nichtindogermanischen  Sprachen  vgl.  Wundt  a.a.O.  87  unten. 


258  E.  Rodenbusch, 

schon  der  Natur  der  Qualitätsbezeichnungen  nähern.  Als  solche 
lassen  sie  sich  aber  nicht  ohne  weiteres  als  Agens  vorstellen'). 
Durch  den  psychologisch  leicht  vollziehbaren  Austausch  zwischen 
Subjekt  und  Prädikat  wurde  dann  dem  letztern,  auch  wo  es  keine 
Agensvorstellung  enthielt,  die  Nominativbezeichnung  zugeführt. 
Möglich  wäre  dabei,  daß  die  formale  Divergenz  zwischen  Subjekt 
und  Prädikat,  wie  sie  in  triste  liipus  stabiiUs,  in  dem  flexionslosen 
Adjektiv  des  Germanischen  und  weiterhin  in  oök  dxaööv  ttoXu- 
Koipavir)  usw.  auftritt,  auf  die  Zeit  vor  der  Bedeutungsentwicklung 
des  Nominativ-s  zurückgeht.  Die  Substantivierung  und  die  damit 
zusammenhängende  Bedeutungsentwicklung  einer  solchen  Syntax, 
wie  sie  Brugmann  a.a.O.  644  f.  beschreibt,  würde  dann  erst 
eine  sekundäre  Folge  der  formalen  Selbständigkeit  des  Prädikats- 
adjektivs sein. 

Mit  dieser  Ausbreitung  des  Nominativzeichens  wurde  seine 
Bedeutung  mehr  und  mehr  formantisch,  und  mit  diesem  \'^er- 
blassen  seiner  Bedeutung  wurde  weiterer  Analogiebildung  wieder 
Vorschub  geleistet.  Die  Form  des  Agens  erscheint  auch  da,  wo 
es  sich  nicht  um  einen  Vorgang,  sondern  um  einen  bewegungs- 
losen Zustand  handelt.  Auch  in  diesem  Falle  ist  die  Agensform 
in  den  indogermanischen  Sprachen  durchgedrungen.  Eine  solche 
Übertragung  kann  dagegen  nicht  stattgefunden  haben  bei  der 
Satzform :  Objekt  +  affizierender  Vorgang,  die  sich  ursprünglich 
formal  von  der  Verbindung :  Agens  -{-  Vorgang  nicht  unterschied ; 
der  eben  erst  erreichte  Unterschied  wäre  damit  von  neuem  ver- 
loren gegangen.  Unmittelbar  nachweisen  können  wir  die  fragliche 
Satzform  nicht,  da  sie  in  den  indogermanischen  Sprachen  viel- 
leicht bis  auf  geringe  Spuren  verschwunden  ist.  Sie  muß  jedoch 
als  ursprünglich  vorhanden  vorausgesetzt  werden.  Denn  die  ge- 
nannte Vorstellungsverbindung  verlangt  nach  einem  Ausdruck, 
und  ein  solcher  war  vor  der  Entwicklung  des  Passivs  nur  in 
der  Verbindung  Akkusativ  +  Verb  um  gegeben  2);  es  müßte  denn 
sein,  daß  Ausdruckweisen  vorhanden  waren,  die  für  uns  gänzlich 

1)  Hinsichtlich  der  Akkusative  bei  den  Verben  des  Seins  im  Alt- 
indischen, Griechischen  und  Lateinischen  schließe  ich  mich  dem  vor- 
sichtigen Urteil  Delbrücks  a.  a.  0.  1,  370 ff.  an.  Falls  es  sich  nicht  um 
sekundäre  Bildungen,  sondern  um  ursprüngliche  Erscheinungen  handelt, 
dürfte  der  im  Text  angegebene  Gesichtspunkt  auf  sie  anzuwenden  sein. 

2)  Da  die  Abspaltung  des  Passivs  von  den  beiden  andern  Diathesen 
z.  T.  noch  in  einzelsprachliche  Zeit  fällt,  so  ist  sie  sicherlich  jünger  als 
die  Unterscheidung  von  Nominativ  und  Akkusativ. 


Bemerkungen  zur  Satzlehre.  259 

verschollen  sind.  Die  Verbindung  Objekt  +  Verb  um  war  nach 
der  Differenzierung  von  Nominativ  und  Akkusativ  das  notwendige 
Gegenstück  zu  der  Verbindung  Nominativ  -f-  Verbum.  Vgl.  auch 
Wundt  a.  a.  0.  141  nebst  Fußnote  und  Siltterlin  Das  Wesen  der 
sprachlichen  G-ebilde  127.  Mit  dieser  Konstruktion  ist  zu  ver- 
gleichen die  unpersönliche  Konsti'uktion  des  griechischen  Verbal- 
adjektivs auf  -Teoc  +  Akkusativ.  S.  Brugmann  Gr.  Gramm.^  525, 
Delbrück  Vgl.  Synt.  2,  460  ff.  und  Brugmann  Kurzgef.  vgl. 
Gramm.  605  ').  Ferner  läßt  sich  auf  das  nhd.  die  Trommel  gerührt^ 
das  Pfeifchen  gespielt  hinweisen.  In  diesen  Konstruktionen  ist, 
wie  in  der  vorausgesetzten  indogermanischen,  ein  Agens  neben 
dem  Objekt  und  dem  Verbum  nicht  angegeben.  Ein  bloß  formaler 
Rest  dieser  Konstruktion  hat  sich  in  der  Verbindung  der  2.  Sing. 
Imp.  mit  einem  Objekt  erhalten,  insofern  in  dieser  Verbalform 
ein  Agens  ursprünglich  nicht  ausgedrückt  war.  Offenbar  war, 
bevor  durch  das  Passivum  die  ältere  Konstruktion  überäüssig 
wurde,  schon  eine  Bedeutungsspezialisierung  der  2.  Sing.  Imp. 
eingetreten. 

Mit  der  Entwicklung  der  Passivkategorie  traten  neue  Ver- 
schiebungen ein.  An  sich  genügte  ja  die  alte  Konstruktion  dem- 
selben Bedürfnis  wie  das  Passivum.  Aber  die  Assoziation  zwischen 
Subjekt  und  Nominativform  war  zu  der  Zeit,  als  das  Passivum 
entwickelt  wurde,  schon  so  fest,  daß  der  Nominativ  die  Normal- 
forra  des  Subjekts  darstellte  und  damit  der  Passivkonstruktion 
das  entscheidende   Übergewicht  gab  2).    Die  Passivkonstruktion 

1)  Nur  erscheint  es  einfacher,  den  dem  Verbaladjektiv  auf  -reoc 
wahrscheinlich  zugrunde  liegenden  prädikativen  Infinitiv  direkt  an  den 
final-konsekutiven  Gebrauch  anzuknüpfen.  Diese  Auffassung  wird  vor  allem 
durch  die  Tatsache  nahe  gelegt,  daß  der  imperative  Infinitiv  bei  Homer, 
wie  sich  aus  der  Stellensammlung  bei  Wagner  (der  Gebrauch  des  Impe- 
rativischen Infinitivs  im  Griechischen)  ergibt,  und  wahrscheinlich  auch  im  Alt- 
indischen, stets  aktive  Bedeutung  hat,  bei  dem  final-konsekutiven  Gebrauche 
aber  bald  aktive,  bald  passive  Bedeutung  vorliegt;  in  letzterer  Anwendung 
z.  B.  Z  229:  TToWol  au  coi  'Axaioi  ^vaipeiaev  öv  Ke  büvnai.  £507.  KeiTO 
b'äp'  ev  in^ccoici  büu)  xp^coTo  TdXavxa,  tlu  b6|iev,  8c  .  .  .  Das  passive 
Verbaladjektiv  hat  also  nähere  Beziehungen  zu  der  letztgenannten  Kon- 
struktion, während  sich  die  regelrechte  Auslassung  der  Copula  bei  der 
hier  vorgetragenen  Auffassung  ebensogut  erklärt.  Die  unpersönliche  Kon- 
struktion des  Verbaladjektivs  ist  dann  von  solchen  Sätzen  mit  final-kon- 
sekutiven Infinitiv  ausgegangen,  in  denen  zum  Infinitiv  ein  Objekt  gesetzt 
wurde  oder  aus  der  ursprünglich  dabeistehenden  Satzaussage  zu  ergänzen  war. 

2)  Der  Einbhck  in  die  historische  Entwicklung  der  Beziehungen 
zwischen  Subjekt  und  Nominativ  erweist  auch  die  oft  gehörte  und  noch 


260  E.  Rodenbusch, 

gab  das  Mittel  an  die  Hand,  das  Subjekt  auch  da  äuJßerlich  zu 
kennzeichnen,  wo  es,  mit  oder  ohne  Angabe  des  Agens,  als 
Objekt  auftrat.  Diese  Konstruktion  ist  zeitlich  spät  entwickelt 
worden;  sie  stellt  aber  auch  psychologisch  eine  späte  Entwick- 
lung dar,  da  sich  hier  das  Bedürfnis  in  weiterm  umfange  und 
in  besonderer  Form  Ausdruck  dafür  verschafft,  dem  Objekt  eines 
Vorgangs  die  zenti*ale  Stellung  des  Subjekts  anzuweisen  und  es 
damit  psychologisch  über  die  Agensvorstellung  zu  erheben^). 
Natürlich  kann  auch  das  Akkusativobjekt  der  aktiven  Konstruk- 
tion die  Fimktion  des  psychologischen  Subjekts  ausüben;  ver- 
deutlichen läßt  sich  dies,  wenn  wir  die  beiden  Sätze  zusammen- 
stellen Kyros  gründete  das  Perserreich  und  Alexander  zerstörte 
das  Perserreich^  wo  das  grammatische  Objekt  die  Grundlage  der 
Satzaussage  ist.  Aber  abgesehen  davon,  daß  diese  Konstruktion 
in  historischer  Zeit  nur  bei  Angabe  des  Agens  möglich  ist,  ist 
auch  die  passive  die  markantere,  da  sie  das  Objekt  auch  formell 
zum  Subjekt  macht;  diese  Funktion  der  passiven  Konstruktion 
wird  durch  die  daneben  mögliche  aktive  nur  um  so  deutlicher 
zum  Bewußtsein  gebracht.  Eine  kurze  Besprechung  einiger  Bei- 
spiele aus  griechischen  und  lateinischen  Schriftstellern  mag  diesen 
das  Objekt  in  den  Mittelpunkt  des  Interesses  rückenden  Cha- 
rakter der  Passivkonstruktion  veranschaulichen.  Die  homerischen 
Beispiele  habe  ich  größtenteils  Delbrücks  Vgl.  Synt.  433  ent- 
nommen, da  sie,  obwohl  ursprünglich  zu  einem  etwas  andern 
Zwecke  zusammengestellt,  auch  dem  gegenwärtigen  dienen  können. 
Z  56  kommt  es  nicht  so  sehr  auf  die  Troer  als  auf  die  ironisch 
gemeinten  d'picra  an,  deren  Erwähnung  den  Menelaos  stacheln 
soll.  T  304  ist  die  Vorstellung  von  dem  als  Mörder  des  Atriden 
gedachten  Aigisthos  fortgeschritten  zu  der  Schilderung  des  Volkes 
im  Zustande  der  Knechtung.    Dasselbe  gilt  von  X  621,  wo  die 


neuerdings  von  Körting  (Bemerkungen  über  den  Begriff  und  die  Teile  des 
grammatischen  Satzes  24)  wiederholte  Charakterisierung  des  (lateinischen) 
Passivs  als  eines  logischen  Ungeheuers  als  unberechtigt.  Zum  Verständnis 
der  Entwicklung  des  Passivs  ist  zu  verweisen  auf  Delbrück  Vgl.  Synt.  1, 
189  u.  2,  438  sowie  ßrugmann  Griech.  Gramm.  ^  463.  Hier  ist  also,  um- 
gekehrt wie  in  den  obengenannten  Fällen,  die  Nominativform  nicht  über 
den  ihr  von  Haus  aus  zukommenden  Gebrauchsumfang  ausgedehnt  worden, 
sondern  sie  hat  durch  den  Bedeutungswandel  der  Verbalform  ihre  ur- 
sprünghche  Bedeutung  eingebüßt. 

1)  Ähnlich  Delbrück  a.  a.  0.  2,  438;  Wundl  hat  a.  a.  0.  260f.  den 
Unterschied  beider  Konstruktionen  vom  logischen  Standpunkt  aus  beurteilt. 


Bemerkungen  zur  Satzlehre.  261 

Vorgang-  und  zustandbewirkende  Ursache  ganz  hinter  der  Knechtes- 
rolle des  Herakles  zurücktritt;  ebenso  H  5,  wo  es  auf  das  sach- 
liche Objekt  ankommt.  Herodot.  VII,  201 :  KaXeerai  ö  xuJpoc  outoc 
UTTÖ  Tujv  TrXeovujv  'EWi^vuuv  GepiuoTruXai.  Hier  handelt  es  sich  um 
geographische  Nomenklatur,  nicht  um  das  Verhalten  der  Mehr- 
zahl der  Hellenen.  Ebenso  wendet  sich  in  Xen.  Hell.  V,  4,  1 : 
AaKeöai)u6vioi . . .  uttö  tüuv  döiKi-jOevTiuv  eicoXdcGricav  das  vorwiegende 
Interesse  den  L.  als  einem  Beispiel  derer  zu,  auf  die  das  Auge 
der  rächenden  Götter  gerichtet  war.  Im  folgenden  touc  eicaYot- 
TÖviac,  bezw.  triv  toutuuv  dpxriv  eiTTd  npKecav  KaiaXöcai  ist  die 
Konstruktion  offenbar  wegen  formaler  Schwierigkeiten  nicht  ins 
Passiv  umgesetzt,  obwohl,  dem  AaKe&ai)u6vioi  des  ersten  Satzes 
parallel,  touc  eicaTaTOViac  das  psychologische  Subjekt  darstellt. 
Caes.  de  bell.  gall.  I,  45 :  multa  a  Caesare  dida  sunt^  wo  der  Leser 
mit  Nachdruck  auf  die  Fülle  der  diplomatischen  Argumente  hin- 
gewiesen wird;  ibid.  H,  19:  ubi  primum  impedimenta  ah  iis^  qui 
in  silvis  abditi  latebant,  visa  sunt,  quod  tenipus  inter  eos  commit- 
tendi  proelii  convenerat,  .  .  .  Hier  treten  die  beteiligten  Personen 
hinter  den  impedimenta,  deren  Erscheinen  als  Angriffssignal  ver- 
abredet ist,  an  psychologischer  Bedeutung  zurück.  Ähnlich  ist 
das  Verhältnis  bei  dem  im  Lateinischen  üblichen  Passiv  in- 
transitiver Verba,  wo  durch  das  Passiv  der  Agens  ausgeschaltet 
und  dadurch  der  ganze  Nachdruck  auf  die  als  Subjekt  und  Prädikat 
zugleich  fungierende  Bezeichnung  des  Vorgangs  gelegt  wird.  So  bei 
dem  Ovidischen  vivitur  ex  rapto,  wo  das  Passiv  besser  als  das  per- 
sönliche Aktiv  den  Vorgang  in  seiner  nackten  Brutalität  hervorhebt. 

Aus  der  obigen  Darstellung  und  den  daran  sich  anschließenden 
Beispielen  ergibt  sich  zur  Genüge,  daß  der  Unterschied  zwischen 
aktiver  und  passiver  Konstruktion  nicht  bloß  rein  formal  ist.  Um 
grobe  materielle  Verschiedenheiten  handelt  es  sich  freilich  nicht; 
wohl  aber  ist  durch  das  Nebeneinander  beider  Konstruktionen 
eine  deutlichere  Hervorhebung  psychologisch  feiner  Unterschiede 
erreicht. 

Während  der  zenti*ale  Charakter  der  Subjekts  Vorstellung 
durch  die  passive  Konstruktion  am  schärfsten  und  unmittelbarsten 
hervorgehoben  wird,  so  ist  andrerseits  die  Agensvorstellung  ganz 
geschwunden.  Dafür  tritt  zuweilen  die  ihr  verwandte  und  zum 
Subjekt  gleichfalls  disponierte  Vorstellung  des  Lebendigen  hervor. 
So  wird  der  Subjektsnominativ  beim  Passiv  zu  einem  Mittel, 
das  Lebendige  vom  Unlebendigen  zu  unterscheiden.  Es  ist  hier 


262  E.  Rüdenbusch, 

an  die  aus  mehreren  Sprachen  bekannte'Erscheinung  zu  erinnern, 
daß  beim  Übere^ang  von  der  aktiven  zur  passiven  Konstruktion 
des  Akkusativ  des  persönlichen ,  Objekts  zum  Nominativ  wird, 
während  der  Akkusativ  der  Sache  bleibt;  ferner  auf  die  Eigen- 
tümlichkeit des  Griechischen,  auch  einzelne  persönliche  Dative 
in  den  Kominativ  zu  verwandeln,  den  sachlichen  Akkusativ  aber 
unverändert  zu  lassen  (bei  emraTTeiv  rivi  ti  usw.).  Die  dort  sekundär 
entwickelte  Funktion  des  Nominativs  ist  hier  schon  zum  Kon- 
struktionsprinzip geworden.  Das  Gegenstück  hierzu  bildet  das  aus 
der  lateinischen  Stilistik  bekannte  Streben  der  lateinischen  Stilisten, 
das  Leblose  vom  Subjektsnominativ  auszuschließen.  Die  Satz- 
konstruktion wird,  von  einzelnen  Fällen  abgesehen,  passivisch  ge- 
wendet, sobald  in  der  aktiven  eine  Sachbezeichnimg  Subjekts- 
nominativ werden  würde  ^). 

Wir  haben  eben  einen  Fall  erwähnt,  wo  im  Griechischen 
auch  ein  persönlicher  Dativ  im  Gegensatz  zum  Sachakkusativ 
in  den  Subjektsnominativ  umgewandelt  wurde.  Auch  ohne  diesen 
Gegensatz  wird  zuweilen  der  persönliche  Dativ  im  Griechischen 
zum  Subjektsnominativ  (bei  TTicxeuecBai  usw.).  Abgesehen  aber  von 
diesen  auch  in  andern  Sprachen  ganz  vereinzelt  vorkommenden 
Fällen,  in  denen  das  Streben  hervortritt,  jedem  Satz  ein  Nominativ- 
subjekt zu  geben^),  hat  der  Dativ  eine  andere  Behandlung  erfahren 
als  der  Akkusativ:  weder  bei  Personen-  noch  bei  Sachbezeich- 
nungen ist  er  im  Passiv  zum  Subjektsnominativ  geworden.  Dies 
ist  in  gleicher  Weise  bei  dem  alten  Passiv  wie  bei  den  um- 
schreibenden Neubildungen  der  Fall.  Offenbar  ist  die  Entstehungs- 
weise des  Passivs,  dann  aber  das  Differenzierungsbedürfnis  die 
Ursache  gewesen,  da  sonst  das  indirekte  Objekt  von  dem  direkten 
formell  nicht  mehr  hätte  unterschieden  werden  können.  Wenn 
dabei  der  Dativ  hinter  dem  Akkusativ  zurücktrat,  so  liegt  das  auch 
daran,  daß  das  indirekte  Objekt  nicht  so  leicht  wie  das  direkte 
Objekt  die  Funktion  des  Subjekts  übernehmen  kann;  es  steht 
dem  Mittelpunkte  des  Interesses  in  der  Regel  ferner,  die  typische 
Form   des   Subjekts  verblieb  daher  dem  letztern. 

Das  Bestreben,  die  Subjektsvorstellung  durch  den  Normal- 
kasus des  Subjekts,  den  Nominativ  auszudrücken,  hat  indessen 


1)  Infolge  leicht  verständlicher  Analogiewirkung  wird  auch  die 
■s-lose  Form  des  Nominativs  bei  Feminina  und  Neutra  mit  der  s-Form 
auf  eine  Stufe  gestellt. 

2)  Zweifelhaft  ist  in  qpGovoOiaai  'Das  Recht  der  freien  Persönlichkeit'. 


Bemerkungen  zur  Satzlehre.  263 

auch  für  den  Dativ,  wie  auch  für  die  andern  Kasus  und  Ver- 
bindungen von  Kasus  mit  Präpositionen,  soweit  sie  die  Funktion 
des  Subjekts  übernehmen  konnten,  auf  andere  Weise  einen  Aus- 
weg gefunden  in  der  appositiven  Voransetzung  des  Nominativs. 
Über  diese  Erscheinungen  vgl.  die  von  Paul  a.  a.  0.  262  an- 
geführten Beispiele.  Auf  die  dort  angegebene  Weise  wird  die  zu- 
gleich durch  einen  vorgesetzten  Nominativ  und  einen  abhängigen 
Kasus  ausgedrückte  Vorstellung  als  die  Grundlage  des  Satzes, 
d.  h.  als  Subjekt  hervorgehoben. 

2.  Die  sogenannten  unvollständigen  Sätze. 

Für  das  Verständnis  der  auf  dem  Gebiete  der  Satzgliederung 
auftauchenden  Fragen  sind  namentlich  die  sogenannten  unvoll- 
ständigen Sätze  von  Bedeutung.  Über  das,  was  man  unter  einem 
unvollständigen  Satze  zu  verstehen  hat,  gehen  freilich  die  An- 
sichten auseinander,  da  einerseits  nicht  von  allen  Forschern  die 
Gliederung  des  Satzes  in  Subjekt  und  Prädikat  als  ein  notwendiges 
Merkmal  seiner  Vollständigkeit  augesehen  wird ;  so  spricht  Wundt 
einem  Teil  der  von  ihm  so  genannten  Attributivsätze  Eingliedrig- 
keit, d.h. Mangel  des  Prädikats  zu.  Und  andererseits  nehmen  andere, 
wie  z.  B.  Paul,  auch  in  den  von  Brugmann  Kurzgef.  vergl.  Gramm. 
624  f.  aufgezähltenFäUen  Zweigliedrigkeit  an.  Dieses  Schwanken  der 
Meinungen  aber  legt  eine  erneute  Untersuchung  der  von  der  einen 
oder  andern  Seite  als  unvollständig  bezeichneten  Sätze  nahe.  Wir 
beschränken  uns  dabei  auf  einige  der  wichtigeren  Erscheinungen. 

Formell  wie  sachlich  eingliedrig  sind  die  einwertigen  Sätze 
der  Kindersprache  von  dem  Typus  Pferd  und  die  ihnen  gleich- 
wertigen, ebenfalls  einwortigen  Sätze  des  einer  Fi'emdsprache 
nur  unvollkommen  Mächtigen.  Eine  solche  Äußerung  enthält, 
auch  wenn  sie  als  Satz  fungiert,  materiell  nur  eine  einzige  Vor- 
stellung. Von  dieser  materiellen  Gliederung  müssen  wir  die  funktio- 
nelle unterscheiden.  Der  psychologische  Vorgang,  der  solchen 
Sätzen  zugrunde  liegt,  ist  ja  der,  daß  die  dem  Kinde  von  früher 
bekannte  Vorstellung  Pferd  zu  der  sinnlich  grade  wahrgenom- 
menen in  Beziehung  gesetzt,  d.  h.  im  vorliegenden  Falle  damit 
identifiziert  wird.  Insofern  die  Vorstellung  sinnlicli  wahrnehmbar 
ist,  ist  sie  Subjekt,  soweit  sie  auf  Erinnerung  beruht,  Prädikat. 
Der  momentane,  scheinbar  nicht  weiter  zu  gliedernde  ^^erlauf 
des  Vorstellungsprozesses  ist  natürlich  ebensowenig  wie  die  Ein- 
heitlichkeit des  materiellen  Substrats  ein  Beweis  gegen  die  funktio- 


264  E.  Rodenbusch, 

nelle  Zweigliedrigkeit.  Auf  sprachlichem  Gebiete  läßt  sich  damit 
die  doppelte  Funktion  eines  dTTo  koivoö  gebrauchten  Satzteils 
vergleichen,  wie  z.  B.  in  dö  spranc  von  dem  gesidele  her  Hagene 
dö  sprach.  Paul  sieht  in  solchen  Fällen  die  Situation  als  Subjekt, 
bezw.  als  Prädikat  an.  Dagegen  ist  saclilicli  nichts  einzuwenden, 
formell  erscheint  es  jedoch  inkonsequent,  ein  nicht  sprachliches 
oder  genauer:  ein  noch  nicht  in  sprachliche  Form  umgesetztes 
Element  zur  Aushilfe  herbeizuziehen,  eine  Inkonsequenz,  die  schon 
Wundt  getadelt  hat.  Paul  kommt  Prinz,  der  Sprachgesch.^  117 
der  hier  vorgetragenen  Auffassung  sehr  nahe,  erklärt  aber  doch 
hinterher  den  Satz  Feuer.,  obwohl  auch  nach  seiner  Auffassung 
Subjekt  und  Prädikat  vorhanden  sind,  für  unvollständig.  Tatsächlich 
geht  die  Subjektsvorstellung  in  die  von  Paul  als  Prädikat  ange- 
sehene vollständig  ein.  Wir  haben  also  ein  Recht,  in  Sätzen  der 
genannten  Art  Subjekt  und  Prädikat  in  einem  Worte  vereinigt 
zu  sehen  und  sie  somit,  soweit  die  allgemeine  Funktion  des  Satzes 
in  Betracht  kommt,  als  vollständig  zu  betrachten.  Damit  ist  aber 
auch  das  Mindestmaß  der  Gliederung  erreicht.  Denn  alle  Sprach- 
tätigkeit, die  sich  über  die  Stufe  rein  interjektionaler  Lautung 
erhebt,  besteht  in  der  Mitteilung  eines  Neuen.  In  der  Mitteilung 
^Q^  es,  daß  das  Neue,  um  verständlich  zu  sein,  nur  als  Ganzes 
neu  sein  kann,  sich  zugleich  aber  in  Elemente  gliedern  muß, 
die  im  Augenblick  sprachlicher  Vermittlung  als  bekannt  gelten, 
wie  das  oben  durchgeführte  Beispiel  zeigt  ^).  Dagegen  würde  die 
bloße  Lautung  Pferd  an  sich  nicht  eine  etwas  Neues  vermittelnde 
Mitteilung  sein,  sondern,  wenn  anders  von  dem  Hörenden  die 
Assoziation  zwischen  Laut  und  Gegenstand  schon  vollzogen  ist, 
lediglich  eine  schon  bekannte  Vorstellung  zum  Bewußtsein  bringen. 
Sie  würde  erst  zur  Mitteilung  eines  Neuen  werden,  wenn  wir 
durch  den  Sprechenden  in  die  Lage  versetzt  würden,  sie  zu  einer 
funktionell  davon  zu  unterscheidenden,  die  materiell  dieselbe 
sein  kann,  in  Beziehung  zu  setzen. 

Wenn  also  zum  Wesen  jeder  Satzbildung,  d.  h.  jedes  sprach- 
lichen Gebildes,  das  eine  Mitteilung  bezweckt,  funktionelle  Zwei- 
gliedrigkeit gehört,  so  wird  sie  dadurch  des  primitiven  Charakters 
noch  nicht  entkleidet.   Dieser  beruht  vielmehr  auf  dem  Mangel 

1)  Etwas  anders  liegt  naturgemäß  die  Sache  in  dem  besondern  Fall, 
wo  jemandem  die  ihm  unbekannte  sprachliche  Bezeichnung  eines  Gegen- 
standes mitgeteilt  wird,  z.  B.  dieser  Gegenstand  wird  Haus  genannt.  Hier 
ist  die  Lautvorstellung  an  sich  Gegenstand  der  Mitteilung,  sie  wird  also 
erst  im  Moment  der  sprachhchen  Vermittlung  bekannt. 


Bemerkungen  zur  Satzlehre.  265 

formaler  und  sachlicher  Gliederung^).  Die  einwortigen  und  ma- 
teriell nicht  differenzierten  Sätze  der  Kindersprache  nach  Art  der 
oben  besprochenen  Beispiele  sind  die  Keimformen  aller  Syntax, 
aus  denen  sich  die  komplizierteren  Formen  entwickelt  haben. 
Ihnen  fehlt  noch  die  Arbeitsteilung,  vermittelst  deren  verschiedene 
Funktionen  in  der  Regel  von  formell  wie  materiell  verschiedenen 
Bestandteilen  der  Rede  ausgeübt  werden  ^).  Sie  sind  die  Urformen 
nicht  bloß  ihrem  AYesen  nach,  sondern  auch  nach  Maßgabe  der 
äußeren  Umstände  ihrer  Verwendung  durch  Kinder  und  sprachKch 
Ungeübte.  Dasselbe  gilt  zum  Teil  von  den  Ausrufungsformen.  Sie 
bedürfen  jedoch  einer  besonderen  Betrachtung,  da  sich  bei  ihnen 
hinsichtlich  ihrer  Gliederung  mehrere  Stufen  unterscheiden  lassen. 
Der  Interjektion,  soweit  sie  reine  Gefühlslautimg  ist,  steht 
am  nächsten  der  reine  Ausruf;  er  unterscheidet  sich  von  der 
Interjektion  bloß  dadurch,  daß  er  eine  bestimmte  YorsteUung 
enthält.  Dagegen  fehlt  auch  ihm,  da  er  bloß  durch  die  Erregung 
des  Gefühls  unwillkürlich  bewirkt  wird,  die  Absicht  und  die  zum 
Verständnis  notwendige  funktionelle  Gliederung  der  Mitteilung. 
(S.  S.  264).  Somit  stehen  Interjektion  und  reiner  Ausruf  noch 
unterhalb  der  mit  dem  eimvortigen  Satz  erreichten  Stufe  sprach- 
licher Entwicklung.  Von  hier  aus  ist  aber  nur  ein  unmerklicher 
Schritt  bis  zu  Ausrufen  solcher  Art,  die  zugleich  Mitteilung  ent- 
halten und  damit  in  die  Reihe  der  Sätze  einrücken.  So  kann  der 
Ausruf  Der  Mond!^  das  Meer!  ein  unwillkürliches  Erzeugnis 
des  erregten  Gefühls  sein,  ohne  daß  damit  die  Absicht  der  Mit- 
teilung mittels  funktioneller  Gliederung  verbunden  wäre  2).  Der 
Ausruf  des  Prinzen  in  der  Eröffnungsszene  der  Emilia  Galotti 
kann  ebensogut  durch  eine  bloße  Gemütsbewegung  veranlaßt  sein 
als  auch  gleichzeitig  der  Absicht  der  Mitteilung,  wenn  auch  im 
vorliegenden  Falle  nur  im  Selbstgespräche,  dienen.  Sicherlich 
Hegt  nach  Maßgabe  der  äußern  Umstände  Mitteilung  vor  in  den 
von  Wundt  als  Beispiel  für  die  eingliedrigen,  d.  h.  prädikatslosen 

1)  Eine  bloß  formale  Entwicklung  ist  es,  wenn  statt  der  Satzform 
Pferd  einträte:  das  ist  ein  Pferd.  Die  Zahl  der  Vorstellungen  ist  nicht 
größer,  und  ebensowenig  die  funktionelle  Gliederimg  komplizierter  geworden. 

2)  Damit  ist  natürlich  nicht  gesagt,  daß  der  kompliziertere  Typus 
auch  immer  der  spätere  sei. 

3)  Weshalb  unter  den  obigen  Beispielen  ursprünglicher  Satzbildung 
nicht  auch  einwortige  Lautungen  im  Sinne  eines  Befehlsatzes,  z.  B.  Karl! 
=  Karl,  komm  hierher!  oder  Feuer!  im  Sinne  der  Kommandos  angeführt 
wurden,  geht  aus  den  Ausführungen  S.  268  ff.  hervor. 

Indogermanisclie  Forschungen  XIX.  18 


266  E.  Rodenbusch, 

Sätze  verwendeten  Worten  Welch  eine  Wendung  durch  Gottes 
Fügung!^)  Die  Eigentüraliclikeit  vieler  Ausrufe,  daß  bei  ihnen 
Subjekt  und  Prädikat  weder  formell  noch  materiell  von  einander 
geschieden  sind,  weist  auf  ihren  auch  in  sprachlicher  Hinsicht 
primitiven  Charakter  hin;  das  Fortbestehen  dieses  Satztypus  in 
historischer  Zeit  ist  aber  nicht  bloß  auf  die  Wirkung  sprachlicher 
Tradition  zurückzuführen,  sondern  gewiß  auch  eine  Folge  der 
jedesmal  sich  neu  erzeugenden  Hemmungen,  die  der  Vorstellungs- 
verlauf bei  gesteigerter  Gefühlserregung  erfährt. 

Zu  den  sogenannten  unvollständigen  Sätzen  gehören  auch 
die  viel  beurteilten  Yerba  Impersonalia.  Indes  soll  nur  die  ver- 
mutlich älteste  Schicht  derselben,  die  meteorologischen  Yerba, 
in  den  Kreis  unserer  Betrachtung  gezogen  werden.  Ebenso  wird 
hier  von  einer  Auseinandersetzung  mit  andern  Auffassungen  ab- 
gesehen werden;  es  kommt  lediglich  darauf  an,  nachzuweisen, 
daß  die  verba  Impersonalia  mit  den  schon  behandelten  und,  von 
allgemeinerem  Standpunkt  aus,  auch  mit  den  noch  zu  behan- 
delnden unvollständigen  Sätzen  auf  eine  Stufe  zu  stellen  sind. 
Wie  in  den  substantivischen  einwertigen  Sätzen  der  unmittelbar 
wahrgenommene  Gegenstand,  so  ist  in  den  verbalen  der  wahr- 
genommene Yorgang  Subjekt,  Prädikat  aber  in  beiden  Fällen 
die  Yorstellung,  soweit  sie  dem  Sprechenden  schon  von  früher 
bekannt  ist  und  sich  mit  der  entsprechenden  Lautvorstellung 
assoziiert  hat.  Soweit  die  Yorstellung  die  Funktion  des  Subjekts 
ausübt,  so  wird  sie  dadurch  bis  zu  einem  gewissen  Grade  sub- 
stantiviert, ohne  freilich  die  volle  Bestimmtheit  der  Substanz- 
vorstellung zu  erreichen. 2)   Auf  diese  Weise  erklärt  sich  die  in 


1)  Auf  die  Gliederung  innerhalb  dessen,  was  als  Subjekt  oder  Prä- 
dikat oder  als  beides   zugleich  anzusehen  ist,   kommt  es  hier  nicht  an. 

2)  Auf  diese  Tendenz  zur  Substantivierung  kann  hier  nicht  in  voller 
Ausführlichkeit  eingegangen  werden;  nur  kurz  sei  folgendes  bemei'kt. 
Veranschaulichen  können  wir  uns  zunächst  die  substantivierende  Kraft 
des  Subjekts  durch  die  S.  Iff.  erörterte  Affinität  zwischen  Subjekt  und 
Substantivum,  namentlich  dem  Substantivum  agens.  Diese  substantivierende 
Kraft  des  Subjekts  ist  aber  nur  eine  besondere  Seite  der  allgemeinern 
Erscheinung,  daß  das  primitive  wie  das  vorgeschrittene  Denken  in  gleicher 
Weise  das  Bedürfnis  haben,  Vorgänge  (und  Qualitäten)  in  Substanzvor- 
stellungen umzuwandeln;  es  spricht  sich  darin  die  Tatsache  aus,  daß  die 
Substanz  im  Bewußtsein  eine  höhere  Stufe  einnimmt  als  die  Vorstellung 
der  Qualität  und  des  Vorgangs.  Man  mag  also  in  dem  Reichtum  an  ab- 
strakten Substantiven  in  den  modernen  Sprachen  —  über  eine  ähnliche 
Erscheinung  im  Altindischen  vermag  ich  nicht  selbständig  zu  urteilen  — 


Bemerkungen  zur  Satzlehre.  267 

den  modernen  Sprachen  übliche  Yorsetzimg  des  Pronomens  bei 
den  verba  impersonalia.  Daß  dabei  auch  rein  formale  Analogieen 
mitwirken  können,  soll  damit  keineswegs  geleugnet  werden.  Ob 
in  den  altern  indogermanischen  Sprachen  imd  Sprachperioden 
für  das  Sprachgefühl  ein  pluit  in  derselben  Weise  eingliedrig 
war,  wie  der  Satz  Pferd  in  dem  oben  besprochenen  Sinne,  oder 
ob,  der  Tendenz  der  Substantivierung  entsprechend,  in  pluit  sich 
die  Vorstellung  eines  unbestimmten  Pronomens  einstellte  wie  die 
Vorstellung  eines  bestimmten  Pronomens  in  agit^  mag  dahin- 
gestellt bleiben;  vgl.  die  von  Miklosich  Die  subjektlosen  Sätze  7  ff. 
angeführten  Zeugnisse.  In  letzterem  Falle  wäre  der  Typus  pluit 
oder  rigneip  die  unmittelbare  Vorstufe  zu  dem  modernen  Typus 
es  regnet. 

Da  die  dui'ch  verba  impersonalia  repräsentierten  Sätze  so- 
nach funktionell  als  zweigliedrig  anzusehen  sind,  so  folgt,  daß  die 
Entscheidung  darüber,  ob  der  historisch  vorliegende  Typus  uei  aus 
dem  ebenfalls  historischen  Zeuc  üei  abgeleitet  ist  oder  umgekehrt, 
für  die  Geschichte  ihrer  funktionellen  Gliederung  keine  Bedeutung 
hat.  Vielmehr  muß  diese  Frage  von  der  Frage  der  f.  Gliederung 
losgelöst  und  als  eigenes  Problem  betrachtet  werden.  Wie  die 
Frage  der  Priorität  dem  historisch  konkreten  Material  gegenüber 
zu  entscheiden  ist,  mag  zweifelhaft  sein;  das  von  J.Grimm 
DG.  4,  262  ff.,  Miklosich  a.  a.  0.  33  ff..  Puls  (Über  das  Wesen  der 
subjektlosen  Sätze)  beigebrachte  Material  gibt  keine  Handhabe  zur 

immerhin  einen  Beweis  für  ihre  Fähigkeit  sehen,  den  Dingen  einen  scharf 
verstandesmäßigen  Ausdruck  zu  verleihen,  im  Grunde  liegt  dasselbe  Be- 
streben vor,  das  schon  in  idg.  Urzeit  zur  Bildung  zahlreicher  Nomina 
actionis,  darunter  der  später  dem  Verbum  enger  angegliederten  Infinitive 
geführt  hat.  Vgl.  hierzu  Wundt  a.  a.  0.  161  und  Sütterlin  Das  Wesen  der 
spracht.  Gebilde  153;  über  die  verba  impersonalia  insbesondere  noch 
Wundt  220.  Auf  dieser  Tendenz  zur  Substantivierung  beruht  im  letzten 
Grunde  auch  die  Berechtigung,  die  Begriffe  Subjekt,  Objekt  usw.  auf  ganze 
Sätze  zu  übertragen,  indem  sich  der  Vorstellungsinhalt  eines  hypotaktisch 
gefühlten  Satzes  mehr  und  mehr  zur  Substanzvorstellung  verdichtet;  vgl. 
damit  die,  wie  mir  scheint,  zu  weit  gehende  Kritik  Delbrücks  a.  a.  0.  3, 
410 ff.  Eng  verwandt  hiermitist  auch  die  Erscheinung,  daß  in  der  deutschen 
Sprache  der  Gegenwart  —  vermutlich  auch  in  altern  Sprachperioden  — 
die  Nebensätze  in  weitem  Umfang  die  Funktion  erhalten  haben,  Vor- 
stellungsmassen in  der  Weise  als  fertig  darzustellen,  daß  das  Bewußtsein 
neu  erzeugten  Vorstellungsinhaltes  schwächer  ist  als  bei  den  Hauptsätzen. 
In  den  Nebensätzen  ist  also  an  Stelle  freier  apperzeptiver  Beziehung  zwischen 
.SuDJekt  und  Prädikat  bis  zu  einem  gewissen  Grade  schon  assoziative  Ver- 
schmelzung getreten,  die  schließlich  mit  völliger  Substantivierung  endet. 

18* 


268  E.  Rodcnbusch, 

Entscheidung,  Es  ist  an  sich  sehr  wohl  möglich,  die  persönliche 
Konstruktion  aus  der  unpersönlichen  abzuleiten,  ebenso  aber  auch 
das  Umgekehrte.  Der  Yorgang  mag  sich  eben  mehrmals  in  beiden 
Richtungen  Aviederholt  haben.  Für  die  Entwicklung  der  persön- 
lichen Form  aus  der  unpersönlichen  geben  Schillers  Verse :  Da 
hebet  sich's  schwanenweiß  Und  es  rudert  mit  Kraft  und  mit  emsigem 
Fleiß  Und  er  isfs . . .  ein  Abbild  der  geschichtlichen  Entwicklung 
in  anschaulicher  Kürze.  Die  umgekehrte  Entwicklung  beschreibt 
Delbrück  Vgl.  Synt.  3,  129.  Dagegen  läßt  sich  vielleicht  aus  all- 
gemeinen Erwägungen  mit  größerer  Sicherheit  eine  Entscheidung 
darüber  finden,  welcher  von  beiden  Typen  am  Anfang  sprach- 
licher Entwicklung  überhaupt  gestanden  haben  muß.  Die  meteoro- 
logischen Erscheinungen  haben  ohne  Zweifel  schon  früh  einen 
sprachlichen  Ausdruck  verlangt  zu  einer  Zeit,  als  die  sprachliche 
Fähigkeit,  eine  auf  materiell  differenziertem  Substrat  beruhende 
Vorstellungsmasse  zu  gliedern,  noch  in  den  Anfängen  stand.  Wenn 
nun  auch  beide  Typen  hinsichtlich  der  funktionellen  Gliederung 
den  gleichen  Charakter  zeigen,  so  stellt  doch  der  Satz  Zeuc  üei 
eine  höhere  Stufe  der  Vorstellungsgliederung  nach  der  materiellen 
Seite  hin  dar,  als  der  Satz  uei,  der  mit  dem  nominalen  Satztypus 
Pferd  zusammenzustellen  ist.  Daß  diese  Auffassung  auch  der 
religionsgeschichtlichen  Stütze  nicht  entbehrt,  scheint  mir  aus 
dem  allgemeinen  Gang  der  Untersuchung  in  Useners  Götter- 
namen hervorzugehen. 

Die  bisher  behandelten  Sätze  zeigten  bei  funktioneller  Zwei- 
gliedrigkeit materielle  wie  formelle  Einheitlichkeit ;  hier  geht  also 
die  funktionelle  Gliederung  allein  über  die  materielle  und  formelle 
hinaus.  Es  kann  aber  der  Fall  eintreten,  daß  auch  die  materielle 
Gliederung  weiter  durchgeführt  ist  als  die  formelle.  Hierher  gehört 
der  Satz  Kind !  in  dem  Sinne  einer  Aufforderung  oder  Warnung. 
Die  diesem  Ausruf  zugrunde  liegenden  Vorstellungen  sind  mit 
der  Vorstellung,  die  wir  im  allgemeinen  mit  dem  Worte  Kind 
verbinden,  nicht  erschöpft.  Vielmehr  gehört  dazu  die  Vorstellung 
bleibe  weg!  oder  eine  ähnliche,  vielleicht  noch  weiter  gegliederte, 
etwa  bleib  von  dem  Wasser  weg!^  sowie  sie  der  Situation  entspricht 
Ähnlich  verhält  es  sich  mit  dem  Ausruf  Klopstock!  in  der  be- 
kannten Stelle  in  Werthers  Leiden,  falls  sie  nicht  interjektionalen 
Charakter  hat;  in  dem  Namen  ist  zugleich  ein  literarisches  Urteil 
enthalten.  Daß  die  formell  unausgedrückte  Vorstellung  oder  Vor- 
stellungsmasse nicht  mit  der  Deutlichkeit  im  Bewußtsein  auftritt, 


Bemerkungen  zur  Satzlehre.  269 

■wie  die  ausgesprochene  Vorstellung,  ist  nicht  zu  bezweifeln ;  aber 
ebensowenig  darf  ihr  Yorhandensein  geleugnet  werden.  Auch  sie 
gehört  ebensogut  wie  die  formell  ausgesprochene  zur  ]\Iitteilung. 
Zunächst  wird  der  Sprechende,  von  der  Situation  unterstützt,  so 
verstanden,  als  habe  er  die  Gesamtvorstellung  ausgesprochen. 
Er  hat  aber  auch  die  Absicht,  so  verstanden  zu  werden;  nur 
daß  ihm  aus  irgend  einer  Ursache  die  Möglichkeit  der  vollständig 
durchgeführten  Vorstellungs-  und  Lautgliederung  fehlt. 

Die  Ursachen,  die  den  Sprechenden  hindern  können,  eine 
von  ihm  zur  Mitteilung  bestimmte  Gesamtvorstellung  vollständig 
zti  gliedern  und  auszusprechen,  fallen  zum  Teil  mit  den  S.  265  f. 
angegebenen  zusammen.  Es  kann  der  Fall  eintreten,  daß  dem 
Sprechenden  der  sprachliche  Ausdruck  für  eine  zur  Aussprache 
drängende  Yorstellung  überhaupt  noch  nicht  zur  Verfügung  steht. 
Wenn  das  Kind  sagt  Papa  —  Hut,  so  können  seine  Vorstellungen 
vielleicht  schon  soweit  differenziert  sein,  daß  es  mit  seinem  Satze 
genau  dasselbe  meint,  wie  wenn  wir  sagen:  Der  Papa  hat  den 
Hut  auf.  Xur  die  sprachliche  Ausdrucksfähigkeit  ist  dahinter 
zurückgeblieben.  Weiterhin  kann  irgend  eine  augenblickliche 
psychische  Affektion  den  sonst  zu  Gebote  stehenden  spraclilichen 
Ausdruck  hemmen,  wie  bei  dem  in  der  Angst  ausgestoßenen 
Warnungrufe  Kind!  Die  vollständige  Gliederung  der  vorschwe- 
benden Vorstellungsmasse  und  damit  auch  ihr  vollständiger  sprach- 
licher Ausdruck  kann  aber  auch  durch  den  Mangel  an  psychischer 
Energie  verursacht  werden.  Ein  solcher  Mangel  tritt  in  der  Regel 
ein,  wenn  wir  in  der  Bezugnahme  auf  etwas  eben  Geäußertes 
nur  die  uns  am  wichtigsten  erscheinende  Vorstellung  sprachlich 
ausdrücken,  z.  B.  in  gut!  als  zustimmender  Antwort.^)  Die  Über- 
flüssigkeit der  vollständigen  Mitteilung  veranlaßt  diesen  Mangel 
an  Energie.  Hat  sich  der  Mangel  eines  eigenen  sprachlichen 
Ausdrucks  für  eine  bestimmte  Vorstellung  oder  Vorstellungs- 
masse in  einem  einzelnen  Fall  einmal  eingestellt,  so  können  solche 
Fälle  durch  ihre  äußere  Form  auch  da  vorbildlich  werden,  wo 
die  ursprüngliche  psychische  Voraussetzung  dafür  nicht  mehr 
vorhanden  ist.  Das  ist  z.  B.  der  Fall  in  dem  sprichwörtlichen 
Ausdruck  Ein  Mann  —  ein  Wort,  wo  der  Sprechende  oft,  wenn 
auch  nicht  immer,   imstande  sein  würde,  die  ursprünglich  aus 

1)  Diese  Beschränkung  auf  das  Wichtigste  und  Unterscheidende  hat 
auch  ohne  Zweifel  die  Bildung  der  Bahuvrihi  wesentlich  gefördert;  vgl. 
Brugmann  IF.  18,  61  ff. 


270  E.  Rodenbnsch, 

Mangel  an  sprachlicher  Differenzierung  von  unserm  Standpunkt 
ans  gelassene  Lücke  auszufüllen.  Diese  Tradition  ist  naturgemäß 
am  festesten  da,  wo,  wie  in  sprichwörtlichen  Wendungen ,  die 
usuell  gewordene  Form  keine  Konkurrenz  duldet. 

Hiernach  könnte  es  scheinen,  als  seien  Äußerungen  wie 
Kind!  im  Sinne  eines  "Warnungsrufes,  gut!  als  Antwort,  Kein 
Wort  mehr!  usw.  wohl  im  Sinne  des  zugrunde  liegenden  Yor- 
stellungsverlaufes,  nicht  aber  vom  Standpunkt  der  sprachlichen 
Darstellung  vollständige  Sätze.  Wundt  nennt  sie  daher  Satz- 
äquivalente oder  Satzfragraente.  Diese  Auffassung  hat  das  Miß- 
liche, daß  neben  dem  Satz  als  dem  Mittel  sprachlicher  Mitteilung 
auch  das  Satzbruchstück,  also  der  nicht  etwa  unentwickelte, 
sondern  verstümmelte  Bestandteil  dessen,  was  dem  Zwecke  voll- 
kommen dient,  anerkannt  werden  muß.  Schon  die  Unsicherheit 
in  der  Abgrenzung  gegen  die  vollständigen  Sätze  zeigt  das  wenig 
Befriedigende  dieser  Ansicht.  In  der  Tat  ist  die  Auffassung,  wo- 
nach ein  Teil  des  Mitzuteilenden  sprachlich  keinen  Ausdruck 
findet,  vom  sprachpsychologischen  Standpunkt  kaum  haltbar.  Die 
—  in  dem  üblichen  Sinne  —  nicht  ausgesprochene  Yorstellung 
oder  Vorstellungsmasse  wird  vielmehr  in  die  Lautvorstellung  der 
ausgesprochenen  mit  aufgenommen.  Die  Lautvorstellung  Kind!  ^ 
als  Warnung  ausgesprochen,  repräsentiert  nicht  nur  die  Real- 
vorstellung, die  wir  sprachlich  gewöhnlich  mit  Kind  wiedergeben, 
sondern  zugleich,  wenn  auch  nicht  in  deutlicher  Anschauung 
und  Gliederung,  auch  die  Vorstellung  weg!  oder  bleib  weg!  oder 
was  sonst  die  Situation  erfordert.  Es  findet  also  ein  momentaner 
Bedeutungswandel  statt.  Der  Einwurf,  daß  wir  von  diesem  Be- 
deutungswandel auch  sonst  bleibende  Spuren  bemerken  müßten, 
ist  nicht  stichhaltig.  Er  wäre  es  nur,  wenn  die  Verhältnisse 
nicht  dazu  angetan  wären,  die  Nachwirkungen  des  Bedeutungs- 
wandels unter  Umständen  wieder  vollständig  aufzuheben.  Die 
Voraussetzung  dazu  liegt  in  der  stets  wechselnden  Vorstellungs- 
verbindung, in  der  z.  B.  das  Wort  Kind  vorkommen  kann ;  so 
kann  sich  also  der  Sinn  der  Warnung  über  den  einzelnen  Fall 
hinaus  nicht  mit  dem  Worte  assoziieren.  Würde  dagegen  das 
Wort  Kind  ausschließlich  oder  doch  vorzugsweise  in  dem  Sinne 
einer  Warnung  gebraucht  werden,  so  würde  sich  dieser  Vor- 
stellungsiuhalt  mit  der  Lautvorstellung  Kind  fester  verbinden. 
Als  Beleg  hierfür  kann  Virgils  quos  ego  dienen.  An  sich  enthält 
diese  Vorstellungsmasse  keine  Drohung ;  für  die  Adressaten  aber 


Bemerkungen  zur  Satzlehre.  271 

enthielt  sie  nach  dem  ganzen  Zusammenhang  eine  solche.  (In 
weiterer  Entwicklung  der  Bedeutung  wird  aus  diesem  schon 
bestimmter  qualifizierten  Satz  ein  bloßer  Substanzbegriff  in  der 
Bedeutung  des  Substantivs  Drohung  \  einen  ähnlichen  Bedeutungs- 
wandel haben  im  Deutschen  die  "Wortkomplexe  Gottseibeiuns  und 
Jasomirgott  durchgemacht).  Dauernd  verbunden  hat  sich  auch 
die  Vorstellung  der  Willensregung  mit  den  vom  sprachgeschicht- 
lichen Standpunkt  aus  formell  eingliedrigen  Imperativformen, 
ebenso  mit  den  Vokativen  als  auffordernden  Anrufen  i) ;  vgl. 
ferner  Brugmann  IF.  18,  1281 

Demnach  vollzieht  sich  aUe  sprachliche  Mitteilung  in  Sätzen, 
die  hinsichtlich  ihrer  vom  Sprechenden  ihnen  erteilten  Funktion 
stets  als  vollständig  gelten  müssen.  Hinsichtlich  ihrer  Form  kann 
man  sie  nur  dann  als  unvollständig  bezeichnen,  wenn  man  auf  die 
Möglichkeit  des  Bedeutungswandels  nur  in  dem  beschränkteren 
Sinne  Rücksicht  nimmt,  wie  er  in  der  Sprachwissenschaft  üblich 
ist.  Es  sind  aber  lediglich  praktische  Gründe,  die  davon  abhalten 
können,  einem  sprachlichen  Ausdruck  von  bestimmter  Form  inner- 
halb des  wechselnden  Satzzusammenhangs  eine  solche  Wandelbar- 
keit der  Bedeutung  zu  vindizieren,  wie  dies  oben  geschehen  ist^). 

Saarburg;  i.  Lothr.  E.  Rodenbusch. 


1)  Ein  Teil  dessen,  was  hier  besprochen  oder  angedeutet  ist,  wird 
herkömmlich  zur  Ellipse  gerechnet;  s.  Brugmann  Kurzgef.  vgl.  Gramm. 
689  ff.  Eine  wirkliche  Auslassung  findet  aber  nicht  statt,  ebensowenig  wie 
etwa  bei  Karl!  =  Karl  Tcomm!  oder  dgl.  und  bei  Imperativen  davon  her- 
kömmlicher Weise  die  Rede  ist,  obwohl  der  Ausdruck  mehr  meint,  als 
die  Form  anzudeuten  scheint.  Delbrück  Grundfr.  d.  Sprachforsch.  145  leitet 
freilich  aus  der  Unmöglichkeit,  in  Karl!  den  Rest  aller  möglichen  Auf- 
forderungen zu  sehen,  die  Eingliedrigkeit  von  Karl!  überhaupt  ab.  Dabei 
ist  aber  nur  auf  die  äußere  Form  in  abstracto,  nicht  aber  auf  den  im 
einzelnen  Fall  vorhandenen  Vorstellungsinhalt  Rücksicht  genommen.  Vgl. 
ferner,  was  Curtius  in  seinen  Studien  IX,  2,  112  über  SavGoc  bemerkt. 

2)  Wie  fließend  die  Grenze  ist  zwischen  dem  allgemein  als  solchen 
geltenden  Bedeutungswandel  von  Wörtern  und  Wortkomplexen  in  "gram- 
matisch vollständigen  Sätzen"  und  den  hier  besprochenen  Erscheinungen, 
mag  das  Beispiel  der  nhd.  Wendung  alle  sein  vei'anschaulichen.  In 
alle  hat  sich,  ähnlich  der  Kumulierung  unverwandter  Vorstellungen  auf 
ein  formell  eingliedriges  Gebilde  in  den  Imperativen  und  auffordernden 
Anrufen,  neben  der  Vorstellung  der  Totalität  die  davon  völlig  verschiedene 
der  verschwundenen  Existenz  eingestellt.  Ein  weiterer  Schritt  in  der  Be- 
deutungsentwicklung ist  dann  die  vollständige  Verdunklung  der  ursprüng- 
lichen Bedeutung,  wie  sie  annähernd  in  dem  Deutschen  erschöpft^  fertig 
(dial.  =  'seiner  Lebenskraft  beraubt')  und  in  dem  lateinischen  cönfectus 
vernichtet'  erreicht  ist. 


272  M.  H.  Jellinek, 


Zur  Geschichte  einiger  grammatischer  Theorien  und 

Begriife. 

I. 

Delbrück  hat  in  der  Vergleichenden  Syntax  der  idg.  Sprachen 
ni407ff.  dieNamenHauptsatzmidNebensatzbis  zu  Adelungs 
Umständlichem  Lehrgebäude  zurückverfolgt.  Daran  anknüpfend 
will  ich  erstens  die  Vorgänger  Adelimgs  in  Deutschland  nach- 
weisen und  zweitens  einen  Überblick  versuchen  über  dasjenige, 
was  im  17.  und  18.  Jahrh.  in  Frankreich  für  die  Scheidung  jener 
Begriffe  geschehen  ist. 

Adelung  beginnt  das  dritte  Kapitel  seiner  Syntax,  das  'Yen 
den  Sätzen'  betitelt  ist,  mit  der  Bemerkung,  daß  es  bisher  nicht 
üblich  gewesen  sei,  in  den  Sprachlehren  von  den  Sätzen  zu 
handeln.  Diese  Behauptung  ist,  was  die  deutschen  Grammatiken 
betrifft,  im  großen  und  ganzen  richtig.  Es  ist  das  Verdienst 
Adelungs,  hier  die  Bahn  gebrochen  zu  haben  ^).  Auch  ist  es  gewiß 
er  gewesen,  der  die  Namen  Hauptsatz  und  Nebensatz  me  so 
manche  andere  uns  geläufige  Kunstwörter  in  allgemeinen  Umlauf 

1)  Den  Satz  behandelte  Adelung  übrigens  schon  in  der  Deutschen 
Sprachlehre  von  1781.  Die  dort  vorgetragene  Lehre  ist  dieselbe  wie  im 
Umständlichen  Lehrgebäude.  Von  den  älteren  Grammatikern  bespricht 
meines  Wissens  —  abgesehen  von  Bodmer,  über  den  ich  im  zweiten  Teil 
dieses  Aufsatzes  berichten  werde  —  nur  einer  die  Lehre  vom  Satz,  näm- 
lich Christian  Pudor,  Der  Teutschen  Sprache  Grundrichtigkeit  und  Zier- 
lichkeit, Colin  a.  d.  Spree  1672.  Das  Büchlein  ist  sonst  nicht  sehr  bedeutend 
und  Adelung  unbekannt  gewesen.  Pudor  nennt  den  Satz  'Spruchrede',  la- 
teinisch 'Sententia'.  Er  unterscheidet  einfache,  die  nur  einen  Nominativ 
und  ein  Verbum  haben,  und  zusammengesetzte.  Die  letzteren  haben  ent- 
weder einen  Nominativ  und  zwei  Verba,  z.  B.  Alexander  streitet  und  iiber- 
tvindet,  oder  zwei  Nominative  und  ein  Verbum,  z.  B.  Alexander  und  Darms 
streiten,  oder  zwei  Nominative  und  zwei  Verba,  z.  B.  Alexander  überwindet, 
Darius  aber  tvird  geschlagen.  Die  zusammengesetzten  Sentenzen  werden 
in  viele  Unterabteilungen  geteilt,  ohne  daß  Haupt-  und  Nebensätze  unter- 
schieden würden.  Ich  hebe  hervor  die  'Zurücksehende,  Relativa'.  Z.  B. 
Ich  habe  deinen  Brief,  welchen  du  geschrieben,  empfangen.  Die  Perioden 
oder  Schlußreden  bestehen  entweder  aus  einer,  aber  zusammengesetzten 
Sentenz  oder  aus  zwei  oder  mehreren.  "Es  hat  aber  jeder  Periodus  zwey 
Theil:  1.  Den  Vorsatz  irpÖTaciv.  2.  Den  Nachsatz  onröbociv.  Egr.  Wer 
Gott  von  Hertzen  liebet :  irpoTacic,  Der  befleißiget  sich  auch  seine  Gebott 
zu  halten:  ÖTröbocic." 


Zur  Geschichte  einiger  grammatischer  Theorien  und  Begriffe.     273 

gebracht  hat.  Aber  er  hat  sie  nicht  erfunden.  Adelungs  Be- 
deutung besteht  zum  nicht  geringen  Teil  darin,  daß  er  dasjenige, 
was  andere  vor  ihm  geleistet  hatten,  aufgriff  und  in  seinen 
Büchern  vortrug,  die  freilich  ihresgleichen  nicht  hatten  an  ge- 
nauer Kenntnis  des  Sprachstoffs  und  nüchternem  Sinn  für  die 
Bedürfnisse  der  gesetzgebenden  Grammatik. 

Für  die  folgenden  Auseinandersetzungen  wird  es  notwendig 
sein,  einige  der  schon  von  Delbrück  herausgehobeneu  Stellen 
aus  dem  Umständlichen  Lehrgebäude  hier  anzuführen. 

n  572 f.  "In  Ansehung  der  Materie  ist  ein  Satz  entweder 
einfach,  Avenn  er  bloß  aus  dem  Subjecte  und  dessen  Prädicate 
bestehet;  oder  zusammen  gesetzt,  wenn  zwej  und  mehrere 
Sätze  zu  einem  einigen  Satze  verbunden  werden,  der  denn  folglich 
mehrere  Subjecte  mit  ihren  Prädicaten  enthält.  Beyde  Arten 
sind  entweder  nackte  Sätze  .  .  .  oder  ausgebildete  .  .  .  oder 
endlich  erweiterte,  Avenn  Yerhältnisse,  Eigenschaften,  Umstände, 
Bedingungen  u.  s.  f.  zwischen  dem  Subjecte  und  dem  Prädicate 
in  eigenen  Sätzen  eingeschoben,  oder  auch  als  eigene,  aber  nicht 
vor  sich  bestehende  Sätze  dem  Prädicate  angehänget  werden.  Der- 
gleichen eingeschobene  oder  angehängte  Sätze  werden  Neben- 
sätze genannt  und  stehen  alsdann  dem  Hauptsatze  entgegen, 
welchem  sie  zur  nähern  Bestimmung  dienen." 

II  576  f.  "Zusammen  gesetzte  Sätze  sind  solche,  wo  zwey 
oder  mehrere  Sätze  vermittelst  der  Conjunctionen  in  einen  Satz 
zusammen  gezogen  werden.  .  .  .  Die  copulativen,  continuativen, 
disjunctiven  und  exclusiven  Conjunctionen  können  drey  und 
mehrere  Sätze  in  einen  zusammen  ziehen,  allein  die  übrigen 
verbinden  deren  nur  zwey,  welche  allemahl  in  einem  gegen- 
seitigen Verhältnisse  stehen,  und  wovon  derjenige,  welcher  den 
Grund  des  andern  'snthält,  oder  um  deswillen  der  andere  vor- 
handen ist,  weil  er  gemeiniglich  voran  stehet,  der  Vordersatz, 
der  andere  aber  der  Nachsatz  genannt  wird.  Beyde  lassen  sich, 
so   wie   das   Subject   und  Prädicat^)   in   den   wahren   oder 

1)  Dazu  vergleiche  man  S.  568  f.  "In  einer  andern  Betrachtung 
ist  das  Subject  entweder  das  wah^-e  oder  logische  Subject,  dessen  eigent- 
liche Bestimmung  der  übrige  Theil  des  Satzes  ist ;  oder  das  grammatische 
oder  künstliche  Subject,  wenn  vermöge  der  Inversion  ein  Begriff  aus  dem 
Prädicate  in  die  Stelle  des  Subjectes  gesetzel  wird,  um  die  Aufmerk- 
samkeit vorzüglich  auf  denselben  zu  lenken,  da  denn  der  übrige  Theil  des 
Satzes  als  das  Prädicat  dieses  hervor  gezogenen  Begriffes  betrachtet  wird : 
graben  mag  ich  nicht,  für  ich  mag  nicht  graben;  heiter  war  der  Tag,  für 


274  M.  H.  Jellinek, 

logischen,  und  in  den  künstlichen  oder  grammatischen 
Vorder-  und  J^achsatz  eintheilen.  Der  wahre  oder  logische 
Vordersatz  ist  derjenige,  welcher  der  Natur  der  Sache  oder 
dem  Verstände  nach,  den  Grund  des  andern  enthält:  weil  die 
Anstalten  so  schön  getroffen  tvaren,  so  gingen  sie  gut  von  Statten, 
Avo  die  Avirkende  Ursache  der  Natur  der  Sache  nach  A'or  der 
Wirkung  hergehet.  Der  künstliche  oder  grammatische  aber, 
der  nur  in  die  Stelle  des  erstem  gesetzt  wird:  die  Anstalten 
gingen  gut  von  Statten,  iceil  sie  so  schön  getroffen  tvaren,  avo  die 
Wirkung  der  Avirkenden  Ursache  A-orstehet.  So  auch  mit  den 
Nachsätzen." 

Daß  Adelung,  Avie  Delbrück  zu  glauben  scheint  (A'gl.  a.  a.  0. 
S.  410),  nur  RelatiA^sätze  als  Nebensätze  betrachtete,  geht  aus  seiner 
Definition  nicht  hervor,  wenn  auch  die  Beispiele  für  erweiterte 
Sätze  nur  Relativsätze  enthalten.  Es  sieht  vielmehr  so  aus,  als  ob 
derselbe  Satz  Nebensatz  heißen  sollte,  wenn  er  ZAvischen  Subjekt 
und  Prädikat  des  Hauptsatzes  eingeschaltet  ist  oder  dem  Prädikat 
des  Hauptsatzes  folgt,  dagegen  Vordersatz,  wenn  er  dem  über- 
geordneten Satze  vorangeht. 

Freilich  erhebt  sich  da  die  Frage,  Avodurch  sich  denn  ein 
dem  Prädikat  des  Hauptsatzes  folgender  Nebensatz  von  einem 
grammatischen  Nachsatz  unterscheidet,  der  ein  logischer  Vor- 
dersatz ist. 

Das  sind  Unklarheiten,  die  daher  stammen,  daß  Adelung 
eine  konfus  vorgetragene  Theorie  eines  andern  übernommen,  not- 
dürftig verbessert,  aber  auch  durch  einen  Zusatz  widerspruchs- 
voll gemacht  hat. 

Dieser  Vorgänger  Adelungs  ist  der  von  ihm  öfters  mit  Lob 
erwähnte  Rektor  Meiner,  den  er  H  567,  zu  Beginn  der  Satz- 
lehre, als  den  ersten  bezeichnet,  "welcher  in  seiner  philo- 
sophischen Sprachlehre  auch  hierzu  mit  dem  ihm  eigenen 
fruchtbaren  Scharfsinn  den  Weg  gebahnet  hat." 

'Versuch  einer  an  der  menschlichen  Sprache  abgebildeten 
Vernunftlehre  oder  Philosophische  und  allgemeine  Sprachlehre 
entAvorfen  von  Johann  Werner  Meiner  (Leipzig  1781)'  ist  der 
genaue  Titel  des  von  Adelung  also  gerühmten  Werkes.    Dieses 

der  Tag  war  heiter;  wo  ich  und  der  Tag  die  logischen  Subjecte  aus- 
machen, welche  aber  durch  die  Versetzung  in  die  Stelle  des  Prädicates 
gerathen  sind,  daher  graben  und  heiter  nicht  anders  als  grammatische 
oder  künstliche  Subjecte  betrachtet  werden  können." 


Zur  Geschichte  einiger  grammatischer  Theorien  und  Begriffe.     275 

unglaublich  geschwätzige  Buch,  das  Schärfe  der  Begriffe  gar 
oft  vermissen  läßt,  hat  doch  den  f üi*  Deutschland  neuen  Gredanken 
durchgeführt,  die  Bedeutung  der  "Wortklassen  und  Wortformen 
aus  dem  Satz  heraus  zu  entwickeln.  Diese  Aufgabe  löst  der  zweite 
Teil,  der  also  eine  Lehre  vom  einfachen  Satze  vorstellt.  Der  dritte 
Teil  handelt  Von  der  Yerbindung  ganzer  Sätze  zu  einer  förm- 
lichen Periode'.  Hier  lehrt  nun  Meiner  im  ersten  Abschnitt 
S.  319 ff.  folgendes: 

"Wir  mögen  reden  wenn,  wo  und  wovon  wir  wollen,  so  liegt 
bey  unserer  Rede,  sie  sey  auch  noch  so  kurz,  dennoch  allemal 
ein  aus  Subjekt  und  Prädikat  bestehender  Satz  zum  Grunde,  um 
welches  willen  wir  reden,  oder  ohne  welchen  wir  nicht  geredet 
haben  würden.  Diesen  Satz  wollen  wir  den  Hauptsatz  nennen, 
sententiam  principalem.  .  .  .  Nun  kann  von  diesem  Hauptsatze 
1.  entweder  das  Subjekt  durch  Angebung  mehrerer  Eigenschaften 
und  Verhältnisse  von  ihm  kenntlicher  gemacht,  und  entweder 
durch  Angebung  neuer  Namen,  so  ihm  seiner  Eigenschaften  und 
Verhältnisse  wegen  zukommen,  oder  durch  Angebung  mehrerer 
Prädikate  von  ihm  beschrieben  werden.  Im  erstem  Falle  ge- 
schieht diese  Beschreibung  durch  die  Apposition.  ...  Im  letz- 
tern Falle  aber  verbindet  man  die  zur  Beschreibung  des  Sub- 
jekts neu  hinzugesetzte  Prädikate  mit  dem  Subjekt  durch  das 
Pronomen  qui^  quae^  quod^  wodurch  ein  neuer  Satz  entstehet. 
n.  Oder  man  giebt  Gründe,  warum,  oder  Bedingungen, 
unter  welchen,  oder  Umstände  der  Zeit  und  des  Orts, 
bey  welchen  das  Prädikat  dem  Subjekte  zukömmt  oder 
zukommen  soll,  an.  In  allen  diesen  Fällen  entstehen  neue 
Sätze,  die  man  entweder  vor  dem  Hauptsatze  vorausgehen  und 
durch  bequeme,  das  ist,  ihrem  Verhältniß  gegen  den  Hauptsatz 
angemessene  Partikeln  mit  diesem  Hauptsatze  verbinden,  oder 
zwischen  dem  Subjekte  und  Prädikate  des  Hauptsatzes  einschalten 
kann.  Geschieht  das  erstere,  so  wird  das  Skelet')  zu  einer  zu- 
sammengesetzten Periode  fertig,  welches  aus  Vordersatz 
und  Nachsatz  bestehet;  geschieht  aber  das  letztere,  so  wird 

1)  Die  zusammengesetzte  Periode  selbst  entsteht  nach  Meiner  erst 
dadurch,  daß  zwischen  Vorder-  und  Nachsatz  andere  Sätze  eingeschaltet 
werden.  Über  das  Mißverständnis ,  das  der  Anschauung  zugrunde  liegt,  daß 
es  'das  eingeschaltene'  sei,  "worinnen  das  Wesentliche  des  Periodischen 
zu  suchen  ist",  weiter  unten.  In  seiner  Beschreibung  der  einzelnen  Arten 
der  Periode  spricht  übrigens  Meiner  gewöhnlich  von  zusammengesetzter 
Periode  schlechtweg,  statt  vom  Skelett  der  zusammengesetzten  Periode. 


276  M.  H.  Jellinek, 

daraus  eine  wirkliche  einfache  Periode,  und  die  einge- 
schaltenen  Sätze  heißen  alsdenn  Nebensätze  {propositiones  se- 
cundariae)." 

"Wir  sehen  hier  sofort,  daß  Meiner  das  Streben  nach  einer 
an  den  Gegensatz  von  Subjekt  und  Prädikat  sich  anschließenden 
Dichotomie  einen  argen  Streich  gespielt  hat.  Denn  Sätze  mit 
qui  quae  quod  lassen  sich  an  beliebige  Substantiva,  auch  an  solche, 
die  nicht  Subjekt  sind,  anschließen.  Perner  erfährt  man  nicht, 
was  denn  eine  aus  Hauptsatz  und  Relativsatz  bestehende  Ver- 
bindung ist.  Ein  einfacher  Satz  kann  sie  natürlich  nicht  sein, 
nach  Meiners  Definitionen  aber  auch  keine  Periode.  Meiner  macht 
denn  auch  im  folgenden  von  seiner  Dichotomie  weiter  keinen 
Gebrauch.  Er  behandelt  zwar  bei  Besprechung  der  einzelnen 
Arten  der  Periode  die  Verbindung  mit  Relativsätzen  nicht  aus- 
drücklich, aber  aus  verschiedenen  Beispielen  und  Ausführungen 
geht  hervor,  daß  er  auch  diese  Verbindungen  zu  den  Perioden 
rechnet. 

Auch  wenn  man  von  den  Relativsätzen  absieht,  sind  durch 
Meiners  Definitionen  gar  nicht  alle  möglichen  Arten  der  Ver- 
bindung mehrerer  Sätze  erschöpfend  charakterisiert.  Seine  Perio- 
dus  circumscriptiva  läßt  sich  in  keiner  Rubrik  unterbringen.  Er 
handelt  über  sie  im  §  59  S.  337  ff.  "VII.  Können  zween  Sätze 
mit  einander  in  einem  so  genauen  Verhältnisse  stehen,  nach 
welchem  sie  beyde  zusammengenommen  einen  vollkommenen 
Satz  mit  einander  ausmachen,  daß  also  der  eine  gleichsam  ent- 
weder das  Subjekt  oder  den  leidenden  Gegenstand  von  dem 
Prädikat  des  andern  vorstellet.  Z.  E,  Daß  du  meiner  beständig 
eingedenk  bist,  das  ist  mir  höchst  angenehm."  Wenn  der  daßSatz 
das  Subjekt  des  folgenden  ist,  kann  er  natürlich  nicht  zwischen 
Subjekt  und  Prädikat  eingeschaltet  sein.  Er  geht  aber  auch 
keinem  andern  Satz  vorher,  da  er  ja  erst  mit  dem  folgenden 
zusammen  'einen  vollkommenen  Satz'  ausmacht. 

Endlich  ist  in  der  Definition  der  Fall  nicht  berücksichtigt, 
daß  der  Nebensatz  dem  Hauptsatz  folgt.  Man  darf  aber  ja  nicht 
glauben,  daß  Meiner  solche  Satzverbindungen  nicht  als  Perioden 
betrachtet.  So  unterscheidet  er  bei  der  Besprechung  dev  periodus 
conditionalis  S.  328  f.  drei  Arten  der  Verbindung  des  Bedingungs- 
satzes mit  dem  Hauptsatz.  "1)  entweder  wird  der  bedingte  Satz^) 


1)  'Bedingte  Sätze'  heißen  bei  Meiner  die  Bedingungssätze. 


Zur  Geschichte  einiger  grammatischer  Theorien  und  Begriffe.     277 

zwischen  dem  Subjekte  und  Prädikate  eingeschalten  .  .  2)  oder 
der  bedingte  Satz  wird  zum  Vordersatz,  der  Hauptsatz  aber  zum 
Nachsatz  gemacht . .  3)  oder  der  bedingte  Satz  wird  dem  Haupt- 
satz als  ein  Anhang  nachgesetzt."  Oder  S.  384  bei  der  Besprechung 
der  Kausalperiode  wird  wieder  eine  'gedoppelte  Ordnung'  aner- 
kannt. Nämlich  '1)  entweder  gehet  der  Satz,  der  der  Wirkung 
gleichet,  voraus,  und  der.  so  die  Beschaffenheit  einer  Ursache 
an  sich  trägt,  folget  ihm  . .  2)  oder  es  gehet  der  Satz,  so  die  Ur- 
sache enthält,   vor  dem,  der  die  Wirkung  beschreibt,  voraus." 

Meiner  scheint  die  Unvollständigkeit  seiner  Definition  ein- 
gesehen zu  haben,  ohne  jedoch  den  betreffenden  Abschnitt  um- 
zuarbeiten. In  der  eine  ausführliche  Disposition  des  Ganzen 
enthaltenden  Einleitung,  die  wohl  später  geschrieben  (aber  nicht 
gedruckt)  ist  als  der  eigentliche  Text,  lesen  wir  S.  17  als  Inhalts- 
angabe des  I.  Abschnitts  des  IH.  Teils  ". . .  wie  vielerley  die  Perioden 
sind,  nämlich  1.  entweder  einfache,  die  einen  einzigen 
Satz  zur  Grundlage  haben,  der  durch  allerhand  Einschaltungen, 
so  zwischen  dem  Subjekt  und  Prädikat  gemacht  werden, 
zerschlagen  worden  ist.  Auch  werden  an  den  Hauptsatz 
andere  Sätze  angeschlossen.  Wir  wollen  sie  angeschlossene  Sätze 
nennen." 

Wir  erkennen  jetzt  den  Ursprung  des  Widerspruchs  bei 
Adelung.  Er  hat  eingesehen,  daß  Meiners  Definition  im  eigent- 
lichen Text  ungenügend  ist  und  der  Einleitung  folgend  die  Yer- 
bindung  eines  Hauptsatzes  mit  einem  ihm  folgenden  Nebensatz 
als  eine  Form  des  erweiterten  Satzes,  wie  er  die  einfache  Periode 
Meiners  nennt,  bezeichnet.  Anderseits  hat  ihn  Meiners  Be- 
sprechung der  'gedoppelten  Ordnung'  bei  den  Kausalperioden 
auf  den  unglücklichen  Gedanken  gebracht,  die  Begriffe  'logischer' 
und  'grammatischer  Vorder-  und  Nachsatz'  einzuführen. 

Darin  folgt  aber  Adelung  seinem  Vorgänger,  daß  er  gram- 
matisch ganz  gleichartige  Sätze,  je  nach  der  Stellung,  bald  als 
Neben-,  bald  als  Vordersätze,  bald  als  Haupt-,  bald  als  Nachsätze 
bezeichnet.  Die  Terminologie  ist  höchst  unglücklich,  da  die  Be- 
zeichnung Haupt-  und  Nebensatz  das  logische  Verhältnis  ins 
Auge  faßt,  das  von  der  Stellung  ganz  unabhängig  ist. 

Bei  Meiner  sprengen  denn  auch  die  Tatsachen  das  Gefäß 
der  schlechten  Theorie. 

Schon  im  ersten  Abschnitt  des  dritten  Teils  gebraucht  er 
das  Wort  Hauptsatz  mitunter  in  umfassenderer  Bedeutung,  auch 


278  M.  H.  Jellinek, 

mit  Beziehung  auf  zusammengesetzte  Perioden  ^).  Und  im  vierten 
Abschnitt,  der  von  der  Zusammenziehung  der  Sätze  durch  die 
Partizipien  handelt,  ist  überhaupt  nur  von  Haupt-  und  Neben- 
sätzen die  Rede.  Und  es  heißt  hier  (S.  392 f.):  "Uebrigens  kann 
der  Nebensatz  dem  Hauptsatze  bald  vor,  bald  nach  gesetzet, 
bald  zwischen  dem  Hauptsatze  eingeschalten  seyn."  M.  a.  W. 
Nebensatz  bleibt  Nebensatz,  wo  er  auch  stehen  mag.  Hier  werden 
auch  die  durch  welcher^  der,  qiii,  quae,  quod  usw.  eingeleiteten 
Sätze  ausdrücklich  als  Nebensätze  bezeichnet.  Ein  solcher  Neben- 
satz ist  so  beschaffen,  "daß  er  von  einem  noth wendigen  Be- 
stimmungsterminus des  Prädikats  im  Hauptsatze,  es  mag 
solcher  seyn,  welcher  es  wolle,  es  können  aber  deren  Sechse 
seyn,  ein  eigenes  Prädikat  zu  dessen  mehrerer  Erklärung  angiebt." 
Die  sechs  möglichen  Bestimmungstermini  sind,  wie  man  aus  dem 
3.  Abschnitt  des  zweiten  Teils  ersehen  kann,  die  Substantiva, 
deren  verschiedene  Beziehungen  zum  Prädikat  durch  die  sechs 
Kasus  des  Lateinischen  augegeben  werden.  Es  wird  demnach 
hier  ausdrücklich  erklärt,  daß  der  Relativsatz  sich  an  ein  in 
beliebigem  Kasus  stehendes  Substantiv,  also  nicht  bloß  an  das 
Subjekt,  anschließen  kann;  die  unvernünftige  Dichotomie  von 
S.  320  f.  ist  mithin  stillschweigend  fallen  gelassen. 

In  diesem  vierten  Abschnitt  des  dritten  Teils  sind  die  Aus- 
drücke Haupt-  und  Nebensatz  so  ziemlich  im  heutigen  Sinn  an- 
gewandt 2).  Es  war  ein  großer  Pehler  Adelungs,  daß  er  nicht  hier 
anknüpfte,  sondern  sich   im   großen   und  ganzen  die   schiefen 

1)  So  eigentlich  schon  in  der  Definition  der  Periode  s.  o.  S.  275.  Vgl. 
ferner  S.  325  f.  "Weil  nun  auf  solche  Weise  bey  einer  einfachen  Periode 
sowohl,  als  bey  einer  zusammengesetzten,  mehrere  Sätze  entstehen,  davon 
allezeit  die  Hauptsätze  (principales)  von  den  Nebensätzen  {secundariis) 
wohl  unterschieden  werden  müssen ;  so  erfordert  die  Deutlichkeit  der  Rede, 
daß  das  Verhältniß  der  Vordersätze  gegen  ihre  Hauptsätze  in  zusammen- 
gesetzten Perioden,  und  der  Nebensätze  gegen  ihre  Hauptsätze  in  beyder- 
ley  Perioden,  durch  gewisse  Wörter  aufs  genaueste  bestimmt  werde."  (Oder 
ist  das  zweite  Hauptsätze  verschrieben  für  Nachsätze'^)  Ferner  S.  327. 
"Der  Satz,  der  die  Bedingung  enthält,  heißt  der  bedingte  Satz ;  der  aber, 
der  den  unter  der  gesetzten  Bedingung  möglichen  Erfolg  erklärt,  wird  der 
Hauptsatz  genennet." 

2)  Wie  wenig  aber  Meiner  fähig  war,  einen  klaren  Gedanken  fest- 
zuhalten, beweist  die  Vorrede,  die  besonders  paginiert,  also  wohl  später  ge- 
druckt ist  als  das  eigentliche  Werk.  In  dieser  Vorrede  S.  LVH  werden 
der  beiden  Sätze,  die  das  Skelett  der  zusammengesetzten  Periode  bilden, 
als  zwei  Hauptsätze  aufgefaßt !  Also  ein  Rückschritt  selbst  gegen  den 
1.  Abschnitt  des  3.  Teils. 


Zur  Geschichte  einiger  grammatischer  Theorien  und  Begriffe.     279 

Darlegungen  des  ersten  Abschnitts  zu  eigen  machte.  Dadurch 
hat  er  sich  auch  die  Möglichkeit  verscherzt,  in  der  Lehre  von 
der  Wortstellung  die  einfache  Formulierung  aufzustellen,  daß  die 
Verbindende  Wortfolge'  ihren  Platz  im  ISTebensatze  hat. 

Woher  stammen  nun  aber  die  Unklarheiten  und  Wider- 
sprüche in  Meiners  Periodenlehre?  Einfach  daher,  daß  er  eine 
Grammatik  schreiben  wollte  und  dabei  eine  Rhetorik  benutzte. 
Als  Grammatiker  hatte  er  die  Aufgabe,  alle  Arten  der  Satzver- 
bindungen zu  beschreiben.  Diese  Satzverbindungen  nannte  er 
Perioden.  Den  Begriff  der  Periode  entnahm  er  aber  jener  Rhe- 
torik, die  nur  gewisse  Gattungen  der  Satzverbindungen  als 
Perioden  gelten  ließ,  nämlich  diejenigen,  in  denen  ein  abge- 
schlossener Sinn  erst  mit  dem  Ende  des  ganzen  gegeben  ist^). 
Dazu  kam,  daß  der  Rhetoriker  seinen  speziellen  Zwecken  ent- 
sprechend eine  andere  Terminologie  anwenden  durfte,  als  sie 
für  den  Grammatiker  zulässig  war. 

Die  Rhetorik,  die  Meiner  benutzte,  sind  die  Initia  Rheto- 
rica  in  Jo.  Aug.  Ernesti's  Initia  doctrinae  solidioris 2).  Es  heißt 
da  im  §  367:  Vniuerse  igitur  periodus  est^  cum  sensus perfedus 
suspenditiir  per  interiecta  membra,  quae  amhitum  efficiunt.  Id 
quäle  sit,   clarius  intelligitur  e  formis  pei'iodi^  et  eins  stnicfura. 


1)  Vgl.  S.  325  ''Man  siehet  hieraus  zur  Gnüge,  daß  es  bey  dem 
Periodischen  bloß  auf  Einschaltungen  ankömmt,  wodurch  bey  einem 
einfachen  Satze  das  Subjekt  und  Prädikat,  wenn  es  eine  einfache 
Periode  werden  soll;  bey  einem  Doppelsatz  aber,  der  Vorder-  und 
Nachsatz,  wenn  es  eine  zusammengesetzte  Periode  werden  soll, 
getrennt  und  zerschlagen  werden  müssen,  oder  doch  wenigstens  die  Sätze 
also  geordnet  werden,  daß  man  nicht  eher  zum  völligen  Aufschluß  des 
Verstandes  gelangt,  als  bey  dem  letzten  Satze,  nachdem  man  einen  ganzen 
Umfang  von  Worten  durchlaufen  ist."  Meiner  hat  aber  nicht  erkannt, 
daß  die  hier  zuletzt  definierte  Eigentümlichkeit  des  Periodischen  schon 
durch  das,  was  er  Skelett  einer  zusammengesetzten  Periode  nennt,  erfüllt 
wird.  Deshalb  meint  er,  daß  die  förm.liche  zusammengesetzte  Periode 
zwischen  Vorder-  und  Nachsatz  noch  andere  Nebensätze  einschalten  müsse, 
und  deshalb  kommt  er  überhaupt  dazu,  in  den  Einschaltungen  das  Wesen 
des  Periodischen  zu  erblicken,  während  sie  doch  nur  eines  der  Mittel 
sind,  um  den  Zweck,  die  suspensio  sensus  perfectl  bis  ans  Ende,  zu 
erreichen. 

2)  Die  dritte  Auflage  der  Initia  doctrinae  solidioris  (Leipzig  1750) 
ist  die  erste,  die  die  Rhetorik  enthält.  Die  fünfte  Auflage  (Leipzig  1769) 
stimmt  an  den  zitierten  Stellen  wörtlich  mit  der  dritten  überein.  — 
Meiner  zitiert  S.  363  eine  Stelle  aus  den  Initia  Rhetorica  "unsers  großen 
Ernesti'. 


280  M.  H.  Jellinek, 

Simplex  igitur  est.,  in  qua  est  vna  sententia  principalis,  sed  ita, 
vt  a  subiedo  ad  attrihutum  transitus  sit,  siue  a  parte  vna  prin- 
cipalis  senientiae  ad  alteram,  per  interpositas  enunciationes  secun- 
darias.  Secundariae  autein  exponimt  caussas,  conditionem,  Trepicidceic 
temporuni,  et  similia.  §  369:  Composita periodus  est  ex  antecedente 
et  consequente,  vel  vno,  vel  pluribus :  vnde  bimembres,  trimembres, 
et  qtiadrimembres  dicunt. 

Ernesti  scheint  für  seine  Periodenlehre  das  Verdienst  der 
Originalität  in  Ansprnch  zu  nehmen.  Von  der  Periode,  heißt  es 
§  366,  paullo  accuratius  dicendum  videtur:  cum  plerosque,  etiam 
dodos,  atque  adeo  de  eloquentia  praedpere  ausos,  videam ,  vim 
periodi  non  satis  assecutos. 

Die  Eigentümlichkeit  dieser  Periodentheorie  besteht  wohl 
darin,  daß  Ernesti  mit  dem  Begriff  des  notwendig  subieduni  und 
attribidum  enthaltenden  Satzes  operiert,  die  Periode  in  Sätze 
zerlegt  und  auf  diese  Weise  die  Art  ihrer  Struktur  klar  legt. 

In  den  viel  gebrauchten  Lehrbüchern  von  Melanchthon  und 
Gerhard  Yossius  kommt  derartiges  nicht  vor^).  Daß  aber  Ernesti 
doch  Yorgänger  gehabt  hat,  möchte  ich  nicht  unbedingt  in 
Abrede  stellen ;  die  Ausführungen  in  Pudors  Grammatik  könnten 
darauf  hindeuten.  Vgl.  auch  die  Fußnote. 

Wie  dem  auch  sei,  jedenfalls  ist  es  Ernesti,  der  mit  seinen 
Ausdrücken  sententia  principalis  und  enunciationes  secundariae  den 
Anstoß  zur  Einführung  der  Begriffe  Hauptsatz  und  Nebensatz 
in  die  deutsche  Grammatik  gegeben  hat.  Derjenige,  der  Ernestis 
Terminus  also  verdeutschte,  war,  wie  wir  gesehen  haben.  Meiner, 
ihr  Propagator  Adelung. 

Ernesti,  dem  es  auf  die  Theorie  der  Periode,  nicht  des 
Satzes  ankam,  hatte  keine  Veranlassung,  zu  untersuchen,  ob  das 
antecedens  zum  consequens  sich  grammatisch  ebenso  verhalte  wie 
die  enunciatio  secundaria  zur  sententia  principalis.    Daß  ]\Ieiner 

1)  Vossius  betont  in  der  Lehre  von  der  Periode  (Commentariorum 
rhetoricorum  sive  oratoriarum  instituLionum  libri  sex,  Lugd.  Bat.  1630,  II 
57  f.)  den  Unterschied  der  rhetorischen  und  grammatisclien  Betrachtungs- 
weise. Den  Grammatiker  interessiert  die  Periode  nur  mit  Rücksicht  auf 
die  Theorie  der  Interpunktion.  Er  gebraucht  die  Kunstausdrücke  in  anderer 
Bedeutung  als  die  alten  Rhetoren.  Für  die  Grammatiker  comma  est  sen- 
tentia imperfecta:  sive  pars  pej'iodi  composita  sine  verbo.  Colon  ijsdem  est 
sententia  perfecta,  sed  relata :  sive  est  pars  periodi  suo  fulta  verbo.  Ifaque 
non  sibi,  sed  periodo  sententiam  perficit.  Item  perlodus  Ulis  est  oratio  sibi 
perficiens  sententiam  :  sive  est  sententia  aliquid  perfecte  absoluteque  signi- 
cans.  V.  selbst  behandelt  die  Periode  vom  Standpunkt  des  Rhetors. 


Zur  Geschichte  einiger  grammatischer  Theorien  und  Begriffe.     281 

seinem  Meister  zu  sklavisch  folgte,  hat  seine  Theorie  entstellt, 
aber  die  Gewalt  der  Tatsachen  hat  ihn  doch  schließlich  dahin 
gebracht,  die  Einteilung  in  Haupt-  und  Nebensätze  auf  die  Grlieder 
aller  Perioden  anzuwenden. 

Es  finden  sich  jedoch  in  Meiners  Satzlehre  auch  Kunst- 
ausdrücke, die  nicht  auf  Ernesti  zurückgehen.  S.  836  heißt  es 
von  dem  Inhalt  der  durch  daß  oder  daß  nicht  eingeleiteten  Sätze, 
er  könne  entweder  von  dem  vorzüglichen  Grade  des  vorher- 
gehenden Prädikats,  der  durch  die  Wörter  so^  so  gar,  so  sehr  usw. 
ausgedrückt  werde,  oder  von  dem  Befehl,  von  der  Bitte  usw., 
die  in  dem  Prädikat  enthalten  seien,  abhängen.  S.  359  wird 
gesagt,  daß  von  zwei  Sätzen,  von  denen  der  eine  mit  is,  der 
andere  mit  qiii  anfängt,  der  erste  der  regierende,  der  zweite 
der  regierte  ist.  Besonders  wichtig  ist  aber  der  'von  dem 
erzählenden  StyF  (wir  würden  sagen  von  der  indirekten  Eede) 
handelnde  dritte  Abschnitt  des  dritten  Teils.  Hier  wird  folgendes 
gelehrt  (S.  37 9 f.):  "Man  hat  aber  bey  dem  erzählenden  Styl  alle- 
zeit dreyerley  Sätze  zu  unterscheiden:  1)  Den  Haupt-  und  re- 
gierenden Satz,  von  dem  die  ganze  Erzählung  abhängt  .  .  (dieser 
regierende  Satz  wird  später  'der  König  des  erzählenden  Styls' 
genannt).  2)  Solche  Sätze,  die  von  dem  Könige  des  erzählenden 
Styls  oder  von  dem  Verbo  sensus  und  dedarandi  unmittelbar 
abhängen,  und  mit  ihm  durch  daß  verbunden  sind,  obgleich  das 
daß  unterdrückt  worden  ist.  Diese  wollen  wir  Sätze  der  ersten 
Ordnung,  oder  unmittelbar  abhängende  Sätze  nennen. 
3)  Solche  Sätze,  die  von  den  unmittelbar  abhängenden  Sätzen 
wieder  abhängen,  diese  werden  Sätze  der  andern  Ordnung 
oder  mittelbar  abhängende  Sätze  genennet." 

Weiter  wird  die  Einteilung  nicht  getrieben.  Sätze,  die  kon- 
sequent als  solche  dritter  Ordnung  bezeichnet  werden  müßten, 
rechnet  Meiner  zu  den  Sätzen  zweiter  Ordmmg.  Die  Strenge 
der  Theorie  ist  gebrochen,  weil  Meiner  sich  von  einer  unbe- 
rechtigten Rücksicht  auf  die  nächsten  Bedürfnisse  der  Praxis 
leiten  läßt  M. 


1)  Da  nämhch  im  Lateinischen  alle  abhängigen  Sätze,  die  nicht 
erster  Ordnung  sind,  das  Verbum  im  Konjunktiv  haben,  hat  sich  Meiner 
nicht  veranlaßt  gesehen,  diese  Konjunktivsätze  weiter  nach  ihrem  Ab- 
hängigkeitsverhältnis einzuteilen.  Die  Sätze  erster  Ordnung  konnte  er  als 
besondere  Gruppe  herausheben,  weil  sie  im  Accusativus  cum  infinitivo 
stehen.  S.  385,  bei  Besprechung  einer  griechischen  Periode,  macht  M.  einen 

Indogermanische  Forschungen  XIX.  19 


282  ]\I.  H.  Jellinek, 

Woher  diese  Übertragung  des  Begriffs  der  Rektion  auf  das 
Terhältuis  verschiedener  Sätze  stammt,  weiß  ich  nicht.  Denn 
die  Arbeiten  der  französischen  Grrammatiker  scheint  Meiner  nicht 
zu  kennen.  Jedenfalls  hat  Meiner  aus  seiner  Übertragung  nicht 
den  Nutzen  gezogen,  den  er  hätte  ziehen  können.  Er  hat  sich 
nicht  klar  gemacht,  daß  abhängiger  Satz  und  Nebensatz  dasselbe 
ist,  und  deshalb  in  der  Theorie  der  Periode  nicht  scharf  zwischen 
der  Verbindung  koordinierter  und  der  Verbindung  über-  und 
untergeordneter  Sätze  unterschieden  i). 

In  Frankreich  knüpft  die  Unterscheidung  der  Satzarten  an 
die  Arbeiten  der  Männer  von  Port-Royal  an.  Die  Logique  ou 
l'art  de  penser^)  entwickelt  im  8.  Kapitel  des  ersten  Teils  den 
Begriff  der  termes  coynplexes.  Ein  terme  complexe  ist  die  Verbin- 
dung mehrerer  Begriffe  zu  einer  idee  totale.  Der  zweite  Begriff 
kann  durch  ein  Wort  (oder  eine  WortgTuppe)  ausgedrückt  sein, 
z.  B.  un  Corps  transparent  {Alexandre,  fils  de  Philippe)  oder  die 
Anfügung  des  zweiten  Begriffs  kann  mit  Hilfe  des  Pronomen 
relativum  geschehen:  un  corps  qui  est  transparent.  Eigentlich  ist 
das  Relativum  mitverstandeu,  wenn  auch  nicht  immer  ausgedrückt: 
un  Corps  transparent  und  un  corps  qui  est  transparent  sind  gleich- 
bedeutend. Es  wird  weiter  unterschieden,  ob  die  Anfügung  des 
zweiten  Begriffes  den  Charakter  einer  explication  oder  einer  d^- 
termination  hat,  d.  h.  ob  der  zweite  Begriff  niu-  etwas  aussagt, 
was  schon  im  Inhalt  des  ersten  liegt,  z.  B.  l'homme  qiii  est  mortel, 
oder  ob  er  den  Umfang  des  ersten  einschränkt,  z.  B.  le  pape  qui 
est  aujourd'hui. 

Die  Aufstellung  des  Begriffs  der  termes  complexes  erweist  sich 
als  notwendig  für  die  Lehre  vom  Urteil.  Jedes  Urteil  (proposition) 
hat  mindestens  ein  sujet  und  ein  attribut,  es  kann  aber  auch  mehr 
als  eines  haben.  Hat  das  Urteil  nur  ein  sujet  und  ein  attribut. 


schwachen  Ansatz  zu  weiteren  Unterscheidungen,  indem  er  außer  den 
Sätzen  I.  und  IL  Ordnung  einen  eingeschalteten  Satz  und  einen  Anhang 
des  eingeschalteten  Satzes  namhaft  macht;  aber  es  veranlassen  ihn  dazu 
nur  gewisse  Erscheinungen  des  Modusgebrauchs. 

1)  So  bespricht  Meiner  mitten  unter  anderen  Perioden  im  §  55  die 
disjunktiven,  die  durchaw^ — aut,sive — sive,seu — sew  eingeleitet  werden.  Unter 
den  Beispielen  auch  Aiit  bibat,  aut  abeat.  Dabei  spricht  er  von  Vorder- 
sätzen und  Nebensätzen  und  verwickelt  sich  in  einen  offenbaren  Unsinn. 

2)  Zuerst  erschienen  1662  und  dann  oft  aufgelegt.  Neue  Ausgabe 
unter  dem  Titel :  La  logique  de  Port-Royal.  Edition  nouvelle  avec  intro- 
duction  et  notes  par  Alfred  Fouillee,  Paris  1879. 


Zur  Geschichte  einiger  grammatischer  Theorien  und  Begriffe.     283 

SO  heißt  es  proposition  simple:,  hat  es  mehr  als  ein  sujet  oder  mehr 
als  ein  attribut.,  so  heißt  es  proposition  composee.  Von  den  pro- 
positions  composees  sind  aber,  wie  im  5.  Kapitel  des  zweiten  Teils 
ausgeführt  wird,  wohl  zu  unterscheiden  die  proposifions  complexes: 
*Hl  y  a  plusieurs  propositions  qui  n'ont  proprement  qu'un  sujet  et 
qu'un  attribut;  mais  dont  le  sujet  oii  l'attribut  est  un  terme  com- 
plexe,  qui  enferme  d'autres  propositions  qu'on  peut  ajjpeler  inci- 
dentes,  qui  ne  fönt  que  partie  du  sujet  ou  de  l'attribut^  y  etant 
jointes  par  le  pronom  7-elatif,  qui,  lequel,  dont  le  propre  est  de 
joindre  ensemble  plusieurs  propositions,  en  sorte  qu'elles  n'en  com- 
posent  toutes  qu'une  seide." 

Diese  durch  qui  angeknüpften  Urteile  ou  ne  sont  des  pro- 
positions que  fort  imparfaitement  .  .  ou  ne  sont  pas  tant  considerhs 
comme  des  propositions  que  Von  fasse  alors,  que  comme  des  pro- 
positions qui  ont  ete  faites  auparavant,  et  qu'alors  on  ne  fait  plus 
que  concevoir,  comme  si  c'etaient  de  simples  idees.  Darin  zeigt  sich 
der  Unterschied  von  den  propositions  composees.  Wenn  ich  sage: 
Alexandre.^  qui  a  etS  leplus  genereux  de  tous  les  rois^  a  vaincu  Darius, 
so  ist  mein  Hauptzweck  nicht,  von  Alexander  zu  behaupten,  daß 
er  der  großmütigste  aller  Könige  war,  dieses  Urteil  setze  ich 
vielmehr  als  schon  gefällt  voraus  und  faffirme  d' Alexandre  congu 
comme  le  plus  genereux  de  tous  les  rois,  quil  a  vaincu  Darius. 
Sagte  ich  dagegen :  Alexandre  a  ete  le  plus  genereux  de  tous  les 
rois  et  le  vainqueur  de  Darius,  so  ist  es  deutlich,  que  j'affirmerais 
egalement  d' Alexandre,  et  qu'il  aurait  eti  le  plus  genereux  de  tous 
les  rois,  et  qu'il  aurait  ete  le  vainqueur  de  Darius. 

Entsprechend  dem  über  die  termes  complexes  Gesagten  ist 
bei  den  propositions  incidentes  zw  unterscheiden,  ob  eine  explication 
oder  eine  determination  vorliegt.  Der  Gegensatz  von  proposition 
incidente  ist  proposition  principale. 

Mit  demselben  Gegenstand  beschäftigt  sich  vom  gram- 
matischen Standpunkt  die  Grammaire  generale  et  raisonnee^)  in 
der  Lehre  vom  pronom  appele  relatif,  Kapitel  9  des  zweiten  Teiles. 
Das  Relativum  hat  mit  den  übrigen  Pronomina  das  gemein,  daß 
es  die  Stelle  eines  Nomens  vertritt,  es  hat  aber  auch  seine  Be- 


1)  Erschien  zuerst  1660,  also  vor  der  Logique,  die  im  1.  und 
namentlich  im  2.  Kapitel  des  zweiten  Teils  die  Lehren  der  Grammatik 
von  den  Redeteilen  wiedergibt.  Aber  in  späteren  Auflagen  bezieht  sich 
die  Grammatik  wieder  auf  die  Logik.  Ich  habe  eine  Brüsseler  Ausgabe 
von  1678  benutzt,  aber  die  Orthographie  modernisiert. 

19* 


284  M.  II.  Jellinek, 

Sonderheiten.  Erstens  bezieht  es  sich  immer  auf  ein  anderes 
Nomen  oder  Pronomen,  das  man  anUcMent  nennt.  "La  2^  cJiose, 
que  le  relatif  a  de  propre,  et  que  je  ne  sacke  point  avoir  encore 
6tS  remarqm'e  par  personne,  est  que  la  propositmi  dans  laquelle  il 
entre  [qu'on  peut  appeler  incidente)  peut  faire  partie  du  sujet  ou 
de  l'attrihut  d'une  autre  proposition,  qu'on  peut  appeler  principale" . 

Es  folgt  eine  Auseinandersetzung  über  die  termes  complexes 
und  die  propositions  complexes. 

In  der  Gegenüberstellung  von  proposition  principale  und 
proposition  incidente  sehen  wir  den  Ansatz  zu  einer  Unterscheidung 
von  Haupt-  und  Nebensätzen.  Aber  die  propositions  incidentes  um- 
fassen zunächst  nur  die  mit  qui  und  leqtiel  eingeleiteten  Relativsätze. 

Ich  sage  zunächst,  denn  die  Logik  wie  die  Grammatik  von 
Port-Royal  bemühen  sich,  auch  die  mit  quod,  que  =  daß  beginnenden 
Sätze  als  eine  Art  der  propositions  incidentes  zu  erweisen. 

Die  Grammatik  tut  dies  in  ziemlich  äußerlicher,  ober- 
flächlicher Weise,  quod  sei  weder  Adverb  noch  Konjunktion ; 
pour  moi  je  crois  que  c'est  le  relatif,  qui  a  toujours  rapport  a  im 
antecedent,  inais  qui  est  depouille  de  son  usage  de  pronom ;  n'enfer- 
mant  rien  dans  sa  signification  qui  fasse  partie  ou  du  sujet  ou  de 
Vattrihut  de  la  proposition  incidente.  et  retenant  seulement  son  second 
usage  d'unir  la  proposition  oü  il  se  trouve,  ä  um  autre.  Car  dans 
cepassage  de  Ciceron:  Non  tibi  objicio  quod  hominem  spoliasti 
ces  derniersmots  hominem  spoliasti  fönt  une proposition parfaite, 
Oll  le  quod  qui  la  precede,  n'ajoute  rie^i  et  ne  suppose  pour  aucun 
nom :  mais  tout  ce  qu'il  fait,  est  que  cette  meme  proposition  ou  il  est 
johlt,  ne  fait  plus  que  partie  de  la  proposition  entiere  Non  tibi  ob- 
jicio quod  hominem  spoliasti:  au  Heu  que  sans  le  quod  eile 
subsisterait  par  elle-meme^  et  ferait  toute  seule  um  proposition. 

Dagegen  behauptet  die  Logik  im  L  Kapitel  des  zweiten 
Teils,  daß  que.,  quod  alle  Eigenschaften  des  Relativs  beibehalte. 
Mit  deutlicher  Polemik  gegen  Lancelot  heißt  es:  L'autre  usage, 
qui  est  de  tenir  la  place  du  nom  et  de  s'y  rapporter,  y  paratt  ä  la 
veriti  beaucoup  tnoins:  ce  qui  a  fait  dire  ä  quelques  per sonnes  habiUs 
que  ce  que  en  etait  entierement  prive  dans  cette  occasion.  On  pourrait 
dire  n4anmoins  qu'il  le  retient  aussi.  Car,  en  disant  que  Jean  rS- 
pondit,  on  entend  qu'il  fit  une  reponse;  et  c'est  ä  cette  id^e 
confuse  de  r4ponse  que  se  rapporte  ce  que.  De  meme,  quand 
Cic4ron  dit:  Non  tibi  objicio  quod  hominem  spoliasti,  le 
quod  se  rapporte  ä  l'idee  confuse  de  chose  object^e,  formee  par  le 


Zur  Geschichte  einiger  grammatischer  Theorien  und  Begriffe.     285 

mot  d'ohjicio:  et  cette  chose  objectee,  congue d'abord  confusSment, 
est  ensuite  particularisee  par  la  proposition  incidente,  liee  par  le 
quod,  quod  hominem  spoliasti.  .  .  .  Je  vous  dis  que  vous 
avez  tort:  ce  terme^  je  dis,  fait  concevoir  d'abord  confusement  wie 
chose  dite\  et  c'est  ä  cette  chose  dite  que  se  rapporte  le  que.  Je 
dis  que,  c'est-ä-dire  je  dis  une  chose  qui  est. 

Einen  Teil  der  Sätze,  clie  wir  Nebensätze  nennen,  behandelt 
die  Logik  von  P.-R.  in  dem  Abschnitt  von  den  zusammenge- 
setzten Urteilen  (2®  partie,  chap.  9).  Die  zusammengesetzten  Urteile 
zerfallen  in  zwei  Gattungen,  je  nachdem  die  Zusammensetzung 
klar  vor  Augen  liegt  oder  etwas  versteckt  ist.  Die  Urteile  der 
zweiten  Gattung  nennen  die  Logiker  exponibles,  weil  sie  einer 
Auseinanderlegung  bedürfen.  Auf  diese  propositions  exponibles 
gehe  ich  nicht  weiter  ein.  Die  erste  Gattung  hat  sechs  Arten: 
les  copulatives  et  les  disjonctives.,  les  conditionnelles  et  les 
causales\  les  relatives  et  les  discrHives.  Nebensätze  enthält 
der  sprachliche  Ausdruck  der  dritten  bis  fünften  Art. 

Die  Teile  der  propositions  conditionnelles  sind  durch  si  ver- 
bunden ;  der  Bedingungssatz  heißt  Vantecedent.,  der  bedingte  Satz 
le  consiquent.  Die  propositions  causales  enthalten  zwei  Sätze,  die 
durch  quia  {parce  que)  oder  ut  {afin  que)  verbunden  sind.  Die 
propositions  relatives  sind  Celles  qui  renferment  quelque  comparaison 
et  quelque  rapport.  Z.  B.  Oü  est  le  tresor,  lä  est  le  coeur.  Teile 
est  la  vie^  teile  est  la  mort.    Tanti  es,  quantum  habeas. 

Die  andern  Arten  der  propositions  composees  enthalten  keine 
Nebensätze,  ja  die  meisten  Beispiele  sind  so  beschaffen,  daß  über- 
haupt keine  Verbindung  zweier  Sätze  vorliegt,  sondern  derselbe 
Satz  zwei  Subjekte  oder  zwei  Prädikate  oder  zwei  Objekte  oder 
zwei  adverbiale  Bestimmimgen,  bez.  zwei  Subjekte  und  zwei  Prä- 
dikate usw.  enthält^). 

Keinen  nennenswerten  Portschritt  finde  ich  in  den  Aus- 
einandersetzungen von  Du  Marsais,  vgl.  die  Encyclopedie  4,  7  3  ff. 
s.  V.  Construction,  bes.  82ff. ;  Logique  et  Principes  de  Grammaire, 
par  M.  Du  Marsais  (1769)  294  ff. 

Etwas  weiter  geführt  ist  dagegen  die  Lehre  von  den  Satzarten 


1)  Z.  B.  Mors  et  vita  in  manu  linguae.  Ämicitia  pares  aut  accipit 
aut  facit.  Fortuna  opes  auferre,  non  animum  potest.  Non  domus  et  fundus, 
non  aeris  acervus  et  aurt,  aegroto  domini  deduxit  corpore  febres,  non  ani- 
mo  ctiras.  Als  Ausnahmen  kann  man  Fälle  wie  non  enim  amas,  deseris 
betrachten. 


286  M.  H.  Jellinek, 

in  der  Grainmaire  generale  von  Beauz6e  (1767).  Buch  III, 
Kap.  1.  Art.  2  handelt  Den  differentes  esphces  de  Proposifions.  Die 
Einteilung  der  Sätze  geschieht  nach  vier  z.  T.  von  einander  un- 
abhängigen Gesichtspunkten.  Die  propositions  sind  1.  simples  ou 
composees,  2.  incomplexes  ou  complexes,  8.  principales  ou  incidentes, 
4.  ist  zu  unterscheiden  zwischen  proposition  dStachee  und  periode. 

Ein  Satz  ist  zusammengesetzt,  wenn  Subjekt  [sujet)  oder 
Prädikat  {attribut)  zusammengesetzt  ist.  Ebenso  ist  ein  Satz  kom- 
plex, wenn  Subjekt  oder  Prädikat  komplex  ist.  Komplex  ist  aber 
das  Subjekt,  wenn  die  es  vorstellenden  Wörter,  ISTomen,  Pronomen, 
Infinitiv,  mit  einem  Zusatz  versehen  sind,  qui  en  est  un  com- 
pUment  explicatif  ou  determinatif.  Z.  ß.  Les  livres  utiles  sont 
en  petit  nomhre;  vous  qui  connoissez  ma  conduite,  jugez-moi; 
craindre  Dieu  est  le  commencement  de  la  sagesse.  Analoges  gilt 
für  das  komplexe  Prädikat.  L'attribut  est  complexe,  quand  le  mot 
principalement  destine  ä  Snoncer  la  relation  du  sujet  ä  la  maniere 
d'etre  qu'on  lui  attrihue,  est  accompagne  d'autres  ynots  qui  en  modi- 
fient  la  signification.  Z.  B.  Je  suis  attentif  ä  leurs  procedes-, 
je  lis  avec  soin  les  meilleurs  grammairiens.  Der  Begriff 
proposition  complexe  stammt  aus  der  Logik  von  P.-R.  Daß  auch 
Sätze,  deren  Yerbum  ein  Objekt  hat,  eigentlich  komplex  sind, 
wird  in  der  Logik  ausdrücklich  gesagt';. 

Was  die  dritte  Einteilung  betrifft,  so  finden  wir  am  An- 
fang und  am  Ende  der  Erörterung  Definitionen,  die  nicht  ganz 
miteinander  übereinstimmen.  Bd.  2,  S.  22  f.  sagt  B. :  Quand  les 
additions  faites,  soit  au  sujet,  soit  ä  Vattribid,  soit  ä  quelque  aidre 
terme  modificatif  de  l'un  ou  de  Vautre,  sont  elles-memes  des  Pro- 
positions: ces  Propositions  partielles  sont  incidentes,  et  Celles  dont 
elles  sont  des  parties  integrantes,  sont  principales.  Dagegen  2,  29  : 
II  resulte  donc  de  tout  ce  que  Von  vient  de  roir,  qu'une  Proposition 
incidente  est,  dans  une  Proposition  complexe,  une  Proposition  par- 
tielle qui  sert  de  complement  determinatif  ou  explicatif  ä  une  idee 
partielle  qui  appartient  ä  une  autre  Proposition:  cette  autre  Pro- 

1)  2.  Teil,  Kap.  5.  Mais  il  faiit  particulierement  remarqtier  ici  que 
toiites  les  propositions  com2)Osees  de  verbes  actifs  et  de  leur  regime,  peu- 
vent  etre  appeMes  coniplexes,  et  qu'elles  contiennent  en  quelque  maniere  deux 
propositions.  8i  je  dis,  par  exemple,  Brutus  a  tue  un  tyran,  cela  veut  dire 
que  Brutus  a  tue  quelqu'un,  et  que  celui  qu^il  a  tud  dtait  tyran.  D'oti 
vient  que  cette  proposition  peut  etre  contredite  en  deux  tnanieres,  ou  en 
disant:  Brutus  n'a  tud  personne,  ou  en  disant  que  celui  qu'il  a  tu4  n'efait 
pas  tyran. 


Zur  Geschichte  einiger  grammatischer  Theorien  und  Begriffe.     287 

Position  est  principale  ä  l'^gard  de  l'incidente  qui  n'en  est  que 
partie;  Vune  et  l'autre  consfituent  la  Proposition  totale,  qui  est 
complexe. 

Man  beachte  wohl  den  Unterschied.  Nach  der  ersten  De- 
finition würde  jeder  Satz,  der  ein  Yerbum  in  derselben  Weise 
bestimmt  wie  dies  irgend  ein  Adverbium  tut,  eine  proposition 
incidente  sein,  nach  der  zweiten  ist  nur  der  Satz  eine  proposition 
incidentej  der  ein  Bezugswort  in  der  proposition  principale  hat. 
Aber  Beauzoe  hat  sich  nicht  klar  gemacht,  was  seine  erste  De- 
finition eigentlich  besagt.  Ernst  ist  es  ihm  nur  mit  der  zweiten 
Definition.  Allein  der  Umfang  des  Begriffs  der  proposition  inci- 
dente ist  gegenüber  der  Logik  von  P.-R.  erweitert.  In  ausdrück- 
liclier  Polemik  gegeji  dieses  Werk  wird  gesagt,  daß  nicht  nur 
qui  die  proposition  incidente  anknüpfen  kann ;  tout  mot  conjonctif 
qui  peid  avoir  rapport  ä  un  antScedent,  peut  ä  ce  titre  devenir  le 
lien  d'une  Proposition  incidente.  Da  Beauzee  mit  der  Annahme 
zu  ergänzender,  nicht  ausgedrückter  Bezugsworter  arbeitet,  so 
gelingt  es  ihm,  eine  ganze  Reihe  von  Scätzen  als  propositions 
incidentes  in  Anspruch  zu  nehmen.  So  die  Sätze,  die  eingeleitet 
werden  durch  quiconque  =  tout  homme  qui,  quoi  {de  quoi  =  la  chose 
de  laqueUe)\  lat.  cuius  (adj.),  cuias.,  qualis^  quantus,  quot.,  quotus; 
ponrquoi  coinbien^  comment,  oü.  Sogar  die  w^-Sätze  werden  hier 
eingereiht ;  vor  ut  ist  bald  statim,  bald  ita,  bald  in  hunc  finem 
zu  ergänzen.  Die  queSätze  hatte  schon  die  Logik  von  P.-R. 
zu  den  propositions  incidentes  gerechnet.  Interessant  ist,  daß  B. 
bei  seinen  Erörterungen  hier,  außer  auf  das  Französische,  auch  auf 
das  Italienische,  das  Deutsche  und  das  Englische  Bedacht  uimmt^). 

1)  p.  29.  Jecrois  QUE  f  ahne,  c'est-ä-dire,  je  crois  une  chose  QUI  EST, 
faime:  en  itahen,  credo  CHE  nmo,  c'est-ä-dire,  credo  cosa  CHE  E,  amo: 
en  allemand,  ich  glaube  DASS  ich  liehe,  c'est-ä-dire,  ich  glaube  ein  ding 
DASS  IST,  ich  liebe:  en  anglois,  i  thinck  THAT  i  love,  c'cst-ä-dire, 
i  thinck  a  thing  THAT  IS,  i  love.  Die  EUipsenlheorie  hätte  es  B.  er- 
möglicht,  eine  ganze  Reihe  von  Sätzen,  die  durch  Konjunktionen  ein- 
geleitet sind,  für  jyropositions  incidentes  zu  erklären ;  wenn  quiconque  gleich 
ist  tout  homme  qui,  so  ist  si  gleich  ä  conditio»  que.  Auf  diesen  Gedanken 
ist  aher  B.  nicht  gekommen;  im  Gegenteil,  er  sagt  etwa  p.  33  :  Au  Heu 
de  Her  V incidente  ä  l'antdcedent  pur  le  mot  conjonctif  destine  ä  cette  fin; 
on  peut  la  rendre  principale  et  la  Her  ä  Vautre  principale  par  la  con- 
jonction  conditionnelle  si  usw.  Nebenbei  bemerkt,  wenn  hier  ein  mit  si  be- 
ginnender Satz  schlechtweg  als  proposition  principale  bezeichnet  wird, 
so  ist  nicht  mehr  an  der  Definition  festgehalten,  nach  der  proposition  prin- 
cipale ein  korrelativer  Begriff  ist  und  eine  proposition  incidente  voraussetzt- 


288  M.  H.  Jellinek, 

Aber  es  bleiben  eine  Menge  von  Nebensätzen  in  unserm 
Sinne  übrig,  die  Beauzee  nicht  zu  den  propositions  incidentes 
rechnet.  Diese  werden  in  dem  Abschnitt  besprochen,  der  vom 
Unterschied  der  propositions  detacMes  und  der  Perioden  handelt. 
Die  Definitionen  lauten  (S.  40  bzw.  41) :  JJne  Proposition  d^tachee 
est  Celle  qui,  seide  et  sSparSe  de  taute  autre,  enonce  un  sens  complet 
et  fini.  Une  Periode  est  l'expression  d'un  sens  complet  et  fini,  au 
moyen  de  plusieurs  Propositions  qui  ne  sont  point  parties  inte- 
grantes  les  unes  des  autres,  mais  qui  sont  tellement  liees  ensemble 
que  les  unes  supposent  necessairement  les  autres  pour  la  plenitude 
du  sens  total. 

Die  proposition  detachee  kann  komplex  sein,  denn  die 
proposition  incidente  bildet  einen  integrierenden  Bestandteil 
der  proposition  principale.  Dagegen  sind  die  GKeder  einer 
Periode  grammatisch  von  einander  unabhängig,  wenn  sie  auch 
alle  zusammen  zum  Ausdruck  des  Gesamtsinnes  notwendig 
sind.  Aus  den  Beispielen  geht  hervor,  daß  Beauzee  einen 
durch  si  eingeleiteten  Satz  ebenso  für  ein  grammatisch  unab- 
hängiges Glied  einer  Periode  hielt,  wie  einen  mit  mais  begin- 
nenden. 

Die  Periode  im  Sinne  Beauzees  entspricht  zum  Teil  der 
proposition  composee  der  Logik  von  P.-R.  Aber  es  zeigt  sich 
der  Unterschied  zwischen  dem  Logiker  und  dem  Grammatiker. 
Beauzee  fordert  für  den  Begriff  der  Periode  mehrere  Sätze,  der 
Logik  von  P.-R.  genügen  für  die  proposition  composee  mehrere 
Subjekte  oder  mehrere  Prädikate.  Was  die  Logik  proposition 
composSe  nennt,  verteilt  sich  bei  Beauzee  unter  seine  propositions 
compos4es  und  seine  Perioden. 

Die  Unabhängigkeit  der  grammatischen  Theorie  der  Periode 
von  der  rhetorischen  betont  Beauzee  ausdrücklich  in  seiner 
Polemik  gegen  die  unklaren  Ausführungen  Du  Marsais'.  Wemi 
er  dabei  behauptet,  niemand  habe  noch  die  charakteristischen 
Untersclieidungsmerkmale  von  proposition  detachee  und  periode 
klar  erkannt,  so  mag  das  richtig  sein,  wenn  man  das  Detail  be- 
rücksichtigt. Erblickt  man  aber  das  Wesentliche  der  Beauzeeschen 
Periodentheorie  darin,  daß  er  die  Periode  als  eine  Yerbindimg 
von  granmiatischen  Sätzen  definiert,  so  hat  er  zum  Vorgänger 
Girard,  über  den  ich  später  sprechen  werde.  Girard  verdankt 
ev  auch  den  Ausdruck  proposition  dStacMe. 

Einen  Fortschritt  über  Beauzee  hinaus  zeigt  die  Grammatik 


Zur  Geschichte  einiger  grammatischer  Theorien  und  Begriffe.     289 

Condillacs^).  Die  Sätze  zerfallen  in  drei  Klassen  (1.  Teil  Kap.  10 
S.  193  f.) :  une  propösition  est  faite  pour  une  autre  qu'elle  developpe, 
ou  eile  est  faite  pour  un  mot  qu'elle  modifie,  ou  enfin  c'est  ä  eile 
que  tout  le  discours  se  rapporte.  Les  propositions,  considSrees  sous 
ces  points  de  vue,  se  reduisent  donc  aux  trois  esp^ces  que  nous 
venons  de  remarquer :  elles  sont  necessairement  ou  principales,  ou 
suhordonnees,  ou  incidentes^). 

Es  heißt  dann  weiter:  Ce  qui  caracterise  une  propösition 
principale,  c'est  qu'elle  a  pareillement  un  sens  fini.  Vous  le  voyez 
dans  votre  illustre  frhre  fit  voir  sur  la  sc^ne  la  raison  . .  . 
II  n'en  est  pas  de  mSnie  des  propositions  subordonnSes.  Le  sens 
n'en  est  pas  fini;  il  est  suspendu,  et  fait  attendre  la  propösition 
prifwipale.  Ainsi,  quand  vous  avez  lu,  aprks  avoir  quelque 
tems  cherche  le  hon  chemin,  et  luttS  contre  le  mauvais 
goüt  de  son  sidcle,  vous  ne  pouvez  pas  vous  ar reter,  vous  attendez 
quelqu'aufre  chose  usw. 

Man  braucht  sich  nicht  daran  zu  klammern,  daß  hier  die 
Verbindimg  einer  Präposition  mit  dem  Infinitiv  propösition  subor- 
donnh  genannt  wird ;  anderwärts  bezeichnet  CondiUac  als  solche 
parce  qu'il  accordoit,  depuis  qu'il  a  voyage.  Es  scheint,  daß  er 
alle  Nebensätze  mit  Ausnahme  der  auf  ein  Substantiv  bezüg- 
lichen Relativsätze  zu  ihnen  gerechnet  hat. 

Wenn  CondiUac  S.  203  sowohl  von  den  propositions  suhor- 
donnees als  auch  von  den  propositions  incidentes  sagt,  sie  seien 
nur  un  dSveloppement  de  la  propösition  principale,  und  dennoch 
die  beiden  Gruppen  trennt,  so  hat  ihn  wohl  der  Gedanke  ge- 
leitet, daß  die  propösition  subordonnh,  wie  er  sich  ausdrückt, 
ein  accessoire^  d.  h.  eine  nähere  Bestimmung  des  Verbums, 
die  propösition  incidente  dagegen  ein  accessoire  eines  Substantivs 
ist,   das  selbst  wieder  ein   accessoire   des   Verbums   sein   kann. 

Die  propositions  incidentes  werden  wie  in  der  Logik  von 

1)  Ich  benütze  die  Ausgabe :  Cours  d'etude  pour  l'instruction  du 
Prince  de  Parme,  Tome  premier.  Grammaire.  A.  Genöve  et  ä  Lyon  1789. 
In  den  Oeuvres  completes  de  CondiUac  (Paris  1798)  bildet  die  Grammatik 
den  fünften  Band.  —  Als  Erscheinungsjahr  der  Grammatik  gibt  Gröber, 
Grundriß  der  romanischen  Philologie  P  48  das  Jahr  1770  an,  dagegen  La 
grande  encyclopedie  XII,  348  und  E.  Maynial,  Les  grammairiens  philosophes 
du  XVIIIe  siecle.  La  grammaire  de  CondiUac,  Revue  politique  et  litteraire 
1903,  1er  semestre  p.  319,  das  Jahr  1775. 

2)  Die  Aufzählung  erfolgt  nicht  in  der  Reihenfolge  der  Definition, 
sondern  in  der  Folge  3,  1,  2. 


290  M.  H.  Jellinek, 

P.-R.  und  bei  Beaiizoe  in  zwei  Gruppen  geteilt,  aber  die  Sache 
ist  mehr  ins  Grammatische  gezogen.  Die  proposition  incidente 
ist  entweder  eine  notwendige  Ergänzung,  ohne  sie  ist  der  Sinn 
nicht  abgeschlossen,  oder  sie  ist  granunatisch  nicht  notwendig, 
wenn  auch  notwendig  für  die  Entwicldung  des  Gedankens  des 
Sprechenden.  In  einem  Satze  wie  Ja  scene  frangoise  retenüt 
encore  des  acdamations  kann  man  nach  acclamaUons  nicht  inne 
halten,  ohne  daß  die  Frage  entstellt,  qnelles  acdamations^). 
Wenn  dagegen  Eacine  sagt,  Corneille  sei  comparable  aux 
Eschyles,  aux  Sophodes,  aux  Enrijndes,  dont  la  fameuse  Äthanes 
ne  s'honore  pas  moins  que  des  TJiemistodes,  des  Perides,  des 
Alcibiades,  qui  vivoient  en  meme  tems  qu'eux,  so  hätte  er  mit 
Aldbiades  oder  auch  Euripides  schließen  können,  ohne  daß 
der  Hörer  etwas  erwarten  oder  zu  einer  Frage  gedrängt  werden 
mtißte.  Die  erste  Art  entspricht  Beauz6es  compUment  determinatif^ 
die  zweite  dem  compUment  explicatif. 

Der  Fortschritt  Condillacs  besteht  in  der  Aufstellung  der 
Gattung  proposition  subordonnh,  die  eine  Form  ist,  um  ein 
accessoire  des  Yerbs  auszudrücken.  Beauzee  hätte  aus  seiner 
ersten  Definition  der  proposition  incidente  denselben  Begriff  ab- 
leiten können,  hat  dies  aber,  wie  wir  gesehen  haben,  nicht  getan. 

Die  Periode  scheint  Condillac  im  Sinne  der  Rhetorik  auf- 
zufassen. Dir  Wesen  besteht  darin,  daß  sie  aus  mehreren  Gliedern 
besteht,  die  durch  Atempausen  (repos)  getrennt  sind ;  findet  kein 
repos  statt,  so  ist  auch  ein  aus  mehreren  Sätzen  bestehendes 
Gebilde  keine  Periode  2). 

Unabhängig  von  der  Logik  von  P.-R.  hält  sich  Girard 
in  seinem  Buche  Les  vrais  principes  de  la  langue  fran- 
(joise  (1747).  In  Betracht  kommt  zunächst  der  dritte  Discours, 
namentlich  (Bd.  1)  S.  85  ff.,  109  ff.    Jede  sinnvolle  Vereinigung 


1)  Hier  könnte  man  die  Frage  erheben,  inwiefern  la  scene  frangoise 
retentit  encore  des  acdamations  eine  proposition  principale  lieißen  kann, 
wenn  doch  der  Sinn  nicht  abgeschlossen  ist.  Die  Schwierigkeit  entsteht 
dadurch,  daß  Condillac  proposition  principale  sowohl  in  absolutem  Sinn, 
als  in  relativem  (=  übergeordneter  Satz)  gebraucht. 

2)  Von  Condillacs  Grammatik  gibt  es  eine  deutsche  Übersetzung 
u,  d.  T.  Allgemeine  und  französische  Sprachlehre,  für  den  Prinzen  von 
Parma  verfertiget  von  dem  Herrn  Abt  de  Condillac.  .  .  Mit  Anmerkungen 
übersetzt  von  ***,  Bern  1777;  proposition  principale  wird  hier  mit  Haupt- 
satz übersetzt,  die  pi'opositlons  suoordonn4es  heißen  untergeordnete 
Sätze,  die  propositions  incidentes  Zwischensätze. 


Zur  Geschichte  einiger  grammatischer  Theorien  und  Begriffe.      291 

von  Wörtern  heißt  fräse  ^).  Die  fräse  kann  mehrere  sens  parti- 
culiers  zu  einem  höheren  Ganzen  vereinigen ;  dann  heißt  sie 
phiode.  "Un  seid  sens  considere  ä  pari,  soit  lie  soit  isoU,  fait  la 
simple  fräse.' 

Im  einfachen  Satze  (simple  fräse)  kann  es  7  Satzglieder 
(membres  de  frases)  geben,  wohl  zu  unterscheiden  von  den  Wort- 
klassen (parties  d'oraison).  Girard  nennt  sie  Snbjectif,  AtMhutif^ 
Objectif,  Terminatif,  Circonstanciel,  Conjonctif,  Ädjonctif^).  Die 
Satzglieder  können  einfach  oder  zusammengesetzt  sein,  d.  h.  sie 
können  durcli  ein  Wort  oder  durch  mehrere  ausgedrückt  werden. 
Die  Verbindung  mehrerer  Wörter  zur  Bildung  eines  Satzgliedes 
kann  auf  dreierlei  Weise  geschehen:  par  le  regime,  par  jonction, 
par  coherence  de  fräse.  Im  ersten  Fall  bezeichnen  die  Wörter, 
die  etwa  das  Subjedif  bilden,  nur  ein  Subjekt  (z.  B.  le  plus 
profond  des  Physiciens)  usw.  Im  zweiten  Fall  bezeichnet  die 
Mehrheit  der  Wörter  eine  Mehrheit  der  Dinge,  das  Subjectif 
enthält  mehrere  Subjekte  (vötre  fils  et  votre  fille),  das  Attributif 
mehrere  Handlungen  u.  dgl.  Im  dritten  Fall  ist  das  zusammen- 
gesetzte Satzglied  ein  ganzer  Satz,  eine  fräse:  diese  fräse  ist 
subalterne  d'une  autre  dont  eile  fait  portion. 

Der  Satz  kann  nach  vier  Gesichtspunkten  betrachtet  werden: 
nach  dem  Sinn,  nach  der  Zahl  der  Glieder,  nach  der  Art,  wie 
diese  Glieder  bezeichnet  Averden,  endlich  nach  der  forme  de  la 
strudure^).  Von  jedem  der  vier  Gesichtspunkte  aus  zerfallen 
die  Sätze  in  drei  Klassen,  eine  Symmetrie,  die  nicht  ohne  Ge- 
waltsamkeit erzielt  ist.  Uns  interessiert  hier  nur  der  erste  Ge- 
sichtspunkt. Darnach  ist  der  Satz  entweder  eine  fräse  subordinative, 
oder  eine  fräse  relative  oder  eine  fräse  detachee. 

Die  fräse  subordinative  ist  der  Ausdruck  eines  Satzglieds. 
Sie  hat  keinen  abgeschlossenen  Sinn.  Z.  B.  qui  a  baticoup  d'am- 
bition.  Hier  ist  der  Sinn  nicht  abgeschlossen,  der  Satz  muß 
Bestandteil  eines  andern  sein,  sei  es  als  Subjedif:  qui  a  baucoup 

1)  Girards  Orthographie  hat  manches  Eigentümliche. 

2)  Termitiatif  ist  ce  qui  doit  marquer  le  but  auquel  aboutit  l'attri- 
bution  Oll  celui  duquel  eile  pari.  Conjonctif  heißt  ce  qui  sert  ä  joindre 
ou  ä  faire  un  enchainement  de  sens.  Adjonctif  wird  definiert  als  ce  qui  est 
mis  par  addition,  pour  appuyer  sur  la  chose  ou  pour  enoncer  le  mouve- 
ment  d'ame.  G.  meint  Ausrufe,  Vokative,  Interjektionen  u.  dgl.  Die  übrigen 
Namen  bedürfen  wohl  keiner  Erläuterung. 

3)  Unter  diesen  Gesichtspunkt  fällt  die  Einteilung  in  Aussage-,  Be- 
fehls- und  Fragesätze. 


292  M.  H.  Jellinek, 

d'ambition  goute  peu  la  vie  tranquüe,  sei  es  als  Terminatif:  ü 
ne  faut  pas  trop  se  fier  ä  qui  a  baucoup  d'ambition. 

Die  fräse  dStaclde  ist  ein  Satz,  der  ohne  Hilfe  eines  andern 
einen  abgeschlossenen  Sinn  gibt. 

Offenbar  der  Dreiteilung  zuliebe  sind  in  der  Definition 
der  fräse  rMative  zwei  Dinge  vereinigt:  La  fräse  peid  aussi  avoir 
un  sens  formi  mais  lie  a  im  aidre  par  un  raport,  ou  de  depen- 
dance  pour  faire  un  compose,  oii  de  pur  assemblage  pour  former 
un  total.  Als  Beispiele  werden  gegeben  für  den  raport  de  depen- 
dance:  quoique  la  natiire  inspire  ä  Vhomme  Vamour  de  la  libert4; 
ü  ne  travaille  nhnmolns  qti'ä  se  f orger  des  chaines,  für  den  raport 
de  parties  rassembUes :  il  faut  que  le  Courtisan  se  pr^pare  ä  tous 
les  evenemens,  faveurs  et  disgraces:  qu'il  ne  soit  ni  enorgueilli  par 
les  unes  ni  abatu  par  les  autres. 

Um  näheres  über  die  frases  relatives  zu  erfahren,  muß 
man  sich  an  die  Interpnnktionslehre  wenden,  wo  Girard  nicht 
durch  die  Rücksicht  auf  die  Dreiteilung  beengt  ist.  Ygl. 
XVI.  Discours,  Bd.  2,  S.  436  ff.  Die  Interpunktion  wird  geleitet 
von  der  distinction  du  sens.  Diese  Unterscheidung  hat  vier  Grade. 
Sie  kann  stattfinden  1.  zwischen  den  sens  construdifs  d.  h.  den 
Satzgliedern;  2.  zwischen  sens  relatifs  d.  h.  den  sens  formes  par 
differentes  frases  mais  attacJies  l'un  ä  l'autre  par  um  dependance 
qui  en  forme  un  compose  en  sorte  que  de  ces  sens  particidiers  il 
en  r^sulte  un  gineral;  3.  zwischen  sens  partiels  d.  h.  den  sens 
non  seulement  formh  par  differentes  frases  mais  deplus  indSpendans 
l'un  de  l'autre,  chacun  d'eux  etant  complet  par  lui  meme,  et  n'etant 
que  raproches  comme  parties  integrantes  pour  concourir  ensemble 
ä  un  sens  intSgral;  4.  zwischen  sens  integraux  d.  h.  setis  isoles 
parfaitement  dÜaches  les  uns  des  autres,  n'atjant  d'autre  liaison 
que  Vanalogie  des  penshs  et  la  convenance  du  sujet  {sujet  =  Gegen- 
stand, nicht  im  grammatischen  Sinn). 

"Wir  sehen,  die  Ausdrucksmittel  der  sens  relatifs  und  der 
sens  partiels  sind  das,  was  in  der  Satzlehre  frases  relatives  ge- 
nannt wurde.  Der  Unterschied  zwischen  beiden  Gruppen  besteht 
im  wesentlichen  darin,  daß  die  Sätze,  die  die  sens  relatifs  ent- 
halten, durch  Konjunktionen  verbunden  sind,  die  Sätze,  die  sens 
partiels  ausdrücken,  nicht  ^). 

1)  Doch  bemerkt  G.  S.  448  und  450,  daß  et  und  ni  auch  sens  partiels 
verbinden  können.  Das  differenzierende  Moment  ist  nicht  sehr  klar  be- 
zeichnet, der  repori  de  pure  jonction,  auf  dem  die  ddpendance  unitive  be- 
ruht, dirige  les  divers  sens  vers  un  objet  commun. 


Zur  Geschichte  einiger  grammatischer  Theorien  und  Begriffe.     293 

Zu  beachten  ist,  daß  die  frases  suhordinatives  zu  den  sens 
constructifs  gerechnet  werden. 

Über  die  sens  relatifs  d'un  sens  complet  Avird  ausführlich 
2,  449  ff.  gehandelt.  Die  Abhängigkeit,  auf  der  die  Relativität 
beruht,  hat  7  Arten :  Unitive,  Alternative,  Conductive,  Restrictive, 
Qualificative,  Interpositive,  RSciprocative.  Diese  Einteilung  beruht 
auf  keinem  konsequent  durchgeführten  Prinzip.  Im  allgemeinen 
ist  das  logische  Verhältnis  maßgebend,  aber  die  d4pendance  inter- 
positive beruht  auf  der  Stellung  eines  Satzes  inmitten  eines 
andern.  Die  dependance  unitive  ist  ein  raport  de  pure  jonction, 
sie  wird  ausgedrückt  durch  die  Konjunktionen  et  und  ni.  Die 
dSpendance  alternative  besteht  gleichfalls  zwischen  nach  unserer 
Ausdrucksweise  koordinierten  Sätzen  (Bezeichnung  durch  ou,  soit- 
soit,  tantöt-tantöt).  Zwischen  Sätzen,  von  denen  der  eine  mit  que 
eingeleitete  den  andern  weiterführt,  besteht  die  dependance  con- 
ductive. Das  Verhältnis  der  Sätze,  die  die  Logik  von  P.-R.  pro- 
position  principale  und  proposition  incidente  nennen  Avürde,  wird 
als  dependance  restrictive  und  dependance  qualificative  bezeichnet, 
je  nachdem,  um  mit  der  Logik  zu  sprechen,  determination  oder 
explication  vorliegt  ^).  Die  dependance  riciprocative  endlich  est 
une  correspondance  par  le  moyen  de  laquelle  des  frases  qui  ne  sont 
ni  membres  d'une  autre  ni  inserees  en  parenthese,  ayant  chacune 
leur  sens  formet  et  separe,  fönt  neanmoins  contraste  Vune  avec 
l'autre  pour  que  de  leurs  sens  particuliers  il  en  resulte  un  complet. 
Als  Beispiele  finden  wir  Verbindungen  von  je  zwei  Sätzen,  von 
denen  der  eine  das  eine  Mal  ein  Konzessivsatz,  das  andere  Mal 
ein  Bedingungssatz,  das  dritte  Mal  ein  durch  mais  eingeleiteter 
Satz  ist.  Es  ist  offenbar,  daß  Grirard  hier  alles  untergebracht 
hat,  wofür  er  keinen  besondern  Xamen  ersinnen  konnte  oder 
wollte;  man  sieht  nicht  recht,  wodurch  sich  der  Begriff  der 
dependance  reciprocative  von  dem  Begriff  der  dependance  über- 
haupt unterscheidet. 

Übrigens  ist  auch  die  Unterscheidung  der  frases  suhordi- 
natives und  der  frases  räatives  nicht  mit  logischer  Schärfe  durch- 
geführt. So  wird  S.  452  als  Beispiel  für  die  dependance  con- 
ductive angeführt:    on   remarque  que  les  femmes  desirent  et  de- 

1)  p.  456  wird  dem  Relativpronomen  noch  eine  dritte  Funktion, 
die  einer  addition  pour  adapter  an  sujet  quelque  nouvelle  attribution.  Eine 
eigene  Art  der  dependance,  die  dadurch  entstünde,  wird  aber  nicht  auf- 
gestellt. 


29i  M.  H.  Jellinek, 

mandent  avec  plus  de  constance  que  ne  fönt  les  hommes.  Hier  ist 
doch  offenbar  der  mit  que  beginnende  Satz  Ohjectif  des  ganzen, 
also  fi'ase  siibordinative  bez.  sens  constructif.  Auch  die  Scheidung 
zwischen  den  durch  qui  eingeleiteten  Sätzen,  die  frases  mh- 
ordinatives^  und  denjenigen,  die  frases  relatives  sind,  ist  nicht 
ganz  scharf. 

Überhaupt  muß  gegen  Girard  der  Vorwurf  erhoben  werden, 
daß  er  den  Gedanken,  daß  Satzglieder  durch  ganze  Sätze  aus- 
gedrückt sein  können,  nicht  genug  energisch  verfolgt  hat.  Er 
hätte  eine  Reihe  seiner  frases  relatives  als  frases  subordinatives, 
die  den  Circonstanciel  darstellen,  bezeichnen  können.  Daran  hat 
er  nicht  gedacht.  Es  muß  nachdrücklich  betont  werden,  daß  die 
dependance,  die  zwischen  den  sens  relatifs  besteht,  nicht  identisch 
ist  mit  grammatischer  Abhängigkeit  eines  Satzes  von  einem  andern, 
sodaß  der  eine  Satz  nach  Girards  Terminologie  im  regime  asstijetti 
stände.  Die  Abhängigkeit  ist  vielmehr  eine  gegenseitige;  jeder 
Satz  hat  den  andern  notwendig,  um  mit  seiner  Hilfe  den  sens 
complet  zu  bilden. 

Girards  Principes  bezeichnet  als  sein  Yorbild  Bodmer 
in  dem  anonym  erschienenen  Buch  Die  Grundsätze  der 
deutschen  Sprache  (Zürich  1768).  Auf  Girard  geht  auch  zu- 
rück die  Unterscheidung  von  7  Gliedern  des  'Redesatzes'.  Mit 
Bodmers  Verdeutschung  der  Girardschen  Termini  will  ich  den 
Leser  nicht  belästigen,  ebensowenig  mit  seineu  Bezeichnungen 
der  nach  verschiedenen  Gesichtspunkten  eingeteilten  Satzarten, 
die  übrigens  nicht  eigens  besprochen,  sondern  nur  durch  die 
Analyse  von  Beispielen  erläutert  werden.  Bemerkt  sei  nur,  daß, 
w^enn  Bodmer  von  dem  Untergeordneten,  dem  Beziehenden,  dem 
Einzeln  (seil.  Redesatze)  spricht,  er  offenbar  Girards  fräse  siibor- 
dinative, fräse  relative  und  fräse  detachee  im  Auge  hat. 

Aber  in  dem  Abschnitt  von  der  Wortstellung  erscheinen 
Begriffe,  die  Bodmer  nicht  aus  Girard  haben  kann.  Er  sagt  da 
S.  98:  "Der  verbundene,  untergeordnete  Redesatz  verweiset  das 
Zeitwort  imd  sein  Hidfswort  völlig  an  das  Ende:  Die  Menschen 
lebeten  in  Ruhe,  da  noch  keine  Säge  war.  Man  lebete  ist  der 
einfache  Satz;  da  keine  Säge  war,  der  verbundene.  Machet 
dieses  einfach,  und  jenes  verbunden,  so  wird  ein  ganz  veränderter 
Sinn  herauskommen ;  keine  Säge  war,  da  die  Menschen  in  Ruhe 
lebeten :  Und  dieser  verschiedene  Sinn  fordert,  daß  das  Zeitwort 
verschiedlich,    vorne    oder   am   Ende    gestellt   Averde."    Girard 


Zur  Geschichte  einiger  grammatischer  Theorien  und  Begriffe.     295 

würde  in  beiden  von  Bodmer  angeführten  Satzverbindungen  sens 
relatifs  gesehen  haben,  und,  wie  erwähnt,  hätte  die  zwischen 
ihnen  bestehende  dependmice  nicht  den  Sinn,  daß  der  eine  Satz 
übergeordnet,  der  andere  untergeordnet  wäre.  Das  sagt  aber 
Bodmer  ganz  deutlich.  Ja  er  führt  später  für  den  untergeordneten 
Satz  einen  Namen  ein ,  der  an  das  Wort  'Nebensatz'  erinnert. 
S.  101  heißt  es:  "Denn  hatte  vormahls  den  Sinn,  den  jetzt  iveil 
hat,  und  diente  zum  Untersatze.  Man  sagte :  Denn  die  Stunde 
gekommen  war."  Hier  muß  Bodmer  einer  andern  Tradition  ge- 
folgt sein,  deren  Spuren  wir  schon  bei  Meiner  begegneten. 

Die  Unterscheidung  der  Sätze  nach  ihrem  Kang  hat,  wie 
wir  gesehen  haben,  verschiedene  Wurzeln.  Meiner  geht  von  der 
Rhetorik  aus,  allerdings  von  der  durch  die  Logik  beeinflußten, 
mit  den  Begriffen  Subjekt  und  Prädikat  arbeitenden.  Meiners 
Namen  Hauptsatz  und  Nebensatz,  die  Übersetzungen  der 
Ernestischen  Bezeichnungen  sententia  principalis  und  enunciatio 
secundaria,  sind  durch  Adelung  in  die  deutsche  Gnmimatik  ge- 
drungen. Die  zweite  Wurzel  liegt  in  der  Logik,  in  der  Lehre 
vom  Urteil.  Von  ihr  ausgehend  ist  die  französische  Grammatik 
schließlich  bei  Condillac  zu  der  Dreiteilung  proposition  principale^ 
proposition  suhordonnee  und  proposition  incidente  gelangt.  Eine 
dritte  Theorie  ist  von  Hause  aus  grammatischer  Natur.  Sie  geht 
von  der  Lehre  von  den  Satzgliedern  aus,  doch  hat  ihr  Urheber 
Girard  den  Gedanken,  die  Nebensätze  als  Satzglieder  zu  betrachten, 
nicht  konsequent  durchgeführt.  Endüch  fanden  wir  bei  Meiner 
und  bei  Bodmer  Spuren  einer  vierten,  gleichfalls  grammatischen 
Betrachtungsweise,  deren  Vorgeschichte  vorläufig  dunkel  bleibt i). 

Unentschieden  muß  ich  auch  lassen,  ob  Ernestis  Begriff 
der  sententia  principalis  mit  dem  Begriff  der  proposition  principale 
in  einem  historischen  Zusammenhang  steht. 

n. 

Als  sich  zu  Beginn  der  Neunzigerjahre  zwischen  Roethe 
und  Brugmann  ein  Streit  über  die  Herkunft  des  grammatischen 
Geschlechts  entspann,  griff  Michels  mit  seiner  Abhandlung  Germ.  36, 
121  ff.  in  die  Diskussion  ein  und  wies  am  Schlüsse  seiner  Aus- 

1)  Sie  scheint  in  ihren  Anfängen  bis  ins  Mittelalter  zu  reichen.  Vgl. 
die  Auseinandersetzungen  Sigers  von  BraV  ant  über  die  Frage,  ob  der  Abla- 
tivus  absolutus  regiert  werde,  bei  Tliurot,  Notices  et  extraits  des  manu- 
scrits  de  la  bibliotheque  imperiale  XXll,  2,  318  ff,  namentlich  324  f.,  wo 
erklärt  wird,  daß  auch  die  Oratio  der  Rektion  unterliegt. 


296  M.  H.  Jellinek. 

einandersetzungen  darauf  hin,  daß  Grimms  Auffassung  sich  schon 
bei  Herder  und  Adelung  findet.  Soviel  ich  weiß,  hat  man  seit- 
dem immer  bei  Herder  Halt  gemacht,  so  oft  man  sich  veranlaßt 
sah,  die  Geschichte  der  Grimmschen  Genustheorie  zu  berühren. 
Ich  halte  mich  daher  für  bei'echtigt,  auf  ältere  Yorläufer  Grimms 
hinzuweisen,  wenn  auch  einige  Zeugnisse,  die  ich  beibringen 
werde,  der  ersten  Generation  der  modernen  Sprachforscher  wohl 
bekannt  waren,  wie  z.  B.  aus  dem  Artikel  Potts  bei  Ersch  und 
Gruber  hervorgeht. 

Vorerst  muß  das  Wesen  der  Grimmschen  Genustheorie  fest- 
gestellt werden.  Grimms  Meinung  war  durchaus  nicht,  wie  viel- 
fach angenommen  wird,  daß  das  grammatische  Geschlecht  auf 
einer  durchgängigen  Personifizierung  der  unbelebten  Dinge  be- 
ruhe. Er  sondert  Wörter  wie  Gott^  Teufel^  Sonne  als  eine  besondere 
Gruppe  aus,  die  zwischen  natürlichem  und  grammatischem  Ge- 
schlecht die  jVIitte  hält.  Sie  haben  kein  natürliches  Geschlecht, 
"ihr  grammatisches  aber  bestimmt  sich  nicht  wie  das  der  übrigen 
Wörter  nach  einer  allgemeinen  phantasie,  sondern  nach  einer  wirk- 
lichen personification"  ^).  Die  große  Masse  der  Wörter  mit  gramma- 
tischem Geschlecht  hat  also  nach  der  Ansicht  Grimms  dieses 
nicht  einer  Personifikation,  sondern  einer,  'allgemeinen  Phantasie' 
zu  verdanken,  wenn  es  auch  schwer  ist,  'die  grenze  zwischen 
wirklich  eintretender  personification  und  bloß  grammatischem 
geschlecht  für  alle  einzelneu  fälle  zu  ziehen'.  Wenn  man  Grimms 
Meinung  auf  einen  kurzen  Ausdruck  bringen  wollte,  könnte  man 
am  ehesten  sagen,  daß  er  das  grammatische  Geschlecht  als  eine 
Art  der  Metapher  betrachtete.  Weil  unbelebte  Dinge  mit  Männern 
und  Weibern  gewisse  Eigenschaften  gemein  zu  haben  schienen, 
erhielten  sie  männliches  oder  weibliches  Geschlecht.  Dabei  scheint 
das  Masculinuni  Mas  frühere,  größere,  festere,  sprödere,  raschere, 
das  thätige,  bewegliche,  zeugende',  das  Femininum  'das  spätere, 
kleinere,  weichere,  stillere,  das  leidende,  empfangende' 2).  Freilich 
wenn  nun  auch  dem  Neutrum  eine  bestimmte  Bedeutung  zu- 
geschrieben wird,  wenn  es  als  'das  erzeugte,  gewirkte,  stoffartige, 
generelle,  unentwickelte'  erscheint,  so  tritt  bei  schärferem  Zu- 
sehen damit  Grimm  aus  seiner  Grundanschauung  heraus. 

1)  Grammatik  III  .345  f.  des  Neudrucks.  Vgl.  auch  344  über  die  An- 
rede herr,  frau  bei  unbelebten  Dingen ;  in  diesen  Fällen  ist  es  nach  der 
Meinung  Grimms  nicht  "gerade  auf  eine  eigentliche  personificierung  der 
angeredeten  sachen  angelegt",  sie  kann  sich  aber  daraus  in  Rätseln, 
Sprüchen,  Fabeln  entwickeln. 

2)  A.  a.  0.  357. 


Zur  Geschichte  einiger  grammatischer  Theorien  und  Begriffe.     297 

Wir  haben  in  Grimms  Theorie  zwei  Behauptungen  zu  unter- 
scheiden: 1.  das  grammatische  Geschlecht  beruht  auf  der  Ähn- 
lichkeit der  Eigenschaften  unbelebter  Dinge  mit  den  Eigenschaften 
der  sexus  lebender  Wesen,  2.  die  Geisteskraft,  die  diese  Eigen- 
schaften herausfindet,  ist  die  Phantasie.  Die  zweite  Behauptung 
ist  verhältnismäßig  jungen  Datums,  die  erste  dagegen  ist  uralt. 

Sie  ist  vermutlich  gleichaltrig  mit  der  Entdeckung  des 
grammatischen  Geschlechts  im  Abendland.  Bekanntlich  schreibt 
Aristoteles  (Rhet.  III  5)  dem  Protagoras  die  Einteilung  der  Nomina 
in  dppeva,  örjXea  und  CKeuri  zu.  Von  demselben  Protagoras  bezeugt 
aber  Aristoteles  (irepi  coqpiciiKUJV  eXexx^v  XIV),  daß  nach  seiner 
Meinung  |ufivic  und  rrriXriH  gegen  den  Sprachgebrauch  männlich 
sein  sollten  1). 

Wir  können  es  dahingestellt  sein  lassen,  ob  Steinthal  recht 
hat,  wenn  er  meint  (Gesch.  der  Sprachw.  bei  den  Griechen  und 
Römern  I^  136),  daß  damit  die  Entdeckung  jener  grammatischen 
Tatsache  mit  dem  Fluche  der  Lächerlichkeit  beladen  sei.  Für 
uns  ist  wichtig,  daß  Protagoras  nicht,  wie  etwa  ein  philosophischer 
Grammatiker  des  ausgehenden  18.  Jahrh.  getan  hätte,  das  Neutrum 
für  das  eigentlich  richtige  Geschlecht  von  jufivic  und  rrriXriE  hielt. 
Wir  haben  seine  Meinung  wohl  so  zu  verstehen,  daß  ihm  für  jene 
Wörter  das  männliche  Geschlecht  deshalb  als  das  richtige  erschien, 
Aveil  der  Zorn  ein  kräftiger  Affekt,  der  Helm  ein  kriegerisches 
Gerät  ist.  Damit  ist  aber  auch  schon  die  Anschauung  gegeben, 
daß  das  Maskulinum  und  das  Femininum  gewisse  Eigenschaften 
bezeichnen,  die  unbelebten  Dingen  mit  den  Tiergeschlechtern  ge- 
meinsam sind.  Wir  werden  später  finden,  daß  Sprachforscher, 
die  diesen  Standpunkt  einnahmen,  von  ihm  aus  das  männliche 
Geschlecht  des  deutschen  Worts  Zorn  rechtfertigen  zu  können 
glaubten. 

Für  Protagoras  fällt  die  Sprachrichtigkeit  nicht  mit  dem 
Sprachgebrauch  zusammen.  Man  konnte  aber  auch  wie  die  wirk- 
liche Sprache  überhaupt  so  auch  die  Verteilung  der  Genera  als 
das  Werk  der  Vernunft  erweisen  wollen.  Daß  dies  geschehen 
ist,  bezeugt  uns  der  Kommentar  des  Ammonius  zu  der  Schrift 


1)  Zo\oiKic|uöc  b'  oTov  \iiv  ^cxiv,  eiprixai  TTpörepov.  "Ecti  be  touto 
Kai  TToieTv  Kai  \i.r\  troioüvTa  cpaivecBai  Kai  Troiouvra  ]xx\  boKeiv,  KaOdirep 
6  TTpujTaYÖpac  ^Xeyev,  ei  6  lufivic  Kai  ö  -rTrjXriH  äppev  ecxiv.  6  \xiv  Yotp 
\eYUJV  oüXofj^vnv  coXoiKiZiei  |aev  Kar'  ^KeTvov,  oü  qpaivexai  be  xoic  aWoic, 
6  hk  oüXöiaevov  qpaivexai  \xiv  dW  ou  coXoiKiZiei. 

Indogermanische  Forschungen  XIX.  20 


298  M.  H.  Jellinek, 

des  Aristoteles  Ttepi  epianveicxc  Vgl.  Ainmonins  in  Aristotelis 
De  interpretatione  commentarius  ed.  Adolfus  Busse  (Commeiitaria 
in  Aristotelera  Graeca  edita  consilio  et  auctoritate  Academiae 
litterarum  regiae  Borussicae,  Volumiuis  IV  Pars  V)  Berolini  1897, 
35,  13 ff.  Von  denen,  die  die  Sprache  Gecti  entstanden  sein 
lassen,  meinen  die  einen,  daß  jeder  den  Dingen  einen  beliebigen 
Namen  geben  könne,  oi  b'  oux  oütujc,  dXXd  liöecOai  |uev  rd 
6vö|aaTa  uttö  |u6vou  toö  6vo|LiaTo9eTou,  toutov  be  eivai  töv  im- 
CTniaova  Tf\c  cpuceuuc  tüuv  irpaYiadTujv  oiKeTov  if)  eKdcTou  tüuv 
ÖVTUJV  qpücei  tTTiqprmiCovTa  6vo)Lxa,  f)  töv  umipeTouiuevov  tuj  em- 
CTr|)Liovi  Ktti  öibacKÖ|iievov  )aev  Trap'  eKeivou  Tt^v  oüciav  CKdcrou  tüuv 
övTuuv,  eTTiTaTToiuevov  be  irpeTTÜubec  avjTuj  Kai  oiKeTov  ovo)Lia  emvofjcai 
Kai  BecBai.  KaT'  auTÖ  be  touto  Becei  eivai  Td  övö)LiaTa,  biÖTi  oü 
cpucic  dXXd  XoYiKfic  eirivoia  vj^uxiic  urrecTncev  auTd  TTpöc  tc  tvjv 
ibiav  opuuca  toö  7TpdY|uaT0c  qpuciv  Kai  Tipöc  Trjv  dvaXoyiav  toö 
dppevoc  Kai  GriXeoc,  tüjv  Kupiuuc  ev  toic  GvriToic  Z^ujoic  öpdcOai 
TTe9UK6TUüv  ■  ou  Ydp  dcKeKTiuc  touc  laev  TTOTa^ouc  dppeviKÜJC  Tdc  be 
öaXdccac  Kai  Tdc  Xijavac  GriXuKUJC  oi  tüuv  övo)adTujv  bri)LiioupYoi 
irpoctiTopeucav,  dXX'  tKeivac  ixev  üjc  urroboxdc  oucac  tüjv  iroTa- 
laujv  bid  TOÖ  6i-|XuK0Ö  y^vouc  övoiudZIeiv  boKi)LidcavTec,  touc  be 
TTOTaiaouc  uuc  e|aßdXXovTac  eic  auTdc  oiKeiujc  Ix^iv  -rrpöc  Trjv  toO 
dppevoc  dvaXoYiav  vo|LiicavTec  Kai  eni  tüuv  dXXuuv  dirdvTuuv  ujcauTiuc 
Y\  TpavoTepov  r\  diuubpoTepov  Trjv  dvaXoYiav  eupövTec*  KaTd  TauTrjv 
Ydp  Tr)V  evvoiav  Kai  töv  |Liev  voöv  dppeviKüuc  Trjv  be  HJuxnv  GrjXuKÜuc 
XeYeiv  bieTaSav,  töv  }xev  eXXdjLnreiv  buvd)aevov  Tr]v  be  eXXd^TrecGai 
'iTe9UKuiav  utt'  auToö  Geacd|nevoi.  TrpoiövTec  be  outuuc  oöb'  eir' 
auTÜuv  TÜUV  GeuJv  Tfj  TOiauTri  KaTd  Td  Y£vri  [36]  biaqpopd  xPHcacGai 
üjKvncav,  töv  |uev  f^Xiov  dppeviKÜJC  Tr)v  be  ceXrjvnv  ütc  irapd  toö 
rjXiou  TÖ  cpüuc  bexo)nevriv  GqXuKÜuc  XeYeiv  öpicavTec*  Kai  Ydp  ei 
dppeviKÜuc  AiYUTTTioi  Triv  ceXrivrjV  6vo|ad^eiv  eiuuGaciv,  dXX'  ujc  Ttpöc 
Trjv  YHV  oi|uai,  auTrjv  irapaßdXXovTec,  oux  "^^ö  fiXiou  )aövov  dXXd 
Kai  utt'  aÖTfic  q)ujTiZ;o|uevriv.  biö  Kai  6  ev  tuj  Zu|lxttociuj  toö  'ApicTo- 
(pdvouc  XÖYOC  TÖ  |Liev  dppev  tlu  f)Xiuj  TrpocriKeiv  ecpn,  tö  be  GfiXu 
Ti]  T»!.  Tf]  ceXiivj]  be  tö  dppevöGnXu.  Kai  cpavepöv  öti  KaTopGoöci 
ladXXov  TÜJv  AiYUTTTiuuv  oi"E\Xrivec,  ^Tiei  Kai  bexeTai  |Liev  KaTd  TrpüuTov 
XÖYOV  r\  ceXrivri  Trapd  toö  n^iou  tö  cpüuc,  biaTTopG|ueuei  be  aÜTÖ 
KaTd  Triv  dcp'  eauTfic  dvuKXaciv  im  ti^v  yhv.  outuu  be  Kai  töv  |aev 
oüpavöv  dppeviKüuc,  Triv  be  y'IV  Gr|XuKÜJC  XeYOuciv  üuc  ti^v  eKeivou 
bpacTripiov  buva^iv  u7Tob€xo|Lievr|v  Kai  Y€vvr|TiKriv  bid  toöto  tüuv 
q)uo|Lievujv  Yivo|Lievnv.  napairXriciujc  be  toutoic  Kai  tüuv  uTTepKOC|iiujv 


Zur  Geschichte  einiger  grammatischer  Theorien  und  Begriffe.     299 

öiaqpopouc  oucac  tocc  evepY€iac  ibövrec,  oic  xaÖTa  opdcOai  irecpuKev 
ö|Li|Liaci,  TTÖppujeev  |Liev  eiXriqpaci  be  Ö|uuüc  Kai  eiri  tüüv  jaOia  crmai- 
vövTuuv  ovoiadruuv  Trjv  aÜTrjv  dvaXoYiav.  eK  be  toutuuv  cuXXoYiZ;ec9ai 
pdbiov  Kai  Tujv  oüberepuuv  XeYOjaevujv  övoiidxuuv  xriv  evvoiav  r\ 
im  TÖ  TTpö  d)acpoTv  dYOiaevrjv,  uuc  örav  tö  TrpuuTov  \t^uj[xev,  r\  im 
TÖ  eH  d|acpoiv,  ujc  örav  t6  naibiov,  r|  Kaid  tö  TTpoiöv  eK  toö  Kpeit- 
Tovoc  eic  TÖ  x^ipov,  die  ÖTav  tö  crrepina  Kai  tö  ubuup,  r\  KaTd  tö 
Koivüuc  eir'  djucpoiv,  ujc  ÖTav  tö  Kbov,  y]  kut'  dXXouc  toioütouc 
TpÖTTOuc,  'iva  [XT]  irapd  Kaipöv  irepi  TaÖTa  biaTpißuj|aev. 

Auch  der  mittelalterlichen  Grammatik^)  war  die  Anschauung 
ganz  geläufig,  daß  das  Genus  gewisse  Eigenschaften  der  Dinge 
bezeichne.  Ich  verweise  auf  Thurot,  Notices  et  extraits  des  nia- 
nuscrits  de  la  bibliotheque  imperiale  XXII,  2,  p.  128,  167,  202, 
362.  Genus  est  quidam  modus  significandi  datus  nomini  ad  de- 
signandum  rem  sub  modo  essendi  virtutis  active  vel  passive  vel  in- 
differentis  ad  utrumque  lehrt  Michael  von  Marbais  (Thurot  p.  167  2) 
und  von  dieser  Anschauung  ausgehend  sucht  die  Glosa  Admi- 
rantes  zum  Doctrinale  Alexanders  de  Villa  Dei  die  Genusverteilung 
des  Lateinischen  zu  rechtfertigen.  Die  Flußnamen  seien  Masku- 
lina, Aveil  die  Flüsse  per  modum  agentis  se  habeant  ripas  motu 
frequenti  impellendo  (Thurot  p.  128).  siler  und  oleaster  sind,  ob- 
gleich Bauninamen,  keine  Feminina,  weil  sie  keine  Früchte  tragen 
et  propter  hoc,  quia  non  patiuntur  fru£tum  emittendo^  reponuntur 
sub  masculino  genere.  Dumus  und  rubus  sind  Maskulina,  weil  sie 
dilacerando  vestes  asperitate  sua  videntur  agere  (Thurot  p.  203). 

Die  gleiche  Meinung,  wie  die  von  Thurot  exzerpierten 
Schriften  vertritt  Duns  Scotus,  dessen  Grammatica  speculativa 
den  Höhepunkt  der  mittelalterlichen  Sprachbetrachtung  bildet  ^). 

1)  Nicht  hierher  gehören  die  von  Pott,  KZ.  II,  120,  Ersch  und 
Gruber  I.  Sektion  62,  457  zitierten  Äußerungen  des  Johannes  Diakonos 
(Pediasimos)  in  seinen  Allegorien  zu  Hesiods  Theogonie.  Denn  da  liandelt 
es  sich  nicht  um  das  grammatische  Geschlecht,  nicht  etwa  um  die  Wörter 
TTOxaiLiöc  und  irriYn,  sondern  um  die  von  Hesiod  eingeführten  Personifikatio- 
nen, um  die  Bezeichnung  der  Flüsse  als  Söhne,  der  Quellen  als  Töchter 
des  Okeanos  und  der  Tethys,  bez.  um  die  Erklärung  des  Geschlechts 
der  Kinder  des  Gaea  und  des  Uranos. 

2)  Thurot  verweist  auf  Aristoteles  De  gen.  anim.  I,  20,  wo  tö  äppev 
(das  wirkliche  männliche  bei  den  Tieren)  als  dtc  kivoOv  Kai  iroiouv.  tö 
6f|\u  als  üjc  TTaBriTiKov  bezeichnet  wird. 

3)  Vgl.  über  dieses  AVerk  K.  Werner,  Die  Sprachlogik  des  Johannes 
Duns  Scotus,  Wien  1877  =  Sitzungsberichte  der  Kais.  Akademie  der  Wissen- 
schaften, phil.-hist.  Klasse,  85,  545  ff. 

20* 


300  M.  H.  Jellinek, 

lu  allen  Dingen  finden  sich,  so  lehrt  er  im  Kap.  16  (loannis 
Dans  Scott  Opera  orania,  Lugduni  1639,  I,  52)  zwei  allgemeine 
Eigenschaften,  die  proprietas  agenth  und  die  proprietas  patientis. 
Dem  entsprechend  gibt  es  verschiedene  modi  significandi,  die 
Arten  des  Genus.  Genus  masculinum  est  modus  significandi  rem 
sub  proprietate  agentis,  ut  vir,  lapis.  genus  femininum  ed  modus 
significandi  rem  suh proprietate  patientis^  idpetra,  mulier  .  . .  genus 
neutrum  est  modus  significandi  rem  sub  proprietate  neutra,  quae 
estindeterminataet  indifferenter  ad  utrumque,  ut  lignum,  animaJ. 

Ebensowenig  wie  in  der  Philosophie  hat  in  der  Gramma- 
tik der  Humanismus  die  Scholastik  vernichten  können.  Mau  ist 
in  neuerer  Zeit  darauf  aufmerksam  geworden,  daß  so  mancher 
uns  geläufige  Begriff  aus  der  mittelalterlichen  Grammatik  stammt. 
Aber  nicht  bloß  in  der  Behandlung  der  einzelnen  Sprache,  zu- 
nächst der  lateinischen,  dann  der  Yulgärsprachen,  zeigen  sich 
Spuren  mittelalterlicher  Tradition;  die  ganze  Disziplin  der  philo- 
sophischen und  allgemeinen  Grammatik  ist,  worauf  ich  hier  nach- 
drücklich hinweisen  möchte,  die  Fortsetzung  der  scholastischen 
Sprachlehre  1).  Man  bedenke,  daß  die  Grammatica  speculativa  des 
Duns  Scotus  öfters  gedruckt  worden  ist,  sogar  noch  im  17.  Jh.,  in 
der  Gesamtausgabe  seiner  Werke  (1639).  Die  Grammaire  gene- 
rale et  raisonnee  von  Port-Royal,  die  man  gewöhnlich  für  die 
erste  in  ihrer  Art  hält,  weist  z.  B.  durch  den  öfters  gebrauchten 
Ausdruck  maniere  de  signifier  ganz  deutlich  auf  den  Zusammen- 
hang mit  der  scholastischen  Lehre  von  den  7nodis  significandi. 
Aber  die  Grammatik  von  Port-Royai  ist  nicht  die  erste  in  ihrer  Arf^). 

Die  philosophische  und  die  allgemeine  Grammatik  verfolgen 

1)  Schon  Thui'ot  bemerkt  a.  a.  0.  p.  126 :  On  arrivait  ainsi  ä  ne  re- 
connaitre  qu'ime  grammaire,  ce  qu'on  a  appeU  plus  tard  la  grammaire 
generale.  Aber  p.  öOO  sagt  er :  La  methode  scolastique  a  mime  disjmru 
de  l'enseignement  grammatical  plus  completement  et  plus  promptement  que 
partout  ailleurs.  .  .  la  grammaire,  des  le  commencement  du  XVI^  siede, 
etait  aussi  exempte  de  scolastique  qu'aujourd'hui. 

2)  Die  Schriften,  die  eine  Geschichte  der  philosophischen  und  all- 
gemeinen Grammatik  geben,  sind  nie  recht  bekannt  gewesen  und  heute 
so  gut  wie  verschollen.  Ich  bin  ihrer  bisher  nicht  habhaft  geworden.  Es 
sind  dies:  Maximilian  Leopold  Loewe,  Historiae  criticae  Grammaticae 
universalis  seu  philosophicae  lineamenta.  Dresden  und  Leipzig  1829,  und 
Rud.  Eginli.  Wald.  Reichenbach,  Comnientationis  de  Linguae  Doctrina 
universali  pars  I  repetita  ex  Historia  philosophica,  Berolini  s.  a.  (ca.  1842). 
Die  Kenntnis  der  Titel  verdanke  ich  der  lehrreichen  Abhandlung  Potts  in 
Fichtes  und  Ulricis  Zeitschrift  für  Philosophie  XLIII,  102  ff.  185  ff. 


Zur  Geschichte  einiger  grammatischer  Theorien  und  Begriffe.     301 

von  Hause  aus  verschiedene  Zwecke,  aber  ihre  Wege  treffen 
zusammen.  Die  philosophische  Grammatik  hat  es  von  vorne- 
herein auf  das  Verhältnis  der  grammatischen  Kategorien  zu  den 
ontologischen  und  logischen  abgesehen,  sie  erstrebt  also  dasselbe 
Ziel  Avie  die  scholastische  Theorie  der  modi  significandi.  Daraus 
folgt  ohne  weiteres,  daß  die  Lautlehre  ganz  im  Hintergrunde 
bleibt.  Die  allgemeine  Grammatik  will  dasjenige  darstellen,  was 
allen  Sprachen  gemeinsam  ist.  Was  da  über  die  Laute  gesagt 
werden  kann,  ist  bald  erschöpft.  Das  Hauptgewicht  fällt  auf  die 
Lehre  von  den  Redeteilen  und  auf  die  Syntax,  und  da  natürlich 
von  Flexionsparadigmen  und  syntaktischen  Spezialregeln  nicht 
die  Rede  sein  kann,  so  erörtert  auch  die  allgemeine  Grammatik 
im  wesentlichen  die  Bedeutung  der  Redeteile  und  ihrer  Akzi- 
dentien,  das  Verhältnis  der  Sprache  zum  Denken  und  Sein.  Bei 
Helwigi)  ist  die  allgemeine  Grammatik  noch  beinahe  nur  Er- 
läuterung der  grammatischen  Terminologie,  aber  Aisted  erklärt 
schon  geradezu:  Praecijnmm  Grammaticae  generalis  officium  in 
eo  est,  ut  Grammaticas  notiones  (seu  entia  Grammatica)  componat 
cum  notionibus  seu  entibus  Logicis'^). 

Wenn  die  philosophische  und  allgemeine  Grammatik  auch 
die  Fortsetzung  der  scholastischen  ist,  so  unterscheidet  sie  sich 
doch  von  ihr  in  zwei  wesentlichen  Punkten.  Der  mittelalterliche 
Grammatiker  weiß  zwar  von  der  Existenz  einer  griechischen 
und  hebräischen  Grammatik,  er  kennt  sie  aber  so  gut  wie  nicht, 
er  arbeitet  immer  mit  lateinischem  Sprachmaterial.  Die  dürftigen 
Anfänge  einer  grammatischen  Behandlung  der  Vulgärsprachen 
kommen  da  gar  nicht  in  Betracht.  Der  Sprachphilosoph  der  neueren 
Zeit  kennt  dagegen  mehrere  grammatisch  bearbeitete  Sprachen, 
sein  Gesichtskreis  ist  erweitert.  Ferner  läuft  die  scholastische 
Grammatik  in  letzter  Linie  auf  eine  Rechtfertigung  des  Über- 
lieferten hinaus ;  Bedenken  werden  erhoben,  aber  immer  wieder 
beschwichtigt.  Der  moderne  Grammatiker  stellt  sich  nicht  nur 
der  grammatischen  Tradition  sondern  auch  der  Sprache  selbst 
kritisch  gegenüber.  Er  prüft,  inwieweit  die  Sprache  ihren  Zwecken 
gerecht  wird  und,  da  sein  Urteil  oft  ungünstig  ausfällt,  kann 
er  die  Sprache  nicht  mehr  als  das  Erzeugnis  der  Vernunft  be- 

1)  Chr.  Helvicus,  Sprachkünste,  Giessen  1619,  1.  Allgemäine,  welche 
dasjenige,  so  allen  Sprachen  gemein  ist,  in  sich  begreifft. 

2)  Johannis  Henrici  Alstedii  Encyclopaedia  (Herborn  1630)  I.  p.  271- 
—  Die  Grammatica  generalis  bildet  die  erste  Sectio  des  6.  Buchs  der 
Encyclopaedia. 


302  M.  H.  Jellinek, 

trachten.  Der  empirischen  Sprache,  der  Erfindung  des  Pöbels, 
wie  man  im  18.  Jahrh.  sagte,  wird  die  philosophische  Sprache 
als  Tdcal  gegenübergestellt. 

Diese  Eigentümlichkeiten  der  philosophischen  Grammatik 
treten  deutlich  zutage  in  der  Grammatica  philosophica  des  Ita- 
lieners Tommaso  Campanella^).  Er  hängt  trotz  seiner  Gegner- 
scliaft  gegen  Aristoteles  durch  tausend  Fäden  mit  der  Scholastik 
zusammen,  mit  deren  Größen  er  sich  auseinandersetzt  und  deren 
Schulsprache  er  gegen  den  Dünkel  der  klassisch  schreibenden 
Humanisten  in  Schutz  nimmt  Aber  wenn  seine  Grammatik  ebenso- 
wenig wie  seine  übrigen  Werke  den  Einfluß  der  mittelalterlichen 
Theorie  verleugnet,  so  zeigt  sich  in  ihr  doch  aucli  jene  kritische 
Stimmung  gegenüber  dem  Gegebenen,  die  ich  früher  als  eine 
charakteristische  Eigenschaft  der  philosophischen  Grammatik  der 
neuern  Zeit  hervorgehoben  habe.  Wie  Campanella  dem  em- 
pirischen Staat  in  seiner  Civitas  Solls  das  Idealbild  eines  auf 
Philosophie  begründeten  Gemeinwesens  entgegenstellt,  so  ent- 
wickelt er  auch  in  der  Grammatik  den  Gegensatz  der  gramma- 
tica civilis,  die,  auf  dem  Gebrauch  und  der  Autorität  der  be- 
rühmten Schriftsteller  beruhend,  eine  bloße  perifia  ist,  und  der 
von  der  Vernunft  getragenen  Wissenschaft  der  grammatica 
philosophica'^).  Aber  unter  grammatica  philosophica  versteht  Cam- 
panella nicht  nur  die  philosophische  Sprachlehre,  sondern  auch 
ihr  Substrat,  die  Sprache,  insoweit  sie  rationaler  Darstellung 
fähig  ist,  insoweit  sie  Objekt  einer  auf  Vernunft  gegründeten 
Wissenschaft  werden  kann,  m.  a.  W.  die  philosophische  Ideal- 
sprache. Campanella  hat  freilich  nur  Andeutungen  über  die 
Eigenschaften  dieser  philosophischen  Sprache  gegeben,  an  meh- 
reren Orten,  namentlich  am  Ende  der  Grammatik  (p.  152),  und 
an  verschiedenen  Stellen  seiner  anderen  Werke,  aber  er  hat 
immerhin  den  Begriff  dieser  Sprache  gehabt  und  ist  insofern 
ein  Vorläufer  Leibnizens. 

Auch  in  Campanellas  Ausführungen  über  das  Geschlecht, 

l)Thomae  Campanellae  Philosophiae  rationalis  pars  prima.  Continens 
Grammaticalium  libros  tres  (in:  Th.  C.  philosophiae  rationalis  partes  quin- 
que)  Parisiis  1638. 

2)  Die  Zusammenstellung  der  Grammatik  Campanellas  mit  seiner 
Utopie  ist  nichts  Willkürliches.  Die  rationalistische  Grundstiininung  ist 
die  gleiche.  So  darf  es  nicht  wunder  nehmen,  wenn  in  der  Civitas  solis 
die  Eigennamen  gegeben  werden  non  casu,  sed  arte  a  Metaphysico  (der 
höchsten  Obrigkeit)  iuxta  proprietatem. 


Zur  Geschichte  einiger  grammatischer  Theorien  und  Begriffe.     303 

das  er  sexus^  nicht  genus,  nennt,  finden  wir  einerseits  die  Ab- 
hängigkeit von  der  mittelalterlichen  Lehre,  insofern  er  ira  männ- 
hchen  und  weiblichen  Geschlecht  der  Grammatik  den  Ausdruck 
für  aktives  und  passives  Verhalten  des  bezeichneten  Dinges  sieht, 
anderseits  jene  kritische  Stimmung,  die  ihn  davon  abhält,  das  im 
Sprachgebrauch  Gegebene  schlechtweg  für  vernünftig  anzusehen. 
Er  bemerkt  p.  29  f.  Quamvis  res  omne(s)  in  omni  specie  habeant 
aliqua  individua  fortia,  ut  (1.  et)  activa  in  generatione  :  aliqna  im- 
becilla  et  passiva  in  generatione,  praesertim  animalium :  Latini 
tamen  usum  sermonis  praeficieutes  non  agnoscunt  sexum  nisi  in 
aniraalibus.  Et  ex  bis  traduxerant  ad  plantas.  Pythagorici  autem 
sexum  in  cunctis  agnoscunt  rebus :  ita  ut  agens  sit  mas,  patiens 
faemina,  materiaque.  Grainmatici  tamen  in  omni  re  hoc  non  agno- 
scentes,  duce  usu  posuerunt  masculinum  sexum  et  nomen  ma- 
ribus :  faemininum,  faeminis :  et  ex  bis  ad  res  alias  transtulerunt. 
Quapropter  Deus  dicunt  masculine,  et  terra  faeminine:  et  ignis 
masculine,  et  aqua  faeminine,  quoniam  in  bis  actio,  in  istis  passio 
relucebat.  At  in  multis  genus  non  ponunt,  neque  enim  Studium 
est  masculus  aut  faemina,  et  recte.  Sed  rebus  faemineis  aliquando 
dant  uti'umque  nomen :  Aqua  enim  dicitur  lymfa  faeminine,  et 
latex  masculine:  et  quidam  actus  voluntatis  vocatur  appetitus 
masculine,  aviditas  faeminine :  et  desiderium  neutraliter.  Scamnum 
etiam  ponitur  neutraliter,  cum  potiiis  faeminine  debeat  poni, 
quoniam  substat,  ut  faemina  sedentibus.  Quapropter  distinguendum 
est  de  sexu  Physico  et  Grammatieali.  Physice  enim  non  datur 
sexus  nisi  masculinus  et  faemininus,  ut  in  viro  et  muliere:  et 
promiscuus  in  hermaphrodito,  et  in  lymacibus  communis.  .  .  . 
Sed  grammaticaliter  dantur  sexus  plurimi  iam  dicti:  masculeus, 
faemineus,  neuter,  communis,  omnis,  promiscuus,  et  incertus,  se- 
cundum  loquendi  usum,  qui  non  semper  naturae  correspondent, 
sed  plerumque,  in  Grammatica  humana.  Grammatica  autem  An- 
gelorum  melius  exprimit  et  per  certas  voces  certos  sexus  et 
veraciter. 

Auch  aus  dem  18.  Jahrhundert  lassen  sich  Zeugnisse  für 
die  Grinunsche  Anschauung  beibringen ^).    Girard  bemerkt  in 

1)  Man  muß  aber  wohl  beachten ,  daß  nic]\t  überall ,  wo  in  der 
Lehre  vom  Genus  auf  die  Tiergeschlechter  hingewiesen  wird,  wirklich  die 
Vorstellung  obwaltet,  daß  dem  einzelnen  Dingnamen  sein  Genus  mit  Rück- 
sicht auf  seine  Bedeutung  gegeben  wurde.  Daß  das  Geschlecht  von  den 
Bezeichnungen  lebender  Wesen  auf  die  übrigen  Substantiva  übertragen 


304  M.  II.  Jcllinek, 

seinem  Werk  Les  vrais  principes  de  la  langue  fran9oise  (Paris  1 747) 
],  ]öi)  ff.:  Ott  nomme  GENRE,  en  termes  de  Grammaire,  une  id4e 
accessoire  qui  Joint  ä  l'idSe  principale  du  mot  un  raport  au  sexe; 
dont  la  difference,  etant  si  naturelle  et  frapant  les  sens  d'une  maniere 
si  live  et  si  passionnee,  a  ete  cause  que  lliomme  n'ajamais  abandonne 
cet  adminicide  dans  toutes  les  idees  qu'il  sest  formSes  sur  les  Etres, 
et  dans  les  mots  qu'il  a  Üablis  pour  les  representer.  La  distinction  du 
male  et  de  la  femelle  a  donc  introduit  deux  genres  pour  les  Mots, 
savoir,  le  MASCULIN  et  le  FEMININ  .  .  .  Quelques  nations  ne 
voyant  dans  certaines  choses  rien  qui  tint  du  sexe  ont  voulu  en  faire 
connoitre  l'exclusion.  Pour  cet  effet  elles  ont  introduit  dans  leurs 
Langues  un  troisieme  genre,  qu'on  a  nomme  NEUTRE;  parcequ'il 
est  une  idee  accessoire  qui  Joint  ä  la  principale  une  exclusion  des 

worden  sei,  ist  ein  Satz,  der  sich  schon  bei  dem  römischen  Grammatiker 
Consentius  nachweisen  läßt  (vgl.  Gramm.  Lat.  rec.  Keil  V  343  f.)  und  der 
später  oft  nachgesprochen  wurde,  ohne  daß  man  sich  dabei  immer  etwas 
Bestimmtes  dachte.  Einige  legten  sich  die  Sache  so  zurecht  wie  Gottsched 
(Deutsche  Sprachkunst,  5.  Aufl.,  Leipzig  1762,  S.  155  f.).  Er  erblickt  in  der 
Tatsache,  daß  Menschen  und  Tiere  zweigeschlechtig  sind  und  viele  Dinge 
ein  unbestimmtes  Geschlecht  ausmachen,  den  'philosophischen  Grund'  der 
drei  Genera.  Aber  'Ver  kann  dafür,  daß  man  ihm  nicht  überall  gefolget 
ist?"  Die  Ausnahmen  erklären  sich  durch  "die  Unbeständigkeit  des  Pöbels, 
der  zuerst  die  Sprachen  gemachet".  Perizonius  stellt  in  einer  Anmerkung 
zu  der  Minerva  des  SancLius  p.  45  die  Theorie  auf,  daß  zuerst  die  Namen 
lebender  Wesen  den  sexus  durch  besondere  Endungen  bezeichneten,  wo- 
bei er  vor  allem  die  eigentliche  Motion  im  Auge  hat.  Dann  sei  dieser  Unter- 
schied der  Endungen  auf  die  Adjektiva  übertragen  worden,  die  sich  auf 
jene  Substantiva  bezogen.  Da  nun  aber  Adjektiva  auch  andern  Sub- 
stantiven beigegeben  werden  können,  war  es  beinahe  notwendig,  alle 
Substantiva,  auch  die  Bezeichnungen  lebloser  Dinge,  in  zwei  Klassen 
zu  teilen.  Die  orientalischen  Sprachen  sind  dabei  stehn  geblieben,  andre 
fügten  später  die  Klasse  der  Neutra  hinzu.  Diese  Theorie  beruht  zum  Teil 
auf  den  Auseinandersetzungen  in  der  Grammatik  von  Port-Boyal,  II^  partie 
chap.  V.  Meiner  erklärt,  ohne  zu  wissen,  daß  schon  die  Grammatik  von 
Port-Royal  den  gleichen  Gedanken  ausgesprochen  hatte,  die  Genera  für 
Wortklassen,  die  erfunden  wurden,  um  bei  freier  Wortstellung  die  Beziehung 
der  Adjektiva  und  Pronomina  auf  ihre  Substantiva  kenntlich  zu  machen. 
Das  'gedoppelte  Tiergeschlecht'  sei  nicht  die  'erste  Veranlassung'  des 
Genus  gewesen ;  es  habe  nur  insofern  eine  Rolle  gespielt,  als  man  nach 
dem  Vorbild  der  sexuellen  Zweiteilung  des  Tierreichs  die  Wörter  zunächst 
in  zwei  Klassen  geleilt  und  sich  dann  später  der  aus  ganz  andern  Gründen 
erfolgten  Zweiteilung  bedient  habe ,  um  unter  anderm  auch  die  beiden 
Geschlechter  derselben  Tierart  durch  die  Endungen  zu  unterscheiden.  (Ver- 
such einer  an  der  menschlichen  Sprache  abgebildeten  Vernunftlehre  S.  L.  ff. 
260  ff.) 


Zur  Geschichte  einiger  grammatischer  Theorien  und  Begriffe.     305 

deux  autres  genres;  de  sorte  gue  c'est  toujours  un  raport  au  sexe, 
mais  un  raport  excliisif.  Und  weiterhin  p.  225  f.  Toutes  les  nations 
ont  Joint  aux  denominations  cette  idSe  accessoire  et  ont  fait  masculins 
QU  feminins  les  suhstantifs,  sans  consuUer  ni  Logique  ni  Phijsiqiie. 
Ce  qiie  le  premier  tj'ait  d'imagination  a  peint  sans  examen^  V  Usage 
l'a  confirniS  sans  deliMration.  Ainsi  les  unes  voient  un  raport  au 
male  oü  les  autres  le  voient  ä  la  femelle:  les  Allemands,  par  exemple, 
fönt  soleil  feminin  que  les  Francois  fönt  masculin.  Cette  distrihution 
de  genre  faite  par  le  cas  fortuit  du  premier  coup  de  pinceau,  sans 
motif  ni  plan  ni  Systeme  ä  cet  egard,  est  cause  quon  tie  sauroit 
donner  de  regles  generales  et  precises  usw. 

Das  ist  nun  freilich  keine  sehr  tiefgehende  Untersuchung, 
ja  der  letzte  Satz  könnte  sogar  den  Zweifel  erregen,  ob  Girard 
überhaupt  hier  einzureihen  ist  und  nicht  in  die  Gruppe  der  in 
der  Anmerkung  S.  304  behandelten  Grammatiker  gehört.  Aber  es 
scheint  mir  doch,  daß  er  die  freilich  etwas  unbestimmte  Vorstellung 
gehabt  hat,  daß  das  grammatische  Geschlecht  auf  einer  einge- 
bildeten Ähnlichkeit  unbelebter  Dinge  mit  den  sexus  der  belebten 
beruhe^).  Jedenfalls  sehen  wir,  daß  bei  diesem  Kind  des  18.  Jahr- 
hunderts jede  Spur  von  Respekt  vor  einer  in  der  Yerteilung  der 
Genera  waltenden  Veraunfttätigkeit  geschwunden  ist. 

Sehr  wichtig  sind  die  ausführlichen  Erörterungen  des  Eng- 
länders Harris  im  vierten  Kapitel  des  ersten  Buches  seines 
Hermes 2).  Die  Tatsache,  daß  in  seiner  Muttersprache  im  Gegen- 
satz zu  den  klassischen  die  Bezeichnungen  unbelebter  Dinge  im 
allgemeinen  Neutra  sind,  während  sie  doch  von  den  Dichtern 
auch  männlich  und  weiblich  gebraucht  w^erden,  legte  es  nahe, 
den  Gründen  nachzugehen,  die  für  die  Wahl  dieses  oder  jenes 
Geschlechts  bei  den  englischen  Dichtern  und  für  die  Verteikmg 
der  Genera  im  Griechischen  und  Lateinischen  maßgebend  gewesen 
waren.  Harris  kennt  die  antiken  Theoretiker,  unter  ihnen  den 
Ammonius,  und  sucht  in  einer  langen  Untersuchung  zu  zeigen, 
daß  als  Maskulina  solche  Substantiva  betrachtet  wurden,  which 
were  conspicuous  for  the  Attributes  of  imparting  or  communicating ; 
or  which  were  hy  nature  active,  strong  and  efficacious,  and  that 

1)  Fromant,  der  auf  dem  Standpunkt  der  Grammatik  von  P.-R. 
steht,  polemisiert  gegen  Girard  in  seinen  Reflexions  sur  les  fondemens  de 
l'art  de  parier  (1769)  p.  183  ff. 

2)  Hermes:  or,  a  Philosophical  Inquiry  Concerning  Language  and 
Universal  Grammar.  By  J.  H.  (London  1751),  p.  41—61.  In  der  deutschen 
Übersetzung  vom  Ewerbeck  (1788)  S.  35-52. 


306  M.  H.  Jellinek, 

indiscriminately  tvhether  to  good  or  to  bad ;  or  which  had  claim  to 
Eminence^  either  laudahle  or  othertvise.  Feminina  waren  dagegen 
solche,  as  tvere  conspicuous  for  fhe  Attributes  either  of  receiving, 
of  containing,  or  of  producing  and  bringing  forth-  or  which  had 
more  of  the  passive  in  their  nature,  than  of  the  aktive;  or  which 
were  peculiarly  beatdifid  and  amiable;  or  which  had  respect  to  stich 
Excesses  as  were  rather  Feminine^  than  MascuUne^).  Allerdings 
glaubt  Harris,  daß  das  Genus  in  einigen  Fällen  nur  durch  die 
Form  des  Wortes  bestimmt  wurde,  und  betont  auch  die  Un- 
sicherheit der  Vermutungen  über  die  durch  die  Bedeutung  ver- 
anlaßte  Geschlechtsbezeichnung  im  einzelnen. 

Bei  Harris  taucht  schon  der  Gedanke  auf,  daß  mit  der  Ein- 
reihung eines  Dingnamens  oder  eines  Abstraktums  in  die  Gruppe 
der  Maskulina  oder  Feminina  eine  Personifikation  verbunden  sei. 
Doch  wird  dies  zunächst  nur  für  das  Englische  behauptet.  Da 
diese  Sprache  dasselbe  Wort  sowohl  als  Neutrum,  wie  als  Mas- 
kulinum-Femininum behandeln  kann,  so  hat  sie  den  Vorteil,  den 
Unterschied  zwischen  streng  logischem  und  rhetorischem  Stil 
andeuten  zu  können.  Spricht  man  von  den  Dingen,  wie  sie  sind, 
so  gebraucht  man  ihre  Namen  neutral,  dagegen  werden  sie  per- 
sonifiziert, wenn  man  ihren  Bezeichnungen  männliches  oder  weib- 
liches Geschlecht  beilegt  2). 

Im  Englischen  kann  diese  Personifikation  als  freie  Tat  des 
einzelnen  Dichters  betrachtet  werden.  Das  geht  natürlich  nicht 
an,  wenn  eine  Sprache  feste  grammatische  Geschlechter  zeigt. 
Wenn  hier  überhaupt  der  Begriff  der  Personifikation  eingeführt 
wird,  so  muß  er  mit  den  Anschauungen  des  ganzen  Volkes  in 
Beziehung  gesetzt  werden.  Spuren  dieser  Betrachtungsweise  finden 
wir  bei  Beauzee,  der  über  das  grammatische  Geschlecht  sowohl 
in  dem  Artikel  Genre  in  der  Encyclopedie  VH  (1757)  589  ff.  als 
auch  in  seiner  Gramraaire  generale  H  175  ff.  gehandelt  hat.  Aber 
in  seinen  Auseinandersetzungen  tritt  eine  gewisse  Unsicherheit 
zutage,  die  sich  daraus  erklärt,  daß  er  von  zwei  verschiedenen 
Theorien  beeinflußt  ist. 

Die  Grammatik  von  Port-Royal  hatte  im  fünften  Kapitel 
des  zweiten  Teils  gelehrt,  daß  man  es  im  Interesse  der  Deutlich- 
keit für  angemessen  erachtet  habe,  den  Adjektiven  verschiedene 
Endungen  zu  geben  je  nach  den  Substantiven,  auf  die  sie  sich 

1)  A.  a.  0.  U  f.,  bez.  38  f. 

2)  A.  a.  0.  58  i)  bez.  49  i). 


Zur  Geschichte  einiger  grammatischer  Theorien  und  Begriffe.     307 

beziehen.  Zuerst  habe  man  diesen  Unterschied  der  Endungen 
eingeführt  bei  den  Adjektiven,  die  sich  auf  die  Namen  Mann 
und  Weib  bezogen.  Da  aber  Adjektiva  zu  allen  möglichen  Sub- 
stantiven konstruiert  werden  können,  so  habe  man  den  Unter- 
schied verallgemeinert  und  alle  Substantiva  in  Maskulina  und 
Feminina  eingeteilt.  Diese  Einteilung  beruhe  z.  T.  auf  vernünftigen 
Gründen,  so  wenn  rex,  iudex,  philosophus  Maskulina,  mater^  soror, 
regina  Feminina  seien,  zum  Teil  aber  auf  im  pur  caprice  et  un 
usage  sans  raison. 

Ganz  im  Einklang  mit  dieser  Anschauung  steht  es,  wenn 
Beauzee  Grammaire  II 179  nach  einer  längeren  Erörterung  schließ- 
lich die  Definition  aufstellt,  daß  relativement  aiix  noms,  les  Genres 
ne  sont  que  les  differentes  classes  dans  lesquelles  on  les  a  ranges 
assez  arbitrairement,  pour  servir  ä  dSterminer  le  choix  des  termi- 
naisons  des  mots  qui  ont  avec  eux  un  rapport  d'identite:  et  rela- 
tivement ä  ces  mots  qui  ont  avec  les  noms  un  rapport  dHdentit^-, 
les  Genres  sont  les  diverses  terminaisons  qu'ils  prennent  dans  le 
discours,  pour  etre  en  concordance  de  Genre  avec  les  noms  leurs 
corräatifs. 

Es  steht  auch  noch  im  Einklang  mit  der  Anschauung  der 
Grammatik  von  P.-E.,  wenn  Beauzee  zu  Beginn  jener  Erörterung 
sagt  (II  176):  il  ne  faut  pas  s'imaginer  que  la  distinction  des  sexes 
alt  6te  le  motif  de  cette  distribution  des  noms^  quoiqu'elle  en  ait 
peut-Ure  eti  jusqu'ä  certain  point  le  modUe  et  la  r^gle.  Das  Motiv 
jener  Einteilung  erblickte  er  wohl  wie  die  Grammatik  von  P.-E. 
in  dem  Streben  nach  IClarlegung  der  grammatischen  Beziehung 
der  Adjektiva  und  ihrer  Substantiva. 

Aber,  was  jetzt  folgt,  gehört  einer  ganz  anderen  Betrachtungs- 
weise an.  Es  gibt  in  allen  Sprachen  eine  Menge  Maskulina  und 
Feminina,  die  als  Dingnamen  und  Abstrakta  mit  dem  natürlichen 
Geschlecht  nichts  zu  tun  haben;  mais  la  religion,  les  mceurs,  et 
le  genie  des  diff^rents  peuples  fondateurs  des  langues,  peuvent 
leur  avoir  fait  appercevoir,  dans  ces  objets,  des  relations  reelles 
ou  feintes,  procliaines  ou  eloign^es^  ä  Vun  ou  ä  Vautre  des  sexes; 
et  cela  aura  suffi  pour  en  rapporter  les  noms  ä  Vun  des  deux 
Genres.  So  haben  vermutlich  die  Römer,  deren  Mythologie  vor 
ihrer  Sprache  feststand,  che  Namen  der  Flüsse  und  Winde, 
Wörter  wie  aer,  ignis,  sol  und  eine  Menge  andere  nur  deshalb 
zu  Masculinis  gemacht,  parce  que  leur  mythologie  faisoit  presider 
des  dieux  ä  la  manutention  de  ces  etres.    Die  Namen  der  Leiden- 


308  M.  H.  Jellinek, 

schafteu,  der  Tugenden,  der  Laster  seien  Feminina,  parce  qu'ils 
avoient  6rig6  presque  tous  ces  objets  en  autant  de  deesaes,  ou  qu'ils 
les  croijoient  sous  le  gouvernement  immediat  de  quelque  diviniti 
fernelle.  Als  Ackerbauer  betrachteten  die  Römer  die  Erde  und  ihre 
Teile  comme  autant  de  mhres  qui  nourissoient  les  hommes;  daher 
das  weibliche  Geschlecht  der  Länder,  Inseln  und  Städte. 

Da  hier  das  Genus  mit  mythologischen  Vorstellungen  in 
Yerbindung  gebracht  ist,  liegt  es  nahe,  bei  Beauzee  den  Ge- 
danken an  eine  Personifizierung  jener  unbelebten  Gegenstände 
anzunehmen.  Aber  klar  ausgesprochen  hat  er  diesen  Gedanken 
nicht.  Und  im  folgenden  spüren  wir  den  fernen  Nachklang  mittel- 
alterlicher Theorie,  wie  sie  uns  in  der  Glosa  Admirantes  ent- 
gegengetreten ist.  Die  Namen  der  wildwachsenden  Bäume  wie 
Oleaster,  pinaster  seien  Maskulina,  parce  que,  semhlahles  aux  mdles, 
ils  demeurent  en  quelque  sorte  steriles,  si  on  ne  les  allie  avec 
quelque  autre  espke  d'arhres  fruitiers.  Diese  dagegen  tragen  selbst 
Fi'üchte  gleichsam  wie  Mütter,  daher  sind  sie  Feminina. 

Auch  für  das  neutrale  Geschlecht  der  Namen  der  Minerale 
und  Monstra  wird  eine  Erklärung  versucht:  les  uns  n'ont  point 
de  sexe,  et  les  autres  en  ont  en  vain. 

Schließlich  lenkt  Bauzee  wieder  in  die  Bahnen  der  Grammatik 
von  P.-R.  ein,  indem  er  versichert,  daß  einer  großen  Anzahl  von 
Wörtern  das  Genus  par  pur  caprice  gegeben  worden  sei,  und 
zum  Beweis  führt  er  ganz  wie  jene  Grammatik  die  Tatsache  an, 
daß  mitunter  ein  und  dasselbe  Wort  in  derselben  Sprache  zu 
verschiedenen  Zeiten  oder  auch  zur  selben  Zeit  verschiedenes 
Geschlecht  zeige. 

Ich  erwähne  von  den  französischen  Grammatikern  noch 
Court  de  Gebelin,  der  zwar  nach  Herder,  aber  vor  Adelung 
schrieb  und  von  letzterem  benützt  wurde.  Im  zweiten  Band 
seines  Monde  primitif  (1774)  p.  72  ff.  handelt  er  ausführlich 
über  das  Genus.  Er  hat  dabei  Harris  benutzt,  den  er  zitiert,  ohne 
ihn  zu  nennen^).  Der  Mensch,  führt  er  p.  72  aus,  habe  sich  nicht 
damit  begnügt,  die  Natur  nachzuahmen,  indem  er  entsprechend 
dem  sexus  bei  Bezeichnungen  lebender  Wesen  zwei  Genera 
unterschied,  er  habe  die  Geschlechtsunterscheidung  auf  die  Namen 
unbelebter  Wesen  ausgedehnt.  Er  gibt  ihnen  eine  männliche 
oder  eine  weibliche  Endung,  suivant  qu'il  ij  apergoit  quelque  chose 

1)  Er  bezeichnet  ihn  p.  75  als  un  de  leurs  (der  Engländer)  ciUbres 
Gram  ma  iriens. 


Zur  Geschichte  einiger  grammatischer  Theorien  und  Begriffe.     309 

de  relatif  aux  iddes  qu'il  se  forme  d'un  Etre  corisidM  comme 
male  ou  comme  femelle.  TJn  Nom  sera,  par  exemple,  du  genre 
masculin,  lorsqiie  Vobjet  qu'il  designe  offrira  quelqu'une  des  proprietSs 
du  sexe  mascidin;  qu'il  sera  douS  de  force^  de  vivacite,  d'efficace, 
d'Mivation,  ou  qu'il  contribuera  ä  communiquer  quelque  vertu,  quel- 
que  propriete,  quHl  sera  lyropre  ä  ßconder  les  Etres  productifs^ 
et  plus  actif  que  passif.  Un  Nom  sera  au  contraire  du  genre  fe- 
minin, lorsque  son  ohjet  offrira  quelqu'une  des  proprietes  du  sexe 
feminin;  qu'il  aura  plus  de  graces  que  de  force,  plus  de  douceur 
que  de  vivacM,  plus  de  delicatesse  que  de  vigueur;  ou  qu'il  sera 
un  £tre  portant  quelque  productio7i  et  feconde  par  la  Nature;  et 
plus  passif  qu' actif. 

Court  de  Gebeliii  sucht  dies  dann  im  Anschluß  an  Harris 
an  einzelnen  Wörtern  zu  zeigen. 

Gegenüber  der  Meinung  zeitgenössischer  französischer 
Grammatiker,  daß  die  Beseitigung  des  vielfach  willkürlichen  Genus 
etwas  Wünschenswertes  sei,  setzt  er  die  Yorteile  der  Genus- 
unterscheidung auseinander.  Solcher  Vorteile  macht  er  vier  nam- 
haft. Die  beiden  letzten,  Abwechslung  in  den  Endungen  und 
Kennzeichnung  der  granimatischen  Zusannuengehörigkeit,  hatte 
schon  die  Grammatik  von  P.-R.  hervorgehoben.  Er  sieht  aber 
auch  in  der  Verteilung  der  Wörter  auf  verschiedene  Genera  an 
sich,  ohne  Rücksicht  auf  den  lautlichen  Ausdruck,  einen  Vor- 
teil, weil  dadurch  Einförmigkeit  vermieden  werde,  und  als  ersten 
Vorteil  erwähnt  er,  daß  die  Sprache,  die  er  als  Bild  betrachtet, 
durch  die  Genusunterscheidung  das  Leben  in  der  Natur  nachahme  ^). 

Diese  Vorteile  des  grammatischen  Geschlechts  betrachtet 
nun  Court  de  Gebelin  als  die  Ursachen  seiner  Entstehung 2),  d.  h. 

1)  Ce  qui  rend  la  Nature  vraiment  belle  et  aniniee,  ce  sont  les  Etres 
animes  .  .  .  II  en  sera  .  .  de  nieme  des  Tableaux  de  la  Parole;  ils  ne 
satiroient  plalre  qu'autant  qu'ils  seront  animes,  qii'ils  respireront :  et  ils 
ne  sauroient  y  paroenir  qu'autant  que  leurs  mots  seront  eux-metnes  pleins 
de  vie :  mais  comment  animer  des  mots,  comment  leur  donner  la  vie  dhin 
Tableau?  Rien  de  plus  simple :  en  les  revetant  d'un  sexe,  en  les  personi- 
fiant,  en  en  faisant  des  Etres  animes,  en  leur  pretant  la  chaleur  et  la  vie. 
Älors  tont  s'embelUt  dans  la  Parole,  tout  y  paroit  plein  d'energie  et  de  char- 
mes  :  ce  ne  sont  plus  des  mots  qui  se  succedent  froidement  les  uns  aux 
autres:  ce  sont  des  traits  de  la  plus  vive  lumiere;  ce  sont  des  objets,ä  Vexistence 
desquels  on  prend  l'interet  le  plus  vif  usw.  a.  a.  0.  p.  76. 

2)  Ce  nest  point  sans  raison  que  les  Peuples  se  sont  accordes  ä  dis- 
tinguer  les  Noms  par  des  Genres  .  .  .  tous  sentirent  qti'il  en  rhultoit  un 
grand  nombre  d'avantages  pour  les  Tableaux  de  la  Parole,    a.  a.  0.  p.  76. 


310  M.  H.  Jellinek, 

semeu  Ausführungen  liegt  die  alte  Vorstellung  von  der  Ver- 
nüuftigkeit  der  Sprache  zugrunde.  Das  sollte  ihm  später  die 
Polemik  Adelungs  zuziehen. 

Von  deutschen  Grammatikern  nenne  ich  hier  ^)  nurBodmer. 
In  den  Grundscätzen  der  deutschen  Sprache  (1768)  S.  1  sagt  er: 
"Als  mau  den  Dingen  Nahmen  gab,  glaubte  man  in  einem  etwas 
von  der  Natur  des  Mannes,  in  einem  anderen  mehr  von  der 
Natur  des  Weibes  zu  entdecken,  noch  in  einem  anderen  blieb 
man  ungewiß,  ob  es  mehr  männliches  oder  mehr  weibliches  in 
sich  hätte.  Daher  entstanden  drey  Geschlechte  der  Wörter." 

Bodmers  Grammatik  wurde  von  Herder  in  der  Allgemeinen 
Deutschen  Bibliothek  besprochen,  vgl.  Werke  ed.  Suphan  IV, 
298  ff 2).  Daß  Herder  durch  Bodmer  auf  seine  Genustheorie  ge- 
kommen sei,  behaupte  ich  durchaus  nicht;  daß  ihm  aber  durch 
viele  Vorgänger  der  Weg  geebnet  war,  dürften  meine  Aus- 
führungen gezeigt  haben.  Neu  ist  bei  Herder  die  starke  Be- 
tonung dessen,  was  ich  die  fetischistische  Auffassung  des  Genus 
nenne. 

Diese  fetischistische  Auffassung  hat  Adelung  von  Herder 
übernommen.  Adelung  hat  schon  vor  dem  von  Michels  erwähnten 
Aufsatz  im  Magazin  für  die  Deutsche  Sprache  (I,  4.  Stück)  über 
das  Genus  gehandelt,  zuerst  knapp  in  der  Deutschen  Sprachlehre 
(1781)  S.  116,  dann  ausführlich  im  Umständlichen  Lehrgebäude 
der  Deutschen  Sprache  (1782)  I  343  ff.  3).  Adelung  lehrt  hier,  daß 
alles  was  den  Begriff  der  Lebhaftigkeit,  Tätigkeit,  Stärke,  Größe 
auch  wohl  des  Furchtbaren  und  Schrecklichen  hatte,  männlich, 
alles,  was  man  empfänglich,  fruchtbar,  sanft,  leidend,  angenehm 
dachte,  weiblich,  und  alles,  wo  die  Empfindung  geteilt  oder  der 
Begriff  dunkel  war,  sächlich  wurde.  Die  Ähnlichkeit  dieser  Kate- 


1)  Über  Michaelis  unten. 

2)  Über  die  von  mir  zitierten  Worte  Bodmers  spricht  Herder  nicht 
—  Bodmer  hatte  es  S.  20  getadelt,  daß  man  im  Deutschen  die  Würde  der 
Städte  und  Provinzen  so  gering  geachtet  habe,  daß  man  ihnen  das  ver- 
kleinernde Geschlecht  gab.  Dazu  bemerkt  Herder  S.  303  f.,  daß  Dichter 
immerhin,  wenn  sie  personifizieren,  die  hohe  Jerusalem,  die  einsame  Pathmos 
als  'Weiber'  darstellen  können ,  doch  solle  diese  Abweichung  nicht  zur 
Regel  werden.  Vgl.  auch  das  S.  303  über  das  Geschlecht  vom  Echo  Gesagte. 

3)  Am  Ende  seines  Lebens  hat  Adelung  noch  einmal  das  Genus 
besprochen,  im  Mithridates  I,  S.  XXXIV.  Dem  Naturmenschen,  heißt  es 
hier,  war  jedes  Ding  entweder  männlich  oder  weiblich,  nachdem  es  tätig 
oder  leidend  ist.    Da  haben  wir  wieder  die  mittelalterlichen  Kategorien. 


Zur  Geschichte  einiger  grammatischer  Theorien  und  Begriffe.     311 

gorien  mit  denen  in  Harris'  Hermes  springt  in  die  Augen.  Sie 
ist  auch  wohl  nicht  zufällig,  wenngleich  Adelung  den  englischen 
Sprachphilosophen  nicht  zitiert.  Aber  er  nennt  auch  Herder  nicht, 
obgleich  er  das  Genus  ganz  in  seinem  Sinne  behandelt,  und 
ebenso  hat  er  für  ein  paar  einzelne  Bemerkungen  die  Quelle 
nicht  angegeben  ^). 

In  dem  Artikel  im  Magazin  beruft  sich  dagegen  Adelung 
ausdrücklich  auf  Herder  und  druckt  dessen  Ausführungen  in 
extenso  ab.  In  diesem  Artikel  erwähnt  er  auch  Court  de  Gebelin, 
freilich  nur  um  dagegen  zu  polemisieren,  daß  die  doch  rohen 
Naturmenschen  mit  der  Einführung  der  Genusunterscheidung 
Reiz,  Anmut  und  Abwechslung  beabsichtigt  haben  sollen.  Zwei 
verschiedene  Sprachbetrachtungen  stoßen  hier  zusammen.  Davon 
hat  aber  Adelung  seine  Leser  nicht  unterrichtet,  daß  die  Kate- 
gorien für  die  Bedeutung  des  Maskulinums  und  Femininimis, 
die  hier  im  Magazin  aufgestellt  werden,  in  beinahe  wörtlicher 
Übersetzung  dem  Werk  des  von  ihm  bekämpften  Franzosen 
entnommen  sind  2). 

1)  Die  Bemerkung  I  346,  §  144,  daß  man  für  die  Einteilung  der 
selbständigen  oder  als  selbständig  gedachten  Dinge  in  Klassen  einen  schick- 
licheren Einteilungsgrund  hätte  wählen  können  als  das  Gesclilecht,  geht 
vermutlich  zurück  auf  J.  H.  Lambert,  Neues  Organon  (1764)  II  108,  §  184. 
Das  Zitat  aus  dem  Koran,  wonach  alles  Erschaffene  männlich  oder  weib- 
lich ist,  und  die  daran  geknüpfte  Bemerkung,  daß  'die  ältesten  Morgen- 
länder' für  die  paarweise  vorkommenden  Glieder  des  Menschen  ein  zwei- 
faches Geschlecht  annahmen  (I  344  f.),  hat  A.  sicher  aus  des  Orientalisten 
J.  D.  Michaelis  Preisschrift  "Beantwortung  der  Frage  von  dem  Einflüsse 
der  Meinungen  in  die  Sprache".  In  der  mir  augenblicklich  allein  zugänglichen 
frz.  Übersetzung  dieser  Schrift  (De  I'influence  des  opinions  sur  le  langage  et 
du  langage  sur  les  opinions.  Breme  1762)  steht  die  betreffende  Stelle  p.  19  f. 
—  Derselbe  Michaelis  sagt,  nebenbei  bemerkt,  in  seiner  Arabischen  Gram- 
matik S.  174  der  2.  Auflage  (1781):  "Nahmen  der  Völker  sind,  wie  bey  den 
Hebräern,  masculina,  aber  der  kleinen  Stämme  und  Familien  ihre  bis- 
weilen feminina  ...  Es  scheint,  das  grössere  stelleten  sich  die  Morgen- 
länder als  männlich,  das  kleinere  und  schwächere  als  weiblich  vor." 

2)  "Ein  jedes  Ding,  welches  männlichen  Eigenschaften  ähnlich  war, 
wenn  es  Stärke,  Lebhaftigkeit,  Wirksamkeit,  Erhabenheit  besaß,  mit  einer 
mittheilenden,  hervorbringenden  und  thätigen  Kraft  begabt  war,  war  ein 
männliches  Wesen,  und  dessen  Nähme  ward  ein  männliches  Substantiv. 
Hingegen  wenn  ein  Gegenstand  weibliche  Eigenschaften  verräth,  wenn  er 
mehr  Reitz  als  Stärke,  mehr  Sanftes  als  Lebhaftigkeit,  mehr  Feinheit  als 
Kraft  besitzt,  und  sich  überhaupt  mehr  leidend  als  thätig  verhält,  .so  sähe 
man  es  (!)  als  ein  weibliches  Wesen  an,  und  folglich  ward  dessen  Nähme 
weiblichen  Geschlechts."    A.  a.  0.  S.  11  f. 


312  M.  H.  Jellinek, 

Es  siiul  Avolü  die  weit  verbreiteten  Schriften  Adelungs 
gewesen,  die  Herders  Auffassung  bekannt  gemacht  haben.  Auf 
Bernhardi  haben  schon  Pott  bei  Ersch  und  Gruber  a.  a.  0.  450f. 
und  Delbrück,  Einleitung  in  das  Studiuni  der  indogermanischen 
Sprachen  *  S.  33  hingewiesen  ^).  Aber  auch  in  populär  gehaltene 
Darstellungen  ist  die  Personifikationstheorie  eingedrungen.  Karl 
Philipp  Moritz  bemerkt  in  seiner  in  die  Form  von  Briefen  an 
eine  Dame  gebrachten  Deutschen  Sprachlehre  (3.  Aufl.  1794) 
S.  101,  daß,  wenn  man  du  Baum  sage,  man  dem  Baum  dadurch  eine 
Persönlichkeit  beilege.  Dasselbe  geschehe  aber  auch,  wenn  man 
mit  Beziehung  auf  einen  Baum  das  Pronomen  er  gebrauche.  "Daß 
auch  das  er  den  Baum  als  eine  Person  bezeichnet,  sehen  wir 
daraus,  weil  man  eine  abwesende  Person,  Avenn  sie  männlichen 
Geschlechts,  mit  er,  und  wenn  sie  w^eiblichen  Geschlechts  ist, 
mit  sie  benennet  .  .  Indem  man  also  von  dem  Baume  sagt,  er 
ist  grün,  so  redet  man  von  ihm,  als  von  einer  Person  männ- 
lichen Geschlechts,  imd  indem  man  von  der  Rose  sagt  sie  blüJiet, 
so  redet  man  von  ihr,  als  von  einer  Person  weiblichen  Geschlechts. 
So  drückt  der  Mensch  auch  in  dieser  Absicht  der  leblosen  Natur 
sein  Gepräge  auf.  Alles  Leblose,  was  man  sich  als  stark,  groß, 
wirksam  oder  auch  wohl  als  schrecklich  denkt,  wird,  wenn 
man  ihm  eine  Persönlichkeit  beilegt,  mit  dem  männlichen  Ge- 
schlechte verglichen;  alles  aber,  was  man  sich  als  sanft,  leidend 
oder  angenehm  denkt,  vergleicht  man,  in  dem  Falle,  daß  man 
ihm  Persönlichkeit  zuschreibt,  mit  dem  weiblichen  Geschlechte, 
daher  kömmt  es  nun,  daß  Avir  z.  B.  sagen : 

der  Baum  die  Blume 

der  Wald  die  Wiese 

der  Zorn  die  Sanftmuth 

der  Haß  die  Liebe. 

...  So  scheinet  die  Sprache  auch  alles  Leblose  in  der  Welt 
zu  paren,  indem  sie  zu  etwas  Größern  oder  Stärkern  immer  etwas 
Aehnliches  aufzufinden  weiß,  das  nur  kleiner  oder  schwächer, 
aber  schöner  und  angenehmer  ist.    Sehen  Sie  dieses  als  einen 
kleinen  Kommentar  über  die  Worte  unsers  Klaudius  an: 
und  in  der  großen  Gotteswelt 
ist  alles  Mann  und  Weib  — 
Was  man  aber  in   der  Natur  nicht  so  wichtig  oder  nicht 
schicklich  fand,  ihm  das  menschliche  Gepräge  aufzudrücken,  be- 
1)  Vgl.  auch  Pott,  S.  393,  396. 


Zur  Geschiclite  einiger  grammatischer  Theorien  und  Begriffe.      313 

zeichnete  man,  wenn  man  davon  sprach,  weder  durch  er  noch 
durch  sie^  sondern  durch  es,  und  schloß  es  auf  die  Art  gewisser- 
maßen von  der  Persönlichkeit  aus,  indem  man  es  unter  die 
Sachen  rechnete." 

Wir  finden  hier  die  Adelungschen  Kategorien  für  die  Be- 
deutung des  Maskulinums  und  Femininums  wieder.  Eine  Ab- 
weichung besteht  insofern,  als  Moritz,  wie  es  scheint,  die  Per- 
sonifizierung des  Unbelebten  nicht  dem  Urmenschen,  sondern 
dem  Sprechenden  überhaupt  zuschreibt.  Man  beachte,  daß  das 
Genus  von  Zorn  und  Haß  mit  der  Bedeutung  dieser  Wörter 
in  Verbindung  gebracht  wird,  und  vergleiche  das  oben  über 
Protagoras  Gesagte. 

J.  G.  Radlof  beginnt  einen  Artikel  über  die  rheinpfälzische 
Mundart  (Badische  Wochenschrift  1806,  Nr.  15,  abgedruckt  in 
Radlofs  Teutschkundlichen  Forschungen  und  Erlieiterungen  I 
[Berlin  1825]  S.  224  ff.)  mit  den  stimmungsvollen  Worten :  "Als 
dem  Menschen  einst  Baum  und  Rose  lebte,  Quelle  und  Strom 
noch  sinnig  die  Erde  durchwandelten,  Sturm  und  Donner  ihm 
Gottes  Stimme  redeten :  da  grüßte  und  benamte  er.  Was  in  Blüten 
prangte  und  Leben  glühte,  Was  sich  bewegte  und  sprach,  als 
mitlebende  Wesen,  und  ihm  verwandt.  Allem,  worinn  das  eigene 
Seyn  sich  wiederspiegelte,  verlieh  er  zu  dem  Namen  noch  das 
redendste  Zeichen  sinnlichen  Lebens,  Geschlecht;  und  Mann 
ward  ihm  das  Starke,  Wirkende:  der  Strom,  der  Baum;  Weib 
das  Sanfte,  Gebährende:  die  Quelle,  die  Blüte;  Ding  ward  alles, 
was  nicht  gebar,  nicht  zeugte,  nur  was  erzeugt,  was  unbekannt, 
todt  und  zwitterhaft  ihm  vorschien:  das  Ding,  das  Wesen,  das 
Holz,  das  Kind".  Für  die  moderneu  Menschen  habe  freilich 
die  Geschlechtsunterscheidung  jede  Bedeutung  verloren.  Deshalb 
hält  R.  es  für  löblich,  daß  'der  weisere  Britte  einen  Bankerut 
an  der  Natur'  beging,  "Alles,  was  nicht  thierlich  sich  bewegte, 
für  entseelt  erklärend:  das  Baum,  das  Quell." 

Christian  Hinrich  Wolke  lehnt  in  seinem  wunderlichen 
Anleit  zur  deutschen  Gesamtsprache  (1812)  S.  35  ff.  die  Ansicht 
ab,  daß  das  Geschlecht  der  Substantiva  mit  ihrer  Bedeutung  zu- 
sammenhänge, aber  er  polemisiert  gegen  sie,  wie  gegen  einen 
allgemein  verbreiteten  Irrtum.  "Di  donatische  Benennung  der 
drei  Namengattungen  scheint  vorauszusetsen,  das  di  Begriffe 
jedes  Wortes  der  Erstgattung  etwas  Manliches,  Starkes,  Wirk- 
sames;    di    der   Zweitgattung    etwas   Weibliches,    Unkraftiges, 

Indogermanische  Forschungen  XIX.  21 


314  M.  H.  Jellinek, 

Erupfaugiges,  Wenigwirksames,  etwas  Sanftes  und  Zartes;  di 
der  Dritgattung  weder  Jenes  noch  Dises  bezeichnen.  Aber  Donatus 
ist  unschuldig  an  diseni  Scheine.  Der  grobe  Irtura  ist  vielmehr 
der  Unwissenheit  und  dem  Denkstilstande  der  Schulmänner  bei- 
zumessen, di  seine  Ausdrükke  falsch  verstanden,  falsch  ausgelegt 
und  unrichtig  verdeutscht  haben"  ^).  Nur  in  seltenen  Fällen  sei 
"di  Manlichkeit  oder  di  Fraulichkeit  des  Bezeichneten"  der 
Grund  für  das  grammatische  Geschlecht  gewesen,  "wi  bei  den 
sprachsinbegabten  Altdeutschen:  der  viel  und  starkwirkende  Som 
oder  Soll,  altd.  ther  sunne,  der  Son,  gt.  u.  Ad.  sunna,  von  der 
Erstgattung,  di  Mohn,  1.  luna,  di  sanftleuchtende,  lichtempfangige, 
wenig  wirksame  Himmelkugel  oder  Nebenerde;  der  Tod,  wi 
gr.  OdvaToc,  —  di  Libe,  di  Sanftmut,  der  Has,  der  Zorn."  Zu 
beachten  ist,  das  Wolke  Harris'  Hermes  kennt. 

Schließlich  erwähne  ich,  daß  Heinsius  im  Teut  (3.  Aufl. 
1817)  I  85 f.  im  wesentlichen  auf  Adelung  fußt:  "Bei  der  Be- 
stimmung der  Geschlechter  verfuhren  die  ersten  Sprachforscher  (!) 
nach  sehr  dunkeln  Ähnlichkeiten.  Wahrscheinlich  gebrauchte 
man  alles  das,  was  den  Begriff  der  Stärke,  Kraft  und  Tüchtig- 
keit mit  sich  führt,  männlich;  was  man  sich  sanft,  schwach, 
angenehm  und  leidend  dachte,  weiblich;  und  diejenigen  Dinge, 
an  denen  man  dergleichen  nicht  bemerkte,  oder  die  man  als 
Personen  zu  denken  nicht  für  gut  fand,  rechnete  mau  zu  dem 
sächlichen  Geschlechte,  oder,  dem  lateinischen  Ausdrucke  Neu- 
trum gemäß,  zu  keinem  der  beiden  vorhergehenden  Geschlechter." 

Ich  denke,  diese  Zitate  machen  es  wahrscheinlich,  daß  die 
Herder- Adelungsche  Genustheorie  im  Anfang  des  19.  Jahrhunderts 
jedem  geläufig  war,  der  sich  in  Deutschland  mit  Grammatik 
beschäftigte.  Auf  den  ersten  Blick  scheint  es,  daß  auch  Humboldt 
an  der  Stelle,  die  Grimm  ausdrücklich  zitiert 2),  nur  die  Personi- 


1)  'Der  altzeitige  Sprachregler'  hat  nämlich  nach  Wolkes  Meinung 
mit  seinen  Bezeichnungen  genus  masculinum  und  foemininum  nur  sagen 
wollen,  daß  eine  Reihe  von  Wörtern  mit  hie,  eine  andere  mit  haec,  kon- 
struiert werde,  wie  unter  anderem  auch  die  Namen  'der  einseinen 
Manwesen'  bezw.  'Frauwesen'.  Ebenso  habe  er  den  'Virtfal'  casum  accusa- 
tivum  genannt,  weil  neben  tausend  anderen  'Aussagern'  auch  accusare  diesen 
Kasus  regiert.  Als  'irrige  Deutschlerer',  die  'unter  geiius  Gesiecht  (fr.  le 
sexe)  verstanden',  nennt  W.  'Gottsched,  Adelung  und  hundert  andere'. 

2)  Lettre  ä  M.  Abel-R6musat,  sur  la  nature  des  formes  gramma- 
ticales  en  general  et  sur  le  genie  de  la  langue  chinoise  en  particulier.  p.  12. 
13.  (In  den  gesammelten  Werken  7,  304  f.) 


Zur  Geschichte  einiger  grammatischer  Theorien  und  Begriffe.     315 

fikationstheorie  ausspricht.  Allein  ich  habe  die  Empfindung,  daß 
bei  Humboldt  eine  feinere,  freilich  auch  schwerer  auf  deutliche 
Begriffe  zu  bringende  Anschauung  sich  geltend  macht,  daß  er  mit 
seuiGT prosopopee  nicht  den  groben  Fetischismus  meint,  sondern  eher 
eine  dichterische  Personifizierung,  die  nicht  die  Objekte,  sondern 
die  Wörter  belebt^).  Doch  das  mögen  Kenner  der Humboldtschen 
Sprachphilosophie  entscheiden.  Sicher  ist,  um  es  noch  einmal 
zu  betonen,  daß  Grimm,  der  an  Humboldt  anknüpft,  die  Ver- 
teilung der  Wörter  auf  die  Genera  von  der  Personifikation  ge- 
trennt hat. 

Ich  erlaube  mir,  meine  Auseinandersetzungen  kurz  zusammen- 
zufassen. Wahrscheinlich  beruht  schon  die  Benennung  der  drei 
Substantivklassen  durch  Protagoras  auf  der  Vorstellung,  daß  die 
Bedeutung  der  Wörter  ihre  Zugehörigkeit  zu  den  einzelnen 
Klassen  bestimmt.  Die  Namen,  die  Protagoras  den  Wortklassen  ge- 
geben hat,  betätigen  weiterhin  begriffszeugende  Kraft.  Nach  der 
vorherrschenden  Meinung  des  Altertums,  die  das  Mittelalter  über- 
nommen hat,  sind  die  grammatischen  Kategorien  überhaupt  und 
so  auch  die  des  Genus  das  Werk  planmäßiger  Überlegung.  Die 
Verschiedenheit  der  Genera  entspricht  einer  Verschiedenheit  der 
Dinge,  der  Gegensatz  zwischen  Maskulinum  und  Femininum  in 
der  Sprache  spiegelt  nach  der  mittelalterlichen  Theorie  den  Gegen- 
satz von  Aktivität  und  Passivität  im  Sein  wieder. 

Von  diesem  Standpunkt  aus  ist  es  ziemlich  gleichgültig, 
ob  man  sich  mehr  für  das  Verhältnis  zwischen  dem  Zeichen 
und  dem  Bezeichneten  oder  für  das  Verhältnis  zwischen  dem 
Bezeichnenden  und  dem  Zeichen  interessiert.   Denn  das  Zeichen 


1)  Des  que  rimagination  jeune  et  acHve  d'une  nation  vivifie  tous 
les  mots,  assimile  entierement  la  langue  au  monde  reel,  en  acMve  la  pro- 
sopopee,  en  faisant  de  chaque  periode  un  tableau  oü  l'arrangement  des 
parties  et  les  nuances  appaHiennent  plus  ä  l'expression  de  la  pensee  qu'ä 
la  pensee  tneme,  alors  les  mots  doivent  avoir  des  genres,  conime  les  etres 
vivants  appartiennent  et  un  sexe.  Man  vergleiche  auch  p.  303  f. :  Si  Von 
examine  l'operation  que  l'homme,  souvent  sans  s'en  apercevoir,  fait  en  parlant, 
on  y  voit  une  prosopopee  continuelle.  Dans  chaque  phrase  un  Hre  ideal 
(le  mot  qui  constitue  le  sujet  de  la  proposition)  est  mis  en  action  ou  re- 
pre'sente  en  etat  de  passivite.  L'action  Interieure  par  laquelle  on  forme  un 
jugement,  est  rapportee  ä  l'objet  sur  lequel  on  prononce.  Au  Heu  de  dire: 
Je  trouve  les  idees  de  l'etre  supreme  et  de  l'eternite  identiques,  l'homme 
pose  ce  jugement  au  dehors  de  lui  et  dit:  L'etre  supreme  est  eternel.  — 
Diese  Ausführungen  haben  eine  gewisse  Ähnlichkeit  mit  denen  Courts  de 
Gebelins,  z.  T.  mit  denen  Bernhardis. 

21* 


316  E.  Lid6n, 

hat  ein  angemessenes  Verhältnis  zum  Bezeichneten,  und  eben 
diese  Angemessenheit  ist  das  Motiv  für  die  zeichensetzende  Tätig- 
keit des  vernünftigen  Sprachschöpfers.  Von  diesem  Standpunkt 
aus  ist  es  auch  unmöglich,  die  Genusunterscheidung  mit  wirk- 
licher Personifizierung  lebloser  Dinge  in  Beziehung  zu  bringen; 
denn  damit  wäre  ausgesprochen,  daß  der  Sprachschöpfer  eine 
unrichtige  Anschauung  vom  Wesen  der  Dinge  gehabt  habe. 

Die  mittelalterlichen  Meinungen  wirken  auch  in  der  Neu- 
zeit nach.  Da  man  aber  je  länger,  desto  deutlicher  die  Inkon- 
gruenz der  grammatischen  und  der  ontologischen  Kategorien  er- 
kaimte,  konnte  man  in  der  grammatischen  Grenusunterscheidung 
nicht  mehr  das  Spiegelbild  realer  Unterschiede  erblicken,  es  war 
nicht  mehr  möglich,  in  der  Verteilung  der  Wörter  auf  die  Genera 
das  Werk  der  bloß  durch  das  Objekt  bestimmten  Vernunft  zu 
sehen,  die  Wurzel  des  grammatischen  Geschlechts  mußte  im  Sub- 
jektiven aufgesucht  werden.  Da  man  sich  aber  zunächst  für  das 
Verhältnis  des  Zeichens  zum  Bezeichneten  interessierte,  würdigte 
man  die  subjektive  Tätigkeit,  die  das  Genus  schuf,  keiner  liebe- 
vollen Untersuchung,  ja  man  tat  sie  mitunter  durch  die  gering- 
schätzige Bezeichnung  pur  caprice  ab. 

