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ZEITSCHRIFT
FÜR
INDÖGmMAMSCHE SPRACH- UND ALTERTUMSKUNDE
HERAUSGEGEBEN
VON
KARL BRÜGMANN und WILHELM STREITBERG
\ 9 S- Q-i
DREIUNDDREISSIGSTER BAND
STßASSBURG
VERLAG VON KARL J. TRÜBNER
1913/14.
501
3^.33
U. DttUont Schaab«rg, Straflburff.
Inhalt.
Seite
R. Blümel Der Ursprung des griechischen Bereichsakkusativs und
anderes 1
J. Endzelin Zu den kurischen Bestandteilen des Lettischen . . 96
J. Endzelin Weiteres zu den lettischen Intonationen 104
J. Endzelin Miszellen 119
E. Loch Elliptisches xaöTa in Grabinschriften 128
J. Scheftelowitz Das Schicksal der indogermanischen Laut-
gruppe zg 133
R. G. Kent Lateinisches POVERO puero' 169
C. C. Uhlenbeck Baskisch und Indogermanisch 171
K. Brugmann Die gotische Partikel -uh, -h 173
W. Frhr. v. d. Osten-Sacken Berichtigungen und Ergänzungen
zu Waldes Lateinischem Etymologischem Wörterbuch, 2. Auf-
lage, aus dem Gebiet der Sla%-istik und Lituanistik 181
K. Brugmann Der gotische Genitivus Pluralis auf -e 272
K. Brugmann Gotisch usstagg 'stich aus' 284
V. Grienberger Die altlateinische Inschrift von Lucera .... 285
A. Thumb Ist das Junglakonische eine künstliche Sprache? . . . 294
K. Brugmann Zur nominalen Stammbildung der germanischen
Sprachen 300
B. Schmidt Ganz 313
K. Brugmann Die griechischen Desiderativa auf -ceiuiv nebst
Keiuiv 332
A. Kock Zur Frzige nach dem Suffix der Participia Passivi alt-
nordischer starker Verba 337
E. W. Fay Word-Studies 351
N. van Wijk Das indogermanische Wort für 'Ameise' 367
E. Prokosch Die Stabilität des germanischen Konsonantensystems 377
F. Knauer Zur i?us»-Frage 394
R. Günther Griechische Miszellen 407
N. Jokl Katun 420
E. Hermann Noch einmal das Junglakonische 433
A. Thumb Antwort . 434
A. Zimmermann Erwiderung 435
Druckfehler 437
Sachregister 438
Wortregister 443
R. Blümel, Der Ursprung des griechischen Bereichsakkusativs u. a. 1
Der Ursprung des griechischen Bereichsakknsatiys
und anderes.
Brugmann = Bnigmann Der sogenannte Akkusativ der Be-
ziehung im Arischen, Griechischen, Lateinischen, Germa-
nischen. IT. 27, 121 ff.
Brugmann-Thumb = Brugmann und Thumb Griechische
Grammatik^.
Delbrück = Delbrück Vergleichende Syntax der indoger-
manischen Sprachen. Erster Teil.
Kieckers = Kieckers Zum Accusativus limitationis im Grie-
chischen, IF. 30, 361 ff.
1. Syntaktische Vorbemerkungen.
Bevor ich auf die eigentliche Erörterung eingehe, habe
ich die syntaktische Gliederung darzulegen, soweit daran
Akkusative beteiligt sind, die hier unmittelbar oder mittelbar
in Betracht kommen. Auch das Passiv ist neben dem Aktiv
heranzuziehen.
Zunächst einige Worte zu dem Ausdruck Verwandlung
aus dem Aktiv ins Passiv und zu der Anschauung, daß ge-
wisse Akkusative im Passiv 'stehen bleiben', zum Unter-
schied von andern, welche 'Nominative werden'. Delbrücks^)
und noch mehr Brugmanns Ableitung des Bereichsakkusativs
aus dem Akkusativ des 'Teilobjekts' beruht ja im letzten Grunde
auf der Anschauung, daß dieser Akkusativ des Teilobjekts im
Passiv stehen bleibe.
Sogenannte Verwandlung des transitiven Aktivs ins
Passiv. In vielen — aber nicht in allen! — Fällen kann ein
und derselbe Tatbestand aktiven oder passiven Ausdruck finden.
Im allgemeinen ist die aktive Ausdrucks weise die zu nächst-
liegende (dabei wirken auch die aktiven Sätze als Muster mit,
die kein Passiv haben). Im ganzen, wird man annehmen dür-
fen, sind die aktiven Sätze mit transitivem Verbum häufiger
Anmerkung zur Überschrift. Bereichsakkusativ: Diese Be-
zeichnung schlage ich vor statt der bisherigen: Bezugs-, Beziehungs-
akkusativ.
1) Genaueres Abschnitt 7.
Indogermanische Forschungen XXXIII. 1
2 R. Blümel,
als die passiven. (Nachdem dies niedergeschrieben war, zählte
ich in Goethes Novelle die Belege für transitives Aktiv und
Passiv, bei beiden auch die Nominalformeu des Yerbs. Wen-
dungen wie achtgeben, sich wundern, blieben bei Seite, ebenso
Verben mit Infinitiv vt\q wollen, müssen, dagegen nicht Verben
wie glauben mit abhängigen Sätzen.
Transitives Aktiv 415 = 87,7 Vo
Passiv 58 = 12,3 o/o).
Der Gebrauch des Passivs 'steht' also nach dem eben Ge-
sagten hinter dem des Aktivs 'zurück*.
Außerdem ist das Passiv jünger als das Aktiv.
Aber es gibt einen wesentlichen Unterschied zwischen
Aktiv und Passiv, welcher zeigt, daß der Ausdruck 'Verwand-
lung* nicht am Platze ist.
Der Inhalt, welcher den Urheber usw. bedeutet (im Ak-
tiv das Subjekt, im Passiv mit von im Dativ usw.) muß im
aktiven Satz enthalten sein (wenn man von so schwierigen Sätzen
absieht wie mich friert; in Sätzen wie amo te, qpiXui ce ist er
enthalten); im passiven Satz kann dieser Urheberinhalt ent-
halten sein. (Insofern spielt er syntaktisch im Aktiv eine ganz
andere Rolle als im Passiv, dadurch ist der ganze Satzcharakter
verschieden.) Es gibt denn auch passive Sätze ohne den Satz-
teil, welcher im Aktiv Subjekt wäre : Er wurde im letzten Kriege
am Oberarm leicht verwundet; ßeßXrjTai... dpiCTOC Axaiujv E 103,
vgl. Ich bin getroff en\ — Nachdem das griech. Passiv aus dem
Medium erwachsen ist, ist das Passiv mit Angabe des Urhebers
jünger als das Passiv ohne Angabe des Urhebers; der mediale
Satz hatte diese Angabe naturgemäß nicht, also auch nicht die
aus den medialen Sätzen erwachsenen ersten passiven.
Es gibt also Fälle, wo dem Passiv kein Aktiv entspricht,
wo also das Passiv nicht aus dem Aktiv 'verwandelt' sein kann.
Am besten betrachtet man Aktiv und Passiv als zwei 'fer-
tige* Gebrauchsweisen mit ähnlicher Bedeutung, die miteinander
in Wettbewerb treten können, ähnlich wie sympathetischer Dativ
und Possessivpronomen oder Genetiv (Havers Untersuchungen
zur Kasussyntax der indogermanischen Sprachen S. 1 ff.) Bei
genauerem Zusehen wird es sich wahrscheinlich ergeben, daß
sich die Gebrauchsweisen von Aktiv und Passiv überhaupt nicht
80 genau entsprechen.
Der Ursprung des griechischen Bereichsakkusativs und anderes. 3
Welcher Kasus entspricht nun im Passiv dem
zweiten Akkusativ des Aktivs? Das läßt sich erkennen aus
dem Funktionsverhältnis der beiden im Aktiv akkusativischen
Satzteile, (wobei natürlich die Funktion aufs Passiv zu beziehen
ist) und zwar ohne Zuhilfenahme des Aktivs. Gegeben ist das
grammatische passive Subjekt, (unter Umständen) auch der In-
halt, der den Urheber usw. bedeutet Bei allen übrigen Satz-
teilen ist die Frage zu erheben, ob sie zufolge ihrer Funktion
und ihrer Eigenbedeutung neben dem passiven Subjekt als wei-
terer Subjektsnominativ (ferner überhaupt: als Nominativ) stehen
können oder nicht. Dabei vergleiche ich den deutschen passi-
ven Satz mit einem andern, der einen dem passiven Yerb be-
deutungsähnlichen Ausdruck enthält (besonders das Verbum sein
4- prädikatives Adjektiv) i).
Möglich ist das zweite Subjekt neben dem ersten in
folgenden Fällen: 1) — 3):
1) Der König wurde verwundet^ {war h'ank), der Herrscher
(Variation).
2) Agamemnon wurde verwundet, [war krank) ^ der König
oder: Der König wurde verwundet, {war krank), Agamemnon,
wenn die Apposition (hier: der nachgestellte Satzteil) auch
in (selbständiger) Beziehung zum Prädikat steht. Steht der zweite
Satzteil nur zum ersten in Beziehung, so ist der zweite kein
Subjekt, und es liegt Kongruenz vor. — In der Verbindung
Nastasja zototaja kosa {N., golden das Haar) haben wir einen
Satz {zototaja kosa) oder schon Kongruenz mit dem Eigennamen,
vgl. Brugmann S. 139 f. Vielleicht gibt es die eben anter 2)
genannte Übergangsstufe.
3) Unser Hausdach wurde beschädigt, {ist schadhaft), der
toesüiche Teil (Sog. Verbindung des Ganzen und des Teils,
vgl. S. 7), d. h. wenn hier ein Passiv möglich ist. Dagegen
4) Er icird der lange Michel getuinnt {Er heißt der lange
Michel). Hier ist der lange Michel Prädikatsnominativ, hat
also eine andere Funktion als der Subjektsnominativ.
Unmöglich sind dann ferner 5) bis 8) usw.:
5) *lKa^idvbpioc AcTuctvaE KaXeiiai, iTriKXricic, es muß
heißen dmKXriav (^TriKXriav öe auni h Kpnvn KaXeexai f|Xiou, He-
rodot 4, 181).
1) Dieser Vergleich ist an sich nicht notwendig. Er dient hier dazu,
einen ähnlichen Fall einzuführen, bei dem niemand an das Aktiv denken wird.
4 R. Blümel,
6) *KaXXi>axoc öiödcKerai, f\ Tew^expia oder *f\ xeiuiie-
Tpia biödcKCTai, KaXXl^axoc. Hieher die Verben des Lehrens,
Yerheimlichens, Fragens, Forderns, Antuns, Beraubens, soweit
diese zwei Objektsakkusative bei sich haben, ebenso die Akku-
sative neben einem Passivsubjekt, dem im Aktiv ein Dativ- oder
Genetivobjekt entspricht, z. B. oi . . . ^iriTeTpamnevoi rfiv cpuXaKnv,
Brugmann S. 127 f. 128. Anm. — Es kommt sogar vor, daß ein
Objektsakkusativ neben einem unpersönlichen Passiv steht : Also
immer wird Teppiche geklopft
7) *ßeßXriai, Keveüüv, statt des Bereichsakkusativs Keveuivou
8) usw. : alle übrigen Fälle von Akkusativ, der nicht Ob-
jekt ist, Dativ, Genetiv usw. ohne oder mit Präpositionen.
Ich komme also ohne die Anschauung durch, daß unter
Umständen ein Akkusativ stehen bleibe, und zwar weil er
im entsprechenden aktiven Satz 'Nebenobjekt' sei, während
das 'Hauptobjekt' passives Subjekt werde. (Brugmann S. 125
unten f.).
In den Fällen 1) — 3) Vertragen sich' zwei Subjekte
nebeneinander, in den Fällen 4) und folgende dagegen nicht,
und zwar weder im Passiv noch in andern etwa entsprechenden
Fällen. (Bei Yerben wie lehren, die unter 6) fallen, bestimmt
jedes der zwei Objekte eine andere Bedeutungsseite des Verbs,
das persönliche die Seite unterrichten, das sächliche die Seite
vortragen] man wird sicher sagen dürfen, daß im Aktiv wie
im Passiv eine dieser Seiten 'überwiegt', und daß demnach im
Passiv jenachdem die Person oder das Fach Subjekt wird.) Für
den Inhalt, der nicht Subjekt werden kann, tritt die Funktion
ein, welche das betreffende Verb (Adjektiv usw.) verlangt, dabei
ist genannt werden KaXeicGat appellari an sein eivai esse, (nennen)
KoXeiv creare an Verba wie machen angeschlossen, soweit dabei
nicht ein absoluter Kasus steht, Paul Prinzipien * S. 305.
Auf diese Weise erfassen wir die syntaktische Beziehung
des betreffenden Kasus zu seinem passiven Verb usw. aus dem
passiven Satz heraus ohne Zuhilfenahme des Aktivs und ent-
gehen der Gefahr, dehnbare Begriffe wie 'Unterordnung' des
einen Akkusativs unter den andern einzuführen. Von einem
'Stehenbleiben' eines Akkusativs im Passiv kann ja schon des-
halb nicht die Rede sein, weil die dazu notwendige Voraus-
setzung nicht zutrifft, daß das Passiv aus dem Aktiv ver-
wandelt sei
Der Ursprung des griechischen Bereichsakkusativs und anderes. 5
Syntaktische Gliederung im Aktiv, etwaige syn-
taktische Beziehung, etwaiges nichtsyntaktisches Be-
deutungsverhältnis der beiden Akkusativinhalte.
1. Variation des Objektsakkusativs {Er 'hat den König
ettnordet, den Herrscher.)
Jeder Akkusativ als Objekt in syntaktischer Beziehung
zum Verbum, beide ^) nur stilistisch im Bedeutungs Verhältnis,
nicht syntaktisch in (unmittelbarer) Beziehung ; beide Ausdrücke
stellen nur verschiedene Seiten 6ines Gegenstandsinhalts dar
(freie AViederholung.)
Die Objektsbeziehungen sind nach Art und Grenauigkeit
gleich.
Passiv: Zwei Subjektsnominative.
2. (Griechische) Appositionsgruppe als Objektsakkusativ
(Beispiele für den Nominativ 'Oöuceuc AaepTictönc, ava£ dvbpujv
ÄTaiiCjavcuv).
Die beiden Inhalte bilden einen Satzteil, wir haben also
(zunächst) 6ine syntaktische Beziehung des Gruppenkerns zum
Yerbum. Der andere Akkusativ ist (zunächst nur) die Bestimmung
des Gruppenkerns und steht als solche mit ihm in Kongruenz.
Aus den beiden Inhalten der Appositionsgruppe kann ein Satz
mit Nominalsubjekt, eivai und Nominalprädikat gebildet werden
{Odysseus ist der Laertiade^ Agamemnon ist der Herrscher der
Männer), die syntaktische Beziehung von Kern und Bestimmung
in der Appositionsgruppe ist aber viel enger als die von Nominal-
subjekt und Nominalprädikat (auch enger als die von Akkusativ-
objekt und prädikativem Akkusativ). Kern und Bestimmung
stellen also, was syntaktische Beziehung betrifft, im Gegensatz
zur Variation zwei Inhalte in unmittelbarer syntaktischer Be-
ziehung dar. Was das Bedeutungsverhältnis betrifft, so geben
beide zusammen die genaue Bezeichnung, handelt es sich bei
der Variation um Erzielung genauerer Bezeichnung, so ersetzt
die genauere die ungenauere, oder die beiden nähern sich
(einzeln) der Bedeutung, die dem Redenden vorschwebt. — Die
Variation kann, wie gesagt, auch mehr Glieder umfassen als
zwei, in der Appositionsgruppe haben wir immer eine Zweiheit
(selbst in den verwickeltsten nhd. Bildungen, z. B. Geheimer
Hofrat ordentlicher öffentlicher Universitätsprofessor Doktor
1) Die Variation kann auch mehr Glieder umfassen als zwei.
6 R. Blümel,
Heinrich Müller. Es 'schließen sich* allmählich an: Heinrich
an Müller \ Doktor an Heinrich Müller-^ ordentlicher öffent-
licher Universitätsprofessor an Doktor Heinrich Müller-, Geheimer
Hofrat an ordentlicher öffentlicher Universitätsprofessor Doktor
Heinrich Müller).
Daneben (anderer Fall) kann namentlich der nachge-
tragene zweite Akkusativ als Objekt vom Verbum abhängen.
In diesem Falle haben wir zwei syntaktische Beziehungen von
Verb und Objekt, die nach Art und Genauigkeit gleich sind,
sonst nur eines.
Passiv: Zwei ]^ominative, der eine Subjekt, der andere
ist kongruierende Bestimmung, daneben (im andern Fall) zweites
Subjekt.
3. Akkusativobjekt und prädikatives Akkusativ-
objekt.
Jedes Objekt vom Verbum abhängig, das erste verhält
sich zum zweiten wie Nominalsubjekt zu Nominalprädikat, sie
bilden aber keine Gruppe unter sich wie die Bestandteile der
Appositionsgruppe.
Zwei verschiedenartige, gleich genaue syntaktische Be-
ziehungen von Objekt zu Verbum, die Beziehung des prädikativen
Objekts ist ausdrücklich in Hinsicht auf die Beziehung des
andern Akkusativs zum Verb ausgesprochen.
Passiv: Subjekts- und Prädikatsnominativ.
4. Doppelter Objektsakkusativ bei Verben wie
lehren., verheimlichen., einem etwas antun., fragen., for-
dern., berauben.
Zwei syntaktische Beziehungen von Objekt zu Verbum,
die beiden Objekte sind ihrer Bedeutung nach verschieden
("Person', *Sache') sie stehen unter sich in keiner unmittelbaren
syntaktischen Beziehung.
Die syntaktischen Beziehungen von Objekt zu Verbum
betreffen je eine andre Seite der Verbbedeutung, sie sind ver-
schiedenartig, an Genauigkeit gleich.
Passiv: 6in Subjektsnominativ, meist der 'persönliche',
der andere Inhalt Objektsakkusativ.
övo^d21ouci C6 övo^a 'Oöucda vereinigt 3. und 4. : övojia
<ivo^d2;u) . . . wie {einem) etiras antun.
Passiv: o» ö' övoiadir) "Obucceuc 6vo\ia: cu Subjekts-,
*Obucc€uc Prädikatsnominativ, 6vo)ia Akkusativobjekt
Der Ursprung des griechischen Bereichsakkusativs und anderes. 7
5. Gruppe zweier oder mehrerer syntaktischer
Beziehungen von Yerb zu Akkusativobjekt. Das Be-
deutungsverhältnis der Akkusativinhalte ist: Ganzes und Teil;
Menge und Einzelner; Gegenstand und was ihm anhaftet oder
was von ihm ausgeht u. a.
Keine unmittelbare syntaktische Beziehung der Akkusativ-
Inhalte^). Beide Beziehungen von Yerb zu Objekt gleichartig,
die erste wird durch die zweite bestimmt, erst dadurch wird
die Zusammenstellung genauer. Ton der Variation ist diese
Erscheinung dadurch verschieden, daß sie keine Wiederholung,
sondern etwas Xeues bringt.
Wenn das Passiv vorkommt: zwei Subjektsnominative.
6. Akkusativ des Bereichs (vorkommend neben finiten
und Nominalformen — wohl auch Infinitiv — ti'ansitiver — auch
passiver ! — und intransitiver Verben, Adjektiven, selten neben
prädikativen Substantiven und Verb + Adverb.
Die syntaktische Gliedening ist, soweit sie das Akkusativ-
objekt angeht: Verb — Objekt, soweit sie den Akkusativ des
Bereichs betrifft : Ganzer übriger Satzinhalt — bestimmt durch
den Akkusativ des Bereichs, \u9puj öe iraXdcceTo xtip«c ddirrouc :
daß er mit Mordblut besudelt war, gilt von den unnahbaren
Händen. Im engeren Raum einer Gruppe wie TTÖÖac ujkuc
AxiXXeuc gut Entsprechendes : daß Achilleus schnell ist, gilt von
(seinen) Füßen 2).
Innerhalb dieses Bereichs tut eine Person etwas, oder es
widerfährt ihr etwas, oder sie besitzt eine Eigenschaft, oder sie
betätigt sich (mit Körperteilen, seelischen Vermögen, auf ge-
wissen Gebieten, diese stehen im Akkusativ).
Der Akkusativ des Bereichs steht nach allem eben Ge-
sagten in engster Verwandtschaft mit gewissen örtlichen Be-
stimmungen, ist aber vom Akkusativobjekt wesentlich verschieden.
Passiv: Akkusativ des Bereichs.
7. Verbindungen wie a) TTOTainöc Kubvoc övo)ua und b)
Nastasja zototaja kosa^) enthalten ursprünglich einen Nebensatz,
1) Unmittelbare syntaktische Beziehung dagegen in nhd. Apposi-
tionsgruppen wie München — Laim , Sachsen — Meiningen. Sie gehören
nicht hieher.
2) Ähnlich verhält es sich, wenn der Bereichsakkusativ bei einem
attributivprädikativen Adjektiv steht, z. B. P 541 f.
3) Hier ist vom Nominativ auszugehen.
8 R Blümel,
der als Ganzes Kubvoc bzw. Nastasja bestimmt In dem Neben-
satz ist Kubvoc bzw. Nastasja Subjekt, övo|ia bzw. zoiotaja Prä-
dikat. Über weitere Entwicklung von övoina s. Abschn. 3, S. 19 ff.,
övoMa bleibt dann Prädikatsnominativ, zototaja kosa kongruiert
dann mit Xastasja. Kuövoc kann dabei im Objektsakkusativ stehen,
Nastasja auch in andern Kasus.
8. 1. Die Kosten für die Reise abgerechnet bleiben
mir noch hundert Mark.
2. Er stand da, die Hände auf dem Rücken; Er stand
da, die Hände auf den Rücken gelegt (Akkusativ, vgl. Er
stand du, den rechten Fuß fest aufgestemmt).
3. Ein Wagen rasselte heran, der Fuhrmann oben. Die-
sen nebensatzähnlichen Gebilden ist gemeinsam, daß sie durch
die syntaktische Gliederung dem ganzen übrigen Satzinhalt als
Ganzes gegenüber stehen. Die Kosten für die Reise abgerechnet
ist absoluter Akkusativ ; die hier zu behandelnden Bestimmungen
des 2. und 3. Satzes stehen auch, und zwar als Ganzes, in Be-
ziehung zu einem andern Satzteil desselben Satzes. Diese Be-
ziehung ist im 2. Falle derart, daß die Bestimmung prädikatives
Attribut ist. Das prädikative Attribut kann sich im Nhd. auf
das Subjekt beziehen, vgl. 2., auch auf ein Akkusativobjekt, vgl.
Sie schleppten ihn mit sich fort, die Hände auf den Rücken ge-
bunden. Außerdem ist in 2. und 3. eine Beziehung des Akku-
sativs die Hände, den Fuß oder Nominativs der Fuhrmann auf
einen Satzteil vorhanden, gewöhnlich auf das Subjekt, in 2. auf
er, in 3. auf Wagen. Nach dieser Beziehung regelt sich der
Kasus, Akkusativ oder seltener Nominativ. — Die Gliederung
von Sätzen mit dem Bereichsakkusativ ist ganz anderer Art;
z. B. Tuöeuc . . . iLiiKpöc . . . ^nv be^ac E 801, Tydeus war klein, und
das gilt von seinem Körperbau, das = daß Tydeus klein war.
Unter Umständen steht auch der Bereichsakkusativ in einem
attributivprädikativen Satzteil: äv b' auTÖc Ißaive nöbac Kai
XCipac uTT£p6£v I al^aTÖelc P 541 f., vgl. deutsch: Er schwang
sidi auf den Wagen, Hände und Füße blutig. Aber im Grie-
chischen ist die Anschauung: Er ist blutig im Bereich der
Hände und Füße, im Deutschen: Hände und Füße sind blutig.
Ganz wörtlich, natürlich ganz ungriechisch, müßte die Über-
setzung aus dem Deutschen lauten: . . . nöbac kqi X'ipac al^a-
TÖevTQC. D. h. im Griechischen ist das Adjektiv usw., im Deut-
schen der Akkusativ übergeordnet. Das ist sehr wohl zu be-
Der Ursprung des griechischen Bereichsakkusativs und anderes. 9
achten, wenn man mit Cauer (Brugmann S. 123) die griechische
Erscheinung mit Hilfe der deutschen in der Schule oder in der
Vorlesung erklären will. — Was das Bedeutungsverhältnis
des Akkusativs in 2. zu jenem andern Satzteil und das Bedeu-
tungsverhältnis des Bereichsakkusativs zu einem entsprechenden
Inhalt betrifft, so kommen im Deutschen neben Körperteilen
der betr. Person ihre Kleidungsstücke und Waffen vor, im
Griechischen wahrscheinlich nicht {den Hut in der Hand, die
Lanzen gefällt). Vgl. Er saß da, ein Buch in der Hand. Sätze
wie unter 2. haben auch eine ganz andere Bedeutung dieser
nebensatzähnlichen Bestimmung, es handelt sich sehr viel um
äußerliche Haltung, z. T. mit Ausdruck der Stimmung, {die Augen
voU Tränen) dann auch bloß um Stimmung {den Kopf voll
Sorgen). Erschöpft ist damit der Bedeutungsumfang noch nicht.
Der Unterschied aller dieser syntaktischen Verbindungen
wird auch dadurch klar, daß man sich fragt: Inwiefern ist
ein Satz unvollkommen, dem eine der genannten syn-
taktischen Beziehungen abgeht?
Syntaktisch fehlt dem Satze nichts, wenn ein Satzteü nicht
variiert ist, es handelt sich hier um ein etwaiges stilistisches
Bedürfnis, das stilistisch befriedigt wird.
Ob die Apposition notwendig ist oder nicht, das ist eine
Frage, welche die Bedeutungsverhältnisse der Gruppe angeht,
und die zunächst dadurch entschieden wird, daß der eine Aus-
druck zur Bezeichnung der Person usw. genügt oder nicht (also
ein wesentlich stilistisches Bedürfnis, aber befriedigt durch ein
syntaktisches Mittel).
Haben wir syntaktische Beziehung eines Verbs zu zwei
Akkusativobjekten, so ist darnach zu scheiden, ob Art oder
Genauigkeit verschieden ist.
Je mehr man von der besondern Bedeutung eines Objekts
Abstand nimmt (weil es sich von selbst versteht, z. B, daz ors
enbeizen, oder sehr viele Inhalte zur Verfügung stehen, aber
keiner ausgewählt wird, z. B. Ein solches Wort kränkt) je nach-
dem kann die syntaktische Beziehung schwinden. Sind die syn-
taktischen Beziehungen nach der Art verschieden, so ist im
allgemeinen jede einzeln zu behandeln, besondere Erwähnung
verdient das prädikative Objekt. Hier ist auch die Frage, ob
das andere Objekt neben seinem Verbum allein ohne den
prädikatartigen Inhalt auskommen kann. Vielleicht ist möglich
10 R. Blümel,
eiXovTo TTepiKXea = Ihre Wahl traf den Perikles, CTpairiYOV ia
diesem Falle schon vorher erwähnt, nur die Tatsache der Er-
wählung des Perikles kommt in Betracht, aber wohl nie ^noincav
TTepiKXea, — Prädikatives Objekt ohne anderes Objekt ist dagegen
undenkbar. eiXovro crparriTOV heißt nicht Sie wählten zum Feld-
herrn, sondern Sie wählten einen Feldherm. — Besonders leicht
fällt es wohl, Verba wie lehrm usw. mit 6inem Objekt zu ver-
binden, dann tritt nur die 6ine Seite der Verbbedeutung hervor.
Die Bestimmung einer ungenauen Zusammenstellung
zwischen Verb und Objekt durch eine gleichartige genauere
ist wieder stilistisches Bedürfnis, das syntaktisch befriedigt wird.
Man kann sich drei und noch mehr syntaktische Beziehungen
zusammengestellt denken : Er traf ihn, seinen Kopf, die Stirn,
die Stelle über dem linken Auge. Aber die syntaktische Be-
ziehung der einzelnen Objekte zum Verbum ist, sobald sie vor-
liegt, so unauflöslich wie jede andere derartige syntaktische
Beziehung.
Mit den oben erwähnten Einschränkungen ist das Akku-
sativobjekt immer 'notwendig' als Bestimmung, der Akkusativ
des Bereichs dagegen nicht, er ist eine sogenannte 'freie* Be-
stimmung. 'Freie' Bestimmung heißt genau genommen nicht:
entbehrliche Bestimmung. Wenn ich in einem Reiseberichte
erzähle: In München regnete es fürchterlich., so will ich ja
gerade von dem Münchner Wetter erzählen, das ich hatte
(ich brauche deswegen in München nicht zu betonen). Dagegen
ist (unter andern Voraussetzungen!) ein anderer Satz möglich,
der alle Inhalte enthält wie der erwähnte {In München regnete
es fürchterlich) mit Ausnahme des einen in München : Es regnete
fürchterlich. Dagegen kann ich einem Satze wie Ich war vier
Jahre in München keinen entgegenstellen, der lauten müßte:
Ich war vier Jahre. Also in diesem Sinne nenne ich den Satz-
teil in München in dem ersten Satze {In München regnete es
fürchterlich) eine freie, im zweiten {Ich war vier Jahre in
München) eine notwendige Bestimmung. Insofern ist also der
Objektsakkusativ als Bestimmung notwendig, der Bereichsakku-
sativ frei, also auch insofern gewissen Ortsbestimmungen ähnlich.
Frei sind auch Bestimmungen wie die Kosten abgrrechnet, die
Hände auf dem Rücken, der Fiüirmann oben. Einem Satz, dem
der Bereichsakkusativ *fehlt', geht jedoch etwas anderes ab als
eioem, dem eine dieser drei Bestimmungen 'fehlt'.
Der Ursprung des griechischen Bereichsakkusativs und anderes. 11
Freie Bestimmungea sind auch Küövoc övo|üia, Xastasja
zoiotaja kosa, aber attributiv.
Im einzelnen habe ich noch zu bemerken:
1. es ist nicht richtig, überall von Apposition oder Appo-
sitionsgruppen zu sprechen, wo Gleichheit des Kasus vorliegt
(die durchaus nicht Kongruenz zu sein braucht !) und wo keine
andere Bezeichnung, wie z. B. Objekt und prädikatives Objekt
vorliegt.
2) Die Bezeichnung Akkusativ usw. des Ganzen und des
Teils geht nur auf das nichtsyntaktische Verhältnis der Be-
deutungen der beiden Inhalte, enthält aber keinen Hinweis
auf syntaktische Beziehungen (die ja viel verwickelter sind, als
es diese Bezeichnung ahnen läßt). Es gibt ganz entsprechende
syntaktische Beziehungen, wenn die beiden Inhalte in anderem
Bedeutungsverhältnis stehen, fürs Griechische: Menge und
Einzelner: oi öe KXfjpov ecruLiqvavTo e'Kacxoc H 175. Anderseits
können ganz andere syntaktische Beziehungen bestehen, wenn
das Bedeutungsverhältnis des Ganzen und des Teils zwischen
zwei Inhalten im gleichen Kasus besteht: (das Szepter) rrepi
Tctp pa k xoXköc eXeniC j q)uXXa xe Kai q)Xoiöv A 236 f. und noch
deutlicher ^piveöv öEei xaXKuJ [ Tdjive veouc öpTrriKac <t> 37 f. (Die
syntaktische Gliederung ist die der Terba mit doppeltem Akku-
sativ, wie berauben.)
La Roche, der Akkusativ im Homer, (S. 326) ist noch
nicht zu dem höheren Begriff der Verbindung zweier Objekts-
beziehungen vorgedrungen, er kennt ja nur die Verbindung
von Verb mit Objekt des Ganzen und Objekt des Teils. Diese
faßt er richtig, vgl. S. 225, der Absatz, der beginnt: Eine rkhtige
Auffassung . . . Die Fälle A 236f. 0 37 f. deutet er ebenfalls
richtig. Man sieht hier deutlich, wie gefährlich ein falscher
Kunstausdruck werden kann. (Meine Aufstellungen sind unab-
hängig von La Roche gemacht, sie gehen vielfach von der
heutigen deutschen Umgangssprache aus.)
Vor allem sind auch die syntaktischen Beziehungen sehr
verschieden, welche 'Ganzes' und 'Teil' betreffen, in der Gruppe
syntaktischer Beziehungen (eßaXev ^KeTvov, rriv Ke(paXr|v = Er
traf ihn, seinen Kopf) und in Sätzen mit Akkusativ des Bereichs
(IßaXev 6Keivov Tf|v KecpaXnv = Er traf ihn im Bereich des
Kopfes).
12 R. Blümel,
2. Einkeilung.
Brugmann trennt S. 149 (vgl. Bnigmann-Thumb S. 439)
vom Akkusativ der 'Beziehung' mit Recht den Akkusativ, der
vorhanden ist bei der Einkeilung des Nebensatzsubjektes
in den übergeordneten Satz v<rie B 409 fjbee Totp Kaid Gufiöv
dbcXqpeov, luc dTTOveiro.
Aufschluß geben hier am besten Beispiele aus der neu-
hochdeutschen Umgangssprache. Man kann sagen:
^, Ich kemie Sie \ n tt i t i. u
1) „. . , . , 7 , J, Ihre Unerschrockenhett.
Sie sind mir bekannt )
Ich kenne Sie, U daß Sie unerschrocken sind.
' Sie sind mir bekannt, i\ icie unerschrocken Sie sind.
ich n-^ft '}tß StP \
3) ^. .' . , , , \, daß Ihnen nichts Schrecken einjagt.
' Sie sind mir bekannt J
Wir haben also zunächst eine Gruppe syntaktischer Be-
ziehungen (Bedeutungsverhältnis von Gegenstand und dem was
von ihm als anhaftend ausgehend angetan ausgesagt wird). Die
Nebensatzform ist nur eine unter mehreren, sie liegt nament-
lich der Umgangssprache vielfach näher als Bildungen wie
ünerschrockenheit *). Die beiden in der Bedeutung entsprechenden
Inhalte (hier Sie, Ihnen) brauchen dabei weder im übergeord-
neten Satz jedesmal Akkusativobjekt noch im Nebensatz jedesmal
Subjekt zu sein; Akkusativobjekt im Hauptsatz, Subjekt im
Nebensatz, das ist nur der naheliegendste imd häufigste Fall.
(Wir können dabei nicht immer unterscheiden, ob nicht
'freie Verknüpfung' des Nebensatzes mit dem ganzen übrigen
Hauptsatzinhalt vorliegt, sodaß nhd. daß, gr. ö, öti eine Bedeu-
tung ähnlich der von weil hat.)
Hierher gehören, wenn wir von der Möglichkeit der freien
Verknüpfung absehen, Sätze wie i^Toi Aapöavibric TTpia)iOc
OaufiaZ' AxiXfia, | öccoc lr]v oföc le Q 629 f. rd b' oük icav, ibc
dT€TUKTo 6 772. Hier ist das Akkusativobjekt ursprünglich neben
dem Verbum berechtigt, ebenso das Subjekt in folgendem Bei-
spiel ovbi ne Xr|6€ic, | örri Gtuiv Tic c' j^ye Sode im vfjac Axaiuiv
Q 563 f., wo der Subjektsinhalt du im Nebensatz als Objekt
wiederkehrt.
1) Bildungen wie Ich kennt Sit, Sit fiirehten Sich nicht sind
zweideutig.
Der Ursprung des griechischen Bereichsakkusativs und anderes. 13
Man darf nun annehmen, daß neben Sätzen wie xd ouk
icav, ujc eieTUKTO solche vorkamen wie *ouk icav, die eTeruKTO :
Sie wußten nicht, icie . . . In jenen Sätzen wie xd ouk icav,
üjc hirvKxo dient der Nebensatz (stilistisch) der Erläuterung;
anderseits kann er sowohl in Fällen wie xd ouk icav, ibc dxe-
xuKXO als OUK icav luc exexuKxo als das "Wichtigste, das Wesent-
liche angesehen werden, was mit icav im Bedeutungsverhältnis
steht, namentlich auch vom Hörenden, und xd kann dann als
lebhafte 'Vorausnähme* des Xebensatzsubjektes (usw.) gefaßt
werden. Das nächste ist, daß nun wirklich Sätze gebildet werden,
wo anfänglich Inhalte von Pronomina, dann auch von Substan-
tiven wirklich vorausgenommen werden. (Ist der Pronominal-
inhalt unbetontes Subjekt, so erkennt man ihn im Griechischen
nur an der Yerbalform.) Anfänglich ist das vorausgenommene
Objekt (usw.) neben dem übrigen Satzinhalt berechtigt, dann
keilt man aber Pronomina und Substantiva in den Zusammen-
hang des übergeordneten Satzes, wo sie anfänglich 'unberechtigt'
sind, hierher wahrscheinlich der Satz riöee fdp Kaxd 6u|liöv
döeXqpeov, ujc erroveixo B 409. Genetiv (?) Ö9pa iruöriai | Kaxpöc,
OTTOU Ku0e Tctict T 15 f. Vgl. nhd. im übergeordneten Satz 'be-
rechtigt' : Bei solchen, die den Herrn geschmeckt haben, wie er
freundlich ist, ivie er hilft . . .; Übergang zu 'unberechtigt':
Diese Pusseln mag ich gar nicht, daß sie so rumliegen ; [Pusseln =
'TVollmäuse') ; 'unberechtigt' i) : Ah der Krieg von 1870171 in
Schicanhing war, ob er ausbräche oder nicht, da haben ivir speku-
liert (weil der Kurs schwankte). Sie spürte die Stelle des Hauses,
daß da nichts gebessert war. Vgl. Paul, Mhd. Gramm. ^ § 390.
Also eine Gliederungsverschiebung, der sog. falsche Ana-
logiebildungen folgen. Xach Brugmann S. 1-49 wäre wohl anzu-
nehmen, es habe zuerst Sätze gegeben wie rjbee ydp Kaxd 6u^6v,
UJC dbeXtpeöc eiroveixo (das ist richtig), und nun wäre durch
Gliederungsverschiebung döeXqpeöc als dbeXqpeöv in den über-
geordneten Satz gekommen. Ich glaube, wir müssen die Frage
aufwerfen, ob Gliederungsverschiebung mit gleichzeitiger Än-
derung und Xeuentstehungä) syntaktischer Beziehungen möglich
ist, welche Änderung gewisser Formelemente wie Kasusendungen,
Wortstellung usw. unmittelbar im Gefolge hat. "Wahrscheinlich
1) als Subjekt! also schon das zeigt, daß es sich im ganzen um
keinen Bereichsakkusativ handeln kann.
2) eine Neuentstehung in Qbce dbeXqpeöv.
U R. Blümel,
werden solche Beziehungen durch die Gliederungsverschiebung
nicht angetastet; wenn neue zustande kommen, so geschieht
das durch spätere 'falsche' Analogiebildung nach Sätzen, welche
in der Gliederung neuartig sind, aber in der Form, (Melodie
und Pausenverteilung u. ä. ausgenommen), das Alte bewahrt
haben. Unter dieser Voraussetzung ist die Entwickelung viel
langsamer, allmählicher als die fast sprunghaft zu nennende
nach Brugmann.
M. E. liegt in der von Brugmann abgelehnten Auffassung
des eingekeilten dbeXcpeov als Bezugsakkusativ ein ganz deut-
licher Fall vor, wie unklare Bezeichnungen, z. B. Akkumtiv
der Beziehung^ des Bezugs wirken können. Weil wir übersetzen
können: Er wußte in bezug auf den Bruder, wie . . . , so liegt
die Auffassung nahe, döeXqpeöv sei ein Akkusativ des Bezugs.
3. — 6. Altindisch näma, awestisch nqma, griechisch
övo|ia; dtriKXriav eTrujvu)LiiTiv.
Vorbemerkung.
Zur Lösung der Frage nach dem Ursprung von ai. nämcL,
aw. nqma, griech. övojia = mit Namen und ^TriKXriciv, dTTuuvu^lr|v
ist es, was das Griechische^) betrifft, notwendig einen viel
größeren Teil der altgriechischen Überlieferung durchzuforschen,
als es mir möglich ist. Die Erscheinung selbst war in der ge-
sprochenen griechischen Sprache recht selten, daher bleiben
uns oft — leider gerade für Zwischenstufen der Entwicklung
— die Belege aus. Es ist sehr wohl möglich, daß Belege ge-
funden werden, wie sie mir nicht vorgekommen sind, und daß
dann neue Aufstellungen zu machen sind. —
Es ist zu scheiden zwischen dem Gebrauch von övoina =
Name schlechthin und dem Gebrauch von Ausdrücken, welche
Name bedeuten, aber gleichzeitig noch 'etwas mehr', nämlich
z. B. c<p6öpa TtXoTov övo^a, tö dvavTiov övo/aa (Kieckers S. 362)
und dann ^TriKXnciv, ^Kuuvufiiriv, dann ist zu vergleichen der
Gebrauch von övo^ia einerseits, ^TriKXriciv und diriuvuiainv
anderseits.
1) Auf das Ari seile kann ich als Nichtfachmann nur Ausblicke
geben.
Der Ursprung des griechischen Bereichsakkusativs und anderes. 15
3. Griech. Troxaiiöc Kuövoc övo)ia und Entsprechendes
im Altindischen und Awestischen.
Nach Brugmann S. 144 ist auszugehen von ursprünglich
eingeschalteten Sätzen wie Kuövoc övo^a, im Zusammenhang:
öid laecou be Tfjc TTÖXeujc peT Troiafiöc Kuövoc övo|ia Xen. An.
1, 2, 23 ein Fluß, Kydnos der Name — 'Kydnos ist sein Name'
— und entsprechend im Altindischen und Awestischen. —
Kieckers S. 365 wendet dagegen ein: (wenn man hierin Brug-
mann beistimmt), "so sieht man, falls man nicht mit einem
blinden Zufall rechnen will, nicht recht ein, weshalb im Alt-
indischen nur näma 'mit Xamen' als Akkusativ der Beziehung
vorkommt. Derartige kurze selbständige Sätze wären doch auch
bei anderem Prädikatsnomen gerade in der ältesten Zeit wohl
möglich gewesen; und wir würden dann auch im Altindischen
solche Akkusative auch von anderen Substantiven vorfinden."
Aber die ursprüngliche Satznatur von Gebilden wie Kuövoc
övo|na läßt sich, was die Form betrifft, wenigstens wahrscheinlich
machen. Xeben einem russischen Satz, der Xasfasja zotofaja
kosa als Subjekt enthält, steht povstrecajet jemu starucha totstoje
jejo hr'ucho {da begegnet ihm eine Alte, dick deren Bauch) Brug-
mann S. 139. totstoje Jejo b/ucho muß Satz sein, und so ist es
wahrscheinlich, daß auch zototaja kosa ursprünglich auch ein
(noch einfacher gebauter) Satz war. Wie nun russisch neben
zototaja kosa steht totstoje jejo b/iicho, so findet sich in Xenophons
Anabasis ttoXic djKeiTo jaeTaXn Kai euöaifiujv övo^ia Kaivai 2, 4, 28 ;
. . . nv TToXic euöai)nijuv Kai jieTdXri, övo|ia öe Xapjidvön 1, 5, 10;
daneben evraüGa rjv ttoXic eprmni MtTdXn, övo|ia ö' auxr) Kopcujiri
1, 5, 4; und Tipöc lü ttöXic r\v ^eTdXn Kai iroXudvGpiuTroc f\ övo)aa
ZirrdKri 2, 4, 13 (vgl. aw. vairis yö haosravd nqma. Die griech.
Entsprechung 6c oder ti . . . övo|aa habe ich nicht gefunden).
^Toch genauer stimmt zu totstoje jejo brucho das allerdings neu-
griech. ]x\a 90pd nrave evac ßaciXeac, "Yttvoc t' Övo)id tou.
Brugmann-Thumb S. 437. Demnach halte ich auch Gebilde
wie Kuövoc övo^a für ursprüngliche Sätze, das öe in övo|ja öe
XapiadvÖTi, övo^ia ö' aurf) Kopcujiri spricht zum mindesten nicht
gegen diese Annahme.
Für Brugmanns Ansicht wird es besonders günstig sein, wenn
Gebilde nachzuweisen sind, die im Griechischen lauten müßten:
*(öid) 7TOTa^oö Kuövoc övo^a, *(7rpöc) TTOTamL Kuövoc övojia, *(7Tapd)
16 R. Blümel,
TTOTaiiiöv Kubvoc övo|üia, d. h. Gebilde mit der alten Form Kuövoc
övoiio, ohne daß Kongruenz eingetreten wäre. Derartige Formen
— griechisch nur noch TTOTaiuöv Kubvov övo|na, ebenso Ai. i) —
scheinen dem Altindischen und Griechischen zu fehlen, im
Awestischen scheint wenigstens ein sicheres Beispiel vorzuliegen :
asem.yeidhe.raocä nqma asaonö fravasim^ Bartholomae
Air. Wb. Sp. 1063 (Mas Unsterbliche des A. genannten Recht-
gläubigen', amonö wäre substantiviert, vgl. Air. Wb. Sp. 250).
Vielleicht läßt sich das Ap. wenigstens vergleichen, wo nach
Bartholomae Air. Wb. Sp. 1064 der Genetiv Vistäspahyä in da-
raya^va^us vistäspahyä mma" pu^a^ *ohne Wert' ist und (Sp. 1063)
'sowohl der Name als das Appellativum (bei näma"^ immä*') unter
allen Umständen im Nominativ stehen.' Wenn im ap. näma'*^
nämä''^ (ein) Kasus des Stammes näman" waren, so liegt ur-
sprünglich ein Satz vor, ähnlich wie Kuövoc övo|ia, vielleicht
mit anderem Kasus, also nicht z. B. Gaumäta'* ist der Name,
sondern Gaumäta^ ist er mit Namen. Wenn solche Sätze im
Ap. anzuerkennen sind, dann auch in Fällen wie udapatafä
hacä jyisiyä''uvädäyä arkadris näma" katifa^ haca avadasa'' 'er
erhob sich von Pisiyäfiuvädä aus — {es ist dort) ein gewisser
Arkadris, ein Berg — von da aus . . .' Foy IF. 12, 175 f.*) Nach
den Beispielen, die in Meiste rhans-Schwyzer Grammatik der
attischen Inschriften ^ 203 f. verzeichnet sind, — angeführt bei
Brugmann S. 137 — möchte man ein *Ävbpa Apucrac övo|ia
nicht für unmöglich halten, doch vgl. S. 19 ff.
Endlich kommen noch die Wortstellungsformen in
Betracht. Wahrscheinlich ist der Satzcharakter am ausgesprochen-
sten io Fällen wie nöXic övo)ua Kaivai, vgl. ttöXic, övo|ia bk
Xapudvbn, övo)aa ö' aurri Kopcuuir), f| övo^a ZiTTctKn. (Vgl. ^iriKXriciv,
^TTiuvu)Liinv. Abschnitt 4.) Zu beachten ist dann die Nachtragung
von Gebilden wie Kubvoc övo^a : Kuj|Lir| be kri dYXOTdtTU) Tfjc öboö,
ÄXKnvoi ouvo^a Her. 7, 176, 5. utt^p bk tujv KnTTUJV öpoc Keiiai
Bcpmov ouvo|Lia Her. 8, 138, 3. Außerdem bei Herodot noch
IcTi bi Kai xiwpn Ki|Lifi€piri oövo^a 4, 12. Diese drei Beispiele
bei Herodot (alle, die ich dort gefunden habe) sind die ältesten
mir bekannten und können hinsichtlich der Wortstellungsform
noch als Sätze gelten.
1) Ich sage Herrn Geheimen Hofrat Dr. Jolly auch hier besten Dank
fOr diese freundliche Mitteilung.
2) Vgl. SchluObemerkung. [Korrekturnote.]
Der Ursprung des griechischen Bereichsakkusativs und anderes. 17
Wie steht es nun hinsichtlich der Bedeutung solcher
Sätze? Man kann die oben angeführten Worte von Kieckers so
auffassen, daß die von Brugmann angenommenen Sätze in eine
sehr alte Zeit (vor Aufkommen von es als 'Kopula*?) fallen
müßten. Wenn das zuträfe, so wäre es freilich zu verwundern,
daß wir so wenig Sätze der Art haben und daß daran so wenige
Substantive beteiligt sind. Aber derartige Sätze mit dem Wort
für Name sind nur im Altindischen sehr früh belegt (ET.,
schon vor dem 10. Buch), im Awestischen erst im Jungawestischen,
im Griechischen weder in Ilias und Odyssee, noch in den
Homerischen Hymnen, noch in Hesiod. Die ersten Beispiele,
die ich gefunden habe, stehen bei Herodot. Y 470 f. boKeei öe ^ol
€)Li|Lievai dvr)p | AitujXöc T^veriv bietet vielleicht eine Spur, die
zu einem unbelegten TTdvbapoc övofia hinzuführen scheint, aber
wohl trügerisch ist). Das spricht nun aber nicht gegen Brug-
mann, denn Sätze wie Kuövoc övo)ia können auch lange nach
Ausbildung der 'Kopula' es immer wieder neu gebildet werden,
vgl. Sätze wie "Eqpopoc Apicrapxoc 'HpaKXeiba usw. Brugmann
S. 139. und die allerdings wahrscheinlich unechte, aber echt
griechisch gedachte Nachschrift zu Xenophons Anabasis 7, 8, 25f.,
namentlich 26: ApiGinöc cuMtracric rfic öboö rfic dvaßdceujc Kai
Kaiaßdceouc CTa9|ioi öioKÖcioi öeKarrevre, irapacdYfai xi'^ioi CKaiöv
irevTriKovTa Ttevre, crdbia Tpic|aupia TerpaKicxiXia eHaKoaa TrevTTJ-
Kovxa. xpovou TrXfiGoc if\c dvaßdceujc Kai Kaiaßdceujc eviauiöc
Kai jpeic ufivec. Wir könnten übersetzen Länge des zurückgelegten
Weges 115 Tagemärsche . . ., Zeitdauer des Unternehmens ein
Jahr und drei Monate. Dergleichen Sätze, in denen nur die
'Bedeutungsgipfel* Ausdruck finden, haben ganz bestimmte
Bedeutung, hier handelt es sich um Feststellung und dazu
paßt auch die Bedeutung von Sätzen wie indrö näma usw. Die
Feststellung des Xamens und der Bezeichnung ist sehr wichtig
bei der durchgehenden Trennung alles Vorhandenen in eine
gute und böse Welt im Awesta, sie ist in anderem Sinne wichtig,
wenn ein sonst unbekannter Gegenstand eingeführt wird*).
Xenophon sagt z. B. in der Anabasis -rroxanöc Kuövoc övo|Lia,
aber der Euphrat wird 1, 3, 20 eingeführt im tu) Eucppdir)
TToraml), Herodot sagt noch 7T0Ta|aöc . . . tiu ouvo)nd kxi Euqppr|Tr|C
1, 180.
1) Die Übersetzung ein getcisser Foy IF. 12, 177 paßt daher fürs
Griechische ganz gut.
Indogermanische Forschungeu XXXIU. 2
18 R. Blümel,
In diese Reihe gehört auch nach Brugmann S. 1471 das
Beispiel bei Xen. An. 1, 2, 23: bid laecou bk rnc iröXeiJuc peT
TTOTttiiöc Kuövoc övo|ia, eijpoc öuo TiXeGpujv = seine Breite
{beträgt) 2 Plethren. (eupoc Subjekt). Anders dagegen 1, 4, 9
im TÖv XdXov Trotanov, övra tö eupoc TtXeöpou (Brugmann
S. 147) vgl. Abschnitt 21.
Herodot hat im ganzen drei Belege mit diesem ouvona,
alle neben Subjektsnominativen des Eigennamens. Scämtliche
Ausdrücke, welche bedeuten genannt werden, neben Subjekts-
nominativen umfassen 80 Belege, davon sind die drei ouvo|aa
= 3,75'>/o^). Seltenheit der Belege ist gerade für Sätze ohne
'Kopula* bezeichnend 2).
Sätze wie bid itiecou be tfic iröXeiuc pei TToraiiöc KOövoc
övo|ia können noch so gedeutet werden: ... ßei Troiaiaöc ||
Kubvoc övofia, mitten durch die Stadt strömt ein Fluß; Kydnos
(ist) der Name, noch mehr vielleicht solche wie . . . iröXic övo|Lia
Kaivai. Es ist aber auch die Auffassung möglich ... pei TTora-
)Liöc w Kuövoc ^ övo)Lia, . . . ein Fluß mit Namen Kydnos. Nur
diese Anschauung scheint mir möglich in Fällen wie parsur
{Jm) näma mänatn, ar'dvi nqma äpa, TpujTiXov ti övo|Lia x<JLipiov
Thukydides 6, 4, 1, wo der Eigename mit näma usw. vor dem
Bestimmten steht (aw. vizarasö daevO nqma erklärt sich nach
Behaghel IF. 31, 377 ff. : nur ein Teil der rhythmisch zu schwe-
ren Bestimmung voran, das übrige nach). Nur die Form rrora-
^öv ^ Kuövov w övo^a, nicht auch 7T0Ta|Liöv |1 Kuövov övo)aa ist
anzuerkennen, wenn TroTa|i6c usw. und der Eigenname im Akku-
sativ stehen (so bei TpiuTiXöv ti övoina x^upiov oiKicac Thuk. 6,
4, 1. z. B. ai. mä dhur indrq näma devdtä divds ca gmäs cäpq
ca jantdvah Brugmann S. 144, aw. daeum yim zairimyamiram
nqma . . . den Z. genannten Dämon, Kieckers S. 363, griech. ol
bl dXXriv Upeiav . . . KatecrricavTO Oaeiviba övo|aa Thuk. 4, 133, 3.
Zu der Zeit, wo Beispiele wie ... pei TToraiiöc Küövoc övo-
Mtt aufkamen, gab es (sehr wahrscheinlich) die Stellung TroTa-
^öc Kuövoc, im Herodot kommen vor ÄTTPÖc TTOtainöc ... ic-
ßdXXti ... ^c TT0TU)iöv BpoTTOV 2, 49, und ÜTiep bi tüüv Knnaiv
1) Von Ausdrücken wie jetzt genannt, von den Griechen so genannt
mußte ich absehen, ein Kubvoc vOv övomo usw. ist kaum möglich. Auch
sah ich von 'Umschreibungen' in Hauptsätzen ab, sie sind zu selbständig.
2) Es gibt bei Homer viele Sätze ohne 'Kopula* z. B. A 217 iLc
f&p &MCIVOV. Diese sind aber anderer Art als die hier behandelten.
Der Ursprung des griechischen Bereichsakkusativs und anderes. 19
öpoc KEiTtti Bepfiiov oiJvo)ia 8, 138, 3 (Herodot hat kein Bei-
spiel der Art mit TTOiaiaöc).
Eine Satzform . . . peT TTOxaiiöc ^ Kubvoc und . . . peT TTora-
noc II Kubvoc w övo|ia konnten nun verquickt werden, sodaß
die neue Satzform entstand . . . pei TroiaiLiöc ^ Kubvoc w övo|aa,
vielleicht wurden auch verquickt KaiecxricavTO dXXr|v iepeiav
w Oaeiviba und *KaTecTr|cavTO dXXriv iepeiav |j Oaeivic ^.^ övoua zu
KaxecTricavTO dXXrjv iepeiav ^ Oaeiviba övo)ia, d. h. der Eigen-
name war gemeinschaftliches Mittelglied zwischen ...pei
. . . (KaxecTricavTo) und övo)Lia (er stand im sog. diTTÖ koivoö). Daß die
Kasusform des Mittelgliedes nur zu 6iner der beiden syntak-
tischen Beziehungen paßt, kommt auch sonst vor, daß dies die
Form ist, welche 'der erste Satz verlangt', ist erst recht nicht
auffallend, vgL ahd. utie demo in vinstri scal sino vinnä stüen,
Muspilü 25 f. (Paul Prinzipien^ S. 140 f., 301). So kann ich Brug-
manns Äußerung auffassen, daß 'die alte nominativische Yer-
bindung itidrö näma "Imlra {ist) der Name% namticir nätna *Na-
muci {ist) der Xame, direkt durch Kasusangleichung in den Akku-
sativ umgesetzt worden sei', näma usw. bleibt nach meiner
Auffassung Prädikats nom in ativ. Eine Umsetzung von imlrö
usw. und von mma usw. in den Akkusativ erscheint mir ganz
unwahrscheinlich.
"Wahrscheinlicher als die eben von mir vorgetragene An-
nahme scheint mir die folgende: Zuerst wurden (auf die an-
gegebene Weise) nur Sätze gebildet wie ... pei TroTa^öc ^ Kub-
voc w övo^a (also nur solche mit Subjektsnominativ des Eigen-
namens) und erst nach diesen Beispiele wie KaiecTricavTO dXXnv
iepeiav ^ Oaeiviba w övo^a. Herodot hat nur Beispiele für Sub-
jektsnominativ des Eigennamens. övo|aa wäre dann wohl (schon
zu einer Zeit, da es nur neben nominativischen Eigennamen
stand) durch Gliederungsverschiebung eine Bestimmung von
TToranoc Kubvoc geworden. Auch in diesem Falle ist övo^a kein
Akkusativ, —
Sehr zu beachten ist die Erscheinung, daß im Griech.,
wahrscheinlich auch im Ai., (vgl. S. 16) dieses övo|ia {näma)
soviel ich weiß, nur neben dem Subjektsnorainativ und
Objektsakkusativ des Eigennamens vorkommt (auch nicht
neben dem von Präpositionen abhängigen Akkusativ!).
Ich gebe die Zahlen für Herodot, weil hier Ausdrücke
wie genannt sehr häufig sind. Ich sehe wieder ab von Aus-
2*
20 R. Blümel,
drücken wie: der jetzt ... heißt^ der bei den Griechen ...
genannt ivird, und von Verbindungen wie: Dort liegt eine Stadt;
Sie ist ... genannt.
Andere Ausdrücke als ouvojitt ouvo|na
„ „. . , Eigenname ist Eigenname ist
Der Eigenname ist: „. ". _,, , ^. ", „, ,
Singular Plural Singular Plural
I Subjekt, Nominativ 60 17 2 1
Subjekt, Akkusativ«) 12 1 — —
\ ^ .. f Akkusativ, (Objekt) 37 9 — —
°^"^H Genetiv 8 3
P^^^^'^M Dativ 3 - - _
Akkusativ 38 4 — —
mit Prä- , ^ ,. . . „
•> Genetiv 1* 3
P°^'*^°M Dativ 8 3
Prädikat, Nominativ 0 1
Summe von 1 72 18 2 1
Summe von II 108 23 — —
Daß neben dem Subjektsakkusativ kein ouvoiua auftritt, ist
vielleicht Zufall, in der Gesamtheit der Fälle unter II dagegen
kaum; nach der Wahrscheinlichkeitsrechnung kämen auf die 131
Beispiele von II immer noch 5 mit ouvojLia allein.
Noch wahrscheinlicher wird dies, wenn wir die Verhält-
nisse von ^TTiKXr|civ und eirujvuiuiiriv bei Herodot ansehen (die
Belege Abschnitt 4 S. 22).
Andere Ausdrücke, ohne Hauptsatz ^TTiKXrjciv ^TTUJVu|Liir|v
Eigename steht im
Genetiv 1 1 (1?)
Dativ 1 — 1
(Belege mit andern Kasus fehlen).
Also die sichern Belege für ^ttikXiiciv und ^TTUjvu|air|V sind
den übrigen Ausdrücken au Zahl gleich, beide Möglichkeiten
sind viel seltener als bei getmnnt schlechthin. Dazu stehen ^tti-
KXnciv und ^TTwvufiinv bei Genetiv bzw. Dativ (das einzige
Beispiel von dKJKXriciv in den Homerischen Hymnen auch neben
dem Dativ), wo kein övoiiia vorliegt. Wahrscheinlich ist es
bloß Zufall, daß hier kein ^iriKXriciv dTTujvu|iir|v neben Subjekts-
nominativ oder Objektsakkusativ auftaucht. Jedenfalls wird die
Beschränkung von övo^a auf den (die) angegebenen Kasus durch
die Tatsache der andersartigen Verwendung der viel selteneren
Wörter für Beiname in noch helleres Licht gerückt.
1) Im Akkusativ mit Infinitiv.
I
Der Ursprung des griechischen Bereichsakkusativs und anderes. 21
Wahrscheinlich bestand in den Fällen wie . . pei iroTaiuöc
Kuövoc övo|Lia, KaxecTrjcavTO aXXriv iepeiav Oaeiviöa övo|aa eine
Art von Kongruenzbewußtsein, welches jeden andern Kasus
(auch Präposition mit Akkusativ) neben dem Eigennamen aus-
schloß. Dagegen war e-rriKXriciv schon in sehr alter Zeit (darin
von övoua unterschieden) 'Adverb', Entsprechendes darf von
eTrujvu)Liiriv gelten.
4. liTiKXriciv und eiraivuiniriv.
eTTiKXrjCiv und ärriuvuiuiriv sind von övojia zu trennen. Für
diriKXriciv kommen in Betracht die folgenden Verwendungen:
öiou Aprii9öou, töv em'KXriciv^) KopuvrJTriv | dvöpec kikXhckov
KttXXiZiujvoi le tuvaiKec, j oüveK' äp ou xöHoici liaxecKeio öoupi re
liiaKpu), I dXXd cibripeir) Kopuvrj pnfVwcKe qpdXaYTCic H 138 ff. dpx-
Tov 0', r\v Kai djuaHav eiriKXriav KaXeouciv Z 487, e 273. (dcrepa)
öv T6 Kuv' 'Qpiujvoc eiTiKXriciv KaXeouci X 29 und AcTudvaH, öv
TpüJec eTTiKXnciv KaXeouciv X 506 ^) (vgl. diese Anmerkung). Ein
1) Delbrück erwägt die Möglichkeiten hier ^itikXiiciv als Apposition
oder als Akkusativ des Inhalts zu fassen. Vgl. Foy IF. 12, 178. Kieckers
lehnt die erste Auffassung m. E. mit Recht ab.
2) Kieckers S. 361 f. geht aus von der Verbindung övoiaa övo.udZeiv
oder KoXeTv, dieser folge eine Verbindung övoua övo^dluj ce (so setze
ich, weil övoudZuj xiva, das übrigens Kieckers nicht gebraucht, zweideutig
wäre). Daneben bestand övoiadZiu ce 'O&uccea (für Homer wäre natürlich
KaXöi einzusetzen, weil hier övo|udIuj eine andere Bedeutung hat). Sätze
wie KaXOü övoua und KaXOu ce övoua müßten erst noch nachgewiesen
werden, ebenso ihr Passiv. Soph. Phil. 605 f. gehört nicht hierher, die
ganze Stelle heißt: 601;ff. udvxic riv Tic eu^evric 1 TTpiduou uev uiöc, övoiaa
b' ujvoudZieTO |"E\evoc, das heißt aber nicht: Helenos wurde mit Namen
genannt, sondern Helenos wurde er mit Namen genannt, "E\evoc ist also
nicht Subjekts-, sondern Prädikatsnominativ. Auch die übrigen Beispiele,
die Kieckers beibringt, beweisen nicht, daß es ein övoua KaXü» ce (oder
övoua Ka\uj) gegeben hat, eher, daß es solche Sätze nicht gegeben hat.
Jedesmal hat övofia eine Bestimmung, iroiov, Taüra, toüto; o in tö ^'repov
övoua, 0 övcfiäZcuciv auTÖv Plato Kratyl. 402 D, Kieckers S. 361, geht auf
TÖ ^Tepov övo.ua, nicht auf övoua allein! Daraus schließe ich, daß der
Sinn eines Satzes övoua KaXu)(ce) = ich nenne (dich) einen Namen, ohne
weitere syntaktische Bestimmung dem Sinne nach unvollständig ge-
wesen wäre. Ein Satz scheint zu bieten, was Kieckers annimmt: AcTudvaS,
öv TpOücc ^niKXnciv KaXeouciv, X 506 (von Kieckers nicht erwähnt) aber
hier ist öv sicherlich Prädikatsakkusativ : wie ihn die Troer mit dem
Beinamen nennen, wie = öv, ihn 'zu ergänzen', oder öv vertritt beide
Akkusative. Die von Kieckers S. 364 angeführte Stelle Thuk. 6, 4, 5 övoina
TÖ ixiv irpOÜTOv ZdYKXn nv, ütcö tiüv IiKeXüjv KXriGeTca heißt: so . . .
22 R. Blümel,
Passivbeleg erst Herodot: ^ttikXiiciv be auiri f) Kprjvri KaXeetai
f]\iov 4, 181. Der Inhalt von dmKXriciv ist auch im Passiv inneres
Objekt, weil er sich mit dem Subjektsnominativ Kprjvri als anderer
Subjektsnominativ nicht verträgt. Daß dtriKXriciv schon bald
'erstarrt* war, läßt sich aus folgendem schließen: Bei Herodot
kommt vor Kai oi öiaqpuxovn d-rrö ttic KuipeXric ^Truuvu|airiv
KuijieXoc ouvo)aa ereGn 5, 92 e 1. (wahrscheinlich so zu gliedern:
oövoiiia ijeQr] oi (— ^KXr|6r|) ^Trujvu)airiv KuvpeXoc dirö rrjc KuipeXnc
(^KXriBri ^TTtJuvu|Liiriv . . . wäre wie ^KXr|9r| eiriKXriciv). Dann die
erwähnte Verwendung von dTTiKXriciv, eTToivuiuiiriv bei Eigen-
namen (noch nicht bei Homer) 2v6a ö' dvaKTi | Travtec dniKXriciv
TeXqpouciuj euxeTOiuvrai, | ouvexa TeXcpoüoic iepfic rjcxuve peeöpa
Hom. Hymn. III 385 ff. (an Apollon). Herodot: (voraus rrOp :) ävpato
vrioO A9nvairic eTTiKXnciv Accr|cciric 1, 19. o'i öiSct 'HpdKXeia ibpucd-
inevoi iKTTivTai Kai tuj |nev ujc dGavartu, 'OXujaTritu be ^niuvuiüiiriv,
0ÜOUCI, TÜj bk ^Tepqj ibc fipoui evaYiZ^ovTai. Fraglich: (Skythen)
cujUTTaci bk eivai ouvo)Lia ZkoXotouc ZkoXötou toö ßaciXeoc €ttiju-
vum'riv 4, 6 (so nach der Melodie am wahrscheinlichsten) = des
Skolofos mit dem Beinamen König?
(Ein *Aprii6ooc eiriKXriciv Kopuvninc usw. ecTiv habe ich
nicht gefunden, es ist innerlich nicht wahrscheinlich — es ist
ja einer nicht das, was er als Beinamen trägt.)
Endlich folgende Verwendung: MevecGioc . . . 6v teKe . . .
TToXuöiAjpn, ! ZiTepxeiuJ dKdiaavTi, • • . | aiirdp ^mKXriciv BiJüpiu,
TTepiripeoc uTi TT 173 ff. und (vom älteren Kyros) Kai oi Ttaibec
nai^ovTec €'iXovto 4ijuutu)v ßaciXea €ivai toutov bf) töv toü ßouKÖXou
^ttikXticiv Tiaiba Herodot 1, 114. Die zweite Stelle zeigt ^niKXriciv
(den sogenannten Hirtensohn) der Bedeutung von ^ttikXjiciv
neben Eigennamen sehr nahe, und in jenem homerischen Bei-
spiel ist es nicht anders. "Wir denken freilich an Lug und Trug,
die Anschauung der Griechen war: Er hieß nebenbei der Sohn
,des Boros (kam als dieser auf die Welt), ohne 'sittliche* Über-
legung oder gar Entrüstung; es war einfach so. Leichter fiele
uns die Auffassung, wenn es passivisch hieße : Er kam mit dem
benannt (aus dem Zusammenhang zu ersehen). — 6voMa xiGccöai 6 552
bis 664 heißt die Handlung des Namengebens rornehmen, hier ist der Sinn
Namtnlo» ist niemand, jeder hat «inen Xanten, er bekomynt ihn gleich nach
der Geburt {durch die Handlung des Namengebens). Für den Gedanken-
gang von Kieckers sind übrigens Sätze wie 6vo\xa KaXiü und ^vo^a KaXui
C€ gar nicht nötig. Trotzdem muß ich darauf eingehen, weil ihre Auf-
stellung methodologische Bedenken erregt.
Der Ursprung des griechischen Bereichsakkusativs und anderes. 23
Beinamen 'Borossohn' auf die Welt, dann bekämen wir aber in
der Darstellung die stilistische Schwierigkeit, uns in dem Neben-
satz mit zwei Hauptpersonen, dem Helden und seiner Mutter,
abzufinden, in der vorliegenden aktivischen Fassung haben wir
nur einen Helden, die Mutter.
Die Gegenüberstellung Beiname — {tcirMicher) Name liegt
in dem homerischen Beispiele mit KiKXr|CKUj, KaXeou sehr nahe,
in dem hymnischen erriKXriciv TeXcpouciuj weniger, noch weniger
in den herodotischen dTTiKXriciv Accr|ccir|C, 'ÜXu^ttilu e7TUJVU)iiriv.
5. 6€oKXu^evoc övo|Lid ecTiv und Entsprechendes im
Altindischen und Awestischen.
Dieser Entwicklungsreihe ähnlich ist die mit näma nqma
övo^ia (Delbrück S. 387 ff., Kieckers S. 361 ff.). Sie enthält wahr-
scheinlich folgende Glieder: (Ich gebe die Beispiele griechisch,
als in der mir geläufigsten der drei Sprachen).
KaXeouciv ^) eKeivov 'Obuccea Övo)ua — KaXeerai eKeivoc 'Oöuc-
ceuc övo|ia — eKCivöc ecxiv 'Oöucceuc övo)na. näma, nqma, övoina
ist in allen diesen Sätzen Akkusativ, ursprünglich inneres Objekt
des 'Antuns', als Beweis für die Funktion von 6vo.ua darf
das in der Eigenbedeutung akweichende dTriKXTiav angeführt
werden in jenem herodotischen Satz: emKXnciv be a\m\ fj Kpnvri
KoXeeTai fiXiou.
Eine Analogiebildung cKeivoc ecnv 'Obucceuc övofia nach
KoXeeTai CKeivoc 'Obucceuc övo|aa ist durchaus wahrscheinlich.
In der Regel ist einer das, was er heißt.
Im Awestischen liegt die Entwicklungsreihe offenbar klar,
vgl. Kieckers S. 362 f. Dazu noch hinzuzufügen vaijits ba nqma
ahmi, für das Altindische vgl. Gaedicke Der Akkusativ im
Veda, S. 217 f.
Im Griechischen ist die Entwicklung nicht recht zu er-
kennen. Es ist sogar fraglich, ob wir diese Reihe für Homer
oder die Zeit vor ihm annehmen dürfen. Wir haben mit övo|Lia
für Homer, die Hymnen und Hesiod nur die folgenden Stellen :
Aprixri ö' övon' kiiv dTTUjvu|aov r| 54, 6eoKXu|Lievoc 5' övou' riev
o 256, und ApvaToc (Eupußdirjc, KxriciTTTroc) b' övofi' ^CKe c 5,
T 247, u 288. Hymnen: — , Hesiod? : KuKXuiTtec 6' övo|li' i^cav
1) övo|naivuj und övo|LidIiu haben bei Homer andere Bedeutungen
als die hier nötige.
24 R. Blümel,
d7TiJüvu)Liov, Theogonie 144, Echtheit bezweifelt. Bei Herodot habe
ich kein Beispiel gefunden. Von diesen Stellen gibt — darin
stimme ich Delbrück S. 888 bei — nur die letzte einen sichern
Akkusativ. (Wenn sie nicht echthesiodisch ist, so doch echt-
griechisch.) Kieckers wendet dagegen ein S. 364 f., ein Satz wie
Arete ist ihr Name verlange im Griechischen den Dativ des
persönlichen Pronomens, vgl. Outic d)ioi t' övo)Lia i 366. Die von
Kieckers angeführten Beispiele wie Aapeitu f\v ittttok6|uoc, tuj
ouvo)aa r^v Oißdpric Herodot 3, 85 sagen aber nur, daß Der-
artiges vorkommt. Die Frage ist aber die, ob auch diese syn-
taktische Beziehung den Ausdruck durch ein dativi-
sches persönliches Pronomen wie Foi entbehren kann,
oder wie man sich gewöhnlich ausdrückt, ob auch dieser Dativ
aus dem Zusammenhang ergänzt werden kann. Vgl. für eine
andere syntaktische Beziehung, die sonst Ausdruck durch den
Dativ findet: Arpetöriv be Kai auToi dKOueie vöcqpiv ^ovtec, | ujc
t' i^Xe' üjc t' Ai'Ytceoc ^inncaio XuYpöv öXeGpov t 193 f. Selbst die
Beziehung kann ohne Ausdruck bleiben, für die sonst der Akku-
sativ als Objekt steht, und dieser Akkusativ gilt doch als unent-
behrlich : dXX' "HqpaiCToc IpuTo, cduuce bk vuktI KaXuq;ac E 23.
In OuTic e|aoi t' övo|ua und . . . tuj . . . ouvo)Lia i^v muß freilich
der Pronominalinhalt (aber nicht die dativische Beziehung
als solche) ausgedrückt werden, im ersten Falle, weil der Satz
keine Kopula hat, im zweiten Falle, weil wir ein Relativ brauchen.
Aber neben . . . iröXic . . . övoina 5' aurr) Kopcuuiri steht . . . ttöXic
. . . övo)aa be Xap)iidvöri. — Jedenfalls ist aber ernsthaft mit
der Möglichkeit zu rechnen, daß Beispiele bei Homer wie
0eoKXu|aevoc ö' övo|ui' i^ev bedeuten: Th. war er mit Namen. —
Leider fehlen gerade bei Homer die oben S. 23 angegebenen
Entwicklungsstufen, die wir für eine geschichtliche Ableitung
dieser Sätze brauchen. Delbrück imd Kieckers berufen sich auf
die Beispiele wie dpKXOv, nv Kai diaaHav dTTiKXrjciv KaXtouciv
Z 487, e 273. Aber dTriKXnciv ist nicht gleich övo|ia (das be-
hauptet natürlich weder Delbrück noch Kieckers), und vor allem :
gerade das Mehr an Bedeutung, das ^TiiKXriciv und Ausdrücke
wie C96bpa TtXoTov övoina gegenüber ausmachen, 'fügt* inhaltlich
Neues zu der sonstigen Inlialtsmasse des Satzes. So ist es auch
in dem Satze KaTaq)p6vriciv . . . p ^k toö ttoXXouc cqpdXXeiv tö
^vavTiov övoMa dq)pocuvr| ^eTluvö|iacTal Thuk. 4, 64, 3; jictcuvö-
laacTQt läßt einen gewissen Spielraum für die Bodeutungsfärbung
Der Ursprung des griechischen Bereichsakkusativs und anderes. 25
des Begriffs 'Xame', tö evavtiov övo)Lia ist also nicht ohne
weiteres durch laeriuvöiaacTai 'gegeben' wie övofia durch övoud-
lerai usw. In der Stelle X 506 hat emKXriav deutlich die Be-
deutung mit dem Beinamen, AcTudvaE, öv eTTiKXriciv KaXeouci, für
die Mutter heißt er Skamandrios. Man könnte min freilich
denken, in diesem Falle sei Beimime und Name für die Troer
außerhalb der Königsfamilie schwer zu scheiden gewesen; aber
Z 402 f. steht kein eTriKAriciv : töv p' "Ektuup KoXeecKe ZKa^dvbpiov,
aurdp Ol dXXoi ] AcTudvaKr' ... — Xun heißt es GeoKXuuevoc
ö" övo)u' r\^v o 256, daneben Apriiri ö' övo|u* ecriv eTTujvujiov
n 54; es heißt tov p"'Ektu)p KoXeecKe ZKajiidvbpiov Z402, daneben
Tr|v AXKuövriv KaXeecKOV euiuvuiiov I 562, also zum Teil ohne,
zum Teil mit überflüssigem (attributivem !) Namenswort eTruüvujuoc,
das dem övo^a in der Bedeutung näher steht als emKXriciv.
Man darf auch noch erinnern an den ähnlichen, durchaus
nicht gleichen Fall bei ovoiadZiuu mit Namen rufen, ohne eSovojia-
KXriönv K 68, mit lEovo)iaKXr|ÖTiv X 415, vgl. ö 278, ferner ^ 2491,
wo ein Name angerufen wird. Demnach darf man wohl sagen:
ein övo.ua neben KaXeuu KaXeo)aai (? vgl. gleich unten) lag in der
homerischen Zeit mindestens nahe, und vielleicht ist es nur
Zufall, daß es nicht belegt ist.
Das Passiv KaXeo)aai macht insofern Schwierigkeit, als es
nicht sicher ist, ob wir für die homerische Zeit ein KaXeero
'Oöucceuc usw., d. h. KaXeeto mit persönlichem singularischem
Eigennamen annehmen dürfen. Bei KaXeec9ai sind in Homer
bezeugt Beispiele wie Mupiuiöovec ö' eKaXeövio Kai "EXXnvec
Kai Axaioi B 684; vgl. TiTfivec =279, vr|idöec v 104. luri^'
exi TriXejudxoio irarrip KeKXrmevoc einv B 260. Daran an-
schheßend toj öe Ke viKrjcavii qpiXr) KeKXrjcri dKoixic f 138.
Vgl. Yaiaßpöc r| 313. — ujc )xr\ traxpocpovoc juei' AxaioTciv KoXe-
oi|uriv I 461. n fdp Kev öeiXöc re Kai ouTiöavöc KaXeoi)nriv
A 293. Von Sachen AXeiciou ev6a KoXujvr) | KCKXniai A 7571
n te KaraiTuE | KeKXnrai K 2581
Meines Wissens fehlt aber bei Homer gerade ein Beleg
für das Zwischenglied, das wir brauchen, ein 'Oöucceuc KaXeero
0. ä. — Dagegen kann man aber vielleicht einwenden, daß auch
nach övo|Lia KaXeouciv eKeivov 'Oöuccea ohne weiteres Vorbild
KaXeeiai eKeivoc 'Oöucceuc övo^a gebildet werden kann eKeivöc
ktiv 'Oöucceuc övo^a.
26 R. Blümel,
Jedenfalls stünde es für die Theorie von Delbrück und
Kieckers, was das Griechische betrifft, viel besser, wenn auch
die notwendigen Vorstufen nachgewiesen wären. Zudem ist diese
Entwicklungsreihe fürs Griechische bis in die homerische Zeit
und noch weiter herunter ganz gut zu entbehren, Apvaioc
b' övo|i ecK€ usw. können Analogiebildungen nach dem Be-
reichsakkusativ sein, namentlich nach Beispielen wie öoKeei öe
|iOi ?|ajievai avrip I AiTUiXöc Tevenv Y 470f. vgl. Abschnitt 16.
Die Beispiele wie övo|Lia ö' übvojadZieTO | "EXevoc Soph. Phil. 605 f.
können aus einer Entwicklungsreihe stammen, die nach Homer
begonnen hätte (etwa Kjkliker??). Damit will ich nicht sagen,
daß ich die von Delbrück und Kieckers angenommene Ent-
wicklung (und zwar für vorhomerische Zeit) für unmöglich
halte. Nur als gesichert kann ich sie nicht bezeichnen.
Dieser Akkusativ näma, nqma, övo|ia ist, (soweit der
griech. keine Analogiebildung nach dem Bereichsakkusativ ist)
kein Bereichsakkusativ. Auch Meillet nimmt eine Besonderheit
des Gebrauchs von Name an, Introduction ä V Stiide compara-
tive des langues indo-eiiropSennes S. 316, Meillet -Printz Einfüh-
rung in die vergleichende Grammatik der indogermanischen
Sprachen S. 211.
6. Anschließende Fragen.
Nun ist noch die Frage, ob sich die beiden Entwick-
lungsreihen, die nach Brugmann und die nach Delbrück und
Kieckers, 'berühren' können. An sich erscheint das möglich.
Thukydides hat KatecTricavTG dE\Xr|V iepeiav Oaeiviba 6vo\ia 4,
133, 3. und övo|ia tö \xk.v irpuiTOV ZdtTKXn t^v uttö tüüv ZiKcXtuv kXh-
eeica 6, 4, 5. Die Weiterentwicklung der Delbrück-Kieckei-sschen
Reihe führt aber von dem Beispiel i^ ttöXic övo)ia i^v ZdtKXri zu-
nächst nicht auf ein ttöXic ZdxKXri övo^a, sondern auf ein *7t6Xic
övo^a ZttTKXri ouca. Einen derartigen Ausdruck habe ich noch
nicht gefunden (Herodot kennt Ausdrücke wie (^kcTvoc) i^v dvo-
^a 'Oöucceuc nicht, unter den 105 Partizipausdrückon für *mit
Namen' findet sich kein *Obucc€uc ouvoiaa lijv). Thukydides hat
elXov Kiu)Lir|v TTöXiv övo|ia ^xo^cav 3, 101 (Schluß) aber kein *(Xvbpa
'Oöucc€a övo^a övra.
Ob nach dvrip 'Oöucceuc övo^a (später) gebildet werden
konnte outoc 6 dvnp 'Oöucceuc Ävo/id icnw, hängt davon ab,
ob im Griechischen, nach Sätzen ohne 'Kopula' solche mit
Der Ursprung des griechischen Bereichsakkusativs und anderes. 27
'Kopula' gebildet werden konnten (also, mit deutschem Inhalt
nach Sätzen wie Alles icohlauf solche wie Alles ist wohlauf).
Dabei kommt natürlich in Betracht, daß dvfip 'Obucceuc 6vo\ia
in 'Obucceuc 6\o\ia einen Nebensatz enthält, während eKeivoc
'Oöucceuc 6vo\xa icriv Hauptsatz ist.
Endlich die Frage nach dem Alter dieser Grebrauchs-
weisen von tiäma nqma övo|ia. tiäma ist schon vedisch, nqma
nach Bartholomae Air. Wtb. erst jungawestisch, övo)ia bei eivai
tritt erst in der Odyssee auf, dvfip KxriciiTTTOC 6vo|aa erst nach
Hesiod (zuerst bei Herodot?) (entsprechendes emKXnciv erst in
den Homerischen Hymnen, eTrujvuiniTiv zuerst bei Herodot?) Ob
dvrip AiTuuXöc Tever|v V 470f. auf ein *dvrip KtriciTTiTOC övo|ia
als Vorbild weist, ist sehr fraglich. Nötig ist die Annahme nicht.
Alles das deutet auf Entstehung der beiden Ge-
brauchsweisen in den einzelnen Sprachen, nicht auf
Ererbung aus der indogerm. Grundsprache. Das Grie-
chische hat ja in dem Gebrauch von eiriKXriav eine Besonder-
heit vor den arischen Sprachen, und wahrscheinlich weicht das
Altpersische im Kasus von näman^ ab.
Delbrück S. 390, nach ihm Brugmann-Thumb* S. 437, und
Kieckers S. 363, 366 nehmen an, der Akkusativ övo/ia sei der
älteste aller Bereichsakkusative gewesen und der eigentliche
Bereichsakkusativ des Griechischen, nach Delbrück und Kieckers
auch dräjö usw. im Awestischen, sei von diesem Akkusativ aus-
gegangen. Yon allen Seiten kann ich diese Frage erst Abschnitt
26 untersuchen. Vorläufig erwähne ich dagegen
1) In der Funktion liegt ein Unterschied vor zwischen
dem Wort näma usw. und dem Bereichsakkusativ, im Grie-
chischen haben wir noch die Möglichkeit die Eigenbedeu-
tung von Wörtern im ersten Bereichsakkusativ wie y^voc an-
zuknüpfen, im Awestischen klafft auch hier zwischen nqma
einerseits, dräjö usw. (auch mit a>-^jö\) anderseits eine Lücke.
2) Im Griechischen ist der Gebrauch von övo^a neben
eivai wahrscheinlich beträchtlich jünger als derjenige des Be-
reichsakkusativs, jener tritt erst in der Odyssee auf, dieser hat
schon in der Ilias eine lange Entwicklung hinter sich. Es ist
fraglich, wie der Akkusativ övoua neben eivai enstanden ist
3) Der Gebrauch von övona ist im Griechischen selten
(sowohl dvrip KtricmTTGC övo|ia wie ^kcTvoc KirjciTmoc övo|id ^cnv).
28 R. Blümel,
7. — 26. Der Bereichsakkusativ im Griechischen und Awes-
Hschen.
7. — 10. Frühere Erklärungsversuche.
7. Ableitung aus dem Teilakkusativ?
Brugmann (zuletzt, mit ausführlicher Begründung S. 121 ff.)
leitet den Akkusativ des Bereichs (in erster Linie) von dem
'Akkusativobjekt des Teils' ab. Brugmann — mit ihm auch
Delbrück S. 385 f. — nimmt an, der Objektsakkusativ des Teils
in Sätzen wie t6v ö' aopi TTXfjg' auxeva A 240 sei im Passiv
ebenfalls Akkusativ (Brugmann S. 130). Nach Brugmann müßte
schon im Aktiv eine Verwandlung der Funktion jenes Teil-
akkusativs erfolgt sein, welche das Stehen dieses (veränderten)
Akkusativs auch im Passiv ermöglicht hätte : *In unserm spe-
ziellen Fall nun, in den aktivischen Wendungen wie A 24CrTÖv ')
ö' aopi TrXfiH' auxeva, A 501 tov p' 'Oöuceuc ^rdpoio xo^iJu-
cd)ievoc ßdXe öoupi | KOpcriv muß der Teilakkusativ seinen Wert
als Apposition 2) zum Akkusativ des Ganzen früh eingebüßt
haben. Das Verhältnis der psychologischen Unterordnung des
Teilakkusativs unter den anderen Akkusativ blieb bestehen, nur
war es eben nicht mehr das appositioneile ^). Bewiesen wird
das wieder durch die passivische Wendung, wie E 284 ßeßXnai
Keveuuva biajUTrepec' (folgen noch 2 passivische Beispiele, und
ein aktivisches, dieses zum Vergleich). Delbrück sagt vom Akku-
sativ des Ganzen und des Teils: 'Wird die Konstruktion pas-
sivisch 3), so wird der Akkusativ des Ganzen zum Nominativ,
während der des Teiles bleibt. So ergibt sich ßdßXnai KeveüJva
öiaiLiTTepec E 284 und ähnl. Dieser Akkusativ ist nun von
dem Akkusativ der Beziehung nicht mehr zu unterscheiden.
Dort wird von ihm weiter die Kede sein'').
Der Auffassung von Brugmann stimmt Havei*s a.a.O. durch-
aus bei, namentlich S. 21 ; Kieckers findet sie S. 365 *im Großen
und Ganzen durchaus wahrscheinlich'. (Das Gleiche gilt natür-
lich von der Delbrückschen Annahme).
Behalten wir nur die nichtsyntaktischen Bedeu-
tungsverhältnisse der betreffenden Verba und Substantiva
1) Diese Sperrungen von Brugmann.
2) Vgl. S. 7 unter 6), auch S. 5 unter 2.) und S. 11 unter 1).
8) Sperrung von Delbrück.
4) Delbrück leitet den Akkusativ des Bereichs von dem Akkusativ
^vo^a ab.
Der Ursprung des griechischen Bereichsakkusativs und anderes. 29
im Auge, dann ist die Erklärung Brugmanns einfach schlagend
richtig und ein wahres Ei des Kolumbus; im Bereichsakkusativ
stehen besonders Körperteile und Seelenvermögen, die von ihrem
'Sitz', dem betreffenden Körperteil, nicht scharf geschieden wer-
den: KaxeTxXriTTi qpiXov rjxop f 81, die Körperteile wie die Seelen-
vermögen stehen im Aktiv als 'Teilakkusative' töv öe Tic döa-
vctTUJV ßXäv|;e qppevac Ivöov eicac E 178 und derartige aktive Sätze
sind von (durchaus möglichen) Sätzen mit Akkusativobjekt und
mit Bereichsakkusativ z. T. kaum zu unterscheiden. Tom Passiv
führen Brücken zum intransitiven Yerb, über das Partizip zum
Adjektiv, vgl. Brugmann Xummer 4, S. 130 ff.
Ich finde aber, und das ist hier das "Wesentliche, durch-
aus keine Möglichkeit, die Sätze mit Bereichsakkusativ syn-
taktisch aus solchen mit Akkusativ des Ganzen und des Teils
abzuleiten.
Schon die Stellung des m. E. sehr altertümlichen irobac
lijKuc AxiXXeuc z. B. A 58 u. ä. macht Schwierigkeiten, weil
(Brugmann S. 130) Vorausstellung des Teilakknsativs vor dem
Akkusativ des Ganzen bei Homer noch nicht sicher ist. Man
könnte selbständige Entwicklung der Stellung in Beispielen mit
Bereichsakkusativ annehmen, außerdem die reiche Möglichkeit
der Griechen erwähnen, Wortstellungsforraen zu bilden und
anzuwenden (sog. Freiheit der Wortstellung).
Nehmen wir — vorläufig — an, der Akkusativ des
Teilinhalts stehe auch im Passiv, und kein Teilnominativ komme
im Passiv vor (z. B. nicht ßeßXriiai eKeivoc, Keveüuv), so erhebt
sich für jeden, der keine weitere Wurzel des Bereichsakkusativs
annimmt, die Frage :
Wie ist es möglich, daß die übrigen Gebiete des Bereichs-
akkusativs außer Sätzen mit transitivem Aktiv und Passiv (Sätze
mit inti-ansitiven Yerben und solche mit Adjektiven) vom Be-
reichsakkusativ besetzt werden? also: wie kommt es zu Kaid
bi xpoa TTdvra cawf\ri T 27, aiei bk Xnrapoi K€q)aXdc Kai KaXd
TtpöcujTra 0 332 {'sind sie ?) und zu iroöac ujkuc AxiXXeuc A 58 ?
Bevor nämlich der Bereichsakkusativ entstanden war, müssen
— falls er nicht andere Wurzeln hatte als den Teilakkusativ —
neben intransitiven (finiten) Yerben und prädikativen (auch wohl:
prädikativattributiven?) Adjektiven, wenn das Subjekt des Ganzen
im Nominativ stand') auch die Subjekte des Teils im No-
1) Es gibt ja auch Subjektsakkusative, im Akkusativ mit Infinitiv.
30 R. Blümel,
minativ gestanden sein. Neben Partizipien und attributiven
Adjektiven kann ich überhaupt keinen 'Teilkasus' annehmen,
ein vorhomerisches iGnKe bk repiiat' Aönvn | *dvöpi bifiac ^iKuTa
9 194 mit nominativischem be|iac, ein vorhomerisches toTci
ö' dviCTdjLievoc )a£Teq)r| *TTÖÖec ujkuc AxiXXeuc A 58 erschiene mir
syntaktisch ungemein hart. Es könnte aber — unter den ge-
gebenen Yoraussetzungen ! — nur geheißen haben vorhomerisch
(er) *KaTd bk xP^c Tide cairrir] T 27, [sie sind) *ai€i öe Xmapoi,
KcqpaXai Kai KaXd TTpöciUTra o 332. Vgl. nhd. Werner ist
schmutzig der Kragen. (Von einem Buch): Es ist ganz aus-
gezeichnet, der Schluß.
Auf das Gebiet der finiten intransitiven Verben und der
prädikativen Adjektive kann der Bereichsakkusativ nach einer
solchen Annahme nur durch Analogie von Sätzen mit transi-
tivem Aktiv und Passiv übertragen worden sein. Sobald aber
diese Übertragung anfängt, beginnt auch schon der Analogie-
kampf zwischen Sätzen mit dem alten Teilnorainativ und Sätzen
mit dem neuen Bereichsakkusativ. In dergleichen Analogiekämpfen
'wehrt' sich der endlich unterliegende Teil (das wären hier Sätze
mit Teilnominativ) mit großer Zähigkeit, man denke an vergessen
und entsprechende Verben mit Genetiv im Deutschen, an ihr
langes Fortdauern neben vergessen usw. mit Akkusativ, im
Griechischen an das lange Fortdauern des sympathetischen Dativs
neben dem Genetiv (nach Havers). Wir müßten annehmen, daß
die Gruppe syntaktischer Beziehungen nicht bloß im Deutschen,
sondern auch im vorhomerischen Griechisch, gerade was Sub-
jektsnominativ betrifft, sehr häufig gewesen sei. Für das Be-
deutungsverhältnis von Menge und Einzeln'em stehen uns für
Homer Belege zu Gebote (nach Ebelings Homerlexikon für
^KttCTOC) :
Akkusativ 3
Genetiv 2
Dativ 6
Genetiv + Dativ 1
12 : 53 Subjektsnominative.
(Außerdem zwei Lesarten E 87, p 177.)
Also 12 : 53 = 18,5 »/o : 81,50/0. Auch in den Beispielen,
die mir aus der nhd. Umgangssprache bekannt sind, überwiegt
die Zahl der Belege mit Subjoktsnominativ alle übrigen. Ganzes
und Teil 66,1 »/o; Menge und Einzelner 78,6 Wo; alle Fälle
Der Ursprung des griechischen Bereichsakkusativs und anderes. 31
61,2 °/o. Setzt man die Beispiele wie Koid bk xpo« Trdvra
carrriri und (sie sbid) Xmapoi KeqpaXdc in vorhomerische Sätze
mit Nominativ um, so ergeben sich, alle unsichern Stellen
abgerechnet, ohne Wiederholungen nach meiner Zählung für
Subjektsnominativ etwa 70, für Akkusativsubjekt 2, für Akkusa-
tivobjekt etwa 2, also ein gewaltiges Überwiegen des (nur voraus-
gesetzten !) Nominativs. Zählen wir die sicheren Belege für die
Verbindung von Objekten des Ganzen und des Teils, so finde
ich für Akkusativ etwa 50. (Belege mit Dativ und Genetiv sind
immer fraglich. Ich halte sie an sich durchaus für möglich.)
Wahrscheinlich müßten wir für eine Zeit, die keinen Bereichs-
akkusativ kennt, ziemlich viel mehr Beispiele für Subjektsnomi-
nativ des Ganzen und des Teils annehmen als Objektsakkusativ,
wir kämen wohl bei 50 Beispielen für Akkusativ auch minde-
stens auf 70. Kehren wir nun zu jenem Analogiekampf zurück !
Den rund 70 Beispielen, in denen Nominativ des Ganzen und
des Teüs anzunehmen wäre, stehen etwa 20 mit finitem und
weitere 15 mit Partizippassiv gegenüber, wo nach Brugraann
und Delbrück der neue Akkusativ vorläge. Dazu kommen dann
noch die attributiven Adjektive und intransitiven Partizipien
mit Bereichsakkusativ, die nur unter dem analogischen Einfluß
des Passivs (namentlich des Partizips) stehen können mit etwa
45 Beispielen. Also im ganzen etwa 70 gegen 80 ; etwa unge-
fähr gleich. Die 45 Bundesgenossen des Akkusativs sind dabei
für den Nominativ wohl unangreifbar, aber sie treten erst nach
und nach in den Kampf ein. Jedenfalls müßten wir bei Homer
eine ziemliche Anzahl von Teilinhalten als Subjektsnomi-
native finden, namentlich bei Werken einer Dichterschule, die
doch auch viel Altes erhalten haben. Ich habe nur 6inen
einzigen sicheren Fall für das Subjekt gefunden : dcniba NecTO-
penv, TTic vöv KXeoc oupavöv ikci, | irdcav xP^ceinv eiiievai,
Kttvövac Te Kai auTrjv 0 192f. ^). Es macht hier wenig aus,
daß dieses Beispiel, was das Bedeutungsverhältnis des 'Ganzen*
1) Fraglich ist vdpKnce bi x^ip ^ttI Kapuüj 0 328. Nach Ebeling
Lexicon Homericum I S. 1131 faßten es die alten Erklärer teils als xeip'(a),
teils als Teilnominativ x^'P- Man kann Nominativ xeip annehmen, aber
'ihm ergänzen'. — x308f. und uj 184f. xiiv hi ctövoc üüpvur' dciKrjc |
KpdTuiv TuiTTO|i^vujv enthält absolutes Partizip. — In \\i 52f. 6q>pa
cqpOüi ^U9povücTic ^irißnTOv | dnqpox^piu qjiXov nrop ist ^uq)poc6vTic ^ui-
ßaivu) = fröhlich werden, cpiXov fiTop Bereichsakkusativ. Vgl. den ähnlich um-
fänglichen Ausdruck oük dbarl^oviI^ c' Ix^x dfiq)iiToXe6€iv | dpxarov ui 244 f.
32 R. Bltimel,
TTctcav, d. i. dcTTiöa, zu den 'Teilen' Kavövac t€ Kai auTrjv nicht
ganz *rein* ist, weil ndcav *Schild' ist (mit Zubehör) und autriv
'Schild' ist (ohne Zubehör). Eben dieses aurriv maclit es un-
möglich, hier einen Bereichsakkusativ anzunehmen (gilt die
Aussage vom Ganzen, so wird bei Homer, wie auch hier, ttcIc
gebraucht, nicht auröc). Dagegen ist es wichtig, daß in diesem
einzigen Fall ein Subjektsakkusativ steht. Yon einem Analogie-
kampf zwischen Nominativ des Ganzen und des Teils und einem
daraus teilweise 'entwickelten' Akkusativ kann m. E. keine Rede
sein, der Nominativ des Teils hätte sich entschieden viel zäher
behauptet. Wir können das Beispiel 0 192 f. auch ganz gut
als eine Neuerung fassen. Der Nominativ des Ganzen und des
Teils kam auch im späteren Griechisch offenbar sehr selten
vor. Kühner-Blaß-Gerth erwähnt ihn nicht, wohl aber die Gruppen
syntaktischer Beziehungen mit anderen Kasus.
Daraus ist zu schließen : es hat Ausdrucksweisen gegeben,
welche die Gruppe syntaktischer Beziehungen, das Subjekt ent-
haltend, kaum oder gar nicht aufkommen ließen i), unter diesen
muß eine AusdrucksAveise mit Akkusativ gewesen sein, der
auch zu Intransitiven wie cairrivai, auch womöglich ihren Parti-
zipien, und Adjektiven (prädikativen wie attributiven) treten
konnte. Leitet man diesen Akkusativ nur von dem Teilakkusativ
neben dem Passiv ab, so ist zu fragen: "Warum gab es vor
der Ausbreitung dieses Akkusativs auf das Gebiet der Intran-
sitive wie der Adjektive nichts, was einem Katd bi xpöa TidvTa
cairnr), einem uobac u)kuc entsprach? Warum die spätere Aus-
dehnung des Akkusativs auf diese Fälle?
Nun leitet ja Delbrück, vgl. S. 891 f., vgl. auch Kieckei*s,
das weitaus größere Gebiet des Bereichsakkusativs von Sätzen
mit övo.ua, also aus einer andern Wurzel ab, Brugmann viel-
leicht (?) die Fälle wie MeveXaoc HavGöc KeqpaXrjv ebenfalls aus
einer neuen Wurzel. Ich kann diesen Ableitungen nicht zu-
stimmen, aber selbst, wenn ich dies beiseite lasse, so läßt mir
das fast vollständige Fehlen des Teilsubjekts bei Homer und im
und Kai vöov ^v npiüroici MuKrivalujv ^t^tukto mit sicherem Bereichs-
akkusativ 0 643. — d|iq)l b^ ^x\v cqpupd tutttc kuI aux^va b^pjua KcXaivöv, |
fivTuE f\ nundTTi 6^€v dcirtboc ö|aq)aXÖ€ccric Z 117 f. wahrscheinlich die
Haut, der (lußerxie Rand, welcher . . . ftvTuE Apposition zu b^p)ia.
1) Vgl. wir sagen kaum Der Knabe stieß den Stein ireg, »ein Fuß,
sondern Der Knabe stieß den Stein mit dent Fuße treij. Dieser Gebrauch
ist so lebendig, daß jener dagegen kaum oder nicht aufkommt.
Der Ursprung des griechischen Bereichsakkusativs und anderes. 33
Griechischen überhaupt die Annahme eines derartigen Analogie-
karapfes und damit auch die Annahme eines ausgedehnten
früheren Gebrauchs des Teilsubjekts als schwer möglich er-
scheinen; auch in diesem Falle (wenn der Bereichsakkusativ
noch eine weitere Wurzel hätte) wäre der Analogiekampf nicht
derart zuungunsten des Teilsubjekts ausgefallen.
Jetzt muß aber auch die Annahme geprüft werden, daß
neben dem Subjektsganzen der Teil im griechischen Passiv
Akkusativ sein müsse.
Ich bin fest überzeugt: Gibt es in irgendeiner indogerm.
Sprache Passivsätze mit einer Gruppe syntaktischer Beziehungen
von Subjekt zu Verb, so kann auch der Teilinhalt (Akkusativ
mit Infinitiv, absolutes Partizip stehen bei Seite) nur Subjekts-
nominativ werden. Akkusativ ist hier unmöglich. Jeder Objekts-
akkusativ steht im Passiv nur dann, wenn die Subjektsbeziehung,
in der sein Inhalt stehen müßte, sich mit der schon gegebenen
Subjektsbeziehung nicht verträgt, weil beide Beziehungen zu
verschiedenartig wären. Davon ist aber hier keine Kede, im
Gegenteil, die Subjektsbeziehung wird hier gewissermaßen
wiederholt, wie jede andere syntaktische Beziehung in diesem
Falle, nur ist die zweite Zusammenstellung von der ersten im
Grade der Genauigkeit verschieden, sie ist genauer. Daher
ist in diesen Fällen der zweite Inhalt in der neuhochdeutschen
Umgangssprache immer Subjektsnorainativ, z. B. (vom Schiff
Titanikj Das ganze Vorderteil ist weggerissen worden, der Boden.
(Im Otfrid steht 4, 11, 33 f. die aktive Wendung: druhtin, wasg
mih al, houhit ioh thie fuazi (Brugmann S. 129); Ters 37 f. steht
ein entsprechender passiver Satz: ther man, ther githtiagan ist,
thie fuazi reino in wära; thie fuazi ist nach meinem Sprach-
gefühl Subjektsnominativ).
Nach meinen Beobachtungen scheiden sich die passivischen
Sätze mit Bereichsakkusativ in zwei Abteilungen
1) solche wie ßeßXnai Keveüüva E 284 ohne irgendeine
Angabe des Urhebers; diese häufiger als
2) solche wie dcTriöi raupeir) KeKaXuniaevoc eupeac dj|novlc
TT 360 mit Angabe des Älittels im Dativ.
Beiden Arten steht kein Aktiv gegenüber; also ein Fall,
wo die Frage gar nicht erhoben werden kann, ob Ver-
wandlung ins Passiv und mithin Stehenbleiben des Akku-
sativs stattfinde, eine Frage, die ja an sich zu verneinen ist
Indogermanische Forscliungen XXXÜI. 3
3* R. Blümel,
Nun aber erscheint uns ein Satz wie *ßeßXriai, Ktveiuv als
nicht recht griechisch, wahrscheinlich mit Recht. Das kommt
aber daher, daß ein solches Passiv überhaupt nicht gebildet
wurde, überhaupt nicht gebildet werden konnte, weder
mit dem Inhalt des Ganzen und dem des Teils als Subjekt
noch mit dem Ganzen als Subjekt, dem Teil als Akkusativ (so-
lange die Gruppe syntaktischer Beziehungen vorlag!) Eine der-
artige Annahme erscheint seltsam, wir glauben doch, es gebe
zu jedem 'transitiven' Verb ein 'persönliches' Passiv. Und doch
gibt es z. B. im Neuhochdeutschen Verben mit Akkusativ-
objekt ohne Passiv, nämlich solche, die stofflichen oder
geistigen Besitz (auch dessen Eintreten) bedeuten: hahen^ be-
sitze7i, kriegen, bekommen, erhalten; wissen, einsehen, erfahren.
Außerdem, eigentlich selbstverständlich, die Verben mit reflexivem
Objekt wie {sich) ermorden und Ausdrücke wie mich friert.
Bei Homer ist das Passiv neben Verben wie lehren usw. (mit
der Bedeutung berauhen usw. schlechthin) zum Teil noch gar
nicht entwickelt, s. Abschnitt 8.
Es könnte aber immerhin auffallen, daß es aktive Sätze gibt
wie 6 öe AeÖKOV 'Oöucceoc ec9Xöv ^taipov ] ߀ßXr|Kei ßoußujva
. . . A 491 f. und daneben passivische wie ßeß\r|c» Kcveuiva öiain-
Trepk E 284. Aber es liegt nur die Möglichkeit, keineswegs
die Notwendigkeit vor im ersten Satz ßoußüuva als Akkusativ-
objekt zu fassen, ßoußüüva kann von allem Anfang an Bereichs-
akkusativ gewesen sein oder eine Vorstufe des Bereichsakkusativs,
genau dasselbe wie Keveujva in dem passivischen Beispiel und
dieser Bereichsakkusativ kann etwas ganz anderes gewesen sein
als ein Objektsakkusativ. Und nehmen wir an, ßoußüüva sei
Akkusativobjekt, muß dann KeveuJva eines sein? Wenn wir das
annehmen, so stellen wir uns ein syntaktisches System als
lückenlos vor, wir meinen dann, wo ein Aktiv sei, müsse auch
ein (einigermaßen) entsprechendes Passiv sein. Aber die ähn-
lichen syntaktischen Kategorien z. B. Aktiv, Passiv, brauchen
durchaus nicht beide die Fälle zu umfassen, deren Bedeutungs-
inhalte sich genau entsprechen (z. B. es heißt Er hat auch ein
Klavier^ aber nicht Auch ein Klavier wird von ihm gehabt).
Anderseits gibt es wesentlich gleichartige Fälle, was Bedeutungs-
verhältnisse betrifft, die verschiedene syntaktische Beziehung
yerlangen, wenn uns diese auch zunächst in unserer Sprache
gleichartig erscheint, vgl. das von Havers gebrachte Beispiel
Der Ursprung des griechischen Bereichsakkusativs und anderes. 35
cfj^d xe luoi xtOai iroXinc im Givi GaXdcaic, | dvöpöc bucTrjvoio
X 75 f. Nehmen wir an, aktive Sätze wie 6 be AeuKov . . . | ße-
ßXrJKei ßoußüjva enthielten jedesmal die Gruppe zweier Objekts-
beziehungen und Fälle wie ßeßXnai Keveüjva den Bereichsakkusativ,
so haben wir einen ähnlichen Fall wie den Haversschen,
doch stehen sich die Inhalte ßoußuuva Keveiliva in gewisser Hin-
sicht noch näher als ^oi und dvöpöc öuctrivoio, und wir haben
von vornherein zwei verschiedene syntaktische Formen (Aktiv,
Passiv). Am einfachsten ist die Annahme, es habe in Passiven
wie ßeßXnai Ktveujva nur den Bereichsakkusativ gegeben, in
Aktiven wie 6 be AeÖKOV ßeßXrjKei ßoußüjva seien Sätze mit zwei
Objekten und Sätze mit einem Objekt und einem Bereichs-
akkusativ möglich gewesen. Tatsächlich gibt es auch 6in sicheres
Beispiel für zwei Objekte bei ßdXXuj: töv ßdXe laeccov dKovri
TTO&dpKTic öToc AxtXXeuc, j viijTa Trapatccovroc Y413f., aber nur
im Aktiv. (Alle übrigen aktivischen Beispiele bei Verben des
Treffens und Verwundens sind zweifelhaft).
M. E. ist also die Ableitung des Bereichsakkusativs im
Passiv, z. B. KeveiiJva in ßeßXnai Keveüjva vom 'Teilakkusativ'
wie 6 öe AeÖKOV ßeßXtiKei ßoußüuva unmöglich.
Wenn wir die Frage zu beantworten haben, ob in einem
bestimmten Falle die Gruppe zweier Objektsbeziehungen ('Akku-
sativobjekt des Ganzen und des Teils') vorliegt oder Bereichs-
akkusativ neben Verb mit Akkusativobjekt, so kann die Ent-
scheidung nur lauten: Entweder das eine oder das andere,
keine Übergangsstufe. Die Entscheidung fällt zum Teil leicht,
z. B. x] ce TTÖbac viipei x 356 ist Gruppe syntaktischer Beziehungen,
in andern fällt uns die Entscheidung schwer, z. B. in dem Bei-
spiel xöv ö' dopi TTXfiE' auxeva, vielleicht beurteilen wir manches
Beispiel falsch, aber dann sind wir 'farbenblind'. Für die
Griechen bestanden offenbar zwei streng geschiedene Arten
von Fällen mit verschiedener syntaktischer Gliederung und Be-
deutung. Dabei kann ein xöv ö' dopi irXnH' auxeva die eine der
genannten Gliederungen haben den schlug er mit dem Schwert^
seinen Nacken, ein anderes xöv ö' dopi kXjiH' auxeva die andere
den schlug er mit seinem Schwert in den Nacken, wahrscheinlich
war in beiden Fällen die Akzentgliederung verschieden, 'Akzent'
im Sinne Sarans, also Melodie, Tonstärke, Gliederung durch
pausenähnliche Einschnitte. In entsprechender Weise scheiden
3*
36 R. Blümel,
wir z. B. im Deutschen der sich so gewältig \ fühlt, gewaltig
Adverb und der sich so gewaltig fühlt, getcaltig prädikativ.
*Geht' dagegen eine Erscheinung aus der andern durch
allmähliche Verwandlung 'hervor', so zeigt sich ein Schillern,
bei der Lautentwicklung natürlich durch die Schrift verdeckt,
in der Bedeutungsentwicklung dagegen nicht, und daher auch
besser erkennbar. So schillert z. B. die örtliche Bedeutung durch
in der unanschaulichen Verwendung von Präpositionen mit Sub-
stantiv {Wende dich an mich). Und ein solches Schillern sehe
ich auch in der Entwicklung des Bereichsakkusativs, wie ich
sie mir denke, vgl. die Abschnitte 13 — 17, 20—22, dagegen
ist kein solches Schillern zwischen Bereichsakkusativ und Teil-
objekt. Hier ist eine Kluft. Also handelt es sich um zwei ganz
verschiedene Erscheinungen, die nicht auseinander geschichtlich
abzuleiten sind.
8. Analogiebildung nach Verben mit doppeltem
Akkusativ wie hefallen (iKdvuj), berauben'^
Brugmann erwägt auch die Möglichkeit, analogischen Ein-
fluß von anderen Verben mit Akkusativobjekt anzunehmen:
"Daß die Umwertung des Teilakkusativs unter dem Einfluß der
Konstruktion anderer Verba mit dem Akkusativ vor sich ging,
ist an sicli wahrscheinlich, doch ist hierüber schwer ins Reine
zu kommen". S. 130*). Brugmann erwähnt im besondern den
etwa möglichen analogischen Einfluß von Verben wie kaviu
(mit Akkusativ des Ziels oupavöv ke) auch solche wie ßctXXuj,
S. 130, die z. T. wie Brugmann Anra. 2 angibt, selbst den Akku-
sativ des Ganzen und des Teils bei sich haben.
Nun steht bei Verben des Befalleus wie iKotvou iKveoiiai
die Person und Körperteile von ihr (Youvara, T 354, N 711)
sowie die Person und ihr Seelenvermögen z. B. 0ufi6v A 88 im
Akkusativ. Neben ßdXXu) kann Bereichsakkusativ angenommen
werden, die Bedeutungen befallen und treffen sind sehr ähnlich.
Die Körperteile und Seelenvermögen stehen sicher neben kdvuj
ursprünglich im 'Ziel'akkusativ, aber dasselbe gilt auch von
dem Akkusativ der Pereon bei iKdviw. Wir braucliten aber eine
1) Hier kann nur das 'bearbeitete' Akkusativobjekt in Betracht
kommen, z. B. das Haupt treffen, nicht das 'bewirkte', z. B. jemandem
sine Wunde schlagen. Daher fallen hier Sätze weg wie ^Xkoc , . . tö mv
ßdXe TTdvbapoc (i|i E 79ö.
Der Ursprung des griechischen Bereichsakkusativs und anderes. 37
Entwicklung, die den persönlichen Akkusativ zum Objekt werden
läßt (damit im Passiv die Person Subjekt sein kann), die aber
den alten Zielkasus beim Körperteil oder Seelenvermögen er-
hält (damit der Akkusativ auch im Passiv möglich ist). Eine
derartige Entwicklung ist kaum möglich. Die Entwicklung er-
greift oder verschont beide Akkusative. Derartige Fragen sind
eigentlich ziemlich müßig, denn iKdvuj und iKveo)iai haben bei
Homer kein Passiv. Bestenfalls bekämen wir also den Schlüssel
für den Akkusativ neben Verben des Treffens, und dieser
Akkusativ ist zweideutig. Sichere Bereichsakkusative könnten
wir so nicht erklären.
Als Verben, deren Analogiewirkung hier vorliegen soll,
könnten nur solche in Betracht kommen, welche zwei Objekte
mit verschiedener syntaktischer Beziehung bei sich haben, wie
lehren, verheimlichen, fragen, fordern, berauben.
Dabei ist zu beachten: Eine Analogiebildung nach Er-
scheinungen mit bestimmter syntaktischer Gliederung hat auch
offenbar dieselbe Gliederung, z. B. wenn (wie Brugmann an-
nimmt) ein Grieche bilden würde ^) KaxeTrXrifTi qpiXov rJTOp f 31
nach ^K Ö€ Ol nvioxoc ttXiitti (ppevac N 394, so wäre KateTrXriTTi
qpiXov f\Top als Passiv eines Verburas des Beraubens anzu-
sehen, aber nicht als Passiv mit Teilakkusativ. Ich habe
also jetzt den Boden des Teilakkusativs verlassen.
Bei den Beispielen wie dcrribi raupeir] KeKaXumiievoc eupeac
uj|Liouc TT 360 denkt man an die Verben des Anziehens. Aber
Körperteile werden bei Homer nicht angezogen, dagegen öteuj . . .
liexdqppeva TUMVujGein M 428 und ciepvov T^^ivujSevra TT 312.
Die Verben des Beraubens setzen dagegen dieselben oder
bedeutungsähnliche Inhalte in Beziehung zu ihrem Verbinhalt
wie bedeutungsverwandte Verben mit dem Bereichsakkusativ.
Ich sehe aber auch hier wieder nicht das Schillern des
Bedeutungsübergangs zwischen berauben mit Objekt einerseits
und Verben mit dem Bereichsakkusativ anderseits, sondern eine
Kluft, ähnlich wie zwischen Sätzen mit Teilakkusativ und solchen
mit Bereichsakkusativ*); unter Umständen läßt 6ine Sach-
lage beide Auffassungen zu, z. B. kann ein Gelähmter sagen:
1) Das Beispiel ist unrichtig, vgl. S. 38 o., ich habe aber nur un-
richtige zur Verfügung.
2) Auch, was wichtig ist zwischen Sätzen mit Teilakkusativ und be-
rauben mit Akk. r\ n' IßXavve öed iröbac mich, meine Füße V 782, dagegen ^nei
ßaciXto ibov ßeßXai^u^vov fiTop TT660f. des Lebens beraubt, Sarpedon ist tot.
38 R. Blümel,
ich bin meiner Beine beraubt und ich habe einen Schaden an
meinen Beinen (entspräche dem griechischen Bereichsakkusativ).
Aber jede dieser beiden Anschauungen schließt die andre aus.
So sind scharf zu trennen:
ßeßXa|üi|Lievov niop TT 660 {beraubt) von den Lesarten öebaiT-
laevov, ßeßoXriiaevov, ßeßXrmevov; dann von äx^i . . . ßeßoXriiaevoc
i^Top I 9, Knp dxei jueToXtu ßeßoXrmevoc k 247 und "Apnxov öe
KttT auGi XiTTov beöaiTiuevov iirop P 535. Berauben schließt ein
das Verlieren durch den Beraubten, dagegen die Verwundung
nicht. Besonders beweisend erscheint mir der Unterschied, wenn
er sich an verschiedene Zusammensetzungen eines Stammverbs
knüpft: ?v9a k' dTTÖ pivouc bpü(p9ri € 426 [hätte die Haut
durch Abschürfen verloren), dagegen dTKiiuvdc xe irepiöpucpöri
CT6^a xe ^Tvdc xe V 395 {schürfte sich ringsherum ab und erlitt
so Beschädigungen an . : .)
iK Ydp TcXriYH «ppevac TT 403, ganz deutlich: ^k bi oi
f|vioxoc tiXtith (ppevac, Sc Trdpoc eixev N 394: {verlor den Ver-
stand, den er sonst besessen hatte), vgl. cu fe xic qppevac ^KTreTra-
xaYjaevoc ecci c 327; 610' ^HeKÖTtriv xöv 6(p6aX)aöv irpoTepov
Xi6uj, Aristophanes, Brugmann S. 122, ebd. Xen. anoT[xr]Qivtec
rdc KeqpaXdc?'). Dagegen KareTrXriTn «piXov i^iop f 31, er wird
ins Herz getroffen, nicht des Herzens beraubt. Hätte er das
T^xop (nach homerischer Anschauung) verloren, so wäre er da-
durch gestorben. Es heißt selbst rnniv b' auxe KaTeKXdc0ri qpiXov fJTop
z. B. i 256, weder die Verwundung noch das Brechen des i^Top
führen den Tod herbei. Dazu noch irepi b' aiina vevnriai Q 419.
Das Vorbild für Wendungen wie KaxeirXriTn <piXov t^iop
waren solche wie ßXfiTO ydp a»|aov boupi, P 598, noch näher
liegt Ipuj ö' dpa 0u^öv ?0eXx0ev c 212, wieder kein Verlust des
0u|L»öc durch Beraubung, weil dies den Tod herbeiführt, vgl. xöv
. . . iiieXinbea 9umöv dTrnupa K 495, vgl. n 827 f., Y 290, v 270
und namentlich X 202 f. (Die tote Mutter des Odysseus spricht:)
dXXd ^e coc xe 7r60oc cd xe ^rlöea, q)aibi|Li* 'Obucceö, | cn x' dtavo-
qppocüvr) luieXiribea 0u^öv dmiupa.
Alle diese seelischen Verwundungen stehen bei Homer nur
im Passiv, der Vorgang ist offenbar im Aktiv (mit handelndem
Subjekt) für Homer nicht darstellbar.
Besonders wichtig ist es, daß die Passivbelege bei diro-
bpuqpuü, dKTTXnccou, ^KTTardccuü (rrepOviicu deutlich den Anfang
1) Begleiterscheinung statt Handlung selbst.
Der Ursprung des griechischen Bereichsakkusativs und anderes. 39
einer Entwicklungsreihe darstellen, während der Bereichs-
akkusativ bei Homer schon eine ziemlich lange Entwicklung
liinter sich hat. Man sieht förmlich, wie das Akkusativobjekt
neben passiven Verben des Beraubens zustande kommt Zuerst
gab es nur Sätze wie nvioxoi ö' eK-nrXriTev, Z 225, vgl. auch die toO
TTpöc TreTpr]ci Gpaceidouv oittö x^ip^iv j pivoi drrebpuqpöev e 434 f.,
erst nach solchen Beispielen wie . . . iKTrXriTev konnte gebildet
werden ileTi\r\Tr\ qppevac ; nach veviTrrai wird gebildet atjua vevm-
Ttti ; Subjekt beidemale er. Es ist auffällig, daß kein eigentliches
Yerb des Beraubens schlechthin bei Homer im Passiv vor-
kommt (die genannten Verben geben die Begleiterscheinungen
der Beraubung, das Abschürfen, Waschen und den Schlag).
Besonders bezeichnend ist das Beispiel X 2021, wo wir ein ehe-
mals lebendes, beraubtes Wesen haben, als Ursache einen Vorgang
(Sehnsucht nach dem geistig hervorragenden Sohn) und wo
doch das Aktiv dmiupa steht. — Ganz entsprechend ist es,
wenn bei Homer nur ein ebibdxöri mit Akkusativobjekt vorkommt.
€m ö' fjTTia (pdpuKtt Trdcce | ecöXd, xd ce irpori qpaciv 'AfiXXfioc
5eöibdx9ai A 830 f., offenbar nach älterem öafivai 'kennen lernen'
z. B. dnqpoiepujv he qpuriv eb6.r]v Kai |uriöea iruKvd f 208.
Auch könnte ich mir die Entwicklung eines Objektsakku-
sativs (wenn er nicht 'überflüssig* ist, wie övoina neben KaXui,
KaXoö|Liai) zu einem 'freien* Akkusativ schwer vorstellen, eher
das Umgekehrte, daß ein örtlicher Akkusativ Objekt wird, zuerst
nur örtlich uridg. er schlägt den Knaben Akkusativ, mit der
Bedeutung er schlägt auf den Knabeti ein, dann mit Verblassung
der örtlichen Beziehungen und Erstarkung der ursächlichen,
soweit daß nur die ursächlichen (des Akkusativobjekts) übrig
bleiben. Wahrscheinlich liegt eine spätere entsprechende Ent-
wicklung bei oupavöv ke vor = . . . erreichte den Himmel. Das
Fehlen des Passivs ist entsprechend aufzufassen, wie der Fall
bei nhd. haben usw.
Alle diese Erörterungen lassen nur den 6inen Schluß zu,
daß trotz aller angegebenen Versuche die Wurzel des Bereichs-
akkusativs noch nicht gefunden ist.
9. Akkusativ der Unterordnung?
Brugmann führt noch den Akkusativ der Unterordnung
ein. "Die Akkusativkonstruktion dagegen ') und ihre Ausbreitung
sind speziell dadurch veranlaßt worden, daß zwei Satzvorstel-
1) Im Gegensatz zum Instrumental der Beziehung.
ÜQ R. Blümel,
luDgen, eine mit einer Person in Subjektstellung und eine mit
einer enge zur Person gehörigen Sache in Subjektstellung, welche
zusammen Glieder einer weiteren Gesamtvorstellung waren, in
6inen einfachen Satz zusammenzuziehen waren, ohne daß dabei
etwas anderes erreicht werden sollte als grammatische Unter-
ordnung^) des Sachbegriffs unter den Personbegriff", S. 136.
Vgl. S. 128. "Nur in bezug auf den Akkusativ der Sache hat
sich nun mit der Zeit das Sprachgefühl derart verändert, daß
sich die Vorstellung des Objektsverhältnisses verflüchtigte und
dem Zusammenhang nach ein 'Akkusativ der Beziehung' daraus
wurde". S. 125. "Daß man aber gerade zum Akkusativ griff*),
geschah nach dem Vorbild von Objektsakkusativen, die neben
einem andern zum selben Verbura gehörigen Objektsakkusativ
stehend, diesem untergeordnet, ihm gegenüber degradiert waren."
Es gibt jedoch keine Unterordnung im syntakti-
schen Sinne ohne eine Funktion, es gibt auch keine
Funktion, welche schlechthin nur Unterordnung be-
deuten könnte. Die Sache ist vielmehr so: Irgend ein Inhalt
steht in einer syntaktischen Beziehung zu einem andern, d. h.
er hat eine syntaktische Funktion, welche wir aus verschiedenen
Anzeichen, namentlich solchen der syntaktischen Form, erkennen,
und je nach der Art dieser syntaktischen Funktion nennen wir
diesen Inhalt über-, bei- oder untergeordnet, z. B. das Genetiv-
attribut, das Genetivobjekt heißt kraft seiner Funktion einem
andern Inhalt untergeordnet. Unterordnung ist also etwas, was
verschiedenen Funktionen gemeinsam anhaftet, aber eine Unter-
ordnung ohne Funktion, eine Unterordnung ohne syntaktische
Beziehung zum Übergeordneten gibt es nie und nirgends, auch
nicht in einer flexionslosen Zeit. Jene 'untergeordneten* Objekts-
akkusative haben ihre ganz bestimmte Funktion, auch im Passiv,
und dieser Funktion entspricht ihre Form. Pauls weiter idg.
Akkusativ hat eine sehr weit ausgedehnte, sehr inhaltsarme
Funktion; Ähnliches gilt für diejenigen, welche den Bereichs-
akkusativ übersetzen mit in Bezug auf; aber ßrugiiianns Akku-
sativ der Unterordnung ist, was Funktion anbelangt, nicht mehr
inhaltsarm, sondern inhaltsleer. AVir verzweifeln vielleicht
daran, eine bestimmte syntaktische Beziehung in Worten zu
1) Von Brugmann gesperrt.
2) Statt eines andern Kasus (außer dem unmöglichen Nominativ).
Der Ursprung des griechischen Bereichsakkusativs und anderes. 41
umschreiben, oder mit einem Begriff einzufangen, z. B. die von
övo|Lia, aber wir 'fühlen' sie und unterscheiden sie von andern.
Unterordnung in diesem Sinne, die an eine bestimmte
Funktion unauflöslich gebunden ist, kann grundsätzlich jeder
Kasus bedeuten, der nicht kongruiert (natürlich auch die Kon-
gruenz), unter den Kasus auch der Akkusativ. Für den Prädi-
katsnorainativ vgl. Brugmann S. 137 : Von N. N., ordentlicher
Professor in Kid, ist das und das veröffentlicht norden, und die
folgenden zwei Beispiele. Wo sich zwei verschiedene, aber ähn-
liche Funktionen gegenüberstehen, z. B. Instrumental der 'Be-
ziehung' und Bereichsakkusativ, da bedeutet demnach jede
Unterordnung, und diese Unterordnung ist in beiden Fällen
unzertrennlich mit der Funktion verbunden.
Brugmann denkt offenbar an nhd. Fälle, die scheinbar den
Fällen mit Bereichsakkusativ entsprechen Er flehte, die Hände
zu Zem erhoben . . . , wo der Akkusativ steht, vgl. das deutliche
Beispiel Den Kopf stolz erhoben, schritt er dahin. Daneben steht,
viel seltener, ein Xominativ, z. B. Ein Hauderwagen mit Gepäck
beladen schwer, \ Der Fuhrmann oben, wackelte vor ihnen her
Spitteler Olympischer Fi'ühling, 2. Bearbeitung 2, 148. Dieser
Unterschied : Akkusativ — Xominativ ist offenbar zurückzuführen
auf einen Unterschied in der syntaktischen Beziehung^) zwischen
Er : die Hände, er : den Kopf und anderseits zwischen Ein
Hauderwagen und der Fuhrmann. Nur jene ist die von Subjekt
zu Akkusativobjekt, ähnlich wie sus Minervam usw. Paul Prin-
zipien* S. 321 ; diese {Wagen : Fuhrmann) ist dagegen anders,
daher Fuhrmann im Xominativ. Sehr wahrscheinlich ist Brug-
mann zuzugeben, daß es sich bei dem deutschen Akkusativ
dieser Art meist um eine Sache in Beziehung zur Person han-
deln wird, aber auch Person : Person ist denkbar Sie ging fort,
ihren ältesten Knaben an der Hand (wenn es heißt: . . . ihren
Kleinen auf dem Rücken, so könnte man noch von 'Sache*
sprechen). Bei Person : Person und Sache : Sache liegt der
Xominativ am nächsten {Die Soldaten zogen ein, der Feldherr
an der Spitze, Xachwirkung von einziehen nicht unbedingt nötig
anzunehmen; Schon stand das Gebälk, ein Tannenbaum oben
aufgepflanzt). Person : Sache wird wohl immer den Xominativ
verlangen, Ygl. das Beispiel aus Spitteler. In allen diesen Fällen
haben wir eine 'untergeordnete*, zum Teil eine Teilvorstellung,
1) Vielleicht nicht bloß zwischen diesen zwei Inhalten.
42 R. Blümel,
aber trotzdem steht der Akkusativ nicht immer, und die Frage
ob Akkusativ, ob Nominativ, wird nach ganz anderen Gesetzen
entschieden.
Einen sichern Nominativ ähnlicher Art fand ich bei
Herodot: iva oi buibbeKa Irea dvTi ^H Tevriiai, ai vuKTec ninepai
TTOieu|ievai 2, 133. Vgl. dvii bk qpaWÜJV dXXa ccpi kri ^Eriupri-
liieva öcov re rnix^aia dTdXiaaTa veupocTxacTa, id Trepiqpopeouci
Kord KU)|Liac Tuvakec, veOov tö aiboiov, ou ttoXXuj teiu IXaccov
^öv Toö dXXou cuj|iaToc 2, 48. Das 2. Beispiel, leider in der
grammatischeu Form unklar, wahrscheinlich aber auch mit
Nominativ, stimmt zu den deutschen. Auch hier in beiden
Beispielen im Sinne Brugmanns Teilvorstellung und Unterord-
nung, aber Nominativ! — Schließlich sind noch die sehr
häufigen Fälle zu erwähnen, wo die Gesamtvorstellung unter-
geordnet ist: Der Deckel des Buches iM beschädigt.
Insbesondere müßten Formen wie MeveXaoc Eav6r| Keq)aXr|
(Brugmann S. 136) fürs Griechische erst nachgewiesen werden.
{Solche wie 'AxiXXeüc irobiJÜKric stammen aus der Zeit vor der
Flexion.) Falls man MeveXaoc £av06c mit irgend einem Kasus
von KecpaXri*) bilden wollte, und in jedem andern Fall, wo tat-
sächlich der Bereichsakkusativ steht, hätte zur Unterordnung
wie gesagt jeder andre Kasus gepaßt, der Instrumental hätte aus-
gereicht, wenn das nicht, jeder andre nichtakkusativische und
nichtinstrumentale. Warum gerade der Akkusativ? Auch hier
kommen wir wieder auf die Frage nach seinem Ursprung zurück*).
Die funktionsleere Unterordnung ist auch nicht als Über-
gangsstufe zwischen einem geschichtlich bekannten Akkusativ
1) Warum nicht * Mcv^Xaoc Havefjv xetpoXi^v , *M€v^aoc EavGfj
x€q)aXf| usw.?
2) Dieser Ansicht von Brugmann über Unterordnung scheint mir
ähnlich die von Neckel IF. 19, 253. (In einem indogermanischen Satz
Mann — Hain gebunden — wurde hingeführt :) . . . man stempelte 'Mann'
zum Mittelpunkt der Aussage, indem man es im Subjektskasus auftreten
ließ, und das mit solcher Entschiedenheit, daß 'Hals' demgegenüber zu-
rücktrat und an dem Kennzeichen des Subjektes nicht partizipierte. In-
dem es naturgemäß in dem engeren Verhältnis zum Prädikat 'gebunden'
verharrte, entstand das Stammkompositum 'halsgebunden*. — Ich stelle
mir die Entwicklung so vor: 1) Mann — Hala gründen — hingeführt,
Mann und Hah ohne Nominativ-». 2) Mann — hahgebunden — hinge-
führt^ hahgebunden Einheit, Mann ohne Nom. n, hals- natürlich auch,
Mann Subjekt. 3) Die Subjekte 'erhalten' das #, also nur Mann in Mann
— hahgebunden — hingeführt.
Der Ursprang des griechischen Bereichsakkusativs und anderes. 43
und dem Bereichsakkusativ anzuerkennen. Es müßten doch
die Gründe für eine derartige Auflösung der Funktion und
Entstehung einer ganz neuen erst beigebracht werden.
10. Andere Erklärungsversuche.
Nach Neckel IF. 19, 253 soll der Bereichsakkusativ
Analogiebildung sein nach Neutren, *bei denen der Objekts-
akkusativ mit dem reinen Stamm identisch war': övoucikXutoc
— övojua kXutoc. — Gab es aber ein 6vo|aa kXutöc, so hatte
dieses eine bestimmte Funktion, und damit, sobald es Kasus-
bedeutungen gab, einen bestimmten Kasuswert (unter Umständen
mehrere). Woher dieser Kasuswert? Und wenn wirklich der
Kasuswert unbestimmt gewesen wäre, woher dann die neuere,
bestimmte Kasusbedeutung? Ohne oder durch Analogie anderer
Formen mit bestimmter Kasusbedeutung? In jedem Falle ist
die Beantwortung der Ursprungsfrage bloß hinausgeschoben.
Meillet Mem. soc. ling. 8, 243 Anm. spricht von der
Yermischung des indogermanischen Instrumentals auf -m bei
o-Stämmen, 'Femininstämmen' und konsonantischen Stämmen,
und nimmt an, von hier sei der Gebrauch des Akkusativs im
instrumentalen Sinn ausgegangen, der in den meisten indo-
germanischen Sprachen zu finden sei, Eur. Bacch. 460 XeEov öcric
€1 T£voc, Demosthenes 20, 30 ecii yevei 6 AeuKuuv Hevoc.
Wir müßten zunächst wissen, ob Meillet heute alle Be-
reichsakkusati ve als Objekte in seinem Sinne auffaßt, vgl. unten,
oder ob nach ihm ein Teil der Bereichsakkusative 'Objekte*,
der andre Instrumental ist Auf jeden FaU wäre es angenehm
zu wissen, wie sich Meillet die Abgrenzung denkt (in jener
Anmerkung war eine solche Abgrenzung nicht möglich).
Wir müßten, falls die Instrumentalistheorie von Meület
richtig wäre, ein der Form nach einheitliches Gebiet (das des
Bereichsakkusativs) der Bedeutung nach in zwei Gebiete zer-
legen, wir hätten dann nachzuweisen, welcher Bedeutungs-
unterschied zwischen den ursprünglich instrumental gewesenen
Akkusativfällen und den instrumentaldativischen Fällen bestände,
ohne einen solchen Bedeutungsunterschied wäre auch die Frage
kaum zu lösen, wie man sich die endgültige Regelung der
Kasusformen vorstellt, die nach dieser Anschauung alle, der
Form oder der Bedeutung nach, den Instrumental fortsetzen
U R. Blümel,
oder beerbt haben ^). Es ist viel wahrscheinlicher und auch
einfacher so zu verfahren : die ganze akkusativische Masse der
Bereichsbeispiele akkusativisch erklären, davon die dativische
Masse scharf scheiden und die für sich erklären. Das ist auch,
wie ich unten gleich zeigen werde, durchaus möglich.
Introd. 316 spricht Meillet die Ansicht aus, der Akkusativ
der Beziehung sei nichts anderes als ein gewöhnliches Objekt. Ich
halte diese Ausdehnung des Begriffs Objekt nicht für vorteilhaft.
11. — 26. Neue Erklärung.
11. Vorbemerkungen, namentlich über
Ortsanschauungen.
Welche Anforderungen sind nun an jenen noch unbe-
kannten Akkusativ zu stellen, aus dem sich der Bereichsakku-
sativ entwickelt hat?
Die syntaktische Gliederung der Sätze, welche diesen
alten unbekannten Akkusativ enthalten, muß dieselbe sein wie
sie ist in Sätzen mit dem Bereichsakkusativ (oder: es muß
nachgewiesen werden, daß und wie sich die neue abweichende
Gliederung entwickeln kann). Die Gliederung ist in Sätzen mit
dem Bereichsakkusativ so: Übriger Satzinhalt: Bereichsakkusativ
(oder in Fällen mit attributivem Adjektiv übriger Gruppeninhalt:
Bereichsakkusativ). Diese Funktion des Akkusativs muß mit
der Eigenbedeutung der betreffenden Inhalte, zunächst : Körper-
teile, dann: Seelenvermögen usw. verbunden werden können.
Dieser alte Akkusativ muß ein sogenannter 'freier' Akku-
sativ sein; *frei* ist eine Bestimmung, wie schon erwähnt, wenn
neben einem Satz, der die Bestimmung enthält — In München
regnete es fürchterlich — ein anderer mit vollständigem Sinn
möglich ist, der den Inhalt jener Bestimmung nicht enthält,
sonst aber alle Inhalte des ersten: j&.s regnete fürchterlich.
Dieser alte Akkusativ muß stehen können in Sätzen mit
aktiven und passiven transitiven, medialen, intransitiven Verben,
finiten Formen und Norainalformen des Verbs, mit prädikativen,
prädikativ-attributiven und attributiven Adjektiven (selten neben
Substantiven und eivai mit Adverb).
1) Besondere Schwierigkeit würde dabei das echtakkusativische
nöbac in nöbac uükOc machen, das neben instrumentalem uocci steht.
Der Ursprung des griechischen Bereichsakkusativs und anderes. 45
Es wird sich empfehlen, wenn die altertümlichsten Bei-
spiele, was Funktion des alten Akkusativs und Eigenbedeutung
des akkusativischen Wortes betrifft, recht anschaulich sind.
Es muß sich nachweisen lassen können, daß der Gebrauch
jenes alten Akkusativs in der vorhomerischen Zeit recht lebendig,
also recht häufig war.
Die Funktion des ursprünglichen Akkusativs muß auch
in den späteren Fortbildungen mehr oder weniger schillern.
Dementsprechend wird auch der Xame zu wählen sein.
Endlich läßt sich vielleicht eine ähnliche Erscheinung im
späteren Griechisch oder schon zu Homers Zeiten nachweisen,
welche der genannten in den erwähnten Punkten auch in der
Form ähnlich ist. (Ich denke an Präpositionen mit Akkusativ.)
Ähnliche neuhochdeutsche Erscheinungen können — mit
Vorsicht benützt! — zur Aufhellung beitragen.
Von den bisher erwähnten Versuchen, diesen Akkusativ
abzuleiten, genügt keiner, auch nicht die von övo|ia ausgehenden,
allen eben erwähnten Anforderungen.
Dagegen kommen wir, wenn wir jene Anforderungen über-
schauen, von selbst auf nichts anderes als auf einen Akkusativ
mit ursprünglich örtlicher Bedeutung.
Dieser Akkusativ stammt aus einer vorhomerischen Zeit,
wo die Präpositionen noch nicht als solche entwickelt waren
und hielt sich wie in anderen Funktionen, weil gegen ihn in
seiner eigentümlichen Bedeutung die Analogiewirkung der Sätze
mit Präposition und Akkusativ in ihrer abweichenden Bedeutung
nicht recht aufkam.
Zunächst eine kurze Übersicht über Anschauung bei
Ortsverhältnissen. (Unterschiede der Verba kommen hier
für mich nicht in Betracht)
Man muß unterscheiden zwischen einem Ortsverhältnis,
das in der Anschauung selbst enthalten ist, z. B. Der Vogel
schwebt über der Ebene, und einer durch Überlegung erschlossenen
örtlichen Beziehung; z. B. wenn es heißt Der Vogel flog über
die Ebene, so kann ich durch Überlegung finden, daß der Vogel
in jedem Punkt seines Fluges über der Ebene schwebt, das
will aber der Redende nicht sagen.
Im Ortsverhältnis sind zu unterscheiden: Gegenstände*) (Per-
sonen oder Dinge) welche das Ortsverhältnis 'beanspruchen',
1) Ich wähle den einfachsten Fall : auf jeder Seite 6in Gegenstand.
46 R. Blümel,
z. B. Herr Meier wohnt in der Hauptstraße^ auch Objekte,
z. B. Werfen Sie diese Karte gleich in den Briefkasten; dann
Gegenstände (ebenfalls Personen oder Dinge), welche dieses
Ortsverhältnis 'gewähren': Herr Meier wohnt in der Haupt-
straße. 'Beanspruchen' ist ein rein gi-ammatischer Begriff,
vgl. Hans ist im Keller eingesperrt (ganz gegen seinen Willen),
ebenso 'gewähren': Auf meiner Brust lag ein Zentnerstein
(Traumbericht). Mit Ausdrücken wie Ziel steht es in dieser
Hinsicht auch nicht besser, z. B. Hans gab seinem Bruder einen
Stoß, sodaß dieser an die Wand flog. — Der Unterschied
zwischen Beanspruchendem und Gewährendem ist ähnlich wie
der von Subjekt und Akkusativobjekt, wohl auch Subjekt und
Objekt überhaupt.
Das Ortsverhältnis bezeichnet nicht bloß Einschließen
{im Zimmer) und Berührung {auf dem Tisch) sondern auch
Nähe {Ober dem Haus).
Statt des gewährenden Gegenstandes steht in gewissen
Fällen der Teil mit dem ihn der beanspruchende berührt: Hans
steht auf dem Kopf geht auf den Händen, ist auf die
Stirn gefallen, vgl. iKTrece biqjpou | KU)Lißaxoc ^v Kovirjciv im
ßpexMOv re Kai uj)aouc E 585 f. Man könnte hier von Fällen aus-
gehen, wie: Er steht auf seinen Füßen, wo die Füße als die
Grundlage gelten, die demnach von ihrem 'Eigentümer' unter-
schieden würde, als gewährender Gegenstand.
Im folgenden gehe ich nur auf die Fälle ein, aus denen
die Bedeutung der akkusativischen Formen unmittelbar oder
mittelbar zu erkennen ist.
1, Der Gegenstand beansprucht einen Fleck >), hier steht
der Lokativ, später z. T. Präposition mit Lokativ. Es kann sich
um ein zeitlich dauerndes Ortsverhältnis handeln : Ich liege
im Grase, oder um den augenblicklichen Eintritt: Ich traf um
zu}ei Uhr in München ein, aiiaaiöecca ö^ x^^P Treöitu nece E 82.
Die etwa vorangegangene Bewegung wird hier gar nicht mit-
beachtet, z. B. Plötzlich tauchte hinter einer Felsklippe ein Kopf auf.
2. Der Gegenstand beansprucht einen Strich. Strich und
Fleck sind so zu scheiden, wie sie die Auffassung des Sprechen-
den nimmt, eine aufgesetzte Nadel, die in die Haut sticht, eben
noch fühlbar, beansprucht nach unserer Anschauung schon einen
1) Tunkt' paßt nicht für beanspruchende Gegenstände von großer
Ausdehnung, z. B. Stadt.
Der Ursprung des griechischen Bereichsakkusativs und anderes. 47
Strich, ein langer Baum, der umgestürzt am Boden liegt, einen
Fleck (hier war die Anschauung ursprünglich wahrscheinlich:
Strich).
Hierher gehört auch der Akkusativ.
2. 1. Der beanspruchende Gegenstand kann innerhalb des
ganzen Striches in wesentlich gleicher Ortsbeziehung zum ge-
währenden sein ; Wir gingen durch den Saal : während wir durch
den Saal gingen, waren wir immer i m Saale ; aber es wechselt
entweder die örtliche Beziehung des ganzen beanspruchenden
Gegenstandes zu den Teilen des gewährenden, d. h. der bean-
spruchende bewegt sich: Wir gingen durch die Stadt; Er
fuhr mir mit der Hand übers Gesicht, oder es tritt eine ver-
schiedene örtliche Beziehung der Teile des beanspruchenden
Gegenstands zu dem gewährenden hervor, d. h. der Bean-
spruchende ruht; uns im Deutschen nicht mehr recht leben-
dig, dagegen noch sehr lebendig im Griechischen : 6 ö' ^tt' evvea
KeiTo 7TeXe6pa X 577. In letzterem Falle sind wir geneigt, die
ruhende Erstreckung einer Masse die einen Strich erfüllt, als
(sich ausbreitende?) Bewegung oder Folge einer solchen Be-
wegung einer Masse zu deuten, die an sich einen Fleck bean-
sprucht und nur infolge der Bewegung einen Strich, "Wahr-
scheinlich spielt in beiden Fällen (wirkliche Bewegung — Ruhe)
die Augenbewegung eine wesentliche Rolle, die in beiden Fällen
dem Strich nachgehen muß.
Hier steht — später von Präpositionen abhängig — der
Akkusativ des bestrichenen Raumes, vielfach, so im Deut-
schen, durch den feststellenden Lokativ (z. T. mit Präpositionen)
eingeschränkt*).
In der Anschauung des Strichs kann man vom bestriche-
nen Raum absehen, dann steht entweder
der Akkusativ der Entfernung — Wir sind drei Meilen
1) Der Instrumental, später nach Präpositionen, drückt das Zu-
sammensein aus, beide Gegenstände können in Ruhe sein, oder beide
in Bewegung, idg. Ich fahre mit dem Wagen, oder der 'beanspruchende'
bewegt sich, der andre ruht, idg. Ich gehe mit dem Weg. Von logischer
Anschauung eines 'Werkzeugs* ist da keine Rede ; umgekehrt, das Werk-
zeug ist anfänglich etwas mit dem man zusammen ist ; ein Fall, wo beide
sich bewegen' : Ich gehe mit dem Stabe. — Auch beim Instrumental finden
wir die Verwendung von Körperteilen v^pee bi irocciv | fiie jiaKpd ßißdc
H 212f.; dann noch die Bewegung selbst \if\ Geiv bpömu Xen. An. 1,
8, 19, vgl. Vorbemerkung zu 1-i. 15.
48 R. Blümel,
{weit) gegangen^ hieher auch der Zeitakkusativ: Jetzt habe idi
schon drei Stunden gewartet; oder es handelt sich um
den Akkusativ der Richtung, hieher eupoc ßdGoc, aw.
dräjö usw. = in die Breite, in die Tiefe, in die Länge usw.
Man kann sich folgende Entwicklung denken: Ich gehe
den Weg, bestrichener Raum; ich gehe dSn langen Weg, ich
gehe den langen Weg, ich gehe einen langen Weg, = weit (Ent-
fernung) und Ich gehe den Weg, bestrichener Raum, ich gehe
diesen Weg, ich gehe diesen Weg = dorthin, als Richtung.
2, 2. Am Ende des Striches wird das örtliche Yer-
hältnis erst hergestellt, nicht bloß die örtliche Beziehung:
sogenannter Akkusativ des Zieles, später in Abhängigkeit von
Präpositionen. Der Ausdruck Ziel paßt in der gewöhnlichen
Bedeutung nur dann, wenn das Ortsverhältnis unmittelbare Be-
rührung oder Einschließung ist, z. B. Leg dm Buch auf den
Tisch ; Komm ins Zimmer, aber nicht z. B. in dem Satz Der
Zettel fiel unter den Tisch.
Bewegung ist hier ebensowenig erforderlich wie beim
Akkusativ des bestrichenen Raumes: Das Wasser stand ihm
bis an die Brust.
Richtung und Ziel dürfen nicht vermischt werden. Wer
nach rechts geht, befindet sich immer rechts von seinem Aus-
gangspunkt, auf dem ganzen Strich, wer ins Haus geht, er-
reicht das Haus erst am Ende des Striches.
Geht die Bewegung noch weiter, nachdem das Ortsver-
hältnis hergestellt ist, so sind die Anschauungen, welche den
Akkusativ des Ziels und den des bestrichenen Raums bedingen,
vereint, wahrscheinlich oft (bloß gelegentlich?) bei in:' Der Pfeil
drang tief in den Ann ein.
Mit dem Akkusativ kann (grundsätzlich) in allen diesen Fällen
der Massegenetiv, sog. *partitive' Genetiv inWettbewerb treten.
Im Nhd. sind diese Verhältnisse z. T. nicht mehr erhalten,
namentlich ist die lokativische Ausdrucksweise feststellend ge-
worden und umfaßt auch Fälle, wo der Grieche den Strich-
akkusativ in der Ruhelage setzen würde.
12. Allgemeineres, namentlich syntaktische Ver-
wendung der Begleiterscheinung statt des Vorgangs.
Der griechische Akkusativ des Bereichs (bisher Akku-
sativ der Beziehung, des Bezugs genannt), war ursprünglich
Der Ursprung des griechischen Bereichsakkusativs und anderes. 49
I 1. Akkusativ des bestrichenen Raumes, wiederzu-
geben nhd. mit über — hin, durch — hin^ mit einer Bedeutungs-
besonderheit der Verben und Adjektive, infolgedessen auch der
syntaktischen Beziehung: XuSpiu öe TraXctcceTO x^iP"^ ddiTTOuc
A 169, äv ö' auTÖc eßaive Ttöbac Kai x^ipac unepOev | ai^axoeic
P 5411 Andere Unterabteilungen von I 1. bilden Beispiele wie
TTobac üuKuc A 58 und Geieiv raxOc TT 186.
I 2. Akkusativ der Richtung, hierher eupoc usw., aw.
dräjö usw.
I 3. zum Akkusativ des Bereichs gehört auch der Akku-
sativ des Grades, entwickelt aus dem ursprünglichen Akkusativ
der Entfernung: ^aKpöv duce f 81. Es empfiehlt sich, diesen
nicht zum 'Beziehungs'akkusativ gerechneten Akkusativ mit den
beiden andern II. 12. zusammenzustellen, weil tatsächlich die
Einheit ohne I 3. unvollständig wäre. Andere räumliche Akku-
sative scheiden sich ab, weil sie die Fortentwicklung von I
nicht mitgemacht haben.
II Der sogenannte Zielakkusativ bei Yerben des Tref-
fens u. ä. TÖv p' 'Obuceüc . . . ßdXe boupi ] KÖpcrjV A 501 f. Der
Zielakkusativ braucht nicht immer *rein* zu sein, d. h. der Strich
kann sich über das Ziel hinaus fortsetzen, in den Arm getroffen
kann die Bedeutung (tceit) in den Arm hinein mit einschließen.
Der Prädikats nominativ TTOTa^öc Kuövoc övo)ia bleibt
natürlich hier ganz bei Seite, ebenso zunächst der Akkusativ
ovofia in Sätzen wie KuKXuuTrec ö' övoja' ncav e-muvujiov.
Die Yerdeutiichung durch deutsche 'entsprechende' Bei-
spiele soll nur klar machen, daß auch uns in ähnlichen Fällen
die Anschauung einer Fläche u. ä., mithin die Vorstellung einer
strichartigen Bewegung oder damit verbundenen Handlung, oder
einer strichartigen Raumerfüllung wenigstens naheliegt. Die
Darstellung mit Präpositionen und Adverbien vergröbert die
Anschauung, {über — hin; durch — Am); aber wir haben nur
solche deuüiche Mittel.
Deutsche 'lokative' Ausdrucksmittel [Schmerzen im Knie
haben, dXxeiv tö yövu) helfen überhaupt nur örtliche Anschau-
ung erzeugen. "Wir müssen hier immer an die griechische,
strichhafte Vorstellung denken.
Der Akkusativ des bestrichenen Raumes ist uns nur
mit einem Verb geläufig, das Bewegung oder Bewirken der
Bewegung bedeutet: nöGev TtXeie' utpd KeXeuea; t 71, einen
Indogermanische Forschungen XXXIII. 4
50 R. Blümel,
einen Weg schicken. Aus diesem Gebrauch ist kein Bereichs-
akkusativ zu entwickeln. Man muß hier ausgehen von einer
auch sonst vorkommenden Erscheinung:
Statt eines Wortes, das eine bestimmte Handlung aus-
drückt, wird ein anderes gesetzt, das eine (vielfach, so auch
hier) gleichzeitige Begleiterscheinung bedeutet, ohne daß
sich deswegen in der syntaktischen Form etwas ändert. Offenbar
drängt sich die Begleiterscheinung viel stärker auf als die eigent-
liche Handlung. Im Neuhochdeutschen (Schriftsprache) ist jetzt
sehr beliebt (statt sagte er usw.) Ja^ nickte er. Hm? zuckte er
mit den Achseln u. ä. ^). Bei Homer zeigt sich diese Erschei-
nung in Fällen mit verschiedener syntaktischer Gliederung,
z. B. beim Verb mit einfachem Objekt: TTpujxai tov y' aXoxöc
le qpiXri kqi irÖTVia \ir\Tr\p | TiXXec0r|V Q 7101 "beklagten ihn,
indem sie sich zerrauften." Verbum mit zwei verschiedenartigen
Akkusativobjekten : IvQa k' dirö pivouc bpuqpBr) e 426, ^k fäp
TrXrJTn <Ppevac TT 403, ^k 5e oi nvioxoc TrXnTn (ppevac, äc irdpoc
eixev N 394, dann vom Zepter: irepi yop pd k xciXköc ?Xeq;ev |
cpüXXa le Kai qpXoiöv A 236 f. 6 b' ^piveöv 6H\ xci^kuj | rdfive
V€0uc öpTTriKttc 0 37 f. {durch Abschälen^ durch Beschneiden be-
rauben). Vgl. neben Verben des Abwaschens öqppa rdxtcta |
TTdTpoKXov Xouceiav dno ßpotov aiinaToevTa 1 344 f. vgl. Y 40 f.
Doch können neben dTToXouuj vielleicht beide Akkusativobjekte
schon an sich stehen. — KeXaiveqpec aT)ia KdBnpov | . . . ZapTtn-
böva TT 667 f. irepi b' a^^a vevmTai (Subjekt Hektor) Q 419. —
Unanschaulich vuji ßincaio mc9öv äiravTa | Aao^eöiuv 0 451 f.
(beraubte uns mit Gewalt . . .) oube ttot' ica | ^ccetai, ö(ppa k€v
fiTC biarpißriciv Axaiouc | öv YdMOV ß 203 ff. solange sie durch
ihr Hinhalfen die Ä. um ihre Heirat bringt^ durch ihr Zögern
den A. ihre Heirat vorenthält. Weniger wahrscheinlich ist hier
Gruppe syntaktischer Beziehungen: Person und beabsichtigte
Handlung. Neben Ortsbestimmungen besonders: dvriKpOc ö' dv'
öbovxac Ü7TÖ fXüüCcav idfie xoXkoc E 74, deutsch ebenfalls: schnitt
in die Zunge. Vgl. Paul Mhd. Grammatik ^ S. 106, § 243, Prin-
zipien* S. 154.
Sollte nun aus dem Akkusativ des bestrichenen Raums
1) Die Grenzen werden zum Teil, ofTenbar sprachwidrig, schon
überschrillen, elwa Ich komme um zehn heim, verließ er das Zimmer.
Da» Zimmer verlangen gill uns als andere gleichzeilige (selbsUlndige)
Nebenhandlung, nicht als Begleilcrscheinung.
Der Ursprung des griechischen Bereichsakkusativs und anderes. 51
ein Bereichsakkusativ werden, so war dazu nötig, daß die eben
genannte Erscheinung vorlag (Begleiterscheinung statt der Hand-
lung) und diese mußte nicht bloß dichterisch, sondern auch
volkstümlich sein. "Wir können ja neuhochdeutsch sagen: Er
kratzt mir im Gesicht herum^ vgl. griech. ctTKUjvdc le TrepiöpOqpGr)
CTOfitt Te plvdc Te ¥ 395. {wurde über die Ellenbogen hin . . .
verkratzt = überall an den Ellenbogen • . . , man muß hier an
die unangenehme Empfindung des Betroffenen denken, der die
Stelle in ihrer ganzen Ausdehnung spürt!)
Unter den altertümlichsten Beispielen sind schon solche
mit Adjektiven: Tiöbac Kai x^ipoc uirepöev | aiiaaröeic P 5411
Man kann denken, der Akkusativ des bestrichenen Raums sei
anfänglich nur bei (aktiven imd passiven) Yerben gestanden
Xu8puj bi TTaXdcceTo x^ipac darrTouc, A 169, dann von Fällen,
wo Verben den Zustand ausdrückten d»c 'Oöuceuc TreiraXaKTo
TToöac Kai x^ipac uTrepöev x -106 auf Adjektive übertragen worden :
TTÖbac Kai x^iP^c unepGev ] aifiaiöeic P 541 f. (wie Brugmann, aber
in anderem Zusammenhang annimmt, S. 131 f.). Jedenfalls müssen
wir ausgehen von dem Gebrauch neben Verben (und ihren
}s^ominalformen) und neben (prädikativen, prädikativattributiven,
attributiven) Adjektiven. Infolgedessen liegt hier eine breite
Grundlage vor, (in anderer Hinsicht ist sie schmaler als die
ßrugmannsche, weil ich nur von anschaulichen Beispielen aus-
gehen kann).
Ich gebe in der ganzen folgenden Darlegung auch die Bei-
spiele, bei denen man zweifeln kann, ob eine Gruppe syntak-
tischer Beziehungen von Verb und Akkusativobjekten vorliegen
kann (dieser Zweifel gilt nur fürs Aktiv).
13. — 17. Akkusativ des bestrichenen Raumes und
Dazugehöriges.
13. Akkusativ des bestrichenen Raumes.
Am altertümlichsten sind Beispiele, die ganz anschaulich
sind, d. h. mit den Sinnen Empfindbares betreffen, wo es sich
um Erstreckung über etwas hin oder durch etwas hin handelt.
Im ersten Fall (über etwas hin) haben wir Gesichts-, Druck-,
Wärme-, Kälte-, Schmerzerapfindungen, im zweiten (durch etwas
hin) handelt es sich um sogenannte innere oder Organempfin-
dungen im Innern des Leibes, wie Herzklopfen, Krämpfe, anderer
4*
52 R. Blümel,
innerer Schmerz, innerer Druck, innere Spannung. Im Akkusativ
stehen Körperteile als solche und als Sitz von Seelenvermögen.
Erstreckung über etwas hin: (Das häufige ttoTov ce
Ittoc q)UTev ^'pKOC ööövtujv, z. B. A 350, a 64 enthält unmittelbar
die Bewegung, scheint aber zwei Objekte *des Ganzen und des
Teils' zu enthalten).
XuGpiu bk TraXdcceTO X6ip«c ddTrrouc A 169. ujc 'Oöuceuc
TrerraXaKTO ixöbac Kai x^^P^c uTrep9ev x 406. (Fraglich juri ce 'fipvjv
irep eujv cxfiGoc Kai x^iXea qpOpcuu | di^aroc c 21 f.) av 6' auiöc
Ißaive TTobac Kai xeip«c uTrep0ev | aiiiaioeic P 541 f. ineXaiveTO bi
Xpoa KaXov (vom fließenden Blut) E 354. dcppeov bk CTri0ea (die
Kosse) A 282. kcTvov ö' ou iroTe . . . ^yujv löov . . . djxpncavTa
Xpöa KdXXi|Jov X 528 f. (Wenn iLxpoc aipei als 6in Begriff gilt,
uixpoc xe |Liiv eiXe irapeidc P 35, bei aipeiv ist sonst 'Akkusativ
des Ganzen und des Teils' anzunehmen.) qppiccei bi le vüütov
UTrepeev (das Wildschwein) N 473, q)piSac tu Xoqpiriv t 446,
(wenn nicht (ppicciw transitiv ist, starren lassen, was an sich
beim zweiten Beispiel mit dem Aorist wahrscheinlicher ist als
beim ersten) (|uri) Kaxd be xpo« irdvia ca-rrriri T 27. (Fraglich :
c' voraus, Kdpq;iJü |li^v xpoct KaXov v 398, |liiv voraus, Kdpijiev nk\
Xpöa KaXov v 430, man kann annehmen, coi oi sei zu ergänzen,
oder ce 4, im letzteren Falle Bereichsakkusativ oder 'Ganzes
und Teil* annehmen.)
Deutlich dagegen ist das Passiv: dTKiJuvdc re Trepi&puqpGri
CTOiaa Te ^Tvdc xe, | GpuXixOrj bk li^TtüTTOv dir' öqppuci Y 395 f.
Fraglich sind wieder die aktivischen Verben des Um-
hüUens, den Übergang zu den vorigen bildet irXdZiui : ToccdKi
|Liiv }xifa KÖ^a . . . | irXdZ;' uj|liouc KaGuTrepeev O 268 f. In A 356
d)Li(pi bi öcce KeXaivr) vvi dKdXuipev ist ein Kasus aus dem Inhalt
'er in A 355 zu 'ergänzen*, vgl. das häufige xöv bi ckötoc öcce
KoXuHie z. B. A 461. Dann mit ö(p0aX|aouc A 249, mit (piXa
ßXeq)ap' e 492 f., eigentümlich ist tue dpa |iiv eiTTOvra xeXoc
Gavdioio KdXuvjjev | 6(p9aX)aouc ^ivdc le TT 502 f., wo man an
eine Ausdehnung der Bewegung denken kann.
Analogisch hier auch innere Körperteile, die als Sitz von
Seelen vermögen gedacht sind, aufgefaßt wie äußere Körper-
teile: ou Tdp rrd) ttotc ^l' (hbi y' ?pujc qppevac d|L»(p€KdXui|^ev,
r 442, vgl. £ 294, und "EKiopa ö' aivöv dxoc TiuKace qppevac
nvioxoio, e 124, vgl. P 83.
Deutlich ist wieder das Passiv, jedesmal mit iii)biouc : dciriöi
Der Ursprung des griechischen Bereichsakkusativs und amderes. 53
Tttupeir) KeKaXu)U|ievoc eupeac ai)iouc TT 360, cctKeav eiXu^evoi uinouc
H 479, vgl. E 186, P 492 ; pctKeciv •^•eTTUKac^evoc aifiouc x 488.
Dann das Gegenteil von Verhüllen, Entblößen : t^ihviu-
Öevra ßpaxiova M 389 und cxepvov TUMViuGevia TT 312, wahr-
scheinlich sicher, als Ergebnis, qpaiveio b\ rj xXriiöec cctt' uJ^luv
auxev' exouci, | XauKavi'nv X 324 f.
Verben des (Ab)waschens, soweit sie nicht bedeuten durch
"Waschen etwas wegnehmen, S. 50, scheinen nur den 'Akku-
sativ des Ganzen und des Teils' zu enthalten fi ce irobac yi\\fei
T 356, vgl. T 376, c' aus dem Nebensatz in lu 43? : KaTÖeuev ev
Xexeecci, KaörjpavTec xpoct KaXöv uu 44; oi c' ujTeiXr|v | a^^' dTTO-
Xix.uricovrai dKribeec <t> 122 f. vereinigt beides.
Wir müssen annehmen, daß es in der homerischen und
vorhomerischen Zeit noch mehr derartige Beispiele des Bereichs-
akkusativs gegeben hat, die unter Umständen sehr anschaulich
waren und daß solche auch später immer wieder neu gebildet
wurden, etwa wie an den Händen, an den Armen usw. schmtäzig,
an den Füßen, an den Beinen mit Staub bedeckt, am Rücken
mit Striemen, Wunden, Narben bedeckt. Vgl. im Werther Sie
ward rot über und über, Wiederholung bedeutet die mehrmalige
Überflutung, wir sagen mit Betonung der Ausbreitung über die
Fläche im ganzen Gesicht blutig, im Gesicht voller Blut u. ä.
Aber nicht alle derartigen Beispiele waren anschaulich,
wenn sie es auch sein konnten. Ajischaulich waren sie, wenn
sie aus der unmittelbaren Empfindung herauskamen, oder wenn
beim Sprechenden, beim Hörenden der erlebte oder andere,
früher erlebte Vorgänge in der Erinnerung lebendig wurden.
Es kann aber auch die Erinnerung in diesen Fällen weniger
lebhaft sein oder ganz verblassen, endlich kann bloßer tatsäch-
licher Bericht vorliegen, namentlich wenn keine eigene Erinne-
rung vorliegt. Ausdrücke wie epujc pnv qppevac d)iqpeKdXui|>ev
werden ursprünglich körperlich gefaßt, 'verlieren' aber bald das
Anschauliche. Manchen unterstützt lebhafte Einbildungski-aft in
der Stärke der Anschauung, andere dagegen nicht. Dazu kommt,
daß auch in anschaulichen Beispielen die örtliche Anschauung
verblassen konnte.
Xoch anschaulich, wohl noch örtlich ist das bekannte Kdpr|
Ko^ölJuvTac Axaiouc B 11, vgl. a 90, weniger örtlich erscheint
mir Kdpri £av6öc MeveXaoc o 133, und {'sie sind'?) aiei be Xnra-
poi KecpaXdc Kai KaXd irpociuTra o 332. In solchen Fällen kann
W R. Blümel,
dann das Auffallende der Erscheinung, z. B. Kdpn 2av86c her-
vortreten und das "Wichtigste werden, das örtliche ganz zurück-
treten. Darnach werden dann Beispiele gebildet wie cpoHöc er|v
KeqpaXrjv B 219. eiöoc be indXa ^ifac i^v öpdac6ai c 4. Tubeuc
TOI \ik.v jiiKpöc Inv b^inac E 801.
Erstreckung durch etwas hin. Fraglich ist es, ob in
Luöee bk xpoa Ttavia e 455 der Akkusativ als über — hin oder
durch — hin zu fassen ist. Der Betroffene wird eher die erste An-
schauung haben, der Zusehende vom Sehen die letztere (des-
halb ist bei Kaxd bk XPÖct "rrdvra cairnri — vom Toten gesagt —
über — hin wahrscheinlicher). Sehr deutlich ist 7TaX\o)aevr| Kpa-
bir]v X 461 (sie fühlt die Schwingungen durch das Herz hin,
vgl. die ebenfalls, aber in anderer Weise, sehr deutliche Stelle :
ev ö' djici auTf) | CTri6eci irdWerai iitop dvd CTOjLia X 451 f.) dve-
ipuxöev qpiXov ^Top K 575, die Kühle verbreitet sich; (^Xkc' dir-
aXöriceceov 0 405 und 419 eher, wegen dir-, die Wunden durch
die Heilung verlieren als die Heilung ergreift allmählich die Wunde).
Sehr deutlich ist dagegen : dv ö' övGou ßoeou ttXtito CT6^a le ^i-
vdc Te V 777. Daran anschließend einminTrXriOi peeGpa | uöatoc
0 311 f. Das Anschwellen verbreitet sich durch die Fluten nach
und nach. Hieher gehören dann die Beispiele mit Kdiaviu:
XeTpa B 889, x^ipcc <t> 26, qp 150, dpicrepöv u)|nov TT 106; ^xjxcl,
ganz sicher \x 279, Y 63, wohl auch T 169 f. Daran schließt sich
an ö be mv ^ev€ x^^P^ ßapuvöeic Y 480, vdpKnce be x€»p' ^tti
KapTTuJ (oder x^ip)? © 328. — KaindTiu b' uttö TuTa XeXuviai H 6
wird den Subjektsnominativ ^uTa enthalten, vgl. Xuvto b^ TuTa,
dem öinen Iphinoos H 16. Vielleicht ^Trei t' ^Kopeccaxo x^ipac |
Td^vuJV bevbpea [iiaKpd A 87 f., (für diese Anschauung spricht
Kopeccato öv Katd öuiiöv u 59 ). Vgl. Tepiroinai . ( xeipac ^|adc
Xr|Sai|ni q)6voio x 63 wird ein Objekt enthalten).
Von diesen körperlichen Empfindungen gilt Entsprechen-
des wie S. 53. Die unmittelbare Empfindung ist unter Um-
ständen sehr lebhaft, auch die, daß eine Bewegung fortschreitet
(z.B. bei dem, dem der Mist in Nase und Mund dringt V 777)
das Ausgedehntsein, z. B. bei Schmerzen (nachhomorisches dXTui
TÖv Ttöba) Erstarrung, Müdigkeit, ist vielfach sehr deutlich. Bei
allen diesen Empfindungen spielt das Sehen des Zuschauers gar
keine Holle, wenigstens nicht unmittelbar, und somit ist ein
dXT€T TÖV TTÖba im Munde desjenigen, der das (auch in der Er-
Der Ursprung des griechischen Bereichsakkusativs und anderes. 55
innening usw.) nicht mitempfindet, einfach feststellend *), so in
dem Satze eXemovro öe tujv cTpaxiujTuJv o'i re öie99ap)aevoi imö
Tfjc xiövoc Toüc Ö9eaX)Liouc oi re uttö toO vj^uxouc touc öaKtuXouc
Tiuv TToöaiv dTTOcecnTTOTec Xen. An. 4, 5, 12. Ähnlich unanschau-
lich bei Homer wahrscheinlich "ApnTov be kut' au9i Xittov öebdix-
^evov HTop i KeijLievov P 535 f.
Hier spielen vor allem Gemütsstimmungen eine große
Eolle. Gerade die Griechen haben die Tatsache erkannt, daß
Gemütsstimmuugen mit inneren körperlichen Empfindungen ver-
bunden sind. Die einfachste Auffassung ist die, daß die körper-
liche Empfindung, vielleicht sehr sinnlich, aber übertragen auf-
gefaßt, als das ganze Erlebnis angesehen wird. Wenn es heißt
KateTrXriTri q)iXov iirop P 31, so können wir das gut verstehen,
wir sagen ganz ähnlich De^- Schreck fuhr mir durch alle
Glieder. Im einzelnen können wir uns z. T. schwer einfühlen,
z. T. können wir nur einigermaßen erschließen, ob gewisse Wör-
ter wie eu|uöc, HTOp, noch die Auffassung einer Erstreckung durch
einen Körperteil zulassen, oder ob nicht schon einfach Ana-
logiebildung nach unanschaulich aufgefaßten Yorbildem vorliegt
Auch das ist fraglich, wieweit noch die Vorstellung von einem
Körperteil vorliegt.
Deutlich anschaulich sind m. E. qpiXov KarairiKOiLiai iitop
T 136 (das Schmelzen breitet sich aus), dXKfic Kai cSeveoc ttXtito
(ppevac ctiicpiLieXaivac P 499, vgl, die andern Beispiele mit ttXtito.
Wahrscheinlich qpr) be öaKpuTrXiueiv ßeßapnöta ^e qppevac oiviu
T 122, vgl. xeipa ßapuveeic Y 480.
Freudige Stimmung, vgl. Freude erfüllt mein Herz : TeTri-
06 bi le cppeva Troi)ariv 0 559, Ar|TÜj l 106, xdvurai ö' dpa xe
q)peva TT0i|ir|v N 493. uj 382 und \\i 47 ist idv9nc neben dpiöeic:
bezeugt, nur e-piöeic paßt in die Melodie: cu be qjpevac evbov
idv9Tic ou 382, iboöcd Kt 6u|liöv idv0nc q; 47. (Dagegen f] be
TeXaccev | x^i^tciv, oube peTUiTTOV in' öqppuci Kuaverjciv | idvGn
0 101 ff. eher 'ihr", kaum über — hin), y^öocuvoc khp A 272,
Xapeirj be qppeva lirjTrip Z 481. Zu repTtoiiai bemerkt Laßoche
m, E. richtig, daß in O 45 nur neben liepTre, nicht aber neben
dem Medium ^TepireTO oia qpiXoia das Objekt 9u)iöv möglich
wäre : ^vbeKa b' fmara 9u|aöv diepTreTO oTci qpiXoiciv | dXGuuv.
1) Sätze mit Aorist können einfach feststellen, aber auch an-
schaulich sein. Insofern spielt auch die Aktionsart herein (nicht bloß in
dieser Unterabteilung).
56 R. Blümel,
Dann gehören hieher: 6 bk (ppeva TepTret' dKOuuüv A 474,
vgl. Y 23, I 186 b 102 9 131, TeTapnoMevoi qpiXov i^Top I 705,
TetapTTOiuevöc re qpiXov Kfip a 310. Dementsprechend auch f|br|
[ikv baiTÖc K€Koprme9a Qvpibv ikr\c 9 98. Kpeiuiv Kopeceiaxo 9u-
|Li6v H 28. jaeveoc b' ^jUTrXncaTO 9u|li6v X 312. irXricdiaevoc ö' dpa
9u)Liöv döriTuoc r\be TroTf|Toc p 603. 9aXeiJUv ^)LiTr\ncd|aevoc Kfip
X 504. Zu den letzten 5 Beispielen vgl, das schon erwähnte
Kopeccato öv Katd 9u|uiöv u 59. (Kai ö' auröc bv 9u)iiöv övriceiai
H 173 enthält eher ein Objekt). Dann öqppa cqpilJi duqppocuvric
dmßriTOv I d|Li(poTepu> q)(\ov iiiop, i|j 52, duqppocüvnc eirißatviu =
fröhlich werden.
Sehr deutlich scheint die Anschauung der Erstreckung
gewesen zu sein bei Zorn u. ä. Wir haben die Yorstellung,
der Zorn tobe im Herzen herum, durchrase das Herz u. ä.
rix9eTo ydp Kfip A 274 schließt sich an ßeßapriöra }xe qppevac
oivuj T 122 an. (Xi^v dx9o|iiai ^Xkoc E 361 enthält ein Objekt).
KexoXiucG bk Kf\p ^rdpoio TT 585. KexoXiJü|nevoc i^TOp £ 367. toö
ö' 'Oöuceuc )uaXd 9u)aöv diroKTaiuevoio xoXuj9ri A 494. |uri . . . oi
XoXujcaiTO cppeva Koupr] l 147. x"JÖ|Lievoc Kfip A 44 |n 376.
Aiveiac b' dpa 9u|aöv ex^cato TT 616 vgl. Y 29.
Eine starke 'Empfindung' ist auch die des Schreckens,
dazu sehr anschaulich; KateTrXfiYn q>iXov ^Top f 31, vgl. der
Schreck fuhr mir durch alle Glieder. Dann Tpo|ieouci öe re qppeva
vaörai 0 627. Ich schließe daran die mögliche Folge der Ohn-
macht (die auch anderen Gemütserregungen beigeordnet sein
kann) Kfip dnivucciuv 0 10, die für uns nicht mehr anschau-
lich zu fassen ist. (qpai'riv Ke qpp^v' dtepTTOu dilvoc ^KXeXa9ec9ai
(diep TTOU??) Z 285 enthält eher qppeva als Subjekt.)
Ob für den Griechen der Trauer, Betrübung usw. Körper-
empfindungen beigeordnet galten, weiß ich nicht. Aus eigener
Erfahrung denkt man an Spannungen in Brust und Unterleib.
qpiXov KaiaxfiKOiaai t^iop x 136 (cp9ivu9ecK£ qpiXov Kfip A 491,
q)pevac I(p9ie Z 446 enthalten Objekt). 9u)iöv dKriX€|u4vai Z 29,
vgl. [M 179]. dKr|XCM€vri qpiXov i^Top E 364. dKaxnMevoi »^rop
z. B. i 62. 9u|iöv dxtutuv E 869. 9 318. Knp dxeujv E 399.
dxvüiaevoi Kfip H 428. -oc k 67. qpfXov Tetirm^vai tVop ö 437,
-oc a 114. Hiermit zu vergleichen 6 ö' fcreve KuödXi|iov Kfip
I 33, vgl. K 16. <p 247.
Es ist möglich, daß Gemütsstimmungen und Körperteile
einander anfänglich in einer bestimmten Weise zugeordnet waren.
Der Ursprung des griechischen Bereichsakkusativs und anderes. 57
und daß später in der Dichtersprache Verwirrung eintrat, auch
das würde zu der Ansicht nötigen, daß die Anschaulichkeit
geringer geworden war. Hier kann mitspielen, daß z. T. im
wesentlichen nur das geistige Erlebnis bewußt war.
14 — 15. TTÖöac ujKuc-, Geieiv raxOc, ßonv dTaGoc.
Vorbemerkungen.
um die Anschauung zu verstehen, welche zu den Aus-
drücken TTOÖac UJKUC und öeieiv xaxüc*) führte, müssen wir uns
daran erinnern, daß im Lokativ und Zielakkusativ (diese etwa
von Präpositionen abhängig) sowohl der das Ortsverhältnis ge-
währende Gegenstand stehen kann {Er liegt auf dem Boden;
Er fiel auf den Stein) als auch der berührende Teil des bean-
spruchenden Gegenstandes {Er liegt auf dem Rücken, Er ßel
auf den Kopf eKirece öiqppou ] . . . em ßpexinov xe xai uj)liouc
E 585 f.) 2). Das alles können wir durch deutsche Beispiele ver-
anschaulichen, das Folgende, was den Akkusativ betrifft, nicht
mehr. In jenen obengenannten Beispielen fällt der berührende
Teil des beanspruchenden Gegenstandes besonders ins Auge
und ist auch oft das Wichtigste oder Alleinwichtige {auf die
Stirn fallen mit schmerzlichen Folgen!) und der das Ortsver-
hältnis gewährende Gegenstand ist in diesem Fall oft neben-
1) M. E. ist wenigstens die Möglichkeit ernsthaft zu erwägen,
Geieiv in Geieiv raxOc akkusativisch zu fassen, ebenso die übrigen ent-
sprechenden Infinitive. Sie ersetzen ja Verbalsubstantive. Vielleicht waren
Ausdrücke wie öeieiv xaxuc — mit Infinitiv — älter als solche wie ßoriv
dyaeöc — mit akkusativischem Substantiv — ; jedenfalls gehörten sie
später eng zusammen. Besonders wichtig ist die allerdings erst jüngere
Verbindung des Akkusativs und des Infinitivs : oi u^pi ^^v ßouXrjv Aavaüiv,
ir^pi b' ^CT^ ludxecSai A 258. äiieivujv | iravToiac dperdc, rwiiy -nöbac nb^
fiax^cöai 0 641 f. Vgl. die Verbindung von Nominativ und Infinitiv : vöv
T<ip b^i TtdvT€cciv im. Eupoö fcTorai dK|ific | f\ \i6Xa Xu-fpöc öXeBpoc AxaioTc
r\i ßiüvai K 173 f.
2) Man kann die Verschiedenheit der Subjektsbeziehungen ver-
gleichen (Paul Prinzipien* S. 156 f.). 1. Das Wasser rinnt, 2. Der Krug
rinnt. Die Handlung erscheint uns in 1. wie in der Verbindung auf
den Stein fallen auf den 'richtigen' Inhalt bezogen, in 2. und in der Ver-
bindung auf den Kopf fallen auf etwas örtüch Nahestehendes. Vgl. auch
die Verschiedenheit der Objektsbeziehung 1. den Krug mit Wasser füllen
2. Wasser in den Krug füllen (Paul ebd. S. 154 f.) und überhaupt die
Ähnlichkeit des Verhältnisses von Subjekt : Akkusativobjekt und dem das
Ortsverhältnis beanspruchenden Gegenstand zum gewährenden.
58 R. Blümel,
sächlich (nicht immer, es ist sehr wichtig, ob jemand mit dem
Kopf auf einen Stein fällt oder auf einen weichen Gegenstand).
Ebenso ist in der Anschauung des schnellen Laufes der Raum,
etwa die Ebene, unter Umständen gleichgültig, dagegen fallen
auf die Füße in der Bewegung und die Bewegung der Füße,
besonders in Fällen wo ein Urteil, namentlich ein Vergleich
von Personen in Betracht kommt. Die Anschauung eines solchen
Laufes kann Ausdruck finden durch den Instrumental oder
Akkusativ, zunächst des Raumes: er läuft mit dem Weg; er
läuft den Weg; es kann auch der berührende Körperteil im
Instrumental oder im Akkusativ stehen : er geht mit den Füßen,
homerisch ttocciv ievai, und Akkusativ irobac ujkuc. Endlich
kann die Bewegung im Instrumental stehen {\xr\ öeiv öpö^iu,
Xen. An. 1, 8, 19) und hieher gehört der Infinitiv Seieiv xaxuv').
Das Anschauliche, das mit dem Urteil verbunden ist, schwindet
hier naturgemäß sehr rasch. Hier geht die Entwicklung sehr
schnell. Die ersten Beispiele, an sich nicht sehr zahlreich,
waren wohl sehr häufig belegt, irobac ujkuc bei Homer ist schon
eine Formel, es ist 39 mal belegt. Trööac üükuc war offenbar von
Anfang an häufig bei einem Volke, das den "Wettlauf pflegte^).
14. TTÖbaC UJKUC.
Hieher zunächst iröbac ujkuc selbst, z. B. A 58. v 260.
Vgl. TTOÖac ujKea B 790. Troöac raxu N 249. Kuvec Tiobac dpToi
Z 578. ^XaqppoTcpoi rrobac eivai a 164. iiöbac aiöXoc ittttoc
T 404, hieher cqpfJKec |i€cov aioXoi M 167 ? Das Gegenteil (ir]v)
XuiXöc b' erepov TToba B 217, vgl. Geieiv raxuv, ^Xaqppörepoi Geieiv,
ßctpbicToi Geieiv. Dann irapaßXuJTrec t' öqpSaXmu I 503 und x^ipac
t' ttixun^nv ?|i€vai TT 242.
Urteil über etwas Anschauliches am Körper: KaXöc [xiv
binac kri p 307 vom Hund Argos; dies neu. — eiboc dtTHToi
E 787, cu be|iac Kai eiboc (XTnTÖc Q 376, vgl. H 177. öc br\ toi
€iboc }ikv lr]v KttKOC, dXXct irobujKTic K 316. eiboc dKibvötepoc
neXci dvrip 6 169. eiboc dKibvoxepri jaeteGoc le £217.
1) Uns ist nur geläufig mit den Füßen gehen, über die Ebene laufe»,
also von instrumentaler und akkusativischer Auffassung jedesmal ein
anderer Rest. Erst die angeführte Zusammenstellung führt den Zusam-
menhang vor Augen.
2) Dem Akkusativ des bestrichenen Raumes stehen also zwei Paare
von Akkusativen zur Seite: 1. iröbac U)küc, de(€tv toxOc; 2. Akkusativ
der Entfernung und der Richtung.
Der Ursprung des griechischen Bereichsakkusativs und anderes. 59
Körperteile und Körperkraft. Diese vielleicht erst nach
dem Yorbild von Beispielen mit geistiger Kraft. Alle Zusammen-
stellungen von derartig Yerschiedenartigem sind hier Neuerungen.
(Vgl. laeTeöoc im vorigen Beispiel !) cpurjv ye iuev ou kokoc ecn, |
fifipouc Te Kvrmac xe Kai diaqpoi x^'P^c ÜTtepOev, | auxeva xe cxißa-
pov xe }iifa cGevoc 6 134 ff.
Seelische Vermögen : Trplv bk qppevac akx^t] r\cQa ^^ 14.
(ppevac f]\i 0 128, fiXee ß 243. vöov b' dTTocpujXioc ecci 8 177.
^evoc dcxete ß 85. laevoc aiev dxeipnc X 270. (vöov und laevoc neu.)
Körperteil und seelisches Vermögen verbunden : öc ceo noX-
Xöv dqpaupöxepoc x^'P^ic xe fievoc xe H 457.
Endlich Yevoc ye koköv =. 126.
15. Öeieiv xaxuc, ßoriv dTa9öc.
Der Infinitiv (mit vermutlich akkusativischer Funktion*))
und der Akkusativ bedeuten das Gebiet, auf dem sich jemand
betätigt. TTcpi ^ev 0eieiv xaxuv TT 186, vgl. y 112. xaxuc ecKe öeeiv
p 308. o'i xoi eXa9pöx€poi öeieiv t 370. ßdpbicxoi öeieiv Y 310.
f|Kicxoc ö' iiv . . . eXauve)J6v dp|u' iv dTiivi V 531. Vgl. irobac
xaxu, ^Xacppöxepoi TTÖbac, x"J^öc Troöa. — Vielleicht folgende drei
Beispiele: dXKi)ioc ujc cu )Lidxec9ai 0 570; ai Ydp xe ßoujv rrpo-
(pepecxepai eiciv | eXKcnevai veioTo ßa9eir|C tttikxöv dpoxpov K352f.,
TTicxoxaxoc öe oi IcKe ^dx^ ^vl ineivai 6fi0KXr|v TT 147. — öccov
(Grad) OairiKec nepi ttovxujv löpiec dvbpujv | vfia öotiv evi ttovxuj
^Xauveiaev x] 108f.? irepioiöe öiKac f\be 9p6viv dXXiuv mit Objekt?
[t 244]. ouK dbarmoviri c' ^x^i dfAqpmoXeueiv | öpxaxov uj 244. Mit
Substantiven enicppova ßouXr|v tr 242. ßoriv d^aGöc z. B. B 408,
T 311. iLbe ßirjv x' dxaöov Z 478.
Infinitive nach pniöioc I 258, Q 243 f., M 52ff. Y 2651,
MoXaKÖc X 373 f. Xeicxoc I 4081 dpraXeoc b 397 A 589 M 63
V 655 xo^eiTOC Y 131 <t) 482 z. B. xöqppa öe pniTepoi TroXeviiJeiv
r^cav Axaioi Z 258 bedeuten wahrscheinlich das was aus dem
Adjektivbegriff hervorgeht, sog. Folge: angenehmer so daß man
{gegen sie) kämfen konnte. Für uns ist der Sinn 'passivisch', d. h,
zu TToXeiaiZeiv brauchen wir ein anderes (aktives) Subjekt Ebenso
ist es bei öeivöc eic a»7Ta ibecBai x 405, vgl. u 401 f. und beiXoc
9 351. Aber z. B. qpaTeiv beivoc Xen. An. 7, 3, 23 ist 'aktiv', und
q)aTeTv ist das Gebiet der Tätigkeit. — Wahrscheinlich liegt auch
1) Vgl. Anm. 1 S. 57.
60 R. Blümel,
eine 'Folge' vor 9 138 f.: ou t^P ^TW fi ti qpriiLii KaKiuiepov dXXo
eaXdcoic 1 dvbpa fe cuTxeöcai, die 'Folge' ist hier *aktivisch'.
16. Weitere Entwicklung der vorigen Reihen.
Sehr häufig ist der Bereichsakkusativ und (verhältnis-
mäßig) der Infinitiv bei Ausdrücken, die im wesentlichen nur
noch vergleichen 1. mit superlativischem und komparativi-
schem Sinn, 2. mit dem Sinn der Ähnlichkeit oder Gleichheit.
Die sehr inhaltsarme (und recht unanschauliche) Bedeutung
dieser Ausdrücke erlaubt Zusammenstellungen von sehr Yer-
schiedenem, vgl. die folgenden Beispiele, es treffen sich hier
überhaupt, z. T. in einem Beispiel die Fortentwicklungen ver-
schiedener Reihen, bei den Akkusativen tauchen Eigenbedeu-
tungen auf, die bisher wohl unmöglich waren. Augenscheinlich
haben wir hier eine Entwicklung vor uns, und die Ausdrücke
der Ähnlichkeit und Gleichheit stellen, allerdings nicht in jeder
Beziehung! die jüngste der bisher erwähnten Stufen dar.
Superlativische und komparativische Ausdrücke:
Körperliches: TTeXiao 6uTaTpüjv eiöoc dpicxn B 715, vgl.
r| 57. oc ctpiCTOC lr]v eiöoc le öeinac le 0 116. ?Eoxoc Apfeiiuv
KecpaXriv re Kai eupeac uj)aouc f 227. iracdoiv ö' uirep fj fe Kdpn
^Xei n^e laerouTra l 107, vgl. f 210. — eiboc le [iifeQoc re diaei-
vova Ol 374. ou }xev 6nv Keivnc fe x^P^i^v euxo^al eivai, | ou
bdfiac oub^ qpuriv € 211 f.
Körperkraft: Kdpxoc dpicroi t 370.
Seelenverraögen : Kai vöov iv nptJuTOici MuKrivaiiuv ^t^tukto
0 643. TT^pi (ppevac l|i|ievai dXXuüv N 631. 5c Ttepi |u^v voov
kri ßpoTuuv a 66. ei ti TuvaiKUJv | dXXduuv 7Tepiei|ii vöov Kai ^m-
(ppova laiiTiv t 326. tö öv ^evoc oubevi eiKuuv X 459. ^öv . . .
X 515. (mhtic, ^idvoc neu).
Körperliches, und Seelenvermögen : lirei Trepiecci YuvaiKUJV |
eiboc re ^itfeBöc le ibi qppevac Ivöov ^icac c 248 f. ou reu beu-
6)a6Vov, out' äp qppevac out€ ti eiöoc 2pTa b 264, Lesart.
Körperliche Tätigkeit: tüjv öe Beeiv öx' dpicToc lr\v . . . KXu-
Tovrioc 9 123. öc Tic dpiCTOC | dvTißinv )aaxecac9ai H 50 f. öccov
dpicTai I vfiec ^i^ai Kai KoOpoi dvappinxeiv aXa tttiöiu r\ 327 f. 6c
dpiCTeüecKe |Lidxec9ai Z 460 f. öc ndci liexeTtpeTTe Mupiiibovecci |
JtXti Mdpvac9ai TT 194 f. jitTd b' ^TTpcTie YOCT^pi |iapTO I dltixk
q)aTt|iev Kai meiiev c 2f. — d bi coi Tidv Ipfov uneiHoiiai ötti
K€V €mr)c ? A 294.
Der Ursprung des griechischen Bereichsakkusativs und anderes. 61
Geistige Tätigkeit : exaivuio q>öX' dv6puj7TUJV | vfia Kußepvficai
Y 282 f. Dann 6 Yotp oloc 6|uri\iKiriv eKCKacTO [ öpviOac Tviüvai
Kai evaiciua ^uer|cac6ai ß 158 f. dpiCTOi \ irdcav ett' iSuv ecxe
|udxec6ai le qppoveeiv re Z 78 f. |Lidxec6ai . . . Apposition zu Trctcav
eTx' 10UV? — o'i \x€v qpepTepoi eici voficai xe Kpfjvai re e 170. laOia
6' eTiii ceo ttgXXöv d)aeivuuv iiiavTeuecGai ß 180. vekoc dpicie Y 483.
Körperliche Gestalt und Tätigkeit: oc -rrepi }xiv eiboc, Trepi
ö' IpTa xeruKTO | xujv dXXuuv Aavaujv P 279 f. X 550 f. xic xoO
TC ßinv Kai xtip«c dueivuuv 0 139. d)Lieivuuv ] Travxoidc dpexdc,
riiaev TTÖÖac r]bk )idxec6ai 0 641. Zusammenfassung in Travxoiac
dpexdc. neu ! ebenso die Zusammenstellung Substantiv und In-
finitiv.
Geistige Fähigkeit und körperliche Tätigkeit, oi irepi |iev
ßouXnv Aavaijuv, Tiepi b' ecxe |idxec9ai A 258.
Körper, Geistiges Vermögen und Tätigkeit: eirei ou eöev
ecxi xep^iujv, | ou be/jac ouöe qpuriv, oux' dp cppevac ouxe xi epfa
A 1141
Ausdrücke, die Ähnlichkeit oder Gleichheit be-
zeichnen ^) :
KörjDer: aivujc )nev KecpoXnv xe Kai ö)i|aaxa KaXd eoiKac |
Keivuj a 20Sf. ömnaxa Kai KecpaXrjv iKeXoc Ali xepmKepauvtu, ]
'Apei 6e Zluuvriv, cxepvov be TToceibdaivi B 478 f. Ziujvri ^ 'Taille'.
vuKxi Gof) dxdXavxoc uTTdima M 463? xd t' ÖTTic9e Maxdovi
Trdvxa eoiKe A 613. be)aac b* fjiKxo fovaiKi b 796, vgl. 0 285.
dvbpi beuac eiKuia 6 194. vgl. P 323. 0 305; t 468 6|aoioc. —
eiboc .uev dXi-fKioc dOavdxoiciv 6 174. — 0eip evaXiTKioc dvxrjv
ß 5, x^Xiöövi eiKeXri dvxriv x 240. Seoici fäp dvxa ^lUKei Q 630.
Sind dvxr|v dvxa erstarrte Instrumentale?
ou -fdp eTuuYe | • • • d0avdxoiciv eoiKa . . . | ou bejiac oub^
q>vr\v r\ 208 ff. dBavdxrici qpuriv Kai eiboc 6)aoir| Z 16. Bvrixdc d9a-
vdxrjci beuac Kai eiboc epiZ;eiv e 213. jiidXicxa be Necxopi bi'u) |
eiboc xe \xi-[(.Q6c xe cpur|v x' dxxicxa eujKeiv B 57 f. Apxe)iibi ce
eyuJTe • • . i eiboc xe ^€Te96c xe qpuriv x' ctTXicxa ^ickuj l 152.
Hieher auch ei xP^ceirj Aqppobixrj KdXXoc epiZ^oi I 389 (neu).
Dann r\ cpriui Gediuv eivai dpicxr), | d)a96xepov, T^ver) xe Kai
ouveKa d] napaKomc j KeKXn.uai Z 364 ff.
1) Schon die llias ist reich an solchen Beispielen. Das braucht
nicht zu verwundern. Gerade in der llias sind viele ausgeführte Ver-
gleiche, ein Anzeichen weit fortgeschrittener Entwicklung.
62 R. Blümel,
Zum erstenmal eine Pflanze: (miXu) ()ilr] \ikv ^eXav Ick€,
YdXaKTi öe etKeXov dvöoc k 304.
Hier auch zum erstenmal die menschliche Stimme, also
etwas Hörbares: eicaro bi q)OoTTnv uu TTpid)aoio TToXirrj B 791,
mit Partizip eicd^evoc vgl. N 21G. uieT bi TTpld^olo AuKdovi eicato
(pujvr|v Y 81. x^^iöövi eiKeXn aubr|V cp 411. 0etu evaXiTKioc aObr|v
T 250, GeoTc a 371.
Körper und Stimme: ibc cu bi^ac (pujvriv xe iröbac t'
'Obucni ^oiKttc T 381. Ar|i(pößuj ^iKuTa bi^ac Kai dteipea q)ujvriv
X 227. eicdiaevoc KdXxavri öejuac Kai dteipea q)ujvnv N 45. Mev-
Topi €iÖ0)nevri f\\xkv öepac ri^e Kai aubrjv ß 268. Trdvt' autiu ^e-
TeGöc le Kai ö\i\xaTa küX' ^iKuTa | Kai 9ijuvnv V 66 f., die Akku-
sative nach Trdvxa Apposition dazu?
Geistige Fähigkeit: cui ekeXoc dXKriv A 253. (pXoTi eiKeXov
dXKrjv N 330. inevoc dvTi<pepec6ai <t> 482. ön jioi laevoc dvTiqpepi-
2eic 0 488. ^evoc ico9apiZ;eiv Z 101. Vgl. <t> 411. infiTiv 6|LioiujGri-
|Li€vai T 120. 'Oöucfia Ali unriv drdXavTov B 169.
Körper und Geist: Kai ei irupi x^ip^c ?oiKev, ] ei TTupi x^'Pcic
loiKC, ^evoc b' aiGwvi cibriptu Y 371f.
Dann ein weiterer Beleg des Inhalts Geschlecht: airro»
Top Yevefiv d^xicia ^ujKeiv E 474 (neu).
Körperliche Tätigkeit : Tpnpuüci neXeiaciv iGfiaG' o^oTai E 778.
Geieiv b' dve|iOiciv ö^olOl K 437. (ou tdp oi Tic 6|ioToc ImcTTecGai
TTOciv rjev Z 521 Folge?) tu» b' ou ttuj tic 6^oToc ^ttixGövioc fivei'
dvrip I Koc)aficai ittttouc tc Kai dvepac dcmbiiJÜTac B 553. (tic ydp
TOI Axaiuiv dXXoc öjioioc | 'ittttujv dGavdTUJv Ix^MCV binficiv T€
^levoc Te P 475 f. Folge?) bpncTocuvr) ouk dv )ioi ^picceie ßpÖToc
dXXoc, I TTÖp t' eu vnncai bid Te HuXd bavd Kcdccai, | baiTpeöcai tc
Kai ÖTTTficai Kai oivoxoncai o 321 ff. (bpncTocuvr) und die akku-
sativischen Infinitive verhielten sich dann entsprechend wie )aoi
und dvbpöc bucTr|voio (cfifid Te ^oi x^öai ... | dvbpöc bucTTjvoio
X 75 f.) — 6 Heivöc Te Kai 'Ipoc ^piZlerov dXXnXouv | x^pci Maxn-
cacGai c 38 f. : hier spielt aber das Wollen eine große Rolle,
daher nicht hiehergehörig. intpöc ydp dvrip noXXüjv dvTdHioc
dXXujv, [iouc t' ^KTd|Liveiv ^tti t' fima q)dp^aKa irdcceiv] A 514 f.
Geistige Tätigkeit Ipfa b' AGnvair) . . . (coqpapii^oi I 390.
"Wahrscheinlich ist eine Gleichsetzung nach verschiedenen
Gesichtspunkten, z. B. Körperlichem und Geistigem, aus inneren
Gründen, viel seltener als eine verschiedene Bewertung.
Endlich schließt sich an Ausdrücke wie ^lKp6c b^jiac Toiöcbe
Der Ursprung des griechischen Bereichsakkusativs und anderes. 63
in der Bedeutung so beschaffen, an solche yne ßonv dTaGoc eben-
falls Toiocbe in der Bedeutung so zu heicerten^ dann toToc, oToc
und TTOioc und endlich ttuic; wahrscheinlich haben aber Aus-
drücke mit so weitem unbestimmtem Inhalt den Akkusativ erst
nach dem Vorbild der Ausdrücke der Ähnlichkeit und der
Gleichheit nach sich.
Toiocbe, so beschaffen, von Körperteilen : xoiocb' icn -rröbac
Toiocöe T€ xeipac t 359.
Toioc, oToc, TToioc, TTuJc, so zu bewerten usw.:
Von geistiger Eigenschaft: olö' dpeifiv oiöc kci N 275.
Körper und Geist: ttüuc umaiv dvnp ööe (paivetai eivai |
eiboc re ^eTCÖöc re \hl cppevac Ivbov eicac X 386 f.
Geistige Tätigkeit: f])ieTc ö' oö vu n xoioi d^uvejiev ß 60.
oioc 'Oöucceuc kKev dpnv dTtö oTkou d^övai ß 59. ttoioi k' eix'
'Obucfii d|iuve)nev: qp 195. oloc 'Obucceuc ecKe . . . | Heivowc aiboiouc
d7T0Tr€HTT€^Aev i\hl Öexec6ai x 315 f. oTöc xoi . . . | Mevxuup AXKi)aiöric
euepreciac diroxiveiv x 234 f. oloc kcivoc lr\v xeXecai ?pTOV xe
Ittoc xe ß 272.
Körperliche und geistige Tätigkeit: oioc Keivoc h\\ ßou-
X€u€|iev r|öe |idxec6ai E 491.
Körper und geistige Tätigkeit: ei xoiocb' ein r\\ib* hi\xac
x\hk Kai Ipta p 313.
Für alle diese Beispiele scheint mir der deckende Aus-
druck zu sein : so {icie) tüchtig u. ä. auf dem und dem Gebiet^ in
dem und dem Bereich.
Infinitive nach oiöc xe dagegen drücken eine Folge aus,
gehören also nicht hieher, z. B. fibri tdp dvrip oiöc xe ^dXlCxa |
oiKOu KrjbecGai x 160 f.
Man wird annehmen dürfen, daß umgekehrt auch nach
Beispielen mit Akkusativ bei oloc, eiKeXoc und anderen "Wörtern
mit ähnlich weiter Bedeutung Beispiele gebildet wurden (natür-
lich erst später!), wo der Bereichsakkusativ neben Ausdrücken
mit engerer Bedeutung stand. So erklärt sich auch wohl das
Zustandekommen von eivai mit der Bezeichnung der Herkunft
(z. B. il 'ledKrjC t^voc ei^ii o 267) mit t^voc oder T€ver|v, und
von eivai mit dem Namen und dem Akkusativ övo^a (öeoKXu-
jievoc b' övo^' t^ev o 256).
eivai mit il. und ^evoc : ^k tdp ^Meö -fevoc ^cci E 896. 8c
Ik öeöqpiv Tcvoc i^ev V 347. ^k ^ev KpTixduuv Ttvoc euxojiai eivm
l 199. yevoc b'iiv ivi TTOxanoio | AXcpeioö E 544 f. il 'IGdioic xevoc
64 R. Blümel,
€1)111 o 267, vgl. tu 269. Traxpöc b' eS dTa0oO Kai bf(u fivoc euxo-
jitti eivai I Tubeoc E 113 mit l|Li|Lievai uiöc : Traxpöc b' eH dTaöoO
Ttvoc euxeiai emaevai uiöc qp 335. Dazu iröBev t^voc euxexai
€ivai; p 373.
eivai mit Genetiv und yeveriv : auxdp ifd) Y^venv )Li€TCtXou
Aiöc euxo^ai eivai O 187. mit ^ktovoc eivai : x^venv xe MeXd|i-
TToboc tKTOvoc i^ev o 225.
Vgl. ^Miuevai uiöc fivoc : e|Li|Lievai ^ktovoc Tever|v.
■fevenv neben attributivem Adjektiv: öoKeT bi |uoi l^pLevai
dvrip I AixuüXöc ytver\v V 470 f.
Nach Kieckers S. 364 kann man in folgenden Beispielen
an T^voc als Prädikat denken (vgl. Kai Ktv xic cpain yövov Imuevai
öXßiou dvbpöc c 218), sicher in dem einen Beispiel f) b' dp er|V
öeTov T^voc oub' dvBpduTTujv Z 180 ; wahrscheinlich in den fol-
genden : xoö kfd) fivoc eüxojLiai eivai E 204. (pfic0a cu juev TTOxa|nou
Tevoc Imaevai eupu peovioc O 186. dW dvbpiuv y^voc icil bio-
xpeqpeuuv ßaciXrjUJV [b 63].
Zur Entstehung der genannten Beispiele mit yevoc als
Akkusativ und Yevenv müssen auch andere mit ycvoc fevef\v
mitgewirkt haben wie auxuj ydp ttvenv d^xicxa eujKeiv E 474
und Tevoc fe KaKÖv E 126.
Daran schlössen sich an Beispiele wie 0€OKXu)Lievoc b' övo|li'
T^ev 0 256. Apvaioc b' övo/i' IcKe, c 5, vgl. x 247, u 288. Apnxn
b' övoji' kxiv eTTUJVu|iov r) 54 ^). Name und Geschlecht konnten
zusammen auftreten, vgl. den bekannten Vers xic, ttööcv eic
dvbpujv; TTÖGi xoi ttöXic r\bk xoKfiec z.B. a 170. Also konnten
Sätze mit Bereichsakkusativ y^voc Tevenv ein Muster abgeben
für neue mit övo^ia ebenfalls als Bereichsakkusativ, vielleicht
auch umgekehrt. Vgl. o 256 und o 267.
Die Akkusative (oü, }xr\ ; oube, laribe ; ouxe, liiixe) xi, d^qpö-
xepov? A 59 f. I 364, Tidvxa und xd dXXa (La Roche S. 69—79,
§ 40 — 42) sind schwer nach Bereichsakkusativen im engeren
Sinn und Gradakkusativen zu sondern. Jedenfalls läßt sich er-
kennen, daß mit ihnen, was Eigenbedeutung des Akkusativin-
halts betrifft, das Äußerste von Inhaltsweite erreicht ist.
Es ist also schon aus Homer eine gewaltige Ent-
wicklung des ganzen Gebrauches zu ersehen; dieser war im
Entstehen lange bevor die homerischen Gesänge gedichtet wur-
1) Später möglicherweise auch solche wie dW|p 0€okXO|l»€voc övo-
fia elncv . . .
Der Ursprung des griechischen Bereichsakkusativs und anderes. 65
den. Die altertümlichsten Beispiele brauchen natürlich nicht
in den ältesten Schichten der beiden Gedichte vorzukommen.
Nachdem der Gebrauch dieses Bereichsakkusativs so um-
fänglich und so lebendig ist, läßt sich auch
17. KttKÖc irdcav KaKiav
daran anknüpfen. Nach beivöc (payeiv könnte man vielleicht
einen Ausdruck erwarten wie *öeivöc Trdcav xaKiav, falls öeivoc
hier paßt, aber das Ausweichen in KaKÖc irdcav Kaxiav liegt sehr
nahe; wer in jeder Lumperei 'tüchtig' ist, der ist eben selbst
ein Lump. Innerer Akkusativ ist damit nicht ausgeschlossen.
18. Innerer Akkusativ bei Adjektiven im Awestischen.
Im Awestischen scheint mir das, was man Akkusativ der
Beziehung neben Adjektiven nennt, deutlich innerer Akkusativ
(soweit hier nicht nqma und die Reihe von niasö in Betracht
kommen). Wenn man sagte sraosahe vanatö vanaitis, des Sr., des
Siege siegenden, Reichelt Av, Elementarbuch § 437 S. 227, so
konnte darnach und nach ähnlichen, uns z. T. unbekannten Mus-
tern gebildet werden xsa^ram huxsa&rö.famö, Reichelt § 440
S, 230, der beste Herrscher an Herrschaft, x^aranö afaranami-
hastdmö, der höh eits vollste an Hoheit, raem raevastdmö^ der reichste
an Reichtum und dann ütim savista die gewaltigsten an Besitz.
Alle diese Ausdrücke konnten ja von 6inem Mann ausgesagt
werden und standen sich in der Bedeutung nahe, oder gehörten
in der Bedeutung nahe zusammen. Von nqma und von masö
usw. führt m, E. keine Brücke hier herüber.
19. Griechisch irdc ÜTrac im Wettbewerb
mit dem Bereichsakkusativ.
In einem Falle steht bei Homer kein Akkusativ, wo es
sich deutlich um Ausdehnung handelt und der Bereichsakku-
sativ vielleicht zu erwarten wäre: wenn nämlich das, was unter
andern Umständen als bestrichener Raum aufgefaßt werden
müßte, und der Gegenstand (im Subjektsnominativ, Akkusativ
usw.) auf den der bestrichue Raum bezogen werden sollte, zu-
sammenfallen. In diesem Falle steht bei Homer Tide oder cittoc,
meistens (oder immer?) als prädikatives Attribut = *in seiner
ganzen Ausdehnung'. Ich gebe ein paar Beispiele: (Person,
Hektor:) irdc b' dpa xciXklu j c|iepöaXetu KCKaXucpG' N 191 f. Tipiv
Indogermanische Forschungen XXXIII. 6
66 R. Blümel,
TTotvia avaKT' ^fiov d|a qpacpdacGai T 475. (Körperteil, Kopf): fj b'
avbixa irdca KectcGr) TT 412. Dinge: (heransegelndes Schiff) Kai
br\ TrpouqpaiveTO ndca v 169. Ttdv bh. oi eicuu | hv Hi(poc d)ii(priKric
O 117f. (Mischkrug) dpTOpeoc öe | Ictiv dirac b 615f. (Wasch-
wasser): id Tdp TTpötep' ?KXUTo TrdvTa t 504. ödnebov b' ÖTrav
ai'inaTi eOev \ 420. ujc b' uttö XaiXairi -rrdca KeXaivr) ßeßpiGe xödjv
TT 384. "Vorgang: inaxH b' dm rrdca cpadvör) P 650'). Vgl. für
die Auffassung 'in seiner ganzen Ausdehnung* (die Brustwehr)
^'\x', r) b' e'cTT€TO Ttdca biaiarrepec M 398. Dann rrpujTov pikv Katd
TTupKdiriv cßecav aiGoiTi oi'viu | Tidcav, ottöccgv ^Tiecxe TTupöc laevoc
Q 791 f. irdcav nur in Hinsicht auf den Inhalt des folgenden
Kelativsatzes. Sehr deutlich für eine andere Anschauung ist
Thukydides 3, 104, 1 von Delos: ^KdGripe [xkv ydp Kai TTeicic-
Tparoc 6 rupawoc Ttpoiepov auiriv, oux ÖTracav, dXX' öcov
dTtö ToO iepoO ^(peujpdxo ific vricou. löie br] Tidca eKa-
6dp6n ToiLube xpoTruj . . .
Vielleicht enthält aber |ae|uupic|Lievoi irdv tö cüuiaa Herodot
1, 195 den Bereichsakkusativ Tidv tö cd))Lia (vgl. aber auch vom
Ibis; er ist |ieXaiva beivujc rrdca 2, 76). uTinc tö cüj)Lia Kai Tr|V
v|;uxnv ist kein Gegenbeispiel, denn ciL)aa und vjjuxn können als
Teile des Menschen gelten. Ein Bereichsakkusativ war in vielen
Fällen, wo rrdc ärrac, später öXoc steht, offenbar nicht zu bilden,
was sollte man in den angeführten Beispielen statt der Form
von Tide sagen, wenn es sich bezieht auf ein Wort, das be-
deutet: Schiff, Mischkrug, Schwert, W^aschwasser, Erde, Schlacht;
Brustwehr, Scheiterhaufen, Insel? irdv tö cüuina scheint bei
Herodot 'Ausweichung', TrdvTec hätte geheißen alle (beim Ein-
heitenplural, anders bei der Masse irobdviTrrpa). irdc und Be-
reichsakkusativ schließen sich auch bei Homer nicht aus, vgl,
(Lbee bk xpoa irdvTa e 455 und KttTd bi xpoa rravTa cannr) T 27
in stillem Gegensatz zum Innern des Leibes. Wichtig ist wieder
in allen Fällen wo dieses irdc ärrac steht, daß es die Bedeutung
hat *in seiner ganzen Ausdehnung'.
20. Akkusativ der Entfernung und seine Entwicklung
zum Akkusativ des Grades.
(Ich gebe nur Andeutungen um diesen Gebrauch nicht
zu übergehen). Die ursprüngliche Bedeutung hat noch dXX' öt£
1) Vgl. itoXXöc 'weitausgedchnt' woXXöc t^p tic ^Ktiro wapi^opoc
ivQa Kai lyQa H 156, uoXXöc : iräc = noXXot viele : ndvT€C alle.
Der Ursprung des griechischen Bereichsakkusativs und anderes. 67
Toccov ttTTTiv (ich), öccov Te fi-fwve ßorjcac i 473; (die Waffen)
KaxriKiCTai, occov Trupöc iket' duT|ir| t 9. Dann luanpöv duce f 81,
erst 'rief weit' dann 'weithörbar', dann 'laut'. — ^eveoc öe inera
qppevec d|i(pi|ae\aivai | miUTiXavT' A 103 f. ^if CpmjuHe i 395. yi€fa\'
euxeio r 275. Ygl. \xifa Kpateeic X 485, ursprünglich 'über ein
weites (rebiet hin', dann 'gewaltig', dann 'sehr'. Für ttoXu,
TToXXov Tgl. namentlich ttoXXöv be ßi'nc embeueec ncav cp 185,
nhd. Da fehWs weit. Mit dem häufigen ttoXu q)epTepoc vgl. weit
besser^ lat. longe.
Auch sonst kann das Maß der Entfernung ursprünglich
das Maß der Leistung gewesen sein, z. B. im Diskuswerfen. Der
Grad einer Leistung, eines "Werts, auch eines Unterschieds wird
z.T. noch räumlich gefaßt: Ach, d^r steht Ja turmhoch über dem
und dem\ Vgl. occov irepiYiTvÖMeö' dXXuuv ... 0 102. Bei itoXXöv
veujTepoc spielt die Zeitentfernung mit.
21. Akkusativ der Kichtung im Griechischen
und Awestischen (eupoc, fra^ö).
Ton dem ursprünglichen Richtungsakkusativ eupoc = in
die Breite usw. sind bei Homer vier (oder drei?) Beispiele
überliefert (evveujpoi fdp toi ye Kai evvea-rtrixeec rjcav | eupoc,
didp lafiKoc fc TevecGriv evveöpfuioi X 311 f. (pöiraXov) töccov
erjv jifiKOC, töccov Ttdxoc eicopdac0ai i 324. Herodot hat ver-
hältnismäßig viele derartige Beispiele, darunter auch Tocaürai
dpi8|Li6v 1, 180. Diese Verbindung wurde erst möglich, als die
alten Richtungsakkusative eine weitere Bedeutung erhalten hatten.
In c^iKpol xd neTdGea, ttoikiXoi td eiöara Herodot 3, 107, Brug-
mann S. 147 scheinen mir cfiiKpoi und |ieTd9ea auf Körper-
eigenschaften, nicht auf Richtungen zu gehen, die gemessen
würden, und daher nicht in diese Reihe zu gehören. Sonst
wäre dieses Beispiel ein wertvolles Zeugnis der Entwicklung.
Im Awestischen gehören nach Delbrück S. 389 hieher:
dräjö 'in die Länge', masö (ursprünglich 'in die Höhe?*) an
Größe, bqzö 'in die Tiefe', fra9ö 'in die Breite', dazu noch ar*jö
'an Wert' Brugmann S. 147.
Wahrscheinlich waren auch die aw. Akkusative dräJö usw.
ursprünglich Richtungsakkusative, vgl. Delbrücks Übersetzung
'in die Länge' — von mir gesperrt — S. 389. Daraus ent-
wickelten sich Akkusative mit weiterer Bedeutung, und so war
die Analogiebildung ar'jO 'an Wert' möglich. (In der heutigen
6*
68 R. Blümel,
Umgangssprache habe ich zwei Beispiele von noch fernerlie-
gender Analogie bei Maßbegriffen gehört, das eine vom Dampf-
bad: Hundertzehn Grad ist neulich eine drin gewesen^ dann:
Ich bade immer fünfunddreißig Grad.)
Die Erklärung verdanke ich dem Verfasser der Einfühlung,
Dr. Antonin Prandtl, zu einer Zeit, wo mir mein Exemplar von
Delbrücks Vergleichender Syntax nicht zur Hand war. Vgl.
namentlich bei La Koche S. 17, § 15, 1. toccn öjuüjc iutikoc te
Kai de irdxoc i^ev iöec9ai Ap. Rhod. 1, 1193.
Auch diese Akkusative kamen natürlich aus einer Zeit,
wo noch keine Präpositionen als solche entwickelt waren.
22. Akkusativ des Ziels bei Verben des Treffens^).
Im Passiv liegt immer Bereichsakkusativ vor. Ein akti-
visches Beispiel scheint mir sicher eine Gruppe syntaktischer
Beziehungen zu enthalten : töv ßdXe laeccov oikovti TTobctpKric bioc
AxiXXeuc, I vÜL)Ta irapdi'ccovTOC Y 413f., darauf weist der Genetiv
TTapatccovToc bei vüura. Die übrigen aktivischen Beispiele sind
zweifelhaft. In der Eias finden wir naturgemäß mehr als in
der Odyssee.
Einzeln steht da: ittttijuv |li' ujkuttoöujv d|i9i ktüttoc ouaia
ßdXXei K 535 vom Lärm.
Verben des Treffens, Verwundens im Aktiv.
Körperteile :
ßdXXuj, wenn nichts bemerkt ist, heißt die Form ßdXe(v) oder
ßdX' ; e. = ?ßaXe(v).
Ilias: dYKiiJva tuxujv E 580 ff.? dcTpdTaXov (e.) =. 465 f.
auxeva E 657 f., wenn *ihn' zu ergänzen ist. — H 11. {€.) TT 586f.
ßoußoiva mit ßeßXr|K€i A 491f. Taciepa N 506. fJTrap A 578f.
(€.) N 411. KeqpaXrjv TT 577 f. (e.) 0 433 f. Kvrmnv 'ihn' zu ergänzen?
(e.) 0 591. Kopcnv A 501 f. Xaijaöv N 387 f. laeTdqppevov *ihn*
zu ergänzen? TT 806 f. laeiiuTnov TT 737 ff. unpov A 583 f., mit
ßeßXrjKeiv, 'ihn' zu ergänzen? E 660 f. Trfjxuv O 166 f. ciepvov
A 527 f. cinGoc A 480 f., (e.) E 19, 'ihn' auch in dem unmittelbar
folgenden uice ö' dqp "ittttijuv zu ergänzen, mit ßeßXriKeiv =. 409 ff.
Tapcöv A 376 f. 'ihn' zu ergänzen? uifiov H 13 ff. ßdXov ich
traf E 188f.
1) Auf diesen Akkusativ wurde ich aufmerksam durch den Hin-
weis bei Brugmann S. ISO.
Der Ursprung des griechischen Bereichsakkusativs und anderes. 69
Odyssee: crfieoc *ihn'? ßctXXe x 82. x^ip« c 396. ujhov
p 462 'ihn'?
eXduj. €. = IXacce, y\. = rjXace. Ilias auxeva e. 'ihn'?
H 496 f. KÖpcnv r\. N 576. *ihn'? E 584. fieiujTTOv, x], voraus
N 615. oi^ov e. E 79 f.
Odyssee auxeva e. 'ihn'? c 96, a))iiov r|- ihn? c 95.
eniTPwqpuu Ilias rapcov A 388.
Odyssee u)^ov x279f.
öeivou nur Ilias 'ihn'? auxeva Y 481.
KÖ7TTU) Ilias KuuXriTTa tuxuuv 'ihn'? Y 726. TTapr|iov Y 690.
Odyssee )LieTdq)pevov r|5e kqi ujjiiju 'sie'? 0 527 f.
diuqpiKÖTTTUj nur Odyssee Kopri c 335.
vuccuj nur Ilias fvaGnov 'ihn'? TT 404 f. neTdq)pevov
Y 487 ff. iLieTiJjTTiov A 95 f.
IcpQx] öpeEd)nevoc? nurllias ckcXoc TT313f. u))iovTT321ff.
hier mit Genetiv der Person, in 313 scheint der Akkusativ nur
von ÖOKeucac abhängig. ckcXoc und oiiiov können auch hier
Objekte sein.
ouTd(2)uj, -r|- = ouTTice, sonst ourace. Ilias iLieidqppevov
E 55f. TiXeupd -n- A 467 ff. CTfieoc N 437 ff. x^ipa E458; in
E 334 ff. 'sie'? oiiiov A 420f. ittttov ujjuov TT467f.
Odyssee outa Keveüuva x 294 f.
irXriccuj immer die augmentlose Form des s- Aorists. Hias
auxeva A 240. KXrjiba E 146 f. nexdqppevov r|öe Kai vj^xw 'ihn*?
B 265f.
Odyssee vüjTa k 161 f. (ich) einen Hirsch.
TU7TTU» nur Ilias ßpaxiova N 528 f. 'ihn'? — facrepa
0 180; A 531 'ihn'? — Xaiinov N 541 f. cqpupd xai auxeva
TuTue, Subjekt der Schild Z 117, d^q)i Adverb; sonst tuv|;6(v)
oder ivi\f'.
In der Odyssee außerdem mit etwas anderer Bedeutung
cOv ö' öcre" dpaSev ^ 412 'ihn'? Vgl. das Passiv.
Dann vgl. ßeXoc ö' i9uvev A0r|VTi | piva Tiap' öqpGaXjiov
E 290 f.
Küstungsteile, nur Aktiv und nur in der Hias:
ßdXXw : GiüpTiKOC Twa^ov E 98 f. GÜJpTiKa mit ßeßXr|Kei P 605 f.
(k€V . . . ßdXe) n KÖpue' r\i cdKoc Y 2881 cdKOC 'ihn'? <t> 164.
reXanuiva mit ßeßXriKei, M 400f. KopuSoc qpdXov A 459.
^Xduu : KopuGoc qpdXov t^. N 614 'ihn'?
VUCCUJ : dcmba 'ihn'? M 404. cdKOc A 563 ff.
70 R. Blümel,
ouTd(Z:)ui : cdtKoc N 5511 und dcmboc ö)Li(paXöv N 192 *ihn*?
Als Teilakkusativobjekte wären diese Akkusative von
Rüstungsteilen deswegen auffallend, weil sonst bei Homer Gegen-
stand und Zubehör in der Gruppe syntaktischer Beziehungen
nicht vorkommen. Der 'Ziel'akkusativ dagegen ist hier nicht
weiter auffallend.
Passiv: cuvapdccuj nur Odyssee : (ke) cuv b' öcie' dpdxöri
€ 426.
ßdXXai körperlich nur Ilias: ßeßXnai KeKeujva öiainTTepec
E 284. ßXfiTO . . . Kvrnanv A 518 f. ßXnio . . . di|iov P 598.
Seelisch: Ilias: äx'ei ineTdXuj ßeßoXrjlnevoc r^iop I 9.
Odyssee; khp dxei |ieTdXiu ßeßoXrmevoc k 247.
öatZiu körperlich, nur Ilias: öebaiYinevov ^Top P 535.
Fraglich, ob zu ßdXXuu usw. gehörig.
KaTttTrXriccuj, geistig, nur Ilias KaTCTrXriTn (piXov i^Top FSl.
GcXtuu, geistig, nur Odyssee: Ipiu ö' dpa 9u|iöv eöeXxOev
c 212.
dKirXriccu) N 394, ^KTrardccuj c 327, ßXdTrruü TT 660 bedeuten
berauben, gehören also nicht hieher.
Zu beachten ist wieder ein Unterschied im Gebrauch des
Aktivs und des Passivs. Es hat einen Sinn zu sagen: Er traf
ihn auf den Schild, dagegen nicht Er wurde (war) in den Schild
getroffen. 'Treffen' konnte dann im Aktiv kaum bildlich ge-
braucht werden, der 'Vorgang' ist nicht recht verstellbar, die
'Folge' aber fühlbar. Man stellte sich den seelischen Schmerz
vor, ähnlich wie die Folge einer Verwundung, dagegen kaum
die 'Verwundung' selbst; 'unlogisch', aber ganz natürlich. Der
Vorgang des Beraubens dagegen konnte auch aktivisch gegeben
werden, er war schon viel weniger anschaulich : dXXd \ie coc xe
ttöOgc cd xe jinöea, (pai5i|i' 'Oöucceü, | er) x' dTavoqppocuvn neXiriöea
0u)iöv dirriupa X 202 f. sagt die Mutter des Odysseus.
In einzelnen Fällen kann man übei-setzen schlagen auf
oder über, z. B. B 265 auf oder über Rücken und Schultern ; in
anderen durch z. B. cuv 6' öcxe' dpdxOri € 426.
Diese Unbestimmtheit der örtlichen Auffassung muß auch
hier, bei den Vorben des Treffens, dazu führen, daß sich die
Bedeutung des Akkusativs erweitert und ärmer wird.
Als zweifelhaft könnte betrachtet worden die Funktion
des Akkusativs, wenn daneben noch ein anderer steht, abhängig
von Präposition, der ebenfalls einen Körperteil bedeutet, z. B.
Der Ursprung des griechischen Bereichsakkusativs und anderes. 71
uic ap eqpri Kai 0pfivuv eXdiv ßctXe beHiöv u)^ov | TipunvoTaTov
Katd vujTov 'ihn' zu ergänzen? p 462 f. (Hirsch) töv b' tfuj
CKßaivovTa Kai' dKvrjCTiv ^6ca vOuia | uXnHa k 1611 Ich weiß nicht,
ob sich ein echter Zielkasus mit Katct + Akkusativ verträgt,
denn gerade Katct ist die Präposition, die später mit dem Be-
reichsakkusativ in Wettbewerb tritt; aber ein Bereichsakkusativ
mit einer weiteren und unbestimmteren Bedeutung als sie der
Zielkasus hatte, kann m. E. wohl neben Kaid mit Akkusativ
stehen. Es ist also nicht notwendig in p 4621 öeEiöv ili^iov,
K 1611 laeca vujia als Akkusativobjekt zu fassen, möglich ist
es. Ygl. das Beispiel tov p' eßaXev KeqpaXfic le Kai aüxevoc ev
cuveoxMuJ I veiaiov dcTpdxaXov Z 4651 Ygl. (Hektor) qpaiveTO
b', f) KXrjlbec dir' üj)liijuv auxev* exouciv, | XauKaviriv X 3241 Noch
weniger Schwierigkeiten macht es, einen Bereichsakkusativ zu
stellen zu einer Bestimmung mit irapd: Yctciepa t^P Miv Tui|;e
Ttap' o^iqpaXöv O 180, mit uttö: ö bi |liiv (p9d,uevoc ßdXe boupi |
Xai)iöv utt' dv6epediva N 3871 koi p' eßaXe Kvfmriv uttö Touvatoc
0 591, mit uTiep: voraus f|Xace : 6 he irpociovia laerujTTOv [ pivöc
UTTep TTUiLidtric N 6151 und ^leccriTuc : dXXd \x\v Aipetöric . . . |
ILieTdqppevov outace öoupi | uj^ijuv |neccT]Tuc E 55 ff.
23. Die neue Bezeichnung Akkusativ des Bereichs.
Als einheitlicher Name für alles das, was man im Grie-
chischen Akkusativ der Beziehung heißt, mit Ausnahme des
övo^a, soweit es andere Ableitung notwendig macht, und des
'eingekeilten' Akkusativs rjöee ydp Kaid 9u^öv döeX9eöv, iLc etro-
veiTo B 409, ebenso für aw. masö usw. (aber nicht für ai. näma^
aw. nqma) empfiehlt sich: Akkusativ des Bereichs. Gegen die
Bezeichnung Akkusativ der 'Beziehung' oder der 'Bezugs' wendet
sich Brugmann S. 121 mit Recht, vgl. Brugmann-Thumb* S. 439,
Anm. 1. Der Name 'erklärender* Akkusativ — Brugmann
(nach Delbrück S. F. 4, Grundlagen der griechischen Syntax S. 32)
S. 151 — scheint mir auch zu unbestimmt Das Wort Bereich
schillert ähnlich wie der Akkusativ des Bereichs von örtlicher
Bedeutung zu weniger anschaulicher, erweiterter; es bedeutet
im örtlichen Sinne namentlich eine gewisse Ausdehnung, im
Bereich von, kann aber auch örtlich einen 'Fleck' hervorheben;
im Bereich von . . . läßt sich beziehen auf Körperteile wie auf
Gebiete, in denen etwas geleistet wird {krank im Bereich des
Kopfes — hervorragend im Bereich der Naturwissenschaften).
72 R. Blümel,
Natürlich, ganz genau stimmt die Bedeutung dieses Wortes
nicht, man muß aber das Wort als einheitlichen überdeckenden
Namen für eine grammatische Kategorie hinnehmen. Mit Wörtern
wie 'Ziel' steht es dabei keineswegs besser; daß wir sie als
'richtig' empfinden, kommt daher, daß wir uns angewöhnt haben,
mit diesen Wörtern die auf die Spracherscheinung passende
Bedeutung zu verbinden.
Für die lateinische Nachahmung empfiehlt sich eben-
falls der Name Bereichsakkusativ. Vgl. 30.
24. Altgriechische Spracherscheinungen mit dem Ak-
kusativ, in denen die örtliche Anschauung noch deut-
licher zutage tritt, die mit dem Bereichsakkusativ
in Wettbewerb stehen.
Ist die Ansicht richtig, daß sich der Akkusativ des Be-
reichs aus örtlichen Akkusativen entwickelt hat, so wird es
diese Ansicht stützen, wenn verwandte Erscheinungen nachzu-
weisen sind, die wir ganz sicher örtlich fassen müssen.
Hierher gehören namentlich die örtlichen Adverbien
neben dem Akkusativ und die Präpositionen mit Akkusativ.
Örtliche Adverbien: unepGev: TTeTrdXaKTO rrobac xai x^i-
pac uTrepGev x 406. irobac Kai xeipac uirepGev | ai)uaTÖeic P541f
qppiccei bi re vujtov uTiepöev N 473. TiXctZi' uj)aouc KaGüirepGev
0 268 f.
öia|LiTr€pec. ßeßXrjcxi Keveoiva öiaiuTrepec E 284. öiaiiirepec
ist besonders wichtig, weil es auch als Post- und Präposition
vorkommt, allerdings mit Genetiv, dXXd )LidXa ctixöc €i|ni bia|a-
Trepec Y 362 und (ouTdZovTo) 5ia|iTrepk dcmöoc auific M 429.
Abgesehen von der Verschiedenheit des Kasus geben die drei
letzten Beispiele die Entwicklungsstufen einer Präposition, aller-
dings nach der Entstehung der ersten Präpositionen.
Präpositionen mit Akkusativ. (Vgl. bdKpuci Treqpupiaevti
dfiqpi TrpocujTTa c 173) ganz deutlich öpdKiuv ^tti vüjia baqpoivoc
B 308. Vgl. dann, für die Anschauung der Erstreck ung be-
sonders deutlich: ^avu» Xiri KdXuipav | ic iroöac ^k K£(paXfic
1 352 f. Vgl. (öq)iec) Kudveoi Kaid vuiia, latXdvGticav bi fivtia
Hesiod Acttic 167.
Bei Gemütsstimmungen steht Kaid: tnönctiv Kard Gu^6v
N 416. Vgl. KOpkcaio öv Kaid Gun6v u 59. xuJÖ|ievov Kaid Gu|aöv
Der Ursprung des griechischen Bereichsakkusativs und anderes. 73
A 429. Ygl. aivujc öeiöoiKa Kard qppeva ^n . . . A 555. ööuvdujv, |
di vöv HIV Tcipouci Katd qppevac 0 60 f.
Ausdrücke des Gleichens: cxaqpüXr) eiri vüütov eicac B 765.
€ic Ultra eoiKtv f 158 (a 411 ^lijKeiv). Ygl. dpicxoi | Ttctcav in*
ieüv ecTC laaxecöai le cppoveeiv re? Z 78 f. ^).
Häufig sind die Beispiele für Präpositionen bei Verben
des Treffens. Am ähnlichsten erscheint dem bloßen ehemaligen
Zielakkusativ zu sein Kard mit Akkusativ.
ßdXXou Ilias: auxeva <!> 406, yacTepa TT 465, yXoutöv E 65 f.
(ßeßXriKei, e. N 651). fovu mit ßaXtüv Y 457 f., iviov mit ßeßXqKei
E 72f., icxiov E 305, KeqpaXriv TT 411 f. Kopuqpriv 0 81ff. (Pferd);
}ial6v mit ßeßXrjKci E 392 ff. CTfi0oc 0 302 f. diiaov mit ßaXujv
A 505 ff.
Odyssee: Xai|aöv x 1^. vuitov p 462 f.
iXduu Ilias KeqpaXrjv r\. Y 474 f.
Odyssee : auxeva x 328.
vuccuu nur Ilias. KXr|iba E 5781? Kpotaqpov Y 395 ff.
irpoTiuriciv A 423 ff. CTÖ|ua TT 345 f. xeip« A 252. oiiiov E 45 f.
ouTd(Z;)uj Ilias auxtva Y 455. fiirap Y 469. icxiov A 338f.
ö(p9aX)uioTo 0e^e9Xa E 493. Xairdpriv Z 63 f. ouc Y472f. outace
A 338, sonst ouia.
Odyssee : ojjiov t 452. -r|-.
TrXrjcciJU nur Odyssee. dKvricxiv k 161 f.
TUTTTUJ nur Ilias. Yotciepa P 312 f. xX^iöa <t> 116 f. qppeva
T 125.
Rüstungsteile nur Ilias. ßdXXuu: dcmöa T 347. Zuucriipa
E 615. KopuÖa A 350 f. (Vgl. cdicoc . . . aKpÖTarov Katd xa^^öv
H 245 f.).
vuccuu dcTTiba V818f. Zujvtiv A 234f.
Gurduj aiTiba O 400 f. -n-. dcTtiöa A 434. -r]-.
Passiv nur Bias: Körperteile: ßdXXiu: itvutiv N 212, \xr\-
pöv A 809 f. beidemale ßeßXrmevoc.
ovTäluj xpoct M 427.
TUTTTuu xtip« N 782 f.
Rüstungsteil : ßdXXiu, Subjekt TrrjXriE? qpdXapa 17 1051
^c: veiaiov ec Keveuiva ßaXiijv A 381 f.
ouTa be öoupi | veiarov ic Keveujva TT 820 f.
^TTi: eni ciöji' emce TT 410.
1) Für den Richtungsakkusativ vgl. die Stelle in Apollonios S. 68.
74 R. Blümel,
irpöc CTTiGoc ßeßXriKCi A 106 ff.
Odyssee x 285 f.
ilXace rrpöc CTriÖea O 424 f.
ouTotfievai irpöc cttiGoc i 301.
Passiv gßXriTO irpöc CTfjBoc TT 752f.
Mit Y 777, ev b' öv9ou ßoeou irXfiTO CToiua le pTvdc re vgl.
(Blut): TÖ ö' dvd CTÖ)Lia Kai Katd ^ivac | irpnce xavuüv TT349f.
auTiKtt b' auXöc dvd pivdc iraxöc r\kQev \ ai'iaaToc dvbpo|aeoio
X 18f. dvd pivac be oi r\br] \ bpniv juevoc irpouTuipe uuSlSf.
Andere Präpositionen wie rrapd uirö kommen zum Ver-
gleich nicht so recht in Betracht^).
Diese Entsprechung : bloßer Akkusativ — Präposition mit
Akkusativ findet sich auch beim Akkusativ der Entfernung:
öccov Tic b' Ibaqpoc vriöc TopvujceTai dvrip, . . . TÖccov lir' eüpeiav
cxebinv iroiricat' 'Oöucceuc e 249 ff. ^dxnc eiri 6' öccov dpicToi |
€CTacav P368f. (soweit in der Schlacht . . .) öccov t' Itti boupöc
ipujx] I YiTveiai 0 358f. Auch zeitlich: Kabbpaöeiriv oü iroXXöv
iixi xpövov o 494.
Dieselbe Erscheinung neben dem als Zielakkusativ aner-
kannten Akkusativ:
iKavou Godc im vfiac Axaiuiv B 168. eic oupavov 0 509.
buo|iai: eic eyKeqpaXov 0 85. KaTabüco)Lie9' . . . | eic Aiöao
böiuiouc K 174 f. sogar bucKCv | eic Aiavt' 0 271 f. dXöc Kaid
Kxjixa Z 135 f. U1TÖ Kuiia 0aXdccric Z 145.
25. Allgemeineres über die hier angenommene
Entwicklung.
Die Geschichte des Bereichsakkusativs und des daneben
vorkommenden Gebrauchs von Präpositionen mit Akkusativ ge-
hört in einen größeren Zusammenhang, nämlich in die Geschichte
des Akkusativs, der später durch Präposition mit Akkusativ er-
setzt wird. Die allgemeinen Züge der Entwicklung sind diese:
Nach einer anfänglich der Anschauung genügenden Form (bloßer
Akkusativ) die allmählich in der Bedeutung erweitert wird und
damit verblaßt, kommt eine andere mit lebhafterer Anschauung
verbundene auf (Präposition mit Akkusativ). Die alte Erschei-
nung hält sich nur mehr in weniger anschaulichen Gebieten
1) Vgl. auch noch irflc äirac = 'in seiner ganzen Ausdehnung'
Abschn. 19.
Der Ursprung des griechischen Bereichsakkusativs und anderes. 75
und deren Fortentwicklungen, die keine anschauliche Form nötig
haben: Akkusativobjekt; Akkusativ der gemessenen Entfernung,
Akkusativ der Zeitdauer, und Akkusativ des Bereichs i). Daß
sich der Akkusativ des Bereichs überhaupt gehalten hat, daß
er nicht in viel weiterem Umfange oder ganz durch Präposi-
tionen mit Akkusativ ersetzt wurde, kommt daher, daß die Be-
deutung die man auszudrücken hatte, als Ganzes schon unan-
schaulich geworden war, als sich der Gebrauch der Präpositionen
entwickelte. Damit haben wir einen Anhaltspunkt für die Ent-
stehungszeit des Bereichsakkusativs.
Es ist sehr wichtig, daß später gewisse Präpositionen
namentlich Kard einen ähnlichen Entwicklungsgang durchmachen
wie der Bereichsakkusativ. Ygl. auch Lokativ allein und mit ev
Abschn. 27.
Man kann auch das vom Akkusativgebrauch Gesagte um-
drehen und sagen : Wir finden in gewissen Fällen Präposition
mit Akkusativ, wo früher, z. T. noch belegt, bloßer Akkusativ
stand, wir finden bpdKUJV erri voira öaqpoivoc, Katd 6u|növ i-^r\-
öeic eßaXov CKeivov Kax' auxeva, daneben iröbac ai)aaTÖeic, 6u|uöv
CTnöeic, eßctXov iKeivov auxeva; ec Trdxoc neben Traxoc. Nachdem
wir sonst der Verbindung Präposition mit Akkusativ den bloßen
Akkusativ vorangehen lassen, nehmen wir dasselbe auch hier
an^). Die Annahme eines derartigen Bereichsakkusativs füllt also
eine Lücke im griechischen Akkusativsvstem aus.
Betrachten wir den Gebrauch der Präpositionen mit Akku-
sativ bei Homer, so finden wir, daß gerade der Akkusativ des
bestrichenen Raums bei Präpositionen sehr häufig und sehr
lebendig ist, unsere deutsche Anschauung weicht da oft ab. Ich
führe nur das eine sehr bezeichnende Beispiel an: ^Trei |idXa
map utt' oubac i 135. Auch vor der Entwicklung der Präpo-
sitionen muß der örtliche Akkusativ des bestrichenen Raumes
gerade im Griechischen sehr lebendig gewesen sein, und das
wird ein Hauptgrund zur Entstehung des Bereichsakkusativs
gewesen sein,
S. 31 hat es sich ergeben, daß im Griechischen Gruppen
von Subjektsbeziehungen (Ganzes und Teil) kaum vorkamen.
1) Vgl. damit die teilweise Ablösung des artikellosen Substantivs
durch Artikel und Substantiv im Germanischen, Griechischen, Romanischen.
2) Vgl. Kühner Ausführliche Grammatik der Griechischen Sprache',
§ 557 Anm. 1, S. 221 f.
76 R. Blümel,
Welches waren nun die andern Erscheinungen, welche die eben-
genannten nicht aufkommen ließen ?
Offenbar der von Havers entdeckte sympathetische Dativ
und der ihm entsprechende Genetiv, z. B. ibc dpa coi, MeveXae,
iLieid 9peci öu^öc mv9n Y 600 und toTo öe 0u|a6c | idv6r| Y 5971,
dann örtliche Kasus beim Teilinhalt, so der Lokativ und in her-
vorragendem Maße der Teilakkusativ selbst. Solange dieser das
von ihm eingenommene Gebiet noch nicht innehatte, können
sehr wohl der sympathetische Dativ und der ihm entsprechende
Genetiv, vielleicht noch anderes, die Lücke ausgefüllt haben.
Jedenfalls, wenn je die Gruppe von Subjektsbeziehungen bei
Ganzem und Teil lebendig war, so war der Bereichsakkusativ
ihr an Anschaulichkeit überlegen und konnte sie verdrängen.
26. Etwaiger Analogiekampf der Entwicklungsreihen
des Bereichsakkusativs und der Reihe 0eoK\u|ievoc
ÖV0)Lld dcTiv.
Delbrück und Kieckers wollen den Bereichsakkusativ von
dem Gebrauch des Wortes Name ableiten. Schwierigkeiten be-
reitet, vgl. S. 27.
1. die Kluft in der Funktion im Griechischen und A wes-
tischen, und in der Wortbedeutung im Awestischen [nqma usw.
— masö).
2. Das beträchtlich höhere Alter des Bereichsakkusativs
im Griechischen.
3. Die Seltenheit des Gebrauchs im Griechischen; 5 un-
sichere Beispiele bei Homer mit eivai, von 80 Beispielen bei
Herodot nur 3 = 3,75 <>/o mit övo|aa! S. 18. Dagegen etwa 450
Fälle des Bereichsakkusativs bei Homer. (Die Infinitive mit-
gerechnet).
4. Die Unsicherheit der Ableitung des homerischen 6vo\ia
neben eivai.
Im einzelnen kommt es darauf an, ob man die von mir
gegebene Ableitung ablehnt oder nicht In letzterem Falle han-
delt es sich darum, ob von övo|ia Analogiebildungen ausgegangen
sein können und wie weit diese Bewegung ging.
Lehnt man meine Ansicht ab, so müssen die vier ge-
nannten Gegengründe entkräftet werden.
Dazu kommt noch ein neuer 5. Gegengrund. Die Ansicht
von Delbrück und Kieckers zwingt uns, eine Ableitung von dem
Der Ursprung des griechischen Bereichsakkusativs und anderes. 77
SO ziemlich unanschaulichsten Beispiel der ganzen Entwicklungs-
reihe zu versuchen (övo|ua eivai, man vergleiche damit TTÖÖac
aiiaatöeic nach beiden Bestandteilen) und aus diesem und ähnlich
unanschaulichen, die sich daran angeschlossen hätten, die an-
schaulicheren abzuleiten. Das erscheint mir als durchaus un-
wahrscheinlich für Völker, die viel anschaulicher empfanden usw.
als wir heutigen Grammatiker, und denen sich das Anschau-
liche daher viel mehr aufdrängte als das weniger Anschauliche
und das Unanschauliche.
^'iDlmt man meine Ableitung an, so finden jene eigen-
tümlichen Neuerungen (Aussagen von einem Hunde, von einer
Pflanze, von der Stimme, die Verbindungen von Ausdrücken für
Körperteile, Seelenkräfte, Tätigkeiten verschiedener Art) ihren
angemessenen Platz in der Entwicklung; man sieht aus ihrem
Auftreten eine zunehmende 'Verbreiterung' der ganzen Erschei-
nung, man kann annehmen, daß z. B. ein Ausdruck für Stimme
als Bereichsakkusativ erst dann möglich war, als sonstige Bei-
spiele des Bereichsakkusativs neben Wörtern wie gleich, ähnlich
vorkamen. Nach Delbrück und Kieckers verstehe ich nicht, wa-
rum die Ausdrücke für Stimme bei Homer nur neben Ausdrücken
der Gleichheit vorkommen sollen und sich nicht solche einge-
funden hätten wie *ÖTTa mit einem rühmenden Beiwort für
Kaljpso (doiöidouc' otri Kokf) e 61) oder *dTeipric cpuuvriv für Dei-
phobos, vgl. X 227 oder wenn dreipric hier nicht passen sollte,
mit einem anderen Beiwort. Vgl. übrigens ^evoc aiev dreipric
\ 270. Man würde also eine vielfach andere Entwicklung,
vielfach andere Beispiele haben als die, welche wir tatsäch-
lich haben.
Also auch hier wieder die Unmöglichkeit einer Ableitung.
Wird nun meine Ansicht anerkannt, so fragt es sich, ob
und wieweit eine Analogiebildung von övoua aus möglich ist.
(Das Awestische fällt weg.)
Es ist hier sehr wichtig zu veranschlagen, wie weit der
Bereichsakkusativ schon entwickelt war, als övo^ia aufkam.
Offenbar war jener schon in sehr starker Entwicklung, auf
viele Fälle ausgebreitet, und in vielen Beispielen verbreitet, als
Ganzes dem övo)aa darin weit überlegen und weit überlegen
auch in Anschaulichkeit. Also für den Analogiekampf eine er-
drückende Überlegenheit des Beziehungsakkusativs. Man kann
sogar annehmen, daß im Griechischen (aber nicht im Awestischen)
78 R. Blümel,
nach Analogie von Bereichsakkusativen, namentlich tevoc, fever\v,
Bereichsakkusative wie övoina gebildet wurden, neben den Akku-
sativen övojaa, die Delbrück und Kieckers angenommen, und
neben den Prädikaten övo|uia, die Brugmann nachgewiesen hat.
Ist eine Analogiewirkung von dem övo|na Delbrück's und
Kieckers' in das Gebiet des Bereichsakkusativs ausgeschlossen?
Ich glaube nicht, nur halte ich sie für sehr gering an Wirk-
samkeit. Die andere war viel mächtiger. Und dann kommt in
Betracht, daß sich die syntaktische Analogie aller Wahrschein-
lichkeit nach anfangs nur in kleinen Schritten ausdehnt,
was die Bedeutung der Wörter betrifft; erst später, wenn die
syntaktische Funktion weiter ist, macht sie Sprünge. Ein Schritt
von TreiraXaKTO iröbac XuGpiu zu iröbac aiiaaxöeic ist (am
Anfang der Entwicklung) schwieriger als später einer von loiKe
be)Liac Ariicpoßuj zu eoiKe qpuuvriv Aritqpoßuj. Also auch in dieser
Beziehung ist die Analogiewirkung von övo|Lia viel geringer
als die des Bereichsakkusativs, und ich glaube, daß sie namentlich
in dem Kampf gegen diesen höchstens Beispiele von y^voc und
Yevenv neben eivai besetzt hat, vielleicht bloß in Fällen wie
Yevoc ecTiv AiTiaXeuc, ctvrip Yevoc AiYiaXeuc, Von hier auf 4H
MOdKric Yevoc ei}ii ist m. E. schon ein Sprung, noch mehr von
eivai T£voc auf ^oiKevm Tever|v.
Ebenso ist die Analogiewirkung des Brugmannschen övojia
jedenfalls gering gewesen.
27. — 29. Andere Bereichskasus.
27. Lokativ des Bereichs.
Eine Reihe von Belegstellen für bloßen 'Dativ' und dv
mit *Dativ' bei Körperteilen, die als Sitz von Gemütsstimmungen
gedacht sind, führt La Roche S. 21 und 264 an.
9u)lilD: z. B. x^tipfc ö^ 6u|liuj Z 156 0 483.
qppeciv: xuj6\xi.voQ qppeciv fjciv T 127. Vgl. xo^^caio Kr|-
p60i ^dXXov i 480.
Mit dvi: xaipiwv ^vi Buiaa) 6 395 KCXoXiLcöai ^vi q)peciv
TT 61. TepTtei' ^vi cppeciv fjciv ökouijuv 9 368 (nicht bei La Roche)
dann Ktivoc ö' au irepi Kfjpi inaKapiaToc ?£oxoc dXXujv? l 158.
Lokativ : ^v mit Lokativ verhält sich entsprechend wie
Bereichsakkusativ : Kard mit Bereichsakkusativ.
Der Ursprung des griechischen Bereichsakkusativs und anderes. 79
Körperliche Empfindungen, welche Gemütserregungen be-
gleiten, sind örtlich nicht immer genau festzustellen, und der
Lokativ paßt daher als mehr feststellend auch hier.
Vgl. dann toTciv kev ^v aXTCCiv iciwcaiiunv n 212 mit einer
der deutschen auffallend ähnlichen TTendung, auch keine ge-
naue örtliche "Vorstellung. Es steht aber selbst Tupöc ev a»|aoiciv
T 246, weniger auffällig oube tto6i laiapoc {ist er) Q 420 'an
keiner Stelle'.
Für deu Gebrauch von Lokativ mit oder ohne ^v, wo das
Ortsverhältnis im Augenblick geschaffen wird, Abschnitt 11,
vgl. Yttiri TTriEac eufipec epeT)iöv \ 129 und ^ect] 6' evi Tctctepi
TTfiEev N 398, vgl. aiiuaToecca be x^ip Treöitu ixice E 82 und
XaXKÖv i\\ CTnGecci ßaXiuv E 317. Tgl. qpaivexo 5' fj KXrjiöec
dtt' uj|Liujv auxev' ^xo^civ, | XauKavirjV X 324 f. (^!) und xöv p'
IßaXev KEcpaXfic le Kai auxevoc ev cuvecxi^MJ? | veiaiov dcrpa-
TaXov £ 4651
Man sieht also: es findet sich mindestens ein Ansatz zur
Ausbildung eines Bereichslokativs, und man darf annehmen,
daß, wo Beziehungs'dativ' vorliegt, z. T. auch Lokativ, nicht
Instrumental zugrunde liegt, z. ß. (iliujXu) pilvi \xev fitXav Ick€,
ToXaKTi öe ekeXov dv6oc k 304 (an der Wurzel . . .).
28. Genetiv des Bereichs.
Hier ist an den Massegenetiv zu denken (fälschlich *par-
titiv' genannt)^). Es gibt einen Genetiv des bestrichenen
Raums, ich führe aus Brugmann-Thumb S. 445 an Ipxoviai
Treöioio B 801, fmiovoiv, m Tdp te ßouiv Trpoqpepecrepai eiciv | ^Ke-
jievai veioio ßaGeinc ttiiktöv dpoipov K 352 f. uTidTeO' u|neTc Tf]C
oöoö Aristophanes, Frösche 174. ei k' dv irapaiiiaEeuri rdc KeXeu0iu
xdc KttKeijuevau Kai' AXeav arkad. Dazu iZic b' oxe Tctciep' dvrip
TToXeoc TTupöc aiöojaevoio ] euirXeiriv Kvicnc xe Kai ai'iictxoc
Ivöa Kai ev9a | aioXXr) u 25 ff. (durch . . .) Auch ein Richtungs-
genetiv kommt vor: ievai xoO irpöcuj Xen. (Brugmann-Thumb
S. 445). — Zum Genetiv des bestrichenen Raumes gehört dann
der Genetiv neben Präpositionen wie öid, erti (soweit er Masse-
genetiv ist). Der Unterschied von Genetiv und Akkusativ ist
ähnlich aufzufassen wie der von Massegenetiv und Akkusativ
1) Über das Unberechtigte der Bezeichnung partitiver Genetiv s.
Thomson IF. 28, 111.
80 R. Blümel,
als Objekt, Massegenetiv und Nominativ als Subjekt im Slavi-
schen und Litauisciien, dessen Wesen uns Thomson klar ge-
macht hat IF. 28, 107 ff. 1).
Nun ist es von Bedeutung, daß das bei Havers S. 150,
Brugmann-Thumb S. 446 angeführte Beispiel Euverpißri rfic KCcpaXfic
Aristophanes, Friede 71 bis auf den Unterschied von Genetiv
und Akkusativ genau zum Bereichsakkusativ stimmt (lueTa C9Ööpa
in KaTedTn Tf|c KecpaXfic laeT« cqpobpa Aristophanes Wespen 1428
braucht den Genetiv keineswegs zu regieren, wie Havers S. 150
anzunehmen scheint). Die akkusativischen Beispiele bei Ari-
stophanes, die Havers S. 150 anführt, sind alle derart, daß sie
die Grundschicht des Bereichsakkusativs bilden könnten, und
auch diese beiden genetivischen Beispiele sehen sehr alter-
tümlich aus.
Vielleicht hat der Bereichsgenetiv Anteil an dem Genetiv
bei Adjektiven wie kundig^ erfahren, 6TncTri)LUJUv (tujv iroXeiiUKUJV
und Tot TTpocrjKOVTa ti^ ÖTrXicei, beide bei Xen.) vgl. dTTicppova
ßouXr|v.
Nach Thomson ist der Unterschied zwischen Objekts-
akkusativ und entsprechendem Genetiv, Subjektsnominativ und
entsprechendem Genetiv am besten aus der Volkssprache zu
erkennen, die Sprache des Schrifttums nimmt auf diese Unter-
schiede viel weniger Rücksicht. Ähnlich wird es gerade hier
auch im Griechischen gewesen sein, die beiden Beispiele tauchen
auch bei Aristophanes auf.
1) Was wir Masse g e n e ti v nennen, war ursprünglich der syn-
taktischen Funktion nach Subjekt (also Nominativ) oder Objekt wie ein
Akkusativobjekt, also Akkusativ, vielleicht hatte es auch noch andere
Funktionen, vgl. Brugmann-Thumb § 450. Der Unterschied zwischen diesem
'Genetiv' und dem anderen Kasus lag in der Suffixbedeutung, hat aber
mit Syntax ursprünglich nichts zu tun (Thomson IF. 28, 107), sondern
gehört der Wortbildungslehre an. An Kasusformen war dieser Massen-
inhalt ähnlich arm wie der Massen inhalt des Neutrums, er scheidet
ebensowenig wie dieses Nominativ und Akkusativ. Wenn wir im Deut-
schen und Französischen neben der gewöhnlichen eine 'partitive' Flexion
haben {der Wein — Wein, le vin — du vin), so erinnert das an unser
ausgebildetes Tempusystem des Verbs, in welchem vor allem die Personen-
endungen als solche syntaktisch sind wie die Kasusformen jener zwei
Deklinationen, während das 'Wort* in jedem Tempus, in jeder Flexions-
klasse eine andre Färbung der Eigonbcdculung hat. Übrigens ist unsere
Flexion von Wein nicht vollständig, es fehlt ihr der reine Dativ, John
Ries AfdA. 19, 342.
Der Ursprung des griechischen Bereichsakkusativs und anderes. 81
Der Genetiv des Sachbetreffs, den Nachmanson Eranos
9, 31 ff. behandelt, ist anderer Art als der Genetiv des Bereichs,
den ich hier im Auge habe. Vielleicht hängen beide irgend-
wie zusammen.
Dann kann noch erwähnt werden "Aßaviec ... ÖTtiGev
KOjioujVTec B 542 mit ablativischer Anschauung.
29. Instrumental der 'Beziehung* i).
Das Gebiet des Akkusativs läuft vielfach gleich mit dem
des Genetivs, anderseits mit dem des Instrumentals. Genaueres
Eindringen wird aber aller Wahrscheinlichkeit nach auch hier
zeigen, daß statt scheinbar lückenlos ausgedehnter Gebiete auf
beiden Seiten kleinere Sondergebiete anzunehmen sind, die sich
nur z. T. entsprechen, ähnlich wie dies der Fall ist bei Aktiv
und Passiv.
Es ist dann auch noch hervorzuheben, daß auch von dem
eben Erwähnten abgesehen nur Ähnlichkeit, nicht Gleichheit
der betreffenden Kasusbedeutungen vorliegt.
30. Die lateinische Nachbildung des griechischen
Bereichsakkusativs.
Hiefür stütze ich mich auf Landgraf Wölfflins Archiv
10, 209 ff.
31. E. ist ein Versuch, den Bereichsakkusativ aus dem
Akkusativobjekt des Teils abzuleiten, im Lateinischen ebenso
vergeblich wie im Griechischen (Abschnitt 7, S. 28 ff.). Gleiches
gilt m. E. für den Versuch einer Ableitung von Verben mit
verschiedenem doppelten Akkusativobjekt wie lehren, fordern,
fragen usw. Abschnitt 8, S. 36 ff. Zu den Verben wie fordern,
fragen rechne ich auch osk. censaum, lat. censere gegen Brug-
mann S. 133.
Bei den Verben des Anziehens (Landgraf S. 219 ff.) scheint
mir Landgrafs Ansicht richtig, daß hier ein 'Medium' vorliegt,
dann ist aber der 'Akkusativ des Kleidungsstücks' ein Objekt
und kein Bereichsakkusativ. —
Die lateinische Entwicklung des Bereichsakkusativs, wenn
man so sagen darf, beginnt bei Ennius, dann nochmals bei
1) Auch hier muß noch 'Beziehung' durch eine genauere Bezeich-
nung ersetzt werden.
lodogermanische Forschungen XXXIII. 6
82 R. Blümel,
dem Verfasser des Afrikanischen Kriegs und den Augusteischen
Dichtern. (Landgraf 216 ff.).
Ennius hat jJßfculsi pectora Poeni Ann. 534.
Lukrez perculsae corda 1, 12; mentes perctdsa 1, 259;
percussi membra timore 5, 1122 Lukrez noch tremit artus 3, 487
(Landgraf 214). Diese 5 Beispiele alle von Gemütsstimmungen.
Der Verfasser des Afrikanischen Krieges hat graviter
pilo Caput ictus 78, 10 und bracchium gladio percussus 85, 8
(Landgraf S. 217), also Körperteile.
Die Augusteischen Dichter: Akkusative von Körper-
teilen:
Ovid: Collum percussa securi Trist. 4, 2, 5; percuHmur
Caput (Landgraf S. 215) Met. 14, 300; traiectum terga sagitta
Met. 9, 102; tempora Fast. 2, 110; pectora 5, 709. Daneben latus
icta Met. 11, 507; laesus partem Rem. 111; laesa nianum Fast.
4, 120.
Horaz: peruste funibus latus Ep. 4, 3.
Akkusative von Seelenvermögen:
Vergil percussa mentem. Georg. 4, 357 (4 mal turbatus
mit Akkusativ.) concussa mentem Aen. 12, 468. concussus animum
Aen. 5, 869.
Horaz concussa mentem Sat. 2, 3, 295*).
Neben transitiven Verben, die mit per und trans {con??)
zusammengesetzt waren, stand außer dem Objektsakkusativ ein
weiterer Akkusativ, der von der Präposition abhing und infolge-
dessen auch im Passiv stand. Dieser Akkusativgebrauch scheint
echt lateinisch zu sein. Vgl. im klassischen Latein trädüco
träicio transporto. Es ist bezeichnend, daß dieser Akkusativ
gerade in den ältesten Beispielen für den *lateinisciien Be-
reichsakkusativ* auftritt. Partizipien wie perculsus jjercussus hatten
also einen echtlateinischen Akkusativ des durchbohrten Körper-
teils (bildlich oder im eigentlichen Sinne gebraucht) bei sich,
sie waren aber auch fähig, Partizipien einfacher griechischer
Verben wie ßeßoXr|)Lievoc, ßXrmevoc*) nachzubilden, der Zusammen-
hang der Zusammensetzungen percuhus^ percussus mit dem Grund-
wort war verloren oder verdunkelt. Es lag nun nahe, das dem
1) Für die aus Plautus angeführte Stelle Landgraf S. 209 vgl. Land-
graf Archiv 10, 376.
2) Der Gebrauch des Partizips in den ältesten Beispielen weist
auf das homerische Vorbild, vgl. S. 70 die Beispiele von Gemütsstimmungen
mit Partizip.
Der Ursprung des griechischen Bereichsakkusativs und anderes. 83
percussus bedeutungs verwandte ictus einzusetzen, weil das ein-
fache idm ohne Präposition dem griechischen Vorbild besser
entsprach, das ja auch nicht zusammengesetzt war. (Daß der
Verfasser des Afrikanischen Krieges erst ictus^ dann percussus
hat, braucht nicht darauf schließen zu lassen, daß der Verfasser
überhaupt ictus mit Akkusativ früher gebildet hätte).
Entsprechendes wie für ictus gilt für turbatus, größer ist
der Sprung auf tremo, hier liegt ebenfalls ein homerisches Bei-
spiel vor: Tpo)Li€Oua be xe qppeva vaürai 0 627.
Schon der Akkusativ bei ictus, turbatus, tremo ist nicht
mehr echt lateinisch. Die weitere Entwicklung hat für die Er-
hellung des Ursprungs nur noch die Bedeutung, daß, vgl. Land-
graf 217, auch noch später Zusammensetzungen mit per und
trans auftreten. Es scheint, daß (grundsätzlich) jeder Schrift-
steller und Dichter mit echtlateinischem Sprachgefühl bei der
Nachbildung der griechischen Vorbilder zuerst auf solche Verben
kommen mußte, daß sich also wahrscheinlich bei jedem der-
selbe Vorgang wie bei den ersten Dichtern und Schriftstellern
wiederholte, die diesen unlateinischen Gebrauch neu einführten.
Daneben wirkten auf den jüngeren Dichter die älteren Bei-
spiele wie pectus ictus.
Bezeichnend ist es, daß auch der Akkusativ bei per-, trans-
ein Akkusativ des bestrichenen Raumes war (bei con- ein 'Zier-
akkusativ).
Sätze wie Die Kosten für die Reise abgerechnet, blei-
ben mir noch hundert Mark: Er stand da, die Hände auf den
Bücken gelegt oder die Hände auf dem Rücken (mit Akku-
sativ); Ein Wagen rasselte heran ^ der Fuhrmann oben ge-
hören nicht hierher, vgl. S. 8 f. unter 8. Auf die Fragen, die
sich daran knüpfen, habe ich hier deshalb nicht einzugehen.
31. Zusammenfassung.
Der griechische Bereichsakkusativ entwickelte sich zu einer
Zeit, da die Präpositionen als solche noch nicht vorhanden waren,
aus verschiedenen örtlichen Akkusativen. Dieser Entwicklung
war es wesentlich, daß die ursprünglich anschauliche Bedeutung
unanschaulich wurde und schon zu der Zeit unanschaulich war,
wo die Präpositionen als solche zur Bezeichnung von anschau-
lich aufgefaßten Inhalten aufkamen; nur infolge dessen hielt
sich der präpositionslose Bereichsakkusativ. Die syntaktische
84 R. Blümel,
Gliederung, welche den Bereichsinhalt dem ganzen übrigen Satz-
oder Gruppeninhalt gegenüberstellt, änderte sich in der ange-
gebenen Entwicklung nicht. Schon in sehr alter Zeit konnte
der Bereichsakkusativ stehen neben finiten und Nominalformen
von transitiven, aktiven und passiven, und von intransitiven
Verben, sowie neben prädikativen, prädikativattributiven und
attributiven Adjektiven. (Daß er neben Substantiven und Ad-
verbien steht, ist eine späte Entwicklung.)
Der Bereichsakkusativ entwickelte sich
I 1. aus dem Akkusativ des bestrichenen Raumes, wobei
das Verbum oder Adjektiv eine Begleiterscheinung einer Hand-
lung usw. ausdrückt: Xu9piu be TraXacceio x^ipac darrTouc; rröbac
Kai x^^P^c uTtepöev aijuaTÖeic.
Statt des bestrichenen Raumes kann der ihn berührende
Körperteil in Bewegung stehen, TTOÖac ujküc, oder die Be-
wegung des ihn berührenden Körperteils, Geieiv laxOc. (In
diesem Zweig der Entwicklung vor allem Infinitive mit Akku-
sati vfunktion)
I 2. aus dem Akkusativ der Richtung, hieher eupoc
ßdGoc usw. und awestisch dt-äjö usw., Fortbildung in dpi9|uöv
und in ar*/ö.
I 3. aus dem Akkusativ der Entfernung entwickelt sich
der Akkusativ des Grades |uiaKp6v, ueya, ttoXu.
IL Eine weitere Wurzel des Bereichsakkusativs ist der
Zielakkusativ neben Verben des Treffens und Verwundens.
ßeßXriai Keveüjva bla^TTepec.
Bei Homer sind auch schon Beispiele mit Präposition und
Akkusativ bezeugt öpdKUJv im vujia bacpoivöc. Dieser Gebrauch
konnte gegen den Bereichsakkusativ nicht recht aufkommen, er
ist ein Beweis für die hier vorgetragne Ansicht.
Im Awestischen sind Bereichsakkusative dräjö usw. so-
wie ar'jö.
Zum Bereichsakkusativ gehören nicht
der aus dem Nebensatz 'vorausgenommene' Akkusativ' usw.
fjbee Top KUTd öuiiöv dbeXqpeöv, ibc ^noveiTO (Ein k ei hing);
der altindische Akkusativ näma^ der awestische Akkusativ
nqma., die griechischen Akkusati ve övo|ia, ^iriKXriciv ^TTUJVu|Liinv,
soweit övojitt in der Brugmannschen, övo)ia, dTriKXticiv dTTiuvuiainv
in der Delbrückschen Entwicklungsreihe bleiben. Diese Er-
scheinungen sind einzelsprachlich.
Der Ursprung des griechischen Bereichsakkusativs und anderes. 85
Deutsche Bildungen wie die Reisekosten abgerechnet, den
Hut auf dem Kopfe sind ebenfalls fernzuhalten.
Die Delbrüeksche Reihe konnte im Griechischen nur wenig,
im Awestischen gar nicht in das Gebiet des Bereichsakkusativs
eindringen.
Ableitung des Bereichsakkusativs aus dem Akkusativob-
jekt des Teils ist nicht möglich.
Vielleicht gab es auch einen Lokativ und einen Ge-
netiv des Bereichs. —
Griechische Beispiele wie ßeßoXriMevoc tixop wurden im
Lateinischen nachgeahmt, ei"st mit echtlateinischen Mitteln —
percuJsus pedus (Akkusativ abhängig von per), dann mit be-
deutungsverwandten unlateinischen Mitteln, die genauer zum
griechischen Vorbild paßten — idus pedus. Auch der übrige Ge-
brauch bei lateinischen Dichtem und Schriftstellern ist dem
Ursprung nach nicht lateinisch.
k
Stellenverzeichnis.
(») = Infinitiv, z. B. 6ei€iv xaxuc
(af) = Akkusativ und Infinitiv verbunden, z. B. oi ir^pi \i^v ßouXfjv
Aovaüjv, irepi b' ic-ri fidxecöai A 258.
A U. 58. 114 f. 258 (a»). 474.
58 = 84. 148. 215. 364. 489.
187? 294?
ßdXXu) : —
B 11. 57 f. 169. 217. 219. 389. 408. 478 f. 553f.(»). 715. 790. 791.
11 =- 28. 51. 65. 323. 443. 472.
169 = 407. 636.
408 = 563. 567. 586.
790 = 795.
ßdXXiu: — 265 f.?
r 31. 39. 43. 96. 129. 210. 227.
39 = 124.
43 = 79.
442?
ßdUuu: — 361 f.?
A 220. 253. 261. 272. 494.
261 = 268.
272 = 326.
ßdUu. 459. 467 ff. 480f. 491 f. 501 f. 527 f. — 518 f. Passiv. — 531?
E 114. 186. 354. 364. 399. 544 f. 778. 787. 797. 801. 869.
114 = 320. 347. 432. 596. 855.
544 f. = 896.
86 R. Blümel,
ßdWu) 55 ff. 79 ff. 98 f. 146 f. 188 f. 290 f. 458. — 284 Passiv.
458 = 883.
19? 335 ff.? 580 ff.? 584? 657 f.? 660 f.?
Z 12. 78 f. (»•). 101. 252. 460 f. (»)• 478. 481.
12 = 37. 122. 212.
ßdUuj 9. 117.
H 47. 50 f. (»■). 85. 399. 428. 457.
85 = 328. 442. 448. 459. 472. 476.
428 = 431.
6? 173?
ßdUuj 11 f. 13 fr.
258? 260?
0 53. 91. 228. 305. 425. 437. 559.
53 = 341. 510.
91 = 145.
124? 328? 404f.?
124? = 316?
404 f.? = 418 f.?
ßdUuj 119 ff.
119 ff. = 312 f.
1 31. 45. 186. 196. 389. 390. 503. 555. 705.
31 = 696.
196 = 307. 606. 643.
ßdXXuu 9 Passiv.
K 16. 36. 137. 316. 352 f. (»). 437 (i). 575.
36 = 60. 219. 241. 283.
ßdXXut 535.
455?
A 87 f. 112. 169. 200. 274. 282. 345. [514 f. (t)]. 556. 613 f. 683. 746 (»).
112=199. 210. 607.
274 = 400.
ßdUiu 95 f. 240. 420 f. 578 f. 583 f.
376 f.? 388? 563 ff.?
M 167. 179 f. 389. 463.
ßdUuu 400 f.
404?
N 45. 123. 216. 249. 275. 310. 330. 365. 473. 493. 631. 660.
123 = 581. 593.
249 = [348]. 482.
365 = 378. 769.
483 (t) ?
ßdUu) 387 f. 411 f. 437 ff. 606. 641 f. 576 f. 615 f.?
192 ? 528 f. ? 551 f. ? 586 f. ? 593 f. ? 614 f. ?
= 109. 113 f. 126. 367. 474. 521 (»").
294?
ßdUui 409 ff. 450. 465 f.
496 f. ?
0 10. 128. 139. 249. 627 f. 641 f. (ai). 643.
Der Ursprung des griechischen Bereichsakkusativs und anderes. 87
249 = 568. 671.
102 f.? 570 (»)? •
ßdXXuj 341 f. 433 f. 576 f.
541?
n 48. 106. 186 (0- 194 f. (»•). 292 (»). 312. 360. 502 f. 585. 616.
292 = 551.
312 = 400.
ßdXXuj 289. 5 77 f. 586 f. 597. 737 ff.
660 Passiv Lesart.
289 = 467 f.
313 f.? 321 f.? 332? 337 f.? 339f.? 404f.? 791f.? 806f.?
P 102. 142. 171. 279 f. 281 f. 323. 351 (»). 475 f. (t). 492 f. 498 f. 535 f.
541 f. 555. 676.
102 = 237. 246. 560. 651. 656. 665.
498 f. = 573.
676 = 709.
83?
ßdXXuj 348 f. 601. 605 f. — 598 f. Passiv.
I 2. 6. 29. 33. 78. 154. 364 fr. 461. 557. 578.
2 = 3.54. 358.
6 = 359.
78 = 97. 187. 202.
ßdXXuu: —
T 27. 55. 57. 69. 169 f. 250. 404.
55 = 145. 198. 419.
307?
ßdXXuu : —
Y 23. 29. 81. 371 f. 480. 503.
371= 372 a.
ßdXXuu 288 f. 401 f. 487 ff.
481 f.?
413 f. scheint Akkusativ des Ganzen und des Teils zu enthalten.
<t> 26. 45. 187. 222. 285. 311 f. 411. 488.
268 f.?
ßdUiu 166 f. 180.
164? 591?
X 14. 227. 312 f. 324 f. 459. 461. 504.
14 = 260. 344.
ßdXXiu: —
M» 37. 63. 66 f. 93. 165. 309 f. (»). 347. 395. 396. 470 f. 483. 531 (»). 566. 777.
93 = 776.
165 = 284. 443.
ßdXXiu 690.
726?
Q 87. 250. 376. 773.
87 = 138. 188. 559. 649. 751.
630?
ßdXXuj : —
88 R. Blümel,
a 66. 90. 114. 164. 208 f. 310. 371.
ßdXXtu : —
ß 7. 59 (»•). 60 (t). 85. 158 f. (»)• 180 (t). 243. 268. 272 (»). 298.
7 = 408.
85 = 303.
268 = 401.
5?
ßdXXuu : —
T 104. 112 (i). 120. 282 f. (i). 311. 370 a (»). 370 b. 468.
ßdXXuu: —
b 102. 202 (»•). 264. 307. 796. 804.
307 = 609.
ßctXXu) : —
e 170(»). 211 f. 213. 216 f. 455.
ßdXXuj 426 Passiv.
Z 16. 106. 107. 147. 151 f.
ßdXXtu: —
Ti 57. 208 ff. 287. .327f. (/).
54? övo^a. — 108f. ?(«•).
ßdXXu) : —
e 14. 98 f. 116 f. 123 W- 131. 134 ff. 169. 174. 177. 194. [303].
ßdXXuu 527 f.?
i 4. 62. — 324a (afiKoc. 324b Trdxoc.
62 = 105. 565.
ßdXXiu : —
K 67. 77. 304.
77 = 133. 313.
ßdXXuu 161 f. — 247 Passiv.
X 270. 336 f. 469 f. 515. 529. 550 f. — 311f. eupoc. 312 ,uf|Koc.
ßdXXuu : —
^ 153. 279 f. 376.
153 = 250. 270.
ßdXXu»: 412?
V 222. 260. 286.
222 = 288 f.
ßdXXuu : —
E 28. 177. 199. 479. 491 (»).
ßdXXuu : —
0 14. 133. 225. 267. 321£f.(i). 332. 481.
14 = 57. 67. 92. 97.
256? ovo na.
ßdXXuj: —
TT 62. 157 f. 242 a. 242 b.
ßdXXiu: —
p 120. 174. 307. 308(»). 313. 373. 406. 638 (»). 603.
ßdXXuj 4(i2? = 504?
c 2f. (»). 4. 153. 248 f.
Der Ursprung des griechischen Bereichsakkusativs und anderes. 89
5? övo^ia. — 21 f.? 38f.?(»).
ßdXXu) 335. 396 f. — 212. Passiv.
95f.? 96? 282f.?
T 122. 136. 198. 315 f. (t). 325 f. 358 f. 381. U6.
247? övo|.ia.
ßdXAuj : —
u 19. 31. 84. 277.
31 = 194.
288? ovo.ua.
ßdXXuu : —
<p 150 f. 195 («■). 247. 318. 335. 411.
ßdXXuu : —
X 188. 206. 234 f. (»). 406. 488.
240?
ßdXXuj 277 f. 279 f. 294 f.
81 f.?
XV 14. 47. 52 f. 163.
ßäXXuj : —
lu 17. 244 f. (t). 269. 374. 382. 420. 503.
503 = 548.
371?
ßdXXoj : —
Homerische Hymnen.
Belege in den Hymnen an Demeter, an Apollon, an Hermes, an
Aphrodite, an Dionysos, an Pan; die übrigen ohne Belege.
an Demeter 98. 146. 175. 232.
98 = 181.
241?
ßdXXuj 50 Passiv.
an Apollon 114. 146. 198. 211. 256. 273. 317. 400. 450. 463 f. 470.
^TTiKXnciv 386.
an Hermes 31. 90. 217.
an Aphrodite 41. 82. 200 f. 216. 241. 243?
an Dionysos 10.
an Pan 24. 45.
H e s i 0 d. (Rzach).
Theogonie 99. 163. [259 a. 259 b.] 260. 554. 832 a. 832 b.
259 a = 355.
[144?] övoiia. 567f.?
-Ep-fo Kai fin^pai 62f. 114. 129. 329. 429 (t). 438 (»). 455. 546. 593. 733.
740. 793.
772f. (»•)? 774 f. (i)? 783 f. (i)? 785 f. (t)? 790f.(t)? 812 f. (i)? 814 f. («)?
Bruchstücke S. 370. N. 142, V. 2. S. 372. N. 160 (180) V. 3.
AcTiic 5. 88. 166(»). 167b. 171. 255f. 263. 418. 435. 460. (167a mitKord!)
243? 249?
90 R. Blümel,
Wiederholungen in der Ilias.
A 44 = I 555. V 37.
A 58 = 84. 148. 215. 364. 489. B 790. 795. T 129. 0 425. I 196. 307. 606.
643. A 112. 199. 210. 607. n 48. Z 78. 97. 187. 202. T 55. 145. 198.
419. 0 222. X 14. 260. 344. Y 93. 776. Q 87. 138. 188. 559. 649. 751.
A 474 = I 186. Y 23.
B 11 = 28. 51. 65. 323. 443. 472. T 43. 79. A 261. 268. H 85. 328.
442. 448. 459. 472. 476. 0 53. 341. 510. I 45. N 310. I 6. T69.
B 169 = 407. 636. H 47. K 137. A 200.
B 389 = E 797.
B 408 = 563. 567. 586. T 96. A 220. E 114. 320. 347.432.596.855. Z 12.
37. 122. 212. H 399. 0 91. 145. I 31. 696. K 36. 60. 219. 241. 283. A 345.
N 123. 581. 593. = 109. 0 249. 568. 671. P 102. 237. 246. 560. 651. 656. 665.
Q 250.
B 715 = r 39. 124. Z 252. IM 365. 378. 769. P 142.
B 791 = N 216.
A 253 = P 281 f.
A 272 = 326. I 557.
A 494 = N 660.
E 544 = 896. = 113 f. V 347.
E 787 = 0 228.
E 869 = I 461. Y 566.
Z 101 = O 411.
Z 460 (t) = A 746. n 292. 551. P 351.
H 428 = 431. T 57. V 165. 284. 443. S2 773.
0 305 = P 323. 0 285.
0 437 = A 556.
0 559 = A 683.
K 16 = I 33.
A 169 = Y 503.
A 274 = 400.
M 179 f. =1 29.
N 45 = P 555.
N 249 = [348]. 482. P 676. 709. 1 2. 354. 358.
N 330 = I 154.
N 631 = P 171.
£ 367 = n 585.
n 312 = 400.
n 616 = Y 29.
P 498 = 573.
T 169 = y 63.
Y 871 = 872 a.
Wiederholungen in der Odyssee,
a 90 = ß 7. 408. u 277.
a 114 = ß 298. b 8Ü4. n 287. [9 303.] c 153.
ß 59 (»■) =. p 538.
ß 85 = 303. T 104. p 406. u 19.
ß 268 = 401. X 206. uj 503. 548.
T 112(0 =b 202. p 308.
Der Ursprung des griechischen Bereichsakkusativs und anderes. 91
T 311 = b 307. 609. o 14. 57. 67. 92. 97. p 120.
T 468 = e 14. \\t 163.
b 102 = 6 131. p 174.
b 796 = e 194. V 222. 288 f. tt 157 f. u 31. 194.
e 98 = E 28.
6 116 =\ 469 f. UJ 17.
i 62 = 105. 565. K 77. 133. 313. v 286. o 481. u 84.
K
67 = M 153. 250.
270.
X 188.
lü 420.
l
199 = TT 62.
O
267 = uj 269.
P
603 = T 198.
Der Ilias und der Odyssee gemeinsam.
A 44
=
H 376
a 90
= B 11
A 58
=
V 260
a 114
= 0 437
A 474
z=
b 102
a 371
= T 250
B 11
=
a 90
ß 243
= 0 128
B 408
=
T 311
T 112 (»)
= n 186
B 715
=
n 57
T 311
= B 408
E 364
=
i 62
b 102
= A 474
E 544
=
0 267
b 796
= 0 305
E 869
=
qp 318
Z 106
= 0 559
H 428
=
K 67
ri 57
= B 715
0 305
=
b 796
i 62
= E 364
0 437
=
a 114
K 67
= H 428
0 559
=
l 106
\ 515
= X 459
K 16
=
qp 247
X 550
-- P 279
0 128
=
ß 243
M 279
= T 169
n 186(»-)
=:
T 112
^ 376
= A 44
P 279
=
X 550
V 260
= A 58
T 169
=
[X 279
E 177
= Q 376
T 250
=
a 371
0 267
= E 544
<t> 26
=
qp 150
qp 150
= <D 26
X 459
=
\ 515
9 247
= K 16
ß 376
=
E 177
<p 318
22 Fälle.
= E 869
k
Wiederholungen bei Verben des Werfens, Verwundens in der Ilias.
A 480f. = 0 119ff. 312f. E 409ff. 0 576 f.
E 55 ff. = Y 401 f.
E 188 f. = H 13 ff. = 450f. 0 341 f.
E 458 = 883. P 601.
H llf. =n 586 f.
A 420 f. :=n 289. 467 f.
A 578 f. = N 411 f. P 348 f.
N 437ff. =n 597.
0 433 f. = n 577 f.
Odyssee,
c 396 f. =x 277 f.
92
R. Blümel,
Gesang
Verszahl
Sichere Relege des Bereichsakkusativs
ohne ßctXXiu usw.
Die verschiedenen Belege
in den einzelnen Gesängen
-{- Wiederholungen
Zahl der
Verse, auf die
durchschnitt
hch ein BelC;
kommt
ohne mit
Wieder-
holungen
A 611
B 877
r 461
A 544
E 909
Z 529
H 482
0 565
I 713
K 579
A 848
M 471
N 837
522
0 746
n 867
P 761
Z 617
T 424
Y 503
O 611
X 515
M* 897
ß 804
la Ganze lUas als Summe der
Gesänge 15693
5+ 5
12+ 12
7+ 2
5 +
11 +
7 +
6 +
7--
9--
7--
12--
4_-
12 —
6--
1 —
10--
14--
10--
7--
6--
8--
7--
14--
4__
10
24
9
7
17
10
13
10
13
11
16
4
18
6
9
12
22
16
10
7
8
9
17
9
Ib
197+ 90 = 287
ßdXXu) Passiv 4
201+ 90 = 291
2a als einheitliches Werk
2b
. . 15693
mit ßdXXu) Passiv
TTÖbaC ÜJKÜC
Kdpn KO|LlÖUJVT€C
ßoy^v dYa0öc
3a Nach Abzug dieser Formeln ohne ßdXXiu Passiv
mit ßdXXuj Passiv
1 a Ilias und Odyssee zusammen
als Summe der 48 Gesänge 27803
2a als Summe der 2 Gedichte
4a als einheitliches Werk
1234
1+ 38 =
119 + 168 = 287
168 = 291
39
25
42
181
ISö
24^
41 =
116+ 65
120- - 65=
337
218
196
106^
225^
247:
443
443
443
122,2
61,1
73,1
36.5
65,9
51,2
108,8
77,7
82,6
53,5
75,6
52,9
80.3
37,1
80,7
56,5
70,2
54,8
82,7
52,6
70.7
53
117,7
=
69,7
46,5
87
=
106,6
82,9
86,7
72,2
54,4
32,6
61,7
38,6
60,6
42,4
83,8
71,9
76,4
=
73,6
57,2
64,1
52,8
201
89,3
79,7
54,7
78,1
53,9
131.9
55,7
127,6
h\\.\)
135,3
86,7
130,8
84,8
82,5
62.8
127,6
62,8
141,8
62,8
Der Ursprung des griechischen Bereichsakkusativs und anderes.
93
Sichere Belege des Bereichsakkusativs
ohne ßdXXuu usw.
Zahl der
Verse, auf die
Die verschiedenen Belege
durchschnitt-
lich ein Beleg
in den einzelnen Gesängen
kommt
-f- Wiederholungen
ohne mit
Wieder-
' Gesang
Verszahl
holungen
a
444
7 -
- 0= 7
63.4
: ß
434
10-
- 3= 13
43,4
33,4
' T
497
8-
- 0= 8
62.1
=
i b
847
6-
-1=7
141,2
121
1 e
493
5-
- 0= 5
98,6
=
l
331
5-
- 0= 5
66.2
=
n
347
4-
- 0= 4
86.8
=
e
5S6
11-
- 0= 11
53.3
=
i
566
4-
-2=6
141,5
94,3
K
574
3-
- 2= 5
191,3
114,8
X
640
8-
- 0= 8
80
=:
^
458
3-
- 2= 5
151
90,6
V
440
3-
-1=4
146.7
110
E
533
5-
- 0= o
106,6
=
0
557
7-
- 4= 11
79,6
50,6
IT
481
4-
- 0= 4
120,3
=
P
606
9-
- 0= 9
67.3
=:
C
428
4H
- 0= 4
107
^
T
604
8H
- 0= 8
75.5
=1
U
394
4-
- 1= 5
98.5
78,8
q>
434
6H
- 0= 6
72,3
=
X
501
5-
- 0= 5
100.2
=
V
372
4-
- 0= 4
93
^
(JU
548
7-
- 0= 7
78,3
=
Ganze Odyssee als
5 Summe der
Gesänge . . .
12110
140+ 16 = 156
86,5
77,6
ßdWuj Passiv 3
143+ 16 = 159
84,7
76,2
övofia? 4
i
als einheitliches W
erk ... . 12110
99+ 57 = 156
122,3
77,6
mit ßdXXuj Passiv 102-}- 57 = 159
118,7
76,2
iröbac djKuc
1+ 0= 1
Kdpn KO^ÖUUVT€C
1 + 8 = 4
ßonv diYaööc
1+ 8= 9
Nach Abzug diesei
• Formeln ohne ßdUuu Passiv 96+ 46 = 142
126,1
85,3
mit ßdXXuu Passiv 99-J-46 =145
122,3
83,5
1 ,
' ; mit ßdXXuu Passiv <
Ib 344-
-106 = 450
80,8
61,8
\ ohne ßdXXiu Passi\
2b 225-
-225 = 450
123,6
61.8
)
1
4b 203-
-247 = 450
136,9
61,8
94
R. Blümel
»
la. Verschiedene Belege Ilias
197 = 690/0
Wiederholungen gQ^gp^^
Odyssee
140 = 900/0
16 = 100/0
Zusammen
337 = 76 0/0
106 =24»/o
2 a. V. B.
119 = 41 >
99 =
.630/0
218 = 490/0
W.
168 = 590/0
57 =
370/0
225 =51»/«
3 a. V. B.
116 = 640/0
96 =
68 0/0
212 = 66 0/0
W.
65 = 360/0
46 =
320/0
111 = 340/0
4a. V. B.
—
-
-
196 = 440/0
W.
—
-
-
247 = 560/0
Verteilung der Infinitive.
Akkusat. ohne ßctX,Xiu Passiv Infinitive
Akkus, u. Infinit.
2 a. V. B. Ilias
104 = 870/0
13 =
= 11 0/0
2 = 20/0
Odyssee
81 =82 0/0
18 -
= 18 0/0
— —
Zusammen 185 = 85°/o
31 =
= 14 0/0
2 = 10/0
2 a. W. Ilias
164 = 980/0
4 =
= 20/0
— —
Odyssee
.54 = 950/0
3 =
-- 5 0/0
— —
Zusammen 218 = 97 »/o
7 -
= 3 0/0
— —
4a. V. B.
164 = 840/0
30 =
= 150/0
2 = 10/0
W.
239 = 970/0
403 = 90,970/0
8 =
38 = 1
= 30/0
B,58o/o
— —
2 = 0,450/0
Homerische Hymnen.
an Demeter
495 4 + 1 :
= 5
123,8
99
an ApoUon
an Hermes
546 11 + 0 :
580 3 + 0 =
= 11
= 3
49,6
193,3
=
an Aphrodite
an Dionysos
an Pan
293 5 + 0 ^
59 1 + 0 :
49 2 + 0 :
Hesiod.
= 5
= 1
= 2
58,6
59
24,5
=
Theogonie
'EpTO Koi fiM^pai
Bruchstücke
ÄCTTIC
1022 8 + 1
822 12 + 0
XX 2 + 0
480 10 + 0
= 9
= 12
= 2
= 10
127.8
68,5
XX
48
113,6
XX
Das Stellenverzeichnis und die zahlenmäßigen Feststellungen hat
Herr Professor Thumb angeregt.
Inhalt.
Seit«
Literatur 1
1. Syntaktische Vorbemerkungen 1 — 11
2. Einkeilung 12—14
3. — 6. Ai. näma, av. nqma, griech. övotia; ^TtlKXnciv, ^nu»-
vuMtnv 14—27
Vorbemerkung 14
Der Ursprung des griechischen Bereichsakkusativs und anderes. 95
Seite
3. Griech. ■IroTa^öc Kübvoc övo^a und Entsprechendes im Ai.
und Aw 1^ 21
4. ^ttikXticiv und ^iriuvuiLiinv 21 — 23
5. ©eoKXüiiievoc övo]ud ^CTiv und Entsprechendes im Ai.
und Aw 23—26
6. Anschließende Fragen 26—27
7. — 26. Der Bereichsakkusativ im Griech. und Äw 28 — 81
7.— 10. Frühere Erklärungsversuche 28—44-
7. Ableitung aus dem Teilakkusativ? 28—36
8. Analogiebildung nach Verben mit dem doppelten Akku-
sativ wie befallen (iKdviuj, berauben? 36 — 39
9. Akkusativ der Unterordnung? 39 — i3
10. Andere Erklärungsversuche • -iS— i4
11.— 26. Neue Erklärung 44—78
11. Vorbemerkungen, namentlich über Ortsanschauungen . 44 — 48
12. Allgemeineres, namentlich syntaktische Verwendung der
Begleiterscheinung statt des Vorgangs 48—51
13. — 17. Akkusativ des bestrichenen Raumes und Dazuge-
höriges • 51—65
13. Akkusativ des bestrichenen Raumes 51—57
14. — 15. iTÖbac ujKÜc; Geieiv xaxuc, ßoi^iv dfaeöc 57 — 60
Vorbemerkungen 57 — 58
14. TTÖbac d)KÜc 58 — 59
15. Beieiv xaxüc, ßor^v dYaOöc 59 — 60
16. Weitere Entwicklung der vorigen Reihen 60 — 65
17. KQKÖc iräcav KOKiav 65
18. Innerer Akkusativ bei Adjektiven im Aw 65
19. Griech. iröc äitac im Wettbewerb mit dem Bereichs-
akkusativ 65 — 66
20. Akkusativ der Entfernung und seine Entwicklung zum
Akkusativ des Grades 66 — 67
21. Akkusativ der Richtung im Griech. und Aw. (eöpoc,
fra»o) 67—68
22. Akkusativ des Ziels bei Verben des Treffens .... 68—71
23. Die neue Bezeichnung Akkusativ des Bereichs . . . 71 — 72
24. Altgriechische Spracherscheinungen mit dem Akkusativ,
in denen die örtliche Anschauung noch deutlicher zu-
tage tritt, die mit dem Bereichsakkusativ in Wett-
bewerb stehen 72 — 74
25. Allgemeineres über die hier angenommene Entwicklung 74 — 76
26. Etwaiger Analogiekampf der Entwicklungsreihen des
Bereichsakkusativs und der Reihe GeoKXu^evoc övoud
^CTiv 76 — 78
27. — 29. Andere Bereichskasus 78 — 81
27. Lokativ des Bereichs 78—79
28. Genetiv des Bereichs 79—81
29. Instrumental der 'Beziehung' 81
96 J. Endzelin,
30. Die lateinische Nachbildung des griechischen Bereichsakku- ^*^'*^
sativs 81-83
31. Zusammenfassung 83 — 85
Stellenverzeichnis 85 — 91
Tabellen 92—94
Inhalt 94—96
Schlußbemerkung. Zu der altpersischen Verwendung des Wortes
*Name* vgl. auch namentlich Thumb KZ. 32, 129—183 unter 6 und 7.
Freiburg i. Br. Rudolf Blümel.
Za den karischen Bestandteilen des Lettischen.
FÜR') 12, 59 ff. habe ich nachzuweisen versucht, daß die
Kuren nicht Finnen gewesen sind, sundern Balten 2), die sprach-
lich das Bindeglied zwischen den Litauern und Letten bildeten :
das Kurische hatte gleich dem Lettischen c, dz für lit. Jt', g und
s, z für lit. 5, i, während tautosyllabisches m, wie im Litauischen,
im Kurischen bewahrt war; in Flexionssilben hatte es gleich
zemaitischen Mundarten f aus tj (= lit. c, lett. s). Weiterhin
habe ich daselbst die Ansicht geäußert, daß lettische Formen
wie dzintars 'Bernstein' (mit 'lettischem' dz und 'litauischem' n)
oder danga 'Ecke', soweit sie baltischen Ursprunges sind, meist
aus dem Kurischen entlehnt sind, und Beispiele dafür gegeben.
Hier will ich einige Nachträge zu dieser Frage geben, zunächst
zu den lettischen Formen mit erhaltenem n vor Konsonanten.
Bei einer Durchmusterung von BW. und andern Quellen
fand ich in Texten, die aus dem jetzt lettischen Gebiet der
alten Kuren oder aus seiner nächsten Nachbarschaft stammen,
nachher noch folgende Belege für tautosyllabisches n:
hangainis BW. 14611,3 (aus Rutzau und Nieder-Bartau);
die Varianten bieten dafür das allem Anschein nach gleich-
bedeutende spangainis 'Apfelschimmel'.
1) Bedeutung der Abkürzungen im folgenden : FUF. = Finnisch-
ugrische Forschungen; BW. = Kr. Baron und H. Wissendorff Latwju
dainas ; U. = Ulmann Lettisches Wörterbuch ; LP. = Lcrchis-Puschkaitis
Latweeschu taulas teikas un pasakas; Jzv. =Izvöstija otdfilenija russkago
jazyka i slovesnosti imper. akademii nauk»; RKr. = Rakstu kräjums.
2) So auch nach der polnischen Chronik des M. Bielski v. J. 1564,
in der es (in Übersetzung) heißt : "Einstens hatten die alten Preußen und
Litauer eine gemeinschaftliche Sprache, wie auch die 2emaiten und Kuren,
aber heutzutage verstehen sie sich wenig". AfslPh. 17, 487, s. auch die
Stelle von den Kuren S. 484.
Zu den kurischen Bestandteilen des Lettischen. 97
hlensties^) 'schauen' BW. 6057 (aus Eawen und Groß-
Kruten), 13355,1 (aus Eawen) und 3. P. Praet. blenda 'schaute
aus nach' 9912,11 (aus Nieder-Bartau) ; U. gibt auch die ältere
Bedeutung 'nicht recht sehen, kurzsichtig sein*, vgL lit. hlandyti
akis 'mit den Augen blinken' und Berneker Slav. et. Wrtb. unter
hlfdg. Doch wird mir ein hhnzt 'blinzeln, sehen' auch aus
Burtneck (in Livland) mitgeteilt. — fiuo-hlenlt 'gewahr werden,
erblicken' LP. 7, 1,944 (aus Dondangen), vermutlich zu lit. blankti
'bleich werden': dieses *bhlenk- ist wohl eine Variante zu *bhleng-
'glänzen' bei Fick Yergl. "Wrtb. 3*, 284, und auch in lit. blinginti
'glänzen' bei Bezzenberger Beitr. z. Gesch. d. lit. Sprache 276,
vgl. auch blijikseti 'blinken', dessen k vor s wohl g vertritt (zur
Bedeutung vgl. Berneker 1. c. unter gledajg).
g. pl, dandzu '?' (steht als Attribut vor zabaki 'Stiefel')
BW. 7292,2 (aus Dondangen). Daneben findet man bei U. ohne
Ortsangabe das mit urslav. dgga 'Bogen' verwandte dandzis 'Rad-
felge'; das daraus entlehnte Hv. dandz spricht dafür, daß dieses
lettische Wort aus dem Kurischen stammt. Aus Groß-Essern
wird mir ein mit dandzis gleichbedeutendes danga mitgeteilt.
Die Wurzelform *dank- in dancis 'Krummholz' U. (in Essem)
und in dankiioties pret BW. 15029,1 (aus Blieden) 'sich bemühen
um, sich anschraeicheln' (eigentlich wohl = Uiocities 'sich beugen',
das die Varianten dafür bieten ; vgl. etwa lüncinäties 'den Schwann
krümmen, sich anschmeicheln') oder (mit Ablaut) denkuöties BW.
10071,3 (aus Dondangen) entstand wahrscheinlich durch Kon-
tamination der gleichbedeutenden *dang- und *lank-.
dan^ra 'Winkel, Ecke' BW. 13250,36 (ausWindau und Suhrs),
14609,1 (aus dem Grobinschen Kreis), 18899 (aus Alschwangen)
u. a.; wenn dies Wort ursprünglich etwa 'Krümmung' bedeutete,
so gehört es zum vorhergehenden.
devants BW. 12586,8 und 18941,2 var. (aus Sasmacken)
oder devatites 'neunter*, astantes 'achter', septatit^ 'siebenter' in
Dondangen, zunächst wohl aus *depnt{e)s, *astntes, *septntes (vgl.
1) Um bei der Bezeichnung der Intonationen typographische
Schwierigkeiten zu vermeiden, schreibe ich jetzt für (lett. und lit.) e und
« — te und uo; aus dem gleichen Grunde (der Gravis ist über l schwer
anzubringen!) setze ich jetzt im Lettischen bei fallender Betonung
diphthongischer Verbindungen den ^ auf den ersten Teil derselben (was
ja auch der Aussprache mehr entspricht), wobei lange Vokale vor tauto-
syllabischem r, /, n, m mit dem Längezeichen versehen werden müssen.
Indogermanische Forschungen XXXHL 7
98 J. Endzelin,
BB. 27, 329) aus altkur. *d-€vinta{i)s, *astuntais, *sej)tintais, vgl,
lit. devintas., astnntas^ septintas. Zur Erläuterung sei noch be-
merkt, daß im Gebiet von Dondangen und Sasmaeken die suf-
fixalen Vokale in unbetonter Lage stark reduziert werden und
zum Teil sogar schwinden, wobei liquidae und nasales sonantes
entstehen konnten (der Wortakzent aber fällt im Lettischen be-
kanntlich jetzt gewöhnlich auf die Anfangssilbe).
sa-dingt '?' BW. 18509,1 (aus Neuhof im Goldingenschen
Kreis). Wenn es etwa dasselbe bedeutet, was sastingt 'erstarren*,
das die Varianten dafür bieten, so gehört es wohl zu russ.
djdgnuf 'stark werden", aksl. nedpgb 'dppuucTia', russ. drkl. dünj
'stark' u. a.; daneben gibt es lettische (kurische) Formen mit
^•l) im Wurzelauslaut: denkts 'stark' Druwa 1, 393 (hier kann
übrigens k für g stehen) und dencis 'ein kleiner, derber Junge*
FÜR 12, 69. S. unten S. 127.
dzintars 'Bernstein' BW. 22350 und 28389 (aus Rawen),
13282 (aus Wirgen, Wirginahlen, Mescheneeken, Edwahlen),
13282,1 (aus Nieder-Bartau), 13282,4 (aus Ugahlen und Don-
dangen), 13282,5 var. (aus Gramsden und Amt Goldingen),
13282,6 var. (aus Groß-Essern und Alt-Schwarden), 13282,8
(aus Alschwangen, Ranken, Dursuppen, Sasmaeken, Talsen), oder
dzinteris 13282,5 var. (aus Alschwangen und Grauduppen),
13282,9 (aus Suhrs). Da man Bernstein von der (ehemals ku-
rischeu) Meeresküste her bezieht, so ist es nicht auffallend,
wenn man die Form dzintars zuweilen auch außerhalb des alten
Kurenlandes findet (mit dem Gegenstand zusammen wurde auch
sein Name bezogen) : BW. 13246,1 var. (aus Lesten), 20989,5
var. (aus Hohenbergen), 21071 (aus Kortenhof), 27833,6 (aus
Granteln). Die echt lettische Form ist {d)zUars : zltars BW, 627
(aus Krons-Misshof und Neufeld), 627,1 (aus Brücken, Kastran
u. a.), 13282,3 (aus Erlaa), 13282,11 (aus Gross-Ekau), 28283
(aus Siggund, Alt-Autz, Mesoten), dzitars 13282,3 var. (aus Al-
tena) und auch 13282,10 (aus Kandau, das zum kurischen Ge-
biet gehört; hier') ist also die altkurische Form durch die let-
tische ersetzt).
grundulis '?' BW. 1513,3 (aus Ranken; U gibt die Be-
deutung 'Erdkloß', die auch hier nicht ausgeschlossen ist) und
1) Dieses k für g kann aus dem sinnverwandten *tenk- {z. B. bei
Fick Vgl. Wrtb. 3*, 179) stammen.
2) Ähnlich flndet sich zitara auch BW. 22350 var. (aus Hasenpot).
Zu den kurischen Bestandteilen des Lettischen. 99
grundidains 'höckerig, knorrig' 30379 (aus Alschwangen), vgL
ksl. griida 'Erdscholle* u. a. bei Bemeker 1. c. 357.
peringa {vista 'Henne') 'gut (oder 'eben') brütend' BW. 3000,1
(aus Kabillen), vgl. lett. -tgs, lit -mgas.
krancinät 'krächzen' (vom Raben gesagt) BW. 20462 var.
(aus Ober-Bartau) oder krandzindt 20462,1 (aus dem Windau-
gebiet), vgl. lit. krankti 'rufen' (von Raben gesagt) und hin-
sichtlich des dz in krandzinät lett. kkmdzindt 'gackern' bei U
und die Wurzel klmig- bei Fick, Vgl. Wtb. 3* 110.
meJica BW. 18471,1 und 30853,1 (aus Zierau), 30695,1
und 30775,1 (aus Alschwangen), auch in Dondangen, Grobin
und Kandau, vience 30775,1 var. (aus Sackenhausen), mencis
30854 (aus Windau), g. pl. meneu 30837,1 (aus Kabillen), 30853
(aus Windau), oder mendza 22252 (aus Nieder-Bartau) 'Dorsch',
vgl. lit. menke.
pintainite '?' BW. 22846 (im Grobinschen Kreis), vgl, bei U
pintaina valuöda 'gebrochen Lettisch'.
plandifies 'sich breit machen, sich bauschen' BW. 1491
(aus Hasenpot, Groß-Essem, Amt Goldingen, Schrunden), 1491,4
(aus Nieder-Bartau), 1491,5 (aus Gramsden), 1513,2 var. (aus
Edwahlen), 1513,3 (aus Ranken), 7918 var. (aus Paddem und
Alt-Schwarden), 7918,2 (aus Kabillen), 7918,5 var. (aus Ga-
weesen), 13126 var. (aus dem Goldingenschen Kreis), 13490
(aus Zierau), 14700 ^ (aus Neuhof); vgl Leskien Ablaut der
Wurzelsilben im Lit. 339.
rankains BW. 10337,9 var. (aus Goldingen und Kandau)
und 10337,10 var. (aus Schrunden); aus Groß-Essem wird mir
rankains 'gestreift' mitgeteilt. Vgl. etwa (?) lit rinkinuczei^ Be-
zeichnung eines gewissen Webemusters, bei Bezzenberger Lit
Forsch. 164.
Rindzele^ Ortsname im Talsenschen Kreis (neben lett. Rfga^
vgl. Bielenstein Grenzen d. lett. Volksstammes 37 f.).
nirhpaca^ etwa 'gi'obes Gewebe' BW. 757,1 und 7016 (aus
Edwahlen), 1809 (aus Oscheneeken), 25266,2 (aus Sackenhausen)
und Druwa 1 393; scheint zu rupjs 'grob' zu gehören.
sklandas^) 'Stangenzaun' BW. 21973,5 (aus Rudbahren),
vgl. lit. uzsklanda 'Riegel*, pasklandinti 'verschließen' u. a. bei
Leskien Ablaut d. Wurzeis. im Lii 343.
1) Dieses akland- erinnert an die gleichbedeutende Wurzel {8)kland-,
vgl. z. B. lit. bandyti neben lett. bäudit 'etwas versuchen' u. a.
7*
100 J. Endzelin,
spangatnä 'geäpfelt* (namentlich von Pferden gesagt) BW.
14510,2 (aus Dondangen), 14611,1 (aus Rawen), 14611,4 (aus
Goldingen, Edwahlen u. a.), 25470 (aus Alschwangen), vielleicht
zu lit. spungS^) *ein kleines Fleckchen* bei Büga, Aist. stud. 1 113,
und weiterhin vielleicht zu apr. spnnxti 'Funke' u. a. Daneben
gibt es ohne s- ein synonymes pangains BW. 13898 (aus Ka-
billen), vgl. mhd. vanke Tunke'; vgl noch das oben angeführte
bangainis, dessen b- dem griech. cp- in <peTT0C 'Licht, Schein' ent-
sprechen könnte (semasiologisch kann man z. B. griech. XeuKOC
*licht, glänzend': lett. läukums *Flecken' vergleichen).
at-sk'enst (Wz.skend-) 'verenden' in Grobin nach Deenas Lapas
etnogr. peel. 4, 17.
sk'indalas 'Splitter' BW. 19577 (aus Dubenalken), wahr-
scheinlich zu aw. scanda-ye*nti 'sie zerbrechen' u. a.
sk'indama^ rindama '?' BW. 1459 (aus Dubenalken).
zvandzindt BW. 27909,2 var. (aus Kandau), eine nasalierte
Variante von zvadzindt 'scheUen, tönen machen' ; es könnte auch
zu lit. zv^ngti 'wiehern* gestellt werden, da lett. zvadzindt nach
ü auch 'wiehern' bedeuten kann.
A^'on den FüF. 12, 68 ff. gegebenen Beispielen fand ich fol-
gende nachher auch in nichtkurischen Mundarten: hlanksttties^)
'faulenzen' in Erlaa und Lubei; hunduls BW. 9397,3 var. aus
Gulbern und Lösern, oder hundulis aus Naukschen und BW. 29261
aus Vaukluse (dieses Wort, das nach ü auch 'Bündel' bedeutet,
wird wohl aus dem Germanischen entlehnt sein); duncis 'Dolch'
wird auch aus Naukschen, Bersohn und Erlaa mitgeteilt; von
dzindz'mdt 'summen' ist das gleichbedeutende dzindzindt in Ber-
sohn nicht zu trennen; iegansts 'Ursache' wird auch aus Ber-
sohn mitgeteilt, desgleichen kancindt 'ausforschen'; zu krantas
'Dünen vorsprünge' gehört krantes in Bersohn; kankalis 'trockene
Ackerscholle' BW. 2665 aus Drostenhof; lingdt BW. 21476 var.
aus Hoppenhof und 25561,1 aus Festen; pa?its 'Glied' BW. 19489
aus Lubahn; skundet wird auch aus Naukschen mitgeteilt; zu
saspranga 'Schnur' gehört sasprangdt odersa.spmnrf^e^zuschnaLlen*
in Bersohn, Smilten und Drostenhof; §k'ind/t 'klingen*, das bei
BW. nur in westkurländischcn Texten vorkommt, wird mir auch
aus Erlaa, Marienburg und Bersohn mitgeteilt, Sk'indzindt — aus
1) Zum Ablaut vgl. meine Slavjano-balt. etjudy 18 ff.
2) Vgl. dazu p. btfkad 'umherach weifen'.
Zu den kurischen Bestandteilen des Lettischen. 101
Naukschen, und sk'indindt^) 'klingeln' findet sich auch BW. 5005,3
aus Schioßberg; izvandtt 'durchwühlen' findet sich auch in Xauk-
schen und BW. 19337,1 aus Schlock, vgl. die Angaben K. Mühlen-
bachs im Dsimtenes Wehstnesis v. J. 1912, Nr. 58.
Die lettischen Formen mit tautosjliabischem n sind also
wahrscheinlich nicht alle aus dem Kurischen entlehnt; einige
derselben stammen wohl aus dem Litauischen oder aus einem
andern (jetzt ausgestorbenen) baltischen Dialekt. Formen mit
-nk- (-WC-) oder -ng- {-ndz-) können ihr -n- aus -m- haben (s. Izv. 15
2,204) und in dem Fall echt lettisch sein; so könnte z. B. das
auch in Livland verbreitete trenkt (neben triekt = üt trenkti),
trenkät 'scheuchen, jagen' erklärt werden, indem das alte *trenJdi
(woraus triekt) durch das sinnverwandte tremt (= lit. tremti) be-
einflußt zu *tremkti (woraus regelrecht trenkt) geworden sein
kann. So hat wohl auch grencet 'lange essen' in Grobin (nach
Deenas Lapas etnogr. peel. 4, 18) neben gremzät 'langsam essen'
sein n aus m. — TautosyUabisches m wird im Lettischen be-
wahrt, s. Izv. 15 2,199 ff. Wenn wir nun im Baltischen z. B.
eine Wurzelform drump- neben drup- finden, so liegt es zunächst
näher, drump- auf *drunp- (woraus lett. drüp-^ so im Präsens
drüpu zu drupt 'zerfallen') zurückzuführen, da als Xasalinfix
nur n (nicht m) vorkommt. Und doch kann ein lett. drumpacas
'Trümmer', das auch in Bersohn bekannt sei (und somit wohl
schwerlich aus dem Kurischen entlehnt sein kann), auch echt
lettisch sein: man kann annehmen, daß drump- hier durch Kon-
tamination von driip- (in drupatas 'Brocken') und drum- (in
drumstalas 'Abfälle') entstanden ist. Ebenso könnte z. B. auch
gumhät 'gebückt gehen' BW. 9849 u. a. durch Kontamination
von gut- (in guht 'sich bücken') und gum- (in gumties 'sich
biegen') entstanden und echt lettisch sein, vgl, gumba 'eine jähe
Biegung am Krummholz' in Drostenhof u. a. — und penteret
'verreffeln, flechten', das auch BW. 6867 (aus Sinohlen) vor-
kommt, kann von der Wurzelform pen- (z. B. in matpenina 'Zopf-
band" BW. 10295 var.) nach der Yokalisierung von n unter
dem Einfluß anderer Formen auf -teret (s. Kurschat Gramm.