Herder  dagegen,  den  die  Sprache  vor  allem  als  Ausfluß 
des  Innenlebens  interessierte,  stellte  jene  Erklärung  auf,  die  bis 
gegen  das  Ende  des  19.  Jhrhds.  im  allgemeinen  Bew^ußtsein  die 
herrschende  geblieben  ist.  In  seiner  Tradition  steht  auch  Grimm, 
aber  er  hat  die  fetischistische  Anschauung  aufgegeben,  seine 
Betrachtungsweise  hat  Ähnlichkeit  mit  derjenigen,  die  Ammo- 
nius  und  die  mittelalterlichen  Theoretiker  vertreten,  soweit  das 
möglich  ist  bei  der  gänzlichen  Verschiedenheit  der  Ansichten 
über  Sprachschöpfung. 

Wien.  M.  H.  Jellinek. 


Zur  iranisclien  Etymologie. 

1.  Aw.  gaona-,   lit.  gauras,   nnorw.  kaure. 

Aw.^aowrt-Neutr.  1 .  'Haar,  besonders  derTiere';  2.  'Haarfarbe, 
Farbe';  3.  '{in  Komp.)  Art  und  Weise',  zairi-gaona-  'gelb-,  gold- 
farbig; grünlich,  gelbgrün',  hama-gaona-  'gleichfarbig,  von  Haus- 
tieren' (Bartholomse  Altir.  Wtb.  482);  phlv.  gönak  'colour,  hue; 


Zur  iranischen  Etymologie.  317 

species',  ham-gönak  'of  a  like  kind',  päz.  güna  'colour;  species, 
sort,  kind,  manner';  npers.  gün  'Farbe;  Art  und  Weise',  güna 
*Art  und  Weise',  günagün  Varii  coloris ;  varii  generis' ;  afgh.  yüna 
F.  1.  'Haare  am  Körper;  Poren';  2.  'Farbe,  Hautfarbe' ;  osset.  yMW, 
qun  'Haar;  Farbe  des  Haares'.  —  Aus  dem  Pers.  stammen  arm.  goin^ 
Gen.  Sing,  gunoy,  guni  'Farbe',  in  Ableitungen  auch  'Art  und 
Weise' ;  gunak  'Art,  in  der  Weise  von  — ',  gunem  'färbe'.  S.  Hörn 
Neupers.  Etym.  211,  Geiger  Abhandl.  d.  Payr.  Ak.  d.  Wiss.20. 1 :  176, 
Hübschmann  Etym.  u.  Lautl.  d.  osset.  Spr.  34,  Pers.  Stud.  95  f., 
Arm.  Gramm.  1,  128  f. 

Geldner  KZ.  25,  402,  No.  1  hat  zuerst  erkannt,  daß  'Haar* 
die  ursprüngliche  Bedeutung  sein  muß.  Dadurch  —  wie  auch 
aus  anderen  Gründen  —  wird  die  einzige  bisher  laut  gewordene 
Ursprungsdeutung  hinfällig  :  Pott  Etym.  Forsch.  4,  90,  Justi 
Handb.  d.  Zend-Sprache  99,  Fick  Vergl.  Wtb.  1 3, 314  und  zweifelnd 
Uhlenbeck  Altind.  Et.  Wtb.  80  ziehen  aw.  gaona-  zu  ai.  gund-  'der 
einzelne  Faden  einer  Schnur;  Schnur,  Strick;  Bogensehne,  Saite; 
Art,  Eigenschaft  usw.'  Die  Grundbedeutung  des  ai.  Wortes  ist 
'Faden,  Schnur',  seine  Grundform  ist  *gf-wo-;  es  gehört  zugleich 
mit  einer  Reihe  idg.  Wörter  zu  einer  Wurzel  ßer-  'drehen,  flechten, 
wickeln',  worüber  ausführhch  Liden  Stud.  z.  altind.  u.  vergl. 
Sprachgesch.,  S.  3  f.  (vgl.  Wackernagel  Album  Kern  152). 

Es  muß  beim  ersten  Zusehen  befremdlich  vorkommen,  daß 
die  vielseitige  Verwendung,  welche  das  iranische  Wort  gefunden 
hat  —  es  vertritt  u.  a.  öfters  die  deutschen  Endungen  -weise^ 
-artig^  -lieh  u.  dgl.  — ,  auf  eine  Grundbedeutung  'Haar'  zui'ück- 
ziif  Uhren  sei.  Wenn  aber  das  Wort  einst  vorzugsweise  vom  Haare 
der  Tiere  gebraucht  worden  ist,  dürfte  vom  Standpunkt  einer 
Sprachgenossenschaft  von  Viehzüchtern  die  Sache  leicht  erklärlich 
sein :  'das  Haar'  oder  'die  Farbe'  oder  'die  Art'  eines  Haustieres 
wird  manchmal  ziemlich  dasselbe  sein.  —  Die  Ordnung,  worin 
Bartholomae  die  verschiedenen  Bedeutungen  von  aw.  gaona-  auf- 
führt, dürfte  dem  wirklichen  Verlauf  der  begrifflichen  Verschie- 
bung entsprechen. 

Ein  schlagendes  semasiologisches  Gegenstück  bietet  finn. 
karva.  Es  bedeutet:  Haar,  Haare,  besonders  von  Tieren,  auch 
am  menschlichen  Körper  (nicht  das  Haupthaar!) ')  —  Haarfarbe 
—  Farbe  überhaupt  —  endlich  'forma,  Gestalt'   (vgl.  läpp. 

1)  Auch  von  aw.  gaona-  wird  angegeben,  daß  es  nicht  das  Haupt- 
haar bedeute,  s.  Geldner  a.  a.  0. 


318  E.  Lid6n, 

garme  'forma,  species,  habitus',  finn.  Lehnwort).  —  Die  Grrund- 
bedeutung  'Haar'  steht  fest ;  das  Wort  ist  baltischen  Ursprungs : 
lit.  gaurm  'Haare*  (s.  Thorasen  Berör.  mell.  de  finske  og  de  halt. 
Sprog  171).  Das  finnische  Wort  hat  vielleicht  jene  Bedeutungs- 
entwickelung bereits  in  der  nicht  näher  zu  bestimmenden  baltischen 
Sprache,  woher  es  stammt,  durchgemacht. 

Nun  glaube  ich,  daß  aw.  gaona-  mit  eben  diesem  balt.(-finn.) 
Wort  urverwandt  ist.  Nur  die  Suffixe  sind  verschieden:  gaona- 
aus  idg.  *QOU-no-  stellt  sich  zu  lit.  gauras,  gewöhnlich  Plur. 
gauraiSLWs,  *ßou-ro-  'die  kurzen,  eine  Haut  rauh  machenden  Haare, 
besonders  die  rauhen  Haare  der  Tiere*,  lett.  gauri  Plur.  'die  Haare 
an  den  Schamteilen'.  Dazu  gehören  weiterhin  mir.  güaire  (aus 
*QOurio-)  'Haar',  nir. guaire  'rough  hair,  bristle ;  the  hair  taken  off  the 
horse's  tail',  guaireachdn  'a  hairj,  bristly  person  or  object'  (Zupitza 
KZ.  85,  269)  und  awnord.  karr  (aus  *Qouero-)  'krause  Locken', 
nnorw.  haure  (aus  ^gpuro-)  'krause  Locke;  spiralgewundener  Hobel- 
span ;  Knoten  am  Zwirn  usw.',  s.  des  näheren  beim  Verf.  unten  S.341  ff. 

Wie  daselbst  näher  ausgeführt  ist,  weisen  die  verschiedenen 
Bedeutungen  der  hier  erwähnten  und  anderer  nordischen  Wörter 
(vgl.  auch  nir.  guair-dedn  'Wirbelwind'  u.  a.)  darauf  hin,  daß  die 
ganze  Sippe  der  Wurzel  geu-  '(konkav  oder  konvex)  gekrümmt  sein' 
angehört,  vgl.  griech.Yu-po-c  'Rundung,  Kreis,  Ring',Yö-p6-c  'rund, 
ausgebogen',  nnorw.  kaa  '(das  Heu)  wenden',  awnord.  kä-beinn 
'Krummbein'  (aus  *gOMo-),  griech.  yuaXov  'Wölbung,  Schlucht', 
mndd.  kü-le  'Grube;  Beule'  u.  a.  —  Zu  dieser  Wurzel  sind  längst 
gezogen  worden  aw.  gav-,  gava-  'Hand'  (eig.  'die  gekrümmte,  hohle 
Hand',  vgl.  zur  Bedeutung  z.  B.  nnorw.  krük  'Handvoll' :  krüka 
'den  Rücken  krümmen'),  günaoiti  'verschafft',  gaona-  'Gewinn', 
lett.  gü-t  'greifen,  fangen',  griech.  eT-Turi  '(die  Einhändigung  eines 
Pfandes)  Bürgschaft'.  Falls  dies  richtig  ist,  sind  aw.  gaona-  'Haar' 
und  gaona-  'Gewinn'  im  letzten  Grunde  verwandt. 

2.  Aw.  gaesa-,  ir.  gaoisid,  gr.  xotiin. 
Aw.  gaesa-  M.  'Kraushaar,  Lockenhaar',  nach  der  Phlv.- 
Übersetzung  'das  Haar  in  zwei  oder  drei  (Locken)  geordnet', 
phlv.  ges,  npers.  ^^s,  ges-ü  'herabhängende  Haare,  Locken,  Gelock'; 
—  westoss.  yesä,  ostoss.  ^fs 'Borste',  qiz-gim  'mit  borstigem  (rauhem) 
Haar'.  Aus  dem  Pers.  stammen:  afgh.  gesü  'a  side-lock',  arm.  ges, 
Gen.  Sing,  gisoy,  öfter  Plur.  ges-kh  'das  lange  Haar  des  Kopfes', 
gisak-kh  'Locken'.  S.  Hörn  Neupers.  Etym.  212,  Grundr.  d.  iran. 


Zur  iranischen  Etymologie.  319 

PhU.  I.  2.  85,  Hübschmann  Pers.  Stud.  96,  212,  Arm.  Gramm.  1, 127, 
Etym.  u.  Lautl.  d.  osset.  Spr.  33,  Miller  Spr.  d.  Osseten  25. 

Dazu  gehört  j.  aw.  gaesu-,  gae^u-  'kraushaarig,  lockenhaarig; 
(vom  Kamel)  zottel haarig',  s.  Bartholomse  Altiran.  Wtb.  480. 

Außeriranische  Verwandte  sind,  so  viel  ich  weiß,  nicht 
nachgewiesen.  Fr.  Müller  und  Pick  Vergl.  Wtb.^  1,294  stellen 
aw.  gaesa-  mit  ai.  kega-  oder  kesara-  'Haar'  zusammen,  was  aber  an 
der  Yerschiedenheit  der  anlautendeu  Gutturale  scheitert.  Hübsch- 
mann am  erstgen.  0.,  Hörn  am  letztgen.  0.  und  Salemaun  Grundr. 
d.  iran.  Phil.  I.  1,  263  führen  das  iran.  -s-  auf  idg.  -k-  zurück;  es 
fehlt  aber  ein  etymologischer  Anhalt  für  diesen  Ansatz. 

Die  iran.  Wörter  stellen  sich  m.  E.  zu  nir.  gaoisid  'crinis', 
gäl.  gaois{i)d  'horse  hair,  the  hair  of  beasts'  (air.  *gäissit),  nir. 
gaoisneach,  gaoisideach  'crinitus',  mir.  goisideach  'ds.'. 

Das  Keltische  und  das  Iranische  zusammen  weisen  auf 
eine  indogermanische  Grundlage  *ßhaits'^  hin.  —  In  npers.  mähi 
'Fisch'  (aw.  masya-^  ai.  mdtsya-)  und  vielleicht  niköhidan  'tadeln' 
(vgl.  ai.  kidsäyati)  ist  allerdings  idg.  -fe-,  aw.  -s-  durch  h  ver- 
treten i).  Da  aber  idg.  ts  und  k  im  Altiran,  gewiß  zusammen- 
gefallen sind,  und  da  letzteres  im  Neupers.  teüs  als  A,  teils  als  s 
erscheint^),  dürfte  es  unbedenklich  sein,  dieselbe  Doppelvertretung 
auch  für  das  aus  idg.  ts  entstandene  aw.  s  anzunehmen,  s.  Hübsch- 
mann Pers.  Stud.,  S.  219  (§  109,  e). 

Daß  in  den  fraglichen  "Wörtern  ein  -t-  mit  im  Spiele  ist, 
macht  das  gewiß  verwandte  griech.  xanr\  'langes,  fi'ei  herab- 
wallendes Haupthaar  des  Menschen;  die  Mähne  des  Pferdes' 
sehr  wahrscheinlich.  —  Morphologisch  erklärt  sich  die  iran.-kelt. 
Grundlage  *Qhait-s-  als  die  synkopierte  Form  eines  s-Stammes. 
Zu  griech.  xaifr)  aus  idg.  *ßhaitä-  verhält  sich  dies  *Qhait-s- 
wesentlich  wie  z.  B.  ai.  vetas-d-  'Rute'  (und  griech.  oicoc,  falls 
aus  *uoifso-)  zu  ahd.  ivida  (idg,  *uitä-)  'Weide' 3). 


1)  Vgl.  Hörn  Grundr.  d.  iran.  Phil.  I.  2,  94  (§  42,  2,  c),  Hübschmann 
Pers.  Stud.  116,  N.  2  und  IF.  Änz.  6,  32  (gegen  Bartholomae  Grundriß  d. 
iran.  Phil.  I.  1,  7). 

2)  S.  Hübschmann  KZ.  24,  385  f.,  Pers.  Stud.  §  100,  101,  Hörn 
Grundr.  d.  iran.  Phil.  I.  2,  85  (§  38,  1,  b,  ß)  und  93  (§  42,  2,  a,  a),  Bar- 
tholomae Grundr.,  S.  165  f.  (§  282). 

3)  Die  irischen  Wörter  und  xaifn  verbindet  Stokes  bei  Fick  Vergl. 
Wtb.  2*,  104  (vgl.  Macbain  An  Etym.  Dict.  of  the  Gaelic  Lang.  169),  aber 
die  für  das  Kelt.  vorausgesetzte  Grundform  ist  morphologisch  unannehm- 
bar. —  Unwahrscheinliche  oder  unmögliche  Ursprungsdeutungen  von  xairii 


320  K.  Liden, 

3.  Aw.  wnä,  nir.  uaitnh,  griech.  euvr). 

Aw.  unä-  {ütiä-)  F.  'Loch,  Riß  (in  der  Erde)',  in  der  Phlv.- 
Übersetzung  mm,  iinak,  s.  Bartliolomae  Altir.  Wtb.  401,  EF.  11, 
143.  Über  die  Bedeutung  des  Wortes  handelt  ausführlich 
Lanraan  Anier.  Journ.  of  Philol.  11,  87  f.  {unä  =  'hole,  crevice, 
cranny'). 

Letzterer  Forscher  verbindet  es  mit  aw.  üna-  'kärglich,  uu- 
genügend  (nicht  gefüllt)',  ai.  und-  'ermangelnd,  unzureichend', 
griech.  euvig,  got.  wans  'ermangelnd';  ünä  hätte  also  ursprünglich 
die  Bedeutung  'an  empty  place,  whether  pot  or  hole,  a  cavit}''. 
—  Hörn  Zs.  d.  d.  morgenl.  Ges.  43:  33  erklärt  unä  aus 
*udnä  zu  ai.  tmätti  'benetzen'.  —  Bartholonme  bezeichnet  die 
Etymologie  als  unbekannt,  lehnt  also,  mit  vollem  Recht,  die  er- 
wähnten Versuche  ab. 

Wahrscheinlich  ist  u-nä  verwandt  mit  air.  huam  gl.  'specus', 
mir.  {h)uaim  Gen.  uama,  uamad  'Höhle,  im  Berg,  in  der  Erde', 
nir.,  gäl.  uaimh  Fem.,  Gen.  uamha  'a  holloAv,  grave,  cave,  den'; 
aus  *eu-mä,  '^eu-mat-  (resp.  ou'^). 

Zum  irischen  Wort  stellt  Strachan  bei  Fick  Vergi.  Wtb.  2^ 
48  griech.  eu-vri  'Bett,  Lager  (des  Menschen,  des  Wildes,  der 
Schweine,  der  Vögel  usw.)'.  Diese  Vermutung  ist  von  Brugmanu 
Berichte  d.  Sachs.  Ges.  d.  Wiss.,  phil.-hist.  KL,  1901,  S.  113 ff. 
und  IF.  Anz.  14,  47  in  überzeugender  Weise  begründet  worden. 
Die  bisherigen  Deutungen  von  euvri  lehnt  er  wegen  verschiedener 
Mängel  ab  und  mit  besonderer  Rücksicht  auf  die  Parallele  got.  hadi 
ahd.  hetti  'Bett'  :  lett.  hedre  'Grube'  cymr.  hedd  'Grab'  (lat.  fodiö 
lit.  bedu  'grabe')')  setzt  er  als  die  ursprüngliche  Bedeutung  von 
euvrj  'Aushöhlung,  Vertiefung,  Kaule,  die  Tieren  und  Men- 
schen als  Einschlupf  und  Lagerstätte  diente',  an  2).  —  Mit  eu-vri 
ist  nun  aw.  unä-  am  nächsten  zu  vergleichen. 

In  diesem Zusammenhangdürften  ai.rtm^a-'Brunnen, Zisterne', 


bieten  Prellwitz  Etym.  Wörterb.  d.  griech.  Spr.  353,  H.  D.  Müller  BB.  13,  312. 
Havet  M6m.  de  la  soc.  de  ling.  de  Paris  6,  238.  Neuerdings  sucht  Sommer 
Griech.  Lautstud.  S.  73  das  griech.  Wort  mit  ai.  kesara-,  lat.  ccesaries 
'Haar'  unter  der  sehr  problematischen  Annahme  einer  Grundform  *KaicTT5. 
XaihiTÖ-  zu  vermitteln. 

1)  S.  über  got.  badi  usw.  Persson  KZ.  33,  290  (wo  eine  gute  Bedeutungs- 
parallele), Meringer  Die  Stellung  des  bosn.  Hauses  (Wien  1901),  S.  107  f. 
—  Verfehlt  Wiedemann  BB.  28,"  72. 

2)  Zu  eüvr)  stellt  Bugge  Lyk.  Stud.  2,  11  lyk.  eune.  z-evnf  Xager,  Bett'. 


Zur  iranischen  Etymologie.  321 

avatd-  'Grube'  (mit  präkr.  t  für  t)  und  lett.  avüts  'Quelle'  aus  idg. 
*eunto-^  bzw.  *euonto-  mit  in  Beti-acht  zu  ziehen  sein.  Sie  werden 
sonst  entweder  zur  Präposition  ai.am  'weg,  herab'  oderzu  ai.öd-man- 
'das  Wogen,  Fluten',  lit.  dudra  'Flut',  lat.  unda^  got.  watö,  ai.  v-är- 
'Wasser'  u.  a.  gestellt  —  beides  nicht  recht  überzeugend ;  s.  Fick 
Vergl.  Wtb.  1*,  5,  Persson  Wurzelerw.  228,  N.  1 ;  Johansson  Beitr. 
z.  griech.  Sprachk.  150,  IF.  2,  62  (N.  2)  und  8,  166;  Bartholomae 
IF.  3, 179  (vgl.  FortunatovKZ.  36, 161,  v.  Bradke  ZDMG.  40,  681  f.). 
—  Die  ursprüngliche  Bedeutung  kann  'Vertiefung,  Loch'  sein. 
Auch  ai.  avdni-  F.  'Bett  eines  Flusses;  Fluß;  Erdboden',  das 
Persson  und  Johansson  mit  avatd-  usw.  verbinden,  ist  zu  be- 
rücksichtigen. 

Die  Hierhergehörigkeit  auch  von  mir.  üag  F.  'Höhle,  Grab', 
nir.,  gäl.  tmigh  'a  grave,  tomb,  vaiilt,  den,  cave'  aus  *eug{h)ä-,  *oug{h)ä- 
ist  wohl  zweifelhafter.  An  dessen  Verwandtschaft  mit  got.  augö 
'Auge'  (Stokes  bei  Fick  a.  a.  0.  2*,  4)  kann  ich  —  trotz  der  se- 
masiologischen  Möglichkeit  —  nicht  glauben^). 

Nach  Brugmann  a.  a.  0.  (vgl.  Meringer  IF.  16, 160)  gehören 
griech.  euvri  und  ir.  uaimh  zur  Wurzel  eu-  'in  eine  Hüllung  ein- 
gehen, in  etwas  einschliefen'  (lat.  ind-uö^  ex-m^  lit.  aunü  'Schuhwerk 
anziehen'  usw.),  wovon  eine  Anzahl  Ausdrücke  für  Röhre  und 
röhrenförmige,  ausgehöhlte  Gegenstände  gebildet  sind,  z.  B.  asl. 
idijt^  lit.  avilys^  aulijs  'ausgehölilter  Stock  für  Bienen',  griech. 
auXöc  'Flöte  (Rohr)',  awnord.  huann-iöU  (aus  *eulen-\  nnorw.  aul(e) 
(aus  *aul°^  *oid'*)  'der  hohle  Stengel  der  Angelica  Archangelica' 
(Liden  Uppsalastud.  95,  Stud.  83),  preuß.  aulis  'Schienbein',  asl. 
tdica,  arm.  wf,  uti  'Weg'  u.  a.;  s.  die  ZusammensteUuugen  bei 
Liden  a.  a.  0.,  Bezzenberger  Gott.  Gel.  Anz.  1898,  S.  553,  N.  1, 
Pedersen  KZ.  39,  459.  Ich  möchte  noch  lett.  ula^  ul'a  'Radnabe' 
(von  Johansson  IF.  2,  58  und  ühlenbeck  Altind.  et.  Wtb.  20  nicht 
überzeugend  zu  ai.  äni-  'Lünse'  gezogen)  nachtragen. 

4.  Aw.  xsvfd-,  lit.  svestas. 
Aw.  xsvid-,  xsvid-  (N.  Sing,  xsvis-ca  Vend,  13,  28)  Mask. 
'Milch',  in  Verbindung  mit  äzüti-  überhaupt  'flüssige  Nahrung'  im 
Gegensatz  zu  fester;  Du.  xsvtöa  äzüiti  Y.  16,  8  'Trank  und  Speise'. 

1)  Vgl.  Thurneysen  IF.  Anz.  6,  196.  —  Wegen  der  angeblichen  Form 
üad  (hüad)  s.  Stokes  BB.  23,  64  f.,  gegen  Thurneysen  a.  a.  0.  und  Ascoli 
Gioss.  palaeohib.,  p.  133.  —  Anders  über  tiag  Macbain  An  Etym.  Dict.  of 
thc  Gael.  Lang.,  S.  345. 


322  E.  Liden, 

Justi  Handb.  d.  Zendspr.  95,  J.  Schmidt  KZ.  25,  57  u.a. 
haben  das  Wort  mit  ai.  k?ü  'Speise'  und  der  ai.  Wurzel  ghas- 
(jaghdsa,  jdk^ati,  jagdhd-)  'verzehren'  verbunden,  v^as  heut- 
zutage als  in  mehr  als  einer  Hinsicht  unhaltbar  gelten  muß. 
Bartholomae  Altir.  Wtb.  562  bezeichnet  die  Etymologie  als  un- 
bekannt i). 

Aw.  xsv-  entspricht  in  einigen  Fällen  einem  ursprüng- 
lichem SM-,  s.  Bartholomae  Grundr.  d.  iran,  Phil.  1,  36,  ßrugmann 
Vergl.  Gr.  1^,  739.  Unser  Wort  läßt  sich  daher  mit  lit.  svestas, 
lett.  sve'sts,  sveksts  'Butter'  zusammenstellen;  das  st  dürfte  ur- 
sprüngliches -d-t-  sein.  Auch  das  halt  Wort  scheint  bisher 
isoliert  zu  sein. 

Zum  Begrifflichen  vgl.  ai.  pdi/as-,  aw.  payah-  'Milch',  pae- 
man-  'ds.'  im  Yerhältnis  zu  ai.  pivas-  aw.  pivah-  'Fett',  griech. 
TTiap  usw. 

5.  Aw.  taera-,  staera-,  lat.  stilus^  Stimulus. 

Aw.  taera-  M.,  N.  'Bergspitze,  Gipfel'  und  staera-  M. 
'Bergspitze',  phlv.  terak^  bal.  fer  'Bergspitze',  afgh.  tera  'scharf, 
spitzig',  s.  Bartholomae  Altirau.  Wtb.  623,  1588,  Grundr.  d.  iran. 
Phil.  I.  1,  33.  Die  Bedeutung  der  awestischen  Wörter  ist  von 
Bartholomae  KZ.  29,  487  festgesteUt. 

Fick  Vergl.  Wtb.  1  ^  333  (vgl.  Uhleubeck  Altind.  Et.  Wtb. 
345)  verbindet  aw.  staera-  mit  ai.  stydyate  'gerinnen,  hart 
werden',  griech.  ciia,  ctiov  'Steinchen',  got.  stains  'Stein'  u.  a. 
Auch  Bartholomae  Wtb.  1588  findet  Verwandtschaft  mit  got. 
stains  möglich.  Aus  Bedeutungsgründen  scheint  mir  diese  An- 
knüpfung sehr  wenig  zusagend. 

Wenn  wir  an  der  tatsächlichen  Bedeutung  der  iranischen 
Wörter,  'Spitze,  spitz',  festhalten,  dürften  sie  auf  ein  paar  latei- 
nische Wörter  Licht  werfen,  welche  bisher  den  Forschern  lautliche 
Schwierigkeiten  gemacht  haben. 

Die  aw.  Formen,  die  sich  zueinander  verhalten  wie  z.  B. 
griech.  ctetoc  zu  tctoc,  können  ein  idg.  *[s)toi-lo-  oder  *{s)tdi-lo- 
darstellen.  Aus  einer  damit  ablautenden  Form  *sti-lo-  erklärt  sich 
lat.  stilus  M.  '1.  ein  spitziges  Werkzeug  in  der  Land-  und  Garten- 
wirtschaft, um  die  Gewächse  auseinander  zu  machen;  2.  Griffel 


1)  [Johansson  WZKM.  19,  236  sucht  jetzt  aw.  xävtd-  mit  ai.  k$%rd- 
'Milch*  zu  vermitteln,  was  nur  unter  sehr  unsicheren  und  komplizierten 
Voraussetzungen  möglich  ist]. 


Zur  iranischen  Etymologie.  323 

zum  Schreiben;  3.  Stiel,  Stengel  usw.'.  —  Nach  einer  älteren 
Ansicht'),  die  jetzt  wohl  ziemlich  Avenige  Vertreter  finden  dürfte, 
wäre  stilus  dem  griech.  ctOXoc  'Säule,  Pfeiler'  entlehnt,  aber  schon 
die  Verschiedenheit  der  Vokale  —  lat.  f,  griech.  ö  (nicht  u)  — 
macht  diese  Annahme  hinfällig.  Andere 2)  wollen  es  mit  griech. 
creXexoc  'Stamm,  Stammende'  zusammenbringen,  was  das  lat.  i 
unerklärt  läßt.  Ebenso  originell  wie  verfehlt  ist  die  Meinung 
Wharton's  (Etyma  lat.  100),  daß  stilus  aus  idg.  *studho-  (aengl. 
studu)  zu  erklären  wäre.  Zahlreiche,  besonders  ältere  Forscher  3) 
lassen  es  aus  *sUg-lo-  entstanden  sein  und  stellen  es  zu  griech. 
CTiTuü  'steche',  lat.  instigäre  'anspornen',  ai.  tejate  tik-tä-  'scharf 
sein',  tig-mä-  'scharf,  ahd.  stehhan  'stechen',  got.  stiks  'Stich, 
Punkt'  usw. ;  aus  *sUglo-  könnte  aber  nichts  als  *stigulus  werden. 
Wohl  aus  dieser  Erwägung  wird  das  Wort,  wo  man  in  neueren 
Arbeiten  ein  Stellungnehmen  dazu  erwarten  könnte,  zumeist 
stillschweigend  beiseite  gelassen'^). 

Lat.  Stimulus  'Stachel  zum  Antreiben  der  Tiere  usw.' 
widerstrebt  der  nächstliegenden  und  gewöhnlich  angesetzten 
Grundform  *stigmolo-.  ^)  Es  steht  freilich  nicht  in  allen  Einzel- 
heiten fest,  was  sich  aus  -gm-  bei  ungestörter  Entwickelung  im 
Lateinischen  ergibt,  aber  alles  scheint  dagegen  zu  sprechen, 
daß  das  g  spurlos  schwinden  könnte,  vgl.  Brugmann  Grundr.  P, 
677,  6801,  Kurze  Vergl.  Gr.  226,  N.  1,  Solmsen  Stud.  z.  lat. 
Lautgesch.  18,  Kretschmer  Einl.  in  die  Gesch.  d.  gr.  Spr.  128, 
Sommer  Handb.  d.  lat.  Laut-  u.  Formenl.  237  f.  Sommer  sucht 
sich  mit  Stimulus  in  einer  Weise  zurechtzufinden,  die  er  selbst 
als  nicht  gerade  sehr  einleuchtend  bezeichnet.  —  Wenn  nun  stilus 
für  ursprüngliches  *sti-lo-  stehen  muß,  ist  Stimulus  unbedenklich 
aus  *sti-mo-lo-  abzuleiten. 


1)  S.  z.  B.  Weise  Griech.  Wörter  in  d.  lat.  Spr.  81,  Keller  Lat.  Volks- 
etym.  254  f. 

2)  Z.  B.  Liddell  and  Scott  Greek  Lex.  s.  v.  ctO\oc. 

3)  Fick  KZ.  20,  360,  Vergl.  Wtb.«  1,  247,  2,  276,  Curtius  Griech. 
Etyin.5  214  f.,  Schweizer -Sidler  u.  Surber  Gramm,  d.  lat.  Spr.  1*,  63, 
Prellwitz  Et.  Wtb.  302  und  zuletzt  Siebs  KZ.  37,  312  (die  lautliche 
Schwierigkeit  existiert  für  ihn  nicht,  denn  er  setzt  stilus  und  Stimulus  mit 
langem  /  an!). 

4)  Z.  B.  Fick  in   der   vierten  Auflage   seines  Wörterbuches  I,  144. 

5)  Schweizer  KZ.  1,  560,  Kuhn  KZ.  6,  157,  Curtius  a.  a.  0.,  Prellwitz 
a.a.O.,  FickWörterb.  2',  276,  Froehde  BB.  16, 191.  Ganz  verfehlt  Wharton 
Etyma  lat.  100. 


334  E.  Lid6n, 

Es  dürfte  kaum  zweifelhaft  sein,  daß  das  wurzelhafte  Element 
von  aw.  staera-  taera-  lat.  stiliis  Stimulus  mit  der  auf  g  aus- 
lautenden Wurzel  der  oben  erwähnten  griech.  cti^uu  lat.  instigäre 
usw.  in  entfernterer  Verwandtschaft  steht.  Auch  andere  Um- 
stände scheinen  von  der  sekundären  Natur  dieses  g  zu  zeugen. 
Für  jetzt  muß  ich  mich  damit  begnügen,  auf  die  Andeutungen 
von  Zupitza  Die  germ.  Gutt.  45  hinzuweisen.  Weitere  Beispiele 
des  *Wurzelsuffixes'  g  finden  sich  bei  Persson  Wurzelerweit. 
u.  Wurzelvar.,  S.  14—24. 

6.  Aw.  &raos-,  9rii-^  awnord.  ^rdasÄ:. 
Aw.  &raos-^  Präs.-Stamm, 'reifen:  zur  Reife,  Vollendung,  Voll- 
kommenheit bringen  oder  gelangen',  &raos-ti-  '(Reife),  Voll- 
endung, Ende',  Das  Perf.  tu-9ruye  (3.  Sing.  Med.,  statt  tu&ruve) 
*alere,  auf  erziehen,  unterhalten' zeigt  einen  einfacheren  Stamm,  ohne 
das  s  des  Präs.  —  S.BartholomaeAltiran.Wtb.800f.,802,vgl.KZ.28, 
46,GeldnerBB.14,20;15,253,  CalandKZ.31,  260,  Richter  KZ.  36, 
588,  N.  1.   [Vgl.  jetzt  Trautmann  Zfd.  Wortf.  7,  170.  K.-N.] 

Die  Wurzel  ist  treu-,  tru-,  treu-s-.  Daran  schließt  sich 
folgende  germanische  Sippe: 

aAvnord.  pröa-sk,  Fvät.  ßröadisk  'to  Avax,  increase,  grow'; 
nisl.  ßrö-i  M.,  prö-un  F.  'ripening;  advancement,  development'; 
nnorw.  tröna,  -ast  'wachsen  und  gedeihen,  stark  und  wohlbeleibt 
werden'  (Aasen  Ordbog  836,  Ross  Ordbog  836;  aus  einem  Part, 
awnord.  *ßrö-inn  abgeleitet),  urg.  *pröu-\ 

ahd.  trouuen  Ra.  gl.  'crescere,  pupiscere'  und  triuuit  Ra.  gl. 
*excellet,  pollet,  floref  (Graff  5,  471;  mit  alem.  t-  statt  rf-), 
mhd.  (md.)  üf  gedrouiven  'erwachsen',  ä.  nhd.  druhen  'gedeihen', 
thüring.  dröen,  drohen  'wachsen,  gedeihen,  wohl  anschlagen'; 
Schwab.,  Schweiz.  trUlien  'gedeihen',  trüliaft  'nahrhaft' ;  — •  mhd. 
drvo  F.  'Frucht'.  S.  über  die  deutsche  Sippe  Grimm  DW.  2,  1456, 
Riegel  KZ.  10,  1371,  J.  Schmidt  KZ.  26,  7;^) 

1)  Hiehcr  gehören  wohl  noch  die  Namen  alid.  Throand  Droant  = 
awn.  Pröndr  Prdndr  und  ahd.  Tro-olf,  fränk.  Dt-o-ildis,  s.  Bugge  Norges 
Indskr.  m.  de  seldre  Rnner  1,  335;  über  den  Wechsel  ö,  ä  s.  Falk  Arkiv  f. 
nord.  fil.  6,  113,  andrerseits  Noreen  das.,  S.  378.  Vgl.  auch  awn.  Prdndr, 
poet.  Benennung  des  Ebers,  vielleicht  auch  als  Bergname,  s.  Bugge  bei 
Rygh  Gamle  Personnavne  i  norske  Stedsnavne  264,  Norske  Gaardnavne  3, 
384.  15,  119.  —  Nach  J.  Schmidt  a.  a.  0.  und  Noreen  Urgerm.  Lautlehre 
216  wären  ahd.  druos  'Drüse"  und  slav.  trava  'Gras,  Kraut'  mit  awn.  pröasTc 
usw.  verwandt,  was  mir  ganz  unwahrscheinlich  vorkommt;  über  das  slav. 
Wort  s.  Miklosich  Et.  Wtb.  364  a. 


Zur  iranischen  Etymologie.  325 

awnord,  proskr  aus  vorgerm.  *tru-sko-  (oder  *trus-ko-?) 
'(mature.  full-growu)  vigorous'  nur  Skirnism.  39,  3;  daraus  sind 
abgeleitet  proski  M.  'maturitj,  füll  age,  raauhood,  developnient* 
und  proska-sk  'to  ripeu,  grow  ripe,  grow  up  to  füll  age,  live  to 
be  a  man'  (nisl.  auch  akt.  proska  'to  make  ripe'),  Part,  proskadr 
'ripe,  mature,  grown  up,  adult'  {p.  bcedi  at  viti  ok  afli  'reif  au 
Geist  und  Körperkraff).^) 

7.  Aw.  grava-,  lat.  veru  usw. 

Aw.  grava-  M.  'Stock,  Rohrstock'  kommt  zweimal  vor: 
Akk,  Sing,  graom  und  Gen.  Sing,  gravahe^  Vendidäd  9,  14  [41,  42]. 
Es  handelt  sich  da  von  einem  längeren  ('neunknotigen',  nava- 
pixom)  Rohrstab,  an  dessen  Spitze  bei  der  Baresnüra-Zeremonie 
ein  Schöpf gefäß  befestigt  werden  soll.  Im  Phlv.-Yendidäd  wird 
es  mit  grav  wiedergegeben.^)  Im  Neupers.  entspricht  yarü 
'Rohr'.  3)  Die  Etymologie  gilt  als  unbekannt  (vgl.  Hörn  Neupers. 
Etym.  S.  279,  Bartholomae  Altiran.  Wtb.  529). 

Ich  verbinde  das  Wort  mit  lat.  veru  'Bratspieß,  Wurf- 
spieß', umbr.  beru-  (PI.  Akk.  berva^  Abi.  beriis)  'Spieß',  air.  bir 
(aus  *beru-)  N.  'Stachel,  Spieß',  gäl.  bior  'a  thorn,  a  prickle;  a 
pointed  stick;  a  spit,  pin',  cymr.  ber  'a  spit;  a  pike,  spear', 
corn.  ber  'ds.',  bret.  ber  'broche,  Bratspieß',  welche  auf  idg.  *ßueru 
zurückgehen. 

Iran,  grava-^  das  ich  aus  idg.  ßvreuo-  erkläre,  steht  zu 
kelt.-ital.  gVeru  genau  im  selben  Yerhältnis  wie  got.  kniwa-  ahd. 
kniu  knewes  awnord.  knS  'Knie'  usw.  aus  idg.  *gneuo-  zu  lat. 
genu  (griech.  yovu  ai.  jänu  usw.);  vgl.  got.  triwa-  asächs.  trio 
awnord.  trS  'Baum'  aus  idg.  *dreuo-  zu  griech.  ööpu  ai.  däru  usw. 

8.  Aw.  pixa-^  lett.  piks  usw. 

My.pixa-  'Knoten'  ist  otTi.  Xet-,  in  der  Verbin  düng  graom.. . . 
nava.pixem  'einen  neunknotigen  Rohrstock'  Vend.  9,  14  [41]. 
Dazu  phlv.  pixak  'Knoten  (Wirbel)'.  S.  Bartholomae  Altiran.  Wtb. 
1045  und  483  (unter  gaonavant-). 

1)  Vigfusson  Dict.  746b  verbindet  mit  Recht //-osÄ-/  m\i  prdask,  vgl. 
Kluge  Nomin.  Stammbildungslehre  *  §  209.  Andere  ziehen  proski  zu  awn. 
proti  'Schwulst',  prütinn  'geschwollen',  s.  Noreen  Urgerm.  Lautlehre  117, 
Altisl.  Gr.ä  §  310,  Karsten  Stud.  ö.  de  nord.  spräkens  prim.  nom.-bildn.  2, 
119,  aber  ohne  triftigen  Grund  dürfen  die  begrifflich  nahe  verwandten 
Wörter  prdask  und  proski  nicht  getrennt  werden. 

2)  Anders  West  Sacred  Books  of  the  East  18,  437. 

3)  Fr.  Müller  WZKM.  9,  437. 


326  E.  Lid6n, 

Dies  dürfte  verwandt  sein  mit  lett.  pik-s  M.,  'pika  F.  'Erd-, 
Lehmklumpen'  (snega  pika  'Schneeballen'),  pikids  *ein  Erden- 
kloß'. Die  iran.-balt.  Grundlage  ist  *piqho-^  -ä-.  Die  ursprüngliche 
Bedeutung  wäre  etwa  'pila,  globus,  glomus'. 

Die  Endung  -qho-,  -qhä-  kann  suffixal  sein.  Neben  dem 
Suffixe  -qo-,  -qä-  ist  ohne  Zweifel  eine  Yariante  mit  Aspiration 
anzuerkennen,  vgl.  z.  B.  ai.  mayükha-  'Pflock'  (zu  mi-tä-  'be- 
festigt', mi-t-  'Pfosten'  usw.),  npers. '  mex  'Pflock'  aus  arisch 
*mai-kha-^)\  aw.  maöaxa-^  -ä-,  npers.  malax  'Heusclu-ecke'^);  arm. 
glux^  Gen.  glxoy  'Kopf,  acux  'Kohle',  ijacax  'häufig',  xrax^  urax 
•froh'  (Bugge  KZ.  32,  10,  Pedersen  KZ.  39,  252  f.  254.  450). 

Es  stellt  sich  daher  die  Möglichkeit  heraus,  lat.^27a  (aus  *pi-la) 
*Ball;  Knäuel,  runder  Haufen,  Kugel'  hier  anzuknüpfen^).  — 
Der  Zusammenstellung  von  pila  mit  griech,  -rrdXXa  'BaU',  TidWeiv 
'schwingen'  (Curtius  KZ.  3,  413,  Fick  Vergl.  Wtb.a  2,  147,  Wiede- 
mann  BB.  28, 21,  der  noch  anderes  heranzieht,  vgl.  Vanicek  Gr.-lat, 
et.  Wtb.  1183)  widerstrebt  das  lat.  i.  LautUch  unmöglich  ist 
auch  die  Gleichung  pila  +  ai.  pinda-  'Ballen,  Klumpen'  aengl. 
fiint  usw.,  Froehde  BB.  10,  298  (vgl.  Johansson  IF.  2,  43,  N.  1)*). 
—  Ai.  pela-,  pelaka-  'scrotum'  (Hemacandra),  woran  man  denken 
könnte,  sind  unbelegt. 

Weiterhin  dürfte  lett.  pite  (aus  *pi-tie-)  'Kloß,  Klumpen'  {fernes 
pite  'ein  Erdenkloß')  verwandt  sein.  Die  Bedeutung  widerspricht 
der  üblichen  Zusammenstellung  mit  lit.  pln-ti,  lett.  pi-t  'flechten' 
(Leskien  Bild.  d.  Nom.  im  Lit.  547).  —  Daran  schließt  sich  wahr- 
scheinlich lit.  p]-ta-s  'rund'  {pUas  paUtas  'ein  rundes  Ei' ;  eine 
sehr  fragwürdige  Kombination  bei  Leskien  Ablaut  d.  Wurzel- 
silben im  Lit.  280). 

9.  Npers.  gösa,   awnord.  kiös  usw. 

Npers.  gösa  'Winkel,  Ecke',  bal.  gösak  (pers.  Lehnwort)  'ds.', 
käs.  göM,  kurd.  ^«i,  güse^  küsi  'Winkel'.  —  Die  Etymologie  scheint 
unbekannt  zu  sein  (s.  Hörn  Npers.  Etym.  211). 


1)  Hübschmann  Pers.  Stud.  99  f. 

2)  Aw.  maSaxa-  gehört  vielleicht  zusammen  mit  griech.  luäöuiar 
•yvoieoi  Hes.,  |uacdo|uai  'kauen',  lat.  mando  'ds'. 

3)  Lit.  pylä  'Spielball'  (Kurschat)  ist  wohl  ein  Lehnwort. 

4)  tJber  ai.  pin^a-  s.  Liden  Stud.  z.  altind.  u.  vergl.  Sprachgesch.  19, 
N.  1;  87  f.  und  die  da  angeführte  Literatur;  Bartholomae  Wochenschr.  f. 
kl.  Phil.  1897,  S.  655. 


Zur  iranischen  Etymologie.  327 

Als  Grruridform  von  npers.  gösa  (aw.  *gaosaka-)  setze  ich 
idg.  *gouso-  an  und  ziehe  es  zu : 

Nschwed.  kjusa  F.  'ein  längliches,  enges  Tälchen' ;  —  nnorw. 
kjös  M.  (PL  -ar)  und  F.  (PI.  -er),  kjöse  M.  1.  'kleine,  schmale  Bucht 
von  der  See ;  2.  eine  Vertiefung  im  Terrain,  eine  eingeschlossene 
Niederung;  tiefer  Bachlauf;  Pfütze';  —  nisl.  kjös  F.  'convallis  an- 
gustior,  a  deep  or  hollow  place';  —  awnord.  kiöss  (kiös)  ist  als 
Ortsname  häufig^). 

Auf  eine  allgemeinere  Grundbedeutung  führen  nschwed. 
kjus  M.  'Ecke  eines  Sackes',  awnord.  ermar-kiös  'bauschiger  Ärmel', 
färöisch  kjös  F.  'Kropf  der  Vögel'. 

Diese  nordischen  Formen  weisen  auf  urgerm.  *keusa-{n-\ 
*keusö-{n-\  idg.  *Qeiiso-,  -ä-  zurück.  Eine  ablautende  Form  mit 
ursprünglichem  au  (idg.  ou)  liegt  in  einem  schwedischen  See- 
namen vor  (Hellquist  Sv.  Laudsmäleu  XX.  1,  330),  ebenso  in 
dem  nach  Jessen  Dansk  etym.  Ordb.  136  f.  verwandten  Worte 
nnorw.  ksysa  F.  aus  *kausiön-  'eine  Art  "Weiberhaube,  Kapuze', 
woneben  kysa,  ndän.  kyse  Ms.'  aus  *keusiön-. 

Hellquist  a.  a.  0.,  Falk  u.  Torp  Etym.  Ordb.  1,  368  und 
WoodMod.  Lang.  Notes  19,  2  2)  ziehen  gewiß  richtig  die  nordische 
Sippe  zur  Wurzel  q^eu-  'krümmen,  biegen,  drehen'  und  ver- 
gleichen griech.  yuaXov  'Höhlung,  AVölbung  (GiLpriKoc  Hom.);  Tal- 
grund, Sclilucht,  Grotte',  TudXac  'Becher';  dazu  Yur|c  'Krummholz 
am  Pfluge;  ein  Landmaß,  Ackerland';  yuri  'Saatfeld,  Acker'  (vgl. 
nnorw.  kjos  in  der  Bedeutung  'schmales  Grasland,  das  sich  wie 
eine  Bucht  mitten  in  ein  höheres  Terrain  hineinzieht ;  Grasfleck 
in  einer  sumpfigen  Niederung',  nschw.  äker-kjusa  'Acker  in  einer 
Niederung'),  yuiov  'Glied,  Ellbogen,  Kniebug',  inriTpöc  YuTa  Mutter- 
schoß' u.  a.  Ein  c  kann  hier  geschwunden  sein,  ^v-  kann  aber 
auch  für  yuF-  stehen  und  zur  unerweiterten  Wurzel  geu-  gehören. 

—  Einige  verwandten  Wörter  kamen  im  ersten  Abschnitt,  oben 
S.  31 6  ff.,  zur  Sprache. 

1)  Fritzner  Ordb.  2,  291,  Rygh  Norske  Gaardnavne,  Forord  og  Ind- 
ledn.,  S.  60. 

2)  Wood  zieht  auch  ae.  "ceosol  cottage"  zu  nisl.  Ajös.  Ersteres 
kommt  nur  in  den  Gorp.-Gl.  1001  unter  der  Form  ceosol  'gurgustium'  und 
in  den  Epin.  und  Erf.  Gl.  457  in  der  Form  cesol  'gurgustium'  vor  (s.  Sweet 
Old.  Engl.  Texts).  Nichts  beweist,  daß  eo  anzusetzen  wäre ;  vgl.  Sievers  PBB. 
18,  415.  —  Es  kann  meines  Dafürhaltens  kaum  zweifelhaft  sein,  daß  wir 
es  mit  einem  Lehnwort  aus  lat.  casula  'gurgustium,  Hütte'  zu  tun  haben. 

—  Unrichtig  Schlutter  Anglia  19,  493. 


328  E.  Lid^n, 

—  Zur  Wurzelform  *Qeu-s-  gehören,  wie  ich  glaube, 
mndd.  Jcüsel  M.  'Kreisel',  küselen  'kreisend  im  Wirbel  drehen', 
nndd.  Msel  'Wasserwirbel;  Scheitelpunkt  des  Haares;  Kreisel', 
küsel-uind  'Wirbelwind'  (Brera.  Wörterb.  2,  763,  Danneil  Wörterb. 
d.  altmärk.-plattd.  Mundart  121,  Doornkaat-Koolman  Wörterb.  d. 
ostfries.  Spr.  2,  415  f.). 

10.  Npers.  gäSan^  gr.  ßiveu)  usw. 

Npers.  gäy-aö  'coitiert',  Inf.  gä-dan;  phlv.  gä-tan,  gä-t; 
kurd.  gäy-in  'sich  paaren' ;  afgh.  yai/-al,  yöval  'coire  cum  femina', 
yö  M.  'coition,  copulation';  balüci  gäy  (aus  *gäi/-ay)^  Ptc.  gäd^a 
'coire';  —  osset.  (digor.)  qäyun^  (tagaur.)  qäin^  Ptc.  qad  'coire'; 
—  npers.  gän  'coitus',  kurd.  gän  kirdin  'coire'  aus  airau.  *gäna-', 
aw.  gämo.hdrdHi-  'coitus'(??)^). 

Die  Sippe  wird  hauptsächlich  an  folgenden  Stellen  erörtert: 
Hübschmann  Etym.  u.  Lautl.  d.  osset.  Spr.  46,  Pers.  Stud.  90, 
Hörn  Grmidriß  d.  neupers.  Etym.  197,  Grundriß  d.  iran.  Philol. 
I.  2:  130,  218;  Geiger  Etjmiologie  des  Balüci  (Abh.  d.  Kgl.  Bayer. 
Ak.  d.  Wiss.  XIX.  1,  122),  Etym.  u.  Lautl.  des  Afghän.  (ibid. 
XX.  1,  176).  Hörn —  einem  brieflichen  Vorschlag  Bartholomaes 
folgend  —  bringt  die  iran.  Wörter  mit  griech.  YcciLieuj  'heiraten' 
zusammen ;  npers.  gäyaö  sei  aus  idg.  *ßin-i-eti  entstanden.  Laut- 
gesetzlich könnte  dies  jedenfalls  nicht  sein :  idg.  m  vor  /  ergibt 
arisch  am.  vgl.  ai.  ddmyati  'zähmt'  aus  '^drfiieti  zu  damitdr-^  griech. 
död|LiaToc,  öjuriToc;  ai.  gdmyati  'hört  auf  zu  griech.  KCXjuaTOC,  K^riTÖc 
usw.  2).  Diesem  Einwurf  wäre  ja  freilich  durch  Annahme  von 
Ausgleichung  nach  Formen  wie  airan.  *gä-ta-^  *gä-na-  usw.,  wo 
gä-  für  idg.  ßip,-  stehen  könnte,  zu  entgehen.  Entschieden  un- 
günstig stellt  sich  aber  die  Tatsache,  daß  griech.  ■^a\x6.\  —  vgl. 
YctMoc  'Hochzeit,  Ehe'  usw.  —  die  Verbindung  von  Mann  und  Weib 
vorwiegend  in  rechtlicher  und  sozialer  Beziehung  bezeichnet  und 
nur  selten  und  zwar  euphemistisch  von  geschlechtlichen  Ver- 
bindungen mit  Bezug  auf  ihre  Naturseite  gebraucht  wird.  Die 
mutmaßlichen  außergriechischen  Verwandten  weisen  in  dieselbe 
Richtung  hin  ^). 

1)  So  übersetzt  es  Geiger  Ostiran.  Kultur  S.  341,  Note  2 ;  nach 
Spiegel  und  Darmesteter  'Schritt',  nach  Bartholomae  Altiran.  Wtb.  522  'das 
Machen  eines  Schrittes'. 

2)  Brugmann  Vergl.  Gr.  1 »,  419,  420. 

3)  Griech.  '^a]xiMi  hat  übrigens  vielleicht  palatales  g.  s.  Pedersen 
BB.  20.  232  f. 


Zur  iranischen  Etymologie.  329 

Die  zunächst  zu  erreichende  iran.  Wurzel  ist  gä-^  Präs. 
gäy-^  was  an  sich  idg.  *g(/i)ä-  oder  *g(A)ö-,  bzw.  -i-  wäre.  Es  ist 
indessen  in  Betracht  zu  ziehen,  daß  der  lange  Vokal  erst  aus 
einem  Langdiphthongen  hervorgegangen  sein  könnte,  welcher  unter 
bestimmten  lautlichen  Bedingungen  den  zweiten  Bestandteil  ein- 
büßen mußte. 

Als  ursprüngliche  Wurzelform  setze  ich  *ßUä(i)-  an;  daraus 
Präs.  *gväi  eti  — >■  npers.  gäyaö  usw.,  *g"ä[/]-;<o — >  npers.  gän-^ 
vgl.  ai.  pänam  Trunk'  von  der  Wz.  *pö{i)-  'trinken'  oder  dhätri 
'Amme'  zu  dhdyämi  lett.  deju  'sauge'  (Wz.  dhei-)  und  andere 
wohlbekannte  Fälle  ^). 

Die  Schwachstufe,  idg.  *g«z-,  finde  ich  in  griech.  ßlveuu,  ßivecKO- 
iuai  'inire,  coire,  besonders  vom  außerehelichen  Beischlaf.  Betreffs 
des  Ablauts  verhält  sich  ßi-v-euu  zum  iran.  gäy-  gä-  wie  z.  B.  griech. 
TTi-v-Lu,  TTi-Gi,  ai.  pt-td-,  pi-ti-,  asl.  pi-ti  zu  m.pCujäna-  'das  Tränken', 
pä-ti  'trinkt',  griech.  rre-TTUu-Ka  usw. 

Die  althergebrachte  Kombination  von  ßiveuj  mit  ßia  'Gewalt', 
SLi.Ji-nd-U  Ptc.Jz^«- überwältigen, unterdrücken',  Jya'Übergewalt'2) 
kann  man  ohne  Schaden  fallen  lassen :  ßiveiv  ist  keineswegs  "not- 
züchtigen", wie  es  in  der  etymologischen  Literatur  zumeist  an- 
gegeben wird  und  wie  es  diese  Etymologie  voraussetzt  3).  Wenn 
mit  ßiveiv  in  einzelnen  Fällen  'per  vim  inire'  gemeint  ist,  so 
liegt  das  eigentlich  im  Worte  nicht.  Höchstens  ließe  sich  vielleicht 
glaublich  machen,  daß  hier  oder  da  eine  dunkle  begriffliche 
Assoziation  mit  ßia,  ßid^ecGai  zum  okkasionellen  Grebrauch  des 
Wortes   von  dergleichen  Situationen  mitgewirkt  haben  mag. 

^STeben  idg.  *g^ä;-,  *ßifi-  liegt  vielleicht  eine  Wz.  ßtfi-ä-  in 
griech.  Idei-  ßivei.  [Kai  mvei.  Kurrpioi]  Hes.,  s.  Kretschmer  KZ.  31, 
383,  Hirt  Abi.  a.  a.  0. 

Vielleicht  gehört  hierher  awnord.  kuigr  M.  'Jungstier' ^), 


1)  Es  steht  natürhch  den  Anhängern  des  Standpunktes,  der  von 
Persson  am  entschiedensten  vertreten  ist,  nichts  im  Wege,  die  Wurzelform 
*gVäi-  als  aus  *gVa-  erweitert  aufzufassen. 

2)  So  z.  B.  Prellwitz  Et.  Wtb.  d.  gr.  Spr.  47,  Brugmann  Vergl.  Gr.  2, 
llßO,  Hirt  Der  indog.  Ablaut  98,  Handb.  d.  griech.  Laut-  u.  Formenl.  95, 
Leo  Meyer  Handb.  d.  gr.  Etym.  3,  105  u.  a.  Bezzenberger  BB.  16,  243, 
Fick  Vergl.  Wtb.  2*,  174  f.  fügen  ir.  bine  'Übertretung,  Sünde'  hinzu. 

3)  Vgl.  auch  ßivTiTiduü  'heftigen  Trieb  zum  ßiveiv  haben'. 

4)  Snorra  Edda  unter  den  'oxna  heiti'  und  als  männlicher  Zu- 
name, z.  B.  in  Egils  Saga. 

IndogermaDische  Forschungen  XIX.  22 


330  E.  Lid6n, 

kuiga  nnorw.  kviga^  ndäu.  kvie^  aschwed.  kmgha,  nschwed.  kviga 
'junge  Kuh  vom  ovsten  Hervortreten  der  Brunst  bis  zum 
ersten  Kalben'  ^).  Idg.  Grundform :  *ßH-ko-,  -kä-,  etwa  'ßivriTitJuv' 
oder  'coitui  maturus'. 

Man  hält  gewöhnlich  kuigr,  kuiga  für  eine  Ableitung  von 
awnord.  kü-  'Kuh*;  so  schon  Ihre  Gloss.  Suiogoth.  2,  368,  s. 
besonders  Hellquist  Ark.  f.  nord.  filol.  7,  3;  von  begrifflicher 
Seite  ist  das  nicht  gerade  einleuchtend,  und  morphologisch  hat 
es  erhebliche  Schwierigkeiten ;  Hellquist  erklärt  kuigr  aus  *kü-igr 
(durch  eine,  jedenfalls  sehr  späte,  nordische  Kontraktion  von 
n  -f  i)  -),  aber  das  nord.  Suffix  -ig-  ist  sonst  gewiß  nicht  in  einer 
damit  irgend  vergleichbaren  Pimktion  nachzuweisen.  Falls  kuigr 
tatsächlich  mit  kuh  zusammenhängen  sollte,  muß  seine  Bildung 
in  eine  uralte  Zeit  hinaufgerückt  und  aus  idg.  *Qm-i-ko-  oder 
*guu-iko-  {*ßifu-  Schwundstufe  von  *ßVöu-  wie  in  griech.  Böc-Ttopoc, 
€KaT6|u-ßr|,  ai.  atithi-gvd-,  vgl.  ai.  dvi-gu-s  usw.)  erklärt  werden.  — 
l^och  weniger  überzeugend  sind  sonstige  Urspriingsdeutungeu : 
Orimm  Gesch.  d.  d.  Spr.  33,  Kl.  Schriften  3,  131  stellt  kuigr 
zu  aisl.  kuikr^  got.  qius^  Bezzenberger  bei  Fick  Yergl.  Wtb.  2\ 
165,  zweifelnd,  und  Zupitza  Die  germ.  Gutt.  88  zu  ir.  hiach  'penis', 
endlich  Jessen  Da.  etym.  Ordb.  135  will  es  zu  uuorw.  kmga 
*schw' erfällig,  wackelnd  gehen'  gehörig  wissen.  Falk  u.  Torp  Etjm. 
Ordb.  432  treffen  keine  Entscheidung  zwischen  Ihres  und 
Bezzenbergers  Erklärungen. 

In  Anbetracht  solcher  Beispiele  wie  lat.  meVe,  griech.  ßißdZieiv, 
•dvaßaiveiv,  eTnßaxeueiv,  epuucKeiv,  nhd.  besteigen^  bespringen  usw.  liegt 
die  Yermutung  nahe,  daß  die  auf  Grund  von  npers.  gätjam  griech. 
ßiveuu  usw.  erschlossene  Wurzel  *g5'ä(i)-  'coire'  mit  der  Wurzel 
*g«ä(/)-  'gehen'  im  Grunde  identisch  sein  dürfte:  vgl.  Ri.ji-gä-ti, 
4-gä-t,  ß-gäy-a,  a-ß-ßata  'gehen',  gä-tü-  'Gang',  uru-gätja-  'weit- 
schrittig',  gä-ma  'Schritt';  aw^  gä-t  'schreitet',  gäija-  'Schritt', 
-gätu-  'Gang';  gr.  ßi-ßa-Ti,  e-ßö;  lett.  gäßi  'ging',  gaita,  gätis  'Flug- 
löcheram Bienenstock';  osk.  baiteis,  lat. (eig.osk.-umbr.)&cE^öusw. 


1)  Mengl.  cwie  'a  heifer',  nengl.  dial.  quee,  quo>/,  qui/,  hwij,  queg  usw. 
^id.°  ist  nord.  Lelinwort,  s.  Björkman  Scand.  Loan-Words  in  Middle  Engl. 
216,  Wall  Anglia  20,  114,  126. 

2)  So  auch  jetzt  Noreen  Altisl.  Gramm.*  §  128  b.  Anderweitige  Bei- 
spiele einer  Kontraktion  von  ü  +  /  zu  uT  fehlen. 


Zur  iranischen  Etymologie.  331 

Ob  QUä-  aus  qväi-  kontrahirt  oder  g«äy  aus  gVä-  erweitert  ist, 
mag  hier  unentschieden  bleiben  ^). 

11.  Npers.  täftan  und  Verwandtes. 

Npers.  täb-ad\,  Inf,  täftan  (anal,  täxtan)  und  täb-i-San 
Mrehen,  wenden;  spinnen',  intrans.  'sich  drehen;  gequält  werden 
usw.',  abresum  i  täviöa  'seta  filata';  täf-t-a  'Taft,  Seidenstoff,  Tübet'; 
taf-n-a  'Spinnengewebe';  Pämir-dial.  schighni  teb-am  'webe  usw.', 
sariq.  täb-am,  Causat.  tab-än-am,  wach!  tow-am.  S.  Hörn  Neupers. 
Etym.  88,  257,  Grundriß  d.  iran.  Phil.  I.  2,  137,  Tomaschek 
Centi-alasiat.  Stud.  2,  874,  Fr.  Müller  Wiener  Zs.  f.  d.  Kunde 
d.  Morgenl.  6,  352  f.,  Beitr.  z.  etym.  Erki.  d.  gr.  Spr.  (1897) 
S.  37,  Hübschmann  Pers.  Stud.  46  f. 

Keine  Anknüpfung  außerhalb  des  Iranischen  ist  meines 
Wissens  bisher  gefunden.  Griech.  Totirric  -r|TOc,  TotTTic  -löoc  'Decke' 
ist  nach  Schrader  KZ.  30,  484  (vgl.  Leo  Meyer  Handbuch  d. 
gr.  Etym.  2,  736)  vielleicht  ein  frühes  Lehnwort  aus  dem 
iranischen  Kulturkreis,  wofür  besonders  der  schwankende  An- 
laut —  bdTTic  (Ai'istoph.,  Hipparch.  bei  Athen.)  neben  toittic  — 
zu  sprechen  scheint  (anders  Bugge  KZ.  32,  61).  Urverwandt- 
schaft ist  aber  nicht  ausgeschlossen,  s.  unten. 

Sichere  altiranische  Entsprechungen  fehlen.  Zweifelhaftes 
aus  dem  Aw.  bei  Fr.  Müller  a.  a.  0.,  vgl.  aber  Hübschmann  und 
Hörn  a.  a.  0. 

Die  iran.  Sippe  gehört  meines  Erachtens  zu  der  bekannten 
europ.  Wurzel  temp-  'spannen' :  lit.  tempiü  terhpti^  tampaü  tampijti 
'durch  Ziehen  spannen  oder  dehnen',  timpstii  'sich  recken',  tzmpa 
'Sehne',  temptyva  'Bogensehne';  lett.  Upnl'üjä-s  '(die  Wolken) 
ziehen  hin  und  her' ;  asl.  tetiva  'Saite,  Sehne',  russ.  dial.  tepsti 
'straff  anziehen';  awnord.^am^r  'angeschwollen,  dick  (schwanger)', 
nnorw.  temba  'füllen,  stopfen';  lat.  tempus  'Zeit'  (eig.  'Strecke, 
Spanne'),  tempora  'Schläfen',  templum  '(der  sich  erstreckende, 
weite)  Raum',  temp-t-äre  usw.;  dahin  vielleicht  auch  idtTTric,  falls 
echt  griechisch.  Siehe  Leskien  Ablaut  im  Lit.  350,  Fick  Vergl. 
Wtb.^  1,  443,  Prellwitz  Et.  Wtb.  314,  Rozwadowski  Bull. 
Internat,  de  l'Acad.  des  Sciences  de  Cracovie,  Coraptes  rendus 
1892,  S.  273,   Osthoff  IF.  8,    36  (wo   reiche   Literaturangaben), 

1)  Vgl.  Persson  Wurzelerweit.  u.  Wurzelvariation  70,  286,  Brugmann 
Vergl.  Gr.  1^,  600,  Johansson  Beitr.  z.  griech.  Sprachkunde  70  f.,  Beichelt 
KZ.  39,  40. 

22* 


332  E.  Lid6n, 

Wood  Mod,  Lang.  Xotes  19,  1  und  bes.  Brugmann  Ber.  d.  Sachs. 
Ges.  d.  Wiss.,  Phil.-hist.  Kl.,  1897,  S.  25,  wogegen  z.  T.  Kretschmer 
KZ.  36,  264  ff. 

Was  die  Form  betrifft,  geht  der  neuiran.  Stamm  tob-  zu- 
nächst auf  ein  altiran.  Causat.  *täpaya-  zurück;  dieses  betrachte 
ich  als  eine  Neubildung  nach  bekannten  Mustern  zu  den 
schwachen  Formen  des  primären  Yerbums,  deren  Stamm  *top- 
ein  idg.  *fj7?2'"  zi^ir  Grundlage  hati).  Durch  Ausgleichung,  wie  ge- 
wöhnlicii  im  neupers.  Verbum,  ist  das  so  entstandene  ä  verallge- 
meinert worden.  Unbelegte  Formen  mit  d  s.  bei  Hörn  Npers.  Et.  a.  a.  0. 

Was  die  Bedeutung  betrifft,  kann  man  die  von  mir  an- 
genommene Bedeutuugsentwickelung  von  'spannen,  ziehen'  in 
den  europ.  Sprachen  zu  'drehen;  spinnen,  weben'  im  Iran, 
durch  ein  zweites,  unbestreitbares  Beispiel  stützen.  Eben  im 
Iran,  weist  die  gemeinidg.  Wurzel  ten-  'spannen',  die  mit  der  Wz. 
temp-  synonym  und  wahrscheinlich  auch  entfernter  verwandt 
ist 2),  genau  dieselbe  Abzweigung  der  Bedeutung  auf:  npers. 
tan-aS^  Inf.  tanidan  'drehen;  spinnen',  tanandö  'Spinne'  (phlv. 
towawcü'ds.'),  toJaund^awasto 'Spinnengewebe',  täna  'Zettel,  Auf- 
zug am  Webstuhl',  ^är 'ds.' (=  aAv.  *^^^ra-,  aind.  iäntra-  'ds.')^), 
vgl.  aw.  /aw-,  aind.  tanöti^  griech.  Tavutu,  lat.  tendö,  got.  -panjan  usw. 
'dehnen,  spannen'.  —  Hier  geht  das  Baltische  mit  dem  Neu- 
iran.: lett.  tinu^  tu  'flechten,  winden,  wickeln',  tanis  'Spinne, 
Spinnengewebe',  tina  'ein  Setznetz',  tinekUs  'etwas  Gewundenes, 
Gewickeltes',  lit.  tin-kla-s  Netz'.  Der  Wurzel  ten-  eignen  gewiß  seit 
ursprachlicher  Zeit  die  Doppelbedeutuugen  'dehnen,  spannen' 
und  'winden,  flechten';  auf  der  letzteren  beruhen  ohne  Zweifel 
z.  B.  folgende  Worte :  ai.  tän-tu-  'Faden,  Schnur,  Draht,  Saite ; 
Aufzug  des  Gewebes',  tdn-ti-  'Schnur',  asl.  teneto  'Strick,  Netz', 
lat.  ienus  'Strick',  awnord.  pinull  'Netzstrick'  usw. 

Es  erklärt  sich  jene  Bedeutungsverzweigung  einfach  daraus, 
daß  das  zu  flechtende,  spinnende,  webende  Material  auf  einer 
primitiven   Vorrichtung  verschiedener  Art  zuerst  ausgespannt 

1)  Vgl.  z.  ß.  aind.  Causat.  bJiJ'ägdyati  neben  hhi-amgayati  zu  bhramgate, 
biirägyate,  Wz.  bhramg-. 

2)  Die  Wz.  temj)-  dürfte  aus  ten-p-  hervorgegangen  sein,  wie  neben 
sem-  'schöpfen'  (lit.  semiu)  ein  sem-p-  (lat.  shnpulum  simpuvium)  besteht, 
s.  Brugmann  a.  a.  0.,  Meillet  MSL.  11,  311  und  bes.  OsthofT  IF.  8,  35,  wo 
weitere  Literatur.  Weitere  Beispiele  des  Wurzelsuffixes  -p-  bei  Persson 
Wurzelerw.  49  fT.,  Meillet  a.  a.  0. 

3)  S.  z.  B.  Hörn  Neupers.  Etym.  82,  89,  Hübschmann  Pers.  Stud.  49. 


Zur  iranischen  Etymologie.  333 

wurde.  Ein  weiteres,  naheliegendes  Beispiel  bieten  got.  spinnan 
'spinnen',  lit.  ptn-ti  'flechten'  einerseits,  nhd.  spannen,  asl.  pe-ti 
'spanneu'  andrerseits.  Daß  spinnen  und  spannen  zusammenge- 
hören, wird  häufig  teils  ausdrücklich  abgewiesen  (z.  ß.  Frauck 
Etym.  Woordenb.  unter  spinnen),  teils  als  eine  mehr  oder  minder 
unsichere  Möglichkeit  dahingestellt  (z.  B.  Kluge  Et.  Wtb.  unter 
Spann  e).  Meines  Erachtens  steht  die  Verwandtschaft  außer  Zweifel. 

12.  Npers.  mi^a  'Augenwimper',  lat.  micare. 

Npers.  miza,  muia^  PI.  muz{a)gän  (gabri  müjeng,  käschän! 
mujd,  mejä,  sivendl  möMnk),  mäzand.  mejik,  kurd.  miM,  miß, 
muänk,  balücl  micäc.  nordbal.  misäs  'Augenwimper'.  Als  phlv.- 
Form  ist  ^micak  anzusetzen.  S.  Hörn  N^eupers.  Etym.  219  f., 
Grundriß  d.  iran.  Phil.  I.  2,  29,  73,  127,  Hübschmann  Pers. 
Stud.  98,  137,  226,  Geiger  Etym.  des  Balücl  136.  —  Der  Ver- 
gleich mit  ai.  mi$äti  'schlägt  die  Augen  auf,  ni-ml^-F.,  ni-mißa-  M. 
'das  Blinzeln,  Schließen  des  Auges'  (Bartholomse  ZDMG.  46,  553) 
ist  lautlich  unstatthaft:  iran.  c  (idg.  q)  und  ind.  ß  (idg.  s)  sind 
unvereinbar.  Entferntere  Verwandtschaft,  mit  Zugrundelegung 
einer  einfacheren  Basis  mi-'^\  wäre  zu  problematisch. 

Falls  iran.  mic°  ursprünglich  die  Wimpern  als  die  Zwin- 
kernden, weil  das  Zwinkern  des  Augenlides  mitmachend,  be- 
zeichnet, bietet  sich  zum  Vergleich  lat.  micö,  -ui,  -äre  1.  'sich 
zuckend  und  zitternd  liin  und  her  bewegen'  (z.  B.  von  dem 
Schlagen  des  Herzens,  des  Pulses,  von  dem  Zwinkern  eines  Tieres 
mit  den  Ohren,  usw.).  2.  'blinken,  blitzen,  schimmern'.  Die  ge- 
meinsame Grundlage  wäre  idg.  *miq-. 

,  Mit  micäre  verbindet  ühlenbeck  PBB.  26,  304,  gewiß  mit 
Recht,  osorb.  mik-ac  'zwinkern',  usorb.  mik-nus  'schimmern' 
(auch  ai.  mecaka-  'dunkelbraun,  dunkelfarbig'  u.  a.,  was  aber  besser 
fern  bleibt). 

Sonst  wird  micäre  am  häufigsten  mit  idg.  meik-,  miek- 
'mischen'  —  lat.  miscere,  gr.  |uicYuu,  laiYVüfii,  ahd.  miskan,  lit. 
maiszyti,  ai.  mijaksati,  Pf.  mimyaksa,  mimikse,  Causat.  meksayati, 
Adj.  mig-rd-,  d-,  sdm-,  ni-mig-la-  usw.  —  kombiniert:  Schweizer- 
Sidler  KZ.  8,  398,  Grassmann  Wörterb.  z.  Rig-veda  1065  (er 
schreibt  dem  ai.  myaks-  die  gänzlich  imbegründete  Bedeutung 
'schimmern,  funkeln'  zu),  ^"eisser  BB.  19,  291  f.,  Osthoff 
IVIorph.    Untersuch.  4,   325,  326,  K  1,   Wood   Color-names  59. 

1)  Neisser  BB.  19,  128. 


334;  E.  Li  den,  Zur  iranischen  Etymologie. 

Aber  die  Vorstellungsgruppen,  die  sich  an  micäre  einerseits,  an 
miscere  andererseits  knüpfen,  scheinen  niir  durchaus  grundver- 
schieden; vereinzelte  annähernde  Berührungen,  übrigens  nicht 
gerade  schlagende,  welche  z.  B.  von  Osthoff  am  letztgen.  0.  und 
Neisser  für  Verwandtschaft  ins  Feld  geführt  Averden,  können 
den  Gesamteindruck  der  Verschiedenheit  nicht  andern ').  — 
Wharton  Etyma  lat.  61  stellt  micäre  zu  lit.  tniisz-ti  'schlagen'. 
Strachan  BB.  20,  22  (Stokes  BB.  19,  110)  verbindet  es  mit 
air.  smSr  Teuer',  smSröit  'burning  coals,  sparks,  embers',  das  er 
aus  *smikr°  erklärt,  aber  das  ir.  Wort  ist  sowohl  lautlich  als 
begrifflich  mehrdeutig.  Endlich  Henry  Lexique  etym.  du  breton 
mod.  101,  N.  5  sucht  zweifelnd  einen  Anhaltspunkt  für  air. 
di-mic-in  'mepris,  dishonneur',  cymr.  dir-myg-u  'mepriser'  usw. 
in  lat.  micäre.  Es  Liegt  am  Tage,  daß  keine  dieser  Kombinationen 
auf  größere  Glaubwürdigkeit  Anspruch  machen  kann.  Auch  die 
Verbindung  von  micäre  mit  nndl.  mikken  'mucksen;  visieren, 
micken;  zielen'  usw.  (Fi'anckEtym.Woordenb.  636)  ist  zweifelhaft. 

Es  wäre  verlockend,  mit  bal.  micäc  'Wimper'  und  lat.  micäre 
auch  eine  anklingende  slav.-balt.  Wortsippe  in  Verbindung  zu  setzen : 
asl.  mignqti^  miiati  'blinzeln',  oko-migü  'Augenblick',  serb.  magnuti 
'winken,  nicken',  slov.  za-mignoü  'einschlafen',  poln.  migac  'mit 
den  Augen  winken ;  schimmern',  mgnqc  'zucken',  mig  'Flimmer', 
cech.  mihati  'blinzeln,  winken ;  flimmern';  lit.  uz-mingu  'schlafe 
völHg  ein',  megas  'Schlaf  usw.  Vgl.  über  diese  Sippe  die  eingehen- 
den und  einleuchtenden  Erörterungen  von  Kern  IF.  4,  108  ff. 
Ihre  Grundbedeutung  führt  aber  vielleicht  in  eine  andere  Rich- 
tung hin,  und  der  idg.  Auslaut  der  Wurzel  ist  wahrscheinlich 
ßh.  Zusammenhang  mit  idg.  miq-  'micäre' 2)  muß  daher  als  un- 
sicher dahingestellt  bleiben. 

Gotenburg  (Schweden).  Evald  Li  den. 

1)  Wer  trotz  alledem  an  Verwandtschaft  von  micäre  und  miscere 
festzuhalten  geneigt  ist,  braucht  darum  nicht  den  Zusammenhang  von 
iran.  miö°  'Wimper'  mit  m,icäre  verwerfen,  denn  neben  iran.  mis-  'mischen' 
(idg.  mik-)  in  aw.  häma-myasaHe  'die  beiden  vermischen  sich'  y.  33,  1, 
minaS  'du  vereinigtest'  y.  46,  14  findet  sich  iran.  miö-  in  npers.  ämezam, 
Inf.  amextan  'mischen',  s.  Hübschmann  Pers.  Slud.,  S.  8.,  Hörn  Grundriß 
d.  iran.  Phil.  I.  2,  134. 

2)  Vgl.  Neisser  BB.  19,  128,  292.  Anders  über  die  slav.-balt.  Wörter 
Bugge  Svenska  Landsmälen  IV.  2,  236f.  N.  (Noreen  Urg.  Lautlehre  268). 


E.  Li  den,  Zur  germanischen  Wortgeschichte,  335 


Zur  germanischen  Wortgeschichte. 

1.  Nscliw.  kull^  lit.  gulta  usw. 

Xschw.  kull  M.,  PI.  -ar  bedeutet  1.  'so  viele  Jungen,  als 
auf  einmal  von  einem  Tier  geboren  werden,  von  Hündchen, 
Kätzchen,  Wölfchen,  Ferkeln  usw.;  sämtliche  Vögelchen,  die 
in  einem  Nest  sind;  so  viele  Eier,  als  auf  einmal  im  Nest  aus- 
gebrütet werden  (als  konventionelle  Zahlbezeichnung:  12  Eier): 
Wurf,  Brut,  Hecke,  Flug,  Nest  voll  Junge  oder  Eier' ;  2.  'sämt- 
liche Kinder  aus  derselben  Ehe',  z.  B.  barn  af  samma  kull, 
af  första  kullen  'Kinder  aus  derselben  Ehe,  aus  der  ersten 
Ehe',  tvä  kullar  barn  'Kinder  aus  zwei  Ehen'.  —  Das  Wort 
findet  sich  in  gleicher  Form  und  Bedeutung  in  der  altschwed. 
Eechtssprache :  kolder,  kulder  M.  (=  awnord.  *kollr),  D.  Sg.  kolle 
{kol\  N.  PI.  kollar,  -osr');  ebenso  adän.  koll  {kol,  ktil)^  PI.  -ög^), 
ndän.  kidd^  sowie  norw.  dial.  kold^  kuld  [küld^  kodd  usw.).  Im 
Awnord.  ist  es  nicht  nachgewiesen.  —  Im  Norw.  zeigen  sich  zwei 
formelle  Abweichungen  gegenüber  dem  Schwed.  und  Dan. :  das 
Wort  ist  dort  teils  Mask.,  teils  Fem.  und  hat  Id  statt  ostnord.  II 
(Ross  Ordbog.  440,  Aasen  Ordbog  375). 

Als  urgerm.  Grundlage  ist  teils  ^kölpa-  M.,  teils,  wegen  der 
norw.  Formen,  *koldö-  F.  zu  erschließen. 

Was  die  Etymologie  betrifft,  wird  das  Wort  von  mehreren 
Forschern  mit  got.  kilpei  'Mutterleib',  in-küpö  'schwanger',  ae. 
cild  'Kind'  und  weiterhin  mit  ai.  jathäram  'Bauch,  Leib,  Mutter- 
leib', jar^w-,  jarta-  (lex.)  M.  'vulva'  zusammengestellt,  s.  Rietz 
Sv.  Dial.-Lex.  375  b,  Zupitza  Germ.  Gutt.  211,  ühlenbeck  Got. 
etym.  Wtb.^  95,  Osthoff  Parerga  1,  312,  N.  1,  Falk  u.  Torp  Etym. 
Ordb.  1,  421 3).  —  Dieser  auf  den  ersten  Blick  bestechenden 
Kombination  stellen   sich   beim  näheren  Zusehen   verschiedene 

1)  G.  Sg.  auf  -ar  nur  im  Kompos.  kollcer  arff  Sdm.,  kullar  arf  U. 
(Rydqvist  SSL.  2,  36).  Diese  Endung  kommt  nicht  selten  in  nachweisUch 
ursprünglichen  «-Stämmen  vor,  z.  B.  aschw.  epar-  (in  Kompos.),  awnord. 
eidar,  vgl.  got.  aißs  a-St.,  air.  öeth  o-St. 

2)  Den  ältesten  Beleg  bietet  die  RuneninschrifL  von  Horning  (Anfang 

des  11.  Jahrh.) :  " is:  hanum:  kaf:  kul:  uk:  frialsi",  s.  Wimmer  De 

danske  Runemindesmserker  2,  262  f. 

3)  Eine  lautlich  unstatthafte  Etymologie  bietet  Jessen  Da.  Etym. 
Ordb.  133. 


336  R.  Li  den. 

Bedenken  entgegen.  Die  in  der  etymologischen  Literatur  kur- 
sierende Bedeutungsangabe  für  aschw.  kolder^  nämlich  'junge 
Brut',  ist  eine  falsche  oder  jedenfalls  eine  sehr  unvollständige 
und  irreführende.  Die  tatsächliche  Bedeutung-,  'die  Brut,  die 
Kinder  usw.,  welche  in  demselben  Nest,  Lager  oder  Bett  ge- 
boren sind',  läi^t  sich  nicht  ohne  willkürliche  Suppositionen  mit 
denen  der  verglicheneu  "Wörter  versöhnen.  Aus  der  Gleichung 
kilpei  +jathdram  jartu-  ist  zunächst  nur  ein  idg.  Wort  für  'Leib, 
Mutterleib'  zu  erschließen;  daran  ändert  ae.  cild  (urg.  *kelßiz-) 
nichts,  wie  die  Doppelbedeutung  von  ai.  garbha-,  aw.  gardwa- 
usw.  ('Mutterleib'  und  'fetus,  Leibesfrucht')  lehrt.  Als  begriffliche 
Grundlage  der  fraglichen  germ.  und  aind.  Wörter  eine  uranfäng- 
liche verbale  Bedeutung  wie  etwa  'gebären'  oder  'brüten'  anzu- 
nehmen, sind  wir,  so  viel  ich  weiß,  durch  nichts  berechtigt;  im 
Gegenteil  haben  Ausdrücke  für  'Bauch,  Leib,  Mutterleib'  in  un- 
zähligen Fällen   ganz  andersartige  begriffliche  Ausgangspunkte. 

Das  uord.  Wort  möchte  ich  verbinden  mit  lit.  guliü  gültig 
lett.  gul'ugül-t  'sich  legen,  zu  Bette  gehen',  lit.  guliü  guleti  'liegen'; 
gidta^  guUe  'Tierlager',  lett.  gülta  'Bett';  lett.  gül'a  'das  Liegen; 
die  Sclilafstelle' ;  lit.  gülis  'Lager-,  Ruhe-  oder  Schlafstätte  von 
Tieren  oder  Menschen',  lett.  gül'a  'Nest,  Lager;  Kasten,  worin 
man  Gänse  und  anderes  Fasel  zum  Brüten  setzt',  wozu  griech. 
TUjXeöc  'Schlupfwinkel,  besonders  Lager  des  Wildes'  und,  wie  ich 
Arm.  Stud.  48  f.  vorgeschlagen  habe,  auch  arm.  kat-ai  'Höhle 
oder  Lager  wilder  Tiere,  der  Schlangen  usw.';  ausführlich  über 
diese  Sippe  Verf.  a.  a.  0. 

Der  tatsächliche  Gebrauch  des  nord.  Wortes  erklärt  sich 
ungesucht  aus  einer  ursprünglichen  Bedeutung  'Lager,  Bett, 
Nest',  daher  'was  in  demselben  Nest  oder  Bett  geboren 
ist'.  Nschw.  en  kull  ägg,  en  kiill  kycklingar  eller  grisar  ist  eig. 
s.  V.  a.  'ein  Nest  Eier,  ein  Nest  Küchlein,  ein  Lager  voll  Ferkel' 
usw. ;  harn  af  samma  kull  ist  wörtlich  'Kinder  aus  demselben 
Bette'.  Es  gibt  eine  Fülle  von  begrifflich  gleichartigen  Bezeich- 
nungen: frz.  enfonts  du  premier  lit,  de  deux  lits,  engl,  children 
of  the  first  bed.  of  two  beds  übersetzt  exakt  nschw.  barn  afförsta 
kullen,  af  tvä  knllar.  —  Lat.  nidun  ist  u.  a.  'die  jungen  sau- 
genden Tiere  in  ihrem  Behältnisse'  (CoL);  eine  Ableitung  davon, 
it.  nidiata,  frz.  nichSe,  sp.  nidada,  bedeutet  'Hecke,  Vögelchen 
einer  Brut,  Nestvoll'.  —  Nnorw.  b£fle  'Aufenthaltsort;  Schlupf- 
winkel; Nest'  (awnord.  bMi  'ds.')  ist  auch  'Tierjunge,  welche  auf 


Zur  germanischen  Wortgeschichte.  337 

einmal  geboren  sind  :  Jiunde-bMe,  grise-hßle\  scherzh.  aiicli  von 
Menschen'^);  gleicher  Bedeutung  sind  nnorw.  lag^  eig.  'Lage', 
und  leg-de  (zu  liggja  'liegen'),  letzteres  auch  'Familie,  von  Menschen'. 
—  Engl,  litter  (of  pigs,  puppies,  kittens)  'Wurf  ist  =  litter  'ßett- 
stroh;  tragbares  Bett'. 

Aschw.  kolcler^  nschw.  kidl^  norw.  kold  usw.  sind  vereinzelte 
Ableitungen, auf  idg. -to-,-tä-,  von  der  im  Balt.  noch  lebenskräftigen 
Wurzel.  Norw.  kold  Fem.  deckt  sich  genau  mit  lit.  gutta  'Tier- 
lager', lett.  gülta  'Bett'. 

In  der  altdän.  Rechtssprache  begegnet  das  betreffende  Wort 
auch  in  dem  festen  Ausdruck  livsce  {harn)  i  koll  oc  i  kyn  Jütl. 
Gesetz  1,  21  und  noch  ndän.  lyse  i  kuld  og  kön  oder  kuldlyse 
Von  selten  des  Vaters  ein  uneheliches  Kind  als  ehelich  und  als 
rechtm<äßigen  Erben  erklären' 2).  Das  entgegengesetzte  Verfahren 
wird  Vald.  S?ell.  Lov  1,  20  durch  swcerw  {man)  fran  kol  oc  fran  arv 
ausgedrückt.  Aus  diesem  Gebrauch  des  Wortes  koll  entnehmen 
Falk  und  Torp  a.a.O.,  daß  es  ursprünglich  auch  'Geschlecht, 
Familie'  ("Siegt")  bedeutet  habe ;  ich  glaube,  mit  Unrecht.  Von 
einer  solchen  Bedeutung  ist  sonst  nichts  zu  verspüren.  Was  in 
jenen  Phrasen  mit  koll  gemeint  ist,  erhellt  aus  dem  analogen 
Gebrauch  des  Wortes  siceng  in  der  altschwedischen  Rechtssprache  : 
siceng  {sceng)  'Bett'  dient  dort  häufig  als  ein  prägnanter  Ausdruck 
für  'eheliches  Bett'  und  daher  'diejenigen,  welche  dem- 
selben Ehebett,  derselben  Familie  angehören',  z.B.  mwcpw 
sicßngcB  drap  Upl.-l.  'homicidium,  quo  parens,  liberi,  f rater,  soror 
vel  conjux  occiduntur'  (eig.  'homicidium  intra  toro') ;  iorßoi  kisp 
innam  süengcer  ibid.  'Gutskauf  zwischen  Eltern  und  Kindern 
oder  zwischen  Geschwistern';  siwngcer  aldcer  'ejusdem  tori  proles'. 
Daher  wird  der  Ausdruck  {cervi)  aldrigh  sicengcer  aldcer  anncen 
völlig  gleichbedeutend  mit  cerfwi  aldrigh  kollcerkoll  (Upl-1.,  M.  12 
mit  Varianten)  gebraucht. 

Das  adän.  livsa^  {harn)  i  koll  oc  i  kyn  ist  demnach  wörtlich 
und  auch  sachlich  getreu  s.  v.  a.  '(ein  uneheliches  Kind)  in  das 
(eheüche)  Bett  und  in  das  (väterliche)  Geschlecht  hinein  erklären'. 
Das  stabreiraende  kolloc  kyn  —  nicht  koll  allein,  wie  Wimmer  a.  a.  0. 
meint  —  bezeichnet  prägnant  'den  ret,  der  tilkommer  et  medlem 
af  aetten,  slgegtsretten'. 

1)  Aasen  Norsk  Ordbog  96. 

2)  Einen  gleichbedeutenden  oder  nahe  verwandten  Ausdruck  bietet 
die  oben  S.  385,  N.  2.  erwähnte  Inschrift  von  Horning,  s.  Wimmer  a.  a.  0. 


338  E.  Lidön, 

Soviel  ich  sehe,  koiiinien  wir  für  das  jetzt  besprochene 
Wort  überall  mit  der  ursprünglichen  Bedeutung  'Bett,  Lager' 
glatt  durch.  Daß  Avir  so  auf  dem  richtigen  Wege  sind,  bestätigt 
uns  die  genaue  Übereinstimmung  mit  lett.  gutta  'Bett'  und  lit. 
gulta  'Tierlager'. 

2.  Nschw.  ö'y,  rahd.  wüppe. 

Nschw.  dial.  öv  N.,  M.  'Einschlag  im  Gewebe;  Garn  zum 
Einschlag'  (Östergötl.,  Smäland,  Blek.,  Hailand,  Schonen),  s.  Hylten- 
Cavallius  Wärend  o.  Wird.  2,  127,  Möller  Ordb.  ö.  hall,  land- 
skapsmälet  229,  Rietz  Dial.-Lex.  833  f.;  in  der  älteren  Literatur, 
soviel  ich  weiß,  nicht  belegt. 

Das  ö  kann  entweder  auf  anord.  i-,  wofür  ich  ich  keinen 
passenden  Anhalt  wüßte,  oder  auf  anord.  y  zurückgehen.  Im 
letzteren  Falle  würde  öv  einem  awnord.  *yf^.,  *ijfr  M.,  G.  PI.  *yfia 
entsprechen.  Es  ist  demnach  identisch  mit  ahd.  [wuppi]  wuppe  N". 
'Gewebe'  (Notker),  mhd.  wüppe  N.  'ds.',  nhd.  dial.  spinnivupp 
'Spinnengewebe'  (Schmeller-Frommann  Bayer.  Wtb.  2,  965),  zu 
ahd,  weban,  awnord.  vefa  usw. 

Die  germ.  Grundform  ist  *ub-ia- ;  vgl.  die  tief  stufige  Wurzel- 
form in  griech.  ucp-aivuu,  ucpn,  awnord.  ofinn.  Das  anlautende  u 
ist  im  Deutschen  oder  vielleicht  bereits  im  Urgerm.  aus  ver- 
wandten hochstufigen  Wörtern  übertragen  worden ;  ähnliche  Bei- 
spiele s.  bei  Lidon  Stud.  z.  altind.  u.  vergl.  Sprachgesch.  25,  92. 

Eine  /a- Ableitung  von  der  o-Stufe  der  Wurzel  liegt  in 
nschw,  m/",  ascliw.  vcev-er  PI.  vcev-iar,  aAvnord.  vefr  G.  PL  vef-ia 
Mask.  'Gewebe',  ae.  webb  as.  -webbi  ahd.  weppi  N.  'Gewebe'  aus 
urg.  *uabia-  vor.    Im  Mhd.  auch  wippe  N.  aus  '-^'ueb-ia-. 

3.  Aschw.  thyster,  ai.  tü$nim  usw. 
Aschw.  thyster  (spät  tyster,  tßst)  'schweigend,  stumm;  still, 
nicht  laut',  nschw.  tyst  'ds.' ;  spät  adän.  tliyst^  thßst^  ä.  ndän.  tyst^ 
tast  'ds.',  jetzt  nur  noch  das  Neutr.  tyst  'stille,  ruhig,  leise';  — 
aschw.  thys{t)-lika,  adän.  thystelik  (1488)  Adv.  'ds.' ;  —  aschw. ßyst-a, 
thyst-a  (spät  tysta)  Eem.,  spät  adän.  thystce^  ä.  ndän.  tyste  {tyst, 
tmt)  'Schweigen,  Stillschweigen;  Stille';  —  dß,(i\\m .thys{t)-na,  nschw. 
tysfna  'verstummen,  stiU  werden',  ndän.  tysttie  'stille  werden,  sich 
legen,  sich  beruhigen'^). 

1)  Im  älteren  Neudän.  findet  sicli  neben  ti/st,  test  eine  Form  tys{s), 
t0s{s),  PI.  tysse  'schweigend,  still'.    Diese  ist,  wie  ich  vermute,  aus  dem 


Zur  germanischen  Wortgeschichte.  339 

Ostiiord,  pyst-  setzt  eine  germ.  Grundform  '^püs-ti-  oder 
püs-tia-  (got.  *ßusts  oder  *ßusteis)  voraus i).  Es  stellt  sich  zu: 

ai.  tüs-nim  Adv.  'stille,  schweigend',  tüs-mkd-  'schweigend'; 
—  tüß-yati  'sich  beruhigen,  sich  zufrieden  geben  oder  fühlen', 
tus-tä-  'befriedigt,  zufrieden',  tö^äyati  'beschwichtigen,  zufrieden- 
stellen'; tus-ti-  'Befriedigung,  Zufriedenheit';  —  aw.  ^ws-m- 'still- 
schweigend', tusni-sad-  'der  stillschweigend  dasitzt' ; 

apreuß.  tuss-ise  'er  schweige',  tus-na-n  'stille' ;  —  Sisl. po-tuch- 
nqti  'quiescere,  cessare',  nsl.  po-tuh-noti  'still  werden' ;  bulg.  ras- 
tusa  'trösten',  poln.  po-tuszyc  'ermutigen',  po-tucha  'Mut'  (aus  Haus-) ; 

ir.  tö  'still,  schweigend'  (aus  Hauso-\  tüa  'ds.'  (aus  *tausiio-)\ 
mcymr.  taw  'schweig'  (aus  Hause)  ^  acymr.  taguel  ncymr.  tawel 
'schw^eigend'  (aus  *tauselo-). 

Ygl.  im  allgemeinen  Fick  KZ.  21,  6  f.,  22,  373,  Vgl.  Wtb.  1  ^ 
57;  über  die  letzterwähnten  slav.  Wörter  Zupitza  BB.  25,  101; 
über  die  kelt.  Wörter  s.  besonders  Foy  Zeitschr.  f.  celt.  Pliil.  3,  268. 
Anderweitige  Kombinationen  bei  Meillet  MSL.  9,  154,  N.  1.  Über 
das  abweichende  asl.  tichü  'still'  s.  Zubaty  BB.  17,  326,  anders 
Pedersen  IF.  5,  41. 

Verwandte  des  fraglichen  nordischen  Wortes  sind  somit  weit 
verbreitet;  unter  den  germanischen  Sprachen  scheint  es  nur  im 
Schwed.-Dän.  fortzuleben.  —  Die  ursprüngliche  Quantität  des 
Vokals  (nord.  «/,  urgerm.  «)  läßt  sich  nicht  mit  völliger  Sicherheit 
feststellen.  Die  spät  altschwed.  Schreibung  tyysna  (=  alt.  pystna) 
könnte  für  ursprüngliche  Länge  in  Anspruch  genommen  werden; 
in  nschwed.  Dialekten,  namentlich  in  üpland,  ist  die  Aussprache 


Neutrum  der  alten  Form  tyst  abstrahiert,  indem  das  -t  als  Neutralendung 
empfunden  wurde.  In  der  jetzigen  Sprache  wird  tys  nur  noch  als  Inter- 
jektion 'still,  horch!'  (wie  nschw.  tyst^?)  gebraucht.  Auf  dem  Adj.  tys 
beruht  die  Ableitung  tysshed  =  tysthed  'taciturnitas'.  —  Das  Verbum  tysse 
[tesse)  'zum  Schweigen  bringen,  beschwichtigen,  beruhigen'  läßt  zwei- 
fachen Ursprung  zu.  Es  kann  von  dem  Adj.  tys{s)  abgeleitet  sein,  kann 
aber  auch,  wie  Kaikar  Ordbog  3,  508  a  meint,  aus  dem  niederdeutschen 
tüssen  (tuschen)  Mm  Reden  Einhalt  tun,  beschwichtigen'  entlehnt  sein, 
vgl.  besonders  Doornkaat-Koolman  Wörterb.  d.  ostfries.  Spr.  3,  451,  Danneil 
Wörterb.  d.  altmärk.-plattd.  Mundart  229.  Zur  Einbürgerung  des  fremden 
Wortes  dürfte  das  Vorhandensein  des  einheimischen  Adj.  tys  mitgewirkt 
haben.  —  Nach  Jessen  Da.  Etym.  Ordb.  269  soll  tys  'ein  primäres  Laut- 
signal'  sein  und  tysse  daraus  abgeleitet.  Es  bleiben  dabei  mehrere  Tat- 
sachen gänzlich  unerklärt. 

1)  Eine  Grundform  *püsida-,  got.  *püsips  wäre  auch  wohl  an  sich 
möglich,  gilt  mir  jedoch  als  unwahrscheinlich. 


340  E.  Liden, 

tyst  mehrfach  bezeugt  (s.  Schagerström  8v.  Landsm.  IL  4,  40; 
X.  1,  83;  Grip  das.  XVIIL  4,  16;  6,49;  Tiselius  das.  XVIII.  5, 
14,  76).  Es  ist  aber  die  Möglichkeit  nicht  ausgeschlossen,  daß 
wir  hier  mit  sekundärer  Dehnung  zu  tun  haben  ^). 

Frühere  Erklärungen  des  nordischen  Wortes. 
Grimm  DW.  2,  1756  verbindet  nschw.  tyst  mit  nhd.  dtis  'still, 
leise,  schüchtern',  dösen,  dusam,  dusel  usw.,  welche  Sippe  aber 
mit  germ.  d-  anlautet,  vgl.  z.  B.  awu.  diisa  'sich  ruhig  verhalten' 
(s.  Weigand  Deutsches  Wtb.  unter  'Dusel',  Schmeller-Frommann 
Bayer.  Wtb.  1,  548,  Tamm  Etym.  sv.  ordb.  1,  109  u.  a.).  2)  Ihm 
schließt  sich  Rydqvist  SSL.  3,  212  an.  [Unrichtig  auch  Wood 
Indo-Eur.  «%  S.  8.] 

Jessen  Da.  etym.  Ordbog  269  und  Torp  u.  Falk  Dausk-norskens 
Lydhist.  114  ziehen  ndän.  tyst  zu  awnord.  tuistr.  Das  ist  un- 
richtig.' Die  dänische  Form  muß  grundsätzlich  in  erster  Linie 
mit  der  entsprechenden  schwedischen  Form,  wofür  anlautendes 
p-  feststeht,  zusammengehalten  werden. 

Das  awnord.  tuisti\  nisl.  tvistur,  nnorw.  tmt,  tyst  ist  von 
ostnovd.ßyst-  formell  scharf  getrennt;  auf  seine  Etymologie  brauche 
ich  hier  nicht  einzugehen  (vgl.  Schade  Altd.  Wtb.  975  a,  Wood 
IF.  13, 121,Solmsen  IF.  14,  437,  KZ.  37, 20).  Auch  seine  Bedeutung 
ist  ursprünglich  z.  T.  eine  verschiedene:  aisl.  tuistr  bedeutet  'sad, 
dismal,  distressed,  downcast'  (Vigfussou  Dict.  u.  a.)  und  so  immer 
im  Neuisl.  (nach  Zoega  Isl.-ensk  oröabök  s.  v.  und  Gislason  Dönsk 
oröabök  unter  'taus'  und  'tyst'  zu  urteilen) ;  aber  auch  die  Bedeutung 
'still,  schweigend'  scheint  im  Altisl.  bezeugt  3).  Im  Neunorw.  kommt 
sowohl  die  Bedeutung  'gedankenvoll,  etwas  schwermütig'  als 
'schweigend,  still'  vor  (s.  Aasen  Ordb.  854,  Ross  Ordb.  853,  980)- 
Die  nnorw.  Nebenform  tyst  kann  dem  onord.  ßyst-  lautlich  ent- 
sprechen, ist  aber  wahrscheinlicher  aus  tvist,  zunächst  in  den 
Kasus  mit  u  in  der  Endung,  entstanden^). 

1)  Mein  Freund  Dr.  B.  Hesselman,  der  gründliche  Kenner  der 
betreffenden  Dialekte,  teilt  mir  auf  meine  Anfrage  mit,  daß  er  unent- 
schieden lassen  möchte,  ob  ursprüngliche  oder  erst  sekundäre  dialektische 
Länge  vorliege. 

2)  Das  von  Grimm  (nach  Ihre  Gloss.  2,  861,  969)  verglichene  isl. 
'ptis'  existiert  nicht. 

3)  Vgl.  Vigfussons  und  Erik  Jonssons  Wörterbücher.  Gewiß  mit 
Unrecht  gibt  Fritzner  Ordb.  '^  2,  736  'still,  schweigend'  als  die  einzige 
Bedeutung  an. 

4)  Nnorw.  ti/st  scheint  wenig  verbreitet  zu  sein;  Aasen  verzeichnet 
es  nur  aus  Gudbrandsdalen.    Ein  awn.  '^■ti/str,  das  sich  bei  Torp  und  Falk 


Zur  germanischen  Worlgeschichte.  341 

4.  Awnord.  yxin  N.  'Ochs'. 

In  seiner  vorzüglichen  Ausgabe  der  Heiöarviga  Saga  (Kopen- 
hagen 1904)  hat  Kälund  dieses  interessante  Wort  zutage  ge- 
fördert. Es  kommt  3-mal  in  der  ersten  und  ältesten,  aus  dem 
13.  Jahrh.  stammenden  Hand  der  Sagaliandschrift  vor  (s.  Yor- 
rede,  S.  II).  In  der  ungenauen  Ausgabe  vom  J.  1847  (in  Islend. 
Sog.  II)  verbirgt  es  sich  unter  der  Form  yxni.  —  Die  belegten 
Formen  sind:  yxin  ("yxin  .V.  vetra  gamallt")  S.  69",  yxinit  69 2", 
Gen.  yxins  73  ^2. 

Der  Bildung  nach  gesellt  es  sich  zu  got.  gaitein  N.  'epiqpoc, 
junge  Ziege"  und  mehreren  westgerm.  Benennungen  für  das  Tier- 
junge, wie  ahd.  geizzin,  ae.  ^äten  'Zicklein',  ae.  h^cin  Ms.',  ae. 
cycen^  md.  küchin  'Küchlein'  (Kluge  Stammbildungslehre  ^  §  58 a); 
yxin  verhält  sich  zu  awn.  oxi^  uxi  M.  wie  ahd.  fulin  N.  'Füllen' 
zu  folo  M.  'ds.'. 

Von  dem  gemeingerm.  *suina-  N.  (awn.  suin)  abgesehen,  ist 
yxin,  urg.  Hchsina-^  bis  jetzt  der  einzige  nordische  Vertreter  der 
neutr.  Tiernamen  auf  -ina-\  yxin  hat,  wie  suin,  die  sonst  diesen 
Bildungen  zukommende  deminutive  Bedeutung  aufgegeben. 

5.  Awnord.  kdrr^  nnorw.  kaure,  lit.  gaurat  usw. 
Awnord.  kär-r  M.  'krause  Locken'  ("er  karr  i  häri  hans 
mikill"  Post,  s.);  kärhgfdadr  'krausköpfig';  kär-hqfdi  'Krauskopf', 
als  Zuname  (Landn.-bök)  und  Name  eines  Sklaven;  gull-kärr  und 
-käri  'der  goldgelbes  krauses  Haar  hat',  auch  als  Zuname ;  punn- 
kdrr  'der  Dünnlockige',  als  Zuname  (Landn.-bök);  —  auch  ein- 
fach wird  karr  als  Zuname  gebraucht^),  und  Käri,  eig.  'der  Krause', 
ist  ein  häufiger  Männername;  —  nnorw.  kaar  N.  'feine  krause 
Wolle  von  Lämmern' ;  —  aschAv.  kär-ötter  'kraus,  crispus,  vom 
Haupthaar'. 

Von  Gewicht  für  das  Feststellen  der  ursprünglichen  Form 
ist  nnorw.  kaur  N.  'Lammwolle'  (=  kadr\  kaure  M.  'krause  Locke, 
bes.  von  Wolle'.  Diese  Formen  gehen  auf  urg.  ^kaura-,  *kauran- 

a.  a.  0.  findet,  existiert  nicht ;  wenigstens  ist  mir  ihre  Quelle  nicht  aus- 
findig. —  Ob  die  aisl.  Form  tiustr  'still'  zuverlässig  ist?  Sie  beruht  auf 
einer  einzigen  Stelle,  in  Häkonar  Saga  Hcäkonars.  nach  der  Lesart  der 
Skälholtsbök  und  der  Papierhandschr.  AM.  42  (die  Frisbök  hat  hliodt).  Die 
Form  ist  auffallend.  Es  ist  vielleiclit  zu  erwägen,  ob  sie  durch  nnorw.  kjust 
{tjust)  oder  'hjus'  (s.  Aasen  unter  tvist)  gestützt  werden  könnte.  Dies  ist  aber 
ener  ein  Onomatopoietikon.  Wahrscheinlich  ist  tiustr  für  ^t«'s^/- verschrieben. 
1)  Rygh  Norske  og  isl.  Tilnavne  (1871),  S.  34. 


342  E.  Liden, 

zurück,  weshalb  die  zuerst  genannten  Formen  aus  urg.  *kauera-, 
*kaueran-  (oder  -am-,  -aran-)  zu  erklären  sind,  s.  Falk  u.  Torp 
Etym.  Ordb.  1,  358. 

Es  ergeben  sich  dann,  wie  ich  glaube,  als  unzweifelhaft 
verwandt : 

lit.  gaüras  M.,  gewöhnl.  PI.  gaurat  Mie  kurzen,  eine  Haut 
rauch  machenden  Haare',  gaurütas  'mit  Haaren  bewachsen',  lett. 
gauri  PI.  'die  Haare  an  den  Schamteilen',  wozu  (nach  Zupitza 
KZ.  35,  269) 

mir.  güaire  (aus  *QOurio-)  'Haar',  nir.  giiaire  'rough  hair, 
bristle ;  the  hair  taken  off  a  horse's  tail' ;  güaireach  'rough, 
bristly;  the  hair  on  a  horse's  tail',  guaireachdn  'a  hairy,  bristly 
person  or  object',  gäl.  guair-sgeach  'that  has  hair  on  the  head; 
curled,  in  rings  or  ringlets'^). 

Macbain  AnEtym.Dict.of  theGael.Dict.187  hat  an  Zusammen- 
hang des  ir.  Wortes  mit  der  "Wurzel  gen-  'biegen'  (gTiech.  Y^aXov 
usw.)  gedacht.  Daß  dies  richtig  ist,  darauf  deuten  ir.  guair-deän^ 
-iieän  'Wirbelwind',  guairhre  'a  fluttering,  a  w^aving,  of  flags'  hin. 
Aber  besonders  die  nordischen  Sprachen  weisen  eine  Fülle  von 
Formen  und  Bedeutungsnuancen  auf,  welche  unabweislich  auf 
eine  Grund  Vorstellung  'krümmen,  biegen,  kraus  machen' 
u.  dgl.  zurückführen,  s.  Wood  PBrB.  24,  530,  Mod.  Lang.  Notes 
19,  2 f.  (dem  ich  jedoch  in  mehreren  Punkten  nicht  zustimmen 
kann),  Falk  u.  Torp  a.  a.  0.,  1,  358,  424  f.  Ich  beschränke  mich 
wesentlich  darauf,  diejenigen  Wörter,  welche  das  Suffix  -ro-,  -rä- 
enthalten,  namhaft  zu  machen: 

a)  Formen  mit  au  (urg.  *kau-r^)\ 

nnorw.  kaure  bedeutet  nicht  nur  'krause  Locke',  sondern 
auch  'spiralgewundener  Hobelspan;  selbstgebildeter  Knoten  am 
Zwirn;  Fetzen,  keilförmiges  eingeschaltetes  Stück  Zeug  au 
E^eidern' ; 

nnorw,  kaura  'leise  wehen,  daß  die  Wasserfläche  nur  sich 
kräuselt'. 

b)  Formen  mit  anord.  a  (urg.  *kayer^): 

nschw.  käre  'kleine  Welle'  (Gotland);  käre^  nnorw.  kaare 
1.  'spiralgewundener  Hobelspan'  {=  kaure]  vgl.  kära  bzw.  kaara 
'Späne  schnitzeln,  überh.  schnitzeln');  2.  'Gekräusel  der  Wasser- 

1)  Belege  bei  Stokes  BB.  19,  87. 

Zu  ir.  güaire  stellt  Henry  Lex.  6tym.  du  breton  137  mbret.  gour, 
nbret.  gor  'cordon'. 


Zur  germanischen  Wortgeschichte.  343 

fläche;  ein  die  Wasserfläche  kräuselnder  Luftzug,  schwacher 
Windstoß'  {kära^  bzw.  kaara  'leise  wehen'),  daher  auch  'Schauder' 
(schwed.);  3. 'Jahrring  der  Bäume'  (schwed.,  s.  Kietz Dial.-Lex.  379, 
Sv.  Landsm.  18.  5,  80);  =  awuord.  käri  Ventus  (poet.,  auch  nisL); 
Name  eines  Eiesen,  Bruder  des  ^gir'. 

Dahin  gehört  awnord.  af-kärr  'tractatii  difflcilis,  vehemens, 
ferox'  ^),  wohl  eigentl.  s.  v.  a.  'schief  ab  gekrümmt,  in  gekrümmter 
Stellung  steif  und  hartnäckig  beharrend',  daher  'ungefügig,  schwer 
zu  handliaben';  vgl.  zum  Begrifflichen  mndd.  wret  'gedi^eht, 
krumm'  und  'wild,  grimmig,  grausam, heftig,  strenge;  stark, kräftig'. 
Dasselbe  -karr  begegnet  in  suip-kdrr  'vultu  truci'  (Egilsson  Lex. 
poet.),  wohl  auch  in  -laun-kdrr  {lUaunkdrr)  'der  Greheimnisse  be- 
harrlich bewahrt,  geheimnisvoll'  und  nisl.  var-kdr  'vorsichtig, 
behutsam'  (Thorkelsson  Suppl.  III,  1238),  wo  die  ursprüngliche 
Bedeutung  stark  verändert  ist. 

c)  Formen  mit  ü: 

nschw.  kura  'hocken'  ("leka  kura  oder  kurra  gömma"  = 
Yersteck  spielen),  dial.  1.  'vorübergebeugt  und  zusammengekauert 
sitzen,  den  Kopf  gegen  die  Brust  hängen  lassen' ;  2.  'niederhockend 
sich  verstecken';  3.  'still  liegen  oder  sitzen;  leicht  schlafen,  bes. 
in  vorgebeugter  od.  zusammengebogener  Lage;  faul  und  träge 
sein ;  überdrüssig  sein'  (Rietz  365) ;  nnorw.  küra  'sich  nieder- 
bücken; vor  Kälte  zusammenkauern;  den  Kopf  hängen  lassen; 
mutlos  sein;  still  Liegen,  ruhen  usw.';  ndän.  kure  'sich  ruhig 
verhalten;  faulenzen,  brüten';  nisl.  küra  'to  doze,  mope,  sleep' 
(Thorkelsson  Suppl.  3,  580  )2);  me.  euren,  couren,  ne.  cower  (wahr- 
scheinlich nord.  Lehnwort,  s.  Björkman  Scand.  Loan.-Words  248); 
—  mndd.  küren  '(dem  Wilde)  auflauern;  spähend  schauen';  nhd. 
kauern  'die  Schenkel  auf  die  Waden  niedergelassen  sitzen'.  Die 
genu.  Grundform  ist  *kürön-^). 

Überzeugend  stellt  Wood  dieses  Wort,  Falk  und  Torp  auch 
die  übrigen  nordischen  Wörter  zu  griech.  yö-poc  'Krümmung, 

1)  So  übersetzt  Egilsson  Lex.  poet.  und  wesentlich  auch  Fritzner 
Ordb.  2  s.  V.  Die  Übersetzung  von  Gering  Vollst.  Wtb.  zu  der  Edda  ("ungewöhn- 
lich, das  Maß  überschreitend;  wild,  trotzig")  ist  verfehlt.  [Ganz  zutreffend 
geben  es  jetzt  Hsegstad  u.  Torp  Gamalnorsk  Ordb.  mit  'rang,  leid'  wieder.] 

2)  Noreen  Sv.  etym.  49  (Skrifter  utg.  af  Hum.  Vetensk.-samf.  iUpsala 
V,  3)  hält  kura  für  ein  niederdeutsches  Lehnwort.  Dagegen  spricht  die 
reiche  Bedeutungsentfaltung  und  allgemeine  Verbreitung  des  Wortes.  Mit 
Unrecht  verbindet  er  es  mit  got.  qairrus,  awn.  hyrr  'ruhig'. 

3)  Ob  auch  gäl.  gurrach,  gurraban  'crouching,  crouching  on  the 
hunkers'  hierher  gehört?  Anders  Macbain  a.  a.  0.,  S.  188. 


344  E.  Liden, 

Kreis',  Yö-p6c  'gebogen,  rund',  Yöpouu  'krümmen',  die  weiterhin 
mit  griech.  Tu-a\ov  'Wölbung',  ymov  'Glied',  yau-Xö-c  'Eimer, 
Bienenkorb',  ai.  gö-la-  'Kugel',  awn.  kü-la  'Geschwulst',  nihd.  kü-le 
'Kugel',  awn.  kiöll  (aus  *keu-la-)  'Fahrzeug'  u.  a.  zusammengehören. 

Ohne  konsonantische  Ableitung  liegt  dieselbe  Wurzel  vor 
in  nnorw.  kaa  '(das  Heu)  wenden',  awn.  kä  'Einem  die  Euhe 
stören'  (aus  *kau-ö7i-)  und  ir,  gao^  gö  'Falsche,  Lüge',  cymr.  gau 
'falsus;  raendacium',  s.  Falk  u.  Torp  a.  a.  0.,  Fick  BB.  6,  160,  vgl. 
Bezzenberger  bei  Fick  Vergi.  Wtb.  2^,  108.  —  Auch  awn.  kä-beinn, 
etwa  'Krumnibein',  als  Zuname,  ist  wahrscheinlich  hier  anzureihen. 

Einige  mit  den  oben  erwähnten  nordischen  Wörtern  zu- 
sammenhängenden Bildungen  kommen  im  folgenden  Abschnitt 
zur  Sprache. 

Aus  einer  indogerm.,  wahrscheinlich  germanischen  Sprache 
stanmit  w^ohl  finn.  keiiru  'krumm,  gekrümmt;  verschlagen,  listig'; 
die  Vokalisation  wie  in  nnorw.  kjore,  worüber  gleich  unten.  Ygl.  auch 
kaa7'i  'Bogen,  Krümmung'  {kaaritan  'arcuo,  curvo') ;  kuru  'kleine 
Bucht,  Ecke'  ?  Zweifellos  nordische  Lehnwörter  sind  kuuru  'Schlupf- 
winkel' (nschw.  hir),  kuuruiset  'Versteckspiel'  (uschw.  kura  gamma 
'ds'.);  kare  'kleiner  Wirbel  im  Wasser;  AYindhauch  usw'. ;  läpp. 
kara  'Span,  Hobelspan'  (Qvigstad  Nord.  Lelmw.  im  Läpp.  16-4). 

6.  Nnorw.  kür^  kjöre  —  russ.  ^urü  usw. 

Nnorw.  kür  M.,  N.  1.  'geronnene  Milch';  2.  'Käse  im  ersten 
Zustand,  wenn  die  Milch  aufgewärmt,  aber  nicht  gekocht  ist'; 
3.  'Niederschlag  von  Käsekörnern  in  Molken'  (Aasen  Ordbog  397, 
Ross  Ordbog  441),  aus  urg.  *küra-'^)\ 

nnorw.  kjöre  M.,  gleichbedeutend  mit  kür  2.  (Aasen  357), 
aus  urg.  *keuran-; 

nnorw.  kegr  M.  'zähe  Käsemasse  von  säuerlicher  Milch' 
(Ross  460),  aus  urg.  *kauri-  (-2«-?); 

nnorw.  kaara{seg)  "bersten,  sich  scheiden",  d.  h.  'gerinnen, 
körnig,  käsig  werden,  von  säuerlicher  Milch,  wenn  sie  aufgewärmt, 
oder  von  Sahne,  wenn  sie  gebuttert  wird'  (Ross  386),  aus  urg. 
*kauerön-  ^). 


1)  Aasen  denkt  an  Verwandtschaft  mit  ne.  curds,  v/a.s  lautlich 
unmöglich  ist. 

2)  Die  Form  kör  {kaar)  N.,  gleichbedeutend  mit  kür  3.  (Ross  419), 
sowie  das  nur  z.  T.  bedeulungsverwandte  kjera  setzen  vielleicht  altes 
(ö)  ü  voraus.  Ich  lasse  sie  als  mir  nicht  klar  und  hier  ohne  Bedeutung 
beiseite. 


Zur  germanischen  Wortgeschichte.  345 

Daß  diese  Wortgruppe  mit  der  im  nächstvorhergehenden 
Abschnitt  besprochenen  intim  zusammenhängt,  ist  schon  wegen 
der  formellen  Übereinstimmung  eine  fast  unab weisliche  Annahme; 
beiden  Gruppen  ist  der  Yokalwechsel  aii^  ä,  ü  gemeinsam.  Was 
das  Begriffliche  betrifft,  habe  ich  anderswo  (Ein  balt-slav.  An- 
lautgesetz,  S.  9,  13,  Gotenburg  1899)  gleichartige  Beispiele  aus 
verschiedenen  Sprachen  zusammengestellt:  Ausdrücke,  für  'sich 
drehen,  sich  krümmen'  u.  dgl.  dienen  häufig  als  Bezeich- 
nungen für  die  Prozesse,  welche  Milch,  Getränke  usw.  durch 
Gerinnen,  Käsen,  Sauerwerden  untergehen,  z.  B.  nuorw.,  nschw. 
dial.  vrida  sig  'sich  drehen',  von  Milch,  Dünnbier  u.  dgl.  'sauer, 
bitter  werden' ;  nndl.  ivrongel  'geronnene  Milch'  zu  mndd.  ivringen 
'drehen,  winden';  ital.  girare  'drehen',  von  Wein  'sauer  werden, 
verderben'  u.  a. 

Ein  slavisches  Wort  zeigt  eine  auffallende  Übereinstimmung 
mit  der  norw.  Sippe: 

nsl.  zur  M.,  zura  F.  'Molken',  cech.  zur^  zour  'saurer  Mehl- 
brei', poln.  zur  'eingesäuertes  ]ilehl  und  Wasser,  woraus  barszcz 
gemacht  wird;  eine  sauere,  dicke  Mehlsuppe',  kas.  hir  'Sauer- 
mühle', osorb.  zur  'Sauerteig,  Guhr',  kl.-russ.  iwr,  dzur  'eine 
Art  Getränk',  russ.  zurü  'säuerlicher  Hafermehlbrei ;  Hefe ;  Boden- 
satz von  Hanföl',  welche  Formen  sich  aus  idg.  *geuro-,  -ä-  regel- 
recht erklären  und  also  mit  nnorw.  kjöre.  ebenfalls  aus  idg.  ßeuro-^ 
zusammenbringen  lassen.  —  Indessen  macht  die  nsl.  Nebenform 
züra  [zöra]  'Molken'  Schwierigkeit.  Berneker  IF.  10,  156  führt 
letztere  Form  auf  idg.  *gouro-,  die  übrigen  Formen  auf  *geuro- 
zurück  ^).  Nun  haben  aber  die  übrigen  in  diesem  und  im  nächst- 
voraufgeheuden  Abschnitt  erwähnten  Wörter  entschieden  v  elares 
g  (lit.  gaurai  =  nnorw.  kaure  awn.  kdrrY).  Ich  kann  das  Neben- 
einander von  zur  zura  und  zura  im  Nsl.  nicht  erklären,  muß 
daher  dahingestellt  lassen,  ob  die  vorgeschlagene  Kombination 
deswegen  hinfälhg  werden  muß. 

7.  Ahd.  wintbräiva  —  air.  find  usw. 
Ahd.  ivintbrätva^  -präiva  'supercilium',  mhd.  uintbräwe, 
-h%  -prä^  winh%  nhd.  mmper  F.,  mundartl.  (kurhess.)  weimbrö 

1)  Nach  Miklosich  Etym.  Wtb.  413  wären  die  slav.  Wörter  germ. 
Ursprungs. 

2)  Dies  bezeugen  auch  verschiedene  arm.  Verwandte  {kufn,  krai/, 
kur),  worüber  ich  anderswo  handeln  werde. 

Indogermanische  Forschungen  XIX.  ^3 


346  E.  Liden, 

hat  gewiß  als  noch  unerklärt  zu  gelten.  Die  Deutung  als  'die 
sich  windende  Braue'^),  kann  nur  als  ein  Notbehelf  betrachtet 
werden;  sie  wird  von  Kluge  Et.  Wtb. ^  425  als  fraglich  be- 
zeichnet. Die  z.  B.  von  Weigand  Deutsches  Wtb.  vorgetragene  Er- 
klärung als  'die  Wind -braue'  läßt  sich  kaum  ernstlich  verteidigen. 

Die  Wimper  ist  der  Haar-rand  des  Augenlides.  Das  erste 
Glied  des  Wortes  dürfte  in  der  Tat  eine  im  Germ,  sonst  nicht 
nachgewiesene  Bezeichnung  für  'Haar'  sein.  Ich  verbinde  erstens 
ahd.  ivint{-hräicd)  mit  air.  find,  finn  'Haar  :  pilus',  mir.  finda,  find- 
fad 'ds.',  nir.  ßonnadh  'ds.'.  ^)  —  Stokes  in  Kuhns  und  Schleichers 
Beitr.  7,  23  hat  früher  das  ir.  Wort  mit  dem  zweifelhaften  vinnus 
'cincinnus  moUiter  flexus'  in  Isidori  Origg.,  später  (Revue  celt.  14, 
232)  mit  lat.  villus  zusammengestellt.  Letzteres  gehört  aber  be- 
kanntlich mit  lat.  vellus  zu  lit.  vllna  'Wollhärchen',  nhd.  wolle  usw.  3) 
Mit  Eecht  hat  Stokes  diese  Vermutungen  in  seinen  Urkelt. 
Sprachschatz  (Ficks  Wörterb.^  II)  keine  Aufnahme  finden  lassen. 
Macbain  An  Etym.  Dict.  of  the  Gaelic  Language  (Inverness  1896) 
S.  157  setzt  das  kelt.  Wort  mit  der  Wurzel  ues-  'kleiden'  lat. 
vestis  usw.  in  Verbindung:  find-  soll  für  *ues-n°  stehen;  begrifflich 
und  auch   lautlich  ist   dies   nichts  weniger  als  wahrscheinlich. 

Air.  find  hat  durchgehendes  i  {fitida,  findaih  usw.);  das  i 
ist  also  nicht  erst  aus  e  entstanden*).  Als  vorkelt.  Grundlage 
setze  ich  ^undhä-  an.  In  Ablautsverhältnis  dazu  steht  nun  ahd. 
mnt-  urgerm.  *uind°  (der  Stammausgang  ist  unbestimmbar)  aus 
idg.  *uendho-,  -ä-  od.  dgl. 

2.  Hierher  stellen  sich,  wie  ich  glaube,  griech.  lovOoc  M. 
1,  'das  junge  Barthaar,  f]  TrpujTri  eKqpucic  tüuv  Tpixüjv'  Suidas;  2.  'ein 
mit  dem  ersten  Barthaar  oft  ausbrechender  Gesichtsausschlag'; 
iovGdc,  -dboc,  Attribut  des  Steinbocks,  etwa  'haarig,  zottig'  oder 
'langbärtig',  ctTi.  XeT-  Hom.  S  50.  Der  homerische  Vers  (....  öep|ua 
iov9dboc  dYpiou  aiYoc)  begünstigt  die  Annahme  von  anlautendem 
F,  und  so  wird  auch  von  Fick  Die  homer.  Odyssee  in  der  ur- 
sprünglichen Sprachform,  geschrieben  ^).  Betreffs  der  Bedeutung 
von  iovBdc  vgl.  Ameis-Hentze  Anhang  zu  Homers  Od.  zur  Stelle. 

1)  Vgl.  z.  B.  Schmeller  Bayer.  Würterb.*  2,  948. 

2)  Ältere  Belege  bei  Ascoli  Gloss.  palseo-bib.  327,  Windisch  Ir.  Texte 
1,  550  usw. 

3)  Anders,  nicht  wahrscheinlich  über  villus  Froehde  BB.  20,  210; 
vgl.  Niedermann  e  und  t  im  Lat.,  S.  65  ff. 

4)  Vgl.  R.  Schmidt  IF.  1,  72. 

5)  Vgl.  Knös  De  digammo  hom.  1,  191. 


Zur  germanischen  Wortgeschichte.  347 

Ältere  Etymologen  stellen  iov9oc,  lOvBdc  zu  ibv  'Veilchen' 
oder,  am  häufigsten,  zu  dvGoc,  ctvöeuji)  —  beides  offenbar  un- 
glaublich. Spätere  Forscher  lassen  die  Wörter  zumeist  etymolo- 
gisch unerklärt.  Eine  anscheinend  verlockende  Erklärung  gibt 
Froehde  BB.  20,  207  ff.,  der  sie  mit  ahd.  wisunt,  -ant,  awn.  visundr^ 
ae.  wesend^  weosend  'Wisent'  verbindet,  aber  näher  besehen  stellt 
sich  die  Erklärung  als  ganz  unwahrscheinlich  heraus.  Ein  idg.  uis- 
mit  der  Bedeutung  'Haar'  od.  dgl.  ist  sonst  nicht  nachzuweisen. 
An  sich  ist  anzunehmen,  daß  das  germ.  Wort  entweder  das  Par- 
tizipsuffix -owf-,  -nt-  oder  das  'Zugehörigkeitssuffix'  -uent-  enthält; 
für  idg.  -t-  im  Suffix  spricht  auch  der  mehrfach  angenommene 
Zusammenhang  des  germ.  Wortes  mit  gall.  Vesontio  'Besan9on'  2). 
Ein  idg.  *uisondho-,  das  Fi'oehde  voraussetzt,  würde  in  mehr  als 
einer  Hinsicht  vereinzelt  dastehen.  Die  Auffassimg  des  Namens 
Wisent  als  'der  Zottige,  Haarige'  ist  semasiologisch  gewiß  nicht 
so  schlagend  oder  gar  zwingend,  daß  man  allein  darum  etwaige 
Bedenken  beiseite  zu  schieben  geneigt  wäre.  Es  ließe  sich  wohl 
eine  andere  passende  Anknüpfung  für   Wisent  finden  3). 

Ich  möchte  iov0oc  auf  *ui-uondJiO-  zurückführen  und  mit 
air.  find  'Haar'  und  ahd.  irint-  in  ivint-hräwa  verbinden ;  ui-  ist 
Reduplikationssilbe  wie  in  louXoc  'Milchhaar',  iojpdc,  luuKri  u.  a. 

3.  Die  so  gewonnene  Gleichung  wirft  neues  Licht  auch  auf 
folgende  Wörter: 

air. /es 'Haar'  {fh  «cA^arac/i 'Schamhaare'),  fhöc  (-de  aus  *-owM), 
nir.  feusog,  feasog  'Bart'  —  apreuß.  tvanso  Fem.  'der  erste  Bart'  — 
asl.  vqsü  und  qsü  'barba,  mystax',  nslov.  tos,  bulg.  vüs,  cech.  vous 
'Barthaar',  PI.  'Bart',  poln.  ivqs  'Knebelbart,  Schnurrbart',  polab.  vös 
'der  erste  Bart,  Flaum',  kl.-russ.  vusij  usy  jusy,  wruss.  vus^  russ. 
usü  'Schnurrbart,  Knebelbart',  PI.  'Barthaar',  dial.  'Wolle'  ^).  —  Die  ir. 


1)  S.  z.  B.  Gurtius  Griech.  Etym.^624,  Pape-SengebuschWörterb.  u.a. 

2)  Über  i'oveoc,  falls  -ovGo-  als  suffixal  zu  fassen  wäre,  vgl.  Kretschmer 
Einleit.  in  d.  Gesch.  d.  griech.  Spr.  403. 

3)  Germ.  *uesand-,  *uesun^-,  falls  aus  vorgerm.  *ues-ont-,  *ues-^t- 
entstanden,  kann  mit  ai.  m-fra-  'Büffel,  Kamel',  aw.  ustra-  in  entfernterer 
Verwandtschaft  stehen.  Formell  wichtig  sind  auch  herul.  Oüicavboc,  ahd. 
Wirunt  (als  Namen)  u.  a.  m.  —  Übrigens  verweise  ich  auf  Schade  Altd. 
Wörterb.  1173 ff.,  Hellquist  Arkiv  f.  nord.  fil.  VII:  20,  Kluge  Vorgesch.  d. 
altgerm.  DiaL^  325,  Schrader  Reallex.  690  f. 

4)  Lit.  üsat,  lett.  üsas  'Schnurrbart'  ist  russisches  Lehnwort.  — 
Nach  Mikkola  Balt.  u.  Slav.,  S.  7, 12  (Finska  Vetensk.-Soc. :  s  Förhandl.  XLV. 
1902 — 1903)  soll  auch  preuß.  tvafiso  dem  Slavischen  (Polnischen)  entstammen, 
s.  aber  Leskien  Bild.  d.  Nom.  im  Litauischen  S.  533,  —  Über  die  lit.  Form 

23* 


348  E.  LicUn, 

und  slav.-balt.  Wörter  sind  zuerst  von  Stokes  BB.  9,  89  und  bei 
Fick  Vergl.  Wörterb.  2^,  261,  dann  von  Brugmann  Vergl.  Gr.  1^, 
378,  Sti'aclian  BB.  20,  35  u.  a.  zusammengestellt  worden;  diese 
Forscher  setzen  als  gemeinsame  Grundform  *mnso-  voraus. 

Air.  fSs  steht,  wie  ich  glaube,  für  idg.  *uendh-s-o-,  das  slav.- 
balt.  Wort  für  idg.  *uondh-s-o-,  -ä-.  Sie  sind  Erweiterungen  eines 
s-Stammes  *uendh-es-,  *uondh-es-.  —  Asl.  qsü  hat  also  ein  anlau- 
tendes V-  verloren.  Dies  ist  von  einer  Sandhi-Erscheinung  abhängig, 
die  auch  in  asl.  osa'Wespe'  (:  lit.  vapsa,  ahd.  wafsa^  wefsa,  aw.  vawzaka- 
usw.)  wirksam  gewesen  ist;  vgl.  auch  asl.  qza  neben  vqza  'Band'^). 
Nach  Uhlenbeck  PBrB.  24,  240,  241,  Etym.  Wörterb.  d.  altind. 
Spr.,  S.  1  soll  qsü  ursprünglich  vokalischen  Anlaut  gehabt  haben ;  er 
stellt  es,  wenig  überzeugend,  mit  ai.  amci'i-  Stengel,  Schoß,  Faser', 
aw.  qsu-  'Stengel'  zusammen  (apreuß.  ivanso  betrachtet  er  als  slav. 
Lehnwort).  Schon  die  Rücksicht  auf  air.  fes  macht  dies  mehr  als 
bedenklich;  seine  etymologische  Kombination  ist  nicht  dazu  ge- 
eignet, die  Zweifel  zu  heben 2). 

Durch  die  Gleichung  air.  find  —  ahd.  wint-bräwa  —  griech. 
TovGoc  —  air.  fds  —  apr.  ivanso  —  asl.  {v)qsü  wäre  eine  gemein- 
europäische  Benennung  für  'Haar,  besonders  Barthaar' 
ermittelt. 

8.  Germ,  puinan  und  Verwandtes. 

Ae.  pictnan  (wahrscheinlich  ein  starkes  Yerbum)  'weich 
werden,  einschwinden',  aber  nur  mit  Bezug  auf  Geschwüre,  Ge- 
schwülste, nach  Behandlung  mit  heißem  Wasser,  Salben  u.  dergl. 
(vgl.  "bej)e  |)ä  fet  and  smyre,  |)omie  |)winej)  hy  söna"  Lchdni.  1,  84, 
s.  Bosw.-Toller  Dict.  1084);  tö-piiman  'verschwinden'  (s.  Bos- 
worth-ToUer  unter  tö-dwinan).  Dazu  das  Kausat.  pwänan^  ä-, 
^e-pwänan  'einweichen,  emoUire,  irrigare'  (vgl.  |)ä  ädrüsodon 
heortan  3eJ)w^nan  mid  |)£eni  flöwendan  y|)on  his  läre  'corda 
areutia  doctrina)  fluentis  irrigare'),  besonders  '(durch  Wasser, 
Salbe  usw.)  machen,  daß  ein  Geschwür  weich  wird'  (s.  Bosworth- 
Toller  s.  v.  3e|)Av^nan),  aus  urg.  *puai-n-\ 


oustai  {uostat)  vgl.  Leskien  a.  a.  0.  —  Über  estn.  vunsi  'Schnurrbart'  Saxen 
Svenska  Landsmälen  XI  3,  S.  241. 

1)  Vgl.  die  Literatur  zur  Frage  bei  Brugmann  Vergl.  Gr.  P,  943, 
Kwrze  vergl.  Gramm.,  S.  280;  s.  bes.  Pedersen  KZ.  38,  312. 

2)  Die  von  Pedersen  IF.  5,  57  befürwortete  Zusammenstellung  von 
asl.  qsü  und  griech.  dvBepeüjv  'Kinn'  hat  er  KZ.  38,  312  widerrufen. 


Zur  germanischen  Wortgeschichte.  349 

aschw.  thmna  Vmi.-adhe  (aus  *pui-n°)  und  thwdena,  -adhe 
(awn.  *puena^  urg.  ^pui-n^)  'vor  Krankheit,  Hunger,  Liebe,  Sehn- 
sucht usw.  hinschwinden,  hinschmachten,  tabescere,  languere; 
hinsiechen',  Part,  thmnande,  thwänande  'machtlos,  matt,  krank, 
schmachtend;  schlaff,  träge';  thwänadher  'tabes,  languor,  Ohn- 
macht, Krankheit';  —  nschw.  tvina,  förtvina,  tvina  hört  'hin- 
welken (von  Pflanzen);  hinschwinden,  hinsiechen'; 

nnorw.  tvina  burt  (aus  awn.  *pmna)  'einschwinden"^);  — 
tvinil  M.  (aus  awn.  *puinill)  'verkümmertes  Geschöpf;  daraus  das 
Denom.  tvinla-st  tvilla-st  hurt  'einschwinden,  hinschwinden,  von 
Lebendem  und  Leblosem ;  nutzlos  hinschwinden,  verschwendet 
werden' 2); —  tmmia  'etwas  (durch  Kochen)  einschwinden  machen', 
tvinna-st  'einschwinden'  ^)  ist  möglicherweise  aus  einem  Part.  awn. 
^puininn  abgeleitet,  könnte  aber  auch  auf  ein  urg.  *pumn-  aus 
idg.  *tiii-nu-  zurückgehen^); 

spät  adän.  tivcenes  'hinschwinden',  ndän.  tvine  '1.  abgezehrt 
werden;  2.  jammern,  weinen,  flennen';  die  letztere,  etwas  auf- 
fallende Bedeutung  zeigt  auch  das  nordische  Lehnwort  ne.  dial. 
twine  'to  pine  or  languish  in  sickness',  aber  auch  'cry,  repine' 
(ATright  Engl.  Dial.  Dict.  6,  285  f.,  vgl.  Wall  Anglia  20,  125); 
ein  semasiologisches  Gegenstück  bietet  ne.  repine:  pine  {away). 

—  Die  ae.  Wörter  habe  ich  an  die  Spitze  gestellt,  weil  sie 
uns  ziemlich  klar  erkennen  lassen,  welche  zentrale  sinnliche  Vor- 
stellung durch  den  Lautkomplex  puin-  ursprünglich  zum  Ausdruck 
kam.  Die  eigentliche  Bedeutung  desselben  ist,  wie  es  mir  scheint: 
"schmelzen,  sich  in  einer  Flüssigkeit  auflösen,  oder  wie  eine 
schmelzende  Materie  (Schnee,  Fett,  Metalle)  zergehen,  seine  Festig- 
keit verlieren".  Von  diesem  Vorstellungskreis  aus  sind,  wie  be- 
kannt, zahlreiche  Ausdi-ücke  für  'hinschwinden,  vergehen,  hin- 
welken, hinsiechen,  entkräftet  werden'  hervorgegangen,  z.B.  griech. 
TriKuu  '(Schnee,  Metalle)  schmelzen',  Med.  'zerschmelzen,  zerfließen', 
übertr.  'vergehen,  sich  verzehren,  besonders  von  Krank- 
heit, Gram,  Sehnsucht  usw.'  Griech.  xriKÖiuevoc  (vouclu)  Her. 


1)  Ross  Ordbog  851  b. 

2)  Ross,  S.  851  b,  852  a. 

3)  Aasen  Ordb.  853  b,  Ross  852  a. 

4)  Die  synonymen  Verba  tvista-st  und  tvisla-st  'ein-,  hinschwinden' 
(Ross  852  b,  853  a)  beruhen  wohl  nur  scheinbar  auf  einer  Wurzelform 
ohne  -n- ;  sie  dürften  vielmehr  durch  formale  oder  begriffliche  Konta- 
mination mit  einer  nicht  verwandten  Wortsippe  zu  erklären  sein,  was  ich 
hier  nicht  des  näheren  zu  erörtern  brauche. 


350  E.  Li(16n, 

übersetzt  genau  ascliw.  thivanande  [fore  krankdom\  iiiKebubv  Hom. 
und  aschw.  thwcenadher  'tabes*  sind  völlig  gleichbedeutend. 

Im  germ.  ßuin-  ist  n  zweifellos  ursprünglich  ein  Präsens- 
suffix; in  *ßuf-,  vorgerm.  *tu-f-  haben  wir  eine  Erweiterung  der 
Wurzel  *täu-  'schmelzen,  nass  sein'  zu  erblicken :  vgl.  ai.  töya- 
X.  'Wasser'  ==  d^vn.  ßjenjr  M.  (urg.  *ßauia-)  'Thauwetter',/rtF.  (aus 
*ßauö-)  'schneelose,  nicht  gefrorene  Erde';  ae. ßawian  (a!),  randl., 
nndl.  c^oo^ew 'zu  schmelzen  anfangen,  auftauen',  ahd.  douuen,  deuuen 
'1.  auftauen,  zergehen;  2.  verdauen',  mndl,  nndl.  ver-duiven  'ver- 
dauen' (wohl  mit  anderer  Ablautstufe  iin  Verhältnis  zur  hoch- 
deutschen Form,  s.  Franck  im  Album  Kern,  S.  877),  s.  Fick  Vergl. 
Wtb.  P,  94,  Uhlenbeck  Altind.  eljm.  Wtb.  117  u.  a.^).  —  Eine 
verwandte  Erklärung  spricht  Wood  Amer.  Journ.  of  Phil.  21,  181 
zweifelnd  aus,  aber  ohne  die  nötige  Begründung,  weshalb  Uhlen- 
beck PBrB.  26,  571  sich  ablehnend  stellt. 

Die  sekundäre  Wurzel  tu-t-  verhält  sich  zu  tau-  wie  z.  B. 
tr-i-  (lat.  tritus^  de-tri-mentum)  zu  ter-  lat.  terö  griech.  leipou  lepeuu, 
oder  wie  hhu-i-  (lat.  fiö^  griech.  uTiep-cpiaXoc,  cpTiu)  zu  hheu-  ai. 
hhdvaU\  zahlreiche  Beispiele  beiPersson  Wurzelerweit.  101 — 114. 
—  Die  Wurzel  tau-  ist,  wie  anerkannt,  selbst  eine  Erweiterung 
der  Wurzel  tä-  in  asl.  ta-lü  'geschmolzen,  flüssig',  tajq  'schmelzen', 
griech.  rd-K-uj,  lat.  tä-heö  'schmelzen,  verwesen,  schwinden',  cymr. 
taw-dd  'liquefactio',  ir.  tä-m  'tabes'  u.  a. 

Zu  ae.  ßimnan  usw.  stellt  Zupitza  KZ.  37,  393  air.  tinaid 
'evanescit',  eine  Gleichung,  die  m.  E.  unter  den  bisher  laut  ge- 
wordenen Erklärungen  des  irischen  Wortes  den  Yorzug  ver- 
dienen dürfte.  Besonders  beachtenswert  ist  die  genaue  formale 
und  begriffliche  Übereinstimmung  mit  aschw.  thiväna  aus  urg. 
^ßuinP.  —  Nir.,  gäl.  tinn  (tind)  'sick,  sicklj,  unwell,  iir  erinnert 
an  die  nnorw.  Form  tvinna{st)  und  beruht  wahrscheinlich  auf 
einem  idg.  {*tui-nu-)  *tui-nu-^). 

Eine  im  letzten  G-runde  verwandte  Erklärung  von  ir.  tinaid 
gibt  Pedersen  KZ.  36,  106,  wo  er  griech.  idKuu  lat.  täbeö  ir.  td-m 


1)  Früher  ist  germ.  ßau-  unmittelbar  mit  gr.  xriKU)  verbunden  worden 
(s.  z.  B.  Kluge  Et.  Wtb.«  390),  wogegen  Zupitza  Die  germ.  Gutt.  76,  Hübsch- 
mann Etym.  u.  Lautl.  d.  osset.  Spr.  58  u.  a. 

2)  Über  kelt.  -nn-  aus  -nu-  vgl.  Stokes  BB.  19,  95,  Strachan  BB.  20, 
12  N.  —  Das  scheinbar  widerstrebende  Beispiel  air.  banb,  cymr.  baniv 
'Schwein'  (Brugmann  Vergl.  Gr.  1  ^  H28)  kann  idg.  -nd{h)u-  haben. 


Zur  germanischen  Wortgeschichte.  351 

ahd.  douuen  vergleicht ;  der  Vokal  i  bleibt  aber  dabei  unerklärt. 
—  Solmsen  KZ.  35,  479  zieht  es  zu  asl.  tiliti  'corrumpereV  lat. 
ttnea,  griech.  c^c  'Motte',  ai.  sam-ti-nöti  'zerquetschen',  asl.  tina 
'Schlamm',  griech.  tTXoc  'flüssiger  Stuhlgang'^). 

Mit  a.e.ßtmnan  usw.  verbindet  Wood  a.  a.  0.  und  Color-names 
43  f.  u.  a.  griech.  civo)aai,  lesb.  civvo|uai  'berauben,  verheeren,  be- 
schädigen, unglücklich  machen',  civoc  'Schaden,  Beschädigung, 
Unheil',  was  Avegen  der  weit  abliegenden  Bedeutung  durchaus 
unwahrscheinlich  ist 2). 

Wenn,  besonders  nach  Ausweis  des  Altenglischen,  die  Wurzel 

tut-  —  wie  ihre  Grundlage,  die  Wurzel  tau ursprünglich  '(flüssig, 

schleimig  sein)  schmelzen,  zerfließen,  zergehen'  bedeutet  hat,  läßt 
sich  hierher  ziehen : 

griech.  ciaXov,  ciaXoc,  ion.  cieXov  'Speichel,  Geifer;  das  fettige 
"Gliederwasser,  |uuHa,  KÖpuHa  (Hippocr.)';  ci'aXoc  'Fett,  Schmalz' ^j; 
ciaXic-  ßXevvoc.  'Axaioi  Hes.;  ciaXuuöric  'speichelartig,  fettartig';  — 
ciar  TTTucai  [cod.  TTificai]  .TTdcpioi  Hes.,  aus  *ci-cai.  Die  griech.  Wurzel 
ci-  wäre  dann  idg.  *tui-. 

Mit  Curtius  Gr.  Etym.^  372  und  anderen  Forschern  halte 
ich  es  für  sicher,  daß  ciaXov,  -oc  'Speichel'  von  ciaXoc  'Schmalz' 
nicht  zu  trennen  ist;  ciaXoc  'Schmalz'  gehört  zur  Wurzel  tuf- 
'schmelzen'  ebenso  natürlich  wie  nhd.  schmalz  zu  schmelzen.  Die 
Bedeutungen  'Fett'  und  '(schmierige)  Flüssigkeit'  stehen  einander 


1)  Wood  a.  a.  0.,  S.  180  f.  kombiniert  die  Erklärungen  der  drei 
genannten  Forscher  und  fügt  noch  anderes  mehr  oder  minder  Zweifelhaftes 
hinzu ;  ir.  tinaid  stellt  er  zunächst  zu  ae.  pinan  'to  become  moist',  asl. 
tina  'Schlamm',  gr.  tT\oc  u.  a.   Ähnlich  Uhlenbeck  PBrB.  26,  571. 

Nach  Brugmann  Her.  d.  Sachs.  Ges.  d.  Wiss.  1897,  S.  19,  Vergl.  Gr. 
1  ^,  589,  791  wäre  das  irische  Wort  mit  griech.  cpGivuj,  ai.  hsinati  u.  a.  ver- 
wandt, was  Zupitza  a.  a.  0.  wegen  der  nicht  bewiesenen  Lautentsprechung 
ir.  t  =  griech.  cpe  ai.  h$  ablehnt. 

Noch  anders  Stokes  bei  Fick  Vergl.  Wtb.  2  *,  128  und  Macbain  An 
Etym.  Dict.  of  the  Gael.  Lang.  330  (zu  lat.  attenuo,  teniiis  usw.). 

2)  Verschiedene  Erklärungen  des  griech.  Wortes  geben  Lagercrantz 
Zur  griech.  Lautgesch.  121 ;  —  Niedermann  e  und  t  im  Lat.  110  (wogegen 
Solmsen  KZ.  35,  476);  —  Fick  BB.  26,  115  (vgl.  Kretschmer  KZ.  31,  420). 
—  Wharton  Etyma  graeca  113  und  Siebs  KZ.  37,  316  halten  noch  an  der 
alten,  lautlich  unmöglichen  Zusammenstellung  mit  ahd.  sivman  fest  (vgl. 
G.  Meyer  Gr.  Gr.''  298j.  Eine  allseitig  befriedigende  Etymologie  gibt  es  bisher 
kaum.    Diejenige   von  Lagercrantz   ist  lautlich  leider  nicht   ganz  sicher. 

3)  Über  den  Wechsel  ciaXo-  —  cieXo-  Hoffmann  Griech.  Dial.  3,  251  f. 


352  E.  Liden, 

nicht  fern:  vgl.  nhd.  oberd.  schmutz  'Fett';  mlid.  räm  'Schmutz' 
und  'Ralim',  nhd.  schmeer^  awn.  smigr  'Butter',  aber  got.  smarna 
*Koth'  usw. 

Eine  einigermaßen  sichere  Anknüpfung  außerhalb  des  Grie- 
chischen scheint  bisher  zu  fehlen.  Die  alte  Zusammenstellung 
mit  lat.  saliva ,  ahd.  slim  'Schleim'  u.  a.  (s.  Curtius  a.  a.  0.)  ist 
längst  aufgegeben;  der  Versuch  Johanssons  PBrB.  14,  320,  '^.  1, 
dieselbe  wiederzubeleben,  ist  zu  verwickelt,  um  glaubhaft  zu  sein. 
—  F.  de  Saussure  Syst.  prim.  des  voyelles  286  zieht  ciaXov  zu  ai. 
eevala-  'matiere  visqueuse',  indem  er  für  diesen  und  einige  andere 
Fälle  ein  besonderes  idg.  s  ('s  rüde')  ansetzt,  eine  Hypothese,  die 
sich  nicht  bewährt  hat.  —  Auf  der  Annahme,  daß  idg.  su-  zu 
gi'iech.  c-  werden  könne,  beruht  die  von  Persson  Wurzelerw.,  S.  9 
vorgeschlagene  Kombination  mit  awn.  saurr  'Koth'  u.  a.  (Wurzel 
SU-  'fließen').  —  Endlich  verbinden  Kretschmer  KZ.  31,  419,  439 
und  Prellwitz  Et.  Wtb.  283  ciaXov  und  ai.  ksiv-  ksevati  ksivyati 
.(nur  in  Dhätup.  gana  nirasane),  etwa  'ausspeien',  ein  Wort,  das 
für  etymologische  Zw^ecke  nur  einen  stark  bedingten  AYert  besitzt. 

—  Von  ciaXoc  'Fett'  sollte  wiederum  das  hom.  (cöc)  ciaXoc 
'fettes,  gemästetes  Schwein'  nicht  getrennt  werden').  Letzteres 
wird  sonst  mehrfach  aus  *su-ialo-  erklärt  und  zu  g'ot.  swein  usw.  ge- 
zogen. Aber  die  Lautentsprechung  griech.  c- :  idg.  su-  ist  schwach 
begi'ündet  und  wird  jetzt  von  mehreren  Forschern  mehr  oder 
minder  entschieden  angezweifelt,  s.  Bechtel  Phil.  Anz.  1886,  S.  14, 
Hirt  Handbuch  d.  griech.  Laut-  u.  Formenlehre  156,  Brugmann 
Vergl.  Gr.  P,  7452). 

9.  Nisl.  pvalur. 

Msl.  pvalur  (awuord.  *pualr)  1.  'madidus,  naß,  feucht'; 
2.  'subpinguis,  smecticus,  fett  schmierig' 3). 

Die  germ.  Grundform  *puala-'^)  möchte  ich  aus  idg.  *tu-ol-o- 
(oder  *tu-dl-o-)  erklären.  Die  Grundlage  ist  die  Wurzel  tau-  'naß 
sein,  schmelzen,  auftauen'  in  ai.  tö-ya-  'Wasser,  Regen',  awnord. 


1)  Ob  auch  ciKo'  uc.  AdKUJvec  Hes.  für  *tuf-kä  stehe,  möchte  ich 
nicht  entscheiden. 

2)  In  Anbetracht  der  stehenden  homer.  Verbindung  cOc  cia\oc  ist 
vielleicht  die  Vermutung  nicht  allzu  kühn,  daß  die  schwierige  Form  cOc 
neben  öc  eben  der  steten  Assoziation  mit  cia\oc  ihr  c-  zu  verdanken  habe. 

3)  Bi0rn  Haldorsen  Lex.  2,  508,  Thorkelsson  Suppl.  3,  1361 ;  Zoega 
Isl.-Ensk  Oröabük  ("'damp,  moist,  clammy"). 

4-)  Auch  eine  Grundform  *py.alha-  wäre  an  sich  möglich. 


Zur  germanischen  Wortgeschichte.  353 

p0yr  (aus  *pauia-)  'Tauwetter',  ae.  pawian  'auftauen,  zergehen' 
usw.,  s.  übrigens  die  Zusammenstellungen  im  vorigen  Abschnitt. 

Betreffs  seiner  Bildungsart  verhält  sich  (tu-el-)  tu-ol-  zu  täu- 
wie  z.  B.  griech.  GoXöc  (aus  *dhuolo-)  'Schlamm',  öoXepoc  'trübe; 
betört,  verwirrt',  got.  dwals  'töricht',  ahd.  twalm  'betäubender 
Dunst,  Betäubung'  zu  ai.  dhü-mä-  'Rauch',  c//iM-wra- 'trübe,  düster', 
griech.  Gijuu  'toben',  got.  dau-m  'Dunst,  Geruch'  u.  a.,  s.  Persson 
Wurzelerweit.  59  f.,  wo  weitere  Beispiele  ähnlicher  Erweiterung. 

Nähere  Verwandte  des  isl.  Wortes  kenne  ich  nicht.  Mit 
jener  bis  auf  weiteres  unsicheren  Yermutung  habe  ich  wesentlich 
nur  die  Auf  merksamkeit  auf  das  unbeachteteWort  hinlenken  wollen. 

10.  Ahd.  deismo  —  slav.  testo  usw. 

Ahd.  theismo.deismo'M.  'Sauerteig,  Hefe,  f  ermentum,  zyma', 
mhd.  deisme  M.,  ä.  nhd.  und  dial.  deisam^  -em  'ds.' ;  —  mndd.,  mndl. 
desem^  undl.  deesem  M.  'Sauerteig' ;  —  ae.  päsma  M.  'ds.' 

Grimm  DW.  2,  914  verbindet  es  mit  deisen  'langsam  sich 
bewegen',  weil  "der  deisam  bewirkt,  daß  der  teig  in  die  höhe 
geht,  aufschwillt".  ■ — •  Sonst  wird  das  Wort  zumeist  zu  der  Sippe, 
welche  im  Nhd.  durch  gedeihen.,  dicht  usw.  vertreten  ist,  gezogen.  So 
Schade  Altd.W^tb.98,  Kögel  PBrB.7, 195,  Fi'anck  Etym.  Woordenb. 
171,  181  f.,  Braune  Ahd.  Gr.  2,  §  154,  Anm.  4,  Brugmann  Yergl. 
Gr.  1^,  712  u.  a.  —  Zupitza  Germ.  Gutt.  139  f.  schlägt  eine  etwas 
verschiedene  Kombination  vor,  indem  er  besonders  ai.  dtanakti 
'macht  germnen',  takrd-  'Buttermilch',  lit.  ^«wätms  'dicht,  dick',  mhd. 
dihte  'dicht',  got.  pähö  'Ton',  nhd.  dial.  deihen  'dichter  werden, 
trocknen'  zum  Vergleich  heranzieht.  Die  Wurzel  tewq-  ist  ein 
urzeitlicher  Ausdruck  für  das  Gerinnen  von  Milch  u.  dgl.  (ein- 
gehend darüber  Liden  Stud.  z.  altind.  u.  vergl.  Sprachgesch.  39  ff.), 
und  dieser  Prozeß  gibt  sich  in  der  Tat  durch  das  Dick-,  Dicht- 
werden der  betreffenden  Plüssigkeit  kund.  Vom  Gären  des  Teiges 
u.  dgl.  gilt  gerade  das  Gegenteil :  es  wird  dabei  der  gärende  Stoff 
poröser,  flüssiger,  oder,  wie  es  häufig  heißt,  "leichter"^).  Ich 
muß  daher  jene  Erklärung  ablehnen. 

Form  aleSchwierigkeitenbestärken  ohnehin  denZweifel.  Die 
bisherigen  Erklärimgen  gehen  von  einer  germ.  Grundform  '^paih- 
-sman-  oder,  wegen  der  umgelauteten  ae.  Form,  von  *paih-smian- 
{*Paihsiman-  ?)  aus.  Es  fragt  sich  dann,  ob  nicht  ein  ahd.  {Hhehsmo) 

1)  Vgl.  nschw.  lättna  'leichter  werden'  und  (dial.)  'gären,  von  Teig', 
oder  frz.  levain  (aus  lat.  levämen)  'Sauerteig,  Hefe'. 


354  E.  Li  den, 

*desmo  zu  erwarten  wäre;  die  ahtl.  Kontraktion  aih  zu  eh  fällt 
schon  ins  7.  Jahrh.  (Braune  a.  a.  0.,  §  43,  Anm.  1);  es  ist  daher 
wenigstens  zweifelhaft,  ob  der  Schwund  des  h  vor  sm  noch 
weiter  zurückliege.  Das  mag  indessen  hier  unentschieden  bleiben. 
—  Jene  Grundform  birgt  aber  eine  größere  Schwierigkeit  und 
zwar,  wie  es  mir  scheint,  einen  chronologisclien  Widerspruch. 
Die  Ablautstufe  ai  ist  in  der  fraglichen  Wurzel,  wie  bekannt, 
unursprünglich,  und  zwar  setzt  das  ai  die  Entwickelung  von 
vorgerm.  Hewq-  zu  *pew}i-^  "^'pitdh-  und  schließlich  gemeingerm. 
*pi]i-  als  längst  abgelaufen  voraus.  Andrerseits  tragen  die  wenig 
zahlreichen  germ.  Bildungen  auf  -ma{n)-^  -sma{n)-  mit  der  Vokal- 
stufe «,  ai  usw.  gegenüber  e,  i  usw.  im  Präsens  des  zugehörigen 
Verbums  das  Gepräge  hoher  Altertünüichkeit.  Jene  Grimdform 
sollte  demnach  einen  anerkanntermaßen  sehr  früh  improduktiv 
gewordenen  Bildungstypus  vertreten !  Meinesteils  wüßte  ich  den 
Widerspruch  nicht  zu  beseitigen. 

Als  Grundform  möchte  ich  *ßaisman-  aus  vorgerm.  *tdi-s-mon- 
ansetzen.  Wegen  der  ae.  Form  päsma  (mit  e-Umlaut)  vgl.  Kluge 
Nom.  Stammbildungslehre 2  §  1.52,  Anm.  o^).  Das  führt  auf  Ver- 
wandtschaft mit  dem  slav.-kelt.  Wort  für  'Teig': 

asl.,  nsl.,  bulg.,  cech.,  russ.  testo^  serb.  tijesto^  kl.-russ.  thto, 
poln.  ciasto,  polab.  t'ostü,  osorb.  desto  'Teig;  Gebäck',  wozu  nach 
Eozwadowski  Quaest.  gramm.  et  etym.  (Krakau  1897),  S.  34  f.: 2) 

air.  tdis  gl.  'massam  (farinaceam)',  mir.  töis^  nir.  taos  M.,  gäl. 
taois  F.;  cymr.  toes  M.,  bret.  töaz  M.  'Teig'. 

Die  slav.-kelt.  Grundform  ist  *tdi-s-to-. 

Die  ursprüngliche  Bedeutung  'Teig'  ist  im  Germ,  auf  'Sauer- 
teig' spezialisiert.  Ein  genaues  Gegenstück  bietet  gäl.  taois,  das 
gleichfalls  speziell  'Sauerteig'  bedeuten  kann. 

Mit  air.  tdis  usw.  verbinden  einige  Forscher  griech.  ion.-dor. 
CTttic  oder  craTc,  Gen.  cxaitoc  Neutr.  'Weizenmehl  mit  Wasser  zum 
Teige  eingerührt',  s.  Stokes  bei  Fick  Vergl.  Wtb.  2*,  121,  Macbain 
An  Etym.  Dict.  324,  Rozwadowski  a.  a.  0.,  Henry  Lex.  etym.  du 
breton  265  %  Rozwadowski  will  mit  Rücksicht  auf  griech.  craii-  die 

1)  Oder  haben  wir  in  ßeesma  eine  Spur  der  Suffixstufe  -in-  im  Ae. 
(vgl,  ahd.  Gen.  Dat.  hftiin  zu  hana)  anzuerkennen?  Die  uraltengl.  Flexion 
wäre  solchenfalls  Nom.  *päsma  Gen.  *pcesmin  usw.  gewesen. 

2)  Miklosich  Etym.  Wtb.  356  und  Leskien  Bild.  d.  Nom.  im  Lit.  454 
verbinden  das  slav.  Wort  unrichtig  mit  tit.  teszlä,  taszlä  Teig'. 

3)  Henry  zieht  auch  lat.  stiria,  Macbain  außerdem  griech.  cxeap  ("root 
staj-  concrescere")  zum  Vergleich  heran. 


Zur  germanischen  Wortgeschichte.  355 

fraglichen  kelt.  und  slav.  Worte  auf  eine  Grundform  *to«Y-to- zurück- 
führen, was  aber  schon  wegen  der  attischen  Form  erde  unrichtig  sein 
muß.  Das  germ.  *ßaisman-  neben  slav.-kelt.  Haisto-  setzt  ein  ur- 
sprüngliches s  voraus.  —  Nun  wird  aber  ciaic  gewöhnlich  mit 
ciesp  cieaToc  (cifip  cti-|t-),  aus  *CTäiap,  'stehendes  Fett,  Talg'  in 
Zusammenhang  gebracht  und  weiterhin  zu  ai.  stydifate  'dicht,  fest 
werden,  gerinnen',  lit.  styras  'starr',  styrti  'erstarren',  nisl.  stirur 
'stiffnes  in  the  ejes',  lat.  sUria  'ein  gefrorener  hangender  Tropfen, 
Eiszapfen'  u.  a.  gezogen,  s.  besonders  Solmsen  KZ.  34,  7  f.  und 
die  dort  zusannnengestellte  Literatur,  Uhlenbeck  Altind.  etym, 
Wtb.  345,  vgl.  Johansson  IF.  3,  236,  KZ.  36,  365 1).  Es  kommt  in 
der  Tat  creap  öfters  in  derselben  Bedeutung  wie  craic  —  wie 
umgekehrt  ctaic  später  statt  cieap  —  vor.  Diese  begriffliche  Be- 
rührung kann  allerdings  sekundär  sein  und  durch  die  Laut- 
ähnlichkeit oder  uns  unbekannte  sachliche  Ursachen  herbeigeführt 
worden  sein  (wie  es  bekanntlich  nicht  selten  geschehen  ist). 
Nur  wenn  es  sich  so  verhalten  sollte  und  also  cxaic  etymologisch 
von  cieap,  ai.  styä-  usw.  zu  trennen  wäre,  vermag  ich  meines- 
teils  Yerwandtschaft  von  craic  und  den  oben  zusammengestellten 
Worten  für  'Teig'  anzunehmen.  Denn  daß  eine  Bezeichnung  für 
'Teig,  Brotteig'  (falls  sie  als  solche  nicht  sekundär  ist)  von  der 
Grundvorstellung  'dicht,  fest,  starr'  od.  dgl.  ausgehen  sollte,  ist  mir 
nicht  glaubhaft;  die  Durchmusterung  einer  beti'ächtlichen  Eeihe 
von  Benennungen  für  'Teig'  hat  mir  jedenfalls  kein  semasiolo- 
gisch  vergleichbares  Beispiel  an  die  Hand  gegeben.  So  wie  so 
möchte  ich  griech.  ciaic,  weil  in  mehr  als  einer  Beziehung  nicht 
ganz  klar,  von  der  fraglichen  Kombination  lieber  fernhalten,  um 
so  eher,  weil  es  kein  anderweitiges  Anzeichen  dafür  gibt,  daß  die 
Grundlage  des  germ.  und  des  slav.-kelt.  Wortes  mit  dem  ursprüng- 
lichen Anlaut  st-  anzusetzen  wäre. 

Im  germ.  ^paisman-  und  slav.-kelt.  Haisto-  ist  das  -s-  wahr- 
scheinlich suffixalen  Ursprungs.  Diese  Wörter  lassen  sich  daher 
—  wie  ich  in  meinen  Arm.  Stud.  zu  begründen  suche  —  mit  arm. 
ihrem  (aus  Hhir-em)  'Teig,  Mehl  kneten'  zusammenbringen;  ich 
erkläre  dies  als  Ableitung  eines  vorarm.  Ht-ro-  'Teig'  und  be- 
trachte  es  als  mit  lit.  tyras^  iyre  'Brei'  am  nächsten  verwandt. 


1)  Nach  anderen  Forschern  gehört  cx^ap,  aus  *CTäFap,  vielmehr  zu 
-".xeöTui,  ai.  sthävarä-  'stehend,  unbeweglich'  u.  a.  (Wurzel  steu-),  s.  die 
Literatur  bei  Solmsen  a.  a.  0.,  Brugmann  Griech.  Gr.'',  S.  57. 


356  E.  Liden, 

Zusammenhang  mit  der  im  nächsten  Abschnitt  besproclienen 
Sippe  gilt  mir  als  sehr  wahrscheinlich. 

11.  Ahd.  (leisk,  griech.  tTXoc  und  Verwandtes. 

Ahd.  theisk^  deisk^  Gen.  -es  (Neutr.?)  'stercus,  fimus,  rudera' 
Graff  5,  231  f.  —  Kein  etymologischer  Versuch  ist  mir  bekannt. 

Urgerm.  *ßai-ska-  stellt  sich  zu  kelt.  *tai-lo-  cjmr.  tau 
'stercus,  fimus',  mbret.  teijl,  nbret.  teil  M.  'furnier',  womit  nach 
Stokes  in  Kuhns  u.  Schleichers  Beitr.  8,  476  und  bei  Fick  Vergl. 
AVtb.  2^,  121,  Henry  Lex.  etym.  262  griech.  ri-Xo-c  'flüssiger 
Stuhlgang',  TiXduu  'dünnen  Stuhlgang  haben'  verwandt  sind. 

Weitere  Venvandte  sind:  a)  asl.  ii-meno,  ti-menije  'lutum', 
osorb.  tymjo^  tymjena  'Sumpf,  russ.  time'nije,  kl.-russ.  t'imenijca 
'Unreinlichkeit  am  Leibe' ;  —  asl.  ti-na  'lutum,  ßopßopoc',  bulg.  tina, 
russ.  tina  'Schlamm';  nach  J.  Schmidt  Kritik  d.  Sonantentheorie 
109  steht  tina  für  *ti-mn-ä,  aus  einem  Stamm  Hi-men-  gebildet; 

b)  ae.  ßnmn  Prät.  ßän  'to  become  moisf  (idg.  Präsensstamm 
Hl-n-)\  ßän  (urg.  *ßai-na-)  'meist,  irrigated;  irrigated  \^m\\ßänian, 
ßänian  'to  be  or  become  meist';  —  awnord. //ö'r  (idg.  *tt-tö-) 
'nicht  gefroren,  frost-,  eis-frei',  wovon  das  Benom. ßida  Prät. 
ßidda  (got,  *ßeidjan)  'auftauen  oder  auftauen  machen ;  schmelzen, 
von  Schnee  und  Eis'  (nnorw.  tida^  nschw.  dial.  tia);  zw  ßida  ist 
ßidinn  (=  ßldr)  gebildet  und  davon  weiterhin  ßidna  (nnorw., 
nschw.  tina)  'schmelzen,  von  Schnee  und  Eis'  abgeleitet^). 

Asl.  tajq^  tajati  'Tr|Kec6ai,  dissolvi',  talü  'liquidus',  serb.  täjati 
'sintern,  stillare',  russ.  täjati  'schmelzen,  tauen'  —  wozu  nach 
Meillet  MSL.  9,  154  arm.  tha-na-m  Aor.  tha-fi  'feuchten'  —  und 
was  damit  in  Verbindung  steht,  liegen  schon  etwas  weiter  ab. 

Über  diese  Sippe  handeln  u.  a.  Prellwitz  Et.  Wtb.  322, 
Solmsen  KZ.  35,  477  f.,  Lagercrantz  Zur  griech.  Lautgesch.  121 

i)  Eine  verfehlte  Etymologie  von  pfdr  bei  Karsten  Stud.  ö.  de  nord. 
Spräkens  prira.  nominalbildn.  1 :  8,  Beitr.  z.  germ.  Wortk.  23  (Mem.  de  la 
soc.  n6o-phil.  ä  Helsingfors  III,  1901);  er  zieht  es  zu  griech.  tTtiü  'Tag',  lat. 
titiö  Teuerbrand'  u.  a. 

Vigfusson  Dict.  735,738,  Noreen  Altisl.  Gr.»  §  473,  Anm.  und  v. 
Grienberger  PBrB.  21,  221  f.,  Ark.  f.  nord.  fil.  14,  llOf.  halten  ßt'öa  für  ein 
ursprünglich  starkes  Verbum.  Ihr  Grund  dazu  ist  das  scheinbar  starke 
Partizip^/dmw,  das  aber  nach  Falk  PRrB.  XIV  :  44  f.  zu  beurteilen  ist.  Falls 
moderne  Dialekte  den  Ansatz  von  kurzem  i  nötig  machen  sollten,  ist  es  als 
eine  Neubildung  nach  dem  Muster  der  starken  Verba  wie  skma  skininn  zu 
erklären.  Fritzner  Ordb.  und  Falk-Torp  Etym.  Ordb.  II:  365  setzen  piöinn 
(mit  langem  i)  wohl  mit  Recht  an;  Zoega  Isl.-ensk  oröabök  schreibt j^iöinn. 


Zur  germanischen  Wortgeschichte.  357 

und  besonders  Wood  Amer.  Journ.  of  Phil.  21,  180  f.,  ühlenbeck 
PBrB.  26,  571  (vgl.  Falk  u.  Torp  Etym.  Ordb.  2,  365),  wo  noch 
anderes  mehr  oder  minder  sicher  Hierhergehöriges  mit  heran- 
gezogen wird. 

Hier  sind  vielleicht  auch  lett.  tirelis  'ein  großer  und  tiefer 
Morast',  lit.  t/yrai  'mit  Gras  überwachsener  Morast,  Steppe,  Heide' 
(Mitteil.  d.  lit.  liter.  Ges.,  Heft  5,  S.  319)  unterzubringen?  Die 
Grundbedeutung  ist  jedoch  unklar. 

Arm.  thr-ikh  'stercus  bovinum,  fimus'  aus  einem  Grund- 
wort *ti-ro-  ziehe  ich  in  meinen  Arm.  Stud.  zu  der  fraglichen  Sippe. 

Ich  möchte  noch  an  bret.  touez  M.  'melange,  masse',  cymr. 
twysg  'a  mass,  quantity'  aus  kelt.  *teisko-  (Henry  Lex.  6tym.  267) 
erinnern.  Man  vergleiche  die  Bedeutungsentwickelung  von  lat. 
massa  'zusammengeknetete,  geronnene  Masse;  Haufen,  Masse'_ 
(aus  griech.  \xd.la,  ludccou). 

12.  Nnorw.  gjüv,  griech.  Kuqpoc  usw. 

Nnorw.  juv,  dju.,  ju  Fem.  und  Neutr.  'eine  Vertiefung  in 
der  Erde,  besonders  Felsenkhift,  Höhle',  jua  Fem.  'kleine  ti-og- 
förmige  Einsenkung,  bes.  in  Grasland',  s.  Aasen  Ordb.  108,  Roß 
Ordb.  101  ^).  Sie  setzen  dj-  als  ursprünglichen  Anlaut  an,  indem 
sie  Verwandtschaft  mit  nnorw.  duva  'hinimterbiegen'  annehmen. 
Aus  verschiedenen  Gründen  müssen  die  Formen  vielmehr  auf 
aAvnord.  *gii(f^  *giüfa  zurückgehen. 

Sie  kommen  —  einfach  oder  zusammengesetzt  —  in  Namen 
von  Flüssen  und  Bauernhöfen  in  Norwegen  mehrmals  vor,  z.  B. 
Gjuva,  Juva,  vier  verschiedene  Flüsse;  die  Höfe  Gjuve^  Gjuven, 
Gjuver,  Gjuvet,  Gjuvherget^  Gjuerßd  usw.  (so  in  normalisierter 
Schreibung;  gesprochen  Jiive^  Juer^  Juvi,  Juhcerje^  JureY). 

0.  Rygh  Norske  Gaardnavne,  Inledn.  og  Forord,  S.  51  (vgl. 
Bd.  IV.  2,  S.  200  und  passim)  und  die  übrigen  Herausgeber  dieses 
großen  Werkes  verbinden  die  genannten  Wörter  mit  awnord. 
gliufr  N.,  Gen.  -rs  'steiler  Felsabhang  u.  ä.' ;  ein  l  wäre  demnach 
überall  ausgefallen.  Falk  u.  Torp  Etym.  Ordb.  1,  228  und  Noreen 
Altisl.  Gr.  3  §  287,  Anm.  3  schließen  sich  dieser  Ansicht  an.  Sie 
scheint  mir  indessen,  wenigstens  in  der  Hauptsache,  unrichtig 
zu  sein. 


1)  Die  Form  jü  auch  bei  Vidsteen  Ordb.  over  Bygdem.  i  Sendhordl.  26. 

2)  S.  0.  Rygh  Norske  Gaardnavne  I,   114-,  231,  260;  III,    279;  IV. 
2,  S.  200,  221,  225,  245,  270,  318;  VIII,  202,  219  und  Norske  Elvenavne  73. 


358  E.  Liden,  Zur  germanischen  Wortgeschichte. 

Es  ist  erstens  zu  bemerken,  daß  die  betreffenden  Ortsnamen 
durch  zahlreiche  Belege  aus  älterer  Zeit  bekannt  sind,  aber  in 
keinem  Fall  kommt  das  angebliche  l  zum  Vorschein,  trotzdem 
mehrere  Belege  bis  in  das  14.  und  15.  Jahrh.  hinaufreichen, 
z.  B.  i  Giuii  1365,  Giufua  um  1400  (später  Diuve,  jetzt  Gjuve, 
gespr.  Juve,  s.  Gaardnavne  IV.  2,  S.  200);  Giuf  um  1400  und  um 
1430—40  (ibid.,  Inledn.  og  Forord  51);  Gyvvulid  1454  (s.  Elve- 
navne  73).  Es  ist  sonst  von  einem  altwestnordischen  Schwund 
von  l  in  dieser  Stellung  nichts  bekannt;  das  einzige  Beispiel  bei 
Noreen  ist  eben  jenes  Giuf. 

Zweitens  ist  hervorzuheben,  daß  die  altnordische  Lautgruppe 
gjj-  jedenfalls  in  einigen  der  Dialekte,  wo  das  fragliche  Wort  als 
Appellativum  fortlebt,  erweislichermaßen  als  glj  oder  ^Z,  nicht 
als  {gj)  j  erscheint.  So  heißt  es  in  Hardanger  gljaa  (awn.  glid\ 
aber  dju\  in  Sogn  glaa,  aber  dju;  im  nördlichen  Gudbrandsd. 
glaa.,  aber  juv^  in  Telem.  glaa  und  gljaa  (vgl.  auch  gljüpe^  gljö\ 
aber  juv^). 

Es  scheint  mir  daher  unzweifelhaft,  daß  nnorw.  [gjuv]  ju{v)., 
dju  und  [gjuva]jua  aus  awuord.  *gmf¥..,  N.,  bzw.  *giüfa  F.  zu  er- 
klären sind.  Damit  gehören  wahrscheinlich  nordschwed.  dial.  dju  N. 
(aus  *giüf)  und  djuvcer  N.  (aus  *gmfr-y  kleine  Höhlung  in  Bäumen' 
(Rietz  Dial.-Lex.  92a)  zusammen^). 

Die  Wörter  gehören  meines  Erachtens  zu  der  germ.  Wurzel 
^eub-  i^ubb-)  mit  der  Variante  ;^eup-  '(konvex  oder  konkav)  ge- 
krümmt, gebogen  sein',  worüber  besonders  v.  Friesen  De  germ. 
mediagemin.llN.,41 — 46  (UpsalaUniv.Ärsskr.l897)und  J.H.Kern 
Hz.  im  Album  Kern  253 ff.  ausführlich  gehandelt  haben;  s.  auch 
Falk  u.  Torp  Etyra.  Ordb.  1,  230  (unter  'gjaevn')  und  257  (unter 
'gubbe').  Vgl.  z.B.  nnorw.  güv  (aus  urgerm.*^^^«-)  'der  zusammen- 
gekrümmt, das  Kinn  gegen  die  Brust  und  die  Schultern  hinaufge- 
zogen, dasitzt',  nschw.gotl.^awa  s/^  (aus  *^mv)  'sich  vorn  oder  hinten 
überbeugen',   gäu-härdugur  'buckelig' ;  nnorw.  gobb,    ndän.  dial. 

1)  Dem  awnord.  gliiifr  entspricht  in  Mandal  Fogd.  gluvr,  in  Nord- 
hordland gluvra  ;  demgegenüber  sieht  jua,  hzvf.  ju.  Ob  aber  erstere  Formen 
auf  gliüfr  oder  *glüfr-  zurückgehen,  möchte  ich  nicht  entscheiden. 

Eine  eingehendere  Untersuchung,  wozu  mir  die  Hilfsmittel  fehlen, 
dürfte  vielleicht  den  Beweis  erbringen  können,  daß  der  eine  oder  andere 
Ortsname,  wie  etwa  Givre  (Gaardnavne  IV.  2,  S.  318),  durch  Dissimilation 
aus  gliüfr-  entstanden  wäre.  Das  würde  aber  ohne  wesentliche  Bedeutung 
für  die  jetzt  vorliegende  Frage  sein. 

2)  Ross  Ordb.  101b  führt  ein  unsicheres /wt'a  'sich  hinunterbiegen'  an. 


E.  Liden,   Neue  altenglische  Miszellen.  359 

gubbe  'die  Schulterpartie',  n^chyv.guhhe  'Hocke;  alter  Mann';  nhd. 
(Schweiz.)  guhel  'Hügel,  Felsabhang;  runder  Giebel',  eiter-guhel 
'Geschwulst',  mhd.  guhel-nagel  'Hufnagel' ;  —  mit  -jp- :  ae.  ^eap 
'crooked,  curved',  mndl.  göpe  'achterschenkel  (van  een  paard)', 
ahd.  goffa,  PI.  -ün  'clunes'  (Ahd.  Gl,  3,  73,  450),  mhd.  goffe  (md. 
guife)  'Hinterbacke';  mhd.  goufen  'die  hohle  Hand',  nschwed. 
göpen^  awnord.  gaupn  'eine  Handvoll'  u.  a.  —  unter  außergerm. 
Verwandten  nenne  ich  nur  griech.  Köqpoc  'Krümmung,  Buckel; 
hohles  Gefäß,  Kiife',  Köcpöc  'vornüber  gebogen,  gebückt,  gekrümmt'. 
Die  gleichbedeutende  balt.-slav.  Wurzel  gub-  ist  lautlich  mehr- 
deutig, läßt  daher  verschiedene  Anknüpfungen  innerhalb  des  Ger- 
manischen zu  (vgl.  außer  den  oben  erwälmten  Forschern  Zupitza 
Germ.  Gutt.  149). 

Die  zuerst  erwähnten  nord.  Wörter  bezeichnen  eine  kon- 
kave Krümmung  (wie  auch  mhd.  goufen  usw.),  die  Mehrzahl 
der  übrigen  eine  konvexe  Krümmung.  Diese  Bedeutungen  sind 
bekanntlich  häufig  verbunden,  vgl.  z.  B.  mndd.  küle  'Grube,  Ver- 
tiefung, Loch'  und  'Beule,  Geschwulst'. 

Gotenburg  (Schweden).  Evald  Liden. 


Neue  altenglische  Miszellen^). 

7.   Ae.  icöci^  'Schlinge,  Fallstrick'. 

Dieses  Wort  ist  nur  in  zwei  altenglischen  Glossensanmi- 
kmgeu  zu  Aldhelm  überliefert,  und  zwar  teils  in  dem  Bodl.  Ms. 
Digby  146,  wonach  die  Ausgabe  von  Napier  Old  Engl.  Gl.  (Oxford 
1900),  teils  in  einem  Brüsseler  Codex,  wonach  die  betreffenden 
Glossen  zuletzt  von  Bouterwek  Zs.  f.  deutsches  Altert.  IX  (1858) 
veröffentlicht  sind.  Unser  Wort  erscheint  f olgendergestalt  : 

tenticulam,  .i.  decipulam,  |)elman,  snearan,  wocie 
(Napier,  S.  26^0);  —  tendiculum  [gl.  decipulam.  rete.  1.  laqueuiu, 
quod  tenditur  leporibus  1.  avibus];  in  marg. :  {)elman.  snearan. 
1.  tvocie  (Bouterwek,  S.  429a); 

cabearum,  .i.  catenarum,  wocia,  wyla,  hola  (Napier 
S.  95*1);  —  cabearum  [gl.  catenarum].  wyla.  1.  hola.  oööe 
ivociga  (Bouterwek  S.  489b). 

1)  Vgl.  oben,  Band  18,  407  ff. 


360  E.  Lid6n, 

Bosworth-ToUer  Dict.  verzeichnet  das  Wort  unter  der  Form 
"wocig  (?),  -e;  f.  a  snare,  noose".  In  Sweet's  The  Student's  Dict. 
hat  es  keine  Aufnahme  gefunden.  Napier  a.  a.  0.  versieht  es 
ini  Index  mit  einem  Fragezeichen,  m.  E.  ohne  triftigen  Grund, 
da  die  Überlieferung  durchaus  unverdächtig  ist,  obgleich  die 
Form  des  Wortes  beim  ersten  Zusehen  etwas  auffallend  vor- 
kommt. 

Die  Bedeutung  ist,  jedenfalls  annähernd,  ganz  klar.  Laut 
der  ersten  Glosse  ist  unser  AVort  mit  sneare  'Schlinge'  und  pelma 
'Schlinge'  {ayvn.ßialmi,  Schlutter  Angl.  24  :  531),  welche  tendicula 
und  decipula  glossieren,  synonym.  Mit  Rücksicht  hierauf  müssen 
wir  an  der  zweiten  Stelle  wocia,  ivoci^a  als  zunächst  catenarum 
erklärend  fassen;  über  wyla  s.  Napier  a.  a.  0.,  S.  95,  Note  3560 
(=  "chains,  bonds?");  hola  ist  wiederum  als  eine  wortgetreuere 
Wiedergabe  von  cabearum  (d.  h.  cavearum  "Höhlungen',  in  loco 
wohl  eigentlich  'Käfige,  Schlagbauer  der  Vogelsteller')  ^)  gemeint.  — 
Demnach  bedeutet  tcoc^  s.  v.  a.  'Schlinge,  Fallstrick'. 

Was  dann  die  Form  betrifft,  ist  woci^a^  bzw.  ivocia  ein 
Gen.  PI.,  wocie  (statt  ^tcoci^e)  ein  Akk.  Sing.  Offenbar  haben  wir 
es  mit  dem  Suffix  -/j  zu  tun,  aber  wegen  des  fehlenden  Um- 
lauts in  der  Wurzelsilbe  muß  dies  für  ursprüngliches  -a^  stehen: 
vgl.  häli;^^  moni^,  hun^  (ahd.  heilag,  manag ^  honag^  s.  Bülbring 
Ae.  Elem.-buch  1,  148  f.)  oder  sali^  'Saalweide'  (aus  *sala^^  s. 
Hoops  IF.  14,  4791).  —  Es  scheint  daher  ein  starkes  Femininum 
lüoci^  aus  ^'ivoca:^  anzusetzen  sein. 

Die  Quantität  des  Wurzelvokals  ist  auf  Grund  der  Über- 
lieferung nicht  festzustellen.  Bei  Länge  des  o  hat  der  Vokal  der 
Mittelsilbe  regelrecht  schwinden  müssen,  kann  aber,  wie  sonst 
häufig,  aus  den  nicht  synkopierenden  Fomien  wieder  eingedrungen 
sein.  Aus  verschiedenen  Erwägungen  setze  ich  wöc^  als  die  wahr- 
scheinlichere Form  an. 

Wie  ich  in  meinen  'Studien  z.  altind.  u.  vergl.  Sprach- 
gesch.'  (Upsala  1897),  S.  20 — 29  nachgewiesen  und  eingehend 
begründet  habe,  gibt  es  in  verschiedenen  Sprachen  eine  An- 
zahl Wörter,  welche  eine  Wurzel  ueg-  'flechten,  weben'  zur 
Grundlage  haben.  Nur  im  Keltischen  hat  diese  Wurzel  volle 
Lebenskraft  bewahrt;  im  Germ.,  Lat.  und  Altind.  sind  vereinzelte 
Ableger  vorhanden;  vgl.  namentlich: 

1)  Vgl.  cabearum,  catenarum.  wila  Napier  a.  a.  0.,  S.  161^. 


Neue  altenglische  Miszellen.  861 

ir.  figim  (aus  *ueQtö)  'weben',  gäl.  figh  'to  weave ;  to  knit', 
figheachan  'a  garland;  a  web,  weaviug,  wreathings',  cymr.  gweu 
'weben',  gwe  °tela,  tegmen',  nibret.  gweaff  'texere'  usw.; 

ai.  vägurä  'Fangstrick,  Netz  zum  Einfangen  von  Wild,  Garn': 
väguli-  'eine  Art  Zeug'; 

lat.  veliim  '1.  Tuch,  Decke,  Hülle,  Vorhang;  2.  Segel'  aus 
*ueQ-s-lo-^  vexillum  'Fahne' i); 

mndd.,  nndd.,  ivocke^  wocken  1.  'das  Werkzeug,  auf  welchem 
gesponnen  wird';  2.  'der  Flachs,  AVoile  usw.,  der  um  den  Eocken- 
stock  zum  Abspinnen  auf  einmal  gewunden  wird,  der  Flausch'; 

—  nnorw.  oke  M.  (aus  *udkan-)  'verfitzte  Masse  z.  B.  von  Zwirn 
oder  Schnüren' ; 

ne.  ivick,  ae.  weoce,  wice  'a  twist  of  threads  for  a  lamp'; 
rahA.  lüicke  'Docht  von  Garn  gedreht;  gedrehte  Charpie  in  einer 
Wunde';  as.  uuocco  'cicindila';    mndd.   wecke  'Charpie,   Lunte'; 

—  nnorw.  vikk{e)  F.  'Fitze  einer  Haspel'; 

mhd.  iviht  M.  'Docht';  —  ahd.  imckeli{n)  N.  'Wickel,  Flachs- 
od.  Wollpensum  zum  Abspinnen';  —  nnorw.  vik  F.  'Docke 
Zwirn';  u.  a. 

Dieser  Sippe  möchte  ich  nun  auch  ae.  wöci^  'Schlinge,  Fall- 
strick' anschließen.  Betreffs  der  Bedeutung  ist  besonders  ai. 
vagiträ  'Fangstrick'  zu  vergleichen. 

8.  Ae.  timple. 
In  dem  von  Liebermann  Anglia  9,  251  ff.  herausgege- 
benen und  erläuterten  altengl.  Schriftstücke  'Be  jesceadwisan 
jerefa'  kommt  das  ctTraS  Xey.  tmplean  (Akk.)  vor.  Das  betreffende 
Stück  der  Handschrift  ist  etwa  um  das  Jahr  1100  nach  einer 
älteren  Vorlage  abgeschrieben.  Unser  Wort  wird  zusammen  mit 
allerlei  zum  Gebiet  der  Weberei  gehörigen  Gegenständen  genannt: 
'flexUnan,  spmle,  reol,  ^earmvindan^  stodlan^  lor^as^  presse,  pikten, 
timplean,  wifte,  ivefte  usw.'.  Bosworth-Toller  sub  timple  erklärt 
es  als  'some  implement  used  in  weaving',  ebenso  die  Wörter- 
bücher von  Sweet  und   Hall.  Kluge  Angels.  Leseb.^   läßt    das 


1)  Sämtliche  Bedeutungen  von  velum  und  vexillum  erklären  sich  aus 
der  ursprünglichen  Bedeutung  'Gewebe,  Stück  Zeug'.  —  Zur  Beleuchtung 
der  begrifflichen  Beziehung  zwischen  velum  Tuch,  Hülle,  Vorhang'  und 
velum  'Segel'  habe  ich  a.  a.  0.  eine  Reihe  von  Parallelen  zusammen- 
gestellt. Hier  möge  noch  arm.  afagast  1.  Hülle,  Vorhang;  2.  Segel'  hinzu- 
gefügt werden. 

Indogermanische  Forschungen  XIX.  2* 


362  E.  Liden, 

Wort  unerklärt.  Liebermanu  a.  a.  0.,  S.  263  (vgl.  S.  257)  vermutet 
zögernd  Zusammenhang  mit  ne.  tum  'Wolle  karden'  bei  Halliwell. 

Es  kann  wohl  nicht  zweifelhaft  sein,  daß  es  ein  romanisches 
Lehnwort  ist  und  zu  fi'z.  temple  F.  'Spannstock,  Sperrruthe'  ge- 
hört ^).  Dies  entstammt  einem  lateinischen  PL  templa.  das  aber 
in  dieser  Bedeutung  nicht  nachgewiesen  ist,  vgl.  indessen  lat. 
templa  'die  über  die  Sparren  gespannten  Dachbalken',  welches 
mit  der  Wurzel  temp-  'spannen'  (lit.  tempiü  'spannen',  lat.  tempus 
'Zeit',  eig.  'Spanne,  Sti'ecke',  templum  'der  sich  erstreckende 
Raum',  ternp-tö  usw.)  zusammenhängt,  s.  Kretschner  KZ.  86,  266. 
Das  Altenglische  legt  somit  das  bis  jetzt  früheste  Zeugnis  von 
dem  fraglichen  Worte  ab. 

Über  ae.  i  statt  lat.-rom.  e  vor  Nasal  -f-  Kons.  s.  Pogatscher 
Quellen  u.  Forsch.  64,  811,  Sievers  Angels.  Gr.  ^  §  69.  —  Statt 
timplean  ist  ohne  Zweifel  timplan  zu  lesen:  der  Schreiber  hat  wohl 
zuerst  den  Nom.  timple  geschrieben,  dann  aber  die  Akk.-Endung 
nachgetragen  —  die  umgebenden  Wörter  stehen  im  Akk.  —  und 
das  e  zu  tilgen  vergessen.  (Kluge  a.  a.  0.  schreibt  ohne  Grund 
timplean.) 

Auf  erneuter,  später  Entlehnung  aus  dem  Franz.  beruht 
ne.  temple  'Spannstock'. 

Französischen  Ursprungs  ist  neuostfi'ies.  tempel  'Sperrholz, 
Sperrrute' 2).  Aus  dem  Niederdeutschen  stammt  wiederum  nschw. 
dial.  tämpel  M.,  nnorw.  tempdl  N.  'der  Spannstock  im  Webstuhl' 
(Ross  Norsk  Ordb.  811a,  Rietz  Svenskt  Dial.-Lex.  773  a,  mit 
unrichtiger  Urspruugsdeutung). 

9.  Ae.  pumle. 
Das  in  der  alten  Glosse  viscera:  tharme^  tJiumle  Corpusgl. 
(Sweet  The  Oldest  Engl.  Texts,  S.  107,  no.  2140)  begegnende 
Wort  thumle  scheint  unerklärt  zu  sein.  Es  läßt  sich  m.  E. 
eine  Etymologie  gewinnen,  wenn  man  von  einer  ursprüng- 
licheren Form  *thumble  ausgeht.  Im  Altengl.  w^echseln  -mbl-  und 
-ml-  nicht  nur,  avo  ml  das  ältere  ist,  z.  B.  simble.,  simJe  'immer' 
(got.  simle)%  sondern  auch  wo  mbl  ursprünglich  ist,  avo  also  -b- 
in  dreikonsonantischer  Gruppe  event.  ausgefallen  ist,  vgl.  nament- 
lich symbel  'Gastmahl'  (awn.  sumbl,  asächs.  at  siimble),  Dat.  häufig 

1)  S.  Littre  Dict.    Auch  templu,  templet,  temploh-  'ds'. 

2)  Ten  Doornkaat  Koolman  Wörterb.  3,  404. 

3)  Bülbring  Altengl.  Elementarbuch  1,  §  534. 


Neue  altenglische  Miszellen.  363 

symle  z.  B.  im  Beow.  (3  mal)  und  anderswo i),  cmnbol,  cum{b)l- 
(asächs.  kumbal,  awu.  kumbl  kuml)  usw. 

Dies  tJiumle  aus  *thumble  gehört  wahrscheinlich  mit  der 
folgenden  nordischen  Wortsippe  zusammen: 

a)  awn./pwZ>Fera.,  Gen.ßambar  'ausgespannter,  aufgedunsener 
Magen,  Bauch',  aber,  nach  den  verwandten  Wörtern  zu  urteilen, 
wohl  ursprünglich  'Ausgespauntheit,  etwas  Aufgedunsenes,  Aus- 
gespanntes'. Die  vielfach  daneben  angegebenen  Bedeutungen 
*Bogen'  oder  'Bogensehne' 2)  entbehren  jeder  tatsächlichen  Stütze; 
besonders  hat  man  ßpmb  in  solcher  Bedeutung  in  pambarskelfir^ 
dem  Zunamen  des  berühmten  Bogenschützen  Einarr  zu  finden 
geglaubt  ("Bogenschüttler"),  aber  er  wird  den  Namen,  erst  als 
alter  Mann,  wegen  seiner  Dickleibigkeit  bekommen  haben 3).  — 
Das  Wort  ppmb  kommt  als  männlicher  Zuname,  etwa  s.  v.  a. 
'Dickbauch',  vor : pörir  ßpmb  Grettis  Saga,  Kap.  XIX,  4'^),  lösteinn 
ppmb  Fornm.  sögur  9,  260.  —  Es  wird  auch  als  Ortsname  ge- 
braucht: x^X.ppmb  unter  den  Inselnamen  in  Snon'e's  Edda,  wahr- 
scheinlich mit  der  norwegischen  Insel  Tomma  identisch;  ferner 
anorw.  a  pcBmbini  1358  (aus  *pamb-vin),  jetzt  Temmen,  ein  Hof 
in  Norwegen;  aisl.  pamb-a .,  ein  Fluß,  wovon  die  Ortsnamen 
pambdr-clab%  -vellir\  shetl.  Temna  (aus  ^Pcembin,  *pamb-vin^)  de 
Tomma-lands  (ein  abschüssiges  Stück  Land)^).  Die  Grundvor- 
stellung von  ppmb  als  Lokalitätsbezeichnung  ist  wahrscheinlich 
'Bauchung,  bauchige  Erhöhung'. 

b)  awn.  [pambr],  Fem.  ppmb  Adj.  'aufgeschwollen,  dick 
(schwanger)',  gxtt.  Xey.,  in  Biarnar  Saga  Hitd.  ^) ;  davon  die  schwach 
flektierte  Form  anorw.^awöiM.,  als  Zimanie  (in  AslakBolt's  Jordeb.) ; 

c)  ninl.  pamba^  Prät.  -adi  1.  'den  Magen  durch  übermäßiges 
Trinken  ausspannen,  gierig  trinken',  2.  J)amba  äfrani  'sich 
mühsam  (z.  B.  gegen  den  Wind)  vorwärts  arbeiten',  J)amba  ä  eptir 
'mühsam,  keuchend  verfolgen'  =  fseröisch  tamba  'ausspannen, 
dehnen"');    dazu    nisl.  pamb  N.,  am  ehesten  Deverb.  zum  vor. 

1)  Aus  symle  auf  einen  Nom.  *siml  zu  schließen  (Heyne  BeowTilf®, 
Clark  Hall  Dict.),  ist  unberechtigt. 

2)  John  Olafsen,  G.  Vigfusson,  Biorn  Haldorsen,  Fritzner  u.  a. 

3)  Nach  Finnur  Jönsson  Heimskringla  4,  222  f. 

4)  Von  Beer  Grettis  Saga,  S.  69.  N.  unrichtig  mit  'Bogensehne'  übersetzt. 
0)  Rygh   Norske   Gaardnavne  3,  166;  14,  223;  Jakobsen  Aarboger 

f.  nord.  Oldk.  1901,  S.  167. 

6)  S.  Finnur  Jönsson  1.  c,  Boer  Bjarnar  Saga  (1893),  S.  99 :  [hon] 
var5  heldr  til  ]3omb. 

7j  Jakobsen  Fseroske  Folkesagn  499. 

24* 


364  E.  Liden, 

1.  standa  ä  pambi  'den  Magen  vollgepropft  haben;  von  Kleidern: 
stark  ausgespannt  sein,  zu  eng  ansitzen',  2.  'das  sich  atemlos 
Laufen' ; 

d)  nisl./em5a(aus*^am&«aw)  l.'aufdunsen,  aufblasen ;  stolz,sich 
brüstend  gehen',  refl.  -ast  (upp)  'anschwellen',  (upp-){)embdur 
'aufgeblasen,  ausgebaucht',  |)emba  sik  üt  'den  Magen  hervor- 
schieben, keuchen'  (vgl.  pemUngur  'Tromnielwassersucht',  awn, 
pembi-priötr  Orkn.-S.) ;  2.  'in  langsamem  Takte,  saumselig  reiten'  % 
=  nnorw.  temba  [tcemma,  tcemja)  1.  'vollpropfen,  z.  B.  den  Magen 
mit  Essen  oder  Trinken'  [temba  F.  'Aufgeblasenheit;  eine  reich- 
liche Mahlzeit'),  2.  'heftig  laufen',  ttemjane  sprang  'heftiges 
Rennen' 2). 

Es  sind  demnach  ein  germ.  ^pamba-  'gespannt,  ange- 
schwollen, aufgedunsen'  nndi^pambö- 'Gespanntheit,  Anschwellung, 
Ausbauchung',  dann  'gespannter,  gefüllter  Magen ,  Bauch'  sicher- 
gestellt. Die  Bedeutungen  der  davon  abgeleiteten  Verben  erklären 
sich  ohne  weiteres  aus  derselben  Grundvorstellung.  Nur  ist  viel- 
leicht besonders  darauf  aufmerksam  zu  machen,  daß  sie  sich  als 
Ausdrücke  für  Bewegung  verscliiedener  Art,  die  mit  An- 
spannung der  Kräfte  verbunden  ist,  unmittelbar  an  den  Begriff 
'spannen,  strecken'  anknüpfen  :  vgl.  nhd.  anspannen^  strecken  und 
besonders  norw.  tenja  'dehnen',  das  mit  temba  'heftig  rennen' 
völlig  gleichwertig  gebraucht  wird. 

Ae.  thumle  aus  urgerm.  *pumb{a)la-  (oder  -ula-)  bezeichnet 
somit  eigentlich  das  gefüllte,  gespannte  Gedärm. 

Unter  den  erwähnten  nordischen  Wörtern  scheint  bisher 
nur  awn.  ppmb,  freilich  zumeist  mit  unrichtiger  oder  ungenauer 
Bedeutungsangabe,  in  der  etymologischen  Literatur  Beachtung 
gefunden  zu  haben.  Es  ist  längst  mit  der  idg.  Wurzel  temj)- 
'spannen'  zusammengebracht  worden:  Yg\.\[ttempiute?npti^  tampaü 
tampyti  'durch  Ziehen  spannen  oder  dehnen',  timpsth  'sich  recken', 
Ümpa  'Sehne',  temptijva  'Bogensehne',  tamprus  'kräftig,  energisch'; 
lett.  tipul'üjä-s   '(die  Wolken)  ziehen    hin  und  her';   asl.   tetiva 

1)  S.  Erik  Jonssons,  Haldorsens  und  Vigfussons  Wörterbücher  s.  vv., 
Thorkelsson  Suppl.  t.  isl.  Ordbeger,  3.    Saml.  2,  S.  1323,  1327. 

2)  Aasen  Ordb.  806,  Ross  Ordb.  811,  995.  Die  Form  tcemja  ist  eine 
Neubildung,  zunächst  auf  Grundlage  des  Prät.  tcemde  (wo  b  ausfallen  muß), 
nach  dem  Muster  der^"- Verba.  Das  Subst.  tom 'Ausgespanntheit'  (Ross  Ordb., 
Nyt  Tillaeg  53  a)  dürfte  eine  Rückbildung  dazu  fwie  tan  N.,  zu  tenja)  sein. 


Neue  altenglische  Miszellen.  365 

'Saite,  Sehne',  russ.  dial.  tep-sti  'straff  anziehen',  lat.  tempus  'Zeit' 
(eig.  'Spanne,  Sti-ecke'),  temp-liim  '(der  sich  ersti-eckende)  ßaum', 
temp-t-ö  (Intens,  von  *tempö  oder  Hempi6)\  griech.  rdTT-iic  'Decke'; 
npers.  täf-tan  'drehen,  wenden;  spinnen'  usw.,  s.  Fick  Ygl.  "Wtb.*  1, 
443,  Brugmann  Ber.  d.  sächs.  Ges.  d.  Wiss.,  Phü.-hist.  Kl.,  1897, 
S.  25,  und  die  beim  Verf.,  oben  S.  381f.,  gegebenen  Literatur- 
nachweise zu  dieser  Wortgruppe. 

Zu  den  soeben  besprochenen  Wörtern  gehören  wahrscheinlich 
noch:  nisl.  ßumba-st  'langweilig,  verdrießlich  im  Umgang  sein 
{E.  Jonsson),  vor  Erbitterung  verstummen  (B.  Haldorsen),  to  mope 
(Vighissony^ßumbastfyrir  'einen  zähen  Widerstand  leisten', /wm^a 
e-ö  fram  af  ser  'sich  einer  Arbeit  oder  einer  Leistung  mit  zähem 
Widerstand  entziehen'^);  pumbaldi^  pumbari,  pumbiM.  'wer  im 
Umgang  trocken  und  verdrießlich  ist,  Querkopf. 

Die  Grundvorstellung  ist:  'gespannt,  straff  sein',  dann 
'widerspenstig,  stramm,  unbiegsam  sein'. 

10.  Ae.  Itra. 

Ae.  lira  M.  'die  fleischigen  Teile,  das  Dickfleisch  besonders 
an  Wade,  an  Söhenkel,  an  Lenden  und  Gesäß,  pulpa'  ("|)eoh  and 
llra";  —  "|)ä  liran  I)ära  lendena");  earslyre  'nates'  ^Ifr.  Gl.; 
speoruUran  'suras'  Lor.  Gl.,  spcerlira  'sura'  J^]lfr,  GL,  Aldh.  Gl.; 
scancUra  'sura'  (späte  GL);  lireht  'fleischig';  —  vom  9.  Jahrh.  an 
belegt.  Me.  Ure  lyre  lere  leere  'the  muscle  of  the  thigh,  the  flank'. 
Ä.  ne.  und  dial.  Ure  {lyre^  lyer)  'the  fleshy  or  muscular  parts 
of  any  auimal  as  distinguished  from  the  bones;  lean  beef;  the 
flesh  of  living  animal',  leer  [lear)  'the  flank  or  loin,  the  hollow 
under  the  ribs',  leer-rib  'the  spare-rib' 2). 

Von  wertlosen  Zusammenstellungen  bei  Ettmüller,  Leo  u.  a. 
abgesehen,  scheint  das  Wort  in  der  etymologischen  Literatur 
fast  unbeachtet  zu  sein.  JSTach  Murraj  a.  a.  0.  6,  333  (1903)  ist 
es  dunklen  Ursprungs.  Bei  Mayhew  und  Skeat  A  Concise  Dict. 
of  Middle  Engl.  141  findet  sich  jedoch  die  meines  Erachtens 
richtige  Bemerkung:  'cp.  Icel.  leer'. 

Als  germ.  Grundform  ist  wahrscheinlich  *li^iz-ati-  voraus- 
zusetzen.   Li  der  Verbindung  -i^i-  vor  Kons,  schwindet  3  sehr 

1)  Thorkelsson  ibid.,  S.  1357. 

2)  Wright  Engl.  Dial.  Dict.  3,  567,  620,  Murray  NED.  6,  176,  333. 


366  E.  Li  den, 

früh.  vgl.  ül  'ericiiis,  histrix'  Corp.  Gl.  765,  1023  (=  i^il^  ahd.  igil, 
awnord.  iguU)\  siras  'lnrcones'  ib.  1241  (=  Ep.  Erf.  s^iras);  aide 
ib.  834  (^Ep.  Erf.  s^di  'Sichel');  —  dazu  stimmt  nun  speoridiran 
in  den  wohl  ebenfalls  mercischen  Lorica  Gl.^). 

Ae.  lira  stellt  sich  zu  awnord.  leggr  M.  \las  Bein  vom 
Knie  ab:  länglicher  Knochen  der  Beine  und  Arme',  nnorw.  legg 
*Wade,  Schienbein ;  Röhrenknochen',  nschw.  lägg  "das  Bein  vom 
Knie  ab'2),  langob.  lagi  'Oberschenkel'  (°coxa  super  genuculum' 
Ed.  Roth.)  aus  urg.  *la^iz-  N.;  —  awnord,  leer  'Oberschenkel', 
aschw.  lär  auch  'das  ganze  Bein',  nnorw.  laar^  Icer^  nschw.  lär 
'Oberschenkel'  aus  urg.  *lahaz- ;  —  lat.  lacertus  'Oberarm,  Arm', 
air.  less  (aus  *leq-s-ä)  'Hüfte' ;  griech.  dXaH  •  tc^xvc  Hes. ;  arm.  olokh 
'Schienbein,  Bein',  preuß.  lagno  (statt  *lakno)  'Hosen';  russ.  diah 
älicikü  'talus'  (Zubaty  BB.  18,  253);  lit.  ülektis  'Unterarm',  alküne 
elkihie,  asl.  laküti  (urslav.  *olküti)  'Ellbogen'  usw.,  s.  die  Über- 
sicht über  die  ganze  Sippe  bei  Liden  Arm.  Stud.  (unter  Xr.  66). 

Was  zunächst  die  begriffliche  Beziehung  von  lira  zu  awnord. 
leggr^  leer  mit  Zubehör  angeht,  verweise  ich  auf  folgende  Paral- 
lelen: lat.  lacertus  'Oberarm',  lacerti  auch  'Muskeln',  lacertösus 
'muskulös'  (lacertosum  femur  usw.):  —  ahd.  ivado  nndl.  wade 
'Wade',  aber  awnord.  vpdui  'Muskel'  aschw.  ra/wz 'pars  corporis 
carnosior' ;  —  und  umgekehrt  lat pulpa  'das  fleischige  am  tierischen 
Körper,  Dickfleisch',  it.  polpa,  aber  rum.  pulpä  'Wade',  alb.  pidpe 
'Wade,  Kniekehle ;  Oberschenkel  des  Geflügels',  it.  polpaccio  'Wade; 
Fingerkuppe :  Fußballen',  port.  polpa  (da  perna)  'die  Waden' :  — 
mndd.  küt{e)  'das  Weiche  im  Tierkörper,  Eingeweide,  Rogen'  und 
'Wade';  —  nhd.  ostfäl.  dicke  flesch  'Wade';  —  lat.  torus  'Muskel' 
wird  auch  mit  diXevri  glossiert  (Goetz  Thes.  gl.  emend.  2,  357). 

Was  dann  die  Form  betrifft,  hat  Ura  (urg.  Hi^iz-an-^  He^iz-an-^ 

1)  In  .^Ifr.  Gl.  findet  sich  i^il  'istrix'  Wr.-W.  1,  122,2i  neben  sipe, 
side  'falcastrum,  falx'  ib.  107 ,21,  140,ai  und  Ura  159,8,  earslyre  159,44,  spwr- 
lira  160,18.  Der  Schwund  des  5  in  der  Verbindung  i^i  hat  wahrscheinhch 
zunächst  in  mehr- silbigen  Formen  stattgefunden.  In  Fällen  wie  ^eli^ere 
neben  ^elire  'Ehebruch'  konnte  sich  das  5  durch  Analogie  erhalten.  In 
dem  ursprünglich  in  allen  Formen  dreisilbigen  Ura  mußte  das  5  schon 
früh  schwinden;  wie  neben  Ura  kein  Hi^era,  so  ist  neben  sTpe  'Sichel' 
kein  *sizjRpe  erhalten ;  nur  noch  die  alten  Ep.  und  Erf.  Glossen  haben  uns 
das  5  (in  der  Form  sigdi^  vgl.  awnord.  sigdr)  bewahrt. 

Das  sonst  so  überaus  reichhaltige  und  exakte  Elementarbuch  von 
Bülbring  (§  531)  gibt  —  ebensowenig  wie  Sievers  Gramm.'',  §214,  4  — 
keine  genügende  Auskunft  über  dieses  kleine  Detail. 

2)  Ne.  leg  ist  bekanntlich  nord.  Lehnwort. 


Neue  altenglische  Miszellen.  867 

idg.  Heqes'')  zur  Grundlage  den  es-Stamm,  welcher  unerweitert  in 
aschw.  lär  awnord.  leer  {Hahaz-\  leggr  langob.  lagi  {Ha^iz-)  und, 
mit  verschiedenen  Suffixen  versehen,  in  air.  less  (*leqs-ä)  'Hüfte', 
lat.  locus-ta  'Heuschrecke;  eine  Art  Meerkrebs'  (eig.  'Schenkel- 
tierchen'), griech.  XoHöc  {^loqs-o-)  'schief,  gebogen',  Xexpioc  {*leqs-r^) 
'schräg'  u.  a.  vorliegt.  Bezüglich  der  Yokalstufe  stimmt  Ura 
namentlich  mit  air.  less  und  gr.  XexPioc  überein ^). 

Hier  möchte  ich  einige  Bemerkungen  anläßlich  der  Beur- 
teilung einiger  der  fi'aglichen  Worte  bei  Ehrisraann  PBrB.  20, 
52  f.  und  Zupitza  Die  germ.  Gutt.  65,  133  f.  anknüpfen.  Für  awn. 
Idr  zusammen  mit  ae.  lceuu\  PI.  leower  lewera  'perna',  ae.  leosca 
aschw.  liüske  usw.  'Schambug,  Leiste'  und  mhd.  geliune  etwa 
'Gliederbaii'  wird  eine  Wurzel  mit  idg.  qtf  angesetzt,  die  in  lat. 
laqueus^  laciö  vorliegen  sollte.  Davon  wären  awn.  leggr  lat.  lacertiis 
griech.  dXoH  lit.  alh'me  usw.  mit  idg.  nicht-labialisiertem  q  zu 
trennen.  So  auch  im  wesentlichen  Falk  u.  Torp  Etym.  Ordb.  sub 
vv.  laar,  leg  und  lyske.  —  Aus  mehreren  Gründen  vermag 
ich  diesen  Aufstellungen  nicht  ohne  weiteres  zustimmen. 

a)  Erstens  einige  Worte  über  aschw.  liüske  M.,  ä.  nschw. 
und  dial.  {l)jiiske,  adän.  liüskce^  ndän.  lijske  'Leiste,  Weiche'  2), 
mndd.  lesclie  {leische\  miidl.  liesche  F.,  nndl.  lies  'ds.' ;  ae.  [?#osca] 
lesca  M.  'inguen'  Erf.  und  Münst.  Gl.  3),  me.  leske  'ds.',  ne.  dial. 
lesk  {lisk^  lask)  'groin,  or  flank' ^). 

Sämtliche  Formen  gehen  mit  Sicherheit  auf  germ.  Heus- 
kan-  zurück^).  Nun  versucht  es  Ehrismann  (a.  a.  0.,  S.  53,  N.  1),  der 


1)  Über  Xexpio?  s.  zuletzt  Hirt  IF.  12, 226,  Mansion  Les  gatt.  grecques  199. 

2)  Das  nur  in  Haldorsens  Lex.  vorkommende  neuisl.  Ijöski  muß 
dem  all.  ndän.  Ijusl-e  nachgebildet  sein. 

3)  Schlutter  Anglia  19,  104  (Beiljl.  9,  .35),  Steinmeyer  Zs.  f.  deutsches 
Alt.  .33,  2U. 

4)  Das  me.-ne.  Wort  ist  nach  Björkman  Scand.  Loan-words  138, 
Wall  Anglia  20,  132  nordischen  Ursprungs. 

5)  [Es  ist  mir  nicht  klar  geworden,  warum  Franck  Etym.  Woordenb. 
572  und  Ehrismann  a.  a.  0.,  S.  53,  N.  1  urg.  Heushio-  ansetzen.  —  Nhd.  leiste, 
afries.  liste,  ne.  dial.  last  'Weiche'  haben  Falk  u.  Torp  a.  a.  0. 1,  479  unzweifel- 
haft richtig  erklärt.]  —  Die  spät  aschw.  Nebenform  liumske,  nschw.  Ijumske 
hat  Ehrismann  dazu  veranlaßt,  auch  die  nordische  Hauptform  aschw.  liüske 
usw.  beiseite  zu  schieben.  Erstere  Form  ist  aber  für  die  Vorgeschichte 
des  fraglichen  Wortes  ohne  Belang.  Die  schwedischen  Mundarten  —  wohl 
die  Mehrzahl  —  und  zwar  aus  den  verschiedensten  Teilen  des  Landes 
haben  Ijuske  oder  entsprechende  Formen,  s.  Rietz  Dial.-Lex.  410  b,  Karsten 


368  E.  Liden, 

m.  W.  zuerst  unser  Wort  zu  den  oben  erwähnten  gezogen  hat, 
urg,  Heusk^  als  Weiterbildung  eines  es-Stammes  {HeqtfSs-)  *leuSs-^ 
-OS  zu  erklären.  Auf  diesem  Wege  gelangen  wir  aber  nur  zu  urg. 
*liuis-kmt-^  bzw.  Hems-kan-  (oder,  falls  wii-  eine  Suffixform  -us- 
mit  in  Betracht  ziehen  wollen,  zu  He^us-kan-\  worauf  indessen  die 
tatsächlichen  Formen  sich  durchaus  nicht  zurückführen  lassen.  — 
Wiederum  nach  Ealk  u.  Torp  (a.  a.  0.,  1,  479)  wäre  urg.  Heusk'^  aus 
*le^¥sk^-  (d.  h.  vorgerm.  Heqvsk-)  entstanden;  aber  ^lequsk-  könnte, 
soviel  wir  jetzt  wissen,  nur  ein  urg.  *lehsk-,  *hsk-  ergeben.  Ich 
kann  meinesteils  auch  sonst  keine  Weise  ausfindig  machen,  die 
germ.  Grundform  *leuskan-  mit  einer  Wurzel  *leqv-  lautlich  zu- 
sammenzubringen. 

Eine  passende  Anknüpfung  bleibt  zu  finden.  Jessen  Dansk 
etvm.  Ordb.  149  zieht  das  Wort  zu  der  Sippe  von  nhd.  los,  lösen, 
verlieren,  awuord.  lauss  'los'  usw.,  ohne  anzudeuten,  wie  er  sich 
den  begrifflichen  Zusammenhang  denkt.  Gegen  etwaige  Berufung 
auf  nhd.  iveiche  'inguen'  im  Verhältnis  zu  weich  ist  zu  erinnern, 
daß  germ.  lausa-  'los,  lose',  jedenfalls  in  den  älteren  Sprachen, 
in  keinem  zu  diesem  Vergleich  geeigneten  Smn  gebraucht  zu 
^ein  scheint^).  — 

Sv.  Landsm.  12.  3,  S.  103  (§  79,  Anm.).  Letztere  Form  kann  nicht  m  verloren 
haben;  das  verbieten  sowohl  die  übrigen  germ.  Formen  wie  die  Form 
liüwskd  einer  Mundart  von  Dalarne,  wo  ein  geschwundenes  m  Nasalierung 
hätte  hinterlassen  müssen  (vgl.  lös  aus  Hamsa-  'Türschloß'  in  derselben 
Mundart).  Auch  hat  Noreen  seine  frühere  Ansicht  (Pauls  Grundriß  1^,  576), 
wonach  aschw.  liüske  für  *liümiske  stehen  sollte,  aufgegeben.  Jetzt  erklärt 
er  (Altschw.  Gramm.  §  248,  Anm.  1)  liushe  und  liumske  als  parallele 
Ableitungen  von  aschw.  liö,  resp.  liömber,  liümber  lau,  warm'  [vgl.  awnord. 
hlyr,  nhd.  lau].  Das  muß  schon  darum  unrichtig  sein,  weil  das  nordische 
Wort  von  seiner  westgerm.  Entsprechung,  welche  Noreen  unberücksichtigt 
läßt,  offenbar  nicht  losgelöst  werden  darf.  Die  späte  und  wenig  verbreitete 
Form  mit  m  muß  auf  irgend  eine  Weise  aus  der  Hauptform  Ikiske  um- 
gebildet sein,  wie  es  auch  Falk  und  Torp  a.  a.  0.  und  Jessen  Da.  etym.  Ordb. 
149  vermuten.  Der  Grund  der  Umbildung  dürfte  in  volksetymologischer 
Anlehnung  an  nschw.  Ijum  "lau'  zu  suchen  sein.  Es  kommen  aber  andere 
mundartliche  Formen,  wie  lomske  (Upland,  s.  Grip  Sv.  Landsm.  18.  6,  S.  49), 
hinzu,  welche  das  Problem  komplizieren.  Es  würde  mich  zu  weit  von  der 
Hauptfrage  abführen,  diese  Einzelheiten  hier  näher  zu  erörtern.  —  An 
sich  könnten  die  bisher  bekannten  Formen  des  Westgerm,  eine  Grundform 
*Ieumskan-  als  möglich  erscheinen  lassen  (m  schwindet  vor  s  im  Nieder- 
deutsch-Engl.),  aber  die  geographische  Beschränktheit  der  m-Form,  die 
fehlende  Nasalierung  in  der  erwähnten  Mundart  von  Dalarne  und  noch 
andere  Bedenken  stellen  sich  einer  solchen  Annahme  hindernd  im  Wege. 
1)  Nach  Wood  Mod.  Lang.  Notes  1903,  S.  17  wäre  unser  Wort  ver- 


Neue  altenglische  Miszellen.  369 

Der  Möglichkeiten  leidlich  annehmbarer  Anknüpfungen 
gibt  es  genug,  ich  halte  aber  für  jetzt  meine  diesbezüglichen 
A^ermutungen  zurück. 

b)  Zu  der  augeblichen  Wurzel  *leq^  ziehen  Ehrismann  und 
Zupitza  auch  mhd.  geliune^  md.  gelüne  N.,  nhd.  dial.  geleune,  ge- 
leine. Als  mutmaßliche  Bedeutung  des  "seltenen  und  seltsamen" 
Wortes  gibtDWtb.  4,  l,2,Sp.  3012  (vgl.  Lexer  Wtb.  1, 820)  "Glieder- 
bau und  ähnl."  an.  Es  wird  bei  einigen  mhd.  Dichtern  von  der 
kräftigen  Gestalt  der  Helden  gebraucht :  'an  geliden  und  an  geliune 
gewahsen  als  ein  hiune"  (von  Enal)  Gottfr.  v.  Strassb.;  'an  libe  und 
an  geliune'  Konr.  v.  Würzb.;  'gröz  alsani  ein  hüne  mit  starkem 
gelüne'  (vom  Nestor)  Herb.  v.  FritzL;  —  dazu  das  Adj.  (min  lib  ist 
wol)  gelounet  Heinr.  v.  Neust.  —  In  nhd.  Mundarten :  von  Zug- 
ochsen, 'sie  haben  ein  starkes  Geleine  (=  einen  starken  Nacken)';  in 
der  Oberlausitz  auch  von  Menschen :  *das  Kind  hat  ein  schwaches 
Geleine  (mit  Bezug  auf  den  Knochenbau  oder  die  Muskulatur)'. 
—  Die  ursprüngliche  Bedeutung  läßt  sich  mit  dem  zu  Gebote 
stehenden  Material  schwerlich  genau  feststellen.  Auch  die  Form 
ist  mehrdeutig  (ahd.  ü  oder  iu  ?  l-  oder  id-  ?). 

c)  Das  dritte  von  den  genannten  Forschern  für  labiovel.  k  in 
Anspruch  genommene  Wort  ist  ae.ZöE^<w,  nur  1  m.  belegt  (an  hriöres 
la3uw,  Urk.  vom  Jahre  958,  Kemble  Cod.  Dipl.  2,  855)  mit  dem 
ebenfalls  einmaligen  PI.  leower  'pernas  (=  artus)'  Lor.  Gl.  oder 
nach  einer  jüngeren  Hdschr.  lewera^).  —  Das  Wort  ließe  sich  wohl 
an  ae.  lesca  aschw.  liüske  usw.,  wo  Schwund  von  einem  Guttural 
nach  dem  Gesagten  nicht  anzunehmen  ist,  ohne  Schwierigkeit 
anschließen.  Die  Grundform  wäre  dann  Heues-.,  urg.  *leuiz-,  -az. 
Zupitza  verbindet  es  zunächst  mit  aschw.  lär  awnord.  lcer^)\  dies 
geht  aber  auf  urg.  Hahaz  (oder  Hehaz)  Neutr.  —  wie  awn.  leggr 

langob.  lagi  auf  Ha;^iz zurück  und  hat  kein  -u-  gehabt.  ^)  — 

Es  ist  durch  keine  lautlichen  oder  sonstigen  Gründe  gerechtfertigt, 


wandt  mit  dän.  lusTce  'schleichen'  [Lehnwort  aus  mndd.  lüschen  'auf  Wild 
lauern,  versteckt  sein'!],  shA.loshen  [richtig:  losken^^  'versteckt  sein' und 
zudem  mit  lat.  luscus  'hoUow-eyed'  ['blinzelnd,  schielend  beim  Zielen,  ein- 
äugig'!], —  ein  unerfreuliches  Probestück  von  Flüchtigkeit. 

1)  S.  Sievers  PBrB.  9,  254-,  Angels.  Gr.^  §  290,  A.  2. 

2)  So  schon  Bosworth-Toller  Dict.  sub  lediv. 

3)  Über  die  ursprüngliche  Stammform  von  Idr  und  leggr  s.  Verf. 
BB.  21,  94  und  Stud.  z.  altind.  u.  vgl.  Sprachgesch.  66,  Zum  lautlichen 
vgl.  aschw.  für,  awn.  fckr  N.  'Schaf  aus  urg.  *fahaz  N.  (vgl.  lat.  peciis, 
griech.  ttökoc). 


370  .1.  Zubaty, 

die  allem  Anschein  nach  nahe  verwandten  Wörter  leer  und  leggr  von 
einander  loszureißen  und  verschiedenen  Wurzelformen  zuzuteilen. 

Es  scheint  mir  der  Beweis  überhaupt  nicht  erbracht  zu 
sein,  daß  wir  neben  der  weitverzweigten  und  Avohl  bezeugten 
Wurzel  leq-  (eleq-\  leidq-  'biegen  usw.' ')  auch  eine  Form  leqn-  an- 
zunehmen haben.  Von  den  erwähnten  germ.  Wörtern  abgesehen, 
deren  selbständige  Beweiskraft  ich  bestreiten  muß,  beruft  sich 
Zupitza  auf  lat.  laqueus.  Dies  u  kann  aber,  wie  wahrscheinlich 
das  u  in  lat.  torqueö  (:griech.  aipaKTOc,  so  Zupitza  Germ.  Gutt.  71), 
suffixalen  Ursprungs  sein.  Der  Ansatz  von  5"  ist  meiner  An- 
sicht nach  nicht  begründet. 

Göteborg  (Schweden).  Evald  Liden. 


Ai.  tithi,  tithih  'lunarer  Tag'. 

Ein  etymologisch  höchst  merkwürdiges  Wort  ist  ai.  titlü^ 
tithih  'ein  luuarer  Tag,  deren  15  auf  einen  Halbmonat  gehen'. 
Um  von  vornherein  die  Bedeutung  des  Wortes  genauer  zu 
präzisieren,  tithi^  tithih  ist  eig.  nicht  'der  Tag'  im  allgemeinen 
Sinne  des  Wortes,  sondern  'der  bestimmte,  soundsovielte  Tag 
des  lunaren  Halbmonats',  z.  B.  traijödasi  tithir  uktä  prasastä^  *die 
18.  Tithi  wird  eine  gute  (glückliche)  genannt'  MBh.  H,  134,  20, 
kä-adya  tithi  'welche  (die  wievielte)  Tithi  ist  heute'  (s.  u.),  pumß 
tithäu  'an  einem  glücklichen  Tithi'  (welcher  natürlich  ein  be- 
stimmter ist)  u.  dgl. :  es  ist  ein  Kaleuderwort.  In  der  entwickelten 
ind.  Zeitrechnung  hat  eine  Tithi  den  für  einen  Durchschnitts- 
menschen  wohl  imaginären  Wert  von  "^  ''  Tagen  (G.  Thibaut, 
Astronomie,  Astrologie  und  Mathematik,  im  Grdr.  der  indo-ar. 
Philologie  3,  9,  §  17).  Ob  dies  die  ursprüngliche  Bedeutung  ist, 
oder  ob  das  Wort  ursprünglich  den  soundsovielten  Tag  in  volks- 
tümlicherem Sinne  bedeutete,  sind  Fragen,  die  mit  dem  Alter 
des  Wortes  und  seinem  Aufkommen  im  engsten  Zusammenhang 
stehn:  ist  das  Wort  etwa  zwecks  der  späteren  peinlichen  Zeit- 
rechnung, gar  etwa  von  Astronomen  zuerst  gebraucht  worden, 
mag  es  von  Haus  aus  jenen  imaginären  Wert  bezeichnet  haben, 

1)  S.  die  beim  Verf.  Arm.  Stud.  (Göteborg  1906)  zusammengestellte 
Literatur. 


Ai.  tithi,  tithili  'lunarer  Tag'.  371 

wodurch  allerdings  noch  immer  nicht  ausgeschlossen  ist,  daß  das 
Wort  zuweilen,  vielleicht  gar  oft,  den  konkreten  Zeitraum  von 
24  Stunden  bedeutete.  Das  sind  alles  Fragen,  die  schwerlich  genau 
zu  beantworten  sind,  die  aber  die  Etymologie  des  Wortes  wohl 
nicht  direkt  tangieren ;  ich  für  meinen  Teil  kann  mir  nicht  leicht 
vorstellen,  dasselbe  sollte  im  Epos  und  in  sonstigen  volkstümlichen 
Schriften  etwas  anderes  als  einen  wirklichen  Tag  bedeuten  (in  dieser 
Beziehung  sind  von  Interesse  dieYarianten  iithäii punije  I  dinepunye 
'an  einem  glücklichen  Tage'  MBh.  3,  294  [295  Bomb.]  =  Säv.  3,  2). 
Die  Form  tithi  führt  das  S.-Petersburger  Wörterbuch  (dem 
ich  sogut  wie  alle  Belege  entnehme)  nur  aus  Lexikographen  an, 
wozu  der  Plur.  tithyah  MBh.  13,  87,  18  kommt;  diese  Form  könnte 
in  der  epischen  Sprache  bekanntlich  auch  zu  einem  Sing,  tithih 
gehören,  wie  z.  B.  jätyah  MBh.  6,  12,  15;  13,  91,  2  der  Plur.  zu 
jätih  ist  (vgl.  Holtzmann,  Graminatisches  a.  d.  MBh.,  Ludwig,  Sitzb. 
d.  Kgl.  Böhm.  Ges.  d.  Wiss.  1896  5,  10,  Rigveda  6,  246),  doch 
steht  tithi  auch  im  Mahäbhäsyam  (s.  u.),  und  ist  die  i.  F.  vorge- 
tragene Deutung  des  Wortes  richtig,  muß  tithi  die  ältere  Form 
sein.  Die  Nebenform  tithih  mag  durch  Nachahmung  des  alten 
Nebeneinander  rdtri:  rätrih  "Nacht'  zustande  gekommen  sein:  wir 
werden  noch  zu  bemerken  die  Gelegenheit  haben,  tithi  habe  in 
semasiologischer  Beziehung  nicht  ferne  von  rdtri  gestanden;  und 
außerdem  hat  die  Verbreitung  der  i-Form  insbesondere  auch  der 
Umstand  begünstigt,  daß  tithih  vielfach  als  Mask.  vorkommt,  was 
ja  mit  dem  formell  ausgesprochen  weiblichen  tithi  unvereinbar 
ist.  Meist  ist  auch  tithih  ein  Fem. ;  das  Li^^gänusäsanam  führt  25 
auch  tithih  unter  Femininis  auf,  wozu  der  Kommentar  bemerkt, 
nach  Amara  sei  das  Wort  auch  Mask.,  und  als  Beleg  aus  Bhäravi 
anführt:  tasya  bhuvi  bahutithäs  (nicht  hahutithyas)  tithayah.  Merk- 
Avürdigerweise  kommt  tithih  als  Maskulinum  vorzugsweise  in  der 
Verbindung  punye  tithäu  u.  dgl.  'an  einem  glückverheißenden 
Tag'  vor  (leider  sind  unsere  lexikalischen  Mittel  für  die  spätere 
Literatur  zu  dürftig,  um  uns  in  dgl.  Detailfragen  klar  sehen  zu 
lassen),  so  z.  B.  Sä©kh.  g.  s.  5,  2,  2,  MBh.  3,  294  (295  Bomb.),  2 
tithäu  säumye  Hariv.  3873 ;  vergleicht  man  insbesondere  Stellen 
wie  punye  tithäu  muhürte  vä  naksatre  vä  gunänvite  'in  einem 
glückverheißenden  Tithi  oder  Muhürta  oder  unter  einem  guten 
Naksatra'  Manu  2,  30,  tithäv  atha  ca  naksatre  muhürte  ca  gunänvite 
MBh.  2,  2,  16,  atha  käle  subhe  präpte  tithäu  punye  ksane  tathä 
'dann  als  ein  günstiger  Zeitpunkt  und  Tithi  sowie  eine  glück- 


372  J.  Zubaly, 

verheißende  Zeit  kam'  MBh.  3,  57  (Nala)  1,  kann  man  sich  nicht 
des  Gedankens  erwelu'en,  die  mit  Mask.  und  Neutr.  wie  kälah, 
muhürtah,  naksatram  parallele  Gebrauchsweise  möge  die  Schuld 
daran  tragen,  daß  man  das  Fem.  tithäu  (für  älteres  tithyäm)  als 
Mask.  empfand  und  sich  weiterhin  gelegentlich  auch  sonstiges 
Mask.  tithih  erlaubte.  Im  Grunde  genommen  hätten  wir  dieselbe 
Erscheinung  vor  uns,  die  im  D.  ein  des  Nachts  (nach  des  Tags) 
ermöglicht  hat. 

Das  Wort  ist  in  der  Literatur  nicht  alt :  als  älteste  Belege 
dürften  die  aus  den  Grhyasütra's  (Öä/9kh.  und  Göbhila)  anzusehen 
sein.  Auch  dieser  Umstand  hat  selbstverständlich  seine  Bedeutung: 
er  berechtigt  den  Etymologen,  den  Ursprung  des  Wortes  auf 
speziell  iud.  Boden  zu  suchen.  Und  bedenkt  man  dazu  noch  die 
nicht  ganz  stete  Beschaffenheit  des  Wortes  in  bezug  auf  Flexion 
und  Genus,  so  wird  man  auch  noch  geneigt,  die  Möglichkeit  zu- 
zugeben, bei  seinem  Zustandekommen  sei  nicht  einmal  alles  mit 
rechten  Dingen  vor  sich  gegangen.  Eine  befriedigende  Etymologie 
außerhalb  des  Ai.  gibt  es  ja  für  tithi,  tithih  auch  nicht.  Auf  dem 
zunächst  in  Betracht  kommenden  Gebiete,  im  Iranischen,  fehlt 
ein  verwandtes  Wort.  "Man  denkt  an  Zusammenhang  mit  lit. 
tUnagas  'Feuerstein',  griech.TlTuu  'Tag',  lat.^eY/o 'Feuerbrand'",  liest 
man  bei  ühlenbeck  Etymol.  Wtb,  s.  v.,  aber  daneben  die  wolil- 
weisliche  Bemerkung :  "Unwahrscheinlich."  Auch  im  Ai.  gibt  es 
kein  selbständiges  Wort,  das  eine  Verwandtschaft  mit  tühi^  tithih 
beanspruchen  könnte:  wenigstens  ist  tithah  'Feuer,  Liebe,  Zeit, 
Herbst'  ohne  Belege  in  der  wirklichen  Literatur,  von  semasio- 
logischen  Bedenken,  die  sich  daran  knüpfen,  ganz  abgesehen. 

Man  findet  jedoch  einen  Fingerzeig  zur  Deutung  von  tithi^ 
tithih  an  einer  Stelle,  wo  ihn  der  moderne  Etymolog  am  wenigsten 
erwarten  würde:  beim  alten  Patanjali.  Nach  Pänini  5, 2,52  werden 
sekundäre  Adjektiva  hahu-tithd-,  püga-tithä-^  gana-tithd-,  samgha- 
tithd-  (Fem.  -tithi)  gebildet.  Bahutiihä-  (von  bnhüh  'multus')  be- 
deutet eig.  Mer  vielte',  daher  hahutithe  'hani  'am  vielten  Tage',  d.  h. 
'nach  geraumer  Zeit'  (weniger  genau  im  S.-Petersburger  Wtb.  'viele 
Tage  hindurch'),  z.  B.  MBh.  1,  108,  2;  3,  61,  12,  ähnl.  dann  MU 
hahutithe- 'in  vielter  Zeit'  3,  (55,  2;  97,  13;  295  (296  Bomb.)  1,  Räm. 
1, 12, 1  (Bomb.)  u.  s.;  daher  etwas  freier  schon  hahutitham  als  Adv. 
'lange'  MBh.  5,  192  (193  B.),  22,  oder  hahutitham  tapah  wohl  'lang 
dauernde  Kasteiung'  (nach  dem  Wtb.  'mannigfache  Kasteiungen') 
Bhäg.  pur.  1,  16,  32:  Pänini  behandelt  die  Adj.  hahu-tithd-  usw. 


Ai.  tithi,  tithih  'lunarer  Tag'.  373 

unter  Ordinalzahlworten  und  als  solche  bezeichnen  sie  auch  direkt 
diesipäteTGnGrammatikeY{bahvinämpüranibahiäithiMBhs.^bahünäm 
püranö  hahutithah  Käs.).  Die  Bedeutung  Mer  vielte'  kam  offenbar 
von  Haus  aus  auch  den  andern  Adj.  zu,  wobei  hahiih  'raultus'  in  mehr 
volkstümlicher  Weise  durch  Subst.  pügah^  ganah^  samghah  'Menge' 
ersetzt  war,  ganz  wie  der  Deutsche  vielfach  das  Adj.  viel  durch  Subst. 
Menge,  Masse,  Haufen  u.  dgl.  ersetzt,  oder  wie  in  vulgärem  Cech. 
das  Adj.  mnohy  'multus'  so  gut  wie  zur  Gänze  dem  Subst.  moc 
'Macht'  gewichen  ist  (von  diesem  habe  ich  auch  die  Ableitung 
mocatero  kviti  'vielerlei',  eig.  'machterlei  Blumen'  gehört).  In  der 
Tat  wird  insbesondere  pügah  in  Kompositis  ganz  für  'viele'  ge- 
braucht, worüber  mau  das  Wtb.  nachsehen  möge  (auch  z.  B. 
kälapügasya  mahatah  'nach  einer  großen  Menge  Zeit'  MBh.  2, 
36.  24);  von  jenen  Ableitungen  ist  jedoch  nur  samghatitha-  in 
der  zum  mindesten  nicht  ursprünglichen  Bedeutung  'vielfach, 
zahlreich'  nach  dem  kleineren  Wtb.  aus  dem  (mir  nicht  zugäng- 
lichen) äisupälavadha  19,  107  belegt.  Dieses  bahutithd-  usw.  ge- 
hört unzweifelhaft  in  den  Zusammenhang,  in  welchem  es  in  der 
ind.  Grammatik  aufgeführt  wird,  zu  den  Ordinalen  auf  -thd-,  wie 
sasthä-  'sextus',  katithd-  'quotus'  usw.;  und  das  zwischen  baim- 
und  dem  sonst  bekannten  Ableitungssuffix  -thd-  auftauchende 
-ti-  kann  wohl  nicht  einmal  anders  erklärt  werden  denn  als 
aus  Bildungen  wie  iti-thd-  :  iti  'der  soundsovielte',  kati-thd-  :  käti 
'der  wievielte?',  tati-thd-  :  tdti  'der  so  vielte',  yati-thd- :  ydti  'der 
wievielte'  relat.,  *tävati-thd-  *etävati-tJid-  yävati-thd-  :  tdvän,  etdvän 
'tantus',  yävän  'quantus'  hei'über  verschleppt.  ^)  Es  ist  ja  eigentlich 
überflüssig,  auf  ähnliche  Vorgänge  in  der  Sprachgeschichte  hin- 
zuweisen, wie  z.  B.  auf  lit.  penkerl  szeszeri  usw.  nach  kefverl  (Brug- 
mann,  Grdr.  2,  473).  Ebenso  hat  das  Slavische  auf  Grund  von 
altem  cetvon  cetven  'viererlei'  auch  petorb  peten,  seston  sesterb 
usw.  gebildet  (Miklosich,  Vergl.  Gr.  2,  91,  7.),  und  im  obigen  c. 
mocatero  haben  wir  die  Bildung  auch  außerhalb  der  eigentlichen 
Zahlwörter  gesehen. 

Wie  man  sieht,  hat  sich  auf  Grund  von  kati-tlidh  -thi  usw.  im 
Sprachbewußtsein  und  zum  Teil  auch  in  wirklicher  Stanunbildung 

')  Es  liegt  auf  der  Hand,  daß  diese  Verschleppung  insbesondere  durch 
die  Adjektiva  katithd-,  tatithd-,  yatithä-  mag  begünstigt  worden  sein,  in 
welchen  den  zahlreichen  Kasus  und  Ableitungen  mit  dem  Stamme  ka-,  ta-, 
ya-  gegenüber  die  Silben  -tithd-  von  selbst  den  Charakter  eines  Ableitungs- 
suffixes annehmen  konnten. 


374  J.  Zubaty, 

ein  neues  Ableitungssuffix  -tithdk,  F.  -titht  entwickelt,  welches  als 
ein  solches  auch  der  ind.  Grammatik  bekannt  ist.  Das  Mahäbhäsyam 
3,  1,  2  (eig.  schon  ein  Yärttikam  daselbst)  belehrt  uns  nun,  es 
gebe  Taddhitasuffixe,  die  auch  für  sich  als  selbständige  Wörter 
gebraucht  werden;  als  Beispiele  werden  da  die  Sätze  angeführt 
Mm  asya  dvayasam  'was  ist  dessen  Maß,  wie  iioch  reicht  es?' 
(:  Suff,  -dvaijasä-  Pän.  5,  2,  37),  kirn  asi/a  mätram  (beiläufig  in  der- 
selben Bedeutung,  zum  Suff,  -mätrd-  ebd.)  und  kädija  {M  adya) 
tithi  'welche  Tithi  ist  heute '?'  Die  heimische  Grammatik  spricht 
auch  bei  -dvayasd-  und  -mätrd-  von  Suffixen,  wo  wir  natiMich 
eher  Kompositionsglieder  suchen  würden;  auch  sonst  finden  wir 
unter  ihren  Taddhitasuffixen  unzweifelhafte  Kompositionsteile.  Es 
ist  dies  ja  ebenso  ganz  natürlich,  wie  wenn  die  lateinische  Gram- 
matik in  duplex^  die  deutsche  in  ziveifach  'Suffixe'  -plex,  -fach 
annimmt:  Sprachgeschichte  ist  nicht  Sache  der  praktischen  Sprach- 
lehre. Bei  titln,  welches  für  uns  mit  tithi^  tithih  'der  lunare  Tag' 
identisch  ist,  liegt  in  der  Tat  ein  als  selbständiges  Wort  gebrauchtes, 
dazu  noch  nicht  einmal  auf  einwandfreiem  Wege  zustande  ge- 
kommenes Suffix  vor.  Es  wird  sich  doch  wohl  niemand  durch 
Käiyata's  Kommentar  irre  führen  lassen,  der  neben  dem  un- 
richtigerweise [bhräntyä)  als  selbständiges  Nomen  gebrauchten 
Suffix  titln  auch  ein  richtiges  (sädhuh)  Nomen  titht  gelten  läßt. 
Auch  das  ist  begreiflich,  warum  tithi^  nicht  etwa  titham  Neutrum 
nach  dhai\  dinam  verselbständigt  worden  ist:  die  Mondtage  werden 
ja  im  Ai.  seit  jeher  ganz  regelmäßig  durch  substantivisierte 
Feminina  der  betreffenden  Adjektive  bezeichnet  (z.  B.  caturdasi 
'der  Vierzehnte',  itithi  'der  Soundsovielte'  u.  s.),  wobei  ja  höchst 
wahrscheinlich  ursprünglich  das  Fem.  rätri  'Nacht'  zu  ergänzen 
ist  (Delbrück,  Ai.  Syntax  8). 

Was  den  Akzent  anbelangt,  so  erwartet  man  auf  Grund  von 
oxytoniertem  hahutithi  natürlich  ein  ebenso  oxytoniertes  *tithi^ 
bezw.  Hithih.  Das  Wort  kommt  in  akzentuierten  Texten  nicht  vor; 
die  größere  Auflage  des  Wtb.  akzentuiert  tithih,  offenbar  nach 
Ujjvaladatta  zu  Unädis.  4,  2,  der  dort  zitiert  wird  (mir  sind  die 
Unädisütra  nur  aus  der  2.  Ausg.  der  Siddhäntakäumud!  Bombay 
1901  bekannt,  wo  im  Kommentar  die  betreffende  Erwähnung 
von  tithi-  nicht  steht;  im  Sütram  selbst  ist  von  dtithi-^  nicht  tithi-, 
die  Rede).  Gesetzt,  die  Akzentuierung  tithi-  sei  für  die  spätere 
Zeit  verbürgt  (sie  ergibt  sich  ja  auch  aus  Phit-s.  2,  2,  wonach 
auf  kurze  Vokale  auslautende  nicht  movierte  Feminina  auf  der 


Ai.  tithi,  tithih  'lunarer  Tag'.  375 

ersten  Silbe  betont  sein  sollen),  für  die  ältere  Zeit  folgt  nichts 
daraus  (wie  ja  zuni  Phit-s.  2,  2  als  Beleg  auch  tdnuh  =  ved.  tanüh 
F.  angeführt  wird)  und  wir  wissen  ja  nicht,  ob  in  der  Zeit,  aus 
Avelcher  tithi,  tithih  stammt,  bahidithi  selbst  in  der  gewöhnlichen 
Sprechweise  noch  ein  Oxytonon  war.  Die  hier  vorgetragene 
Deutung  von  tithi^  tithih  stößt  hier  also  auf  kein  ernstes  Hindernis. 
Auf  dem  besten  Wege,  in  ähnlicher  Weise  verselbständigt  zu 
werden,  wie  wir  es  für  -titht  vermuten,  sehen  wir  im  Arischen  z.  B. 
die  Komparationssuffixe  -tara  -tama- :  behandeln  die  vedischen 
Padatexte  die  damit  gebildeten  Komparative  und  Superlative  wie 
Komposita,  oder  wird  im  Avesta  der  Stammauslaut  -a-  wie  im 
Kompositum  zu  -ö-,  wobei  in  den  Handschriften  die  Formen 
gleichfalls  als  Komposita  geschrieben  werden  (Bartholomae  Grdr. 
der  iran.  Philol.  1,  150),  so  ist  dies  ein  Beweis,  daß  dieselben  seiner 
Zeit  wie  Komposita  empfunden  wurden.  Tragen  doch  die  ai.  Steige- 
rungen von  fertigen  AVortformen,  wie  von  Adverbien  pürvähne- 
taräm  'zeitiger  am  Vormittag',  iiccäis-taräm,  'höher'  u.  dgl.)  oder  gar 
vom  Verbum  finitum  (Pän.  5,  3,  56,  7,  BoUensen  z.  Yikramörv. 
494  f.,  S.-Petersburger  Wtb.  5,  1463,  Böhtlingk  in  Ber.  d.  Kgl. 
Sachs.  Ges.  Wiss.  1887  216,  1893  2567,  z.  B.  hrdayam  sidate 
-taräm  Mas  Herz  verschmachtet  völlig'  Räm.  2,  64,  72  Bomb.) 
entschieden  mehr  den  Charakter  von  Zusamraenrückungen  denn 
von  Ableitungen,  und  BoUensen  hat  so  Unrecht  nicht,  wenn  er 
1.  1.  -taräm  -tamäm  als  'enklitische  Adverbien  der  intensiven  Stei- 
gerung' bezeichnet').  So  faßt  die  finiten  Yerbalformen  mit  -taräm 
{-tamäm)  auch  Brugmann  Kurze  vergl.  Gr.  281  auf  (Wacker- 
nagel, Ai.  Gramm.  2,  1,  10,  §  3  c  hält  diese  Auffassung  für 
unrichtig),  indem  er  auf  die  ältere  (bereits  im  Mantra  übliche) 
Redeweise  hinweist,  wonach  -taräm  zunächst  an  Präverbien  auf- 
tritt; es  ist  auch  ganz  wohl  möglich,  daß  aus  einem  sam-taräm 
harati  (vgl.  RY.  8,  33,  19),  als  die  'Tmesis'  von  Präverbien 
außer  Gebrauch  kam,  ein  sdm  harati-taräm  wurde,  wonach  mau 
weiterhin  auch  ohne  Präverbien  harati-taräm  zu  sagen  anfing. 
Das  Wtb.  führt  1.  1.  gar  eine  Stelle  an  (allerdings  aus  dem 
Bhägavatapuränam,  welches  auch  sonstige  Absonderlichkeiten  auf- 
weist, 10,  46,  43),  wo  ta7'äm  als  selbständiges  Wort  steht:  vinä- 
acyufäd  vastu  taräm  na  väcyam  'den  Ewigen  ausgenommen  ist 
überhaupt  kein  Ding  [als  seiend]  anzuführen',  wo  taräm  na  als 
verstärkte  Negation  steht  {tia-tarätn,  na-tamäm  ist  in  ähnlicher 

^)  Nur  hätte  er  lieber  von  der  Proklise  des  ersten  Wortes  reden  sollen. 


376  J.  Zubaly,  Ai.  lilliT,  litliih  lunarer  Tag'. 

Bedeutung  schon  im  Ait.  br.,  Öat.  br.,  Maitr.  s.  belegt).  Ähnlich 
steht  im  Kirätärjunlyam  ein  nach  Wackernagel  1.  l.  kritisch  nicht 
gesichertes  padam  tamam  'bester  Platz';  Wackernagel  verweist 
auch  auf  das  Nomen  tära-tamyam  'Gradation,  ein  Mehr  oder  Minder' 
(Mrcchakatikam,  Bhägav.-pur.,  Säh.-darp.  u.  s.),  Avelches  zum  Adv. 
tam-tatnatah  'mehr  oder  minder'  gehört  (Wtb.  7,  1748  aus  Bhäg. 
pur.  10,  87,  19).  Es  gibt  ja  auch  andere  Fälle  der  Art.  So  z.  B., 
wenn  Sömadeva  öfters  die  Verszäsur  in  die  Fuge  zwischen  dem 
Stamm  und  der  Ableitungssilbe  -vant  fallen  läßt  (Böhtlingk,  Chresto- 
mathie 2  362,  10).  Oder  wenn  vor  dem  Ableitungssiiffix  -tat-  im 
Avesta  Tmesis,  diesmal  eine  solche  im  vollen  Sinne  des  Wortes, 
eintritt  {yavae  ca  -täite  'und  für  die  Ewigkeit',  Brugmann  Grund- 
riß 2,  7). 

Der  Weg  zum  Selbständigwerden  eines  Suffixes  führt  über 
ein  Stadium,  auf  welchem  dasselbe  durch  Einfluß  wirklicher 
Komposita  als  ein  Kompositionsglied  empfunden  wird  :  und  im 
Ai.  war  ja  bei  der  in  dieser  Sprache  so  reichen  Entfaltung  der 
Zusammensetzung  dieser  Einfluß  ein  sehr  mächtiger.  Wacker- 
nagel führt  2,  1,  30  ff.  Erscheinungen  vor,  die  sehr  deutlich  er- 
sehen lassen,  wie  stark  im  Ai.  die  Selbständigkeit  beider  Kom- 
positionsglieder empfunden  wird,  darunter  auch  Fälle  von  Ver- 
selbständigung von  Hintergliedern.  Daß  mitunter  auch  Kompo- 
sitionsteile, die  in  Funktion  und  Bedeutung  zu  Formantieu  gesunken 
waren,  in  ähnlicher  Art  und  Weise  verselbständigt  w^erden  konnten, 
liegt  auf  der  Hand  :  oben  haben  wir  solche  Fälle  aus  Patanjali 
angeführt;  ein  anderer  Fall  liegt  im  periphrastischen  Futur  vor, 
wo  die  alte  feste  Zusammenrückung  des  Verbalnomens  auf  -tä 
mit  dem  angefügten  Verbum  substantivum  im  Epos  nachträglich 
wiederum  gelockert  wird,  ein  Zustand,  den  Böhtlingk  Sitzb.  der 
Sachs.  Ges.  d.  W.  1896  149  ff.  sicherlich  mit  Recht  als  einen  nur 
scheinbar  archaischen  ansieht.  Und  wie  man  ja  Fälle  von  unrich- 
tiger Dekomposition  des  öfteren  annimmt,  kann  es  zuweilen  auch 
einen  Fall  geben,  wo  ein  (wirkliches  oder  scheinbares)  Suffix  als 
Kompositionsglied  aufgefaßt  und  verselbständigt  wird  :  und  einen 
solchen  sehen  wir  auch  in  tithi  neben  bahu-tithdh.  Man  hat  wieder- 
holt auf  ital.  quanfo  stete  accio  'wie  garstig  ihr  seid !'  aufmerksam 
gemacht  (so  Brugmann  Kurze  Vergl.  Gr.  S.  281,  zuletzt  Wacker- 
nagel 2,  1,  10),  wo  das  Pejorativsuffix  accio  (z.  B.  in  donnaccia^ 
tempaccio  u.  dgl.)  als  selbständiges  Wort  erscheint :  hier  sind  offenbar 
vor  allem  die  im  Italienischen  so  häufigen  Zusammenrückungen 


K.  Brugmann,  Zu  den  Benennungen  der  Personen  usw.        377 

von  Substantiven  mit  nachfolgendem  Adjektiv,  die  ja,  ist  das  Ad- 
jektivum  wie  so  oft  zweisilbig,  mit  Bildungen  wie  donnaccia  in 
betreff  des  Akzentes  übereinstimmen,  im  Spiele  gewesen. 
Smichov  bei  Prag.  Josef  Zubaty. 


Zu  den  Benennungen  der  Personen  des  dienenden  Standes 
in  den  indogermanischen  Sprachen. 

1. 

Die  große  Mehrzahl  der  in  den  indogerm.  Sprachen  be- 
gegnenden Wörter,  die  sich  mit  'Diener',  'Knecht',  'Sklave' 
u.  dgl.  wiedergeben  lassen '),  ist  etymologisch  aufgeklärt.  Nach 
Maßgabe  des  Benennungsgrunds  kann  man  diese  Wörter  in 
eine  Anzahl  von  Gruppen  zerlegen.  So  bilden  eine  Klasse  die- 
jenigen, die  den  Dienenden  als  zum  Hausstand  gehörig  be- 
zeichnen, wie  z.  B.  aw.  vaesa-  vaesu-  'Knecht  (im  Herrenhof)', 
griech.  oik€uc  oiKeinc  (vgl.  Johansson  IF.  3,  227 ff.,  Schrader 
Reallex.  812 f.) 2).    Andere  Namen  bedeuten  von  Haus  aus  und 

1)  Zusammenstellung  der  einschlägigen  griechischenWörter  bei  Pollux 
On.  3,  74  ff.,  Büchsenschütz  Besitz  und  Erwerb  im  griech.  Alterthume  (Halle 
1869)  S.  104  ff.,  der  lateinischen  bei  L.  Lange  Rom.  Alt.  1 »,  188  ff.,  Mar- 
quardt-Mommsen  Hdb.  der  röm.  Alt.  7,  1,  133  ff. 

2)  Sehr  fraglich  ist,  ob  lat.  famulus  osk.  famel  urit.  *famelos  (wovon 
familia  'Gesinde'  [vgl.  Köhm  Altlat.  Forsch.  1  ff.]  abgeleitet  ist,  vgl.  vicTnia 
"Nachbarschaft,  die  Nachbarn',  griech.  cumuaxiä  'Bundesgenossenschaft,  Bun- 
desheer', (ppäxpiä  aksl.  bratfbja  'Brüderschaft')  zu  dieser  Gruppe  gehört, 
zu  der  es  gewöhnlich  gezogen  ward  (L.  Lange  Röm.  Alt.  1^,  189,  Johansson 
a.  a.  0.  231,  Walde  Lat.  et.  Wtb.  206).  Osk.  faamat  muß  beiseite  bleiben, 
s.  von  Planta  1,  458  f.,  2,  610,  und  mit  ai.  dhdman-  'Sitz,  Wohnstätte'  von 
W.  dhe-  ließe  sich  famulus  nur  so  vermittehi,  daß  man  ein  *dha-mo-  'Wohn- 
stätte' voraussetzte,  diese  Bildung  ist  aber  nirgends  belegt.  Mit  Rücksicht 
auf  griech.  Gaiiid  'dicht,  oft'  Gaiudec  Oaiueiai  'dicht  gedrängt'  und  GriMÜJv 
Öuj.uöc  'Haufe',  die  ebenfalls  verglichen  worden  sind,  läge  es  ebenso  nahe, 
anzunehmen,  famulus  beruhe  auf  einem  Wort,  das  'Schar'  (nämlich  der 
Diener)  bedeutete.  In  der  Sinnesentwicklung  vergliche  sich  dann  aksl.  sluga 
'Diener',  das  sa.mi  \it.pa-slaiigintl  'jemand  bei  der  Arbeit  vertreten' (Leskien 
Ablaut  308  f.)  vermutlich  mit  ir.  shiag  kymr.  llu  'Schar,  Heer'  ir.  teg-lach 
'Hausgenossenschaft,  die  Leute  von  jemandem,  famiUa'  zusammenhängt 
(s.  Zubaty  Arch.  f.  slav.  Phil.  15,  479,  Fick-Stokes  2  *,  321,  Meillet  Etudes  sur 
r^tymologie  etc.  S.  258  f.,  354).  Zum  Übergang  von  der  Kollektivbedeutung 
zur  Bedeutung  des  Einzelwesens,  falls  ein  (Neutr.  oder  Mask.)  *famelo-  oder 

Indogermanische  Forächungen  XIX.  2o 


378  K.  Brugmann, 

zum  Teil  in  der  Überlieferung  auch  noch  daneben  'junger  Mensch' 
u.  ähnl.,  z.  B.  griech.  TraTc,  lat.  j^uer,  got.  magus  as.  magu^  aisl. 
sueinn  'junger  Mensch,  Jüngling,  Knecht,  Diener',  preuß.  waix 
*Knecht'  =  lit.  vatkas  'Junge'  (vgl.  Schrader  S.  813)  ^).  Die  Sitte, 
daß  der  Besitzer  bei  der  Einteilung  seiner  Fahrhabe  Knechte 
und  Vieh  zusammen  dem  Hausrat  gegenüberstellt,  spiegelt  sich 
wieder  in  den  Bezeichnungen  griech.  dvbpcxTroöa,  welches  nach 
TexpdTTOÖa  'Vierfüßler'  gebildet  ist 2),  ahd.  manahoubit,  ai.  dvipada- 
(Schrader  810,  von  Amira  Pauls  Grundr.  der  germ.  Phil.  3^ 
S.  138  f.).  Ferner  wird  der  Knecht  von  den  Sachen  einfach  als 
'Mensch'  unterschieden,  wie  z,  B.  lat.  Jiomo  {homo  Quintii  'der 
Bursche,  Sklave  des  Quintius'),  aisl.  man  N.  'mancipium,  servus', 
russ.  Ijüdi  lett.  l'audis  PI.  {'Leute')  'Dienerschaft,  Gesinde'  (vgl. 
Schrader  813).  Zuweilen  hat  der  Name  eines  fremden  (aus- 
ländischen oder  auch  inländischen)  Volksstamms  infolge  be- 
sonderer  geschichtlicher  Ereignisse   unsern  Appellativsinn   be- 

*famelä  'Schar'  sollte  zugrunde  gelegen  haben,  wären  zu  vergleichen  mhd. 
burse  F.  'Genossenschaft  von  Studenten',  jetzt  der  barsche,  ahd.  imbi  'Bienen- 
schwarm', nhd.  imme  'Biene',  lat.  Itipänar  'Bordell,  die  Bordelldirnen  zu- 
sammen', dann  'die  Bordelldirne'  u.  a.  (Verf.  Grundr.  2*,  1  §511).  Auch 
könnte  von  einem  *famo-  oder  *famä  'Schar'  ein  Adjektiv  *famelos  zur 
Bezeichnung  des  zu  der  Schar  Gehörigen  ausgegangen  sein.  Die  Herkunft 
von  famulus  kann  ich  hiernach  nicht  für  aufgeklärt  halten.  Beide  Deutungs- 
versuche sind  allzu  problematisch. 

1)  Zu  ahd.  kneht  (ags.  cniht),  das  man  mit  Recht  mit  kind  zu  Wurzel 
§eti-  'gignere'  zieht,  und  das  demgemäß  in  diese  selbe  Begriffsklasse  ge- 
hört, mag  bemerkt  sein,  daß  es  formantisch  seinen  nächsten  Verwandten 
in  dem  Hinterglied  des  got.  Kompositums  niuklahs  'neugeboren,  unmündig' 
aus  *niwa-knaha-  [l  dissimilatorisch  für  »)  hat,  einer  Weiterbildung  von 
*niwa-kna-  =  griech.  veo-yvöc.  Bezüglich  des  ^-Formans  ist  die  Klasse  der 
Adjektiva  auf  ahd.  -aht  -oht  mhd.  -eht  zu  vergleichen,  wie  steinaht  'steinicht', 
zu  got.  stainahs  ahd.  stainag  'steinig';  es  ist  dies  eine  Art  von  Partizipial- 
bildung  nach  Art  des  lat.  arbustus  zu  arbor  und  der  diesem  sich  an- 
schließenden substantivierten  Neutra  wie  arbustum.  frutectiim  (frutex),  cä- 
rectum  (cärex)  u.  dgl.  (Verf.  Grundr.  2^,  1  §  299).  kneht  war  wohl  ursprünglich 
ein  Neutrum  mit  Kollektivsirm  (vgl.  chindahi  N.  'eine  Anzahl  Kinder,  Kinder- 
schar', wie  rörahi  'Böhricht'  usw.)  und  ist  in  der  bekannten  Weise  (vgl. 
S.  377  Fußn.  2)  in  Individualbedeutung  umgeschlagen.  Zur  selben  Wurzel 
stellt  sich  und  von  ähnlicher  Bildungsart  ist  ahd.  knabo,  dem  sich  {h)rabo 
(zu  griech.  KopaE  lat.  corvos)  in   formantischer  Hinsicht  genau  vergleicht. 

2)  Diese  Auffassung  von  dvbpdiroba  (Verf.  Griech.  Gramm.  *  S.  70, 
Grundr.  2  '  S.  48,  Wackernagel  KZ.  30,  298,  Prellwitz  Et.  Wtb. «  39)  halte 
ich  trotz  Leo  Meyer  Handb.  der  gr.  Et.  1,  211  und  Lagercrantz  Nord.  Studier 
tillegnade  A.  Noreen  (Uppsala  1904)  S.  453  f.  immer  noch  für  untadelig  und 
für  die  richtige. 


Zu  den  Benennungen  der  Personen  des  dienend.  Standes  i.  d.  idg.  Spr.     379 

kommen :  mhd.  slave  sklave  engl,  slave,  franz.  esclave  Italien,  schiavo, 
identisch  mit  Slave  (byzant.  'EcKXaßrivoi),  ags.  wealh  'Kelte"  und 
'Sklave',  ai.  däsd-s  'Nichtarier,  Barbar'  und  'Knecht'.  Benennun- 
gen nach  der  Gefangennahme  im  Krieg  (vgl.  griech.  aixiuaXujToc 
und  öopudXujToc  öopidXuuxoc)  sind  u.  a. :  kymr.  caeth  'captivus, 
mancipium,  servus',  ir.  cacht  'Dienerin'  (vgl.  aisl.  haptr  'Leib- 
eigener'), ksl.  plenmikb^  zu  plem  'Beute,  Gefangenschaft'  (vgl. 
Schrader  809).  Auf  die  Lage  als  Untergebener  und  auf  den 
Zwang,  unter  dem  der  Knecht  steht,  gehen  u.  a. :  lat.  minister 
(vgl.  magister),  ai.  üpasti-?  upasti-ß  'Untergebener,  Dienstbote* 
(vgl.  ahhi$ti-ß  'überlegen'),  npers.  banda  'Sklave'  vgl.  apers. 
ha"daka-  'untertan',  Subst.  'Untertan,  Vasall',  aisl.  awaw(%r  (aschwed. 
annöpogher)  'Knecht',  zu  dnaud  'Zwang',  russ.  nevöVnik  'Un- 
freier, Leibeigener,  Sklave',  zu  nevöl'nyj  'gezwungen,  von  anderen 
abhängig'.  Von  der  Gefolgschaft  benannt  sind  z.  B.  nhd.  gesinde 
'Gesamtheit  der  Dienerschaft'  =  ahd.  gisindi  'Reisegefolge,  Kriegs- 
gefolgschaft', griech.  dKÖXouOoc  'der  den  Herrn,  wenn  er  aus- 
geht, begleitende  Knecht',  hom.  öZ:oc  'Gefährte,  Diener'  in  der 
Verbindung  ö2oc''ApT-|oc  (vgl.  öZieia*  0epa7Teia  Hesych)  aus  *o-2do-., 
das  aus  o  'mit'  und  der  Wurzel  sed-  'gehen'  in  öböc  aksl.  diodi 
*Weg'   (Schulze  Qu.  ep.  498)  besteht ').  Auf  das  Lohnverhältnis 

1)  Das  nachhom.  aococ  'Diener'  {äoloi  ■  üirriP^Tai,  eepä-rrovrec  .  dKÖ- 
XouBoi  Hesych,  korkyr.  äoloc  SGDI.  n.  3212)  führt  Schulze  auf  *d-cobioc 
zurück.  Ist  es  aber  schon  etwas  bedenkhch,  äoZoc  in  formantischer  Be- 
ziehung von  öZoc  =  *o-zdo-s  zu  trennen,  so  ist  überdies  die  angenommene 
Grundform  *d-cobio-c  an  und  für  sich  recht  fragwürdig;  nach  dem,  was 
IF.  17,  355  ff.,  Grundr.  2*,  1  S.  182  ff.  ausgeführt  ist,  wäre  vielmehr  *äöbioc 
mit  sonantischem  /  zu  erwarten.  Ich  halte  äoZoc  (äoUw)  für  eine  Abänderung 
des  hom.  öZ^oc  nach  dem  Vorbild  von  *ct-occoc  'Gehilfe'  (docc^uj,  doccrirrip) 
=  *siii-soqVio-,  dessen  Schlußteil  mit  lat.  socius  ags.  sec^  identisch  ist  und 
auf  dem  durch  ai.  sdci  vertretenen  Adverbium  *soqVi  (W.  seq^-  'sequi')  be- 
ruht (vgl.  Grundr.  2*,  1  S.  164).  Das  ö-  von  öloc  'Diener'  ist  wie  das  ö- 
von  ö-cuyec,  ö-uaxpoc,  ö-Eu\ov  u.  a.  meines  Erachtens  nicht  aus  *so-  ent- 
standen, wie  gewöhnlich  angenommen  wird,  sondern  identisch  mit  dem  o 
'an'  in  öloc  'Zweig,  Ast'  =  arm.  ost  got.  asts  uridg.  *o-zdo-s  (zu  sed-  'sitzen', 
ursprünglich  'Ansatz,  ansitzend  am  Stamm'),  ö-cxti  ö-cxoc  'Zweig'  (zu  ^xo^ai, 
cxeböv),  ö-K^\Xuu,  ö-Tpuvuj,  ö-xpripöc  u.  a.  Es  handelt  sich  um  das  in  meiner 
K.  vergl.  Gramm.  S.  464  besprochene  uridg.  Adverbium  *e,  ö,  mit  dem, 
worauf  mich  Leskien  hinweist,  auch  slav.  o  (Erweiterung  o-b^)  zu  identi- 
fizieren ist.  Die  Grundbedeutung  war  etwa  'so  an  etwas  heran  (oder:  daran), 
daß  man  damit  in  Berührung  und  Verbindung  ist';  vgl.  lat.  cum  'mit',  umbr. 
-com  'bei',  griech.  Kaxd,  ir.  cet-  a.  a.  0.  478  f.  Die  Aufstellungen  von  Bezzen- 
berger  BB.  27,  147  ff.  halte  ich  für  verfehlt. 

25* 


380  K.  Brugmann, 

geht  z.  B.  griech.  Xdipic  'Lohnarbeiter',  dann  überhaupt  'Knecht, 
Diener*,  das  von  Xdipov  aus  nach  dem  Vorbild  von  xpöxic 
'Läufer,  Diener'  u.  ähnl.  geschaffen  ist. 

Näher  sollen  nun  noch  ins  Auge  gefaßt  werden  solche 
Benennungen,  denen  Begriffe  wie  beweglich,  rührig,  ge- 
schäftig regsam,  emsig,  flink  zur  Hand  oder  Wege 
laufend,  hin  und  her  laufend  zugrunde  liegen,  die  also 
etwa  dasselbe  besagen  wie  oipripoc,  das  bei  Homer  stehendes 
Beiwort  von  Benennungen  dienender  Personen  ist  (ÖTpnpoi  6e- 
pdiToviec  u.  a.).  Diese  Klasse  hat  ziemlich  viele  Vertreter  und 
mehr  als  man  bisher  erkannt  hat. 

Ich  ordne  die  Beispiele  nach  den  beteiligten  'Wurzeln', 
und  zwar  so,  daß  ich  mit  denjenigen  Wurzeln  beginne,  die  in 
mehr  als  einem  Sprachzweig  ein  Wort  für  Diener,  Knecht, 
Sklave  u.  dergl.  geliefert  haben,  mögen  sich  die  betreffenden 
Wörter  zugleich  auch  formantisch  decken  oder  nicht  decken. 
Dann  folgt,  was  nur  einzelsprachlich  vertreten  ist.  Über  das 
Alter  der  einzelnen  Bildungen  soll  durch  diese  Anordnung  zu- 
nächst kein  Urteil  abgegeben  sein,  da  einerseits  die  Überein- 
stimmung zwischen  zwei  Sprachzweigen  zufällig  sein  kann  (in 
einigen  Fällen  ist  sie  sicher  zufällig),  anderseits  die  eine  oder 
andere  nur  einzelsprachlich  belegte  Form  aus  uridg.  Zeit  ererbt 
und  nur  in  diesem  einen  Sprachzweig  bewahrt  sein  könnte. 
Auf  die  Frage  des  Alters  dieser  Art  von  Benennung  im  all- 
gemeinen "komme  ich  am  Schluß  in  §  4  zu  sprechen. 


l.Ai./)a/'j-mra-s 'umherstreifend,  beweglich;  Gehilfe,  Diener, 
Wärter'  (zuerst  Sat.  Br.),  pari-cära-s  'Bedienung,  Dienst;  Ge- 
hilfe, Diener',  pari-cärin-  'hierhin  und  dorthin  gehend,  beweg- 
lich; bedienend,  Diener',  pari-cäraka-s  (Fem.  paricärikä)  'Ge- 
hilfe, Handlanger,  Diener',  pari-carana-s  'Gehilfe,  Diener';  abhi- 
cara-s  'Begleiter,  Diener';  eine  Art  Kurzform  mag  cärikä  'Dienerin' 
sein.  Ob  zur  selben  Wurzel  pari-kara-s  Sing,  und  Flur.  'Ge- 
hilfe, Dienerschaft'  gehörte,  ist  zweifelhaft  (s.  Uhlenbeck  Altind. 
et.  Wtb.  156,  Bartholomae  Altiran.  Wtb.  450 f.).  Griech.  hom. 
d^qpi-TToXoc  M.  und  F.  'Diener,  Besorger,  Dienerin,  Besorgerin'; 
daneben  (zuerst  hymn.  Cer.  440)  ttpö-tto\oc,  M.  und  F.,  Bezeichnung 
des  vorangehenden  Dieners,  bezw.  der  vorangehenden  Dienerin 
(vgl.  die  anteambulönes  der  Römer,   Marquardt-Mommsen  Hdb. 


Zu  den  Benennungen  der  Personen  des  dienend.  Standes  i.  d.  idg.  Spr.     381 

der  röra.  Altert.  7,  1,  145),  besonders  Bezeichnung  von  Wesen, 
die  im  Dienste  von  Göttern  stehen.  Lat.  anculus  aus  *ambi- 
quolos^  F.  ancula^  dazu  anculäre  'ministrare' ;  nach  haedillus  neben 
haediilus  u.  dgl.  entsprang  ancilla  neben  ancida,  die  Bildung 
büßte  aber,  wie  pnella  neben  puer  u.  a.,  den  Deminutivsinn  bald 
wieder  ein,  und  ein  neues  Deminutivum,  anciUula,  wie  puellula^ 
kam  auf  (vgl.  Schulze  Lat.  Eigenn.  136f.  330.  4181,  Yerf. 
Grundr.  2^,  1  §  473.  542.  546).  Die  mit  den  Namen  an- 
culus ancida  ancilla  bezeichneten  familiäres  standen  als  freie 
Hörige  den  Sklaven  {servos  serva^  bezw.  verna)  gegenüber. 

Von  der  Grundbedeutung  ist  in  allen  drei  Sprachzweigen 
kaum  abgewichen.  Denn  diese  Wörter  werden  in  der  Regel 
nur  auf  solche  Leute  angewendet,  die  die  Person  des  Herrn 
oder  der  Herrin  bedienen. 

2.  Got.  pius  (Fem.  pitri)  ahd.  deo  (Fem.  diu)  ags.  deow 
'Kjiecht,  Diener'  urnord.  pewaR  'Lehnsmann'  (aisl.  py  'Dienerin'), 
urgerm.  *pe^ud-z  aus  Hequö-s  =  ved.  takvä-s  'eilend,  rasch,  reg- 
sam', zu  ai.  täk-ti  täka-ti  'er  eilt'  lit.  tekü  'ich  laufe'  usw.  Das 
Fem.  piwi  neben  dem  mask.  o-Stamm,  wie  aisl.  merr  'Stute' 
neben  M.  marr\  doch  läßt  sich  piwi  auch  als  mo vierte  Form 
zu  einem  dem  ai.  tdku-s  'eilend,  rasch,  regsam'  entsprechenden 
*pihu-  ansehen,  es  verhielte  sich  dann  zu  diesem  wie  got.  mawi 
'Mädchen'  zu  magus  'Knabe',  ai.  yahvi  zu  yahü-s  u.  dgl.  (vgl. 
Yerf.  Grundr.  22,  1  §  141  S.  217  f.). 

Von  dem  Zubehör  zu  dem  german.  Wort  auf  germanischem 
Boden  mag  der  meines  Wissens  noch  nicht  richtig  gedeutete 
got.  Plural  pemsa  'öoöXoi'  ^)  genannt  sein.  Diese  Form,  die  als 
ursprüngliches  *teques{o)-  zu  betrachten  ist,  war  von  Haus  aus 
Kollektivum  zu  pitis.  Zur  s-Erweiterung  bei  vorausgehendem 
M-Formans  sind  Bildungen  wie  ai.  phas-,  griech.  creTvoc  aus 
*CTevFoc,  aksl.  PI.  divesa  zu  vergleichen.  Kollektivsinn  haftet 
bekanntlich  auch  sonst  gerade  an  Vrddhibildungen,  z.  B.  ahd. 
huon  nhd.  huhn^  das  ebenfalls  unursprünglicher  s-Stamm  war, 
ursprünglich  'Hähne  und  Hennen  zusammen',  mhd.  buost  'zu- 
sammengedrehte Baststi'eif en ,  Baststrick',  zu  bast^  ai.  äsvä-m 
'Pferdetrupp',    käpöta-m   'Taubenschwarm'.    Als   ursprüngliches 

1)  Kol.  3,  22  pewisa,  ufhausjaip  hi  all  (paim  bi)  leika  fraujam  'o\ 
boöXoi,  ÜTTaKoüere  Kaxd  TTdvxa  toTc  Kaxd  cdpKa  Kupioic',  4,  1  jus  fraujans,  ga- 
taihtjah  ibnassu  pewisam  atkunnaij)  'oi  KÜpioi,  tö  biKaiov  Kai  Tiqv  icöxriTa 
ToTc  boüXoic  Trap^xec0e'. 


382  K.  Brugmann, 

KoUektiviim  verhält  sich  demnach  pewisa  zu  pius  etwa  wie 
nhd.  die  Herrschaften  zu  der  herr^  lit.  zmönes  'Menschen'  zu  imw, 
umbr.  iouies  'iuvenibus'  zu  lat.  juvenis  u.  dgl.  Die  Vermutung 
von  Walde  Die  german.  Auslau tges.  179,  peivisa  sei  ein  erstarrtes 
Part.  Perf.  Akt.  mit  -wes-,  erscheint  darum  nicht  richtig,  weil 
sie  dies  Wort  von  pius  formantisch  zu  weit  abrückt. 

Zur  gleichen  Wiu'zel  teq-  gehört  lett.  teksnis  'Auf Wärter, 
Bedienter'  (vgl.  zu  dieser  Porraation  Leskien  Bild.  d.  Nom.  377). 

Vgl.  Persson  KZ.  33,  291,  ülilenbeck  Ai.  et.  Wtb.  151. 

3.  .^n.  ir.  timm-thirim  'bin  um  jemand  dienend  beschäftigt, 
ministro'  (Praet.  3.  Sg.  dud  rimthirid,  dod  rimthirid),  timmthirthidi 
'ministri',  timthirect  'ministerium,  servitium'  schließe  ich  lit. 
tarnas  'Diener'  an.  Vgl.  überdies  ir.  tara  'tätig,  lebhaft',  ai. 
taräni-s  'rasch,  energisch,  rastlos,  eifrig',  griech.  ipnpov  •  eXaqppov, 
Tpapöv  xaxu  (d.  i.  rpapov),  lapov"  taxu  (d.  i.  rapöv  mit  dissi- 
milatorischem  Schwund  von  p)  bei  Hesych,  ö-ipripoc  'hurtig,  flink' 
(hom.  Epitheton  von  öepdrrujv  u.  dgl.),  ö-ipaXeujc  Adv.  'hurtig, 
flink'  (zu  ö-  vgl.  S.  379  Fußn.  1),  lopvoc  'Dreheisen,  Zirkel'. 

4.  Griech.  rpöxic  'Läufer,  Bote,  Diener'  (Aeschyl.  Prora. 
941  dW  eicopüj  y^P  tövöe  töv  Aiöc  ipöxiv,  womit  Hermes  ge- 
meint ist)  nebst  xpoxiXoc  'Strandläufer,  Krokodilwächter;  Zaun- 
könig', TpoxiXoc,  Name  eines  Priesters  der  Demeter  in  Argos 
und  Eleusis,  zu  xpexuj.  Ahd.  drigil  'Diener',  aisl.  prcell  'Diener, 
Knecht,  Unfreier'  (urnord.  *prähila-\  zu  got.  pragjan  'laufen'. 
Diese  Wörter  mögen  hier  zusammengestellt  sein,  obgleich,  aus 
bekannten  Gründen,  etymologische  Identität  von  ipexuj  und 
Pragjan  zweifelhaft  ist. 

5.  Lat.  servos  serva  wird  gewöhnlich,  z.  B.  von  Leo  Meyer 
Handb.  der  gr.  Et.  2,  111,  Schrader  Reallex.  809,  Walde  Lat. 
et.  Wtb.  568,  zusammengebracht  mit  dem  hom.  eipepov  (Akk.) 
'Knechtschaft',  das  nur  6  529  vorkommt :  eipepov  eicavdTouci,  seil. 
YuvaiKa,  das  Weib,  das  den  Mann  im  Kampf  verloren  hat.  ei'pepo- 
soll  *cepFepo-  gewesen  sein,  was  lautgerecht  ist.  Anderseits 
wird  servos  mit  serväre  zusammengebracht,  es  bedeute  eigentlich 
'durch  Verschließen  bewahrt'.  Diese  schon  bei  den  Römern 
selbst  sich  findende  Verknüpfung  mit  serväre  ist  aber  wenig 
glaublich,  weil  bei  der  weitverbreiteten  Wurzel  ser-,  zu  der 
serväre  gehört,  der  dominierende  Begriff  überall  der  des  schützen- 
den, sorglichen  Bewahrens,  nicht  der  eines  gewaltsamen  Vor- 
gehens  gegen   eine  Person  ist  und  die  Deutung  der  servi  als 


Zu  den  Benennungen  der  Personen  des  dienend.  Standes  i.  d.  idg.  Spr.     383 

'im  Kriege  Gerettete'  {hello  servati)  zu  künstlich  ist.  Gegen  diese 
Verbindung  mit  serväre  auch  schon  L.  Lange  Köm.  Alt.  1^, 
189,  der  mit  Hinweis  auf  manu  adserere  in  servitutem  und  in 
libertatem  das  lat.  servos,  wie  schon  andere  vor  ihm,  von  serere 
ableitet.  Ganz  neuerdings  wird  von  Loth  in  den  Melanges  H. 
d'Arbois  de  Jubainville  S.  211  servos  mit  ir.  serbh  'Raub,  Frevel* 
kymr.  hertv  'Landstreicherei,  Räuberei'  zusammengestellt,  servos 
sei  ursprünglich  Mer  Geächtete,  Vogelfreie'  gewesen.  Ich  sehe 
auch  hier  wieder  nicht,  wie  die  Bedeutungsentwicklung  sachlich 
gerechtfertigt  werden  könnte. 

Dennoch  mag  die  Verbindung  von  servos,  ti'pepov,  serbh 
richtig  sein.  Man  darf  diese  Wörter  nämÜch  anschließen  an 
ai.  sisarti  sdrati  'er  läuft  rasch,  jagt  nach,  verfolgt,  entläuft, 
entflieht',  sardm-s  'laufend',  sasrä-s  'strömend',  sdsri-s  'laufend, 
eilend',  sirä  'Strom',  sdrma-s  'das  Fließen',  griech.  opiuri  'An- 
lauf, Angriff,  Antrieb',  piJuo|uai  'ich  bewege  mich  schnell  und 
kräftig,  eile',  lett.  sirt  'kriegerische  Sti-eif-  und  Raubzüge  machen, 
umherschwärmen',  sira  und  sira  'das  Umherstreifen'  {sira  =  ved. 
sird^  Gf.  *srrä\  sifi  'Marodeure'.  *seriio-  war  dann  'laufend,  sich 
tummelnd',  woher  einerseits  die  Bedeutung  des  Dienens,  weiter 
der  Knechtschaft  im  Griechischen  und  Lateinischen  (vgl.  Z  417 
UTTÖ  ö'  diuqpiTToXoi  puuovTo  dvaKTi  'Dienerinnen  tummelten  sich, 
waren  in  geschäftiger  Eile  für  den  Herrn'),  anderseits,  gleichwie 
in  den  genannten  lett.  Wörtern,  der  Sinn  der  Landstreicherei 
im  Keltischen  (vgl.  lit.  pereivä  und  pereivis  'Landstreicher'  zu 
per-eiti).  Vielleicht  gehört  auch  das  unerklärte  ai.  selaga-s  'Räuber, 
Wegelagerer'  als  älteres  *seraga-s  hierher :  zu  sasrd-s  sdsri-s  3.  Sg. 
sasre  verliielte  es  sich  wie  3.  Sing,  tene  zu  tatne^  3.  PL  peüir  zu 
paptiir^  vgl.  auch  ceru-s  'begehend'  3.  Sing,  cere  zu  cdra-ti,  nemi-s 
'Radfelge,  Umkreis'  3.  Sing,  neme  zu  ndma-ti  u.  dgl. 

*ser-uo-  'laufend',  dessen  Femininum  im  Keltischen  als 
Substantivum  absti'akter  Bedeutung  fungierte  {serbh  aus  *seruä\ 
vergleicht  sich  formantisch  mit  ai.  takvä-s  'eilend'  (S.  381),  ai. 
jivd-s  lat.  vivos  ht.  gyvas  'lebend',  aw.  a"rva-  'schnell,  tapfer'  ags. 
earo  aisl.  prr  'schnell'  (finn.  arvas),  ai.  yahvd-s  'rastlos',  rkvd-s 
'lobpreisend'  usw. 

Von  ei'pepov  läßt  sich  nicht  wissen,  ob  es  Maskulinum 
oder  Neutrum  war.  Nimmt  man  es,  wie  gewöhnlich  geschieht, 
als  M.,  so  wäre  vielleicht  i'inepoc  zu  vergleichen.  Es  liegt  aber 
näher,   in  dem  Wort  eine   nach   dem  begrifflichen  Oppositum 


384  K.  Brugmann, 

e\eu9epoc  'über'  (von  *leudho-  'Volk,  Leute',  s.  Schrader  Reallex, 
807  f.)  entstandene  Erweiterung  zu  *seruo-s  zu  sehen.  Das  Neu- 
trum wäre  dann  als  Absti'aktum  gebraucht  worden,  entsprechend 
dem  Abstraktum  t6  eXeu0epov  'die  Freiheit'. 

6.  Man  verbindet  ai.  arati-s  'Diener',  ir.  ara^  Akk.  araid, 
'Diener',  griech.  UTT-riperric  'Diener'  und  epiBoc  (M.  F.)  'Arbeits- 
gehilfe, Diener'  (vgl.  Schoemann-Lipsius  Griech.  Alt.  1*,  421), 
aw,  räHi-s  'dienstwillig;  Diener,  Gehilfe'  =  ai.  räti-ß  'bereitwillig' 
und  stellt  diese  Wörter  zu  verschiedenen,  um  eine  'Wurzel' 
er-  sich  gruppierenden  Basen,  die  einen  in  unsere  Bedeutungs- 
sphäre fallenden  Sinn  haben.  "Vgl.  u.  a.  Curtius  Grundz.^  H40, 
Fick-Stokes  2*,  39,  Persson  Stud.  162,  Hirt  Ablaut  121,  Prell- 
witz Et.  Wtb.2  156.  Die  betreffenden  Anknüpfungen  mögen 
größtenteils  richtig  sein.  Doch  bleibt  im  Form  antischen  mehreres 
unklar.  Um  mich  nicht  zu  weit  in  die  schwierigen  Probleme 
der  'Wurzelerweiterung'  einzulassen,  bemerke  ich  nur  das  fol- 
gende. Griech.  uTT-ripexric  wird  zwar  im  letzten  Grunde  mit  ai. 
arati-?  wurzelgleich  sein,  ist  aber  wohl  erst  auf  griechischem 
Boden  zu  eperric  'Euderer'  hinzugebildet  worden,  hat  also  ur- 
sprünglich 'Ruderknecht'  bedeutet  und  gehört  dann  nicht  in 
den  Kreis  unserer  Betrachtung.  Ai.  arati-s  und  räti-s  aw.  rä'ti-s 
verhalten  sich  formal  zu  einander  wie  griech.  epeiric  und  ahd. 
ruodar^  griech.  Y^vecic  und  got.  hiößs  und  sind  nebst  ir.  ara 
vermutlich  zu  verbinden  mit  aw.  a"rva-  ai.  drvant-  ags.  earo 
'schnell'  eornost  ahd.  ernust  'Kampf,  Ernst',  ai.  drna-s  arnavd-s 
"wallend,  flutend',  eplöoc,  das,  weil  es  zugleich  'Dienerin'  war, 
einst  als  Abstraktum  etwa  'Arbeitshilfe'  bedeutet  haben  wird, 
scheint  zu  einer  Basis  erei-  eröi-  zu  gehören,  die  anderwärts  durch 
ai.  ri-ti-s  'Strom,  Lauf,  Lauf  der  Dinge'  rina-s  'in  Fluß  geraten' 
lat.  rivos  (vgl.  auch  ai.  raya-s  'Strömimg,  Lauf,  Eile,  Heftigkeit', 
aksl.  na-roj  'Andrang')  vertreten  ist  und  mit  derselben  dh-Er- 
weiterung,  welche  epiGoc  aufweist,  in  ags.  ^e-rdede  mhd.  ge-reite 
'fertig,  bereit,  zur  Hand'  aisl.  g-reidr  'bereit,  frei'  mhd.  he-reite 
'bereitwillig,  geschickt'  aisl.  rida  'reiten,  sich  heftig  bewegen' 
erscheint.    Das  e-  von  ^piGoc  war  dann  prothetischer  Vokal. 

Möglicherweise  ist  dieser  Sippe  noch  arm.  arhaneak  'Diener, 
Gehilfe,  Mitarbeiter',  aksl.  raJ/t  'Knecht'  nebst  got.  arhaips  'Mühsal, 
Arbeit'  ^)  zuzurechnen  (vgl.  Hübschmann  Arm.  Gramm.  1,   423, 


1)  arbaips  aus  *arbendi-z,  s.  K.  vergl.  Gr.  34:9.   Nicht  überzeugend 
Meringer  IF.  17,  128. 


Zu  den  Benennungen  der  Personen  des  dienend.  Standes  i.  d.  idg.  Spr.     385 

Pedersen  KZ.  38,  313,  Meringer  IF.  17,   1281,  Meillet  Etudes 
sur  retymologie  etc.  S.  2261). 

7,  Man  stellt  zusammen  lat  cacula  'Soldatendiener',  cölo 
-önis  'Troßknecht,  Pferdebube'  =  *cacslön-,  ir.  cele  'servus'  = 
*caclio-^  celsine  'Dienst'  (Fick-Stokes  2*,  66,  Walde  Lat.  et.  Wtb. 
77.  85).  Rheden  Etym.  Yersuche  (Progr.  von  BrLxen  1896)  S.  3 
knüpft  diese  Wörter  an  aksl.  skoh)  'Sprung'  skociti  skakati  'springen, 
hüpfen'  an.  Das  ist  gut  möglich,  vgl.  auch  lit.  szöku  'ich  springe', 
ahd.  scehan  'eilen'  aisl.  skaga  'vorspringen'  ags.  tö-scec^an  'her- 
vorragen', ir.  der-scaigim  'ich  zeichne  mich  aus'  scen  =  *scacno- 
'Schreck'  (Zupitza  Germ.  Gutt.  154).  Aber  ebenso  gut  sind  ai. 
saknö-ti  'er  kann,  ist  förderlich,  hilft'  und  aisl.  hagr  'geschickt' 
ahd.  bi-hagan  mhd.  be-hagen  'frisch,  freudig'  vergleichbar. 

8.  Got.  skalks  ahd.  as.  scalc  'Diener,  Knecht'  aisl.  skalkr 
'Dienstmann'  wird  mit  ir.  ban-scäl  {banscala  'servae'  Wb.  10  ß) 
zusammengebracht  S.  Zeuss-Ebel^  812,  d'Arbois  de  Jubainville 
Mem.  7,  2911  Ist  diese  Zusammenstellung  richtig,  so  liegt  doch 
jedenfalls  kein  genügender  Anlaß  vor,  skalks  als  keltisches  Lehn- 
wort zu  betrachten,  wie  d'Arbois  de  Jubainville  tut.  Es  gibt 
im  Keltischen  keine  zu  ban-scäl  gehörige  Wortform,  die,  von 
den  Germanen  übernommen,  ein  '^skalka-z  hätte  ergeben  können. 

Am  ungezwungensten  schließen  sich  diese  Wörter  an  mhd. 
schel  'springend,  auffahrend,  aufgebracht'  ahd.  scelo  mhd.  schele 
('Bespringer')  'Zuchthengst',  auch  'Bockhirsch,  tragelaphus'  (vgl. 
Palander  Die  ahd.  Tiernamen  881)  an,  denen  man  ai.  salabhä-s 
'Heuschrecke'  und  sälüra-s  'Frosch'  (unbelegt)  zugesellt  (vgl. 
Yerl  Curtius'  Stud.  7,  343,  Zupitza  Germ.  Guti  195,  Uhlenbeck 
El  Wtb.  d.  ai.  Spr.  305.  308).  Doch  fragt  es  sich,  wie  man  das 
zweite  k  von  skalks  aufzufassen  hat.  Ich  vermute,  daß  in  ur- 
germ,  Zeit  ein  *skalska-  'springend,  sich  tummelnd'  gebildet 
worden  ist  mit  jenem  Ausgang  -ska-,  der  in  diesem  Sprach- 
zweig so  produktiv  war  zur  Bildung  von  Adjektiva,  die  bedeuten 
'sich  irgendwie  energisch  betätigend,  rasch,  schneidig  usw.', 
z.  B.  ahd.  rase  'schnell,  gewandt,  kräftig'  aisl.  rpskr  'kühn',  ahd, 
horsc  'rasch,  schneidig,  klug',  aisl.  vaskr  'behende,  kühn',  karskr 
'lebhaft', /ros^r  'stark,  kräftig',  ahd.  frisc  'frisch,  munter',  aschwed. 
ßresker  'widerspenstig',  norw.  dial.  ulsk  'hitzig  auf  etwas,  gierig', 
aisl.  beiskr  'scharf,  nhd.  barsch  'scharf,  strenge',  harsch  'hart, 
rauh',  aschwed.  varsker  'aufmerksam',  as.  malsc  'stolz'  got.  un- 
tilamalsks  'TTpoireTric'  (vgl.  Karsten  Studier   öfver  de  nord.  spr. 


386  K.  Brugmann, 

prim.  nominalb.  2,  118  ff.).  So  lange  in  *skalska-z  die  Bedeutung 
'springend,  sich  tummelnd'  noch  lebendig  war,  wird  das  Wort 
das  s  seines  Formans  festgehalten  haben.  Nachdem  es  aber  den 
Sinn  'Knecht,  Diener'  angenommen  hatte,  ging  dieses  s  dissi- 
milatorisch  verloren. 

Hiernach  wäre  die  Entwicklung  zur  Bedeutung  'Knecht* 
in  den  beiden  Sprachzweigen  selbständig  erfolgt. 


1.  Ai.  nachved.  ceta-s  cetaka-s  'Diener,  Sklave',  Fem.  ceti 
cetikä^  auch  mit  d  ceda-s  usw.,  wahrscheinlich  mittelind,  aus 
*ceßta-s  und  identisch  mit  ai.  cesta-s  'Körperbewegung,  tätiges 
Verhalten',  zu  cesta-ti  'er  ist  in  Bewegung,  regt  sich,  rührt  sich, 
ist  geschäftig'.  Uhlenbeck  Altind.  et.  Wtb.  93. 

2.  Griech.  KOvriTtti'  BepctTTOvreczu  KOveTv  •  erreiTecOai.  evep- 
yeiv,  Kovei"  crreuöe,  rpexe  (Hesych),  d-Kovm  'ohne  Anstrengung', 
KovapdiTepov  •  öpacTiKuüiepov  Hesych  (vgl.  Schulze  Quaest.  ep. 
353  f.).  eT-Kovic  'Dienerin'  zu  ex-Koveuj  'ich  bin  flink'.  Ferner  dy- 
Kovouc"  öittKÖvouc,  öouXouc  Hesych. 

Weiter  unzweifelhaft  hierher  öidKovoc  ion.  biriKovoc  (M.  F.) 
'Diener,  Aufwärter'.  Dessen  s  ist  jedoch  nicht  ganz  klar.  Nach 
Prellwitz  Et.  Wtb.  ^  115  hätte  urgriechische  Kontraktion  aus"  *öia- 
aKovoc  stattgefunden  und  d-  in  *d-KOVoc  wäre  Schwundstufenform 
zu  ev  (vgl.  eY-Koveuj).  Eher  als  diese  Deutung  dieses  d-  wäre  mir 
glaubhaft  Entstehung  von  *dKOVoc  aus  *dva-Kovoc  (vgl.  dT-KOVOuc) 
mit  haplologischer  Kürzung  wie  in  oXeKpavov  ujXeKpavov  =  *öXevo- 
Kpavov,  'ATro\Xuj(pdvric  ='ATToXXujvo-cpdvr|C  u.  ähnl.,  und  zwar  wäre 
diese  Kürzung  wohl  erst  nach  Zusamnienziehung  von  *öia-ava- 
Kovoc  zu  *öiävaKovoc  eingetreten.  Am  einfachsten  aber  scheint 
mir  immer  noch  meine  (von  Prellwitz  a.  a.  0.  angezweifelte)  An- 
nahme Ber.  d.  sächs.  Gr.  d.  W.  1901  S.  103,  daß  h\a-  für  öia-  von 
Formen  wie  öiaveKnc  ion.  öinveKnc,  öiriXiqpric,  öir|ve|Lioc  herüber- 
genommen ist,  ein  Vorgang,  zu  dem  sichere  Parallelen  a.  a.  0. 
beigebracht  sind. 

3.  Viel  besprochen  ist  die  Herkunft  von  ion-att.  phok.  böot. 
öoöXoc  dor.  öuJXoc  'Knecht,  Sklave',  und  das  Rechte  ist  der 
Hauptsache  nach  bereits  getroffen. 

Zunächst  ist  ungerechtfertigt  der  Anschluß  des  Wortes  an 
diejenigen  Namen  für  den  Sklaven,  die  ursprünglich  'Hausgenosse' 
bedeutet  haben,  bei  Johansson  EF.  3,  229  ff.,  dem  Schrader  Reallex. 


Zu  den  Benennungen  der  Personen  des  dienend.  Standes  i.  d.  idg.  Spr.    387 

812  folgt.  Johansson  stützt  sich  auf  die  beiden  Hesychglossen 
boOXoc*  oiKia,  r\  rriv  eiri  tö  aürö  cuveXeuciv  tüjv  TuvaiKÜJV  (d.  i. 
Vereinigung  des  weiblichen  Hauspersonals)  und  evöuXuj  •  evöo9ev. 
Daß  auf  die  letztere  Glosse  bezüglich  der  Erklärung  von  öoöXoc 
nichts  zu  bauen  ist,  darüber  braucht  kein  Wort  verloren  zu  werden. 
Aber  auch  die  erstere  Glosse  ergibt  keine  Grundbedeutung  'Haus, 
b6|uoc'.  Offenbar  ist  mit  dem  Interpretamentum  oiKia  das  Haus- 
gesinde, die  familia  gemeint  (oiKia  in  diesem  Sinne  Xen.  Comm.  2, 
7,  6),  und  da  sonst  nirgends  ein  Zeugnis  dafür  vorliegt,  daß  öoOXoc 
von  urgriechischer  Zeit  her  etwas  anderes  als  'Sklave'  bedeutet 
hat,  so  muß  die  Glosse,  wenn  irgend  möglich,  von  dieser  Be- 
deutung aus  erklärt  werden.  Es  ist  entweder  ein  Kollektivum 
f|  öoOXoc  gemeint,  wie  x]  ittttoc  'die  Reiterei',  f]  Kd)Lir|Xoc  'die 
Kameele',  oder  das  Glossem  meint  das  kollektive  tö  boöXov  (vgl. 
Eurip.  Ion  983)  und  ist  dann  verschrieben  für  boöXov^). 

Auch  Wiedemann  BB.  27,  218  glaubt  an  ein  ÖoöXoc  'Haus- 
bau', doch  nimmt  er  nicht,  wie  Johansson,  Bedeutungsübergang 
von  'Haus'  zu  'Hausgesinde',  weiter  zu  'der  einzelne  zum  Ge- 
sinde Gehörige'  an,  sondern  indem  er  etymologisch  an  öuva)aai 
anknüpft,  denkt  er,  öoOXoc  'Haus'  habe  ursprünglich  'das  Feste', 
dagegen  öoOXoc  'Sklave'  ursprünglich  'Zimmerer',  dann  'Arbeiter' 
bedeutet.  Diese  letztere  Kombination  wird  ebenso  wenig  Beifall 
finden  wie  die  alte,  neuerdings  von  v.  Patrubäny  (Sprach wiss. 
Abhandl.  2,  195)  wieder  vorgetragene  Ansicht,  boOXoc  sei  mit  bvt] 
'Elend,  Unglück'  verwandt  und  sei  ursprünglich  'ein  Gequälter' 
gewesen.  Bei  letzterer  Vergleichung  würde  zwar  vielleicht  die 
Bedeutung  keine  Schwierigkeit  machen  (vgl.  Ut.  vSrgas  'Sklave', 
das  möglicherweise  mit  vafgas  'Not'  und  weiterhin  mit  aksl.  vrag^ 
'Feind'  zusammenhängt,  s.  Leskien  Bild.  d.  Nom.  161),  aber  ihr 
steht  die  Yokalisation  der  Wurzel  entgegen,  da  öur|  zu  öaiiu, 
bdFioc  öriioc  gehört. 

Ferner  ist  unser  Wort  wiederholt  mit  got.  taujan  'machen, 
tun,  bewirken'  taiii  N.  'Tat,  Werk',  ags.  töl  'Werkzeug'  zusammen- 
gestellt worden,  s.  besonders  LoreutzIF.  5, 342  f.  Da  büjXoc,  neben 
ÖoöXoc,  das  echten  Diphthong  ou  hatte,  ein  *dö[ii\lo-s  voraussetzen 

1)  Mit  dem  verderbten  Hipponaxfragment  47  B.  *,  auf  das  sich  die 
Hesychglosse  nach  Ahrens'  Vermutung  bezieht,  ist  wenig  anzufangen  (vgl. 
die  bei  Bergk  angeführten  Emendationsversuche),  und  keinenfalls  ist  aus 
ihm  etwas  zugunsten  der  Meinung  zu  entnehmen,  die  Griechen  hätten  ein 
boOXoc  als  Synonymum  von  bö|Lioc  besessen. 


388  K.  Brugmann, 

läßt,  SO  stellt  formal  nichts  im  Weg.  Und  auch  begrifflich  ist 
diese  Etymologie  ansprechender  als  die  andern,  die  eben  be- 
sprochen sind.  Nur  möchte  ich  nicht  'Verfertiger,  Arbeiter'  als 
anfänglichen  Sinn  ansetzen,  wie  Lorentz  u.  a.  tun,  sondern  'regsam 
tätig,  geschäftig'  mit  Rücksicht  auf  die  (nach  Osthoff  IT.  5,  282) 
mit  got.  taujan  zusammengehörigen  mhd.  zouwen  mnd.  touwen 
'eilen,  beeilen,  sich  beeilen;  vonstatten  gehen',  mhd.  zouwe  F, 
'Eile'  zouwic  'rührig,  tätig,  flink  zur  Hand',  ahd.  zawen  'vonstatten 
gehen',  denen  vielleicht  noch  ai.  duvds-  duvasand-s  'vorwärts  drin- 
gend, hinausstrebend'  und  dütd-s  aw.  dütö  'Bote'  zuzugesellen  sind. 

4.  Hom.  öpncTrip  'Diener'  zu  öpduu  'bin  tätig,  geschäftig'. 

5.  "Ipic  war  die  Botin  und  hilfreiche  Dienerin  der  Götter. 
Die  Appellativbedeutung  des  Namens  war  'die  eilige,  hurtige', 
wie  denn  auch  alle  Beiwörter  dieses  Wesens  bei  Homer  auf 
Schnelligkeit  hindeuten.  Das  Wort  gehört  zu  einem  von  Fie^xai 
'ich  strebe'  gebildeten  Adjektiv  *Fip6c,  welches,  wie  ^Ipic,  nur  als 
Name  erscheint,  aber  als  ein  Name,  dessen  Appellativsinn  für 
den  Grriechen  der  homerischen  Zeit  noch  nicht  verdunkelt  war: 
von  dem  Bettler  Fipoc  in  der  Odyssee  nämlich  heißt  es  c  6  ^Ipov 
be  veoi  KiKXriCKOuciv  äiravTec,  j  ouvek'  änay^eXKecKe  kiuuv,  öt€  ttou  tic 
dvLUTOi.  Vgl.  Maass  IT.  1,  157  ff.,  Solmsen  Unt.  148.  150,  Sommer 
Griech.  Läufst.  102,  Derselben  Wurzel  angehörige  entferntere  Ver- 
wandte mögen  sein  ai.  vesa-ti  vives-ti  'er  ist  tätig,  wirkt',  vesd-s 
'bewirkend,  besorgend',  vesanä  'Aufwartung,  Bedienung'. 

6.  Griech.  Brie  erjTÖc  'Lohnarbeiter,  Knecht'  (Schoemann- 
Lipsius  Griech.  Alt.  1  *,  42),  wozu  als  Fem.  eficca,  soU  zu  liBriiai 
gehören,  s.  Ebeling  Lex.  Hom.  568.  Begrifflich  ist  das  sehr  wenig 
ansprechend,  man  müßte  denn  annehmen,  das  Wort  sei,  ähnlich 
wie  die  Inder  für  paricärikä  auch  kurzweg  cärikä  sagten  (S.  380), 
Abkürzung  irgend  eines  Kompositums  gewesen.  Weiterhin  wird 
die  Glaubwürdigkeit  dieser  Etymologie  niedergedrückt  durch  die 
Hesychglosse  Sdxac  •  OfiTac,  touc  öouXouc  .  Kuirpioi  ^).  Dieses  Bdiac 
wird  wohl  niemand  edtsc  lesen  woUen,  als  habe  sich  hier  die  alte 
Schwundstufenform  der  Wurzel  Qx]-  erhalten.  War  es  aber  edisc, 
so  ist  es  ein  Zeugnis  für  urgriech.  *6dc  =  ion.-att.  One. 

Andere  Deutungsversuche  von  Brie  als  diese  Anknüpfung 
an  lOriiui  sind  mir  nicht  bekannt. 

Man  darf  das  Wort  auf  *eFä-T-  zurückführen  (zum  Schwund 


1)  Die  Handschrift  hat  eürac,  doch  ist  Gdtac  durch  die  Buchstaben- 
folge gesichert. 


Zu  den  Benennungen  der  Personen  des  dienend.  Standes  i.  d.  idg.  Spr.    389 

des  F  vgl.  z.  B.  GoXöc  GoXepöc  zu  got.  dwals,  Oaipoi  zu  aksl.  dvbri) 
und  anschließen  an  Oodc  'schnell,  gewandt,  rasch  zur  Tat'  (z.  B. 
E  536  Ooöc  ecKe  lueid  npiuToici  |udxec6ai),  ßori-ööoc  'auf  einen  Zuruf 
hin  schnell  zur  Hand,  zu  Hilfe  eilend'  (vgl.  ßor|-5pö|uoc  Eurip.), 
0odZ;uj  'ich  versetze  in  schnelle,  heftige  Bewegung;  ich  bcAvege 
mich  schnell,  tummle  mich',  weiterhin  mit  Guvuu  'ich  bewege  mich 
schnell  einher,  ungestüm  fort',  ai.  dhünö-ti  dhunö-ti  Fut.  dha- 
visya-ti  'hin  und  her  bewegen,  schütteln,  schwingen',  die  alle  zu- 
sammen auf  eine  Basis  *dheua^-  (Hirt  Ablaut  104)  weisen.  Be- 
züglich der  Ablautstufe  von  *6Fa-T-  vgl.  irpo-ßXric,  d-b|uiic,  d-Yvuuc 
u.  a.  Das  Wort  kann  ebenso  gut  aktivisch  'sich  tummelnd'  ge- 
wesen sein  (vgl.  z.  B.  ttXujc  'Schwimmer',  Name  eines  Fisches), 
als  passivisch  'der  (vom  Herrn)  getummelt  wird'  (vgl.  z.  B.  d-YviLc 
'ungekannt,  unerkannt');  in  letzterer  Beziehung  vergleiche  man  die 
bedeutungsverwandten  ai.  dütd-s  (S.  388),  kelt.  amb-actus  (S.  390). 

Auf  den  Akzent  von  Hesychs  ödrac  ist  wenig  Yerlaß.  Aber 
Änderung  in  ödtac  ist  jedenfalls  nicht  nötig.  Die  Form  Gaia-c 
verhielte  sich  zu  Grjc  wie  xepvritric  zu  x^pviic  ('Armer,  Tagelöhner'), 
TU)aviiTric  zu  TU|uvnc  ('Leichtbewaffneter'),  TToXu-cpdvTü.c  zu  TToXu- 
qpac  -avToc  u.  dgl. 

Außer  durch  Grjc,  falls  unsere  Deutung  richtig  ist,  dürfte  die 
Schwundstufe  der  Anfangssilbe  der  Basis  *dheuä^-  im  Griechischen 
noch  durch  dxaGöc  'tüchtig,  gut'  belegt  sein.  Denn  vor  der  üblichen 
Vergleichuug  dieses  Adjektivs  mit  got.  gößs  ahd.  gtiot,  bei  der 
sowohl  das  y  als  auch  das  anlautende  a  erhebliche  Schwierigkeit 
bereiten,  verdient  die  Erklärung  von  Joh.  Baunack  Stud.  auf  dem 
Greb.  des  Griech.  1,  260  ff.  den  Yorzug,  nach  der  dTaGöc  als 
dYa-96c  mit  Gooc  zusammenhängt.  Nur  hat  man  Avohl  nicht  mit 
Baunack  für  die  Begriffsentwicklung  einzig  von  der  Tüchtigkeit 
im  Kampf  auszugehen  und  'sehr  einstürmend'  als  ursprünglichen 
Sinn  anzusetzen,  sondern  die  allgemeinere  Bedeutung  'sehr  rührig, 
sich  tüchtig  tummelnd'.  dYaGöc  also  aus  *dYa-GFö-c.  Ein  Kom- 
positum, das  diesem  ähnlich  wäre,  sucht  man  vielleicht  mit  Recht  in 
dYairduu,  von  einem  Adjektiv  *dYa-TTÖ-,  zu  ai.  pä-  'hüten,  schützen'. 

Schließlich  bleibt  noch  folgendes  zu  bemerken.  Für  die 
Entstehung  des  r\  von  Grjc  aus  urgriechischem  a  ist  Hesychs 
Gdiac  immerliin  kein  vollgültiger  Zeuge.  Sollte  das  Wort  also 
doch  urgriech.  r|  gehabt  haben,  so  fällt  damit  unsere  Ursprungs- 
vermutung keineswegs  zu  Boden.  Die  Basis  kann  auch  *dheue- 
gewesen  sein.    Ja  es  ist,   wie  andere  gleichartige  Fälle  zeigen, 


390        K.  Brugmann,  Zu  den  Benennungen  der  Personen  usw. 

auch  möglich,  daß  *dheuä-  und  *dheue-  nebeneinander  gestanden 
haben. 

7.  Eine  ähnliche  Bildung  wie  djucpiiToXoc  (§  2,  1)  und  wie 
ir.  Ummthirim  (§  2,  3)  war  das  akelt.  ambactus  'servus',  kymr. 
amaeth  'servus  arans',  zu  ir.  imm-agim  'ich  treibe  umher'  lat. 
amh-äges  'Umgang,  Umlauf'.  Das  Wort  kam  frühe  zu  den  Römern 
(schon  Ennius  gebrauchte  es),  denen  auch  noch  die  Grundbe- 
deutung bekannt  war,  wie  Paul.  Fest.  4  servus  ambactus^  id  est  cir- 
cumactus  dicitur  zeigt^).  S.  Thurneysen  Keltoroman.  29 f.  Ob  got. 
andbahts  ahd.  ambaht  'Diener',  wie  vielfach  angenommen  wird, 
eine  von  den  Germanen  vollzogene  Umgestaltung  des  kelt.  "Wortes, 
oder  ob  es  echt  germanisch  und  ganz  andern  Ursprimgs  ist  (vgl. 
Uhlenbeck  Got.  et.  Wtb.^  13  f.),  lasse  ich  unentschieden. 

8.  Ir.  cumal  'Sklavin'  wird  bei  Fick-Stockes  2*,  70  an- 
sprechend mit  ai.  säma-ti  samni-te  'er  müht  sich,  arbeitet  eifrig' 
sasamänd-s  'eifi'ig  bemüht,  beschäftigt,  fleißig',  griech.  ko|uiZ;uu  'ich 
besorge  etwas'  eipo-KOjaoc  'Wolle  bearbeitend'  itttto-köilioc  'Pferde- 
knecht' verbunden.  Als  Eigenname  ist  dasselbe  Wort  vertreten 
durch  gall.  Camulos^  Name  des  Kriegsgotts,  ir.  Cumal,  Name  des 
Vaters  des  Heros  Find. 

4. 
Schrader  Eeallex.  803  und  Hirt  Idg.  1,  269  finden  es  mit 
Recht  bedenklich,  eine  Gliederung  nach  Ständen,  außer  viel- 
leicht in  ihren  ersten  Anfängen,  bereits  für  die  indogerm.  Urzeit 
anzusetzen,  und  jedenfalls  liefern  die  über  mehrere  Sprachzweige 
hin  verbreiteten  Benennungen  des  Knechtes,  soweit  der  Be- 
nennungsgrund noch  mit  einiger  Wahrscheinlichkeit  festzustellen 
ist,  keinen  Anhalt  dafür,  daß  in  einer  früheren  Periode  der  sogen, 
urindogerm.  Zeit  schon  Sklaverei  und  Hörigkeitsverhältnisse  von 
der  Art  bestanden  haben,  wie  wir  sie  bei  verschiedenen  indo- 
germ. Völkern  namentlich  als  Folge  von  Krieg  und  Kriegsge- 
fangenschaft vorfinden.  Muß  doch  auch  die  Lage  des  Dienenden 
gegenüber  dem  Herrn  im  allgemeinen  um  so  günstiger  gewesen 
sein,  je  primitiver  die  Kulturverhältnisse  waren.    Unter  diesen 


1)  Mit  Caes.  bell.  Gall.  6,  15,  2  equituni  ut  quisque  est  genere  copnsqtie 
amplissimus,  ita  plurimos  circmn  se  ambactos  clientesque  habet  vergleiche 
man  Polyb.  2,  17  bid  t6  qpoßepujTaxov  Kai  buvaxtuTaTov  eivai  -rrap'  aüroic 
toOtov,  8c  äv  irXeicTouc  ^x^iv  boKf]  toüc  öepaixeüovTac  Kai   cuiniTepiqpe- 

P0|LI^V0UC    aÜTU). 


W.  Streitberg,  Got.  sunnin.  391 

Umständen  verdient  es  Beachtung,  daß  unter  allen  Bezeichnungen 
von  Personen  des  dienenden  Standes  diejenige,  der  das  höchste 
Alter  zugesprochen  werden  darf,  der  von  uns  hier  näher  be- 
handelten Begriffsklasse  angehört.  Es  ist  das  die  Benennung  ai. 
pari-card-s  abhi-cara-s  griech.  d)aqpi-TroXoc  lat.  anculus  (§  2,  1),  zu 
der  kelt.  amb-actiis  (§  3,  7)  und  ir.  timm-thirthidi  (§  2,  3)  nur 
eine  Art  von  Variante  darstellen.  Weitergehende  Schlüsse  sind 
freilich  der  Natur  der  Sache  nach  hierauf  nicht  zu  bauen. 
Leipzig.  Karl  Brugmann. 


Got.  sunnin. 


Die  gotische  Dativform  sunnin^  die  durch  die  beiden  Stellen 
at  sunnin  pan  urrinnandin  Mark.  4,  6  und  at  urrinnandin  sunnin 
Mark.  16,  2  belegt  ist,  hat  die  Forscher  vielfach  beschäftigt.  Den 
neuesten  Deutungsversuch  verdanken  wir  Brugmann  (IT.  18, 
423  ff.).  Nach  ihm  geht  simno  auf  einen  Nominalstamm  sunön-^ 
sunen-^  sunn-  zurück,  der  durch  das  sekundäre  Suffix  -en-  -on- 
von  sun-  'Grlanz'  abgeleitet  ist.  Die  femininen  ön-Stämme  des 
Germanischen  sind  ebenso  wie  die  maskulinen  aw-Stämme  aus 
indogerm.  Zeit  ererbt;  ursprünglich  hat  -ön-  ebensowenig  speziell 
feminine  Funktion  gehabt  wie  -an-  speziell  maskuline,  sunnin 
verhält  sich  zu  sunnön  wie  homine  zu  hemönem;  es  ist  daher 
eine  Altertümlichkeit  innerhalb  der  Flexion  der  öw-Stänmie  und 
nötigt  uns  nicht,  mit  Mahlow  ein  Neutrum  sunno  sunnins  an- 
zusetzen. 

Brugmanns  Auffassung  von  der  Entstehung  des  got.  sunno 
ist  auch  die  meine;  dagegen  vermag  ich  mich  nicht  davon  zu 
überzeugen,  daß  in  sunnin  eine  uralte,  aus  indogermanischer  Vor- 
zeit ererbte  Bildung  vorliege.  Die  zahlreichen  Neuerungen  des 
Gotischen  machen  mich  von  vornherein  mißtrauisch  gegen  die 
Altertümlichkeit  einer  Form,  die  weder  an  sich  unzweideutig  ist 
noch  durch  außergotische  Zeugnisse  beglaubigt  wird. 

Stellen  wir  uns  auf  den  Staudpunkt  des  Gotischen  selbst 
und  fragen  wir,  welche  Auffassung  des  Dativs  sunnin  zur  Zeit 
"Wulfilas  bestanden  habe,  so  dürfen  wir  wenigstens  Eines  mit 
Sicherheit  sagen :  die  Form  sunnin  kann  für  das  gotische  Sprach- 


392  W.  Streitberg,  Got.  sunnin. 

gefühl  kein  Femininum  gewesen  sein,  sonst  wäre  sie  nicht 
mit  dem  Attinbut  urrinnandin  verbunden  worden.  Denn  es  ist 
klar,  daß  dieses  für  die  Goten  Wulfilas  nichts  anders  als  ein 
maskuliner  oder  neutraler  Dativ  Sing,  gewesen  sein  kann :  auch 
nicht  der  geringste  Grund  spricht  dafür,  daß  im  Femininum  des 
präsentischen  Partizipiums  jemals  eine  andere  als  die  em-Flexion 
geherrscht  habe,  die  eine  durchsichtige  Umbildung  der  indogerm. 
Grundform  ist. 

Hierdurch  also  wird  die  Möglichkeit,  in  sunnin  ein  Femi- 
ninum zu  suchen,  ausgeschlossen.  Es  bleibt  nur  noch  die  Wahl 
zwischen  Maskulinum  und  Neutrum. 

Nach  dem  Vorgang  Jacob  Grimms  (Grammatik  3,  346  ff. 
Neudruck)  hat  man  sich  lange  Jahre  liiudurch  für  das  Masku- 
linum entschieden.  Als  Beweggrund  darf  wohl  die  Erinnerung 
an  die  Maskulinformen  gelten,  die  neben  dem  gewöhnlichen 
Femininum  im  Altenglischen,  Altsächsischen  und  Althochdeutschen 
(wie  auch  im  Mittelhochdeutschen)  auftreten.  Mit  Recht  hat  man 
die  Ursache  dieses  westgermanischen  Genuswechsels  in  dem 
Einfluß  des  Wortes  für  Mond  gesucht.  Die  Möglichkeit,  daß  im 
Gotischen  dieselbe  Einwirkung  vorliege  wie  im  Westgermanischen, 
läßt  sich  somit  nicht  ganz  bestreiten ;  wahrscheinlicher  jedoch  ist  die 
Annahme  Mahlows,  daß  ein  Übergang  von  Femininum  zum  Neu- 
trum erfolgt  sei.  Zwar  die  Stützen,  die  Mahlow  für  diese  Auf- 
fassung im  Altenglischen  und  im  Altsächsischen  zu  finden  glaubte 
(Lange  Vokale  S.  156),  sind  inzwischen  zusammengebrochen,  vgl. 
Sievers  im  Nachtrag  zur  3.  Auflage  von  Braunes  gotischer  Gram- 
matik S.  135  und  PBrB.  1,  504.  Auch  an  die  uralten  Beziehungen 
zwischen  Femininum  und  Neutrum  darf  man  in  diesem  Falle 
nicht  mehr  denken.  Vielmehr  liegt  die  Sache  wesentlich  ein- 
facher: Das  alte  Femininum  sunno  'Sonne'  ist  durch  das  Synonym 
sauil  'Sonne'  im  Genus  beeinflußt  worden.  Dieses  ist  nach  Aus- 
weis der  Nominativform  (Mark.  1,  32  und  13,  24)  ein  unver- 
kennbares Neutrum.  Die  Beeinflussung  von  sunno  durch  sauil 
lag  um  so  näher,  als  bei  den  femininen  w-Stämmen  wie  bei  den 
neuti'alen  der  Nominativ  Sing,  auf  -ö  ausgeht.  Es  ist  daher  dem 
dreimal  belegten  Nom.  sunno  (Luk.  4,  40,  Eph.  4,  26,  Neh.  7,  3) 
überhaupt  nicht  anzusehn,  ob  er  femininen  oder  neutralen  Ge- 
schlechts ist.  Nur  in  dem  einzigen  Akkusativ  Sing,  simnon 
seina  (Matth.  5,  45)  ist  das  alte  Femininum  auch  auf  gotischem 
Sprachgebiet  unzweideutig  überliefert. 


N.  van  Wijk,  Ags.  cü,  an.  k^r.  393 

Die  Grenusschwankungen,  die  sich  bei  den  germanischen 
und  aiißergermanischen  Verwandten  von  got.  sauü  beobachten 
lassen,  stehen  auf  einem  andern  Blatt;  ihre  Erörterung  gehört 
deshalb  nicht  hierher. 

Münster  i.  W.  Wilhelm  Streitberg. 


Ags.  cü,  an.  kijr. 

In  seinem  Buche  über  die  germanischen  Auslautgesetze 
81  ff.  erklärt  Walde  ags.  ai,  an.  kyr  als  einen  indogerm.  Nominativ 
{*g^öus\  während  er  in  as.  kö,  ahd.  kuo  einen  alten  Akkusativ 
(*g^öm)  erblickt.  Diese  Ansicht  empfiehlt  sich  u.  a.  dadurch 
(a.  a.  0.  82),  daß  sie  trefflich  stimmt  zu  dem,  was  wir  bei  den 
ö-Stämmen  finden :  im  Altsächsischen  und  Althochdeutschen  wurde 
auch  hier  im  Gegensatz  zu  dem  Angelsächsischen  und  Altnordischen 
die  Form  des  Nominativs  von  der  des  Akkusativs  verdrängt.  Was 
die  Hauptsache  anbetrifft,  kann  ich  mich  der  Ansicht  Waldes  an- 
schließen; in  einigen  Punkten  aber  weiche  ich  von  ihm  ab.  Daß 
der  an.  Akkus,  kii  ein  ursprünglicher  Nominativ  ohne  -z  sei 
(a.  a.  0.  82),  kommt  mir  unwahrscheinlich  vor:  ich  sehe  vielmehr 
in  dieser  Form  einen  im  Urnordischen  zum  Nom.  *küz,  *küR^) 
gebildeten  Akkusativ  mit  w,  der  die  ältere  Form  mit  ö  verdrängt  hat. 

Wie  haben  wir  uns  nun  die  Entwicklung  von  *g"öus  zu 
*küz  vorzustellen  ?  Auch  in  der  Beantwortung  dieser  Frage  stimme 
ich  nicht  mit  AYalde  überein.  Dieser  weist  auf  Brugmann  IF.  6, 
90  hin,  und  weil  er  weiter  über  die  Weise,  worauf  -ü-  aus 
-öu-  entstanden  ist,  nichts  bemerkt,  nehme  ich  an,  daß  er  über 
diese  Frage  dieselbe  Meinung  hat  wie  Brugmann,  der  a.  a.  0. 
und  Grundr.  I^  211  öu  zu  ö  und  dieses  weiter  zu  ü  werden 
läßt :  dieser  Lautwandel  entspreche  dem  zuerst  von  Jellinek  und 
Sievers  angenommenen  Übergang  von  ei  in  e  (sogen,  e^)-  Wenn 
das  richtig  wäre,  so  sollte  man  erwarten,  daß  auch  das  aus  ei 
entstandene  e  weiter  zu  f  geworden  wäre;  weshalb  das  nicht 
geschehen   ist,    darüber  spricht  B.  nicht:    aber   eben   weil   wir 

1)  Einen  Nomin.  k^n,  mit  -R-Umlaut,  dürfen  wir  für  die  urn.  Periode 
nicht  annehmen;  vgl.  u.  a.  Kock  PBrB.  18,  463,  und  Noreen  PGr.  P  580, 
§  102  und  592,  §  152. 

Indogermanische  Forschungen  XIX.  26 


394  N.  van  Wijk, 

keinen  vollständigen  Parallelismus  finden,   kommt  mir  die  An- 
nahme eines  partiellen  Parallelismus  unwahrscheinlich  vor^). 

Ich  glaube  aber,  daß  wir  auf  eine  andere  Weise  das  germ'. 
ü  sehr  wohl  aus  einem  älteren  öu  erklären  können.  PBrB.  28, 
243  ff.  habe  ich  daraus,  daß  idg.  ou  im  Germanischen  als  au  auf- 
tritt, geschlossen,  daß  der  Wandel  von  o  in  a  älter  ist  als  derjenige 
von  ei  in  f;  sonst  wäre  ou  wohl  ü  geworden,  ebenso  wie  aus 
ei  y  i  wurde 2).  Ich  glaube  jetzt,  daß  im  Nominativ  ags.  cw,  an. 
kl/r  ein  solcher  Fall  von  ou  >  M-Wandel  vorliegt  und  daß 
germ.  *küz  zunächst  aus  *kouz  und  dies  wieder  aus  einer  Form 
mit  öu  (idg.  *g^öus)  hervorgegangen  ist.  Ich  nehme  also  an, 
daß  das  aus  öu  entstandene  ou  sich  anders  entwickelt  hat  als 
der  ursprüngliche  Kurzdiphthong.  Um  dies  zu  erklären,  könnte 
man  annehmen,  daß  die  Kürzung  der  Langdiphthonge  im  Ger- 
manischen ein  jüngerer  Prozeß  sei  als  der  Wandel  von  o  in 
a;  aber  notwendig  ist  diese  Annahme  nicht;  auch  wenn  öu  schon 
verhältnismäßig  früh  gekürzt  worden  ist,  braucht  das  auf  diese 
Weise  entstandene  ou  nicht  gleich  mit  dem  altern  ou  zusammen- 
gefallen zu  sein ;  und  die  weitere  Geschichte  der  beiden  Laute 
kann  eine  ganz  verschiedene  gewesen  sein.  Wir  sehen  ja  auch 
im  Slavischen,  daß  die  Langdiphthonge  nicht  vollständig  mit 
den  Kurzdiphthongen  zusammengefallen  sind.  Aus  den  Quanti- 
tätsunterschieden haben  sich  schon  früh  (in  der  baltisch-slavischen 
Periode) Intonationsunterschiede  entwickelt;  den  Langdiphthongen 
entspricht  der  slavische  steigende,  den  Kurzdiphthongen  der  fallende 
Ton;  z.  B. :  idg.  *uornos'>  slav.  *tv6rnos^  russ.  wöron^  serb.  vrän; 
idg.  *uörnä  y  slav.  *wofna^  russ.  woröna,  serb.  vräna-,   vgl.  u.  a. 

1)  In  der  Kurzen  vgl.  Gr.  371  finden  wir  das  andere  der  beiden 
Beispiele  von  IF.  6,  90 :  'got.  ahtuda  wohl  mit  ü,  aus  *ahtöu-da.  Ob  aber 
Brugmann  in  diesem  Lautübergang  noch  einen  mit  dem  Wandel  von  ei 
in  Cjj  parallelen  Vorgang  erblickt,  das  bezweifle  ich.  Cg,  wofür  im  Got. 
niemals  ei  geschrieben  wird,  hält  er  jetzt  für  einen  offeneren  Laut  als  e^ 
(a.  a.  0.  73  f.);  wenn  aber  das  ü  von  ahtüda  unmittelbar  aus  ö  entstanden 
ist  (was  B.  allerdings  nicht  ausdrückhch  sagt),  so  muß  dieses  ö  ein  sehr 
geschlossener  Vokal  gewesen  sein. 

2)  Meine  chronologische  Tabelle  a.  a.  0.  252  f.  ist,  wie  Eulenburg 
IF.  16,  40  bemerkt,  nicht  ganz  richtig.  Der  Übergang  von  e  in  i  vor  Nasal 
+  Kons,  und  derjenige  von  ei  in  T  haben  früher  stattgefunden  als  ich 
damals  annahm.  Daß  aber  Periode  I  und  II  von  einander  zu  trennen 
sind,  glaube  ich  auch  jetzt  noch.  Ich  gehe  hier  auf  diese  Fragen  nicht 
näher  ein,  weil  die  Einwände  Eulenburgs  nicht  den  Hauptpunkt  meines 
Aufsatzes  betreffen,  worauf  es  uns  jetzt  ankommt:  daß  der  Wandel  von 
0  in  a  älter  ist  als  der  von  ei  in  i. 


Ags.  CM,  an.  kyr.  395 

Hirt  Der  idg.  Akz.  133 ff.,  ühlenbeck  PBrß.  22,  545,  Pedersen 
KZ.  38,  301.  Wie  aus  diesem  Beispiel  hervorgeht,  wirken  in 
der  Lautgestalt  von  Wörtern  der  jetzigen  slav,  Diidekte  noch 
die  indogerm.  Quautitätsverhältnisse  nach.  Was  das  für  diese 
Frage  so  wichtige  Serbische  anbetrifft  vgl.  Leskien,  Die  Quantität 
im  Serbischen,  Abh.  d.  k.  sächs.  Ges.  d.  Wiss.  13,  550 ff. 

Könnte  nun  nicht  auch  im  Germ,  nach  der  Kürzung  der 
Langdiphthonge  ein  unterschied  zwischen  den  durch  Kürzung 
entstandenen  und  den  ursprünglichen  Kurzdiphthongen  geblieben 
sein?  Vielleicht  wäre  es  bei  dieser  Annahme  möglich,  das  bis 
jetzt  unerklärte  „Schwanken  von  alter  Kürze  und  neuer  Länge 
vor  der  Verbindung  von  r  -\-  Dental"  zu  erklären,  worauf  Be- 
haghel  PGr.  I^  692  aufmerksam  macht  (B.'s  Beispiele  sind: 
Färt  neben  Färt;  Arzt  neben  Jlrsf;  Schwert  neben  Schivert;  zart, 
aber  hart;  Herde,  aber  fertig).  Mir  ist  der  Gedanke  gekommen, 
ob  solche  Fälle  sich  nicht  für  einen  Teil  so  erklären  lassen,  daß 

—  ebenso  wie  im  Serbischen  —  die  Längen  aus  indogerm. 
Kurzdiphthongen,  dieKürzen  aber  ausindogerm.  Langdiphthongen  ^) 
entstanden  sind.  Ebenso  wie  im  Slavischen  könnten  auch  im 
Urgermanischen  den  verschiedenen  indogerm.  Quantitäten  ver- 
schiedene Akzentqualitäten  entsprochen  haben.  Es  ist  sehr 
schwierig,  hier  etwas  zu  beweisen.  Ich  habe  aus  mehreren  in 
den  letzten  Jahren  geschriebenen  Grammatiken  und  Wörter- 
büchern niederländischer  Dialekte  (denn  auch  hier  findet  man 
das  unaufgeklärte  „Schwanken  von  alter  Kürze  und  neuer  Länge") 
ein  ausführliches  Material  gesammelt.  Es  sind  Wörter  dabei, 
die  —  ebenso   wie  die  von  Behaghel  zitierten  Färt-Färt  usw. 

—  sowohl  mit  Kürze  wie  mit  Länge  vorkonunen,  z.  B.  ndl. 
staart  'Schwanz',  wofür  Van  de  Water  De  Volkstaal  in  het 
Oosten  van  de  Bommelerwaard  und  Van  Schothorst  Het  Dialect 

1)  Es  ist  natürlich  unmöglich,  zu  entscheiden,  worin  der  ursprüng- 
liche Unterschied  zwischen  den  sogen.  Lang- und  Kurzdiphthongen  bestanden 
hat.  War  es  bloß  ein  Quantitätsunterschied  ?  Oder  spielten  die  Intonationen, 
die, Akzentqualitäten  auch  eine  Rolle?  Vielleicht  sogar  die  Hauptrolle? 
Natürlich  läßt  sich  über  die  Natur  der  indogerm.  Intonationen  kaum  etwas 
sagen.  Wie  groß  ist  schon  der  Unterschied  zwischen  den  Intonationen  zweier 
so  nahe  verwandter  Sprachen  wie  das  Slavische  und  das  Baltische  (z.  B. 
lit.  vafnas:  slav.  *w6rnos;  lit.  värna:  slav.  *worna;  vgl.  Leskien  a.  a.  0. 
551  ff.)!  —  Sollte  das  oben  im  Texte  Bemerkte  richtig  sein,  so  läge  die 
Vermutung  nahe,  daß  der  Kurzdiphthong  von  hart  auf  einen  steigenden, 
die  Länge  von  zart  aber  auf  einen  fallenden  Laut  zurückgehe,  ebenso 
wie  serb.  vräna :  vrän. 


396  N.  van  Wijk, 

der  Noord-West-Veluwe  die  Form  start  haben,  Van  Weel  Het 
Dialect  van  West-Voorne  aber  stärta.  Auch  in  vielen  anderen 
Mundarten  finden  wir  bei  diesem  "Wort  die  Länge.  Bisweilen 
begegnen  wir  in  einer  Mundart  zwei  Formen:  Verschnür  Klankleer 
van  het  Noord-Bevelandsch  zitiert  e^rdar  neben  e^rdar  =  ndl. 
herder  'Hirt'.  Aber  die  meisten  hierhergehörigen  Wörter  haben 
überall  eine  und  dieselbe  Quantität.  Nur  sehr  wenige  von  ihnen 
können  umuittelbar  einer  in  einer  außergermanischen  Sprache 
vorliegenden  Form  gleichgestellt  werden,  und  daher  ist  es  in 
den  meisten  Fällen  unmöglich,  die  indogerm.  Grundform  zu 
bestimmen.  Ein  Wort  wie  baard  'Bart',  das  in  allen  von  mir 
berücksichtigten  Mundarten  langes  ä  hat,  könnte  mit  russ.  borodd, 
Akk.  börodu,  serb.  brdda.  brädu  verglichen  werden,  das  gewiß 
auf  eine  urslav.  Form  mit  fallendem  Ton  zurückgeht  und  also 
im  Indogermanischen  einen  Kurzdiphthong  gehabt  haben  wird; 
ebenso  ließe  sich  mit  hart  'Herz',  das  überall  eine  Kürze  zeigt, 
griech.  Kfip  vergleichen.  Aber  solche  Gleichungen  können  kaum 
etwas  beweisen,  weil  oft  neben  Formen  mit  Kurzdiphthong  ver- 
wandte Formen  mit  Langdiphthong  bestanden  (vgl.  das  oben- 
genannte idg.  *uornos  :  *uörnä) ;  und  es  wäre  sogar  möglich,  daß 
zu  den  auf  grundsprachliche  Verschiedenheiten  zurückgehenden 
Fällen  von  Intonationswechsel  noch  neue  getreten  wären,  auf 
ähnliche  Weise  wie  im  Slav.,  vgl.  z.  B.  Gen.  PI.  russ.  golöw^  cech. 
Mdv  neben  Nom.  Sg.  russ.  golowd^  cech.  hlava^  Akk.  russ.  gölowu 
(vgl.  Pedersen  KZ.  38,  301;  der  ganze  Aufsatz  Pedersens,  haupt- 
säclilich  der  erste  Teil,  bietet  ein  für  diese  Frage  sehr  interessantes 
Material).  Diese  Umstände  unterstützen  einerseits  unsere  Hypothese, 
indem  sie  das  Nebeneinander  von  start  :  stärt  usw.  begreiflich 
machen,  anderseits  aber  verbieten  sie  uns  auf  Grund  der  geringen 
Anzahl  von  Wörtern  wie  hart,  die  unmittelbar  mit  nicht-germ. 
Wörtern  verglichen  werden  können,  irgend  eine  Regel  aufzustellen. 
Was  diese  V-Diphthonge'  anbetrifft,  habe  ich  bloß  kurz 
meine  Ansicht  mitteilen  wollen;  die  Hauptsache  aber,  worauf 
es  hier  ankommt,  ist,  daß  der  Unterschied  zwischen  ursprüng- 
lichen Langdiphthongen  und  Kurzdiphthongen  auch  nach  der 
Kürzung  der  erstgenannten  noch  viele  Jahrhunderte  in  einer 
andern  Gestalt  erhalten  bleiben  kann.  Auch  wenn  wir  eine  ver- 
hältnismäßig frühe  Kürzung  von  germ.  öu  annehmen,  braucht 
also  das  neuentstandene  ou  nicht  mit  dem  bereits  vorhandenen 
ou  zusammengefallen  zu  sein,  und  die  Möglichkeit,  daß  es  zu  ü 


Ags.  cü,  an.  k^r.  397 

geworden  sei,  ist  kaum  zu  leugnen;  vielleicht  war  das  o  des 
ursprünglichen  öu  ein  geschlossenerer  Laut  als  das  andere.  Dann 
läge  diese  Annahme  noch  viel  näher. 

Woher  kommt  es  nun  aber,  daß  es  für  den  Wandel  von 
öu  in  ü  nicht  mehr  Beispiele  gibt?  —  Im  Urgermanischen  haben 
vermutlich  nur  sehr  wenige  Wörter  mit  öu  bestanden.  Unter 
gewissen  Bedingungen  war  das  u  schon  im  Indogermanischen  ge- 
schwunden. AUe  sind  darüber  einig,  daß  es,  wie  die  zweiten 
Komponenten  aller  gestoßenen  Langdiphthonge,  vor  tauto- 
syllabischem  m  schwand  (Akk.  *g¥ö?h  :  Nom.  *gu6us)]  außerdem 
müssen  wir  wohl  mit  Brugmann  annehmen  (Gr.  I^  203  Fußnote, 
K.  vgl.  Gr.  88),  daß  es  auch  am  Ende  einer  Silbe  fortgefallen  ist. 
Es  bleiben  also  nur  sehr  wenige  Fälle  übrig,  wo  der  Diphthong 
öu  unverändert  in  die  Einzelsprachen  hereingekommen  ist.  Die 
zwei  Beispiele,  die  Brugmann  Gr.  I^  210  anführt,  sind  das  hier 
besprochene  *gvöus  und  der  Dualausgang,  der  auf  germ.  Boden 
in  got.  ahtau^  an.  tiuxu  fortleben  soll.  Was  tuau  betrifft,  hierin 
brauchen  wir  keinen  alten  Dual  zu  sehen,  vgl.  Kock  PBrB.  1.5, 
250  f.,  dessen  Ansicht  ein  wenig  modifiziert  wurde  von  Walde 
Auslautgesetze  49,  der  aber  nur  die  Möglichkeit  dieser  Deutung 
(twa  +  u)  anerkennt.  Van  Selten  IF.  18,  87  mit  Fußnote  3.  Aber 
auch  wenn  die  Herleitung  von  tuau  aus  "^duöu  richtig  ist,  so 
beweist  sie  noch  nichts  für  öu  in  einer  geschlossenen  Silbe  (oder 
in  einer  IVIittelsilbe).  Auch  Brugmann,  der  IF.  6,  90  das  ü  von 
ags.  cü  und  got.  ahtüda  aus  ö  <  ö«  herleitet,  muß  für  dieses  öu 
eine  andere  Entwicklung  annehmen  als  für  dasjenige  von  *o/äöu. 

Entwickelte  sich  im  ürgermanischen  aus  öu  stets  ü  (ab- 
gesehen vom  Auslaut)?  Davon  ist  nichts  Sicheres  zu  sagen.  — 
Viele  nehmen  an,  daß  germ.  e^  in  einigen  Wörtern  auf  ei  zurück- 
geht, vgl.  Brugmann  K.  vgl.  Gr.  7  3  f.  und  die  dort  verzeichnete 
Literatur.  Wenn  diese  Annahme  richtig  ist,  dürften  wir  auch 
ein  unter  gewissen  Bedingungen  aus  öu  entstandenes  ö^  er- 
warten. Dieser  Laut  wäre  im  Nord-  und  Westgermanischen  wohl 
mit  öl  zusammengefallen;  darauf  weist  der  Parallelismus  von 
#2  und  öl  hin.  Wenn  im  Gotischen  zur  Zeit  Wulfilas  noch  ein 
Unterschied  zwischen  e^  und  e^  bestanden  hat  (vgl.  Brugmann 
a.  a.  0.),  so  wäre  etwas  Ähnliches  für  öj  und  ög  zu  erwarten;  aus 
den  Texten  aber  ließe  sich  kaum  bestimmen,  welche  Wörter  öj, 
A\ eiche  Ö2  haben:  ebenso  wie  in  den  meisten  Fällen  sowohl  gj 
wie  e.2  durch  das  Zeichen  e  vorgestellt  werden,  sollte  man  ö  er- 


398  A.  Leskien,  Altkirchenslavisches  ojimim. 

warten  als  die  gewöhnliche  Schreibart  für  die  beiden  ö-Laute, 
für  das  in  der  urgerm.  Periode  aus  öu  entstandene  Ö2  sowie  für 
das  ältere  öj,  —  das  man  u.  a.  in  solchen  Bildungen  findet,  wo 
schon  in  indogerm.  Zeit  der  Diphthong  öu  seinen  zweiten  Kompo- 
nenten eingebüßt  hat. 

Im  Vorhergehenden  habe  ich  auseinandergesetzt,  auf  welche 
Weise  ich  mir  vorstelle,  daß  germ.  *küz  aus  idg.  "^gvöus  entstanden 
ist.  Daß  ags.  cw,  an.  Akk.  kü  nicht  den  indogerm.  Nom.,  sondern  den 
Akk.  *gvöfh  fortsetzen  sollte,  wie  u.  a.  Streitberg  Urgerm.  Gr.  205 
annimmt,  kann  ich  nicht  glauben.  Es  gibt  freilich  Wörter,  wo 
ags.  und  an.  auslautendes  ü  in  einsilbigen  Wörtern  aus  ö  ent- 
standen sein  könnte,  z.  B.  das  an.  Pronomen  sm,  das  von  Noreen 
PGr.  12  620  und  Van  Helfen  IE.  18,  87  auf  diese  Weise  erklärt 
wird.  Ebenso  ags.  tü^  aschw,  tu,  die  =  idg.  *duö  sein  können; 
vgl.  u.  a.  Sievers  Ags.  Gr. »  28,  Van  Helfen  IF.  18,  88;  ags.  hü, 
das  vielleicht  aus  *hwö  entstanden  ist  (vgl.  u.  a.  Sievers  Ags. 
Gr.  ^  28).  Auch  ags.  bti  kann  auf  diese  Weise  erklärt  werden, 
allerdings  könnte  hier  auch  Beeinflussung  durch  tu  angenommen 
werden.  In  all  diesen  Wörtern  haben  wir  es,  wenn  diese  Er- 
klärung richtig  ist,  mit  Formen  auf  urgerm.  -ö  zu  tun  und  der 
Wandel  von  -ö  in  -ü  entspricht  dem  von  unbetontem  auslauten- 
dem -ö  in  -u.  Der  Akk.  von  *gvou-  hat  aber  niemals  den  Aus- 
laut -6  gehabt,  sondern  -öfh.  Wenn  wir  nun  die  Formen  mit 
ursprünglichem  unbetontem  -öm  zur  Vergleichung  heranziehen 
(Gen.  Plur.  an.  daga,  ags.  daga,  ahd.  tago),  so  ergibt  sich,  daß 
dieser  Ausgang  nirgends  zu  -ü  geworden  ist;  wo  sich  die  Qualität 
des  Vokales  ändert,  wird  dieser  zu  einem  offeneren  Laut.  Weshalb 
sollten  wir  nun  für  haupttoniges  -öm  die  entgegengesetzte  Ent- 
wicklung annehmen,  zumal  da  sich  auf  eine  andere  Weise  die 
vorliegenden  Formen  ganz  einfach  erklären  lassen? 

Goes.  N.  van  Wijk. 


AltkirchensLavisches  ojimim. 

In  altkirchenslavischen  Denkmälern  findet  sich  das  Wort 
ojhmim,  pl.  ojimi  in  der  Bedeutung  'Krieger',  so  mehrmals  im 
Codex  Suprasliensis.  Der  Stamm  ist  ojhmo-,  davon  der  Plural; 
-im  im  Singular  das  bekannte  individualisierende  Suffix,  das  den 


K.  Brugmann,  Griech.  ocrpüc.  399 

ZU  einem  Stande,  einer  Klasse,  einer  Einwohnerschaft  Gehörenden 
bezeichnet,  vgl.  graidan-im  'Bürger,  Stadtbewohner',  pl.  graMan-e. 
Nimmt  man  in  ojtmo-  das  o-  als  Präposition,  so  kann  sich  jhmo- 
vollständig  mit  vedischem  yudhmä-  decken  ('Kämpfer');  aus  *jddmo- 
muß  *jhmo-  werden,  o-ßmo-  würde  also  den  'Ankärapfer'  be- 
deuten. Die  "Wurzel  judh-,  im  Litauischen  [jundii  jüsti  usw.)  sehr 
verbreitet,  findet  sich  im  Slavischen,  wie  es  scheint,  sonst  nicht. 
Leipzig.  A.  Leskien. 


Grriech.  öctpuc. 


Gewiß  richtig  nimmt  mau  seit  langem  an,  daß  die  Feminina 
ocTpuc  -uoc  und  ocxpus,  die  eine  Buchenart  mit  hartem  hellem 
Holz  bezeichnen  (Theophr.  h.  pl.  3,  10,  3),  mit  ocreov  'Knochen', 
öcTpaKov  'harte  Schale  von  Krebsen,  Scherbe',  öcrpeov  'Muschel, 
Auster',  dcrpdYaXoc  'Wirbelknochen,  Knöchel,  Würfel'  zusammen- 
hängen. Auch  wird  man  gerne  Prellwitz  Et.  "Wtb.^  341  darin 
folgen,  daß  er  im  Schlußteil  eine  Form  von  öpöc  sucht,  so  daß 
'Beinbaum'  die  Grundbedeutung  gewesen  wäre.  Nur  ist  die  von 
ihm  angesetzte  Grundform  *osth-dru-s  doch  wohl  mißglückt. 

Neben  ai.  dsthi :  asthn-ds^  griech.  ocreov  (aus  *öcTeiov),  öcxaKÖc 
dcTttKÖc  (aus  *6cTn-K0-)  weisen  die  p-Formen  wie  öcrpeov  auf  ein 
Paradigma  mit  -r  im  Nom.  Akk.  Sing.,  wie  ai.  üdhar  :  udhn-as^ 
hin  (vgl.  Meringer  Beitr.  zur  Gesch.  d.  idg.  Dekl.,  Wien  1891,  S.  10, 
Johansson  Beitr.  zur  griech.  Sprachk.  8f.)^).  So  nun,  wie  uöpo- 
TTorric  neben  üöuup,  veupo-crracroc  neben  aw.  snävar^  (veOpov), 
oüpo-ÖOKr)  neben  ai.  vär  (oupov)  liegt,  darf  man  ein  *öcrpo-öpuc 
erwarten.  Hieraus  durch  haplologische  Kürzung  öcrpuc,  vgl.  ötti- 
cöevap  'Handrücken'  =  *öiTic6o-9evap,  Kußicrric  'Gaukler'  =  *Kußi- 
crrirrjc,  rerpaxinov  'vier  Drachmen'  =  rerpd-öpax^ov. 

1)  Zugleich  mag  es  einen  Nom.  Akk.  Sing,  nach  Art  von  ai.  dsfk 
neben  Gen.  asn-ds  gegeben  haben.  Dies  wird  durch  öcrpaKov  und  öcxpa- 
Ya\oc  nahe  gelegt. 

Leipzig.  K.  Brugmann. 


400  K.  Brugmann,  Die  lit.  Verbalabstrakta  auf  -imas. 


Die  lit.  Terbalabstrakta  auf  -imas. 

Diese  Verbalabstrakta  sind  ihrer  Entstehung  nach  noch  nicht 
richtig  erklärt.  Denn  die  Annahme  von  Mühlenbach  IF.  17,  402  ff., 
vezimas  sei  Umbildung  eines  *vezinas,  schwebt  ganz  in  der  Luft. 

Das  -ma-  von  vezimas  war  von  Haus  aus  Sekundärforraans 
wie  das  von  grazu-ma-s  'Schönheit'  (zu  grazüs  'schön')  und  wie 
das  von^'Mc?zw2as 'Schwärze'  {ziijudas  'schwarz').,  jaunlmas  'Jugend- 
geseUschaft'  {znjdunas  'jung')  u.  dgl.  (Leskien  Nom.  430).  jüdimas 
kommt  zunächst  von  jüdis  'Schwärze',  auksztimai  'Mieder'  von 
aühsztis  'Höhe',  und  zwar  geschah  die  Ableitung  mittels  -ma-  in 
einer  Zeit,  als  diese  Maskulina  auf  -is  noch  der  «-Deklination 
folgten  (Verf.  Grundr.  2^,  1,  172 f.  197).  So  gehört  denn  auch 
z.  B.  rezglmas  'Stricken'  zu  rezgis  'Gestricktes',  edtmas  Tressen' 
zu  idis  'Fraß',  hegimas  'Laufen'  zu  hegis  'Lauf,  und  die  Funktion 
des  Ausgangs  -imas  als  Primärformans  —  solche  Abstrakta  waren 
von  jedem  beliebigen  Verbum  bildbar  —  kam  dadurch  zustande, 
daß  die  genannten  Formen  direkt  auf  das  Verbum,  auf  rezgü, 
Sdu,  begu,  bezogen  wurden.  Wegen  des  Anschlusses  der  -imas- 
Bildung  im  Wurzelvokal  an  das  Präteritiun  vgl.  z.  B.  gerimas 
gSriau  und  geris^  skgrimas  skyriau  und  skyris. 

Ein  höheres  Alter  wird  diesem  Typus  verbürgt  durch 
preuß.  aucktimmien  Akk.  'Vorsteher'  aucktimmiskü  'Obrigkeit',  von 
*aukiis  =  lit.  auksztis.  Vermutlich  sind  auch  lit.  tölimas  'entfernt' 
auf  tölis  'Entfernung'  und  preuß.  Adv.  ilgimai  ilgimi  'lange'  auf 
ein  *ilgis  =  lit.  ilgis  'Länge'  [ilgas)  zu  beziehen,  was  denn  weiter 
die  slav.  Adverbia  auf  -ma -mi  wie  tohma  tohmi (Leskien Hdb.*  105) 
aufklärt.  Außerhalb  des  Balt.-Slav.  vgl.  griech.  qpuSi|uoc,  KdX\i)aoc, 
Itu)lioc,  lat.  victima,  lacruma^  aw.  daJiyuma-  zantuma-. 

Leipzig.  K.  Brugmann. 


Berichtigung. 

Seite  232  Zeile  8  von  unten  lies :  S.  228  statt  S.  328. 


R.  Meringer,  Wörter  und  Sachen.    IV. 


4m 


Wörter  und  Sachen. 

IV 1). 
Mit  31  Abbildungen  im  Text. 

Das  Schlittenhaus.  —  Aksl.  veza. 

Ich   führe   hier   nur   das   in   IF.  18,   207   Anm.  2   Ange- 
deutete näher  aus. 

Math.  Murko  war  es,  der  mir  die  erste  Nachricht,  daß  es  in 
der  He^egowina  bewegliche  Häuser  gebe,  überbrachte.  Er  selbst 
hatte  sie  auf  seiner 
letzten  Reise  ge- 
sehen und  eines 
auch  betreten  und 
innen  besichtigt. 
Ich  kombinierte 
diese  Nachricht — 
ohne  noch  ein  Bild 

der  fraglichen 
Häuser  zu  haben 
—    mit    anderen, 
wie  mir  schien,  da- 
zugehörigen,   so-        r 
wie  mit  den  bau-    ^\J 
liehen  Überresten 
lykischer    Kultur 
und    machte    da- 
rüber a.  a.  0.  eine  vorläufige  Mtteilung. 

Später  erhielt  ich  von  Mathias  Mnrkos  Bruder,  Herrn 
Michael  Murko,  dz.  Bezirksvorstand  von  Gracko  in  der  Herzego- 
wina, Pläne,  Photographien  und  nähere  Mitteilungen.  Mathias 
Murko  war  mir  in  bezug  auf  die  literarischen  Nachrichten  über 
das  südslavische  Schlittenkufenhaus  behilflich,  sodaß  ich  schon 
jetzt  ein  genügendes  Material  vorlegen  kann,  das  die  Grundlage 
weiterer  Nachforschungen  zu  bilden  geeignet  ist. 

1)  Die  Fig.  1—5,  7—11,  U,  15  hat  Maler  Professor  A.  v.  Schrötter 
gezeichnet.  Die  Fig.  20,  21  hat  J.  R.  Bunker  in  Ödenburg  für  mich  kopiert. 
Die  Photographien  hat  Herr  stud.  phil.  Pogatscher  angefertigt.  Die  einfachen 
Zeichnungen  rühren  von  mir  her.  Die  Cliches  von  Fig.  26,  28,  30  hat  die 
Anthropol.  Gesellschaft  in  Wien  zur  Verfügung  gestellt. 

Indogermanische  Forschungen  XIX.  27 


Fig.  1. 
Das  bewegliche  Schlittenhaus  von  Gacko  (Herzegowina). 


402 


R.  Meringer, 


Die    Konstruktion    des    herzegowinischen    Schlittenkufen- 
hauses zeigt  Fig.  1  in  der  Seitenansicht»),  Fig.  2  im  Grundriß, 

Fig.  3  im  senk- 
rechten Schnitt, 
während    Fig.  4 

die  Dachkon- 
struktiou    bringt 
imd  zwar  in  der 

horizontalen 
Projektion  sowie 
Fig.  3  in  der  ver- 
tikalen. 

Die  Zeich- 
nungen erklären 
sich  von  selbst. 
Zu  Fig.  2  will 
ich  jedoch  zu  völ- 
ligerKlarstellung 


Fig.  2. 
Grundriß  des  Sclilittenliauses  von  Gacko. 


bemerken,  daß  S 
Si  die  eigent- 
lichen Schlittenkufenbalken  sind,  auf  denen  das  Häuschen  (Maßstab 
1 :  50)  ruht,  daß  die 
Querbalken  Q  Qi  diese 
in  einer  Weise  durch- 
dringen wie  Fig.  1 
zeigt  und  daß  das 
Herausgleiten  dieser 

Querbalken  durch 
Keile  (überall  mit  K 
bezeichnet)     verhin- 
dert wird. 

Auf  diese  Kon- 
struktionsteile  lege 
ich  natürlich  beson- 
•ders  Gewicht. 

In  die  vier  Grund- 
iDalken  S  Si  Q  Qi 
sind    in    den   Ecken 


jScAnctt  ^2 


Fig.  3. 
Senkrechter  Schnitt  durch  das  Schiitteuhaus  von  Gacko. 


1)  Das  Loch  vorne  in  den  Kufen  dient  wohl  zum  Durchstecken  einer 
Stange,  an  der  die  Zugleinen  befestigt  werden.  Vgl.  den  ägyptischen  Schlitten 


Wörter  und  Sachen.    IV. 


403 


(und  neben  der  Tür)  kurze  senkrechte  Balken  eingelassen.  Die 
Wände  werden  von  dünnen  Stangen  und  Flechtwerk  gebildet. 
Das  Dach  ist  sehr  hoch  wie  beim  richtigen  bosnischen  Hause. 
Der  Firstbalken  C  endet 
unten  in  einer  Yerschnei- 
dung  auf  einem  querlie- 
genden Balken,  geht  also 
nicht  bis  auf  den  Boden 
herab,  wie  mir  auf  beson- 
dere Anfrage  von  Mich. 
Murko  mitgeteilt  wird. 

Die  Fig.  5  ist  nach 
einer  Photographie  ge- 
macht und  diese  wurde 
auch  (wie  andere  Auf- 
nahmen derselben  Szene) 
auf  A  n  si  c  h  ts  k  ar  t  e  n  ver- 
wendet. Man  sieht  auf  der 
wohlgelungenen  Original- 
photographie  das  Haus 
auf     seiner    Wanderung 

über  steiniges   Grasland  von  5  Paar  Ochsen  gezogen.    In   der 
Ferne  Hügel. 

Das  Häuschen  der  Fig.  5  weicht  darin  von  Fig.  1  ab,  daß 
sein  Dach  vorne  und  rückwärts  vorgebaut  auf  Holzsäulen  ruht, 


Fig.  4. 

Dachstuhil  des  Schiitteuhauses  vou  Gacko  iu 

horizoutaU'r  Projektion. 


Fig.  5. 
Ein  Schlittenhaus  auf  der  Fahrt  (Herzegowina). 

sodaß   eine  Art  Vorder-   und  Hinterlaube  entsteht.    Die  Kufen 
haben  ferner  nicht  die  Löcher,  welche  Fig.  1  zeigt. 


bei  Ginzrot  Die  Wägen  und  Fahrwerke  usw.  Taf.  I  A  Fig.  8.  In  Fig.  5  fehlt 
dieses  Loch,  die  Stricke  sind  anders  befestigt.  Das  Loch  in  den  Kufen 
findet  sich  auch  beim  rumänischen  SchUtten  Dame  Incercare  S.  22  Fig.  9. 

27* 


■404  R.  Meringer, 

Ich  legte  nun  Herrn  Mich.  Murko  folgende  Fragen  vor: 

1.  Warum  und  wann  werden  diese  Häuser  bewegt? 

2.  Wie  ist  ihre  innere  Einrichtung  beschaffen? 

3.  Welchen  Namen  haben  sie  im  Yolksmunde? 

Es  dünkt  mich  das  Beste  zu  sein,  die  Antwort  Mich. 
Mnrkos  ad  verbum  hieher  zu  setzen: 

Ad  1.  Das  Verführen  der  beweglichen  Hütten  ist  eine 
Folge  der  primitiven,  aber  doch  den  Verhältnissen  sehr  praktisch 
angepaßten  Wirtschaftsführung  der  hiesigen  Bevölkerung,  welche 
sich  bis  in  die  jüngste  Zeit  in  erster  Linie  mit  der  Viehzucht 
und  nur  fast  nebenbei  mit  dem  Ackerbau  beschäftigt  hat.  In- 
folge der  starken  Zunahme  der  Bevölkerung  und  noch  mehr  in- 
folge der  erhöhten  Lebensbedürfnisse  derselben  tritt  der  Ackerbau 
immer  mehr  und  mehr  in  den  Vordergrund,  und  da  derselbe 
vorerst  noch  mehr  extensiv  als  intensiv  betrieben  wird,  so  Avird 
die  ausgedehnte  freie  Weide  von  Tag  zu  Tag  geschmälert. 

Durch  das  Fortschreiten  dieses  Entwicklungsprozesses  und 
die  Einführung  einer  intensiven  und  rationellen  Landwirtschaft 
mit  Stallfütterung  werden  auch  die  beweglichen  Kolibas  immer 
mehr  verdrängt.  Dieselben  werden,  wie  dies  in  andern  Toljes' 
bereits  längst  geschehen  ist,  auch  aus  dem  'Grackopolje'  in  ab- 
sehbarer Zeit  verschwinden  und  auf  die  Hochalpen  beschränkt 
bleiben. 

Heute  aber  basiert  noch  die  Viehzucht  auf  der  noch  immer 
auch  im  Polje  ziemlich  ausgedehnten,  freien  und  unbeschränkten 
Weide,  indem  das  Vieh  das  ganze  Jahr  hindurch  mit  Ausnahme 
der  Tage,  an  welchen  eine  tiefe  Schneedecke  den  ganzen 
Boden  bedeckt,  zur  Weide  getrieben  wird. 

Die  Beschränkung  der  Stallfütterung  —  ohne  Einstreu  — 
auf  einige  Wochen  zur  Zeit  des  strengsten  Winters,  zieht  jedoch 
den  Übelstand  nach  sich,  daß  sehr  wenig  Stalldünger  — 
welcher  bei  der  Indolenz  der  hiesigen  Bevölkerung  übrigens 
auch  zumeist  erst  infolge  einer  sanitätspolizeilichen  Verfügung 
auf  die  Felder  geführt  wird  —  erzeugt  Avird.  Diesem  Übel- 
stande  begegnet  die  hiesige  Bevölkerung  auf  eine  sehr 
bequeme  und  primitive,  aber  doch  recht  zweckent- 
sprechende Weise  durch  das  Pferchen  (torenje  —  toriti) 
der  Felder. 

Da  nun  eine  Düngung  durch  Pferchen  für  3  —  4 
Jahre   genügt,   so    Avird    der    'tor'    in    einem   gcAvissen 


Wörter  und  Sachen.   IV.  405 

Turnus  jedes  Jahr  auf  einem  andern  Felde  errichtet; 

—  und   dies   ist   der  G-rund   der  Benützung   und  Yer- 
führung  der  fahrbaren  Kolibas. 

Neben  dem  'tor',  in  Avelchem  das  Yieh  —  abteilungsweise 
nach  Klein-  und  Großvieh  etc.  —  während  der  Nacht  und  auch 
während  der  größten  Mittagshitze  lagert  und  welcher  zwecks 
Düngung  des  Feldes  nach  Verlauf  v(3n  einigen  Tagen  immer 
weiter  gerückt  wird,  wird  nämlich  eine  Hütte  [koliba)  als  Wohnung 
für  die  Hirten  und  Sennerinnen  {planistarka)  sowie  zur  Unter- 
bringung der  gewonnenen  Milchprodukte  errichtet.  Da  während 
der  heißen  Jahreszeit  fast  die  ganze  Familie  mit  Kind  und  Kegel 
diese  luftigen  Sommerwohnungen  zu  beziehen  pflegt,  so  errichten 
stärkere  Familien  bei  ihren  'tors'  auch  zwei  bis  drei  solcher  Kolibas. 

Dem  Obigen  zufolge  werden  die  Kolibas  im  Frühjahr 
zAvischen  Mitte  April  und  Mitte  Juni  auf  die  zu  pferchenden 
Felder  verführt  und  bleiben  dort  bis  tief  in  den  Spätherbst. 

Während  des  Winters  verbleiben  sie  entweder  auf  den 
Feldern  oder  werden  im  Bedarfsfalle  in  die  Ortschaft  verführt, 
in  der  Nähe  des  Wohnhauses  aufgestellt  und  meist  zur  Ein- 
lagerung von  Heu  und  Stroh,  aber  auch  zur  Unterbringung  des 
Viehes  benützt. 

Ad  2.  Schon  aus  dem  Vorgesagten  erhellt,  daß  die  als 
Wohnstätten  dienenden  Kolibas  —  die  als  Vorratskammern  sind 
natürlich  leer  —  soweit  es  der  beschränkte  Raum  gestattet,  mit 
all  dem  geringen  Komfort  der  hiesigen  Bevölkerung  ausgestattet 
sind.  In  der  Mitte  derselben  befindet  sich  der  Herd  [ognjiste  — 
meist  festgestampfter  Lehm)  mit  dem  obligaten  Kessel  und  längst 
der  Wände  die  Schlafstellen  [minder),  welche  aus  Easenstücken, 
die  mit  Teppichen  oder  auch  nur  alten  Säcken  und  anderem 
Zeug  bedeckt  werden,  gebildet  sind. 

Ad  3.  Eine  solche  bewegliche  Sommerhütte  {Ijetna  koliba) 
heißt  povozna  koliba,  die  Schlittenkufe,  welche  das  Verfülu'en 
(Gleiten)  der  Koliba  ermöglicht  —  povoznica. 

Solche  Kolibas  kommen  außer  Gacko  auch  im  angrenzenden 
Teile  des  Bezirkes  Nevesinje  und  wohl  auch  des  Bezirkes  Foca 

—  sicher  weiß  ich  es  nicht  —  und  auf  der  Hochalpe  Vlasic 
bei  Travnik  vor. 

So  lautet  der  Bericht  Mich.  Murkos.  Ich  denke,  daß  die 
Wissenschaft  sich  meinem  persönlichen  Danke  für  diese  überaus 
wertvollen  Darlegungen  gerne  anschließen  wird. 


406  R.  Meringer, 

Und  nun  zu  den  bisher  veröffentlichten  literarischen  Nach- 
richten über  das  bewegliche  Haus  in  deu  anderen  südslavischen 
Landern. 

St.  Novakovic  Selo  ('Glas'  der  königl.  serb.  Akademie  XXIV) 
S.  140  berichtet: 

".  .  .  In  einem  solchen  Zustande  ist  auch  die  Bauernbe- 
völkerung sehr  unstät  geworden.  Die  Häuser  waren  klein,  ärm- 
lich und  beweglich  {pokretan).  Auch  heute  heißt  überall  in 
den  Dörfern  jener  Bau  (suchota),  in  dessen  Mitte  der  Herd  ist, 
kuca  ('Haus').  In  Nisch  und  in  den  Städten  hat  kuca  ebendieselbe 
Bedeutung.  Die  heutige  Bedeutung  von  kuca  ist  neueren  Ur- 
sprungs und  das,  was  heute  in  unseren  Städten  kuce  genannt 
wird,  hieß  in  alter  Zeit  palate.  Die  Dorfhäuser  begnügten  sich 
mit  dem  unumgänglich  Notwendigsten  und  sind  so  gebaut,  daß 
sie  häufig  übertragen  und  von  einem  Ort  zum  andern 
geschleppt  (prevuci)  werden  konnten.  (Dazu  die  Anmerkung: 
Ich  erinnere  mich  aus  meiner  Jugendzeit,  daß  es  noch  in  der 
Macva  [an  der  Donau  R.  M.]  Häuser  gab,  die  von  einem  Ort 
zum  andern  mit  Ochsen  überführt  wurden  .  .  .).  Schon  das 
erleichterte  die  Übersiedelungen.  Es  fanden  aber  auch  Über- 
siedelungen ohne  Rücksicht  darauf  in  ganzen  Haufen  statt,  so- 
daß  ganze  Dörfer  leer  blieben  .  .  ." 

R.  T.  Nikolic  'Wranjska  Pcinja'  im  Srpski  Etnografski 
Zbomik  5,  130 *)  berichtet: 

"Häuser  auf  untergelegten  Balken  {na  podvalama). 
Solche  Häuser  bauen  heute  nur  die  ärmsten  Bewohner  und  zwar 
meistens  in  den  untern  Dörfern.  Diese  Häuser  haben  die  Ge- 
stalt eines  Rechtecks  2).  Statt  eines  Fundaments  haben  sie  als 
Basis  vier  Balken  (grede),  genannt  podvale%  zwei  Längsbalken 
von  7 — 8  Schritten  und  zwei  Querbalken  von  4 — 5  Schritten. 
Auf  den  podvale  ist  mit  Hülfe  von  Stangen  {koc)  und  Ruthen 
{prut)  ein  Flechtwerk  {plot)  errichtet,  beworfen  mit  Kot  {hlatö) 
von  IV2 — 2  m  Höhe*).  Über  dem  Flechtwerke  sind  vier  Balken 
ipoplotnice) ,  welche  den  p)odvale  (unten)  entsprechen.  Auf  die 
poplotnice  werden  Balken  gelegt:  tavanke  und  kucne  grede;  die 

1)  M.  Murko  Mitteil,  der  Anthrop.  Ges.  Wien  35  (1905)  S.  325. 

2)  Also  abweichend  von  Fig.  2,  das  quadratischen  Grundriß  hat. 

3)  Heißen  wirklich  alle  vier  Balken  podvale,  oder  nur  die  zwei 
kufenförmigen  ?  ? 

4)  Wieder  abweichend  vom  hcrzegowinischen  Hause,  dessen  Wände 
nicht  beworfen  sind. 


Wörter  und  Sachen.    IV.  4ffT 

tavanke  sind  über  der  Stube  {sohice),  die  kucne  grede  über  dem 
Herdraum  {kuca).  An  die  jMplotnice  werden  glace  genannte  Balken, 
angelehnt  (Sparren),  welche  sich  oben  am  Firste  vereinigen; 
je  zwei  von  ihnen  durch  'pojante  verbunden  i).  Die  Enden  des- 
Hausfirstes  heißen  r^njaci.  Über  den  Sparren  {glave)  gibt  es- 
latnje  (Latten,  Pfetten),  über  ihnen  ßuthen  [prut)  von  Haselnuß- 
und  Eschenstauden  imd  darüber  Stroh. 

Die  Teile  eines  solchen  Baus  sind  kuca  und  sobice\  jeden- 
falls gab  es  ursprünglich  nur  die  kuca  ohne  sohice^).  In  der 
kuca  steht  der  Herd  nahe  der  Wand  {zid).  In  der  kuca  wird 
wie  überall  Teig  geknetet,  gekocht  und  werden  die  häiislichen 
Arbeiten  verrichtet;  im  Winter  schläft  man  auch  um  den  Herd 
und  in  der  kleinen  Stube  {sobice\  welche  auch  für  Cläste  dient  2). 
Diese  Häuser  haben  keinen  Rauchfang,  der  Rauch  geht  durch 
das  Stroh  des  Daches.  Die  Dächer  sind  hoch.  .  ,  .  Türen  gibt  es- 
eine  oder  zwei  (an  einer  oder  beiden  Längsseiten,  in  die  kuca 
führend).  Anstatt  eines  Fensters  ist  eine  einfache  Öffnung  [prost 
otvor)  an  der  Wand  nach  dem  Hofe  zu  vorhanden.  Über  dem 
Herde  ist  ein  Boden  (eine  Decke),  pod  oder  lesa  genannt,  an 
Stelle  eines  tavan  (Plafond),  geflochten  aus  Haselruten^).  Darauf 
wird  gewöhnlich  Kukurutz  aufbewahrt. 

Diese  Häuser  wurden  nach  der  Tradition  von  einem 
Ort  zum  andern  bewegt  (oder  \ erschoheü.' :  pomerati  =  pomi- 
jerati).  Die  Enden  der  podvale  sind  über  das  Flechtwerk 
hinaus  verlängert^),  und  es  hat  den  Anschein,  als  ob 
das  Haus  auf  Schlittenkufen  stünde  .  .  ."  {krajewi  su  pod- 
vala  van  plota  produzeni,  te  izgleda  kao  da  je  kuca  na  saonicama  . . .). 

Was  ich  zu  diesen  Berichten  zu  sagen  habe,  wurde  bereits 
der  Kürze  halber  in  den  Anmerkungen  beigefügt. 

Ich  konstatiere  aber  noch  ausdrücklich,  daß  wir  hier  aus 
ursprünglich   beweglichen  Schlittenhäusern   entstandene   feste, 


1)  Vgl.  die  Stangen  E  in  Fig.  3. 

2)  Wie  das  herzegounnische  Schlittenhaus  zeigt. 

.3)  Das  Stäbchen  ist  also  wie  überall  ein  Kulturraum;  von  einem- 
darin  vorhandenen  Ofen  erfahren  wir  nichts,  er  fehlt  offenbar. 

4)  Ich  habe  in  den  Wissenschaftl.  Mitteil,  aus  Bosnien  und  der  Her- 
zegowina 7,  267  einen  solchen  tavandzih  beschrieben.  Diese  Decke  befand 
sich  aber  nicht  auf  der  Herdseite,  sondern  auf  der  gegenüberliegenden 
und  war  aus  Brettchen  in  derselben  Weise  zusammengesetzt  wie  Stephani 
Der  älteste  deutsche  Wohnbau  1,  362  den  altnordischen  Spundbau  zeichnet.. 

5)  Doch  nicht  von  allen  vieren !  ? 


408  R.  Meringer, 

uube weglich  gewordene  Häuser  vor  uns  haben,  welche  das 
Merkmal  der  ehemaligen  Beweglichkeit,  die  Schlittenkufen, 
noch  zeigen.  Ich  konstatiere  weiter,  daß  diese  fest  gewordenen 
Sohlittenhäuser  eine  Weiterentwicklung  gegenüber  den  noch 
immer  beweglichen  herzegowinischen  Häusern  insoferne  durch- 
gemacht haben,  daß  sie  einen  kleinen  Kulturraum,  die  sohice^ 
das  Stübchen,  erhalten  haben. 

Es  ist  denkbar,  daß  dieser  Zuwachs  die  Ursache  des  nun- 
mehr oblongen  Grundrisses  bildete. 

Meine  Fig.  6  reproduziert  die  Fig.  34  bei  Cvijic  Naselja 
srpskich  zemalja  I  Atlas  Taf.  XXHI  Fig.  34.  Das  Bild  konterfeit 
ein  Haus  aus  dem  östlichen  Montenegro,  und 
verdient  unseren  Dank,  wenn  es  auch  recht 
ungenau  ist.  Vor  Allem  wäre  festzustellen,  ob 
■^jw-fc'^:^-^?^  der  Zeichner  nicht  irrtümlich  eine  Art  Fenster 
aus  der  Tür  gemacht  hat.  So  kleine  und  hoch- 

Fig.  6.  ^ 

Ein  schiittenhaus  aus  angebrachte  Türen   kenne  ich   sonst  bloß   bei 

Montenegro.  'Feldkastcn. 

Auch  Mathias  Murko  hat  in  einer  höchst  wertvollen  in 
den  Mitth.  der  Anthropol.  Ges.  Wien  35  (1905)  beginnenden 
Arbeit  auf  die  Schlittenhäuser  sein  Augenmerk  gerichtet '). 

'In  voller  Blüte',  sagt  Math.  Murko,  steht  die  Almeuwirt- 
schaft  noch  im  Hochgebirge  von  Montenegro  .  .  .  Hier  hat  jedes 
Dorf  in  einer  Entfernung  von  5 — 6,  aber  auch  nur  einer  Stunde 
seinen  katun^  wohin  das  Vieh  im  Sommer  getrieben  wird  und 
jedes  Haus  seinen  stan,  deren  es  10 — 30  in  einer  Gruppe  gibt. 
Die  Sennhütte  (stow,  koliba^  glada\  welche  von  Hürden  und 
Nebengebäuden  umgeben  ist,  ist  ein  viereckiger,  länglicher  Bau 
aus  Holz,  der  Gegend  entsprechend  manchmal  auch  aus  Stein, 
besteht  aus  einem  Herdraume  und  einer  Milchkammer  {mlijecn- 
jak\  die  aber  nicht  immer  vorkommt,  sodaß  auch  die  Milch  im 
Herdraume  aufbewahrt  wird,  oder  man  baut  einen  besonderen 
Milchraum  {mUjekar  in  Drobnjak).  Stan  heißt  auch  ein  auf 
Schlitten  gestellter  Bau  aus  Flechtwerk,  der  im  Frühjahre  von 
einem  Ochsenpaare  auf  die  Berge  geführt  wird  und  zur  Auf- 
bewahrung der  Milchprodukte  dient.  Schlittenartig  ist  auch  die 
kucara  (mit  einer  Abart  priiHna)  die  der  Hirt  beim  Wechseln 

1)  'Zur  Geschichte  des  volkstümlichen  Hauses  bei  den  Südslaven' 
I,  II  a.  a.  0.  S.  308  ff.  Ich  zitiere  die  obige  Stelle  nach  dem  Bürstenabzug 
von  Abschnitt  III,  den  der  Jahrgang  1906  bringt.    [S.  36  f.  C.  N.] 


Wörter  und  Sachen.    IV.  409 

der  Hürde   transportieren  kann;    er  schläft   darin  im   Sommer 
bequemer  als  in  der  Sennhütte'. 


Am  meisten  wird  wohl  bei  allen  diesen  Nachrichten  be- 
fremden, daß  ein  Schiittenkufenhaus  auf  trockenem  Gelände 
über  \Yiesen  und  Felder,  ja  sogar  auf  Berge  geschleppt  werden 
kann.  In  unserem  Denken  ist  ja  der  Schlitten  unzertrennlich 
mit  der  Vorstellung  von  Schnee  und  Eis  assoziiert.  Das  ent- 
spricht aber  keineswegs  den  Tatsachen.  Die  alten  Ägypter  haben 
nach  Ausweis  ihrer  bildlichen  Darstellungen  die  großen  mono- 
lithischen Denkmäler  sowie  ihr  Baumaterial  auf  Schlitten  ge- 
iahren.  Um  die  Reibung  zu  verringern  näßten  sie  den  Weg 
und  wohl  auch  die  Kufen.  Auch  Forestier  La  roue  S.  1 1  sagt : 
^'Le  traineau  fait  naitre  chez  nous  l'idee  d'un  pays  couvert  de 
neige  et  de  glace".  Um  das  Vorurteil  zu  widerlegen,  bildet  er 
einen  von  Ochsen  gezogenen  Schlittenwagen  zur  Personenbe- 
förderung dienend  ab,  wie  er  auf  Madeira  üblich  ist,  "pays  qui  ne 
connait  gnere  les  frimas"  Fig.  18.  Ebenso,  berichtet  er,  verwendet 
man  in  den  Vogesen  Schlitten  *pour  descendre  dans  le  village 
les  produits  de  la  montagne.  Und  Grinzrot  die  Wägen  und  Fahr- 
werke usw.  (1817)  stellt  auf  Taf.  III  A  Fig.  5  einen  Schlitten 
('Schleife')  dar,  "dergleichen  man  sich  noch  in  ganz  Asien  be- 
sonders in  Seeplätzen  bedient"  und  in  Fig.  8  (bei  mir  Fig.  19) 
einen  ochsenbespannten  Schlitten  mit  Heuladung,  "welcher  noch 
zu  unseren  Zeiten  in  der  Insel  Sizilien  statt  der  Wägen  ge- 
braucht und  Carro  genannt  wird"  ^). 


Die  lykischen  Grabdenkmäler  ahmen  Holzhäuser  nach, 
welche  schlittenkufenartige  Schwellbalken  hatten  2).  Es  drängt 
sich  die  Frage  auf:  Ist  das  Haus,  welches  das  Vorbild  war, 
auch  ein  bewegliches  gewesen  wie  die  behandelten  südslavischen 
Häuser  ? 

Wenn  man  sich  die  wesentlichsten  in  Betracht  kommenden 
Bestandsteile  des  herzegowinischen  Schlittenhauses  herauszeiclmet, 
erhält  man  Fig.  7  :  S  ist  die  eine  Kufe,  Q  Qi  zeigen  die  Köpfe 
der  Querbalken,  K  sind  die   oben  besprochenen  Keile,   deren 

1)  Wegen  des  Ausdrucks  ccn-fo  für  'Walze'  vgl.  Verfasser  Ztschr.  f. 
A'gl.  Sprachf.  40,  224  f. 

2)  0.  Benndorf  und  G.  Niemann  Reisen  in  Lykien  und  Karlen  Wien 
1884  (zitiert  Benndorf-Niemann).  —  E.  Petersen  und  F.  von  Luschan  Reisen 
in  Lykien,  Milyas  und  Kibyratis  Wien  1889  (zitiert  Petersen-Luschan). 


410 


R.  Meringer, 


5    Ca 


Q, 


i5°7s 


Fig.  7. 

Die  untersten  Teile  des  herzegowiiiischeii 

Schlittenhauses. 


liöchst  Avichtiges  Amt  es  ist,  das  Herausgleiten  der  Querbalken 
aus  den  Löchern  der  Kufen  zu  verhindern,  kurz  den  Rahmen, 
auf  dem  das  Haus  steht,  zusammenzuhalten.    Die  in  die  Köpfe 

der  Querbalken  hineinge- 
schlagenen Keile  sind  auch 
in  den  Figuren  2  und  3  zu 
sehen. 

Man  vergleiche  nun  mit 
Kg.  7  die  entsprechenden 
Teile  desGrabmals  vonHoiran 
(Petersen-Luschan  Taf.  V)  hier  Fig.  8.  Die  Ähnlichkeit  ist  ein- 
leuchtend. Ein  Unterschied  liegt  aber  insofern  vor,  daß  bei  dem 
lykischen  Hause  die  Querbalken  nicht  in  der  Mitte  der  Schlitten- 
kufen durchbrechen,  sondern  unten  sich  mit  diesen  verschneiden, 
aber  so,  daß  die  Querbalken 
nicht  unten  vorstehen. 

In  anderen  Fällen  stehen 
bei  den  lykischen  Grab- 
mälern  die  Querbalken 
unten  hervor,  so  daß  es 
den  Anschein  hat,  daß  das 
Haus  nicht  auf  den  Schlit- 
tenkufen, sondern  auf  den  Querbalken  ruht.  Das  ist  der  Fall 
bei  dem  Denkmal  von  Pinara  (Benndorf-Xiemann  Fig.  35  S.  53) 
hier  Fig.  9.  Die  Halbkreise  K  sind  Keile,  von  denen  gleich  die 
Rede  sein  wird. 

Von  Häusern,  die  wirklich  auf  den  Schlittenkufen  stehen, 

seien  hervorgehoben  Pe- 
tersen-Luschan Fig.  15  und 
Taf.  XHI,  hier  die  Figuren 
10  und  11.  Bei  Fig.  11  muß 
man  natürlich  von  dem 
Unterbau  ganz  absehen. 

Wenn  man  also  bloß 
auf  den  unteren  Teil  der 
lykischen  Häuser  achtet,  so 
könnte  dort,  wo  diese  wirklich  auf  den  Kufen  ruhen,  d.  h.  wo  die 
Kufen  zu  unterst  liegen,  in  der  Tat  ein  Schlittenhaus  nachgeahmt 
worden  sein.  Ob  dieses  Muster  noch  beweglich,  oder  schon  fest- 
geworden war,  ist  eine  andere  Frage. 


Fig.  8. 

Der  untere  Teil  eines  lykischen  Grrabmals  von 
Hoiran. 


a  GU, 

Fig.  9. 

Der  untere  Teil  eines  lykischen  Grabmals  von 

Pinara. 


Wörter  und  Sachen.    IV. 


411 


Fig.  10. 
Untere  Ecke  eines  lyk.  Grabmals  von  Hoiran. 


Bevor  wir  weitergehen,  müssen  wir  die  Bedeutung  der 
Keile,  in  Fig.  9  und  10  mit  K  bezeichnet,  besprechen.  Benndorf 
hat  diese  Keile  für  Stützen 
der  senkrechten  Säulen  ge- 
nommen, die  den  Zweck 
hätten,  ein  Schlottern  der 
Verzapfungen  zu  verhindern. 
Ich  halte  das  für  einen  Irr- 
tum. Es  ist  doch  höchst  un- 
wahrscheinlich, daß  die  l3"ki- 
schen  Zimmerleute  so  wenig 
ihr  Handwerk  verstanden 
hätten,  daß  für  solche  Keile 

Platz  gewesen  wäre.  Nirgendwo,  auch  nicht  in  Bosnien,  wo  man 
höchst  leichtsinnige  Bauten  findet,  ist  mir  ein  solcher  Holzkeil  in 

die  Augen  gefallen.  Nach 
meiner  Meinung  hätte 
ein  solcher  Keil  aber 
auch  gar  keinen  Sinn. 
Die  Fig.  12  u.  13  zeigen, 
wie  eine  Säule  in  eine 
Grundschwelle  einge- 
zapft ist.  In  12  ist  der 
hypothetische  Keil  in  ge- 
strichelter Linie  einge- 
zeichnet. Ein  Schlottern 
könnte  er  nicht  verhin- 
dern, denn  der  sovielmal 
längere  senkrechte  Bal- 
ken würde  ihn  mit  gewal- 
tiger Hebelkraft  einfach 
zerdrücken.  Und  der  Er- 
klärung dieses  Keils  zu- 
liebe eine  solche  Mangel- 
haftigkeit der  lykischen 
Holzbaukunst,  daß  die 
Löcher  regelmäßig  zu 
groß  ausgeschnitten  wur- 
den, anzunehmen,  dagegen  spricht  doch  so  gut  wie  Alles. 

Nein,  der  Keil  hat  einen  anderen  Sinn !    Auf  die  Kufen- 


Fig.  11. 
Grabmal  von  Limyra. 


412 


R.  Meringer, 


Fig.  12. 

Yerschneiduug  einer  'Säule'  mit 

der  Schwelle.    Der  Keil  ist 

hypothetisch. 


balkeu  gehört  er  nicht,  dort  hat  er  nichts  zu  suchen.  Aber  auf  die 
Köpfe  der  Querbalken  gehört  er,  wo  er  beim  herzegowinischen Hause 
zu  finden  ist.  Beim  Schlittenhause  sind  diese  vier  Keile  von  größter 
Wichtigkeit,  und  von  Bedeutung  müssen  sie  auch  beim  lykischen 

Hause  gewesen  sein,  sonst  hätte  sich 
die  Erinnerung  an  sie  nicht  bewahrt. 
Kurz,  ich  denke,  die  Keile  sind 
infolge  mangelhafter  Erinnerung  ver- 
setzt worden,  so  daß  sie  in  den  Stein- 
uachahmungeu  an  unrechter  Stelle, 
nicht  auf  den  Querbalken,  wo  sie 
allein  Sinn  haben,  sondern  auf  den 
Schlittenkufen  erscheinen. 

Und  damit  ist  auch  die  oben  ge- 
stellte Frage  beantwortet:  Die  lyki- 
schen  Grabmäler  ahmen  nicht  direkt 
ein  bewegliches  Schlittenhaus  nach,  sondern  ein  festes,  das  aus 
jenem  entstanden  war,  aber  die  Kufen  beibehalten  hatte  —  wie 
es  auch  auf  südslavischem  Boden  geschah. 

Aber  nicht  nur  die  Keile 
waren  beim  festgewordenen  ly- 
kischen  Schlittenhause  versetzt 
worden,  auch  andere  Merkmale 
des  beweglichen  Hauses  waren 
in  Fluß  geraten. 

Wir  finden  an  den  lyki- 
schen  Grabmälern  die  Schlitten- 
kufen symmetrisch,  d.  h.  sie  sind 
vorne  und  hinten  aufgebogen, 
was  sie  weder  beim  herzego- 
winischen Hause  sind,  noch 
beim  montenegrinischen,  noch 
auch  —  soviel  ich  sehen  kann 
—  beim  altägyptischen  Lasten- 
schlitten sind.  Die  Fig.  9  zeigt 
weiter  das  Geradewerden  der  aufgebogenen  Enden,  was  sich  viel- 
leicht auch  schon  beim  festgewordenen  lykischen  Hause  entwickelt 
hatte,  wie  der  moderne  hölzerne  Geti-eidespeicher  (Benndorf- 
Niemann  Fig.  56  S.  100)  zu  zeigen  scheint.  Wegen  der  Entwick- 
lung der  Gestalt  der  Kufen  vgl.  die  Bilderserie  ebd.  Fig.  60  S.  106. 


Fig.  13. 
Perspektivisches  Bild  der  Verschueiduug. 


Wörter  und  Sachen.    IV.  413 

Auffallend  ist  weiter,  daß  bei  den  lykischen  Grabmälern 
die  Kufen  an  der  Schmalseite  des  Hauses  erscheinen,  während 
wir  sie  an  den  Längsseiten  erwarten  müßten.  Die  Sache  löst 
sich  am  ehesten  durch  die  Annahme,  daß  das  bewegliche  lykische 
Haus  einst  quadratisch  war,  wie  es  das  bewegliche  herzego- 
winische  ist,  und  daß  erst  das  festgewordene,  bei  dem  die  Kufen 
wenig  Sinn  mehr  hatten,  oblong  wurde,  wie  es  das  festgewordene 
serbische  Schlittenhaus  ebenfalls  geworden  ist. 

Auch  die  Tür  des  lykischen  Hauses  kann  einstmals  an 
der  Stirnseite,  nicht  an  der  Schlittenkufenseite  gewesen  sein. 
Auch  hier  hilft  die  Parallele  des  festgewordenen  serbischen 
Hauses,  denn  auch  dieses  hat  den  Eingang  (oder  die  Eingänge) 
an  einer  Längsseite  (oder  an  beiden),  nicht  an  einer  Schmal- 
seite wie  das  noch  bewegliche  herzegowinische  Schlittenhaus. 

Der  lykische  Speicher  Benndorfs  hat  symmetrische 
aber  flachgewordene  Kufen  (man  erhält  eine  ähnliche  Form, 
wenn  man  sich  die  Balken  beim  herzegowiuischen  Haus  schief, 
aber  in  gerader  Linie  abgeschnitten  denkt,  statt  rund !),  hat  diese 
an  den  Schmalseiten,  und  hat  auch  die  Tür  an  einer  Schmal- 
seite. Wenn  er  also  wirklich  die  Tradition  des  alten  festge- 
wordenen Holzhauses  bis  auf  den  heutigen  Tag  fortsetzt,  dann 
hatte  schon  das  alte  lykische  Holzhaus  diese  Merkmale  in  der- 
selben Form.  Das  bemerke  ich  deswegen,  weil  man  ja  auch 
annehmen  könnte,  daß  diese  Yeränderungen  gegenüber  dem 
ehemals  beweglichen  Hause  etwa  erst  bei  den  künstlerisch  aus- 
gestalteten Grabmälern  entstanden  seien. 

Nur  für  die  Versetzung  der  Keile  haben  wir  keinen  be- 
stimmten Anhalt  und  können  den  Gedanken,  daß  diese  erst 
in  der  Steinnachahmung  des  Holzhauses  stattgefunden  hat,  nicht 
mit  Bestimmtheit  abweisen. 

Noch  eine  Eigenschaft  der  lykischen  Grabmäler  weist  mit 
Bestimmtheit  auf  die  Mittelstufe  eines  festgewordeuen  Hauses 
hin,  der  Fachwerkbau  der  Wände.  Aus  solidem  Balkenwerk 
kann  das  bewegliche  Haus  noch  nicht  hergestellt  gewesen  sein, 
denn  ein  so  schweres  Haus  wäre  nicht  transportabel  gewesen, 
wenigstens  nicht  für  die  Kräfte,  die  dem  Bauer  zur  Verfügung 
standen,  der  eben  kein  ägyptischer  König  war. 

Dieser  Fachwerkbau  muß  in  Lykien  nicht  erst  entstanden 
sein  als  das  bewegliche  Haus  fest  wurde.  Wie  die  Südslaven 
neben  ihrem  'Sommerhaus'  ein  stabiles  haben,  so  können  auch 


Mi  R.  Meringer, 

die  Lykier,  wenigstens  die  Reichen  unter  ihnen,  neben  einem 
beweglichen  auch  ein  festes,  ein  Fachwerkhaus,  besessen  haben. 

Aber  immerhin  sieht  diese  Art  Fachwerk  wie  eine  Ent- 
wicklung des  Flechtwerks  der  herzegowiuischen  Schlittenhäuser 
aus.  Bei  diesen  finden  sich  bloß  in  den  Hausecken  ^)  senkrechte 
Balken,  sonst  Stangen,  die  oben  wieder  in  horizontalen  Balken 
eingelassen  sind.  Dazwisciien  Flechtwerk.  Von  schiefen  Balken, 
von  Streben,  von  einem  'Dreiecksverband'  ist  keine  Rede.  Das 
lykische  Fachwerk  hat  senkrechte  und  wagrechte  Balken,  und 
dazwischen  Brettertäfeluug  statt  des  Flechtwerks.  Aber  eben- 
falls keine  'Streben',  keinen  'Dreiecksverband'.  Ich  glaube,  wir 
sehen  hier  Avirklich  die  Entstehung  des  Fachwerks  aus  dem 
Flechtwerke  vor  uns.  Ich  habe  IF.  17,  136  schon  dem  national- 
germanischen Fachwerke  die  Strebe  zugeschrieben.  Aber  damit 
ist  nicht  gemeint,  daß  sie  überall  vorhanden  war,  denn  das 
niedersächsische  Haus  zeigt  sie  an  den  Außenwänden  noch  heute 
in  vielen  Fällen,  vielleicht  in  der  Mehrzahl,  nicht,  hat  also 
noch   heute   manchmal   den  Dreiecksverband   der  Wand   nicht. 

Der  Gedanke,  daß  die  Keile,  deren  nur  mehr  dekoratives 
Abbild  war  auf  den  Grabmälern  vor  uns  haben,  bestimmt  waren, 
einen  Ersatz  für  den  mangelnden  Dreiecksverbaud  zu  liefern, 
ist  auch  deshalb  abzulehnen,  weil  der  Fachwerkbau,  der  keine 
Streben  hat,  sie  trotzdem  nicht  kennt. 

Daß  für  die  Erklärung  der  lykischen  Denkmäler  nicht  un- 
mittelbar die  Annahme  eines  beweglichen  Schlittenhauses  genügt, 
sondern  daß  man  als  Mittelstufe  ein  festgewordenes  Haus,  das 
charakteristische  Elemente  des  beweglichen  beibehalten  hatte, 
annehmen  müsse,  darauf  hat  mich  A.  Furtwängler  aufmerksam 
gemacht.  Ich  danke  ihm  an  dieser  Stelle  für  seine  ermutigende 
Zustimmung  und  fördernde  Beihilfe. 

Wie  sich  aus  dem  beweglichen  Hause  ein  festes  Haus  auf 
Ivkischem  Boden  entwickelte,  das  läßt  sich  noch  sehen.  Die 
lykischen  Grabmäler  zeigen  teils  Häuser,  die  auf  den  Schlitten- 
kufen stehen,  teils  solche,  welche  untergelegte  Balken  oder  (wie 
Fig.  14)  eine  Art  Balkenrost,  eine  mehrfache  Unterlage  von 
rechtwinklich  aufeinander  gelegten  Unterhölzern  zeigen.  Vgl. 
auch  Benndorf-Nieraann  S.  98  Fig.  54.  Strzygowski  hat  (im  Ge- 
spräche) sehr  richtig  gemeint,  daß  der  erste  Schritt  zum  Fest- 
werden  in   dem  Gebrauche,   das  Sclilittenhaus   auf  Balken   zu 

1)  Und,  wie  gesagt,  neben  der  Tür. 


Wörter  und  Sachen.    IV. 


415 


ziehen,  um  die  wichtigen  Kufen  vor  Fäulnis  zu  bewahren,  be- 
gründet gewesen  sein  mag. 

War  einmal  das  lykische  Haus  fest,  dann  waren  die  Be- 
dingungen seiner  Weiterentwicklung  gegeben.  Es  hat  sich  räum- 
lich in  die  Höhe  ausgedehnt,  wie  das  serbische  in  die  Länge, 
dort  entstand  ein  Obergeschoß,  hier  ein  Nebenraum. 

Unbeantwortet  blieb    bis  jetzt  die  Frage  der  Dachform 
des     lykischen 
Hauses. 

Einige  Denk- 
mälerzeigenein 
flaches  Dach, 
ParallelePrügel 
ti'ugen  Rasen- 
stücke, wie 
Benndorf- Nie- 
mann anneh- 
men. Dieses 
Dach  war  aber 
seh  wer  und  des- 
halb erst  beim 
festgeworde- 
nen Fachwerk- 
hause möglich. 
Das  bewegliclie 
Haus  mit  seinen 

—  wir  können 
das  ohne  wei- 
teres annehmen 

—  Fle  cht  werk- 
wänden hätte 
diese  Last  nicht 
tragen  können. 

Das  Dach  des  fahrbaren  lykischen  Hauses  muß  leichter 
gewesen  sein.  Ich  finde  seinen  Nachklang  dort,  wo  die  lykischen 
Grabmäler  mit  einer  Spitztonne  abschließen.  Man  sieht  im  Giebel- 
felde von  Fig.  14  und  15   ein  Kreuz,   das   man  mit  der  kreuz- 


Fig.  14. 
Felsengrab  von  Kekowa. 


artigen  Dachkoustruktion  von  Fig.  3  vergleichen  möge.  Yielleicht 
hatte  das  bewegliche  lykische  Haus  ein  aus  einem  Kreuzstangen- 
gestell  und   biegsamen  Ruthen    hergestelltes   leichtes  Zeltdach. 


4-lG 


R.  Meringer, 


Daß  man  solche  Dächer  gelegentlich  auch  auf  dem  horizon- 
talen Dache  der  festgewordenen  Häuser  errichtete,  sodaß  eigent- 
lich zwei  Dächer  vorhanden  waren,  wie  Benndorf  S.  102  auf 
semitische  Bräuche  sich  stützend  annimmt,  halte  ich  für  möglich. 
Das  Holzhaus,  das  Benndorf-Niemann  S.  97  Fig.  53  (hier 
Fig.  16)  rekonstruiert  haben,  entspricht  unserem  'festgewordenen 
Schlittenhause',  wenigstens  einem  Typus  desselben,  denn  nicht 
alle  Grabmäler  lassen  sich  auf  diese  Formel  zurückführen. 

Aber  anch  innerhalb  dieser  Grenze  muß   noch  die  Frage 
aufgeworfen  werden:  Sind  Konstruktiousteile,  die  technisch  sinn- 
los  sind,   schon  dem   Holz- 
hause  eigen   gewesen   oder 
erst    in    den    Steinuachah- 

mungen  hervorgetreten  ? 
Technisch    sinnlos    ist    es, 
wenn  die  Prügel  des  Daches 
von  (um  90 "  gedrehten)  um- 
gelegten Kufen  samt  Keilen 


getragen  werden.  Vgl.  die  E 
und  cUe  Fig.  35  S.  53  (Grab- 
haus in  Pinara)  bei  Benndorf- 
Niemann  i).  Und  sinnlos  sind 
auch  die 'Wettköpfe'  M  eben- 
da, denn  wären  diese  wirk- 
liche Balken  enden,  so  müßten 
tue  dazu  gehörigen  Balken 
durch  das  ganze  Hausinnere 
in  halber  Türhöhe  hindurchgehen  und  so  das  ganze  Gemach  des 
Erdgeschosses  in  einer  nirgendwo  gesehenen  Art  verbarrikadieren. 
Benndorf-Niemann  sprachen  gleichwohl  beide  Art  Balken 
dem  Holzhause  zu.  Bei  den  umgelegten  Schlittenkufen  samt 
Keilen  {E)  wäre  das  noch  denkbar,  aber  völlig  undenkbar  ist 
mir  das  bei  den  Balkenköpfen  M.  Diese  Balkenköpfe  können 
nicht  zu  Balken  gehört  haben,  denn  diese  hätte  das  Herdfeuer 
bald  erfaßt  und  damit  wäre  auch  das  Haus  vernichtet  worden ; 
sie  müssen  rein  dekorativ  sein,  wie  sie  es  zweifellos  bei  den 
Spitztonnendächern  (vgl.  Fig.  15)  sind.  An  der  Holzhauswand  aber 
solche  falsche  AVettköpfe  anzubringen,  halte  ich  für  technisch 


Fig.  15. 
Grab  von  Sura  (Benndorf-Niemann  S.99  Fig. 55). 


1)  Und  hier  in  Fig.  16. 


Wörter  und  Sachen.    IV. 


M7 


schwierig  und  deshalb  meine  ich,  daß  sie  erst  in  der  Steinnach- 
ahmung entstanden  sind. 

Aus  der  Rekonstruktion  des  Holzhauses  würde  ich  also 
die  M  weglassen,  denn  wo  in  aller  Welt  gibt  es  Tränie  ohne 
konstruktiven  Wert,  die  quer  durch  einen  Raum  ziehen  und 
dadurch  nicht  bloß  das  Feuermachen  verhindern,  sondern  sogar 
das  Gehen  zu  einem  Kunststück  machen  ? 

Eine  sonderbare  Sache  ist  es  auch  mit  den  mugelegten 
Schlittenkufen  E  unter  dem  Dache.    Für  mich  steht  die  Frage 


Fig.  16. 
Die  Benudorf-Niemauiische  Rekonstniktiou  des  lykischen  Holzhauses. 

so,  daß,  nachdem  ich  wenigstens  für  die  aufrechten  Kufen  der 
Schwellen  eine  einleuchtende  Erklärung  habe,  ich  glauben 
muß,  daß  die  Kufen  unter  dem  Dache  rein  dekorativ  sind. 

Anders  stand  die  Sache  für  Benudorf.  Da  er  weder  für 
die  eine  noch  für  die  andere  Art  der  Kufen  eine  lokale  Er- 
klärung wußte,  konnte  er  von  beiden  ausgelien  und  fand  wenigstens 
für  die  Kufen  unter  dem  Dache  einen  Anhalt,  von  weither,  in 
der  Kunst  des  asiatischen  Ostens. 

Seine  Fig.  52  S.  95  'Japanisches  Tor'  (hier  Fig.  17)  ist 
seine  eigentliche  Antwort  auf  die  Frage  nach  der  Herkunft  der 
Schlittenkufen. 

Indogermanische  Forschungen  XIX.  28 


418 


R.  Meringer, 


Dazu  ist  folgendes  zu  sagen: 

Ist  es  auch  jetzt  noch  wahrscheinlich,  das  lykische  Haus 
an  das  Haus  des  asiatischen  Ostens  (mit  dem  Pagodendache), 
resp.  an  Tore  wie  Fig.  17  anzuschließen,  nachdem  eine  plausible 
Erklärung  der  unteren  Kufen  durch  die  klare  Analogie  des  süd- 
slavischen  Schlittenhauses  gefunden  ist? 

Benndorf  hatte  zwei  Gründe  nach  Osten  zu  blicken: 

1.  Den  mangelnden  Dreiecksverband  des  Fachwerks  der 
lykischen  Häuser,  der  auch  in  Ostasien  fehlt. 


Fig.  17. 
Japanisches  Tor. 

2.  Die  kufenartigen  Balken  unter  der  Decke. 

Beide  Gründe  sind  hinfällig.  Der  Dreiecksverband  fehlt 
auch  oft  beim  deutschen  und  slavischen  Hause,  das  bewegliche 
Haus  der  Herzegowina,  das  seiner  auf  der  Reise  so  sehr  zu 
bedürfen  scheinen  würde,  kennt  ihn  nicht.  Und  die  Analogie 
der  Kufen  unter  dem  Daclie  des  lykischen  Hauses  mit  den 
Kufen  auf  den  Toren  und  Dächern  des  Orients  besteht  nicht, 
denn  beim  lykischen  Hause  liegen   sie,  in  Ostasien  stehen  sie. 

Man  könnte  darnach  die  Kritik  des  Benndorfschen  Einfalls 


Wörter  und  Sachen.    IV.  419 

noch  weiter  treiben,  ich  breche  aber  hier  ab.  Für  denjenigen, 
der  sehen  will,  ist  genug  gesagt.  Ich  denke,  niemand,  der  von 
den  südslavischen  Häusern  Kunde  gehabt  hätte,  liätte  sich  ver- 
anlaßt gefühlt,  die  ostasiatischen  Baueigentümlichkeiten  zur  Er- 
klärung der  lykischen  Schlittenhäuser  heranzuziehen. 


Noch  einige  Einzelheiten  zum  festgewordenen  lykischen 
Hause.  Daß  es  vielfach  zweigeschossig  war,  ist  gCAviß.  Aber 
wie  wurde  es  verwendet?  Ich  glaube  nicht,  daß  das  Erdgeschoß 
der  Stall  war;  denn  dem  Vieh  die  bei  etage  einzuräumen,  ent- 
spricht der  Denkart  so  früher  Zeiten  nicht.  Das  Vieh  nächtigte 
wohl  im  Freien,  höchstens  unter  einem  fliegenden  Dache.  Ich 
könnte  mir  eher  denken,  daß  das  lykische  Haus  unten  die 
Menschen,  oben  die  Feldfrucht  beherbergte.  Das  Obergeschoß 
mag  wohl  durch  eine  außen  angelehnte  Leiter  zugänglich  ge- 
Avesen  sein.  Die  Anwesenheit  eines  zweiten  Stockwerks  schließt 
die  Annahme  von  Oberlicht  aus,  und  zwar  nicht  nur  für  das 
untere,  sondern  wohl  auch  für  das  obere  Geschoß.  Auch  ist 
mir  bei  dieser  Bauart  das  Vorhandensein  von  Lichtspalten  in 
den  "Wänden  ganz  unwahrscheinlich,  sodaß  die  einzige  Licht- 
quelle die  geöffneten  Türen  gewesen  sein  dürften. 

Und  noch  eine  Frage  drängt  sich  auf:  War  das  zu  er- 
schließende feste  Haus,  wie  es  Benndorf-Xiemann  im  ganzen 
richtig  dargestellt  haben  (wenigstens  in  einem  Typus),  ein  wirk- 
liches Volkshaus,  ein  Haus  der  breiten  Schichten  der  Bevölkerung? 
Ich  denke,  daß  diese  Frage  jeder  Hausforscher  eher  verneinen 
als  bejahen  wird.  Für  ein  Volkshaus  ist  es  zu  vornehm.  Die 
Täfelung  war  vor  allem  eine  schwierige  Arbeit,  die  große  Präzision 
der  Technik  erheischte.  Allerdings  liest  man  auch  von  germanischer 
Kunst,  Täfelungen  herzustellen  ^ ).  Priscus  erzählt  (Corp.  Script,  bist. 
Byzant.  Bonn  1829  S.  187),  die  Häuser  des  Attila  seien  HuXoic 
xe  Kai  cuviciv  euSecroic  fipiuociueva  gewesen,  aber  ich  sehe  nicht, 
daß  man  aus  diesen  AVorten  mit  Sicherheit  gerade  auf  Täfelung' 
schließen  kann.  Übrigens  handelt  es  sich  um  die  Häuser  eines 
Fürsten.  Das  heutige  Bauernhaus  weiß  meines  Wissens  von 
Täfelung  nichts,  wenigstens  nichts  von  der  Art,  die  das  lykische 
Haus  zeigt. 


1)  Henning  Das  deutsche  Haus  S.  123,  Heyne  Deutsches  Wohnungs- 
wesen S.  19,  Anm.  26,  Stephani  Der  älteste  deutsche  Wohnbau  1,  173. 

28* 


420  R.  Meringer, 

Auch  das  Innere  der  lykischen  Gräber  interessiert  uns. 
Benndorf  sagt  S.  96  von  den  Höhlengräbern :  "Die  Gruft  selbst, 
welche  hinter  den  Fayaden  liegt,  besteht  in  einem  schmucklosen 
Räume,  oft  nicht  hoch  genug,  um  darin  aufrecht  zu  stehen, 
höchstens  2,5  Meter  im  Geviert  weit,  meist  mit  unverzierten 
Steinbetten,  welche  tricliniumartig  an  drei  Seiten  aus  dem  ge- 
wachsenen Felsen  gebrochen  sind". 

Diese  Betten  aus  Stein  entsprechen  also  den  aus  Rasen- 
stücken usw.  hergestellten  Schlafstätten  des  herzegowinischen 
Schlittenhauses,  den  Bühnen  des  südslavischen  und  altger- 
manischen Hauses  (Schlaf bänken),  den  Lehmbänken  des  neo- 
lithischen  Hauses  von  Großgartach  und  den  entsprechenden  Ein- 
richtungen des  altitalischen  Hauses,  woraus  das  triclinium  er- 
wachsen ist^). 

Daß  man  auf  solche  Bänke  an  der  Wand  die  Toten  legte, 
ist  begreiflich,  schlief  doch  auch  der  Lebende  auf  der  ent- 
sprechenden Bank  seines  Wohnhauses. 

Die  freistehenden  Grabmäler  charakterisiert  Benndorf  S.  97 
so :  "Manchmal  ist  das  Rahmenwerk  der  Vorderseite  ganz  durch- 
brochen und  führt  dann  in  eine  Vorhalle,  in  deren  ähnlich  ver- 
zierten Hinterwand  erst  der  Eingang  zur  Grabkammer  angebracht 
ist".  Ich  verweise  darauf,  daß  auch  das  herzegowinische  Schlitten- 
haus gelegentlich  eine  Laube  an  den  Schmalseiten  hat  (Fig.  5), 
ohne  auf  dieses  Detail  AVert  zu  legen. 


Zur  wirtschaftlichen  Bedeutung  der  lykischen  Schlitten- 
häuser mit  den  südslavischen  noch  einige  Bemerkungen  über 
die  Lykier.    Benndorf  S.  95  sagt,  die  alte  Bevölkerung  brachte, 

1)  Vgl.  Verf.  Das  bosnische  Haus  S.  108  u.  ö.  —  Einen  sehr  altertüm- 
lichen Haustypus  aus  Gurien  beschreibt  A.  v.  Haxthausen  Transkaukasia  1, 
153 :  "Das  Haus  war  in  zwei  Hälften  geteilt,  die  vordere  Seite  bildete  eine 
nach  drei  Seiten  ganz  offene  Halle,  fünf  Pilare  trugen  vorne  das  eben- 
falls ganz  offene  Dach.  Die  offene  Vorhalle  (Moadjari).  in  die  man  von 
außen  auf  ein  Paar  Stufen  durch  eine  niedere  Geländertür  steigt,  war  mit 
einer  . . .  Gallerie  . . .  umgeben  . . .  Von  dieser  Vorhalle,  dem  gewöhnlichen 
Aufenthalt  der  Familie,  führte  eine  oben  runde  Tär  in  das  eigentliche 
Haus,  nur  aus  einem  großen  Gemache  (Sachet  im  engern  Sinne)  bestehend; 
es  hatte  Fensteröffnungen  oline  Glas,  aber  mit  Gittern  geschlossen.  In 
der  Mitte  war  die  Feuerstelle  auf  ebener  Erde,  der  Rauch  zieht  auf  der 
Giebelseite  zum  Dach  hinaus.  Rechts  stand  eine  lange  Schlafbank  .  .  .  links 
stand  ein  fester  Divan,  auch  zu  Schlafstellen  dienend  . . . ;  einige  niedrige 
kleine  Bänke  und  Dreifüße  bildeten  das  einzige  Hausgerät,  Stühle  und  Tische 
existierten  nicht". 


Wörter  und  Sachen.    IV.  421 

wie  die  heutige  galaktophage,  halbnomadische,  die  Hälfte  des 
Jahres  auf  den  Alpentriften  zu  und  beruft  sich  dabei  auf 
Herodot  1,  176. 

Herodot  erzählt  Avie  folgt:  Die  Ljkier  gingen,  als  Harpagos 
mit  seinem  Heer  in  die  Ebene  von  Xanthos  gekommen  war, 
ihm  entgegen  und  stritten  mit  großem  Heldenmute,  wenige 
gegen  viele.  Und  als  sie  überwunden  und  in  ihrer  Stadt  ein- 
geschlossen waren,  brachten  sie  in  die  Burg  (ec  xriv  aKpoiroXiv) 
ihre  Weiber  und  Kinder,  ihre  Habe  und  ihre  Knechte  zusammen 
und  dann  steckten  sie  die  Burg  au  und  verbrannten  sie  ganz 
und  gar.  Und  als  sie  das  getan,  schworen  sie  einen  fürchter- 
lichen Eid  und  fielen  heraus  und  kamen  mit  den  Waffen  in  der 
Hand  um.  Und  die  jetzt  noch  unter  den  Lykiern  Xanthier  sein 
wollen,  von  denen  sind  die  meisten  Fremdlinge,  außer  achtzig 
Haushaltungen  (-rrXriv  ÖYÖuuKOVTa  icneuuv);  denn  diese  achtzig 
waren  damals  abwesend  von  ihrer  Heimat  und  blieben  auf  diese 
Art  übrig  (ai  öe  ÖTÖuÜKovTa  ictiai  auiai  etuxov  xriviKaÜTa  eKÖr|- 
lueoucai,  Kai  gütuj  TrepieY^vovTo). 

Es  ist  amiehmbar,  daß  diese  achtzig  Familien  im  Dienste 
der  Wirtschaft  vom  Hause  abwesend  waren.  Die  Herodotsche 
Stelle  mit  den  oben  gebrachten  Nachrichten  des  Kulturzustandes 
der  südslavischen  Besitzer  von  Schlittenhäusern  zu  vergleichen, 
ist  nicht  meine  Sache.  Hier  haben  die  Wirtschaftshistoriker  das 
Wort,  die  Frage  sei  ihrer  Aufmerksamkeit  empfohlen. 

Daß  das  Lykische  keine  indogermanische  Sprache  ist  — 
Kretschmer  Einleitung  S.  37 Off.  — ,  beweist  gegen  meine  An- 
sicht über  die  Schlittenhäuser  nichts,  denn  die  Kulturwellen 
beschränken  sich  nicht  auf  ein  Sprachgebiet.  Xur  gegen  die 
Bezeichnung  'Halbnomaden'  Benndorfs  muß  ich  noch  Bedenken 
erheben.  Übrigens  kommt  auf  das  Wort  nicht  viel  an.  Waren 
es  aber  die  alten  Lykier,  so  sind  es  die  Südslaveu  teilweise 
heute  noch.    Vgl.  jetzt  H.  Hirt  Die  Indogermanen  1,  262  f. 


Ob  auch  die  Grermanen  das  bewegliche  Haus  gekannt  haben  ? 

Sti'abo  Yll  1,  3  sagt:  koivöv  b'  ecxiv  ccTraci  toTc  rauiri  t6  Ttepi 
xdc  laexavacxdceic  eujuapec  öid  xt^v  Xixöxqxa  xoö  ßiou  Kai  öid  xö 
|uii  TeiJupYeiv  luiiöe  GricaupiZieiv,  dW  ev  KaXußioic  oiKeiv  eqpri|uepov 
exouci  TtapacKeui^v  •  xpoqpr'i  ö'  dTiö  xujv  Gpe|U|udxujv  f\  TrXeicxri  KaGdfrep 
Toic  vo|udciv,  uicx'  eKeivouc  |Lii|uo\j|uevoi  xd  oiKeia  xaic  dpiuaudHaic 
e-rrdpavxec  ötti;i  dv  öoEr]  xperrovxai  |uexd  xujv  ßocKi"||udxujv. 


•i-22  R.  Meringer, 

Vgl.  dazu  Müllenhoff  DA.  4,  872,  Stepliani  Der  älteste 
Deutsche  Wohnbau  1,  67. 

An  Häuser,  wie  das  herzegowinische  Schlittenhaus  ist, 
kann  Sti'abo  gewiß  an  der  obigen  Stelle  nicht  gedacht  haben. 
Die  Suevcn  haben  nach  ihm  ihre  Wohngelegenheit  so  mit  sich 
herumgeschleppt  wie  alle  anderen  Sachen.  Da  fragt  nun  Stephani : 
"War  diese  (näml.  Wohngelegenheit)  nun  ein  zusammenlegbares 
Zelt,  oder  Avar  sie  ein  leichtes  Holzhaus,  welches  am  Lager- 
platze vom  Wagen  gehoben  und  auf  den  Boden  gestellt  wurde? 
Wohl  das  erstere,  denn  auch  die  leichteste  biuseugedeckte 
Bretterhütte  oder  das  luftigste  Brettergezinimer  war,  komplett 
zusammengestellt,  schlechthin  untransportabel.   Wenn  es  heute 


Fig.  18. 
Schiitteuwagen  vou  Madeira  (Forestier  Fig.  13  S.  11). 

trotz  sehr  vervollkommneter  Technik  kaum  möglich  ist,  ein 
Borkenhaus  oder  eine  Gartenhütte  ohne  Lockerung  des  Gefüges 
nur  wenige  Schritte  weit  abzuschieben,  wie  kann  es  damals 
angegangen  sein,  ein  mit  unvollkommenen  Werkzeugen  auf- 
gerichtetes Gehäuse  auf  den  primitivsten  Fuhrwerken  in  weg- 
losen Geländen  große  Strecken  unbeschädigt  fortzuschaffen?" 
Wie  nun  die  Sueven  ihre  Hütten  fortschafften,  weiß  ich 
so  wenig  als  Stephani.  Aber  daß  sie  sie  nicht  zusammengestellt, 
sondern  bloß  zerlegt,  hätten  fortschaffen  können,  das  ist  unrichtig, 
wie  so  viele  unserer  Raisonnements,  die  durch  die  Wirklichkeit 
über  den  Haufen  geworfen  werden.  Vgl.  Ginzrot  Die  AVägen  und 
Fahrwerke  usw.  1,  284.  Durch  Zufall  ist  uns  die  Abbildung  eines 
Zeltes  auf  einem  plaustrum  noch  erhalten,  ein  Touwägelchen, 
das  einem  Toten  beigegeben  worden  war.  Vgl.  Bienkowski  Über 
skythische  Wagen  Wiener  Studien  24.  Jahrg.  (1902)  394  ff.  und 
Verfasser  hiezu  KZ.  40,  229. 


Wörter  und  Sachen.    IV. 


423 


Ennodius  (MGAA.  VII  S.  206  Z.  22 f.)  berichtet:  sumpta 
sunt  pkiustra  rice  tectonim,  et  in  domos  instabiles  confluxerunt  omnia 
servitum  necessitati.  Die  wörtliche  Übersetzung  (Stephani  1,  199): 
""Wagen  Avurden  an  Stelle  der  Wohnungen  genommen  und  in 
bewegliche  Häuser  w-urde  alles  dem  Bedürfnisse  Dienende  zu- 
sammengebracht" führt  irre,  denn  von  beweglichen  Häusern  ist 
nicht  die  Kede.  domos  instabiles  kann  sich  nur  auf  i^laiistra  be- 
ziehen, weil  es  unwahrscheinlich  ist,  daß  die  Goten  Schlitten- 
häuser noch  weiter   belastet   und   dadurch   noch   schwerer  be- 


Fig.  19. 
Sizilianischer  Wirtschaftsschlitten  (Ginzrot  1  Taf.  III A  Fig.  5). 

weglich  gemacht  hätten,  während  sie  die  plaustra  vice  tedorum 
benützt  haben  sollten. 

Auch  Prokop  ed.  Dindorf  C.  S.  Hist.  Byz.  Pars  II  Yol.  II 
S.  7  Z.  16  ff.  berichtet  nur  von  den  Lastwagen  :  Oeuöepixoc  öe  .  .  . 
ec  'liaXiav  i^ei,  Kai  auTUJ  6  tüuv  PötGluv  Xedjc  emeio,  Tiaiödc  le  Kai 
YuvaiKac  ev  taic  d)Lid$aic  evOejuevoi  Kai  id  en-iTrXa  öca  qpepeiv  oioi 
le  iicav. 

Aus  den  Schriftstellern  ist  die  Existenz  eines  fahrbaren 
germanischen  Hauses,  eines  Schlittenhauses,  nicht  zu  erweisen, 
wnimit  natürlich  nicht  erwiesen  ist,  daß  es  nirgendwo  vor- 
handen war. 

Die  Bestimmungen  des  Sachsenspiegels  über  das  Haus ') 
sind  folgende: 

I  20  §  2.  Sofern  der  Frau  der  Platz  nicht  gehört  mit  dem 
Gebäude,  wenn  ihr  Mann  stirbt,  binnen  sechs  Wochen  nach  dem 

1)  Literatur  bei  Gierke  Deutsches  Privatrecht  2  (1905)  S.  9. 


424  R.  M e ringe r, 

Dreißigsten  soll  sie  das  Gebäude  wegführen  {sal  se  mit  dem  gehu 
rumen),  sodaß  sie  die  Erde  nicht  umgrabe  {niht  ne  ivunde).  Bietet 
sie  es  aber  an  abzukaufen  nach  der  Schätzung  der  Miteinwohner 
jenem,  dessen  der  Platz  ist,  und  will  er  es  nicht,  so  ist  sie  ver- 
pflichtet, es  gut  aufzugraben  {ivol  up  graven\  sodaß  sie  die  Erde 
wieder  ebene. 

n  53.  Was  immer  der  Mann  bauet  auf  fremdem  Grund- 
stück, von  dem  er  Zins  abgibt,  das  muß  er  gut  abbrechen,  wenn 
er  von  dannen  fährt  und  sein  Erbe  nach  seinem  Tode,  ohne  den 
Zaun  vorne  und  hinten  und  das  Haus  und  den  Mist ;  das  soll 
der  Herr  abkaufen  nach  der  Schätzung  der  Miteinwohner.  Tut 
er's  nicht,  so  führt  er  das  eine  mit  dem  andern  weg  {lie  vort 
dat  ene  mit  dem  anderen  wecJi). 

ni  38  §  4.  Das  Weib  vererbt  nicht  ein  Gebäude  auf  ihren 
Erben,  das  auf  ihrer  Leibzucht  steht,  es  sei  denn  sie  risse  es 
während  ihres  Lebens  ab  und  setzte  es  auf  ihre  eigenen  Grund- 
stücke oder  auf  ihre  Lehen  {si  ne  sUte't  af  bi  irme  live  und  setteH 
up  ire  egen  oder  uppe  ire  len). 

ni  76  §  2.  Hatte  aber  die  Frau  einen  Mann  genommen 
und  war  er  zu  ihr  und  zu  den  Kindern  in  das  ungezweite  Gut 
gezogen  und  stirbt  dann  das  Weib,  so  behält  der  Mann  all  des 
Weibes  Recht  an  der  fahrenden  Habe  mit  Ausnahme  des  Ge- 
bäudes und  der  Gerade  [die  man  behalt  al  des  wives  recht  in  der 
varender  have,  sunder  dat  gebu  unde  sunder  die  rade). 

Aus  diesen  Stellen  wird  klar,  daß  es  sich  um  ein  beweg- 
liches Haus  in  unserem  Sinne  nicht  handeln  kann,  denn  man 
muß  die  Erde  wieder  ebnen,  wenn  man  es  abreißt.  Es  ist  also 
in  die  Erde  gebaut,  hat  ein  Fundament.  'Fahrend'  ist  es  nur  in- 
soferne,  als  man  es  abbrechen  und  seine  Teile  verführen  kann, 
was  bei  einem  Holzbau  nicht  so  schwer  auszuführen  ist. 


Von  den  Kechtssprichwörtern  kommen  die  folgenden  in 
Betracht  (vgl.  E.  Graf  und  M.  Diether  Deutsche  Rechtssprich- 
Avörter  S.  64): 

1.  Was  man  treiben  und  tragen  mag,  ist  fahrende  Habe. 

2.  Was  die  Fackel  verzehrt,  ist  Fahrnis. 

3.  Was  verbrennen  und  sterben  mag,  ist  fahrend  Gnit. 

4.  Häuser  sind  fahrend  Gut  gegen  die  Freunde,  liegend  Gut 
gegen  den  Herrn. 


Wörter  und  Sachen.    IV.  425 

Unsere  Suche  nach  dem  fahrbaren  Hause  auf  germanischem 
Boden  endet  vollkommen  negativ.  Es  ist  auch  nicht  irgendwie 
wahrscheinlich  zu  machen,  daß  die  Zurechnung  zur  fahrenden 
Habe  eine  Reminiscenz  an  ein  Schlittenhaus  in  sich  bärs-e. 


E.  L.  Rochholz  Deutscher  Glaube  und  Brauch  (1867)  II  S.  82 
sagt :  "Wir  pflegen  unser  Haus  unsere  vier  Pfähle  zu  nennen. 
Es  sind  damit  die  vier  Stützen  und  Wandpfosten  eines  sog.  ge- 
strickten Hauses  gemeint^).  Sie  sind  mit  ihren  ineinander  ge- 
fügten Stämmen  versetzbar.  Schiebt  man  sie  vom  Platze,  füllt 
das  Kellerloch  wieder  zu  und  ebnet  die  Herdstelle  aus  2),  so  wird 
man  schon  im  nächstfolgenden  Sommer  die  Stelle  nicht  genau 
mehr  erkennen,  wo  solch  ein  Haus  gestanden  hat.  Ohne  daß 
man  es  niederzubrechen  brauchte,  ist  es  so  aus  einer 
abgeweideten  Gregend  in  die  nächste  hinüber  geschoben 
worden,  wie  dies  gegenwärtig  noch  im  Appenzeller  Land 
vorkommen  kann". 

So  spricht  man  doch  nur,  wenn  man  bestimmt  weiß,  daß 
■etwas  derartiges  geschehen  ist!  Hier  wäre  endlich  eine  bestimmte 
Nachricht  vom  Verschieben  eines  unzerlegten  Hauses  auf  deutschem 
Boden.  Aber  wer  weiß  näheres  darüber?  Vielleicht  nehmen  sich 
die  schweizerischen  Hausforscher  der  Sache  an! 

Aber  um  ein  Blockhaus  kann  es  sich  dabei  nicht  handeln, 
denn  das  ginge  wohl  beim  Verschieben  aus  den  Fugen. 

In  einer  Urkunde  von  Meilen  am  Zürchersee  (vor  1346), 
welche  Rochholz  nach  Bluntschli  zitiert,  heißt  es :  "ywc?  mag  das 
hus  ziehen  oder  fuoren  ivar  er  ivil".  Man  könnte  nun  denken,  daß 
sich  ziehen  auf  das  Wegschaffen  eines  unzerlegten,  fuoren  auf  das 
Wegschaffen  eines  zerlegten  Hauses  bezieht.  Aber  aus  anderen 
Urkunden  sieht  man  wieder  klar,  daß  es  sich  nur  um  das  Fort- 
führen zerle2:ter  Häuser  handeln  kaun. 


In  einem  germanischen  Worte  könnte  möglicherweise  eine 
Erinnerung  an  das  Schlittenhaus  sich  bergen,  nämlich  in  der 
Bezeichnung  der  Schwelle. 

Wir  finden  an.  preskuldr  {prßskuldr  Noreen  Aisl.  u.  Anorw. 


1)  Innerhalb  meiner  vier  Pfähle'  stammt  von  einem  Fachwerkbau. 
Ein  'gestricktes'  Haus  ist  mir  nur  im  Sinne  von  Blockbau  bekannt  und 
■dieser  hat  keine  'Stützen  und  Wandpfosten'.  IF.  16.  178  f. 

2)  Hat  Rochholz  noch  Herd  gruben  in  modernen  Häusern  gekannt? 


426  R.  Meringev, 

(iranini.3  57),  alul.  driscuvili  (Graff  5,  2()6),  ags.  perscwold,  engl. 
threshold  (vgl  Skeat,  Kluge-Lutz),  schwed.  tröskel  (vgl.  Falk-Tovp 
s.  V.  Terskel),  deutscli  Drischaufel  (DW.  2,  1420;  Schmeller  1,  570, 
680;  2,384). 

Das  Wort  gehört  zu  dreschen,  von  dem  es  —  wie  ange- 
nommen wird  —  mittelst  eines  ^^- Suffixes  abgeleitet  ist.  AVegen 
des  Übergangs  von  ßl  zu  fl  will  ich  bloß  bemerken,  daß  mir  so 
wenig  wie  Noreen  (Aisl.  u.  An,  Gr.  ^  143,  Lautl.  197  f)  darüber  das 
letzte  Wort  gesprochen  zu  sein  scheint.  Neben  den  regelmäßigen 
Entsprechungen  der  Urform  des  Worts  haben  wir  noch  eine  An- 
zahl von  mehr  oder  weniger  durchsichtigen  volksetymologischen 
Veränderungen.  Vgl.  noch  Rauteuberg  Sprachgeschichtliche  Nach- 
weise zur  Kunde  des  germ.  Altertums  23  u.  v.  Grienberger  (fot. 
Wortk.  196. 

J.  Grimm  hat  Gramm.  3,  431  die  Meinung  geäußert,  daß 
die  Schwelle  deshalb  diesen  Namen  führte,  weil  am  Eingange 
des  Hauses  auf  der  Diele  gedroschen  wurde.  Mau  könnte  einfach 
darauf  erwidern:  Aber  doch  nicht  auf  der  Schwelle!  Aber  es  ist 
auch  auf  der  Diele  zu  dreschen  nur  im  niedersächsischen  Hause 
Brauch,  keineswegs  im  oberdeutschen,  und  älteste  germanische 
Art  wird  wohl  überhaupt  gewesen  sein,  im  Freien  zu  dreschen 

Wenn  dreschen  eigentlich  treten  bedeutete,  könnte  man 
unser  Wort  als  'Trittholz'  oder  ähnlich  erklären.  Aber  auch  das 
ist  mir  keineswegs  einleuchtend.  Die  Schwelle  steht  meist  hervor 
(sie  ist  der  unterste  horizontale  Balken),  der  Erwachsene  tritt 
durchaus  nicht  auf  sie,  sondern  hebt  den  Fuß  darüber,  Avähreud 
er  sich  zugleich  bückt,  um  sich  nicht  oben  am  Türrahmen  den 
Kopf  anzuschlagen. 

So  bleibt  wohl  nur  übrig  das  Wort  als  'Dreschholz'  zu  fassen 
und  das  ergäbe  einen  Sinn,  wenn  die  Schwelle  einstmals  schlitten- 
kufenartig gebogen  war,  denn  Schlitten  waren  wirklich  'Dresch- 
hölzer'. Im  heutigen  (wie  im  alten  Ägypten)  wird  mit  Schlitten 
gedroschen,  die  Alten  hatten  denselben  Brauch  vgl.  Rieh  s.  v. 
traha,  trahea,  Ginzrot  I  162.  Eine  ähnliche  Einrichtung  war  das 
trihuhim  vgl.  Rieh  s.  v.,  dem  heute  noch  bei  den  Armeniern  die 
von  Ter  Mowsesianz  Mitteil,  der  Anthrop.  Ges.  Wien  22,  155  be- 
schriebene und  abgebildete  Vorrichtung  entspricht.  Dieselbe  Art 
des  Dreschens  mittels  schlittenkufenartiger  Bretter,  die  unten  mit 
spitzen  Steinen  besetzt  sind,  beschreibt  als  'gi'usinische  Dresch- 
methode' V.  Haxthausen  Transkaukasia  I  52. 


Wörter  und  Sachen.    IV.  427 

Die  Frage  ist  aber,  ob  die  Germauen  jemals  mit  diesen 
Schlitten  oder  Schlittenbrettern  g-edroschen  haben.  Unmöglich  ist 
es  gewiß  nicht.  Schrader  weiß  im  RL.  auch  nicht  weiteren  Be- 
scheid zu  geben  (s.  v.  dreschen),  er  spricht  vom  Dreschen  mittelst 
Schlitten  überhaupt  nicht. 


Im  Slavischen  existiert  ein  merkwürdiges  Wort  für  Hütte 
u.  dergl.,  das  noch  nicht  erklärt  ist;  ich  meine  aksl.  ve^a  und 
seine  Xachkommeu. 

Miklosich  gibt  im  Lex.  pal.  S.  121  als  Bedeutung  an  cella 
penaria^  Vorratskammer  (wobei  man  aber  wohl  ein  eignes  Häuschen 
zu  verstehen  hat),  coqiiina  (d.  h.  Herdraum),  tentorium.  Diese 
verschiedenen  Bedeutungen  scheinen  —  wie  in  ähnlichen  Fällen  — 
aus  der  eines  kleinen  Häuschens  mit  Herd,  das,  als  man  ein 
besseres  kennen  lernte,  zum  Jv^ebengebäude  herabsank,  hervor- 
gegangen zu  sein. 

Slov.  ve^a  "Hausflur,  Vorhaus',  vezica  'Vorhalle  bei  der 
Kirche',  vezje  n.  'Vorhaus,  Laube'.  Kroat.  veza  'Torweg,  Vor- 
halle, Flur'.  Tschech.  vez  veze  vizka  'Turm',  veznik  'Haushund', 
Kettenhund'.  Poln.  uneza  'Turm',  obersorb.  tvjeza  weza  'Turm', 
niedersorb.  iija^a  'Haus',  russ.  (vgl.  Dal  s.  v.  ve^a  und  veea)  'Zelt, 
Turm,  Xomadenhütte,  Kibitka,  Jurte'  usw.,  kleinruss.  veza  veM 
'Turm  (Gefängnis),  Wagen,  Hütte'. 

Wir  erkennen  drei  Bedeutungen: 

1.  Hütte,  öfter  bewegliche  Hütte  (daraus  'Wagen'  ent- 
standen?), 

2.  Flur, 

3.  Turm. 

Die  Angaben  der  Wörterbücher  genügen  hier  ebensowenig 
wie  in  allen  entsprechenden  Fällen;  ohne  Bilder  oder  Pläne 
der  so  bezeichneten  Gegenstände  kann  man  sich  keine  kL^re 
Vorstellung  macheu. 

Für  die  Bedeutung  'Flur'  findet  sich  ein  sicherer  Beleg 
in  K.  Schmidt  'Die  bäuerliche  Wohnung'  in  dem  Buche  'Dorf- 
kirche und  Bauernhaus  im  Königreich  Sachsen'  (SA.  aus  Wuttke's 
Sächsischer  Volkskunde)  S.  97,  wo  der  Grundriß  eines  Lausitzer 
'wendischen'  Hauses  gezeichnet  ist.  Der  Hausflur,  das  Vorhaus 
vor  der  Küche,  heißt  hier  njam. 

Aber  wegen  der  Bedeutung  'Flur'  des  slovenischen  veza 
vgl.  M.  Murkos  Ausführungen  (Mitteil,  der  anthrop.  Ges.  Wien  36 


428  R.  Meringer. 

[1906]).  Marko  sagt  S.  13:  "Küche  iiiul 'Vorhaus'  oder 'Fhir',  wie 
veza  übersetzt  wird,  sind  im  Yolksbewußtsein  ein  Raum,  ob- 
Avohl  beide  Teile  selbst  iu  ärmlichen  Häusern  gewöhnlich 
differenziert  erscheinen.  Beim  Eintiitte  bemerkt  man,  daß  un- 
gefähr zwei  Drittel  der  Flur  und  ein  Drittel  die  Küche  ein- 
nimmt. Der  Küchenteil  ist  nicht  bloß  durch  einen  Herd  und 
sein  Zubehör,  sondern  auch  durch  ein  Gewölbe  und  durch 
einen  tieferen  Boden  i)  aus  Lehm,  Stein  oder  Ziegel  charak- 
terisiert, während  der  Flurteil  nach  oben  noch  ganz  offen  ist 
oder  eine  Holzdecke  .  .  .  trägt"  usav. 

Daraus  geht  hervor,  daß  slov.  veza  heute  noch  nicht  all- 
gemein 'Flur'  ist,  sondern  noch  der  alte  Einheitsraum,  der 
Herdraum,  von  dem  jetzt  erst  sich  ein  Flur  absondert. 

Daß  aber  auch  ein  wirklicher  Flur,  wie  bei  den  Lausitzer 
Sorben,  veza  genannt  wird,  überrascht  uns  in  keiner  Weise. 

Der  Vorgang  ist  dieser.  Zuerst,  als  das  Haus  noch  ein- 
zellig ist,  nur  einen  Herdraum  enthält,  hat  der  ganze  Bau  und 
sein  einziger  Raum  denselben  Namen.  So  heißt  in  Gurien 
(Kaukasien)  das  AVohnhaus  nach  v.  Haxthausen  Transkaukasia  I 
S.  152  f.  sachel^  und  ebenso  der  einzige  (geschlossene)  Raum  des 
Hauses,  das  aber  sonst  noch  eine  große  offene  Vorhalle  ent- 
hält'^). Derselbe  Fall  ist  es,  wenn  in  Frankreich  der  Kamin- 
raum, die  Küche,  la  maisoti,  im  Schweizer  Kanton  Tessin  der 
Herdraum  la  ca  ^)  heißt,  obwohl  die  Häuser  schon  Nebenräume 
enthalten.  So  ist  auch  auf  dem  Plan  von  St.  Gallen  (a.  820) 
der  Herdraum  bei  einigen  Häuschen,  die  auch  andere  Räume 
haben,  als  domus  ipsa,  als  eigentliches  'Haus'  bezeichnet,  woraus 
wohl  zu  schließen  ist,  daß  der  Herdraum  zu  jener  Zeit  Jiüs 
hieß  *).  So  heißt  heute  bei  den  Slovenen,  dort,  wo  Herdraum  und 
Flur  noch  nicht  getrennt  sind,  der  ganze  Raum  veea  d.  h.  'Haus', 
obwohl  Nebenräume  vorhanden  sind.  Beim  serbokroatischen 
Stamme  heißt  vielfach  der  Herdraum  kiica  'Haus'.  AVenn  dann 
die  Entwicklung  weiter  geht,  d.  h.  ein  Flur  von  der  Küche  ab- 
getrennt wird,  dann  bleibt  öfter  der  alte  Name  des  ganzen 
Raumes  bei  dem  Flur,  während  der  Herdraum  eine  meist,  aus 


1)  Der  vertiefte  Boden  des  Herdraums,  den  ich  bei  Deutschen  nie 
fand,  erinnert  noch  an  das  neolithische  Haus. 

2)  Im  Georgischen  heißt  Haus  s«x^»'(saxeli),vviemichSchuchardt  belehrt. 

3)  La  ca  =  'das  Haus'  Hunziker  Das  Schweizerhaus  2,  4. 

4)  Näheres  in  einem  kleinen  bei  Teubner  erscheinenden  Büchlein 
Das  Deutsche  Haus  und  sein  Hausrat  vom  Verf. 


Wörter  und  Sachen.    IV.  429 

lat.  coquina  stammende  Bezeichnung  erhält.  So  gibt  es  dann 
z.  B.  auf  slovenischem  Boden  neben  veza  {=  Flur)  eine  kuhnja, 
und  auf  deutschem  neben  Hans  (=  Flur)  eine  Kuchl.  Während 
also  820  der  Herdraum  hüs  hieß,  heißt  heute  vielfach  das  Vor- 
haus, der  Flur,  s'Haus.  Es  kommt  aber  noch  immer  vor,  daß 
der  Herdraum  Hans  genannt  wird. 

Veza  im  Sinne  von  'Flur'  wäre  also  begreiflich.  Alt  kann 
dieser  Sinn  nicht  sein,  denn  das  Abtrennen  des  Flurs  von  der 
Küche,  in  verschiedenen  Gegenden  natürlich  zu  verschiedenen 
Zeiten  erfolgt,  ist  im  allgemeinen  nicht  sehr  alt.  Das  bosnische 
Haus  zeigt  noch  keinen  Flur,  woraus  man  mit  Sicherheit  schließen 
kann,  daß  das  oberdeutsche  Haus,  als  es  hinabkam,  noch  keinen 
Flur  kannte.    Doch  wann  kam  das  oberdeutsche  Haus  hinunter? 

Wie  ist  aber  ve^a  zum  Sinn  von  'Turm'  gelangt?  Strekelj 
hat  gesprächsweise  die  Vermutung  ausgesprochen,  daß  dies  bei 
jenen  Kirchen  zuerst  der  Fall  war,  wo  der  Turm  vor  dem 
Haupteingang  steht,  so  daß  sein  Untergeschoß  das  Vorhaus  der 
Kirche  bildete.  Solche  Kirchen  sind  bei  uns  weit  verbreitet 
und  gewiß  alt  —  aber  veza  im  Sinne  von  'Flur'  scheint  mir 
nicht  genug  alt  zu  sein  für  diese  Erklärung.  Gewiß  ist  nur 
die  Geschichte  der  Sachen  berufen,  hier  Licht  zu  bringen.  Ich 
möchte  eher  daran  denken,  daß  man  einen  fahrbaren  Turm, 
einen  Belagerungsturm,  veza  nannte;  denn  in  dieser  Bezeichnung 
für  ein  Haus  lag,  wie  die  heutigen  Bedeutungen  noch  ven-aten, 
gewiß  der  Sinn  des  Beweglichen,  des  Fahrbaren. 

Und  so  hat  denn  auch  schon  Potebnja  veza  an  '^uegh  an- 
geknüpft und  an  ein  ursprüngliches  Wagenzelt  gedacht.  Vgl. 
Verf.Ztsch.  f.  d.  österr.  Gymn.  1903  S.  392.  Aber  das  muß  ich 
noch  immer  ablehnen,  ebenso  wie  ich  meine  eigne  ebd.  ge- 
gebene Et\'mologie  aufgebe.  Das  alte  ueghiä  kann  aus  zwei 
Gründen  nicht  eine  Art  'Wagen'  bedeutet  haben: 

1.  Die  Bezeichnungen  für  einen  Wagen  waren  idg.  ^uoghos 
öxoc,  aksl.  vozd  usw.  und  *ueghm  vgl.  osk.  veia  Festus  ThdP.  560, 
17  (KZ.  30,  230,  40  230,  v.  Planta  1177  u.  ö.),  das  plaustrum 
bedeutete. 

2.  Aus  der  veia  ist  ein  festes  Haus  geworden,  aber  nie- 
mals und  nirgends  ist  bekannt  geworden,  daß  aus  einem  Wagen 
ein  Haus  geworden  ist.  Auch  nicht  aus  einem  Wohnwagen.  Und 
wo  das  Zelt  auf  den  Wagen  transportiert  wurde,  da  konnte  das 
Zelt  zum  festen  Hause,  zur  Hütte  werden,  aber  nicht  der  Wagen. 


430  R.  Meringer, 

Xun  bietet  sicli  eine  Lösung,  die  saclilich  und  sprachlich 
wohl  angeht:  "Wenn  *iieghiä  die  Bezeichnung  eines  Schlitten- 
hauses war,  dann  versteht  man  das  Wort;  denn  es  war  fahrbar, 
beweglich,  und  aus  diesem  beweglichen  Hause  konnte  ein  festes 
Averden,  wie  es  einst  in  Lvkien  und  in  letzter  Zeit  bei  den 
Südslaven  geschehen  ist. 

Aber  ein  neues,  spezifisch  slavisches  Wort  scheint  ve^a 
nicht  zu  sein;  es  sieht  vielmehr  uralt  aus.  Die  Herzegowzen 
nennen  das  Schlittenhaus  ijovozna  koliha,  in  der  Wurzel  des 
Adjektivum  also  noch  getreu  dem  alten  Worte  veza.  A"gl.  auch 
aisl.  vgg,  das  'Schlitten'  bedeutet.  Xoreen  Aisl.  Gr.^  S.  228. 

Mich  dünkt,  es  weist  Alles  darauf  hin,  daß  es  einst  in 
altindogermanischer  Zeit  —  in  welcher  Verbreitung  ist  völlig 
dunkel  —  ein  bewegliches  Haus  mit  Schlittenkufen  gegeben 
hat,  dessen  Name  *ueghm  war. 


Die  Mangel. 

Wenn  die  Wäsche  frisch  gewaschen  und  getrocknet  ist, 
ist  sie  spröde.  Um  sie  wieder  geschmeidig  zu  machen,  muß  man 
sie  kneten.    Dabei  bedient  man  sich  verschiedener  Werkzeuge. 

Die  primitivsten  bei  unseren  Yölkern  nachweisbaren  Yor- 
richtungen  sind  runde  Glasklumpen.  R.  Andree  beschreibt  sie 
Braunschweiger  Volkskunde  ^  S.  259.  Sie  haben  einen  Durch- 
messer von  7 — 8  cm,  wiegen  i  '2  Pfund  und  drüber  und  bestehen 
aus  tiefdunkelgrünem  Glase.  Sie  heißen  gnidel-  oder  gniwelsteine. 
Sie  reichen  von  den  Niederlanden  durch  ganz  Norddeutschland 
bis  nach  Livland,  im  Süden  bis  nach  Thüringen.  Das  hohe  Alter 
dieser  Gniedelsteine  steht  durch  Ausgrabungen  fest.  Man  wird 
wohl  annehmen  können,  daß  vor  dem  Glasklumpen  zum  selben 
Zwecke  ein  RoUstein  aus  einem  Flußgeschiebe  verwendet  wurde. 

Aus  dem  Egerlande  höre  ich  folgendes i):  Es  war  hierin 
den  Färbereien  ein  pilzförmiger  Glättstein  im  Gebrauch,  der  an 
einer  von  der  Decke  herabhängenden  beweglichen  Stange  be- 
festigt war,  am  Stiele  gefaßt  und  auf  einem  glatten  Tisch  aus 
hartem  Holz  nach  Art  eines  Plätteisens  über  einem  Stoff  hin- 
und  hergeführt  wurde,  w^as  glänzen  (helles  a)  hieß.  Diese  Vor- 
richtung und  der  Raum,  in  dem  sie  angebracht  w\ar,  hatte  die 
Bezeichnung  Glanz. 


1)  Nachricht  von  Prof.  J.  Schiepek  in  Saaz,  Böhmen. 


Wörter  und  Sachen.    IV. 


431 


Fig.  211. 
Mangeln  aus  Holz  (Ungarn). 


Ein  anderes  Werkzeug  zum  Glätten  der  Wäsche  sind  pilz- 
artige Hölzer  oder  Gläser,  deren  Form  aus  den  Fig.  20 — 22  zu 
ersehen  ist.  Die  hölzernen  Instrumente  von  Fig.  20  stammen 
aus  Breznöbanya 
in  Zolgom  (Alt- 
sohl).  Sie  werden 

hlagijidlo  oder 
hlagijica    genannt 

(also  hladjidlo, 
hladjica,  zu  aksl. 
gladifi  'glätten'). 
Fig.  2 1  stammt 
aus  Hochwiesen 
im  Bacser  Comi- 
tat,  ist  aus  dunkel- 
olivgrünem     Glas 

und  heißt  bei  den  dortigen  deutschen  Bewohnern  Wickelglas'). 
Die  Fig.  22  ist  aus  Holz,  16  cm  hoch  und  12  cm  breit^).  Be- 
merkenswert ist  an  dem  letzten  Exemplar,  daß  es  auf  seiner 
kugeligen  Fläche  4  konzentrische  1  mm 
breit  eingeschnittene  Kreise  zeigt,  die  ge- 
wiß eine  technische  Bedeutung  haben. 

Prof.  Ferk,  der  diese  Hölzer  seit  seiner 
Jugend  kennt,  versichert  mir  mit  vollster  Be- 
stimmtheit, daß  sie  'Mangel'  oder  'Mangel- 
hölzer' heißen.  Bei  TJnger-Khull  Steirischer 
Wortschatz  448  ist  angegeben,  daß  ein 
Strumpfstoppholz,  das  also  ganz  ähnliche 
pilzartige  Form  wie  unsere  Glätthölzer  hat, 
aber  nur  etwa  halb  so  groß  ist,  Mangel 
Fem.  heißt.  Wenn  das  wahr  ist,  dann 
hießen  wohl  zuerst  die  Glätthölzer,  mit 
denen  ja  wirklich  gemangelt  wird,  so,  und 
die  Stopphölzer,  auf  denen  die  Löcher  in  den  Strümpfen  ver- 
näht werden,  übernahmen  später  die  Bezeichnung  Avegen  ihrer 


Fig.  21. 
'Wickelglas'  (Ungarn). 


1)  J.  R.  Bunker  war  so  gütig,  die  Fig.  20  und  21  für  mich  ab- 
zuzeichnen aus  dem  Beiblatle  der  ungar.  Ethnographia  XI.  Jahrg.  7.  Heft 
(Sept.  1900). 

2)  Ich  verdanke  das  Original  der  Güte  Prof.  Ferks.  Die  Dimensionen 
der  anderen  Mangeln  sind  entsprechende. 


432  R.  Meringer, 

ahnliclieu  Form ').  AVenn  man  also  meint,  die  Mangel  sei  schon 
ein  sehr  ursprünglicher  Apparat,  dann  sieht  man  jetzt,  daß  es 
bis  in  unsere  Zeit  herein  noch  einfachere  Yonichtungen  ge- 
geben hat. 

Nun  zur  Mangel  selbst.  Die  Mangel  besteht  aus  einem 
Brett  mit  Handhabe  und  einer  Walze.  J.  J.  Prechtl  Technische 
Encyklopädie  (1838)  9.  Bd.  477  Aveiß  Folgendes  zu  sagen:  "Unter 
Mange  oder  Rolle  (in  manchen  Gegenden  auch  Mangel  und 
Mandel  genannt)  verstellt  man  jene  bekannte  "Vorrichtung  oder 
Gerätschaft,  auf  welcher  vorzüglich  die  Hauswäsche  gerollt  und 
welche  zugleich  in  Färbereien  und  Bleichereien,  wo  sie  in  einem 
größeren  Maßstabe  ausgeführt  ist,  zum  Mangen  und  Glätten  der 
Leinwand  und  sonstiger  Zeuge  .  .  .  verwendet  wird.  Das  Prinzip 
dieser  Mangen  beruht  immer  darauf,  auf  einer  glatten  und 
ebenen  Unterlage  zwei  oder  mehrere 
Walzen,  um  welche  der  zu  glättende  Zeug 
gewickelt  ist,  mittelst  eines  gewöhnlich  mit 
Steinen  belasteten  prismatischen  Kastens, 
dessen  ebenfalls  glatte  und  ebene  Boden- 
fläche auf  den  Walzen  liegt,  hin  und  her 
zu  rollen.  Das  Prototj'p  zu  allen  diesen 
Apparaten  findet  sich  noch  in  ärmeren  oder 
1  ^\^^\^'    !••  fi    kleinerenHaushaltungen,  wo  die  getrocknete, 

Mangel  aus  Holz  (>«ordostl.  o      i  o  7 

Steiermark).  dauu    wieder    mäßig    befeuchtete    (einge- 

spritzte) Wäsche  um  einen  Küchen-Walger 
(sie!)  geschlagen,  mittelst  eines  kleinen  Brettes,  dem  Rollbrette, 
bei  Ausübung  eines  starken  Druckes,  auf  einer  ebenen  Bank 
oder  einem  Tische  hin-  und  hergerollt,  und  diese  dadurch  "weich 
oder  lind  gemacht  und  von  den  Falten  oder  Runzeln  befreit 
wird". 

Wir  haben  es  hier  mit  der  einfachsten  und  ursprüng- 
lichsten Mangel  zu  tun,  mit  der  von  Prechtl  zuletzt  erwähnten. 
Da  ist  nun  sofort  Einsprache  dagegen  zu  erheben,  daß  ein 
Küchenwalker  (wir  sagen:  Nudelwalker)  gewöhnlich  bei  der 
Mangel  verwendet  wird.  Die  Mangelwalze  ist  etwa  halb  so  stark 
wie  ein  Xudelwalker  und  hat  gar  keinen  Griff  oder  nur  einen, 
während  der  Walker  deren  zwei  hat.    Das  ist  wohl  Unterschied 


1)  Jetzt  gibt  es  in  den  städtischen  Küchen  tähnhche  Hölzer,  die  dazu 
dienen,  etwas  durch  ein  Sieb  hindurchzupressen.  Bei  uns  heißen  sie  'Passier- 
schwamm'. Früher  benützte  man  dazu  einfach  den  Kochlöffel. 


Wörter  und  Sachen.    IV.  433 

genug  imd  die  Verwendung  des  Küchenwalkers  kann  daher  nur 
eine  gelegentliche  sein^). 

Die  Fig.  23  stellt  eine  Mangel  aus  Stralsund  vor^).  Sie 
gehört  zu  den  schönsten  Exemplaren  ihrer  Art  und  kann  als 
typisch  gelten,  wie  der 
Vergleich  mit  dem 
Mangelholz  im  Flens- 
burger Museum ,  das 
RMeiborgDas  Bauern- 
haus     im     Herzogtum  MangerStraisund). 

Sclileswig    S.  95    Fig. 

144  abbildet,  beweist.  Über  den  Typus  des  Pferdchens,  das  den 
Griff  bildet  und  dem  des  Flensburger  Mangelholzes  völlig  gleicht, 
ein  anderes  Mal. 

Die  Fig.  24  stellt  eine  Mangel  polnischer  Provenienz  dar. 

Die  Magd,  welche  mit  einem 
solchen  Instrument  gearbeitet 
hat,  versichert,  daß  die  Zähne 
des  Bretts  beim  Mangeln  nach 
MangeUPoien).  j^^^^u  ZU  liegen  kommen.  Die 

Zähne  erinnern  an  die  einge- 
schnittenen Kreise  des  Glättholzes  Fig.  22.  Ich  kann  aus  beiden 
Einrichtungen  nur  schließen,  daß  die  Glätte  des  Mangelholzes 
nicht  immer  als  zweckentsprechend  angesehen  wurde,  sondern 
daß  man  die  Unebenheit  absichtlich,  vielleicht  um  die  Runzeln 
der  Wäsche  auseinanderzuziehen,  her- 
stellte. 

Die  Fig.  25  stellt  unsere  süddeut- 
sche Rolle  dar,  die  schon  durch  die 


BeschreibungPrechtls  aufgeklärt  wird.     [       ^ 


IX 


Sie  ist  eine  mehr  städtische  Einrich-  / 

tung  und  wird  von  irgend  einem  Ge-  / 

schäftsmann  um  ein  mäßiges  Entgelt      

zur  Benützung  vermietet.  Fig.  25. 

Über  das  Waschen  der  Wäsche  ^"^"  ^'"""^rKou?;.''^"  ^^''''^'^ 
handelt    Heyne    Körperpflege    und 
Kleidung  91  ff.  Waschen  (in  Lauge),  Reiben,  Schlagen  mit  einem 

1)  Der  Zweck  von  beiden  ist  allerdings  derselbe.  Beide  kneten,  aber 
das  Objekt  ist  eben  ein  anderes. 

2)  Rud.  Much  hat  sie  mir  geschenkt. 

Indogermanische  Forschungen  XIX.  29 


iSi  R.  Meringer, 

Bleuel  (vgl.  (las  Bild  bei  Heyne  Fig.  55),  Ausspülen,  waren 
die  wesentlichen  Teile  der  Prozedur.  "Fügen  wir  noch  hinzu, 
daß  das  Glätten  des  kleineren  getrockneten  Zeuges,  wahr- 
scheinlich ebenso  seit  Urzeiten,  durch  ein  Kundholz  geschieht, 
dessen  Bezeichnung  im  an.  mpndull,  sowie  im  vereinzelten  hoch- 
deutschen mandel  mandelholz  erhalten  ist  .  .  .,  und  das  mit  dem 
darüber  gewickelten  Zeuge  über  ein  Brett,  das  mandelhrett  hin 
und  iier  gezogen  wird,  so  haben  wir  die  einfaciien  Handgriffe 
bei  der  altgermanischen  und  auch  noch  der  mittelalterlichen 
Hauswäsche  wohl  vollständig  aufgezählt". 

Zu  diesen  Worten  Heynes  (a.  a.  0.  94)  möchte  ich  bloß 
hinzusetzen,  daß  seine  Darstellung  des  Grlätteus  unklar  ist.  Ich 
halte  mich  an  die  Frechtische  Darstellung. 

Mit  dem  Mangeln  schloß  früher  das  Waschen  ab.  Das 
Bügeln  und  Steif  machen  ('stärken'  sagen  wir)  ist  eine  neuere 
Sache. 

Zwei  Wörter  beziehen  sich  auf  die  alte  Technik  des  Glätteus 
l.  Mandel,  2.  Mangel. 

1.  Mandel.  Heyne  beschreibt  Das  deutsche  Nahrungswesen 
25S  eine  urgermanische  Handmühle.  Sie  besteht  aus  zwei  Steinen, 
von  denen  der  obenliegende  zentral  durchbohrt  ist.  In  dem  Loch 
steckt  ein  rundes  Holz  und  mit  diesem  wird  der  obere  Stein 
in  Kotation  versetzt.  "Das  Holz  heißt  mgndidl^  mgndul-tre  auch 
skap-tre^  und  die  erstere  Bezeichnung  ist  sicher  gemeingermanisch 
und  für  die  Allgemeinheit  der  Vorrichtung  schon  in  der  Urzeit 
beweisend,  da  sie  in  einem  völlig  isoliert  stehenden  hochdeutschen 
mandel^  mandelholz  Rollholz,  walzenföriuiges  Holz,  wiederkehrt, 
welches  sonst  unter  Einwirkung  des  mittelalterlichen  Fremd- 
wortes mange  Schleuder-  und  (Tlättmaschine  in  manrjel^  mangel- 
holz  verderbt  worden  ist". 

An.  mpndidl  und  deutsch  mandel  gehen  gewiß  auf  ein 
germ.  Wort  zurück,  Avenn  auch  die  Yermischung  mit  mangel 
bis  in  die  nordischen  Dialekte  vorgedrungen  ist;  vgl.  norw.  dial. 
mimgel  =  mondid  'svingel  paa  en  haandkvern",  schwed.  dial. 
mongel  =  mondel  und  dän.  dial.  kvernmangel  =  munnel  in  der- 
selben Bedeutung.  Tgl.  Falk-Torp  sv.  mangle^  die  auch  franz. 
mandrin^  engl,  mandrel  aus  dem  Germanischen  ableiten.  Dazu 
Körting  5878  und  5860,  A.  Walde  sv.  mamphur. 

Für  ein  Lehnwort  aus  dem  Deutschen  halte  ich  apreuß. 
mandiivelis  (Quirnestab.  Elb.  Voc.  318;  Berneker  S.  238).  Die  ür- 


Wörter  und  Sachen.    IV.  435 

verwandten  sind  —  wie  bekannt  —  lit.  menture  'Quirl,  Kühr- 
stock'  ('zum  Drehen  und  Rühren  im  Topf  nach  Kurschat  Deutsch- 
Lit.  Wtb. ;  der  Quirlstock  'zum  Drehen  in  der  Handmühle'  heißt 
nach  ihm  milinys)^  aksl.  metq  'rühre  um'  usw.  Aus  dem  ai. 
hieher  muniliäs  'ßührstock,  Butterstößel' ;  daß  dem  Wort  der 
Begriff  des  Drehens  innewohnt,  beweist  maih  im  Sinn  von 
Teuer  anmachen'. 

Die  im  Veda  belegten  Kasus  von  mdnthäs  nämlich  Akk. 
Sg.  mdnthäm  und  Gen.  Flur.  matJnndm  genügen,  um  ein  uraltes 
Wort  *m6nthöi  obl.  *mnthi-  zu  erweisen,  dessen  Sinn  aber  nicht 
genau  augegeben  werden  kann :  er  war  rund  und  wurde  gedreht, 
oder  es  wnirde  mit  ihm  gedreht.  Das  kann  ein  Quirl  gewesen 
sein,  ein  Butterstößel,  der  Drehstock  am  beweglichen  Stein  einer 
Handmühle.  In  bezug  auf  Quirl  bemerke  ich,  daß  die  Urform 
unserer  Quirle  das  Ende  eines  I^adelholzbaumes  samt  den  Ast- 
stummeln ist,  in  betreff  des  Butterstößels,  daß  dieser  selbst  nicht 
gedreht  wird,  sondern  nur  durch  Stoßen  die  Milch  in  wirbelnde 
Bewegung  versetzt '). 

Sicher  scheint  mir  zu  sein,  daß  die  walzenförmige  Mangel 
auf  germanischem  Boden  sehr  alt  ist  und  ihr  Name  Mandel 
war.  Wie  alt  die  pilzförmige  ist,  vermag  ich  derzeit  nicht  an- 
zugeben. 

Bartholomae  Airan.  Wtb.  gibt  für  ä  +  mant  die  Bedeutung 
'durch  Anstoßen  beschädigen,  verletzen':  "^astani  aevö  mastrauanqm 
vispaca  yö  mastraynqm  amqstq  x^'aröci&ratn  aetäe  anye  cikaiatö, 
"wenn  einer  einen  Knochen  des  Schädels  und  wenn  einer  den 
ganzen  Schädel  (eines  Toten)  durch  Anstoßen  verletzt,  so  sollen 
sie  (beide)  dies  und  jenes  mit  der  Strafe  büßen,  wie  sie  für 
Verwundungen  (Lebender)  bestimmt  ist,  F.  3  c."  Der  Text  der 
Stelle  ist  bedenklich,  aber,  nachdem  Bartholomae  und  Jackson 
(vgl.  Bartholomae  IF.  11,  118)  den  Sinn  in  der  Hauptsache  gleich 
fassen,  doch  nicht  wertlos.  Wenn  ich  auf  die  Stelle  hinweise, 
so  geschieht  es  bloß,  weil  ich  die  Aufmerksamkeit  darauf  lenken 
und  fragen  möchte,  ob  hier  nicht  statt  allgemein  'durch  An- 
stoßen verletzen'  oder  to  crnsh,  wie  Jackson  sagt,  speziell  'quirlen', 
hier  also  'drepanieren'  zu  übersetzen  ist.  Das  Drepanieren  der 
Schädel  aus  abergläubischen  Gründen  ist  ja  bekannt. 


1)  In  Alt-Aussee  heißt  er  Striela  v.  Andrian  Die  Altausseer  S.  4B 
Fig.  20,  21,  das  ist  Stridh,  Strudler.  In  Übertrag.  Bed.  Strudel  'Zauber'. 
verstrüdlet  'verhext';  vgl.  wegen  des  Bedeutungsübergangs  |aaYT«veüa). 

29* 


i-36  R.  Meringer, 

2.  Das  deutsche  Mange,  Mangel  ist  identisch  niit  mange 
'Wurfmascliine'  (Graff  2,  806,  A.  Schultz  Höf.  Leben  22  396  ff.), 
das  aus  lat.  manganum  ladtYTCtvov  stammt,  und  man  faßt  gewöhn- 
lich das  Verhältnis  der  Bedeutungen  von  'Kriegsmaschine'  und 
"Mangel'  so  auf,  daß  diese  sich  aus  jener  entwickelt  hat. 

So  sagt  neuerdings  Skutsch  Die  latein.  Sprache  (Kultur  d. 
Gegenw.  T.  I,  Abt.  YIII)  S.  442  "Dafür  kann  man  ein  andermal 
wieder  den  eigenartigen  Prozeß  beobachten,  daß  der  Name  der 
Kriegsmaschine  manganum^  den  die  Eömer  von  den  Griechen 
entlehnt  hatten,  in  unserem  Mange  oder  Mangel  zur  Bezeich- 
nung eines  häuslichen  Instruments  wird,  das  mit  jener  nur  die 
Walzen  gemeinsam  hat^)". 

Ich  schließe  umgekehrt,  weil  die  Mangel  mit  der  Kriegs- 
maschine nur  die  Walze  gemeinsam  hat,  kann  die  Mangel  nicht 
nach  der  Kriegsmaschine  benannt  sein.  Das  Wahrscheinliche 
vielmehr  ist,  daß  die  Mangel  früher  da  war  als  die  Kriegs- 
maschine, d.  h.  daß  manganum  —  indTTavov  eine  Wäschrolle  zu- 
erst bedeutet  haben  und  später  eine  erst  einfachere,  dann  kom- 
pliziertere Kriegsmaschine.  Und  in  beiden  Bedeutungen  muii 
manganum,  schließe  ich  weiter,  ins  Deutsche  gekommen  sein, 
imd  das  müssen  wir  annehmen,  wenn  auch  die  Überlieferung 
nicht  genügend  ist,  um  den  Beweis  dafür  zu  erbringen.  Im 
Deutschen  fand  der  fi-emde  Eindringling  das  Wort  mandel  vor, 
zufälüg  derselben  Bedeutung,  und  von  da  beginnt  der  Kampf 
der  beiden  Wörter,  der  zumeist  mit  dem  Siege  des  Fremdworts 
endete,  das  aber  im  Suffix  vom  alten  Worte  beeinflußt  wurde : 
Mangel  aus  manganum  nach  Mandel,  an.  mgndull. 