S. 126) abgeleitet sein. Ähnlich ist wohl auch tenteret BW. 16307
neben tit (Praes. tinu) zu beurteilen,
* Mhidindt wird wohl gleich skandinät (Izv. 15 2,209) zu beurteilen
sein (zur Vokalstufe vgl. meine Slavjano-baltijskie etjudy 85*), und Sßindet
kann neben SRindindt etwa nach dem Verhältnis von pddH-.pddinät ge-
bildet sein.
102 J. Endzelin,
In Westkurlaad wird ferner für sonstiges partt 'über-
morgen' pav'U gesprochen, und zwar aucii in Mundarten, die
sonst keine i-Epenthese kennen. Da nun aber das i in jpan-it
schwerlich anders als durch i-Epenthese zu erklären ist, so
stammt dieses paTrtt vielleicht ans dem Kurischen. Daß diese
Sprache die i-Epenthese gekannt hat, dafür sprechen die von
Bezzenberger KZ. 44, 311 und Mitteil. d. lit. litter. Ges. 2, 36 an-
geführten Beispiele einer i-Epenthese aus litauischen Mundarten
auf ehemals kurischem Territorium. Epenthese findet sich nach
Bezzenberger Lit. Forsch. 144 'öfters' im 'nördlichen' Litauen,
worunter wohl der (ehemals kurische) nordwestliche Teil zu
verstehen ist.
Altkurische Sprachreste finden sich auch in der Sprache
der kurländischen Liven^). Erstens Formen mit erhaltenem n:
atränta 'Kerbe am Ende des Krummholzes', vgl. lit. rantyti
•kerben', lett. ranüt 'hauen' in Groß-Essern und FUF. 12, 70;
paländjffks 'Taube', vgl. lit halandis und den kurischen Orts-
namen (deutsch) Baianden FÜR 12, 66 (aus dem Lettischen
stammt das livländ.-liv. halad oder halaz).
Ferner Formen mit k-^ -g- für lett. dz, lit. g : kill, 'Grün-
specht', vgl. lett. dzilna; vägäl 'Quappe', vgl. lit. vegäS, lett.
vedzele. Das g (woraus später dz) muß also im Altkurischen zu
der Zeit, als die Liven mit den Kuren in Berührung traten,
noch erhalten gewesen sein.
In den nordwestlichen Mundarten des 2emaitischen (auf
altkurischem Territorium) findet man bekanntlich ein ii für lit-
lett. ie. Und es scheint, daß auch das Altkurische einen dem
ei ähnlichen Laut anstatt ie hatte ; vgl. einerseits die alt-
kurischen Ortsnamen Gaveyssen (jetzt lettisch Gavieze) bei
Bielenstein Grenzen d. lett. Volksstammes u. d. lett. Spr. 220,
und Peynis 1. c. 230 (vielleicht zu lit. pknas, lett, piens 'Milch'),
und anderseits die livischen Lehnwörter iBiga 'überflüssig' (vgl.
lit. liekas, lett. Üeks) und kaidas 'Weberkamm' (vgl. lit skietas,
lett. sklets). In den ältesten ostseefinnischen Entlehnungen aus
dem Baltischen findet man nämlich ai für lit-lett. ie, und in
den speziell livischen Lehnwörtern aus dem Lettischen wird
lett ie durch ie wiedergegeben, vgl. Thomson Beröringer 101 f.
1) Die livischen Formen gebe ich hier in der Schreibung Thomsens
(in Beröringer mellem de finske og de baltiske Sprog), und führe nur
diejenigen livischen Lehnwörter an, deren Originale aus dem Lettischen
nicht bekannt sind.
Zu den kurischen Bestandteilen des Lettischen. 103
Thomsen war deshalb 1. c. 102 und 141 geneigt, Wiga und
k-Bidas für Entlehnungen aus dem Zemaitischen zu halten (die
Kuren hielt er im Anschluß an Wiedemann für einen finnischen
Stamm). Aber die Liven waren von den Zemaiten durch die
Kuren getrennt und nach dem, was ich jetzt über die Kuren
vorgebracht habe, wird es natürlicher sein, in liv. laiga und
kßidas Lehnwörter aus dem Altkurischen zu sehen.
Ebenso ist wohl auch liv. plakä 'Wanze' (vgl. lit. hläk^,
lett. hlakts) zu beurteilen. — Xach BW. und anderen Quellen zu
urteilen, sind wahrscheinlich kurisch noch folgende (mir bis-
her nur aus Westkurland bekannte) Wörter: herze 'Birke'
BW. 23932,9 var. und 11 var., 24368,6 var., 30651 var.
(sonst herzs oder — im Liber raemorialis letticus des Elvei*s,
pag. 102 — herza).
dttönis 'Schilf BW 9970 und in Kandau.
erc{et)is 'Wacholder', s. KZ. 44,59 ff. und BW. 30562,4
var., 30628.
greizns 'schief BW 12333; 21230,2? 30569; 30871,1 var.:
und greinis oder greilis^) 'ein Schiefbeiniger' BW. 11308 var.
grins 'streng' in Kandau, vgl. BW. 21671,15 var.
lapse 'Fuchs* BW. 11499,2 var. und in Bezzenbergers
Lett. Dial.-Stud. 62 (sonst lapsa^ lit. läpe).
naski 'schnell' tahmisch nach ü.
Da die südlichen Kuren sich den Litauern assimiliert
haben, so sind kurische Elemente auch im Litauischen zu
suchen. Für einen solchen 'Kurismus' halte ich lit. zutkis
'Hase', das seines z- wegen nicht echt litauisch sein kann. Bis-
her hielt man es für ein Lehnwort aus dem Slavischen (aus
wr. zajkä). Aber dagegen spricht das -ui-, sowie der Umstand,
daß zmki% wie mir Herr K. Büga schreibt, nur in den west-
litauischen Mundarten vorkommt, während das Ostlitauische
nur kUkis kennt Man kann nun für das Altkurische ein *ziiojekas
oder (wenn es — gleich dem Nordwestzemaitischen — öu für
no hatte) *zöujekas oder auch *zuojikas resp. *zöujikas voraus-
setzen, das sich zu urslav. *zaj^ verhält wie etwa urslav.
Vebedh 'Schwan' zu urslav. leh^h (s. Torbiörnssson Gemeinslav.
Liquidamet. 1, 68). In beiden Fällen konnte daraus im Zemai-
1) Dieses greilia verhält sich zu kreflis 'ein Linkischer' wie apr.
greiwa(kaulin) zu lit. kreivas, sodaß die für apr. greiwakaulin ange-
nommene Dissimilation (aus *kr-) mir unwahrscheinlich vorkommt.
104 J. Endzelin,
tischen ein *zuojkas (resp. *zöujkas) und daraus *zuikas entstehen,
vgl. nordwestzeni. trets — nach Herrn K. Büga — aus *trät{a)s aus
Hrkitas aus Hr^jetas^ woraus hochlit. trejetas {*trHtas entstand
entweder direkt aus *trPjetas durcli Verlust des e hinter j^ vgl.
dazu meine Slavjano-balt. etjudy 176 f. und 188, oder aber
nach Übergang des unbetonten e in i, vgl. z. B. zem. ötidigä,
resp. üde(jä aus *uodigä aus uodegä). Aus *zuikas aber konnte
zuikis unter dem Einfluß von kUkis entstehen. — Für kurisch
halte ich ferner lit. cyruUs oder cyruJys 'Lerche' (lett. cTrulis,
lit. vyturys oder auch vieversys oder vieversys nach Jaunis Ponev.
gov. 2 30 und Büga RFV. 67, 248), zvögauti 'lärmen', zvagSti
'klappern' (lit. zvagSti). Vgl. noch S. 126 f.
Zum Schluß sei hier noch mitgeteilt, daß nach K. Mühlenbach
(Dsimtenes Wehstnesis v. J. 1912, Nr. 58) der Kurenname auch
noch in folgenden lettischen Gesindenamen in Livland enthalten
ist: Küorsviäi aus *Kurs-viesi in Marienburg, Kursesi aus *Kur-
desi in Adiamünde. Diese Namen deuten also auf kurische
Kolonien in Livland, und aus diesen Kolonien könnten einige
der livländischen Formen mit tautosjllabischem n stammen.
Nach Adiamünde sind die Kuren wahrscheinlich übers Meer
aus Kurland gekommen, und vielleicht in größerer Zahl (so
würde die Lettisierung von Westlivland verständlicher sein);
bei dieser Voraussetzung würde sich auch die auffallende Über-
einstimmung in der Intonation von iet 'gehen* (so beinahe in
allen westkurländischen und in den meisten westlivländischen
Mundarten für sonstiges iet) und jemt resp. nemt 'nehmen' (so
in den meisten westkurländischen und westlivländischen Mund-
arten, während anderswo dies Verbum den Stoßton hat) erklären.
Es gibt auch noch andere Übereinstimmungen zwischen den
westkurländischen und westlivländischen Mundarten, die man
nicht aUe durch livischen Einfluß erklären kann.
Charkov. J. Endzelin.
Weiteres za den lettischen Intonationen.
1. Die Negation ni 'nein*.
Während dem litauischen Schleifton im Lettischen in der
Regel eine fallende Intonation (v) entspricht, erscheint der Akut
im Lettischen unter altem Wortakzent als 'Dehnton' (~), dagegen
Weiteres zu den lettischen Intonationen. 105
als Stoßton (a) in Silben, die sich ehemals vor dem Wortakzent
befanden, s. BB. 25, 259 ff. und Izv. 6. 4, 140 ff. Akutierte For-
men, die stets einsilbig gewesen sind, haben also den Dehnton (z. B.
Nom. Sing, tä *die'), und jetzt einsilbige Formen mit dem Stoßton
müssen ehemals zweisilbige Oxytona gewesen sein, z. B. trts
'drei' (nebst lit. irys) aus urbalt. *trijes = aksl. tnje, s. meine
Slavjano-balt. etjudy 172 ff. Der letzteren These scheint nS 'nein'
zu widersprechen, das also einer besonderen Erklärung bedarf.
In mehreren Sprachen, in denen (wie auch im Lettischen) die
auslautenden Vokale gewöhnlich mit dem leisen Absatz gesprochen
werden, wird gerade die Negation 'nein' (im Affekt) mit dem
festen Absatz gesprochen, so z. B. im Slavischen, s. Broch EnzikL
slav. filol. 5,2, §§ 160 und 161. Nun ist aber ein mit dem
festen Absatz gesprochenes ne akustisch einigermaßen ähnlich
einem gestoßenen 7ie und konnte daher leicht durch dieses
ersetzt werden, zumal sonst der feste Absatz im Auslaut nicht
üblich war. Für diese Auffassung spricht auch der Umstand,
daß auch in denjenigen hochlettischen Mundarten, wo a sonst
eine steigende Intonation ist, gerade ne 'nein' mit dem Stoßton
gesprochen wird, so z. B. in Erlaa, Tirsen u. a. Vgl. noch, was
Socin Grundr. d. iran. Phil. 1, 2, 265 über das Kurdische sagt:
"Doch kann [im Auslaut] auch Stoßton eintreten, z. B. hört man
die Negation nd alleinstehend in der Bedeutung 'nein* häufig
als naa".
2. Intonationen der Suffixsilben,
Die Geschichte der lettischen Intonationen in den suffixalen
Silben ist recht kompliziert. Erstens fällt hier der fallende Ton
gewöhnlich mit dem Dehnton zusammen ; vgl. z. B. bei P. Schmidt
Sbomik 67 Nr. 3, S. 5 Gen. Sing, tä lahä 'des guten' neben
Nom. Sing, tä lahä 'die gute'. Zweitens wird der Stoßton
(seltener der Dehnton) zuweilen verallgemeinert; so entspricht
z. B. lett. Lok. Plur. vagäs, galvds regelrecht dem lit. vagos^, gaJvos^j
und nach dem Vorbild solcher Wörter ist jetzt im Lettischen
im Lok. Plur. die Endsilbe immer gestoßen, also z. B. auch in
pupas (für *pupäs — lit. piipose). Im Lok. Sing, dagegen gehen
die Mundarten auseinander : teils (so z. B. in Wolmar und in
der Mundart P. Schmidts) ist der Tvpus jmpä ( = lit. pupoje) ver-
allgemeinert (darnach also auch vagä für vagä = lit vagoß), teils
(z. B. in Drostenhof) — der Typus vagd (darnach auch pupd). —
106 J. Endzelin,
In der durch Bielenstein vertretenen Mundart von Neu-Autz
{und soweit mir bekannt, überhaupt in den meisten südwest-
kurländischen Mundarten, wo % zu a geworden ist) haben jetzt
überhaupt alle Suffixsilben den Stoßton, darunter also auch
solche, die eigentlich nur den Dehnten haben sollten, wie z.B.
Nom. Sing, aklä "die blinde' für sonstiges (z, B. in Wolmar)
aklä = lit. akloji.
Sonst aber sind die ursprünglichen Verhältnisse wenigstens
zum Teil bewahrt; vgl. z. B. Nom. Plur. deribas (so auch in Doblen,
wo N zu A geworden ist) = lit. deryhos (Gen. Plur. derf/bu) ; Nom.
Sing, cierntc 'Gast' (z. B. in Wolmar), Gen. Sing, ciemma : lit.
kaimi'fnas (Plur. kaimynai) ; vasaräjs = lit. vasaröjis (Plur. vasaröjai) ;
Nomina agentis auf -täjs, vgl. lit. artojis (Plur. artöjai) ; Deminutiva
auf -ttis^ -fte (so auch in Doblen), vgl. \\i.sunytis {V\\xy. sunffciai);
mergyte ; väcietis = lit. vokietis (Plur. vökieciai) ; akuöts = lit. aki'iotas
{Plur. aküotai); aruöds = lit. arüodas (Plur. arüodai); sivens, vgl.
lit. varnSnas (Plur. varnSnai)^ s. Leskien Bild. d. Nom. 389 ; Dat.
Plur. akliem, akläm (auch in Doblen) = lit. akUem^ aklöm ; Nom.
Plur. aklie = lit. akUeji\ Akk. Plur. akluös = lit. akliiosius; Nom.
Sing, zinäms = lit. Bnomas\ 1. P. Plur. zinäm (z. B. in Drosten-
hof), vUkäm, r^edem (z. B. in Drostenhof) = lit. zhiome^ vilkome,
vedeme ; 2. P. Plur. zinät (z. B. in Drostenhof), vllkät^ vedet (z. B.
in Drostenhof) = lit. zmote, vilkote, vedete, Gerund, velkuöt = lit.
velkant; Nom. Sing, nesejs = lit. nesSjas; Nom. Plur. mikstdki = lit.
minkstokl (s. Kurschat Gramm. § 818), Nom. Sing. minkStökas:
Nom. Plur. peJeki = lit. j^eleB, Nom. Sing. peUkas\ Gen. Plur.
£ce^u = lit, ekeci^ (s. Kurschat Gramm. § 628 und Juskeviös Wb.
695), Nom. Plur. ekecios; velena = lit. velenu (s. Kurschat Gramm.
§ 623), Akk. Sing, velhq.
Abweichend vom Litauischen sind z. B. die Adjektiva auf
-igs {vt'o A auf Endbetonung weist): lit. -myas (mit festem AVort-
akzent) ; septtts, devtts : lit. septintas^ devintas (lett a stammt hier
vielleicht aus astuotf oder astttts, einer Neubildung nach astuöni:
lit. (iStuoni^ F. a§tiionios.i wie umgekehrt lit. aUuntas — aus
septintas, devintas bezogen hat); tükstuötis (hier kann a nicht alt
f?ein): lit. tiikstantis {V\\xv. tükstanciai). In den zwei- und mehr-
silbigen Verben auf -tit -et -H -uöt und in ihren nominalen Ab-
leitungen (auf -kina., -iäjs) ist das thematische -ö, -^, -f, -iio jetzt
überall da gestoßen, wo es nicht vor j steht oder ehemals stand
(auszunehmen sind nur die Formen der 1. und 2. P. Plur. wie zinäm^
Weiteres zu den lettischen Intonationen. 107
zinät und das dazu gehörige Part, Pass. wie zinäms); also z. B.
Inf. vagät (z. B. in Drostenhof) Turchen ziehen', Sup. vagätiu Fut.
vagäsii^ Part Präs. vagddams, Part. Präs. Pass. vagäts, nomen agen-
tis vagätäjs^ nomen actionis vagäsana: lit. vagöti (nach Jaunis
Gramm. 180 ff.), vagötif, vagösiu, vagödamas^ vagötas, vagötojis.
Hier wäre also lett. — anstatt a zu erwarten: vielleicht ist a
in einem Teil dieser Formen ursprünglich (auf Endbetonung be-
ruhend) gewesen und kann darauf verallgemeinert sein. Vgl.
etwa lit Formen wie noretum u. a. bei W. Schulze KZ. 44,130.
Yor J wird hier — gesprochen : 2. P. Sing. Präs. vaga, 2. P. Plur.
Präs. vagäjaU 2. P. Plur. Prät. vagäjäf, Gerund, vagäjuöt, Part.
Präs. Pass. vagäjams^ Part Prät Act. vagäjis = litt, vagöji^ vagö-
jate, vagöjote, vagöjant, vagojamas^ vagöjfs. Vielleicht vertritt -~
in diesen lettischen Formen älteres ^ : da es gleichbedeutende
Präsensstämme auf -ä und -äja gab (vgl. z. B. lit. metome : lett.
metäjam, litt ieskome : lett ieskäjam, lit rijmoine : ri/mojame^ und
Brugmann KVG. § 694,3), und das -ä wahrscheinlich zirkumflek-
tiert war, so könnte der Zirkumflex von da auf das gleichbedeu-
tende -äja übertragen sein. — Auch in allen Reflexivformen ist
die Länge vor -s jetzt immer gestoßen (z. B. 1. Sing. Präs. ceVuos
gegenüber lit. keliuos). was nur auf Verallgemeinerung des a be-
ruhen kann, der in einigen Formen regelrecht sein konnte, vgl.
z. B. lit 3, P. Prät ßmesi und daraus jemesi in Zytela (nach Herrn
K, Büga), sedös^ stojös, radös KZ. 44,57, russ, 3 P. Sing. Prät
vilsjä, razdalsjä, prinjalsjä u. a.
3. Wechsel der Intonationen (Metatonie).
Als Regel gilt, daß eine Wurzel ihre Intonation in allen
ihren Ableitungen unverändert beibehält Doch gibt es gewisse
Ausnahmen, die wenigstens teilweise recht alt sein müssen.
Erstens findet man vereinzelte Fälle von Metatonie bei
der Substantivierung von Adjektiven: läuks (=lit laükas) 'bläßig':
toSÄ» (= apr. laucks) 'Feld' ; stävs 'aufrecht' (vgl. 1. Sing. Präs. stävu
'ich stehe', lit stöviu) : stävs 'Wuchs' ; vgl. lit. dugstas (lett. aügsts)
'hoch': augstas 'der obere Bodenraum'. Der Unterschied also.
der sonst durch Akzentverschiebung bezeichnet wird (wie z. B,
in ai. Ijsnd- 'schwarz' : kfsna- 'Antilope' ; äsita- 'schwarz' : osifd-
'schwarze Schlange'; griech. XeuKOc: XeÖKOc; lett. liels 'groß':
liels 'Schienbein'), ist hier durch Metatonie hervorgehoben (die
keineswegs auf Akzentverschiebung zurückzuführen ist), vgl.
108 J. Endzelin,
dazu Bezzenberger BB. 21, 313 f. Hierher gehört vielleicht auch
das Schwanken zwischen itotrs (=lit. antras) 'alter' C. '), S., N.,
Wk,, Morizberg u. a., und uötrs B., Nieder-Bartau, Trikaten, W.
In W. spricht man neben uötrs — pus-üotra 'VI2' und üotruö-
d\ena 'Dienstag' ; vielleicht hat uotrs zunächst in substantivischer
Bedeutung den Dehnton erhalten.
Ferner findet sich Metatonie in Nominalstämmen auf -0,
-/o, -e, -iä und -ä. Beispiele für 0- Stämme: spet 'vermögen*
{=\\i. spSti): speks, \it S2}ikas in Jöniskis B. ; städit 'pflanzen':
städs 'Pflanze' ; destU 'pflanzen' B., Wk., (vgl. det und da =
lit. dSti): dests 'Pflanze' C. (und darnach auch dhtit C); velt
'wälzen' ( = lit. t^e7^?) : väls 'Heuschwade' S. ; kaut 'schlachten'
( = lit. Muti) : Nom. Plur. kävi 'Nordlicht' ; vgl. noch lit. löpi/ti 'flicken'
{==lett.lä2)U): löpas 'Flick'; 3. P. 7iiezti 'juckt': niezas 'Krätze'
(Büga Aist. Stud. 1, 86). /o-Stämme: malt 'mahlen' ( = lit. mdlti):
mälis 'das zu mahleude Korn' C, S. ; glebt 'retten' (lit. gUhti) :
lit. gUhis 'ein Armvoll' oder klebys, Gen. Sing. kISbio (bei Büga
Aist. Stud. 1, 154 und Leskien Bild. d. Nom. 288), lett. klepis;
lett. stürs 'hartnäckig' B. : sfiiris 'Ecke' ; lit. dvynas 'Zwillings-'
in Dusetos : lett. dvtnis 'Zwilling' ; vgl. noch lit. kqsti 'beißen*
(lett. kitöst) : kandis 'Biß' ; lit. Ugas 'lang' (lett. ilgs) : ilgis 'Länge'
u.a. (bei Bezzenberger BB. 21, 311). v zu — : *krHr{a)s 'sinister'
(vgl. krliss dass., lit. kairas dass., z. B. bei Dauksa Katech. 6,
20, und a. s. kam 'Linkhand') : k'etris oder kretlis 'Linkhand'.
e-Stämme : sk'elt 'spalten' (lit. skSlti) : sk'äe 'ein Schnitt
Brot'; mit 'treten' (lit. mlnti): mlne "eine Stelle, wo Lehm ge-
treten wird" C. ; dzeft 'trinken' (lit. gerti) : dzlres 'Trinkgelag' ;
velt (lit. väti): vale 'Waschbläuel' (s. Leskien Ablaut 354); durt
'stechen, stoßen' (lit. dürti) : diire 'Faust' (Leskien Bild. d. Nom.
279); duobß 'tief, hohl*, lit. düohti 'aushöhlen': düobe 'Grube',
lit. a. s. duöb^ nach Kurschat und Jaunis (aber ostlit. dmby in
Wolters Lit. ehrest. 368,20 und 388,4); vgl. dazu lit. mdlH
(lett. malt): möU in Dusetos B.; kidti 'dreschen' (lett. kult): kiiU
in Dusetos B. ; drti (lett. afO* o/-^ 'Pflügen'; pidtdi 'schneiden'
(lett. p/'aü/) : piüte 'Ernte'; jjrüsas 'Preuße': prüsi 'Preußin' in
1) Bedeutung der Abkürzungen: C. = Cirulis Rakslu kräjums 15,
61ff. ; B. = Bielenstein LeUJsche Sprache; S. = P. Schmidt Sbornik old.
russk. jaz. i. slov. Imp. Akad. N., Bd. 67, Nr. 3, W. = die Mundart von
VVohnar; Wk. = die Mundart von Walk; N. = die Mundart von Neuen-
burg; B. hinter litauischen Formen = Mitteilung von Herrn K. Büga.
Weiteres za den lettischen Intonationen. 109
Kvedarna B.; anJcstßas 'früh(zeitig)' : ankstybe 'Frühe' u. a.^). —
V zu - : lett. cirpt 'scheeren' (lit. kifpti) : cirpe 'Sichel' S. ; lit
mesü 'maischen' in Joniskis B. : lett. (wohl aus dem Kurischen)
mehte 'Maischholz' ; lit. 3. P. rüp' 'liegt am Herzen' : lett rüpes
'Sorgen' (und darnach rüpeties 'sorgen'); lett. s\et 'binden' (lit.
sieti in Dusetos B.): saite 'Binde'; svMpt 'pfeifen' (lit. scilpti):
svifye 'Pfeife' (und darnach svilpet 'pfeifen') ; stiiegs 'Schnee' (lit
sniegas): sniedze 'Schneeammer'; vgl. noch lit. kvaisti 'närrisch
werden': kväise 'Närrin' (bei Büga KFY. 66, 224); lenkti 'biegen'
{\ett üekt): /en/te 'Vertiefung'; vilkas 'Wolf (lett r)ZA-s): vtlke
'Wölfin'; maisas 'Sack*, s. meine Slavj.-balt. etjudy 53 (lett mäiss,
serb. mijeh): mdise 'Heunetz' in Dusetos B.
/ä-Stämme : set 'säen' (lit. sSti) : seja 'Saat' C, S., lit a. s.
sejq in Dusetos B. ; spet (lit S2)äi) ; speja 'Vermögen, Kraft' C,
S. V zu — : dlrst 'cacare': diPsa (von d)rst abgeleitetes Schimpf-
wort) ; lit lieMi 'lecken' : lett laiza 'Leckermaul' ; lett Itst 'krie-
chen* (lit Zfs<»): luöz{n)a 'Herumschleicher'; m)zt 'harnen' (lit
mizti): miza (von ntizt abgeleitetes Schimpfwort); pelnit 'ver-
dienen' (\it pelnyti): pel'na 'Verdienst' in Krons-Würzau (anders-
wo pel'na) ; plest 'ausbreiten' (lit plesti) : Xom. Plur. plesas 'Blase-
balg' ; tiepties 'sich steifen' (lit terhpti) : tiepsa 'Rechthaber' C, S. ;
tuost : tuöm C. (vgl. noch pifst 'crepitum ventris edere' : pirza
'Stänkerer'); russ. volokü 'ich ziehe* (lett velku): volöca 'ein
Herumtreiber' bei Dal' 1^, 581 ; serb. süh ( == lit. saüsas) : cech. souse;
russ. görod, cech. hrad: russ. goröza, cech. hrdze. Zuweilen findet
man daneben abgeleitete Verba auf -dt: luöz(n)a: litöz{n)dt
'kriechen', lit Idndzioti; miza : mizät 'harnen'; tuösa : fuösät C. ;
und diese Verba waren wahrscheinlich denominativ. Da sie aber
auch auf das entsprechende primäre Verbum bezogen werden
konnten, so sind zuweilen wahrscheinlich nach ihrem Vorbild
Verba auf -dt mit akutierter Wurzelsilbe direkt vom primären
Verbum abgeleitet worden : eist 'keuchen' : elsdt 'tief aufatmen'
C. ; dzU 'treiben' (lit ginti) : gaindt 'abwehren' B., S. ; (vgl. lit
'regnen', lit lyt'r. Unat 'fein regnen'); Wt riesti 'rollen': (lett.
riest) : rdicioti 'hin- und herrollen' ; rinkti 'auflesen' : rdnkioti
1) Eine eigene Erklärung der litauischen Fälle des Wandels von
'ZU — vor i bietet Fortunatov im Otcet o dejatel'nosti otdel. russk.
jaz. i. slov. Imp. Akad. N. za 1911 g., S. 811. Doch wird man dazu erst
dann Stellung nehmen können, wenn sein Aufsatz darüber vollständig
erschienen sein wird.
110 J. Endzelin,
"fortgesetzt ein wenig auflesen"; vilkti 'schleppen' (}Qit vMkt):
vdlkioti 'mehrfach umherschleppen* u. a.
ä-Stämrae: lit. cWäiiti 'zum Trocknen hinstellen' (lett.
zaüt):dzioiä 'Darre', g. s. dziövos. % zu— : Mi. jiezti 'aushülsen*
(Juskeviß Wrtb. 395): lett. mza 'Spalte'; hr^kt 'schreien' : 6rfÄ-«
'Geschrei'; käukt 'heulen' (lit. kaükti) : kaüka 'Schreihals'; jplükt
'pflücken' : Nom. Plur. plükas 'Ausgezupftes' ; s/'awÄ:^ : sl'aüka C (s.
RKr. 15 55,98 und 139); änäkt 'zischen' : snäÄra C; snäukt
'schnauben': snaüka C; vilkt : g. pl. valku (in valku dränas 'All-
tagskleider'); bHgt 'endigen' (lit. beigti) : beigas 'Ende'; d\rst:dirsa
'podex'; mäiikt (lit. maükti) : maüka 'Hure'; rükt 'brüllen, brum-
men' : rwÄ-a'ein brummiger Mensch' S. ; sd/^-^rauschen' : Nom. Plur.
Salkas 'Schaudern' C; Uikt 'sagen' : tetka 'Sage', tilj^t 'Raum haben'
(lit. tilpti) : telpa 'Raum' C; cirst 'hauen' (lit. kifsti) : cirta 'Locke*
(vgl. drsties 'sich kräuseln'); üekt {lit lenkti) : (wohl kurisch) lanka
'feuchte Wiese'; vgl. lit. delbti '(die Augen) niederschlagen' : dilba
'Gluper'; rSkti "hrnllQn' : reka 'Schreihals'; slinkti 'schleichen':
slmka 'Schleicher'; lendu, Ifsti 'kriechen' : Idnda 'Loch zum Durch-
kriechen' (Anyk. sziJ". 141 und Wolters Lit. ehrest. 353,24); weiter-
hin kleivas 'schief bein ig' : kWva 'ein schief beiniger Mensch' (Büga
RFV. 66, 222); lett. krdiss 'sinister' : lit. kräsa^) '(körperlicher)
Fehler' (Juskevic Wrtb., unter ydva)', lit. vafnas 'Rabe' (serb.
vrän) : vdrna^) 'Krähe' (lett. värna, serb. vräna). — Neben diesen
ä-Stäramen gibt es (ursprünglich denominative, s. Leskien Ab-
laut 436 ff.) Verba auf -dt mit akutierter Wurzelsilbe: breka :
hrekat *viel schreien'; kaüka : kaükätC (serb. kukati 'wehklagen*);
plükas : plükät 'pflücken' B, C, sl'aüka : sl'aükdt C; snäka : snäkdt
'schnarrend sprechen' C; snaüka : snaükdt 'schnauben' B,C.; g.pl.
valku ivalkdt '(Kleider) tragen'; lit. ^««c?« : lett. luöddt 'kriechen*
B, C. Da nun ein brekdt direkt auf br^kt bezogen werden konnte,
so können darnach solche Verba auf -dt auch direkt vom ent-
sprechenden primären Verbum abgeleitet sein (in manchen Fällen
kann auch das Nomen auf -ä nachher verloren gegangen sein) :
bräukt 'fahren' (lit. braükti) : braükdt 'umher fahren*; ^ht 'keuchen' :
1) Dieses kriisa und kreivümas 'Sünde' (bei DaukSa, Post. 171,22
nach der Neuausgabe) befürworten die von mir BB. 27, 190 vorgeschla-
gene Etymologie des aksl. grirb '(^^ap^ia, 6|idpTriMa*-
2) Der ganze Zusammenhang zeigt, wie mir scheint, daß der Unter-
schied zwischen lit. vaf{nas) und vdr{na) oder vil{kas) und vU{k^) weder
auf Quantitätsunterschiede noch auf Akzentverschiebung zurückzuführen
ist, sondern auf Metatonie beruht.
Weiteres zu den lettischen Intonationen. 111
ekdt ^keuchen' C, S., "W.; kViegt 'schreien': klafgät *viel schreien*
B., C; hmbt oder kmpt 'picken' : hiäbät B. oder knäpdt C. 'wieder-
holt picken'; /^Ä:^ 'springen' (lit. Ukti) : lekdt 'hüpfen'; 1. Sing.
Präs. mieznu (zu mizt) : miezndt 'raingere' B.; räpties 'kriechen* :
räpdties 'herumkriechen' C, S.: säidi 'rufen' (lit. saükti) : saukdi
'oft rufen' B., C, W, (lit. sdukoti B. in Salantai); steigt 'eilen' : staigdt
'wandeln' B., C, S., W.; sukt 'saugen' (lit. sunkti) : sükät 'saugen' C;
sl'ükt 'gleiten machen': sVükdt 'glitschen' B., C: trenkt 'scheuchen':
trenkät 'hin und her jagen' C, S., TT.; zmegt 'wiehern' : zvaigät 'wie-
hern' B. Man beachte, daß es daneben ebensolche Yerba auf
-dt von akutierten Wurzeln gab : duot 'geben' (üt. dtioti) : dävdt
'anbieten' C, S. ; grabt 'greifen' (lit. gröhti) : gräbdt 'greifen' S., C. ;
sprdgt 'bei-sten' {lit sjn-ögti) : spregdt 'pra.sseln'B.,C.,S.,W.; vgl. auch
Formen wie metdt 'wiederholt werfen' (zu mest 'werfen'), nesdt
'hin und her tragen' (zu nest 'tragen'), serb. hjegati 'fKehen',
russ. hegaf 'hin und her laufen' u. a. Die litauischen Yerba
auf -oti mit akutierter "Wurzel unterscheiden sich gewöhnlich
von den lettischen durch ihre Bedeutung und Präsensbildung:
klüpau klujxjti 'in knieender Stellung verharren' zu klaüptis
'niederknien'; lindau (aber auch Vindoju) Itndoti 'wo hinein ge-
krochen sein' zu Itsti 'kriechen'; ghidau (auch glüdoju) gludoti
'still (angeschmiegt) da liegen' zu glaüsti 'anschmiegen' (lett.
gläust) u. a., vgl. v, Kozwadowski IF. 4, 408 ff.
Die Iterativa auf -dt scheinen die Metatonie in den Itera-
tiven auf -U bewirkt zu haben: bräukt : braüctt 'streichen'; lit
daüzti 'stoßen* : lett. daüzit 'heftig schlagen'; lit. geisti 'verlangen' :
lett. gaidU 'warten' B., Wk., Nitau, Xieder- Bartau, Siuxt u. a.
(neben gäidit C, S., N., Blieden, Wenden u. a.); griezt 'kehren*
(lit. grezti) : gruöztt 'hin und her wenden' (darnach in W. u. a.
auch griezt für griezt)\ klaüsit 'gehorchen' B., N. (neben klättsU
C, S., Wk.); lit. liezti 'lecken' : lett. Imztt dass. B., Wk. (neben
läiztt C, S., X.); jilest : plättt 'ausbreiten'; riebt '(Krankheiten) be-
sprechen' : raibtt dass. S. (neben räibit W.); raüdzit 'besehen'
B., S., N., Preekuln (neben räudztt C); 1. Sing. Präs. sk'utu 'meine'
: skaittt 'zählen' Rutzau (neben skäitU C, S., W. u. a.); däukt :
'melken' : slaüctt 'fegen' B., W., N., Wk. (neben släucit C, S. =
lit. slmikyti B. 'wischen', 3. P. slaüko); lit. tiesti 'gerade machen'
: lett. taisU 'machen' B., X. (neben täisU C, S., Wk.) ; tratpit
'beflecken' C. (neben träipit S., Wk., N.); bidit 'schieben' W., Wk.
(neben Indit C, S.). AVo der etymologische Zusammenhang mit
112 J. Endzelin,
dem primären Yerbum noch ganz deutlich empfunden wird
(und auch sonst), bleibt ^ in allen Mundarten: üekt : lüoctt
'biegen'; skriet 'laufen' : skräidU 'viel laufen'; vkrst 'wenden' :
värtit 'wälzen'; läuptt 'rauben' u. a. Im Litauischen und Slavi-
schen gibt es in der Regel bei diesen Verben keinen Intona-
tonswechsel : lit. braukyii (3. P. hraüko\ vartyti (3. P. vafto) u. a.;
serb. büditi (1. Sing. Präs. hüdim\ russ. lupW u. a. Formen wie
braücit scheinen also speziell lettische Neubildungen zu sein;
man beachte auch, daß in der gedehnten Betonung der Formen
auf -ät die Mundarten mehr unter sich übereinstimmen als bei
den Formen auf -tt. Daß diese ehemals wurzelbetont waren
(s. Meillet MSL. 11, 347), zeigt auch das Lettische: bities 'sich
fürchten' : batdit 'schrecken'; gräbt : gräbsttt B., N. 'haschen'
(= lit. gröbstgti; dagegen gräbstU C. nach gräbt); griezt 'schneiden'
: graizit (= lit. gräizyti) 'schnickern' B., Ohscheneeken (dagegen
gratzit C, S., W. nach griezt); mit 'tauschen' : marnit 'wechseln*
(nach Krumberg niatnU im Anschluß an mit); plest 'reißen' :
pliiösit 'zerren' B. (dagegen pluöstt C, S., W. nach plest); smiä
'lachen' : smmdit 'lächeln' C, S. {smaidit B. nach smi^t); spert
'(mit dem Fuß) ausschlagen' : spärdit (= lit. spärdyti) 'wiederholt
ausschlagen' C, "VV. [spafdtt B nach sppff). Ygl. noch gläsfit' strei-
cheln' = lit. glöstyti; värstit 'reihen' = lit. vdrstyti; sildH 'wärmen*
= lit. sMyti u. a.; dagegen z. B. latstit 'öfters gießen' (gegen-
über lit. Idistyti) nach liSt 'gießen'.
Akutierung zirkumflektierter Silben findet man weiterhin
in folgenden Fällen. Erstens in Verben auf -indt : br^kt : bre-
cindt 'zum Schreien veranlassen' ; d)rst : difsenät 'ein Kind ab-
halten' C; käist 'heiß werden' (lit. kmsti) : kmtinät 'ärgern';
käukt : kaucinät 'zum Heulen veranlassen' ; mizt : mizenät 'harnen
lassen' C. ; svHkt 'begrüßen* und (dial.) sv^iks 'gesund' (= lit
svefkas) : svetcindt 'begrüßen' (darnach auch svefks); «U\s<' plärren*
: vfksenät 'zum Plärren veranlassen' C; vUkt : vilcinät 'in die Länge
ziehen* (vgl. damit raüdät 'weinen' : rüdinät 'zum Weinen ver-
anlassen' B. ; anderswo bleibt ^ : sDkt 'ertrinken* : sücinät 'er-
tränken'), üamit lassen sich vergleichen lit. rerkti 'weinen'
ivirkinti 'weinen machen*; sveikti 'gesunden* und si'>etkas 'ge-
sund* : svHkinti 'grüßen* ; 3. Präs. rüp 'liegt am Herzen' : rü-
pinti 'sorgen'; vargti 'Not leiden' : t?cfn//«// 'plagen'; Unksmas
'heiter' (= lett liksms) : Pirücsminti 'erheitern* u. a. bei Bezzen-
berger BB. 21,311.
Weiteres zu den lettischen Intonationen. 113
Auch in einigen intransitiven Yerben auf -et : lett. nesf,
lit. riesfi (lett. l-rümu nest 'sich bestanden' C. und BW. 27906
und 28031): rietet 'rollen; aufgehen (vom Licht gesagt), unter-
gehen (von der Sonne ges.)' S. (neben rietet C); lit. 3. P.
niezti 'juckt' : lett. tiiezet 'jucken'; lit. skesti ^ert^mken : skendeti
'im Ertrinken sein'; datiMi 'stoßen' : rfawi^fi B. 'sich abnutzen';
zem. etzti 'aushülsen' (Juskevic Wrtb. und Büga Aist. Stud. 1 60)
: äizeti 'platzen' (Juskevic Wtb.) oder eizeti B. ; mirti 'sterben'
: merdeti 'im Sterben sein'.
Ferner in Präsensstämmen auf -sta : dz)mt 'geboren werden',
lit. (jimti : dzimstu S. (anderswo dzimstu nach dem Infinitiv), lit.
gimstii Anyk. szü. 318 und Juskevic Wrtb. 704 (hier auch der
Infinitiv mit dem Stoßton nach dem Präsens); 3. P. dziest 'er-
lischt' : Ht. gesa Juskevic Wrtb. 430 (und darnach auch gesta): lit.
rmrstu : mirti 'sterben' = lett. *mifstu : m)rt^ woraus mit Ausglei-
chung mifstu mirt B., S., W.,Wk.. X. und m)r.3^M mirt C. (vgl. noch
mirdet 'hungern lassen' C, S..Wk.. X. und nu-ris 'Pest'). Eine
derartige Ausgleichung scheint auch in den folgenden Fällen statt-
gefunden zu haben : grimstu grimt 'sinken' (neben gremdet 'ver-
senken') S., Wk. gegenüber grimstu grimt C. : lit. grimstu grimsti;
gnlstii{6s) gi(lt{iis) 'sich schlafen legen' S., Wk. (neben guUa 'Bett'.
giddit 'schlafen legen'; mundartlich auch gutta) gegenüber gül-
ties N. : lit. gültig gfhstii gtht 'ohnmächtig werden' B. neben gibstu
gibt C, S., N. vgl. lit. g{v)eibstu g(v)etbti ; kufkstu kurkt 'quarren' B.
neben kürcu kürkt S. = lit. kurkiü kurkti ; iTkstii iTki 'sich ver-
einbaren' B. neben Wistii Pikt 'S. oder ügstu ligt S., Wk. (mit g
nach ligt C. oder ligt B = lit. Iggti); nikstu mkf vergehen'
B.,C., Wk.,N.,S. neben nikstu nikt S. (nach brieflicher Mitteilung):
lit. nykstü nykti; rirnstu rimt 'still werden' (neben rhndet 'stillen')
S., Wk. gegenüber rimstu nw^ C. : lit. rlmstu rimti; sirgstu sirgt
"kränkeln' (neben sSrga 'Seuche') C, S., B. neben sirgstu slrgt Wk.
: lit. sergtc sirgti; skumstu skumt 'traurig werden' S. : skümstu
shumt C. ; skurbstu skufbt 'schwindlig werden' B., S. : skürbstu
skurbt C. ; sltkstu slTkt 'sich neigen' : sllkstu sFiki 'untersinken'
Wk., B., värgstu värgt 'siechen' C. gegenüber värgstu värgt Wk.
:lit. vargstü vargti; vgl. noch lit. -vlrkstu -vlrkti : verkiü vefkti.
In einigen von den genannten Fällen könnte der Akut älter sein,
so z. B. in rimt (neben räms 'zahm'). Die Ratio dieses Wandels
ist unklar; vgl. dazu W. Schulze KZ. 45, 230 und Persson Beitr.
z. indogerm. Wortforsch. 350 ff. — Sollten die lettischen und
Indogermanische Forschungen XXXIII. 8
114t J. Endzelin,
zemaitischen Formen auf -stii älter sein als die hochlitauischen
Formen mit Nasalinfix, so gehören vielleicht hierher noch: lett.
bifstu hift 'rieseln' (neben Hrt 'schütten*, bärsfU Verstreuen* C;
anderswo bert, bärstit nach birt) : lit. bfvü oder blrstu blrti, in
Kvedarna bhstu bifti B. (neben berti barstyti)\ diktu dilt 'sich
abtragen' (neben f/^WJ^ 'abnutzen') S.,W.,\Vk. gegenüber Mstu dilt
C, N. : lit. djlü {delü) oder dllstu dilti oder (nach Juskeviö Wrtb.
569 und 717) zem. dilti', irstii irt 'sich zertrennen' (neben ärdtt
'trennen') S., W., Wk. gegenüber \rstu )rt N. : lit. jrü oder )rstu Irti
(neben ardyti); silstu silt *warm werden' (und weiterhin sildit
'erwärmen') neben Mts 'warm' : lit. sjlk oder mlstu s)lti (und
sildyti) neben siltas\ svilstii svilt 'versengt werden' C.,W.,\Vk. neben
svilstu svtlt N. : lit. svflü ( svelü) oder svUstu sdlti oder (nach Jus-
keviö Wrtb. 558) svilti. Doch ist die genannte Voraussetzung
recht zweifelhaft. Vielleicht hat man Metatonie in den Kausa-
tiven auf -dit{i) und -det{i) von akutierten intransitiven Wurzeln
anzunehmen, wofür das Verhältnis von lett. btties 'sich fürchten*
: lit. baidyti 'scheuchen' (3. P. ftafc?o) spricht; Formen wie dUt
könnten durch das entsprechende Kausativum {dUdet) hervor-
gerufen sein.
Weiterhin sind vereinzelte Fälle zu nennen: ciems 'Dorf'
(lit. kiemas), ciemins 'Gast' : kaimins 'Nachbar' ( : lit. kaimyiias ;
vgl. jedoch käimas in Wolters Lit. ehrest. 490 und Mikkola
AfslPh. 20, 149); lit. dvSsti 'hauchen': lett. dvesele 'Seele'; 2)ema
'Winter' (lit. a. s. ziemq) : ziemelis 'Norden' C, S. oder ziemelis AV. ;
sükt : sUkalas 'Molken* C. ; räibs 'bunt' (lit ratbas), z\me 'Zeichen'
(lit. a. s. zyme\ zväigzne 'Stern' (lit. a. s. zvatgzde) : raTbalUy
zimala^ zvatgala (Kuhnamen); mizt : mizene eine Ameisenart;
däukt : slaücene 'Milcheimer* ; mäktiSs 'sich bewölken* : mäkmnis
'Wolke' : valsts 'Gebiet, Reich' (r. völost') : valstiba 'Reich' ; siet :
samttis 'Bündel' C; ükt 'sich biegen' : /rA;snrt C. (s. Leskien
BUd. d. Nom. 369) ; vHkt 'ausrichten' (lit. vetkti) : veikLs "ge-
wandt* C, S., W. ; serb. lijep^ lett. läipns S. (s. Bezzenberger KSB. 8,
367) : laipm 'freundlich' C, W.
Endlich im ersten Teil zusammengesetzter Wörter. So
außer pr)ek§ 'vor' : prieksaüts 'Schürze* namentlich in vielen
(nicht allen) nominalen Zusammensetzungen mit Je-, «Äo, />)«,
z. B. ietuiids 'Haß', nuödal'a 'Abteilung', piedafbs 'Dresch-
tenne*; weitere Beispiele BB. 25, 271, bei P. Schmidt 1. c. 18
bis 19, 31, 33 und Cirulis 1. c. 56—57, 76, 87, 89. Vgl. lit.
Weiteres zu den lettischen Intonationen. 115
t: i'^«rfa*Schlupfwinkeru. a.; nuö : nüohrauJcos 'Abgeschabtes' u. a.;
prie : prtekelis 'Xebenweg' u, a. War das Kompositum oxytoniert,
so stellt sich a ein: nu6st{i() 'weg' neben nuöst (z. B. in Sar-
naten und Kabillen), vgl. lit nuogi; suomazgas 'Spülwasser' C,
vgl. lit. sqslavos 'Kehricht', Gen. sqslavft. In Verbindungen mit
Verben dagegen (und in davon abgeleiteten Xomina agentis
und actionis) behalten le-^ nüo^ pte ihre Intonation, z. B. wsist,
nüosist, p)esist, neben pärsist (vgl. lit. dia}. pärplaukti u. a.). Nur in
sehr wenigen Mundarten habe ich auch hier ^ für ^ gehört: 1. Sing.
Präs. piemineju in Frauenburg; 1. Plur. Fat. nuöskriesim, 1. Plur.
Prät. piescelem, Part. Prät. iekritis in Nieder-Bartau ; piehraukt^
nuökrist, ieiet in Mißhof. Daß ie-, ntio, pie ursprünglich zirkum-
flektiert waren, zeigt erstens der Gegensatz zwischen )g-, «wo-,
pie- und pär- in verbalen Verbindungen, und zweitens — die
Präpositionen nüo^ p)e (vgl. auch lit. priedai und serb. prid)
- aus ' in Endsilben ist zwar im Litauischen Regel (s. meine
Slav.-balt. etjudy 144 f.), nicht aber im Lettischen (vgl. z. B
den Gegensatz zwischen Nom. Sing, tä 'die' und gen. s. iä 'des')
wo dieser Regel nur Verbindungen kurzer Vokale mit r unter-
liegen, vgl. par neben pär- aus *paf- (= üt dial. pdr- aus *paf-)
Wenn kur 'wo' (lit. kuf). sür, tür schon ursprünglich zirkum-
flektiert waren, so gehören hierher auch kiiTp^ 'wohin', sufp^u)
'her', turp 'dahin', vgl. lit. namie : namiepi in Wolters Lit
ehrest. 391,36 und bei Büga Aist. Stud. 1 43. Endlich ist zu
nennen crie{v)s 'Gott* (lit dievas) : diezgan 'genug' (aus älterem
dievs-in-gan oder dievs-un-gan BW. 23 var., 15354), vgl. lit
Dubös giriä : Dubosgij-e, oder Gen. Plur. gahü : galiügaU bei Büga
1. c, und dän. haö (geschr. hav) 'Meer' : haöhokt (geschr. havbugt)
'Meerbusen' bei Pedersen KZ. 38,298.
X für ~ findet man im Vokativ und vereinzelt auch im
Imperativ, namentlich wenn in bittendem Ton gesprochen wird
(vgl. Cirulis 1. c. 55): te{v)s 'Vater' (lit tems): Vok. Sing. te{v)'^
mäte 'Mutter' (lit möti): Vok. Sing, mät; hrälis 'Bruder' (lit
brölis): Vok. Sing, brälr^ Jänis: Vok. Sing. Jäni; tu näc 'du
kommst' : tiäc 'komm !' Vgl. dazu gr. Zeuc : Zeö.
4. Die Intonationen in Lehnwörtern
aus dem Russischen.
Man findet in solchen Wörtern den Dehnton und den fal-
lenden Ton. Der Dehnton ist mir aus folgenden Beispielen bekannt :
8*
116 J. Endzelin,
cßava oder älavtca C, *gelte Kuh' aus russ. jälovica.
grämata *Buch' aus russ. grämota.
päsma oder 2>äi^ms 'Fitze Garn' aus russ. päsmo; serh. päsmo,
öech. päsmo.
Pävils Taul' aus ar. *Pävbh^ woraus Pavel.
Nom. Plur. prävas B. 'Prozeß' aus russ. prävo ; serb. prävo
*recte', 6ech. prävo 'Recht'.
stärasta 'Aufseher' aus russ. stärosta ; vgl. serb. sfär, öech.
stär *alt', lit. störas 'dick'.
träpit 'treffen' aus weißruss. träpiö.
väpH 'glasieren' aus russ. väpif.
zel 'leid' und äelabas 'Klagen' aus russ. zaV (resp. aus dessen
Vorstufe *zeh\ zäloba; vgl. serb. iäo.
kalpts 'Knecht' aus urruss. *cholpb^ woraus cholöp; vgl.
serb. Map.
kiirts 'Windhund' aus urruss. *chifh>, woraus (veraltet) chort;
serb, hrt, bulg. hd'rtbt.
tulks 'Dolmetscher' aus urruss. *ftj/ib, woraus tolk.
k'iselis ein Gericht aus russ. kisöl' ; vgl. serb. khnuti, russ.
kisnuf.
zids 'Jude' aus russ. zid (Gen. Sing. Mdä); serb. äid.
hVuöda 'Schlüssel' aus russ. bl'üdo; serb. bijüdo.
duöma 'Gedanke' und duömdt 'denken' aus russ. düma,
dümaf] vgl. serb. 1. Sing. Präs. dümäm.
kuökalis B. 'Kornrade' oder Nom. Plur. kuökal't C. (zum
a in kmkal'i und e in k'tselis s. meine Slav.-balf. etjudy 100*)
aus russ. kükol'; abweichend serb. knkolj.
luoks 'Lauch' aus russ. luk\ serb. lük., bulg. lükbt.
muöka 'Qual', muöcit 'quälen' aus russ. miika, mücit'\ serb.
müka müciti.
puöstaäa 'ein wüster Ort' aus russ. püstos; serb. püst zeigt,
daß die Wurzel zirkumflektiert war, doch kann in der Ab-
leitung ursl. *pustoSi Metatonie eingetreten sein.
suöma 'Ranzen' oder (nach Krumberg) sitdma (aus *siiomä
mit akutierter Wurzelsilbe) aus russ. sumä.
büda 'Hütte' aus russ. biida; öech. bouda.
düda 'Flöte' aus russ. dudä (vielleicht nicht direkt, sondern
aus lit. düdä); serb. dnda^ düdafi, kleinruß. di'ida, coch. dudtj.
küms oder küma 'Gevatter' aus russ. kum, kumä; serb. küm,
bulg. kurm't. — Ifca *Linso' aus aruss. Ijaöa; bulg. USta.
Weiteres zu den lettischen Intonationen. 117
puka 'Flaumfeder' aus tw&s. puch.
strüga 'Struse' aus russ. strug.
truba 'Röhre' aus russ. triibd (oder vielleicht aus lit. frübä,
a. s. trübq) ; serb. trüba.
mutta 'Zoll' aus russ. myto ; cech. mijto.
kuTlis 'Eber' aus urruss. *kt/h zu *kih, woraus hochlett
kiejls (Zbiör wiadomosci 18, 436) aus *k~üis; vgl. russ. kil'äk
'unverschnittener Eber'.
Den fallenden Ton findet man in:
gänU 'beschmutzen, schmähen' aus wruss. *ganiti zu hdnic,
dessen Anfangsbetonung vielleicht durch p. ganic hervorgerufen
ist; vgl. klruss. hanijty.
käpuosti oder käpuösti C 'Kohl' aus russ. kapüsta.
kräsa 'Farbe' aus russ. krasä; vgl. serb. kräsa oder kräs
und krdsiti krdsim. — metelis 'Mantel' aus aruss. mjatel».
pataga 'Peitsche' aus russ. batög.
pavs (oder pävs B) 'Pfau' aus russ. pav, das russ. Fem. pdva
könnte sich zu pars verhalten wie z. B. russ. voröna zu vöron,
doch vgl. lit. povas^ das gleich pävs B auf den Akut deutet.
sträddt 'arbeiten' aus russ. straddf] serb. strddati strddäm.
tvdraks 'dicke Milch' aus russ. tvarög.
zäbaks 'Stiefel' aus aruss. zapog^ oäerjabogi (s. Sobolevskij
EFY. 65, 414); jetzt sapög.
greda C 'zusammengestapelter Haufe' aus russ. grjadä;
serb. grida, Akk. Sing, gredu^ cech. Jirada.
svets 'heilig', svetit 'heiügen' aus russ. svjat, svjatif ; serb.
svSt^ svetiti svetim, lit. sventas.
beda 'Sorge, Leid' aus russ. bedä; serb. hijeda^ Yok. Sing.
bijedo, cech. beda 'weh'.
greks 'Sünde' aus russ. grech ; serb. grijeh, bulg. greh^'t.
vests 'Nachricht' aus russ. vesf; cech. vesf.
krtevs 'Russe', vgl. aruss. krivici.
pirägs 'Kuchen' aus russ. pirög,
üoms C 'Verstand' aus russ. um ; serb. iJw, bulg. umit^ cech. um.
riiobeza 'Grenze' aus russ. rubez, vgl. serb. rübiti rvinm.
suods 'Strafe', süodtt 'strafen', süogis 'Richter' aus russ. sud,
sudft', sud'jd; serb. süd, siiditi, siida, bulg. stdit.
süolit 'bieten' aus russ. sulit'.
Unerwähnt blieben Formen, deren Entlehnung mir nicht
sicher scheint : sDede 'Geleise' : russ. sied, serb. slijed ; tels 'Gestalt'
118 J. Endzelin,
: russ, telo , serb, tijelo , öech. telo ; släbs 'seh wacli' : russ. slab,
serb. släb^ öech. sJdb ; düsa 'Mut, Gemüt' : russ. dusd 'Seele*, serb.
düsa, Akk. Sing, düsu, cech. duse.
Wenn man die obige Liste durchmustert, so ist, wie mir
scheint, eine gewisse Gesetzmäßigkeit in der Verteilung der
beiden Intonationen unverkennbar. In einigen Fällen ist die
slavische Intonation mir unbekannt, aber die übrigen Beispiele
deuten darauf hin, daß der slavische steigende Ton durch den
lettischen Dehnton wiedergegeben wird (pästna^ prävas^ stärasta,
zel, kalpSj hurts^ k'iselis, zids^ hl'uöda^ diiömät, duöma, luöks, muöka,
muödt, büda), und der slavische fallende Ton durch dieselbe
lettische Intonation (kräsa, strädät^ greda^ svets^ beda, greks^ vhts,
üoms, rüobeza, siiods). Die vereinzelten Ausnahmen {küms und
dü§a, wenn es entlehnt ist) können dagegen schwerlich auf-
kommen, sondern bedürfen einer besonderen Erklärung. Oben
sind auch dreisilbige Formen wie äluva, grämata^ stärasta ange-
führt, obgleich mir bekannt ist, daß einige Forscher (auf Grund
z. B. von 6. jahoda : serb. jägoda) hier schon eine urslavische
Kürzung der ersten Silbe annehmen. Dieser Annahme wider-
sprechen aber die baltischen (und finnisch-ugrischen) Lehnwörter
aus dem Siavischen, da z. B. die Länge im lett. äJava (wenn es
wirklich ein Lehnwort ist) nur aus einer altrussischen (resp.
urslavischen) Länge erklärt werden kann. Ein älava könnte
schließlich vor der vermeintlichen urslavischen Kürzung ent-
lehnt sein, aber grämata und Pävils können aus historischen
Gründen nur aus altrussischen Formen (mit langem ä in der
ersten Silbe) abgeleitet werden. Man könnte nun einwenden,
daß das Slavische erst nach der Kürzung von Formen wie
jagoda die Wörter *grdmota und *Fäohh aufgenommen hat. Mög-
lich wäre das vielleicht (vgl, allerdings ö. hramota^ serb. Pävao),
aber denkbar ist es auch, daß die angenommene Kürzung nur
in den west- und südslavischen Dialekten stattfand, nicht aber
im Russischen; vgl. auch Breznik AfslPh. 32, 406.
Chafkov. J. Endzelin.
Miszellen. 119
Miszellen.
1. Zur Betonung der litauischen Yerbalsubstantiva
auf -imas.
Wie gleich gezeigt werden soll, deuten noch einige Formen
darauf hin, daß ui-sprünglich in den Xomina actionis auf -imas
das -i- betont wurde, wenn das Yerbum (wenigstens teilweise)
Endbetonung hatte, dagegen die Wurzelsilbe, wenn das Verbuni
Anfangsbetonung hatte, ^^achdem aber bei den Verben mit
gestoßener Wurzelsilbe Anfangsbetonung durchgeführt war^),
mußten in der Betonung der Nomina auf -imas Schwankungen
eintreten, zumal einige von ihnen nur selten gebraucht wurden.
Kurschat sagt Gramm. § 549, daß "sie im allgemeinen weniger
vom Volke als von den litauisch redenden und schreibenden
Mchtlitauem herrühren", und konstatiert, daß in ihrer Beto-
nung 'Unsicherheit* herrsche. Wenn er darauf Regeln gibt, die
"im ganzen als maßgebend anzusehen sein dürften", so ist aus
seiner Ausdrucksweise wohl zu schließen, daß seine Regeln
zum Teil auf Schematisierung beruhen. Bei geschleifter oder
kurzer Wurzelsilbe ist in Bildungen von primären Verben immer
das -«- betont, z. B. verkti : verkimas^ müsti : musimas. Bei den
§ 1225 gegebenen Verben mit gestoßener Wurzel behält nach
Kurschats Angabe § 552 die Wurzel den Akzent auch beim
Nomen auf -imas^ "wenn ihr Vokal im Aoriststamm o ist, z. B.
in grötcimas^ von gräuti^ Aor. gröiciau, andernfalls neigt sich
der Ton entschieden nach der Pänultima". Dieser Formulierung
widersprechen in seinem litauisch-deutschen Wörterbuch Formen
wie glohimas^'' joßmas, kloßmas, {is)mok)mas, sok)mas^ sproghnas
drozimas^ nokimas einerseits und dHüvimas^ ließmas, sSßmas,
spSßmas^ atäusimas (neben aus)nias) andererseits. Nur die Formen
auf -ov- vor -imas haben im Wörterbuch stets den Akzent auf
der Wui-zel: hliövimas^ dziövimas, rövimas, krövimas^ piövimas,
spiöcimas, söinmas^ {pa)U6vimas^ was wohl auf Verallgemeinerung
beruht, vgl. lett. bVaüt^ zaüt., raüt neben kraut, pTarä, spfaiä,
Baut, l'aUt. Die § 1229 angeführten Verba mit gestoßener Wurzel
im Präteritum haben nach § 553 neben sich ein -imas mit
1) Litauische Formen wie 1. Sing. Präs. dugu, 2. Sing. Präs. dugi
sind, vgl. lett. aüffu, aüdz{t) und das lit. Partizipium augäs gegenüber
trükgtqs (zu trükstu = lett. trükatu), phonetisch aus *augü, *augl ent-
standen, wie z. B. i. Sing. hMu aus *hotü.
120 J. Endzelin,
Wurzelbetonung, und dazu stimmen die Angaben im Wörter-
buch (so z. B. burimas^ dejimas, gSUmas^ stümimas^ gi/ninioi^ u. a.)
bis auf vereinzelte Ausnahmen wie v^m)mas, s^mnnas. Die ur-
sprünglichen Verhältnisse schimmern noch durch im 2emaiti-
schen. Hier spricht man (nach Juskevic Wörterbuch 712):
girlms 'Getränk' (vgl. lett. dzert) neben gerims Mas Trinken*,
jjlestms 'Neubruch' (vgl. lett. plest) neben pUsims 'das Reißen',
audlms *Gewebe' (vgl. lett. aust) neben diidims Mas Weben',
kloßnis Mas zum Dreschen hingebreitete Getreide' (vgl. lett. kiät)
neben klojims Mas Hinbreiten', skynims 'gereinigter Platz (im
Walde)' und 'Reinigung' (vgl. lett. sk'tt). Die Intonationen der
entsprechenden lettischen Verba zeigen, daß die Betonung von
gerims^ plesims, audms^ kloßnis, skynims die ursprüngliche ist,
wozu auch die konkrete Bedeutung dieser Formen stimmt.
2. Über lit.-lett. ui, Kürzung der Langdiphthonge und
den Akk. und Instr. Plur. der o-Stämme.
Nachdem schon Brückner (Lituslav. Stud. I 42 Anm.) und
Bezzenberger (Jagic-Pestschrift 279) Beispiele für lit. -id- ge-
boten hatten, gibt jetzt K. Büga RPV. 66, 218 ff. eine sehr
reichhaltige Liste der baltischen Wörter mit -w/-, die aber dennoch
— wenigstens fürs Lettische — nicht ganz vollständig ist, und
eine befriedigende Erklärung einiger von solchen Pormen. Einige
andere Pälle will ich hier zu deuten versuchen. Lit. pieniiitas
'mit Milch beschmiert', spuogüitas 'finnig' und miegüistas 'ver-
schlafen' in Dusetos und üspaliai scheinen -ui- aus -uoi- zu
haben, indem sie durch Kontamination der synonymen pienüotas
spuogüotas, miegüostas und *pieniiojas, *spuoguojas, *miegnojas
entstanden sein können. Zu den vorausgesetzten Formen auf
-uojas vgl. lett. mleguojs 'verschlafen' in Bersohn, mfdiiojs 'von
Honig triefend' BW. 1465, dümuojs 'mit Rauch gefüllt' BW.
2986,1 var., miltnojs 'mehlig* BB. 12, 232, suluojs 'saftig' ibidem
u. a. und lit. Kalnuojai B, Ortsname in Preußisch-Litauen. —
Solche Pormen mit -ui- für m, ü oder wo, die nur auf alt-
kurischem Territorium oder in dessen Nachbai*schaft vorkommen,
könnten aus dem Altkurischen entlehnt sein, das i-Epenthese
gekannt zu haben scheint, vgl. oben S. 102; so z. B. Vit. puikijs
'Kaulbars' neben pükys und jmokp-, rüinis 'Seehund* neben
lett. ruonis, die, wie mir Herr K. Btiga schreibt, nur im nord-
westlichen Litauen vorkommen.
Miszellen. 121
Nun aber steht -ui- nicht selten auch neben -a«-, -«-, -i-.
Aus dem Verzeichnis K. Bügas 1. c. entnehme ich : lit. gruinys
'Kahlkopf : grynas 'kahl' ; lett. guibt (vielleicht aus *guiiibü) 'ohn-
mächtig werden*: lit gvaihti 'ohnmächtig werden* und gethti
'krepieren'; lit. klmk{s)is 'Dummkopf, kluTkti 'dumm werden':
klaiksis 'Xarr'; lett. khuni 'knimme Beine' : kleinis 'ein krumm-
beiniger Mensch', lit. iskleiniöti '(mit krummen Beinen) heraus-
kommen', kleivas 'schiefbeinig', kJeipti 'schief treten (Schuhe)';
lit. küika 'Schindmähre' : apr. paustocaican 'wildes Pferd'; lit
luitas 'Kitt' : laitas 'Lehm zum Zuschmieren von Ritzen'; lit
muitä 'Aas' : maita dass. ; üt. pidkenä 'Brecheisen' : peikenä dass.;
lit puTsos 'Ruß' : prusos oder piesos dass.; Ut. niinas 'bunt' :
rainas dass.; lit rüisis 'Hinkebein' : räisas 'lahm', aprysti 'lahm
werden'; lett smuidrs 'schlank' : smidrs dass.; lit tutkti 'dumm
werden' (wohl aus *tuuikti) : tvaikas 'Dunst'. Dieses ui kann
nun nicht weiter als 'dunkel' ignoriert werden, sondern muß
seinen Platz in der baltischen Lautlehre einnehmen.
Mir scheint es nun, daß in den zuletzt angeführten Fällen
das ui (wie in der Endung des Dat. Sing, der o-Stämme) über
uoi auf ursprachliches öi zurückgeht Man wird einwenden, daß
dieser Annahme der Instr. Plur. auf -ais (: griech. -oic, ai. -äis)
widerspricht Das kann ich aber nicht zugeben. Bekanntlich hat
schon J. Schmidt KZ. 38, 3 ff. gemeint, daß die griechischen Formen
auf -Die aus den Lokativen auf -oici entstanden sind, und für
den Instr. Plur. der o-Stämme die Endung -äis angenommen. Zu-
gegeben wird auch, daß die oskischen Formen des Dat.-Abl.
Plur. der o-Stämme ursprüngliche Lokative sein können. Und
selbst wenn die griechischen Formen auf -oic doch ursprüng-
liche Instrumentale sein sollten, bewiesen sie noch keineswegs
ein ursprachliches -öis: ein Instr. Plur. *0eaTc (von 0eöc) konnte
eher auf den Xom. Plur. Geai als auf Geoi bezogen und daher
durch eine Neubildung 0eoTc ersetzt werden.
Daß aber das lit -ais aus -äis (und nicht aus -öis) ent-
standen ist dafür spricht die Endung -us des Akk. Plur. der
o-Stämme. In der Gegend zwischen Telsz und Memel (vgl.
Bezzenberger BB. 8, 104 ff.) wird das hochlitauische u unter
bestimmten Bedingungen zu einem weniger geschlossenen Laut,
der von Bezzenberger 1. c. mit a, von Dowkont im Büdas S6no-
wi§s (in den Mitteil. d. lit liter. Ges. 2, 171 ff.) mit d, dagegen
in der Neposübersetzung (in Wolters Lit ehrest. 180ff) mit ü
122 J. Endzelin,
bezeichnet wird. In den Endsilben, auf die allein es mir hier
ankommt, erscheint bei Dowkont der offenere Laut für solches w,
das auf altes ?<, hinter dem kein Nasal steht oder stand, oder
auf akutiertes mo zurückgeht; vgl. z. B. folgende Formen aus
der Neposübersetzung : Instr. Sing, senumii 181,29, metü 182, u,
spiekü 187, i; Nom. Du. toudü karwediü 185,4; Gerund. Prät.
aprejszküs 182,8, atejüs 185,29 u. a. Und auch sü 181, le; 182,9;
184,12; 187,16 (das also nicht auf *sun resp. *sum^ sondern auf
*su oder *sö zurückgeht; in meinen Slav.-balt. etjudy 45 habe
ich gezeigt, wie lit. sü aus urspraclilichem *sO entstehen konnte,
das mit *so in lett. sa- ablautet, während ein ursprachl. *su
*mit' ganz isoliert wäre), und tu *du' 182 Anm. aus altem *tü.
Sonst finden wir das m; vgl. z. B. die Kondizionalformen pasi-
doutum 183,17, nudraustum 186,43, und die Akk. Plur. der o-
Stämme wirus 181,39, krasztas 182,3, kurius 182,4, giwentoius
182,11, sargus 184,9, faukus 185, 21, karejwius 185,34, sparnus
186,4, feiwus 186,15 u. a. Daß diese Regel wirklich zutreffend
ist, gedenkt Herr Büga nächstens noch ausführlicher in einem
Aufsatz über den zemaitischen Auslaut nachzuweisen.
Ich kann nun daraus nur den Schluß ziehen, daß dieses
-US im Akk. Plur. der o-Stämme bei Dowkont nicht aus -mos
(aus ursprachl. *-Ös), sondern aus *-üs aus *-tins^) aus *-üons
aus ursprachl. *-öns entstanden ist. Weiter ist es jetzt klar, daß
die zemaitischen Formen des Akk. Plur. der bestimmten Ad-
jektiva oder Partizipia (wie z. B. atskaitytunsius . . . phiingus in
Geitlers Lit. Stud. 21) und Lokativformen wie darbunse (in
Schleichers Gramm. 176) oder Prüsunsi (in Kurschats Gramm.
§ 534) altes n bewahrt haben. Nun hat man auf Grund der
verwandten Spraciien auch schon früher das lii-lett. -ms im
Akk. Plur. der o-Stämme zunächst aus einem *-tiom her geleitet.
Einige Forscher führen jedoch dieses *-iions auf ursprachliches
*-ons zurück; weshalb ich das nicht billigen kann, habe ich in
meinen Slav.-balt. etjudy 167 f. auseinandergesetzt. Sollte wirk-
lich schon ursprachlich aus *-0n8 ein *-ös entstanden sein (s. Streit-
berg IF. 3, 150), so kann dieses *-ös unter dem Einfluß von
•ins, -Mns noch ursprachlich wiederum zu *-öns geworden sein.
Und aus diesem *-öns konnte das lit.-lett. *-uons entstehen,
1) Ein '^em. Akk. Plur. rilk-um' kommt (seit J. Schmidt KSB. 4, 268)
nur in der sprachwissenschaftlichen Literatur, nicht aber in der litauischen
Sprache vor.
Miszellen. 123
woraus zem. *-üns zu -üs (im zem, wird n vor s länger bewahrt),
hochlit und lett. *-iips zu *-üos zu -ms: man hat eben keinen
Grund zur Annahme, daß die Kürzung der Längen vor tauto-
syllabischen n, m, r, /, i u schon vor der Entstehung des uo
aus ö stattgefunden hätte. ^) Langdiphthonge sind ja im Bal-
tischen nachher wiederum entstanden, und daß die altererbten
Langdiphthonge im Baltischen recht lange bewahrt wurden, zeigt
das finnische Lehnwort kuontah^ das nach Thomsen aus dem
Baltischen entlehnt ist, und dessen kiionf- nur aus einem ur-
balt. *känd- (woraus lett. Jcuod- in kuodel'a oder kuodal'a Tlachs-
Tocke*) entstanden sein kann.
Wenn also z. B. in lit rüisis 'Hinkebein' das -ui- auf ur-
sprachl. -öi- zurückzugehen scheint, so fragt es sich, woraus
das -ai- in rdisas 'lahm' entstanden ist Sonst kann ja lit ai auf
ursprachl. oi oder äi zurückgehen; da nun aber z. B. neben
senas 'alt' ein senis (und nicht *senis) 'der Alte' steht, so müssen
doch wohl auch ui in riiisis und ai in rdisas auf dasselbe öi
zurückgehen. Ich nehme deshalb an, daß im Urbaltischen die
Langdiphthonge in unbetonter Stellung früher ihre Länge kürzten,
worauf natürlich allerlei Analogiebildungen eintreten mußten,
welche die ursprüngliche Verteilung von ui und ai verwischten.
Danach könnte auch ursprachl. öw, wenn ein solches im
Urbaltischen noch erhalten und nicht schon früher zu ö ge-
worden war, eine doppelte Yertretung haben: au aus *ou (ur-
sprünglich in unbetonter Stellung entstanden) und *uou, woraus
wohl uo entstand (vgl. lett. giws 'Kuh' aus guovs). So könnte
am Ende Geitler (Lit Stud. 66 und 92) Recht haben, wenn er
ursl. kustb 'Gesträuch' mit dem gleichbedeutenden zem. koukstas
vergleicht (das ist hochlit kuokstas, das bei Kurschat falsch kökstas
geschrieben wird). Vgl. noch lit duobi 'Vertiefung, Grube' neben
dauhä 'Schlucht' ; lett. kuöpa 'Haufe' neben russ. ki'ipa dass. ; lit
luobas 'Baumrinde' neben urslav. *lubb u. a.
3. Die litauischen Dualformen auf -e.
Seit Bezzenberger (Beitr. z. Gesch. d. lit Spr. 161) hat man
schon mehrfach auf litauische Partizipialformen des Nora. Du. M.
Gen. auf -e hingewiesen, s. zuletzt Hujer Slovanskä deklin.
1) Man hat allerdings lit. vdrna aus einem *ffÖrnä hergeleitet;
s. aber oben S. 110. Man hat auch z. B. kein *äe'Ska oder *äeäke neben
lit. ieSkas !
124 J. Endzelin,
jmennä 85. Man findet sie nicht nur in Willents *Euangelias
bei Epistolas' v, J. 1579 (ateiusse S. 196), sondern auch jetzt
noch in einigen preußisch-litauischen Mundarten ('um Pilkallen
und Ragnit häufig' und zwar als *Nora. Akk. Du. M.' nach
Schleicher Gramm. § 96, in Knrschen und Kakschen, Schleicher
Leseb. 138 und 215, und in Galbrasten, in Jurkschats Lit.
Märchen u. Erzähl. 14, 24, 73). Nicht alle Forscher jedoch
scheinen sie für alt zu halten; so werden sie von Brugmann
in der zweiten Auflage seines Grundrisses gar nicht erwähnt.
Ich sehe aber keine Möglichkeit, sie als litauische Neubildungen
zu betrachten. Am ehesten könnte man noch auf die Vermu-
tung geraten, daß z. B. ein duguse durch Kontamination des
Nom. Du. dugusiu und Nom. Plur. dug^ entstanden und also
eigentlich dugus^ zu schreiben wäre (vgl. z. B. sziÄdu em§ üztepe
in Schleichers Leseb. 142 neben sziüdu . . .iejuse uzmirszo ibid.
138). Aber nach Schleichers Gramm. § 6 ist das -e in der En-
dung des Nom. Plur. M. Gen. der Partizipia 'stets lang' (und so
allem Anschein nach auch in Galbrasten, s. Jurkschat 1. c. 6),
während das Dual-e offenbar kurz ist. Außerdem widersprechen
jener Vermutung Formen wie tiegälince und türince und die
Angabe Schleichers, daß die Formen auf -e als 'Nom. Akk. Du.*
vorkommen. Andrerseits gibt es auch kaum ernstliche Gründe,
ihre Altertümlichkeit anzuzweifeln. Daß die substantivischen n-
und r- Stämme diese Endung eingebüßt haben, ist nicht auf-
fallend, da sie starkem Einfluß der vokalisch auslautenden Stämme
ausgesetzt waren; außer den Partizipien gibt es aber keine
andern konsonantischen Stämme, bei denen man dieses -e suchen
könnte. Phonetisch aber ist die Erhaltung des -e regelrecht. Bei
Jurkschat (s. 1. c. S. 49) finden wir neben den Dualformen auf
-e Vokative wie nosele zum Nom, Sing, noseli aus noseU (eben-
so Vok. Sing. vuoSvele zum Nom. Sing, vuoävele in Wolters Lit.
ehrest. 402 und Vok, Sing, mergefa mit -ia aus -te zum Nom.
Sing, mergele in Trakieäiu dzuku dainos 5 u, a. ; anderswo fällt
das -e hier ab, s. Schleicher Gramm. § 84 und Wiedemann Handb.
d, lit, Spr, § 83, Vgl. dazu lett. Vok. Sing, mät zu mäte 'Mutter').
4. Litauische Verbalformen der 3. P. Plur, Präs.
In der wertvollen Rygiskiu Jono Lietuvju kalbos sintakse 1
25 und 37 werden folgende Phrasen angeführt: nera kas pjau-
Miszellen. 125
n^ (möglich ist daneben auch: pjauna) "man hat nichts (kein
Gras z. B.) zum Mähen" ; nera kas dara (daneben auch : daro)
"man hat nichts zu tun (keine Arbeit)"; nera kas ras^ (auch:
raso) "man hat nichts zu schreiben"; ner kas valg^ (auch: valgo)
"man hat nichts zu essen"; nebijok, bus ir kas valgJi (auch:
valgo) "fürchte nicht, man wird auch etwas zum Essen haben" ;
nebeturim kas valgq "wir haben nichts mehr zum Essen";
jis zinos kas dara "er wird wissen, was zu machen ist". Li-
tauer, die ich darüber befragt habe, halten diese Formen auf
-q für Partizipien. Aber in diesem Falle wäre mir die Kon-
struktion ganz unbegreiflich, und deshalb ziehe ich es vor, in
pjaunq dar^ usw. die alten Formen der 3. P. Plur. Präs. zu
sehen, die in diesen erstarrten Phrasen bewahrt sein können.
Das kas hat hier das alte Neutrum *ka ersetzt, das hier Akku-
sativbedeutung hatte; ähnlich steht kas für k^ (früher *k-a) in
Phrasen wie nera kas valgo (dem Sinne nach = nera kas valg^).
Ein nera kas ras^ wäre also lateinisch: non est quod scribant
(scribatur). — Leider ist die Betonung nicht angegeben; aber
selbst wenn z. B. *rasä zu schreiben wäre, brauchte man des-
halb noch nicht diese Formen auf -q für Partizipien zu halten,
da sie in der Betonung von den gleichlautenden Partizipien
beeinflußt sein können.
5. Lit tie^ lett. tie, apr. stai.
In meinen Slav.-balt. etjudv 142 hatte ich im Anschluß
an Brugmann Grundr. II* 2, 367 angenommen, daß das -ei in
apr. tennei (sowie auch in lit. tie und lett. tie) aus dem Pro-
nomen *ei (woher air. e 'sie') herstammt. Jetzt hat aber Solmsen
KZ. 44, 179 mit Recht bemerkt, daß dieses sehr zweifelhaft ist.
Dafür scheinen jedoch lit. sie (zu sis) und jie (zu jis) altes -ei
zu enthalten (vgl. dazu Hujer Sbornik filolog. 2, 196 f.); diese
Formen können also das urbaltische *tei (für *tat aus *toi) her-
vorgerufen haben. Daß es ehemals auch ein apr. *stei gegeben
hat, zeigen die casus obliqui: steison, steimans. Dieses *stei ist
wahrscheinlich, da es als Artikel gebraucht wurde, unter dem
Einfluß des nominalen Nom. Plur, auf -ai zu stai geworden.
Zu meinen Slav.-balt. etjudv 138 ff. sei hier nachgetragen,
daß lit. tat *das' wahrscheinlich, wie das Maskulinum iasat (aus
tas-at) zeigt, durch Kontraktion aus *ta(d)-ai' entstanden ist
Wie es kein *kasat *wer' gibt, so gibt es auch kein *km Vas*.
126 J. Endzelin,
6. Etymologisches.
Lett. zaut (wäre lit. *ziauii) 'Wasser in großer Menge
gießen' BB. 14, 132 : griech. xeiw, ai. juhöti u. a.
Lett. väluödze 'Pfingstvogel' oder *väJüdze = hochlett.
völeudze BW. 2686, 1, lit. rolungS (Anyk. szil. 158 wird in der
schriftsprachlichen Redaktion — vielleicht falsch — wofange
geschrieben): vielleicht zu aw. vära{n)gan-^ Name eines Vogels.
Lett. buzga * Knüttel' (RKr. 15, 109): serb. bazag (Gen.
Sing. hazga\ slov. hdzga 'Holunder' (vgl. z. B. lit. lazdä 'Hasel-
nußstrauch; Stock').
Lit. Nom. du. ulbeli und ulbinu Ozkabaliu dainos I 32
und Nom. Sing. uJ'be (Trakieciu dzuku dainos 44), Vogelnamen,
vielleicht zu p. lab^di 'Schwan' u. a.; zum Ablaut s. meine
Slav.-balt. etjudj 18 ff.
Lett. rärsmis (a. s. värstnu) 'Haufe (Schicht) ausgedroschenen
(noch nicht gereinigten) Getreides' (so z. B. in Wolmar; nach
ülmann auch 'eine große Menge' überhaupt) : r. vöroch 'Haufen' u. a.
Lett. smudzi 'kleine Fliegen, Mücken' (z. B. in Neuenburg):
as. muggia 'Mücke' u. a.
Lett. välites 'Saatkolben am Rohr', (vilhf) valites 'tjpha
latifolia' (eine Pflanze mit großen Saatkolben) vielleicht zu ai.
vcUa-8 'Schweif u. a.
Lett. depsis 'ein kleiner fetter Knabe' hat wahrscheinlich
p aus b und gehört zu apr. Akk. Sing, debikan 'groß', ksl. debeh
*dick* u. a.
Nachschrift zu S. 104. Anhangsweise seien hier noch aus
dem Geografiöeskij slovaf drevnej zomojtskoj zemli XVI sto-
letija des J. Sprogis Ortsnamen mitgeteilt, die kurischen Laut-
bestand aufweisen, s, z für lit. ä, z findet man in folgenden
Formen (die russische Schrift des Originals ist hier durch die
lateinische ersetzt):
Antapusine (neben Antapusi), eine Flur 1. c. 6, Antepu-
sinovejus», eine Flur 1. c. 7, Apusipjavnis», ein Heuschlag 1. c. 14,
Epusina lankelesj, ein Heuschlag 1. c. 110, Opusina (auch Apusin»
oder Epusin*), ein Bach 1. c. 214, Opusjani, ein Dorf 1. c. 214;
vgl. lit. apuSh oder ej)u§ö 'Espe'.
Svendry (neben Svendry), ein Gut 1. c. 287 ; vgl. lit. hendrai
•eine Art Schilf.
Miszellen. 127
Sventupja, ein Bach 1. c. 287 (daneben Sventup») ; vgl. lii sventas
*heilig'. Daselbst findet sich ein Flußname Sveta (wohl zu lett.
Svete, ein Fluß) nebst der lituanisierten Form Sveta.
Eibutiskesj slaitass, eine Flur ]. c. 109; vgl, Slaitasij, eine
Flur 1. c. 335 und lit. slaifas 'Bergabhang'.
Slajas», ein Berg 1. c. 294; vgl. lit. slajus.
Poezere, ein Gut 1. c. 245 (daneben z. B. Poezera), und
Ozerokstjsj, eine Landstraße 1. c. 208 : vgl. lit. ezeras 'See*.
Izdega, eine Flur 1. c. 122 (daneben Izdagi); vgl. lit. Udaga,
Palizisj (neben Palizisj), ein Waldgrund 1. c. 221.
Zabite (neben Zabite), ein Dorf 1. c. 120.
Posazalja, eine Flur 1. c. 255; vgl. lit. zole 'Gras', zälias 'grün\
Antzemestil'ta apideme, eine Flur 1. c. 7 ; vgl. lit. zeme 'Erde'.
Pazvel'sisÄ (neben Pozvel'sis»), ein Gut 1. c. 219.
Zabeliskja oder Zobeliskja, ein brach liegendes Grund-
stück 1. c. 120.
Zardyn» vetys», eine Flur 1. c. 120; vgl. daneben Zar-
dynvetis;» 1. c. 112.
Zvelesy (neben Zvelesy), ein Waldgrund 1. c. 120.
Zvernagali, ein Grundstück 1. c. 120.
Zvirbliski, eine Trift 1. c. 120; vgl. daneben 2virbliski
1. c. 113.
Zvirzdja, eine Flur 1. c. 120; vgl. daneben 2virzde 113.
Zvoljany, ein Dorf 1. c. 120; daneben Zvoljany ibidem.
Zvoriges», ein Heuschlag 1. c. 120.
Zverona, ein Gut 1. c. 120; da auch Zerby und Zepeite.
Zebin», eine Grenzscheide 1. c. 120 ; vgl. Zebite und Zeby 113.
Kur. c für lit. k' scheint in Lavciskja 161 oder Lovciski
171 vorzulegen; i- Epenthese -in Yolujti neben Yoluti 61 und
in Bolujdja neben Bolude 27^).
Chafkov. J. Endzelin.
1) Korrekturnoten: (zu S. 98) nach RKr. 16, 113 bedeutet sadingt in
Ranken 'sich krümmen' (zu dandzis); (zu S. 115) vgl. noch zem. 1. Pers.
Sing, nügyziau Ju§k. Wrtb 706; (zu S. 125) zu lit. tai s. jetzt auch Gauthiot
La fin de mot 69; (zu S. 106) mit letL -*V« vgl. ostlit. (/aröin^rd u. a. Ju§k.
Wrtb. 698 ; (zu S. 125) zu urbalt. *tei und lit.-lelt. ie s. jetzt auch Lietuviu
tauta 2, 284 fr.
128 E. Loch,
Elliptisches tauia in Grabinscliriften.
Über eiaen elliptischen Gebrauch von tauTa bei den at-
tischen Schriftstellern belehren uns die Grammatiken und Wörter-
bücher, vergl. z. B. Arist. Ach. 815
AiK. ibvr|co|uai cornepiiLiev' auToO. Mey- laOra ör|.
Wesp. 142 BbeX. cu öe tri Gupa irpocKeico. EavG. laöi', ili öecnroTa.
Daß hier und an anderen ähnlichen Stellen z. B. Wesp. 1008
zu TttÖTtt ein bpdcuu oder Tcvricerai zu ergänzen ist, lehrt der
Zusammenhang; zu übersetzen ist es hier wie auch z. B. Arist
Eitt. 111 mit 'ja', *gut', im engsten Zusammenhange mit den
vorhergehenden Worten. Anders z. B. taui' ^Keiva Plat. Symp.
223 a und Kai laöta |uev ör) laöia sc. ^cxiv oder XeTUJ (z. B. Ar.
Plut. 8 u. ö. bei Plato) im Übergang zu einem neuen Abschnitt:
sed haec hactenus.
Einen eigenartigen Gebrauch des Taöta in Grabinschriften,
den ich vor vielen Jahren einmal in einem kurzen Beitrage
der Festschrift zum 50jährigen Doktorjubiläuni L. Friedländers
(1895) S. 289 ff. zu erklären versucht habe, behandelt von neuem
W. Havers in dem Aufsatze 'Abruptes laöra und Verwandtes* in
dieser Zeitschrift Bd. 32 (1913) S. 150—158, ohne auf die ein-
gangs erwähnten Stellen und deren elliptische Erklärung Bezug zu
nehmen. Auf den Grabsteinen hatte ich damals dies 'abrupte* TaCra
sowohl in den sechs Fällen, wo es im Anschluß an den Vokativ
eines Namens oder einen Imperativ steht (TTpoKÖTri raöia in
meiner Aufzählung Nr. 3, Palladi tauta Nr. 4, ApuuiuidTi laöta Nr. 6,
EucrdOi oder £ucTd6(€)i TaCra Nr. 9, xa'PtTe ' laöia Nr. 2 und
Nr. 8*), wie auch in den vier Inschriften, in denen es ohne
Zusamöienhang mit dem übrigen Texte allein am Ende steht
(Nr. 1. 5. 7. 15) nach der Analogie anderer griechischer Grab-
inschriften ebenfalls durch eine Ellipse erklärt: tauia oütujc
Ixii 6 ßioc oder 6 ßioc TaOra (sc. dciiv) oder tö t^Xoc ü)iuJv
1) Die Anm. 1) auf S. 152 "Irrtümlich sagt L. S. 290" usw. ent-
hält selbst einen Irrtum des Vcrrassers; ich habe dort nur gesagt: "In
Nr. 1, ö, 7 steht toOto allein am Ende in einer besondorn Zeile, in Nr. 2
und 8 zusammen mit xa'p«T€" — aber nicht "mit xa^pffc in einer be-
sonderen Zeile", was auch daraus zu erkennen ist, daß ich auf derselben
Seite oben X^pcre - { raOra mit deutlicher Zcilontrcnnang gedruckt hatte.
Elliptisches ToOra in Grabinschriften. 129
ToO ßiou xaÖTa = "so geht's im Leben", "dies (nämlich der
Tod oder das Grab) ist des Lebens Endziel oder das Lebens-
schicksal".
Dazu bemerkt Harers, es werde sich "niemand, der die
von Loch angeführten Beispiele aufmerksam prüft, des Ein-
drucks erwehren können, daß diese Ellipsentheorie nur ein
Notbehelf sein kann". Es ist nicht anzunehmen, daß ein Meister
der Epigraphik wie Ad. Wilhelm, der, wie Havers selbst an-
führt, meine Erklärung vollkommen gebilligt und gegen eine
andere Auffassung gestützt hat, diesem "Notbehelf" ohne auf-
merksame Prüfung der betreffenden Inschriften zugestimmt
hätte. Aber auch ich selbst kann jetzt, nachdem die lange
Zwischenzeit mich wohl auch gegen meine eigene damalige
Auffassung unbefangen genug gemacht hat, nach erneuter Unter-
suchung der Inschriften und sorgfältiger Prüfung von Havers'
neuem Erklärungsversuch meine erste Erklärung nicht aufgeben.
Havers nämlich meint, das Wörtchen xaÖTa habe seine
Bedeutung so sehr eingebüßt, daß es zu einem bloßen Schrift-
zeichen herabgesunken sei, und will es I) an den ersten sechs
Stellen lediglich als Ausruf ungszeichen, IH) in Nr. 1, 5, 7, 15
und seinen Nummern III, 4) — 6) auf S. 153/4 als Schluß-
zeichen = Finis aufgefaßt wissen. In den drei Inschriften
Nr. 10, 11, 26 aber, in denen ich zu raöra und Tocaüia (vgL
tantum est bei Havers S. 158) hinter ouöeic dGavTatoc und
der Sentenz ouk niinv, Ttvömiv ' ni^nv, ouk ei|ui nach anderen Vor-
bildern 'Xe-fuj' ergänze, soll taÖTa IE) statt unserer *Gänse-
füßchen' stehen und nur ouöeic dGavaioc als Gemeinplatz
charakterisieren. Die Analogien aus anderen Sprachen, be-
sonders dem Altindischen {iti = so) und Altirischen, aber auch
aus dem Lateinischen (inquit) und Griechischen (öti) möge man
in seinen eigenen Ausführungen nachlesen (S. 155 f).
Im Ganzen weicht Havers' Erklärung von der meinigen
gar nicht so weit ab, als es nach der ersten Lektüre seines
Aufsatzes scheinen könnte. Sagt er doch selbst auf S. 156, daß
auch nach seiner Meinung als die ursprüngliche Bedeutung
des TttÖTa Vor der Erstarrung zu bloßem Schriftzeichen' an
einigen Stellen (dem Altind. iti entsprechend) das deutsche 'so*
anzunehmen sei, wie ich es in 6 ßioc xaöTa und Taöra oütujc
Ixei 6 ßioc nachgewiesen habe, und daß die Anführung einer
Sentenz (z. B. oubeic dedvaioc) mit den Worten ^tu; Xifw coi
Indogermanische Forschungen XXXIII. 9
190 E. Loch.
TOÖTa und ähnlichen stattgefunden habe (meine Nr. 12 u. 13).
Xur hinsichtlich seines ToOra als Zeichen des Anfangs oder
Endes entfernt er sich gänzlich von meiner Ansicht.
Was ich dennoch hier gegen seine Ausführungen geltend zu
machen habe, ist — abgesehen von der Unwahrscheinlichkeit
daß in diesen wenigen Inschriften xaÖTa drei bis vier ver-
schiedene Schriftzeichen vertreten soll —
1. daß er an dieser Stelle (S. 156) nicht nachgewiesen
hat, weshalb meine Erklärung durch eine Ellipse hier nun
nicht mehr zutreffend und nur ein Notbehelf sein soU, und
2. daß er zur Unterstützung seiner Auffassung des Tauia
als Schriftzeichen (außer dem griech. dTTCKpivato, öti ou) nur
Analogien aus anderen Sprachen und auch da nur aus litera-
rischen Texten, aber keine einzige aus anderen griechischen
Inschriften angeführt hat. Denn die vier von ihm unter III,
4) — 7) aus neueren Publikationen hinzugefügten Stellen und
das lateinische tantum, hoc (Plaut. Bacch. 757 f.) und haec sunt
CIL. IX, 2272 sprechen zugleich unter Berücksichtigung des am
Anfang erwähnten elliptischen Gebrauchs bei Schriftstellern viel-
mehr für meine als für seine Erklärung.
Ich kann es also z. B. nicht zugeben, daß der Leser der
Inschriften Nr. 10, 11 und 26 (bei H. unter 11.) das laöra
(Tocaöta) lediglich als 'Anführungszeichen' empfunden haben
sollte, muß vielmehr glauben, daß er die Ergänzung der feh-
lenden Worte aus dem auf solchen Grabinschriften gewöhnlichen
Gedankenzusammenhange von selbst vorgenommen hat. Dazu
nötigt mich die metrische Inschrift auf der Büste in Rom (Nr. 11):
OuK nunv, Tevo^iriv " ni^iv, ouK ei'm ' Tocaüia.
ei öe TIC dXXo dpeei, ij^eucexai • ouk lco)aai.
Hier ist das Tocaura im vollen Rhythmus des Verses nur
als wirkliches Wort zu lesen und auch so zu verstehen und
bildet einen wesentlichen Teil des Verses. Ja, das folgende
ei bi TIC dXXo dpeei setzt doch geradezu den Satz Tocoöra
iyii) coi XeTw voraus : "so viel sage ich" = das ist meine Meinung
(vgl, Havers S. 156 Z. 7 v. u.), "wer etwas anderes sagt, wird
lügen". Zu der Bedeutung dieser Art von epikureischen, das
Leben mißachtenden Sentenzen vgl. Fr. Cumont in der Fest-
schrift zu Otto Hirschfelds 60. Geburtstage (1903) S. 270—279;
sie passen besonders für die "Mühseligen und Beladenen', für
Sklaven, die keinen Grund haben, den Verlust des Lebens zu
Elliptisches raöra in Grabinschriften. 131
bedauern, für Gladiatoren "aux miserables qui devaient dans
l'arene donner l'exemple de l'indifference devant la mort qui . . .
marquait . . . le terrae de la douleur". Ebendort S. 277/8 wird
eine andere Grabscbrift (aus Amasia) publiziert, deren Schluß-
zeile, auch ohne direkten Zusammenhang mit dem vorherge-
henden Text, doch einer ähnlich pessimistischen Stimmung Aus-
druck verleiht wie die oben angeführten Sätze 6 ßioc raÖTo;
hier heißt es in der letzten Zeile Taöxa irovra kovic *tout cela
n'est que poussiere!' Dieser Satz kann ebenfalls zur Ergänzung
des Sinnes bei manchem raOta verwandt werden z. B. Nr. 5 u. 15.
Auch in den Stellen aus den Oxyrrhynchus-Papyri I, S. 119,
die Havers zur Unterstützung seiner Auffassung von raöra als
Schlußzeichen des Satzes oder der Inschrift anführt, gibt
doch gegen seine Ansicht das raöta Tcivere von Z. 9 das si-
chere Vorbild für Z. 14 f.; auch hier bedeutet es natürlich
Mas geschieht sicherlich', und ist nicht bloßes Schlußzeichen.
So kann ich auch für die Inschriften Xr. 1. 5. 7. 15 und He-
berdey und Kaiinka S. 5 n. 16, S. 41 n. 59 (Havers oben
S. 153|4 m, 1 — 6) nicht zugeben, daß das am Ende aUein ste-
hende raöra lediglich gleich Finis stehen und den Schluß der
Inschrift oder gar (wie S. 154, Nr. 7) den Anfang markieren
soU. Dafür müßten denn doch ganz sichere andere, genau über-
einstimmende Beispiele eines solchen Gebrauchs des raöra bei
SchriftsteUem oder auf Inschriften selbst angeführt werden.
So lange das nicht möglich ist, wird wohl niemand, der solche
Inschriften kennt, es glauben woUen, daß unter so vielen Tau-
senden und Abertausenden von Grabinschriften gerade auf
diesen paar unbedeutenden Steinen die Bezeichnung des An-
fanges oder Endes der Inschrift durch ein besonderes Wort
oder Zeichen nötig gewesen sein sollte, was selbst in den wich-
tigsten Urkunden und testamentarischen Bestimmungen nicht
der Fall gewesen ist. Bei dem so ungemein ausgebildeten
Formelwesen auf allen Inschriften, seien es nun amtliche Staats-
urkunden, Psephismen, Königsbriefe oder die einfachsten Grab-
und Weihinschriften, wäre eine solche singulare Erscheinung
ganz unnatürlich. Freilich hat man auf Steinen allerlei orna-
mentale Zeichen wie Blätter, Rosetten und dgl., um freie Plätze
am Ende der Zeilen oder Inschriften auszufüllen. Aber es läßt
sich durchaus nicht der geringste Grund erkennen, weshalb
gerade bei diesen sechs Grabschriften durch das Wort raöra
9»
132 E. Loch, Elliptisches xaOTO in Grabinschriften.
besonders betont werden sollte, daß die Inschrift wirklich zu
Ende sei. Auch ist von Havers nicht erwiesen, durch welchen
Bedeutungswandel xaÜTa zu der Bedeutung *Ende' gekommen
wäre; was er über lat. tantum und hoc, haec bei Plautus an-
führt, genügt dafür keineswegs, vielmehr sprechen alle diese
Stellen und der oben erwähnte Vers CIL. IX 2272 haec sunt;
bene vive, viator ganz deutlich für meine Auffassung einer
Ellipse.
Und noch weniger kann ich zugeben, daß bei den vier
Vokativen und zweimal bei xaipete das laöia ein Ausrufungs-
zeichen sei. V^as sollen denn die Anreden TTpoKÖTTi, PaUadi usw.
bedeuten, wenn sie so 'abrupt' hinter der rein geschäftsmäßigen
Form der Grabschrift stehen, in der die Angehörigen die Er-
richtung des Grabes für den Verstorbenen bezeugen? Über
den ganz genau bekannten formelhaften Gebrauch des Vokativs
mit xct'pe, XPncxe X"ipc und ähnlichen Ausrufen vgl. Festschrift
für L. Friedländer S. 280, Larfelds Handbuch und die Bände der
IG. In diesen Dingen ist die Kenntnis der luschriftformen allein
maßgebend für die Erklärung der Einzelerscheinungen, und es
ist methodisch unrichtig, eine Erklärung, für die man keinerlei
Beweise aus derselben Denkmälerklasse anführen kann, lediglich
durch Theorien, die aus anderen Gebieten gewonnen sind, oder
weit hergeholte Analogien stützen zu wollen. Wie undenkbar für
jeden Kenner der schier unzähligen Grabschriften mit \a\pe und
Xaipere, die aus acht Jahrhunderten und fast allen Teilen der Erde
stammen, daß nur auf diesen zwei Steinen mit xaipeie • Tauia ein Aus-
rufungszeichen hinter xaipere gesetzt worden wäre! Nein, nicht
ein Zeichen des Ausrufs, sondern ein wirklicher Ausruf, eine
acclamatio selbst, ist dies laöra gewesen und als solcher auch
von den Epigraphikern allgemein anerkannt worden (vgl. außer
A. Wilhelm u. a. auch 0. Hirschfeld zu CIL. II, 4123, Kaibel
im Index zu IG. XIV, Hübner zu CIL. II, Suppl. Nr. 5171); es
deutet eben den Inhalt der Worte an, die dem im Vokativ
Angeredeten zugerufen werden, entsprechend dem xaiptte oder
euii^uxei und ähnlichem, wie andererseits oft auch der Ver-
storbene dem Hinterbliebenen oder am Grabe Vorübergehenden
dieselben Worte zuruft. Und wenn wir nun auf einer ganzen
Reihe von ähnlichen Grabschriften, wie ich sie (Festschrift
S. 291 — 293) zusammengestellt hatte, dies xaÖTa im oben an-
geführten formelhaften Satzzusammenhange vorfinden, so ist
J. Scheftelowitz, Das Schicksal der indogerm. Laulgrappe zg. 133
seine Übertragung als elliptische Formel auf die verwandten
Steine doch immer noch die wahrscheinlichste Erklärung.
Mußte ich also vom epigraphischen Standpunkte aus
die 'Schriftzeichentheorie' von Havers als in dem Wesen der
in Frage kommenden Inschriften nicht begründet zurückweisen,
so kann ich auf der anderen Seite doch nur noch einmal wieder-
holen, daß in der sprachlichen Erklärung des Gebrauchs ein
wesentlicher unterschied zwischen unsern beiden Auffassungen
— abgesehen von dem ganz allein stehenden laüta am Anfang
und Ende — nicht besteht: so wie Havers fasse auch ich die
Worte oubeic d9dvaToc und ähnliches als Anführung (Zitat)
eines Gemeinplatzes auf, und auch er sieht jedenfalls die Vo-
kative und das xaiptTe als Anrede oder Ausruf an ; nur nehme
ich zu diesem Ausruf eben noch das raöta selbst hinzu. Daß
ich es durch eine Ellipse erkläre, hindert mich nicht anzuer-
kennen, daß es bereits im Begriff ist zu erstarren, ja vielleicht,
wie die Stellen aus Aristophanes am Anfang zeigen, in mancher
Bedeutung schon sehr früh erstarrt gewesen ist, aber nicht um
seine eigentliche Bedeutung abzuschwächen und zu verlieren,
sondern um eine noch prägnantere in sich aufzunehmen, einen
ganzen Gedanken im Hörer oder Leser wachzurufen. Daß dies^
um verständlich zu bleiben, nicht immer genau derselbe Gedanke
zu sein braucht, haben wohl die obigen Darlegungen genügend
bewiesen : die verschiedenen ähnlichen Formeln mußten nur durch
Gewohnheit und Sprachgebrauch den Volksgenossen geläufig sein,
wie es sich für die behandelten Grabsteine ergeben hat.
Königsberg i. Pr. Eduard Loch.
Das Schicksal der indogermanischen Lantgrnppe zg.
Die indogermanische Lautgnippe zg im Altindischen.
§ 1. Das Schicksal von idg. zg im Altindischen hat zuerst
Benfej Abh. Ges. Wiss. Göttingen 15, 112 f. untersucht. Er führt
dort ai. madgu auf idg. *mazgu zurück, womit er lat. mergus
identifiziert. Für ai. majjan 'Mark' setzt er ebenfalls urind. *madjan,
idg. *mazgan an, welches im Altindischen "durch die so häufige
Verwandlung des Gutturals in den Palatal *madjan und durch
die auch in der Wortverbindung eintretende Assimilation des
134 J. Scheftelowitz,
Dentals majjan ward; durch dieselben Übergänge ist auch das
grundsprachliche Verb *niasg vermittels *madg, madj zu seiner
herrschend gewordenen Form majj- gelangt". Dem analog hätten
die Themen auf -<xs vor -6Ä, wie Benfey annimmt, nicht zu o-
{mano-bhis\ sondern zu -ad- {^manadbhis) und Themen auf -äs
nicht zu -ä- {mä-bhyäm) sondern zu -äd- {*mäd-bh-) werden
müssen. "Und in der Tat finden wir in den Veden von ußas
und mäs dieser Forderung gemäß statt des auslautenden s nicht
jene in der klassischen Zeit geltenden Veränderungen, sondern
d . . . Dieselbe Umwandlung von s in rf vor bh tritt nach Yärtt.
zu Pän. 7, 4, 48 auch in svavas und svatavas in den Veden ein,
wie denn auch svatavadbhyas schon in VS. 24, 16 belegt ist,
während ÖBr, 2, 5, 1, 14 die gewöhnliche Form svatavobhyas hat"
(Benfey a. a. 0. S. 112 f.).
Ganz unabhängig von Benfey hat viele Jahre später Bar-
tholomae eine gleiche Ansicht geäußert : "Im Altindischen wird
die als arisch vorauszusetzende tönende Spirans z in der Stellung
nach Vokal und vor Verschlußlaut nicht geduldet, sondern
vor Gutturalen und Labialen in d verwandelt; die Assimilation
findet vor Palatalen statt; vgl. 1. ai. dg aus zg : madgüs, madguras
gegen lat. mergus aus *mezg-. 2. ai. dbh aus zbh : usadbhis^ mäd-
bhis^ mädbhyas zu den Themen u$ds, mäs aus *zbh. 3. ai.jj für
zj aus zg : majjd, mdjjati gegen aw. mazganu, ksl. mozgü^ nhd.
mark, lat. mergo, lit. mazgöti aus *mezg-\ ai. rdjjus gegen lit. rezgis
aus *rezg-". (Bartholomae KZ. 27, 3511; vgl. auch Hübschraann
KZ. 24, 406, Osthoff Perf. 31 ff., Brugmann Grundriß 12,735,
Wackernagel AiGr. 1, § 155, Thurab Hdb. d. ai. Spr. § 158). In
seinen Stud. 1, 4 betont Bartholomae noch besonders: "Ich bleibe
überhaupt bei der Annahme stehen, daß ursprachliches z . . .
vor allen nicht dentalen Medien im Indischen lautgesetzlich zu
d . . . geworden sind".
Doch eine genaue Durchforschung des gesamten Materials
wird nun im folgenden zu dem Ergebnis führen, daß diese
Hypothese unhaltbar ist.
§ 2. Idg. zg ist im Altindischen in keinem Falle zu dg
geworden.
ai. rdjju- (ved) F. *Strick', up. rafzah 'genus vestis lanoae*
(lautlich vgl. np. ma^z "Gehirn* : aw. mazga), lit. rhgis 'Geflecht,
Korb', rezgü, rigsti 'flechten, stricken, binden, schnüren*, rgzgü
rizgaü, r)gsti 'ausfasern' (Leskien Abi. 124 zweifelt, ob das y
Das Schicksal der indogermanischen Lautgruppe zg. 135
des Präsens das von Schleicher Lit Gr. § 113 angegeben wird,
richtig ist), rekszcHai F. Plur. aus *rezg-tiai 'ein von Stricken
geflochtener Handkorb', lett. reschget 'flechten', refchgis, regfchis
Tlechtwerk', asl. rozga 'Zweig', neben razga dss. (Codex Marianus
ed. Jagic S. 569), russ. rözga 'Rute, nsorb. rozga 'Fichten reis',
rozdze 'Reisig' (Mucke Laut- u. Formenlehre d. Xsorb. Spr. 35),
poln. rozdze dss., asl. rozdijo 'Gezweig', lat. restis 'Strick, Seil'
aus *rezgtis\ ferner stelle ich hierher ags. insce F. 'Binse', engl.
rush dss., mhd. rmche dss., urgerm. *reskin, got. *riskä^). Sehr
unwahrscheinlich ist Nehrings Ableitung (IF. 4, 399) von asl.
rozga aus *rost-ga (vgl. Bezzenberger BB. 1, 68, Fick BB. 1, 172,
Fortunatow BB. 3, 59, v. Rozwadovski Quest 1, 39, Fick 1\ 118,
529). Walde KZ. 34, 512 und Et. Wb. 523 will asl. rozga von
asl. *raz (vgl. die Präposition razi) ableiten, sodaß rozga ur-
sprünglich 'etwas abgesondertes' bedeuten soll, indem er zur
Bedeutung auf nhd. zweig zu zicei hinweist, allein nhd. zweig geht
auf idg. *dvoighä zurück und gehört zu alb. dege 'Zweig' (G. Meyer
Alb. Wb. 62, Alb. Stud. 3, 89). Die germanischen (ags. rixe, risce)
und die arischen Wörter beweisen, daß in asl. rozga^ idg. zg
vorliegt
Ai. rajju zeigt uns, daß selbst das nichtpalatalisierte idg. zg
im Altindischen zu jj wird. Die Annahme, daß etwa jj nach
denjenigen Kasus ausgeglichen wäre, in denen idg. zg palatali-
siert wird, ist sehr unwahrscheinlich, denn im Singular haben
der ^^om., Akk., Instr., Gen., Abi., Lok. keinen palatalen Vokal.
Nur im Dat. Sing, erscheint ein solcher (idg. *emi). Aber abge-
sehen davon, daß der Dativ von rajju überhaupt nicht belegt
ist, kommt gerade der Dativ der fem.-ti-Stämme im Veda sehr
selten vor (vgl. Lanman Noun Infi. 409). Im Dual stand zg stets vor
dunklem Vokal, dagegen hat der Plural nur im Nominativ pala-
talisieren können. Daß nur dieser eine Kasus gesetzmäßig sei
und alle übrigen durch Ausgleichung entstanden wären, ist
unmöglich. Man bedenke, daß der Plural von rajju- garnicht
1) Zum Bedeutungswandel 'Strick, Rute, Binse' vgl. apr. wirbe
Tunis' : asl. vürba 'salix', lit. »»rias 'Rute, Reis', apr. kirno 'Strauch' :
lit. ktrna 'Strauchband', ai. vayä 'Zweig', air. fe 'Rute', lit. vytis 'Gerte' :
ai. vayati 'flechten, weben', russ. vizzocha 'lange Rute' : vezzica 'Bindfaden',
lat. habena 'Zaum, Zügel' : lit. zdbas dass. neben zdbas 'Ast', zabaras 'dürrer
Ast', lett. fcheberia 'ästiger Pfahl' (Leskien Bild. d. Nomina 170). ahd. halftra
'Zügel' : ags. hielf 'Schaft, GrifT, nhd. halb, helb 'Stiel', lit. kälpa 'Querholz
am Schlitten' (Hirt BB. 24, 278).
136 J. Scheftelowitz,
vorkommt, sondern daß nur alle Kasus des Singular außer dem
Dativ belegt sind: N. rdjjus, Akk. rajjum bzw. rajjvam (ved.),
Gen. Abi. rajjväs (Gramm.) bzw. rajjos (Gramm.), Instr. rajjvä
(die AV-Mss. haben die verkürzte Schreibung rajvä), Lok. rajjväm
(AV-Mss. rajuäm). Die Annahme, daß es etwa ein urarisches
Verb *razja- gegeben hätte, woran sich das urarische Nomen
*razgu angelehnt hätte, wäre zu problematisch.
ai. niajjdn (ved.), majjä (ved.), majjas 'Mark', aw. mazga
'Mark, Gehirn', np. ma-^z^ asl. mozgü 'Gehirn', mozdanü 'Mark*
{*mozgenii\ klr. mazha^ russ. mozga 'Gehirn', mazga 'Blut' neben
mazka, primozgnuth 'antrocknen' (vom Blute), cech. mozek {mozk)
'Gehirn', osorb. mozhy 'Gehirn', idg. *mozg-\ daneben idg. *mozgh
in as. marg^ aisl. mergr^ ahd. marag, marak (vgl. Fick* 1, 110,
287, 520), gallolat. mesga 'Molken', air. medg dss., cymr. maidd
(vgl. D'Arbois de Jubainville Rev. Gelt. 13, 415). Über lit. .s-wä-
genes vgl. Walde KZ. 34, 514. Mit Recht hat Walde das indo-
germanische Wort für 'Mark, Gehirn' von folgendem Worte
getrennt :
ai. mäjjati (ved.) 'taucht unter', majjana N. 'Untertauchen,
Baden', lit. mazgöju 'wasche', altlit. mafgene 'Waschvrasser', nu-
mazgojnms 'Abwaschung' (Bezzenberger BZG. Lit. Spr. 300, 305),
äpmdzgoti 'abwaschen' (Postilla Lietuwiszka Wilna 1600, 142 b);
mazgöte 'Waschtuch' (Cappeller: Kaip seneji Let. gyveno 54); vgl.
auch Juskeviö Liet. Svotb. Däin. 20, 27 : baitaj sdiikstus sumaz-
göja, ir po sutu j>akav6ja\ lett. mafgäju, mafgät 'wasche, spüle,
so-mafgas 'Spülicht' (Bezzenberger BB. 13, 147), lat. mergere,
mergus. Das Part. Perf. Pass. von ai. mdjjati lautet magna, denn
die arische Lautgruppe zg verliert vor folgendem Konsonanten
im Urindisciien ihr 0, vgl. ai. mak^ati 'taucht unter* (Äp. sr. 8,
8,15; 13,21,1; vgl. auch Garbe Äp.Ör. Vol. III, p. IX) aus *ma2//-sa-.
(Betreffs des s-Suffixes vgl. ai. mraksati 'streicheln' : mrjati;
yakßati 'streben* : aw. yäsaiti 'erstreben, bitten*, russ. huchath
'stoßen, schlagen' : hukah dss.), RV. dn-avaprgna 'ungetrennt*
{-prgna- aus *przgna-) : ai. (Brahm) avaprqljana 'Ende (eines
Gewebeaufzuges)'!); RV. siksatc aus ar. *si-zgh-sa-tal (J. Schmidt
1) wohl ar. *pras -j- SulT.— «;a : ai. pr^fha 'die obere Seite, das Her-
vorstehende*, ahd. first, mndd. forst 'Spitze (des Hauses)' : ai. parfia, aw.
parJa 'Ähre*, indem das Wort dieselbe Begridsentwicklung durchgemacht
hat wie deutsch 'Ähre' (: dKic 'Spitze'); Sii. pffiatka 'l'fcil' (zum Suff. vgl.
parutka : paru).
Das Schicksal der indogermanischen Lautgruppe zg. 137
Krit d. Son. 56 f.). Dagegen sind majßiä, majjnas und rajjväy
rnjjväm durch Ausgleichung mit den übrigen Kasus hervor-
gegangen. In Analogie nach ai. sajjati : sanjai/ati, sisank^afi sind
folgende Formen von majja-ti sekundär gebildet: ni-manksye
(ABr. 8, 21). manktum, manktvä (Haravijaya 18, 18, 33 vgl. Bühler
Wiener Zschr. f. Kunde d. Morgenl. 8, 135; Hemacandra Haima-
dhätupär 6, 38), manktar, mnnktavya (Pän. 7, 1, 6 Schol.).
Die Assimilation von ar. zg zu al. jj soll nach Hübsch-
mann KZ. 24, 406 erst "sehr spät stattgefunden haben, da die
Inder noch die "Wurzel majj in der Form masj (d. i. mazg) kennen".
Diese Schreibungen der Grammatiker wie Pänini (in seiner
Grammatik und im Dhätup.) oder Hemacandra bhrasj, masj\ lasj,
sasj haben gar keinen etymologischen Wert, da ja lasja^ sasja-^
wie im weiteren ausgeführt ist, prakritisierte Formen aus laj-ya-
saj-ya- sind. Vielmehr scheint in Analogie nach vrkna : VTScati
zu magna ein theoretisches masjati und zu lagtia ein lasjati
(Pän. 8, 2, 29) gebildet zu sein und dann für jedes jj ein sj
angenommen zu sein. In der Schreibung sj der Grammatiker
kann sich zugleich aber auch die genauere Aussprache von jj
widerspiegeln. So steht im Käsmirischen RV-Ms. für cc, eck
sehr häufig sc, seh. Daß das^' von ar. mazg 'untertauchen' auch
vor dunklem Vokal im Altindischen zu jj geworden ist, beweist
majjükä. Nach Yäska Nir. 9, 5 heißt der Frosch deshalb maj-
jükä^i weil er untertaucht {mandükä majjükä majjamt).
§ 3. Wie ist dann aber madgu, madgura zu erklären,
dessen Verbindung mit majjati und lat. mergus gerade zu der
Annahme geführt hat, daß ar. zg vor dunklen Vokalen zu dg
wird?
madgu bedeutet im Altindischen nie 'Taucher',
sondern bezeichnet in erster Linie einen bestimmten Wasser-
vogel (schon im V. S.), dann 'ein bestimmter Fisch, eine Schlangen-
art, Galeere', ferner ist es Name einer bestimmten Mischlings-
kaste und schließlich heißt so der Sohn des Övaphalka (BR, V
480). Nach der VaijayantI (ed. G. Oppert) ist madgu 1. ein
Wasservogel {madgus tu jalakäkas syät S. 26 Z. 21 vgl. hierzu
auch Cändra-Vyäkarana ed. Liebich S. 140: madguh paksivise?ah;
Hemacandra, TJnädiganasütra §716: madgur jalaväyasah). 2. Ab-
kömmling einer Mischlingskaste {mahänarmä ca madgus ca
sresthi vaisyav]i,Hkah S. 77 Z. 141). 3. Sohn des Ni?tya und
der VarutI {nisfyät tu varufi madgum S. 76 Z. 103). 4. Name
138 J. Scheftelowitz,
einer Person, die wilde Tiere tötet {medändhracücu madgünäm
äranyapasuhiTfisanam S. 79 Z. 186).
madgu kommt in der Bedeutung 'Taucher' somit nicht
vor. Das davon abgeleitete und deshalb erst viel später belegte
madgura (zueret MBh.) bezeichnet am häufigsten einen be-
stimmten Fisch (vgl. Hemacandra, Unädiganäsütra ed. Kirste
§ 426 : madguro matsyavise?ah\ ebenso auch madgurasi. Nur an
einer einzigen Stelle soll nach BR. madgura auch 'Taucher' be-
deuten, was aber falsch ist. In Hariv. 5234 heißt es nämlich:
tasya däsä jale magna madgura näma visrutäh |
ye haranti sadä sankhän samudrodaracärinah |
"Seine Fischer, welche im Wasser untertauchten, waren unter
dem Namen Madguräs bekannt, welche im Meeresinnern gehend,
zugleich Perlmuscheln nehmen". Hier ist madgura die Bezeich-
nung einer bestimmten Klasse von Fischern und zwar sind sie
nach der Vaijayanti (ed. Oppert) S. 79 Z. 167 die Mischlingskaste
der Ni§ader, welche wegen ihres Fisckerhandwerks so genannt
wurden: sa ni?ado matsyaghätän madguräghosanena sah. Daß
diese Erklärung richtig ist, geht aus MBh. hervor, welches die
älteste Belegstelle für madgura ist. MBh. 13, 2583 Calcuttaer
Ausg. [= Bombay er Ausg. 13, Adhy. 48 Sl. 21] lautet: n^ädo
madgurarfi süte däsarp, nävopajivitmm. Die Bombayer Ausgabe
liest däsam. Daß für däsa häufig die prakritisierte Form däsa
geschrieben wird, geht aus BR. III 602 unter däsa hervor: "Der
Nisader erzeugt den Madgura einen auf einem Schiffe lebenden
Fischer". Die Ni§ader beschäftigten sich mit der Fischerei, vgl.
MBh. 13 Adhy. 50 Öl. 12 (Bombayer Ausg.): nißädä bahavas tatra
matsyoddharananiscayäh. Also unter madguräs sind in Hariv. 5234
die als Fischer berühmten Ni§ader verstanden. Nach dem Komm,
zu MBh. 13, Adhy. 48, Öl. 21 ist madgura eine Ableitung von
madgu 'ein bestimmter Fisch', madguram madgün minavise^än
rätyädatte tarn madguram. Und so ist es auch in der Tat. mad-
gura verhält sich zu madgu wie ai. gadura 'der Bucklige' : ga4u
'Buckel'; imrjfimra ^ stiiuh\^' : päijisu 'Staub'; madhura : madhu.
Dass nun madgu 'ein Wasservogel, bestimmter Fisch' nicht auf
ar. *mazgu zurückgeht, beweist np. war 'ein Wasservogel' = alt-
iran. *madgu (vgl. Hübschmann ZDMG. 34, 423, Hörn Ordr. Ir.
Phil. 1 2 S. 23, 69, 84). Dagegen wäre ar. *mazga im Altiran, un-
verändert geblieben und hätte neupers. *mazg bzw. *maT2 lauten
müssen.
Das Schicksal der indogermanischen Lautgruppe zg. 139
Daß ai. madgu nicht aus ar. *mazgu entstanden sei, hat
bereits J. Schmidt Pluralbild. 158, DLZ. 1892 S. 1553. KZ. 34,
512 Aum. angenommen. Allein die Gründe, die ihn zu dieser
Annahme geführt haben, sind nicht stichhaltig. Denn nach ihm
soll im Lat. z hinter Vokalen vor g geschwunden sein. Demnach
"kann lat. mergus nicht aus *mezgus^ also auch ai. madgu nicht
aus *mazgu entstanden sein". Doch seine Beispiele für den
Ausfall von urlat. z vor g (lat fngo : ai. hhrjjati, digero, egredior)
beweisen nichts. Denn fngo geht, wie wir im weiteren aus-
führen werden, auf idg. *bhreig zurück. Und was digero, egre-
dior betrifft, so wendet bereits Bartholomae Stud. 1, 8 mit Recht
ein, daß man "von der Gestalt, die ein Laut im Wortausgang
des ersten Gliedes einer Zusammensetzung vor einem bestimmten
Laute aufweist, nicht Schlüsse ziehen dürfe auf die Gestaltung
des gleichen Lautes von gleichem Laute im Wortinnern". Xach
J. Schmidt soll madgi(, das "offenbar verwandt mit matsya Tisch*
sei, = idg. *medzgu sein, worauf auch lat. mergus zurückgehe" ^).
Allein np. mäf und ai. madgu 'ein Wasservogel' können nur auf
idg. *madgu zurückgeführt werden und sind daher von ai. maj-
jati, lat. mergus, mergere gänzlich zu trennen. Ar. *madgu ist
von der Wurzel mad- 'feucht, nass sein' abzuleiten, wie ai. matsya^
aw. masya 'Fisch' (lat. madeo 'feucht sein', madulsa 'nasser Bruder*,
griech. ^abd(u 'zerfließe', indöov, liabujvia 'Wasserlilie'). Das -gu
in ai. madgu ist Suffix.
§ 4. Das g- (^i'-ISuffix wird in den indogermanischen
Sprachen vielfach zur Xominalbildung verwendet.
Nominalsuffix -g- {gV-) im Altindischen z. B.:
ved. phalgü, phdlguna 'rötlich' : asl. paliti 'brennen', arm.
phaüem (aus *phal-ye-mi), phal-phal-im 'glänze', phailun 'glän-
zend' (vgl. Pei-sson BB. 19, 259, Verf. BB. 29, 35).
vanga 'Baum' AitAr. 2, 1, 1): ved. van, vana 'Holz, Baum*,
aw. van, vanä 'Baum*.
khadga (ved.) 'Schwert', päli khagga dss. : ai. *kharda
'Schwert', das Frankfurter KZ. 27, 222 aus dem siamesischen
Lehnwort für Schwert kharfa erschließt, kymr. cJedd 'Schwert'.
Mit dem idg. Suff, g^o sind gebildet kymr. deddyf, mir. claideb
(Frankfurter KZ. 27, 222), hierzu russ. kladu 'verschneide'
(H. Pedersen IF. 23, 398). Bartholomae IF. 3, 174 Anm. stellt
khadga : lit. kärdas 'Schwert'. Allein dieses litauische Wort ist
1) vgl. auch F. Sohnsen IF. 26, 114.
140 J. Scheftelowitz,
ebenso wie alb. kordi. 'Säbel' (G. Meyer Et. Wtb. d. Alb. Spr. 199)
aus dem Slavischen entlehnt, russ. korda 'Schwert', ßech. kord^
asl. korüda 'Schwert'. Dieses slavische Wort stammt entweder
aus dem Iranischen (np. kärd 'Messer', phl. kärt^ das nach Vend.
14, 9, 27 = sampSer 'Schwert' ist, aw^ kat'dta) oder ist altes
Lehnwort aus dem Arischen {*kharda\ vgl. Miklosich Et. Wtb.
132. H. Jacobi bei Bartholomae IF. Anz. 12, 28 möchte khadga
mit griech. qpdcxavov verknüpfen, was aber unmöglich ist.
svargd (RV.) 'Himmel' griech, ceXa^oc, davon ceXaTeou,
ceXaYiZ^uj 'strahle, leuchte, erleuchte' : RV. smr 'Himmel, Sonne'^
griech. ceXac.
udbhijja (AitUp. 2, 6, Chänd. Up.) 'aus dem Erdboden her-
vorschießend, hervorsprießend', aus ud-bhid-ja : udbhid 'aus der
Erde hervorschießend, hervorsprießend', ndbheda 'Sprößling', wi-
bhidyate 'hervorbrechen, hervorschießen'.
dsvapnaj-as Plur. 'die nicht schlummernden' neben ved.
asvapnd dss.
plaraga 'Frosch', aisl. fraukr dss., neben ai. /j/ara 'Frosch',
aisl. frauör dss.
vdrga (ved.) 'Abwehr, Beseitiger' : väraka 'Abwehrer', var-
a-te 'zurückhalten, abhalten, abwehren'.
varga (kl.) 'Abteilung, Gruppe, Klasse* : varna 'Art, Ge-
schlecht, Gattung', varanda 'Menge', vära 'Menge', vrnda 'Schar,
Truppe, Herde', lit. vorä 'Reihe', ir. foirenn 'Abteilung, Schar*
(vgl. Bugge BB. 3, 114, Fick* 2, 272, Bezzenberger BB. 21, 315 A),
ai. värakena Instr. 'der Reihe nach', russ. ierenica 'ununter-
brochene Reihe', klruss. verenva 'Garbenschichte', asl. aruss.
nslov. veriga veruga 'Kette' (vgl. auch Solmsen Z. Gr. Laut- u.
Versl. 293 f.).
pataga (kl.), patangd (ved.) 'Vogel' neben patatrin (ved.),
patatri dss.
phaliga (RV.) 'Rehälter' neben phdlaka 'Brett, Latte, be-
stimmtes Gefäß', aisl. ^p^ 'Brett', russ. joo/« 'Diele*, ü&\. p<ilica^
palüka 'Stock'.
tunga (kl.) 'hoch, Anhöhe', griech. Tuiaßoc 'Hügel': mir.
tomm 'Hügel', bret. tun aus */mw-, korkyr. tü)li6c, lat. ttimulus
(vgl. Osthoff BR. 24, 154, Brugmann Grdr. 2, 160).
.s'rn//« (ved.) 'Hörn*, griech. K6pu)ußoc 'Oberstes, Haarbüschel*
: got. Iiaürn, air. coniy lat. comu, griech. Kdpvov • cdiXinTTct '
raXdiai (Hs.) (vgl. Brugmann Grdr. 2, 260).
Das Schicksal der indogermanischen Lautgruppe zg. 141
ärhhaga (ved.) 'jugendlich' neben ved. ärhha^ arhhakd 'klein,
Knabe'.
sphigi (ved.) 'Hüfte' sphig (Dual sphijaii) 'Hüfte, Hinter-
backe', aisl. spik 'Speck' (vgl. Zupitza Germ. Gutt. 167, Trautmann
Germ. Lautgesch. 14): ai. sphik (Dual sphicau) 'Hüfte, Hinter-
backe'. Zur Begriffsentwickliing 'Speck -Hüfte' vgl. cech. hyza,
hyze 'Oberschenkel' :%iZe 'Schinken'; serb. gnjat 'Schienbein',
cech. hnat 'Schenkel' : nsl. gnjat 'Schinken' ; nsl. kraca 'Waden-
bein, Schinken'; ags. deoh, ahd.dioh 'Schenkel' : asl. ^mAtm 'Fett'
(vgl. Zupitza Germ. Gutt. 140), andd. brädo 'Wade', ahd, bräto
'Wade, Schinken, Braten'.
RV. usig, lanig^ dhrsag, tr?nag, sanag.
§ 5. ädga (ved.) 'Rohrstab, Stengel' : lit üdega 'Stengel,
Stiel (Bezzenberger Lit Forsch. 193), Schwanz', lett. ödega
•Schweif (Liden BB. 21, 218); hierzu wohl auch air. odb 'Knoten',
cymr. oddf 'Auswuchs, Knoten', idg. od-gVo : cech. odr 'Pfahl'.
Zur Begriffsentfaltung vgl. ai. parvan, parus 'Knoten, Knoten am
Rohr, Rohr'; mnd. öst 'Knoten, Knorren': dtsch. 'Äst', arm. ost
*Zweig, Ast, Knoten'. Die Bedeutung 'Schwanz' entwickelt sich
gewöhnlich aus dem Ausdruck 'Rohrstab, Gerte', was folgende
Beispiele beweisen:
ai. längala (Pafic) 'Schwanz' (vgl. J. Hertel D. südliche Paiica-
tantra Einl. LXXXII), daneben längula. längüla 'Schwanz, Schweif,
Penis': längala 'Stange, Pflug' i), rangati 'sich hin- und her-
bewegen', lit. lingeti 'schwanken', lingüti 'hin- und herbewegen',
linkstinis 'schwankender Stock' (Bezzenberger Lit. Forsch. 136),
langoti 'sich wiegen', lett. ligste 'Schwungstange der Wiege',
lügätis 'wanken' (Leskien Abi. 334), griech. Xarfa^uu 'zaudere',
Xa-fTuuv 'das Zaudern' (Prellwitz Et. Wb. 2 256). Osthoffs Ver-
bindung (Parerga 342) der litauischen Wörter mit got. laikan,
ai. rejate ist daher unmöglich.
Die altindischen Wörter für Rohr säryä, vaitasä, nadd
bedeuten im RY. auch 'Penis' (vgl. Pischel ZDMG. 35, 717 f.,
YS. I 106, Oldenberg ZDMG. 39, 66 Anm.).
sejjha m., sephas n. 'penis' : siphä 'Rute, Rutenstreich', poln,
siepac 'schütteln', klr. sipaty, dss. aw. saef 'rühren, streichen'.
1 1 Zur Bedeutungsentwicklung von Tflug' vgl. Meringer IF. 17, 116 f.,
ferner ai. hala, häla 'Pflug': lit. z&lis 'Baumstamm', lett. selejs 'Holzfloß',
arm.^o^ 'Stange, Rute, Maßstab' (z. B. Ez. 40, 3. 5. 7. 8; 41. 8). Eine andere
BegrifTsparallele findet sich im weitem unter aw. dumam.
U2 J. Scheftelowitz,
sepa * Schwanz, T^enis' : l&t cippus 'Pfahl'; dagegen prakr.
cheppa 'Schwanz' : griech. ckittiuv 'Stab, Stock', lat. scipio dss.
(vgl. Johansson IR 3, 213).
kaprth 'penis' ^) : slov. kop 'Stange' (Pletersnik, Slovar), asl.
ceporü 'Zweig', serb. ceimr 'Strunk', (vgl. zu den slavischen
Wörtern Berneker Slav. Et. Wb. 143), russ. copb 'Zweig des
Weinstocks', cap 'DreschflegeP, np. capah 'Ruder', ai. capala
'schwankend, sich hin- und herbewegend', np. cafta 'gekrümrat',
russ. capath 'schaukeln', capati sja 'hin- und herschwanken',
po-capith 'sich neigen'.
ai. sankura 'penis' : sanku 'Pfahl, Pflock',
ai. puccha 'Schwanz, Eute'.
aw. dumam 'Schwanz' aus ar. *dumbma-m, ahd. zumpo 'penis*
(Sütterlin IF. 4, 93) : lett. fchumbrs aus urlett *diumbras 'Stange
am Pfluge*. Hierzu gehört auch aw. dumna aus ar. *dubna 'Hand'.
Zur Begriffsentwicklung vgl. lit. staibnlas 'Unterarm' : stiha 'Stab,
Rute'; ai. lakuta 'Knüttel' (vgl. Pischel BB. 3, 249) : lat. lacertus
(Johansson IF. 8, 165); ai. kila 'Pfahl, Pflock, Handgriff, Ell-
bogen'; ai. dandäs 'Stäbe, Arme'; air. fracc 'Hand' aus *vmg-kä :
lit. räzas 'Rute, Reis', griech. ^nxoc 'Rute'. Weitere Parallelen
bei Verf. BB. 28, 303 unter arm. kanth.
arm. varop 'Stock, Stab, Penis' : ai. vrkm 'Baum, Penis*
(AV.20, 136,9), aw. wr^sa'Baum', lett. warscÄa 'Wurzelschößling'.
asl. kocam 'penis' : nsl. kocen 'Stengel', serb. kocan 'Stengel',
klr. kocan 'Strunk', cymr. cogaü 'Stock'.
asl. o^ib 'Schwanz' : äibalo 'Knüttel, Stock', nsl. siba 'Rute',
serb. Hba 'Gesträuch', wruss. siben 'Stock', asl. äibati 'mit Ruten
schlagen', russ. posik 'Schwanz, Rute', poln. siek 'Schwanzstück'.
asl. chvostü 'Schwanz, Schweif, idg. *ksmd-io : lat. sudis
'Stange', ai. k?odate 'sich bewegen'.
nsorb. kistka 'Schwanz', russ. kisä 'Stengel, Quaste', poln.
okisd 'Eiszapfen* aus *kyt-ti : asl. kyta 'Zweig', öech. kgta 'Keule,
Schlegel', russ. kita 'Stengel' (vgl. Miklosich Vgl. Wb. 158,
Berneker Slav. Et. Wb. 679).
1) Johansson IF. 14, 312 verknüpft es fälschlich mit lat. caper, aisl.
hafr Ziegenbock (vgl. Fick* II 64). Letzlere Worte lassen sich schwerlich
trennen von np. iapiJ 'junger Ziegenbock', nsl. poln. kroat. cap 'Bock,
Widder' (vgl. Uhlenbeck PUB. 19, 330). Wegen der Verschiedenheit des
Vokalismus (a : e) könnte man annehmen, dali dieses Wort ein sohr altes
orientalisches Lehnwort sei, vgl. hebr. fäfir 'Bock*, syr. fiafira 'Ziegenbock'.
Das Schicksal der indogermanischen Lautgruppe zg. 143
lit. sümhras 'Schwanz' neben stembras 'Stengel'.
lit. pelekä 'Fischschwanz', peiakas 'Schwanz einer Schlange*
(Leskien Bild. d. Nomina 509) : asl. palica, palüka 'Stock', poln.
palica, palka 'Stock, Knüttel', ai. phalaka 'Brett', aisl. fjgl 'a deal,
plank, bord', russ. yolü 'Diele'.
alb. hii-ri 'Pfahl, penis' ; alb. masi'ir 'Rohrstück, penis' aus
türk. masur 'Rohr' (G. Mever Alb. Wb. 262).
lat cauda 'Schwanz, Rute' : caudex 'Baumstaram'.
lat. verpa 'penis', poln. rzap, serb. rep 'das Schwanzende',
slov. rep 'Schweif, Schwanz, Stiel', neben poln. rzqp dss. : ahd.
tcorf 'Sensenstier, griech. pmvp 'biegsame Rute', pamc 'Stab*
(vgl. Schrader KZ. 30, 481).
griech. KcpKOC F. 'Schwanz' : KcpKic 'spitzer Stab', lit keras
'Staude* asl. kun» 'radix', korerih 'Wurzel', russ. karjaka 'gespal-
tener Baumstamm', korenga 'knorriger Baum' (vgl. Bemeker
Slav. Et. Wb. 570, 672).
ir. loss^ bret. hst 'Schwanz, Ende eines Stocks' : aisl. liostr
'Speer' (Zupitza BB. 25, 90).
aisl. hale 'Schwanz, spitzes Ende, Schaft' : ir. cail 'Speer',
ai. sala^ saläka 'Stab, spitzes Holz, Rute, Gerte' (vgl. Uhlenbeck
Et Wb. d. Ai. Spr. 305).
mnd. stert 'Steißbein, Sterz, Schwanz, Sterz am Pflug', mhd.
sterz 'Schweif, Stengel, Stiel*, norw. ^rt^ stjart 'Schwanz, Sterz',
mhd. stürzd 'Pflanzenstrunk*, schwäb, storze 'Strunk*.
ahd. zagal 'Schwanz' : aisl. tag 'Weidenzweig' (Zupitza Germ.
Gutt. 192).
schwed. piü 'penis' aus germ. *pint-^ dän. pm/, j^mi-e/'penis*
: nengl. 'pintle 'kleiner Bolzen, Zapfen, Pflock, Protznagel' (Johans-
son KZ. 36, 347).
hebr. miDT 'Rute, Penis' (z. B. Pesiqtä de Rab Kahane,
Pisqä 3). ^ ''
Da Gerte und Stock uralte Symbole für das männliche
Zeugungsglied waren, so geht darauf der primitive Brauch
zurück, daß man Frauen und weibliche Haustiere zu bestimmten
Jahreszeiten mit einer Rute schlug oder peitschte in dem Glauben,
daß sie hierdurch besonders fruchtbar würden. Diese Sitte ist
bereits im 8. Jhd. n. Chr. bezeugt und läßt sich in ganz Deutsch-
land, Schweden, Österreich, Polen, Rußland, England, Frank-
und Belgien nachweisen (J. A. Dulaure Die Zeugung in Glauben,
Sitten und Gebräuchen der Völker, Leipzig 1909, 190 u. 192;
144 J. Scheftelowitz,
W. Maunhardt Wald- und Feldkulte 1«, 251 ff.; De Nore Coutumes,
mythes et traditions S. 270; A. Kuhn Märkische Sagen S. 307).
In der gleichen Weise schlug man ehemals in Wälschtirol am
letzten Faschingstage die Bäume, indem man meinte, daß hier-
durch die Bäume recht fruchtbar werden würden (Ch. Schneller
Märchen und Sagen in Wälschtirol 1867, 234).
§ 6. Diese Beispiele beweisen, daß ai. adga auch begrifflich
zu lit. üdega gehört. In Anschluß an Kretschmers Hypothese
(KZ. 31, 452 Anm.), daß gr. öZ;oc, got. asts aus idg. *os + Suff-^o
und öcxoc aus *os + Snü-gho entstanden wären, erklärt Bartho-
lomae wiederholt ai. adga aus idg. *os + Suff-^o, air. odb aus
*os + Suff-^"o und verbindet demgemäß ai. adga^ air. odb mit
griech. öZioc, öcxoc, oicxn und pehl. azg 'Ast' (Bartholomae IF. 5,
355f., ZDMG. 46, 306; 50, 711; IF. 10, 194). Was das Pehlevi-
Wort azg betrifft, so hat dieses zuerst Hübschmanu IF. 4, 119
in Sikand-Gumanik-Vicar 1, 12 nachgewiesen und es zu griech.
öcxoc gestellt. Jedoch macht er gleichzeitig darauf aufmerksam,
daß phl. azg vielleicht fehlerhaft für azd steht. Aber wegen np.
aza-^ 'Zweig, Knospe' halte ich die Lesung phl. azg für richtig.
Ar. *azgha, griech. öcxoc lassen sich nicht aus idg. *os -f Suff-
gho erklären, denn 1. tritt das idg. Suffix -gh- nie unmittelbar
an die Wurzel an (vgl. griech. cröina-xoc, Teju-a-xoc, Kav-a-x»i,
KU)aß-a-xoc, öpvifc : öpvi-xoc neben öpvic : öpvi-6oc). 2. sprechen
gegen eine solche Ableitung die zu öcxoc gehörigen slavischen
Worte, öö'xnj iu<7xn? öcrxoc 'junger Zweig, Schößling', np. azaf
*Zweig, Knospe', phl. azg : urslav, *anzgh-^ dach, uzg 'Knoten',
uzgoivity 'knotig', poln. (dial.) wözg 'Schößling' (Miklosich Et. Wb.
223) neben aslav. qzlu 'Knoten', russ. uzeh 'Knoten', nslav. özel
'Knoten, Knorren', np. azm 'Sprößling, Sohn' (zur Begriffsent-
wicklung vgl. lit. mäzgas 'Knoten, Knospe' : griech. [nöcxoc 'Sproß,
Schößling, das Junge', aslav. ceporü 'Zweig' : bg. cepor 'Knoten*;
aslav. goli 'Ast' : poln. golanka 'Knospe' öech. holicka 'Knösp-
chen'). Demnach läßt sich das zgh in griech. öcxn usw. nur aus
idg. *ongh + Suff-sA:- erklären. Denn wie ich an einer andern
Stelle nachweisen werde, wird idg. aspirierte Media -|- Suff, sk
stets zu zgh. v. Patrubany IF. 13, 124 vergleicht arm. azn^ azg
(beide Worte bereits in der armen. Bibel belegt) 'Volk, Menschen-
geschlecht' mit griech. öcxoc, was aber unmöglich ist, denn diese
armenischen Wörter gehören offenbar zu pr. amsis *Volk', wozu
sicherlich auch aslav. j^zykü 'gons populus', jfzycinikü '^Gviköc'
Das Schicksal der indogermanischen Lautgruppe zg. 145
(Codex Marianus ed. Jagic 606) gehört^). Arm. az-n^ az-g aus
*omz + Suff-^'« bezw. -k-. Unhaltbar ist auch Ficks Kombina-
tion von öcxoc mit cxciv 'schlitzen' (BB. 8, 331). Ebenso ist
Hirts Kombination von öcxoc, ujcxoc mit ^ocxoc unmöglich, vgl.
Osthoff IF. 8, 18. Ai. adga kann nicht mit Bartholomae auf eine
Wz. OS zurückgeführt werden, da ja adga, wie wir dargelegt
haben, zu lit. üdegä gehört und überdies zg im Altindischen
sowohl vor hellen als auch vor dunklen Vokalen stets zuj^j" wird.
Das altirische Wort odb dagegen ist zweideutig; es ist entweder
idg. odg^o : lit. üdegä, wie Bezzenberger (bei Fick 11 50) und
Johannson IF. 14, 323 annehmen (vgl. lautlich air. fadb 'Axt'
Stokes ßev. Cell 14, 441 idg. *vödhg"o, lett. wedga 'Brechstange,
Axt', lit tcedega dss., pr. wedigo 'Beil' : av. vada 'Keil', vadar
* Waffe', ai. vadhar, vadhatra 'Waffe, Geschoß', icidhati 'zer-
schlagen'), oder es ist mit Liden BB. 21, 111 aus idg. *odh-uo
zu erklären : mnd. adel äl 'Geschwulst, Geschwür', lat. offa, offida
'gerundeter Bissen, Kügelchen, Klöschen'. Aber auch Pedersens
Zurückführung von odb. auf *ozbo (Aspirationen i Irsk 20) : griech.
öccpvjc ist möglich, vgl. begrifflich lett. güfcha {*güfia) 'Hüfte,
Lende', cech. hgza, hyze 'Kopf am Knoten des Schienbeins,
Oberschenkel', poln. giz, gizeJa dss., serb. guz 'Hinterbacken'
(vgl. Bezzenberger BB. 12, 79), parsi. güzek 'Knöchel der Füße',
np. güzak dss. (ZDMD. 36, 67) : poln. guz 'Beule, Geschwulst,
Knopf.
Da es kein idg. *os 'Ast' gibt, so darf mau nicht odb mit
Bartholomae aus *os-g^o erklären. Johansson IF. 14, 323 geht
von einer idg. Wz. od- (vgl. ai. adga, Ht. üdegä) aus und leitet
griech. öZioc, got. asts aus idg. od-do her, was möglich ist Aber
seine Vermutung, daß griech. öcxoc = idg. od-zgho-s sei, ist un-
haltbar, da es ein idg. Suffix zgh nicht gibt und außerdem die
von mir angeführten slavischen Wörter dagegen sprechen. Die
Untersuchung über ai. adga hat zu dem Ergebnis geführt, daß
Bartholomaes Grundform *ozg^o unmöglich ist, da das d in
adga auf idg. d zurückgeht
§ 7. Das ^f-Suffix ist auch in ved. kubja 'bucklig, krumm'
enthalten: ai. kubra 'Höhlung in der Erde, Grube, Ohrring',
kumba 'Wulst, dickes Ende', ags. höpig 'in hiUs and hoUows'^
höp 'Reifen', engl, hoop, ndl. hoej) 'Ring, Reifen', (vgl. Trautmann
1) Hiervon wäre dann aber das gleichnamige jfzykü 'lingua' ety-
mologisch zu trennen.
Indogermanische Forschungen XXXIU. 10
14rß J. Scheftelowitz,
Germ. Lautges. 23) engl, liump 'Buckel' (Murray Engl. Dict. 5, 454),
nd. hump^ hümpel^ nhd. humpeln^ mnd. humpelen 'hinken', humpen
'Becher', griech. Kußiiov, Kußuj\ov, lat. cubitus^ cubitum 'Ellbogen,
Krümmung', griech. Kußoc 'Würfel, Höhlung vor der Hüfte (beim
Vieh)', KU)Lißr| 'Kahn, Becken, Ränzel', Kujißoc 'Gefäß'. Bartho-
lomae IF. 10, 18 ff. leitet ai. kuhjd aus idg. *l:uh§ho = *kuhh-ko
ab, worauf auch mhd. hogger zurückgehen soll : griech. Kuqpoc
'gekrümmt', Kuqpoc 'Buckel, Kufe' ^). Doch ist dieses sehr frag-
lich, denn ebenso wie idg. zgh im Altindischen zu jjh wird (was
ich in einer andern Arbeit darlege), so hätte idg. hgh zu ai. hjh
werden können, und was mhd. hogger^ hoger betrifft, so ist es
mit Zupitza Germ. Gutt. 11, Uhlenbeck Et. Wb. d. Ai. Spr. 58 zu
lett. kukurs, kiikums 'Höcker, Buckel*, ai. kucati 'sich krümmen',
koca 'das Einschrumpfen' zu stellen, wozu auch np. köz 'ge-
krümmt, bucklig' aus ar. *kauca gehört. Dagegen ist Bartholo-
maes Behauptung IF. 10, 19: „Ein aus *kubh-s/co oder auch skh
hervorgegangenes *kuhzgho würde im Vedischen ebenfalls als
kuhja erscheinen müssen", unhaltbar; idg. kuhh-sko hätte bereits
rm Indogermanischen zu *kuzgh = ai. "kujjha werden müssen
(was ich an einer andern Stelle nachweise); ai. kubja läßt sich
aber auch sehr gut aus idg. *kup -f ge erklären : ai. kumjM 'lahm
an der Hand', küpa 'Höhle, Grupe', küpikä 'kleiner Krug', lit.
kümpas 'krumm', kumpti 'sich krümmen', kuprä^ kuprelis, kuprys
'bucklig', \Qii.kumpt 'krumm, bucklig werden', ahd. Aom/* 'Buckel'.
§ 8. Das ^-Suffix scheint auch in ai. mudgara 'Hammer'
(zuerst MBh.) vorzuliegen 2): ai. mudrä 'Aufdruck, Stempel, Siegel',
griech. inuöiov 'ein chirurgisches Instrument', mudgara könnte
auch = mut-ga-ra sein: lat. mutilus 'verstümmelt', griech. )uuti\oc
(Hes.) dss., lat. muHcus 'abgestutzt', ir. mut 'kurz' (Thurneysen
Keltoromanisches 67, Stokes IF. 2, 173, Walde Lat. Et. Wtb. 402),
mbret. muntr 'Tötung' (Ernault Glossaire Moyen - Breton * 434).
Nach v. Patrubany IF. 14, 56 soll ai. mudgara auf idg. *muz§h-
zurückgehen: arm. muz 'Saft', das nach ihm = idg. *muz§h- sein
soll; doch idg. z§h kann selbst nach Bartholomae Stud. 2, 40
nicht zu dg werden. Arisch z kann weder zu ai. d noch zu
ai. d werden. Zwar erklärt Thumb Handb. d. Sanskr. § 343 ana4-
1) Zur indogermanischen Wz. kubh gehören noch ai. kubhra MS.
2, 6, 3 'Buckeltier' (Geldner Ved. Stud. 2, 2«5) und ai. kubh- vgl. Verfasser
Apokryphen d. RV. S. 161 Anm. zu Vers 7 b.
2) Zur Bildung vgl. auch ai. pudgala 'schön, Körper'.
Das Schicksal der indogermanischen Lautgruppe zg. 147
räh- aut *anas-väh, allein es ist aus *anrt-väh entstanden, vgl. sakft
neben kika, *kardrt davon kardata neben karda (s. J. Schmidt
Pluralbild. 179). Die Kasus anadudhhyas^ anadiidbhis, anadutsu^
anadudhhyäm beweisen, daß -vah (im Akt. anadväham^ N. Plur.
anadvähas) und -uh (im Instr. anaduhä) auf urind. -vädh: -iidh
zurückgehen: aw. vad 'führen, ziehen', asl. vedq, lit. vedü, ai. in
vadhü 'Braut'. Ai. h ist häufig urind. dh, z. B. nah 'binden', Fut
natsyati, Part. Pass. naddha; äha : aw. äda; ihi : griech. i0i. Yon
anat wurde auch sekundär ein Adjektiv auf -vant gebildet, das
eigentlich *anatvant hätte lauten müssen. Aber ebenso wie väg-
vant, vägvin^ tvagvant (für *väkvant, *väkvin, *tvakvant) nach den
für die Komposita geltenden Regeln (z. B. väg-vid) gebildet ist,
so ist auch anadvant eine Analogiebildung nach anadväh. Yon
anadmnt ist nur der Nom. und Yok. Sing, belegt.
ühlenbeck Et. Wtb. d. Ai. Spr. 227 führt mitdgara auf idg.
*muzg- zurück und verbindet es mit asl. mü^diii 'schwächen',
russ. mozzith 'zerschmettern, zerspalten', cech. woirffYrzerschlagen'.
Doch ist dieses falsch, denn ar. *mnzgara hätte selbst nach Bartho-
lomae nicht zu mitdgara werden können. "Entsprechend der
Umsetzung von . . . zhh zu dbh wäre für zg ein dg zu erwarten"
(Bartholomae ZDMG. 50, 689).
§ 9. Beispiele für das -g- (</"-) Suffix in den andern idg.
Sprachen.
npers. huzgah 'Stange, Pfahl, an welchem sich ein Rebe
anlehnt': lett. häufe 'Schlegel am Dreschflegel', ndd.^Ä:^ 'Knüttel',
ndl. poke. pook, ofries. poker, schwed. pykol 'kleiner Stab, Knüttel',
norw. dial. jjoÄ;, pauk 'Knüttel', Qn^. poke 'Schlag, Stoß'. Lit.
medegas 'Holz, Gehölz', medega, medzega 'Bauholz' (Leskien Bild,
d. Xom. 375): medis 'Baum, \Yald'; ht pelega 'Fischschwanz':
pelekä dss. ; lit. mandagus 'anständig' : asl. mqdrü '(ppövijaoc' ; lit
zmogics 'Mann, Mensch' : zmü (Plur. zmones) 'Mensch', pr. smüni
'des Menschen'; lit wedega 'Brechstange, Axt'; lett wedga dss.,
pr. loedigo 'Beil', air. fadh 'Axt' : aw. vada 'Keü', vadar, ai. vadhar
'Waffe zum Schlagen'; \\t spilgä 'Stecknadel' : cech. s/>«7e dss.,
ndd. spelU (germ. *fpelßo), poln. szpüka 'Stecknadel'; lit liügas
'Morast', lugnai 'Kot, Morast* (Geitler Lit Stud. 95): lit liunas
dss., griech. Xü)Lia 'Schmutz'; Vit kügis 'großer Rammer ': käuti
'schlagen, schneiden', asl. kovati^ ahd. houican (Hirt Abi. § 387);
lett dfiga 'Leben' (davon dfigüt) : dfiwe dss. (davon dfiicüt)
Leskien Bild. d. Nom. 373; lett nirga : nira 'Taucherente', nirt
10*
148 J. ScheftelQwitz,
'untertauchen'; lett. spilga * Wollgras' : spilwa dss. {Leskien Bild,
d. Nom. 373); lett. ^w^a 'Windstoß' : püsis^ jmsme 'Atemzug', ai.
pavana *Wind', afgh. pü, pük 'Blasen'; lett. skabargs 'Splitter'
: skabrs 'splittrig, scharf; lett. aschgi 'Binsen, Schilfrohr* : asch^nes,
aschas, aschi dss., poln. ostrzyca 'Rohrgras, Schilfgras'; lett. tschurga
*Regenbach' : tecÄMrei 'mit Geräusch fließen'; asl. russ. ia^o^r«
'Stock, Knüttel', russ. hatoziU 'mit Ruten schlagen* : nsl. serb.
poln. hat 'Stock', russ. hatb 'Eichenstock, Knüttel, Holztrog', hotb
'Stock', kymr. hathu 'schlage'; asl. tvarogü 'lac coagulutum* : griech.