Aus  dem  deutschen  mange  stammt  apreuß.  manga  'die 
Hure'  Berneker  306.  Sie  wurde  Mange  genannt,  wie  sie  im 
Deutschen  gelegentlich  Geige  heißt  (IF.  16,  133  1),  nach  den 
Bewegungen  ihres  Geschäfts.  Auch  im  lit.  hzmanginis  'ein  unehe- 
lich geborenes  Kind'  suche  ich  das  deutsche  Mange;  es  be- 
deutet (wie  Bankert)  ein  auf  dem  Mangelbrett  (oder  mit  einer 
'*manga')  gezeugtes  Kind.  Aus  dem  deutschen  mangel  stammt 
poln.  magiel,  lit.  mangalis  vgl.  Miklosich  Et.  Wtb.  S.  182. 

Wenn  man  die  mit  mang  zusammenhängenden  indoger- 
manischen Wörter  ansieht,  so  kommt  man  zur  Überzeugung,  daß 
mang  irgend  eine  Prozedur  bedeutete,  womit  man  etwas  schöner 

1)  Der  von  Skutsch  zitierte  Aufsatz  von  F.  Reuleaux  Zts.  des  Vereins 
Deutscher  Ingenieure  1885  enthält  über  die  Mangel  S.  26  nichts  von  Wert. 


Wörter  und  Sachen.   IV.  437 

machen  konnte.  Dann  mischt  sich  der  Sinn  des  schwindelhaften 
Yerschönerus.  eventuell  des  .Zaiiberns  ein.  Da  aber  weiter  mang 
mit  7nag  'kneten'  (IF.  17,  146)  zusammenzuhängen  scheint  und 
nur  bei  der  Wcäsche  aus  einem  Kneten^)  ein  Schönermachen 
oder  Schönerwerden  resultiert,  so  glaube  ich,  daß  schon  der 
älteste  Sinn  von  mmig  war  "mittelst  eines  Kundholzes  die  Wäsche 
(oder  die  Gewänder)  weich,  geschmeidig,  schön  machen".  Und 
die  primitiven,  hier  in  der  Abbildung  vorgebrachten  Instrumente 
erheben  wahrlich  nicht  Einspruch  dagegen,  daß  man  die  ganze 
Prozedur  für  uralt  hält. 

Griecb.  luctYTctvov  war  also  ursprünglich  kein  'Zaubermittel' 
(luaYYCveuuu)  oder  'Mittel  zum  Betrügen',  sondern  ein  sehr  ehr- 
licher Prügel,  und  lat.  mango  auch  kein  betrügerischer  Kauf- 
mann 2),  sondern  nur  Einer,  der  die  Gespinnste  nach  dem  Waschen 
wieder  herstellt.  Im  Griechischen  liegt  übrigens  die  sinnliche 
Bedeutung  des  Wortes  noch  klar  vor  uns :  "Bei  den  griechischen 
Mathematikern  heißt  der  Kloben  oder  die  Achse  im  Flaschen- 
zuge ^dTTttvov"  sagt  Blümner  3,  114.  Der  übertragene  un- 
günstige Sinn  findet  sich  auch  im  ir.  meng  'Trug,  List',  mengach 
'verräterisch'. 

Die  höchste  Entwicklung  der  Bedeutung  nach  der  günstigen 
Seite  \mimang  im  Altindischen  durchgemacht.  Vgl.  ai.  manjus  'lieb- 
lich', ja  sogar  maidgaläni  'Glück,  Heil',  ddurmangala  {jpaini)  'kein 
Unglück  bringend',  sumardgdla^  sumardgali  'glückbringend'  ■ —  aber 
andererseits  manjikä  'Hure'.  Was  es  mit  maiijila  M.  'ein  haupt- 
sächlich von  Wäschern  bewohntes  Dorf.  (J!ardarthak'  P.  Wtb.  für 
eine  Bewandtnis  hat,  weiß  ich  nicht. 

Zu  ai.  mamjala  setzt  SchefteloAvitz  Zeitschr.  d.  d.  morg.  Ges. 
59,  701  av.  mang-  'verherrlichen'.  Auch  maga  M.  'Bund'  könnte 
liieher  gehören. 

Wenn  man  nun  den  Artikel  mango  des  tapfern  und  ehr- 
lichen Et,  Wtb.  von  A.  Walde  ansieht,  wird  man,  glaube  ich, 
sehen  können,  daß  man  aus  dem,  was  Walde  dort  vorbringt, 
schon  auf  dieselben  Schlüsse  hätte  kommen  können,  die  ich  hier 
zur  iSTachprüfung  meinen  Fachgenossen  unterbreite. 


1)  Es  ist  doch  beachtenswert,  daß  der  Nudelwalker  (der  Küchen- 
walker) auch  als  Mangel  verwendet  werden  kann,  wie  Prechtl  angibt. 

2)  Das  deutsche  Lehnwort  hat  keinen  schlechten  Sinn :  Ahd.  man- 
griri,  mhA.mangcere;  Eisenmanger,  Fischmenger,  Fleisch-,  Tuch-,  Wittmanget 
Schmeller  I  162.5.    Dazu  der  Personenname  Menger. 


438 


R.  Meringer, 


Zum  Dache. 

Ein  Angriff  von  W.  Kubitschek  zwingt  mich  zur  Abwelir. 
Ich  habe  in  den  Mitteilungen  der  Anthropol.  Ges.  Wien 
24  (1894)  92  Über  Spuren  römischer  Dachkonstruktioneu  in  Car- 
nuntum  gehandelt;  ich  suchte  darzulegen,  daß  die  Bleitäfelchen, 
welche  den  Wegegottheiten  geweiht  wurden,  den  Umriß  von  Holz- 
tempeln zeigen  und  daß  der  Giebel  Dachkonstruktionen  nachbilde. 
Zum  Beweise  meiner  Ansicht  legte  ich  dar,  daß  sich  die  Mehrzahl 

dieser  Dachkonstruktionen 
noch  heute  fänden.  Um 
diesen  Sachverhalt  ad  ocu- 
los  zu  demonstrieren,  Avie- 
derhole  ich  hier  meine  a. 
a.  0.  gegebenen  Fig.  283, 
284,  286  (hier  Fig.  26,  28, 
80)  und  stelle  moderne  Bei- 
spiele daneben. 

ZuFig.  27  vgl.  den  Dach- 
stuhl bei  A.  Rieh  s.  v.  trahs^ 
zu  Fig.  81  Viti-uv  übers,  von 
Fr.ReberS.104.DieFig.80 
zeigt  die  Konstruktion  von 
Fig.  31  doppelt. 

Wer  die  Wesensgieich- 
heit  der  zusammengestell- 
ten Dinge  nicht  sieht,  mit 
dem  führt  allerdings  eine 
Diskussion  zu  nichts. 
.  .  .,  daß  unsere  Votivtafeln 
nicht  auf  ein  einziges  Heiligtum  sich  beziehen,  denn  die  Yerschie- 
denheiten  der  Dachkonstruktionen  zeigen  verschiedene  Kapellen 
oder  Tempel  an.  Die  Wanderer,  Avelche  hier  diese  Gaben  weihten, 
haben  sie  vielleicht  von  verschiedenen  Orten  mitgebracht.  Jeden- 
falls hat  es  viele  derartige  Kapellen  gegeben,  die  wohl  alle,  wie 
es  heute  noch  der  Fall  ist,  eine  weitgehende  Familienähnlich- 
keit hatten". 

Dagegen  sagt  nun  Kubitschek  Jahrb.  d.  k.  k.  Zentral-Kom- 
inission  Hi  (1904)  178:  "Die  Tempel  der  Bleivotive  aus  Yindo- 
bona  und  Carnuntum  .  .  .  erscheinen  mit  spitzem  Giebel   oder 


Fig.  26. 
Votivblättchen  aus  Caruimtum. 


Dann  sagte  ich  weiter  S.  94 : 


Wörter  und  Sachen.    IV.  4ä9 

mit  einem  Halbkreis  abgeschlossen,  der  auf  der  vollen  Breite  des 
Tempels  aufsitzt;  in  diesem  Halbkreis  finden  sich  verschiedene 
Füllungen,  die  dem  Architekten  Dell  den  Gredanken  nahe  legten, 
es  sei  die  Holzkonstruktion  von  wirklichen  Kapellen  der  Kreuz- 
weggöttinnen (oder  einer  berühmten  derartigen  Kapelle?)  darin 
dal  vero  imitiert.  Ich  habe  mich  nie  recht  mit  diesem  für  den 
ersten  Anblick  sehr  ansprechenden  Einfall  befreunden  können; 
vollends  jetzt,  seit  das  Wiener  Stück  .  .  .  vorliegt,  dessen  Vorbild 
in  Holz  kaum  gedacht  werden  kann,  muß  ich  zu  meinem  Bedauern 
diese  Quelle  für  unsere  Kenntnis  der  Holzkonstruktionen  der  Eömer 
oder  der  sogenannten  Kelten  in  Nordpannonien  ablehnen". 

Dieser  geschniegelte  Passus  beweist  nur,  daß  Kubitschek 
nie  meinen  Aufsatz  ordentlich  gelesen  und  auch  beim  Schreiben 
dieser  Zeilen  ihn  zu  Rate  zu  ziehen  verhindert  Avar.   Es  ist  un- 


Fig.  27. 
Dachstuhl  von  S.  Miuiato  bei  Florenz.   (G.  Semper  Der  Stil  IL  Tat'.  XVII,  XVIII.) 

wahr,  daß  Dell  der  Yater  des  Gedankens  ist;  Dell  hat  nur  auf 
meinen  Wunsch  ihn  als  Fachmann  vertreten.  Es  ist  weiter  un- 
wahr, daß  ich,  auch  nur  fragend,  von  einer  derartigen  Kapelle 
gesprochen  hätte,  was  ja  schon  die  Mannigfaltigkeit  der  Dächer 
ganz  ausschloß.  Es  ist  ferner  unwahr,  daß  durch  das  Wiener 
Stück,  das  F.  Kenner  a.  a.  0.  164  Fig.  123  abgebildet  hat,  ein 
neues  Moment  zur  Beurteilung  der  Frage  hinzugetreten  ist;  denn 
dieses  Exemplar  ist  bloß  eine  Variante  von  meiner  Fig.  285.  Die 
Kuppel  von  diesem  Typus  hat  mir  und  Dell  viel  zu  schaffen  ge- 
macht, und  Dells  Rekonstruktion  Fig.  291  ist  auch  gewiß  falsch. 
Aber  Avieder  hat  Kubitschek  Unrecht,  wenn  er  glaubt,  daß  solche 
Gebilde  aus  Holz  nicht  herstellbar  waren :  freilich,  aus  Balken 
sind  diese  Kuppeln  unmöglich  geformt  gewesen,  aber  aus  bieg- 
samem Material,  aus  Ruten.  Wenn  man  weiter  achten  Avird  auf 
alles  das,  was  alte  und  neue  Zeit  aus  Ruten  herzustellen  ver- 
mochte, dann  wird  wohl  noch  Licht  auf  die  Konstruktion  meiner 
Fig.  285  a.  a.  0.  und  des  neuen  Wiener  Exemplars  kommen. 


440 


R.  Merinsjer 


Zu  meiueni  Bedauern  muß  ich  Kubitschek  bitten,  wenn  er 
sich  wieder  einmal  mit  mir  beschäftigt,  meine  Worte  doch  besser 
zu  lesen;  denn  es  ist  nicht  ausgeschlossen,  daß  er  in  solchen 
Ding-en  von  mir  etwas  lernen  kann.  Mit  Vergnügen  komme  ich 
aber  einer  Pflicht  gegen  ihn  nach,  indem  ich  ihm  für  die  ritter- 
liche Zusendung  seiner  Arbeit  und  damit  seines  Angriffs  danke. 
Aber  ich  will  doch  an  dem,  was  ich  1894  sagte,  etwas  mo- 
difizieren, wozu  mich   aber  keineswegs  W.  Kubitschek  bewegt. 

Fr.  Studuiczka  schrieb 
mir  am  7.  Xov.  1894 
und  machte  mir  einen 
sehr  wichtigen  Ein- 
wand :  Er  meinte,  der 
Eeichtum  an  verschie- 
denartigen Hölzei'n  zur 
Dachkonstruktion  sei 
bei  so  k  I  e  i  n  e  n  Heilig- 
tümchen unerhört. 

Hier  ist  mit  sicherem 
Fingerauf  dieSchwäclie 
meiner  damaligen  Aus- 


führungen 


hingewie- 


Fig.  28. 
Votivblättchen  aus  Oarmmtum. 


sen.  Es  ist  richtig,  daß 
einige  dieser  Dachkou- 
struktionen  für  so  kleine 
Bauten  zu  schwerfällig 
sind  und  daß  die  Rö- 
mer solche  überflüssige 
Mühe  verschwendet  hätten,  das  halte  auch  ich  für  ausgeschlossen. 
Aber  ich  glaube,  es  ist  nicht  schwer,  das  Wesentliche 
meiner  Erklärung  auch  gegen  Studniczkas  Einwand  zu  retten. 
Erstens  kann  es  auch  große  Wegheiligtümer  gegeben  haben  und  — 
wenn  das  unrichtig  sein  sollte  —  braucht  zweitens  beim  Schmucke 
dieser  Giebelfelder  gar  nicht  an  die  Dächer  der  Wegkapellen  ge- 
dacht Avorden  zu  sein:  Diese  Motive  können  der  Erinnerung  an 
Dachstühle  überhaupt  entspringen!  Also  nicht  sklavische  Nach- 
ahmung dal  vero  liegt  hier  vor,  sondern  ein  Benützen  wirklich 
vorhandener  Elemente  zum  Schmuck  und  zur  Zier.  Daß  aber 
diese  Elemente  wirklich  vorhanden  waren,  das  beweist  meine 
I^ebeneinanderstelluug  u  uAviderleglich. 


Wörter  und  Sachen.    IV. 


441 


Jetzt  wird  aucli  Fig.  oO  klar.  Nicht  um  einen  wirklichen 
Dachstuhl  handelt  es  sich  hier,  sondern  um  ein  ornamentales 
Spiel,  das  ein  wirklich  bestehendes  Element  hier  verdoppelt  und 
einen  Kuppelabschluß  darstellt,  avo  wir  ein  Satteldach  erwarten 
ratißten.  Und  daß  dem  so  war,  dafür  fand  ich  in  den  vielen 
Jahren,  in  denen  ich  darauf  achtete,  genug  Analogien.  Namentlich 
einen  Giebelschmuck  nach  Fig.  28  findet  man  häufie-  bei  Oarten- 


tei.<r^^  '3%^ 


i^V- 


Fig.  29. 

Die  durch  Erdbeben  (September  1905)  zerstörte  Kirche  vou  Parphelia 
(Leipziger  Ulustrierte  Zeitung  No.  3247). 


hütten,  die  aus  nicht  abgerindeten  dünnen  Baumstämmen  herge- 
stellt sind,  aber  auch  im  Giebelfelde  von  großen  Fachwerkljauten 
in  "deutschen  Ländern  wie  bei  den  Landvillen  der  englischen 
Grundbesitzer. 

In  dieser  Fassung  ist  meine  Meinung  —  glaube  ich  —  noch 
immer  annehmbar;  dem,  der  absolut  kein  Mitwirken  von  Erinne- 
rungsbildern an  Dachstühle  zugeben  wollte,  müßte  ich  die  Frage 
vorlegen,  wie  er  sich  die  Übereinstimmung  von  Fig.  26  und  27, 
28  und  29,  30  und  31  erklärt.  An  bloßen  Zufall  zu  denken, 
halte  ich  für  unannehmbar. 


ii2 


R.  McM-ingcr, 


Stiulniczka  hat  mich  seinerzeit  auch  auf  dieA^edut  vonPuteoli 
auf  dorn  Glasgefäß  von  Lissabon  (vgl.  die  ausgezeichnete  Arbeit 
von  Th.  Wiegand  'Die  puteohuiische  Bauinschrift'  im  XX.  Supple- 
mentb.  d.  Jahrb.  f.  Fhilol.  S.  699)  aufmerksam  gemacht.  Die  beiden 
hier  dargestellten  Tempel  haben  in  ihren  Giebelfeldern  merkwürdige 
Linien,  die  gewiß  nichtDachkonstruktionen  sind.  Auch  hier  scheint 
irgend  eine  Reminiszenz  an  etwas  Bestehendes  vorzuliegen  und 
nicht  ein  leeres  Phantasieren  in  Linien. 

Ich  werde  also  trotz  Kubitschek  auch  fernerhin  die  Blei- 
blättchen  aus  Carnuntuni  für  eine  Quelle  der  Kenntnis  der  Holz- 
konstruktionen auf  unserem 
Boden  in  Römerzeit  halten 
und  zwar  für  eine  wichtige, 
die  uns  beweist,  daß  unsere 
einfachen  Dachstühle  schon 
damals  existiert  haben  — 

was  übrigens  ziemlich 
selbstverständlich  ist. 

Ich  schließe  einige  Ety- 
mologien an.  Daß  Sparren 
JA        ,-««^^  zu  Sporn   und  Spur  ge- 

I^^    iinr-  hört,  ist  bekannt.    Die  äl- 

teste Bedeutung  zeigt  uns 
ai.  sphurdti  'stoße  mit  dem 
Fuße',  lit.  spiriii  dasselbe, 
CTTaipuu  'zapple'.  In  über- 
tragener Bedeutung  liegt 
die  Wurzel  in  lat.  sperno  vor.  Daß  aber  Sparren  ursprüng- 
lich eine  Aveitere  Bedeutung  hat,  beweist  sperren,  das  nament- 
lich vom  Verschließen  der  Tür  mittelst  eines  vorgelegten 
Riegels  oder  horizontalen  Balkens  gebraucht  Avird.  Wie  ist 
aber  der  Bedeutungsübergang  von  'stoße  mit  dem  Fuße', 
'Spur',  'Sporn'  zu  Sparren  und  sperren  erfolgt?  Es  fehlt 
durchaus  das  Mittelglied  für  diesen  Übergang.  Ahd.  sparro 
wird  mit  tigmcm,  tigillum^  asser  erklärt,  gisperri  mit  tigna^ 
contignatio. 

Was  hat  der  Balken,  mit  dem  Stoßen  des  Fußes  zu  tun? 

Kluge  hat  Bedenken  Speer  zu  Sparren  und  Sporn  zu 

setzen.  Es  gehört  aber  doch  wohl  dazu,  denn  sowohl  der  Sporn 

Avie  der  Speer  sind  ein  Stachel.   Der  Spoi-n  war  der  Stachel  an 


Fig.  3t). 
Votivblättchen  aus  Caruuutiim. 


Wörter  und  Sachen.    IV. 


U3 


der  Ferse,  der  Speer  war  ein  Stachel  überhaupt,  der  Sparren, 
mit  dem  man  sperrte,  war  der  Dorn  des  Schlosses,  oder  die  Stange, 
die  auf  einer  Seite  in  ein  Loch  des  Türpfostens  gesteckt,  auf  der 
andern  durch  ein  Band  befestigt  wurde.  Der  Dachsparren  war 
dann  jedenfalls  auch  auf  einer  Seite  spitzig  und  stak  in  irgend 
etwas,  war  also  anders  befestigt  als  er  es  heute  ist. 

Aber  worin  staken  die  Sparren  des  Daches? 

Sie  können  nur  in  den  obersten  Balken  der  Langseite  der 
Hütte  in  Löchern  gesteckt  haben. 

Mit  dem  Wort  Pfette  sind  wir  schlecht  dran.  Kluge  s.  v. 
konstatiert,  daß  es  zuerst  im  16.  Jahrhundert  vereinzelt  belegt 
ist.  "Könnte  es,  als  'Gang,  Tritt'  zu  Pfad  gehören,  worauf  die 
Lautform   und  Wortbildung  deutet?"  fragt  Kluge.    Ich  denke, 


Fig.  31. 
Moderner  Dachstiihl  (Reimann  Mitteil,  der  Anthrop.  Ges.  Wien  XXIII  SB  S.  13  Fig.  25). 

man  kann  nur  antworten,  daß  die  Bedeutung  des  Wortes  eine 
solche  Herleitung  sehr  unwahrscheinlich  macht. 

Ich  stelle  Pfette  zu  mint  jJedana.  Du  Gange  sagt  davon 
Isidoro  est  Pedulis  noviis  qui  caligae  assuüur^  also  ein  Vorschuh. 
Pedules  ht  pars  caligaruni,  quae  pedes  capit  vgl.  \?ii.pedide  'Schuh- 
werk', Dann  bezeichnet  pedana  eine  Fußkrankheit  der  Pferde, 
auch  eine  Fußkette.  Pfette  wäre  aus  *pedna  hervorgegangen, 
vgl.  Kluge  s.  V.  Kette. 

Die  Pfette  wäre  also  der  Schuh,  in  dem  der  Sparren 
steckt.  Dann  war  allerdings  die  Pfette  früher  etwas  anderes  als 
heute.  Doch  darauf  führt  auch  Schmeller  1,  445,  der  sagt,  die 
Pfette  sei  der  "Querbalken,  der  einen  oberen  Boden  oder  den 
Dachstuhl  eines  Gebäudes  trägt".  Pfette  war  also  einmal  ein 
Unterlagsbalken  in  anderem  Sinne  als  heute. 

Ob  irgendwo  bei  Sennhütten,  Holzhauer-  oder  Ochsenhalter- 


■4-M  R.  Meringer, 

hätten  es  noch  vork(iniint,  daß  die  Sparren  direkt  in  den  obersten 
Läng"sl)alken  dei'  Wände  stecken,  weiß  icli  nicht  bestimmt.  Doch 
vgi.  z.  B.  Bunkers  Bild  iu  Mitteilungen  d.  Anthr.  Ges.  Wien  33, 
S.  242  Fig.  160,  wo  das  der  Fall  sein  könnte. 

Daß  mlat.  pedana  der  Name  für  einen  solchen  Balken  war, 
ist  nicht  unglaublich,  denn  schon  im  Lateinischen  heißt  ^;ef/are 
'ein  schwaches  Gewächs  mit  einem  Stock  stützen'  und  i^^dum 
'der  Hirtenstab'  i). 

Für  die  Bezeichnung  der  Pfetten  im  Lateinischen  wird 
gewöhnlich  templa  gehalten  (Yitruv),  während  aber  Wiegand  a.  a.  0. 
748  die  templa  'Deckbretter'  sein  läßt,  woran  ich  nicht  glaube. 
Doch  ist  es  mir  hier  nicht  darum  zu  tun,  welcher  Art  die  templa 
Avaren,  mir  genügt,  daß  es  Hölzer  der  Dachkonstruktion  waren. 
Und  das  darf  bei  der  Rekonstruktion  der  Grundbedeutung  des 
Wortes  templum  nicht  außer  Auge  gelassen  werden,  femplum 
ist  'beschnitten,  behaun',  also  ein  Balken,  eventuell  ein  26avov, 
ein  delubrum,  und  contemplari  heißt  dann  'mit  deui  templum 
allein  sein'.  Die  Begriffe  'Bezirk'  usw.  können  sich  aus  der  Vor- 
stellung des  dem  Söavov  geheiligten  Raums  entwickelt  haben. 
Sollte  sich  diese  Möglichkeit  weiter  bestätigen,  dann  hätten  wir 
einen  neuen  Beleg  zu  dem  IF.  18,  277  besprochenen  Kult. 

Die  große  Schwierigkeit  bei  der  Herleitung  aus  Hem-lo-m 
war  die  Erklärung  des  -p-  von  templum.  Brugmann  und  Kretschmer 
(KZ.  86,  264  ff.)  denken  deshalb  an  Wz.  Hemp  'spannen'  und 
Kretschmer  erklärt  templa  als  'die  über  die  Sparren  gespannten 
Dachbalken',  Aber  kann  man  denn  die  Art  ihrer  Anbringung 
ein  Spannen  nennen?  Kretschmer  Einl.  411  hat  thessal.  TeuTtea, 
Te|UTTr|  als  'Einschnitt'  gedeutet.  Was  hindert  also  templum  zu  "^temp 
'schneiden',  das  ja  Kretschmer  S.  266  selbst  angenommen  hat, 
zu  setzen? 

Wertvoll  ist   Kretschmers  Hinweis   auf  fi-anz.  temple^  das 


1)  Nach  Abschluß  des  Obigen  erhielt  ich  von  R.  Much  eine  Karte. 
Ich  hatte  ihn  gebeten,  meine  Erklärung  aus  pedana  nachzuprüfen.  R.  Much 
schreibt:  "Pfetten  [dial.]  ist  franz.  borne.  von  dem  Du  W.  u.  S.  II  [IF.  17] 
166  handelst,  beziehungsweise  gerni.  Entsprechung  zu  kelt.  hodina  Tfahl, 
Balken,  Heersäule'.  Pfaden  [bei  Schottel  s.  Kluge]  wird  oberdeutsches  d 
für  t  enthalten  und  vielleicht  auf  einer  Form  mit  Suffixablaut  beruhen.  Ich 
finde  aber  auch  den  Namen  Pfotenhauer,  der  auf  deutsch  t  weist.  Ist  das 
richtig,  so  muß  man  natürlich  idg.  *bodh  ansetzen".  Wenn  R.  Much 
wieder  das  Richtige  getroffen  hat,  dann  fällt  meine  oben  dargelegte  Kom- 
bination weg. 


Wörter  und  Sachen.    IV.  445 

den  Spannstock,  die  Sperrrute  beim  AVebstuhl  bezeichnet.  Vgl. 
ital.  tempiale  'Spannbanm  am  Webstuhl'. 

Das  franz.  temple  erhält  aber  erst  sein  richtiges  Licht  durch 
rumäniscli  tlmpldr^  das  Dame  Incercare  de  Terminologie  mit 
menuisier  'Schreiner'  übersetzt.  Dames  Bild  auf  S.  111,  das  die 
Tätigkeit  des  timpldr  erläutert,  stellt  aber  die  Herstellung  eines 
Daches  dar.  Wie  ich  hinterdrein  aus  Puscariu  Et.  Wtb.  der 
rumänischen  Sprache  S.  160  ersehe,  ist  ttmplär  wirklich  'Zimmer- 
mann' zu  übersetzen.  Das  Material,  das  Puscariu  bringt,  ist  die 
vollkommenste  Bestätigung  meines  Gedankens. 

Daß  lat.  templa  wirklich  die  Pfetten  sind,  beweisen  die  von 
Puscariu  Nr.  1731  gebrachten  italienischen  Dialektformen. 


Ich  mache  bei  der  Gelegenheit  einen  weiteren  Zusritz  zu 
IF.  18,  281.  Rud.  Much  hat  mich  aufmerksam  gemacht,  daß  zu 
TÖ|Li(poc  'Pflock'  das  ags.  cumbol  'Feldzeichen'  gehört.  Vgl.  here- 
cumhol  Sievers  Ags.  Gramm.  ^  §  190.  Was  diese  Feldzeichen 
waren,  das  sagt  uns  Tacitus  Germ.  Kap.  7 :  Effigiesque  et  signa 
quaedam  detracta  lucis  in  proelium  fenint.  (Das  stimmt  zu  dem 
templmn,  das  ich  mir  im  heiligen  Haine  verehrt  denke.)  Müllen- 
hof f  DA.  4,  201  meint,  daß  diese  effigies  vornehmlich  Tierbilder 
waren  ^)  und  faßt  signa  als  Bilder  der  Attribute  der  Götter,  Speer, 
Schwert,  Hammer.  Aber  die  efßgies  waren,  scheint  es,  nicht 
Tierbilder,  sondern  Pflöcke,  nur  teilweise  menschenähnlich  ge- 
macht. Vgl.  aisl.  kumbr  und  kuhhr  'Klotz'  Noreen  Aisl.  u.  Anorw. 
Gramm.3  §  287  Anm.  4.  Und  dazu  reimt  es  sich,  daß  aisl.  kumbl, 
kiinil  'Grabhügel'  bedeutet,  denn  R.  Much  scheint  mir  sehr  im 
Recht  zu  sein,  wenn  er  für  den. ursprünglichen  Sinn  des  letzteren 
Wortes  'Pflock  über  dem  Grabe'  hält.  Welcher  Gedanke  diesen 
Grabpflöcken  zugrunde  Hegt,  ist  unbekannt ;  beim  Muhamedaner 
ist  die  Entstehung  seines  männlichen  Grabsteins  völlig  durch- 
sichtig, es  ist  die  Nachahmung  eines  Holzpflocks,  der  einen 
Turban  trägt.  Solche  hölzerne  Grabpflöcke  mit  dem  Turban 
existieren  noch  2). 


1)  Ebenso  Schracler  RL.  208  s.  v.  Fahne.  Wegen  der  german.  Eöava 
Grimm  DM.*  88,  211;  Verfasser  KZ.  40,  229. 

2)  In  diesem  Zusammenhange  kann  man  leicht  auf  den  Gedanken 
kommen,  daß  aksl.  sikqtafi  'sepelire'  eigenthch  'mit  einem  Pfahl,  dem 
Grabpfahl,  versehen'  heißt.  Miklosich  Lex.  pal.  930  s.  v.  sil-utati  Et.  Wtb. 
S.  128.  Aber  die  anderen  Bedeutungen  von  *konta- :  'aufbewahren,  sparen, 


4i6  R.  Meringer, 

Ein  sehr  merkwürdiges  AYort  liegt  in  dem  eddischeu  kum- 
hlasmipr  vor  Akv.  25,  2.  Detter-Heinzel  2,  531  meinen,  das 
Wort  könne  einen  Erbauer  von  Grabhügeln  oder  einen  Ver- 
fertiger von  Helmzierraten,  also  einen  AVaffenschmied  bedeuten. 
Fritzner  meint,  es  bedeute  jemand,  der  am  Feinde  Merkzeichen 
hinterläßt  und  vergleicht  hqlvasmipr.  Gehring  sagt:  " 'Helni- 
schmied',  d.  h.  jemand,  der  im  Kampfe  auf  die  Helme  hämmert" 
und  beruft  sich  auf  Parz.  112,  28:  er  tvart  mit  siverten  sU  ein 
smit,  vil  fiwers  er  von  helmen  sluoc. 

An.  himhlasmißr  war  ein  Schmied,  der  die  taciteischen 
effigies  machte,  die  also  wohl  auch  aus  Eisen  und  nicht  immer 
aus  Holz  hergestellt  waren.  Daß  man  dem  Kämpfer,  der  zu- 
schlug wie  ein  himblasmißr,  diesen  Namen  gegeben  haben  kann, 
leuchtet  ein. 

Zu  got.  augadaürö. 

Da  meine  Bemerkungen  über  das  Fenster  im  Flechtwerk 
und  Blockbau  (IF.  16,  125)  Beachtung  gefunden  haben  (vgl.  Hirt 
Die  Indogermanen  1,  384,  Schrader  Sprachvergleichung  und 
Urgeschichte^  1,  213),  so  möchte  ich  mit  Nachdruck  auf  K.  G. 
Stephan!  Der  älteste  deutsche  Wohnbau  1,  348  Fig.  135  'Licht- 
schlitz in  der  Wand  eines  bilr'  hinweisen.  Stephani  sagt  vom 
norwegischen  bür:  "Gemeinhin  ist  ein  bür  ganz  feuster-  und 
damit  lichtlos,  bisweilen  sind  in  den  BlockAvänden  kleine  Schlitze 
vorhanden,  seltener  ist  eine  10  :  20  cm  große  rechteckige  Öffnung 
vorgesehen,  welche  mit  einem  blasenbespannten  Rahmen  ge- 
schlossen werden  kann". 

Das  Bild  bei  Stephani  macht  hauptsächlich  Avegen  der 
falschen  Schattierung  einen  etwas  anderen  Eindruck  als  meine 
Skizze  IF.  16,  125  Fig.  9.  Allerdings  sind  bei  ihm  auch  die 
Schnitte  anders  geführt  und  dann  hat  die  AVand  seines  bur 
Rundstämme,  während  ich  halbe  Bäume  angenommen  habe.  Denkt 
man  sich  aber  bei  Stephanis  Zeichnung  die  eigentliche  Licht- 
üffnung  schwarz,  wie  sie  von  außen  besehen  erscheint,  so  ist 
die  Übereinstimmung  mit  meinem  Bilde  sehr  groß.  An  ein  Auge 
muß    aber   auch   der  Bewohner  eines  solchen  Hauses  erinnert 


nisten,  verbergen'  weisen  alle  auf  eine  Grundbedeutung  'in  einem  Hause 
(vgl.  serb.  luda  u.  S.  450)  unterbringen'  vgl.  KaXuTTTiu  zu  KaXüßri  hin  und  so 
mag  sich  sikqtati  auf  das  Totenhaus  beziehen.  Vgl.  IF.  16,  117  ff.  Hierher 
vielleicht  doch  (mit  Miklosich)  apreuß.  lyohüntons,  pokünti'püegi' , 2>ocuntieis; 
2)okünst  Berneker  301. 


Wörter  und  Sachen.    IV.  447 

worden  sein,  wenn  er  den  leuchtenden  Lichtschlitz  vom  Innern 
des  Raums  besah. 

K.  Gr.  Stephan!  ist,  trotzdem  er  die  Kenntnis  der  zur  Er- 
klärung- von  got.  angadanrö  usw.  notwendigen  Eealien  hatte,  auf 
die  richtige  Deutung  nicht  gekommen.  So  sagt  er  1,  16ö  von 
den  Westgotenhäusern:  "Fenster  waren  sicherlich  nur  wenige 
vorgesehen.  Sie  waren  in  ihrer  Einrichtung  völlig  den  Türen 
gleich,  weshalb  sie  ebenso  sinnig  wie  bezeichnend  'Augentürchen' 
{augadm'irö)  genannt  werden,  und  glichen  gewiß  mehr  Luken 
(iishiks)  als  Fenstern  im  heutigen  Sinne  des  Wortes". 

Wie  die  Fenster  in  ihrer  Einrichtung  völlig  den  Türen 
gleich  gewesen  sein  könnten,  will  mir  aber  auch  bei  eckigem 
Schnitt  nicht  einleuchten,  da  wir  kein  Recht  haben,  bei  ihnen 
eine  Tür  in  Angeln  anzunehmen. 

Ich  verweise  noch  auf  Stephani  1,  358  Fig.  145  'Kirchen- 
fenster zu  Gor,  wo  wir  ein  kreisförmiges  Loch  sehen,  an  der 
Berührungsfläche  aus  zwei  Bohlenbrettern  herausgeschnitten. 

Zu  deutsch  Gewand. 

Verfasser  Etymologien  zum  geflochtenen  Haus  S.6 ;  IF.17, 140. 

Aus  der  IF.  17,  184  zitierten  ags.  Stelle  windan  manigne 
smicerne  loah  geht  hervor,  daß  windan  'ein  Rutengeflecht  her- 
stellen' bedeutete.  Daß  ivindan  aber  auch  'ein  Gewebe  machen' 
bedeuten  konnte,  beweist  hiwindan  'mit  einem  Gewebe  versehen, 
bekleiden'.  Hirt  hat  in  der  Zeitschr.  f.  deutsche  Philol.  81,  504 
auf  heivand  ina  mid  tvddiu  Hei.  879  aufmerksam  gemacht.  Ich 
glaube  nicht,  daß  man  hier  mit  Heyne  'umwickeln'  übersetzen 
darf;  denn  man  'umwickelt'  doch  nicht  mit  einem  Gewand, 
sondern  man  bekleidet  damit.  Nur  mit  Tüchern  und  Binden 
kann  man  umwickeln,  wie  der  Chor  der  Weiber  im  Faust  singt: 
'Tücher  und  Binden  reinlich  umwanden  wir  .  .  .' 

Über  ahd.  ivintmg  'Beinbinde,  Strumpf  vgl.  M.  Heyne 
Körperpflege  und  Kleidung  312,  815.  Über  die  Strümpfe  Weinhold 
Die  deutschen  Frauen ^  n.  Index  s.  v.,  Schrader  s.  v.  Hose. 
Longob.  icinting  Brückner  QF.  75,  214.  Ich  halte  es  nicht  für 
ausgeschlossen,  daß  das  Wort  von  der  Technik  des  Webens  kommt, 
nicht  vom  Herumwinden  um  das  Bein. 

Unser  Windel,  ahd.  tcintila.  faßt  Kluge  als  'Mittel  zum 
Umwinden'.  Ich  denke,  es  kann  auch  'Webestück'  heißen,  wie 
ags.  ivindel  'Korb'  ein  Flechtwerk  bedeutet. 


•i-i8  R.  Meringcr, 

Dann  möchte  ich  noch  auf  Gewand  'eines  der  Seile,  die 
den  Mast  auf  beiden  Seiten  halten'  Sütterlin  Zeitschr.  f.  deutsche 
"Wortf.  6,  70)  aufmerksam  machen.  Wegen  des  Verhältnisses  von 
got.  icandus  'Rute'  zu  Gewand  (=  'Stiick')  vergleiche  man  aksl. 
rozya  'Gerte'  zu  lit.  rezgii  'ich  stricke',  ai.  rdjjus  'Strick'  Brugmann 
Kurze  vgl.  Gramm.  207.    Das  führt  uns  auf  das  Verhältnis  von 

Flechten  und  Weben. 

Daß  das  Weben  aus  dem  Flechten  entstanden  und  ur- 
sprünglich mit  ihm  identisch  ist.  wird  von  Niemand  bezweifelt. 

Aber  die  Sprache  bestätigt  diese  sachliche  Erkenntnis  aufs 
beste.  Man  muß  vor  allem  auf  die  Eddastelle  Vol.  37  (Detter- 
Heinzel)  hinweisen:  sd  er  undinn  salr  orma  hryggiom  'der  Sal 
ist  gewunden  aus  Schlangenrücken',  vom  Rutenflechtwerk  ge- 
sagt. In  der  SnE.  1,  200  wird  dagegen  vom  Flechtwerk  der  Wand 
der  Ausdruck  weben  gebraucht:  liann  er  ok  ofinn  allr  ormah- 
ryggjum  sem  vandahüs  'er  ist  ganz  gewoben  aus  Schlangen- 
rücken wie  ein  Wandhaus,  ein  Rutenhaus'. 

Wenn  man  die  Eddastelle  vom  undinn  salr  vergleicht  mit 
ags.  icah  icindan  IF.  17, 134,  dann  kann  man  Avohl  nicht  zweifeln, 
daß  schon  urgerm.  tvindan  'eine  Wand  aus  Flechtwerk  herstellen' 
bedeutete. 

In  diesen  Zusammenhang  gehört  auch  das  Verhältnis  von 
Flachs  zu  flechten,  das  uns  zeigt,  daß  flechten  einst  im 
Sinne  von  weben  gebraucht  werden  konnte.  Und  damit  fällt 
Licht  auf  au.  hgrr,  dialektisch  bei  uns  Hoar^  das  immer  für 
'dunkel'  erklärt  wird,  obwohl  es  so  klar  als  möglich  zu  lat.  ciirvus 
'gekrümmt,  gewölbt',  air.  cruind  'rund',  acymr.  crunn^  alb.  kiirüs 
'beuge,  biege',  kurz  zu  Wz.  *qere  gehört,  zu  der  auch  lat.  crates 
gestellt  wird.   Vgl.  W^alde  Et.  W^tb.  s.  v.  curvus. 

Weiter  vgl.  man  Stokes'  Ansatz  kombo-^Bedeckimg'  *kemb 
'winden'  Urkelt.  Sprachsch.  78  f. 

Zu  deutsch  Bett. 

Verfasser  Bosnisches  Haus  101  ff. 

K.  Luick  hat  mich  darauf  aufmerksam  gemacht,  daß  ich 
besser  täte,  für  die  Grundbedeutung  von  got.  badi  usw.,  nicht  'Grube, 
Loch  in  der  Streu'  sondern  schlechtweg  'Grube'  anzusetzen. 

Luick  hat  Recht,  denn  außer  lat.  fodio,  foi^sa,  lit.  bedic  'grabe', 
lett.  bedre  'Gruft'  weist  ja  vor  allem  unser  Beet  auf  eine  solche 


Wörter  und  Sachen.    IV.  449 

Grundbedeutimg  hin.  Weiter  hieher  cjmr,  hedd  M.  'sepulcruni', 
ßöepoc  'Grube'  (Walde  Lat.  Et.  Wtb.  s.  v.  fodio^  Nigra  Arch. 
glottol.  14,  358). 

Darnach  möchte  ich  mir  jetzt  Wörter  und  Sachen,  die 
diesen  Gegenstand  betreffen,  so  zusammenreimen  (besser  als 
a.  a.  0.  Ulf.): 

I.  Das  Bett  ist  ein  Loch  in  der  Erde,  etwa  mit  Laub  aus- 
gefüUti).  Waitz  Anthrop.  der  Naturvölker  2,  344  sagt  von  den 
Buschmännern :  "Ihre  stets  wechselnden  Schlafstätten  sind  Erd- 
löcher, die  sie  mit  Baumzweigen  überdecken,  Felsspalten  und 
Büsche,  in  denen  sie  sich  ordentliche  Nester  machen". 

IL  Das  Bett  ist  eine  Streu,  einfach  auf  den  Boden  ge- 
breitet. Auf  diese  Kulturstufe  gehen  zurück  lit.  pätalas^  pätalai 
(zu  TreTctwuiui),  aksl.  postelja  zu  stüati  'sternere'.  Hieher  oder  zu 
I.  eüvri  nach  Brugmanns  für  mich  zweifellos  richtigen  Erklärung 
Ber.  der  k.  s.  Ges.  d.  Wissensch.  1901,  113  ff. 

ni.  Das  Bett  ist  ein  Sack,  in  den  die  Streu  gesteckt  wird. 
Aus  dieser  Zeit  stammen  an.  bedr  Tolster',  finnisch-lappisch  patja 
'pulvinar'.  Vgl.  noch  Federbetten,  Bettgewand  d.  i.  die  Über- 
züge und  Decken  der  weichen  Bestandteile. 

TV.  a)  Es  entsteht  ein  HolzverscUag,  in  den  der  weiche 
Sack  gelegt  wird,  die  Bettstatt,  wie  wir  noch  genau  unter- 
scheidend sagen,  b)  Zur  Zeit  als  Tisch  und  Bank  sich  über  den 
Boden  erheben,  als  der  'Kulturhorizonf  entsteht,  erhält  auch  die 
Bettstatt  Beine. 

Dieser  Kulturstufe  entspringt  außer  Bettstatt  noch  aksl. 
odn  'Bettgesteir  (IF.  18,  256  nach  Uhlenbeck),  öejuvia,  lat.  sponda. 

Die  anderen  Wörter  sind  ebenfalls  hier  leicht  einzureihen. 
Wegen  engl,  bed  =  latjer  of  anij  earth  or  stone  Mie  Schicht,  die 
Bank'  beim  Bergmann  verweise  ich  auf  IL;  das  Wort  ist  bild- 
lich jener  Epoche  des  Betts  entnommen  und  ebenso  wohl  auch 
unser  Ausdruck  'Erzlager'  usw. 

Zu  Tisch. 
Verfasser  Bosn.  Haus  96. 

Und  ebenso  wie  bei  Bett  ist  die  Geschichte  des  Tisches 
darzustellen. 

I.  Es  gibt  noch  keinen  'Tisch'  in  unserem  Sinne,  sondern 

1)  In  der  wärmeren  Jahreszeit  wird  wohl  das  Schlafen  im  Freien 
häufig  genug  gewesen  sein.   Vgl.  Od.  5,  481;  11,  194. 

Indogermanische  Forschungen  XIX.  30 


450  R.  Meringer, 

jeder  bekommt  sein  Holzbrett.  Ygl.  lat.  mensa  'Zuteiluug',  got. 
mes  Tpdrre^a  und  rrivaE,  aksl.  misa  TTivaE,  patina;  got.  Mups  (zu 
hiudan  Mas  Angebotene'  vgl.  mensa)  mit  dem  ursprünglichen 
Sinne  'runder  Holzteller'  wie  aksl.  hljudo  'patiua'  beweist. 

n.  Es  entstellt  ein  gemeinsames  Eßbrett,  ohne  Beine, 
entsprechend  dem  heutigen  bosnischen  Tisch. 

In  Kulturstufe  I.  oder  H.  ist  lat.  discus  ('Scheibe,  Schüssel') 
für  das  Eßbrett  des  Einzelnen  oder  das  gemeinsame  Eßbrett 
ins  Germanische  übernommen  worden,  wie  die  Lautverschiebung 
zeigt  vor  dem  G.  Jahrhundert. 

Die  Slaven  haben  das  Wort  unverschoben  entlehnt  und 
diska  'Brett'  daraus  gemacht. 

Die  Bedeutung  'Schüssel',  welche  im  Althochdeutschen  {disc, 
tisc  'Tisch'  und  'Schüssel'),  im  engl,  dish,  im  an.  dish'  vorliegt, 
würde  vielleicht  besser  auf  das  Eßbrett  des  Einzelnen,  also  auf 
I,  zu  beziehen  sein. 

Zu  I.  oder  H.  gehört  germ.  bord  (vgl.  got.  ha'tran^  Brett). 
Die  Bretter  von  I.  und  H.  haben  keinen  festen  Platz  in  der  Stube. 
Der  bosnische  Tisch  hängt  außer  Gebrauchs  oft  außen  am  Hause. 

in.  Es  entsteht  der  'Kulturhorizont'.  Die  gemeinsame 
Speiseplatte  wird  auf  ein  Untergestell  gesetzt,  nach  dem  Ge- 
brauch aber  abgenommen  und  beides,  Tisch  und  Platte,  weg- 
geräumt. Dieser  Zeit  entstammen  unsere  Kedensarten :  'den 
Tisch,  die  Tafel  aufheben'. 

IT.  Gemeinsames  Eßbrett  und  Untergestell  wachsen  zu- 
sammen. Der  Tisch  erhält  seinen  festen,  unveränderlichen  Platz. 
Unser  Kulturzustand. 

Kaxd. 

Soviel  ich  sehe,  ist  man  der  Herkunft  des  Wortes  noch 
nicht  auf  die  Spur  gekommen.  So  möchte  ich  folgendes  zu 
weiterer  Überlegung  vorbringen. 

Ich  habe  in  der  Zschr.  f.  österr.  Gymn.  1903,  394  zu  Kevreuu, 
KevTpov,  KOVTOc  das  aksl.  kqsta  serb.  kuca  usw.  gestellt.  Das 
Wort  ginge  dann  auf  ein  *kontia  zurück  im  Sinne  von  'Ge- 
stänge', was  für  ein  Zelt  eine  ganz  plausible  Erklärung  wäre. 
Dazu  hat  mich  A.  Pogatscher  auf  das  Verhältnis  von  ags.  trcef 
'Zelt'  zu  lat.  trah-em  aufmerksam  gemacht.  Zu  kovtöc  vgl.  lat. 
percontari  eigentlich  "mit  der  Stange  den  Grund  sondieren", 
wo  eine  interessante  Bedeutungsentwicklung  vorliegt. 


Wörter  und  Sachen.    IV.  451 

Daß  KttTd  aus  "^hita  zu  erklären  ist,  beweisen  akjmr. 
kant^  air.  cet  Brugmann  Gr.  Gr.^  84. 

Katd  hieße  dann  'nach  der  Stange',  was  gewiß  zum  Sinne 
von  'herab'  und  von  'gemäß'  gut  passen  würde.  Die  Norm 
ist  gewissermaßen  die  senkrechte  Stange,  wie  auch  der  Sinn 
des  vertikal  Aufgerichteten  in 'Recht,  Gesetz,  9e|uic'  IF.  17,145, 
18,  294  enthalten  ist.  Ein  Kaid  vöjaov  bedeutet  dann  'nach  der 
Stange  des  Gesetzes',  'nach  dem  Brauche'.  Der  Akkusativ  findet 
sich  auch  nach  Tieöd  Meister  1,  117. 

Eine  solche  Stange,  einseitig  gespitzt  und  gehärtet,  w^ar 
auch  eine  Waffe.  Gut.  hinpan  'jagen,  fangen'  heißt  'stechen', 
ags.  hüd  'Beute'  eigentlich  'das  Niedergestochene'. 

Ich  muß  gestehen,  daß  ich  auch  lat.  contra  mir  lieber 
aus  einer  solchen  entgegengehaltenen  Stange,  kovtöc,  erkläre, 
als  aus  lat.  cum.  Wenn  Walde  sagt,  contra  "bezeichnet  also  die 
Beschränkung  des  Zusammenseins  auf  zwei  Gegenstände,  daher  (?) 
'gegenüber' ",  so  ist  mir  das  zu  hoch ').  Wenn  meine  Yer- 
mutung  das  Richtige  trifft,  dann  ist  contra  durch  rein  äußerliche 
Angleichung  von  kont-  oder  konto-  an  i7itra^  extra  gebildet. 

Lat.  testis. 

Zu  IF.  16,  169 ff.;  18,  290 ff. 

Die  Ausführungen  S.  Schloßmanns  in  seinem  Buche:  Alt- 
römisches Schuldrecht  und  Schuldverfaliren  1904  über  diesen 
Gegenstand  veranlassen  mich  zu  einer  Fortsetzung  meiner  früheren 
Bemerkungen. 

Ich  wiederhole,  daß  ich  in  lat.  testis  mit  Skutsch  und 
Solmsen  die  Dreizahl  suche  und  daß  ich  mit  Solmsen  das  Wort 
als  'Drittsteher'  erkläre,  ebenso  wie  ich,  wieder  mit  Solmsen, 
an  ein  italo-keltisches  Hri-sto-  glaube.  Wie  Skutsch  in  YollmöUers 
Jahrbüchern  5.  Bd.  171  mitteilt,  war  der  Erste,  der  in  testis  ein 
Hri  suchte,  V,  Henry.  M.  Pokrowsky  hat  dann  Skutsch  und 
Solmsen  auf  russ.  tretij  aufmerksam  gemacht,  und  Skutsch  seiner- 
seits hat  wieder  das  Verdienst,  auf  franz.  tiers  hingewiesen  zu 
haben.  Mir  scheint,  daß  das  Wort  am  ehesten  aus  dem  Handels- 
geschäfte stammen  kann  (Skutsch  widerspricht  brieflich),  daß 
der  'Drittsteher'  nicht  den  zufällig  Anwesenden,  sondern  den 
bestellten  'Dritten',  also  den  'Dritten'  bei  einem  Geschäfte,  nicht 

1)  Ich  erkläre  aber  trotz  meiner  gelegentlichen  Angriffe,  daß  ich 
Waldes  Lat.  Wtb.  sehr  schätze  und  nur  wünschen  möchte,  daß  die  an- 
deren Et.  Wtb.  ihm  mehr  glichen. 

30* 


452  R.  Meringer, 

etwa  den  zufälligen  Zeugen  bei  einem  Verbrechen,  zuerst  be- 
deutet hat.  In  nicht  schreibenden  Zeiten  war  der  Zeuge  Ur- 
kunde, also  von  größter  Wichtigkeit,  nnd  der  Bedeutungsüber- 
gang von  ahd.  urchundi  'testimonium'  urchundo  'testis'  zu  späte- 
rem Urkunde  zeigt  den  Übergang  des  Beweismittels  von  der 
Zeugenaussage  zum  geschriebenen  Dokumente.  Im  Streitfalle 
war  dieser  Drittsteher  der  Schiedsrichter.  Für  sehr  alt  halte 
ich  auch  die  Bräuche  des  Handels  in  Gegenwart  des  Zeugen, 
den  doppelten  Handschlag  und  das  Lösen,  das  Durchschlagen 
der  Hände  durch  den  Dritten.  Dieses  Lösen  ist  auch  in  Rußland 
Brauch,  wo  es  der  treUjaki  vornimmt  (Solmsen  KZ.  37,  22). 
Ein  altes  Wort  für  den  Vertrag  ist  Wette,  wetten,  dessen 
äußeres  Zeichen  das  'Wetten'  der  Hände  ist,  wie  die  Ver- 
zinkung der  Balken  beim  Blockbau  Wettung  heißt  i). 

Es  ist  mir  erfreulich,  daß  ich  mir  als  Laie  über  die  Be- 
deutung des  Zeugen  ähnliche  Vorstellungen  gemacht  habe  wie 
Schloßmann  a.  a.  0.  S.  84ff.  "Man  verlangte,  sagt  dieser  Gelehrte 
S.  92,  indem  man  die  Zuziehung  von  Zeugen  zu  gewissen  Ge- 
schäften forderte,  die  Errichtung  gleichsam  einer  mündlichen 
Urkunde".  Xur  zu  Schloßmanns  Klage  S.  93,  Anm.  2,  er  habe 
nicht  ermitteln  können,  Avas  die  'Eenner'  des  Rechts  von  Gortyn 
bedeuten  sollen,  möchte  ich  bemerken,  daß  unter  den  öpoiueec 
eXeuGepoi  mündige  Freie  zu  verstehen  sind,  wie  die  Brüder 
Baunack  übersetzten.  Die  nähere  Erklärung  bei  E.  Szanto  s.  v. 
aTeXai  in  Paulis  Realencyklopädie. 

Auffallend  ist  mir  aber,  daß  Schloßmann  gegen  die  Deutung 
von  lat.  testis  aus  *tn-  polemisiert 2),  weil  diese  Erklärung  mir 
nicht  mit  seinen  sonstigen  Meinungen  unvereinbar  zu  sein 
scheint.  Schloßmann  ist  der  Ansicht,  daß  testis  als  'Drittsteher' 
nur  beim  Handelsgeschäfte  zu  erklären  witre  (was  aber  gerade 
Skutsch  garnicht  glaubt),  und  lehnt  deshalb  die  Herleitung  ab, 
weil  auch  diejenigen  testes  heißen,  die  zufällig  über  einen  Vor- 


1)  Ich  zitiere  die  bekannte  Fauststelle: 

Faust:  Kannst  du  mich  mit  Genuß  betrügen: 
Das  sei  für  mich  der  letzte  Tag! 
Die  Wette  biet  ich ! 
Mephistopheles :  Top ! 

Faust:  Und  Schlag  auf  Schlag! 

Hier  geht  alles  wie  bei  einem  richtigen  Geschäfte 
vor  sich.    Es  fehlt  nur  der  Dritte. 

2)  Schloßmann  kannte  bloß  Skutschs  Aufsatz  in  BB.  23,  100  ff. 


Wörter  und  Sachen.    IV.  453 

gang  aussagen  können.  Jeder  Sprachkundige  wird  aber  Schloß- 
mann sagen,  daß  dieses  sein  Argument  null  und  nichtig  ist; 
denn  daß  ein  "Wort  seine  Bedeutung  erweitert,  ist  ein  ganz 
gewöhnlicher  Vorgang.  "Weiter  begründet  Schloßmann  seine 
Ablehnung  damit,  "daß  Vernehmung  von  Zeugen  in  Strafsachen 
vermutlich  viel  früher  als  in  bürgerlichen  Rechtsstreitigkeiten 
stattgefunden  haben  wird".  Ich  glaube,  die  entgegengesetzte 
Ansicht  ist  zum  mindesten  ebenso  plausibel.  Man  möge  nicht 
als  Jurist  an  Dinge  herantreten,  die  aus  einer  Zeit  stammen, 
wo  es  noch  kein  Jus  gab,  keine  organisierte  staatliche  Macht 
mit  'Richtern',  kurz  keine  'Strafsache',  sondern  bloß  eine  Misse- 
tat, die  gerächt  werden  mußte.  Da  gab  es  kein  'Verfahren', 
sondern  der  Stamm  oder  die  Sippe  schlug  den  nieder,  der  einen 
der  Ihren  erschlagen  hatte.  Aber  ein  Geschäft,  ein  Verkauf 
mußte  festgelegt  werden,  um  gegen  seine  eigenen  Stammes- 
genossen oder  deren  Erben  geschützt  zu  sein.  Endlich  sagt 
Schloßmann,  der  Zeuge  könne  deshalb  nicht  'der  Dritte'  sein, 
weil  er  nur  Einer  von  vielleicht  fünf,  sechs,  zehn  usw.  war.  Das 
wird  rundweg  abgewiesen  durch  die  heutigen  volkstümlichen 
Bräuche  sowie  durch  die  Wörter  russ.  tretij^  franz.  tiers. 

Man  gestatte  eine  allgemeine  Bemerkung.  Zu  den  Quellen 
des  Rechts  führt  nicht  die  Jurisprudenz,  sondern  die  Volkskunde 
und  Ethnographie,  eine  Tatsache,  die  zwar  bekamit  ist,  aber 
häufig  ignoriert  wird. 

Und  was  sagt  Schloßmann  zum  laeciiric  |uecoc  der  Papyri? 
Vgl.  Hermes  30,  616  ff.  Ich  denke,  man  könnte  den  'Drittsteher' 
in  keiner  realeren  Plastik  vor  sich  stehen  sehen,  als  ihn  uns  dieses 
"Wort  zeigt:  Die  beiden  Kontrahenten  stehen  Gesicht  gegen  Ge- 
sicht, zwischen  ihnen  der  lueciiric,  juecoc,  wie  der  '*tristos,  tretij^ 
tiers.  Dieses  ^ecoc  scheint  mir  wegen  der  klaren  "Wortbedeutung 
('der  Mittlere'),  zuerst  den  Zeugen  —  natürlich  den  Beweis- 
zeugen, nicht  den  'Solennitätszeugen',  wenn  überhaupt  schon  ein 
besteUter  Richter  da  war  —  und  dann  erst  den  Schiedsrichter 
bedeutet  zu  haben,  nicht  umgekehrt,  wie  Mitteis  a.  a.  0.  will,  der 
für  die  ältere  Bedeutung  'der  Unparteiische,  Schiedsrichter',  für 
die  spätere  die  von  'Zeuge  bei  einem  Rechtsgeschäft'  hält.  Übrigens 
ist  hier  der  Streit  nach  dem  prius  müßig,  wenn  in  seiner  ursprüng- 
lichsten Form  der  'Zeuge'  zugleich  auch  vorbestellter  Schieds- 
richter für  den  Fall  des  Streites  war.  Freilich  muß  man  sich  dabei 
vom  späteren  Sinn  des  "Wortes  Zeuge  losmachen. 


•454;  R.  Meringer, 

Auch  in  bezug  auf  Zeuge  bin  ich  mit  Schloßmann  nicht 
derselben  Meinung,  obwohl  ich  seine  Bemerkungen  für  beachtens- 
wert halte.  Schloßmann  meint  —  gestützt  auf  mündliche  Infor- 
mationen Fl". Kaufmanns  —  daß  Zeuge  nicht  von  ziehen  komme, 
sondern  von  mhd.  geziuc  'Gerät'.  Das  Wort  Zeuge  trete  ja  erst 
im  18.  Jahrhundert  auf.  Ton  Gezeuge  =  Gerät  abgeleitet,  meint 
Schloßraann  weiter,  würde  Zeuge  eine  'Vorkehrung'  bedeuten, 
ähnlich  wie  lat.  instrumentum  beim  Juristen  Paulus:  instriimen- 
torum  nomine  ea  omnia  accipienda  sunt^  qidbus  causa  instrui  potest : 
et  ideo  tarn  testimonia  quam  personae  instrumentorum  loco  habentur. 

Dagegen  ist  aber  zu  sagen,  daß  Zeuge  unter  allen  Um- 
ständen von  ziehen  kommt,  denn  auch  mhd.  geziuc  kommt  davon. 
Wenn  Zeuge  vor  dem  lo.  Jahrh.  nicht  belegt  ist,  beweist  das 
noch  nicht,  daß  ©s  erst  damals  entstanden  ist.  Daß  es  aus  mhd. 
geziuc  hergeleitet  ist,  beweist  die  Stelle  bei  Paulus  nicht. 

Ich  glaube  allerdings  nicht,  daß  die  Frage,  ob  Zeuge  direkt 
aus  ziehen  oder  aus  Zeug  herzuleiten  ist,  in  Kürze  zu  erledigen 
ist.  Hier  kann  bloß  eine  Spezialuntersuchung  Licht  bringen.  Aber 
soviel  will  ich  doch  bemerken:  Die  Bedeutungen  von  ahd.  ziug 
und  gaziug,  gaziugi  Mask.  u.  jSTeutr.  sind  so  mannigfaltig,  daß 
man  sie  schwer  ordnen  und  zur  sinnlichen  Bedeutung  ziehen 
in  den  richtigen  Abstand  bringen  kann.  Aber  wenn  z.  B.  keziug 
(Graft  5,  612)  mit  ohsonia  'Zukost'  glossiert  wird,  dann  wird  doch 
hier  Jedermann  keziug  direkt  auf  das  Yerbum  beziehen  und  'das 
Zugezogene'  übersetzen.  Was  hindert  also,  bei  mhd.  ziug  'testis' 
ebenso  zu  verfahren?  Mir  scheinen  die  schon  im  Ahd.  belegten  Be- 
deutungen von  gaziugön,  nämlich  declarare,  e.r^;^^■care  das  Yorhanden- 
sein  eines  ziuc  ^testis'  zu  erweisen.  Ygl.  ter  uuas  eques^  ter  decem 
millia  malita  geziugon  dero  suaron  fendingo,  die  sestertia  hiezen 
(Graff  5,  614;  8,  342)  und  geziugöt  uuerden  =  explicari. 

Nur  wenn  es  sich  Avahrscheinlich  machen  ließe,  daß  mhd. 
ziug.,  geziuge  im  Sinne  von  'Zeuge',  'Zeugenschaft'  eine  direkte 
Übersetzung  von  instrumentum  ist,  was  aber  auch  Schloßmann 
keineswegs  behauptet,  müßte  man  ein  Mittelglied  zwischen  ziehen 
und  Zeuge  einschieben.  Ich  kann  nicht  finden,  daß  ein  Grund 
dazu  vorliegt,  ich  fasse  mit  J.  Grimm  den  Zeugen  als  den  'Ge- 
zogenen', und  das  paßt  am  besten  zum  testis,  iretij^  tiers,  luecoc 
oder  juecirric.  Wenn  ich  also  auch  Schloßmann  nicht  folgen  kann, 
so  muß  ich  doch  den  Wert  seiner  Ausführungen  dankbar  an- 
erkennen :  Was  er  sagte,  mußte  einmal  gesagt  werden. 


Wörter  und  Sachen.    IV.  455 

Aisl.  d  huerfanda  huUi  'auf  wirbelnder  Scheibe'. 

Havamal  82  Detter-Heinzel  S.  16  heißt  es: 

Meyiar  orpom 

skyli  manngi  trüa 

ne  f)ui,  er  kue|)r  kona; 

|)uiat  ä  huerfanda  hueh 

uöro  ^eim  hiorto  skopu|), 

brig|)  i  briüst  um  lagit. 
'Des  Mädchens  Worten  möge  niemand  trauen,  noch  dem, 
was  das  AVeib  sagt;   denn  auf  wirbelnder  Scheibe  ward  ihnen 
das  Herz  geschaffen,  Unbeständigkeit  in  die  Brust  gelegt." 

Detter-Heinzel  2,  116  sagen:  'Unser  Dichter  denkt  wohl 
nicht  an  die  Rota  Fortunae,  sondern  an  ein  laufendes  Wagenrad 
oder  die  Töpferscheibe  (Lüning,  Vigfusson).  Nach  Alv".  14  nennen 
die  Bewohner  der  Hei  den  Mond  huerfanda  huü.  Vigfusson  Cpb.  1, 
483  meint  deshalb,  unsere  Stelle  besage,  Frauenherzen  seien  so 
unbeständig  als  die  Mondphasen.  Aber  die  Kenning  für  Mond 
stünde  wohl  nicht  in  der  Prosa'. 

Ich  sehe  aus  diesen  Worten  Heinzeis  und  Detters,  meines 
Lehrers  und  meines  Freundes,  daß  beide  niemals  eine  Töpfer- 
scheibe gesehen  hatten;  denn  sonst  hätten  sie  nicht  im  Zweifel 
sein  können,  was  die  Stelle  bedeutet :  Wie  in  wirbelnder  Drehung 
der  Topf  zustande  kommt,  so  ist  das  Herz  des  Weibes  geschaffen. 
An  ein  laufendes  Wagenrad  hier  zu  denken,  ist  wirklich  ein 
Kunststück,  und  schwer  wäre  wohl  auch  zu  sagen,  was  denn 
schon  auf  einem  laufenden  Wagenrad  geschaffen  worden  sei.  Es 
gibt  nur  ein  Rad,  d.  h.  Rad  in  altem  Sinne,  eine  Scheibe,  auf 
der  etwas  geschaffen  wird,  das  ist  die  Töpferscheibe ! 

'Nimm  dich  vor  dem  Weibe  in  acht,  trau  seinen  Worten 
nicht!  Sein  Herz  ist  auf  wirbelnder  Scheibe  entstanden,  es  dreht 
sich  noch  immer,  es  kommt  nicht  zur  Ruh!'  —  Das,  dünkt 
mich,  ist  doch  der  sonnenklare  Sinn  der  herrlichen  Stelle. 

Aisl.  hiiel  ist  das  alte  speichenlose  Scheibenrad,  und  das 
bedeutet  es  Sigrdr.  15.  Begreiflicherweise  werden  dann  Mond 
(Alv.  14)  und  Sonne  (Alv.  16)  so  benannt. 

Zu  hiierfa  vgl.  got.  fvairban^  zu  huel  Falk-Torp  und  Tamm 
s.  V.  hjul.  Vgl.  schwed.  krukmakarhjid  'Töpferscheibe'  (auch  kriik- 
makarskifva),  was  beweist,  daß  der  Töpfer  selbst  sie  hjul  schlecht- 
weg nennt,  wie  auch  engl,  ivheel  'die  Töpferscheibe'  bedeutet. 


•iö6  R.  Meringer,  Wörter  und  Sachen.  IV. 

Eine  persönliche  Erinnerung  darf  ich  hier  wohl  anschließen. 
Wir  saßen  im  Jahre  1883  abends  in  Berlin  im  vertrauten  Kreise. 
Da  kam  Hofforv  und  erzählte,  er  habe  lieute  gelernt,  was  das 
d  huerfanda  hueli  in  der  Edda  bedeute;  es  sei  die  Töpferscheibe: 
Japaner  produzierten  sich  nämlich  damals  in  Berlin,  und  bei  ihnen 
hatte  Hoffory  zuerst  die  Töpferscheibe  gesehen.  Nur  durch  einen 
Zufall  hatte  er  —  der  Däne  in  Berlin  bei  den  Japanern !  —  eine 
der  bedeutendsten  Erfindungen  der  Menschheit  kennen  gelernt. 

Der  Vorfall  ist  typisch.  — 

Vor  mehr  als  fünfundzwanzig  Jahren  leuchtete  ein  glänzendes 
Wort  auf:  Heraus  aus  dem  hypothesen  trüben  Dunstkreis  der  Werk- 
stätte, in  dem  man  die  indogermanischen  Grundformen  schmiedet! 
hieß  es.    Sehr  richtig!  —  Aber  wer  ist  denn  herausgegangen? 

Heutzutage  ist  es  doch  schon  komisch,  wenn  Einer  im 
Städtchen  sitzt  und  hockt  und  über  Indien,  Iran  und  die  Urzeiten 
und  deren  Leute  schreibt.  Das  heißt  den  Löwen  bei  Hagenbeck 
studieren.    Oder  aus  dem  Plinius! 

Auf !  Hinaus  ins  weite  Land !  Aus  den  Reihen  von  uns 
Älteren  und  Alten  werden  sich  nicht  mehr  viele  wissenschaftliche 
Reisende  rekrutieren  lassen.  Aber  helfen  wir  wenigstens  unsern 
Schülern,  daß  sie  es  werden  können.  Man  habilitiere  keinen,  der 
nicht  sein  Teil  gesehen  hat,  von  dem  er  zehren  kann !  ^)  Wenn 
das  einmal  Regel  sein  wird,  dann  besehe  man  sich  die  Indo- 
germanistik wieder.  Sie  wird  eine  frische  Gesichtsfarbe  haben, 
und  wird,  wie  in  den  letzten  Jahrzehnten,  kraft  ihrer  Tapferkeit 
an  der  Spitze  der  Geisteswissenschaften  marschieren. 

Wir  haben  ein  Vermächtnis  zu  erfüllen.  'Sprachforschung, 
der  ich  anhänge',  sagt  J.  Grimm  GDS.  XIII,  'und  von  der  ich  aus- 
gehe, hat  mich  doch  nie  in  der  Weise  befriedigen  können,  daß 
ich  nicht  immer  gern  von  den  Wörtern  zu  den  Sachen  gelangt 
wäre;  ich  wollte  nicht  bloß  Häuser  bauen,  sondern  auch  darin 
wohnen.  Mir  kam  es  versuchenswert  vor,  ob  nicht  der  Geschichte 
unseres  Volkes  das  Bett  von  der  Sprache  her  stärker  aufgeschüttelt 
werden  könnte,  und  wie  bei  Etymologien  manchmal  Laien- 
kenntnis fruchtet,  umgekehrt  auch  die  Geschichte  aus  dem 
unschuldigeren  Standpunkt  der  Sprache  Gewinn  entnehmen  sollte'. 


1)  H.  Hirt  hebt  bei  jeder  Gelegenheit  hervor,  wie  viel  er  in  Bosnien 
gelernt  hat,  und  was  mich  betrifft,  so  hat  wohl  H.  Schuchardt  nicht  Un- 
recht, wenn  er  von  mir  schorzhaft  sagt :  'In  ihm  hat  der  Hausforscher  den 
Sprachforscher  erleuchtet'  (Zts.  für  roman.  Phil.  29,  620). 


H.  Hüb  seh  mann,  Armeniaca.  457 

Ohne  Sachwissenscliaft  keine  Sprachwissenschaft  mehr !  Die 
Beschäftigung-  mit  den  'Sachen'  führt  ins  Leben,  und  das  wird 
unsere  junge  Wissenschaft,  die  an  Herrlichkeit  ihrer  Leistungen 
hinter  keiner  anderen  zurücksteht,  jung  erlialten. 

(Forts,  folgt.) 

Graz.  Rudolf  Meringer. 


Armeniaca. 


1.   Anlautendes  z  im  Armenischen^). 

Die  im  Armenischen  mit  z  anlautenden  Wurzel  Wörter  2) 
zerfallen  hi  drei  Kategorien:  A)  in  Lehnwörter,  B)  in  solche 
Wörter,  die  mit  der  Partikel  z  zusammengesetzt  sind,  C)  in 
Wörter,  die  nach  Herkunft  und  Bildimg  dunkel  sind. 
A)  Lehnwörter.  Als  solche  sind  bisher  erkannt 
a)  persische:  1.  zambiui,  zambii  'Korb'  =  np.  zanbil, 
zanhir\  2.  zan  'Art  und  Weise'  in  Zusammensetzungen  (wie 
bazm-a-zan^  zan-a-zan  'mannichfacli,  verschieden',  hi-zan  'wie'  usw. 
AGr.3)  14g)  ^  ap.  zana-  in  paruzana-  usw.;  3.  zangak  'Glöckchen, 
Schelle,  Glocke',  zangik  'Zäpfchen' :  np.  zang  'Glocke' ;  4.  zangapan 
'Beinschiene'  =  aw.  ^^zangöpäna- ;  5.  zandik  'Manichäer'  =  np. 
zandi^  zandik ;  6.  zafik  'Auripigment'  aus  rap.  *zarmk  ^  np.  arab. 
zarnfx^  zarniq,  syv.  ^}3^J~i|  'Arsenik''^);  7.  zafnavuxt  'seiden', 
TpixciTTTOv  Ezech.  16,  13,  eigentlich  'golddurchwebt',  zu  np. 
zarr  'Gold'  und  bäft  'gewebt'?;  S.  zaffcas  'Kleid  mit  Schleppe' 
(einmal  bei  Vardan  Psalm.)  =  np.  zarkas  'pannus  filis  aureis 
textus',  georg.  zar/casi  'etoffe  de  soie  brochee  d'or'  Tchoubinoff 
Wtb.  206,  vgl.  X.  pr.  Zarkasi  Justi  Xamenb.  383 ;  9.  zartagoin 

1)  Vgl.  Meillet  MSL.  9,  52—54. 

2)  Derivate  berücksichtige  ich  nur  da,   wo  es  mir  wert  erscheint. 

3)  Mit  AGr.  bezeichne  ich  meine  Armenische  Grammatik  I,  Leipzig 
1897.  Wegen  der  anderen  Abkürzungen  s.  AGr.  3 — 8. 

4)  Da  griech.  dpceviKÖv,  das  schon  Aristoteles  (gest.  i.  J.  322)  nennt, 
aus  dem  Persischen  entlehnt  ist  (Schrader  Reallexikon  s.  v.),  so  muß  ein 
persisches  *zarnU-  (AGr.  149)  schon  für  die  spätere  Achämenidenzeit 
vorausgesetzt  werden.  Daß  das  persische  Wort  aus  dem  Griechischen 
stamme,  wie  WZKM.  10.  276  angenommen  wird,  ist  nicht  glaublich. 


458  H.  Hübschmann, 

'eine  gelbe  Blume  zum  Färben  dienend  oder  Crocus'  (nur  Med. 
Sehr.)  =  phl.  *za7igö)i  'gelbfarbig' ;  10.  zartaxotr  nur  MX.  58, 
unsicheres  Wort,  eventuell  zu  ^hl.  zart  'gelb'  gehörig;  11.  zean 
'Schaden,  Verlust'  =  np.  ziyän,  aw.  zijäna-  'Schaden';  12.  zm 
'Waffe,  Rüstung'  =  phl.  sew,  aw.  zaena-  'Waffe';  1?).  zmriixt 
'Smaragd'  aus  ^zmuruxt  =  np.  zumiirrud^  griech.  Z^iudpaYÖoc,  georg. 
zurmuxtiM.^h.  10,  15,  russ.  izumrudü^  14.  zndan  'Gefängnis'  =  np. 
zindän.,  mp.  zendän  (mandäisch  hed^  zainä  WZKM.  16,  11);  Ib.zoh 
'Opfer' aus  *zorh=^\\\.zöhr.,  aw.zao&rä-\  1 6.  sjwr 'ungerecht,  unrecht, 
unverdient,  falsch,  unnütz,  umsonst'  =  np.  zur  'falsch,  Lüge', 
phl.  zur  'unrecht',  ap.  züra-  'Unrecht',  arab.  Lehnw,  zur  'List, 
Trug';  17.  zrah-/c  'Panzer'  ~  np.  zirih,  päz.  zreh^  aw.  zräda-:, 
18.  zaur  'Heer',  davon  zauravar  'Heerführer',  zauravor  'stark, 
gewaltig',  zaiirufiun  'Stärke,  Macht',  hzaur  'stark':  np.  mp.  zör 
'Kraft,  Macht',  aw.  zävard  (zavardca)  'Kraft,  Stärke'.  Vgl.  über 
diese  Wörter  AGr.  148 — 152.  Dazu  die  jüngeren  Lehn-  und 
Fremdwörter  aus  dem  Neupersischen  und  Arabischen:  19.  zambuf 
'Wespe'  Geop.  =  np.  arab.  zanhür ;  20.  zanab  'Schwanz  des  Drachen' 
(Gestirn)  Vardan  =  arab.  dcmab;  21.  zapran,  zafran.,  zavhran 
'Safran'  Vardan  Gen.,  Mech.  d.  Arzt,  Med.  Sehr.  =  arab.  pers. 
zcifcträn  AGr.  279  Anm.;  22.  zu  'der  Sopran'  Erznk.  =  np.  zfr-^ 
23.  zik  'Rand,  Saum'  Vardan  =  arab.  ziq-^  24.  znjil  'Kette'  Leb. 
d.  Väter  =  np.  zanpr,  zinjir\  25.  zohal  'Saturn',  zohray  'Venus' 
Vardans  Geogr.  =  arab.  zuhal^  ziüira\  26.  zimar  'Gürtel'  Osk. 
Apg.  =  arab.  pers.  zunnär,  griech.  Z:uuvdpiov;  27.  zurape  'Giraffe' 
IVIichael  =  arab.  zuräfa;  28.  zrevand  'die  Pflanze  Aristolochia' 
Mech.  d.  Arzt  =  np.  zarävand  'Aristolochia'  Vullers,  zirävand 
Abu  Muwaffaq  S.  139,  übersetzt  von  Achundow  S.  77,  Brockel- 
mann Syr.  Wtb.  99 ;  29.  zrisk  (persisch)  =  np.  zirisk  'Berberitze' ; 
vgl.  AGr.  264—265; 

b)  syrische:  30.  zoig-/c  'das  Paar',  zoig  'gleich',  zugem 
'verbinde'  =  syr.  zaugä  aus  griech.  Zieöfoc;  31.  zopay  'Ysop'  =^  syr. 
2;äpä,  griech.  üccujttoc;  32.  zvarak  'junger  Stier'  =  syr.  ezwaryä 
(woher  stammend  ?),  vgl.  AGr.  303 ; 

c)  griechische :  33.  zepiuf.,  zepiuros  'Westwind'  =  griech. 
Zeqpupoc;  34.  zmelin,  zmilin  'Federmesser'  =  griech.  c|Lii\iov; 
35.  zmfnitean  kar  'Schmirgelstein'  =  griech.  c|uupiTric  XiOoc ;  36.  zo- 
diakos  'Tierkreis'  =  griech.  ZiuuöiaKÖc;  37.  zom  'Schiffbrücke'  = 
griech.  ZicOy^a; 

d)  unbekannter  Herkunft:  38.  zmufs^  gen.  zmfsoy  'Myrrhe' 


Armeniaca.  459 

neben  zmufn  und  zmuf  =  griech.  cjnupva  =  |uuppa,  hebr.  mör, 
arab.  np.  murr  usw.  Ygl.  AGr.  393. 

B)  Wörter  mit  der  Partikel  z. 

Die  Partikel  z  erscheint  1.  als  bestimmter  Artikel  im  Akku- 
sativ^), entsprechend  dem  griech,  töv,  xriv,  xö,  pl.  touc,  tcic,  rd, 
z.  ß.  Mc.  1,  16—19:  (sie  hatten)  'Netze':  ufkans  (ins  Meer  ge- 
worfen und  —  sie  ließen)  'die  Netze' :  z  ufkans-n  (und  —  während 
sie)  'die  Netze':  z  ufkans  (zurichteten  usw.),  auch  ohne  Sub- 
stantiv Mt.  22,  21 :  tnH  z  kaiser  kaiser  'gebet  das  des  Kaisers 
dem  Kaiser'  (rd  Kaicapoc  Kaicapi),  Luc.  16,  12:  z  jern  (=  dz 
jer-dn)  'das  von  eucli  =  das  eurige',  oder  vom  Substantiv  ge- 
trennt z.  B.  Luc.  4,  17 :  et  im  nma  girs  z  Esaymj  'sie  gaben  ihm 
das  Buch  des  (Propheten)  Jesaias',  wörtlich:  'Buch  das  des 
Jesaias',  oder  mit  Doppelsetzung,  z.  B.  Joh.  6,  42 :  zoroij  me/c 
gitemk  z  hair  'ou  f]|ueic  oi'öaiLiev  töv  iraTepa'.  Indessen  hat  z  nicht 
die  Bedeutung  des  bestimmten  Artikels  bei  Zeitangaben  2)  (auf 
die  Frage:  wie  lange?)  z.  B.  Mt.  12,  40:  z  eris  tivs  ev  zeris  gisers 
'drei  Tage  und  drei  Nächte  lang'  (war  Jonas  im  Bauche  des 
Untiers  gewesen)  und  bei  Vergleichungen  (nach  fcan  'als',  ibrev 
'wie')  z.  B.  Mt.  17,  19:  havats  /can  z  hat  mananxoy  (wenn  ihr 
habt)  'Grlauben  (soviel)  wie  ein  Senfkorn'  (ttictiv  ujc  kökkov  civd- 
TTeuuc).  Dasselbe  z  liegt  auch  vor  in  zhet  'hinter'  z.  B.  Mt.  4,  20: 
gnacin  zhet  nora  'gingen  hinter  ihm  her'  =  'folgten  ihm',  Mt.  8, 
10:  or  zhetn  erfayin  'welche  nachfolgten',  vgl.  het  'Fußspur,  Spur' 
AGr.  466:  ferner  in  zkni  'hinter'  z.  B.  Mt.  16,  24:  zkni  im  gal 
'mir  nachfolgen',  Mt.  21,  9 :  or  afajin  ev  zkni  erfayin  'welche 
voran  und  hinterher  gingen',  vgl.  kin-/c  oder  kni-/c  otif  nora 
Hieb  18,  13,  griech.  KXujvec  ttoöujv,  nach  "Wb.  'Fuß-sohlen' ;  ferner 
in  Adverbien  und  adverbiellen  Kedensarten  wie  zafajinn  'zuerst, 
zum  ersten  Male',  vgl.  afajin-n  'der  erste';  zardis  'jetzt',  vgl. 
ardi  'gegenwärtig' ;  zerf  'wie' ;  zor  aurinak  'auf  welche  Weise' 
=  'wie'  Mt.  23,  37;  Apg.  1,  11  usw.  (nach  griech.  ov  xpÖTrov); 
endlich  in  zi  'was  ?',  (griech.  xi) ;  Nom.  und  Akkus.  %  urspr.  Akkus, 
vom  Frageprou.  i  'was  ?'  AGr.  450  wie  zinc  'was  ?',  (xi) ;  Nom. 
und  Akk.,  urspr.  Akkus,  von  ine  'etwas,  irgend  ein,  ein',  Plur. 
'Sache,  Habe,  Gut'  (Akk.  zines  iur  'seine  Habe'  Mt.  25,  14,  Gen. 


1)  Sie  steht  aber  nie  nach  Präpositionen. 

2)  Aber  auch  ohne  z:  Joh.  11,  6:  avurs  erkus  'zwei  Tage  lang'. 

3)  Dazu  gehört  ziard  'wie?'  'was?'  (irujc;  xi;  Mt.  7,  4;  22,  43  usw.) 
aus  zi  +  ard  'nun'. 


460  H.  Hübschmann, 

ancic  iiirop  Mt.  24,  47  usw.),  aber  auch  fragend:  ar  ine  *zu  was?', 
griech.  irpöc  t(  (im  indirekten  Fragesatz  Joh.  13,  28)  anstatt  *af 
zinc  (da  z  nie  nach  Präpositionen  steht). 

Die  Partikel  z  erscheint  2.  als  Präposition  und  zwar  a) 
mit  dem  Instrumental  in  der  Bedeutung  'um'  (irepi),  z.  B.  Mc.  4, 
10:  or  znovavn  ein  Mie,  welche  um  ihn  waren^),  b)  mit  dem  Ab- 
lativ in  der  Bedeutung  'über'  (de  aliqua  re,  irepi)  z.  B.  Mt.  16, 
15:  aselc  zinen  'ihr  sagt  von  mir  =  über  mich',  oder  'wider, 
gegen'  (Kaid)  z.  B.  Mt.  12,  32 :  z  hogvoyn  haijhoijuüun  'die  Läste- 
rung wider  den  Geist'  (soll  nicht  vergeben  werden),  oder  'an' 
bei  Verben  wie  'fassen,  berühren'  z.  B.  Mt.  8,  15  :  kalav  z  jefane 
nora  'er  faßte  sie  an  der  Hand',  zudem  in  Eedensarten  wie  zaigoy 
'am  Tage  nach  (Ostern  etc.),  am  folgenden  Tage'  4.  Moses  33,  3; 
Josua  5,  11  von  aig  'der  frühe  Morgen,  früh';  zme'i  'warum'? 
(aus  *z-i-me) ;  het-z-hete  'allmählich'  (Schritt  für  Schritt)  von  Jiet 
'Fußspur' ;  c)  mit  dem  Genitiv-Dativ  in  bestimmten  Ausdrücken 
(bei  harkanel  'schlagen')  z.  B.  zahl  haran  'sie  erschracken'  Mc.  5, 
15,  zaJii  hareal  ein  'sie  waren  erschrocken'  Mc.  16,  8,  hartes  z 
Itari  zotn  fco  (daß  du  nicht)  'deinen  Fuß  an  einen  Stein  (irpöc 
Xiöov)  stoßest'  Mt.  4,  6  usw.  d)  in  dem  adverbiellen  Ausdruck 
z  canaparhain^)  'unterwegs'  von  canaparh^  Gen.  canaparhi  'Weg'. 

Die  Partikel  z  erscheint  3.  als  Verbalpräfix  ^)  und  zwar  in 
folgenden  Fällen: 

1.  zakanem^) 'beobachten' :  od zakanice  zis  akn  ov  Trpovoricei |Lie 
ocpeaXuöc  Hiob  24,  15,  vgl.  akanel  Eznik  174  (II,  18),  var.  1.  an- 
kanel'^.  ijakanel  'sehen  auf  etwas.  Acht  geben',  von  akn  'Auge'. 

2.  zahancUm  'erschrecken  (intr.),  scheu  werden'  (von  Pferden) 
Magistros,  vgl.  a/«  'Schrecken',  zahl harkanim 'evschrecken  (inir.)? 

3.  zatpatpun  'hinfällig,  schwach,  trügerisch',  reduplizierte 
Bildung,  daher  in  z-atp-aip-un  zu  zerlegen,  wohl  zu  z  atip  afnul 


1)  Auch  in  Redensarten  wie  ziurovin  erfal  'sich  umbringen'  Joh.  8, 
22  (eigentlich  'um  sich  gehen')  und  in  Adverbien  wie  zarajeav,  zafajeauR 
'vor,  im  Angesicht  von,  gegenüber,  entgegen',  z.  B.  zafajeauR  anganer  'er 
trat  (ihm)  entgegen'  FB.  152  (IV,  39). 

2)  Unklar  ist  mir  z  learn  lernain  'das  Gebirge,  ins  Gebirge'  (4.  Moses 
34,  7 ;  Josua  2,  16).  Ein  Suffix  -ain  findet  sich  sonst  in  mi-ain,  amen-atn, 
miangam-ain,  vaiord-ain,  Irele-ain  und  noin  zatn-ain,  also  Adjektiva  und 
Adverbia  bildend. 

3)  Vgl.  Meillet,  Esquisse  S.  98. 

4)  Ich  führe  die  Verba  in  der  1.  Pers.  praes.,  die  Bedeutungen  im 
Infinitiv  praes.  an. 


Armeniaca.  461 

gehörig,  das  nach  Wb.  in  der  Stelle  zi  yni  —  zaiip  äffe  'damit 
nicht  (der  Wagen  zerbreche  und)  zertrümmert  werde'  (zugrunde 
gehe  oder  dgl.)  Jak.  Msib.  (Afraates)  vorliegt.  Dann  wäre  es 
aus  *z-afip-atip-un  entstanden. 

4.  zairanam  'aufgebracht,  zornig  werden,  sich  verschlimmern' 
(von  Krankheiten  Mc.  5,  26  usw.),  zairagin  'zornig,  unwillig', 
zairuinn,  zairuc-/c  'Hitze,  Aufwallung  (des  Zornes),  Erbitterung', 
vgl.  air-em  'verbrennen,  anzünden'  von  *air  Teuer'  =  aw.  ätar- 
AGr.  418. 

5.  zangitem  'verzagen,  furchtsam  sein',  vgl.  anget  'nicht 
wissend,  unbewußt',  angitanam  'nicht  wissen'. 

6.  zanxul  'verborgen,  geheim,  unbekannt'  Pseud.  8,  3  v.  u., 
mit  Abi.  =  'heimlich  vor  Jemand'  FB.  254  (V.  43),  lat.  dam  c.  Abi., 
vgl.  anxul  'verborgen,  geheim'. 

7.  zanc  afnel  'vorübergehen'  (mit  Abi.  'an  Jemand')  1.  Moses 
18,  3,  'vorbeigehen'  (mit  af  oder  z  und  Instr.  'au  Jemand')  Mc.  6, 
48,  Luc.  10,  31,  32,  'übergehen,  bei  Seite  lassen',  zancanem  'über- 
schreiten, darüber  hinausgehen'  Thessalonich.  4,  6,  vgl.  ancanel 
'vorübergehen,  vorbeigehn,  hinübergehen,  übertreten,  vergehen' 
Mt.  15,  2;  20,30  usw.,  ancH  'Übergang,  Ereignisse',  yancanel 
(aor.  yanceay)  'übertreten,  fehlen,  sündigen'. 

8.  zacai-em  (nur  einmal  im  Ganjaran)  'beneiden,  mißgönnen', 
vgl.  yacat-em  'neidisch,  mißgünstig  sein  auf-'  MX.  III,  65  (S.  267), 
zu  ac-k  'Augen'  gehörig,  schon  im  frz.  Wtb.  durch  caraknel 
'regarder  de  mauvais  oeil,  porter  envie'  erklärt. 

9.  zacacii  'kurzsichtig,  juuuuTtdZ^uuv'  2.  Petr.  1,  9,  vgl.  acacu 
'blind',  zu  ac-lt  'Augen'. 

10.  zafacanem  'abwenden,  hinwenden,  verführen',  zafacanim 
'sich  abwenden'  usw.  Titus  1, 14,  vgl.  aracim  'sich  drehen,  wenden' 
Eznik. 

11.  zafam  'sehr  alt,  abgelebt,  Greis'  von  z  -f  Präp.  af  +  am 
'Jahr'  (nach  Wb.  =  anceal  z-am-au/c). 

12.  zafanc-an/c  'törichtes  Geschwätz,  Faselei,  Torheit', 
zafanc-el  'Wechsel,  Lauf  (der  Zeiten),  zafanfeal  z-avurb/c  'vorge- 
rückt im  Alter'  Philo  Genes.  S.  256,  zafanc-em  'närrisch  sein,  von 
Sinnen  sein',  zafancucanem  (Jemand  durch  trügerische  Worte) 
Verwirren'  Kolosser  2,  4,  vgl.  afanfanem  'von  Sinnen  sein' 
2.  Korinther  5, 13  (Gegensatz  zgadanam  ebenda),  'überalt  werden, 
abgelebt,  kraftlos  werden'  Philo  Genes.  S.  7  (von  Bäumen,  die 
ihr  Laub  verlieren),  Narek.  (vom  Mutterleib)  usw.,  afancelufiim 


462  H.  Hübschmann, 

'Ausgelassenheit'  Philo  Exod.  S.  479,  aranpik  'fabelhaft,  phan- 
tastisch' Euseb.  Chron.  I,  S.  6  (Aucher),  afanp-Zc,  Gen.  afancie-n 
'tüuv  eEexofievujv'  1.  Könige  7,  28—30  (8.  Kg.  7,  28—29  =  14—15), 
'Durchgang'  ?  MX.  3,  59,  Präp.  afanp  'ohne'  (aus  af  +  anc^  eigent- 
lich 'bei  Übergehung  von  — ,  mit  Auslassung  von'  — ).  zafanf- 
bezeichnet  also  wie  afang-  das  Überschreiten  der  Grenze  oder 
des  Maßes,  das  Extravagieren  im  Eeden,  Denken  usw.  und  ist 
abgeleitet  von  anc-  in  anfanel  'hinübergehen'  usw. 

13.  zafajavor  'vorgesetzt',  zafajavorufiun  'Yorsetzung'  (Brot 
der  Vorsetzung  =  Schaubrot)  Mt.  12,  4,  zafaj-em  'Jemandem  vor- 
angehen, zuvorkommen',  vgl.  afaj  'was  vorne  ist,  vordere  Seite, 
Anfang,  Prinzip',  afajadrufkm  'Vorlegung',  afaji  koy  'vor  dir' 
Mc.  1,  2  usw.,  afajin  'erste',  yafaj  'vorwärts,  früher',  yafajem 
'vorangehen'  usw. 

14.  zar  i  fap  Adj. 'abschüssig,  abfallend',  Subst.  ^orc  zaf 
i  fapi  1. Kg.  (3.  Kg.)  7, 29  'Herabhängendes'?;  zaf  ikot  'abschüssig', 
zaf  i  koteal  'dekliniert'  Philo  Genes.  S.  70;  zaf  i  vair  'Abhang, 
Abstieg'  {merj  i  zaf  i  vair  lerinn  jifeneac  'nahe  am  Abhang  des 
Ölberges'  Luc.  19,  37),  zaf  i  ver  'Anstieg,  Steige'  1.  Sam.  9,  11, 
zusammengesetzt  aus  z  +  Präp.  af  +  Präp.  i  +  fap  'Tiefe,  Boden' 
oder  kot  'Seite'  oder  vair  'Feld',  i  vair  'hinab,  herunter'  oder 
ver  in  i  ver  'hinauf,  oben'.  Die  Verbindung  der  Präpositionen 
af  und  i  ist  sehr  häufig^). 

15.  zat  'getrennt'  FB.  238,  4,  zatanem  'ti"ennen',  med.  za- 
tanim,  zatcim  'sich  trennen'  FB.  261,  vgl.  hat  'Abschnitt,  Korn', 
hatanem  'abhauen'  Mc.  6,  16  usw.,  hator  'Bruchstück',  yatanem 
(aor.  yati)  'beschneiden'  ("VVeinstöcke,  Bäume).  Also  zat  aus  *z}iat. 

16.  zaramur  oder  aramur  'gewaltsam,  heftig,  Heftigkeit'? 
oder  nach  Gaxcax:  'heftig,  dicht,  Dichtheit,  Menge'?  Wb.  vgl. 
yaramur  1.  Bezeichnung  von  Totenknochen  im  Grab,  2.  'Dunkel- 
heit, Finsternis',  3.  yaramri  i  nerfcs  mtanel  'introdursi,  insinuarsi'? 

17.  zard  'Schmuck',  zardarem  'schmücke',  vgl.  ard  'Form', 
yardarem  'anordnen,  zurecht  machen'  usw.,  griech.  dpTuuu 
AGr.  423. 

18.  zarfniim  (aor.  zarfeay)  'erwachen'  1.  Moses  41,  5,  zarfun 
*wach',  zarfupanem  'aufwecken'  Mt.  1,  24,  Mc.  4,  38,  39  usw.,  vgl. 
artun  'wach',  arfun,  kape/c  'wachet!'  Mt.  26,  40. 

19.  zarkanem  (aor.  zarki)  'einhauen'  FB.  233,  'schlagen, 
stoßen'  MX.  2,  19  (S.  93),  zarkanim  'sich   werfen'  (zu  Boden) 

1)  Welches  z  aber  liegt  in  diesen  Ausdrücken  vor? 


Armeniaca.  -468 

Joh.  18,  6,  zarkucanem  'niederwerfen'  Mc.  1,  26;  9,  17,  vgl.  har- 
kanem  (aor.  hart)  'schlagen',  arkmiem  (aor.  arki)  'werfen'.  Also 
zarkanem  aus  *zharkanem.    Ygl.  Liden  Arm.  Stud.  86. 

20.  zarhurim  'erschrecken'  (intr.)  Mc.  16,  5;  5,  83;  9,  5, 
vgl.  arhavir-/c  (Gen.  arhavraf;^)  'Schrecken'  Luc.  21,  11. 

21.  zarmanam  (aor.  zarmacay)  'erstaunen,  sich  wundern, 
bestürzt  werden'  Mt.  18,  54;  15,  31;  27,  14  usw.,  zarman/c 
'Staunen',  vgl.  armanam  'erstaunen',  dndarmanam  'starr  sein,  er- 
starren' FB.  4,  15  (S.  121):  zarmaceal  liner  armanair  andarmanair 
'er  war  starr  vor  Staunen'.  Wurzel  dieser  Wörter  ist  anw-,  da- 
von abgeleitet  armanal  und  von  diesen  z-armanal  und  and-armanal. 

22.  zartutim  'vom  Wege  abkommen',  zartuti  'entwegt,  ab- 
geirrt', Adv.  'auf  Abwegen',  vgl.  artuti  'Abweg',  von  art-  (in  Zu- 
sammensetzungen) 'hinaus,  heraus'  (meist  für  griech.  eS)  und  uH 
'Weg'. 

23.  zgam  (aor.  zgaci)  'merken'  nebst  zgaij-^  zgast-,  ^g^c--, 
zgaun  und  zekucanem  zu  gam  (aor.  eki)  'komme'.  Siehe  unten 
S.  469  besonders. 

24.  zgemim  (aor.  zgecaij)  'sich  etwas  anziehen,  sich  kleiden 
mit  etwas'  (Akk.  rei)  Mt.  6,  9,  29  usw\,  zgeccuH  (was)  'werden  wir 
anziehen'?  Mt.  6,  31,  zgecuganeni  'bekleiden',  zgest  'Kleid'  (Gen. 
zgestu)  von  z  +  *gesnum  von  der  Wurzel  idg.  ves  'kleiden'  AGr.  446. 

25.  zgetnem  'zu  Boden  werfen'  Luc.  4,  35,  vgl.  getin  'Boden'. 

26.  zglxem  (gmvovn  'vom  Wein')  'berauscht  werden'  Osk. 
2.  Tim.  8  von  glux  'Kopf.  Das  Verbum  wurde  wohl  azgalxem 
gesprochen. 

27.  zgnam  {zgnaci)  'umhergehen,  einhergehen'  Mc.  4,  18; 
11,  27  usw.,  vgl.  gnam  (gnaci^  3  p.  gnac^  Put.  1.  Plur.  gnasfii/c 
Mc.  14,  42)  'gehen,  weggehen'. 

28.  zgois  'vorsichtig,  Acht  gebend'  Sprüche  Salom.  22,  29, 
zgois  linim  =  zgusanam  'sich  hüten  vor,  Acht  geben  auf-,  sorgen 
für-'  Mt.  16,  11,  12;  27,  64,  65,  zgusavor  'sicher,  dcqpaXrjc'  Weis- 
heit Salom.  14,  3,  zgusutmn  'Sicherheit,  Sorgfalt'  Mc.  14,  44, 
Apg.  5,  23,  s.  AGr.  150,  vgl.  gois  'daß  nicht'  (Gott  behüte,  daß 
nicht-)  Ephrem,  giisak  'einer  der  etwas  anzeigt',  wovon  gusakem 
'anzeigen,  verkünden,  voraussagen',  ap.  *gausaka-  oder  *gausäka 
(5.  Jahrh.  v.  Chr.)  Zeitschr.  f.  arm.  Phil.  II  S.  265.  Ygl.  osset. 
qüsäg^  i-yosäg  'Zuhörer'  =  altosset.  fujcaKOC  Grundr.  d.  iran. 
Pbilol.  I  Anhang  6, 41,  82,  mp.  nigösäg  'Hörer'  Turfan  54.  zgois  ist 

1)  Vgl.  meine  Altarm.  Ortsnamen  S.  407,  Anm.  1. 


464  H.  Hübschmann, 

zusammengesetzt  aus  der  armenischen  Partikel  z  und  dem  per- 
sischen Lehnwort  gois  =  ap.  gaiisa-^  aw.  gaosa-^  das  neben  'Ohr' 
wolil  auch  'hörend'  bedeutete.  Arm.  zgois  deckt  sich  also  nicht 
vollkommen  mit  einem  vorausgesetzten  aw.  ^iizgaosa-^  vgl.  meine 
Abhandlung:  Zur  Chronologie  der  armenischen  Vokalgesetze  S.  137 
Anm.  4  und  S.  166  (nach  Meillet). 

29.  zgrgfem  (wo  ?)  'provoquer,  irriter'  vgl.  grgfem  'heraus- 
fordern, reizen  zu'-. 

zgaun  s.  zgam  Xr,  28. 

30.  zehnem  'überschreiten,  übertreten'  Osk.  Job.  1,  12,  vgl. 
elanem  (Aor.  eli)  'hinausgehen,  ausgehen,  hinaufsteigen',  elanel  dst 
cap  'das  Maß  überschreiten'. 

zekucanem  s.  zgam  Nr.  23. 

31.  zetc  'verdorben,  verderbt,  verführt,  liederlich,  zügellos', 
zetcem^  zetcanem,  pass.  zetc-im,  zetc-anim  (Aor.  zeici^  pass.  zetcay) 
'verderben,  verführen'  Ezuik  285,  pass.  'verdorben,  verführt,  be- 
trogen werden',  vgl.  etc-anem  'verderben,  zerstören'. 

32.  zetum,  zetanim  (Aor.  zeti,  med.  zetay)  'in  Menge  strömen 
lassen,  ausgießen'  Mc.  4,  37,  med.  'überfließen,  übervoll  sein', 
Joel  2,  24;  3,  13,  Apg.  10,  45,  zeiun  'überströmend'  Luc.  6,  38, 
vgl.  hetum  {heii)  'ausgießen,  vergießen',  med.  pass.  'ausfließen,  ver- 
gossen werden',  yetc  'voll'  AGr.  466.  zettmi  usw.  also  aus  *zhetum. 

33.  zeram  'kriechen',  zerun  'kriechendes  Tier,  Eeptil'  1.  Moses 
8,  17,  zefun  jur  'aqua  scaturieus'?  Philo  Exod.  II,  18  (S.  481) 
vom  AVb.  zu  efam  'kochen,  wallen,  glühen,  erglühen,  in  Menge 
entstehen,  ausbrechen,  wimmeln'  (Würmer,  Geschwüre)  Exod.  9, 
9;  16,  20  gestellt.  Ygl.  zur  Bedeutung  lat.  ferveo  'sieden,  wallen, 
kochen,  glühen,  erglühen,  brausen,  toben,  hin  und  her  wogen, 
wimmeln'.  Über  die  Etym.  s.  Meillet  MSL.  8,  165,  Pedersen  KZ. 
38,  200,  Liden  Arm.  Stud.  85. 

34.  zetetem  'an  einem  Orte  ruhen  lassen,  niederlassen,  wohnen 
lassen'  2.  Moses  33, 14,  5.  Moses  3,  20,  zetetim  'sich  niederlassen, 
ruhen,  bleiben'  5.  Moses  23, 16,  Josua  7,7,  zetetepuganem  =  zetetem 
Josua  1,  13,  15,  zetet  arnul  'sich  aufhalten',  vgl.  teii  (Gen.  tetvoy) 
=  ett  (Gen.  etei)  'Ort',  etetakal  'feststehend'  Eznik  188  AGr.  497. 

ivö.  zerc-ani-m  (aor.  zercay)  'sich  retten,  entrinnen,  fliehen' 
I.Moses  14,  13;  19,  17,  19  usw.,  zerc-u-m  {mr.  zerci)  'ausziehen, 
wegnehmen',  zerc-uc-anem  'retten',  zusammengesetzt  aus  z-{-erCy 
wenn  erc  =  idg.  serg  (skr.  srj  'entlassen,  befreien',  aw.  hardz  'ent- 
lassen, ausgießen',  np.  histan  'entlassen')  ist. 


Armeniaca.  465 

36.  zdnkenum  (aor.  zankeci)  'zurückweisen,  venverfeu,  ver- 
schmähen' Hiob  40,  3,  Ezuik  usw.,  vgl.  ankenum  (aor.  ankeci, 
3. p.  dnke'c  Mt.  27, 5,  ipt.  ankea  'wirf  Mt.  5, 29 ;  17, 26 ;  18,  8)  'werfen' 
Mt.  5,  13  usw. 

37.  zijanim  {zijatj)  'herabsteigen,  sinken,  nachlassen,  ablassen 
von-,  nachgeben,  sich  erniedrigen,  sich  demütigen'  1.  Moses  8,  3, 
Hesekiel  31,  18,  Eömer  12,  16,  Eznik  149,  zijupanem  'er- 
niedrigen, niederdrücken,  demütigen',  vgl.  ijanem  (aor.  iß)  'herab- 
steigen' Mt.  3,  16;  8,  1  usw.,  ijucanem  'herabholen,  herablassen' 
Mc.  15,  36. 

38.  zirarem  oder  zirarim  'levarsi  a  romore,  far  tumulto, 
divolgare,  disseminare'  Sokr.  2,  29  usw.  soll  nach  Wb.  zu  irear^ 
vulg.  irar  gehören  (?). 

39.  zkcim  'erbittert,  gereizt  werden,  frz.  's'aigrir',  zkc-a-goin 
'grimmiger,  Avilder',  zkc-ank  'Unwille,  Entrüstung'  ('aigreur') 
MX.  2,  71  (S.  151)  zkc-ecucanem  MX.  2,  92  (S.  183)  'reizen,  er- 
bittern, peinigen'  ('aigrir')  Eznik  147, 149,  vgl.  kcanem  (aor.  3.  ekic) 
'beißen,  brechen'  (das  Brot),  kcem  'jucken'  Eznik  176,  kcu  'bitter, 
beißend'  ('aigre,  piquant')  ks-kic  'Schmerz',  kskc-ecucanem  'beißen, 
stechen'  usw. 

40.  zyiist  'niedrig,  tief,  znstagoin  'tiefer'  3.  Moses  14,  37, 
znstanini^  znstim  'niedriger  werden,  sinken,  sich  setzen",  znstucanem 
'beruhigen,  demütigen',  vgl.  nist  'Lage,  Sitz,  Sitzen',  nstim  'setzen, 
sich  setzen',  nstucanem  'setzen'  AGrr.  478. 

41.  zov  'frisch,  kühl',  zovanam  'sich  abkühlen,  kalt  werden, 
sich  erfrischen,  sich  erholen'  1.  Moses  18,  4,  Richter  15,  19,  vgl, 
hov  'frisch,  kalt'.    Also  zov  aus  zhov. 

42.  zulamhim  'stürzen  auf  den  Kopf  (vom  Pferde)  Thom. 
Artsr.  S.  195  1.  Z.,  Denom.  von  z-ulamh  =  z  -\-  Instr.  von  idn 
'Nacken,  Grenick'.  (Im  Text :  zulumbeal,  Wb.  aber  zidamheal).  Ygl. 
zulamh  erfal  'tombolare'  (il  cavallo)  FB.  255. 

43.  zcarim  (aor.  zcarecay)  'böse,  unwillig  sein  oder  werden' 
Apg.  7,  24,  Mc.  14,  4,  Luc.  11,  53,  1.  Kg.  18,  8,  zcaranam  ebenso; 
vgl.  car  'schlecht,  böse'. 

44.  zstgelum  'verschmähen'  (KaTaYivüucKuu)  Osk.  Matth.  I,  23, 
von  z  -\-  dst  -{-  gelum  ? ;  vgl.  dstgtanem  'tadeln'  von  dst  -f-  gtanem. 

45.  ztetim,  ztetem  Thom.  Artsr.,  Euseb.  Chron.  =  zetetim, 
zetetem  s.  oben  Nr.  34. 

46.  zpaxcim  'eilig  fliehen'  Hexaem.,  vgl.  pax^im  'fliehen'. 

47.  zaKd  'Band'  Kolosser  3,  14,  zaudern  'verbinden,   ver- 

Indogermanische  Forschungen  XIX.  31 


466  H.  Hübschniann, 

knüpfen',  vg-1.  yaud  'Band,  Glied,  Gelenk'  Kol.  2,  19,  Hebr.  4,  12, 
Ephes.  4,  3,   ymidem  'zusammenfügen'  Ephes.  2,  21;  4,  16  usw. 

48.  zauc-  in  oskezauc  'vergoldet'  Apc.  18,  16  usw.  von  oski 
'Gold'  +  aucanem  'salben'  AGr.  426,  vgl.  y-oskvoy  auceal  Seb.  65. 

C)  Etymologisch  dunkle  Wörter. 

1.  zazir  (Gen.  zazri)  'häßlich,  garstig,  widerwärtig'  (aicxpöc) 
1,  Moses  41,  8. 

2.  zacac  'wenig  zahlreich,  spärlich,  schwach;  Häuflein' 
Jesaias  41,  14. 

8.  zakatim  (aor.  zakatecay)  'leidenschaftlich  ergriffen  (ver- 
liebt, vernarrt  usav.)  sein'. 

4.  zambik  'Stute'  nur  bei  Erznk.  Gram. 

5.  zanaluf  d.  i.  Akkus,  von  analiif  'Giraffe'  (arm.  dnjiiit) 
5.  Moses  14,  5,  MX.  Geogr.  599,  610. 

6.  zanak  'Stück,  Geldstück'  (von  Gold  oder  Silber)  nur  bei 
FB.  4,  9  (S.  99)  und  Gar.  Leb.  Basü. 

7.  zanganem  (aor.  zangi)  'mengen,  mischen,  kneten'  (Mehl 
mit  Wasser,  Öl  usw.)  3.  Moses  2,  4,  5,  12;  6,  21  usw. 

8.  zatik  (Gen.  zatki)  'das  Passah,  Passahmahl,  Passahlamni' 
(ndcxa)  2.  Moses  12, 11  ('ein  Passah  für  den  Herrn  ist  es'),  Mc.  14, 12, 
14,  16,  1.  Korinther  5,  7  usw.  —  Yom  Wb.  zu  zat-ani-m  'sich 
trennen'  (Auszug  aus  Ägypten)  gestellt. 

9.  zarganam  {zargacay)  'vorwärts  kommen,  Fortschritte 
machen,  zunehmen,  gedeihen,  wachsen,  stark,  groß  werden'  Luc.  2, 
51,  Philipper  I,  25  usw.,  zargun  'reif,  mannbar'. 

10.  zarm  (Gen.  zarmi)  'Nachkommenschaft,  Geschlecht, 
Stamm'  MX.  139  usw.,  vgl.  arm  'Wurzel',  armat  'Wurzel,  Ur- 
sprung, Grundlage'  (?). 

11.  zaros  eine  Pflanze,  x«M«iöpuc  nach  Wb.,  'Teucrium', 
'Gamander',  'Leberkraut'  nach  dem  Busabarutliiun  S.  215.  Nur 
Med.  Sehr. 

12.  zavak  {(jQn.  zavaki)  'Same,  Nachkommenschaft'  Gen.  8, 
15;   7,  3;  9,  9;  12,  7  usw. 

13.  zhatim  (zbatecay)  oder  zbatnum  'sich  beschäftigen  (plagen, 
sorgen,  beunruhigen,  zersü'euen)  mit  etwas'  FB.  30,  Z.  10  v.  u., 
Luc.  8,  14;  10,  40-41;  12,  29,  Prediger  3,  10,  Eznik  178. 

14.  zhausnum^  zhausanim  (aor.  zhausay\  zhausanam  'sich  er- 
götzen, sich  vergnügen,  sich  die  Zeit  verti'eiben,  sich  beschäftigen', 
dazu  hfnazhaiis-em  'Gewalt  antun,  zwingen'  (f)ufn  'Faust,  Gewalt'). 

15.  zgac-eal  'angetan  luit,  bekleidet  mit,  behaftet  mit'  (z.  B. 


Armeniaca.  467 

Schwachheit)  1,  Korinther  8,  10,  Hebräer  5,  2 ;  7,  28,  praes.  zgac- 
nu-m  'behaftet  sein  oder  werden',  zgac-nmn  Mas  sich  Bekleiden 
mit'  (einem  Sack  =  Traiierkleid)  Jesaias  22,  12. 

16.  zgaif  'Aufstoßen,  Rülpsen',  zgaifim  'aufstoßen,  rülpsen, 
auswerfen,  ausspeien'. 

17.  zeix  'ausschweifend,  unzüchtig,  zügellos'  MX,  III,  63 
(S.  263),  zetx-ana-m  'ausschweifen,  schwelgen'  (im  Weintrinken 
Eznik  285),  {i  ginvoj  'im  Weine')  zetxeal  'berauscht'  MX.  III,  .55, 
zeixufiim  'Ausschweifung'  Ephes.  5,  18.  <« 

18.  zetfem  (zetcefi)  'dunkel  lassen,  nicht  erklären,  verbergen, 
beiseite  lassen,  übergehen*. 

zetj  siehe  zitj  Nr.  21. 

19.  zen-u-m  (aor.  zen-i)  'schlachten,  opfern'  Mc.  14,  12  usw. 

20.  zzu-eni  (aor.  zzueci)  'beleidigen,  schmähen,  schelten,  ver- 
höhnen, belästigen,  plagen',  3.  Moses  19,  14;  Ruth  2,  16;  FB.  12, 
Z.  7 ;  zzuan/c  'Widerwille,  Ekel,  Beleidigung,  Unterdrückung,  Plage'. 

21.  zitj  (Gen.  ziß)  'Bedauern,  Reue,  Gewissensbiß'  4.  Kg. 
3,  27  (|aeTd)Lie\oc),  Ehs.  35,  Z.  13  v.  u.,  zijanam  (aor.  ztjapag)  'ich 
bereue,  es  reut  mich'  Mt.  12,  41 ;  21,  30,  32  usw. 

22.  zist  (Gen.  zsti  =  zdsti)  'Schenkel'  (laripöc)  Gen.  32,  25, 
Lev.  3,  10  usw. 

zirk  s.  zrk  Nr.  43. 

23.  zlanam  =  zdlanam  (aor.  zlapag)  'unrechter  Weise  nicht 
geben,  versagen,  verweigern,  wegnehmen,  rauben,  berauben,  aus- 
schheßen  von'  —  5.  Moses  24,  14,  Prediger  4,  8,  Sirach  4, 1  usw. 
Denominativ  von  *zil-  oder  *zul-. 

24.  zkef,  dzkef  'Mispel'  Galen. 

25.  zkrktanli  'Genüsse'?  Philo  de  Providentia (Yenedig  1822) 
S.  106,  nach  Gaxcax  =  ital.  'rutto,  il  ruttare'  (?). 

26.  ztal,  zotal  (=  zyal^  zoyal?)  'Kornelkirsche'  (Baum  und 
iVucht)  Med.  Sehr.  Nach  Wb.  =  fremdem  zeyal? 

27.  zmailim  (aor.  zmailecay)  'sich  satt  trinken,  voll  werden 
von  süßem  Wein,  von  Freude,  Wissen  u.  dgl.'  Hosea  13,  6,  Agath. 
usw.,  zmailecufanem  'anfüllen,  sättigen'  Jeremias  31,  14,  Lanibr. 

28.  zmbat^  zambat  Ezechiel  7,  7,  10  'KaKia,  TrXoKri;  Yer- 
wirrung,  Sorge,  Betrübnis,  Bestürzung'?,  zdmbat-i-m  'sich  Sorge 
machen,  sich  beunruhigen'. 

29.  zdmrim  =  zdmbrim  (aor.  zamrefay  usw.)  'starr  oder  ver- 
■wirrt,  bestürzt,  betäubt  werden,  verstummen  vor  Yerwirrung' 
Philo  de  vita  contemplativa  ed.  Conybeare  S.  167.   Ygl.  fmbrim 

31* 


468  H.  Hübschinann, 

'betäubt  Averden,  in  tiefen  Schlaf  verfallen',  tmhir  'betäubender 
Trank'  neben  fmrhn  usw.  AGr.  449. 

80.  zndam  =  zandam  (aor.  zndaci)  'Mitleid  haben,  schonen* 
Eznik  usw. 

31.  znnem  {aoT.znneci)  'erforschen,  untersuchen' Richter  16, 
26,  Sirach  9,  o,  8;  Römer  11,  33,  abgeleitet  von  z?iin  'Kennen- 
lernen, Beobachtung'  1.  Moses  34,  1  usw.,  zmiumn  'Untersuchung' 
Philo  Genes.  3,  3  (S.  170).  Vgl.  fcnin  'Untersuchung'. 

32.  sovot  {zuot  zovöt)  'Genosse,  Teilnehmer'  Sirach  6,  10 ; 
42,  3 ;  zovotufiun  'KOivuuvia'  3.  Moses  6,  2. 

33.  zvarf  (ziiarf)  'fröhlich,  heiter,  munter,  verständig, 
nüchtern'  2.  Timoth.  4,  5,  zvart'agin  'fröhlich,  verständig'  Luc.  8, 
15,  zvartanam  'fröhlich  sein,  guter  Dinge  sein'  Richter  16,  25; 
19,  7  ff.  'wach  sein,  nüchtern  sein'  1.  Petr.  1, 13 ;  Offenb.  Joh.  3,  3; 
zvarf  an  'nüchtern,  besonnen,  wach'  1.  Petr.  4,  7  ;  1.  Thessalonicher 
5,  6,  'Wächter  =  Engel'  Daniel  4,  10.  Vgl.  arfun  =  zartun  'wach'. 

34.  zvarc  (zuarc)  'freudig,  fröhlich,  heiter',  zvarcanam  'sich 
freuen,  sich  ergötzen,  frohlocken'  Zephanja  3,  14,  Sprüche  27,  9, 
Weisheit  Saloraonis  13,  3;  zvarcuüim  'Freude,  AVonne'  Zephanja 
3, 17.  Vgl.  Sebeos  S.  67  :  der  König  Chosrov  zvarcanair  zvarfanair 
mecav  xndufeamh  'freute  sich  sehr'. 

35.  zvirak  die  Pflanze  Origanuni  Philo  ad  Lysimachum  S.  144. 

36.  zuk  (Gen.  zuH)  'Storax'  Wb.,  xunk  zukin  "den  die  Ar- 
menier Arus  nennen,  der  aus  Bäumen  ausschwitzt  (und)  wie 
Honig  oder  dicke  Hefe  (ist)"  MX.  Geogr.  ed.  Soukry  S.  23. 

37.  zusp  'eingeschränkt,  eingeengt,  zusammengezogen,  fest 
angebunden',  zsp-em  'zusammenziehen,  zurückziehen,  einwickeln, 
einhüllen,  einschränken,  einengen,  in  Zaum  halten'  Sirach  38,  16. 

38.  zut  'rein'  3.  Kg.  7,  49,  50  ('reines  Gold'),  ztem  'reinigen, 
läutern'  Hieb  22,  25,  Eznik  183. 

39.  zopam  (aor.  zopacay  oder  zopaci)  'zittern,  beben,  jammern* 
(Sirach  12,  19  =  griech.  öiaqjiOupi^oi  'zischeln'?). 

40.  zo/canc  'Schwiegermutter'  (Mutter  der  Frau)  Matth.  8, 14. 

41.  zrahan-/c  'Haufen  4.  Kg.  10,  9. 

42.  zrav  'Ende'  Osk.,  Euseb.,  MX.  usw. 

43.  zrkem  (aor.  zrkefi)  mit  Akk.  'Jemand  Unrecht  tun,  be- 
rauben' Mt.  20,  13,  Luc.  19,  8,  Apg.  7,  26  usw.,  zirk  'beraubt, 
entblößt,  ohne  — '  Lambr.,  vgl.  zgaijazirk  Narek. 

44.  zroif;  (Gen.  zrupi)  'Erzählung,  Bericht,  Überlieferung*, 
Gen.  37,  14,  Luc.  7,  17  usw. 


Armeniaca.  •469 

45.  zaus  in  zaiisalcat^)  'schmutzig  gewinnsüchtig'  (aicxpo- 
Kepönc)  Titus  1,8;  1.  Timotheiis  3,  8,  zaiisot-utnm  'Begierde, 
Lüsternheit,  Wollust'. 

Die  altarraenischen  Wörter,  die  niit  z  anlauten,  lassen  sich 
also  auf  ungefähr  83  Wurzelwörter  zurückführen,  von  denen, 
wenn  wir  von  den  3  vorgesetzten  Partikeln  z:  der  Akkusativ- 
partikel, der  Präposition  mit  Instr.,  Abi.  und  Gen.-Dat.  und  dem 
VerbalpräfLx  (in  etwa  48  Wurzelwörtern)  absehen,  38  Lehn-  oder 
Fremdwörter  und  45  etymologisch  dunkle  Wörter  sind.  Unter  den 
letzteren  sind  zweifellos  noch  verschiedene  Lehn-  und  Fremd- 
wörter, sowie  eine  Anzahl  von  solchen  Wörtern,  die  mit  dem 
Verbalpräfix  z  zusammengesetzt  sind,  ohne  daß  wir  sie  als  solche 
erkennen  können,  sodaß  die  Zahl  der  ursprünglich  und  eigentlich 
mit  z  anlautenden  Wurzelwörter  nur  eine  geringe  gewesen  sein 
wird,  zumal  anlautendes  z  im  Altarmenischen  öfter  für  az^)  und 
dann  vielleicht  für  proklitisches  iz-  oder  uz-  steht,  mithin  ur- 
sprünglich vokalisch  anlautete.  Daß  es  aber  anfangs  gar  keine  mit 
2  anlautenden  Wörter  gegeben  habe,  darf  vorläufig  nicht  behauptet 
werden,  da  z.  B.  Wörter  wie  zenum  'schlachte'  weder  als  entlehnt 
noch  als  (mit  z)  zusammengesetzt  gelten  können,  sondern  zunächst 
als  echtarmenisch  und  einfach  anzusehen  sind.  Wie  aber  das  an- 
lautende z  (und  dz)  etymologisch  zu  deuten  sei,  ist  trotz  aller  bis- 
herigen Erklärungsversuche  noch  dunkel  gebheben  3). 

2.  Arm.  zgam  'merke'. 
Das    zmn   Präsens   zgam,    Aor.   zgaci  gehörige   Futurum 
lautet  1.  p.  zgacic^  2.  p.  zgasces,  3.  p.  zgasce  (Hiob  40,  18)  und 
zeigt,  daß   die  dem  Yerbum  zugrunde  hegende  Wurzel  im  Ar- 
menischen zweisilbig  —  also  als  dzga-  gesprochen  wurde*).  Zu 

1)  ßat  =  'sammelnd'  von  ßatem  'sammle'. 

2)  So  schreiben  die  Armenier  bei  der  Trennung  der  Silben  am  Ende 
der  Zeile:  az-divahars  'die  Besessenen'  Mt.  4,  2-4;  az-lcez  'dich'  Mt.  5,  29; 
dz-jefane  'an  der  Hand'  Mt.  8,  15  usw. 

3)  Vgl.  Meillet  MSL.  9,  54;  12,  423,  Verf.  AGr.  446.  IF.  10,  Anz.  45. 
Im  Inlaut  steht  z  für  idg.  gh  nach  Vokalen  (vgl.  baziim  AGr.  426,  dizanim 
439,  lezu,  lizem  452,  mozi?  475,  oz7ii  (aus  *ozini)  481  und  viz  KZ.  36,  340; 
38, 225),  ferner  für  s  vor  b  (vgl.  skizbn  neben  slsanim  von  *skins  oder  *shik'^). 

4)  Nach  Meillet  Esquisse  §  24.  Über  zgeccis  und  dnfercif  s.  Esquisse 
S.  98.  Freilich  ergibt  sich  unten,  daß  zgafic  zgasdes  usw.  erst  nach  Analogie 
gebildet  ist,  daß  also  Formen  wie  zgasges  hier  nichts  beweisen.  Aus  dem  Fut. 
jfascis,  stasfi  schließt  Meillet  §  24  auf  eine  zweisilbige  Wurzel  asta  in  stanam 
'erwerbe'  AGr.  492,  wie  sie  auch  im  Text  bei  Euseb.  Kircheng.  426 — 427 
idstanair,  astageal)  vorliegt.  Ist  dieses  a  nun  auch  etymologisch  berechtigt? 


470  H.  Hübschmann, 

dieser  "Wurzel  gehören :  1 .  das  Präsens  zgam  usw.  'merken,  fühlen, 
empfinden,  wahrnehmen,  bemerken,  erfahren'  (lat.  sentire)  Hosea 
7,9,  Mc.  6,  38,  Philo  Genes.  T,  29  (S.  21),  FB.  S.  137,  Z.  6;  236, 
Z.  8  V.  u.,  237  usw.,  anjin  zgal  'wieder  zu  sich  kommen'  2.  Maccab. 
3,  35 ;  zgali  'sinnlich  wahrnehmbar'  (aicGrixöc),  vgl.  den  Infinitiv 
zgal\  2.  der  Aorist  zgafi  usw.  mit  den  vom  Aoriststamm  abge- 
leiteten Formen:  zgagucanem  (Kausativ)  'Anzeige,  Mitteilung 
machen,  anzeigen,  angeben'  Apg.  23,  15,  22;  24,  1  usw.,  irazgac 
(v.  1.  irazgac)  linim  {iniifc)  'ich  erfahre  (von  etwas),  erhalte  Kunde* 
(von  etwas)  MX.,  Pharp.,  Joh.  Kath.,  Agath.  (von  ir  'Sache'  und 
zga(!,  also  etwa  'sachkundig') ;  3.  die  Form  zgay  in  an-zgay  'ohne 
Empfindung,  ohne  Gefühl,  ohne  Bewußtsein,  ohne  Vernunft', 
yanzgay  'bewußtlos'  2.  Maccab.  3,  27,  yanzgayeal  'ohne  Bewußt- 
sein, unsinnig  geworden'  (durch  Wein)  2.  Moses  32,  18,  anzgayahar 
'ohne  es  zu  merken,  unbewußt,  ohne  Sinn  und  Verstand',  anz- 
gayagoin  'unempfindlicher',  anzgayufiun  'Unempfindlichkeit',  anz- 
gayun  'unempfindlich',  zgayakan  'sinnbegabt,  sinnlich'  (sensibilis) 
Philo  Genes.  II,  59  (S.  142),  zgayaran  'Sinnesorgan,  Sinn',  zgayu- 
fiun  'Sinn,  Sinne,  Empfindung,  Bewußtsein,  Wahrnehmung'  Philo 
Genes.  II,  59  (S.  148)  usw.,  zgayun  'sinnlich  wahrnehmend,  ver- 
stehend, verständig,  sinnlich  wahrnehmbar,  materiell';  4.  die  Form 
zgast  in  zgast  (Stamm  zgasti-)  'cuucppLuv,  bei  Sinnen,  bedacht,  Acht 
gebend,  aufmerksam,  gewahr  werdend,  vorsichtig,  verständig,  klug, 
mäßig,  nüchtern,  enthaltsam,  ehrbar,  sittsam'  Titus  2,  2 ;  Tobit  6, 

12,  Apg.  18,  50;  17,  12,  zgast  linim  'ich  werde  benachrichtigt, 
erfahre'  2.  Maccab.  12,  4,  zgastanajn  (aor.  zgastacay)  'cujqppoveuj, 
'vernünftig  werden,  besonnen  sein,  bei  Sinnen  sein,  wieder  zu 
sich   kommen'   (Gegens.  afancanem)   2.  Kor.  5,  13,    Rom.  12,  3; 

13,  13,  1.  Petr.  4,  7,  Mc.  5,  15,  Luc.  8,  35,  zgastapucanem  'cuj- 
(ppoviZiiu,  zur  Besonnenheit  bringen,  ermahnen'Titus2,4,  zgastutiun 
'cuuqppocuvri,  Besonnenheit,  Sittsamkeit,  Züchtigkeit'  l.Timoth.  2, 9, 
2.  Timoth.  1,  7,  Titus  2,  3  u.  12;  5.  wahrscheinlich  auch  die  Form 
zgaun^)  in  zgaun  (Stamm  zgauni-  nach  Wb.)  'mild,  sauft,  ruhig, 
zahm,  verständig'  Eznik  usw.,  zgaunanam  'sanft,  zahm  werden', 
zgaunapucanem  'zähmen',  zgaimutiun  'Milde,  Erkenntnis'  (aicOricic) 
Sprüche  1,  7,  'Weisheit'  Sirach  1,  4,  Psalm  110,  10,  'die  Weisheit 
und  Sprüche  Salomonis'  2.  Petr.  2,  22  und  6.  zgam  in  anzgam 
'töricht,  unverständig,  böswillig,  halsstarrig'  1.  Petr.  2, 15,  Römer 
2,  20,  1.  Kor.  11,  K);  12,  0  usw.,  anzgamufiun  'Torheit,  Bosheit* 

1)  Über  au  neben  a  s.  IF.  12,  Anz.  56. 


Armeniaca.  471 

1.  Moses  31,  24,  5.  Moses  22,  21,  Mc.  7,  22,  Römer  1,  29,  1.  Kor. 
5,  8  usw.  Wie  die  im  großen  Wörterbuch  1,  729  unter  zgaun 
angeführte  Stelle  aus  Eznik  zeigt,  ist  zgaun  dem  Smne  nach 
der  Gegensatz  von  anzgam ;  ersteres  kommt  niemals  negiert  (als 
*anzgaun)  vor,  letzteres  niemals  ohne  Negation  (als  *zgam),  sodaß 
also  anzgam  eigentlich  die  Negation  von  zgaun  ist  und  beide, 
*zgam  und  zgaun^  ursprünglich  gleichbedeutend  waren,  wie  sie 
ja  auch  Ableitungen  derselben  Wurzel  9zga-  sind. 

Zu  dem  System  des  Verbums  zgam  (nicht  zur  Wurzel 
dzga-)  gehört  aber  auch  das  Yerbum  zekufanem  (aor.  zekupi)^  das 
von  dem  Wb.  1,  729  durch  zgacucanem,  irazek  ^  irazgac  (sie!) 
afnem,  tetekacucamm  usw.  erklärt  wird,  zekucanem  ist,  wie  die 
Endung  -ucanem  zeigt,  das  kausative  Präsens  zu  einem  Aorist 
1.  Pers.  '^'zekL  ebenso  wie  zgacucanem  das  kausative  Präsens  zu 
einem  Aorist  zgaci  (Präs.  zgam  'merke')  ist.  Da  nun  aber  zeku- 
canem 'Anzeige  erstatten,  anzeigen,  benachrichtigen,  unterrichten, 
kund  tuu,  bedeuten'  Apg.  25, 14,  Koriun  S.  13,  Z.  7  v.  u.  (Aus- 
gabe 1894  S.  23,  Z.  11  V.  u.),  Philo  usw.  bedeutet,  so  fällt  es  dem 
Sinne  nach  wirklich  mit  zgacupanem  zusammen,  und  wir  erhalten 
somit  —  dem  Sinne  nach  —  zwei  Aoriste  zum  Präsens  zgam 
'merke',  nämlich  das  bezeugte  zgac-i  und  das  nicht  mehr  vor- 
handene *zek-i.  Daß  aber  ein  solches  fi'üher  existierte,  zeigt 
—  außer  zekucanem  —  das  Adjektiv  irazek  'informiert,  benach- 
richtigt, berichtet'  in  irazek  linim  'ich  werde  berichtet  über'  — 
=  'mir  wird  berichtet  über  Jd.  oder  von  etwas,  ich  erhalte  Kunde' 
(mit  vasn  oder  z  oder  mit  Dativ)  Apg.  21,  21  und  24,  Levond  7, 
Joh.  Kath.,  das  aus  ir  'Sache'  und  dem  Aoriststamm  zek  zusammen- 
gesetzt ist  und  also  wie  irazgac  (s.  oben)  etwa  'sachkundig'  be- 
deutet. Es  fragt  sich  nun,  auf  welchem  Wege  der  Aoriststamm 
zek  in  das  System  des  Yerbums  zgam  gekommen  ist.  Und  das 
ist  nun  leicht  zu  erkennen.  Zum  Präsens  gam  'ich  komme' 
gehört  nach  suppletiver  Art  der  Aorist V)  eki  'ich  kam'  (3.  ekn 
=^  idg.  '*e-gem-t  AGr.  441),  und  wenn  durch  Zusammensetzung 
mit  der  oben  behandelten  Partikel  z  das  Verb  um  übertragene 
Bedeutung  erhielt  (vgl.  deutsch  'kommen'  und  'hinter  etwas 
kommen'),  so  entstand  naturgemäß  das  Averbo :  zgam  'ich  merke, 
erfahre' :  *zeki  'ich  merkte,  erfuhr'.  Zu  *zeki  wurde  das  Kausa- 
tivum  zekucanem  :  zekuci  ganz  regelmäßig  gebildet,  während  zu 

1)  Vom  Aoriststamm  eh-  ist  abgeleitet  das  Subst.  ek  (j-«-St.)  'Fremd- 
ling' und  ek  (j-St.)  'Ankunft',  Plar.  'Einkünfte,  Ereignisse'. 


472  H.  Hübsch  mann, 

zgam  nach  dem  Muster  der  regelmäßigen  Verba  auf  -am  [aiam 
*ich  mahle' :  aor.  ataci)  der  neue  Aorist  zgapi,  zu  diesem  das 
Kausativ  zgacupanem  usw.  geschaffen  wurde.  Das  ursprüngliche 
Verbum  hiutete  also  Präs.  zgam:  Aor.  *zeki,  Kaus.  zekucanem,  der 
Aoriststamm  zgac  mit  Zubehör  beruht  also  auf  jüngerer  Ana- 
logiebildung. 

Das  Verbum  zgal  deckt  sich  seiner  Bedeutung  nach  gänz- 
lich mit  lat.  sentire  'fühlen,  empfinden,  wahrnehmen'  usw.,  das 
früher  zu  got.  sinßs  'Gang,  Mal',  gasinßa  'Reisegefährte',  air.  set 
'Weg'  usw.  (Wz.  sent)  gestellt  wurde,  wonach  auch  hier  ein  Be- 
deutungsübergang von  'gehen'  zu  'fülilen,  merken'  usw.  vorge- 
legen hätte.  Doch  will  man  jetzt  nur  die  Zusammengehörigkeit 
von  lat.  sentire  mit  deutsch  Sinn,  sinnen  gelten  lassen.  Vgl. 
Schade  Altd.  AVtb.=^,  765,  Kluge  Wtb.^  S.  365,  IF.  2,  316,  dagegen 
Walde  Lat.  etym.  Wtb.  563. 

3.  Arm.  nern  'Antichrist'. 

Das  Wort  nefn  (Gen.  nefin^  Abi.  i  nefne^  Instr.  nefamh^ 
Nom.  Plur.  nefinfc)  'Antichrist'  1.  Brief  Johannis  2,  18  und  22; 
4,  3 ;  2.  Brief  Joh.  7,  Eusebius  Kirchengesch.  S.  435  usw.  macht, 
da  es  ein  einfaches,  nicht  abgeleitetes  oder  zusammengesetztes 
Wort  ist,  seiner  Bedeutung  nach  den  Eindruck  eines  Lehnwortes 
aus  der  Sprache  eines  christlichen  Volkes.  Da  nun  die  Armenier 
in  alter  Zeit  manche  Wörter  aus  dem  Syrischen  und  Griechischen 
(s.  AGr.  S.  320  und  323)  entlehnt  haben,  liegt  es  nahe,  auch  in 
nefn  ein  syrisches  oder  griechisches  Lehnwort  zu  vermuten. 
Da  aber  schon  die  Offenbarung  Johannis  13,  18  auf  Kaiser  Nero 
als  Antichrist  deutet,  und  da  die  Christen  des  römischen  Reiches 
wegen  der  Cln-istenverfolgung  unter  Nero  in  diesem  den  persön- 
lichen Antichrist  zu  erblicken  sich  gewöhnten,  von  dem  die 
Sage  ging,  daß  er  nicht  gestorben  sei  und  dereinst  wiederkehren 
werde,  so  wäre  es  leicht  begreiflich,  wenn  der  Name  Neros  bei 
manchen  Christen  die  Bedeutung  Autichrist  angenommen  hätte, 
sowie  der  Name  Cäsar  die  Bedeutung  Kaiser  annahm. 

Das  war  aber  bei  den  Armeniern  der  Fall,  denn  es  kann 
nicht  zweifelhaft  sein,  daß  das  armenische  Wort  für  Antichrist 
nefn  identisch  ist  mit  dem  Namen  des  Kaiser  Nero  in  seiner 
griechischen  Form  Nepiuv.  Das  haben  schon  die  Mechitharisten 
vermutet  (s.  Wb.  2,  413  s.  v.),  ohne  aber  diese  Vermutung 
irgendwie  zu  betonen  und  zu  begründen.    Wendet  man  aber 


Armeniaca.  473 

einmal  probeweise  die  altarmenischen  Lautgesetze  auf  das  Wort 
Nepuuv  an,  so  müßte  1.  nach  dem  ältesten  Auslautsgesetz  (AGr. 
410,  Chronologie  der  arm.  Yokalgesetze  S.  131  und  162)  der 
Vokal  der  letzten  Silbe  ausfallen,  also  Nepuuv  zu  *werw  werden, 
2.  nach  dem  Lautgesetz,  daß  r  vor  unmittelbar  folgendem  n  zu 
r  wird  (Arm.  Studien  S.  74 ;  AGr.  S.  409,  Meillet  Esquisse  S.  22), 
*nern  in  nefn  übergehen,  das  in  der  Flexion  der  Analogie  von 
Wörtern  wie  befn  'Last',  Gen.  befin,  Instr.  befamb ;  garn  'Lamm', 
Gen.  garin;  safn  'Eis',  Gen.  safin  usw.  folgt.  Soweit  wäre  alles 
in  bester  Ordnung,  wenn  nur  eben  die  Chronologie  der  Laut- 
gesetze nicht  im  Wege  stünde. 

Denn  das  Gesetz,  nach  welchem  der  Vokal  der  letzten 
Silbe  ausfiel,  hatte  bereits  in  urarmenischer  Zeit  gewirkt,  wirkte 
dagegen  in  cliristlicher  und  selbst  in  vorchristlicher  parthischer 
Zeit^)  längst  nicht  mehr  (AGr.  330),  sodaß  ein  in  dieser  Zeit 
entlehntes  griech.  Nepuuv  im  Armenischen  zu  *ne7'on  oder  *«e>* 
(AGr.  331  ff.)  hätte  werden  sollen^).  Denn  wenn  das  Gesetz, 
nachdem  es  in  der  Urzeit  {*dhukter  =)  *dustir  zu  dustr^),  {*nirtos  =) 
mardo''  zu  mard,  [*'gJenos  =)  *katino''  zu  hatin  'Eichel',  '^skesurä 
zu  skesiir  'Schwiegermutter'  usw.  (AGr.  410)  umgewandelt  hatte, 
in  späterer  Zeit  noch  einmal  gewirkt  hätte,  so  hätte  katin  zu 
*katn^  skesur  zu  *skesr,  dalar  (GaXepöc)  aus  '^dalaro''  zu  *dalr, 
aber  auch  Lehnwörter  wie  lampar  =  griech.  \a|UTrdb(oc)  IF.  10, 
Anz.  41  zu  *lampr,  patker  'Bild'  (=  phl.  patkar  =  ap.  patikara) 
zu  *patkr^  suser  'Schwert'  (=  syr.  safser-ä^  mp.  safser  bei  F.  W.  K. 
Müller  Handschr.  aus  Turfan  S.  63)  zu  *susr,  sahman  'Grenze' 
(=  phl.  sämän  aus  *sähmän)  zu  ^saJimn  usw.  werden  müssen.  Das 
ist  aber  nicht  geschehen,  sondern  die  aus  dem  Pehlevi,  Syrischen 
und  Griechischen  entlehnten  Wörter  behalten  im  allgemeinen*) 
die  Vokale  ihrer  letzten  Silben  auch  im  Armenischen  und  zeigen, 
daß  jenes  Auslautsgesetz  nur  einmal  und  zwar  vor  der  Partherzeit 
gewirkt  hat,  in  und  nach  dieser  aber  keine  Geltung  mehr  hatte. 

1)  Das  Christentum  drang  im  3.  Jahrh.  in  Armenien  ein. 

2)  Vgl.  Sotomon  (MX.  189)  im  5.  Jahrli. 

3)  Meillet  Esquisse  S.  33  nimmt  an,  daß  das  altarm.  fZ»s^?- (ebenso 
astt,  eutn)  geschriebene  Wort  wie  diistdr  {astdt,  euf^n)  gesprochen  worden 
sei.  Das  ändert  am  Gesetz  nichts,  wenn  man  überhaupt  annimmt,  daß  im 
Armenischen  die  durch  Vokalausfall  entstandenen  vokalischen  r,  t,  y,  über- 
haupt zu  ar,  dt^  dn  (=  «r,  ei,  «n)  werden  mußten  IF.  12,  Anz.  54.  Es  wurde 
dann  *dustir  über  *dustr  zu  dustar  =  duster. 

4)  AGr.  287,  330,  331. 


i74:  H.  Hübschmann, 

Also  hätte  griech.  Nepuuv  zu  arm.  *neron  oder  *ner  werden  sollen. 
So  richtig  aber  diese  Schlußfolgerung  ira  allgemeinen  ist,  so 
gibt  es  doch  einige  Wörter,  die  gegen  die  Regel  erst  in  parthischer 
oder  früh-christlicher  Zeit  den  Vokal  der  letzten  Silbe  verloren 
haben,  ohne  daß  wir  die  Bedingungen  kennen,  unter  denen  dieser 
Verlust  eintreten  mußte. 

Das  sind  folgende.  1.  Griech.  KaTcap  (Gen.  Kaicapoc)  AGr.  354 
ist  im  Armenischen  zu  kaisr  geworden  und  hat  die  obliquen 
Kasus  nach  Analogie  der  armenischen  r-Stämme  gebildet:  Gen. 
Dat.  kaiser  zu  Nom.  kaisr  wie  Gen.  Dat.  dster  (aus  '^düster)  zu 
Nom.  dustr  usw.^)  Ich  habe  das  Wort  AGr.  329  als  ältestes 
griechisches  Lehnwort  im  Armenischen  bezeichnet,  aber  es  kann 
doch  frühestens  im  1.  Jahrh.  n.  Chr.  nach  Armenien  gekommen 
sein"-).  Das  Wort  ist  dann  noch  einmal,  als  gelehrtes  Wort  (AGr. 
329  und  354),  von  den  Armeniern  entlehnt  worden  in  der  Form 
kesar  (Gen.  kesaric),  die  die  spätere  griechische  Aussprache  Käsar 
reflektiert  3)  und  keinen  Vokalausfall  zeigt.  Arm.  kesai'  ist  somit 
die  spätere  und  gelehrte,  kaisr  die  ältere  und  volkstümliche  Form 
des  griechischen  AVortes. 

2.  Arm.  zaur  'Macht,  Heer'  AGr,  152  entspricht  dem  aw. 
zävara  'Kraft'  (neben  zavaraca),  dem  mp.  zävar  und  zör  F.  W.  K. 
Müller  Turfan  S.  48,  52,  58,  62  und  25,  26,  56—59  usw.,  dem 
np.  zör,  das  nach  meinen  Pers.  Stud.  169  und  273  auf  ap.  *zavar- 
zurückgeht  wie  mp.  zävar  auf  ap.  *zävar.  Dies  *zavar  oder 
*zävar  wurde  von  den  Armeniern  in  der  Partherzeit  als  *zavar 
entlehnt  und  durch  Ausstoßung  des  zweiten  a  zu  *zavr  =  zaur  um- 
gestaltet. Altarmenisches  au  (des  5.  Jahrh.)  wird  ebenso  geschrieben 
wie  av^  ging  aber,  wenn  es  als  Diphthong  gesprochen  wurde, 
im  Mittelarm.  in  6  (sprich  o)  über,  während  av  als  av  erhalten*) 
blieb ;  da  nun  zaur  im  Mittelarm.  zu  zör  (d.  i.  zor)  geworden  ist, 
so  nehme  ich  an,  daß  man  im  Altarm.  zaur  —  nicht  zavr  oder 
zav9r  —  sprach,  und  daß  also  das  zweite  a  des  arsacidischen  *zavar 

1)  Ebenso  litr,  Gen.  Ifer  aus  Xirpa,  arfr,  Gen.  arfer  aus  äpöpov, 
sakr,  Nom.  Plur.  saker/c  =  cdKpa  AGr.  332.  Hier  ist  aber  die  auslautende 
griechische  Flexionssilbe,  nicht  der  Vokal  vor  auslautendem  r  abgefallen, 
vgl.  AGr.  331—332. 

2)  IF.  10,  Anz.  41. 

3)  Griech.  ai  wird  im  Armenischen  durch  e  wiedergegeben,  nur  in 
kaisr  erscheint  arm.  ai  für  griech.  ax:  Clironologie  der  armenischen  Vokal- 
ges.  S.  171. 

4)  Vgl.  arm.  atavni  'Taube'  für  *atavdni. 


Armeniaca.  -475 

oder  zävar  im  Armenischen  nicht  reduziert  (zu  3),  sondern  ganz 
ausgestoßen  wurde  ^). 

3.  Phl.  bevar  'zehntausend'  =  np.  bevar^  aw.  baevard  sollte 
im  Armenischen  zu  bevar  oder  bivar  Averden,  ist  aber  eben- 
falls mit  Verlust  des  Yokals  der  Endsilbe  zu  arm.  Jewr,  biur  aus 
*bev-r  geworden  (AGr.  121).  Wenn  aber  die  Wörter  kaisar^  zavar 
und  bevar  im  Armenischen  tatsächlich  zu  kaisr^  zaur  und  beur^ 
biur  geworden  sind,  so  ist  nicht  zu  bezweifeln,  daß  auch  Nepaiv 
im  Armenischen  zu  nefn  (aus  *nern)  werden  konnte  und  daß 
also  tatsächlich  nefn  aus  Nepuuv  entstanden  ist.  In  4  Fällen  ist 
demnach  auch  in  der  Partherzeit  —  gegen  die  Regel  —  der  Yokal 
der  letzten  Silbe  (er  und  0)  ausgefallen,  aber  nur  in  Lehnwörtern 
und  nur  vor  der  Liquida  r  und  dem  Nasal  n. 

Der  Umstand,  daß  *nern  zu  nefn  wurde,  rührt  daher,  daß 
r  hier  durch  den  Schwund  des  folgenden  Vokales  unmittelbar 
vor  n  zu  stehen  kam  (wie  schon  in  arm.  garn  'Lamm'  aus  urarm. 
*garin^)  ==  idg.  Vgren).  Denn  r  ist  sonst  vor  n  geblieben,  wenn 
zwischen  beiden  der  reduzierte  Vokal  9,  der  gewöhnlich  nicht 
geschrieben  wird,  gesprochen  wurde,  was  in  der  Regel  ^)  der  Fall 
war,  wenn  nach  dem  jüngeren*)  Vokalgesetz  i  und  u  in  nicht 
letzter  Silbe  ausfielen,  vgl.  garun  'Frühling',  Gen.  garnan  d.  i. 
gardnan  aus  *garnnan ;  vernahm  'Obergeschoß'  aus  veranahm  = 
*verinatun  von  verin  'obere',  korncim  'zugrunde  gehn'  (aor.  koreay 
aus  *kori-ay\  aus  *kordncim,  vrnjem  'wiehern'  aus  *vrd7ijem  AGr. 
495,  IF.  10,  Anz.  46  usw.  Also  ist  nefn  nicht  aus  *neran,  sondern 
direkt  aus  *nern  mit  völligem  Schwund  des  0  von  Nepuuv  ent- 
standen, ganz  wie  arm.  gafn  aus  *garn  für  urarm.  *garin  nach 
urarmenischem  Lautgesetze  ^). 

1)  Auf  die  Differenz  zwischen  phl.  np.  zur  und  arm.  zor  —  zor  aus 
altarm.  zaur  habe  ich  schon  AGr.  152  hingewiesen.  Beide  gehen  auf  alt- 
pers.  oder  altphl.  *zavar  (resp.  *zavar)  zurück ;  die  Armenier  entlehnen 
das  Wort  und  stoßen  das  zweite  a  aus,  wodurch  *zavr  =  zaur  entsteht ; 
die  Perser  kontrahieren  ava  (in  *zavar)  zu  ö,  wodurch  zör  entsteht.  Hätten 
die  Armenier  im  Persischen  schon  die  Form  zör  gehört  und  diese  über- 
nommen, so  hätten  sie  daraus  *zoir  oder  *zor  (nicht  zaur,  zor,  zor)  ge- 
macht; s.  Chronologie  d.  arm.  Vokalgesetze  S.  166 — 169.  Aus  ap.  *zävar  aber 
wäre  durch  Kontraktion  np.  *zär  entstanden :  Pers.  Stud.  168. 

2)  Hier  fällt  i  nach  dem  ältesten  Vokalgesetz  AGr.  410  A  aus. 

3)  Vgl.  IF.  12,  Anz.  54. 

4)  AGr.  410  B,  2. 

5)  Altarm.  Beispiele  mit  fn  s.  Armen.  Stud.  S.  74.  Aber  auch  in 
griech.  Lehnwörtern  erscheint  fn  für  pv,  AGr.  328,  Z.  12,  vgl.  pornik  zu 


■476  H.  Hübschmann, 

4.  Arm.  ail  =  kypr.  aiXoc? 
In  meinen  Arm,  Stud.  1,  77  §  45  habe  ich  behauptet, 
daß  arm.  ail  (Gen.  ailoij)  'andere'  durch  Umstellung  aus  *alyo- 
=  lat.  alitis  (griech.  dWoc,  got.  aljis  usw.)  entstanden  sei,  während 
y  nach  r  (in  stei'j  —  cxeTpa,  anurj  =  öveipoc  und  mrjiun  'Ameise' 
S.  66,  §  19)  zu  /  geworden  sein  soll.  Das  bestreitet  Bartholomae 
Stud.  z.  idg.  Sprachgesch.  2,  24,  der  -rj  in  sterj  usw.  auf  idg.  rk^ 
oder  rg^  zurückführen  will  und  idg.  hj  durch  Epenthese  nur  in 
arm.  il  {all,  gail,  pail)  übergehen  läßt.  Dagegen  behauptet  Meillet 
MSL.  8,  237,  daß  idg.  y  nicht  nur  nach  r  (wie  in  sterj^  anurj  usw.), 
sondern  auch  nach  l  zu  /  geworden  sei  und  beruft  sich  auf  die 
Gleichung:  arm.  oij  (o-St.)  'gesund,  ganz,  vollständig'  =  air.  uile 
'all,  ganz'  aus  *olyo-s  (AGr.  481),  die  jedenfalls  sehr  ansprechend 
ist.  Indem  er  aber  daraus  folgert,  daß  idg.  ly  überhaupt  zu  arm. 
ij  geworden  sei,  wird  er  genötigt,  aus  idg.  *alyo-s  ein  arm.  *atj 
zu  folgern  und  somit  das  vorhandene  arm.  ail  von  idg.  *alyos 
=  griech.  dWoc,  lat.  alius  usw.  zu  trennen  und  ein  idg.  *ailo-s^ 
das  er  in  kyprisch  aiXoc  und  lat.  ille^)  wiederfindet,  zurückzu- 
führen. Ich  habe  dagegen  in  meiner  Arm.  Gramm.  S.  481  an  der 
Gleichung  arm.  ail  =  griech.  dWoc  usw.  aus  *alyo-s  festgehalten 
und  eben  darum  die  von  Fr.  Müller  und  Meillet  befürwortete 
Gleichung  arm.  otj  =  sdr.  uile  aus  ^'olyo-s'^)  zwar  ohne  Fragezeichen, 
aber  doch  nicht  ohne  Bedenken  vorgetragen.  Ich  halte  aber  diese 
Bedenken  jetzt  für  hinfällig,  da  ich  Osthoff  Etym.  Parerga  1,  289 
zustimme,  der  mit  Ablehnung  von  MeiUets  Ansatz  eines  idg. 
*ailos  =  arm.  ail  einfach  annimmt,  daß  idg.  ly  =  li  im  Armenischen 
unter  gewissen  (noch  unklaren)  Bedingungen  teils  zu  il,  teils  zu 
tj  geworden  sei.  Während  nun  aber  der  Übergang  von  idg.  ly, 
ry  {ti,  ri)  in  f/,  rj  durch  otj,  sterj,  anurj  (vgl.  mrjiun,  etjiur 
Osthoff  a.  a.  0.  290)  sicher  gestellt  ist,  scheint  es,  wenn  ail  vor- 
läufig außer  Betracht  bleibt  und  von  den  unsicheren  Fällen  wie 
gaü  AGr.  481  und  pailem  AGr.  500  abgesehen  wird,  an  sicheren 
Beispielen  für  den  Wandel  von  ly  (li)  in  il  zu  fehlen.  Indessen 
scheint  es  nur  so,  denn  in  Wahrheit  liegen  doch  wenigstens  zwei 

-iröpvoc,  TTÖpvn  AGr.  373,  bastern  =  ßacrepviov  AGr.  118,  511,  kistetn  =  kic- 
xdpva  AGr.  357,  matufn,  Gen.  matran  zu  griech.  inaprüpiov?  AGr.  363. 
FreiUch  nimmt  später  f  für  fremdes  r  immer  inehr  überhand. 

1)  Lat.  ille  aus  *Tle?  Dagegen  s.  Brugmann,  Die  Demonstrativpro- 
nomina der  idg.  Sprachen  S.  96. 

2)  Oder  otj  aus  *solijos,  vgl.  öXoc  aus  ö\Foc,  lat.  salvos  usw.  ? 


Armeniaca.  477 

sichere  Beispiele  vor,  nämlich  toil  und  nsoil.  Das  Subst.  Ml^) 
mit  dem  Verb  tal  "geben'  verbunden,  bedeutet:  'lassen,  zulassen, 
gewähren  lassen,  erlauben,  erlassen'  Mt.  3,  15;  8,  22;  13,  30  usw. 
und  gehört  ohne  Zweifel  zum  Verbum  fot-u-m  (aor.  1.  iot-i, 
ipt.  tbt)  'lassen,  zulassen,  erlauben,  erlassen,  vergeben,  verlassen, 
im  Stich  lassen,  entlassen,  zurücklassen'  Mt.  6,  12,  14,  15;  9,  6; 
18,  32;  27,  47;  Mc.  1,  31;  11,  16  usw-,  dessen  Wurzel  foi-  ist. 
Da  arm.  toil  aus  älterem  foit,  das  in  den  ältesten  Handschriften 
noch  vorliegt  (IF.  12  Auz.  56),  entstanden  ist,  so  kann  foü  = 
foit  nur  aus  urarmenischem  thii/o-  [fotio-)  entstanden  sein  und 
liefert  die  gewünschte  Parallele  zu  ail  =  ait  aus  idg.  "^'alyo-s  {*alio-s). 
Ebenso  nsoil,  älter  nsoit  (^-St.)  'Strahl'  Luc.  8,  36  usw.  (wovon 
nsui-em  (nsotem)  'strahlen  lassen'  Narek.),  das  offenbar  zu  soi 
'Strahl',  sot-am  'strahlen,  blinken,  funkeln,  blitzen'  Hiob  39, 23  usw., 
soi-sot-im  'blitzen,  blinken'  Narek.,  sotiun  'Blitzen,  Leuchten' 
gehört  und  auf  urarm.  *ni-sot-y-  zurückgeht. 

Danach  darf  also  arm.  ail,  älter  ait  aus  idg.  *alt/o-s  {'^alio-s) 
erklärt  imd  mit  griech.  ctXXoc,  lat.  alius  u.  a.  gleichgesetzt  werden. 
Dagegen  wird  die  Annahme  eines  idg.  *ai-lo-s  vom  Armenischen 
nicht  gefordert.  Ob  vom  Keltischen  und  wenigen  griechischen 
Dialektformen  (Brugmann,  Demonstxativpron.  114),  mögen  Andere 
untersuchen  2). 

5.  Arm.  giser  'Schmelz'. 

In  den  IF.  16  S.  419  habe  ich  bei  der  Besprechung  des 
Ortsnamen  G^/serq/or 'Xachttal'  bemerkt,  daßBrosset  diesen  Namen 
als  'la  vallee  du  jais'  gedeutet  hat,  daß  mir  aber  giser  nur  im 
Sinne  von  'Nacht'  (vgl.  AGr.  435),  nicht  auch  von  'Schmelz'  be- 
kannt sei.  Daß  aber  das  Wort  auch  die  Bedeutung  'Schmelz'  ge- 
habt oder  angenommen  hat,  beweist  das  Georgische,  das  giser 
(georg.  giser-i)  in  der  Bedeutung  'jais,  pierre  noire'  Tschoubinoff 
Dictionnaire  Georgien -Russe-Fran9ais  1840  S.  127  aus  dem  Ar- 
menischen entlehnt  hat. 

6.  Arm.  janjaxarif  'scharlachrot'. 

Das  Wort Jaw/aicanf  findet  sich  im  Armenischen  bei  Jesaias 
1, 18  (griech.  qpoiviKoOv  ,hebr.  sänim)  und  bei  Jac.  Nisib.  (=  Afraates) 

1)  Als  Adj.  foü,  Gen.  fuloi/  —  'nicht  lest,  locker,  weich,  schlaff'  usw., 
eigentlich  'lässig'. 

2)  Thurneysen  (briefl.  Mitteil,  vom  17.  Mai  1906)  führt  kymr.  bret.  eil 
ebenso  wie  ir.  aüe  auf  *aIio-  zurück  und  beruft  sich  auf  das  Lehnwort 
nkymr.  yspail,  mkymr.  yspeil  =  lat.  spoUa  (spätlat.  spolia). 


478  H.  Hübschmann, 

8.  77  und  ist  erst  von  hier  aus  an  andere  Stellen  der  armeni- 
schen Literatur  gekommen.  Bei  Afraates  a.  a.  0.  übersetzt  jan- 
jaxarif  das  syrische  i^n^lIHT  z^^öridä  (Afraates  ed.  Wright  78,  1) 
'coccum',  und  da  das  Wort  nicht  echt  armenisch  ist,  wie  schon 
Öaxöax  Wtb.  909  bemerkt  hat,  so  wird  es  wohl  ein  syrisches 
Lehnwort  sein,  das  aber  die  Syrer  selbst  erst  nach  Jensen  aus 
dem  Babylonischen  (m  zahurüu  'vinum  zahuricum')  bezogen  haben, 
s.  Brockelmann  Lexicon  Syriacum  S.  93.  Das  armenische  Wort 
weicht  lautlich  vom  syrischen  ab :  man  sollte  etwa  arm.  *zaxarit 
oder  mit^'  für  fremdes  z  (wie  in  jVT  =  syr.  zaitä^jiuf  =  syr.  ziftä 
usw.  AGr.  S.  287):  *jaxarif  erwarten,  während  dafür  die  Form 
jan-jaxarif  im  Armenischen  erscheint,  die  aussieht,  als  wäre  sie 
mit  intensiver  Keduplikation  gebildet,  was  natürlich  nicht  der 
Fall  ist.  Trotzdem  stehen  sich  die  gleichbedeutenden  Wörter 
formell  so  nahe,  daß  man  sie  nicht  von  einander  trennen  darf, 
sondern  das  armenische  Wort  für  ein  semitisches  Lehnwort  halten 
muß.  Somit  empfiehlt  es  sich  auch,  arm.  xanjario'  'Windel' Luc.  2, 7 
nicht  wegen  lautlicher  Yerschiedenheit  von  syr.  'azrürä  'fascia' 
Luc.  2,  7  (Brockelmann  Lexicon  Syriacum  S.  247)  zu  trennen, 
wie  ich  AGr.  517  getan  habe,  sondern  es  als  syrisches  Lehnwort 
anzusehen  1). 

7.  Kasusattraction  im  Armenischen. 

In  der  Syntax  stimmt  das  Armenische  im  Allgemeinen  mit 
den  älteren  indogermanischen  Sprachen  überein,  bildet  dafür  aber 
einzelne  sehr  abweichende  Erscheinungen  aus,  die  auch  von 
Armenisten  oft  nicht  verstanden  oder  mißverstanden  werden. 
Die  wichtigste  und  häufigste  derselben  ist  die  Setzung  des  Subjekts 
in  den  Genitiv  beim  Partizip  auf  -eaP),  die  aber  hier  nicht  be- 
handelt werden  soll:  die  seltenste  ist  die  Kasusattraktion,  auf 
die  ich  hier  in  Kürze  hinweisen  will.  Sie  besteht  darin,  daß  ein 
von  einem  Ablativ  oder  Instrumental  abhängiger  Genitiv  attrahiert 
und  dadurch  selbst  zum  Ablativ  oder  Instrumental  werden  kann. 
Ich  habe  Beispiele  derselben  an  folgenden  Stellen  notiert, 

1)  Vgl.  syr.  xazzürä  (=  *xanzüra)  =  arm.  xnjor  (=  *xinjor  oder 
*xunjor)  AGr.  305  und  286.  Wegen  des  Anlautes  vgl.  syr.  aram.  'arbälä: 
arm.  xarbal-em  'sieben'  AGr.  304. 

2)  Man  sagt  z.  B.  im  teseal  e  zna ;  wer  teseal  e  zna  usw.  "ich  habe 
ihn  gesehen;  wir  haben  ihn  gesehen',  eigentlich:  "meiner  gesehen  ist  ihn; 
unsrer  gesehen  ist  ihn'  usw.  Selten  steht  der  Gen.  beim  passiven  Partizip : 
cneal  Ormzdi  —  ekn  'da  wurde  Ormizd  geboren  und  kam'  Eznik  114,  eigent- 
lich: 'geboren  des  Ormizd  — 'kam'. 


Armeniaca.  479 

A)  Der  Genitiv  wird  an  den  Ablativ  attrahiert.  Faustus 
von  Byzanz  (Venedig  1832)  S.  7,  letzte  Zeile:  i  knoje  tagavoren 
'von  der  Frau  des  Königs'  (eigentlich  'von  der  Frau  vom  König') 
anstatt  der  gewöhnlichen  regelrechten  Konstruktion  i  knoje  ta- 
gavorin.,  S.  8,  Z.  9  v.  u.  y  anhnarin  kckufenen  tanjanacn  (er  be- 
freite sie)  'von  den  unerträglichen  Qualen  der  Verschnürung' i) 
anstatt  kckuteann  tanjanapn;  S.  11,  Z.  8  v.  u.  i  nmane  kuse 'yon 
seiner  Seite'  =  'von  Seiten  desselben'  für  i  nora  kuse\  S.  12, 
Z.  7  V.  u.  i  —  cautoin  gitufene  (trinken)  'vom  Tau  des  "Wissens' 
anstatt  i  cautoin  gitufean\  S.  28 — 24:  y  erkren  Hayastane  'aus 
dem  Lande  Armenien'  anstsitt  y  erkren  Hayastani  ]  S.  123,  Z.  9: 
i  nahangen  Taraun  gavaren  'aus  dem  Gebiete  des  Kantones  Taraun' 
(Altarmen.  Ortsnamen  S.  375)  anstatt  i  nahangen  Taraun  gavarhi; 
S.  21,  Z.  9  y  erkren  yiäxanut'enen  Hayoc  (er  trennte  sich)  'vom 
Lande  der  Herrschaft  der  Armenier';  (eigentlich:  'vom  Lande 
von  der  Herrschaft  d.  A.)  anstatt  y  erkren  isxanufeann  Hayof; 
S.  231,  Z.  6  V.  u.  y  erkren  fagavorufenen  Yunap  'vom  Lande  des 
Königreichs  der  Griechen'  anstatt  y  erkren  fagavoruteann  Yunac., 
S.  200,  Z.  18  V.  u.  i  Ganjake  kiise  y  Atrpayakan  taue  'nach  der 
Seite  von  Ganjak  in  Atropatene',  eigentlich  'von  der  Seite  von 
Ganjak  vom  Atropatenischen  Lande  (Hause)'  anstatt  i  Ganjaki 
kuse  Atrapayakan  tan-,  S.  207,  Z.  7  v.u.  y  anrof  paranopen  sttayicn 
sareafn  (er  befreite  ihn  von  den  eisernen  Fesseln,  von  den  Hand- 
fesseln und  von  den  Fußeisen  und)  'von  den  Halsringen  der 
Kettenfesseln'  anstatt  y  anroc  paranocin^)  'von  den  Ringen  des 
Halses'. 

Eznik  (Venedig  1826)  S.  121,  3  v.  u.  i  mardkane  hfiarotut'ene 
Murch  Erfindung  der  Menschen'  (mit  der  Variante  mardkan) 
anstatt  i  mardkan  hnaroiufene]  S.  180,  3 — 5:  y  uftoin  snanaloy 
—  i  stamokse  xangareloy  —  yorovaine  xstanaloy  'vom  Leerwerden 
des  Gehirns  —  vom  Verderben  des  Magens  —  vom  Verhärten 
des  Leibes'  für  i  stamoksi  xangareloy  —  yorovaini  xstanaloy^). 

Sebeos  (Petersburg  1879)  S.  139,  9  v.  u.  i  patvoy  isxanufe?ien 
(sie  entkleideten  ihn)  'der  Ehre  des  Fürstentums'  (=  der  Stellung 
als  Statthalter  von  Griech.  Armenien)  anstatt  i  patvoy  isxanufeann. 
Kirakos  S.  29,  10  v,  u.  i  getje  Bagarane  'aus  dem  Dorfe  Bagaran' 
(vgl.  Altarm.  Ortsnamen  376 — 377)  usw. 

1)  Eigentlich:  'das  zu  einem  Knäuel  verwickelt  sein'. 

2)  So  will  Fr.  Müller  WZKM.  10,  97  den  Text  korrigieren.  Mit  Unrecht. 

3)  Die  Formen  auf  -oy  sind  Ablative  des  Infinitivs,  nicht  des  Partizips. 


480  L.  Sütterlin, 

B)  Der  Genitiv  wird  an  den  Instrumental  attrahiert.  Faustus 
von  Byzanz  S.  19,  Z.  7  bazmufeamh  zaurau/cn  Hayoc  'mit  der 
Menge  der  armenischen  Truppen'  (eigentlich :  mit  der  Menge  mit 
den  Truppen  der  Armenier)  anstatt  hazmufeamh  zauracn  Hayo(;\ 
S.  30,  Z.  IG  amenain  hanakauHn  bazmufeamb/c  'mit  allen  Heeres- 
mengen' (eigentUch :  mit  allen  Truppen  (Lagern)  mit  j\Iengeu)  an- 
statt amenain  hanakacn  hazmufeamh lt\  S.  223  1.  Z.  haniv  zaurufeamb 
'durch  Machtwort'  (eigentlich :  durch  Wort  durch  Macht)  anstatt 
haniv zaurutean.  EusebiusKirchengeschichte (YenediglSTT)  S.432, 
Z.  7  V.  u.  haniufc  attetuteamh  'mit  schmutzigen  Worten'  (eigent- 
lich :  mit  Worten  mit  Schmutz)  anstatt  haniufc  attetufean.  Sebeos 
S.  26,  Z.  5  handerj  miahanufeamh  amenain  Hayastaneauk  'im  Ein- 
verständnis mit  allen  Armeniern'  anstatt  handerj  miahanufeamh 
amenain  Hayastaneaic ;  S.  40,  Z.  14 :  liufeamh  avarav  iureanc  'mit 
der  (gewaltigen)  Fülle  (^  Menge)  ihrer  Beute'  anstatt  liufeamh 
avari  iureanc.  Matthäus  v.  Ufhay  (Jerusalem  1869)  S.  286,  Z.  9 — 10: 
hazmufeamh  zgro/c  'mit  zahlreichen  Truppen';  165  1.  Z.  hazum 
areamh  hetmamh  'mit  vielem  Blutvergießen'  (eigentlich:  mit  vielem 
Blut  mit  Vergießen)  anstatt  hazum  arean  hetmamh  usw. 

Aus  einigen  dieser  Beispiele  könnte  man  schließen  wollen, 
daß  die  Attraktion  einen  formalen  Grund  gehabt  hätte,  indem 
das  Bestreben  gewaltet  hätte,  das  abhängige  (im  Genitiv  stehende 
Wort)  dem  regierenden  in  der  Form  anzugleichen  (vgl.  y  erkren 
Hayastane  für  y  erkren  Hayastani)\  aber  dieser  Schluß  wäre 
falsch,  da  in  den  meisten  Fällen  durch  die  Attraktion  keinerlei 
Ähnlichkeit  der  Form  bewirkt  wird.  Sie  geschieht  also  ohne 
Eücksicht  auf  die  Form. 

Straßburg.  H.  Hübschmann. 


Die  Denominativverba  im  Altindischeu. 

Die  Verhältnisse  bei  den  denominativen  Verben  des  Alt- 
indischen sind  so  einfach,  daß  sie  den  Betrachter  zunächst  ent- 
täuschen; er  hätte  eine  buntere  Mannigfaltigkeit  erwartet.  Das 
Altgriechische,  dem  das  Altindische  doch  sonst  so  nahe  steht, 
benützt  zahlreiche  Endungen,  verwertet  sie  ausgiebig  und  neuert 
in  verschiedener  Hinsicht;  nicht  nur  werden  die  einzelnen  Aus- 


Die  Denominativverba  im  Altindischen.  481 

gänge  an  Stämme  übertragen,  mit  denen  sie  von  Hause  aus 
nichts  zu  tun  haben  (Kan-pauu  von  Karrpoc,  jaiiöi^uu  von  Mfiboc), 
sondern  es  finden  sich  auch  überall  Ansätze  zu  neuen  Cxruppen : 
die  Formen  auf  -iduu  z.  B.  drücken  eine  Krankheit  aus  (wie 
XiGidou)  oder  auch  den  Beginn  einer  Handlung  (wie  Tcpovriduu) 
oder  ein  Streben  nach  etwas  (wie  dpxovTiduu).  Und  die  eigent- 
liche Verbalflexion  des  Altindischen  ist  doch  sonst  so  reich! 
Sie  unterscheidet  nicht  nur  begrifflich  die  Zeitverhältnisse  und 
die  Stimmung  des  Trägers  der  Handlung  durch  mannigfache 
Tempus-  und  Modusformen,  sondern  sie  bestreitet  auch  ein  be- 
griffliches Bedürfnis  gleichzeitig  durch  eine  lautliche  Mehrheit: 
durch  die  verschiedenen  Aorist-  und  durch  die  zahlreichen 
Präsensklassen.  Nur  eines  scheint  für  das  Altindische  in  dieser 
Hinsicht  eigentümlich :  d  e  r  i  n  n  i  g  e  Z  u  s  a m  m  e  n  h  a  n  g  z  w  i  s  c  h  e  n 
den  nominalen  und  den  verbalen  Zusammensetzungen 
mit  einem  Adverb  als  erstem  Glied:  es  heißt  vistärayati 
u.  vistära-  m.  (ohne  *stärayati  u.  *s^ära-),  äyäsayati  u.  äyäsa-  m., 
prakopayati  u.  präkopa-  ra.  (neben  kopayati  u.  kopa-  m.),  vimisrita- 
u.  vimisra-]  und  zwar  ist  dann  wohl,  wie  iu  den  nhd.  Gebilden 
Entgelt  u.  Bezahlung^  das  Adverb  ursprünglich  erst  bei  dem 
Verbum  vorhanden  und  von  da  auf  das  Nomen  übertragen; 
nachträglich  aber  konnten  sich  die  Beziehungen  kreuzen,  zu- 
mal wo  ein  zusammengesetztes,  nicht  denomiuatives  Grundverb 
daneben  vorlag  (vgl.  darüber  u.  a.  S.  506  f.). 

Denominative  Verben  haben  wir  nun  an  sich  zwar  auch 
in  großer  Menge,  rund  etwa  1300,  wenn  wir  nur  die  unzweifel- 
haften und  durchsichtigen  Beispiele  in  den  beiden  Petersburger 
Wörterbüchern  berücksichtigen.  Aber  sie  verteilen  sich  auf 
ungefähr  ein  halbes  Dutzend  Endungen,  und  von  diesen  Endungen 
ist  nur  noch  die  Hälfte  {-ayafi  mit  gut  500  Beispielen,  -äyati^ 
ofe  mit  4—500,  -lyati  mit  über  100)  lebenskräftig  und  drückt 
jeweils  ein  bestimmtes,  ziemlich  einheitliches  Begriffsverhältnis 
aus;  die  andere  Hälfte  {-üyati  mit  20  FäUen,  -asyati  u.  -yati 
mit  je  40 — 50,  und  -ati  mit  etwa  60)  ist  wieder  verkümmert. 

Wir  beginnen  im  folgenden  mit  der  ersten  wichtigeren 
Formenklasse,  der  mit  dem  Ausgang  -ayati. 

Dabei  heben  wir  aus  dem  gesamten  Stoff  zwei  Abteilungen 
heraus;  die  eine  umfaßt  die  Beispiele  des  Rigveda  und  des 
Atharvaveda  und  wird  kurz  als  Vedisch'  bezeichnet;  die  andere 
berücksichtigt  besonders  die  gelehrte  Schriftstellerei  mit  ihren 

Indogermanische  Forschungen  XIX.  32 


482  L.  Sütlerlin. 

teilweise  künstlich  zuroclitgemacliten  Formen,  vor  allem  Gramma- 
tiker, Ausleger  und  Wörterbücher;  wir  bezeichnen  sie  als  'spät' 
oder  'jünger'.  Die  Hauptgruppe  enthält  also  den  Formenschatz 
des  gesamten  'klassischen'  Schrifttums  durcheinander  (Epen, 
Dramen,  Lyrik,  aber  auch  die  Brahmanas,  Upanischaden  und 
Suti-en);  docli  sind  wichtige  Beispiele  aus  älteren  Schriftwerken 
oft  noch  besonders  belegt  (mit  TS.,  Ait.  Br.).  Dabei  ist  durch- 
weg soweit  als  möglich  auf  die  Komposita  Rücksicht  genommen, 
auch  wo  das  Präfix  nicht  ausdrücklich  angegeben  wird.  Der 
reduplizierte  Aorist  wird  dagegen  nicht  als  Denominativform 
gerechnet;  trotz  atastarat  konnte  daher  vorhin  behauptet  werden, 
es  sei  kein  *stärayati  belegt. 

A.  Die  altindischen  Denominativverba  auf  -ayati. 

Die  Verba  auf  -ayati  bilden  schon  durch  ihre  Zahl  den 
Grundstock  der  ganzen  Denominativbildung;  denn  rund  ge- 
rechnet sind  es  ihrer,  wie  eben  angedeutet,  allein  500;  und 
zwar  sind  etwa  350  Formen  abgeleitet  von  Substantiven,  150 
von  Adjektiven.  Beide  Klassen  unterscheiden  sich  durch  die 
Bedeutung  und  müssen  getrennt  behandelt  werden.  Wir  geben 
deshalb  überhaupt  die  Bedeutung  bei  Grundwort  und  Ableitung 
genau  an  und  vereinfachen  dies  Verfahren  nur  bei  Beispiels- 
reihen, wo  das-  erste  Beispiel  auch  das  Verhältnis  aller  fol- 
genden veranschaulicht. 

I.   Die  Substantivableitungen  auf  -ayati. 

Von  den  350  Substantivableitungen  auf  -ayati  finden  sich 
gut  70  schon  in  den  Veden,  das  Doppelte,  rund  140,  in  der 
guten,  klassischen  Literatur,  und  ebenso  viele  überliefert  die 
sprachliche  Fachliteratur,  Wörterbücher,  Grammatiker  und  Text- 
erklärer. Wir  untersuchen  zuerst  die  Bedeutungsverhält- 
nisse, um  einzelne  Formabweichungen  später  damit  erklären 
zu  können.    Wegen  der  Betonung  s.  S.  518. 

a)  Die  Bedeutung. 
Auch  für  das  Altindische  gilt  im  allgemeinen  der  Satz, 
den  Behaghel  für  das  Neuhochdeutsche  ausgesprochen  hat:  die 
verba  denominativa  bezeichnen  im  allgemeinen  die  Handlung, 
den  Vorgang,  der  bei  Erwähnung  des  vom  Hauptwort  be- 
zeichneten Begriffs  am  leichtesten  ins  Bewußtsein  eintritt.  Nur 


Die  Denominativverba  im  Altindischen.  483 

liegen  die  Dinge  im  Indischen  noch  et^Yas  einfacher  als  im 
Deutschen.  Wir  unterscheiden  nach  dem  Grundwort  Ableitungen 
von  Personen-  und  Tierbezeichnungen,  von  Bezeichnungen  leb- 
loser Gegenstände  und  von  Abstraktbilduugen. 

a)  Ableitungen  von  Personen bezeichnungen  kommen 
ungefähr  nur  25  vor,  sind  also  verhältnismäßig  selten;  davon 
sind  7  schon  vedisch,  6  klassisch  und  nahezu  ein  Dutzend  verteilt 
sich  auf  die  späteren  Schriften. 

Im  einzelnen  heben  sich  hier  gleich  verschiedene  Gruppen 
ab.  Die  eine  bezeichnet  'das  sein,  Avas  das  Substantiv  angibt', 
nämlich : 

ved. :  amitraydni-  'feindselig'  [amitra-  m.  Teind');  indraydte 
'sich  wie  Indra  benehmen*;  virdyate  'sich  männlich  benehmen' 
{virä-  m.  'Mann'),  vielleicht  auch  järayäi/i  'liebkosen'  (nach 
Graßmann  von  Järd-  m.  'Buhle'); 
klass. :  kavayati  'dichten'  [kavi-  m.  'Dichter');  cor^  'stehlen' 
{cord-  'Dieb');  gop^^  ^te  'hüten'  (gopd-  m.  'Kuhhirt');  päl^^ 
°te  'schützen'  (päld-  m.  'Hirt');  pisu7i^  'verraten'  {plstma- 
m.  'Verräter');  vadh^  (uiOetü)  'erschlagen'  (vadhd-  m.  'Mörder'); 
yämin^  'als  Nacht  erscheinen'  {yämi^ii  f.  'Xacht'); 
nachkl. :  kumär^  'kindische  Spiele  treiben'  {kumärd-  m.  'Kind'); 
mant°  'sich  wie  ein Yermittler  benehmen'  (nidntu-  m. 'Lenker, 
Berater');  sten^  'stehlen'  {stend-  m.  'Dieb')  und  wohl  auch 
mlecch^  'wälschen'  [mlecchd- ni.  'ein  Wälscher');  paripanth^ 
'entgegentreten'  (*paripantha-  m.  'Gegner',  zu  erschließen 
einerseits  aus  paripanthaka-  m.  'Gegner'  und  paripan- 
thin-  m.  'Gegner',  anderseits  aus  paripärsva-  'an  der  Seite 
befindlich')  und  sürayate  (von  süra-  m.  'Held');  endlich 
sjh^  'sich  wie  ein  Löwe  benehmen'  {siha-  m.  'Löwe'). 

Eine  zweite,   halb   so   starke  Gruppe  bedeutet  'zu  dem 
machen,   was   das  Substantiv  angibt';   sie   ist  sozusagen   aus- 
schließlich  durch   spätere   Beispiele   vertreten,   also    wohl   eine 
junge  Schöpfung,  die  an  den  zahlreichen  faktitiven  Adjektivab- 
leitungen (S.  498  ff.)  mindestens  ihres  Gleichen  hat. 
nachkl.:  isayati  'zum  (den)  Besitzer  machen'  {inmantamäcaste 
oder  Ä-aro^i,  von  2s«-m. 'Besitzer');  c^M^^'j.  als  Boten  verwenden' 
[dütd-  m.  'Bote');  vipaks°  'verfeinden'  {vipaksa-  m.  'Feind'); 
sapind^  'j.  zum  Sapinda  machen'  {sapinda-  m.) ;  svajan^  'j. 
zmn  Angehörigen  haben,  ihm  ähnlich  sein'  [svajana-  m.  'An- 
gehöriger');  vielleicht  auch  ähvar^  'den  Ahvaraka  machen' 

32* 


48-i  L.  Süttcrlin, 

{ähvarakqkaroti,  xoR*ähvara-  m.  =  ähvaraka-  m. 'Armer, 

der  nach  Vollendung  eines  Opfers  die  Speisen  für  sich  fortträgt') ; 
von  den  vedischen  Beispielen  könnte  man  nur  eines  so  auffassen, 
vesdijati  'eingehen  heißen,  sitzen  machen';  denn  sein  Grundwort 
resä-  m.  'Machbar'  wird  ja  wohl  ursprünglich  'Ansiedler,  Seß- 
hafter' bedeutet  haben  (S.  491). 

Sonst  tritt  nur  noch  eine  dritte  sehr  kleine  Gruppe  auf: 
ved.:  yusmaydnt-  'euch  suchend'  {yusma-  'ihr');  mrgäyate 

'Wild  jagen,  suchen'  {mrgä-  m.  'Wild'),  und 
nachkl. :  asvayate  'nach  Pferden  verlangen'  (dsva-  m.  'Pferd'); 
sie  bezeichnet  ein  Streben  nach  etwas  und  erinnert  an  ved.  ar- 
tJidyate  'streben,  wünschen'  (von  drilia-  m.n.  'Ziel'),  insofern  dieses 
vielleicht  ja  eigentlich  'ein  Ziel  erstreben'  bedeutete;  asvayate  für 
sich  freilich  scheint  auch  wieder  mit  den  nicht  w^eiter  erläuterten 
Denominativen  gardahh^  (von  gardabhd-  m.  'Esel')  u.  gav^  (von 
go-  'Kuh')  verknüpfbar  zu  sein. 

Ganz  allein  steht  das  ved.  devaydnt-  'den  Göttern  dienend, 
fromm'  {devd-  m.  'Gott');  aber  in  der  Bedeutung  nähert  es  sich 
doch  auch  wieder  dem  gleich  zu  erwähnenden  rtaydnt-. 

Als  Ableitungen  von  Personenbezeichnungen  könnten  zur 
Not  auch  noch  5  weitere  Beispiele  aufgefaßt  werdeu,  weil  die 
neben  ihnen  liegenden  Substantiva  nicht  nur  die  Handlung  be- 
nennen, sondern  auch  ihren  Ti'äger,  nämlich  die 
ved. :  dravayate  'laufen,  fließen' (neben  dravd-  m. 'Lauf, laufend') ; 

(apa)  bädhdyati  (AV.)  'vertreiben'  {bädhd-  m.  'Pein,  Peiniger'); 

rö/o  (AT.)  'walten,  herrschen'  {räjan-  m.  'König'  u.  räjdn-  n. 

'Lenkung') ; 
klass.:  yodh^  'bekämpfen'  {yodhd-  m.  'Krieg,  Krieger');  raks^ 

'schützen'  {raksa-  m.  'Schutz:,    Schützer'),   und    wohl    auch 

prabhäv^  'Macht  haben'  {prabhäva-  m.  'Macht')  u.  {iit)säh° 

'bestärken'  {utsäha-  m.  'Willenskraft,  Ausdauer'  u.   ^sähd- 

'überwindend'). 

b)  Bei  den  Gegenstandsbezeichnungen  kommt  man 
nicht  so  leicht  durch.  Denn  zu  den  Gegenständen  verhält  sich 
der  Mensch  verschieden ;  er  erzeugt  sie,  vernichtet  sie  oder  ver- 
wendet sie  für  etwas  außer  ihm ;  dabei  berührt  sich  aber  die 
eine  Auffassung  oft  mit  einer  zweiten,  überhaupt  und  im  Satz- 
zusammenhang; ved.  isdyati  z.  B.  bedeutet  so  entweder  'Saft  bei 
sich  selbst  erzeugen',  d.  h.  'saftig  sein',  oder  'Saft  bei  etwas  anderem 
erzeugen',  d.  h,  'erfrischen,  beleben'. 


Die  Denominativverba  im  Altindischen.  485 

1.  Ein  einfaches  Hervorbringen  kann  man  herauslesen 
aus  einer  Reihe  von  Beispielen,  die  vorwiegend  vedisch  sind, 
nämlich 

ved.  isäyati^  °te  'saftig  sein,  schwellen'  {is-  f.  'Saft')  u.  dem 
bedeutungsverwandten  ürjäyati  'nähren,  stärken'  (iirjd-  m. 
'Kraft'),  ferner  aus  der  Gruppe  kuläyayänt-  'sich  einnistend' 
{kuläya-  m.n.  'Geflecht,  Nest');  ksemaydnt-  'rastend.  Rast  ge- 
während' {ksema-  m.  'Rast',  wohl  urspr.  'Rastplatz');  nidd- 
yati  'zur  Ruhe  bringen'  {ntda-  m.  'Ruheplatz');  sodann  aus 
rocdyati  'scheinen,  leuchten  lassen'  (rokd-  m.  'Licht',  S.  49-4) 
u.  ärucayate  'herglänzen'  {i'tici-  f.  'Licht'),  aber  auch  aus 
varsdyati  'regnen  lassen,  beregnen'  (varsd-  m.n.  'Regen'), 
sardyate  'ins  Fließen  kommen'  {sard-  m.  'Bach'),  u.  wohl  auch 
arthdyate  'zielen,  streben,  wünschen'  {drtha-  m.n.  'Ziel'); 
klass. :  rasayati  'schmecken,  schmackhaft  finden'  [rasa-  m.  'Saft, 
Geschmack'),  avasardh^  'auf  j.  farzen'  (sardha-  m.  'Furz'); 
sp. :  tarqg^  'Wogen  machen'  [tarqgd-  m.  'Woge');  puris^ 
'scheißen'  (pürisa-  n.  'Unrat,  Kot')  u.  7nath°  'zimmern,  er- 
richten' {matha-  mn.  'Hütte,  Zelle'). 

Besonders  ti-eten  hier  wieder  einige  Ausdrücke  nebenein- 
ander auf,  die  sich  auf  die  Vorgänge  im  Leben  der  Pflanzen 
beziehen:  klass.  a^kür^  'aufgehen,  sprossen'  {a)]kurd-  m.  'Sproß, 
junger  Schoß'),  jJciUav^  'Schosse  ansetzen'  {pallava-  m.  n.  'Schoß') 
u.  muktd^  '(knospenartig)  schließen'  {mukula-  m.  n.  'Knospe')  u.  die 
späten  kusumP  'Blüten  treiben'  {kusüma-  n.  'Blume')  u.  j^arn^ 
'grünen'  {parnd-  n. 'Baumblatt');  doch  vergl.  auch  kandal^  'in 
großer  Menge  erscheinen,  reichlich  erzeugen'  {kandala-  m.  f.  n. 
'junger  Schoß'). 

2.  Eine  ganze  Reihe  von  Verben  bezeichnet  das  Ergebnis 
der  Handlung  etwas  anders,  indem  sie  nicht  den  Gegenstand 
selbst  ins  Auge  fassen,  sondern  das,  was  aus  ihm  wird.  Außer 
dem  schon  vorhin  genannten,  aber  auch  hierhin  passenden  tarqgd 
'Wogen  machen'  kommen  besonders  in  Betracht:  klass.  qs° 
'teilen'  {qsa-  m.  'Teil'),  2)ät^  'spalten,  zerreißen'  (2)äta-  ra.  'Durch- 
schnitt') u.  ses^  'übrig  lassen'  (sesa-  m.  'Rest')  mit  dem  späteren 
vant°  {vantäp^)  'verteilen'  {vanta-  m.  'Teil'),  iakal^  'zerstückeln' 
{sakala-  m.  n.  'Spahn'),  klass.  cürrf  'zu  Staub  machen,  zermalmen' 
{cürna-  m.  n.  'Staub')  u.  sp.  gJiol^  'untereinanderrühren,  zu  einem 
Teig  verarbeiten'  (ghola-  n.  'ein  best.  Milcherzeugnis'),  tuhin'^  'in 
Eis  verwandeln,  mit  Eis  überziehen'  {tuhina-  n.  'Reif,  Schnee'), 


486  L.  Sütterlin, 

Jeh^  'als  Latwerge  gebrauchen'  (lehä-  m.  'Latwerge'),  ferner  kl. 
jnnd^  Vereinigen'  (pinda-  m.  'Klumpen')  u.  die  sp.  punj°  'auf- 
häufen' {punja-  m.  'Haufe'),  pül^  'aufhäufen'  {jyüla-  'Bündel, 
Büschel'),  bhüm^  'vermehren'  {bhüman-  m.  'Menge'),  kl.  sütr^  'an- 
einanderreihen, in  die  Form  eines  Sutra  bringen'  (sütra-  n.  'Faden, 
Lehrbuch')  u.  süc'^  'andeuten'  {süci-  f.  'Inhaltsverzeichnis')  mit  den 
sp.  siddhänt^  'feststellen'  [siddhänta-  m.  'feststehender  Satz,  Lehre'), 
drstänt^  'als  Beispiel  vorführen'  {drstänta-  ra.  'Muster'),  upaslok^ 
'in  Sloka  bringen'  {sloka-  m.  'die  Strophe')  u.  cöp«  'auf  einen 
Bogen  (geom.)  reduzieren'  {cäpa-  m.  n.  'Bogen'),  sodann  die  späten 
avatqsP  'als  Kranz  verwenden'  (avatqsa-  m.  n.  'Kranz'),  sekhar^ 
'zum  Diadem  machen'  (sekhara-  m.  'Diadem'),  cüd-  'j.  etwas  in 
der  Weise  eines  Haarbüschels  auf  dem  Scheitel  befestigen'  {cüdä 
f.  'Scheitelhaare'),  khafv^  'zur  Bettstelle  machen'  {khdtvä  f.  'Bett- 
stelle'), pätr^  'etw.  als  Trinkgeschirr  gebrauchen'  (pätra-  n.  'Trink- 
geschirr'), wohl  auch  noch  saravy^  'zum  Ziel  nehmen'  {saravya- 
n.  'Ziel') ;  endlich  erklärt  sich  so  wohl  auch  kl.  gan^,  He  'zählen, 
berechnen'  (von  gana-  m.  'Schar,  Reihe')  als  eigentliches  'in  eine 
Eeihe  stellen'. 

Etwas  anders  ist  das  Verhältnis  schon  gewendet  in  den 
späten  kokanad^  'für  eine  rote  Wasserlilie  halten'  {kokanada- 
m.  'r.  Wasserlilie')  u.  tfn^  'so  gering  anschlagen  wie  einen  Gras- 
halm' (tfna-  n.  'Grashalm'). 

3.  Die  Anschauung  der  Yernichtung  des  Gegenstandes 
liegt  zugi'unde  bei  einigen  Yerben,  die  sich  auf  Essen  und 
Trinken  beziehen,  nämlich  bei  den  klass.  äJiär^  'seine  Mahlzeit 
einnehmen'  {ähära-  m.  'Xahrung'),  vraf^  'die  heiße  Yrata-Milch 
genießen'  (vratä-  n.),  k(wal°  'hinunterschlingen'  {kavala-  m.  'Mund- 
voll, Bissen')  u.  dem  späten  gandüs-  'schlürfen'  {gändüsa-  m. 
'Gurgelwasser');  auch  das  noch  anderwärts  (S.  488)  zu  nennende 
klass.  culuk^  'in  die  gehöhlte  Hand  tun  und  verschlucken'  könnte 
hierher  gehören,  insofern  ciduka-  m.  n.  auch  schon  'einen  Mund- 
voll Wasser'  bedeutet. 

4.  Eine  ganze  Reihe  derartiger  Ableitungen  bezeichnet  'ver- 
sehen mit  einem  Gegenstande,  zum  Schutz  oder  zum  Schmuck'. 
Es  sind  einmal  ved.  väsäyati  'hüllen  in,  bekleiden  mit'  (väsa-  m. 
'Kleid'),  sneh^  'besalben,  geschmeidig  machen'  {sneha-  m. n.  'Fett, 
Öl'j  und  die  späten  gaddyati  'verhüllen'  (gada-  m.  'Hülle'),  sq- 
vastr°  'anziehen'  {vastra  n.  'Kleid')  u.  ves°  'bekleiden'  (vSsa-  m.  'An- 
zug'), sqcivarayate   'das   buddhistische  Bettlergewand   anziehen* 


Die  Denominativverba  im  Altindischen.  487 

{dvarä-  n.  'Bettlergewand'),  sowie  vielleicht  noch  tutthayati  'be- 
decken, überziehen'  (von  tuttha-  n.  'blauer  Vitriol'  ?),  sodann  ved. 
sarniaydnt-  'schirmend'  {sdrman-  n.  Schirm')  u.  spätes  havac^  'einen 
Panzer  anlegen'  {kävaca-  m.  n. 'Panzer'),  vann^  'mit  einem  Harnisch 
versehen'  (mrman-  m.  n.  'Panzer'),  palyärtP  'satteln'  {palyäna- 
n.  'Sattel'),  tvac'^  'ein  Fell  umlegen'  {tvac-  f.  'Haut'),  ferner  ved. 
subhdyant-  'schmückend,  zierend'  {subh-  f.  'Schmuck')  u.  klass. 
sobh^  'schmücken'  {sobhä  f. 'Schmuck'),  bhüs^  'schmücken'  {bhüsä  f. 
'Schmuck',  S.  520),  u.  mand^  'schmücken'  {manda-  m.  'Schmuck'), 
sowie  simant^  'scheiteln,  mit  einer  geraden  Linie  durchschneiden' 
{Amanta-  m.  'Scheitel'),  während  parikarmP  'salben,  schmücken' 
wegen  der  Bedeutung  seines  Grundworts  ^ar^'^armaw-  m.  'Gehülfe, 
Diener',  n.  'das  Salben')  etwas  abliegt;  es  gehören  hierher  aber 
auch  die  späten  Formen  uttqs^-  'mit  einem  Kranze  schmücken' 
uttqsa-  'Kranz  auf  dem  Scheitel'),  manj'^  'mit  Blütensträußen 
verzieren'  {manjarf  f.  'Blütenstrauß'),  mäl^  'bekränzen'  {tndlä  f. 
'Kranz'),  u.  sraj°  'bekränzen'  {sraja-  m.,  sraj-  f.  'Kranz')  u.  pattr^ 
'mit  Federn  bestecken'  {pattrd-  n.  'Fittich'). 

5.  Nach  etwas  anderer  Richtung  führt  eine  Anzahl  von 
Beispielen,  die  'fesseln'  bedeuten;  klassisch  sind päsayati  'binden' 
ipäsa-  m.  'Schlinge'),  yam°  'zügeln,  in  Schranken  halten'  (ydma- 
m.  'Zügel'),  älän^  'einen  Elefanten  anbinden'  {äläna-  n.  'Pfosten 
oder  Strick,  mit  dem  ein  Elefant  angebunden  wird')  u.  die  Dreiheit 
yantr^  'in  Binden  legen'  [yantrd-  n.  'Stütze,  Schranke'),  yoktr^  'um- 
binden' [yöktra-  n.  'Strick')  u.  vestP,  He  'überziehen,  umbinden' 
{vestu-  m.  'Schlinge,  Band'),  später  dliarm^  'j.  das  Gesetz  befolgen 
lassen'  {dhdrma-  ra.  n.  'Gesetz')  u.  die  beiden  nigadP  'mit  Fuß- 
ketten belegen'  [nigada-  m.  n.  'Fessel')  u.  sjr[khcdayate  'fesseln' 
{srr]khala-  ra.  'Fessel')  vielleicht  auch  siilb^,  die  Ableitung  von 
sidba-  n.  'Strang,  Schnur'. 

6.  Eine  Gruppe  für  sich  bilden  auch  wieder  die  Geruchs- 
verba:  klass.  väs°  'mit  Wohlgeruch  erfüllen'  {väsa-  m.  'Wohl- 
geruch'), gandh^  'mit  Geruch  erfüllen,  parfümieren'  {gandJid-  m. 
'Geruch')  u.  die  späten ^janma^o  'wohlriechend machen'  {parimala- 
m. 'Wohlgeruch')  u.  väP  'jem.  Wind  zufächeln  (mit  Akk.)'  [väta-  m. 
'Wind'),  mit  ihren  Gegensätzen  klass.  dhüp^  'räuchern'  {dhüpa-  m. 
'Rauch'),  dhüm°  'in  Rauch  hüllen'  {dhümd-  m.),  lavartP  'salzen' 
{lavand-  n.  'Salz'),  u.  dem  späteren  durvät^  'jem.  befarzen'  {dur- 
väta-  m.  'Furz'). 

7 .  Diese  führen  wieder  zu  Ausdrücken,  die  ein  'B  e  s  c  h  m  i  e  r  e  n' 


488  L.  Sütterlin, 

bezeichnen :  klass.  mütr^  *bepissen'  [mütra-  n.  'Harn'),  raj^  'röten' 
[rajä-  m.  'Staub'),  (?/c?-,  ava-)dhül^  'bestreuen'  {dhüli-  f.  'Staub'), 
kalar\h°  'beflecken'  {kalar\ka-  m.  'Fleck')  u.  spätes  kasäy^  'be- 
schmutzen, belästigen'  [kasäya-  m.  'rote  Farbe,  roter  Fleck'),  paT{lc^ 
'beschmieren',  u.  gom^  'mit  Kuhmist  beschmieren'  (gomdya-  ra.  n. 
'Kuhmist'^)),  aber  auch  wieder  die  klass.  ar\k°  'kennzeichnen' 
{ar]kd-  m.  'Zeichen'),  cihn°  'zeichnen,  kennzeichnen'  {cihna-  n. 
'Zeichen'),  laks^  'bezeichnen,  kennzeichnen'  [laksd-  m.  'Zeichen'), 
varn°  'bemalen,  beschreiben'  {värna-  m.  'Farbe')  u.  das  späte  tilakP 
'betüpfeln'  {tüaka-  m.  'Fleck'). 

8.  Allgemeinerer  Bedeutung  sind  dagegen  wieder  ved.  med^ 
'fett  machen'  {meda-  m.  'Fett')  u.  hhäj'^  'genießen  lassen'  {bhäga-  m. 
'Anteir),  die  klass.  i/äj-  'jem.  zum  Opfer  verhelfen'  {yäja-  m.  'Opfer'), 
rw/jo  'Gestalt  verleihen,  darstellen'  (rüpd-  u.  'Gestalt')  u.  vrariP 
'verwunden'  [vrand-  m.n.  'Wunde'). 

9.  Das  späte  saly°  'peinigen,  beeinträchtigen'  {salyd-  m.  n. 
'Dorn,  Stachel'),  das  sich  hier  anschließen  könnte,  führt  uns  hin- 
über zu  einer  neuen  Gruppe,  welche  die  Handhabung  eines 
Gerätes  bezeichnet:  ved.  math-  'schütteln'  {math-  m.  'ßührstock'), 
klass.  tul^^  ^te  'aufheben,  wägen'  {tulä  f.  'Wage'),  dol^  'schwingen, 
in  die  Höhe  heben'  {dolä  f.  'Schaukel'),  rnudr^  'siegeln,  stempeln' 
{miidrä f.  'Siegelring'),  dandayati  'züchtigen'  [dandd-  m.n.  'Prügel'), 
auch  yam9  'in  Schranken  halten'  {ydma-  m.  'Zügel')  u.  die  späten 
hal^  'pflügen'  {haltgrhnäti^  von  hali-  'großer  Pflug',  Jiald-  m.  'Pflug') 
u.  hindol^  'schaukeln'  {hindola-  m.  'Schaukel'),  tar]k°  'zuschließen' 
{tar]ka-  m.  n.  'Haue,  Werkzeug'),  vielleicht  auch  sürp^^  die  Ableitung 
von  sürpa-  m.n.  'Getreidekorb,  AVanne',  kaP  'den  Würfel  Kali 
{kdli-  m.)  ergreifen',  kfP  'den  Krta- Würfel  ergi^eifen'  {krtd-  n.) 
u.  upamif'  'auf  der  Laute  etwas  vorspielen'  [vinä  f.  'die  Laute'). 
Auch  sp.  ändoP  'schwingen'  reiht  sich  wohl  hieran,  da  marudän- 
dola-  m.  eine  Art  'Fächer'  bezeichnet,  vadh^  'erschlagen'  ist  schon 
oben  (S.  483)  genannt  worden,  weil  vadhd-  m.  nicht  bloß  'Mord- 
waffe' heißt,  sondern  auch  'Mörder'.  —  Aber  auch  die  Namen 
von  Körperteilen  bilden  die  Grundlage  für  derartige  Bildungen, 
so  in  klass.  äkarn^  'hinhorchen'  [kdrna-  ni.  'Ohr')  u.  aduk^  'in 
die  gehöhlte  Hand  tun  u.  verschlucken'  (culiika-  m.n.  'die  gehölüte 

1)  Also  wohl  aus  gomay-ayati;  ebenso  steht  einerseits  klass.  kisa- 
layitd-  neben  kisal{ay)a-  n.,  anderseits  sp.  vyayati  neben  vyayayati  (492)  j 
freilich  heißt  es  sonst  nur  ved.  ktiläyaydnt-  (S.  485),  kl.  vyayayati, 
sp.  kasäyayati,  Saravyayati  u.  salyayati. 


Die  Denominativverba  im  Altindischen.  489 

Haud'),  sowie  die  späteren ^an-,  vi-pucch^  'mit  dem  Schwanz  wedeln' 
{piiccha-  m.  n. 'Schwanz')  u.pädayate  'die Füße  ausstrecken' (/jäc^a-  m. 
'Fuß');  auch  galahast^  'jeiu.  an  der  Kehle  packen'  (galahasta-  m. 
'die  Hand  an  der  Kehle')  darf  man  vielleicht  hierherziehen,  je  nach- 
dem auch  gandayati^  ein  Denominativum  von  gandä-  m.  'Wange'. 

10.  Einige  weitere  Bildungen,  deren  jede  meist  für  sich 
gesondert  steht,  lassen  sich  nirgends  recht  einreihen  und  sind 
gerade  deshalb  Beispiele  der  ursprünglichen  Verhältnisse :  ved. 
adhvaijänt-  'laufend'  {ddhvan-  m.  'Weg'),  kl.  ar]kh'^  'sich  an  etwas 
klammern,  an  sich  ziehen'  {ar\khä-  m.  'Klammer')  und  die  späten 
kslr^  'den  Anschein  von  Milch  haben'  (ksird-  m.  n.  ']\Iilch')  u. 
himal^  'dem  Himalaj^a  gleichen'  {himälaya-  m.  'Stätte  des  Schnees'), 
kutumb^  'eine  Familie  unterhalten'  {kutumba-  n.  'Familie'),  tir^ 
'glücklich  zu  Ende  (eig.  'ans  Ufer')  bringen'  [tira-  n.  'Ufer'), 
vavr°  'sich  zurückziehen  von'  (eig.  'sich  verstecken',  von  vavrd- 
m.  'Höhle',  vavri-  m.  'Versteck'),  mül^  'pflanzen'  [müla-  m.  n. 
'Wurzel')  und  sein  Gregenteil  'mit  der  Kispe,  am  oberen  Büschel 
ausreißen' :  anutül^  (=  tülenänukusnäti)  u.  avatül^  (=  tülairavakus- 
näti,  von  tüla-  n.  'Rispe,  Büschel  am  Grashalm');  vielleicht  endlich 
reiht  sich  hierher  auch  gocar^  'Anwendung  finden'  {gocara-  m. 
'Weideplatz,  Tummelplatz,  Bereich'). 

c)  Auch  die  Abstrakta  werden  mannigfach  so  verwendet. 

1.  Sie  bezeichnen  zunächst  auch  nur  das  Objekt  der 
Handlung,  und  zwar  in  verschiedenen  Gruppen.  So  einmal 
bei  einer  Anzahl  von  Ausdrücken  des  Denkens  und  Sagens: 
ved.  cet^  'wahrnehmen,  bemerken'  {cetas  n.  'Bewußtsein'),  klass. 
ciniP  'nachdenken'  (cintä  f.  'Gedanke')  u.  tark'^  'vermuten'  {tarka-  m. 
'Vermutung');  —  ved.  kirt^^  He  'gedenken,  erwähnen'  {kirti-  f. 
'Kunde,  Erwähnung'),  mantr^^  He  'sprechen,  ratschlagen'  {mantra- 
m.  n.  'Rede,  Rat'),  säp^  'beschwören'  {säpa-  m.  'Fluch,  Schwur'), 
klass.  äkhyän^  'mitteilen'  {äkhyäna-  n.  'Erzählung'),  kaih^^  He 
'sich  unterhalten,  erzählen'  {kathä  f.  'Erzählung',  kathä  'wie?'), 
päth^  'sprechen,  lehren'  {pätha-  m.  'Vortrag'),  värtf^  'sich  mit 
jem.  unterhalten'  {värtta-  m.  'das  Reden'),  ved^  'mitteilen'  {veda-  m. 
'Wissen'),  sqs^  'ankündigen'  {iqsa-  m.  'Spruch,  Anwünschung'), 
slägh'^  'jem.  zureden,  rühmen'  {iläghä  f.  'Prahlerei,  Ruhm'), 
ähvän^  ']em.  vor  Gericht  fordern'  {ähväna-  n.  'Aufforderung  zum 
Gericht')  und  die  späten  tittar'^  'antworten,  eine  Klage  beant- 
worten' {iittara-  n.  'Beantwortung  einer  Klage'),  prasn'^  'befragen' 
iprasnd-  m.  'Frage'),  kef^  'auffordern'  {keta-  m.  'Wille,  Einladung'), 


490  L.  Sütterlin, 

vipanc^  'aiisbieten,  verkündigen',  prapafuP  'weiter  ausführen'  {pra- 
panca-  m.  'fernere  Entwicklung'),  pürvapaks^  'die  erste  Einwendung 
gegen  eine  aufgestellte  Behanptiing  machen'  [pürvapaksä-  m. 
'eine  aufgestellte  Behauptung'),  auch  narm°  'jem.  durch  Scherze 
erheitern'  {ndrma-  m. 'Scherz')  u.  ark°  'loben'  {arkd-  'Lob'), 
star'^  'loben'  {stavd-  m.  'Lob'),  stotr°  'durch  einen  Lobgesang  ver- 
herrlichen'' {stotrd-  n.  'Lobgesang'),  stom^  'loben,  preisen'  {stöma- 
m.  'Lobgesang'),  aber  auch  sulkP  (von  siilkd-  ni.n.  'Preis'),  so- 
dann nyüx\kh^  'den  Xyünkha  (m.  'o-Laut')  einfügen',  svar^  'mit 
einem  Svarita  sprechen'  {svdra-  m.  'Ton').  —  Andere  Formen  drücken 
ein  Begehren  aus:  ved.  käm^,  °te  'begehren'  (kdma-  m.  'Liebe'), 
klass.  märg^  'suchen,  erstreben'  {märga-  m.  'das  Suchen')  u. 
abhiränch^  'begehren,  verlangen'  {vänchä  f.  'Wunsch');  doch  vgl. 
auch  ved.  sprh'^  'eifern  um  etwas'  [sprhä  f.  'Begehren,  Ver- 
langen'). —  "Weitere  Gebilde  reden  von  verschiedenen  Ton- 
äu-ßerungen,  so  ved.  svän^  'tönen'  {svänd-  m.  'Schall'),  rod° 
'tönen  machen'  [roda-  m.  'Klageton,  Winseln'),  slokP  'schallen 
machen'  (iloka-  m.  'Ruf,  Schall'),  klass.  (anu-)  kros°  'jem.  nach- 
schreien' {krösa-  m.  'Geschrei'),  iid-gir^  'Laute  ausstoßen'  {gir~ 
f.  'Ruf,  Rede'),  (udändm)  udän^  'sein  Herz  vor  Freude  aus- 
schütten' {udänd-  m.  'Atemzug,  Freudenausdruck'),  sq-sinj^ 
'klingend  zusammenstoßen'  {sinjä  f.  'Geklingel')  und  das  späte 
dhvän^  'tönen'  (dhväna-  u.  dhvanl-  m.  'Ton'). 

2.  Eine  andere  Gruppe  bedeutet  'leuchten':  ved.  rocdyati 
'scheinen,  leuchten  lassen'  {rokd-  m.  'Licht'),  äriic^  'herglänzen' 
[rüci-  f.  'Licht'),  smdyant-  'flammend,  leuchtend'  [suc-  f.  'Flamme') 
u.  sof^  'in  Flammen  setzen,  brennen'  {soka-  m.  'Flamme,  Glut'), 
kl.  hhäs^  'leuchten  macheu,  beleuchten'  (bhäsa-  m.  'Glanz')  u. 
ark°  'brennen'  {arkd-  m.  'Blitzstrahl,  Feuer'). 

3.  Zusammen  schließen  sich  auch  Ausdrücke  für  Vorgänge 
des  Gefühlslebens.  Außer  dem  intrans.  ved.  krpdijati  u.  kj-paydü 
'trauern,  Mitleid  haben'  {kfpd  f.  'Mitleid')  u.  sumnaydnt-  'wohl- 
Avollend'  {sutnnd-  n.  'Wohlwollen'),  u.  dem  am  besten  hierher- 
zuziehendeu  kl.  pulak^  'ein  Sträuben  der  Härchen  am  Körper 
empfinden'  (pidaka-  m.  'das  Sträuben  der  Härchen  am  Körper'), 
auch  Jmkär^  'seinen  Zorn  auslassen'  [hukära-  m.  'der  Laut 
'hum',  Gebrüll'),  haben  wir  folgende  transitive :  ved.  mäd^  'er- 
götzen' {mäda-  m.  'Freude'),  klass.  mod°  'erfreuen'  [möda-  m. 
'Freude'),  räm°  'ergötzen'  (räma-  'Lust.  Freude',  S.  530  f.),  sukh^ 
'Wohlbehagen  bewirken'  {sukhd-  n.  'Wohlbehagen'),  säntv^  'be- 


Die  Denominativverba  im  Altindischen.  491 

schwichtigen'  (säntva-  n.  'gute  Worte'),  säm^  'gute  Worte  machen* 
{säman-  m.  'gute  AVorte'),  ros-  'erzürnen'  {rosa-  m.  'Zorn'),  sar]k^ 
'besorgt  machen'  {sar]kä  f.  'Furcht'),  nirvedP  'zur  Verzweiflung 
bringen'  {nirvedd-  m.  'Ekel,  Verzweiflung'),  moh°  'irre  machen' 
[moha-  m.  'Irresein')  u.  die  späten  garv^  *jem.  stolz  machen'  (garvd- 
m.  'Stolz,  Dünkel'),  sudh^  'erquicken'  [sudhd  f.  'Behagen'),  svadh^ 
'jem.  beruhigen'  [svadhd  f.  'Behagen'),  viräg-  'sich  (Dat.)  abgeneigt 
machen,  sich  entfremden'  [viräga-  m.  'Abneigung')  u.  vridP  Ver- 
legen machen'  {vrida-  m.  'Scham,  Verlegenheit'). 

4.  Äußerungen  einer  ehrerbietigen  Gesinnung  be- 
zeichnen :  kl.  arc°  'ehren'  {arcä  f.  'Ehre'),  püj^  'ehren'  (püjd  f. 
'Ehre'),  män'^  'ehren'  (mäna-  m.  'Ehre,  Ansehen'),  sev"^  'jem.  dienen' 
{sevä  f.  'Besuch,  Dienst')  u.  die  späten  ärogy^  'begrüßen'  (ärogya- 
n.  'Gesundheit'),  äijus^  'jem.  langes  Leben  wünschen'  [äißis-  n. 
'Leben')  u.  cmias°  'jem.  mit  'canasita'  anreden'  {cdnas  n.  'Gefallen'). 
Auch  kl.  raks^  'schützen'  (von  raksa-  m.  in  der  Bedeutung  'Schutz'), 
u.  das  späte  rajas^  'einen  rajashaftig  nennen,  rajasvinamäcaste' 
[rdjas  n.)  könnte  man  hierherziehen. 

5.  Daran  reihen  sich  Ausdrücke,  die  sich  auf  die  Be- 
wegung beziehen  und  auf  ihr  Gegenteil:  ved.,  außer  dem  ander- 
wärts S.  489  erwähnten  adhvaydnt-  'laufend'  (von  dem  nicht 
eigenthch  hierher  gehörigen  ddhvan-  m.  'Weg'),  väjdyati  'Wett- 
laufen, zur  Eile  antreiben'  {vdja-  m.  'Raschheit,  Wettlauf'),  isa- 
nayate  'bewegen'  {isani-  f.  'Antreiben'),  suhhäyant-  'leicht  liin- 
gleitend,  hinfahrend'  {suhh-  f.  'rasche  Fahrt'),  klass.  cest^  'in  Be- 
wegung setzen'  {cesta-  m.  'Bewegung')  u.  vej°  'schnellen,  steigern' 
{vega-  m.  'schnellende  Bewegung')  u.  spätes  padayate  'gehen' 
{padä-  n.  'Schritt' ;  doch  vgl.  auch  oben  S.  489  unter  Absatz  9) 
sowie  paricär^  'sich  ergehen,  spazieren'  {paricära-  m.  'Spazier- 
platz'), das  sich  unmittelbar  neben  adhvaydnt-  stellt;  anderseits 
ved.  ksemaydnt-  'rastend,  Rast  gewährend'  {ksSma-  m.  'Rast'),  rätn^ 
'zum  Stillstehen  bringen'  {ranid-  m.  'Ruhestand'),  väsayati  'auf- 
halten' {väsd-  'Aufenthalt')  u.  die  etwas  abliegenden  ntd^  'zur 
Ruhe  bringen'  {nidd-  m.  'Ruheplatz')  u.  ves^  'eingehen  heißen, 
sitzen  machen'  {vesd-  m.  'Nachbar'  neben  griech.  oikoc,  lat.  vicus^ 
got.  iveihs^  vgl.  oben  S.  485),  dann  kl.  rodh^  'zurückhalten'  (rodha- 
m. 'Zurückhalten'),  sedh°  'wehreu,  zurückhalten' (sec?/m-  m. 'Verbot'), 
vielleicht  auch  bhis^  'einschüchtern'  (bhisä  'aus  Furcht',  f.  'Ein- 
schüchterung'), sodann  vighn^  'hemmen'  [vigkna-  m.  n.  'Hemmung') 
u.  sp.  upasarg^  'Ungemach  bereiten'  {upasarga-  m.' Widerwärtigkeit'). 


492  L.  Sütterlin, 

6.  Damit  berührt  sich  wieder  die  Gruppe  einiger  Yerba, 
die  eine  schlechte  Behandlung,  Kampf  und  Streit  bezeichnen: 
außer  den  schon  früher  (S.  484)  erwähnten  hädh^  'bedrängen', 
yodh^  'bekämpfen'  folgende  neue :  ved.  samatjatL  He  'zur  Ruhe 
bringen,  bezwingen'  {sdma-  m.  'Euhe'),  rop°  'Reißen  verursachen' 
{röjyi-  f.  'reißender  Schmerz'),  kl.  vijädh^  'durchboliren  lassen' 
{vt/ädha-  m.  'Durchbohrung'),  bhed^  'spalten'  {bhedd-  m.  'Spaltung', 
S.  520),  vigrah^  'streiten,  kämpfen'  (vigraha-  m.  'Streit'),  mär° 
'töten'  (mära-  m.  'Tod,  Tötung'),  ghäfs^  'töten,  züchtigen'  {gliäta- 
ra.  'Schlag,  Tötung'),  pratikül^  'sich  Avidersetzen'  {pratiküla-  n. 
'Widersetzlichkeit'),  mards»  'stark  drücken'  (marda-  m.  'starker 
Druck'),  galahast^  'jem.  an  der  Kehle  packen'  {galahasta-  m.  'die 
Hand  an  der  Kehle,  das  Packen  an  der  Kehle'),  sräm^  'müde 
machen'  {srdma-m.  'Ermüdung',  S.  5301),  dhvqs°  'fällen,  streuen' 
{dhvqsa-  m.  'das  Fallen')  u.  die  späten  ruj°  'schlagen'  {rujä  f. 
'Bruch'),  nirdhät-  'mißhandeln'  [dhäti  f.  'Überfall'),  u.  die  mit 
einem  Präfix  versehenen  pari-sen°  'mit  einem  Heer  umzingein', 
abhi-sen^  'mit  einem  Heere  heranrücken'  {senä  f.  'Heer');  auch 
zwei  Ausdrücke  für  Unterwerfen  darf  man  hierher  ziehen: 
ved.  randh^  'in  die  Gewalt  geben'  (randhd-  m.  'Unterwerfung') 
u.  spätes  vas°  'in  die  Gewalt  bekommen'  {vdsa-  m.  'Wille,  Herr- 
schaft', S.  519  Anm.). 

7.  Auf  der  andern  Seite  steht  außer  dem  kl.  moks°  'be- 
freien' {moksa-  m.  'Befreiung')  eine  Reihe  von  Ausdrücken,  die 

■alle  'fördern'  oder  etwas  ähnliches  bedeuten:  ved.  bhäv'^  'her- 
vorbringen, fördern'  {bhävd-  m.  'Wesen,  Sein'),  rädh^  'zustande 
bringen'  {rädha-  m.  'Wohltat'),  roh^  (rop°,  S.  534)  'aufsteigen 
machen'  {roha-  m.  'Erhebung,  Höhe'),  vardh-  'erhöhen,  vermehren' 
{vardha-  m.  'das  Fördern')  u.  kl.  j;o5-  'aufzielien'  (pösa-  m.  'Ge- 
deihen, Wohlstand'),  hräs^  'mindern'  (liräsa-  m.  'Abnahme'). 

8.  Auch  die  Verrichtungen  des  geAvöhnlichen  Lebens 
sind  nicht  vergessen.  Dem  Gebiet  des  Handels  gehören  an  ved. 
vasnaydnt-  'feilschend'  {vasnd-  ra.  n.  'Kaufpreis'),  klass.  chal'^  'be- 
trügen' {chala-  m.  u.  'Betrug'),  vyätß  'betrügen'  {vyäya-  m.  'Betrug') 
u.  die  späten  parf  'Handel  treiben'  {pana-  m.  'Vertrag'),  bhäP 
'mieten'  (bhäta-  m. 'Miete'),  sqket^  '  eine  Verabredung  treffen' 
{sqketa-  m.  'Verabredung')  u.  oyciy^  'ausgeben'  {vyaya-  m.  'Aus- 
gabe'); aus  der  Küche  stammen  kl.  päc^  'kochen,  kochen  lassen' 
{päkd-  m.  'Kochen')  u.  S]).phan^  'abschäumen'  [phand-  m.  'Schaum') ; 
gewerblich   klingen  klass.  yoj^  'anschirren,   rüsten'  {yöga-  m. 


Die  Denominativverba  im  Altindischen.  493 

'Anschirren'),  sqdh'^  'zusammenfügen'  {sqdhi-  m.  'Verbindung') 
u,  sles°  ' zusammenfügen'  {slesa-  'das  Haften  an  etw.')  u.  sein 
Gegenteil  ved.  srath°  'locker  machen'  {sratha-  m.  'Lockerung') ; 
religiös  gefärbt  sind  dagegen  ved.  märj^  'abwischen'  {märja- 
m.  'Reinigung'),  die  Mass.  pavitr°  'läutern'  [pavitra-  n.  Reinigungs- 
mittel'), sodh'^  'reinigen'  {sodha-  m.  'Reinigung')  u.  die  späteren 
hom^  'zum  Opfer  gebrauchen'  [höman-  n.  'Opfer'),  sruc^  'mit 
dem  Opferlöffel  versehen'  {srugvantakaroti^  sriic-  f.  'Opferlöffel'), 
pürt^  dhdrmam  'das  verdienstliche  Werk  Pürta  vollbringen 
(Speisung  der  Brahmanen)'  {pürtä-  m.  'ein  bestimmtes  verdienst- 
liches Werk').  Nur  zu  erschließen  ist  das  Grundwort  für  das 
späte  ujjos^  'mit  Fasten  zubringen'  (als  *uposa-  'Fasten'  neben 
upä-vdsati  'fasten'). 

9.  Allgemeinere  Begriffe  endlich  bezeichnen  ved.  bhaks^ 
'genießen'  [hhaksd-  m.  'Genuß'),  ramyati  'sich  gütlich  tun'  {räna- 
'Behagen,  Lust'),  die  auch  wieder  an  das  schon  behandelte  ras^ 
'schmecken,  schmackhaft  finden'  erinnern  (neben  rasa-  m.  'Saft, 
Geschmack')  u.  an  sp.  sväd^  'kosten,  schmecken'  {sväda-  m.  'Ge- 
schmack'); ferner  bodh-  'erwecken'  (bodhd-  m.  'Erwachen'),  kl. 
mel°-  'zusammenführen,  zusammenrufen'  {mela-  m.  'Zusammen- 
kunft, Yerkehr'),  guriP  'vervielfachen'  [giind-  m.  'Mal'),  mit  sp. 
lir\g^  'ein  Wort  nach  verschiedenen  Geschlechtern  variieren'  {lir\ga- 
n.  'gramni.  Gesclilecht')  und  varg^  'vervielfachen,  ins  Quadrat  er- 
heben' {mrga-  m.  'Quadrat'),  ferner  kl.  tantr^  'in  einer  bestimmten 
Ordnung  folgen  lassen,  befolgen'  [tantra-  n.  'Faden,  Ordnung, 
Reihe'),  kl^  'zu  tun  pflegen,  üben'  {süa-  m.  n.  'Gewohnheit'), 
scoV^  'triefen,  träufeln'  {scota-  m.  'Triefen,  Träufeln'),  u.  die  späten 
Tcumhk^  'das  Kumbha  genannte  Einhalten  des  Atems  vollziehen' 
{kumhhä-  m.)  u.  gocar^  'Anwendung  finden'  {gocara-  m.  'Weide- 
platz, Bereich',  S.  489),  rah'^  'verlassen'  {rdhas  n.  'Einsamkeit'), 
pramärfi  'anpassen,  als  Richtschnur  hinstellen  [pramäna-  n.  'Maß, 
Richtschnur'),  tlk^  'erklären'  {tikä  f.  'Kommentar'),  endlich  pol^ 
'groß  sein,  hoch  sein'  {pold-  m.  'Masse,  Menge').  Auch  das  kl. 
rambh°  'anfassen'  läßt  sich  hierherstellen,  da  das  Nomen  rambhd- 
m.  nicht  bloß  'Stab'  bedeutet  haben  wird,  sondern  auch  'Anfassen'. 

b)  Die  Form. 

1.  Daß  der  Ausgang  -ayämi  bei  den  Substantivableitungen 
idg.  -ep  fortsetze,  dafür  spricht,  verglichen  besonders  mit  dem 
Griechischen,  hauptsächlich  die  Gestalt  der  Grundwörter;  denn 


4-W  L.  Sütterlin, 

unter  350  sind  rund  300  alte  o-Stämme,  oder  könnten  es  sein; 
und  die  etwa  50  anderen  Grundwörter  sind,  wie  wir  im  ein- 
zelnen gleich  sehen  werden,  meist  so  beschaffen,  daß  sie  die 
Ansetzung  von  -eiö  wenigstens  nicht  ausschließen. 

Freilich  sind  wörtliche  Entsprechungen  sehr  selten; 
nur  ved.  vasnayänt-  stellt  sich  neben  djveo|uai,  vah^  neben  öxeuj, 
vadh^  zur  Not  neben  diOeiu  u.  das  späte  pan^  wohl  auch  noch 
neben  TTuuXeuu. 

Auch  das  Palatalgesetz  hilft  kaum  viel  weiter.  Ved.  ürj^ 
neben  ürjä-  {ürjä  u.  ürj-)^  väß  neben  väja-,  märj^  neben  sp.  märja- 
u.  kl.  yäj^  neben  yäja-,  sinj^  neben  sinjä^  vanc^  neben  väncati, 
sp.  sruc^  neben  sruc-,  sraj^  neben  sraj-^  auch  lajj^  neben  lajjä 
u.  lojjdte  beweisen  nichts,  wenn  freilich  das  Substantiv  auch  von 
dem  Verb  beeinflußt  sein  kann.  Ved.  roc'^  hat  zwar  die  Sub- 
stantiva  rokä-  u.  rökas-  neben  sich,  bhäj^  ein  hhdga-^  u.  klass. 
päc^  ein  päkci-,  soc^  ein  söka-,  sec^  ein  seka-,  yoj°  ein  yöga-,  vej^ 
ein  vega-  u.  sarj^  ein  sarga-;  aber  abgesehen  von  Formen  wie 
rocd-  'leuchtend'  u.  roci-  'Licht',  paed-  'kochend',  pacä  f.  'das 
Kochen',  lauten  die  gewöhnlichen  Grundverba  hier  der  Reihe 
nach  röcate,  bhdjati,  pdcati,  söcati^  sincdti  u.  srjdti,  sowie  yundjmi 
u.  vindjmi.  Ebenso  haben  von  den  ohne  Nomen  überlieferten 
Intensiven  vafic^  ein  vdncati^  loc^  ein  löcate  neben  sich,  wie  lok^ 
sein  lökate^  u.  rec^  sein  r^cati  u.  rinacmi.  Doch  finden  sich  auch 
mehrere  Ausnahmen  gegen  das  Palatalgesetz:  ved.  slok^^  kl. 
tarkP^  pulak^^  culukP  u.  märg°,  späteres  arkP  'brennen',  ark°  'loben' 
u.  sulk^^  par\k^  u.  tarqg°\  hier  hat  das  Verb  überall  den  wurzel- 
schließenden Guttural  der  Grundwörter  slöka-,  tarka-,  ciduka-, 
märga-,  arka-  ('Feuer'  u.  'Lob'),  sulka-,  par\ka-  u.  turqga-  bei- 
behalten, gerade  wie  tarkin-  u.  zahllose  andere  Adjektive  auf  -in. 

2.  Ableitungen  von  Nicht-o-Stämmen  sind,  wie  ge- 
sagt, nicht  sehr  häufig.  An  erster  Stelle  erscheinen  darunter  die 
25 — 30  Bildungen  von  Femininen  auf  -ä:  ved.  von  kfpd^  klass. 
von  kathd,  släghä,  siksä.,  sinjä  {sqsinj^)^  arcä  {arc^),  cintd.,  püjd, 
bhüsä,  mnchä,  sar\kd^  sobhd,  tuld  u.  mudrd,  später  von  mdlä,  cüdcL, 
rujd,  send  u.  spfhä,  sudhd  u.  svadhd,  sevä,  hikkä,  hisä  u.  hvald, 
Ukhä  u.  khah%  tikä^  wenn  man  "will,  auch  noch  von  velä  'End- 
punkt' (wZ",  Dhatiip.).  —  Daran  reihen  sich  etwa  8  Ableitungen 
von  i-Stämmen:  ved.  von  den  Femininen  isäni-,  rilci-  {äricc% 
röpi-.,  klass.  von  yämini  f.,  kavl-  u.  sqdhi-  m.,  später  von  dhüli., 
dhäti  u.  manjari  f.,  u.  kdli-  m.,  von  einem  w-Stamm  mäntu-  eine 


Die  Denominativverba  im  Altindischen.  495 

Ableitung.  —  w-Stämme  liegen  zugrund  in  8  Fällen,  3  vedischen 
{ddhvan-  m.,  rdjan-  m.  neben  räjän-  n.,  u.  sdrman-  n.),  zwei 
klassischen  (höman-  n.  u.  parikarman-  n.)  u.  3  späteren  {hhümän-  m., 
vdrman-  m.  n.  u.  säman-  m.) ;  neutrale  s-Stämme  dagegen  nur  in 
6  Fällen,  einem  klassischen  {cetas-\  u.  4  späteren  {cdnas-,  rdjas- 
u.  etwa  rähas-,  sodann  äyus-^  endlich  mdhas  neben  dem  Intensiv 
mah^  S.  520);  und  dazu  kommen  als  Grundwörter  noch  weitere 
9  Substantiva  mit  verschiedenen  anderen  Konsonanten  im  Auslaut : 
für  vedische  Ableitungen  5  {is-  f.,  suc-  f.,  subh-  f.  'Schmuck'  u. 
'rasche  Fahrt',  math-  m.),  1  klassische  (gir-  f.)  u.  3  spätere 
{tvac-  f.,  sraj-  f.  u.  srnc-  f.). 

Daran  reihen  sich  aber  noch  einige  besondere,  mehr  allein- 
stehende Formen:  das  wirklich  vorhandene  spätere  sraddhayant- 
*gläubig',  das  von  der  erstarrten  Wortgruppe  sraddhä  adj.  'ver- 
trauend', subst.  f.  'Vertrauen'  ebenso  ausgegangen  ist  wie  die 
andern  Nomina  sraddhätar-  'Glaubender'  u.  sraddhävant-,  srad- 
dhälil-,  sraddhin-  'gläubig',  sodann  verschiedene  nur  künstlich 
geschaffene  Formen  wie  mät^  von  mätä  'Mutter',  vin^  (absol. 
Partiz.  vivinayya)  von  vi-  'Vogel'  u.  nar'^  'Mann'  (Nom.  Sing.  nä\ 
ferner  asm^  (von  asmd-  'uns'),  an  dessen  Möglichkeit  wir  nicht 
zweifeln  können  angesichts  von  yusmaydnt-,  u.  endlich  gav^  von 
go-  'Rind'  (gav-). 

3.  Zur  Erklärung  all  dieser  Entgleisungen  genügt  nicht 
der  allgemeine  Hinweis,  daß  ableitende  Yerbalausgänge  stets 
häufig  übertragen  worden  sind.  Abgesehen  von  der  psychologi- 
schen Ungründlichkeit  einer  solchen  Darstellung  muß  für  jede 
Sprache  der  Tatbestand  besonders  betrachtet  werden,  schon  weil 
er  jedesmal  verschieden  sein  kann  und  auch  immer  verschieden  ist. 

Für  das  Altindische  kommt  nun  Mannigfaltiges  in  Betracht: 
die  Bedeutung  der  Ableitungen  sowohl  wie  ihre  Form. 

a)  Die  Bedeutung  ist  natürlich  das  Ausschlaggebende. 
Und  für  uns  ist  jetzt  der  Umstand  erfreulich,  daß  sich  die  alt- 
indischen Bildungen  so  zahlreich  zu  Gruppen  zusammenschließen. 
So  kann  sich  kav^  nach  mantr^  u.  tark°  gerichtet  haben,  aber 
auch  nach  cint°\  is°  nach  Wörtern  viie  phallav^  u.  rnukuP]  äruc'^ 
nach  roc^;  kal'^  nach  kTt^-\  bhüni^  ns(ch  pimj^  u.  |jm/o;  cüd'^ 
nach  der  ganzen  Klasse,  zu  der  avatqs^  gehört:  kurz,  die  oben 
zunächst  nur  zur  Erleichterung  der  Übersicht  durchgeführte  Ein- 
teilung in  Gruppen  erklärt  auch  schon  die  innerhalb  einer  jeden 
Gruppe  vorhandenen  Entgleisungen,  und  wir  brauchen  den  ganzen 


i96  L.  Sütterlin, 

Stoff  hier  nicht  noch  einmal  daraufhin  durchzumustern.  Viel 
eher  forderten  zu  einer  Erklärung  heraus  die  alleinstehenden 
Fälle,  soAvie  die  zu  einer  Gruppe  gehörigen  ältesten,  also  selbst 
scheinbar  ohne  Muster  dastehenden  Bildungen,  mit  anderen 
"Worten  Formen  wie  adhvaijänt-  u.  krpayänt-.  Aber  abgesehen 
davon,  daß  auf  entlegenen  Wegen  auch  sie  schon  ihre  Yerwandt- 
schaft  noch  finden  würden,  sind  es  ihrer  so  wenige,  daß  sie  schon 
durch  die  mitspielenden  vielfältigen  Formbeziehungeu  hinreichend 
begreiflich  werden. 

b)  Unter  diesen  Form  bezieh  un  gen  besagt  am  wenigsten 
noch  die  Tatsache,  daß  neben  zahlreichen  Yerben  die  Nomina 
in  doppelter  oder  mehrfacher  Gestalt  vorliegen,  als  a-Stämme 
u.  als  iSTicht-a-Stämme :  so  hat  cesP  neben  sich  cesta-  m.  'Be- 
wegung' u.  cesta  f.  'das  Bewegen',  värtt^  'sich  unterhalten'  so- 
wohl värtta-  m.  'das  Beden'  als  värttä  f.  'Rede',  dol'^  'schwingen' 
sowohl  dola-  m.  'Schwingen'  als  dolä  f.  'Schaukel';  desgleichen 
hat  gan'^  neben  sich  gand-  m.  'Schar,  Reihe'  u.  gani-  f.  'das 
Rechnen',  hal^  sein  hali-  u.  Jiald-,  panP  sowohl  pana-  m.  'Ver- 
trag' als  pani-  m.  'Knauser',  vavr°  sowohl  vavrd-  Adj.  'sich  ver- 
steckend', Subst.  'Höhle'  als  vavri-  m.  'Versteck',  das  späte,  von 
den  Grammatikern  auf  üdhi-  f.  'das  Tragen"  bezogene  üdh^  auch 
wieder  üdha-  'geführt,  getragen';  neben  narm°  ferner  steht 
narma-  m.  u.  narman-  n.  in  der  gleichen  Bedeutung,  neben  väs^ 
sodann  väsa-  m.  u.  vdsas  n.  'Kleid',  neben  rädhP  sowohl  rädha- 
m.  als  rädhas  n.  'Wohltat',  neben  med^  sowohl  meda-  m.  als 
mMas  n.  'Fett',  neben  rodh'^  sowohl  rodha-  m.  'das  Zurückhalten' 
als  rödhas  n.  'Wall',  neben  raj^  'röten'  sowohl  rajd-  m.  als  rdjas 
n.  'Staub',  neben  sraj'^  ebenso  sraja-  m.  und  sraj-  f.  'Kranz' ;  u.  säs° 
endlich  hat  neben  sich  säsa-  m.  u.  säs-  f.  'Gebot',  u.  smc«  wenigstens 
die  Doppelheit  süci-  'leuchtend',  m.  'Feuer'  u.  suc-  f.  'Flamme, 
Glut';  ja,  neben  wj°  'nähren'  stehen  sogar  ürjd-  m.  'Kraft', 
ürjä  f.  *Nahrung'  u.  ürj-  f.  'Xahrung'.  Und  mögen  bei  der  einen 
oder  anderen  dieser  Doppelungen  die  beiden  Glieder  auch  nicht 
ganz  gleichzeitig  sein,  u.  zwar  in  Wirklichkeit,  nicht  bloß  durch 
den  tückischen  Schein  der  Überlieferung,  mag  eine  Nominalform 
vielleicht  selbst  erst  nachträglich  —  als  'nom  postverbal'  —  zu 
dem  Denominativum  hinzugebildet  worden  sein,  der  Grundsatz 
und  die  Tatsache  der  Doppelheit  der  Nominalformen  Avird  da- 
durch nicht  aus  der  Welt  gescliafft,  die  Möglichkeit  gerade 
dieses  Verlaufs  der  Entgleisung  nicht  bestritten. 


Die  Denominativverba  im  Altindischen.  497 

Etwas,  wenn  auch  nicht  sehr  viel,  bedeutet  es  auch  für 
die  Erklärung  der  Neubildungen,  daß  sich  in  der  Deklination 
die  Formen  der  verschiedenen  Stamnibildungsarten  vielfach  be- 
rühren, daß  väsas  z.  B.  ebensogut  zu  väsa-  m.  gehören  kann  wie 
zu  väsas  n.  —  Eher  fällt  ins  Gewicht,  daß  bei  vielen  dieser 
"Wortklassen  schon  der  Klang  mancher  Kasusformen  auf  unseren 
Ausgang  -cujati  hinweist,  nämlich  bei  allen  denen,  die  selbst  ein 
kurzes  a  enthalten,  also  z.  B.  bei  sdrman-  die  Bildungen  sdrma, 
sdrmabhis,  Mrmasu;  bei  den  i-Stämmen  lauten  einzelne  Kasus- 
ausgänge ja  sogar  selbst  schon  auf  -ay-  an,  von  kavi-  z.  B.  der 
Dat.  Sing,  kaväye  und  der  JSTom.  Plur.  kaväyas\  und  es  lag  um 
so  näher,  die  Tätigkeit  der  Dichter  durch  den  Satz  zu  be- 
zeichnen kavdyas  kavayanti  'Die  Dichter  dichten',  als  man  ja 
auch  Denominative  ohne  jedes  besondere  Stammbildungsmittel 
schaffen  konnte,  durch  einfache  Überführung  in  die  Konjugation, 
wie  tarqgati  'wogen'  von  tarqgd-  'Woge'. 

c)  Aber  der  eigentliche  Schlüssel  zur  Erklärung  unserer 
Neubildungen  liegt  doch  wo  anders,  in  der  Bildung  der  Ad- 
jektiva  auf  -{i)ta-.  Formen  dieses  Ausgangs  sind  ungemein 
häufig;  nicht  nur  jedes  Yerbum  bildet  sie  so  ziemlich  regel- 
mäßig neben  sich  aus  (mehr  nebenher  als  planmäßig  habe  ich 
mir  von  den  in  Rede  stehenden  350  Yerben  rund  60  Fälle  auf 
-Ha-  aufgezeichnet),  sondern  solche  Formen  sind  selbst  da  vor- 
handen, wo  nie  ein  Verbum  ins  Leben  trat,  oder  ins  Leben  zu 
treten  brauchte,  ja  man  kann  sogar  sagen,  ins  Leben  treten 
konnte ;  mindestens  gehen  sie  hier  in  der  Literatur  dem  eigent- 
lichen Verbum  zeitlich  voraus. 

Adjektiva  auf  -ita-  konnten  aber  von  allen  Stämmen  ab- 
geleitetwerden, wie  wir  später  sehen  werden  (S.  510 ff.);  sie  waren 
neben  a-Stämmen  ebenso  üblich  wie  neben  i-Stämmen,  und  neben 
diesen  waren  sie  anscheinend  sogar  noch  mehr  berechtigt.  "Wie 
aber  -ita-  wegen  seines  i  mit  den  ^-Stänlmen  zusammenhängt, 
so  weist  es  anderseits  auf  -ay{a)-^  von  dem  das  -i-  die  regel- 
mäßige Schwächung  darstellt.  Wenn  aber  dhülita-  z.  B.  ganz  in 
der  Ordnung  ist,  so  ist  die  Nachfolge  von  dhülayati  nur  eine 
Frage  der  Zeit. 

II.  Die  Adjektivableitungen  auf  -ayati. 

Die  Adjektivableitungen  auf  -ayati  haben  sich  einfach,  aber 
in  ausgeprägter  Art  entwickelt;  je  länger,  desto  mehr  bezeichnen 

Indogermanisclie  Forschungen  XIX.  33 


498  L.  Sütterlin. 

sie  ein  Machen  zu  dorn,  was  das  Adjektiv  angibt,  vergleichen 
sich  also  den  griech.  Bildungen  auf  -oiü  wie  öriXouu,  Kevouu.  Da- 
neben kommen  aber  auch  spärliche  Formen  vor  mit  der  Be- 
deutung 'das  sein,  was  das  Adjektiv  ausdrückt',  Formen  also, 
die  den  griech.  Ableitungen  auf  -euj  gleichen,  wie  döiKeuu  eTiißapeiu. 
Wir  behandeln  die  wichtigere  faktitive  (oder  besser  ob- 
jektiv zu  nennende)  Gruppe  vor  der  kleineren,  die  die  subjektive 
Beziehung  hervorhebt. 

1.  Die  Faktitiva. 
1.  Yon  den  Faktitiven  lassen  sich  im  ganzen  schon  gut 

100 — 125  Beispiele  aufzählen,  die  zu  a-Stämmen  gehören.  Aber 

ihre  Zahl  wächst  merklich  mit  dem  Lauf  der  Entwicklung. 

Vedisch  ist  nur  ein  sicherer  Fall  oder  zwei: 

ündyati  'unerfüllt lassen'  {und-  'unzureichend,  klein');  sabhäg^ 

(AV.)  'mitteilen'  [sahhäga-  'einen  Anteil  habend'). 

Klassisch  sind  38  Formen: 

ähul^  'in  Verwirrung  bringen'  {äkula-  'verwirrt';  vgl.  •parij- 
ähul^  u.  vyäkul^);  ärdr^  'befeuchten,  weich  stimmen' 
{ärdrd-  'feucht,  weich');  ävil^  'trüben'  {ävila-):  nllägh^ 
'gesund  machen,  zu  neuem  Leben  erwecken'  {ullägha-  'von 
einer  Krankheit  genesen'):  kalus^  'beschmutzen'  {kdlusa-): 
krtärth^  'zufriedenstellen' (^7'^/iär^Äa-);  citr'^  'bunt  machen, 
zeichnen'  (citrd-);  chand^  'gefällig  machen,  etwas  anbieten' 
{chdnda-  'gefällig',  S.  503);  jad^  'stumpf,  apathisch  machen' 
{jada-  'kalt,  starr');  taral^  'in  eine  zitternde  Bewegung  ver- 
setzen'(^ara^a-);  ^?<ccÄ<^ 'leer,  arm  machen' (^«(cc/m-);  dvigun^ 
'verdoppeln'  {dvigiina-);  dhaval^  'weiß  machen'  {dhavald- 
'glänzend');  dhir^  'jem.  (Akk.)  aufrichten,  einem  Mut  ein- 
sprechen' {dhtra-  'fest,  beherzt');  dhün^  'schütteln,  hin-  u. 
herbewegen'  {dhüna-  'geschüttelt');  nispattr^  'der  Blätter 
berauben'  [nispattra-  'blätterlos');  par^/ä^w/o  'in  Verwirrung 
bringen'  {pary äkula-  'verwin-t');  ^raA-a^o  'offenbaren'  [pra- 
katd-)\  pragun^  'in  die  gehörige  Ordnung  bringen'  {pra- 
guna-  'in  rechter  Lage');  mand°  'schwächen'  [manda-)\ 
malin^  'beschmutzen'  {malind-)\  mukhar^  'geschwätzig 
machen'  {mukhard-)\  rnund^  'kahl  scheren'  {munda-  'kahl'); 
rüks^  'dünn,  mager  machen'  {rüksd-)\  ratsal^  'jein-  zärt- 
lich machen'  [vatsald-];  räcäl^  'geschwätzig,  geräuschvoll 
machen'   {väcäld-)\   vicchäy^  'des   Grlanzes  berauben'  {vi- 


Die  Denominativverba  im  Altindischen.  499 

cchäya-  'ohne  Farbenspiel,  glanzlos');  vidür^  Veit  forttreiben' 
{vidüra-  'weit  entfernt');  vidhur^  Vom  Geliebten  trennen,  in 
einen  kläglichen  Zustand  versetzen'  (vidhicra-  Vom  Geliebten 
getrennt,  niedergeschlagen');  visaly^  'jem.  von  einer  Pfeil- 
spitze oder  einem  Schmerze  befreien'  (visalya-  'ohne  Spitze'); 
vyar\g^  'eines  Gliedes  berauben,  verstümmeln'  (vyar\ga  'eines 
Gliedes  beraubt,  krüppelhaft');  vyäkul°  'in  Aufregung  ver- 
setzen, in  Verwirrung  bringen'  (vyäkula-  'ganz  eiiüllt  von, 
verworren');  sitliil^  'lockermachen'  (sithild-);  sit^  'abkühlen' 
{sitd-  'kühl');  sajj^  'mit  der  Sehne  versehen'  {sajja-  'mit  der 
Sehne  versehen');  saphal^  'gewinnreich  machen'  [saphala- 
'fruchti'eich,  gewinnreich');  samän^  'gleichstellen'  {samänd- 
'gleich');  spast^  'deutlich  machen' (s^as^a-  'deutlich,  gerade'); 
neben  sabhäj^  'jem.  eine  Ehre  erweisen'  darf  man  wenigstens 
auf  Grund  von  hhdjati  'ehren'  u.  hhäj-  'verehrend'  ein  Ad- 
jektiv *sabhäja-  voraussetzen  mit  der  Bedeutung  'Ehre  be- 
sitzend, ehrenreich'.  Vgl.  auch  utkaläpayitvä  'den  Pfau  ein  Rad 
schlagen  lassend'  [utkaläpa-  'mit  emporgerichtetem  Schweife'). 
Jünger  sind  noch  76  Beispiele: 

anuloni^  'nach  dem  Strich  streichen'  {anulomd-  'nach  dem 
Haarwuchs,  Strich');  apärth^  'unnütz  machen'  {apärtha- 
'zwecklos') ;  ases^  'vollständig  zu  Ende  bringen'  {asesa-  'ganz'); 
äpii^  'mit  einem  gelben  Anstrich  versehen'  {äpita-  'gelblich'); 
itar^  'abspenstisch  machen'  {itara-  der  andere');  utk'^  'sehn- 
süchtig machen'  {ütka-  'sehnsüchtig');  m^ä:«co 'das  Haar  auf- 
stecken' [utkaca-  'mit  emporgerichtetem  Haar');  utsuk^  'weh- 
mütig ^iimmQxv  {iitsuka-  'besorgt,  sehnsüchtig') ;  udätt^  'er- 
heben, angesehen  macheu'  {udätta-  'hoch');  uddäm^  'in  einen 
üppigen  Zustand  setzen'  {uddäma-  'ausgelassen');  udvel^ 
'über  die  Ufer  treten  lassen'  {udvela-  'aus  den  Ufern  tretend'); 
nnnidr'^  'erwecken'  (unnidra-  'schlaflos');  upodbal^  'unter- 
stützen, bekräftigen'  (udbala-  'kräftig');  nsn^  'heiß  machen' 
(wsnd-);  et°  'bunt  nennen'  {enimäcaste:  eta  'bunt');  kathin^ 
'hart  machen'  (kafhind-);  kathor^  'üppig  machen'  (kdthora- 
'hart,  steif);  kapis^  'rötlich  färben'  (kapisd-);  kän°  'ein 
Auge  ausstechen'  {känd-  'einäugig');  ksiv^  'in  Aufregung  ver- 
setzen' {ksiva-  'berauscht,  aufgeregt');  catul°  'hin-  u.  her- 
bewegen' {catuld-  'beweglich');  capal^  'jeni.  unbesonnen 
machen'  (capald-  'beweglich,  unbesonnen');  caritärth^  °jeiii- 
sein  Ziel  erreichen  lassen'  {caritärtha-  'wer  sein  Ziel  erreicht 

33* 


500  L.  Sütlerlin, 

hat') [  jatil^  '\er\\ivren  {jatild- 'verworren')-,  tarun^  'jung, 
frisch  machen'  {tdruna-);  tivr^  'schärfen,  verstärken' (i2vra-); 
dantiir^  'dicht  besetzen,  erfüllen  mit'  {danturd-  'hervor- 
stehende Zähne  habend');  drdh°  'befestigen'  (drdha-  'fest'); 
dhümr^  'graufarben'  {d1iümrd-)\  nihid^  'fest  umschlingen' 
{nibida-  'fest');  nirar{k%is^  'entfesseln'  {nirar\kusa-  'der 
keine  Fesseln  kennt');  nirnidr^  'aus  dem  Schlafe  wecken' 
[nirnidra-  'schlaflos');  nirmül^  'ausrotten,  vernichten'  {nir- 
müla-  'ohne  Wurzeln') ;  nisphal^  'fruchtlos  machen'  [nis- 
phala-) ;  nihses^  'bis  auf  den  letzten  Rest  vertilgen'  (nihsesa- 
'vvovon  kein  Rest  übrig  ist');  nütan^  'erneuern'  {nütana-)\ 
nyün^  'vermindern'  {nyüna-  'kleiner');  jparär\miikh°  'um- 
wenden' {parär\muklia-  'dessen  Gesicht  abgewendet  ist'); 
pätal^  'blaßrot  färben'  {pätala-)\  pändur^  'weißlichgelb 
färben'  (pändurd-);  pinjar°  'rötlichgelb  färben'  {pinjdra-)\ 
pift°  'feststampfen'  {pitta  =  pista-  'gestampft');  prafip^ 
'umkehren  machen'  [pratipa-  'entgegengesetzt,  verkehrt'); 
pratijaks^  'vor  Augen  stellen'  {pratyaksa-  'vor  Augen 
liegend');  prabal^  'stärken'  [pr-ahala-  'kräftig');  prahv^ 
'demütigen'  {prahvd-  'demütig');  prot°  'einschlingen,  ein- 
fügen' {2)rota-  'gewebt  auf  etwas');  hadhir^  'taub  machen' 
(badhird-);  bha^gnr^  'brechen,  krümmen'  [b}iar]gurd-  'zer- 
brechüch,  krumm');  masrn^  'weich,  glatt  machen'  [masrna-)\ 
vikal°  'hart  mitnehmen'  {vikala-  'schwach,  mitgenommen'); 
viklav^  'kleinmütig  stimmen'  {viklava-  'kleinmütig');  vitath^ 
'unwahr  machen,  der  Unwahrheit  zeihen'  {vitatha-  'unwahr'); 
vipul^  'ausdehnen,  länger  machen'  {vipula-  'groß');  viphal^ 
'vereiteln'  {viphala-  'vergeblich');  vimal^  'rein,  klar  machen* 
(vimala-);  ^;^■mM^'/^o 'abgeneigt  machen'  {vimukha-  'das  Ge- 
sicht abwendend,  abgeneigt');  vilin^  'schmelzen',  trans.  {vi- 
lina-  'geschmolzen');  visad°  'reinigen,  erläutern'  (visada- 
'klar,  deutlich');  visäl^  'vergrößern'  [visäld-  'weit,  breit'); 
vyngr'^  'jemandes  Gedanken  ablenken,  zerstreuen'  {vyagra- 
'zerstreut');  vyarth^  'zwecklos  machen'  {vyartha-  'zwecklos'); 
sänt^  'beruhigen'  {sänta-)\  sital^  'abkühlen'  {sifald-);  syäv^ 
'braun  färben'  (syävd-);  syet^  'rötlich  nennen'  {syenimäcaste: 
syetd-  'rötlich -weiß');  slath^  'locker  machen'  {slatha-); 
sand h^  'kastrieren' (sandhd -  'zeugungsunfähig');  sam'^  'ebnen* 
{samd-):  sarnagr^  'vollständig  machen'  {sdmagra-);  samarth^ 
'bestätigen'  {samartha-  'angemessen,  tauglich');   samutsuk^ 


Die  Denominativverba  im  Altindischen.  501 

'sehnsüchtig  macheu'  {samuts2ika-)\  sarüp^  'gleichmachen 
in  der  Form'  (sarüpa-);  sarvan^  'auf  denselben  Nenner 
bringen'  (sdrvana-  'gleichartig');  suhhag^  Verschönem'  {su- 
bliäga-)\  susth^  'jem.  zum  Wohlbehagen  bringen,  gesund 
machen'  {sustha-  'gesund');  stimit^  'unbeweglich  machen' 
{stimita-)\  sphut^  'deutlich  machen'  {sphuta-  'offen,  deut- 
lich').   Wegen  tiroli^  u.  pith^  s.  S.  513. 

2.  Bei  einigen  weiteren,  nur  späten  Formen  ist  das  Ad- 
jektiv zufällig  nicht  belegt,  nämlich  bei: 

apipäthayati  'auf  einen  Weg  bringen'  (neben  päthas  n. 
'Platz');  utkorak^  'mit  hervorbrechenden  Knospen  versehen' 
{köraka-  m.  n, 'Knospe');  utkos^  'aus  der  Scheide  ziehen' 
{kösa-  m.  'Scheide');  ullir\g^  'aus  Merkmalen  erschließen' 
{lir\ga-  n.  'Merkmal');  vitüst-  'entflechten;  vom  Staub  be- 
freien' {tüsta-  n.  'Flechte,  Staub'),  vielleicht  auch  utpuccha- 
yate  {'^ti?)  'den  Schwanz  in  die  Höhe  heben'  {pilccha-  m, 
'Schwanz') '). 


1)  Darunter  sind  utkorako  u.  intüsto  am  durchsichtigsten;  denn 
für  das  erste  läßt  sich  ein  *utkoraka-  'mit  hervorbrechenden  Knospen  ge- 
schmückt' voraussetzen,  das  sich  vergleichen  ließe  mit  utkaca-  'mit  empor- 
gerichtetem Haar'  (neben  kaca-  m.  'Haupthaar')  u.  mit  utkantha-  'mit  em- 
porgerichtetem Hals,  sehnsüchtig'  (neben  kanthd-  m.  'Hals');  für  das  zweite 
ein  *vitHsta-  'ohne  Flechten,  ohne  Staub',  gebildet  wie  vicchüya-  'ohne 
Farbenglanz'  {chäyä  f.  'Schatten,  Farbe'),  visalya-  'ohne  Spitze'  {salyd- 
m.  n. 'Pfeilspitze'),  riphala-  'fruchtlos'  {phäla-  m.n. 'Frucht');  ähnlich  könnte 
es  mit  idlir]go  stehen;  wenn  *nllir\ga-  etwa  auch  hieß  'mit  hervorstechenden 
Eigenschaften  oder  Merkmalen  versehen',  müßte  das  Verbum  bedeuten : 
'als  so  beschaffen  ansehen,  für  so  beschaffen  ausgeben' ;  woran  man  aber 
gewisse  Eigenschaften  auffindet,  das  erkennt  man  an  den  Eigenschaften, 
dessen  Vorhandensein  erschließt  man  aus  diesen  Eigenschaften,  apipätho 
könnte  desgleichen  von  einer  Form  apipätha-  (oder  apipäthas-)  stammen, 
da  Fälle  wie  äpierata-  'beim  Gelübde  beteihgt',  dpibhäja-  'Anteil  habend', 
apisarvard-  'an  die  Nacht  grenzend'  eine  derartige  Bildung  mit  der  Be- 
deutung 'auf  dem  Pfade  befindlich'  begreifen  lassen;  und  nur,  weil  das 
lange  ä  allein  in  dem  s-Stamm  erscheint,  wird  man  überhaupt  die  Mög- 
lichkeit ins  Auge  fassen,  daß  unser  päthayati  ein  gewöhnliches  Faktitivum 
sei  zu  dem  nur  im  Dhat.  überlieferten  pdthati  'gehen'.  Am  zweifelhaftesten 
ist  die  Hierhergehörigkeit  von  utpucchayate ;  dafür  haben  schon  die  indi- 
schen Grammatiker  ein  'utjntccha-  oder  utpucchd-  angenommen  mit  der 
Bedeutung  'hochschwänzig'  [utkräntah  pucchät) ;  da  das  überlieferte  Deno- 
minativum  zunächst  medial  ist,  könnte  man  für  das  Aktiv  den  Sinn  vor- 
aussetzen 'etwas  hochschwänzig  machen,  einem  den  Schwanz  in  die  Höhe 
heben';  und  das  Medium  mit  der  Bedeutung  'sich  hochschwänzig  machen, 
den  Schwanz  in  die  Höhe  heben'  wäre  daneben  ganz  in  der  Ordnung. 


502  L.  Sütterlin, 

3.  Ableitungen  von  andern  als  a-Stämmen  kommen 
hier  nur  ausnahmsweise  vor.  Kl.  th'^  Mem  Blick  entziehen,  ver- 
bergen, hemmen'  (von  dem  Adverb  Hrds  'abseits')  darf  man  kaum 
anführen,  da  hier  das  Grundwort  äußerlich  auch  auf  -m  ausgeht 
wie  der  Nominativ  des  oxytonierten  «-Adjektivs;  ähnlich  steht 
es  mit  unman^  'in  Aufregung  versetzen,  verwirren'  {unmanas- 
'aufgeregt').  Yon  einem  /-Stamm  kommt  siirabh^  'wohlriechend 
machen'  {surabhi-  'wohlriechend');  u.  als  Ableitung  eines  w-Stamms 
ist  in  der  wirklichen  Literatur  nur  belegt  udasr^  (von  udasrii- 
'weinend'),  das  aber  nicht  bloß  'weinen  machen'  bedeutet,  sondern, 
auch  'Tränen  vergießen',  u.  sich  auch  deshalb  dem  später  (S.  505) 
genannten  ved.  vUciyati  'fest  machen',  vidayäte  'fest  sein'  (von 
i^idn-^  villi-)  an  die  Seite  stellt ;  laghP  'erleichtern'  (neben  laghü- 
'leicht')  könnte  auch  zu  den  gleich  zu  nennenden  Komparativ- 
ableitungen gezogen  werden;  sonst  werden  nur  noch  von  Gram- 
matikern  drei  künstliche  Denominative  der  Art  erwähnt,  bali^ 
(von  hahü-  'reichlich'),  pap  (von  piatK,-  'scharf,  hell')  u.  sädh^  (von 
sädhii-  'gerade  zum  Ziel  führend'). 

Dagegen  ist  merkwürdig,  auch  wegen  der  Geschlossenheit, 
mit  der  sie  auftritt,  eine  Gruppe  von  Komparativableituugen : 
kanayati  'vermindern'  (von  kdniyqs-  'kleiner',  känistha- 
'kleinst');  kras^  'mager  machen'  (neben  krsä-  'mager',  krdsi- 
l/qs-);  dav°  'entfernen'  {dura-  'fern',  däviyqs-)\  dradh^  'be- 
festigen' {drdha-  'fest',  drädhiyqs-)  mit  paridradh^  'fest 
machen'  (neben  paridrdha-  'fest');  drägh^  'verlängern* 
[dirghä-  'lang',  drdghiyqs-):,  ned°  'nahe  bringen'  (nedt- 
yqs-  'näher',  nedistha-)\  mrad^  'glätten'  {mrdü-  'weich', 
mrddiyqs-,  mrddistha-)^  sowie  endlich  yav^ ^  Den.  von 
yüvan-  'jung'  {ydviyqs-  'jünger'),  von  denea  aber  nur  eines, 
das  an  vorletzter  Stelle  genannte  mrad^,  als  Beleg  aus  TS. 
älter  ist.  Das  vedische  prath^  'ausbreiten',  das  als  Faktitiv 
neben  prdthati^  ^te  'sich  ausdehnen'  steht,  könnte  übrigens 
auch  in  der  vorliegenden  Art  zu  prdthiyqs-  'breiter'  ge- 
hören, während  die  später  vorkommende  Bedeutung  'berühmt 
machen'  an  das  Subst  prathä  f.  'Euf,  Berühmtheit'  erinnert. 

Da  aber  auch  das  Aktiv  in  dieser  letzten  Bedeutung  belegt  scheint,  so  darf 
man  vielleicht  auch  noch  das  intransitive  Verhältnis  zwischen  Grundwort 
und  Ableitung  voraussetzen,  wie  bei  den  genannten  Beispielen,  oder  — 
zumal  wo  Formen  angeführt  werden  wie  iidapupncchat  —  es  liegt  eine 
freiere  unmittelbare  Ableitung  von  jn'iccha- seihst  vor,  sodaß  das  Verbum 
dann  auf  S.  507  unterzubringen  wäre. 


Die  Denominativverba  im  Altindischen.  503 

Bei  zwei  weiteren  Fällen  scheint  die  Bedeutung  nicht  ganz 
klar  gegenüber  dem  Grundwort,  dem  späten  vars°  (von  vdräi- 
yqs-  'höher',  värsistha-)  u.  dem  vereinzelten,  aus  den  'Sprüchen' 
belegten,  aber  um  so  merkwürdigeren  parivradh^  (von  parivrdha- 
'Herr,  Anführer'). 

4.  Xeben  einer  größeren  Gruppe  von  Yerben  liegt  zwar 
ein  Adjektiv,  dessen  Bedeutung  für  die  Ableitung  den  fak- 
titiven  Sinn  voraussetzen  ließe,  aber  auch  ein  Substantiv: 
häufig  ein  neutraler  «-Stamm,  der  nur  die  substantivierte  Neu- 
tralform  des  Adjektivs  ist,  manchmal  aber  auch  verschiedene 
andere  Stämme.  Diese  Doppelheit  der  Beziehung  tritt  schon  bei 
den  vedischen  Gebilden  auf,  setzt  sich  aber  durch  die  ganze 
Literatur  fort.  Es  sind  nämlich: 
vedisch  6  Beispiele: 

rocayati  'beleuchten'  (roca- 'leuchtend':  rokd-  m.  t^ökas-  n. 
'Licht');  roh^  (AV.)  'aufsteigen machen' (roÄa-  'hinaufsteigend': 
m.  'Erhebung,  Höhe');  vep*^  (vip^)  'zittern  machen,  schwingen' 
{vepa-  'bebend',  vip-  'innerlich  bewegt':  vepa-  m.  'Beben'); 
sucäyant-  'flammend,  leuchtend'  [sucd-  u.  süci-  'leuchtend': 
suc-  f.  'Flamme,  Glut',  süci-  m.  'Feuer');  suhh^  'schmücken' 
[siibha-  'schmuck,  hübsch':  subh-  f.  'Schmuck'),  auch  sos^ 
(AV.)  'austrocknen'  {*sosa-  'trocken'  =  lit.  saüsas^  ags.  sear^ 
auoc:  sosa-  m.  'Austrocknen,  Trockenheit'); 
klassisch  sind  an  die  10  Fälle: 

titkanth^  'jem.  zur  Sehnsucht  anregen'  {utkantha-  'mit  empor- 
gerichtetem Hals,  sehnsüchtig':  utkantha  f.  'Sehnsucht'); 
kadarth^  'zu  nichts  anschlagen,  gering  achten'  {kddartha- 
'welchen  Zweck  habend':  m.''eine  nichtsnutzige  Sache'); 
khand^  'zerstückeln,  stören'  {khandd-  'zerbrochen':  m.  n. 
'Stück,  Lücke');  chand^  'jem.  gefällig  machen'  {chanda-  'ge- 
fällig, einladend':  chdndas-  n.  'Lust');  timir^  'verfinstern' 
(timirä-  'finster':  u.  'Finsternis');  duhkh^  'jem.  Weh  ver- 
ursachen' {duhkhd-  'unbehaglich':  n.  'Schmerz')  und  das 
Gegenteil  sukh^  'Wohlbehagen  bewirken'  {siikhd-  'augenehm, 
behaglich':  n.  'Wohlbehagen');  j?at;e7ro  'läutern'  {pavitra- 
'rein':  n.  'Reinigungsmittel');  virüp°  'verunstalten'  (virüpa- 
'häßlich':  n.  'Mißgestalt'); 
noch  später  sind  5  Fälle: 

tittarqg^  'in   eine  wellenartige  Bewegung  versetzen'  {utta- 
rqga-   'mit    hochgehenden   Wogen':    m.  'hochgehende    Be- 


50i  L.  Sütterlin, 

wegung');  chidr^  'durchlöchern'  {chidrä-  'durchlöchert':  n. 
*Loch');  viräg^  'sich  einen  abgeneigt  machen'  {viräga-  gleich- 
giltig':  m.  'Abneigung');  sisir^  'abkühlen'  {sisira-  'kühl': 
mn.  'Kühle'),  aber  auch  vipath'^  'auf  Abwege  bringen'  {vi- 
pathi-  [*vipatha-?]  'auf  Abwegen  gehend':  vipatha-  m.  n. 
'Abweg'). 

2.   Die  Subjektiva. 

Die  Beispiele,  die  als  Subjektiva  in  Anspruch  genommen 
werden  können,  sind  etwa  25  an  der  Zahl.  Freilich  sind  dar- 
unter einige  Fälle,  neben  denen  auch  ein  Substantiv  vorliegt, 
die  also  zur  Not  auch  als  Substantivableitungen  augesehen  werden 
könnten.  Wir  verzeichnen  daher  die  annähernd  unzweideutigen 
Bildungen  zuerst. 

a)  Yon  unzweideutigen  Adjektivableituugen  sind 
vedisch  8: 

ädvayant-  'nicht  doppelzüngig,  ehrlich'  (neben  dvayä-  'zwei- 
fach'); c?Ä2<wo'rauschen,dabinstürmen'(nebenf?/??fn /-'rauschend, 
tosend');  vgl. Guvuj,  Guveuu ;  mrldyati.,{mr/ai/dnt-^  mrläyanti) 
'gnädig  sein'  (mrda-  'gnädig'), 
klassisch  ebenfalls  3: 

gaves^  'leidenschaftlich   begehren,   suchen'   [gavesa-  '[rindj- 
suchend'  in  dharma-gavesa-  'nach  dem  Gesetze  trachtend'; 
Eigenn.);  avadhir^  'übertreffen'  (dhira-  'klug'),    avadhir^ 
'zurückweisen'  {dhira-  'beherzt'). 
jünger  sind  4: 

andhdgati  'blind  werden'  {andhd-  'blind');  di'ir^  'fern  sein' 
(dura-  'fern';  -ä  f.  'Ferne');  dhülihast^  'Staub  in  die  Hand 
bekommen'  {^dhülihasta-  'eine  Staubhand  habend',  gebildet 
wie  phalahasta-  'Früchte  in  der  Hand  haltend'):  paripanth^ 
{^ayitum)  'entgegentreten'  i^paripantha-  m.  'Gegner',  vgl. 
paripanthaka-  m.  'Gegner',  oder  paripantham  adv.  'am 
Wege')  1). 

1)  Hierher  gehört  wohl  auch  svatantro  'in  seine  Gewalt  bringen' 
(neben  svatantra-  'selbständig',  n.  'Freiheit',  also  eigentlich  'gegenüber 
einem  andern  frei  sein')  und  pradaJcsin'^  'von  links  nach  rechts  um- 
schreiten' (neben  pradaksiiia-  'rechtsläufig'),  während  ^J/•a^//a^•50  (neben 
pratyakSa-  'vor  Augen  liegend')  sowohl  heißt  'vor  Augen  stellen',  als  auch 
'mit  eigenen  Augen  sehen',  also  faktitiv  und  subjektiv  zugleich  ist,  wenn 
es  in  der  letzten  Bedeutung  von  einem  Adjektiv  *pratyaksa-  kommt  'seine 
Augen  auf  etwas  gerichtet  habend'  und  nicht  vielmehr  eine  freie  Bildung 
ist  aus  ak^dn-  'Auge'  und  2»'<'i'  (S.  507). 


Die  Denominativverba  im  Altindischen.  505 

b)  Zweifelhafter  sind 
vedisch  4  Fälle: 

vidyutayati  'blinken,  blitzen'  (neben  vidytlt-  'glänzend'  u. 
Snbst.  f.  'Blitz',  aber  auch  noch  neben  dyuti-  f.  'Glanz'); 
rtayate  {rtay änt-  \x.  rtäyant-)  'sich  in  die  Ordnung  schicken, 
etwas  recht  machen'  (neben  rtd-  'ordentlich',  n.  'Ordnung'); 
ai^■^  rasarc?/iai/rt  ^rfrechherandrängen' (neben  sarc?/ja-'frech', 
vielleicht  auch  kausativ  zu  sdrdhati  'frech  sein',  zumal  an- 
gesichts des  abhängigen  Akk.  giras^  der  schließlich  auch  er- 
laubte, das  Denomiuativum  faktitiv  zu  fassen);  vilaydte  'fest 
sein'  {vidii-^  vilü-  'hart,  fest',  n.  'fester  Verschluß' ;  doch  liegt 
neben  dem  Medium  auch  ein  Aktiv  vildyati  'fest  machen', 
S.  502). 

klassisch  etwa  6: 

gocar^  'Anwendung  finden'  {gocara-  'anwendbar',  m.  'Weide- 
platz, Bereich',  S.  489.  498);  pratikül^  'sich  widersetzen' 
{pra  ^/A"27^«- 'widrig',  n.'Widersetzlichkeit') ;  vavr" 'sich  zurück- 
ziehen von'  [vavrd-  'sich  versteckend',  m.  'Höhle',  vavri- 
m.  'Versteck',  S.  489);  vyäkhyän-  'mitteilen'  {vyäkhydna- 
'erzählend',  n.  'Erzählung');  cir^  {^te)  'lange  machen,  säumen' 
{cird-  'lang',  n.  'Zögern';  vielleicht  auch  faktitiv);  ram'^  'er- 
götzen' {ramd-  'erfreuend',  m.  'Geliebter',  vielleicht  auch  faktitiv 
oder  kausativ  zu  rdmate  'sich  ergötzen',  S.  520);  tandrayate 
'matt  werden'  {tandra-  'matt',  -ä  f.  'Mattigkeit';  vielleicht 
aber  auch  das  Medium  zu  einem  Faktitivum); 

jünger  sind  2: 

candayate  'zürnen'  {candd-  'heftig');  mandrayate  'ehren, 
preisen'  {mandrä-  'lieblich  [klingend]'),  die  als  Medien  zu 
faktitiven  Aktivfonnen  gehören  könnten. 

c)  Bemerkenswert  sind  endlich  auch  noch  ein  paar  Verba, 

die  je  nach  dem  Zusammenhang  als  Faktitiva  und  als  Sub- 

jektiva  gebraucht  werden: 

kl.:  udasrayati  1.  'weinen  machen';  2.  'Tränen  vergießen' 
[udasru-  'weinend'); 

sp. :  prattp^  1.  'gegen  jem.  sein'  {pratipa-  'widerspenstig, 
feindlich'),  2.  'umwenden,  zurückbringen'  {pratipdm  Adv. 
'gegen  den  Strom,  rückwärts').  Wegen  pratyaks^  s.  S.  504 
Anm. 


506  L.  Sütterlin, 

III.  Die  mit  diesen  Denominativverben  zusammenhängenden 
Nominalklassen. 

a)  Die  Bedeutung  der  Suffixe  und  der  Präfixe  für  die 
Denominativbildung. 

Außer  den  oben  (S.  494  f.  502)  behandelten  Abweichungen 
bezüglich  der  Stammform  des  Grundwortes  haben  die  Yerba  auf 
-ayatl  nicht  viel  geneuert.  Ansätze  dazu  wären  manche  vor- 
handen gewesen.  Zunächst  in  den  Suffixen.  Yon  den  Geräte- 
bezeichnungen z.  B.  auf  -tra-  werden  mehrere  Formen  abgeleitet, 
die  keine  Nachfolge  gefunden  haben:  yantr^  'in  Binden  legen' 
{ijantrd-  n.  'Stütze,  Schranke'),  yoktr^  'anbinden'  {ijoktra-  n. 'Strick'), 
vastr'^  'kleiden'  [vastra-  n.  'Kleid').  Das  gleiche  gilt  von  Sub- 
stantiven und  Adjektiven  mit  t-  oder  w-Suffix;  es  heißt:  värtt^ 
'sich  mit  jem.  unterhalten'  {värttä  f.  'Rede'),  prot^  'einschlingen, 
einfügen'  {prota-  'gewebt  auf)  u.  üdh^  (Denom.  von  üdhi-  'das 
Führen,  Tragen',  oder  üdha-  'geführt,  getragen'),  ferner  prasn^ 
'befragen'  (prasnci-  m.  'Frage')  u.  vighn^  'hemmen'  [vighna-  m.  n. 
'Hemmung'),  dliün^  'sehüttelu'  {dhüni-  f.  'das  Schütteln')  u.  vilin^ 
'schmelzen'  (vilina-  'geschmolzen').  Und  doch  liegen  überall  ein- 
fachere Verben  daneben! 

Ebensowenig  sind  die  Präfixe  verwertet  worden.  Während 
das  Griechische  Verba  bildet  von  der  fertigen  Verbindung  eines 
Substantivs  mit  einer  Präposition,  also  z.  B.  exKoXericaTo  'er  steckte 
das  Schwert  in  die  Scheide'  von  ev  tlu  KoXeuj  (Verf.,  Verba 
denom.  im  Altgr.  59),  hat  das  Altindische  das  Präfix  beim  Verbum 
beinahe  nur  da  benutzt,  wo  es  auch  schon  das  Substantiv  so 
aufweist,  sodaß  man  manchmal  fast  glauben  möchte,  das  Sub- 
stantiv sei  erst  von  dem  Verb  aus  gebildet  worden  (S.  481).  So 
haben  wir  einmal  natürlich  durvät^  'jem.  befarzen'  von  durväta-  m. 
'Furz',  parikarm^  'salben,  schmücken'  neben  parikannan-  n.  'das 
Schmücken',  u.  vielleicht  paricär°  'sich  ergehen,  spazieren'  von 
paricära-  m.  'Spielplatz'  (u.  nicht,  wegen  der  abweichenden  Be- 
deutung, von  dem  einfachen  cäraijati  'gehen  lassen');  dann  aber 
auch  nicht  nur  alleinstehendes  vigrahP  'streiten'  neben  vigraha- 
m.  'Streit'  u.  prapanc^  'weiter  ausführen'  (mit  vipanc^  'ausbreiten, 
verkündigen')  neben  prapanca-  m.  fernere  Entwicklung',  sondern 
auch  vyäkhyän^  'mitteilen'  mit  vyäkhyäna-  n.  'Erzählung'  neben 
äkhyän^  'mitteilen'  von  äkhyäna-  n.  'Erzählung',  und  unter  den 
Adjektivbildungen  steht  paryäkul^^   vyäkid^  z.  B.  neben  paryä- 


Die  Denominativverba  im  Altindischen.  507 

kula-^  vyäkida-.    Die  Bildungen  sind  oben  ja  schon  möglichst 
durch  Sperrdruck  des  Präfixes  hervorgehoben. 

Nur  einzelne  freiere  Schöpfungen  finden  sich  so  vor^ 
aber  zerstreut  in  der  weiten  Literatur:  äkarn'^  'hinhorchen' 
{karna-  m.  'Ohr'),  ärtcc^  'herglänzen'  {riici-  f.  'Licht'),  upavin^ 
'auf  der  Laute  {vinä)  etwas  vorspielen',  upaslok^  'in  der  be- 
kannten Strophe  {slöka-  m.)  besingen',  neben  einfachem  slok^ 
'schallen  machen'  (sloka-  m.  Schall),  sqsinß  'klingend  zusammen- 
stoßen' {sinjä  f.  'Geklingel'),  sqbhänd^  'die  Geräte  zusammen- 
stellen' (hhända-  n.  'Gerät'),  pari-^  vi-piicch^  'mit  dem  Schwanz 
wedeln'  {püccha-  m.  'Schwanz',  S.  502),  parisen^  'mit  einem 
Heere  umzingeln'  (send  f.  'Heer')  abhivänch^  'begehren,  verlangen' 
{vänchä  f.  'Wunsch'),  avasardh^  'befarzen'  {sardha-  m.  'Furz'), 
'pratyaks^  'vor  Augen  stellen,  mit  eigenen  Augen  sehen'  (aksdn-  n. 
'Auge',  S.  504  Anm.),  wohl  auch  ava-^  ud-dhidP  'bestreuen'  [dhüli- 
f.  'Staub')  neben  älterem  ^dhülita-  'besti-eut',  vielleicht  auch  udgir° 
'Laute  ausstoßen'  (von  gh--  f.  'Ruf,  Rede',  nicht  von  giräti^  girati 
'verschlingen'  oder  grnäti  'rufen'),  kaum  das  unsichere  nirdhät^ 
'mißhandeln'  (neben  dhäti-  f.  'Überfall'). 

Zweifelhaft  sind  wegen  Yorhandenseins  des  einfachen 
Verbs  einige  weitere  Bildungen :  vyqs°  'teilen'  (neben  qts°  'teüen' 
n.qsa-  m. 'Teil'),  ^ar«/ari^'/^° 'umklammern'  (neben  jüngerem  m^kh^ 
'sich  an  etwas  klammern'  u.  a\\kM-  m.  'Klammer');  auffällig  ist  auch 
sqvastr^  (neben  vastra-  n.'lDeid')  in  der  Bedeutung 'gleiche  Kleider 
tragen'. 

b)  Der  Einfluß  der  Denominative  auf  die 
Nominalbildung. 

Eher  sind  die  Denominativa  wichtig  geworden  für  die 
Nominalbildung.  Zunächst  gibt  es  unter  den  zalilreichen 
Nomina  actionis  auf  -ana-  n.  einige,  die  unmittelbar  auf  das 
-ayati-Verh  zurückgehen  müssen,  teils  der  Bedeutung  wegen, 
teils  mangels  einer  andern,  kürzeren  Verbalbildung;  so  z.  B. 
pälpülana-  n.  'das  Behandeln  mit  Lauge'  (von  palpvP  'mit  Lauge 
behandeln',  mit  palpülita-  neben  sich)  u.  uddhülana-  n.  'das  Be- 
streuen' (von  uddhül^  'bestreuen',  mit  uddhülita-),  kadarthana- 
n.  'Quälerei'  u.  kirtana-  n.  'Erwähnung',  nirmülana-  n.  'das  Ent- 
wurzeln', racana-  'das  Verfertigen'  u.  rüksana-  n.  'das  Mager- 
machen', vielleicht  auch  ramana-  n.  'Stillstand'  (neben  rdmati 
'zum  Stillstand  bringen',  med.  'stillstehen',  u.  ramayati  'zum  Still- 
stand bringen'). 


508  L.  SiUlerlin, 

Dann  tauchen  neben  den  ayati-Bildungcn  aber  auch  ver- 
schiedene Adjektivfornien  auf;  so  1.  auf  -ana-  wie  düsam- 
Verderbend',  ropana- 'Leibschneiden  verursachend'  (AY.),  rüksana- 
'mager  machend'  u.  sücana-  'verkündigend'  mit  dem  Subst. 
sücanä  f.  'Verkündigung',  aber  auch  ropana-  'aufsetzend,  ver- 
wachsen machend',  sthäpana-  'festsetzend',  hhisana-  einschüch- 
ternd'; 2.  auf  -ayä-  wie  Hr\Miaya-  'in  Bewegung  setzend'  in 
satmidrarHir]khaya-  'die  Kufe  ins  Schwanken  setzend'  (RV.), 
amrdayu-  'unbarmherzig'  (TS.,  von  ved.  mrlayati  'gnädig  sein') 
u.  spätes  udejaya-  'zittern  machend'  (neben  tidejati  'sich  rühren') 
u.  cetaya-  'wahrnehmend'  (neben  cetayati  'wahrnehmen',  freilich 
auch  neben  gleichbedeutendem  cetati)\  besonders  merkwürdig 
sind  aber  3.  die  gerade  in  ältester,  vedischer  Zeit  so  häufigen 
Bildungen  auf  -ayii-  wie  mrgayü-  'jagend'  (neben  mrgaycde  'jagen', 
mit  mrgmjä  f.  'Jagd')  u.  asväyü-  'Rosse  begehrend'  (mit  asvayä 
f.  'Wunsch  nach  Pferden',  RV.)i). 

c.    Denominativa  auf  -ayati  und  Nomina  agentis  auf 

-[ay)itar-. 

Die  Nomina  agentis  auf  -tar-  spielen  in  diesem  Zusammen- 
hang keine  große  Rolle;  sie  sind  viel  stärker  vom  Verbum  ab- 
hängig als  die  gleich  zu  nennenden  Adjektiva  auf  -ita-  (S.  510 ff.); 

1)  Oder  sollte  vielmehr  das  Umgekehrte  wahrscheinlich  sein  ?  Sollten 
die  -a//a^t-Verba  von  diesen  Adjektiven  auf  -aya-  u.  besonders  auf  -ayu- 
aus  aufgekommen  sein  ?  Ganz  von  der  Hand  zu  weisen  dürfte  eine  der- 
artige Vermutung  doch  nicht  sein.  Man  könnte  sich  sogar  vorstellen,  daß 
die  denominativen  Verba  im  Grunde  nur  einfach  konjugierte  Adjektive 
auf  -aya-  seien. 

Damit  nähern  wir  uns  der  Frage,  wie  die  Form  auf  -ayati  etwa 
überhaupt  zu  begreifen  sei.  So  mißhch  es  ist,  an  solche  Dinge  zu  rühren, 
eines  ist  jedenfalls  auffällig  und  beachtenswert,  nämlich,  daß  die  ältesten 
Bildungen  mit  Vorliebe  im  Partizip  vorkommen,  daß  die  Rig- 
veda-Beispiele  oft  überhaupt  nur  im  Partizip  belegt  sind;  so 
haben  wir,  indem  wir  die  Liste  bei  Delbrück,  Altind.  Verb.  203,  vervoll- 
ständigen: amitraydnt-,  adhvaydnt-,  kanükaydnt-,  Ixuläyaydnf-,  kSemaydnt-, 
devaydnt-,  yuSmaydnt-,  vasnaydnt-,  sarmaydnt-,  susdyant-,  stibhdyant- 
'leicht  hingleitend',  äubhdyant-  'schmückend',  susvaydnt-,  hdstayant-.  Dieses 
-{a)yant-  stellt  sich  nun  aber  auffäUigerweise  genau  neben  die  Ausgänge 
-vant-  u.  -mant-,  eine  Form  wie  ftd-yant-  genau  neben  visd-vant-  'giftig' 
oder  ydva-mant-  'gerstereich'.  Und  -yant-  hat  das  kürzere  -ya-  neben  sich 
wie  -vant-  u.  -mant-  das  kürzere  -va-  u.  -ma-.  Sollte  das  Zufall  sein  ?  Doch 
wir  wollen  diesen  Faden  nicht  weiter  spinnen !  Nur  wegen  der  Betonung 
kommen  wir  später  auf  diese  Partizipien  zurück  (S.  518). 


Die  Denominativverba  im  Altindischen.  509 

unter  den  tor-Substantiven  überwiegt  darum  iin  Laufe  der  Zeit 
der  Ausgang  -ayitar-  immer  mehr  über  den  Ausgang  -itar-^ 
vielleicht  mit  Ausnahme  des  Epos.  Im  Veda  findet  sich  dieser 
kürzere  Ausgang  neben  einem  ausgeprägten,  auch  in  der  Be- 
deutung entsprechenden  -ayati-  Verb  um  nur  bei  panitdr-  'preisend', 
pavftdr-  'Reiniger'  imd  pratarüdr-  'Förderer',  sowie  bei  pesitar- 
'Zerleger',  neben  dem  freilich  kein  Verbum  unmittelbar  bezeugt 
scheint;  aus  der  klassischen  Zeit  kommen  dazu  das  wieder  ohne 
Yerbum  stehende  pratigaritar-  'der  durch  Zuruf  antwortet'  (im 
Ait.  Br.,  neben  pratigarä-  m.  'Antwortruf'  und  ogrnäti)  laid 
pratäpitar-  (als  3.  Sg.  Fut,  Mahabh.),  aus  späterer  z.  B.  manditar- 
'Schmuckverleiher'.  Neben  einigen  weiteren  Formen  liegen  schon 
nicht  bloß  -a</öi^'- Verben  vor,  sondern  auch  gleichbedeutende 
Stammverben;  nämlich  neben  ved.  cod-itär-  'Treiber',  pos^  'Auf- 
zieher', mrdP  {mardP)  'Erbarmer',  raks^  'Beschützer',  rariP  'sich 
ergötzend',  vand^  'Lober'  und  ved^  'Kenner',  neben  klass.  pramatli- 
-itar-  'Zerschmetterer',  pramard^  'Zermalmer'  und  hhaks^  'Ge- 
nießer', sowie  endlich  neben  späterem  pan^  'Händler',  yoj° 
'Fasser  eines  Edelsteins'  und  vars^  'Regner'. 

Sonst  finden  sich  meist  durchweg  neben  den  -ayati-  Verben 
auch  nur  Formen  auf  -ayitar-;  so  z.  B.  im  Veda  cod-ayitdr- 
'Treiber',|;ayo  'Reiniger',  hodh'^  'Erwecker'  und  rr/;ay^7r^''Färberin'; 
im  klass.  Schrifttum  ärädh-ayitar-  'wer  jemandes  Cfunst  zu  ge- 
winnen sucht',  dliär^  'Halter'  (neben  dhäritri  f.),  parinäm^  'zur 
Reife  bringend',  pät^  'Würfelwerfer',  päl^  'Schützer',  pür^  'wer 
füllt',  prakalp^  'Anordner',  prajanP  'Zeuger,  Begründer',  prapyäv^ 
'wer  bewirkt,  daß  etwas  anschwillt',  pravart^  'Bewirker',  praväp^ 
'der  etwas  ausstreut',  prärth^  'Bewerber',  pres^  'der  Befehle 
erteilt',  hhaks^  'Genießer',  hhäv'^  'Förderer',  manP  'Ehrer',  ra^ 
'Schmecker',  varic^  'Betrüger',  varj^  'Vermeider',  vardh^  'Auf- 
zieher' (neben  ved.  vardhitdr-  'Stärker,  Vermehrer'),  väs^  'Er- 
halter', vicet^  'sichtbar  machend,  unterscheidend',  säntv^  'der  gute 
Worte  gibt';  ebenso  pratistliäp^  'Begründer',  pradäp^  'Geber', 
srapo  'Koch';  aus  späterer  Zeit  stammen :  avasardh-ayitar-  'Be- 
farzer',  vikros^  'Schreier'  (neben  älterem  vikrostar-\  udgür'^  'mit 
Tätlichkeiten  drohend',  käm°  'Liebhaber',  cet'^  'Wahrnehmer', 
cyäv^  'der  in  Bewegung  setzt',  düs^  'Verderber',  narf^  'Tanz- 
lehrer', parkaP  'umschließend',  päc^  'kochen  lassend'  {paripäc^ 
'zur  Reife  bringend'),  pratipäd^  'der  jem.  etwas  zukommen  läßt', 
pratisedh^  'negierend',  pratyabhivädP  'der  einen  Gruß  erwidert*, 


610  L.  Sütterlin, 

prabhäv^  'Macht  verleihend',  pramäp^  'dem  Untergang  zuführend', 
'prayog^  'V^eranlasser',  prärj^  'Gewährer',  hhoj^  'wer  genießen 
läßt',  mad^  {mand^)  'Erfreuer',  moks^  und  moc°  'Befreier',  yav^ 
'Zuwender',  yäj^  'Opferpriester',  7-ac^  'Verfertiger',  var°  'Werber', 
vartf  'Schilderer',  mc»  'der  etwas  hersagen  läßt',  vikros^  'Nach- 
schreier', v/f^Ääro' Verteiler,  Erhalter',  viMä/'<^' Verteiler',  mes^'unter- 
scheidend',  sam°  'Beruhiger',  sodh^  'Reiniger',  sobh'^  'Schmucker', 
sräv°  'Verkündiger',  sos'^  'Austrockner',  sukh^  'Erfreuer',  ketayitri 
'Auffordrerin',  bädhayitri  'Bedrückerin'. 

Zuweilen  liegen  darum  auch  beide  Formen  nebenein- 
ander, auf  -itar-  und  -ayitar-\  so  bei  ved.  cod-{ay)itdr-^  klass. 
pmvart-{ay)itar-,  bhaks^^  späterem  pan°,  yoj° ;  häufig  ist  dann  die 
längere  Form  erst  später  bezeugt;  so  bei  pavUdr-  (RV,  AV): 
pavayitdr-  (TS),  pratantdr-  (RV,  AV) :  pratärayitar-  (sp.),  pratä- 
pitar-  QiiB\\): pratäpayitar-  (sp.);  vgl, auch  viditar-(KV)\  vedayitar- 
(Kumaras.).  Nur  vereinzelt  findet  sich  ein  Ansatz  zu  einer 
Spaltung  der  Bedeutung,  wie  etwa  bei  yojitar-  'Vereiuiger' 
und  yojaijitar-  'Fasser  eines  Edelsteins'. 

Freilich  über  den  Bereich  der  a^/a^^-Formen  hinaus  er- 
streckt sich  die  Macht  der  a|//^ar-Substantiva  nicht:  obwohl  ein- 
fache Verben  zahlreich  wechseln  mit  erweiterten,  hat  doch  kaum 
ein  einfaches  Verb  neben  sich  ein  Nomen  agentis  auf  -ayitar- 
erzeugt ! 

d.    Die  Adjektivformen  auf  -itd-. 

Zu  den  Denominativen  auf  -ayati  stehen  in  enger  Be- 
ziehung die  Adjektivbildungen  auf  -ita-. 

I.    Anscheinend  deverbative   «to-Formen. 

1.  Im  allgemeinen  hängen  diese  «7a-Formen  so  sehr  mit 
dem  ayati-YQvh  zusammen,  daß  sie  erst  von  diesem  geschaffen 
zu  sein  scheinen. 

Das   gilt   in  erster  Reihe   von   den   sogenannten  Kausa- 
tiven, und  zwar  von  den  eigentlichen,  den  Faktitiven  eben- 
sowohl wie  von  den  bedeutungsschwächeren  Erweiterungen,  den 
von  uns  als  Intensiva  bezeichneten  (S.  519). 
Es  liegt  z.  B. 

ranjita-  'gerötet'  neben  ranjayati  'röten',  rakta-  'rot' 
neben  rdjyati  'rot  sein';  r  am  ita-  'ergötzt'  neben  ratn  ayati 
'ergötzen',  ratd-  neben  rämate  'sich  ergötzen';  vardhita-  'er- 


Die  Denominatiwerba  im  Altindischen.  511 

höht'  neben  vardhayati  'erhöhen',  vrddhä-  neben  värdhati 
srapita-  'gekocht'  neben  sräpayati  'kochen',  srätd-  neben 
srdti. 
So  gehört  aber  auch  eigentlich 

sqsita-  'gepriesen'   zu    sqsayati^    sastä-    zu    sqsati  'her- 
sagen'; märjita-  'gereinigt'  zu märjayati  'abwischen',  mrsta- 
zu  mrjdti; 
und  so  stellt  sich  genau  genommen  wohl 

rahita-  'verlassen'  nur  zu  rahayati  'verlassen',  nicht  zu 
rdhati,  brjiita-  'gekräftigt' nur  zu  brjiayati  'kräftigen',  nicht 
zu  brhdti,  und  wohl  auch  patitd-  'geflogen'  zu  patdyati 
'fliegen',  nicht  zu  pdtati. 

Da  aber  diese  Weiterbildungen  auf  -ayati  zu  allen  Zeiten 
sehr  häufig  waren  (S.  519  ff.),  und  ihre  ^Ya-Ableitungen  sich  in 
der  Bedeutung  jeweils  so  ziemlich  deckten  mit  den  to-Formen 
der  einfachen  Klasse,  waren  Vermischungen  leicht  möglich: 
sqsita-  konnte  auf  sqsati  bezogen  und  umgekehrt  zu  nirjdti 
ein  mrjita-  gestellt  werden,  zu  ruddti  ein  rudita-  'von  Tränen 
benetzt'. 

Im  letzten  Grunde  werden  aber  diese  ^Ya-Bildungen  doch 
nicht  verbal  sein,  sondern  nominal;  für  ihre  nominale  Her- 
kunft spricht  ja  auch  das  neben  ihnen  meist  vorliegende  Sub- 
stantiv; rudita-  z.  B.  könnte  also  einfach  so  von  einem  voraus- 
zusetzenden *rudi-  'das  Weinen'  ausgegangen  sein,  so  wie  für 
rucitä-  'beleuchtet'  der  /-Stamm  riki-  f.  'Licht'  wirklich  zu  Ge- 
bote steht,  von  allen  andern  Möglichkeiten  zu  geschweigen. 

Wie  dem  aber  auch  sei,  jedenfalls  lösen  sich  im  Laufe 
der  späteren  indischen  Sprachgeschichte  die  «Ya-Formen-  von 
den  eigentlichen  Yerbalformen  immer  mehr  los,  und  beide  gehen 
ihre  eigenen  AVege. 

Die  «7a-Formen  treten  dabei  wieder  dem  Nomen 
näher.    Das  läßt  sich  im  einzelnen  noch  genauer  verfolgen. 

a)  Neben  einem  reinen  Denominativverbum  auf  -ayati 
tritt  bei  der  ita-Bi\du.ng  die  Bedeutung  des  zugehörigen  Nomons 
schon  stark  hervor,  stärker  als  bei  den  uneigentlichen  ayati- 
Gebilden,  den  Faktitiven  und  Intensiven.  Das  fülilt  man  schon, 
wo  persönliche  Siibstantiva  ins  Spiel  kommen,  also  in  Fällen 
wie  palita-  'geschützt'  (neben  pälayati  und  pälä-  m.  'Hirt')  und 
pisunita-  'ven-aten'  (neben  pistmayati  und  jnsuna-  m.  'Verräter'); 
deutlicher  aber  ist  es  vielleicht  schon  neben  Sachsubstantiven; 


512  L.  Sütterlin, 

freilich  bilden  sich  auch  hier  gleich  verschiedene  Gruppen;  wir 
beginnen  mit  den  weniger  ausgeprägten: 

a)    kl.   pindita-    'vereinigt'    (neben    pind^    und    pinda-    m. 

'Klumpen')  und  den  späteren  uttqsita-  'als  Kranz  getragen' 

{iittqs^   'mit   einem    Kranz   schmücken'   und    uttqsa-  m.  n. 

'Kranz');    drstäntita-   'als  Muster   dienend'   {drsfänt^   'als 

Beispiel   vorführen'    und  drstänta-  m.  'Muster');  piinjita- 

'aufgehäuft'   {punj^    'aufhäufen'   und  punja-   m.  'Haufe'); 

sekliarita-  'zum  Diadem  gemacht'  und  sekhar'^  'zum  Diadem 

machen'  und  sekhara-  m.  'Diadem'); 

ß)  dolita-  'in  Schwingung  versetzt'  {dol^  'schwingen'  und  dolä 

f.  'Schaukel);  ändolita-  geschwungen'   {marud-andola-  m. 

'eine  Art  Fächer'); 

T)  am  meisten  scheint  das  Verb  entbehrlich  bei  einer  Reihe  von 

-eto-Formen,    die   angeben  'mit   etwas   versehen',    und  zwar 

mit  etwas   Greifbarem  oder  doch  Sichtbarem,   z.  B.  mit  einem 

Bande,  einem  Fleck  u.  dgi. ;  diese  Reihe  von  Formen  hat  neben 

sich  folgende  Grundwörter: 

at]kä-  m. 'Zeichen'  {ankita-  'bezeichnet');  äläna-  n. 'Pfosten 
oder   Strick,   mit   dem   ein  Elefant  angebunden   wird';   m-j- 
f.  'Nahrung'   {ürjä-  m.  Kraft:   ürjita-  'kräftig');   kalatjka- 
m.  'Fleck';  kusüma-  m.  'Blume';   cihna-  n.  'Zeichen';  ta- 
rqgä-  m.  'Welle,  Woge';  tvac-  f.  'Haut';  dhüpa-  m.  'Rauch' 
{dhüpita-   'gequält');    dhümd-   m.  'Rauch,  Dirft';   nigada- 
mn.  'Fnßkette,  Fessel';  pattrd-  n.  'Fittich,  Feder';  pallava- 
mn.  'junger  Schoß';  pürisa-  n. 'Unrat,  Exkremente';  pidaka- 
m.  'das   Sträuben   der  Härchen   am  Körper';   miikula-  mn. 
'Knospe';  mütra-  n.  'Harn';   ijantrd-  n.  'Stütze,  Schranke' 
{yantrita-  'gefesselt');  väsa-  m.  'Woldgeruch'  [väsita-  'par- 
fümiert');   vestd-   m.  'Schlinge,   Band';   srn^hala-  m.  f.  n. 
'Fessel';  —  aber  auch  von  Abstrakten  bildet  man  solche  Ab- 
leitungen,  z.  B.  von  stohha-  m.  'Trailer,  Jauchzer':   vranä- 
mn. 'Wunde'  u.  duhkhd-  n. 'Schmerz'  {duhkhitd-  'betrübt'), 
b)  Unentschieden  muß  das  Verhältnis  auch  in  den  Fällen 
bleiben,  wo  das  Grundwort  ein  Adjektiv  ist;  derlei  Ableitungen 
bedeuten  dann  'das  geworden,  was  das  Adjektivum  als  dauernde 
Eigenschaft  bezeichnet';    sie  sind   also    eine    Art   Inchoativ- 
adjektiva;  als  Grundwörter  kommen  so  (neben  der  ita-Bi\dm\g 
und  dem  ayati-\ evbum)  u.  a.  folgende  Ausdrücke  vor: 

äkula-  Verwirrt'   und   vyäkula-   'ganz   erfüllt   von',   i'ind- 


Die  Denominativverba  im  Altindischen.  513 

'unerfüllt,  unzureichend';  citrd-  *bunt';  tarald-  'zitternd'; 
pavitra-  'rein';  misrd-  'vermischt';  mi(Ä;/irtra- 'geschwätzig'; 
munda-  'kahl';  nihsesa-  'wovon  kein  Rest  übrig  ist';  vä- 
cäld-  'geräuschvoll';  vikaca- 'geöfhiet' •,  vidhura-  'vom  Gre- 
liebten  getrennt,  niedergeschlagen';  visada-  'klar,  deutlich'; 
sithild-  'locker';  sisira-  'kühl';  aber  auch  villi-  'fest,  hart' 
[vilitd-  RY.);  ferner  gehört  hierher  auch  krasita-  'mager 
gemacht'  {krdsiyqs-^  krsd-  'mager'). 

c)  In  FäUen,  wo  ein  Präfix  mit  ins  Spiel  kommt,  entwickelt 
sich  sogar  eine  noch  freiere  Beziehung;  dann  liegen  die  Dinge 
noch  unklarer;  dies  zeigen  z.  B. 

kl.:  avadhirita-  'zurückgewiesen'  neben  dhtra-  'beherzt'; 
uddhülita-  'bestreut'  neben  dhülf-  f.  'Staub'; 

sp.:  udvelita-  'aus  den  Ufern  getreten'  neben  velä  f.  'Grenze, 
Küste',  aber  auch  udvela-  'aus  den  Ufern  tretend';  upod- 
halita-  'unterstützt,  bekräftigt'  neben  hdla-  n.  'Kraft',  über 
udhala-  'kräftig';  vyar\gita-  'verstümmelt'  neben  dx\ga-  n. 
'Glied',  über  vya\\ga-  'eines  Gliedes  entbehrend,  krüppelhaft'. 

d)  Eine  Betrachtung  der  zeitlichen  Beziehung  zwischen 
Verb  und  Partizip  hilft  leider  auch  nicht  sehr  viel  weiter. 

Oft  ist  entschieden  das  Partizip  früher  belegt  als  das  Verb. 
So  braucht  der  RV.  stobhita-  'bejauchzt',  die  klassische  Literatur 
schon  kcdar\kitd-.  kiisumitd-,  tarqgita-,  pattritd-^  miikiditd-,  diik- 
khitd-,  ferner  uddhülita-^  aber  auch  prakatita-^  taralita-^  sowie 
avadhirita-,  während  die  zugehörigen  Verben  alle  erst  später 
und  meist  nur  in  den  grammatischen  Schriften  aufti-eten. 

Die  deutlichste  Sprache  redet  in  dieser  Hinsicht  aber  Üroh^ 
'verstecken'  (MBh);  denn  ihm  liegt  die  Wortgruppe  tirohita-  'ver- 
steckt' zugrunde,  deren  zweiter  Teil  hitd-  ist,  das  Verbaladjektiv 
von  dddhämi;  tatsächlich  heißt  'verstecken'  sonst  ja  auch  tiro- 
dadhäti.  Ebenso  geht  aber  sp.  jnth^  'verschließen'  auf  pi-dhita- 
zurück,  die  to-Form  von  pi-dadhäti.  Ähnhch  könnte  endlich  auch 
von  sqdlii-  m. 'Verbindung'  ein  sqdhita-  'verbunden'  geschaffen 
sein  und  davon  wieder  das  kl.  sqdhayati  (S.  493). 

Aber  auch  das  Umgekehrte  trifft  man  an.  Neben  den 
ved.  Kausativen  ramayati,  roc^^  rod^,  vardh^  und  der  Substantiv- 
ableitung ürj^  erscheinen  die  Partizipien  erst  in  klassischer  Zeit, 
darunter  die  durch  ihre  Wurzelgestalt  auffälligen  rucita-  u.  rudita-^ 
neben  der  ved.  Adjektivableitung  ünayati  ein  ünita-  erst  bei 
Hemacandra.    Desgleichen  gehören  zu   dem  klass.  Kausativum 

ludogermauische  Forschungeu  XIX.  34: 


614-  L.  Sülterlin, 

irapaijati  und  den  Denominativen  pavitr^^  palpiÜP^  päs^  \\.  makin^ 
Partizipion  ansclieinend  erst  aus  späteren  Schriften. 

Häufig  gehen  aber  auch  Verb  und  Partizip  gleichzeitig 
nebeneinander  her,  so  in  vedischer  Zeit  vom  Stamm  vll-^  in 
klassischer  von  aii/*;-,  äkul-^  citr-,  dol-^  pulak-^  tnukhar-,  mund-^ 
in  späterer  Zeit  von  tvac-^  drstänt-^  dhaval-,  nigad-^  punj-,  sekhar-^ 
also  etwa  gleichviel  Ableitungen  von  Substantiven  wie  von 
Adjektiven. 

II.  Denominative  üa-Formen. 

Sehr  oft  haben  aber  die  «Ya-Bilduugen  auch  mit  einem 
Yerbum  gar  nichts  zu  tun,  sondern  sind  unmittelbar  von  einem 
Grundnomen  ausgegangen,  also  denominativ;  ein  zugehöriges 
Yerb  ist  dann  auch  gar  nicht  nachzuweisen. 

a)  Von  Substantiven  sind  solche  Denominativa  aus- 
gegangen 

a)  in  klassischer  Zeit: 
ämodita-  'mit  Wohlgerach  erfüllt'  {ämoda-  m. ' Wohlgeruch') ; 
ktl°  'mit  Pfählen  besetzt'  [küa-  m.  Tfahl');  küp'^  'empor- 
gerichtete Härchen  habend'  [küpa-  'Pore');  pand°  'klug' 
{pandä  f.  'Verstand');  pir\gal^  'rötlich  braun'  {pir\galä-  m. 
'ein  bestimmtes  Pigment');  pur\k}i°  'mit  dem  befiederten 
unteren  Teil  des  Pfeiles  versehen'  {pur\kha-  m.  n.  'unterer 
Teil  des  Pfeils');  fusp^  'mit  Blüten  versehen'  {püspa-  n. 
*Keim');  phal°  'Früchte  tragend'  [phdla-  u.  'Frucht';  jünger 
ist  phalapuspita-  'mit  Früchten  und  Blüten  behangen'); 
hliar^  'voll  von'  {bhdra-  m.  'Menge');  nianis^  'gewünscht' 
{manisä  f.  'Wunsch');  veg°  'schwellend,  ungestüm'  {vega- 
m.  'schwellende  Bewegung,  Andrang');  vyädh^  'mit  einer 
Krankheit  behaftet' (^'^/äf?^^-  m. 'Krankheit');  salal^  'mit  Stacheln 
versehen'  [salald-  n.  'Stachel');  vielleicht  auch  sqdhita- 
Verbunden'  (von  sqdhi-  m.  'Verbindung',  S.  513); 

ß)  aus  jüngerer  Zeit: 
asa\\k-ita-  'ohne  Furcht'  {asar\kä  f.  'Furchtlosigkeit',  aber 
auch  sar\kd  1  'Furcht');  äpid-ita-  'mit  Kränzen  geschmückt' 
[äpida-  m.  'Kranz');  kundal°  'geringelt'  [kundald-  n.  'Ring'); 
gar-  'vergiftet'  {gara-  m.  'Gifttrank');  canas°  'gnädiger  Herr' 
{cdnas  n.  'Ehre');  tilak^  'betupft'  (tilaka-  m.  'Fleck');  namas^ 
'dem  Ehre  erzeigt  wird'  {ndmas  n.  'Ehre');  nicul^  'in  einem 
Futteral  steckend'  {nicula-  m.  'Mantel');  parikar^  'begleitet 
von'  {jparikara-  m.  'Dienerschaft');  par2/ä?»o  'gesattelt'  {pary- 


Die  Denominath^^erba  im  Altindischen.  515 

äna-  u.  'Sattel');  pipäs^  'durstig'  {pipäsä  f.  'Durst');  pratän^ 
Veitläufig  behandelt'  {prafänd-  m.  'weitläufige  Behandlung'); 
pratipaks^  'einen  Widerspruch  enthaltend'  (pratipaksa- 
m. 'Gegensatz') ;  binduk^  'mit  Tropfen  überzogen'  {binduka- 
m.  'Tropfen');  himb^  'sich  abspiegelnd'  {bimba-  m.  n.  'Spiegel'); 
bhasm^  'zu  Asche  gemacht'  (bhäsman-  n.  'Asche');  mand^ 
'geschmückt'  {manda-  m.  'Schmuck');  madätyay^  mit  De- 
lirium ti'emens'  {madätyaya-  m.  'krankhafter  Zustand  infolge 
von  Trunkenheit');  ras^  'mit  Gold  überzogen'  {rasa-  ra. 'das 
Feinste,  Gold');  romahars^  'bei  dem  sich  die  Härchen  am 
Körper  sträuben'  [romaharsa-  m.  'das  Sträuben  der  Härchen'); 
varm'^  'gepanzert'  [varman-  m.  n.  'Panzer');  valay^  'einge- 
faßt' {valaya-  m.  n. 'Einfassung');  vilambh^  'langsam'  {vi- 
lambha-  m.  'Verzögerung');  vyatikar^  'gemischt'  {vyatikara- 
m.  'Mischung') ;  soph^  'mit  Geschwüren'  {sopha-  m. 'Geschwür') ; 
svabhr^  'löcherig'  {svdbhra-  m.  n.  'Grube,  Loch');  bemerkens- 
wert ist  besonders  auch  sraddliita-  'gläubig'  (neben  sraddhä 
f. 'Vertrauen',  aber  auch  neben  sraddhayant-  'gläubig',  srad- 
dhätar-  u.  sraddhätavya  IVffih.,  vgl.  S.  495). 

b)  Ein  Adjektiv   dagegen  liegt  zugrunde  bei  folgenden 
«Ya- Ableitungen : 

a)  der  älteren  Zeit: 
^dantur-ita-  'dicht  besetzt'  {danturä-  'hervorstehende  Zähne 
habend');  pragun^   'zurecht  gelegt'   {praguna-  'in  rechter 
Lage');  vihast^  'verwirrt'  {vihasta-  'hirnlos,  verwirrt');  vihin^ 
'betrübt'  (vihma-  'betrübt'); 

ß)  der  jüngeren  Zeit: 
uttän-ita  'aufgesperrt'  {uttänd-  'ausgestreckt');  uddand° 
'emporgerichtet'  {uddanda-  'emporgehoben,  dessen  Stock  steil 
gehoben  ist');  kathor^  'kräftig  geworden'  {kdthora-  'hart'); 
karamb^  'vermengt'  {karambd-)\  karäl^  'grausig  gemacht' 
(karäla-)\  karbür^  'gesprenkelt'  {karbürd-)\  catul^  'er- 
schüttert' [catuld-  'zitternd');  dvigun^  'verdoppelt'  {dviguna-)\ 
dhaval^  'glänzend  weiß'  [dhavald-)]  dhüsar^  'staubfarbig 
geworden'  {dhüsara-);  nibids>  'dicht  gewoben,  fest  ange- 
drückt' [nibida-  'fest,  ununterbrochen');  pändur^  'gelblich 
gefärbt'  {'pändura-)\  pinjar^  'rötlich-gelb  gefärbt'  {pifijdra-); 
pisar\g^  'rötlich-gelb  gefärbt'  {pisdr\ga-)]  bandhur^  'geneigt 
gemacht'  {bandhurd-);  bahul°  'vermehrt'  [bahuld-  'zahl- 
reich');   madhur°   'versüßt'  {niadhurd-);   manthar^  'träge 

34* 


516  L.  Sütlerlin. 

gemacht'  {manthara-)\  vimukfi°  'abgeneigt  gemacht'  {vi- 
mukha-)\  vihval^  'erschöpft'  (vihvala-);  satagiin^  'ver- 
hundertfacht' [sataguna-  'hundertfach');  satacandr^  'mit 
100  Monden  versehen'  {satacandra-  'dass.');  sabal°  'scheckig 
gemacht'  (sabdla-);  sär«  'bunt  gemacht'  {särd-);  sijämal^ 
'verdunkelt'  {syämalä-  'dunkelfarbig');  syäm^  'dunkel  gefärbt' 
{si/ämd-  'schwarz');  vgl.  auch  adhar^  'übertroffen'  {ddhara- 
'unten  befindlich'). 

c)  Außer  diesen  geschlossenen  großen  Gruppen  gibt  es 
aber  auch  vereinzelte  Formen,  die  auf  der  Grenze  stehen. 

So  haben  drei  «to-Ableitungen  jeweils  ein  Substantiv  und 

ein  Adjektiv  neben  sich,  nämlich: 

kl.:  ^iri^aZ-e7a- 'rötlich-braun'  {pix\gald-  'rötlich-braun';  m.'ein 
bestimmtes  Pigment') ; 

sp. :  kasägo  'gerötet,  gefärbt'  [kasäya-  'dunkelrot',  m. 'rote 
Farbe');  mecak'^  1.  'versehen  mit  Verzierungen,  die  dem  Auge 
im  Pfauenschweif  gleichen';  2.  'dunkelblau  schillernd'  {niecaka- 
'dunkelblau' ;  m.  'Auge  im  Pfauenschweif');  srr]gär^  'geputzt, 
geschmückt'  [sfngära-  'schmuck';  m. 'Putz'). 

Sodann  kommt  auch  hier  hin-  und  wieder  ein  Präfix  ins 

Spiel  und  lockert  das  Verhältnis  etwas  zwischen  Grundwort  und 

Ableitung;  man  vergleiche  z.  B. 

kl.:  prapusp-ita-  'mit  Blüten  versehen'  und 

sp. :  paripind^  'bestäubt'  (von  pinda-  m.,  in  der  Bedeutung 
'Myrrhe,  Rauch  werk'?);  pratihimh^  'wiedergespiegelt'  {bimha- 
n.  'Widerschein'). 

d)  -ay-  bei  den  i(-Suffixen. 

a)  Für  diese  Verselbständigung  der  ete-Formen  haben  sich 
die  eigentlichen  Verbalformen  auf  -ayati  aber  zu  rächen  und 
schadlos  zu  halten  gesucht.  Sie  haben  gerade  auf  das  Gebiet 
der  eto-Formen  übergegriffen  und  das  ihnen  eigentümliche  -ay- 
dahin  verpflanzt.  Es  wechselt  demnach  in  späterer  Zeit  -ita-m 
bei  neutralen  Verbalabstrakten  mit  -ayitam:  zu  Formen  wie 
ämredita-  n.  'Wiederholung'  (neben  ämreda-  m.  'dass.')  und  zu 
rävita-  n.  'Laut,  Schall'  (neben  räva-  m.  'Gebrüll')  tritt  rasayita- 
m.  'das  Schmecken'  (neben  rasa-  m.  'Geschmack'  und  rdsati^ 
rdsijati,  rasdynti\  pravanäyifa-  n.  'Hang,  Neigung'  (neben ^ravawa- 
'geneigt'),  sowie  neben  vranüä-  'verwundet'  das  neue  Partizip 
vranayita-  'verwundet  werdend'.  Ebenso  greift  übrigens  auch 
äy-  über  in  äyita-  (narmäyita-  n.  'Scherz'   neben   ndnna-  ra., 


Die  Denominativverba  im  Altindischen.  517 

narman-  n.    'Scherz'   und   narmayati  'jem.  durch   Scherze    er- 
heitern').   Sonst  vgl.  janai/ati-  f.  u.  rosai/ati-  f. 

b)  Umgekehrt  ist  dafür  aber  das  ursprünglich  vorhandene 
ay  später  auch  geschwunden; 

1.  vielleicht  einmal  im  Ausgang  -ayitavya:  neben  vikal- 
payitavya  'als  Alternative  zu  stellen'  (von  vikalpa-  m.  Wahl')  und 
joraveiayitavya-  'hereinzuführen'  (von  pravesa-  m.  'Eintritt',  oder 
von  einem  Kompositum  von  vesayati  S.  484)  erscheint  prayatitavya 
n.  irap.  'curandum'  {prdyati-  f.,  aber  auch  prayatate); 

2.  sodann  im  Ausgang  -ayitum  (Whitney  ^  §  1051  c) :  neben 
paripantliayitum  'entgegenzutreten'  z.  B.  findet  sich  die  Doppel- 
heit  märjayitum  und  märjitum  'abzuwischen'  (von  märjayati  und 
mrjdti). 

B)  Ganz  merkwürdig  ist  das  Abstraktum  nirüpiti-  f.  'Be- 
stimmung eines  Begriffs'  (von  nirüpäyati^  neben  nirüpita-)-^  wegen 
jnapti-  vgl.  Whitney^  §  1051h. 

III.   Die  sogenannten  Kaiisativa. 

Die  einzige  erfolgreiche  Neuerung  auf  dem  Gebiet  der 
denominativen  Yerba  auf  -ayati  stellen  die  Kausativa  dar.  Man 
trennt  zwar  gewöhnlich  die  eigentlichen  Kausativa  von  den  De- 
nominativen und  begründet  das  mit  der  Verschiedenheit  der 
Betonung,  insofern  als  devaydti  einem  pätdyati  gegenüberstehe. 
Aber  Delbrück  hat  schon  in  seinem  altindischen  Verbum  (S.  209  f.) 
geltend  gemacht,  daß  beide  Klassen  gleicherweise  aus  einem 
Nomen  abgeleitet  werden  könnten,  und  daß  die  Scheidung  nach 
der  Bedeutung  nicht  scharf  und  auch  nach  der  Betonung 
nicht  vollständig  sei,  weil  einige  Denominative  auf  -ayati  auch 
den  Stammauslaut  des  Nomens  betonen,  weil  mau  also  manträ- 
yante  sagt. 

Das  Yorhandensein  der  Nomina  soll  gerade  im  fol- 
genden mit  veranschaulicht  werden  (S.  519  ff.) 

Die  Bedeutung  ließe  sich  wenigstens  vermitteln  (Brug- 
mann  Grundriß  2,  1147  f.  Delbrück  Gr.  4,  115  f).  Wie  varsayati 
heißt  'einen  Regen  verursachen,  regnen  lassen,  beregnen',  so 
hieß  srathayati  auch  eigentlich  'eine  Lockerung  herbeiführen', 
und  je  nachdem  man  sie  eigenhändig  vornimmt  oder  durch  einen 
Beauftragten  vornehmen  läßt,  ergibt  sich  der  wirklich  vorliegende 
Doppelsinn :  'lockern'  oder  'lockern  lassen'.  Daß  alle  diese  Formen 
von  Hause  aus  faktitiven  Sinn  gehabt  hätten,  ließe  sich  freilich 


618  L.  Sütterlin, 

auch  annehmen:  es  wären  das  dann  Höflichkeitsaiisdrücke,  wie 
sie  gewisse  Völker  wirklich  auch  beim  Verbum  lieben,  und  sie 
ließen  sich  der  neuhochdeutschen  Sitte  vergleichen,  daß  man 
meist  jemand  nur  bittet,  etwas  'machen  zu  lassen'  oder  es  'zu 
schicken'  oder  gar  'schicken  zu  lassen',  auch  wenn  man  voraus- 
setzt, daß  er  es  selbst  macht,  schickt  oder  bringt. 

Der  Unterschied  in  der  Betonung  könnte  jünger  sein, 
oder  doch  einmal  einen  anderen  Grund  gehabt  haben.  Darüber 
soll  hier  nichts  Neues  ausgemacht  werden.  Beachtenswert  scheint 
aber  doch  das  eine,  daß  die  Endungsbetonung  gerade 
wieder  bei  den  Partizipien  am  festesten  ist.  Tatsächlich 
haben  bei  den  etwa  30  a?/a^2'- Denominativen  die  eigentlichen 
Verbalforraen  den  Ton  in  den  6  Fällen,  wo  er  belegt  ist,  aus- 
nahmslos noch  auf  dem  nominalen  Schlußteil  {paryar]khdyäte, 
arthdyäse^  manträijante^  mrgäymite^  vavräyämahe,  mldyäsi);  von 
den  15  etwa  in  Betracht  kommenden  Partizipien  betonen  8  ent- 
schieden das  Suffix  [amitraydnt-^  hanükaydnt-^  kuläyaydnt-,  kse- 
maydnt-^  devaydnt-^  yusmaydnt-^  vasnaydnt-,  sarmaydnt-)^  3 — 4 
den  Stamm  {rtdyant-^  väjdyant-,  ürjdyant-,  auch  siiblidyant-  'leicht 
dahinfahrend',  wenn  die  Deutung  sicher),  während  2  schwanken 
{isayant-  und  krpayant-)^  und  das  von  Delbrück  angeführte  dritte 
hastayant-  überhaupt  unsicher  ist.  Dabei  sind  aber  merk- 
würdigerweise die  endbetonten  Partizipien  gerade 
die  vereinsamten,  während  die  stammbetonten  oder 
schwankenden  Formen  ohne  Ausnahme  alle  eigentliche 
Verbalformen  neben  sich  haben,  also  von  diesen  beein- 
flußt sein  können.  Da  die  sonstigen  Denominativklassen  auch 
die  Endung  betonen,  freilich  ganz  überwiegend  auch  wieder 
nur  im  Partizip,  ist  die  Annahme  kaum  angängig,  Partizip  und 
finites  Verb  hätten  sich  im  Ton  unterschieden;  augenscheinlich 
sind  vielmehr  nur  die  ursprünglichen  ««/d^Z-Denominativa  wegen 
ihres  sonstigen  Gleichklangs  durch  die  -dtjati-Bildungen  zu  dyati- 
Denominativen  umgewandelt  worden.  Allein  die  mehr  abseits 
stehenden  Partizipien  haben  den  alten  Zustand  noch  ziemlich 
treu  bewahrt,  sind  aber  auch  schon  gefährdet,  und  es  ist  mindestens 
die  Frage,  ob  dies  später  nicht  anders  geworden  ist. 

Delbrück  hat  nun  zwar  (S.  209  ff.)  auch  die  sogenannten 
Kausativa  gesammelt  und  dabei  noch  festgestellt,  welche  Formen 
gegenüber  dem  einfachen  Verbum  faktitiven  Sinn  haben,  und 
welche   sich   in    der  Bedeutung   mit  ihm  geradezu  zu   decken 


Die  Denominativverba  im  Altindischen.  519 

scheinen.  Da  er  aber  nur  auf  dem  Rigveda  fußt  und  auch  nicht 
berücksichtigt,  inwieweit  jede  einzelne  Form  noch  auf  ein  da- 
nebenliegendes, wenn  auch  vielleicht  —  zufällig  oder  nicht,  das 
ändert  am  Grundsatz  nichts  —  nur  später  bezeugtes  Nomen 
bezogen  werden  kann,  soll  hier  eine  umfänglichere,  freilich  auch 
nicht  vollständige  Liste  gegeben  werden,  die  hauptsächlich  das 
Verhältnis  zu  dem  Nomen  im  Auge  haben  soll. 

Es  folgen  zunächst  also  die  Bildungen,  die  noch  ein  Sub- 
stantivum  neben  sich  haben,  die  Denominativa,  und  zwar 
zuerst  die,  deren  Bedeutung  sich  mit  der  einfacheren  Form  an- 
nähernd deckt,  und  die  wir  daher  kurz  Intensiva  nennen 
w^oUen,  an  zweiter  Stelle  die  eigentlichen  Faktitiva^).  Daran 
reihen  sich  die  ohne  Nomen  dastehenden  Formen,  die  Dever- 
bativa,  und  zwar  auch  wieder  nach  der  Bedeutung  in  die 
beiden  Gruppen  geschieden.  Den  Schluß  bilden  Bemerkungen 
über  den  Wurzelvokal  dieser  Kausativa  und  eine  die  Bedeutung 
berücksichtigende  Gliederung  der  Formen  auf  -{a)]payati.  Fi'eilich, 
die  Scheidung  der  Gruppen  ist  manchmal  nicht  so  einfach:  es 
haben  die  a^af2-Bildimgen  oft  nicht  nur  die  intensive  und  die 
faktitive  Bedeutung  zu  gleicher  Zeit,  sondern  hie  und  da  schwankt 
die  Bedeutung  auch  zwischen  den  beiden  Gruppen,  so  z.  B.  bei 
hhäsayati  'beleuchten'  neben  hhdsati  'leuchten'  (S.  523);  zumal 
wenn  das  einfache  Verb  transitiv  und  intransitiv  gebraucht 
werden  kann,  macht  sich  das  fühlbar.  Sodann  ist  bei  dem  ein- 
fachen Verb  die  Präsensstammbildung  und  das  genus 
verbi  nicht  gleichgiltig ;  manche  Form  deckt  sich  im  Aktiv  mit 
der  az/a^i-Bildung,  die  neben  dem  Medium  oder  dem  Passiv  als 
faktitiv  erscheint,  und  hie  und  da  gibt  auch  das  präsentische 
-ija-^  das  übrigens  gerade  sehr  häufig  dem  -aijati  gegenübersteht, 
dem  einfachen  Verb  seine  besondere  Prägung. 

A.  Die  Denominativa. 

1.  Die  Intensiva. 
a)  Vedisch  sind  u.  a.  folgende  15  Formen: 
käm^^  He  'begehren'  {käma-  m.  'Liebe'):  cakäme  'habe  be- 
gehrt';  c^^o,   cet^  'wahrnehmen'  {citi-  'Verständnis',    cetas- 
n.  'Bewußtsein'):    cetati   'wahrnehmen';   grbh^   'ergreifen' 


1)  Inchoative  kommen  nur  vereinzelt  vor,  z.B.  sp.  t-aio  'in  seine 
Gewalt  bringen,  sich  lantertan  machen'  (von  vasa-  m.  'Wille,  Herrschaft') 
neben  älterem  vdsti  'wollen,  beherrschen'. 


520  L.  Sülterlin, 

{grbhd-  m.  'Griff'):  grhhndti  Mass.';  («;i)^oc?o  'stoßen'  [todd- 
'Stachler,  Lenker  der  Rosse'):  tudäti  Mass.';  hädh^  'bedrängen' 
[bädhd-  m.  'Peiniger,  Pein'):  bddhate  'dass.'  (S.  484);  math° 
(AY.)  'scliütteln'  {math-  m.  'Rührstock'):  mdthati  'imirühren' 
(vgl.  manth^  S.  521,  aber  auch  S.  488);  märj°  'abwischen' 
{märga-  m.  'Reinigung'):  mrjdii  'abwischen';  pär°  'über- 
setzen' {jjära-  m.  'das  Überschiffen',  -d-  n.  'das  jenseitige 
Ufer'):  piparti  'liinüberf ühren' ;  mah^  'ergötzen'  (mdhas- 
n.  'Freude'):  niähati,  °te  'ergötzen';  räm°  'zum  Stillstehen 
bringen,  ergötzen'  {rämd-  'ergötzend',  räma-  ni.  'Lust'):  rd- 
mati  'zum  Stillstehen  bringen',  med.  'stillstehen,  sich  ergötzen'; 
räj°  'walten,  herrschen'  {räjan-  m.  'Herrscher'):  räjati  'dass.'; 
vardli^  'erhöhen,  steigern'  {vdrdha-  m. 'das  Fördern):  vdr- 
dhati,  vrdhdti  'dass.';  vär^  'zurückhalten,  verbergen'  {vära- 
m.  'Abwehr'):  vdrate  'zurückhalten,  verhüllen';  svän^  'tönen' 
svänd-  m.  'Schall'):  svdnati  'dass.'. 

b)  Klassisch  sind  u.  a.  80 — 40  Formen: 
arc^  'ehren'  {arcä  f.  'Ehre'):  drcati  'dass.';  {anu)kros^  'jem. 
nachschreien'  [krosa-  m. 'Geschrei') :  krösati  'schreien';  cint^ 
'nachdenken'  (cinta  f.  'Gedanke'):  cintati  'denken'  (Dh.); 
ghät^  'töten'  {ghäta-  m. 'Schlag'):  hdnti  'schlagen';  nod^ 
'antreiben'  {noda-  m. 'das  Fortstoßen') :  nuddti ''stoßen  ;  pid° 
'drücken'  {pidä  f.  'Schmerz'):  pipile  'gepreßt  sein';  2)es^  'zer- 
reiben' {pesa-  m.  'das  Zerreiben'):  pinasti  'dass.';  prabhäv^ 
'Macht  haben'  [prabliäva-  m.  'Macht'):  prabhdvati  'dass.'; 
bhed^  'spalten'  {bhedd-  m. 'das  Spalten') :  bhinddmi  'dass.'; 
bhüs^  'schmücken'  {bhüsd  f.  'Schmuck'):  bhüsati  'sich  be- 
mühen, schmücken';  mard^^ stark  drücken'  {marda-  m. 'Druck'): 
märdati^  mrdndti  'dass.';  märg^  'suchen,  erstreben'  [märga- 
m.  'das  Suchen') :  mdrgati  'dass.';  ijäm^  'in  Schranken  halten' 
iydma-  m.  'Zügel,  Lenker'):  ydcchati  'zügeln';  yoj^  'an- 
schirren' iyöga-  m.  'das  Anschirren');  yundkti  'dass.';  yodh^ 
'bekämpfen'  {yodhd-  m.  'Krieg'):  yüdhyati  'kämpfen';  raks^ 
'schützen'  {raksa-  m.  'Schutz'):  rdksati  'dass.';  ras^ 
'schmecken,  schmackhaft  finden'  [rasa-  m. 'Geschmack') :  rd- 
sati,  rdsyati  'dass.';  rodh^  'zurückhalten'  {rödha-  m. 'das 
Zurückhalten',  rödhas-  n.  'Wall'):  runddhmi  'dass.';  lep^ 
'bestreichen'  {Upa-  m.  'Salbe'):  limpäti  'dass.';  lop^  'unter- 
lassen, verlassen,  verschwinden  machen'  [lopa-  m. 'Abtrennung, 
Mangel'):    lumpdti  'zerbrechen,  unterdrücken';    var^  'sich 


Die  Denominativverba  im  Altinclischen.  521 

wählen,  werben  um*  {varä-  'wählend',  m.  'Bräutigam',  vdra- 
m.  'Wahl'):  vrnöti  'wählen';  {ahhi)vänch°  'begehren'  {vänchä 
f.  'Wunsch'):  ahhivdnchati  'dass.';  väp^  'pflanzen,  säen' 
{väpa-  m.  'Säer,  Aussaat'):  väpati  'hinstreuen';  vest^  'über- 
ziehen, umbinden'  {vestä-  m.  'Binde,  Schlinge'):  vHtati  'sich 
schlingen,  winden  um';  vyadh^  'durchbohren'  {vtjadha-  m. 
'Durchbohrung'):  vidhyati  'dass.';  {ava)sardh^  'jem.  be- 
farzen'  (sardha-  m,  'Eurz'):  sdrdhate  'farzen';  dsqsin- 
jayant-  'nicht klingend  zusammenstoßend'  {sinjä  f. 'Geklingel'): 
sir]kte  'klingen';  ses" 'übrig  lassen' (se.sa-  m.  'Rest'):  senasti 
'übrig  lassen';  sodh^  'reinigen'  [sodha-  m.  'Eeinigung'): 
sündhati  'dass.';  sohJi^  'schmücken'  {sobhd  f.  'Schmuck'): 
sumhlidte^  söbhate  'dass.';  visarj^  'entlassen,  abschnellen' 
ysarga-  m.  'Schuß,  Guß'):  srjdti  'entlassen';  vistär°  'aus- 
breiten' {vistära-  m.  'Ausdehnung'):  strnöti  'streuen';  sec° 
'begießen"  {seka-  m. 'Erguß'):  sincdti  'ausgießen,  begießen'; 
sedh^  'wehren,  zurückhalten'  {sedha-  m.  'Verbot'):  s4dhati 
'vertreiben';  ähär°  'seine  Mahlzeit  einnehmen'  {ähära-  m. 'Nah- 
rung'): ähdrati  'essen';  hjs^  'verletzen' (A^'sä  f. 'Schädigung'): 
hisati,  hindsti  'dass.'. 

c)  Später  belegt  sind  dagegen  von  hierhergehörigen  Bil- 
dungen wieder  folgende  5  Beispiele: 

dhvan^  'tönen'  {dhvani-  m.  'Ton'):  dhvdnati  'dass.';  hhät^ 
'mieten'  {bhäta-  ra.  'Miete'):  hhätati  'dass.';  ruj^  'schlagen' 
{riijd  f.  'Bruch'):  rujäti  'erbrechen';  stav^  'loben,  preisen' 
{stdva-  m.  'Lob'):  stduti  'loben';  hel^  'verhöhnen'  {heda- 
m.,  hedas-  n.  'Ärger'):  hedati  'ärgern'. 

2.  Die  Faktitiva. 
a)  Vedisch  sind  wieder  26  Beispiele: 
kop'^  'in  Bewegung  setzen,  aufregen'  {kopa-  m.  'Aufwallung'): 
küpyati  'in  Bewegung  geraten' ;  ksay^  'ruhig  wohnen  machen' 
(ksi-  f.  'Wohnung'):  ksHi  'weilen';  tos^  'beschwichtigen' 
{tosa-  m. 'Befriedigung') :  tüsyati  'sich  beruhigen';  {vi)dyot^ 
'erleuchten'  {dyota-  m.  'Glanz'):  dyötate  'glänzen';  bodh^ 
'erwecken'  {bodha-  m.  'das  Erwachen'):  bödhate  'erwachen'; 
mäd^  (mand^)  'ergötzen'  {mäda-  m.  'Freude'):  mddati 
{mdndati)  'sich  freuen' ;  manth^  'ausrühren  lassen' (iwaw^Äa- 
m.  'das  Umrühren';  mdnthä  i.  Quirl'):  mdthati  'umrühren'; 
med^  'fett  machen'   [meda-  m.,  mddas-  n.  'Fett'):  m4dyati 


522  L.  Süttcrlin, 

'fett  sein';  mel^  'zusammenführen'  {mela-  m. 'Zusammenkunft'): 
mildti^  He  'zusammenkommen';  rädh^  'zustande  bringen,  be- 
friedigen' {rddhas-  n.  'Wohltat'):  rädhati  'Glück  haben'; 
rod^  'weinen  machen'  {röda-  m.  'Klageton'):  rödati^  rndatl 
'weinen';  roh^  'aufsteigen  machen'  (roha-  'hinausstehend', 
m. 'Erhebung'):  röhati  'ersteigen';  t'ars'^ 'regnen  lassen,  be- 
regnen' {varsä-  m.  n.  'Kegen'):  vdrsati  'es  regoet';  t'äs°  'auf- 
halten, beherbergen'  {väsd-  m.  'Aufenthalt,  Übernachten'): 
väsati  'bleiben,  übernachten';  väs^  'hüllen,  bekleiden'  {väsa- 
m.,  väsas  n.  'Kleid'):  vdste  'sich  hüllen  in  etwas';  vep^ 
'zittern  machen'  {vepa-  'bebend',  m.  'das  Beben'):  v4pate 
'zittern';  ves'^  'eingehen  heißen,  sitzen  machen'  [vesd-  m. 
'Nachbar'):  visdti  'sich  niederlassen';  vijath'^  'schwanken 
machen'  {vyatJiä  f.  'Unruhe'):  vydthate  'schwanken';  säm^. 
He  'beruhigen,  bezwingen'  {sdma-  m.  'ßuhe'):  sdmyati  'ruhig 
werden';  soc^  'anzünden'  {söka-  m.  'Flamme'):  söcate 
'flammen';  sräv'^  'mitteilen'  (srava-  'tönend',  m.  'Ohr,  Hören', 
srdvas  n. 'Getön'):  srnöti  'hören'  (S.  532);  säd^  'setzen' 
{sädd-  m.  'Sitz'):  sidati  'sitzen';  sädh^  'gerade  machen,  leiten' 
{sddha-  m.  'Ausführung',  sddhas  n.  'Richtigstellung'):  sd- 
dhyati  'geradeaus  zum  Ziel  kommen';  sneJi^  'besalben,  ge- 
schmeidig machen'  {sneha-  m.  n.  'Fett,  Öl'):  snehati  'ge- 
schmeidig werden';  srqs^  (AV.)  'ablösen'  {srqsa-  m. 'Bruch'): 
srqsate  'abfallen';  sväp^  'einschläfern'  {simpa-  m.  'Schlaf'): 
svdpiti  'schlafen'. 

b)  Klassisch  sind  u.  a.  55  Beispiele: 
palyar\gayate  'herumgehen  lassen,  umrühren'  (d^ga-  n. 
'Glied'):  d\\gati  'gehen';  pratyäy^  *jem.  von  der  Wahrheit 
einer  Sache  überzeugen'  {äyd-  m.  'Anlauf'):  prafyeti  'an- 
erkennen'; kras^  'mager machen'  (Ä:rasf^as- 'magerer',  S.  502): 
kfsyati  'abmagern';  ksarn^  'um  Verzeihmig  bitten'  {ksamä 
f.  'Nachsicht,  Geduld'):  ksdmate  'sich  gedulden,  nachsehen'; 
cest^  'in  Bewegung  setzen'  {cSsta-  m.  'Bewegung',  cestä 
f.  'Handlung'):  cHtati  'zappeln';  nand°  'erfreuen'  {nanda- 
m.  'Freude'):  ndndati  'sich  freuen';  nart^  'tanzen  lassen' 
{nartd-  m.  'Tanz',  adj.  'tanzend'):  nftyati  'tanzen';  näy^ 
'herbeiführen  lassen'  {näyd-  m.  'Führer,  Führung'):  ndyati 
'führen';  nirved^  'zur  Verzweiflung  bringen'  {nirvedd-  m. 
'Ekel, Verzweiflung') :  nirvidyate'yerz\veiie[n'\päv^'rem\gen 
{pava-  m.  pavd  f.  'Reinigung'):  pundti  'reinigen'  (S.  531); 


Die  Denominativverba  im  AUindischen.  523 

bandh^  'binden  lassen'  {bandhd-  m.  'Band'):  hadhnäti 
'binden';  bhäv^  'fördern'  {bhävd-  m.  'Zuneigung'):  hhävati 
'sein';  bhäs^  'leuchten  machen,  beleuchten'  (bhäs-  f.,  bhäsa- 
m. 'Glanz'):  bhäsati  'leuchten';  bhrqs^  'abAverfen'  [bhi'qsa- 
ra. 'Fall'):  bhrqsate  'entfallen';  bhräj^  'strahlen  machen* 
{bhräj-  f. 'Glanz'):  bhräjate  'strahlen';  bhräm^  'umh ertreib en' 
{bhrämd-  m.  'Umhertreiben'):  bhrdmati  'umherirren';  mär^ 
'töten'  (mära-  m. 'Tod'):  mdrati  'sterben';  mod^  'erfreuen' 
[moda-  m.  'Freude'):  modate  'sich  freuen';  rnoli^  'irre 
machen'  [moha-  m.  'Irresein'):  mohyati  'irre  werden';  äyäs^ 
'jem.  anstrengen'  {äyäsä-  m.  'Anstrengung'):  ydsati,  yäsyati 
'sprudeln,  sich  abmühen';  räv^  'brüllen  lassen'  (räva-  m. 
'Gebrüll'):  rauti^  ruvdti  'brüllen';  ros^  'jem-  erzürnen'  {rosa- 
m.'Zorn'):  rösati  {rusdnt-)^  rüsyati  'zürnen';  larnb^  'herab- 
hängen lassen'  {lamba-  'herabhängend'):  Idmbate  'herab- 
hängen'; läp^  'zum  Reden  veranlassen'  [läpa-  m.  'Reden'): 
Idpati  'schwätzen';  lekJi^  'ritzen  lassen'  {lekha-  m.  'Schreiben', 
lekhä  f. 'Strich'):  likhdti  'ritzen';  loth^  'wälzen' (^o^Aa- m. 
'das  Wälzen'):  luthdti  'sich  wälzen';  lobli^  'in  Unordnung 
bringen,  locken'  {loblia-  m.  'Gier'):  lubhdti,  lübhyati  'be- 
gehren'; lol°  'in  Bewegung  setzen'  {lola-  'unruhig'):  lölati 
'sich  hin-  und  herbewegen';  väd^  'sagen  lassen'  {väda-  m. 
'Aussprache'):  vddati  'sprechen';  väp^  'scheren  lassen'  [vapa- 
m.  'das  Scheren'):  vdpati  'scheren';  visrambh^  'jem.  Ver- 
trauen einflößen'  (visrambha-  m.  'Vertrauen'):  visrdmbhate 
'vertrauen';  vej^  'schnellen,  aufregen'  {vega-  m.  'schnellende 
Bewegung'):  vijdte,  vindkti  'emporschießen';  säy^  'hin- 
legen' {^säya-  'liegend,  schlafend'):  sete  'liegen';  sar]k^  'be- 
sorgt machen'  {sar{kä  f. 'Furcht'):  sdr]kate  'besorgt  sein'; 
siks°  'lehren'  {siksä  f.  'Kenntnis'):  siksati  'versuchen',  med. 
'lernen';  sräm^  'müde  machen'  {srdma-  m.  'Ermüdung'): 
srdmyati  'müde  werden';  sqsinj^  'klingend  zusammen- 
stoßen' {sinjä  f.  'Geklingel') :  sir[kte  'klirren';  sarp°  'schleichen 
machen'(srtr^a-'schleichend',m.'Schlange'):sar^a^f  schleichen'; 
sär^  'laufen  machen'  {sära-  m.  'Lauf,  Gang'):  sdrati  'fließen'; 
säh^  'bewältigen  lassen'  {^säha-  'überwältigend'):  sdhati 
'bewältigen';  skand^  'vergießen'  {skanda-  m.  'das  Verschüttet- 
sein'): skdndati  'herausfallen';  sphot^  'sprengen'  {sphota- 
m. 'das  Bersten') :  sphötati,  sphutdti  'platzen';  sniär^  'jem. 
erinnern'  {smära-  m.  'Erinnerung'):  smdrati  'sich  erinnern'; 


Ö24  L.  Sütterlin, 

sräyo  'in  Fluß  setzen'  {sräva-  m.  'Fluß'):  srävati  'fließen'; 
svar^   'einen   Ton   erzeugen'   {svära-   m.  '8chair):   svdrati 
'tönen';  hars'^  'erfreuen'  {Jiarsa-  m.  'Freude'):  härsati  'sich 
freuen';  här'^  'tragen  lassen'  (Jiära-  m.  'Wegnahme,  Raub') 
härati   'fragen';    häv^   'opfern   lassen'    {häva-   m.    'Opfer') 
juhöti  'opfern';  häs^  'zum  Lachen  bringen'  (/msa-m. 'Lachen') 
hdsati  'lachen';  hukär^  'seineu  Zorn  auslassen  (jem.  brummen 
machen)'    {hukära-    m.  'Gebrüll'):    hukaröti    'brummen'; 
hräd^  'tönen  lassen'  {hräda-  m. 'Getön'):  hrddate  'tönen'; 
hräs^  'mindern'  {hräsa-  m.  'Abnahme'):  hrdsati  'abnehmen'; 
hres^  'zum  Wiehern  bringen'  (hresä  f.  'Gewieher'):  hresate 
'wiehern';  hläd^  'erfrischen'  [hläda-  m.  'Erfrischung'):  hld- 
dati  'sich  abkühlen'. 

c)  Später  belegt  sind  dagegen  z.  B.  folgende  16  Fälle: 
ay^  'kommen  lassen'  (aya-  m.  'Gang'):  4ti  'gehen';  dhvän^ 
'tönen  lassen'  {dhväna-  m.,  dhvani-  m.  'Ton'):  dhvdnati 
'tönen';  bhiks°  'jem.  zum  Bettler  machen'  (hhiksii-  m.  'Bettler', 
bhiksd  f. 'Betteln') :  bhiksate '"bitten;  mül^  'pflanzen'  {müla- 
m.  n. 'Wurzel') :  mülati  'feststehen';  lajj^  'jem.  sich  schämen 
machen'  {lajjä  f.  'Scham'):  lajjdte  'sich  schämen';  säd'^ 
*{Vieh)freiben'  {säda-  m.  'das  Abfallen'):  sasdda  'ist gefallen'; 
sväs°  'jem.  schweren  Atem  machen'  {sväsd-  m.  'Geschnauf'): 
svdsiti  'atmen';  säv^  'keltern  lassen'  {savä-  m. 'Kelterung'): 
sunöti  'keltern'  (S.  532);  skhal-  'stocken  machen,  zurück- 
halten' [skhala-  m. 'Straucheln') :  skhdlati  'taumeln';  stäv° 
'loben  lassen'  {stäva-  m.  'Lob'):  stduti  'loben' ;  spand°  'zucken 
machen'  {spanda-  m.  'Zucken'):  spdndate  'zucken';  sniäy^ 
'lächeln  machen'  {smäya-  m. 'Lächeln'):  smdyate  'lächeln'; 
sijand^  'fließen  lassen'  {syanda-  m.  'das  Fließen'):  sydndate 
'fließen';  svän^  'tönen machen'  {svänd-  m.  'Schall'):  svdnati 
'tönen';  sved^  'schwitzen  lassen'  {sv6da-  m. 'Schweiß'):  sve- 
dati  'schwitzen';  Jiikk'^  'Schluchzen  bewirken'  {hikkä  f. 
'Schluchzen'):  hikkati  'schluchzen';  hväl^  'erschüttern'  {hvalä 
f. 'Irresein') :  hvdliti  'schief  gehen'. 

3.  Die  Doppelsinnigen. 

Oft  ist  das  Verhältnis  zwischen  erweitertem  und  uner- 
weitertem Verb  aber  auch  verwickelter,  indem  die  intensive  und 
die  faktitive  Beziehung  ineinander  übergreifen.  Aber  auch  diese 
Erscheinungen  erklären  sich  leicht  durch  die  Voraussetzung  eines 


Die  Denominativverba  im  Altindischen.  525 

nominalen  Grundworts,  wenn  auch  andere  Vorgänge,  z.  B.  syn- 
taktische Übertragungen,  nicht  ausgeschlossen  sein  werden. 

Im  großen  ganzen  heben  sich  aus  dem  gesamten  Stoff 
zwei  Gruppen  ab,  je  nachdem  die  Doppelheit  der  Bedeutung 
erst  bei  der  Weiterbildung  entwickelt  ist  oder  schon  bei  dem 
gnmdlegenden  Verbum.  Wir  haben  doppeldeutige  Ableitungen, 
und  Ableitungen  neben  doppeldeutigen  Grundverben  zu  unter- 
scheiden. 

I.  Die  doppeldeutigen  Ableitungen. 

Yedisch  sind  u.  a.  diese  8  Fälle: 

ksep°  1. 'werfen  lassen',  2. 'platzen  machen':  ksipdti,  ksi- 
pyati  'schleudern'  {ks4pa-  m.  'Wurf,  Sp.);  pät^  1.  'fliegen 
lassen',  2. 'fliegen':  ^a^a<« 'fliegen'  {päta-  m. 'Flug');  mars^ 
1.  'bewirken,  daß  einer  etw.  vergißt';  2.  'nachsehen,  verzeihen': 
mdrsati,  mfsyati  'vergessen,  nachsehen'  [marsa-  m.  'ge- 
duldiges Ertragen');  yäj^  1.  'einen  opfern  heißen';  2.  'als 
Opferpriester  tätig  sein':  ydjati  'opfern'  {yäja-  m.  'Opfer'); 
roc^  1. 'scheinen  =,  leuchten  lassen';  2. 'beleuchten' :  röcate 
'leuchten'  {rokd-  m.  'Licht');  rop°  1.  'Reißen  verursachen'; 
2. 'abbrechen' :  rüpyati  'Reißen  haben'  (also  eigentlich  die 
passivische  Beziehung  zu  dem  in  Rede  stehenden  Begriff; 
röpi-  f.  'reißender  Schmerz');  väc°  1.  'zu  sagen  veranlassen'; 
2. 'sagen':  {vi)vdkti  'sprechen'  {väc-  fS'pvsiche');  säp°  1. 'be- 
schwören lassen';  2.  'beschwören'  (incantare);  'beschwören, 
anflehen':  sdpat%  sdpyati  'verfluchen',  med. 'geloben'  {säpa- 
m.  'Fluch'). 

Klassisch  sind  u.  a.  folgende  8  Fälle: 
päc^  1.  'einem  befehlen  zu  kochen';  2.  '(eine  Speise)  kochen 
lassen' :  pdcati  'etw.  kochen'  [päkd-  m..,pacä  f.  'das  Kochen'); 
lambh°  1.  'bewirken,  daß  jem.  etw.  bekommt';  2.  'bekommen': 
Idhhate  'bekommen,  fassen'  [lamhha-  m.  'das  Finden');  läs^ 
1.  'tanzen  lassen';  2.  'tanzen':  Idsati  'sich  vergnügen,  spielen' 
{läsa-  m.  'Sprung');  väh^  1.  'führen  heißen';  2.  'fahren  heißen': 
vdhati  'führen,  fahren'  {väha-  m.  'Zugtier');  ved^  1.  'mit- 
teilen'; 2.  'wissen':  veda  'wissen'  {veda-  m.  'Wissen');  sqs^ 
1.  'aufsagen  lassen';  2.  'ankündigen':  sqsafi  'hersagen' 
{sqsa-  m.  'Spruch,  An  wünschung');  slägh^  1.  'zureden'; 
2. 'rühmen':  släghate  'Zuversicht  haben,  rühmen'  {släghd 
'Ruhm,  Preis') ;  sparst  1. 'betrüben';  2. 'einen  Eindruck  emp- 
finden, fühlen':   sprsdti  'berühren,  streicheln'  {sparsa-  m. 


526  L.  Sütterlin, 

'Berührung');  äsles^  1. 'befestigen';  2. 'umfangen' :  äslisyati 
'umfangen'  [slesa-  m.  'das  Anhaften';  vgl.  S.  526  unten). 

c)  Jünger  sind  z.  B.  : 
lekh^  1.  'ritzen  lassen';   2.  'ritzen':   likhdti  'ritzen'  [lekha- 
m.  'das  Schreiben',  lekhä  f.  'Strich');  leh^  1.  'lecken  lassen'; 
2.  'als  Latwerge  gebrauchen' :   lihdti  'lecken'  [lehä-  m.  'das 
Lecken ;  Leckmittel'). 

II.  Die  Ableitungen  neben  doppeldeutigem  Grundverb. 

Vedisch  sind  wieder: 
jar^  'aufreiben':  järati  1.  'alt  werden';  2.  'alt  machen'  {jdra- 
m.  'Abnutzung',  jarä  f.  'Alter');   ätän^  'anspannen':   tanöti 

1.  'sich  ausdehnen';  2.  'ausdehnen'  {täna-  m.  'Ausdehnung'); 
tär'^  (AV.)  'hinüberführen':  tirdti  1. 'überschiffen';  2. 'hin- 
überbringen' (tära-  m. 'Abstieg  zum  Wasser,  Ufer');  pos^  'auf- 
ziehen': pösatij  piisyati  1.  'gedeihen';  2.  'gedeihen  machen' 
{pösa-  m. 'das  Gedeihen');  hhäj^  'genießen  lassen' :  bhäjati, 
^te  1. 'genießen';  2. 'austeilen'  (bhäga-  m. 'Anteil');  rädh^ 
(AV.)  'zustande  bringen':  rddhati  'zustande  bringen',  rd- 
dhyati,(>te'gemten'  {rädha-  m.,  rädhas  n.'Wohltat');  srath^ 
'locker  machen':   srdthati,   srathnäti   1.  'locker  werden'; 

2.  'schlaff,  wehrlos  machen'  (sratha-  m.  'Lockerung');  sädh° 
'gerade  machen,  richtig  leiten':  sddhyati  1.  'gerade  zum  Ziel 
kommen';  2.  'gerade  lenken'  {sddha-  m.  'Ausführung',  sddhas 
n.  'Richtigstellung'). 

Klassisch  sind  erst: 

dhvqs^  'streuen,  fällen':  dhvqsati  1. 'zerfallen';  2. 'be- 
streuen' [dhvqsa-  m.  'das  Fallen');  scot°  'ti'äufeln  lassen': 
scötati  1.  'träufeln'  (intr.);  2.  'träufeln',  trans.  (scota-  m.  'das 
Träufeln');  sles°  'zusammenfügen':  slisyati  1.  'sich  zu- 
sammenfügen, anhängen';  2.  'zusammenfügen'  {slesa-  m. 'das 
Anhaften'). 

Es  gibt  aber  hie  und  da  auch  noch  verwickeitere  Fälle. 
Einmal  trifft  die  Bedeutungsspaltung  Ableitung  und  Grundverb 
gleichmäßig,  ein  anderes  Mal  steht  der  einfachen  Bedeutung  der 
Ableitung  eine  Droiheit  des  Sinnes  bei  dem  Grundwort  gegen- 
über. Es  sind  das  die  beiden  vedi sehen  Fälle: 

ran^  1.  'ergötzen';  2.  'sich  gütlicli  tun':  rdnatij  rdnyati 
1.  'ergötzen';  2.  'sich  gütlicli  tun'  {rdna-  m.  'Behagen,  Lust'); 
randh^  'in  die  Gewalt  geben':  rddhyati  1.  'in  die  Gewalt 


Die  Denominatiwerba  im  Altindischen.  527 

kommen';  2.  'iu  die  Gewalt  geben';  3.  'in  seine  eigene  Gewalt 
bringen'  [randhd-  m.  'Unterwerfung'). 

B.  Die  Deverbativa. 

Bei  vielen  Formen  auf  -ayati  ist  aber  kein  nominales 
Grundwort  nachzuweisen.  Das  kann  Zufall  sein,  zumal  da  einige 
dieser  Bildungen  ganz  so  aussehen,  als  wären  sie  von  einem 
solchen  Nomen  ausgegangen.  Dennoch  wollen  wir  mit  der  Mög- 
lichkeit dieser  Grundwörter  gar  nicht  rechneu,  und  alle  hierhin- 
gehörigen Formen  einfach  als  Yerbalableitungen  auffassen.  Daß 
a«/a^i-Formen  unmittelbar  von  dem  Gruudverbmn  ausgegangen 
seien,  versuchen  wir  nicht  im  mindesten  zu  bestreiten,  im  Gegen- 
teil; wir  wollen  nur  auf  die  Doppelheit  der  vorliegenden  ver- 
wandtschaftlichen Beziehungen  hinweisen  und  die  eine,  die  de- 
verbative,  Klasse  aus  der  andern  erklären,  —  oder  umgekehrt! 
Jedenfalls  kann  aus  der  Schilderung  des  einfachen  Tatbestandes 
auch  der  Anhänger  der  entgegengesetzten  Anschauung  Nutzen 
ziehen. 

Die  Bedeutung  dieser  deverbativen  Ableitungen  ist  auch 
wieder  doppelter  Art;  die  lutensiva  sind  ebenso  reichlich  ver- 
treten wie  die  Faktitiva,  und  zwar  gilt  das  von  allen  Zeiten  der 
indischen  Sprachgeschichte.  Das  mögen  die  folgenden  reich- 
licheren Beispiele  zeigen. 

I.    Deverbative  Intensiva. 

a)  Yedisch  sind  u.  a. 

dhär-ayati  "tragen':  dhdrati  'dass.';  j)ür^  'füllen':  piparti^ 
pfnd^i  Mass.';  nibarh^  'niederschleudern':  brhdti  'reißen'; 
mrn°  'zermalmen':  mrndti  'dass.';  yät^  'anfügen':  ydtati 
'einschließen';  yäv°  'trennen,  fernhalten':  yuyöti  'dass.'; 
yop*^  'verwischen':  yüpyati  'dass.';  snatJi^  'durchbohren': 
sndthati  dass.';  svanc^  'sich  öffnen':  svdncate  'sich  auf- 
tun, in  die  Arme  aufnehmen';  sild^  'richtig  leiten':  sudate, 
susüdati  'dass.';  stan^  'donnern':  stdnati  'dass.';  sphürj^ 
'brummen':  sphürjati  'dass.';  svad^  'zälunen':  svddati  'zu- 
rechtbringen, zähmen'. 

b)  Klassisch  sind  ebenso  u.  a. : 

tol'^  'wägen':  tul^  'dass.';  präv^  'reichen  bis':  prdvate  'auf- 
springen'; anu-mars^  'betasten':  m?'sa^^■ 'berühren';  mars^ 
'erdulden':  mdrsati^  °te,  mfsyati,  °te  'vergessen,  geduldig  er- 


528  L.  Sütterlin, 

tragen' (S. 525);  meksP  'umrühren':  »««mzl-saii 'mischen';  woc^, 
oie'loslassen':mM(w)ca^^'dass.';  mraÄ:so(»n?'Ä:so) 'bestreichen': 
nirdksati,  mrksäti  'striegeln,  reiben';  rambh^  'anfassen': 
rähhate  'fassen';  lunth^  'rauben,  plündern':  lüntliati  'auf- 
rühren, verwirren';  lok^  'schauen':  lökate  'erblicken';  loc^ 
'in  Erwägung  ziehen':  löcate  'betrachten';  lod°  'verwirren': 
lödati  'rühren';  vanc°  'ausweichen,  betrügen':  vdncati 
'wanken,  schief  gehen';  varj'^  'beseitigen,  vermeiden' :  värjati 
'drehen,  ablenken';  vand^  'jem.  Ehre  erweisen':  vändate 
'dass.';  vfj°  'befächeln,  besprengen':  vijate  'dass.';  sundh^ 
'reinigen':  siindhati  'dass.';  sthag^  'verhüllen':  sthdgati 
'dass.'. 

c)  Noch  jünger  sind  u.  a. : 
pär^  'füllen':  piparti,  prnäti  'dass.';  hliarj'^  'rösten':  bhrj- 
jäti  (bhdrjate)  'dass.';  mim^  'blöken':  mmä^^'dass.';  ^jra^i- 
mot°  'den  Garaus  machen':  mötati  'dass.';  yäv^  'anziehen, 
verbinden':  yduti,  yunöti  'dass.';  raf^  'schallen':  rdfati 
'brüllen,  heulen';  rec^  'verlassen,  leer  machen':  rindkti  'ver- 
lassen'; väy'^  'befruchten':  veti  'verlangend  aufsuchen,  appe- 
tere';  praväh^  'drängen':  pravdhate  'drängen,  drücken'. 

II.  Deverbative  Faktitive. 

a)  Yedisch  sind: 

iV[kh^  'schwankend  bewegen':  ix\khati  'schwanken,  zittern'; 
düs^  'verderben,  vernichten' :  dnsyati  'verderben,  untergehen'; 
näm°  'beugen':  ndniati  'sich  beugen'  (nur  mit  ndnias-  u. 
'Verehrung');  pan^  'bewundern,  loben':  pdnate  'bewunderns- 
wert sein';  päd^  i-^^-)  'zu  Fall  bringen':  pddyate  'zu  FaU 
kommen';  päy^  'tränken':  päti  'trinken';  meh^  'seichen 
lassen':  w^/ia^f 'seichen';  res°  'versehren':  resati,  risyati 
'Schaden  leiden';  vän^  (AV.) 'geneigt  machen' :  vdnati  'lieben' 
(nur  mit  vdnas-  n.  'Verlangen';  vgl.  S.  Ö32);vart^  'drehen': 
värtate  'sich  drehen';  apivät^  'verstehen  machen':  apivdtati 
'verstehen';  väs^  'blöken  machen':  vdsyati  'blöken';  srev^ 
'vereiteln':  srivyati  'mißraten';  prahar^  'Verlangen  erregen': 
hdri/ati  'begehren';  häs^  'wettlaufen  lassen':  Äasa^e 'Wett- 
laufen'. 

b)  Klassisch  sind  z.  B. : 

äp°  'erreichen  lassen':  äpnöti,  dpati 'erreichen';  A-rf(^o  'spielen 
heißen':    kridati  'spielen';   7iäv^  (TS)  'beseitigen':   ndvate 


Die  Denominativverba  im  Altindischen.  529 

*gehen';   pläv^   'schwimmen   lassen':   pldvate    'schwimmen' 
(S.  531);  bhäy°  'einschüchtern':  hhdyate  'sich  fürchten'  (nur 
mit  hhayä-  n.  'Furcht');   majj^   'versenken':    mäjjati  'ver- 
sinken';   mürch^   'gerinnen  machen':   mürchati  'gerinnen' 
yäc^  'werben  lassen' :  ydcati  'betteln';  rö;«  'glänzend  machen' 
rdjati  'glänzen';  läl^  'liebkosen,  hätscheln':  Idlati  'tändeln' 
vräj^  'treiben':  ^^raja^f/ 'schreiten';  saj^'o  (sawjo) 'anheften' 
sdjati   'hängen    bleiben';    ava-säy^   'anhalten  lassen':    ava- 
sydti  'abspannen  (die  Zugtiere)';   hürch^  'zu  Fall  bringen': 
hurchati  'fallen'. 

c)  Jünger  sind: 
proth^  'Gewalt  anwenden  (schnaufen  lassen)':  prdthati 
'schnauben';  rir\g'^  'kriechen  lassen' :  r^r|^rt^^ 'gehen';  väm° 
'ausspeien  lassen':  vdmiti^  vdmati  'ausspeien'  (nur  mit  vdmi- 
f. 'Erbrechen');  vdl^  'wälzen':  vdlate  'sich  winden'  (S.  531); 
ati-valgo  '(Feuer)  schüren':  vdlgati  'hüpfen,  sich  bewegen'; 
sedh^  'jemandes  Wissen  an  den  Tag  legen':  sidJiyati  'zum 
Ziel  kommen;  fruchten'. 

III.  Deverbative  Doppelsinnige. 

Die  ohne  Nomen  stehenden  doppelsinnigen  Bildungen  auf 
-ayati  sind  ziemlich  spärlich  vertreten  in  dem  mir  vorliegenden 
Sprachstoff. 

a)  Eine  doppeldeutige  Ableitung  stellt  dar: 

ved. :  späs^  1. 'bemerklich  machen';  2. 'sich  merken'  {anupäs'^ 

1.  med.  'zeigen';  2.  act.  'hinblicken' :  spdsati,  pdsyati  'sehen' 
(nur  spas-  m.  'Späher'); 

klass. :  lar\gh^  1. 'fasten  lassen';  2. 'überschreiten,  besteigen': 
ldr\ghati  'springen  auf,  überschreiten,  fasten'. 

b)  Ableitungen  neben  doppeldeutigen  Grundverben 
liegen  vor  in : 

a)  ved.:  äv^  'verzehren':  dvati  1. 'Freude  haben,  sich  sättigen 
an';  2. 'einem  wohltun,  ihn  sättigen'  (nur  «va- 'verlangend'); 
rej^  'erbeben  machen':  rejati  1.  med.  'hüpfen,  beben';  2.  act. 
'hüpfen  =,  beben  machen';  svad°  'schmackhaft  machen':  svd- 
dati  1.  'schmecken';  2.  'schmackhaft  machen'; 

b)  klass.:  prin^  'ergötzen':  prindti  1.  'seine  Freude  haben  an'; 

2,  'ergötzen';  mil°  '(die  Augen)  schließen':  müati  1.  'sich 
schließen';  2.  'schließen';  sphor°  'auseinanderziehen'  {sphur^ 
'erfüllen'):  sphurdti  'schnellen'  1.  intr.,  2,  trans. 

ludogermauische  Forschungen  XIX.  35 


580  L.  Sütterlin, 

C.  Der  Wurzelvokal  im  Nomen  und  in  den  beiden  Verbalbildungen. 

1.  Beachtenswert  ist,  daß  das  Nomen  mit  dem  Kausativ 
gewöhnlich  auch  in  der  Gestalt  der  Wurzel  Hand  in  Hand  geht, 
daß  es  also,  wo  die  beiden  Verbalformeu,  Grund verb  und  Kausativ, 
von  einander  abweichen,  sich  auf  die  Seite  des  Kausativs  stellt. 

Unter  den  oben  bei  den  130 — 140  Beispielen  berücksich- 
tigten «-i -Wurzeln  haben  Nomen  und  Kausativum  1.  e  gegenüber 
dem  i  des  Präsensstammes  bei  a)  ksep-^  mel-^  ves- ;  —  b)  hhed-^ 
lep-,  {ved-  u.)  nirved-^  vej-^  pes-^  ses-,  sles-,  .sec-;  —  c)  leh-,  also 
13  Eällen  (darunter  sicher  3  intensiv,  5  faktitiv);  2.  dagegen  durch- 
gängiges e  bei  a)  cet-^  med-^  vep-^  sneh-]  —  b)  cest-,  vest-,  sedh-, 
hres-\  —  c)  sved-^  hel-^  also  10  Fälle  (darunter  4  intensive  und 
6  faktitive);  3.  endlich  durchgängiges  «"nur  Wurzeln  mit  doppel- 
konsonantischem Auslaut  {cinf-^  sinj-^  hfs-^  hikk-j  bhiks-,  siks-^ 
6  Fälle);  4.  durchgehendes  i  hat  nur  pid-. 

Bei  den  ew- Wurzeln  ist  ebenso  1.  o  vorhanden  in  Nomen 
und  Kausativ  gegenüber  einem  präsentischen  u  in  den  Fällen 
a)  kop-,  tod-,  tos-,  rop- ;  —  b)  nod-,  yoj-,  yodh-,  rodh-,  loth-^  loth-, 
lop-,  sodh-,  also  11  mal  (sicher  5  mal  intensiv,  4  mal  faktitiv); 
2.  dagegen  überall  o  in  a)  bodh-,  roc-,  roh-,  soc-;  —  b)  kros-, 
pos-,  mod-,  moh-,  lol-,  scot-  (10  Fälle,  sicher  1  intensiv,  7  faktitiv); 
während  rod-,  ros-,  sobh-  u.  spJiof-  wechseln  (4  Wurzeln);  sehr 
selten  sind   3.  einförmiges  ü  (in  bhüs-  u.  mül-)  und  4.  u  {ruj-). 

Noch  auffälliger  sind  aber  die  Verhältnisse  in  den  Wurzeln, 
bei  denen  im  Indischen  ä  in  Betracht  kommt.  Gewöhnlich  steht 
1.  ä  im  Kausativ  und  im  Nomen  gegenüber  dem  ä  des  Grund- 
verbs, so  z.  B.  a)  in  kam-,  tän-,  pär-,  bhäj-,  vär-,  1  väs-,  2  väs-, 
säp-,  sväp-,  väc-;  b)  in  {hu-)kär-,  tär-  (u.  vistär-),  päc-,  bhäv- 
u.  prabhäv-,  mär-,  yäj-,  äyäs-,  räv-,  läp-,  las-,  väd-,  väp-,  väh-, 
sär-,  sah-,  sphär-,  {a)sphäl-,  smär-,  sräv-,  här-,  (häv-),  häs-,  hräs-; 
c)  bhät-,  sväs-,  smäy-,  zusammen  in  rund  30  Fällen  (darunter 
sicher  3  intensiv,  24  faktitiv);  dagegen  geht  2.  ä  durch  z.  B.  in 
a)  bädh-,  räj-,  rädh-,  säd-,  sädh-;  —  b)  märg-,  vänch-,  bhäs-, 
hhräj-,  slägh-,  hräd-,  hläd-  (auch  säs-),  mithin  in  gut  12  Bildungen; 
natürlich  geht  auch  3.  ä  durch  vor  Doppelkonsonanz,  so  in 
a)  randh-,  manth-,  vardh-,  vars-,  sqs-,  srqs-;  —  b)  arc-,  {mard-, 
mars-),  sardh-,  sarp-,  hars-,  dhvqs-,  bhrqs-,  visrambh-,  lamb-, 
sar]k-,  ar\g-,  nand-,  bandh-,  skand-,  auch  raks-;  —  c)  lajj-,  sqs-, 
spand-,  syand-,  lar\gh-,  zusannnen  wieder  in  gut  25  Fällen.    So 


Die  Denominativverba  im  Altindischen.  531 

nimmt  es  um  so  weniger  Wunder,  daß  neben  einem  ä  des  Grund- 
verbs Kausativ  und  Nomen  4,  auch  in  offener  Silbe  nur  ä  ent- 
halten, z.  B.  a)  in  Jar-,  math-,  mah-^  ran-,  vyath-,  srath- ;  —  b)  in 
ras-,  svar-,  skhal-,  hsam-  (9  Fälle,  darunter  4  intensiv  u.  2  sicher 
faktitiv). 

2.  Diese  Übereinstimmung  zwischen  Nomen  und  Kausativ 
erstreckt  sich  aber  auch  noch  weiter,  nämlich  auf  die  Schwan- 
kungen der  Form,  die  beide  Gebilde  aufweisen.  Wie  svänd- 
*Ton'  neben  svand-  liegt,  päta-  'Flug'  neben  pata-,  so  wechseln 
auch  svän°  u.  svan^,  pät^  u.  pat^,  und  ebenso  steht  es  bei  der 
Wui'zel  mäd-.  Doch  findet  sich  diese  Doppel heit  des  a  am  aus- 
gesprochensten vor  den  Sonorlauten  m,  w,  r,  l,  y  u.  y,  und  sie 
ist  da  so  lebendig  gewesen,  daß  sie  vor  Z,  im,  w,  r  von  den  Gram- 
matikern auch  da  anerkannt  und  augesetzt  worden  ist,  wo  über- 
haupt kein  Nomen  mehr  nachzuweisen  ist.    So  haben  wir 

1.  vor  m :  bhräm^  {bJiräma-),  räm9  {räjna-),  yäm^  {yäma-), 
säm^  (säma-),  sräm'^  {srama-)\  ferner  väm^  {vami-  f.)  und  näm^ 
'beugen'  {ndmas-  n.) 

2.  vor  n:  dhvän^  {dhväna-  und  dhvani-),  svän°  {sväna-), 
aber  ätän^  {täna-)  einerseits  und  jjan^  andererseits. 

3.  vor  l:  hväl^  (hvalä),  shhal^  {skJiala-  m.),  m/o,  läl^,  aber 
äsphäl^  (sphäla-). 

4.  vor  r:  sär°  [sära-\  aber  nur  smär^  (trotz  smära-)  imd 
här°  (neben  hära-  m.  und  hara-  adj.),  uud  nur  siiar^  (trotz 
svära-,  wegen  svaritä-). 

5.  vor  y  haben  wir  äy°  {äya-  m.  'Gang'),  cäy°  {caya-  'Auf- 
wurf, cinöti  'schichten'),  sonst  aber  nur  a)  1  ksay^  'wohnen 
machen',  2  ksay^  'vernichten',  mim^\  oder  nur  b)  uddäyita- 
{?;  ddyate,  diyate  'fliegen  ),  abhi-näy^  'herbeiführen'  {näyd-  m. 
'Führer,  Führimg'),  1  päy  'ti-änken\  2 päy^  (von päyati  'ausdörren'), 
'prapycuß  'kräftigen'  {pdyate  'sti-otzen,  -machen'),  hhäy°  {bhayd- 
n.  'Furcht',  bhdyate),  viläy^  'schmelzen'  {viliyate\  1  väy^  (vdyati 
'weben'),  vyäy'^  {vydyate  'sich  einhüllen'),  2  väy^  {veti  'verlangend 
aufsuchen'),  1  säy^  'hinlegen'  {^säya-  'liegend',  sSte)  und  2  säy*^ 
[sisäti  'wetzen'),  ava-säy^  {^sydti),  smäy^  {smäya-  m.  'Lächeln', 
smdyate). 

6.  vor  V  haben  wir  nur  doppeiförmiges  stäv^  {stäva-,  zu 
stduti  'loben'),  yäv^  (neben  yavd-  'fernhaltend',  yuyöti)  und  päv^ 
{pava-  m.,  pam  zu  pundti),  aber  sonst  nur  ä:  äv^  (daneben  nur 
dva-  'liebend',  von  dvati\  näv^  (ndvate),  präv^   {prdvate\  pläiP 

35* 


532  L.  Sütterlin, 

[pldvate)^  i/äv^  [yäuti,  yunöti\  räv^  {räva-  m.,  rauti^  riivdti  'brüllen'), 
läv^  [läva-  'schneidend',  von  lunäti\  sräv^  {sräva-  'tönend',  m. 
'Ohr',  srnöti  'hören'),  {ahJii  +)  säv^  {savd-  m.  'Kelteriing'',  sävä- 
m.  'Somaspende',  sunöti  'keltern'),  sräv°  {sräva-  m.,  srdvati}^  endlich 
sphäv°  'mästen'  (neben  sphäyate  'feist  werden'). 

3.  Was  verschiedentlich  zur  Unterscheidung  der  Doppel- 
formen augegeben  worden  ist,  trifft  alles  nicht  so  recht  zu.  Daß 
z.  B.  die  Komposita  die  eine  Vokaldauer  hätten,  die  Simplizia 
die  andere,  widerspricht  sich  anscheinend,  wenigstens,  wenn 
man  auch  die  Kausativformen  auf  -äpayati  mitheranzieht;  denn 
dann  verlaugten  die  Komposita  einerseits  die  Formen  vän^  und 
väm^^  anderseits  gläp^  und  snäp^.  Auch  der  Unterschied,  der 
einmal  für  stnv^  überliefert  wird  (Bhag.  P),  daß  nämlich  stav'^ 
'loben'  heiße,  stäv^  dagegen  'loben  lassen',  trifft  bei  den  andern 
Beispielen  nicht  so  zu,  z.  B.  nicht  bei  yäv^,  die  beide,  schon 
im  Rigveda,  'fernhalten'  heißen,  und  auch  nicht  bei  päf^,  da 
p>ät^  'fliegen'  und  'fliegen  lassen'  bedeutet,  geradeso  wie  paf^ 
bald  'fliegen'  heißt,  bald  'in  die  Flucht  treiben'.  Zwar  liest 
man  im  RV.  jja^o  und  im  AV.  pät°;  aber  das  ist  hier  vielleicht 
nur  Zufall,  und  gilt  jedenfalls  nicht  füi'  die  andern  Verba,  z.  B. 
nicht  bei  gläp°,  wo  RV.  und  AV.  zusammen  avagläp^  haben, 
gegenüber  amglap^  im  Pada  und  einfachem  glap^  im  Dhat.  Nicht 
einmal  die  wirklichen  Faktitiva  des  Rigveda  haben  durchweg 
die  Länge:  es  heißt  srav^  neben  sräv^  in  Simplex  und  Kom- 
positum, sodann  unmadita-  neben  mädayaU.  Im  AV.  steht  so- 
dann z.  B.  sam°  und  vyath^,  im  Ait.  Br.  madayq  cakära.  jar^, 
das  im  Rigveda  'aufreiben'  heißt,  ist  kein  Zeugnis  in  dieser 
Frage,  weil  das  Grundverb  Doppelbedeutung  hat,  auch  'alt  machen' 
heißt,  nicht  nur  'altern'.  Delbrücks  vorsichtige  erste  Fassung 
des  Vokalverhältnisses  (Altind.  V.  S.  211)  entsprach  also  den 
Tatsachen  genauer  als  seine  spätere,  auf  Whitney  gegründete 
Ansicht  (IF.  4,  133).  Angesichts  alles  dessen  haben  die  indischen 
Grammatiker  doch  nicht  so  ganz  Unrecht  gehabt,  wenn  sie  jeder 
hierherfallenden  Bildung  die  doppelte  Dauer  des  ä  zuteilten  und 
allgemein  ansetzten:  läl^  (während  nur  läl'^  belegt  ist),  hmäP 
usw.,  aber  auch  snäs^  {sndsyati}. 

Schließlich  darf  man  auch  eines  nicht  vergessen,  den  Ein- 
fluß des  uralten  und  sehr  beliebten  reduplizierten  Aorists 
mit  seinem  kurzen  oder  sogar  gekürzten  Wurzelvokal  (S.  538), 
also  Formen  wie  asisamat,  ariramt,  avivanat^  alilavat^  amlmavat^ 


Die  Denominativverba  im  Altindischen.  533 

ariravat,  apisphavat^  ßhvaratam  (neben  sqhväriia-),  atastarat^ 
aßhayat  {hinöti),  aßghrapat,  asisrnpat.  —  Merkwürdigerweise  ge- 
hören zu  den  Wurzeln  mit  durciigehendem  ä  in  offener  Silbe 
auch  jeweils  derartige  Bildungen,  nämlich  sisvadat  {svadayati), 
Msnathat,  sisrathat  (alle  im  RV.),  freilich  auch  apaspasat  zu  päs° 
{im  RV.  und  AY.),  abihhanat  zu  hhäfiP  (spät)i). 

D.   Der  Ausgang  -{a)payati. 

I. 

Die  Bildungen  auf  -{ä)payati  zerfallen  nach  ihrem  Ur- 
sprung auch  wieder  in  die  beiden  wichtigen,  aber  hier  noch 
mehr  wie  sonst  in  einander  überfließenden  Klassen  der  Dever- 
bativen  (oder  eigentlichen  Kausativa)  und  der  Denominativen. 

a)  Die  Yerbalableitungen. 

Die  erste  und  bedeutendere  Gruppe,  die  Yerbalableitimgen, 
ist  jetzt  ziemlich  vollständig  gesammelt  in  der  dritten  Auflage 
der  Whitneyschen  Grammatik  (S.  380  §  1042  i— n)^).  Wie  die 
kürzeren  Formen  auf  -ayati^  so  sind  auch  die  hierhergehörigen 
Bildungen  nicht  durchweg  Faktitiva,  sondern  teilweise  auch 
einfache  Intensive.  Wir  suchen  sie  daraufhin  in  2 — 3  Abteilungen 
zu  scheiden. 

1.   Die  Intensiva. 

Die  Intensiva  finden   sich,  wenn   auch   spärlich,   so   doch 

gleichmäßig  auf  alle  Zeiten  verteilt. 

Yedisch  sind: 

hsäp^  (AY.)  Vernichten'  {ksinäti  Vernichten');  ucchräp^ 
(YS.)  'aufrichten'  {srdyati  'lehnen',  ucchr^  'in  die  Höhe 
richten');  häp^  {niiv  jihipo  AY.)  'versäumen,  vernachlässigen' 
{ja häti  'verlassen'). 

1)  Als  merkenswerte,  zu  eigentlichen  Denominativen  auf  -ayati 
gehörige  Formen  dieses  Aorists  treten  zu  den  von  Whitney  (Grammar'' 
S.  391)  erwähnten  ünaijTs  (RV.)  und  päj^atjista  (TS.)  noch  vereinzelte 
andere  (PW  1,  1019;  2,  713):  aunayit  und  kl.  aunanat  {auninat  Vop.),  ferner 
sp.  ajügamt  (von  gavayaii).  Beachtenswert  ist  auch  das  schon  oben 
(S.  502  Anm.)  erwähnte  udapupucchat. 

2)  Ich  vermisse  unter  den  hier  verzeichneten  Beispielen  nur  die 
von  Grammatikern  überlieferten  beiden  Formen  väpayati  (neben  väyayati) 
"befruchten'  (zu  veti  'verlangend  aufsuchen,  appetere')  und  vrepayati 
(neben  vrfndti,  vriyate),  während  mir  anderseits  zufällig  für  die  von 
Whitney  gegebenen  Ableitungen  von  da-  'teilen'  und  bJii-  'fürchten'  ein 
Beleg  mangelt.  Oder  sollte  im  PW.  5,  293  ein  Druckfehler  vorliegen? 


634  L.  Sütterlin, 

Klassisch  dagegen: 

dhmäp^  'blasen'  (c?/^waya«^ 'blasen');  pramäp^  Vernichten^ 

töten'  {mfnäti  'mindern,  aufheben'). 
Jünger  sind  noch: 

cäp°  'schichten'  {cinöti  'schichten');  väp^  'befruchten'  {viti 

'verlangend  aufsuchen'). 

2.  Die  Faktitiva. 
Ausgesprochen  faktitiv  sind  dagegen  folgende  zahlreicheren 
Formen : 

1.  Aus  den  Veden: 

sthäpo  'stillstehen  machen'  {tisthäti  'stehen");  nirväp^  'aus- 
löschen, stillen'  {nirväti  'wehen,  erlöschen');  snä2)°  'baden, 
waschen'  {snäti,  sndyati  'schwimmen,  sich  baden');  gläp^ 
'müde  machen,  erschöpfen'  [gläyati  'Unlust  empfinden'); 
>«/ä2)0(AY.)'welk  machen' (m^a?/a^/ 'welken');  dliäp^  'säugen* 
{dhäyati  'saugen');  Jä^o  'gewinnen lassen'  (ja^a^rgewinnen'): 
ksep^  'verweilen  machen'  {kseti  'weilen'). 

2,  Aus  der  guten  Literatur: 

däp^  'geben  lassen'  {dddäti  'geben');  dhäp^  'legen  heißen* 
{dddhäti  'legen');  kht/äp°  'bekanntmachen'  {khydte  'bekannt 
sein',  freilich  passiv);  dräp^  'zum  Laufen  bringen'  {dräti 
'laufen');  yäp^  'gehen  heißen'  {yäti  'gehen');  ghräp^  i^ji- 
^Ärez^a^)'jem.  etwas  riechen  lassen' (^/ira^i,J/^Ärd^e 'riechen; 
beriechen');  ^ä^o 'singen  lassen'  {gäyati  'singen');  udväpya 
(TBr.)  'ausgehenlassen'  {udväyati  'müde  werden') ;  vismäp^ 
'in  Erstaunen  setzen'  {smdyate  'lächeln');  adhyäp^  'lesen 
lassen,  untennchten'  {adhyeti  'begreifen');  sqhäp^  'sich  auf- 
richten machen'  {sqjUiite  'sich  aufrichten');  jnäp^  'unter- 
Aveisen'  {janäti  'kennen');  diksäp^  'weihen'  {diksate  'sich 
weihen');  unsicher  ist  praksäläp^  'abwaschen  lassen'  {ksäl° 
'abwaschen',  ksälati  'fließen'). 

8.  Noch  jünger  sind: 
jtväp^  'wieder  lebendig  machen'  {jivati  'leben');  ksmäp^ 
'erzittern  machen'  [ksmäyate  'zittern');  viläp^  'schmelzen' 
traus.  {vilinäti  'zergehen');  kridäp^  'spielen  heißen'  {krtdati 
'spielen');  vardhäp^  'abschneiden'  (=  vardhäyati)\  likhäp° 
'schreiben  lassen'  {likhdti  'ritzen');  hrep^  'beschämen  (;'«- 
Ar^^i 'sich  schämen');  ^wopo 'durchnässen'  [knüyate  'feucht 
sein');  rop^  'aufsteigen  machen'  {röhati  'ersteigen'). 


Die  Denominativverba  im  Altindischen.  535 

3.  Doppelsinnig 

ist  das  Verhältnis  bei  folgenden  3  Gebilden: 

ved.:  arpayati  'schleudern,  hineinstecken,  durchbohren':  iyarti 
1.  'sich  erheben';  2.  'bewegen,  aufregen'; 

kl.:  vardhäp^  'freudig  erregen' :  vdrdhati^  vrdhdti  1.  act. 'er- 
höhen'; 2.  med. 'wachsen';  mäp^  1.  'messen  lassen';  2.  'messen': 
mäti  'messen'. 

b)  Die  Nomiualableitungen. 

Sichere  Nominalableituugen  kommen  erst  in  ganz  später 
Zeit  vor,  und  zwar  hauptsächlich  als  Belege  der  Grammatiker; 
zugrunde  liegen  ihnen  sowohl  Substantive  wie  Adjektive.  Es 
sind  folgende  Bildungen: 

a)  Substautivableitungen: 
karmakäräp-ayate  'jem.  als  Knecht  arbeiten  lassen'  {kar- 
makära-  m.  'Knecht');  arthäp^  'wie  Geld  behandeln'  (artha- 
m.  n. 'Geld');   ksamäp^  'jem.  um  Verzeihung  bitten'  (ksamä 
f.  'Geduld,  Nachsicht'). 

b)  Adjektivableitungen: 

präp^  'priyamäcaste'  [zxxpriyd-  'lieb');  satyäp^  'satyamäcaste' 
(zu  satyä-  'wahr');  jydp^  'je™,  alt  sein  lassen;  berichten,  daß 
er  alt  sei'  (von  jya-^  dem  künstlichen  Positiv  zu  jyäyqs- 
älter,  jySstha-);  sräp^  (zu  sra-,  dem  Stamm  von  sreyqs- 
'schöner',  srestha-)]  sväp°  (zu  sva-). 

Aber  selbst  hier  ist  dieser  nominale  Ursprung  nicht  über 
alle  Zweifel  erhaben.  Schon  in  der  klassischen  Literatur  tritt 
vereinzelt  -äpayati  an  die  Seite  von  -ayati,  so  z.  B.  in  dem 
nominalen  sabd{äp)ayati  'jem.  herbeirufen,  nennen'  (von  säbda- 
m.  'Laut,  Schall'),  und  in  dem  gleichzeitig  von  Nomen  und  ein- 
fachem Verbum  begleiteten  diks{äpY  'weihen'  (neben  dtksate  'sich 
weihen'  u.  diksd  f.  'Weihe').  Später  werden  diese  Fälle  häufiger, 
und  es  wechseln  so 

a)  die  von  einem  Nomen  begleiteten 
vant-ayati  'teilen'  mit  vant-äpayati  (von  vanta-  m.  'Teil'; 
ved'^  'ankündigen,  fühlen'  mit  ved-äp^  {veda-  m.  'Verständnis'); 
sattr^  mit  satträp^  (von  sattrd-  n.  'große  Somafeier');  kath^ 
'hersagen'  mit  kathäp^  {kathä  f.  'Erzählung');  endlich  chi- 
drayati  'durchlöchern'  mit  chidräp^  (von  chidrd-  'durch- 
löchert') ; 


536  L.  Sütterlin, 

b)  das  zwischen  Nomeu  und  Y  erb  um  stehende 
jivatjati  u.  jfväp°  'wieder  lebendig  machen'  (neben  jivd- 
'iebeudig'  u.  jivati  'lebt');  und 

c)  einige  andere,  die  ohne  nominale  Verwandtschaft  auf- 
zutreten scheinen,  nämlich  vardhai/ati  u.  vardhäpmjati  'ab- 
schneiden', ferner  utkaläpayati  '1.  sich  bei  jem.  verabschieden, 
2.  seine  Frau  aus  dem  väterlichen  Hause  heimführen',  neben 
dem  utkalat/ati  steht  mit  der  Bedeutung  'losbinden,  lösen',  end- 
lich darsäp^  'zeigen'  u.  UkhäjP  'schreiben  lassen'  (von  Ukhdti 
'ritzen'),  neben  denen  die  älteren  regelrechten  faktitiven  dars^ 
u.  lekh^  überliefert  sind.  Das  unsichere  bhunjäp^  wäre  dagegen 
unmittelbar  von  Formen  wie  hJiunjmds  aus  gebildet. 

Nur  selten  scheint  diese  Doppelheit  der  Endung  zur  Be- 
deutungsunterscheidung benutzt  worden  zu  sein:  außer  in 
dem  eben  genannten  jmigen  :tiikal{äp)^  nur  noch  bei  der  Doppel- 
wurzel as-  'gewinnen,  erreichen'  u.  'essen';  denn  während  zu 
asnäti  'essen'  die  Form  äsayati  'speisen'  tritt,  bildet  der  Yer- 
fasser  eines  Sutras  schon  zu  asnöti  'erreichen'  ein  präsäpayati. 

II. 

a)  Dieser  Ausgang  -{a)pmjati  wird  bekanntlich  gemeinhin 
erklärt  durch  Herbeiziehung  eines  Wurzeldeterminativs  p^  so 
auch  von  Brugmann  (Gr.  H  1156  f.);  aber  damit  ist  die  Schwierig- 
keit nur  bei  Seite  geschoben,  nicht  entfernt.  Es  läßt  sich  in 
diesem  Falle  aber,  wie  mir  dünkt,  auch  ausnahmsweise  einmal 
etwas  weiter  kommen.  Mag  das  nur  dazu  dienen,  hier  das  über- 
lieferte Wurzeldeterminativ  zu  begreifen,  oder  mag  die  Erklärung 
auf  einen  von  diesem  Determinativ  ganz  abliegenden  Weg  leiten; 
das  ist  gleichgültig;  im  letzteren  Falle  tragen  wir  mindestens 
gerade  der  noch  jüngst  auch  von  so  verschiedenen  Theoretikern 
wie  Wundt  u.  Voßler  erhobenen  Forderung  Rechnung,  für  eine 
Erscheinung  nicht  bloß  einen,  sondern  w'omöglich  mehrere  An- 
fänge aufzudecken,  die  im  Lauf  der  Entwicklung  zu  dem  gleichen 
Ende  geführt  haben  könnten. 

In  welcher  Richtung  wir  nun  den  Schlüssel  für  unser 
'kausatives'  p  zu  suchen  haben,  kann  uns  die  Bildung  gopayati 
'behüten,  verstecken'  andeuten,  in  der  nach  dem  Aasweis  des 
Adjektivs  gopin-  'behütend'  das  p  als  Teil  der  Endung  gefühlt 
wTirde,  obw^ohl  ihr  Grundwort  gojxi-  'Hirt'  ist,  nicht  etwa  go- 
*Kuh'.  Ähnlich  wie  dieses  ^,  könnte  auch  der  kausative  ^-Aus- 


Die  Denominativverba  im  Altindischen.  537 

gang  entstanden  sein,  wenn  dabei  auch  nicht  gerade  an  das  p 
von  pä-  'schützen'  zu  denken  wäre,  sondern  eher  an  das  ^  von 
äp-  'gewinnen,  en-eichen'.  Der  Kausativstanim  ließe  sich  nämlich 
begreifen  als  Zusamniensetznug  eines  Wurzelnoniens  (vielleicht 
eines  Verbalabstrakts)  mit  einer  ungefähren  idg.  Form  äpö-  'er- 
reichend'; sfhäpa-  hätte  dann  ursprünglich  bedeutet  'wer  einen 
festen  Stand  gewinnt  oder  gewonnen  hat',  u.  sthäpayati  entsprechend 
der  oben  (S,  498  ff.)  geschilderten  Beziehung  'jemand  zu  einem 
machen,  der  einen  Stand  gewonnen  hat',  d.  h.  ihn  'feststellen, 
hinstellen'.  Wie  man  im  einzelnen  eine  derartige  Zusammen- 
setzung zerlegen  müsse,  ob  z.  B.  in  stä-pö  oder  st-äpö-  oder  gar 
std-dpö^  ist  nicht  mehr  auszumachen,  aber  auch  gleichgültig. 
Auch  wo  vor  dem  p  ein  anderer  Yokal  steht  als  ä,  ist  diese 
Auffassung  zulässig,  so  in  ksep^-  'verweilen  machen'  angesichts 
des  Wurzelnomens  ksi-  f.  'Wohnung',  in  hrep'^  'beschämen'  an- 
gesichts von  hri-  f.  'Scham'. 

Waren  erst  einige  Muster  vorhanden,  so  konnten  in  der 
Weise,  wie  es  Brugmann  schon  angedeutet  hat  (S.  1157),  leicht 
Nachbildungen  erfolgen ;  gerade  bei  den  hier  in  Betracht  kommen- 
den Grundverben  hatte  das  Präsens  mehrere  Ausgänge  gleich- 
zeitig neben  einander  [snäti  u.  snäyati\  mfnäti^  minöti  u.  mii/dte; 
ji'ghräti  u.  ghrdti\  die  sich  mit  den  entsprechend  mannigfaltigen 
Ausgängen  der  andern  Verben  mischten  {jdyati^  sräyati  u.  smdyate 
mit  dhdyati,  ghrdti  mit  yäti  u.  mit  jdhäti  usw.,  ksmdyate  u.  dhmd- 
yati  mit  gai/ati^  gläyati,  mldyati  usw.,  adhyeti  mit  ksHi  u.  jihreti^ 
krindti  mit  ksinäti  'vernichten',  lindti  'schmelzen'  u.  mindti)-^  aber 
auch  die  to-Partizipien,  die  Perfekta  jajnäu  u.  dadäu\  die  ^-losen 
Kausative  {ksayayati  'ruhig  wohnen  machen'  u.  'vernichten'  von 
kseti  u.  ksindti\  kurz  die  verschiedensten  Formen  konnten  überein- 
stimmen. Geschichtlich  würden  sich  diese  Beeinflussungen  noch 
genauer  verfolgen  lassen  —  diksitd-  ist  z.  B.  schon  im  AV.  be- 
legt, also  wohl  überhaupt  älter  als  das  erst  im  MBh.  vorkommende 
dtksäp^  —  aber  eine  solche  Einzeluntersuchung  fällt  außerhalb 
des  Eahmens  unserer  Arbeit. 

Bei  den  jüngeren  Ableitungen  auf  -äjo^  mag  unsere  Er- 
klärung also  deshalb  überflüssig  werden;  möglich  wäre  sie  an 
sich  aber  auch  hier:  diksäp^  'weihen'  könnte  noch  gut  zurück- 
geführt werden  auf  ein  diksäpd-  'einer,  der  die  Weihe  empfangen 
hat'.  Und  in  utkaläp^  haben  wir  sogar  noch  das  Grundwort 
kaläpa-  m.  'Bund,  Bündel'   überliefert,   das   schon   das  Petersb. 


538  L.  Sütlerlin, 

Wtb.  in  kalä  f.*Teir  u.  dpa-  (von  äp-)  zerlegt  und  erklärt  als  'das, 
was  die  Teile  aufnimmt,  zusammenhält'.  Wenn  das  uns  erhaltene 
Schrifttum  von  solchen  und  ähnlichen  Bildungen  gewöhnlich 
nichts  mehr  sagt,  so  dürfen  wir  doch  mit  der  Möglichkeit  ihres 
Vorhandenseins  rechnen.  Für  präsäp^  bietet  sich  übrigens  noch 
ein  weiterer  Anknüpfungspunkt.  Hier  berührt  sich  das  Grund- 
verbum  asnöü  in  der  Bedeutung  so  sehr  mit  äpnöti,  das  Perfekt 
äsa  mit  äpa,  daß  das  Kausativum  äpaijati  'erreichen  lassen'  den 
Stamnirts-  auch  auf  einKausativum  präsäpayati  liindrängen  konnte, 
b)  Die  vereinzelten  5—6  Nebenformen  auf  -äpaijati  wie 
ksäp^  'vernichten',  snäp^  'baden,  waschen',  die  mit  Ausnahme 
des  bei  Grammatikern  überlieferten  cap^  'schichten'  über  die 
ganze  indische  Literatur  verzettelt  sind,  brauchten  mit  den 
Bildungen  auf  äjP  nichts  zu  tun  zu  haben,  zumal  da  sich  für 
sie  außerhalb  des  Arischen  sogar  noch  viel  mehr  Anknüpfungs- 
punkte finden  als  für  den  Ausgang  äp^  (Brugmann  S.  1157). 
Sie  könnten  aber  auch  mit  diesen  Formen  auf  äp^  zusammen- 
gehören. Der  Wechsel  zwischen  ä  u.  ä  ließe  sich  dann  in  ver- 
schiedener Weise  begreifen :  vom  Standpunkt  des  Indogermani- 
schen durch  eine  verschiedene  Bildungsweise  der  zugrunde 
liegenden  Zusammensetzung  {*snä-po  etwa  neben  *sn-apo-),  vom 
Standpunkt  des  Indischen  entweder  in  der  Art  der  oben  (S.  530  ff.) 
erwähnten  Vokaldauerschwankung  in  pätai/ati^  oder  von  dem 
reduplizierten  Aorist  aus,  der,  wie  erwähnt,  kurzen  Vokal  ja  auch 
bei  sonst  nur  langvokalischen  Wurzeln  aufweist,  der  diese  Kürze 
also  wohl  auf  seinem  Gebiete  eigenmächtig  durchgeführt  hat 
{arirädham  von  rädh-,  abibhrajat  von  bhräj-,  ahihhrasat  von 
hhräs-^anvasat  von  ms-,  ajijhapat  u.  ajijnipat  AVhitne}'^  §  861). 
Das  schon  im  Sat.  Br.  überlieferte  jwajjfa-  würde  bei  keiner  dieser 
Auffassungen  unter  den  Tisch  fallen  müssen. 

II.   Die  Denominative  auf  -äyati. 

Die  Verba  auf  -äyati,  gut  über  400  an  Zahl,  sind  die 
zweitwichtigste  und  zweitgrößte  aller  Denominativklassen  und 
kommen  gleich  hinter  den  5 — 600  Formen  auf  -äyati.  Sie  haben 
einen  ähnlichen  Ausgangspunkt  wie  diese,  haben  aber  einen 
ganz  andern,  wenn  auch  nicht  weniger  bemerkenswerten  AVeg 
eingeschlagen;  und  so  treten  zum  Schluß  gerade  diese  beiden 
Hauptklassen  einander  gegenüber,  in  einem  gewissen  Gegensatz 
und  als  eine  Art  gegenseitiger  Ergänzung.  (S.  577). 


Die  Denominatiwerba  im  Altindischen.  539 

Zur  Erleichterung  der  Übersicht  müssen  wir  hier  einmal 
die  vedischen  Verhältnisse  zunächst  gesondert  ins  Auge  fassen, 
hinsichtlich   der  Bedeutung  sowohl,  wie  hinsichtlich  der  Form. 

I.  Die  vedische  Zeit. 
Die  vedischen  Schriften  (Rigveda  und  Atharvaveda)  bieten 
uns  im  ganzen  30 — 40  Formen  auf  -äyati\  5 — 6  davon  sind 
von  Adjektiven  abgeleitet,  für  etwa  10  steht  kein  rechtes  oder 
wenigstens  kein  überliefertes  Grundnomen  zur  Verfügung;  die 
übrigen  Formen  kommen  von  Substantiven. 

a)   Die  Bedeutung. 

In  der  vedischen  Zeit  vertreten  die  äijati-^ ovmQw  noch 
keine  so  umfangreichen  und  so  scharf  geschiedeneu  Bedeutungs- 
klassen Avie  in  der  späteren  Zeit;  nur  kleinere  Gruppen  lassen 
sich  absondern,  aber  nur  teilweise  genau  begrenzen.  Indessen 
erkennt  man  in  ihnen  doch  schon  die  Keime  der  späteren  Ent- 
wicklung. 

Mit  Rücksicht  auf  diese  spätere  Entwicklung  dürfen  wir 
folgende  Klassen  hervorheben: 

1.  Verba,  die  bezeichnen  'etwas  sein',  im  AV.  auch  schon 
'sich  gebärden  wie  jemand';  sie  sind  abgeleitet  von  substantivischen 
Personenbezeichnungen  oder  von  Adjektiven;  nämlich: 

gopäyäti  'hüten'  {gopä  m.  Rivt')-^  sat van ätjdnt-  (AV.)  'sich  als 
Krieger  gebärden'  {sdtvan-^  satvand-  m.  'Krieger');  ajiräyate 
'behende  sein'  [ajird-  'behende');  tilviläydte  'sich  reich  er- 
weisen' {tilvila-  'reich') ;^r««/ä!/aie(AV.) 'mit Liebe  behandeln' 
{priyd-  'liebend,  anhänglich');  rathiräydnt-  'herbei  eilend' 
{rathird-  'eilend');  sanäydnt-^)  'von  alters  her  vorhanden' 
{sdnä  adv.  'von  alters  her'). 

2.  Verba,  die  bedeuten  'nach  etwas  streben': 
asväydntas  'nach  Rossen  verlangend'  [dsvä  f.  'Stute');  tväydnt- 
*nach  dir  verlangend,  dich  liebend'  (tväyä  'aus  Liebe  zu  dir', 
tva-  'du');  vrsäydte^)  'brünstig  werden,  begierig  sein'  {vfsa- 
m.  'Mann,  Hengst').  Wegen  dhan^  s.  S.  542. 

3.  Verba,  die  bedeuten  'etwas  hervorbringen,  an  den 
Tag  legen';  sie  sind  im  großen  ganzen  abgeleitet  von  Abstrakten 

1)  Fehlt  bei  Delbrück,  alti.  V.  S.  20-if.,  ebenso  wie  einige  andere 
Formen. 

2)  Pada:  oat/O;  fehlt  bei  Delbrück. 


Ö40  L.  SiUterlin, 

und  bezeichnen  eine  gnte  oder  böse  Gesinnung  und  die  daraus 
entspringende  Handlung;  eine  Untergruppe  umfaßt  einige  gottes- 
dienstliche Ausdrücke : 

{vi)dhüpäijati  (AV.)  Mampfen',  dJiüp^  (kl.)  'rauchen, räuchern' 
{dhüpa-  m.  'Kauch');  dhiyäyänt-,  -yäte  'aufmerken,  Andacht 
üben'  (dhi-  f.  dhyä  f.  'Denken');  manäyäti  'eifrig,  anhänglich 
sein'  {manä  f.  'Ergebenheit,  Anhänglichkeit');  sumnäydnt- 
'wohlwoUend'  {sumnayä  f.  instr.  'andächtig,  wohlwollend'; 
swmwa-  n. 'Wohlwollen');  samäyäte  'sich  bemühen,  eifrig 
sein'  {sdmi-  n.,  -i  f.  'Bemühung,  Fleiß');  damäydti  1.  'be- 
zwingen (RV.);  2.  'sich  selbst  zähmen'  (Taitt.  Up.)  {damd-  m. 
'Züchtigung,  Selbstbeherrschung');  ducchunäydte  'jem.  Leid 
zufügen  wollen'  {ducchünä  f.  'Unheil');  durhanäydnt-  'auf 
Unheil  ausgehend'  {durhdnät  'Unheil');  hrnäydnt-  'grollend' 
{*hrnä  f.  'Groll';  vgl.  Arwz^e'grollen'und  S.557  Anm.);  prtanä- 
ydnt-  'feindlich  auftretend'  {pftanäi.  'Kampf);  ojäydmäna- 
'Kraft  anwendend'  {öjas-  n.  'Kraft',  erst  spät  oja-  adj.  und 
subst.  m.;  subhäyate  'glänzen'  {subh-  f.  'Schmuck',  erst  sp. 
subha-  'schmuck,  hübsch');  yajnäydnt-  'im  Gottesdienst 
tätig'  [yajnd-  m.  'Gottesdienst');  rtäydnt-  'den  richtigen  Gang 
einhaltend,  fromm'  {rtd-  'ordentlich',  n.  'Ordnung'). 

4.  Einige  weitere  Beispiele  lassen  sich  wegen  der  Mehr- 
gestaltigkeit  ihrer  nominalen  Verwandtschaft  nicht  sicher 
einordnen ;  sie  stellen  wieder  die  für  die  sprachliche  Entwicklung 
so  wichtigen  Grenz-  und  Übergangsfälle  dar;  es  sind: 

aghäydti  'Schaden  zufügen,  drohen'  (aghd-  'schlimm',  n.  'Un- 
heil'); vrjinäydnt-  'trüglich,  falsch'  {vrjind-  'krumm,  falsch', 
-d  f.  'Falschheit');  randhanäyati  'in  die  Gewalt  geben'  (sp. 
randhana-  m. 'Yernichter',  n. 'Vernichtung');  bhanda?iäydnt- 
'jauchzend'  [bhanddna-  'jauchzend',  -ä  f.  'Jauchzen'). 

5.  N'och  andere,  aber  nicht  zahlreiche  Verba  stehen  ohne 
jede  entsprechende  nominale  Verwandtschaft  und  ge- 
hören auch  durch  ihre  Bedeutung  nicht  notwendig  zu  einer  der 
bisher  gegebenen  Abteilungen;  einzelne  unter  ihnen  schließen 
sich  aber  aus  diesem  oder  jenem  Grunde  wieder  näher  zusammen : 
a)  priisäydti^  °te  'spritzen'   (neben  prusnnvdnti);   vrsäyate 

'regnen  lassen'  (neben   vdrsati  'regnen');    sikäydnt-  (VS., 
TS.)  'tröpfelnd'  (neben  sikate  'tröpfeln'); 
ß)  mathäydti  'Feuer  dm-ch  Reibung  erzeugen;  abreißen' (ma^Ä- 
m.  'Rührstock',  neben  mathnäti;  doch  vgl.  mdnthä  f.  'Quirl'); 


Die  Denominativverba  im  Altindischen.  541 

srathäyati  'lockermachen'  {n^h^n  h'athnäti  'locker  werden, 
=  machen'  u.  sp.  sratha-  m.  nom.  act);  skahhdyati  'befestigen, 
stützen'  (neben  skabhnäti  'dass.'  u.  skambhd-  m.  'Stütze'); 
stahhäyäti  'stützen,  hemmen'  (neben  stabhnäti  'stützen'  u. 
stanibha-  m.  'Pfeiler,  Pfosten');  musäyäti  'rauben'  (neben 
musnäti  'dass.'  u.  jungem  mus~  'raubend'); 
T)  panäydti^  ^te  'bewundern'  {neben pananta  'bewinidernswert 
sein,  bewundern'  u.  panü-  'Bewunderung,  Lob');  rghäydnt-^ 
^yämäna-  'beben,  rasen'  ( — ? — )^);  vgl.  endlich  auch  va- 
säydte  'sich  kleiden'  (neben  vdste  'anziehen'). 

b)  Die  Form. 

Die  vorhergehende  Zusammenstellung  hat  ergeben,  daß  die 
Eigenart  der  ä^a/2-Formen  in  der  ältesten  erreichbaren  Zeit  und 
damit  wahrscheinlich  auch  von  Hause  aus  nicht  in  der  Be- 
deutupg  liegen  kann,  daß  sich  die  besondere  Endung  damit  nicht 
erklärt;  denn  sie  bezeichnen  uugefähr  die  gleichen  Beziehungen 
wie  die  andern  Klassen.  Nicht  bloß  aus  sprachvergleichenden 
und  geschichthchen,  sondern  auch  aus  reinen  Yernunftgründen 
muß  man  vermuten,  daß  ihre  Sonderheit  nur  in  der  Gestalt  des 
Grundworts  begründet  sei,  daß  sie  ursprünglich  Ableitungen 
seien  von  o-Stämmen.  Diese  Yermutung  wird  denn  auch  durch 
die  vorliegenden  Verhältnisse  so  ziemlich  bestätigt.  Denn  unter 
den  einschlägigen  40  Bildungen  gehen  mindestens  4  {gop-äydti, 
man^,  ducdiunP,  dur]ianP\  wahrscheinlich  aber  11  auf  ä-Substantive 
zurück  (noch  prtan-äydnt-^  bhandan^^  vrjinP^  asv^^  tv^,  sumn^^ 
san°)-^  und  ihnen  stehen  gegenüber  5  Ableitungen  von  a-Sub- 
stantiven  {randhan-äyafi^  dhüp^^  dam^^  srath'^^  yajnäydnt-,  vrsäydte) 
und  6 — 7  von  d- Adjektiven  {ajir-äydte,  Ulvil°,  priy^^  subh^,  rathi- 
räydnt-^  sowie  rtäydnt-  u.  aghäydti)  und  je  eine  Ableitung  von 
einem  i-,  einem  ^<-,  einem  s-Stamm,  und  etwa  auch  einem  Kon- 
sonantstamni  (von  sdmf-,  panu-,  ojas-,  u.  sdtvan-  mit  seiner  Neben- 
form satvand-).  und  endlich  10 — 12  Fälle  ohne  nähere  nominale 
Verwandtschaft  {prusäydtihis,  vasäjdte,  S.  540  f.).  Schon  bei  ein- 
facher Betrachtung  des  Tatbestandes  sind  also  die  ä-Stämme 
doch  in  der  Überzahl  vertreten.  Rechnet  man  noch  mit  der 
Wahrscheinlichkeit,  so  stehen  ihre  Aussichten  noch  günstiger. 
Die  jetzt  verwaisten  Formen  können  einmal  ä-Grundwörter  ge- 
ll Wegen  jmäyänt-  s.  S.  564  Anm.  2.  Weitere,  nicht  ganz  sichere 
Formen  der  Art  wie  vitudayati  (AV.)  gibt  Whitney^  S.  391b. 


ö42  L.  Sütterlin, 

liabt  haben,  und  ebenso  mag  neben  den  Nicht-a-Stämmen  doch 
wenigstens  teilweise  ein  Femininum  auf  -ä  vorgelegen  haben. 
Aber  auch  die  a-Stämme  machen  keine  so  großen  Schwierig- 
keiten, wie  es  auf  den  ersten  Blick  scheint.  Denn  sobald  wir 
mit  deren  Flexionsformen  rechnen,  kommen  für  uns  auch  Bil- 
dungen mit  ä  in  Betracht,  also  z.  B.  der  maskuline  Plural  auf 
-äs,  der  neutrale  auf  -ä,  und  bei  den  Adjektiven  ebenso  das 
Femininum  auf  -ä.    (Wegen  der  Betonung  s.  S.  552). 

II.  Die  nachvedische  Zeit. 

A)  Die  Bedeutung. 
Die  nachvedische  Zeit  übernimmt  zunächst  alle  Bedeutungs- 
klassen, die  ihr  überliefert  sind,  aber  behandelt  sie  ungleich. 
Einige  bildet  sie  mächtig  weiter,  daß  sie  üppig  fortwuchern  und 
eine  immer  ausgeprägtere  Beziehung  veranschaulichen,  anderes, 
zum  Glück  nur  weniges,  läßt  sie  verkümmern.  Und  dieses  Ver- 
kümmernde verfällt  seinem  Schicksal  bald  früher,  bald  später.  Wir 
betrachten  zuerst  das,  was  nur  noch  in  die  klassische  Zeit  hineinragt. 

a)  Die  ausschließlich  klassische  Zeit. 

In  die  klassische  Zeit  noch  hinein  hat  sich  erhalten 

1.  eine  kleine  Gruppe,  gebildet  von  den  Verben  des  Strebens: 
asanäyati  (Sat.  Br.)  *uach  Speise  verlangen'  [asand-  n.); 
dhanäydti^  ^te  (VS.)  'ein  Gut  wünschen'  {dhäna-  n.);  samä- 
yati  (Taitt.  Up.)  'sich  der  Gemütsruhe  befleißigen'  [sdma-  m,); 
svapnäyate  (MBh.)  'schlafen  wollen'  [svdpna-  m.  'Schlaf')^); 

2.  vereinzelteFormen  mitfreierer  Bedeutungsbeziehung: 
deväyant-  (Maiti'.  S.,  Kathas.)  'den  Göttern  dienend,  fromm' 
{devd-  m.);  mamäyati  (MBh.)  'beneiden'  {mdma  gen.  sing, 
'meiner');  srr[gäydte  (IB.)  'mit  den  Hörnern  stoßen'  {sfr\ga- 
m.  n.  'Hörn'). 

b)  Die  klassisch-nachklassische  Zeit. 

Länger  in  Übung  blieben  die  beiden  andern  Denominativ- 
klassen, die  bedeuten  'etwas  erzeugen'  und  'etwas  sein',  die 
Faktitiva,  wie  wir  sie  wieder  nennen  wollen,  und  die  Sub- 
jekt! v  a.  Und  zu  ihnen  tritt  neu  eine  dritte  Klasse,  Bezeichnungen 
eines  Geräuschs. 


1)  Daneben  vgl.  das  merkwürdige  utsvapnayate  (Mrcch.)  'im  Schlafe 
sprechen'. 


Die  Denominativverba  im  Altindischen.  543 

Die  beiden  alten  Klassen  spielen  aber  eine  verschiedene 
Eolle  in  dieser  Zeit;  die  Subjekt! va  werden  immer  beliebter, 
die  Faktitiva  erhalten  sich  nur  in  mäßigem  Umfang.  Mit  ihnen 
beginnen  wir. 

1.    Die  Faktitiva  auf  -äyati. 

Von  den  Faktitiven  finden  sich 

a)  in  den  klassischen  Schriften  14 — 15: 
garväyate  'Hochmut  an  den  Tag  legen'  {garvd-  m.  'Hoch- 
mut'); dhyäyati^  <^te  'denken'  {dhyä  f.  'Denken');  kalahä- 
yate  'streiten'  {kalaha-  m.  n.  'Streit');  krpäyäte  'jammern, 
trauern,  Mitleid  haben'  [krpä  f.  'Mitleid');  kopäyate  'wüten' 
{kopa-  m.  'Zorn');  sabdäyate  'einen  Ton  von  sich  geben' 
{sdhda-  m.  'Ton');  asräyote  'weinen'  [asrä-  n.  'Träne'); 
hambhäyate  'brüllen'  {hambhä  f.  'Gebrüll');  hesäyati 
'wiehern'  {Jtesci  f.  'Gewieher');  phenäyate  'schäumen'  {ph4na~ 
m. n.  'Schaum');  dhüpayati  'räuchern'  {dhüpa-  m.  'Rauch'; 
vgl.  S.  540);  dhümäyati^  °te  'rauchen,  dampfen'  {dhümd-  m. 
'Rauch');  liläyati^  »^e 'spielen,  sich  belustigen'  [lila  f.  'Spiel'); 
samäyati  (Maitr.  S.)  'zur  Ruhe  bringen,  töten'  {sama-  m. 
'Ruhe,  Erlöschen';  vgl.  S.  552),  vielleicht  auch  panäyitnm 
'verkaufen'  [pana-  m.  'Vertrag'  neben  pani-  m.  'Händler'); 

b)  Jünger  sind  18 — 20  Formen: 

pid-äyate  'Schmerz  fülüen'  {pidä  f.  'Schmerz');  häsp^ 
'Tränen  vergießen.  Dampf  von  sich  geben  {bäspd-  m.  'Träne, 
Dampf);  abhr°  'Wolken  erregen'  {abhrd-  n.  'Wolke');  üsm° 
'Hitze,  Dampf  von  sich  geben'  [üsmdn-  m.  üsmä  f.  'Hitze, 
Dampf);  jorwsyo  'tröpfeln'  {prusvä  f.  'Tropfen');  läl'>  'Speichel 
üiefen  lassen'  {lälä  f.  'Speichel');  romanth^  'wiederkäuen 
{romantha-  m.  'Wiederkäuen');  kekäyati  'schreien  wie  ein 
Pfau'  {kekä  "Geschrei  des  Pfaus');  keläyati  'scherzen,  tändeln' 
{keli-  m.  f.  'Spiel');  kheläydte  'spielen'  [kheli-  f.  khelä  f. 
'Spiel');  bal-äyate  'Kraft  äußern'  {bdla-  n.  'Kraft');  pravi- 
stak'^  'persönlich  erscheinen'  (pravistoka-  n.  'die  Geberde 
des  Hereintretens,  das  Auftreten  auf  der  Bühne');  kamp^ 
'zittern'  {kampa-  m.  'Zittern');  bhram^  'anfangen  sich  zu 
drehen'  {bhramd-  m.'das  Hin-  und  Herbewegen';  vgl.  auch 
leläydti 'schwanken'):  bhay'^ 'sich fürchten' {bhayd-n. 'Angst'); 
madr^  'froh  werden'  {madrd-  n.  'Freude');  medhäydti 
'schnell  fassen,  -begreifen'  {medhä  f.  'Verstand');  endlich 
kaksäyate   'Böses  im  Sinn   haben'    {kdksa-  m.  'Versteck'). 


544  L.  Sütterlin, 

Weitere  Formen  lassen  sich  erschließen  aus  den  Verbal- 
substantiven 

irsyäyita-  n.  nom.  act.  [iräijä  f. 'Eifersucht');  narmäyita-  n. 
'Scherz'  {närma-  m.  'dass.')i).  AYegen  duhkhäydte  u.  vairä- 
yate  s.  S.  550. 

Ganz  allein  steht  und  ist  darum  so  auffällig  die  faktitive 
A  d  j  e  k  ti  V  a  b  1  e  i  t  u  ngprakatäyati  'offenbaren'  [prakatd-  'offenbar'). 

2.  Die  Subjektiva. 
Die  Subjektiva  gehen  aus  von  Substantiven  und  von  Ad- 
jektiven ;  beliebter  sind  die  Substantivableitungen.  Sie  bedeuten 
nicht  einfach   'etwas  sein',   sondern   häufiger  noch  'wie  etwas 
erscheinen,  sich  gebaren,  etwas  gleichen'  u.  ähnl. 

a)  Die  Substantivableitungen. 

1.  Aus  der  rein  klassischen  Literatur  lassen  sich  schon 
etwa  40  Beispiele  anführen,  nämlich  : 

amiträyati  'feindlich  gesinnt  sein'  {amitra-  m.  'Feind'); 
khal-äyate  'einen  Bösewicht  darstellen'  {khala-  m.);  taskar^ 
'einen  Räuber  spielen'  [täskara-  ra.);  durjan^  'ein  böser 
Mensch  werden,  dafür  gelten'  {durjana-  m.);  purus'^  'sich 
als  ein  Mann  gebaren'  [piirusa-  m.);  madan^  'dem  Liebes- 
gott gleichen'  {madana-  ra.  'Liebesgott');  yani^  'den  Todes- 
gott vorstellen'  {yamä-  m.,  'der  Todesgott');  kutnbhakarn° 
'dem  Raksasa  K.  gleichen  im  langen  Schlafen'  {^na-  m.) ;  bhrty° 
'sich  wie  ein  Diener  benehmen'  {bJiftya-  m.);  kurar\g^  'zu 
einer  Antilope  werden'  [kurangd-  m.);  garud^  'zu  einem 
best,  mythischen  Vogel  werden'  {garudä-  m.);  satxaran^ 
'eine  Biene  darstellen'  {satcarana-  'sechsfüßig',  m.  'Biene'); 
drum^  'für  einen  Baum  gelten'  (drumä-  m.);  candan^  'zu 
einem  Sandelbaum  werden'  [candana-  m.  n.):  vipin^  'wie 
ein  Wald  erscheinen'  {vipina-  n.);  nagar^  'den  Anschein 
einer  Stadt  haben'  {nagarä-  m.);  jäl°  'ein  Netz  darstellen' 
{jäla-  n.);  pradip^  'eine  Lampe  darstellen'  {pradipa-  m.); 
dol°  'wie  eine  Schaukel  schwanken'  (dolä-  m.  f.);  gomay^ 
'wie  Kuhmist  schmecken'  {gomäya-  m.  u.) ;  vajr^  'zum  Donner- 
keil werden'  {vdjra-  m.  n.);  väty^  'einem  Sturmwind  gleichen' 

1)  pratyäyati  (?)  'überzeugen'  (neben  pratyatja-  m.  'Überzeugung'), 
das  man  sonst  in  pratyayayati  verbessern  will,  könnte  auch  aus  pratya- 
yäyati  dissimiliert  sein;  für  diese  letztere  Auffassung  spricht  vielleicht  auch 
das  'S)\xhs\.a.n\.i\ pratyäyita-  m.  'Vertrauter,  Beauftragter' ;  doch  vgl.  auch  S.552. 


Die  Denominatiwerba  im  Altindischen.  545 

{vätyä  f.);  sakra cäp°  'einen  Eegenbogen  darstellen'  {sakra- 
cäpa-  n.);  raktasüry^  'eine  rote  Sonne  darstellen'  {rakta- 
'rot',  sürya-  m.  'Sonne');  candakär^  'wie  die  Sonne  er- 
scheinen'(cawf/aÄrär«-  m.);  megh^  'wolkicht  werden' (me^Äa- 
m.  'Wolke');  kuly^  'zu  einem  Bache  werden'  {kiilyd  f.);  küp^ 
'zu  einem  Brunnen  werden'  {küpa-  ra.);  kstr^  'zu  Milch 
werden'  (ksird-  m.  n.);  jal^  'zu  Wasser  werden'  [jala-  n.); 
amrl^  'der  Ambrosia  gleichen'  {amftä  t  'ein  berauschendes 
Getränk');  piyüsavars°  'zu  einem  Regen  von  Kektar  werden' 
[piyüsa-  n.  'Nektar',  varsd-  m.  n.  'Regen');  garal^  'zu  Gift 
w^erden'  {garala-  m.);  sqhärakäl°  'wie  die  Zeit  des  Welt- 
untergangs erscheinen'  {sqhärakäla-  m.);  ^«in»  'zu  einem 
Vorzug  werden'  [gunä-  ra.  'Vorzug');  dos°  'wie  ein  Mangel 
erscheinen'  {dosa-  m.);  ätap^  'zur  Sonnenhitze  werden'  [ätäpa- 
m.);  zweifelhafter  ist  «?rso  'wie  ein  Stier  brüllen'  {vfsa-  m. 
'Stier');  endlich  vgl.  auch  cakoräyitum  'wie  der  Vogel  Cakora 
verfahren'  {cakora-  m.)  u.  varäyita-  'eine  Wunschgabe  dar- 
stellend' (vara-  m.  n.  'Wahlgabe');  kharäyita-  n.  'Eselsstreich' 
[khdra-  m.  'Esel'). 

2.  Und   aus   deu  späteren  Schriften  kommen  noch  140 

weitere  Formen  auf  -äyate  hinzu,  nämlich  Ableitungen  von  den 

Substantiven : 

krsna-  m.  'Krischna'  {krsn-äyate,  °ti);  krsnarämä  Du. 
'Krischna  u.  Rama'  {^mäyate);  vrtrahdn-  m.  'Beiname  In- 
dras'  {'^häyate  'wie  Indra  verfahren');  krtänta-  m.  'Todes- 
gott'; näräyand-  'ein  Gott';  das akant ha- ""zehnhalsig',  Bei- 
name von  Ravana  (:  'sich  wie  Ravana  gebärden');  bhärgavd-  m. 
'von  Bhrigu  stammend',  Patron.  Sukras  (:  'dem  Sukra  gleichen'); 
kdnva-  m. 'Name  böser  Wesen';  pütanä  f.  'die  Unholdin 
Putana';  baka-  m.  'der  Asura  Baka';  daityd-  m.  'ein  Daitj^a, 
Feind  der  Götter';  apsarä  {°rds-)  f.  'eine  Apsaras';  madrikä 
f.  'eine  Madrika';  kärna-  m.  'ein  König';  yoga-  m.  'Eigen- 
name'; rdjä  m. 'Fürst';  nägaräja{n)-  m. 'Schlangeuf ürst' ; 
bhujagaräja-  m. 'Schlangenfürst', Beiname  Sesas;  kämuka-m. 
'Liebhaber' ;  vyädhd-  m.  'Jäger' ;  dvijä-  {-ä-)  'zweimal  geboren', 
m.  'ein  geweihter  Brahmane';  vaidyd-  m.  'Arzt';  pratihärd- 
m. 'Türhüter';  svajana-  m. 'Angehöriger' ;  potä  f.  'Herma- 
phrodit; Dienerin';  tokd-  n.  'Nachkommenschaft,  Kinder'; 
däsd-  m. 'Sklave'  (o^e,  ^ti)^  näthd-  m. 'Helfer'  (n. 'Hülfe' : 
näthäyati   'als   Schutzhen-,   Helfer   erscheinen');   vfka-   m. 

Indogermanische  Forschungen  XIX.  36 


546  L.  Sütterlin, 

'Wolf;  grhapäla-  m. 'Haushund';  vatsd-  m.,  -ä  f. 'Kalb' ; 
harinä-  m.  'Gazelle';  sthd-  m.  'Löwe';  hqsd-  m.  'Gans'; 
bhäsd-  m.  'der  Raubvogel  Bhäsa';  syenä-  m.  'Adler,  Falke'; 
räjahqsa-  m. 'Flamingo';  pärävatamälä  f. 'Taubenschwarm' 
{pärdvata-  m.  'Turteltaube',  mala  f.  'Reihe');  nirjalamina- 
'Fisch  ohne  Wasser'  {nirjala-  +  mind-  m.);  godliä  f.  'Ei- 
dechsenart'; salahhd-  m.  'Heuschrecke';  bhramard-  m. 
'Biene';  bhfr]go-  m.,  -ä  f.  'Biene';  madhukara-  m.  'Biene'; 
mukula-  m.  n.  'Knospe'  (wegen  kudmald-  s.  S.  549);  pa- 
c7)«aÄ;05rt- m. 'der  Blumenkelch  einer  Wasserrose' ;  püspa-  n. 
'Blume';  pdttra-  u.  'Blatt';  kuvala-  n.  'Wasserlilie  (blaue 
Lotusblüte)';  kuniuda-  n.  'weiße  Lotusblüte';  pddma-  m.  u. 
'Blüte  der  Wasserrose';  kamalahälanäla-  n.  'ein  junger 
Lotusstengel '  [kamdla-  n.  'Lotus',  bald-  'jung',  näld-  n. 
'Stengel');  trnagana-  m.  'Grashaiif en' ;  lata  f. 'Schlinggewächs'; 
tülakana-  'Baumwollenflocke';  p)ütikusmända-  m.  'ein  ver- 
faulter Kürbis';  parnasälä  f.  'Laubhütte';  ^karav[ka-  m. 
'Gerippe,  Schädel  von  etwas'  {visadanarakarar\ka-  m.  'ein 
blanker  Menschenschädel') ;  sälabhanjikä  f.  'Statue';  vitäna- 
m.  n. 'Traghimmel'  {intänäyijate  pass.  impers.) ;  sdkata-  m.  n. 
'Karren' ;  püskara-  n.  'Fell  auf  der  Trommel'  ( r'eiue  Trommel 
darstellen');  dhärä  f.  'Strom';  manddra-  m.  'ein  Berg';  sval- 
gasilä  f. 'kleiner  Felsen';  grhd-  m.  n. 'Haus';  tata-  m.  n. 
'Abhang';  viiidhya-  m. 'das  Gebirge  Vindhya';  räjapatha- 
m. 'Hauptsti'aße' ;  svetadvtpa-  m.  n. 'die  weiße  Lisel' ;  ndraka- 
m.  n. 'Unterwelt,  Hölle';  samudrd-  m. 'Meer';  ciiapatr et- 
il. 'Sonnensclürm' ;  bhüsvarga-  ni.  'der  Himmel  auf  Erden', 
ein  Berg;  svetäiapatra-  n. 'weißer  Sonnenschirm' ;  vdstra- 
n.  'Kleid';  melänanda-  m.,  -ä  f. 'Tintenfaß';  frisüla-  n.  'Drei- 
zack'; külisa-  m,  n. 'Donnerkeil,  Diamant';  dambholipäta- 
*das  Niederfallen  von  Indras  Donnerkeil'  (:  'wie  Indras  D. 
niederfallen');  astrd-  n. 'Waffe'  {:°ti  u.  o/e);  kärmuka- n. 
'Bogen';  jyd  f.  'Bogensehne';  iünira-  m.  'Köcher';  ^patta- 
m. 'Tafel,  Platte  von  etwas';  ^pöta-  n. 'Schiff';  vajrapäta- 
m.  'das  Niederfallen  des  Donnerkeils,  ein  niederfahrender  Blitz'; 
candrd-  m.  'Mond'  {°te  u.  o^^);  ar]kd-  m.  '(Beugung,  Haken), 
Fleck  im  Mond';  Saraccandra-  m.  'Herbstmond';  bälärka- 
m.  'die  vor  kurzem  aufgegangene  Sonne';  nihärd-  m.  'Nebel'; 
durdina-  n.  'bewölkter  Himmel'  (:  'sich  mit  Wolken  beziehen'); 
sard-  m. 'Pfeil';   sücikula-  n. 'Haufe  von  Nadeln';   bhärd- 


Die  Denominativverba  im  Altindischen.  547 

m.'Last';  yugala-  m.  n.^VdLdiV  \  sirohhüsana-  n /Kopfschmuck'; 
barha-  m.  n.  'Schwanzfeder  des  Pfaues';  näyaka-  m.  'der 
Mittelstein  in  einer  Perlenschnur';  keyüra-  m.  n.  'ein  auf  dem 
Oberarm  getragener  Schmuck'  (:°^«);  bhüsä  f. 'Schmuck'; 
bhogä-  m.  'Ring'  (:sich  ringeln');  lälätikä  f.  'Stirnzeichen'; 
mälyagunä-  m.  'Schnur  eines  Kranzes';  pdyas-  n.  'Saft, 
Flüssigkeit'  {payäyate)]  makarandakana-  m.  'Blumensaft- 
tropfen';  vajralepa-  ra. 'ein  bestimmter,  festhaftender  Mörtel'; 
Visa-  n.  'Gift'  {visäyati,  ^te);  argala-  ra.  n.  (f.)  'Riegel'; 
wä/a- n. 'Stiel  (einer  Axt)';  nikasa-  m.  'Probierstein';  jaya- 
dhvaga-  m.  'Siegesbanner';  ^ä^a-m. 'geröstetes Korn';  sarsapa- 
m. 'Senfkorn' ;  sasavisäna-  n. 'ein  Hasenhorn,  d.h.  ein  Un- 
ding'; lostä-  m.  n. 'Erdkloß,  d.  h.  etwas  Wertloses' ;  kanduka- 
'Spielbair  (:  ^ti)\  kaphonigudä-  m.  'eine  Kugel  auf  dem  Ell- 
bogen, d.  h.  etwas  Unfestes';  krtdärudra-  m. ?  'das  Spiel 
Rudra';  ^phäla-  m.  n.  'der  Lohn,  die  Folge  von  etwas'; 
"^sobhä  f.  'die  Pracht  von  etwas';  usnasamaya-  m.  'heiße 
Jahreszeit';  utsavä-  m.  'Fest';  kdlpa-  m.  'ein  großer  Zeitab- 
schnitt'; kalpasatä-  u.  '100  Kalpa';  yugci-  n.  '(Joch,  Ge- 
schlecht). Weltalter,  Ewigkeit';  varsasahasra-  m.  n. 'Jahr- 
tausend'; yugasahäsra-  m.  n. 'die  tausend  Weltalter,  d.h. 
unendlich  lang';  krtayuga-  n.  'das  goldene  Zeitalter';  carcd 
f.  'Wiederhokmg'  (:'wiederholt  werden');  punarukfa-  n.  (of^- 
f.)  'Wiederholung';  viyoga-  m.  'Trennung';  moksa-  m.  'Er- 
lösung'; saravya-  n.  'Ziel';  hrähman-  n.  'das  Brahman,  der 
unpersönliche  Gott';  svdpna-  m.  'Traum' ;  dhdrma-  ra.  n. 
'Gesetz';  cidänandä di\.  'Geist  (c«7- f.)  u.  Wonne (äwaw(^a-m.)'. 
Nicht  eigentliche  Verbalformen,  aber  «7a-Bildungen,  die 

hier  überall  auf  -äyita-  ausgehen,  sind  sodann  belegt  von  folgenden 

Substantiven : 

väyuputra-  m.  'Sohn  des  Windgottes,  Hanumaut';  jdma- 
dagnya-  m.  Pati'on.  (:  ^nyäyifa-  n.  'ein  Morden  in  der  Weise 
Parasuräraas');  vfra-ra.'Held'  (viräyita-)]  sisya-  m. 'Schüler'; 
cord-  m.  'Dieb';  mesd-  m.  'Ziegenbock';  paräga-  m.  'Blüten- 
staub'; silighra-  n.  'Pilz';  vdjrakila-  ra.  'Donnerkeil' 
(neben  kilä-  ra.  f. 'Keil');  asdni-  ra.  f. 'Donnerkeil'  {asanä- 
yita-);  sakrasaräsana-  n.  'Regenbogen';  abhrd-n.  'Wolke'; 
harha-  m.  n.  'Schwanz  des  Pfaus'  (:  'den  Augen  auf  dem 
Pfauenschweife  gleichend');  citraputrikä  f.  'ein  weibl.  Por- 
trät';   tilaka-   ra.  '(dunkler  Fleck),   Zierde';   svetacchatfra- 

36* 


548  L.  Sütterlin, 

n.  'ein  weißer  Souuenschirm' ;  nakäatraniälä  f.  'ein  best 
Kopfschmuck  bei  Elefanten' ;  rätna-  n.  'Kleinod' ;  cinfäratna- 
u. 'Edelstein,  Stein  des  Weisen' ;  ratnäkara-  m. 'Fundgrube 
für  Juwelen ;  Meer';  lajjä  f.  'Scham'  [lajjäyita-  'verschämt, 
verlegen');  nahhasya-  m.  'ein  Monat  in  der  Regenzeit'. 

b)  Die  Adjektivableitungen. 

Adjektive  liegen  diesen  Bildungen  in  der  nachvedischen 
Zeit  viel  seltener  zugrunde  als  Substantive. 

1.  In  der  eigentlich  klassischen  Literatur  finden  sich 
gai"  nur  etwa  5  sichere  Formen: 

kalus-äyate  'trüb  werden'  (kdlusa-  'trüb');  tarun^  'frisch 
werden,  =  bleiben'  {tdruna-):  mand^  'zögern,  schwach  werden* 
{manda-  'langsam,  schwach');  lohit^,  °ti  'rot  werden'  {löhita-)-y 
slath^  'lose,  locker  werden'  [slatha-). 

2.  Die  nach  klassische  Zeit  bietet  verhältnismäßig  sehr 
viel  mehr,  aber  doch  nicht  so  viel  als  bei  den  Substantiven, 
nämlich  etwa  45  Bildungen.  Sie  sind  ausgegangen  von  folgenden 
(nach  Begriffsgebieten  geordneten)  Adjektiven: 

ntla-  'dunkelfarbig'  {niläyäte^  o^e 'anfangen,  dunkelfarbig  zu 
werden');  syämä-  'schwarz'  {syämäyate)\  dhavalä-  'weiß'; 
svetä-  'weiß';  kapild-  'bräunlich,  rötlich'  (wegen  söna-  'rot' 
s.  S.  550);  härita-  'falb,  grünlich'  {^ti  u.  ^te)\  galhha-  'mutig'; 
sumänas-  'wohlgemut,  heiter'  {^näyate)\  unmanas-  'aufge- 
regt'; durnianas-  'betrübt';  vimanas-  'entmutigt,  außer  sich* 
{vimanäyate);  därunä-  'hart,  unbarmherzig';  klihä-  'zag- 
haft'; jada-  'stumm';  trpta-  'satt';  hhrsa-  'gewaltig,  stark, 
heftig';  karäla-  'schaudereiTCgend' ;  tandra-  'matt';  sithilä- 
'schlaff;  tsitavya-  'beherrscht'  (:  'tun,  als  wenn  man  b.  wäre'); 
sisira-  'külil';  tikta-  'bitter';  jihmä-  'schief;  visamn-  "xm- 
ehen' •^pratipa-  'entgegengesetzt'  (:  'sich  widersetzen');  ürdhvd- 
'hoch,  aufi'echt';  catulä-  'zierlich';  capald-  'beweglich'; 
sighrd-  'rasch'  (:  'sich  in  rasche  Bewegung  setzen');  sthird- 
'(hart,)  unbeweglich';  rehhä-  'knisternd  (v.  Feuer),  lauttönend* 
(: 'glänzen,  strahlen');  sndina-  'klar';  prafyaksa-'^yovKw^Qw 
liegend';  väcya-  'ausdrücklich'  (: 'ersciieinen,  als  wenn  es 
wirklich  ausgedrückt  wäre');  visada-  'klar,  deutlich';  sarald- 
'gerade,  richtig'  (: 'leicht  vonstatten  gehen');  vandhya-  'un- 
nütz'; mögha-  'zwecklos';  alika-  'widerwärtig,  falsch'  (: 'ge- 
täuscht werden');  ghand-  'dicht';  virala-  'undicht'  (:  'undicht 


Die  Denominatiwerba  im  Altindischen.  54:9 

gesät  sein,  selten  vorkommen');  dviguna-  'doppelt';  surajas- 
*mit  schönem  Blütenstaub  versehen'  {^jäyate  ""schönen  Blüten- 
staub ansetzen');  *dvivrnta-  'zweistielig'  (:  'zwei  Stengel  zu 
haben  scheinen';  vgl.  vfnta-  n.  'Stiel  eines  Blattes');  *bahu- 
ratna-  'juwelenreich';  *bahusubha-  'sehr  glückbringend'. 
Wieder  nur  Formen  auf  -äyita-  sind  belegt  neben  den 
Adjektiven 

uhhdya-  'beide'  {uhhay äyita-  'beide  darstellend');  pracala- 
'in  Bewegung,  zitternd'  (:  'mit  dem  Kopf  nickend  beim  Schlaf  in 
sitzender  Stellung') ;  vfndäraka-  'an  der  Spitze  einer  Schar 
stehend'  {^vrndärakäyitum  'den  besten  unter —  spielen,  ihn 
darstellen'). 

c)  Doppeldeutige  Ableitungen. 
Neben  manchen  Bildungen  auf  -äyäte  liegen  Substantive 
und  Adjektive  zu  gleicher  Zeit,  sodaß  es  schwer  und  oft  will- 
kürlich wäre,  die  Ableitung  bestimmt  nur  der  einen  Wortklasse 
beizuzählen.  Meist  sind  es  Fälle,  wo  das  Adjektiv  als  Maskulinum 
oder  NeutiHim  substantiviert  worden  ist,  und  sie  gehören  —  mit 
vier  deswegen  im  folgenden  auch  hervorgehobenen  Ausnahmen 
—  alle  der  jüngsten  Zeit  an. 

Wir  verwerten  bei  der  Zusammenstellung  auch  die  Fälle, 
wo  das  Substantiv  das  Ergebnis  der  Verbalhandlung  darstellen 
könnte  (die  also  mit  der  Abteilung  1  auf  S.  543  in  Beziehung 
stehen),  stellen  sie  aber  unmittelbar  zusammen.  Sonst  unter- 
scheiden wir  nach  der  Gestalt  der  dem  Adjektiv  zur  Seite 
stehenden  Nebenform,  und  bringen  demgemäß  die  Fälle  mit  der 
maskulinen  Substantivierung  vor  denen  mit  der  neutralen.  Eine 
abgesehen  von  einem  Adverb  ganz  verwaiste  Bildung  soll  hinten 
nachschleppen. 

Im  ganzen  handelt  es  sich  um  23  Fälle,  nämlich: 
a)  känt-äyate  (schon  Bhartr.) 'den  Greliebten  machen,  ihm  gleichen' 
{känfa-  'geliebt',  m.  'Geliebter');  pandit^  'unterrichtet  werden' 
{■panditä-  'unterrichtet',  m.  'Gelehrter,  Weiser');  sraman^ 
'zu  einem  Bettelmönch  werden'  {sramand-  'sich  kasteiend', 
m.  *Bettelmönch') ;  praniadäyati  'sich  wie  ein  ausgelassenes 
Weib  betragen'  {pramada-  'ausgelassen',  -ä  f.  'ein  ausge- 
lassenes Weib');  kudmal-äyate  'eine  Knospe  darstellen' 
{kudmald-  'sich  öffnend',  m.  'sich  öffnende  Knospe';  doch 
vgl.  auch  kutmal^);  üsar°  'einen  salzhaltigen,  unfruchtbaren 
Boden  darstellen'  (■üsf/r«- 'salzhaltig';  -ä  f. 'salzhaltige  Erde') ; 


550  L.  Sütterlin, 

mandal°  'sich  ringeln'  (mandala-  *rund',  m.  *Ring');  son^ 
'sich  röten'  [söna-  *rot',  m.  'Röte');  ufsuk^  'ein  Verlangen 
bekommen'  [utsuka-  'begehrend';  -ä  f. 'Verlangen') ;  iara- 
läyita-  'in  zitternde  Bewegung  versetzt'  {tarald-  'zitternd', 
m.  'Bewegung,  hohe  Welle';  doch  vgl.  uttaraläyate  'erzittern* 
neben  uftarala-  'zitternd'); 
ß)  adhhut-äyate  'als  Wunder  erscheinen'  {adbkuta-  'unsicht- 
bar, wunderbar';  n.  'Wunder');  timir°  'als  Finsternis  er- 
scheinen' (timirä-  'finster',  n.  'Finsternis');  sisir^  'kühl(er) 
W'Crden'  {iisira-  'kühl',  m.  n. 'Kühle');  mithun^  'sich  be- 
gatten' {mithund-  'gepaart',  m.  n.'Paar,  Paarung');  harinirüp^ 
(schon  Glt.)  'einem  Grazellenw^eibchen  gleichen'  {*harinirüpa- 
n.  'Gazelleugestalt',  adj.  'gazellengestaltig');  —  karunäyati, 
o/e  (MBh.)  'Mitleid  empfinden'  {kdruna-  'kläglich',  -ä  f. 'Mit- 
leid'); krpan-äyate  'sich  elend  fühlen,  jämmerlich  tun' 
(Ä:/-2?awa- 'elend',  ^rj;awa-n/ Jammer');  duhkhäydte  'Schmerz 
empfinden'  {duhkhä-  'unbehaglich',  n.  'Schmerz');  krcch- 
äyate  'Beschwerde  empfinden,  Böses  sinnen'  {krcchd-  'schlimm', 
m.  n.  'Beschwerde');  vair*^  'Feindseligkeiten  beginnen,  fest 
auftreten'  {vaira-  'feindlich',  n.  'Feindschaft');  gahan^  'etw. 
Böses  im  Schilde  führen'  {g aha  na-  'tief,  undurchdringlich', 
n.  'Versteck');  cir^^  Hi  {k\a.ss.)  'lange  machen,  säumen'  {cird- 
'lange',  n.  'Zögern');  —  y)  mj^s^  'eine  irrige  Meinung  hegen' 
{mfsä  adv.  'falsch',  *mrsa-  adj.,  *mr^ä  f.  subst). 

3.  Die  Geräuschwörter. 

Die  Geräuschwörter,  die  alle  —  höchstens  mit  einer  Aus- 
nahme —  in  den  nachklassischen  Schriften  auftreten,  legen  über- 
einstimmend einen  reduplizierten,  meist  auch  zweisilbigen 
Stamm  zugrunde;  nur  die  8  ersten  der  im  folgenden  aufge- 
zählten 30 — 35  Beispiele  haben  ein  Substantiv,  und  zwar  auf  -ä, 
neben  sich ;  aber  dieses  Substantiv  ist  möglicherweise  erst  von 
dem  Verbum  aus  geschaffen. 

]N'ach  ihrer  Bedeutung  fallen  diese  Bildungen  fast  alle 
dem  Gebiet  des  Gehörs  zu ;  nur  wenige,  die  jeweils  zuletzt  ge- 
nannten, auf  andere  Sinnengebiete.  Übrigens  sind  die  Formen 
medial  gebraucht,  doch  fehlen  auch  Aktiva  nicht  ganz. 
Die  einschlägigen  Fälle  sind  aber  folgende  30 — 35 : 
katakatäyati  'knirschen'  [katakatä  'Wiedergabe   des  Ge- 
räusches   des    Aneinanderreibens');    kilakiläyati,    ^te   'ein 


Die  Denominatiwerba  im  Altindischen.  551 

Freudengeschrei  erheben'  {kilaMlä)\  khurakhiir-äyate 
'röcheln'  {khurakhurä-  m.  f. 'Geröcher) ;  catacat^  "knistern' 
(catacatä  'Geknister');  jhanajhan^  'klingen'  {jhanajhanä 
'Geklingel  von  Schmucksachen');  patapat^^  ^ti  'klappern' 
[patapatä  'Geklapper');  —  cimicim^  'prickeln'  {cimicimä 
f.  'Prickeln');  —  ghtirghur^  'sausen,  surren'  {ghurghurä 
f.  'Geknurre');  kitakit^  'knirschend  reiben';  kurukur^ 
'schwätzen';  khatakhaP  'mit  einem  Geräusch  herausspringen'; 
khanakhan^  'knacken,  klirren';  khanakhan^  u.  khalakhal° 
'plätschern';  g  h  umaghum^  'brummen';  g  h  u  r  aghu  r«  'gurgelnde 
Töne  von  sich  geben,  schnaufen';  gunagun^  'tosen,  donnern'; 
bakabak^,  bhakabhak^^  makamak^  u.  ratarat^  'quaken'; 
bhatabhat^  'glu  glu  machen';  misamis^  'knistern';  lahalah^ 
'schnaufen';  simisim^  'brodeln';  sirisir^  'zischen';  saka- 
sak-äyati  'knacken'  (intr.);  sarasar-äyati  'zischen';  — 
marmaräyaie  'rauschen';  —  jhagajhag-äyate  'funkeln'; 
tharathar^  'schwindeln,  taumeln';  —  damadam-äyati  u. 
He 'onomatop' \matäm a täy a t i  'onomatop' \tha tathat a r »  ver- 
zeichnet noch  Whitue}^^  S.  390  c.  ^). 

Entsprechende  Yerbalnomina  sind  wieder 
ranaranäyita-  'laut  rasselnd,  tönend'  (neben  rand-  m.  'Ton') 
u.  gumagumäyita-  n.  'das  Summen'. 

Gerade  bei  dieser  Klasse  taucht  vereinzelt  auch  der  Aus- 
gang -äpayati  auf  (S.  533 ff.),  z.  B.  in 

katakat-äpayati  (R.)  'aneinanderreihen'  (neben  katakatä 
'Geräusch  des  Aneinanderreibens'),  u.  kitakitäpayati  'knir- 
schend reiben'. 

Ebenso  findet  sich  hier  das  Kausativum  sabdäyayati 
(Gramm.)  'einen  Laut  ertönen  lassen';  aber  es  hat  schon  ein 
älteres  Muster  neben  sich  (im  MBh.)  in  dhümäyayati  'rauchen 
machen'  (wegen  asüyayitvä  s.  S.  561  Anm.). 

B.  Die  Form. 

Die  Formverhältnisse  liegen  bei  der  großen  Menge  des 
Stoffs  doch  überraschend  einfach. 

Als  Grundwort  dienen  den  etwa  320  eigentlichen  Verbal- 
bildungen, zu  denen  noch  etwa  30 — 40  ita-FormQn  hinzutreten, 

1)  Sonst  hat  diese  reduplizierte  Form  Jchalahhaläyate  'Schelmen- 
streiche machen'  (von  khala-  m.  'Schelm');  wegen  der  nicht  reduplizierten 
Schallwörter  wie  hekäyati  s.  S.  543. 


552  L-  Sütlerlin, 

28  sichere  ä-Substautive  (9  in  der  klassischen,  19  in  der  späteren 
Zeit),  mit  Einrechnung  aller  möglichen  Fälle  und  der  4  ita- 
Fornien  und  8  Geräuschverba  sogar  40  ä-Substantive,  dagegen 
175  a-Substantive  (ungerechnet  etwa  22  üa-Formen)  und  47 
a-Adjektive  (ohne  die  3  ito-Formen),  im  ganzen  also  222,  und 
mit  Einschluß  der  üa-Formeü.  sogar  247  a-Stämme.  Die  andern 
Stämme  verschwinden  ganz  hinter  diesen  Zahlen:  «s-Stämme 
liegen  nur  4  vor  {päyas,  sowie  sumänas-,  vimanas-  u.  surajas-\ 
und  ebenso  nur  4  w-Stämme  {räjan-,  vrtrahdn-^  ferner  hrälmian- 
nnd  das  doppelgeschlechtige  und  doppelstämmige  närma-n-).  Die 
gleichzeitig  von  einem  Substantiv  und  einem  Adjektiv  begleiteten 
23  Ableitungen  sind  dabei  nicht  mitgezählt;  sie  würden  die 
Reihe  der  möglichen  ä-Stämme  um  5  vermehren^  die  der  d- 
Stämme  dagegen  um  gut  18,  sodaß  höchstens  33  ä-Stämme 
gegenübertreten  könnten  einer  Höchstzahl  von  265  d-Stämmeni). 

Als  Grund  für  diese  Entgleisungen  kommen  außer  den 
allgemeinen  Gesichtspunkten,  unter  denen  hier  besonders  das 
Doppelwesen  der  Zusammensetzungen  wichtig  wird,  ihre  Be- 
deutung also  als  einfache  Komposita  und  als  Bahuvrihiform,  und 
die  damit  Hand  in  Hand  gehende  Möglichkeit  des  doppelten 
Ausgangs  eines  etwaigen  weiblichen  zweiten  Bestandteils  (man 
denke  z.  B.  au  Fälle  wie  aksumälä  f.  'Rosenkranz'  u.  aksamäla- 
'mit  einem  Rosenkranz  versehen',  die  zwei  nicht  nur  in  der 
Form,  sondern  auch  nahezu  in  der  Bedeutung  zusammenfallende 
Ableitungen  auf  -äycde  ergeben  würden,  sowie  an  das  oben 
S.  550  erwähnte  harinirüpäyate)^  noch  Einzelbeziehungen  ins 
Spiel :  deväijant-  tritt  neben  rtäyänt-  u.  ijajnäyant-^  ubhayäyita- 
wird  gestützt  durch  das  Adverb  ubhayä  'doppelt',  u.  ähnl. 

Die  Betonung  weicht  nur  in  2  Beispielen  ab,  in  ved- 
skabhäyati  u.  in  kl.  dhüpayati^  ohne  daß  sich  ein  überzeugender 
Grund  dafür  ausfindig  machen  ließe. 

1)  Nicht  gerechnet  sind  auch  einige  zweifelhafte  Grammatiker- 
zeugnisse.  Sie  würden  manches  Merkwürdige  bringen.  Denn  es  sind 
gerade  unter  ihnen  Ableitungen  von  ^-Stämmen  (von  tfpdt-  'mit  Behagen', 
7-ehat-,  vehat-,  sqscdt-,  rohant-,  sdsvant-),  von  as-Stämmen  {citas-,  rdhas-, 
vdrcas-  u.  sucivarcas-),  einem  «-Stamm  {varman-  m.  n.),  dagegen  nur  3 
ä-Stämmcn  {kota,  prustä  u.  velä  f.)  u.  etwa  2  a-Stämmen  (püpd-  u.  sattra-). 

Gar  nicht  verwendbar  in  der  Rechnung  sind  endlich  wegen  Mangels 
eines  sicheren  Grundworts  Gramtnatikerformen  wie  vetäyati  = 
vifibhüve  [vifa-  m.  'Schwindler,  Galan'),  rekhäydte  =  släghasüdanayoh 
(rekhd  ?),  loräyati  =  vilocane,  lekhäydti  =  viläse  skhalaneca,  seläyati  u. 
endlich  pharpharäyati  'sich  heftig  hin-  und  herbewegen'. 


Die  Denominativverba  im  Altindischen.  553 

Die  «^«-Formen  haben  hier  so  häufig  den  verlängerten 
Ausgang  -äyita-  (z.  B.  in  dhüpäijüa-  u.  jpäsayugaläyita-^  ferner  in 
apsar-äyita-,  amn9^  bhär^j  keijür^^  meghP^  lil^,  syäm^^  dann  in 
utsvapnäyita-  n.,  vairäyüa-  n.,  vairäyitäras  fut.,  auch  in  panäyita- 
neben  panita-\  daß  man  angesichts  eines  einfachen  -ita-  wie  in 
visamita-  besonders  in  der  späteren  Zeit  gleich  fragen  muß,  ob 
das  mit  dem  äyate-Yerh  überhaupt  etwas  zu  tun  habe. 

C.  Die  Denominativa  auf  -lyati. 

Von  den  nahezu  120  Bildungen  auf  -fyati,  die  in  den 
beiden  Petersburger  Wörterbüchern  belegt  sind,  entfällt  ein  gutes 
Dutzend  (13 — 14)  auf  die  Veden,  ein  halbes  Dutzend  (6)  liefert 
dazu  die  klassische  Literatur,  und  nahezu  90  (88)  kommen  in 
späteren  Schriften  vor,  vor  allem  bei  den  Grammatikern. 

a)  Die  Bedeutung. 

Die  Bedeutung  ist  nicht  so  ausgeprägt  einheitlich,  wie 
man  es  gewöhnlich  darstellt,  zu  keiner  Zeit ;  die  Yeden  zeigen 
darin  eine  ebenso  große  Verschiedenheit  wie  die  spätesten  Schrift- 
werke ;  aber  die  Schattierungen  bleiben  die  ganze  Zeit  hindurch 
etwa  dieselben.  Es  sondern  sich  zunächst  vier  folgende  von 
einander  ab : 

1.  Das  Verb  bedeutet  'etwas  sein';  im  einzelnen  Fall 
kann  das  wieder  genauer  soviel  werden  wie  'etwas  darstellen', 
*einer  Sache  gleichen',  u.  ähnl.  Wegen  der  Betonung,  des  Genus 
verbi  und  der  Form  des  Grundworts  müssen  wir  die  Bildungen 
hier  gleich  alle  genau  aufzählen. 

a)  Vedisch  sind  4  Formen: 

kav-iydti  'wie  ein  Weiser  handeln',  med.  'auf  Weisheit  An- 
spruch machen'  {kavi-  m. 'Weiser');  durgrhh-iyate  'schwer 
zu  fassen  sein'  {durgfbhi-  'schwer  zu  fassen');  rath-iyänt- 
'fahren  wollend'  {rathi-  m.  'vv agenfahrend,  Wagenlenker'); 
sakh-iydnt-  'sich  als  Begleiter  anschließend'  {sdkhi-  m.  'Be- 
gleiter'). 

b)  Klassisch: 

sajj-iyate  (MBh.)  'sich  bereit  machen'  [sajja-  'bereit'). 

c)  Sonst  sind  überliefert  20  Beispiele: 

när-iyate  'zu  einem  Weibe  werden'  {ndri  f.  'Weib');  raman- 
iyate  'jemandes  Geliebte  oder  Gattin  darstellen'  [ramani  f. 
'Geliebte,    Gattin');    i'äjahqs-iyati  'sich  wie   ein   Flamingo 


55i  L.  Sütterlin, 

gebaren'  {räjahqsf  t);  vyäl-lyati  'einer  Schlange  gleichen' 
{vyäli  f. 'Schlangenweibchen') ;  —  man-iyate  'einem  Edel- 
stein gleichen,  zu  einem  Juwel  werden'  {mani-  m.);  vär-iyate 
'dem Wasser  gleichen'  {väri  n.);  himädr-iyitam  'den  Hima- 
laja darstellend'  {himädri-  m.);  — anal-iyati  'wie  Feuer  er- 
scheinen' {anala-  m.):  kamal-iyati  'zur  Lotusblume  werden' 
{kamdla-  n.);  kalam-iyati  'zu  einem  Reishalm  werden' 
(kaldma-  m.);  känan-iyati  'wie  ein  Wald  erscheinen' 
{känana-  n.);  kairavakorak-lyate  'einer  Lotusknospe  glei- 
chen' {kairava-  n.  'die  in  der  Nacht  blühende  weiße  Wasser- 
lilie', köraka-  m.  n.  'Knospe');  ksirod-iyati  'sich  wie  ein 
Milchmeer  verhalten'  [ksiroda-  m.):  candrakänt-iyati  'dem 
Mondschein  gleichen'  {candrakänta-  'lieblich  wie  der  Mond'); 
mahäntläbhrajäl-ijati  'einer  dichten  Masse  schwarzer 
Wolken  gleichen'  (mahänila-  'schwarz',  abhrd-  u. 'Wolke*, 
jäla-  n. 'Netz,  dichte  Menge');  saiväl-iyati  'einer  Blyxa 
octandra  gleichen'  {saiväla-  n.  'eine  best.  Wasserpflanze'); 
srikanthakanth-tyati  'dem  dunkelblauen  Halse  Sivas  glei- 
chen' (srikanthakantha-  ra. 'Sivas  Hals');  saroj-iyati  'einer 
Lotusblüte  gleichen'  {saroja-  n.);  sahasräyudh-iyati  'aus- 
sehen, als  wenn  man  tausend  Waffen  hätte'  {sahasräyudha- 
'tausend  Waffen  habend');  —  tilottam-Jyati  'die  Apsaras 
Tilottamä  darstellen'. 

2.  Das  Verb  bedeutet  'etwas  bewirken,  erzeugen'.    So 
lassen  sich  auffassen: 

a)  vedisch  6  Fälle: 

adhvar-iydti  'die  Opferbräuche  versehen'  {adhvard-  m.); 
arät-iyänt-  'schadenfroh'  {dräti-  f. 'Übelwollen,  Mißlingen'); 
tavis-lydnt-^  ^ydmäna-  'kräftig'  {tdvisi  f. 'lü-aft');  caran- 
iydte  'einer  Sache  nachgehen'  {carana-  n.  'das  Sichbewegen, 
Gehen,  Benehmen');  mah-iydte  'fröhlich  sein'  {mohi  'zur 
Freude',  mdhas  n. 'Fi'eude',  S.  559);  sopath-iydnt-  'Flüche 
sprechend'  {sapdtha-  m.  n. 'Fluch') ; 

b)  klassisch  sind  nur  3  Beispiele: 
präyascitt-fyate    (Mßh.)    'sich    einer   Sühne    unterziehen' 
{präyascitti-  f.);  rt-iydte  1.  'sich  streiten'  (Sat.  Br.);  2.  act. 
(sp.)   'einen  Abscheu   haben'   [fti-  f-  'Streit;   Abscheu');  — 
duhkh-iyati  'Schmerz  empfinden'  {duhkhd-  n. 'Schmerz'); 

c)  später  2—4  Fälle: 

rist-ryati  'fehlen,  versagen'  {risti-  f. 'Fehlschlagen,  Schaden'); 


Die  Denominativverba  im  Altindischen.  555 

van-iyati  'betteln'  {vani-  f. 'Bettelei') ;  hierher  kann  man 
auch  stellen  a snitapibat-iyati  'zum  ferneren  Essen  und 
Trinken  auffordern'  {asnitapibafä  f.  'die  Aufforderung,  noch 
weiter  zu  essen  und  zu  trinken',  von  asnita  'esset!'  w.pihata 
'trinket!')  u.  tur-iyäti  'gehen,  eilen'  (gatikarman]  tur-  f. 
'Eüe';  doch  vgl.  S.  5.59). 

3.  Das  Verb  bedeutet  '(jemand  oder  etwas)  für  etwas  Be- 
stimmtes halten';  im  einzelnen  Fall  wird  daraus  oft  'jem.  in 
bestimmter  Weise  behandeln',  oder  'etwas  in  einer  bestimmten 
Art  gebrauchen',  bei  Ortsbezeichnungen  'an  einem  gewissen 
Orte  zu  sein  glauben'.  Hierher  gehören  aber  nur  späte  Formen,, 
nämlich  folgende  17 : 

udadh-iyati  'etwas  für  ein  Meer  halten'  {udadhi-  m,); 
janan^  'jem.  für  seine  Mutter  halten'  {jdnanl  f.);  patn^ 
'jem.  für  die  Gattin  halten,  das  Weib  eines  andern  als  Gattin 
behandeln'  {pätni  f.);  kut^  'in  einer  Hütte  zu  sein  glauben' 
{kutf-  f.),  aber  auch  sväm^  'für  den  Herrn  halten'  {svämin- 
m.);  —  gärg^  'wie  einen  Gargya  behandeln',  med. 'sich  wie 
ein  G.  benehmen'  (gargya-  m.);  siv^  'jem.  wie  Siva  be- 
handeln' (sivd-  m.);  suf^  °jeni.  wie  einen  Sohn  behandeln* 
(suta-  m.);  kikar^  'jeni.  für  einen  Diener  halten'  [kj- 
kard-);  geh^  'etw.  für  ein  Haus  halten'  {gehd-  n.);  yog^  'für 
Toga  halten'  {yöga-  m.);  ivabhr^  'für  eine  Grube  halten' 
[svähhra-  n.);  sthal°  'für  Festland  halten'  {sthdla-  m.); 
prävär^  'als  Überwurf,  Mantel  gebrauchen'  (prävära-  m.); 
präsäd^  'in  einem  Palast  zu  sein  glauben'  [präsäda-  m.); 
endlich  priy^  'jem.  für  die  Geliebte  halten'  (priyd  f.),  wohl 
auch  sod°  =  sodantamäcaste  [soda-  'sechszähnig' ?). 

4.  Das  Yerb  bedeutet  endlich  noch  'etwas  wünschen,, 
begehren',  und  zwar  in  folgenden  21  Beispielen,  von  denen 
nur  2  vedisch,  die  übrigen  spät  sind,  nämlich: 

a)  vedisch: 

jan-iydti  'ein  Weib  wünschen'  [jdm  t)\  ray-iydnt- 'Besitz 
wünschend'  [rayl-  m.  f.); 

b)  später,  und  zwar  meist  bei  Grammatikern  belegt  sind: 
usr-iyati  'sich  eine  Kuh  wünschen'  (usri-  f.?;  S.  558); 
dadh^  'nach  saurer  Milch  verlangen'  [dddhi  n.);  str^  'nach 
einem  Weibe  verlangen'  {stri  f.);  —  ann°  'nach  Speise  ver- 
langen' [dnna-  n.);  asan^  'nach  Speise  verlangen'  [dsana-  n.); 
asv^  'sich  Rosse  wünschen' (asy«- m.);  odan^  'Brei  wünschen'' 


Ö56  L.  Sütterlin, 

{odanä-  m.  n.);  jnaudän^  'den  Reis  der  Jnä  wünschen  {jnä^ 
odänä-  n.);  ksiV^  'nach  Milch  verlangen'  {ksird-  n.);  ksetr'^ 
'nach  einem  Acker,  einer  Ehefrau  Verlangen  tragen'  {ksetra- 
u. 'Feld,  Mutterleib');  ghan°  'nach  fester  Speise  verlangen' 
(ghand-  m. 'feste  Masse');  jnän^  'sich  nach  Erkenntnis  sehnen' 
(jnäna-  n.);  dhan^  'sich  Reichtum  wünschen'  {dhäna-  n.); 
mqs^  'Fleisch  zu  essen  verlangen'  [mäsd-  n.);  srr\gär° 
'der  Liebe  begehren'  {sfr\gära-  m.  'Geschlechtsliebe');  {abhi-, 
pari  +  )  sävak^  =  sävakmnicchati,  sväpak^  =  sväpaka'mi- 
cchati^  hanan^  =  hananamicchati;  endlich  noch  mäl-iydti 
(Gram.)  'sich  einen  Kranz  wünschen'  {mala  f.). 