Tupouj 'zu Käse gerinnen'; asl. maef 'Mann' : got. rnan««; russ.
maliga 'Knabe' : asl. malü 'klein', russ. waZyJ, melky 'klein'; russ.
drohizga^ drebezgü 'Scherben' : drobizi, drebezü dss., russ. Ijubza
'Liebe' : asl. Ijubiii 'lieben'; russ. vjdzga, vjaziga 'Sehne (des
Störs)' : asl. veza^ v^zü 'Band'; russ. korenga 'knorriger Baum* :
korenh 'Wurzel', karjaka 'gespaltner Baumstamm'; klruss. mö/Äa
'tinea' : moli dss. (Miklosich Vgl. Gr. 2, 280); poln. odzieza^ odziez
'Kleidung' : oc?2:?'e«me 'Kleidung', oc^^iW 'bekleiden, bedecken',
asl. odeti 'circumdare, vestire', odenije 'vestimentum'; poln. fodyga
'Stengel' : klruss. todva 'dickes Brett'; slov, bezg 'Hollunder', serb.
bazag dss. : russ. bozb dss.; lat. ruga 'Runzel* : griech. püiic dss.,
ai. ru- 'zerschlagen*; lat. turgio 'junger Zweig, Trieb, Sproß* :
turio dss.; lat. strages : stratus:, intertrigo : tritus (Pokrowsky
KZ. 38, 282); caligo : griech. KnXdc; remeligo : promdlo, vgl. auch
lat pürigare^ iürigare neben pürare^ iürare (Skutsch BB. 21,91,
Solmsen IF. 26, 114), fatigare : fatiscor abgeleitet von *fatis (Walde
Lat. Et. Wtb. 210); griech. caXdTn 'Unruhe, Geschrei' (davon caXa-
Yeuü 'bewege') : cdXoc 'schwankende Bewegung', caXeuuj 'bewege';
CTnpiTH, ciripiCuj : ctfipa (Hes.) vgl. Prellwitz Et. Wtb.^ 434. (Zum
Suff. -itH vgl. ai. sphidinga 'Funken' : sphurana 'funkelnd').
Aisl. hnykr 'Stank, Schmutz' : ai. knüyate (Gr.) 'feucht sein,
stinken'; ags. cnucel 'Knöchel', aschw. knoka 'Knochen', norw.
dial. knjüke: aisl. kmie 'Knöchel' (vgl. Noreen Urg. Lautl. 168);
ags. bedecian 'betteln' : deutsch betteln (Zupitza Germ. Gutt. 95);
aisl. hraukr 'Haufe', ags. hrSac^ ir. crüach : aisl. hrayse 'Steinhaufe',
ht. krüwä, lett. ÄrrMwa, krawa, krauja 'Haufe' (Zupitza GG. 123);
agl. bkec 'schwarz' : griech. |i^Xac (Hirt Abi. § 294); me. whelke
'pustula' : ÄM/'^/e dss.; me. halka 'Winkel' : A«/« dss.; &\s\. smalke
: smalr\ svarkr : svarre; schw. skörk : skör. Zum idg. </-Suff. im
Germ, vgl Noreen Urg. Lautl. 223, Kluge Festgr. an Böhtling 60,
dere. Nomin. Stammbild« § 61 u. 212, Hellquist Ark. f. Nord.
Das Schicksal der indogermanischen Lautgruppe zg. liQ
FiL 7, 1421: air. ladg 'Schnee' : apr. ladis^ lit. ledas *Eis' (Fick*
2, 239). Dagegen ist lit. eigä 'Gang' schwerlich zu eimi 'gehe'
(Brugmann Grdr. 2, 261) zu stellen, sondern zu griech. oixo)iai
(Prellwitz Et. Wtb. ^ 326), armen, ej 'Abstieg', ijanem (Aor, ej)
'herabkonimen, herabsteigen' (in d. Arm. ßib. z.B. Gen. 11, 5. 7;
15, 11; Ex. 2, 5; 3, 8), vgl. Verf. BB. 28, 311. Ebenso gehört asl.
sliiga 'Diener' eher zu lit. slauginti 'jemand die Arbeit abnehmen'
(Fortunatow BB. 3, 58 f.) als zu Wz. kleu 'hören' (Brugmann
Grdr. 2, 261) i).
§ 10. Nicht nur idg. zg ist im Altind. zu jj geworden,
sondern auch idg. gg. Bartholomaes Behauptung (Stud. 2, 40),
daß "ai. jj überall aus zg, zg hervorgegangen" sei, läßt sich
nicht aufrecht halten.
Ai. vijjala 'schleimig, schlüpfrig, schmierig' (Yaräh BrhS.
55, 29; H 414) vijjana dss. (Käjam. zu AK. 2, 9, 46) ar. *vig + Suff.
-ga : aisl. veikr, veykr 'weich', ndl. tveek, ags. wäc *weak, slender*
: lat viscosus, viscidus aus *vig- sko- 'zäh, klebrig', griech. icKXai
'Baumschwämme' neben iHoc 'Vogelleim' aus *vig-so-s, lEuc
'Weichen'. Glossographisch belegt ist auch lat. viscantes, Part
von viscare (aus vig-sk-) 'illicere' (vgl. Miodönski IF. 13, 144).
Hierzu auch aw. avaezo 'fleckenlos, sündlos', pehl. avezak, ave-
zakih (vgl. Ard. Ylr. 1, 2) 'fleckenlos, rein', ar. vaig-.
Ai. hhrjjaü (RV.) 'röstet', bhrjjana 'Bratpfanne' neben
bhrsta 'geröstet, gebraten' (=pali bhattha), bhr^vä, sambhfsta
'geröstet, trocken, spröde', bhrastra bhrästra 'Köstpfanne' : bhar-
jayati 'rösten, braten' (Komm, zu Äp. sr. 8, 6, 3) bharßta 'gebraten',
bharjate (Dhät. 1, 191) 'rösten', Perf. babharja, babharje (Vopa-
deva 8, 124. 135; 13, 1), bharjana 'röstend, bratend', N. Rösten,
Pfanne zum Rösten, hhiiraj- (RY.) 'sieden, dampfen' : päm. wir-
zam 'ich röste, brate', wirzdam 'ich röstete' (Grdr. Ir. Phil. 1 ^
302), np. biristan 'braten', phl. baritan dss., bristak 'gebraten',
np. birista, kurd. bräst dss., altiran. *b9r9z = a.T. *bhfg; hierzu
auch mengl. jmrchen 'rösten, dörren, vertrocknen', mengl. toparch.
Zum Wechsel der anlautenden Media asp. mit einer Media im
Germanischen vgl. Zupitza KZ. 37, 391. Ai. bhrjjati ist demnach
aus idg. *bhrg + g- entstanden, was schon Formen wie ai. bJirä^ra,
bhr?ta beweisen, denn für idg. *zg + t hätte man im Altind. kt
erwartet vgl. S. 136. bhrjjati läßt sich ferner stellen zu asl.
1) Das bei Persson, Wurzelerw. S. 15 — 19 ausgeführte Material über
das 'Wurzeldeterminativ' g ist sehr unsicher.
150 J. Scheftelowitz,
brezgü 'Dämmerung', pro-brezgi dss., proprezgnqti *dämmera*,
cech. brezditi 'dämmern', acech. za-bfezdenie 'Dämmerung' (Ge-
bauer Arch. f. slav. Phil. 3, 77), öech. bfesk dss. ^), poln. brzazg dss.,
brzezdzenie dss., polab. brezgoje^ russ. brezgü 'Morgendämmerung,
Tagesanbruch', brezziti 'dämmern' : asl. brozenü 'fuscus', nsl, bre-
zeti 'dämmern', öech. briziti 'dämmern', acech. za-bfezek 'Däm-
merung' (mit c?- Suffix: nsl. brezdeti 'dämmern'); mir, im-bdrach
'morgenfrüh', kymr. borau 'morgen', y-bore yn-vore 'mane' (vgl.
Fick* 2, 162), alb. barv^ {bardi) 'weiß'*).
Znr Begriffsentfaltung 'rösten — dämmern' vgl. asl. iariti
'rösten', goreti 'brennen' : ai. ^Arni 'Hitze, Glut, TagesheUe'; asl.
variti 'kochen', varü 'actus' : armen, vafem 'entzünde' (Armen.
Bib. z. B. Jer. 17, 27; 21, 14; 50, 32), var 'glänzend, brennend,
Glanz', ai. varnu 'Sonne' (Verf. BB. 29, 42). Also idg. bhregg^
bhfgg : bhreg^ bhj-g. Die idg. Wz. bhreg ist im Baltischen durch
sk erweitert, lit. brSkszta, brSszko 'es graut der Morgen', apy-
breszkis 'Morgendämmerung', prabrdszkimas 'Tagesanbruch', brek-
szma 'Dämmerung* (Kreczinski 30); mit s^-Suff. gebildet: lit.
berszta 'es fängt an weiß zu werden'. (Zum Vokalismus vgl, lit.
br^ziu 'kratze, kratze ab' : lett. berfu 'reibe ab, scheure').
J. Schmidt KZ. 25, 128 u. V. Petr. BB. 21, 208 stellen
ai. bhTJj- fälschlich zu lett. birga 'Qualm', pr. au-birgo 'Koch',
russ. braga 'Getränk aus gedörrter Gerste und Hirse' lit, brogas.
Ebenso haltlos ist die Verbindung von bhfjj- mit lat. frigo^
griech, cppvjTuu (vgl. Bartholomae KZ. 27, 352, Thurneysen KZ. 30,
353, Mahlow, D. langen Vok. 4, 0. Hoffmann, Präs, d, idg,
Grundspr, 46, Osthoff Perf, 31, J. Schmidt Pluralbild 158,
DLZ. 1892, 1553, Wackernagel, Ai. Gr. § 130, Prellwitz Et. Wb.«,
496, FA. Wood, IF. 22, 154, Sütterlin IF. 25,63); lat, fngo
'röste' läßt sich nicht auf idg. bhfzgö zurückführen, denn letztere
hätte zu lat. *forgö^ *furgö werden müssen, vgl. turdus aus tfzdos.
mergo aus mezgö; lat. frigo ist vielmehr = idg. *bhraig: bal;
brejag, brijag 'Backofen', mpers, brej-^ brejan 'Backofen*, npers.
1) Ursprünglich zg ist im Öechischen und Polnischen im Auslaut
zu zk, sk geworden, vgl. mozk 'Gehirn' — asl. ntozgü; apoln. brzask =
brzazg 'Dämmerung', vgl. auch Leciejewski Arch. f. slav. Ph. 6, 547.
Bemeker Slav. Et. Wb. 85 glaubt, daß zg in slav. brezg sekundär wäre,
was aber unbegründet ist.
2) G. Meyer stellt es unrichtig zu ai. bhräj. Begrifflich vgl. griech.
XcuKÖTric 'weilie Farbe', XeuKoOv 'weiß machen* : \uKÖq)iuc 'dUmmerhell',
XeuKÖc 'licht, hell, glänzend*.
Das Schicksal der indogermanischen Lautgruppe zg. 151
barejan, harezan dss, hiryän aus airan. *hrigäna 'gebraten' (vgl.
Hübschraann Pars. Stud. 248). Begrifflich griech. öirrdviov 'Back-
ofen': OTrraXeoc 'gebraten, gedörrt'. Das ö in qppuYuu läßt sich
unmöglich aus rzg erklären (vgl Walde KZ. 3-i, 527). Vielmehr
gehört es zu air. bridghim 'röste', das unmöglich zg enthalten
haben kann, welches zu dg geworden wäre (Walde KZ. 37, 527).
Nach P. Persson, Wurzelerweiterung 126 sollen griech. (ppuTtw
auf idg. *hhr-u-g und lat. fngo auf idg. *bhr-i-g zurückgehen.
Das Yerbalsuffix -g-, das uns in ai. bhrjj^ asl. brezgü begegnet,
ist im Indogermanischen ebenso häufig wie das Nominalsuffix
-g-. Im ai. vgl. noch uhj'^) 'drücken, drängen, fortdrängen',
vgl, EV. 6, 52,1 : uhjantu taiji subvah parvatäsak: 1, 56,5 = 2,
23,18: nir apäm aubjo arnavam (nach Säy. = nyasaiksik) 'du
drängtest die Flut der Gewässer heraus', 1, 52,2 indro . . . ubjann^
arnämsi (nach Säj. = adhah pätayan 'hinabwerfend') 4, 19,5:
ubja ürmin "die Wogen drängtest du fort" (Nach Säyana zu
6, 52,1 und 8, 104,1 ist ubjati = himsälarmä); nyuhja 'um-
gestürzt, umgewendet, nach unten gekehrt', aw. ubjyaüe 'es
wird niedergedrückt': lit. Tibiti 'zur Eile drängen', griech. ußpic
'Gewalttätigkeit' (Daß Oßpic nicht zu ai. ugra gehört, 'vgl.
J. Mansion Les Gutturales Grecques 42 ff.), Brugmann IF. 28, 289
und 367 stellt ußpic zu ßpiapov mit Präfix u = ai. tit
Zum verbalen g-Suff. vgl. ferner lett. spulgut 'glänzen,
funkeln', sptdgans^ spilgans 'schillernd, rötlich' : ai. sphuraii
'schnellen, blinken, funkeln', sphurita^ sphwana 'blinkend,
funkelnd', sphulita 'erschienen', sphidinga m. 'Funke', sphulin-
gäyate "wie Funken brennen": arm. thatkim 'dicht, dick werden*:
thaiun 'dicht dick'; arm. harkanem 'schlage', asl. pmgnqti
*bersten', poln. pierzgnqc dss, air. orgim 'schlage, töte': arm.
hari (Aorist.) 'schlug', lit. periü 'schlage mit dem Badequast',
asl.^er<jf 'schlage, wasche'; asl. zvegq 'singe', lit. itt-ew^f« 'wiehere' :
asl. «wnu 'Schall'; lit stiigti 'steif in der Höhe stehen', stügti
1) Davon zu trennen ist das &nal XeTÖjuevov RV. 9, 77, 4, uru-bjd,
das nach BR und Graßmann Wtb. Veitgeöffnet' heißen soll und vielleicht
Umwandlung aus *ud-ubjd wäre (Graßmann S. 264). Die Stelle lautet:
indür . . . gaväm urubjdm abhy dr$ati vrajam. Nach Säyana ist urubjam =
prabhütänäm apäm janakam 'reichliches Wasser erzeugend', 'quellen-
reich'. Dieser tradionellen Bedeutung gemäß, die hier sehr gut paßt,
würde dieses Wort in uru-bja zu zerlegen sein, wobei -bja auf idg. p{a^§o
zurückgeht: griech. irnTH 'Quelle' (vgl. RV. upa-bdi, upa-bdd, aw. upabdi,
loc. von upa-pad, aw. frabda).
152 J. Scheftelowitz,
*steif werden': griech. ctuuj 'richte steif empor' (Zupitza Germ.
Gutt. 35); ags. swican 'aufhören, ablassen' {Liebermann Gesetze
d. Angelsachsen 2, 99, 206): ahd. smnan 'abnehmen, dahin-
schwinden, verstummen'; lat. n^«re : asl. rijati 'fließen', air.
rian 'Meer', ai. rayas 'Strömung'; griech. ijuriTiu (äol. T)LidT«Ju):
Te)Livuü iix\xr\Ka. xiariToc (vgl. Prellwitz Et. Wb.^); ndh. hurken:
mhd. hüren 'hocken, kauern'.
§ 11 ai. jj ist in klassischer Zeit infolge Prakritisierung
aus jy, dy entstanden.
lajjate (zuerst A. Br.) 'schämt sich' = rajyate (AV) 'rötet
sich, gerät in Aufregung' (Leumann bei Wackernagel Ai. Gr. 1,
220) neben rajyati, lajjä 'Scham, Verlegenheit', prakritisiert aus
lajyä 'Scham, Yerlegenheit', lajate 'sich schämen'. Begrifflich
vgl. ai. sarfismayate 'verschämt sein', erröten'. Fick BB. 7, 270
und Prellwitz Et. Wb.'-*, 276 führen lajj fälschlich auf idg.
*hzg^ zurück und verknüpfen damit griech. Xibßri 'Mißhand-
lung, Schmach', lett. tefga 'Plage, Plackerei'. Allein Xujßn ge-
hört zu lit. slogä 'Plage', slogüs 'beschwerlich', sloginfi 'plagen',
slSgiu 'bedrücke, presse', lett. sluga 'Last, Plage' (Bielenstein 1,
257), slügs 'Last', släga 'Schaden, Beschwerde', Mädhavlya-
dhätuvrtti 296 (= Pandit 18, 88) führt von lojj folgende Formeln
an: lajjate, lalajje, lajjitä, lajjisyate, lajjatäm, alajjata, lajjeta,
lajjisisfa, alajjißta, alajjißätäm, alajjisafa, lilajjisate, lälajjate,
lälajjüi, lälakti, lajjayati, alalajjat, lajjUvä, lagnah, lagnavän,
lajjitah.
ai. sajjate (vgl. MBh. 13 Adhy. 48, sl. 3S : pra-sajjante) =
sajyate 'hängen bleiben', ved. sajati, sanjati 'anhängen, hängen
bleiben', ai. (caus.) sanjayati neben sajjayati 'anheften, anhängen',
sajja 'ausgerüstet, vorbereitet', äsajja 2. Imp. (MBh. 7, 79) für
ä-sajya, sajjana 'Ausrüstung', sajji-kar 'bereit machen', sajjiyate
'sich bereit machen', prakritisiert aus sajy-: lit. segiü 'hefte,
schnalle um, binde um', sagä 'Schleife* (vgl. Fick 1*, 137);
sajj- wird von Zupitza Germ. Gutt. 165 fälschlich auf ar. *sazg
idg. *se-zg- und mit H. Zimmer (Nominalsuff. 241) zu ags. serce
'Rüstung' gestellt.
ai. mjja (Kl.) "mit der Sehne versehen" aus sajya- {jyä
'Sehne', aw. jyä), sajji kar- 'mit der Sehne versehen* aus sajyi-,
sajjayate 'mit der Sehne versehen'.
ai. kajjala (Kl.) 'Wolke, Lampenruß', aus kad-jala, vgl. kad-
apatya 'schlechte Kinder', kad-anna 'schlechte Nahrung habend'.
Das Schicksal der indogermanischen Lautgruppe zg. 153
§ 12. Also die Ajisicht, daß idg. zg im Altindischen zu
d(j geworden wäre ist, unhaltbar. Ebenso unmöglich ist die
damit verbundene Hypothese, daß idg. zbh im Altindischen zu
öhh geworden wäre. "Ich bin auch jetzt noch der Meinung,
daß ar. zbh nach Vokalen im Indischen in regelmäßiger Ent-
wicklung zu dhh geworden ist" (Bartholomae Stud. 1, 1.).
^NTach Lanmans Tabelle, Noun. Infi, 583 kommt im RY, der
Instr. pl. der os-Stämme auf -ohliis 140 Mal vor, der Dativ und
Ablativ pl. der «s-Stämme auf -ohhyas 9 Mal vor. Daß nun in
allen diesen Fällen -obh- durch Ausgleichung aus *adhh- ent-
standen sein sollte und nur noch in einem einzigen Beispiele
{usadbhis RY. 1, 6, 3) die gesetzmäßige Form erhalten geblieben
wäre, wie Benfey, Bartholomae und Brugmann (Grdr. I^ 735)
annehmen, ist doch von vornherein sehr unwahrscheinlich. Die
indischen Formen wie manobhis^ manobhyas sind nicht Neubil-
dungen, sondern stammen bereits aus der arischen Grundsprache,
was das Iranische beweist, vgl. aw. garöbis^ manäbis, vacäbis^
aväbis, staoyäbis. raocdbis, paydbis (Bartholomae Altir. Wb. 848),
raocäbyo^ fräyebis (wo e aus § korrumpiert ist, vgl. Grdr. Ir. Phil.
1, § 379, 2). Da aw. ?, #, ö im Altpersischen durch a wieder-
gegeben wird, so lautet der Instr. pl. im Ap. raucabis. Bereits
in der arischen Grundsprache scheint inlautendes z vor bh zu
h geworden zu sein, welches den vorhergehenden a-Yokal zu
0 trübte und dann in der Aussprache mit den nachfolgenden
bh zusammenfiel. Diese Trübung hat natürlich viel später er-
folgen müssen, als der Übergang von idg. o, e zu ar, ä. Im
Awesta ist dieses sekundär entstandene o durch 9, ö wieder-
gegeben vgl. g.aw. y^, 1-9, parä = j.aw. yö, rö, parö. Das g.aw. §
bezeichnet phonetisch den Wert eines övgl, Grdr.Ir. Phil. 1, 1 § 267,
Inlautendes ar. z ist sonst in allen übrigen Fällen im Iranischen
erhalten geblieben z. B. aw. »räzdüm — ai. trädhvam vgl. Bartho-
lomae ZDMG. 50, 707.
"Wir haben hierdurch den Nachweis geliefert, daß nur der
Typus ai. manobhis, manobhyas lautgesetzlich ist. Wie ist dann
aber umdbhis RY. 1, 6, 3 zu erklären?
§ 13. usadbhis steht für ursprüngliches usadbhis. Die
Hymne RY. 1, 6 behandelt Indra, und die Maruts. usant dient
sowohl im Sg, als auch im PI, häufig zur Bezeichnung von
Göttern (vgl. Grassmann Wb, 1228), Unter usadbhis sind nun in
1, 6, 3 die dienstbereiten Maruts verstanden, die zusammen mit
15-4; J. Scheftelowitz,
dem Lichtgott Indra entsprungen sind {sdm usddbhir ajäyathäh)
und die im folgenden Vers .,nach ihrer Gewohnheit wieder zum
Embryo werden, sich hierdurch einen Opfernamen erwerbend"
{dd aha svadhdm änu piinar garhhatvdm erire \ dddhänä näma
yajnhjam) vgl. A. Hillebrand Ved. Myth. 3, 318 Anm. Indra wird
im RY. häufig mit den Maruts zusammengenannt und heißt
auch Indra marutvant. "Unter allen Gefährten, die Indra in dem
Vrtrakampf beistehen, sind die Maruts die treuesten Helfer.
Ein Teil der vedischen Lieder und die rituelle Literatur bringt
sie so häufig in Zusammenhang, daß man die Verbindung als
Gemeingut des RV. angesehen hat" (Hillebrandt, Ved. Myth. 3,
312). In meiner Abhandlung: Zur Textkritik und Lautlehre des
RV. in WZKM 21, 123 f. habe ich nun nachgewiesen, daß bereits
in vedischer Zeit s in der Aussprache schwer von s zu unter-
scheiden gewesen ist; infolgedessen haben sich im RV. zuweilen
zwei Worte, die sich lautlich nur durch die Zischlaute ^, 9
unterschieden, derart beeinflußt, daß s für i bezw. s für s ein-
getreten ist. Ebenso wie alle Mss. RV. 10, 95, 4 mo für üso über-
liefern und im Käsmirischen RVMs. 1, 162, 11 ußddbhtjo für
usadbhyo steht, geht auch usädhhis 1, 6, 3 auf älteres iisddbhis
zurück.
§ 14. Ebensowenig wie usddbhis beweisen auch mädbhis
(RV. 2, 24, 5), mädbhyas (AV. 3, 10, 10; 19, 27, 2) den lautgesetz-
lichen Übergang von idg. zbh in dbh. Denn mäs 'Mond, Monat'
wird gewöhnlich in Verbindung mit mrdd 'Jahr' erwähnt z. R.
RV, 2, 24, 5 mädbhis saradhhir, vgl. ferner 3, 32, 9 ; 4, 18, 4 ;
6, 27, 7 ; 6, 38, 4; 7, 66, 11 ; 91, 2. mädbhk, mädbhyas ist nach
4aradbhis, saradbhyas gebildet. Daß Umbildungen eines Wortes
nach einem Gegensatzworte oder nach einem Synonymum zu
den gewöhnlichen Erscheinungen gehört, haben z. R. Rloomfield
A JPh. 12, 1 ff., Wackernagel Verm. Reitr. z. Gr. Sprachk. 36 ge-
zeigt. "Man vergleiche die Übertragung der Endung und des
Geschlechtes von ahd. tages auf nahtes^ der Endung von abg.
noStijq auf dinijq (Miklosich Vergl. Gramm. 3*, 36), von lat. tioctü
auf diu 'bei Tage* von nocturnus (vuKTcup, aw. naxtru) auf diurnus
{*diusnus wäre diüniis geworden) von ai. tisäsas auf do^dsaa^
vgl. u,?äso do^äsaka AV. 16, 4, 6 {dosä ist ä-Stamm)" J. Schmidt
Pluralbild. 207. Die regelmäßige Form ist mähhis, mäbhyas.
Dagegen ist in ai. svdtavadbhyas (VS.) und svavadbhyas
(Gramm.) das d ganz anders zu beurteilen. "Die Nom. Sing.,
Das Schicksal der indogermanischen Lautgruppe zg. 155
dazu smtavän und svavän weisen auf einen Flexionsausgleich
mit den i;an^Stämmen hin s. J. Schmidt KZ. 26, 348, 357, Bthl.
KZ. 29, 527, 582" (Bartholomae ZDMG-. 50, 711). Die Kontami-
nation der ves- und ww^Stämme nahm bereits im Indogerm.
ihren Anfang, denn sie ist sowohl in den arischen als auch
in den europäischen Sprachen vorhanden (vgl. griech. eibiuc
eiöÖTOc, got. veitvöds). Im RV. und Awesta lautet der Yokativ
der raw^Themen auf -vas aus, und im Awesta ist auch ein
Nominativ auf -vä = ar. *väs vorhanden. Also bereits in arischer
Zeit waren dieser Vokativ und Nominativ von dem Part Perf.
Akt. entlehnt, vgl. Johansson BB. 18, 47, Bartholomae Grdr.
Iran. Ph. 1, 115, Thumb Hndb. d. Sakr. § 339. Whitney setzt in
seinem Index Verborum zum AY. den Stamm svdvant an. Da
die als Nominalstämme gebrauchten Wurzeln -srams, dhvams
ebenso auslauten wie die Partizipia auf -vams, so werden sie nach
Angabe Päninis 8, 2, 72 wie diese Partizipia flektiert, also ukhü-
sradbhyäm, ukhä-smdbhis, jmrna-dhvadhhyäm^ imrnadhvadhhis.
Demnach ist der tönende Zischlaut idg. z im Altindischen
weder vor g noch vor hh zu d geworden ; idg. zg^ gg treten im
Altindischen als jj auf.
§ 15. Ein Beispiel für anlautendes idg. zg fehlt im Indi-
schen; sd.jasate (RY.) 'erschöpft sein, vei-schwinden' soR nach
Pedersen IF. 5, 47 aus *j[jas- hervorgegangen sein : griech. cßev-
\v\i\. Doch ist dieses unhaltbar, da aw. zah- Verlassen, im Stich
lassen', das zunächst zu ai. jas gehört, auf idg. ges hinweist (vgl,
J. Schmidt KZ. 25, 129, Bartholomae Air. Wtb. 1687); idg. *zges
hätte im Iranischen zu *zgah- werden müssen; griech. cßevvum
ist mit Brugmann Grundriß 1^, 590, IF. 1, 501 zu lat segnis
'träge' zu stellen. Hiervon zu trennen ist asl. gasiti, gasnqti
'ausgehen, erlöschen', WtgesaU^ gßsgti 'auslöschen', gesti 'erlöschen^
lett. dfest dss. (vgl. Leskien Abi. 327), np. jastan {jahad, jahidan)
'exsilire, cellerime incedere, flare (de ventu), evadere, aufugere',
-phl. jastan (Grdr. Ir. Ph. 1^, 297), aw. uzgasfay 'Auszug', ai. hasati
'sich öffnen (von einer Knospe)', vgl. auch RY. 1, 23, 12 : has-
käräd vidyütas pdry dto jätd avantu nali^ manito 'Die Maruts,
die von dem Aufzucken des Blitzes erzeugt sind, mögen uns
von dorther helfen'. Pedersen IF. 5, 47 stellt mit Unrecht asl. gasiti
zu asl. uzasü, russ. uzasü 'Schrecken', asl. zasiti 'schrecken'. Letztere
Worte gehen auf vorslv. *ged-s- zurück: lit. gandinu, gandinti
'schrecken', gqstu^ gandaü 'ich erschrecke, iszgqstis 'Schrecken'.
156 J. Scheftelowitz,
§ 16. idg. zg im Iranischen.
aw. däzgra 'wiehernd, brüllend' als Beiwort vom Pferd und
Rind, nur in den beiden Eigennamen enthaltend däzgräspaij
'wiehernde Rosse habend', däzgro-gav 'brüllende Rinder habend' :
lit, ddzgau, dazgyti 'poltern', schwed. danka 'poltern, mit klatschen-
dem Laut anprallen' z. B. vägorna daska mot stranden 'Die Wogen
klatschen mit Getöse an die Küste', norw. daske ^klatschen'.
aw. mazga 'Mark, Gehirn', np. ma^^z^ vgl. majjan S. 136,
np. ra-fzah 'genus vestis laneae', vgl. ai. raiju S. 1341
§ 17. idg. zg im Slavischen.
asl. drozgü 'Amsel', slov. drözg-, serb. drozak, nsorb. drozn,
drozyn^ cech. drozen 'Amsel', urslav. *drozgo, *drozgüna neben
*drozdo = balg.-serb. <?ro2;c?. Im Slavischen scheint das anlautende d
durch Assimilation an die mediale Konsonantengruppe derfolgenden
Silbe aus t entstanden zu sein, was aus den verwandten Sprachen
hervorgeht: pr. tresde, lat. turdus^ idg. Hrzdos^ aisl. prpstr, lit.
sträzdas, lett. strafds (vgl. Walde KZ. 34, 516). Mit dem ^--Suffix
sind gebildet kymr. tresglen 'Dressel', mbret. drasql^ draskl, drasq^
drask dss., idg. *tros-k (vgl. Ernault Gloss. Moyen-Breton^ 196);
slov. drsc, serb. drsc (vgl, Berneker Slav. Et. Wb. 227).
asl. mozgü 'Gehirn', vgl. ai. majjan S. 3.
§ 18. idg. zg im Baltischen.
Ht. ddzgaUy dazgyti 'poltern', vgl. aw. däzgra s. oben.
lit. wass^rq/w 'wasche', lett mafgäjii dss., vgl. ai. mr/jj/a/t S. 136.
lit. rezgü 'stricke', rezgis 'Korb', lett reschget 'flechten*,
vgl. ai. rajju S. 134.
§ 19. idg. zg im Griechischen.
altjon. Trpecßuc, Trpecßeuc 'der Alte, Gesandte', TTpecßuiepoc
(vgl. Meisterhans * 223), lak. irepTouv • irpecßuv (Hes.) für *'iTp€p-
Youv = TTpecTO, Chios Trpecßoiv = *presg^uön (v. Wilamowitz und
Jacobsthal Nordion. Steine S. 17, E. Fraenkel IF. 28, 249), -rrpec-
ßeipa 'mulier princeps' (Ar. Lys. 86, Fraenkel KZ. 43, 216 A. 2),
kret. TTpecßeucövTac (CIGr. 2557, 4, Ahrens 2, 212), TrpeTTeuTai
= TTpecTeuTai^), dor. npecßuTac = nXiKia (vgl. IG. Insul. maris
Aeg. 3, 330) npecTuc, irpecTeic nach W. Schulze GGA. 1896,
249 A aus *TrpkTF6Fec. "Der Nom. müßte *TTpecfFuc = npecßuc
lauten, ist aber der Analogie der obliquen Kasus verfallen."
Zu dor. CTT^pTuc Et Magn. 732, 17, das durch Metathesis aus
1) Im Kretischen wird ursprünglich zg gewöhnlich zu TT vgl. kret.
Cttovoc = höot. {cfovoc (Brugmann GrGr.' 128).
Das Schicksal der indogermanischen Lautgruppe zg. 157
irpecTuc entstanden ist, vgl. Meillet M§m. Soc. Ldngu. 8, 255;
delph. -rrpecßeuTdc (CoUitz 2529, 13), äol. -rrpecßeec (Collitz 281 A. 33),
TTpecßeia (Akk. von -rrpecßuc) 318, 31; TTpecßeurac 215, 56 aet
TTpecßeuTtti (Baunack 1411, 9); irpecßeuTdc Akk. (Baunack 1411, 3);
thess. TTpecßeiac (Collitz 345, 4). Xebeu urgriech. *iTp€CfFu- (Zur
Etymologie vgl. Bezzenberger BB. 4, 345, Prellwitz Et. Wtb.« 383)
hat es auch ein urgriech. *TrpeiCKuc gegeben (= lat priscns^
arm. ere(; (vgl. Walde Et. Wtb. 490). Durch Kontamination von
*7Tp€CTFuc und *TrpeicKuc sind nun folgende Formen hervor-
gegangen: böot. irpicTfcTec = irpkßeic Ahrens 2, 111, Collitz 705,
6, 18), thess. TTpeicßeiac (Collitz 345, 12, PreUwitz De dialecto
Thess. 11 Anm.), kret. irpeiTuc, irpeiTova compar. Akk. (vgl. Baunack
Inschr. v. Gortyn S. 30, Philol. 1896, 490, Güntert IF. 27, 67),
TTpeiTeia, TrpeiTnia (= Trpecßeia) vgl. Cauer^ 119, 29, 32; 120, 18;
7Tp€iT€UTdc Cauer^ 120, 26; 125, 4; TTpeiTeucdvTiuv Cauer^ 120, 1;
eTTiTTpeiYiCTOc CIGr, 2562, koisch rrpriTiCTOc Paton and Hicks, Inscr.
of Cos. 417. Die Form irpeiT- geht auf *7TpeiTY- zurück, deren
Doppelkonsonanz nach langem Yokal regelrecht vereinfacht worden
ist; also *TrpeiCT- zu *TTpeiYT- = irpeiY-.
Nach Walde KZ. 34, 524 f. soll idg. zg nach Vokalen im
Griechischen sein z verloren haben. Allein nicht nur griech.
TTpecßuc spricht dagegen, sondern auch das übrige von ihm an-
geführte Material gibt nicht zu dieser Annahme Berechtigung.
Ich werde nun diese Beispiele besprechen.
qppuTctvov 'dürres Holz' gehört nicht zu lit. bruzgas 'Ge-
strüpp', sondern zu qppuYuj 'dörren, rösten'. Zur Bedeutung
vgl. aisl. draugr 'dürres Holz' : ags. dryge 'trocknen' driigod
Trockenheit' (Zupitza Germ. Gutt. 218); lat. torris 'brennendes
Scheit Holz' : torreo 'dörren'; griech. Kdpqpoc 'dürres Reisig' :
lit. skrehiu 'trocken werden' (Prellwitz ^ 210). Daß in griech.
(ppuTUJ kein z ausgefallen ist, ist bereits S. 149 f. dargelegt worden.
ciTaXöeic 'schimmernd', ciTaXöui 'mache blank' ist nicht
mit Prellwitz 2 411, Walde KZ. 34, 524 aus Hm + galo (: ai. tvis
'Glanz', griech. YctXnvri 'Meeresglätte') zusammengesetzt, sondern
gehört zu got. svikns 'rein' (vgl. Bezzenberger BB. 4, 355). Be-
grifflich vgl. ai. subhra 'glänzend, klar, rein'.
§ 20. Als eine weitere Stütze für seine Regel führt Walde
auch den Schwund des sogenannten vokalischen z an. Walde
stellt sich nämlich vor, "daß sich aus dem Stimmton eines an-
genommenen z ein Vor- oder Nachschlagevokal gebildet habe,
158 J. Scheftelowitz,
etwa iz oder zi und daß dann das nunmehr konsonantische 2
allenfalls mit Dehnung ausgefallen sei". Aber Thurneysens vo-
kalisches z ist unhaltbar. Thurneysen hat nämlich vor mehr
als 15 Jahren (KZ. 30, 351 ff.) die Theorie aufgestellt, daß indo-
germanisch-vokalisches ? im Griechischen direkt zu i, aber nach
Labialen zu v geworden wäre. Dieser Hypothese haben auch
mehrere Forscher zugestimmt, so Pedersen IF. 5, 69, Bartholomae
IF. 3, 21 Anra., Persson Wurzelerw. 110, 130. Doch bereits
Bechtel Hauptprobleme 108 f. wendet sich gegen Thurneysens
Annahme: "Von dem vokalischen ^, das Thurneysen (KZ. 30, 351)
zu erweisen gesucht hat, vermag ich keinen Gebrauch zu machen,
weil seine Spuren zu unsicher sind".
"Wir wollen nun in folgendem sämtliche in Betracht kom-
menden Beispiele einer Kritik unterziehen.
^Xivuuj 'bin müßig, raste' kann unmöglich zu griech. XecxH»
air. lese 'träge' gehören, da griech. Xecxn auf idg. Vegh-sk- (:got
ligan., an. legja., ahd. luog 'cubile', griech. Xexoc 'Lager', bulg.
nsl. leglo dss., asl. lezati 'liegen', cech. lahati 'sich legen') und
air. lasc^ lese 'träge, schlaff', kymr. llesg 'infirraus, languidus' auf
idg. *leg-sk zurückgehen (: lat. langueo^ griech. Xa^apöc, lett. legens
'schlaff', air. lace 'remissus', lacgad 'erschlaffen', nir. lag 'schlaff').
eXlvuuü stelle ich zu asl. lenü 'faul', poln. len 'träger Mensch',
aöech. Un^ serb. Ujen 'faul', mhd. lin 'matt', lett. laita 'die Faule,
Träge', laida 'fauler Mensch', ai. laya 'den Geist träge machend*.
eXlvuuü (mit einfachem v) ist die richtige Schreibung, so z. B.
Herod. 1, 67; 7, 56; Aesch. Prom. 53, Theoer. 10, 151 ; Hes. Da-
neben ist auch eine schlechte Schreibart mit vv belegt. Betreffs
^Xivvuuü vgl. Galen TOuv 'iTTTTOKpdTouc tXOüccuuv d£r|Tncic ed. Fran-
zius 464, Thes. Graec L. 3, 739, Schaefer zu Gregorius Corin-
thius 502 Anm., Boeck zu Find. Nem. 5, 1. Hier kann ^Xivvuuu
unmöglich aus urgriech. cv entstanden sein, da ja vv für ur-
sprüngliches cv nur im Lesbischen und Thessalischeu erhalten
geblieben ist, dagegen in allen übrigen Dialekten mit Ersatz-
dehnung vereinfacht ist (vgl. Brugmann Gr. Gr.^ 125). Das v
der Verbalenduug -vuuu wird zuweilen handschriftlich verdoppelt,
wohl infolge Analogiebildung nach Kepavvuu) (Kepdvvu|ii), cßevvuuu
(cßdvvu|Lu), so öaivvu|ii, baivvuuu neben regelmäßigem baivu/ii,
öaivüuj, uTTOKTfcivvuvai neben gewöhnlichen dTTOKTeivüvai vgl.
G. Hermann zu seiner Ausgabe Sophokles Ant.^ Praef. 22 f.
iv€C, iviov 'Sehne' stellt Thurneysen (KZ. 30, 352; nach
Das Schicksal der indogermanischen Lautgruppe zg. 159
ihm Sütterlin IF. 25, 61) zu ahd. senawa, ai. sndvan. iviov kommt
zweimal in der Ilias vor, und das Versmaß setzt an beiden
Stellen das Digamraa voraus, vgl. Knos De digammo Homeiico 128:
Fiviov duobus modo locis invenitur, quorum uterque digamma
postulat, ut hi hiatus duriores summoveantur a) in fine pedis
tertii post semiquinariam E 73 ßeßXriKei KeqpaXnc Kard Fiviov oEei
boupi, b) im fine pedis primi, ubi post praepositionem nulla est
caesura E 495 Kai biet Fiviou rjxeev", vgl. auch Hes. fk • i^dc.
iviov ist eigentlich Diminativum von ic (ivoc) Hom. 'Sehne,
Muskel'. Schon aus diesem Grunde kann es unmöglich zu ahd.
senawa gehören. Fiviov verknüpfe ich daher mit cech. tvinek
'Band, Stirnband', ahd. irid 'Strick', air. feith 'Sehne', kymr.
ffwden 'nervus' hat vieo, ai. vema 'Webstuhl', vetra^ cetasa 'Ranke,
Rohr' 1). Übrigens geht das e in ahd. senawa auf urgerm. / zurück
und ist von ai. snävan zu trennen, vgl. Trautmann Germ. Lautges.
14, I. A. Wood IF. 18, 24.
iXuc 'Schlamm, Bodensatz' ist nicht aus *düs entstanden:
lat. po-lluo, lidum, saliva 'Speichel', griech. Xu^a, gael. sal 'nasser
Schmutz', ahd. sah 'trübe' (Thurnejsen KZ. 30, 352, Sütterlin
IF, 25, 72). Wäre dieses richtig, so hätte doch auch bei den
außergriechischen Verwandten von iXuc Vokalentfaltung ein-
treten müssen (vgl. Walde KZ. 34, 530). Dieser Künstelei gegen-
über entscheidet sich Bezzenberger BB. 27, 164 für die Zu-
sammenstellung von iXuc mit asl. r. ilü 'Schlamm', poln. it 'Mergel'^
Hes. eiXu • ^eXav, lett. fh aus *ilus 'stockfinster' (vgl. auch Uhlen-
beck KZ. 40. 550).
Kploc 'Widder' nicht aus *kxzvos zu Kepac (Thumeysen
KZ. 30, 352, Walde KZ. 34, 592), sondern es gehört zu aisl.
hreinn^ ags. hrdn 'Renntier' (vgl. Wiedemann BB. 28, 33 ff.).
pivöc 'Haut, Leder', Hes. ypivoc (= Fpivoc) • bepina, xaXau-
pivoc 'Schild tragend', nicht aus *vj-^nös, ai. vr?an 'Stier' (Thur-
neysen KZ. 30, 352, Walde KZ. 34, 529, Sütterlin IF. 25, 63);
sondern ich verknüpfe es mit an. vara 'Fell', poln. tcör 'Sack,
Schlauch', icorek 'Säckchen, Beutelchen', ai. vavri 'Hülle, Gewand' ;
lat. reno 'Tierfell' wohl aus dem Germanischen stammend *vrenä
vgl. Caesar BG. 6, 21, 5: {Germsini) pellibus aut parvis renonum
iegunientis utuniur\ Sallust Hist. fr. 3, 57: Germani intectum
1) Von IC (vöc 'Sehne' ist vollständig zu trennen ic 'Kraft' iqpi 'mit
Kraft' : lat. vis, ai. vayas N. 'Kraft'. Prellwitz und Walde Et. Wtb. halten
tc iv6c 'Sehne' fälschlich mit ic 'Kraft' identisch.
160 J. Scheftelowitz,
renonum corpus tegunt. Dieses lateinische Wort verbindet Walde
Et Wtb. 521 mit griech. (gort.) Fapnv 'Schaf, Lamm', was möglich
ist. Zur Bedeutung vgl. z. B. ai. ajina 'Fell, Schlauch, Beutel* :
ajä 'Bock'; np. meHn 'Schaffell* : aw. maisa 'Schaf*. In griech.
Fpivoc, lat. {v)reno steckt das idg. Suff, ino, -eino^ womit auch
np. mesin 'Fell* = altiran. *maimina gebildet ist. Nach R. Planta
Arch. f. Lat. Lex. 12, 367 ff. ist die lateinische Bildung auf -enus
(== urit. -einos) Nebenform zu urit. -inos.
löpuuü 'setze hin* erklärt Thurneysen aus *zdru- zur Wz.
sed, wogegen Walde KZ. 34, 532 einwendet: "Ein idg. *zdrup
könnte nur *ic5puuj lauten**. Daher erklärt er es (Et. Wb. 559)
aus *St,druiö. Jedoch kann das i in ibpuuu indogermanisch sein,
wie ja auch np. ni-sinad, pehl. ni-simt 'setzt sich* auf altiran.
*ni-sidnäfi zurückgeht, idg. *sid, vgl. auch v. Rozwadowski BB.
21, 147 ff., Brugmann Grdr. l», 504.
10UC 'gerade* und ai. edhate 'gedeihen* sollen nach Thur-
neysen KZ. 30, 352 auf idg. *zdhüs *zdhetai zurückgehen : ai.
sädhtis 'gerade*, sädhate 'stracks zum Ziele schreiten, gedeihen*.
Prellwitz Et. AVb.« und Walde KZ. 34, 526 sehen in teOc : ai.
sädhti einen Ablaut *stdh : sg{i)dh^ was möglich ist. Ich stelle
iGuc zu au. sidr 'lang herabhängend, lang', ags. sid 'lang, groß,
ausgedehnt'. Daß ai. edh- auf idg. zdh- zurückgehe, erkennt auch
Bartholoraae IF. 3, 21 Anm. nicht an. Nach Bartholomae kann
^^edhate ganz gut zu fdhnote gehören''. Allein anlautendes t
wird sonst im Mittelindischen nicht zu e vgl. Pischel Gramm,
d. Prakr. Spr. § 56 f. Johansson IF. 2, 31 will ai. edh- auf idg.
Tßddh zurückführen : ai. medha 'Fleischsaft', was aber unmöglich
ist (vgl. J. Schmidt Krit. d. Sonantentheorie S. 81 ff.). Ich ver-
knüpfe ai. edhate 'groß werden, stark werden, gedeihen*, edhita
*groß geworden, angewachsen, angeschwollen', edhas 'Gedeihen,
Zunahme' mit aw. azdya 'kräftig geworden, wohlgenährt', ar.
*azdh-.
ai. edhi 'sei* ist r-icht = idg. zdhi (Thurneysen KZ. 30, 352),
sondern ebenso wie Walde KZ. 34, 531, Thumb Sankr. Gr. § 489
nehme ich an, daß hier die starke Stammform eingeführt ist,
also edhi aus *nzdhi^). Dagegen ist griech. TcGi = aw. zdi mit
vorgeschlagenem i gebildet (vgl. Osthoff KZ. 23, 579 f., Thurneysen
KZ. 30, 352). Denn vor einem anlautenden Sibilanten, dem ein
1) Nach Wackernagel IF. 26, 330 soll ( in TcOi durch Einfluß des
i-Lautes der folgenden Silbe aus *^c6i entstanden sein.
Das Schicksal der indogermanischen Lautgruppe zg. 161
Konsonant folgt, entwickelt sich häufig ein heller Yokal z. B.
ai. stn : mind. itihi\ np. isped 'weiß' : aw. spaeta\ lit iszkadä aus
dtsch. schade, wruss., klruss. izrada : lit. zdroda ( = poln. zdrada); lit.
izbönas^ izbradnius, izdrodyti aus zhonns^ zbradnius^ zdrodyii (vgl.
Bezzenberger, Mitt. Lit. Ges. 1, 46 ff.); spätgriech. icxriXriv, icxpaTi-
luiric, lat. ismaragdiis ( = smaragdus) ; kyrnr. ysgaru = air. sca-
raim\ ysnoden 'fil' = ir. snäthe: ystlys = ir.s//s; ystlivn = iT.slönd;
ysgryd = com. scruth ; ystafeU 'chambre' auf lat. stahulum ; yslath
*rod, perch' : ir. slat Virga'; cymr. ysgafnu 'erleichtere' : mbret
scaff 'leicht'; kymr. ystretci : mbret. strev-ya^ streuya 'eternuer'.
rpfßuu 'reiben, zerreiben' (neben expißnv, Tpißr|CO|uai Soph.
Oed. R. 428, Tpißo^m Aesch. Eura. 195 mit kurzem i) nach Thur-
neysen KZ. 30, 352, Bechtel BB. 10, 286, Fick BB. 7, 95 zu got.
Priskan 'dreschen'. Allein das germ. Wort ist für xpißuu eine
sehr schlechte Stütze, da es auf idg. *t]^sk- = *trk-sk beruht : lit.
firszkinti 'klappern, kratzen, schaben', tarszketi 'klappern', aslav.
tröskotati 'strepere', trestiti 'schlagen', cech. triskati 'poltern,
schlagen', poLn. strzaskac 'zerschmettern', bg. treskam 'prassele,
schlage' : lit. tränkau 'mehrfach dröhnend stoßen', trenkiü dss.
russ. torkb 'Klopfen, Stoßen', torkath 'hin- und herstoßen', poln.
trqcic 'stoßen', nslav. trkati 'anstoßen, klopfen', a.eng\. ßringan,
ahd. dringan 'dringen' (vgl. Zupitza G. G. 70), lat. truncus 'gestutzt'.
Tpißuu (lat. trivi) gehört vielmehr zu lat. stnga 'Streich', ahd.
strihhan 'streichen', got. striks 'Strich', aisl. sirykua (Sütterlin
IF. 4, 95 ; 25, 63 ; Walde KZ. 34, 526, Zupitza G. G. 94). Griech.
rpißuj, lat. trivi, aisl. strykua beruhen auf idg. {s)trig-u- (Zupitza
G. G. 99, Walde Lat. Wb. 624). Hierzu stelle ich auch lit. trS-
szkiu 'quetschen, pressen' aus idg. *traig-sk-. Idg. *{s)tng, {s)traig
ist eine ^-Erweiterung : lit. trainöju, trainöti 'reiben' (Mitt. Lit.
Ges. 1, 327) trinü^ tryniau 'reiben', lat. trio 'Dreschochse', tribu-
lum 'Dreschwagen zum Ausdreschen der Körner', detrimeivtum.
xfXioi : ai. sa-hasratn führt Thumeysen KZ. 30, 353 auf idg.
ghzlijo- zurück. AUein lesb. xeXXioi, lak. xEXioi (IGr. A. 69), ion.
Xe'Xioi, xeiXioi, böot. xtiXioi, xiXioi verlangen uratt xeXioi (Kretsch-
mer Vaseninschriften 134, Wackernagel IF. 25, 329). Bereits
Bechtel Hauptprobleme 108 f. nimmt an, daß im Griechischen
eine an die Nachbarschaft eines c nicht gebundene Schwächung
von e zu i stattgefunden hat. "Dieser Standpunkt erlaubt mir,
XiXioi, das Th. als Nachfolger von *ghzlijoi nimmt, als äol. *xiXXioi
aus *xicXioi zu fassen und das Verhältnis von *xicXioi zu *x€cXioi
Indogermauische Forscliangen XXXIII. 11
162 J. Scheftelowitz,
(xeXXioi) genau so zu beurteilen, wie dasjenige von cKibvaiiai :
CKebdvvu|ii" (Bechtel a.a.O. 109). Ebenso geht ja auch xöiZioc
'gestern' auf urgriech. *x6ecöiöc zurück. Weitere Beispiele für
griech. i = e bei Kretschmer KZ. 81, 375 f., Bechtel Hauptprobl.
113, Solrasen KZ. 32, 513 ff., Hirt IF. 7, 154.
Xpiou 'bestreiche, salbe, verletze, ritze* nicht aus *§hr2!iö :
ai. harsati (Thurnejsen KZ. 30, 352, Sütterlin IF. 25, 65), sondern
zu air. grian 'Kies, grober Sand', lit. gr§jü^ griti 'Sahne von der
Milch bogenförmig abschöpfen', uz-griti 'beim Fischen mit den
Netzen auf etwas stoßen', eigentlich 'hart über etwas hinweg-
streifen'. Mit Recht stellt Prellwitz hierzu auch xpaivou 'berühre
die Oberfläche, streiche an, färbe', idg. *ghrei : *ghrd-n-.
Kpl9ri 'Gerste' nicht aus *ghr?dhä : gersta (Thurneysen KZ.
30, 352). Nach Persson Wurzelerw. 103 steht Kpien für *xpi-er|,
hierzu "KpT 'Gerste' für *xpi-0 oder *xpi durch Anschluß an
Kpiöri, vgl. ßp-T- = ßpi6u". Die Basis idg. *gliri- 'zerreiben' steckt
nach Persson in air. grian 'Kies', vgl. auch oben XPi^? neben
idg. *gher^ griech. xtp«c, x^P^«c 'Kiesel', lat. furfur 'Hülse des
Getreides', lit. gurti 'bröckeln' (vgl. Walde Et. Wb. 255). Zur
Bedeutung vgl. got. kat'irn, apr. sgrne 'Korn', lat. granum : ai.
jirna 'zerrieben, zerfallen' (Walde Et. Wb. 274); arm. gari 'Gerste*
aus *gharsio, ahd. girsfa : ai. gharßati 'reibt' (Uhlenbeck Et. Wb.
d. Ai. Spr.). Vielleicht ist das anlautende k in KplGn und im KpT =
idg. k : Kpi'iLivov 'Gerste', Kpi|ivuüör|C 'grobem Mehle ähnlich*,
Kpi)iiv6c • r) Kpi0ri (v^gl. A. Ludwich Anecdota z. griecii. Orth. 2, 47),
lit krervas 'gewunden, schief, aslav. krim 'krumm', lit. skriti
'runden', ap-skritiis 'rund*, lett. kraus 'gebogen, gekrümmt*, arm.
porean 'Korn* aus *skj'jono^). Zur Bedeutung vgl. arm. olorn 'Korn,
Erbse* : olor 'Drehung, Windung', ai. aräla 'gebogen, krumm,
kraus*.
Auch in griech. crpoöGoc 'Sperling, kleiner Vogel' ist trotz
Solmsen IP. 13, 139 kein c vor 0 ausgefallen; griech. crpoöGoc,
cymr. drwdwg, mit truid 'Drossel' weisen auf die gemeinsame
Grundform idg. (s)tr{o)uth-. Die keltischen Formen können un-
möglich auf vorkelt. zd{h) zurückgehen, denn letzteres hätte über
*dd zu tt = cymr. th werden müssen (vgl. Brugmann Grdr. 1",
691). In cTpoöGoc steckt vielmehr die onomatopoetische Wurzel
strou- vgl, lat. tru-cilare 'zwischern (von der Drossel)*, mbret.
1) Zur idg. Wz. krei gehört auch abg. krinica 'Gefäß, Krug* vgl.
Berneker Slav. El. Wb. ßl7.
Das Schicksal der indogermanischen Lautgrappe zg. 163
trous 'Lärm' (Emault Gloss. Moyen-Bret. 2 726), griech. rpuZiuu
•girre, turtle', poln. trukac dss. Zum idg. Suffix *^/w vgl. z. B.
RY. wMia, rkthd, cardtha, gäthdj pakthd, bhrthd, soma-pitha. Ton
derselben Wz, *strou sind mit dem sÄr-Suffix gebildet germ. *ßrauskO
(-an), *ßruskjan, ahd. drösca, ags. prysce^ engl, thrush (vgl. Solm-
sen IF. 13, 189).
cppuTuj erklärt Thurnevsen KZ. 30, 353 aus *bh^gö und
stellt es zu ai. hhrjjati. lat. frigere. Daß aber diese Zusammen-
stellung unhaltbar ist, habe ich S. 149 f. ausführlich dargelegt.
(ppuTuu hat bereits Walde KZ. 34, 527 richtig zu ai. hruigim 'röste'
gestellt, das unmöglich zg enthalten kann.
iLiöÖoc ist unmöglich mit Thurnevsen KZ. 30, 353 zu ai.
medhd 'Weisheit', midhira^ medhävin 'verständig, weise', aw.
mazdä- 'im Gedächtnis behalten', mazdäh 'Gedächtnis' zu stellen,
denn die indoiranischen Wörter gehen auf idg. *madh-tä, *mandh-t-
zurück, aw. mqzdra 'verständig, weise' : aw. mand 'dem Gedächt-
nis einprägen', ai. mandhätar 'der Andäclitige', aslav. mqdru
'weise', griech. ^laGeiv, got. mundön, idg. *mandh^) (vgl. Bartho-
lomae BB. 13, 80, Ar. Forsch. 3, 56, IF. 7, 57, Air. Wb. 1181);
dagegen ist griech. |iu9oc mit ahd. mäicen 'schreien', lett matU
'brüllen' verwandt (vgl. Walde Lat. Et. Wb. 396).
ßpöxctoiaai 'brülle', ßpuxaXdoc 'brüllend' kann man nicht mit
lit. brizgeti 'blöken, brüllen', ai. brnihati 'brüllen' vereinigen (so
noch Sütterlin IF. 25, 69). Zunächst ist in ai. biTßh- unmöglich
ein 2 ausgefallen, denn idg. zg hätte im Altindischen zu JJh
werden müssen. ßpOxao|iai geht auf idg. brugh zurück : lit. bruzims
'Lärm' (Bezzenberger LF. 103), ferner russ. brjuzzati 'scheiten*
aus idg. *brugh-sk, lit. bi-uzga 'Rauschen', bruzgu 'rascheln'.
liupioi gehört nicht zu lat mi/wi, mille vgl. über letzteres
Sommer IF. 11, 323, Walde Et Wb. 385 (aus *smi-ghsl-i 'ein
Tausend', ureprünglich Fem., das sekundär nach ducentum^ tre-
centum usw. zum Neutrum umgebildet ist).
1) Daneben gibt es eine idg. Wz. *ment, ai. manti 'Denken', aslav.
pa-mfti 'Gedanke', lit. at-mintis 'Erinnerung', lat. mens{-tis) , mentio, com-
menticius, commentator (vgl. Walde Et. Wb. 378), ai. man^w 'Rat', aw. niantau
'Berater'; mit <-Suflix erweitert : aw. nuistay 'Kenntnis, Wissen', lit. mqstus
'nachdenklich, besonnen', mastis 'Erwägung, Nachdenken, Verstand', mqstau
'erwägen', mästytojis 'Grübler, Forscher'. Bartholomae Ar. Forsch. 1, 17,
Air. Wb. 1155 will aw. mastay durch analogtsche Umgestaltung auf ar.
*mandh-tay zurückführen, was durch meine Etymologie hinfällig ist.
11*
164 J. Scheftelowitz,
^i'ov 'Bergspitze' stellen Prellwitz Et. Wb.* und Hirt Abi.
§ 606 zu aslav. vrüchü 'Gipfel, Höhe', lit. rirszüs 'das Obere', ai.
varsma 'Höhe*. Allein das i in ^lov ist ursprünglich, denn es
gehört zu as. wrisi-lik 'riesig', aisl. r/se, ahd. riso 'Riese', vgl.
Walde Et. Wb. 662. Ganz wertlos ist Petersens Vermutung IF.
5, 69, daß "auch ^ic, ^ivöc aus *rzn6s (Gen.) ursprünglich *nzrös
(: lit. nasrm 'Rachen') entstanden wäre, vgl. hierzu Walde KZ.
34, 530 f.
idg. z ist im Urgriechischen überhaupt nicht vor
Y, ß, ö, 6 geschwunden.
clTn 'das Schweigen', ciTdtu 'schweigen' kann man unmög-
lich mit ahd. thuesben 'erlöschen' zusammenstellen (Bechtel BB.
14, 306), denn dagegen sprechen schon die Nebenformen lya
und FiYa. "citohju verhält sich zu Fiya und xfa wie ceXac zu
Felena, FeXa und ^Xdvn" (Kretschmer KZ. 31, 470). Ich stelle
ciTrj zu ags. swican 'aufhören, ablassen', geswican 'ablassen, sich
enthalten' (zahlreiche Belege bei Liebermann Gesetze der Angel-
sachsen 2, 99, 206), mhd. siveichen 'ermatten, nachlassen', ahd.
smhhan dss. Prellwitz Et. Wb.^ 414 verbindet ciTn mit ahd.
simnan 'abnehmen, dahinschwinden, verstummen'.
dKpIßnc 'genau' läßt sich nicht mit got. and-hruskan 'nach-
forschen' verknüpfen (Bechtel BB. 10, 286), denn das germanische
Wort läßt sich auf idg. skrusk- = *skrut-sk- zurückführen : lat
scrüfor 'untersuche'. Dagegen dKpißnc : dKpoc 'spitz', lat. acer
'scharf. — ißr|C ist Suffix, vgl. Kpißavoc 'Pfanne, Ofen' : lit. kürti
'heitzen', lat. cremare\ ^pucißn Prellwitz Et. Wb.* 158. Zur Be-
deutung 'genau' vgl. ai. süksma 'fein, genau' : süci 'Nadel' (Zur
Etym. vgl. Verf. Wiener Z. K. M. 21, 130). Nach Walde KZ. 34,
532 soll dKpTßnc für ursprüngliches *aKpo-KpIßric stehen (: xpivu)
mit r/-Suffix), "woraus aKpißnc durch syllabische Dissimilation"
hervorgegangen wäre; doch wegen der Verschiedenheit der
Vokale (o — i) ist dieses unwahrscheinlich.
eXißuj 'reiben, drücken, quälen', öXiipic 'Reibung, Druck,
Bedrückung, Angst, Qual'. Die Form 6Xiß- kommt vor im Atti-
schen (z. B. d7ro-eXi»j;iu Eur. Cycl. 237, leXnpa Plato Tim. 60,
Te0Xi)Li)iai Aristot. Probl.), Jonischen (vgl. Herodas, Miniamben 4,
53 ed. Meister: eXiß[e]i) Megar. (CJGr. 7 Nr. 110: eXeißeiai), Sicil.
(CJGr. 14 Nr. 531 : eXiijJic). Dagegen (pXißnv (= att eXißtiv) nach
den Scholien zu Hom. p 22 und Eustathius 102, 1 ; 1817, 43
aeolisch vgl. 0. Hoffmann Gr. Dial. 2, 502; 3, 600; aber auch bei
Das Schicksal der indogermanischen Lautgruppe zg. 165
Hippokrates (jonisch) findet sich diese Form. Den Wechsel von
anlautendem e\ mit qpX erklärt Fick BB. 18, 142 folgendermaßen:
"Die Grundform ist *ßhehgp : ßhlsge". Auf *ßhelsgö weisen nach
Fick die beiden Hesychglossen d0eXßdiIeiv • Öin9eiv, dGeXbeiai • öir|-
eeiTtti hin, idg. *QhlsQe dagegen hätte nach Fick qpXißuj ergeben,
während das 9 in GXißuu von der ersteren Grundform herrühre.
Doch ist diese Erklärung unmöglich. Denn zunächst sind die
beiden Hesychglossen wegen des anlautenden a und wegen ihrer
verschiedenen Bedeutung von qpXißuu, öXißuj zu trennen. Außer-
dem hätte Ficks Grundform ßlifsge nur griech. *(pXdcßat ergeben
können. Da nun idg. g^hl im Griechischen nur zu 9X hätte
werden können, so liegt die Vermutung nahe, daß die zahl-
reicheren Formen mit 0X ursprünglicher seien und daß an-
lautendes 9X in einigen Dialekten in derselben Weise zu qpX
geworden sei, wie anlautendes urgermanisches und got. ßl im
Westgermanischen und Nordischen zu fl geworden ist. Im Grie-
chischen gibt es im Ganzen nur zwei Basen, die mit 9X anlauten,
nämlich GXißw und 9Xduu. Daß nun in diesen beiden Beispielen
urgriech. 9X vorliegt, wird auch durch den Wechsel von 9Xduj
mit qpXduj wahrscheinlich gemacht; ion. GXfi, GX^rai [— 9Xd,
eXdrai] Herodas ^[imiamben 2, 83 ; 3, 44 (vgl. Meister Abhdg.
Sachs. Ges. Wiss. 13, 795) Hippokr. 2, 507, att. GXduj (z.B. Aristot.
Probl. A 38 : cuv-€9Xdc9r|v) ; 9Xduü ist attisch (vgl. Meisterhans
Gramm, d. att. Inschr.^ 186), ionisch (bei Hippokrates z. B. 3,
309; 358; 359) dorisch (bei Theokr. 5, 148; 150: 11, 70); nach
Gregorius Corinthius irepi AioXiboc § XLI ist es auch äolisch
(avTi be Toö 9 TÖ ^ GXdtai qpXdtai). Die Etymologie bestätigt nun,
daß das anlautende 9X auf idg. dhl zurückgebt i). GXißuj = idg.
*dhlib : aw. driwika 'Angst, Schaudern' (vgl. 6Xii|Jic 'Reibung,
Druck, Bedrückung, Angst, Qual'), driway 'Pockennarben' 2 (vgl.
Verf. ZDMG. 59, 697). Ebenso geht 9Xduj auf vorgriech. *dhlas
zurück, vgl. aor, e9Xdc0r|V (Arist. Probl. A 38, Aesop 76), 9XacT6c
1) Ficks Vermutung : Ursprünglich wohl Doppelstamm *96Xa : cpXd
= *ghela : ghlä entbehrt jeder Begründung. Brugmann IF. 28, 376 stellt
OXißu) zu lat. ftigo 'schlagen', was wohl möglich ist, aber wegen des g
erscheint meine Etymologie ansprechender.
2) Zur Bedeutung vgl. ags. grind, ahd. mhd. grint 'Zerreiben, Zer-
stoßen, Ausschlag' ; griech. vpil» 'reibe': vpiöpa 'Krätze'; lat. Scabies : scabere;
ai. dardru 'Hautausschlag', klr. derty 'wundgerissene Hautstelle': aslav.
derq 'schinde, zerreiße' ; lit. raüpsas 'Aussatz' : poln. rypaö 'scindere, friare',
aisl. riüfa 'brechen, zerreißen (Walde Et.Wb. 533), dtsch. Krätze: kratzen.
166 J. Scheftelowitz,
(Ar. Fr. 345). "pro eXdrnc Etym. Magn. et Anecdot. T I 22 eXacinc
scribendum esse iit ^)Lißpuo9XdcTr|C colligi licet ex cod." (Lobeck
Paralipomena 427). 9Xa(c)uj 'zerqiietsclie, zermalme' : öech. (Uasmaii
'driicken*, RV, dhr^ad 'Mahlstein'. Zur Bedeutung vgl. gr. ^uXaS
'Mahlstein' : ^OXXuu 'zerreibe'. RV. dhysad kommt im RV. dreimal
vor und zwar in A'^älakhilya 1, 4, wo'alle Mss. dhfsdd überliefern.
Dagegen hat in RV. 8, 72, 4 u. 7, 164, 12 nur das älteste RV.-Ms.
{Kästnir Ms.) dhf^ad^ während die gedruckten Ausgaben (und
die Lexikographen) dfsad überliefern. Bereits Roth ZDMG. 48,
108 hat vermutet, daß dhrmd die einzig richtige Schreibung sei.
Fick und W. Schulze, die nach der bisherigen Annahme drsad
für die ursprüngliche Schreibung halten, haben ai. d{h)rmd
mit att. &eipdc, kret. bripctc 'Hügel, Anhöhe' verbunden (W. Schulze
Quaest. Ep. 96); vgl. auch beipdcf) ^Ecxn (A. Ludwich. Anecdota
z. griech. Orthogr. 1, 16. Doch die Nomina pr. Aeppa, Aeppiov,
die Kretschmer KZ. 31, 443 als Stütze dafür anführt, sind fehler-
hafte Schreibungen für Aepa, Aepeiov (vgl. H. Ehrlich KZ. 39,
5691). "Der Stamm, von dem öeipdc ableitet, ist beipoc 'Hügel'
(Hes.), unii-öeipoc 'mit hohen Bergen' (Bachjiides 4, 4), öeipri
(Pindar 01.3,27; 9,58)". beipo- (öeipa) aus *öepio-, *g^erio
gehört zu Iit. glria 'Wald' {g^pä\ aslav. gora 'Berg', ai. giri
'Berg', aw. gairi^ arm. cair 'höchste Erhebung, Gipfel, Spitze,
Kopf, Ende' aus *g^fio.
XiußTi 'Mißhandlung, Schmach' ist unmöglich mit Fick
BB. 7, 120, Prell Witz Et. W.« 276 aus idg. *hsgVä (: ai. lujjate) zu
erklären, denn ai. lajjate ist Prakritform von rajyate (AV.) 'rötet
sich, gerät in Aufregung', hjijä 'Scham, Verlegenheit', lajate
'sich schämen'. Dagegen XiJüßri zu Iit. slogd, 'Plage', sloginti
'plagen', lett. sluga^ sltigs 'Last, Plage', släga 'Schaden, Be-
schwerde', vgl. S. 152.
XuYaToc 'dunkel, schwarz' Xurri 'Finsternis, Schatten' soll
nach Fick BB. 29, 197 für *Xuct- stehen : ahd. loscen, mhd. loschen
'verborgen, versteckt sein*, allein das germanische Wort ist mit
dem indogerm. Suffix sk gebildet: ags. lütan 'sich versteckt
halten', aisl. It'Ua 'sich ducken', ahd. luzen 'versteckt sein' (vgl.
Brugmann Grundriß 1«, 702)*). Dagegen verknüpfe ich XuTaloc
mit asl. liüa 'Sumpf, Pfütze', Iit. liügas 'Morast', lugnai dss. Zur
Bedeutung vgl. ai. Kala 'schwarz' : asl. Icalü 'Kot*, russ. kaluga
1) Nach Bezzenberger könnte Xirrn zu deutsch Wolke gehören, vgl.
XÖKOC : Wolf.
Das Schicksal der indogermanischen Lautgruppe zg. 167
'Morast' ; griech. ^eXac : lit mutwi 'Morast' ; nhd. schtoarz : lat.
sordidus: lett. ils 'stockfinster', gi'iecb. eiXu • \ie\av (Hes.) : asl. ilü
'Schlamm' (Bezzenberger BB. 27, 164); serb. mrk 'schwarz', asl.
mrahü 'Dunkel, Finsternis : klr. morokva 'Sumpf, Morast' : poln.
hrudny 'schmutzig, unrein, schwarz', hrud 'Schmutz'; np. cardeh
'color ad nigrum vergens' : np. Jcari, karah 'Schmutz', phl. kanc
'Mist', arm. kork 'Schmutz, Kot', lit. Mrnos 'Sumpf, Morast';
ahd. solo 'dunkelfarbig, schmutzig'; arm. muth 'dunkel, schwarz,
Dunkelheit, Nacht' : alb. mid 'Kot': arm. mur 'Schwärze, Ruß' :
maur 'Schmutz, Sumpf, Marschland'; lat. ater 'schwarz' : ags. adeJa
'Kot', pomm. dial. adel 'Mist' (Korrespondenzbl. d. Ver. f. nd.
Sprachf. 27, 24), hierzu stelle ich auch griech. dcic 'Schlamm,
Kot', idg. *ati-s. Sehr unwahrscheinlich verknüpft Froehde BB.
7, 85 dcic mit lat. sentina 'Kielwasser', das aber, wie bereits
J. Schmidt Kritik d. Sonantenth. 63 bemerkt, begrifflich ganz
fern liegt sentina ist nach J. Schmidt a. a. 0. älteres *senHina und
gehört zu lit nu-s^kti 'abfließen, versiegen', sekis 'seichte Stelle'.
Im Indogerm. geht demnach die Benennung des Schwarzen von der
Vorstellung des Schmutzes, Morastes aus. Dieses ist psvcholo-
gisch leicht verständlich, da wir Farben nicht als reine Empfindung,
sondern nur als Eigenschaften der Außenwelt wahrnehmen.
ttvi'tuj 'ersticke, dämpfe', irviTnpoc 'erstickend, eng' soll
nach Fick BB. 7, 95, Bechtel BB. 10, 286, Walde KZ. 34, 532
zu ahd. fnaskazzan 'keuchen' gehören, allein letzteres geht wahr-
scheinlich auf vorgerra. *pnosk, idg. *pnosk-sk zurück : aisl. fnasa
'keuchen, schnauben', ags. fnäst 'anhelitus'. irviTuu könnte idg.
k^ni-g sein und zu ais. hnipa 'beklommen sein', hnipenn 'be-
klommen' gehören, wobei W. k^ni- durch verschiedene 'Deter-
minativa' ([/ und b) fortgebildet wäre. Auf jeden Fall kann das i
in TTViTU) nur auf idg. i zurückgehen.
Die Untersuchung des idg. z im Griechischen hat uns
somit gelehrt:
1) daß es kein idg. z gibt;
2) daß idg. z vor einer Media oder einer aspirierten Media
im Griechischen nie geschwunden ist Daher ist Bechtels Be-
hauptung (BB. 10, 282), "daß aus jedem r-Yokal, welchem Sibi-
lant plus Media resp. aspirierte Media folgt, langer Vokal plus
Explosiva entsteht", unhaltbar. Seine Beispiele aKpIßnc, tplßiu,
q)pdTUJ, TpiZ:uj, KplOri haben weder einen 'r-Vokal* noch einen
Sibilanten enthalten, was ich eingehend dargelegt habe.
168 J. Scheftelowitz, Das Schicksal der indogerm. Lautgruppe zg.
§ 21, idg. zg im Lateinischen.
mergiis 'Taucher', mergo 'tauche unter', vgl. ai. majjati S. 136.
Unsicher ist es, ob turgeo 'strotze, schwelle auf, auf *tuz-g-
beruhe zu *<ms, got. püsundi, apr. tüsimtons^ asl. tysqsta, tgti 'fett
werden' (Walde Et. Wtb. 643). turgeo könnte viel eher zu asl.
tvarogb 'lac coagulutum', griech, Tupöuu 'zu Käse machen, ge-
rinnen', Tüpoc 'Käse', aw. tairi 'Molken' gehören. Also turgeo
aus *tw'igeo, abgeleitet von einem adjekt. *tür-igos (vgl. F. Solmsen
IF. 26, 114).
§ 22. idg, zg im Keltischen.
gaUolat. mesga 'Molken', air. medg dss., kymr. maidd vgl.
ai. majjän S. 136. mir. ledh 'a stripe' (Arch. f. kelt. Lex. 1, 312),
ir. leadhb 'a patch', gael. ledb 'a piece, shred* aus vorkelt *le^g^o :
an. lasna 'to decay', lasinn 'dilapidated, half broken, ailing', got.
Idsiws 'schwach', mhd. erleswen 'ermatten', ags. leswe 'schlecht',
lat. sublestiis.
zg liegt auch in den urkeltischen Eigennamen Tasgo-dimi,
Tasgius., Tasgetius, Tasgillus vor, ir. Tadg N. pr. (vgl. Holder
Altkeit. Sprachsch. 2, 1748 ff.), mir Tadg N. pr. (Arch. f. Kelt.
Lex. 2, 472).
§ 23. idg. zg im Germanischen.
schwed. daska 'poltern, mit klatschendem Laut anprallen',
norw. daske 'klatschen' vgl. aw. däzgra S. 156.
ags. risce-i rixe F. 'Binse', urgerm. *reskin^ got. *riskei, idg.
*rezg engl. 7-ush 'Binse', mhd. rusche 'Binse', idg. *fzg- : asl. rozga,
razga 'Zweig'; über die weiteren Verwandten vgl. ai. rajjii S. 134 f.
Noreen Urgerm. Lautl. S. 139 verknüpft aisl. visk 'Bündel',
ahd. wisc 'Wisch' mit lat. virga 'Rute, dünner Zweig', allein die
germanischen Worte gehören zu ai. veska 'Schlinge'. Dagegen
stelle ich lat virga zu lit. wizgöti 'schwanken', idg. *mzgh aus
*mgh-sk : ahd. wigan 'schwanken', mhd. weigen^ ahd. wiega 'Wiege',
lett. wigls 'wenig wiegend' (vgl. 0. Hoffmann Geras für Fick 56,
Trautmann Germ. Lautg. 15), nsl. vigati, vigati se 'wanken', ai.
vehäyati (Äp. sr. 18, 217) 'verwerfen' (die Leibesfrucht von einer
Kuh), lit swaiginSti 'umherschwanken', russ. svigati 'sich herum-
treiben*.
aisl. bruskr läßt sich nicht mit Noreen zu lit briizgns
'Gestrüpp' stellen, denn das lit Wort gehört zn brizgü 'fasern',
iszbrizga 'Faser', brizgilas 'Strick, Zaum', pr. brisgelan 'Zaum'
idg. *bhf^h-sk = ^bhfzgh : lett bräfu 'abstreifen', alit bruzduklas
R. G. Kent, Lateinisches POVERO 'puero'. 169
'Zaum' (Bezzenberger Beitr. z. Gesch. Lit. Spr. 277), ai. brhati
'ausreißen', barha 'Sehwanzfeder, Blatt'. Dagegen gehört aisl.
bniskr zu aisl. brjösk 'Knoi-pei', cech. brosk 'Knospe*, klr. broska
dss., mhd. brüsche 'Beule', nhd. bravsche 'Beule', idg. *bhrusk.
Inhaltsangabe.
Die indogermanische Lautgruppe zg ist im Altindischen
zu jj geworden (§ 1 — 2). Die bisherige Annahme, daß idg. zg
zu ai. dg geworden wäre, ist unhaltbar, denn madgu ist von
W. mad abgeleitet (§ 3). Das Nominalsuffix g (g^) ist im Alt-
indischen sehr häufig (§ 4). adga = idg. *odg"o (Der Ausdruck
'Rute, Stock' als Symbol männlicher Zeugungskraft § 5 — 6).
"Weitere Beispiele für das idg. Nominalsuffix g{g^) im Altindischen
(§ 7 — 8) und in den andern idg. Sprachen (§ 9). Sowohl idg. zg
als auch gg sind im Altindischen zu jy, im Iranischen zu zg
geworden (§ 10). In klassischer Zeit ist ai. ;}' auch aus älterem
jy, dy entstanden (§ 11). Idg. z ist weder in der Lautgruppe
zg noch in zbh im Altindischen zu d geworden. Das nur einmal
belegte usadbhis steht für iisadbhis (§ 12 — 13). ai. mädbhis eine
Analogiebildung nach saradbhis (§ 14). Idg. anl. zg im Alt-
indischen (§ 15). Idg. zg im Iranischen (§ 16), im Slavischen
(§ 17), im Baltischen (§ 18), im Griechischen (idg. z ist vor t,
ß, b, 6 nicht geschwunden, idg. vokal, z läßt sich nicht erweisen
§ 19—20), im Lateinischen (21), im Keltischen (§ 22), im Ger-
manischen (§ 23).
Köln. J. Scheftelowitz.
Lateinisches POTERO 'puero'.
CIL. m, S. 962, N. 2, = Bücheier Carm. Ep. Lat. 34,
SENEM SEVERVM SEMPER ESSE CONDECET.
BENE DEBET ESSE POVERO QYI DISCET BENE.
Auf dieser aus der Kaisei"zeit stammenden Inschrift, die
mit dem Griffel auf einem Ziegelstein eingeritzt ist, st^ht der
einzige Beleg für lateinisches *pov€r als frühere Form des klas-
sischen piier. Poeila wird beim App. Probi IV 198, 23 K. als
170 R. G. Kent, Lateinisches POVERO 'puero'.
unrichtige Yiilgärform getadelt. Das -o- der mit -jmr auslau-
tenden Sklavennaraen (vgl. die Anm. zu CIL. I 1076 und 1539 e)
kann aus -puer in unbetonter Stellung durch Einfluss des r ent-
standen sein; oder es beruht, was mir wahrscheinlicher vor-
kommt, auf Angleichung an den Sklavennamen NICEPOR (CIL. I
1028, 1032 zweimal, 1041, 1203, 1489, vgl. auch 570, 1033,
1102, 1129 zweimal, 1211, 1539 e) aus griechischem NiKnqpopoc
und an ähnliche Namen. PoeUa und -por liefern also keinen
gültigen Beleg für altes *pover\ als Beleg bliebe nur unser
POVERO. In Verbindung nun mit anderen Wörtern derselben
Sippe betrachtet, bereitet dieses *pover gewisse Schwierigkeiten,
da man seinetwegen die ungewöhnliche Ablautsvariation *j}Ouä- :
jxiu- ansetzen müßte, vgl. Walde lat. et. Wtb. * s. v. pübes. Kürz-
lich hat aber F. Solmsen IF. 31, 476 f. dieses POVERO als
unrichtige Archaisierung erklärt. Er läßt den m- Vokal ur-
sprünglich sein, und in diesem Falle genügen die gebräuch-
licheren Ablautsformen *pöu- : j93m- für piier und seine ganze
Verwandtschaft.
Ich möchte nur darauf aufmerksam machen, daß solche
0 V- Schreibungen 1) nicht selten vorkommen als Ersatz für V
und VV mit dem Lautwert im. Bekanntlich ist antevokalisches
VV = uu nur in gewissen Lautverbindungen, wie in üvidus,
juvenis^ Päcuvius^) geschrieben. Es lassen sich anführen aus dem
CIL.: mit OV: mit V:
I 199 FLOVIOM
FLOVIVM 8 mal
FLOVIO 4 mal FLVIO
FLOVI nom. pl.
CONFLOVONT COMFLVONT
SVSO VORSVM SVRSVORSVM, auch SVRSVM-
VORSVM
lOVENTIONEM
MENTOVINES 3 mal GENVA-S -TEM -TI -TES -TEIS
-TIVM; GEN V AM 3 mal; GENV-
ENS-ES 2 mal, -IVM
1) Wie auch VO für ^u und uu: novos, servos, antiquos, per-
tpieuos.
2) Und auch hier nicht ganz regelmäßig ; denn man findet auf In-
schriften (aUe Beispiele aus dem CIL.) : IVENTA I 1202 ; IVENTIA 1 885 ;
IVENTVTIS Mon. Anc. III 5 (neben IVV(enes) II 46 und IVVENTATIS
IV 8); ASVIAE I 1204; LIGVIVS I 1341; VESVIES I 817.
C. C. Uhlenbeck, Baskisch und Indogermanisch. 171
I 1227 YITROVIVS
I 198 SOVEIS SVOS nom.sg. 3 mal, SYEI 2 mal,
SVAE, SVO abl., STA abl. 3 mal
I 588 SO VOM gen. pl.
I 1007 SOYO abl. SVOM
I 1258 SOVEIS
I 1297 SOVEIS
Ob das, was in diesen Wörtern OV bez. V gesehrieben
ist, früheres vu oder früheres ou war, hat augenblicklich keine
Bedeutung. Daß aber die beiden Schreibweisen nur graphisch
für iiu stehen, kann kaum zweifelhaft bleiben, da auf den so-
eben zitierten Inschriften OV und V nebeneinander vorkommen ;
vgl. auch Niedennann M^langes Saussure 60, und Kent Trans.
Amer, Phil. Ass. 43, 41 f. Sommers Ansicht über piier und
POVERO wird also durch diese Schreibungen gestützt, und man
darf ihm völlig rechtgeben. Es sei dabei nicht übersehen, daß
unser POVERO, welches die einzige Stütze für angebliches
*pover bildet, erst aus der Kaiserzeit stammt, und daher schon
an sich geringe Beweiskraft in der Frage nach der ältesten
Gestaltung des Wortes hat
Die Erklärung des Schwankens der Schrift ist nicht weit
zu suchen. POVERO und puer bieten, ebenso wie flovius fhiius
usw., ungenaue Darstellungen des gesprochenen uu^ indem
graphisches VV wegen der Verdoppelung vermieden wurde. Bei
den beiden Schreibweisen spielt eine Art von Dissimilation eine
Rolle; POVERO zeigt dissimilatorische Veränderung, jpuero dissi-
milatorischen Verlust des einen von beiden Bestandteilen. Ganz
paraUel damit sind IE und I = ii, z. B. in COXIECIANT CIL. I
198, und ADICIATVR CIL. VIII 18042, nur daß hier der Halb-
vokal nicht das zweite, sondern das erste Element ist; vgl.
Trans. Amer. Phil. Ass. 43, 35—46.
üniversity of Pennsylvania, Philadelphia. R. G. Kent
Baskisch und Indogermanisch.
In seinem Buche "Kultur, Ausbreitung und Herkunft der
Indogermanen" (Berlin, Weidmann 1913) gibt Dr. Sigmund Feist
eine durchaus irrige Vorstellung meiner Anschauungen über
172 C. C. Uhlenbeck, Baskisch und Indogermanisch.
etwaige Verwandtschaften des Baskischen mit andern Sprach-
stämmen und über meine vieljährige baskologische Tätigkeit
überhaupt. Seit 1890 habe ich nichts geschrieben, woraus man
entnehmen könnte, daß ich geneigt wäre, das Baskische mit dem
Indogermanischen in Zusammenhang zu bringen. Vielmehr habe
ich seitdem das damals über einen solchen Zusammenhang Ver-
mutete öffentlich widerrufen. Meine nach 1900 erschienenen
Abhandlungen bezweckten keineswegs, das Baskische in irgend-
welchen Sprachstamm einzureihen, sondern die isolierte Sprache
soweit als möglich aus sich selbst zu erklären. Es wäre wohl
besser, nichts zu schreiben. Man wird ja doch nur mißver-
standen, insbesondere wenn man gelegentlich Erscheinungen
aus stammfremden Sprachen als Parallelen heranzieht.
Leiden. C. C. Uhlenbeck.
K. Brugmann, Die gotische Partikel -uh, -h. 173
Die gotische Partikel -uh, -h.
In der Schrift Die Demonstrativpronomina der idg. Sprachen
S. 65f. habe ich gegen Hirt (PBrB. 18, 299), Streitberg (Urgerm.
Gramm. 266, Got. Elem.^ 70) u. a. die Ansicht vertreten, daß das
neben -h und gleichbedeutend mit ihm auftretende Enklitikon
-tih aus Partikel u = ai. u und Partikel -h = ai. ca lat -que
bestehe. Diese Ansicht hier etwas eingehender zu begründen,
veranlaßt mich der Umstand, daß Streitberg in der neuen Auf-
lage des Elementarbuchs (1910) von seiner Deutung des u von
-uh, wonach -uh als -üh aus *-uidh entstanden sein soll, nicht
abgegangen ist und dabei bemerkt, bei der von mir vertretenen
Auffassung müßte die Verschmelzung von « und -h jüngeren
Datums gewesen sein als die Brechung der u- und «-Vokale vor h.
Ich frage zunächst, wie steht es überhaupt mit der Wir-
kung von auslautendem h auf vorausgehende i und u?
Von der Partikel nih *und nicht, auch nicht, nicht', deren
Herkunft aus *ne q-e und etymologische Identität mit lat. neque,
ai. nci ca niemand bezweifelt, sagt Stieitberg a. a. 0. 68, die
Verbindung der beiden Elemente müsse erst nach der "Wirk-
samkeit des Brechungsgesetzes vollzogen oder nih müsse von
ni beeinflußt sein. Nun ist unglaublich, daß nih, das in ahd.
nih-ein {as. nig-ein) 'kein'') wiederkehrt und alle Gebrauchsweisen
mit dem lat. neqiie nee, einige auch mit dem ai. nd ca (besonders
ni — nih wie na — na ca) teilt, nicht schon seit lirgermanischer
Zeit sollte eine Worteinheit gewesen sein. Es bliebe also nur
analogische Beeinflussung durch ni, und diese Annahme er-
scheint um so unverfänglicher, als, infolge weitgehender Ver-
mischung von nih (in der Funktion von alat. nee 'oube, nicht')
und ni, dieses oft die Stelle von nih und nih die Stelle von ni
vertritt (Streitberg S. 221). Man darf aber als zweiten Erklärungs-
1) Über ahd. as. noh 'neque' s. Braune Ahd. Gramm.' 21, Trautmana
Germ. Lautges. 67, Janko IF. Anz. 19, 43.
IndogermaHische Forschongen XXXIII. 12
174 Karl Brugmann,
gnind für das Fehlen der Brechung auch noch anführen die
häufige Angleichung des -h von nih an nachfolgenden kon-
sonantischen Wortanlaut, wie nip-pan^ nip-patei, nis-sijai. Denn
diese Art Assimilation (vgl. überdies jah in jap-pans, jas-sa^ jad-
du^ jab-biudis^ jog-gahausida, jam-mimdöp, jan-ni^ jal-Iiban) für
älter zu halten als die Brechungsprozesse, steht nichts im Wege.
Dieselbe Bewandtnis hat es mit dem u statt des zu er-
wartenden aü in mih neben nu. Beide dienen zur Bezeichnung
logischer Folgerung ('ouv'), vgl. z. B. Mk. 12, {) k'a nuh faujai
frauja pis tveinagardis? \i ouv Troirjcei 6 Kupioc toö diuTreXtuvoc ;'
und Gral. 4, 15 hileika ivas nu audagei izwara? 'xic ouv »^v ö
|naKapic|Liöc u|aujv;'. Assimilation des -h an den folgenden kon-
sonantischen Anlaut ist bezeichnet in Iva nuk-kanntpu l.Kor. 7, 16.
Weitere Fälle solcher analogischer Beeinflussung wären
noch folgende, hm-h neben inu. duh-pe 'öid toöto' (Joh. 9, 23.
10, 17. 16, 15. 19, 11) neben dup-pe und du-pe, sowie du-fve
'tI, biari* neben du-pe. ga-u-ha-sShi *€i ti ßXejrei' neben ga-u-
hinbeis u. dgl. Und, wenn wir das mit // in seiner Wirkung auf
vorausgehende i, n gleichartige r hinzunehmen: ur-riqiza '^k
CKÖTOuc*, ur-rinnan^ ur-runs u. dgl. neben us {uz-u\ vielleicht
auch hiri 'hierher, komm her' (Plur. hirjip, Du. hirjats) neben hidre.
Nun ist auch das h unserer mit bloßem -h wechselnden
Partikel -uh oft an den Anlaut von Pan assimiliert, z. B. tocis-
up-pan Mk. 1, 6, bidjandans-up-pan M. 6, 7, at-up-pan-gaggand
l.Kor. 14,23, woneben auch ohne Assimilation -?<Ä-/6nfM geschrieben
ist, z. B. diz-uh-pan-sat Mk. 16, 8. (Vgl. die Assimilation auch
bei bloßem -h, z. B. sijai-p-pan M. 5, 37, ga-p-pan-traua 2. Tim.
1, 5.) Es wäre also nicht kühn, anzunehmen, daß auch hier
Beeinflussung durch Verbindungen stattgefunden habe, in denen
-h durch Assimilation beseitigt war.
Noch näher als bei -uh = -h liegt die Annahme analogi-
schen Einflusses bei demjenigen -uh, welches neben der Frage-
partikel -u und gleichbedeutend mit ihr einige Male (v. d. Gabe-
lentz und Streitberg zitieren vier Stellen) begegnet und sich zu
ihr gewiß nicht anders verhält als nuh zu nw, nih zu ni. Vgl.
Delbrück Vergl. Synt 3, 270. So erscheint Luk. 20, 4, Mk. 11, 30
d(iuj)einü löhannia uzuh himina was pau uzuh nmnnam? 'xö
ßditncna Muudvvou dH oüpavoü i^v f| ii dv9pujTTiuv ;' gegenüber von
Gal. 3, 2 uzu waürstivom witodis ahman nemuP pau uzu gahau-
seina galaubeinais? *ii ?pTUJV vö^ou tö rrveöiia ^Xdßexe i\ iE
Die gotische Partikel -uh, -h. 175
dxofic mcieujc:' Daß dieses -uh nur graphisches Versehen für
-u sei, ist mir nicht glaublich, wie es auch von Streitberg
Elem.» § 27 a bezweifelt wird i).
"Wo liegt nun überhaupt im Gotischen aü oder ai vor aus-
lautendem -Ä vor? Mir scheint nirgends, sicher in keinem klaren
Falle. Daß ßau-h (neben ßau) nicht als ßauh, sondern als ßduh
zu lesen ist, darf als ausgemacht gelten. Wie steht es dagegen
mit miith *noch, In' ? Das Wort wird heute meistens als nauh
= *mih gelesen. Als uridg. *nu q~e deuten es u. a. J. Grimm
D.Gr. 32, 241, Kluge Et. Wtb.^ (unter noch), Uhlenbeck Et. Wb.^,
Feist Et. Wb., Streitberg Elem.^ S. 70. 303, mit ai. nü kam und
griech. vu Kcv oder vu ke vergleicht es Leo Mejer Die goth.
Spr. 582, mit bi-naühan verbindet es (als ursprüngliches Wurzel-
nomen ?) Meringer IE. 18, 219, während Hirt bei Weigand ^ (unter
noch) zwischen *nu q^e und Zusammenhang mit hi-nauhan zu
schwanken scheint. Ich selber habe Demonstrativpron. S. 66 mit
der Lautung nduh gerechnet, und angesichts der Tatsache, daß
nirgends sonst im Gotischen Formen mit -aih und -aüh aus
-ih und -uh bis jetzt nachgewiesen sind*), halte ich nduh auch
jetzt noch für das w ahrscheinlichere, falls das h von nauh artikula-
torisch derselbe Laut gewesen sein soUte wie das h von -uh,
nuh, inuh. duh-. nih. Denn zeigt ahd. döh = got ßduh ags. ße'ah
Yerkürzung von ö zu 0, so kann dasselbe lautliche Verhältnis
zwischen nöh und einem got. nduh bestanden haben, und wenn,
was wahrscheinlich ist, ßdu-h in seinem ersten Teil VoUstufe
zu ai. tu tu aw. tu 'doch' ist 3), und ebenso litjaü aksl.ju 'schon'
eine Vollstuf enform zu got. jm ahd. iu ags. 3/0 5^0 *schon' ist,
so hindert nichts, dasselbe Ablautverhältnis für got. näu-h und
got. WM (nu-h), ai. nü nü, griech. vu anzunehmen. Dazu kommt,
daß 4 mal nauhßan und 13 mal nauhßanuJi erscheint, keinesmal
aber ein *naußßan oder *naußßanuh.
1) Das kopulative -uh erscheint nur ein einziges Mal als -u : Eph.
1, 18 (A und B) Jva ist wens lapOnais is, hileiku gäbet wulßaus arbjis
ig in tceihaim 'koi Tic ö ttXoötoc'. S. darüber Streitberg Elem.^ 220, Die
got. Bibel, Anm. zu der Stelle.
2) saitv 'öpa' muß beiseite bleiben, nicht nur wegen seines h\ son-
dern auch darum, weil sein ai von vornherein dem Verdacht, daß es
durch das ai von saifva usw. beeinflußt gewesen sei, zu unterworfen wäre.
3) Diese etymologische Verknüpfung schließt Zusammenhang von
ai. tti tu mit dem Personalpronomen du nicht aus. S. Osthoff MU. 4, 268 ff.,
Delbrück Altind. Synt. 517 f., Verf. Demonstrativpr. S. 30.
12*
176 Karl Brugmann,
So fragt es sich jetzt angesichts dieser -mä = -Ä, -uh = -m,
nwÄ, inuh, duh-, nih, ob nicht in allen diesen Fällen u und i rein
lautgesetzlich standen. Lautphysiologische Bedenken stehen nicht
im Wege. In der Reduktion des Reibungsgeräusches des urger-
manischen X, das sich zunächst parallel dem /"und dem ß er-
geben hatte, sind bekanntlich verschiedene Grade zu unter-
scheiden, und es kommt für die verschiedenen Stellungen des x
überdies vielleicht auch Yerschiedenheit der Artikuiationsstelle
des Lautes in Betracht '). Die Assimilation des got. auslautenden
-h an folgenden konsonantischen Anlaut {nip-pan usw.) setzt eine
starke Reduktion der Reibung voraus, und die Reduktion dürfte
an dieser Wortstelle in der Zeit, als z. B. taihun, maihstus^ hi-
naühan zu ai und aü kamen, ein Stück weiter vorgeschritten
gewesen sein als in diesen Inlautstellungen. Dabei scheint es
aber nicht gleichgiltig zu sein, daß unsere Einsilbler sowie
zugleich jah {jap-pans usw.) wohl allermeist schwachtonig ge-
braucht waren. Wenn auch dieses Moment bei der Behandlung
des unmittelbar vorausgehenden Vokals eine Rolle gespielt haben
sollte, so könnte es für nauh bei der Bestimmung als naiih (und
der Herleitung aus *nu q^e) verbleiben, indem man darin die
volltonige Form des Wortes sähe. So wäre auch das Fehlen
von Angleichung von -h an ß- in riauhpan^ nauhpanuh ohne
weiteres verständlich 2).
So viel haben unsere Erörterungen, denk ich, klar ergeben,
1) E. Sievers, mit dem ich über die physiologische Seite unseres
Problems sprach, ist der Ansicht, daß sich die Entwicklungsgeschichte
und die Wirkungen des germanischen h in den verschiedenen germani-
schen Sprachen und Mundarten nur verstehen lassen, wenn man den
Laut von einer gewissen Zeit an als laryngalen Reibelaut (Reibungs-
geräusch im Kehlitopf) im Sinne des sogenannten heiseren ^ des Arabischen
(vgl. Sievers Phonetik* S. 69. 134) auffaßt.
2) Die Frage, wie 1, u vor auslautendem -r behandelt worden sind,
kann uns gleichgiltig sein, weil bei r in der Auslautstellung von Re-
duktion oder überhaupt von einer für vorausgehende t und u in Betracht
kommenden besonderen Modifikation nicht die Rede sein kann. Da >•
auch in dieser Stellung seine o-Farbe verrät durch das o aus e in ufar,
Akk. fadar, so hegt kein Grund vor, die Brechung in den Formen
wie Adv. faür, Imper. ga-tair, Nom. Sing. M. tmir, fruma-batir, Saiir, Nom.
Akk. Sing. N. ga-baür nicht für rein lautgesetzlicli zu halten. An und für
sich dürfte man freilicli bei allen diesen Formen fragen, ob ihre ai, aü
nicht durch den gleichen Vokal in stofflich verwandten Formen, in denen
r nicht im Auslaut stand (vgl. fatlr : faüra, ga-tair : gataira usw.), analo-
gisch bedingt gewesen seien.
Die gotische Partikel -uä, -h. 177
daß gegen die Annahme von kurzem u in qiß-uh, fvaz-uh von
phonetischer Seite her nicht das Mindeste einzuwenden ist. Das
Bedenken, das Delbrück Yergl. Synt. 1, 513 ff. gegen die Zurück-
führung von -ith als -üh auf urgerm. *-uidfve, uridg. ^-Tpq^e und
von sah als sah auf urgerm. *sa-idk'e^) geltend gemacht hat, teile
ich auch heute noch durchaus. Es fehlt jeder Anhalt, den Nasal
etymologisch angemessen unterzubringen. Am wenigsten darf
der Nasal von lat. cunque, älter quom-que *wann immer' zum
Vergleich herangezogen werden, wie sich aus den Beurteilungen
von quom-que bei Verf. IF. 15, 69 f., K vergl. Gramm. 449, Grdr. 2^,
2, 352. 358, Walde Lat. et. Wb.« 212 zur Genüge ergeben dürfte.
Ich bleibe demnach dabei, daß das -u- von -u-h mit der
ai. Partikel u identisch war. Diese tritt im RV. deiktisch hinter
Verbalformen und Pronomina auf und anaphorisch im zweiten
von zwei unmittelbar aufeinander folgenden Sätzen. S. Delbrück
Altind. Svnt. 504 ff. In der Verbindung *-u-q-e ist der besondere
Sinn, den u anfangs für sich allein gehabt hatte, im Gotischen
ebenso gegen den Sinn von *q^e zurückgetreten, und u ist
ebenso nur zur Stütze für die ihm angehängte Partikel geworden,
wie das bei ja-h 'und' mit dem Bestandteil ja der Fall war:
dieser war die auch für sich allein lebendig gebliebene, in der
Verbindung ja-h aber semantisch wertlos gewordene Partikel ja
*in der Tat, fürwahr' (vgl. die semantische Entwertung von
griech. 11 *so, in der Tat' in *ri-Fe r|e 'oder').
Bei dem Nebeneinander von -uh und -h kam man in der
Wahl der einen und der andern Form zu bestimmten Gewohn-
heiten nach Maßgabe des Auslauts des vorausgehenden Wortes:
-Ä, wenn das vorausgehende Wort auf einen Vokal auslautete
außer auf -a in nichterster Silbe, z. B. sa-h^ sä-h, ßö-h, biße-h,
h'a-h, hö-h^ harjatO-h^ ga-h-melida, icüjau-h, dagegen -uh bei
konsonantischem Auslaut und beim Auslaut -a in zwei- und
mehrsilbigen Formen, z. B. ßiz-uh, fvaz-uh, wdz-uh, diz-uh-ßan-
sat, qeßun-uh und ßat-uh {ßata\ßan-uh (ßana), ßamm-uh {ßamma\
qiß-uh iqißa), iddj-uh (iddja), handwkl-uh (bandwida).
Dabei enthüllt der Gegensatz der letztgenannten Formen
ßat-uh usw. zu den Formen harjatö-h, hanö-h harjanö-h, hamme-h
1) Während für sah und hah Streitberg Elem.» S. 119. 121 ä ver-
mutet, spricht er sich über die Quantität des a in jah und in den Fällen
wie gah-melida nicht aus. Vermuthch gibt er diesen kurzes a, analysiert
sie also als ja-h, ga-h-.
178 Karl Brugmann,
fvarjamme-h ainhaparamme-h eine chronologische Verschieden-
heit. Am frühsten ist es zu einem festen Anschluß der Partikel
bei den Jeder-Pronomina gekommen. Deren historische Para-
digmata bildeten sich, wie Iva-h zeigt, nach dem Schwund von
auslautendem Dental {Iva = lat. quod) '), ferner, nach Ausweis
von Gen. hiz-uh harjiz-uh^ auch erst nach Abfall von auslau-
tendem -a in nichterster Wortsilbe {his = aksl. mo)*), aber, wie
h>arjatö-h usw. beweisen, noch vor Kürzung auslautender Yokal-
längen [hanö-h : band). Durch fvanö-h u. dgl. wird der Ver-
schmelzungsvorgang in dieselbe Sprachperiode verwiesen, in der
-hun fest anwuchs : vgl. Nom. Sing. F. ainö-hun^ Dat. Sing. M.
ainumme-hun. Dagegen können ßat-uh, ßan-uh, qip-uh usw. erst
aufgekommen sein, als schon, mit Kürzung des langen Endvokals,
ßata^ ßana, qißa gesprochen wurde. Sie stehen auf gleicher
Linie mit ßaf ist aus ßata ist, kar^ ist aus kara ist u. dgl.
Das silbische Enklitikon -uh hat bei den Jeder-Pronomina
einen beschränkteren Grebrauchsbereich als sonst: Nom. haz-uh
harjiz-uh, Gen. hiz-uh tvarjiz-uh, Akk. hanz-uh, Adv. hnr-uh
(in ßis-haruh pei 'wo auch immer'). Man könnte daher leicht
denken, hier habe ursprünglich nur -h ohne u geherrscht (vgl.
lat. quis-qtie, quom-que, ai. kds c«), und -uh sei für -h nur infolge
phonetischer Unbequemlichkeit eingedrungen nach der Analogie
von ßiz-iih, ßanz-uh, ßar-uh u. dgl. Nötig ist aber diese Annahme
nicht. Denn wenn auch der eigentliche Träger des Sinnes der
Verallgemeinerung -h war ('wer auch'), so kann doch von Anfang
an öfters auch noch die Partikel u unmittelbar hinter dem Pro-
nomen gebraucht worden sein, um dieses hervorzuheben: vgl.
M hinter Fragepronomina im Altindischen (Delbrück Altind.
Synt. 504 f.). Daß darauf -uh auf die Anwendung liinter kon-
sonantischem Auslaut eingeschränkt, in dieser Stellung aber
obligatorisch wurde, war dann freilich lediglich durch die pho-
netische Bequemlichkeit bedingt. Bei der Unsilbigkeit von -h
war die Durchführung von diesem durch alle Kasus, ein Ver-
fahren also wie bei aiiis-hun, ainis-hun usw., ausgeschlossen.
Dafür, daß die Verwendung des einfachen -h und des
zusammengesetzten -u-h schließlich nach rein phonetischen Ge-
sichtspunkten geregelt worden ist, habe ich Demonstrativpron. 66
1) Vgl. Streitberg Urgerm. Gramm. 146 f., Trautmann Germ. Lautges.
69, Janko IF. Anz. 19, 47.
2) Vgl. Streitberg a. a. 0. 171.
Die gotische Partikel -uh, -h. 179
verwiesen auf den "Wechsel zwischen -k {= lat. -ce) und -ik
(aus *-id-k) beim oskisch-umbrischen Demonstrativum /-, z. B.
osk. iz-ic *is', id-ic id-ik 'id', aber io-c iiii-k lü-k *ea' usw.
(V. Planta Gramm. 2, 229 ff., Bück Grammar 140 ff. 146), ferner
auf die satzphonetischen Eegulieningen im Gebrauch von lat. ä,
entstanden aus abs^ und ab^ von griech. oütuu und outujc u. dgl.
In den Fällen, wo sich -ic-h neben -h länger als bei den
Jeder-Pronomina erhalten hat, bei dem neben sa stehenden
Pronomen sa-h und in der kopulativen Terwendung, z. B. nrreis
nimuh 'eT^ipe Kai dpov', muß u unter aUen Umständen ur-
sprünglich einen besonderen Sinn für sich gehabt und zwar
eine Bedeutung gehabt haben, wie sie auch beim vedischen u
begegnet.
In der Verbindung mit dem Pronomen /a- (Gen. //^-m-ä usw.)
betonte u einstens die materielle Übereinstimmung mit dem
Bezugswort, d. h. es betonte, daß mit pa- der genannte oder
der zu nennende Begriff gemeint sei ('der und kein andrer,
eben der, just der. der jedenfalls'). Hier entspricht u dem ai. u
hinter ta- in RY.-Stellen, die Grassmann Wtb. Sp. 240 unter ö)
und 6) nennt, wie 1, 164, 19 ye arväncas tärl n paracet äJiur ye
pärärkas tan u arväca ähuh 'welche herwärtsgewendet sind,
(just) die nennen sie abgewendet, und welche abgewendet, (just)
die nennen sie herwärtsgewendet'. Dies war denn ursprünglich
der Sinn des u in Sätzen von der Art wie Joh. 5, 38 (Skeir. 6, 24)
Panei insandida jains. p am muh jus ni galaubeiß *öv dTrecxeiXev
eKBVoc, TouTuj u.ueic ou TncTeüexe' (andre ähnliche Stellen bei
E. Schulze Goth. Glossar S. 366).
Rein kopulatives und zwar Yerba verbindendes -uh hat
man z. B. Mk. 2, 11 urreis nimuh ßata hadi pein 'eyeipe Kai
dpov TÖv KpdßaTTOV cou', Joh. 16, 17. 18 paruh qeßun us ßaim
sipOnjam du sis missö: ha ist . . . qepunuh: pata usw. 'emov ouv
eK Tüüv |ia9riTÜüv aÜTOÜ npöc dXXrjXouc • li ecTiv . . . eXeTOV ouv •
TOÖTo ktX.' Hier ist -u- demjenigen Gebrauch des u im Alt-
indischen zu vergleichen, den Grassmann Sp. 238 beschreibt:
"Wenn zwei (vollständige oder unvollständige) Sätze teils Gleiches,
teils Verschiedenes oder Entgegengesetztes enthalten, so wird
das Gleiche (in der Regel) in beiden vorangestellt, und hinter
das wiederkehrende Wort des zweiten Satzes u gesetzt, um den
Gegensatz oder die Gegenseitigkeit, oder den Entgelt und zwar
oft nur in leisester Weise auszudrücken; etwa wiederzugeben
180 Karl Brugmann, Die gotische Partikel -tih, -h.
durch auch, andrerseits, hiniciederum, dagegen, nur daß alle diese
Ausdrücke zu stark sind", z. B. RV. 1, 91, 18 sd te pdyäsi sdm
u yantu väjäh 'vereinigen sollen sich in dir die Tränke, ver-
einigen auch (andereeits) die nährenden Kräfte (vgl. auch Del-
brück Altind. Synt. 507 ff.). Eine gewisse, auf dem ursprüng-
lichen Wert des u beruhende Selbständigkeit zeigt -uh vielleicht
noch in seiner Verbindung mit jah Eph. 4, 8 nssteigands in
hauhipa iishanß hunp jah at-uh-gaf gibös mannam 'dvaßdc eic
iji|;oc j^XMCi^^Teucev aixjLiaXuJciav Kai IbiuKev öoiaara xoic dv6puj-
TTOic*, da das kaum auffallender ist als die geläufigere Verbindung
von -uh mit vorausgehendem Ip, z. B. Luk. 7, 6 ip I^sus iddjuh
mip im '6 be 'IncoOc erropeueTo cuv auioic'').
-uh in der Komposition mit pa- und das rein kopulative
-iih blieben als dasselbe Sprachelement noch länger im Bewußt-
sein der Sprechenden verbunden gegenüber dem -iih hinter den
Formen des Pronominalstamras ha-. Sie bewahrten sich auch
länger als dieses noch eine gewisse Selbständigkeit als Wort
im Satz, wenn auch die Freiheit der Stellung ebenfalls schon
stark eingeschränkt gewesen sein muß, namentlich in der Ver-
bindung mit /«-. Daß dabei -u- neben -h nicht ganz seines
ursprünglichen Wertes entkleidet war, zeigt der Umstand, daß
man nicht *pata-h, *ßamnia-h und *qipa-h, *iddja-h, die es wohl
einmal neben sa-h, sö-h, pai-h, bipS-h und iviljau-h, ga-h-milida,
hi-p-pan-gitanda u. dgl. gegeben hat, festhielt, sondern ihnen
pat' uh usw. vorzog. Hinter konsonantischem Auslaut aber, wie
in piz-uh, pam-uh, par-uh und qßpun-uh, diz-uh-ßan-sat, spielte
-uh wieder, ebenso wie bei haz-uh usw., die phonetische Be-
quemlichkeit mit.
Leipzig. Karl Brugmann.
1) jah in Eph. 4, 8 soll nach Meillet M6m. 15, 82 Zusatz eines Ab-
schreibers sein, der das eingeschobene -uh- nicht mehr verstand. Dieses
kopulative -uh- war aber doch keineswegs eine Rarität in den gotischen
Texten, und so sieht man nicht, warum es nicht mehr sollte verstanden
worden sein.
W. Frhr. v. d. Osten-Sacken, Berichtigungen U.Ergänzungen usw. 181
Berichtigungen und Ergänzungen zu Waldes Lateiniscliem
Etymologiscliem Wörterbuch, 2. Auflage, aus dem Gebiet
der Slayistik und Lituanistik.
Da Waldes Lateinisches Etymologisches Wörterbuch den
Lesern der IE. schon seit Jahren gut bekannt ist, wäre jetzt
kaum der geeignete Ort und Zeitpunkt für eine Würdigung der
Bedeutung dieses Werkes, sei es auch nur für das Spezialgebiet
der Slavistik und Lituanistik. Dennoch kann ich es mir hier
am Eingang einer Abhandlung, die sich vielfach mit unrich-
tigen Auffassungen und ungenauen Angaben Waldes in bezug
auf slavische und baltische Worte und Sippen beschäftigen soll,
nicht versagen, ausdrücklich zu betonen, daß ich keineswegs
den unschätzbaren Wert des Waldeschen Werkes für die Wissen-
schaft verkenne. Ich muß im Gegenteil bekennen, daß ich bei
meinen etymologischen und sonstigen sprachwissenschaftlichen
Studien kein anderes Buch so intensiv und so freudig benutzt
habe, wie gerade den Walde, und daß ich das Bewußtsein habe^
ihm unendlich viel nie versiegende Anregung zu verdanken. Es
ist meine Überzeugung, daß die Unentbehrlichkeit Waldes für
jeden Slavisten, der nicht nur Philologe im engsten Sinne des
Wortes sein will, auch dann nicht aufhören wird, wenn Ber-
nekers Slavisches Etymologisches Wörterbuch vollendet sein wird,
schon allein darum, weil Walde die indogermanischen Beziehungen
der Sippen weit eingehender veranschaulicht, als es Berneker
in Anbetracht des ungeheuren Umfangs seines slavischen Wort-
schatzes tun kann.
Die Unrichtigkeiten und Ungenauigkeiten, die uns hier
beschäftigen werden, sind zumeist derartige, wie sie in einem
so umfassenden etymologischen Wörterbuche unausbleiblich sind,
denn man kann von dem Verfasser eines solchen Werkes nicht
die gleiche Detailkenntnis in allen denjenigen Sprachen und
Sprachzweigen, die er in den Bereich seiner Darstellung mit
einbeziehen muß, voraussetzen. Er ist vielfach auf Arbeiten
anderer angewiesen und dann nicht in der Lage an den ihm
vorliegenden Worten und Et\-mologien strenge Kritik zu üben.
Er tut gut daran, die fremden Ansichten auch da, wo er ihre
Berechtigung nicht nachprüfen kann, zu registrieren und ist
berechtigt, die Aufdeckung etwaiger Irrtümer den Benutzem
182 W. Frhr. v. d. Osten-Sacken,
seines Buches zu überlassen. Die bei Walde zu findenden Irr-
tümer im Slavischen und Baltischen rühren hauptsächlich von
anderen her und sind in der iudogermanistischen Literatur weit
verbreitet. Ein Ankämpfen gegen die Verschleppung derselben
besteht sporadisch wohl auch schon fast ebenso lange wie die
Irrtümer selbst. Aber in einem etymologischen Werke befinden
sich Etymologien auf einem weit exponierteren Platze und
wirken viel autoritativer, als etwa in Grammatiken, wo sie haupt-
sächlich als Beispiele bei Demonstrierung lautlicher und mor-
phologischer Probleme dienen, oder in Zeitschriftenaufsätzen,
deren breitere Darstellung das Interesse auch auf andere Momente
hinlenkt und nicht immer über die schwachen Seiten der be-
treffenden Auffassungen unbemerkt hinweggleiten kann. Dem-
gemäß erscheint mir Waldes vielbenutztes Wörterbuch mit seinem
reichhaltigen Wortmaterial eine geeignete Grundlage, um gewissen
in der Indogermanistik verbreiteten Irrtümern aufzuspüren, deren
Entstehung zu erklären und gegebenen Falles Verbesserungs-
vorschläge zu machen. Es ist m. E. zu bedauern, daß eine der-
artige Arbeit, wie ich sie hier unternommen habe, nicht schon
vor Erscheinen der zweiten Auflage des Walde veröffentlicht
worden ist, desgleichen, daß Berneker in seinem Et. Wb. (hier
zitiert: Berneker) manche günstige Gelegenheit hat vorüber-
gehen lassen, wo er bequem hätte Walde auf den einen oder
anderen Irrtum aufmerksam machen können. Wenn z. B. Ber-
neker gewisse zu beanstandendeWorteund Wortauffassungen bei
Walde überhaupt nicht erwähnt (s. unten s. v. fäbula, fiher
wegen ksl. hrunathm^ gannio wegen gqgnqti^ genius^ glomus^
gula wegen russ. goltb^ laevus wegen lettl'auns) oder doch nur
positiv Richtiges darüber äußert {cattus, defendo, lacio^ bes.
wegen öech. Idkati), so genügt das noch nicht ohne weiteres,
um in allen Fällen daraus die Tatsache, daß Irrtümer vorliegen,
zu erkennen; ja auch in Fällen wie serb. prökola (scalpo) wäre
eine Erwähnung von Waldes abweichender Erklärung nicht
unpraktisch gewesen. Ich meine, Etymologen tun gut daran,
sich in diesen Sachen gegenseitig in die Hände zu arbeiten.
Es ist nun kaum möglich, daß der eine A^'erfasser seine Worte
an der Hand des Werkes des andern eingehend verifiziert; er
wird das immer nur da tun, wo er Grund zur Skepsis hat.
Wohl aber wird er häufig einen Blick hineintun, um die all-
gemeine Behandlung der Sippen zu vergleichen; und dabei
Berichtigungen u. Ergänzungen zu Waldes Lat. Etym. Wörterbuch. 183
werden ihm kurze Hinweise auf seine Irrtümer die Arbeit un-
gemein erleichtern, während über eine bloß richtige Bemerkung
das Auge oft achtlos hinweggleitet.
Was die Gründe der falschen Auffassungen über eine
Reihe slavischer und baltischer Worte in der Indogermanistik
und speziell auch bei Walde anbetrifft, so sind diese Irrtümer
zum großen Teile durch unsachliche Angaben der Wörterbücher
verschuldet die teils ungenau, teils direkt unrichtig, teils nicht
erschöpfend genug sind und durch Verschweigen gewisser Neben-
umstände den unbefangenen Leser leicht zu Mißvei'ständnissen
veranlassen können. Vgl. unten die Beispiele für einseitige und
mehrdeutige Bedeutungsangaben (abg. cena *Ti|ir|', ksl. shta 'hiems',
'posivb 'benignus', lit. höü Vonach fragen', lett. l'aiins 'link, übel*
s.v. caerimönia, caleo, civis^ fäbula, Iaerus\ für falsch er-
schlossene Nominative, Präsentia und Infinitive [cattus, der-
biösus, fodio) und für Nichtbezeichnung etymologisch wertloser
Rückbildungen oder solcher ctiraH XeToiaeva, die auf Schreibfehlern
resp. künstlichen Abstraktionen beruhen können {gero^ her es ^
partes, spiro, vielleicht auch gninda wegen gred^). Wer
sich in den Wörterbüchern solcher Sprachen, die ihm wenig
bekannt sind, nicht durch Quellenangaben, etymologische Hin-
weise (bei Komposita und Ableitungen), gute Beispiele usw,
über Provenienz, Gebrauchssphäre, Lebendigkeit und dgl. der
Wörter genügend orientieren kann, der fällt leicht auf Wörter
primären Aussehens mit scheinbar prägnanter Bedeutung herein,
die oft eine so verblüffende Ähnlichkeit mit anderssprachigen
Worten haben, daß eine etymologische Verbindung mit diesen sich
ohne weiteres zu ergeben scheint, vgl. die Zusammenstellungen
abg. Iqciti : lat. lancinäre (s. v. lacer) ; russ. mäjath : lat. mOUs (s. v.) ; ksl.
rephjh : ahd. räfo 'Balken, Sparren'; teziti : griech. cikxoc; lit. te-
myti : griech. TTnneXeu) (s. v. räpum, taedet^ timeo). Eine ganz
besonders schwere Sache für den Etymologen ist die Wahl der
Sippenvertreter einer bestimmten Sprache oder eines Sprach-
zweiges. Selbst, wenn man die in Frage stehenden Sprachen
gut kennt, ist die Wortwahl nicht immer leicht, weil verschiedene
Gesichtspunkte mit einander kollidieren. Teils wird man Worte
wählen wollen, die ein möglichst altertümliches Gepräge haben,
teils aber wird man dem gegenwärtigen Sprachstadium Rechnung
tragen und solche Worte nehmen, die für das Sprachgefühl als
Mittelpunkte der Sippen gelten können. Wenn man nicht gar
184 W. Frhr. v. d. Osten-Sacken,
ZU viel Raum für jeden einzelnen Sprachzweig zur Veiüigung
hat, wird man durch eine geschickte Gruppierung der Worte,
durch Klammern, kurze Zusätze und dgl. der Möglichkeit falscher
Eindrücke und Schlußfolgerungen bei den Lesern vorzubeugen
suchen. Wer aber kein Sprachgefühl hat, sondern nur auf
Wörterbücher angewiesen ist, wird zwischen geeigneten und
ungeeigneten Worten nicht unterscheiden können und wird oft
beliebige junge oder seltene Worte wählen, die entweder nichts
positiv Bemerkenswertes bieten oder ohne Kommentar mehrdeutig
sind, wobei auch etwas gewagte Wortgleichungen mit unter-
laufen, s. unten clueo^ cruentus^ flagro, grunda (wegen
gred^\ locus, ipluo). Wie weit man in der Korrektur einer
ungeeigneten Wortwahl zu gehen hat, bleibt dem subjektiven
Empfinden des Einzelnen überlassen. Es läßt sich wohl kaum
leugnen, daß derartige Korrekturen den ferner stehenden pe-
dantisch und kleinlich erscheinen mögen. Anderseits aber ist
ein Etymologisches Wörterbuch leider oft der Ort, aus dem die
Sprachforscher ihre Kenntnisse über den Wortvorrat fremder
Sprachen schöpfen, und es erscheint mir doch erstrebenswert,
die Zirkulation ungesicherter Worte oder falscher morphologischer
Vorstellungen auch da einzuschränken zu suchen, wo die Ety-
mologie als solche nicht darunter leidet. Es sind oft nur gering-
fügige Änderungen (Beobachtung einer rationellen Reihenfolge,
Zufügung anderer Worte oder Formen und dgl.), die einen
störenden Eindruck verwischen können, s. unten callis, can-
nabis, cöniveo, foria, liabeo, tnico, plöro, ravus (wegen
revq\ scrobis. Ich habe zwar keine systematische Untersuchung
über Waldes Wortwahl angestellt, habe aber doch häufig Ände-
rungsvorschläge gemacht. Es ist mir wohl bewußt, daß ein
Etymologe beim Registrieren fremder Ansichten auch da, wo
ihm an sich besseres Wortmaterial zur Verfügung steht, von
seinen Quellen abhängig ist. Wenn ich hie und da auch in
solchen Fällen andere Worte genannt habe, so ist das mehr zur
Orientierung der Leser geschehen, als zur Verbesserung von
Waldes Darstellungsweise.
Im Slavischen sind es namentlich das Lexicon Palaeo-
slovenicum von Miklosich und das Etymologische Wörterbuch
de.sselben Verfassers (hier bezeichnet Lex. Pal. und Et. Wb.),
und im Litauischen Nesselmanns Wörterbuch der Littauischen
Sprache und Kurschats Littauisch-Deutsches Wörterbuch (hier
Berichtigungen u. Ergänzungen zu Waldes Lat. Etym. Wörterbuch. 185
bezeichnet Ness(elmanii) und KLD resp. Kurschat), letzteres
namentlich in bezag auf die dem Verfasser selbst unbekannten
und von ihm in eckige Klammern gesetzten Worte (hier KLD[),
deren unkritische Benutzung viele Yersehen hervorgerufen hat.
Viele aus Miklosich übernommene scheinbar altkirchen-
slavische Worte stammen bekanntlich aus jungen Quellen, die zwar
zur slavischen Kirchensprache im weitesten Sinne des Wortes
gerechnet werden können, aber doch auch Neubildungen und
Kunstbildungen der letzten Jahrhunderte enthalten, so daß in
allen Fällen, wo wir keine guten literarischen Belege für die
Worte haben, Vorsicht angebracht ist. Während wir bei den
Worten des Lex. Pal. wenigstens die Sicherheit haben, daß
Miklosich sie tatsächlich in einer kyrUlisch oder glagolitisch
geschriebenen Quelle vorgefunden und nur äußerliche gra-
phische Veränderungen an ihnen vorgenommen hat, scheint es,
als ob er im Et. Wb. sogar selbst Worte konstruiert hat, d. h. teils
aus Ableitungen Grundwörter abstrahiert, teils aus ihm persön-
lich bekannten Worten der modernen Sprachen ihre ksl. Ent-
sprechungen erschlossen hat, wobei sogar eine durch falsche
Etymologisierung hervorgerufene Vernachlässigung der Laut-
gesetze zu beobachten ist, s. das unten über cutüi^ mlachavb-
mlochavb, gqgnqti und Jcbnejb (s. v. caveo, flaccus. gannio^
genius) Gesagte. Wenn die Etymologien sonst haltbar sind,
können wir die scheinbar abg. Worte oft durch Worte der
modernen Sprachen (fiber, humulus, ornus, spiro wegen
bru7iatb)ii, cJmneh, jasem und jasika, pmhi) oder durch andere
Bildungen der selben Wurzel (gero, grunda, her es wegen
zestb^ gred-b jazdi) ersetzen. Übrigens empfiehlt es sich, die auch
in russ. Überlieferung belegten Worte bei Sreznevskij Materialy
dlja slovarja drevne-russkago jazyka po pis&mennym» pamjat-
nikams Petersburg 1893 ff. (zitiert Sreznevskij Mat.) zu suchen,
da dort bessere Belege sind und sich leichter Schlußfolgerungen
philologischer Art ziehen lassen, als bei Miklosich Lex. Pal.
Walde bezeichnet die (meist indirekt) auf Miklosich zu-
rückgehenden ksl. Worte mit geringen Ausnahmen ohne Rücksicht
auf ihre Quellen als altbulgarisch (ab.). Diese Bezeichnungsweise
als einzige erscheint mir auch dann ungeeignet, wenn man alle
unsicheren oder notorisch jungen Worte ganz ausscheidet und
durch bessere ersetzt. Wir können natürlich an Walde nicht
den Anspruch stellen, daß er sich genau nach den Quellen der
186 W. Frhr. v. d. Ostcn-Sacken,
einzelnen Worte umsieht und sie demgemäß nach Bernekers
Methode je nach ihrer Provenienz als abg., ksl., niss.-ksl., nbulg.-
ksl., serb.-ksl. bezeichnet; auch wtirde diese von Berneker mit
Recht angewandte Scheidung für ein nichtslav istisch es "Werk zu
subtil sein und den Leser unnütz verwirren. Es kommt noch
hinzu, daß man iu solchen Fällen wie doly^ gqg{b)nqti, greda
(s. unten dölium^ gannio, grunda) und hrut^ 'Nagel' (serb.-
ksl. hruth\ vgl. Walde s. v. farc'io und Bernekers Artikel hrutb)
die aus vielen Gründen (namentlich bei alten und weitverbrei-
teten Worten) praktische abg. Lautform nur dann der Schreibung
zugrunde legen darf, wenn man die Zusätze mbg., russ., serb.
vermeidet. Wo es sich um volkstümliche und kulturhistorisch
interessante Worte einer Einzelsprache aus alter Zeit handelt, wie
z. B. bei aserb. sebii» 'freier Bauer', tragi 'Nachkommen' (unten
Sahini und traho), wird man allerdings die Bezeichnung aserb.^
aruss. usw. und die jüngere Lautgestalt vorziehen; bei sehn wäre
die ksl. Lautform *sfbri auch schon des -f- wegen zu vermeiden^
denn theoretisch könnte man unter Umständen neben russ.
sjabrb 'Nachbar, Freund' aus *sebrb auch ein nasalloses süd-
slavisches *sebn verteidigen, während z. B. für russ.-ksl. grjada
neben poln. grzeda auch der rigoroseste Theoretiker eine Grund-
form urslav, *grjada neben *greda für ausgeschlossen halten muß.
Soweit ich die Verhältnisse überbUcken kann, würde es
sich leicht durchführen lassen, wenn man in einem solchen
Werke wie Walde im allgemeinen die Bezeichnungsweise ksl.
anwenden und abg. (ab.) nur für solche Worte reservieren würde,
über deren Vorkommen in den sog. 'pannonischen' Quellen man
sich an der Hand von Berneker, der Glossare in Leskiens Hand-
buch der abg. Sprache und in Meillets fitudes sur l'fitymologie
et le Vocabulaire du Vieux Slave (hier zitiert: Meillet fitudes)
und des Lex. Pal. von Miklosich orientiert hat, oder auch nur
für diejenigen, auf deren 'pannonische' Provenienz man aus be-
sonderen Gründen aufmerksam machen will. Ich habe hier
darauf verzichtet, bei Waldes Worten die Berechtigung der
Bezeichnung abg. nachzuprüfen, insofern es sich mir niclit um
Ausscheidung unsicherer oder notorisch junger Worte handelte.
Wo ich aber hier Waldes Worte mit einem Prädikat anfüiiro,
da gebrauche ich abg. nur in den Fällen, wo diese Bezeichnung
berechtigt ist; doch mögen sich auch unter den Worten, die
ich vorsichtshalber als ksl. bezeichne, 'pannonische* befinden.
Berichtigungen u. Ergänzungen zu Waldes Lat. Etym. Wörterbuch. 187
Nesselmann und die älteren deutschen Bearbeiter der
litauischen Sprache, deren Grammatiken und Wörterbücher er
benutzt hat (Ruhi^, Mielcke usw.), haben das Litauische selbst
meist nur wenig oder gamicht beherrscht, und sie verstanden es
nicht, alle gelesenen oder gehörten Worte ihrem in der Grund-
lage verhältnismäßig gut ausgebildeten orthographischen System
anzupassen. Die Linguisten nun, die Xesselmann oder Kurschat
(bei KLÜ[ ist die Schreibweise der Quellen meist beibehalten
worden) benutzen, fassen diese Worte meistens so auf, als wenn
sie in Kurschats Orthographie geschrieben wären, was vielfach
zu morphologischen Irrtümern führt. Ein sehr in die Augen
springender Punkt bei der Untersuchung von Nesselmanns
Worten ist z.B. die auch schon bei seinen Vorgängern vorhandene
und bei KLD[ beibehaltene Nichtbezeichnung der Palatalität,
was teils auf Nachlässigkeit (unten s. v. derbiösus, graculus)^
teils auf Unkenntnis des graphischen Palatalitätsausdruckes der
älteren Quellen zu beruhen scheint. Letzteres betrifft insbe-
sondere die ^-Laute, s. unten caleo, minus und Fn., viliSj
volo. Andere Beispiele, beti'effend die graphische Wiedergabe
bei Nesselmann und KLD[, werden unten s. v. dens^ fiber, leo,
letum, pecu, vetus erwähnt.
Eine weitere Quelle für Irrtümer besteht in der Tendenz
mancher Etymologen, Komposita, Ableitungen usw. aus ihrem
natürlichen Zusammenhang zu reißen, um sie auf Grund einer
zufälligen oft nur scheinbaren Ähnlichkeit mit Worten aus anderen
Sprachzweigen in anderweitige Verbindungen zu bringen. Bei-
spiele s. unten s. v. horior. lacertus^ mOles, nävus, pannus,
patro^ viesco. Die Neigung so zu verfahren, von der ich mich
keineswegs freisprechen kann, liegt ja sehr nahe, zumal wenn
man die Worte aus den Wörterbüchern schöpft und über ihren
wirklichen Bedeutungsumfang und dgl. nicht orientiert ist; viel-
fach erschwert einem auch die ungenügende Kenntnis der
'Sachen' einige bei gewissen Worten und Wortsippen vorliegende
scheinbar weit auseinanderliegende Bedeutungen miteinander zu
kombinieren; und um dieser Notwendigkeit zu entgehen, sucht
man als Rettuugsmittel nach einem anderweitigen Anschluß für
die unverständliche Bedeutung. In einigen der FäUe aber, mit
denen wir es hier zu tun haben werden (russ. ugodith nebst
ßech. hoditi, cech. pesky, zävoditi s. v. defendo, penis, ras),
kann ich meine Verwunderung darüber nicht unterdrücken, daß
188 W. Frhr. v. d. Osten-Sacken,
Slaven, bei denen wir doch wenigstens in der eigenen Mutter-
sprache ein lebendiges Sprachgefühl erwarten dürfen, der Wort-
erklärung Gewalt angetan haben, wobei mich in dem einen
Falle {zdvoditi) sogar die ungenaue Bedeutungsangabe befremdet.
Zur Orientierung des Lesers möchte ich meiner eigent-
lichen Abhandlung einige Worte über die von mir zur Kevision
von Waldes litauischem Wortmaterial verwerteten Hülfsmittel
sowie über graphische resp. orthographische Fragen voraus-
schicken. Zunächst habe ich die von mir vor einigen Jahren
zum Zwecke grammatischer Ausbeute angelegte, alphabetisch
geordnete, Zettelsaramlung derinSzyrwidsDictionarium trium
linguarum (poln.-lat.-lit. Wtb.; bezeichnet Szyrwid Dict.), 5. Auf-
lage, Wilna 1713, vorhandenen litauischen Worte in ausgiebiger
Weise benutzt, wobei ich zum Vergleich auch einige Notizen
aus der in manchen Punkten abweichenden 4. Auflage desselben
Werkes (Wilna 1677 ; hier unterschieden als Dict. IV und Dict. V),
sowie auch das Predigtbuch desselben Verfassers, betitelt Punkty
KazaA (Punktay Sakimu), hrsg. von Garbe Göttingen 1884 (Heft 4
von Bezzenbergers Lit. und Lett. Drucken des 16. und 17. Jahr-
hunderts, zitiert: Szyrwid Punktay Sakimu) zu Rate gezogen habe.
Da Szyrwid eine der Hauptquellen von Nesselmann und KLD[
ist, konnte ich manchen Irrtümmern auf die Spur kommen {fodio,
gr acutus^ leo^ riigio, vgl. insbesondere mollis wegen des an-
geblichen lit. mildus). Die Verdeutschung von Szyrwids Worten
macht insofern gewisse Schwierigkeiten, als die vielfach in meh-
reren Bedeutungen vorkommenden polnischen Stichworte und
besonders die lateinischen Entsprechungen derselben durchaus
nicht immer ausreichen, um die genaue Bedeutung der litaui-
schen Worte zu ersehen. Vorsichtshalber habe ich daher meist
vermieden, deutsche Bedeutungsangaben zu geben und habe
sowohl die polnischen als auch die lateinischen Worte zugefügt;
zu beachten ist dabei, daß in erster Linie die polnischen Worte
als direkte Entsprechungen der litauischen in Betracht kommen,
da die lateinischen sich unter Umständen auf andere Bedeu-
tungsnuancen der Stichworte beziehen können.
Das sonst von mir verwertete litauische Wortraaterial
stammt in der Hauptsache aus drei Quellen: 1) Juskeviö
Litovskij Slovarj (zitiert Juskeviö; bisher ist nur der erste
Band A— J erschienen); 2) Doritsch Beiträge zur litaui-
schen Dialektologie, hrsg. von der lit literar. Gesellschaft,
Berichtigungen u. Ergänzungen zu Waldes Lat. Etym. Wörterbuch. 189
Tilsit 1911 1) (zitiert: Doritsch Beiträge); 3) Professor Leskiens
handschriftliche Zettelsammlung zu einem Litauischen
"Wörterbuch, aus der ich mir vor einigen Jahren mit Erlaubnis
des Verfassers Notizen gemacht habe, die ich hier verwerten
durfte. Die mir meist nicht zugänglich gewesenen Quellen
Leskiens zitiere ich in der Regel mit vollem Titel (über Er-
scheinungsjahr, Druckort und dgl. orientiert Leskien Nom, 156 ff.):
die angewandten Abkürzungen D.B.S. und Jass. Pam. bedeuten
Bud^ senowes Letuwiü Kalnienü ir Zamajtiü iszrasze Pagai
Senow^s Rasztü Jokyb's Laukys (d. i. Dowkont), St. Petersburg
1845, und Pamoksiay pagai ewangelios szwentos zodziu ant wisu
nedielu par metus surasziti par kunegu RapoJu Jassykiewicze,
2 Teile, Wilna 1855, 1857.
Die aus Nesselraann und Juskevic stammenden Worte
habe ich mit Ausnahme der Akzentuation in die in der Sprach-
wissenschaft übliche und auch von "Walde angewandte Ortho-
graphie umgesetzt und habe nur in Fällen, wo es mir zur
Klärung irgend einer Frage nötig erschien, daneben auch die
Originalschreibung zugefügt. Dagegen erschien es mir ratsam,
bei den altlitauischen Worten aus Szjrwid und aus Leskiens
handschriftlichem "Wörterbuch sowie bei den streng phonetisch
geschriebenen Dialektworten aus den Beiträgen von Doritsch
die Originalorthographie beizubehalten, da ihre Kenntnis das
Verständnis der sich daran knüpfenden Erörterungen erleichtert,
und da im allgemeinen aus der ganzen Darstellung klar hervor-
gehen dürfte, in welcher Weise eine etwa wünschenswert er-,
scheinende Umsetzung in literarische Gestalt zu erfolgen hätte.
Was die Akzentuation bei Juskevic und in den Dialekttexten
anbetrifft, so weicht sie bei den auch in der preuß.-lit. Literatur-
sprache bekannten Worten oft von der dortigen Betonung ab
und ist daher bei den aus Kurschats Sprache nicht bekannten
Worten nur mit Vorsicht als Kriterium für die Richtigkeit von
Etymologien usw. zu verwerten. Beispiele s. unten s. v. capio
{atkempu), flagro {hlyszkiti), fui, füHgo, grunda, läma, lis,
rapio, valeo {veldeti\ vetus^ umbra. L"nd um einer verkehrten
Ausbeutung der Akzentuation vorzubeugen, wäre es vielleicht
praktischer, wenn Walde z. B. auch bei aliksnis, kröpti^ bebrus,
1) Die in diesem Werke enthaltenen dialektischen Texte geben
durch ihre streng phonetische, durch keinerlei theoretische Erwägungen
beeinflußte, Schreibung ein anschauliches Bild von der lebendigen Sprache.
Indogermanische Forschungen XXXIII. 13
190 W. Frhr. v. d. Osten-Sacken,
grldyjii, mildingai (s. v. alnus, carpo, fiber^ gradior, mollis)
den Akzent fortlassen würde, falls er es nicht vorzieht, den
dialektischen Charakter der Worte zu betonen.
Da Walde in der Schreibung seiner slavischen und bal-
tischen Worte meist von seinen Quellen abhängig ist, ergeben
sich naturgemäß bei ihm Inkongruenzen in der Bezeichnung
derselben Laute und Lautgruppen. So schreibt er z. B. im
Lettischen neben w auch v sowie ö, o neben ü und gebraucht
im Litauischen promiscue Jr, )/ und iV, iL Bei der Transkription
der kyrillischen Schrift fällt besonders die wechselnde Bezeich-
nung der Palatalität (ksl. und russ. meist durch -j-, klruss. durch
den Apostroph und selten durch den Palatalitätsstrich ; vor -h
wird sie ksl. und russ. meist garnicht bezeichnet) und sonst
einzelner Lautungen (russ. la, lo, lu, klruss. ta^ to, tu^ z. B. russ.
goluböj, klruss. hotühyj) in den verschiedenen Sprachen, teil-
weise auch in einer Sprache, auf. Auch im Setzen der auslau-
tenden -^ und -h herrscht Verwirrung, vgl. in Waldes Glossar
ksl. oZe)', repij neben pokojb, ubojh, russ. kubarec, plov, storoz
neben karjrb, ovesb. Da es sich hier nicht um Fehler handelt,
sondern um verschiedene Auswahl unter gebräuchlichen Tran-
skriptionsmethoden, habe ich mich in der Regel um diese In-
konsequenzen nicht gekümmert. Auch in der Verbesserung von
Schreib- und Druckfehlern, im Setzen, Ändern und Beseitigen
der Akzente und im Ersetzen des Apostrophs durch den Pala-
talitätsstrich im Kleinrussischen und Lettischen habe ich mich
;n der Regel auf diejenigen Worte beschränkt, über die ich
schon aus anderen Gründen etwas zu sagen hatte. Die sloveni-
schen Worte, die Walde meist unakzentuiert und in einer ver-
alteten, auf Miklosich zurückgehenden, Schreibung zitiert, habe
ich durch Setzung von Akzenten und diakritischen Zeichen in
die jetzt in der Wissenschaft übliche Schreibung (s. Berneker
S. 5) umgesetzt, wobei ich namentlich auf die Unterscheidung
der Zeichen f (aus c, f), 6 (aus 4) und 9 (aus », h) Gewicht gelegt
habe. In der Transkription der kyrillischen Schrift habe ich
mich möglichst Walde anzupassen gesucht, der vielfach von
Bernekers Methode abweicht, und schreibe z. B. abg. koljq^ ksl.
klJudUi, hrbnja gegenüber Bernekers koVg^ kl'udHi^ hnna. Nur
habe ich dabei die Inkonsequenzen innerhalb öiner Sprache mög-
lichst zu vermeiden gesucht. Bernekers Stichworte gebe ich der
leichteren Auffindbarkeit halber in seiner Schreibweise.
Berichtigungen u. Ergänzungen zu Waldes Lat. Etym. Wörterbuch. 191
Neben der Verfolgung des eigentlichen Zweckes dieser
Abhandlung, auf die bei Walde vorkommenden Irrtümer hinzu-
weisen, habe ich es mir auch angelegen sein lassen, zu dem von
ihm verwerteten Wortmaterial noch weiteres mir semasiologisch
oder formal interessant erscheinendes zuzufügen, abweichende
Auffassungsmöglichkeiten zu beleuchten und überhaupt eine Reihe
von mir beobachteter Tatsachen, die mit den von ihm behan-
delten Worten und Wortsippen in näherem oder fernerem Zu-
sammenhange stehen, mitzuteilen. Wenn meine Auseinander-
setzungen dadurch vielfach derartige sind, daß ihr Inhalt von
Walde für seine nächste Auflage nicht verwertet werden kann,
so glaubte ich sie dennoch bei dieser Gelegenheit mit zur
Sprache bringen zu dürfen, da sie diejenigen Forscher, die
sich für Waldes Etymologien interessieren, über manche dazu
in Beziehung stehende Einzelheiten unterrichten und zu einem
kritischen Nachdenken über wortgeschichtliche Fragen veran-
lassen können.
Da ich die ganze Zeit über, während deren ich mich mit
dieser Abhandlung beschäftigt habe, nicht allzuviel Nachschlage-
bücher zur Verfügung hatte, hätte ich die Arbeit kaum aus-
führen können, wenn ich nicht in liebenswürdigster Weise von
verschiedenen Personen mit Auskünften unterstützt worden
wäre. Herr Professor Leskien, der mir seinerzeit, wie schon
oben bemerkt, seine handschriftliche Zettelsammlung überlassen
hatte, hat mir jetzt auch noch verschiedene Anfragen beant-
wortet (s, die Artikel ferio, valeo, vas\ wofür ich ihm auch
an dieser Stelle meinen aufrichtigsten Dank ausspreche. Von
anderen Herrn sind es in erster Linie mein Freund Dr. A. Doritsch
in Sofia und Herr cand. phil. Fr. Specht in Dessau, die mich
durch ihre aufopfernde Mitarbeit zum größten Danke verpflichten.
Es wäre nicht möglich, sie an allen denjenigen Stellen, wo ich
meine Kenntnisse nur auf ihre stets bereitwilligst erteilten er-
schöpfenden Auskünfte zurückführen kann, zu zitieren; es sei
hier nur ausdrücklich hervorgehoben, daß ich meine Arbeit
keineswegs als eine selbständige bezeichnen kann. Außerdem
sind es noch Herr Dr. H. von ü^aszyn in Leipzig, den ich an
den betreffenden Stellen zitiere, und Frau Dr. phil. E. FiguUa-
Ramberg in Berlin, die mir hauptsächlich in polonistischen
Fragen manche Anregung geboten haben, wofür ich ihnen herz-
lichsten Dank ausspreche.
13*
192 W. Frhr. v. d. Osten-Sacken,
Abella. — Lies jdblanh (ksl.) statt jablam.
adülo. — "Wegen lit. valat s. unten vilis.
aedes. — Nach Berneker s. v. esteja ist cech. niesteja zu
korrigieren in öech. nistej oder in aöech. niesteje F. Plur. ; die
slovenischen Formen lauten istSje^ stSje F. Plur,; andere sloveni-
sche sowie auch sorbische Formen s. bei Berneker a. a. 0.
alce. — Für die aus Miklosich Et. Wb. stammende An-
sicht, daß poin. ios^ cech. los^ osorb. ios 'Elen' aus russ. losb ds.
entlehnt seien, fehlen triftige Gründe. Lautlich ist das lo- im
"Westslavischen nicht weniger normal, als im Russischen, und
sachliche Bedenken stehen der Echtheit des westslavischen
Wortes auch kaum entgegen. Wenn auch heutzutage im Gebiete
der Cechen und Sorben der Elch nicht vorkommt, so ist das
doch auf dem größten Teile des deutschen Sprachgebietes, wo
das Wort eich heimisch ist, gleichfalls der Fall, ohne daß wir
hier von einer Entlehnung reden können ; ähnlich steht es auch
mit den Worten här und wolf. In früheren Zeiten ist die Aus-
breitung all dieser Tiere eben eine weit größere gewesen, als
jetzt. Derartige Tiernamen pflegen sich in der mündlichen Über-
lieferung des Volkes noch lange zu erhalten, wobei wohl auch
die Volkssagen konservierend wirken. Wenn eine Entlehnung
stattfindet, so kann man höchstens von einer Entlehnung aus
einer älteren Periode derselben Sprache reden. Auch Tor-
biörnsson Liquidametathese I, 65 hält das westslavische Wort
für ererbt; russischer Ursprung wäre m. E. nur dann anzu-
nehmen, wenn es sich um ein gelehrtes Wort des natur-
geschichtlichen Unterrichts handeln würde.
alnus. — Doritsch Beiträge § 377 Nr. 21 bietet zu lit.
alksnis, elksnis 'Erle' die interessante altertümliche Form mit
Mittelvokal allksnis aus vier einander benachbarten Mundarten
Russisch-Litauens ; das -/- ist wegen ksl. jehcha, ahd. elim wohl
als ursprüngliche Kürze anzusehen. Dadurch gewinnt das von
Berneker s. v. jelhcha konstruierte halt. *alis-ni-s eine Stütze ;
ob aber Berneker auch in der Annahme einer lautgesetzlichen
Entstehung von alksnis aus *alis-ni-s vermittelst Synkope des
Mittelvokals (der *Einschub' des Gutturals, der gemeinlitauisch-
lettisch ist, dürfte dann älter sein, als die Synkope) recht hat,
vermag ich nicht zu entscheiden; eher möchte ich eine Ver-
mischung der Stämme *al{e)s- und *alis- (vielleicht Kontami-
nation von *ales- und *ali-) annehmen.
Berichtigungen u. Ergänzungen zu Waldes Lat. Etym. Wörterbuch. 193
ancus. — Lies qkoth (abg.) statt qkoh.
angtiis. — Wegen ksl. jazvt 'xoipoTPuXXioc, erinaceus*, das
mit jezh 'IgeF nichts zu tun hat, s. Berneker s. v. ezvb.
aper, ibex. — Russ. Jebdh, ai. ydbhati sind Synonyma
von lat. futuere, können also durch das meinem Sprachge-
fühle nach lediglich kausativische nhd. begatten nicht wieder-
gegeben werden.
aro. — lies aru (lett.) statt aru und ratajh (ksl.) statt rataj.
augur. — Lett. fchüretes 'lauem' (im Glossar richtig ge-
schrieben) hat -ü- und nicht -«-. Auch empfiehlt es sich, in
sprachwissenschaftlichen Werken die lett. Infinitivendungen -ät,
-gt, -it wie auch sonstige lettische Formantien mit etymologisch
langem Vokal mit dieser Länge zu schreiben, wenn die Formen
auch vielfach mit kurzem Vokal gesprochen werden; s. auch
unten s. v. callis, fallo, fei und scandula.
auröra. — Wegen slav. {fjttstro^ {jjutro 'Morgen* s. Areb.
slav. Ph. 35, 55 ff.
beta. — Wegen klruss. botva (so betont) 'Mangold', russ.
botvd 'Beetenlaub' s. Arch. slav. Ph. 34, 555 ff. ; wegen slavischer
Abkömmlinge aus lat. beta und blitum s. auch Berneker s. v. blitva.
bibo. — Wegen lit. pSnas s. unten opitnus und pinus.
caballus, mannus. — Der in den russ. Wörterbüchern
auf Grund poetischer Quellen angesetzte Akzent in aruss.
komatih 'Pferd' {kömonh) ist besser fortzulassen: denn die Be-
tonung des Wortes in der gesprochenen Prosa braucht nicht
notwendig der in der Poesie zufällig belegten gleich gewesen
zu sein.
caelebs. — Lies cegfbdvb (ksl.) statt kegrbchi (1. AufL richtig)
und l'audis (lett.) statt laiidis.
caelum. — Ksl. sinh (rä-Stamm: phonetisch genauer durch
sinh oder sinjh zu bezeichnen : ein *sim existiert nicht) bedeutet
nicht 'grau', sondern 'blau'. — Lett. schk'fsts hat zwei Bedeu-
tungen: 1) 'dünnflüssig' = lit. skystas und 2) 'rein, klar, keusch'
= abg. cistb. Letztere Bedeutung könnte auf dem Einfluß des
russ. cistyj beruhen.
caerimönia. — Abg. cena kenne ich nur in den Be-
deutungen 'Preis, Schätzung, Würdigung', nicht aber in der
Bedeutung 'Ehre'. Die Bedeutungsangabe des abg. Wortes
durch 'Ehre' (merkwürdigerweise verdeutscht auch Berneker
abg. cena s. v. durch 'Ehre' (sogar an erster Stelle) neben
194 W. Frhr. v. d. Osten-Sacken,
*Preis') scheint auf falscher Übersetzung von griech, tiiiiri zu
beruhen. Im Lateinischen steht an den betreffenden Bibel-
stellen jyretium.
caleo. — Ksl. shta bezeichnet nicht eine Jahreszeit,
wie wir aus dem *hiems' bei Miklosich Lex. Pal. und Et. Wb.
schließen könnten, sondern eine Witterungsart und kann
infolgedessen nicht durch 'Winter' verdeutscht werden; vgl.
die Beispiele im Lex. Pal., wo das Wort mit mrazb Trost', znojh
'Hitze' und mit velika vetra 'große (heftige) Winde' koordiniert
gebraucht wird, und die modernen Bedeutungen, die zwischen
"nasses Wetter' und 'winterliches Wetter' schwanken, z. B. russ.
dial. slotä 'schlackeriges, nasses Wetter, Schnee und Kegeu usw.',
serb. slöta 'feiner Regen', cech. slota 'Schneegestöber, schlechte
Witterung'. Wenn wir dem 'hiems' Rechnung tragen und zu-
gleich beachten, daß das Wort in der Verbindung mrazonn i
slotoju i znojerm (russ.-ksl. Instr. Sing.) nicht gleichbedeutend
mit mrazb sein kann, werden wir es am besten mit 'naßkalte
Witterung, Schlackerwetter' übersetzen. — Lies szarmä (lit.)
statt szarnä^ vgl. KLD s. v., Leskien Nom. 424. — Lies sren
(nslov.) statt sr^n. — Der lit. dial. Name des 'August', der bei
Nesselmann 518a szillus geschrieben wird, ist nach der zweifellos
richtigen Vermutung bei KLD und Leskien Nom. 828 besser
als szilius, denn als *szilus^ aufzufassen ; denn Nesselmanns / und
U (dieses bezeichnet die Kürze des vorhergehenden Vokals, wie
auch rr, s. unten dirru s. v. derbiösus) können seiner Schreib-
praxis gemäß auch als l' gelesen werden (Fälle, wo das geschehen
muß, s. unten s. v. minus^ vilis, volo\ und bei einer solchen
augenscheinlich jungen, vielleicht sogar künstlichen, Bildung
können wir nur das produktive 'w-Formans und nicht das bei
Substantiven erstarrte w-Formans erwarten.
callis. — Es würde sich empfehlen, neben abg. klada
*Hülz, Balken' auch die russ. Form koUda 'Holzblock, Klotz*
anzuführen, damit nicht ein Leser mißverständlich in abg. klad-
dieselbe Ablautstufe sieht wie in lat. clädes. — Die konstruierte
vorslavische Grundform von öech. kiest., kiest' 'Zweig' muß, da
-e- auf urslav. -i- zurückgeht (Berneker s. v. kl^stip, kUlscp^ dessen
Etymologie aber abweicht), *kledti- (vorslav. Gestalt; urslav. ist
nur *klSstb möglich, da -idt- ein Anachronismus wäre) geschriobiMi
werden. — Lies kUstiti (nslov.) statt klistiti. — Lett. klubwät
'hinken' muß mit langem -ä- geschrieben werden; vgl. oben augur.