5.  Vereinzelt  ist  der  Sinn  auch  mehrdeutig  bei  ein  und 

demselben    Wort;    dann   spielen   aber   gewöhnlich   zeitliche 

Unterschiede  mit  herein;  so  heißt  es: 

mah-lydte  1. 'fröhlich  sein'  (RV.,  AV.,  TBr.);  2. 'sich  hoch 
erheben,  gedeihen ;  in  Ehren  stehen  oder  halten'  (spät),  neben 
mahi  'zur  Freude'  (RV.),  mdhas  n.  1. 'Freude';  2. 'Größe' 
(beides  vedisch),  mäht  f. 'groß';  pat-iyati  1. 'den  Herrn 
spielen'  (Ait.  Br.);  2.  'Gebieter  werden'  (Sat.  Br.);  3.  'sich  einen 
Gebieter  wünschen'  (Bhatt):  pdti-  m. 'Herr,  Gebieter';  citr- 
tijate  1.  'in  Staunen  geraten'  {=  'für  augenfällig,  wunderbar 
halten' ;  Kathäs.,  Mahävirac.) ;  2.  'zum  Wunder  werden,  Staunen 
verursachen'  (=  'augenfällig  werden',  Bhatt):  citrd-  'augen- 
fällig, hell,  mannigfaltig,  wunderbar';  putr-igdti  1.  'sich  einen 
Sohn,  Kinder  wünschen'  (RV.,  AV.,  Gram.) ;  2.  'wie  einen  Sohn 
behandeln' (Gramm.):  putrd-  m. 'Sohn';  mätr-iyafi  (Gramm.) 
l.'jem.  für  eine  Mutter  halten,  wie  eine  Mutter  behandeln'; 
2. 'sich  eine  Mutter  wünschen':  mätdr-  f. 'Mutter';  mitr- 
iyati  l.'jem.  sich  zum  Freund  zu  machen  suchen';  2. 'für 
seinen  Freund  halten'  (spät) ;  3.  'zur  Freundschaft  geneigt  sein' 
(Harsac):  mitrd-  m. 'Freund' i). 

\)  Nicht  weiter  bezeichnet  ist  das  Be  deu tu  ngs Verhältnis  folgender 
Orammatikerüberlieferungen : 

kath-Tyate  (kafht);  kärikey-lyati  (kärikeyf-);  dusfo  {dtiäfi- 
f. 'Verderben') ;  dJityate  [dhi-  m.?);  suc-tyate  {suci-,  Sucis-);  — 
indr<i  [indra-  m.);  udako  {udakd-  n. 'Wasser');  {upa +)  e^ako 
{«daka-  n.  'eine  Art  Schaf,  eine  Arzneipflanze');  gküro  [gkära- 
m. 'die  heilige  Silbe  om');  oih^  (odha-  <^  ä  +  üdhd-);  ku?-kuro 
{kurkurd-  m.  'Hund');  dravin°  (drdviina-  n.  'bewegliches  Gut,  Reich- 
tum'); prärk^o  [prark^a  <^pra  +  fksa-  'Bär');  prärsabho  [prar- 
Sabha-   (^  pra -{- f^abha-   m.  'Stier');   prälkar^  (pra  +  fkära-); 


Die  Denominativveiba  im  Altindischen.  557 

Aber  diese  mannigfaltigen  Abtönungen  der  Bedeutung 
greifen  alle  ineinander  über.  Zunächst  erklären  sich  die  ver- 
schiedenen Färbungen  der  vier  einzelnen  Hauptbegriffe  ohne 
weiteres  von  jeweils  einem  Gesichtspunkt  aus.  Wer  weise  ist, 
handelt  auch  w^eise;  wer  ein  Begleiter  ist,  schließt  sich  als 
Begleiter  an.  Wer  bereit  ist  zu  einer  Sache,  muß  sich  vorher 
bereit  machen;  von  wem  man  ausdrücklich  betonen  muß,  es 
sei  ein  Weib,  der  ist  es  noch  nicht  lange,  wird  es  erst;  wenn 
ein  anderer  Gregenstand  Lotusblume  genannt  wird,  gleicht  er 
ihr  nur,  stellt  sie  nur  dar,  erscheint  als  sie.  Wer  Übelwollen 
entwickelt,  ist  schadenfroh,  wer  geschäftig  in  Bewegung  ist, 
geht  einer  Sache  nach,  und  eine  Hütte  endlich  hält  man  dann 
sicher  für  ein  Haus,  wenn  mau  sich  darin  zu  befinden  wähnt. 

Aber  auch  die  vier  Gruppen  lassen  sich  alle  ineinander 
überführen,  wenn  man  den  Unterschied  des  Genus  verbi  be- 
achtet, den  des  absoluten  und  des  transitiven  Gebrauchs,  die 
Eigenart  der  unvollständigen,  z.  B.  der  verknüpfenden  Begriffe 
usw.  Wer  aus  sich  heraus  und  für  sich  wie  ein  Weiser  handelt, 
macht  Anspruch  auf  Weisheit,  geberdet  sich  wie  ein  Weiser, 
spielt  den  Weisen,  legt  aber  auch  Weisheit  an  den  Tag, 
stellt  einen  Weisen  dar,  will  für  einen  Weisen  gehalten  werden, 
strebt  nach  Weisheit;  wer  sich  für  einen  Gargja  hält,  spielt 
ebenso  den  Gargya.  Wer  ein  Freund  ist  oder  ein  Feind,  ist  es 
nur  für  einen  andern,  behandelt  diesen  andern  freundlich  oder 
feindlich ;  ein  Begleiter  aber  geleitet  einen  andern.  Am  schwersten 
begreiflich  erscheint  die  jüngste  Entwicklung,  die  Herausbildung 
des  Desiderativums;  aber  mit  Unrecht;  auch  hier  liegen  die 
Wurzeln  zutage.  Daß  ein  Weiser  nach  dem  eben  Ausgeführten 
nach  Weisheit  strebt,  hilft  uns  leider  nicht  weiter,  weil  hier  die 


prek°,  praik°  (pra  +  eka-);  progh^,  praugh°  {pra  +  ogha-  m. 
'Flut');  mahäpuiro  (mahäputra-  m.  'Großsohn'?);  murmuro  (mur- 
mura-  m.  'verglimmende  Kohle');  lavaTt^  {lavand-  n.  'Salz');  /wno 
{lüna-  n.  'Schwanz');  vj-s^  [vfsa-  m.  'Mann,  Stier');  sandh^  {san^hd- 
'zeugungsunfähig') ;  khatv^  (khdtvä  i.  "Bettstelle  );  kartro  {kartar- 
'Täter') ;  räjiydti  (rdjan-  m.  'König'). 
Unklar  ist  das  Grundwort  in 
ved.  srudhfydnt-  (nach  pw.  'widerspenstig',  nach  PW.  aber  'gehorsam', 
dann  vielleicht  von  srudht  'höre!');  hrnti/amäna-  'grollend' (neben 
hr^tte  'grollen');  u.  spätem  dvijanuk^  'noch  einmal  so  schmäh- 
süchtig werden',  prasnävitr^  =  prasnäviteväcarati,  sowie  brnT- 
ydte  =  krudhijati. 


558  L.  Sütterlin, 

sprachgeschichtliclie  Uuterlage  zufällig  fehlt.  Aber  wer  Wagen- 
leuker  ist,  fährt  gewöhnlich  auch  gern  Wagen,  wünscht  sich 
auf  seinen  ^Yagen.  Wie  nach  nhd.  Sprachgebrauch,  wer  'trinkt', 
gern  trinkt,  'sich  nach  dem  Trunk  sehnt',  so  wünscht  auch 
im  Altindischen  seine  Milch  deijenige,  der  'milcht'.  AVer  Kinder 
erzeugt  oder  gebiert,  hat  Kinder  meistens  auch  gern,  liebt 
(lie  Ejnder,  sehnt  sich  nach  diesen  Kindern,  dann  aber  über- 
haupt nach  Kindern. 

Eine  auffällige  Neuerung  ist  es  auch,  daß  als  Grundwort 
ein  Adjektiv  dient,  kein  Substantiv,  durgfbhi-  könnte  freilich 
von  Hause  aus  noch  Substantiv  gewesen  sein  und  'Mißgriff' 
bedeutet  haben,  also  zu  seiner  adjektivischen  Verwendung  nach 
Art  der  Bahuvrihi  gekommen  sein,  und  umgekehrt  wird  das 
Neutrum  nicht  nur  von  duhkhä-^  sondern  auch  von  citrä-  sub- 
stantiviert: was  mau  für  ein  Wunder  hält,  darüber  gerät  man 
in  Erstaunen,  ebenso  wie  auch  ein  Wunder  in  Erstaunen 
setzen  kann.  Aber  für  die  Betrachtung  von  sajjiyati  und  das 
unsichere  sod'^^  die  allein  noch  in  Betracht  kommen,  bieten  sich 
keine  derartigen  Anhaltspunkte  und  Auswege.  Zu  ihrer  Er- 
klärung dürfen  wir  andererseits  aber  auch  die  Formbeziehungen 
heranholen. 

b)  Die  Form. 

Die  Formverhältuisse  liegen  bei  unserer  iyati-]s\a&s,Q  ziem- 
lich günstig.  Ursprünglich  sind  die  hierhergehörigen  Formen  ja 
nur  von  2-Stämmen  abgeleitet  worden.  Solcher  regelmäßiger  — 
sicherer  oder  wenigstens  möglicher  —  Ableitungen  gibt  es 
mindestens  27,  mit  Einrechnimg  der  zweifelhaften  Fälle  sogar  34, 
gegenüber  den  41 — 60  Ableitungen  von  a-Stämmen,  den  5  Ab- 
leitungen von  ä-Stämmen  {khatv^^  tilottam^^  WW'^t  *^ö^°i  ^^^^h 
w^ohl  asnitapibat^)  und  den  3  sonstigen  Ableitungen  {mätr^,  kartr° 
u.  rö/o). 

Und  diese  Neubildungen  hängen  wieder  mannigfach  mit 
den  alten  Mustern  zusammen.  Tor  allem  haben  wür  neben  den 
i-stämmigen  Grundwörtern  nicht  selten  anders  gebildete  Neben- 
formen wie  v//äla-  m.  'Schlange',  präyascitta-  n.  'Sühne',  rdtha- 
m.  'Wagen',  dusta-  n.  'Yerderben',  adj.  'verdorben',  hithä-  'Eigen- 
name', ferner  usrd  neben  dem  unsicheren  üsri-  f.,  grbh-  f.  'Griff 
neben  gfbhi-  'in  sich  fassend'  u.  diirgfbhi-  'schwer  zu  fassen', 
vär-  n.  neben  vd)%  endlich  gleichzeitig  rmnanä  u.  ramana-  neben 
ramanij  jdnanä  u.  jänana-  neben  jdnani;   dagegen  hat  candra- 


Die  Denominativverba  im  Altindischen.  559 

känta-  'lieblich'  neben  sich  nur  candrakäntä  'Göttin  des  Mondes'; 
räjä  aber  vergleicht  sich  nicht  nur  mit  mälä^  sondern  auch  vfm-^ 
und  zwar  auf  dem  Umwege  über  vfsan-. 

Auch  zu  den  adjektivischen  Grundwörtern  führt  die 
eine  oder  die  andere  Brücke,  vor  allem  die  adjektivischen  Ab- 
leitungen auf  -ft/a-  (wie  asvtya-)  nnd  mehr  noch  die  auf  -in- 
(wie  vanin-,  puMn-^  jnänin-,  srx\gärin-).  Anderseits  knüpfen  die 
Adjektive  auf  -a  auch  an  Substantive  an :  neben  üwisi  liegt 
tavisd-  'kräftig',  neben  tür-  f.  auch  iura-  'eilig',  das  mit  tür- 
übrigens  um  so  enger  zusammenhängt,  als  ein  tür-  ja  auch  selbst 
adjektivisch  auftritt ;  umgekehrt  führt  suci-  auf  das  substantivische 
Neutrum  sticis-^  u.  tavisd-  zusammen  mit  tavisi  ebenso  auf  tavds-, 
das  Substantiv  und  Adjektiv  zugleich  ist.  Diese  Neutralbezieh- 
ungen sind  aber  kaum  verwertet  worden,  vielleicht  einzig  bei 
mahnjdtij  das  übrigens  in  seiner  einen  Bedeutung  außer  mahi 
auch  mah  neben  sich  hat. 

Aber  vergessen  darf  man  auch  die  Bedeutungsanklänge 
nicht.  So  treten  gerade  hier  die  Glieder  der  Familie  so  vollzählig 
auf,  wie  sonst  nie  bei  der  Verbalableitung;  neben  dem  pdti-,  der 
pdtni,  stri^  jdnani,  jdnf-^  näri  die  mätä  mit  ihrem  putra-  u.  suta- 
sowie  dem  mahäpidra-;  und  im  Hintergrund  halten  sich  noch 
auf  die  ramani  und  die  priyä^  aber  auch  der  sdkhi-  mit  dem 
miträ-.  In  anderer  Richtung  aber  erscheint  hinter  dem  pdti-  der 
svämin-  und  der  räjä.,  während  sfrf,  näri^  ramani  usw.  wieder 
den  Begriff  sfr\gära-  in  Erinnerung  bringen. 

Neben  den  Familiengliedern  kommen  ihre  täglichen  Be- 
dürfnisse und  Lebenssorgen  zum  Yorschein:  neben  dem  dddhi 
nicht  nur  das  ksird-^  sondern  auch  das  mqsd-,  das  dnna-  w. 
asdna-,  der  ghand-  u.  odand-.  Aber  der  alte  Inder  hatte  nicht 
nur  zu  sorgen,  was  er  essen  und  trinken  würde,  sondern  er 
wollte  auch  Schätze  sammeln :  er  jagte  nicht  nur  ra//i-  (m.  f.) 
nach,  sondern  auch  dem  dhdna-  und  dem  dravina-,  und  offen- 
bar galt  ihm  als  höchster  Besitz  nicht  nur  in  der  Yedenzeit, 
sondern  auch  noch  zur  Zeit  der  Grammatiker  das  Vieh,  die  usrä. 
Aber  auch  hinter  dem  dsva-  war  er  her ;  dabei  entfaltete  er  ge- 
schäftige Eile,  carana-  u.  tür--^  er  machte  sich  dazu  auch  bereit 
{sajj°).  Auch  die  Stimmungen,  die  dieser  Kampf  ums  Dasein  in 
ihm  erweckte,  drückte  er  mit  hierhergehörigen  Verben  aus: 
einerseits  mit  maMydte  u.  arätiydnt-^  andernteils  mit  duhkhtyati, 
rtfydte,  sapathiyänt-  u.  hrniyamäna-.    Nur  bei  fortschreitender 


560  h.  Sütterlin, 

Bildiiug  lind  steigendem  Wohlstand  stellte  er  auch  andere  Be- 
griffe nebeneinander:  den  präsäda-  und  das  gehd-  neben  die 
kutf-,  oder  das  känana-  neben  den  Jiimädri-,  oder  er  konnte  dem 
väri  und  dem  udadhi-  entgegenlialten  sowohl  den  anala-,  als 
auch  den  sthdla-,  freilich  ohne  daß  er  dabei  die  urvi  oder  prthim 
zugi'unde  legen  konnte.  Noch  höher  und  darum  ihm  ferner  lagen 
Begriffe  wie  präyascitti-  u.  jnäna-. 

Zum  Schluß  beanspruchen  kurze  Erwähnung  zwei  Fälle 
des  Schwankens  in  der  Form;  sie  gelten  der  Betonung  und 
der  Dauer  des  Endungs  -i. 

Der  Ton  ruht  durchweg  auf  dem  -t/a-  {-ii/dti).  Zwar  sind 
auch  hier  die  genau  bezeichneten  Formen  wieder  vorwiegend 
Partizipien  auf  -dut-,  aber  es  kommen  doch  auch  andere  Bildungen 
vor.  Ausnahmen  begegnen  nur  zwei:  mahiijase  (TBr.)  gegen 
mahiydte  (RV.,  AV.)  y.  hrntyamäna-^  das  indessen  wegen  seines 
zweifelhaften  Ursprungs  nicht  viel  beweist. 

Das  i  der  Endung  ist  meistens  lang.  Nur  der  Atharvaveda 
setzt  vereinzelt  dem  rigvedischen  i  ein  i  gegenüber,  sodaß  er 
janii/dti  bietet,  putriydti  u.  arätiydnt-  gegen  janiydti,  putnydti 
u.  arätiydnt-  des  Rigveda.  Vielleicht  spiegelt  sich  darin  noch  die 
Doppelheit  von  jdnf-,  kutf-  u.  kärikeyf-  wieder  und  der  Gegensatz 
von  pdti-  u.  pdtni. 

D.  Die  Denominativa  auf  -üydti. 
Die  Yerba  auf  -üydti  sind  eine  kleine,  wohlgezogene  Formen- 
klasse, die  höchstens  bei  Beginn  der  schriftlichen  Überlieferung 
noch  einigermaßen  lebendig  war.  13  von  den  hierhergehörigen 
22  Bildungen  enthält  schon  der  Veda,  2  bietet  die  klassische  Zeit 
und  8  etwa  noch  die  jüngeren,  weniger  wichtigen  Schriftsteller. 

a)  Die  Bedeutung. 

Die  Bedeutung  ist  nicht  sehr  ausgeprägt. 
1.  Am  meisten  tritt  noch  eine  kleine  Gruppe  hervor,  die 
eine  Eigenschaft  des  Subjekts  bezeichnet,  also  zu  übersetzen  ist 
mit  'etwas  sein'. 

Sie  ist  vedisch  durch  G  Beispiele  vertreten: 
rjüydnt-  'redlich  verfahrend',  med.  'sich  gerade  richtend  auf 
etwas'  {rjü-  'gerade');  raghuydnt-  (ow»  TBr.)  'rasch  dahin- 
eilend'  {raghü-   'rennend',  m. 'Renner');  valgüydti  1. 'artig 
behandeln';  2.  (Bhatt.)  'frohlocken'  {valgü  'artig';  vgl.  vdlgati 


Die  Denominativverba  im  Altindischen.  561 

'hüpfen');  sukratüyate  'seine  Weisheit  zeigen'  {sukrdtu- 
'einsichtig,  weise');  —  satrüydnt-  'feindlich  auftretend' 
(sfUrw-m. 'Gegner');  stahhü-ijdnt-^  ^i/dmäna-  'sich  stemmend, 
-spreizend'  {*stabhü-  neben  stdmbhate  'stützen'); 

dazu  gehört  klassisch  vielleicht 

laghüijdti  'geringschätzen'  (laghti-  'rasch,  leicht',  also  eigent- 
lich dann  'rasch  beurteilen'), 

jedenfalls  aber  die   3   jüngeren,   freilich  schon   etwas  anders 

gewendeten 

visnüijati  'wie  Visnu  mit  jem.  verfahren'  {visnu-  m.);  sma- 
ravadhüyati  'Kanias  Weibe  gleichen'  {smard-  m. 'der  Liebes- 
gott', vadhü-  f.  'Ehefrau');  smasrüyate  'einem  Barte  gleichen' 
[smdsrii-  n.,  sg.  u.  pl.  'Bart'). 

2.  Eine  zweite,  kleine  Gruppe  bezeichnet  ein  Streben. 
Sie   ist   nur   vedisch    vertreten    und   zwar  durch  3 — 4  Fälle 

pituyati   'Xahrung    begehren'    {pitü-    m. 'Saft,    Nahrung') 
vasüydnt-  'nach  Gaben  verlangend'   {vdsu-  'gut',   n. 'Gut') 
gätüydti  'Zugang,  Fortgang  suchend'  {gäti'i-  m. 'Gang'); 
zweifelhaft  ist  die  Hierhergehörigkeit  von  ar\küydnt-  'Krümmungen 
suchend'   (neben   dr]kas-  n.  'Biegung',  ar]kd-  m.  'Haken'),  da  ein 
neben    dem    neutralen    s-Stamm   nach   Ausweis    von    qhas-^ 
prdthas-,  vdras-,  griech.  ßdpoc   leicht   mögliches   *ar]kii-   sowohl 
'Krümmung'  bezeichnet  haben   kann  als  auch  'krumm',  unser 
Verbum  also  von  Hause  aus  gemeint  haben  könnte  sowohl  'eine 
Krümmung  machend',  wie  die  gleich  zu  behandelnden  Beispiele, 
als  auch  'ki'umm  sein',  wie  die  schon  vorher  erwähnten;  ganz 
unbekannt  ist  der  Sinn  des  Grammatikerbelegs  madhüyati  (neben 
mddhii-  'süß',  n. 'Süßigkeit'),  wenn  die  Wahrscheinlichkeit  ihm 
auch  liier  seine  Stelle  anweist. 

3.  Zweifelhafter,  versprengter  ujid  in  der  Herkunft  teil- 
weise unsicherer  ist  eine  weitere  kleine  Gruppe,  die  einen  Ge- 
fühlszu stand  und  seine  Äußerung  beschreibt.  Sie  umfaßt 
a)  an  vedi sehen  Formen  die  3  folgenden: 

dpratimanyüyamäna-  (AV.)  'unfähig,  den  Eifer,  den  Zorn 
gegen  andere  geltend  zu  machen'  {tnanyil-  m.  f.  'ilut,  Zorn'); 
asüydti^  °te  'murren'  (vgl.  dsu-  m. 'Lebenshauch',  n. 'Trauer') i); 
isüydti  'begehren'  (vgl.  isudhydti  'flehen',  S.  563). 


1)  Davon  die  einzige  Kausativform  dieser  Klasse  amyayitva  'zum 
Murren  bringen'  (N.). 

Indogermanische  Forscliungen  XIX.  37 


562  L.  Sütterlin, 

b)  Jung  sind  2  weitere: 

mantüyätij  ^te  'sich  ärgern,  vorsichtig  werden'  (?;  tndntii- 
m. 'Rat,  Beleidigung');   susHijate  'gern  haben,  mögen'  ( — ?). 
4.  Ganz  für  sich  steht 

klass. :  kandüyati,  °te  'kratzen,  schaben'  (kandu-  ni.,  ^ü-  i.  'das 
Kratzen'),  sowie  anderseits  auch  gar\güijati  (Tändya  Br.)  'auf- 
jauchzen' ( — ?),  das  übrigens  auch  wieder  an  die  späte  Be- 
deutung von  valgüyati  erinnert. 

b)  Die  Eorm. 

16 — 17  von  diesen  23  Ableitungen  haben  ausgesprochene 
w-Stärame  als  Grundlage,  neben  einer  steht  ein  zufälliger  s-Stamm 
{ar[küydnt-\  bei  4  entzieht  sich  der  Ursprung  dem  Nachweise. 
Die  Dauer  des  u  schwankt  nur  in  der  ältesten  Überlieferung 
etwas,  nur  bei  gätüyati  und  bei  ragliüyänt-\  bei  dem  ersten 
bietet  allein  der  Rigveda  beide  Formen,  bei  dem  zweiten  stellt 
nur  TBr.  raghüydnt-  neben  rigvedisches  raghuydnt-.  Wo  sich  diese 
Doppelheit  herschreibt,  ob  die  Kürze  etwa  von  den  Maskulinen 
stammt,  die  Länge  von  den  Femininen  oder  auch  (bei  smasrüyote) 
von  dem  neutralen  Dual,  ist  kaum  mehr  festzustellen. 

Die  Tonstelle  war  nach  dem  ziemlich  einstimmigen 
Zeugnis  der  Überlieferung,  soweit  diese  in  der  vorliegenden 
Fi'age  überhaupt  redet,  das  «:  -üydti.  Die  einzige  Ausnahme, 
die  das  PW.  verzeichnet,  pitüycdi,  hat  an  der  angezogenen  Rig- 
vedastelle  jedenfalls  keine  Gewähr;  denn  hier  gibt  das  PW.  selbst 
jntüyatdh. 

E.  Die  Denominativa  auf  -yati. 

Yon  Formen  auf  -yati^  die  in  jeder  Hinsicht  sicher  sind, 
stehen  66  zu  Gebote,  und  zwar  32  aus  den  Yeden,  2  aus  der 
klassischen  Zeit  und  32  aus  den  gelehrten  Kreisen.  Dazu  kommen 
noch  mmdestens  8,  höchstens  20  Beispiele,  die  in  irgend  einer 
Weise  Bedenken  eiTegen  (4  vedische,  3  klassische  und  12 — 13 
aus  später  Zeit). 

Aus  der  Gesamtheit  dieser  Bildungen  heben  sich  mehrere 
Form-  und  Bedeutungsklassen  heraus,  die  sich  aber  nur  stellen- 
weise decken. 

a)  Die  Bedeutung. 

Nach  der  Bedeutung  lassen  sich  unter  den  yati-Yormen 
wieder  3  ausgeprägte  Gruppen  absondern,  deren  jede  durch 
einige  unzweifelhafte  Gebilde  sicher  gestellt  wird,  außerdem  aber 


Die  Denominativverba  im  Altindischen.  563 

noch  einige  mehrdeutige  Beispiele  enthält.  Die  erste,  die  sub- 
jektive, bedeutet  etwas  sein,  die  zweite,  die  bewirkende,  etwas 
erstreben.  Alle  drei  sind  zwar  ungefähr  gleichzeitig  vertreten, 
aber  verschieden  kräftig.  Es  empfiehlt  sich,  dies  zu  veranschau- 
lichen durch  eine  zeitliche  Gliederung  des  Stoffs,  weil  dabei 
gerade  die  merkwürdigen  vedischen  Bildungen  am  besten  zur 
Geltung  kommen. 

a)  In  den  Vedeu  bedeuten  von  den  einschlägigen  Beispielen: 

1.  etwas  sein  13: 

tuvisijäti  'kräftigsein'  {tavisd-  'kräftig');  vithuryäti  'taumeln' 
{vithiird-  'taumelnd");  —  krpanydti  'begehren'  (krjpand- 
'jämmerlich,  elend;  geizig');  —  unsicherer  sind  turanydti 
1.  'eilig  sein';  2.  'beeilen'  {turdna-  'eilig');  bhuranydti 
1.  'zucken,  unruhig  sein';  2.  'in  Unruhe  versetzen'  {bhurana- 
'rührig');  —  damanyati  'zähmen'  {damana-  'zähmend',  n. 
'das  Zähmen');  hrahmanydnt-  'betend'  {brahmdn-  m.'Beter', 
brdhman-  n.  'Gebet');  saranijdti  'eilen'  {sardna-  'laufend', 
n. 'das  Laufen');  bhisajydti  'heilen'  (mit  bhisajijita-;  von 
bhisdj-   'heilend',  m.  'Arzt',  aber  auch  'Heilmittel')  i). 

Kein  Nomen  ist  belegbar  bei 
dhisanydnt-  'aufmerksam' (*c?A«sawa- 'aufmerkend',  -ä  f. 'Auf- 
merksamkeit') ;  risanydti 'fehlen, versagen' {vg\.risyati 'dass.') ; 
ruvanydti  (AV.)  'grobe  oder  kreischende  Töne  von  sich  geben' 
{vgl.  rduti  'brüllen');  huvanydti  'rufen,  schreien' (vgl.  Awi?« 
'ani'ufen')^). 

2.  etwas  verursachen,  hervorrufen: 

isanydti  'zur  Eile  antreiben'  {isdni-  f.  'das  Antreiben'); 
ä-caranydti  (AY.)  'sich  bewegen  nach',  ud -\- c^  (AY.,  YS.) 
'sich  herausbewegen'  {cdrana-  n. 'Gang,  Bewegung');  sama- 
r|/d^« 'kampflustig  sein'  {samard-  m.  'Zusammenlauf');  isu- 
dhydti  'flehen'  {slv.  isud-  f. 'Gebet'?  'Schuldforderung'?). 

3.  etwas  erstreben  heißt  sicher  nur 

gavydnt-  'nach  Rindern  verlangend,  brünstig'  (go-  'Rind'); 
vielleicht  auch  vrsanyäti  'brünstig  sein'  {vfsan-  m.  'Mann, 
Männchen',  doch  vgl.  auch  vfsana-  m.  du.  'Hoden')  u.  uksa- 
nydti  'nach  Rossen  begierig  sein'  {uksdn-  m.  'Stier';  so  pw.; 
nach  PW. :  'wie  Uksan  tun'). 


1)  Daneben  vielleicht  bhisiiajydti. 

2)  Wegen  vanusydti,  tarusydti,  urusijdti  s,  S.  571. 


37=" 


564  L.  Sütterlin, 

4.  Nicht  recht  unterzubringen,  teils  wegen  des  Sinnes, 
teils  wegen  der  Form  sind  folgende  übrig  bleibenden  7  vedi- 
schen  Beispiele: 

udanydnt-  'bewässernd'  {uddn-  n/Wasser'); ^r^rtwya ^^feind- 
lich angreifen'  {pftana-  n. 'Heer',  Ȋ  f.  'Kampf);  vadhar- 
«/(/wfz 'die  Geschosse  Werfende,  Blitz'  {vädhar-  n.  'Greschoß'), 
und  die  Gruppe  ratharydti  im  Wagen  fahren'  {neben  rätha- 
m. 'Wagen') ^) ;  sratharydti  'los,  schlaff  werden'  (neben  srath- 
näti  'dass.')  u.  saparyäti  'ehren' 2). 

b)  Aus  der  klassischen  Zeit  stammt  —  abgesehen  von 
dem  gleich  nachher  in  anderem  Zusammenhange  zu  erwähnenden 
rathakämyati  (S.  565)  —  nur  das  zur  zweiten  Gruppe  gehörige 

puspyäti  (o«/"^  Dhat.)  'blühen'  {piispa-  n. 'Blüte'). 

c)  Die  spätere  Zeit  versorgt  dagegen  wieder  alle  drei 
Gruppen  ziemlich  reichlich;  so  gleich 

1.  die  erste  mit  7  Beispielen: 
pdtyate  'Gebieter  sein,  teilnehmen,  taugen'  (pdti-  m. 'Ge- 
bieter'); avaryati  'niedriger  werden'  {dvara-  'niedrig');  ä- 
scaryati  'wunderbar  sein'  {äscarya-  'seltsam',  n. 'Wunder'); 
caramydti  'der  letzte  sein'  {caramd-  m. 'letzter');  drava- 
tydti  'flüssig  werden'  {dravant-  'flüssig');  nicydti  'sich  in 
untergeordneter  Stellung  befinden'  {nica-  'niedrig');  yava- 
matyati  =  yavamäniväcarati  (ydvamant-  'getreidereich, 
Kornbauer');  udbudhnyati  'anikeimen'  {*udbudhna-  'der  aus 
dem  Boden  gekommen  ist',  von  budhnd-  m. 'Boden';  wie 
udhila-  'der  die  Hölile  verlassen  hat',  von  bila-  n. 'Hölile'); 
zweifelhafter,  weil  sie  das  danebenliegende  Substantiv  auch  zur 
zweiten  Gruppe  zu  ziehen  erlaubt,  sind  dagegen  die  folgenden: 
g ady ady dtV%t2in\nie\n  (^rtc(f^af7rt-'stammelnd', n.'Gestaramel'); 
taranydti  'übersetzen'  [tardni-  'hinüberbringend',  tarana- 
n.'das  Übersetzen')  3);  duhkhyati  'Schmerz  bereiten'  [duhkhd- 
'schmerzlich',  n. 'Schmerz');  vitatyate  'sich  ausbreiten'  (vitata- 
'ausgebreitet',  vitati-  f. 'Ausbreitung' ; 

1)  Vielleicht  von  einem  Kompositum  *rath-ard-  'den  Wagen  in  Be- 
wegung setzend',  von  ar-  [iyarti)  'bewegen'? 

2)  jmäydnt-  'bahnbrechend'  (?),  ein  angebhches  Denominativ  von 
jman-  (Lokativ)  'auf  der  Bahn',  ist  vielleicht  ein  Kompositum  jmä-ydnt- 
'auf  der  Bahn  gehend',  also  ähnlich  beschaffen  wie  jmayd  'die  Bahn  ver- 
folgend'. Sonst  leitet  man  es  bekanntlich  als  jm-äydnt-  von  Harn-  'Erde' 
ab;  doch  könnte  man  auch  in  diesem  FaWe  jmä-yd)U-  trennen. 

3)  Die  Nebenlesart  tarinydti  hat  nur  neben  sich  tarin-  'übersetzend'. 


Die  Denominativverba  im  Altindischen.  565 

hierhin  gehört  aber  auch  noch  die  ganze  Gruppe  der  Formen  auf 

^kämyati  'begehren'  (von  kämd-  'liebend'  oder  käma-  m. 'Liebe'); 

nämlich:  das  schon  (S.  564)  in  Aussicht  gestellte  klassische 
rathakämijati  'nach  dem  Wagen  verlangen,  angeschirrt  sein 
wollen'  (Kathäs.), 

und  die  späteren 

artha-kämyati  'nach  Geld  verlangen';  kj^  'was  wünschen'; 
gih^  'ein  Freund  der  Eede  sein'  {gir-  f.  'Eede');  payas^  'nach 
Milch  verlangen';  putra^  'sich  einen  Sohn  wünschen';  püh^ 
'sich  eine  Burg  wünschen'  {i^ur-  f.  'Burg') ;  yajus^  'Yajus  mögen' 
( Yäj  US-  'ein  Mann') ;  yasas^  'nach  Ruhm  verlangen'  (ydsas-  n.); 
rana^  'Kampf  wünschen'  [räna-  m.  n.);  sarva^  'alles  wün- 
schen'; svah^  'nach  deniHimmel  verlangen'  {svar-  n.'Sonne')^). 

2.  Die  zweite  Gruppe  zählt  nur  drei  sichere  Einzelbeispiele : 
kusumyati  'zu  blühen  beginnen'  [kiisüma-  m.  n. 'Blume'); 
curanyäti  'stehlen'  {curana-  n. 'das  Stehlen');  piiränyati 
'über  die  Dinge  der  Vorzeit  erzählen'  {puränd-  'früher'). 

3.  Die  dritte  Gruppe  umfaßt  folgende  Gebilde: 
caturyati  'vier  wünschen'  {cattir-);  divyati  'nach  dem 
Himmel  ein  Verlangen  haben'  {div-  m. 'Himmel');  nävyati 
'sich  ein  Schiff  wünschen'  {nau-  f.  'Schiff');  samidhyoti  'nach 
Brennholz  verlangen'  [saniidh-  f.);  ferner  wohl  auch  mrgyati 
'jagen,  suchen'  {mrgd-  m. 'Wild');  gomatyati  =  gomanta- 
micchati;  dämalihyati  =  dätnalihamicchati  {dämalih- 
*den  Strick  beleckend'). 

Bemerkenswert  ist  aber  endlich  noch  eines:  udanydti^  das 
schon  oben  unter  4.  erwähnt  ist,  bekommt  jetzt  nach  dem  Zeugnis 
der  Grammatiker  die  Bedeutung  'nach  Wasser  verlangen,  dürsten', 
und  das  ebenfalls  da  genannte  vadharydnti  deutet  Säyana  ini 
Sinne  seiner  Zeit  als  'nach  dem  Biitzgeschoß  Indras  verlangend'! 

4.  Nicht  unterzubringen  mangels  einer  Bedeutungs- 
angabe sind  endlich  die  folgenden  späten  Beispiele: 

kavyati  {kavi-  m. 'Weiser');  hharanydti  {bharana-  'erhal- 
tend', n. 'das Tragen, Erhalten');  magadhydti  'umgeben' (von?); 
väcyati  {väc-  f. 'Stimme'):  madyati  {mat-  'ich');  tvadyati 
[tvad-  'dii)-^drsadyati  {drsdd-  VYelsen')^  jagatyati  {jdgat- 
n.  'lebendes  Wesen, Welt');  janagatyati  {janagat-  adj.);  pä- 
pakrtyati  {päpakft-  m. 'Übeltäter') ;  sukrtyati  [sukft-). 

1)  Belegt  sind  von  den  entsprechenden  Nominalformen  nur  arihü' 
käma-  x\.  sarva^. 


566  L.  Sütterlin, 

5.  Mindestens   besonders  zu  stellen  ist   auch  jene  Schar 

von  Formen  mit  dem  Ton  auf  der  Wurzel,  neben  denen  aber  auch 

ein  altes  Substantiv  oder  Adjektiv  vorliegt,  also  jene  Formen  wie 

ved. :   hsüdhyaii   'Hunger   empfinden'   {ksudh-   f.  'Hunger'); 

tfsifati  Mürsten'  [trs-  f.,  ti^sä  f.  'Durst');  tänijati  'erschallen' 

(griech.Tovoc);  dipijati^  ^te  (AV.)  'flammen'  {dipa-  m. 'Leuchte, 

Lampe');  jüryati  'altern'  {jürya-  'alternd,  Greis'); 

klass. :  ksiibhyati  'schwanken,  in  Bewegung  geraten'  {ksubh- 

f. 'Ruck,  Stoß');  kfsyati  'abmagern'  {krsd-  'mager'); 
spät:  türyate  'eilen'  {tür~  f.  'Eile');  dhümyate  'in  Eauch  ge- 
hüllt werden'  {dhümd-  m.  'Rauch';  doch  vgl.  die  Anm.  2  unten, 
auf  dieser  Seite  566)  usav. 

Diese  gelten  gemeiniglich  zwar  als  Wurzelverba  und 
das  daneben  liegende  Substantiv  als  Wurzelnomen.  Aber  merk- 
würdig ist  das  Nebeneinander  mindestens  ebenso,  wie  die  Fest- 
setzung des  Tons  auf  der  geschwächten  Wurzel,  ursprünglich 
kann  diese  Betonung  doch  wohl  nicht  sein.  Und  warum  sollte  es 
umgekehrt  nicht  möglich  sein,  daß  mindestens  vereinzelte  Beispiele 
auf  Grund  eines  vorhandenen  Wurzelnomeus  geschaffen  wurden 
nach  dem  Muster  anderer,  alter  Doppelungen.  W^eshalb  sollten 
z.  B.  nicht  von  Hause  aus  nui"  ksöbhafe  u.  ksubh-  vorhanden  ge- 
wesen sein  können  u.  ksübhyati  erst  nachträglich  dazu  gekommen 
nach  dem  Muster  eines  Falles  wie  ksildhyati? 

Bei  näherem  Zusehen  liegen  die  Tonverhältnisse  auch 
nicht  ganz  so  glatt,  wie  es  nach  der  landläufigen  Darstellung 
aussieht.  Die  Grammatiker  erwähnen  einerseits  püspyati^  andrer- 
seits nandyäti  'sich  freuen'  (neben  ndnda-  m.  u.  ndndi-  f.  'Freude' 
u.  nändati  'sich  freuen'),  dämydti  'zahm  sein,  zähmen'  u.  dipydtiy 
He  neben  diinjati  ^).  Freilich  ist  auf  dämydti  wenig  Verlaß ;  denn 
es  könnte  als  Intransitivum  wenigstens  nach  der  Zeit  seines  Auf- 
tretens gut  eine  jener  Passivformen  sein  mit  aktiven  Endungen, 
wie  sie  z.  B.  der  Mahabharata  aufweist 2). 


1)  Brugmann  setzt  irrtümlich  ddmi/ati  an  (Gr.  2,  1069).  ebenso  wie 
hTV^ydmana-  2,  975  (vgl.  oben  S.  560). 

2)  Ähnliches  gilt  übrigens  von  dhümyate  trotz  der  auf  ein  Grund- 
nomen hindeutenden  Gestalt  seiner  Wurzel ;  derm  dhümyate  könnte  einfach 
von  dem  üljUchen  faktiven  dhümayati  ausgegangen  sein.  Formen  auf -aya^t 
und  Passiva  auf  -ydte  liegen  zahlreich  nebeneinander  und  wurden  offen- 
bar auch  auf  einander  bezogen.  In  der  früher  gegebenen  Liste  der  Kausa- 
tiva  (S.  5191T.)  ist  diese  Doppelheit  deshalb  auch  jeweils  ausdrückhch  ver- 
zeichnet worden. 


Die  Denominativverba  im  Altindischen.  567 

b)  Die  Form. 

Unter  den  Grundwörtern  der  hier  berücksichtigten  rund 
70  Formen  sind  30  entschiedene  rt-Stämme  (9  vedisch,  2  klassisch 
und  22  später)  und  25  Konsonantstämme  (9  vedisch  und  16 
spät);  nur  in  3  Fällen  haben  wir  es  mit  einem  «-Stamm  zu  tun 
{kavi-^  pdfi-,  isdni-\  in  2  Fällen  mit  einer  Doppelung  von  a- 
und  «-Stamm  {taranyäti  u.  vitatijdte\  einmal  mit  einem  ya-Stamm 
(äscari/ati),  sodaß  diese  auf  der  Grenze  stehen  zwischen  ydti- 
Bildungen  und  einfachen  «^«-Formen  (S.  572). 

Bemerkensw^ert  ist  gerade  bei  dieser  Klasse  aber  noch  die 
Herausbildung  neuer  Verbalausgänge,  die  freilich  in  den 
Ansätzen  stecken  geblieben  ist.  Vor  allem  kommen  -arydti  u. 
-anydti  in  Fi'age.  Das  erste  geht  bei  Beginn  der  vedischen 
Überlieferung  aber  schon  unter,  ist  jedenfalls  nicht  mehr  lebendig; 
denn  unter  den  überhaupt  vorhandenen  32  vedischen  Formen 
entfallen  auf  -arydti  nur  noch  5,  und  unter  diesen  5  hat  nur 
eine  ein  Substantiv  auf  -ar  neben  sich  {vadharydti),  die  übrigen 
nur  kürzere  Nominalstämme ;  in  der  folgenden  Zeit  kommt  nichts 
Neues  mehr  hinzu,  da  avarydfi  zu  vereinzelt  steht,  auch  in  seiner 
Bedeutung.  Auch  ved.  vithurydti  u.  sp.  caturyafi  schließen  sich 
nicht  mehr  enger  zusammen. 

Ganz  ähnlich  steht  es  mit  -anydti.  Von  den  15  belegbaren 
Formen  der  Veden  haben  11  ihr  Nomen  auf  -an{a)-  zur  Seite, 
während  4  allein  stehen  {dhis°,  ris°,  ruvanydti  u.  huv-anydti). 
Die  spätere  Zeit  stellt  hierzu  nur  4  neue  Beispiele,  alle  begleitet 
von  ihrem  Grundnomeu. 

Vielleicht  finden  sich  später  auch  Keime  für  einen  Aus- 
gang -adyati  u.  -atyati.  Das  Urteil  über  die  Bedeutung  dieser 
neuen  Erscheinung  hängt  eben  davon  ab,  welchen  Wert  man 
den  damit  versehenen  Bildungen  beilegt;  denn  alle  5  Beispiele 
für  -atyati  ebenso  wie  die  4  auf  -adyati  stehen  bei  Grammatikern 
und  sind  der  Künstelei  verdächtig. 

So  bleibt  in  der  Flucht  der  Erscheinungen  auf  diesem 
Teilgebiet  als  lebenskräftig  nur  übrig  das  junge  ^kämyati,  das 
in  der  klassischen  Zeit  schüchtern  mit  einem  Beispiel  auftritt 
und  in  der  späteren  Entwicklung  schon  11  aufweist  und  von 
den  Grammatikern  deshalb  mit  einer  gewissen  wohlwollenden 
Vergewaltigung  der  Geschichte  schon  als  eigenes  Denominativ- 
suffix anerkannt  wird. 

Wegen  der  Betonung  siehe  diesnaal  oben  S.  566. 


568  L.  Sütterlin, 

F.  Die  Denomiiiativverba  auf  -asydti. 
Die  Vorbalbildiingen  auf  -asyäti  gehören  zu  den  absterben- 
den Klassen.  In  der  vedischen  Zeit  sind  sie  gerade  noch  ver- 
hältnismäßig häufig,  schillern  in  mannigfacher  Bedeutung  und 
halten  sich  auch  ziemlich  innerhalb  der  ihnen  lautlich  vorge- 
zeichneten Schranken;  der  Lauf  der  Geschichte  schränkt  sie 
immer  mehr  ein  und  zwängt  sie  allmählich  auch  in  eine  be- 
stimmte Bahn ;  sie  entwickeln  eine  mehr  ausgeprägte,  einseitige 
Bedeutung  und  erlauben  sich  dafür  größere  Fi"eiheiten  hinsicht- 
lich der  Form. 

a)  Die  Bedeutung. 

Die  Bedeutung  der  ältesten  Bildungen  läßt  sich  in  keine 
kurze  Formel  zwingen.  Im  allgemeinen  bezeichnen  die  Ablei- 
tungen von  den  in  Betracht  kommenden  abstrakten  Substantiven 
'etwas  bewirken,  hervorbringen',  die  Ableitungen  von  Ad- 
jektiven 'etwas  sein";  und  im  einzelnen  lassen  sich  gewisse 
kleinere  Gruppen  auch  nur  ganz  unbestimmt  herausheben  und 
abgrenzen.  Auch  Grundwörter  liegen  nicht  immer  deutlich 
vor;  diese  Bildungen  stehen  jeweils  am  Schluß. 

a)  Yedisch  sind  20  Fälle: 
a)  ap-as-ijäti  'geschäftig  sein'  {dpas-  n.'Werk';  daneben  apds- 
adj. 'werktätig');  canasydti  'sich  erfreuen  an  etw.'  [cdnas- 
n. 'Gefallen') ;  manasydti^  °te  'im  Sinn  haben,  denken'  {mdnas- 
n.'Sinn');  vacasyate  'plaudern'  {vdcas-  n.'Wort');  duvasydti 
'ehren,  belohnen'  [düvas-  n. 'Yerehrung') ;  namasydti  'ehren, 
huldigen'  [ndmas-  n. 'Verbeugung,  Verehrung') ;  sravasydnt- 
'preislustig,  lobend'  [srdvas-  n. 'Lob');  varivasydti  'Raum 
geben,  einräumen;  pflegen' ('(yarii;as- n. 'Raum');  sravasydti 
'auf  der  Fahrt  sein,  eilen,  erhaschen'  {srdvas-  n. 'Fahrt'); 
sacasydte  'Pflege  empfangen'  {*sdcas-  n. 'Pflege',  von  sdcate 
'vereint  sein,  folgen');  dasasydti  'Dienste  leisten,  verehren' 
{*ddsas-  =  lat.  decus  'Zierde');  panasydte  'sich  erstaunlich 
zeigen,  bewundernswert  sein'  {*pdnas-  n. 'Bewunderung') ; 
ir asydti  'zürnen,  mißgönnen'  (*/rasn.'Zorn';  vgl.  irsydti  'be- 
neiden') ; 
ß)  svapasydte  'gut  arbeiten,  tätig  sein'  {svdpas-  'Gutes  wirkend'); 
nrmanasyate  'männerfreundlich  sein'  {nrmdnas-  'männer- 
freundlich'); sumanasydmäna-  'günstig,  hold'  {sumänas- 
'dass.');  sacanasydte  'Pflege,  Zärtlichkeit  erweisen'  {sdcanas- 


Die  Denominatiwerba  im  Altindischen.  569 

'einträchtig');   mänavasyänt-  'nach  menschlicher  Weise  zu 
Werke   gehend'    {mänavd-   'mensclüich') ;   makhasyäti^   °te 
'lustig  sein'  {makhd-  'lustig';  m. 'Freudenbezeugung') ; 
y)  durasijdti  (AY.)  'Böses  zufügen  wollen'  (-?-). 

b)  Klassisch  sind  nur  2  Formen: 

tapasyäti  'sich  kasteien'  [tdpas-  n. 'Wärme,  Plage,  Kasteiung'); 
vrsasijäti  'nach  einem  Mann  oder  Stier  verlangen,  geil  sein' 
(vfsa-  m. 'Mann,  Stier')  M- 

c)  In  jüngerer  Zeit  finden  sich    neben  vereinzelten  Bil- 
dungen einige  kleinere  Gruppen  und  eine  größere: 

a)  usasyati  'tagen'  [iisds-  f. 'Morgenröte') ;  rajasydti  'zu  Staub 
werden'  {rdjas-  n. 'Staub');  payasydti^  °te  'fließen,  flüssig 
werden'  {pdyas-  n.  'Saft,  Milch');  urasydti  'kräftig  sein' 
(iiras-  n. 'Brust');  t ir as y ati  'yerschwinden'  (^iras 'abseits'); 
sqhhüyasyati  'sich  vermehren'  {sqbhüyqs-  'mehr'); 
ß)  asvasydti  'nach  dem  Hengste  verlangen'  {dsva-  m.  'ßoß'); 
sirasyati  =  sira  icchati  {siras-  n. 'Kopf');  lavanasydti 
'nach  Salz  verlangen'  {lavand-  n. 'Salz');  ksirasyati  'nach 
der  Milch,  der  Brust  verlangen'  [ksird-  n. 'Milch');  dadhy- 
dsyati  'nach  saurer  Milch  verlangen'  {dddhi  n. 'saure  Milch'); 
madhvasyati  'nach  Honig  Verlangen  haben'  {mddhu  n. 
'Honig');  stanasyati  'nach  der  Brust  verlangen'  verzeichnet 
Whitney  S.  389  f.  {stdna-  m.  'Brust'). 
Y)  Unklar  sind  nach  Bedeutung  oder  Form 

ojasyate  (öjas-  n.  'Kraft');  tantasydti  'sich  beti'üben';  pam- 
pasydti  'Schmerz  empfinden';  dravasydti  'sich  abquälen, 
um  jem.  herum  sein'  {*dravas-  n. 'Lauf'?);  panasyati  'ehren' 
{=  pdnate):  tvaräyasyaii  'eilen'  {=  tvdrate;  ygi.  tvarä  t, 
tvari-  f.  'Hast'). 

Man  sieht,  wie  sich  das  Bedeutungsverhältnis  zwischen 
Grundwort  und  Ableitung  die  Jahrhunderte  hindurch  ziemlich 
gleich  bleibt.  Das  substantivische  Grundwort  bezeichnet 
das  Ergebnis  der  Verbaltätigkeit  in  ap-asydti^  man^,  duv^,  srav'^ 
ungefähr  ebenso  wie  in  usasijati  (u.  urasydti?),  ohne  daß  übrigens 
damit  geleugnet  werden  soll,  daß  auch  diese  letzteren  Beispiele 
ebenso  alt  sein  können  wie  die  andern,  vielleicht  nur  zufällig 
früher  bezeugten.  Anderseits  wird  aber  das  Ergebnis  der  Hand- 
lung auch  ausgedrückt  in  payasydti  u.  rajasjdti,  nur  in  etwas 
anderer  Auffassung;   was  Milch  'ergibt',  'wird'  gleichzeitig  oft 

1)  Doch  vgl.  noch  irmnas^a  (TS.)  f. 'Lebenslust' O'j'fana-  n/Leben'). 


570  L.  Süttcrlin, 

selbst  zu  Milch ;  u.  iisasi/dti  kann  man  geradezu  doppelt  auffassen, 
je  nach  der  Voraussetzung  eines  persönlich  oder  unpersönlich 
gedachten  Subjekts :  die  Morgenröte  'wird',  ein  göttliches  Wesen 
dagegen  'macht  die  Morgenröte'. 

Das  führt  aber  wieder  hinüber  zu  den  Adjektivableitungen, 
einerseits  durch  das  Nebeneinander  von  dpas  'Werk'  u.  apds- 
'werktätig'  und  durch  die  Möglichkeit,  nrmanas-  sowohl  als 
'Männersinn'  zu  deuten  wie  als  'Männersinn  besitzend',  ander- 
seits auf  dem  Wege  vou  payasydti  'Milch  werden'  zu  svapasijdti 
'werktätig  werden,  sein'. 

Des  weiteren  ist  aber  die  begriffliche  Yerwandtschaft 
sehr  vieler  der  hierhergehörigen  Ableitungen  hervorzuheben;  sie 
weist  diese  Ableitungen  in  die  schon  oben  (S.  568)  erwähnten 
Gruppen.  Es  handelt  sich,  genauer  gesprochen,  bei  den  asydti- 
Yerben  ja  häufig  um  die  Augabe  einer  freundlichen  oder  feind- 
lichen Gesinnung  oder  Handlung,  so  bei  duv-asi/dti,  nam^,  srav- 
asydnt-,  das-asydti,  sacan^^  nrman-^  suman-^  auch  pan^  u.  dur-; 
um  die  Bezeichnung  einer  Stimmung  bei  mw",  «V",  makh^,  wie 
auch  bei  pamp^  u.  tanP;  endlich  um  eine  bestimmte  Art  des 
äußeren  Auftretens  bei  opo,  srav°  'auf  der  Fahrt  sein',  drav°  u. 
tvaräy-. 

Gerade  aber  der  deutliche  Begriff  der  jüngeren  Schicht 
der  Verba  des  Streb ens  hat  keinen  sehr  greifbaren  Ursprung. 
Vorbereitet  werden  diese  Formen  nur  durch  das  eine  klassische 
vrsasydti  (Kathäs.);  sonst  lassen  sich  etwa  nur  die  vedischen 
vacasydti,  sravasydnt-^  auch  wohl  makhasydti  zur  Erklärung  her- 
beiziehen in  der  Weise,  wie  es  (S.  567  f.)  für  die  gleichbedeutenden 
Formen  auf  -iydti  mit  ähnlichen  auch  nicht  so  scharfdeutigen 
Gebilden  geschehen  ist:  wer  nämlich  'Worte  macht',  'plaudert', 
der  'liebt  die  Worte',  den  'verlangt  nach  Reden'. 

b)  Die  Form. 

Als  Grundwörter  der  Verba  auf  -asydti  kommen  i-  und 
M-Stämme  in  nur  je  einem  Falle  in  Betracht  (bei  dadhydsyati 
u.  madkvasyati\  Konsonant-Stämme  gar  nicht.  Die  vorliegenden 
Beispiele  verteilen  sich  vielmehr  nur  auf  die  s-  und  die  «-Stämme; 
und  zwar  sind  unter  den  34  in  dieser  Hinsicht  erklärbaren 
Formen  von  sicheren  s-Stämmen  ausgegangen  2.3  (von  leicht 
vorauszusetzenden  weitere  4),  von  sicheren  a-Stämmen  etwa  6; 
davon    stehen    sich    schon    vedisch    gegenüber    13    (-f-  4?)  :  2, 


Die  Denominativverba  im  Altindischen.  571 

klassisch  1  :  1,  und  später  8 — 9  :  3.  Der  Übergang  von  der  einen 
Klasse  zur  andern  liegt  ja  schon  nahe  angesichts  der  Gleichheit 
des  Nominalausgangs  -as,  neben  den  sich  dann  auch  die  Endung 
des  Adverbs  tirds  stellen  durfte;  und  auf  die  Avenigen  Doppel- 
grundformen wie  sdcanas-  'einträchtig'  u.  sacanä-  *dienstbereit\ 
siras-  n.  'Kopf  u.  sira-  m.  Mass/  hat  man  gar  nicht  nötig,  sich 
noch  besonders  zu  berufen. 

Verdächtig  ist  nur  die  eine  Form  tvaräyasyati  (Ganar.); 
hier  ist  aber  vielleicht  der  fertige  Ausgang  -asyati  angetreten 
an  einen  der  fertigen  Kasus  auf  -äy-,  obwohl  gerade  diese  bei 
tvarä  weniger  üblich  gewesen  zu  sein  scheinen  als  der  Nominativ 
ivarä  und  der  Instrumental  tvarayä.  Oder  sollte  ein  Verbum  anf 
-äyati  oder  gar  eine  nominale  Zusammensetzung  (wie  Hvaräya- 
'eilends  gehend'  oder  sonst  etwas  Ähnliches)  mit  im  Spiele  ge- 
wesen sein? 

Die  Betonung  ist  ziemlich  einheitlich  in  der  Form  -asyati 
überliefert ;  doch  begegnen  zwei  Ausnahmen :  täpasyati  (Sat.  Br.) 
u.  dadhydsyati  (Siddh.  K.). 

G.  Die  Denominativa  auf  -iisydtP). 
Die  Gruppe   der  Formen   auf  -usydti  ist  sehr  klein  und 

nicht  einmal  ganz  einheitlich.  Am  meisten  bietet  davon  der  Yeda: 
tarusydnt-  'bekämpfen'  {tdrus-  n.  'Kampf,  Überlegenheit', 
tdrusa-  m. 'Bekämpf er',  -ä  f. 'siegreicher  Kampf ) ;  vanusydti 
'nachstellen,  angreifen',  med. 'verlangen'  {vanüs-  'verlangend', 
m. 'Angreifer'):  vapusydti  'sich  wundern'  {vdpus-  n.'Wiinder', 
adj. 'wundersam',  vdpusa-  'wunderbar');  urusydti  'das  Weite 
suchen,  einer  Sache  entgehen;  retten,  abwenden'  (höchstens 
teilweise  von  urü-  'weit',  eher  von  *urü-  oder  *urüs-  'rettend 
abwehrend',  von  vdrate,  vrnöti  'verhüllen',  varütdr-  'Ab- 
wehrer'). 

In  der  späten  Zeit  kommt  dazu: 

madhusyati  'nach  Honig  Verlangen  haben'  {mddhus-  n. 
'Süßigkeit',  mddhu  n.  'Honig'),  und  die  unsicheren  raghu- 
syant-  (Apast.  Sr.),  vielleicht  statt  raghu-sydd-  (RV.,  AV.) 
'eilig  (laufend)';  arusyati  (Naigh.)  'gehen',  wohl  künstlich 
gebildet  zur  Erklärung  von  ariisd-  m. 'Eoß'. 

1)  Ein  -isydti  verzeichnen  nur  die  Grammatiker  in  dadhisijdti  'nach 
saurer  Milch  verlangen'  {dddJii  n.),  für  das  wohl  madhusyati  neben  mddhu 
Vorbild  gewesen  ist.  Wegen  tavis-ydti  siehe  S.  563.  Sonst  findet  sich  avi- 
Syati  'heftig  sein'  {dvi-  'zugetan',  avt  verlangend'). 


Ö72  L.  Sütterlin, 

H.  Die  Denominativa  auf  -ati. 
Die  Denominativa  auf  -ati^  die  im  Grunde  nichts  anderes 
sind  als  in  die  a-Konjugation  übergeführte  Norainalstämme,  sind 
eine  ganz  junge  Schöpfung;  denn  von  den  70  Formen,  die  man 
füi-  diese  Bildungsweise  etwa  beanspruchen  darf,  entfallen  nahezu 
60  (genau  wohl  57)  auf  die  späte,  besonders  die  grammatische 
Literatur,  und  nur  je  ein  halbes  Dutzend  kann  man  aus  den 
Yeden  und  aus  dem  anderen  guten  Schrifttum  belegen,  und 
auch  das  nur  zu  Not,  und  indem  man  Yerba  mitberücksichtigt, 
deren  anscheinendes  Grunduomen  nicht  einmal  ein  «-Stamm  ist. 

a)  Als  vedisch  kämen  nämlich  etwa  in  Betracht  10 — 12 
Eälle: 

isanas  'in  schnelle  Bewegung  setzen,  antreiben'  {*isana-  subst. 
n.  oder  adj.;  vgl.  isäni-  f.  'Antreiben');  krpdnate  "wünschen, 
erflehen'  (neben  krpand-  1. 'jämmerlich,  elend';  2. 'geizig'); 
tdrusati^  °te  'überwinden'  [Harus-  'überwindend'  nach  äta- 
rus-  'übersetzend'  u.  tärus-  n. 'Überlegenheit') ;    vanusate 
'erlangen'  (neben  vanüs-  'verlangend')');  —  türvati  'über- 
holen, erretten'   (neben   turvi-   'überlegen');   vielleicht   auch 
vareydti  'werben,   freien'   (neben  vareyi'i-  m.  'Freier');   vd- 
nanvati  'im  Besitz  sein,  vorhanden  sein'  (neben  vdnanvant- 
'besitzend,  im  Besitz  befindlich');  ferner  vielleicht Jf'ya^e  'leben' 
(neben  jivä-  'lebendig'),  u.  vSstati  (AV.)  'sich  winden'  (neben 
vestd-  m.  'Schlinge'),  während  drcati  (AV.)  'strahlen'  (neben 
arkd-  m. 'Strahl',  arcd-  'strahlend')  u.  turdti,  °te  'eilig  sein, 
rennen'  (neben  ^wr-  'wettlaufend,  obsiegend'  u.  turd-  'rasch') 
eher  zwei  Gruppen  der  Muster  vertreten,  nach  denen  diese  Neu- 
bildungen ins  Leben  gerufen  worden  sind.  Man  sieht,  es  ist  eine 
bunt  zusammengewürfelte  Gesellschaft,  nach  Bedeutung  wie  nach 
Form,  und  zwar  nach  der  Form  der  Grundwörter  noch  mehr  als 
nach  der  eigenen^). 

b)  In  der  klassischen  Literatur  sieht  es  hiermit  nicht 
besser  aus.    Wir  haben  an  sicheren  Beispielen  5: 

tarqgati  'wogen'  (neben  tarqgd-  m.  'Welle');    romäncati 
'ein  Rieseln  der  Haut  verspüren'  (neben  romänca-  m.'Rieseln 

1)  Auch  die  Nebenform  vanis'^  (TS)  wäre  so  aufzufassen,  nur  mit  dem 
Unterschied,  daß  die  vorauszusetzende  Grundform  vanis-  neben  vanüs  'ver- 
langend' und  vdnas  n.  'Verlangen'  nicht  belegbar  scheint, 

2)  bhurdjanta  'sprudeln,  brodeln',  das  vielleicht  auch  hierher  gehört, 
steht  ganz  ohne  Nomen  da. 


Die  Denominativverba  im  Altindischen.  573 

der  Haut');  —  utkdnthate  'sich  sehnen'  {utkantha-  mit 
emporgerichtetem  Hals',  -ä  f. 'Sehnsucht') ;  unmülati  'ent- 
wurzelt werden'  (neben  unmüla-  'entwurzelt');  slönati  (TB.) 
'hinken'  [slond-  'lahm); 

während  als  unsicher  in  Betracht  kommen  noch  weitere  6: 
cestati,  °te  'die  Glieder  bewegen,  zappeln'  (neben  cesta-  n. 
'Bewegung  eines  Glieds,  Geberde',  -ä  f. 'Handlung') ;  panate 
(Ait.  Br.,  TS.)  'handeln,  feilschen'  {pana-  m.  'Vertrag,  Wette'); 
ferner  ärghati  'einen  Wert  haben'  {arghä-  m.  u. 'Wert'); 
därbhati  'zu  Büscheln  machen',  api°  'fest  an  etwas  hängen' 
(neben  darbhd-  m. 'Grasbüschel');  phdlati  'Frucht  bringen' 
(phdla-  n. 'Frucht');  und  schließlich  ranvati  (TS.)  'ergötzen' 
(neben  ranvd-  'behaglich')^). 

c)  In  den  späteren  Schriften  begegnen  uns  diese  Yerba 

dagegen  schon  in  2  ähnlichen  Gruppen,  wie  wir  sie  bei  den 

Formen  auf  -lyati  und  sonst  angetroffen  haben  (S.  553  ff.).    Sie 

bedeuten  auch 

1.  etwas  erzeugen,  hervorbringen: 

pallavati  'junge  Schosse  treiben'  {pallava-  m.  n.  'Schoß, 
Zweig');  piispati  'blühen'  (püspa-  n. 'Blüte');  phullafi  'auf- 
blühen' (phulla-  n.  'Blüte';  adj. 'blühend');  —  kalahati 
'zanken'  [kalaha-  m.  n.  'Zank');  culumpati  'schaukeln'  (cu- 
lumpa-  m. 'das  Liebkosen  der  Kinder');  wohl  auch  catacatati 
'knistern'  [catacatä  f. 'Geknister') ;  garvati  'hochmütig  sein' 
{garvd-  m.  'Hochmut');  endlich  vielleicht  auch  rayati  'Reich- 
tümer wünschen'  [rayi-  m.  f. 'Habe'); 

2.  etwas  sein  (werden,  jemand  gleichen,  etwas  darstellen): 
a)  von  Substantiven  26 — 27  Formen: 

kjkarati  'den  Diener  machen'  (kikard-  m.);  krsnati 
'sich  wie  Krisna  betragen'  {krsna-);  mitrati  'sich  als  Freund 
benehmen'  {mitrd-  m. 'Freund');  ripavati  'zum  Feinde  werden' 
(ripii-  'Feind',  adj. 'betrüglich');  sesati  'zum  Schlangendämon 
Sesa  werden'  {sesa-  m.);  savitarati  'als  Sonne  erscheinen' 
{savitdr-  m. 'Sonnengott');  gardahhati  'den  Esel  spielen' 
igardabhd-  m.  'Esel');  —  ksirodati  'zum  Milchmeer  werden' 

1)  Doch  zerlegt  sich  ra^wa^»  vielleicht  eher  in  ra-nv-ati  und  gehurt 
zu  rdm-ate  'sich  ergötzen'  (Rrugmann  Gr.  2,  lOMff).  Der  Stamm  ran-  in 
rdtiati,  ränyati  'sich  gütlich  tun,  einen  ergötzen',  auf  den  man  sonst  ranvati 
zurückführt,  ist  vielleicht  selbst  erst  über  *rdnyati  (aus  *rami/ati)  aus  ram- 
entwickelt worden. 


Ö74  L.  Sütterlin, 

{ksfroda-  'Milch meer') ;  jdlati  'zu  Wasser  werden'  (jald- 
n. 'Wasser');  piyüsati  'zum  Nektar  werden'  {jnyusa-  ra.  n. 
'l!^ekt-dY');  2)rälei/ati  'dem  Hagel  gleichen' (präleya-  n. 'Hagel'); 
analati  'zum  Feuer  werden'  {anala- m.)\  arkati  "zm  ^omie 
werden'  {arkd-  m.)\  vidhavati  'dem  Monde  gleichen'  {vidhü- 
'^^•);  jagannetrati  'das  Auge  der  Welt  sein'  (vom  Monde 
jagannetra-  n.);  kailäsati  'zum  Berge  Kailasa  werden 
{kailäsa-  m.) ;  karpürati  'Kampfer  gleichen'  [karpüra-m.  n.) 
ahjati  'zur  Lotusblume  werden'  [ahja-  n.);  vikäsitiilotpalati 
'einer  blühenden  blauen  Wasserrose  ähnlich  sehen'  (vikäsin- 
'blühend',  nila-  'blau',  utpala  n.  'eine  Pflanze');  kelisveta- 
sahasrapattrati  'eine  zum  Spielen  dienende  weise  Lotus- 
blüte darstellen'  {k^li-  m.  f.  'Spiel',  svetä-  'weiß',  sahasra- 
pattra-  'Lotusblüte');  srikhandatamälapattrati  'ein  Stirn- 
zeichen von  Sandel  darstellen'  {srikhanda-  m.  n. 'Sandel', 
tdmäla-  m.'ein  Baum',  tamälapattra-  n/Blatt  dieses  Baimies, 
Sektenzeichen');  dantapattrati  'den  Ohrschmuck  Dantapattra 
darstellen'  {dandapattra-  n.);  darpanati  'einen  Spiegel  dar- 
stellen' {ddrpana-  m.);  pänducchattrati  'einen  gelben 
Sonnenschirm  darstellen'  {pändü-  'gelb',  cJidttra-  n. 'Sonnen- 
schirm'); dinati  'zum  Tag  werden'  [dina-  m.  n. 'Tag');  dhdr- 
mati  'zum  Gesetz  werden,  recht  werden'  {dhdrma-  m.  n.)i): 

freier  ist  das  Yerhältnis  bei  dem  mit  einem  Präfix  gebildeten 
pratibimbati  'sich  widerspiegeln'  {bimba-   m.  n. 'Spiegel'). 

ß)  von  Adjektiven  etwa  12  Ableitungen: 

abhijnati  'erfahren,  kundig  werden'  {abhijna-  'erfahren'; 
-ä  f. 'Kenntnis') ;  aviparyayati  'nicht  fehlschlagen'  i^avipa- 
ryaya-  'richtig,  in  Ordnung',  nach  viparyaya-  'verkelirt', 
m.  u. 'ümwälzimg,  Gegenteil',  aviparyaya-  m. 'kein  Lrtum' ; 
vgl.  vipary-eti  'sich  umwenden,  umkeliren');  kltbate  'zaghaft 
sein'  [klibd-  'entmannt,  feig');  galbhate  'mutig  sein'  {galbhd- 
'mutig')  mit  pragalbhate  'sich  mutig  benehmen,  vermögen' 
ipragalbhd-'miitig),  go7natati  =  gomäniväcarati  {gomant- 
'ßinder  besitzend');  prabdlati  'stark,  mächtig  werden'  {pra- 
bala-)\,prer\kholati  'sich  schaukeln'  {pre\\khola-  'sich  schau- 
kelnd'); bhrsati  'gewaltig,  kräftig  werden'  {bhrsa-}]  sonati 
*rot  scheinea'  [söna-)\  hierher  gehören  wohl  auch  uttarq- 
gate    'wellenartig    hervorbrechen'    {uttarqga-    'mit    hoch- 

1)  ärusati  (Naigh.)  'gehen'  (neben  arti^d-  m.  'Roß'j  kommt  nicht  in 
Frage,  auch  kaum  als  künstliche  Schöpfung  (S.  571). 


Die  Denominativverba  im  Altindischen.  575 

gehenden   Wogen',   m. 'hochgehende   Bewegung';    vgl.   auch 
tarqgd-    m.  'Welle'    u.    tarqgati)   u.   gavesate    'begehren, 
streben'  {*gavesa-  'Kinder  begehrend,  habsüchtig,  strebsam'). 
3.  Nicht  näher  bestimmt  noch  bestimmbar  ist  das  Be- 
deutungsverhältnis bei  folgenden  meist  künstlichen  Gebilden: 
a)  pathinati  [pathin-  m.'Pfad') ;  mathinati  {mathin-  m.'Kühr- 
stock');  räjänati  {rdjan-  m. 'König'):  riyati  {rai-  m.i.'Be- 
sitz');  — 
ß)  idämati  {iddm  'dieser');  viklavate  {viklava-  'befangen,  ver- 
wirrt'); sasvati  {sdsvant-  'sich  wiederholend');  svadhämahe 
(SSS)  verzeichnet  Whitney  S.  387  §  1054  a. 

Bei  diesen  jungen  durchsichtigen  Beispielen  sind  die  Grund- 
wörter alle  a-Stämme,  bis  auf  ripü-  u.  vidhü-,  und  selbst  bei 
diesen  kommen  die  Stammformen  auf  -av-  (wie  ripdvas)  mit  in 
Rechnung;  darum  wird  auch  rayati  eher  von  räi-  kommen  als 
von  der  längeren  Nebenform  rayi-. 

Bei  den  künstlichen  Ableitungen  fällt  die  Dehnung  des 
End Silben vokals  auf  in  räjänati  u.  idämati \  doch  ruht  ihre 
Ansetzung  vielleicht  auf  keinem  festen  Grunde. 

In  der  Zusammenstellung  der  Beispiele  mag  auch  die  eine 
oder  die  andere  Form  als  unsicher  zu  streichen  sein;  besonders 
zweifelhaft  sind  ja  die  Bildungen  mit  der  allgemeinen  Gruud- 
gestalt  der  Wurzel,  also  Fälle  wie  drghati^  gdlhhate^  ddrbhati,  drcati, 
insofern  hier  ein  ursprüngliches  Yerbum  der  bhdrati-Klnsse  vor- 
liegen kann ;  desgleichen  könnte  turdti  wie  tuddti  beschaffen  sein. 
Mag  dem  aber  im  einzelnen  auch  sein  wie  ihm  wolle;  im  all- 
gemeinen ist  das  Ableitungsverhältnis  dieser  Denominativklasse 
klar,'  und  gerade  die  zweideutigen  Fälle  weisen  nach  der  Stelle 
ihres  Ursprungs  hin. 

Bei  panat^i  türvati^  gdrvati  bietet  der  Stammauslaut  eine 
gewisse  Gewähr  für  die  Auffassung  als  Ableitungen ;  freilich  ist 
damit  nicht  gesagt,  daß  gerade  das  überlieferte  Wort  auch  die 
Grundlage  der  Bildung  sein  müsse,  daß  nicht  vielmehr  gerade 
diese  Form  ebenso  wie  vielleicht  catacatä  erst  wieder  nachträglich 
von  dem  anderswoher  abgeleiteten  Verbum  ausgegangen  sei.  Das 
ändert  aber  alles  an  der  Gesamtdarstellung  nichts. 

Auch  die  Verteilung  der  verschiedenen  Formen  unter 
die  Substantiv-  oder  die  Adjektivgrnppe  kann  da  und  dort 
strittig  sein,  zumal  wo  beide  Xominalformen  nebeneinander  üblich 
sind,  wie  bei  ahhijnati  oder  aviparyayati  oder   nttarqgate.    xiber 


576  L.  Sütterlin, 

auch  hier  sind  diese  Formen  eher  nützlich  als  hinderlich;  als 
Grenzfälle  verbürgen  uns  diese  Ableitungen  wieder  die  Stetigkeit 
und  Einheit  der  Entwicklung  und  bilden  eine  Brücke  von  der 
einen  Formenklasse  hinüber  zu  der  andern. 


Schluß. 

Wir  sind  zu  Ende.  Ein  Überblick  über  den  ganzen  Lauf 
der  Entwicklung  schafft  ein  lehrreiches  Bild.  In  der  Vedenzeit 
sehen  wir  ein  buntes  Durcheinander  von  Bildungen,  für  deren 
Beliebtheit  auch  die  abgeleiteten  Nominalformen  auf  -yä  u. 
-yii-  zeugen.  Wir  haben  außer  den  schon  erwähnten  Bildungen 
auf  -ayü-  (S.  508)  noch  folgende  Gruppen: 

1.  neben  -äyate: 

rtayä  u.  sumnayä  (f.  instr.  als  Adverb);  rtäyü-  u.  sumnäyü-^ 
aghäyü-^timyii-^diirhanäyii-,dhiyäyii-,prtanäyii-,vrkäyii- 
u.  sanäyü-  (ohne  Verb  z.  B.  miträyti-);  klassisch  dagegen 
ist  z.  B.  asanäyä  'Hunger',  jünger  dhanäyä. 

2.  neben  -iyati: 

tavisiytl-  (rtiyä  f.  'Tadel,  Scham'  erst  im  AK.;  wegen  des 
ebenfalls  jungen  putriyä  s.  unten  S.  577). 

3.  neben  -üyati: 

rjüyd  u.  raghüyd  (f.  instr.  als  Adverb),  sowie  sukraiüyd 
f.;  anderseits  madhüyü-.  Klassisch  ist  z.  B.  asw^ä  f.  'Unwille'; 
asüyitar-  hat  MBh,  kandüyitar-  Ragh. 

4.  neben  -yäti: 

isudhyä  u.  isanyä  (auch  irsyä)^  anderseits  isudhyü-^  sa- 
paryii-^  udanyü-^  bkiiranyü-,  risanyii-  u.  saranyü-  (auch 
zrsyü-).  Klassisch  ist  erst  bezeugt  saparyä  u.  kikämyä 
Adv.,  Sat.  Br.). 

5.  neben  -asydti: 

apasyd   u.    svapasyd^   irasyd^   dasasyd^   vacasyd^    vari- 

vasyd  f.,  sravasyd  instr.  f.  'eilig',  anderseits  diirasyü-^  du- 

vasyu-  u.  namasyti-,  panasyii-^    makhdsyi'i-^  manasyii-, 

vacasyi'i-,  sravasyü-  'preislustig'  u.  sravasyü-  'eilig',  sta- 

nasyii-.  Klassisch  ist  erst  wieder  tapasyä  (MBh.). 

Ebenso  findet  sich  avisyä  u.  avisyii-  sowie  tavisyd. 

Diese  Mannigfaltigkeit  der  Denominativbildung  schwindet  in 

dernachvedi  sehen  Zeit,  und  es  entwickeltsich  ein  neuer  Zustand 

der  Dinge,  der  besonders  in  dem  jüngeren  Schrifttum  anschaulich 


Die  Denominatiwerba  im  Altindischen.  577 

zutage  tritt.  Die  w-Ausgänge  sind  alle  abgestorben ;  und  von  dem 
einfachen  -ijäti  ist  auch  kaum  noch  etwas  lebendig.  Üblich  sind 
nur  noch  höchstens  4  Ausgänge,  die  sich  in  die  Aufgabe  teilen. 
-ayati  bezeichnet  bei  Substantiven  u.  Adjektiven  'zu  etwas 
machen',  neben  Verben  das  kausative  Yerhältnis ;  sein  Passiv  ist 
(neben  -ycite  S.  566  Anm.)  -äyate^  insofern  es  bei  Substantiven  und 
Adjektiven  bedeutet  'etwas  sein' ;  da  damit  aber  oft  keine  völlige, 
sondern  nur  eine  annähernde  Gleichheit  ausgedrückt  wird,  ein 
'Scheinen,  Sichgeben,  Grebahren,  Yorstellen',  kein  'Sein'  oder 
'Werden',  so  kommt  das  einfache  -ati  auch  noch  zu  seinem 
Rechte.  Das  Verlangen,  die  Sehnsucht  nach  etwas  drückt  -iyati 
.aus,  bei  einzelnen  mit  dem  Magen  zusammenhängenden  Bedürf- 
nissen auch  noch  -asyati. 

Es  ist  darum  vielleicht  kein  Wunder,  daß  einerseits  sa- 
midhyitä,  das  übrigens  an  das  oben  S.  563  erwähnte,  aber  viel- 
leicht nicht  sicher  überlieferte  bhisajyita-  erinnert,  als  Futurum 
wechselt  mit  samidhitä,  daß  anderseits  zu  sönati  flott  susona  ge- 
bildet wird,  und  daß  sich  die  Grammatiker  wieder  bei  den  iyati- 
Verben  in  geschraubten  Desiderativformen  versuchen  wie  in- 
didriyisati  (von  indriyati)^  asviyiyisati  asisviyisati  asisviyiyisisati 
(von  asmyati)  u.  pupidriyisati  putitriyisati  putriyiyisaü  u.  pu- 
tnyisisati  (von  pidrtyati,  für  dessen  Beliebtheit  übrigens  auch 
Nominalformen  bei  Grammatikern  sprechen  wie  putriyä  u.  pur 
triyitar-)  ^). 

Heidelberg.  L.  Sütterlin. 


1)  Sonst  vgl.  wegen  merkwürdiger  Flexionsformen  Whitney"  S.  391. 
{subMyant-  'schmückend'  ist  S.  508,  Anm.  zu  streichen). 


Indogermanische  Forschungen  XIX.  38 


Sachregister. 


Ablaut  imNomenllS,  Dehnung 
235;  äi :  T  329.,  äu  :  ui  350,  Ablauts- 
entgleisung 118. 

Akzent,  wechselnder  im  Nomen 
118,  335,  im  Aind.  374,  der  Kausa- 
tive im  Aind.  518,  der  Denominative 
552,  Proklise  im  Griech.  243  f. 

Analogiebildung,  necto  na.c\i 
plecto  122. 

Der  Ausruf  als  Form  primitiver 
Rede  266. 

Bedeutungswandel  und  ße- 
deutungsentwicklung  270,  271, 
436 ;  im  Satzzusammenhang  271 ; 
Übergang  von  Kollektivbedeutung 
zur  Bezeichnung  eines  Einzelwesens, 
377;  Abstrakta  werden  zu  Kon- 
kreta 212;  air.  hes  'Gewohnheit', 
114,  brüst  119,  ])rügel,  jyrügeln  160, 
lat.  verhera  160,  T^pctc-  YnP«c  224, 
Alter  227,  233;  irpecßeiov  228,  232, 
Haar  —  weise  317,  Haar  —  Haar- 
farbe —  Farbe  —  Gestalt  317,  gehen 
—  coire  330,  spornten  —  drehen ; 
■spinnen ,  iveben  332 ;  Bedeutungs- 
wandel bei  den  Worten  für  Milch- 
bereitung 345;  Teig  —  Sauerteig 
354;  Teig  aus  fest,  starr  355. 

Carmen  aruale  140,  BirlsAuf- 
fassung  141  f.,  urspr.  mit  einem  Mars- 
opfer verbunden  159,  nicht  uralt  170. 

Deixis,  Pronomen  der  jener- 
Deixis  im  Griech.  1  ff.,  Abwesende 
Person  mit  '6be  bezeichnet  3,  ^kcivoc 
zur  Bezeichnung  des  Übersinnlichen 
•3.,    anaphorische    Bedeutung    von 


dKeivoc  6ff. ,  epanaleptischer  Ge- 
brauch von  ^Keivoc  10  f. 

Deklination,  s.  Flexion. 

Flexion,  Übergang  der  germ. 
adjektivischen  «-Stämme  in  die  y- 
Flexion  214 ;  Nominativ  -s  2bb;  Neu- 
trum hat  keine  besondere  Nom.ina- 
tivform  257. 

'Formans,  Subjektf.  255;  griech. 
auf -Teoc  259;  t  im  Germ.  378. 

Genus  der  Deminutivbildungen 
215,  Genuswechsel  392. 

Haplographie  156,  399. 

Haplologie  213. 

Infinitive,  der  Grund  zu  ihrer 
Bildung  267. 

Interjektionen  265. 

Kindersprache  265,  269. 

Komposition.  Exozentrische 
K.  249  ff.,  Karmadhäraya-Verhältnis 
251, Typus  Si\.räjapittras2b^,  griech. 
ßoriv  dYcxBöc  253.  Exozentrische  K. 
durch  Hypostase  zu  erklären  253, 
J5aÄM«;rtAi-Typen  gehen  in  die  vor- 
flexivische  Periode  hinauf  253  f.,  sie 
erscheinen  erst  in  der  flexivischen 
Periode  als  Komposita  254. 

Ko  n  s  0  n  a  n  t  i  s  m  u  s.  Idg. Wechsel 
von  d  und  dh  107;  idg.  Dent.  -^-slz) 
-f  Dent.  112 ff.,  -dh  -f  s,  -dh  -j-  st 
137  ff.,  Bartholomaes  Gesetz  138; 
griech.  t,  ai.  h  107 ;  idg.  dsth  zu  ai. 
^th  135;  idg.  h  und  ts  im  Awest. 
zusammen  gefallen  319,  awest.  xsv 
aus  SU  322;  anlaut.  z  im  Arm.  457  ff., 
arm.  fn  für  pv  475,  Behandlung  des 


Sachregister. 


579 


j  im  Arm.  476,  Ij  im  Arm.  476;  idg. 
-tt-  im  Alb.  zu  st  115;  s  im  kypr. 
zu  h  244 ;  idg.  ghr^  ghl  im  Lat.  98, 
lat.  -gr-  im  Inlaut  nicht  aus  g'^'Tir 
101,  lat.  gK'hr  zu  br  102,  Aspiranten- 
dissimilation im  Latein  98  ff.,  Kon- 
sonantendissimilation 105 ;  lat.  fr-, 
fl-  zu  br-,  bl-  109,  idg.  -dht-  nicht 
zu  SS  im  Latein  132,  lat.  ^  zu  c  vor 
Liquiden  168,  Ausfall  des  r  im  Lat. 
169,  lat.  gm-  kaum  zu  -m-  323 ;  idg. 
st  zu  zd  im  Germ.  132;  germ.  -pl- 
zu  -fl  426 ;  Schwund  des  5  ii>  der 
aengl.  Lautgruppe  -i^i;  lit.  -s-  nach 
i,  u,  r,  h  120. 

Kurzformen  163. 

Kulturhistorisches.  Bett  448; 
Dach  439 ;  Dachform  des  lykischen 
Hauses  415;  Dreiecksverband  418; 
Dreschen  426;  Düngen  404;  Fach- 
werkbau 413 ;  Fenster  446;  Flechten 
und  Weben  448;  Gewand  447;  Grab- 
denkmäler, lykische,  409 ;  Haus,  aus 
Flechtwerk  114,  Schhttenhaus  401  ff., 
bewegliches  Haus  bei  den  Germanen 
421  ff;  Knecht,  Bezeichnungen  für 
Knecht,  Diener,  Sklave  377,  Knecht 
und  Vieh  dem  Hausrat  gegenüber- 
gestellt 378;  die  Mangel  430;  Monat, 
Bezeichnungen  211 ;  Mythologisches 
268 ;  Pflock  445 ;  Schhtten  409,  Wirt- 
schaftsschhtten  423 ;  Schwelle  426; 
Täfelung  419;  Tisch  449;  Töpfer- 
scheibe 455;  Zeuge  451. 

Lautgesetze,  armenische  472, 
Chronologie  473. 

Lehnwörter,  armenische,  aus 
dem  Griech,  458,  472,  474,  aus  dem 
Pers.  457,  aus  dem  Syrischen  458, 
478,  unbekannter  Herkunft  458; 
griech.  aus  dem  Iran.  331 ;  lat.  aus 
dem  Griech.  165 ;  lat.  aus  dem  Umbr. 
-osk.  111;  kelt.  aus  dem  Germ.  100; 
deutsche  aus  dem  Lat.  121;  aengl. 
aus  dem  Lat.  327;  im  Friesischen 
179;  dänische  aus  dem  Niederd. 
339 ;  litauische  aus  dem  Slaw.  207 ; 
georgische  aus  dem  Armen.  477. 


Lykier,  Kultur  420 f. 

Lykische  Grabdenkmäler  409  ff. 
s.  a.  Kulturhistorisches. 

Miklosischs  Lexicon  palaeo- 
slovenicum  205. 

Pronomina,  griech.  eKeivoc  in 
reflexivem  Sinne  14.,  eKeivoc  be- 
rührt sich  mit  toigOtgc  15,  ^KeTvoc 
mit  Affekt  gesagt  16,  doppelt  gesetzt 
16,  cKcivoc  bei  Homer  17,  Pindar 
22,  Bacchylides  23,  Aeschylos  24, 
Sophokles  25,  Euripides  29,  Aristo- 
phanes  33,  Herodot  35,  Thukydides 
40,  Xenophon  45,  Plato  52,  Lysias 
57,  Isokrates  59,  Aeschines  62,  Ly- 
kurg 63,  Demosthenes  64,  Inschriften 
70,  Bukoliker  74,  Verhältnis  von 
Tfivoc  zu  eKeivoc,  Ahrens  Ansicht 
76,  Herodas  78.  Polybios  78.  Evange- 
listen 83,  Lukian  86,  arm.  -s,  -d, 
-n,  bulg.  -s,  -t,  -n  93,  abg.  tu  und 
onü  94. 

Schreibung,  kyprische  Silben- 
schrift 240,  Behandlung  der  Prokli- 
tika  241,  Enklitika  248;  ae  für  e  im 
Lat.  nur  orthograph.  Variante  157, 
lat.  eo  für  oe  158,  lat.  u  statt  b  160, 
lat.  ei  für  i  163. 

Sprachwissenschaft,  Ge- 
schichte der  272;  Haupt-  und 
Nebensatz  272 ff.;  Kunstausdrücke: 
abhängen  281,  regierender  Satz  281, 
grammatisches  Geschlecht,  Herkunft 
295;  Adelung  273  ff.  295,  310;  Aisted 
301;  Ammonius  298f.;Beauzee286ff., 
306 f.;  Bernhardi  312;  Bodmer  294, 
310;  Campanella  302;  Condillac 
289 f.;  Du  Marsais  285  ff.;  Duns 
Scotus  299 ;  Ernesti  279  ff. ;  Fromant 
305;  Gebehn  308;  Girard  288;  290 ff., 
303;  Grammaire  generale  et  rai- 
sonnee  283;  Grimm  296;  Harris  305; 
Heinsius  314;  Helwig  301;  Herder 
296,  310;  Humboldt  314:  Johannes 
Diakonos  299;  Lambert  311 ;  Loewe 
300;  Männer  von  Port -Royal  282, 
306;  Meiner  274 ff.;  Michaelis  311; 
Moritz  312;  Perizonius  304;  Prota- 


38* 


580 


Sachregister. 


goras  297;  Pudor  272;  Radlof  313;  Rei- 
chenbach 300;  Vossius  280;  Wolke  313. 

Stammbildung,  s-Stämme  116. 

Stellen  V  erz  eich  nis: 
Find.  Ol.  10,  14  S.  22. 
Find.  Fy.  4,  105  S.  23. 
Aesch.  Ag.  1329  S.  24 
Soph.  Phil.  37  S.  28. 
Theokr.  5,  45  S.  76. 
Theokr.  5,  65  S.  76. 
Theokr.  27,  39  S.  76. 
Carmen  aruale  140  fr. 

Stil,  Homer,  Ilias  und  Odyssee, 
Unterschied  zwischen  beiden,  21. 
Aeschylos  und  Sophokles,  verschie- 
den in  der  Verwendung  von  ^xeTvoc 
S.  24.  Stil  Xenophons  50,  Unter- 
schied im  Stil  zwischen  Synoptikern 
und  Johannes  86. 

Suff  ixe  374,  ai.  -tithi  374,  -tara-, 
-tama  375,  lat.  -ris  211,  nord.  -ig- 
390,  germ.  -in  341,  lit.  -imas  400;  S. 
zu  selbstcändigem  Wort  geworden  376. 

Syntax,  Die  Agensform  als  Sub- 
jekt 254,  Agens  und  direktes  Objekt 
zu  formalem  Gegensatz  ausgebildet 
257.  Ausbreitung  der  Nominativform 
257.  Verbum  nimmt  die  Person  des 
Agens  in  sich  auf  257.  Satzform: 
Subjekt :  Objekt  -\-  affizierender  Vor- 
gang 258.  Akkusativ  bei  den  Verben 
des  Seins  258.  Ausbildung  des  Passivs 
258  f.,  lat.  Passiv  259,  Dativ  262;  die 
sogenannten  unvollständigen  Sätze 
263.  Zum  Wesen  der  Satzbildung 
gehört  funktionelle  Zweigliedrigkeit 
264;Verba  Impersonalia  266,  ihreSub- 
stantivierung  266,  ihre  Entstehung 
267;  Gründe  für  die  mangelnde  Glie- 
derung des  Satzes  269.  Vollständige 
Sätze  270,  Satzäquivalente,  Satzfrag- 
mente 270,  Imperativformen  271,  alle 
spracMiche  Mitteilung  vollzieht  sich 
in  Sätzen  271,  Eklipse  271.  Kasus- 
attraktion im  Arm.  478  fr.  Gen.  beim 
Partizip  auf  eal  478  f.  Genitiv  an  den 
Ablativ  attrahiert  479,  an  den  In- 
strumental 480. 


Verbalsuffix,  lit. -s^aw  134. 

Verbum,  Denominative  im 
Aind.  480 ff.  inniger  Zusammenhang 
zwischen  dem  nominalen  und  den 
verbalen  Zusammensetzungen  mit 
einem  Adverb  als  erstem  Glied  481, 
Den.  auf-«^rtf  »482. 1  Substantivablei- 
tungen auf  -ayati  482,  ihre  Bedeu- 
tung 482  ff.  Ableitungen  von  Per- 
sonenbezeichnungen ,  Gegenstands- 
bezeichnungen 484,  Ableitungen  von 
Abstrakta  489,  die  Form  493  ff.,  der 
Ausgang  -ayati  bei  nicht  «-Stämmen 
497,  II  Adjektivableitungen  diWi-ayati 
497 ff.,  1.  die  Faktitiva  498  ff.,  2.  die 
Subjektiva  504.  Die  mit  den  Deno- 
minativa  zusammenhängenden  No- 
minalklassen 506  ff.  Einfluß  der  De- 
nominativa  auf  die  Nominalbildung 
507;  Denominativa  auf  -ayati  und 
nomina  agentisauf -(ay)iYa;'ö08.  Die 
Adjektiva  auf  -itd  und  ihr  Verhält- 
nis zu  den  Verben  auf  -ayati  510  ff. 
Denominative  -ita  -  Formen  514  ff. 
Die  sogenannten  Kausativa  517, 
die  Denominativa  519,  Intensiva  519, 
Faktitiva  521,  Doppelsinnige  524,  die 
Deverbativa  527,  Deverbative  Inten- 
siva 527,  Deverbative  Faktitiva  528, 
Deverbative  Doppelsinnige  529,  Ver- 
ben auf  -{ä)payati  533,  Intensiva  533, 
Faktitiva  534,  Doppelsinnige  535,  die 
Nominalableitungen  535.  -{ä)payati, 
Erklärung  536  f.,  Denominativa  auf 
-ayati  538,  Bedeutung  539  und  Form 
in  vedischer  Zeit  541,  nachvedische 
Zeit,  die  Bedeutung  542,  die  Form 
551,  Faktitiva  auf  -ayati  543,  Sub- 
jektive 547,  Adjektivableitungen  548, 
Doppeldeutige  Ableitungen  549.  Die 
Geräuschwörter  550,  Die  Denomina- 
tiva auf  -iyatiöbS  f.,  Bedeutung  553, 
die  Form  558.  Die  Denominativa  auf 
-uyätibßO,  die  Bedeutung  560  ff.,  die 
Form562,  Denominativa  auf -^0^*562, 
Bedeutung  562,  die  Form  567,  Deno- 
minativa auf  -asyäti,  Bedeutung 
568.  Form   570,    Denominativa  auf 


Sachregister. 


581 


usyäti  571,   Denominativa  auf  -äti 
572. 

Vokalismus,  im  indischen  De- 
nominativum  und  den  zugrunde 
Hegenden  Nomina  530 ;  lat.  c  aus  e 
100;  Prothese  im  Lat.  151  f.,  Synkope 
eines  langen  Vokals  im  Latein,  nicht 
möghch  153,  Wechsel  von  e  und  i 
im  Lat.  154,  lat.  ü  aus  ö  163,  lat. 
c  zu  a  vor  r  168 ;  Entwicklung  von 
germ.  öu  393,  germ.  du  zu  ü  397, 
germ.  e-  397,  Kurz-  und  Langdiph- 
thonge   im    Germ.    395,    Kürzung 


der  Langdiphthonge  im  Germ.  394 ; 
Längen  im  Deutschen  395,  ags.  ü  aus 
ö  398,  Altfries.  Vok.  171  ff.,  Palatali- 
sierung  von  betontem  a  in  geschlosse- 
ner Silbe  171  fr.  Umlaut  des  ä  im 
Vorfriesischen  175  ff.  Zwei  Perio- 
den des  Umlauts  im  Fries.  175, 
altfries.  c  und  e  aus  urgerm.  ai  185 
ff.,  afries.  äi  und  ei  aus  a  vor  jj 
198,  fries.  an  vor  stimmloser  Spirans 
200  f. 

Volksetymologie  368. 

Wurzelsuffix  g  324. 


Wortregister. 


I.   Indogermanische  Sprachen. 


AltiiKlisch. 

qsayati  485.   507. 
qst'i-  348. 
ah^amäla-  552. 
aksamälä  552. 
dkhyänayaU  506. 
dgät  330. 
aghäydti  540. 
aidk-  514. 
avTcd-  512.  546. 
avkayati  488. 
cmkitd-  512. 
aidkürayati  485. 
aidküydnt-  561.  562. 
aidkhayati  489. 
dvga-  513. 
ajijnapat  538. 
ajijnipat  538. 
ajiräyate  539. 
ajTglirapat  533. 
ajthayat  533. 
ajügavat  533. 
atastarat  482.  533. 
dtithi-  374. 
atithi-gvd  330. 
atiprasardhayati  505. 
ativalgayati  520. 
ädurtnaidgäla  437. 
adbhutüyate  550. 
ddvayant-  504. 
adharita-  516. 
adhi-^tha  135. 
adhyäpai/ati  534. 


ddhvan-  491.  495. 
adhvaydnt-4:8d.  491.496. 

508. 
adhvartydti  554. 
analati  574:. 
analfyati  554. 
awtY»  107. 
anutülayati  489. 
anupäsayati  529. 
anumarso  527. 
anidöm  499. 
andhayati  504. 
anmyati  555. 
apäiih  499. 
apaspasat  533. 
apasydti  568. 
apipäthaycdi  501. 
apivätayati  528. 
apisphavat  533. 
dpratimanyüyamäna- 

561. 
apsarä  545. 
apsaräyita-  553. 
abibJirasat  538. 
abJbhaitat  533. 
abtbhrajat  538. 
abjdti  574. 
abhicaras  380.  391. 
abJiijnati  074.  575. 
abhinüyayati  531. 
abhivänchayati  490.  507. 
abht-Senayati  492. 
abhism  379. 
abhyäkhyänam  210. 


abhrd-  547. 

abhräyati  543. 

ama-  4. 

amitraydnt  483. 508. 518. 

amiträyati  ö-ii. 

arm  4. 

anümavat  532. 

amiim  4. 

amftäyati  545. 

amrdayd-  508. 

ambhas  165. 

ayayati  524. 

ayo  531. 

aratis  384. 

arättydnt-  560. 

arätfydnt-  554.  560. 

ariranat  532. 

arirädham  538. 

ariravui  533. 

drmati  574. 

arusyati  571. 

arka-  494. 

arkati  574. 

arkayati  490.  494. 

argala-  547. 

arghati  573. 

drcati  572. 

arcayati  491.  520. 

arcrt  494. 

arnavds  384. 

drnas  384. 

arthdyafe  484.  485.  518. 

arthäpayati  535. 

arpo  535. 


Wortregister. 


583 


drvant-  38-i. 
altka-  548. 
alilavat  532. 
ava  321. 
avatd-  321. 
avatd-  320. 
avatqsayati  486. 
avatül'J  489. 
avadhiro  504. 
avadhirita-  513. 
at'«-,  i((Z-  dJiülaijati  507. 
avdni  321. 
avaryati  564.  567. 
avasardhayati  485.  507. 
avasanlhayitar-  509. 
avasäyayati  529.  531. 
avipary'^  bl4:.  blö. 
avifyati  571. 
avTvanat  532. 
avfvasat  538. 
asaidkita-  514. 
aSanäyati  542. 
asanäyita-  553. 
asdni-  öAl. 
asanTyati  bbö. 
asayati  536. 
asisrapat  533. 
asisamat  532. 
«Äei  499. 

asmtapibatTyati  bbb. 
asnöti  538. 
asräyate  543. 
aivahds  216. 
asvayate  484. 
asvayä  508. 
asvayii-  508. 
a*fas  216. 
asvasydti  569. 
asväydntas  539. 
asviyati  bbb. 
dsasinjayant-  521. 
asüydti  561. 
asüyayitvä  501.  551. 
öSZ-Ä;  399, 
asä«  96.  97. 
astrd-  546. 
as^Äi  399. 
asmäi  93. 


asyai  93. 
öÄam  107.  108. 
dhar-ahar  212. 
äkarpayati  488.  507. 
äkula-  512. 
äkulayati  498.  514. 
äkhyän^  489. 
äcaranyati  563. 
e?z/-  321. 
ätanakti  353. 
atapatra-  546. 
ütänayati  526.  531. 
ätapäyati  bib. 
ändölayati  488. 
ändöUta-  512. 
äpayatl  528.  537. 
äpT4ita-  514. 
äpitayati  499. 
äpnöti  538. 
ämödita-  514. 
äyäsa-  481. 
üyäsayati  481.  523. 
dii/w^  495. 
äyu^ayati  491. 
ärüdhayitdr-  509. 
ärucayati  490. 
ärucayate  485. 
äruredita-  516. 
ürögyayati  491. 
örfZro  498. 
äläna-  512. 
älänayati  487. 
äi;o  529.  531. 
ät'i7o  498. 
äscaryati  564. 
äslesayati  526. 
äsodm  381. 
äskundti  126. 
Sskäuti  126. 
äsphälayati  531. 
öÄäro  486.  521. 
ähvaro  483. 
ähväno  489. 
/faro  499. 
/^t-  373. 
itithd-  373. 
lYtVÄ«'  374. 
idämati  blb. 


indraydte  483. 
indriyati  556. 
irasydti  568. 
i#-  495. 
isanayate  491. 
isanas  bl2. 
isdyati  4:84:.  485. 
iSdni-  4:94:. 
isanydti  563. 
isayant-  518. 
istidhydti  563. 
isüydti  561. 
istaka  139. 
Utakä  136. 
ivkhaya-  508. 
Tidkhayati  528. 
Trsyäyita  b4:4:. 
isayati  483. 
tsitavya  548. 
uksanydti  563. 
uccäistaräm  375. 
ucchrayati  533. 
ucchräpo  533. 
uthanam  135. 
u[thanasi  135. 
uthane  135. 
uthäna  135. 
ud4äyita-  531. 
titkacayati  499. 
utkantha-  501. 
utkdnthate  573. 
utkanthayati  503. 
^<^^•o  499. 
M^Ä;a?o  536. 
utkaläpo  536.  537. 
utkaläpayitvä  499. 
utkOrakayati  501. 
utköso  501. 
M«9so  487. 
uttqsita-  512. 
uttarqgate  blb. 
uttarqgayati  503. 
iittaragate  bl4:. 
uttaro  489. 
uttaraläyate  550. 
uttänifa-  blb. 
utthäna  135. 
utpucchayate  501. 


584 

Wortregister. 

uL^a-  IIB.  128. 

uUiidgo  501. 

/.-ai»  373. 

utsard-  547. 

u^asyati  569. 

katithd-  373. 

utsukai/ati  499. 

ü^tra-  347. 

kathayati  489.  535. 

utsukäyate  550. 

tigthäna-  139. 

/irr/Z/m  494. 

utsvapnäyate  542. 

usnasamaya-  547. 

kcdhäpayati  535. 

utsapnayita-  553. 

us'payati  499. 

kadarthana-  507. 

udakJi/ati  556. 

usriyati  555. 

kadarthayati  503. 

udadhtyati  bbb. 

üdhayati  506. 

Ä;awo  502. 

iidanydti  565. 

Mf^Ärtr  399. 

kandalo  485. 

udanydnt-  564. 

«7»«-  320.  512. 

kanduka-  547. 

udapiqmcchat  502.   533. 

ündyati  498. 

kapild-  548. 

udasrayati  502.  505. 

ünayis  533. 

kapisayati  499. 

«(?ä«o  490. 

ünita-  513. 

kaphönigudd-  547. 

«<?cno  490. 

wr^"-  512. 

kamalabalanala-  546. 

udejaya-  508. 

«rja-  494. 

kamalTyati  554. 

udgirayati  490.  507. 

ürjdyati  485.  494.  513. 

kampüyati-  543. 

udgüraijitar-  509. 

ürjdyant-  518. 

karambita-  515. 

uddaniita-  515. 

ürdhvd-  548. 

kuraidka-  546. 

uddämayati  499. 

üsaräyate  549. 

karala-  548. 

ttddhülana-  507. 

üsmäyati  543. 

karälita-  515. 

uddhüUta-  513. 

rÄ;«;rfs  383. 

karunäyati,  -te  550. 

udbala-  513. 

rghäydnt-  541. 

kdrna-  545. 

udhudhnyati  564. 

rjüydnt-  560. 

kartriyati  bhl . 

ud-yödhati  137. 

rtayate  505. 

karpürati  574. 

udväpya  534. 

rtdyant-  508.  518. 

karbürita-  515. 

udvela-  513. 

rtäydnt-  540.   552. 

karmakäräpayati  535 

udvelayati  499. 

rtvydte  554. 

kalawka-  512. 

udvelita-  513. 

etayati  499. 

kalavkayati  488. 

«»««?•  320. 

etdvan  373. 

kalaidkitd  513. 

unnidrayati  499. 

e4akTyati  556. 

kalamfyati  554. 

unmadita-  532. 

#(ZÄ«s  136. 

kalayati  488. 

unmanayati  502. 

gkärtyati  556. 

kaJahati  573. 

unmanas-  548. 

öjasyate  569. 

kalahäjate  543. 

unmülati  ö7S. 

öjäydmäna-  540. 

kaläpa-  537. 

upavinayati  488.  507. 

ödamyati  555. 

A-a/t-  494. 

Mi)as/öÄ,'0  486.  507. 

oc^waM-  321. 

kalusayati  498. 

tipasargo  491. 

ö^htyati  556. 

kalusäyate  548. 

npastis  379. 

äunanat  533. 

kdlpa-  b¥l. 

upastis  379. 

kakSäyate  543. 

kaljyasatd-  b¥l. 

upödbalayati  499. 

katakatäpayati  551. 

kavacayati  487. 

upödbalita-  513. 

katakatäyati  550. 

kavayati  483. 

upö^ayati  493. 

kathinayati  499. 

kavalayati  486. 

ubhdya-  549. 

kathiyate  556. 

Ä;a??/-  494.  497. 

ubhayäyita-  552. 

kathörayati  499. 

kavtydti  553. 

urasydti  569. 

kathörita-  515. 

kavyati  565. 

uru-gäya  330. 

kanükaydnt-  508.  518. 

kasäyati  488. 

uru^ydti  563.  571. 

kandüyati.  -te  562. 

kasäyayati  488. 

ullaghayati  498. 

kd^va-  545. 

kasüyita-  516. 

Wortregister. 


585 


känayati  499. 
Tcänaniyati  öb^k. 
käntäyate  549. 
käpdtam  381. 
kämarjate  490.  519. 
kämayitar-  509. 
kämuka-  ö4f5. 
kämyati  565.  567. 
kärikeyiyati  556. 
kdrmuka-  546. 
kikarati  573. 
ktkariyati  ööö. 
kiräjan  253. 
kitakitäpayati  551. 
kitakitäyate  551. 
küakilayati,  -te  550. 
kisal{ay)a-  488. 
kisalayitd-  488. 
kirtana-  bOl . 
kirtayate  489. 
ktlita-  514. 
Hs^a-  139. 
Ä;MÄ;#t  129.  130. 
Ä;t*ca-  129. 
kutiyati  555. 
kutumbayati  489. 
ku4maln-  546. 
kudmaläyate  549. 
kutidalita-  514. 
X«<sa  128. 
kutsayati  128.  319. 
kundro  128. 
kumäro  483. 
kumtida-  546. 
kumbhakarnäyati  54Ä. 
kumbhayati  493. 
kuraidgäyati  54:4!. 
kurickut'äyate  551. 
kurkuriyati  556. 
Ä;«<Zä//ay«nf-488.508. 518. 
külisa-  546. 
kulyäyati  b4tb. 
kuvala-  546. 
küstha-  125.  128.  130. 

132.  139. 
kustJiaka-  125. 
Ä;^«i,<Aä  128.  125.  139. 
küsthikä  125.  128. 


kiisihna-  512. 
kusiimitä-  513. 
kiisumayati  485. 
kusumyati  565. 
kiihara-  129. 
kü])a-  129. 
küpüyati  b4b. 
küpita-  514. 
külayaydnt-  485. 
kfcchäyate  550. 
kpü ydmäna-  566. 
kftayati  488. 
krtayuga-  b41 . 
krtänta-  545. 
krtärthayati  498. 
kj'panäyate  550. 
krpanydti  563. 
krpdnate  bl2. 
krpdyati  490. 
krpaydnt-  496.  518. 
Ä;rpd  494. 
krpäydte  b43. 
krsd-  513. 
kj'^nati  573. 
krsnäyate  b^^b. 
kfsyati  566. 
kekäyati  543.  551. 
ketayati  489. 
ketayitri-  510. 
keyilra-  b41 . 
keyüräyita-  553. 
keläyati  543. 
kelisvetasahasrapattrati 

bl^. 
kesa-  319. 
/.•ß-sara-  319.  320. 
kdkanadayati  486. 
kodayati  128. 
köpa-  481. 

köpayaU  481.  521.  543. 
Ä;ösa  129. 
Ä;ö#a-  129. 

Ä;Ö^Ma  128. 130. 132. 139. 
kriiravakörakiyate  bb4. 
käiläsati  574. 
knöpayati  534. 
Ä^ra^o  502.  522. 
krasita-  513. 


krdsiyqs-  513. 
krl4äpay(xti  534. 
A:ri-c;o  528. 
krl4üriidfa-  547. 
krösayati  490.  520. 
Ä-?iöa-  548. 
kltbahe  bl4. 
ksäpayati  538. 
ksam'^  522. 
kSamäpo  535. 
Ä^^'a^o  521.  531. 
fo'ö2>o  533. 

ksindti  351. 
Ä-^iv  499. 
Hfrd-  322. 
k^Trayati  489. 
ksfrasyati  569. 
ksiräyati  545. 
ksTriyati  556. 
kMrödafi  573. 
ksirödiyati  554. 
ksvvyati  352. 
ä;ä<^  322. 
ksndhyati  566. 
ksubliyati  566. 
ksetrlyati  556. 
ksepayati  525.  534.  537. 
ksemaydnt-  491. 508. 518. 
ksmäpayati  534. 
ksemaydnt-  485. 
k^evati  352. 
khatakhatüyate  551. 
khatvayati  486. 
khatvä  494. 
khatvfyati  557. 
khanakhanäyate  551. 
khan^ciyati  503. 
khatatTiatarüyati  551. 
khanakhanäyate  551. 
kharäyita-  545. 
khalakhalüyate  551. 
khaläyate  544. 
khudati  127. 
khurakhut'äyate  551. 
kheläydte  543. 
Ä;%(7  210. 
khyäpayati  534. 
gavgüyati  562. 


586 


Wortregister. 


ga^di/ctti  486. 
gaiia-tithd  372. 
ganai/ati-te  486. 
ga'^tlai/ati  489. 
gati4üäo  486. 
gadgadijdti  564. 
gandha>/ati  487. 
garaJäi/ati  545. 
garita-  514. 
garimdn-  218. 
garudäi/ati  5M. 
gardabhati  573. 
gardabJiajjate  484. 
garbJia-  336. 
garvati  573. 
gdrvati  575. 
garvaiiati  491. 
garvüxjate  543. 
galahastayati   489.  492. 
galbha-  548. 
galbhate  öl-i. 
gavayati  484. 
gavi/dnt-  563. 
gavesate  ölb. 
gaveSayati  504. 
gahanüyate  550. 
^r«^«-  330. 
gäfüydfi  561.  562. 
gäpayati  534. 
gäma-  330. 
gärgiyati  555. 
</«>-  495. 
^Tr  217.  218. 
gfM^f^-  317. 
guiiagunäyate  551. 
gunayati  493. 
guttüyati  545. 
gumagumäyita-  551. 
gurüh  218. 
</ür^aÄ  217.  218. 
5för</Ä  217.  218. 
5-/^0«»  217.  218. 
gfbhayati  519. 
^/•Äd-  546. 
gfhapäla-  546. 
gehtyati  55.5. 
göcarayatiiSd.  493.  505. 
gödhä  546. 


göpd-  536. 
göpayate  483.  536. 
göpäydti  539. 
göpin-  536. 
gömatati  574:. 
gömatyati  565. 
gomayati  488. 
gOmayäyati  5M:. 
göla-  344. 
grdsati  101. 
grävan-  104. 
grivabaddhds  250.  251. 
gläpayati  532.  534. 
^Äff  108. 
ghand-  548. 
ghand-ghana-  136. 
ghaniyati  556. 
^Äas  322. 

ghätayati  492.  520. 
ghumaghumäyate  551. 
ghuraghuräyate  551. 
ghurghuräyate  551. 
ghdlayati  485. 
ghränam  101. 
ghrätds  101. 
ghräti  101. 
cakörüt/itum  545. 
catacatatl  573. 
catacatäyate  551. 
ca/M^  499. 
cattdd-  548. 
candakärU yati  545. 
can4ayate  505. 
catant-  114. 
caturdast  374. 
caturyati  565.  567. 
cdnas-  495. 
canasayati  491. 
canasita-  514. 
canasydti  568. 
cajidanäyati  544. 
candrd-  546. 
candrakäntiyati  554;. 
capayati  538. 
capald-  548. 
capalayati  499. 
cayayati  531. 
carafitydte  554. 


caramydti  564. 
caritärthayati  499. 
carcS  547. 
cätayati  114. 
capayati  486.  534. 
ccr/ir«  380.  388. 
citayati  519. 
citrd-  .513. 
citraputrikä.  547. 
citrayati  498.  514. 
citriyate  556. 
cidänandä  547. 
cintayati  489.  520. 
c?'n^S  494. 
cintäratna-  548. 
cimicimäyate  551. 
cirayati  505. 
ciräyatt  550. 
cihna-  512. 
cihnayati  488. 
cutiilita  515. 
c!(f«-  129. 
curanydtl  565. 
culuka-  494. 
culukayati  486.    488. 

494. 
culumpati  573. 
C27^c  494. 
cUdayati  486. 
cürnayati  485. 
cetakas  386. 
ce/«s  386. 
ce/r  386. 
cetikä  386. 
cec?«s  386. 
cetaya-  508. 
cetayati  489.  519. 
cetayitar-  509. 
cetas-  495. 
cerxi$  383. 

ceStaii,  -te  386.  573. 
cmayati  491.  522. 
cestas  386. 
cö(Za<e  126.  128. 
cödayitdr-  509. 
cöd[ay)itdr-  510. 
cüditdr-  509. 
cor«-  547. 


Wortregister. 


587 


cörayati  483. 
cyävayitar-  509. 
chandayati  498.  503. 
chalayati  492. 
cJiiärayati  504.  535. 
chidräpayati  535. 
jagatyati  565. 
jagannetrati  574:. 
jathdram  335.  336. 
jatilayati  500. 
jadayati  498. 
jada-  548. 
janagatyatl  565. 
jananiyati  555. 
janayati  517. 
janiydti  555.  560. 
jayadhvaga-  547. 
jaranäh  222. 
jdrati  222. 
jdrant-  222. 
jarayati  526.  532. 
jards  222. 
jarc  222. 
jaritdr-  218. 
>rmd  222.  239. 
jarta-  335. 
jartu  335.  336. 
jdlati  574. 
jaläyati  545. 
j'öntf  325. 
jämudagnya  547. 
jäpayati  534. 
jürayäyi  483. 
järjarah  222. 
jüriäuh  235.  238. 
jigäti  330. 
jighrati  101. 
jinäti  329. 
jihmd-  548. 
jiJivaratam  533. 
jt^a  329. 
ßr-pdh  222. 
jw-2/a<i  222. 
jivati  572. 
jivanasyd  569. 
jtvayati  536. 
jt«>ds  383. 
jlväpayati  534.  536. 


jüryati  566. 
jnäpayati  534. 
jfiapti-  517. 
jnämyati  556. 
jnäudämyati  556. 
jmäydnt-  541.  564. 
i//ö  329.  546. 
jyäpayati  535. 
jrayati  104. 
jhagajhagäyate  551. 
jhanajJianüyate  551. 
tfkayaii  493. 
tdkati  381. 
^f;Ä:<i  381. 
takrd-  353. 
^aA-ws  381.  38.3. 
tawkayati  488. 
i«/a-  546. 
Mit  373. 
tatithd-  373. 
tdnukas  216. 
tdnuk  375. 
tanüh  375. 
tanöti  332. 
tantasydti  569. 
iawit-  332. 
Mm^m-  332. 
tantra  332. 
tantrayati  493. 
tantrayate  505. 
tandra-  548. 
tdnyati  566. 
tdpasyati  569.  571. 
tama-  375. 
tanidm  375. 
iara-  375. 
tarqgd-  494.  512. 
tarqgati  497.  572. 
tarqgayati  485.  494. 
tarqgita-  513. 
tardiiis  382. 
taraitydti  564. 
tara-tamatah  376. 
tarald-  513. 
taralayati  498. 
tasaläyita-  550. 
taralita-  513. 
tardm  375. 


tarii/iydti  564. 
taruitayati  500. 
taruiiüyäte  548. 
tdruSati,  -te  572. 
tarusydti  563. 
taru^ydnt-  571. 
tarka-  494. 
tarkaycdi  494. 
tarkin  494. 
tavi^Tydnt-  554. 
taviäyati  563.  571. 
taskaräyati  544. 
türa-tamyam  376. 
türayati  526. 
tdvän  373. 
<«Ä;ia-  323.  548. 
tigmd-  323. 
titham  374. 
tithak  372.  374. 
itYAii  370.  372.  374.  375. 
ijYÄf  370.  371.  374.  375. 

376. 
<?YAf7n  372. 
tithyäm  372. 
timirayati  503. 
timiräyate  550. 
tirayati  502. 
i/r«s  165. 
tirasyati  569. 
tiröhayati  501. 
tiröhita-  513. 
tilaka-  547. 
tilakayati  488. 
tilakita-  514. 
tilökamiyati  554. 
tilviläyate  539. 
tisthati  135.  210. 
iF/cö  494. 
tirayati  489. 
itf^o  500. 
iMcc/iO  498. 
it<«Äo  487. 
tubhyam  108. 
turaiiydti  563. 
turdti,  -te  572. 
turiydti  555. 
tulakana-  546. 
tulayate  488.  527. 


588 


Wortregister. 


tuiä  idi. 
tiusfcl  H39. 
tu,<fi-  839. 
tu^yati  339. 
ttista-  139. 
tuhinayati  485. 
tüyiira-  546. 
türyate  566. 
türvati  572.  575. 
tüSiüJcd-  339. 
tüfntm  .339. 
«wsia  139. 
trnagana-  546. 
tr^ayati  486. 
txpcit-  552. 
trpta-  548. 
trsyati  566. 
^^'a^e  323. 
f(JÄ;«-  545. 
tddayati  520. 
^ö^a-  350.  352. 
tölayati  527. 
tösdyati  339.  521. 
^ä/J  186. 
trisüla-  546. 
fm-  96. 

^rac-  495.  512.  514. 
tvacayati  487. 
tvadyati  565. 
tvaräyasyati  569.  571. 
tväydnt-  539. 
tharcäharäyafe  551. 
dandayati  488. 
dadliiäydti  571. 
dadhiyati  555. 
dadhydsyati  569.  570. 

571. 
dantapattrati  574. 
danturayati  500. 
danturita-  515. 
damadamäyati,  -te-  551. 
datnanyati  563. 
damäyati  540. 
damitdr-  328. 
dambhölipäta-  546. 
darpanati  574:. 
ddrbhaU  573. 
darsayati  536. 


dariäp^^  536. 
rfaijo  502. 
dasakantha  545. 
dasasydti  568. 
rfafeafi  102. 
däpayati  534. 
dämaUhyati  565. 
dämyati  328. 
dämydti  566. 
c?ar!<  325. 
därund  548. 
däsds  379.  545. 
dinati  574. 
divyati  565. 
diksäpayati  534.  537. 
diks{ap)o  535. 
diksitd-  537. 
dipyati,  -te  566. 
dtpyati  566. 
dipydti  566. 
ducchunüydte  540. 
dttnayit  533. 
durasydti  569. 
durgrbhtyate  553. 
diirjanäyati  544. 
durdina-  546. 
durmanas-  548. 
durvätayati  487.  506. 
durlia'^äydnt-  540. 
duvds  388. 
diivasands  388. 
duvasydti  568. 
dustiyati  556. 
duhhh  503. 
duhkhd-  512. 
dukkhäydte  54:4:.  550. 
dukkhitd-  513. 
du/ikhiyati  554. 
duhkhyati  564. 
dütayati  483. 
e^M^as  388.  389. 
dürayati  504. 
dhülita-  497. 
dü^aita-  508. 
dürayati  528. 
düsayitar-  509. 
dj-dhayati  500. 
df^adyati  565. 


df^tantayati  486. 
dr^tänt-  514. 
dfstäntita-  512. 
devaydnt-  484.  508.  518. 
devdyant-  552. 
deväyant-  542. 
dölayati  488.  514. 
döläyati  544. 
f?ö??Va-  512. 
dOsäyati  545. 
däityd-  545. 
dyütayati  521. 
(Zrflc^Äo  502. 
dravatydU  564. 
dravayate  484. 
dravasydti  569. 
draviniyati  556. 
dräghayati  502. 
drUp^  534. 
drumäyafi  544. 
drtihyati  106. 
dvayasd-  374. 
dfiguna  549. 
dvigunayati  498. 
dvigunita-  515. 
dvigtis  330. 
fZtvj'd  545. 
dvipada-  378. 
dvivfnta-  549. 
dvyaiiukiyati  557. 
dhanäydti,  -te  542. 
dhanfyafi  556. 
dhdyämi  329. 
dhäritri  509. 
dhdrnia-  547. 
dhdrmati  574. 
dharmayati  4:87. 
dhaval-  514. 
dhavald-  548. 
dhavalayati  498. 
dhavalita-  515. 
dhavisyati  389. 
fZÄä./r  494. 
c^Ä(7^;•l•  329. 
dhäpayati  534. 
dhdtnnn  377. 
dhärayati  527. 
dhürayitdr-  509. 


Wortresister. 


589 


dJidrä  546. 
dhiyäydnt  540. 
dhisanydnt-  563. 
dhiyate  556. 
dJiTra-  513. 
dhirayati  498. 
dhunayati  504. 
dhundti  389. 
dhünat/ati  498.  506. 
dhündti  389. 
dhüpa-  512. 
dhüpayati  487. 
dhüpayati  540.  543.  552. 
dhüpüyita  553. 
dhümci-  353.  512. 
dhümayati  487. 
dhümäyati,  -te  543. 
dhümäyayati  551. 
dhümyate  566.  566. 
dhümrd-  353. 
dhümrayatl  500. 
dhiilayati  488. 
rfÄMZ2''  494.  513. 
dhüUhastayati  504. 
dhüsarita-  515. 
dhmäpayati  534. 
dhyäyati,  -te  b43t. 
dhräjati  106. 
dhräjis  106. 
dhvasayati  492.  526. 
dhvänayatl  490. 521. 524. 

531. 
ndktam  212. 
nak^atramälä  548. 
nagaräyati  544. 
natamdm  dilb. 
natardm  375. 
natsyati  121. 
naddha-  121. 
nandayati  522. 
nandyati  566. 
nabhasyä-  548. 
nämayati  528.  531. 
namasita-  514. 
namasydti  568. 
ndraka-  546. 
nartayati  522. 
nartayitar-  509. 


narmayati  490.  517. 
narmäyita-  516.  544. 
«a/j/  108. 
naliyati  121. 
nägaräja{ny  545. 
näthd-  545. 
näthäyati  54:5. 
näyaka-  547. 
näyayati  522. 
nüräya-tid  54:5 . 
närtyate  553. 
nä?a-  547. 
nävayati  528.  531. 
nävyati  565. 
nihsesa-  513. 
nihsesayatl  500. 
nihasa-  547. 
nigad-  514. 
niga4a-  512. 
nigadayati  487. 
niculita-  514. 
niharhayati  527. 
nibi(}ayati  500. 
nibi4ita-  515. 
ni-mis  333. 
nifnisa-  333. 
niraidku$ayati  500. 
nirüpiti-  517. 
nirjalamma-  546. 
nirdhätayati  507. 
ntrdhüt-  492. 
nirnidrayati  500. 
nirmülana-  507. 
nirmülayati  500. 
nirväpayati  534. 
nirvedayati  491.  522. 
niska-  122. 
nispattrayati  498. 
nisphalayati  500. 
nicydti  564. 
mddyati  485.   491. 
n/?a-  548. 
mJiärd-  546. 
nütanayati  500. 
nftnanasyate  568. 
nemts  383. 
nödayatl  520. 
nyüidkhayati  490. 


nyünayati  500. 
paiaka  494. 
pawkayati  488.  494. 
paed-  494. 
pdcati  494. 
^xtcö  494. 
patapatüyati  551. 
-patta  546. 
panate  573.  575. 
panayati  492.  494. 
paii{ay)itdr-  510. 
panasyati  569. 
panäyitum  543. 
panitdr-  509. 
pan4ita-  514. 
pan4itäyate  549. 
pato-  531. 
patayati  502. 
pätayati  525.  532.  538. 
^a^t-  115. 
patitd-  511. 
paflyati  556. 
pattrd-  512.  546. 
pattrayati  487. 
pattritd-  513. 
patmyati  555. 
pdtyate  564. 
pdthati  501. 
pathinati  575. 
padam  tamam  376. 
padaycite  491. 
pddma-  546. 
padmaküsa-  546. 
panayati  528.  531. 
panasydte  568. 
panäydti  541. 
panäyita-  553. 
panitdr-  509. 
pampasydti  569. 
pdyas-  322.  547. 
payasydti  569. 
paräga-  547. 
paräjamukhayati  500. 
parikar-ita-  514. 
parikarman-  495. 
parikarmayati  487.  506. 
jyari-caranas  380. 
paricards  380.  391. 


590 


Wortregister. 


paricäfttkas  380. 
paricärayati  491.  506. 
paricäras  380. 
pariJärihä  388. 
pari  cur  in-  380. 
parinämayitar-  509. 
paripanthaijati  -i83.  504. 
paripanthayitiim  517. 
paripindita-  516. 
pari-,  vipucchaijati  507. 
parimalo  487. 
parivradhai/ati  503. 
pari-sen^  492.   507. 
pari-sthä-  135. 
parisharas  380. 
parkalayitar-  509. 
parnayati  485. 
parnasälä  546. 
paryavkhayati  bOl.  518. 
paryäkido  498.  506. 
paryäiiita-  514. 
prdpülana-  507. 
palpülayati  514. 
palya'tdg'^  522. 
palyän^  487. 
pallaea-  512. 
pallavati  573. 
paUavayati  485. 
^aro  522.  531. 
pavayitdr-  509.  510. 
pavttdr-  510. 
pavüra-  513. 
pai'itrayati  493.  503. 514. 
pavTtdr-  509. 
^jö-  537. 
2)ükd-  494. 

päcayati  492.  494.  525. 
päcayitar-  509. 
pätayati  485. 
^jrT/aZo  500. 
jp«/Äo  489. 
pänducchattrati  574. 
pän^urayati  500. 
pündurita-  515. 
^d^«-  531. 
pütayitar-  509. 
i)dfi  329. 
pütrayati  486. 


;;a/Äo  501. 
2)0(^0  528. 
pädayate  489. 
pänam  329. 
papakjiyati  565. 
pUiydna-  329. 
päyayati  528.  531. 
päyayiäta  533. 
pürayati  520.  528. 
püräfattmilä  546. 
XHilayati  483. 
pälayitar-  509. 
])alita-  511. 
päsayati  487.  514. 
püsayiigaläyita-  553. 
piidgalita-  514.  516. 
pinjarayati  500. 
piiijarita-  515. 
pittayati  500. 
pinda-  326. 
pindayati  486. 
2)in4ita-  512. 
pitüyati  561.  562. 
^«Y/t-  513. 
pithayati  501. 
pipäsita-  515. 
pisuTsgita-  515. 
2)isunayati  483. 
pisunita-  511. 
pTdayati  214.   520.  543. 
2J27«-  329. 
ptyüäati  574:. 
piyüsavarsäyati  545. 
pivas  322.  381. 
puiakhita-  514. 
puccliayati  489. 
jn<w/-  514. 
piinjayati  486. 
piinjita-  512. 
putriydti  560. 
putrTydti  556.    560. 
punarukta-  54:7. 
purdh  233. 
puränyati  565. 
pürtSa-  512. 
pni-Täayati  485. 
purusäyati  544. 
pulak-  514. 


pulaka-  512. 
pulakayati  490.  494. 
pü^kara-  546. 
Xni^pa-  546. 
puSpati  573. 
puspita  514. 
puspydti  564.  566. 
pügah  373. 
püga-tithd-  372. 
püjayati  491.  * 
^jiT/d  494. 
liütanä  545. 
püiikusyyiän4ci-  546. 
pürayati  527. 
pürayitar-  509. 
pürtayati  493. 
pürvapak^o  490. 
pürvähnetaräm  375. 
pülayati  486. 
prtanäyant-  540. 
P2i:anydU  564. 
ße?a-  326. 
pelaka-  326. 
pesayati  520. 
^jö.^ä  545. 
^öto-  546. 
pdlayati  493. 
^jöi-  492.  526. 
jyöäitdr-  509. 
prakatayati  498. 
prakatäyati  544. 
prakatita-  513. 
prakalpayitdr-  509. 
prdköpa  481. 
praköpayati  481. 
prak$äläp^  534. 
pragun^  498. 
pragunita-  515. 
pracala-  549. 
prajanayitdr-  509. 
pratarftdr-  509.  510. 
pratänita-  515. 
pratäpitar-  509.  510. 
pratäyapitar-  510. 
pratärayitdr-  510. 
pratTjxi-  548. 
2)rati})ayati  500. 
l)ratikül<^  492.  505. 


Wortregister. 


591 


pratipaksita-  515. 
praüpayati  505. 
pratipädcnjitar-  509. 
jyratibimbati  bli. 
pratibimbita-  516. 
pratimOtayati  528. 
prati^edhaijitar-  509. 
prati^thäpayltar-  509. 
pratihärü-  545. 
pratjjaksa-  548. 
prat\jalxsayaii  500.  504. 

505.  507. 
pratijuhh ivädaij itar  509 . 
pratifäiiaijati  522.  544. 
praty&ijita-  544. 
prathati  502. 
prathaijati  502. 
prathä  502. 
pradak^inayati  504. 
pradäpai/itar-  509. 
pradtpäijaU  544. 
prapancai/ati  506. 
pirapuspita-  516. 
prapijäijayati  531. 
prapyävayüdr-  509. 
prapaiicayati  490. 
prabdlati  574. 
prabalayati  500. 
prabhav^  484.  520. 
prabhävayitar-  510. 
pramatMtar-  509. 
pramadäyati  549. 
pramarditdr-  509. 
pramcmayati  493. 
pramüp'^  534. 
pramäpayitar-  510. 
prayatitavya  b\.l. 
prayügayitar-  510. 
prärkstyati  556. 
prärSabhtyati  556. 
prälküriyati  556. 
pravatiayita-  516. 
pravart{ay)itdr  510. 
pravartayitar-  509. 
praväpayitar  509. 
pravuhayati  528. 
pfavi$taküyati  543. 
pravesayitavya  oll. 


prasnayati  489.  506. 
praskunda-  127. 
prasnnvitrtyati  557. 
praharayati  528. 
prahvayati  500. 
prüpo  535. 
präyascittiyate  554. 
prärjayitar-  510. 
prärthayitat'-  509. 
präleyati  574. 
jjrävayati  b21.  531. 
präväriyatl  bbb. 
präsäpayati  536.  538. 
präsädiyati  555. 
priyäyate  539. 
priyiyati  bbb. 
prinayati  529. 
prusäydti  540. 
prusvüyati  543. 
prewkhOlati  bl4t. 
prekiyati  bbl . 
preßayitar-  509. 
pröghiyati  556. 
prötayati  ,500.  506. 
pröth^  529. 

prostha-  135.  136.  139. 
präikiyati  556. 
präughiyati  556. 
plävayati  529. 
-phdla-  bil. 
phai^ayati  492. 
pJidlati  573. 
phalahastayati  504. 
phalita-  514. 
pTiarpharäyati  552. 
phullati  573. 
plienäyate  543. 
baka-  545. 
bakabakäyate  551. 
badhirayati  500. 
bandho  523. 
bandhurita-  515. 
barha-  b^l. 
bdla-  513. 
baläyate  543. 
bahayati  502. 
ört7«<Ä  373. 
bahu-tithd- 372. 373.37Q. 


bahutitham  372. 
bahutithf  374.  375. 
bahufithe  372. 
*bahuratna-  549. 
bahulds  216. 
bahulita-  515. 
*bahusubha-  549. 
bädhdyati  484.  492. 
bädhayati  520. 
bädhayitrt-  510. 
bälärka-  546. 
bäspäyati  543. 
bindukita-  515. 
bimbita-  515. 
biista-  139. 
brhlta-  511. 
brnfydte  bbl. 
bddhayati  493.  521. 
bödhayitdr  509. 
brahma^ydnt-  563. 
brdhman-  b¥l . 
blesk.d-  117. 
bhaihsas  116. 
bhaksayati  493. 
bhaksayitar-  509. 
bhaks[ay)itdr  510. 
bhaksitdr-  509. 
bhaTdgiirayati  500. 
bhdjati  494. 
bhatabhatäyate  551. 
bhandanäydnt-  540. 
bhayäyati  543. 
bharailydti  565. 
bharita-  514. 
bharjayati  528. 
bharvati  118. 
bhdvati  350. 
bhasmita-  515. 
bhdga-  AQ4t. 
bhäjati  494. 
bhäjayaii  488.  526. 
Mä^o  492.  521. 
M%o  529.  531. 
bhärd-  546. 
bhäräyita-  553. 
bhärgavd-  bAtb. 
bhävayati  492.  523. 
bhävayUar-  509. 


592 


Wortregister. 


bhasd-  546. 
bhüsatl  519. 

bhäsai/afi  490.  519.  523. 
bhik^ayati  524. 
bhi^ajyüti-  563. 
bhi^ajyita-  bll. 
bhiSnajijäti  563. 
bhTsana-  508. 
bhtsai/atl  491. 
bhujagaräja-  545. 
bhunJäjKii/ati  536. 
hkurdjanta  572. 
bhuraiiydti  563. 
bhümdn-  495. 
bhümayati  486. 
MjTä'o  487.  520. 
Mit.s'c  494.  547. 
bhüsvarga-  546. 
bhfvga-  104,  546. 
bhjtyäyati  544. 
bhrsa-  548. 
bh^sati  Ö74:. 
bhrsti-  118. 

hliedaifciti  492.  520. 

bhögd-  547. 

bhöjayitar-  510. 

bhrqs  523. 

bhrämayati  523. 

bhramard-  531.  546. 

bhramäyati  543. 

bhräjayati  523. 

bhrätar-  104. 

bhrüs  119. 

mqsTyatl  556. 

makamakäyate  551. 

makarandakana-  547. 

makhasydti,  -te  569.  570, 

magadhydfi  565. 

mawgaläm  437. 

majjayati  529. 

majmdn  107. 

manjayati  487. 

ntanjari  494. 

manjika,  437. 

manjTia-  437. 

manjii{-  4.37. 

matämafäyati  551. 

math^  4:85. 


manvyate  554. 
mandaläyafe  550. 
manjayati  487.  ^ 
maiidita-  515. 
matiditar-  509. 
mdtsya  319. 
maf/i  435.  495. 
mathayati  488. 
mnfhäyati  540. 
mathinati  575. 
madanäyati  544. 
mädayati  490.  521. 
madayitar-  510. 
madätyayita-  515. 
madyati  505.  565. 
madräyatl  543. 
madrikä  545. 
madhukara-  546. 
madhurita-  515. 
madhusyati  571. 
madhüyati  561. 
madhvasyati  569.  570. 
mcmayitar-  509. 
manasydti,  -te  568. 
manäyäti  540. 

manisita-  514. 

mantayati  483. 

mdntu-  494. 

mantüydti,  -te  562. 

mcmfrdyante  517. 

mantrayate  489. 

mantkati  135. 

manthayati  521. 

manfharita-  515. 

mdnfhäs  435. 

manthrdyante  518. 

mandayati  498. 

mandäyate  548. 

mandiD'a-  546. 

mandrayate  505. 

mamäyati  542. 

mayukha  326. 

märjayati  493.  494.  520, 

war^^o  492.  520. 

marditdr-  509. 

marmaräycäi  551. 

marSayati  525.  527. 

malin^  498. 


mas]Vjio  500. 
w«7to  520. 
mahas  495. 
mahdn  107. 
mahämläbhrajäliyati 

554. 
■mahäputriyati  556. 
mahinayati  514. 
maJiTydti  559. 
mahiydte  504:.  556.  560. 
mahJyase  560. 
mahyani  108. 
mäfrd-  374. 
niätriyati  556. 
mcähayati  520. 
»wcfZo  532. 
wrt^o  491. 
niünavasydnt-  569. 
mäpayati  535. 
m«ro  492.  523. 
märga-  494. 

märgayati  490.  494.  520. 
märja-  494. 

märjayitum  517. 

märjita-  511. 

märjitum  517. 

mrdayati  487. 

mälTydti  556. 

»jd^ä  494. 

mrdyaguiid-  547. 

Mt/-?  326. 

m;7rf  326. 

mitrati  573. 

mitriyati  556. 

mithunäyäfe  550. 

misrd-  333.  513. 

niisla-  333. 

misdti  333. 

mismnisdyate  551. 

midha-  139. 

midha-  133. 

tmtnayati  528.  531. 

wtZo  529. 

mukiila-  512.  546. 

mukulayati  485. 

mukiditd-  513. 

mukhar-  514. 
1  mukhard-  513. 


Wortregister. 


593 


muhharayati  498. 
mtiiid-  ol^. 
munia-  513. 
'mun<i,a\jati  498. 
mudira-  121. 
mudrayati  488. 
miidrd  494. 
murmunyaii  556. 
niii^äydti  541. 
muitl-  134. 
musta-  139. 
mustu-  134.  139. 
mütra-  512. 
mütrayati  488. 
mürchayati  529. 
m?7?o  489.  524. 
mrks'^  528. 
mrgdyate  484. 
mfgdyante  518. 
mj'gayü-  508. 
mrgyati  565. 
mrgayd  508. 
m^iriayati  527. 
mrditdr-  509. 
mfldyati  504. 
nifsäyate  ööO. 
mrsia-  511. 
meksayati  333.  528. 
meghäyati  545. 
meghäyifa-  553. 
meccika-  333. 
mecakita-  516. 
medayati  488.  521. 
medhas  139. 
medhäydti  543. 
melayati-  493.  522. 
melänanda-  546. 
mesd-  b¥l . 
mehayatl  528. 
möksä-  547. 
möhsayati  492. 
möksayitar-  510. 
möcayati  528. 
möcayifar  510. 
mdgha-  548. 
mödate  121. 
mOdayati  490.  523. 
mö^o  491.  523. 


myakäati  333. 
mrakSayati  528. 
mrado  502. 
mläpo  534. 
mleccho  483. 
t/a_;/o  488. 

yajnäydnt-  540.  552. 
//«<!  373. 
yatithd-  373. 
yantrd-  512. 
yantrayati  487.  506. 
</«mo  487.  488. 
y/ömo  520.  531. 
yamäyati  544. 
yavatithd-  373. 
yavamatyati  564. 
ydvamant'  508. 
yatmyati  502. 
y/öi-o  527.  531.  532. 
yavayitar-  510. 
yaJiiis  381. 
yahvt  381. 
yahvds  383. 
yücayati  529. 
//ä/«-  494. 
yäjati  494. 
yäjayati  525. 
yäjayitar-  510. 
yätayati  527. 
f/ä^o  534. 
yämin^  483. 
yämirn  494. 
yüvayati  528.  532. 
yävän  373. 
yugd-  547. 
yugala  547. 
yiigasahdsra-  547. 
yudhmd  399. 
yudhyati  137. 
yundjmi  494. 
yiismaydnt-  518. 
yusmaydnt-484:.  508. 495. 
yöktrayati  487.  506. 
yoga-  494.  545. 
yögiyati  bbb. 
ißjayati  492.   494.   520. 
yäjayitar-  510. 
ydj[ay)itdr-  510. 


Indogermanische  Forschungen  XIX. 


yojitdr-  .509.  510. 
yödhati  137. 
yödhayati  484.  492.  520. 
i/öpo  527. 
rakta-  510. 
raktasüryäyati  545. 
raksayaü  484.  491.  520. 
raksitdr-  509. 
raghiJydnt  562.  560. 
ragJiusyant-  571. 
racana-  507. 
racayitar-  510. 
rajayati  488.  492. 
rajayitri  509. 
rdjas-  495. 
rajasyati  491. 
rajasydti  569. 
rajasvinamäcaste  491. 
rajjus  448. 
ranjitd-  510. 
ratayati  528. 
rataratäyate  551. 
randyati  493. 
rd^ati  573. 
ranayati  526. 
raiiaranüyita-  551. 
ranvati  b73. 
ratd-  510. 
rdtna-  548. 
ratnäkara-  548. 
ratkakätnayati  564. 
ratJiarydti  564. 
rathiräydnt-  539. 
rathtydnf-  553. 
rapitdr-  509. 
randhanäyati  540. 
randhayati  492.  526. 
ramana-  507. 
ramamyate  553. 
ramayati  490.  505.  513. 
rsmo  491.  .520.  531. 
ramita-  510. 
rambhayati  493.  528. 
rayati  573. 
rayas  384. 
rayiydnt-  555. 
rasayati  485.  493.  517. 
520. 

39 


591 


Wortregister. 


rasayita-  516. 
rasai/itar-  509. 
rasita-  515. 
rahai/ati  493. 
rdhas  495. 
rahita-  511. 
räjan-  495. 
räjajMtha-  546. 
räjaputras  253. 
rUju-puträs  250. 
rüjayati  484.   520.  529. 
räjahqsa-  546. 
räjahqsTijati  553. 
rä;a  545. 
räjänati  blb. 
räjtydti  557. 
rä^/^  384. 
rätrih  371. 
rc^rf  371. 

rädhai/ati  492.  522.  526. 
?m-o  523.  532. 
rävita-  516. 
riidgayati  529. 
rinacmi  494. 
ripavati  573. 
riyati  blb. 
risanydti  563. 
ri$fTyati  bbi. 
ininas  384. 
rtf/j?  384. 
rwcj-  494.  511. 
rucitd-  511.   513. 
rüjayati  521. 
rwjd  494. 
rudita-  511.  513. 
ruvanydti  563. 
rükSana-  507.  508. 
rük^ayati  498. 
rw^jo  488. 
rekhaydte  552. 
recati  494. 
recayati.  494.  528. 
re/o  529. 
redo  502. 
rebhd-  548. 
recayati  528. 
rehat-  552. 
rö^d-  494. 


rökas-  494. 

?-öc«-  494. 

röcate  494. 

röcdyati  485.  490.  494. 

503.  513.  525. 
röc/'  494. 

rödayafi  490.  513.   522. 
rödas-  125. 
rödhayati  491.  520. 
röpaijtd-  508. 
rüpayafi  492.   525.  534. 
ropi-  494. 
römancati  572. 
fömanfhäyati  543. 
römahars-  blb. 
rödayafi  491.  523. 
röAo'  492.  503.  522. 
rOhant-  552. 
laksayafi  488. 
Za^/jo  502. 
laghüydti  561. 
lavgJiayaii  529. 
lajjdte  494. 
lajjayati  494.  524. 
?«;>«  494.  548. 
Za^«  546. 
lamhayati  523. 
lanibh^  525. 
?öZo  529.  531.  532. 
Jdläfikä  b4n. 
laranayati  487. 
laranasydti  569. 
laranTyafi  556. 
lahalahäyate  551. 
/«/«-  547. 
läpayati  523. 
läläyati  543. 
lävayati  532. 
Zrtso  525. 
Z;X-;i«j»jo  534.  536. 
//w^o  493. 
liläyaii,  -te  543. 
liläyita-  553. 
liinthayati  528. 
iRmyati  556. 
lekhayati  523.  526.  536. 
7/Ä-M  494. 
lekhäydti  bb2. 


lepayati  520. 
leläydti  543. 
lehayati  486.  526. 
ZöÄ;o,  ZoX-rt^e  494.  528. 
/öco,  ?öc'a^e  494.  528. 
Zö/Äo  523. 
Zö(Zo  528. 
Zö^jo  520. 
ZöMo  523. 
lUrüyati  552. 
lölayati  523. 
%7«-  124.  139. 
Zöi#«-  124.  139.  547. 
Zöi/ds  100. 
löliitäyati  548. 
racasydti  570. 
vacasyate  568. 
vdjrakJla-  bil. 
vajrapäta-  546. 
vajralepa-  b¥!. 
vajräyafi  b-M. 
vdncati  494. 
vancayati  494.  528. 
vancayitar-  509. 
rantayati  535. 
vaittäpayati  485.  535. 
i-rt^s«-  128.  546. 
vatsalayaii  498. 
rarZÄo  483.  488.  494. 
radharydti  b&l . 
vadharydutT  564.  565. 
vdnanvati  bl2,. 
vänayati  528. 
ranisati  572. 
vaniyati  555. 
vanu$ate  bl2. 
vanusydti  563.  571. 
-vant-  376. 
vandayati  528. 
va7tditär-  509. 
randhya-  548. 
capu^ydti  571. 
vämayafi  529.  531. 
raro  520. 
varayitar-  510. 
varäyita-  545. 
rarirasydfi  568. 
vareydfi  572. 


Wortregister. 


595 


vargayati  493. 

varj'^  528. 

varjayitar-  509. 

vartayati  528. 

varcth-  492. 

vardhafe  109. 

vardhayati  513. 520.  536. 

vardhayitar-  509. 

vardhäpaycdi   534.    535. 
536. 

vardhita-  510. 

vardhitdr-  509. 

varnayati  488. 

varjayitar-  510. 

vdrman  495. 

varsayati  485.  503.  517. 
522. 

var^asahasra-  64:7. 

var^itär-  509. 

välayati  529.  531. 

valayita-  515. 

valgüyäti  560.  562. 

vavrayati  489.  505. 

vavrdyämahJ  518. 

vasayatl  492.  519. 

i'ffV/»  519. 

vasarhdn  212. 
vasäydfe  541. 

vasilydnt-  561. 

vdstra-  546. 
vastrayati  486.  506. 
vasnaydnt-  492. 494. 508 

518. 
väguli-  361. 
vägürä  361. 
väcayati  525. 
väcayitar-  510. 
vücäld-  513. 
väcälayati  498. 
väcya-  548. 
väcyati  565. 
t'o/a-  494. 
väjdyant-  518. 
väjdyati  491.  494. 
vänchayati  521. 
vänchä  494. 
vätayati  487. 
vätyäyati  544. 


vädayati  523. 

i'rti^o  521.  523.  533.  534. 

1'ä.yo  528.  531. 

väyuputra-  547. 

tdr  321.  399. 

värayati  520. 

väriyate  554. 

värttayati  489.  506. 

wTäo  528. 

i'äsa-  512. 

väsdyati  486.   487.   491. 
522. 

väsayitdr-  509. 

»«/io  494.  525. 

vikaca-  513. 

vikalayati  500. 

vikalpayitavya-  517. 

vikäsimlötpalati  574. 

vikrö^ayitar-    509.   510. 

vikrösfar-  509. 

viklavate  blb. 

viklavayati  500. 

vighno  491.  506. 
t'«>ra/io  492.  506. 
vicetayitdr-  509. 
vicchäya-  501. 
vicchäyayati  498. 
vitatyate  564. 
vitathayati  500. 
vitäna-  546. 
vitiidäyati  541. 
vitüstayati  501. 
vithurydti  563.  567. 
vidürayati  499. 
vidyuto  505. 
vidhavati  bl4:. 
vidhärayitar-  510. 
vidhura-  513. 
vidhurayati  499. 
vindjmi  494. 
vindhya  546. 
vipak§ayati  483. 
vipanco  490.  506. 
vipath^  504. 
^?^po  503. 
vipinäyati  544. 
v?pM?o  500. 
viphala-  501. 


viphalayati  500. 

vimanas  548. 

vimalayati  500. 

vimisra-  481. 

vimisrita-  481. 

vimukhayati  500. 

vimnkhita-  516. 

vibhäjayitar-  510. 

viydga-  547. 

virala-  548. 

riräg-  491.  504. 

virüpa  503. 

vilambhita-  515. 

viläpayati  534. 

viläy'^  531. 

r/Zmo  500.  506. 

vivesti  388. 

vivyakti  192. 

vtjayati  528. 

vt4aydte  502. 

?'«•«-  547. 

virdyate  483. 

vlläyati  502.  505. 
rilaydte  505. 
vildyäsi  518. 
vTlitä-  513. 

/•F/w-  513. 
visada-  513.  548. 
viSadayati  500. 
visalya-  501. 
visalyayati  499. 
cisranibho  523. 
r*ifrt-  547. 
visama-  548. 
vi$aniita-  553. 
visdvant-  508. 
visälayati  500. 
visesayitar-  510. 
r/^./ä  139. 
visnüyati  561. 
visarjayati  521. 
vistära  481. 
vistärayati  481.  521. 
iHsmäpo  534. 
vihastifa-  515. 
vihfnita-  515. 
vihvalita-  516. 
vurmita-  515. 

39* 


596 


Wortregister. 


vfka-  bib. 
rftrchn  213. 
vftrds  213. 
vprahäjjate  ö^ö. 
vijinüi/dnf-  540. 
vfddhd  511. 
vfndaraka-  549. 
vj'^ai/dti  570. 
rj-salds  216. 
rj'Sanifdti  563. 
vj-^an-  216. 
vf^asi/dti  569. 
vfsäi/ati  545. 
vj-^äi/dte  539.  540. 
vj'äiyati  556. 
f^^jr«  494. 
vegita-  514. 

vejai/ati  491.  494.  523. 
retaycdi  552. 
«j^tes-  133. 
ve^asa-  133.  319. 
vedayati  489.  525.  535. 
vedai/itdr-  510. 
vedäpaijati  535. 
veditdr-  509.  510. 
repayati  503.  522. 
tj#^rt  494.  513. 
vesdyati  484.  491.  522. 
veäaria  388. 
veäati  388. 
veäayati  486. 
?'#i?ff's  388. 
veskd-  133. 
r^-#«-  133.  139.  512. 
i'^sVa^i  134.  572. 
vestdyati  134.  487.  521. 
vehat-  552. 
väidyd-  bib. 
väirüyate  544.  550. 
väiräyita-  553. 
väiräyitäras  553. 
vyqsayaii  507. 
vyagro  500. 
vyardga-  513. 
vyaidgayati  499. 
vyaidgita-  513. 
vyatikarita-  515. 
vyathayati  522. 


ryadho  521. 
ri/o  488. 
?'^«/yo  488.  492. 
vyarfho  500. 
vyäkiila-  512. 
ryäkiilayati  499.  506. 
vyäkhyäno  505.  506. 
vyädhd-  545. 
vyädhayati  492. 
ryädhita-  514. 
vyäyayaü  488.  492.  531. 
vyaliyati  554. 
wand-  512. 
fraiiayati  488. 
vranayitd-  516. 
vranitd-  516. 
vratayati  486. 
t>r«;o  529. 
rric^o  4,91. 

rrepo  533. 
sqsayati  489.  525. 
sqsita-  511. 
sdkata  546. 
sakalayati  485. 
sakasakäyati  551 . 
saknofi  385. 
sakracäpäyafi  545. 
sakrasaräsana-  04^7. 
satakayafi  491.  523. 
savkd  494. 
satagunita-  516. 
satacandrita  516. 
satrüydnt-  561. 
sapathiydnt-  bb4;. 
sabalita-  516. 
sabd{üp)ayati  535. 
sabdäy»  551. 
sabdäyate  543. 
sdmafi  390. 
sämayati  522.  531. 
samayitar-  510. 
samftyati  542.  543. 
samäydte  540. 
^ar«'-  546. 
saraccandra-  546. 
saravya-  547. 
iaravyayati  486.  488. 
sarasarüyati  551. 


sarita-  516. 
sardhayati  521. 
sarman-  495.  497. 
sarmaydnt-  487.   508. 

518.' 
salabhds  385.  546. 
salalita-  514. 
salyayati  488. 
sasamäiids  390. 
sasavisäna-  bil. 
säsvant-  bb'2. 
sasvati  blb. 
sastd-  113.  511. 
sädayati  524. 
Ään^o  500. 
säpayate  489.  525. 
sämyafi  328. 
säyayati  523.  531. 
sülabhanj ikä  546. 
sälüras  385. 
.?äs;«-  113. 
sücSayati  523. 
^/Ä-.s«  494. 
sinjuyati  49i. 
^/Tya  494. 
sitalayati  500. 
sithild-  513.  548. 
sithilayati  499. 
simisimäyate  551. 
sirasyati  569. 
sirisiräyate  551. 
sirdbhüsana-  547. 
silighra-  bil . 
sivfyati  555. 
sisira-  513.  548. 
siSirayati  504. 
sisiräyate  550. 
sisnathat  533. 
sisya-  b¥i. 
s/srathat  533. 
sikäydnf  540. 
sTghrd  548. 
sttayatl  499. 

ir^o  4,93. 
*j<c-  495. 

sucdyant-  490.  503. 
sucTyate  556. 
sundhayafi  528. 


VVortresister. 


597 


subh-  495. 

subhdi/ant-  487. 491. 508 

518.  577. 
subhaijati  503. 
subhäi/ate  540. 
surpcujati  488. 
sulJca-  4:9i. 
sulkai/ati  490.  494. 
sulbo  487. 
susdijant  508. 
suäi-  130. 
süraijate  483. 
Sfiakhala-  512. 
srwWialaijate  487. 
sfidgüijäte  542. 
spagurita  516. 
SYidgäriijati  556. 
sekhar-  514. 
sekJiarayati  486. 
Sekhar ita-  512. 
semciyati,  -te  492. 
selägati  552. 
sevala-  352. 
Äß/fflf?  573. 
sesai/ati  485.  521. 
5öl-a-  494. 
Ä^ca^i  494. 

söcaijati  490.  494.   522. 
söria-  548. 
sönati  574;.  oll. 
södhai/ati  493.  521. 
söähaifitar-  510. 
sönäiiafe  550. 
Söphita-  515. 
söbhai/ati  487.  521. 
sobhai/itar-  510. 
ÄöMd  494.  547. 
ÄöJ'ft-  503. 
sösai/ati  503. 
sö^ai/itar  517. 
säivälTyati  554. 
hyötati  126. 
scötayati  493.  526. 
^nafho  527. 
smasrüycde  561.  562. 
syäniä-  548. 
syämalita-  516. 
syämäyita-  553. 


syümita-  516. 
Syävayati  500. 
5ye/o  500. 
syend-  546. 

srathayati  493.  517.  526. 
srathüyati  541. 
sraiharydti  564. 
sraddayant-  495. 
sraddhä  495. 
sraddhita-  515. 
srapayati  514. 
Srapayitar-  509. 
srapita-  511. 
srmnci'^äyate  549. 
srämayati  492.  523.  531. 
ircfo  522.  532. 
sracasydnt-  568.  570. 
sravasydti  568. 
srätd-  511. 
srapayati  535. 
srävayitar-  510. 
srikaiithtyati  554. 
srikhan^aiamälapat- 

trat!  574. 
srudhlydnt-  bbl. 
slathayati  500. 
slathäyati  548. 
släghayati  489.    525. 
släghä  494. 
slesayati  493.  526. 
slöka-  494. 
slukayati  490.  494. 
slöiiati  573. 
svancayati  527. 
svabhrita-  515. 
svabhrlyati  bbb. 
svds  95. 
sväsayati  524. 
svetd-  548. 
svetacchattra-  547. 
svetädvTpa-  546. 
svetätapatra-  546. 
stttcaranäyati  544. 
sandhayati  500. 
sandhtyatl  bbl. 
sa-stlid-  373. 
södiyafl  bbb.  558. 
sqketayati  492. 


sqgirdte  217. 
sqghatithd  372.  373. 
sqctvarayate  486. 
sqtaräm  375. 
sqfinöfi  351. 
sqdhayafi  493.  513. 
sarfÄ/-  494.  513. 
sqdhifa-  513.  514. 
sqbhändayati  507. 
sqbhüyasyati  569. 
sqvafsara-  116. 
sqvastayati-  507. 
sq-sinjayati  490.  507. 

523. 
sqscat-  552. 
sqhäpayati  534. 
sqhärakäläyati  bib. 
sqhvärifa-  533. 
sakuSthika-  125. 
sakhlydnt-  bb3. 
sacanasydte  568. 
sacasydte  568. 
s«ci  379. 

sajjayati  499.  529. 
sajjTyati  558. 
sajjiyate  553. 
sattrayati  535. 
satträp^  535. 
satyäpo  535. 
satvanäydnt-  539. 
sadhayati  526. 
sanakds  216. 
sanäyant-  539. 
saparydU  b64;. 
saphalayati  499. 
sapind,^  483. 
sabMgo  498. 
sabhaj  499. 
samagrayati  500. 
srtmo  500. 
samarfh^  500. 
samarydti  563. 
samänayafi  499. 
samidhyati  56.5. 
samidhyitä  bll . 
samutsukayati  500. 
samiidrd-  546. 
saru7}as  383. 


598 


Wortregister. 


saraini/cifi  563. 
särai/ati  581. 
sarai/ate  485. 
sarald-  548. 
sarüpai/ati  501. 
sarößi/afi  554. 
sarga-  494. 
sarjayati  494. 
sorpo  523. 
sdrmas  383. 
sarvanai/ati  501. 
sarMpa-  547. 
savitcwati  573. 
sasrds  383. 
sffsr/i  383. 
sahasrä>/iidhti/afi  554. 
sädaijati  522. 
sätZÄo  502.  522. 
säntrayati  490. 
säntvaijitdr  509. 
sdnian-  495. 
sämui/ati  491. 
säro  523. 
sävaJciyati  556. 
sät)0  524.  532. 
{ut)sähai/ati  484.  523. 
s/Äft-  546. 
sihayati  483. 
sincdti  494. 
siddJiüntayati  486. 
sjV^  383. 
aisvadat  533. 
sisarti  383. 
sfmantayati  487. 
sukhayitar  510. 
sukftyati  565. 
sukratüyate  561. 
sukhayati  490.  503. 
sucanä  508. 
suttyati  555. 
stddina-  548. 
sudhayati  491. 
sudhä  494. 
subhayayati  501. 
sumaidgdla  437. 
sumdnas-  548. 
sumanasydmüna  568. 
sumnaydnt-  490. 


sumnäydnt-  540. 
surajas  549. 
surabhayati  502. 
susüydte  562. 
susraydnf-  508. 
susfhayati  501. 
sücana-  508. 
sücayati  486. 
sücikula-  546. 
sütrayati  486. 
s«7(^o  527. 
srjdti  4:94:. 
seka-  494. 
secayati  494.  521. 
se(i/io  491.  521.  529. 
s#«ff-  494. 
sdlagas  383. 
sevayati  491. 
ser«  494. 
skandayafi  523. 
skabhdyati  541.  552. 
skunüfi  126. 
skunüti  126. 
skundate  121 . 
skänti  126. 
skhälayatl  524.  531. 
s/an»  527. 
stanasyati  569. 
stabhäydti  541. 
sfabhüydnf-  561. 
stavayati  490.  521. 
s^ayo  531.  532. 
sfäfo  524. 
stimit9  501. 
stenayati  483. 
sfö/r"  490. 
stobha-  512. 
stöbhita-  513. 
stömayati  490. 
styäyafe  322. 
strtyati  555. 
sfAa«/o  -528. 
sfhaltyati  555. 
sthüpa-  537. 
sthäpana-  508. 
s^Ää^jo  534.  537. 
sthird-  548. 
sthävara  355. 


snäpayati  534.  538. 
snÄs"  532. 
snehayati  486.  522. 
spand°  524. 
spars'^  525. 
SiJrt^/  499. 
späsayati  529. 
spfhayaii  490. 
spfhä  494. 
sphäyayati  532. 
sphitto  501. 
sphurdti  442. 
sphürjayati  527. 
si;Äö/o  523. 
sphöro  529. 
smaravadhüyati  561. 
smäyayati  524.  531. 
swäro  523.  531. 
syand°  524. 
srcso  522. 
sraj-  494.  495. 
srajayati  487.  494. 
srnvo  524.  532. 
sr«<c-  494.  495. 
srncayati  493.  494. 
srer»  528. 
srajana-  545. 
svajanayati  483. 
srafanfro  ,504. 
svadayafi  527.  529. 
sradhayafi-  491. 
svadhä  494. 
svadhämahe  575. 
svand-  531. 

svänayati  490.  520.  531. 
scapasydte  568. 
svdpna-  547. 
svapnäyate-  542. 
svarayati  490.  531. 
svalgasila  546. 
svadayafi  493. 
svänd-  531. 
scänayati  524. 
sväpakiyati  556. 
sväpayati  522.  535. 
sväniiyati  bbb. 
svedayati  524. 
ha  108. 


Wortre2;ister. 


599 


hqsd-  546. 
hanamijati  556. 
hcinu^  107. 
hänta  108. 
hambhäyate  543. 
harind-  546. 
harinirüpai/ate  550.  552. 
härita-  548. 
har^ai/ati  524. 
ÄaZo  488. 

häsfai/ant-  508.  518. 
hastas  107. 
häpayati  533. 
Ääro  524.  531. 
MfO  524. 
Ärtso  524.  528. 
Ä*  108. 
hisayati  521. 
Ä/Ä«  494. 
hikkayati  524. 
hikkä  494. 
hindölayati  488. 
Ä/m«Zo  489. 
himadrtyitam  554. 
}iy.kärayati  490.  524. 
htivanydii  563. 
hürchayati  529. 
hrrtäydut-  540. 
hftiiyamäna  557.  560. 
heläyati  521. 
hesäyaii  521. 
liöman-  495. 
hömayati  493. 
hmälo  532. 
hrädo  524. 
hrüdnnis  100. 
hräduni  100. 
hräsayati  492.  524. 
hrepayati  534.  537. 
Äre^o  524. 
ÄZäc^o  524. 
hvald  4:94;. 
hvälayati  524.  531. 

Pali. 

abbhakkhänam  210. 
übbhäcikkhi  210. 
ä-cikkhitvä  210. 


äcikkhissami  210. 
cikkhafi  210. 

Neuindisch. 

girnai".  usfäna  135. 

Awestisch. 

aesnia-  138. 

aesma  136. 

aezaxa  136.  138. 

«/6»  garante  217. 

a«rr«-  383.  384. 

«ra/  16. 

a-zaramö  222. 

azarasanf  222. 

azaw  107. 

«^rt;*-  461. 

ämant-  435. 

iskata  136. 

«■s/^ff  136. 

ustäna-  136. 

Hsfra  347. 

kiisra  129. 

gae&u  319. 

gaesa-  318. 

gaesu  319. 

gaona-  316.  317.  318. 

gaosa  464. 

gourii-  218. 

(jrar-  318. 

(/ara-  318. 

^ar-  217. 

gara-  217. 

garawh-  217.  218. 

garah-  218. 

gardd  99. 

gardwa-  336. 

^arö  219. 

gavobis  219, 

gamo.bdrditi-  328. 

günaoiti  318. 

grava-  325. 

xaoSa-  129. 

xscid-  321. 

f«-  16. 

^aerrt-  322    324. 

tow  332. 


-f«f-  376. 
iusni-  339. 
fusnisad  339. 
dahyuma-  400. 
f/wfö  388. 
^^M»«-  96. 
&raos-  324. 
&raos-tl  324. 
jjaemau  191.  322. 
payah-  322. 
^«rö  233. 
pixa-  325. 
pivah-  322. 
baevard  475. 
bdrdxda  105. 
naska-  122. 
maga-  437. 
mai^axa  326. 
mang  437. 
niasya  319. 
imzda-  133.  139. 
y/ö06'^^-  137.  139. 
yaozaiti  137.  138. 
yaozayeiti  137.  138. 
yüiSyeiti  137. 
raesat  377. 
raesa-  Sil. 
vawzaka  348. 
V3r9&ram  213. 
rä«Y/i  384. 
stoerffl  322.  324. 
snävar»  399. 
zaena  458. 
zao&i'ä  458. 
zairi-gaona-  316. 
zairinö  222. 
zaiirurö  222. 
zaurva  222. 
zanfuma-  400. 
mra/ö  222. 
zäcard  458.  474. 
2;?  108. 
ZMM«  320. 
zyäna  458. 
2r«(Fa-  458. 
hama-gaona  316. 
M«  96.  97. 
Jiämd-myäsaHe  334. 


600 


Wortregister. 


Altpersisch. 

anii/a-  6. 
gauSa  464-. 
patikara  473. 
ha»daka-  379. 
yaudatiif  137.  138. 
zana-  -ibl. 
züra  458. 
haur  97. 

Pehlevi, 
Mittelpersisch. 

beiar  4:75. 

gätan  328. 

ges  318.  319. 

gönak  316. 

hamgönah  317. 

mp.  %ezm  138. 

mp.  »5^  136. 

mp.  nigösag  463. 

n{i)kühitan  128. 

patkar  4:73. 

pixak  325. 

mp.  sa/Äer  473. 

sämän  473. 

tanand  332. 

^eraÄ;  322. 

mp.  2rör  458.  474.   475. 

mp.  a;?*^  136. 

zart  458. 

zartgön  458. 

mp.  2;«rör  474. 

se«  458. 

mp.  zendän  458. 

söÄr  458. 

«wr  458. 

Pazeiid. 

güna  317. 
2;reÄ  458. 

Neupersisch. 

ämezam  334. 
iäf^  457. 
banda  379. 
icrn  118. 
bevar  4:75. 
gü-öan  328. 


i/ä»  328.  329. 
gäi/aS  328.  329. 
gäyavn  330. 
^res,  -«  318. 
gösa  326.  327. 
P'i7w  317. 
güna  317. 
günagün  317. 
ja/v  325. 
hezum  138. 
histan  464. 
^arr  457. 
malax  326. 
mrt/ii  319. 
mea:  326. 
m/£a  333. 
murr  459. 
mnza  333. 
nikühidmi  319. 
nikühTdan  128. 
^«Ja  332. 
tafna  331. 
tan-aö  332. 
tanandü  332. 
fanasfa  332. 
tarn  San  332, 
tübaö  331. 
fäbJ<fan  331. 
/«/■/rt  331. 
täffan  331.  365. 
^äwa  332. 
^är  332. 
a;Ȁ7  136. 
zafarün  458. 
zanbil  4:57 . 
zanbtr  457. 
zanbür  458. 
zandt  457. 
zandtk  457. 
2ran,9  457. 
zanjfr  458. 
.^ar  222. 
zarävand  458. 
zarkas  457. 
zarnik  457. 
zarmq  4:57. 
zarmx  457. 
2^e»>  458. 


zindan  458. 
zinjir  458. 
^i-r  458. 
zirävand  458. 
2r/r//t  458. 
zirisk  458. 
ziyän  458. 
;2ör  458.  474.  475. 
zumurrud  458. 
zunnär  458. 
»Ml-  458. 

Afghanisch. 

(j'esif  318. 
yay-al  328. 
yö"  .328. 
yö«?aZ  328. 
yM«a  317. 
^ero  322. 
icoÄ^re  136. 

Bahitschi. 

^f7x  328. 
gösak  326. 
«5^  136. 

miSaö  333.  334. 
misäs  333. 
fer  322. 

Kurdisch. 

^f7«  .328. 
gäy-in  328. 
^MÄC  326. 
^«73  326. 
Ä;tm  326. 
m?"//  333. 
mizänk  333. 
m/^t  333. 

Iranische  Dialekte. 

kä§.  icö-se  326. 
mäzand.  mejik  333. 
pam.  ^eöam  331. 
wachi  towam  331. 

Ossetisch. 

yes«  318. 
ywn  317. 
altoss.  rüjcaKoc  463. 


Wortregister. 


601 


i-yosäg  463. 
qad  328. 
qäin  328. 
qäi/un  328. 
qts  318. 
qTz-gun  318. 
gMn  317. 
qüsüy  463. 
zärond  222. 

Armenisch. 

m7  476.  477. 
airem  461. 
acwa;  326. 
aÄ;n  216. 
atam  472. 
atavni  474. 
analut  466. 
«n^e^  461. 
angitanam  461. 
anzgay  470. 
anzgani  470.  471. 
anzgamufiicn  470. 
anzgayabar  470. 
anzgayagoin  470. 
anzgaijufiim  470. 
anzgayiin  470. 
anxul  461. 
ancuk  216. 
anjuk  216. 
anurj  476. 
anfanel  461.  462. 
««p/?  461. 
afagast  361. 
afacim  461. 
afanc  462. 
aranfaneni  461. 
araneeluflun  461. 
afangik  462. 
afancR  462. 
aro;  462. 
afajadrufiuH  462. 
atajin  462. 
afajinn  459. 
aT^i"  ^0^  462. 
araniur  462. 
arbaneak  384. 
ar(Z  462. 


art^t  459. 
arfun  462.  468. 
arf>*  474. 
arkanem  463. 
arhavir-Ic  463. 
arm  466. 
armanam  463. 
armat-  466. 
armttkn  216. 
artuii  463. 
aucanem  466. 
acacu  461. 
af^  461. 
bazum  469. 
bastetn  476. 
Jewr  475. 
öef»  473. 
bfnazbaus-em  466. 
ömr  475. 
Äi^frt  666. 
^'a«?  476. 
g-am  471. 
(/an»  473.  475. 
gatanem  4^62. 
garun  4/75. 
ges  318. 
^e<  116. 
gisak-kh  318. 
^«Wer  477. 
Giserajor  4/77. 
glux  326.  463. 
gnam  463. 
pforn  317. 
p^o/^  463.  464. 
gunak  317. 
gunem  317. 
gusak  463. 
gusakem  463. 
grgfem  4;64;. 
dalar  473. 
dizanim  469. 
(?MS^r  473. 
e^am  472. 
elanetn  464f. 
ek  471. 
eH  471. 
eicaiiem  4;64;. 
eram  4G4:. 


etetakal  i6i. 
ett  4^64:. 
z  459.  460. 
zazir  466. 
zairagin   461. 
zairanam  461. 
zairumn  461. 
zairuc-ß  461. 
zakanem  460. 
zakatim  466. 
zahanöim  460. 
zatpatpun  460. 
zambik  466. 
zambiut  4:bl. 
zambit  457. 
zambut  458. 
sa*i  457. 
zanab  458. 
zanak  466. 
zanaluf  466. 
zanar  458. 
zangak  457. 
zanganem  466. 
zangapan  457. 
zangik  457. 
zangitem  461. 
zandik  457. 
zanxul  461. 
zanganem  461. 
zancarnel  461. 
zacat-em  461. 
zacacti  461. 
zaracanem  461. 
zafacanim  461. 
zafam  461. 
zaranc  462. 
zaranp-anß  461. 
zntnceal  461. 
zafanpel  461. 
zarangem  461. 
zatancuganem  461. 
zafajavor  4^62. 
zarajavorufiun  462. 
zafajeav  460. 
zarajeaulc  460. 
zarajem  462. 
zaraßnn  459. 
zai'ik  457. 


602 


Wortregister. 


zatnavHxt  -ibl. 
zaf  i  fap  462. 
zafJcaS  Abi. 
zavac  466. 
zavak  AGQ. 
zavhran  458. 
zavwbJt  461. 
zat  462. 
zatanem  462. 
zatanim  462.  466. 
zatik  466. 
zatfim  462. 
^aramt<r  462. 
zarganam  466. 
zargun  466. 
«ar(^  462. 
zardarem  462. 
zardis  459. 
zartnum  462. 
zarfun  462. 
zarfucanem  462. 
zarkanem  462. 
zarkanini  462. 
zarkucanetn  463. 
zarhurim  463. 
?arm  466. 
zarmanam  463. 
zarmanR  463. 
zartagoin  4:07. 
zartaxoir  458. 
zartiiti  463. 
zartutim  463. 
zarös  466. 
zapran  458. 
zbafim  466. 
zbausnum  466. 
zgait  467. 
zgairim  467. 
e^^a?  472. 
Ä<;faZi  470. 
zgac-eal  466. 
zgacnum  467. 
zgaciimn  467. 
zgram  463.  469.  470. 
zgayakan  470. 
zgayaran  470. 
zgayufiun  470. 
zgagun  470. 


471. 


zgasdes  469. 
zß-as^  470. 
zgastanam  470. 
zgastueupanem  470. 
zgaspes  469. 
zgastufiun  470. 
«(^af?  471.  472. 
zgafip  469. 

zgafupanemilO.  471 .  472. 
zgenum  463. 
s'^esf  463. 
zgetnem  463. 
zgecufanem  463. 
zgeppis  469. 
zglxem  463. 
zgnam  463. 
s'^'o/^  463. 
zgusavor  463. 
zgusufiun  463. 
zgrgrem  464. 
;^5'at<w  464.  470.  471. 
zgaunanam  4:70. 
zgaunacicfanem  470. 
zgaunufiun  470. 
eea?»  458. 
zelanem  464. 
zekupanem  464.  471. 
s-ß^a;  467. 
zetxanam  467. 
zetxeal  467. 
zetxufiun  467. 
^efc  464. 
zetum  464. 
zeiun  4:64:. 
zetj  467. 
zef(!em  467. 
zenum  467.  469. 
zeram  464. 
zefun  4:64:. 
zetetem  464. 
^erf  459. 
zercum  464. 
zercHfanem  464. 
zerpanim  464. 
zepiur  458. 
zepiuros  458. 
zzuanff  467. 
zzuem  467. 


zdmbat  467. 
zambatim.  467. 
^9mr»m  467. 
zandam  468. 
zsnkenum  465. 
Ä*  459. 
ziard  459. 
0«7  458. 
s-iÄ;  458. 
2:^^'  467. 
s'inf  459. 
ziurovin  460. 
zifanim  465. 
zijupanem  465. 
2»s#  467. 
zirarem  465. 
zirarim  465. 
^«rÄ;  467.  468. 
zlanam  467. 
0Ä;ef  467. 
zkc-anff  465. 
zkc-ecueanem  465. 
zkcim  465. 
^Ä-nt  459. 
zkrktanE'  467. 
2:Ae/  459. 
sr^aZ  467. 
ztjanam  467. 
zmailecupanem  467, 
zmailim  467. 
zmbat  467. 
zmelin  458. 
zmilin  458. 
s'w«?^  459. 
zmttrs  458. 
zmufn  459. 
zmfnitemvßar  458. 
zmriixt  458. 
zndan  458.  468. 
sn»n  468. 
ew»«^  465. 
^snwem  468. 
znnumn  468. 
2:«/>7  458. 
znstagoin  465. 
znstanim  465. 
znstim  465. 
2»s^Mpa«em  465. 


Wortregister. 


603 


zodiakos  458. 
zoig  458. 
zoigß  458. 
zoh  458. 
zohal  458. 
zohrciy  458. 
^ofrt^  467. 
zom  458. 
zopay  458. 
zoraurinak  459. 
00«?  465. 
zovanam  465. 
«ovof  468. 
zovofufiun  468. 
zoßam  468. 
zoffand  468. 
zugem  458. 
zulanibim  465. 
2MÄ:  468. 
^Msp  468. 
0tt^  468. 
«ttr  458. 
zurapff  458. 
zcarini  4:65. 
zspem  468. 
zstgelum  465. 
zvarak  458. 
zvarö  468. 
zvaräanam  468. 
zvarcufitm  468. 
zvarf  468. 
zvartagin  468. 
zvarfanam  468. 
zvarfun  468. 
zvirak  468. 
zrahau/c  468. 
zrah-R  458. 
^/^a«  468. 
zrevand  458. 
«Wi^*  458. 
«rÄ;em  468. 
0rotV  468. 
ztelim  465. 
ztefim  465. 
2^em  468. 
zpaxcim  465. 
z«tt(Z  465. 
zaudern  465. 


zaiic-  466. 
zausaßaf  469. 
zausot-utiun  469. 
s'ör  475. 

^awr  458.  474.  475. 
zanravar  458. 
zauravor  458. 
zaitriifiun  458. 
andarmanani  463. 
Bnferfif  469. 
dnkenum  465. 
astanair  469. 
asfapeal  469. 
9stgtanem  465. 
thanam  356. 
fmhir  468. 
fmbrim  467. 
fnirim  468. 
fo»7  477. 
fofunt  477. 
fhreni  355. 
«ÄrjM  357. 
if  459. 
^nc  107. 
«y  107.  108. 
ijanem  465. 
ijucanem  465. 
irazgap  471. 
irasek  471. 
trear  465. 
lampar  473. 
Zesu  469. 
Z/^em  469. 
Zj^r  474. 
xanjarur  478. 
xarbal-em  478. 
xnjor  478. 
a;raa;  326. 
cer  222. 
cnaut  107. 
Ä;a«sr  474.  475. 
kat-at  336. 
katin  473. 
karkut  101. 
ytesar  474. 
Ä;/w^  459. 
kistefn  476. 
kcanem  465. 


Ä-cem  465. 
^•c^^  465. 
ä,-h//P  459. 
korncim  475. 
Ä;j<;-  345. 
yttifn  345. 
Ä;sÄ;/c  465. 
kskcefufanem  465. 
Ä;rrt//  345. 
Aa^  462. 
hafanem  462. 
hator  462. 
haraz  464. 
Jiarkaneni  463. 
hzaur  458. 
hetum  464. 
Äot'  465. 

janjaxarif  477.  478. 
ieY  478. 
j7Mf  478. 
mar(^  473. 
matufn  476. 
mec  107. 
WO0«  469. 
mukn  216. 
mrjiun  476. 
yanzgay  470. 
yanzgayeal  470. 
yancanel  461. 
yacax  326. 
yacateni  461. 
yafaj  462. 
yafajem  462. 
yaramur  462. 
yardarem  462. 
?/e^p  464. 
^öMC?  466. 
yaudem  466. 
«a  93. 

Mefn  472.  475. 
M?s<  465. 
nio/Z  477. 
nSulem  ^11. 
nstim  465. 
nstufanem  465. 
Äof  477. 
sotam  4ni. 
sotiun  ¥11. 


604 


Wortregister. 


SotSotim  4:77. 
ozni  469. 
olokh  866. 
otj  476. 
oskezauc  466. 
oski  466. 
ost  379. 
idn  465. 
wi  321. 
utl  463. 
M«Ä;n  216. 
Mj-oa;  326. 
dar  465. 
palar  110. 
patker  473. 
pornik  475. 
-s  95. 
saÄ:r  474. 
sahman  473. 
safw  473. 
skesur  473. 
skizbn  469. 
s»ser  473. 
stanam  469. 
stasci  469. 
stasfis  469. 
sier/  476. 
rer/jj  475. 
vernatun  475. 
t;?^  469. 
vrnjem  475. 
to?  477. 
ie^i  464. 
j&aiZ  476. 
pailem  476. 
paxcitn  465. 
^öf  469. 
ßafem  469. 
^e^  107. 
i?«m  468. 

Griechisch. 

dToGöc  389. 
dYaTToiuJ  389. 
d-f^pacToc  230. 
d'fnpaxoc  240. 
dYKÖvouc  386. 
dTvdjc  389. 


dYOCTÖc  1Ü7. 
dbd|uaTOC  328. 
db^u'ic  389. 
'Abpncxtvri  216. 
dei  96. 
äexia  213. 
'A8avo  244. 
ai9oc  136. 
ai\oc  476. 
aicxoc  102. 
aixiudXuDTOc  379. 
dKÖXouGoc  .379. 
dKoviTi  386. 
d\a5  366. 
dX^Fo(v)Tec  244. 
dXXoc  476. 
dXoE  367. 

diLicpiTroXoc380..390.391. 
'A(v)Tiqpaiuo  ö  244. 
dvaßaiveiv  330. 
dvbpdiroba  378. 
dvbpiov  216. 
dvGepedjv  348. 
dveeuL)  347. 
dvöoc  347. 
dvBpdjTTiov  216. 
doZoc  379. 
docceuLi  379. 
doccriT)]p  379. 
'ArroXXujcpdvric  213.  ,386. 
d  TTTÖXic  242. 
d-rr'  (1)1  246. 
dp0pov  474. 
ApicTOKÜTTpac  241. 
'ApicToqpa(v)TO  ö  244. 
dpKTuXoc  216. 
dpKTOC  216. 
dpöuu  236. 
dpceviKÖv  457. 
dpTÜULi  462. 
dcraKÖc  399. 
dcTpdYaXoc  399. 
äxpaKTOc  370. 
aüexf]  213. 
auXöc  .321. 
auoc  503. 
aürdp  f-u  248. 
aücauToO  213. 


aÜTÖc  11. 
dcpXacTov  165. 
ßdXavoc  106. 
ßdpoc  218. 
ßapuc  218. 
ßacxd  121. 
ßacxepviov  476. 
ßid  .329. 
ßidrecGai  329. 
ßißdZeiv  .330. 
ßißäxi  3.30. 
ßiv^CKO|uai  329. 
ßiv6'.u  329.  330. 
ßivrixiduj  329. 
ßoiieöoc  389. 
ßöGpoc  449. 
ßoXßöc  110. 
BöcTTopoc  330. 

ßpOUKOC    111. 
ßpUKO)    111. 

ßiü^aS  216. 

ßuü^öc  216. 

YttXöuJc  203. 

Ytt^euj  328. 

YaiacpiiXai  205. 

Yöp  8. 

YauXöc  344. 

YeYripäKe  2.38. 

Yevecic  384. 

Y^vuc  107. 

Yepaiöc   219.   221.   229. 

230.  235.  239.  240. 
Yepaipeiv  223. 
Yepaipuj  218.  229. 
YepaXeov  240. 
Yepapöc  218.   222.  229. 

230.  239. 
Y^pac  217.  218.  223.  224. 

225.    227.    235.    236. 

239.  240. 
YepdciiLioc  230.  231. 
Y^pac  219.  220.  221.  222. 
YepY^pi^oc  222. 
Y^povxec  234. 
Yepoucia  2.34. 
Yepoücioc  231.  2.32. 
Y^puuv219.220.221.222. 

223.  231.  235.  240. 


Wortregister. 


605 


■fripaiöc   220.   221.   240. 
■fr]pa\ioc  240. 
YnpaiLii  239. 
■fripdvai  238. 
TlpSvai  238. 
Tnpac  217.  219.  220.  221. 
222.  223.  235. 236. 240. 
Tnpac  236.  238. 
THpace.uev  238. 
Yripacexai  238. 
TnpäcKUJ  239. 
Tnpäuj236.237.239.240. 
Tnpeic  239.  24Ö. 
Tnpnnv  236.  238.  239. 
TVjpoßocKÖc  240. 
YHPOKÖiaoc  240. 
Ynporpöcpoc  240. 
YXaqpupöc  103. 
YXäqpuu  103. 
TÖ|uqpoc  205.  445. 
YÖvu  325. 
YpdcTic  101. 
Ypoiuj  101. 
YpOZuj  101. 
YuciXac  327. 

Y0a\ov318.327.842.344. 
YÜTi  327. 
Yi)r]c  327. 
Yuiov  327.  344. 
Yöpoc  318.  343. 
Yupöc  318.  344. 
Yupöuj  344. 
YU).\eöc  336. 
bdFioc  387. 
bairpöv  213. 
buirpöc  213. 
baiuu  387. 
banduj  236. 
bdiTic  331. 
U  108. 

beXcpaKivri  216. 
b^invia  449. 
bnioc  387. 
bittKovoc  386. 
bmveKj'ic  386. 
bi^YeXa  236. 
bir.Xicpric  386. 
biriveinoc  386. 


bTBOpaiLißoc  165. 

bjuriTÖc  328. 

bopidXuüTOC  379. 

bouXov  387. 

boüXoc  386.  387. 

böpu  325. 

bopudXuuToc  379. 

bprqcTnp  388. 

buTi  387. 

büva]uai  387. 

bojXoc  386.  387. 

^ßä  330. 

^TY^n  318. 

^Ynpa  237.  238.  239. 

dYnpaca  235.  238. 

i■fr\p^v  239. 

eYKcXerjcaro  506. 

eYKovic  386. 

^YKoveu)  386. 

ifvj  107.  151. 

eeXbuup  212. 

FeGoxo  244. 

cipepov  382.  383. 

eipoKÖiLioc  .:90. 

eKaTÖ^ßn  330. 

EKeT  4.  5.  96. 

eKcTöev  5.  96. 

^Keivri  96. 

^Keivoc  1.  2.  3  fr.  92.97. 

dKeice  96. 

eXaiuüv  94. 

^XdvTUJ  236. 

^Xduj  236. 

eXeuöepoc  384. 

eXujp  212. 

e|Lie  151. 

eiueYe  107. 

e^du)  236. 

^^01  150.  151. 

evbuXuj  387. 

evri  95. 

gvOeoc  253. 

eE  463. 

dEopüEn  247. 

dE  Tdi  247. 

iZ  Tüüi  247. 

inixvxe  247. 

dTTißaxeüeiv  330. 


eiT£Keiva  5. 
diTivoeui  214. 
dirirabe  5. 
dpexric  384. 
epeuGoc  124. 
epiGoc  384. 
'EcKXaßrivoi  379. 
Fexoc  116.  128. 
exu|Lioc  400. 
Guvri  320.  321.  449. 
euvic  320. 
'Exebd|uo  ö  244. 
expaov  99. 
IxQic  97. 
läei  329. 
laxprieTc  99. 
leöYiLia  458. 
ZeuYoc  458. 
leqpupoc  458. 
ZiudpaYboc  458. 
ZlujbiaKÖc  458. 
Zlujvdpiov  458. 
rißdo)  236.  239.  240. 
fißii  239. 
fini  248.  249. 
Gaipoi  389. 
GaXepöc  473. 
GaXXiov  207. 
Ga^d  377. 
GaiLieiai  377. 
Ganeec  377. 
Gdxac  388.  389. 
Gd|Liic  451. 
Grmüjv  377. 
Gric  388. 
Gficca  388. 
GXduj  105. 
GXißuu  105. 
GodZuj  389. 
GoXepöc  353.  389. 
GoXöc  353.  389. 
Goöc  389. 
Gpaucxöc  120. 
GpaOuu  106. 
Gpainßeijeiv  165. 
Gpiaußoc  165. 
Gpöva  106. 
GpüjCKeiv  3.30. 


606 


Wortregister. 


euvfeu)  50-i. 

eövuj  389.  504. 

eOrac  388. 

edo)  353. 

euü,uöc  377. 

ijäcBai  242. 

iarpöc  213. 

Fienai  388. 

irjTi'ip  213. 

iva\a\ic|a^va  247. 

IV  'HbaXiuui  246. 

i(v)  Tai  247. 

i(v)  Tä(v)  247. 

i(v)  xeiaevoc  247. 

i(v)  T^pei  247. 

i(v)  TÜxai  247. 

i(v)  TU)  247. 

lov  347. 

lovedc  346.  347. 

loveoc  346.  347.  348. 

iou\oc  347. 

ITTTTOKÖiaOC   390. 

'Ipic  388. 
FTpoc  388. 
icTnci  210. 
ituK)'"]  347. 
iujpöc  347. 
KuTcap  474. 
KdXXiinoc  400. 
KaXüßn  446. 
KaXÜTTTUJ  446. 
KoiiaaToc  328. 

KOTTpäuJ   481. 
Kapßdxivoc  165. 
KÜpti  EavBöc  253. 
KUTd  379.  450.  451. 
KaTaYeXd|H6voc  236. 
Kacdc  113. 
KUTernpä  237.  238. 
KUTeYnpdcav  235. 
KeiBi  4.  96. 
KfeXujp  213. 
KevTEoi  450. 
Kevxpov  450. 
KtuGiLidjv  129. 
KeuBoc  129.  130. 
KeüGuu  129.  131. 
Kfieu  96. 


Krivoeev  96.  97. 
Kf|voc  76.  94.  97. 
Kri(v)o6ei  96. 
KrivÜL)  96. 
Kfip  396. 
Kicöapoc  133. 
KicGoc  133. 
KicTepva  476. 
KICTOC  133. 
KXiDvec  459. 
K|ariTÖc  328. 
KOcUJ  206. 
Ko.uiCuj  390. 
KovapdjTepov  386. 
KÖvei  386. 
KoviiTai  386. 
Kovic  103. 
KovTÖc  450.  451. 
KÖpaE  378. 
KußiCTrjC  399. 
KÜßoc  129. 
KubdYxac  127. 
KubttTXÖf-ieva  127. 
Kubdlo)  127. 
KubaiTeTv  127. 
Kubdccei  127. 
Kubiac  127. 
Kuboi|aöc  127. 
KÜboc  127. 
Küboc  127. 
Küeoc  130. 
KÜvbaXoc  127.  128. 
KÜTTri  129. 
KucaiLievri  130. 
Kucepri  131. 
KÜcGoc  130.  131.  132. 
Kucöc  129. 
KÜccapoc  129. 
KÜCTepoi  131. 
KÜCTrj  130. 
KÜCTIC   130. 
KUTIC   129. 
KÜToc  129.  130. 
KÜTTapoc  129. 
Kuqpöc  129.  359. 
Köqpoc  129.  359. 
XajUTTTrip  211. 
Xdxpic  380. 


XÖTpov  380. 
Xeipöc  103. 
XeuKOjXevoc  253. 
Xfexpioc  367. 
XiTpa  474. 
Xotöc  367. 
luaYTctveuo)  435. 
ludxYavov  436.  437. 
yLöZa  357. 
[xalöc  133. 
|Lid6uiai  326. 
|LiaiO|nai  209. 
Md,uepToc  169. 
|Lidp|Liapoc  168. 
Mdp,uepToc  169. 
ILidvTic  211. 
ladp-TTTic  211. 
laapTupiov  476. 
|Liacdo|Liai  326. 
juacGöc  133. 
ludccuL)  357. 
luacTiYÖu)  209. 
^dcTiH  209. 
jLiacTÖc  133. 
laeYac  107. 
ILieciTric  453. 
la^coc  453. 
lnribiZluj  481. 
ILirjCTDup  212.  213. 
m'lXi  108. 
lufixoc  206. 
ILiicYUJ  333. 
iLiiceoc  133.  139. 
|uic9iDv  Kd  d(v)Ti  244. 
f^oi  150. 
ILiOboc  121. 
[Liuöeo.uai  102. 
laü^^a  459. 
laucoc  121. 
vaixi  108. 
veoYvöc  378. 
Nepujv  472.  473.  474. 

475. 
veöpov  399. 
veupöcTiacToc  399. 
veqppöc  102. 
I  vrjTTÜTioc  213. 
i  viKoip  212. 


v6(F)oc  214. 
voccibec  122. 

VÜKTUJp    212. 

vüS  212. 
öbe  76.  86. 
öboc  379. 
öleia  379. 
ö2oc  379. 
ö-IuTec  379. 
oiexeac  213. 
OlK€l  96. 

oiK^xric  377. 
okeuc  377. 
oiKOC  491. 

Ol  'OvaciKÜTTpuJ  245. 
Ol  'OvaciKÜTTpoiv  242. 
oTcoc  319. 
ÖKeUo)  379. 
öX^Kpavov  386. 
8\oc  476. 
öjLiixXri  204. 
'Ovaiujv  245. 
öveipoc  476. 
övoi.idK\uToc  250.  253. 
övu  95. 
öEuXov  379. 
ÖTTaxpoc  379. 
ÖTTicÖevap  399. 

ÖTTICIC  241. 

ÖTTicic  Ke  248. 
öpBoc  109. 
cipf.ir)  383. 
öpraXic  216. 
öpxdXixoc  216. 
öc|nri  116. 
öcxaKoc  399. 
6  ZxaciKp^xeoc  242. 
ö  ZxaciFoiKUJv  242. 
öcxeov  399. 
öcxpaKov  399. 
öcxpeov  399. 
öcxpüc  399. 
öcxpüü  399. 
öccppaivoiaai  101.  116. 
öcqpprico|jai  101. 
öcxn  379. 
öcxoc  379. 
öxpaXeujc  382. 


Wortregister. 

öxpnpöc  379.   380.  382. 

öxpüvuu  379. 

ou  YCP  248. 

oÜKi  108. 

oüpobÖKrj  399. 

oöpov  399. 

ouc  216. 

oöxoc  2.  10.  76  f.  83.  86. 

ouxi  108. 

öq)pOc  119. 

öx^uj  494. 

öxoc  429. 

irdBvri  114. 

iraTc  378. 

TTdWa  326. 

irdWeiv  326. 

-rrapGevüjv  94. 

irdpoc  233. 

TTdc  Kac  248. 

-rraxuXöc  216. 

Tiebd  451. 

ueicf.ia  116. 

ireXujp  212. 

ireTTvüinai  213. 

TTeTTUüKa  329. 

iTdpbo|nai  203. 

nep'    HbdXiov  246. 

irepBuJ  119. 

-rrexdvvuiLii  449. 

map  322. 

Ttillw  214. 

TTivuiaevriv  213. 

ITIVUCKUÜ    213. 
TTIVÜCCUU    213. 

TTivuxri  213. 
TTivuxöc  213.  214. 
TTivuj  329. 
ttXujc  389. 
TTobdjKric  253. 
TToexöiLievov  244.  247. 
TTÖKOC  369. 
TToXufiipaoc  240. 
TTÖpvri  476. 
TTÖpvoc  476. 

TTÖCIC    115. 

TTÖi  TTacaTÖpav  247. 

TTÖc  xö(v)  247. 

TTÖc  xdv   ieprjFijav  247. 


607 

TTOx-eXdxuj  236. 
upecßa  233. 
irpecßeia  228.  229. 
TTpecßeiov  227.  228. 
irpecßeüeiv  233. 
upecßeuc  227. 
Ttpecßriiov  227.  232.  233. 
Ttpecßicxoc  232.  233. 
TTpecßoc  233. 
Trpecßu-fevr)c  233. 
irpecßüxaxoc  232.  233. 
TTpccßüxepoc  232.  233. 
TrpoßX/ic  389. 
irpÖTToXoc  380. 
TTÜppixoc  216. 
TTOjXeuu  494. 
|)djo,uai  383. 
cdKpa  474. 
criiLiepov  4.  6.  95. 
cric  351. 
ciai  351. 
ciaXic  351. 
ciaXov  351.  352. 
ciaXoc  351. 
cieXov  351. 
ciaXujbnc  351. 
ciKO  352. 
civvo|Liai  351. 
civoiLiai  351. 
ctvoc  351. 
cic  247. 

CKub,uaiva)  127. 
CKÜpoc  126. 
CKupuJxdv  126. 
(c)kOxoc  129. 
C|niXiov  458. 
C|uupixric  XiOoc  458. 
C|iiüpva  459. 
CTtaipuj  442. 
cxaic  354.  355. 
cxeap  354.  355. 
CX6Y0C  322. 
cxeivoc  381. 
cxeTpa  476. 
cxeXexoc  323. 
cxeOxai  355. 
cxia  322. 
cxiZitju  323. 


608 


Wortregister. 


CTiov  322. 

ctOXoc  323. 

cu|U)Liaxiä  377. 

CUV  öpKoic  246. 

cu(v)  TÜx«  2i-7. 

cuqp6(i)öc  116. 

Tä  Favd(c)cac  244. 

xabeTva  95. 

TCIKIU   350. 

TÖiv  'AGoivav  243. 

TÜv  ieprjFijav  243. 

Tä(v)  iTTÖXiv  245. 

Tavüo)  332. 

rdv  irep'  'Hbd\iov  243. 

245. 
xdirric  331.  365. 
TdTtic  331. 
rapöv  382. 
Täc  'AGdvac  242. 
xdc  dvd(c)cac  242. 
Töc  Favd(c)cac  242. 
xdc  fe  248. 
xdc  Geo)  242. 
xdc  'OvacaYÖpau  2i2. 
xdc  'Ovaci\uj  242. 
xdc  Tiai  248. 
xdc  TTaq)iac  242. 
xdc  Fprixac  242. 
xd  uxnpujv  244. 
x^Toc  322. 
xeibe  97. 
xeipuj  350. 
x^K)Liujp  212.  213. 
thessal.  T^iairea  444. 
T^inirri  444. 
xepduL)  350. 
xexpd-TToba  378. 
xexpaxiLiov  399. 
x^cppa  102. 
xfi  97. 
xriKO)  349. 
xriiLiepov  4.  95. 
xrivei  96. 
xrivöGi  96. 
xfivoc  76.  94.  97. 
Tr\vuj  96. 
xi  459. 
xiGTim  388. 


xiXduu  356. 

xi\oc  351.  356. 

xTxOj  356.  372. 

xoioutoc  15. 

xoTc  186. 

xoTc  KaciYvr]xoic  242. 

xoTc  iraici  242. 

xöv  d(v)bpijd(v)xav  243. 

xöv  dpYupov  243. 

xöve  95. 

xöv  ebiUKev  246. 

xöv  ijaxfipav  243. 

xöv  i(v)  243. 

xöv  'Ovacayöpau  243. 

xöv  'OvaciKÜirpuDv  243. 

xöv  öpKov  243. 

xopvoc  382. 

xopöc  166. 

xp^XUJ  382. 

xpiipöv  382. 

xpiTTobiZeiv  166. 

xpiTTobov  166. 

xpöxic  380.  382. 

TpoxiXoc  382. 

xuiv  ai\u)v  243. 

xuuvi  95. 

xüjv  'OvaciKÜ-npiuv  243. 

xwc  d(v)epiJbiTUJC  242. 

xüjc  KaciYvr)xa)C  242. 

xujc  'Ovaci\iuv  242. 

xuü  cirfioc  242. 

XU)  ZxacttYÖpau  242. 

XUJC  iraibac  242. 

öbei  116. 

üboc  128. 

übpoiTÖxric  399. 

ubujp  212.  213.  399. 

ÜTTep^Keiva  6. 

ÜTTepqjiaXoc  350. 

üirripexr|c  384. 

üc|uivri  137. 

öccojTTOc  458. 

ijqpaivuj  338. 

üqpr)  338. 

qpapöuj  118. 

q)dpcoc  118. 

cpdxvri  114. 

qpeivu)  351. 


qpGovoöiaai  262. 
qpixu  350. 
qpXißuj   105. 
qpXOat  110. 
cpXüuj  110. 
cpopKÖc  111. 
qppaxpia  377. 
qppuYiXoc  104. 
qppÜYW  104. 
qpi)Ei|uoc  400. 
Xaixri  319.  320. 
xGec  97. 
XXaTva  103. 
xXeun  103. 
XXfiboc  104. 
XXiuj  104. 
XXujpöc  103. 
Xovbpöc  100. 
Xpaivuj  100. 
Xpf|cGai  100. 
Xpucöc  100.  125. 
ipdpiYt  216. 
lyfiqpoc  216. 
ibGeu)  483.  494. 

UJKUTTOUC    253. 

ouXcKpavov  386. 
ujXevri  366. 
liv^o.uai  494. 

Neugriechisch. 

Xaiuia  206. 

Albanesisch. 

baske  121. 
bese  115. 
bi-ane  118. 
bresen  120. 
dase  115. 
(^ase  115. 
he»  127. 
hu»  127. 
ffese  115. 
kiifi'is  448. 
l'ase  115. 
pase.  115. 
per-pos  115. 
pttipe  366. 
rase  115. 
sivj^i  95. 


Wortregister. 


609 


ust  133. 
vese  115. 

Lateinisch. 

actor  212. 
ad  summotum  1-M. 
aduocapit  162. 
aeger  102. 
aestas  136. 
aestus  136. 
aZms  476. 
alterna  158. 
alter  nei  162. 
alternis  158. 
ambäges  390. 
ancilla  .381. 
ancillula  381. 
ancula  381. 
anculäre  381. 
änculus  169.  381.  391. 
animal  107. 
ansar  168. 
anteanibulönes  380. 
antiquior  233. 
antiquos  233. 
aplustruni  165. 
ar&or  378. 
arbustum  378. 
arbustus  378. 
arduus  109. 
artifex  169. 
attenuo  351. 
aiiceps  169. 
auonculus  169. 
«icis  212. 
babulus  110. 
öaefö  330. 
balbus  110. 
JcZZtw  107. 
berbeces  160. 
öer^ier  142.  160. 
6es<m  107. 
biclus  160. 
biennis  210. 
6j?es  110. 
bimensis  211. 
blandus  109  f. 
blatea  110. 


blaterare  110. 
blatire  110. 
Ä^aWa  109. 
brassica  111. 
brattea  111. 
ö/m  111. 
brigantes  111. 
brocciis  111. 
bruscum  111. 
bulbus  110. 
ämZ?«  110. 
cacula  385. 
Caecilis  142. 
caesaries  320. 
cäZo  385. 
capiclum  163. 
capitulum  163. 
capreäginus  157. 
carcar  168. 
cärectum  378. 
carpatinus  165. 
cassis  114. 
castula  113. 
casula  '621 . 
catena  113. 
cai'ßo  206. 
cetZo  95.  97. 
certts  150. 
ceteri  95. 
ce?5e  97. 
einsam  164. 
cjs  6.  94.  95. 
CiYm  6. 
cZam  461. 
CTo(Zf  142. 
CZofZis  142. 
coc^/o  211. 
coiraverunt  131. 
comestor  211. 
confectus  271. 
congruens  157. 
congruo  99. 
congrutis  157. 
coniux  169. 
contemplari  444. 
contra  451. 
controuosias  169. 
coquina  429. 


Indogermanische  Forschungen  XIX. 


CO/-  169. 

Corneli  142. 

corvos  378. 

cubitum  129. 

CM(?o  126. 

cracli  163. 

crfrfes  448.  129. 

c«<(io  129. 

cwm  379.  451. 

amc^MS  164. 

cunnus  129. 

curia  130. 

curvus  448. 

cuspis  128. 

custo-  133. 

costöd-  131. 

custos  132. 

CM^ts  129. 

cuturnium  129. 

damnäs  155. 

december  211. 

desciderunt  147. 

detrimentum  350. 

(iic/.s  170. 

(?»e  crastim  162. 

(?te  «öm  162. 

cZie  pristine  156. 

die  pristinT  156.  162. 

(ite  quartf  162. 

disciis  450. 

duplex  374. 

(Z«<a;  170. 

ecastor  150. 

ecccre  150. 

ecere  150. 

edepol  150. 

e(Zo  150. 

e^o  107.  108.  151. 

e/^em  150. 

e/ie«  150. 

eirfws  163. 

eiuno  150. 

elixum  116. 

CHtm  150. 

enecessitalis  152. 

enegotium  152. 

eMOs  149.  151.  152. 

ej90?  150. 

40 


610 


Wortreffister. 


eqtiirine  150. 
esca  116. 
esor  211. 
esum  151. 
esur  150. 

eodas  reddere  146. 
extra  451. 
«scMO  321. 
fabäginus  157. 
/acis  153. 
/fflcs  153. 
faniilia  'Sil. 
famuhis  311.  378. 
fäs  155. 
favilla  102. 
/eörw  102. 
/eZ  110. 
felatris  212. 
fdlebris  212. 
fenebris  210.  211. 
/er/o  118. 
/er;-«  141. 
ferveo  464. 
/•e/-?«s  159.  170. 
fide-dictor  156. 
fidicen  169. 
finibria  109. 
^0  350. 
fistula  105. 
flagellum  105. 
fiägitium  105. 
fiägito  105. 
flagro  106. 
flagruni  105.  106. 
flämen  106. 
^äre  110. 
flävus  100. 
/?r^o  104  f. 
floccus  111. 
/ot^/o  320.  448. 
foedus  171. 
/ore  159. 
/ossa  448. 
frügrüre  101.  103. 
frango  104.  111. 
/rö^e;-  104. 
fraud-  121. 
fraus  106. 


fraxinus  111. 
/■re«(^o  100. 
/'Ware  100.  111. 
/^Wcäre  100.  111. 
/■/•F^o  104. 
frlvola  111. 
/"roHS  106. 
fnior  104. 
frustra  121. 
frustum  106.  120 
frutectum  378. 
frutex  111. 
fw  159. 
/Vmm  159. 
fiifere  159. 
/•t«ifZo  212. 
funebris  210.  211. 
fusterna  211. 
/•jiSif^Ä  212. 
fustor  211. 
gelidus  104. 
^ena  107. 
^fen/«  325. 

^feier  98.  103.  104. 
glacies  104. 
glaesum  104. 
glans  106. 
glatri  163. 
glTscere  104. 
gnäviis  100. 
^rac^/or  98.  99. 
gramen   101. 
grando  100. 
gränum  104. 
grätes  217. 
^rf7f«s  217.  218. 
gravis  218. 
grumus  111. 
grunda  99. 
grundio  101. 
haedillus  381. 
haedulus  381. 
Ärt_p-  162. 
Ärts^a  133. 
heluos  103. 
Äew  150. 
hemönem  391. 
hered-  131. 


Aet(  150. 
Äf  163. 
Ä/c  95.  108. 
homine  391. 
Äomo  216.  378. 
homimculus  216. 
hortulus  216. 
hortus  216. 
hostis  212. 
{H)ostoriiis  212. 
i'ö/  163. 

«7Ze  14.  93.  96.  476. 
i'ZZi"  163. 
^7Z^■c  95. 
ilocus  152. 
imerito  152. 
immolare  146. 
imprimis  158. 
inares  152. 
«tC2<s  169. 
induo  321. 
influens  157. 
influiis  157. 
ingruo  99. 
iVn';'e  330. 
m  pleores  157. 
inploera  158. 
insem,el  158. 
insfigäre  323.  324. 
instrumentum  4i54:. 
intra  451. 
ireddere  152. 
/.sfi  163. 
«s^«c  95. 
iYer  212. 
jiibeo  137. 
iudex  169.  170. 
iuridicus  169. 
n<s  170. 
itivafo  164. 
iuvenis  382. 
lacertüsus  366. 
lacertus  366.  367. 
Zatio  367. 
lacriima  400. 
laena  103. 
laetus  104. 
lanterna  211. 


Wortregister. 


611 


laqueus  367.  370. 
Lases  171. 
lens  103. 
levänien  353. 
lex  170. 
libs  153. 
Urnen  161. 
Itmulus  216. 
Uqueo  161. 
liquor  116. 
Zw-a  103.  120. 
?j"^2<s  120. 
lituus  120. 
//a;ffl  161. 
locusta  367. 
?MÄs  153. 
lüdus  103. 
luerue  156. 
lueruus  170. 
himemulia  148. 
lümen  161. 
Zw««  161. 
lupänar  378. 
lüridus  103. 
lusctis  369. 
macte  165. 
magisfer  379. 
magnus  107. 
Mamercus  168. 
Mämers  169.  170. 
Mamertini  168. 
Mamor  168. 
niamphur  434. 
Mamurius  169. 
mundo  326. 
manganiim  436. 
mnngo  437. 
itfarwar  168.  169. 
Marmor  168.  169. 
i¥ars  168.  169.  170. 
Marspiter  169. 
mas  169. 
Maspiter  169. 
massa  357. 
Mävors  169. 
Mavortei  168. 
Mauortius  168. 
Maurte  168. 


mecastor  150. 
melUfluens  157. 
mein  flu  US  157. 
mensa  450. 
niensis  211. 
mensium  211. 
me{n)stris  211. 
mensfruus  211. 
mensura  211. 
mens  US  211. 
mensuum  211. 
mentula  135. 
wjcö  333.  334. 
m»Aj  108. 
minister  379. 
miscere  333.  334. 
modernus  211. 
wot?o  211. 
moenia  171. 
mo?a  148. 
momar  102. 
mufrius  101.  102. 
TO«<^er  101.  102. 
muH  ehr  is  211. 
mustum  121. 
mw^o  134. 
mütönium  135. 
Mam  150. 

nassiterna  211.  212. 
nasfor  212. 
«ec'i'o  121f. 
ne^'o  108. 
negotium  108. 
nejfßZ  152.  155. 
nidus  336. 
nigriculus  216. 
nocturnus  212. 
nOdus  122. 
nouarca  168. 
november  211. 
Mox  212. 
october  211. 
0(?or  101.  116. 
o^^/o  211. 
passar  168. 
^afr  163. 
paults  158. 
pectis  369. 


pedana  443. 
pedare  444. 
pedum  4:4:4;. 
per-  165. 
percontäri  450. 
perennis  210. 
perualidus  165. 
^«7«  326. 
PjY  163. 
^Zeös  153. 
^Zecfo  122. 
pleores  154. 
pleoris  154. 
plerumque  158. 
ploeres  157.  171. 
poena  171. 
^oZ  163. 
2>o^?'s  115. 
princeps  169. 
propom  162. 
puella  381. 
puellula  381. 
^«er  378.  381. 
pulpa  366. 
quatio  126. 
quorta  169. 
rädix  109. 
rapinae  148. 
rävus  99. 
res  100. 
re^(s  100. 
rea:  170. 
/wos  384. 
rubor  124. 
rudera  125. 
riZtZMs  100.  124  f. 
r«ere  157. 
rwo  99. 
russus  124. 
sacena  116. 
sae/;«  153. 
saliens  142. 
salire  161. 
salTva  352. 
salitcs  142. 
salvos  476. 
saxum  116. 
Scabies  125. 

40* 


612 


Wortregister. 


scabo  125. 

sciens  142. 

scius  142. 

scütum  129. 

semen  164. 

semensis  211. 

sewjo  164. 

semunis  154.  163. 

senafüres  234. 

senätus  234. 

senex  216. 

senior  234,  235. 

sensim  211. 

sensus  211. 

sentfre  472. 

September,  -bris  210. 211. 

«er^s  153.  154. 

sc?-s  153. 

»eri?«  382. 

serväre  382. 

sertJos  382.  383. 

serus  155. 

siinpulum  147.  332. 

simpuvium,  332. 

simunis  154.  163. 

sms  153.  154. 

sobrimts  211. 

socius  379. 

sperno  442. 

spolia  ¥il. 

sponda  449. 

s^jVifs  322.  323.  324. 

Stimulus  323.  324. 

sttria  354.  355. 

subuerbustus  161. 

südor  115. 

suffragines  103. 

suggrunda  99. 

summoto  144. 

sumpüium  147. 

surgere   161. 

susum  169. 

<«6eo  350. 

templa,  templum  362. 

365.  -444.  445. 
temptäre  331. 
temptö  362.  365. 
i empor a  331. 


tempus  331.  362.  365. 

<e«rfö  332. 

tenuis  351. 

^ewMS  332. 

termen  164. 

termins  155. 

terminus  164. 

termo  164. 

^e/*ö  350. 

terrimotium  148. 

fes^jÄ  451.  452. 

finea  351. 

<«ü?o  356.  372. 

torqueo  370. 

^orMS  366. 

trabem  450. 

iro^io  106. 

i;-a?is  165. 

tribulum  426. 

trimensis  211. 

tripodare  142.  166. 

tripudum  166. 

trltus  350. 

trium-pe  165.  166.  167. 

triumphare  165. 

irMc^o  125. 

vasttis  133. 

MÖi  163. 

vectis  211. 

«;ecto/-  211.  212. 

ueclus  163. 

uelineis  156. 

velltis  346. 

velum  361. 

uerbeces  160. 

uerbenae  161. 

uerberare  160. 

uerber  160.  161. 

-Mers  170. 

wertere  169.  170. 

verzt  325. 

uerue  141. 

vestis  346. 

«e^er  160. 

uetulus  163. 

«e^ws  160. 

vexare  212. 

vexillum  361. 


vicTnia  yil. 
victima  400. 
uiclus  163. 
tJJCMS  491. 
were  114. 
villus  346. 
vincire  192. 
vinnus  346. 
uitulus  160.  163. 
twos  383. 
«wf^«  321. 
voräre  111. 
urbicapus  169. 

Faliskisch. 

cupat  162. 
Äej  16.3. 
mof/e  163. 
Petrunes  163. 

Lanuwinisch. 

nebrundines  102. 

Praenestinlsch. 

ZosMc  161. 
nefrones  102. 
Terebuni  163. 

Oskisch. 

baiteis  330. 
Bantins  155. 
cebnust  95. 
eÄ;it  97. 
faamat  oll. 
famel  311. 
fufans  159. 
ÄMr^r  155. 
Mamers  168. 
nessimo  122. 
t^em  429. 

Umbrisch. 

öerif  325. 
-cow  379. 
frosetom  121. 
/^«fM  159. 
ÄOM^  108. 
iouies  382. 


Wortregister. 


613 


jnhaz  155. 
termnas  155. 

Pälignisch. 

coisatens  131. 
sacaracirix  163. 
Semiinu  163. 
eco-  97. 

Sabinisch. 

alpus  162. 

Romanisch. 

despite  208. 
i7,  e?  93. 

Französisch. 

esclave  379. 
levain  353. 
Za  maison  428. 
mandrin  4ß4i. 
nichee  336. 
seigneur  234.  235. 
s^'eztr  234. 
s/?-e  234. 

temple  362.  444.  445. 
tetnplet  362. 
temploir  362. 
templu  362. 
^lers  451.  453. 

Italienisch. 

-accio  376. 
bioccolo  111. 
bricia  111. 
briciolo  111. 
carro  409. 
casino  216. 
donnaccio  376. 
/lOCCO   111. 
fregolo  111. 
fregore  111. 
girare  345. 
nidiata  336. 
polpa  366. 
polpaccio  366. 
schiavo  379. 
sere  234. 


signore  234. 
temp>accio  376. 
tempiale  445. 

Ladinisch. 

toc«  428. 

Provenzalisch. 

senhor  234. 

Portugiesisch. 

polpa  366. 
senhor  234. 

Rumänisch. 

pidpä  366. 
timpldr  445. 

Spanisch. 

nidada  336. 
se/Ior  234. 

Keltisch.  Gallisch. 

amhacttis  389.  390.  391. 

gall.  benna  114. 

bodina  444. 

gall.  Camidos  390. 

Cisiambos  165. 

^r/-  165. 

gall.  vertragus  106. 

gall.   Vesontio  347. 

Irisch. 

otiYe  477. 

annaid  122. 

«ra  384. 

air.  Janö  350. 

banscäl  385. 

air.  berraim  118. 

air.  ies(s)  114. 

J/acA  330. 

Arne  329. 

air.  äjV  325. 

ÖZ«  100. 

örd  104. 

air.  bruim  118.  120. 

air.  bruinne  119. 

crtcÄ^  379. 


ce  95. 

ce?e  385. 

celsine  385. 

ceif-  379. 

air.  ce<  451. 

air.  criiind  448. 

cumal  390. 

air.  ci<fe  132. 

cMfÄe  129. 

der-scaigim  385. 

dimicin  334. 

air.  dliged  105. 

/"ffs  133. 

feasog  347. 

air.  f^s  347.  348. 

air.  /"esoc  347. 

feusog  347. 

figfin  361. 

air.  /r>i<Z  346.   347.  348. 

mir.  ^nrfffi  346. 

mir.  findfad  346. 

air.  /iwn  346. 

fionnadh  346. 

air.  fonaidni  122. 

formiUgthe  102. 

air.  ^öi/-e  217. 

p'ao  344. 

gaoisid  319. 

gaoisideach  319. 

gaoisneach  319. 

air.  ßfas  133. 

air.  g'«^  133. 

(/d  344. 

air.  g^oire  217. 

air.  goiriu  211 . 

mir.  goisideach  319. 

mir.  ^fmc^  217. 

air.  greim  101. 

guairbre  342. 

guairdedn  318.  342. 

güaire  318.  342. 

güaireach  342. 

guaireachdn  318.  342. 

mir.  {h)tiaim  320. 

air.  Tiuam  320. 

immagim  390. 

im-ni-se  122. 

ingrennim  99. 


6W 


Wortregister. 


air.  less  366.  367. 

me)i(/  437. 

menyach  437. 

mosach  121. 

mir.  moth  135. 

air.  muad  121. 

air.  muadrosc  121. 

naidm  122. 

air.  nasc  122. 

air.  nessam  122. 

air.  <5e?/i  335. 

ruathar  99. 

sce«  385. 

serJ/i  383. 

air.  se<  472. 

sluag  ^11. 

air.  sm^r  334. 

air.  smeröit  334. 

air.  sned  103. 

air.  /rti's  354. 

t-all  96. 

<ä-m  350. 

<aos  354. 

air.  tar-  165. 

?am  382. 

teylach  377. 

timmthirim  382.  390. 

timmthirthidi  391. 

air.  tinaid  350.  351. 

fjn«  350. 

^(5  339. 

mir.  ^<5?«  354. 

^/•«t^r  106. 

air.  tre-  165. 

air.  tri-  165. 

<ro^  106. 

<«ia  339. 

üad  321. 

mir.  «a^f  321, 

uaigh  321. 

air.  J<j7e  476. 

Bretonisch. 

bestl  110. 
bron(n)  119. 
c»7  477. 
^ror  342. 
mbret.  gour  342. 


abret.  guotroit  106. 
mbret.  giveaff  361. 
fe»7  356. 
mbret.  ^e//Z  356. 
/er  325. 
foaz  354. 
/o«<e^  357. 

Gälisch. 

bior  325. 
farf  133. 
figh  361. 
figheachnn  361. 
gaois{i)d  319. 
guairsgeach  342. 
gurraban  343. 
gurrach  343. 
/«o/s  354. 
^Mtn  350. 
uaigh  321. 
uaimh  320.  321. 

Koi'iiiscli. 

^»er  325. 
its/eZ  110. 
C2</Äe  129. 
«es  122. 
ness«  122. 
w7i^s  115. 

Kymriscli. 

amaeth  390. 
Äa«it  350. 
ie(?rf  320.  449. 
Äer  325. 
ft?//"  105. 
bron  119. 
akymr.  bronn  119. 
brijnn  119. 
iws/?  110. 
crte/7j  379. 
chivijs  115. 
akymr.  crunn  448. 
akymr.  cuddio  129. 
ci<^r^  129. 
cw/Är  132.  133. 
rfZe««  105. 
dir-mggu  334. 


ej7  477. 
(jrajt  344. 
jr«e  361. 
gweii  361. 
Äer;<;  383. 
akymr.  kant  451. 
Ä:2<(^£?  132. 
?Zt<  377. 
mtvs  121. 
nerfcZ  103. 
nesaf  122. 
akymr.  taguel  339. 
/a<7  356. 

mkymr.  /««^  339. 
tatvdd  350. 
^aw^e?  339. 
foes  354. 
troed  106. 
twijsg  357. 
nkymr.  yspeil  4:77. 

Herulisch. 

Ouicavboc  347. 

Gotisch. 

afhlapan  116. 
ahtiida  394. 
a/^s  335. 
aitviski  102. 
a^jrVs  476. 
andbahts  390. 
arbaips  384. 
«s^s  379. 

augadaurö  446.  447. 
«;<^(J  321. 
o»s(J  216. 
^»ff(?j  320.  448. 
balran  450. 
bairhts  111. 
bansts  114.  116. 
öm/  117. 
beitan  117. 
biudan  450. 
irw^s  450. 
bliggtvan  105. 
Ä7ö/a«  106. 
brikan  104. 
brükjan  104. 


Wortregister. 


615 


brusts    117.    118.    119. 

133. 
daims  353. 
dius  107. 
diilgs  105. 
dwals  353.  389. 
faura  233. 
fütubaurd  118.  119. 
ffabeistjan  117. 
gaJvatjan  127. 
^a/(Z«<,'  189.  192. 
i^a/^em  216.  341. 
gasinpa  472. 
gaundn  192. 
(jra^rfs  133. 
glitmunjan  104. 
</ö;6s  389. 
(jfras  101. 
grips  99. 
haiihs  129. 
himma  daga  95. 
hinpan  451. 
Äröi  123. 
Äi«ps  129. 
Äws  130. 
Ät<2:r?  131. 
Ät<2;f^s  132.  133. 
Jvai'rban  455. 
Ivassaba  127. 
hassei  127. 
/«öf«  127. 
zÄ:  107. 
inkilpö  335. 
jainar  83. 
jains  96. 
kmirn  104. 
kaurus  218. 
hilpei  335.  336. 
kinnus  107. 
hniwa  325. 
fcwö^s  384. 
?«j5«s  120. 
magiila  216. 
m«(jr«s   215.    216.   378. 

381. 
matvi.  maujos  215.  381. 
mes  450. 
jh/ä;  107. 


mikils  107. 
MtJS   151. 
wi?>(Zö  133.  139. 
niuklahs  378. 
qairnus  104. 
qairrus  343. 
qistjan  117. 
g/ws  330. 
srtw/?  392. 
simle  .362. 
si'w^s  472. 
skalks  385. 
skaudaraip  129. 
smarna  352. 
spinnan  333. 
sfainahs  378. 
stains  322. 
s^«Ä;s  323. 
siinnin  391. 
s(m«ö  391.  392. 
sunnön  392. 
.s'i^ffi  96. 
sivein  352. 
swers  218. 
tow»  387. 
^«?yaw  387.  388. 
/r?«  325. 
/«7iö  353. 
pairh  165. 
panjan  332. 
paruh  83. 
^e/r/s«  381.  382. 
^ms  381.  382. 
^«'m  381. 
pragjan  382. 
prictsfill  125. 
unbelstei  117. 
iinheistjöps  117. 
MMSj'S   151. 
untilamalsks  385. 
ivaddjus  114. 
tvairpan  169. 
wandus  448. 
/ra^js  320. 
wa^w  321. 
loaiirts  109. 
tveihs  491. 
tvraiqs  189. 


170. 


191. 


Longobardisch. 

Za^^*  309.  366.  367. 
winting  44:7. 

Althochdeutsch. 

f<fti7j  216. 
ambnht  390. 
anchio  178. 
äs  116. 
^^0  194. 
Ä«r?'a  119. 
Z<e«?  320. 
bihagan  385. 
birihha  111. 
ö^äo  100. 
blahbizön  110. 
Ä7rt«a  173. 
blättara  110. 
ÄZFo  100. 
bliuwan  105. 
^>or(^  119. 
bracko  103. 
brestan  118. 
Jrio  111. 
5r((0Ä  103. 
ö/n<s^  117. 
rZe/s^'  356. 
deismo  353. 
c?eo  381. 
deuuen  350. 
(?m  381. 

douwen  350.  351. 
drigil  382. 
driscuvili  426. 
Droand  324. 
Droildis  324. 
druos  324. 
durtih-  165. 
E'jto  194. 
enÄ;e  178. 
ermist  384. 
#;r«  195. 
e?<^r  196. 
farhtväzan  127. 
/^Ä/(Z«  192. 
foZo  341. 
freideo  195. 


616 


Wortregister. 


frisc  385. 
fulfn  341. 
gaharstit  123. 
ganeheista  136. 
ganeista  136. 
gart  133. 
gaziug  454. 
gaziiigi  454. 
gaziugön  454. 
geizztn  341. 
^eZo  103. 
grerto  133. 
gisindi  379. 
gislaht  178. 
gislahti  111. 
gispe7-ri  442. 
ß'/os  104. 
^Za^  103. 
glizzan  104. 
^o/fa  359. 
^rröo  99. 
grintil  99. 
^Wo0  100. 
grunzian  101. 
gruoan  101. 
grtioni  101. 
5fM0^  389. 
flajo  198. 
harsta  123. 
Äar^  123. 
{h)ladan  116. 
(Ä)/as^  116. 
(A)n/f  103. 
Ae^itZ  213. 
Äerd  124. 
;?o(?o  129. 
Äorsc  385. 
Äors<  123. 
Äösc  128. 
homvan  126. 
(;j)r«öo  378. 
ÄMrs^  123. 
ÄMO«  381. 
Ams  428.  429. 
htifta  129. 
(Ä)was  127. 
{h)traz  127. 
jjriV  366. 


mJj  378. 
iogilih  193. 
iowelih  193. 
cÄa^^iY  182. 
challOn  182. 
kehente  177. 
chelzuntun  181. 
chindahf  378. 
ÄrnaJo  378. 
itnecÄ^  378. 
Ä;n»M  325. 
Ä;rioÄ  125. 
kroutvil  111. 
^•r^7^  101.  111. 
ä;mo  393. 
?arfrfa  172. 
landeri  116. 
?a^/a  172. 
?eÄaw  195. 
Zeyo  194. 
lid  120. 
Zfsfa  120. 
losken  369. 
mangäri  437. 
manahoubit  378. 
manslecJw  170. 
marcha  161. 
miskan  333. 
mosf  121. 
mühhäri  102. 
mühhen   102. 
muhheo  102. 
mühhiläri  102. 
mühho  102. 
nestila  122. 
nesfilo  122. 
nioro  102. 
?!i7an  136. 
nuska  122. 
nuskjan  122. 
nusta  122. 
nustun  122. 
orf  133. 
jpra«  119. 
^^reV  119. 
7jro/  119. 
quirn  104. 
2?«'s^  117. 


rase  385. 
reisan   117. 
ridan  117. 
römÄi  378. 
rosamo  116.  124. 
ros^  124. 
rös<  124. 
rotamo  116. 
rnodar  384. 
rüsten  123. 
saÄs  116. 
sämo  164. 
sca?c  385. 
scehmi  385. 
sce«7  195. 
sce?o  385. 
sciozan  126. 
screiOn  198. 
scrötan  123. 
scutian  126. 
s?a/ifa  177. 
s?fw  352. 
steinag  378. 
steinaht  378. 
Stehhan  323. 
si^?jÄ  16. 
s(rä;-  218. 
S2vman  351. 
TJiroand  324. 
^10/-  107. 
fisc  450. 
triogan  106. 
trinuit  324. 
Troo^/"  324. 
trouuen  324. 
twalni  353. 
urchundi  452. 
urchundo  452. 
«^arfo  366. 
tvafsa  348. 
tvaganleisa  104.   120. 
iveban  338. 
t^'e/'sa  348. 
tveggi  128. 
weichen  193. 
M>eisa  194. 
weisont  189. 
iveitm  187. 


Wortregister. 


617 


tvecki  128. 
weppi  338. 
wfda  319. 
tvickeli{n)  361. 
tvinfbfäiva  345.  348. 
tcintila  447. 
winting  44:7. 
Wirunt  347. 
wisunt  347. 
wuosti  133. 
wuppe  338. 
wttr^  170. 
zmven  388. 
zeihhur  187.  192. 
s'Mi^r  454. 

Mittelliochdeutsch. 

banse  116. 
öas^  121.  381. 
behagen  385. 
bereite  384. 
öZr7  100. 
bladeren  110. 
brcehen  103. 
Are/  119. 
hriezen  111.  119. 
brüsen  120. 
it<osf  121.  381. 
ÄMrse  378. 
deisme  353. 
<??Afe  353. 
(ZrMo  324. 
wZ  181.  183. 
vermüchen  102. 
verwäzen  121 . 
gedrouwen  324. 
geliune  367.  369. 
gelounet  369. 
gereite  384. 
getwäs  107. 
geziuc  454. 
ßrZate  103. 
^o^e  359. 
goufen  359. 
gruose  101. 
gubelnagel  359. 
heime  198. 
ÄiM^e  128. 


hiuzen  127. 
Äotee  127. 
Äwj  128. 
kelzen  181. 
ÄrüZe  344. 
Zi«o/  116. 
mangcere  437. 
manslege  170. 
miuchel  102. 
mocken  102. 
(n)immer  197. 
r«MJ  352. 
re^/e  198. 
r/s/  117. 
scÄe?  385. 
schele  385. 
schiel  126. 
scÄoc  129. 
scÄö/e  129. 
sÄ;?a«je  379. 
s/a<je  379. 
SJMW^  121. 
weiche  368. 
w/Ä/  361. 
«^JiCÄ-e  361. 
wintbräwe  345. 
icippe  .338. 
tvüppe  .338. 
zoiiwe  388. 
zouwen  388. 
zomvic  388. 

Neuhochdeutsch. 

aZ?e  se/n  271. 
aZ/er  227.  234. 
ältesten  234. 
anspannen  364. 
a?'2^  395. 
aufwartung  213. 
ausschlug  125. 
bankert  436. 
barsch  385. 
Z>ee/  448. 
bespringen  330. 
besteigen  330. 
öe«  448. 
bettgewand  449. 
bettstatt  449. 


bezahlung  481. 
bitvindan  447. 
blähen  110. 
bläuen  105. 
öorc?  450. 
brücke  103. 
brechen  111. 
öre//  450. 
bursche  378. 
rfaj«  96. 
(Z««a  96. 
deihen  353. 
deisam  353. 
deisen  353. 
derjenige  5. 
c?es  längeren  158. 
rfes  mehreren  158. 
cZes  Nachts  372. 
(Zes  weiteren  158. 
(?«cfei  353. 
c?/cÄ;e  ^esc/t  366. 
dieser  94. 
(ZöseM  340. 
dreschen  426. 
Drischaufel  426. 
dröen  324. 
Drohung  271. 
druhen  324. 
(Zt(s  340. 
dusam  340. 
f?«se?  340. 
Eisenmanger  437. 
eitergubel  359. 
entgelt  481. 
erschöpft  271. 
/"Sr^  395. 
Federbetten  449. 
/■^r/i>  271.  395. 
Fischnienger  437. 
^acÄs  448. 
flechten  448. 
froM  296. 
gedeihen  353. 
^et'^e  436. 
geißeln  160. 
geleine  369. 
geleise  104. 
geleune  369. 


618 


Wortregister. 


md.  gelüne  369. 

gesetz  451. 

gesinde  379. 

geicand  ü?.  448. 

glänz  -i30. 

glänzen  430. 

glatze  103. 

glimmen  104. 

gmdelsteine  430. 

gmirelstelne  430. 

Gottseibeiuns  271. 

grand  100. 

(/r/e/7  100. 

^fM^e?  359. 

Äa^r  114. 

Äa«^  395. 

harsch  385. 

/m/?  313. 