Berichtigungen u. Ergänzungen zu Waldes Lat. Etym. Wörterbuch. 195
cannabis. — Neben poln. pienka *Haiif' wäre an erster
Stelle die mit Rücksicht auf russ. pemkä (Uiaszvn — brieflich
— nimmt Entlehnung des wenig gebräuchlichen veralteten
poln. Wortes aus dem Russischen an) ältere (allerdings seltenere)
Form pienka anzuführen.
capio. — Lies k'epju (lett.) statt k'epjii. — Daß aruss. ceph
neben dem jetzt gewöhnlichen russ. cepi 'Kette' eine lautlich
entstandene dialektische Nebenform sei, ist mir nach Kenntnis-
nahme von Bemekers Artikel cep'p 2. zweifelhaft geworden ;
denn es ist daraus zu ersehen, daß neben russ. pricepithsja 'sich
an etwas festhalten, anklammern*, cepkij 'gut kletternd, zäh,
klebrig' usw. auch ein slav. cep- in ähnlichen Bedeutungen vor-
handen ist, vgl. noch das bei Berneker fehlende russ. dial. cepdth
'anhaken, hängen bleiben, anrühren, fassen'. Immerhin brauchen
nicht beide Substantiva alt zu sein, und es ist anzunehmen,
daß das eine aus dem anderen durch Anschluß an ein Verbum
entstanden ist. Daß Vermischungen von cep- und cep- statt-
gefunden haben, ist aus den von Berneker angeführten Worten
mit klruss. cip- neben solchen mit cip- (aus cep-) und cep- zu
ersehen; denn klruss. cip-^ das lautlich nur auf ein im Urslavi-
schen unmögliches *cep- zurückzuführen wäre (urslav, *cip- hätte
zu klruss. cyp- geführt), ist nur als Kontaminationsbildung ver-
ständlich. Wieweit slav. cep- auf einem vorslav. *kep- (in lit at-
kempu (wohl eigentlich -kempu dial. für -kempü) at-kepti 'abfallen,
sich ablösen', lett. k'e2)t 'haften, mit den Klauen anpacken')^),
wieweit es auf einer Lautnachahraung beruht, ist kaum zu ent-
scheiden; jedenfalls müssen bei einer Untersuchung dieser Frage
die gleichbedeutenden von Berneker s. v. capajg^ capajg und cttparb
behandelten Sippen mitberücksichtigt werden; merkwürdiger-
weise machen gerade die am wenigsten zu capio^ cepi stimmenden
Worte mit slav. dp- und cbp- keinen lautnachahmenden Ein-
druck; und cap- und cep- könnten neben ca/>, obgleich räum-
lich weiter verbreitet, als cep- und cbp-^ viel eher erst auf
slavischem Boden enstanden sein*).
1) Vielleicht können wir halt, kep- und das gleichbedeutende ker-
in lit. at-kirti, lett. k'ert (IF. 22, 316 ff., 3^) mit der im Baltischen, beson-
ders im Litauischen, zu beobachtenden Tendenz, eine sekundäre e-Stufe
zu schaffen (unten fodio, ptnus und Fn., valeo) in Verbindung bringen
oder (des SlaWschen wegen) in ihnen Ausgangspunkte dieser Tendenz sehen.
2) Walde setzt die Wurzel von capio als *qap- an. Mir erscheint
es mit Rücksicht auf lat. cepi, griech. vMi-nr\ 'Griff*, lit. kupa 'Pfandgeld' usw.
196 W. Frhr. v. d. Osten-Sacken,
carpo. — Die Zugehörigkeit von abg. crtpq^ criti 'schöpfen*
zur Sippe von carpo wird von Berneker s. v. chrpp durch Be-
deutungsparallelen gestützt; ebenda, wie auch s. v. cbrvb^ wird
die eventuelle Zugehörigkeit eines russ.-dial. cerjTb 'Sichel' (neben
serpb und dial. cerm) erwogen. — Lett. zirpe 'Sichel' hält Leskien
Noni. 269 für ein estnisches Lehnwort. — Neben lett. kräjyjii
kräpt 'stehlen, betrügen' wäre auch lit. kröpti 'stehlen' (Leskien
Abi. 376; das Präsens scheint nicht belegt zu sein) anzuführen;
s. auch unten creper. — Sehr erwägenswert ist auch die Zu-
gehörigkeit von ksl. crep^ 'Scherbe', preuß. kerpetis 'Schädel' usw.
zu unserer Sippe, vgl. Berneker s. v. cerpb.
cattus. — Der bei Miklosich Lex. Pal. und Sreznevskij
Mat. als Stichwort angeführte Kom. Sing. M. koteh 'felis' ist eine
unbegründete Konstruktion aus den obliquen Kasus, und Berneker
s. V. kotb 2. hat vollständig recht, daß er die ebenfalls bei Miklosich
a. a. 0. stehende durch rectius fortasse eingeleitete Feraininforra
kotelja gewählt hat, denn der Dat. Plur. koteljarm im selben Satze
Avie phsorm 'den Hunden', wo also die alte Form für den Dat.
Plur. M. noch gebraucht wird, deutet in Ermangelung von
Gegenbeweisen durchaus nur auf die femininische Flexion des
Wortes hin. Noch weniger berechtigt ist Waldes dem gram-
matischen Geschlecht zuliebe konstruierte Bedeutungsangabe
'Kater'. In der gesprochenen Sprache dürfte das Wort 'Katze'
(so Berneker) ohne Rücksicht auf das Geschlecht bezeichnet
haben ; in den beiden von Sreznevskij angeführten Sätzen dient
es zur Übersetzung von griech. rriGriKoc in einer Aufzählung
von allgemeinen, das Geschlecht nicht berücksichtigenden, Gat-
tungsnamen für verschiedene Tiere. Ohne Zweifel ist die Über-
setzung ungenau, indem der Name eines exotischen Tieres durch
den Ausdruck für ein den Slaven bekanntes Tier ersetzt wurde;
indessen ist anzunehmen, daß der Übersetzer seine Auswahl
unter ebenfalls nur allgemeinen Gattungsnamen getroffen hat.
caveo. — Der Infinitiv ciac ('hören') ist in dieser Gestalt
bloß weißrussisch richtig; kiruss. lautet er cuty^ serb. cüti', lies
ratsamer *qep- und *qöp- als die Hochstufen anzusehen und die in den ein-
zelnen Sprachen -a- in der Wurzelsilbe enthaltenden Formen auf die
Reduktionsstufe *q9p- zurückzuführen; vgl. Boisacq Dict. fit. s. v. Kduriu.
Ai. kapafi 'zwei Handvoll' könnte dann (sekundäres?) *qop- enthalten, das
sich zu griech. KibTtn so verhält, wie halt, kep- zu lat. cepi. Wegen der
Ablaulsverhältnisse der scheinbaren Parallclwurzel *ffhab-, die vielleicht
auf Nachahmung unserer Wurzel beruhen, s. unten habeo Fn.
Berichtigungen u. Ergänzungen zu Waldes Lat. Etym. Wörterbuch. 197
mit Akzent nslov. cüti\ serb. cüvati (*hüten'), — Ksl. siutiti 'fühlen'
ist mit abg. duti 'fühlen' nicht verwandt; aus serb. ciHiti ds. ist
zu ersehen, daß der Anlaut sf- nicht auf sk- (dann würde auch
serb. st- stehen), sondern auf tj- zurückgeht. Eine Nebenform
ksl. cid iti scheint nicht zu existieren: Miklosich Et. Wb. s.v.
tjut- hat diese Form wohl fälschlich aus sloven. ciititi erschlossen,
dessen c- aber nach Ausweis des serb. c- gleichfalls auf tj-
zurückgeht. Sollte sich ein cutüi in einer russ.-ksl. Quelle noch
finden, so würde die normale russische Lautgestalt des im
Kirchenslavischen als st- erscheinenden Anlauts vorliegen; bei
nicht russischer Überlieferung könnte an Anlehnung an euti
gedacht werden. Jedenfalls sind hier bei "Walde beide Formen
cutiti und stufiti zu streichen.
-ce. — Statt lit. dial. sze (so betont bei KLD s. v. szm) ist
besser die normalere Form szeh anzuführen, und zwar schon,
um einer etwaigen falschen Auffassung des Lesers, daß sze mit
lat. -ce identisch sei, vorzubeugen. Beide Formen szen und sze
sind vom Stamme szia- {*k2'o-) aus gebildet, nicht von dem im
Baltischen nicht belegten Stamme *ice- j ko-, und das -e- ist als
aus -a- entstanden anzusehen. Wenn es auch nicht undenkbar
ist, daß sze und szen zwei verschiedene Bildungen vom selben
Stamme seien, so ist es doch wahrsdheinlicher, in sze eine jüngere
Sandhidoublette von szen zu sehen; Avegen ähnlicher Sandhi-
erscheinungen bei Adverbien vgl. Doritsch Beiträge § 32, 66,
97, 127, 159, 190, 235, 279, 306.
cippus. — Abg. sb-cepiti 'spalten' (bessere Schreibung als
scepiti) enthält die Präposition sb- und weist nicht auf einen
ursprünglichen Anlaut sq-; vgl. Bemeker s. v. cep'g 1.
clvis. — Das, wie es scheint nur ein Mal, und zwar aus
dem 17. Jahrhundert überlieferte russ.-ksl. semi 'persona' ist
vorsichtshalber besser fortzulassen oder wenigstens als unsicher
zu bezeichnen. — Die Bedeutungsangabe 'gütig, mild' für ksl,
posifb 'rravoOpToc, callidus, sagax, benignus' ist ungenügend.
Der Bedeutungsumfang des Adjektivs und seiner Ableitungen
ist ein ziemlich großer; die bei Sreznevskij Mat. für posivh
sowie für das abgeleitete posivbm angeführten russischen Syn-
onyma lassen sich etwa durch 'fähig, geeignet, passend, nützlich,
bestimmt für etwas, überzeugend, geneigt zu etwas' wiedergeben.
Das 'benignus', das Miklosich Lex. Pal. neben anderen Adjektiven
bietet, will zu den übrigen Bedeutungen nicht recht passen;
198 W. Frhr. v. d. Osten-Sacken,
vielleicht liegt da eine nur in einem singulären Satzzusammen-
hänge entstandene scheinbare Bedeutungsverschiebiing vor, die
wir nicht abstrahieren dürfen. Der etymologische Zusammen-
hang mit der Sippe von lat. am erscheint unter diesen Um-
ständen mehr als zweifelhaft.
clädes. — Wegen russ. Madü 'verschneide' s. eine andere
bei der geringen Ausdehnung des Wortes fast wahrschein-
lichere Eventualität bei Berneker s. v. kladg 2. Keltischen
Ursprung vermutet Schachmatov Archiv sl. Ph. 33, 90, was
wenig einleuchtend erscheint. Für ksl. kladivo 'Hammer' ziehe
ich die Zurückführung auf *qold- und Beziehung auf ein
Präs. *qoldö vor; anders Berneker s. v. — Die Bedeutungs-
angabe 'schlagen' für abg. koljq klati ist ungenau. Das
Verbum bedeutet 'stechen, schlachten', wovon ersteres vom
slavischen Standpunkt aus als Bedeutungszentrum, letzteres
als Spezialisierung davon aufzufassen ist; gemeinslavisch tritt
auch eine dritte Bedeutung 'spalten' scharf hervor, die eben-
falls für das Sprachgefühl eine Verengerung von 'stechen' ist
Wenn 'schlagen' die ursprüngliche Bedeutung gewesen sein
sollte, so ist sie jedenfalls für das slavische Sprachempfinden
ganz verdunkelt worden. Aus Bernekers Ausführungen s. v. kol'g^
wo auch die einzelsprachlichen Bedeutungsangaben zu ver-
gleichen sind, geht klar hervor, daß die Gesamtbedeutung
des slavischen Verbums von den Bedeutungen der idg. Wurzel
*qolä- (Bernekers Ansatz *qelä- ist kaum gerechtfertigt) 'schlagen'
durchaus verschieden ist. Im Falle der Anerkennung des etymo-
logischen Zusammenhanges mit dieser Wurzel würde es sich
also um eine schon in vorhistorischer Zeit fertig vollzogene
Bedeutungsverschiebung durch den Einfluß etymologisch unver-
wandter Worte handeln. Für diesen Vorgang ist Waldes Satz:
"doch ist nur in abg. klati in der Bedeutung 'stechen'
ein ursprünglich verschiedenes Wort eingeflossen" nicht be-
zeichnend. Es besteht eben kein semasiologischer, sondern nur
ein lautlicher Zusammenhang mit der Sippe des 'Schlagens*.
Übrigens scheint mir Bernekers (a. a. 0.) Skepsis gegen einen
Zusammenhang von klati mit der Sippe von lit. skdiü skäti
'spalten', aisl. skilia 'trennen, scheiden' nur insofern vollauf ge-
rechtfertigt, als lautliche Urverwandtschaft von *qolä- 'schlagen*
mit *sqel- 'spalten* unbedingt abzulehnen ist. Indessen kann der
induzierende Faktor für die semasiologische Umwandlung von
Berichtigungen u. Ergänzungen zu Waldes Lat. Etym. Wörterbuch. 199
slav. *kol-, den Berneker ja in außerhalb der Sippe *qoIä- stehenden
Worten sucht, gerade in der Sippe *sqel- enthalten sein, die den
slav. "Worten der Bedeutung nach näher steht, als irgend eine
andere. Und wenn kymr. coh, col 'Spitze, Ähre', nhd. hidst 'Stech-
palme' usw. ein uridg. *qel- 'stechen* repräsentieren, dann glaube
ich kaum, daß wir diese Wurzel für etwas ganz Selbständiges
zu halten brauchen, da sie sehr wohl die gesuchte s-lose Neben-
form von *sqel- sein kann, auf deren Nichtvorhandensein Berneker
aufmerksam macht. Übrigens führt Walde s. v. scalpo ein zu
*sqel- gehöriges ai. kdlä 'kleinster Teil' an, das ebenfalls kein
s- enthält. Weiteres zu den besprochenen Sippen s. auch unten
s. V. scalpo.
clango. — Lett. Jdadfet 'gackern' ist mit -df- und nicht
mit -ds- zu schreiben. Zu den Worten mit Ablautsentgleisung
kann der Übersichtlichkeit halber lett. Megäi 'schreien' zugefügt
werden.
claudus. — Wegen ksl. kljuditi 'Xct^iv, omXeTv, deridere'
vgl. jetzt Berneker s. v. kl'ud^, der seine frühere Ansicht auf-
gegeben hat. Wegen russ. koldijha 'lahmer, hinkender Mensch',
koldykath 'hinken', kölca 'Hinkender' (bei Walde alle drei un-
akzentuiert) vgl. Berneker s. v. kdtajg.
cllno. — Das lettische Wort für 'anlehnen, stützen' lautet
denu siet, nicht slinu slit^ was auf falscher Lesung von Bielen-
steins sHnu slit {-i- graphisch für Leskiens -g-) beruht. — Zu
lit. .ssZ^if/ 'lehnen' bietet Szjrwid Dict. 308 a das interessante alte
Präsens prißteiu (lies -ju) s. v. przystosuje (accomodo, . . . apto,
transfero)^ prifißteiu s. v, przytulam sie (applico me); dazu ebenda
auch das Verbalabstraktum prifißteimas (lies-jVmos) s. y.przytidenie,
das auf ein Präteritum *-s2teiau (lies -jau) schließen läßt. Ein
prifißtejmas findet sich auch in Jass. pam. 2. 342. 21. Aus den
unten s. v. liho näher anzuführenden Gründen können wir das
ßte- nicht als szle-., sondern nur als szle- oder szU- auffassen;
in unserem Falle dürfte -ßteiu als dialektische Entsprechung
eines urlitauischen *szleJH anzusehen sein, das dem ai. srdyati
lehnt, legt an' gleich ist; vgl. auch lat. clgmens aus *kIeJemeno-s
Part. Präs. Pass. und cliens aus *kleients- Part. Präs. Akt. (Walde
s. V.); das Präteritum ist demnach als *szlejau anzusetzen. Die
jetzigen Formen szleju szlejaü enthalten das aus dem Infinitiv-
stamme übernommene nur vor konsonantisch auslautenden En-
dungen lautlich entwickelte -€- aus -ei- und sind nicht etwa
200 W. Frhr. v. d. Oslen-Sacken,
auf uridg. *klei-i- zurückzuführen. Gleichartige Fälle werden
unten s. v. frio und libo besprochen.
claeo. — Sloven. düt M. (so betont) 'Verdacht, Ahnung'
ist seiner Vereinzelung und des Genus wegen kaum ein altes
Wort, sondern wohl ein Postverbale zu slütim slütiti *ahnen',
das seinerseits allerdings wohl ein Denominativ ist. Als slavi-
sches AVort mit -t- Formans wäre in erster Linie serb. dütim
slütiti 'ahnen' zu erwähnen.
columba. — Lies f/oluböj (russ.) statt goluhjj. — Lit. gelumhS
bedeutet nicht 'blaues Tuch', sondern überhaupt Tuch', was
natürlich nicht die Möglichkeit einer ehemaligen engeren Be-
deutung ausschließt. Wegen der allein vorliegenden allgemeinen
Bedeutung ist auf die Wörterbücher zu verweisen. Daß (schon)
zu Szyrwids Zeiten eine Beziehung zur Farbe nicht (mehr) ge-
fühlt wurde, ist klar ersichtlich daraus, daß Dict. 65 a zur Über-
setzung von poln. tazur^ sukno 'pannus caeruleus' nicht (jietumhe^)
allein, sondern gietumbe melina {mSlynas 'blau') gewählt worden
ist; vgl. auch 130b gietumbe burnatina arba melina als AVieder-
gabe von poln. granat 'purpura violacea aut caerulea'. Dagegen
dienen getumbe (sic!)^), gietumbes (so IV, 303 a; V fälschlich -bas)
darimas^ getumbinis (sie !) und gieiumbinikas auf S. 356 und 357
zur Wiedergabe von sukno 'pannus', sukiennictwo 'lanificium*,
sukienny 'panneus' und sukiennik 'lanarius, lanificus'; andere
Stellen für das Wort s. S. 6b (bis) und 90a s. v. barwa, bar-
tcica. kir.
confüto in den Nachträgen. — Bei Erwähnung von
lit. baudHii baüsti 'strafen, züchtigen' hätte die früher ganz all-
gemein angenommene Verbindung dieses Wortes mit bundii
biisti 'erwachen' usw. nicht verschwiegen werden dürfen, vgl.
mit der Bedeutung 'mit Worten strafen', d. h. 'zurechtweisen*
got. anabiiidan 'befehlen, anordnen', ai. bödhdyati 'erweckt, be-
lehrt, teilt mit', ir. ro-bud 'Verwarnung', s. Berneker s. v. bVudp^
bud'p, bid'p-, vgl. insbesondere lit. bauslijs 'Befehl' (Juskeviß,
geschrieben -ys\ lett. bauslis 'Gebot', bausliba 'Gesetz' mit mhd,
hot^ aisl. hod 'Gebot*. Was aber ganz besonders die alte Zu-
1) Nach k- und g- schreibt Szyrwid in der Regel -ie- für -e- und
-4-, wo -t- das Palatahlätszeichen des Gutturals ist; nur ab und zu fehlt
in der Schrift das -»-. Einen anderen Fall, wo -ie- als 'e- zu lesen ist,
s. unten s. v. piget; sonst pflegt Szyrwid -e- und -<'- unterschiedslos durch
-e- und -/- durch -ie- zu bezeichnen.
Berichtigungen u. Ergänzungen zu Waldes Lat. Etym. Wörterbuch. 201
sammenstellung befürwortet, ist der Umstand, daß baüsti bei
Juskevic a. a. 0. einen weiteren Bedeutungsumfang hat, als wir
ihn aus der Literatursprache kennen: als Bedeutungen werden
angegeben: 1) 'schrecken, drohen, bedrohen'; 2) 'antreiben, an-
zeigen' (^gl. Tüss. po-buditb ds. zu buditt 'wecken'); 3) refl. 'beab-
sichtigen'. Hierbei sei noch bemerkt, daß für das im Litauischen
spärlich belegte haudyti = abg. budüi 'wecken' (Leskien Abi. 294)
sich neuerdings ein weiterer Beleg gefunden hat, vgl. den In-
finitiv baudyt zweimal bei Doritsch Beiträge S. 35, Z. 11 u. 13.
Beachtenswert ist, daß das Wort als Synonym von vektuöf
(literar. vektuti) 'wachen' (S. 34, Z, 25, 26, 36 usw.) gebraucht
wird, was auch Doritsch § 59 Veranlassung gegeben hat es als
'bewachen' zu übersetzen. Es liegt hier also im Gegensätze zum
Slavischen und Arischen (s. oben) nicht kausativische, sondern
iterativische, Anwendung vor.
cöniveo. — Da ksl. ponicq po7iicati 'oculos demittere', wie
aus dem Infinitiv mit -c- zu ersehen ist, das formale Iterativ
zu poniknqti 'pronum esse' ist, wäre besser die Wortstellung
zu ändern; auch wäre die Angabe des für Iterativa charakte-
ristischen Infinitivs wichtiger, als diejenige des mehrdeutigen
Präsens.
cräbro. — Das von Zubaty Rocznik Slawistyczny II, 4 f.
als archaischer Nominativ auf uridg. -e zu e«-Stämmen ange-
sehene russ.-ksl. sbrsa 'Wespe' (neben sonstigem shrsenh)^ das
ich IF. Anz. 28, 36 anders zu erklären versucht habe, ist jetzt
nach Leskiens Ausführungen in IF. 28, 137 f. als zu unsicher
beglaubigte Form überhaupt zu streichen.
cremo. — Zu cremäre 'verbrennen' passen gut in Form
und Bedeutung ksl. kremy, kremem 'silex', kremykb 'Feuerstein',
lett. krams 'Feuerstein'; anders über diese Berneker s. v. In
den einzelnen slavischen Sprachen wechseln die Bedeutungen
'Kieselstein' und 'Feuerstein', und aus dem Slavischen selbst
ist nicht zu ersehen, welche Bedeutung die ältere war, sodaß
wir hier für die Etymologie freien Spielraum haben, aber das
lettische Wort, das nach Berneker kaum entlehnt sein kann,
spricht für die ürsprünglichkeit der Bedeutung 'Feuerstein'.
Diese Verhältnisse vergleichen sich denen der von Berneker s. v.
kresg kresati behandelten Sippe, wo die Bedeutungen 'Feuer
schlagen' und 'schlagen' überhaupt nebeneinander stehen, und
wo auch Berneker Anknüpfung an lit. krömis 'Ofen', kärsztas
202 W. Frhr. v. d. Osten-Sacken,
'heiß* für möglich hält. Natürlich kann kremij, wenn es zu
cremäre gehört, nicht mit der auf die Vorstellung des 'Schneidens'
zurückgehenden Sippe von ksl. poJcromh 'margo panni', abg. krome
"draußen' (Berneker s. v. kroma) verwandt sein; doch besteht
ja auch keine solche seniasiologische Beziehung zwischen kremy
und pokromb, die eine Trennung erschweren würde.
creper. — Lit. kröpti bedeutet nicht 'trügen, betrügen',
sondern 'stehlen', lett. kräpt kommt in beiden Bedeutungen vor,
s. auch oben carpo.
cruentus. — Es ist zwar nicht unwahrscheinlich, daß lit.
krüvinas, abg. knmm 'blutig' dasselbe n-Element enthält wie
lat. cruentus, avest xrvant- 'grauenhaft, grausig*; indessen ist.
die Gleichung cruentus = lit. kriivintas etwas gewagt, da letzteres
das reguläre Partizipium zu krüvinu krüvinti 'blutig machen'
ist, während das lateinische und das avestische Wort den Ein-
druck einer Sekundärbildung machen; daß das Verbum erst
zum Partizipium hinzugebildet sei, ist in Anbetracht der großen
Produktivität der lit. Verba auf -inu, deren Grundlage jeden-
falls schon vorbaltisch ist, kaum anzunehmen.
de. — Das litauische Verbalpräfix da- dürfte aus russ.-
poln. do- entlehnt sein, vgl. Leskien Nom. 457. Dafür spricht
vor allem der Umstand, daß dieses Präfix im Russisch-Litauischen
ungleich häufiger ist, als im Preußisch-Litauischen, wo in der
Literatursprache durchaus pa- herrscht, vgl. Doritsch Beiträge
§ 264, 331. Sehr instruktiv für die Verhältnisse des Präfixes
in älterer Zeit ist es, daß es bei Szyrwid Dict. fast nur zur
Übersetzung von poln, do- in Komposita dient; vgl. auf S. 41
bis 45: daaugu s. v. dorastam] dadirbu s.v. dokonyiram^ dorobiani;
daduomi s. v. dodaje\ daeydineiu s.v. dochodz^\ dakatbu, dafikaibu
ko s. V. domawiam czego\ dateydimas s. v. dozwolenie; daraßau
s. V. dopisuje; daßöiupimiu s. v. domacac sie', dafidirbu s. v.
dorabiam sie; dafweriu s. v. dowazam; daßoku s. v. doskakuje;
dawerdu s.v. douarzam; damadamas s.v. dowodny; vgl, 175b
nedaaugis s. v. niedorosty. Bei den nicht reflexiven Worten gibt es
nur 6ine Ausnahme: daduomi 161b s. v. nadqzam komu 'sufficio';
von Reflexivverben mit dafi- finde ich noch 14 neben polnischen
Entsprechungen mit do- gegenüber 6 Fällen ohne solche Ent-
sprechungen. — Lett. da- wird nach Ulmann Lettisch-Deutsches
Wörterbuch nur in den Grenzgegenden mit dem russischen Sprach-
gebiete gebraucht, ist also auch der Entlehnung verdächtig.
Berichtigungen u. Ergänzungen zu Waldes Lat. Etym. Wörterbuch. 20S
defendo. — Petrs (BB. 21, 213) angeblich 'schlagen' be-
deutendes russ. ugodith ist sicherlich kein anderes "Wort als
ugodith 'treffen, abpassen', das meist im freundlichen Sinne
'gefällig sein' gebraucht wird, vgl. aber auch ugodith kudd 'wohin
geraten, kommen, irgendwo sein', sowie solche nicht besonders
häufige Wendungen wie ugodih certvh vo cto 'mit etwas (einer
Kugel) etwas treffen (einen Baum), in etwas (jemanden ins
Auge)', wo es sich um ein Treffen im feindlichen Sinne handelt.
Zur Etymologie vgl. Berneker s. v. god^\ das Bedeutungszentrum
der ganzen Sippe ist treffen, und die älteste Bedeutung dürfte
etwa 'abpassen, die rechte Zeit abtreffen' gewesen sein, woraus
sich auch die Bedeutung 'irgend etwas zu treffen suchen',
d. h. 'zielen' entwickeln konnte. Peti*s verkehrte Etymologie
dürfte auf einer mißverständlichen Auffassung des in den russi-
schen Wörterbüchern beliebten Beispielsatzes: vb grudh om streloj
ugodih 'in die Brust ti-af er mit dem Pfeil' benihen ; wenigstens
zweifle ich stark daran, daß das Wort jemals 'schlagen' ohne
die im Vordergrunde stehende Beziehung zum 'Treffen, Zielen'
bedeuten kann. Es ist bedauerlich, daß Berneker, der a. a. 0.
Petrs Irrtum in bezog auf cech. hoditi 'werfen', das letzterer
ebenfalls mit lit. gadmti 'beschädigen' usw. verbindet, aufgeklärt
hat, es unterlassen hat, bei ugodih die falsche Auffassung zu
erwähnen, denn es ist nur allzunatürlich, daß ein unbefangener
Leser auch beim aufmerksamen Lesen infolge der unrichtigen
Bedeutungsangabe nicht darauf kommt, sein Wort mit dem
Bemekerschen zu identifizieren.
dens. — Statt bt. dantötas 'gezähnt' muß es heißen dantutas
resp. vorsichtshalber besser ohne Akzent dantutas. Xesselmanns
(126a) dantotas dürfte eine falsche Wiedergabe von Szyrwids
Dict. zweimaligem duntuotas {-unt- lautgesetzlich aus -ant-) sein ;
vgl. 169 a duntuotas s. v. narzynany 'serratus, multifidus, denti-
culatus', 98b ratas duntuotas s.v. kötko aho koto zqbkowate Jako
u zegar&ic, we miynach 'tympinum dentatum'. Auch Juskevid
bietet ein dantutas. Das literarische Adjektiv ist dantijtas, das
vielleicht das Part. Perf. Pass. zu dantyju dantyti 'zahnen, Zähne
bekommen' ist Ein historischer Zusammenhang zwischen den
baltischen ^Bildungen und lat. dentätus dürfte kaum bestehen.
derbiüsus. — Das Präsens dirü zu lit. d^irti 'schinden' ist
zu streichen, da wir über die finiten Formen dieses Yerbums
nicht genügend unterrichtet sind, vgl. Leskien Abi. 323 f. Das
204 W. Frhr. v. d. Osten-Sacken,
diru bei KLD[ stammt aus Nesselmanns (143 b) dirru, dessen
-rr- indessen seiner Schreibgewohnheit nach ebensogut ein ge-
sprochenes -r- reflektieren kann (ähnlich groju für Szyrwids
grioiu^ s. unten graculus\ sodaß wir die Form besser als *diriu
ansetzen könnten ; denn letzterer Präsenstypus ist der normalere
bei den auf Liquida auslautenden Wurzeln, vgl. Leskien Abi.
386f. Außerdem können wir, wenn wir Nesselmanns Quellen
nicht kennen, nicht entscheiden, welche von den in einem
Averbo stehenden Formen er gehört resp. gelesen, und welche
er konstruiert hat; und seine Konstruktionen können falsch
sein. Im vorliegenden Falle stimmt sein Präteritum dirrau, das
nur als *dirau gelesen werden kann (-rr- bezeichnet wie -II- in
szillus^ villu (s. oben caleo und unten vilis) die Kürze des Vokals,
und *diriau wäre eine ungewöhnliche Form) nicht zum Präsens:
wir würden entweder *deru *dirau oder ^dirii resp. *diriu *dynau
(könnte bei Nesselmann *dyrau geschrieben werden) erwarten;
eine der beiden Formen muß also falsch sein. Wie Kelchs dyru
dyrau 'steche Rasen ab' zu lesen ist, ist auch unklar. Aus
moderner Zeit bietet Juskevic derü dyriau d)rU 'schinden, hauen'
und daneben d^ru (vielleicht Schreibfehler für *dhiu = literar.
*deriü) deriau derti; auch hier bestehen zwischen den einzelnen
Formen Inkongruenzen, und wir können an ihrer Richtigkeit
zweifeln.
dissipo. — Einen Infinitiv ksl. gbpati 'fundere', rasbpaii
Missipare' (Walde fälschlich -pere) kann ich nicht finden. Das
Primärverbum lautet abg. bT>pq snti 'schütten, streuen'; ein
ä-Stamm ist nur das Iterativ sypati 'schütten', rasypati 'aus-
streuen', das bei Walde auch angeführt ist. Ein alter Stamm
*si>pa- 'schütten, streuen' scheint im Slavischen überhaupt nicht
belegt zu sein ; das seltene apoln. ospac scheint eine Neubildung
zu sein und kann in seiner Isoliertheit nicht zur Konstruktion
eines urslav. *sbpafi Veranlassung geben. Vorhanden ist nur ein
Sbpati^ Präs. sbpljq 'schlafen', das mit stpq nichts zu tun hat. Es
wäre ja verlockend, das Iterativ sypoti auf ein primäres *.s7»jo«-,
entsprechend lit. supaü Prät. 'wiegte, schaukelte', lat. supäre
'werfen' zurückzuführen, vgl. Arch. sl. Ph. 32, 333; doch sind
bekanntlich derartige Iterative auch zu solchen Verben gebildet
worden, wo kein alter ä-Staram mit kurzem Wuraelvokal vor-
handen war (Beispiele a.a.O. 329 ff.); außerdem ist speziell bei
syjxiti auch vorslavische Entstehung möglich (a. a. 0. 330). —
Berichtigungen u. Ergänzungen zu Waldes Lat. Etym. Wörterbuch. 205
Lies osibajq se (abg.) statt osibq se. Die hergehörigen nicht
akzentuierten russischen "Worte lauten mit Akzent sibäth, sibkij,
osibdthsja.
diu. — Lit. dahaHanas ist in dahartinas ('jetzig') zu ändern;
wegen Nebenformen s. Leskien Nom. 407.
dölium. — Das hergehörige slavische Nomen, das nur
spärlich und zwar in älterer Zeit nur in mbg. und russ. Über-
lieferung belegt ist, ist in normalisierter ksl. Gestalt dhly^ Gen.
dhhve zu schreiben, also mit Vokal zwischen d- und -1--, die
belegten Formen s. bei Berneker s. v, dily. Der bei Walde an
zweiter Stelle stehende Nom. Sing, del^va beruht wohl auf falscher
Auffassung des -e- in bulg. delva (bei Walde ohne Akzent) und
im belegten russ.-ksl. delvi aus *dhhvU Lok. Sing, und Nom. Plur.
zu dhly\ ein Nora. Sing, auf -a ist in älterer Zeit weder belegt
noch auch aus den belegten Kasus zu erschließen.
dönicum. — Ein russ. kicdano ist mir unbekannt; wenn
es vorhanden ist, ist es jedenfalls eine junge Zusammenrückung
von ktidd 'wohin' mit einer Partikel -no, deren unmittelbare
Gleichsetzung mit lat. -ne in quandOne sehr fraglich ist. Wegen
der ebenfalls problematischen Wortgleichung quandö = kudä
s. unten quandö.
edo. — Lies jadh (abg. 'Speise') statt jad^.
emungo. — Es heißt im Lettischen nicht mükt^ sondern
mukt (Präs. müku aus *munku\ und die Bedeutung ist besser
als 'sich abstreifen, in einen Sumpf einsinken, fliehen' anzugeben.
Übrigens ist auch ein lit. mükti intrs. 'entwischen, eilen' belegt,
vgl. Leskien Abi. 303. — Von den angeführten slavischen
Worten ist snujcati zu verbessern in smycati ('schleppen, ziehen')
und mucati in smucati ('kriechen').
eo. — Abg. jadq jachati ist im allgemeinen ebenso wie das
Iterativ ksl. jazditi nicht durch 'reiten' sondern durch 'fahren'
zu übersetzen, s. Berneker s. v. jado und Jcudzp, wo für 'reiten'
der Ausdruck ksl. jazditi na konji * auf dem Pferd' an-
geführt wird; doch dürfte in Fällen, wo die Situation einen
Zweifel ausschließt, der Zusatz auch fortbleiben können. Daß
in den modernen südslavischen Sprachen auch beim allein-
stehenden Verbum die Bedeutung 'reiten' überwiegt, dürfte auf
einer jüngeren Spezialisierung aus einer allgemeineren Vor-
stellung beruhen. Das slavische Sprachgefühl kennt nämlich
keine prinzipielle Scheidung der Begriffe 'fahren' und 'reiten';
Indogermanische Forschungen XXXin. 14
206 W. Frhr. v. d. Osten-Sacken,
gemeinslav. *jachati, *jechati^ *jazditi, *ßzditl bezeichnen ira
Gegensatze zu iti 'gehen' jede Art der Fortbewegung ver-
mittelst eines Fahrzeuges oder eines Tieres; 'fahren'
und 'reiten' sind nur Spezialvorstellungen eines allgemeineren
Begriffes, den wir im Deutschen niclit einheitlich ausdrücken
können. Das Polnische und Russische stehen dem Altbulgarischen
und wohl auch dem Urslavischen sehr nahe. Poln. jechac^ russ.
ßchafb bezeichnen für sich allein in der Regel 'fahren* und
werden auch dann gebraucht, wenn es einem darauf ankommt,
auf die bestimmte Art der Fortbewegung hinzuweisen ; um
'reiten' auszudrücken, gebraucht man im allgemeinen die ad-
verbiellen Zusätze poln. konno 'zu Pferde', poln. uierzchem, russ.
verchörm (Instr. Sing, zu tvierzch, verchi 'Gipfel, das Oben', zu
übersetzen etwa durch) 'rittlings, zu Pferde'. Bulg. jdham be-
deutet in der Regel 'reite', vgl. aber auch den Satz cijäto kold
Jdha, nSja pesen pee 'wessen Wagen, man fährt, dessen Lied
man singt.' Die Spezialisierung zu 'reiten' scheint im Nomen
agentis ksl. jazdwh^ altruss. jizdicb^ poln. jeMziec 'Reiter' schon
gemeinslavischen Ursprungs zu sein; bei derartigen Verbalnomina
ist es ja häufig, daß sie nicht den vollen Bedeutungsumfang
des Yerbums zum Ausdruck bringen. Der slavische weite Be-
deutungsumfang der Wurzelform Ja-, je- 'fahren, reiten' stammt
wohl aus der Ursprache ; lit. jöti 'reiten' dürfte auf einer vom
Slavischen unabhängigen Verengerung des Begriffes beruhen,
fäbula. — Lit. höju böti hat mit der Sippe von fäbula
nichts zu tun und ist überhaupt kein Verbum des 'Redens',
wie aus Kurschats ungeschickter Bedeutungsangabe geschlossen
werden könnte. Es bedeutet eigentlich, was auch Kurschat selbst
hinzufügt, 'worauf Rücksicht nehmen, worauf achten'; das
negierte Verbum kann allerdings im Deutschen durch 'nicht
danach fragen' im Sinne von 'kein Gewicht darauf legen' über-
setzt werden, aber in einem positiven Satze dürfte die Über-
setzung von böti durch 'fragen' kaum möglich sein. Kui-scliat
hat sich also durch einen ganz vereinzelten Fall der deutschen
Ausdrucksweise verführen lassen, ein ungeeignetes deutsches
Wort an erster Stelle hinzuschreiben, wodurch die Et\'mologen
verwirrt werden mußten. Das Verbum ist nach Leskien Nora.
457 eine Abstraktion aus den scheinbaren Komposita atbdti und
daböti 'worauf achten', die ihrerseits Lituanisierungen des poln.-
weißruss. dbcuf, kiruss. dbdty ds. (mit Vermeidung der unbequemen
Berichtigungen u. Ergänzungen zu Waldes Lat. Etym. Wörterbuch. 207
Anlautsgruppe db-) sind. Leider hat Bemeker es unterlassen,
das Fehlen von böti in seiner Sippe bajp 1. durch einen Hinweis
auf Leskien oder besser auf sein Stichwort tbba {db- aus tbb-^
s. Bemeker s. v. dt/bajp), wo er wahrscheinlich das lit. Wort
zu erwähnen beabsichtigt, zu motivieren, so daß aus seiner
Darstellung der Sippe *bhä- nicht ohne weiteres auf die Un-
richtigkeit von Waldes Etymologie geschlossen werden kann. —
Wegen der notwendigen Verbesserung von balija in bahß {-liß)
(abg.) s. unten fascinum.
facio. — Statt abg. deth Taf stände besser: abg. -defb in
blago-deth \dp\c, Gnade, Dank'. Wenn in der späteren Literatur
ein Simplex vorkommen sollte, so dürfte es auf künstlicher
Abstraktion beruhen; zum Kompositum vgl. Bemeker s. v. deth.
fallo. — Lies balaniütb (russ.) statt balamutb und bulicäns
(lett.) statt bulvans (wegen der Länge s. oben augur); die zu-
gehörigen serb.-sloven. Formen lauten akzentuiert serb. balvan.,
sloven. balvän, bolvän (Bemeker s. v. balvam).
fames. — Poln. cÄe^', cech. chtit' sind keine Verba, sondern
femininische Substantiva in der Bedeutung 'Lust, Wille, Neigung',
vgl. Bemeker s. v. cliofg.
farcio. — Wegen lit. brukü brükti 'einzwängen, drängen',
ksl. hruh 'Xagel, Keil' vgl. IF. 28, 147 f. Lies bb'rkam (bulg.)
statt bbrkam.
fascinum. — Es lautet abg. im Nom. Sing, bcdiß (resp.
jünger auch baliji), vgl. Bemeker s. v. und wegen der Flexion
solcher Stämme Leskien Gramm, abg. Spr. 117.
fastldium. — Wenn lit bödäiüs 'ekle mich', ai. bibhatsate
'empfindet Ekel' mit lat. foedus 'ekelhaft, garstig', lit. baisiis
'greulich, abscheulich' usw. verwandt sind, dann kann ein lat.
gleichfalls verwandtes *fasfi-s nur auf *bh9dh-ti-s, resp. bhddh-s-ti-s^
nicht aber auf *bhadh{s)H-s, zurückgeführt werden ; da bei zuge-
hörigen Worten diese Ablautstufe sonst zu fehlen scheint, ist
die von Walde auch ohnehin befürwortete Trennung des lat.
fastldium von den übrigen Worten vorzuziehen.
fei. — Neben abg. zhci und dem seltenen iMh 'Galle' gibt
es auch die Form zliCb (Meillet fitudes 265), vgl. auch bulg. zh'cka
neben zh'cka 'Galle, Wut, Zichorie'. Es sind also im Slavischen,
falls es sich nicht um Dissimilation des -i- gegen das -c- handelt,
Reimworte von den beiden Wurzeln *g{^)hel- und *ghel- vor-
handen. Das lettische Wort für 'gelb' ist am besten dfeltäns oder
U*
208 W. Frhr. v. d. Osten-Sacken,
auch dfeltäns, dfeltins zu schreiben, vgl. Bielenstein Lett. Spr. 1, 280,
Leskien Nora. 386. Die Form auf -ans ist die für ein etymologisches
"Werk wichtigste, vgl. lit. geltönas *gelb'; ähnliches s. v. augur.
ferio. — Wegen russ. buräv» (nicht -m), burddb 'Bohrer*,
die keinesfalls mit lat foräre^ ahd. borön 'bohren' urverwandt
sein können, vgl. Berneker s. v. bur. — Russ. brönja (bei Walde
ohne Akzent) 'Brünne* ist dasselbe Wort wie russ.-ksl. bnnja
und ein germanisches Lehnwort, s. Berneker s. v. bnna.
[Anders Iljinskij Praslavjanskoje brbiija 'pancyra', Nezin» 1911,
S. 1 — 8. K.-N.] — Als normales lit. Präsens zu bdrti
'schelten, streiten' ist nicht barlü sondern barü anzuführen.
Nur letztere Form findet sich bei KLD, Juskeviö und Szyrwid
Dict. (55a, 66a, 350a, 354b, 357 b: baru, baruofi refl. und
barm Part. Präs. Akt. = barqs). Waldes bariü stammt wohl aus
Leskien Abi. 372, 417, der beide Formen bietet; dessen Quelle
aber ist laut brieflicher Mitteilung Schleichers Lesebuch, wo
im Glossar barü steht mit dem Zusatz 'in den Büchern meist
bariu. Es handelt sich also, je nachdem, wie wir den Aus-
druck 'Bücher' auffassen, entweder um eine in alten Texten
bezeugte veraltete resp. dialektische Bildung oder um eine
(vielleicht falsche) Form bei den von Schleicher benutzten
Grammatikern oder Lexikographen. Jedenfalls gibt auch Leskien
heute der Form barü den Vorzug. Es erscheint mir nicht aus-
geschlossen, daß Schleichers bariü im letzten Grunde auf einer
Grammatikerkonstruktion in Anlehnung an lett. baru 'schelte',
(daneben jüngeres baru in den Dialekten, die auch buru^ duru,
kuru für sonstiges buru 'zaubere', dufu 'steche', kuru 'heize*
haben), abg. borjq 'kämpfe, streite' beruht, was auch bei
Schleichers lakiü (aus Scheicher auch bei Leskien Abi. 375)
für sonstiges lakü 'lecke* neben abg. locq ds. der Fall sein
kann; dieselbe Entstehung vermutet Leskien jetzt auch (brief-
lich) für seine kaliü 'schmiede' und maliü 'mahle' (Abi. 335,
375, 410), die sonst kalü und malü lauten, neben lett. kal'u,
maVu, abg. koljq 'steche, schlachte', meljq 'mahle*. Die Über-
einstimmmung des Lettischen und Slavischen spricht nicht unter
allen Umständen für die Priorität der^o- Bildung. Im Litauischen
ist bei diesen Worten der TyP^s malü (= got. mala, lat molo),
im Lettischen und Slavischen derjenige von lit. ariü, lett aru,
abg. orjq 'pflüge' (= got arja) produktiv geworden, und wir
können nicht bei jedem einzelnen Wort die ursprüngliche
Berichtigungen u. Ergänzungen zu Waldes Lat. Etym. Wörterbuch. 209
Bildungsweise feststellen. Bei unserem Worte ist allerdings
mit Rücksicht auf lat. feno der ^/b-Bildung der Vorzug zu geben,
vgl. auch ahd. berjan, aisl. bena. das aber auch ein ursprüng-
liches Iterativ *bhorSw repräsentieren könnte. Jedenfalls darf
das etwas zweifelhafte lit. bariü nur dann dem lett. baru gleich-
gesetzt werden, wenn es sich in guten alten Quellen auf-
finden läßt. [Aus modernen Dialekten erklärt Doritsch bariü
für die ihm geläufigere Form. K.-X.]
fertum. — Wegen russ. brdga vgl. Berneker s. v.
über. — Über die verschiedenen Formen des litauischen
Bibernamens orientiert Leskien Nom. 434, der au der Richtig-
keit des -4- in Kurschats bibrus, bebrüs zweifelt, weil Kurschats
von ihm selbst angegebene Quelle — Mielcke — nur -e- {-e-) hat;
auch Xesselmann, der für e in der Regel e schreibt (z. B. in der
Infinitivendung -eti, s. unten fodio; e ist bei ihm gleichzeitig
das Zeichen für e, s. unten ?eo), hat in seinem bebrus offen-
bar kein -e- gesehen. Wegen ebenfalls unmotivierter -e- bei
KLD[ s. unten s. v. pecii und vetus. Wenn auch als die nor-
male lit. Aussprache bebr- anzusehen sein dürfte (also auch
bebrmis in bebnnis zu ändern), so scheint dialektisch dennoch
auch ein bebr- vorzukommen, vgl. das bibras (vielleicht für
*bebras) bei Juskevic. Als lettisch kenne ich nur bebrs, Gen.
bebra, aber kein bebris, vgl. Ulmann Lett.-Dtsch. Wtb., auch
Leskien a. a. 0. — Statt des konstruierten abg. bebn wären einige
moderne slavische Formen anzuführen, die übrigens vorwiegend
auf *bobrb zurückgehen und die Existenz eines voreinzelsprach-
lichen *bebrh fi*aglich erscheinen lassen, da die bei Berneker
s. V. bebrb (demnach also ungeeignetes Stichwort) ; bobn ; bhbrt
aufgeführten Beispiele mit -e- altes -»- enthalten oder sonst
sekundär entwickelt sein können. — Ksl. (? s. unten) brunathm
(nicht -ö- !) adj. *KuaviZ[ujv, caeruleus, fuscus* (die falsche Be-
deutungsangabe 'Braunschimmer bei Walde beruht wohl auf
Petrs BB. 21, 208 poln. brunatny (kon) *braun(-schimmel)*, das
wörtlich als *braun(es Pferd)' zu übersetzen ist) stammt beiMiklosich
Lex. Pal. aus einer mir nicht zugänglichen Beschreibung slavi-
scher Handschriften. Es ist jedenfalls ein seltenes Wort, und
die Möglichkeit, daß es aus dem Westslavischen (dech. brunatny^
poln. bruyiainy 'braun') in eine späte kirchenslavische Quelle
hineingeschmuggelt ist, ist nicht ausgeschlossen. Jedenfalls kann
die allgemein geltende überaus plausible Annahme einer Ent-
210 W. Frhr. v. d. Osten-Sacken,
lehnung des "Wortes aus dem Germanischen oder Romanischen
durch sein einmaliges Vorkommen in einer kyrillisch geschriebenen
Quelle nicht entkräftet werden. Vgl. Berneker s. v. hrun^ der
leider ksl. brunathm überhaupt nicht erwähnt. Wenn wir auch
darin eine Bestätigung unserer Zweifel an der Berechtigung
dieses "Wortes sehen können, so wären doch, da es nun einmal
im Lex. Pal. steht und von dort übernommen wird, ein Hiuweis
auf seine Unsicherheit und womöglich auch eine Erklärung
wünschenswert gewesen. — Berneker a. a, 0. hält auch sloven.
brün (nicht bruny) 'braun, rötlich, falb' samt serb. brun Munkel-
braun, schwärzlich', öech. bruny 'schwarz' usw. (zuzufügen wäre
noch russ. dial. brünyj 'rot') für eine germanische resp. italienische
Entlehnung, woran zu zweifeln ich keinen Grund finden kann.
In den meisten slavischen Sprachen ist das Wort nur dialektisch
oder doch nur neben anderen häufigeren "Worten gebräuchlich.
Außerdem ist auch die Ablautstufe idg. *bhrou- sonst nirgends
belegt; wegen der von Berneker s. v. brom ohne genügenden
Grund als mit mhd. brün usw. urverwandt angesehenen russ.
bruneth^ brynetb (= broneth) 'reifen vom Hafer' vgl. vielmehr
IF. 28, 144 f.
fidelia. — Von den slavischen Formen sind nach Berneker
s. V. bidbiib zu korrigieren : beden (nslov.) in bddmj^ bödtutn
(klruss.) in bödnar, böndar; und statt böndarb (russ.) stände
besser böndarb.
finis. — Neben abg. u-bojb M. 'qpovoc' ist auch das Simplex
ksl.-gemslav. boß M. 'Kampf vorhanden, das in erster Linie er-
wähnt zu werden verdiente. — Lies dygsnis (lit.) statt dygsnis.
flaccus. — Lies mr%, m^a (klruss.) statt mVity^ mVa; bldhij
(wruss.) statt blagij\ mlSdan (sloven.) statt mieden; mulk'is (lett.)
statt mülkis. — Das von Miklosich Et. "Wb. erwähnte mlachavb
(im Kirchenslavischen schreibt man jetzt -ch- und nicht -/»-)
'schwach* scheint in der kirchenslavischen Literatur nicht belegt
zu sein; wenigstens fehlt es im Lex. Pal., wo nur ein mlocftai-hstvo
'infirmitas' (mit -o-) steht. Vielleicht stammt aber dieses Ab-
straktum, wie sicher das kroatische Adjektiv mlohav., aus einer
glagolitisch geschriebenen kroatischen Quelle, sodaß wir ein
ksl. *mlocliavb daraus nicht ei*schließen dürfen. Ein mlahav führt
Miklosich aus dem älteren sog. Neuslovenischen an; vielleicht
hat er auch sein ksl. (Miklosich altsloven.) mlachan aus diesem
hergeleitet.
Berichtigungen u. Ergänzungen zu Waldes Lat. Etym. Wörterbuch. 211
flägito. — Die Ausdrucksweise : " abg. hlaffb 'gut,
erwünscht' (dazu Denominativ poln. hiagac 'flehen, besänftigen'
...)..." ist nicht glücklich gewählt. Denn poln. btagac\ das
mit polnischen Mitteln kaum zu erklären ist (es heißt btogi
'glücklich, behaglich' mit -<>: -«- wäre nur in einem jungen
Iterativ verständlich, doch fehlt hier ein geeignetes Grund-
verbum für ein solches), steht trotz semasiologischer Schwierig-
keiten im Verdacht aus cech. hJahati 'segnen, selig sein' entlehnt
zu sein (Berneker s. v. holffb\ und auch dieses ist wohl nur eine
indirekte Ableitung vom Adjektiv (etwa von cech. alt hldha
'Seligkeit'?). Die morphologischen Beziehungen der einzelnen
"Worte zu einander sind schwierig. — Lies hlähij (wruss.)
statt blagij.
flagro. — Ein Simplex brez(/b 'Dämmerung' ist nach
Berneker s. v, breskb weder für das Altbulgarische, noch auch
für das Urslavische, mit Sicherheit anzunehmen ; es wäre besser
ühg. pro-brezg^ anzuführen und darauf aufmerksam zu machen,
daß in den modernen Sprachen neben *brez(p) auch die (nach
Berneker ältere) Form bresh» vorkommt. — Lies bTigstu (lit.) statt
blujBtü (Leskien Abi. 290). — Das altbulgarische Primärverbum für
'glänzen', das unter den hergehörigen Yerben an erster Stelle
erwähnt zu werden verdient, heißt nach Berneker (s. v. blhskb)
blhstq Mistati; das Iterativ dazu abg. bliscati se. ksl. auch bliskati se
(nicht reflexiv scheint dieses kirchenslavisch nicht vorzukommen,
anders in den modernen Sprachen). — Lit. blyszkiii 'funkle' ist
vorsichtshalber besser unbetont zu lassen, wie es in Kurschats
Quelle, Nesselraann 341b, steht.
flävus. — Lies gdtas (lit.) statt geltas; wegen der Schrei-
bung von lett. dfeltäns usw. 'gelb' s. oben fei. — Statt oder vor
lit. zUti 'grau werden', das offenbar ein Denominativ ist, ist das
diesem zugrunde liegende zilas 'grau' zu erwähnen. — Unter
den Worten für 'Gold' ist auch lett. felis 'Gold' zu nennen.
Merkwürdigerweise fehlt dieses lettische Wort sowohl in Leskiens
Nomina und Ablaut, als auch bei 3Ieillet Etudes 298, doch
glaube ich trotzdem aus lautlichen Ursachen, daß es nicht aus
dem Slavischen entlehnt sein kann.
fodio. — Zu lit. beclü 'grabe' lautet der Infinitiv nicht
bed^ti, wie Nesselmann 324 b (geschrieben -eti) mit einem Frage-
zeichen und nach ihm KLD[ (fälschlich geschrieben -eti) angibt,
sondern b^i. In Nesselmanns Quelle, Szyrwid Dict. 104 a, steht
212 W. Frhr. v. d. Osten-Sacken,
Ä-a/tt, bedu s. v. kopam, kopie *fodio, abdita terrae scrutor' und
kafeias^ kaftoias^ bedeias, kiiris kafa, heda ku s. v. kopacz *fossor'.
Dieses bedeias (lies *hedijas) ist aber niciit, wie Nesselmann
angenommen zu haben scheint, zu zerlegen in den Stamm ^bedä-
und das Formans -jas^ sondern -ijas ist ein produktives Formans
zur Bildung von Nomina agentis gerade von konsonantisch aus-
lautenden Verbalstämmen, vgl. auch oben das Synonym kafeias
{kasijas) zu kasü kästi 'graben'. Von einem *bediti wäre vielmehr
die Ableitung *bedetojas zu erwarten, vgl. Leskien Nom. 329 f.
Auch Juskevic hat bedü besti 'stechen' = badi/ti, f-bedu j-Msti
'hineinstecken' (s. v. j-smeigti)^ wobei die von den sonstigen
Belegstellen abweichende Bedeutung zu beachten ist. — "Was
die baltische Ablautstufe *bed- anbetrifft, so legt kymr. bedd
'Grab' usw. die Vermutung nahe, daß es sieh um eine Ver-
mischung zweier Sippen *bhedh- 1 *bhodh- und *bhödh- handelt,
von denen die eine 'graben', die andere 'stechen' bedeutet hat.
Wenn das keltische -e- sich durch germanische Entlehnung oder
jüngere Lautprozesse erklären ließe, wäre m. E. die Annahme
einer sekundären e-Stufe im Baltischen vorzuziehen (s. oben
capio und unten pinus Fn.); denn die vortreffliche Parallele
lat. fodio födi und abg. hodq basb spricht doch dafür, daß die
o-Stufe auch dem Primärverbum ursprünglich zukam, und bei
einer Scheidung in zwei Wurzeln bliebe es unklar, wie die
einzelnen Worte unter dieselben zu verteilen wären.
foria. — Lies driskam (nbg.) statt driskatl und dristati
(cech.) statt dristati. Im Serbischen ist neben drickati, das eine
bei Schallworten nicht ungewöhnliche Umbildung zu sein scheint,
auch die Form driskati vorhanden. Um Mißverständnisse zu
vermeiden (man könnte an ein urslav. *drid-., *drid'- entsprechend
genn. drü- denken, vgl. serb. vöc'kati 'herumführen, ductare' zu
vodim vddüi 'führen'), wäre es praktischer, drickati, obgleich
es die häufiger gebrauchte Form ist, garnicht oder doch wenig-
stens erst an zweiter Stelle zu erwähnen.
formus. — Lies beraub (ksl.) statt ieravb.
frägor. — Lies bräfchu (lett.) statt brafchu.
frlgeo. — Neben lett. strSg'ele 'Eiszapfen' (mit -g'- zu
schreiben) kommen auch die Formen dreg'ek., stricfele vor, so
daB 08 fast natürlicher erscheint, -#- auf -«n-, statt auf -e/-,
zurückzuführen, und die Zugehörigkeit der baltisch-slavischen
I
Berichtigungen u. Ergänzungen zu Waldes Lat Etym. Wörterbuch. 21S
Worte zur /-Reihe zweifelhaft wird. — Lies srez (nslov.) statt
srei, srze;^ (poln.) statt srzez and srin (nslov.) statt sren.
frio. — Zu lit. greju griti *die Sahne von der Milch
bogenförmig abschöpfen' führt Juskevic als Xebenform auch
das zemaitische Präsens grejü an, das, wie die s. v. clino und
liho besprocheneu alten Parallelen zeigen, eine ältere nur
dialektisch erhaltene Bildung gegenüber dem gemeinlitauischen
grejü darstellt.
fugio. — In betreff von gemslav. hljusch 'Efeu' ist neuer-
dings Trautmanns (Die altpreußischen Sprachdenkmäler 312)
Verbindung mit hleusky Fem. (Yok. 286; wäre lit. *bliaiiske)
*Schilf' sehr beachtenswert. Bisher ist allerdings das Wort
als hlensl-y gelesen worden, und es müßte noch untersucht
werden, welche von den beiden Lesungen paläographisch die
bessere ist.
fui. — Lit. hükki, bükle 'Heimat, Wohnstätte' sind besser
unakzentuiert zu lassen. Kurschat hat die Worte aus der münd-
lichen Rede nicht gekannt; daher ist auf seine Akzentuation
kein Verlaß. Und bei derartigen Worten ist es immer besser,
keine Akzente zu setzen, da die Gefahr vorliegt, daß sie zur
Stütze von Akzenttheorien verwendet werden könnten, was
natürlich fehlerhaft wäre. Die Länge kann man hier, trotzdem
sie literarisch nicht festgelegt ist, wohl für sicher halten, denn
die noch als Ableitungen gefühlten Bildungen von bi'äi *sein*
pflegen sonst langes -ü- zu haben {bütas *Haus' ist für das
Sprachgefühl als ein isoliertes Wort zu betrachten), vgl. auch
pahuklas^ pabükU bei Leskien Xom. 496 f. (die Schreibung büklas
a. a. 0. ist literarisch nicht beglaubigt), über deren Akzent-
qualität man jedoch im Zweifel sein kann.
füllgo. — Lit. dülis 'Räucherwaren zum Forttreiben der
Bienen' ist besser nur in der unakzentuierten Form zu schreiben;
die Schreibung dülys scheint auf dem aus Mielcke stammenden
dulgs bei KLD[ zu beruhen, doch kann man Mielckesche Schrei-
bungen für die Feststellung der Akzentuation nur mit Voi-sicht
verwenden. Akzentuiert finde ich das Wort nur bei Juskeviö
als dülis M. (Bedeutung 'Nebel' und 'Räucherholz'), was wegen
dülke 'Stäubchen', dümai 'Rauch' ansprechend erscheint; doch
schreibt Juskeviö in Teil I {a-d inkl.) regelmäßig den Akut
auch für den Zirkumflex, und seine Hochtonstelle weicht oft
2U W. Frhr. v. d. Osten-Sacken,
von der literarischen ab*). Vgl. auch oben capio Fn. und unten
rapio.
fümus. — Es besteht eigentlich kein Grund zur Annahme,
daß abg.-gemslav. dunqti 'spirare', was lautlich (vgl. Arch. sl. Ph.
35, 55 ff.) allerdings möglich wäre 2), zu der durch -s- erweiterten
Wurzelform in abg. duckt 'spiritus* usw. gehöre ; es ist vielmehr
natürlicher, es auf die reich belegte unerweiterte Wurzelf orra zu be-
ziehen. Praktisch betrachtet ist, wie aus Berneker s. v. dujg zu er-
sehen ist, dunq das Perfektivpräsens zum imperfektiven gemslav.
*dnjq *duti (russ. düju dufi, serb. düßm düti, osorb. duju duö
usw.). Beide Verba machen den Eindruck von Priraärverben,
deren Präsentia sich nur in der Ablautstufe von ai. dhunöti,
griech. Guviu, 0uuu, 9uu) unterscheiden; die Hochstufe dürfte
auf Grund von solchen Bildungen wie ai. dhavisyati Fut. verall-
gemeinert worden sein. Wenn man an der Hochstufe eines primären
Nasalpräsens Anstoß nimmt, dann allerdings bleibt kaum etwas
anderes übrig, als dunq auf ein ideelles (im Sinne von Arch. sl. Ph.
35, 57) *duchnq zurückzuführen und für eine indirekte Ableitung
von duehi als Perfektiv zum denominativen duchaii Imperf. auf-
zufassen (direkte Ableitung von duclii erscheint für die frühe
Zeit, wo die ideelle Lautgruppe -chn- noch intakt war, aus-
geschlossen, da die Produktivität denominativer w^-Bildungen
jüngeren Datums sein dürfte); indessen ist die Trennung von
*dujq unnatürlich, und man müßte dann annehmen, zu diuiq
wäre zunächst nach dem Muster von stanq stati 'sich stellen'
der Infinitiv *duti und dann zu diesem das Präsens *dujq zu-
gebildet worden. Eine Beanstandung von urslav. *dunq hat
m. E. nur dann einen Zweck, wenn man auch urelav. *dujq
*duti zu beseitigen strebt. Jeder einzelne der anzunehmenden
analogischen Vorgänge wäre zwar einfach; ihre Gesamtheit
aber würde eine fast ununterbrochene Folge von schnell auf-
einander folgenden Umbildungen voraussetzen, die teilweise
1) In Teil II {e—i inkl.), wo der Akut und der Zirkumflex unter-
schieden werden, und überhaupt die Bearbeitung des Stoffes weit kritischer
ist, können wir solche Worte wie hszmdnkyti, imencziu (unten mäceria
und ntamphur), die zur literarischen Tonqualität der Sippen stimmen, in
der Regel ohne Kautelen mit Akzent schreiben.
2) Anders Meiliet fitudes 130; doch gibt es keine Fälle, wo -ch-
vor Nasalen und Liquiden nicht auf Restitution oder auf dem Ausfall
eines -»- beruhen kann ; wegen des letzteren Falles s. die bei üerneker
s. v. b^str» wegen vichn zitierten Stellen.
Berichtigungen u. Ergänzungen zu Waldes Lat. Etym. Wörterbuch. 215
wohl auch auf chronologische Schwierigkeiten stoßen würden.
Wir halten also dunq lieber dem Augenscheine folgend, für
eine bloß durch den Ablaut differenzierte Entsprechung von
griech. Guvuj.
fünus. — Die im ersten Absätze erwähnten slavischen:
Worte lauten akzentuiert: zunjty^ zurbd (klruss.) und jsunc sja
(wTuss.) — Lies zuvlmas (lit.) statt zumtmus.
galbus. — Lies hotübyj (klruss.) statt hotubij.
gannio. — Das nur bei Miklosich Et. Wb., nicht aber
Lex. Pal, und bei Sreznevskij Materialy, belegte ksl. gqgnqti
'murmeln' ist besser zu streichen; aus den modernen Sprachen
kenne ich diese Verbalbildung des Wortes im Polnischen {gegnqc
'schnattern') und im Bulgarischen {ffb'gna 'näsele, stottere';
letzteres fehlt bei Berneker s. v. goginp). Die Form gqgnati
(besser vielleicht gqrßnati) kann eher stehen bleiben, trotzdem
das Wort nur in russischer Überlieferung in der Lautgestalt
gugnati belegt ist vgl. S. 186 und unten grunda.
genius. — Zu streichen ist die Form kbnegb neben abg.
kbnezb 'Fürst'; ihr Fehlen im Lex. Pal. macht es sehr wahr-
scheinlich, daß Miklosich sie im Et. Wb. nur als gemeinsames
Grundwort zu ktnezh und kbnegynjl 'Fürstin' konstruiert hat;
auch bei Berneker s. v. kbned'zh fehlt sie.
gero. — Statt des, wie es scheint, nur 6in Mal im Alt-
russischen belegten zesU wäre besser das abg. und in mehreren
modernen slavischen Sprachen gebräuchliche zestokh 'hart, grau-
sam' anzuführen, vielleicht der sinnlicheren Bedeutung wegen
daneben auch ksl. zeskhkb 'hart, spröde' = russ. zestkij ds. Vielleicht
ist der aruss. Akk. Sing. Fem. zestu bei Sreznevskij Materialy,
aus dem allein ein zesh» erschlossen wird, bloß ein Schreibfehler
für zestku zu zest{h)kb.
gleba. — Poln. gleha 'Erdscholle' hält Berneker s. v. ghba
für ein lateinisches Lehnwort. Eine Vereinigung des polnischen
Wortes als * gleha mit russ. glyha ds. unter den Grundformen
*gl€(u)bä, *glühä erscheint wegen der Isoliertheit beider slavischer
Worte unwahrscheinlich.
glomns. — Ein slovenisches glvh 'Strunk* gibt es nicht;
nsl. glub bei Petr BB. 21, 212 ist wohl eine Verwechslung mit
nsorb. gtub 'Strunk', beruhend auf der Abkürzung ns. bei Miklosich
Et. Wb. Dieses Wort, das übrigens im Slovenischen *gJQh lauten
ai6 W. Frhr. v. d. Osten-Sacken,
müßte, scheint nur westslavisch belegt zu sein, vgl. Berueker
s. V. glpbh, wo eine Zurechtstellung von Petr aber unterblieben ist.
graculus. — Lies im Litauischen grioju grioti stiitt großt
gröti. Die litauischen Wörterbücher führen das Wort allerdings
als groju groti 'krächzen, schelten, schmähen' an. Aber Szyrwid
Dict. kennt nur grioiu 110b (bis: s. v. kracze 'crocito, cornicor'
und kracze na kogo *urgeo conviciis, maledictis, succlamo'), dazu
auch das Verbalabstraktum ^r/o«»ias lila (s. v, krakanie *crocatio,
crocitus'). Aus grioiu haben die älteren Lexikographen mit
bekannter Vernachlässigung der Palatalität groju gemacht (andere
Beispiele s. v. derbiösus Fn. und minus). Daß Szyrwid ihre
Quelle gewesen ist, ist aus der genau übereinstimmenden An-
gabe der übertragenen Bedeutung zu ersehen; beachtenswert
ist dabei, daß Nesselmann, genau wie Szyrwid, diese übertragene
Bedeutung nur beim Präsens, nicht aber beim Yerbalabstraktura
{grojimas\ anführt; überhaupt entspricht es seiner Praxis, Verbal-
abstrakta nur da aufzunehmen, wo seine Quellen sie bieten. —
KLD[ hdii groju aus Nesselmann abgeschrieben, ohne die Richtigkeit
des Wortes nachzuprüfen, was ihm in diesem Falle dadurch
erschwert war, daß Nesselmann seine Quelle nicht angibt.
gradier. — Statt gridiju (lit. dial. 'gehe, wandere*) emp-
fiehlt es sich, die normalisierte Präsensform ^Wc?j/Jm (Juskeviö :
gridiju gridytl) zu schreiben, da wir nicht jede phonetische
Schreibung übernehmen können. Die Isoliertheit dieses Wortes
erscheint mir übrigens bedenklich, und ich vermute Entlehnung
aus dem Germanischen (got. grips 'Schritt, Stufe').
grunda. — Ksl. gred^ 'Balken* ist ein seltenes aus alt-
russischer Überlieferung {grjadt) stammendes Wort ; statt dessen
wäre besser das Feminimum greda (eigentlich aruss. grjada,
doch kann -f- geschrieben werden, s. oben S. 186 und s. v. gannio)
als häufigeres gemeinslavisches Wort anzuführen, vgl. Berneker
s. V. grfda. — Die Bedeutungsangabe von lit. granda (Betonung
unbekannt) beniht wohl auf Verwechslung mit grändai Nora.
Plur. M. "Latten auf dem Deckbalken des Stalles" (Leskien
Abi. 328; die eigentümliche dialektische Akzentuierung wäre bei
Walde vielleicht besser unbezeichnet zu lassen); granda F. be-
deutet in den Leskien Nom. 208 vorgelegenen Quellen 'Stock-
werk*; nach KLD[ aus Nesselmann 271a— b ist es (auch) ein
Synonym von grindh F., das gewöhnlich 'Dielenbrett' und
bei Ness. a. a. 0. auch 'Gebrücke, Steinpflaster* bedeutet.
Berichtigungen u. Ergänzungen zu Waldes Lat. Etym. Wörterbuch. 217
gula. — Ein russ. golU 'Schlund' scheint nicht zu exi-
stieren; das goltb bei Miklosisch Et. "Wb, dürfte auf einem
Druckfehler beruhen. Die Wörterbücher bieten zu glotäth
'schlucken' nur das normale, übrigens nicht häufige. Postverbal
glotb 'das Schlucken, Schluck (als allgemein gebräuchliches Wort
bekannt ist mir nur glotokb 'Schluck'), Gurgel, Schlund, Trunken-
bold, Vielfraß'. Außerdem gibt es noch dial. koltdth 'ver-
schlucken', koltökb 'Schluck', die aber mit glofdtb nichts zu tun
haben, vgl. Berneker s. v. glitb (kein geeignetes Stichwort, da das
Substantiv jünger sein dürfte, als das Yerbura gemsl. *ghtati),
wo das angebliche golt» nicht erwähnt ist.
habeo. — Daß Walde von den Reflexen des gemslav.
*gabati gerade die weißrussische und slovakische Form (letztere
schreibt sich habat) herausgreift, mag wegen der gut erhaltenen
ursprünglichen Bedeutung seine Berechtigung haben, erweckt
aber den falschen Eindruck, als ob das Wort in den anderen
Sprachen überhaupt nicht vorhanden sei. Die Angaben müßten
an der Hand von Bemekers Artikel gabajp vervollständigt resp,
modifiziert werden. — Abg. gobino 'fruges', ksl. gobizm 'reich-
lich' sind entlehnt aus got. gabei 'Reichtum', gabigs^ gabeigs
'reich', s. Berneker s. v. gobino und gobhd'zi: statt des seltenen
gobizm (besser wohl gobizhm) könnte eines der vielfachen Worte
mit gobhz- (Berneker a. a. 0.; auch ein gobhzbm 'abundans' ist
belegt) genannt werden. — Ksl. cliabUi se 'sich enthalten' scheint
mir trotz Berneker s. v. chab'p 2. sehr gut ein germanisches
Lehnwort sein zu können; aus der Bedeutung 'sich enthalten'
konnte sich 'sich entfernen' entwickeln, woraus russ. ochdbith
trans. 'entfernen, beseitigen' abstrahiert ist. Auch die Bedeutungen
von Bernekers Sippe chab'p 3. scheinen mir nicht unvereinbar zu
sein; doch müßte das Xähere noch untersucht werden.^)
hallus. — Poln. ogöt bedeutet 'Gesamtheit Allgemeinheit' ;
es kommt hauptsächlich nur in den adverbiellen Redensarten
ogötem^ ic ogöle 'im allgemeinen' vor; 'allgemein' heißt ogölny
adj.; ein Substantiv 'der Allgemeine' scheint nicht zu existieren.
1) Wegen des Vokalismus von ahd. geban 'geben' vgl. das Verhältnis
von lett. ftept, lit. at-Hpti zu capto, cepi. Auch in der Sippe von habeo
ist die e-Stufe belegt in ht. apgebau 'habe gebracht' (Leskien Nom.387).
Trotzdem erscheint es mir möglich, daß habeo altes -a- und nicht -a- ent-
hält, denn die Ablautstufen *gheb-, *gheb- können unursprünglich und
durch Einfluß der Sippe von capio entstanden sein: vgl. auch oben
capio Fn.
218 W. Frhr. v. d. Osten-Sacken,
Zur Etymologie s. Berneker s. v. guh und Rozwadowski in
J§zyk polski I (1913) Maiheft, S. 139 ff.
haud. — Wegen baltisch-slavischer Worte, die an air. ^öm,
gö 'Unrichtiges, Lüge' in Laut und Bedeutung anklingen, aber
schwer zu vereinigen sind, vgl. KZ. 44, 156 ff. und unten s. v.
vafer und vola.
heres. — Statt des als Simplex seltenen ksl. jazd^ 'das
Fahren, die Fahrt' wäre besser ksl.-gemslav. jazda {ßzda) zu
nennen, vgl. Berneker s. v. jaMzp, wo aber die ksl. Simplizia
fehlen.
horior. — Lit. gSretis 'Wohlbehagen empfinden' wird von
Leskien Abi. 327 wohl mit Recht zu lit. gerate 'gut' gestellt
{giriü girti 'loben' und Ableitungen dürften aber besser fern-
bleiben), das bei Juskeviö Slovarj auch in der Bedeutung
'üppig lebend, üppig' angeführt wird ; vgl. auch ebenda gSris M.
'Güte, Genuß', ferner ggris 'Gut' Auszra 1884, 307 Nr. 41,
geris = lüstas, rdskazius^ etwa 'Wollust, Üppigkeit', Juskeviö
Lietüviszkos däjnos (3. Teile Kazan 1880—1882) 1226. 9. —
Russ. Mrkij (bei Walde ohne Akzent), 'begierig, lüstern' ') und
zdrith 'Lust erwecken, reizen' (mir in ähnlicher Bedeutung un-
bekannt, vielleicht auf einem Mißverständnis beruhend) sind
identisch mit zdrkij 'heiß', zdrith 'erhitzen, braten, schmoren' (zur
Sippe von lat. formus)\ zur Bedeutung vgl. z. B. poln. gorqcy 'heiß,
begierig', lit. gäras 'Dampf, Juskeviö auch 'sehnlicher Wunsch' ;
goroti 'sehnlich entbrennen' ; nhd. entbrennen für eticas, inhmnst.
— Lit. zartas, zertas 'Scherz' stammen zunächst aus poln. zati,
apoln. ;tert ds., die allerdings ihrerseits deutsche Lehnworte sind.
hospes. — Wegen acech. hosjwta s. Berneker s. v. gospodh.
humulus. — Da das bei Miklosich Lex. Pal. stehende
chmelb (-e-graphisch für -e-) 'lupiüus* aus einem russischen Buche
des 17. Jh. stammt, kann man es nicht als altksl. Form ansehen,
und es wäre besser, das Woii aus einigen modernen Sprachen
anzuführen ; die Formen s. bei Berneker s. v. clvbmeTh. Übrigens
wäre fürs Ksl. ch^m- statt chm- zu schreiben.
ibex. — S. o. s. v. aper.
in. — Die litauische Präpositon f, } 'in' kommt dialektisch
noch in der älteren Lautgestalt in vor, vgl. bei Doritsch Bei-
1) [Genauer 'hitzig, heftig (vom Streit); leidenschaftlich, begehrlich
(von den Organen des Menschen, z. B. von den Augen, nicht vom Monschen
selbst)'. K.-N.]
Berichtigungen u. Ergänzungen zu Waldes Lat. Etym. Wörterbuch. 219
träge S. 65, Z. 4 in t^ draves 'in die Löcher', S. 67. Z. 4 in
dängu *in den Himmer, S. 69, Z. 11 in savo pönt( *zu seinem
Herrn', S. 70, Z. 11, 22 in ji 'bei ihm, zu ihm', S. 72, Z. 32
in kartüres 'zum Galgen'; ebenda wird in den §§ 219, 264,
331, 333 auch die Aussprache n erwähnt, die sich vor und
nach beliebigen Lauten zu finden scheint, vgl. z. B. S. 72, Z. 18
at'äja n kavdlf 'ging zum Schmied', S. 73, Z. 31 änas n i)ani{
'jener .... zum Herrn'. Die Form in steckt auch in dem
dialektisch sehr weit verbreiteten ing 'in' aus in+gi\ vgl. darüber
Kurschat Gramm. Litt. Spr. 391. Als Präfix scheint in noch
weit verbreiteter zu sein, denn als Präposition, vgl. bei Juskevic
die Nebenformen in-diigti, in-etti usw. s. v. i-dugti^ i-eiti und
auch sonst vor vokalisch anlautenden "Worten. Aus älterer Zeit
siehe Beispiele für in-, im- vor Dentalen und Labialen bei
Szyrwid Punktay Sakimu S. XXXIX f. ; vor k- vgl. aus Szjrwid
Dict 265 b inkatu 'schlage ein, stoße ein' s. v. pobijam: 169 a
inkioiu Mnstruo' s.v. nakielam\ 164a inkrauiu 'impono, indo,
ingenero' s. v. nakiadam. Doch kann vor allen Lauten auch
die Form /- (geschrieben i-) stehen. Als selbständige Präposition
wird 121b s. v. ku die Form ing angeführt, die auch in den
passim vorkommenden Sätzen figuriert.
inquam. — Es gibt im Litauischen außer sekii 'folge' =
lat sequor auch ein zu sakaü sakyti 'sagen' gehöriges seku sekti
'sagen' =griech. evveTTuu 'sage an, erwähne' usw. Vgl. bei Szyrwid
Dict. 5 a das Präsens feku s. v. haje, bajki jjomadam 'fabulor,
fabulam narro' in der Wendung fehni (Akk. Sing, zu sehne
Tabel, Märchen') feku = fekmi fakau, niekus kaibu, wo feku nur
als Synonym von fakau aufgefaßt werden kann*). Den Infinitiv
und das Verbalabstraktum bietet Juskevic, vgl. s. v. fszokeis (ge-
schrieben ß-) den Satz senis iszokeis bemöka päsakas s^kti 'der
Greis kann ab und zu Märchen erzählen' und s. v. jaummas
('Jugendgesellschaft*) die Wendung del sekmo päsakü 'wegen
des Erzählens von Märchen'. In der Literatur kommt das Wort,
(Leskien mündlich) auch sonst vor. Szyrwid Dict bietet auch
ein -feku 'zeige', das wohl eine ältere Bedeutungsvariante von
feku 'sage' ist, entsprechend ksl. sociti 'anzeigen', vgl. 45 a jyri-
feku hl kami = prifektinay (Adv. eines Verbaladjektivs) parodJiu
s. V. doicodze 'probo, convinco, arguo' ; ebenda dauiadamas dayktas,
prifekimas (zu lesen wohl -kamas und Part Präs. Pass. als Attribut
1) [Vgl. jetzt W. Schulze KZ. 45, 288. — K.-N.j
220 W. Frhr. v. d. Osten-Sacken,
ZU dayktas 'Ding') s. v. dowodny 'evidens, authenticus* ; dazu ge-
hört ebenda das Substantiv ^j'/eAa = parodimas s. v. dowöd 'argu-
mentum, ratio, probatio, documentum'. Am genauesten läßt sich
die Bedeutung dieses jin-feku als 'zeige in Worten, beweise' präzi-
sieren. Es ist möglich, daß sich diese Bedeutung nur in diesem
6inen Kompositum erhalten hat; an eine jüngere Bedeutungs-
entwicklung, hervorgerufen durch ein etwaiges deiktisches Ele-
ment im Präfix pri-, zu denken, ist kaum vorzuziehen. — An
got. saffvan 'sehen' erinnert die Verwendung von baltisch sek-^
sak- zur Affektbezeichnung ; siehe darüber sowie über die wahr-
scheinlich sekundäre Bedeutung 'folgen' in slav. sok — unten s. v.
sequor. — Nbulg. posoka soll nicht 'Wunderzeichen' bedeuten
sondern nur, wie es die Wörterbücher angeben, 'Richtung*.
interus. — Lies qtroba (ksl.) statt qtrova.
labo. — Bei der Beurteilung von lett. dial. läbütßs (nicht
-ötes) 'schleichen' ist Vorsicht angebracht. Das Wort ist trotz
des unklaren -b- kaum von laioites^ läwiiäs, l'äwetes 'uraherschleichen,
lauern, sich heimlich bestreben' zu trennen. Aus Ulmanns Bei-
spielen zu diesen Worten ist zu ersehen, daß es beim Schleichen
nicht sowohl auf die Gleitbewegung, als auf das heimliche
Erreichen eines Zieles, ankommt, sodaß Entlehnung aus russ.
lovith 'fangen' sehr wahrscheinlich erscheint; auch nhd. lauern
und lavieren mögen hineingespielt haben. — Lit. slopstu 'werde
schwach', das in der Kurschatschen Sprache nicht vorkommt,
ist besser unakzentuiert zu lassen; die eigentliche Bedeutung
des Wortes ist wohl 'ersticke' intrs., vgl. Leskien Abi. 377.
lacer. — Abg. Iqcq Iqciti 'trennen' gehört zu abg. lekq If^ti
'biegen' (s. u. s. v. lacertus und lacio\ zu dem es das formale
Iterativ ist, so daß es dem lett. lüzit iter. 'biegen', lit. lankyti
'besuchen' genau entspricht. Die alte Bedeutung findet sich
noch in öech. loiieiti se 'sich beugen, sich neigen', sloven. IpciH
'biegen', vgl. auch russ. ohliwih 'umbiegen, um etwas herum-
biegen, mit einem bogenförmigen Aufsatze versehen', das
kaum ein jüngeres Denominativ ist, da ein geeignetes Nomon
fehlt. Bei sloven. sl^citi 'krumm biegen, krümmen' ist eher
denominativer Ursprung möglich zu slök 'krumm*. Die Be-
deutung 'trennen' beruht wohl auf Abstraktion aus den Kompo-
sita raz-lqciti 'zertrennen' ursprünglicii 'auseinanderbiegen', und
otb-lqciti 'abtrennen*, ursprünglich 'abbiegen'; äimlioh ist aus
*sb-lqciti (ksl. nicht belegt, vgl. aber das Iterativ sb-lqcati sowie
Berichtigungen u. Ergänzungen zu Waldes Lat. Etym. Wörterbuch. 221
cech. sloueiti, poln. ztqczyd) Verbinden, vereinigen', ursprünglich
'zusammenbiegen', das Simplex sloven. Ipciti, öech. lauciti, poln.
iqczyc 'verbinden, vereinigen' abstrahiert worden^). — Wegen
poln. facÄ, russ. löchma (so betont; iMhma scheint selten zu sein)
*Fetzen* usw. vgl. jetzt Berneker s. v. la<:hi.
lacertas. — An griech. Xckoc X., XeKdvr) *Mulde, Schüssel',
XoHoc 'verbogen, verrenkt, schräg' usw. erinnert auch lit. lekelas
*kleine AVinde zum Drehen von Stricken', lekets 'kleine hölzerne
Rinne, wie man sie in einen Baum steckt, um dessen Saft zu
gewinnen; Zäpfchen im Halse (Leskien Nom. 570)'. Daneben
findet sich auch die Form lenketas 'Haspelstock', die offenbar
auf Anlehnung an lenkiü 'biege', auch 'haspele', beruht. — Abg.
sb-lqkb^ slqkb 'krumm' erweist keine mit sl- oder skl- anlautende
Wurzel für 'biegen, krümmen', da höchstwahrscheinlich die ety-
mologisch richtigere Schreibung diejenige mit s»/-, und das Wort
«in Kompositum mit der Präposition s»- ist, vgl. Miklosich Lex,
Pal. und Et. W^b. s. v. lenk- 1, sowie Leskien Glossar zum Hand-
buch. — Für abg. lekg lesti 'biegen', lit. lenkiü lenkti ds. ist sehr
ansprechend Bernekere (s. v. lekg) Verbindung mit alb. l\ngör
"biegsam', ahd. chrumhelingün 'in krummer Richtung' usw.; dieses
*lenq-,, zu dem ev. auch lat lanx 'Schüssel' gehören könnte, ist
vielleicht eine schon uridg. Nebenform von *leq-. Die Grund-
bedeutung war vielleicht 'spannen', aus der sich unmittelbar
die gleich unten s. v. lacio zu besprechenden Bedeutungen der
Sippe 'fangen, Fallen stellen, bestricken' usw. entwickelt haben
können.
lacio. — Solange die problematischen Zusammenhänge
einerseits von ital. *laq^- oder *laq- (so, wenn laqneus suffixales
-M-enthält) 'bestricken, belisten' mit uridg. *6leq- 'biegen', ander-
seits letzterer Wurzel mit balt-slav. *lenk- 'biegen' (s. oben
lacertus) nicht erwiesen sind, schwebt auch die von Walde
angenommene Wurzelverwandtschaft von lach 'locke', laqueus
'Strick' mit abg. lecq lecati 'fangen, bestricken' und mit dessen von
Walde angeführten baltisch-slavischen Yerwandten in der Luft,
denn diese können, was Walde entgangen ist, von abg. lekq^
lit. lenkiü 'biege' nicht getrennt werden, vgl. Berneker s. v. Ifko.
Aber auch in dem Falle, daß die obigen Beziehungen alle fest-
1) [Vgl. jetzt zu diesem und zu den beiden folgenden Abschnitten
Berneker s. v. Ig^p und Ig^t, der gleich mir die Einheitlichkeit sämtlicher
slavischer Ipd- und Igk- enthaltenden Worte vertritt. K.-N.j
Indogennanische Forschungen XXXIII. 15
222 W. Frhr. v. d. Osten-Sacken,
ständen, und wir Wurzelvervvandtschaft zwischen den lateinischen
und den baltisch-slavischen Worten anerkennen müßten, würde
Waldes Darstellung einen falschen Eindruck von den Tatsachen
erwecken; es würden eben nur auf baltisch-slavischem Boden
ähnliche Bedeutungswandlungen bei der nasalierten Wurzelform
vorliegen, wie im Italischen bei der unnasalierten Form, nicht
aber könnten wir ital. *laq- und balt.-slav. *lenk- auf eine gemein-
same jüngere Bedeutungsvariante der "Wurzel zurückführen.
Die in ksl. polech 'laqueus', lett. Unza *Strick* vorliegende Be-
deutung scheint allerdings wegen aisl. lengiu F. 'Riemen' (Berneker
a. a. 0.) schon vorbaltisch-slavisch zu sein, dagegen dürften die
sla vischen Bedeutungen 'betrügen, schrecken' (ebenda) jüngeren
Ursprungs sein. Eine monographische Darstellung der Sippe
in semasiologischer Beziehung wäre für das Slavische eine
dankenswerte Aufgabe; die Zusammenstellung bei Berneker
genügt noch nicht, um über alle Punkte Klarheit zu gewinnen.
Lett. lenkt 'auflauern, nachspüren' hat historisch mit den gleich-
bedeutenden wurzelverwandten Worten im Slavischen nichts
zu tun; dieses als Simplex kaum gebräuchliche Wort ist aus
dem Kompositum ap-lenkt 'einkreisen, den Aufenthalt eines
Wildes durch Umgehen nach den Spuren im Winter bestimmen*,
ursprünglich wohl 'Bogen beschreiben, bogenförmig um etwas
herumgehen' abstrahiert worden. — Yon slav. Uk- zu trennen
ist cech. läkati 'locken', dessen -d- wegen osorb. iakad^ nsorb.
takas 'lauern' = urslav. -«- sein muß (bei Entlehnung wäre im
Sorbischen schwerlich t- eingetreten); eine Etymologie des Wortes
s. bei Berneker s. v. lajo 2.
laevus. — Zuzufügen ist aus Berneker s. v. Uüh lit iszlaivöti
'Biegungen machen'; auch könnte erwähnt werden, daß Berneker
selbst seine frühere Ansicht aufgegeben hat. Lett. l'auns (nicht
Vauns) bedeutet eigentlich 'böse, übel, unrecht*, vgl. die Redensart
par l'aunu nemt 'übel nehmen' und die Ableitungen l'aumgs 'ärger-
lich, erzürnt', l'aunütes 'sich ereifern, übel nehmen, schmollen'.
In solchen Verbindungen wie l'auna puse 'schlechte Seite, ver-
kehrte Seite' kann man zwar das Wort durch 'link* übersetzen,
doch bedeutet es nicht 'link* in bezug auf die Richtung, wofür
krdss (zu lit. kretvas 'schief*, s. Berneker s. v. krin) gebraucht
wird; und es fehlt jeglicher Grund zur Annahme, daß dieses
die ursprünglichste Bedeutung gewesen sei. Lit. liaunas (fehlt
bei Walde) bedeutet außer 'böse* auch 'biegsam, lose*, vgl, Loskien
Berichtigungen u. Ergänzungen zu Waldes Lat. Etym. Wörterbuch. 223
Nora. 355, der als Grundbedeutung 'losgelassen, lose, zügellos'
vorschlägt und Zusammenhang mit lit liduti 'aufhören*, lett. l'aut
'zulassen, erlauben' (Grundbedeutung 'lassen') vermutet. Aber
auch in der Sippe von lat. luo 'löse', die von Walde (s. v. luo)
mit dem baltischen Yerbum nicht verbunden wird, gibt es
"Worte mit zu liaunas passenden Bedeutungen, vgl. etwa got
laus 'los, leer, eitel, nichtig', ahd. lös auch 'mutwillig'; außerdem
könnte man auch an Verwandtschaft mit abg. IJutb 'xa^fcTTÖc,
TTOvripoc, saevus', ags. lyßre 'elend, schlecht', griech. Xucca 'Kriegs-
wut, Raserei, Leidenschaft' usw. (Walde s. v. liber) denken;
hierher vielleicht auch lit. litäas 'Löwe', das aber eher ein slavi-
sches Lehnwort ist, vgl. Fraenkel IF. 22, 399 mit Literatur.
Jedenfalls macht lit. liaunas, lett. l'auns durchaus den Eindruck,
ein echt baltisches Wort zu sein. Aus lit. deszinas 'dexter' (vgL
Leskien Nom. 399, Juskevic, auch KLD[ s. v. d^szifiasis) hätte
nur -inas, nicht aber -nas, als Formans zur Weiterbildung eines
entlehnten *levas oder *Iei'as abstrahiert werden können; wir
hätten also *levi)ias oder *lennas (wegen ~e- und -e- s. unten
memhrum) zu erwarten. Bei einer Weiterwanderung ins Let-
tische, wo eine Entsprechung von deszinas und deszine 'rechte
Hand' fehlt, und wo auch das Formans -ina-s nicht lebendig
ist, wäre so ein Wort vielleicht analogisch weiter verändert
worden, aber schwerlich hätte l'auns daraus entstehen können.
Die Existenz von lit. liaunas^ das Walde nicht kennt, macht
vollends seine Vermutung einer Entlehnung aus slav. levb
unmöglich.
läma. — Statt löma (lit.) ist lomä (so KLD[ und nach ihm
Leskien Abi. 216) oder noch besser unakzentuiert loma za
schreiben. — Ksl. lorm 'sumpfiger Ort' von lomiti 'brechen' zu
trennen, erscheint mir unnatürlich, da wir in nhd. hruch 'feuchte
"Wiese' zu brechen (von einigen Forschern allerdings bezweifelt)
eine schöne Parallele haben, auf die schon Miklosich Vergl.
Gramm. II, 26 aufmerksam gemacht hat, vgl. auch Walde s. v.
frango. — Lies läica (lett) statt läva.
lämentum. — Lies lät (lett.) statt läti.
langueo, levis. — Lit. lingüti (lingöti) 'sich wiegen, schau-
keln, schwanken' wird von Berneker s. v. legajp nicht zu langueo,
sondern zu levis, gestellt. Zu einer der beiden Wurzeln *leng-
oder *lengh- dürfte m. E. trotz Berneker a. a. 0. auch russ. Ijagdth
{*legati) 'schlagen, hauen', refl. 'mit den Hinterfüßen ausschlagen',
15*
224 W. Frhr. v. d. Osten-Sacken,
oüjagäth 'durch Schwenken ermüden, beschädigen' gehören.
Keinenfalls kann Ijagäth als Stütze für die von vielen Forschern
angenommene lautgesetzliche Entwicklung von vorslav. in +
Kons, in slav. e + Kons, gelten; der Zusammenhang mit poln.
dial. ligac 'ausschlagen, mit dem Fuß stoßen', öech. alt lihati
'bewegen', lit. läigyti 'wild umherlaufen' usw., den Berneker
vertritt, schwebt schon deshalb in der Luft, weil ein na.saliertes
Hing- nicht belegt zu sein scheint (das von Walde s. v, lado
angeführte air. lingim 'springe* hat Walde selbst s. v. levis
richtiger (wegen des Präteritums lehlaing) auf *lengh- zurück-
geführt), während zur e-Reihe gehörige Worte in ähnlichen Be-
deutungen mannigfach vorhanden sind; o-stufige Verwandte von
lit. lingüti s. bei Leskien Abi. 334.
lanio. — Der Vereinigung von lat. lanio 'zerfleische' mit
abg. lomiti 'brechen' stellt sich die Schwierigkeit entgegen, daß
slav. lom- wegen der von Walde nicht erwähnten baltisch-
slavischen Ablautstufen lem-^ lern- altes -o- haben muß; lanio
müßte dann in seinem -a- den Reflex eines Schwundstufen-
vokals haben, nicht, wie Walde annimmt, altes -«-. Im Preußi-
schen kommt der Infinitiv des zugehörigen Priraärverbums außer
als limtwey^ limhtwey (im Lettischen heißt es l'imt mit /'-) auch
in der Gestalt lemhtwey vor (alle diese Formen im vierten Gebot);
dazu gehört noch die 3*^ Optativi lemlai^ die auch bei Leskien
Abi. 333 steht. Da hier die Bedeutungsangabe fehlt, und die
Form unmittelbar hinter lit. lemti 'als Schicksal bestimmen* steht,
mag Walde es in der Bedeutung zu diesem gezogen haben;
es bedeutet aber 'brechen', vgl. Berneker Pr. Spr. 227. Die
^tufe liegt m. B. in serb. lijemäm lißmati 'schlagen, pertundere*
vor, das ursprünglich das Iterativ zu einem dem preuß. leynhtu-ey
entsprechenden Verbum gewesen sein dürfte; auch das -i- in
preuß. llmauts 3*^ Prät. könnte auf -e- zurückgehen. Mit -e- vgl.
noch ksl./ewie^»M.'Pflug', lett.Zem^sw 'Pflugschar' bei Berneker s.v.
Interessant ist das von Berneker nicht erwähnte bulg. lamii
'Pflugschar' neben lemSi ds. An alten Ablaut innerhalb des-
selben Wortes kann man kaum denken; aber sekundärer An-
lehnung an die Ablautstufe von abg. prä-lamati 'KXdv, frangere*
steht die Schwierigkeit entgegen, daß im Bulgarischen ein lam-
in geeigneter Bedeutung fehlt. Wenn auch nicht alle hier ge-
nannten Worte und Formen mit Sicherheit zu lotmfi gehören,
80 dürfte doch die Existenz von *lSm- 'brechen' erwiesen sein,
Berichtigungen u. Ergänzungen zu Waldes Lat. Etym. Wörterbuch. 225
und lit Mmas 'lahm' kann als echt litauisches Wort auf uridg.
*lömo-s zurückgehen. Weiterhin stehen auch der Anknüpfung
an lit. lemti 'als Schicksal bestimmen' keine lautlichen Bedenken
entgegen ; eine vermittelnde Bedeutung liegt etwa in lit. ap-
lamtnti 'geschmeidig machen' vor. Auch könnte man vielleicht
bulg. lemav 'schwer beweglich (von Menschen), faul' mit heran-
ziehen, ursprünglich etwa 'durch anhaltenden Druck geknickt,
zusammengebrochen'. — [Vgl. jetzt auch Berneker s. v. lomt. K,-N.]
lappa. — Lies sloven. lopüh, serb. löpüh (Gen, lopuha) statt
slov. serb. lopuh; lies lapücJn (niss.) statt lapuchi.
läridum. — Lies lojh (ksl.) statt loj. — Statt der jüngeren
(iterativischen) Form des Infinitivs lijati ist besser die ältere
(primäre) Form hjati (abg.) zu schreiben.
latro. — Lies jestb (abg.) statt jesth.
lentus. — Poln. dial. tet (nicht let) im Satze jak iet goty
(Miklosich Et. Wb. s. v. lontü) bedeutet 'Gerte' und nicht 'ab-
geschälte Rinde' ('wie eine kahle Gerte'). — Lies tutje (klruss.)
statt lute und lutji (russ.) statt lutje. — Lit KLD[ linta (besser
ohne Akzent) ist ein germanisches (oder slavisches) Lehnwort,
s. Berneker s. v. lentijh.
leo. — Das lit. (bloß dialektische) Wort für *Löwe' ist
nicht lecas^ sondern levas^ liavas zu schreiben; wegen des letzt-
genannten vgl. KLD[ s. V., wo jedoch der Akzent zu streichen
ist, und Doritsch Beiträge § 56, 220. Das levas bei KLD[ be-
ruht auf Nesselmanns (359 b) levas^ dessen -e- jedoch eine will-
kürliche Wiedergabe von Szyrwids -e- (in der Regel ist Xessel-
manns -e- als -e- oder -e- zu lesen) zu sein scheint, denn aus
der AVahl der Ableitungen geht hervor, daß Nesselmanns Quelle
Szjrwid war. Bei Szyrwid Dict. findet sich lewas 132 a s. v. lew^
Gen. Sing. Uwo (so 329a s. v. ryk Iwi 'rugitus leonis' und IV
104 a s.v. lici 'leoninus'; an dieser Stelle steht V 138 b fälsch-
lich tewo)\ lewaytis^ lewitis (lies -aitis^ -ytis) 138a s.v. Iwiqtko
'junger Löwe'; leicee IV 104a (lies leve\ V 138b fälschlich lewec^
vgl. ebenda IV lutee (lies liüte\ V liitce) s, v. Iwica 'lea, leaena*.
Nur ein Mal findet sich die Schreibung lietc-, nämlich V 138 b
in liewinis s. v. Iwi 'leoninus', doch bietet auch hier die 4. Auf-
lage (104a) leicinis. Wir können nicht daran zweifeln, daß Szyrwid
nicht /e-, sondern le- {Fe-) gesprochen hat. Diese Lautgruppe ist
zwar in seinem Dialekt infolge des lautlichen Überganges von
l vor e und e in t (unten libo und Fn.) nur bei sekundärem
226 W. Frhr. v. d. Osten-Sacken,
Ursprünge möglich (der sicherste Fall ist -ley (lies -lei) aus -l'ai
in der Nominalflexion, s. Beispiele bei Garbe Punktay Sakimu
S. XXXVlIf.), ist aber in Lehnworten durchaus normal (Garbe
S. XXXIII f.). Nesselmann scheint fälschlich Szyrwids Schrei-
bungen le und He für gleichwertig angesehen zu haben; auf
Grund einer ähnlichen Erwägung, als ob h- eine nachlässige
Schreibung für te- sei, was hin und her zutrifft (unten libo
und Zis), mag der Bearbeiter der 5, Auflage zu seinem liewinis
gekommen sein. Wir können aber nicht annehmen, daß Szyrwid
sich hier regelmäßig verschrieben hat, da sonst derartige Nach-
lässigkeiten bei ihm im Verhältnis zu der regulären Schreibung
bei weitem in der Minderzahl sind; außerdem spricht für die
Aussprache levas {l'evas) die aus anderen Dialekten bekannte
Form liavas (auch Szyrwid Punktay Sakimu bietet neben lewas,
lemcia 113, 12. 24 die Form lawu (lies l'avu^ vgl, unten minus
Fn.), denn nur e und 'a wechseln, nicht aber ß und 'a. — Das
literarische lit. Wort für 'Löwe* lautet • liütas^ das mit Uo und
seiner Sippe kaum zu vereinigen ist; zur Etymologie s. oben
laevus.
letum. — Kurschats graphische Nebenform Usas zu lit.
Usas 'mager' ist zu streichen, da sie nur auf der bei ihm be-
kannten Verwechslung von e und ß beruht. Leskien Abi. 278
und Nom. 597 bietet nur lesas^ wie auch Szyrwid Dict. nur liefas
(27 b, 101a), liefibe, liefinu (27 b) und lieftu ('macresco, tabesco'
33 b) schreibt (lies Usas^ lesyhe usw., vgl. unten libo und Fn.).
— Dieselbe Labialerweiterung wie in ksl. libii-b 'gracilis', ags.
Uf 'schwach' liegt auch in lit Idibas 'schlank*, Ubas 'mager'
vor, vgl. Berneker s. v. Es könnten übrigens wegen der ur-
sprünglicheren Bedeutung 'schwach, mager' auch russ. dial.
libivyj^ öech. alt libivy miterwähnt werden, denn bei Kenntnis
bloß der Bedeutung 'gracilis' will einem die Etymologie nicht
recht glaubhaft erscheinen, und es empfiehlt sich immer, die
Bedeutungsentwicklung, wo es angeht, einigermaßen deutlich
darzustellen.
levis. — S. oben langueo.
liber. — Statt aruss. Ijudim muß es heißen abg. IJudim.
libo. — Das Präsens des literar. lit. Verbums l^Ju ISjau
Wti 'gießen' wird bei Szyrwid nicht wie der Infinitiv und das
Part. Perf. Pa.ss. mit dem zu erwartenden lie- geschrieben (ein
'lieiu in abweichender Bedeutung s. unten s. v. Uno), sondern
Berichtigungen u. Ergänzungen zu Waldes Lat. Etym. Wörterbuch. 227
in der Kegel teiu^ eine Form, die wir nur als *l^u oder *leju
in literarische Gestalt umsetzen können^), womit auch das als ze-
maitisch bezeichnete t-leiu bei Juskevic (s. v. j-Jeti: -e- kann in
unbetonter Silbe verkürztes -e- sein, yg\. das zemaitische Prä-
teritum }-ejdu für sonstiges }-ejaü bei Juskevic s. v. }-etti^ 'hin-
eingehen') übereinstimmt. Als Präteritum bei Szvrwid läßt sich
aus den Verbalsubstantiven teimas Nomen act. und teieias Xom.
ag. (lies -jimas und -jejas^ vgl literar. Ujimas und lejejas) die
Form *teiau, d. i. *lejau oder *lejau^ erschließen. Belege für
Szyrwids Schreibung im Terbum und in den Verbalnomina bietet
Garbe in seiner Ausgabe der Punktaj Sakimu S. XIII und
XXXVIIIf. ; vgl. außerdem noch aus dem Dict. iteiu 167b,
uzufiteia 431b, izfiteia 324a, teieias 104a, izteieias ll7a, lieta
Nom. F. 128b, izlietas 324a, nulietas 411b. Als Schreibfehler
kommt einige wenige Male sowohl für te-, als auch für lie-, auch
le- vor. Besonders instruktiv sind im Dict. leimas 129a und
izfüeia 321b, die in der 4. Aufl. 105 a und 270 a richtig teimas
und izßieia lauten; vgl. sonst noch nidefas Dict. 428a, miletus
Punktay 105, 18. Wir haben also -e- nur vor konsonantisch
anlautender Endung, wo es lautgesetzlich eingetreten ist; vor
vokalisch anlautender Endung jedoch ist hier, wie in *sdeju
und grejü (oben clino und frio) sowie in abg. lejq 'gieße' das
ursprüngliche -ei- erhalten geblieben 2); die Neubildungen Ujn^
1) In Szyrwids Dialekt wird l vor e und e lautgesetzlich zu t, bleibt
aber vor e erhalten: in der Schrift haben wir also, da e und e unter-
schied:<los -e- geschrieben werden, nur zwischen -te- (Beispiele bei Garbe
Punktay Sakimu S. XXXV) und lie (Beispiele s. v. letum und Its; -ie-
ist außer in den s. v. columba und piget besprochenen Fällen stets
nur als -e- zu lesen) zu unterscheiden.
2) Garbe a. a. 0. S. XXXVIII ist die Ratio der Differenz der Schrei-
bungen ie- und He- bei diesem Worte entgangen. Seine Auffassung, daß teiu,
ieieias usw. Schreibfehler für zu erwartende *le{u, *leieias usw. seien,
verbietet sich nicht nur durch ihre außerordentliche Häufigkeit, sondern
vor allem dadurch, daß wir ein *leiu mit dem Lautwert *leju nur als
Schreibfehler für *lieiu ansehen könnten. Es ist merkwürdig, daß Garbe,
der Szyrwids Graphik sonst auch in bezug auf die /- und e-Laute richtig
beurteilt, dennoch für le- die Schreibung le- für richtig hält (allerdings nicht
konsequent, vgl. S. XVUI Fn. 1, wo liepfna dem lepfnos vorgezogen wird).
Er scheint die Lautgnippe le- fälschlich als erweichtes l -f- e-Laut aufzu-
fassen (S. XXXVII gegenüber XXXV), was auf Verwechslung des im unechten
Diphthong e ite) enthaltenen i mit dem Palatalitätszeichen » beruht ; nur
letzteres wird bei Szyrwid in der Regel nicht geschrieben (wegen'Szyrwids
la-, lu- usw. für Kurschats lia-, liu- s. unten minus, vflis, volo; wegen le
228 W. Frhr. v. d. Osten-Sacken,
sdeju usw. vergleichen sich dem lit plduju zu pMuii 'spülen'
gegenüber abg.^jZoy«? 'schwimme, schiffe'. Die Betonungsdifferenz
von ISju Uti und sdSjü szUti^ (jrejü griti spricht dafür, daß ieiu
als genaue Entsprechung von abg. lejq auf *leiö zurückgeht:
das lett Präteritum Uju hat dann altes -^-, das in sleju usw.
analogisch fortgewuchert hat. Eine Gleichung *leju = abg. hjq
ist nicht vorzuziehen, da letzteres höchstwahrscheinlich als ide-
elles Hip aufzufassen ist, denn die slav. Verba, die überhaupt
in den einzelnen Formen Ablaut zeigen, pflegen im Präsens
Tiefstufe zu haben, die allerdings in vielen Fällen ui-slavische
Neubildung sein dürfte.
lino. — An lat. Uno 'beschmiere, bestreiche' erinnert in der
Bedeutung außer den unten s. v. lis zu besprechenden Worten
noch lit. laistaü laistyti 'verkleben, verschmieren, verwerfen'^
das auch in der Betonung von läistau laistyti, Iterativ zu Uti ds.^
abweicht und daher aus zwiefachen Gründen nicht mit diesem
identisch zu sein braucht. Zu laistyti gibt Szyrwid Dict. 200 a
das Primärverbum aplieiu (lies -lejii) als Synonym von aptayßau
s. V. ohmazuje 'circumlino, circumlinio, oblino'; beachtenswert
ist hier das jüngere w-Präsens gegenüber dem in Szyrwids teiu
'gieße' (oben s. v. liho) noch erhaltenen alten o-Präsens, was
auf dem Bedürfnis, das semasiologisch Verschiedene auch formal
zu differenzieren, beruht. Ein drittes Präsens ist Szyrwids Dict.
54 a lienu (vgl. memelisch lenu KLD[ 'gieße') s. v. formujf, ksztat-
tuje 'forme, finge aliquid e cera, argilla usw., figuro'; indessen
brauchen nicht beide cinaH XeTÖ)Li€va richtig zu sein, da die Ver-
schreibung von -i- für -n- und umgekehrt leicht verständlich ist.
Die Bedeutung 'forme, bilde' weist eher, als 'schmiere', auf in-
ternen litauischen Bedeutungswandel aus 'gießen* hin, vgl. als
Mittelstufe die bei Juskevid stehenden iszlydinti 'eine Figur
gießen' und zem. lyti, le'iti {-fi- lautlich aus -ä-) 'Glocken, Kerzen
gießen' (Stichwort islydinti).
llnom. — Wegen lit. Unta 'Zierband* s. oben lentus.
IIb. — Die Form Weit (lit.) ist zu streichen. Die Richtig-
keit der Schreibung Wteti rechtfertigt sich durch folgende Formen
im Lautwert l'e s. oben leo). Speziell beim Wort Uti hat Garbe zwar S. XIII
richtig beobachtet, daß die Schreibung -e- sich häufiger findet, als -»«-;
doch ist seine Konstruktion eines *leti = *l'eti falsch, da die ins Gewicht
fallenden Belege mit -e- ohne -i- nicht /- sondern bereclitigtes t- enthalten^
wie wir gesehen haben.
Berichtigungen u. Ergänzungen zu Waldes Lat. Etym. Wörterbuch. 229
bei Szyrwid Dict: lieciu (d.i. Ucziu) 163a s.v. nagabam kogo
und nelieffas (Part. Prät. Pass.) 177 a s. v. nienagabniony ; leteimas
163 a s. V. nagabatiie dürfte also für lieteimas und nicht für ein
*ieteimas verschrieben sein (wegen //<?-, fe-, le- bei Sz3^rwid s.
oben liho und Fn., Vgl. auch leo). Es gibt, wie wir aus obigen
Formen sehen, einen Infinitiv lesti und einen Infinitiv leMi\
zu welchem das Präsens lecziu gehört, läßt sich nicht ausmachen.
Aus anderen Quellen vgl. dasiliczu dasüesti mit Hinweis auf ein
Simplex ISsti bei Juskevic (Betonung nicht gesichert, s. oben
füligo\ sowie ein Usti und eine 3. Präs. priUczia bei Leskien
Abi. 278, wo auch ein ablautendes lett laitit 'streichen' (hin und
her mit der Hand) angeführt wird. Die Worte gehören vielleicht
mit Wurzelerweiterung zu lat. Uno 'beschmiere, bestreiche*.
liveo, — Sloven. dit\ fem. sliva *zwetschkenblau' dürfte
eine Rückbildung aus sloven. sliva 'Zwetschke, Pflaume' sein;
lit. slyvä 'Pflaume' halte ich für ein slav. Lehnwort.
locus. — Das in seiner intransitiven Geltung ganz iso-
lierte serb. utöliti 'still werden' ist, da es ohne Kommentar be-
fremdend wirkt und leicht zu falschen Vorstellungen über die
slavische Morphologie führen könnte, besser fortzulassen. Wenn
Walde das serbische Wort semasiologisch besonders interessant
findet, dann wäre ein Hinweis darauf angebracht, daß das Kom-
positum in den anderen Sprachen und das Simplex auch im
Serbischen bloß transitiv ist, etwa in der Form, daß der Satz
hieße " gemslav. toliti^ utoliti 'besänftigen, beruhigen,
stillen (Durst, Hunger)', serb. utuliti 'still werden' (neben tölüi
'besänftigen') ". Übrigens bedeutet serb. utoliti in erster
Linie nicht 'schweigsam werden', sondern 'ruhig werden'; so
wäre derselbe semasiologische Effekt auch allein durch eine voll-
ständigere ßedeutungsangabe von gemslav. toliti^ utoliti erzielt.
lolimn. — Von den angeführten slavischen Worten lies
in richtiger Schreibung mit Akzent: serb. Ijü^j 'lolium', klruss.
Ijutöcnyk 'Nachtkerze', nslov. Ijüljcen 'betäubt', serb. Ijiiljati 'ein-
wiegen', russ. Ißilbka 'Wiege', klruss. tel'ijaty 'wiegen'; wegen der
gebräuchlichen serbischen Worte mit lel- s. Berneker s. v. lelejo.
lüceo. — Preuß. laukit bedeutet 'suchen', nicht 'sehen'.
Wegen wahrscheinlich verwandter Worte s. unten pollüceo. —
Lies lükati (sloven. 'spähen, gucken') statt lukati.
mäceria. — Lies mdckatn (bulg.) statt mackam. — Neben
lit mtnkyti 'kneten' bietet Juskeviö auch ein ablautendes mdnkau
230 W. Frhr. v. d. Osten-Sacken,
mänkyii {= germ. *man(jijan 'mengen'; abg. mqciti ist wohl ein
Denominativ zu mqka 'Qual') und mdnkinti. Die Bedeutung
des Simplex mänkyti^ das vorläufig nur unter iszmdnkyti er-
wähnt ist, läßt sich aus den Komposita nicht ganz genau er-
schließen (etwa 'rühren, wühlen' ?) ; letztere haben einen ziemlich
weiten Bedeutungsumfang, wobei zu erwähnen ist, daß ihre
russischen und polnischen Bedeutungsangaben teilweise mehr-
deutig sind und sich daher schwer präzise verdeutschen lassen.
Vgl. i-si-mdnkyti 'sich hineindrängen, sich hineinzwängen' {j-si-
tndnke vatkas kur ankszta 'es zwängte sich der Knabe hinein,
wo es eng war'); iszmdnkyti mit dem Beispiele su köjomis keif
iszmdnkyti etwa 'mit den Füßen den Weg aufrühren {aus-
mischen, auswühlen)', isz-si-mdnkinti (auch -kyti) 1. 'sich (durch
Herumwälzen) beschmutzen (sich auswälzen)'; 2. etwa 'her-
auskriechen (aus einem Sumpf, aus einer schmutzigen Grube)' mit
dem Satze jcazläces isz dübis ne iszsimdnkinsi tu vSikei 'wenn du
hineingefahren bist, wirst du dich nicht leicht aus der Grube
herausarbeiten (dich nicht . . . herauswälzen, . . . herauswühlen)'.
maior. — Neben abg. Vladi-men wäre auch Vladi-mirb
zu erwähnen; diese Gestalt des zweiten Kompositionsgliedes ist
die in den modernen Sprachen vorherrschende.
malus. — Lies mostovdja (russ.) statt mostavaja.
mamphur. — Zu lett. mente 'Rührscliaufel' und dessen bei
Walde fehlender litauischer Entsprechung wen/^ 'Spatel, Schulter-
blatt' (Leskien Nom. 266) bietet Juskeviö auch das Primärverbum
i-mencziü /-mes^i (phonetisch für seinen Dialekt geschrieben /-mens<«)
'einrühren (Mehl)', das dem abg. metq mfsfi 'mischen, verwirren',
ai. mänthati, mdthati usw. 'schüttelt, rührt, quirlt' entspricht.
Eine Weiterbildung dieses Verbums steckt vielleicht auch in
lett. mentet 'mit der Schaufel rühren*, das gewöhnlich wohl als
Denominativ von mente angesehen wird, aber auch auf dem
alten Präteri talstamm mente- in lit. mencziaü (vgl. das altbul-
garische Imperfektum mete-achi) beruhen kann, wie ich es Arch,
sl. Ph. 32, 328 Fn. für die lettischen Transitiva (Kausativa usw.)
auf -et neben lit. Verben auf -yti, -ifiti vorausgesetzt habe;
mentet würde sich dann zu mencziaü genau so verhalten wie
lett. dfeset 'löschen*, püdet 'faulen machen' zu den litauischen
Präterita gesiaü püdiiau '). Vgl. auch lett. werfet unten s. v.
I) Auf alte c-Prälerita gehen vielleicht auch zurück lit. fcÄr//i 'laufen*
(abg. Imperf. teüa-acht mit -c'a- aus -ke-); abg. bizati ds. (Stamm *bege- wie
Berichtigungen u. Ergänzungen zu Waldes Lat. Etym. Wörterbuch. 231
vergo. Natürlich braucht nicht für jedes einzelne lettische
Transitivverbum auf -et diese Entstehung vorausgesetzt zu
werden ; gab es erst eine Reihe solcher Transitiva, dann konnte
die e-Bildung auch weiter um sich greifen und sich auch
auf Denominativa erstrecken; jedenfalls aber handelt es sich
hier nicht, wie es oft den Anschein hat, um alte /o-Verba
von femininen e-Stämmen als Parallele zu der gleichartigen
Bildung von ä-Stämmen. — Ein dem slavischen Iterativ mqtiti
(zu mesti) entsprechendes Yerbum scheint im Litauischen nicht
zu existieren, denn das bei Juskevic stehende isz-si-mantyju
isz-si-manfi/ti *sich heraus winden' macht den Eindruck, auf poln.
mqcic 'trüben, verwirren' zu beruhen, und zwar als scherzhafte
Übersetzung eines ideellen poln. uymqcic sie (es scheint in dieser
Verwendung nicht zu existieren), etwa, als wenn in einem zwei-
sprachig polnisch-deutschen Gebiet in der Bedeutung 'sich
herauswinden, sich herauswirren' ein sich *herausm(mtieren ge-
braucht würde. — Neben ksl. motati se 'agitari*, klruss. motdty
(so betont) 'schütteln' würde es sich empfehlen der Bedeutungs-
mannigfaltigkeit wegen auch russ. motdih 'haspeln, aufwickeln,
aufwinden, spulen, schütteln, wackeln; verschwenden, vertun*
anzuführen; die Bedeutungen 'haspeln, aufwickeln' dürften
der Grundbedeutung am nächsten kommen.
mannus. — Wegen der Akzentuation von aruss. komont
s. oben caballus.
membrnm. — Preuß. mensä und lett. misa 'Fleisch' sind
höchstwahrscheinlich aus poln. mieso und russ. mjdso ds. ent-
lehnt. Ein sicher russisches Lehnwort ist m. E. lit misä 'Fleisch' ;
als Reflex einer uridg. nasallosen Form müßte es *mesa lauten.
Bestätigt wird meine Annahme einer Entlehnung durch die
Form miesos (entsprechend lett. mßsa) Gen. Sing, bei Doritsch
Beiträge S. 4, Z. 33 aus einer Mundart, die bei echt litauischen
Worten in der Regel -e- und -e- auseinanderhält. Gute Parallelen
sind die gleichfalls aus solchen Mundarten stammenden apsiryidi
ebenda S. 6, Z. 25 und apsiriede S. 39, Z. 12 neben aprede S. 25,
Z. 35 (3. prät. literar. -rMe) zu redaü rddyti 'bekleiden' aus russ.
rjadith 'putzen, ankleiden' ; zu diesem Wort vgl. auch aus Szyrwid
Dict. 355 a irieditas s. v. strojriy 'graphicus, graphice exornatus*
im lett. Prät. bedfu) ; abg. pitüi 'nähren' zum Präs. *pitq in pitorm adj,
'gemästet'; viJiti 'wissen' zum Präs. vimh, vidi, und zeliti 'wünschen',
vgl. griech. Präs. Qi\\u.
232 W. Frhr. v. d. Osten-Sacken,
neben ireditmj (lies -ytas^ -ytai) adv. ebenda s. v, strojno (ge-
schrieben stroijny, stroynö) und neben redau 62 b, 354 b, 376 b
(das Wort mesä und Ableitungen gibt Szyrwid als mefa 104a,
149b, mefinis 149b, meßnikas 75a, 331a usw.).
memini. — Der Infinitiv zu lit. menii 'erwähne* lautet
nicht menSti^ sondern minSti. Das altlitauische Präsens miniu
(besser ohne Akzent) gehört nicht zu minti 'gedenken*, wie man
aus Waldes Wortstellung schließen könnte, sondern als regel-
mäßigere Form zu minSti. Vgl. bei Szyrwid Dict. miniu *ad-
moneo, adhortor' 167 a, 'nomine, appello nomine* 147 a, mini
3. Präs. dazu 167 a, minetoias 'monitor, adhortator' 167 a, 'no-
minator' 147a, paminet 'erwähnen' 423b. Daß diese Formen
eng zusammengehören, ist außer aus der Bedeutung auch aus
der Präsensflexion (3. Sing, -e, nicht -ia) zu ersehen. Übrigens
läßt sich bei Szyrwid die Bedeutungsscheidung zwischen diesem
Verbum und den Formen des literar. menü minti nicht ganz
reinlich durchführen. Vgl. einerseits das Verbaladjektiv mine-
tinas 'memorabilis* 240 a als Synonym der regelmäßigen atmin-
tinas, atmenamas^ anderseits die auf den Infinitiv mifiti weisenden
minimas 'admonitio, hortatio* 167 a, praminimas 'denominatio*
172b sowie das Präsens pramenu 'appello, cognomino' 172b.
Das Simplex menü ist bei Szyrwid nur reflexiv und in einer
merkwürdigen Bedeutung belegt, vgl. menuofi to 'intelligo in
hac re vel hanc rem' 456 a, kiiris menafi 'peritus* 2 a (s. v. ana-
tomik\ menufis {= literar. -qsis) kokio daykto 'magister* 152b.
mens. — Leskien Nom. 542 vermutet, daß lit. menta 'Geist,
Seele' ein von Dowkont nach dem lat, msm gemachtes Wort
zu menii minti 'gedenken* sei.
merda. — Lit. smdri% smarstas 'Gestank* gehören zu smirdSti
'stinken' und sind an der Stelle, wo sie stehen, zu streichen.
Ob man smarsas^ smarstvas^ smarsie 'Fett* von dieser Sippe
trennen kann, erscheint mir trotz der verlockenden Zusammen-
stellung mit ahd. smero 'Schmeer, Fett' usw. fraglich. Bei Nessel-
mann 487 b sind die Worte erläutert durch 'Fett, mit dem man
Speisen abmacht, bes. schlechteres Abmachsei. Besseres heißt
uidaras' (KLD üzdaras 'Abmachsei, Speisewürze*). Vgl. auch
Leskien Nom. 551, der smarstd 'schlechtes Fett' durch den
Zusatz 'eigentlich schlechtriechendes, Gestank* erläutert.
mioo. — Lies miknui (nsorb.) statt miknu». — Russ,
Berichtigungen u. Ergänzungen zu Waldes Lat. Etym. Wörterbuch. 233
migdth (so betont) 'blinzeln' ist als normales Iterativ zu abg.
mhgnqti ds. besser nach den altbulgarischen Worten zu nennen.
minus. — Das litauische Wort für 'Kleinigkeit' lautet
nicht mailus, sondern mailius, wie es auch Leskien Nom. 320
schreibt. Die Schreibung mailus bei KLD[ aus Ness. 388a ist
eine ungenaue Wiedergabe von Szvrwids (Dict. 46a s. v. drohiazg
'minuties') mailus, das aber seiner Orthographie zufolge nur
als *mail'us gelesen werden kann ^).
misceo. — Zu lit maiszaü maiszijti 'mischen', siimisztü
sumiszaü sumiszti Mn Verwirrung geraten' findet sich in der
litauischen Literatur auch ein primäres transitives Verbum mesziu
miszti 'mischen'. Vgl. Szyrwid Dict 359b miesiu midn s.v.
syce mwd 'coquo hydromeli, mulsum'; Palangos Juze (Wilna 1863)
11.20 sumijsztas {ij = e) unduo 'gemischtes Wasser'; Auszra
1883. 2661. 34 miesziu, ebenda 30 atmieszfi; Juskevic iszmesziü
iszmeszti (geschrieben is7n-) 'verdünnen' (z. B. medu su vandenimi
'Honig mit Wasser') und s. v. iszleszinti (geschrieben isl-) auch
atmiszti ds. Dieses Verbum ist interessant durch die Ablaut-
stufe (ideeUes idg. *meisk\ die bei dieser Sippe weder von
Leskien Abi. 278 f., noch auch von Walde (hier nur im Griechi-
schen ein ideelles *meizg- erwähnt) angeführt wird. Vielleicht
liegt sekundärer litauischer Ablaut vor; s. wegen dieser Er-
scheinung unten pinus Fn.
möles. — Sollte lett. mal'ites (mit 4'-) 'sich dringend be-
mühen' nicht eher mit malt^ lit. mdlti 'mahlen' zusammenhängen?
Vgl. refl. maltes 'für sich mahlen, sich aneinanderreihen, zer-
reiben, sich irgendwo herumbewegen'. Zu erinnern wäre der
Bedeutung wegen an nhd. sich aufreiben. — Lett. muldinät
'andern keine Ruhe lassen' ist kaum von middet 'herumirren,
phantasieren, sich viel Mühe und Arbeit (d. h. Unruhe)
machen' zu trennen; Bedeutungszentrura 'unruhig sein oder
machen*. — Russ. mdjati (so betont) trans. 'plagen, erschöpfen,
ermüden' samt majd 'schwere Arbeit, Qual, Plage' steht im
Slavischen in der Bedeutung isoliert. Ich möchte es trotz der
1) Da Szyrwid die /-Laute nach polnischem Muster schreibt, so
sind seine la, lo, lu als l'a, fo, l'u zu lesen und in Kurschats Orthographie
durch lia, lio, liu wiederzugeben ; indessen haben Nesselmann und seine
Vorgänger fälschlich jedes l und t bei Szyrwid unterschiedslos durch l
wiedergegeben. Gute Beispiele s. unten s. v. vtlis und volo, vgl. auch
oben ealeo.
2U W. Frhr. v. d. Osten-Sacken,
semasiologischen Differenz für identisch halten mit abg. majq
majati 'winken', bulg. mdja 'verzögere, verlangsame*, refl. 'zaudere,
verspäte; zerbreche mir den Kopf; glavdta mi se mde 'werde
schwindlig'. Das Bedeutungszentrum dürfte sein 'heftig hin und
her resp. in die Runde bewegen, durch unruhige (vgl. nhd.
beunruhigen — quälen^ plagen) Bewegung aus dem Gleichgewicht
bringen'. Auf 'schwingen' geht zurück russ. mäjatnikb 'Pendel,
Perpendikel*. Interessant sind auch die verschiedenen Bedeutungs-
nuancen von russ. mdjacith 1) trs. 'in der Luft hin und her be-
wegen, Zeichen geben, betrügen', 2) intrs. 'schimmern, sich in der
Welt herumtreiben, sich kümmerlich durchhelfen; zaudern,
zögern'. Es handelt sich im Russ. und Bulg. um vei*schiedene Resul-
tate eines übertriebenen 'Winkens, Drehens oder Schwingens';
vgl. die Parallele hnX^. mrtjd se 'drehe mich; zögere, zaudere*,
mollis. — Lies mldtö (sloven.) und niötot (klruss.) statt
mlato, molot. — Das in den litauischen Wörterbüchern häufig
verzeichnete und von den Etymologen oft verwertete lit. tnildus
•fromm* existiert nicht und hat seine scheinbare Existenz nur
einem Druckfehler bei Szyrwid zu verdanken '). Bei Ness. 379 a
und bei KLD[ stehen mildus 'fromm, gottergeben' und müdyhe
'Frömmigkeit' mit dem Hinweis auf Szyrwid Dict. als Quelle.
Bei Szyrwid aber ist ein mildus überhaupt nicht vorhanden,
und ein mildihe findet sich nur in der 5. Aufl. 160b (s. v.
nabozenstwo 'pietas, devotio in Deum, cultus') als Druckfehler
für das in der 4. Auflage 122 b stehende maldibe. Das Adjektiv
mildus^ das aus dem vorgefundenen fehlerhaften Abstraktum
mildyb^ methodisch riciitig erschlossen ist, muß also zugleich
mit diesem fallen. Das Abstraktum maldyb^ (vgl. auch bei Szyrwid
Punktay Sakimu 84, 6 den Gen. Sing. maJdibes) gehört zu maldaü
maldyti Iter. 'bitten', maldä 'Gebet', und zwar dürfte es abge-
leitet sein von einem Adjektiv *maldu8 'dem Gebet ergeben,
fromm', das zwar nicht belegt (Szyrwids Dict. 177 b ne maldus
Diewuy s. v. nienabozny 'irreligiosus* wird durch das dativische
Objekt als Part. Präs. Akt. = liter. maldqs gekennzeichnet) ist,
aber, da Adjektiva auf -us sehr produktiv sind, ohne Schwierig-
keit vorausgesetzt werden darf (vgl. auch das gleichfalls aus
1) Wenn es vorhanden wäre, könnte es von meldSiä 'bitte, bete*
nicht getrennt werden; dadurch würde ohne weiteres die Verbindung
mit fwy/iu 'liebe' und wohl auch diejenige mit griech. poXeoKÖc (Walde
^dX6aKoc^ 'weich, zart usw.* hinfällig werden.
Berichtigungen u. Ergänzungen zu Waldes Lat. Etym. Wörterbuch. 235
Szyrwid stammende maldingas 'fromm' bei KLD[). Wie wir
sehen, ist zu lit. meldziü mehlig Iter. maldyti 'bitten, beten' eine
Ablautsstufe mild- in der jetzigen Bedeutung der Sippe nicht
vorhanden. Es gibt aber ein dialektisches mildingas^ das etwa
•freundlich' bedeutet, vgl. bei Doritsch Beiträge S. 65, Z. 29
mildingai prdse 'er fragte freundlich'. Es fragt sich nun, ob
dieses ganz vereinzelte Wort echt litauisch oder eine Entlehnung
aus nhd. mild ist. In ersterem Falle wäre daran zu erinnern,
daß maldaü bei Szyrwid Dict. (maidaii) in den der modernen
Literatursprache fremden (wohl älteren) Bedeutungen 'place,
lenio, mitigo {15 b s. v. htagam), delinio, mulceo (128b s. v. tagodze)^
inhibeo fletum (370b s. v. tide)' belegt ist. Wir hätten dann also
doch eine Tiefstufe zu diesem Yerbum, die allerdings sekun-
dären Ursprungs sein könnte, sodaß sie für die ürsprünglich-
keit der litauischen Verbindung meld-^ mald- gegenüber slav.
modl- in poln. modlic 'beten', modta 'Gebet' nicht in Betracht
kommt. Wohl aber sprechen Szyrwids Bedeutungen 'placo, lenio'
usw. und das belegte Primärverbum meldziü m. E. gegen eine
etwaige Herleitung der litauischen Sippe aus dem Polnischen.
molo. — Lies auf der vorletzten Zeile malü (lit.) statt malu.
mnsca. — Lett. muscha 'Fliege' hat kurzes -w-.
nävus. — Lett. fitiät par kü (nicht ko) 'für etwas sorgen'
dürfte durch einzelsprachliche Bedeutungsverschiebung aus ßnät
'wissen' entstanden sein; vgl. russ. zavedath ciemi 'etwas ver-
walten, überwachen, einer Sache vorstehen', vedomstvo 'Verwal-
tungsbezirk, Kompetenz' zu vedath 'wissen', tedomyj 'kund, be-
kannt', auch 'subordiniert'; umgekehrt nhd. eine sacke beherrschen,
einer sache mächtig sein. Die Bedeutungsverwandtschaft der Be-
griffe 'wissen' und 'sorgen, sich kümmern' zeigt sich auch in
den negativen Ausdrücken ro» jemandem nichts wissen tcoUen
= sich um jemanden nicht kümmern und bulg. ne iskam da znäja
za nigo 'ich wiU nichts von ihm wissen'. — Übrigens scheint
Walde, wenn er an die Vereinigung von lat. nävus mit nösco
denkt, eine ähnliche Bedeutungsentwicklung für die Ursprache
anzunehmen.
nidor. — Besser als lett. knest 'jucken', dessen konsonan-
tischer Stammauslaut -t- ist (vgl. die 3. Präs. knisch und das
Deverbativ knetet 'jucken'), wäre hier knedet 'nieten' anzuführen.
In der Bedeutung 'jucken' nennt ülmann Lett.-Dt. Wtb. ein
knidet, das sonst 'kriechen, sich bewegen, keimen' bedeutet und
236 W. Frhr. v. d. Osten-Sacken,
wohl auf Vermischung mit knudet *jucken, kitzeln' beruht —
Lies knüsit (lett.) statt knöslt.
nös. — Abg. ny ist Akk. Plur. und bedeutet *uns'.
novem. — Die Kardinalzaiil 'neun' lautet abg. nur devfth,
nicht auch dev^tb. Bei den Ordinalzahlen sind zwar die be-
stimmten Formen auf -yjh in der Sprache gebräuchlicher, als
die unbestimmten auf -j; da es aber üblich ist, abg. Adjektiva
in der unbestimmten Form anzuführen, wäre hier besser dev^tb
statt devetyjb zu schreiben, zumal Walde bei den übrigen Ordinal-
zahlen diese Praxis befolgt hat; s. auch unten Septem.
ocnlus. — Woher hat Walde lit. üksauti 'ansehen, aus-
spionieren'? Ist die Bedeutung 'ansehen' genau angegeben?
Ich vermute Zusammenhang mit den von Leskien Nom, 595
angeführten oksai (richtiger wohl üksai) 'kundschaftende Bienen',
lett, ügstü 'schnüffeln' usw., die mit 'eingeschobenem' Guttural
zu lit. ud^iu üsti 'riechen' (Walde s. v. ödor) gehören; üksauti
würde dann eigentlich *(aus)schnüffeln' bedeuten. — [Vgl. jetzt
Leskien IR 32, 205 ff. K.-N.]
olea. — Lies oiejh (ksl.) statt olej. Weiteres s. bei Berneker
s. V. eliß.
oplmus. — Wegen abg. piteti, pitati 'nähren, füttern'
s. unten päsco. — Nahe verwandt mit ai. pdyate 'schwillt,
strotzt', pipyü^i 'strotzend, milchreich' sind lit. pKi-iy^j^^i kärve
'Kuh, die beim Melken die Milch nicht zurückhält' (KLD s. v.
pljusi)^ zemä iaz-pljusi '(d urch Wasser) aufgeweichte Erde' ( Juskeviß,
Stichwort is-pyti^ doch werden andere Verbalformen nicht belegt),
pydau pydyti 'eine Kuh zum Milchen reizen', vgl. zu diesem
griech. Ttibuiu 'lasse durchsintern*, med. 'quelle hervor'. An-
sprechend ist Leskiens (Abi. 280) Heranziehung von lit. pSnas
'Milch' (also als 'beim Melken hervorquellende Flüssigkeit' aufzu-
fassen) und (fragend) von lit. pha 'Wiese'. Zu ersterem, das bei
dieser Auffassung mit abg. piti 'trinken* nur in entfernter Weise
wurzelverwandt sein kann, vgl. nnorw. fei 'Rahm, dickgemachte
Milch'; zu pSva verhält sich in der Bedeutung k\. pi-va-h 'Fett,
Speck*, griech. ttiov 'Fett' usw. wie russ. iirb 'Fett* zu abg. iin
'Weide, Weidefutter' ; wegen des wohl sekundären -e- (vor dem
j<-Forraans ist sonst nur die Ablautstufe pi- belegt) sowie über die
Assoziation zwischen jt^^m und ptfwM 'Hirt' s. unten pinus. Daß })Sva
zur Sippe von pemu (s. unten päsco und Fn.) gehört, ist mir unwahr-
scheinlich, da es im Formans gar zu gut zu ai.pioa-h usw. stimmt
Berichtigungen u. Ergänzungen zu Waldes Lat. Etym. Wörterbuch. 237
opinor. — Bei der Etymologie dieses Wortes sind die
sehr interessanten Ausführungen von Rozwadowski im Rocznik
Slawistyczny II, 99. 103 zu berücksichtigen.
ornns. — Bemeker s. v. asenh und asika dürfte recht
haben, daß nur russ. jdsem, serb. jäsen usw. (nicht abg.) 'Esche*
zu lat. orntis 'wilde Bergesche' gehört, dagegen bulg. jasika^ serb.
jasika 'Zitterpappel, Espe' (nicht abg.) samt klruss. osj/ka, cech.-
poln. osika, altpoln. und poln.-dial. osa usw. mit ahd. aspa, lett. apsa
*Espe' usw. verwandt ist was schon aus morphologischen Gründen
einleuchtet. Doch das in der zweiten Gruppe nur südslavisch
belegte ja- möchte ich nicht, wie Berneker tut, auf 'Anlauts-
dehnung', sondern auf Vermischung mit erstgenannter Sippe,
die ursprüngliche Länge hat zurückführen. Bei Walde muß
unter diesen Umständen jasika fortbleiben. Aber auch bei
Bemeker scheint mir eine Änderung in der Darstellung ge-
boten. Als Stichwort für die zweite Gruppe möchte ich nämlich
osa vorschlagen (südslavisch jasika, das natürlich unter diesem
untergebracht werden müßte, könnte außerdem s. v. aseiih mit
Hinweis auf osa kurz erwähnt werden). Als Stichworte eignen
sich m. E., wo Auswahl vorhanden ist, doch nur Worte mit
normalem, möglichst altertümlichem, Aussehen, nicht aber
solche, die eine unorganische Veränderung aufzuweisen haben.
palam. — Russ. pölyj (so betont) bedeutet nicht nur
*offen, frei, unbedeckt hohl, leer', sondern auch 'ausgetreten aus
den Ufern' (vom Wasser). In dieser Bedeutung erinnert es an
üt ampalas 'Aufwasser auf dem Eise', lett pal'i Plur. 'Über-
schwemmung', ufpfles 'Aufwasser auf dem Eise', atpiles 'Morast-
steUen, die im Winter nicht zufrieren', die kaum von lit püü
pilti 'gießen, schütten*, lett pili 'voll werden' (s. unten peluis
und pleo) getrennt werden können, vgl. Leskien Nom. 172. Eine
gute Bedeutungsparallele zum Verhältnis von ampalas zu pitlti
ist poln. wylew wody zamarziy 'Aufwasser auf dem Eise', wörtlich
*Ausguß gefrorenen Wassers' (Juskevic s. v. dmpatas) zu poln. lac\
abg. hjati 'gießen'. Es bleibt noch zu fragen, ob im russischen Ad-
jektiv zwei verschiedene Worte zusammengeflossen sind, oder ob
die eine Bedeutung aus der anderen herleitbar ist; im letzteren Falle
wäre der Zusammenhang mit abg. polje 'Feld* unwahrscheinlich,
palea. — Im Russischen werden plevd., plenä 'Häutchen*
etymologisch unrichtig mit -e- statt mit -e- geschrieben. Wegen
lit. pilü 'schütte* s. unten pleo.
Indogermanische Fonchangen XXXIIL 16
238 W. Frhr. v. d. Osten-Sacken,
palleo. — Zu den Worten in der Bedeutung 'altersgrau'
gehören wohl auch lit. peUju pdSti intrs. 'schimmeln', peläsiai
M. Plur. 'Schimmel', ksl. pUsnh F. ds. Da pelesiai nicht -sz-
sondern -s- hat, können wir auch in plesm altes -s- vermuten;
aber lit. pdlszas 'fahl', von dem ich ksl. p(4esb 'grau* nur un-
gern trennen würde, kann nur -k- enthalten und ließe sich nur
bei dem etwas gekünstelten Ansatz *pols-ko-8 in nähere Be-
ziehung zu pelesiai und einem ital. *palso-s bringen.
pannus. — Abg. ponjava 'Umhang, Kleid', opona 'Vor-
hang' können m. E. nicht unmittelbar mit lat. pannus 'Stück
Tuch, Lappen' verbunden werden, da es unnatürlich wäre, in
den slavischen Worten nicht diö o-Stufe zu abg. pinq peti
'spannen' zu sehen; insbesondere sieht opona durchaus wie
ein ursprüngliches Verbalnomen aus. Wir können also nur
mit einer entfernten Wurzelverwandtschaft zwischen dem latei-
nischen und den slavischen Worten rechnen.
paries. — Ksl. tvon 'habitus corporis' (Walde 'forma,
creatura') ist als ein in Form und Bedeutung uninteressantes, haupt-
sächlich aus jüngeren Quellen belegtes Wort und vermutliches Post-
verbale besser zu streichen. Semasiologisch resp. formal bemer-
kenswerter sind abg. zatvoriti 'verschließen, einschließen', tvarh
'Schöpfung, Geschöpf, tvr^d^ 'fest', alle drei gemeinslavisch. Die
vorhandenen Nomina mit tvor- in der Wurzelsilbe sind ksl. meist
wenig gebräuchlich und sind in der Bedeutung durchaus vom
Verbum tmriti 'schaffen, machen' und dessen Komposita abhängig.
päsco. — Bei Erwähnung von abg. pasq 'weide, hüte'
erübrigt sich der Hinweis auf lat. specio, s. unten specio. Lies
pasti/rb (abg.) statt pastyn. — In bezug auf die Etymologie
von lit. joÄMS PI ur. 'Mittagessen, Mittag', ahg. pititi, pitati 'füttern,
ernähren', ai. pitü-h 'Saft, Nahrung' usw. herrscht bei Walde
Unklarheit, indem er sowohl ihre Verbindung mit *pä- 'weiden,
nähren, essen', als auch mit *pi- 'strotzen, hervorquellen' (s. v.
opimus und pinus) anerkennt, ohne jedoch die beiden Sippen
zu vereinigen oder auch die Möglichkeit einer Vermischung
derselben zu erwähnen. M. E. kommen wir mit einem *pft-^)
1) Wegen lit. pSt- s. unten s. v. ptnus. Mit der QuantitätsdiiTcrenz
von ai. pitüh und lat. pituita, ai. pTvah 'Fell, Speck' usw. hängt wohl auch
die BetonungsdifTcrenz von lit. pitüs und p^ra "Wiese", pinas 'Milch* zu-
sammen; übrigens paßt auch \'\i. pemu 'Hirt' in der Betonung nicht zum
Langdiplithong in ai. päyüfy 'hütend', griech. irüiu 'Herde'. Es haben also
ofTenbar Vermischungen von schweren und leichten Basen stattgefunden.
Berichtigungen u. Ergänzungen zu Waldes Lat. Etym. Wörterbuch. 239
'hervorquellen, saftreich sein' für alle Bedeutungen der von
Walde genannten Worte aus (beachtenswert ist der auch zum
Litauischen stimmende u- (tu-) Stamm idg. *pitu-\ womit auch
die Notwendigkeit, die Wurzel von 2^ö^o ^^s *pä{i-) anzusetzen,
entfällt Andei*s würden sich die Ablaut Verhältnisse gestalten,
wenn wir trotz Waldes Widerspruch päsco mit griech. ttuiu
*Herde', 7T0i|nr|v 'Hirt' vereinigen würden. Lat. -ä- könnte näm-
lich unter Umständen auf Qualitätsangleichang von -ö- an die
Reduktionsstufe pa- aus *p9- beruhen, eventuell auch in nasal-
infizierten Formen aus -an- lautlich entstanden sein. Semasio-
logisch kann ich keinen prinzipiellen Unterschied zwischen den
Sippen sehen; nur ist der Bedeutungsumfang bei *pä- größer,
als bei *pöi-. Für die Grundbedeutung halte ich bei *pä- nicht
etwa 'essen' oder 'füttern', sondern 'Vieh hüten' resp. auch
'weiden, grasen' (vom Vieh als agens). Die eine dieser beiden
Bedeutungen hat sich durch die beiden gemeinsame Vor-
stellung 'auf der Weide sein' aus der anderen entwickelt
Von 'hüten' kommen wir unmittelbar zu 'füttern' und von
'grasen' zu 'fressen'. Die weitere semasiologische Entwicklung
des Begriffes 'hüten' nach der ethischen Seite hin s. unten
s. V. specio.
pateo. — Das preußische Wort für 'Ofenschaufel', das
in der sprachwissenschaftlichen Literatur als 2^ttts bekannt ist,
ist eigentlich j)€ctis zu lesen, und bloß aus Etvmologisierungs-
rücksichten haben Berneker und Trautmann, gestützt darauf,
daß in der preußischen Schrift -c- und -t- verwechselt werden
können, das Wort als jyettis angesetzt Ich glaube aber, daß wir
diese Konjektur entbehren können, denn auch ein pectis d. h.
pektis läßt sich gut etymologisieren. Das Wort, das im Voka-
bularium Nr. 332 unter lauter auf die Brotbereitung bezüglichen
Worten steht, bezeichnet ein für die Brotbäckerei sehr wichtiges
Gerät. Ich halte es für eine Entsprechung von abg. pesth F.
'Ofen', ursprünglich ein Verbalabstraktum zu pekq pesti 'backen*
= griech. ueipic, ai. pakti-h 'das Kochen, gekochtes Gericht'.
Aus der Bedeutung 'das Backen' konnte natürlich sowohl 'der
Backofen* (weiterhin überhaupt 'Ofen'), als auch jegliche Art
von 'Backgerät* werden ; das Bedeutungszentrum des sla vischen
und des preußischen Wortes ist 'Back ort*. Daß ein baltisches
Verbum *p€kti 'backen' nicht existiert, sondern statt dessen
lit khpti^ \e\X.zept gebraucht wird, spricht nicht gegen die Existenz
16*
240 W. Frhr. v. d. Osten-Sacken,
eines aus der Urzeit stammenden Substantivs *pek-ti-s, vgl. auch
griech. Tckctu 'koche' neben dpro-KÖTroc 'Brotbäcker*.
patro. — Ksl. popadq 'popasti 'fassen' ist ein Kompositum
von padq pasti 'fallen', woran keiner, der in einer modernen
slavischen Sprache einigermaßen Sprachgefühl hat, zweifeln kann;
vgl. z. B. russ. jyojMsth na mysh 'auf einen Gedanken verfallen*,
dial. popästh kogö 'jemanden antreffen, erwischen', eigentlich 'auf
jemanden fallen, jemanden anfallen'. Ähnlich ist ja auch im
Deutschen der Ausdruck auf etwas verfallen bedeutungsähnlich
den Ausdrücken etivas erfassen^ hegreifen.
pecu. — Aus welchem Grunde Kurschat das ihm aus der
gesprochenen Sprache nicht bekannte altlit. pekus 'Vieh' mit -e-
schreibt, ist nicht zu ersehen ; die von Leskien Nom. 240 an-
geführten Quellen scheinen keine Anhaltspunkte dafür zu bieten,
und auch Nesselmann 282 a schreibt das Wort mit -e-, was
höchstwahrscheinlich richtig ist. Für -e- spricht auch die Schrei-
bung -ck- in preuß. i^ecku 'Vieh'. Ähnliche Fälle siehe s. v. fiher
und vetus.
pedo. — Das slovenische Wort für 'pedere' ist pazdSti zu
schreiben statt pezdeti, wobei das -d- die Grundform *pbzdeti
(Brugmanns im Grundriß P, 512 *pezdeti ist also unerwiesen) er-
weist, und die klruss. Formen bzd'iti/, pezd'ify ^i2(ti bzd'ity,j)ezd'ity.
Bei der Beurteilung der Frage, ob lit. bezdSti ein slavisches Lehn-
wort ist, sind die im Vokalismus abweichenden Uzdas 'podex',
Uzdzius 'Stänker' samt Ableitungen und das auf ein Verbal-
nomen mit -^-Suffix vom Stamme hizd- zurückzuführende Iriste-
leti 'pedere' (alle drei aus Juskevic, bhdzius auch bei KLD[
und Leskien Nom. 322) zu berücksichtigen, und es ist auch zu
beachten, daß auch im Lettischen ein befdet vorkommt, und daß
ein klruss. *bezd'Üy resp. großruss. *bezdeth nicht vorhanden ist,
daß also Iit.-lett. -e- entweder ein jüngerer Einschub vokal sein
oder auf einer Vermischung beider kleinrussischer Formen be-
ruhen müßte. Durch die Entlehnung erklärt sich nur das />-
einfach, die Erklärung des Vokalwechsels aber müßten wir
jedenfalls auf baltischem Boden suchen; und wenn wir für
einen Teil der Worte eine echt baltische Grundlage annehmen
wollten, so kämen wir doch ohne Kontaminationen zwischen
einheimischen und entlehnten Worten nicht aus, die kaum
weniger kompliziert sind, als die analogischen Umwandlungen
usw., mit denen wir rechnen müssen, wenn wir die ganze Sippe
Berichti gangen u. Ergänzungen zu Waldes Lat. Etym. Wörterbuch. 241
für aus der Ursprache ererbt halten. Ich halte bezdü hezdeti
für echt baltisch, und zwar für eine Vermischung eines dem
lat. pedo entsprechenden urbalt *pe2dtt und eines Infinitiv-
stammes *hzde-\ es ist möglich, aber kaum zu beweisen, daß
auch im Urslavischen neben *2)hzde- ein *bzde- existiert hat
Lit. bizd- kann entweder lautlich aus *bzd- oder analogisch aus
*pizd- hervorgegangen sein; letzteres ist wegen der Existenz
von slav. *pbzd- wahrscheinlicher. Übrigens könnten wir sogar
ein urbalt. *bzde- entbehren und den stimmhaften Anlaut durch
Herübernah rae des stimmhaften Inlauts erklären, wie es bei
derartigen Worten ja vorkommt. — Gegen slavische Entlehnung
spricht auch der Umstand, daß ein bizd- in anderen Bedeu-
tungen vorkommt, das, wenn wir die Echtheit von blzdas usw.
anerkennen wollen, sehr wohl durch Bedeutungsverschiebung
aus der Sippe von pedo hervorgegangen sein kann. Vgl. su-b^izdo
*geriet in Aufregung, Verwirrung KLD[, wo aber als Präsens
fälschlich *b\zdu statt eines zu erwartenden *bistu erschlossen
worden ist; Mzdzius (außer als 'Stänker' auch gebraucht als
Schimpfwort in der Bedeutung) Micker, schwerfällig gehender
Mensch', vgl. Leskien Abi. 321; ferner mit dem Bedeutungs-
zentrum etwa 'müßig umhergehen' aus Juskevic: Mzdu Interj.
zur Bezeichnung des 'Gehens ohne Zweck', bizdidis 'müßiger
Mensch', bizdinti 'gehen' mit dem Beispiel atis bizdina^ ant
subines rankäs susidejes 'er geht mit auf dem Hintern zusammen-
gelegten Händen umher', wo man statt subines auch htzdo Gen.
Sing, gebrauchen könnte; ähnlich bizdineti 'mit hervorgestrecktem
Hinteren einhergehen'. Hierher gehört wohl auch die auf einen
Infinitiv *bisU (zu su-blzdo s. oben) weisende Interjektion blstu(m)
in tnstu-pabädu^ bisfum-pabästum 'bei unablässigem Herumwirt-
schaften in unwichtigen häuslichen Verrichtungen', vgl. Leskien
IF. 13, 186. Das pabästu{m) erinnert an bastaü bastyti 'stoßen*,
das zu badyti ds. gehört, vgl. zur Bedeutung nhd. sich {müßig)
herumstoßen; an Wurzelverwandtschaft mit b\stii{m) ist also kaum
zu denken. Ein slavisches bbzd- (mit analogischem b- oder mit
eingeschobenem -»-) in ähnlicher Bedeutung scheint in sloven.
hdzddm bdzddti 'pfuschen' noch vorzuliegen und dürfte auch
vorauszusetzen sein in sloven. bäzniti bdzniti 'stupfen, stoßen'
mit lautlichem Schwund des -d- vor -«- und in den aus diesem
Verbum abstrahierten sloven. bdzäm bdzdti 'stupfen, stochern',
serb. bäzäm bdzati 'ambulare' (anklingend, aber unklar, auch
2i2 W. Frhr. v. d. Osten-Sacken,
bäsäm bäsati Maherschlendern') ; Bedeutungszentmm etwa *sich
unnütz machen*.
pejero. — Lies gnesti (abg.) statt gnetiti.
peluis. — Ksl. poh^ ispoh 'Schöpfgefäß*, sloven. pöt Gen.
pöla 'Schöpfschaufel* erinnern zunächst an lit. pilta *Schöpf-
schaufel', pütuvas 'Schöpfeimer, Pumpe', piltavas 'Trichter' (vgl.
Leskien Nom. 543, 566), die zu püü pUti 'gießen, schütten'
gehören. Eventuell kann Wurzelverwandtschaft mit lat. peluis
bestehen; vgl. die unten s. v. pleo vorgetragene Etymologie von
p^lti. Sloven. poljem platt 'haurire' (Miklosich Lex. Pal. s. v. poh)
dürfte wegen des Vokalismus ein uraltes Denominativ sein,
vgl. zur Bildung lit. grindHü grfsti 'den Fußboden mit Brettern
belegen, dielen' zu grindn F. 'Dielenbrett', Plur. 'Diele'. Sloven.
pöt 'Futterschwinge', pöljem pläti '1) in wallende, wogende Be-
wegung versetzen, 2) schwingen, 3) in Bewegung sein' sind
vielleicht mit obigen Worten identisch. Weitere wahrscheinlich
verwandte baltisch-slavische Worte mit der gleichen Vokalstufe
wie poh s. oben s. v. palam.
penis. — Von den hier angeführten cechischen Worten
ist höchstens opeska 'praeputium' mit griech. ttcoc, ai. pdsa-h
'penis' usw. verwandt; doch ist mir wegen der Isoliertheit im
Slavischen auch dieses AVort verdächtig, wenn ich es auch
nicht anders erklären kann. Das Adverb pesky 'schändlich,
schamlos* ist der Instr. Plur. von 2>€skg 'hündisch, hundsföttisch'
zu pes = abg. pbsj> 'Hund', vgl. abg. pishsky Adv. 'canura more'.
Cech. opesly 'schändlich, schamlos' beruht wohl auf einer nicht
ganz klaren analog. Umbildung aus opsely ds., ursprgl. 'hündisch
geworden', Verbaladj.(*opise-/?b) zu einem Verbum auf -eti {^oln.psiec
'schlechter werden', russ.jöseY» 'nach Hunden zu stinken anfangen*),
gehört also gleichfalls zu pes. Cecli. picliovy 'Hengst* fehlt bei Kott
Slovnlk 6esk6ho jazyka. Vermutlich ist entweder die Form oder die
Bedeutungsangabe ungenau, denn der Form nach ist das Wort
ein possessives Adjektiv. Entweder also hat das Grundwort
(etwa *ptlch^?) 'Hengst* bedeutet, oder es ist ein verselbständ-
lichtes Attribut zu einem 'Hengst* bedeutenden Substantiv. In
jedem Falle ist ein Zusammenhang mit öech. pichovati 'stampfen'
(Walde s. v. pinso) wahrscheinlich; weniger naheliegend würde
ein Zusammenhang mit abg. pt!§h Adj. 'zu Fuß', öech. ^i/, j)ichy
ds. sein. Cech. pichür 'uterus* ist mir unbekannt; bei Kott
(a. a. 0.) gibt es nur ein pichür 'Fußgang, Fußgänger* zu abg.