Ä(g/?  113. 

hegen  114. 

heister  133. 

Herde  395. 

Äerr  296 

Herrschaften  382. 

Äe2<^e  6. 

7jo«>'  448. 

hossen  127. 

hottein  127. 

hutzeln  127. 

Äotee»  127. 

ÄMÄw  381. 

hutzen  127. 

iw  kurzen  158. 

imme  378. 

Jasomirgotf  271. 

jenntak  6. 

kaue7'n  343. 

Ä;m(Z  378. 

krauen  111. 

Ä;«cÄZ  429. 

md.  küchfn  341. 

?aM  368. 

?eisie  367. 

Zos  368. 

Zösen  368. 

md.  Tw^  116. 

mandel  434.  435.  436. 

mandelholz  434. 


mange  436. 
mangel  431.  434.  436. 
Menger  437. 
meuchler  102. 
nnein  152. 
«nj<  152. 
notfeuer  136. 
oÄsi  123. 

oīe  weiters  158. 
peitschen  160. 
^/«(Z  443. 
Pfaden  444. 
pfette  443. 
Pfotenhauer  4tAi4L. 
plappern  110. 
P/-%eZ  160. 
prügeln  160. 
r«i  213. 
recTjf  451. 
r?sü  117. 
ri^si  123. 
schmalz  351. 
schmeer  352. 
schmelzen  351. 
schmutz  352. 
schulten  126. 
Schwert  395. 
s/h?«  472. 
sinnen  472. 
Slave  379. 
spannen  333. 
Sparren  442.  443. 
sjjeß)-  442.  443. 
sperren  442. 
spinmvupp  338. 
sporn  442. 
spj<r  442. 
strecken  364. 
striela  435. 
Strudel  435. 
trühaft  324. 
frühen  324. 
verliei-en  368. 
verstrüdlet  435. 
y/eZ  373. 
iveich  368. 
tveimbrO  345. 
tt'erte  452. 


wetten  452. 
u-ettung  452. 
wickelglas  431. 
Wimper  345.  346. 
loindan  447. 
t«;o?^e  346. 
s«rf  395. 
zergen  106. 
zeuge  453.  454. 
ziehew  454. 
«or^j  297.  313. 
zweifach  374. 

Altsächsiscli. 

andlang  183. 
bidriogan  106. 
6or(Z  119. 
J/-eosf  117. 
brustjan  119. 
femea  191. 
forhuätan  127. 
fullian  181. 
glTtan  104. 
^r/o^  100.  125. 
ITe/o  198. 
herro  197. 
Äer/A  124. 
hiudiga  6. 
hiudu  95. 
hladan  116. 
Äosc  128. 
Ärös^  123. 
Ä.Ö  393. 
kumbal  363. 
?em  198. 
?i<«ic  216. 
magu  378. 
malsc  385. 
metiged{e)ono  192. 
ros«  124. 
scrt?c  385. 
skeotan  126. 
skuddian  126. 
sumble  362. 
^ecö»  195. 
<rjo  325. 
ütbleuuan  200. 
-icebbi  338. 


Wortregister. 


619 


tceg  192. 
uuocco  361. 
tcred  194. 
wurd  170. 

Mittelniederdeutsch. 

desem  353. 
vanc  177. 
vorvullen  181. 
keime  198. 
Äere  197. 
Aorsf  123. 
Ä-ü?e  318.  359. 
küren  343. 
i-Mse?  328. 
küselen  328. 
Ä;?7«(e)  366. 
ZaÄ;  174. 
laken  174. 
leische  367. 
?^sc7ie  367. 
lüschen  369. 
(n)immer  197. 
^Za^^-e  172.  173. 
snacken  172. 
touwen  388. 
wecke  361. 
wlame  180. 
wocke  361. 
lorack  173. 
«<'ref  343. 
wringen  345. 
tcocken  361. 

Neuniederdeiitsch. 

^tjTs  125.  133. 
kladde  173. 
i-MseZ  328. 
tüssen  339. 

Altniederf  ränkisch. 

Ä^ö^Äö  116. 

Mittelniederländisch. 

desem  353. 
dooien  350. 
^röpe  359. 
Ä;«?Ze«  182. 


kladde  173. 
^a^•  174. 
?«Ä;e?«  174. 
?rti'/e  172. 
liesche  367. 
mikken  334. 
{n)inmier  197. 
flagge  173. 
tveech  192. 

Neuniederländisch. 

öörtrcZ  396. 
deesem  353. 
dooien  350. 
^«rfZar  396. 
e^rddr  396. 
^ri«'s  125.  133. 
Aftri'  396. 
herder  396. 
Zi'es  367. 
rüsten  123. 
Stuart  395. 
s^rt/-;-  396. 
s^ttr/a  396. 
verdittven  350. 
«•a(^e  366. 
wrongel  345. 

Friesisch. 

ö  186.  189.  192.  196. 

öiÄ«  172. 

oÄJe^e  174. 

abbetes  174^. 

abbit  174. 

öc/»  188.   191. 

acÄf  181. 

achta  V14t. 

ächta  200. 

äcÄ^e  191. 

achtene  184. 

ädawerth  194. 

aec/ito  177. 

«eJj^e  177. 

«e/lfe  192. 

aeghappel  173. 

ae«  198. 

aeZ(^  177. 

ae»  188. 


ae«^  196. 

ömi!?  186. 

aes^a  192. 

aescliia  193. 

aeskia  187. 

aesÄ;  187. 

äfretho  192. 

d/"fe  192. 

äp'Ort  187.  191. 

ähivedder  193. 

ä/  198. 

äider  193. 

«w  191. 

«Mer  179. 

«Zdem  179. 

äldermän  179. 

aldirmon  179.  234. 

«  ?eM(^e  183. 

äl{le)fta  197. 

älleioene  186.  197. 

aZ  sZaÄ^e  177. 

äm&eÄ^  177. 

J^wese  185. 

Äm(e)sga  184. 

cn  186.  188.  196. 

andern  178. 

anfZ  178. 

ändlova  197. 

angel  176.  183. 

Ängelond  185. 

anglisk  185. 

ängne  186.  196. 

anich  186.  196. 

anne  188.  196. 

aw^Ä  181. 

«2)pe?  173. 

«m  197. 

ärade  193. 

ärra  197. 

äsc/je  187. 

«sep-a  192. 

äs/^«  192. 

rtsÄ;  187. 

äskas(t)  189. 

f7s^•/a  187. 189.  193.  194. 

«sÄ;>  187. 

ä^Ä  195. 

aththa  185. 


fi20 


Wortregister. 


äththa  196. 
nthom  187. 
äfhum  186.  189.  192. 
äi/n  186. 
bancJc  178. 
bannen  180. 
-baiinethe  184. 
iaw^  176. 
-bante  184. 
Z>rtr»^  181.  182. 
baernt   182. 
öe(?e  198. 
iec  171. 

bekantii/nghe  184. 
Je«  187.   195. 
benc  178. 
Äenrf  178. 
bende  177. 
benen  197. 
benethe  184. 
berant  182. 
ieree^  196. 
^>er(Z  171. 
berna  181. 
öerne  182. 
^-e^  187. 
Äe^/iß  197. 
Äe?/M(Z  178. 
ij/a/Z«  182. 
Ä/A-ß?i!5  182. 
bicaent  182. 
bi-kenna  182. 
Z</^er(?  186. 
biclappia  172. 
öe  /?Ä;e  pende  183. 
{bi)netha  200. 
binetten  201. 
i/ȣ?e?  183. 
5t  ra^  196. 
bireda  196. 
birlenze  178. 
bishätiwiath  199. 
bitecnia  193. 
bitensa  183. 
bithanha  181.  182. 
bitveinia  192. 
^»?af>  172. 
blenda  181. 


blendene  184. 
blendinge  184. 
ioMj'a  184. 
bonnen  180. 
iös<  114. 
branga  182. 
brangth  181. 
irefZ  187.   195. 
Jrerfe  197. 
ireerf  195. 
Jrewß'  181. 
Ären^a  181.  182. 
bringa  182. 
^»röcy^ite  201. 
blinden  180. 
bursten  180. 
bycannisse  185. 
byhrinsa  182. 
rfae  188.  191. 
rfaem   191. 
rfcTM'e  199. 
(iei  171. 
<^ec  179. 
(ZF/  195.  198. 
c^e/a  187.  195. 
-rfeW  186. 
(?eWe  186. 
rfeif!?  198. 
demma  181. 
(^e«  183. 
drewe  198. 
f/?<rt  201. 
eööe(!e  173. 
ecAto  181. 
ecÄ;er  173. 
ee^-  198. 
ee?(^e  177. 
eres^  200. 
//•^e  192. 
egangen  180. 
egendzin  180. 
e^fow  191. 
ehemmed  181. 
eAera  192. 
ehtene  184. 
eirfer  193. 
em  191. 
ez«(rf)e  177. 


em«?a  182. 
eÄ?«;^  181. 
e^■e  198. 
eZ(^er  179. 
^Zc  193. 
eld{e)ra  179. 
ellemachtig  183. 
el{l)endich  183. 
//Z/Ä:  193. 
elmechtig  183. 
elmetha  183. 
Emese  185. 
emwen,  -er  197. 
Emsga  184. 
enrfa  181.  182. 
ew^eZ  176.  183. 
engelsch  185. 
engleska  185. 
englisk  185. 
ew(«)^  196. 
ewÄ;«  178. 
/nwe  196. 
e/?e  183. 
e/Zera  197. 
el{l)ende  177. 
end{e)  177. 
eM(?e  177. 
em^  196. 
erade 
ere  198. 
erm  193. 
ermskethe   198. 
eros^  197. 
erra   197. 
e^/j  185.  195. 
etszen  198. 
eM'e  187.  195.  198. 
ejf'e«  198. 
ewenpende  177. 
cM'i^  198. 
frt  201. 
/•«cÄ  188.  192. 
facht  178. 
/■äcZ  186.  187.  189. 
faen  177.  201. 
faele  177. 
faem  190. 
/■«»Ye  192. 


Wortregister. 


621 


-fal  178. 

-faldech  183. 

falla  181. 

fällich  179.  183. 

fallin  180. 

fall  180. 

fämme  186.  190.  191. 

/•«(n)  201. 

fem  177. 

-/■«Mf/  178. 

{e)fangen  180. 

fanne  190. 

/•c^  187.  196. 

/•«y  192. 

/•%/Äe  192. 

fe  201. 

/•ec;i(0  178.  201. 

fed  186.  187.  193. 

feen  177. 

/^?YÄe  192. 

-/■e/  178. 

felkh  198. 

/•e??a  181. 

feile  181. 

fe/^  180. 

fenine  191. 

/"ewe  177. 

-/■c»^  178. 

fengen  180. 

fenna  177. 

/"ewne  177. 

(e^)  /"eHHe  177. 

/"ens^e   177. 

{e)fenszen  180.  201. 

/e*'  179. 

fiämända  186.  194. 

fiämonda  194. 

finsen  180. 

/?aesc/j  187.  197. 

flarde  IIb. 

flap-e  IIb. 

flask  187. 

/?rtsc  187.  197. 

fleesc  187.  197. 

/^es^•  197. 

foe*-feemd  191. 

fraemd{e)  184. 

fraes  194. 


främd{e)  184. 
fram{e)de  184. 
frantma  181. 
/■>Y7se  189.  194. 
freamd  184. 
/■/•ces  194. 
freme  180. 
frem{e)de  184. 
fremme  180. 
frem{m){e)fhe  184. 
fretha  195. 
frihalse  178. 
frihelse  178. 
fulfensze  177. 
fi/n{ne)  177. 
fi/Hchtleeck  195. 
gabbath  172. 
gabhia  Yl'i. 
gäd  189.  192. 
^«es^  187.   197. 
^awse  179. 
^äs^  187. 
gästlik  197, 
^a<  174. 
Ö^ees^  197. 
^efe«  201. 
r7e/a  198. 
{e)gengen  180. 
grens  179. 
gensen  180. 
genzie  179. 
^er  195. 
gersfalle  179. 
gersfelle  179. 
^es^  187. 
ghinse  179. 
*gifehin  201. 
ginsen  180. 
^'re/}  187. 
gretiverdere  174. 
Äaöia  173. 
habbane  173. 
Äae  196. 
feaes?  186. 
haeste  186. 
haldin  180. 
;i«?^(Ä)  180. 
hamede  176. 


hamed{e)  184. 
hammed  181. 
hämmerk{e)  196. 
hammin  184. 
hamreke  185. 
hangnese  185. 
hängst  185. 
hanzoch  183. 
Ms^e  186. 
M/(/i)  196. 
A«».^^;»)  199. 
häuiven  199. 
häwen  199. 
B'äy/e  198. 
ÄeöJa  173. 
-Äga(e)  198. 
Äe?  195. 
helane  195. 
ÄeMe  178. 
{h)eldest  179. 
/»eZ^  198. 
ÄeZi^  198. 
ÄeZZe  177. 
;»£«*>  198. 
ÄeZ<  ISO. 
Äem  185.  193. 
hembde  184. 
Äeme  198. 
hemelic  198. 
hemethe  176.  184. 
hemilinge  183. 
hemme  177. 
hemmerket  196. 
hemniertse  196. 
hemmin  184. 
Äew(/a  181.  182. 
/leMtZe  177. 
hendedich  178. 
hendene  184. 
hendsegch  183. 
henghnese  185. 
hengst  185. 
hensich  183. 
henszeben  179. 
henzeg  183. 
Äew^i'a  181.  182.  185. 
Äem  197. 
herahoerna  197. 


622 


Wortregister. 


hermscheed  195. 
hei  195.  196. 
heia  195. 
hete  198. 
Jiethin  198. 
hefte  196. 
hei/nd  177. 
{li)inhwel{i)k  193. 
hielde  178. 
Äj'Me  178. 
Ä%  198. 
Am  193. 
7»'mM  184. 
him(me)>-ik  196. 
hinghnisse  185. 
hingst  185. 
hinsen  180. 
hinsich  183. 
hinzia  182.  185. 
hlackia  172. 
AZ«c?a  116. 
hlädder  186.  196. 
ÄZec^ere  196. 
7i?ö//i  116. 
Äo^/ta  129. 
(Ä)re  188.  190. 
ÄreZic  187.  188.  193. 
hüswerdrar  IIA:, 
hwarven  174. 
Ätt'e  201. 
/i?üen  201. 
{h)wenne  183. 
hivensen  180. 
hwinsen  180. 
iähweder  193. 
ie  201. 
iß/'  171. 
ieldera  179. 
ield{e)ra  179. 
ies^ZiC  197. 
»W  174. 
ieweli/c  193. 
ililende  177. 
immen,  -er  197. 
w^e?  183. 
inÄ;«  178. 
iniende  177. 
inlendes  111. 


mrethe  198. 
ieWe  178. 
j{h)äicelik  193. 
caend  182. 
^•ae^  198. 
Ä-a(e)//  198. 
kalde  178. 
Ä'rtWe  178. 
Ä;am^;«  178.  182. 
{bijkänninge  184. 
carda  175. 
^•a^^e  172.  173. 
Ä;«//  198.  200. 
i-rt^f/e  199.  200. 
Ä-ei  198.  200. 
l-eMe  178. 
Ä,-e?f  181. 
cÄeZ*e?i  182. 
Ä^emj)«  178.  182.  182. 
kenninghe  184. 
^-erß  195. 
Ä-erf?e  186. 
kerstenede  198. 
i-erf  198. 
kielde  178. 
kladdd  173. 
Ä;Zaej  198. 
tZäfÄ  188.  194. 
cZf7^Äar  189.  194. 
cZä//  198.  199. 
cleen  198. 
Ä;Ze«e  198. 
Ä;Z/m  179. 
klimme  111. 
knappa  172. 
kneppa  172. 
komen  180. 
ki/nbacke  172. 
Zfk«  194. 
Zaei  198. 
laeckinge  174. 
Zaes^a  187.  197. 
ZaeZ  186.  188.  196. 
laeyda  198. 
lackia  174. 
Zrt^•^  173. 
lamethe  184. 
lamid  180. 


lanimeth  181. 

langer  a  179. 

Za«(/  179. 

langh  179. 

langist  179. 

langor  179. 

lappa  172. 

Zrtre  189.  194. 

Z«s^  187.  197. 

Z«sZa  197. 

laster  172. 

ZSZ  186. 

Zf7Ze»  188. 

ZaZa  172. 

ZsZZe  186.  187.  188.  196. 

lüuwa  194. 

Zf7if«  189.  194. 

läwia  194. 

ZetZa  186.  195.  196. 

ZecZe  194. 

ledene  198. 

ZefZZ^c^•  198. 

ZeefZZeX-  198. 

Ze/"Z(;i;)  193. 

ZeÄ,-a  194. 

Zec^•  174. 

Zeci-m  174.  180. 

leckte  174. 

ZeZa  194.  195.  198. 

lemid  180. 

lemith  180. 

lemithe  184. 

Ze«  195. 

Zena  195. 

Ze/wi  186. 

lenda  182. 

Ze;j<Ze  186. 

lenden  183. 

lendon  198. 

Ze?;^'  179. 

lenger  179. 

lenghist  179. 

lengra  179. 

Ze^Z/i  182. 

Ze/iZs-e  178. 

Zera  195. 

Zer(Ze  186.   198. 

Zer(e)sZ  198. 


Wortregister. 


623 


lessa  197. 
lesta  187.  197. 
leste  367. 
lestene  197. 
let  196. 
leth  195. 
letslacht{a)  178. 
Ze«<;a  195. 
Ung{e)ra  179. 
Unghest  179. 
liödgarda  175. 
londechtene  184. 
luitelamelsa  183. 
Zy«s«  182. 
mächt  178. 
macht{e)  178. 
maest  197. 
maester  187.  197. 
man  178.  179. 
mända  194. 
man{iii)ska  185. 
mänslächtich  183. 
mantel  176.  183. 
m«ra  189.  194. 
mas^  187. 
wäs^  197. 
m«s<,  -e?*  187. 
mäster  197. 
me  194. 

meent  198. 

meente  198. 

»teer  194. 

mehtie)  178. 

me«  178.  179. 

wen  195. 

wene  198. 

mengde  182. 

m.emchfald  183. 

menie  183. 

men{ne)ska  185. 

menscha  185. 

mensingheed  198. 

mensia  182. 

mente  198. 

weH^eZ  176.  183. 

mJs^  197. 

wes^;  -er  187. 

mester  197. 


mo/i  178.  179. 
monda  194. 
monslachtich  183. 
mülabredene  197, 
mi/nsclia  185. 
n«  186.  189.  190.  192. 
nae  192. 
naemt  182. 
nam  171. 
[n)ämmon  196. 
)iamna  182. 
ne  189. 
jieen  198. 
nemen{t)  197. 
Hemman  197. 
nemmer  197. 
nimmen  197. 
niüghenspätze  189.  194. 
nirigenspetz{i)e  194. 
öfZer  201. 
oenbreng  178. 
oe>tbrenga  178. 
oenbrensze  178.  179. 
oenetvemnn'd  183. 
oenflecht  178. 
overlendich  183. 
offlech{t)  178. 
ofledene  198. 
oflefhegenze  178. 
öt  198. 

ombechf{e)  177. 
onderstannisse  185. 
ondlenge  183. 
ondwarde  174. 
öngefael  177. 
önweemd  183. 
önwemed  183. 
ö/Äer  201. 
(J//e  198. 
pae(^  174. 
pannig  183. 
panning  184. 
^aw^  182. 
passia  172. 
penda  182. 
pendan  182. 
pennig  183. 
penning  184. 


2>en^  182. 
peijnda  182. 
jjZaja  172.  173 
^Za«e  173. 
pralling  176.   184. 
prelleng  176. 
prelling  184. 
rdc/i^  186. 
rac/t^e  185.  186. 
raind  182. 
röH  191. 
ra«i!A  182. 
/•«i)  188. 
rec/«^  191. 
re(^e  198. 
reesraef  187.  188. 
re^-«  185.  186.  195. 
renda  182. 
rende  178. 
renna  182. 
rennande  182. 
rew^/i  182. 

rerfTf  187.  188.  193. 
refe«  195. 
retsia  186. 
rei/nd  178. 
rinna  182. 
o«cZ  182. 
saeninghe  184. 
säiver  186.  191. 
sa«d'  182. 
sa«^  176. 
stt«5'/t  182. 
sän{n)a  184. 
sänna  182. 
sdw^  182. 
samen  183. 
samin  183. 
saxinna  185. 
scAae^  186.  188. 
schaete  188. 
schaet[e)  196. 
schansa  177. 
scÄdWe  186.  188. 
scÄe^^a  195.  196. 
scheed  198. 
scheet  196. 
schenien  193. 


62-i 


Wortregister. 


sehet  173. 

sehet  ha  186. 

schie  201. 

se  198. 

seer  198. 

sever  191. 

seftechhed  200. 

seinda  182. 

sei-  178. 

secÄ;e  173. 

seZe  188.  190.  198. 

seit  198. 

semin  183. 

senda  182. 

sew^^  182. 

serade  193. 

(Jt>erfZ  198. 

sere  198. 

serilsa  198. 

Sexena  185. 

s/e  201. 

sih'äp  191. 

-s/ne  179. 

6/rt^^  182. 

scanc  182. 

sca_p  173. 

sc«^  178. 

sjtdi(;t)  196. 

sia«e  187. 

-skäwiath  199. 

sce/^a^a  186.  189.  193. 

skeme  178. 

scenda  183. 

sÄrenc  182. 

scenzie  177.  182. 

sÄ;e^  173. 

s/ceif  173. 

si-e^Ä  196. 

sÄ:e^Ä«  195.  196. 

skie  201. 

skraeie  198. 

scräi/a  198. 

slagen  180. 

sZeÄ;  195. 

snabba  172. 

swaÄ;  172. 

wanger.  snal-  172. 

spedel  195. 


spedia  194. 

sprangel  183. 

spernsze  182. 

s^ac  172. 

s/öZZe  179. 

stoni  180. 

stefgenze  179. 

stempene  184. 

s^e/;  195. 

stenen  198. 

s/ens  198. 

s/e«/  180. 

steente  198. 

s^jws  198. 

straffia  172. 

sträng  179. 

strengh  179. 

strumphelte  178. 

sivang  178. 

sivang{t)  182. 

sward{e)  174. 

swärt  174:. 

swengh  183. 

stvengh(e)t  188. 

stvense  182. 

s«i'e>V  174. 

stvertiji)   174. 

««/'■es  187.  195. 

s«<;e/  187.  195. 

sivingt  183. 

^«  189. 

^äÄ;er  186. 187. 189. 192. 

^aÄ:3  172. 

/äwe  189.   193. 

feÄjen  195. 

tempel  362. 

terent  182. 

^e^Ä  179.    201. 

/Äc  186.   187.  188.  189. 

191. 
/Mm  186.  191. 
thampene  184. 
thetnpene  184. 
thenne  183. 
thenzia  182. 
/Ä^i^/e  201. 
tüdampf  181. 


/or//a  201. 

tohinsinge  184. 

tohwände  201. 

/ÖCÄ  201. 

tre{u)ive  200. 

truchstrinzede  183. 

<yMsa  183. 

/M'«  186.  187.  189. 

^?ram  186.  191. 

fjrefZe  198. 

/«ree«  187.  198. 

ficeZe/"  197. 

«f/^ene  187.  188.  190.  198. 

undhenda  181. 

i<«eZä/'  188.  191. 

nneidemeth  180. 

unlende  177. 

unwalde  179. 

un  weide  179. 

ürholna  180. 

ürsanc  182. 

ütmcardes  IIb. 

ütawerdes  IIb. 

ütekiimken  180. 

üthemede  198. 

ütlendes  177. 

ütlendesca  185. 

ütrendene  184. 

w7fÄ  187. 

icaech  192. 

waelde  177. 

/e^aeZZ  177. 

wäinia  192. 

wainpath  174. 

*?<^r7Ä;  187. 

wa/(Z  178. 

tvalla  178. 

?<-'«»<  182. 

tvardia  174. 

it'ar/'  174. 

ivarve  174. 

iiarm  174. 

warte  174. 

warth  174. 

icüsanda  189.  194. 

?rä.se  194. 

wäsich  194. 

?^aa;f  185. 


Wortregister. 


625 


wai/nia  186. 
toe  187.  188. 
tveack  194. 
weaze  194-. 
wed  195. 
tveden  187.    198. 
ivedling  198. 
wednelsa  198. 
wedskemmene  184. 
iveemd  183. 
weinia  192. 
weind  178. 
tveinten  183. 
weiwendene  184. 
wekande  193. 
««'ß?  178. 
«t^eW  178. 
tveldig  183. 
tvemmid  183. 
«<?ew(?  178. 
wenda  182. 
wendene  184. 
loense  182. 
it'ßMi  182. 
M'ere  174. 
««'er/^  174. 
werve  174. 
««j^sa  195. 
«^.•e^  187. 
jccxe^  185. 
weywend  178. 
wmÄra  181.   191. 
windsei  195. 
M'faÄ;  194. 
wiücht  181. 
wlenima  180. 
tvlitetvimmelsa  183. 
wliti{tv)lemmelsa  183. 
ifJÖ^A;  194. 

waÄ;  173.  189.  191. 
waÄ:  173.  191. 
«<>ea((Z)  194. 
ivreedheet  195. 
wreet{h)  195. 
tvunnen  180. 
wyeZc?  178. 
tvyeldig  183. 


Angelsächsisch. 

aftÖMd  174. 

assa  174. 

<5  192. 

CP5  198.  200. 

cPäAif'a  193.  200. 

(k^hwceder  193.  200. 

ce^hivelc  193.  200. 

cp/c  193. 

(gpi^e^  173.  174. 

<ts  116. 

öoes^  121. 

ö^jew  190. 

öeoc  158. 

Äös  116. 

^'rerf  119. 

Är^c  103. 

^e'os^  117. 

breotan  119. 

ördc  103. 

Jr^san  118.  120. 

AM  398. 

dragan  106. 

ealdor  234. 

ealdorman  234. 

mro  383.  384. 

earslgre  365.  366. 

eornost  384. 

fa'Ä  192. 

fcpjrf  192. 

/■ceÄ(f  192. 

fcenine  186.  191. 

feo  158. 

j^m<  326. 

^CEten  341. 

jeaj:»  359. 

^eli^ere  366. 

^elvre  366. 

^erckde  384. 

^escead  195. 

^rted   103. 
glcere  104. 
^Z^o  103. 
^rcp^  99. 
^freoi  100. 
grindan  100. 


Indogermanische  Forschungen  XIX. 


grindel  99. 
habban  174. 
ÄfcÄÄe  173. 
hassuc  174. 
herein  341. 
Jieadorian  114. 
hearra  197. 
Maivan  126. 
herecumbol  445. 
Äeorf?  124. 
hierstan  123. 
hiersfepanne  123. 
hladan  116. 
Ates^  116. 
AWff  116. 
Modere  116. 
hnappian  174. 
hncejipian  174. 
ä/wVm  103. 
Ä06;2^  128. 
hodma  129. 
hreodan  123. 
Äre<f  116. 
Äros#  123. 
hrödor  116. 
Äi(  398. 
Ä«sc  128. 
/i«<(f  451. 
Ä^W««  129. 
%rs^  123. 
hijrstan  123. 
Äi<><KS  127. 
Ä«<;oe^  127. 
^■5^7  366. 
/t7  366. 
cassuc  174. 
C0P5  198.  200. 
ceaUian  182. 
ceosoZ  327. 
Ci7(^  335.  336. 
cZcpj  198.  200. 
crabba  174. 
CM  393.  394. 
cum{b)l  363. 
cumbol  363.  445. 
c^cen  341. 
lappa  174. 
Iceppa  174. 

41 


62() 


Wortregister. 


Icks  197. 
l(sUa  172.  174. 
Iceuw  367.  369. 
leosca  367. 
leouer  369. 
lewe?-a  369. 
lesca  367.  36S. 
/m-«  365.  366. 
iTreht  365. 
Z/s<  120. 
lid  120. 
mansla^a  170. 
mattuc  174. 
meodren  158. 
ondlong  183. 
On^eZ  185. 
rendan  182. 

JW?S^    12-i. 

sacc  174. 

sear  503. 

st^di  366. 

si^i'ras  366. 

simble  362. 

sim?e  362. 

s/ras  366. 

siy^e  366. 

scanclira  365. 

sceotan  126. 

screadian  123. 

scrüd  123. 

sci<cZa?i  126. 

spftcZZ  195. 

Speerlira  365.  366. 

iipeoruliran  365.  366. 

studu  323. 

sw«  96, 

si/mbel  362. 

synile  363. 

<äcor  186.  192. 

timple  361. 

fd^  387. 

tö-scec^an  385. 

tö-pwTnan  348. 

<>w/"  -150. 

^w/jen  190. 

daccian  174. 

/;äM  356. 

pänian  356. 


pawian  350.  353. 

<fcem  191. 

pänian  356. 

pcesnia  353,  354. 

(fe'oj/'  381. 

perscwold  426. 

pinan  351.  356. 

/«wi?e  362.  363.  364. 

pivmian  348. 

pwTnan  348.  350.  351. 

jfßj  192. 

wdcian  193. 

waelle  178. 

icealh  379. 

tvearte  174. 

««'eiö  338. 

«feZZe  178. 

j<>eoce  361. 

weosend  347. 

ivesend  347. 

?ae«  178. 

Windel  447. 

wocia  359. 

ivocie  359. 

«wa5  359.  360.  361. 

ivociga  359. 

tvrdd  195. 

wrdsen  117. 

wridan  117. 

2<^r/s^  117. 

MJ«//'«^  170. 

ivyrst  117. 

3Iittelenglisch. 

Ä«</'si  123. 
couren  343. 
euren  343. 
cj^'Fe  330. 
lakien  174. 
?rt2>/)e  172. 
?ere,  Zeere  365. 
?esÄ:e  367. 
/jre,  Zyre  365. 
micher  102. 

Neuengliscli. 

^>as^  121. 
ie(?  449. 


iz-eecÄ  103. 
cotver  343. 
Ci</'f?s  344. 
(i/sÄ  450. 
(7;-m<  100. 
grünt  101. 
Ä2<sÄ-  133. 
Ä2t7  3.30. 
?asÄ;  367. 
Zas^  367. 
Zear  365. 
?eer  365. 
leerrib  365. 
%  366. 
?es^  367. 
?w'e  365. 
?/sÄ;  367. 
Zj«e;-  337. 
///er  365. 
?yre  365. 
mandrel  434. 
niitch  102. 
^me  349. 
2«ee  330. 
gite/y  330. 
gwo//  330. 
gw//  330. 
repine  349. 
s/afß  379. 
Si>i7e  208. 
temple  362. 
threstold  426. 
<t«?i  362. 
twine  3i9. 
«'»ce  361. 
tvheel  455. 
jf'/c^'  361. 

Urnordiscli. 

pewaii  381. 

Altnordisch  und 
Altisländisch. 

afkdrr  343. 
dnaudigr  379. 
«s  116. 
barda  119. 
irfs  116. 


Wortregister. 


627 


hast  121. 

beinbriöta  251. 

beinstör  }•  252. 

beiskr  385. 

be7-ja   118. 

Bestla  114. 

öerfr  449. 

blaka  105. 

blakra  106. 

öZär  100. 

bladra  110. 

blistra  105. 

&/y  100. 

ior^^  119. 

Ö0?«  336. 

bolvasmipr  446. 

bringa  119. 

*>:;-(5s^  117.  118.  119. 

Äridto  119.  120. 

JrdÄ;  103. 

burst  118. 

(?/sÄT  450. 

draga  106. 

drrf^•  106. 

(ir(5^  106. 

düsa  340. 

ettfar  335. 

e«sa  136. 

endi  181. 

erfmarkids  327. 

fcpr  369. 

feima  191. 

fingrmiör  252. 

fötbrotinn  252. 

föthQggva  251. 

/•p«^  177. 

/•//?  216. 

gaddr  133. 

gaupn  359. 

geigr  198. 

gladr  103. 

gr/i«  358. 

^?iYa  104. 

^?/^m  104. 

<//m/'r  357.  358. 

^r«V  99. 

greidr  384. 

grind  99. 


^ri(5«  100. 

gidlkdrr  341. 

/m^r  385. 

hdleggr  252. 

hdlsdigr  252.  253. 

hdlshgggva  251. 

hdlslangr  2b2,. 

hdlsliösta  251. 

handsidr  252. 

M»M  93. 

Äa/j«r  379. 

hardkaitss  252. 

hcerulangr  252. 

hauss  129.  130. 

herra  197. 

her  st  r  123. 

Ä^Vm  96. 

hlada  116. 

hlenni  116. 

Ä?g?r  368. 

/jossa  126.  127.  128. 

hgggva  126. 

Äprr  448. 

hraustr  123. 

Ärj(^rfa  123. 

hrödr  116. 

Är(5s  116. 

Är(5«  123. 

huann-iöli  321. 

hiiass  127. 

Jiiidta  127. 

ÄMa^r  127. 

ÄM^^  455. 

huerfa  455. 

/g'M^Z  366. 

Ä;«  344. 

kdbeinn  318.  344. 

hdrhQfdadr  341. 

kdrhgfdi  341. 

Mri  343. 

iTari  341. 

Mrr  318.  341.  345. 

karskr  385. 

ÄrzoZZ  344. 

H(5ss  327. 

Ä;H«r  100. 

Ä;ne  325. 

fcms  101. 


krytia  101. 

Ä^i<-  330. 

kuhhr  445. 

kulga  330. 

Ä;i(«Vr  329.  330. 

kuikr  330. 

Ä;t>/sto  117. 

Ä;i<Za  344. 

Ä-«m^-Z  363.  445. 

kumblasmipr  446. 

kumbr  445. 

ä;mw?  363.  445. 

Äj^r  393.  394. 

Ä;//rr  343. 

launkdrr  343. 

Zawss  368. 

Z^r  366.  367.  369.  370. 

%^r  366.  367.  369.  370. 

Z/s^a  120. 

Z/(fr  120. 

man  378. 

marr  381. 

werr  381. 

mondultre  434. 

mgndult  434.  436. 

wei  189. 

nisi  122. 

«jsfa  122. 

nwa  136. 

oc?(Zr  133. 

ormr  216. 

o.rj  341. 

ß/iw  338. 

OMc^  178. 

Qrdugr  109. 

prr  383. 

r«s^  117. 

Wcfa  117.  384. 

rgskr  385. 

rwsi;  100.  124. 

saurr  352. 

sigdr  366. 

skaga  385. 

skalkr  385. 

skaptre  434. 

skaudir  129. 

skaut  126. 

skjöta  126. 

41* 


628 


Wortregister. 


sl-rj6dr  123. 
skriid  123. 
smigr  352. 
staJckr  172. 
sud  96. 
sueitm  378. 
s?«'»  341. 
suipkdrr  343. 
sunibl  362. 
tiustr  341. 
<r^  325. 
tuistr  3i0. 
j5a'  350. 
pambd  363. 
ßatnbarskelfir  363. 
pambr  831.  363. 
pembi-priotr  364. 
/»MM??  332. 
j5/(fa  356. 
pidinn  356. 
pidna  356. 
J5/£fr  356. 
J50yr  350.  353. 
^pmö  363.  364. 

Prdndr  324. 
^rcE/Z  382. 
preskiildr  425. 
j&rdasÄ-  324.  325. 
>-(5»(;r  324. 
proskask  325. 
proski  325. 
^rosÄv  325.  385. 
^ro^^'  325. 
prütinn  325. 

piimkdrr  341. 
^ä'  381. 

?/r<fr  170. 

«a;»  341. 

vaskr  385. 

t'öss  116. 

rarta  174. 

fe/a  338. 

fe/"r  338. 

visundr  34:7. 

vpg  430. 

vgdui  366. 

ytnlingr  216. 

yxin  341. 


Neuisländiscli. 

gneiste  136. 
grautr  125. 
(h)neiste  136. 
il/ds  327. 
Ä;;?ra  343. 
Z(s/-  365. 
/;"(5sÄ;/  367. 
^am  364. 
tcemja  364. 
tvistur  340. 
pamb  363. 
pamba  363. 
pambdrdalr  363. 
pemba  364. 
pemhingur  364. 
^roj  324. 
proska  325. 
piimba  365. 
piimbaldi  365. 
pumbari  365. 
pumbast  365. 
pumbi  365. 
^i<s  340. 
pvalu)-  352. 
varkdr  343. 

Färöisch. 

Ä:yOö'  327. 
tamba  363. 

Shetlandisch. 

Temiia  363. 
Tomnialands  363. 

Altnorwegisch. 

pambi  363. 
pcembini  363. 

Neunorwegisch. 

aMZ(e)  321. 
^iÄ?c  336. 
rf;«  357. 
Diuve  358. 
rfwtja  357. 
Givre  358. 
Giuered  357. 


(7/m/  358. 

Giiifua  358. 

Gjuva  357. 

Gjuvberget  357. 

Gjuve  357.  358. 

Gjuven  357. 

Gjuver  357. 

Gjuvet  357. 

p'/aa  358. 

^(/aa  358. 

groöZ»  358. 

gn'se-bele  337. 

5'M«;  358. 

Gyvuulid  358. 

Jiunde-bßle  337. 

/jt<sA;  128.  133. 

/  (?/2<M  358. 

./«*  357. 

jMi;  357. 

J^ttvö  357. 

Ä;aa  318.  344.  341. 

kaara  344. 

kaare  342. 

Ä;at<r  341. 

Äaio-rt  318.  341.  342. 

345. 
Ä-/ore  344. 
Ay'öre  344.  345. 
Äyos  327. 
Äyos  327. 
Ä;;öse  327. 
kjßra  344. 
^J«s^  341. 
AoZc?  335.  337. 
Aör  344. 
Ä-^r^r  344. 
kßijsa  327. 
Ä-ri7Ä;  318. 
krüka  318. 
^■j<W  335. 
Ä;«7r  344. 
ÄJitra  343. 
kvtga  330. 
Ä;^sa  327. 
Zaar  366. 
Za^  337. 
I  ?ögr  366. 
I  /e^(Ze  337. 


Wortregister. 


629 


legg  366. 
liuceka  368. 
lös  368. 
mungel  434-. 
nöd-eld  136. 
oke  861. 
raMS<  123. 
rost  123. 
r^s#  123. 
reste  123. 
regste  123. 
»•«sü  123. 
^emia  331.  364. 
Temmen  363. 
tenipal  362. 
<en/a  364. 
^iV?a  356. 
^wc  356. 
Tomma  363. 
tvilla-st  349. 
ii'fjia  349. 
«rrni7  349. 
tvinla-st   349. 
tvinna  349. 
tvinnalst)  350. 
tvinnast  349. 
tvisla-st  349. 
iijjsf  340. 
tvista-st  349. 
f^s«  340. 
«<?sÄ;  385. 
OTÄ;  361. 
vikk{e)  361. 
vrida  sig  3i5. 

Altschwedisch. 

cinaud  379. 

annöpogher  379. 

äskvigge  128. 

dregh  106. 

e^ar-  335. 

/ar  369. 

Ä.0^ff  127. 

kärdtter  341. 

Ä;oWer  335.  336.  337. 

kulder  335. 

kwigha  330. 

/rtr  366.  367.  369. 


?/ö  368. 
liömber  368. 
?j^er  120. 
liümber  368. 
liumske  367.  368. 
ZmsÄ;e  367.  368.  369. 
i//sto  338. 
tggsna  339. 
presker  385. 
thwdena  349.  350. 
thwdenadhcr  349.  350. 
thtvcenande  350. 
tJitvTna  349. 
pgsta  338. 
thi/s{t)na  338. 
%6'^er  338. 
^?/s^  340. 
thys{t)Uka  338. 
varsker  385. 
vaptvi  366. 
vcever  338. 
i<?ns^  117. 

Nenschwedisch. 

dker-kjusa  327. 
(Z;m  358. 
djuvcer  358. 
förtvina  349. 
gäuasig  358. 
gätihärdugr  358. 
göpen  359. 
^rws  125.  133. 
giibbe  359. 
/y«?  455. 
ÄMdfZa  129. 
Jwfa  358. 
M/'e  342. 
Ärare  342. 
fc;2<s  327. 
kjiisa  327. 
krukmakarhjul  455. 
krukmakarskifva  455. 
ämZ?  335.  337. 
A'ttr  344. 
tur«  343. 
kviga  330. 
Zä^^r  366. 
lättna  353. 


/är  366. 
//um  368. 
IJumske  367. 
(/VMsÄ:e  367. 
lomske  368. 
mongel  434. 
mw^a  121. 
Mas^  122. 
nöd-eld  136. 
öy  338. 
rös^  123. 
rös^e  123. 
snaikstä  136. 
tämpel  362. 
ii«  356. 
^«na  356. 
tröskel  426. 
iyma  349. 
^//s^  338.  339.  340. 
tgstna  338. 
vä/"  338. 
t?res  117. 
rrcsa  117. 
vresalm  117. 
vresig  117. 
i;r«(Za  117. 

Altdänisch. 

Ä-oZZ  335. 
liüskae  367. 
Ijiiske  367. 
<^s^e  338. 
tivcenes  349. 
^%6'^,  ^Äos^  338. 
thijstae  338. 
thystelik  338. 

Neudänisch. 

^'rws  133. 
gubbe  359. 
Ä'»7(Z  335. 
A;Mre  343. 
ÄT^se  327. 
koernmangel  434. 
Ä;o?:e  330. 
Z?<sÄ:e  369. 
Z.ysÄ;e  367. 
tämpel  362. 


630 


Wortregister. 


t0ss  338. 

tvine  349. 

ti/s  339. 

ti/s{s)  338. 

ti/sse  339. 

f//ssted  339. 

^//s^  338.  339.  340. 

ti/stne  338. 

Litauisch. 

alkilne  366.  367. 
cZe  204. 
atis  93. 

apsimiiilijju  206. 
af  208. 
dtidra  321. 
aüksztis  400. 
a?</^s  321. 
awn;«  321. 
avilys  321. 
balandis  110. 
barzdä  133. 
öerft<  320.  448. 
begtmas  400. 
Äi^js  400. 
Ä^^^rZf  400. 
berzas  111. 
iZaÄv'  109. 
blebenti  110. 
bridujüs  118. 
briaunä  118. 
bridiitis  118. 
brinkti  119. 
dvesiü  107. 
dvylas  110. 
draudzü  121. 
drausme  121. 
drausmüs  121. 
iäcs/s  116. 
edtmas  400. 
iäjs  400. 
/(^«  400. 
elküne  366. 
gadhiti  117. 
galtindu  109. 
galästi  103. 
(/awras  318.  342. 
gaiirai  318.  345. 


gaurutas  342. 
ß'ejs^j  208. 
gembe  206. 
gendü  117. 
^fertVf  111. 
p/  108. 

p-^Vm  217.  218. 
girnos  104. 
p^t'ßs  383. 
glaudas  103. 
glinda  103. 
glitüs  104. 
glodüs  103. 
grandä  99. 
grausmas  125. 
grausme  125. 
grausvingas  125. 
grendti  100. 
grindh  99. 
griuvii  99. 
grödas  101. 
grüstüvas  125. 
^t«//«  336. 
^rw/Za  336.  337. 
^f««?^^  336. 
ß'M^/s  336. 
^7^as  400. 
«V>/s  400. 
hzmanginis  436. 
jaiidrinti  137. 
>^a  239. 
i«s  96. 
jüdinti  137. 
jüdra  137. 
Jmc?«  137. 
judüs  137. 
judüti  137. 
>mcZm  137.  399. 
kdrsztas  123. 
kafsztis  123. 
kduju  126. 
kduszas  129. 
^'ar(5<^  206. 
kelias  208. 
kerszlngas  124. 
kerszyti  124. 
kefsztas  124. 
kerszüs  124. 


kiduszas  129. 
Mausze  129. 
kiaüszis  129.  130. 
kiaütas  129. 
klrszti  124. 
kifstas  123. 
klrszinti  124. 
Ho/m  117. 
krebenk  208. 
krankti  208. 
krasas  124. 
krutü  123. 
krufüs  123. 
krüvinas  208. 
Ä;%/s  129. 
kiiinpas  208. 
kuntü  126. 
kustü  126. 
kuszys  130. 
^M^d  126. 
ÄJMife'Yt"  127. 
Ä;«<<g7s  129. 
kutrus  126. 
Ä;z<i'i<  126. 
kväpas  208. 
Ä;rß>f?:  208. 
lankstas  134. 
lankstyti  134. 
^ä^se-  104.  120. 
/g^s^^-  120. 
magöti  206. 
maiszyti  333. 
mangalis  436. 
maskatoti  209. 
mäskatüti  209. 
maskavöfi  209. 
mdstagöfi  209. 
mästegüti  209. 
mdudau  121. 
maudyti  121. 
mdustau  121. 
mentüre  435. 
migas  334. 
megöti  204. 
migti  204. 
■milinys  435. 
m«///^i  206. 
möstagfiti  209. 


Wortresister. 


631 


ntosuti  290. 
muilyti  206. 
müszti  SS-i. 
negi  108. 
negü  108. 
nudraudus  121. 
ö  204.. 

pagadas  117. 
paglöstgti  109. 
pajuda  137. 
paMrszti  124. 
paklöde  117. 
pafszas  216. 
parszukas  217. 
paslaiiginti  377. 
pätalas  449. 
pelen-rüsis  125. 
perdziü  203. 
pereifi  383. 
pereivä  383. 
pereivis  383. 
piätiti  208. 
^</Za  326. 
^Iwf»  326.  333. 

^/tes  326. 
praskundü  127. 
raüsvas  124. 

rffM^t  99. 

rezglmas  400. 

rezgis  400. 

rezgü  400.  448. 

ruaeti  124. 

riidis  124. 

rusfas  124. 

rüsvas  124. 

saüsas  503. 

semiü  332. 

skdistas  208. 

skaudulys  127. 

skaust   127. 

skiduti  126. 

skudrus  127. 

skuduretis  127. 

skundä  127. 

skuste  126. 

skutä  126. 

skutineti  126. 

skütas  126. 


skutnä  126. 

skütos  126. 

skutü  126. 

spiriü  442. 

stdine  206. 

styra>i  355. 

styrti  355. 

su-jaudinti  137. 

svestas  322. 

szduju  126. 

^'2;^s  94.  95. 

s^dA^tt  385. 

s^M  208. 

tampaü  331.  364. 

tamprtts  364. 

tdnkus  353. 

tafnas  382. 

iaszlä  354. 

teksnis  382. 

^^K«  381. 

tempiü  331.  362.  364. 

teniptyva  331.  364. 

teszlä  354. 

timpa  331. 

Hmpstü  331. 

tinklas  332. 

fyrfls  355. 

<//rrtt  357. 

/^re'  355. 

tHnagas  372. 

töh'mas  400. 

^oZ/s  400. 

irwÄJ^ji  208. 

Msaf  347. 

üzklodas  117. 

uzmingü  334. 

ulektis  366. 

w^«s  128. 

vatkas  378. 

vaikisztis  216. 

vapsä  348. 

vafgas  387. 

vdrna  395. 

rafnas  395. 

vdszkas  208. 

vercziü  169. 

vergas  387. 

vezimas  400. 


wZwa  346. 
vifbalas  160. 
vifbas  160. 
virszüs  203. 
vystas  134. 
vystau  134. 
«ö^^i  208. 
zirnis  104. 
zmunes  382. 
Ämw  382. 

Preußisch. 

aucktimmien  400. 
aucktimmiskü  400. 
aM?/s  321. 
glosto  103. 
grandico  99. 
ilgimai  400. 
ilgimi  400. 
Ä;ewfo  129. 
knaistis  136. 
lagno  366. 
lauxnos  161. 
?//so  104. 
maldian  216. 
manga  436. 
mandnoelis  434. 
pokünst  446. 
pokünti  446. 
pocuntieis  446. 
j)oküntons  446. 
<«ws  93. 
tusnan  339. 
tussTse  339. 
i<;a/a;  378. 
wanso  347.  348. 
ivosistian  216. 

Lettisch. 

avüts  321. 
iec^re  320.  448. 

Ä/«(^M  110. 

Ä?rt^s  105. 
blaifit  105. 
WaÄ;<s  109. 
(?e/w  329. 
dragät  106. 


632 


Wortregister. 


draudet  121. 
draudi  121. 
draustna  121. 
esma  116. 
gaita  330. 
güju  330. 
galüds  103. 
(jfä</s  330. 
gauri  318.  342. 
glaima  104. 
ütZ^s  10-i 
gratids  100. 
grüstis  125. 
gul'a  336. 
^M^to  336.  337 
gruri«  336. 
i?M«-  318. 
ßTM^a  336. 
jauda  137. 
jaudät  137. 
^'efl^a  239. 
Ä;a/-se^  124. 
karsts  123. 
hauju  126. 
Tcauss  129. 
kavdt  206. 
krasa  124. 
Ä;M^(a)  126. 
l'audis  378. 
maudät  121. 
mozöti  209. 
j)iÄ;a  326. 
jpiVcs  325.  326. 
pikids  326. 
i)j7  326. 
ptfe  326. 
rüsa  120. 
rusla  124 
rwsto  120 
rttsfe  120. 
rüstet  124. 
schJiaute  126. 
6J>a  383. 
stra  383. 
sm  383. 
stW  383. 
skaudre  127. 
skaudrs  127. 


124. 

.  124. 
124. 


skundu  127. 
skütu  126. 
skutttes  126. 
s^fj^'s  208. 
studins  206. 
sveksis  322. 
sve'sts  322. 
^a«/s  332. 
tiijene  94. 
<j«a  332. 
tineklis  332. 
^mi<  332. 

tfpul'üjäs  331.  364. 
tirelis  obl. 
ttize  208. 

«r«  321. 

iJa  321. 
Msas  347. 
uadzis  128. 

Altbulgarisch. 

aZe  204. 
agoristi  203. 
asM  347.  348. 
a^wM  203.  216. 
02a  204. 
hlagü  105. 
hlizna  105. 
öZj'^m  105. 
bljiido  450. 
bljuvati  110. 
öorj'qr   118. 
ÄracZa  133. 
bratrija  377. 
brazda  133. 
i>-M(^  118.  119. 
brüselü  120. 
brüsnqti  120. 
örw^f?«  119.  133. 
brijsati  120. 
büdeti  203. 
f#rf«Yj  206. 
c^«a  208. 
cÄorfM  379. 
Ja^M  204. 
detverü  373. 
detvorü  373. 
mm?  116. 


<?/«<«  130.  132. 
«^HM  203. 
J?or#Ä;M  207.  213. 
dirinü  106. 
divesa  381. 
f^/ftnr  204. 
fZojtY»  204. 
düchnqti  107. 
düska  450. 
rfw»«  203. 
(:?r?V>  389. 
</?ckZ/^/  103.  431. 
gladükü  103. 
^0  108. 
gradü  101. 
grazdaninü  399. 
(^rocZi"  119. 
grechü  100. 
gredq  99. 
gredü  99. 
grfznq  204. 
grivina  203. 
gruda  100. 
grudije  133. 
gruzdije  125.  1.33. 
grijzq  204. 
günati  203. 
gvozdi  133. 
i?m  203. 
ispyti  208. 
/^M  203. 
jagoda  206. 
jas-li  116. 
javiti  206. 
Ä-a^^a  450. 
;i-9<M  203. 
Ä:?«rfo  117. 
Ä-^M^i-  203. 
krada  124. 
krasa  124. 
krasiti  124. 
krüvi  203. 
ÄrwfZiYj  127. 
Ä;M;a  126. 
Äv/rZa^i  127. 
laküti  366. 
?^c;m  104.  120. 
magatt  206. 


Wortregister. 


633 


marinü  205. 
marJca  206. 
mftq  435. 
miglivü  204. 
mignati  204.  334. 
minq  203. 
misa  450. 
misti  133. 
mizati  334, 
mizda  133.  139. 
mlüöiti  203. 
mlüzq  203. 
tnuzga  121. 
naroj  384. 
«»X-?M  206. 
niknqti  206. 
«tw  206. 
obaviti  206. 
o6m  204. 
0(?r«  449. 
ojiminü  398. 
okomigü  334. 
o«M  93.  94. 
osa  348. 
oswii"  207. 
osw«  207. 
OSM^M   204. 
o<M  ^^f^qt  83. 
^«f^f  203. 
pfterü  373. 
i?^«  333. 
p^torü  373. 
piklü  203. 
pirati  203. 
^jYj-  329. 
pleninikü  379. 
^Ze,y7e  207. 
plinüta  203. 
postelja  449. 
potuchnqti  339. 
raiw  384. 
rozga  448. 
sfknqti  204. 
sa"  95. 
sis»  208. 
skakati  385. 
skoöiti  385. 
skokü  385. 


skopati  207. 
skgfati  sf  126. 
sltiga  'All. 
srüchükü  206. 
spijtinü  208. 
stareji  234. 
stareji.Hna  234. 
sfa^f  204. 
6f27a^i  449. 
Ä^raf?«  207. 
s/rMc?«"  207. 
s(ya  126. 
sükqtati  445.  446. 
süzori  222. 
s_ywi<  216. 
si/nükü  216. 
sesferü  373. 
sestorü  373. 
/«;■(?  356. 
^öZy«  207. 
/aM  350.  356. 
/amo  83. 
teneto  332. 
?■«/»  208. 
i'^^iia  331.  364. 
</cAm  339. 
^«7e^z  351. 
timenije  356. 
titneno  356. 
i^mje7»  208. 
f/na  351.  356. 
tJnükü  216. 
/^s/o  354. 
tolima  400. 
tolimi  400. 
trava  324. 
^«  83. 
tügda  83. 
mZic«  321. 
h7/)T  321. 
Msto  133. 
«ärc^a  133. 
«;<j.sM  347. 
t;eia  427. 
«iYj  203. 
«;o^M  429. 
vragü  387. 
vrüba  160. 


vrügq  203. 
zabiti  206. 
zamarinü  205. 
^«  108. 
^jV^^ä  239. 
;jaW^»  99.  203.  208. 
^r^/M  239. 
.s;v7i  222.  239. 
zülüva  204. 
züvati  203. 
zvizdati  106. 
se  108. 
ie/w;;»"  203. 
ii'wya  203. 
z^MCj'  203. 
zrüny  104. 

Neubulgarisch. 

lamja  206. 
rastiisa  339. 
fma  356. 
^/ey'a  208. 
iJMs  347. 

Czecliisch. 

irc^o  118. 
Ä?«fv  396. 
ÄZam  396. 
hvizdati  106. 
müiati  334. 
mnohy  373. 
woc  373. 
mocatero  373. 
niesteja  136. 
i-ei  427. 
fc'ie  427. 
veznik  427. 
vizka  427. 
voHS  347. 
sowr  345. 
2W?-  345. 

Kaschubisch. 

Ii<r  345. 

Polabisch. 

t'ostä  354. 
vös  347. 


634 


Wortregister. 


Polnisch. 

hardo  118. 
brona  118. 
choraf'  206. 
ciasto  304. 
drzewsko  216. 
gwizdac  106. 
magiel  436. 
w^/Zcf  206. 
mgnqc  334. 
m»^  334. 
migat^  334. 
pulucha  339. 
po-tuszgc  339. 
skolic  207. 
«fas  347. 
wieza  427. 
0i<r  345. 

Russisch. 

ältöikü  366. 
5erc?o  118. 
horodd  396. 
boronä  118. 
dergati  106. 
gladkij  103. 
golöw  396. 
golowä  396. 
gölowH  396. 
^o^/o  202. 
(/or^  204. 
iziimritdü  458. 
Ä-ZarfM  117. 
krdska  124. 
krdsnyj  124. 
Ä;roy   202. 
Z^cAa  120. 
ZiMrfj  378. 
migdti  204. 
nevöl'nik  379. 
nevöl'nijj  379. 
^ercZ^^  203. 
potnyj  202. 
^o^e'i'  208. 
provorü  207. 
skopaf  207. 
starosta  234. 
Student  206. 


tdjatX  356. 
^eijsü/  331.  365. 
timenije  356. 
<Mia  356. 
<?#<»•  208. 
frei»/  451.  453. 
fretijakü  452. 
«Mm  208. 
i«sM  347. 
«'e;20!  427. 
«^ia  427. 
icöron  394. 
woröna  394. 
;l/(/-M  345. 

Kleinrussisch. 

rfzMr  345. 
J«<s^  347. 
t'imenyca  356. 
<2s«o  354. 
MS//  347. 
»t^za  427. 
wesa  427. 
t'MS//  347. 
ii*r  345. 

Weißrussisch. 

chovat'  206. 
stajn'a  206. 
tvts  347. 

Serbisch. 

ÖZato  406. 

brdda  396. 

öloi-eäica  207. 

^Zar^a  408. 

^^fli^e  407. 

^rec^e  406. 

Ä-a^wn  408. 

A-??}'«  206. 

A;oc  406. 

Ä;o/?ia  405.  408. 

/mm  406.  407.  428.  446. 

450. 
kücara  408. 
Ä-«dAie  5r/-e(?e  406.  407. 
latnje  407. 
?esa  407. 


magnuti  334. 
minder  405. 
mlijeönjak  408. 
mljekar  408. 
njihati  206. 
/y'ü'«  206. 
njiinti  206. 
ognjiste  405. 
o»a/  93. 
palate  406. 
planistarka  405. 
i)Zo«  406. 
^orf  407. 

podvale  406.  407. 
pojante  407. 
pokreta»  406. 
pome)-afi  407. 
poplotnice  406.  407. 
povozna  kaliba  430. 
povoznica  405. 
previcdi  406. 
^r«^  406.  407. 
priizina  408. 
rznjaci  407. 
ston  408. 
soi/tTe  407.  408. 
suchota  406. 
toy«««  356. 
tavan  407. 
tavandzik  407. 
tavanke  406.  407. 
tijesto  354. 
tragü  106. 
t>eia  427. 
«^(«M  394.  395. 
vräna  394.  395. 
zaova  204. 
2:»rf  407. 

Slovakisch. 

Arj<c?  119. 

Neuslowenisch. 

brana  118. 
isfeja  136. 
/s(/e  136. 
kiümja  429. 
pezditi  204. 


Wortregister. 


635 


l)lede  207. 

potiihnofi  339. 

sCrba  207. 

scuti  207. 

sTceUti  207. 

skUti  207. 

sfe;'«  136. 

trag  106. 

traziii  106. 

i>^0a  427.  428.    429. 

vezica  427. 


fds  347. 
zamignoti  334. 
^öra  345. 
iiir  345. 
züra  345. 
swrrt  345. 


Sorbisch. 

(Obersorbisch  nicht 
bezeichnet.) 
desto  354. 
mikac  333. 
nsorb.  mik-nus  333. 
tymjena  356. 
tymjo  356. 
t^'^i«  427.  428. 
nsorb.  /^y'aza  427. 
ivjeza  427. 
0Hr  345. 


II.  Nichtiudoger manische  Sprachen. 


Arabisch. 

banab  458. 
mwrr  459. 
zafarän  458. 
zanbür  458. 
^Fg»  458. 
zukal  458. 
ziihra  458. 
zunnär  458. 
s'Mr  458. 
zuräfa  458. 

Aramäisch. 

'arbälä  478. 

Arzawisch. 

a5-2ra  108. 

Etruskisch. 

Jl/a>-/s  169. 

Finnisch. 

ar?>as  383. 
kaari  344. 


kaaritan  344. 
Ä;are  344. 
keuru  344. 
Ä^wrM  344. 
knuru  344. 
kuuruiset  Bi-i;. 
pafja  449. 

Georgisch. 

zarRasi  457. 
giseri  -ill . 
ziinnuxti  458. 

Hebräisch. 

mör  459. 

Lappisch. 

garvve  318. 
ÄJöfra  344. 
^jai5/a  449. 

Lykisch. 

z-ecne  320. 


Mandäisch, 

be&zainä  458. 

Syrisch. 

'arbälä  478. 
azrürä  478. 
ezwarxä  458. 
safserä  473. 
sax/j  428. 
xazzürä  478. 
zaugä  458. 
0ß«i!a  478. 
0//"«ä  478. 
0öpä  458. 

N^D'-aiT  457. 

Ungarisch. 

Magyica  431. 
hlagyidlo  431. 


Leipzig-Gohlis. 


H.  Hirt. 


Berichtigungen  und  Nachträge. 

IF.  19  S.  2  unter  V.  1  J.:  eKeivou  st.  eKelvou. 

unter  V.  5  1. :  eKeivoc  steht  mit  Affekt. 

unter  V.  1. :  6.  eKeivoc  in  Verbindung  ....  drückt  den 

Begriff  der  Mannigfaltigkeit  aus. 
S.  4  Z.  10  von  unten  1.  Stammes  st.  Namens. 
S.  6  Z.  2  von  oben  1.  Isoer.  st.  Isoer. 
S.  17  unter  III.  1  ß)  1.  T  408  st.  T  408. 
S.  18  Z.  5  von  unten  1.  t  90  st.  E  90. 
S.  19  unter  III.  1  ß)  1.  ß  171  st.  ß  174. 
S.  20  unter  IV.  1  1.  k  397  st.  k  379;   unter  IV.  2    epuKavöiuc' 

st.  epuKavduuc'. 
S.  28  unter  l  schalte  vor  748  Ant.  ein;  ib.  1.  OK.  855:  ou  KeTvoc 

t'  .  .  .  .  äW  auToc;  st.  ou  Keivoc  y'  oXk'  auTÖc  .  .  . 
S.  75  Z.  3  von  unten  1.  Fritzsche  st.  Friztsche. 


Zu  IF.  17,  491. 


Ich  habe  übersehen,  daß  die  Zusammenstellung  von  alt- 
bulg.  oß  mit  aijam  schon  von  Miklosich  gemacht  ist.  (Über  die 
Steigerung  und  Dehnung  der  Vokale  in  den  slav.  Sprachen; 
Wiener  Denkschr.  XXVHI,  1878,  S.  23.) 

A.  Leskieu. 


ANZEIGER 


FÜR 


ISDOGERMAJIISCHE  SPRACH-  UND  ALTERTUMSKÜPE. 


BEIBLATT  ZU  DEN  INDOGERMANISCHEN  FORSCHUNGEN 


HERAUSGEGEBEN 


VON 


WILHELM  STREITBERG 


NEUNZEHNTER    BAND 


STRASSBURG 

VERLAG  VON  KARL  J.  TRÜBNER 

1906. 


M.  DuMout  Schauberg,  Straliburg. 


Inhalt. 

Seite 
Martinak  E.   Psychologische  Untersuchungen  zur  Bedeutungslehre 

(0.  Dittrich) 1 

Erdmann  K.  0.   Die  Bedeutung  des  Wortes  (0.  Dittrich) 4 

Waag  A.   Bedeutungsentwicklung  unsres  Wortschatzes  (0.  Dittrich)  7 
Rittershaus  Adeline.  Die  Ausdrücke  für  Gesichtsempfindungen  in 

den  altgermanischen  Dialekten  (0  Dittrich) 8 

Rozwadowski  J.  v.    Wortbildung  und  Wortbedeutung  (0.  Dittrich)  10 
Freudenberge r  M.   Beiträge  zur  Naturgeschichte  der  Sprache  (0. 

Dittrich) 14 

Mauthner  F.    Beiträge  zu  einer  Kritik  der  Sprache  (0.  Dittrich)   .  14 
Hermann  E.   Zur  Geschichte  des  Brautkaufs  bei  den  indogermani- 
schen Völkern  (H.  Hirt) 15 

Reuter  J.N.  The  S'rauta-Sütra  of  Drähyäyana  with  the  Commentary 

of  Dhanvin  (A.  Hillebrandt) *. 16 

Edmunds  A.  J.    Buddhist  &  Christian  Gospels  being  Gospel  Parallels 

from  Päli  Texts  (R.  Pischel) 17 

Sommer  F.    Griechische  Lautstudien  (Albert  Thumb) 21 

Moulton  J.  H.   A  grammar  of  New  Testament  Greek  based  on  W. 

F.  Moulton's  edition  of  G.  B.  Winer's  Grammar  (Albert  Thumb)  21 

Meyer  L.    Handbuch    der  griechischen  Etymologie  (Felix  Solmsen)  23 
Menge  H.    Griechisch- deutsches   Schulwörterbuch   mit   besonderer 

Berücksichtigung  der  Etymologie  (Felix  Solmsen) 27 

Sommer  F.   Handbuch    der    lateinischen    Laut-    und   Formenlehre 

(Felix  Solmsen) 28 

Walde  A.  Lateinisches  etymologisches  Wörterbuch  (Max  Niedermann)  31 

Much  R.   Deutsche  Stammeskunde  (Richard  Loewe) 36 

Loewe  R.    Germanische  Sprachwissenschaft  (Josef  Janko)   ...  38 
Trautmann  R.  Germanische  Lautgesetze  in  ihrem  sprachgeschicht- 
lichen Verhältnis  (Josef  Janko) 41 

Bibliothek   der  ältesten  deutschen  Literatur-Denkmäler. 

Die  Lieder  der  älteren  Edda  (August  Gebhardt) 47 

Boyer  P.  et  Speranski  N.   Manuel  pour  l'etude  de  la  langue  russe 

(Erich  Boehme) 48 

Bulic  S.  K.    Ocerk  istoriji  jazykoznanija  v.  Rossiji  (Josef  Zubaty)  49 

Masaf  ik  J.    Sloveso  ceske  ve  svych  tvarech  a  casich  (Josef  Zubaty)  54 

Gebauer  J.   Slovnik  starocesky  (Josef  Zubaty) 57 

Schwela   G.    Lehrbuch  der  Niederwendischen  Sprache  (E.  Mucke)  62 
Prellwitz  W.  Etymologisches  Wörterbuch  der  Griechischen  Sprache 

(K.  Brugmann) 64 

Hungerland   H.     Das    wissenschaftliche    Studium    der    deutschen 

Sprache  und  Literatur  (Wilhelm  Streitberg) 71 

Mitteilungen: 

Georg  Curtius-Stiftung 72 

Zeuß-Feier 72 

Personalien 72 

Saga-Syntax 72 


I 
I 


ANZEIGER 

FÜR  INDÖfiERMÄNlSCHE  SPRACH-  ül  ALTERTÜMSKIDE. 

BEIBLATT  ZU  DEN  INDOGERMANISCHEN  FORSCHUNGEN 
HERAUSGEGEBEN 

VON 

WILHELM  STßEITBERG. 

NEUNZEHNTER  BAND.  1.,  2.  und  3.  HEFT. 


Martinak  E.  Psychologische  Untersuchungen  zur  Bedeutungslehre.   Leipzig 

J.  A.  Barth  1901.    VIII  u.  98  S.  8».  SM. 
Erdmann  K.  0.  Die  Bedeutung  des  Wortes.     Leipzig  E.  Avenarius  1900. 

X  u.  218  S.  kl.  4«.    3,60  M. 
Waag  A.    Bedeutungsentwicklung  unsres  Wortschatzes.     Auf  Grund  von 

Hermann    Pauls    'Deutschem  Wörterbuch'  in  den  Haupterscheinungen 

dargestellt.    Lahr  i.  B.  Verlag  von  M.  Schauenburg  1901.   XVI  u.  200  S. 

gr.  8^  3  M. 
Rittershaus  Adeline.    Die  Ausdrücke   für  Gesichtsempfindungen   in  den 

altgermanischen    Dialekten.      Ein    Beitrag    zur    Bedeutungsgeschichte. 

Ers-ter  Teil.    Zürich  E.  Speidel  1899.    XIV  u.  81  S.  gr.  8«.  2  M. 
Rozwadowski  J.  v.   Wortbildung  und  Wortbedeutung.     Eine  Untersuchung 

ihrer    Grundgesetze.     Heidelberg    C.    Winter    1904.    VIR  u.  109    S.  8». 

3  M. 
Freudenberger  M.    Beiträge  zur  Naturgeschichte  der  Sprache.  Leipzig  E. 

Avenarius  1900.    VI  u.  147  S.  8».  2  M. 
Mauthner  F,    Beiträge  zu  einer  Kritik  der  Sprache.    Stuttgart  u.  Berlin 

J.  G.  Cottas  Nachf.  1901—2.    Drei  Bände,   XII  u.  657,  X  u.  735,  VUI 

u.  666  S.  gr.  8».  12,  14  u.  12  M. 

Diese  sieben  Schriften  eignen  sich  insofern  gut  zur  gemeinsamen 
Besprechung,  als  zwischen  ihnen  leicht  ein  methodologischer  Zu- 
sammenhang herzustellen  ist.  Nicht  in  der  Weise,  daß  sie  methodologisch 
gegenseitig  von  einander  abhängig  wären,  sondern  so,  daß  sie  allesamt 
für  die  Frage  interessant  sind,  wie  man  zu  wissenschaftlichen  Erkennt- 
nissen gelangt  und  welche  Tragweite  die  so  erreichten  Erkenntnisse  dann 
besitzen.  Entschieden  den  günstigsten  Eindruck  erwecken  dabei  die  Ar- 
beiten von  Martinak,  Erdmann  und  von  Rozwadowski,  denn  —  aber  ich 
will  nicht  vorgreifen.  Ich  lasse  zunächst  Martinak  selbst  mit  einem 
Zitat  aus  der  Vorrede  seines  Buches  (S.  V  f.)  zum  Worte  kommen :  ''Die 
vorliegenden  Untersuchungen  über  das  Wesen  des  Bedeutens  im  allge- 
meinen sind  angeregt  worden  durch  sprachpsychologische  Interessen  über- 
haupt und  speziell  durch  semasiologische  Fragen.  Ein  näheres  Eingehen 
auf  die  Grundlagen  alles  sprachlichen  Bedeutens  überzeugte  mich  bald, 
daß  vor  allem  die  psychologischen  Tatsachen  bei  jeder  Art  von  Bedeuten 
und  Zeichen  untersucht  werden  mußten.  Und  so  habe  ich  denn,  wenn 
auch  im  steten  Hinblicke  auf  die  Sprache,  doch  ganz  allgemein  versucht, 
einen  Einblick  in  die   hierbei   wesentlichen   psychischen   Vorgänge   und 

Anzeiger  XIX.  1 


2       Martinak  Psychologisclie  Untersuchungen  zur  Bedeutungslehre. 

Gesetzmäßigkeiten  zu  gewinnen,  um  dann  auf  gesicherter  Grundlage  bauend 
die  Psychologie  des  speziell  sprachlichen  Bedeutens  behandeln  zu  können. 
Dieser  immerhin  ganz  bestimmt  nach  der  sprachlichen  Seite  hin  gerich- 
tete Zweck  der  Arbeit  muß  es  rechtfertigen,  wenn  jene  systematische  er- 
schöpfende Vollständigkeit  nicht  erreicht  sein  sollte,  die  eine  allgemeine 
Theorie  der  Zeichen  verlangte.  Eben  dadurch  ist  es  aber  auch  bedingt, 
daß  eine  speziell  philosophische  Behandlung  des  Problems,  so  verlockend 
sie  sein  mochte,  ganz  absichtlich  zurückgedrängt  werden  mußte.  Es  wird 
vielmehr  in  der  ganzen  Darstellung  von  außersubjektiven  Dingen,  realen 
Objekten,  im  Gegensatz  zu  den  psychischen  Tatsachen  mit  jener  Selbst- 
verständlichkeit gehandelt,  wie  sie  eben  in  den  außerphilosophischen 
Disziplinen  üblich  und  —  wie  man  wohl  hinzusetzen  kann  —  notwendig 
ist;  es  ist  der  Standpunkt  des  wenn  auch  nicht  ganz  'naiven'  Realismus, 
den  ich  im  Interesse  leichter  und  sofortiger  Verständigung  einnehmen 
mußte,  der  es  übrigens  dem  philosophisch  Geschulten  ohne  weiteres  ge- 
stattet, je  nach  seiner  erkenntnistheoretisch-metaphysischen  Überzeugung, 
die  nötige  Umwertung  der  betrefTenden  Begriffe  und  Termini  vorzunehmen, 
während  ein  anders  gewählter  Standpunkt  samt  dementsprechend  konse- 
quent durchgeführter  Terminologie  die  Darlegung  für  den  Nicht-Philosophen 
jedenfalls  schwieriger  gemacht  haben  würde,  den  Philosophen  aber  auf 
Schritt  und  Tritt  von  der  Sache  selbst,  der  Bedeutungslehre,  in  die  spe- 
ziell philosophischen  Hauptprobleme  hätte  ablenken  müssen."  Mit  andern 
Worten,  Martinak  scheidet  hier,  und  mit  Recht,  scharf  zwischen  der  psy- 
chologischen und  der  logischen  (insbesondere  erkenntnistheoretischen)  und 
ethischen  Behandlung  des  Problems  der  Bedeutung  und  läßt  sich  nur  auf 
die  erstere  ein.  Auf  diese  aber  dafür  in  einer  Weise,  daß,  wie  ich  den 
bescheidenen  oben  zitierten  Worten  Martinaks  gegenüber  doch  glaube 
hervorheben  zu  müssen,  alles  für  diese  Seite  des  Problems  Wichtige 
wenn  auch  nicht  erschöpfend  behandelt,  so  doch  mindestens  gestreift 
wird.  Man  urteile  selbst:  Nach  einer  Einleitung,  in  der  das  Verhältnis 
zwischen  Wort  und  Bedeutung  (genauer:  Lautkomplex  und  Bedeutung, 
die  ihm  als  Wortbedeutung  zugeordnet  ist)  erörtert  wird,  erweitert  Mar- 
tinak sofort  das  Gebiet  seiner  Untersuchung  und  gliedert  sie  wie  folgt: 
§  1:  Der  Begriff  der  Bedeutung  und  Zeichens;  'reales'  und  'finales'  Be- 
deuten; §  2:  Spezielles  über  das  finale  Bedeuten;  Zweckmäßigkeit  der 
Zeichen;  natürliche  und  künstliche  Zeichen;  §  3:  Das  richtige  und  un- 
richtige Verstehen ;  die  Bedeutung  als  Norm  und  als  virtueller  Tatbestand; 
§  4 :  Wesen  und  Natur  des  Zeichen  und  Bedeutung  verknüpfenden  psy- 
chischen Bandes  ;  §  5:  Verkürzungen  im  psychischen  Vollzuge  von  Zeichen 
und  Bedeutung ;  §  6 :  Veränderungen  in  der  Zuordnung  von  Zeichen  und 
Bedeutung;  worauf  M.  in  §  7  wieder  mit  einem  'Ausblick  auf  die  Haupt- 
merkmale des  sprachlichen  Bedeutens'  auf  das  speziell  sprachliche  Gebiet 
zurücklenkt,  das  er  in  einer  leider  noch  ausständigen  'speziell  sprach- 
lichen Bedeutungslehre'  noch  des  genaueren  zu  bearbeiten  gedenkt.  Ich 
kann  nun  gewiß  nicht  sagen,  daß  ich  mit  allem  einverstanden  wäre, 
was  M.  zur  Lösung  des  in  Rede  stehenden  Problems  beibringt:  Insbe- 
sondere scheinen  mir  seine  Ausführungen  über  das  richtige  und  unrichtige 
Verstehen  und  über  Wesen  und  Natur  des  Zeichen  und  Bedeutung  ver- 
knüpfenden Bandes  allzu  intellektualistisch  oder,  was  dasselbe  ist,  allzu- 
sehr im  Banne  der  Brentano-Meinongschen  Psychologie  (ich  denke  darüber 
wesentlich  anders,  vgl.  meine  'Grundzüge  der  Sprachpsychologie'  I  §  1561  ff.). 


Martinak  Psychologische  Untersuchungen  zui'  Bedeutungslehre.       3 

Aber  ich  muß  auch  hier  schon  wieder  in  einem  Atem  erklären,  daß  mir 
an  sich  die  Hereinziehung  auch  des  Problems  des  Verstehens  durchaus 
richtig  erscheint,  daß  M.  einiges  von  dem  Schiefen  der  Ausführungen  von 
§  3  und  4  selbst  in  §  5  wieder  beseitigt  hat,  und  daß  sich  seine  Unter- 
scheidung des  'realen'  und  Tmalen'  Bedeutens  (so  wenig  ich  diese  Termini 
zweckmäßig  finden  kann,  ich  würde  'immanentes'  und  'transgredientes' 
Bedeuten  vorziehen)  in  §  7  gerade  nach  der  Seite  hin  fruchtbar  erweist, 
wo  sonst  in  der  Auffassung  gewisser  sprachlicher  Tatsachen  sich  alte 
Vorurteile  geltend  zu  machen  pflegen.  Daß  man  mit  dem  'Hervorstoßen'  von 
'Interjektionen'  wie  o!  oft  nichts  über  diese  'Gefühlsäußerung'  Hinaus- 
gehendes, also  Transgredientes  will,  daß  sie  aber  trotzdem  in  die  Sprache 
hereingehüren,  insofern  die  ihnen  immanente  Bedeutung  (das  Gefühl)  von 
Andern  verstanden  werden  kann,  wird  in  der  Tat  erst  begreiflich,  wenn  wir 
uns  avif  den  Standpunkt  stellen,  nicht  nur  Äußerungen  mit  transgredienter 
Bedeutung,  wiesle  insbesondere  in  Imperativen  deutlich  voi-liegen,  als  sprach- 
liche Änderungen  gelten  zu  lassen,  sondern  eben  auch  solche  mit  rein  imma- 
nenter Bedeutung.  Wie  weit  die  Konsequenzen  solcher  vorurteilsfreier  Be- 
trachtung der  'Interjektionen'  in  die  Theorie  z.B.  der  Syntax  hineinreichen, 
glaube  ich  meinerseits  in  dem  Aufsatze  über  die  'sprachwissenschaft- 
liche Definition  der  Begriffe  Satz  und  Syntax'  (in  den  Philos.  Studien,  herg. 
von  Wundt,  XIX  [1902]  S.  93  ff.)  und  in  meinen  'Grundzügen'  I  §  87  Anm. 
zur  Genüge  dargetan  zu  haben,  und  ich  freue  mich,  darin  mit  M.  zu- 
sammenzutreffen, dessen  Ausführungen  über  denselben  Gegenstand  ich 
damals  noch  nicht  kannte.  Auch  die  ausdrückliche  starke  Betonung  der 
Tatsache,  daß  die  sprachlichen  Bedeutungsphänomene  mit  dem  Bedeutungs- 
wandel  nicht  erschöpft  sind,  sondern  daß  "die  Abgrenzung  des  Be- 
griffes Bedeutungslehre  insofern  erweitert  werden  muß,  als  sie  nicht  aus- 
schließlich auf  das  historische')  Werden  und  sich  Verändern  der  Bedeu- 
tungen Rücksicht  zu  nehmen,  sondern  die  psychischen  Vorgänge  und  Gesetz- 
mäßigkeiten in  der  gegenwärtigen,  tatsächlichen  Handhabung  der  Sprache, 
wie  wir  sie  tagtäglich  vollziehen,  ebensogut,  ja  in  erster  Linie,  ihrer  Betrach- 
tung zu  unterwerfen  habe"  (S.  79),  —  auch  die  starke  Betonung  dieser 
Tatsache  liegt  ganz  in  der  Richtung,  in  welcher  sich  auch  meiner  An- 
sicht nach  die  Sprachwissenschaft  wird  entwickeln  müssen.  Ich  hätte 
nur  gewünscht,  M.  hätte  hier  prinzipiell  noch  etwas  weiter  gesehen, 
nämlich  so  weit,  daß  ihm  der  Unterschied  zwischen  historischer  und 
nichthistorischer  Betrachtungsweise  innerhalb  der  Sprachwissenschaft 
nicht  als  ein  Gegensatz  der  Betrachtung  des  Vergangenen  und  des  Gegen- 
wärtigen erschienen  wäre.  Denn  auch  das  Gegenwärtige  ist  ja  historisches 
Geschehen,  wenn  man  den  Begriff  der  Geschichtlichkeit  nur  hinreichend 
weit  faßt,  und  auch  das  Vergangene  ist  anderseits  nicht  bloß  historischer 
sondern  auch  nichthistorischer  Betrachtung  fähig.  Es  ist  also,  wie  ich 
mich  insbesondere  in  meinen  beiden  Schriften  'Die  Grenzen  der  Ge- 
schichte' und  'Die  Grenzen  der  Sprachwissenschaft'  sowie  in  dem  da- 
mit zu  vergleichenden  Abschnitt  meiner  'Grundzüge'  (I  §  5  ff.)  nachzu- 
weisen bemüht  habe,  kein  Unterschied  von  Gegenständen  der  Erkennt- 
nis, sondern  durchaus  nur  ein  Unterschied  von  Formen  der  Erkennt- 
nis, der  hier  in  Betracht  kommt,  und  erst  wenn  man  dies  klar  erfaßt 
hat     treten   auch   die    methodologischen   Konsequenzen   der   nicht- 


1)  Von  Martinak  gesperrt. 

1* 


4:  Erdmann  Die  Bedeutung  des  Wortes. 

historischen  (psychologischen,  physiologischen  usw.,  vgl.  dazu  meine  eben 
zitierten  Schriften)  Betrachtung  der  gegenwärtigen  und  vergangenen 
Spracherscheinungen  mit  genügender  Deutlichkeit  heraus.  Es  drängt  sich 
dann  nämlich  vor  allem  auch  die  Notwendigkeit  experimenteller 
Untersuchungen  auf  diesem  Gebiete  auf,  wie  sie  ja  z.  B.  VVundt  schon 
vielfach  in  den  beiden  ersten  Bänden  seiner  'Völkerpsychologie'  ver- 
wertet hat,  wie  sie  aber  jedenfalls  noch  in  viel  weiterem  Umfange  und 
zum  Teil  unter  andern  Gesichtspunkten  angestellt  werden  müssen,  damit 
wir  allmählich  von  dogmatischen  Konstruktionen  der  sprachlichen  Tat- 
sachen loskommen,  die  hauptsächlich  auch  bei  Zugrundelegung  der  Schrift-, 
nicht  der  Lautgestalt  der  Sprache  noch  eine  allzugroße  Rolle  in  unsrer 
Wissenschaft  spielen.  Von  solcher  experimenteller  Grundlage  ist  bei  M. 
noch  kaum  etwas  zu  spüren.  Aber  das  hindert  natürlich  nicht,  daß  einer, 
der  in  der  eben  angedeuteten  Hinsicht  prinzipiell  klar  sieht  (und  ich  hoffe, 
daß  die  Zahl  solcher  durch  einige  Lektüre  von  Wundts  Völkerpsychologie 
unter  Mitheranziehung  meiner  obenerwähnten  Darlegungen  vermehrt  wer- 
den kann),  auch  aus  Martinaks  außerordentlich  durchsichtigen  Erörterungen 
insbesondere  über  das  richtige  und  unrichtige  Verstehen  und  über  Wesen 
und  Natur  des  Zeichen  und  Bedeutung  verknüpfenden  Bandes  Anregung  und 
Wegweisung  zu  experimentellen,  wie  gesagt,  dringend  nötigen  Unter- 
suchungen über  diese  Gegenstände  schöpfen  kann,  wenn  ihn  auch  M. 
nicht  gerade  nach  dieser  Richtung  hat  weisen  wollen.  Und  auch  insofern 
sei  M.'s  schönes  Buch  der  Beachtung  der  Fachgenossen  dringend  empfohlen. 
—  Eine  Art  guter  Ergänzung  und  guten  Ersatzes  von  manchem  bei  Martinak 
nicht  oder  nicht  ganz  befriedigend  Dargestelltem  hat  uns  K.  0.  Erdmann 
in  seinem  im  besten  Sinne  von  'trockner'  Wissenschaft  entfernten  feuilleto- 
nistisch-essayistisch  gehaltenen  Buche  über  die  'Bedeutung  des  Wortes'  ge- 
spendet. "Die  Vieldeutigkeit  des  sprachlichen  Ausdrucks;  die  verschiedene 
'Supposition';  Wortanalyse  und  Wortbegrenzung;  Nebensinn  und  Gefühls- 
wert der  Worte  (1.  ihr  Verhältnis  zum  begrifflichen  Inhalt,  2.  Wörter  von 
gleicher  Bedeutung,  Übersetzungen,  Fremdwörter,  3.  Gefühlswert  und  Er- 
kenntnissprache, der  Doppelcharakter  der  Aussage,  Trägheit  des  Gefühls- 
wertes); das  Verständnis  der  Worte  und  die  Bildung  anschaulicher  Vor- 
stellungen (1.  alte  Probleme  und  Mißverständnisse.  2.  anschauliche  Sprache, 
3.  der  Widerstreit  von  Anschauungswert  und  Gefühlswert) ;  gedankenloser 
Wortgebrauch  und  sein  Nutzen"  —  das  sind  nach  dem  Inhaltsverzeichnis 
die  Gegenstände,  die  Erdmann  in  immer  anregender,  stellenweise  auch  amü- 
santer Weise  der  Betrachtung  unterzieht.  Hier  nur  eine  Probe,  gleich 
aus  dem  Anfang  (S.  1  f.)  von  E.'s  Buch:  "Jeder  sprachliche  Ausdruck  ist 
mehrdeutig.  Wer  diesen  Satz  aufstellt,  gibt  mit  der  Behauptung  gleich- 
zeitig ein  Beispiel;  denn  auch  das  Wort  'Mehrdeutigkeit'  läßt  sich  in 
mehrfachem  Sinne  deuten.  Und  es  empfiehlt  sich,  wenigstens  drei  ver- 
schiedene Arten  auseinanderzuhalten.  Die  erste  Art  ist  die  Mehrdeutig- 
keit der  grammatischen  Form.  Die  Einzahl  eines  Dingwortes  z.  B.  'die 
Pflanze'  kann  ebensowohl  eine  ganze  Gattung  von  Lebewesen,  also  'jede 
Pflanze',  wie  ein  Einzelwesen  bezeichnen.  Und  das  Präsens  eines  und 
desselben  Zeitwortes  besagt  ebensowohl  eine  Fertigkeit,  wie  eine  einmalige 
Handlung.  'X  spielt  Klavier'  kann  heißen:  'er  versteht,  Klavier  zu  spielen', 
aber  auch:  'er  ist  augenblicklich  damit  beschäftigt,  Klavier  zu  spielen'. 
Dabei  bezeichnet  aber  das  Wort  'spielen'  jedesmal  denselben  Begriff. 
In  solchen  Fällen  will  ich  unter  Benutzung  des  alten  scholastischen  Aus- 


Erdmann  Die  Bedeutung  des  Wortes.  5 

drucks  von  der  verschiedenen  'Supposition'  der  Wörter  reden.  Eine  Mehr- 
deutigkeit anderer  Art  finden  wir  beim  Gebrauch  'relativer'  Wörter,  d.  h. 
bei  Wörtern,  die  notwendig  einer  Ergänzung  bedürfen,  um  einen  bestimmten 
Sinn  zu  ergeben,  bei  denen  aber  in  der  Regel  jene  Ergänzung  wegbleibt, 
weil  wir  sie  stillschweigend  aus  dem  Zusammenhange  zu  ergänzen  ge- 
wöhnt sind.  'Eine  neue  Briefmarke'  kann  eine  ungestempelte  oder  eine 
neu  angefertigte  oder  eine  Marke  von  neuer  Zeichnung,  oder  eine  solche 
sein,  die  ein  Sammler  erst  kürzlich  erworben  hat.  Auch  hier  kann  man 
nicht  sagen,  daß  das  Wort  'neu'  als  solches  verschiedene  Begriffe 
bezeichne;  nur  der  Zusatz,  in  welcher  Hinsicht  Neuheit  ausgesagt  werden 
soll,  kann  jedesmal  ein  andrer  sein.  Neu  in  Bezug  auf  die  Entstehung 
des  Papieres  und  die  Vornahme  des  Druckes  ist  nicht  neu  in  Bezug  auf 
Zeichnung  und  Farbe;  und  Neuheit  in  Rücksicht  auf  die  Benutzung  ist 
nicht  Neuheit  in  Rücksicht  auf  den  Erwerb  eines  Sammlers.  Indem  man 
aber  die  Beziehung  nicht  ausdrücklich  hinzufügt,  entsteht  Mehrdeutigkeit 
dieser  zweiten  Art.  In  solchen  Fällen  will  ich  von  Relativität  der 
Wörter  reden.  Mehrdeutigkeit  im  dritten,  im  engeren  Sinne  —  'Amphibolie' 

—  liegt  vor,  wenn  ein  Wort  als  Name  für  verschiedene  Begriffe  dient: 
'Schloß'  kann  eine  Schließvorrichtung,  aber  auch  ein  Gebäude  bezeichnen; 
'Strauß'  einen  Vogel,  ein  Bündel  Blumen  oder  einen  Kampf  bedeuten.  In 
so  einfachen  Fällen  freilich,  wo  der  Sprachlaut  mehr  oder  minder  zufällig 
ganz  auseinanderfallende  Begriffe  benennt,  erkennt  auch  der  Blödeste 
ohne  weiteres  den  mehrfachen  Sinn.  Verwickelter  wird  der  Sachverhalt, 
wenn  die  Begriffe  in  nahem  Zusammenhange  stehen  und  sich  größtenteils 
decken,  so  daß  bei  oberflächlicher  Betrachtung  nur  ein  Begriff  vorzu- 
liegen scheint.  Und  dieser  Fall  ist  der  typische.  Ich  möchte  behaupten, 
daß  in   diesem  Sinne  alle  Wörter  —  mit  verschwindenden  Ausnahmen 

—  mehrdeutig  sind";  worauf  dann  E.  in  sehr  klarer  Weise  den  Sinn 
des  Wortes  'der  Deutsche'  analysiert  und  daran  die  Wichtigkeit  der 
Unterscheidung  von  Topularbegriffen'  und  'streng  logischen  Begriffen'  er- 
läutert, welch  letztere  in  Form  von  Wortbedeutungen  sehr  viel  seltener 
sind,  als  man  gemeinhin  anzunehmen  pflegt:  "Faßt  man  einseitig  die 
Zwecke  der  Erkenntnis  und  ihrer  Vermittelung  ins  Auge,  so  erscheint  die 
Sprache  fast  immer  als  ein  unvollkommenes  Werkzeug.  Aber  freilich  ist 
die  Sprache  auch  nicht  allein  um  der  Wissenschaft  willen  da.  Sie  ist  aus 
praktischen  Bedürfnissen  erwachsen  und  dient  ihnen  auch  heute  noch  in 
erster  Linie;  wohl  paßt  sie  sich  mehr  und  mehr  feineren  und  höheren 
Zwecken  an,  aber  zu  ihnen  gehören  nicht  bloß  wissenschaftliche,  sondern 
auch  künstlerische.  Poesie  aber  und  Redekunst  verlangt  von  den  Worten 
andere  Eigenschaften,  als  daß  sie  unzweideutige  und  scharfumrissene  Be- 
griffe darstellen.  Und  so  ist  es  nur  verständlich,  daß  das  Werkzeug,  das 
den  Bedürfnissen  des  Alltags  in  ausgezeichneter  Weise  dient,  das  auch 
gleichzeitig  mannigfachen  anderen  Zwecken  in  ausreichender  Weise  ge- 
nügt, unmöghch  auch  noch  den  Ansprüchen  einer  verwickelten  und  zer- 
gliedernden Denkarbeit  gewachsen  sein  kann,  wie  sie  von  einem  doch 
nur  geringen  Bruchteile  des  Menschengeschlechts  betrieben  wird.  Seltsam 
und  unerquicklich  ist  es  nur,  daß  so  Wenige  diese  Einsicht  beachten  und 
praktische  Folgerungen  aus  ihr  zu  ziehen  gewillt  sind."  Man  sieht,  wohin 
uns  E.  führt:  Einmal  verhilft  er  uns  mittelst  analytischer  Behandlung 
giitgewählter  und  -zusammengestellter  und  insofern  schon  einen  gewissen 
experimentellen  Charakter  an  sich  tragender  Beispiele  zu  sprachpsycho- 


6  Erdmann  Die  Bedeutung  des  Wortes. 

logischen  Erkenntnissen,  deren  manche,  wie  gesagt,  auch  dazu  geeignet 
sind,  Martinaks  bisweilen  zu  intellektualistisch  angehauchte  Ergebnisse 
zu  berichtigen.  Sodann  aber  geht  E.  insofern  über  M.  hinaus,  als  er 
die  von  diesem  absichtUch  nicht  behandelten  Fragen  des  logischen  (ins- 
besondere erkenntnistheoretischen),  des  ästhetischen  und  gelegentlich  auch 
(vgl.  z.  B.  S.  99)  des  ethischen  Wertes  der  Sprache  in  den  Kreis  seiner 
Betrachtung  zieht;  und  zwar  sogar  so,  daß  die  psychologische  Unter- 
suchung dabei  mehr  oder  minder  in  den  Dienst  der  Lösung  dieser  letzteren 
Fragen  oder  vielmehr  dessen,  was  E.  zu  deren  Lösung  beibringt,  gestellt 
wird.  Ich  kann  nun  wiederum  nicht  sagen,  daß  mir  alles,  was  E.  da- 
bei an  Ergebnissen  erzielt,  unbedingt  richtig  erschiene.  Am  meisten  kann 
ich  mich  (über  die  sprachästhetischen  und  gelegentlichen  sprachethischen 
Darlegungen  E.'s  getraue  ich  mir  noch  kein  Urteil  abzugeben)  mit  dem 
befreunden,  was  E.  im  allgemeinen  über  die  Vieldeutigkeit  des  sprach- 
lichen Ausdrucks,  über  die  verschiedene  'Supposition',  über  Wortanalyse 
und  Wortbegrenzung,  über  Nebensinn  und  Gefühlswert  der  Worte,  über  ge- 
dankenlosen Wortgebrauch  und  seinen  Nutzen  sagt.  Was  aber  seine  Aus- 
führungen über  das  Verständnis  der  Worte  betrifft,  so  muß  ich  hier  doch 
wieder  eine  methodologische  Anmerkung  machen,  die  für  E.  nicht  allzu 
günstig  ist,  und  von  der  aus  auch  manches  Besondere  als  der  Korrektur 
bedürftig  erscheint,  was  E.,  wie  eben  bemerkt,  im  allgemeinen  richtig  über 
die  Vieldeutigkeit  des  sprachlichen  Ausdruckes  usw.  ausgeführt  hat.  Das, 
was  E.  nämlich  über  das  Verständnis  der  Worte  zu  berichten  weiß,  leidet 
allesammt  an  dem  Fehler  zu  weitgehender  Abstraktion  von  dem  einzigen 
konkreten  sprachlichen  Gebilde,  dem  Satz,  und  an  dem  damit  aufs  engste 
zusammenhängenden  Fehler  einer  auf  die  Dauer  unhaltbaren  BegrifTs- 
theorie,  wonach  der  Begriff  identisch  mit  'Allgemeinbegrifi"  und  etwas 
Isolierbares  sein  soll,  das  dann  dem  ebenso  isolierbaren  Wort  (oder  viel- 
mehr der  ebenso  isolierbaren  Wortlautung)  als  dessen  Bedeutung  zuorden- 
bar  sei.  Demgegenüber  muß  allerdings  aufs  schärfste  betont  werden, 
1.  daß  (vgl.  dazu  meine  'Grundzüge'  I  §  1498  ff.,  1482  ff.)  der  Begriff  nur 
Existenz  hat  im  Zusammenhang  mit  mindestens  noch  einem  andern  Be- 
griff'), und  2.  daß  auch  das  Wort  nur  als  Satzteil  in  der  lebendigen 
Sprache  vorkommt,  eine  Tatsache,  die  auch  durch  die  Existenz  der  so- 
genannten 'einwortigen  Sätze'  nicht  aufgehoben  wird  (vgl.  dazu  meine 
Bemerkungen  zu  v.  Rozwadowskis  Buch,  unten  S.  13  Z.  9  ff);  wobei  noch 
nicht  einmal  urgiert  werden  soll,  daß  auch  so  die  Bedeutung  des  Wortes 
durchaus  nicht  immer  ein  'Begriff'  sein  muß,  der  ja  nur  im  (logischen 
oder  unlogischen,  erkenntnistheoretisch  wertvollen  oder  phantastischen*) 
Urteil  Dasein  besitzt.  Stellt  man  sich  aber  auf  diesen  Standpunkt  und 
berücksichtigt  außerdem,  was  freilich  bisher  noch  allzuwenig  beachtet 
worden  ist,  daß  es  auch  Satzteile  gibt,  die  keine  Worte  sind  (so  der  nur 
aus  der  Satzmelodie  zu  entnehmende  Frage  Charakter  von  Sätzen,  usw.), 
so  ergibt  sich  daraus  eine  solche  Fülle  von  Determinationen  des  einzelnen 


1)  Eine  Anschauungsweise,  die  bei  Erdmann  nur  ganz  nebenher 
(S.  156)  einmal  erwähnt  wird :  "Wieder  Andere  leugnen  überhaupt  die  Be- 
rechtigung, von  dem  Denken  eines  Begriffes  zu  reden:  denken  bestehe 
in  einem  Verknüpfen  und  Trennen  und  setze  immer  viele  Vorstellungen 
voraus." 

2)  Vgl.  dazu  meine  'Grundzüge'  I  §  1513. 


Waag  Bedentungsentwicklung  unsres  Wortschatzes.  7 

Wortes  im  Satze  und  eine  solche  Einschränkung  der  Vieldeutigkeit  des 
isoliert  gedachten  Wortes,  praktisch  meist  bis  zur  Eindeutigkeit,  daß  man 
dem  Pessimismus  E.'s  mit  Bezug  auf  den  Erkenntniswert  der  Sprache. 
d.  h.  den  Wert  der  Sprache  als  Werkzeug  der  Erkenntnis  und  Erkenntnis- 
vermittelung, nicht  mehr  beipflichten  kann.  Wenn  die  Sprache  trotzdem, 
das  muß  ja  zugegeben  werden,  ein  noch  recht  unvollkommenes  solches 
Werkzeug  ist,  so  liegt  dies  teils  an  ihrer  historischen  Entwickelung,  wie 
sie  nun  einmal  war,  vor  allem  aber  auch  an  der  relativen  Unvollkommen- 
heit  des  Denkens  selbst,  das  einen  wichtigen  Teil  der  Bedeutungsseite  der 
Sprache  ausmacht,  an  dessen  Vervollkommnungsfähigkeit  aber  wohl  kaum 
jemand  zweifelt.  Ist  aber  das  immer  bis  zu  einem  gewissen  Grade  von 
der  Sprache  unabhängige  Denken  der  Vervollkommnung  fähig,  so  ist  nicht 
einzusehen,  weshalb  sich  der  denkende  Mensch  nicht  allmählich  auch 
aus  der  Sprache  ein  vollkommeneres  Werkzeug  der  Erkenntnis  und  Er- 
kenntnismitteilung sollte  schmieden  können,  als  er  es  bis  jetzt  in  ihr 
besitzt.  Und  in  der  Tat  ist  das  ja  auch  immer  schon  geschehen.  Man 
braucht  nur  die  wissenschaftliche  Terminologie  anzusehen,  um  zu  erkennen, 
daß  wir  heute  in  dieser  Beziehung  weiter  sind  als  ehedem,  und  auch  die 
zweckbev/ußte  Schöpfung  künsthcher,  besonderen  Bedürfnissen  dienender, 
z.  B.  Übersetzungsschwierigkeiten  beseitigender  und  größere  syntaktische 
Flexibilität  herbeiführender  Sprachen  ist  ja  nicht  außer  dem  Bereich  der 
Möglichkeit;  man  denke  z.  B.  an  das  der  ernstesten  Beachtung  gerade  in 
dieser  Hinsicht  würdige  Esperanto.  Ist  also  dergestalt  E.  in  seiner  Kritik  der 
Sprache  überhaupt  entschieden  zu  weit  gegangen,  so  soll  damit  aber  natürlich 
nicht  gesagt  sein,  daß  solche  Kritik,  mit  der  nötigen  Besonnenheit  an  der 
bis  jetzt  entwickelten  Sprache  geübt,  überflüssig  oder  gar  schädlich  sei. 
Im  Gegenteil,  gerade  solche,  mit  den  eben  geforderten  Abstrichen  auch 
in  E.'s  Untersuchungen  vorliegende  besonnene  Hinweise  auf  die  Unvoll- 
kommenheiten  unsrer  historisch  entwickelten  Sprachen  bieten  uns  zu- 
gleich den  besten  Hinweis  auf  die  Mittel  und  Wege,  wie  diesen  Mängeln 
abgeholfen  werden  kann,  und  auch  von  dieser  Seite  her  ist  also  E.'s  Buch 
dankbar  zu  begrüßen.  Ebenso  wie  auch  das  nächste  der  hier  zur  Be- 
sprechung stehenden  Bücher,  A.  Waags  Darstellung  der  'Bedeutungs- 
entwicklung unsres  Wortschatzes'.  Wenn  auch  hier  gleich  gesagt  werden  muß, 
daß  es  uns,  insofern  im  Gegensatz  zu  Erdmanns  Gabe,  theoretisch  nicht 
weiter  führt.  Denn  es  ist  und  soll  auch  nach  der  Absicht  des  Verfassers 
nichts  weiter  sein,  wenig  mehr  als  eine  systematische  Verarbeitung  des 
in  H.  Pauls  'Deutschem  Wörterbuch'  gegebenen  Wortschatzes,  'soweit  er 
seit  dem  Auftreten  in  unserer  Literatur  eine  bemerkenswerte  Bedeutungs- 
verschiebung aufweist',  nach  den  Kategorien  des  Bedeutungswandels,  wie 
sie  von  Paul  in  seinen  'Prinzipien  der  Sprachgeschichte'  aufgestellt  worden 
sind.  Waag  hat  zwar  außerdem  noch  die  Wörterbücher  von  Kluge  und 
Heyne,  einige  theoretische  Schriften  über  Bedeutungswandel  (insbesondere 
die  von  K.  Schmidt,  R.  Thomas  und  J.  Stöcklein)  herangezogen  und  manches 
davon  in  seine  stets  von  sehr  solider  Kenntnis  und  gewissenhafter  Aus- 
beutung seiner  Quellen  zeugende  Darstellung  hineingearbeitet,  wodurch 
natürlich  auch  eine  feinere  Gliederung  des  Systems  erzielt  worden  ist, 
als  sie  Paul  in  seiner  summarischen  Darlegung  in  den  'Prinzipien'^ 
S.  67  ff.,  bes.  S.  80  ff .  geben  konnte.  Aber  mit  Bezug  auf  die  Hauptgliede- 
rung hat  er  sich  doch  ganz  streng  an  das  von  Paul  gegebene  Schema 
gehalten  (1.  Verengung  des  Bedeutungsumfanges,  2.  Erweiterung  des  Be- 


8     Rittershaus  Die  Ausdrücke  f.  Gesichtsempfind.  i,  den  altgerm.  Dialekten. 

deutungsumfanges,  3.  Metapher,  4.  Metonymie,  5.  andere  Arten  des  Be- 
deutungswandels, 6.  Aufeinanderfolge  verschiedener  Arten  des  Bedeutungs- 
wandels, 7.  Bedeutungswandel  von  Wortgruppen,  8.  Anpassung  an  die 
Kulturverhältnisse)  und  insofern  tatsächlich  nichts  Neues  geboten.  Daß 
dieses  Schema  in  einigen  seiner  Teile  (1,  2,  8,  4,  infolgedessen  auch  6)  logi- 
zistische  Konstruktionen  enthält,  die  sprachpsycliologisch  völlig  unhalt- 
bar sind,  ist  schon  von  Wandt  (Völkerpsych.*  I*  S.  471  ff.)  zur  Genüge 
hervorgehoben  worden,  und  es  bedarf  daher  zunächst  jedenfalls  einer 
nochmaligen  gründlichen  Durcharbeitung  dieses  schwierigen  Gebietes  nicht 
nach  Paulschen  Kategorien.  Aber  auch  nicht  nach  Wundischen,  die  ja 
schon  unendlich  viel  beachthcher  sind.  Sondern  überhaupt  nach  gar 
keinen  von  vornherein  feststehenden  Kategorien,  vielmehr  einzig  und  allein 
unter  Verwertung  alles  dessen,  was  seit  Paul  an  sprachpsychologischen 
und  allgemeinpsychologischen  Daten,  nicht  nur  von  Wundt,  wenn  auch 
vor  allem  von  ihm,  beigebracht  worden  ist,  zum  Rückgang  auf  die 
heutige  lebendige  Sprache,  in  der  sich  der  Bedeutungswandel  ganz 
ebenso  wie  früher  in  typischer  Weise  tagtäglich  vollzieht  und  so  unmittel- 
bar beobachtbar  ist.  Mit  dem  Einpressen  der  Erscheinungen  in,  noch 
dazu  fremde  und  veraltete,  Schemata  kommt  man  nicht  weiter,  auch  wenn 
man  die  Einpressung  durch  die  berühmte  Lehre  von  den  'fließenden  Grenzen' 
mildert  (Waag  S.  7),  die  auch  eines  der  Dogmen  ist,  welche  wir  dem  zu 
überwindenden  einseitigen,  sich  nicht  anders  helfen  könnenden  Historis- 
mus in  der  Sprachwissenschaft  verdanken.  Die  Aufstellung  von  Kategorien 
des  Bedeutungswandels,  oder  vielmehr  von  M  ö  g  1  i  c  h  k  e  i  t  e  n  des  Bedeutungs- 
wandels in  Rücksicht  auf  dessen  Gründe  ist  nun  einmal  keine  sprach- 
historische, auch  keine  a  priori  zu  lösende  logische,  sondern  durch- 
aus nur  eine  sprachpsychologische  Aufgabe.  Also  eine  innerhalb  der 
Sprachwissenschaft  im  weitesten  Sinne  des  Wortes  (vgl.  dazu  meine 
'Grenzen  der  Sprachwissenschaft')  nichthistorische  Aufgabe,  zu  deren 
Lösung  es  natürlich  der  genauen  Kenntnis  insbesondere  der  in  der  Gegen- 
wart sich  abspielenden  sprachlichen  (auch  der  historischen  Betrachtung 
fähigen)  Erscheinungen  bedarf,  die  aber  nicht  durch  diefe  bloße  Kenntnis 
gelöst  wird,  sondern  erst  durch  deren  spraohpsychologische  Verarbeitung. 
Erst  so  erwächst  ein  brauchbares  System  des  Bedeutungswandels.  Wenn 
ich  nun,  trotzdem  Waag  sich  all  dies  nicht  im  mindesten  klar  gemacht 
hat  (wohl  auch  zufolge  seiner  Stellung  zu  Paul,  in  dessen  Ideen  er  lebt, 
sich  nicht  klar  machen  konnte,  zumal  da  Wundts  Völkerpsychologie  damals 
sein  jedenfalls  schon  größtenteils  fertiges  Manuskript  kaum  noch  zu  be- 
einflussen vermochte),  —  wenn  ich  trotzdem  nicht  anstehe,  Waags  Leistung 
als  nicht  unverdienstlich  zu  bezeichnen,  so  geschieht  es  einerseits  darum, 
weil  das  Buch  in  seinen  von  Pauls  logizistischer  Auffassung  unbeeinflußt 
gebliebenen  Teilen  (insbesondere  in  Abschnitt  5  und  8),  freilich  auch  da 
nebst  manchem  aus  jenen  andern  Teilen  hereinragenden  Schiefen,  viele 
gute  Einzelheiten  bietet,  die  auch  heute  noch  sprachpsychologisch  haltbar 
sind,  und  weil  auch  jene  andern  Teile  als  eine  reiche  und  bequeme 
(auch  durch  einen  guten  Index  zugänglich  gemachte)  Materialsammlung 
wertvoll  sind.  Nicht  einmal  eine  solche  aber  bleibt  —  dies  muß  leider 
gesagt  werden  —  übrig,  sobald  man  das  Fazit  aus  A.  Rittershaus'  Unter- 
suchung über  die  'Ausdrücke  für  Gesichtsempfmdungen  in  den  altgermani- 
schen Dialekten'  zieht.  Selbst  wenn  man  dabei  den  Untertitel  'Erster  Teil' 
und  dessen  Interpretation  auf  S.  XIII  sehr  stark  betont:  "Die  vorliegende 


Rittershaus  Die  Ausdrücke  f.  Gesichtsempfind.  i.  den  altgerm.  Dialekten.    9 

Arbeit  umfaßt  bei  dem  sich  reich  darbietenden  Material  nur  das  erste 
Kapitel  des  ersten  Teils,  d.  h.  sie  behandelt  von  den  Bezeichnungen  der 
Sinnesempfindungen  nur  die  Ausdrücke  für  die  unwillkürliche  und  willkür- 
liche Tätigkeit  der  Augen.  Die  Kausativa,  d.  h.  'sehen  machen,  zeigen'  etc., 
sowie  die  Betrachtung  dessen,  was  gesehen  wird,  der  Tarbenbezeichnungen, 
leuchten'  etc.  werden  zunächst  die  weiteren  Ergänzungen  bilden,  und  hieran 
wird  sich  ferner  eine  Zusammenstellung  der  für  das  Sinnesvikariat  in 
Betracht  kommenden  Ausdrücke  auszuschheßen  haben."  Mehr  als  die 
Untersuchung  der  Terben  der  Gesichtsempfindung'  (S.  XI)  war  also  von 
diesem  Kap.  1  von  Teil  I  nicht  zu  erwarten.  Umsomehr  sollte  man  meinen, 
daß  wenigstens  diese  eine  einigermaßen  zureichende  Behandlung  hätten 
erfahren  können.  Aber  auch  dies  ist  nicht  der  Fall.  Und  die  Verf.,  deren 
Bescheidenheit  übrigens  sehr  sympathisch  berührt,  weiß  selbst  genau, 
warum:  "Zur  Betrachtung  wurden  in  dieser  Arbeit  nur  folgende  Werke 
aus  den  altgerm.  Dialekten  herangezogen:  aus  dem  Gotischen  der  ganze 
uns  erhaltene  Sprachschatz,  aus  dem  Aisl.  die  ältere  Edda,  aus  dem  Ags. 
der  Beöwulf,  aus  dem  As.  der  Heliand  und  aus  dem  Ahd.  das  Werk  Ot- 
frids";  woraus  sich  denn  auch  ergibt,  daß  sich  aus  dem  herangezogenen 
(von  der  Verf.  aber  nicht  voUständig  mitgeteilten)  Material  "noch  keine 
irgendwie  bindenden  Schlüsse  ziehen  lassen"  (S.  IV).  Nämlich  weder  was 
die  Stichhaltigkeit  der  bekannten  Becht eischen  Aufstellungen  betrifft, 
noch  auch  was  die  ursprüngliche,  etymologische  Bedeutung  der  Verba  der 
Gesiclitswahrnehmung  überliaupt  betrifft  (S.  XI,  Mitte).  Was  kommt  somit 
als  Resultat  der  leider  auch  im  einzelnen  nichts  weniger  als  methodisch 
und  mit  nichts  weniger  als  zureichender  psychologischer  Kenntnis ')  ge- 
führten Untersuchung  heraus?  Nichts  als  die  triviale  Tatsache,  daß  sich 
als  Verbalbedeutung  aus  dem  Begriff  der  Wahrnehmung  im  allgemeinen 
der  Begriff  der  Gesichtswahrnehmung  im  besonderen  entwickeln  kann  und 
umgekehrt,  und  daß  der  Ansetzung  mannigfacher  Quellen  für  den  Wahr- 
nehmungsbegriff und  Gesiclitswahrnehmungsbegriff  einerseits  und  der  An- 
setzung mannigfacher  weiterer  Begriffsentwickelungen  von  diesen  beiden 
aus  nichts  im  Wege  steht.  Und  dies  alles  noch  mit  allzu  häufigem  'scheint' 
und  'vielleicht'  und  anderen  Fragezeichen  belastet.  Das  ist  aber  für  XIV 
u.  81  S.  gr.  8**  am  Ende  doch  gar  zu  wenig.  Es  konnte  jedoch  —  dies 
möge  sich  die  für  gewisse  Schwierigkeiten  ihrer  Aufgabe  durchaus  nicht 
blinde  Verf.  zur  Vermeidung  weiterer  vergeblicher  Anstrengungen  gesagt 
sein  lassen  —  auf  dem  gegenwärtigen  Stande  unsrer  Wissenschaft  auch 
gar  nicht  viel  mehr  dabei  herauskommen,  selbst  wenn  das  Material,  das 
uns  in  den  altgermanischen  Dialekten  zu  dieser  Frage  überliefert  ist,  nach 
Maßgabe  dieses  Wissenschaftsstandes  noch  so  vollständig  ausgebeutet 
worden  wäre.  Denn  wie  sollen  auf  einem  Gebiete,  wo  beständig  Kon- 
jekturen schwierigster  Art,  Irreführungen  durch  Übersetzung  aus  nicht- 
germanischen Sprachen,  deren  Wortdeutungen  selbst  zum  Teil  nicht  sicher 
stehen  und  andere,  auch  rein  lautliche  Rekonstruktionsschwierigkeiten 
lauern,  —  wie  sollen  da  Bedeutungsermittelungen  irgendwie  feinerer  Art 
möglich  sein,  solange  die  Bedeutungslehre  der  modernen  Dialekte,  aus 
denen  die  Quellen  unendlich  viel  reicher  und  klarer  fließen,  noch  so  im 


1)  Vgl.  z.  B.  S.  XIII,  wo  ein  methodischer  Mangel  ganz  offen  zu- 
gegeben wird,  und  zur  mangelhaften  psychologischen  Kenntnis  die  Begriffs- 
verwirrung auf  S.  35  unten,  59  Mitte,  60  Mitte. 


10  Rozwadowski  Wortbildung  und  Wortbedeutung. 

argen  liegt,  wie  es  bedauerlicherweise  der  Fall  ist?  Hier  muß  mit  Unter- 
suchungen der  Art,  wie  sie  die  Verf.  recht  vergeblich  schon  jetzt  an  alten 
Dialekten  geglaubt  hat  anstellen  zu  können,  eingesetzt  werden,  und  es 
wird  dann  auch  in  nicht  allzuferner  Zeit  möglich  sein,  zu  jenen  schwieri- 
gen altsprachlichen  Problemen  mit  neuem,  ausreichendem  Rüstzeug  zurück- 
zuschreiten. Wieviel  aber  vorläufig  gerade  in  psychologicis  für  die  jetzt 
gesprochene,  also  unmittelbarer  ßeobachtvmg  zugängliche  Sprache  noch 
zu  leisten  übrig  bleibt,  das  zeigt  nacli  doppelter  Richtung  hin  so  recht 
deutlich  das  Buch  Jan  v.  Rozwadowskis  über  'Wortbildung  und  Wort- 
bedeutung'. Einmal  nämlich  nach  der  Richtung,  daß  es  R.  (wie  vor  ihm 
schon  Delbrück  und  Sütterhn)  nötig  gefunden  hat,  in  Form  eines  ganzen 
Buches,  und  zwar  viel  systematischer  und  nachdrücklicher  als  seine  Vor- 
gänger, an  Wundts  sprachpsychologischen  Aufstellungen  Kritik  zu  üben; 
sodann  aber  auch  nach  der  Richtung  hin,  daß  seine  eigenen  Aufstellungen 
keineswegs  ohne  weiteres  angenommen  werden  können.  Recht  hat  R.  — 
um  damit  zu  beginnen  —  unzweifelhaft  in  zwiefacher  Hinsicht:  Wundt 
hat,  indem  er  die  Bildung  der  Suffixalableitungen  wie  etwa  Weißling 
nicht  in  den  Kreis  seiner  Betrachtung  zog,  seiner  Lehre  von  der  Wort- 
bildung keine  hinreichend  breite  Grundlage  gegeben,  was  auch  seine  An- 
sichten vom  Bedeutungswandel  ungünstig  beeinflussen  mußte,  und  er  hat 
ferner  auch  in  seiner  Lehre  von  der  Satzbiklung  noch  so  sehr  von  der 
Psychologie  der  schriftlichen  Wiedergabe  der  Lautsprache  aus  geurteilt, 
daß  er  den  syntaktischen  Verhältnissen  in  der  wirklich  gesprochenen, 
lebendigen  Lautsprache  nicht  in  vollem  Maße  gerecht  werden  konnte. 
Das  hat  R.  beides  richtig  gesehen  und  auch,  zum  Teil  in  unabhängiger 
Übereinstimmung  mit  meinen,  ihm  unbekannt  gebliebenen,  bereits  oben 
(S.  3  Z.  19  ff)  erwähnten  Ausführungen,  zu  korrigieren  gesucht:  Erhebt 
richtig  hervor,  daß  das  'Simplex'  Weißling  prinzipiell  ebenso  zweigliedrig 
sei  wie  etwa  Weißfisch  (denn  das  Suffix  -ling  ist  ja  nicht  bedeutungslos, 
sondern  substantiviert  die  adjektivische  Eigenschaftsbezeichnung  weiß):  und 
er  sieht  auch  ganz  klar,  daß,  was  ich  gelegentlich  jener  eben  wiedei'erwähn- 
ten  Ausführungen  besonders  scharf  betont  habe,  Gebilde  wie  ah!  oder  oh! 
(also  sogen.  Interjektionen;  phonetisch  geschrieben  ä!  bezw.  ö!).  sprachlich 
verwendet,  ebenfalls  in  gewissem  Sinne  Zweigliedrigkeit  aufweisen  und 
dadurch  unter  den  Begriff  des  Satzes  (als  eines  gegliederten  Gebildes 
im  Wundtschen  Sinne)  fallen,  nicht  aber,  wie  Wundt  Avill,  höchstens  als 
'Satzäquivalente'  gelten  können.  Und  auch  die  Art  Zweigliedrigkeit, 
die  R.  diesen  Gebilden  vindiziert,  ist  dem  Sinne  nach  richtig  bestimmt, 
wenn  ich  auch  wünschen  muß,  R.  hätte  sich  dabei  weniger  mißverständ- 
lich ausgedrückt,  als  er  es  S.  68  tut:  "Wurde  ein  solcher  Gefühlslaut 
auf  einen  Gegenstand  bezogen,  so  entstand  eine  scheinbar  einghedrige 
Benennung :  scheinbar ;  denn  sie  setzte  sich  aus  zwei  Gliedern  zusammen, 
der  Vorstellung  des  Gegenstandes  und  des  durch  sie  erregten  Gefühls." 
R.  meint  ja  hier  offenbar,  daß  die  Bedeutung  von  ö!  zweigliedrig  sei. 
Aber  diese  nun  als 'Benennung'  zu  bezeichnen,  ist  doch  vom  Übel;  denn 
'benannt'  wird  ja  tatsächlich  auch  in  diesem  Satze  nur  das  Gefühl;  der 
Gegenstand  des  Gefühls  bleibt  bis  auf  weiteres  namenlos  und  wird,  auch 
wenn  er  später  einen  Namen  bekommt,  doch  nicht  ö!  genannt,  sondern 
etwa  Karl.  Eingliedrig,  aber  wirklich,  nicht  nur  scheinbar,  ist  hier  ledig- 
lich die  Lautung  ö! ,  wenn  man  mit  "Gliederung'  die  Längs ghederung  in 
Sprechtakte,  also  in  sukzessive  Glieder,  nicht  die  simultane  Querghederung 


Rozwadowski  Wortbildung  und  Wortbedeutung.  11 

in  Lautungsbasis  und  Modulation  (Behauptungs-,  Frageton,  Ausrufton  der 
Lautung  in  ö.,  bezw.  ö?,  bezw.  o/,  nach  Maßgabe  der  Interpunktions- 
zeichen gesprochen)  meint.  Denn  öf  ist  nur  ein  Sprechtakt,  also  längs- 
ungegliedert, im  Gegensatz  etwa  zu  ö,  Karl!  (mit  Pause  nach  ö),  das 
zweitaktig,  also  längsgeghedert  (und  natürlich  auch  quergegliedert)  ist. 
Mithin:  ö!  ist  zweigliedrig  vonseiten  der  Bedeutung,  längs-ungeghedert 
vonseiten  der  Lautung,  und  auf  seine  Bedeutungszweighedrigkeit  gründet 
sich  sein  Satzcharakter  [speziell,  wie  ich  das  nenne,  Häufungssatz- 
charakter, weil  hier  die  zweighedrige  Satzbedeutung  auf  die  längs-unge- 
gliederte  Satzlautung  gehäuft  ist,  anstatt  wie  in  dem  Verteilungssatz 
ö  Karl!  auf  die  Längsglieder  der  Satzlautung  verteilt  zu  sein].  Aber  nicht 
auf  seine  Bedeutungszweighedrigkeit  schlechthin,  denn  sonst  würde  ja 
wiederum  keine  begrifQiche  Grenze  zwischen  einem  so  auch  noch  zwei- 
gliedrigen Satze  wie  ö!  und  einem  zweigliedrigen  Worte  wie  Weißling 
zu  ziehen  sein.  v.  Rozwadowski  sieht  dies  wohl  und  macht  auch  S.  65 
und  S.  81  den  Versuch,  "einerseits  das  sogenannte  Subjekt  als  das  iden- 
tifizierte und  das  sogenannte  Prädikat  als  das  unterscheidende  Ghed  der 
Vorstellung"  aufzufassen  und  anderseits  das  Substantiv,  es  dem  Satz 
gegenüberhaltend,  zu  definieren  wie  folgt:  "Der  Satz  ist  der  sprachliche 
Ausdruck  der  zweighedrigen  Apperzeption  einer  Gesamtvorstellung.  Das 
Substantiv  ist  der  sprachliche  Ausdruck  eines  auf  Grund  der  zweigliedrigen 
Apperzeption  einer  Gesamtvorstellung  entstandenen  Begriffes.  Oder  anders 
gefaßt:  Der  Satz  ist  das  sprachliche  Resultat  der  binären  apperzeptiven 
Zerlegung  einer  Gesamtvorstellung  in  ein  identifiziertes  und  ein  unter- 
schiedenes Glied,  von  denen  das  zweite  auf  das  erste  bezogen  wird.  Das 
Substantiv  ist  das  sprachHche  Resultat  der  auf  Grund  einer  Satzgliederung 
vorgenommenen  Synthese  einer  Gesamtvorstellung."  Aber  dieser  Versuch 
muß  als  ein  nichts  weniger  als  glücklicher  bezeichnet  werden.  Er  geht 
schon  mit  R.'s  eigenen  anderweitigen  Aufstellungen  keineswegs  zusammen. 
So  heißt  es  S.  58  f. :  "Da  im  Gebiete  des  sprachlichen  Bewußtseinslebens 
eines  'Menschen'  nicht  eine  'Wort'-,  sondern  nur  eine  'Satz'-Gliederung 
es  sein  kann,  was  er  mit  seiner  Äußerung  bezweckt,  so  ist  an  den  rela- 
tiven Anfang  unsrer  Sprachentwicklung  der  zweigliedrige  Satz  zu  stellen, 
aus  dem  sich  das  Substantiv  entwickelte.  Ich  meine  also :  primitive  zwei- 
ghedrige 'Sätze',  bestehend  aus  dem  identifizierten  und  dem  unterschei- 
denden Gliede,  wurden  auf  Grund  derselben  psychischen  Vorgänge  des 
Wechsels  der  Aufmerksamkeit,  der  synthetischen  Apperzeption  und  der 
Automatisierung,  die  wir  schon  kennen  gelernt  haben,  zu  Wörtern,  d.  h. 
konnten  nun  selbst,  sei  es  zu  identifizierenden,  sei  es  zu  unterscheidenden 
Gliedern  einer  neuen  Satzapperzeption  werden".  Um  R's.  eigene,  gelegent- 
lich (S.  63)  gegen  Wundt  gebrauchte  Wendung  gegen  ihn  selbst  zu  kehren: 
"Nach  alledem  kann  man  nur  sagen:  das  verstehe,  wer  kann".  Wenn  es 
für  den  Begriff  des  Wortes,  insbesondere  des  Substantivs,  genügt,  ent- 
weder 'identifizierendes'  oder  'unterscheidendes'  Ghed  einer  Satzapper- 
zeption, also  entweder  Subjekt  oder  Prädikat  eines  Satzes  zu  sein,  worin 
soll  dann  die  Notwendigkeit  begründet  sein,  daß  das  Wort  nun  in  sich 
selbst  das  Resultat  einer  früheren  satzmäßigen  Zweigliederung  enthalten 
müsse  ?  Gewiß  wird  niemand  leugnen,  daß  in  Kompositis  wie  Weißfisch 
oder  in  Ableitungen  wie  Weißling  Resultate  von,  wie  R.  dies  nennt,  'iden- 
tifizierender' und  'unterscheidender'  Ghederung  vorliegen.  Und  auch  die 
bloß  'resultative'  Eingliedrigkeit  von  Worten  wie  Stein  mag  ihm,  trotzdem 


12  Rozwadowski  Wortbildung  und  Wortbedeutung. 

wir  die  Bedeutung  des  dabei  in  Betracht  kommenden  uridg.  Stamm- 
bildungssufTixes  nicht  kennen,  zugegeben  werden.  Aber  schon  in  pes 
Tul5'  Zweigliedrigkeil  der  'Wurzel'  *ped-  hinein  interpretieren  zu  wollen, 
wie  es  R.  auf  S.  17  f,  versucht,  ist  eine  petitio  principii,  an  der  auch  der 
sonderbare  Begriff  der  'minimalen  Gliederung'  (S.  72)  nichts  ändern  kann. 
Um  diese  Behauptung,  und  noch  mehr,  um  die  allgemeine  Behauptung, 
daß  "überhaupt  für  jedes  Wort  die  zweigliedrige  Entstelumg  anzunehmen 
ist"  (S.  69),  plausibel  zu  machen,  müßte  R.  zuerst  beweisen,  daß  wirklich 
(S.  106)  "die  Kasusendungen  im  Prinzip  Kompositionsglieder"  seien,  was 
natürlich  nur  einen  Sinn  haben  kann,  wenn  man  sie  mit  den  Stamm- 
bildungssuffixen  auf  eine  Stufe  stellt  und  die  Ableitungen  mit  den  Kompo- 
sitis  parallelisiert  oder,  wie  R.  dies  weniger  glücklich  ausdrückt,  sie  'prin- 
zipiell mit  ihnen  identifiziert'  (S.  8).  Gegen  die  letztere  Parallelisierung 
ist  ja  nichts  einzuwendin,  sobald  man  sich  nur  gegenwärtig  hält,  daß 
das  Stammbildungssuffix  (z.  B.  -ling  in  Weißling)  die  im  Kompositum 
Weißfisch  durch  -fisch  repräsentierten,  von  mir  sogenannten  Überein- 
stimmungsmerkmale des  Nominandums,  die  sogenannte  'Wurzel'  dagegen 
das  Abvveichungsmerkmal  [weiß)  des  Nominandums  zum  Ausdruck  bringt 
(vgl.  dazu  meine  Ausführungen  Zs.  f.  roman.  Philol.  Bd.  29,  S.  131f.)  Die 
Kasusendungen  dagegen  mit  den  Stammbildungssuffixen  auf  eine  Stufe 
zu  stellen,  dagegen  sträubt  sich,  wie  die  Anm.  auf  S.  5  und  die  Aus- 
führungen auf  S.  91  ff.  trotz  gewisser  Unklarheiten  zeigen,  auch  R.  ganz 
energisch.  Und  mit  Recht.  Denn  nur  wenn  man  die  begriffliche  Scheidung 
zwischen  Stammbildungssuffix  als  Stammteil  und  Kasusendung  als  syn- 
taktisches Moment  des  Wortes,  oder  die  viel  allgemeinere  begriffliche 
Scheidung  zwischen  einem  in  aller  Flexion  integer  bleibenden  Integral 
und  dem  zugehörigen  Flexional  nebst  (in  der  Lautung  eventuell  vor- 
handenem entsprechenden)  Integrativum  und  Flexivum  strikte  fest- 
hält, gelangt  man  dazu,  in  der  Frage  des  Verhältnisses  zwischen  Wort- 
bildung und  Satzbildung  völlig  klar  zu  sehen.  Man  bemerkt  dann 
nämlich  alsbald,  daß  nur  gewisse  Integrale  und  Integrativa  den  Gegen- 
stand der  Wortbildungslehre  bilden  können ,  <  während  anderseits  die 
Syntax  als  eine  allgemeine  Flexionslehre  erscheint.  Als  eine 
allgemeine  Flexionslehre,  insofern  in  ihr  nicht  etwa  nur  die  Kasus- 
endungen, sondern  auch  alle  übrigen  Flexionsmittel  wie  Präfixal-,  Um- 
laut-, Ablaut-,  Komposital-'),  Positionalflexion  des  Wortes  zu  behandeln 
sind,  fernerhin  aber  auch  —  was  freilich  bisher  kaum  beachtet  worden 
ist,  die  Flexionsmittel,  durch  welche  die  nicht  als  Worte  zu  bezeich- 
nenden Satzglieder  ihren  Charakter  als  Subjekt  bezw.  Prädikat  bezw. 
Assubjekt  oder  Apprädikat  erhalten.  Ich  kann  hier  diese  demnächst 
im  2.  Bande  meiner  'Grundzüge'  zu  behandelnden  Verhältnisse  ihrer 
Kompliziertheit  wegen  nicht  ausführlich  besprechen ;  nur  auf  eines  möge 
in  Kürze  hingewiesen  sein:  daß  in  dem  oben  S.  10  Z.  32 ff.  analysierten 
Beispiel  ö!  der  Gegenstand  des  Gefühls,  der  in  der  Lautung  gar  keinen 
Reflex  hat,  doch  als  Subjekt  des   Satzes  fungiert,  und  seinerseits  durch 


1)  Z.  B.  in  Titas  hat  Cajus  gerufen,  ist  hat . .  .  gerufen  ein  Distanz- 
koraposition,  bei  dem  die  Flexion  in  das  Flexivum  hat .  . .  ge  .  .  .  en  ver- 
legt ist,  während  ...ruf...  das  Integrativum  ist;  das  ganze  aber  ist 
eine  (distanz-)komposital  gebildete  Flexionsform  von  rufen,  der  z.  B. 
die  suffixale  Flexionsform  vocavit  von  vocare  gegenübersteht. 


Rozwadowski  Wortbildung  und  Wortbedeutung.  13 

das  Gefühl,  die  Rede  drehe  sich  um  ihn,  als  Subjekt  flektiert  erscheint, 
während  er  in  andern  Sätzen  etwa  den  Flexional  einer  objektiven  Be- 
stimmung des  Prädikats  (also  eine  Art  Apprädikatsflexional)  haben  kann. 
Man  sieht,  auch  die  Bestimmung  des  Begriffes  'Wort'  wird  jetzt 
klarer:  es  ist  so  zu  fassen,  daß  man  unter  'Wort'  einen  minimalen 
noch  relativer  Selbständigkeit  fähigen,  d.  h.  Integral  und  Flexional  in 
sich  vereinigenden  Satzbedeutungsteil  versteht ,  dem  ein  relativ  selb- 
ständiges Satzlautungsglied  oder  aber  eine  ganze  Satzlautung  direkt  zu- 
geordnet ist'.  Das  Wort  bleibt  also,  mit  Bezug  auf  seine  Bedeutung,  immer 
ein  Satzteil,  und  man  kann  nicht  sagen,  'es'  fungiere  jemals  als  Satz; 
höchstens  seine  Lautung  kann  dies,  wird  aber  dann  auch  zur  Satz- 
lautung, insofern  sie  den  Teil  der  Satzbedeutung,  der  nicht  Wortbe- 
deutung ist,  mitzutragen  hat  (vgl.  die  Anm. ').  Die  Wortbedeutung  als  be- 
stimmt charakterisierte  Satzteilbedeutung  bleibt  aber  dann  (als  'Wort- 
integral -1-  Wortnexional')  unter  allen  Umständen  bestehen,  wie  auch  die 
Wortlautung  (als  'Wortintegrativum  -f-  Wortflexivum');  nur  läßt  sich  die 
'Wortlehre'  nicht  der  'Syntax'  gegenüberstellen,  sondern  sie  hat  (als  Wort- 
bildungslehre) einen  asyntaktischen  und  (als  Wortflexionslehre)  einen  syn- 
taktischen Teil.  Daraus  folgt  aber  auch  ohne  weiteres  vollends,  was  ja  auch 
oben  S.  11  Z.  42  ff.  schon  von  einer  andern  Seite  her  angedeutet  wurde, 
daß  auf  das  Wort  nicht  so  unbedingt,  wie  dies  R.  meint,  alles  zutreffen 
kann,  was  als  für  den  Satz  gültig  angenommen  werden  muß.  Für  den 
Integral  des  Wortes  gilt  das  von  R.  als  allgemein  hingestellte  'Gesetz 
der  Zweigliedrigkeit'  gewiß  nicht  unbedingt,  und  darauf  kommt  es  doch 
bei  der  Wortbildung  nach  dem  oben  Dargelegten  an.  Aber  auch  für 
den  Bedeutungswandel  des  Wortes  trifft  das  Gesetz  nicht  zu,  insofern 
er  Integralbedeutungswandel  ist;  hier  liegt  bei  R.,  wie  ich  aber  hier 
nicht  weiter  ausführen  kann,  eine  Intellektualisierung  der  Bewußtseins- 
vorgänge bei  solchem  Wandel  vor,  die  nicht  gutgeheißen  werden  kann 
und  mich  daher  auch  den  Ausdruck  'identifizierendes'  und  'unter- 
scheidendes' Glied  bemängeln  läßt:  Es  handelt  sich  beim  Bedeutungs- 
wandel durchaus  nicht  immer  um  klare  Identifikation  und  Unterscheidung 
mit  Bezug  auf  die  frühere  und  die  neue  Bedeutung  des  Wortes;  jene 
frühere  Bedeutung  ist  oft  gar  nicht  klar  im  Bewußtsein  und  kann  daher 
im  Akt  des  Bedeutungswandels  weder  identifiziert  noch  unterschieden 
werden.  Vielleicht  sieht  sich  v.  R.  mit  Bezug  darauf  einmal  den  Passus 
über  'Assimilation'  in  meinen  'Grundzügen'  I  §  1209  ff.  an;  ich  glaube, 
er  wird  mir  dann  beistimmen.  Muß  ich  also  die  Resultate  v.  Rodzwa- 
dowskis  zum  großen  Teil  doch  ablehnen  (insbesondere  natürlich  auch  die 
etwas  sonderbare  Behauptung  auf  S.  10-4,  "den  sprachlichen  Gebilden 
müssen  als  letzte  Einheiten,  als  allerletzte  'Ursätze'  offenbar  zweigliedrige 
d.  h.  zweilautige  Gebilde  gleichsam  als  Zellen  zugrunde  liegen"),  so  bleibt 
doch  anderseits,  wie  wir  gesehen  haben,  so  viel  positiv  Neues  und  Gutes 

1)  Letzteres  ist  z.  B.  bei  dem  obigen  Satze  ö!  der  Fall,  wo  das  ö.', 
also  die  Satzlautung,  direkt  nur  das  Gefühl  anläßlich  des  (Anbhckes  des) 
Gegenstandes,  indirekt  aber  auch  (als  Satz-,  nicht  als  Wortlautung)  den 
Gegenstand  des  Gefühl  bedeutet  (nicht  'benennt',  vgl.  oben  S.  10  Z.  46  ff.). 
Der  Satz  ö!  enthält  also  allerdings  ein  mit  Gefühlsbedeutung  versehenes 
Wort,  außerdem  aber  einen  Bedeutungsbestandteil,  das  Subjekt,  der 
nicht  'Wort'  im  Sinne  der  obigen  Definition  ist. 


14    Freudenberger  Beitr.  z.  Naturgesch.  —  Mauthner  Beitr.  z.  Kritik  d.  Spr. 

an  Einzelheiten  übrig,  daß  das  Buch  immerhin  als  eine  sehr  erfreuliche 
Erscheinung  gekennzeichnet  werden  kann.  Weniger  gilt  dies  leider  —  ich 
sehe,  daß  sich  hier  ungewollt  der  gleiche  Übergang  einstellt  wie  von  dem 
Buche  Waags  zu  dem  von  A.  Rittershaus  —  wenigstens  von  dem  einen 
der  beiden  letzten  hier  noch  zu  betrachtenden  Bücher.  Auch  gegen  das 
erste  davon,  M.  Freudenbergers  'Beiträge  zur  Naturgescliichte  der 
Sprache',  ist  ja,  namentlich  was  die  Methode  betrifft,  mancherlei  einzu- 
wenden: Die  Übertragung  der  Begriffe  "Protoplasma,  Kampf  ums  Dasein, 
Rudiment,  Begünstigte  Daseinsformen,  Analyse  und  Homologie,  Kreuzung, 
Ausgestorbene  Zwischenstufen,  Reversion  (Rückkehr  zur  großelterlichen 
Bildungy'  vom  naturwissenschaftlichen  aufs  sprachwissenschaftliche  Ge- 
biet ist  nicht  ohne  eine  unstatthafte  Verselbständigung  der  sprachlichen 
Leistungen  und  auch  nicht  ohne  sehr  wesentliche,  vom  Verf.  bei  weitem 
nicht  immer  vorgenommene  Einschränkungen  und  Modifikationen  jener 
Begriffe  möglich.  Und  auch  das,  was  der  Verf.  zum  Schluß  über  den  Ur- 
sprung der  Sprache  ausführt,  ist  doch  —  er  tritt  im  Wesentlichen  für 
onomatopoetischen  Ursprung  ein  —  längst  überholt,  vor  allem  neuerdings 
von  Wundt,  Völkerpsych.  I'^  S.  584ff.  (2.  Aufl.  P  S.  614 ff.),  eine  Darstellung, 
die  F.  damals  (1900)  freilich  noch  nicht,  wohl  aber  deren  Vorgänger  in 
Wundts  andern  Werken  kennen  komite.  Dennoch  kann  man  das  anspruchs- 
lose Büchlein  in  seiner  Sphäre  gern  gelten  lassen,  weil  doch  darin  der 
Entwicklungsgedanke  klar  herausgearbeitet  ist  und  sich  auch  in  Einzel- 
heiten gar  manches  darin  findet,  was  auch  Fachleuten  neu  sein  kann, 
vieles  aber,  was  dem  Laien,  an  den  sich  das  Werkchen  zunächst  richtet, 
nicht  geradehin  falsche  Vorstellungen  vom  Wesen  der  Sprache  erweckt. 
Offenbar  verwirrend  und  in  ihrer  Verworrenheit  und  Unreife  direkt  un- 
heilvoll müssen  aber  —  und  sie  haben  auch  auf  Viele  so  gewirkt  — 
F.  Mauthners  'Beiträge  zu  einer  Kritik  der  Sprache'  wirken.  Es  ist 
ein  bedauerliches  Schauspiel,  einen  Mann,  der  sonst  Geist  und  Denkschärfe 
genug  besitzt,  einen  großen  Teil  seines  Lebens  an  eine  Aufgabe  wenden 
zu  sehen,  der  er  so  ganz  und  gar  nicht  gewachsen  ist.  Denn  das  ist  hier 
wirklich  der  Fall:  Nicht  eine  der  Wissenschaften,  die  hier  M.,  immer  ab- 
sprechend und  stets  von  seiner  eigenen  souveränen  Stellung  aufs  höchste 
überzeugt,  in  den  Kreis  seiner  Kritik  zieht,  ist  ihm  anders  als  durch  un- 
vermittelte und  —  M.  entschuldige  das  harte  Wort,  das  aber  nur  in  seinem 
Stile  gehalten  ist  —  unverdaute  Lektüre  von  allem  Möglichen  bekannt; 
von  eigenem  organisatorischem  und  methodischem  Durchdenken  auch  nur 
eines  dieser  Gebiete  (Logik,  Psychologie,  Sprachwissenschaft  insbesondere 
im  Sinne  der  grammatischen  Wissenschaft)  zeigt  sich  nirgends  eine  Spui*. 
Dafür  aber  Thesen  wie  die,  daß  die  Sprache  nicht  dazu  imstande  sei, 
Erkenntnis  zu  vermitteln  (worauf  dann  M.  drei  dicke  Bände  schreibt,  um 
mittelst  der  Sprache  diese  Erkenntnis  plausibel  zu  machen),  oder  die 
(I  S.  215),  daß  es  "nur  bei  den  Ungebildeten,  beim  Pöbel,  noch  gesunde 
Muskeln  und  eine  gesunde  Sprache  gebe"  (sapienti  sat),  geschmacklose 
Urteile  über  Schillers  Stellung  zu  Kant,  ebenso  gesclmiacklose  Ausfälle 
gegen  die  'Pfaffen'  —  Unerquickliches  auf  Schritt  und  Tritt,  nirgends 
eine  irgendwie  nennenswerte  Förderung  irgendwelcher  Wissenschaft.  Mit 
einem  Worte:  Was  neu  in  den  drei  Bänden  über  'Sprache  und  Psycho- 
logie', 'Zur  Sprachwissenschaft'  und  'Zur  Grammatik  und  Logik'  ist,  das 
ist  nicht  gut,  und  was  gut  darin  ist  (M.  hat  ja  bei  seiner  weitgehen- 
den Belesenheit  natürlich  auch  mit  vollen  Händen  Lesefrüchte  eingestreut), 


Hermann  Zur  Geschichte  des  Brautkaufs  bei  den  idg.  Völkern.      15 

das  ist  nicht  neu.  Ob  unter  solchen  Umständen  noch  eine  ausführliche 
Kritik  der  Mauthnerschen  Unmethode  angebracht  ist?  Ich  glaube,  diese 
Frage  verneinen  zu  müssen,  wenn  nun  auch  diese  Gesamtbesprechung 
nicht,  wie  ich  wohl  gewollt  hätte,  mit  einem  Lobe,  sondern  mit  einem 
Tadel  schließt.  Hoffentlich  ist  es  ein  andres  Mal  anders  möglich. 
Leipzig.  0.  Dittrich. 


Hermann  Dr.  E.  Zur  Geschichte  des  Brautkaufs  bei  den  indogermanischen 
Völkern.  Wissenschaftliche  Beilage  zum  XXL  Programm  (1903—1904) 
der  Hansa-Schule  zu  Bergedorf  bei  Hamburg. 

Der  Verf.  gibt  ein  reiches  Material  für  das  Vorhandensein  des  Braut- 
kaufes bei  einzelnen  idg.  Völkern,  und  er  verfolgt  vor  allen  Dingen  das 
Fortbestehen  des  Brautkaufes  bis  in  die  letzten  Zeiten.  Im  allgemeinen 
wird  man  den  Ausführungen  des  Verf.'s  dankbar  folgen  können,  nur  gegen 
eines  möchte  ich  Widerspruch  erheben.  Bei  den  alten  Griechen  hören 
die  Nachrichten  über  den  Brautkauf  allmählich  auf,  heute  aber  findet  er 
sich  wieder.  Daraus  schheßt  der  Verf.,  daß  hier  der  Brautkauf  auf  er- 
neuter Einführung  von  fremder  Seite  beruhe.  Er  macht  die  Albanesen  dafür 
verantwortlich.  Natürlich  ist  das  möglich,  aber  man  darf  denn  doch  nicht 
nach  dem  Grundsatz  vorgehen,  qiiod  non  est  in  actis,  non  est  in  mundo.  Es 
ist  absolui  unerwiesen,  daß  uns  auch  nur  einigermaßen  vollständige  Nach- 
richten über  das  ganze  griechische  Volksleben  vorliegen,  und  so  kann 
sich  in  gewissen  Kreisen  sehr  wohl  der  Brautkauf  erhalten  haben,  während 
er  in  der  Hauptsache  überwunden  war. 

Im  zweiten  Teil  handelt  der  Verf.  über  den  Namen  des  Kaufpreises. 
Wir  finden  bekanntlich  gr.  eebva,  bürg,  ivittimon,  abg.  veno,  deren  Vereini- 
gung einige  Schwierigkeiten  bereitet.  Ich  glaube  aber,  sie  lassen  sich 
unter  dem  Ansatz  von  'vedmnoni  beseitigen.  Und  diesen  Ansatz  finde 
ich  gar  nicht  so  schwierig,  ja  ich  sehe  sogar  die  Möglichkeit  lat.  vcnum 
dare  usw.  mit  unserm  Wort  in  Zusammenhang  zu  bringen '). 

Daß  sich  die  Höhe  des  idg.  Kaufpreises  nicht  ermitteln  läßt,  daß 
die  Bestimmung  '100  Rinder'  nichts  weiter  ist  als  eine  unbestimmt  große 
Zahl,  das  war  leicht  zu  zeigen. 

Über  das  Alter  der  Kaufehe  hat  der  Verf.  noch  einige  Bedenken, 
aber  in  diesen  Punkten  muß  ich  der  übertriebenen  Skepsis  durchaus 
widersprechen.  Es  hat  gar  keinen  Zweck  mit  irgend  einer  fingierten 
Möglichkeit  zu  rechnen.  Der  Verf.  hätte  sich  vielmehr  fragen  sollen:  Ist 
es  wahrscheinlich,  daß  sich,  vorausgesetzt  die  Kaufehe  existierte  bei  den 
Indogermanen  nicht,  diese  bei  so  vielen  Völkern  selbständig  sollte  ent- 
wickelt haben?  Wäre  das  der  Fall,  so  läge  wohl  ein  allgemeiner  Grund- 
zug der  menschlichen  Gesellschaft  vor,  der  Art,  daß  sich  diese  Form  der 
Eheschließung  auf  einer  gewissen  Wirtschaftsstufe  entwickeln  mußte.  Ist 
es  da  nicht  wahrscheinlicher,  den  Brautkauf  den  Indogermanen  selbst 
zuzuschreiben?    Übertriebene  Skepsis  führt  nicht  viel  weiter. 

Leipzig-Gohlis.  H.  Hirt. 


1)  Ich  nehme  idg.  Schwund  des  s  vor  Nasal  an,  allerdings  unter 
besondern  Bedingungen  und  zwar  nach  langem  Vokal  oder  Diphthong,  das 
hätte  Hermann  vielleicht  aus  meinen  Erörterungen  selbst  schließen  können. 


16  Reuter  The  S'rauta-Sütra  of  Drähyäyana. 

Reuter  J.  N.  The  S'rauta-Sütra  of  Drähyäyana  with  tlie  Commentary  of 
Dhanvin.  Part.  1  (Reprinted  from  the  'Acta  societatis  scientiarum  finnicae' 
T.  XXV,  Pars  11). 

Der  in  schöner  Ausstattung  vorliegende  Teil  I  von  Drahyäyanas 
S'rauta  Sütra  erfüllt  einen  alten  Wunsch  der  Vedaphilologie,  die  nun  auch 
das  zum  Sämaveda  vorhandene  Material  der  Veröffentlichung  entgegen- 
geführt sieht.  Während  die  Sütren  zum  Rk  und  Yajurveda  größtenteils  er- 
schienen oder  im  Erscheinen  begriffen  sind,  ist  der  Sämaveda  in  dieser 
wie  in  anderer  Beziehung  stiefmütterlich  behandelt  worden,  obwohl  seine 
Technik  wie  seine  Stellung  in  der  vedischen  Kulturgeschichte  eine  ein- 
gehende Erörterung  wünschenswert  macht.  Nicht  unwichtig  sind  die 
Angaben  einzelner  Texte  über  mancherlei  Bräuche,  die  die  dem  Volks- 
leben nahestehenden  und  keineswegs  immer  im  Ansehen  hochstehenden 
Sämasänger  in  das  Ritual  der  S'rautasutren  mitbrachten.  Ferner  ge- 
währen die  Angaben  der  Chändogya's  manchen  Einblick,  den  die  übrigen 
Texte  verweigern,  in  die  Geschichte  des  Kultus.  Die  Grundform  aller 
Somaopfer  bildet  z.  B.  der  Agnistoma,  der  seinen  Namen  keineswegs  mit 
Recht  führt,  weil  hier  nicht  Agni,  sondern  Indra  der  Mittelpunkt  ist.  Ver- 
mutlich haben  hier  Familien,  die  den  Indrakult  pflegten,  diesen  in  den 
Rahmen  eingefügt,  während  eigentlich  Agni  den  Hauptplatz  einnehmen 
sollte.  Die  Chändogya's  haben  aber  neben  der  Indra-Subrahmanyäformel 
eine  zweite,  die  an  Agni  gerichtet  ist  und  anstelle  jener  im  Agnistut 
eintritt,  in  einem  Somaopfer,  das  offenbar  eine  Parallele  zu  einem  Indrastut 
bildete ;  die  Verhältnisse  des  gegenwärtigen  Agnistoma  bekunden  eine  An- 
näherung beider  Opfer,  ein  Kompromiß  zwischen  verschiedenen  Ritual- 
familien, das  vorauszusetzen  uns  die  Angaben  bei  Lät.  und  Drähyäyana 
veranlassen. 

Der  Text  Drähyäyana's  ist  vielfach  mit  dem  Lätyäyana's  identisch, 
und  so  werden  wir  leichter  imstande  sein  die  mannigfachen  Schäden  der 
Ausgabe  des  letzteren  in  der  Bibliotheca  Indica  selbst  auszubessern.  Immer- 
hin scheint  Dräh.  manche  interessanten  Zusätze  zu  haben,  wie  z.  B.  die 
Sutren  IX,  4,  16—18  oder  das  Zitat  aus  S'ändilya,  das  bei  Drähyäyana 
ausführlicher  vorliegt  als  bei  Lät ;  es  wäre  nützlich,  wenn  der  Wortindex 
die  Abweichungen  zwischen  beiden  Texten  genau  zum  Ausdruck  brächte. 
Recht  wertvoll  ist  der  Kommentar  Dhanvins,  weil  er  von  dem  Agni- 
svämins  unabhängig  ist  und  Säyana  für  seine  Kommentierung  des  Panca- 
viihsa-  und  Sadvimsa  Brähmana  vorgelegen  hat.  Über  diese  Fragen  wird 
sich  erst  genauer  urteilen  lassen,  wenn  die  beiden  folgenden  Teile  und 
die  in  Fase.  IV  in  Aussicht  gestellte  Einleitung  erschienen  sind.  Daß  unser 
Material  so  vollständig  als  möglich  herausgegeben  und  bearbeitet  wird, 
ist  umso  wünschenswerter,  als  in  Indien  selbst  weder  Interesse  noch  Ver- 
ständnis für  diese  Dinge  vorhanden  zu  sein  scheint.  Bei  einem  Opfer,  das 
ich  in  der  Nähe  des  heiligen  Teiches  von  Valkesvara  auf  Malabar  Hill  sah, 
flüsterte  der  Hotr  seine  Gebete,  nicht  aus  dem  Rk,  sondern,  wie  ich  an 
dem  mir  dargereichten  Texte  mich  überzeugte,  —  aus  einer  modernen 
Version  der  Bhagavadgitä. 

Daß  die  Ausgabe  bei  Reuter  in  guten  Händen  liegt,  zeigt  das  gegen- 
wärtige bis  Patala  XI  (=  Lät.  IV,  1,  5)  reichende  Heft,  das  noch  die  Be- 
schreibung der  herzustellenden  Laute  enthält.  Um  einige  Einzelheiten  an- 
zumerken: S.  2  (I,  1,  4,  Komm.  Z.  4)  würde  ich  vibhaktain  mantränäm  mit 
C  schreiben;  S.  3  Z.  15  mit  derselben  Handschrift  baudhäyanah;  IX,  4,  7 


Edmunds  Buddhist  &  Christian  Gospels.  —  Sommer  Griech.  Lautstudien.  17 

liest  Reuter  wie  die  Lät.-Ausgabe  (III,  8,  1)  trikena  stomenästomayogä 
yajamänamcanäkusävidhänena;  das  Ganze  ist  aber  ein  Dvandva  asto- 
mayoga-ayajamänaväcana  etc.;  es  müßte  also  mindestens  der  Avagraha 
gesetzt  werden,  den  R.  sonst  verwendet  (obwohl  ich  die  häufige  Setzung 
des  Avagraha  eher  als  eine  Störung  denn  als  Unterstützung  empfinde) 
oder,  zweckmäßiger,  der  Text  ohne  Pause  gedruckt;  ib.  IX,  8,  8  apanyät. 
Breslau.  A.  Hillebrandt. 


Edmunds  A.  J.  Buddhist  &  Christian  Gospels  being  Gospel  Parallels 
from  Päli  Texts.  Now  First  Compared  from  the  Originals.  Third  and 
Complete  Edition.  Edited  with  Parallels  and  Notes  from  the  Chinese 
Buddhist  Tripitaka  by  M.  Anesaki,  Professor  of  the  Science  of  Religion 
in  the  Imperial  University  of  Tokyo  1905.  pp.  [XIII],  IV,  230,  ^6).  8». 
Edmunds  will  nicht,  wie  Seydel  und  van  den  Bergh,  direkte  Ent- 
lehnungen aus  buddhistischen  Quellen  in  den  Evangelien  nachweisen, 
sondern  Parallelen  in  den  Gedanken.  Nur  für  das  Lukas-Evangelium  läßt 
er  einen  möglichen  Einfluß  eines  'Gotamist  Epic'  gelten  in  Fällen,  wo 
Lukas  von  Matthäus  und  Marcus  in  eigenartiger  Weise  abv/eicht.  Darin 
stimme  ich  ihm  durchaus  bei,  wenn  ich  auch  nicht  an  ein  bestimmtes 
buddhistisches  Epos  glaube,  das  Lukas  benutzt  haben  könnte.  Unter  den 
Parallelen  sind  viele  ganz  allgemeiner  Art,  die  nichts  besagen.  Überhaupt 
spielt  hier  die  Subjektivität  eine  große  Rolle.  Sehr  wohltuend  berührt 
in  dem  Buche  das  redliche  Streben  nach  der  Wahrheit  und  das  Bemühen 
Edmunds',  sich  auf  allen  einschlägigen  Gebieten  gründlich  zu  unterrichten. 
Er  hat  sich  mit  der  theologischen  Literatur  wohl  vertraut  gemacht  und 
sich  eine  anerkennenswerte  Kenntnis  des  Päli  und  des  Tripitaka  erworben. 
Es  ist  zu  wünschen,  daß  es  ihm  gelingt  in  Amerika  einen  Verleger  für 
das  große  Werk  seines  Lebens  zu  finden,  die  Cyclopaedia  Evangelica, 
die  ohne  Zweifel  sehr  nützlich  sein  wird.  Die  vorliegende  Arbeit  konnte 
nur  erscheinen,  indem  Anesaki  einen  Verleger  in  Japan  besorgte,  auch 
ein  Zeichen  der  Zeit.  Anesaki  selbst  hat  zu  den  Übersetzungen  aus  dem 
Päli-Kanon  Parallelen  aus  dem  Chinesischen  Tripitaka  hinzugefügt.  Aus 
seiner  Bemerkung  auf  S.  [XII],  es  scheine  ihm  eine  unbestreitbare  Tatsache 
zu  sein,  daß  die  Päli  Nikäya  und  die  Chinesischen  Agama  aus  derselben 
Quelle  abgeleitet  sind,  geht  hervor,  daß  ihm  die  Funde  in  Chinesisch- 
Turkestän  noch  unbekannt  sind.  Die  von  Neumann  eingeführte,  greuliche 
Schreibweise  Änando,  Nikäyo  usw.  hätten  die  Verfasser  nicht  aufnehmen 
sollen.  Für  Buddha  machen  sie  selbst  eine  Ausnahme.  Störend  sind  die 
zahlreichen  Druckfehler. 

Berlin-Halensee.  R.  Pischel. 


Sommer  F.  Griechische  Lautstudien.  Straßburg,  Trübner  1905.  VIII,  172  S. 
5  M. 

In  vier  Abschnitten,  die  sich  inhaltlich  aneinander  anschließen, 
untersucht  Sommer  einige  Erscheinungen  der  griechischen  Lautgeschichte, 
in  denen  er  die  Einwirkung  eines  tonlosen  inlautenden  Konsonanten  auf 
den  Anlaut  vermutet.  In  der  ersten  Untersuchung  ('Spiritus  asper  als 
Vertreter  eines  h  im  Wortirmern'  S.  1 — 24)  gelangt  der  Verf.  zu  dem  Er- 
gebnis, a)  daß  ein  intervokalisches  h  (aus  s)  auf  den  vokalischen  Anlaut 
übergeht,  falls  der  Vokal  vor  dem  h  den  Akzent  trug  (z.  B.  eöu)  aus  *eühuj 

Anzeiger  XIX.  2 


18  Sommer  Griechische  Lautstudien. 

gegenüber  ^Oc  aus  *dhüc),  ferner  b)  daß  ein  antekonsonantisches  h  in  Fällen 
wie  V|U6poc  aus  *ih|Li€poc  (*ic^epoc)  dieselbe  Wirkung  habe;  die  sichersten 
Belege  dafür  sind  (außer  i'iuepoc)  eiVaprai,  oi.uoc  (aus  *oismos,  lit.  eismi), 
aT|Lia,  6i|LiapTdvuj.  Von  der  Notwendigkeit  des  zweiten  Lautgesetzes  bin 
ich  nicht  überzeugt:  das  sicherste  Beispiel  ist  i'inepoc,  dem  aber  ein  so 
isohertes  Wort  wie  aöpiov  aus  *aucpiov  gegenübersteht.  Wenn  aöpiov 
eine  analogische  Umbildung  von  aöpiov  sein  kann,  dann  kann  m.  E.  noch 
leichter  angenommen  werden,  daß  i'inepoc  seinen  Anlaut  von  i'e.uai  (^cpieinai) 
bezogen  habe.  Der  Verf.  dehnt  das  Lautgesetz,  das  er  für  den  vokalischen 
Anlaut  aufgestellt  hat,  auch  auf  anlautenden  Konsonant  aus,  sofern  es 
sich  um  eine  Tenuis  (Kap.  II)  oder  ein  F  (Kap.  III)  handelt.  Im  ersten 
Fall  scheidet  S.  zunächst  die  Formen  cppoupd,  cppoi.uiov  und  qppouboc 
(=  *TTpoöpd  usw.)  aus  der  weiteren  Beweisführung  aus,  weil  er  hierin 
—  wie  ich  glaube  mit  Recht  —  relativ  junge  (keinesfalls  urgriechische) 
Vorgänge  von  Verschiebung  der  Aspiration  sieht;  wenn  er  eqpiopKeuu  =  diri- 
öpKeo)  hinsichtlich  seines  Alters  mit  jenen  Wörtern  auf  die  gleiche  Linie 
stellt,  so  stimme  ich  darin  dem  Verf.  bei,  halte  aber  doch  meine  Erklärung 
der  Form  (^qpiopKeuu  eine  Kontamination  von  dcpopKeuu  X  *eTriopKeLu)  gegen- 
über derjenigen  S.'s  (e-m-öpKeiu  zu  dqpi-opKeuj)  deshalb  aufrecht,  weil  für 
das  vom  Verf.  mit  Stillschweigen  übergangene  dcpi  iepeuuc  (aus  Delos, 
s.  Spiritus  asper  S.  72)  mein  Weg  mir  gangbarer  erscheint  als  der  Sommers. 
Doch  das  von  S.  aufgestellte  Lautgesetz  wird  von  dieser  Einzelheit  nicht 
berührt;  urgriechische  Einwirkung  eines  inlautenden  h  (s)  auf  anlautende 
Tenuis  sieht  S.  in  folgenden  Fällen,  unter  denen  sich  einige  scharfsinnige 
Etymologien  des  Verfassers  finden:  öpivaE  aus  *Tpi-cvaK-c,  Gpivia  aus 
*Tpi-cviä,  öpTov  aus  *Tpi-cFo-|Li,  6pia|ußoc  aus  *Tpic-a,ußoc,  Gpüov  aus 
*Tpu(c)ov,  *6p£0C  in  Gpificai  aus  *Tp6(c)oc,  GeiXöirebov  aus  *Tepc\o-TTebov, 
*9pctvoc(-9pavöuj)  aus  *Tpacvoc  {*f^'s>ios),  cBevoc  aus  *CTacvoc,  qpXeoic  aus 
*pleusos,  cpXoiöc  aus  *plousios,  qppüvr)  aus  *Trpucvä,  qpidXrj  aus  *TTi-ca\ä, 
cpXeüuj  aus  *pleusiö,  \a\TT\  aus  *KaicTTÖi,  xpcüai  aus  *Kpau(a)uj.  Unter  den 
16  Fällen,  die  für  das  Lautgesetz  in  Anspruch  genommen  werden,  sind 
12,  in  denen  es  sich  um  6p-,  qpp-,  qpX-,  xp-  handelt;  die  übrigbleibenden 
vier  Etymologien  sind  so  unsicher,  daß  sie  nicht  zum  Beweis  des  auf- 
gestellten Lautgesetzes  dienen  können:  das  Lautgesetz  ist  also  wohl  in 
der  Weise  zu  begrenzen,  daß  man  die  Wirkung  eines  inlautenden  inter- 
vokalischen  Hauchlautes  nur  bei  der  Anlautsgruppe  Tenuis  -{-  Liquida 
annimmt.  Bei  dieser  Formulierung  fallen  Ausnahmen  wie  irie^uu,  Traio)  und 
besonders  ireoc  (S.  79)  weg,  welch  letzteres  mir  ein  kaum  übersteigbares 
Hindernis  für  Sommers  weitergreifendes  Lautgesetz  zu  sein  scheint.  Ob  auch 
die  Wirkung  eines  antekonsonantischen  h  (z.  B.  *Tpi-cvaK-c  zu  *TpihvaE  und 
GpivaS)  staLtgefunden  hat,  ist  mir  zweifelhaft;  ich  glaube  nicht  recht  an 
die  Entwickelung  von  -sn-  u.  ä.  über  -hv- zu  -vv-  und  vermisse  eindeutige 
Etymologien,  welche  das  Vorhandensein  und  die  Wirkung  eines  solchen 
h  uns  anzunehmen  zwingen;  ein  Kpava  <(  *Kpacva  spricht  jedenfalls  nicht 
sonderlich  dafür,  wenn  man  sich  auch  zur  Not  mit  der  Form  abfinden 
könnte  (s.  Sommer  S.  80).  Daß  endhch  der  Akzent  beim  Eintreten  oder 
Unterbleiben  der  Hauchverschiebung  eine  Rolle  spielte,  läßt  sich  nicht 
erweisen  —  man  läßt  ihn  besser  aus  dem  Spiel,  weil  man  sonst  leicht 
in  eine  Zwickmühle  gerät  (vgl.  S.  76  f.). 

Wenn  wir  die  Wirkung  des  inlautenden  h  auf  anlautende  Tenuis 
mit  der  darauffolgenden  Liquida  in  Verbindung  bringen,  so  folgt  daraus 


Sommer  Griechische  Lautstudien.  19 

natürlich  nicht,  daß  die  Liquida  unter  allen  Umständen  bei  der  Aspiration 
eines  anlautenden  Konsonanten  beteiligt  sein  muß.  Daher  berührt  meine 
Einschränkung  des  Sommerschen  Lautgesetzes  keineswegs  die  Ergebnisse 
des  3.  Abschnittes,  worin  'die  Vertretung  eines  anlautenden  F  durch  Spiritus 
asper'  behandelt  wird  (S.  82  ff.).  Anlautendes  F  ist  nach  Sommer  durch 
drei  Prozesse  über  Fh  zu  einem  Spiritus  asper  geworden,  nämlich  1.  in 
Fällen  wie  evvu|ui  <  *Fdivu|ui  (*Fecvu|Lu)  durch  die  Wirkung  eines  inlautenden 
A,  2.  in  i'cTUjp,  ^CTrepoc,  ^cxia  durch  die  Wirkung  eines  inlautenden  c,  und 
3.  in  epon,  ^opxr)  durch  die  Wirkung  eines  p,  das  selbst  durch  die  Ver- 
bindung mit  einem  stimmlosen  Konsonant  stimmlos  geworden  sei.  S.  scheint 
mir  damit  ein  Problem  der  endgültigen  Lösung  näher  gebracht  zu  haben, 
um  das  ich  mich  selbst  (IF.  9,  29'1'ff.)  bemüht  habe.  Es  freut  mich,  daß 
S.  im  wesentlichen  meinen  Ausführungen  über  die  Existenz  eines  stimm- 
losen Digamma  zustimmt  und  gegenüber  den  Einwänden  Solmsens  auf 
meine  Seite  tritt.  Auch  Sommer  lehnt  wie  ich  (IF.  Anz.  14-,  8)  die  Hypo- 
these Solmsens  ab,  daß  der  Hauchlaut  in  eKacxoc  und  es  aus  einem  s- 
und  nicht  einem  su-  zu  erklären  sei;  denn  über  die  Form  'Ecxia  ist  Solmsen 
nur  hinweggekommen,  indem  er  die  Belege  für  Fecxia  bezweifelte  und  die 
etymologische  Verknüpfung  mit  lat.  Vesta  leugnete,  wobei  immer  noch 
gcuGpoc  vesper  und  Ficxuup-icxujp  als  gefährliche  Klippen  übrig  blieben. 
Das  von  mir  aufgestellte  Lautgesetz,  daß  das  'gehauchte'  (oder  stimmlose) 
F  oder  Fh  früher  als  das  stimmhafte  F  geschwunden  sei,  halte  ich  nun- 
mehr auf  Grund  von  Sommers  Untersuchungen  für  sicherer  denn  je :  denn 
Sommer  zeigt,  daß  ein  Fh-  nicht  nur  auf  su-  zurückgeht,  sondern  auch 
unter  anderen  Sonderbedingungen  entstanden  sein  kann.  Natürlich  bleiben 
auch  so  noch  einige  Wortformen  mit  '=F-  übrig,  bei  denen  weder  älteres 
SU  noch  das  Lautgesetz  Sommers  in  Betracht  kommt  —  wie  ja  auch  noch 
nicht  alle  Fälle  mit  Spiritus  asper,  in  denen  ein  F  überhaupt  nicht  in  Frage 
steht,  erklärt  sind  ').  Wir  dürfen  uns  daher  nicht  einfach  mit  der  Annahme  zu- 
frieden geben,  daß  in  den  Fällen  mit  '=F,  die  nicht  durch  unsere  Laut- 
gesetze zu  erklären  sind,  der  Ansatz  eines  F  oder  die  Überlieferung  eines 
Spiritus  asper  falsch  sei.  Diesen  von  Sommer  gesuchten  Ausweg  halte  ich  je- 
doch in  den  S.  98 — 100  besprochenen  Fällen  für  wahrscheinlicher  als  irgend 
etwas  anderes.  Nicht  aber  leuchten  mir  alle  von  dem  Verf.  angenommenen 
Analogiebildungen  ein,  so  z.  B.  a\icKO|nm  nach  aipeiv,  ai'vuu  nach  i'riiui, 
k\mc  nach  4\ec9ai:  es  sind  gewissermaßen  provisorische  Hilfsmittel,  um 
mit  den  Formen  fertig  zu  werden.  Dagegen  würde  ich  die  Erklärung  von 
heiKoci  und  hiKdc  (nach  den  übrigen,  mit  Spiritus  asper  anlautenden  Zahl- 
wörtern wie  e'E,  eTTxd,  ökxuu,  ^vvea,  ^koxöv)  gerne  annehmen,  wenn  nicht 
pamphyl.  cpiKaxi  auf  ein  älteres  *FhiKaxi  unmittelbar  hinwiese;  S.  äußert  sich 
nicht  über  die  pamphylische  Form.  Während  man  sonst  gelegentlich  mit  der 
Doppelheit  su-ju-  rechnen  kann,  ohne  daß  Zeugnisse  für  ein  su-  vorliegen 
(vgl.  S.  111  ff.),  ist  es  mißlich,  gerade  für  *FhiKaxi  diesen  Ausweg  zu 
wählen.  Ich  glaube  überhaupt  nicht,  daß  mit  der  Annahme  von  su-  und  mit 

1)  Die  von  Sommer  S.  134  hervorgehobene  Tatsache,  daß  mit  in- 
lautendem -p|Li-  Aspiration  eines  vokalischen  Anlauts  Hand  in  Hand  geht 
(cipiLia  äpiLiöZuj),  ist,  wie  ich  nebenbei  bemerke,  schon  von  griechischen 
Grammatikern  beobachtet  worden,  vgl.  A.  Ludwich  Anekdota  zur  griech. 
Orthographie  (Königsberg  1905)  S.  7:  xö  a  XfjYov  eic  p  eTTiq)6po|nevou  xoö 
\x  bacüvexai  oiov  äp|nö2uj  (aus  einer  Wiener  Handschrift  des  14  Jahrh.). 

2* 


20  Sommer  Griechische  Lautstuclien. 

Sommers  Lautgesetz  alle  Bedingungen  erschöpft  sind,  unter  denen  ein  F 
stimmlos  (oder  Aspirata)  geworden  ist.  Auf  besondere,  bisher  nicht  be- 
kannte Bedingungen  für  diesen  Vorgang  weist  die  gelegentliche  Aspirierung 
von  anlautendem  Nasal  oder  Liquida  (inheYdXou,  Xhaßibv  u.  dgl.)  hin,  wo 
keinesfalls  mit  einem  älteren  sm-,  sl-  überall  durchzukommen  ist.  Ich 
habe  schon  früher  (Spiritus  asper  S.  19)  vermutet,  daß  bestimmte  satz- 
phonetische Verhältnisse  im  Spiele  sind,  und  glaube  dies  auch  heute  noch:  es 
könnte  sich  eigentlich  nur  um  die  Wirkung  eines  vorhergehenden  auslauten- 
den -c  handeln,  doch  kann  bei  der  Spärlichkeit  des  Materials  der  quellen- 
mäßige Nachweis  nicht  mehr  geführt  werden.  Um  auf  Sommers  Digamma- 
gesetz  zurückzukommen,  so  bin  ich  der  Meinung,  daß  es  durch  die  vor- 
liegenden Tatsachen  nicht  im  ganzen  Umfang  sicher  erwiesen  ist.  Die 
Geltung  von  2.  scheint  mir  unzweifelhaft;  indem  ich  2.  und  3.  kombiniere, 
möchte  ich  folgende  Formulierung  vorschlagen:  anlautendes  F  wird  durch 
ein  c  im  Anlaut  der  nächsten  Wortsilbe  stimmlos  (aspiriert).  Dieses  Laut- 
gesetz reiht  sich  somit  den  sonstigen  Lautwandelungen  an,  welche  den 
Anlaut  zweier  aufeinanderfolgenden  Silben  assimilatorisch  oder  dissimila- 
torisch  beeinflussen').  In  Fällen  wie  i'cTuup  ist  zu  berücksichtigen,  daß 
die  Silbengrenze  im  c  liegt  (s.  Brugmann  Griech.  Gramm. ^  131  und  die 
dort  vorgezeichnete  Literatur);  in  ^pcrj,  epEai  u.  dgl.  braucht  man  mit  S. 
nicht  anzunehmen,  daß  ein  stimmloses  p  die  Aspirierung  des  F  bewirkt 
habe;  ^opTr),  das  allein  für  S.'s  Formulierung  ins  Gewicht  fällt,  kann 
seinen  Spiritus  asper  sehr  leicht  von  fijaepa  bezogen  haben.  Auch  die 
Hereinziehung  des  Akzents  wird  m.  E.  besser  vermieden,  da  sich  sonst 
Unstimmigkeiten  zwischen  der  epcri-  und  ^vvum-Gruppe  (vgl.  S.  133)  er- 
geben. Endlich  muß  man  die  Frage  aufwerfen,  ob  die  Lautkombination 
*F€h-vu|ui  (aus  *Fec-vuiai)  mit  dem  stimmlosen  F  etwas  zu  tun  hat.  Ich 
glaube  nicht:  denn  das  sicherste  Beispiel,  eben  evvu|ui,  kann  auch  von 
^ccai  u.  dgl.  aus  erklärt  werden;  selbst  ob  ein  intervokalisches  h  (aus  c) 
aspirierend  auf  den  Anlaut  gewirkt  hat,  ist  mir  wegen  eap  (und  ev.  iöc) 
nicht  so  ganz  sicher.  Von  Ausnahmen  gegen  das  icTuup-Gesetz  kommen 
'ernstlich',  wie  ich  mit  S.  glaube,  nur  äcTU,  ickuu  und  icoc  in  betracht 
(S.  123).  Man  lese  bei  S.  nach,  wie  man  sich  mit  den  beiden  ersten 
Formen  abfinden  kann;  aber  i'coc  [FicFoc]  aus  *FibcFoc  birgt  eine  Schwierig- 
keit, die  ich  nicht  zu  beseitigen  vermag;  bemerkenswert  ist  das  Wort 
durch  die  einzigartige  Lautfolge  F-cF-:  sie  kann  sehr  wohl  die  besondere 
Behandlung  des  anlautenden  F  verursacht  haben. 

Auch  das  letzte  Kapitel  des  Buches,  welches  die  Vertretung  von  i 
durch  Z  behandelt,  steht  mit  den  vorhergehenden  Ausführungen  im  Zu- 
sammenhang, insofern  S.  seinen  Grundgedanken,  die  Wirkung  des  Inlauts 
auf  den  Anlaut,  in  ähnlicher  Weise  benützt,  um  die  Verschiedenheit  im 
Anlaut  von  liw  Z;d)vvu|ni  —  äyvoc  zu  erklären  (S.  138  f.).  'Niemand  würde' 
—  so  sagt  der  Verf.  S.  143  mit  Recht  —  'an  eine  indogermanische  Spirans 
j  denken,  wenn  das  Griechische  mit  seinem  Z  nicht  wäre.'  Und  man  würde 
jedenfalls  auf  dasAlbanesische  allein  mit  seinem  ges  ^  Ziw  und  j« ^=  ü imeTc 
die  Hypothese  einer  Doppelheit  j-j  nicht  aufbauen,  wenngleich  ich  nicht 
glaube,  daß  das  Albanesische  mit  dem  Hinweis  auf  Pedersen  (KZ.  36,  106 
und  Festskr.  til  Thomsen  252)  auf  die  Seite  zu  schieben  ist.  S.  setzt  die 
Verschiedenheit  von  Spiritus  asper  und  Z  derjenigen  von  F  und  F'  parallel: 


1)  Vgl.  Brugmann  Griech.  Gramm*.  133  f. 


Moulton  A  grammar  of  New  Testament  Greek.  21 

Z  sei  die  Vertretung  eines  f ,  das  in  Züjvvufai  aus  *iMCvvpL\,  Zeuj  aus  *j'6hiu 
ebenso  wie  F'  zustande  gekommen  sei.  Freilich  hört  der  Parallelismus 
in  der  weiteren  Entwicklung  von  i  und  f  völlig  auf,  denn  sie  verläuft 
gerade  in  der  umgekehrten  Richtung.  Hier  liegt  eine  Schwierigkeit  vor, 
welche  die  Hypothese  S.'s  nicht  so  ohne  weiteres  annehmbar  macht.  Aber 
bestechend  ist  der  Gedanke,  auf  diese  Weise  das  l  als  eine  Abart  des  i 
zu  erklären;  scharfsinnig  ist  auch  die  Vermutung,  daß  die  Lautgruppe  iu- 
über  hu-  hin-  (ihu)  zu  l  geworden  sei  (in  Zvföv,  Zv^ax]  u.  a.). 

Die  Untersuchungen  S.'s  bedeuten  unstreitig  eine  kräftige  Förderung 
schwieriger  Fragen  der  griechischen  Lautgeschichte:  wesentliche  Punkte 
sind  von  ihm  aufgeklärt  worden;  aber  auch  da  wo  man  nicht  völlig 
überzeugt  ist,  hat  man  doch  die  Empfindung,  daß  der  Verf.  die  Schwierig- 
keiten von  der  rechten  Seite  angefaßt  und  die  Richtungslinie  ge- 
funden hat,  welche  uns  zur  endgültigen  Lösung  der  behandelten  Probleme 
führen  wird. 

Marburg.  Albert  Thumb. 


Moulton  J.  H.    A  grammar  of  New  Testament  Greek   based   on  W.  F. 

Moulton's   edition  of  G.   B.   Winer's   Grammar.    Vol.   l.   Prolegomena. 

Edinburgh  T.  &  T.  Clark  1906.  XX,  274  S.  8  sh. 

Eine  Neubearbeitung  von  Winers  Grammatik  des  Neuen  Testa- 
ments, die  dem  gegenwärtigen  Stand  der  Koineforschung  gerecht  wird, 
soll  uns,  wie  es  scheint,  zuerst  von  englischer  Seite  geschenkt  werden, 
denn  die  deutsche  Bearbeitung  Schmiedeis  ist  leider  bis  jetzt  unvollendet 
geblieben,  vv^eil  der  theologische  Verf.  sich  anderen  Aufgaben  zugewendet 
hat.  Nunmehr  hat  ein  englischer  Theologe,  der  Verf.  unseres  Buches,  die 
Aufgabe  übernommen,  den  englischen  Text  des  Werkes,  der  vom  Vater 
des  Verf's.  herrührt  und  drei  Auflagen  erlebt  hatte,  neu  zu  bearbeiten, 
nachdem  der  Vater  selbst  durch  den  Tod  (1898)  an  der  Ausführung  seines 
Planes  verhindert  worden  war.  Die  Prolegomena,  die  uns  zunächst  vor- 
gelegt werden,  sind  ein  völlig  neues  und  selbständiges  Werk,  das  mit 
seinem  Vorgänger  nichts  gemein  hat;  in  seinen  Grundzügen  lag  es  bereits 
in  einer  Serie  von  Aufsätzen  vor,  die  1904  in  der  englischen  Zeitschrift 
The  Expositor'  erschienen  sind  fCharacteristics  of  New  Testament  Greek'). 
,  Die  'Prolegomena'  sind  dazu  bestimmt,  die  neutestamentliche  Grä- 
zität  im  allgemeinen  zu  charakterisieren,  in  ihre  Probleme  einzuführen 
und  ihr  die  Stellung  im  Gesamtgebiet  der  hellenistischen  Sprachent- 
wicklung anzuweisen  —  eine  Aufgabe,  die  überhaupt  erst  versucht  werden 
konnte,  seit  es  eine  wirkliche  Koineforschung  gibt,  und  das  ist  nicht 
gerade  lange  her.  Der  Verf.  hat  bereits  durch  mehrere  kleinere  Arbeiten 
gezeigt,  wie  er  sich  auf  seine  Aufgabe  vorbereitete :  er  hat  die  Papyri 
durchforscht,  um  für  sprachliche  Erscheinungen  des  Neuen  Testaments 
Vergleichsmaterial  zu  erhalten.  Aber  er  hat  seine  Vorbereitung  noch 
tiefer  aufgefaßt:  der  Theologe  trieb  sprachwissenschaftliche  Studien,  um 
eine  richtige  Einsicht  in  die  griechische  Sprachgeschichte  zu  erlangen, 
und  er  hat  sich  endlich  mit  Erfolg  bemüht,  auch  die  Ergebnisse  der 
neugriechischen  Sprachforschung  in  methodischer  Weise  zum  Verständnis 
des  biblischen  Griechisch  heranzuziehen.  Der  Verf.  besitzt  eine  Weite 
des  Gesichtskreises,  die  sehr  erfreulich  ist  und  natürlich  der  Sache  selbst 
zum  Vorteil  gereicht.  Ein  Beweis  dafür  sind  die  Worte  der  Vorede  (S.  9), 
womit    er  die   Notwendigkeit   allgemeinsprachwissenschafthcher   Studien 


22  Moulton  A  grammar  of  New-Testament  Greek. 

für  seine  spezielle  Aufgabe  begründet:  "The  Study  of  the  Science  of 
Language  in  general,  and  especially  in  the  field  of  the  languages  vvhich 
nearest  of  kin  to  Greek,  is  well  adapted  to  provide  poinls  of  view  from 
which  new  light  may  be  shed  on  the  words  of  Scripture".  So  spricht 
ein  Theologe  —  man  wäre  froh,  wenn  jeder  Philologe  diese  Einsicht  be- 
säße. Es  ist  daher  begreiflich,  daß  diese  Grammatik  des  Neuen  Testa- 
mentes allen  ihren  Vorgängern  überlegen  ist.  Das  Buch  dient  vor  allem 
der  Belehrung  und  i'ichtet  sich  in  erster  Linie  an  Theologen ;  daher  bietet 
es  alles,  was  für  diese  aus  der  griechischen  Grammatik  und  Sprach- 
geschichte zu  wissen  wünschenswert  ist.  Die  Stellung  des  biblischen 
Griechisch,  die  Charakterisierung  der  Koine,  ihr  Ursprung  und  ihre  Ent- 
wicklung bilden  den  Inhalt  der  beiden  ersten  Kapitel ;  Kap.  III — IX  geben 
eine  allgemeine  Charakteristik  der  biblischen  Gräzität  (III.  Formlehre. 
IV.  Syntax  des  Nomens.  V.  Adjektiva,  Pronomina  und  Präpositionen. 
VI. — VIII.  Verbum  finitum.  IX.  Inlinitive  und  Partizipien).  Die  allgemeinen 
Fragen  der  vergleichenden  Grammatik  werden  in  klarer  und  gemein- 
verständlicher Weise  erörtert,  damit  für  die  Erscheinungen  der  einzelnen 
Sprachphase  die  prinzipielle  Grundlage  gewonnen  werde :  und  wie  frucht- 
bringend das  ist,  zeigt  sich  z.  B.  bei  der  Behandlung  der  Aktionsarten  des 
Verbums,  wo  u.  a.  die  Frage  behandelt  wird,  ob  und  wie  weit  die  Per- 
fektivirung  durch  Präpositionen,  die  von  Purdie  für  Polybios  untersucht 
worden  ist,  auch  im  Neuen  Testament  nachzuweisen  sei. 

Der  Detaildarstellung  der  Grammatik,  die  dem  2.  Band  angehören 
wird,  eine  allgemeine  Charakteristik  vorauszuschicken,  scheint  mir  ein 
glücklicher  Gedanke,  weil  sich  so  die  Eigenart  des  neutestamentlichen 
Griechisch  von  der  klassischen  Sprache  viel  besser  abhebt.  Daß  das 
Buch  in  den  speziellen  Problemen  der  Koine-  und  biblischen  Sprach- 
forschung durchaus  in  modernem  Geist  verfaßt  ist,  brauche  ich  nicht 
hervorzuheben.  In  der  Hebraismenfrage  und  in  dem  was  dazu  gehört, 
steht  der  Verf.  ganz  auf  dem  Standpunkt,  den  Deißmann  und  ich  selbst 
vertreten.  M.  trägt  in  vielen  Punkten  dazu  bei,  die  vermeintlichen  Hebra- 
ismen  aufzuklären,  sie  als  das  zu  erweisen,  was  sie  in  den  meisten  Fällen 
sind  —  Beweise  der  Unkenntnis  der  jüngeren  griechischen  Sprach- 
entwicklung. Der  Verf.  lehnt  natürlich  die  Möglichkeit  von  Semitismen 
nicht  einfach  ab,  sondern  formuliert  das  Problem  in  einer  einsichtigen 
Weise,  der  man  ohne  weiteres  zustimmen  kann,  weil  die  Formulierung 
dem  wirklichen  Sprachleben  und  den  besonderen  literarischen  Verhält- 
nissen entspricht.  Auch  in  so  wichtigen  Fragen  wie  über  die  Entstehung 
der  Koine  zeichnet  sich  das  Urteil  M.'s  durch  Besonnenheit  aus.  Zwar 
ist  er  geneigt,  den  der  Lautlehre  entnommenen  Gründen,  womit  Kretsch- 
mer  seine  These  verteidigt,  mehr  Gewicht  beizulegen,  als  mir  berechtigt 
scheint,  aber  andererseits  bringt  er  gerade  für  den  attischen  Grund- 
charakter der  Koine  neue  gewichtige  Gründe  bei  (vgl.  S.  34,  213  ff.). 

M.  hat  die  Hilfsmittel  der  Koineforschung  so  sorgsam  verwertet 
und  weiß  in  seiner  Darstellung  das  Hypothetische  vom  Sichern  so  gut 
zu  scheiden,  daß  ich  keinen  Anlaß  habe,  auf  Einzelheiten  näher  ein- 
zugehen —  und  zwar  um  so  weniger  als  ich  zu  einzelnen  Punkten  schon 
vorher  aus  Anlaß  der  Expositor-Aufsätze  und  während  des  Druckes  des 
verliegenden  Werkes  Gelegenheit  hatte,  dem  Verf.  einige  Anmerkungen 
zu  liefern,  eine  Mitwirkung,  die  der  Verf.  (in  der  Vorrede)  in  liebens- 
würdiger Weise  überschätzt.  Was  ich  also  als  Rezensent  in  einigen  Einzel- 
heiten zu  sagen  hätte,  ist  vom  Verf.   schon   berücksichtigt   worden.    Wo 


Meyer  Handbuch  der  griechischen  Etymologie.  23 

ich  mit  dem  Verf.  nicht  gleicher  Meinung  bin,  da  handelt  es  sich  um  Dinge, 
die  nicht  mit  kurzen  Bemerkungen  zu  erledigen  sind,  sondern  den  Inhalt 
künftiger  Detailforschung  bilden  müssen.  Hoffen  wir,  daß  das  treffliche  Buch 
in  diesem  Sinn  anregend  wirke  und  gerade  unter  den  Theologen  das  wissen- 
schaftliche Studium  der  Bibelsprache  fördere,  da  es  in  vorbildlicher  Weise 
zeigt,  auf  welchen  Bahnen  die  neutestamentliche  Sprachforschung  wandeln 
muß.  Und  zum  Schluß  sei  uns  gestattet,  den  Wunsch  auszusprechen,  daß 
der  Verf.  uns  bald  den  zweiten  Band  des  Werkes  beschere,  damit  wir 
endlich  für  den  alten  Winer  einen  vollwertigen  neuen  Ersatz  bekommen. 

[Korrektur-Zusatz.  Wenn  diese  Besprechung  erscheint,  wird 
wahrscheinlich  bereits  die  2.  Auflage  des  Buches  vorliegen  —  ein  Beweis 
sowohl  für  die  Trefflichkeit  desselben  wie  für  das  Interesse,  dessen  sich 
die  neutestamentlichen  Sprachstudien  im  engUschen  Sprachgebiet  erfreuen. 
Der  Text  der  neuen  Auflage  ist  nur  in  Kleinigkeiten  berichtigt;  in  einem 
besonderen  Nachtrag  macht  M.  einige  Zusätze,  in  denen  die  neueste  Literatur 
mit  der  dem  Verf.  eigenen  Gewissenhaftigkeit  verwertet  worden  ist.] 

Marburg.  Albert  Thumb. 

Meyer  L.   Handbuch  der  griechischen  Etymologie.   Leipzig  Hirzel  1901/2. 
4  Bde.  656,  859,  488,  608  S.  gr.  8°.    60  M. 

Über  Leo  Meyers  Handbuch  der  griechischen  Etymologie  hat  sich 
alsbald  nach  seinem  Erscheinen  ein  Konsensus  aller  Urteilsfähigen,  Lin- 
guisten wie  Philologen,  herausgebildet.  Es  ist  der  Fleiß  von  zwei  Jahr- 
zehnten, der  in  dem  Werke  niedergelegt  ist,  und  schon  darum  hat  es 
Anspruch  auf  Achtung.  Es  ist  bequem,  daß  jedem  Worte  Belegstellen  aus 
der  Literatur  beigegeben  sind,  die  —  in  nicht  wenigen  Fällen  freiUch  nur 
bis  zu  einem  gewissen  Grade  —  seinen  wirklichen  Gebrauch  zu  übersehen 
in  Stand  setzen,  und  es  ist  dankenswert,  daß  der  Verf.  der  genaueren 
Feststellung  der  Wortbedeutung  besondere  Sorgfalt  gewidmet  hat.  Es  ver- 
dient Lob,  daß  er  nicht  nur,  wie  in  etymologischen  Lexizis  sehr  vielfach 
geschieht,  die  wurzelhaften,  sondern  auch  die  stammbildenden  Teile  der 
Wörter  berücksichtigt  und  durch  reichliche  Parallelen  aufzuhellen  sucht. 
Es  begegnet  auch  hie  und  da  ein  wirklich  förderlicher  Gedanke  über  die 
Herkunft  eines  Ausdrucks.  Aber  all  dieses  Gute  kann  nicht  über  die  zwei 
Grundgebrechen  des  Werkes,  um  von  kleineren  zu  schweigen,  hinweg- 
täuschen: es  führt  den  ganzen,  auch  uns  noch  bekannten  Reichtum  des 
griechischen  Wortschatzes  nur  imvollständig  vor,  weil  es  sich  auf  das  in 
der  Literatur  belegte  beschränkt  und  von  vornherein  ablehnt,  die  un- 
endlichen Fundgruben  der  grammatisch-lexikographischen  Überlieferung 
und  der  Inschriften  systematisch  auszubeuten,  und  es  spiegelt  in  Gesamt- 
anschauung und  Beurteilung  zahlloser  Einzelheiten  einen  Stand  der  Sprach- 
forschung wider,  der  seit  beinahe  einem  Menschenalter  als  überwunden 
gelten  darf;  es  ist  als  ob  Männer  wie  J.  Schmidt  und  de  Saussure,  Bezzen- 
berger,  Fröhde  und  Bechtel,  Brugmann  und  Osthoff, Wackernagel.W.  Schulze 
und  Kretschm.er  für  Leo  Meyer  überhaupt  nicht  geschrieben  hätten.  Es 
widerstrebt  mir,  die  Versäumnisse,  die  sich  dem  einigermaßen  Kundigen 
auf  Schritt  und  Tritt  aufdrängen,  im  einzelnen  zu  beleuchten,  so  sehr  auch 
die  Selbstanzeigen  des  Verf.  in  den  GGA.  190i  und  1902  dazu  herausfordern; 
ich  will  lieber  die  Gelegenheit  benutzen  und  kurz  entwickeln,  was,  wie  ich 
meine,  ein  etymologisches  Wörterbuch  des  Griechischen  leisten  und  bringen 
muß,  wenn  anders  es  den  Forderungen,  die  die  Wissenschaft  im  gegen- 
wärtigen Zeitpunkt  zu  stellen  befugt  ist,  gerecht  werden  will. 


2i  Meyer  Handbuch  der  griechischen  Etymologie. 

Als  das  Wichtigste  erscheint  mir,  daß,  wie  die  Grammatik,  so  das 
etymologische  Lexikon  endlich  Ernst  damit  mache,  seinen  Stoff  auch  philo- 
logisch zu  durchdringen,  d.  h.  daß  es  ihn,  um  ihn  mit  dem  Wortvorrat 
der  anderen  Sprachen  in  Vergleich  stellen  zu  können,  zuvor  nach  allen 
Seiten  mit  so  exakter  Kritik  sichte  und  herrichte,  wie  es  nur  philologische 
Vertiefung  in  die  griechischen  Sprach-  und  Kulturdenkmäler  selbst  er- 
möglicht. Man  tritt  auch  den  besten  unter  den  Handbüchern  der  griechi- 
schen Etymologie,  die  die  Sprachwissenschaft  bisher  geschaffen  hat,  denen 
von  Curtius  und  Prellwitz  (in  der  zweiten  Auflage),  nicht  zu  nahe,  wenn 
man  behauptet,  daß  sie  das  im  wesentlichen  nur  nach  einer  Richtung 
hin  geleistet  haben,  indem  sie  sich  bestreben,  für  jedes  Wort  die  Varianten 
der  äußeren  Form,  die  die  verschiedenen  Mundarten  darbieten,  beizu- 
bringen. Das  ist  unzweifelhaft  eine  der  wichtigsten  Aufgaben,  die  das 
etymologische  Wörterbuch  zu  erfüllen  hat,  aber  damit  ist,  auch  wenn  sie 
noch  vollkommener  gelöst  wird  als  in  beiden  Werken  geschehen,  noch 
durchaus  nicht  alles  getan.  Es  ist  notwendig  auch  über  das  Dialektische 
hinaus  (in  dem  Sinne,  in  dem  das  Wort  in  der  Regel  angewendet  wird) 
jeden  einzigen  Ausdruck,  insbesondere  aber  die  seltener  gebrauchten  und 
die  früh  ausgestorbenen,  auf  Form  und  Bedeutung  nachzuprüfen.  Gar  zu 
viel  —  das  weiß  jeder,  der  einige  Erfahrung  in  griechischer  Etymologie 
hat  —  schleppt  sich  in  beiden  Beziehungen  durch  die  Jahrhunderte  von 
den  antiken  Grammatikern  her,  die  die  moderne  Sprachwissenschaft  zu 
schelten  liebt,  von  denen  sie  aber  in  tausend  Dingen  abhängig  ist,  durch 
die  Lexika  der  Neuzeit  in  die  etymologischen  Werke  fort,  was  sich  bei 
eindringender  Untersuchung  als  nicht  stichhaltig  herausstellt.  Aber  auch 
wo  die  Wörterbücher  die  Bedeutung  oder  die  Bedeutungen  richtig  angeben, 
befähigt  doch  nur  ununterbrochener  Umgang  mit  den  Texten  selbst  den 
eigentlichen  Kern  jener  herauszuempfinden,  das  Bleibende  vom  Gelegent- 
lichen zu  scheiden  und  kann  davor  bewahren,  Etymologien  aus  zufälligen, 
unter  Umständen  durch  individuelle  Laune  oder  gelehrtes  Bedürfnis  ge- 
triebenen Seitenschößlingen  herauswachsen  zu  lassen.  Für  die  'Sachen' 
vollends  im  weitesten  Verstände  des  Wortes  muß  zur  Kenntnis  der  Texte 
auch  noch  Kenntnis  der  Bildwerke  und  sonstigen  archäologischen  Über- 
reste hinzukommen,  damit  wir  uns  von  den  Vorstellungen,  die  uns  auf 
grund  unserer  heutigen  oder  der  voll  entwickelten  hellenischen  Kultur 
geläufig  sind,  frei  machen  und  uns  mit  denen  erfüllen,  die  die  Griechen 
oder  ihre  indogermanischen  Ahnen  womöglich  in  der  Zeit  selbst,  da  sie 
die  Benennungen  schufen,  mit  ihnen  verbunden  haben.  Es  ist  also  die 
Geschichte  der  Sachen,  auf  die  das  etymologische  Wörterbuch  ständig 
sein  Augenmerk  zu  richten  hat.  Aber  es  ist  nicht  minder  die  Geschichte 
der  Wörter,  um  die  es  sich  kümmern  muß :  es  muß  Auskunft  geben  über 
die  einschneidendsten  Veränderungen,  die  ihre  Form  und  ihr  Sinn  bis  zur 
letzten  großen  Epoche  altgriechischen  Sprachlebens,  der  Bildung  der  Koine, 
erfahren  haben,  es  muß  Rechenschaft  ablegen  über  ihre  räumliche  und 
zeitliche  Verbreitung  in  der  gesprochenen  Sprache,  über  ihre  Verwendung 
innerhalb  der  mannigfaltigen  literarischen  Idiome,  die  der  hellenische 
Genius  hervorgebracht  hat,  und  es  muß  diese  Dinge  in  lebendigen  Zu- 
sammenhang setzen  mit  der  politischen  und  hterarischen ,  der  Kultur- 
und  Geistesgeschichte  des  Griechenvolkes  überhaupt.  Erst  wer  all  die  auf- 
gezählten Momente  vereinigt,  wird  der  besonderen  Eigenart  griechischer 
Sprachgeschichte  gerecht  und  hat  damit,  soweit  unsere  Mittel  das  erlauben, 
den  festen  Grund  gelegt,  von  dem  aus  er  sich  zum  etymologischen  Fluge 


Meyer  Handbuch  der  griechischen  Etymologie.  25 

über  das  weite  Meer  der  indogermanischen  und  nichtindogermanischen 
Sprachen  erheben  kann,  hat  das  seinige  getan,  subjektive  Willkür  bis  zu 
dem  Grade  auszuschließen,  bis  zu  dem  das  bei  der  Natur  der  etymolo- 
gischen Wissenschaft  überhaupt  möglich  ist.  Freilich  ist  die  Aufgabe,  so 
gefaßt,  mühselig  und  zeitraubend;  sie  zu  lösen  müßte  der  Etymologe  in 
Wahrheit  nicht  bloß  Philolog,  sondern  auch  Archäolog,  Religions-,  Kultur- 
und  Historiker  insgemein  sein,  und  das  ist  reichlich  viel  von  einem  Menschen 
verlangt.  Aber  wer  das  Glück  hat,  einer  Universitätsgeraeinschaft  anzu- 
gehören, wird  sich  jederzeit  bei  seinen  archäologischen,  historischen,  philo- 
logischen Kollegen  Rats  erholen  können,  und  überdies  besitzen  die  ge- 
nannten Wissenszweige  treffliche  Handbücher,  die  fast  durchgängig  auch 
dem  auf  Nachbargebieten  Tätigen  ihren  gegenwärtigen  Stand  zu  erkennen 
ermöglichen.  Ich  wünschte,  um  nur  für  eines  dieser  Fächer,  die  Archäo- 
logie, einiges  wesentliche  zu  nennen,  daß,  wer  griechische  Etymologie 
treibt,  regelmäßig  Werke  wie  Baumeisters  Denkmäler,  Daremberg-Saglios 
Dictionnaire  des  antiquites,Pauly-Wissowas  Realenzyklopädie,Helbigs  Home- 
risches Epos,  Blümners  Technologie  und  Terminologie  und  Privatalter- 
tümer befragte,  daß  er  Bücher  wie  Reicheis  Homerische  Waffen,  Noacks 
Homerische  Paläste  kennte,  daß  er  die  Darstellungen  der  allgemeinen  und 
besonderen  Prähistorie  beständig,  wenn  auch  mit  der  Vorsicht,  die  bei 
der  Übertragung  des  für  bestimmte  Gegenden  und  Völker  gültigen  auf 
andere  dringend  von  nöten  ist,  zu  Rate  zöge. 

Alles  im  vorstehenden  Geforderte  kann  natürlich  nur  die  eigentliche 
Etymologie  vorbereiten  und  fundieren;  ein  etymologisches  Wörterbuch  des 
Griechischen  wird  darnach  streben  müssen,  auch  für  diese  selbst  über 
das  bisher  erreichte  soweit  als  möglich  hinauszugelangen.  Einer  der  ersten 
Kenner  hellenischer  Sprachgeschichte,  Jakob  Wackernagel,  hat  kürzlich 
(Die  Kultur  der  Gegenwart  I,  8  S.  289)  den  Ausspruch  getan,  die  griechi- 
sche Etymologie  sei  noch  viel  weiter  im  Rückstand,  als  der  Fernerstehende 
vielleicht  denke,  und  wer  sich  tagtäglich  mit  den  sie  betreffenden  Fragen 
beschäftigt,  empfindet  auf  Schritt  und  Tritt  die  schmerzliche  Wahrheit 
dieses  Wortes.  Aber  je  mehr  er  sich  in  sie  vertieft,  um  so  bestimmter 
geht  ihm  auch  die  Hoffnung  auf,  daß  es  gelingen  werde,  den  verbleiben- 
den Rest  des  Dunklen,  wenn  auch  nie  völlig  aus  der  Welt  zu  schaffen, 
so  doch  mit  der  Zeit  immer  weiter  zu  verringern,  um  so  zuversichtlicher 
bekennt  er  sich  zu  dem  Glauben  des  Altmeisters  etymologischer  Forschung, 
Ficks,  an  die  Etymologie  als  ein  'lohnendstes  und  zukunftsreichstes  Feld' 
(GGA.  1881,  1418).  Man  staunt  so  manches  Mal,  wie  naheliegende  und 
evidente  Kombinationen  noch  niemandem  beigefallen  sind.  Es  bedarf 
keiner  Worte,  daß  auf  diesem  Wege,  durch  die  glückliche  Eingebung  des 
Augenblicks,  wie  in  aller  Wissenschaft,  so  auch  in  griechischer  Etymologie 
die  schönsten  und  bedeutsamsten  Fortschritte  zu  erzielen  sind.  Aber  wie 
oft  bleibt  der  Gedankenblitz  aus,  gerade  wenn  man  ihn  am  sehnlichsten 
herbeiwünscht,  und  sollte  es  nicht  möglich  sein,  der  Kombination  zu  Hilfe 
zu  kommen  und  sie  zu  ergänzen  durch  methodische  Arbeit  in  bestimmten 
Richtungen?  Ich  möchte  glauben,  daß  es  insbesondere  drei  Richtungen 
sind,  die  der  Verfasser  eines  etymologischen  Lexikons  des  Griechischen  mit 
Aussicht  auf  Erfolg  wird  einschlagen  dürfen.  Er  wird  die  ältere  etymo- 
logische Litteratur,  sowohl  die  des  Altertums  als  auch  die  der  Philologie  seit 
der  Renaissanze  und  der  Sprachwissenschaft  aus  dem  ersten  halben  Jahr- 
hundert ihres  Bestehens  zu  durchmustern  haben  und  wird  dabei  so  manches 
verscharrte  und  vergessene  Goldkorn  ans  Licht  ziehen  können.  Wir  brauchen 


26  Meyer  Handbuch  der  griechischen  Elymologie. 

heute  ja  uns  und  anderen  nicht  mehr  zu  verhehlen,  daß  die  vergleichende 
Sprachwissenschaft  im  ersten  Freudenrausche  über  die  ungeahnten  neuen 
Horizonte,  die  sich  auftaten,  gar  häufig  in  die  Weite  geschweift  ist  und  darüber 
das  bessere,  das  in  der  Nähe,  will  sagen  innerhalb  des  Griechischen  selbst, 
liegt,  übersehen  hat,  daß  auch  die  auf  neue  Grundlagen  gestellte  Sprach- 
wissenschaft der  siebziger  und  achtziger  Jahre  des  vorigen  Jahrhunderts 
in  jugendlichem  Überschwang  um  der  'Lautgesetze'  willen  nicht  weniges 
über  Bord  geworfen  hat,  was  heute  wieder  zu  Ehren  kommen  darf,  wo 
sie,  bedächtiger  geworden,  eingesehen  hat,  daß  es  auch  außer  den  'Laut- 
gesetzen' noch  allerlei  zwischen  Himmel  und  Erde  gibt,  wovon  sie  sich 
früher  nichts  hatte  träumen  lassen.  Man  wird  weiter  frisches  Wortmaterial 
aus  dem  Griechischen  herbeischaffen  müssen,  das  bisher  noch  nicht  unter 
die  etymologische  Lupe  genommen  ist.  Selbst  eine  so  viel  durchwühlte 
Schatzkammer  wie  Hesych  birgt  immer  noch  so  manches,  was  nur  ein- 
mal scharf  angesehen  zu  werden  braucht,  vun  sofort  mit  ganz  geläufigen 
Wörtern  der  verwandten  Sprachen  in  Reih  und  Glied  zu  rücken.  Um  wie 
viel  mehr  andere,  bis  jetzt  weitaus  nicht  so  gi'ündlich  ausgenutzte  Quellen 
lexikalischer  und  grammatischer,  aber  auch  sonstiger  Art!  Dahin  rechne  ich 
vor  allem  die  Eigennamen,  zumal  der  älterenZeit;  sie  enthalten  unschätzbares 
Sprachgut  und  können  uns  in  nicht  wenigen  Fällen  über  echt  griechischen 
Cliarakter  einer  Wortsippe,  ihr  Verbreituagsgebiet  u.  dgl.  unterrichten.  Man 
wird  endlich  —  last,  not  least  —  außerhalb  des  Griechischen  Läger  reichsten 
und  edelsten  Sprachmetalls,  die  bisher  für  etymologische  Zwecke  noch  kaum 
angeschlagen  sind,  systematisch  in  Abbau  nehmen  müssen,  die  modernen 
Mundarten  indogermanischer  Zunge.  Wie  hat  nicht,  um  nur  ein  paar  Bei- 
spiele anzuführen,  das  wenige,  was  in  den  letzten  Jahrzehnten  von  dem 
Wortschatz  der  heutigen  iranischen  Dialekte  bekannt  geworden  ist,  unsere 
etymologische  Einsicht  vertieft  und  berichtigt!  Wie  viel  Altertümliches 
haben  nicht  die  skandinavischen  Forscher  aus  ihren  Heimatgegenden  bei- 
zubringen gewußt,  das  in  den  altnordischen  Sprachdenkmälern  und  den 
altgerrnanischen  überhaupt  nicht  zum  Vorschein  kommt!  Wie  viel  des- 
gleichen steckt  nicht  in  den  schweizerischen  Idiomen!  Es  versteht  sich, 
daß  bei  der  Ausbeutung  dieser  Sprachschichten  ganz  besondere  Vorsicht 
und  Umsicht  erforderlich  ist,  daß  auf  das  sorgfältigste  ausgesondert  werden 
muß,  was  in  jüngeren  Zeitläuften  abgelagert,  was  aus  fremden  Gebieten 
angeschwemmt  ist,  daß  das  verbleibende  mit  doppelter  Schärfe  auf  die 
Laut-  und  Bedeutungsverhältnisse  geprüft  werden  muß,  und  der  einzelne, 
der  auf  griechischem  Boden  arbeitet,  wird  froh  sein  müssen,  wenn  er  nur 
für  einen  der  andern  Sprachzweige  die  Übersicht  besitzt,  die  unerläßlich 
ist,  um  diese  in  die  Gegenwart  hineinreichenden  Ausläufer,  die  doch  so  oft 
Dinge,  Vorstellungen,  Tätigkeiten  ältesten  Ursprungs  betreffen,  verwerten 
zu  können.  Aber  als  prinzipielles  Postulat  darf  die  Ausnutzung  des  mo- 
dernen Wortmaterials  nicht  mehr  von  der  Tagesordnung  verschwinden. 
Ich  hatte  die  Absicht,  jede  der  im  obigen  aufgestellten  Forderungen 
durch  einen  oder  zwei  Belege  zu  erläutern.  Ich  muß  aber,  um  diese  An- 
zeige nicht  über  Gebühr  anwachsen  zu  lassen,  davon  absehen  und  er- 
laube mir,  auf  die  'Beiträge  zur  griechischen  Wortforschung'  zu  verweisen, 
die  nun  wohl  bald  werden  erscheinen  können,  und  auf  das  Etymologische 
Wörterbuch  der  griechischen  Sprache,  das  ich  ihnen  in  einigen  Jahren 
hoffe  folgen  lassen  zu  können  und  in  dem  ich  versuchen  will,  jene  Forde- 
rungen zu  verwirklichen,  soweit  die  Kraft  reicht.  Im  übrigen  bilde  ich  mir 


Menge  Griechiscli-deutsches  Schulwörterbuch.  27 

nicht  ein,  mit  ihnen  etwas  Neues  in  die  Welt  zu  setzen :  seit  Wackernagel 
und  W.  Schulze  die  Wege  gewiesen  haben,  hat  sich  die  Zahl  derer  von  Jahr 
zu  Jahr  in  erfreulichster  Weise  gemehrt,  die  in  Einzelbeiträgen  auch  zur 
griechischen  Etymologie  sich  bemühen,  moderne  Sprachwissenschaft  und 
moderne  Philologie  in  innigste  Verbindung  miteinander  zu  bringen.  Nur  in 
die  zusammenfassenden  Handbücher  dieser  Disziplin  hat  der  neue  Geist  noch 
keinen  Eingang  gefunden,  und  darum  schien  es  mir  nicht  unangebracht, 
bei  sich  darbietendem  Anlaß  des  Programm  für  ein  solches  zu  umreißen. 
Bonn.  Felix  Solmsen. 


Menge  H.  Griechisch-deutsches  Schulwörterbuch  mit  besonderer  Berück- 
sichtigung der  Etymologie,  Berlin  Langenscheidtsche  Verlagsbuchh.  1903. 
XII  u.  635  S.  Lex.  8».  7.50  M. 

Menges  Wörterbuch  hat  sich  die  Aufgabe  gestellt  in  weiterem  Um- 
fange als  andere  Schullexika  Lehrenden  und  Lernenden  die  Ergebnisse 
der  -wissenschaftlichen  Etymologie  zu  übermitteln,  insbesondere  die  seit 
der  letzten  Auflage  vonG.  Curtius'  Grundzügen  auf  diesem  Gebiete  erzielten 
Fortschritte  zu  verwerten.  Man  kann  sich  dieses  Vorhabens  nur  auf- 
richtig freuen ;  denn  was  frommt  die  Arbeit,  die  von  der  griechischen 
und  lateinischen  Sprachwissenschaft  geleistet  wird,  wenn  nicht  ihre  Resul- 
tate allmählich  möglichst  den  ganzen  Kreis  derer  durchdringen,  die  sich  mit 
jenen  Sprachen  beschäftigen?  Allerdings  werden  im  eigentlichen  Schul- 
unterricht etymologische  Dinge  immer  nur  mit  Maß  und  Vorsicht  berührt  und 
im  wesentlichen  nur  solche  Wörter  behandelt  werden  dürfen,  deren  Herkunft 
aus  den  Mitteln  der  betreffenden  Sprache  selbst  noch  klargestellt  werden 
kann,  die  somit  leichtverständliche  Ausblicke  auf  Bedeutungsgeschichte  und 
Sprachgeschichte  allgemein  eröffnen,  Fälle  also  wie  ä^q)icßr)TeTv  eiricTacBai 
udXiv  oblifisci  sed.ulus  u.  dgl.  Darin  stimme  ich  den  reicher  Erfahrung 
entsprungenen  Winken  Paul  Cauers  Grammatica  militans*  78  ff.  durchaus 
zu.  Aber  Cauer  ist  doch  wohl  zu  rigoros,  wenn  er  alles,  was  darüber  hinaus- 
geht, rundweg  aus  der  Schule  verweisen  will.  Für  den  griechischen  Unter- 
richt der  oberen  Klassen  sind  wir  heute  ja  wohl  alle  darin  einig,  daß  er, 
wofern  er  nur  sein  großes  Hauptziel,  das  Verständnis  der  klassischen 
Meisterwerke,  fest  im  Auge  behält,  im  einzelnen  nach  der  Individualität 
des  Lehrers  frei  ausgestaltet  werden  darf  und  muß,  vorausgesetzt  na- 
türhch  daß  der  Lehrer  überhaupt  eine  Individualität  ist.  Warum  sollte 
also  nicht,  so  gut  wie  etwa  ein  Mann  mit  archäologischen  Neigungen  die 
Bildwerke  in  stärkerem  Maße  heranziehen  wird,  ein  sprachwissenschaftlich 
interessierter  Lehrer  ab  und  an  auf  Übereinstimmungen  griechischer  Aus- 
drücke mit  lateinischen  und  deutschen  hinweisen,  meinetwegen  sogar 
auch  einmal  ein  Sanskritwort  nennen  dürfen  und  auf  diese  Weise  den  jungen 
Leuten  eine  Ahnung  von  den  großen  Zusammenhängen  geben,  die  nicht  nur 
für  die  Sprachgeschichte,  sondern  für  alle  Geistes-  und  damit  Weltgeschichte 
überhaupt  so  bedeutsam  sind?  Ich  bin  mir  aus  meiner  eigenen,  freilich 
sehr  bescheidenen  Schulpraxis  bewußt  mit  derartigen  gelegentlichen  Be- 
merkungen das  Interesse  schon  von  Sekundanern  gefunden  zu  haben  und 
glaube  damit  auch  nicht  über  ihr  Verständnis  hinausgegangen  zu  sein. 

Menge  hat  zur  Grundlage  für  seine  Arbeit  das  Wörterbuch  von 
Prellwitz  (in  1.  Auflage)  genommen  und  im  Anschluß  daran  andere  ein- 
schlägige Literatur  aus  neuerer  Zeit  durchgesehen;  bei  der  endgültigen 
Fassung  der  etymologischen  Angaben  haben  ihm   als  fachmännische  Be- 


28        Sommer  Handbuch  der  lateinischen  Laut-  und  Formenlehre. 

rater  Prellwitz  selbst  und  Thumb  zur  Seite  gestanden.  Dem  entsprechend 
gibt  was  er  bringt  den  gegenwärtigen  Stand  der  Forschung  im  ganzen 
wider,  wenn  auch  gemäß  der  wissenschaftlichen  Richtung  seines  Haupt- 
gewährsmanncs  einigermaßen  in  Fickscher  Färbung  mit  ihren  Vorzügen 
und  Mängeln;  Thumbs  Einfluß  wird  man  wohl  hauptsächlich  darin  er- 
kennen dürfen,  daß  allzu  Kühnes  weggelassen,  allzu  Bestimmtes  gemildert 
ist.  Es  wäre  erwünscht  aus  den  Kreisen  der  Gymnasiallehrer  zu  hören, 
was  für  Erfahrungen  sie  mit  dem  Buche  —  und  auch  mit  der  neuesten, 
von  Kägi  besorgten  Ausgabe  des  Benseier  —  gemacht  haben. 

Bonn.  Felix  Solmsen. 


Sommer  F.  Handbuch  der  lateinischen  Laut-  und  Formenlehre.  Eine  Ein- 
führung in  das  sprachwissenschaftliche  Studium  des  Lateins.  (Samm- 
lung indogermanischer  Lehrbücher  hgg.  v.  Hermann  Hirt  1.  Reihe: 
Grammatiken.  3.  Band).  Heidelberg  Winter  1902.  XXIII  und  693  S. 
Kl.  8^    9  M. 

So  reich  unsere  deutsche  sprachwissenschaftliche  Literatur  an 
Bearbeitungen  der  griechischen  und  lateinischen  Grammatik  ist,  die  die 
Ergebnisse  der  Forschung  seit  der  zweiten  Hälfte  der  siebziger  Jahre  zu- 
sammenfassen, so  fehlte  es  doch  an  Werken,  die  für  Anfänger,  insbe- 
sondere die  Studierenden  der  klassischen  Philologie  berechnet  waren. 
Mit  um  so  größerer  Freude  habe  ich  Sommers  Handbuch  der  lateinischen 
Laut-  und  Formenlehre,  das  in  erster  Linie  für  diese  Kreise  bestimmt  ist, 
bei  seinem  Erscheinen  begrüßt:  die  Klarheit  der  Darstellung,  das  päda- 
gogische Geschick  in  der  Auswahl  des  behandelten  Stoffes,  die  Frische 
und  Lebendigkeit  des  Vortrags  im  Verein  mit  der  völligen  Beherrschung 
der  linguistischen  Arbeiten  über  jenes  Gebiet  aus  den  letzten  Jahrzehnten 
und  mit  der  fast  durchweg  zutreffenden  Wertung  des  Sicheren  und  Un- 
sicheren in  ihnen  schienen  mir  seine  Brauchbarkeit  für  den  Zweck,  den 
es  sich  setzt,  zu  verbürgen.  Vierjährige  Benutzung  hat  mich  in  diesem 
Eindruck  nur  bestärkt,  und  aus  dem  Munde  der  Studenten  habe  ich  gleich- 
falls beinahe  ausnahmslos  günstige  Urteile  vernommen.  Aber  ich  habe 
auch  allerlei,  was  mir  neu  war,  aus  dem  Buche  gelernt :  der  Scharfsinn 
und  die  besondere  Gabe  des  Verf.  die  feineren  Bedingungen  ausfindig  zu 
machen,  von  denen  die  wechselnde  Gestaltung  der  Laute  abhängig  ist, 
hat  ihn  zu  eigenen  Auffassungen  mehrerer  bisher  ungenügend  gedeuteter 
Tatsachenreihen  kommen  lassen,  die  mir  sehr  einleuchtend  sind.  Daß 
das  Werk  neben  diesen  großen  Vorzügen  freihch  auch  Mißstände  aufweist, 
ist  dem  Verf.  schon  von  anderen  Beurteilern  gesagt  worden,  und  man 
darf  wohl  hoffen,  daß  er  bei  einer  zweiten  Auflage,  die  ich  ihm  recht 
bald  wünsche,  seine  Bemühungen  namentlich  auf  zwei  Punkte  richten 
werde:  Angabe  der  wesentlichsten  Literatur  bei  jedem-  der  vorgeführten 
Probleme,  damit  auch  der  Student  Respekt  vor  dem  wissenschafthchen 
Eigentumsrecht  erhalte  und  in  die  Möglichkeit  versetzt  werde,  sich  ein- 
gehender mit  der  Streitfrage  zu  befassen,  und  philologische  Vertiefung  in 
die  Sprache,  damit  gewisse  Anstöße  in  dieser  Hinsicht  verschwinden  und 
das  Material,  mit  dem  gearbeitet  wird,  über  das  landläufige  hinaus  aus 
den  Texten  vermehrt  werde. 

Für  diese  zweite  Auflage  werden  dem  Verf.  vielleicht  ein  paar  Be- 
merkungen nicht  unwillkommen  sein,  die  sich  mir  im  Laufe  der  Jahre 
zu  dem  von  ihm  gebotenen  angesammelt  haben.    Ich  beschränke   mich 


Sommer  Handbuch  der  lateinischen  Laut-  und  Formenlehre.       29 

dabei  auf  die  erste  Hälfte  des  Buches,  die  Lautlehre,  und  lasse  hier  natürlich 
fort  was  schon  in  einem  Aufsatze  K.  Z.  38,  437  ff.  zur  Sprache  gebracht  ist. 
Vokalismus.  S.  52 :  pälea  heißt  nicht  'Streu',  sondern  'Spreu', 
ebenso  wie  die  verwandtenWörter  der  arischen  und  slavolettischen  Sprachen, 
und  damit  verliert  die  Zusammenstellung  mit  lit.  pilu  'ich  schütte',  gr. 
iraXövuL)  'ich  streue'  ihre  Evidenz;  ich  gebe  anderen  Orts  eine  Ableitung, 
bei  der,  wie  mir  scheint,  der  spezifische  Sinn  des  Ausdrucks  mehr  zu 
seinem  Rechte  kommt.  —  S.  54  (und  237) :  zu  der  Deutung  von  mäteries 
als  *dmä-teries  'Bauholz'  vgl.  Berl.  phil.  Wochenschr.  1902,  1140f. ;  ich 
darf  verraten,  daß  nach  dem,  was  dort  zu  gunsten  des  Anschlusses  an 
mäter  beigebracht  ist,  auch  Osthoff,  der  Urheber  der  von  S.  angenommenen 
Erklärung,  sie  nicht  mehr  mit  der  früheren  Entschiedenheit  vertritt.  — 
S.  75:  conquexi  ist  doch  wohl  mit  e  wie  rexi  texi  vexi,  nicht  mit  e  an- 
zusetzen. —  S.  77 :  in  der  Beurteilung  des  Verhältnisses  von  filiiis  zu 
umbr.  feliuf  'lactentes'  folgt  S.,  wenn  auch  zweifelnd,  Skutsch  Vollmöllers 
Jhber.  5,  61,  indem  er  rein  lautlichen  Übergang  von  e  in  r  vor  folgendem 
U  innerhalb  des  Lateinischen  annimmt  und  das  widersprechende  felTx 
damit  abtut,  daß  dieser  Wandel  nur  vor  i,  nicht  vor  i  der  nächsten  Silbe 
eingetreten  sei.  Ich  bin  gewiss  der  letzte,  der  sich  nicht  bemühte  derartige 
mundartliche  Unterschiede,  wenn  irgend  möglich,  vom  Boden  des  Einzel- 
idioms aus  begreiflich  zu  machen.  Aber  wenn  man  keine  andere  Er- 
klärung aufzutreiben  weiß  als  eine  physiologisch  so  unwahrscheinliche 
—  denn  wenn  überhaupt  langes  und  kurzes  i  ein  e  der  vorhergehenden 
Silbe  verschieden  beeinflußt  haben  sollten,  ist  es  doch  wohl  selbstver- 
ständlich, daß  das  lange  geschlossenere  t  eher  die  Umfärbung  zu  einem 
«■-Laut  bewirken  konnte  als  das  kurze  offenere  i — ,  dann  nehme  ich  aller- 
dings auch  heute  noch  wie  KZ.  34,  4  meine  Zuflucht  lieber  zu  voreinzel- 
sprachlichen  Ablautsvarianten  und  meine,  daß  lat.  filius:  umbr.  feliuf 
billig  ist  was  lett.  dile  'saugendes  Kalb,  Lamm':  lett.  dele  lit.  de'l^  'Blut- 
egel', die  in  ihrer  Stammbildung  mit  einander  völlig  identisch 
sind,  recht.  —  S.  108:  wenn,  worin  ich  ganz  mit  S.  überemstimme,  alles 
was  die  lateinischen  Grammatiker  über  das  Wesen  des  Akzents  ihrer 
Sprache  berichten,  nichts  als  sklavische  Übernahme  der  Lehren  ihrer  grie- 
chischen Vorgänger  ist,  so  geht  doch  wohl  auch  die  prosodia  media 
nicht  auf  eine  wirkliche  Eigenheit  der  lat.  Betonung,  sondern  gibt  nur 
die  griech.  lu^cri  wieder;  über  diese  sehe  man  Useners  Aufsatz  'Ein 
altes  Lehrgebäude  der  Philologie'  Münch.  Sitzber.  Phil.  Gl.  1892,  582  ff.  — 
S.  115.  158  f.  lehrt  S.  für  die  Diphthonge  äi  öi  in  vorhistorisch  unbetonten, 
insbesondere  auslautenden  Silben,  sie  seien,  wie  ä  und  in  gewissem  Um- 
fange ö  zu  e,  so  über  ei  zu  e,  i  geworden.  Indeß  begegnet  die  Schreibung 
e  in  lateinischen  und  dialektischen  Inschriften  schon  früher  als  ei  (z.  B. 
ploirume  in  der  ältesten  der  Scipionengrabschriften),  und  ich  bin  darum 
trotz  jenes  scheinbaren  Parallelismus  immer  noch  geneigt,  an  dem  Ent- 
wicklungsgang, wie  er  IF.  4,  248  f.  gezeichnet  ist,  festzuhalten.  —  S.  135 
erklärt  S.  die  Vokaldehnung  vor  ns  nf  wegen  osk.  keensztur,  umbr.  aan- 
fehtaf  für  'gemeinitalisch,  vielleicht  uritalisch';  letzteres  wird  bestimmt 
behauptet  von  Skutsch  Satura  Viadrina  (1896)  S.  123.  Die  Unmöglichkeit 
eines  solchen  Ansatzes  wird  jedoch,  wenn  ich  mich  nicht  täusche,  durch 
anhelo  neben  (h)älo  dargetan').  Mit  Recht  bekennt  sich  S.  S.  109.  262  zu  der 
üblichen  Erklärung  beider  Formen  aus  *an-ansläiö  und  *ansläid  zu  slav. 

1)  [So,  wie  ich  nachträglich  sehe,  auch  Stolz  IF.  18,  471  f.]. 


30        Sommer  Handbuch  der  lateinischen  Laut-  und  Formenlehre. 

qchati.  Aber  die  Schwächung  des  a  zu  e  im  Kompositum,  die  ja  ein  junger, 
ausschließlich  lateinischer  Vorgang  ist  und  die  Skutsch  selbst  (Kultur  d. 
Gegenwart  I  8,  422)  sehr  richtig  erst  ins  5./-4.  Jh.  v.  Chr.  setzt,  war  doch 
nur  dann  möglich,  wenn  das  a  noch  kurz,  nicht  vor  dem  folgenden  ms 
bereits  gelängt  war ;  dies  letztere  Geschehnis  also  muß  noch  jüngeren 
Datums  sein.  Die  Sache  ist  lehrreich :  ganz  gewiß  lassen  wir  uns  in  zahl- 
reichen Fällen  durch  die  Übereinstimmung  aller  Mundarten  in  geschicht- 
licher Zeit  verleiten,  eine  Neuerung  als  uritalisch,  urgermanisch  usw.  an- 
zusprechen, die  in  Wahrheit  nur  gemeinitalisch,  gemeingermanisch  ist. 
S.  selbst  wendet  sich  bei  einer  bestimmten  Erscheinung  (S.  266)  gegen 
ein  derartiges  Verfahren  Brugmanns,  wie  ich  glaube  (vgl.  KZ.  87,  578), 
mit  gutem  Grunde.  Aber  wie  steht  es  dann  um  seine  eigne  Lehre 
(S.  128),  der  ö-Umlaut  bei  zwischenstehendem  -m-  sei  uritalisch  wegen 
lat.  homo  =  umbr.  homonus,  osk.  humuns  und  altlat.  henio  stelle  nicht  die 
unveränderte  Urform  dar,  sondern  habe  sein  e  erst  aus  den  Casus  ob- 
liqui  (urital.  *hem,enes  usw.)  erhalten  ?  Und  wie  soll  sich  dabei  nemo  aus 
*ne-hemo  geschichtlich  einordnen  ?  —  S.  165  wünschte  man  bei  der  Vokal- 
synkope in  konsonantisch  schließenden  Silben  auch  einen  Beleg  für  e, 
etwa  nox  'Nachts'  aus  *nocfes,  das  man  übrigens  auch  in  der  Flexions- 
lehre gern  erwähnt  sähe.  —  S.  165.  181  werden  die  bekannten  Formen 
wie  Mascel  Figel  als  junge  Umgestaltungen  von  Masclus  Figliis  aus  Mus- 
culus Figulus  betrachtet  (wohl  im  Anschluß  an  W.  Schulze  KZ.  33,  138ff.). 
Da  möchte  ich  doch  die  Frage  aufwerfen,  ob  sie  überhaupt  echt  latei- 
nischen Ursprungs  und  nicht  vielmehr  einfach  oskisch-umbrische  Über- 
lebsel  sind:  osk.  famel,  umbr.  hatel  usw.  (v.  Planta  2,  102). 