Berichtigungen u. Ergänzungen zu Waldes Lat. Etym. Wörterbuch. 243
pesh (s. oben). Wenn die Bedeutungsangabe richtig ist, könnte
vielleicht an Verwandtschaft mit ahg. pizda Vulva' oder mit
lit pisu pisti *coire', lat. pinso 'stampfe' gedacht werden, so daß
eventuell ein Zusammenhang mit obigem pechmy bestände;
anderseits erinnert das Wort auch an ksl. pechyrt M. *bulla'.
Doch werden wir besser bei diesen beiden Worten, bevor ihren
Quellen nachgespürt worden ist, ein non liquet konstatieren.
Jedenfalls dürfen wir nicht vergessen, daß uridg, *pes- im Slavi-
schen *pes- ergeben müßte, und daß wir, solange andere Er-
klärungsmöglichkeiten vorliegen, nicht ohne weiteres berechtigt
sind, ein sekundäres -ch- anzunehmen.
pertica. — Lies prekla (sloven.) statt prekla und pric,
pricka (cech.) statt pric, pficka. Die bulgarischen Worte lauten
precka 'Querstange, Hindernis' und pricka 'Kute'.
pes. — Lies pesb (abg.) statt j)^sb.
pestis. — Ein Substantiv *estis 'das Sein' wird auch
außerhalb des Indischen angenommen in preuß. astin Akk. Sing.
M. 'Ding, Handlung' [a- aus e-, vgl. asmai 'bin'), vgl. Berneker
Preuß. Spr. 281, Trautmann Die altpreuß. Sprachdenkmäler 305.
Allerdings schwebt es mir vor, daß ich auch eine Ablehnung
dieser Etymologie gelesen habe, doch kann ich mich nicht mehr
erinnern, wo. Ob die Bedeutung im Preußischen eine konkrete
oder eine abstrakte gewesen ist, läßt sich aus den drei von
Trautmann zitierten Stellen nicht mit voller Sicherheit ersehen.
Mit astin 'Ding' ist die Wirkung des Wassers bei der Taufe
und des Essens und Trinkens beim Abendmahl bezeichnet, mit
astin 'Handlung' aber die Taufe. In die ursprüngliche Bedeu-
tung des Wortes können wir daraus keinen Einblick gewinnen.
piget. — Szjrwid Dict. hat folgende litauische Worte, die
mit ai. pisunah 'böse gesinnt, verräterisch, verleumderisch*,
pisäcdh 'Dämon' laut- und bedeutungsverwandt sind. 264 b stehen
papesiu (lies -sziu) s. v. podszczuuam 'instigo, concito, incito, acuo
aliquem, subdo faces' und papiesieias (lies -szSjas) s. v. podszczu-
tcacz 'instigator, mandator, fax accusationis', und 167 b steht
papiecieias (lies -czejas) s. v. napraiviacz tm kogo^ zdradliicy 'sub-
ornator*. Es ist klar, daß zwei dieser Formen fehlerhaft sein
müssen, wenn wir sie alle miteinander verbinden wollen. Zu-
nächst dürfte der Wurzelauslaut sz (s), nicht aber cz [d\ gewesen
sein, denn von einem Präsens *pecziu {*pieciü) würden wir das
Nomen agentis *p€t^jas (*piet€ias) und nicht *peczäjas erwarten.
2U W. Frhr. v. d. Osten-Sacken,
Was aber den Wurzelvokal anbetrifft, so deutet das zweimalige
-ie- an ganz getrennten Stellen, zwischen denen keine Assoziation
möglich ist, auf die Richtigkeit dieser Schreibung hin; wir
werden also den semasiologisch möglichen Zusammenhang mit
peszü p^szti 'pflücken, zupfen' ablehnen müssen*). Außerdem
ist bei Szyrwid peszü stets, wie auch literarisch, ein o-Stamm,
und es finden sich auch keine abgeleiteten Bedeutungen; vgl.
340b peßu^ pesimas s. v. skubie 'vello' und skubienie 'vellicatio,
vulsura'; 203 a peszu piaukus s. v. obrywam ictosij 'vello comam';
264a papeszu s. v. podskubuje czego 'aliquantum vello ex plurais*.
Daher dürften wir papesiu und papiecieias in papiesiu (*papesziü)
und papiesieias {*papesz6jas) zu verbessern haben. Lautlich ist
das Verbum gleich dem bekannten pesziu peszti 'schreiben'.
Wenn wir es für identisch mit diesem halten wollen, müssen
wir annehmen, daß das Wort sich seit der Urzeit in zw6i Be-
deutungsvarianten erhalten hat, denn die eine innerhalb des
Baltischen aus der anderen abzuleiten, erscheint kaum möglich.
Dann hätte papiesiu eine gute Anknüpfung an ai. pisdti 'haut
aus, schneidet zurecht (Fleisch)', griech. KiKpöc 'einschneidend,
scharf, bitter, feindselig' (s. Walde s. v. pingo). Walde bestreitet,
daß ai. pisuna-h und pisäcd-h mit diesen Worten zusammen-
hängen; es fragt sich aber, ob nicht schon in der Ursprache
eine teilweise Vermischung der Sippen des 'Feindseligseins' und
des 'Ritzens, Schneidens, Malens' stattgefunden hat. Auch werden
wir es unentschieden lassen müssen, zu welcher der beiden
Sippen lit. papiesiu zu rechnen ist.
pingo. — Lit. pesziu peszti 'schreiben' ist besser unbetont
zu lassen. Während Juskevic jpäsziü fpiszti bietet, hat Leskien
Abi. 292 überall betonte Wurzelsilbe, was für Stoßton spricht.
Über ein -pesziu in anderer Bedeutung, das eventuell mit diesem
identisch sein kann, s. oben s. v. piget. — Lies patszas (lit.)
statt pdiszas.
pinna. — Lies spaiglis (lett.) statt spaigilis. — Daß 6ech.sp{le
'Stecknadel', lett. spile 'Holznagel, Holzgabel' mit nhd. spills^ griech.
1) Szyrwids -ie- ist in der Regel das Zeichen für -?- und nicht für
-e- und -i-, die -e- geschrieben werden (oben libo und Fn.); nur nach
Gutturalen (oben columba) und Zischlauten (Beispiel pnpieäietas) dient
-ie- auch zur Bezeichnung des durch den vorhergehenden Konsonanten
erweichten -e- und -ä-, sodaß in diesem Falle die drei «-Laute in der
Schrift nicht auseinandergehalten werden.
Berichtigungen u. Ergänzungen zu Waldes Lat. Etym. Wörterbuch. 245
cmXdc, CTTiXoc 'Riff urverwandt seien, erscheint mir nicht recht
wahrscheinlich; es müßte noch untersucht werden, inwieweit
Entlehnung vorliegen kann, vgl. die wegen s- sicher entlehnten
russ. sßih M. 'Spille, "Winde, Spitze, Zapfen', spihka 'Spitze,
Spieß, Stecknadel usw.', pHspilUh 'feststecken, anstecken'. Zu
beachten ist auch lit. spylys 'Speil, Stachel, Dorn', Plur. spyliat
'Sperrute der Leinweber', das aus dem Germanischen (nhd. speü)
stammen dürfte.
pinso. — Lies pesta (sloven.) statt pesta.
pinus. — Über eine andere von Walde angenommene
(wohl unrichtige) Etymologie von lit. petüs 'Mittag' s. oben s. v,
päsco und Fn., wo auch über die Betonungsdifferenz zwischen
petüs und pinas usw. die Rede ist. Mit Ablaut zu petüs, abg.
pitati 'füttern, nähren' usw. vgl. lit. isz-pditv^Ju, isz-päitveti 'wieder
zu Kräften kommen, gesund werden' (Juskevic ; in der Betonung
besser zu penas stimmend) und vielleicht auch lit. pitas 'rund'
{Leskien Abi. 280; anders Walde s. v. pild). Interessant ist es,
daß der indogermanische Stamm *pttu- allein im Litauischen
mit Diphthong in der Wurzelsilbe erscheint; ähnlich ist auch
das Verhältnis von lit. pSnas 'Milch' zu ai. pind-h 'fett, feist,
dick' und von lit. peva 'Wiese' zu ai. pivah N., griech. niov
'Fett'. Da ich an den von vielen Forschern angenommenen
Lautwandel von ai {pi) zu e im Litauischen und Lettischen
wegen der Spärlichkeit der Beispiele nicht glauben kann*),
1) Wegen lit. venas 'unus' s. unten s. v. ünus. — An lit. kimas
'Dorf neben kaimynas 'Nachbar' erinnert lit. szeimyna 'Gesinde' neben
lett. saime, abg. simhja ds. Es dürfte hier, sowie z. B. auch in lit. gedras
neben gaidrüs 'heiter' und lett. bedet neben baidft = lit. baidyti 'schrecken'
ein Sekundärablaut vorliegen, dessen Ratio noch zu untersuchen ist.
Das -e- (teilweise wohl noch in der älteren Gestalt -ei-) ist teils für -f-
(petüs usw.), teils für baltisches -ai- (verschiedenen Ursprungs) eingetreten.
Unursprünglich ist das -e- wohl auch in lett. gedu 'werde inne, vermute'
(KZ. 44, 44 ff.), lit. gedu 'singe' (Wurzel wohl *gö(i)- oder *gä{i)- wegen
ai. gägati, gäti 'singt', russ. alt gajati 'krähen', vgl. Berneker s. v. gajg)
und vielleicht in lit. mesziu 'mische' (oben misceo). Da sich im Baltischen
auch sonst mehrfach die e-Stufe zeigt, wo sie in den übrigen Sprachen
gar nicht oder nur schwach (fast nur im Slavischen) bezeugt ist
(s. oben capto und fodio und unten valeo; sonst etwa noch lit. kvepiu
'dufte' mit -e- statt -a- aus -a- bei Walde s. v. vapor und ntf^ü 'mingo'
für *minzü bei Leskien Abi. 279), kann man vielleicht die Fälle mit
jungem -e- (und -ei-) auf dieselbe Tendenz zurückführen, die ein junges
-e- geschaffen hat. Ein Ausgangspunkt der Entwicklung kann in den
246 W. Frhr. v. d. Osten-Sacken,
wir aber keine Berechtigung haben, *pSi- als Wurzel anzusetzen,
vermute ich, daß alle drei Worte, die einst als Verbalnomina
zu demselben Verbum *p?/</ *strotzen* (oben opimtis) miteinander
in einem assoziativen Verhältnis gestanden haben, sekundäres -ß-
haben, das zunächst vielleicht im <M-Stamm *pitu- eintrat, da in
derartigen Stämmen von ursprachlicher Zeit her die «-Stufe vor-
herrschend war. Dasselbe gilt auch von den wew-Stämmen, und
so können wir auch in lit. pgmü *Hirt' statt *paimü = griech.
TT0i|ui'-|v ds. sekundäres -e- annehmen; zwischen j)ßmu und 2^'i>a
kann übrigens auch, obgleich keine Verwandtschaft besteht
(oben opimus), schon früh eine Assoziation stattgefunden haben.
pleo. — Hierher gehört nach Leskien Abi. 359 auch lit.
pilü ptlti 'gießen, schütten', d. h. 'mit Flüssigkeiten, Sand und
dgl. füllen'. Im Litauischen beschreibt man durch das Wort
anschaulich gewisse Arten des 'Füllens', während durch lat. pleo,
nhd. füllen nur die Tatsache selbst konstatiert wird. Die beim
litauischen Verbum auch vorliegende Bedeutung 'aufhäufen'
(z. B. 'einen Wall', vgl. pylimas 'das Gießen, Schütten; der
Wall') erinnert an armen. Jiolem, holonem 'häufe auf, sammle auf
(baltisch-slavische Worte mit der Ablautstufe *pol- s. oben s. v.
palam und peluis\ vgl. auch (anders Walde s. v. populus)
lit. päls 'Burg, Schloß', griech. ttoXic, ai. pur 'befestigte Stadt',
d. h. 'Aufschüttung'. Schon in der Ursprache dürften die
beiden Bedeutungen 'einfüllen' und 'aufhäufen' neben-
einander bestanden haben; nicht unwahrscheinlich wäre die
Grundbedeutung 'einen Wall aufschütten'. Das blasse
'füllen', das in den meisten Sprachen als Bedeutungszentrum
der Sippe vorliegt, dürfte aus einer schon ursprachlichen Ab-
straktion aus einer konkreten Tätigkeitsbezeichnung entstanden
sein. Im Litauischen, wo das Iterativ pildyti 'füllen, erfüllen'
und die Nomina instr. pilutis, pilusis 'Fällholz' ein Primärverbum
in der Bedeutung 'füllen' voraussetzen (vgl. auch lett. pe-pilst
'es füllt sich'), liegt wohl bei pllti eine jüngere Bedeutungs-
spezialisierung vor, und zwischen der litauischen Bedeutung
'aufschütten' und der urindogermanischen 'einen Wall auf-
Fällen zu suchen sein, wo -e- auf Qualitätsangleichung an -e- beruht,
2. B. krep^ti 'duften* nach kvipti 'hauchen*. Zu einer Zeit, als man *kvepjü
neben *kvapj& sprach, konnte man etwa auch zu einem *ba(iä aus
*bhodhO 'steche, grabe' und zu einem *gafd& 'singe" (beide nicht bezeugt)
ein *b€dü (bedü) und *geidü (gAlu) schafTen.
Berichtigungen u. Ergänzungen zu Waldes Lat. Etym. Wörterbuch. 24'7
schütten' besteht wohl kaum ein unmittelbarer Zusammenhang.
— Mit abweichender Ablautstufe könnte lett. pddet hergezogen
werden. Gewöhnlich bedeutet es 'schwimmen* (etwa 'sich in
einem gefüllten Bassin obenauf halten'?), vgl. aber auch den
Satz bei [Jimann Lett. Dtsch. Wtb. labiha peld atpakaV Mas
Korn fließt zurück (aus dem Kombehälter, weil er zu hoch
aufgehäuft ist)'.
plöro. — Zu der in ags. flöwan 'fließen' enthaltenen dehn-
stufigen Wurzelform gehört auch das Kausativ ksl.-gemslav.
plaviti 'facere ut fluat, natet', refl. plaviti se 'navigare'. Auch
abg. plavati 'schwimmen* werden wir als alte dehnstufige Form
ansehen dürfen. Äußerlich sieht es zwar wie ein Iterativ zu
plovq pluti 'fließen, schiffen' aus; seine Anwendungen in den
Einzelsprachen aber machen es wahrscheinlich, daß es schon
im Urslavischen ein selbständiges, d. h. weder deverbativ noch
denominativ empfundenes, Wort war; es dürfte also eher zu
den Vorbildern der slavischen Iterativ kategorie mit 'gedehnter'
Wurzelsilbe gehören, als mit diesen gleichzeitig entstanden sein.
Beachtenswert ist besonders der Umstand, daß das Yerbum als
Simplex ganz geläufig ist, während bei den meisten Iterativen
die gelegentlichen Abstraktionen aus den Komposita ziemlich
deutlich den Stempel der ünursprünglichkeit tragen. Die Ab-
lautstufe von lit. plduju plduti 'spülen' Hegt auch im abg. In-
finitiv fluti (zu plovq s. oben) vor. Neben oder statt plythm
'schiffend', das Walde wohl nur anführt, um ein slavisches
Beispiel für die Ablautstufe uridg. *plü- zu zeigen, könnte auch
der Infinitiv russ. plyih^ serb. pliti^ genannt werden, der deutlich
zeigt, daß diese Ablautstufe noch in Formen des Primärverbums
erhalten ist.
(pluo.) — Das sehr seltene Postverbal ksL plavh 'Schiff
zu abg. plavati 'schwimmen, schiffen' ist besser zu streichen
und eventuell durch dieses Verbum zu ersetzen (s. über dieses
oben s. v. plöro); auch russ. plovb^ das 'das Schwimmen, Wasser-
fahrzeug, Boot' bedeutet, ist kein häufig gebrauchtes Wort und
ist weder semasiologisch noch formal interessant genug, um
hier miterwähnt zu werden.
pollen. — Lit peleni, preuß. pelanno 'Feuerherd' können
m. E. schwer von abg. vbsplanqti 'aufflammen', plame 'Flamme',
russ. pölomja^ cech. pld2X)l 'Flackern, Flamme' getrennt werden.
'Feuerherd' läßt sich natürlicher auffassen als 'Feuer ort*, denn
■248 W. Frhr. v. d. Osten-Sacken,
als 'Aschenort'; und lit. pelenaf, lett. pelni, preuß. pelanne
'Asche' können daher kaum auf die Bedeutung 'feines Mehl,
Staub und dergl.' zurückgeführt werden; sie werden vielmehr
wie abg. popeh^ russ. pepeh 'Asche* als 'Verbrennen, Ver-
branntes' aufzufassen sein. Wegeu der Ablautverhältnisse vgl.
IT. Anz. 28, 37.
poUüceo. — Abg. poluciti 'erhalten', russ. polucith, serb.
poluciti ds. (also nicht bloß serbisch) ist ein Kompositum von
liicüi 'lUTxdveiv, nancisci, eupicKtiv, invenire', russ. dial. ItiCith
'werfen, mit dem Bogen schießen' (volksetymologisch mit lukb
'Bogen' = abg. Iqkb ds. verbunden), refl. impers. 'geschehen',
bulg. lilca 'ziele, errate', sloven. luciti 'einen Wurf tun,
schleudern', poln. tuczyc 'zielen', zu dem auch abg. sb-luciti se
'geschehen', lucajh^ st-lucajh 'Zufall' gehören. Das Bedeutungs-
zentrum dieser Worte ist wohl 'zielen' mit den Bedeutungs-
varianten 1. 'werfen, schleudern', 2. 'abtreffen, passen, heran-
reichen', vgl. russ, ulucifh 'eine günstige Zeit und Gelegenheit
abpassen, abwarten; jemanden antreffen, vorfinden', dolukdtb
'werfen bis wohin', refl. 'reichen bis'. Ähnliche Bedeutungs-
verhältnisse liegen in der von Berneker s. y.godi behandelten Sippe
Vor, vgl. öech. hoditi 'werfen' = russ. godith dial. 'zielen', ugodith
'treffen' (oben s. v. de f endo)., speziell an süuciti se 'geschehen'
erinnert bulg. pogodi se 'trifft sich, ereignet sich' zu pogodjä
'treffe ins Ziel'. Zur Bedeutung 'erreichen, erlangen* vgl. auch
nhd. erzielen zu zielen. Entfernter Zusammenhang von gemslav.
luciti 'zielen' mit lat. pdlüceo ist möglich, wenn wir beide an
die von Walde s, v. lüceo behandelte Sippe 'des Leuchtens,
Sehens' anknüpfen wollen. Die Vorstufe von 'zielen' war wohl
'die Augen auf ein bestimmtes Ziel hinrichten', vgl. lett. nü-lüks
"Absicht, Ziel' zu lüküt 'schauen' und mit der Bedeutung 'hin-
schauen auf ein zeitliches Ziel' lit. läukti 'erwarten', dessen
Kompositum su-Idukti 'durch Warten erreichen* semasiologische
Verwandtschaft mit abg. sduciti sf, russ. uluclth usw. hat Wir
haben für das Slavische von der iterativischen Verwendung des
uridg. *louqMo auszugehen, die auch in preuß, laukit 'suchen',
ai, locäyati lokdyati 'betrachtet' vorgelegen hat (das Wort konnte
auch kausativisch verwendet werden, s. bei Walde s. v. lüceo).
Verschieden von luciti 'zielen', wenn auch wahrscheinlich
wurzelverwandt, ist russ. luciths^a 'Strahlen werfen, strahlen*,
(das eine Ableitung von luch 'Srahl' ist; dagegen luc{t% rybu
Berichtigungen u. Ergänzungen zu Waldes Lat. Etym. Wörterbuch. 249
*Fische beim Kienspanfeuer, bei der Kienfackel fangen' scheint
auf einer Bedeutungsassoziation von lucitt in der aus 'zielen,
treffen, schießen' abstrahierten Bedeutung 'ein Tier erjagen,
fangen' an lucb *Kienfackel zum Fischen, Bündel Kienspäne*
zu beruhen. — [Vgl. jetzt auch Berneker s. v. htm und lucp. K.-N.]
— Lies Igciti (sloven) statt löciti.
porrlgo in den Nachträgen. — Ein hulgar. pnsav 'krätzig'
scheint nicht zu existieren. Es beruht wohl auf Verwechslung mit
pbrsiü 'Schuppen im Haare habend' (= ^oin. jmrszywt/ 'grindig,
räudig, krätzig'). Ein ksl. jyraskati 'kratzen' ist mir unbekannt.
qnando. — Wenn lat. dö in quatido^ dönicum ein zu einer
Post- resp. Präposition erstarrter Kasus des Pronominalstammes
*do- ist, dann ist Waldes Bemerkung, daß russ. kudä 'wohin'
(nicht auch 'wo') dieselben Elemente enthalte wie lat. quandö
in bezug auf das zweite Kompositionsglied nur insofern richtig,
als ebenfalls ein Kasus desselben Pronomens (oder des Pro-
nomens *dhü-, vgl. das von Walde wegen ahd. wanta bemerkte),
eventuell sogar derselbe Kasus vorliegt; keinenfalls aber kann
dieses russ. -da eine in präpositionalem Sinne erstarrte Form
sein, ebensowenig wie das bei den -de, -du, -d^, -dy in abg. kqdu,
kqde 'woher', poln. do-kqd 'wohin', od-kqd 'woher*, kedy 'wo,
wohin' (Berneker s. v. kbto 7.) der Fall ist. Vielmehr spricht
die Mannigfaltigkeit der Endungen dafür, daß man ihren flexi-
vischen Charakter mindestens ebenso lange und ebenso staA
gefühlt hat, wie denjenigen von kq-; doch könnte natürlich ein
Teil der Endungen auch auf Nachahmung anderer Ortsadverbien
(vgl. etwa doma 'zu Hause', göre 'oben') beruhen. Eine Post-
oder Präposition *da ist im Slavischen überhaupt nicht vor-
handen und darf aus der Partikel (Konjunktion) da 'so, und,
aber, daß* (Berneker s. v.) nicht gefolgert werden. Leider sind
die slavischen Adverbia kc^e, kqdu und ihre Entsprechungen
von den anderen Pronomina (tqde 'von dort', sqdu 'von hier,
hierher', inqde 'anderswoher' usw., vgl. auch -dh in ksl. otbnqdt,
otinqdh 'ganz und gar* bei Berneker s. v. im) nicht wörtlich
übersetzbar (Beispiele bei Doritsch Jhber. des Inst, für rumän.
Spr. zu Leipzig 16, 91 ff.), und die Art der Komposition ist
psychologisch unklar. Vielleicht sind es überhaupt nicht Zu-
sammensetzungen zweier Kasus, sondern Kasus von kompo-
nierten Stämmen *kqdo-, *tqdo-, *sqdo- usw. Gesetzt den Fallj
die Elemente -de, -da usw. seien schon vor ihrer Verbindung
250 W. Frhr. v. d. Osten-Sacken,
mit kq- usw. erstarrt, so könnten sie nur selbständige Orts-
resp. Richtungsadverbien mit wechselnder Bedeutung (etwa *da
Von dort', *de *dort', *di 'dorthin') gewesen sein, die sich nach-
her vermischt haben. Die Verbindungen mit den Akk. F. tq,
sq^ kq könnte man dann vielleicht übersetzen mit 'dort, von
dort usw. (mit verblaßter Deixis) in bezug auf jenen, diesen,
welchen Ort'.
que. — Zuzufügen ist noch bulg. ce 'aber, und, daß, weil*
und nach ßerneker s. v. a 8. auch die Anhängepartikel -ce in
öech. alt. ace, ac 'wenn', poln. acz 'obgleich, obwohl', vielleicht
auch das -ce in russ. dial. nynhce 'jetzt', nsorb. ven-ce 'draußen',
das aber Berneker s. v. -ce und -ka mit griech. -kq, -ko, -Ke(v)
verbindet.
racco. — Abg. rekq resti 'sagen' wird von Uhlenbeck Et.
Wb. ai. Spr. s. v. und auch von anderen Forschern mit ai.
racdyati 'ordnet, verfertigt, bildet, bereitet, macht zurecht', got
rahnjan 'rechnen', garehns 'Stimmung, Ratschluß' verbunden.
Für die Richtigkeit dieser Etymologie spricht namentlich das
Substantiv abg. roh>, sb-rolcb 'Terrain, Frist', russ. rokb 'Termin,
Schicksal', das wegen pro-rekq 'prophezeie', pro-rokb 'Prophet',
na-rokb 'TtpocriTopia, compellatio', pri-rokb 'cognomen* usw. nicht
von rekq zu trennen ist. Eine gute Bedeutungsparallele ist
dech. präviti 'sagen' neben bulg. prdvja 'mache', abg. praviti
'richtig machen, lenken'. Die bei Waldes Verbindung mit
lit. rSkti (so betont!) 'schreien* usw. nötige Grundbedeutung
'schreien, brüllen' würde nur für wenige Worte der Sippe
(etwa abg. po-rokb 'Verweis' als 'Beschreiung') passen; eine
Beziehung zu Tierstimraen liegt aber weder im Verbum, noch
in irgend einem der Nomina vor. Im allgemeinen lassen sich
nur solche Verba des Redens auf Lautnachahmungen zurück-
führen, deren Schwerpunkt in der Tätigkeit der Mund Werk-
zeuge liegt, d. h. die Worte des Sprechens, Schwatzens,
Plapperns, nicht aber diejenigen, bei denen es auch auf den
Inhalt des Gesprochenen ankommt, d. h. die Worte des Sagens,
Mitteilens, Erzählens, die vielmehr auf eine konkrete Tätig-
keit oder auf die Vorstellung des 'Zeigens, Richtunggebens*
zurückgehen. Vom slavischen Standpunkt aus ist erstere Gattung
in ihrer Grundlage imperfektiv, letztere aber in ihrer Grund-
lage perfektiv; doch sind natürlich zu den Impcrfektivverben
Perfektiva und umgekehrt zugebildet worden. Vgl. einerseits
Berichtigungen u. Ergänzungen zu Waldes Lat. Etym. Wörterbuch. 251
abg. glagolati ipf. "sprechen, reden', russ. gdogöUh 'plappern,
scherzen'; russ, govorith ipf. 'sprechen', abg. govoriii 'lärmen*;
cech. mluviti ipf. 'sprechen', ksl. mhviti 'öopußeiv, tumultuari,
turbare*; anderseits serb. käzem kdzctti pf. 'sagen', abg. kazati
'zeigen, mahnen', poln. hazac 'befehlen, predigen'; abg. povedeti
pf. 'berichten, erzählen, verkünden', poln. pomedziec pf. 'sagen*,
abg. vedeti 'wissen*. Aus anderen Sprachzweigen sind neben
Fällen wie lat. loquor 'spreche' zu griech. XriKtiu 'töne, schreie,
spreche' und ahd. sprehhan 'sprechen' zu aisl. spraka 'prasseln'
zu beachten: lat. dico 'sage' zu griech. öeiKvuiii 'zeige' ; lit. sakßi\
ahd. sagen 'sagen', ksl. sociti 'anzeigen', altes Kausativ zu got.
saihan 'sehen'; nhd. berichten zu richteji. Nun ist abg. resti^
das im allgemeinen durch serb. kazati, poln. powiedziec, lat.
dico, nhd. sagen zu übersetzen ist, das typische Perfektivverbum
gegenüber dem imperfektiven glagolati, dessen Bedeutungs-
entsprechungen serb. govörifi, poln. m&wic, lat. loqtior, nhA
sprechen sind, und in den meisten modernen slavischen Sprachen
kommt resti in der Hauptsache nur in der feierlichen Rede
vor; es ist also von einer Bedeutung 'unartikulierte Laute aus-
stoßen, schreien, schwatzen' sehr weit entfernt. Übrigens
spricht auch der slavische Ablaut in rekq \ rokb für die e-Reihe,
während lit. rekti, ahd. ruohhön 'brüllen', lat racco (-«- aus -9)
eher auf eine langvokalische ^Yurzel weisen.
rapio. — Das hier angeführte litauische Verbum, über
dessen Infinitiv Walde sich nicht im Klaren ist lautet auf
Grund von Szjrwid und Juskevic aprepiu aprepti (betont -S-
bei Juskevic, doch kann damit auch -i- gemeint sein, s. oben
füligo; Szyrwid, der zwischen -e- und -e- nicht unterscheidet
(s. oben fodio und Hho Fn.), schreibt überall -e-) ; Formen, die
auf einen Infinitivstamm repe- weisen, sind mir nicht bekannt
Vielleicht kam die Länge ursprünglich nur dem Infinitiv zu;
vgl. dvesiü dvisti 'atmen'. Die aus Szyrwid zu berücksichtigenden
Formen sind folgende : ne aprepiami Part. Präs. Pass. Nom. Plur.
'unbegreiflich' in Punktay Sakimu S. 43, Z. 8 f. ; nopreptinay adv.
'indefinite, infinite' Dict 179 b. Ferner steht auch in der 4. Aufl.
des Dict s. v. ogarnqcdsiS Präsens aprepiu 'umfasse', wofür die
5. Aufl. 220 a aptepiu bietet; das am letztgenannten Orte
stehende Nomen act. aptepimas 'Umfassung' steht in der 4. Aufl.
(mir sind diese beiden Stellen aus der 4. Auflage nur durch
Leskien Hs. Wb. bekannt) s. v. ogamienie als apropimas, was
262 W. Frhr. v. d. Osten-Sacken,
wahrscheinlich ein Druckfehler ist ; vgl. indessen auch das viel-
leicht im Ablaut zu aprepti stehende literarische Verbum röpiu
röpti 'mit einer Arbeit fertig werden*, das ebenfalls vorzugs-
weise mit dem Präfix ap- gebraucht wird; beachtenswert ist
die große Ähnlichkeit zwischen KLD's Beispiel vSns tat ne
apropia 'einer wird damit nicht fertig, kann es nicht bestreiten*
mit dem Beispiel bei Juskevic: darhii (lies -hü) aprSpH ne gall
'du kannst die Arbeit nicht bewältigen', d. h. 'nicht in allen
ihren Teilen umfassen'. Auch nhd. umfassen und französ.
embrasser 'umarmen, umfassen' kommen in ähnlichen Wendungen
vor; vgl. in beiden Sprachen den Satz : ein Geist, der fähig ist,
alle Arten von Wissenschaften zu umfassen; un esprit cajxtble
d'embrassei- toutes sortes de sciences. Ein *lepiu oder *lepiu 'fasse'
scheint außer bei Szyrwid nicht belegt zu sein. Zu vermuten
ist, daß die nur der letzten Auflage des Dict. angehörenden
Formen aptepiu, apiepimas Schreib- oder Druckfehler sind oder
auf einer Volksetymologie des Bearbeiters, der -rdpti nicht kannte,
beruhen, wobei an lepus 'weichlich, verzärtelt', lepinti 'verzärteln'
gedacht werden könnte.
räptun. — Ksl. repbjb repijb (nicht repij) ist eigentlich ein
Pflanzenausdruck. Bei Sreznevskij Mat wird das Wort durch
die modern russischen Worte 1. rep)ejnihb 'Odermennig, Klette',
2. sipb 'Stachel, Dorn, Zapfen' wiedergegeben; und bei Miklosich
Lex. Pal. gibt es ein repije {-pije) N. 'tpißoXoc'. Wahrscheinlich
sind die Worte Ableitungen von repa 'Rübe'. Daß ein und
derselbe Ausdruck für verschiedene ähnlich aussehende Pflanzen
verwandt und auch auf formähnliche andere Gegenstände über-
tragen wird, ist ja eine ganz bekannte Erscheinung.
ravus. — Neben abg. rjevq, revq {re- wohl nur graphische
Vernachlässigung der Palatalität; daher ist diese Form nach-
zustellen, wenn sie überhaupt angeführt wird) 'brülle* kommt
auch rovq vor; Infinitiv rjuti und ruti; ein Präsens rjuvq (viel-
leicht Fehler für rjujq, wie es bei Walde im Glossar steht;
diese jüngere Form braucht nicht erwähnt zu werden) scheint
es nicht zu geben; vgl. wegen des Verbums Leskien Rdb."* 124.
— Das lettische Verbum für 'brüllen' lautet räkt (Präsens rüzu\
nicht rukt; das von Bielenstein Lett. Spr. I, 364 angeführte rtikt
neben rufet beruht auf dialektischem Lautwandel, spielt also
für die Sprachvergleichung keine Rolle. — Übrigens liegt in
lett. raunas (Gen. Sing. F.) laiks 'Brunstzeit (der Katzen)* ein
Berichtigungen u. Ergänzungen zu Waldes Lat. Etym. Wörterbuch. 253
sicher urverwandtes Wort ohne Gutturalerweiterung vor, das
als solches angeführt werden könnte. Dieselbe Bedeutungsent-
wicklung findet sieh auch bei cech. rtije (alt), rije F. 'Geschrei
des Hirsches, Brunstzeit des Hirsches und Kehes', poln. ruja
'Branstzeit, Rudel', klruss. rüja 'Brunstzeit'; ob lit. rtißs m&nü
*Brunstmonat, Herbstzeit, September', rüjaus menü 'Erntemonat,
August', lett rüjas laiks 'Hegezeit des Wildes' (vgl. Leskien
Abi. 306, Xom. 319) echt baltisch oder aus dem Slavischen ent-
lehnt sind, läßt sich kaum entscheiden.
reno. — Kasub.-masur. veno gegenüber abg.-gemslav. runo
*vellus' beruht wohl auf jüngerer dialektischer Lautentwicklung.
Jedenfalls wird im Kasubischen (das Masurische ist mir in
dieser Beziehung unbekannt) -u- zu -e-, allerdings nur in ur-
sprünglich betonter Silbe (poln.-kasub. Kurzstufe). Da russ. rutiö^
serb. rtino auf Endbetonung (poln.-kasub. Langstufe) weisen,
müßten wir für dieses Wort beide Betonungsarten annehmen,
vgl. auch kasub. ruiw bei RamuJt (Sfownik j§z. pomorsk. czyli
kaszubskiego, Krakau 1893). In Rozwadowskis von Walde zi-
tierter Abhandlung ist mir sein Vorschlag, lat. reno für ein
slavisches Lehnwort zu halten, absolut unverständlich geblieben;
kasub.-masur. reno könnte schon seines harten Anlautes wegen
unter keinen Umständen auf urslav. *reno oder *reno zurück-
gehen; höchstens könnten wir es auf eine Nebenform *rbno
(wäre poln. literar. *rno) zurückführen, womit aber fürs Latei-
nische nichts gewonnen wäre, da das -e- auch dann erst auf
später Lautentwicklung beruhen würde.
reor. — Ksl. neroch ist besser durch 'Vernachlässigung',
als durch 'Geringschätzung', wiederzugeben, vgl. obersorb. njeroda
'Unordnung, Fahrlässigkeit, Liederlichkeit'. — Lies, rdditi (Präs.
rädim, serb.) statt raditi; zuzufügen wäre wegen des rod- noch
sloven. rgditi (Präs. rödim) 'sorgen, sich kümmern'.
rlvns. — Lies izroß, sbrojh^ naroß, roß (ksl.) statt izroj usw.
röbigo. — Lies nzda (abg.) statt ruzda.
röbns, röbur. — Poln. rdzen 'Kern, Mark* wird ron üto-
szyn Mater, i prace komisyi j^zykow. akademii umiejetnosci w
Krakowie V, 276 auf eine Form *strzen mit den Zwischenstufen
*zdrzen (vielleicht belegt, s. unten), *rdzzen zurückgeführt, mit
der er russ. sterzem ds. vergleicht. Die Entwicklung von *sirzen
(einsilbig mit konsonantischem -;•-) zu *zdrzen wäre lautlich
völlig normal, denn das stimmhafte -z- bewirkt auch durch das
Indogermanische Forschungen XXXIII. 17
2M W. Frhr. v. d. Osten-Sacken,
-r- hindurch Stimmhaftigkeit der vorausgehenden stimmlosen
Konsonanten.*) Schwierig ist es nur, das auf eine Urform
*atrbhnjh weisende *strien mit russ. sUrzenh aus *sthrzefijh (wäre
altpohi. *sciri-, modern *scierz-) in Einklang zu bringen; vgl.
aber auch russ. stHzem 'stärkste Strömung des Flusses im
Wasser, Stromstrich', preuß. strigeno 'Gehirn'; doch ist die Ver-
wandtschaft von strizenh mit sterzem semasiologisch unsicher
(Bedeutungszentrum beider etwa 'Wirbel'?), und auf die Rich-
tigkeit der preußischen Graphik ist in dergleichen FäUen kein
starkes Gewicht zu legen. Jedenfalls können die mir von Ulaszyn
auf mein Befragen brieflich mitgeteilten apoln. (16. Jh.) zdrzen
(wenn -rz- eine graphisch ungenaue Wiedergabe für -rz- ist,
würde hier die geforderte Zwischenstufe *zdrzen — s. oben —
vorliegen) und kasub. drezen nur schwer auf Rozwadowskis
Grundform *ndjenjh zurückgeführt werden, und das -z- erinnert
stark an das russische -z- (für *)'bdjenjb würde man kasub. eher
*dregen erwarten, vgl. drega 'Rost'= poln. rdza). Außerdem stände
*i'bdenjh formal ganz isoliert, während *strizenß wenigstens an im
Slavischen vorhandenes anknüpft. Die Frage bedarf noch genauerer
Untersuchung; insbesondere müßten die apoln. und die kasub. Form
erklärt werden, bevor wir zu einem positiven Resultat kommen.
rubus. — Lett. rübs 'Kerbe, Falz' läßt sich auf eine Grund-
form *rumbas nicht zurückführen, sondern, wenn es nicht altes
-ü- hat, nur auf *rambas^ kann also zu lit. rumbas 'Narbe am
Baum oder an einer Wunde, Saum an einem groben Rock'
nur im Ablautsverhältnis stehen ; vgl. auch Leskien Nom. 174, 189.
Auf eine Wurzel der w-Reihe läßt sich das lettische Wort also
nicht beziehen, das litauische nur durch Trennung von lett. rüba^
was unnatürlich wäre.
rudis. — Lies rögoz (serb.) statt rogoz.
rugio. — Unter den Worten mit *rük- wäre noch lett.
rükt 'brüllen' (r- statt r- analogisch nach einer Bildung wie
abg. rjevq rjuti) zu nennen; vgl. oben s. v. ravus. — lit. rügöju
rügöti 'jemandem etwas übel nehmen' dürfte identisch sein mit
dem in hzrügöti 'ausschelten, tadeln, Vorwürfe machen' (Juskevic;
Nesselraann 449a wohl aus Szyrwid Dict, wo die Verhältnisse
nicht ganz klar sind, s. unten) steckenden -rügöti^ das aus russ.
1) Über derartige Assimilationserscheinungen im Polnischen, die
vielfach von den uns sonst bekannten Assimilationen abweichen, orien-
tiert Ulaszyn a. a. 0. sehr eingehend und überzeugend.
Berichtigungen u. Ergänzungen zu Waldes Lat. Etym. Wörterbuch. 255
rugäth 'schimpfen, schmähen', refl. *verhöhnen, verspotten' =
abg. rqgati se 'spotten' entlehnt ist. Das 'Ü beinehmen' und das
'Spotten, Tadeln' sind begleitet von einem Gefülil des 'ünzu-
friedenseins', das in beiden Fällen durch 'Murren' oder durch
ein entsprechendes Mienenspiel seinen Ausdruck finden kann.
Die Bedeutungen sind nur scheinbar weit auseinandergehend,
und jedenfalls hat Kurschat nicht den vollen Bedeutungsumfang
bei seiner Verdeutschung des Wortes in seinem Lit.-Dtsch. Wtb.
angegeben; bei Xesselmann 449a wird das Simplex rurjöti (da
er das Wort offenbar nicht aus mündlicher Eede kannte, ist
die Nichtbezeichnung der Länge bedeutungslos ; außerdem könnte
das Lehnwort auch mundartlich verschieden ausgesprochen werden)
durch 'grollen, murren, nicht zufrieden sein, weil man nicht
genug bekommen hat' wiedergegeben, und die letztgenannte Be-
deutung durch das Beispiel svecziai rugoja 'die Gäste sind unzu-
frieden, weil nicht genug da war', illustriert; im Russischen
könnte man sehr wohl in derartigen Fällen das Yerbum rugdibsja
anwenden. Die Bedeutung 'murren', die Walde Ficks Verbin-
dung von rügöti mit lat. rugire 'brüllen' plausibel gemacht zu
haben scheint, ist in der Sippe von abg. rqgT> 'Schimpf, Hohn',
rqgati se 'spotten' auch sonst vorhanden, vgl. serb. regmm regnuti
'knurren' (Walde s. v. ringor). — Merkwürdig berührt die
Bedeutungsverwandtschaft von rügöti mit sunigelis, rügsznys
'sauertöpfischer, mürrischer Mensch', die zu rugstii rügti 'sauer
werden, gären' gehören (Leskien Abi. 307); doch können wir
hierin kaum mehr als eine Assoziationsverschiebung sehen.
Bei Szyrwids Belegen für iszrügöti 'Vorwürfe machen' ist
der Lautwert der Wurzelsilbe nicht ganz klar. In vier von fünf
Fällen, wo das Wort vorkommt, haben wir graphisches -«-,
nämlich: 384a izrugoimas ing akis s. v. urqganie sie 'insultatio,
opprobrium, exprobratio' ; 415b ißruguoiu (sie! lies -üju) s.v.
wymamam kotnu 'exprobro'; 418b ißrugoiu und ißrugaimas (sie!)
s. V. wyrzucam na oczy 'exprobro, impropero' und icyrzucanie na oczy
'exprobratio'. Dagegen steht 384a s.v. urqgam sie, natrzqsam sie z
kogo 'insulto alicui, impropero' in der 5. Aufl. izrungoiu mit -un-
durch Auflösung des in der 4. Aufl. 328a stehenden -ü-. Da der
Zirkumflex in den allerdings nicht gar zu häufigen Fällen, wo er bei
Szyrwid vorkommt, das Zeichen für -n- oder -m- ist, werden wir
kaum daran zweifeln können, daß Szyrwid resp. der Herausgeber
der 4. Auflage beim Schreiben tatsächlich rung- und nicht rüg-
256 W. Frhr. v. d. Osten-Sacken,
gesprochen hat, daß also die Auflösung des Zeichens durch den
Herausgeber der 5. Auflage richtig ist; in dem auf der selben
Seite stehenden izrugoimas aber werden wir eine nachlässige
Schreibung sehen müssen. Scheinbar liegt also eine Entlehnung
nicht aus russ. rugdth^ sondern aus dem gleichbedeutenden poln.
rqgac^ vor; literarisch würde ein solches Wort *ratigojn rangoti
lauten. Es ist aber zu beachten, daß an den betreffenden Stellen
auf S. 384a die polnischen Stichworte urqgam sie, urqganie sie
lauten. Es wäre also möglich, daß im Szyrwidschen Dialekte
an sich nur *rügoti oder *rugoti gesprochen wurde, und der Ver-
fasser resp. Herausgeber nur/an diesen Stellen durch Einfluß der
Stichworte das Wort polonisiert hat. Jedenfalls fällt es schwer, die
dreimalige Schreibung rüg- auf S. 415 b und 418b bloß auf Ver-
nachlässigung des Zirkumflexes zurückzuführen; denn iszrügöti
ist ja nach Ausweis von Juskevic ein in Kussisch-Li tauen ge-
bräuchliches Wort, das Szyrwid sehr wohl gekannt haben kann.
ruo. — Wegen kasub.-masur. reno s. o. s. v. veno.
Sabini. — Da im Altserbischen ^ und » lautlich zusammen-
gefallen sind, und man in der Regel für beides » schreibt, ist
statt sebrb (zwei Mal) sehn zu schreiben, s. oben S. 186, vgl. auch
unten traho.
Saccus. — Lies sakuh (ksl.) statt sakulj.
saeta. — Ein dem lett. senu sei entsprechendes Verbum
ist auch im Litauischen vorhanden. Den Infinitiv sM führt
Juskevic s. v. atsainmkas an. Vgl. ferner aus D. B. S. folgende
Formen : pasijti {ij = e) 'binden' 209. 23, prisijti 'anbinden' 20. 7,
pasijtas 'gebunden' 39. 12, jxisijiusi, pasijjusi Part. Prät. Akt. Nom.
Sing. F. 101. 14 u. 28. Vielleicht gehört hierher auch das Präsens
jrrifienu bei Szyrwid Dict. 14 b, das s. v. hite 'merces pro vapu-
lando* ohne Bedeutungsangabe hinter dem Substantiv prifietis,
Plur. prifeciey {-e- Fehler für -ie-) steht, augenscheinlich, um
die Etymologie des Nomons anzugeben.
sänus, satis. — Abg. sytb ist nur Substantiv in der Be-
deutung 'Sättigung, Sattheit'; das Adjektiv 'satt' lautet nur sgh.
scalpo. — Serb. jrrökola (so betont !) 'Teil eines gespaltenen
Ganzen' gehört zunächst zu abg. koljq klati 'stechen, schlachten',
das in einzelnen slavischen Sprachen auch 'spalten' bedeuten
kann, vgl. Berneker s. v. koTo, wo die semasiologische Seite
der Sippe anschaulich dargestellt ist; zu beachten ist ins-
besondere auch abg. rctakch 'Spaltung, bixovoia'. Waldes sonstigen
Berichtigungen u. Ergänzungen zu Waldes Lat. Etyra. Wörterbuch. 257
Auffassungen von abg. koljq (s. v. clädes) gemäß müßte aucli
serb. prökola von lit. skeliü skelti 'spalten' usw. fern bleiben;
über eine Möglichkeit die beiden Sippen miteinander zu ver-
einigen, s. oben s. v. clädes.
scandula. — Lett. schk'edens 'kleines, abgespaltenes Holz-
stück' ist besser mit -e- im Suffix zu schreiben, s. das oben
s. V. augur Gesagte. Lett. schk'edu schk'edet 1) intrs. 'in Teile
zergehen', 2) trs. 'zerstreuen, vergeuden' ist ein Deverbativ zu
schk'efchu schk'est 'scheiden, trennen, zerstreuen, vergeuden' =
lit. skedäiu skSsti Verdünnen, scheiden, trennen' und gehört somit
zu der von "Walde s. v. scindo behandelten Wurzel *sqeid- und
nicht, wie man aus unserer Stelle schließen könnte, zu dem
nasalierten *sqend-.
scateo. — Lit. su-skcUe 'hüpfte auf' ist mir unbekannt;
Waldes Quellen (Vanicek 307 f. und Fick I*, 565) enthalten diese
Form nicht.
scrobis. — Russ. skrohdth 'schaben, kratzen, scharren' ist
eine bloß dialektische Nebenform zum gewöhnlichen skrebdth,
das also besser, als jenes, anzuführen ist.
seco. — Zum Vokalismus von lat. sica 'Dolch', lit. sykis M.
'Hieb, Mal' scheint zu stimmen klruss. syc M. 'der nach dem Ab-
brechen des Astes hinterbleibende Teil des Stammes'. — Wenn
man die Pedersensche Zusammenstellung von abg. socha 'Knüppel',
poln. socha 'Pflugschar' mit lit. szcikä, ai. säkhä 'Ast, Zweig'
wenigstens im etymologischen Teile retten will, dann kann man
das slavische Wort auf *koqsä (oder *kaqsä) zurückführen, eine
Grundform, die vielleicht nicht schlechter ist, als das bei Walde
angeführte *sogsä oder *saqsä.
Septem. — Statt sedmyjh stände besser sedrm (abg. 'septimus')
im Anschlüsse an das, was oben s. v. novem gesagt ist.
sequor. — Lit. sekü s^kti, lett. seku sekt (Präs. auch suku
aus *sanku) 'folgen' bedeuten auch 'spüren, wittern'. Im Letti-
schen wird diese Bedeutung überall angeführt ; fürs Litauische
vgl. bei JuskeviÖ at-s^kti 'aufspüren' im eigentlichen ('nach den
Spuren finden') und im übertragenen Sinne, atsisenkü atsisekfi
'finden' bei KDL und aus Szyrwid Dict. 174b neprifekamas,
nefufekamas= nepamatomas, nepaiauciamas (so IV, 134b; V fehler-
haft -eimas) s. v. nieczuty^ co go nieczuc 'insensibiüs, insensilis,
qui nuUo sensu percipi potest', und aus Punktay Sakimu 43, 9
und 87, 27 nenufekami Nom. Plur. 'unerforschlich' ; dazu auch
258 W. Frhr. v. d. Osten-Sacken,
lit. p6d-sakas 'Aufspürung der Fährte, Fährte', lett, sakstit iter.
'suchen, spüren nach etwas'. Wir können eine sekundäre Be-
deutungsentwicklung im Baltischen selbst annehmen, da wir in
anderen Sprachzweigen keine Hindeutiing darauf finden, daß
die Bedeutung 'folgen' unursprünglich sei; indessen sei mit
Rücksicht auf got. saifvan 'sehen', das ja gleichfalls ein Verbum
sentiendi ist, darauf hingewiesen, daß die Sippen von seqiior
und von inquam, inseque (s. Walde s. v. in quam) eines Ursprungs
sein könnten ; aus der Grundbedeutung 'spüren, wittern' könnte
sich einerseits 'folgen, verfolgen', anderseits 'wahrnehmen, sehen,
zeigen, sagen' entwickelt haben. Neben ksl. sociti 'indicare', sola
'accusator' (d, h. 'criminis indicator'), bulg. söca 'zeige', poln.
soczyc 'verleumden, anschwärzen', osoka 'Anklage, Verleumdung',
cech. alt sok 'Ankläger' und dgl, die gar zu gut zu got. saifvan
'sehen', \it seku 'sage', jyriseku 'zeige, beweise' (oben s.v. in quam)
stimmen, als daß sie davon getrennt werden können (anders
Miklosich Vgl. Gram. 2, 24 und Meillet :Ktudes 226), gibt es
auch russ. socfh 'suchen, spüren, verfolgen', savith 'die Spur
eines Wildes verfolgen', sakmd 'Spur, Fährte', osöka Treibjagd,
Umstellen eines Wildes', osocih alt und dial. 'das Lager eines
wilden Tieres aufsuchen und einkreisen, umstellen', poln. soczyc
'worauf Jagd machen*, osoczyc 'das Wild einkreisen, zusammen-
treiben' (auch 'anklagen, verleumden'), saczyc, omczyc ds., przy-
soczyc 'ertappen, erhaschen', serb. sök 'Ausfinder'. Interessant
sind auch öech. sociti 1) 'gegen etwas eifern, anfeinden, ver-
leumden', 2) 'einem nacheifern', soceni 'Verleumdung, Eifersucht,
Eifer*. Die Bedeutungen decken sich teilweise mit denen von
halt. Sek-, sak- 'folgen*, vgl. insbesondere den Farallelismus von
lit priseku 'zeige, beweise', ^sl.soditi 'indicare* und lett sekt 'folgen,
spüren, wittern*, tuss. socUh 'suchen, spüren, verfolgen'; zur Ab-
lautstufe in russ. sakmd usw. vgl. lit, pSd-sokas = p^d-sakaa. Wir
kommen indessen mit einer sekundären Bedeutungsentwicklung
innerhalb des Slavischen von 'zeigen, anzeigen' zu 'verleumden,
verfolgen* aus.
simila. — Im Slavischen gibt es zwar keine genaue Ent-
sprechung von lit. sijüju sijöti (so mit Akzent) 'sieben', indessen
bedeutet abg. sijq sejati außer 'säen* auch 'sieben*, eine Tatsache,
die von den Grammatikern und Etymologen meistens ignoriert
wird. Dasselbe gilt von dem Worte auch in den übrigen slavi-
schen Sprachen, z. B. russ. sejath, serb. ^jati (-(/- lautlich aus -ij-)
Berichtigungen u. Ergänzungen zu Waldes Lat. Etym. Wörterbuch. 259
'säen, sieben', poln. siac (lautlich aus *sejati, Präs. sieje) 'säen*,
odsiac, podsiac, przesiac 'durchsieben', tcysieicac sitem 'aussieben,
durchsieben'. Da in den übrigen indogermanischen Sprachen
das entsprechende Verbum für 'säen' (s. Walde s. v. sero) nicht
auch ^sieben' bedeutet, ist es wahrscheinlich, daß im Slavischen
zwei ursprünglich verschiedene Verba zusammengeflossen sind,
die allerdings, da die Bedeutungen sich nahe berühren, wurzel-
verwandt gewesen sein können. Solche Zusammenfälle pflegen
bekanntUch dann stattzufinden, wenn eine oder mehrere Formen
zufällig gleich sind, sodaß sie die anderen Formen nach sich
ziehen. Wenn wir uns im vorliegenden Falle an die vorhandenen
Tatsachen halten, dann müssen wir zunächst konstatieren, daß
wir für eine aus der Ursprache ererbte Formgleichheit keine
Grundlage haben : die Existenz eines ursprachlichen *seiö 'siebe*
würde ebenso in der Luft schweben, wie diejenige eines Stammes
*siiä- 'säen'. Wir können uns indessen vorstellen, daß im Ur-
slavischen zu einem dem lit. sijöti entsprechenden Infinitiv *shjati
'sieben' nach dem Muster von Jejq hjoti 'gießen', smejq se smhjati
se 'lachen', zejq zbjati 'gähnen' das Präsens sejq gebildet wurde,
das mit sejq 'säe' lautlich zusammenfiel und in der Folge die
Verdrängung des Infinitivs *shjati durch sejaü veranlaßte.
sodälis. — Lit. svötas 'Hochzeitsgast weitläufiger Ver-
wandter' ist ein slavisches Lehnwort.
spargo. — Lett. sprausläf (auch sprauslüt, sprauschlet) hat
anlautendes sp-, nicht ^>- allein, und bedeutet außer 'spritzen'
noch 'prusten (wie ein Pferd); Klystier ansetzen'. Die Bedeu-
tung 'prusten' erinnert an Xqü. prüschlet 'schnauben (von Pferden),
pusten' und legt es nahe, Zusammenhang mit der von Walde
s. V. priiina (vgl. auch IF. 28. 148ff.) angeführten schallnach-
ahmenden Sippe von abg. prychanbje 'das Schnauben', russ.
pryskath 'spritzen' usw. anzunehmen, zu der aus dem Litauischen
auch p'ausiii praüsti 'waschen', prusnä 'Maul, dicke Lippen (des
Rindes)' gehört ; allerdings befremdet bei dieser Sippe der Anlaut
spr-. — DieBedeutungsverwandtschaftvonspra?fs/ä<mitnhd.s/>nV2^t
dürfte eine ebenso zufällige sein, wie diejenige des letztgenannten
Wortes mit russ. pryskafb., wenigstens liegt in der baltischen mit
nhd. sjyrießen, ^ritzen verwandten Sippe von lett spraujüs 'dringe
empor', lit sprüsti 'aus einer Klemme herausdringen* keine Be-
deutungsentwicklung dieser Art vor, die eine Verwandtschaft oder
auch bloß Assoziation mit sprauslät, prüschlet rechtfertigen würde.
260 W. Frhr. v. d. Osten-Sacken,
specio. — Es leuchtet mir nicht ein, daß in abg. pasq
/Histi 'hüten, weiden' zwei Worte verschiedenen Ursprungs zu-
sammengeflossen seien. Daß in der slavischen Sippe gewisse
Bedeutungen vorkommen, die a priori auf die Grundbedeutung-
'worauf schauen' zurückgehen könnten, läßt sich zwar 'nicht
leugnen; es gibt aber unter den nicht auf das A'^iehhüten be-
züglichen Bedeutungen keine, die nicht mit den aus 'hüten'
(die älteste Bedeutung war wohl 'Vieh hüten', s. oben päsco)
sich ergebenden Vorstellungen 'bewachen, beschützen, be-
wahren' eng verknüpft sind. Da nun ferner das slavische
Verbum in der Sippe von lat. specio morphologisch ganz isoliert
dastände, dagegen pasq = lat. päsco eine tadellose Wortgleichung
ist, können wir uns mit letztgenannter Zusammenstellung als ein-
ziger begnügen. In klruss.prfs^«/ ocipna 'sich scharf umsehen' (besser
'unverwandt hinsehen') ist die im Begriffe 'wachen' leise ange-
deutete Beziehung zum 'Aufpassen mit den Augen' verschärft zum
Ausdruck gebracht worden (in lat. päsco oculös^ nhd. augenweide
liegt wohl eher die Vorstellung 'die Augen genießen lassen' vor),
'Rw^^.opasdthsja^ klruss. opas^?/8/a 'sich hüten, sich in Acht nehmen'^
d. h. "seine Wachsamkeit auf eine nahende Gefahr richten", hat seine
genaue Entsprechung in nhd. sich hüten, auf der hut sein; und
in russ. zapasdth (so betont; wenn auch in der Umgangssprache
nicht in allen Formen häufig, so doch kaum mit Recht als^
dialektisch zu bezeichnen) 'vorrätig anschaffen, versorgen, ver-
sehen', zapxMb 'Vorrat' (sehr häufiges Wort) liegt wohl die Vor-
stellung "die kostbare Habe vor Mißbrauch hüten, schützen" vor.
Spiro. — Lies pechyrh (ksl.) statt pechyn. — Ksl. packb
'odor' ist ein nur aus einem russisch-kirchenslavischen Wörter-
buch stammendes Wort, das ev. auf einer bloßen Abstraktion
beruhen könnte ; statt dessen wären besser russ. zapacht 'Geruch,
Duft', pdchnuih intr. imps. 'riechen, duften' anzuführen.
sublica. — Wie Petr (BB. 22, 275) sich den Zusammen-
hang von poln. suduo (ohne Akzent zu schreiben) 'Fahrzeug,
Boot', sudzina 'Faß' mit abg. sb-sqd^ 'Gerät' (russ. sosiidt ist auf
der zweiten Silbe betont) denkt, ist nicht klar. Eine Teilung
der mit gb-sqdt verwandten Worte in solche mit urslav. sttd-
und solche mit urslav. sqd- (so scheint Walde Petr zu inter-
pretieren; eine Tiefstufe zu slav. sud- sieht Petr wohl im
russischen Lehnwort lit. sudas 'Gefäß'?) wird sich schwerlich
durchführen lassen; poln. sudno ist übrigens wohl aus dem
Berichtigungen u. Ergänzungen zu Waldes Lat. Etym. Wörterbuch. 261
Russischen entlehnt (Ufaszyn brieflich), und sicher enthält eech,
sud 'Faß' wegen poln. sqd Gen. sedu ds. altes -q-. Waldes aus
anderen Gründen erhobene Bedenken an Petrs Etymologie sind
also durchaus zu bestärken.
taedet. — Die hinter lit thigiii tingeti^ abg. tezq ffHti
stehende Bedeutungsangabe 'träge, unlustig sein' ist nur für
das litauische Wort richtig und ist vielleicht nur durch ein
Versehen in Waldes Manuskript an einen falschen Platz ge-
raten. Für ksl. teziti gibt Miklosich die Bedeutungen 'trahere,
gravare, raolestum esse, vexare'. In der Bedeutung 'ziehen'
gehört das Verbum zu abg. tegnqti 'ziehen' und ist ein for-
males Denominativ von einem Xomen in der Bedeutung 'Ziehung',
vgl. abg. teza 'Sh'eit' (das Iterativ tezati 'ziehen' bedeutet refl.
'sich streiten'; teza könnte allerdings auch ein jüngeres Deverbativ
zum Reflexiv verbum sein), russ. tjäga 'das Ziehen, Schleppen',
poln. ciqz F. 'Gespann' (eigentlich 'Spannung'). Und in der
Bedeutung 'beschweren, belästigen' gehört teziti zu abg. tezhkb
'schwer', ksl. tezh F., poln. ciqza^ russ. tjäga 'Schwere, Last'.
Ursprünglich hat es wohl nur rein konkret 'schwer machen',
resp. 'Beschwerde machen' bedeutet, späterhin auch in über-
tragenem Sinne 'quälen'. Beachtenswert ist bei diesem formal
transitiven Tätigkeitsverbuni die aus den Beispielen bei Miklosich
zu ersehende Konstruktion mit dem Dativ, die an nhd. einem
zur Last fallen^ lat. molestum esse alicui erinnert. Ob tezhkt und
tegnqti mit einander verwandt sind, was Meillet Etudes 255, 399
anzunehmen scheint, möge dahingestellt bleiben. Kaum aber
können die Verbalabstrakta *tezh, *teza^ *ff9^ 'Ziehung' und die
Adjektivabstrakte *tezt usw. 'Schwere' für ursprünglich identisch
gehalten werden, da sie auf psychologisch verschiedenen Deri-
vationsprozessen beruhen, und somit werden wir auch in teziti
zwei verschiedene Worte zu sehen haben. In den Einzel-
sprachen allerdings haben sich die verschiedenen Nominal-
bildungen miteinander vermischt. Wenn auch die Etymologie
der verschiedenen slavischen Wurzeln teg- wegen dieser Ver-
mischungen viele Schwierigkeiten bereitet, so ist doch wenigstens
das klar, daß sowohl tegnqti als auch tezhkb zur e-Reihe ge-
hören; zu ersterem vgl. ksl sbtqga vbstqgt 'lorum*, russ. tügij
ttigöj 'gespannt, straff, steif, fest, stark, hart' (auch 'schwer',
s. unten, vielleicht sekundär durch Einfluß von potügb 'Gewicht'
und dgl.) und Walde s. v. temo^ tendo (vielleicht trotz avest.
262 W. Frhr. v. d. Osten-Sacken,
9anj- 'ziehen' ursprünglich *ten-g zu *te?i- 'ziehen' und mit
sekundärer arischer Aspirata); und zu t^g- 'schwer' vgl. abg.
tqga 'Beschwer, Betrübnis, Angst' und aisl. pungr (Meillet a. a. 0.
^^27). Also können beide Worte (die semasiologischen Bedenken
wären eher zu beseitigen) aus lautlichen Gründen mit griech.
ciKxöc 'ekel, wählerisch* nicht verwandt sein. Eher könnte lit.
tingm 'träge' zum griechischen Wort gehören, da wenigstens
im Baltischen keine widerstrebende Ablautstufe vorhanden ist.
Indessen ist zu beachten, daß das lit. Wort hauptsächlich
'arbeitsunlustig' und nicht überhaupt 'unlustig' bedeutet;
daher ist die von Meillet 327 vertretene Verbindung desselben
mit abg. tezbkb usw. (vgl. die annähernde Wortgleichung tingüs
— (das von Meillet erschlossene) *te(fb{-kb) = russ. dial. tjagöj
'schwer' = aisl. pungr) vorzuziehen; tingüs ist dann etwa als
'beschwert, belastet, durch Körpergewicht in der Arbeit be-
hindert, schwerfällig' aufzufassen, vgl. hierzu auch russ. tügij,
tugöj 'schwer, langsam'.
tälis. — Abg. dahkb 'weit, entfernt' hat -e-, nicht -e-.
templum. — Zu griech. teilivüu 'schneide', abg. hnq teti
'spalten, Jiauen' gehört wohl auch lit. tinü Ünti mit dem Objekt
dalgj 'die Sense durch Klopfen mittelst eines Hammers schärfen*,
das jedenfalls weder mit tjstu ünti 'schwellen', noch auch mit
lett. tinu tit 'flechten, winden, wickeln' (über diese Worte s.
Walde s. v. tendo) eine Bedeutungsverwandtschaft aufweist.
tempus. — An lit. tenkü t^kti 'sich hinerstrecken, hin-
reichen', got. ßeihan 'gedeihen, Fortgang haben' erinnert klruss.
tjakmity 'anrühren' {*tek-).
terreo. — Ldt triszu 'zittere' ist besser ohne Akzent zu
schreiben.
tesqua. — Abg. hUh 'leer' hat -s-, nicht -s-.
timeo. — Lit. timytis 'sich etwas genau merken, im Gedächt-
nis behalten' ist entlehnt aus russ. dial. tjdmith 'begreifen, wahr-
nehmen, im Gedächtnis bewahren' (fehlt bei Walde) resp. klruss.
t'ämytg (nicht t'a-) 'merken*; zum Lautlichen vgl. oben membrum
und Walde Sahini. Die Vereinigung des slavischen Wortes mit
griech. irmeX^u) 'sorge, warte* ist nicht unbedenklich, da dann russ.
tjam- über *tem- auf eine unbelegte nasalinfigierto Wurzelgestalt
zurückgeführt werden müßte, und wir überdies nicht sicher
wissen, ob *tenm- resp. *tnm- überhaupt zu *^m- oder nicht
eher zu *tim- resp. *thm- geführt hätten, vgl. abg. pominqti 'sich
Berichtigungen u. Ergänzungen zu Waldes Lat. Etym. Wörterbuch. 263
erinnern' zu pameth 'Gedächtnis' und thnq 'spalte' zu griech.
T€|Livu) 'schneide* (eine neuerliche Einführung des Nasalvokals
wie in pomenqti wäre bei fem- ausgeschlossen, da wir keine
vorbildlichen Formen mit erhaltenem -e- konstruieren können).
Wenn tjdmith überhaupt ein aufs UrslaviscJie zurückzuführendes
Wort ist, dann wäre am ehesten eine Lautgestalt *tedm-^ *fefm-
resp. *tebm-^ *tepm- mit altem Ausfall des vor -m- stehenden
Konsonanten anzunehmen, resp. auch *tegm- mit russischem
Schwund des -^-, vgl. russ. tjamitb = abg. tegnqti 'ziehen'. Eine
Anknüpfung könnte ich dabei nur für ein *tepmiti finden, näm-
lich in russ. tjäpafb 'fassen, ergreifen, hauen, beißen', wobei
fjdmith zunächst in konkretem Sinne 'fassen' (die Bedeutungs-
entwicklung wie in nhd. begreifen, erfassen, neben greifen, fassen
und in Italien, capisco 'verstehe' neben lat. capto) bedeutet haben
und von einem Substantiv *tepmb oder dergl. 'das Fassen' ab-
geleitet sein müßte. Vielleicht sind aber tjdj)- und fjdm- junge
Lautnachahmungen, beruhend auf Interjektionen des 'Fassens,
Greifens' wie gemslav. cap- (Berneker s. v. capajp). Nicht un-
wahrscheinlich wäre für tjdmith auch fremder Ursprung, doch
müßte die Quelle erst gefunden werden,
torpeo. — Lies toropeth (russ.) statt torpeth. Die genaue
Bedeutung ist eigentlich nicht 'erschrecken', sondern 'bestürzt
werden, aus der Fassung kommen': häufiger als das Simplex
ist das Kompositum otoropeti ds.
traho. — Sloven. trag, traziti stehen nicht in Pletersniks
Wörterbuch; wenn sie nicht auf einer Verwechslung beruhen,
sind sie jedenfalls seltene, veraltete Worte, deren Erwähnung
schon deshalb unterbleiben kann, weil serb. träg^ trdziti (bei
Walde unakzentuiert) vollkommen genügen. Im Altserbischen
schreibt man tragh statt tragb (s. oben S. 186 und Sabin i). Das
angeblich sloven. trcäti 'laufen', das bei Pletersnik nicht zu
finden ist, ist durch serb. trcati ds., mit dem es verwechselt
sein dürfte, zu ersetzen; auch ein bulg. tbred 'laufe' ist vor-
handen. Das bei Miklosich Lex. Pal und Vergl. Gramm. II, 31
fehlende ksl. tnkb 'Lauf bleibt vorsichtshalber besser beiseite.
trua. — Abg. tvarh 'opus, Schöpfung' hat ->, nicht -».
vae. — Lett. wäjsch (nicht wajsch) F. wäja 'schwach' ge-
hört nach Leskien Nom. 310 f., 320, 553 zu lit.pa-vöjus 'Gefahr',
pa-vojas Adj. 'gefahrvoll', voj^s Part, 'leidend', vot)s 'Geschwür',
lett. wäts (i-Stamm) 'Wunde'. Daneben nennt er aus der Literatur
264 W. Frhr. v. d. Osten-Sacken,
auch Formen ohne v- wie ojiis 'Gefahr', paojeis Inst Plur. Adj.
'gefährlich'. Mit der Interjektion lett. tvai 'wehe, ach', haben
diese Worte sicher nichts zu tun. [Vgl. vielmehr Idg. Jhb. 1, 60.
K.-N.] Von wai abgeleitet ist aber das von Leskien Abi. 378
(fragend) mit wäjsch verbundene ivaijät trs. *wehe tun', das mit
wäjät 'schwächen, kränken' nicht zu verwechseln ist; iraijät
'verfolgen, bedrängen' ist gleich lit. vajöti 'nachjagen' (Iter. zu vejü
vyti ds.) mit analogischem -aij- nach obigem semasiologisch
assoziiertem ivaijät. — Interessant ist serb. väjni Adj. 'dolorem
afferens', das aber kaum mit lett. icäjsch usw. verwandt, sondern
eher von der Interjektion väj 'wehe' abgeleitet ist.
vafer. — Lit. gudrüs (nicht gMras) 'schlau, klug' dürfte
altes -M- haben wegen guvüs., güms^ dial. gavüs 'gewandt, klug,
pfiffig' (Leskien Nom. 257, Juskevic s. v. guvüs\ das seinerseits
zu der von Walde s. v. vola behandelten Sippe von lit. gdunu
gduti 'bekommen', gdudyti 'fangen' gestellt wird. Als beste
Bedeutungsparallelen vgl. abg. chyln 'geschickt', in den Einzel-
sprachen auch 'rasch, listig, schlau, klug' zu chytiti 'reißen,
greifen, raffen', russ. chvaU 'kühner, gewandter, flinker Mensch',
poln. chwatki 'schnell, behend' zu abg. chvatiti 'ergreifen'; vgl.
ähnliches auch oben s. v. timeo. Interessant ist auch die
bei Leskien Nom. 440 f. angeführte Erklärung von gudrüs
als kurs viskq nor pasekt ir Hnot ir moket ir matyt 'wer alles
erreichen, wissen, können und sehen will'. Das dial. gavtis
(s. oben) stimmt im Vokalismus zum Präteritum gavaü 'bekam'.
Die Bedeutungen 'schlau, pfiffig' erinnern besonders an apgduti
'übervorteilen, betrügen', vgl. auch gudrduti 'Winkelzüge machen'
('klügeln') bei Juskeviö, der gudinfi 'klug machen, bilden' unter
anderem durch 'anlocken' wiedergibt. Wegen dieser baltischen
Sippe und eventueller slavischer Verwandten s. KZ. 44, 156 ff.
(vgl. klruss. hutyty 'verlocken, verführen' mit lit. güdinti 'anlocken').
Nur ungern würde ich mndd. goiiwe^ gauwe 'rasch, schnell, der
rasch begreift, klug', air. gäu^ gö 'Unrichtiges, Lüge' (wegen
dieser s. Walde s. v. hura und haud) beiseite lassen, vgl. aber
unten vola.
valeo. — Die Annahme einer Entlehnung aus der Sippe
von got. tvaldan 'walten' wäre höchstens für das eine oder andere
baltische oder slavische Wort, nicht aber für die ganze Sippe
von abg. vladq vlasti, lit. valdaü valdyti ansprechend, und wir
können kaum ohne ein ererbtes d- oder (fA-Deterrainativ im
Berichtigungen u. Ergänzungen zu Waldes Lat. Etym. Wörterbuch. 265
Baltisch-Slavischen auskommen. Im Slavischen ist der Entlehnung
sehr wenig günstig der Infinitiv vlasti^ noch weniger aber das
Substantiv vhsth F. *Macht' (lett. iralsts F. 'Gebiet, Gemeinde,
Staat', Ht. valszczius mögen durch das Slavische beeinflußt worden
sein), denn in der Kegel sind derartige Nomina nicht jünger,
als die Infinitive, und sind im Slavischen selbst auch kaum
mehr produktiv. Das Litauische seinerseits besitzt neben vald-
auch die Ablautstufen v^ld-, vild-, vgl. Leskien Abi. 354. Zu
pavilsH 'ererben', pavildeti 'besitzen' nennt mir Professor Leskien
(brieflich) Belege bei Dauksa Litovskij Katichizis in der Wolter-
schen Ausgabe S. 13 und 33, und bei Bezzenberger Gesch. der
lit. Spr. 112. Das Yerbum reW^^? ist mehrfach belegt. KLD nennt
ein biblisches jpa-veldSti 'ererben' (die Betonung vielleicht un-
sicher) und Juskevic ein äp-veldziu (zemaitisch äpveldu) ap-veldeti
'Besitz ergreifen, erwerben'. Femer bietet Szyrwid Dict. ap-
icddiiu 226 b s. v. opanowac co 'occupare, invadere, possidere',
230 b s. V. osiadam co 'occupo, usurpo possessionem, possideo
agros', apwetdeimas 226 b s. v. opanowanie 'obsessio, circumsessio*,
und paweldziu = tewaynisty apturiu 50 a s. v. dziedzicze 'here-
ditatem capio'. Als Präsens nennt Kwi^chdii paveldu oder paveldeju,
die beide zu Szyrwid und Juskevic nicht stimmen und vielleicht
bloße Konstruktionen sind. Ebenso können wir uns für die
Stichhaltigkeit der Akzentuation in den Wörterbüchern nicht
verbürgen. Wie wir s. v. pinus Fn. gesehen haben, besitzen die
baltischen Sprachen die Neigung zur Schaffung einer sekun-
dären e-Stufe, und wir können lit. veld- (preuß. weldünai Plur.
neben waldüns 'Erbe' ist vielleicht ein Schreibfehler), da diese
Ablautstufe in den übrigen Sprachzweigen fehlt, gut auf diese
Weise erklären; doch ist dabei zu beachten, daß das sekundäre
-e- sehr alt sein muß, da es auch im Lettischen vorhanden ist
und vor dem Wandel von -ei- in -e- eingetreten sein muß.
Also wäre die Umbildung eines -a- in -e- bei einem germanischen
Kulturwort nicht besonders wahrscheinlich. lit. vild- dürfte ur-
sprachliches *uld{h)- fortsetzen.
vannus. — Statt serb. vijati (so betont) 'worfeln' ist besser
die abg. Entsprechung rejati (serb. -ij- lautgesetzlich aus -ej-)
anzuführen, das zwar in der Linguistik meist nur in der Be-
deutung 'wehen' bekannt ist, tatsächlich aber auch 'worfeln*
bedeutet. Die Bedeutungsdoppelheit von vejati ist gemeinslavisch,
vgl. z. B. russ. vejatt 'wehen, fächeln, schwingen, worfeln', poln.
266 W. Frhr. v. d. Osten-Sacken,
iDi(ic {-ia- lautlich aus -eja-\ Präsens wieje) 'wehen, fächeln,
Wind machen, wannen, worfeln, schwingen'; auch in serb. vije
snijeg 'es schneit' ist die Bedeutung 'wehen' noch erhalten.
Daher ist es besser, die Verbalnomina sloven. vivnica (besser -e-
als -e-; bei Pletersnik fehlendes Wort), poln. wiejaczka 'Worf-
schaufel* zu streichen, da diese Nomina keine im Verbum ver-
loren gegangene Bedeutung enthalten und auch formal uninter-
essant sind. Bei vejati wäre darauf hinzuweisen, daß es dasselbe
Wort ist, wie das s. v, ventus erwähnte; auch wäre es gut, das
Präsens rejq anzuführen, da dieses eine alte Präsensbildung
ist,' während der Infinitiv auf -ati eine urslavische Neubildung
sein dürfte.
värus. — Lett. sa-wäri 'Querstangen bei der Egge* ent-
hält wegen der gleichbedeutenden sawari, sawares, sawires kein
r-Suffix, sondern wurzelhaftes -r-, vgl. auch lit. pef-vards 'Lang-
baum beim Leiterwagen'. Leskien Abi. 356 stellt die Worte zu
lit. veriü verti 'öffnen und schließen, einfädeln'. Die dort zu-
sammengestellten Worte gehören aber wahrscheinlich zu zwei
verschiedenen Sippen 1. 'öffnen und schließen' und 2. 'reihen,
knüpfen', die von Walde teils s. v. aperio, teils s. v. urvum
behandelt werden. Für unsere Worte wäre Anschluß an beide
Sippen möglich, wie sich überhaupt eine reinliche Trennung
derselben im Baltischen kaum durchführen ließe.
vas, vadis. — Lies vadüti (lit.) statt vadüti. — Cech. zävodlü
bedeutet nicht 'wetten' sondern 'wettlaufen, wetteifern', ursprüng-
lich überhaupt 'einen schnellen Lauf veranstalten' und gehört
zu abg. vesti^ voditi 'führen' als Denominativ von cech. zdvod
'Rennbahn, Wettlauf' = poln. zaivM 'schnelles Laufen, Rennen,
Galopp, Wettrennen' (dazu poln. w ^auvd 'im Galopp', cech. o
zdvod 'um die Wette*, d. h. 'im AVettlauf), im Poln. auch 'das
Führen, Hinleiten, Ansatz, Anfang, Unternehmen, Bestreben' usw.
bedeutend. — Das angeblich cechische vadlja 'Wette' ist slo-
venisch und lautet mit Akzent vädlja; laut brieflicher Mitteilung
Professor Leskiens ist es ein germanisches Lehnwort.
ventas. — Wegen abg. vejq vejati 'wehen, blasen, worfeln*
8. oben s. v. vannus. Es empfiehlt sich die Bedeutung 'worfeln'
nicht wegzulassen und auch das Präsens anzuführen, da es
eine ältere Bildung ist, als der Infinitiv.
vereor. — Zur Sippe von vereor kann man hinzufügen
lett. weru weti, meist reflexiv weriis wertes 'schauen, bemerken',
Berichtigungen u. Ergänzungen zu Waldes Lat. Etym. Wörterbuch. 267
werigs 'aufmerksam', weriba 'Aufmerksamkeit' (das -e- nach dem
Prät. tceru, werus), tcerä nemt 'in Acht nehmen'. Letzteres ist
zwar dem nhd. wahr nehmen nachgebildet, doch erscheint Ent-
lehnung von icert aus dem Deutschen unmöglich. Dagegen
kann lett. wairit 'hüten, abwehren' {wairut 'bemerken, beachten'
Kontamination aus icerüt ds., Iterativ zu tvert^ und aus wairit)
eine Entlehnung aus got. warjan, ahd. iverjan 'wehren, schützen'
sein, wobei -ai- wohl Wiedergabe des noch nicht völlig zu -e-
gewordenen umgelauteten -a- ist. Bei abg. larovati se 'cavere'
ist Entlehnung nicht notwendig; eine genaue Entsprechung
könnte griech. ibpeueiv 'curare' sein. Für ein ebenfalls urver-
wandtes Wort halte ich abg. variti, predTrvariti 'antevertere';
wenigstens kenne ich kein Wort, aus dem dieses entlehnt sein
könnte.
vergo. — Bei Erwähnung von Mikkolas Etymologie für
lit. rankä, abg. rqka 'Hand', zu der Walde selbst keine Stellung
nimmt, wäre es am Platze gewesen, die ältere Verbindung
dieses Wortes mit lit. renkii rinkti 'auflesen, sammeln' gleich-
falls anzuführen, die doch mindestens ebensogut, ja m. E. un-
gleich besser ist, als Mikkolas Zusammenstellung mit aisl. rä,
aschwed. vrä 'Ecke', vgl. jetzt darüber die sehr einleuchtende
Abhandlung von Ufaszyn in Wörter und Sachen II, 200 ff. —
Statt der Schreibung werst wäre für das lettische Wort die ety-
mologische Schreibung werft am Platze, um eine Verwechslung
von wer fehl werfu icerft 'wenden, drehen' mit dem gleich-
bedeutenden icerschu uertu werst zu vermeiden. Die Bedeutung
'wenden, drehen' des erstgenannten Wortes, die von der Be-
deutung des lit. vergilt verzti 'schnüren, einengen, pressen' ab-
weicht, dürfte durch Assoziation an das zweitgenannte Wort
(= lit. vercziü vefsti 'wenden, kehren') hervorgerufen worden
sein, da beide Yerba im Infinitiv und Futurum lautlich zu-
sammenfallen; sie ist auch ins abgeleitete Verbum icerfet 'lenken,
wenden' (beruhend auf dem Präteritalstamm *verze- in lit. ver-
ziaü; ähnliches s. oben s. v. mamphur) gedrungen.
vescor. — Lett. tcesels (nicht vesels) 'gesund' dürfte im
Gegensatz zu dem entlehnten preuß. tvessals 'froh' wegen der
Bedeutungsdifferenz eher mit abg. veseh 'froh' urverwandt, als
aus dem Slavischen entlehnt sein.
vetus. — Statt vetuszas heißt das lit. Wort richtiger vetu-
szas; die Schreibung mit -e- bei KLD[ beruht auf einem Irrtum.
268 W. Frhr. v. d. Osten-Sacken,
Nesselmann, der für -6- meist -e- schreibt, hat 73a väuszas
(die Betonung natürlich unsicher) und desgleichen vetuszis *alter
Ochs', dessen -e- KLD[ ebenfalls fälschlich durch -e- widergibt.
Daß Nesselmann Kurschats Quelle war, ist zu ersehen daraus,
daß beide dasselbe Beispiel vitmza (KLD[ -e-) böha 'altes Weib'
anführen. Vgl. auch Leskien Nom. 599 über die Schreibung
der Worte. Ähnliche Fälle s. oben s. v. fiher und i)ecu.
viesco. — Lit. i-gyjü f-gyti 'erlangen, gewinnen' ist m. E.
ein Kompositum von gyjü gifti 'heil werden, aufleben, sich er-
holen', das zu lat. vivo 'lebe' usw. gehört, doch ist der bei
KLD angenommene Bedeutungseinfluß von selten von gdunu
gduH 'bekommen' sehr wenig überzeugend. Wenn wir vom
früheren Bedeutungszentrum 'ins Leben geraten' des Verbums
gyti ausgehen, dann können wir trotz der aktioneilen Ver-
schiedenheit erinnern an eine ähnliche Bedeutungsentwicklung
in russ. Mai/<& trs. 'erlangen, erwerben', z. B. wöi/<& sehe dosto-
jdnije 'sich ein Vermögen erwerben', nazith mnögo dSnegb 'viel
Geld verdienen' neben ziti intrs. 'leben'; vgl. auch im ähnlichen
Sinne das lit. Kompositum sugyv6nti zu gyvenü gyvenü in dem
dialektischen Satze: ir sugiväna ß vienu bernüku 'und sie gebar
(brachte zum Leben, erwarb, erzielte, bekam) ein Knäblein' bei
Doritsch Beiträge S. 75, Z. 18, der ebenda § 334 russischen
Einfluß annimmt. Das als Gegensatz zu nazith dienende j)roziU
'vertun, verprassen* kann auch im Deutschen durch verleben
übersetzt werden. Überhaupt werden Komposita von Intransi-
tiven, besonders von Inchoativverben nicht selten transitivisch
im Sinne von 'erlangen, erwerben' gebraucht, vgl. z. B. russ.
do-büdu do-bytb 'erhalten, erlangen, erwerben, gewinnen' zu
hvdu 'werde', byth 'sein', ursprünglich auch 'werden'; do-stäth
'erhalten, erlangen*, zu stath 'werden*, eigentlich 'sich hinstellen*;
nhd. bekommen zu kommen (engl, become 'werden*!); erstehen zu
stehen. Vielleicht kann man auch nhd. dial. etiraa angeworden
sein 'sich an etwas gewöhnt haben' (im Roman von E. von
Oertzen 'Sie und ihre Kinder', Berlin, Warneck, 1911, S. 82 f.,
88, 149 usw.) im Sinne von 'sich eine Gewohnheit zu eigen
gemacht haben* auffassen.
vllis. — Die Zusammenstellung von lit. Ptjliiti< (nicht ryliiis)
'Betrug, List' mit ags. teil 'Bedrängnis, Kümmernis, Not, Elend*,
ist nicht unbedenklich wegen der Unursprünglichkeit der litaui-
schen Länge, denn v0ms ist ein Nomen act. mit dem Vokalis-
Berichtigungen u. Ergänzungen zu Waldes Lat. Etym. Wörterbuch. 269
mus des Präteritums zu viliu vyliau vilti (= lett. iciVu unlu teilt)
*betrügeii', das zu der von Leskien Ah\. 354 behandelten Sippe
gehört, aus der jedoch die Worte in der Bedeutung 'hoffen,
vertrauen, Hoffnung' zu entfernen sind ; vgl. über sie vielmehr
Walde s. v. volo, velle. Da die Formen des Yerbums in den
Wörterbüchern usw. vielfach ungenau oder direkt falsch ange-
geben werden, muß ich meine Ansätze der finiten Formen recht-
fertigen. Das Präsens viliu habe ich entnommen aus Szvrwids
apwilu (Dict. 226 a s. v. omylam) und priwilu (235 a, 446 b s. v,
oszukitcam, zdradzam), deren -I- nach dem oben s. v. minus Ge-
sagten nur als -/'- gelesen werden kann, sowie aus apvlliu apvilti
^anlocken, verführen, betrügen' (hier Verweis auf das Simplex
vilti) und Iszviliu iszalti 'herauslocken, entlocken' bei Juskevic
{geschrieben -lu, da er die /-Laute in Szyrwidscher Weise unter-
scheidet; aus dem Zemaitischen führt er die auf dialektisches
*vilu weisende 3. Sing. iszi)t an). Nesselmanns 80a (nicht 86)
von Leskien a. a. 0. zitiertes Präsens diu (Ness. viliu; wegen
-II- s. oben caleo, vgl. auch derbiösus) ist seine schon bespro-
chene (oben mitius) nachlässige Wiedergabe der Szyrwidschen
Form ; er schreibt auch vylus für vylius, villöti für vüiöti 'be-
trügen, locken' usw. Leskiens Präteritum vylau dürfte ebenfalls
aus Nesselmann stammen, der die Form so schreibt; die Richtig-
keit von vyliau, die schon aus dem Präsens geschlossen werden
kann, bestätigt sich durch Leskiens 3. Sing. refl. vyles und durch
das iszvyliau (geschrieben isvylau) bei Juskevic. Die Wurzel
scheint als *ud- angesetzt werden zu müssen, vgl. preuß. po-tcela
'sie verrieten', lit. veltas 'unnütz, vergeblich' usw. Vielleicht
gehören die Worte zu der von Walde s. v. volvo behandelten
Wurzel idg. *uel- 'drehen' (vgl. nhd. die uorte verdrehen)^ zu
der auch lit v<ilai 'Schweifhaar des Pferdes', ai. väla-h^ vära-h
'Schweifhaar' gezogen werden können; die Verbindung der lezt-
genannten Worte mit lat. adüläre 'anwedeln' (Walde s. v. adülo)
läßt sich dann allerdings aus lautlichen Gründen schwer halten,
wenn auch semasiologisch adüläre sehr gut zu lit. viUi passen
würde. — An Entlehnung der baltischen Worte aus der Sippe
von russ. viljätb 'die Richtung ändern, wedeln, Winkelzüge
machen', poln. wüic, wiiowac 'verrückte, tolle Streiche machen*,
wilac 'wedeln', witosc 'Narrheit, Verrücktheit' wird man aus
morphologischen Gründen kaum denken können, eher an Ur-
verwandtschaft; doch befremdet dann die Länge des slavischen
Indogermanische Forschungen XXXUI. 18
270 W. Frhr. v. d. Osten-Sacken,
Wurzelvokals, die eher auf Ableitung vermittelst /-Suffixes von
der Wurzel von abg, viti 'winden* weist, vgl. lit. vglä *Draht*,
veliöti 'wickeln*, vylä 'Schwiele*, lett. tmle 'Saum* (Leskien Abi. 288^
Nom. 462).
vireo. — Wegen ksl. zirt 'pascuum*, lett dfiras Plur.
•Gelage' vgl. IF. 24, 241 Fn. 2.
viriae. — Dasselbe r-Formans wie in air. fiar 'schief,
ags. wir 'Metalldraht, gewundener Schmuck' usw. findet sich
auch in dem sicher zur selben Wurzel gehörigen lit j-vairtis
'tortuosus, mannigfaltig, verschiedenartig* (Leskien Nom. 442,
Juskeviö jvairüs 'außergewöhnlich, sonderbar, verschiedenartig',
in der Literatur und in den modernen Dialekten häufiges Wort) ;
wegen der anklingenden lit vyrius 'Strudel', atvyrs 'Gegenstrom',
ksl. OTT» 'Strudel' vgl. IF. 24, 241 Fn. 2.
ulva. — Sloven. Idva 'tiefe, sumpfige Stelle neben einem
Flusse oder in einem eingetrockneten Flußbette' wird von Berneker
s. V. Idva 2. als Lehnwort aus nhd. dial. kämt laiie 'kleine Lache*
aufgefaßt.
nmbra. — - Das aus Szyrwid stammende lit unksna 'Schatten'
muß ohne Akzent geschrieben werden; das ü- bei KLD[ beruht
auf Willkür.
ünus. — Wegen des v- in lit. vSnas 'unus' hätte Brug-
manns Erklärung Demonstrativpronomina 110 zitiert werden
müssen, da es sonst dem Leser rätselhaft erscheinen muß. Ich
möchte allerdings Brugmanns Ansicht etwas modifizieren, da
ich an lit ß aus oi, df/, 9i nicht glauben kann (s. auch oben
s. v. pinus Fn.), und zwar zerlege ich das Wort in *ue- (oder
*ue-)-\-*ino-8 und sehe in dem *ui- eine Ablautstufe zu dem u-
in lett winsch, tvina *er, sie*, das Brugmann auch in vSnas sehen
will, vgl. lat. ve- in vescor, ve in vßcors usw. (s. Walde sub verbis);
der Stamm *ino- bedarf, da er in abg. jedhm *unus' (ähnlich
auch lett. winsch) klar zutage tritt, keiner Erklärung. — Was
slav. im 'unus, alius* (wegen der Formen s. Berneker s. v.) an-
betrifft, so zweifle ich wegen der westslavischen Verhältnisse
daran, daß man mit dem urslavischen Ansätze *»«» für alle
Fälle auskommt Öech.Jmy 'alius* scheint mir wegen ^'d'u 'gehe*
aus *bdq und wegen hra, &\tjhra aus *hgra (noch viele andere ähn-
liche Beispiele) auf urslav. *im resp. *jim hinzuweisen [vgl. Idg.
Jhb. 1, 184. K.-N.J; ähnlich ist es auch in den übrigen westslav.
Sprachen. Nur im Russ. und Südslav. kann man i-, J»-, >-, jh-
Berichtigungen u. Ergänzungen zu Waldes Lat. Etym. Wörterbuch. 271
im absoluten Anlaut überhaupt nicht mehr auseinanderhalten.
In unserem Falle liegen nun zwar in solchen adverbiellen Ver-
bindungen wie abg. vynq^ imnq 'in einem fort', otmqdd *öid TravToc,
eic TÖ TiavTtXec' Formen eines unkoraponierten *bm vor; es muß
aber m. E. außer dem Kompositum *ed-bm noch irgend ein
anderes längeres Wort existiert haben, das das Simplex *hm
teils verdrängt hat, teils lautlich mit ihm zusammengefallen ist.
Wenn wir annehmen wollen, daß dieses längere Wort zunächst
nur 'alius' bedeutet hat, so können wir es als *ßm aus *ioino-s
auffassen und dem got. jains 'jener' gleichsetzen. Näher liegt
aber doch wohl die Auffassung des Wortes als eines Komposi-
tums von hm. Das erste Kompositionsglied könnte dann, je
nachdem man die Form als urslav. *im oder *jim> auffaßt, e-,
ie- oder io- gewesen sein. Soweit ich mich aus Bernekers Ar-
tikeln s. V. e, ede, edbm, i- (in i-ie\ jed{t)va usw. überzeugen
kann, scheinen Komposita mit Formen des Pronominalstammes
*e- I *o- im Slavischen häufiger zu sein, als solche mit Formen
des Stammes *ie- \ *io-^ und so halte ich Zerlegung von im in
*e -f *bm für das Wahrscheinlichste. Wenn *e- die in griech.
e-KCivoc 'jener', lat. e-quidem 'allerdings, fürwahr' belegte Partikel
oder die bloße Stammform ist, kann man *e-hm als ein Reim-
wort zu lit. vSnas aus *ve-inas auffassen (dasselbe wäre auch
bei *je-bm der Fall). Anderseits wäre es denkbar, in slav. *e-
die jüngere Form desselben Nom. Akk. Sing. *ed- zu sehen, der
in *ed-bm in der älteren Lautgestalt vorliegt.
vola. — Zu lit. gdunu gäuti 'erhalten, bekommen' scheinen
auch lit. güms 'gewandt, geschickt, klug, pfiffig', giidrüs 'schlau,
klug' zu gehören, vgl. oben s. v. vafer. Schwierigkeit bereitet
aber mndd. gauice, gouwe 'rasch, schnell, der rasch begreift, klug',
das an sich vortrefflich zu der litauischen Sippe stimmen würde,
aber mit griech. ^TTun 'Bürgschaft', ^xTuduj 'einhändige' lautlich
nicht zu vereinigen ist; besser passen würde air. gäu^ gö 'Un-
richtiges, Lüge', das Walde aber zu lat. haud 'eben nicht, gerade
nicht' (s. v. haud) zu stellen geneigt ist. Auch ein Zusammen-
hang des germanischen Wortes mit dem keltischen Worte kann
nicht ohne weiteres angenommen werden, solange in keinem
der beiden Sprachzweige semasiologische Zwischenstufen bekannt
sind. — Lies güwejs (lett.) statt güwejs. — Aus dem Slavischen
könnte man ksl. ogymati, pogymati 'betasten, streicheln' (von
Bemeker s. v. gymajg als dunkel bezeichnet; wohl Denominativ
18*
272 K. Brugmann,
Ton einem Abstraktum *gyma Mas Anfassen*) zu lit. gäidi usw.
stellen; oder ist es ein formales Iterativ zu einem dem lett.
gumstu gumt 'überfallen, sich auf einen senken' (Walde s.v. gemo)
entsprechenden Verbum?
volo, velle. — Lit. reZ?/<»* wünschen, gönnen, anraten* ist wohl
entlehnt aus klruss. vel'Uy ds. (Brückner Lit.-Slav. Studien 1, 152).
— Statt wilüs ist viliüs (lit. 'hoffe') zu schreiben, vgl. bei Szyrwid
Dict. 162 b, 347 b, 375 a wiluofi s. v, nadziejemam^ spodziewamsie,
tiisze^ und in Punktay Sakimu S. 123, Z. 19 die 3. Pers. wilafi mit
graphischem -l- für -Z'; die Schreibung vilüs bei KLD[ beruht
auf Nesselraanns (S. 80 a) wilüs, dessen -l- ebenso zu erklären
ist wie dasjenige in mailus vylus usw. (s. oben minus und vilis).
Der Infinitiv ist von Leskien Abi. 354 richtig als viltis ange-
gesetzt, vgl. bei Szjrwid 347 b das Part, praes. pass. wittas s. v.
spodziany. — Als mögliche litauische Verwandte von lat. volo usw.
möchte ich noch pri-valaü pri-valyti 'bedürfen', pri-vcdüs 'nötig*,
pry-vole, prS-vok 'Bedürfnis' vorschlagen ; wenigstens lassen sich
diese Worte kaum mit valaü valyti 'reinigen, reinigend fort-
schaffen, reinigend einbringen' vereinigen.
voltus. — Lett. lüiltus 'Betrug* gehört zu icü'u toilt 'be-
trügen*; s. über dieses oben s. v. vilis. — Lies viresb (russ.)
statt veresb.
vomo. — Statt vemalaiWes p^inafer(lit.'Gespienes'). Bei KLD
ist der ungebräuchliche Singular vSmalas richtig geschrieben;
beim Plural steht infolge eines Druckfehlers -e-. — Vielleicht
gehört zu lit. v^mti 'erbrechen' mit Ablaut lit. isz-vomSju isz-romSti
'sich verflüchtigen' (von der Wärme, von Gasen) bei Juskeviö.
upvtun. — Die Form verigy (abg.) ist, um Mißverständnisse
zu vermeiden, als Plural zu bezeichnen.
Mitau. W. Frhr. v, d. Osten-Sacken.
Der gotische Genitiyus PInralls anf -e.
In allen indogermanischen Sprachen, d^ie in ihrer histo-
rischen Entwicklungsperiode noch die Verschiecieriheit der ur-
indogermanischen Vokalqualitäten e : ö erkennen lassen, weist
die auf uridg. -m ausgehende Form des pluralischen Oenitivs
Der gotische Genitivus Pluralis auf -e. 273
der sämtlichen nominalen und pronominalen Stammklassen auf
lirindogermanischen Ausgang -öwi, genauer -öfh (mit Schleifton),
hin: griech. -ijuv, lat. -om -um^ osk. -um -om^ ir. -a w-, ahd. as.
-0 ags. -a aisl. -a, lit. -ü (-ft), aksl. -j. Nur das Gotische weicht
ab. Es hat zwar in einigen Stammklassen -ö, das ebenfalls aus
*-öm hervorgegangen, und das auf Feminina beschränkt ist,
z, B. tuggönöi manageinö, gibö, pizö, hlindaizö^ daneben aber den
Ausgang -e, der nach den bis jetzt sicher erkannten Lautände-
rungsregeln in keiner der in Betracht kommenden Deklinations-
klassen auf *-öm zuriickführbar ist. Meist sind es Maskulina
oder Neutra, die -e haben, wie dage^ tcaürde, aüane, hahiatie^
suniwe, gaste, ßize, blindaize; Feminina auf -e sind z. B. qene.
mähte, baürge (daneben Dat. Plur. qenim, mahtim, batirgim).
Der Gedanke lag nahe und wurde in früheren Zeiten
wiederholt geäußert, das Gotische habe in dem -e ein urindo-
germanisches *-em bewahrt das sich zu *-öm ebenso verhalte,
wie bei den o-Stämmen im Instrumentalis Sing, der Ausgang
-e zum Ausgang -ö und im Ablativus Sing, der Ausgang -ed
zum Ausgang -öd. Es mußte dabei jedoch befremden, daß unter
allen indogermanischen Sprachen, auch unter allen germanischen
Dialekten einzig und allein das Gotische diese #-Variante er-
halten haben sollte '). Einen nur schwachen An- und Rückhalt
konnte gewähren, daß ja vielleicht auch der arische Ausgang
-am nicht bloß vorarisches *-öm, sondern teilweise *-m, ja daß
er vielleicht in allen Stammkategorien *-em fortsetze. Aber
auch noch anderes muß befremdlich erscheinen, wenn man an-
nimmt, die gotische Doppelheit -ö : -e sei eine urindogermanische
Doppelheit gewesen. Die gotischen -e und -ö stehen ja nicht
so nebeneinander, wie sonst die urindogermanische qualitative
Verschiedenheit e: 6 in den flexivischen Ausgängen von Kasus-
systemen verteilt erscheint Daß Verschiebungen etwa durch
Kücksicht auf das Genus hervorgerufen worden seien, ist
nicht gut denkbar. Denn wenn auch -ö nur bei Feminina
auftritt, warum heißt es qene, mähte, baürge? Das Problem
kompliziert sich aber noch dadurch, daß zugleich erklärt
werden müßte, warum es qeni, mähte und nicht *qenje, *niahtje,
1) Kögels Versuch, die gotische Zweiheit -o und -e auch im West-
germanischen nachzuweisen (PBrB. 14, 114), ist mißglückt, s. van Heilen
PBrB. 17, 571.
274 K. Brugmann,
ebenso bei den maskulinischen /-Stämmen gaste und nicht
*gastje heißt*).
Bei dieser Sachlage ist nicht zu verwundern, daß man
wiederholt auch versucht hat das -e als eine speziell gotische
Fortentwicklung des aus dem uridg. *-öm entstandenen urgerm.
*-ön begreiflich zu macheu. Auf verschiedenen Wegen ist das
geschehen. Osthoff meinte {Morph. Unt. 1, 240 ff.), in den
Formen wie harje^ kunje^ halrdje sei -ö durch Einwirkung des
vorausgehenden j zu -e geworden, und hiernach habe man dann
auch dage^ attane, qene usw. gesprochen. Diesen Lautwandel
wahrscheinlich zu machen, ist ihm aber nicht gelungen, und
er hat selbst später diese Deutung wieder aufgegeben. Weniger
leicht widerlegbar, aber auch nicht glaubhaft erscheint die Ver-
mutung van Heltens (PBrB. 17, 570 ff.), bei den Maskulina und
Neutra der o-Deklination habe das e des alten Ausgangs des
Genitivus Sing. *-esQ (got. -is) analogisch das -ö des pluralischen
Kasus sich zu -e umfärben lassen, und nach dage u. dgl. h^be
man darauf attane, ßriß usw. für *attanö, *ßnjö usw. geschaffen.
Beide Vermutungen, die Osthoffs und die van Heltens, sind um
so weniger befriedigend, als man nicht sieht, auf Grund wovon bei
diesen Ausgangspunkten des -e der Gote zu den feraininischen
Formen wie qene, mähte, haürge sollte gekommen sein. Vgl. zu
diesen Deutungsversuchen Streitberg Urgerm. Gramm. 231 f. und
die hier zitierte Literatur, ferner noch Bethge bei Dieter Laut-
u. Formenl. 545, Verf. K. vergl. Gramm. 394, Grundr. 2«, 2, 238 f.,
Wilmanns Deutsche Gramm. 3, 2, 323. 326.
Muß denn aber unser -e morphologisch unter allen Um-
ständen von jeher der Ausgang eines 'Genitivus Plur.' gewesen
sein? Es gibt in den indogermanischen Sprachen genug Fälle,
wo neben eine altüberkoramene Kasusform eine formantisch
ihr fremde, aber im Gebrauch ihr verwandte, mit ihr sich teil-
weise, in einer engeren oder weiteren Sphäre berührende Form
in der Weise gestellt hat, daß sie sich mit der Zeit mit ihr
synkretistisch verband, d. h. auch über ihren eigenen ursprüng-
lichen Gebrauchsbereich hinaus ihr gleichwertig wurde und sie
teilweise oder ganz verdrängte.
2) Niemand wird glauben, in qeni, mähte, gaste, baürgi habe sich
der e- farbige Ausgang eihalten im Banne des palalalen Vokals in der
Schlußsilbe andrer Pluralkasus: qeneie qenim qinins, mahteia mahtim
mahtina, gasteia gastim gaatina, batirgim (vgl. laiaeind neben Nom. laiaei-
nöa, aber Dat. laiaeim'm, Akk. laiaetnttia).
Der gotische Genitivus Pluralis auf -e. 275
Im Griechischen z. B. wurden die Formen auf -cpi (crpa-
TÖcpi, vaöcpi usw.) zu Lokativen und Ablativen des Singulars
wie des Plurals, die ursprünglich nur ablativischen Formen
€^e6ev, ceOev zu Genitiven. Was wir im Lateinischen und im
Keltischen den Genitivus Sing, der o-Stämrae nennen, die For-
mation auf -z, wie lat. lupi^ gall. Segomarl^ war (wie Wackernagel
gezeigt hat, M61anges F. de Saussure 123 ff.) ursprünglich eine
nominale Flexionsform, die ad verbal verwendet wurde, wenn
man ausdrücken wollte 'in den Bereich, die Kategorie des
betreffendenden Nominalbegriffs bringen, versetzen, umsetzen'
u. dgl. (ai. vaM kar- *in seine Gewalt bringen*, zu väsa-h 'Gewalt*,
lat. lucri facere) ; das -i hing stofflich vermutlich mit dem stamm-
bildenden Formans -io- zusammen (vgl. ai. mati kar- zu matyä-m^
alat, fili^) zu filius). In jenen beiden westeuropäischen Sprachen
«roberte dann diese f-Form das gesamte Gebiet des 'Genitivs',
wobei sie am spätesten adnominal (deiis lupi) geworden sein
wird. Umgekehrt haben in andern Sprachzweigen die s-Forma-
tionen {-sio -so^ -es -os -s) des Genitivus Sing, die Funktion des
alten f-Kasus mit übernommen, z. B. griech. ttoXXoö TToieic6ai
für lat. multi facere. Vgl. Verf. Grundr. 2^, 2, 569 f.
Ich vetweise ferner darauf, daß im Arischen und wahr-
scheinlich auch im Germanischen beim Personalpronomen Formen
des Nom.-Akk. Neutr. des zugehörigen Possessivums als Genitiv
des Personale gebraucht werden, d. h. mit den nominalen Ge-
nitivformen syntaktisch gleichwertig geworden sind. Die als
Genitiv zu ai. vaydm 'wir' yüyäm 'ihr', aw. vaim yüs yiihm^
apers. myam fungierenden Formen ai. asmäkam, ytismdkam^ aw.
ahmäkam yüsmäkam (gthaw. xsmäkdm\ apers. amäxam sowie aw.
Du. yaväkam (für *yHväkdm) waren, woran wohl niemand mehr
zweifelt, der Nom.-Akk. Sing. Neutr. der Possessiva ai. asmäka-h
'noster' usw. 2). Diese Neutra, die in gleicher Weise substan-
tivisch gedacht waren wie der Grieche tö €|i6v für efiu u. dgl.
gebrauchte, sind im prädikativen Satzteil zu ihrer Geltung als
1) Daß filf aus urlat. */"»?»» kontrahiert sei, ist nicht nachzuweisen.
2) Dem aw. t/aväkam steht ai. yuväku (zu yuvdm 'ihr beide') gegen-
über ; daneben als Possessivum yucdku-h 'euch beiden gehörig'. Ich lasse
es unentschieden, ob das entwicklungsgeschichtliche Verhältnis hier das-
selbe gewesen ist wie bei asmdkam : asmäka-li, oder ob yuväku die geschicht-
liche Priorität vor dem Adjektiv yuväku-h gehabt hat. Das letztere könnte
ja leicht erst nach dem Muster von asmäka-fy usw. hinzugekommen sein.
276 K. Brugmann,
'Genitiv' gelangt; z. B, RV. 4, 22, 10 asmäkam it sü Sftiuhi tvdnr
indra *auf uns, o Indra, höre' A^ar nach dem ursprünglichen
Sinn der Pronominalform 'unsriges höre' und RV. 1, 7, 10 =
1, 18, 10 asmäkam asfu *uns sei er (Indra) eigen, f]\jL(bv Ictuj"
ursprünglich 'unsriges sei er'. Ygl. Delbrück Altind. Synt. 204,.
Vergl. Sjnt. 1, 476. Ebenso erscheinen auch im germanischen
Sprachzweig Kasus des substantivierten Neuti'ums der Possessiva
in der Funktion des Genitivs der Personalia selbst. Meiner
Ansicht nach mit Recht betrachtet man dabei als Nora.-Akk,
und zwar als Pluralformen got. meina, ßeina, unsara, izwara^
*ugkara, igqara, seina, ferner als Plural- oder Singularformen
die westgermanischen Formen wie as. min,, rf?'«, sin, üser, euwar
{iuwer\ während endlich die aisl. min^ pin, sin, vdr, yd{u)ar da-
rum dem Singular zuzuweisen sind, weil vdr (zum Adjektiv
värr *noster' gehörig) wegen des fehlenden ?/-Umlauts nicht als^
Nom.-Akk. Plur. Neutr. gelten darf. Ist diese Auffassung die
richtige^), so entspricht der Wechsel zwischen Plural- und
Singularform der griechischen Doppelheit xd e/id und xö e|iöv
für Itiw. Zum pluralischeu Nom.-Akk. ist zu vergleichen der-
selbe Numerus anderer substantivierter Neutra von Adjektiva,
wie Joh. 17, 10 jah meitia alla peina sind jah peina meitia Vai
xd i\iä TTttvxa cd icuv Kai xd cd ^)id', Phil. 2, 4 pö seina harßzuh
mitöndans *xd 4auxu)v eKocxoc CKOTtoövxec', Joh. S, 44 pan rödeip
liugn, US seinaim rödeip *öxav \aXrj xö ipeöboc, ^k xüüv ibiuiv
XaXei', Mk. 9, 12 Hellas qimands faürpis aftra gahöteip alla
*'H\iac eXOujv Trpiijxov dTT0Ka9icxa Tidvxa'. Dieselben griechischen
pluralischen Neutra übersetzt Wulfila freilich auch durch
Singulare, z. B. Luk. 15, 31 jah all pata mein pein ist 'koi rrdvxa
xd i\xö. cd kxiv', 1. Kor. 13, 5 frijaPiva ... ni sökeip sein ain
'f) d^dTTri ... Ol» lr]T€\ xd ^auxfic', M. 8, 33 gataihun all '&nr\-\'ivXa.y
1) Die ostnord. värra (später vära), ipra, sina sind nach Noreen
Gesch. der nord. Sprachen ' 179 nach sonstigen Pluralgenitiven auf -a
umgestaltet. (Der Antrieb zu dieser Neuerung war derselbe, der im Latei-
nischen neben die als Genitiv zu nö«, vOs fungierenden nostrum, vestrum
die Formen noatrOrum, veströrum und im Neuhochdeutschen neben die
als Genitiv zu wir, ihr fungierenden unser, euer die Formen utisrer,
eurer [vgl. derer, ihrer] treten ließ.) Solches sina. zunächst nur auf ein
pluralisches Subjekt bezogen, ist, da man beim Ueflexivum die Numeri
nicht schied, im Altgutnischen auch singularisch gebraucht worden und
hat im Altnorwegischen (Runeninschr.) analogisch die Form pina statt
p4u hervorgerufen.
Der gotische Genitivus Pluralis auf -e. 277
TrdvTa', und deshalb hält man den gotischen Plural für einen
Gräzismus. Immerhin darf man aber annehmen, daß Wulfila
bei dieser Wahl des Plurals nicht völlig gegen Geist und Alltags-
gebrauch des Gotischen verstoßen hat^). Was weiter den Kasus,
den Nora.-Akk., betrifft so sagt Bethge, der die Auffassung
der 'Genitive' got. meina usw. als neutrale Nominativi-Akkusa-
tivi vertritt-), darüber folgendes in Dieters Laut- u. Formenl.
S. 551 f.: "Diese Verwendung gerade des Akkusativs, den wir
— abweichend von den lautlich unmöglichen Erklärungen
anderer — in diesen Formen erblicken, erklärt sich sehr ein-
fach aus Fällen wie got ßeitm {igqara) ni Parf 1. Kor. 12, 21,
peina niutau Philem. 20, fraisai iztcara 1. Kor. 7, 5, gairnjandans
(allaize) izwara Phil. 2, 26. 2. Kor. 9, 14, freidjands iztcara 2. Kor.
I, 23. Wie leicht hätten sich im Gotischen aus Konstruktionen
wie allata mein yamunandans sijup [rravTa |aou )üie|üivricee] 1. Kor.
II, 2 auch die singularischen Akkusative mein usw. zu Genitiven
der Personalia entwickeln können I" Die hier von Bethge zur
Illustration gegebenen Beispiele sind vielleicht nicht glücklich
gewählt Ich möchte mich allgemeiner so ausdrücken: Manche
Verba transitiva nehmen von urindogermanischer Zeit her als
Objekt sowohl den Akkusativ als auch den Genitiv zu sich,
oder es wechseln bei Intransitiva und Passiva der Nominativ
und der Genitiv, wobei der Genitiv mehr den Bereich, wozu
eine Sache gehört, als die Sache selbst meint Da nun die
substantivierten Neutra der Possessiva an sich schon gerade
den Bereich, die Sphäre bedeuten, so war das Bedürfnis, hier
die Genitivkonstruktion anzuwenden, kaum vorhanden, jedenfalls
bei weitem nicht in dem Maß wie bei den Personalia selbst,
und diese neutralen Substantiva im Akkusativ oder Nominativ
konnten vielfach leicht syntaktisch als geradezu gleichwertig
mit den Genitivformen erscheinen, die man sonst in denselben
Fällen gebrauchte. Als nun im Germanischen, schon in ur-
1) Der adverbiale Gen. Plur. bisttnjane 'kükXiu, ringsum', ursprüng-
lich 'circumiacentium', ist wohl als Gen. zum Nom. *bisunjans, nicht zum
Nom. *bisunjöna zu betrachten. Eher mag simle 'ttot^, einst, vordem'
(vgl. ahd. simbles, eines, niuwes, Grdr. 2 *, 2, 695) Neutrum gewesen sein.
Oder war es Abkürzung von *simle dage 'einstiger Tage' (vgl. mhd. kurzer
tage, frühnhd. verwichener tage u. dgl.), wobei das Adjektiv noch die rein
nominale Flexionsendung aufwiese? Was war sware ursprünglich?
2) Anders, aber mich nicht überzeugend, Walde Germ. Anslautges.
91 f., Janko IF. Anz. 15, 253.
278 K. Brugmann,
germanischer Zeit, die Genitivkonstruktionen im allgemeinen
an Ausdehnung gewannen, blieben die Personalpronomina daran
unbeteiligt, weil hier der Nora.-Akk. N. der Possessiva bereits
als Regel sich festgesetzt hatte, z. B. bei den Verba des äußern
und des Innern Sinnes ('hören' usw.). Die substantivierten
Neutra blieben nur ausgeschlossen bei den Verba wisan und
watrßan^hei denen man das adjektivische Possessivum gebrauchte,
wie z. B. got. Luk. 15, 31 jah all ßata mein ßein ist (dagegen ai.
<ismäkam astu *uns sei er [Indra] eigen*, oben S. 276)'). Daß
im Nordischen die substantivierten Possessiva auch Genitivform
annahmen, war, wie wir S. 276 Fußn. 1 sahen, nur eine sekun-
däre und mehr nur äußerliche Angleichung an die Konstruktion
der nominalen Substantiva, wozu man außer den a. a. 0. in
Parallele gestellten lat. nostrorum^ vestrorum und nhd. unsrer^
eurer noch hom. eic fDneiepou ß 55 für eic rnLietepov (vgl. fmtTepöv
öe) vergleiche, das durch eic e|LioO, ec ceuuuTOÖ, eic Aiöao, ctvbpöc
ec dqpveioö u. dgl. hervorgerufen worden ist (Brugmann-Thumb
Oriech. Gramm.* 475). — Nach ihrer Erstarrung mußten die
Formen aisl. min pin^ as. min thin^ got. meitm peina naturgemäß
als Genitivi Singularis erscheinen (z. B. got. nist meina wairps
M. 10, 37 wie wairPs ist mizdöns seinaizös Luk. 10, 7), dagegen
die Formen aisl. vdr yd(u)ar^ as. üser iuwer, got. unsara izwara,
ai. asmdkam yu$mäkam als Genitivi Pluralis (z. B. hilj) unsara
Mk. 9, 22 wie hilpan ize Luk. 5, 7). Wenn dabei die flexivisch
singularischen aisl. vdr yd{u)ar^ ai. asmdkam yusmäkam im Sprach-
gefühl mit den pluralischen Genitiven der Nomina auf gleiche
Linie gekommen sind, so ist das dieselbe Erscheinung, wie die
gotische Verbindung Nom. pai fadrein Akk. pans fadrein 'die
Eltern' und ähnliches, was ich Grundr. 2*, 2, 443 ff. zusam-
mengestellt habe*).
Sind wir mit unserer Annahme, daß der got. Gen. Plur.
auf -e ursprünglich kein Gen. Plur. gewesen sei, auf dem richtigen
"Weg, so ist weiter noch auf den armenischen Gen. Plur. auf
1) In 2. Kor. 2, 3 gatrauands in allaim izwis, ßatei meina fahepa
allaize iztvara ist 'ireiroiBüjc i-nx TrdvTac üfiäc öti ^ ^m>^ xopö irdvTiuv
ömliv ^CTiv' ist izwara zwar als 'Genitiv' zu fassen, aber dieser ist durch
das vorausgehende allaize hervor^^erufen.
2) Vgl. außerdem das dem pai fadrein genau entsprechende mantin.
T(i Toic FoiKidrqi 'mit den Sklaven', da darin das KoUektivum ä Fo»ki6(t5
'Hausgenossenschaft, Sklavenschaft' vorliegt (R. Meister Ber. d. sächs. Ges.
d.Wi8s. 1911 S. 204).
Der gotische Genitivus Pluralis auf -e. 279
-€ zu verweisen, die nominalen Formen wie mard^p, amaf^ srtip^
zarduf^ anjatif, marp und die pronominalen wie orop, ahif^ nop-
in. Dieses -p, das zugleich für den Dat. Abi. Plur. gilt, kann
natürlich nicht aus -öm entstanden sein, überhaupt nicht aus
einem der rekonstruierbaren uridg. Ausgänge pluralischer Kasus.
Man sieht darin mit Recht, wie mir scheint, das sekundäre,
adjektivbildende N^ominalformans -sko-^ und so gehen die Formen
auf -p wahrecheinlich auf substantivierte singularische Neutra
zurück, die einen kollektiven Sinn hatten nach der Art von
gi'iech. iTTTTiKOv 'Reiterei', cu)Li|LiaxiKÖv 'Bundesgenossenschaft*, ahd.
chindahi 'Kinderschar', aganahi 'Spreuhaufen', hiiciski 'Haus-
genossenschaft', gumUgi 'senatores', ags. tnenenc 'Menschheit' u. a.
Welcher Kasus in dieser Formation auf -p steckt, bleibt freilich
unklar. Doch läßt sich wolü nur an den Nominativ- Akkusativ^)
oder an den Ablativ denken. Zunächst waren es nur wenige,
isolierte Formen auf -(?, die mit den alten pluralischen Gen.-
Abl.-Dai gleichbedeutend wurden. Von ihnen aus trat der
Ausgang auf Wörter der verschiedensten Art der Stammbildung
über. Vgl. Grundr. 2 2, 2, 240 und die hier zitierte Literatur.
Ein ähnlicher Ursprung läßt sich nun, wie es scheint, auch
für unsern got. Gen. Plur. auf -e annehmen, indem man darin
den Nom.-Akk. Sing. N. einer sekundären Adjektivbüdung auf
-ej'o-, also Formen auf ursprüngliches *-eio-m sieht. Danach wäre
z. B. harne ursprünglich 'Kindliches', qem 'Weibliches' gewesen,
und die syntaktische Entwicklung wäre im wesentlichen die-
selbe gewesen wie die, durch die der Nom.-Akk. der substan-
tivierten Neutra aisl. vär as. User got tmsara usw. zu Gen. Plur.
geworden sind. Den ^^nstoß dazu, daß die Formen bei ihrer
syntaktischen Umwertung dem Genitiv des Plurals, nicht des
Singulars angeschlossen wurden, hat der Umstand gegeben, daß
Formen, deren Sinn ein kollektiver war, die Führung hatten,
wie das ja auch für die armen. Pluralgenitive auf -p ange-
nommen werden muß, wenn ihr Ursprung oben richtig bestimmt
worden ist. Ihre älteste Stelle hatten die e-Formen in Fügungen
von der Art der folgenden. Mk. 8, 12 qap : ha pata kuni taikn
sokeiß? amen, qipa izwis: jabai gibaidau kunja ßamma taikne
'Xexer xi n xeved a\m\ aiiieiov ImZlnTei; d|Lirjv Xcti« u|liTv, ei boOri-
1) An den Nominativ -Akkusativ unter der von Meillet und Pedersen
vertretenen Annahme, daß der ursprüngliche Ausgang -om lautgesetzlich
ganz geschwunden ist; vgl. het 'Fußspur' = a.i. padd-m.
280 K. Brugmann,
cera» rrj fevea xamx} cnMciov', Joh. 6, 26 matidedtip pize hlaibe
*€(pdYeT€ CK Tüüv apTuuv'. In negativen Sätzen, z. B. Luk. 1, 7
jah ni was im harne Vai ouk i^v auToic tckvov', Mk. 12, 19
jahai . . . harne ni Uleipai *^dv . . . reKva |mi dqprj' (vgl. Streit-
berg IF. 18, 403). Bei wisan, z. B. Joh. 18, 17 ibai jah Pii pize
sipönje is? Vn ^ai cu gk tujv |Lia9r|TÜüv ei;' Bei Yerba des
Hörens u. dgl, z. B. Joh. 7, 40 hamjanduns pize waürde 'okou-
caviec TUJV Xotujv'. Mit all : all bagme 'rrdv bevbpov'.
Lautliche Schwierigkeiten sind für die Zurückführung auf
urgerra. *-eian kaum vorhanden. Für frühen Wegfall von -an
vgl. z. B. die Infinitive wie walrpan = ai. vdrtanam. Daß nicht
-ai als Ausgang erscheint, wie qenai aus *qenei^ erklärt sich
daraus, daß, als *-ei zu -ai wurde, der Ausgang *-eian noch
zweisilbig, sein -ei- demnach noch nicht tautosyllabisch war.
Daß in dem aus *-eian entstandenen *-ei schließlich noch das
/ verklang, ist phonetisch wohlbegreiflich. Eventuell kommt
dabei die got. Fortsetzung von urgerm. sogenanntem e^ in Be-
tracht (got. Äe/', fera\ welches ja mit großer Wahrscheinlichkeit
auf den Langdiphthong ei zurückgeführt wird^).
Daß die maskulinischen und die femininischen «-Stämme
gleicherweise -e haben, wie gaste^ qene, mähte, läßt vermuten,
daß bei diesen Stämmen -e altansässig gewesen ist; wir kämen
also zunächst hier zu dem Ansatz von alten Adjektivstämmen
wie *gasteia-, *mahteia-. Bei den o-Stämmen, von denen einige
ebenfalls Adjektiva auf -eia- neben sich haben mochten, be-
förderte die Ausbreitung des -e für -ö der Umstand, daß beim
Nebeneinander eines o- und eines ö-Stamms der neue Genitiv
eine Scheidung nach dem Geschlecht ermöglichte: daüraward^
*der Türhüter', daürawardö *der Türhüterinnen**). Von da aus
kam man weiter zu pize neben pizö, garaznane neben garaznönö
usw. Wenn dabei die Feminina wie gihö, daürauxirdö das alte
-ö festhielten, so geschah das zugleich unter dem Schutz, den
diese Vokalqualität an dem -ö- der andern Kasus {gihOs, gihöm)
hatte, und gihö, daürawardö usw. dienten dann zugleich wiederum
zum Schutz von garaznönö, qinönö usw.
1) Daß für got. e = urgerm. c * die Schreibung ei fehlt, hält Streitberg
Elem. ' S. 71 für Zufall. Im Gen. Plur. erscheint ei z. B. in dalei Luk. H, 5.
2) Die ä-Feminina hatten damals noch nicht in dem Umfang, wie
es im historischen Gotisch der Fall war, schwache Flexion bekommon
inipjd 'i\ cu'nfvi'ic* neben nißjis 'b cufT^vt'ic' u. a.).
Der gotische Genitivus Pluralis auf -e. 281
Daß, bei diesem Ursprung, die Formation auf -e, nach-
dem sie einmal zu der Funktion als Gen. Plur. gekommen war,
von dem ganzen Forraensjstem, dessen Glied sie gewesen war,
allein übrig geblieben wäre und in der neuen Funktion weit
über ihren anfänglichen Bereich hinaus um sich gegriffen hätte,
darf nicht auffallen. Erstens kommt es ja auch sonst öfters vor,
daß eine Flexionsform einer bestimmten Stammklasse, wenn sie
einen neuen syntaktisch-semantischen AVert und Charakter be-
kommt, sich isoliert und in der neuen Verwendung in höherem
Maße produktiv wird. Das zeigt sich z. B. überall bei Kasus
von Nomina actionis, die zu 'Infinitiven' umgewertet werden:
sie geben nunmehr in der neuen Funktion das Muster für zahl-
reiche Neuschöpfungen ab, z. B. got. wairpan, fraihnan^ rinnan,
ßriskan usw., osk. acum^ deicum^ menvum, moltaum, fatiura
usw., lat agi, posci, flectl, sterni usw. Oder bei Kasus von Nomina
und Fronomina, die zu 'Adverbien' umgeAvertet wurden, z. B.
griech. 'lc9|ioi, KikuvvoT, ttoi, iravTaxoT, eviauGoT u. a. ; auioö, ttoö,
QTXOÖ, Travxaxoö, uvpoö u. a. ; KaXujc, oütuuc, ttüjc, caqpoic, öia-
(pepövTUJc u. a. So setzt ja auch das durch alle Stammklassen
durchgeführte armen. Kasuszeichen -f?, was auch immer sein
Ursprung gewesen sein mag, eine mächtige analogische Aus-
breitung in der ihm nicht von Haus aus innewohnenden Be-
deutung voraus. Und zweitens darf man annehmen, daß, nach-
dem einmal Formen auf -e den Wert der Formen auf -ö be-
kommen hatten, sie den Sprechenden den Eindruck auch formaler
Gleichartigkeit mit den Formen auf -ö machten. Man empfand
nunmehr nur noch diejenige Verschiedenheit zwischen den beiden
Ausgängen, die der Grammatiker als qualitativen Ablaut (Abtö-
nung) bezeichnet.
Nun aber die Hauptfrage: wo sollen die vorausgesetzten
denominativen Adjektivaauf *-eio-s morphologisch unterkommen?
In unserer Überlieferung des Gotischen selbst sind solche von
Nomina abgeleitete g/o- Stämme nicht mehr vorhanden. Das
wäre dann derselbe Fall, wie daß das Gotische zwar zahlreiche von
Adjektiven abgeleitete Adverbia auf -ba aufweist, wie hardu-ba
{hardus), bairhta-ha {balrhts, bairhta-), ana-laugni-ba {ana-laugns,
ana-laugnja-y\ die ein erstarrter Kasus von bho- oder bhä-
Stämmen waren (vgl. griech. dpTu-9oc, aksl. z^l(hba usw., Grundr.
1) Leo Meyer Goth. Spr. S. 67 f. zählt 38 Adverbia dieser Art auf.
282 K. Brngmann,
2', 1, 386 ff. 2^, 2, 717), während von den zugrunde liegenden
hho- oder 6/iä-Stämmen selbst in der historischen Periode der
Sprache nichts mehr verlautet. Dagegen scheint im Nordischen
die m-Bilduug durch die Sekundärbildungen vertreten zu sein,
die Sievers in dem Aufsatz Über german. Nominalbildungen
auf -«/a-, -eja-^ Ber. d. sächs. Ges. d. W. 1894 S. 129 ff. behandelt
hat. Maskulina dieser Art sind die Eigennamen wie anorw.
(By-Stein) HroBes in der Verbindung HroRUK HroReR 'HronaB,
der Sohn des HroBau (vgl. griech. Zeuc Kpövioc, TeXainujvioc
Aiac), aisl. Glasir^ ßrasir usw., Feminina aisl. Skadi und der
Monatsname göi (auch Göi als Nomen pr.); der Entwicklungs-
gang war bei den Maskulina etwa -eiaz^ -aiaz^ -aiasj -#«, -ir. (Als
Erweiterung dieser Stammklasse mittels -en- betrachtet Sievers
die alten Stammesnamen wie Ligvaeo, Frisaeox Ingvaeo — in
gotischer Schreibung *Iggwaia — wäre urgerm. *Iidgueiön ge-
wesen, vgl. got. armaiö Fem. (zu arms *arm* und 3. Sing, armaip)
aus *armeiön.) Freilich ist das e von -eia- aus dem Germanischen
selbst heraus nicht eindeutig zu erweisen, und man käme, wie
auch Sievers bemerkt, rein lautlich auch mit -aia-z aus. Aber
da dieses lautlich kaum auf vorgermanisches -oi-io-s oder -äi-io-s
— das wäre Lok. Sing, von o- und ä-Stämmen plus Adjektiv-
formans -io- — zurückgeführt werden darf, so ist Herleitung
aus -eia-z das nächstliegende. Dieses hat nämlich, wie wiederum
auch schon Sievers gesehen hat, eine Parallele an dem balt-
slav. Sekundärformans lit. -Sjas^ Fem. -ejä (besonders in den
älteren Texten, jetzt meistens zu -ijis, Fem. -eß, umgebildet),
slav. -ejb, Fem. -«/a, z. B. lit. medijas *Jäger* zu medis in dessen
alter Bedeutung *Wald', medijas demnach 'Wäldler', gaidijas
'Sänger*, raszSjas 'Schreiber', aksl. hrbzajh 'Strömung' zu brtzb
'schnell', serb. narticaj 'Armvoll' zu ruka 'Arm', russ. hogatej
'Reicher* zu bogat 'reich*, zelteja 'die Gelbe* zu zeit 'gelb', gordej
klruss. hord'ij 'Stolzer' zu gord 'stolz', hahej klruss. hab'ij 'Weibi-
scher, Weibermann' zu baba '(altes) W^eib' (s. Leskien Bild. d.
Nora, im Litau. S. 328 ff.)').
1) Ob Sievers' Heranziehung der keltisch -germanischen Matonen-
namen auf -ehae richtig ist, mag dahingestellt sein. Unrichtig ist seine
Vergleichung mit den griech. Nomina auf -nüoc, wie Kabjii^ioc zu Kdb|ioc,
ävBpujTTr)ioc zu ävepujiToc. Denn dieser Ausgang beruht auf -nFioc (vgl.
ßaciXnioc, zu ßaciXcüc ßaciXn[FJoc), wie am deutlichsten der iieiname des
Hermes böot. KSpöKi^iFioc zeigt (vgl. ion. KrjpöKi^iov 'Heroldstab').
Der gotische Genitivus Pluralis auf -e. 283
Vielleicht war ein engerer Zusammenhang zwischen -eio-
und der einen oder andern von denjenigen f-Formationen, die
verschiedenen idg. Sprachen angehören und von Bezzenberger
Rpac S. 153 ff. -und Hirt IF. 31, Iff. (vgl. auch Streitberg PBrB.
16, 266 ff.) eingehender besprochen worden sind, wie ai. ndviya-
navina-^ ndvi-yas-^ navi-kar-, tftit/a-. Zu diesen selben f- For-
mationen darf man rechnen die von Sievers a. a. 0. 141 f. den
aisl. Formen Glasir usw. an die Seite gestellten denominativen
aisl. Neutra auf -/, deren Umlaut auf *-iio- weist, und die wesent-
lich Kollektivbedeutung haben, z. B. flör-fiH Idfa-fiU *Bretterboden'
zu fipl 'Brett, Diele', greni 'Fichtenholz' zu gron 'Fichte', ill-
gresi 'Unkraut' zu gras 'Gras', hd-degi 'Zeit, wo der Tag am
höchsten ist, Mittagsstunde' zu dagr Tag'. Solches auf Ablaut
beruhendes Nebeneinander -eio- : -i- hat eine genaue Parallele
in dem Nebeneinander der ebenfalls nominalformantischen Ele-
mente -euo- und -ü- : ai. paldva-h 'Spreu' : lett. Plur. peius 'Spreu',
Dat. pelü-m^ griech. -nF(o)- in x^^euc : x^Xüc aksl. zely 'Schild-
kröte', vgl. zu x^tuc die Formen ion. iepeiuc und att. lepeuc,
Fem. iepeS (= *iepr|Fä), gort. FoiKca (= *FoiKriFä) u. dgl. (Yerf.
Grundr. 2«, 1, 201. 205 f. 210f.) >). Vermutlich steht aber -euo- in
engerem Zusammenhang mit dem idg. *-€u des Lokativus Sing.
der M-Stämme, wie got. sunau, ai. sünäti, umbr. manuv-e 'in
manu', und ebenso ist dann -eio- mit der gleichen Bildung des
Lokativus Sing, der i-Stämme zu verbinden, uridg. -#/, woraus
satzphonetisch teilweise *-e : got. mahtai, qenai, ai. agnd^ wozu
Agndyi 'Gattin des Agni' ('die beim Agni'), urgriech. *TT6\r|, er-
weitert zu hom. TToXrii')- Dazu paßt denn gut, daß der got. Gen.
Plur. auf -e bei den maskulinischen und femininischen «-Stämmen,
z. B. gaste^ qßng, als alteingesessen zu gelten hat.
Es mag übrigens noch auf eine andre Möglichkeit, den
Ausgang -ejo- entwicklungsgeschichtlich einzuordnen, hingewiesen
sein. Man könnte -ep- auch in -e-io- zerlegen und darin eine
1) Dieses -eit{o)- halte -ö^{o)- neben sich: vgl. xeA.ujvr| aus *-öunä-
zu xtXeüc, xt^öc; äXujc (wie TTCiTpiuc), hom. dXuu(F)ri und kypr. äXFov; ko-
pujvöc aus *-öuno-s und lat. curvos, s. Grundr. a. a. 0. H. Diels Klio 13
(1913) S. 314 erschließt aus den handschriftlichen IPEAI und IPEEI bei
Herodot 9, 85 die lakonischen Formen fip^ac und r\pl€c als Nebenform
zu i^pujc (/jpujF-), woraus sich die Doppelheit *fipriF(o)- : *npujF(o)- ergäbe.
2) Die Unrichtigkeit der Zurückfährung von TröXnV auf *TroXnFi
hoffe ich demnächst anderswo (Ber. d. sächs. Ges. d. Wiss. 1913) beweisen
zu können.
284 K. Brugmann, Gotisch usstagg 'stich aus*.
Ableitung aus der alten satzphonetischen Nebenform des Lok.
Sing, der »-Stämme auf ~e sehen von derselben Art, wie lit. dan-
guje-jis 'himmlisch' zu Lok. Sing, danguß Mm Himmel' geschaffen
ist, musu-jis 'der unsrige' zu Gen. Flur, müsü^ osk. kersnai[i]ä-
*cenaria' aus *-äi-io- zu Lok. Sing. *kersnal *in cena*, arm.
kanamh-i *der eine Frau hat', aramh-i 'die einen Mann hat' zu
Instr. Sing, kanamh (Nom.Ärfn 'Frau') und aramh (Nom. air 'Mann')
u. dgl. (Grdr. 2«, 1, 196).
Daß ich die vorstehende Herleitung des got. Gen. Plur.
auf -e aus einer denomioativen Adjektivbildung nicht als streng
bewiesen betrachte, brauche ich wohl nicht noch besonders zu
versichern. Bei derartigen Flexionsformen, deren Entwicklung
schon in vorhistorischen Zeiten abgeschlossen war und deren
Ausgang nach den Lautgesetzen ursprünglich so verschiedenes
gewesen sein kann wie got. -e (dieses könnte ja z. B. auch aus
-et, -ek oder dgl. entstanden sein), ist es auch sonst gewöhnlich
schwer, den Ursprung sicher zu bestimmen. Die Hauptsache
ist mir, auf eine Richtung aufmerksam gemacht zu haben, in
der des Rätsels Lösung, wie es scheint, zu suchen ist, und auf
die meines Wissens noch niemand bis jetzt hingewiesen hat.
Leipzig. Karl Brugmann.
Gotisch usstagg 'stich aus'.
(Zu IF. 32, 179 ff.)
Dieser Imperativ kommt nur Mtth. 5, 29 vor: iß jabai
augo ßein pata taihswo marzjai puk, usstagg Ha *ei be 6 öqpöaXiaöc
cou 6 beEiöc cKavbaXiZiei ce, ^EeXe auTov', und andre Formen
dieses Verbums sind nicht überliefert. Da das Wort augen-
scheinlich zu aisl. stinga ags. stin^an 'stechen' und aisl. stmig F.
ahd. stanga F. 'Stange' gehört, so hätte man, glaubt man, usstigg
statt usstagg erwarten sollen, usstigg schreibt denn auch Upp-
ström und mit ihm Bernhardt, Braune und neuerdings auch
Streitberg (Die got. Bibel I, 3, H, 128. 130, Element.^ 143). Von
Grienberger (Unters, zur got Wortk. 233 f.) hat usstagg festge-
halten, während Wrede (Stamm-Heynes Ulf.'^ S. 4. 482) zwar
im Text nicht ändert, aber im Wörterbuch Zweifel an der
Richtigkeit der Überlieferung äußert. Von Grienberger hat Recht
V. Grienberger, Die altlateinische Inschrift von Lucera. 285
Denn us-staggan gehört zu der Klasse der von e : o-Wurzeln
gebildeten Präsentia wie gaggan^ hlandan^ ana-praggati : es ver-
hält sich zu aisl. stinga ags. stin^an ebenso wie ahd. ivalzan zu
aisl. velta^ ahd. scaltan zu sceltan, got. graban zu aksl. grebg u. dgl.
Dieser Beleg für diese Präsensgruppe war mir IF. 32, 180, wo
ich ihren auffallenden Vokalismus glaube richtig erklärt zu
haben, entgangen. — Wegen auswärtiger Verwandtschaft von
usstaggan vgl. ühlenbeck PBrB. 27, 134.
Leipzig. K. Brugmann.
Die altlateinische Inschrift Yon Lncera.
Die Überlieferung dieser Inschrift beruht einzig und aUein
auf der Abschrift, die dem Verfasser einer Stadtgeschichte von
Lucera, G. d'Araelj*), wie er selbst in einer Fußnote S. 119
anmerkt, von dem Lucerer Gelehrten Francesco del Buono zur
Verfügung gestellt wurde, die er in seinem Buche zum Gegen-
stande einschlägiger Erörterungen machte und unter den dem-
selben beigegebenen Inschrifttafeln (Iscrizioni, Blatt 5) als Nr. 80
abdruckte.
Ich gebe diesen Abdruck hier wieder, um die überlieferte
Worttrennung, Anordnung der Zeilen und die Lücken im Texte
ersichtlich zu machen.
1. IN • HOCE • LOVCAEID • STIECVS
2. NE • • IS • FVNDATID • NEVE • CADAVEK
4i. PROIECITAD • NEVE • PARENTATID
4. SEI • QVIS • ARVORSV • HAC • FAXIT • • • IVM
ö. QVIS • VOLET • PRO • lOVDICATOD • NI
6. MANVM • miECTO • ESTOD • SEIVE
7. MAC • • • STERATVS • VOLET • MOLTARE
8. CETOD • • • •
Genauere Angaben über den Verbleib des Steines glaubte
Mommsen geben zu können, der im Jahre 1873 zu dem Behuf e,
die Inschrift nachzuprüfen, in Lucera weilte. Der positive Ertrag
war allerdings null, da der Mommsen gezeigte, angeblich mit
dem gesuchten identische Stein mit der putativ beschriebenen
Seite nach einwärts in die Grundmauer eines Hauses verbaut
1) Storia della cittä di Lucera per Giambattista d'Amelj . . . com-
pilata, Lucera 1861, 4«>.
Indogermanische Forschungen XXXm. 19
286 V. Grienberger,
war^). Ich sage der angeblich identische Stein, denn nach der
von d'Amelj in einem Briefe an Fiorelli, d. d. April 1877, mit-
geteilten Fundgeschichte des Steines, wurde dereelbe in der
Nacht nach dem Tage seiner Auffindung im Jahre 1847 von
unbekannter Hand zerschlagen*).
D'Amelj gab die Inschrift in gewöhnlichen Antiquamajus-
keln wieder, als Umschrift der eigentlichen Typen, von denen
er S. 119 sagt: "I caratteri e le parole sono dei prirai tempi
di Roma", doch wird man nicht in Frage stellen dürfen, daß
die Anordnung der Zeilen des Abdruckes der des Steines gemäß
sei, daß die Lücken in Zeile 2, 4, 7, 8 dreimal mit je 3, einmal
mit 5 Punkten markiert — wozu noch 4, doch sicherlich be-
deutungslose Punkte am Ende des Textes, hinter cetod
— immer nur Auslassungen von einigen wenigen Buchstaben
darstellen, und daß die worttrennenden Punkte der Reproduktion
in irgend einem Betrachte dem Original entsprechen.
Diese Lücken füllte Mommsen 1875: Zeile 2 [g'«]««^
Zeile 4 [iti\ium, Zeile 7 ma[gi]steratus (so!), Zeile 8 [li]cetod,
löste Zeile 5 NI in n{umum) [L], d. i. Gen. plur. mehr einem
Zahlzeichen, etwa 4^, auf und ergänzte Zeile 6 ein i zwischen f
und 0 des Komplexes iniecto.
Alle diese Komplettierungen und die mit ihnen zusammen-
hängende Auffassung des inschriftlichen Textes wiederholt
G. Bruns^) mit der Bemerkung "die Lücken sind leicht zu
ergänzen", liest aber am Schlüsse seiner Abhandlung S. 143
und ebenso drei Jahre später*) lieber n{umum) I, mit dem
Werte des Zahlzeichens C|) (1000), da L im Sinne von 50 000
eine zu hohe Strafsumme sei.
Die Ergänzung Zeile 4 änderte Mommsen später (1883)
in [ceiv\ium%
Denselben Text der vierten Ausgabe wiederholt auch die
siebente der Fontes^), nur daß hier mit d'Amelj, dem Total-
1) Mommsen in Ephemeris epigraphica . . . Romae, Vol. II, 1875,
pag.205— 208, Nr. 298 und in CIL. IX, Berolini 1883, pag. 75, No. 782.
2) CIL. IX (1883), S. 667.
3) Eine Inschrift von Lucera : Zeitschrift für Rechtsgeschichte . . .
Bd. 12, Weimar 1876, S. 127—143.
4) Fontes iuris Romani anliqui ed. C. G. Bruns, ed. 4., Kriburgi i. B.
et Tubingae 1879, pag. 44.
5) CIL. IX, S. 75.
6) Fontes iuris Romani antiqui ed. C. G. Bruns, pars prior . . .
septimum ed. 0. Gradenwitz, Tubingae 1909, pag. 283.
Die altlateinische Inschrift von Lucera. 287
abdrucke in der Ephemeris uüd dem des CIL. IX, in Zeile 8 mac
beibehalten ist, während die übrigen dafür mag eingesetzt haben
und daß zu n{ummum) I die mißverständliche Auffassung in
der vierten Ausgabe der Fontes mit der Fußnote "Mo. conicit L,
scilicet quinquaginta, non quinquaginta milia" berichtigt wird.
Was an dem Texte der Inschrift zunächst auffällt, sind
die drei Verbalformen fundatid^ proiecitncl^ parentatid, die, in
dem ersten ein Verbot oder eine Warnung aussprechenden Teile
stehend, die Wirkung der Imperative in der inhaltlich nahe
verwandten Inschrift von Spoleto') neqi([i]s violatod . . . exvehito
. . . exferto . . . mque cedito . . . haben müssen. Der Versuch
Corssens, bei Mommsen Ephemeris S. 206, diese Verba auch
formell den lateinischen Imperativen auf -töd gleichzusetzen, in
proiecitad das bewahrte (I) ä von ai. bkara-tät zu erblicken und
die beiden -tid mit Annahme einer Zwischenstufe -ted gleich-
falls auf älteres -täd zurückzuführen, ist schon seit dem Jahre 1878
hinfällig, da H. Buchholtz die beiden Formen auf -id als regel-
rechte Konjunktive des oskischen <-Perfektums erklärt hat'),
worin sodann 0. A. Danielsson^) mit der Bemerkung: es scheine
sicher, daß im Oskischen der Optativ des Perfektums auf -id
die Funktion der 3. sing, des Imperativs übernehmen konnte,
da im negativen Gebot der Optativ perfekti die Regel sei: ni
hipid, nep fefacid^ Plur. nep tribarakattins folgte.
Minder glücklich erscheint mir doch die Erklärung
DanielssoDS von proiecitad als Xeuschöpfung mit dem Charakter
des Konjunktivs a für ?, beziehungsweise als Aktivum zu osk.
kaispatar, krustatar, in keinem Falle also mit Verzicht auf das
überlieferte innere t.
Ich bin vielmehr der Ansicht, daß die Form des zweiten
Verbums nicht richtig auf uns gekommen sei und habe auch
von dem Versuche K. Brugmanns, die lateinischen Verba mit
präsentischem t, nectere z. B., zur Erklärung heranzuziehen %
nicht den Eindruck des Überzeugenden gewonnen. Eine mit t
erweiterte Form des Verbums iacere^ proicere : *proiecito^ Infinitiv
1) E. Schneider, Dialecti Lalinae priscae et Faliscae exempla
selecta. Lipsiae 1886, S. 12. — Fontes iuris Romani anliqui, ed. 7,
pars I, pag. 283.
2) Karl Brugmann Zum Haingesetze von Luceria CIL. IX, 782:
Miscellanea linguislica in onore di Graziadio Ascoli. Torino 1901, S. 1 — 5.
3) Pauli's Altilalische Studien. 4. Heft, Hannover 1885, S. 152—155.
4t) Altitalisches; 6 Die oskischen <- Verba IF. 15 (19u3 — 4) S. 76—80.
19*
288 V. Grienberger,
offenbar auf -ere gemeint, also keineswegs mit j^'oiectäre irgend-
wie zu verbinden, erscheint mir so sehr fragwürdig, daß ich
vorziehen muß, die Tradition zu ändern und unter Annahme
eines Fehlers der Wiedergabe PROIECIIAD (man vgl. cadaver
abi^re^ proicere cadaver alicuius in itinere^ eiectum, abiectum
cadaver) zu lesen, worin dann allerdings eine korrekte lateinische
3. sing, conjunctivi praesentis activi für späteres ^/-o/e/a^ gegeben
ist, deren Doppelschreibung des i auch in osk. kapuanisch fakiiad
'faciat', V. Planta Nr. 135 1), heriiad *capiat', v. Planta Nr. 129
— beide oskischen Verba, allerdings solche der 4. Konjugations-
klasse! — erscheint, deren Auslaut d sich auch in kapia{d\
Forum, und sied, Duenosinschrift, falisk. doviad = lat. dual, Herbig,
vorfindet. Es sind demnach die Verba fundatid und parentatid
oskische Konjugationsformen aus den lateinischen Verben fun-
däre und parentäre^ zu deren ersterem nur zu sagen ist, daß es
mit dem späteren lat. fundäre {navem, carinam) — 'fundo instruere',
auch ^condere' {urbem, sedem) und 'firmare, stabilem reddere'
nicht identisch sein kann, sondern in der Tat eine Themadoublette
zu fundere 'gießen' mit der Bedeutung eben dieses Zeitwortes
sein muß.
Schon Mommsen Ephem. S. 205 hat hiezu paräre neben
parere in Vergleich gestellt, andere Parallelen: fodäre^ sonäre,
pinsäre, tonäre, lauäre, profligäre, occupäre neben fodere, sonere,
pinsere^ tonere, lauere^ ftig^^'^i capere hat Danielsson S. 154 hinzu-
gefügt 2); aus dem Oskischen ist censaum gegen lat. censere als
Themadoublette der ersten und zweiten Konjugation zu erwähnen.
Man hat es also einerseits mit einer oskischen Ausdehnung
des lateinischen conjunctivus prohibitivus der zweiten Person
perfecti ne dubitaveris^ ne dixens, nihil ignoveris auf das ganze
Perfektum zu tun : eisei terei nep Abellanüs nep Nnvlamis pldum
tribarakattiiis 'in eo territorio neque Abellani neque Nolani quid-
quam aedificaverint', Cippus Abellanüs B 46 — 48, Infinitiv be-
zeugt tribarakavutn^ anderseits mit hybrider Übertragung der
bezüglichen Flexion auf die Verba fundäre und parentäre des
lateinischen Inschrifttextes, die aus dialektischer Mischung —
so schon Brugmann Das Haingesetz, S. 3 — zu erklären sein
1) Grammatik der oskisch-umbrischen Dialekte von Robert v. Planta,
Straßburg 1892-97, 2 Rde.
2) Vgl. auch Formenlehre der lateinischen Sprache von F. Neue,
3. Aufl. von C. Wagener, Berlin, Bd. 3 (1897) S. 258—293.
Die altlateinische Inschrift von Lucera. 289
wird. Dem Umstände, daß die vermutlich etymologische Doppel-
schreihung tt des obigen oskischen Konjunktivs sowie der Judika-
tive perfecti pnifatted, dadikatted teremnattens dabei unterlassen
ist, kann man keinerlei Bedeutung beimessen, da dieselbe auch
in osk. [d\uunated^ paelign. coisatens fehlt.
Die Frage nach der Bildung des <<-Perfektums ist hier
nicht von Belang; möglich schiene es mir, daß demselben das
Verbaladjektiv auf -tuo- zugrunde zu legen sei^).
Was den sachlichen Inhalt des Verbotes betrifft, den man
den dastehenden Worten folgend auf Ausgießen von Exkrementen,
Fortwerfen von Tierleichen und Abhaltung von Totenfeiern be-
ziehen muß, bemerkte Mommsen in Ephem. S. 207 : **agi apparet
de luco sacro non polluendo imniunditiebus sepulcrisve, ut
in Universum ait praetor (Dig. 43, 6, 1 pr.) in loco sacro facere
inve eum immittere quid veto", d. h. Mommsen schloß, daß das
Verbot der Parentatio im Grunde genommen ein solches des
Begrabens menschlicher Leichen sei.
Bei aller Anerkennung der zwingenden Folgerung jedoch,
daß dort, wo die Totenfeier untersagt ist, das Begraben von
Leichen um so mehr verboten sein muß, glaube ich doch, daß
der Text nur die Totenfeier meine und die Leichenbestattung im
Haine nicht mit besonderem Verbote treffe, da sie aus anderen
Gründen überhaupt nicht in Betracht gezogen werden kann.
Der Stein ist nach dem Zeugnisse d'Amelj's in der Nähe
einer alten Begräbnisstätte gefunden, der denselben mit ein-
beziehend S. 119 sagt: "Alcune altre [iscrizioni] poi per la strada
che mena alla vicina cittä di Troja, nei lati della quäle (nämlich
der Straße) era il vetusto sepolcreto". Troja liegt, nach der
Karte 23 in Stielers Handatlas vom Jahre 1906 gemessen, 17 km
beinahe senkrecht südlich von Lucera. 20 km von Lucera,
14 km von Troja flankiert im Westen ein Gebirgszug die Gegend,
nördlich sich im Monte Sambuco, südlich im Monte Comacchia
erhebend, mit dessen Absenkung man sich den Lucerer Hain
in Verbindung stehend denken darf. Ausführlich kommt d'Amelj
in dem gedachten Briefe vom April 1877 auf die am Wege
von der Porta di Troja in Lucera nach dem Flecken Troja, alt
Aecana, im Jahre 1847 aufgedeckten zahlreichen, aus der Zeit
der Republik und vorher stammenden Gräber zu sprechen und
1) Vergleichende Laut-, Stammbildungs- und Flexionslehre . . .
von K. Brugmann, 2. Bearbeitung, Straßburg, 2. Bd., 1. Teil (1906) § 338.
290 V. Grienberger,
bemerkt, daß der in Rede stehende Stein 200 m vor der Porta
di Troja gefunden sei. Es ist also nicht zn bezweifeln, daß die
Nachbarschaft des Haines und der Begräbnisstätte schon zur
Zeit der Anfertigung der Inschrift bestanden habe, und daß
dann wohl gerade in dieser örtlichen Beziehung der Anlaß
gegeben war, die Veranstaltung einer Totenfeier auf dem Gebiete
des Haines zu untersagen, in der offenkundigen Absicht, dieselbe
auf ihr zuständiges Gebiet, das des anrainenden Leichenfeldes
zu verweisen.
Nach der allgemeinen Darstellung der römischen Toten-
feier, die G. Wissowa ^) gibt, scheint es, daß dieselbe nicht mit
allen Akten gerade an den genauen Ort des Grabes gebunden war.
Von sprachlichem Interesse im Texte des ersten Abschnittes
ist außer der Form stircus mit i statt e, wozu stircorium Mur.
814, 4 (Aquileia) bei Schuchardt 1, 357 ^), alat. Mircurios^ Mir-
qurios, Schneider S. 5, 6, commircium, Velius Longus, bei Lindsay-
Nohl S. 264 als Formen des Bauern- oder mundartlichen Lateins
bezeichnet, und osk. amirkatud zu vergleichen ist, sowie außer
der vollen Gestalt des Ablativs des Demonstrativpronomens höce^
aus *höd-ce^ im besonderen der Ablativ loucarid^ den Mommsen
Ephera. S. 206 auf lat. lücar mit der Bemerkung begründen
wollte, das Wort scheine hier vom Haine selbst gebraucht zu sein.
Aber das bei Festus gebuchte, substantivierte: "lucar
appellatur aes, quod ex lucis captatur" und nicht-substantivierte
Adjektiv: "lucaris pecunia, quae in luco erat data"^), mit dem
langvokalischen Suffixe -dm, ist schwerlich im Texte der in
Rede stehenden Inschrift zu suchen.
Daß die Inschrift ebenso eingeleitet sei, wie die von
Spoleto honce loucotn . . ., und daß dementsprechend in hoce
loucarid: 'in hoc luco' heiße und daß das Substantiv ein topi-
sches mit lücus unmittelbar zusammengehöriges und zwar eben
jenes sein müsse, von dem der Stadtname Lüceria^ so die
Quantitäten bei Forcellini*), in griechischer Überlieferung Aou-
Xepia Strabo, AouKapia Polybius"^), seinen Ausgang hat, ist aller-
dings sicher, aber die alten Formen des Namens auf den bei
1) Religion und Kultus der Römer, München 1902, S. 187—193.
2) D.r Vokalisrnus des Vulgärlateins, Leipzig 1866—68.
3) De verborum significalu quae supersunt ... ed. Wallace M. Lindsay,
Lipsiae 1913, S. 10(5.
4) Totius lalinifatis onomasticon . . . Prati, 4 (1887), 194.
5) Mommsen im CiL. IX, S. 74.
Die altlateinische Inschrift von Lucera. 291
d'Amelj, Tafel 6, abgebildeten und S. 119 besprochenen Münzen
einmal AOYKEP, siebenmal VOVCERI empfehlen eine andere
Beurteilung.
Vor allem wird man den Yokal der Mittelsilbe wegen
des Wechsels von e und a nicht wie in lücär^ lücäris als ur-
sprünglich lang betrachten dürfen, sondern als Kürze; dann
wird man etymologisches ä überhaupt nicht anzusetzen haben,
sondern altes e, das im Belege der Inschrift ebenso, wie in der
einen griechischen Form des Polybius vor /• in ä gewandelt ist
und sich als Vulgarismus den bei Schuchardt 1, 206 — 211 und
3, 106 verzeichneten Beispielen ossäres, oparae, ansare^ pas-
sares u. a. anschließt.
Seiner grammatischen Qualität nach ist das in den Deklina-
tionsformen löiicer, löuceri, loucärid auftretende Appellativum
für *Hain, Wald' am ehesten neutraler s-Stamm, im Nominativ
wahrscheinlich gleich den Beispielen bei Lindsay-Nohl S. 408
opos, Venös, foedtts mit o, in den Obliquen, Gen. opens, l^eneris —
alat auch Venerus, Schneider Nr. 298, 348 — foederis, mit e in
der Endung. Es ist anzunehmen, daß das Wort bei schon ein-
getretenem Ehotazismus, den auch der s-Stamm cadaver gegen
stircus aufweist, einmal *loucos *loticeris dekliniert wurde und
nichts anderes als eine Entgleisung aus dem bekannteren
o-Stamme: lat. lüciiSj alat. Gen. Imici, Akk. loitcom Spoleto, adjek-
tivisch erweitert im Ablat. louqviod Forum, osk. Lok. liivkei sei.
Erwiesen wird die Möglichkeit einer derartigen Doppelgestalt,
ob nun sekundär oder alte selbständige Nebenform, doch jedes-
falls durch das bei Lindsay-Nohl S. 408 aus modestus und
moderor abgezogene, neben dem o-Stamme modus bestehende.
,s-Thema *modes.
Dazu stellen sich, völlig einwandfrei, Uuceri der Münzen
als Lokativ auf -i wie rüre und Uiicärid der Inschrift als
Ablativ wie hovid (bis) Spoleto, airid, coventionid, Schneider
Nr. 181, 97, 22.
Die einmal bezeugte Form XouKep könnte aber, wenn sie
nicht endungsloser Lokativ ») oder graphische Kürzung aus louceri
ist, immerhin auch die Auffassung nahe legen, daß der Nomi-
nativ des in Rede stehenden Wortes gleich cadaver auf -er
gebildet gewesen sei. In jedem Falle ist dieses örtlich fixierte
Appellativum die etymologische Grundlage und der Träger des
1) Lindsay-Nohl S. 453—4.
292 V. Grienberger,
sachlichen Belanges für den Ortsnamen {civitas) Lüceria, an das
die Bevölkerungsnamen Lücerini und Lücerenses sogar direkt
angeknüpft werden können.
Der zweite Abschnitt gliedert sich in drei Teile: die
Formel des gesetzten Falles sei quis arvorsum hac faxit, der im
Spoleter Texte seiquis violasit . . . seiquis scies violasit dolo mala . . .
entspricht, und zwei mit estod und licetod schließende eventuelle
und alternative Strafbestimmungen, von denen die zweite seive
mac^iysteratus volet moltare^ (li'ycetod textlich nicht viel Kopf-
zerbrechens verursacht, wohl aber die erste, weil einer Ergänzung
bedürftig und ersichtlich entweder fehlerhaft überliefert oder
in ungewöhnlichen Sprachformen verfaßt, zu verschiedenen Ver-
suchen sie einzurichten, Anlaß gab.
Akzeptiert man in Zeile vier und sechs die Lesungen
Mommsens <^ceivyium und ini€ct<iyo^ in fünf die Interpretierung
Bruns' NI= 1000 HS, nummum unius mille, sowie die Erklärung
manum iniectio bei Mommsen Ephem. 207 als Akkusativ, fort-
geführt aus der festen Formel manum inicio — s. die Beispiele
bei Gaius ') — wie rem curatio in der Plautischen Phrase quid tibi
hanc curatiost rem?, so ergibt sich ja ein lesbarer Text, mit
dem die "manus iniectio" gegen den Yerletzer des Gesetzes jenem
Bürger, der sie verlangt, zugestanden wird, quis wlet ist dabei
am ehesten Relativsatz, durch den der Plural ceivium auf einen
einzelnen eingeschränkt wird, und nur einer kann ja im Sinne
der bezogenen Ausführungen bei Gaius der *actor' sein. Ich
würde demgemäß eine Übersetzung empfehlen: "So soll von
Seiten der Bürger, welcher da will, an Urteilsstelle wegen
1000 HS die Handanlegung stattfinden".
In betreff des Ausdruckes pro ioudicatod, dem im oski-
scben Texte der Tabula Bantina Absatz 5 in ähnlicher Verbin-
dung pru medicatud manim aserum eizazunc egmazum . . . ent-
spricht, hat schon Mommsen Ephem. 208 auf Gaius verwiesen,
aber ohne auf den Text eben dieses zurückzugehen, würde man
nur wenig zureichende Vorstellungen von dem Rechtsverfahren
der manus iniectio gewinnen. Man würde nicht erfahren, daß
der römische Rechtslehrer drei Arten derselben unterscheidet:
eine solche auf Grund eines Urteiles iudicati, wozu man den
Passus iudicati iure manus iniectio esto der Lex ^ürsonensis
1) Inslitutionum commentarii qualtuor . . . edd. E. Sockel et
B. Kuebler, Lipsiae 1908, 4, 21—25.
Die altlateinische Inschrift von Lucera. 293
CIL. n, 5439 halte, eine solche ohne Urteil, aber mit Kraft
eines solchen pro iudicato und endlich eine manus iniectio pura
— die beiden letzteren von bestimmten Gesetzen eingeräumt — ,
daß sie das Hersagen einer bestimmten, den Grund anführenden
Formel und die körperliche Berührung des Belangten erheischte
und sich als eine Art Privathaft darstellte, die im dritten Falle
durch bloßes Abwehren der Hand, in den Fällen 1 und 2 durch
Stellung eines Bürgen abgewendet werden konnte.
Man erführe auch nicht, daß in der bei Mommsen aus-
geschriebenen Formel: quod tu mihi iudicatus damnatus es ses-
tertium X milia, quandoc non solmti, ob eam rem ego tibi sester-
tium X milium iudicati manum (hs. manus) inicio schon Gaius
das wirkungsvolle Asyndeton der altrömischen Gesetzessprache
iudicatus damnatus mit einem eingeschobenen siv£ stilistisch
abgeschwächt habe, und daß der Versuch Moramsens, die mit
deiktischem -ce erweiterte Konjunktion quandoc in quando ea
umzuformen, nicht berechtigt sei.
Aber man kann vielleicht, unbeschadet des eben ent-
wickelten sachlichen Inhaltes des Passus [ceiv\ium — estod^ auch
der Vervollständigung von iniecto zu iniectio entraten. Ich bin
unabhängig von Brugmann darauf verfallen, iniecto estod als
iniecttts esto zu verstehen^) und sehe mich durch das, was
Brugmann, das Haingesetz S. 4, dazu sagt, in dieser Auffassung
bestärkt. Wenn manum inicio durchaus wie ein Kompositum
empfunden wurde und mit Objektsakkusativ manum inicio ali-
quem konstruiert werden konnte, so ist eine Bindung "pro iu-
dicato nummum unius müle manum-iniectus esto", auf den Ver-
letzer des Gesetzes gehend, nicht anzufechten, wobei es am Sinne
nichts ändert, ob man den zwischengestellten Satz "civium quis
volet" mit Brugmann konditional, oder wie ich vorher wollte,
relativisch auffaßt.
FormeU ist zu iniecto estod zu bemerken, daß zwar aus-
lautendes s vor Vokal sonst nicht unterdrückt wird und daß
der angenommene Fortfall desselben nicht unmittelbar aus dem
Gesichtspunkte der von Cicero erwähnten Synkope betrachtet
werden kann*). Aber inschriftliches situst und satiust für situs
est und satius est^) ist doch etwas ähnliches, und im gegebenen
1) Allerdings las ich dabei das vorhergehende NI als IN.
2) Handbuch der lateinischen Laut- und Formenlehre von Ferdinand
Sommer, Heidelberg 1902, § 167.
3) Ebenda § 176.
291- Albert Thumb,
Falle kann der s-Verlust sehr einfach als Dissimilation zum
folgenden s von estod erklärt werden.
Zu arvorsum hac ist sicherlich lege hinzuzudenken; aus-
drücklich in der Lex Bantina: advorsus hance legem^ Schneider
S. 27. Die Konstruktion mit dem Ablativ: auch in arvorsum ead,
ebenda S. 14; die vollere Form des Ablativs des Demonstrativ-
pronomens, die man nach höce in Zeile 1 erwarten könnte, haace
lege ebenda S. 28.
Daß das Gesetz nicht etwa eine sanitätspolizeiliche Ver-
ordnung, sondern ein sakrales sei, ergibt sich aus den nahen
Beziehungen desselben zu dem ausgemacht sakralen, den Hain
von Spoletium betreffenden Gesetze, insbesondere aber auch aus
dem Verbote der Parentatio auf dem Boden des Haines.
Czernowitz. v. Grienberger.
Ist das Junglakonische eine I^ünstliche Sprache?
Seit mindestens 20 Jahren lebe ich in der Meinung, daß
das Junglakouische, wie es uns in den Glossen Hesychs und in
einigen späten Inschriften entgegentritt, eine lebende und natür-
liche Entwicklungsform des lakonischen Dialekts auf dem Wege
zum heutigen Tsakonisch darstelle. Aber ich muß geträumt
haben, und E. Hermann reißt mich mit dem Aufsatz IF. 32, 858ff.
aus meinem Traume. Denn — so sagt er S. 358 — "das Jung-
lakonische . . . betrachtet man zumeist als künstliche Schöpfung
einer Epoche, in der die echte Mundart schon längst ausge-
storben war. Diese Ansicht . . . konnte . . . Thumb in seiner
griechischen Sprache im Zeitalter des Hellenismus noch genauer
begründen, und noch in seinem Handbuch der griechischen
Dialekte durfte er daran festhalten". Nur R. Meister habe (1904)
sich dagegen ausgesprochen. "Wären aber damals schon die
neueren Funde bekannt gewesen, so würde Thumb wohl schwer-
lich bei dieser Ansicht geblieben sein". Aber ein Teil dieser
neugefundenen junglakonischen Inschriften, die im Annual of
the Brit. School XII — XV veröffentlicht sind, war mir schon
bekannt, wie ein Nachtrag meiner Gr. Dial. S. 402 f. zeigt Ich
hatte freilich nicht nötig, meine Ansicht zu ändern, denn ich
sagte ebd. S. 85 klipp und klar: *'Daß der lakonische Dialekt eine
Ist das Junglakonische eine künstliche Sprache? 295
besondere, durch eigenartige neue Merkmale charakterisierte
Entwicklung durchmachte, zeigen außer der literarischen und
grammatischen Überlieferung (§ 88 f.) besonders drei Inschriften
des 2. Jahrhs. n. Chr. (4498 — 4500), in denen uns eine spe-
zifisch junglakonische Sprachform entgegentritt, s, § 95. Dieser
junglakonische Dialekt ist der Ahnherr des heute gesprochenen
tsakonischen Dialekts, s. § 97 f.".
Ich könnte mit diesem Hinweis und mit der Bitte schließen,
meine Ausführungen Hellenismus S. 84 — 37 zu lesen, und
könnte besonders Hermann empfehlen, daß er das recht auf-
merksam tue. Aber um einer ^lythenbildung vorzubeugen und
um es dem Leser bequemer zu machen, will ich doch noch
einige nicht mißverständliche Stellen aus meinem Hellenismus
hervorheben und einige Bemerkungen anknüpfen. Sonst liest
man vielleicht bald einmal "den wahren Charakter des Jung-
lakonischen hat erst Hermann IT. 32, 358 ff. erkannt". Man
beachte also folgende Stellen: (Hellenismus S. 35) "In den Berg-
distrikten [Lakoniens] hielt sich aber nach Ausweis des Zako-
nischen der deutlich lakonische (wenn auch nicht rein lakonische)
Dialekt . . . Als nun durch die archaisierenden Bestrebungen
des 2. Jahrhs. die Aufmerksamkeit der Gebildeten wieder auf
die alten Mundarten gerichtet wurde, da kam natürlich auch
wieder der echte lakonische Dialekt zu Ansehen. In Sparta
war es nicht nötig, seine "Weisheit über diesen Dialekt aus
Büchern zu schöpfen, wo man das Buch des Lebens befragen
konnte. Wenn sich nun wahrscheinlich machen läßt, daß die
schon genannten archaisierenden Inschriften Spartas zu dem
noch lebenden lakonischen Dialekt ... (36) in Beziehung stehen,
so ist damit wieder erwiesen, daß das Fortleben der Dialekte
im Verhalten der Inschriften sich abspiegle". Ich zeige dann
weiter mit Hilfe der Form KaccTiparöpiv, daß die Beziehung
zum lebenden junglakonischen Dialekt bestanden haben muß,
daß die Inschriften also wirklich das gesprochene Jung-
lakonisch widerspiegeln, und ich folgere daraus (361): "Selbst
bei dem gefälschten Dekret über den Musiker Tiraotheos aus
Milet, welches bei Boethius überliefert ist, habe ich den Ein-
druck, daß der Fälscher den junglakonischen Dialekt kannte . . .
und da die Belege z. B. für er, cÖ zu tt, tt' in unsern In-
schriften sich nicht finden, so muß man annehmen, daß diese
Erscheinung einer ganz jungen Phase des Lakonischen angehört,
296 Albert Thumb,
welche inschriftlich überhaupt nicht mehr zur Verwendung ge-
kommen ist, den Grammatikern der christlichen Zeit (z. B.
Hesychios und seinen Vorgängern) aber unmittelbar bekannt
war". Vgl. hierzu auch Dial. 84. Sind diese Sätze nicht klar
und deutlich, kann man sie so gründlich mißverstehen, wie
Hermann getan hat? Auch in meinem Aufsatz "Griechische
Dialektforschung und Stammesgeschichte" N. Jahrb. 15 (1905)
385 ff. zeige ich in nicht raißzu verstehender Weise die gleiche
Anschciuung über das Spätlakonische, wenn ich (S. 389) z. B. sage,
das tsakonische nd beweise, "daß die nur gelegentlich bezeugte
lakonische Schreibung bb = l [auf Inschriften der Kaiserzeit]
jedenfalls für die jüngere Stufe des Dialekts dem phonetischen
Sachverhalt entspricht".
Hermann hat sich also nicht die Mühe genommen, meine
Ausführungen gewissenhaft zu lesen, sondern in der Freude
seiner eigenen, mindestens 12 Jahre zu spät gemachten Ent-
deckung S. 34 meines 'Hellenismus' sich falsch zurecht gelegt,
wo es heißt "daß es sich [in den spätlakonischen Inschriften]
um eine künstliche Heranziehung des Dialekts zum Schrift-
gebrauch handelt". Künstliche Heranziehung eines lebenden
Dialekts und Verwendung eines künstlichen Dialekts ist nicht
dasselbe. Daß aber die schriftmäßige Verwendung des lebenden
junglakon. Dialekts in der Periode des Attizisierens und des
Archaisieren s, wo Balbilla aeolisch dichtete und die Mediziner
ionisch schrieben, etwas künstliches, eine Sache der Mode war,
ist auch heute noch meine Ansicht Hermann aber nimmt für
Sparta 'Zweisprachigkeit' an und meint (S. 360), daß die Mundart
in Sparta wieder die dorisiereude Koivrj zurückdrängte, weil
die Bildung gesunken war. Ich spreche (Hellenismus S. 34)
von einem Gegensatz zwischen 'Stadt und Land oder vielleicht
richtiger zwischen Ebene und Bergland* und erläutere diesen
Gegensatz (S. 35) durch die heutigen Verhältnisse von Tripolitsa
und Umgebung (womit ich meine Ansicht einer nicht künst-
lichen Sprache wieder zum Ausdruck bringe). Diese Anschauung
stützt sich vor allem darauf, daß das Tsakonische nicht in der
Eurotasebone, sondern im Bergland des Parnon gesprochen wird.
Als die archaisierende Mode aufkam, die inzwischen unterge-
gangenen Dialekte in schulmeisterlicher Art wieder zu Ehren
zu bringen, da hatte man es in Sparta bequemer als sonst:
man brauchte nur in die Berge zu gehen, um einen richtigen
Ist das Junglakonische eine künstliche Sprache? 297
'alten Dialekt' kennen zu lernen; man merkte nicht, daß dieser
j anglakonische Dialekt mit dem der alten Spartaner nicht
identisch war — man schrieb ruhig KXeavbpop für KXeavbpoc
oder vollends KacoipaTopiv, statt niindestens daraus ein Kaccrj-
paröptov oder KaxöripaTopiov zu machen, man verwandelte *louXic
in ein 'louXip statt 'louXiop (über diese neue Form s. Hermann
S. 364). Solange wir nur 3 kleine Inschriften aus der Zeit des
Antoninus und Mark Aurel besaßen, mußten wir annehmen,
daß die Dialektmode in Sparta ziemlich plötzlich in die Erscheinung
trat. Durch die neuen Funde aber erfahren wir, wie Hermann
im Einzelnen S. 359 darlegt, daß die Verwendung des Dialekts
schon im 1. Jahrh. tastend begann und weiterhin zunahm. *'Wie
soll man sich das bei einem künstlichen Archaisieren zurecht-
legen?" fragt Hermann. Sehr einfach. Die Mode des Attizismus
ist auch nicht an einem Tage entstanden; von den tastenden
Anfängen bei Philo bis zu Lukian und den Sophisten ist ein langer
Weg. So wurde man auch in Sparta immer kühner, wagte zu-
nächst nur viKctcac, dann viKctac und weiter - p für -c, 55 für l usw.
An das Digarama wagte man sich zuletzt, wohl deshalb, weil
es auch im Junglakonischen infolge hellenistischer Einflüsse
ziemlich selten war, wie ich bereits IF. 9, 295 t auf Grund des
Tsakonischen ausführte. Man schrieb ß und nicht F (worüber
sich Hermann wundert), weil auch die Grammatiker so schrieben.
Das 'regellose Durcheinander von Mundart und Koivr)', worauf
Hermann S. 361 Wert legt, läßt sich weder für noch gegen
die Annahme einer künstlichen Sprache anführen. Wir können
dies Durcheinander sowohl verstehen, wenn man annimmt, daß
die Schulmeister von Sparta eben im schriftlichen Gebrauch
des Dialekts sich unsicher fühlten, als auch wenn man an-
nimmt, daß der junglakonische Dialekt von der Koivn nicht
unerheblich beeinflußt war (vgl. wieder das Tsakonische).
Aber meine Ansicht, daß die archaisierenden Bürger von
Sparta auf die 'Bauern der Kjnuria' zurückgrif fen , kommt
Hermann 'höchst unwahrscheinlich* vor. "War es denn etwa
bei den Griechen Mode, um zu archaisieren, auf die Volks-
sprache zurückzugehen?" Natürlich nicht, denn es war un-
möglich, anderswo 'gut erhaltene' Dialekte zu entdecken, "und
woher hatten die Spartaner der Kaiserzeit soviel sprachwissen-
schaftliche Kenntnisse, zu wissen, daß die Sprache ihrer Zeit
in der Kynuria große Ähnlichkeit mit der altlakonischen hatte,
298 Albert Thumb,
um für die Zwecke der Archaisiernng brauchbar zu sein?"
Ich antworte mit der Gegenfrage: woher hat der Fälscher des
Timotheos-Dekrets seine junglakonischen Formen? Eben aus
dem Junghikonischen — er zog also diesen Dialekt der Bauern
der Kynuria heran, nicht "Alkman oder Inschriften aus der
Glanzzeit Sparta", um ein altlakonisches Dekret zu fabrizieren.
Dieser Fälscher hat mitiiin den Zusammenhang und die Ähnlich-
keit des Alt- und Junglakonischen sich zunutze gemacht;
Grammatiker Averden schon vor ihm diese Tatsache erkannt
haben (vgl. Hesychs junglakonische Glossen), und die 'Studierten'
in Sparta werden von dieser Erkenntnis ebenfalls etwas gewußt
haben.
Den Zusammenhang des Timotheosdekrets mit dem Tsa-
konischen habe ich a. a. 0. in einigen wichtigen Merkmalen
festgestellt. Wilamowitz Timotheos (Leipzig 1903) 70 f. hat sich
freilich nicht darum gekümmert, sondern stellt fest, daß tt (in
)ie|aq;aTTai) boeotisch sei, daß der Fälscher -p für c aus eleischen
Urkunden geholt haben muß, daß er sich ^ttoiv für ^vrdv nach
TTOTTdv 'ausgedacht' habe. Die Formen sind aber vom Tsako-
nischen aus verständlich — doch was braucht man sich um
das Tsakonische zu kümmern! Die Erklärungsmethode von Wila-
mowitz scheitert aber an öiöaKKn (mit den Varianten öibaKii,
öiöaxi) — es ist, so dekretiert "Wilamowitz, 'KoiTuptel des Boethius-
textes' für biödcKn; aber auch jene Form stimmt aufs schönste
zu Hesychs dKKop • dcKoc und zu tsak. erikhu = eupicKuü. Vgl.
hierzu auch meine Bemerkungen IF. (Anz.) 12, 64 und N. Jahrb.
15, 390.
Es ist nicht meine Schuld, daß ich diese Dinge, auf die
schon Deffner aufmerksam geworden ist, nochmals in extenso
wiederholen muß. Aber der Artikel Hermanns zwingt mich
dazu. Und noch eine andere falsche Vorstellung von Hermann
muß berichtigt werden. Daß das Tsakonengebiet durch die
Slaven eingeengt worden ist, geht schon aus meinem Artikel
IF. 4, 195 ff. hervor; aber "daß im ausgehenden Altertum noch
ganz Lakonien mehr oder weniger seine eigne dorische Mund-
art sprach" (Hermann S. 363), ist aus den heutigen Dialektver-
verhältnissen Lakoniens nicht zu beweisen. Die am Schluß
von S. 363 und in den folgenden Zeilen ausgesprochenen Ver-
mutungen und Fragen Hermanns kommen mir etwas naiv vor.
Denn wer sich über das Neugriechische etwas orientiert hat
Ist das Junglakonische eine künstliche Sprache? 299
— sei es auch nur aus meinem Schriftchen Die neugriechische
Sprache (Freiburg 1892) — weiß, daß der tsakouische Dialekt
innerhalb des Peloponnes, sowie des ganzen Griechentums eine
durchaus eigenartige Stellung hat: alle andern Dialekte, auch
die des Peloponnes und insbesondere Lakoniens, stammen aus
der Koivri und hatten keine Beziehungen zum Tsakonischen.
Es ist z. B. sehr bezeichnend, daß der Dialekt der Maniaten
(in der Taenaronhalbinsel), die man als die Nachkommen der
alten Spartaner zu bezeichnen pflegt, nichts speziell mit dem
Altlakonischen und dem Tsakonischen gemein haben. Der Orts-
name BoiTuXoc = OiTuXoc mit erhaltenem F ist ein Dialektrest
der Art, wie sie sich gelegentlich (aber sehr selten) in ehemals
dorischem Gebiete finden, s. Hellenismus S. 81 ff. Eine Probe
dieses Dialektes habe ich Handb. d. neugriech. Volksspr.^ S. 276 f.
gegeben. Es sollte mich freuen, wenn es Herrn Hermann ge-
länge, darin Züge zu entdecken, "welche die Sprache Lakoniens
nur mit dem Tsakonischen gemein hat". "Wenn er weiter einen
Dialekt an der Grenze von Lakonien und der Kynuria studieren
will, so empfehle ich 0. 'I. KouKOuXec OivouvTiaKd f\ ineXerri Trepi
TTic icTopiac Tüuv f\Q6jv Kai e9i)uujv Kai toö tXujccikoO iöidÜMaioc
Toö br\iio\j OivoövToc tfic crrapxiac AaK£bai|i6voc, Canea 1908,
308 S. — es ist ein typisches Beispiel der peloponnesischen
Mundart, der gegenüber auch der mauiatische Dialekt eine
Sonderstellung einnimmt. Aber Hermann hüte sich davor, bei
etwaigen neugriechischen Studien wieder in die längst über-
wundenen Fehler der Archaeomanen zurückzufallen, vor denen
auch der ebengenannte KouKOiiXec sich nicht ganz bewahrt hat.
Mit dem Schlußsatz Hermanns bin ich ganz einverstanden:
"alles spricht dafür, daß das Junglakonische keine künstliche
Sprache war"; denn das ist ja meine eigene, schon vor mehr
als zwanzig Jahren erworbene Ansicht.
Straßburg. Albert Thumb.
300 K. Brugmann,
Zur nominalen Stammbildang der germanischen Sprachen,
1. Gotisch fairra, ahd. ferro *fern* und Verwandtes.
Gleichzeitig haben Kretschraer Glotta 1, 39 ff. und ich in
der Schrift Das Wesen der lautl. Dissimil. (Abhandl. der sächs.
Ges. der Wiss. 27) S. 152 f. für den u. a. in griech. Karrdc aus
KttTd xdc, TTOTTOv aus noTi Tov und in got. ainnöhun *uUum' aus
*ainanö-hun sich zeigenden eigenartigen dissirailatorischen Silben-
verlust Beispiele aus verschiedenen Sprachen zusammengestellt ^)
und das Wesen dieses Vorgangs näher zu bestimmen versucht.
In meinem Grundr. 2^, 3, 307 habe ich noch griech. f evvduj hinzu-
gefügt: im Hinblick auf armen, cnanim ist diese Form wohl
auf *Tevavduj (vgl. epöKavdai, icxavdou u. ähnl.), weniger wahr-
scheinlich mit Froehde BB. 20, 222 auf *Yev£vdu) zurückzu-
führen 2).
Aus dem Kreis der altgermanischen Sprachen sind außer
dem gotischen Akk. Sing. M. ainnöhun noch folgende Formen
zu nennen.
Zunächst got. fairra 'fern' fairraprö 'von fern', ahd. as.
ferro aisl. fiarre *fern'. Die Bildung gehört nebst got falrns
Vorjährig* falrneis 'alt' zu der Wurzel per-, die in griech. irepa
irepav 'darüber hinaus, jenseits', osk. perum 'sine', ai. pdra-h
'ferner, jenseitig* pardh 'darüber hinaus, fern von' param 'hinaus
über, jenseits' usw. vorliegt (vgl. Solmsen Rhein. Mus. 61, 496 ff.,
Verf. Grundr. 2*, 2, 864 ff.). Die älteren Deutungen des -rr- sind
meistens ganz unbefriedigend: die Annahme von Assimilation
von -rn- zu -rr- (so z. B. Kauf f mann PBrB. 12, 519), der Ver-
gleich mit griech. rroppuj TTopcuj lat. porrö (Grimm D. Gr. 3, 195
Neudruck, Persson Stud. etym. 96) und die Zurückführung auf
urgerm. *ferizö (Feist Et. Wb. d. got. Spr. 75). Haltbar ist von
den bisherigen Erklärungsversuchen allein der Ansatz eines
urgerm. *ferera- = vorgerm. *perero- bei Noreen Abriß der ur-
1) Zu dem von uns genannten Italien, mattino aus maiutintts ver-
gleiche man den von Slowasser Wiener Stud. 'iW. (1909) S. 145 besprochenen
Hexameter Anthol. Lat. Riese' n. 389, 45 Sol et Uyperboreo fulget matutinus
in ortu: das Metrum erweist dreisilbige Aussprache von meUtUintis wohl
als mattinus.
2) Aus dem Griechischen wäre noch noXXö- anzuschließen, wenn
Thumeysens Deutung dieses Stammes aus *troXu-Xo- (IF. 21, 176) richtig sein
sollte. Vgl. Brugmann-Thumb Griech. Gramm.* 53 mit Thumbs Fußnote.
Zur nominalen Stammbildong der germanischen Sprachen. 301
gerra. LautL 158 f., v. Grienberger Unters, zur got. Wortk, 631,
nur ist für fairra nicht die gewöhnliche 'Synkope' (v. Grien-
berger) anzunehmen, sondern eben unser dissimilatorischer
Vorgang. *p€rero- war eine Neubildung des Germanischen nach
*upero- got. ufarö ai. üpara- lat. s-tipero-, *ndhero- got. undarö
ai. ädhara- lat. infero- u. dgl., zu der vielleicht das Vorhanden-
sein eines dem ai. paramd-h 'fernster' entsprechenden Superlativs
(Noreen vergleicht mit diesem aschwed. fiwrme) den Anstoß
gegeben hat.
Daß in urgermanischer Zeit auch ein Adverb *fer-er ge-
schaffen worden sei nach den Formen wie got. iifa)\ undar,
afar = urgerm. *ufer usw., darf aus dem Adverbium as. fer ags.
feor *fem' nicht geschlossen werden. In diesem steckt entweder,
wie v, Grienberger annimmt, eine einfachere, nicht kompara-
tivische Form, oder — was mir glaublicher ist — es ist eine
westgermanische Neubildung, die sich nach dem Vorbild des
begrifflichen Oppositums as. ahd. näh ags. neah (vgl. got. neh : neha^
üt : Uta) ergab ; in diesem Fall hätte man zunächst die Form
*ferr gebildet, deren auslautende Geminata vereinfacht wurde.
Falls Osthoff Etym. Par. 1, 44 \2ii. porrö richtig auf *porerö
zurückführt, gäbe dies insoweit eine Parallele zu got. fairra
ab, als beiderseits das komparativische Formans -ero- vorläge.
Aber ein unmittelbarer geschichtlicher Zusammenhang zwischen
den beiden Formationen ist zunächst wegen der Verschieden-
heit der Anfangssilbe unwahrscheinlich. Ferner aus folgendem
Grunde. Lat. porrö wäre nach Osthoffs Deutung zu j^oi"- in
por-tendere usw. zu stellen, das uridg. *pi' (griech. irdp) war.
Da nun ein schon voritalisches *prrero~ lautgesetzlich *parero-
ergeben hätte, könnte *porero- frühestens in der Zeit der italischen
Urgemeinschaft, auf Grund der damals aus *pi bereits ent-
standenen Form por^ ins Leben getreten sein. Zugleich beachte
man, daß, falls Osthoff Kecht haben sollte, der Übergang von
*porerö zu porrö kein dissimilatorischer Akt gewesen zu sein
brauchte: porrö könnte, wie z. B. virtüs = *virotüs^ suprä =
*sttp€rä{d), einfach durch Synkope entstanden sein. Andere lassen
porrö aus *porsö hervorgegangen sein, indem sie es dem griech.
TTÖpco) TToppu» gleichsetzen (s. Walde Lat. et. Wb.* 601, Boisacq
Dict. 6t. de la 1. gr. 805).
Das Gotische hat, abgesehen von den Komposita wie
urreisan urrinnan, die das Präfix us- enthalten, nur noch zwei
Indogermanische Forachangen XXXTTT 20
302 K. Brugmann,
Wörter mit der Lautfolge -r;-, qairrns und and-staürran, und mit
diesen scheint es dieselbe Bewandtnis zu haben wie mit fairra.
qairrus 'nmoc, sanft, freundlich gegen jem.', qairrei 'Sanft-
mut', aisl. kuirr kyrr 'still, ruhig, friedlich', mhd. kürre nhd. kirre
*zahm, milde, zutraulich', mnd. qiierre 'kirre' ist bisher ver-
schieden etymologisch untergebracht worden. Sieh Hirt PBrB.
23, 351 f., Weigand D. Wb.^ 1, 1040, Siebs KZ. 37, 317, Persson
BeitT; zur idg. Wortf. 846, Feist Et. Wb. der got. Spr. 210. Am
meisten spricht von den bisherigen Erklärungsversuchen an der
Vergleich mit lit. gurshi (jiirü 'sich legen', vom Wind (Nesselm.),
lett. gursfu gurt 'ermatten, kraftlos werden* gurdens 'ermüdet,
matt', die Johansson KZ. 32, 479 mit Recht mit griech. ßapuc
ai. gurü-h got. kaürja- {*kaürus) lat. gravis verbindet. Zur Be-
deutung vergleiche man ßapuc und gravis in dem Sinn 'beschwert,
niedergedrückt, kraftlos, matt', z. B. ßapuc yripa (uttö xnpuuc),
vöctjj, ßapuc deipecöai (Herodot 4, 150 Trpecßurepoc re r\br] ei^i
Kai ßapuc deipec0ai 'zu matt, um mich zu rühren'), gravis aetate,
seiiectute, morho. Es scheint demnach, daß man bei qairrus von
dem Begriff 'beschwert, niedergedrückt' zu 'zahm, milde' über-
gegangen ist. Nach ai. gari-män- 'Schwere', lat. gra-vis, die auf
eine zweisilbige schwere Basis hinweisen, läßt sich ein *Q^er3-ro-
ansetzen, das formantisch mit griech. Yepa-p6-c 'ehrwürdig' (zu
Yepac) zu vergleichen wäre. Doch wäre auch *ß^erero- oder
*Q^eruro- als Grundform angängig (vgl. über die Adjektiva auf
-ro- Grundr. 2*, 1, 347 ff.). Insbesondere halte man dazu ahd. as.
iämar ags. j^omor 'traurig, kummervoll, elend', das im Griechischen
als fipepoc 'sanft, mild, zahm' wiederkehrt (Solmsen KZ. 32, 147 f.),
und dessen Bedeutung im Hinblick auf ai. yam- 'zusammen-
halten, cohibere, zügeln', womit ninepoc und iämar zu verbinden
sind, etwa als aus 'geistig befangen' entwickelt bestimmt werden
muß (Sommer Griech. Lautstud. 157).
Das got. Verbum and-staürran {-aip) erscheint nur Mk. 14, 5
andstaurraidedun po '^veßpipuJvTo aurri', d. i. etwa 'bezeigten ihren
Unmut gegen sie*. Wegen des unverkennbaren Zusammenhangs
mit ahd. starren 'herausstehen, hervorragen' storro 'Baumstumpf,
Klotz', wovon nhd. störrig^ ist für and-staürran als ältere Be-
deutung 'sich gegen jem. stellen, jem. bedrohen' anzusetzen
(vgl. V. Grienberger a. a. 0. 26) und von einem urgermanischen
Adjektiv *8turra- 'sich aufstellend, hervorragend' auszugelien
(Karsten Beitr. zur Gesch. der ^'-Verba im Altgerm., Helsingfors
Zur nominalen Stammbildung der germanischen Sprachen. 303
1897, S. 216). Die zugrunde liegende Wurzel ster- kehrt wieder
in ahd. stara-hlint 'starblind', staren 'die Augen unbeweglich
auf etwas richten', got. stairö 'die Unfruchtbare' ai. stan- griech,
creipa 'unfruchtbare Kuh', lat. sterilis, griech. crepeoc 'starr, hart,
fest', lit. styroti 'steif und lümmelhaft dastehen' und andern
"Wörtern, die Persson Beitr. 428 ff. zusammenstellt. So ist denn
für jenes urgerm.*5^Mr/"a- eine Grundform *strr9-ro- oder *$tfrero-
anzusetzen. In der ersten Silbe ist hiervon ablautlich verschieden
eine zweite, auf dieselbe Wurzel zu beziehende Wortgruppe
mit -rr-, die nur im Westgermanischen und Nordischen erscheint :
nhd. starr 'unbeweglich und unbiegsam', aisl. starr (belegt ist
der Akk. Sing. M. starran) 'steif, starr, hart' (Karsten Studier
öfx'er de nord. spräkens primära nominalbildning 2, 82, Liden
in Pippings Stud. i nord. filol. 1, 43 ff.), mhd. sterre nhd. bayr.
sterr 'starr, steif mhd. starren sterren 'rigere, starr sein', nhd.
erstarren 'starr werden'. Ob auch dieses *sfarra- einmal, wie
*sturra-^ dreisilbig gewesen ist und einen Yokal zwischen den
beiden r eingebüßt hat, oder ob es eine ]klischung von *stara-
und *stitrra- ist, die erst eintrat, als letzteres schon zweisilbig
geworden war, lasse ich unentschieden. Im letzteren Fall hätte
sich in einer älteren Zeit eine Neubildung ergeben von der-
selben Art wie die, durch die unser nhd. starren 'unverwandt
blicken' zu seinem rr gekommen ist. Denn dieses Yerbum ist
die Fortsetzung des oben genannten ahd. staren 'die Augen unbe-
weglich auf etwas richten' und hat sein rr durch Angleichung
an starren 'rigere' erhalten. — Griech. creppoc, die Nebenform
von CT€pe6c, ist wohl nicht mit Froehde BB. 20, 222 auf *CT6pepöc
zurückzuführen, in welchem Fall cteppöc ein weiteres Beispiel
für den in Rede stehenden dissimilatorischen Vorgang wäre,
sondern ist aus ciepeöc durch die Mittelstufe CTepeöc ent-
standen, wie ßoppctc aus ßopeac = ßopeac (G. Meyer Griech.
Graram.3 223, Schulze Quaest. ep. 85. 399 f., Brugmann-Thumb
Griech. Gramm.* 66).
Weniger sicher ist, daß von derselben Art wie das -rr-
der im Yorausgehenden besprochenen germanischen Wörter das
-rr- von noch zwei andern germanischen Wörtern gewesen ist:
ahd. sterro ags. steorra 'Stern' neben ahd. sterno got. stairnö aisl.
stiania (s. Noreen Abriß der urgerm. Lautl. 159, Johansson BB.
18, 18 f.) und aisl. skiarr 'furchtsam vor etwas, scheu', älter
*skerra-, das mit ahd. xern 'scurrilitas', griech. cKaipiu 'springe,
20*
304 K. Brugmann,
hüpfe' verwandt zu sein scheint (s. Persson Stud. zur Lehre
von der Wurzeler w. 32. 38, Karsten in den oben genannten
Studier 2, 781).
Auch noch eine "Wortgruppe mit -nn- scheint es in den ger-
manischen Sprachen zu geben, die den in Rede stehenden Vokal-
verlust erfahren hat und somit ein spezielles Analogon zu
got. ainnöhun bildet. Ich meine die Formen got. ags. aisl. inn
'hinein', got. inna ahd. as. inna inne ags. inne aisl. inne *inne,
innen' (got. inna-kunds *zum Haus gehörig, Hausgenosse'), got,
innana Von innen, hinein' ahd. innana innan Mnnen' ags, innan
aisl. innan Von innen', ahd. aisl. innar 'innerhalb', got. innaprö
Von innen', innuma 'der innere* (ags. innemest), die unzweifel-
haft von in = griech. dv usw. aus gebildet worden, aber zu
ihrem nn sicher nicht so gekommen sind, wie Feist a. a. 0. 156
denkt, der inn aus *inz = kret. ivc att eic entstanden sein läßt.
Meiner Ansicht nach kommen nur die beiden folgenden
Erklärungswege in Betracht.
Erstens könnte an *en ein mit n beginnendes Bildungs-
element unmittelbar angefügt sein: vgl. etwa ahd, as. forn
'ehemals' aisl, forn 'alt' aus *p]i'-n-^ ahd. untorn untarn 'Mittag'
aisl. undorn 'Mitte zwischen Mittag und Abend, Nachmittag,
Vesperzeit' (got. undmirni-mats 'Frühstück') aus *ntj'-n- (zu ahd.
untar 'zwischen', lat. inter^ ai, antdr), got, fairns 'vorjährig' fairneis
ahd, f,rni 'vorjährig, alt' aus *per-n-, aksl. fbrn 'hinaus' vwie
'draußen' i-bnu 'hinaus' aus *ud-n-, osk. comenei 'in comitio' aus
*comno- umbr. kumne 'in comitio' u. dgl. (Grundr. 2^, 1, 270),
Zweitens kömite ein M-Formans an die vollere Form *eni
(griech. lv\ dvi, ir. ogm. ini-gena air. ingen Tochter', ai. änika-m
'Angesicht', vgl. ni- in aw. ni-zdnta- 'eingeboren, ingenuus', ai.
ni-tya-h 'beständig, eigen' got, ni-ßjis 'Verwandter', s. Grundr. 2*,
1, 828 und die dort zitierte Lit.) angetreten sein. Dann ver-
gleichen sich mit *eni-n- folgende Formen, insofern auch bei
ihnen Adverbia, die auf einen Vokal auslauteten, der n-Er-
weiterung zugrunde liegen : aw, paHi-na- Verschieden, gesondert,
einzeln', ai, vi-nä 'mit Ausnahme von, außer, ohne', umbr. postne
*post* pustnaiaf 'posticas' lat. pöne aus *posti-n-, lat, suprrnus
superne aus *8uperi-n-, weiter ai. purä-nä-h 'vormalig* (von pwrd),
aw. ajKi-na- 'hoch' (eigentlich 'entfernt') in ajxjnö-t»ma- 'der
höchste* as. fan ahd. fona fon 'von' (von *apo *po 'ab, weg'),
8. Grundr. 2«, 1, 270, Morph, Unt. 6, 3581 Dann wäre *eni-nn in
Zur nominalen Stammbildung der germanischen Sprachen. 305
drei- und mehrsilbigen Formen dissimilatorisch zu inn- geworden,
entweder über *enn- oder über *inin-, d. h. die Verkürzung um
eine Silbe geschah entweder schon vor oder erst nach dem
i-Umlaut des anlautenden e-.
Im Ausgang entsprechen einander z. B, (um mich auf das
Gotische zu beschränken) inna und üta, iupa, afta; innana und
ütatia, iiipana, aftatia; innaprO und iupaprö; bin und üt^ iiip.
Daß nun in beiden Fällen, ob wir von *en-n- oder von *em-n-
ausgehen, der zweite Nasal etymologisch dasselbe Element wäre,
das im Anlaut der Schlußsilbe von innana steht, hindert natürlich
nicht. Die nächstliegende Parallele wäre ahd. as. thanana ags.
donan Von dannen' neben ahd. as. thana got. Pana (in pana-mais^
pana-seits 'weiter, noch'), vgl. ferner ahd. meriro meröro : mero^
Akk. Sing, man : in u. a. (Morph. Unt. 3, 67 ff.).
Von diesen beiden Möglichkeiten, das nn in inn usw. zu
erklären, hat nun die zweite, inn- aus *eni-n, darum die größere
"Wahrscheinlichkeit für sich, weil von vorn herein die Annahme
recht bedenklich ist, daß unmittelbar an eine auf n ausgehende
Präposition ein mit n beginnendes formantisches Element ange-
treten sei. Einerseits gibt es unter den adverbialen «-Formen,
denen eine von Haus aus konsonantisch auslautende Präposition
zugrunde gelegen hat, wohl keine, von welcher es glaubhaft
wäre, daß sie in urgermanischer Zeit für ein *en-n- {in-?i-) das
Muster abgegeben hätte. Anderseits darf man sich nicht auf
Fälle wie got. Dat. Sing, mann = *man-n-i, Gen. Flur, manne =
man-n-e berufen wollen. Denn hier standen von Anfang an
Kasus mit starker Stammgestalt daneben, in denen die beiden
n durch einen Vokal getrennt waren, z. B. Akk. Sing, mannan
für *man-an- [mannan hat erst durch Anschluß an mann manne
sein nn bekommen); hier waltete Systemzwang, und bei den-
jenigen Nomina, die aus urindogermanischer Zeit stammten, war
ja das -n- der schwachen Kasus damals erst lautgesetzlich aus
-en- entstanden, so daß auch hier ursprünglich sich nicht zwei
n unmittelbar berührt hatten (s. Verf. Grundr. 2*, 1, 303).
2. Gotisch hulutidi 'Höhle' und gleichartige ni-Bildungen.
Ihrer Bildungsweise nach als zusammengehörig werden
folgende Feminina betrachtet. Got hulundi'^öhW. Got. *nefvundi
'Nähe, Nachbarschaft', repräsentiert durch das davon abgeleitete
Maskulinum nihtindja 'der Nächste', aisl. nönd {ndnd) 'Nachbar-
306 K. Brugmann,
Schaft* aus *nähimmdi, ahd. nähiint mhd. nahent Adv. *in der
Nähe, in dife Nähe'. Aisl. vitund 'notitia, Kenntnis*, tegund
*species, Art*. Ahd. leidunt *Beschuldigung, Anklage*. Ags.ßeofend
•Diebstahl*. Vgl. Grimm D. Gr. 2, 326 f. Neudr., v. Bahder Die
Verbalabstr. 192 ff., Kluge Nomin. Stamrab.^ § 131, Wilmanns
D. Gr. II § 266, 2, HI 2 § 181, 3.
Ich vermisse in dieser Zusammenstellung dasjenige gleich-
artige Femininum, das von allen das älteste war und wenigstens
für einen Teil dieser Formen das Bildungsmuster gewesen ist.
Dies ist das in der historischen Zeit der germanischen Dialekte
freilich nur noch als Eigenname vorliegende Burgwnd. Längst
ist erkannt die nicht nur wurzelhafte, sondern auch forman-
tische Zugehörigkeit dieses Wortes zu ai. hrhänt- 'hoch, erhaben'
(eigentlich und uneigentlich), Neutr. hfhdt 'Höhe', Fem. h^hati
Name eines Metrums, einer Pflanze (Solanum), eines best. Körper-
teils an den Seiten zwischen Brust und Wirbelsäule, Frauen-
name u. a. (zum Verbum harh- 'mehren, erheben, stärken'), abrit.
Brigantes BpiTaviec Volksname (entweder 'die Hohen, Edlen'
oder nach Glück Kelt. Namen 129 'Höhenbewohner'), Fem. akelt.
Brigantia Ortsname (Bregenz) und Name einer weiblichen Gott-
heit, ir. Brigit Name einer berühmten Heiligen und überhaupt
Frauenname (= ai. hj-hati)^ dazu das Appellativum kjmr. hraint
'Vorrecht, Prärogative' (eigentlich 'Hoheit') mit Ableitungen
(Thurneysen Keltororaan. 49, KZ. 28, 146, Handb. d. Altir. 1, 180.
Stokes Urkelt. Sprachsch. 171 f., Pedersen Kelt. Gramm. 1, 100).
Zu dieser Wortsippe gehört auch das Wurzelnomen aw. har'z-
hdr'z- 'Höhe, Berg' npers. hurz 'Höhe', ir. h% Gen. hreg^ 'Hügel',
das im Got. als haürgs 'Turm, Burg, Stadt' wiederkehrt. Kossinna
IF. 7, 282 f. hat als älteste Form für Burgundarhohnr {Bornholm)
die Form Burgitnd ermittelt und dieses mit Recht als 'hoch-
gelegene' oder 'hochragende örtlichkeit' gedeutet (die Granit-
felsen des Eilands stechen gegen die flachen Ufer der benach-
barten Ostseeküsten erheblich ab). Burgund hieß auch eine
kleine dänische Insel bei Möen und zwei norwegische Inseln,
eine im Hardangerfjord, jetzt Burgundö^ und eine im nördlichen
Teil von Söndmöre, in deren Nähe auf dem Festland die Stadt
Burgmid liegt. Vgl. dazu Much PBrB. 17, 41 f., Bremer Grundr.
der germ. Phil. 3, 818 f. Gleichwie dieses Burgund dem kelt. Orts-
namen Brigantia {Bregenz) gegenübersteht, so entspricht dem
Frauennaraen Brigantia ir. Brigit der ahd. Frauonname Purgunt.
Zur nominalen Stammbildung der germanischen Sprachen. 307
ebenfalls 'die hohe, erhabene', mit welchem Kögel Anz. f. deutsch.
Altert. 19 (1893) S. 4 f. noch ein paar andre ahd. Frauennamen
auf -unt zusammenstellt, die ebenfalls den Büdungstypus ai.
brhati darstellen : Uuahsunt (Gen. Uiiahsimte), Fragunt, Hruadun
(Gen. Hruadtimie, vgl. hefihanna 'Hebamme' aus *hafjan[d]jä-)
u. a. Zu *hurgundi (vgl. got. huhnuli, handi) verhält sich der
Stammesname Burgundiones formantisch ebenso wie got. nefvund-
jans 'oi irXriciov' zu dem Fem. *nehiindi. Ob Bitrgundioms 'die
Höhenbewohner' oder, wie Much PBrB. 17, 43 glaubt, *die Hohen,
Edlen' (vgl. oben über das abrit. Brlgantes) gewesen ist, bleibt
unsicher; der Name kann in einer Zeit gebildet worden sein,
da *burgundi als Appellativura auch 'Höhe' im uneigentlichen
Sinne war. Die lokale Bedeutung stünde freilich fest, wenn
sich beweisen ließe, daß der Yolksstamm seinen Xamen eret
im Anschluß an den ältesten Namen der Insel Bornholm oder
nach einer von den andern Burgund genannten Inseln bekommen
habe»).
An *bi(rgundi in der Örtlichkeitsbedeutung schließen sich
an aisl. npnd ndnd got. *nefvundi^ huhindi^), und wenn man die
Eigennamen berücksichtigt, vielleicht auch die nord, Inselnamen
Jagund {Jegindö\ Jalund {Jalö\ s. Kossinna a. a. 0. 282. Dagegen
an *hurgimdi als Adjektivabstraktum die Substantiva aisl. vitund^
iegund, ahd. leidunt, Sigs. ßeofend. Nur bei ahd. näkunt mhd.
nähent 'in der Nähe, in die Nähe' (das bei Fick-Torp Wortsch.
der Germ. Spracheinh. 290 unrichtig mit got. jain-d 'dorthin'
formantisch verglichen wird) mag dahingestellt bleiben, ob es
nicht ein Kasus, etwa der Lok. Sing, des alten Neutralstamms
(vgl. ai. hfhdt N. 'Höhe' und lat. altum^ griech. aKpov) gewesen ist.
In den Kreis unsrer Feminina werden gewöhnlich auch
die Abstrakta fügend, jugend mit dem jenem nachgebildeten mhd.
mugent 'Kraft, Macht' hineingezogen: ahd. tugund ags. du^ud^
ahd. juguwl ags. ;(^eo^nd. Einerseits ist klar, daß sie einst -nt-
im formantischen Teil gehabt haben, anderseits aber auch, daß
sie in ihrer Gestaltung ursprünglich unter sich verschieden
gewesen und erst infolge lautlicher und begrifflicher Ähnlichkeit
1) Über die historisch-geographische Stellung der Burgunden und
ihre Sprache im Kreis der germanischen Stämme s. Bremer a. a. 0. 819.
824 f., Kögel Ztschr. f. deutsch. Altert. 37, 223 ff., Hempl Transact. of the
Amer. Phil. Ass. 39 (1909) S. 105 ff.
2) Auf die formantische Übereinstimmung von Burgund mit aisl.
ndnd und got. hulundi hat schon Much a. a. 0. aufmerksam gemacht.
308 K. Brugmann,
(ags. du^ud bedeutete auch 'Kraft, kräftige Mannschaft') zu
Reimwörtern geworden sind (vgl. hierüber Holthausen Herrigs
Archiv 107 S. 3811). Ich nehme mit Holthausen an (s. Grundr. 2^
1, 439), daß die urgerm. Form *iumin-ßi-z (vgl. ai. yuva-tl-h 'Jung-
frau' und lat. sementis zu semen) durch Anähnlichung an tugend
ihr -3- bekommen hat; was rein lautgesetzlich aus *iuunnß(-z
geworden wäre, zeigen got junda = lat juventa, Grundf. *iuun-td,
und gotjuggs {Kompar. jühiza) = ai. yuvasd-h yuvaka-h \sit. juvencus
kymr, ieuanc, Grundf. *inun-ko-s. Dahingegen gehörte tugund
(zu got. dugan 'taugen') ursprünglich zu den oben behandelten
Abstrakta auf *-nti und hat sich hinterher im formantischen
Teil an das Wort jugend angeglichen.
3. Got. fön funinSj preuß. panno, ahd. fuir fiur 'Feuer*.
Unter den neutralen Substantiva, in denen seit uridg. Zeit
ein r-Formans mit einem n-Formans wechselt, wie ai. üdhar Gen.
üdhnah (Verf. Grundr. 2 2, 1, 308ff. 578ff.), bereitet wegen seiner
Vielgestaltigkeit das in der Überschrift genannte Wort für 'Feuer'
besondere Schwierigkeiten. Namentlich auf Grund der ausführ-
lichen Behandlung dieser Wortgruppe bei Johansson Beitr. zur
griech. Sprachkunde (1891) S. 28 ff. stellt man heutzutage folgende
Formen mit Recht als etymologisch verwandt zusammen:
Ved. pävakd-h 'rein, reinigend ; Feuer', doch wird vom
Metrum 2^(^^'ö,kd-h gefordert, und diesem Ansatz dient mpers.
Turfanhandschr. paväg zur Bestätigung (Bartholomae Woch. f.
klass. Phil. 1908 Sp. 65, Zum altiran. Wtb. 97 f.). Vielleicht gab es
aber sowohl ein paväka- als auch ein jjävaka- (Persson Beitr. 677),
letzteres morphologisch der Form pävana-h 'reinigend; Feuer*
näher stehend und ein urar. *päm-ka- repräsentierend.
Arm. hur Gen. hrog. Daneben hnof 'Ofen' aus *hunof.
Tocharisch (Dial. B) por.
Griech. TrOp nupöc.
Umbr. pir pir (aus *pür), Abi. pure; purom-e 'in ignem*.
Ir. ür 'Feuer' O'Clery's Glossary (von Vaniöek Et. Wtb. der
lat Spr.2 171 und Stokes BB. 21, 123 herangezogen).
Got. fön, Gen. funim Dat. funin ; aisl. fune M. 'Lohe, Flamme';
ahd. funclio 'Funke'. Frühahd. fuir (zweisilbig, vgl. Musp. vugir)^
später fiur, as. fiur, ags. fyr; aisl. fürr M. (Akk. für), fyri N.
(irz-Stamm).
Preuß. jpa«no 'Feuer' mit panu-stadan 'Feuerstahl', vgl.
Zur nominalen Stammbildung der germanischen Sprachen. 309
entlehnt finn. panu Teuer', Cech. pyr pyr 'glühende Asche',
osorb. pyri4 'heizen'.
Zu dem mit der /--Bildung wechselnden Nasalstamm ge-
hören ai. pävana-h und vermutlich pävaka-h (s. o.), arm. hnoc^
got. fön funins, ahd. fiincho^ preuß. panno {panu-). Arm. *huno(;
ist mit dem Formans -sko- weitergebildet und war ursprünglich
eine Art Kollektivum zu Ä«r, vgl. got funisks 'feurig'. Ahd.
funcho beruht auf *puun- oder *pMw-, urgerra. *fuuun- oder
*f[u]un-, vgl. ^otjuggs ahd. hmg = ai. yuvasd-h, zu yüvan-, got.
hunds urgerm. *xuun-dd-z, zu ai. sodn- sca- (sva-bhyah). Mit
seinem (/-Formans stellt sich funcho zu ahd. scin-co, enin-chü^ ai.
patagd-h pataiagd-h u. dgl. (Yerf. Grundr. 2^, 1, 506 ff.). Für funcho
erscheint im Mhd. vanke (mit dem Yerbum vanken 'leuchten'):
dessen Grundform war *puon-g-en-\ es verhält sich somit zu
funcho wie ai. pataidgd- zu patagd-, as. ferscang zu verscung ahd.
friscung 'Frischling', arm. skund 'Hündchen' (Grundform *hwn-to-s
oder *kuon-ta) zu got. hunds (s. o.). Got funins mit dem masku-
linischen Nom. aisl. fune schließt sich an einen zu *puen- oder
*puuen- gehörigen schwachen Stamm *])un- an. Das doppelte
«-Formans {*fu-n-en-) erinnert an got sunnö F., das von *s{u)uen-
: sun- ausgegangen ist (vgl. gthaw. Gen. x''9ng = urar. *suan-s\
und an got brunna ]M., dem die Stammform *bhru-n- zugrunde
lag (Grundr. 22, 1, 303. 310).
Got fön wird gewöhnlich (neuerdings auch von Persson
Beitr. 677 und Boisacq Di et et 828) auf *pä[u]n- oder *pdlu]n-
zurückgeführt. So ist es jedoch mit preuß. panno^ dessen erste
Silbe sicher kurz war, nicht zusammenzubringen, und doch wagt
man es nicht von ihm zu trennen i). Was v. Grienberger Unters,
zur got Wortk. 71 über fön sagt: "Man könnte in *f-ön die
neutrale Endung mit ausnahmsweise erhaltenem auslautendem
n erblicken (Einsilber!) und das Wort als DissimiHerung aus
*fn-ön ansprechen", wird niemandem eingehen. Denn so beraubt
man sich ja der Möglichkeit, fön mit funins ahd. fiiir usw. auf
dieselbe Wurzel zu beziehen. Die Sache liegt, scheint mir, ein-
facher, panno hat *puonu als Grundform, fön entsveder *puönu
(zum Lautlichen vgl. iagr = griech. buKpu) oder *puöni.
Daß das Gotische dehnstufiges -ön- zeigt, mag damit zusam-
menhängen, daß die got Neutra der «-Stämme im Nom.-Akk.
1) Nur Walde Lat. et. Wtb.* 626 bezweifelt konsequenterweise die
Zusammengehörigkeit der beiden Wörter.
310 K. Bragmann,
diese Ablautstufe überhaupt im stammbildenden Formans haben :
watö, hairtö {hairtöna). Im übrigen unterscheiden sich fön und
funins darin, daß hinter dem w-Stamni im Nom.-Akk, noch -u
oder -/, in den andern Kasus noch -e?i- angetreten ist. Der
Bildungsgegensatz zwischen Nom.-Akk. und den andern Kasus,
der sich im Gotischen bis in die geschichtliche Zeit hinein hielt
und nur darum halten konnte, weil das Wort Neutrum war,
ist im Nordischen weggefallen mit der Änderung des Genus
(vgl. Mask. furr) : fune, Akk. funa.
Ob auch preuß. panno einmal nur im Nom.-Akk. -u gehabt
hat, bleibt unklar. Andre Kasus sind nicht überliefert, und das
Deminutivum paniko 'Feuerchen' (Bezzenberger BB. 2, 137) kann
es natürlich nicht beweisen. Zunächst also hätte man panno
und mit ihm got. *fömi, falls hieraus fön hervorgegangen sein
sollte, mit den andern in beiden Sprachzweigen vertretenen
Neutra auf -u zu vergleichen, wie preuß. cdu 'Met' ags. ealu
aisl. pl 'Bier', preuß. jJ^cku 'Vieh' got. faihn 'Vermögen, Geld'
ahd. fihu fehu 'Vieh', preuß. meddo 'Honig' (ahd. meto aisl. mipdr
M. 'Met'), aglo 'Regen'. Unter den «^-Stämmen gab es ferner auch
außer panno (und *fönu) solche, bei denen u mit einem andern
postradikalen formantischen Element verschmolzen war: z. B.
ai. dänu 'träufelnde Flüssigkeit' (aw. dänu-s F. 'Fluß, Strom*)
neben däna-m 'die beim Elefanten zur Brunstzeit aus den
Schläfen quellende Flüssigkeit' (Wurzel ar. da-) ; lat. coniu neben
ai. spd-ga-m^ got haürn, Stamm haürna-\ alat. ossu neben os
ossis; ai. ulmu-ka-m 'Feuerbrand', Erweiterung von *ulmit, mit
aisl. oltnr 'zu feindlichem Überfall geneigt', dän. älm 'feurig,
lebhaft' zu W. al- 'brennen' gehörig (Johansson Ztschr. f. deutsche
Phil. 31, 298 f.); osk.-umbr. kastrn- z. B. in osk. Gen. casfrons
neben lat. castrum. Sollte nur das preußische Wort, nicht auch
got. fön -M gehabt haben, so ist überdies daran zu erinnern,
daß das Adjektiva bildende Formans -u- in dem dem Preußischen
nächstverwandten Litauischen häufig als Sekundärformaus auf-
tritt, wie in kaitrus 'Hitze gebend' (zu kaitrh\ gädrüs 'heiter,
klar' (zu gidrä\ tamsüs 'finster' (zu tamsa\ gliaumüs 'schleimig'
(zu gliaümas), s. Leskien Bild, der Nom. 259 ff. *). Es wäre nämlich
gut möglich, daß panno das substantivische Neutrum eines zu
1) Daß im Preußischen kein Adjektiv auf -us von dieser Art über-
liefert ist, wird Zufall sein. Die wenigen uns erhaltenen preuß. w-Adjektiva
nennt Trautmann Die altpreuß. Sprachd. 246.
Zur nominalen Stammbildung der germanischen Sprachen. 311
*puon- Teuer' gebildeten »^-Adjektivs gewesen ist, das an die
Stelle des zugrunde liegenden Substantivs selbst trat. Hierzu
böte das aisl. Neutrum fyri Teuer' eine Parallele, da es, von
fürr M. abgeleitet, ursprünglich 'igneum, irupiov' gewesen ist.
Was weiter die Eventualität betrifft daß got. fön aus *föni
entstanden ist, so wird man zunächst erinnert an die altindischen
Neutra auf -i wie dksi^ ästhi (J. Schmidt Plur. 244 ff.), ferner
an t als Erweiterung von Nasalstämmen, wie in ai. Neutr. vfsm
'mannhaft' {vfsni savah RY. 5, 35, 4), das sich mit Vfsni-h 'mann-
haft; Widder' aw. varsni-s 'Widder' an ai. vrsan- angeschlossen
hat (man beachte den Tonsitz im Neutrum vfsni neben rrsni-h\
in ahd, arn Plur. erni neben aro got, ara M. 'Adler' u. a. Zu-
gunsten von *föni läßt sich auch das ahd. Neutrum fuir an-
führen, da dieses, wie wir bald sehen werden, auf ein älteres
*fueri zurückgeführt werden muß. Mag nun *fänu oder *föni
der Vorläufer von fön gewesen sein, die ursprünglich zweisilbige
Formation des Nom.-Akk. stand jedenfalls in Kausalzusammen-
hang damit, daß man von Stamm *ftin- oder Stamm *funo- aus
zu *fun-en- übergegangen ist.
Um nun weiter zu den /--Formen unseres Wortes zu
kommen : neben den Kasusformen, die als Stammauslaut r haben,
wie griech. irOp irup-öc, umbr. pir pur-e. stehen die Fonnen
mit -?-o-, -rä- arm. hur Gen. kroy^ umbr. jJityom-e, aisl. fiirr Akk.
für. griech. rrupd ion. Trupn {'Feuerstätte') in der gleichen Weise,
wie z. B. griech. übpoc uöpa ai. iidrd-h neben übujp; ai. usrä-h
usrd lit. auszra neben ai. usar- usr- ; ai. dvära-m^ forum, got. dmir,
griech. Gupa neben ai. Plur. Nom. dvdr-ah Akk. dtir-dh diir-ak,
ark, Gup-Öa; ai. sura-h lieben svär sur- u. dgl.(Grundr.22, l,156ff.).
Auffallend und der Erklärung bedürftig erscheint unter
den r-Formen nur das zweisilbige ahd. fuir (PajKjRajVoc.jWkjT)
mit der jüngeren Nebenform fiur, auch as. fiur.
Johanssons Annahme, daß fuir Kontamination eines uridg.
*püi {*päui) mit */>Mr- sei, leuchtet nicht ein. Auch ist aus
lautgeschichtlichem Grund unannehmbar die von Wackemagel
IF. 2, 150 und von Franck-v. AYijk Et. wordenboek der nederl.
taal- 766 angesetzte Grundform *puuer, bezieh. \n:gQrm.*fn{u)ir{d)-
(dafür bei Walde Lat. et. Wb.« 626 *]muer, da er ü für fuir an-
nimmt); denn hier bliebe i unerklärt. Ich gehe von *fuuen
aus, woraus fuir werden mußte, vgl. ahd. ubir aisl. ufir aus
*uberi = ai. updri., ahd. furdir == *pft€ri. Durch sein -i unter-
312 K. Brugmann, Zur nominalen Stammbildung der germ. Sprachen.
scheidet sich fuir in derselben Weise von waggar, wie got fOfi,
wenn wir es aus *föm entstanden sein lassen, von got watö
aus *iüatön. Im Gegensatz aber zu fön^ das auf den Gebrauch
als Nom.-Akk. beschränkt blieb, wurden zu fuir noch andere
Kasus, nach der o-Deklination, geschaffen {fuires usw.). Ob auch
dech. jyyr poln. perz, das ebenfalls /-Stamm ist, auf einem Nom.-
Akk. Sing. N. auf -ri beruht, ist um so zweifelhafter, als die
Vermutung nahe liegt, daß es flexivisch durch ognh (öech. ohen
poln. ogien) beeinflußt worden sei. Bestimmter noch muß ich
den griech. r/-Stamm TTupi-, der in irupi-riKric 'mit feuriger Spitze'
und andern Komposita vorliegen soll (z. B. Joh. Schmidt Voc.
2, 273), ablehnen. Denn dieses irupi- war aller Wahrscheinlich-
keit nach vielmehr der erstarrte Lok. Sing. -rrup-i (Grundr. 2^, 1, 98).
Dagegen darf auf ai. tisri-h 'Morgen, Helle' neben usrd- und
iisar- u. a. dgl. (Grundr. 2^, 1, 381 ff.) in demselben Sinne verwiesen
werden, in dem wir oben wegen urgot. *föni auf vjsni- neben
vfsan- hingewiesen haben.
Daß die Nebenform ß,ur durch Umstellung von ui zu iu
(Franck Altfränk. Gramm. S. 50 fragt: über m/?) aus fuir her-
vorgegangen sei, ist zwar möglich, aber nicht durch analoge
Vorgänge im Westgermanischen zu begründen. Mindestens ebenso
berechtigt ist die Annahme, daß sich darin ein mit fuir ab-
lautendes nvgQim*feurl erhalten hat. Zu *füro- (aisl. fürr) stünde
es ablautlich in demselben Verhältnis wie ahd. Huri 'teuer' zu
mhd. türen, got. stiurjan 'feststellen* ahd. stiura 'Stütze, Steuer-
ruder' zu ahd. stüri aschwed. stür (Persson Beitr. 713 ff.), die
ebenfalls ein r-Formans enthalten. Vgl. auch das mit dem Wort
feuer wurzelgleiche, im Sinne freilich von ihm getrennte althoch-
deutsche Verbum fowen 'cribrare, durchsieben, Getreide reinigen*,
das wie ai. paväya-ti 'reinigt, läutert' auf ein uridg. *pouiie-ti
zu beziehen ist (daneben ai. pdva-te).
Schließlich noch ein Wort über griech. navöc 'Fackel'
(Aeschyl., Eur.), das seit Fick KZ. 18, 416 gewöhnlich in den
Erörterungen über got. fön funins ahd. fuir usw. berücksichtigt
und mehrfach mit got. fön unmittelbar verknüpft worden ist
S. u. a. Joh. Schmidt KZ. 26, 16, Kretschmer KZ. 31, 294,
Johansson Beitr. zur griech. Sprachk. 291, Fick Wtb. 1*, 470,
Prellwitz Et Wb.« 350, Ehrlich Unters, über die Natur der
griech. Beton. 99. Das Wort mit seinem a bereitet vor allem
dadurch Schwierigkeit, daß von vom herein unklar ist, ob es
B. Schmidt, Ganz. 313
echt attisch war oder Entlehnung aus dem Dorischen. Nur
Ehrlichs Deutung, wonach es zu uöp gehörte, echt attisch ge-
wesen und aus *TTaFec-v6-c hervorgegangen wäre, ist ansprechend,
besonders im Hinblick auf qpavoc 'Leuchte, Fackel' aus *(paF€C-v6-c.
Das aus *7TaFec-vo- zu folgernde Neutrum *7TaFoc ^) verhielte sich
zu der Wurzelform *'peu- *pou-^ wie griech. craupöc lat. -stauräre
zu got. sfiurjan usw. (s. Persson Beitr. 713 ff.). Dieses *TTaFoc
würde demnach unsern obigen Deutungen von got. fön ahd.
fiur usw. nicht im Wege stehn.
Leipzig. Karl Brugmänn.
Ganz.
Das hochdeutsche, auch ins Niederdeutsche und Nieder-
ländische und weiterhin ins Friesische, Dänische und Schwedische
übergegangene ganz hat auf die Etymologen von jeher eine
besondere Anziehungskraft geübt. Auch Brugmänn hat sich
mehrfach mit dem Worte beschäftigt, am ausführlichsten in der
Abhandlung "Die Ausdrücke für den Begriff der Totalität in
den indogermanischen Sprachen", Sonderabdruck aus dem Renun-
tiationsprograram der philosophischen Fakultät der Universität
Leipzig für 1893 — 1894, S. 56ff. Brugmänn empfiehlt dort, nach-
dem er mehrere andere Deutungs versuche, darunter den be-
kannten Möllerschen HZ. 36, 326 ff., abgelehnt hat, die Zusam-
menstellung mit dem ai. ä-hanäs- 'strotzend, geil', ghand- 'kom-
pakt', als subst. 'kompakte Masse', griech. eu0evr|c, euGeveia, €u9ev€iju
und q)övoc 'Masse', lit. ganä 'genug' und aksl. goneti 'genügen'
nach Bezzenberger BB. 12, 78. Fick das. 16, 289. Vgl. Wb.* 1,
40. 415. PreUw. Et. Wb. 41 (2 68). Johansson IF. 3, 253. Für
wie wenig durchschlagend er indessen selber diese Etymologie
hält, läßt sich schon daraus entnehmen, daß er S. 59 f. nicht
weniger als drei weitere Anknüpfungsmöglichkeiten zur Wahl
stellt, um IF. 5 im Anz. S. 19 Fußn., angeregt durch Osthoff
und im Anschluß an Pott Et. Forsch. 1«, 792, noch eine vierte
1) Scharfsinnig, aber freilich ebenfalls unsicher ist Ehrlichs Ver-
mutung, daß kypr. iraFiuj in der von R. Meister Abhandl. der sächs. Ges.
d. Wiss. 27 (1909) S. 30311. behandelten Inschrift von Salamis {ixQ^wc hä
uupi TraFitj übersetzt Meister mit 'die Feinde aber schlage ich mit dem
BUtz') aus *TTaF€c-iiJU entstanden sei und 'ich brenne, verbrenne' bedeute.
314 B. Schmidt,
hinzuzufügen, die er dann in den SB. der Kgl. Sachs. Ges. d.
Wiss. v.J. 1897, S. 17 f. und im Grdr.« 1, 381 noch etwas modi-
fiziert und näher begründet hat. Auch Torp bei Fick* 3, 125
stellt mehrere Möglichkeiten zur Wahl, während die meisten
übrigen Wörterbücher sich mit der Feststellung begnügen, daß
das Wort noch nicht sicher gedeutet sei. Unverständlich ist
mir die Haltung Kluges, der noch in der 5. Aufl. des Et. Wb.
S. VIII (ich weiß nicht, ob auch noch in der 6.) die Möllersche
Hypothese, daß ganz ein slav. Lehnwort sei, grundsätzlich ablehnt,
um sie in der neuesten (7.) Aufl., allerdings in etwas modi-
fizierter Gestalt und nicht ganz unzweideutig, selber zu ver-
treten. Dieser 'ürafair ist mir um so weniger verständlich als
über die Wertlosigkeit des Möllerschen Einfalls trotz der aus-
führlichen Begründung, die er ihm gegeben hat, heute doch
wohl kein Zweifel mehr besteht. Vgl. Berneker Slav. etym. Wb.
1, 561 unter hom. Auch was sonst in den Wörterbüchern oder
anderswo geboten Avird, ist meist von vornherein so unwahr-
scheinlich, daß es sich nicht lohnt, es im einzelnen hier aufzu-
führen, lit. bei Falk-Torp im Nachtr.
Jedenfalls also herrscht an Deutungsvorschlägen für unser
Wort kein Mangel. Aber leider ist keiner darunter, der wirk-
lich überzeugend, ja nicht einmal einer, der auch nur einiger-
maßen wahrscheinlich wäre. Und doch hat die unzweifelhaft
richtige Deutung schon immer mit zur Diskussion gestanden.
Freilich mehr im Hintergrund, gewissermaßen als Lückenbüßer
nur. Und deshalb hat es bisher noch niemand für der Mühe
wert erachtet, sie einmal auf ihre tatsächliche Berechtigung zu
prüfen. Das soll im folgenden nachgeholt werden.
Unter den von Brugmann in der angeführten Schrift
ausdrücklich abgelehnten Etymologien befindet sich auch die
Benfeysche, früher auch von Kluge vertretene Zusammenstellung
mit dem griech. xavödviu und xavböc 'geräumig', von dem Brug-
mann S. 57 zugibt, daß es zum Vergleich mit ganz verführerisch
einlade. Brugmann glaubt diese Etymologie damit abtun zu
können, daß er unter Hinweis auf Lobecks Paralip. 149 f. und
Curtius' Grdz.5 629 f. feststellt, daß ein Adj. xavböc 'geräumig'
im Griechischen nicht existiert. Nun ist es richtig, daß es ein
Adj, xctvböc zu xctvbdvuu im Griechischen nicht gibt. Und auch
das neben dem Adv. xcivbov bestehende, wenn auch nur in einer
einzigen Stelle bei Athen. X S. 436 D überlieferte gleiciilautende
Ganz. 315
Adj. wird von der Kritik vielleicht mit Recht angefochten. Aber
selbst, wenn dieses späte Adj., wie es in der Tat der Fall zu
sein scheint, erst vom Adv. aus gebildet sein sollte, so bleibt
doch das Adv. selber bestehn, und da es von Homer an reich-
lich belegt ist, so kann an seiner Existenz nicht gezweifelt
werden. Dieses Adv. kann uns daher als Etymon für ganz um
so eher genügen als es von Brugmann selber, und ebenso von
Torp, als solches empfohlen wird.
Dieses xavööv gilt es daher zunächst einmal etwas näher
sich anzusehn.
Die griech. Adv. auf -ööv, -öd und -hr\v i), zu denen auch
Xavööv gehört, sind von Delbrück im Grdr.^ 3, 605 ff., von
1) Die mehrfach erörterten aber bis jetzt noch nicht aufgeklärten
Formen auf -(vbr|v wie dpicrivbnv, irXouxivbnv in der Verbindung äp., irX.
aipeicGai, Kpiveiv, ^kX^y^iv xivd haben mit unseren Adverbien zwar das
(i-Suffix gemein, weiter aber anscheinend auch nichts. Ich möchte sie
mit den Patronymika auf -hr\(i verbinden. Dieses Suffix tritt in Fällen
wie delph.Mepuuvböc, phok. Tiiaujvbäc, thess. KXeövbäc u. a. als Erweiterung
von n-Stämmen auf, worüber Brugmann Grdr.* 2, 1. 469. 471. 60-i Griech.
Gramm.* 240 und die dort angeführte Literatur. Solmsen Wortforsch. 55 ff.
schheßt aus den 'nordwestgr.' Formen auf -djvböc, -övböc mit Recht,
daß auch dem gem. griech. -(i)dbric in vielen Fällen wohl ein n-Stamm
zugrunde liege. Für -ivbriv hätte man an die Patronymika auf -luuv wie
Kpoviuiv, oüpavüjuv Kühner-Blass' 1, 2, 281 anzuknüpfen, in deren Femininum
neben -idivr) auch -\yx\ (z. B. in AbpncTivri) begegnet. 'Apicrivbrjv wäre
demnach von Äpicxiujv, uXouTivbriv von TTXoutüuv ausgegangen, die als
Eigennamen tatsächlich belegt sind. Das durch dpicxivbriv vorausgesetzte
äpicTivbric ist uns in einer von Jules Martha im Bull, de corr. hell. 1, 379
veröffentlichten spartanischen Inschrift (vgl. auch v. Herwerden Lex. gr.*
1, 202) erhalten. Dort heißt es: ... dpiCTivbou hi Kai biaßereoc auTeTraTfeXTCu
Aanaiv^Tou, toO ApiCTOKpdTOUc .... so daß dpiCTivbrjC ebenso wie biaßexnc
(d. i. biaFexric s. v. Herwerden S. 357) der Titel eines spartanischen Beamten
zu sein scheint. Die eigentUche Bedeutung des Wortes aber dürfte 'Aristo-
kratensprößling' gewesen sein, wie ja auch unser könig ursprünglich,
und historisch noch bis in die mhd. Zeit, jeden Angehörigen des Königs-
hauses, des künne kqt" ^toxnv, bezeichnet. AipeTcBai xiva äpicxivbnv war
daher ursprünglich ein ganz ähnlicher Ausdruck wie etwa aipeicGai xiva
cxpaxriTÖv. In einem Punkte allerdings sind beide verschieden. Denn
da bei dpicxivbnv aipeicöai die vornehme Geburt nicht erst die Folge,
sondern vielmehr gerade die Ursache der Wahl ist, so liegt hier einer
jener Fälle vor, wo der Prädikatsakkusativ nach Brugmann im Grdr.* 2,
2, 630 appositioneller Geltung sich nähert. Wir können diese Nuance im
Deutschen dadurch zum Ausdruck bringen, daß wir den Prädikatsakku-
sativ nicht, wie sonst, durch 'zu', sondern durch 'als' übersetzen. Alpeicöai
Tiva dpicxivbnv meint daher ursprünglich 'jem. als Sprößling oder Ver-
316 B. Schmidt,
Brugmann das.« 11 1, 471. 2, 681 und Griech. Gramm.* 294 f.,
von Kühner-Blass '12, S. 306 f. behandelt worden. Sie dienen
bekanntlich dazu, eine die durch das Verbum ausgedrückte Haupt-
handlung begleitende Nebenhandlung desselben Subjekts zu be-
zeichnen, und werden ursprünglich nur von der Wurzel resp.
vom Verbalstarara aus gebildet. Sehr früh schon sehn wir jedoch
das Suffix auch an Nominalstärame treten, um auszudrücken, daß
etwas nach der Art eines Dinges sei oder geschehe. Brugmann
will die ganze Kategorie ebenso wie die ihrer Funktion nach
genau entsprechenden lat. Adv. auf -tim und die ai. sogen. Abso-
lutiva auf -am auf adverbial gebrauchte Akkusative des inneren
Objekts zurückführen. In der Tat steht das von ihm angeführte
att. crdöriv kiujTec 'steif dastehend* Plato Korn. (Arist?) I, 636 fr.
130, 2 K. (Athen. XIV, S. 628 E) offenbar auf einer Stufe mit
dem schon von Delbrück beigebrachten plautinischen ita statim
stant Signa *so fest stehen die Gestirne' Amphitr. 276, und auch
Fälle wie hom. KXr|öriv KiK\ricKe)Liev I 11, övo|aaK\r|bnv övo)Lidi^eiv
X 415. b 278, q)opdbriv cpepec0ai, KoiuiZieceai, 6xeTc9ai stehn diesem
ältesten Typus noch sehr nahe. Brugmann sieht daher in unseren
Adverbia erstarrte Akkusative von Verbalnomina auf -öo- und
-ön, so daß beispielsweise das Schlußglied von e)Lißa&öv von dem
Subst. 6 ßdöoc in ßdbov ßabiCeiv Aristoph. Vög. 42 ursprünglich
nicht verschieden wäre. Es unterscheidet sich von ihm ledig-
lich durch seinen besonderen adverbialen Akzent, worüber außer
Brugmann a. a. 0. und IP 1, 29f. 2, 676f. Delbrück im Grdr.^ III,
treter der Aristokratie wählen'. Die spätere Bedeutung 'kot' dpicreiav*
aber kommt dadurch zustande, daß äpicrlvbriv, das ursprüngUch Appo-
sition zu dem von aipeicöai abhängigen Akkusativ der Person gewesen
war, auf die Satzaussage im ganzen bezogen wurde. Wir haben es also
bei unserem Adv. mit einem ähnlichen Vorgang zu tun, wie er von
Brugmann S. 685 auch bei griech. irpoiKo, buuxivriv, bujpeav beobachtet
worden ist. T7\ouT{vbriv dürfte erst nach dem Muster von dpicxivbriv ge-
bildet sein. Weiterhin dann auch epapuYivbriv, über welches das Et. M.
788, 35 bemerkt : ibc äpicxivbriv, CKdbiTTOvTec Tf\v YocxpiiuopTiav xuiv xop^"-
xüJv AxxiKol X^Youci. /)nxopiKri. Da für dpicxivbnv. •trXouxivbnv in einer
von K. Fr. Hermann Lehrb. d. gr. Antiqu.* I, 3, S. 159 Anm. 5 erwähnten
Urkunde des achäischen Bundes (I. G. VII, 188, z. 8 ff.) sowie in einer
megar. Inschrift bei v. Herwerden 2, 1187 auch dpicxivba, uXouxivba be-
gegnet, so dürften auch die Formen auf -{vba hierher gehören, die zur
Bezeichnung von Spielen dienen. Vgl. K. Fr. Hermann a. o. IV*, S. 295 ff.
Doch ist mir der Ausgangspunkt dieser ziemlich zahlreichen Kategorie
nicht klar.
Ganz. 317
541 ff. und Hirt, Akz. 2591 zu vergleichen sind. Ganz dasselbe
Yerhältnis haben wir auch in 6)iaö6v 'zusammen' : ö)Liaöoc *Lärm,
Oetöse', in ÖKXaööv 'hockend, kauernd' : KXdboc '(abgebrochener)
Zweig' ('Bruch'), wenn die von Prellw.* 326 f. gegebene Deutung
des Wortes zutrifft. Ebenso darf man das hom. XiTÖriv, eTiiXi^önv
mit XiYÖoc, XiT&n 'Mörser' (neben gleichbedeutendem iy&ic und
xfhx]) und Hesjchs Xiföa • x] äKÖvt] • Kai f] Kovia verbinden. Dagegen
sind z. B. KXnönv und KeXaboc, ganz abgesehen vom Suffix, auch
durch Ablaut geschieden.
Enger noch sind, worauf ebenfalls schon mehrfach hin-
gewiesen worden ist, die Beziehungen unserer Adverbia zu den
konsonantischen Stämmen auf -aö- und den Yerben auf -aluj.
Ich will dabei auf die Fälle wie eiußabov neben eußdc, euTreXaööv
neben TreXdZuj Fränkel KZ. 42, 259, jiiTdbriv neben laiydc, öpo|adbriv
neben öpoiudc, ciropdönv neben crropdc, |uovdbr|v neben inovac
nicht einmal allzu großes Gewicht legen, da die meisten dieser
Formen Analogiebildungen nach einigen wenigen ursprünglich
vorhanden gewesenen Mustern zu sein scheinen. Wichtiger
scheinen mir die Fälle, wo zwischen Adverbium und Nomen
Snffixablaut besteht. Also [lifba und ^iYÖr|V : laiTdc, (puföa und
q)ÜYbriv : qpuTdc, p&jbr]v (paTÖaToc) : paydc, cu|LiTrXr|Ybnv : ai ZuinTrXri-
Tdöec (seil. Trerpai). Und ebenso Kpußöa und Kpußbriv neben
xpußdZiuj (Hes.), Kußba (Aristoph.) neben KußdZluj (Hes.), dem das
ags. hoppettan, ahd. hoppezen., nhd. hopsen J. Grimm D. Gr. Neuer
Abdr. 2, 208. Wilmanns D. Gr.« 2, 108. Weig. D. Wb.^ 1, 889.
Johanna Richter Yerba auf -oLku 139. 149 zu entsprechen scheint.
XuYbrjv neben mhd. sluchkczen Dfb. Gl. 536 c, nhd. schluchzen und
schlucksen^ ei^.'' 2, 737, die dasselbe Verhältnis zeigen wie griech.
XuTboc, XuTbri zu ahd. lohezen {lugizumja) neben lougezen, ags.
lieget Wilm. 106. 108. 109, J. Richter 139. 140. 143. 157 oder
das griech. pdßboc aus *ufb(lo- zu dem ahd. icorphozen aus *ufbadjö
J. Grimm a. 0. 207. Schade^ 2, 1200. Wüm. 107. J. Richter 141.
145. Diese Beziehungen unserer Adverbia zu den konsonant.
«^-Stämmen aber legen die Vermutung nahe, ob uns nicht in
diesen qpuTba, inirba, Kußba, Kpußba, die sich von den übrigen
Formen auf -ba, die Plurale zu den Singularen auf -bov sind,
schon durch ihre abweichende Betonung unterscheiden, Akku-
sative konsonantischer c?-Stämme auf -drp. vorliegen, wie es be-
reits J. Richter Verba auf -a^iu S. 83 f. vermutet hat. Während
sie freilich das -b- von ^ixba, Kpußba mit dem Pronominalstamm
Indogermaaische Forschungen XXXIIL 21
318 B. Schmidt,
do- verbindet und deshalb auch Nichthierhergehöriges wie das
durch Hesych überlieferte arkad, Gupöa- ?Huü heranzieht, sehe
ich in dem -ö- lediglich eine Ablautform zu dem nominalen
-aö- [*-ad-). Ouföa wäre also von 9UTdöa, luiixöa von mYotöa
morphologisch nicht verschieden. Das Fehlen des Mittelvokals
erscheint durch die abweichende Betonung hinreichend erklärt.
Dieser Suffixablaut dürfte daher uralt sein.
Xavööv dürfte zu der Sippe von x^ckuj, x«iviu gehören.
Wenigstens wird es bei Hesych durch VoXu, xai öcov buvaxov,
Ktti dGpötuc, dTTÖ Toö Kexnvevai TiXaiu', xavböv meiv durch 'kcxh-
v6tu)C Kai dGpöuüc TTieTv öXiu cTÖiaari' gegeben. Formell ist das
Wort vom Aoriststamm \a\- in exavov ausgegangen. Durch
diese Ableitung vom charakterisierten Verbalstamm unterscheidet
es sich von dem uns in einer böotischen Inschrift (Kaibel
Epigr. gr. 1130 = Collitz 1133) überlieferten gleichbedeutenden
Xdöav, das unmittelbar von der Wurzel aus gebildet ist. Man
hat freilich auch hier die Richtigkeit der Überlieferung be-
zweifelt und statt ibc xdöav rrir) vielmehr x' döav zu lesen vor-
geschlagen. So Dittenberger Corp. inscr. Graeciae septentr. Nr. 3467
unter Zustimmung van Herwerdens Lex. gr.^ 2, 1579. Aber
das überlieferte xdöav wird geschützt nicht zwar durch das von
Frohwein in C. St. 1 S. 109 und noch von J. Richter a. 0. S. 8
angeführte xdörjv 'abgesondert, besonders' bei Hippokrates S. 234,
46 Foes., denn diese Form ist nach Fränkel KZ. 42, 259, Fußn. 2
falsche Lesart für xotöeTv oder, wie Littr6 VIT 482 = irepi Toviic 9
schreibt, x«öeeiv, wohl aber durch das von Hesych überlieferte
dvenixdbriv ouketi x^a^Poöv Hes. ed. Mor. Schmidt I, 195, 31, das
nicht, Avie es sonderbarerweise bei Fränkel im Text geschieht,
auf xavbdveiv, x^öeiv zu beziehen, sondern, wie die Bedeutung
zeigt, mit xd^ieiv zu verbinden ist. Denn wenn dieses Wort auch
begrifflich dem Verbum x6L^ näher steht als unserem xavböv,
so ist es doch formell von dem böot. xdbav offenbar nicht ver-
schieden. Das Nebeneinander von \ähr[V und xavööv wäre ebenso
zu beurteilen wie das von dva- öia- ^incpdöriv v. Herw. a. a. 0.,
hora. d|i9aö6v, -d und dvaqpavööv, dvaq)avöd J. Richter S. 8. 27.
Dasselbe Verhältnis auch in dem von Fränkel KZ. 42, 381 f. ange-
führten Kpouqpdöav der Korinna (Berl. Klassikertexte V fr. II, 59)
gegenüber Kpucpavööv • Kpuqpiiwc bei Hesych. Freilich wird die
Beweiskraft dieses Beispiels leider dadurch stark beeinträchtigt,
daß Kpuq)avö6v nach Brugmann Griech. Oramm.* 295 erst nach
Ganz. 319
dem Muster des Oppositums dvaqpavööv und ebenso Kpoucpdöav
nach Fränkel erst als Gegensatz zu eiiqpdönv Archil. fr. 66, 4
Bergk* gebildet ist. Auch das von J. Richter S. 8. 12 ange-
führte CTOxavbov 'vermutungsweise* bei Theognost. S. 162, 7
neben cToxdZoiiai, cToxdc ist offenbar eine Analogiebildung.
Xavböv nun ist einmal schon bei Homer, und zwar in
der Odyssee qp 294, belegt, und diese Stelle kann auch für den
späteren Gebrauch des Wortes als typisch gelten. Ja, vielleicht
ist sie das Vorbild für alle späteren Belege gewesen. Dort heißt es :
oivoc ce Tpuuei |neXiTi6ric, öcre Kai dXXouc
ßXdTTxei, öc dv |aiv xo^vögv eXr), \ir\b' aTci|aa nivr}.
Dann freilich folgt eine große Pause in der Überlieferung.
Erst in der hellenistischen Zeit taucht das Wort in der Literatur
wieder auf und wird mit Yerben wie iriveiv, Z^oüpoTTOieTv, ttotöv
beKec0ai, djuqpopeicöai, e^TTi^TrXacGai, dpucacOai verbunden. Doch
hält der Gebrauch des Wortes sich streng in dem Rahmen der
angeführten Homerstelle. Insbesondere ist zu beachten, daß das
Wort auch in der späteren Zeit auf die Verbindung mit den
Verben des Trinkens (Zusichnehmens, Schöpfens) beschränkt
bleibt. Nur die folgenden beiden Beispiele von denen, die
Stephanus anführt, tragen ein etwas freieres Gepräge: aKpriiiy
. . . öttot' Ic qppeva xavbbv 'iKriiai Quiut. Smyrn. 13, 13 und
dvaupujv . . . xciv&öv öii|;av aiovo|aevujv Lykophr. 1424.
Wenn wir der Angabe des Grammatikei's Moeris bei Stephanus
im Thes. Glauben schenken dürfen, so war die Wendung xavböv
TTieiv speziell attisch, während die Keine Kexnvötujc oder d0pöujc
sagte. Freilich ist das Wort bei den Attikern der klassischen Zeit
nicht belegt, während es beispielsweise bei Lucian häufig ist.
Ein pluralisches xavbd wird zwar von Apollon. de adv. 562,
16, 20 angeführt und ist von da auch in die neueren Gram-
matiken übergegangen, ist aber literarisch nicht belegt.
Das Adj. xavböc in der Verbindung eK xavbtic ZiujpoTtOToiv
KuXiKoc bei Athen. X S. 436 D dürfte, wie bereits erwähnt wurde,
erst vom Adv. xavbov aus gebildet sein, in derselben Weise etwa,
wie aus dem ungefähr gleichbedeutenden duucti ein fem. dnucnc
mit der Bedeutung 'kräftiger Schluck, großer Pokal' erwuchs.
Zugleich aber wird volksetymologische Anlehnung an xövbdvuu
im Spiele sein. Wird doch im Etym. M. 806, 30 und bei Suidas
ed. Beruh. II, 2, 1594 xavbov nicht nur durch döpöov und ditXriCTUJc,
sondern auch durch x^^PHtikujc gegeben.
21*
320 B. Schmidt,
XavÖ07T0Tr|c endlich bei Maced., Anth. pal. 11, 59, 1 ist
eine ähnliche Bildung wie das häufigere dbnqpaToc, Prinzipiell
sind diese Formen von Adverbialkomposita wie griech. arxiM^XHiTlc,
nhd. Frühaufsteher Brugmann Grdr.2 II 2, 758 nicht vei-schieden,
nur daß der adverbiale Kasus in der Komposition, wie es ja
auch sonst zu geschehen pflegt, durch die entsprechende Stamm-
form ersetzt ist.
Mit diesem xavbov also gilt es unser ganz zu vergleichen.
Die Yermittlung der Formen macht keine Schwierigkeit,
wofern nur, was wegen des auch nd. nl. gans bestritten worden
ist, dem hd. ganz ein urgerm. *yanta- zugrunde liegt. Daran
aber kann m. E. kein Zweifel sein. Denn es ist einfach nicht
wahr, was immer noch behauptet zu werden pflegt, daß ganz
auf das Kontinentalgermanische beschränkt sei. Das "Wort ist
vielmehr auch im Englischen belegt, und zwar in einer Form,
die ein wenigstens westgerm. *yanta- sicher stellt. Das nd. nl.
gans muß also, wie wir es von vornherein angenommen haben,
aus dem Hochdeutschen entlehnt sein.
Zugleich aber — und das ist beinahe noch wichtiger —
tritt das engl, gaunt in einer Bedeutung auf, die für den Begriff
des Wortes unmittelbar an das griech. xavöov anzuknüpfen ge-
stattet. Und in dieser besonderen, von der unseres ganz ziem-
lich erheblich abweichenden Bedeutung des Wortes ist denn
wohl auch der Grund dafür zu suchen, daß seine Identität mit
dem hd. ganz so lange verborgen bleiben konnte.
In den Glossaren der mittelenglischen Zeit wird gaunt
durch 'maciolentus (so !), gracilis* gegeben. Aber diese Bedeutung
ist nicht die älteste, wenn sie auch noch heute die gewöhnliche
ist. Die eigentliche Bedeutung des Wortes scheint sich viel-
mehr, aus der folgenden, im N. E. D. angeführten Stelle aus
Smolletts Reproof 125 zu ergeben, die der Mitte des 18. Jahr-
hunderts angehört-
Gorg'd with our plunder, yet still gaunt for spoil
RaiKtcHMS Gideon fastens on our isLe.
Hier kann gaunt kaum etwas anderes als 'gierig, hungrig*
bedeuten, und dieser Begriff wird seinerseits aus 'x^viüv, Kexn-
viiic' entwickelt sein. Gleich dem griech. xaviijv ist denn auch
gaunt Beiwort des Wolfes : for what Alliance, uhnt relation Hath
the gaunt Wdfe with the Innocent Lamb? heißt es bei G. Daniel
Ecclus. 13, 59 (a. 1639), und der Amerikaner hat von diesem
Ganz. 321
gaunt ein Gauntgrim = Isegrim gebildet. Ganz besonders fest
scheint diese Bedeutung an dem partizipialen gaunted zu haften.
Wenigstens heißt es schon in Stanyhursts Aeneis 11 (Arb.) 55
V. J. 1583 ebenfalls von Wölfen: lyke rauening tcoolfdams vpsoackt
and gaunted in hunger und ganz ähnlich auch bei D. S. Cage
in Shields Big Game N. Amer. 476 v. J. 1890 : a gorged Wolf
is not fast . . . hut when properly 'gaunted', fetc horses can catch
a Gray Wolf
Aus dem begr. 'gierig, hungrig' hat sich dann die gewöhn-
liche Bedeutung 'schmächtig, hager' entwickelt, in derselben
Weise etwa, wie dies auch bei unserem schmächtig geschehen ist.
Ich gebe die folgenden Beispiele nach dem N. E. D., indem ich
zugleich das Adv. gaiinthj und das Abstr. gaunfness heranziehe :
Holland Pliny 2, 152 (a. 1601): they icho feed ouermuch,
and desire to he gant and slender . . . ought to forbear drinking
at meales.
Scott Guy 31. n (a. 1815): Jiis tall, gauid, atckward bony
figure, attired in a threadhare suit of block.
Ouida Maremma 1, 17 (a. 1882): a tall gaunt woman with
blue eyes and snow-white hair.
Blackmore, Gl. Taughan XV (a. 1864): I beheld a man about
50 years old, of moderate stature, gauntly bodied, and loosely built.
Middleton, Inner Temple Masque A. 3 (a. 1629): I knote
him hy his gauntness, his thin chitterlings.
Lytton, Devereux 1, 11 (a. 1829): the total absence of all
superfluous flesJi would have given the lean gauntness of his figure
an appearance of almost spectral emaciation.
Roe, Nat. Ser. Story XTT (a. 1884): he tvas growing thin
even to gauntness.
Heute braucht man das Adjektiv nach Wright E. D. D. 2,
558 besonders *of a greyhound or a race-horse, being thin in
the flanks'. Daher as gaunt as a greyhound bei Thackeray Yan.
Fair LVH (a. 1848).
Bemerkenswert sind auch die folgenden bildlichen An-
wendungen, die freilich sämtHch erst dem vorigen Jahrhundert
angehören :
Heber Palestine 261 (a. 1809): unde-tcasting plague, gaunt
f am ine, mad despair.
Prophetess I, V (a. 1814): llke the gaunt echo of a
hoUow tomb.
322 B. Schmidt,
Besant and Rice, Ready Money Mortiboy (a. 1872): M's
parlour is a gaunt cold room.
Mahaffy, Soc. Life Greece 11, 849 (a. 1874): human art has
been thrust . . . even into hostilify with our stern and gaunt devoutness.
T. Hardy Ethelberta (1890) 93 (a. 1876): / am at present
. , . surrounded hy gaunt realities.
Hall. Caine, Son of Hagar II, XIV (a. 1886): Paul walked
among the naked trees of the gaunt wood at the foot of Coledale.
Mahaffy, Soc. Life Greece 8, 252 (a. 1874): compare all
tliis humane and kindig feeling wiih the gauntness and horror
of our modern executions.
"Während die bisher angeführten Beispiele begrifflich dem
griech. xavbov ohne Zweifel näher stehn als unserem ganz, fehlt
es doch auch nicht an solchen Fällen, in denen gatmt unserem
ganz in der Bedeutung sehr nahe kommt. Wenn es z. B. bei
Latimer, 5^^ serm. bef. Edw. VI (Arb.) 154 (a. 1549) heißt:
Sodaynelge, she was gaunte agayne (sc. after childbirth\ so ist
dieser Fall von ahd. Belegen wie si uuola ganz uuurti 0 3, 14,
21 (vom blutflüssigen Weibe) oder mnl. wie (doe) worden si
ghans ende ghesont V. d. Houte 433 nicht wesentlich verschieden.
Und wenn in den State Papers Heinr. YIII (a. 1546) 11, 230
jemand vom König berichtet: the King . . . was nothing so lusty
nor so gaunte, when I saiv him last, as he is nowe . . . I wold
not haue beleved He had hyne in so good case . . . if I had not
sene Him myself so bedeutet gaunt hier geradezu 'gesund'. Dabei
ist zu beachten, daß diese beiden Belege von den ne. des N. E. D.
die ältesten sind. Auch W. Coles Adam in Eden cl. 229 (a. 1657)
verbindet gaunt und healthful miteinander : it (sc. groundsell) is
muck used to be given to tarne Rabbets, when they are pot-bellyed
. . . to make them gaunt and healthful, wenn auch, wie man sieht,
nur in einem speziellen Fall, und Thoresby, Lett. to Ray (a. 1703)
gibt gant durch 'lusty, hearty and healthful* wieder.
Immerhin geht die Annäherung an ganz nicht so weit,
daß man berechtigt wäre, das Shakespearsche arm-gaunt in der
Stelle : so he nodded, and soberly did mount an arm-gaunt steed,
who neigh'd so high Ant. 1, 5, 48, wie es in Schmidt-Sarrazins
Sh. Lex.3 1, 51 f., allerdings erst an zweiter Stelle, geschieht, durch
'completely armed, harnessed' zu übersetzen. Richtiger scheint
das an erster Stolle vorgeschlagene 'lusty in arms, füll of life
and martial spirits' oder auch 'lean from bearing arms in battle,
Ganz. 323
hence warlike', wie Herford im Nachtrag die Stelle erklärt.
Jedenfalls hat der Letztere darin recht, daß der Zusammenhang
den Begriff 'vigoiirous and high spirited' fordere. Wird doch
auch gaunty nach Wright, E. D. D. 2, 558 von Pferden im Sinne
von 'spirited, frolicsome' gebraucht.
Endlich sei noch auf gaunty 'luxuriant, overspreading'
(von Bäumen) hingewiesen, nach "Wright, E. D. D. 2, 578 'a wood-
raan's term for trees which grow so tall and awkwardly over-
spreading as to injure the ground beneath'.
So schlägt uns das engl, gaunt die Brücke zu dem griech.
Xavbov, aber es lehri; uns zugleich, daß die Beschränkung des
Begriffs auf das Klaffen des Mundes oder Schnabels, wie sie
beim griech. xavbov besteht, auch für das germ. *yanta- ihre
Giltigkeit hat, und daß es daher nicht angängig erscheint, für
das hd. ganz mit Brugmann a. a. 0. S. 59 von dem allgemeinen
Begriff 'weit geöffnet, geräumig' auszugehn.
Zwar ließe sich ja nun der Begriff 'integer, totus' aus
der Bedeutung 'gesund' gewinnen, die ja, wie wir gesehen haben,
auch im Englischen belegt ist. Ist doch auch das nd. hei allem
Anschein nach auf diesem Wege zu der Bedeutung 'totus' ge-
kommen. Aber für das hd. ganz ist diese Annahme schon des-
halb sehr unwahrscheinlich, weil die Bedeutung 'totus' schon
sehr früh über das ganze hochdeutsche Sprachgebiet verbreitet.
ganz 'gesund' aber im Althochdeutschen im wesentlichen auf 0.
beschränkt ist. Eine größere Verbreitung hat die Bedeutung
'gesund' eigentlich nur auf niederländischem Boden erlangt, und
hier hat sie sich denn auch in gewissen Verbindungen bis auf
den heutigen Tag erhalten. Ich erinnere vor allem an das negierte
ongansch 'ongesteld, onwel' Wb. d. nl. taal 10, 1573 f., das nach
der Angabe des Mnl. Wb. 2, 911 noch heute dazu dient, 'om
eene door onmatigheid veroorzakte ongesteldheid der maag aan
te dulden'.
Andrerseits aber kann die Bedeutung 'gesund', weil sie
auch im Englischen vorliegt, auch nicht, wie Möller S. 340 ff.
und Brugmann 58 f. angenommen haben, erst aus dem Begriff
'totus, integer' entwickelt sein. Beide Bedeutungen haben viel-
mehr als selbständige Entwicklungen des Begriffs zu gelten.
So führt zwar eine ununterbrochene Entwicklung von dem
griech. xavbov auf dem Umweg über das engl, gaunt zu unserem
ganz. Aber es erscheint unter den geschilderten Verhältnissen
S2i B. Schmidt,
sehr fraglich, ob unser ganz wirklich diesen Weg gegangen ist
Und in der Tat gibt es daneben noch einen kürzeren, der von
dem griech. xavböv unmittelbar zu unserem ganz herüberführt.
Denn wenn das griech. xavööv in der Verbindung xctvööv meiv
gleichbedeutend mit aGpöuic, döpoov gebraucht wurde, so brauchte
sich das Wort ja nur von der obligaten Verbindung mit dem Verbum
TTieTv zu emanzipieren, und der Begriff 'dGpöuuc' blieb übrig.
Mit anderen Worten. In der Verbindung mit den Verben
des Trinkens, die ja bei einem Begriff, wie unser *ghandom es
ursprünglich war, so nahe lag, und die daher sicher uralt ist,
hatte unser Adverbium die Bedeutung *öXuj ctöinaTi, in vollen
Zügen* angenommen. Wie nun aber im Griechischen neben
dem konkreten x«vööv in gleicher Bedeutung das absti'akte, von
einer ganz anderen Anschauung ausgegangene dGpoujc steht, so
hat sich bei unserem gatiz aus der konkreten Bedeutung 'öXlu
cToiiaTi x«ivujv', wie sie uns das Griechische noch bewahrt, der
heutige abstrakte Totalitätsbegriff entwickelt. Was unser ganz
von dem griech. xavöov, und wohl auch von dem engl, gaunt
unterscheidet, ist also lediglich diese Abstraktion.
Diese Auffassung setzt freilich voraus, daß unser ganz,
ebenso wie das griech. xctvöov, nicht als Adjektiv, sondern als
Adverb ins Leben getreten sei. Aber dieser Annahme steht, so
viel ich sehe, durchaus nichts im Wege. Sind doch auch das
griech. auTOC, das lat. penitus und subitus aus Adverbien zu
flektierten Adjektiven geworden, s. Brugmann im Grundr.* 2, 2,
667, 730, und will doch Brugmann in der mehrfach angeführten
Schrift S. 21 f. auch das lat. cutictus und S. 55 tötus auf diese
Weise erklären. Auch das nl. dwars ist eigentlich ein Adverb,
da es nach Franck Et. Wb.^ 145 (van Wijk) dem ahd. tweres,
ags. ßweores entspricht.
Allerdings ist der Übertritt nach Brugmann an die Be-
dingung geknüpft, daß "die adverbiale Endung äußerlich als
eine lebendige Nominalforra erscheinen konnte". Aber auch
diese Bedingung wird durch unser *yanta- erfüllt. Denn das
vorauszusetzende *ghandom entspricht, sobald das -d- zur Wurzel
gezogen wird, dem Typus der sogenannten unflektierten Form
des germanischen starken Adjektivs. Und in dieser formellen
Berührung mit dem germanischen Adjektiv ist denn wohl auch
der Grund für den Übertritt des Wortes zu den flektierten
Adjektiven zu suchen.
Ganz. 325
Und zwar dürfte die Umwertung des Wortes in prädi-
kativer Stellung erfolgt sein, wo ja seit urindogermanischer Zeit
das Adverb mit dem Adjektiv konkurrierte, und wo zugleich
noch heute die Hauptdomäne der sogenannten unflektierten
Form des Adjektivs ist. Stehn sich doch gerade im prädikativen
Gebrauch Adjektiv und Adverb auch heute noch so nahe, daß
es in vielen Fällen sehr schwer ist, sich für das eine oder
andre zu entscheiden. Ygl. darüber außer Hildebrand D. Wb.
4, 1, 1, 1299 f. s. n, B, 2) und Paiü D. Wb.« 185 namentlich
Cosijn im Wb. d. nl. Taal 4, 251 ff., der in der Anm. Sp. 256
folgendermaßen sich äußert : "Ook in andere gevallen, t. w. waar
gansch niet met een ander bnw. verbonden is, kan het menig-
maal als praedicatieve bepaling, en dus als bnw., worden opgevat.
In die gevallen echter kan het evenzeer als bijwoord beschouwd
worden. De vorm des woords beslist . hier niets, daar praedi-
catieve en bijwoordelijke bepalingen beide onverbogen blijven;
en wat de beteekenis betreft, is de eene opvatting zoowel als
de andere aannemelijk".
Fürs Althochdeutsche liegen die Dinge freilich insofern
anders, als hier auch der formale Unterschied zwischen Adjektiv
und Adverb eine Rolle spielt. An und für sich z. B. erscheint
es sehr wohl möglich, daß uns in dem von Graff 4. 222 an-
geführten tiu dö ganz in iro geuualte uuas des Boeth. das alte
Adverb noch vorliegt, da der Sinn auch hier ohne Zweifel beide
Auffassungen zuläßt. Ja, käme allein die Bedeutung in Betracht,
so würden wir uns vermutlich unbedingt für das Adverb ent-
scheiden. Da jedoch in einer althochdeutschen Glosse bei
Steinmeyer-Sievers 1, 787, 1 das Adverb als kanzo belegt ist,
so bleibt es leider zweifelhaft, ob wir dieser Auffassung Raum
geben dürfen.
Und doch ist dieses ganzo vielleicht nur eine Fiktion,
eine Form, die nie existiert hat. Denn abgesehen von dieser
einen althochdeutschen und einer späten mittelhochdeutschen
Glosse des 15. Jahrhunderts bei Dfb. 466«=, die das lat 'prorsus'
durch gancze wiedergibt, ist ein formelles Adverb zu ganz weder
in der althochdeutschen noch auch in der ungleich reicheren
mittelhochdeutschen Literatur belegt. Auf diese auffallende Tat-
sache ist schon im D. Wb. Sp. 1299 s. 1) und von Möller S. 334
mit Recht hingewiesen worden, und man wird sie so zu deuten
haben, daß neben ganzliche Delbrück Grundr. 3, 634 ganz selber
326 B. Schmidt,
damals auch noch als Adverb fungierte. Wenigstens scheint das
im Mittelhochdeutschen der Fall zu sein. Denn bei Megenberg
65, 8 heißt es nach dem D. Wb. : wenn aber in (sc. den mond)
diu simn beseits anschilhet, so ist er nicht ganz vol, und auch die
Formel ganz unde gar ist nach Lexer 1, 737 schon in Heinrichs
V, d. Türlin Krone (und zwar mehrfach) und in Konrads v.
Würzburg Troj. Krieg, die beide noch dem 13. Jahrhundert an-
gehören, belegt. Es heißt z. B. so waere ganz und gar verlorn
diu arbeit Krone 28494 und wid üg im was getroffen dag alte
bluot ganz unde gar (var. gar unde gar) Troj. Kr. 10777. Aber
leider sind auch diese Stellen wiederum mehrdeutig. Denn in
den letzten beiden Fällen kann, wie das D. Wb. unter Berufung
auf eine Glosse des Voc. ine. theut. h i j^, die gar und ganz
durch 'totus, integer' wiedergibt, bemerkt, ganz immerhin auch Ad-
jektiv sein, wenn das auch bei dem durchaus adverbialen Charakter
des nhd. ganz und gar nicht eben wahrscheinlich ist, und in allen
dreien könnte außerdem Apokope des adverbialen -e vorliegen.
So scheitern alle Beweise, die aus der Geschichte des
Wortes für den adverbialen Ursprung von ganz vielleicht ent-
nommen werden könnten, daran, daß die betreffenden Formen
eine mehrfache Auffassung zulassen, und wir müssen schon zu-
frieden sein, daß die Geschichte des Wortes andrerseits wenigstens
auch nichts ergibt, was unserer Annahme von dem adverbialen
Ursprung des Wortes direkt widerspricht.
Tatsache ist, daß das Wort schon in den frühesten alt-
hochdeutschen Belegen als flektiertes Adjektiv auftritt. Auch
im Gebrauch des Wortes ist ein wesentlicher Unterschied gegen
heute nicht festzustellen. Höchstens wäre zu bemerken, daß
ganz 'totus* im Mittelhochdeutschen auch in prädikativer Stellung
erscheint, während es heute in dieser Bedeutung bekanntlich
auf den attributiven Gebrauch beschränkt ist. Mau konnte also
im Mittelhochdeutschen noch sagen :
ir herzen jämer ums so ganz Parz. 117, 11.
sin lop was ganz Walther 35, 7
der sunnen glast ist worden ganz M. S. 1, 192*
dennoch was der stürm ganz Krone 27082,
und auch hier wieder kann man im Zweifel sein, ob ganz Ad-
jektiv oder Adverb ist.
Übrigens überwiegt beim Adverb in der älteren Sprache
durchaus der eigentliche adverbiale Gebrauch im engeren Sinne,
Ganz. 327
während die Verbindung mit Adjektiven und Adverbien noch
selten ist. Doch hat dieselbe im Laufe der Zeit eine immer
größere Ausdehnung erfahren, während der adverbiale G-ebrauch
im eigentlichen Sinne immer mehr auf gewisse stehende Ver-
bindungen wie z. B. ettcas ganz vergessen beschränkt wurde.
Näheres darüber in den Wörterbüchern.
Aus dem engl, gaunt ist bei der Seltenheit des Wortes
und seinem späten Auftreten in der Literatur für den Ursprung
des westgerm. *yanta- natürlich noch weniger etwas zu ent-
nehmen wie aus dem hd. ganz. Aber wenn auch die konkretere
Bedeutung des englischen Wortes im allgemeinen vielleicht nicht
so unbedingt für den adverbialen Ursprung des Wortes spricht
wie die abstrakte des hd. ganz, so scheint sich andrerseits doch
auch aus seiner Geschichte nichts zu ergeben, was unserer An-
nahme von dem adverbialen Ursprung des Wortes widerstritte.
Ich nehme daher keinen Anstand, für das westgerm. *ya«ton
und das griech. xavbov eine gemeinsame Grundform *ghandom
vorauszusetzen.
Für das griech. xavööv ergibt sich aus diesem Ansatz, daß
die Adverbia auf -bov u. s. w. nicht, wie man bisher annehmen
mußte, eine speziell griechische Bildung, sondern daß sie aus
der Ursprache ererbt sind. Offenbar war unser *ghand6m eins
der wenigen Adverbia dieses Tvpus, die bereits in der Ursprache
vorhanden waren, und die dann im Griechischen für weitere
Formen dieser Art vorbildlich wurden.
Die von Fränkel IF. 28, 223 ff. neben unseren Adverbien
auf -öov nachgewiesenen gleichartigen Formen auf -6v, sowie
die damit offenbar zusammenhängenden altindischen Absolutiva
auf -am machen es ferner in hohem Grade wahrscheinlich, daß
man unser -öov in -b- -|- -öv, und dementsprechend natürlich
-önv in -b- -h -nv, -dbriv in -dö- -f -nv, zu zerlegen hat Möglich,
ja sogar sehr wahrscheinlich, daß das -b- ursprünglich ein so-
genanntes Wurzeldeterminativ war, so daß ejiTteXabov, eTTicrdbriv
mit Fränkel a. a. 0. in ^|i-7reXab-6v, e-m-crdb-nv zu zerlegen wären.
Aber mindestens eben so sicher ist andrerseits, wie wir gesehn
haben, seine Identität mit dem nominalen c?-Suffix, das bald
mit, bald ohne 'Bindevokal' angefügt, bald vokalisch, als o- oder
ä-Stamm, bald konsonantisch flektiert wird. Wenn daher das
-b- wirklich ursprünglich ein Wurzeldeterminativ war, so steht
derselbe Ursprung auch für das nominale -b- zu vermuten.
328 B. Schmidt,
Besonders ansprechend erscheint diese Annahme für das nomi-
nale -aö-, das an Basen auf -ä oder -a entsprungen ist. Jeden-
falls geht es nicht an, wie es bei J. Richter S. 24 ff. geschieht,
das -ab- generell auf -nd- zurückzuführen. Gegen diese Auf-
fassung erheben, abgesehen von allem andern, schon die oben
angeführten Ablautformen cpÜT&a, |uiTÖa u. s. w. Einspruch.
Ob man daher das -b- von -6öv "VVurzeldeterminativ nennen
will oder erweiterndes Suffix ist lediglich Sache der Überein-
kunft. Jedenfalls wurde -ööv im Griechischen als einheitliches
Suffix empfunden, so gut wie das komparativische -tero- oder
das verbale -aCiu. Daß -dorn aber auch schon vorgriechisch
war, lehrt eben das hochdeutsche ganz.
Während freilich das f/- Adverb im Griechischen produktiv
wurde und zu einer stattlichen Kategorie sich auswuchs, die
im Neugriechischen noch heute lebendig ist, blieb das hd. ganz
isoliert, und diese Isoliertheit des deutschen Wortes mag eben-
falls ihr Teil dazu beigetragen haben, daß dasselbe der Um-
bildung zum Adjektiv verfiel.
Daß es von allen indogermanischen Sprachen gerade die
germanische ist, die uns neben der griechischen das Adverb
auf -dom^ wenn auch nur in einem einzigen Exemplar, noch
bewahrt, darf nicht verwundern. Ist doch das nominale c?-Suffix,
mit dem unsere Adverbia ja so innig verwachsen sind, außer
im Griechischen wieder gerade im Germanischen besonders
beliebt, und sind doch auch die von den Nomina auf -ad- ab-
geleiteten Verba auf -adp auf das Griechische und Germanische
beschränkt. Ygl. außer J. Grimm D. gr. Neuer Abdr. 2, 206 ff.
und Wilmanns* 2, 106 ff. die schon mehrfach angeführte Disser-
tation von Johanna Richter Ursprung und analogische Aus-
breitung der Verba auf -aZoi. Leipzig 1909, wo in einem be-
sonderen Anhang, S. 135 ff. auch die germanischen Verba auf
-atjan behandelt sind.
Es liegt daher auf der Hand, daß die Wahrscheinlichkeit
unserer Deutung von ganz gewaltig steigen würde, wenn uns
der Nachweis gelänge, daß auch ihm ein solches c?-Nomen zur
Seite steht. Diesen Nachweis aber hoffe ich in der Tat zu er-
bringen. Nur bedarf es dazu eines kleinen Umweges.
Zu der Wurzel *ghan- in griech. xaiviu, ?xavov gehört
nach Schade» 1, 261. Falk-Torp 293. Torp b. Fick* 3, 125.
Walde' 46. Prellw." 506 u. a. auch der indogermanische Name
Ganz. 329
der Grans, in seiner einfachsten Gestalt vorliegend in dem griech.
Xnv aus *ghans-. Dieses *ghans- ist nach Brugmann Grundr.*
2, 1, 526 Fußn. Gr. gr.* 244 die kürzeste Form eines s-Stammes
*gMnos- *ghati€S^, der in tö xavoc 'das Gähnen', bei den Komikern
nach Poll. 2, 97 auch 'Mund', und dxavric Veit geöffnet, weit
ausgedehnt', eic dxavec 'in unbegrenzte Weite', dxdveia 'uner-
meßliche Weite', bei den Ärzten 'Öffnung, Kluft' vorliegt. Ein
s-Stamm war ursprünglich wohl auch das an. gan X. 'das Gähnen*,
norw. schwed. dial. auch 'Kiemen, Kopf und Eingeweide von
kleinen Fischen', wozu gane '(Heringen) die Kehle abschneiden'
Falk-Torp 299 f.. so daß zwischen an. gas und gan ein ähnliches
Verhältnis bestünde wie zwischen langob. thinx Brückner Spr.
der Langob. 212 und srn. ßing.
Eine Bestätigung für die Richtigkeit dieser Deutung des
indogermanischen Gänsenamens sehe ich in dem nordischen
Namen der Rot- oder Ringelgaus: aisl. gagl Vigf. 186 f., dän.
norw. gagl, gaul Falk-Torp 302, das morphologisch von dem
ags, ^ea^l 'mandibula, rictus, fauces' Bosw. Toller 365, mnd. mnl.
gagel 'Gaumen, Zahnfleisch' Mnd. Wb. 2, 5 f. Mnl. Wb. 2, 894.
Wb. d. nl. Taal 4, 140 und ags. ^a^ol, ^ea^l 'lascivious, wanton'
Bosw. Toller 359.365 nicht verschieden ist^). Das zugehörige
Verbum rae. gagelin *to cackle as a goose' Stratmann Bradley
259, engl, to gaggle Skeat 231, jA. gagelen, gaggelen Franck^ 173
(van Wijk) Wb. d. nl. Taal 140 f., nhd. gackeln neben häufigerem
gackern D. Wb. 4, 1, 1, 1128 f. 1130. Kl^ 156. Weig.^ 1, 6081 läßt
den onomatopoetischen Charakter der Sippe deutlich erkennen.
Die Zugehörigkeit des Gänsenamens zu der Sippe von
griech. xctcKiw, xaiviu darf daher wohl als gesichert gelten.
Dem ehemaligen s-Stamm gans aber steht im Westger-
manischen bekanntlich eine rf-Bildung zur Seite, die in ihrer
einfachsten Gestalt im ags. ^anot in ^anotes häd 'das Meer'
B§ow. 1862, engl, gannet 'the Solan goose' X. E. D. 4, 47, in einer
durch -an- erweiterten Form im ahd. ganaggo, gamo 'Gänserich'
vorliegt D. Wb. 4, 1, 1, 1255ff. bes. 1257 f. 1307 f. Suolahti
Die dt. Vogelnamen, 411 ff. Daß dieses westgerm. *yan{a)ta{n)-
1) Die Ansetzung des ags. Wortes mit ea bei Sievers, Ags. Gr.'
§ 75, 2 ist willkürlich und wird durch das mnd. mnl. Wort widerlegt.
Noch anders Zupitza Germ. Gutt. 38, 171, 217, 218, der für das Ags. neben
^a^ol ein mit dem mhd. gogel im Ablaut stehendes ^e'n^l annimmt, während
er das mnd. gagel mit Franck* 262 auf das griech. köxXoc zurückführt.
330 B. Schmidt,
un ursprünglich und erst durch Assoziation mit anderen Vogel-
namen, wie z. B. dem lit. gandras 'Storch*, entstanden sei, wie
van Wijk bei Franck^ 174 annimmt, ist mir schon der Bedeutung
wegen wenig wahrscheinlich. Ich möchte das Wort im Gegen-
teil für uralt halten und mit unserem *ghandöm verbinden.
Denn *yantan : *Yan{a)ta{n)- ist, wenn man von den Schwankungen
der Flexion absieht, dasselbe Verhältnis wie qpuTÖct : qpuxac, ni^öa
: mTctc. Hier also haben wir das gesuchte «i-Nomen zu ganz.
Hierher dürfte ferner auch das von J. Grimm a. a. 0. S. 208
angeführte an. ganta 'schäkern* gehören, das im dän. gantes {med
pigerne\ schwed. gantas {med flickorna) noch vorliegt. Daß dieses
Wort aus *gamtön entstanden und mit dem an. gatnan zu ver-
binden sei, wie Falk-Torp 300 s. v. angeben, wird durch die
von J. Grimm angeführten an. glymta, heimta^ krimta, skemta,
ymta, wozu noch dän. glimte^ skimte kommen, widerlegt. Ich
identifiziere daher das an. ganti 'scurra' J. Grimm 204, dän.
gante 'geck', schwed. dial. gant., wozu das norw. gjente {jetite)
nach Falk-Torp 316 das Femininum ist, mit dem westgerm.
*yan{a)ta{n)- 'Gänserich' und sehe in dem Zeitwort eine Ab-
leitung von diesem Nomen. Vgl. wegen des Begiiffes außer
tirol. ganzen 'kokettieren' Schöpf 174 und gänsern 'tun wie eine
Gans', nach Stieler auch 'venerem appetere' D. Wb. 4, 1, 1, 1277,
namentlich das siebenbürg, goaseln 'schäkern' das. 1274.
Ob dagegen auch das engl, gaunt 'gähnen*, Substantiv und
Verbum, herangezogen werden darf, möchte ich nicht mit Be-
stimmtheit behaupten, da das Wort auch als Intensivum zu ags.
^änian = ahd. gelnön erklärt werden kann. s. N. E. D. 4, 47.
Über ein merkwürdiges mnl. ganssen mit der Bedeutung
'zwaar züchten, diep adem halen, hikken' s. Mnl. Wb. 2, Olöf.
Wie endlich dem griech. xavööv das boöt. xdöav zur Seite
stand, so hat man mit dem ahd. gattaggo und ganz das redupli-
zierte ahd. gackazzen, mhd. gagezen und gackezen, nhd. gucksen
und gatzen zu verbinden, das ich mit dem griech. Kaxd^u) auf
eine Grundform *ghaghadp zurückführe. Neben gackazzen steht
ein gleichbedeutendes ahd. gickazzen, mhd. gigezeti, nhd. gicksen.
J. Grimm D. Gr. Neuer Abdr. 2, 208. 968. Wilmanns» 2, 10J>.
J. Richter s. 152. 159. Was das griech. KaxdCuj betrifft, so läßt
es sich natürlich ebenso gut auf ein undg. *ghaghadiö^ wie, nach
der bisherigen Annahme, auf eine Wurzel mit anlautender
Tennis aspirata (ai. (unbelegt) käkhati) zurückführen. Gegenüber
Ganz. 331
den zahlreichen Varianten des Wortes wie Ka'fxaluj, KaTX«o|Liai,
KttxvdZiuu, KaxXdZiiu, selbst Kacpdüuj (die drei letzten bei Hesych) sei
darauf hingewiesen, daß nach Leo Meyer Hdb. d. griech. Et. 2. 278
und van Herwerden Lex. gr.^ 1, 787 in der älteren Sprache
Kaxdluj die allein übliche Form des Wortes ist. Über die
Schreibung KOKxdiluj vgl. außer Prellw.2 212 besonders Brugmann
Gr. Gr.* 153 Anm., wo weitere Lit. Auch die abweichende
Bedeutung des griechischen Wortes kann keinesfalls ein Grund
sein, es von dem germanischen zu trennen, denn der Begriffs-
übergang von 'gackern' zu 'ausgelassen lachen' zeigt sich
■wiederum auch bei dem oben angeführten engl, to gaggle und
dem nl. gaggelen. Gegen die Identifizierung des mhd. gagezen^
gackezen mit dem griech. KaxdZ^uu dürfte daher kaum etwas ein-
zuwenden sein. Dann aber darf auch das böot. x6.ba\ unmittel-
bar auf das in Kaxdlu» enthaltene *xaö- bezogen werden.
Dieses *ghaghadiö nun ist in mehr als einer Hinsicht sehr
interessant.
Es zeigt zunächst, daß, wie das an. gagl^ so auch das
westgerm. *yai}{a)ta{n)- und damit wohl auch das uridg. *gham-
onomatopoetischen Ursprungs ist, wie es bereits Suolahti Die
dt Vogelnamen S. 411 vermutet hat. Denn *ghaghadiö versucht
offenbar das ghagha einerseits des Gänsegeschnatters andrerseits
des schallenden Gelächters zu malen. Die Zugehörigkeit von
*ghans- zu der Sippe von griech. xdcKuu, xctivcu wird durch diese
Feststellung nicht berührt. Denn auch diese Ausdrücke für
'gähnen' können onomatopoetischen Ursprungs sein, wie unser
klaffen beweist. Damit erledigen sich die Bedenken, die Suolahti
a. a. 0. gegen die Herleitung des Gänsenamens von *gha- 'gähnen'
äußert, in der einfachsten Weise. Ebenso kann xaZiuj hierher-
gehören, das sich von Kaxäluj dann nur durch die mangelnde
Keduplikation unterscheidet. Ka(T)xdZ;uj verhält sich zu xa^<Ju
wie das homerische KaTXCtXduj zu xaXduj, und zwar auch im
Begriff.
Mit dem schaUmalenden Charakter des Wortes hängt die
reduplizierte Form zusammen. Es teilt dieselbe mit dem ir. gM
'Gans', das schon Stokes bei Fick* 2, 109 mit dem mhd. gigzen
zusammenstellt
Vor allen Dingen aber ist unser *ghaghadiö deshalb so
interessant, weil seine Bildungsweise so klar vor unseren Augen
liegt. Auszugehen ist, wie gesagt, von einem schallmalenden
332 K. Brugmann,
ghagha, das, durch -d- erweitert, zur Basis eines -i(5-Verbums
gemacht wird. Das so entstandene *ghaghadiö aber hat zugleich
alle Merkmale eines Verbums auf -adiö^ das ja auch sonst be-
sonders gern mit Interjektionen und anderen onomatopoetischen
Gebilden sich verbindet. Vgl. Wilmanns« 2, 109. J. Richter S. 58 f.
130 ff. bes. 132. 140. 152. 158. Hier also sehn wir an einem
eklatanten Beispiel wie der -ac^äö-Typus entstanden ist.
*ghand- in *ghandöm endlich kommt dadurch zustande,
daß in dem durch -d- erweiterten *ghad- das zugrunde liegende
*gha- durch *ghan- ersetzt wird. *Ghand- ist daher in gewissem
Sinne eine Kombination von *ghad- und *ghan-, die beide Er-
weiterungen von *gha- sind. Vgl. spätgriech. eupuxavör|c (Eust.
Niket.) neben eupuxaörjc (Luc. Anth.) und eupuxavnc (Opp. Nonn.).
Damit glaube ich nach langen Irrfahrten, die auch mir
nicht erspart geblieben sind, das schwierige Wort endlich richtig
gedeutet zu haben. Formell war ja die gegebene Etymologie
von vorn herein evident. Dagegen lagen semasiologisch die
Dinge keineswegs so einfach, wie es nach den von Brugmann in
der mehrfach angeführten Schrift S. 59 gegebenen Andeutungen
den Anschein hatte.
Bonn. Bernhard Schmidt
Die griechischen Besideratiya anf -cciiuv nebst k€(u)v.
Für die Frage der Entstehung der griechischen Desidera-
tiva auf -ceiujv ist Wackernagels Aufsatz über diese Verbalklasse
KZ. 28. 141 ff. insofern grundlegend, als hier alle wesentlichen
Tatsachen der griechischen Sprachgeschichte von Homer an, die
für die Ursprungsfrage in Betracht zu ziehen sind, zum ersten
Mal ins richtige Licht gestellt sind; den großen Fortschritt,
den dieser Aufsatz bedeutet, erkennt man am besten, wenn
man den Abschnitt über die Formen auf -ceiuj in Curtius' Gr.
Verbum 2 2, 4L3ff. vergleicht. Die ganze Klasse, für die der
einzige homerische Beleg övpeioviec E 37 ist und die meisten Bei-
spiele das Attische stellt, muß vom Partizipium ausgegangen
sein. Zu Grunde müssen Noraina auf -cic, nicht Formen des
c-Futurums, gelegen haben, z. B. wegen Eufißaceituv, das zu
£u^ßaclc paßt, aber nicht zu £u|üißr|co)jai. So erklärt sich auch
Die griechischen Desiderativa auf -ceiuuv nebst Keiiuv. 333
am besten die Kasuskonstruktion in der genannten Homerstelle,
TU» p' oKf' öipei'ovxec dutnc Kai iroXeiioio, | e^x^i epei&ö,uevoi, kiov
dOpooi; denn es ist natürlicher, duific Kai TroXe)ioio von einem
in oipeiovrec steckenden Substantiv öipic abhängen zu lassen als
Konstruktion von öq^eiovrec nach der Analogie von emGuineiv u. a.
anzunehmen, wie gewöhnlich geschieht (Kühner-Gerth 2, 1, 351).
Endlich ist wichtig, daß unsere Desiderativa keine mediale Form
zulassen, z. B. dTraWaSeiiuv 'frei, befreit werden wollend' trotz
d7raXXdcco)Liai. Das alles weist auf Entstehung von öq^eiovrec aus
*Ö4;ei iovxec hin.
So weit gehe ich mit "WackemageL "Wenn dieser aber
nun sagt: "Die Bedeutung *auf das Sehen ausgehend' paßt
sowohl zu der ui-sprünglichen Bedeutung des Dativs als zur
Funktion der Desiderativa", so ist hiergegen zu bemerken, daß
dieser finale Gebrauch'des Dativs bei Abstrakta im Griechischen
nicht vorkommt und wir schwerlich das Recht haben, mit *öij;ei
iövrec in eine vorhistorische Zeit zurtickzugehen, in der Wen-
dungen lebendig waren von der Art wie ai. ürdhvds tisthä na
ütdye 'erhebe dich zur Hilfe für uns' RV. 1, 30, 6. Aus diesem
Grunde hat Delbrück Vergl. Synt. 1, 302 Wackernagels Auf-
fassung von öipeiujv abgelehnt, und er hat, wie mir scheint,
damit Recht.
Ich betrachte öijjei in *öij;ei iujv tivoc semantisch als
Lokativ oder Insti'umentalis. Die ursprüngliche Bedeutung war
etwa *mit den Gedanken beim Anschauen von etwas seiend,
in den Gedanken mit dem A. von etwas umgehend, sich be-
fassend'. Das voluntative Bedeutungselement war anfangs, so
lange die Wendung noch nicht oft nachgeahmt und mechani-
siert war. nur durch den ganzen Zusammenhang an die Hand
gegeben, z. B. in unserer Homerstelle : ursprünglich *sie kamen
herbei, in ihren Gedanken mit Anschauung des Schlacht-
getümmels beschäftigt'. Daher sind auch ganz in Ordnung die
Paraphrasen der alten Grammatiker wie ötttikuic exovTec für
öipeiovrec, KXauctiKoic exoviec ('denen es weinerlich zu Mut ist')
für KXauceiovTec. Soph. Ai. 326 Kai önXoc ecxiv oic n öpaceicuv
KaKov war etwa: 'offenbar geht er in den Gedanken mit einer
bösen Tat um, trägt er sich mit e. b. T., sinnt er auf e. b. T.'.
Das Desiderative ist auch sonst in den kategorienweise auf-
tretenden 'Desiderativa' der indogermanischen Sprachen nicht
immer mittels eines dieses Sinneselement klar heraushebenden
Indogermanische Forschongen XXXIII. 22
334 K. Brugmann,
"Wortes oder formantischen Wortteils ausgedrückt, z. B. nicht
bei den lateinischen Verba auf -turio, wie esurio, scripturio^
welche formal dem griech. |aapTupo|Liai aus *|LiapTupio|iai, von
ndpTupo-, jndpTup- 'Zeuge', entsprechen (vgl. Grundr. 2^, 1, 358.
3, 219), oder bei den altindischen Desiderativa auf -iyd-ti, wie
janiyä-ti, putriyd-ti (ebd. 2*, 3, 2251).
Unsere Phrase mit iujv stellt sich zu denjenigen Wen-
dungen mit ei|Lii, lpxo)uai, ßaiviw und andern Verba des Gehens,
in denen diese Verba in uneigentlicher Bedeutung von einem
in einem bestimmten Kreis sich bewegenden menschlichen Tun
oder Sinnen gebraucht waren (vgl, ai. i- (*gehen') mit Instr.
*mit etwas beschäftigt sein', z. B. Käty. Sr. 25, 5, 2 gavämayane-
neyuh 'sie waren mit dem Gavämayana [einem Opferfest] be-
schäftigt', Pet. Wtb. 1, 755). Am verbreitetsten sind Ausdrücke,
in denen diese Verba bid mit Genitiv bei sich haben, wie
Soph. Oed. T. 773 öid Tuxnc roidcö' iibv *in hac fortuna versans',
Ant. 742 u) TraTKdKicie, öid öiKric idiv iraxpi 'mit deinem Vater
rechtweise (in der Art eines Streites um das Recht) verfahrend,
rechtend', Eur. Or. 757 öid q)6ßou fdp epxo)Liai, Phoen. 384 6id
TTÖeou b' ^\r|\u9a, Thuk. 2, 11, 4 ujcre XPH Kai Ttdvu eXiriileiv öid
lidxnc i^vai auTouc 'daß ihr Verfahren das sein wird, daß sie
kämpfen', Plato Prot. 323a öiav öe eic cu|ußouXfiv ttoXitiktic
dpeinc lujciv, Jiv öeT bid biKaiocuvnc Trdcav ievai Kai coiqppocüvnc
'die auf dem Weg der Gerechtigkeit gehen, auf dem Gebiet der
G. sich bewegen muß'. Andre Beispiele dieser Art bei Krüger
Sprachl. 1 § 68, 22, 2, Kühner-Gerth 2, 1, 481. Dieses öid mit
Genitiv entspricht ungefähr dem Instrumental als Prosecutivus,
wie levai (rrj) ööu». Daneben erscheinen Wendungen ähnlichen
Sinnes mit ^v, wie Pind. Pyth. 5, 14 c^ ö' epxofievov dv öiKqi
TToXuc öXßoc d|a(pive)aeToi 'te in iustitia versautem magna cir-
cumvolat fortuna*, Soph. El. 1056 öiav tdp ^v kokoic fibri ßeßn-
Krjc, Td)Li' diraiveceic ^Tiri 'wenn du dich im Unglück befinden
wirst', 1095 dTrei c' ^(pn^PH^a laoipa \iiv ouk dv kÖXa ßeßiijcav,
nach welchen Stellen als Lokativ, nicht Instrumental, eOiuxi«?
anzusehen ist in Eur. Herakl. 610 ounvd (^r\\x\ öeuiv diep
öXßiov . . . ouö^ TÖv auTÖv dei ßeßdvai öö^ov eüiuxit?. Instrumen-
talische und lokativische Auffassung finden sich bei Abstrakta
auch sonst vielfach ziemlich gleichwertig nebeneinander, z. B. in
Ausdrücken der Art und Weise wie cuv ÖJKrj und iv öiki,!
(Kühner-Gerth 2, 1, 466. 467). Hiernach lasse ich es also unent-
Die griechischen Desiderativa auf -ceiujv nebst Kciujv. 335
schieden, ob öipei in *öi\)e\ lövrec ursprünglich instrumentalisch
oder lokativisch vorgestellt war.
Es ist möglich, daß 6ij;eiovTec an unsrer Homerstelle einst
noch als zwei Wörter, als övpei iovrec gestanden hat. Für die
spätere Zeit steht dann aber Univerbierung der beiden Be-
standteile der AVendung fest. Sie zeigt sich erstens in der
Zusammenfassung unter einem Wortton: öi|;eiujv, nicht 6v|;eiujv,
mußte eintreten, weil sich mit der Tonsitzverschiedenheit wie
XeiTTUJV : XiTToüv längst schon der Sinnesunterschied von präsen-
tischer und aoristischer Aktionsart verknüpft hatte (daher z. B.
auch övo|iaivujv, qpiXeujv für *övo)aaiviJuv, *9iXeujv, Grundr. 2-, 3,
207) und öi|;eiujv, nachdem das Partizipium iujv in ihm nicht
mehr empfunden wurde, mit den präsentischen (und futurischen)
Partizipien auf -uuv auf gleiche Linie gestellt war. Zweitens
ergibt sich vollendete Univerbierung aus dem Übergang von
dem vom Abstraktum abhängigen Genitiv (öipei iovrec durfic)
zum Objektsakkusativ, der überall in der nachhomerischen Zeit
hervortritt, wie Soph. Ai. 326 Kai öfiXoc ecxiv üjc ti bpaceiujv
KttKov. Drittens und am deutlichsten aus den nicht-partizipialen
Neubildungen öpaceieic (Soph.), xeceir) xeceiuu (Aristoph.), cpevBduj
(Bur.) u. a. Übrigens läßt die beharrliche Beschränkung auf das
Partizipium, die trotz dieser Xeuschöpfungen bei den spätgriech.
Schriftstellern bis in die byzantinische Zeit hinab zu beobachten
ist (s. Wackernagel S. 142 f.), vermuten, daß die außerpartizipialen
Formen mehr AVagnisse der Dichter als alltäglicher Gebrauch
waren.
Älit Recht sagt Wackernagel, daß, wenn öii^eiovxec aus *öy\tei
iövtec entstanden sei, iovrec auch in hom. Keiovrec, KaKKeiovxec
*K0l^rlTlKU)C Ixovxec, dormiturientes* enthalten sein müsse. Die
abweichende Bildungsweise wird mit dem Fehlen eines *Keicic
nach der Art von öij;ic zusammenhängen. Es lag ein Wurzel-
nomen KCl- als Verbalabstraktum zugrunde, wie es neben Keirai
ai. s€te, uridg. *kei-tai (über dessen Stellung im Präsenssystem
s. Grundr. 2*, 3, 97) erwartet werden darf. Ai. sayd 'Lager' ver-
hält sich zu diesem Abstraktnomen *kei- so, wie tdnä 'Nach-
kommenschaft' zu iän- 'Erstreckung', ürjd 'Kraftfülle' zu ürj-
dasselbe, disä 'Richtung' griech. öikti 'Weisung, Recht' zu dis-
'Richtung' lat. die- in dids causa u. dgl. (Grundr. 2^, 1, 1.59 ff.).
Demgemäß stimme ich jetzt Wackernagel in der Zurückführung
von Keiovrec auf *Ke[i]i iovrec zu (anders Griech. Gramm.^ 333).
22*
336 K. Brugmann, Die griech. Desiderativa auf -ceiiuv nebst k€(iuv.
Doch ist auch *Ke[iJi nicht finaler Dativ gewesen, wofür es
Wackernagel erklärt, also z. B. A 606 oi la^v KaKKeioviec eßav
oiKÖv Ö€ e'KacToc eigentlich nicht *sie gingen nach Hause, auf
das Liegen (Ruhen) ausgehend', sondern instrumentalischer oder
lokativischer Dativ 'in den Gedanken mit Ruhen sich befassend,
beim Ruhen die Gedanken habend'. Da das in Keiujv steckende
Abstraktum schon frühe verloren gegangen ist (an seine Stelle
traten Koitn und koitoc), vollzog sich hier die Univerbierung
schneller als in der Klasse ö»j;eiujv, und so kann nicht auffallen,
daß die nichtpartizipialen Formen schon in der Odyssee auf-
treten (in der Ilias nur erst Kcioviec £ 340, KOKKeiovrec A 606.
Y 58), wie Inf. Keiejuev 0 315 (ou fiev cqpeac ex' ^oXrra pivuvGd
Ye Keie|Liev outoic), Imper. KaxaKefeTe r| 188 (vOv \xkv öaicd)ievoi
KaTaKeieie oiKab' ioviec), Konj. Kei'uü t 340 (kgiiü b' ibc tö Trdpoc
TTcp duTTvouc vuRTttc ittuov). Ebcndamit hängt Keuuv r\ 342 für
Keiujv zusammen, vermutlich eine Neuerung in analogischem
Anschluß an die Doppelheit Keaiai : KCiaiai, Keaio : Keiaro (vgl.
dazu KeovTtti X 510. \ 341. ir 232 für Kcarai).
Leipzig. K. Brugmann.
A. Kock, Zur Frage nach dem Suffix der Participia Passivi usw. 337
Zur Frage nach dem Suffix der Participia Passivi
altnordischer starker Terba.
In den IF. 14, 399 ff. sucht Xoreen zu beweisen, daß im
Altnordischen bei vielen, vielleicht allen Wörtern mit dem Suffix
-»«-, -an- die Vokale innerhalb des Paradigmas ursprünglich
derart verteilt waren, daß / in den nicht synkopierten, a wieder-
um in den synkopierten Kasus stand. So soUte z. B. der Xom.
Sing. ;M. des Part. Pass. brostinn (zu hresta) von alters her nach
seiner Meinung das Suffix -rn-, dagegen aber der Dat. Sing.
brostnum in vorhistorischer Zeit das Suffix -an- gehabt haben.
Dieser Artikel Noreens ist zum guten Teil gegen meine Unter-
suchung der Endungsvokale a : i in den altnordischen Sprachen
in den Beiträgen 23, 484 ff. gerichtet.
Da Xoreen in verschiedenen Schriften, wie Aisl. Gr.^
Aschwed. Gr. passim und noch in der kürzlich erschienenen
Geschichte der nordischen Sprachen^ (1913, im Grundr. der
germ. Phil.) unter Verweisung auf den Aufsatz in den Indo-
germanischen Forschungen noch immer diese Ansicht aufrecht
erhält — die ich für falsch erachte — . so möchte ich ihr mit
einigen "Worten entgegentreten. Ich will mich vor allem mit
den passivischen Partizipien beschäftigen, die die wichtigste
Formenkategorie ausmachen: es sollen sich aber auch einige
Bemerkungen über gewisse andere Wörter anschließen.
Zunächst jedoch ein paar Worte zur Orientierung. In
Arkiv 1, 150 ff. vertritt Xoreen die Ansicht, daß solche isl. Part.
Pass. (starker Verba) wie hundinn usw. seit urgermanischer Zeit
im Xom. Sing. M. das Suffix -in- hatten, und daß der unumge-
lautete Vokal der Paenultima ursprünglich in den Kasus heimisch
wäre, die nicht den Suffixvokal /, sondern entweder «, u oder
möglicherweise gar keinen Ableitungsvokal hatten. S. 160 meint
er, man sei gezwungen, schon der alten Sprache die Doppel-
formen funninn : fynninn zuzuschreiben.
Im Gegensatz hierzu legte ich in PBB. 23, 484 ff. fol-
gende Ansicht dar. In Übereinstimmung mit der Verwendung
des Suffixes -an- in den Partizipien got bundans, as. gibundan,
ahd. (jibuntan muß unbedingt die Majorität der Part. Pass. in
den altnordischen Sprachen ausschließlich das Suffix -an^ (nicht
Indogermanische Forschnngen XXXUI. 23
338 A. Kock,
-in-) gehabt haben. Dies geht teils daraus hervor, daß sie keinen
/-Umlaut gutturaler Vokale hatten (isl. bundinn usw., nicht *hyn-
dinn usw.), teils daraus, daß sie a-Umlaut des u haben, wenn
die Lautverhältnisse dies überhaupt gestatten (isl. brostinn, bol-
ginn usw.). Der Vokal i in isl. bundinn usw. beruht darauf, daß
in spät urnordischer Zeit a in Infortissilbe vor n + Konsonant
lautgesetzlich in e (jüngeres i) überging. Nachdem in *briistanaR zu
*brostanaR a-Umlaut eingetreten war, wurde dieses zu HrostanR
zu brostenn (brostinn).
Indessen hob ich hervor, daß die Part. Pass. zu urnordischer
Zeit ausnahmsweise auch das Suffix -in- verwandten, wenn
nämlich die vorangehende Wurzelsilbe einen /-Laut oder den
Diphthongen ai enthielt. Dies scheint teils aus dem in einer ur-
nordischen Runeninschrift, der Tanum-Inschrift, anzutreffenden
Part. liaitinaR^ teils daraus hervorzugehen, daß Part, vom Typus
bitinn (zu Uta) keinen «-Umlaut des Wurzelvokals haben. Das
Verhältnis war folgendes: Zu urgermanischer Zeit existierte
sowohl das Suffix -an- als auch das Suffix -in-. In der Regel
wählte man in Part. Pass. das Suffix -an-, aber wenn der
Wurzelvokal ein i oder der Diphthong ai (mit /-Laut) war, w^ählte
man (bei freier Wahl zwischen a und /) zu umordischer Zeit
-in- {*bitinaR, haitinaR) ').
Dieser meiner Auffassung über das ursprüngliche Suffix
des Part, bundinn usw. haben sich z. B. angeschlossen : Walde
Die germ. Auslautgesetze, S. 94, Hultman Hälsingelagen och
Upplandslagens ärfdabalk I (Helsingfors 1908) s. 86, Heusler
Altisländisches Eleraentarbuch § 119. Walde ist jedoch der
Meinung, daß zu urgermanischer Zeit a in einer Zwischensilbe
lautgesetzlich in i übergegangen sei, wenn die vorhergehende
Silbe einen /-Laut [i oder Diphthong ai) enthielt, eine Auffassung,
die, soAveit ich sehe, recht große Ähnlichkeit hat mit der von
mir dargelegten über die Wahl des Suffixes -in- zu urnordischer
Zeit, wenn die vorhergehende Silbe ein / oder ai enthielt.
In seinem Aufsatz in den IF. 14, 399 ff., in der Ai.sl. Gr.',
der Aschw, Gr. und der Geschichte der nordischen Sprachen'
sucht Noreen seine Behauptung, daß in der Mehrzahl der Wörter,
vielleicht in allen (und auch in den Part. Pass.) das Suffix -in-
ursprünglich den in den altnordischen Literatursprachen unsyn-
1) Auch eine alternative Erklärung von isl. bitinn usw. wurde
S. 497 gegeben.
Zur Frage nach dem Suffix der Participia Passivi usw. 339
kopierten Kasus, -an- dagegen den synkopierten Kasus angehört
habe, im wesentlichen durch folgende Gründe zu stützen : 1. einige
äußerst seltene Schreibungen altnordischer Part. Pass., die nach
seiner Meinung lautgesetzlichen /-Umlaut gutturaler Yokale
im Nora. Sing. usw. der Part. Pass. zeigen sollen; 2. gewisse
andere vereinzelte Wörter aus den altnordischen Literatursprachen
(besonders das Wort Hiaßningar); 3. die Eunenkombination
'slwcimiR des Möjebro-steins.
Ich Avill diese Stützen hier prüfen:
I.
Die von Xoreen angeführten Part. Pass. mit nach seiner
Meinung i-umgelautetem gutturalem Vokal haben ihren Wurzel-
vokal auf dem Wege der Analogiebildung erhalten oder sind
nur reine Schreibfehler.
Noreens meiste Beispiele sind dem Altschwedischen ent-
nommen, und ich beginne mit diesen.
Noch in Geschichte' § 235,3 führt Noreen das aschw.
Part, hymlm (zu Unda 'binden') an, in Aschw. Gr. § 534, 2
twhyndin aus dem Westmannalag. Ein Simplex *hijndin ist,
soweit mir bekannt, im Altschwedischen nirgends nachgewiesen.
Sicher zielt Noreen mit 'byndin auf die im Westmannalag ein
einziges Mal (BB. 1) anzutreffende Schreibung tcebyndin statt
tcebundin^ welches Wort aus tce 'kleiner Weg' und dem Part, bundin
zusammengesetzt ist. Die fragliche Stelle lautet : " J)aer
IsBggias om fiori tompta ra. oc fiori farwsegs ra. pa ser j)8en by
fcebyndin". Da nun das Partizipium bumlinn^ bumlin mit // in
der Paenultima in den altnordischen Sprachen wohl Hunderte
von Malen nachgewiesen ist, und da man in der schwedischen,
dänischen und neuisländischen Literatursprache noch immer aus-
schließlich blinden^ bundinn mit ii in der Paenultima anwendet,
so kann nach meiner Meinung nicht bezweifelt werden, daß das
ein einziges Mal anzutreffende tcebyndin ein Schreibfehler
ist. Der Schreibfehler ist durch das unmittelbar vorhergehende
Wort by hervorgerufen worden — ist also eine gewöhnliche
sogen. Dittographie.
Als Stütze für eine Aussprache des Part. Pass. tcebyndin
mit y führt N. aus Jon Thorkelsson Supplement til islandske Ord-
bcger, anden Sämling (Reykjavik 1879 — 1885) ein neuislän-
disches Substantiv um byndin 'Garbe* an. Aber ein solches
23*
3*0 A. Kock,
Substantivuni ist nicht nachgewiesen. Jon Thorkelsson nimmt
zwar byndin auf, aber dies gründet sich auf ein einziges Zitat
aus einem neuisländischen Buch vom Jahre 1601, in dem der
Ausdruck / hyndini vorkommt. Aber der fragliche Ausdruck
kann natürlich ebensogut zu einem Nominativ hyndini N. wie
zu einem Nominativ *hyndin N. gehören. Nun nimmt Zoega
in sein Islensk-ensk oröabok (1904) kein *hyndin^ dagegen aber
ein bundin = hyndini auf; also kennt Zoega ein hyndini 'Garbe',
aber kein *hyndin 'Garbe'.
Mein Freund Prof. Finnur Jönsson hatte außerdem die
Freundlichkeit, mir folgende Auskunft über den gegenwärtigen
isländischen Wortvorrat zu geben : "Bundin und hyndini werden
in der täglichen Rede überhaupt nicht gebraucht — wenigstens
nicht viel. Sie sind nur Schriftsprache ; aber 'hyndin' habe ich
niemals gesehen oder gehört". Außerdem macht er mich auf
Gudmundus Andreses Behandlung dieser Frage in seinem Lexicon
islandicum (1683) aufmerksam: "Bindine N. g. fasciculus coUi-
gatus, veluti manipulus". Dagegen nimmt Gudmundus Andreiv
kein Substantivum *bindin {*hyndin) auf.
Auf Grund des Angeführten steht es unzweifelhaft fest,
daß ^hyndin eine von Jon Thorkelsson konstruierte Form ist,
und daß man im Isländischen neben hundin 'Garbe' den neu-
tralen Ja-Stamm hyndini 'Garbe', aber kein *hyndin anwandte.
Byndini ist aber deutlich [gleichwie aschw. fceprine 'Vaterschaft',
meprine 'Mutterschaft'] eine Ableitung auf -ini-, nicht auf -»«-;
das Wort interessiert uns also in diesem Zusammenhang nicht.
Es ist ohne Bedeutung für die erörterte Frage.