Konsonantismus.  S.  183:  'unklar  ist  die  aus  Glossen  bekannte 
Nebenform  leptis  =  neptts\  Es  handelt  sich  um  Dissimilation  von  n  —  t 
zu  l  —  t  wie  in  gr.  Xirpov  (Hdt.  Att.)  neben  virpov  (Sappho  Koine),  hebr. 
neter.  Die  Form  ist  also  in  §  163  B  2  zu  buchen.  —  S.  235:  das  italische 
Instrumentalsuffix  -tlo-  -clo-  darf  dem  gr.  -t\o-  in  xütXov  öxexXov  ^x^fXri 
nicht  unmittelbar  gleichgesetzt  werden;  im  Griechischen  findet  sich  diese 
Suffixgestalt  ledighch  nach  wurzelhafter  Aspirata  und  ist,  wie  schon  Fick 
BB.  1,  65  f.  erkannt  hat,  aus  -e\o-  dissimiliert.  —  S.  250:  bei  der  Be- 
sprechung der  Assimilation  von  -et-  zu  -t{t),  die  die  spätere  Volkssprache 
vollzogen  hat,  verdiente  blatta  'Schabe,  Kakerlake'  aus  Hlacta  zu  lett.  Malis, 
lit.  bläke  'Wanze'  genannt  zu  werden,  das  bereits  aus  Laberius  bezeugt 
ist;  entweder  hat  also  schon  die  ältere  römische  Volkssprache  diesen 
Wandel  gekannt,  ohne  daß  er  in  der  Überlieferung  sonst  zum  Vorschein 
käme,  oder  das  Wort  ist  vom  Lande  in  die  Stadt  gelangt;  denn  für  Prae- 
neste  und  andere  Gegenden  ist  die  Angleichung  in  früher  Zeit  nachge- 
wiesen (s.  zuletzt  Ernout  MSL.  13,  34-0).  —  S.  251 :  die  Art  wie  S.  sich 
mit  credo  aus  idg.  *kred^-dhe-  abfindet,  anstatt  *crestö  wie  er  auf  grund 
seiner  Theorie  über  die  Vertretung  der  idg.  Lautgruppen  Media  -j-  Media 
Aspirata  im  Latein  erwartete,  hat  sehr  wenig  wahrscheinliches.  Vielmehr 
möchte  ich  in  dem  etymologisch  zweifellos  seit  früher  Zeit  völlig  isolierten 
Worte  den  Repräsentanten  der  lautgesetzlichen  Entwicklung  von  idg. 
-dzdh-  und  -dzdh-  erblicken:  wie  die  Tenues  aspiratae  im  Italischen  hinter 
■s  die  Aspiration  früh  eingebüßt  haben,  so  daß  sie  den  Übergang  in  ton- 
lose Spiranten  nicht  mitmachten  [vTdistT  mit  -tf  zu  ai.  -tha,  gr.  -9a),  so 
kann  auch  die  Media  aspirata  von  *crezdhö  oder  richtiger  wohl  *creMhö 
mit  gedehntem  z  aus  dz  die  Aspiration  vor   dem  Wandel   der  Mediae 


Walde  Lateinisches  etymologisches  Wörterbuch.  31 

aspiratae  in  Tenues  aspiratae  verloren,  also  *crezdhö  direkt  *creädö  ergeben 
haben ;  oder  es  kann  in  *c)'ezdhö  das  gedehnte  z  den  Übergang  des  ihm  un- 
mittelbar folgenden  dh  in  th  verhindert  haben  und  dann  *cre'sdhö  über  *creMö 
zu  crezdö  geworden  sein.  Die  Beispiele,  die  S.  für  -st-  aus  -d^dh-,  -dzdh- 
anführt  (S.  251.  270),  sind  sämtlich  nicht  beweisend:  castus  steht  nicht 
für  *kadzdhos,  *kadh-tos  zu  gr.  Ka0ap6c,  sondern  für  *cas-tos  und  gehört 
zu  careo  (v.  Planta  2,  634  W  Schulze  Z.  Gesch.  lat.  Eigenn.  474-  Anm.  5). 
hasta  ist  nicht  mit  got.  gcizds,  ir.  gdt  'Weidenrute'  aus  *ghazdho-,  sondern 
mit  ir.  gas  'Schoß,  Sproß,  Reis'  aus  *ghasto-  bildungsgleich  (Zupitza  Gut- 
turale 96;  vgl.  gr.  nacToc  neben  luacOöc).  custos  läßt  den  verschiedensten 
Etymologien  Raum  (s.  Zupitza  a.  a.O.  Walde  Et.Wtb.  163  f.).  Endlich  aestas 
aestus  haben  Fröhde  BB.  17,  312  und  Brugmann  IF.  6,  102  gewiß  richtig 
auf  '*aidh-s-ta-ti-  *aidh-s-tu-  zurückgeführt,  aber  man  darf  zweifeln,  ob 
diesen  Bildungen  ein  so  hohes  Alter  zukommt,  daß  sie  noch  den  Wirkungen 
des  Bartholomaeschen  grundsprachhchen  Aspiratengesetzes  unterlagen, 
und  wenn  das  der  Fall  war,  konnten  sie  -t-  im  Anlaut  der  Schlußsilbe 
jederzeit  nach  dem  Muster  anderer  Formationen  mit  den  gleichen  Suffixen 
widerherstellen  (vgl.  ahd.  gan-eista  Teuerfunken').  —  S.  299:  unter  den 
Belegen  für  dissimilatorischen  Schwund  von  Konsonanten  sollte  lacte  lac 
aus  *glactf  *glact  neben  gr.  Yd\aKT-  YÄaKToqpdYoc  usw.  nicht  fehlen.  Diese 
Erklärung  für  den  Verlust  des  Gutturals  im  Anlaut  des  vielbesprochenen 
Wortes,  die  mir  seit  langem  plausibel  ist  und  die  man  jetzt  auch  bei 
Walde  Et.  Wtb.  316  findet,  werden,  denke  ich,  auch  Stolz  und  Skutsch 
als  einfacher  und  einleuchtender  anerkennen,  als  die  von  ihnen  (IF.  14, 
20  ff.  und  Vollmöllers  Jhber.  7,  56)  versuchten.  Dabei  brauchen  wir  nicht, 
wozu  Walde  geneigt  ist,  auf  eine  i-lose  Form  *glag-  zu  rekurrieren.  Denn 
für  hom.  YXd-foc  dürfte  es  im  Hinblick  auf  die  Hesychglossen  f ^-öKtlivec  • 
lnecToi -faXaKTOC  und  T^ofi^KÖv  Ya^wÖTVÖv  einerseits,  K\dToc  ■  ^aka.  KpfjTec 
andererseits  doch  wohl  am  wahrscheinlichsten  sein,  daß  es  infolge  An- 
gleichung  der  Silbenanlaute  für  Y\äKoc  eingetreten  ist  (vgl.  J.  Schmidt 
Neutra  179.  W.  Schulze  KZ.  33,  399.  Brugmann  Gr.  Gr.  *  133).  Dafür  aber, 
daß  Dissimilation  homorganer  Laute  auch  dann  stattfindet,  wenn  sie  nicht 
völlig  gleicher  Artikulationsart  sind,  liefert  das  Lateinische  so  gut  wie 
andere  Sprachen  Beispiele;  ich  erinnere  nur  an  failla  paimentum  aus 
favilla  iKivimentum  (Thurneysen  IF.  Anz.  9,  36),  nesinila  '^nappa  mastur- 
cium  für  mespilus  mappa  nasturciiim  (Rhein.  Mus.  56,  499),  sartofagus  für 
sarcofagiis  (Sommer  S.  300)  mit  c—g,  also  der  umgekehrten  Folge  wie  in 
*glact{i).  glacies  (und  weiter  etwa  gracilis  graculus)  wird  hoffentlich  nie- 
mand als  Gegenbeweis  ins  Feld  führen;  denn  abgesehen  davon,  daß  diese 
Dissimilations-  und  Assimilationsvorgänge  überhaupt  nicht  in  den  Bereich 
'ausnahmsloser  Lautgesetze'  fallen,  unterscheiden  jene  Wörter  sich  auch 
von  *glact{i)  sehr  wesentlich:  in  letzterem  gehörte  der  zweite  der  Gut- 
turale zur  selben  Silbe  wie  der  erste,  bei  ihnen  zu  einer  anderen. 
Bonn.  Felix  Solmsen. 


Walde  A.     Lateinisches    etymologisches   Wörterbuch.     Lieferung   6  —  10. 
Heidelberg  1905/06,  Carl  Winters  Universitätsbuchhandlung. 

Der  von  uns  im  Anzeiger  des  XVIH.  Bandes  dieser  Zeitschrift  be- 
sprochenen ersten  Hälfte  von  Waldes  groß  angelegtem  etymologischem 
Wörterbuch  des  Lateinischen  ist  die   zweite  in  denkbar  kürzester  Frist 


32  Walde  Lateinisches  etymologisches  Wörterbuch. 

gefolgt.  Wir  können  dem  Verfasser  nicht  dankbar  genug  sein  für  den 
raschen  Abschluß  seines  Werkes;  er  hat  damit  die  vergleichende  Sprach- 
forschung um  ein  langersehntes  Hilfsmittel  von  eminenter  Brauchbarkeit  be- 
reichert. Die  Vorzüge,  die  wir  den  ersten  Lieferungen  nachrühmen  konnten, 
eignen  den  folgenden  in  aufsteigender  Progression;  die  während  des  Druckes 
erschienene  Literatur  ist  in  den  Nachträgen  und  Berichtigungen  gewissen- 
haft verarbeitet;  endlich  hat  der  Verfasser  sein  Buch  mit  sehr  ausführ- 
lichen, zuverlässigen  Wortindices  ausgestattet.  Dem  der  letzten  Lieferung 
beigegebenen  Vorwort  schließt  sich  eine  'Zur  Einführung'  überschriebene 
Studie  an,  worin  Walde,  dem  vom  Referenten  geäußerten  Wunsche  Rech- 
nung tragend,  sich  über  das  Wesen  und  die  Aufgaben  der  wissenschaft- 
lichen Etymologie  vernehmen  läßt.  Was  er  dabei  vorbringt,  hat  unsern 
ungeteilten  Beifall;  schade  nur,  daß  die  Praxis  nicht  immer  mit  der  Theorie 
im  Einklang  steht,  woran  indessen,  wie  wir  nicht  unterlassen  wollen, 
abermals  zu  betonen,  in  erster  Linie  des  Verfassers  Gewährsmänner  schuld 
sind  und  nicht  er  selbst. 

Aus  den  Nachträgen  und  Berichtigungen  ersehen  wir  mit  Vergnügen, 
daß  Walde  manche  von  den  Einzelbemerkungen  des  ersten  Teils  unserer 
Besprechung  hat  verwerten  können.  Wir  setzen  daher  unsere  Ährenlese 
hier  fort.  Freilich  wird  dieselbe  diesmal  weniger  reichlich  ausfallen,  da 
der  Verfasser  in  den  fünf  letzten  Lieferungen  die  Literatur  ungleich  aus- 
giebiger hat  benutzen  können  als  ihm  das  in  den  fünf  ersten  möglich 
gewesen  ist. 

Zunächst  zwei  Nachträge  zu  unserem  ersten,  die  Lieferungen  1 — 5 
behandelnden  Artikel. 

galba  gallolat.  'Schmerbauch':  als  gall.  Wort  zu  got.  kalbo,  ahd.  usw. 
lalb^  ahd.  chilburra  'Mutterlamm'  .  .  .  Die  Grundbedeutung  ist  'Schwellung'. 
—  Uns  nicht  wahrscheinlich.  Falls  galba  wirklich  gallischen  Ursprungs 
ist  —  und  wir  wüßten  nicht,  was  uns  berechtigen  sollte,  die  Notiz  des 
Sueton,  Galba  §3:  nonmdli  (sc.  putant,  eunt  cognomen  Gulbae  fraxlsse), 
quod  2)raepmguis  fuerit  visiis,  quem  galbam  Galli  vocent  beiseite  zu 
schieben  —  so  gehört  es  zweifelsohne  zu  der  Hesychglosse  x^ößöv  •  6i)- 
Tpaqpec.  Wenn  Fick  BB.  12,  S.  162  x^^oißöv  zu  xc^cß^iv  '  Gopußeiv  (^Hesych) 
und  weiterhin  zu  altisl.  gidlpa  'obstrepere'  usw.  stellt  und  Mansion  Les 
gutturales  grecques  ihm  darin  folgt,  so  ist  das  eine  treffende  Illustration 
zu  der  von  uns  eingangs  gerügten  krassen  Vernachlässigung  der  bedeutungs- 
geschichtlichen Entwickelung  seitens  gewisser  Etymologen;  denn  wie  in 
aller  Welt  soll  ein  Übergang  von  dem  Begriffe  'wohlgenährt,  feist'  zu  dem 
Begriff  'lärmen,  schreien'  gefunden  werden  können?  Daß  das  Suffix  (oder 
Wurzeldeterminativ)  der  körperliche  Gebrechen  oder  Abnormitäten  be- 
zeichnenden griechischen  Adjektive  wie  K\a|Lißöc,  KoXoßöc  'verstümmelt', 
/)aiß6c  'mit  einwärts  gebogenen  Beinen',  CKainßöc  'mit  auswärts  gebogenen 
Beinen',  CKi|uß6c  'hinkend',  cxpaßoc  'schielend',  üßöc  'bucklig'  nicht  einen 
Guttural  enthält,  wie  z.  B.  Meillet  Introduction  ä  l'etude  comparative  des 
langues  indo-europeennes,  S.  241  aimimmt  (er  vergleicht  dort  griech.  koXo- 
ßo-c  mit  ai.  drbha-ga-h),  zeigt  üßöc.  In  der  Tat  hätte  ein  Suffix-^g'Wo-  hinter 
u  seine  Labialisierung  eingebüßt;  es  müßte  somit,  sofern  in  dem  -ßd-c  der 
Adjektive  dieser  Gattung  ein  labiovelarer  Guttural  steckte,  *l)yöc  lauten. 
Man  vergleiche  übrigens  auch  noch  ai.  klibah  'verstümmelt,  entmannt', 
lit.  klumbas  'auf  einem  Beine  lahm',  ksl.  Mrübü  'mancus',  lit.  strubas  'ver- 
stümmelt',  lit.  szlubas  'hinkend',   lett.  stulbs  'betäubt,  geblendet,   blind', 


Walde  Lateinisches  etymologisches  Wörterbuch.  33 

ir.  camm  Ruscus'  aus  *katnbos,  und  wohl  auch  lat.  gibbus  'bucklig'  aus 
*gibos,  die  alle  zugunsten  eines  ursprünglichen  Labials  sprechen.  Das 
Suffix  -bo-  von  KXaiaßöc,  CKaiußöc,  CKifaßöc  dürfte  im  letzten  Grunde  mit 
dem  Suffix  -bho-  von  Kuqpöc  'gebückt,  gebeugt',  Kuucpoc  'stumm'  identisch 
sein,  aus  dem  es  vielleicht  in  indogermanischer  Zeit  hinter  Nasal  laut- 
gesetzlich entstanden  (vgl.  KÖpuiußoc  :  Kopucpoc,  cxpöiußoc  'Wirbel':  CTpeqpuj; 
Solmsen  Griech.  Laut-  und  Verslehre,  S.  83  ff.,  Fränkel  Griech.  Denomina- 
tiva,  S.  293,  Anm.  3)  und  dann  durch  analogische  Verschleppung  auf  ko\o- 
ßöc,  üßöc  u.  dgl.  übertragen  worden  ist. 

Tlicet.  —  Der  Verfasser  spricht  nur  von  lUcet  'man  kann  gehen, 
laßt  uns  gehen',  das  er  mit  Recht  aus  i  licet  und  nicht,  wie  Skutsch, 
Satura  Viadrina,  S.  134  Anm.  6  will,  aus  vre  licet  herleitet,  übergeht  aber 
vollständig  das  damit  offenbar  nicht  identische  tlicet  'auf  der  Stelle,  sofort'. 
Dieses  letztere  beruht,  glauben  wir,  auf  einer  nach  dem  Muster  der  be- 
deutungsverwandten Doppelbett  dTrectö{d)  :  directeid)  zu  *instlocöd  {llicö) 
hinzugebildeten  Dublette  *instloced,  die  vor  stimmlosem  Anlaut  des  nach- 
folgenden Wortes  lautgesetzlich  als  *instlocet,  tlicet  (mit  Kürzung  des  e 
der  Schlußsilbe  nach  Sommer,  Handb.  d.  lat.  Laut-  u.  Formenl.,  §  90)  auf- 
treten mußte.  Wegen  der  Verallgemeinerung  der  Form  Tlicet  bitten  wir, 
unsere  Bemerkungen  über  lat.  -met  in  den  Jahrbüchern  f.  d.  klass.  Alter- 
tum IX,  S.  403  zu  vergleichen '). 

Zu   den  Faszikeln  6 — 10  haben  wir  etwa  folgendes  zu  bemerken: 

necto.  —  ai.  ndhi/ati  kann  nicht  aus  *nddh//ati  entstanden  sein. 
Das  Partizipium  naddhdh  scheint  aus  *nä4hdk  umgebildet  unter  dem  Ein- 
fluß des  sinnverwandten  baddhdk;  vgl.  Wackernagel  Ai.  Gramm.  I,  §  217a, 
Anm.  Die  vom  Verfasser  verworfene  Wurzelform  negh-  wird  also  wohl  zu 
Recht  bestehen. 

ntsT.  —  Kaum  aus  *ne  sf,  da  die  älteste  Messung  insT  war;  s.  A. 
Brock,  Quaestionum  gramm.  capita  duo  (Dorpat  1897),  S.  170  ff. 

novicius  ....  Ableitung  unklar.  —  Mit  Rücksicht  auf  Plautus,  Cap- 
tivi  718:  Receus  captum  hominem  nuperum  [et]  >iovicium  möchten  wir 
novicius  auf  ein  Kompositum  *novo-veiq-io-s  'nevi  besiegt,  vor  kurzem  be- 
siegt' zurückführen,  woraus  *novivtcios  und  weiterhin  durch  Silbendissimi- 
lation novicius  entstanden  wäre.  Zur  Bildung  vergleiche  man  das  an  der 
eben  zitierten  Plautusstelle  novicius  vorausgehende  nüperus  aus  *novo- 
paros  'neulich  erst  erworben,  gekauft'  und  ferner  etwa  primigenius. 

nuntius.  —  Der  Verfasser  adoptiert  die  jüngst  von  Brugmann 
IF.  17,  366  ff.  vorgetragene  Herleitung  aus  *novoventios.  Leider  sind  ihm, 
wie  auch  Brugmann  selbst,  die  sehr  ansprechenden  Ausführungen  von 
Hruschka  in  den  Xapicxripia  zu  Ehren  von  Th.  E.  Korsch  (Moskau  1896), 
S.  289  ff.  unbekannt  geblieben.  Hruschka  geht  aus  von  nuntium,  das  ur- 
sprünglich ein  Terminus  der  Augursprache  war  (vgl.  Varro,  De  lingua  lat., 
VI  86 :  ubi  noctu  in  templum  censor  auspicaverit  atque  de  caelo  nuntium 
erit  .  .  .).  nuntium  aus  "  noventiom  zu  ai.  navate  'tönt,  jubelt,  preist',  lett. 
nauju  'schreie',  ahd.  niumo  'laeta  exclamatio'  (?)  wäre  gebildet  als  Gegen- 
stück zu  Silentium.  Davon  hätte  man  abgeleitet  nuntiare  'sonitum  reddere' 
(wie  z.  B.  jubilare  von  jubilum),    zunächst  wiederum  als  Terminus   der 


1)  Nachträglich  bemerken  wir  allerdings,  daß  Walde  S.  709  unsere 
Auffassimg  von  -met  in  egomet  u.  ä.  ablehnt,  ohne  indessen  für  seine  ab- 
lehnende Haltung  einen  Grund  ins  Feld  zu  führen. 

Anzeiger  XIX.  3 


34  Walde  Lateinisches  etymologisches  Wörterbuch. 

Augursprache  (vgl.  Bücheier,  Umbrica  S.  4-3)  von  den  Hühnern  (Cicero, 
De  divinatione,  II  73)  und  dann  von  der  Augurn  (Cicero,  ibid.  II  74)  ge- 
sagt. Das  allmählige  Schwinden  der  Beziehung  auf  das  Sakralwesen  und 
das  schließliche  Überwiegen  der  profanen  Bedeutung  fänden  ein  Analogon 
an  Ausdrücken  wie  contemplari,  lustrum.  nuntius  wäre  eine  Rückbildung 
aus  nuntiare  wie  admlnister  aus  adminintrare,  mit  welch  letzterem  ad- 
nuntius,  inter^iuntiiis,  praemmtius  auf  einer  Stufe  stünden.  Die  Ent- 
wickelungsreihe  nuntium :  nuntiare  nuntius  endlich  würde  gestützt  durch 
den  Hinweis  auf  pugnus  :  pugnare  :  pug^ia  oder  truncus  'Stumpf,  Stummel': 
truncare  :  truncus  'verstümmelt'.  All  das  leuchtet  uns,  offen  gestanden, 
besser  ein,  als  was  Brugmann  a.  a.  0.  vorträgt. 

obltgare.  —  Weder  unter  iTgäre  noch  als  besonderer  Artikel  erwähnt. 
Ein  ganz  ähnliches  Bild  liegt,  außer  in  deutsch  verbinden,  auch  in  russ. 
o^Ja^aii" 'verpflichten'  aus  *obpjazati:vjazati's\.v'\cke:n    zu  Grunde. 

pejor  'schlechter'.  —  Das  e  von  pejor  ist  kurz,  wie  aus  ital.  peggio 
hervorgeht.  Die  Messung  —  w  beruht  auf  Positionslänge  der  ersten  Silbe 
zufolge  der  Aussprache  peiior.  Es  ist  eine  nicht  scharf  genug  zu  rügende  Un- 
sitte, in  Wörterbüchern  und  Grammatiken  den  Vokal  positionslanger  Silben 
in  Fällen  wie  der  eben  genannte,  dem  wir  noch  major  und  hoc  (Nom.-Akk. 
Neutr.)  anfügen  können,  mit  dem  Längezeichen  zu  versehen,  also  zu 
drucken  ^>e/or,  major,  hoc.  Die  'Position'  längt  die  Silbe,  nicht  den  Vokal. 

potis.  —  Wahrscheinlicher  als  die  vom  Verf.  gebilligte  Solmsensche 
Erklärung  von  potestas  (Umbildung  aus  *potistas  nach  majestas)  dünkt  uns 
die  von  Grammont  La  dissimilation  consonantique,  S.  154  vorgeschlagene, 
wonach  potestas  als  viertes  Glied  der  Proportion  egens  :  egestas  =  x>otens  :  x 
entstanden  wäre. 

prelum  'Presse,  Kelter':  *prem-slo-m.  —  Als  Grundform  ist  auch 
*pres-lo-m  (vgl.  das  Perfektum  pres-si)  möglich. 

pmtäre  'rechnen,  anschlagen'.  —  Es  konnte  auf  den  zur  Partikel 
erstarrten  Imperativ  puta  'zum  Beispiel',  eigentlich  'setze  in  Rechnung' 
verwiesen  werden,  worüber  Wackernagel  Vermischte  Beitr.  z.  griech.  Sprach- 
kunde, S.  24  f.  unter  Beiziehung  von  ai.  ehi  'wohlan',  griech.  cxTe,  aineXei  'ge- 
wiß', eigentlich  'sei  unbesorgt'  und  weiterhin  griech.  öpäc  'unleugbar,  natür- 
lich' gehandelt  hat  (so  auch  noch  lit.  zinat  'natürlich',  eigentlich  'du 
weißt';  vgl.  z.  B.  Jurkschat  Lit.  Märchen  und  Erzählungen,  S.  13). 

quälum,  quälus  'geflochtener  Korb'.  —  Es  hätte  auf  die  Schwierigkeit 
hingewiesen  werden  müssen,  die  in  der  Erhaltung  des  s  in  der  Diminutiv- 
form quasillus  liegt  und  die  neuerdings  durch  W.  Schulze,  Lat.  Personen- 
namen, S.  462  in  befriedigender  Weise  durch  die  Ansetzung  einer  Grund- 
form *quas-slo-m  für.  lat.  quälum  gehoben  worden  ist, 

redimio,  -  tre  'umbinden,  umwinden,  bekränzen,  umgeben',  redimi- 
culum  'Stirnband'  zu  griech.  Kpi'i-beiuvov'  Kopfbinde';  vgl.  auch  beu),  bibnm 
'binde'  usw.  —  Ebensogut  denkbar  ist  Zusammengehörigkeit  mit  ai.  t/dmati, 
ydcchati  'hält  zusammen,  zügelt',  gdmah  'Zügel',  ydntram  'Strang,  Band', 
wie  Thurneysen  Über  Herkunft  und  Bildung  der  lat.  Verba  auf  -io,  S.  30 
vorgeschlagen  hat.  Dazu  auch  lat.  infula  aus  *im-dhlä  nach  einer  etwas 
modifizierten  Vermutung  von  de  Saussure  bei  Thurneysen  a.  a.  0.  (de  Saus- 
sure setzte  damals  *jen9lä  als  Grundform  an). 

röbJgö,  -  inis  'Rost'.  —  Der  Verfasser  unterläßt  es,  zu  erwähnen, 
daß  robigo  auch  'Mehltau'  bedeutet  und  offenbar  mit  gr.  ^puctßri  'Mehl- 
tau',  rhod.    ^puetßri   (Strabo  XIH,  613:  'Pöbioi  bd  'EpuBißiou  '  AttöUuuvoc 


Walde  Lateinisches  etymologisches  Wörterbuch.  35 

€X0uciv  iv  TT)  xiJ^pa  lepdv,  Tr\v  ^pucißrjv  KaXoOvxec  e  p  u  G  i  ß  r)  v  eng  zusammen- 
hängt. Im  einzelnen  bleiben  freilich  mehrfach  Schwierigkeiten  bestehen. 
Das  Suffix  dürfte  lateinischerseits  als  -tg^öin)-  anzusetzen  sein,  röbigö 
statt  *röbivö  beruhte  alsdann  auf  Ausgleichung  zwischen  dem  Nominativ 
*rObivö  und  den  obliquen  Kasus,  Gen.  *rdblgnes  etc. 

saepes,  -is  'Zaun,  Gehege'  Zweifelhaft,  ob  mit  echtem  ae  oder  mit 
ae  ^  e.  —  Wohl  sicher  mit  ursprünglichem  Diphthong,  auf  Grund  der  dem 
Verf.  entgangenen,  unseres  Erachtens  evidenten  Zusammenstellung  mit 
hom.  ai|nacid  'Dornliecke',  ai|u6c  (=  bpuiuoc)  Aeschylus  frgm.  9,  aus  *aiTT- 
ILiacid,  *aiTr|u6c,  die  Froehde  BB.  17,  318  (unter  Zustimmung  von  Wacker- 
nagel Verm.  Beitr.  z.  griech.  Sprachkunde,  S.  39)  vorgeschlagen  hat. 

saevus.  —  Vielmehr  zu  griech.  "Aibrjc  aus  *AiFibric  (Grdf.  *saivid-)  und 
weiterhin  zu  gr.  aiavrjc,  airivr|C  (mit  ionisch-epischem  Spiritus  lenis).  At- 
tribut grausiger  Dinge,  aus  aiF-avric,  aiF-rjvric  "von  grausem  Antlitz'  (*avoc 
'Antlitz' :  ai.  dnil-am  'Antlitz').    So  Wackernagel  Verm.  Beitr.,  S.  7. 

scutra  'flache  Schüssel,  Platte'  —  scutula  'rhombenähnliche  Figur' 
hat  damit  nichts  zu  schaffen,  sondern  ist  entlehntes  griechisches  cKuxdXri 
'Stock  mit  verdicktem  Ende'  (ßaKxripia  aKpoTraxHC  Suidas);  vgl.  Weise  Die 
griech.  Wörter  im  Latein,  S.  62  und  neuestens  G.  Ferrara  Della  voce 
'scutula'  (Milano  1905).  Im  Sinne  von  'Schüssel,  Präsentierteller'  (Martial  XI, 
31,  18  f.)  dagegen  dürfte  mit  dem  Verf.  trotz  Ferrara  a.  a.  0.  S.  16  Rück- 
bildung aus  scutella,  also  ein  völlig  verschiedenes  Wort  zu  statuieren  sein. 

sentrna  'Schiffsbodenwasser'.  —  Erwähnung  hätte  jedenfalls  auch 
die  Job.  Schmidtsche  Et^Tnologie  verdient,  der  an  Zusammenhang  mit 
lett.  suhhtees  aus  *sunhtees  'durchsickern'  denkt  und  demzufolge  seiitfna 
aus  *sen{c)ttna  herleitet. 

spargo,  -  ere.  —  Geitler  Lit.  Studien,  S.  110  führt  aus  einem  litaui- 
schen Kalender  ein  Verbum  sparginti  mit  der  Bedeutung  'Salz  auf  eine 
Flüssigkeit  streuen'  an. 

stagnum  'stehendes  Gewässer,  See,  Teich,  Pfuhl,  Tümpel'.  —  Unter 
den  vom  Verf.  aufgeführten  Deutungen  ist  keine,  die  zu  befriedigen  ver- 
möchte. Sollte  es  nicht  möglich  sein,  lat.  stagnum  mit  griech.  xevaYoc  'seichtes 
Wasser'  zu  verknüpfen,  unter  Ansetzung  einer  Grundform  *stangnom? 

stannum  'eine  Mischung  von  Blei  und  Silber'  später  'Zinn'.  —  sta- 
gnum ist  nicht  nur  die  durch  die  romanischen  Fortsetzer  geforderte,  sondern 
auch  die  durch  die  handschriftliche  Überlieferung  am  besten  beglaubigte 
Form;  vgl.  Georges  Lexikon  der  lat.  Wortformen,  Sp.  655. 

sürio  'in  der  Brunst  sein'  (von  männlichen  Tieren).  —  Die  Zusammen- 
stellung mit  ai.  sürah  'berauschender  Trank'  findet  sich  schon  bei  Thurn- 
eysen.  Über  Herkunft  und  Bildung  der  lat.  Verba  auf  -io,  S.  32. 

testis  'Hode':  zu  testa,  etwa  'Scherbchen,  Töpfchen'.  —  Sicher  ver- 
fehlt. Auf  der  richtigen  Fährte  ist  Keller  Zur  lat.  Sprachgeschichte,  1, 
S.  144  f.,  der  in  lat.  tedes  eine  von  den  griechisch  gebildeten  römischen 
Ärzten  herrührende  Übersetzung  von  gr.  TrapacTdrai  sieht,  nur  daß  wir 
mit  Rücksicht  darauf,  daß  auch  der  heutige  französische  Argot  temoins 
im  Sinne  von  testicules  kennt  (vgl.  Aristide  Bruant  L'argot  au  XX e  siecle, 
Paris  1901,  S.  405)  für  griech.  TrapacrdTai  und  lat.  testes  lieber  eine  unab- 
hängige parallele  Bedeutungsenlwickelung  annehmen  möchten. 

vägio,  tre  'wimmern,  quäcken'.  —  Das  ä  von  vägtre  gegenüber  dem 
a  von  ai.  vagnüh  'Ton'  läßt  sich  als  Dehnvokal  auffassen,  wenn  man  von 
einem  «-Nomen  *vägi-s  ausgeht,  da  letzteren  öfters  Dehnung  des  Wurzel- 

3* 


36  Much  Deutsche  Slammeskunde. 

Vokals  eignet;  vgl.  z.  B.  air.  fdith.  Greif.  *väti-s  neben  ai.  api-vutati.  So 
Bartholomae  ZDMG.,  50  S.  676. 

re7iio.  —  Es  hätte  sich  wohl  verlohnt,  auch  das  Kompositum  invenio 
mit  den  Bedeutungsparallelen  deutsch  ich  komme  auf  etwas  und  russ.  na- 
idu  (s.  Bernecker  Russ.  Grammatik,  S.  113)  zu  erwähnen. 

n'duus  'beraubt,  leer  von  etwas',  bes.  'des  Gatten  beraubt'.  —  Höchst 
wahi'scheinlich  ist  lat.  viduos  erst  sekundär  zu  vidiia  'Witwe'  hinzugebildet. 
Dieser  Annahme  ist  auch  der  Sprachgebrauch  günstig,  vidua  kommt  bei 
Plautus  nicht  selten  vor  und  zwar  stets  als  Substantivum,  viduos  nur  ein 
einziges  Mal  im  Mercator.  Demnach  wäre  in  den  Wörterbüchern  zu  ordnen 
1.  vidua  'Witwe',  2.  viduos  'Witwer',  3.  viduos  'beraubt,  leer  von  etwas'. 
Vgl.  Delbrück  Die  indog.  Verwandtschaftsnamen  (=  Abb.  d.  sächs.  Ges. 
d.  Wissensch.,  histor.-phüol.  Kl..  XI),  S.  444  f. 

ulva  'Sumpfgras':  zu  alga?  —  Diese  Zusammenstellung  i.st  in  der 
Tat  von  E.  Liden  Studien  z.  altind.  u.  vergl.  Sprachgesch.,  S.  30  gemacht 
worden,  indessen  zieht  Liden  neuerdings.  Blandade  spräkhistoriska  bidrag  1, 
S.  32  f.  (in  Göteborgs  högskolas  ärsskrift  190 i)  Verbindung  mit  sloven. 
Idva  'tiefe,  sumpfige  Stelle  neben  einem  Flusse  oder  in  einem  vertrock- 
neten Flußbett'  vor.  Gemeinsame  Grundform  von  lat.  ulva  und  sloven. 
Idva  wäre  *oJuä  (die  Kürze  des  u  von  lat.  ulva  scheint  durch  span.  ova 
'Schilfgras,  Meergras,  Alge'  gewährleistet).  Da  das  sloven.  Idva  innerhalb 
der  slavischen  Sprachen  ganz  vereinzelt  dasteht,  könnte  man  versucht 
sein,  an  Entlehnung  aus  dem  romanischen  olva  zu  denken,  was  indessen, 
wie  Liden  a.  a.  0.  mit  Recht  hervorhebt,  einerseits  wegen  der  Bedeutungs- 
versclüedenheit  der  beiden  Wörter  und  anderseits  besonders  deshalb  nicht 
anginge,  weil  lat.  ulva  nur  im  Spanischen  und  im  Provenzalischen.  also 
weitab  vom  slavischen  Sprachgebiet,  fortlebt. 

ut  'wo,  in  welcher  Weise,  wie'.  —  -tei  in  altlat.  utei  ist  die  lat. 
Entsprechung  von  ai.  -te  in  /^e,  Praepos.  mit  dem  Abi.  'außer,  ohne'; 
Per  Persson  Studia  etymologica,  S.  11.  Über  das  Vorkommen  von  utei, 
utt  und  ut  bietet  schätzenswerte  statistische  Erhebungen  die  Monographie 
von  Bastian  Dahl  Die  lat.  Partikel  ut  (Kristiania  1882).  Die  erste  Vei-- 
wendung  von  tit  war  zweifelsohne  die  als  interrogativ-modales  Adverbium. 
Über  die  Entwicklung  der  übrigen  Bedeutungen  aus  dieser  Grundbedeu- 
tung vergleiche  man  die  lehrreichen  Ausführungen  von  Breal  Melanges 
de  mythologie  et  de  hnguistique**,  S.  332  ff.,  Probst  Beiträge  zur  lat.  Gram- 
matik, S.  285  f.  und  Ziemer  Junggrammat.  Streifzüge  ^.  S.  120. 

Zug  (Schweiz).  Max  Niedermann. 


Much  R.,   Deutsche  Stammeskunde.   Mit  2  Karten  und  2  Tafeln.    Zweite 
verbesserte  Auflage.    Sammlung  Göschen,  Leipzig  1905,  140  S. 

Die  zweite  Auflage  von  Muchs  Stammeskunde  hat  eine  Reihe  meist 
kleinerer  Zusätze  und  Änderungen  sowie  verschiedene  kleinere  Aus- 
lassungen erfahren.  Ob  dabei  der  Verf.  Recht  daran  getan  hat,  meine 
Kritik  seiner  ersten  Auflage  IF.  Anz.  14,  17  ff.  fast  ganz  unberücksichtigt 
zu  lassen,  mögen  die  Fachgenossen  entscheiden.  Auf  einen  Punkt  aber 
halte  ich  es  für  notwendig,  hier  noch  einmal  zurückzukommen,  auf  die 
in  dem  Buche  mit  besonderer  Vorliebe  geübte  Etymologisierung  von 
Eigennamen.  Much  hat  hier  lediglich  seine  Herleitung  des  Namens  der 
Kalukones  (S.  92)  fortgelassen,  seine  übrigen  Etymologien  aber  sämtlich 


Much  Deutsche  Stammeskunde.  37 

beibehalten.    Sind  wir  aber  wirklich  imstande  zu  sagen,   ob  z.  B.   Suebi, 
germ.  *Sueböz  die  'Selbständigen,  Freien'  bedeutet  hat  und  deshalb  auch 
als  Gattungsname  auf  alle  freigebliebenen  Germanen  anwendbar  gewesen 
sein  kann?    Mit  meiner  Opposition   gegen   die  Erhebung   solcher  wenig 
wahrscheinlichen  Hypothesen  in  den  Bereich  gesicherter  Tatsachen  stehe 
ich  auch  keineswegs  allein  und  verweise  hier  nur  auf  das  Urteil  Bethges,  Er- 
gebnisse und  Fortschritte  der  germanistischen  Wissenschaft  558  über  Muchs 
frühere  stammeskundliche   Arbeiten :    "Der   Wert  dieser   ausgezeichneten 
Aufsätze    wird   nur   durch  das   allzugroße   Vertrauen    des    Verfassers   zu 
Namenetymologien  einigermaßen  beeinträchtigt."    Auch  die   Etymologien 
von  Fluß- und  Bergnamen  sollten  mit  größerer  Vorsicht  aufgenommen  wer  den, 
als  dies  bei  Much  geschieht:  so  verbietet  sich  die  auf  S.  43  der  neuen  Auf- 
lage eingefügte  und  dort  als  möglich  bezeichnete  Herleitung  von  lat.-germ. 
Nicer  'Neckar'  von  voritalisch  niger  =  lat.  niger  'schwarz'  durch  die  Tat- 
sache, daß,  wie  Much  60  f.  selbst  bemerkt,  die  Germanen  erst  im  ersten  vor- 
christlichen Jahrhundert  das  Land  zwischen  Main  und  Donau  besiedelt  haben, 
den  Neckar  also  erst  in  einer  Zeit  kennen  gelernt  haben  können,  in  der 
die  Verschiebung  des  g  zu  k  längst  stattgefunden  hatte,  abgesehen  davon 
daß  jeder,  der  den  Neckar  wirklich  einmal  gesehen  hat  und  nicht  an  Farben- 
blindheit leidet,  denselben  für  grün  und  nicht  für  schwarz  halten  wird. 
Auch  in  der  zweiten  Auflage  setzt  der  Verf.  S.  94  die  Franken  mit 
den  Chauken  gleich,  die  sich   allmählich  weiter   gegen   Südosten  ausge- 
breitet und  dabei  ihr  Stammland  zwischen  Ems   und    Elbe    den   Friesen 
und  Sachsen  überlassen  hätten,  und  fügt  jetzt  noch  hinzu,  daß  es  sonst 
unerklärt  bliebe,    was  aus    den  früher  so   mächtigen  Chauken   geworden 
sei.    Das  ist  freilich  keine  Widerlegung  der  Bemerkungen  des  Rezensenten, 
weshalb  die  Chauken  nicht  mit  den  Hugen-Franken  identisch  sein  können; 
aber  auch  Muchs  neu  hinzugefügter  Grund  erweist  sich   nicht   als  stich- 
haltig.   Denn  bei  den  wechselvollen  politischen  Verhältnissen  Germaniens 
in  den  ersten  nachchristlichen  Jahrhunderten  kann  die  Macht  der  Chauken 
wie  früher  die  der  Chen;sker  in  verhältnismäßig  kurzer  Zeit  zei'trümmert 
worden  sein,  und  gewiß  ist  doch  die  Annahme  einfacher,  daß  die  Chauken 
ihre  Wohnsitze  beibehalten  als  daß  sie  dieselben  gewechselt  haben.   Auf 
welche  Weise  freilich  das  chaukische  Volk  teils  friesisch,  teils  sächsisch 
geworden  ist,    ob   durch   Unterwerfung  oder  freiwilligen   Anschluß,   ver- 
mögen wir  nicht  zu  entscheiden,  wie  wir  ja  überhaupt  so  gut  wie  keine 
Nachrichten  über  die   inneren  Verhältnisse  Germaniens   aus   dieser  Zeit 
besitzen.  Aber  gewiß  ist  Bremer  im  Recht,  wenn  er  in  Pauls  Grundr.*,  3,  859 
die  Beteiligung  der  chaukischen  Sachsen  an  der  Besiedelung  Südenglands 
voraussetzt,  daHolstein,  wie  dies  jaindennördlichenanghschenundjütischen 
Landen,  wo  Dänen  eingerückt  sind,  wirklich  geschehen  ist,  entvölkert  sein 
würde,  wenn  von  ihm  allein  aus  die  weite  Landschaft  besiedelt  worden  wäre, 
welche  die  Sachsen  in  England  inne  haben. 

Erfreulich  ist  es,  daß  Much  selbst  seine  von  ihm  PBB.  17,  5  ff. 
im  Anschluß  an  Kossinna  entwickelte  Ansicht,  daß  die  Teutonen  Kelten 
seien,  aufgegeben  hat.  Es  war  ja  auch  schwer  zu  glauben,  daß  die  Teu- 
tonen, die  nicht  nur  als  Waffen-  und  Wandergefährten  der  Kimbern  und 
Ambronen  auftreten,  sondern  von  ersteren  auch  dem  Marius  gegenüber 
direkt  als  ihre  Brüder  bezeichnet  werden,  keine  Germanen  sein  sollten. 
Wenn  sich  nun  aber  auf  Jütland,  dem  kimbrischen  Chersones,  neben  einem 
an  die  Kimbern  erinnernden  Kimbersyssel  ein  an  die  Teutonen  gemahnendes 


38  Loewe  Germanische  Sprachwissenschaft. 

Thi/thesi/ssel  findet  und  außerdem  die  Insel  Amt-um,  älter  Ambrmn,  deren 
Namen  auf  die  Ambronen  hinweist,  niclit  allzufern  liegt,  so  kann  doch 
wohl  kein  Zweifel  daran  bestehen,  daß  die  Heimat  aller  dreier  Völker 
auf  Jütland  und  südlich  davon  zu  suchen  ist. 

Richard  Loewe. 


Loewe  R.  Germanische  Sprachwissenschaft.  Leipzig  Sammlung  Göschen 
1905.  Ii8  S.  80  Pf. 

Nach  Meringers  idg.  und  Zauners  rom.  Handbüchlein  ist  nun  ein 
analoges  fürs  Germ.  (Urgerm.)  gefolgt.  Über  Zweck  und  Gebrauch  der 
grammatikalischen  Darstellungen  in  Göschens  Sammlung  war  schon 
seinerzeit  genug  gehandelt  worden,  ich  beschränke  mich  hier  darauf,  zu 
sagen,  daß  Loewes  Rüchlein  natürlich  den  intensiven  Gebrauch  unserer 
übrigen  Handbücher  (außer  Rrugmann  der  Torgeschichte'  Kluges  in  Pauls 
Grundriß,  des  Noreenschen  'Abrisses',  der  'Urg.  Grammatik'  Streitbergs, 
der  urg.  Abschnitte  fiethges  in  der  'Laut-  und  Formenlehre'  Dieters  u.  a.) 
keinem  Anfänger  ersparen  kann,  daß  aber  dieser  'Abriß  in  nuce'  jedem, 
der  schon  entsprechend  eingearbeitet  ist,  z.  R.  Studenten  als  Repetitorium 
oder  selbst  Fachleuten  als  ein  durch  Reispiele  und  knappe  The'orien  illu- 
strierter Index,  immer  seine  guten  Dienste  leisten  wird. 

Doch  all  dieses  liegt  in  der  Natur  der  Sache  begründet;  Loewe 
selbst  ist  da  —  nach  gehöriger  Vorbereitung  —  an  eine  recht  schwierige 
Aufgabe  herangetreten  und  hat  sie  unter  den  gegebenen  Verhältnissen 
gewiß  glücklich  gelöst.  Übersichtlichkeit,  sehr  selten  mangelnde  Verständ- 
lichkeit bei  gedrängter  Form,  beste  Auswahl  aus  dem  schon  Geleisteten 
und  eine  ziemliche  Reigabe  eigener  zum  mindesten  stets  anregender 
Erklärungen,  die  zugleich  eine  etwas  ausführlichere  Resprechung  meiner- 
seits rechtfertigen,  müssen  seinem  Werkchen  nachgerühmt  werden.  Daß 
er  den  ewigen  Zwiespalt  zwischen  wissenschaftlicher  Auseinandersetzung, 
die  oft  mehrere  Seiten  erforderte,  und  wünschenswerter  Beschränkung 
und  Vereinfachung  des  Stoffes  zu  Zwecken  eines  Handbüchleins  gerade 
auf  dem  heiß  umstrittenen  Roden  des  Urgerm.  so  trefflich  zu  schlichten 
gewußt,  bleibt  das  ureigenste  Verdienst  der  von  ihm  gebotenen  Leistung. 

Der  Inhalt  der  Schrift  beschränkt  sich  naturgemäß  auf  Lautlehre 
(Betonung,  Vokalismus,  Konsonantismus,  Auslautgesetze)  und  Formenlehre, 
welchen  Hauptteilen  eine  gediegene  Einleitung  über  Regriff  und  Aufgabe 
der  germ.  Sprachwissenschaft,  die  germ.  Dialekte,  über  Sprachveränderungen 
und  ihre  Ursachen,  über  Wechselbeziehungen  des  Germanischen  zu  andern 
idg.  Sprachen  *)  und  innerhalb  seiner  eigenen  Dialekte  voraufgeht  (S.  1 — 30). 
Ein  Meisterstück  in  der  Anordnung  des  einschlägigen  Stoffes  scheint  mir 
die  Einflechtung  der  späteren  Schicksale  der  urgerm.  Konsonanten  in  die 
Darstellung  der  ersten  Lautverschiebung  und  ihrer  (in  Wirklichkeit  freilich 
zum  Teil  parallel  verlaufenen)  Einzelakte  zu  sein  (S.  53  f.). 

Indem  ich  mich  jetzt  der  rein  wissenschaftlichen  Würdigung  zu- 
wende, berühre  ich  zuvörderst  einige  allgemeine  Prinzipien,  welche 
Loewe  konsequent  und  mehreremale  zur  Anwendung  bringt.  So  betrachtet 
er  (S.  13  f.)  als  wesentlichste  Ursache  der  Sprachveränderungen  mit  Recht 
die  Sprechart  der  neuen  Generation  oder  die  Kinder  spräche  und  macht 

1)  Hier  vermisse  ich  nur  eine  Andeutung  der  Reziehungen  zum 
Baltoslavischen. 


Loewe  Germanische  Sprachwissenschaft.  39 

davon  z.  B.  beim  Schwund  der  1.  Sg.,  1.  2.  PI.  im  got.  Medium  und  der 
1.  2.  PL  im  as.  agfr.  Aktivum  —  als  im  Kindermund  ungeläufiger  Personen 
—  Gebrauch  (S.  114).  Ohne  diese  treibende  Kraft  zu  unterschätzen,  mache 
ich  aiifmerksam,  daß  teilweise  auch  hier  lautgesetzliche  und  analogische 
Vorgänge  (vgl.  die  2.  PI.  as.  ae.  berad  neben  3.  PI.  *bera[>i\p  =  berad)  mit 
hereinspielen  mochten,  daß  man  ferner  bei  Metathesen  u.  dgl.  unbedenklich 
von  der  Sprechart  Erwachsener  ausgehen  kann  (vgl.  acech.  licu  st.  *kvtu 
=  abulg.  cvbtq),  endlich,  daß  der  Affekt  und  überhaupt  der  Gemütszustand 
bei  Sprachwandlungen  eine  wichtige,  noch  nicht  genügend  untersuchte 
Rolle  spielt.  Wir  werden  da  kaum  mit  einem  einseitigen  Prinzip  aus- 
kommen. 

Die  as.  Formen,  die  ein  richtig  ag  friesisch  es  Gepräge  haben, 
erklärt  Loewe  S.  28  f.  teils  durch  vorübergehenden,  teils  durch  bleibenden 
Einfluß  des  die  Sachsenlande  beherrschenden  und  nur  stammverwandten 
Adels  (vgl.  auch  S.  96,  138,  143).  Auch  ein  Beitrag  zur  Lösung  dieser 
dunklen  Frage,  wobei  aber  noch  die  besondere  Mittelstellung  des  As. 
zwischen  Agfries.  und  Ahd.,  dann  die  von  Holthausen  As.  Elem.  14  er- 
wähnten Begleitumstände  bei  Niederschrift  und  Verbreitung  der  Quellen 
in  Betracht  kommen. 

Auf  eine  Erscheinung  im  Soester  Dial.  (S.  78)  sich  stützend,  faßt 
Loewe  gewisse  abweichende  Vokale  als  Misch-  oder  Mittelformen  auf, 
die  eine  zwischen  zwei  Extremen  vermittelnde  Qualität  angenommen 
haben:  der  ahd.  as.  G.  Sg.  armes  (a.  a.  0.)  ist  auf  diese  Weise  kontaminiert 
aus  *-is  und  -as,  die  zweite  PI.  ahd.  beret  aus  *birit  und  berat  (S.  116), 
der  amd.  as.  G.  D.  Sg.  hanen,  A.  Sg.  und  N.  PL  hanon  aus  -in  und  *-an, 
bez.  aus  -mm.*)  und  *-an  (dies  beidemal  im  Ae.,  S.  91).  M.  E.  kein  völlig 
zu  verwerfendes  Prinzip,  obzwar  noch  mehr  Beobachtungen  in  lebenden 
Mundarten  erwünscht  wären;  für  die  2.  PL  -et  reiche  ich  übrigens  gut 
mit  der  Theorie  Bernekers  IF.  9,  355  f.  aus. 

Die  Verschiebung  der  Labiovelare  zu  reinen  Labialen  erkennt 
Löwe  offenbar  nicht  an,  sondern  sucht  die  Einzelfälle  durch  Analogie 
und  Assimilation  auszudeuten:  fidwdr  nach  fimf  (schon  bei  Noreen  Ab- 
riss  149)  und  fimf  mit  Angleichung  des  zweiten  f  ans  erste  (S.  110).  Doch 
fehlt  ebenda  die  Erklärung  für  aiulif,  twalif;  ob  Loewe  in  letzterem  auch 
Assimilation  (vgl.  ivtdfs)  annehmen  wollte  ? 

Loewe  bemüht  sich  im  absoluten  Auslaut  ebenfalls  mit  Verners 
Gesetz  durchzukommen,  allein  es  will  ihm  ebenso  wenig  wie  anderen 
glücken :  so  im  G.  Sg.  ahd.  bürg  usw.  (gr.  vuktoc),  wo  der  Ton  noch  vor 
Eintritt  des  Gesetzes  zurückgezogen  sein  soll  (S.  89),  dann  in  der  2.  Sg. 
Ind.  des  st.  Praet.  im  Wgm.,  von  der  vermutet  wird,  as.  ahd.  bäri 
(=urspr.  *-es)  hätte  sein  *-s  für  -z  nach  dem  entfernten  Vorbild  der  Praet. - 
Praesentia  (wo  im  Ind.  -t,  im  Opt.  -s)  eingetauscht.    S.  145. 

In  den  Auslautgesetzen  hat  sich  Loewe,  wie  rühmend  hervor- 
zuheben, der  neuen  Intonationslehre  aus  Überzeugung  angeschlossen.  Un- 
verständlich ist  mir  bloß  ein  gewisses  Residuum  der  alten  Nasaltheorie 
dahingehend,  daß  nasalierte  Länge  im  got.  Auslaut  als  Länge  erhalten 
bleibt  (S.  69).  Loewe  kann  zwar  so  N.  Sg.  tuggö,  augö  aus  *-0n  und  hau- 
hei  aus  *-fn   anstandslos  ableiten,    aber   er   muß   got.   A.  Sg.   giba    (82), 


1)  Dieses  unwahrscheinlich  abgeleitet  z.  B.  im  A.  Sg.  aus  *-«(-«)  an- 
statt eher  aus  *-3n(-?2). 


40  Loewe   Germanische  Spracliwissenschaft. 

1.  Sg.  futsida  (71  u.  134),  got.  N.  Sg.  hana  (91)  durch  Analogien  erklären 
und  bedürfte  doch  dringend  der  Gleichung  *-6?i  =  got.  -a  für  got.  A.  Sg. 
Jvana  usw.  (100),  N.  A.  pata  (102 ;  beidemal  die  Partikel  *-öm). 

Nach  S.  27  haben  die  deutschen  Maa.  (und  das  Langobardische 
S.  30)  abweichend  vom  Agfries.  nur  eine  gemeinsame  Neuerung  durch- 
geführt, nämlich  *-a  aus  *-ö  zu  -o  gewandelt:  älter  sei  agfr.  äoh«,  jünger 

ad.  hano.  Daß  auch  das  Deutsche  einst  -a  gehabt,  erweist  nach  L.  der 
suevische  Name  Nasua  (Caesar)  und  der  batavische  Chariovalda  (16  n. 
Chr.).  Nun  fordert  aber  die  natürliche,  im  Nord,  bei  urspr.  *-5n  (dieses 
sonst  überall  =  *-o)  beglaubigte  Qualitätsentwicklung ,  daß  analog  im 
Wgm.  aus  *-o  (-ön)  gemeinsprachliches  -o  und  erst  daraus  —  im  Agfr.  — 
einzelsprachliches  -a')  hervorgegangen  ist,  und  zudem  zeigt  das  älteste 
Northumbr.  im  sw.  N.  Sg.  urecko,  bogo  (wohl  schon  offenes  -o,  da  kein  -n  da- 
neben). Und  was  die  beiden  Eigennamen  betrifft,  so  sind  sie  recht  un- 
verläßliches Beweismaterial  und  außerdem  hat  sie  Bremer  IF.  14,  366, 
sich  selbst  berichtigend,  auf  -az  zurückgeführt  und  die  Deutung  aus  -ö 
verworfen.  ^) 

Schwankend  oder  vielmehr  inkonsequent  ausgedrückt  dünkt  mich 
Loewes  Standpunkt  in  der  Frage  des  Schwundes  von  urspr.  -«(-)  in  3.  Silbe. 
Nach  S.  73  ist  es  bereits  urn.  verloren,  auf  S.  84  wird  *^astijiz  zu  *-i^ 
kontrahiert  (ahd.  gesti  =  Akk.  PI.),  im  N.  PI.  *suniuiz  (S.  87)  ist  es  urgerm. 
ausgefallen  (got.  siinjus),  worauf  nord.-wgm.  noch  einmal  in  3.  Silbe  -u- 
aus  *suniuz  schwindet  (urn.  suniR  usw.,  ad.  suni).  Vgl.  weiter  S.  91,  140, 
147.  Bei  genauer  Präzisierung  würde  L.  wohl  besagten  Schwund  des  i 
als  urgerm.  bezeichnen  —  mit  Becht ;  dagegen  ist  wgm.-nord.  -u  aus  *-6 
trotz  aisl.  augo  =  ahd.  oitgun  schwerlich  gar  so  früh  apokopiert,  wie  S.  94 
angenommen  wird:  vgl.  unter  anderm  in  der  urn.  Inschrift  Opedal  (6.  J.) 
neben  niinu  liubü  das  zwar  zweifelhafte,  jedoch  kaum  anders  zu  deutende 
Bir^{i)n^u  (Noreen  Aisl.  Gr.-'  227). 

Bezüglich  des  Praet.  der  starken  und  besonders  der  'reduplizieren- 
den' Verba  geht  L.  durchaus  von  urspr.  gedoppelten  Perfekt  formen  aus. 
Die  ablautenden  Typen  schafft  er  sich  durch  urgerm.  Haplologien  (126  f.), 
die  Typen  he-t  usw.  durch  nord.-wgm.  Dissimilationen  (129  f.).  Dabei  ent- 
wickelt er  seine  Theorie  auf  Grund  von  solchen  Anschauungen  über  den 
idg.  Ablaut  und  namentlich  die  Schwundstufe,  welche  man  sich  sonst  für  die 
schwierigsten  Fälle  bereit  hält:  goi. setum  ebenso  wie  di\.sedimd,  \a.i.sedimus 
=■  *se-{s)3ddme  zu  Wz.  *sed-  (125),  dagegen  ae.  reordon  (danach  analog. 
hehton)  =  *re-rd-9me  zu  Wz.  *redh-  (131 ;  vgl.  damit  46  f.).  Weil  Loewe  diese 
seine  Aufstellungen  in  allerjüngster  Zeit  in  KZ.  40,  266  f.  ausführhcher  be- 
gründet, ergänzt  und  zum  Teil  modifiziert  hat,  so  wird  Ref.,  der  sich 
ebenfalls  dieser  Frage  gewidmet,  eine  weit  eingehendere  Kritik  des  Löwe- 
schen Pf. -Systems  von  abweichendem  Gesichtspunkt  aus  an  anderer  Stelle 
bringen. 

1)  Dazu  paßt  vortrefflich  die  ganz  parallele  Erhöhung  der  Qualität 
in  agfr.  -e,  älter  -ce  aus  gemein-wgm.    und    deutschem  -a  =  urspr.  *-6>i: 

ae.  ^iefoe,  später  -e,  ahd.  geba  usw.  Zu  allen  diesen  Fragen  vgl.  meine 
'Soustava  etc.'  (1903)  S.  71  f.,  löOf.,  188f. 

2)  Nasua  körmte  event.  n-Stamm  und  noch  damaliger  Rest  des 
alten  Vok.  *-a[n)  sein ;  vgl.  Bethges  chronologisch  schon  weniger  wahr- 
scheinliche Interpretation  des  urn.    Wiwila  u.  ä.  (bei  Dieter  623). 


Trautmann  Germ.  Lautgesetze  in  ihrem  sprachgeschichtl.  Verhältnis.     41 

Eine  Reihe  Einzelheiten:  S.  17  werden  als  eine  von  zwei  charak- 
teristischen Übereinstimmungen  in  der  germ.-lat.  Wortbildung  die  Adverbia 
*-ne  ('woher?')  angeführt  wie  got.  innana,  lat.  superne;  J.  Schmidt  ver- 
glich damit  noch  ai.  vinä  'ohne'  (Soustava  111).  —  S.  25  erklärt  L.  den 
Wandel  von  -ü-  zu  -ö-  in  got.  bauan,  on.  böa  für  eine  Spur  alter  gemein- 
schaftlicher Entwickelung,  was  nicht  undenkbar  ist.  —  S.  36  f.  würde  eine 
einmalige  Illustrierung  von  nebentonigen  und  unbetonten  Silben,  z.  B. 
durch  ai  im  Ae.,  nicht  schaden.  —  S.  80:  got.  hairdeis  aus  *-ios  zu  -Ts 
kontrahiert  (?).  —  S.  81  kann  die  Länge  im  G.  S  g.  ahd.  geba  nur  theore- 
tischen Wert  haben;  vgl.  101  dera  aus  He-säs  (!).  Ae.  ^iefe,  älter  -ce  ent- 
spricht dem  ad.  -ö  und  ist  mit  dem  Dt.  Sg.  aus  *-äi  nur  zusammengetroffen. 

—  S.  87  wird  ae.  sima  im  D.  Sg.  richtig  aus  dem  Gen.,  aber  as.  suno  un- 
nützerweise aus  einem  Lok.  *-öu  statt  gleichfalls  aus  dem  Gen.,  der  übrigens 
einmal  belegt  ist,  erläutert;  vgl.  Soustava  291  gegen  Holthausen  As.  Elem. 
108  f.  —  S.  93  wird  das  -iin  der  obl.  Singularfälle  von  ahd.  as.  öw-Stämmen 
wiederum  durch  Vermischung  eines  schwundstufigen,  im  A.  Sg.  heimischen 
-un  (also  *-dn)  mit  -ö«.,  jedoch  diesmal  nicht  sehr  einleuchtend  gedeutet; 
vgl.  Trautmann  Germ.  Lautges.  usw.  (Diss.  1906)  S.  30.  —  S.  99  kann  in 
unbet.  Stellung  nur  ae.  se  entstanden  und  dann  gedehnt  worden  sein.  —  S.  102 
tritt  eine  mir  bisher  unbekannte  Definition  des  Unterschiedes  zwischen 
N.  A.  PI.  ahd.  deo^  dio  aus  Hiäs  in  betonter  und  A.  Sg.  dea,  dia  aus  Hiäni 
in  unbet.  Stellung  zutage.  —  S.  130  werden  die  ae.  Praet.  ^eon^,  beonn 
st.  *5e«5  (in  ^en^de),  *benn  als  Analogien  nach  dem  Praes.  hingestellt  (?). 

—  S.  135  sind  als  treffender  Beweis  für  die  tatsächliche  Einverleibung 
der  2.  Sg.  Aor.  ins  wgm.  Perf.  die  Praet.-Praesentia  erwähnt.  —  S.  140  u. 
148  deutet  L.  zwei  got.  Formen  -au:  die  3.  Sg.  PL  Imper.  aus  medialem 
-au  (:  akt.  ai.  bhdratu  usw.)  und  den  Opt.  Med.  aus  idg.  -o  (gr.  ^cpepexo)  mit 
Anlehnung  an  den  Imper.  Im  ersten  Falle  wäre  aber  gemäß  dem  medialen 
-ai  (:  akt.  -i)  eher  Kürzung  des  gestoß.  *-au  zu  got.  *-a  zu  gewärtigen,  und 
deshalb  fasse  ich  alle  beide  Formen  als  Nachbildungen  des  akt.  Opt.  bairau 
usw.  auf,  den  L.  freilich  nicht  erklärt  (S.  137;  Soustava  271  f.).  —  S.  143: 
Part.  ahd.  gistigan  usw.  behält  sein  -i-  infolge  der  Nebenformen  mit 
-in-  (ae.  stiren  usw.),  was  bemerkenswert  ist.  —  S.  145  hätte  ich  bei 
ae.  eard  die  Urform  des  Praet. -Praes.  angedeutet.  —  S.  146  muß  1.  Du. 
got.  magti  aus  *-uue  hergeleitet  werden  statt  aus  *-Me,  das  wohl  got.  *mag 
ergeben  hätte.  —  (S.  51,  94,  96,  110,  113,  120,  131  sind  mir  Druckfehler 
aufgefallen.) 

So  birgt  denn  Loewes  Büchlein  einen  vollen  Schatz  von  Anregungen 
und  Antworten  auf  inhaltschwere  Fragen,  die  noch  heute  ungelöst  und 
natürlich  auch  vom  Autor  nicht  immer  positiv  gefördert  oder  gar  end- 
giltig  abgeschlossen  sind.  Doch  wer  von  den  Eingeweihten  wollte  ihm 
dies  zum  Vorwurf  machen? 

Prag-Smichov.  Josef  Janko. 


Trautmann  R.  Germanisclie  Lautgesetze  in  ihrem  sprachgeschichtlichen 
Verhältnis.  Inaug.-Diss.  (Königsberg).  Kirchhain  N.-L.  1906.  69  S.  u. 
Karte. 

Die  Dissertation,  welche  den  Referenten  Bezzenberger  und  Schade 
zu  Ehren  gereicht,  zeichnet  sich  durch  reichhaltige  Literaturangaben  zu 
jedem  Abschnitte   und   Probleme,    durch   äußerst   fleißig   und   nach   B&- 


•i2     Trautmann  Germ.  Lautgesetze  in  ihrem  sprachgeschichtl.  Verhältnis. 

darf  vollständig  angelegte  Belegsammlungen  samt  Etymologien'),  ferner 
in  der  Verarbeitung  des  schwierigen  Gegenstandes  durch  Geschick  und 
kritischen  Sinn  aus.  Der  Stoff  ist  und  bleibt  spröde:  die  relative 
Chronologie  der  wichtigsten  germ.  Lautgesetze  fixieren  zu 
wollen  ist  ein  Beginnen,  welches  immer  mit  den  jeder  vorgeschichtlichen 
Sprachuntersuchung  anhaftenden  Mängeln  zu  kämpfen  haben  wird,  selbst 
wenn  die  Tatsachen  so  klar  wie  möglich  zutage  liegen  sollten,  was  aber 
bei  den  wenigsten  Fragen  der  Fall  ist.  Wer  also  dieser  undankbaren,  dabei 
jedoch  das  Ziel  und  Ideal  unserer  Forschung  verfolgenden  Aufgabe  sich 
unterzieht,  der  muß  vorher  an  den  Aufbau  einer  soliden  Grundlage 
durch  streng  empirische,  gegebenenfalls  kritisch-skeptische  Erfassung  der 
Lautgesetze  an  sich  gegangen  sein  —  und  das  hat  Tr.  nach  besten 
Kräften  getan  — ,  leider  um  sich  am  Ende  in  vielen  Fällen  sagen  zu 
müssen:  non  liquet.  Dies  darf  jedoch  den  mutig  Strebenden  nicht  ab- 
halten, stets  von  neuem  'hinauf  und  vorwärts  zu  dringen'. 

Seine  gesunde  kritische  Begabung  bekundet  Trautmann  vor  allem 
in  der  Beui'teilung  der  Eigennamen  und  Lehnwörter,  denen  er  mit  vollem 
Recht  in  unserer  hochwichtigen  Frage  keine  Beweiskraft  zuschreibt  (S.  9 
u.  16).  Sonst  trägt  er  einfache  und  im  ganzen  großen  nüchterne  eigene 
Ansichten  vor,  wobei  er  sich  naturgemäß  oft  an  seinen  Lehrer  Bezzen- 
berger  anlehnt  oder  von  ihm  ausgeht.  Seine  Resultate  weichen  in  ge- 
wissen Punkten  von  den  eingebürgerten  Lehren  unserer  systematischen 
Handbücher  des  Urgerm.  ab  und  werden,  insofern  sie  nicht  subjektiv  ge- 
färbt sind,  ein  nützliches,  zum  mindesten  negatives  Korrektiv  für  letztere 
bilden  können.  Seinen  Standpunkt  wahrt  und  verteidigt  Tr.  bündig  und 
entschlossen:  aber  eben  deshalb  finde  ich  den  Vorwurf  'übertriebener 
Schärfe',  den  er  S.  18  Streitberg  macht,  unberechtigt  (vgl.  damit  IF.  19, 
214  f.).  Anderseits  dünkt  mich  Tr.  unpassenden  Orts  wieder  allzu  be- 
scheiden zu  sein,  wenn  er  in  phoneticis  gar  nicht  mitsprechen  will  (S.  55, 
56)  —  obgleich  der  Sprachforscher  und  speziell  der  'Lautgesetzler'  in 
erster  Linie  auch  Phonetiker  sein  soll  und  muß.  Freilich  nicht  jeder 
von  uns  kann  es  darin  zur  Virtuosität  eines  Sievers  bringen,  allein  von 
vornherein  in  solchen  Fragen  nur  als  Laie  erscheinen  zu  wollen,  erachte 
ich  für  verfehlt  und  als  einen  entschiedenen  Nachteil  z.  B.  gegen  die 
sogen.  Leipziger  oder  Pariser  Schule.  — 

Meinen  Randbemerkungen  zu  den  Einzelproblemen  schicke  ich  nun, 
genau  nach  der  als  Anhang  beigefügten  veranschaulichenden  Karte,  die 
von  Tr.  aufgestellte  chronologische  Reihenfolge  der  urgerm.  Lautwand- 
lungen voraus,  wobei  das  Fragezeichen  in  Klammer  meinen  unten  zu 
begründenden  Zweifel  andeuten  soll.    Tr.  unterscheidet: 


1)  Von  diesen  erwähne  ich  gleich  hier  einige,  die  mich  besonders 
interessierten:  ae.  hrif  usw.  (S.  13:  gegen  Walde  nicht  aus  *qrep-);  ahd. 
Spilan  (14  f.);  ahd.  chivadilla  (17);  germ.  *haiihaz  zu  lit.  szduszüs  {24f  k.); 
ahd.  hriuuan  usw.  zu  aksl.  knisiti,  lit.  krinszti  (45);  got.  neha  (52 j ; 
lat.  materies  (53  A.);  aksl.  kopyto  (.54);  an.  hinn  (S.  34:  die  Ableitung  aus 
*hi-naz  ist  wegen  as.  hi-r  m.  E.  der  aus  *hijinaz  vorzuziehen);  got.  waila 
(S.  35:  Tr.  schließt  sich  Brugmann  und  Meringer  an;  vgl.  aber  Uhlenbeck 
PBrB.  30,  323);  ahd.  berames  (ebenda:  aus  *berammes  =  *beram  -j-  tves  wie 
plintemu  neben  got.  blindamma).  Der  Verf.  hatte  schon  früher  etymo- 
logische Beiträge  geliefert. 


Trautmann  Germ.  Lautgesetze  in  ihrem  sprachgeschichtl.  Verhältnis.     43 

1.  Periode  des  idg.  freien  Akzentes:  Ten.  asp.  werden  zu 
Tenues ;  Schwund  von  3  (got.  aivistr,  ahd.  dinstar  =  ai.  tdmisra ;  9  schwindet 
wohl  früher  als  unbet.  a  zu  u  und  e  vor  Nas.  -f-  Kons,  zu  i  wird,  S.  9  u. 
36);  sr  zu  str  (ebenda  Anm.);  Lautverschiebung  u.  Verners  Gesetz;  tv- 
Schwund  zwischen  Kons.  M.j  (G.  Sg.  F.  ^hari^wyös  S.  59);  w,  j  bei  folgen- 
dem Akz.  zu  wiv,  jj  (?);  («J-Schwund  vor  u  {goi.  juggs  aus  *juwngaz:  Ein- 
tritt vor  der  L-Diphthongenkürzung  und  vor  dem  «-Uml.  des  u,  aber  nach 
'un  aus  n  usw.'  S.  60 f.);  Sievers'  Regel  S.  43  u.  57  (?);  ä  zu  ö;  dl  zu  lly 
zm  zu  mm,  md  zu  nd  {In  zu  U  wird  von  Tr.  nicht  erwähnt);  Ou  vor  Kons, 
zu  ö,  öti  vor  Vokal  bei  folg.  Akz.  zu  ü  (?). 

2.  Periode  des  germ.  festen  Akzents:  Germ.  Akzentregelung; 
e  zu  i  in  unbet.  Silbe;  Schwund  von  -a,  -e,  -i  (?);  bet.  e  zu  /  durch  i,j; 
j'-Schwund  vor  i  (got.  air,  ««^  und  vielleicht  ^reis  =  *^re/es  61);  Schwund 
von  ausl.  -w  nach  Kons.  (got.  nih,  ad.  noh  und  auch  m.  E.  trotz  Hirt 
IF.  12,  238  höchstwahrsch.  nach  Meillet  got.  ae.  wit  usw.  =  *we-dirö  S.  67). 

Im  Text  behandelt  Tr.  zweckentsprechend  den  Vokalismus  (I),  den 
Konsonantismus  (II),  die  Auslautgesetze  (III). 

Ad  I.  Zu  idg.  e  (9  f.):  Die  Verwerfung  von  Helms  Datierung  des 
schwer  fixierbaren  Übergangs  zu  i  vor  Nas.  -j-Kons.  muß  ich  nur  billigen; 
ich  hege  schon  lange  die  Überzeugung,  daß  die  L-Diphthongenkürzung  (got. 
tvinds  usw.)  allein  uns  da  einen  Fingerzeig  zu  geben  vermag,  indem  sie 
entweder  vor  oder  gei-ade  noch  während  jenes  Übergangs  zum  Abschluß 
gelangte ').  —  Die  Frage  über  unbet.  e  vor  urspr.  r  (S.  10)  schlägt  wohl 
in  die  Phonetik  ein.  Einfluß  übte  hier  der  folg.  palatale  oder  velare  Vokal 
und  demnach  auch  die  Natur  des  -?•-:  vor  hinten  artikuliertem  r  kam 
urg.  e,  das  historisch  in  a  übergehen  konnte,  zu  stehen  (ahd.  iibir :  got. 
ufar,  ahd.  über,  obar  usw.  ähnlich  wie  griech.  ö-rrÖTepoi :  el.-lokr.  ÖTTÖTa- 
poi)  —  somit  hat  J.  Schmidt  das  Problem  am  schärfsten  erfaßt. 

Zu  idg.  i  (S.  llf.):  Von  gemeingerm.  «-Umlaut  kann  im  Hinblick 
auf  die  einzigen  nord.-wgm.  durchgehenden  iver  und  nest^)  keine  Rede 
sein;  vgl.  die  lehrreiche  Sammlung  Trautmanns  und  seine  Ansicht  von 
viell.  dialektischer  Neigung  dazu,  die  nur  im  Althochdeutschen  annähernd 
Gesetzeskraft  erlangt.  Trotz  alledem  verstehe  ich  das  Verfahren  jener 
Theoretiker,  welche  urgerm.  a-Uml.  von  i  postulierten  und  sich  dann 
durch  Analogien  halfen,  sehr  gut:  schwebte  ihnen  doch  eine  unbedingte 
Parallele  zum  allgemein  (auch  von  Tr.  16)  anerkannten  urgerm.  a-Umlaut 
von  u  vor!  —  Höchst  gerecht  ist  Tr.'s  Widerspruch  auch  gegen  die  neueste 
e/j-Theorie  von  Collitz  in  MLN.  20  (1905),  65  f. 

Zu  idg.  a,  0  (S.  16  f.):  Besonders  der  Wandel  o  zu  germ.  a  ist  wegen 
der  Unsicherheit  über  das  Schicksal  des  /r-Elements  der  Labiovelare 
chronologisch  fast  unbestimmbar.  —  Über  nichthauptton.  o  bemerke  ich, 
daß  mir  seine  urgerm.  (wgm.-nord.)  Erhaltung  vor  m  in  heimischen 
Wörtern  (aisl.  fgUom,  urspr.  ahd.  fallumes:  Braune  Ahd.  Gr.^  222)  und 
sogar  in  Eigennamen  (5  o  :  3  a  gerade  bei  Bremer  IF.  14-,  365  f.)  wahr- 
scheinlicher ist  als  der  ausnahmslos  angenommene  Wandel  zu  a. 


1)  Mit  dieser  doppelten  Möglichkeit  haben  wir  streng  genommen 
in  den  meisten  Fällen  relativer  Lautchronologie  zu  rechnen,  da  bekannt- 
lich jedes  Lautgesetz  seine  "Nachzügler'  hat. 

2)  Das  von  Loewe  Germ.  Sprachw.  41  noch  angeführte  ae  aisl.  regn, 
ad.  regan  stimmt  im  Kons,  nicht  zu  lat.  rigäre;  vgl.  Uhlenbeck  Et.  Wtb. 
d.  got.  Spr.*  123  und  Trautmann  Diss.  64. 


M     Trautmann  Germ.  Lautgesetze  in  ihrem  sprachgeschichtl.  Verhältnis. 

Zu  idg.  äu,  öu  (S.  17 f.):  Nach  Tr.  blieb  im  Urgerm.  betontes  öu  vor 
Vokal  erhalten  und  ward  bei  folg.  Akzent  zu  ü,  vor  Kons,  überhaupt  zu 
ö;  nacli  dem  Akz.  verblieb  es,  auslautend  wurde  es  -au.  Trotz  der  er- 
schöpfenden Belegsammlung  hat  mich  aber  Tr.  davon  nicht  überzeugt, 
daß  die  beiden  vorausgesetzten  Wandlungen  des  inlaut.  öu  (zu  ö  oder  «) 
tatsächlich  erst  urgerm.  eingetreten  sind  und  nicht  etwa  teilweise  oder 
durchaus  uridg.  Verhältnisse  (öti  mit  oder  ohne  Determinant,  event.  öti 
ohne  oder  mit  Reduktion:  Schwunds!,  ü)  widerspiegeln.  Tr.  hefert  nämlich 
im  Grunde  keine  strikten  Beweise,  sondern  vermutet  nur  je  nach  Bedarf 
betontes  oder  vortoniges  öu  vor  Vokal,  worauf  Ausgleichung  vind  oft 
Differenzierung  erfolgte.  Das  alles  kann  sich  aber  schon  ursprachlich 
zugetragen  haben :  ja  es  ist  nicht  wahrscheinlich,  daß  entgegen  den  von 
Tr.  selbst  (S.  26)  beregten  Parallelen  wie  got.  weihan:  an.  vega  usw.  ge- 
rade hier  bis  ins  Urgerm.  ablautloses  *sndwö  (^=  ae.  snöivan)  neben  *snö- 
w6  (=  an.  sm'ia)  sich  gerettet  hätte;  vgl.  Hirt  Idg.  Abi.  94  u.  113.  Deutlich 
erkenne  ich  den  ins  Germ,  überkommenen  Urzustand  im  Sg.  ^sl-öhaz 
=  aisl.  slcör  mit  idg.  -ö(m)-:  PL  *skü^wöz  =  sküar  (vgl.  hingegen  S.  26,  wo  in 
letzterer  Form  beide  Lautgesetze  Tr.'s  nacheinander  in  Anwendung  kommen). 
Vor  Kons,  endlich  muß  ich  für  urgerm.  -Öu-  selbst  dann  in  gewisser 
jüngerer  Periode  Kürzung  zu  -au-  postulieren,  wenn  ahd.  nuosk  sein  *-u- 
in  *-öu-  erst  im  Germ,  verloren  und  an.  nausf,  frausf,  {h)raust  wegen  av. 
naväza  (25)  seit  jeher  Kurzdiphthong  enthalten  hätte :  es  fordert  dies  die 
Parität  mit  den  übrigen  L-Diphthongen  und  gekürztes  betontes  -öu  in  tuau, 
pati  (29) ').  —  Auf  idg.  Ablaut  öu  :  ü  möchte  Bezzenberger  (s.  Exkurs 
29 f.)  den  unerklärten  Gegensatz  got.  -ön-  :  ahd.  -ün-  usw.  in  der  sw.  Fem.- 
Deklination  zurückleiten,  ein  wohl  nicht  aussichtsloser  Versuch,  zumal 
wenn  man  mehrere  Ansätze  zur  «7M-Bildung,  primäre  und  sekundäre,  an- 
nimmt.   Vgl.  Streitberg  PBrB.  14,  220. 

Zu  idg.  äi  (S.  31  f.) :  Ist  m.  E.  gekürzt  in  got.  aiws,  as.  eu  aus  *aiwos 
(Tr.  setzt  zu  eu  ein  *aiv6s'^);  zu  den  S.  31  A.  nicht  widerrufenen  Belegen 
gehört  auch  got.  Jiabais  usw.  aus  *-äisi,  was  jedoch  ungeachtet  des  Pali 
im  Germ,  fraglich  bleibt. 

Zu  idg.  ei  (S.  32 f.)  :  Tr.  folgt  der  von  Franck  ausgesprochenen 
Meinung,  aus  idg.  ei  sei  gestoß.  e,  aus  urg.  ei  geschl.  e  geflossen,  was  ich 
andernorts  bekämpfe;  willkommen  ist  die  neurevidierte  Liste  der  e^- 
Wörter.  —  Daß  S.  36  got.  anstai  aus  -ei,  S.  29  sunau  aus  -öu  gedeutet  wird, 
scheint  mir  inkonsequent  zu  sein,  da  das  Got.  im  Auslaut  bei  reduz. 
Längen  und  Diphthongen  entschieden  der  Mittellage  -a(-)  zustrebt.  — 

Ad  IL  Zu  germ.  toto,  jj  (S.  4öf.):  Trautmann  ist  hier  der  Nach- 
weis geglückt,  daß  die  übrigens  neuerdings  von  Brugmann  (Kurze  vgl. 
Gr.  96  u.  107)  ignorierte  Zimmer-Streitbergsche  Bestimmung,  die  Ver- 
schärfung sei  unter  dem  Einfluß  des  germ.  Akzents  eingetreten,  nicht 
stichhaltig  sei ;  vgl.  an.  hie'  usw.  aus  *hlewan  und  die  andern  16  Aus- 
nahmen auf  S.  41.  Tr.  kehrt  daher  zu  B  echt  eis  Auffassung  zurück,  daß 
der  unmittelbar  nachfolgende  idg.  Akzent  die  Ursache  gewesen  sei.  Zeit- 
lich ginge  die  Verschärfung  nach  S.  42  Sievers'  Regel  (s.  unten)  voran; 
wenn  jedoch  got.  ajukdußs,  bajöps  sie  nicht  mitgemacht,  so  soll  ihre 
Bildung  schon  vor  dem  Verschärfungsgesetz  erfolgt  sein  (also  schon  da- 


1)  Anders,  aber  in  den  Grundideen  fast  übereinstimmend  N.  van  Wijk 
IF.  19,  393 f.  (bes.  397). 


Trautmann  Germ.  Lautgesetze  in  ihrem  sprachgeschichtl.  Verhältnis.     45 

mals  *ajukadupi-).  NatürUch  hat  Tr.  auch  wieder  mit  weitgehenden  Aus- 
gleichungen zu  rechnen,  z.  B.  in  der  oft  vorkommenden  Ablautsreihe  der 
2.  Verbalklasse  :  *blewan  :  *blau :  *bluwivum :  *bluwivanaz\\.  ä.  Außerdem  muß 
er  wegen  mangelnder  evident  beweisender  Formen  ''für  jj/ dieselbe  Be- 
handlung wie  für  unv  a  priori  annehmen"  (vgl.  oben  das  über  den  a- 
Umlaut  von  i  Gesagte).  Freilich  haben  sich  gerade  in  letzter  Zeit  die 
Chancen  fl\r  Bechtels  Gesetz  verbessert :  infolge  des  Ausscheidens  von  ae. 
4ode  kann  jetzt  got.  iddja  tatsächlich  als  ganz  isolierte  Form  entweder 
nach  CoUitz-Fick  aus  Pf.  Med.  *ijai  oder  m.  E.  mit  aoristischer  Endung  aus 
*ijet  (vgl.  Brugmann  Grdr.  1"^,  861  f.),  got.  daddja  trotz  ved.  dhdyati  un- 
bedenklich aus  *dhajeti  oder  *dhdjeti  (vgl.  noch  Hirt  Idg.  Abi.  33  u.  35) 
gedeutet  werden.  Man  kann  sich  somit  —  wie  heute  die  Sachen  stehen 
—  für  Bechtel  mit  dem  Vorbehalt  entscheiden,  daß  in  Einzelfällen  (griech. 
boioi  =  *dwoi-j6i)  vielleicht  dennoch  etymologisches  idg.  -jj-  und  -ivw- 
vor  dem  Akzent  gestanden  und  event.  für  andere  Fälle  das  Muster  ab- 
gegeben hat. 

Zu  Ten.  asp.  im  Germ.  (S.  49 f.)  :  Tr.  verteidigt  mit  Glück  die  auch 
mir  geläufige  Ansicht,  daß  im  Germ,  die  Tenues  mit  den  Ten.  asp.  zu- 
sammengefallen. Dankenswert  ist  die  sorgfältige  Analyse  der  7  ver- 
meintlichen Beweispunkte  dagegen  und  sämtlicher  germ.  Belege  mit  Ten. 
asp.  im  An-  und  Inlaut. 

Zur  Lautverschiebung  (S.54f.)  und  zu  Verners  Gesetz  (S.56f.): 
Tr.  sondert  reinlich  —  ob  mit  Recht?  —  die  beiden  Vorgänge;  die  von 
den  Tenues  ausgehende  Verschiebung  hat  sich  nach  Tr.'s  ansprechender 
Vermutung  während  mehrerer  Generationen  in  allen  drei  Reihen  parallel 
vollzogen.  —  Die  Frage ,  ob  das  Vernersche  Gesetz  nach  Kip  und  Wil- 
manns  nicht  erst  während,  bez.  sogar  nach  der  germ.  Akzentregelung  zum 
Abschluß  gelangte,  wird  von  Tr.  ablehnend  (unter  Verwerfung  der  Gleichung 
got.  ga-  =  lat.  co-)  gestreift.  Kip  (MLN.  20,  16  f.)  speziell  möchte  level  stress, 
das  Übergangsstadium  von  idg.  zu  germ.  Betonung,  für  das  Stimmhaft- 
werden der  Spir.  ten.  verantwortlich  machen :  Tr.  aber  glaubt  ihn,  dessen 
Vorstellung  von  l.  stress  er  sonst  billigt,  einmal  durch  Sievers'  Regel 
(s.  gleich  unten),  sodann  durch  seine  oben  als  zweifelhaft  hingestellte 
Theorie  über  antevok.  germ.  du  widerlegt  zu  haben.  Jedenfalls  ist  die  Sache 
so  einfach  nicht;  denn  vom  phonetischen  Standpunkt  drängen  sich 
einer  ganz  befriedigenden  Erklärung  von  Verners  Gesetz  noch  andere 
Bedenken  in  den  Weg  (vgl.  Pedersen  KZ.  39,  243  f.).  Ein  phonetisch  ge- 
schulter Grammatiker  fände  hier  ein  verlockendes  Thema,  gar  wenn  er 
die  Frage  der  Verschärfung  von  jj,  low  bei  Prüfung  der  Kipschen  Tlieorie 
mit  einbeziehen  wollte. 

Zu  Sievers'  Regel  (S.  43  u.  57  f.):  Tr.  setzt  sich  für  den  Schwund 
des  5  in  der  Lautgruppe  ^w  vor  nachfolg.  idg.  Akzent  (auch  hinter  r 
und  l)  ein  und  sieht  in  diesem  nach  Verners  Gesetz  liegenden  Vorgang 
einen  wichtigen  chronologischen  Markstein  (s.  mehrmals  oben).  Dem  ent- 
gegen steht  die  von  Tr.  bekämpfte  Ansicht  Streitbergs  (Urg.  Gramm.  116  u. 
123),  daß  die  aus  *g^h  durch  einfache  Verschiebung  und  die  aus  *k^Ji  durch 
Verners  sich  unmittelbar  an  die  Verschiebung  anschließendes  Gesetz 
hervorgegangene  Lautgruppe  ^w  gleicherweise  ohne  Rücksicht  auf  den 
Akzent  je  nach  dem  Charakter  des  folg.  Lautes  j  oder  iv  ergeben  habe.  Wie 
man  sieht,  kommt  eben  alles  auf  die  genaue  Fixierung  des  Vernerschen 
Gesetzes  an  —  und  solange  diese  im  Einklang  mit  der  Phonetik  nicht  ge- 


46     Trautmann  Germ.  Lautgesetze  in  ihrem  sprachgeschichtl.  Verhältnis. 

geben  ist,  muß  ich  die  Frage  für  nicht  spruchreif,  Tr.'s  Einwände  S.  59 M 
und  alle  seine  scharfsinnigen  Konsequenzen  für  zu  wenig  bodenständig 
halten. 

Zur  urgerm.  Assimilation  von  n  an  vorausgeh.  Gutt.,  Dental, 
Labial  (S.  62 f.):  Tr.  führt  mit  Recht  den  vereinzelten  Beispielen  gegenüber 
12  solche  mit  nicht  erfolgter  Assimilation  (an.  botn  usw.;  auch  wieder  got. 
vshikns  65)  an,  beweist  also  indirekt,  daß  die  wahre  Erklärung  in  der 
Bildung  verbaler  und  nominaler  Intensiva,  dann  der  Deminutiva  zu  suchen 
ist  (z.  B.  cocf/iön  usw.).  Tr.  will  da  lediglich  eine  mehr  kritische  Betrach- 
tungsweise angeregt  haben;  denn  das  Nebeneinander  von  kk,  gg,  k,  g 
weiß  auch  er  nicht  aufzuhellen  (66).  Indem  ich  die  von  Finck  propagierte 
Lehre,  daß  man  bei  der  Sprachbildung  auf  den  psychischen  Zustand  und 
bei  Konsonanten  bes.  auf  die  Bedeutung  zu  achten  hat,  vollends  würdige, 
schlage  ich  selbst  fürs  Germanische  folgenden,  durch  weitere  Forschung 
zu  erprobenden  Mittelweg  vor :  wirkliche  Assimilationen  unter  beschränkten 
Bedingungen,  daneben  jene  Vergrößerung  oder  Verkleinerung  ausdrücken- 
den Formationen,  endlich  assimilationslose  Formen.  Vgl.  Wilmanns  Deut. 
Gr.  1\  163  f.  — 

Atl  III.  Zum  vok.  Auslautgesetz  (S.  67f.):  Urgermanischen  nach 
der  Akzentregelung  erfolgten  Schwund  vermag  ich  auch  heute  (vgl.  IF. 
Anz.  17,  59)  überhaupt  für  -a  (auch  =  -o)  und  -e,  für  -i  aber  nur  in  3.  Silbe 
und  event.  analogisch  in  ae.  dorn,  ^dni  zuzugeben '*);  daß  dann  -i  in  2. 
Silbe  des  L.  (Dt.)  Sg.  ae.  men,  an.  fepr  mit  *-iz  und  -i  aus  *-i  zusammen- 
getrofTen  (S.  68),  hat  m.  E.  nichts  Auffälliges  an  sich.  Tr.'s  Vorschlag,  ae. 
men  usw.  als  Lok.  *-f  aus  *-ef  aufzufassen,  verstößt  gegen  den  bewährten 
fundamentalen  Unterschied  zwischen  gest.  -T  und  geschl.  -i,  welch  letz- 
terem das  aus  *-et  geflossene  ebenfalls  geschleifte  (nach  meiner  Theorie 
'Soustava  usw.'  252  f.  im  Wgm.-Nord.  mittelzeitige)  -t  des  L.  Sg.  der  o-St. 
sich  angeschlossen  hat:  die  aus  -f  hervorgegangene  wgm.-nord.  Kürze  je- 
doch fällt  im  Altgerm,  unter  normalen  Umständen  niemals  ab  (urspr.  -f 
event.  in  got.  managet  =  as.  menigi,  aisl.  elli;  *-ef  in  ae.  I.  Sg.  dömi,  -e  st. 
*deme  ebenso  wie  in  on  dce^i  und  trotz  Noreen  Aisl.  Gr.^  55  in  aschw. 
dcegJii.  aisl.  dege).  Hievon  scheide  ich  genau:  1.  primäres  *-i  in  ae.  men 
u.  ä. ;  2.  primär  gest.  *-i  in  ae.  N.  Sg.  bend  :=  got.  bandi,  Opt.  3.  Sg.  ae. 
hnlpe  anal,  nach  tu^e;  3.  sekundär  gest.  *-t  aus  *-ije  im  Imp.  2.  Sg.  ae.  nere, 
See.  an.  suef,  styr  (ohne  jedwede  Analogie)  —  alle  drei  Kategorien  mit 
ebendenselben  einzelspr.  Reflexen. 


1)  Wie  Tr.  auf  as.  eicithessa  und  ahd.  egidehsa  hinweist,  so  könnte 
man  zu  seinen  Ungunsten  an.  ylgr,  ahd.  tvulpa  aufzeigen,  das  er  durch 
ein  vor  Sievers'  Regel  giltiges  Lautgesetz  (Schwund  des  -iv-  zwischen  l 
und  j>,  58),  resp.  durch  vorherige  Assimilation  des  -^w-  ans  anl.  w-  er- 
läutert. 

2)  Tr.  selbst  benötigt  offenbar  den  Nichtschwund  des  -i  in  2.  Silbe 
für  seine  Erklärung  des  ahd.  fruo  aus  *fröwi  (22),  da  er  noch  urdeutsches 
*fröw  unbedingt  voraussetzen  muß.  Demgegenüber  ist  Tr.'s  Kombination 
über  ae.  ie'ow,  aisl.  bygg  usw.  und  die  daraus  gezogene  chronol.  Folgerung 
(/-Uml.  von  e  nach  dem  vok.  Auslautgesetz  46)  recht  unsicher:  m.  E.  ist 
der  an.  Nom.  Akk.  Sg.  lautgesetzlich,  das  ae.  -io-  aber  aus  analogisch  der 
i-,  resp.  der  o-Deklination  nachgebildetem  G.  Dt.  Sg.  unter  Mitwirkung  von 
bvor  eingedrungen. 


Bibliothek  der  ältesten  deutschen  Literatur-Denkmäler.  47 

Zum  kons.  Auslautgesetz  (S.  69):  Dasselbe  ist  allem  Anschein 
nach  älter  als  das  vokalische;  vgl.  aber  den  nicht  belanglosen  skeptischen 
Standpunkt  Waldes  (Germ.  Auslautgesetze  138  f.,  162  f.).  —  Daß  nach  Tr. 
idg.  d,  t  überhaupt  in  allen  Einsilblern  (lat.  quocl  =  got.  Iva)  geschwunden 
wäre,  daß  ferner  an.  pat.  ahd.  daz  =  ai.  id-äm  usw.  neben  got.  ita  =  *-ön 
sein  soll,  muß  ich  bis  auf  die  letzte  Gleichung  bezweifeln.  Wenn  Tr.  den 
Widerstand  gegen  die  mittlere  Aufstellung  nicht  begreifen  kann,  so  verweise 
ich  auf  urn.  pat  (Noreen  Aisl.  Gr.^  278),  das  in  Inschriften  des  6.-8. 
Jahrh.  neben  urn.  A.  (N.)  Sg.  M.  Ntr.  -a  aus  *-am,  neben  urn.  -eka  ~  ai. 
ahdm  in  Inschriften  bis  ins  7.  Jahrh.  (a.  a.  0.  215  f.,  274)  offen  dartut,  daß  es 
durch  keine  Partikel  verstärkt  war  *).  Und  wie  will  Tr.,  wenn  an.  pat  somit 
nur  *tod  ist,  daneben  den  Abfall  des  Dentals  in  bezeichnendem  aisl.  nekkua 
und  aschw.  hiva,  anorw.  hä  anders  interpretieren  als  durch  eingetretene 
Unbetont heit  {iwkkua  =  got.  Jva),  welche  in  hivä,  hä  wieder  durch 
Dehnung  bedingende  betonte  Stellung  —  wie  beim  Pron.  so  häufig  — 
ersetzt  wurde? 

Ich  schließe  mit  der  Versicherung,  daß  meine  etwas  zahlreicheren 
Einwände  gegen  Tr.  in  Auslautfragen  die  Freude  an  den  übrigen  Partien 
seiner  Schrift,  in  denen  ja  der  Schwerpunkt  der  ganzen  Arbeit  liegt,  nicht 
verkümmern  sollen  noch  können. 

Frag-Smichov.  Josef  Janko. 


Bibliothek  der  ältesten  deutschen  Literatur-Denkmäler.  VII.  Band. 
Die  Lieder  der  älteren  Edda  (Seemundar  Edda).  Herausgegeben  von 
Karl  Hildebrand.  Zweite  völlig  umgearbeitete  Auflage  von  Hugo 
Gering.  Paderbora,  Ferdinand  Schöningh.  1904.  XX  u.  483  Seiten 
So.  8  M. 

Eigenthch  hat  ja  eine  kritische  Ausgabe  der  sogen.  Eddalieder 
unmittelbar  nichts  mit  dem  Gegenstande  dieser  Zeitschrift  zu  tun.  Allein, 
da  diese  Lieder  abgefaßt  sind  in  einer  Sprache,  die  einerseits  eine 
reiche  Sonder entwickelung  durchgemacht,  anderseits  manches  altertüm- 
liche bewahrt  hat,  so  mag  auch  die  vorliegende  Ausgabe  hier  kurz 
angezeigt  werden. 

Bei  Gerings  Völliger  Umarbeitung'  ist  von  Hildebrands  ur- 
sprünglicher Ausgabe  kaum  mehr  geblieben,  als  die  Einrichtung  des 
kritischen  Apparats,  der  unter  dem  Texte  alle  Lesarten  wichtiger  Hand- 
schriften und  diejenigen  der  bedeutenden  früheren  Ausgaben  ver- 
zeichnet, und  Zweck  und  Ziel  der  Ausgabe  selbst:  nämlich  eine  auch 
im  Preise  nicht  zu  hoch  bemessene  Ausgabe  zu  liefern,  die,  mit  allen 
Mitteln  der  philologischen  Kritik  hergestellt,  einen  lesbaren  Text  bietet 
für  denjenigen,  der  die  Eddalieder  lesen  will  und  selber  auf  Textkritik 
verzichtet,  also  vor  allem  einen  Text  als  Grundlage  für  akademische 
Vorlesungen.  Hierin  liegt  auch  der  wesentliche  Unterschied  von  der 
anderen  neuesten  Ausgabe,  derjenigen  von  Detter  und  Heinzel,  die  im 
Textbande  einen  beinahe  übertrieben  konservativen  Abdruck  nach  den 
Hss.,  vor  allem  dem  Codex  Regius,  in  den  Anmerkungen  dagegen  eine 
Zusammenstellung  der  Kommentierungen  gibt. 


1)  Über  Schwund  des  urn.  'nasalierten'  -a  vgl.  noch  Noreen  in  P. 
Grundr.  l^  563. 


48        Boyer  et  Sp6ranski  Manuel  pour  Tetude  de  la  langue  russe. 

Von  der  ersten  Auflage  1876  unterscheidet  sich  diese  zweite  rein 
äußerlich  schon  dadurch  ganz  bedeutend,  daß  in  ihr  die  Langzeile 
durchgeführt  ist,  ferner  dadurch,  daß  endgiltig  gebrochen  ist  mit  der 
früher  üblichen,  ans  Neuisländische  angelehnten  Orthographie,  daß  viel- 
mehr diejenige  Laut-  und  öprachform  durchgeführt  ist,  die  nach  Maß- 
gabe der  besten  Handschriften,  verbunden  mit  den  Ergebnissen  der 
sprachgeschichtlichen  Forschung  als  die  zur  Zeit  der  Eddadichtung  herr- 
schende erwiesen  ist,  nicht  zum  geringsten  mittels  der  eingehenden 
Studien  auf  dem  Gebiete  der  Metrik,  die  in  den  letzten  Jalirzehnten  be- 
sonders durch  Sievers  betrieben  worden  sind. 

Und  hierin,  in  der  Herstellung  des  Textes  in  der  klassischen 
altisländischen  Sprachform,  liegt  der  Wert  von  Gerings  Ausgabe  für  die 
sprachvergleichende  indogermanische  Wissenschaft.  Aber  auch  den  Ver- 
tretern der  vergleichenden  Mythologie,  Sagen-  und  Literaturgeschichte, 
die  sich  nicht  mit  Übersetzungen  begnügen  wollen,  kann  diese  Ausgabe 
vor  allen  anderen  aufrichtig  empfohlen  werden,  sie  ist  eben  die  kritische 
Textausgabe  Kax'  ^toxnv. 

Erlangen.  August  Gebhardt. 


Boyer  P.  et  Speranski  N.  Manuel  pour  l'etude  de  la  langue  russe. 
(Textes  accentues  —  cornmentaire  grammatical  —  remarques  diverses 
en  appendice  —  lexique.)  Paris,  Librairie  Armand  Colin,  1905.  XIV 
u.  386  S.  10  Fr. 

Das  vorliegende  Handbuch  (nach  dem  von  P.  Boyer  allein  unter- 
zeichneten Vorwort  haben  beide  auf  dem  Titelblatt  als  solche  genannte 
Verfasser  den  gleichen  Anteil  daran)  ist  eine  wertvolle  und  nützliche 
Beihilfe  zum  praktischen  Studium  der  russischen  Sprache,  und  ich 
pflichte  B.  unbedingt  bei,  wenn  er  der  Meinung  ist,  daß  der  in  diesem 
'Manuel'  eingeschlagene  Weg  den  Lernenden  schneller  und  besser  vor- 
wärts führen  wird,  als  die  üblichen  Übungsbücher  mit  ihren  künstlich 
gedrechselten  Mustersätzen,  die  von  grammatischer  Korrektheit  über- 
quellen, im  lebendigen  Sprachgebrauch  aber  kaum  je  vorkommen,  und 
dem  Sprecher  zum  mindesten  den  Vorwurf  des  Affektiertseins  eintragen 
würden.  B.  stellte  sich  für  sein  Buch  die  Aufgabe  den  Lernenden  in 
die  wirklich  lebende  Sprache  einzuführen :  er  will  nicht  von  der 
Grammatik  zur  Sprache  gelangen,  sondern  umgekehrt  aus  der  Sprache 
die  unentbehrlichen  Regeln  und  Verallgemeinerungen  ableiten.  Zu  diesem 
Ende  soll  der  Lernende,  nachdem  er  sich  in  kurzem  Überblick  mit 
den  wichtigsten  Tatsachen  der  Lautgebung,  der  Flexion  von  Nomen 
und  Verb  um  bekannt  gemacht,  und  aus  der  Syntax  sich  vielleicht  ober- 
flächlich über  das  Wesen  der  Aktionsarten  orientiert  hat,  sofort  zur 
Lektüre  übergehen,  bei  der  ihm  dann  natürlich  jede  unbekannte  und 
schwierige  Erscheinung  gewissenhaft  zu  erklären  ist,  um  so  bei  fort- 
schreitendem Studium  aus  einer  Summe  von  Einzelfällen  zu  allgemeinen 
Gesetzen  zu  gelangen.  So  enthält  B.'s  Manuel  nur  Texte  mit  Kommentar 
und  die  zum  praktischen  Gebrauch  wünschenswerten  Indizes.  Die  Texte 
selbst  sind  ausschliesslich  aus  L.  N.  Tolstojs  Schriften  entnommen, 
und  zwar  bringt  B.  28  vom  Verfasser  für  das  kindliche  Alter  be- 
stimmte kurze  Erzählungen  aus  seiner  Tibel',  bez.  dem  'Ersten  Lese- 
buch',  —   daran   schließt   sich  als  Muster  eines    höheren   Stils   die   Er- 


Biüic  Ocerk  istoriji  jazykoznanija  v  Rossiji.  49 

Zählung  'Tri  smerti'.  B.  hat  es  sich  angelegen  sein  lassen,  einen 
orthographisch  einheitlichen  und  korrekten  Text  zu  geben,  —  Graf 
Tolstoj  selbst  stellte  in  zweifelhaften  Fällen  den  Text  für  das  vorliegende 
Werk  richtig  — ,  und  für  eine  peinlich  genaue,  auch  den  durch  den  Satzzu- 
sammenhang bedingten  Schwankungen  Rechnung  tragende  Akzentuierung 
Sorge  getragen.  —  Es  wird  kaum  Widerspruch  finden,  daß  man  den  Anfänger 
sich  zunächst  in  eine  längere  Reihe  von  Texten  eines  und  desselben 
Schriftstellers  hineinfinden  läßt,  anstatt  ihm  von  vornherein  in  den 
Proben  aus  verschiedenen  Autoren  auch  verschiedene  Stilarten  vorzu- 
legen. Tolstoj  ist  gewählt  wegen  seiner  ungezwungenen,  idiomatischen 
Sprache,  und  weil  B.  richtig  bemerkt  hat,  daß  gerade  dieser  Autor  sich 
in  seinen  Schriften  durch  einen  außerordentlich  reichen  Wortschatz  aus- 
zeichnet, —  so  ist  aus  den  hier  gegebenen  Texten  ein  Vokabelvorrat  von 
etwa  3000  Wörtern  zu  gewinnen.  Der  in  Form  von  Anmerkungen  unter 
dem  Text  gegebene  Kommentar  ist  sehr  sorgfältig  und  reichhaltig,  zieht 
alles  irgend  Besprechenswerte  heran  und  stellt  in  sich  ein  rasches 
Fortschreiten  vom  Einfachen  zum  Komplizierten  dar.  Neben  den  rein 
sprachlichen  Notizen  zur  Formenlehre,  Syntax  und  Idiomatik,  Synonymik 
usw.  bei  denen  von  sprachwissenschaftlichen  Erläuterungen  und  etymo- 
logischen Erklärungen  natürlich  so  gut  wie  abgesehen  ist,  und  einigen 
guten  Bemerkungen  zum  Akzent  und  zur  Aussprache,  die  man  in  den 
meisten  Lehrbüchern  vergebens  suchen  würde,  haben  eine  Reihe  wert- 
voller sachlicher  Auseinandersetzungen  Platz  gefunden,  zu  denen  der 
Text  Veranlassung  gibt,  so  über  Tauf-  u.  Hochzeitsgebräuche,  Kleidung, 
Maße,  Geld  u.  a.  mehr.  47  längere  Artikel  folgen  auf  S.  243 — 306  dem 
kommentierten  Text :  mehr  zusammenfassend  werden  hier  z.  T.  schon  im 
Kommentar  gestreifte  Fragen  aus  allen  Gebieten  der  russischen  Gram- 
matik knapp  und  doch  klar  und  ausreichend  durch  Beispiele  illustriert  er- 
läutert. Auch  hier  haben  einige  ausführlichere  sachliche  Exkurse  Raum 
gefunden.  Zwei  Indizes,  einmal  der  russischen,  einmal  der  französischen 
Stichwörter  ermöglichen  schnelle  Orientierung  in  diesem  durch  das  Buch 
verstreuten,  erklärenden  Material,  und  das  Werk  wird  beschlossen  durch 
ein  'Lexique',  in  dem  namentlich  die  genauen  Akzentangaben  für  die 
verschiedenen  Flexionsformen  der  verzeichneten  Wörter  angenehm  be- 
rühren. —  Es  wäre  kleinlich,  mit  dem  Verf.  rechten  zu  wollen,  weil 
man  beim  Durchlesen  des  Kommentars  vielleicht  hie  und  da  eine  nahe- 
liegende und  wichtig  scheinende  Anknüpfung  vermißt :  aus  den  gegebenen 
Texten  ist  jedenfalls  erstaunlich  viel  herausgeholt,  und  das  Werk  ist  nicht 
nur  für  den  Lernenden,  sondern  auch  für  den  Lehrenden  von  Wert,  als 
Muster,  wie  die  Lektüre  auch  anderer  Texte  nutzbar  gemacht  werden 
sollte.  —  Die  typographische  Ausstattung  des  bei  Spamer  in  Leipzig 
gedruckten  Buches  ist  vorzüglich. 

Großhchterfelde,  Berlin.  Erich  Boehme. 


Buliö  S.  K.  Ocerk  istoriji  jazykoznanija  v  Rossiji.  T.  I  (XIII.  v.  —  1825  g.). 
S  prilozenijem  vmesto  vstuplenija,  'Vvedenija  v  izucenije  jazyka'  B. 
Del'brjuka  (Abriß  der  Geschichte  der  Sprachwissenschaft  in  Rußland, 
I.  T.  Vom  13.  Jahrb.  bis  z.  Jahre  1825.  Mit  der  Beilage,  als  Einführung, 
'Einleitung  in  das  Sprachstudium'  von  B.  Delbrück).  St.  Petersburg,  Ver- 
lag von  S.  K.  Buhe  und  L.  F.  Pantelejev.    XII  und  1248  S.    6  Rbl. 

Anzeiger  XIX.  4 


50  Buliß  Ocerk  istoriji  jazykoznanija  v  Rossiji. 

Wieder  einmal  ein  Buch,  das  seine  Geschichte  hat.  Eine  Anzahl 
Hörer  der  St.  Petersburger  Fakultät  haben  im  Jahre  1897  den  löblichen 
Beschluß  gefaßt,  gemeinschaftlich  Delbrücks  'Einleitung'  ins  Russische  zu 
übersetzen  und  zugunsten  eines  Unterstützungsfonds  für  unbemittelte 
Studenten  herauszugeben.  Bulic  hat  dazu  eine  Ergänzung  über  die  rus- 
sische Sprachwissenschaft  geschrieben,  die  allerdings  (nach  seinen  eigenen 
Worten)  die  Schrift  zu  einem  Leviathan  von  einem  Buch  hat  anwachsen 
lassen:  die  eigentliche  Übersetzung  reicht  zur  S.  149,  das  übrige  ist  (von 
Inhaltsverzeichnis  u.  dgl.  abgesehen)  die  'Ergänzung',  die  noch  dazu  nicht 
einmal  fertig  ist:  sie  reicht  nur  zum  Jahre  1825,  und  selbst  in  dieser 
Periode  fehlen  noch  die  beiden  Kapitel  über  das  Studium  der  europäischen 
außerslavischen  und  der  morgenländischen  Sprachen  im  1.  Viertel  des 
19.  Jahrh.  Man  darf  unter  solchen  Umständen  die  Opferwilligkeit  des 
H.  L.  F.  Pantelejev  und  der  hist.-philol.  Fakultät  der  St.  Petersburger 
Universität  nicht  unerwähnt  lassen,  welche  die  Herausgabe  des  Buches 
finanziell  ermöghcht  haben  (die  letztere  dadurch,  daß  sie  eine  An- 
zahl von  Exemplaren  übernommen  hat:  das  Buch  ist  demnach  auch 
als  SA.  aus  den  Zapiski  der  Fakultät  bezeichnet);  auch  der  Wunsch 
möge  beigefügt  werden,  daß  das  Buch  dem  humanen  Zwecke  recht  viel 
einbringe. 

Für  den  unheimlichen  Umfang  von  Buhcs  Abriß  entschädigt  den 
Leser  in  reichlichem  Maße  sein  Inhalt.  Bulic  führt  uns  da  eine  Partie 
aus  der  Geschichte  der  Sprachwissenschaft  vor,  die  bis  jetzt  zum  großen 
Teile  so  gut  wie  unbekannt  war  (eine  kurze  Skizze  hatte  er  vorher  1899 
im  55.  Halbband  des  russischen  Enzyklopädischen  Wörterbuchs  Brockhaus- 
Jefron  publiziert):  und  er  beschränkt  sich  nicht  auf  bloße  Wiedergabe 
von  inhaltsleeren  Verfassernamen  und  Büchertiteln,  sondern  er  reproduziert 
sehr  viel  vom  Inhalt  der  besprochenen  Schriften.  Und  wenn  er  dies  da- 
mit rechtfertigt,  daß  die  meisten  davon  in  Rußland  vielfach  selten  und 
wenig  bekannt  sind,  so  gilt  dies  ja  in  einem  unvergleichlich  höheren  Maße 
außerhalb  der  russischen  Grenzpfähle.  Allerdings  steht  noch  derjenige 
Teil  des  Abrisses  aus,  der  sicherlich  der  interessanteste  und  auch  für 
praktische  Zwecke  der  Wissenschaft  der  nützlichste  sein  wird,  die  Ge- 
schichte der  neueren  russischen  Sprachwissenschaft,  die  ja  eigentlich  erst 
seit  nicht  gar  so  langer  Zeit  aufhört,  für  die  übrige,  namentlich  nicht- 
slavische  Welt  gewissermaßen  eine  terra  incognita  zu  sein:  aber,  von  dem 
Interesse  abgesehen,  mit  dem  man  immer  das  ewige  Ringen  nach  der 
Wahrheit  verfolgt,  nicht  bloß  im  Leben  gilt  der  alte  Spruch  "historia 
magistra'.  Es  ist  wahr:  die  russische  Sprachwissenschaft  der  älteren  Zeit 
war  nicht  selbständig  und  hat  den  wirkhchen  Fortschritt  der  Wissenschaft 

—  natürlich  von   der  Kenntnis  der  russischen  Sprache  selbst  abgesehen 

—  nicht   sonderlich  befördert,   aber  ihre   Geschichte  bietet  nichtsdesto- 
weniger manches  interessante  und  lehrreiche  Blatt. 

Das  1.  Kapitel  behandelt  die  handschriftliche  grammatische  Litera- 
tur des  13. — 16.  Jahrhs.  nebst  einem  flüchtigen  Rückblick  auf  die  Anfänge 
der  außerrussischen  ksl.  Grammatik,  die  ja  natürlich  auch  in  Rußland 
zuerst  das  Interesse  an  grammatischen  Schriften  wach  rief.  Man  hört 
da  u.  a.  von  russischen  Bearbeitungen  des  Traktates  'Über  die  acht  Rede- 
teile', insbesondere  von  den  Arbeiten  des  Byzantiners  Maksim  Grek  (1480 
bis  1556),  der  im  Jahre  1515  nach  Rußland  behufs  Revision  der  russischen 
Kirchenbücher  berufen  wurde.    In  diese  Periode  fallen  u.  a.  die  ersten 


Bulic  Ocerk  istoriji  jazykoznanija  v  Rossiji.  51 

Versuche  zur  Bildung  der  grammatischen  Terminologie.  Das  2.  Kapitel 
bespricht  die  altrussischen  Glossare,  die  zuerst  als  Verzeichnisse  von 
wichtigeren  Fremd-  und  sonst  nicht  leicht  verständlichen  Wörtern  mehr 
oder  minder  enzyklopädischen  Charakters  erscheinen;  das  erste  (ksl.-russ.) 
gedruckte  Wörterbuch  von  Lavrentij  Zizanij  Tustanovskij  erschien  1596. 
Kap.  3  führt  die  ältesten  Sprachlehren  und  sonstige  granim.  Werke 
a.  d.  16. — 17.  Jahrh.  (die  älteste  ist  Kgramatika  slaven&ska  jazyka  1586) 
vor,  Kap.  4  behandelt  die  fremdsprachlichen  Kenntnisse  und  Unterrichts- 
mittel im  alten  Rußland  bis  ins  18.  Jahrh.  hinein.  In  breitei'en  Strömen 
beginnt  sich  die  Sprachwissenschaft  zu  ergießen,  seit  unter  Peter  d.  Großen 
die  Schranken  zwischen  Rußland  und  dem  Westen  lockerer  werden  (Kap.  5). 
Peters  sprachwissenschaftliche  Bestrebungen  trugen  allerdings  zunächst 
noch  immer  einen  praktischen  Charakter  (es  ist  nicht  ohne  Interesse  zu 
erfahren,  daß  schon  Kaiser  Peter  I.  das  Bedürfnis  empfand,  u.  a.  auch 
den  japanischen  Sprachunterricht  zu  fördern):  selbstverständlich  blieben 
jedoch  diese  Bestrebungen  nicht  ohne  Wirkung  auf  die  grammatische  und 
lexikalische  Literatur.  Die  wissenschaftliche  Seite  des  Sprachenstudiums 
konnte  nicht  mit  einemmale  zur  vollen  Geltung  gelangen :  nichtsdestoweniger 
beginnen  schon  unter  Peter  1.  die  meist  durch  Fremdländer  betriebenen 
ersten  Versuche,  linguistisches  Material  in  dem  polyglotten  Zarenreiche 
zu  sammeln.  Unter  Peter  I.  wirkte  u.  a.  Ch.  Fred,  de  Patron-Baudan,  aus 
dessen  handschriftlichen,  dem  Ursprung  der  Schrift  und  der  Sprachen- 
vergleichung  gewidmeten  Arbeiten  B.  einige  ergötzliche  Etymologien  an- 
führt (r.  l-aftan  :  d.  heft  ah,  r.  pn'nesi :  d.  bringen  Sie  u.  dgl.).  Unter  Peters 
Nachfolgern  wirkten  insbesondere  Tred'jakovskij  (1703 — 1769),  Sumarokov 
(1718—1777),  Lomonosov  (1712—1765),  Männer,  deren  Namen  auf  das 
Engste  auch  mit  der  Geschichte  der  Konsohdierung  der  russischen  Schrift- 
sprache und  deren  Emanzipation  vom  Kirchenslavischen  verbunden  sind. 
Alle  drei  betrieben  auch  vergleichende  Sprachwissenschaft,  und  neben 
mancher  Verschrobenheit  (Tred'jakovskij  bewies  u.  a.  sprachwissenschaft- 
lich, daß  das  Slavische  älter  ist  als  das  Teutonische  und  daß  die  Varjago- 
Russen  Slaven  waren),  findet  man  bei  ihnen,  insbesondere  bei  Lomonsov, 
viele  von  jenen  Etymologien,  auf  deren  Grund  ja  allmählig  die  vergleichende 
Sprachwissenschaft  erwachsen  ist  (wie  griech.  barjp,  bibuuiui,  yitvüjckuu, 
•fuvt'-)  :  r.  deve)-',  daju,  znaju,  zena;  Kap.  6).  Kap.  7  erzähU  u.  a.  vom  ersten 
in  Rußland  wirkenden  Gelehrten,  der  sich  auch  um  das  Sanskrit  be- 
kümmerte (Th.  S.  Baier  1694—1726),  insbesondere  aber  von  dem  ver- 
gleichenden Wörterbuch  der  Kaiserin  Katharina  IL,  das  in  den  damahgen 
Anschauungen  von  der  Urverwandschaft  aller  Sprachen  der  Welt  wurzelte, 
dessen  Bedeutung  für  die  Entwickelung  der  russischen  Sprachwissenschaft 
indessen  keine  große  ist  (an  seiner  Ausarbeitung  waren  übrigens  zum 
größten  Teile  Nichtrussen  beteiligt).  Viel  wichtiger  waren  die  gleichzeitigen 
Bestrebungen  um  Erforschung  und  literarische  Ausbildung  der  russischen 
Sprache  (A.  Barsov  1730—1791,  V.  Svetov,  0.  Aleksgjev  u.  a.),  die  durch 
das  akademische  Wörterbuch  (6  Teile,  1789—1794)  gekrönt  wurden  (Kap.  8). 
Im  Kap.  9  werden  verschiedene  allgemein  oder  vergleichend  sprach- 
wissenschaftliche Versuche  derselben  Zeit  vorgeführt  (Übersetzungen  und 
Originalarbeiten).  Daran  reiht  sich  Kap.  10  über  Etymologien  und  darauf 
basierende  Ansichten  der  Geschichtsschreiber  V.  N.  Tatiscev  (1686—1750), 
Fürst  M.  M.  Scerbatov  (1733—1790),  I.  N.  Boltin  (1735  —  1792),  Kap.  11 
über  sprachwissenschaftUche  Aufsätze  in  Zeitschriften  des  18.  Jahrhs.,  Kap.  12 

4* 


52  Bulic  Ocerk  istoriji  jazykoznanija  v  Rossiji. 

über  fremdsprachliche  Studien  unter  Peters  I.  Nachfolgern,  Kap.  13  über 
orientalistische  Studien  derselben  Zeit. 

Etwas  über  die  Hälfte  der  ganzen  Arbeit  Bulics  (von  S.  520)  füllt 
das  letzte,  14.  Kapitel,  'Der  Zustand  der  Sprachwissenschaft  im  Laufe  des 
ersten  Viertels  des  19.  Jahrhunderts'.  Zunächst  wird  in  kurzen  Worten  die 
Höhe  der  russischen  Sprachwissenschaft  am  Ende  des  18.  Jahrhs.  rekapitu- 
liert: die  wichtigsten,  wirklich  wissenschaftlichen  und  selbständigen  Erfolge 
weist  da  die  Erforschung  der  russischen  Sprache  auf;  es  wurde  ja  bereits 
im  18.  Jahrh.  durch  vereinzelte  Ausgaben  altrussischer  Denkmäler  und  daran 
sich  schließende  Untersuchungen  auch  das  Studium  der  russischen  Sprach- 
geschichte sowie  durch  einzelne  Versuche  auch  die  russische  Dialektologie 
angebahnt.  Hierauf  beginnt  die  eigentliche  Schilderung  des  genannten 
Zeitraumes  mit  Vorführung  von  Arbeiten,  die  ins  Gebiet  der  allgemeinen 
Spracliwissenschaft  fallen.  Es  folgt  ein  Abschnitt  über  die  ersten  Anfänge 
von  Sanskritstudien  in  Rußland  (wir  erfahren  da  u.  a.,  daß  es  der  etwas 
abenteuerliche  Autodidakt  G.  S.  Lebedev  war,  der  als  der  erste  in  Europa 
18Ü5  in  Petersburg  den  Druck  mit  Sanskritschrift  bengalischer  Art  wagte) 
und  über  die  Sprachvergleichung  des  ersten  Viertels  des  verflossenen  Jahr- 
hunderts (in  letzterer  Beziehung  liest  man  mit  besonderem  Interesse  über 
die  handschriftlichen  etymologischen  Arbeiten  des  bekannten  Slavisten 
AI.  Vostokovj.  Diese  beiden  Abschnitte  füllen  im  ganzen  165  Seiten;  alles 
Übrige  nimmt  die  Beschreibung  der  slavischen  Studien  ein  (689 — 1128), 
welcher  Abschnitt  daher  den  eigentUchen  Kern  des  Werkes  bildet. 

Im  Vordergrund  stehen  im  ersten  Dezennium  des  Jahrhunderts  Be- 
strebungen um  die  russische  Literatursprache,  besonders  die  heftigen 
Kämpfe  zwischen  den  Anhängern  des  'alten  Stils'  (A.  S.  Siskov)  und  ihren 
Gegnern,  die  der  russischen  Sprache  zu  ihren  Rechten  zu  verhelfen  trach- 
teten; diese  Kämpfe  hatten  ja  auch  ihre  sprachwissenschaftliche  Seite, 
indem  die  russische  Sprache  der  'slavenischen'  (kirchenslavischen)  gegen- 
über einerseits  als  eine  nur  volkstümlicher  gehaltene  Stilvarietät  bekämpft, 
anderseits  als  eine  selbständige  Sprache  verteidigt  werden  muLHe.  Daneben 
sieht  man  Arbeiten,  die  die  grammatische  und  lexikale  Normierung  der 
Schriftsprache  bezwecken,  Arbeiten,  die  namentlich  in  der  2.  Auflage  des 
akademischen  Wörterbuchs  (1806—1822)  ihren  Ausdruck  fanden.  Aber 
auch  die  reine  Wissenschaft  meldet  sicii  schon  im  ersten  Dezennium  zu 
Worte.  Einzelne  Aufsätze  geben  zu  erkennen,  wie  rege  das  Interesse  um 
philologische  Fragen  auch  im  weitesten  Sinne  des  Wortes  (Mythologie, 
Paläographie,  Archäologie  usw.)  wurde.  1805  wird  der  Akademie  die  erste 
Grammatik  der  kleinrussischen  Sprache  (A.  Paviovskij)  vorgelegt;  das 
Interesse  um  alte  Sprachdenkmäler  wird  insbesondere  durch  die  Ent- 
deckung des  Ostromirschen  Evangeliums  aus  dem  Jahre  1056  (1806)  be- 
lebt: kurz,  man  sieht  eine  Zeit  ernster  wissenschafthcher  Arbeit  kommen, 
die  in  Alex.  Vostokov  (1781 — 1864)  auch  ihren  Mann  gefunden,  dessen 
gereiftes  Wirken  allerdings  erst  in  spätere  Jahre  fällt.  Wenn  man  die 
eigentliche  Wissenschaft  sich  so  langsam  vorbereiten  sieht,  darf  man  nicht 
übersehen,  daß  die  jungen  russischen  Universitäten  nach  dem  Statut  aus 
dem  Jahre  1804  nur  den  Lehrstuhl  für  'Beredsamkeit,  Verskunst  und 
russische  Sprache'  hatten,  der  berufen  war,  an  der  Entwickelung  teilzu- 
nehmen. Die  wissenschaftlichen  Bestrebungen  betätigten  sich  indessen 
schon  im  zweiten  Dezennium  durch  Gründungen  und  Wirksamkeit  wissen- 
schaftlicher Gesellschaften;   es  regt  sich  das  Interesse  um  andere  slavi- 


Bulic  Ocerk  istoriji  jazykoznanija  v  Rossiji.  53 

sehen  Sprachen,  es  werden  innigere  Beziehungen  mit  ausländischen 
Slavisten  angeknüpft  und  Lehrstühle  für  Slavistik  geschaffen  (1811  in 
Moskau,  1817  in  Warschau);  und  es  liegt  auf  der  Hand,  daß  alles  dies 
eine  Vertiefung  der  wissenschaftlichen  Arheit  zur  Folge  haben  mußte. 
Wir  müssen  uns  leider  versagen,  B.'s  Ausführungen  auch  nur  annähernd 
genauer  zu  skizzieren:  die  neuen  Strömungen  äußerten  sich  ja  natürlicher- 
weise mehr  in  verstreuten  Monographien  und  programmatischen  Aufsätzen 
denn  in  abschließenden  Werken. 

B.  bespricht  zunächst  Arbeiten  des  2.  und  3.  Dezenniums,  die  dem 
gegenseitigen  Verhältnis  der  kirchenslavischen  und  russischen  Sprache 
gewidmet  waren;  man  erfährt  da  u.  a.,  wie  1823  N.  Polevoj  sehr  ver- 
ständige Anschauungen  über  die  alte  Spaltung  der  slavischen  'Wurzel- 
sprache' (deren  Urverwandschaft  mit  den  anderen  europäischen  'Wurzel- 
sprachen' ihm  noch  unbekannt  war)  sowie  über  die  Notwendigkeit  vortrug, 
durch  Studium  der  slavischen  Einzelsprachen  und  ihre  Vergleichung  ihre 
geschichtliche  Entwickelung  zu  erhellen.  Weiter  kommen  Arbeiten  über 
die  russische  Paläographie  sowie  über  die  Sprache  einzelner  Denkmäler 
und  Publikationen  derselben  an  die  Reihe;  die  unermüdliche  Sammel- 
tätigkeit des  Grafen  Rumjancov  und  Kalajdovic,  sowie  die  wissenschaft- 
lichen Arbeiten  Vostokovs,  Köppens  u.  a.  werden  da  eingehend  beleuchtet. 
Dann  folgen  die  lexikalischen  Arbeiten  und  Erwägungen  über  die  russische 
und  kirchenslavische  Sprache;  mit  besonderem  Interesse  liest  man  da 
von  Plänen  und  Versuchen  zu  einem  etymologischen  Wörterbuch  (darunter 
über  handschriftliche  Reste  von  Vostokovs  etymol.  Wörterbuch  etwa  aus 
dem  Jahre  1810/11,  wo  auch  noch  etwas  Lautsymbolik  zu  treffen  ist)  und 
von  Projekten  und  Vorbereitungen  zu  mundartlichen  und  altrussischen 
Wörterbüchern.  Weiterhin  kommen  grammatische  Arbeiten  an  die  Reihe; 
im  Jahre  1812  stoßen  wir  u.  a.  auf  die  bescheidene  erste  selbständige 
Studie  über  den  russischen  Akzent  und  seine  mundartlichen  Verschieden- 
heiten (A.  Prokopovic-Antonskij).  Dann  Arbeiten  zur  russischen  Synonymik 
und  etymologische  Versuche  der  russischen  Philologen,  Historiker  und 
Archäologen  der  in  Rede  stehenden  Zeit. 

In  gewissermaßen  in  sich  abgeschlossenen  Abschnitten  werden  zum 
Schlüsse  die  wichtigen  Kapitel  über  die  russische  Dialektologie  und  über 
das  Studium  der  anderen  slavischen  Sprachen  im  1.  Viertel  des  19.  Jahr- 
hunderts vorgeführt,  wobei  manches  ausführlicher  besprochen  wird,  was 
auch  schon  früher  gestreift  werden  mußte.  Die  Anfänge  der  russischen 
Dialektologie  reichen  bereits  in  das  18.  Jahrhundert,  äußern  sich  da  je- 
doch mehr  als  dilettantenhafte  Sammlungen  und  Aufzeichnungen  von  ab- 
sonderlichen Provinzialismen.  Das  1.  Viertel  des  19.  Jahrhunderts  hat 
allerdings  auch  noch  keine  dialektologischen  Großtaten  gezeitigt,  aber  es 
tut  sich  da  ein  unzweifelhaft  wissenschaftliches  Interesse  an  den  Mund- 
arten und  die  Überzeugung  von  der  unumgänglichen  Notwendigkeit  ihrer 
wissenschaftlichen  Erforschung  kund.  Nicht  viel  anders  verhält  es  sich 
bezüglich  der  anderen  lebenden  slavischen  Sprachen,  deren  Studium  in 
keinem  geringen  Maße  auch  durch  den  bescheidenen  praktischen  Wert 
gehemmt  wurde,  den  es  damals  für  Russen  hatte;  da  waren  den  Russen 
andere  Slaven,  insbesondere  die  Böhmen  mit  dem  Altmeister  der  Slavistik 
Dobrovsky  und  seinen  Jüngern  zuvorgekommen.  Nichtsdestoweniger  be- 
gann es  sich  im  Laufe  des  Vierteljahrhunderts  auch  hier  zu  regen,  und 
vieles  haben  in  dieser  Beziehung  junge  Köpfe  und  ihre  Zeitschriften  ge- 


54  Masafik  Sloveso  ceske  ve  soych  tvarech  a  casich. 

leistet.  Wichtige  Ereignisse  des  slavischen  Auslandes,  wie  Fort.  Durychs 
Bibliotheca  slavica  (1795),  Dobrovskys  Slawin  (1806),  Slowanka  (1813), 
Instituliones  linguae  slavicae  dialecti  veteris  (1819),  die  'Entdeckung'  der 
Küniginhofer  Handschrift(1817),  Vuk  Karadzics  serbisches  Wörterbuch  (1818) 
und  seine  sonstigen  Werke  usw.  erwecken  in  der  russischen  Gelehrten- 
und  IntcUigentenwelt  ein  immer  tiefer  gehendes  Interesse,  welches  in  der 
wissenschal'tliclien  Literatur  seinen  Widerhall  findet,  derart,  daß  die  rus- 
sischen Philologen,  nebst  Vostokov  z.  B.  Kalajdovic,  Kacenovskij,  Graf 
Rumjancov,  Metropolit  Eugenij,  Th.  P.  Adelung  (der  Enkel),  Koppen  u.  a., 
in  ihren  Arbeiten  auch  die  anderen  slavischen  Sprachen  und  Literaturen 
zu  berücksichtigen  beginnen,  ja,  daß  in  der  Akademie  der  Plan  eines 
vergleichenden  Wörterbuchs  der  slavischen  Sprachen  aufkommt  und  ernst 
verhandelt  wird.  Doch  blieb  es  erst  den  nachfolgenden  Jahrzehnten  vor- 
behalten, diese  Bestrebungen  zu  einer  reichen  Entfaltung  zu  bringen. 

Dies  wäre  der  reiche  Inhalt  des  Buches,  natürlich  nur  in  den  alier- 
dürftigsten  Umrissen  wiedergegeben.  Die  Darstellung  desselben  ist  eine 
fesselnde  und  mit  Dank  sei  nochmals  hervorgehoben,  daß  es  der  Inhalt 
der  besprochenen  Schriften  ist,  der  im  Vordergrund  der  ganzen  Schilde- 
rung steht  und  sie  gewissermaßen  zu  leibhaften  Tatsachen  werden  läßt. 
B.  unterläßt  es  nicht,  die  geschilderten  Ereignisse  auch  zu  kritisieren  und 
scheut  es  nirgends,  die  Schwächen  der  alten  Gelehrten  und  Nichtgelehrten 
dem  Auge  des  Lesers  zu  enthüllen.  Vielleicht  hätte  es  nicht  geschadet, 
mehr  auf  den  genetischen  Zusammenhang  zwischen  den  Erscheinungen 
der  russischen  Sprachwissenschaft  und  den  Anregungen,  die  sie  von  außen 
her  empfing,  einzugehen,  als  es  geschehen  ist,  wiewohl  B.  auch  dieses 
Bedürfnis  ja  nicht  aus  den  Augen  verliert. 

Eingehendere  Beurteilung  des  Buches  muß  Ref.  Anderen  überlassen, 
die  in  dessen  Gegenstande  besser  zu  Hause  sind  als  er. 

Smichov  bei  Prag.  Josef  Zubaty. 


Masafik  J.  Sloveso  ceske  ve  svych  tvarech  a  casich.  —  Das  böhmische 
Verbum  in  seinen  Formen  und  Zeiten.  Nakladatelstvi  A.  Haase  v  Praze. 
—  Verlag  von  A.  Haase,  Prag.  [S.  a.,  beendet  1905].  18  Hefte  zu  80  Hell. 
XXXV  u.  672  S. 

Das  Buch  verfolgt  den  praktischen  Zweck,  einem  Deutschen,  der 
die  böhmische  Sprache  lernen  will,  das  Eindringen  in  die  Eigentümlich- 
keiten des  böhmischen  Verbums  zu  erleichtern:  als  langjähriger  Lehrer 
an  deutschen  Mittelschulen  hat  der  Verf.  sicherlich  Gelegenheit  genug  ge- 
funden, zu  sehen,  daß  das  slavische  Verbum  mit  seiner  reichen  Entfaltung 
der  verschiedenen  Aktionsarten  dem  Deutschen  keine  geringen  Schwierig- 
keiten bereitet.  Das  Buch  bietet  zunächst  eine  'Einleitung'  über  das  böh- 
misclie  Verbum  in  seinen  Formen  und  Zeiten',  und  zwar  'in  beiden  Landes- 
sprachen', worauf  ein  alphabetisch  geordnetes  Verzeichnis  der  böhmischen 
Verba  und  schließlich  ein  deutsch-böhmisches  Glossar  folgt. 

Es  ist  keine  leichte  Sache,  die  Verteilung  der  Aktionsarten  in  den 
verschiedenen  Slammbildungen  und  Zusammensetzungen  des  slavischen 
Verbi  einem  Nichtslaven  vorzuführen  und  einzuüben:  diese  Verteilung  ist 
leider  keine  gleichmäßige,  wenigstens  auf  den  ersten  Blick  nicht.  Die 
beste  Methode  wäre  meines  Erachteus,  mit  jenen  primären  Zeitwörtern 
den  Anfang  zu  machen,   die  in  der  Aktionsart  im  wesentlichen  mit  den 


Masafik  Sloveso  ceske  ve  soych  tvarech  a  casich.  55 

deutschen  Zeitwörtern  übereinstimmen  {jdu  'ich  gehe',  nesu  'ich  trage' 
usw.):  man  findet  sie  in  allen  Konjugationen  vertreten.  Dann  wären  etwa 
die  primären  Perfektiva  vorzunehmen,  und  weiterhin  die  verbalen  Ab- 
leitungen (darunter  z.  B.  auch  die  denominativen)  und  Zusammensetzungen 
mit  den  ihnen  zukommenden  Aktionsarten;  die  wichtigsten  und  gebräuch- 
lichsten Zeitwörter  würden  da  vollauf  genügen,  ein  mehr  als  ausreichen- 
des Material  zu  liefern.  Natürhch  müßte  Alles  nach  den  Konjugations- 
klassen eingeteilt  und  geordnet  sein,  sollte  kein  Chaos  zustande  kommen. 
Der  Verf.  beginnt  statt  dessen  mit  einer  Auseinandersetzung  über  die 
Aktionsarten  selbst,  die,  weil  sie  die  verschiedenen  Stammbildungsarten 
sehr  wenig  berücksichtigt,  unübersichtlich  bleibt,  und  selbst  für  Leute, 
denen  die  Bedeutung  der  einzelnen  angeführten  Verba  geläufig  ist,  nicht 
ohne  beträchtliche  Schwierigkeiten  ist.  Große  Schuld  trägt  daran  der  Um- 
stand, daß  der  Verf.  es  unterlassen  hat,  überall  die  vorgetragenen  Lehren 
an  allen  allgemein  gebräuchlichen  Verbis  zu  exemplifizieren:  z.B. 
vermißt  man  eine  eingehendere  Besprechung  und  Exemplifizierung  der 
im  Slavischen  so  wichtigen  Verbalkomposition.  Dafür  würde  man  hie  und 
da  Beispiele  gern  entbehren,  die  in  ungebräuchlichen  Zeitwörtern  be- 
stehen: laziti  S.  XVI  z.  B.  ist  ein  in  Böhmen  unerhörtes  Wort,  und  Zeit- 
wörter wie  zvtceslabicniti  'mehrsilbig  machen',  zviceslahiCnHi  'mehrsilbig 
werden'  werden  hoffentlich  nie  und  nirgends  heimisch  werden. 

Leider  findet  man  im  Buche  auch  manche  Ungenauigkeiten.  Ddti 
'geben'  soll  zur  5.  Konjugation  gehören  (VII).  Punktuelle  Zeitwörter  (oder 
Verba  singularia,  wie  sie  der  Verf.  nermt)  sollen  (mit  Präsensbedeutung), 
den  Impt.  abgerechnet,  nur  in  Nebensätzen  vorkommen  (ebd.):  dem  Verf. 
sind  da  die  sehr  zahlreichen  gnomischen  Sätze  sowie  Sätze  mit  unbe- 
stimmter Zeit  entgangen  (gleich  sein  Beispiel  sotva  lehnu,  hned  spim  'kaum 
lege  ich  mich  nieder,  gleich  schlafe  ich'  kann  auch  so  lauten:  sotva  lehnu, 
hned  usnu  'gleich  schlafe  ich  ein').  Reflexive  Zusammensetzungen  von 
Imperfektiven  mit  na-  sollen  bedeuten,  'daß  sich  das  Subjekt  mit  der 
Handlung  des  Verbums  bis  zur  vollen  Ermüdung,  oft  zum  Überdruß  abgibt 
oder  sich  in  einem  verdrießlichen  Zustande  der  Überanstrengung  befindet' 
(VIII),  eine  zu  enge  Fassung  der  Regel,  die  ja  auch  Bedeutungen  wie 
najedl  jsem  se  'ich  habe  mich  sattgegessen,  gesättigt',  napil  jsem  se  'ich 
habe  genug  getrunken,  um  den  Durst  zu  löschen'  (oder  gar  auch  'ich 
habe  einen  Trunk  gemacht'),  nasmdli  jsme  se  'wir  haben  so  viel  gelacht', 
usw.  einzuschließen  hat.  Es  ist  nicht  richtig,  daß  z.  B.  tykati  'duzen'  nicht 
komponiert  wird  (IX);  man  kann  z.  B.  sagen  nekdy  mi  zatykd,  ale  pak  mi 
zase  vykd  'hie  und  da  sagt  er  mir  einmal  'du',  aber  dann  ihrzt  er  mich 
wieder',  oder  zatykds-li  mu  jeste  jednou,  uvidis  'duzt  du  ihn  noch  einmal, 
wirst  du  sehen'.  Es  wäre  besser  gewesen,  dgl.  Einzelheiten,  die  den  An- 
fänger nur  stören,  sich  aber  im  Laufe  der  Zeit  von  selbst  ergeben,  in 
einem  Elementarbuch  bei  Seite  zu  lassen.  —  In  vziti  'nehmen'  (ksl.  jeti 
mit  v^zb)  sollen  die  Präverbien  v  'hinein'  und  z  {=  izb)  'hinaus'  enthalten 
sein  (X).  —  S.  XIV  ist  die  Rede  davon,  wie  ein  Verbot  ausgedrückt  wird. 
Bekanntlich  wird  im  Gechischen  dazu  in  der  Regel  der  negierte  Imperativ 
eines  Verbum  Imperfektum  gebraucht,  selbst  wenn  es  sich  um  eine  Hand- 
lung handelt,  die,  wenn  nicht  negiert,  durch  ein  Perfektivum  ausgedrückt 
werden  müßte  (z.  B.  fekni  to,  povez  to  'sage  es'  perf.,  aber  nefikej  to^  nepo- 
vklej  to  'sage  es  nicht'  imperf.);  es  ist  jedoch  nicht  richtig,  wenn  man 
vielfach  zu  lesen  bekommt,   ein  negativer  perf.  Imperativ  sei  überhaupt 


56  Masafik  Sloveso  ßeske  ve  soych  tvarech  a  casich. 

nicht  zu  gebrauchen.  Aber  der  Unterschied  zwischen  den  beiden  Arten 
des  Verbotes  ist  bei  M.  nicht  richtig  angegeben.  "Der  negative  Imperativ 
wird  angewendet,  wenn  eine  schon  stattfindende  Handlung  aufhören  soll" 
(man  sagt  ja  z.  B.  nefikej  to  nikomu  'sage  es  Niemanden',  kdybys  ho  videl, 
nefikej  mit  to  'wenn  du  ihn  sehen  würdest,  dann  sage  es  ihm  nicht',  von 
Handlungen,  die  möglicherweise  erst  in  der  Zukunft  stattfinden  könn- 
ten); den  negativen  perf.  Imperativ  nennt  der  Verf.  "Warnung,  .  .  .  zum 
Zweck  der  Verhinderung  einer  Handlung,  die  niemals  eintreten  darf,  um 
einem  Unfall,  Mißgriff,  Unglück,  Schaden  vorzubeugen"  (eine  Warnung 
kann  aber  auch  durch  einen  imperf.  Imperativ  ausgedrückt  werden,  und 
wird  es  auch  in  der  Regel,  z.  B.  nechod^  Tc  ohnu,  spadl  bys  'geh  nicht  zum 
Fenster,  du  würdest  hinunterfallen').  Der  Unterschied  liegt  anderswo. 
Das  allgemeine  Verbot  einer  selbst  punktuellen  Handlung,  die  überhaupt 
nie  stattfinden  soll,  wird  durch  den  Imperativ  eines  Vei'bum  imperfekt., 
bezw.  iter.,  ausgedrückt  (nepozdravuj  ho  imperf.  'grüße  ihn  nicht'  [=  nie]). 
Durch  eine  psychologisch  leicht  erklärliche  Verschiebung  wird  dies  im 
Allgemeinen  auch  auf  Verbote  von  einmaligen  Handlungen  ausgedehnt 
(ich  gehe  mit  Jemanden,  sehe  von  Weitem  eine  dritte  Person  und  sage 
zu  meinem  Begleiter:  pozdrav  ho  'grüße  ihn,  mache  ihm  deinen  Gruß' 
perf.,  aber  nepozdranij  ho  'grüße  ihn  nicht'  imperf.,  ursprünglich  sicherlich 
=  'grüße  ihn  überhaupt  nicht');  diese  Erscheinung  ist  ja  nicht  einmal  auf 
den  Imperativ  beschränkt,  vgl.  insbes.  Gebauer  AslPh.  25,  124  ff.  Der  per- 
fektive Imperativ  steht  im  Verbote,  wenn  es  sich  um  eine  Handlung  handelt, 
die  ausdrücklich  als  eine  einmalige  perfektive  Handlung  bezeichnet  werden 
soll  (z.  B.  in  derselben  Situation:  nepozdrav  ho,  uindi's,  co  udeld  'grüße  ihn 
[diesmal]  nicht,  du  wirst  sehen,  was  er  tun  wird';  nepozdravuj e-li  te  on, 
nepozdrav  ho  taJc^  jednou  dvakräf,  a  on  säm  zacne  'wenn  er  dich  [in  der 
Regel]  nicht  grüßt,  grüße  auch  du  ihn  ein-  [oder]  zweimal  nicht  und  er 
wird  selbst  den  Anfang  machen';  nevi/pij  osecko  najednou  'trinke  nicht 
Alles  auf  einmal  aus'  usw.;  nespadni  tarn  'falle  nicht  hinunter,  trachte, 
daß  du  nicht  hinunterfällst').  Es  hegt  auf  der  Hand,  daß  hiebei  eine  große 
Rolle  der  vivaksä  der  ind.  Grammatik,  der  jeweiligen  Stimmung  und  Nei- 
gung des  Redenden,  sich  in  dieser  oder  jener  Weise  auszudrücken,  zufällt, 
und  anderseits  auch  traditioneller  Usus  bei  einzelnen  Zeitwörtern,  Um- 
stände, die  natürlich  die  richtige  Erfassung  der  ganzen  Redeweise  nicht 
erleichtern. 

Der  allgemeinen  Besprechung  der  Aktionsarten  folgt  noch  eine  Über- 
sicht der  Konjugationen,  in  welcher  auch  die  Aktionsarten  berücksichtigt 
werden,  jedoch  nicht  in  dem  Maße,  daß  der  Leser  ein  einigermaßen  voll- 
ständiges Bild  zu  sehen  bekommt  (auch  hier  würde  man  Unriclitigkeiten 
finden).  Den  eigentlichen  Kern  des  Buches  bildet  jedoch  das  reichhaltige 
Verzeichnis  der  Zeitwörter  (S.  2 — 603).  Es  dürfte  wenig  einigermaßen  ge- 
bräuchliche Verba  geben,  welche  hier  fehlen  würden,  im  Gegenteil  findet 
man  gar  manches  ungebräuchliche.  Das  Verzeichnis  enthält  nicht  weniger 
denn  15  Rubriken  (Infinitiv,  Bedeutung,  Aktionsart,  Präsens,  Imperfektum, 
impf,  und  pft.  Futurum,  Fut.  IL,  Fft.,  Plasqupft.,  Gebot,  Verbot,  Warnung 
(s.  0.),  Part.  Pfti.  pass.,  Anmerkung.  Die  Rubriken  Fut.  II  und  Plusqupft. 
hätten  ganz  wohl  entfallen  und  durch  solche  für  Partiz.  Präs.  und  Prät. 
Akt.  ersetzt  werden  können.  Man  findet  da  neben  dem  Grundverbum  seine 
abgeleiteten  Stammbildungen  und  Zusammensetzungen  in  der  Regel  bei- 
sammen; das  Verzeichnis  mag  in  dieser  Einrichtung  von  Nutzen  sein. 


Gebauer   Slovnik  starocesky.  57 

Allerdings  findet  man  gar  Manches,  was  überflüssig,  auch  was  unrichtig 
ist.  Der  Verf.  hielt  sich  z.  B.  für  verpflichtet,  die  Rubrik  Part.  pfti.  pass. 
überall  auszufüllen  (nur  hie  und  da,  wie  bei  bäti  se  "fürchten'  fehlt  die 
Form),  und  zu  diesem  Zwecke  schmiedet  er  bei  Intransitiven  Formen, 
die  höchstens  in  erzwungenen  Impersonalsätzen  möglich,  ja  auch  solche, 
die  einfach  unmöglich  sind  {blben  zu  blbeti  'blöde  werden',  blednut  zu 
blednouti  'erblassen'  a.  A.).  Unrichtig  ist,  wenn  belen  zu  beleti  'weiß  wer- 
den' oder  gar  zu  beleti  se  'weiß  schimmern'  (richtiger  belati  se,  welches 
fehlt)  gestellt  wird,  es  gehört  zu  beliti  'weiß  machen'  (welches  auch  fehlt: 
im  Cechischen  wird  meist  bieliti  biliti  'weiß  tünchen'  von  beliti  'weiß  machen' 
differenziert).  Nabddati  'antreiben,  anstacheln'  gehört  nicht  zu  bddati 
'forschen',  sondern  zu  bodati  'stechen'.  Sind  die  Grundverba  wohl  voll- 
zählig vertreten,  sucht  man  hie  und  da  eine  Ableitung  oder  Zusammen- 
setzung vergebens;  z.  B.  blbnouti,  zblbnouti;  probodävati  u.  ä.  neben  dem 
angeführten,  aber  ungebräuchlichen  probodovati  u.  m.  A.  Im  ganzen  scheint 
es,  der  Verf.  habe  sich  eine  Aufgabe  gestellt,  die  über  seine  Kräfte  geht. 
Smichow  bei  Prag.  Josef  Zubaty. 

Gebauer  J.  Slovnik  starocesky.  Vydävaji  Ceskä  Akademie  cisafe  Fran- 
tiska  Josefa  pro  vedy,  slovesnost  a  umeni  a  Ceskä  grafickä  spolecnost 
'Unie'  (Altcechisches  Wörterbuch.  Hsg.  von  der  Böhm.  Kaiser  Franz 
Josef- Akademie  fürWiss.,  Litt,  und  Kunst  und  von  der  Böhm,  graphischen 
Ges.  'Unie').  Prag.  Im  Verlag  der  Böhm,  graph.  Ges.  'ünie'.  Heft  1 — 13 
{A  —  mat.  H.  1—9  =  I.  Teil.  Prag  1903,  A  —  JC).  XXX,  674  u.  320  S. 
lex.  8".    Einzelne  Hefte  zu  4  Kr. 

Das  vorliegende  Wörterbuch  bildet  nur  einen  Teil  von  einem  Werke, 
in  welchem  die  Ergebnisse  der  rastlosen  Lebensarbeit  seines  Verfassers 
niedergelegt  werden  sollen.  Das  Programm,  wie  es  derselbe  im  Vorwort 
zum  ersten  Bande  seiner  Historischen  Grammatik  (1894)  entwirft,  soll 
nebst  dem  Wörterbuche  auch  eine  tunlichst  vollständige  historische  Sprach- 
lehre enthalten;  die  in  Aussicht  gestellte  Reihenfolge  der  einzelnen  Teile 
ist  die,  daß  auf  zwei  Teile  der  Grammatik,  die  Laut-  und  Flexionslehre 
enthaltend,  das  altcechische  Wörterbuch  und  ferner  weitere  zwei  Teile 
der  Grammatik  (die  Stammbildungslehre  und  S-^Titax)  folgen  sollen.  Von 
diesem  Riesenpensum  befindet  sich  nun  etwa  die  kleinere  Hälfte  im  Be- 
sitze der  Gelehrtenwelt,  nämlich  die  Laut-  (Historickä  mluvnice  jazyka 
ceskeho.  Dil  I.  Hläskoslovi.  Prag  und  Wien  1894.  XII  und  702  S.  gr.  8«), 
und  die  Flexionslehre  (Hist.  mluvn.  Dil  III.  1.  Sklonoväni,  ebd.  1896, 
638  S. ;  2.  Casoväni,  ebd.  1898,  508  S.)  und  die  bis  1906  erschienenen  Hefte 
des  Wörterbuchs;  und  selbst  wer  nicht  wie  Rf.  zum  engeren  Kreise  von 
Gebauers  Schülern,  Verehrern  und  Freunden  gehört,  stimmt  gewiß  mit 
demselben  in  dem  Wunsche  überein,  der  Himmel  möge  ihm  viel  Gesund- 
heit und  Schaffenslust  gewähren,  auf  daß  er  sein  Lebenswerk  zu  Ende 
führe  und  sich  auch  noch  der  Wohltaten  Ireue,  die  ja  dasselbe  der 
Sprachwissenschaft  schon  heute  bringt. 

Man  kann  schon  heute  sagen,  worin  das  Hauptgewicht  von  Gebauers 
Werk  liegen  wird:  es  dokumentiert  sich  dies  ja  bereits  in  dem  Umstand, 
daß  er  nur  das  Altcechische  lexikalisch  bearbeitet.  Die  ältere  Sprache 
ist  es,  über  welche  Gebauers  Arbeit  das  meiste  Licht  gebracht  hat.  Diese 
Bemerkung  soll  ja  keine  Rüge  enthalten.  Erstens  sind  es  vor  allem  die 
Grundfesten,  die  zuerst  aufgebaut  werden  müssen,  zweitens  aber  weist 


58  Gebauer   Slovnik  starocesky. 

gerade  die  dialektologische  Durchforschung  des  cechischeri  Sprclchgebietes, 
die  ja  doch  zunächst  berufen  ist,  das  Baumaterial  zur  Vollendung  des 
Oberbaues  zu  liefern,  noch  immer  sehr  beträchtliche  Lücken  auf.  Die  wich- 
tigsten geschichtlichen  Quellen,  mundartlich  gefärbte  Urkunden,  modern 
meistenteils  noch  unbenutzt  in  den  städtischen  und  sonstigen  Archiven: 
von  vereinzelten  Ausnahmen  abgesehen,  sind  sie  bisher  fast  nur  zu  kul- 
turgeschichtlichen Zwecken  berücksichtigt  worden.  Und  der  jetzige  Stand 
der  Mundarten  ist  wenigstens  für  Böhmen  selbst,  wohl  eher  infolge,  als 
trotz  der  im  Ganzen  und  Großen  unbedeutenden  augenfälligen  Mundarten- 
unterschiede, noch  immer  nicht  systematisch,  geschweige  denn  erschöpfend 
vorgeführt  worden.  In  den  neueren  Entwickelungsphasen  liegt  daher  das 
Gebiet,  für  welches  Gebauers  Werk  wird  am  meisten  ergänzt  werden 
müssen:  was  die  ältere  Zeit  anbelangt,  sind  Ergänzungen  sicherlich  auch 
zu  erwarten  und  zu  erhoffen,  aber  sie  werden  wohl  immer  den  Charakter 
einer  Nachlese  tragen,  einer  Nachlese,  die  nur  durch  Auffindung  und 
Publizierung  neuer  wichtiger  Quellen  eine  reichlichere  werden  wird. 

Das  Altcechische  nimmt  unter  den  älteren  slavischen  Literatur- 
sprachen nach  dem  Kirchenslavischen  die  wichtigste  Stelle  ein.  Die  ältere 
Literatursprache  der  griechisch-orthodoxen  slavischen  Völker  steht  über- 
all unter  dem  Bann  der  kirchenslavischen  Vorbilder,  und  streng  genommen 
äußern  sich  die  älteren  Belege  von  Formen  der  betreffenden  Sprachen 
zunächst  als  fehlerhafte  Abweichungen  vom  richtigen  Altkirchenslavisch, 
die  allerdings  mit  der  Zeit  typisch  werden,  sich  aber  erst  sehr  spät  zu 
einem  einheitlichen  und  im  wesentlichen  reinen  Sprachbilde  verbinden. 
Und  unter  den  nichtorthodoxen  Slaven  können  sich  die  Böhmen  mit  den 
ältesten  und  für  die  ältere  Zeit  zahlreichsten  Literaturdenkmälern  aus- 
weisen. Dieselben  erstrecken  sich  seit  der  Mitte  des  13.  Jahrhunderts  in 
ununterbrochener  Reihe  bis  in  die  Neuzeit,  und  bieten  für  die  verschiede- 
nen Arten  des  Sprachwandels  ein  so  reiches  Material,  daß  deren  Studium 
nicht  blos  für  spezielle  Bohemisten  instruktiv  ist.  Und  es  bleibt  für  immer 
Gebauers  Verdienst,  daß  er  der  erste  war,  welcher  diese  reiche  und  nicht 
selten  verwickelte  Sprachgeschichte  in  allen  ihren  Einzelheiten  verfolgt 
und  der  Wissenschaft  ein  detaiUiertes  und  klares  Bild  davon  vorgeführt 
hat.  Zwei  Umstände  verdienen  dabei  besonders  hervorgehoben  zu  werden. 
Gebauer  hat  sich  zu  seinem  Lebenswerke  mit  gründlicher  sprachwissen- 
schaftlicher Bildung  ausgerüstet  und  hat  auch  während  seiner  Detail- 
arbeit nie  die  Fortschritte  der  vergleichenden  Sprachforschung  aus  seinem 
Gesichtswinkel  verloren,  ein  Umstand,  dessen  Früchten  man  in  seiner 
Arbeit  auf  Schritt  und  Tritt  begegnet.  Aber  er  hat  auch  das  Quellen- 
material in  dem  ausgiebigsten  Maße  durchforschen  müssen:  und  dieses 
Material  stand  zum  größten  Teile  nur  handschriftlich,  und  wenn  publiziert, 
so  meist  nicht  kritisch,  wenigstens  nicht  in  diplomatischer  Buchstaben- 
treue publiziert  zur  Verfügung.  Und  zudem  gab  es  unter  dem  Material 
auch  Stücke,  die  kein  echtes  Gold,  sondern  durch  falsch  verstandenen 
Patriotismus  ins  Leben  gerufene  Fälschungen  waren,  Stücke,  die  bis- 
her in  erster  Reihe  als  Quellen  zur  Erforschung  der  älteren  Sprache 
dienten,  und  die  beseitigt  werden  mußten,  sollte  das  zu  zeichnende  Bild 
nicht  zum  Zerrbild  der  Wahrheit  werden.  Wer  den  Kämpfen,  die  um  die 
Echtheit  insbesondere  der  sog.  Königinhofer  Handschrift  geführt  werden 
mußten,  nicht  nahe  stand,  wird  sich  nie  vorstellen  können,  welch  ein 
Maß  von  Bewußtsein,   Aufopferung   und   nicht   bloß   wissenschaftlichem 


Gebauer   Slovnik  starocesky.  59 

Heldenmut  dazu  gehörte,  um  nicht  den  Mut  sinken  zu  lassen:  wenn  dieser 
Kampf  heute,  von  einigen  unerfreulichen  Folgen  persönlichen  Charakters 
abgesehen,  ausgekämpft  und  zwar  zugunsten  der  wissenschaftlichen  Wahr- 
heit und  Freiheit  ausgekämpft  ist,  so  ist  es  vor  allem  durch  Gebauers 
Verdienst  geschehen. 

Der  Leser  fragt  sich  vielleicht,  warum  er  so  wenig  über  das  an 
die  Spitze  dieser  Anzeige  gestellte  Wörterbuch  zu  lesen  bekommt.  Ref. 
wollte  jedoch  dessen  Bedeutung  im  Zusammenhang  mit  Gebauers  sonstigen 
Arbeiten,  in  den  es  ja  schon  äußerlich,  als  Quellenbuch  für  einen  be- 
trächtlichen Teil  der  noch  ausstehenden  Stammbildungslehre  und  Syntax, 
welches  auch  seinerseits,  was  Einzelbelege  anbelangt,  insbesondere  aus  der 
Flexionslehre  ergänzt  werden  kann,  gehört,  wenigstens  in  flüchtigen  Zügen 
andeuten.  Ein  altcech.  Wörterbuch,  sollte  in  der  Gestalt,  in  welcher  es  sich 
Gebauer  vorstellt  (I,  S.  IV),  "den  gesamten  cech.  Sprachstoff  enthalten,  wie 
er  in  den  Sprachdenkmälern  seit  der  ältesten  Zeit  bis  zur  Stabilisierung 
der  neuen  Schriftsprache  vorliegt".  Der  Verf.  ist  sich  bewußt,  daß  auch 
sein  Werk  diese  Aufgabe  nicht  in  ihrem  vollen  Umfang  gelöst  haben  wird; 
er  will  jedoch,  daß  sein  Wörterbuch  "den  gesammten  lexikalischen  Sprach- 
stoff bis  zur  Hälfte  des  14.  Jahrhunderts  inkl.,  fast  Alles  aus  dem  Reste 
des  14  Jahrhunderts,  und  alles  Wichtige  aus  dem  15.,  ja  auch  aus  dem 
Anfang  des  16.  Jahrhunderts  enthalte".  Inwiefern  dieses  Ziel  erreicht 
worden  ist,  kann  nur  Derjenige  beurteilen,  wer  selbst  irgendwelchen  Teil 
dieses  Gebiets  lexikalisch  bearbeitet  hat:  daß  Manches  übersehen  worden, 
ist  von  vorn  herein  zu  erwarten,  und  ist  auch,  z.  T.  auch  nicht  ohne  klein- 
liche Schadenfreude,  konstatiert  worden;  auch  Gebauer  ist  sich  dessen 
bewußt  und  stellt  schon  jetzt  Nachträge  und  Verbesserungen  in  Aussicht. 
Im  Vorwort  selbst  ist  schon  Einiges  davon  zu  lesen  *). 

Das  Wörterbuch  ist  selbstverständlich  in  der  üblichen  Art  und 
Weise  eingerichtet.  Die  Wörter  sind  an  die  Spitze  der  einzelnen  Artikel 
in  der  lauthch  und  flexifisch  normal  altcech.  Form  gestellt,  ein  Vorgehen, 
welches  in  Anbetracht  der  namentlich  orthographischen  Ungleichmäßigkeit 
des  altcech.  Schrifttums  aus  praktischen  Rücksichten  wohl  unerläßlich 
ist*);  die  Belegstellen  folgen  in  einheitlicher  Umschrift,  die  nach  Tunlich- 
keit  den  Eigentümlichkeiten  des  Originals  Rechnung  trägt,  wobei  jedoch  das 

1)  U.  A.  z.  B.  Belegstellen  für  druhy  (ksl.  drugi)  in  der  Bedeutung 
'mancher',  die  aufsemasiologischem  Selbständigwerden  in  Korrelativgruppen 
jeden  —  druhy  'alius  —  alius'  beruht.  Wie  schon  die  Adverbien  druJide 
'stellenweise',  druhdij  'bisweilen'  (ksl.  drugide  'anderswo',  druffbda  'ander- 
mal') beweisen,  muß  jene  Bedeutung  ziemlich  verbreitet  gewesen  sein; 
Ref.  ist  auf  sie  zufälliger  Weise  gestoßen  z.  B.  auch  bei  Kabdtnik  z  Lito- 
mySle  20b  (19  33)^  22a  (21  13),  beiLobkovic  (Reisebeschreibung)  IIb  (9  21  f.), 
13a  (10  19),  13b  (10  31),  24a  (18  18)  usw.  Hierher  gehört  auch  der  Be- 
leg StitBud.  1  bei  Gebauer  S.  341. 

2)  Hie  und  da  kommt  es  vor,  daß  irgend  eine  Normalform  aufge- 
stellt wird,  die  in  der  betreffenden  Gestalt  nicht  nur  nicht  belegt  ist, 
sondern  vielleicht,  wo  es  sich  um  Stammbildungen  späteren  Ursprungs 
zu  handeln  scheint,  in  derselben  nie  existiert  hat.  So  darf  man  z.  B.  für 
nicht  bewiesen  halten,  daß  es  je  ein  bedl'u  sS,  bedliifu  se,  bisyni  für  das 
spätere  bedltm,  bedlivim,  bSsyne  gegeben  habe.  Doch  fallen  dgl.  Konse- 
quenzen nicht  schwer  in  die  Wage,  weil  sich  Jedermann  doch  an  die 
Belege  selbst  halten  wird. 


60  Gebauer   Slovnik  slaroc'esky. 

im  Artikel  behandelte  Wort  in  der  Regel  diplomatisch  treu  wiedergegeben 
wird.  Ref.  gesteht,  daß  ihm  ein  nicht  transskribierter,  nach  keiner  Richtung 
hin  präjudizierender  Worttext  immer  am  liebsten  ist;  und  von  Leuten,  die 
Gebauers  Wörterbuch  benützen  werden,  darf  man  doch  wohl  voraussetzen, 
daß  sie  Zitate  auch  in  alter  Orthographie  werden  lesen  können.  So  ist  man 
z.  B.  gewohnt,  bei  Transskription  alter  Texte  ohne  weiteres  für  das  Altcech. 
die  Quantitätsverhältnisse  der  heutigen  Schriftsprache  vorauszusetzen  (falls 
natürlich  die  Quantität  nicht  in  der  Quelle  selbst  irgendwie  angedeutet  ist), 
ein  Vorgehen,  welches  den  notorischen  Fällen  von  zeitweisem  und  lokalem 
Quantitätswechsel  gegenüber  nicht  ohne  Bedenken  ist.  Um  ein  einziges 
Beispiel  anzuführen,  nachdem  für  ursl.  besi  'Dämon'  fürs  Altcechische  auch 
die  Lautform  mit  langem  Wurzelvokal  {bis  aus  bies)  feststeht,  ist  man  ja 
streng  genommen  nicht  berechtigt,  an  Stellen,  wo  die  Schreibung  des 
Denkmals  die  Lesung  mit  kurzem  S  zuläßt,  aber  die  mit  langem  ie  nicht 
ausschließt,  sich  der  heutigen  Schriftsprache  zuliebe  für  e  zu  entscheiden 
(es  würde  sich  vielleicht  empfehlen,  wenn  man  schon  transskribieren  will, 
nur  die  so  verschiedenartig  geschriebenen  Konsonanten,  bei  welchen  der 
Lautwert  doch  wohl  im  Ganzen  unzweifelhaft  ist,  zu  transskribieren,  und 
die  Vokale  in  der  Gestalt  zu  geben,  wie  sie  im  Original  stehen,  ein  Vor- 
gehen, wie  es  seinerzeit  Hanns  vorgeschlagen  hat).  —  Die  Etymologie  wird 
nur  in  beschränktem  Maße  berücksichtigt:  hauptsächlich  in  der  Art,  daß  bei 
den  Grundwörtern  ihre  ursl.,  bezw.  ksl.  oder  die  Form  anderer  sl.  Sprachen 
geboten  wird  (bei  Fremdwörtern  natürlich  die  betreffende  Quelle).  Dies 
ist  in  Ordnung:  ein  Wörterbuch  hat  ja  die  Etymologie  insoferne  zu  fördern, 
daß  es  dem  Etymologen  ein  verläßliches  Material  bietet.  Vielleicht  hätte 
es  jedoch  nicht  geschadet,  wenn  das  Wörterbuch  (natürlich  unter  Ver- 
meidung jeglicher  Über  flüssigkeit)  zu  einem  gewissen  Maß  die  einzelsprach- 
liche Etymologie  mehr  berücksichtigt  hätte.  Es  ist  wahr,  daß  dasselbe  in 
erster  Reihe  für  Philologen  bestimmt  ist,  die  sich  ja  in  dieser  Hinsicht 
müssen  Rat  wissen;  aber  immerhin  kann  man  sich  Leser  vorstellen,  die 
z.  B.  nicht  gleich  wissen,  daß  berny  peniez  etymologisch  'die  anzunehmende, 
angenommene  Münze'  bedeutet  und   das  Adj.  zu  brdti  'nehmen'  gehört. 

Auf  Einzelheiten  will  und  kann  ich  mich  nicht  einlassen.  Nur  ein 
paar  Randglossen  mögen  hier  ihren  Platz  finden. 

Zu  bfev  (S.  102,  aus  brbvi)  'Steg'  wird  auch  der  Ortsname  Brzve 
gestellt,  mit  der  Bemerkung,  rz  für  f  sei  in  demselben  nach  der  alten 
Schreibweise  mit  rz  ^=f  aufgekommen.  Im  Volksmunde  lautet  der  Name 
in  der  Tat  nur  Bfve  (einsilbig),  und  es  ist  dies  nicht  der  einzige  Fall, 
wo  das  Volk  seine  Ortschaft  richtiger  nennt  als  seine  Obrigkeit  (so  z.  B. 
Kozlanij  für  Kozlany,  Chocerady  für  Kocerady).  Dasselbe  wird  auch  bei 
dem  heute  deutschen  Orte  Brztany  der  Fall  gewesen  sein,  wie  dies  ja 
schon  der  deutsche  Name  Weberschan  (aus  ve  Bfvan[ech])  nahe  legt. 

Bukati  (116)  steht  an  der  im  Wörterbuch  angeführten  Stelle  aus 
Chelcicky  in  unzweifelhaftem  Zusammenhang  mit  der  aufreizenden  Inter- 
jektion bu  und  heißt  bu  'schreien'.  Als  derartige  Bildung  steht  es  be- 
kanntlich nicht  vereinzelt  da,  vgl.  kou-kati,  hy-kati,  hoja-kati,  hele-kati 
'hou  usw.  schreien',  vy-kati  'ihrzen,  vy-  sagen',  mnou-kati  'miauen'  usw., 
lauter  Bildungen,  die  für  die  etymologische  Beurteilung  der  zahlreichen 
onomatopoetischen  Verba  auf  -kati  nicht  ohne  Interesse  sind.  —  bumbu 
(117)  wird  sichedich  kein  onomatopoetischer  Ausdruck,  sondern  der  Akk. 
Sg.  von  bumba  'Saufen'  sein. 


Gebauer   Slovnik  starocesky.  61 

S.  129  ist  Rede  von  der  periphrastischen  Verbindung  budu  (ksl.  bad^) 
mit  Infinitiv,  bezw.  von  budu  allein,  als  Ausdruck  für  das  'Präsens  ab- 
solutum  (das  sog.  Präsens  historicum)'.  Zunächst  ist  der  Unterschied 
zwischen  Präs.  absolutum  (oder  gnomicum)  und  Präs.  historicum  schärfer 
ins  Auge  zu  fassen.  Gnomische  Sätze  sind  z.  B.  ale  gdijz  se  sdravie 
ruäi,  tepyfv  tu  bilde  pozndno  'aber  wenn  die  Gesundheit  vergeht,  erst  da 
■  wird  es  erkannt  (erkennt  man)  usw.',  oder  vidil  sem,  ze  Arabove  plne 
oöi  osazene  budau  miti  muchami,  vsak  pro  lenost  nesezenau  jich  'ich  habe 
gesehen,  daß  Araber  die  Augen  voll  besetzt  haben  (haben  mögen)  mit 
Fliegen,  aber  aus  Faulheit  sie  nicht  wegtreiben''):  hier  ist  budu  offenbar 
das  Präs.,  und  die  Periphrase  mit  Infinitiv  dient  dazu,  nach  Bedarf 
einem  gnomischen  Präs.,  welches  meist  von  perfektiven  Zeitwörtern 
(wie  bei  Harant  z.  Polzic  nesezenou  jich)  vorkommt,  auch  bei  einem  Im- 
perfektivum  irgendwie  die  perfektive  Form  (budu)  zu  geben.  Ein  instruk- 
tives Beispiel  steht  in  der  Übs.  von  Marco  Polos  Million  82  b  (s.  122  bei 
PräSek):  .  .  .  tehdi/  ti  carodemci  nastrojie  tanec  veliky  a  Jiudbu  i  pisßbu 
zjednaji.  a  talc  svytn  bohöm  ke  csti  rozliöne  piesne  tvofie.  A  to  tah  dlüho 
öinie,  az  niktereho  z  tech  tanehdkuov  didhel  posedne.  A  tak  pak  inhed 
tancS  nechajiece  bezie  k  tomii,  kterehoz  didbel  posedl  a  budu  jeho  tdzati, 
proö  by  onenno  nemocen  byl  '(wenn  jemand  krank  ist,)  da  bereiten  diese 
Zauberer  einen  großen  Tanz  und  verschaffen  Geigen-  und  Pfeifenmusik, 
und  produzieren  so  ihren  Göttern  zu  Ehren  verschiedene  Lieder.  Und 
dies  tun  sie  so  lange,  bis  einen  von  den  Tänzern  der  Teufel  besitzt  (sich 
seiner  bemächtigt).  Und  so  dann  sofort  den  Tanz  aufgebend  laufen  sie  zu 
jenem,  den  der  Teufel  besessen,  und  fragen  ihn,  warum  jener  krank  wäre' 
("Präs.  perfektiver  Verba  nastrojie,  zjednaji,  posedne,  imperf.  Verba  tvofie, 
öinie,  Mzie,  mit  den  letzteren  gleichbedeutende  Periphrase  budü  tdzati  für 
tdzie).  Anderer  Art  sind  erzählende  Sätze  mit  dgl.  Periphrasen.  Man 
findet  sie  am  zahlreiclisten  in  der  reo  peknd  o  Bruncvikovi  in  der  Graf 
Baworowskischen  Sammelhandschrift  (hsg.  von  Loriä  1903,  Sbirka  pra- 
menüv  I  1,  6)  vertreten;  und  bezeichnenderweise  bietet  die  Klementiner 
Handschrift  an  den  betreffenden  Stellen  dafür  allerhand  Präterita,  am 
häufigsten  Periphrasen  mit  Aoristen  des  Zeitw.  pocieti  'beginnen';  z.  B. 
fLoris  26  f.) :  a  obchytlvSi  jeho  s  ^^ZaVem  velikytn,  i  bude  jeho  pykati  a  pro- 
siti  [i  pykdse  jeko  a  poäe  j^'^ositi  Klem.)  .  .  .  'und  ihn  mit  großem  Weinen 
umfaßt  habend,  begann  sie  ihn  bedauern  und  bitten  .  .  .'  Bedenkt  man 
den  Umstand,  wie  spät  ein  Präs.  historicum  in  den  indoeuropäischen 
Sprachen  überhaupt  (Delbrück  Grundriß  4,  261)  und  im  Cechischen  ins- 
besondere aufkommt  (in  der  letzteren  Sprache  wurde  dieses  Aufkommen 
durch  Verlust  des  Aorists  begünstigt,  dessen  Formen  vielfach  mit  jenen 
des  Präs.  gleichlautend  waren)  so  wird  der  Verdacht  rege,  daß  bude  (ein 
budu,  1.  Ps.  Sg.,  ist  nicht  belegt)  in  Periphrasen  der  besprochenen  Art 
eine  Aoristform  ist  (auch  btcdu  in  den  Gebeten  und  Legenden  aus  dem 
14  Jahrhundert  57  a  bei  Gebauer  ist  offenbar  Aor.,  höchst  wahrscheinlich 
jedoch  ist  ein  jiti  dabei  ausgelassen  worden).  Es  ist  nicht  unmöghch, 
daß  die  Aoristform  sich  durch  Quantität  {bilde)  von  der  Präsensform  [bude) 
unterschied.  Man  würde  vielleicht  im  Aor.  eher  by  erwarten:  doch  eignete 
sich  offenbar  die  Neubildung  bude  (vgl.  dobuden  im  Million  für  dobyt)  für 

1)  Man  sehe  dem  Ref.  nach,  daß  er  die  Belege,  der  leichteren  Faß- 
lichkeit halber,  hier  auch  in  Umschrift  gibt. 


62  Schwela   Lehrbuch  der  Niedervvendischen  Sprache. 

die  indikativisch  präteritale  Periphrase  besser,  als  der  alte  in  der  Regel 
in  Konditionalbedeutung  gebrauchte  Aor,  %').  Diese  Periphrase  scheint 
nicht  allgemein  üblich  gewesen  zu  sein:  ich  halte  es  für  durchaus  möglich, 
daß  die  Redeweise  bude  (bilde)  prositi  'er  (sie)  begann  zu  bitten'  eine 
Nachahmung  der  mhd.  (nebenbei  gesagt  auch  bei  Fritz  Reuter  vorkom- 
menden) beiläufig  gleichbedeutenden  Periphrase  er  tvart  vrägen  {=  wart 
vrägende)  Grimm  4,  7  ist. 

Schade,  daß  das  ac.  Material  keinen  richtigen  Schluß  erlaubt,  wie 
imter  verschiedenen  Umständen  der  Name  Jan  (Johann)  gesprochen  wurde 
(599).  Ursprünglich  war  d  sicherlich  lang  {Jan  aus  Joan,  wie  Jdchym  aus 
Joachim),  und  die  Länge  ist  teilweise  durch  Schreibungen  wie  Jaana, 
Jaan  verbürgt.  Heute  wird  der  Name,  wenn  allein  oder  an  zweiter  Stelle 
stehend,  wenigstens  in  Mittelböhmen  lang  gesprochen,  {to  je  Jdn  'das  ist 
Johann',  m«;  bratr  Jdn  'mein  Bruder  Johann');  ebenso  auch  in  der  Ver- 
bindung svafi/  Jdn  Kftitel  'Heil.  Johann  der  Täufer',  wo  es  wie  in  jenen 
Fällen  mit  vollem  Wortton  gesprochen  wird.  Dagegen  lautet  es  Jan,  steht 
es  vor  dem  Familiennamen  [Jan  Stonpa),  in  welchem  Fall  es  ohne  Ton, 
proklitisch  mit  dem  folgenden  Namen  verbunden  wird.  Man  darf  sich 
hiebei  nicht  durch  die  Schriftform  täuschen  lassen,  wo  die  Länge  als 
unrichtig  verpönt  wird.  Die  zweierlei  Quantität  wird  auch  durch  die 
Schriftsprache  bei  ^>aH  'Herr'  anerkannt,  wo  ganz  gleich  wie  dort  ge- 
sprochen wird  to  Je  pdn  'das  ist  der  Herr'  (oder  'ein  Herr'),  cisa?'  pdn 
'Kaiser  der  Herr'  (heißt  soviel  als  'der  Kaiser'),  ebenso  kntze  pdn  'der 
Fürst',  aber  pan  Stoupa  'Herr  St.',  ^:)a«  km'ze,  pan  hrabe  'Herr  Graf,  pan 
Josef  'Herr  Josef.  Überall  klingt  auch  ^wn  hier  proklitisch.  Ebenso  in  den 
übrigen  Kasus :  pdnu  oder  pdnovi  'dem  Herrn',  aber  panu  Stoujjovi  'dem 
Herrn  St.'  (im  Vokativ  spricht  man  dagegen  immer  kurz  pane,  wie  Jene).  In 
einer  Zeit,  wo  so  fleißig  die  Akzentverhältnisse  und  deren  allerhand  Folgen 
besprochen  werden,  mag  es  nicht  ungelegen  kommen,  wenn  wir  auf  diesen 
wohl  greifbaren  Fall  einer  Kürzung  in  Proklise  aufmerksam  machen.  Für 
ein  gewisses  Alter  dieser  vortonigen  Kürzung  mag  zeugen,  daß  die  Zu- 
sammenrückung pantdta  'Herr  Vater,  Hauswirt',  in  welcher,  nachdem  sie 
als  ein  Wort  behandelt  wird,  die  erste  Silbe  bereits  wieder  den  Ton  trägt, 
dennoch  die  Kürze  aufweist;  bei  pdmbu  'Herr  Gott'  (für  pdn  Büh)  ist  zu 
erinnern,  daß  2>(fn  in  dieser  Verbindung  immer  voUtönig  und  gleichzeitig 
lang  ist  (Gen.  pdna  Boha,  Dat.  pdnu  Bohu  usw.). 

Smichov  bei  Prag.  Josef  Zubaty. 


Schwela  G.  Lehrbuch  der  Niederwendischen  Sprache.  Erster  Teil :  Gram- 
matik. Otto  Ficker,  Verlagsbuchhandlung.  Heidelberg  1906.  IX  u.  103  S. 
in  8».    Preis  geh.  2,50,  geb.  2,80  M. 

Schon  längst  empfand  man  sowohl  in  den  Kreisen  derer,  die  die 
niederwendische  Sprache  praktisch  erlernen  wollten,  als  auch  in  den 
Reihen  derer,  die  sich  über  den  Charakter  des  Niederwendischen  und 
seine  Stellung  in  der  slavischen  Völkerfamilie  sowie  über  seine  Berührungen 
mit  der  es  umgebenden  deutschen  Sprache  leicht  und  schnell  zu  orien- 

1)  Man  vgl.  übrigens  z.  B.  dobude  sobi  kordbu  'er  verschaffte  sich 
ein  Schiff',  gleichfalls  in  der  fec  peknä  2a  (27  17),  was  doch  wohl  auch 
nur  ein  Aor.  sein  kann. 


Schwela   Lehrbuch  der  Niederwendischen  Sprache.  63 

tieren  wünschten,  immermehr  das  Bedürfnis  nach  einer  möglichst  kurz- 
gefaßten, den  modernen  Anforderungen  entsprechenden  praktischen  Gram- 
matik der  genannten  Sprache.  Die  für  ihre  Zeit  recht  gute  niederwendische 
Grammatik  von  Hauptmann  (Lübben  1761)  und  das  ganz  dürftige  'Kleine 
niederwendische  Lehrbuch'  von  Dahle  (Cottbus  1857)  sind  schon  längst 
vergrifTen  und  die  umfassende  'Laut-  und  Formenlehre  der  niederwendischen 
Sprache'  von  E.  Mucke  (Preisschrift  der  Fürstlich  Jablonowkischen  Ge- 
sellschaft. Leipzig  1891)  verfolgt  rein  sprachwissenschaftliche  Zwecke. 
Daher  muß  man  schon  deshalb  dem  Pastor  G.  Schwela  in  Cottbus  Dank 
wissen,  daß  er  sich  der  nicht  geringen  Mühe  unterzog  und  eine  prak- 
tische Grammatik  der  niederwendischen  Schriftsprache  verfaßte.  Das 
Schwelasche  Lehrbuch  ist  eine  in  jeder  Beziehung  reife  und  tüchtige 
Arbeit.  In  ihm  und  durch  dasselbe  wurde  nun  endlich  die  bisher  immer 
noch  schwankende  niederwendische  Orthographie  endgültig  normiert.  Der 
Stoff  ist  klar  und  übersichtlich  geordnet  und  in  vier  Teile  geghedert.  Im 
ersten  Teile  wird  auf  10  Seiten  die  Lautlehre  behandelt;  dies  mag 
wohl  für  diejenigen,  die  bereits  eine  slavische  Sprache  gründlich  kennen, 
als  ausreichend  erscheinen,  für  einen  Deutschen,  der  noch  keine  slavische 
Sprache  kennt,  wäre  jedoch  eine  etwas  eingehendere  Behandlung  gerade 
der  für  ihn  so  schwierigen  Materie  des  slavischen  Lautwandels  sehr  er- 
wünscht: dies  ließe  sich  bei  einer  2.  Auflage  leicht  nachholen.  Dagegen 
ist  die  Behandlung  der  drei  übrigen  Teile  als  in  jeder  Hinsicht  aus- 
reichend zu  bezeichnen.  Die  Formenlehre  als  der  wichtigste  Teil  um- 
faßt im  Ganzen  60  Seiten  und  behandelt  auf  S.  11—26  die  Deklination 
des  Nomen  substantivum  (Maskulina,  Feminina,  Neutra),  woran  sich 
auf  S.  27—43  die  Lehre  vom  Adjektivum,  Numerale  und  Pronomen  an- 
schließt, und  sodann  auf  S.  44— 72  die  Flexion  des  Verbums  (drei 
Konjugationen  nebst  vorausgeschickter  Lehre  vom  Praesens  und  In- 
finitivstamm, von  der  Bildvmg  und  dem  Gebrauch  der  Tempora  sowie  dem 
Gebrauch  des  persönlichen  Fürworts  und  der  Negation  und  mit  nach- 
folgender übersichtlicher  und  auch  für  den  Laien  leicht  faßhcher  Ein- 
teilung der  Zeitwörter  in  9  Konjugationsklassen);  im  Anschluß  daran 
werden  auf  S.  72 — 78  die  niederwendischen  Fügewörter  und  Partikeln 
(Präpositionen,  Adverbien,  Konjunktionen,  Interjektionen)  aufgezählt  und 
ihr  Gebrauch  besprochen.  Der  dritte  Teil  enthält  auf  S.  79—83  eine 
kurze,  aber  ausreichende  klare  Übersicht  über  die  Wortbildung  im 
Wendischen  (Bildung  der  Substantiva,  Adjektiva  und  Verba,  Bedeutung 
der  einzelnen  Bildungssilben  bei  der  Ableitung  sowie  der  Präfixe  bei 
der  Komposition)  und  der  vierte  Teil  bietet  auf  S.  84- — 103  eine  sehr 
geschickte  Satzlehre,  die  bloß  die  vom  Deutschen  abweichenden  Eigen- 
tümlichkeiten der  niederwendischen  Syntax  behandelt. 

Um  unser  Urteil  über  das  Buch  zum  Schluß  kurz  zusammenzufassen : 
Das  Schwelasche  Lehrbuch  der  niederwendischen  Sprache  ist  in  der  An- 
ordnung des  Stoffes  durchweg  klar  und  übersichtlich  und  in  der  Be- 
handlung desselben  den  wissenschaftlichen  Anforderungen  genügend  und 
für  seine  Zwecke  völlig  ausreichend.  Mit  einem  Worte,  es  ist  die  beste 
bisherige  praktische  Grammatik  der  wendischen  Sprache  und  verdient 
es  daher,  von  den  weitesten,  auch  wissenschaftlichen  Kreisen  beachtet 
und  gekauft  zu  werden. 

Freiberg  i.  S.  Dr.  E.  Mucke. 


64     Prellwitz  Etymologisches  Wörterbuch  der  Griechischen  Sprache. 

Prellwitz  W.  Etymologisches  Wörterbucli  der  Griechischen  Sprache.  2. 
verbesserte  Auflage.  Göttingen,  Vandenhoek  und  Ruprecht,  1905.  8**. 
XXIV  und  524  S.  Geheftet  M.  10—,  in  Halblederband  M.  11,60. 

Wie  seinerzeit  die  erste  Auflage  dieses  Buches,  so  kann  man  jetzt 
die  zweite  nur  mit  gemischten  Gefühlen  willkommen  heißen. 

Dieses  Wörterbuch  bezeichnete,  als  es  1892  in  erster  Auflage  er- 
schien, allerdings  einen  Fortschritt  über  die  älteren  etymologischen  Werke 
von  Curtius  und  Vanicek  hinaus,  und  wie  es  damals  das  beste  Werk  seiner 
Art  war,  d.  h.  dasjenige  Werk,  das  den  Anforderungen  seiner  Zeit  am 
meisten  gerecht  wurde,  so  ist  es  auch  jetzt  wieder,  trotz  Leo  Meyers 
vierbändigem  Handbuch  der  griechischen  Etymologie  (1901 — 1902),  das 
beste  derartige  Buch,  über  das  die  Sprachwissenschaft  verfügt. 

Nach  mehreren  Seiten  hin,  das  soll  unumwunden  anerkannt  sein, 
weist  diese  neue  Auflage,  die  gegen  die  erste  um  154  Seiten  vermehrt 
ist,  wesentliche  Verbesserungen  auf.  Den  meisten  Artikeln  sind  nunmehr 
Verweise  auf  die  wissenschaftliche  Literatur  zugefügt;  solche  Hinweise 
fehlten  ehedem  völlig.  Weiter  ist  eine  größere  Anzahl  neuer  Artikel  hinzu- 
gekommen mit  meist  jedenfalls  beachtenswerten  etymologischen  Deutungen. 
Endlich  hat  der  Verf.  — .  und  das  ist  die  Hauptsache  —  viele  von  den 
alten  Artikeln  zeitgemäß  umgestaltet,  indem  er  teils  frühere  Aufstellungen 
ausführlicher  und  besser  begründet,  teils  neben  der  einen  Deutung,  die 
er  früher  bot,  noch  diese  oder  jene  andere,  die  ebenfalls  Berücksichtigung 
verdient,  herangezogen,  teils  endlich  alte  verfehlte  Erklärungen  ganz  be- 
seitigt und  dafür  andere,  annehmbarere  eingeführt  hat. 

So  ist  denn  die  Bezeichnung  der  zweiten  Auflage  als  einer  Ver- 
besserten' im  Titel  des  Buches  unzweifelhaft  gerechtfertigt.  Aber  wie  das 
Buch  bei  seinem  ersten  Erscheinen  zu  recht  zahlreichen  und  erheblichen 
Ausstellungen  Anlaß  gegeben  hat  (vgl.  meine  Besprechung  in  diesem  Anz. 
4,  27  ff.),  so  ist  es  auch  in  seiner  neuen  Gestalt  nach  verschiedenen 
Richtungen  hin  leider  so  mangelhaft,  es  läßt  so  viele  von  den  Forderungen, 
die  man  heute  an  ein  solches  Werk  und  überhaupt  an  sprachwissen- 
schaftliche Arbeiten  zu  stellen  hat,  unerfüllt,  daß  der  Fachmann  an  ihm 
keine  rechte  Freude  haben  kann.  Gewiß,  dieses  griechische  etymologische 
Wörterbuch  ist  heute  das  beste,  das  wir  haben,  aber  darum  fehlt  uns 
doch  noch  ein  Werk,  wie  wir  es  brauchen,  wie  es  für  das  Lateinische 
uns  kürzlich  Walde  beschert  hat,  und  die  Hoffnung  ist  jetzt  um  so  mehr 
auf  baldiges  Erscheinen  der  in  Aussicht  gestellten  griechischen  Etymo- 
logica  von  Boisacq  und  von  Solmsen  gerichtet. 

Der  Verf.  tritt  im  Vorwort  bescheiden  genug  auf.  Das  Wörterbuch  soll 
weniger  den  Fachmann  belehren,  als  weiteren  Kreisen,  zunächst  natürlich 
den  klassischen  Philologen,  die  Ergebnisse  der  bisherigen  etymologischen 
Forschung  vermitteln.  Gerade  dieser  Zweck  des  Buches  aber,  daß  es  sich 
in  erster  Linie  an  Leute  wendet,  die  größtenteils  nur  halb-  oder  viertel- 


1)  Das  verspätete  Erscheinen  dieser  Besprechung  ist  dadurch  ver- 
anlaßt, daß  Ref.  die  Absicht  hatte,  zugleich  mit  P.'  Buch  das  längst  an- 
gekündigte und  für  1905  bestimmt  erwartete  Boisacqsche  griechische  ety- 
mologische Wörterbuch  hier  anzuzeigen.  Da  sich  nun  die  Herausgabe 
dieses  Werkes  durch  eigentümliche  Umstände  verzögert  hat  und  auch 
heute  noch  nicht  erfolgt  ist,  mag  Ref.  mit  der  Veröffenthchung  des  obigen 
Referats  nicht  noch  länger  zuwarten. 


Prellwitz   Etymologisches  Wörterbuch  der  Griechischen  Sprache.     65 

wegs  sachverständig  sind,  erheischt  gebieterisch,  daß  man  das  Unzuläng- 
liche an  der  Arbeit  unverblümt  als  solches  bezeichne. 

Bei  den  tausenderlei  Einzelheiten,  die  zu  Ausstellungen  Veran- 
lassung geben,  ist  es  mir  nicht  möglich,  mein  Urteil  allseitig  zu  be- 
gründen. Ich  kann  nur  ein  paar  Gruppen  von  UnvoUkommenheiten  her- 
vorheben und  für  jede  etliche  Beispiele  vorführen. 

Um  mit  Äußerlichem  zu  beginnen :  wie  die  erste  Auflage,  ist  die 
zweite  voller  Nachlässigkeiten  in  der  Schreibung  der  fremdsprachlichen 
Wörter.  Meistens  betrifft  es  dieselben  Wörter  in  beiden  Auflagen  zugleich, 
und  man  wundert  sich,  wie  dem  Verf.  bei  der  Korrektur  der  Neuauflage, 
die  er  doch  wohl  selber  besorgt  und  nicht  etwa  einem  unwissenden  Stu- 
denten übertragen  hat,  dieses  lässige  Behaben  der  1.  Auflage  hat  entgehen 
können.  So  ist  z.  B.,  wie  früher,  n  für  ti  gedruckt  in  ai.  rnöti  S.  54.  gi'iidmi 
108.  isndti  191,  Qir?näs  216,  ksanoti  248,  rindkti  264,  ür7ia  269,  hsinäti 
489.  Wie  früher,  t  für  t  in  astä,  aßtäu  327.  Wie  früher,  zieht  P.  vor,  für 
den  palatalen  Nasal  im  Ai.  bald  n,  bald  n,  bald  n  zu  verwenden,  z.  B. 
äncati  S.  4,  sincaiti  (so,  für  sincati,  auch  schon  in  der  1.  Aufl. !)  194.  unchati 
197,  gunjati  giinja-s  97,  känct  203,  und  die  neue  Aufl.  spendet  überdies 
noch  n :  udanc-  174^.  Für  den  Anusvara  bald  tri,  z.  B.  amhüs  S.  6,  darhsas 
114:,  vimcati  128,  bald  ih,  z.  B.  aihhas  69,  mämsd-m  293,  hamsa-s  harnst  506. 
Das  lange  e  ist  bald  e  bald  e  geschrieben,  wie  z.  B.,  dicht  nebeneinander, 
S.  248  kseti  und  ksdma-s,  271  lepa-s  und  lepana-m.  Im  Wortschluß  hinter 
i,  u  usw.  ad  libitum  -s  und  -$.  jenes  z.  B.  S.  71  gdti-s,  168  Di/aus,  194 
sädu-s.  264  reku-s,  dieses  z.  B.  S.  474  sünii-s  usw.  Auch  das  ist  bei  der 
Darstellung  des  Ai.  für  den  Anfänger  übel,  daß  in  der  Unterscheidung  von 
Stamm,  flektierter  Form  und  Indeklinabile  keine  Folgerichtigkeit  herrscht: 
so  erscheint  S.  6  amhüs,  71  gdti-s,  128  vtmgati  und  109  ddgan,  152  saptd. 
Wie  früher,  im  Got.  bald  p,  z.  B.  tunpus  S.  321,  bröpar  494,  bald  th,  z. 
B.  kilthei  110,  hethjö  240.  Wie  früher,  herrscht  ähnUche  Buntheit  im 
Awestischen  (der  Verf.  schreibt  meist  ab.,  d.  i.  altbaktrisch,  daneben  aber 
auch  aw.),  und,  wie  früher,  ist  wieder  geradezu  wüst  die  Akzentbezeichnung 
im  Litauischen.  Die  Lust  vergeht  einem,  auch  noch  dafür  Belege  aus- 
zuschreiben 1). 

Die  Etymologie  der  idg.  Sprachen  hat  in  neuerer  Zeit  mit  aus  dem 
Grunde  große  Fortschritte  gemacht,  weil  die  Forschung  es  einerseits  mit 
dem  internen  (sogen,  gesetzlichen)  Lautungswandel,  anderseits  mit 
den  Bedeutungsveränderungen  immer  genauer  nahm.  Indem  man  in 
beiden  Beziehungen  strengere  Anforderungen  stellte  als  ehedem  und  sich 
daraufhin  die  älteren  Etymologien  .schärfer  ansah,  kam  man  dazu,  viele 
von  diesen  zu  verwerfen.  Diese  Kritik  der  immer  sicherer  vorschreitenden 
Forschung  führte  oft  zu  neuen  Anknüpfungen,  und  diese  fanden  dann  zu- 
weilen noch  von  anderen  Seiten  her  erwünschteste  Bestätigung.  Ich  kann 
nicht  finden,  daß  P.  in  Miesen  beiden  Bichtungen  seit  der  1.  Aufl.  mit  der 
Zeit  vorwärts  gegangen  ist. 

Was  zunächst  den  Lautwandel  betrifft,  so  ignoriert  P.  immer 
noch  die  genaueren  Bestimmungen,  die  man  bezüglich  der  Vertretung  der 
uridg.  sogenannten   Gutturalreihen   im  Griechischen   und   anderwärts   an 


1)  [Belege  sind  jetzt  zu  finden  IF.  19,  208,  wo  Leskien  ebenfalls 

'eine  erstaunUche  Konfusion  in  der  Akzentuierung  der  lit.  Wörter'  bei  P. 
zu  beklagen  findet]. 

Anzeiger  XIX.  ^ 


66     Prelhvitz   Etymologisches  Wörterbuch  der  Griechischen  Sprache. 

der  Hand  zuverlässig  gedeuteten  Sprachmatcrials  zu  treffen  vermocht  hat. 
So  werden  S.  18  etymologisch  verknüpft  air^uj  und  aiKdlvj,  457  t^t^ov 
und  Tt^Kiaap,  175  iKrepoc  und  fitrap,  203.  236  KoiKKri  und  Koirpoc  (beide  zu 
ai.  föA-/t  Qdha-m),  369  f.  Kivucöai  und  ttivutöc  (zu  aX.ci-),  456  axpaKToc 
und  xepTTi-Kdpauvoc  (zu  lat.  torqueo)  *),  353  irapGevoc  und  lat.  virgo,  378 
TTOivi'i  Tivu)  und  lat.  j)oena,  das  als  echt  lateinisches  Wort  auftritt  (!).  390 
TTÜT'I  ^iiid  Ißtt.  güfcJia.  Charakteristisch  ist  auch  die  Bemerkung  S.  71  "für 
ßejLi  =  ai.  gam  [neben  ßaxöc  usw.]  gibt  es  keinen  Anhalt',  als  wenn  ßein 
und  gam  als  die  lautgesetzlichen  Fortsetzungen  von  uridg.  gVem-  (oder, 
wie  P.  schreibt,  gern)  überhaupt  zu  erwarten  wären.  Ferner  wird  FicFoc 
i'coc  S.  199  als  ursprüngliches  *uisuo-s,  vöcoc  S.  315  als  ursprüngliches 
*7iosuo-s  gedeutet,  während  nach  S.  306  ein  ursprüngliches  *vacFoc  zu  vööc 
vedjc  geführt  haben  soll;  nur  die  letztere  Herleitung  ist  zulässig.  dWäc 
soll  aus  *anslia  entstanden  sein,  das  zunächst  zu  *anlia  geworden  sei 
S.  27.  Andere  Fälle  von  seltsamen  Beurteilungen  der  griech.  Lautverhält- 
nisse, wo  es  aber  nicht  auf  die  dargebotene  etymologische  Anknüpfung 
ankommt,  sind  beispielsweise  die  folgenden.  Uridg.  ü  soll  durch  ou  ver- 
treten sein  in  ouBap  und  in  oup^uj  S.  344,  dagegen  durch  ü  z.  B.  in  ußoc 
ößöc  S.  473.  ßpoTÖc  wird  S.  85  gleich  uridg.  *mrto-s  gesetzt,  boiöc  ist  nach 
S.  119  identisch  mit  ai.  dvai/d-s,  aksl.  dvojt.  f][bc  wird  S.  167  auf  *aücujc, 
statt  auf  *äücujc,  zurückgeführt.  Für  eIXap  wird  S.  129  *d-F\Fap,  für  dvv- 
f||uap  S.  145  *^vFv-  vorausgesetzt.  In  allen  solchen  Fällen  wäre  wenigstens 
ein  kurzes  Wort  der  Erläuterung,  wieso  nämlich  der  Verf.  diese  lautge- 
schichtlichen Ansätze  für  zulässig  hält,  erforderlich  gewesen.  Der  Raum 
dafür  war  leicht  zu  beschaffen,  da  viele  Artikel  überflüssiges  Beiwerk  ent- 
halten, namentlich  die  verwandten  Wörter  aus  andern  Sprachen  öfters 
unnötig  gehäuft  sind  (z.  B.  war  es  in  diesem  Buch  höchst  überflüssig, 
neben  dem  litauischen  Ausdruck  auch  noch  den  genau  entsprechenden 
des  Lettischen  zu  setzen,  wie  S.  266  neben  szii-dh  Itlszta,  455  neben  troba). 

Kaum  weniger  zahlreich  sind  die  Annahmen  eines  ungerechtfertigten 
und  unwahrscheinlichen  Bedeutungswandels.  Dahin  gehört  z.  B.  die 
neue,  nicht  aus  der  1.  Aufl.  herübergenommene,  Deutung  von  vöcoc  als 
'Heimsuchung',  zu  veoinai  vöctoc,  S.  315  f.  Der  Gebrauch  der  Wortsippe 
v^O|Liai  und  der  aus  andern  Sprachen  dazugehörigen  Wörter  (ai.  ndsate  'er 
gesellt  sich  zu',  got.  ga-nisan  'genesen,  gerettet  werden')  paßt  zu  der  Be- 
deutung von  vöcoc  wie  die  Faust  aufs  Auge ;  dazu  kommt  noch,  um  diese 
Etymologie  als  vollends  abenteuerlich  erscheinen  zu  lassen,  die  oben  be- 
rührte formantische  Schwierigkeit.  Neu  erscheint  in  dieser  2.  Aufl.  ferner 
S.  324  die  Verbindung  von  o\x\  \üi\kr\  (oiäTäv  •  KuuinriTOJv),  bei  dem  absolut 
nichts  auf  Wasser  hindeutet,  mit  ahd.  auwia  outva  'Wasserland'  aisl.  ey 
0>j  'Insel';  trotz  F.,  der  diese  Gleichsetzung  schon  in  Bursians  Jahresb.  106 
(1900)  S.  108  vorgetragen  hat,  wird  jedermann  bei  dem  völlig  einwand- 
freien und  fast  selbstverständlich  erscheinenden  Anschluß  von  outra  an 
got.  aha  stehen  bleiben;  der  natürlich  jede  Beziehung  zu  oirj  ausschließt^). 
Andere  Beispiele  mag  man  aus  dem  Folgenden  entnehmen. 

P.  ist  darauf  aus,  möglichst  viele  Wortformen  als  alte  Komposita 


1)  ÜTpaKTOc  und  torqueo  sind  bekanntlich  nur  so  zu  vermitteln,  daß 
man  das  u  (m)  von  torqueo  als  formantisches  Element  ablöst.  Dann  paßt 
aber  TepiTi-  nicht  dazu. 

2)  Was   berechtigt  P.,  Batävia,   Scadinävia  (mit  c)   zu   schreiben? 


Prellwitz  Etymologisches  Wörterbuch  der  Griechischen  Sprache.      67 

zu  erweisen.  Dabei  kommen  zumteil  die  wunderbarsten  Dinge  zu  Tag '). 
So  ist  der  Verf.  immer  noch  nicht  von  seiner  berüchtigten  Etymologie 
Troi|ur|v  aus  iroT  und  lu^va',  ursprünglich  'der  dabei  (beim  Vieh)  bleibende', 
losgekommen  S.  378^).  Freilich  ist  er  jetzt  nicht  mehr  so  zuversichtlich 
wie  früher,  denn  es  wird  jetzt  die  Wahl  zwischen  dieser  Herkunft  und 
der  Verwandtschaft  mit  ttülju  gelassen,  und  diese  Verwandtschaft  hat  jetzt 
sogar  den  Vortritt.  —  102:  bär]p,  aus  *baiFrip,  ai.  devdr-  usw.  sei  viel- 
leicht ein  altes  Kompositum,  'Teilhaber  (baiouai)  an  der  Herrschaft  und 
dem  Schutz  (t'ipavoc,  f)pa)'.  —  174:  r\\jii-  lat.  semi-  sei  vielleicht  sei  'lassen' 
(i'riiai)  und  mi  'tauschen,  wechseln'.  —  316:  vuH  lat.  nox,  uridg.  *noqt  sei 
vielleicht  'das  Nicht-sehen',  n-oqt;  daß  man  wenigstens  *^n-oqt  (griech. 
*otvuS  usw.)  erwarten  müßte,  stört  P.  nicht.  —  463:  xoXinäv  könne  als 
Wurzelkompositum  von  to\  in  xXfivai  und  i^a  in  ^aiuduu  betrachtet  werden. 
Soll  nun  dieselbe  Wurzel  |Lia  auch  etwa  in  öpiiir)  'Andrang',  ttuyi^ii  'Faust- 
kampf', 6h\xf\  'Geruch',  XoEpinri  'Kampflust,  Kampf  usw.  enthalten  sein?!  — 
13 :  aif\r\  sei  ai-,  Grundlage  von  ai'Guj,  und  fXä,  zu  Y^XdiJU ,  Wz.  §el 
'glänzen'.  —  343:  ou6ap  ai.  üdhar  enthalte  Wz.  ue:  ü  'feucht  sein',  und 
im  2.  Teil  könnte  man  Wz.  dhere  'tragen'  vermuten,  wobei  die  «(-Flexion 
(ai.  Gen.  üdhn-as)  Ergebnis  uralter  Analogiebildung  sein  müßte.  —  294: 
(ariTi-exa  enthalte  *ceTa  'Sender',  irniii.  Daß  lurixiexa  neben  lurixio^ai  steht 
wie  vaiexduu  neben  vaiuu,  Kaiexä  böot.  ('Minze',  eigentl.  'Brenner,  Ätzer') 
neben  Kaiuu,  eux€xäo|uai  neben  euxofaai  usw.,  und  daß  diese  formantisch 
von  ^\ex6c  ai.  bharatd-s  usw.  nicht  zu  trennen  sind,  geniert  P.  nicht.  — 
182 :  BepätTUDv  soll  aus  Akk.  Sg.  *96pa  =  *dhenn  'das  Halten,  Tragen'  und 
TTovx-,  Part,  von  pö-  'schützen,  acht  haben',  bestehen.  Eine  schöne  Be- 
schäftigung, die  hiernach  den  BepdTTOvxec  dereinst  zufiel !  ^)  Ein  gleich- 
artiger Akk.  wird  S.  184  gesucht  in  Giacoc  GidZiuu  cidbec,  deren  erster  Teil 
Gia-  =  ai.  Akk.  dhtyam  'Andacht'  sein  soll,  während  das  darauf  folgende 
b-Element  die  Wz.  (^ö-  'dare'  sei.  —  257:  \an|Jripöc  sei  *\a-aivpripöc,  zu 
Xfifioi  'Wille'  und  ainjripöc  'schnell'.  —  Man  muß  wünschen,  daß  Benutzer 
des  Buches,  die  der  Indogermanistik  ferner  stehen,  den  gegenwärtigen 
Stand  der  etymologischen  Disziplin  bei  den  Indogermanisten  nicht  nach 
diesen  Abenteuerlichkeiten  des  Verfassers  abschätze. 

Schon  in  der  1.  Aufl.  vermisste  man  vielerorten  Ausnützung  der 
damals  vorliegenden  sprachwissenschaftlichen  Literatur.  Dasselbe  gilt  von 
der  neuen  Auflage.  Bei  den  in  mehreren  Richtungen  ganz  eigentümlichen 


1)  Nur  vereinzelt  passiert  es  unserm  Kompositenjäger,  daß  er  etwas, 
was  wirklich  ein  Kompositum  ist,  fälschlich  für  ein  Simplex  ausgibt.  Wie 
in  der  1.  Aufl.,  wird  bXKä  mit  weißruss.  poln.  ale  'aber'  verglichen  S.  26, 
obwohl  dieses  klärlich  Erweiterung  von  a  'aber'  durch  die  Partikel  le  ist. 

2)  Zugefügt  ist  'S.  dx|Liriv'.  Dieser  Artikel  fehlt  aber  in  der  Neu- 
bearbeitung. Der  Zusatz  ist  mithin  versehentlich  aus  der  1.  Aufl.  mit  her- 
übergewandert. In  dieser  hieß  es,  d.T\xr\v  'Knecht,  Diener'  sei  dx  =  lit. 
at- +  ^riv:  laevuj.  Hat  die  2.  Aufl.  den  Beibleiber  dx|Liriv  glücklich  ver- 
schwinden lassen,  so  wird  die  künftige  dritte  hoffentlich  auch  den  Bei- 
bleiber TToi|Liriv  verabschieden. 

3i  Natürhch  kann  -ttovx-  in  diesem  Wort  kein  altes  Part,  gewesen 
3ein.  Gepäirvi-),  Gepdiraiva  weisen  auf  alten  «-Stamm,  und  die  vx-Flexion 
von  Gepd-iTuuv  war  sekundär.  Vorbild  für  diese  Flexion  waren  die  begriffs- 
verwandten Kpeiujv,  laebujv  inebeuuv,  dpxiwv  u.  a. 


68     Prellwilz   Etymologisches  Wörterbuch  der  Griechischen  Sprache. 

Anschauungen  des  Verfassers  ist  es  freilich  oft  unklar,  ob  ihm  etwas  ent- 
gangen ist,  oder  ob  er  geglaubt  hat  es  ignorieren  zu  sollen.  Namentlich 
vermisst  man.  in  vielen  Dutzenden  von  Artikeln,  Berücksichtigung  dessen, 
was  in  den  allerletzten  Jahren  vor  dem  Erscheinen  der  2.  Aufl.  von  andern 
Sprachforschern  veröffentlicht  worden  ist.  Zumteil  mag  das  freilich  damit 
zusammenhängen,  daß,  wie  es  im  Vorwort  heißt,  Ausarbeitung  und  Druck 
der  neuen  Auflage  sich  bei  der  amtlichen  Tätigkeit  des  Verfassers  'über 
einen  ziemlichen  Zeitraum'  erstreckt  haben.  So  mögen  denn  nur  etliche 
Beispiele  der  Nichtbenutzung  von  solchem  angeführt  sein,  was  schon  vor 
1903  veröffentlicht  worden  ist  und  eine  andere  Fassung  des  betreffenden 
Artikels  hätte  veranlassen  müssen.  S.  6  f.  107.  114-  ist  bei  d-banc  nicht 
berücksichtigt,  daß  das  dem  bi^vea  zugrunde  liegende  *bavcea  sehr  wohl 
für  *bevc€C-  {-=  ai.  däsas-)  hat  eintreten  können,  indem  nach  *bac-  ^=  *dns- 
a  für  6  eintrat  (Verf.  Griech.  Gramm.^  122.  126).  —  S.  9.  191  wird  iauuu 
auf  *i-ausö  zurückgeführt.  Daß  vielmehr  von  *iaF-luu  auszugehen  ist,  hätte 
P.  aus  Schulze  Quaest.  ep.  71  ersehen  müssen  (vgl.  dazu  IF.  15.  90).  Daß 
Schulze  an  der  späteren  Stelle  S.  191  genannt  wird,  ändert  hieran  nichts. 
—  S.  48.  Bei  dTTToeTrr)C  vermißt  man  Berücksichtigung  von  Wackernagel 
BB.  4,  283  (vgl.  auch  Eulenburg  IF.  15,  162).  —  S.  80  ist  verkannt,  daß 
ßö\iTov  aus  ßöXßiTov  entstanden  ist,  s.  Angermann  Die  Erschein,  der 
Dissim.  im  Griech.  32,  Kretschmer  Vaseninschr.  232.  —  S.  90.  Für  Yacxnp 
kennt  F.  keine  annehmbare  Deutung.  Eine  solche  findet  sich  IF.  11,  272  f. 
(vgl.  Walde  Lat.  etym.  Wtb.  656).  —  S.  108.  Der  Deutung,  die  P.  von 
öbeTva  gibt,  ist  bei  weitem  vorzuziehen  Solmsens  Erklärung  von  xabeTva 
als  *Tdbe  eva  'dies  (und)  jenes'  KZ.  31,  475  fr.  (vgl.  Verf.  Demonstrativ- 
pron.  90.  133).  —  S.  111.  Lesb.  Aivvo^evric  wird  mit  beivöc  verknüpft. 
Das  Richtige  bei  Fick-Bechtel  Personenn.^  100  f.  —  S.  133.  eicuj  sei  als 
*dvTiuü  mit  lett.  tkscha  'Inneres'  zu  verbinden.  Die  Unrichtigkeit  dieser 
an  sich  schon  recht  fragwürdigen  Zusammenstellung  war  aus  Leskien 
Bild.  d.  Nom.  544  zu  ersehen,  eicuj  ecuu  erklären  sich  als  speziell  grie- 
chische Bildungen  ebenso  einfach  wie  eEu).  —  S.  134.  Daß  das  über  den 
Akzent  von  ^KTTobdiv,  ^.u-rrobubv  Gesagte  nicht  stichhaltig  ist,  konnte  aus 
Danielsson  Gramm,  u.  etym.  Stud.  1,  13,  Streitberg  IF.  6,  339  ff.,  Verf. 
Griech.  Gramm. ^  227  entnommen  werden.  Auch  ist  unerweislich,  daß 
^lUTTobdiv  erst  als  Gegensatz  zu  ^Kiroböiv  gebildet  worden  ist,  s.  Verf. 
a.  a.  0.  395.  —  S.  145.  Für  die  Frage,  die  P.  an  die  Herleitung  von  ^viiTri 
aus  ev  und  oqV^-  'sehen'  knüpft:  "Aber  kann  'Verweis'  als  (drohendes) 
Ansehen  aufgefaßt  werden?"  wäre  IF.  12,  31  zu  verwerten  gewesen.  — 
S.  152.  Bei  eTTÜJxaTo  ist  Wackernagel  Nachr.  d.  Gott.  Ges.  d.  W.  1902  S.  737  fr. 
übersehen.  —  S.  214.  Die  unter  KeKdbovTO  gegebene  Zusammenstellung 
von  lat.  cado  und  cedo  ist  aller  Wahrscheinlichkeit  nach  verfehlt.  S.  Thurn- 
eysen  KZ.  32,  567  ff.,  Verf.  IF.  13,  84  ff.,  Walde  a.  a.  0.  109  f.  —  S.  307. 
Die  Ableitung  der  Form  veäviäc  von  vedv  ist  unrichtig,  s.  Griech.  Gramm." 
368.  —  S.  368.  Für  irOriKoc,  mit  dem  P.  nichts  anzufangen  weiß,  hat 
Solmsen  Rhein.  Mus.  53,  141  eine  sehr  glaubhafte  Deutung  gefunden  (zum 
lat.  Adj.  foedus).  —  S.  387.  Was  *pran-ediom  als  Grundlage  von  lat. 
pran-ditim  sein  soll,  ist  nicht  einzusehen.  Haltbar  dagegen  ist  Osthoffs 
Erklärung  aus  *pram-ediom,  besser  *präm-,  zu  lit.  pirmas  (s.  Verf.  Grundr. 
2'  S.  467,  Kurze  vergl.  Gramm.  132,  Walde  Lat.  etym.  Wtb.  488).  —  S.  388. 
Das  Bedenkliche  der  von  mir  herrührenden  und  von  P.  schon  in  der  1.  Aufl. 
angenommenen  Zurückführung   von  irpöiToc  TTpäToc  auf   *TrpujF-oToc  hat 


Prellwitz  Etymologisches  Wörterbuch  der  Griechischen  Sprache.     69 

Eulenburg  IF.  15,  142  gezeigt.  (Die  Grundlage  war  vielmehr  *TTpoFoc  == 
*pro-uo-s,  zu  got.  frauja  as.  fj-ao,  Kurze  vgl.  Gramm.  777).  —  S.  475.  Hom. 
ÜTteip  wird  wieder  fälschlich  auf  *UTrepi  zurückgeführt  trotz  Schulze 
Quaest.  ep.  220.  224.  —  S.  480.  Zu  qpaivuu  wird  wiederum  trotz  Bartholomae 
lat.  festus  feriae  gestellt,  s.  die  Literatur  darüber  bei  Walde  a.  a.  0.  206  f. 

—  S.  485.   Bei  qpepicxoc  mußte  Delbrück  IF.  14,  46  ff.  herangezogen  werden. 

Noch  einige  andere  Ausstellungen  verschiedener  Art  mögen  folgen. 

—  S.  40.  Daß  ävexjiiöc  in  dem  d-  ursprüngliches  *s7ii-  enthalte,  ist  nicht 
glaublich.  Die  Bedeutung  weist  nicht  auf  den  Begriff  'mit,  zusammen'  hin, 
d-  für  zu  erwartendes  d-  ist  ungerechtfertigt,  und  ein  aw.  napti/a-  N. 
TamiUe'  (P.  schreibt  naptija-,  ein  aus  der  1.  Aufl.  geduldig  übernommener 
Druckfehler)  ist  nicht  nachgewiesen  (s.  Bartholomae  Altiran.  Wtb.  1040. 
1045).  —  S.  73.  ßdvaucoc  soll  mit  der  Nebenform  ßauvacoc  aus  *ßaiJvaucoc 
(ßaövoc  und  aüuu :  Ofenheizer)  entstanden  sein  durch  einesteils  regressiv, 
andernteils  progressiv  verlaufene  Dis.similation.  Daß  zu  dieser  Art  von 
Dissimilation  aus  dem  Griechischen  ein  Analogon  nicht  beizubringen  ist 
(mir  wenigstens  ist  keines  bekannt),  mag  hingehen.  Bedenklicher  ist,  daß 
auuj,  das  ursprünglich  'schöpfen,  entnehmen,  holen'  bedeutet  hat  und 
(aucli  von  F.)  mit  lat.  haurio  zusammengebracht  wird  (s.  Osthoff  Perf.  486 ff.), 
TfOp  u.  dgl.  als  Objekt  hat,  aber  nicht  den  Herd  oder  dgl.  Bei  unbefangener 
Betrachtung  wird  man  die  Form  ßauvacoc,  die  nur  aus  späterer  Zeit 
überliefert  ist  (Herodian  I  209,  5.  214,  7.  II  388,  30),  für  eine  einerseits 
durch  ßaövoc,  anderseits  durch  Nomina  agentis  wie  T^\acoc,  KÖiuTTacoc 
Kpaü-facoc  veranlaßte  sogenannte  volksetymologische  Umgestaltung  des 
älteren  ßdvaucoc  halten.  Dann  ist  aber  die  Etymologie  des  Verfassers 
unmöglich.  —  S.  103.  Die  von  P.  beanstandete  Deutung  von  bai-cppuuv 
als  verständigen  Sinnes'  ist  untadehg.  hdi-  zu  ai.  dasrä-s,  wie  Kübi-dveipa 
zu  Kübpöc  usw.  (s.  die  Literaturangaben  bei  Verf.  Grundr.  2*,  1,  78).  — 
S.  121.  Wegen  der  seltsamen  Lautverbindung  in  *bpFioc,  das  als  Grund- 
form von  bpioc  angesetzt  wird,  wäre  mindestens  ein  Hinweis  auf  Osthoff 
Et.  Par.  1,  156  ff.  am  Platz  gewesen.  —  S.  144.  Da  P.  an  seiner  Deutung 
von  dviauTÖc  als  auf  ^vi  aÖTUj  =  ^v  tlü  auxuJ  beruhend  {'der  Tag  des 
Sichbefmdens  auf  demselben  Punkt')  festhält,  deren  Unwahrscheinlichkeit 
ich  IF.  15.  87  ff.  glaube  dargetan  zu  haben,  so  mag  zu  meiner  Darlegung 
nachgetragen  sein,  daß  auch  die  Weglassung  des  Artikels  von  P.  nicht 
gerechtfertigt  worden  ist.  Wegen  der  Homerstellen,  wo  aÜTÖc  angeblich 
'ebenderselbe'  ist  (Progr.  von  Bartenstein  1895  S.  7),  s.  Wackernagel 
KZ.  33,  14f.  —  S.  151.  Da  P.  für  e-rtiTribeioc  auf  meinen  Grundr.  2»,  684 
verweist,  wo  noch  die  alte  Herleitung  von  im  xdbe  gegeben  ist  (ä  wäre 
noch  die  ursprüngliche  Vokallänge  im  Nom.  Akk.  PI.  des  N.),  so  gestatte 
ich  mir  auf  meine  Schrift  Die  Demonstrativpron.  140  ff.  zu  verweisen. 
Hier  glaube  ich  richtiger  an  das  hom.  fiboc,  das  von  iiboiaai  ganz  zu 
trennen  ist,  angeknüpft  zu  haben.  P.  vergleicht  osk.  tadait,  dem  er  die 
Bedeutung  'für  geeignet  erachten'  beilegt.  Dieser  Sinn  ist  aber  von  P. 
dieser  Form  offenbar  nur  zugesprochen,  um  sie  mit  ^TTirribeioc  zusammen- 
bringen zu  können.  In  den  Zusammenhang  der  Stelle,  wo  tadait  vor- 
kommt, paßt  er  nicht,  nur  die  Bedeutung  'censeat'  ist  angängig.  —  S.  210. 
dvbpoKdc  sei  =  Kar'  dvbpa  und  -Kac  entspreche  genau  dem  ai.  -gas. 
Gleich  darauf  aber  heißt  es,  -Kac  stehe  für  *KaT-c.  Wie  reimt  sich  das? 
—  S.  218.  Lesb.  cikoictoc  zwinge  zur  Zurückführung  von  xpiäKocTÖc  auf 
*TpiäKovT-TÖ-c.  Durchaus  nicht.  Lesb.  -koictoc  und  att.  -koctoc  entsprechen 


70     Prclhvitz   Etymologisches  Wörterbuch  clor  Griechischen  Sprache. 

einander  lautlich  nicht,  -koctoc  war  bereits  urgriechisch  und  kann  aus 
*-KovcToc  entstanden,  kann  aber  auch  Umbildung  von  *-KütCToc  (o  nach 
-Kovra)  sein.  Das  lesb.  -koictoc  weist  allerdings  auf  *-kovctoc,  dies  aber 
muß  nach  bekanntem  Lautgesetz  einzeldialektische  Neuerung  sein,  natürlich 
nach  -Kovxa.  S.  jetzt  auch  Bück  Class.  Rev.  1905  S.  242  ff.  —  S.  363. 
irepiüjciov  'übermäßig'  soll  als  *TTepi-FLUTiov  ein  dem  got.  wods  'besessen' 
entsprechendes  Wort  bergen.  Näher  liegt,  daß  -mcio-  formantische  Er- 
weiterung war,  von  einem  *TTepio-c  (vgl.  dvrioc  :  ävti  u.  dgl.)  aus,  vgl. 
^Tujcioc  von  dTÖc,  'OpGojcioc  (öpBaiciä)  von  öpBöc  u.  a.  Hier  tritt  wiederum 
des  Verfassers  Art  entgegen,  daß  er  die  Wortformen  isoliert  betrachtet, 
statt  sie  zunächst  mit  andern  Wortformen  desselben  Gepräges  in  Ver- 
gleich zu  stellen.  —  S.  497.  Vom  homer.  9u\ottic  -iboc  wird  vermutet, 
es  stehe  für  *q3Ü\o-\oTnc  'den  Stamm  lichtend,  verderbend',  zu  Xe-rro).  Ja, 
wenn  \eTTUj  das  hieße!  Nicht  schlechter  ist  übrigens  diese  Etymologie, 
ja  immer  noch  besser  als  die  kürzlich  von  Breal  versuchte  (Mem,  de  la 
Soc.  de  1.  13,  105):  dieser  sucht  ebenfalls  qpOXov  darin,  der  zweite  Teil 
sei  die  Wurzel  ött-  'sehen',  die  aber  hier  nur  'un  role  presque  expletif 
spiele.  Hierunter  kann  ich  wenigstens  mir  nichts  vorstellen.  Muß  denn 
nun  durchaus  cpu\ov  oder  qpöXr]  in  qpuXoTric  enthalten  sein')?  Mit  Recht 
wird  im  Ebelingschen  Lexikon  darauf  hingewiesen,  daß  das  Wort  vielleicht 
einmal  nur  'turba  atque  tumultus'  bedeutet  habe.  Dafür  sprechen  be- 
sonders A  65  ^\9eiv  ^c  TpüJUJv  ical  'AxauJüv  cpüXoTnv  aivrjv,  wo  von  Kampf 
gar  nicht  die  Rede,  sondern  mit  La  Roche  etwa  Tolksgetümmel'  zu  über- 
setzen ist,  und  \  314,  cpuXötnba  CTi^ceiv  TToXudiKOC  troXeiaoio.  Die  be- 
sondere Beziehung  auf  Schlacht  und  Kampf  wäre  hiernach  sekundär, 
gleichwie  bei  cpXoicßoc,  ursprünglich  'Brandung,  Brausen',  bei  öuTXoc,  ur- 
sprünglich 'Zusammendrängen,  Gedränge',  auch  bei  iröXei-ioc,  das  zu 
iTeXe,uiZ;uu  'ich  erschüttere,  mache  erbeben'  gehört  (dazu  russ.  polöch  'Auf- 
ruhr, Lärm,  Tumult,  Wirrwarr'  nach  Solmsen  PBrB.  27,  364).  Hinzu 
kommt,  daß  die  Anfangssilbe  von  qpuXoTrib-  sehr  wohl  nur  metrisch 
lang  gewesen  sein  kann.  So  möchte  ich  glauben,  daß  anzuknüpfen  ist 
an  TTOiacpöXuE  'Wasserblase'  -rroiacpoXijIuu  'hervorsprudeln'  oder  an  qpXüuu 
'wallen,  sprudeln'  cpXubduu  'überfließen',  qpüXXov  'Blatt'  (vom  Schwellen 
benannt)  u.  dgl.  (vgl.  was  P.  unter  cpX^uj  zusammenstellt);  bei  letzterer 
Verknüpfung  vergliche  sich  das  zu  tiimeo  gehörige  lat.  fiimulfus,  das  ur- 
sprünglich 'Schwall'  war.  qpüXoTnc  bestünde  hiernach  aus  der  Basis  qpuXoTr- 
und  dem  Formans  -ib-  (vgl.  epib-,  öirib-  usw.). 

Ich  schließe  diese  Anzeige  mit  denselben  Worten,  mit  denen  ich 
die  der  1.  Aufl.  geschlossen  habe:  Nicht  um  zu  nörgeln,  haben  wir,  was 
wir  an  dem  Buch  des  talentvollen  Verf.  auszusetzen  finden,  vorgebracht, 
sondern  einesteils,  um  dem  Fernerstehenden  Vorsicht  bei  seiner  Be- 
nutzung ans  Herz  zu  legen,  andernteils  in  der  Hoffnung,  unsere  Monita 
werden  dazu  beitragen,  daß  einer  neuen  Auflage  die  wünschenswerte 
verbesserte  Gestalt  zuteil  werde. 

Leipzig.  K.  Brugmann. 


1)  qjuXoTTic  wird  auch  als  cpOXov  +  öip  'Stimme'  und  als  'Stammes- 
Arbeit'  (zu  lat.  opus)  gedeutet. 


Hungerland  Das  wissensch.  Studium  d.  deutschen  Sprache  u.  Literatur.    71 

Hungerland  H.  Das  wissenschaftliche  Studium  der  deutschen  Sprache  und 
Literatur.  Ein  Wegweiser  für  Studierende.  Lund  Gleerup,  Heidelberg 
Ficker  1906.  45  S.  kl.  S».  1,12  M. 

Der  Verfasser,  Lektor  der  deutschen  Sprache  an  der  Universität 
Lund,  hat  im  Frühjahr  1906  eine  kurze  Einführung  in  das  wissenschaft- 
liche Studium  der  deutschen  Sprache  in  der  Skandinavisk  Mänadsrevy 
veröffentlicht.  Wiederholt  geäußerte  Wünsche  seiner  Zuhörer  und  An- 
regungen von  Kollegen  haben  ihn  dann  veranlaßt,  die  Zusammenstellung  in 
erweiterter  und  bequemerer  Form  weitern  Kreisen  zugänglich  zu  machen. 
Was  Vietor  für  die  englische,  Koschwitz  für  die  französische  Sprache 
geleistet  haben,  will  er  für  die  deutsche  versuchen.  Sein  Schriftchen  soll 
einen  Kanon  von  Werken  bieten,  der  die  besten  und  notwendigsten  Hilfs- 
mittel für  ein  rationelles  wissenschaftliches  Studium  des  Deutschen  aus 
der  überreichen  Fülle  der  Publikationen  hervorhebt.  Daß  hierbei  nur  die 
neuesten  Auflagen  in  Betracht  kommen,  betont  der  Verfasser  ausdrücklich. 
Hätte  er  sich  nur  mit  diesen  begnügt !  Aber  sein  Eifer,  das  Allerneueste 
zu  bringen,  läßt  ihn  die  scharfe  Grenze  zwischen  Gegenwart  und  Zukunft 
übersehn,  legt  ihm  Urteile  über  Bücher  in  den  Mund,  die  noch  gar  nicht 
geschrieben,  geschweige  denn  erschienen  sind. 

Gleich  im  ersten  Abschnitt  müssen  wir  lesen :  "auf  das  Elementar- 
buch der  Exp  er  im  entalphonetik  von  A.  Mein  et  und  R.  Gauthiot  in 
Streitbergs  Sammlung  germanischer  Elementar-  und  Handbücher 
sei  außerdem  noch  empfehlend  hingewiesen".  Das  Buch  ist  zwar  ange- 
zeigt worden,  bis  zu  seinem  Erscheinen  wird  jedoch  noch  einige  Zeit 
vergehn.  Auch  das  Althochdeutsche  Elementarbuch  meiner  Samm- 
lung kann  nicht  für  Vorgerücktere  'in  Betracht  kommen',  aus  dem  ein- 
fachen Grunde,  weil  es  gar  nicht  existiert.  Ganz  das  nämliche  gilt  von 
Leitzmanns  frühmittelhochdeutschem  Lesebuch  und  von  dem 
mittelhochdeutschen  Übungsbuch  von  C.  v.  Kraus  :  auch  sie  haben 
das  Licht  der  Welt  noch  nicht  erblickt.  Sehr  schmeichelhaft  für  den 
Autor  wie  für  den  Herausgeber  wäre  es  ohne  Zweifel,  daß  Hungerland 
Jellineks  Einleitung  in  das  Studium  des  Neuhochdeutschen  als 
\imfangreichere  Darstellung'  'ganz  besonders  empfiehlt',  wenn  das  Buch 
nur  vorhanden  wäre.  Auch  auf  die  verscliiedenen  etymologischen  Wörter- 
bücher meiner  Sammlung  werden  die  Schüler  Hungerlands  noch  ein 
Weilchen  zu  warten  haben,  während  ihr  Lehrer  die  Werke  schon  zu 
kennen  scheint. 

Für  das  Studium  der  alt-  und  mittelhochdeutschen  Literaturgeschichte 
empfiehlt  der  Verfasser  in  erster  Linie  die  Darstellungen  in  Pauls  Grundriß; 
dann  fährt  er  wörtlich  fort :  "Weniger  umfangreiche  vorzügliche  und  eben- 
falls auf  der  Höhe  der  Forschung  stehende  VVerkchen  sind  dann:  Grundriß 
der  althochdeutschen  und  altsächsischen  Literaturgeschichte 
von  E.  S t e i n m e y e r  und  Grundriß  der  mittelhochdeutschen  Lite- 
raturgeschichte von  C.  Kraus".  Entschieden,  Hungerland  muß  mit  dem 
zweiten  Gesicht  begabt  sein,  seine  Kenntnisse  haben  etwas  geradezu  un- 
heimliches. 

Weniger  genau  als  über  die  noch  nicht  erschienenen  Bücher  ist 
Hungerland  leider  über  die  bereits  erschienenen  orientiert.  Sonst  könnte 
er  den  Anfänger  nicht  durch  seinen  Wegweiser  auf  Wilhelms  U bis  bösen 
Holzweg  locken,  indem  er  dem  Büchlein  über  Entstehung  und  Ent- 
wicklung unserer  Muttersprache  nachrühmt,   es  vereinige   die  Er- 


72  Mitteilungen. 

gebnisse  sprachpsychologisch-lautphysiologisclier  und  philologisch-histori- 
scher Forschung  in  gedrängtester  Form  Wie  es  um  diese  'Ergebnisse'  be- 
stellt ist,  habe  ich  in  Nr.  73  der  Beilage  zur  Allgemeinen  Zeitung  vom 
29.  März  1906  zu  zeigen  versucht.  Wenn  irgendwo,  wäre  hier  eine  recht 
deutliche  Warnungstafel  am  Platze !  Und  wenn  der  Verfasser  Prof.  Dr. 
C.  Beyer-Boppards  Einführung  in  die  Geschichte  der  deutschen 
Literatur  als  'bequemes  kleines  Nachschlagebuch'  empfiehlt,  so  kann  er 
den  dicken  Band,  das  Erzeugnis  des  krassesten  Dilettantismus,  nie  vor 
Augen  gehabt  haben,  sonst  wäre  alles  eher  als  eine  Empfehlung  zu  er- 
warten gewesen.    Ob  die  Schriften  'Goedeckes'  je  zu  ihm  gedrungen  sind? 

Ich  breche  ab.  Das  Gesagte  charakterisiert  das  Heftchen  hin- 
länglich. 

Münster  W.  Wil  heim  Streitberg. 


Mitteilungen. 
Georg  Curtiiis-Stiftimg. 

Der  vorjährige  Zinsertrag  der  Curtius-Stiftung  ist  Herrn  Dr.  Karl 
Meister  verliehen  worden  als  Preis  für  seine  Doktorschrift  'Der  syn- 
taktische Gebrauch  des  Genetivs  in  den  kretischen  Dialektinschriften'. 

Das  Kuratorium : 

Dr.  K.  Brugmann.        Dr.  H.  Lipsius.       Dr.  R.  Meister. 


Zeuß-Feier. 


In  Bamberg  wurde  am  21.  Juli  1906  der  hundertste  Geburtstag  des 
genialen  Begründers  der  germanischen  Völkerkunde  und  der  keltischen 
Grammatik  festlich  begangen.  Prof.  Dürrwächter  gab  ein  Lebensbild 
des  genialen  Forschers,  Prof.  Kuno  Meyer  würdigte  ihn  als  Grammatiker. 


Personalien. 


Prof.  A.  Meillet  ist  als  Nachfolger  M.  Breals   zum  Professor  am 
College  de  France  ernannt  worden. 


Saga-Syntax. 

(Vorläufige  Mitteilung.) 

Der  Unterzeichnete  bereitet  eine  ausführliche  Syntax  der  altislän- 
dischen Prosa  vor. 

Wilhelm   Streitbers. 


p 

501 
Bd.  19 


Indogermanische  Forschungen 


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