Weiter wird in Geschichte^ § 256,2 das aschw. Paii;. Pass.
fcellin (zu falla 'fallen') und in Aschw. Gr. § 543, Anm. 9 fcellin
aus dem Westmaunalag (auch aus dem Cod. Holm. B 55) ange-
führt. Die beiden Schreibungen, um die es sich handelt, sind
fcellnir im Textkodex zum Westmaunalag BB. 17,3 sowie fcellen
in der Handschrift D des Westmaunalag (pg. 18, i). Die erstere
Stelle lautet: "Hwarion synin ha3llda3r fcellir fore j)em, varin
fcellnir fore haenne". Hier liegt ein offenbarer Schreibfeliler
vor: das vorangehende fcpUir hat fcellnir statt fallnir hervor-
gerufen (vgl. auch Siljestrand, Ordböjningen i Västmannalagcn HI
S. 29). Da nun das Part, fallinn fallin ein in den altnordi.schen
Sprachen äußerst häufig vorkommendes Wort ist, und da es in
den modernen nordischen Sprachen noch immer fcdi^i usw.
Zur Frage nach dem Suffix der Parlicipia Passivi usw. 341
heißt, so ist unzweifelhaft auch das angeführte, ein einziges
Mal in der hs. D vorkommende fcellen nur ein Schreibfehler *).
In Geschichte 3 § 256 führt Noreen weiter ein aschw.
Ij/tin 'geneigt' zu Mta 'sich neigen' an (so auch in der Aschw. Gr.
§ 529,3 aus Styrilse Kununga ok Höfdhinga). Die Maskulinform
lytin ist nach dem in Styrilse S. 80 einmal anzutreffenden lytit
konstruiert; aber dieses hßit ist nicht mit X. als eine /-umge-
lautete Nebenform zu dem nschw. dialektischen luten 'bereit,
geneigt* aufzufassen.
Bekanntlich gibt es von Styrilse keine eigentliche Hand-
schrift 2), sondern wir haben unsere Kenntnis des Buches aus
einem Druck des 17. Jahrhunderts.
Nach Söderwalls Meinung in seinem "Wörterbuch ist dies
in Styrilse S. 80 anzutreffende Ii/tit identisch mit lifif 'kleines'.
Das ist möglich. Die Form lytit kann jedoch auch Druckfehler
für lydhit sein und ist es wahrscheinlich; vgl. mit dem Aus-
druck "ivälia u'Uiofjht folk ok Jytit {*lydhit)" "willige und gehor-
same Leute wählen' den in derselben Schrift S. 56 anzutreffenden
Ausdruck "haua lydhän ( = lydhin 'gehorsam') ok w7tO(/Ärt«almogha"
"ein gehoi-sames und williges Volk haben". Jedenfalls kann man
sich natürlich auf dieses lytit nicht stützen, wenn man behaupten
will, daß Participia Passivi zu urnordischer Zeit in gewissen
Kasus das Suffix -in- hatten.
Einige von N. angeführte Part. Pass. haben zwar wie
erwähnt /-Umlaut eines gutturalen Vokals, aber der /-umgelautete
Vokal ist auf dem Wege der Analogiebildung von den Präsens-
formen her eingedrungen.
Es ist nämlich im Schwedischen keineswegs selten, daß
Part. Pass. diejenige Vokalisation angenommen haben, die ur-
sprünglich nur dem Präsens zukam. So sind z. B. die aschw.
Part, sunkin^ stingin dadurch im Neuschwedischen zu sjunken,
sjungen geworden, daß iu {ja) von den Präsensformen aschw.
siunka 'sinken', siimga 'singen' auf die Partizipialformen über-
tragen wurde; und die jüngeren Formen siunkin, siungin sind
schon im Altschwedischen (Cod. Bil., Vadstena Klosterregler)
anzutreffen.
1) Falls fcellen eine Ausspracheform gewesen wäre, hätte sein «p im
übrigen vom Sing. Präs. fahler und dem Sing. Präs. Pass. fcelz, welche
Formen im Altschwedischen mehrmals belegt sind, sowie von dem Prät.
f(^ her übertragen worden sein können.
2) Nur ein ganz kleines Handschriftenfragment.
342 A. Kock,
Daß die Part, (/rcevin, hcevin ihr ce von den Inf, groeva
'graben', hceßa 'heben' und die Part, hryggin^ vynnin^ thryskin
ihr y von dem Inf. hryggia 'brauen', vynna {= linna 'gewinnen),
thryskia 'dreschen' her entlehnt haben, wird auch von Noreen
in der Aschw. Gr. § 540, s ; § 534, 2 angenommen, und diese
Formen brauchen deshalb hier nicht erörtert zu werden^). Dies
ist auch mit dem im AVestmannalag Hs. D einmal anzutreffenden
byrghiz der Fall, da es nach Noreen a. a. 0. § 534, 2 von hyrghia
'einernten' beeinflußt worden sein kann. Schon in Arkiv 1, 156
ist er der Meinung, daß das Part, rcexin sein ce von vaxu
'wachsen' her bekommen haben kann, was offenbar der FaU
ist. Über das Part. Icefin zu I(^fa {lata 'lassen') scheint Noreen
an verschiedenen Stellen etwas verschiedene Ansichten geäußert
zu haben. In Ark. 1, 155 f. spricht er sich dahin aus, daß ketin
wohl durch ^'Umlaut aus urnord. *lätinaK entstanden sei, fügt
aber hinzu, daß dieses ce auch vom Präsens her übertragen
sein kann. Wenn ich seine Darstellung in der Aschw. Gr. § 544
Anm. 4 und § 569, 1 richtig verstehe, so meint er da, daß Icetin
aus *lätinaR entstanden sei. Es steht indessen unzweifelhaft
fest, daß der Wurzelvokal in Icetin (z. B. in Cod. bur.) von der
Präsensform iMa {Iceta) her entlehnt w^orden ist, die einem bis-
weilen statt lata begegnet. Die Yokalisation von lata (lata) be-
ruht bekanntlich darauf, daß der /-umgelautete Vokal des Sing.
Präs. läter (isl. Icetr) sich auf andere Präsensformen verbreitet
hat. Der Vokal des seltenen altnorwegischen Part, leteiin (zu
leta = lata), das von Noreen in seiner Aschw. Gr. § 544 Anm. 4
angeführt wird, ist ebenso wie die Yokalisation der aschw. Part.
leetin zu erklären; der Vokal e in anorw. leta {= lata) ist nämlicli
vom Sing. Präs. letr (Icetr) her entlehnt worden, welche Form in
relativ unakzentuierter Stellung im Satze das c8 zu e werden ließ.
In der Aschw. Gr. § 534, 2 nimmt N. das aschw. Part.
drykkin, das auch einen Bestandteil des aschw. Substantivs
clrykkimkajjer, nschw. dryckemkap 'Trunksucht' bildet, als Stütze
seiner Auffassung in Anspruch. Das geht indessen keineswegs
an. Das Part. Pass. zu drikka 'trinken' heißt auf Altsciiwediscli
gewöhnlich dntkkln, auf Neuschwedisch stets drucken ohne
i-Umlaut. Außerdem kommt im Altschwedischen die Form
drokkin, nur ein einziges Mal in einer späten Urkunde die
1) Palatalumlaul kann jedoch im Part, bryggin vorliegen; s. Kock
in Beitr. 23, 509; Svensk Ijudhistoria 1, § 616,3.
Zur Frage nach dem Suffix der Participia Passivi usw. 343
Form drykkith vor. Dieses drykJcith hat sich indessen nicht
aus einem uraord. *drunk'm- oder dergleichen entwickelt, sondern
-es enthält, soweit kein Schreibfehler vorliegt, sogenannten Palatal-
umlaut, was besagen will, daß im Altschwedischen dnikkit unter
dem Einflüsse des palatalen Konsonanten dialektisch zu drykkit
geworden ist, wie « zu üb in draghin zu drceghin (zu dragha) usw. :
«. Kock Svensk Ijudhistoria 1, § 515,3. Aschw. dt-ykkinskaper
ist kein altes nordisches Wort, sondern Lehnwort (vgl. däu.
drukkenskab, rand. drunkenschap). Die Vokalisation von drykkin-
skaper kann wie bei drykkith durch sogenannten Palatalumlaut
erklärt werden. Indessen kann y auch sehr wohl von den aschw.
Substantiven drykker M. 'Trunk', von drykkia 'Trinkgelage' oder
von einem nicht belegten altschwedischenWort her, das dem isl.
drykkni F. 'Trunksucht' mit gewöhnlichem /-Umlaut entsprach, in
drykkinskaperhlnemgekommen sein; s.Kock Umlaut und Brechung
im Altschwedischen (Rektorsprogramm, Lund 1913) S. 96.
N. führt in der Aisl. Gr.^ § 485 Anm. 5 unter 'sehr
seltenen Nebenformen' aus Elis saga auch ein altnorwegisches
drykkinn an. Es ist nicht angegeben, wo oder wie oft diese
Form in Elis saga vorkommt. Falls sie dort nur einmal an-
zutreffen ist, dürfte sie nur ein Schreibfehler sein. "Wenn dagegen
drykkinn wirklich eine Ausspracheform des Altnorwegischen war,
so ist sicherlich in irgend einer Gegend von Norwegen ebenso
wie dialektisch in Schweden Palatalumlautung des u eingeti'eten.
In der Aschw. Gr. § 569 (vgl. auch § 543 Anm. 4) führt
Noreen das seltene aschw. Part, gengin neben gangin (zu ganga
'gehen') zur Stützung seiner Ansicht an. Es ist jedoch offenbar,
daß das seltene aschw. gengin (gleichwie z. B. die isl. Part, fenginn,
tekinn, dreginti, aschw. -tcekin, drceghin usw.) keinen /-Umlaut
im gewöhnlichen Sinne sondern sogenannten Palatalumlaut hat,
der mit dem folgenden palatalen Konsonanten in Zusammenhang
steht (s. Kock in Beitr. 23, 506 ff., Umlaut und Brechung, S. 94).
Über das im Westmannalag einmal anzutreffende, von
N. in Ark. 1, 155 angeführte breten (zu isl. hriota aschw. hryta
"brechen*) s. Kock in Beitr. 23, 496 V).
1) Daß verhältnismäßig viele der hier angeführten Schreibungen
aus dem Westmannalag herstammen, beruht darauf, daß Siljestrand in
seiner Schrift Ordböjningen i Västmannalagen aus Schlyters Ausgabe alle
Beugungsformen mit größter Genauigkeit verzeichnet hat, auch wenn
sie auf einem Schreibfehler beruhen.
344 A. Kock,
Aus dem Isländischen und Altnorwegischen führt X.
zur Stützung seiner Behauptung, abgesehen von den schon er-
örterten Formen letenn, drykkinn, anorw. fynninn (Speculum
regale, ed. Brenner, S. 96, Z. 35) und isl. synginn (Aschvv. Gr.
§ 534, 2 ; vgl. Aisl. Gr.» § 485 Anm. 5) an.
Bekanntlich ist die gewöhnliche Partizipialforni zu fimia
im Isländischen, Altnorwegischen und Altschwedischen funmn{n)
mit u in der Paenultima. Das ein einziges Mal im Spec. regale
anzutreffende fynninn ist offenbar Schreibfehler. Die Stelle lautet
nämlich : "{)u hsefir hann aeigi fyrv fynmt " — also
offenbare Dittographie.
Überraschend wirkt, daß Noreen laut Aschw. Gr. § 534,2
eine Stütze für seine H3^potiiese in dem recht seltenen isl. Part.
sytif/inn statt sunginn (zu syngva 'singen') sucht, während er
sich selbst in der Aisl. Gr.^ § 483 Anm. dahin äußert, daß
synginn sein y dem Infin. syngva entlehnt habe. Diese letzt-
genannte Erklärung ist offenbar die richtige.
Hiermit habe ich, soweit ich mich erinnern kann, alle
von Noreen zur Stützung seiner Hypothese angeführten Parti-
zipialformen angeführt. Ich glaube behaupten zu können, daß
keins seiner Beispiele seine Hypothese beweist oder sie auch
nur wahrscheinlich macht ^).
Unter diesen Umständen ist es vielleicht nicht mehr nötig,,
seine in IF. 14, 401 ausgesprochene Ansicht zu prüfen, daß die
von ihm angenommenen 'Kontaminationsbildungen* Part, brotvm,
hrostinn usw. ebenso leicht aus Nom. *brytinn und Dat. brotnum
usw. entstanden sein könnten, wie Part, valipr (zu velia 'wählen')
aus Nom. *veUßr und Akk. valpan kontaminiert ist. Der Voll-
ständigkeit halber will ich jedoch nachweisen, daß die Ver-
gleichung mit valipr usw. nicht berechtigt ist.
Die Verhältnisse liegen nämlich bei valipr usw. wesentlich
anders als bei hrostinn usw. Wenn das lautgesetzliclie *velipr
das e gegen a vertauscht hat {vaUpr\ so beruht das nicht nur
auf einer Beeinflussung durch die lautgesetzlich synkopierten
1) In gewissen modernen nordischen Mundarten sind solche
Participia Passivi wie byAni (mit palatalem n, in einigen norwegischen
-Mundarten) und die kurzsilbigen gälin 'toll' usw. (in gewissen finländi-
schen und nordschwedischen Landstrichen) anzutrcfTen. Der palatalo
Wurzelvokal solcher Wörter ist ganz oder verhältnismäßig jung. Vgl. z. B.
Kock in Beitr. 23, 4941T., Hultman in Finländska bidrag tili svensk spräk-
och folklirsforskning, S. 188, Hesselman Sveamälen, S. 32.
Zur Frage nach dem Suffix der Participia Passivi usw. 345
Kasus valpan usw., sondern zum guten Teil auch auf anderen
Faktoren.
Man hatte nämlich außer dem Thema velia: Sing. Prät.
vaipi : Phir. Prät. calpu^) : Part. Pass. ^velipr auch schon aus der
Zeit der ältesten isländischen Handschriften her fakultativ die
einsilbige Partizipialform ralpr, die unmittelbar nach dem Akk.
valpan usw. gebildet wurde 2). Es versteht sich von selbst daß
unter solchen Umständen der unumgelautete Vokal in rali/xr usw.
(nahezu) durchgeführt wurde, aber bei diesem Vorgang spielten
nicht nur die von alters her synkopierten Kasus des Part. Pass.
{valpan usw.) eine Rolle, sondern auch der Sing. Prät. valpi. der
Plur. Prät. valpti und das einsilbige Part. Pass. valpr.
Bei dem Verbum hriöta liegen die Verhältnisse ganz
anders. Das Thema lautet ja hriöta : hraut : hrutu^ und von den
synkopierten Kasus brotnum usw. ist kein einsilbiger Nom. Sing.
*brotn{r) oder dgl. (entsprechend dem einsilbigen Nom. valpr)
abstrahiert worden. Bei der von N. angenommenen Umbildung
von *hrytinn zu hrotinn würden also die synkopierten Kasus
allein den nicht ?-umgelauteten Vokal hervorgerufen haben.
IL
Schon vor langem hat man angenommen, daß gewisse
Adjektiva und Substantiva zu urnordischer Zeit sowohl das
Suffix -in- wie das Suffix -an- vei'wandt haben. Hieraus er-
klärte ich z, B. in Beitr. 23, 501 den Wechsel isl. opinn aschw.
opin : aschw. ypin 'offen'. Urnord. Nom. Sing. *upin{a)R wurde
zu ypinn; urnord. Nom. Sing. '^upan{a)R wurde durch «-Umlaut
zu *opanB, später gemäß der von mir in Beitr. 23 dargelegten
Regel zu opinn.
Zur Stützung seiner Hypothese eines regelmäßigen
Wechsels des -in-\ in unsynkopierten Kasus und des -an- in
1) Im größten Teil von Norwegen, in Schweden und in Dänemark
trat bekannthch kein jüngerer w-Umlaut ein, und die Form lalßu blieb
also ohne w-Umlaut erhalten. Auf Island und im norwegischen Westland
wurde valßu durch jüngeren u-Umlaut zu vglpti, aber dieses späte Laut-
gesetz trat sicher erst in Kraft, nachdem auf dem Wege der Analogie-
bildung die Ersetzung von *velipr durch valipr begonnen hatte.
2) In isländischen Skaldengesängen aus der Zeit vor 1100 ist der
zweisilbige Typus im Nom. Sing, unbedingt der gewöhnlichere (Finnur
Jönsson, Det norsk-islandske Skjaldesprog, S. lOß), aber nur insoweit die
Formen in Vollassonanz verwandt wurden, geben sie darüber Auskunft,
ob die Aussprache *velipr oder valipr usw. war.
346 A. Kock,
synkopierten Kasus führt Noreen den isl. Mannsnamen Hepinn
aschw. Hipin : isl. Hiapninr/ar 'HeJ)in und seine Leute' an. Er
nimmt eine ursprüngliche Beugung Nom. *HedinaB : Dat. *Hedam
au, sowie daß *HedamngÖB za Hiapningar geworden ist; S. 400
äußert er : "der lautgesetzliche Dativ muß *H'mdm aus *IIedani
geheißen haben, der lautgesetzliche iS'om. dagegen Hidenn (im
Altschwedischen und bei Saxo erhalten), und das literarische
Hedeun hat sein e aus dem Dativ vor der Brechungszeit
entlehnt".
Indessen muß N. nunmehr selbst darauf verzichtet haben,
Hepinn : Hiapningar als eine Stütze der Hypothese zu betrachten,
die er in den Indog. Forsch, aufstellt. In Geschichte usw.
(1913) S. 69 § 28 b schließt er sich nämlich einer von Hesselman
in Västnordiska Studier 1 (1912) aufgestellten Hypothese an,
nach der in den westnordischeu Sprachen e in kurzsilbigen
"Wörtern nicht durch ein in der Literatursprache verlorenes u
zu ia gebrochen worden sei, so daß z. B. Dat. Sing, *edare (zu
isl. iaparr 'Kante') lautgesetzlieh zu *epri (nicht *iapri) geworden
wäre. Wenn dies der Fall wäre, wäre natürlich auch J)a.t.*Hedane
lautgesetzlich zu Hedni (nicht *Hiadni) und *HedaningÖR laut-
gesetzlich Hepningar (nicht Hiapningar) geworden.
Da also offenbar X. selbst nicht mehr Hepinn : Hiapningar
als eine Stütze seiner Hypothese ansieht, ist es nicht nötig
nachzuweisen, daß er sich in den Indog. Forsch, unberechtigter-
weise zugunsten seiner Hypothese auf Hepinn : Hiapningar beruft.
Zur Aufhellung, wenn auch nicht zur völligen Erklärung
von isl. Hepinn : Hiapningar und aschw. Hipin führe ich aber
folgendes an.
Nach meiner Meinung ist Hesselman der Nachweis nicht
geglückt, daß die ältere a-Brechung in den kurzsilbigen Wörtern
der westnordischen Sprachen ausgeblieben ist. Gerade das Wort
*HedaningÖH (vgl. ahd. Hetan; s. Heusler in Altisl. Elementar-
buch § 119) zu isl. Hiapningar spricht kräftig dagegen.
Von altersher hatten, wie schon erwähnt worden ist, ge-
wisse Wörter zu urnordischer Zeit sowohl das Suffix -an- wie
das Suffix -m-, z. B. das oben erwähnte *ujxin(a)R zu isl. opinn
aschw. apin — *U2)in{a)ji zu aschw. ypin ; vgl. auch urnord. *Wödanan
(ahd. Wotan) zu isl. Opinn: mengl. Wednesday (mit »-Umlaut).
Deshalb ist die Annahme durchaus zulässig, daß man zu ur-
nordischer Zeit neben *Hedanan (ahd. Hetan) auch *HedinaR hatte.
Zur Frage nach dem Suffix der Participia Passivi usw. 347
Ein von *UedaiiaR abgeleitetes *HedaningÖB wurde zu
Hiapningar.
Isl. Heßitin und aschw. Hißin können dagegen auf ver-
schiedene Weise aufgefaßt werden.
Falls man neben *HedanaR auch *HedinaB hatte, so erklärt
sich dies folgendermaßen : Nom. *Hedin{a)R wurde durch /-Uni-
lautung des e zu Hidinn, aber Dat. *Hedine wurde lautgesetzlicli
zu Hedni (vgl. Kock in Beiträge 27, 166 ff.). Der Xom. Hidinn
ist in aschw. Hißin erhalten, während im Isländischen der Vokal
e von dem synkopierten Dat. Hedni auf die unsynkopierten
Kasus übertragen wurde, so daß man den Xom. Heßinn erhielt.
S. Kock Umlaut und Brechung S. 50 f.
Heuslers Auffassung im Altisl. Elementarbuch § 119 scheint
dagegen dahin zu gehen, daß umord. *Hedan{a)B lautgesetzlich
zu isl. Heßinn wurde. Dies setzt voraus, daß die jüngere a-
Brechung jünger ist als der Übergang a zu e{i) in *Hedan{a)B
zu *HedenB (Hepinn).
Wenn isl. Heßinn aus *Hedan{a)B entstanden ist, so dürfte
es möglich sein, auch aschw. Hißin auf urnord. *HedamiB zu-
rückzuführen, und es ist in diesem Falle nicht nötig, ein urnord.
*HedinaB (neben *HedanaB) anzunehmen.
Ich erinnere nämlich an folgende Lautentwickelungen:
Im etwas jüngeren Isländisch ist (geschlossenes) e nicht
nur nach Ar, ^, sondern auch nach h zu ie geworden, was be-
weist, daß h ein palataler Laut war: so wird z. B. nicht nur
henna zu kienna usw., sondern auch hepan Von hier' zu hießan,
Heßitin zu Hießinn usw. (Sievers in Beitr. 16, 242).
Weiter erinnere ich daran, daß im Altschwedischen kurzes
,^in kurzsilbigen Wörtern dialektisch lautgesetzlich zu ij wurde,
wenn ihm einer der palatalen Konsonanten Tc, g voranging, z. B.
Dat. Sing, hati zu kyti (Nom. kßt 'Fleisch'), Konj. Präs. gsn zu
gyri (zu gjeira 'machen'), (Kock in Ark. XF. 2, 15 f.; 5, 79, Anm. 2
Svensk Ijudhistoria 2 § 593 f.).
Weiterhin erinnere ich daran, daß auch ce im Altschwedi-
schen in kurzsilbigen Wörtern unter denselben Umständen
zu i geworden zu sein scheint, unter denen 0 zu y wurde,
z. B. aschw. kwtil zu *kitil nschw. kütel 'Kessel' (Kock Svensk
Ijudhistoria 1 § 285). Es ist deshalb ganz natürlich, daß das
kurzsilbige aschw. *Hceßin (isl. Heßinn) im Altschwedischen
3*8 A. Kock,
lautgesetzlich zu Hipin (adän. latinisiert Hithinus) wurde. Vgl.
Kock Umlaut und Brechung (IV) S. 120.
Ich hebe hervor, daß X. nicht versucht hat, irgend
einen in den altnordischen Literatursprachen erhaltenen regel-
mäßigen Reflex des -in- in unsynkopierten Kasus und des
-071- in synkopierten Kasus nachzuweisen außer gerade in Heßinn
: Hiapningar (welche Wörter er nunmehr selbst in anderer
Weise auffassen muß). So ist es z. B. nicht gelungen wahr-
scheinlich zu machen, daß man regelmäßig aschw. den Nom.
Sing, ypin^ aber den Nom. Plur. opnir oder ähnliches haben
sollte. Man trifft im Nora. Sing, sowohl opin als auch ypin an.
III.
Großes Gewicht scheint Noreen auf die Runeukombination
slaxinaji in der Möjebroinschrift in Uppland zu legen, die nach
seiner Meinung 'geschlagen' bedeuten sollte, und er gibt an,
daß die Lesung 'slacjinaH der umstrittenen Runen seitens von
Priesens von ihm (Noreen) und Pipping durch eigene Besich-
tigung bekräftigt worden sei.
Ohne hier einen neuen mißlichen Versuch zur Lösung
des Rätsels der Möjebroinschrift zu unternehmen, will ich mich
darauf beschränken, ein paar Tatsachen hinsichtlich der Deutuugs-
geschichte der Inschrift mitzuteilen. Sie dürften ausreichen,
um eine Beurteilung der Frage zu ermöglichen, mit welcher
Berechtigung man sich für grammatische Forschungen auf die
Runenkombination slaxinaR beruft.
Es ist umstritten, welche Runen sich in dieser Inschrift
überhaupt wirklich vorfinden, und in besonders hohem Maße
ist dies bei der vierten sogen. 'Rune' in fihxinaR der Fall. Das
Zeichen hat ungefähr die Form x, und so führe ich es an;
dieses Zeichen ist aber — wohlgemerkt — nicht unbedeutend
kleiner als die es umgebenden Runen*). (Falls man in diesem
Zeichen ein r/ sehen will, ergibt sich die weitere Schwierigkeit,
daß es Punkte hat, was bei der Rune // zu urnordischer Zeit
nicht der Fall ist. Zu behaupten, daß die Punkte nicht ein-
gehauen sind, ist doch mißlich. Sie sind auf alle Fälle auf
dem Stein vorhanden).
1) S. z. B. die Abbildung bei von Friesen in dem Artikel "Upplands
runslenar" in Uppland II (1907).
Zur Frage nach dem Suffix der Participia Passm usw. 349
Sophus Bugge, der hervorragendste Kenner und Deuter
urnordischer Euneninschriften, faßt das Zeichen x deshalb nicht
als eine Eune, sondern als ein Interpunktionszeichen auf').
Weiter ist die Lesung der vorletzten Eune in 'slaxinaR
umstritten oder ist es wenigstens noch vor nicht zu langer
Zeit gewesen. Noch in Xorges Indskrifter 1, 233 Liest Bugge
sie als i und die ganze Inschrift liest er doli; als: ana hahais-
laxiniR frawaradciß 'über Hahaisl (setzten) Ini (und) Frawarad
(diesen Stein)'. In Aarboger 1905 S. 305 Liest Bugge ana
hahaislcixinaB fraicaradaR (vgl. auch Bugge Der Eunenstein von
Eök, Stockholm 1910, S. 65), und dies übersetzt er: "Zur Er-
innerung an Häisl ritzt Fräräd (dies)". Bei keiner dieser Deu-
tungen Bugges bekommt man also die Form 'slaghuiR' heraus.
Aber noch mehr. Auch diejenigen, die 'slar/imiR' lesen,
sind uneinig über die Abteilung und die sprachliche Bedeutung
dieser Eunen, und von Friesen hat sogar selbst zu verschiedenen
Zeiten verschiedene Auffassungen über ihre Deutung ausge-
sprochen. So sollte z. B. die Inschrift nach von Friesen bei
Noreen Aisl. Gr.^ (1903) S. 340 bedeuten: "Frärä{)r, der be-
herzte, ist totgeschlagen". Yier Jahre später (1907) übersetzt
dagegen von Friesen in Upplands runstenar, S. 2 : "Getroffen
(von einem geschleuderten Speer, einem Pfeil oder dergleichen)
stieß FrawaradaR laute Eufe aus (Kampfrufe oder möglicher-
weise Eufe um Hilfe, Bitten um Schonung)". Indessen hebt er
selbst in der Schrift Eunorna i Sverige (1907) S. 10 hervor, daß
"die Inschrift leider nicht sicher gedeutet ist". In der jüngst
herausgegebenen Schrift "Upplands runstenar. En allmänfattlig
öfversikt" (1913) S. 3 gibt er eine dritte Deutung: "Frarad Ane
der einäugige ist totgeschlagen".
Im Gegensatz zu von Friesen übersetzt der hervorragende
Linguist Hultman in seiner Arbeit Hälsingelagen och IJpplands-
lagens ärfdabalk 1 (Helsingfors 1908) S. 86 fraicaradaR anaha-
haislaginüB folgendermaßen: "Fräräör ist der einzige Besitzer
der Anlage oder des Gebäudes". Hultman meint also, daß es
kein Part. 'slaginaR' gibt, obwohl er x als g liest.
Es mag hinzugefügt werden, daß auch Pipping, der die
Möjebroinschrift selbst untersucht hat, in Studier i nordisk
1) Vgl. Bugge, Norges Indskrifter I, Indledende Bemaerkninger S. 26
und öfter und Aarbeger for nordisk oldkyndighed og historie, 1905, S. 305.
350 A. Kock, Zur Frage nach dem Suffix der Participia Passivi usw.
filologi 2, Nr. 1, S. 10 hervorhebt, daß diese Inschrift außer-
ordentlich umstritten ist').
Also:
1. Es ist strittig, welche Runen überhaupt in der Runen-
kombination slaxinaR des Möjebrosteins vorkommen.
2. Es ist weiter strittig, wie die Runen der Inschrift in
Worte aufzuteilen sind.
3. Es ist schließlich strittig, was die Inschrift und be-
sonders was die Runenkombination shxinas bedeutet.
Welchen Wert hat unter diesen Umständen die Runen-
kombination slaxinaR des Möjebrosteins für sprachwissenschaft-
liche Untersuchungen ?
Ohne Bedenken antworte ich: gar keinen.
Diese meine Worte sollen natürlich nicht so aufgefaßt
werden, als enthielten sie eine Kritik gegenüber den ange-
sehenen Forschern, die sich um die Deutung der Möjebroinschrift
bemüht haben, und ganz besonders will ich mit allem Nachdruck
die große Schuld hervorheben, in der die nordische historische
Grammatik bei dem noblen, geistvollen und tiefgelehrten Runen-
forscher Sophus Bugge steht, der bekanntlich auch ein unge-
wöhnlich vielseitiger Linguist und Philologe war.
Aber andrerseits sieht man nicht selten in sprachgeschicht-
lichen Arbeiten urnordische 'Formen' als Stütze für die eine
oder andere Theorie angeführt, die von einer Art sind, daß
hinter ihnen zwei, bisweilen vielleicht drei Fragezeichen hinzu-
gefügt werden sollten.
Ich meine keine unberechtigte Behauptung aufzustellen,
wenn ich sage: auf solche Runenkombinationen sollen keine
grammatischen Konstruktionen gegründet werden.
Auf Grund des oben Dargelegten glaube ich vollkommen
berechtigt zu sein, meine in den Beiträgen 23 aufgestellte Theorie
aufrecht zu erhalten, daß Part. Pass. starker Verba mit gutturalem
Wurzelvokal zu urnordischer Zeit das Suffix -an- hatten, daß
aber dieser a-Laut unter gewissen dort angegebenen Umständen
lautgesetzlich in e(i) überging.
Lund. Axel Kock.
1) Bibliographien über die Deutungen der Möjebroinschrift finden
siel) bei Burg Die älteren nordischen Runeninschriften, S. 106 (T. und bei
Pipping a. a. 0. S. 10 Anm. Doch wird die Inschrift z. B. auch von George
Hempl in The Mejebro runic stone (Reprinted from the Publications of
tbe Modem Language Association 15, Nr. 2) behandelt.
E. W. Fay, Word-Studies. B51
Word-Studies.
1. Greek (-^)veKec- *bond, binding'.
I have before now, in connectioii with my explanation
of Lat. necesse^) as 'in bonds' (TAPA. 37, 12), commented on
TTOÖnveKec- 'foot-reaching', and I compared its synonym Trobripnc.
Both may be etymologically defined by 'pied-joignant'. The
same etymological sense may be restored with great pro-
priety to öinveKec 'continuous, unbroken' — i. e. originally
'connected'. So in the Odyssey öitiv€K€iuc dfopeueiv raeans 'to
recite connectedly', with the shadings of 'apte' (n 241, /a 56)
and of 'omnino' (ö 836). In two contexts, certainly as old as
anything in Homer, the sense 'through-binding' is unmistakable,
viz: M 296, where pdij/e . . ] xpuceiric pdßöouci öniveKeciv rrepi
kukXov = "stitched (pegged) with golden rivets through-binding
( = riining clean through) [the ox-hides] round the rim [of the
shield"] ; and M 134, pi^rjciv ^eTdXrjci öinveKeec' dpapmai = "[trees]
by their great through-binding (= thorough-binding) roots fas-
tened". In H 321 (= H 437) as used of the chine and in c 375
as used of a furrow biriveKec- is generalized to *contiuuous,
unbroken', but in v 195 dipamToi xe öiriveKeec the sense of
'connected' (= interlacing) roads may be restored. — For the
part played by öia- in this Compound cf. bidbec|Lioc 'connecting
bond', bidZiujiia 'girdle'.
It is harder to realize the sense of 'vincire, iungere' in
öoupr|veKec- 'a spear-cast'. The idea of a measure of distance
may have come into the word group from the sense of 'uear'
(as in Goth. nelv), cf. Lat. iuxta, Span, iunto 'prope'. Further
cf. OEng. gespannan 'vincire, conectere', Mod. Eng. spatis 'mea-
sures, grasps', span ''/4 of a foot' (cf. Skr. yugd-m = 4 "hands"
as a measure of distance). Or we may restore a locution 'to
join spears', modelied on 'to join battle' (cf. Skr. yü-dhi/ati\
wherein 'battle' is suppressed), whence quasi 'spear-range'.
1) I am taking up at length elsewhere a study of the root (ejnek-
(? k) 'vincire, lungere', but it seems as impermissible to divorce Olr.
dc-en 'necessitas' from nec-esse, in their root-part. as to divorce Olr. ec
'death' from v^kuc.
352 E. W. Fay,
2. A leash^) of words raeaning 'near'.
1) Gothic neJv.
I have already adduced Gothic neh as evidence for a root
{e)nek- 'nectere*. Its -w is related to, if not identical with, the
locatival (or deictic) particle w mentioned by Brugmann, Gr.-
1. 2, § 185. 2. The rendering 'in connexion with, in Verbindung
mit' helps to make us realize the etymology. It becomes very
much more real to me, hovvever, when I compare aTX->i locative
of a nounstem dxx- 'Verbindung', belonging to the root 2) found
in Lat. angit 'schnürt'.
2) Lil. arti.
That arü is a solitary case form of a noun derived from
the root ar- 'to join', doing duty as an adverb, seems to me
hardly open to question, and I can give myself good reasons
for not agreeing with Bezzenberger's skepticisra as to the close
relation of arü with dpii 'just, just now'. Homeric dpii- in
Compounds agrees in general with Lat. sollertei- in sense, but
the adverb otpri (dTrapTi) means simply enough 'in [the present]
juncture', and is limited to temporal relations, though Sophocles
must have feit only the local sense in writing Trach. 768 sq.,
Kai irpocTTTucceTai ( TrXeupakiv dpriKoWoc, ujct€ tcktovoc |
XiTiüv ÖTTav Kttt' dp9pov, for which Jebb's rendering is "and
the tunic clung to his sides, at every Joint, close -glued, as
if by a craftsraan's band".
That dp-T-i is a locative of a <-stem in its temporal use
seems to me far the most probable contention. But what is
Lith. aH) 'prope' ? After Bezzenberger's objections (Beitr. 27, 157),
surely no simple locative, identical with dpri. But still a simple
locative to an i-stem, ar-t-i- viz: aHe{ij) \ ärieij. Curiously
enough the startform arte{y) adequately accounts for Homeric
d)i-apTf| (-apTfj) = *at [this precise] iuncture' (temporal), and for
Plautine aHe 'close, near*, e. g. in arte accubare, and with verbs
of binding and the like. The stem arti- may even be attested
in the Latin word arti-culus, especially of a critical point or
1) In the language of the English sporlsman a 'leash' is a trio.
This numeral alloculion has a semanlic interest of its own, cf. in Greek
ZeOfoc Tpmdpeevov, Z. xpibouXov.
2) The root anffh- is probably a composite root. I think il safe
provisionally to divido it into a prosthetic a -j- neffh-, which is Iho root
of Skr. ndhyati 'binds' as Wackernagel rightly teaches (ai. Gramm. I, 250).
Word-Studies. 353
*iuncture' of affairs, e. g. Terence Ad. 229, where in ipso arti-
cido means 'at the critical raoment, in the nick of time', and
this clarifies the commoditatis omnis aiiictdos of Plautus Men. 140
{= all the junctures of convenience'). These are the earüest Latin
occurrences, but the general propriety of admitting a stem in -fi-
beside one in -tu-^) (cf. arttis 'Joint') does not admit of question.
If Lat. arte 'close', Lith. arü *near', Homeric d^apTfj (-r|)
*simur come from a locative artey j aHey, question arises as
to the relation between arte and the ptc. artus. It is not ini-
possible that artus is secondarv to arte, after the pattern of sjnssus :
spisse^) and a hundred more. From the psvchological point of
view artus maj have arisen from aHe at any time, and there's no
dating the mental process. Historically, artus perhaps did not
come into existence tili, roughlv speaking, the time of Cicero.
Synonymous with dpii 'modo' is dp^ioT, an (adverbial) lo-
cative like 'Idöfioi. For the Spiritus asper I would not, with
Prellwitz, adduce Skr. sam- but Lith. si>: cu-v. The startform
was swarmo- or s[tc]armo-^).
1) If. with Prellwitz, dpri- in composition is a neuter sg. we may di-
rectly compare Skr. ri^-ij 'rechtmäßig oder rechtzeitig opfernd' {-ij : ydjati
'sacruficat') with Greek Compounds like dpxi-ein^c ('recte loquens', whence)
'ready of speech'.
2) The example is obviously chosen because of the approach to
synonymy with ai-te. In passing I would challenge the etymology of
spissus taken over by Walde from Fick. Instead, spissus belongs to the
root set down in Walde as the source of spatium. This root indicates
'extent' but also 'distent', cf. Eng. distention with its marked connotation
of 'fatness', literally 'swelling' (cf. Lat. extensio Uumor'), and this is the
sense shown in the plainer derivatives of the Sanskrit root spha{y)- 'to
fatten'. But extent in the long direction is also attested in Skr. ri-^pitäm,
which belongs, as Roth long ago saw, to the root sphä {vi-^p- from vi-
sph-), and means 'distance', as Ludwig saw (cf. his translation and notes
to RV. 7. 60. 7; 8. 72. 3 = nos. 111 and 233 in his translation). The formal
relation between vi-spiidm and Lat. spatium is very close, For time
extension spissus 'late' is to be immediately compared with OHG. späti
'spät'. Lat. spes, like Eng. longing (pace Skeat), derives from the phy-
siological intensity or 'outstretching' which accompanies expectancy or
the effort to accpiire, cf. Lat. tendit 'strives', approximating 'longs' e. g.
in Horace, C. 1. 29. 16. In Av. spayeiti 'iacit, abjicit' the primary sense
of 'stretching' has been specialized as in sagittas, spicula tendet-e.
3) I am elsewhere treating the roots compounded with su>-, alter-
nating with s[w]- and with [8]ic-. My most transparent example is Greek
i]Xd} from »M'-ä^Aö(y) = 'co-sonans', cf. Lat. sextus from {k)su:-ek[s]-sthos
= 'co-out-standing' as analyzed in AJPh. 31, 419.
ludogermanische Forschungen XXXIII. 24
35* E.W. Fay,
3) Latin iuxtä 'near'.
With the startforra yügi-st{h)ä 1 am in accord, but I think
iuxtä{s) is a nom, sg. masc. of the advenus type. In the Plautine
usage there are 5 instances (Aul. 682, Mil. 234, Pers. 249, 545,
Ps. 1161) of the type iuxta tecum scio^\ where the literal sense
was in-iugo-stans tecum scio. In a pastoral people this locu-
tion arose as 'I your yokemate' and developed on the one hand
to *raate, equal* and on the other to 'by-standei* (whenee the
adverbial sense of *near'). The relation of jügi- to 2eÖT0(; Voke'.
though questioned by Walde, is perfectly normal, cf. ui|;oq : üi|;i,
KUTOC : eT-KUTi, Feroc : irepuci, ^kv. per-ut (see Fay AJPh., 31,
411 — 412). In composition type *Jüg-i-stä- is identical with nu-
merous Sanskrit Compounds, cf. path-i-sthä- *in-via-stans' (AV.),
but path-e-sthä- (RV.). Query : Is the e of path-e-sthä- analogical,
say with rathe-sthä-, or does it rather contain the ending of the
Greek locatival in -ai, e. g. xa|n-ai 'humi' ?
The sense in Lat. iügis 'perpetuus' has developed from
'binding', just as in biriveKric, treated above; cf. the gloss iugem
dpiiöZouTa.
3. Excursus on Lat. artns (: 2.8).
The indices to Plautus, Ennius, Terence, Ribbeck's Sce-
nicae Poesis fragmenta, Lucilius and Cato's r. r. reveal only 2
instances of this participle, one of which is demonstrably a mis-
take for arte and the other probably. Isidore (Orig. 11, 1, 108)
cites Ennius for "atque genua coraprimit arta gena", anent
which Vahlen remarks (p. 232): oratio et versus forma obscura.
But let US read arte and all becomes clear, viz: a senarius of
which the initial pickup (= arsis, Senkung) was not quoted,
but raay easily be supplied, viz:
fpedSs] atque genua comprimit art6 gena.
This yields the sense "the cheek presses close on [feetj and
knees". That this describes the general Situation is clear frora
Isidore's comments. As for supplying pedes^ anybody can turn
up in a lexicon passages describing how suppliants feil now
at the feet, and now at the knees of their oppressors; and the
diastole found in comprimit is not to be questioned, ospeoially
1) The only divergence froin Ulis type is Trin. 197, iu\lai|ur eain
curo cum mea.
Word-Studies. 355
in the 4**^ tread (= thesis, Hebung) of a senarius. [See niy Mo-
stellaria, Introd. § 14, 11, p. 18. Examples without change of
Speaker are Cu. 438, Mi. 848, Mo. 999, St. 216: with change of
Speaker, Mi. 1316, Tr. 585. In the Septenarius, diastole before
final _ j: v^ ^ in As. 250, Am. 717].
The remaining passage is Plautiis Ps. 66, where P's
reading is
compressiones arte amantum corporum (or conporum).
In A we find AR and space for three letters. Who shall teil
US that ARTAE is more probable than ARCTE which, accor-
ding to the large triumvirate edition of Plautus, is Nonius's
reading for arte in As. 78, though neither of the latest editions
of Xonius report the reading. But no reasonable person who
will consider the frequencj of the raanuscript reading of co-
arctare^ with c picked up from the svnonvm verb coercere (de-
fined in the Thesaurus by 'coartare') wiU be able to give him-
self or others a valid reason to prove that the scribe of A did
not write arcte here. As to the constniction of compressiones
arte (if we should not rather construe arte amantum), seeing
that the abstracts in -tio {-sio) are verbal enough in Plautus to
govern the accusative something like a dozen times, I think
we may adrait the adverb as an attest of the same psycholo-
gical phenomenon manifested in populum late regem (Verg.), late
tyrannus (Hör.); cf. in Plautus himself tarn matidam for talem
m. (Pers. 533) and sat Uno (ib. 683), while Caelius, ap. Cic. Fam.
8. 16. 2 uses parum optimatem. No need to cite examples of
the bene facta type.
4. Skr. jäthara-s: Lat adver sus.
The origin of the adverbs of which Lat. adversus may be
taken as the type has just been studied by Professor Brugmann
(IF. 27, 233 sq.), and I am prompted to note a curious lexical
development, not recorded in the Petersburg lexica, which is
exhibited by S]ir. jäfhara-s as used by a commentator to the
Mantra-Brähmanam (=SMB.), 2. 1. 15. In commenting on the
obvious päda, agnih präcnätu in-athamah^ he defines prathamah
(=primus) by *mukhi/ah, jätharah'. Xow mukhya- we know as
a derivative of mükha- 'mouth', and jathdra- 'venter' we know,
and we may find in PW.«, entered as the 3*^ definition, "im
Gegensatz zu pr§tha ['tergus'J, Vorderseite des Körpers. Instr.
24*
356 E. W. Fay,
SO V. a. mit zugewandtem Gesicht". It is interesting to note
how, in the scholiast, jäthara-s, with vfddhi, has reached füll
adjectivization. The fact is generally, though not specifically,
comparable with the adjectivization of j-j^^miYms in Plautus.
5. Skr. prathamd-s : TTpoTO|iri *face, beak'.
The definition of prafhamd-s by mukhya-s jäthara-s re-
minds me of my explanation, some years since, of -tliamas (with
unoriginal th for t, see Gl. Rev. 20, 254 fn. 3) as *part*, whence
pra-thamd-s = 'foreparf, cf. Liddell and Scott's definition of irpo-
TO|Lir| (: Trpo-Te|LiviJu) "the foremost or upper part of anything".
There is no reason why pra-thamd-s raay not be regarded as
an adjectivization of a pro-ethnic pro-tomä, say, meaning 'face',
and this assumptiou is not iuvalidated if we derive pra-t[h]amas
from ^pro-tijimos. We can amply illustrate the shift of meaning
by the English word 'front', adjectivized without the least pho-
netic alteration in such turns as 'front rank' (=primum ag-
men), the "front carriage of a procession" ( = prima rheda ag-
minis). Note the tautological turn forefront.
6. Skr. tejdna-m 'shaft', tejanf 'woven reeds or straw'.
These words are perfectly clear in their root belongings,
and the second looks to the thatched roof or wattled wall of
some primitive 'lodge'. The method of construction was imitated
by a gang of holiday making slaves, as described by TibuUus,
2. 1. 24 :
_yy^ ex virgis extruet ante [focum] casas,
cf. also ib. 2. 5. 97,
aut e veste sua tendent umbracula sertis | vineta.
These umbracula were doubtiess improvised shades made of
garments flung over a tigiUum, cf. ib. 21, 39 — 40
illi < di > conpositis primum docuere tigillis
exiguam viridi fronde operire domum.
In IF. 26, 37 fn. 4, I have already pointed out the relation
of tignum, tigülum to tejdna-m^ and I think now particularly
of the sororium tigülum (see Livy 1. 26. 13), which was either
a pair of "sticks" crossed and bound at the top, in general
outline like the better X, with elongated lower logs, or n
crossbeam supported by two such pairs of sticks.
Word-Studies. 357
The cognation of tignum with Ujana-m does not contradict
the general truth of the combination tignum: Arm. thaku (see
Liden IF, 18, 498). It but adds the rather to the evidence,
discounted by Liden, for the thorough intermixture of the roots
steig- and steg-, in my opinion not a confusion of the separate,
but a diffasion of the united, viz ste{y)-g- (cf. Brugmann Gr. 2*
§ 504, Reichelt KZ. 39, 14 sq.). The meaning of this root, if
the first sense was nominal, was 'a stick', but if verbal, *to stick'.
Nor do I separate st{h)eg- 'cover' from this root. To be
sure, I note the Variation of th in Skr. sthagati 'tegit' beside
tejani 'wovon mat', but interpret it as secondary. If we take
a cue from Lat. fastigium, compounded from a cognate of Skr.
bhrsti-s 'point, gable' + {s)tigium 'timber', (i. e. 'stick'; see Fay
1. c): tigillum ('roof-)stick', we have the proper metaphor for
passing direct to the sense of 'cover'. This is to say that from
'roof-stick' we pass to *roof' (cf. cxeTOC | tetoc 'roof : Lit. stögas\
whence to the verb senses 'to roof and *to cover, clothe' (cf.
Lat. ioga), but we must not lose sight of the possibility of even
a directer semantic relation between tejani 'woven mat', and
toga. I am reminded of the mats worn by Mexicans over
their Shoulders in the rainy season, when a large part of the
humbler population goes about clad each in his own thatched roof.
7. Lat. terri-torium.
I have lately derived terres-tris from teres- 'land' + tr-i-
'faring', cf. opec-iepoc 'mountain-faring' (AJPh. 31, 408 — 409).
Of course *ter-es- has been analogized on terra but it seems
to be attested also by Olr. tir-. To be sure, Thurneysen (Gram.
§ 55) seems to prefer to derive tir- from the highly artificial
startform *ters-r-, with which he compares the likewise highly com-
plicated startforra memsr-^\ whence mir- 'bissen': Lat. memhrum.
Now the derivation of memhrum from mem-sro- is a genuine
pet of presentday etymological science, yet there is really very
little to say for it, and much to say against it. I feel that
memhrum can only be so derived if we assume the persistent
syllabification mem-sro-^ instead of memz-ro-. But there is not
the least difficulty in finding another explanation for memhrum,
1) Lit. ntfzdra 'feine Haut auf frischer Wunde' will be a Compound
of mems- 'flesh' -f- dra- : bopd 'skin'. Perhaps mems- started as mi'-m{a)ds-,
a reduplicated neun (cf. nacdo^m 'mando').
358 E. W. Fay,
ILiriPoc *thigh', Ir. mir *piece of flesh'. Greek ^epic "pars* is used
quite specifically for a *bit of flesh* and |n6piov of the *parts'
or 'members* of the body. Homer uses i^npoc, when he is
speaking of the thigh of an animal, only in connection with
the verb ilivapiov 'exciderunt', and |iinpia of thigh-slices. We
remain then in the realm of siraplicity and soberness when
we attach these words to the root mer- 'dividere', deriving
^iTipöc and mir from a vrddhi stage mer-, and membrum from
a reduplicated stem me-mro-. As for the specific sense of *flesh'
we raay compare Eng. rations used of stated food allowances,
and meat 'food', whence specifically *flesh'. Note Lat. merenda
*luncheon' {lumheon originally = a big piece [of bread]).
But let US return to Olr. tir and Lat. terra. The disposition
to unite these is very marked. That terra actually connoted
*dry' at one stage of its history I am not disposed to question.
In the palustrine stage of habitation in Italy (the socalled terra-
mares) *tersä might have designated the non-marshy land (gender
as in teUus, ff\\ but in Ose. teerum [n.], from *terso-m (?) we
find the gender of Skr. sthdla-m ^ *dry land'), and similarly,
beside Ir. tir 'land', we have tirim 'siccus'. If a Celto- Italic
stem teres- 'land' be admitted, what is its relation to the well
attested root ters- 'to be dry; thirsty'? Was the ultimate root
teres- ? Or is 'dry, thirsty' the original sense ? Perhaps not. Let
US consider Skr. tära-m 'Abstieg zum Wasser, Ufer', tira-m (1)
'Ufer, Gestade'; (2) 'Rand' (eines Gefässes), tir-thd-m 'Strasse*,
inbes. 'Stieg zum Wasser''), and the first Suggestion may be that
territorium is a Compound in which -torium means 'ora*, quasi
'boundary'. That the notion of 'dryness' may also be developed
from 'shore' is clear. The shore, the landing of a ford, in con-
trast with the water, is 'dry', cf. Vergil's siccum Utu.% and the
assumption of the generalization of 'shore' to 'land' does not
require justification.
The root ters- *to be dry* can hardly, however, have de-
rived backwards from ter-es- *shore, land*. But from the use
of the root ter- in the sense of 'bore* (cf. Lat. terehra 'auger'),
as specialized in the activity of the fire-drill, liiere arose va-
rious connotations like 'burns, is parched, is dry' for which a
rootform with determinative «, ter-s-, was especially set apart.
1) Note the frequency of dth 'ford' in Irish place-namcs, and the
importance of the ford in the heroic traditions.
Word-Studies. 359
From this root we mav derive terra 'dry' [land]. In the para-
digm of teres- a grade ters- (Celto - Italic ters-) was likely to
arise. Now in the lacustrine and palustrine civilizations ters-
'crossing, bank, landing ; land' was liable to confusion with fers-o-
*siccus\ though it is perhaps not necessary to assume at any
tirae a stem ters-o- 'dry', but only the alternation of teres- with
ters-. We can properly derive Ose. terei (3 times) *in territorio'
from ters- + the -ei locative of /-stems that has intruded (as a
dative) into the consonant infleetion (cf. Brugmann, Gr. 2, 2,
176). The formation of the other cases from an (Oscan) stem
teero- is exactly like the formation of the cases of hiimus: loc.
humi {=x"M-«i5 dative-locative, or as I prefer to say, locatival).
What would be the product of the locatival in -ai added to the
Latin stem tei'r- (from ters-) ? The orthodox answer would be
Herri. But in the earliest Latin we fully know, final syUables
of iambic words such as humi (from ghijim-ay) were exposed
to a greater reduction than final syllables of spondee words
like *ters-ay. May it not be that terrae was the normal phonetic
treatment of a consonant stem locatival of spondaic rythm ? At
any rate terrae as a locatival is fairly frequent, and not all of
Lejay's ingenuity has quite succeeded in resolving all the in-
stances to datives (Mem. Soc. Ling., 12, 85 sq.)^). Nor on my own
part would I be dogmatic: to cast to the earth and to ding to
the earth are perfectly good datives or fo - locatives, but who
shall say that ding-to did not yield Jie-on^ and indeed the pre-
sent doctrine touching xa^cii ^tid humi amounts precisely to the
admission of the on-{in-) relation as the sequel of the to-relation.
But without assuming a different phonetic treatment of
*ters-ay ( ) and *ghriim-ay (^ _), due to rhythmic causes, we
may assume that a locatival Hers-äy of consonantal inflexion
was attracted, while the tirabre of its ay was still intact, by
the locativals in -äy of the first declension. The Italic dialects
preserved the stem toiUä- *civitas' — and we must think of the
city-state, the true jKW^if* (■ sc. toiää) — a stem which appears
in OPruss. tanto with the sense of *Land', cf. Lith. Tauta *Ober-
land, Deutschland'. Plautus exhibits a context wherein we
1) I do not in the least admit tlie cogency of the reasoning by
which every instance of terrae with a verb compounded with a prepo-
sition is ipso facto classed as a dative. I contest the doctrine that any
verb takes the dative in Latin merely because of composition.
360 E. W. Fay,
can completely realize the chain civitas- *totää- terra^ viz: St.
649 — 650: saluete, Athenae, quae nutrices Graeciae,
<te>, terra erilis patria, te video lubens.
Thus we may unify the Irish and Italic inflexion of the
words for *land' by assuraing a stem (1) teres^ altemating with
(2) ters- {terr-). From locatives of (2) developed on the one hand
Ose. teeriim^ on the other Lat. terra. In Lat. terres-tris 'land-
faring' (see Fay AJPh. 31, 409) we have the stem teres- mo-
dified by terra^ cf. terrenus from *teres-nos, whereas terreus per-
haps derives from the locative ters-ay- + yos. The stem ieres-
designated the 'bank' or 'shore' of "terra firma" to which raen
crossed from their lacustrine or palustrine habitations, and is
cognate with -törium 'boundary' in the Compound terri-torium.
8. Three Related Compounds.
1) Skr. madhydrhdina-s 'meridies'.
The truth about madhyämdina-s does not seem to me to
have been reached by Wackernagel (ai. Gramm. 2, 47), but
Delbrueck's explanation seems nearer the truth. It is hardly
right to reject Delbrueck's cotfstruction of n. sg. neut. madhyäth
dinam, but madhydm dinam as acc. (masc), indicative of a time
relation, gives a perfectly defensible startform. That this case
form yielded before a locative in the Compound madhyärhdine
does not reaily disprove the startform *madhydmdmam\ it only
altests the greater adaptation of the locative to the expression
of the point of time.
If we start with madhydm dine, we can justify our start-
form by Germ, mitten im-Taye, a phrase wherein mitten seems
no less likely to be acc. sg. than dat. plur. (cf. Paul Wb. s. v.).
It does not seem to me that we do well to assume with Wacker-
nagel, becauso of the parallelism between ai€v and Lat. aevo-m^
a proethnic loc. tnedhy-en-^ parallel with the stem medh-yo-
*mediiis'. We have quite sufficient evidence, as regards the
former, for parallel stems in -es- and -m-^ but Olr. im-med6n
*in medio' can hardly be regarded as a sure attest of a proethnic
-(y)en- stem parallel with medhyo-.
Wackernagel does not call attention to the locution, in
what appear to be the three oldest Vedic passages, madhydriidine
divds, ordinarily accounted tautological, i. e. = 'in raeridie diei'
Word-Studies. 361
(cf. postridie eius diei). In this context -dine might be held to
mean 'in parte* : Skr. dä{i/)- Mividere, partiri' ^).
2) Latin perendinus.
Here the question rises whether -dinns is to be identified
with the posterius in Skr. madhyäm-dina-s, and the ultimate
answer to this question, because of nundinae (sc. quasi feriae,
cf. nundinas feriatum diem esse voluerunt antiqui, Paul-Fest.
173), must be jes. It does not necessarily follow, however,
that the stem ditio- is a derivative of the stem represented in
Lat. dies. It is rather, I think, cognate with our English words
time and tide^ and may have got its start from df-{m)nö-, a corre-
lative of the pregermanic stem ti-man- 'time'. Because of Skr.
Ä-diti-s, the goddess 'without "bourne of Time and Place" %
di-nö-s is perhaps the safest startform, a participle to the root
represented in Skr. dä{ij)- 'dividere'.
As to formation, perendinus had a raodel to liand in nun-
dinae. How suitable a model this was is revealed bv the
consciousness of etjmologj on which Plautus played in Aul.
324, coquos ille nundinalest, in nonura diem | solet ire coctum.
So it is not perendinus, but perendie that we must explain in
Latin. Personally I am not satisfied bj Skutsch's explanation
from per en die = 'im Laufe von 24 Stunden', also 'über das
hinaus, was in 24 Stunden ist', to cite from Walde's Synopsis
("Wtb. p. 460), which is the only control I possess of Skutsch's
explanation. I would rather start with 2)er *semem diem 'über
einen tag', reduced to 2J€rsem[em]diem in an Italic period prior
to the (Latin-Oscan) rhotacism of -rs- to -r{r)-. From persem-
diem^ the Latin reduction to *per[r]endiem is absolutely normal,
and the analogy of hodie is all-sufficing to account for the
subsequent shift to perendie.
The question may here be broached — I ceiiainly do
not feel in a position to answer it — whether the s- of *semem
may have been lost earlier than the specifically Italic period.
In old Irish the initial s- of words prevailingly proclitic in their
phrases was lost, as, e. g., in amail 'wie', adverbial dative of
samail 'similitudo*, also in it 'sunt'. There is no a irriori im-
1) This is not to question the pfoethnic development of the sense
'day', cf. Goth. sin-teins (as treated, e. g., by Kluge in Pauls Grundriss»,
1, •475): Lit. denä 'dies'.
362 E. W. Fay,
possibility that this accentual phenomenon belonged to our
primitive speech, and we could allocate Doric dvTi to proethnic
[s]enti^) in prociisis (enclisis), but Skr. sdnti to stressed senti;
Skr. upaH to a proclitic [s]uper-^ but Lat. suj)€r to a stressed
super. Given stressed senti aud iinstressed [s]enti\ it is raore
than likely that, in anj given dialect, only one of the two
forms would survive.
3) Gothic midjun-gards.
Kluge's hesitation (see Pauls Grundrisse 1, 472) as to the
Identification of midjun- in this Compound with Skr. madhyam-
in madhydndma-s 'meridies' will, I trust, be removed by the
foUowing analysis. Gothic ^arc^s (i-stem) matches a proethnic
o-stem in Lat. ho7'tus, but -gardi in ßiudan-yardi contains a
proethnic t/ä-stem. In Latin co-hors there is evidence for a
proethnic e-stem, perhaps contaminated in its inflexion with a
proethnic consonant stem, viz : in the forms cohors and cohortem.
Of course the relation of cohors cohortem to gen. plur. cohorti-um
furnishes but a Single instance of a large problem in Latin
flexion, viz: the relation between consonant stems and i-stems.
We may conceive of this, if we choose, as purely a Latin problem,
but there is a problem of the same nature in Gothic in the
flexional type of nom. haürgs (/-stem): gen. bmirgs (cons. stem).
There are also pairs like Skr. sphigi \ sphij- and Skr. äp- 'aqua'
: OPers. dpi-. On the Solution of these problems — of this
conjunct problem — I do not propose to touch, but if the
Solution offered above for madhgdm-dine as *mitten-im-tage' is
correct, we may ask if in midjun-gards -gards, like haürgs, is
not gen. sg. of a consonant stem. Then midjim-gards is ety-
mologically identical with "medium-[co-]hortis**, i. e. "mitten des
Gartens". The construction of midjun gards, taken out of com-
position, is identical with the construction of Av. maiSim zraya^ho
(see Bartholomae Wtb. 1116) which literally, if not idioraatically,
rendered into German means **mitten des Meeres".
That midjun as preserved in this complex is an accusative
of extent is not demonstrable, inasmucli as it may be a no-
minalized neut. sg., of. in Greek tö laecov [? li^poc]. I see no
1) I am here leminded uf an old altempt whercin I oxplained
Homeric ^v (= 'sunt') virlually as (»)««['] (soe AJl'h. 16, 20).
Word-Studies. 363
reason, in conclusion, to question the passing of midjun gards
(gen.) to midjungarch nom. sg. masc, as this form was already
borne by gards out of coraposition.
9. On Cvprian AiFei-Geiii?.
For the etjmological analysis of the prius of this Com-
pound it seems expedient to set down some of the many stems
of the word-sept to which it belongs, and to begin with,
1. root-stage d^y)-, in bf^-Xog *clarus', with the grade dag-
(wheuce di-\ in Skr. su-di-ti-s 'praeclarus*.
2. deg-o-, possiblj in Lat. deus (cf. also Hirt Abi., 771) *).
3. diy-o-, possiblv in bioc 'clarus' : Lat. diö (Abi.) *claro
(caelo*). cf. Ivbioc *meridianus' (v. Danielsson ap. Walde, s. v. divs).
4. deg-uö-, in Skr. devä-s, Lat. diios 'divinus; deus'.
5. di-wo, possiblj in bioc: di{v)ö (as in 3.).
6. di-tco-, in Skr. dirä-m *caelum', div4-dive *cottidie': sit-
divä-m *ein schöner Tag'; eubioc 'serenus'.
7. di-tci-, in Skr. divä 'am Tage' (loc, not instrum.), from
diweig)., cf. also di-di-in'-s 'splendidus'.
8. di-tc-, in the weakest cases of the fiexion of Skr. dyäüs
'caelum; Zeus'.
9. d{t)gewi- (/-stem like no. 7), in Skr. dyavi (voc. dual =
'heaven and earth') and perhaps in Lat. Diovis (nom. sg.).
Cjprian AiFei-Gejiic, which clearly means (whether origi-
nally Greek or a Greek translation of a non-Greek original) *in
deo (caelo) iustitiam (? locum) habens', exhibits in its prius a
locative suitable to any one of the stems numbered 5. 6. 7 (cf.
Meister Gr. Dial. 2, 228).
Cyprian Aiyai-6e|ii[c] exhibits in its prius an aualogical
form. In the paradigm of the stem d{i)yew- *Zeus' the accu-
sative was d{i)gem (Skr. dyäm, Lat. diem, cf. Zrjv-a) and the lo-
cative was dhv-ai sporadicaUy altered, I suggest, to dig-ai to
conform to diggm.
Cyprian Aia-9e^ic is for d^iga-Bepixc, and contains an in-
strumental prius Ai«/-a, of secondary origin like Aiyai. The
meaning was 'cum deo iustitiam habens'. If perchance the case
ending was a, it reveals that the normal ending a had been
1) cf. lexical Skr. dat/ü- 'pius' (?), cited as a derivative of deva-
yati 'pius est'.
364 E. W. Fay,
lengthened (with retention of the ä-quality), like the Sanskrit
consonant-stem locative in ä.
The explanation offered for AiFei- is also valid for Aiei
(citations in Schulze Qu. Ep. 239; Bück Gr. Dial., § 112. 1) and
for AieiTpecpnc (v. Meisterhans, Gramm, d. Att. Inschr.^, p. 401;
Schulze, 1. c).
The longest as well as the strengest stem actually demon-
strable for the paradigm of the word 'Zeus' has already been
cited, viz: D{i)y-eiv-. This I analyze as a tautological Compound
of di[y\-^ a reduced stage of the root written in no. 1 as de{y)-^
-\- €w- 'splendens', a root-adjective cognate with OBulg. u-tro
'diluculum', and with j-ugü 'south-wind' which exhibits a g-
determinative (: auTn *splendor', cf. Berneker IF. 10, 156). The
root ew *splendere, ardere* is also exhibited, with an s- deter-
minative, in eüei 'ustulat' ^) and in the Aurora- sept.
In Homeric bii-Trerric (? öiei-) a triie locative to the stem
di-wi- may be recognized (but see Brugmann Gr. Gramm. *
§161.3), as foUows. In 0 168,326 KÖ|Lia biiTrereoc Troiainoio
raay be interpreted by hypallage as a *sky-soaring river-wave'.
In P 263 we have a description of sky-soaring (cf. Eng. *sky-
high' and, latterly, *sky-scraper', said of a high building) break-
ers at a river's mouth; cf. r| 284, where the breakers are dis-
tinctly connoted. For the idea it is not necessary to cite the
familiär Vergilian parallels, but cf. Ovid. Met. 11, 518 for the
exaggeration : inque piagas caeli tumefactum ascendere pontum.
Homer further uses öimeTnc of the Nile (ö 477, 581) and of the
ZTrepxeioc (TT 174). How explain öimeTric here? I assume an
echo in the (later?) Homeric tradition, as subsequently in Cicero,
of an exaggerated report of the cataracts (cf. Nilus ad iUa quae
Catadupa nominantnr praecipitat ex altissimis montibus, Somn.
Scip. V. 3), in a word, that the cataracts, looked at from below,
were described as sky-soaring. Similarly the iTTcpxeiöc, one of
the few perennial rivers of Greece, rises in Tj'phrestos, one of
1) Perhaps ua-tulat is a Compound = 'in ignem fert*. This is to
regard ««- as a terminal accusaiive or suffixless locative from a stem
ewea- \ us-, Here I add postulo, either from *pj'ks- or *pfk-sti- 'quaestio'
-f-the same posterius -tulat {c{. opi-tulat, in Liv. Andr., &nd gra[ti]tulor).
Ose. pestlum 'lemplum' is to be connected with Umbr. pe{r)stu 'ponito'
or (which perliaps mcans 'and') with Lat. postis, irapacTdc, ixacrdc, Tipoc-
Tdc. For the meaning, noto the pillar-shrines so common in South Italy
and especially iractöc 'portable shrine*.
Word-Studies. 365
the highest mountains of Greece, and its very name means *The
Rapid" (: CTrepxeiai 'festinat, furit', also of the raging sea), un-
less it meant, still earlier, "The Springer" (crrepxei: Eng. Springs).
Perhaps it was the mist soaring above a fall that the poet —
I mean the poet in the people — described by bimeTnc *sky-
soaring'^). The Strabonic attempt, after Homer, scientifically to
classify the öimexeTc TroxaiLioi — cited in part by Schulze (1. c.
p, 288) after E. Curtius — proceeds from less knowledge of the
structure and analogues of the word bimeTric than a modern
Scholar is eutitled to possess, and his Interpretation as 'Zeus-
fallen' is merely an obvious guess, not based on a eareful exa-
mination of the Homeric usage of a word apparently moribund
already in the Epic period^). Disregarding Strabo then, but with
due regard to Schulze's equation (1. c.) of öiiTreTeoc TroTaiuioTo
(of the Xanthus, 0 268, 326) with ZdvGou öivrievioc öv död-
vaioc TeKETo Zeuc {=. 434), I still maintain, on the gi'ounds
of philological interpretation already presented, that Öti-Trexric
means 'sky-soaring' rather than *sky-fallen', cf. h. Hom. IV. 4,
oiuuvouc le öimeTeac = avisque altivolantis, and our Euglish
Compound 'sky-lark'.
The explanation of öü-TreTec as containing a locatival prius
from a stem di-ici- (bil- like ßdci, cKpi cf. Brugmann Gr.^ 2, 2,
§ 178, 1) is also applicable to buqpiXoc, explicable also, by the
assumption of metrical lengthening, from the ordinary locative Au.
From an original locative di-wey in AiFei-9e|iic and Skr. divä
(see above) we may also derive the adjective eu-öiei-vöc, mor-
phologically comparable with eapi-voc etc. which show a locatival
prius, for eapi- irepuci- euj9i- r)M€pi- vuKxepi- x^i^^Pi- are not
stems, but case forms, and -voc must be a posterius of com-
position and mean, as I shall attempt to prove in another con-
1) At least one notable waterfall is found in one of the mountain
brooks which constitute the headwaters of the Z-nepxeiöc, see Philippson
ThessaUen and Epirus, p. 74.
2) Hesiod (Frag. 241, Rzach) has Aütöc b' dv nXric^ijci bnueteoc
TroTOMOio = 'in the floods of the sky-rising stream', Euripides (Rh. 43)
has bimeTfi hi vcujv TtupcoTc cxaSind, by hypallage for buireTecci irupcoTc
= 'sky-rising flames'. In Bacch. 1268, if we credit Euripides with a eareful
use of words, Agave means, when, peering up at the ether and gra-
dually gaining control of her senses, she cries XaiairpÖTepoc f| upiv koi
bimeT^CTepoc, "Tis brighter now and more sky-reaching". [I have no text
accessible whereby to judge Hyppokrates 599, 51, fiv hi tövoc duopp^i]
buiTeTr|C where the alleged sense is 'perpetuus'.]
366 E. W. Fay, Word-Studies.
nection, *-cola', e. g. in Lat Romä{y) + nus 'Romaecola'. Veiy
directly comparable with -bieivöc, thus uuderstood, is Lat. divi-nus
*caeli-cola', divi- being a locative, whether froni a stem dum-,
dhvi- or diu- is indeterminable for, as I have elsewhere shown
(IF. 26, 34), its first f may be due to (re)association with divus.
In passing, it is perhaps not over subtle to remark that
possibh^ res divinae 'sacra ; sacrificium' has replaced, rather than
suffered contraction to, res dinae. Then diiio-: Av. daenä- 're-
ligio' will derive from dei/- 'splendere', cf. deiis if from diyo-s
(stem no. 2, above).
But with eubieivoc, taken in conjunction with eubiec-repoc')
and with Skr. divasd-m *dies' a doubt arises whether the stem
was not rather diwes{ö)-, and not only -öieivoc but Lat. diiirnus
derive normally from a start from di-wes-i-no-s (whence di-
{o)or{i)nos). Thus it must remain doubtful wheter AiFti- comes
from a locative diwey or from diwes-i-. It cannot come from
diyem^ which I accordingly reject for Aiei and Aiei-ipeqpiic.
But from locatives of di-wi- all the forms here in question may
derive, save euöieciepoc, which must come from diwes- unless
some analogy, say from the synonymous euiaevecrepoc *mild, fa-
vorable', be admitted.
Or bieivoc may be modelied on ckotcivöc, the latter either
from *cKOTeci-voc or ^CKorei- (loc. of cköto-) 4- voc . cf. ckotoi-
ßopoc*).
For the stem di-wes-, as above for the stem d{i)yew-
*Zeus', tautological composition suggests itself {-wes-: Skr. vas-
'splendere').
At the end, I wish to raise the question of the relation
of Skr. dideti 'scheint' ( = splendet) : didheti 'scheint' ( = videtur),
noting that English shities now has only the sense of 'splendet',
whiie Ger. scheint has acquired also the sense of 'videtur'. In
Greek we find Öti-Xo- in the sense of 'shining' in the abso-
lutely isolated Odyssey Compound 0£iXö-7T€Öov, in the foUowing
context, n 122,
1) Xenophontic cöbtai-repoc slands in the same formal relation to
€vbia 'fair weather' as doos cxoXai-xepoc 'atleisure-faring' : cxüX»*) (see
Fay AJPh. 31, 427). With €0-bia{-T€poc cf. in RV., with curiously forted
syntax, the ablat. divä-taräf ^^ quam (in) caclitransilione, spoken of the
sun's diurnal course in contrast with the night.
2) In CKÖTioc 'noctivagus' 1 see a locative ckot-i + ifo-^ u-ns'. On
the relation of ckot-i : CKoxec- scc above on Lat. iuxta.
N. van Wijk, Das indogermanische Wort für 'Ameise'. 367
Iv0a be Ol TToXuKapTToc dXairi eppiZuuiai,
Tf\c eiepov iLiev GeiXorreöov XeupLu evi x^P^^
Tepcerai rjeXiLU exepac ö' dpa te Tpufoujciv
dXXac be xpaTreouci.
Here Tf^c has for its antecedent not merely dXujri but rather
the "manv-fruited vinevard", or is generalized like Lat, 'unde':
of eiepov |uev we get the effect by *pars'. and we make both
sense and syntax by taking 0eiXÖTT€Öov as a bähuvrihi Com-
pound = quasi 'splendidum-suggestum- Habens'. The sense of
the phrase will be "unde pars splendidum - suggestum - habens
piano in loco siccatur sole". With this explanation uf OeiXo-
before us we will be less apt to take over from the first Petei*s-
burg lexicon the statement that 2 didhi-ti-s 'splendor' is "un-
richtige Schreibung für diditi-s". — With the recognition of a
root dhe{tjy alongside of deiyy^) 'splendere', the question may
be raised whether it is not expedient to derive Lat. deus (see
no. 2 above) fi-ora '^det/-os (? deijo-s), *splendens' and Geoc from
*dh€yös (dheyö-s ?). For the possibly concurrent derivation of
6€Öc from dhe 'ponere' see Prellwitz, s. v., and cf. ]\Iem. Soc.
Ling. 11, 23 sq. Other cases of the alternation d \ dh- are per-
haps exhibited in Skr. däman- \ dhäman- *cord, bond", and in
bec^oi j 0ec|aoi • ai cuvGeceic xiBv EuXuuv, cf. beiai 'faggot'.
University Station, Austin, Texas. E. W. Fay.
Das indogermanische Wort für 'Ameise".
Wenn man die Wörter ai. vamrdh. vamri 'Ameise', valmlkah
'Ameisenhaufen', aw. maoiris, griech. |nup|ioc, ^upiuriE, Fop.uaS
(Hesych ßopiuaE, ßupinaE, öp^iKac), lat. formica, ir. moirb, ksl. mravhji,
serb. mrdv 'Ameise' miteinander vergleicht, so ist klar, daß sie nicht
von einander getrennt werden dürfen : sie setzen einen indoger-
manischen Namen der Ameise oder vielmehr einige mit vei-schie-
1) If it could be proved that the adjective däitet/a-, in point of
origin as in point of characteristic usage (see the Petersburg lexica), was
an epithet of Rähus, the eclipser of sun and moon, the analysis däy-
*luci'- -f -teya- 'für' (: OBulg. tojq 'celo', Skr. täyü-s 'für') would compel
conviction.
368 N. vanWijk,
denen Stamniformantien von einer und derselben Basis gebildeten
Ameisennaraen voraus, wovon sie teils die nicht verhängerten
Fortsetzungen, teils Weiterbildungen mit verschiedenen For-
mantien sind. Hierüber sind die meisten Forscher wohl einigt),
über die Gestalt der indogermanischen Grundform(en) gehen die
Meinungen auseinander. Eine gute Übersicht über die Literatur
gibt Walde- s. v. foitnica, aber diese Übersicht ist nicht ganz
vollständig, und eben die Stelle, wo nach meiner Ansicht das
Problem richtig gelöst wird, finde ich bei Walde nicht : Gram-
mont La dissimilation consonantique S. 177. Weil die wenigen
Zeilen, worin Grammont die Sippe von ai. vamräh usw. behandelt,
nicht bloß von Walde, sondern im allgemeinen in der indo-
gerraanistischen Welt nur wenig berücksichtigt werden, kommt
es mir nicht überflüssig vor, noch einmal auf die Frage zurück-
zukommen. Und weil die Ausführungen von Grammont nicht
in allen Punkten richtig sind, hauptsächlich aber, weil der
ganz kurze Passus über den Ameisennamen bloß ein Glied
iu einer großen Kette von Hypothesen bildet, wovon mehrere
wenige Forscher überzeugen werden, begnüge ich mich nicht
mit einer Verweisung auf Grammont, sondern gehe etwas aus-
führlicher auf die Frage ein.
Es ist der Konsonantismus und nicht der Vokalismus der
im Anfang dieses Aufsatzes zitierten Wörter, der uns die großen
Schwierigkeiten bereitet, die bisher einer allgemein anerkannten
Erklärung im Wege gestanden haben: einige Formen lauten
mit m an, andere mit v, /"; diejenigen mit m haben teils in
der zweiten Silbe ebenfalls ein m (gr. ^lup^oc, -r\i\ teils aber
Laute, die auf idg. u hinweisen (aw. maoiris, St. maut-vai/-,
ir. moi7'b und die slavischen Formen); die mit r, f anlautenden
Formen haben an der zweiten Stelle ein m. Müssen wir nun
annehmen, daß die idg. Grundform m — m gehabt hat und daß
ai. griech. r — w, lat. f — w, av. ir, slav. m — v, tn — i, m — v, die
idg. m—u vorauszusetzen scheinen, durch Dissimilation ent-
standen sind? Oder müssen wir umgekehrt von ursprünglich
verschiedenen Konsonanten ausgehen und griech. |i— |i durch
1) Wenn ßirl AflatLex. 15, 159 f. lal. formica zu rermin 'Wurm'
stellt, so hat ihn das von anderen oft vernachlässigte Prinzip, dali man
die P'rklärung einer schwierigen Form zuerst von der Einzelsprache, der
die Form gehört, aus versuchen soll, für die deutliche Sprache, die die
gleichbedeutenden außerlateinischen Formen reden, taub gemacht.
Das indogermanische Wort für 'Ameise'. 369
Assimilierung erklären? In letzterem Falle wäre eine Grund-
form mit rn — u wahrscheinlicher als eine Form mit u — m : denn
die beiden Sprachen, die an der zweiten Stelle m haben und
an der ersten nicht, das Indische und das Latein, haben einen
verschiedenen Anlaut [griech. dial. Fop^iQE stimmt mit dem Ai.
überein], während die drei Sprachen, die bloß im Anlaut m haben,
das Awestische, Keltische, Slavische, auch was den Inlaut betrifft
miteinander übereinstimmen, und, wenn man die übrigen Sprachen
außer Betracht läßt, auf idg. *moruo-^ *morut- hinweisen würden.
Und in der Tat geht man fast allgemein von Grundformen mit
•m — u aus (vgl. u. a. Solmsen KZ. 34, 19 ff., Wackernagel Ai.
Gramm. 1, 277, Brugmann Grundriß 1^, 849), und zwar nicht
bloß wegen der Übereinstimmung zwischen den aw. kelt. slav.
Formen, sondern auch wegen einer parallelen Lautentwicklung
bei dem rom. "Worte prov. vorma usw., worüber man Solmsen
a. a. 0. 20, Fußn. 2 einsehe.
Diese Hypothese, die den awestischen, keltischen und sla-
vischen Formen ohne Mühe gerecht wird, macht aber die Er-
klärung der andern Formen sehr verwickelt. Griech. FöpuaE,
ai. valmikah könnte man mit Brugmann Gr. Gramm.^ 137 durch
'reziproke Fernversetzung' erklären, ebenso ai. *varmdh, -mi,
worauf die vorliegenden altindischen Formen mit -mr- oft zu-
rückgeführt werden, aber für lat. formica trifft eine solche Er-
klärung nicht zu, es wäre *vonmca zu erwarten. Nun hat man
auch auf eine andere Weise den altindischen und lateinischen
Formen beizukommen versucht, indem man annahm, m — u sei
in diesen Sprachen^) zuerst zu m — vi assimiliert, dann dies zu
V — m, f — m dissimiliert worden^), so u. a. Brugmann Grundr. 1^,
849. Nach meiner Ansicht ist diese Auffassung viel weniger
einfach, als wenn wir von idg. m — m ausgehen, das im Grie-
chischen teilweise erhalten blieb, teilweise (in gewissen Dialekten)
durch regressive Dissimilation zu F — ^ wurde, im Altindischen
1) Von arm. mrßun, mrjimn 'Ameise', wofür Brugmann Grundr. 1*,
849 im Anschluß an Bugge KZ. 32, 18 ebenfalls eine ältere Form mit
m — >M annimmt, wird unten noch die Rede sein.
2) Die Hypothese von Solmsen KZ. 34, 18 ff., daß idg. mr- im Ur-
italischen zu fr-, for- geworden sei, wird kaum noch Anhänger finden:
vgl. Brugmann Grundr. 1*. 369, Walde* s. v. formica. Dieses Wort kann
auch deshalb nicht zur Begründung eines solchen Lautgesetzes angeführt
werden, weil es wohl ebenso wie seine Verwandten in anderen Sprachen
idg. or und nicht r hat.
InJogennanische Forschungen XXXIII. 25
370 N. vanWijk,
und im Latein ebenfalls durch regressive Dissimilation zu v — m
bezw. f — m, im Awestischen, Keltischen und Slavischen durch
progressive Dissimilation zu m — u (woraus im Irischen b). Daß
in einigen Sprachen die Dissimilation regressiv, in anderen pro-
gressiv wirkte, hängt gewiß teils mit der Stelle des Worttons^
teils mit den Akzentqualitäten in den betreffenden Sprachen
zusammen; letztere sind natürlich nicht genau zu bestimmen,
die Stelle des Worttons aber steht bei einigen der zitierten
Formen fest : ai. vamräh^ -ri, valmikah haben das dem unbetonten
Vokal vorangehende m geändert, das vor dem Hauptton stehende
aber beibehalten, ebenso lat. formica, wenn die Dissimilation
beim verlängerten Worte und nicht beim alten *mormi- statt-
gefunden hat. Serb. mräv^ Gen. mräva (Leskien Untersuchungen
über Quantität und Betonung in den slavischen Sprachen :
L Die Quantität im Serbischen, b, S. 34 = Abhandl. d. phil.-
hist. Gl. d. k. Sachs. Ges. d. Wiss. 13, 560) setzt ein barytoniertes
urslav. *nwruos voraus, ebenso hatten sowohl ir. moirh wie seine
britannischen Äquivalente (kyrar. mor^ myr) schon lange vor der
historischen Periode Anfangbetonung. Im Griechischen ist aller-
dings das dem haupttonigen Vokal vorangehende m in u über-
gegangen : diese Abweichung von den anderen Sprachen hängt
wohl mit der abweichenden Qualität des griechischen Akzentes
zusammen.
Daß die Konsonantengruppe m.rm leicht dem Dissimila-
tionstrieb unterliegt, das sagt uns unser eigenes Sprachgefühl
und das zeigen uns Dissimilationsbeispiele auch in andern als
den oben zitierten Sprachen. Ich möchte in diesem Zusammen-
hang aus dem Niederländischen ein deutliches Beispiel mit-
teilen, das uns nicht bloß zeigt, daß die Dissimilation in dieser
Gruppe eintreten kann, sondern auch, daß der dissimilierte
Konsonant sogar auf benachbarten Gebieten eine verschiedene
Entwicklung haben kann: das Wort manmr hat außer der
Bedeutung 'Marmor* in vielen Gegenden auch die Bedeutung
'kleine Schnellkugel, Schusser*, die auch hd. marbeJ^ märM be-
kommen hat. Im Gegensatz zu marmer 'Marmor' ist das Wort
in jener Bedeutung in vielen Gegenden ein Wort der Volks-
sprache geworden und daher in höherem Grade sowohl der
Wirkung der mundartlichen Lautgesetze wie auch dem Dissi-
milationstrieb ausgesetzt gewesen. Das anlautende, dem Haupt-
tonvokal vorangehende m hat eine größere psychische Energie
Das indogermanische Wort für 'Ameise'. 371
besessen als das zweite, und daher ist die Dissimilation überall
eine progressive gewesen. Mehrere Dialektformen (teilweise
volkset\'mologisch umgestaltet) zitiert das "Woordenboek der
Nederlandsche taal, 9, 256. Einige von diesen Formen haben b
in der zweiten SUbe : solche Formen können teils durch Dissi-
milation auf niederländischem Gebiete das b bekommen haben,
teils aber auch auf französisch marbre zurückgehen, das schon
in der mittelniederländischen Periode entlehnt worden war.
Mit andern Konsonanten vgl. die a. a. 0. erwähnten Formen
molper (Inseln von S. Holland), mulver (Dordrecht) und außerdem
muUdVdrid) (A. Opprel Het dialect van Oud-Beierland, 's-Graven-
hage 1896, S. 26, 72), munpdl (M. A. van Weel Het dialect van
West-Voome, Leiden 1904, S. 126), mülpgr (A. Verschnür,
Klankleer van het Xoord-Bevelandsch, Amsterdam, 1902, S. 155)^).
Noch stärker als m . rm kann in mehreren Sprachen die
seltene Lautgruppe tn.mr dem Dissimilationstriebe unterworfen
gewesen sein: und eben diese Lautgruppe müssen wir, glaube
ich, für das indogermanische Wort für 'Ameise' annehmen:
sonst ist kaum das idg. vamräh^ vamri zu erklären. Man setzt
gewöhnlich ein älteres *varmdh, -i an (vgl. u. a. Wackernagel
a.a.O.): wie sollte aber daraus vamrdh, -«'entstanden sein?
Die Lautgruppe rm war dem Altindischen sehr geläufig: wes-
halb sollte sie bloß in diesem Worte Metathesis erlitten haben?
Solmsen a. a. 0. 20, Fußnote 2 hat auf diese Frage eine Ant-
wort versucht: irunrdk, -i seien infolge volksetymologischen
Anschlusses an vdmiti *er speit' entstanden. Obgleich Brugmann
Grundriß 1^, 849 und andere Forscher diese Hypothese für
plausibel halten, muß ich gestehen, daß sie mir vollständig un-
glaublich vorkommt; wenn eine Form vamrdh, -f von jeher
existiert hätte, könnte ich mir sehr gut vorstellen, daß dieselbe
vom Sprachbewußtsein mit vdmiti verknüpft wäre; daß aber
ein *varmdh, -i im Geiste eines alten Inders mit dem lautlich
und auch semasiologisch ziemlich weit abliegenden vdmiti in
Assoziation getreten sei, kann ich nicht glauben.
l) Die übrigen Dissimilations- und Metathesiserscheinungen in diesen
Formen gehen uns jetzt nichts an. Der Vokalismus bedarf aber einiger
Erläuterung: a ging in vielen Wörtern unter dem Einfluß benachbarter
labialer Konsonanten in dialektisches o über, und dies wurde in mehreren
Gegenden vor r+ labialem oder gutturalem Konsonanten zu einem ö-artigen
Laut, den die erwähnten Dialektgrammatiken im Anschluß an die nieder-
ländische Orthographie durch m vorstellen.
25*
372 N. vanWijk,
Vielleicht möchte jemand gegen meine letzte Hypothese
einwenden, daß die Form mit -mr- bloß im Altindischen vor-
kommt und hier neben einer andern mit -Im- : valmikah. Darauf
ist folgendes zu erwidern: Für die meisten indogermanischen
Völker wird vermutlich ebenso wie für uns die Lautgruppe
-mr- schwieriger gewesen sein als -rm- : diese Vermutung wird
noch wahrscheinlicher, wenn wir daran denken, daß auch an-
lautendes idg. mr- sich in den meisten Sprachen nicht gehalten
hat. Eventuell könnte schon in der indogemianischen Periode
in gewissen Mundarten m . mr in m . rm übergegangen sein.
Was ai. valmikah betrifft, entscheide ich nicht, wann es die
Metathesis erlitten hat, vor oder nach dem Übergang von r
in Z; auf jeden Fall aber wird es auf eine wi.mr-Form zu-
rückgehen.
Ich nehme um so zuversichtlicher eine indogermanische
Grundform mit -mr- an, als auch ein anderer Sprachzweig als
der arische die Spuren einer solchen Gruppe zeigt, und zwar
der germanische: wenn wir an. maurr 'Ameise' mit ai. vamräh
vergleichen, . so liegt die Vermutung nahe, daß beide auf idg.
*momro-s zurückgehen; daß auf einem Teile des indogerma-
nischen Gebietes hieraus *mouro-s^ auf einem andern aber durch
Dissimilation in umgekehrter Richtung *uomro-s geworden ist,
erklärt sich aus der verschiedenen Betonung: im Oxytonon ar.
*momrö- hatte das zweite »w, im Barytonon germ. *m6mro- das
erste m eine größere psychische Energie.
Das Nordgermanische besitzt auch eine Ablautform zu
an. maurr, und zwar dän. myre, schwed. myra, die auf urgerm.
*meuriön- zurückgehen (vgl. Falk und Torp Norw.-dän. etymol.
Wtb. 745). Denselben Vokalismus, aber wohl einen andern, wenn
auch nicht genau zu bestimmenden Stammesauslaut hat der in
einem mittelniederländischen Text einmal vorkommende Plural
mure 'formicae' (Spieghel historiael 2', 85, 80). Gewöhnlich ver-
knüpft man mit diesen Formen weiter das krimgot. micra 'Ameise'
(vgl. u. a. Feist Etymol. Wtb. der got. Sprache 195 und Falk-
Torp a. a. 0. 1520); ich halte diese Auffassung für richtig, die
urgermanische Gestalt des Wortes halte ich aber für nicht
sicher festgestellt; welcher Ausgang auf meur- gefolgt hat, ist
kaum zu bestimmen. Auch das jetzt bloß in der Zusammen-
setzung pis-mire gebräuchliche engl, mire *Ameise* und mnl.
miere^ mnd. mire 'ds.' werden oft hierhergestellt; das vielleicht
Das indogermanische Wort für 'Ameise'. 373
schon aus dem Angelsächsischen bekannte^) englische Wort kann
auf germ. *meunön-, aber auch auf *mirön- zurückgehen (vgl.
Murray s. v. mire sb.^), mnl. miere kann urgerm. *meur^7i)- oder
*mir^n)- sein ; wenn nun das mnd. mire nicht bestünde, würde
keiner für die englischen und niederländischen Formen von
einer Grundform mit i ausgehen und sie von mnl. mure^ dän.
myre, schwed. myra trennen. Mnd. mire ist aber kaum als eine
Fortsetzung von *meiirä,n)- verständlich ; denn während im Mittel-
niederländischen urgerm. e^^ eo und t vor r in einen Laut (z, ge-
schrieben ie) zusammengefallen sind, tritt im Mittelniederdeutschen
urgerm. i zwar als i auf, aber urgerm. eo und e 2 als e\ wir hätten
also aus *meurö{n)- *meorö{n)- mnd. *mere, und nicht mire zu
erwarten. Trotzdem möchte ich weder für das mittelnieder-
deutsche noch für ein anderes germanisches Wort für 'Ameise*
eine Gmndform mit f annehmen; diejenigen germanischen
Formen, die ohne jeden Zweifel urgerm. eu gehabt haben, machen
es a priori unwahrscheinlich, daß die mittelniederdeutsche Form,
eventuell auch mnl. miere, engl, mire einen ganz anderen Ursprung
haben sollten. Was mnd. mire betrifft, so kann ich eine Erklärung
der Abweichung nicht geben, wohl aber kann ich auf parallele
Erscheinungen bei andern Wörtern hinweisen: 1. dem got. as.
ags. her (mit germ. p) 'hier' entspricht im Mittelniederdeutschen
die schon aus dem Altniederdeutschen und auch aus dem Alt-
friesischen bekannte Form Äfr, 2. dem Pflanzennamen ndl. mt(ur,
miire (nordholl. murik, munng\ mnl. muer steht in östlichen
niederländischen Mundarten 2) eine Form mietie) zur Seite (nord-
limburgisch auch meer\ die mittelniederdeutsche Form ist mir;
für sonstige deutsche Formen s. Weigand= 2, 181 s. v. ^Miere,
wo auch die bei Fischart 157-4 vorkommende Form mür erwähnt
wird. Dieser Pflanzenname erinnert formell sehr stark an den
Ameisennaraen ; beim Pflanzennamen tnieiie) macht die weit-
verbreitete und sowohl auf deutschem als auf niederländischem
Gebiete früh vorkommende Form mit m') eine Grundform mit
germ. eu sehr wahrscheinlich — trotz des mnd. mire und des
1) Über mire in Benson's Anglo-Saxon Dictionary vgl. Skeat s. v.
pismire, Murray s. v. mire sb*.
2) Nicht bloß in den sächsischen Mundarten, aber auch in Limburg
und im Osten von N.-Brabant. Eine große Anzahl Dialektformen ver-
zeichnet H. Heukels Woordenboek der nederlandsche volksnamen van
planten, 1907, S. 246 f.
3) Niederländisches u bezeichnet einen ü-Laut.
374 N. vanWijk,
im 16. Jahrh. vorkommenden deutschen meier; dadurch gewinnt
auch die Annahme eines altniederdeutsch-altniederländischen
Ameisennamens mit eo aus germ. eu an Wahrscheinlichkeit. In
jedem Falle aber, auch wenn unsere Auffassung von engl, mire^
ranl. miere, mnd. mire unrichtig sein sollte, müssen wir wegen
dän. myre, schwed. mi/ra und des mnl. Plurals mure ein mit
an. maiirr ablautendes Wort mit germ. meur- mit derselben Be-
deutung wie jenes annehmen.
Wie ich an. maurr, früh-urgerm. *mouro-s aus einem altern
*momro-s hergeleitet habe, so gehe ich für die Form mit meur-
von einer altern mit niemr- aus : *memro-s oder *memri-s oder
*memn. Das Germanische ist der einzige Sprachzweig, der eine
Grundform mit e-Yokalismus unbedingt voraussetzt, die andern
europäischen Sprachen haben sämtlich o-Yokalismus^), die indisch-
iranischen Formen können sowohl idg. o wie e haben.
Bezzenberger hat BB. 26, 188 die germanischen Wörter für
'Ameise' mit lit. mauröti 'wühlen' verknüpft; diese Etymologie
ließe sich mit der unsrigen sehr gut vereinigen, wenn wir in
mauröti eine Ableitung von einem lit. Subst. *mauras 'Ameise'
erblicken dürften; wegen der Bedeutung vgl. ndl. mieren *mit
den Fingern wühlen', das von mier (aus mnl. miere) 'Ameise'
gebildet ist ebenso wie das gleichbedeutende wurmen von wurm
'Wurm'; diese Zeitwörter kamen dadurch auf, daß die rasche
und unregelmäßige Fingerbewegung die sprachschöpfende mensch-
liche Psyche an das Gewimmel von Ameisen und Würmchen
erinnerte; die Bedeutung 'wühlen' ist bei einer Ableitung vom
Ameisennamen ebenso begreiflich wie die Bedeutung 'jucken'
(vgl. Bugge KZ. 32, 18) oder 'wimmeln': älterndl. mieren^ frz.
fourmüler. In diesem Zusammenhange erinnere ich auch an
lit maurioti 'herumschweifen*, das Leskien Der Ablaut der
Wurzelsilben im Litauischen 41 (803) nach Geitlers Litauischen
Studien zitiert. Solange aber ein lit. *mauras 'Ameise* aus
keinem Dialekte bekannt ist, schwebt die Ableitung von mauröti^
maurioti von einem solchen *mauras vollständig in der Luft
Das Plurale tantum maurai 'Entenflott*, das Ijcskien a. a. 0.
1) Auch griech. laupiiriE hat wohl idg. o und nicht m, wie Bugge
KZ. 32, 18 anzunehmen scheint, wo er für arm. mrßmn, mrjiun 'Ameise'
von einem altern *murmif- ausgeht, das er zu laüpiirjE stellt. Es unterliegt
für mich keinem Zweifel, daß arm. tnrßmn, -tun zur Sippe von griech.
^lJp^^^ "sw. gehört, über das Wie aber wage ich es nicht, ein Urleil
zu äuüern.
Das indogermanische Wort für 'Ameise'. 375
zusammen mit isz-mauroti, maurioti zitiert, könnte allerdings
eine ältere Bedeutung 'Ameisen' gehabt haben, aber eine solche
Vermutung entbehrt jedes Fundamentes, solange *mauras 'Ameise'
eine hypothetische Größe ist.
Sollte ein solches *mauras in einem litauischen Dialekte
noch einmal gefunden werden, so würde auf baltischem Gebiete
ein dem an. maurr Laut für Laut entsprechendes Wort vorliegen,
das auf ähnliche Weise wie dieses auf idg. *momros zurückge-
führt werden könnte. Grammont a. a. 0. 177 hat auch für russ.
muravej 'Ameise' eine Grundform mit mavr- oder, wie wir
sagen würden, mit mour- angenommen. So ganz ohne weiteres
ist das nicht richtig; aber im Zusammenhang mit der viel näher
liegenden Herleitung aus *moravej (vgl. Walde^ s. v. fonmca)
könnte die Hypothese aufgestellt werden, daß dieses *morovej
durch Kreuzung mit *mun aus *mouro-s seinen Vokalismus
geändert hat. Wenn ein solches *murb tatsächlich bestanden
und irgend eine weitere Spur seiner Existenz hinterlassen hat,
wird das auch wegen seines reichen slavischen Materials so
nützliche Wörterbuch von Berneker uns bald darüber belehren.
Vorläufig betrachte ich die Annahme eines slav. *murb als eine
mögliche, aber unbegründete Hypothese, ein urbaltoslav. *motiro-s
ist noch viel hypothetischer.
Bisher habe ich für av. maoiris im Anschluß an Bartho-
lomae Altiran. Wtb. 1152 einen Stamm *maurvay- angenommen.
Der Vollständigkeit wegen erinnere ich daran, daß man auch au
eine iranische Grundform *maurf- gedacht hat (s. Hübschmann
IF. Anz. 10, 22, Fußnote 1); eine solche Grundform wäre, ab-
gesehen vom Stammesauslaut, ebenso wie an. maurr zu erklären ;
sie ginge direkt auf *momrf- zurück, während für maurvay- eine
Zwischenstufe ^rnormf- angenommen werden muß.
Zum Schluß fasse ich meine Erklärung der indogerma-
nischen Wörter für 'Ameise' kurz zusammen. Das Indogerm.
besaß einen Ameisennamen, der *momro-, *momrf-, *memro-,
*memri- lautete. Diese Formen haben in den einzelnen Sprach-
zweigen bedeutende lautüche Veränderungen erfahren, die sich
aus folgenden zwei Ursachen^) erklären lassen: 1. aus der
Abneigung, die in mehreren Gegenden des indogermanischen
1) Von derVerlängerung mittels stammbildender Formantien schweige
ich hier. Vgl. jetzt über einige dieser Formantien Solmsen Beiträge zur
griechischen Wortforschung 1, 129, Fußnote.
376 N. vanWijk, Das indogermanische ^ort für 'Ameise'.
Sprachgebietes die Lautgruppe -mr- erregte, 2. aus dem horror
aequi — um hier diesen von Brugmann Das Wesen der laut-
lichen Dissimilationen, S. 8 (146) geschaffenen Terminus zu ge-
brauchen. Leider sind weitgehendere Resultate vorläufig nicht
möglich: wir möchten aber so gerne wissen, weshalb in der
einen Sprache die Entwicklung in dieser, in einer andern Sprache
in einer andern Richtung stattgefunden hat, mit andern Worten,,
wir möchten so gerne die Betonungs- und Intonationsbedingungen
ermitteln, die in sovielen Sprachen die Abneigung gegen die
Gruppe -mr- hervorrufen und diejenigen, die die Empfindung
des störenden Gleichklanges verstärken und dadurch die Dissi-
milierungserscheinungen fördern. Es wird aber noch lange
dauern, bevor wir so weit sind, daß wir z, B. wissen, weshalb
ein Teil der griechischen Mundarten die Form \x\ip\xr\l unver-
ändert bewahrt, andere griechische Dialekte aber das erste \i
in F ändern. AV'enn eine Lösung solcher schwierigen Probleme
möglich ist, muß diese gewiß nicht vom Griechischen oder Ur-
indogermanischen aus, sondern von einer Sprachgruppe wie die
slavische aus versucht werden: hier liegt die Einheitsperiode
nicht so weit zurück, und darum wird es hier am ehesten ge-
lingen können, die lautliche und akzentuelle Entwicklung der
Einzelsprachen festzustellen i), und vielleicht wird dann eine
Untersuchung der slavischen Dissimilationserscheinungen e&
möglich machen, die Bedingungen für das Eintreten und Nicht-
eintreten dieser Erscheinungen überhaupt zu ermitteln. Ein
interessanter Fall, wo die slavischen Einzelsprachen voneinander
abweichen, liegt in der Gruppe mn vor: Brugmann zitiert
a. a. 0. 17 (155) slov. vtiog aus m{^)ylog^, und Grammont a. a. 0. 51
gibt mehrere Beispiele für diesen slovenischen Lautwandel ; das
Großrussische empfindet aber offenbar bei dieser Lautgruppe
gar keinen horror aequi*), denn nicht bloß bleibt mn unver-
ändert, sondern sogar geht vn in mn über : vnuk zu vulg. mnuk.
Haag. N. van Wijk.
1) Wertvolle Vorstudien zu einer solchen Untersuchung enthält
die Slavische Phonetik von Olaf Broch. Heidelberg 1911.
2) Ob dies für alle großrussischen Dialekte gilt, weiß ich nicht.
E. Prokosch, Die Stabilität des german. Konsonantensystems. 377
Die Stabilität des germanischen Konsonantensystems.
1. Durch die Yerschiebung der Artikulationsart seiner
Verschlußlaute hat das germanische Konsonantensjsteni eine
so tiefgreifende Veränderung erfahren, daß es auf den ersten
Blick dem ursprünglichen Stande des indogermanischen Kon-
sonantismus ferner zu stehen scheint als das der meisten an-
deren indogermanischen Sprachen. Auf die Frage der Herkunft
der indogermanischen Völker soll hier nicht eingegangen werden :
doch liegt es auf der Hand, von welch einschneidender Be-
deutung dieses Moment für die von Much, Hirt u. a. ange-
nommene 'Baltische Urheimat' sein muß. Ähnlich wie im Se-
mitischen, wenn auch nicht ganz im gleichen Grade, ist ja
auch im Indogermanischen der Konsonantismus das starre Ge-
rüst der Sprache, und es läßt sich kaum annehmen, daß das
Volk, dessen Sprache die Konsonanten am meisten verändert
hat, der alten Urheimat am nächsten sei. Ein Volk, das in der
Heimat bleibt, verändert seine Sprache naturgemäß weniger als
ein wanderndes Volk. Völkerwanderung bedeutet in fast jedem
Falle Völkermischung; zu den der Sprache selbst innewohnenden
Veränderungstendenzeu kommt somit bei einer Auswanderung
das mächtige Element der Sprachmischung. "Wo eine Sprache
ihr Gebiet über ein ursprünglich anders redendes Volk aus-
breitet, da ist es kaum anders möglich, als daß die frühere
Sprache des Volkes irgend welche Spuren ihrer Lauterzeugung
hinterläßt". (Paul Prinzipien, 369). Die Sprachgewohnheiten
eines Volkes werden durch die Zuwanderung eines anderen
Volkes geändert, aber nicht in ihrem Wesen aufgehoben. So
stimmen z. B. die heutigen griechischen Dialekte im Großen
und Ganzen mit den alten Dialekten überein, obwohl sie mit
Ausnahme des Zakonischen nicht deren historische Fortsetzung
sind (Hirt Die Indogermanen, 1, 7); die heutigen Grenzen des
Serbisch-Bulgarischen entsprechen ungefähr der alten Abgrenzung
des Thrakisch-Illyrischen (1. c. 20 f.); weitere treffende Beispiele
für dieses 'ethnologische Substrat* gibt Fick Die Indogermanen,
KZ. 41, 336 ff.
2. Bei Veränderungen von Konsonanten und insbesondere
von Explosivlauten ist es gebräuchlich, zwischen Veränderungen
378 E. Prokosch,
der Artikulationsstelle und der Artikulationsart zu unterscheiden.
Veränderungen der Artikulationsstelle scheinen, soweit sie un-
bedingter Lautwandel sind und nicht ins Gebiet der Assimilation
und Dissimilation gehören, vorwiegend durch Sprachmischung
verursacht zu sein. Man denke z. B. an die Substitution von f
für 0 im Kussischen [Feodor, Fifa usw.). "Der Mangel eines
entsprechenden Bewegungsgefühls (bei der Hervorbringung von
Lauten) macht hier eine Unterschiebung, die Lautsubstitution,
wie wir es mit Gröber nennen wollen, zur Notwendigkeit"
(Paul 369). Veränderungen der Artikulationsart dagegen brauchen
nicht notwendigerweise auf Sprachmischung, also auch nicht
auf Wanderungen hinzuweisen. Vielmehr mögen sie auf phone-
tischen Entwicklungstendenzen beruhen, die einer Sprache inne-
wohnen und ihren Charakter in mehr oder minder konstanter
Weise beeinflussen. Hierher gehören beispielsweise die ver-
schiedenen Wirkungen des dynamischen Akzents im Germa-
nischen, wie die Schwächung der tonlosen Silben, und als Be-
gleiterscheinung im weiteren Sinne vielleicht die ganze ger-
manische Lautverschiebung (vgl. Hans Meyer ZfdA. 45, 101 ff.;
Verf., JEGPh. 11, 1).
3. Thonetische Tendenzen' sind Artikulationsgewohnheiten,
die den Trägern einer Sprache konstant innewohnen. Es ließe
sich dafür, in allgemeinerer Bedeutung als sonst, der Ausdruck
*Artikulationsbasis' gebrauchen. Die Sprachorgane verschiedener
Völker, namentlich die Zunge und die Lippen, lassen vielfacii
eine immer wiederkehrende Neigung zur Einnahme bestimmter
bevorzugter Stellungen erkennen (so die eigentliche 'Artikula-
tionsbasis' der Zunge; die Tendenz für oder gegen Lippen vor-
stülpung u. a.). Ob es sich dabei um physiologische Unterschiede
handelt und handeln kann, vermag ich nicht zu entscheiden.
"Die Vermutung, daß in den Sprachorganen verschiedener
Menschenrassen und Völker Unterschiede bestehen, die not-
wendigerweise zu einer verschiedenen Aussprache führen
müßten, hat sich noch nicht bewahrheitet und wird sich wahr-
scheinlich auch nie als richtig erweisen lassen". (Hirt Die Indo-
germanen. 1, 7). Ob aber physiologisch oder traditionell — d. h.
lediglich durch Sprachgewohnheit — begründet, jedenfalls lassen
sich bei den Germanen einerseits und den übrigen indogerma-
nischen Völkern andrerseits sprachliche Tendenzen solcher Art
nachweisen, daß bei den ersteren eine relative Stabilität, bei
Die Stabilität des germanischen Konsonantensystems. 379
den letzteren ein Streben nach Lautveränderungen in bestimmten
Richtungen zutage tritt, sodaß diese Tendenzen jeweils als Ur-
sachen einer Summe von Lautveränderungen zu betrachten sind.
Diese Stabilität des germanischen Konsonantismus tritt
am stärksten in folgenden Punkten hervor:
a) die nichtgermanischen Sprachen des indogermanischen
Sprachstammes neigen zur Veränderung der Artikulationsform
der Zunge in bestimmter Richtung; s. u., §§ 5, 6. Das Germa-
nische bewahrt die Artikulationsform.
b) Veränderungen der Artikulationsstelle der Konsonanten
sind in allen indogermanischen Sprachen häufiger als im ger-
manischen.
c) die germanischen Konsonanten setzen einer Assimila-
tion an umgebende Laute, namentlich aber an Vokale, größeren
Widerstand entgegen als die aller Schwestersprachen.
d) mit Ausnahme der verhältnismäßig wenigen Assimila-
tionen (und Dissimilationen) sind alle germanischen Konsonanten-
veränderungen auf eine einheitliche Tendenz — starken Respi-
rationsdruck und daraus hervorgehende Aluskelspannung und
scharfe Akzentführung — zurückzuführen. Vgl. Verf., Modem
Phüologj 11, 71.
Von diesen vier Grundtatsachen soll der vorliegende Ar-
tikel nur die erste, die Bewahrung der Artikulationsform der
Zunge, behandeln, während die anderen späteren Artikeln vor-
behalten sind. Soweit nicht auf spätere Verhältnisse einzugehen
dringend geboten scheint, sind nur die ältesten Stufen der
Einzelsprachen berücksichtigt. Namentlich ist der entsprechende
Lautwandel in den romanischen Sprachen künftiger Bearbeitung
zugewiesen. Auf Beispiele wurde fast durchwegs veraichtet, da
dieselben in Handbüchern wie Bragmanns Grundriß und den
Grammatiken der Einzelsprachen leicht genug zugänglich sind.
4. Im Sinne phonetischer Tendenzen ist die Aufstellung
eines dritten Einteilungsprinzips der Lautveränderungen nicht
zu umgehen. Außer der Artikulationsart und der Artikulations-
stelle muß nämlich die Artikulationsform der Zunge (vielleicht
gelegentlich auch der Lippen) berücksichtigt werden. Bei der
Aussprache der weitaus meisten Verschlußlaute und Spiranten,
die wir für das Indogermanische ansetzen, ist die Zungenfläche
konvex. Bei gewissen Lauten aber, die wir vorläufig als Sibi-
lanten bezeichnen mögen, wird "die Zunge in ihrer Mittellinie
380 E. Prokosch,
zu einer mehr oder minder tiefen Rinne eingekerbt" (Sievers
Phonetik 130), sie ist also gewissermaßen konkav. Jespersen
(z. B. Lehrbuch der Phonetik, 46) gebraucht dafür den Aus-
druck 'Rille', und im Anschluß an ihn sei der Ausdruck
*Rillenlaute' gestattet als Ersatz für den hier weniger be-
zeichnenden terminus 'Zischlaute', der akustischer, nicht gene-
tischer Natur ist und sich übrigens mit 'Rillenlaut' nicht not-
wendigerweise zu decken braucht; so begreift Sievers unter
Zischlauten mit Recht auch ^5, ^, sowie das spirantische stimm-
lose r des Englischen, die keineswegs Rillenlaute sind. — Als
Gegensatz zum 'Rillenlaut' werde, gleichfalls im Anschluß an
Jespersen, der terminus 'Spaltlaut' gebraucht, zur Bezeichnung
von Lauten, bei deren Hervorbringung die Zungenfläche an
der Artikulationsstelle mit dem Munddache parallel, also konvex
verläuft, sodaß der Raum zwischen beiden spaltförmig ist, wie
beim englischen th^ dem deutschen eh.
5. Rillenlaute der Zunge können ihrem Wesen nach nur
an den Zähnen, den Alveolen oder am vordersten harten Gaumen
gebildet werden, da nur das Zungenblatt und etwa noch der
allervorderste Teil der Zungenfläche der Rillenbildung fähig
sind. Sie berühren sich infolgedessen mehrfach mit 'mouillierten
Lauten', insbesondere mit mouillierten Palatallauten, und zwar
sowohl nach Artikulationsstelle wie nach Artikulationsart. Mouil-
lierte Laute sind (nach Bremer Deutsche Phonetik S. 63 und 79)
solche, bei denen sich die Zunge in größerer Längsausdehnung
dem Munddache anschmiegt als bei der gewöhnlichen, nicht-
mouillierten Aussprache. "Der eigentliche Boden, auf dem sich
die Mouillierung vollzieht, sind die hinteren Alveolen und die
vordere Hälfte des harten Gaumens . . . Gegen die Wölbung
des harten Gaumens kann die Hinterzunge (= Zungenrücken,
Zungenfläche) überhaupt kaum anders als mouilliert artikulieren,
weil wir nicht eine Stelle der Hinterzunge bis zu dem Grade
heben können, daß die benachbarten Teile sich nicht der ge-
wölbten Hinterwand des Gaumens anschlössen". Dies bezieht
sich auf Verschlußlaute, und in der Tat sind palatalo Verschluß-
laute eo ipso als mouilliert anzusehen; palatales n (nicht 'pala-
talisiertes' w) und mouilliertes n sind synonyme Ausdrücke.
Palatale Reibelaute dagegen sind nicht notwendigerweise mouil-
liert; deutsches seh (mit dem Zungenblatt gebildet!) ist in der
Regel nicht mouilliert, obschon palatal, während ch und J mouil-
Die Stabilität des germanischen Konsonantensystems. 381
liert sind. Doch ist diese Artikulationsweise des seh eine Aus-
nahme; in der Regel sind palatale Rillenlaute mouilliert.
Palatale Yerschlußlaute nun zeigen in vielen Sprachen
die Xeigung zu einem unbedingten oder bedingten TTandel zu
mouillierten Rillenlauten. Es ist bezeichnend, daß Bopp (vgl.
Grdr.3 1, 19) von einer 'den Gutturalen aller Sprachen inne-
wohnenden Neigung, sich zu Zischlauten abzuschwächen' spricht.
Alle indogermanischen Sprachen besitzen nun diese Neigung
nicht, aber fast alle — nämlich in größerem oder geringerem
Maße alle mit Ausnahme des rein Germanischen.
6, Die germanischen Sprachen stehen in Bezug auf Rillen-
bildung in scharfem Gegensatze zu allen anderen indogerma-
nischen Sprachen. In diesen wird die Bildung von Rillenlauten
aus ursprünglichen Versclilußlauten oder Spaltlauten begünstigt;
in jenen werden sie zurückgedrängt, und zwar in dem Maße,
daß sich nicht nur keine neuen Rillenlaute bilden, sondern ge-
legentlich sogar ererbte Rillenlaute in Spaltlaute übergehen.
Bei der Seltenheit der letzteren Erscheinung läßt sich indes
sagen: Die Artikulationsform der Zunge wird in den germa-
nischeu Sprachen bewahrt, in den nichtgermanischen Sprachen
dagegen häufig zugunsten der Rillenform geändert; diese
Tendenz tritt umso häufiger und entschiedener auf, je weiter
die betreffenden Völker geographisch oder chronologisch (nach
der Zeit ihrer vermutlichen Trennung vom Hauptstamm) von
den germanischen Völkern entfernt sind.
7. Bei diesem Wandel der Artikulationsform sind nach
dem heutigen Stande der Auffassung zwei Gruppen zu unter-
scheiden : ein unbedingter — nicht an Nachbarlaute gebundener
— Wandel von palatalen (vielleicht ursprünglich velaren) Ver-
schlußlauten zu Sibilanten, d. h. zu Rillenlauten, die ursprünglich
ohne Zweifel durchgängig mouilliert waren und es zum Teil
geblieben sind; und ein bedingter (an bestimmte Lautumgebung
gebundener) Übergang von velaren (palatalen) oder dentalen
Verschlußlauten in Rillenlaute. Der erstere umfaßt die ost-
indogermanischen Sprachen und deckt sich mit dem gebräuch-
lichen Unterschiede zwischen Centum- und Saterasprachen. Der
letztere ergreift im Laufe der Zeit das gesamte indogermanische
Sprachgebiet mit Ausnahme des Germanischen; selbst germa-
nische Sprachen auf ursprünglich ungermanischem Boden —
wie das Anglo-friesische — bleiben nicht ganz unberührt.
382 E. Prokosch,
8. Ob es sich bei dem Gegensatze zwischen Centura- und
Satemsprachen wirklich um unbedingten Lautwechsel handelt,
muß hier dahingestellt bleiben. Hirt (KZ. 24, 226 ff., IF. 6, Heft 3
und 7 Heft 1) nimmt Assimilation an ("dieser Übergang — ä; zu
Zischlauten — tritt stets als kombinatorischer Lautwandel auf,
bedingt durch folgende helle Vokale, . . . Mir ist kein historischer
Fall bekannt, in dem sich in indogermanischen Sprachen aus
Gutturalen Zischlaute ohne diesen Faktor entwickelt hätten,
während doch gerade auf unserem Sprachgebiet kein Laut so-
sehr wie das k der Mouillierung oder Palatalisation unterliegt");
Hermann (KZ. 41, 59 ff.) denkt als Gründe des Wandels von
Velaren zu palatalen Explosivlauten, die dann in weiterer Folge
zur Rillenbildung geführt hätten, an Einwirkung benachbarter
Laute, ("nicht nur folgender palataler Vokal, sondern auch fol-
gendes /, r, vielleicht noch andere Laute, die geschwunden sein
müßten, haben eine Ä-Reihe aus einer ^-Reihe hervorbringen
können"), Dialektmischung, Entlehnung (Zupitza KZ. 37, 398 ff.),
Konsonantenalliteration (Zupitza Gutturale 35); während Hirt
sich die Palatale als aus den Velaren entstanden denkt, will
Hermann für jede der beiden Gruppen (Centum und Satem) je
zwei verschiedene Reihen aufstellen: labiovelare und velar-
palatale im Westen, labiovelar-velare uud palatale im Osten.
Ich bin mir über die Frage nicht klar, so sehr ich auch Hirts
Meinung zuneige, und fasse 4 9^ 9^^ einstweilen im Sinne von
Delbrück (Einleitung,* 124) auf als "formelhaften Ausdruck für
die wechselnden Ansichten der Gelehrten über den Umfang und
die Beschaffenheit des sprachlichen Materials, welches die Einzel-
sprachen aus der Gesamtsprache mitgebracht haben." ^•, g, gh
sind zum mindesten phonetische Interpolationen von zweifellosem
methodischem Wert.
9. Mit Übergehung dieser Assimilationsfrage stellt sich
das indogermanische Sprach material in bezug auf die Tendenz
zur Rillenbildung folgendermaßen dar: in den Satemsprachen
ohne Ausnahme tritt schon in den ältesten Sprachdenkmälern
diese Tendenz stark in den Vordergrund. Im Griechischen finden
wir beträchtliche Ansätze, aber auch Spuren von gegenteiligen
Tendenzen. Im klassischen Latein ist von Rillenbildung nichts
zu entdecken, vielmehr ein gewisser Widerstund dagegen zu
erkennen. Andere italische Dialekte dagegen zeigen schon in
der ältesten uns erreichbaren Zeit, und das Lateinische min-
Die Stabilität des germanischen Konsonantensystems. 383
destens seit dem dritten Jahrhundert, eine bedeutende Anzahl
von Killenlauten. Ähnlich stehen die Verhältnisse im Keltischen :
die keltischen Sprachen lassen die Tendenz zur Rillenbildung
noch nicht zutage treten, verraten aber eine Art von Prädis-
ponierung dazu; die romanischen Sprachen, in denen Rillen-
bildung eine gewöhnliche Erscheinung ist, sind einerseits als
Fortsetzung des Lateinischen zu betrachten, in phonetischer
Hinsicht aber ruhen sie wenigstens zum Teil auf dem Substrat
des Keltischen. Das Germanische im strengsten Sinne des Wortes,
zeigt, wie schon bemerkt, keinerlei Neigung zu dem hier be-
handelten Lautwechsel.
I. Die Satem-Sprachen.
10. X*, g, gh entwickeln sich durch Bildung einer Rille in
der Mittellinie der Zunge zunächst zu Affrikaten. Die Rille ist
wohl anfänglich flach und breit, sodaß sich s-Laute ergeben;
die so entstandenen Affrikaten fs, d'z werden später zu ein-
fachen Spiranten. Im weiteren Verlaufe der Entwicklung wird
die Rille verengert, sodaß zum Teil s, z (ursprünglich jedenfalls
palatal, später alveolar oder dental) entstehen. So erscheint mir
wenigstens der Vorgang am wahrscheinlichsten, und die An-
nahme wird durch den Vergleich mit historischen Lautüber-
gängen, wie der Entwicklung des lateinischen c in verschie-
denen romanischen Sprachen, oder der Palatalisierung von Ar,
g vor Vordervokal im Arischen und Slavischen, noch gestützt.
Eine andere Möglichkeit wird unten (§§ 11, 12) erwähnt.
In der folgenden Darstellung der Verhältnisse in den
Einzelsprachen soll mit Rücksicht auf den Raum nur das Aller-
wesentlichste gegeben werden, so interessant auch in vielen
Fällen, namentlich im Baltisch-Slavischen, ein Eingehen auf
Einzelheiten wäre. Xur diesem Bestreben nach Konzentrierung
wolle man es zuschreiben, wenn noch nicht einmal alle Rillen-
bildungen erwähnt werden.
11. Indo-Iranisch. In den indischen und den iranischen
Sprachen stehen eine ältere und eine jüngere Schicht einander
gegenüber. Das Sanskrit, das schon mindestens 1500 Jahre vor
Christo eine hoch entwickelte Literatur besaß, zeigt noch Über-
gangslaute : k ist zwar s geworden, das nach den Angaben in-
discher Phonetiker an der Stelle des k, also am vorderen harten
Gaumen, gesprochen wurde (ebenso wie J, ja, «, c, ch)\ g da-
384 E. Prokosch,
gegen ist noch als Affrikata erhalten — wenigstens nach der
konventionellen phonetischen Bezeichnung. Schließlich ist jeder
palatale Verschlußlaut au und für sich schon Affrikata, wird
aber nicht als Doppelkonsonanz gefühlt; der Verschluß wird
entweder nicht in seiner ganzen Längsausdehnung zugleich ge-
löst oder gebildet, sodaß nach oder vor dem eigentlichen Ver-
schluß eine Spirans eintritt; stark palatalisierende Sprachen, wie
etwa das russische, zeigen das ganz auffällig. Da Lenz (KZ. 29,
Iff.) die indischen Palatale als mouillierte Laute beschreibt,
liegt kein Widerspruch darin, wenn Hermann (1. c, 33) indisches
j aus g als reinen Verschlußlaut auffaßt, solange es sich eben
dabei nur um eine Frage der Terminologie handelt. Auf jeden
Fall war es ein mouillierter Laut mit Rillenbildung in der Lö-
sung des Verschlusses, also eine Art d'z, das deswegen noch
nicht mit d' -{- z zu. identifizieren ist; vgl. Vondräk Slavische
Grammatik 1, 374^). — Daß s in nord-indischen Dialekten
durch kh vertreten wird (Wackernagel Ai. Gr. 136), vermag ich
nicht zu beurteilen; es kann sich um längere Bewahrung des
indogermanischen Lautes handeln, was in einer vermutlich dünn
besiedelten Gebirgsgegend nicht unbegreiflich wäre; das Roma-
nische bietet ja ähnliche Beispiele; es kann aber auch ein ähn-
1) Nach Schluß der Arbeit kommt mir eine interessante Arbeit
meines Kollegen Bloomfield zu, "Indo- European Palatals in Sanskrit"
(AJPh. 32, 3611.), die den Unterschied zwischen Indisch und Iranisch in
bezug auf Rillenbildung hervorhebt. Daß auch er in ai. j einen einfachen
Verschlußlaut sieht, ist wie gesagt ein nebensächlicher Punkt, der das
Meritum der Sache unberührt läßt; metrische Gründe reichen nicht aus,
um Affrikata auszuschließen, denn d'z ist keine positionsbildende Kon-
sonantengruppe : metrisch unterscheidet sich z. B. g in englisch page nicht
von 8 in leisure. — B's. Bezeichnung des Sanskrit als "almost a centum-
language" kann ich freilich nur mit einiger Reserve beipflichten. Ich sehe
zwar ebenso wie er in der Gentum-Satem-Einteilung vorwiegend metho-
dischen Wert, möchte aber doch daran festhalten, daß in seinen Ten-
denzen Altindisch ebensogut Satem- Sprache ist wie das Iranische. Der
Unterschied beruht nicht auf Tendenzen der Sprache selbst, sondern auf
dem höheren Alter des Sanskrit, somit der kürzeren Zeit seines Sonder-
bestandes, ferner auf seiner frühen Entwicklung als Schriftsprache, mit
dem retardierenden Einfluß einer solchen, und endlich auf der innigeren
Vermischung des indogermanischen mit dem nichtindogermanischen Volks-
element in Iran. — Auf späteren Sprachstufen (den miltelindischen und
neuindischen Dialekten) ist übrigens der Unterschied nicht mehr so groß;
vergl. Grey Indo-Iranian Phonology, s. 60 ff., der eine große Anzahl
späterer Rillenbildungen im Indischen anfuhrt.
Die Stabilität des germanischen Konsonantensystems. 385
lieber, jedenfalls kombinatorischer Übergang wie in slavisch
ch aus s vorliegen.
Iranisch steht auf einer späteren Stufe : s, z stehen bereits
indisch s, j gegenüber. Auch in ein paar andren Fällen ist die
Neigung zur Rilleubildung stärker ausgeprägt als im Indischen:
rt zu s, altpersisch py zu sy (ganz analog der Entwicklung
eines s- Lautes in englischen Gruppen wie don't you), ß zu s,
das vielleicht mit cech. r phonetische Verwandtschaft hati Daß
s im A westischen gelegentlich zu ß wird, ist nicht ein Schritt
in entgegengesetzter Richtung, da nach Bartholomae dieses /
nur eine graphische Variante von s darstellt.
Gemein-indo-iranische Assimilation liegt vor in der Pala-
taüsierung von ä:, g vor Vordervokalen; die sich ergebenden
altindischen Laute c, j (= aw. c. /, später i) werden zwar von
Hermann auch als Verschlußlaute bezeichnet, sind aber im oben
erklärten Sinne sicher Affrikaten mit Rillenbildung im zweiten
Element; die Chinesen schreiben dafür ts^ die Griechen c, cc,
tZ:, Z:, Ti (Wackernagel 137). Xur scheinbar ein Schritt in ent-
gegengesetzter Richtung ist die Entwicklung des ai. h aus jh
{zh), wofür das iranische z bewahrt. Assimilation an das mit
weitester Mundöffnung gesprochene h macht Rilleubildung un-
möglich, oder doch wirkungslos. — Ähnlich ist iran. h- aus 8-
zu beurteilen, vgl. § 14.
12. Armenisch ist mir sehr wenig, albanesisch gar
nicht bekannt. Das erstere steht, was Rülenbildung betrifft, aaf
dem Boden des Iranischen, nur werden ^, gh zu den Affrikaten
c — ts, j = dz. Albanesisch, der letzte Rest des Alt-ülyrischen,
scheint den Centum-Sprachen etwas näher zu stehen, da es zwar
Je durch s, aber g, gh durch die interdentale Spirans (Spaltlaut)
griech. b vertreten sein läßt, das letztere sogar gelegentlich
durch (L Die von Pedersen (KZ. 36, 277) ausgesprochene, von
Brugmann angenommene, von Hirt (IF. 17, 388), Thumb (IF. 18, 40)
und Hermann (1. c. 37) abgelehnte Annahme, daß im Albane-
sischen noch alle drei Gutturalreihen vertreten seien, vermag
ich nicht zu beurteilen.
13. Baltisch und Slavisch stehen zueinander in einem
ähnlichen Verhältnis wie Indisch und Iranisch. Litauisch hat sz,
i, also breite Rillenlaute, für 4 g, während Slavisch (nebst
Lettisch und Preußisch) zu den engen Rillenlauten s, z über-
gegangen ist. Hermanns bedingte Ablehnung (1. c. 49) der herr-
Indogermanische Forschungen XXXIIL 26
386 E. Prokosch,
sehenden Anschauung, daß s, i die gemein- baltisch -slavische
Vorstufe für slavisch s, z seien, entbehrt streng genommen nicht
der Berechtigung; aber sicher waren (wegen idg. s zu ch) ur-
slavisch s aus k und altes s noch getrennt, und daß letzteres^
eben ein breiterer Rillenlaut, also mindestens s-ähnlich war, ist
immerhin die wahrscheinlichste Annahme, wenn sich auch denken
ließe, daß zur Zeit des Überganges von s zu ch idg. k erst zur
Affrikata (Ä:'s, t's) vorgeschritten war. Das ist im Grunde keia
Widerspruch gegen Hermanns Meinung: "Es ist ebensogut
möglich, daß mouillierte Laute in einer Vorstufe des Litauischen
einen s-Nachklang, in einer Vorstufe der anderen Sprachen (oder
Dialekte) einen s-Nachklang hatten", d. h., daß die in § 10 er-
wähnten Affrikateu von vornherein in der einen Gruppe mit
breiterer, in der anderen mit engerer Rille gesprochen wurden
wie ja auch im Vulgärlatein (wenigstens zum Teil) beim Übergang
vom Verschlußlaut zur Affrikata (c =fe) gleich die enge Rillen-
form eintrat. Für wahrscheinlicher halte ich, wie gesagt, die
Ansetzung von baltisch-slavischem s, i; etwas befremdend ist
dabei nur der Vorgang bei der slavischen Assimilationspalatali-
sierung. Diese geht bekanntlich in drei Schichten vor sich:
urslavisch vor j und gemein -slavisch vor alten Vordervokalen
entwickeln sich c {dz zu), i aus den gutturalen, dagegen gleich-
falls gemeinslavisch, aber später, c {dz zu), z vor jungen Vor-
dervokalen. Als Parallele zu einem slavischen Lautwandel k zu
s zu s würde man eher kj zu c zu c erwarten, aber ein sicherer
Schluß ist das natürlich nicht. — Unklar ist mir auch die Be-
handlung von tj^ dj, die gerade im Westslavischen, also näher
dem Germanischen, zu c, 0, dagegen z. B. im russischen zu Cy
i werden. Ganz ähnlich ist der Vorgang bei dem von Vondräk
Slav. Gr. 374 ff. besprochenen sogenannten Masurieren: östliche
Dialekte haben breite, westliche Dialekte enge Rillenlaute. Gewicht
braucht man darauf nicht zu legen ; in der IMehriieit der Fälle
trifft es immerhin zu, daß die breiten Rillenlaute eine Vorstufe
der engen sind. — Nicht zu übersehen ist die noch nicht ge-
nügend erklärte gelegentliche Vertretung von k, g im Litauißchen
durch Velarlaute, was zu der Tatsache stimmt^ daß Litauisch dem
Germanischen näher steht als die anderen baltisch -slavischen
Sprachen.
Die Stabilität des germanischen Konsonantensystems. 387
n. Die Centumsprachen.
14. Griechisch. Während die Satemsprachen Rillen-
bildungen als absoluten Lautwandel aufweisen, wenigstens so-
weit sich heute nachweisen läßt, ist der Grund der Rillenbildung
im Griechischen wie in anderen Centumsprachen vorwiegend
kombinatorischer Übergang bei Verbindung von Velaren oder
Dentalen mit Vordervokalen oder J. Der phonetische Vorgang
ist klar : beim Übergang von k, g oder t, d zu J, / oder e hebt
sich die Zunge vom Munddache ab; dies geschieht entweder
so. daß die Zungenfläche mit diesem ziemlich parallel bleibt,
oder so, daß sich die Mittellinie der Zunge zuerst entfernt; es
bildet sich dann eine Rille. Das Letztere ist besonders häufig
der Fall, wenn die Verschlußlaute vorher schon mouilliert
waren, d h. sich der Artikulationsstelle des J, «, e genähert
hatten. Die Artikulationsstelle dieser Laute ist der harte
Gaumen, ein am harten Gaumen ausgesprochener Verschlußlaut
aber ist nach § 5 mouilliert. Ein Übergangslaut tt, öö, zwischen
kj, gi und c, l (Hirt Handbuch 242, wo Bibliographie) braucht
nicht angenommen zu werden und würde sogar der Erklärung
Schwierigkeiten bieten. — Sowohl die Gutturalen aller drei
Reihen wie auch die Dentalen unterliegen im Griechischen
dieser Assimilation, wenn auch das Resultat nicht durchgängig
in allen Dialekten das gleiche ist : L 5, g^ + j werden zu cc, g,
g, g^, zu l, das jedenfaEs einen Rillenlaut darstellt, was auch
sein genauer Lautwert gewesen sein mag. ij^ dj werden gleich-
falls zu c(c), l. Unter gewissen (noch nicht ganz klaren) Be-
dingungen wird auch xi zu ci; die paar Fälle von tu zu cu
sind möglicherweise auf /«-Formen zurückzuführen (nach Brng-
raann BSGW. 1895, 46 ff. tritt übrigens auch der Wandel von
■n zu ci lautgesetzlich nur vor unsilbischem / ein, sodaß sich
alle Fälle griechischer Rillenbildung bei Verschlußlauten auf
Gleitlaut zwischen Verschlußlaut und j beschränkten).
j selbst ist zweifacher Natur: ich denke dabei nicht an
die (von Solmsen u. a.) bestrittene Doppelheit des y, j im Indo-
germanischen, sondern lediglich an die phonetischen Möglich-
keiten ; es wird entweder als Spaltlaut gebildet (Jespersens t 2,
Lehrbuch 49), wie im Norddeutschen, oder die Zungenfläche
ist mehr oder weniger konkav (Jespersens t 3 oder t 23, der
Halbvokal des Süddeutschen und Englischen). Während das
26*
388 E. Prokosch,
Letztere kaum schon eio Rillenlaut genannt werden kann, hat
es die Neigung, leicht in ejnen solchen überzugehen, besonders
nach Konsonanten. Es wäre darum gar nicht unmöglich, daß
das Nebeneinander von griech. 2uT6v-6)Lieic Sandhi-Formen dar-
stellte — die Erstere wäre lautgesetzlich nach konsonantischem,
die Letztere nach vokalischem Auslaut und in Pausa. — In
anderen Stellungen geht griech. i denselben Weg wie c, d. h.
es wird zu h und schwindet. Vgl. dazu § 11 Ende.
15. Italisch. Während der Übergang von c zu h im
Griechischen und Iranischen noch nicht als Zeichen einer
alten Tendenz gegen Rillenbildung zu betrachten ist, zeigt das
ältere Italische, das dem Germanischen wieder um ein beträcht-
liches näher steht, eine unzweideutige Spur in dieser Richtung
in dem sogenannten Rhotazismus, der sich im Umbrischen und
Lateinischen, aber nicht im Oskischen findet; die Stimmhaftigkeit,
die eine Voraussetzung des Rhotazismus ist, ist gemeinitalisch,
hat aber mit der vorliegenden Frage nichts zu tun. Mein Artikel
über 'Forchhammers Akzenttheorie und die germanische Laut-
verschiebung' (JEGPh. 11,1) zeigt, daß auch dieser Wandel von
s zu. z eine der Spuren paralleler Tendenzen im Germanischen
und Italischen ist. Für die Beurteilung der Rillentendenz muß
aber darauf hingewiesen werden, daß uns das Oskische aus
einer früheren Zeit überliefert ist als das Umbrische. Auch
im ältesten Latein findet sich ja noch s für r. Die Verhält-
nisse sind ganz analog denen im Germanischen, wo Gotisch
(und Urnordisch) den Rhotazismus noch nicht mitgemacht haben.
Der Übergang steht einerseits auf einer Stufe mit der Verdeut-
lichung stimmhafter Spiranten in mehreren Sprachen, namentlich
dem Germanischen, (z. B. 6 zu i, 3 zu ^, d zu d) und zeigt
zugleich eine der Rillentendenz entgegengesetzte Neigung, denn
r ist der schärfste Kontrast zu Rillenlauten, schärfer noch als
die eigentlichen Spaltlaute. Die gleiche Neigung findet sich im
Wandel von «r- zu fr- (gegen griech. hr-), den auch das Kel-
tische mit Ausnalime des Irischen aufweist. Indes läßt sich
darin auch bloße Dissimilation, ohne irgendwelche Tendenz in
bezug auf Rillenbildung, erblicken, besonders wenn man berück-
sichtigt, daß das Germanische (und Slavische) in der gleichen
Lautgruppe -t- einfügen.
Starke Rillentendenz aber zeigt sich im Umbrischen wie
in der späteren Entwicklung des Lateinischen, und zwar im
Die Stabilität des germanischen Konsonantensystems. 389
Umbrischen schon ein paar Jahrhunderte vor dem Lateinischen.
Allem Anschein nach sind die ümbrer schon ziemlich früh mit
nicht-indogermanischen Elementen durchsetzt gewesen. Im Latei-
nischen beginnt der Übergang recht spät, erst in der Kaiser-
zeit, als Rom schon Weltreich geworden war.
Solche Veränderungen sind im Umbrischen: / und d
zwischen Vokalen zu r, rs (jedenfalls ein r mit Rillenbildung,
wie cechisch r), k vor j und Vordervokalen zu einem wahr-
scheinlich s-artigen Rillenlaut (vgl. Bück Osc.-Umbr. Gr. 134),
g zu «", ti zu s, di zu z. Mit Ausnahme des ersterwähnten
Falles entspricht dies fast genau der Behandlung im Latei-
nischen: ti zu tsi nimmt wohl im zweiten Jahrhundert seinen
Anfang, dringt aber erst im vierten und fünften Jahrhundert
ganz durch, ebenso di zu dzi (Vorstufe von italienisch mezzo).
Am längsten hält sich k gegen die Palatalisierung ; erst im
fünften oder sechsten Jahrhundert wird es zu ts^ ts, während
romanische Dialekte wie das Logudoresische auf Sardinien noch
heute Verschlußlaute oder (wie das Kastilische) Spaltlaute auf-
weisen. Auch / wird zum Rillenlaut, wofür sich schon in In-
schriften der Kaiserzeit Spuren finden wie Sustus, Zanwario
(Sommer Handbuch, § 93,2).
Die weitere Entwicklung gehört ins Gebiet der roma-
nischen Sprachen, mit denen ich mich in einem besonderen
Artikel zu beschäftigen gedenke.
16. Keltisch steht in seinen ältesten Formen sowohl
wie in den rein keltischen Sprachen neuerer Zeit dem Ger-
manischen in bezug auf Rillenbildung fast gleich. Doch während
es keine ausgesprochene Rillentendenz besitzt, setzt es Rillen-
lauten wenigstens nicht den Widerstand entgegen, den wir im
Germanischen finden. In wenigen anderen Sprachen zeigen
überdies die Konsonanten so starke Beeinflussungsfähigkeit
durch Nachbarlaute wie im Keltischen; so unterscheidet das
Irische bei jedem Konsonanten wenigstens theoretisch eine
«■-Farbe, w-Farbe, a-Farbe. Solche Sprachen sind der geeignete
Boden, auf dem die im Lateinischen schon begonnene Rillen-
tendenz der romanischen Sprachen weitergreifen konnte; auch
dies soll unter den romanischen Sprachen weiter behandelt
werden und würde kaum in den Rahmen dieser Arbeit passen.
890 E. Prokosch,
17. Bei einem Überblick über diese Zusarameusteliung der
wichtigsten Rillenbildungen in den nicht-germanischen Sprachen
des indogermanischen Sprachstamms darf ein wichtiger Faktor
nicht außer Rechnung bleiben: die vergleichende Grammatik
beschäftigt sich vorwiegend mit den ältesten erreichbaren Stufen
der Einzelsprachen und behandelt dieselben notgedrungen als
mehr oder minder gleichwertig. Das bedeutet, daß wir mit-
einander vergleichen: das Altindische der zweiten Hälfte des
zweiten Jahrtausends vor Christo, das Iranische vor und nach
der Mitte des ersten Jahrtausends, das Griechische des ersten
Jahrtausends, das Italische der letzten Jahrhunderte vor Christo,
das Germanische, Armenische, Slavische und Keltische haupt-
sächlich aus der zweiten Hälfte des ersten nachchristlichen
Jahrtausends, das Albanesische und Baltische vom sechzehnten
Jahrhundert bis zur Jetztzeit. Unter diesen Uständen muß es
wirklich Wunder nehmen, daß die in § 6 behauptete graduelle
Verschiedenheit der Rillentendenz je nach der Entfernung vom
Germanischen sich dennoch so klar darstellt.
Am stärksten ist sie im Iranischen, Armenischen und
Baltisch-Slavischen, Sprachen, die sich ohne Zweifel sehr früh
vom Germanischen trennten und bedeutender Mischung unter-
worfen waren. Nicht ganz so stark ist sie im Altindischen,
teils durch die strenge Absonderung des indogermanischen
Elements vom nicht-indogermanischen, teils durch die frühe
Ausbildung und den großen Einfluß der Schriftsprache. Ähnlich
wie im Altindischen sind die Verhältnisse im Litauischen, aber
vielleicht nicht so sehr wegen seiner größeren Nähe am ger-
manischen Gebiet, als wegen der frühen Durchsetzung mit
Finnen, deren Sprache so außerordentlich konservative Züge
aufweist. Gleichfalls nicht ganz durchdrungen ist die Tendenz
im Albanesischen, das sich wohl später vom Germanischen
trennte und in steter Berührung mit anderen indogermanischen
Völkern blieb. Nur auf weniger wichtige Punkte eretreckt sie
sich im Griechischen; sehr spät dringt sie im Italischen ein;
und nur als eine Art Prädisponieruug ist sie zu fühlen im
Keltischen.
18. Germanisch bietet in bezug auf Rillenbildung ein
gründlich anderes Bild als die übrigen indogermanischen Sprachen
Die Stabilität des germanischen Konsonantensystems. 391
mit Ausnahme des Keltischen. Seine ^"eigung zur Spiranten-
bildung ist nicht geringer, als in anderen indogermanischen
Sprachen — eher größer. Aber durchgehends ergeben sich
Spaltlaute, nirgends auf rein germanischem Gebiete Rillenlaute.
Es sticht in dieser Hinsicht so entschieden von den Schwester-
sprachen ab, daß man vom phonologischen Standpunkte höch-
stens noch fragen kann : Ist Bildung von Rillenlauten eine indo-
germanische Tendenz, der sich allein das Germanische entzogen
hat? Dann müßten die Genuanen — soweit man phonologische
Gesichtspunkte für die Beurteilung einer anthropologischen Frage
überhaupt gelten lassen will — das wenigst reine von allen
indogermanischen Völkern sein, was wohl noch niemand be-
hauptet hat. Oder die Rillentendenz ist dem indogennanischen
Sprachgeiste fremd — dann stehen die Germanen und nach
ihnen die Kelten der indogermanischen Sprache und wohl auch
Rasse am nächsten.
19. Nur eine Sprachgruppe, die noch als germanisch gelten
muß, schließt sich den rillenbildenden Sprachen an, das auf
altem Keltenboden erwachsene Anglofriesische. Im Friesischen
sind die Rillenbildungen noch etwas sporadischer Xatur, im
Englischen aber ü'eten sie klar zutage, k^ g werden vor Yorder-
vokalen und j palatalisiert, so indessen, daß nur das erstere
entschiedener Rillenlaut wird (wie im Albanesischen) ; A- wird
früh-urenglisch zu 4 und dieses entwickelt sich (dialektisch)
weiter zur Affrikata ä;'x', und zu Anfang der historischen Zeit
zu ts (Bülbring Elementarbuch 493 ff.). Ich bin mit den Ver-
hältnissen nicht hinlänglich vertraut, um die geringere Neigung
des Nordhumbrischen zur Rillenbildung beurteilen zu können.
Kaum irgendwo finden sich so klare Zeugnisse der fortdauernden
Tendenz zur Rillenbildung wie im Englischen, bei dem der
Übergang, z. B. von t zu j Gleitlaut mit Rille fast zwingend
erfordert. Weil die Sache für die 'Rillentendenz' so außer-
ordentlich charakteristisch ist, kann ich mich nicht enthalten,
hier ausnahmsweise auf heutige Verhältaisse einzugehen durch
Abdruck einer Stelle aus Smarts Einleitung zu Walker's Pro-
nouncing Dictionarj of the English Language (1838 — 65), zitiert
von Storm Englische Philologie ^ 380:
"Let any English mouth fluently pronounce the phrase
*I'll meet you' without accent or emphasis on you, and there
will be heard, in the transition from the t in meet., to the j in
392 E. Prokosch,
you^ a slight interposed sound of sh. So likewise in saying:
'Would you favor me?' there will be heard, in the transition
from the d in would to the j in yow, an interposed sound of
the Tocal sh {z in pleasure). It would indeed be possible to
prevent the intrusion, but what the Speaker would gain in
accuracj, he would lose in ease and fluency of transition. So
likewise it is possible to preserve the pure sound on the t and
d in nature and verdure; yet nothing is more certain than that
they are not preserved pure by the best and most careful
Speakers; and the t and d being converted, or almost converted,
into ts and d^, the j which enters into the composition of
ü = jM, is absorbed by (or perhaps it should be said, enters
into the composition of) the new formed element."
Es ist bei der ethnologischen Struktur des amerikanischen
Volkes interessant, daß gerade hier die Aussprache ne.tjür
wieder stark in den Vordergrund gedrängt wird, wenngleich
man vorläufig diese Aussprache (die Ellis EEP. 1162 'pedanti-
cally abnormal') nennt, heute noch ruhig als affektiert bezeichnen
kann. — Charakteristisch ist auch, daß Norddeutschen und
Skandinaviern das englische j — d'z wegen der Rillenbildung
Schwierigkeiten bereitet; man hört namentlich bei den ersteren
konstant die Aussprache mit/ statt d'zmv Anlaut. — Im Gegen-
satze dazu sei auf die Aussprache des d durch Deutsche einer-
seits und durch Romanen und Slaven andrerseits hingewiesen :
während die ersteren (/ zu substituieren pflegen (die Substitution
von z im Munde gebildeter Deutscher ist künstlich, nicht natür-
liche Tendenz), sprechen die letzteren meist 2, also einen Rillen-
laut statt eines Spaltlautes.
Einzelfälle von Rillenbildung mögen — außer bei dem
im folgenden Paragraph zu erwähnenden ahd. f aus t — noch
vorliegen in dem ostnorwegischen und schwedischen Laut des
k in Idrhe usw., und der gelegentlichen west-mitteldeutschen
Aussprache des /cÄ-Lautes mit Annäherung an h. Bei beiden
bin ich nicht sicher, ob überhaupt eine Rille, wenn auch eine
sehr flache, gebildet wird, oder es sich bloß um starke Mouil-
lierung handelt, die oft einen ähnlichen akustischen Eindruck
macht. — Es ist übrigens auffällig, daß unter allen indoger-
manischen Sprachen (soweit mir bekannt) nur Deutsch und
Skandinavisch einen icÄ-Laut, also einen vorderpalatalen stimm-
losen Spaltlaut besitzen (von gelegentlicher Assimilation, wie
Die Stabilität des gennanischen Konsonantensystems. 393
etwa engl, km^ human muß man wohl absehen) und auch der
entsprechende stimmhafte Laut j relativ selten ist. Die nicht-
germanischen Sprachen gebrauchen an dieser Artikulationsstelle
eben den Rillenlaut.
20. Die Lautverschiebungen. Wir fassen die zahl-
reichen Spirantenbildungen des Germanischen als einen Teil
der beiden Lautverschiebungen zusammen. Die wohl allgemein
anerkannte Ursache der Bildung der germanischen stimmlosen
Spiranten ist Verstärkung des Atemdruckes und infolgedessen
Sprengung des Verschlusses, die zunächst zur Affrikata, im
weiteren Verlaufe zur Spirans führt. Dieser Prozeß ist in der
ersten Lautverschiebung konsequent durchgeführt: überall er-
geben sich Spaltlaute, nämlich /", p, x-
Die phonetische Erklärung der Entstehung der stimm-
haften Spiranten aus aspirierten Medien oder stimmlosen Tenues
gehört nicht hierher; nicht zu übersehen ist aber, daß das
gleichzeitig entstehende z aus s die Rillenform aufgibt, wie im
Italischen, und zu r wird, das entschiedene Konvexform der
Zunge erfordert. Die Erklärung des Grundes, weshalb nur 2,
nicht auch 8 die Rillenform aufgab, gehört zur Besprechung
der vierten in § 3 erwähnten Grundtatsache, der phonetischen
Einheitlichkeit der germanischen Konsonantenentwicklung, und
wird dort seinerzeit erörtert werden.
Die zweite Lautverschiebung beginnt mit der gleichen
Tendenz wie die erste, kräftigem Atemdruck. Aber sie unter-
scheidet sich von der ersten nach zwei Richtungen: es tritt
eine Hemmung ein, die sich nicht anders als durch Aufhören
der Ursache erklären läßt, sodaß die Entwicklung in gewissen
Stellungen nur bis zur Affrikata geht. Selbst von da aus tritt
teilweise eine Rückbildung zum einfachen Verschlußlaut ein;
bei den Dentalen aber erfolgt diese nicht, denn da war eine
andere Tendenz stützend eingetreten : sie hatten sich nicht,
wie bei der ersten Lautverschiebung, zu Spaltlauten, sondern
zu Rillenlauten entwickelt (zum Teil zu Affrikaten mit Rillen-
form im zweiten Element). Ich bin natürlich nicht imstande,
den Unterschied zwischen ahd. mhd. 3 und s zu erschließen,
möchte aber nach Analogie sonstiger Rillenbildungen der herr-
schenden Ansicht (PBrB. 1, 168 f.) beitreten, daß das erstere
ursprünglich dem /-Laut immerhin nicht sehr fem stand. Das
würde bedeuten, daß es alveolar mit sehr flacher Rinne ge-
394 F. Knauer,
sprochen wurde, die sich bei Fortdauer der Tendenz verengerte,
sodaß sich g zu s entwickelte.
Diese Verschiebung der Dentalen zu ßillenlauten erstreckte
sich über den größten Teil jenes deutschen Sprachgebietes, wo
einst Kelten gewohnt hatten. Die einzigen Fälle der Rillen-
bildung im Germanischen — anglo-friesisch und hochdeutsche
Lautverschiebung — finden sich also auf altem Keltenbodeu.
Austin, Texas. E. Pro kos eh.
Zur Rush-¥r&ge.
In dieser Frage habe ich gegenüber der normannistischen
Schule eine neue Position eingenommen. Man sollte meinen,
daß eine solche, die schon durch sich selbst eine alte aufhebt,
bloß auf ihre eigene Festigkeit hin zu prüfen sei ohne Rück-
sicht auf die alte ; es scheint jedoch, daß wenn die neue aner-
kannt werden soll, zuvor die alte erschüttert werden muß ohne
Bezugnahme auf die neue. Daran mußte ich unwillkürlich denken,
als ich eine anerkennende, doch auch kritisch gehaltene Be-
sprechung meiner beiden Abhandlungen über den Ursprung des
russischen Nationalnamen und die indogermanische Urheimat
von Gregor v. Glasenapp las, die im Märzheft des Jahres 19i;j
in der von Mag. Alexander Eggers in Reval herausgegebenen
"Deutschen Monatsschrift für Rußland", einer populären Zeit-
schrift, erschienen ist. So sei denn als Ergänzung zu meinem
Artikel in IF. 1912, 31, 67—88 das folgende nachgetragen.
Vier Punkte sind es vor allem, die die normannistische
Schule ins Feld führt und die mit ihr auch Gregor v. Glasenapp
entgegenhält, die jedoch in meinen Augen nur einen einge-
schränkten Wert besitzen : 1. Nestors Zeugnis, 2. finnisch Äwotef,
3. Beanstandung einer Folgerung ex silentio und 4. die einstigen
doppelsprachigen Namen der Dnjeprstromschnellen. Zur Orien-
tierung verweise ich auf Villi. Thomsen "Der Ui-sprung des rus-
sischen Staates", übersetzt von Bornemann, Gotha 1879. Die
einschlägige Literatur ist groß; doch verlange ich vom Leser
zunächst nur die Kenntnis dieses kleinen, aber inhaltsreichen
Werkes, ohne welche ihm meine Einwände lückenhaft erscheinen
müssen. Es führt trefflich ein, wägt sine ira et studio ab, bringt
Zur i?MÄ» -Frage. 395
selbst viel neues und wirkt abschließend; es ist in Form wie
Inhalt ein Meisterstück der normannistischen Schule, das ihr
zum Siege verholten hat bis auf den heutigen Tag. Der Haupt-
teil desselben bewegt sich um die Frage nach der Nationalität
der Waräger, zu der die Frage nach dem Ursprung des rus-
sischen Nationalnamen nur einen untergeordneten Xebenteil
büdet. Erstere nannte ich kurz die Warägerfrage, letztere die
ßus&frage. In jener bin ich Anhänger der normannistischen
Lehre, in dieser Gegner. Hier interessiert uns nur die Eusifrage.
Zu 1. Nach der gewöhnlich (wenn auch fälschlich) unter
dem Namen Nestors gehenden altrussischen Chronik sind
nicht nur die Waräger selbst, sondern auch ihr Spezial-
name Riish skandinavisch-schwedischer, also germanischer Her-
kunft. Die Antinormannisten, deren slavischen Ursprung ver-
teidigend, verwerfen dies Zeugnis in beiden Teilen ohne ge-
nügenden Gegenbeweis, während die Normannisten es in vollem
Umfang gutheißen und allseitig zu stützen suchen, andere Mög-
lichkeiten abweisend und keine Scheidung zulassend. Ich sehe
darin Wahrheit und Dichtung, Wahrheit hinsichtlich der Natio-
nalität der Waräger, Dichtung bezüglich der Erklärung des Volks-
namens der slavischen Russen aus dem Germanischen, nehme
also an, daß Nestor in letzterem Fall sich getäuscht hat. Ich
tue das auf Grund von Erwägungen, deren Gewicht nicht leicht
genommen werden sollte. Erstens beruht Nestors Bericht auf
mündlicher Tradition. Werden mündliche Traditionen schon schief
beim Großvater, so gibt es keine reine von Geschlecht zu Ge-
schlecht, von Volk zu Volk, die sich auf Jahrhunderte bezieht
wie Nestors Angabe. Man darf sie daher nicht behandeln wie
beglaubigte schriftliche Dokumente und hat sie auf innere Kri-
terien hin zu prüfen, vreun äußere fehlen. Dasselbe gilt von
schriftlichen Quellen, die etwa in unserer Frage vorhanden waren
und von Nestor benützt worden sein könnten, da ja auch sie nur
der Ausfluß längerer mündlicher Überlieferung wären. Handelt
es sich nun um innere Wahrscheinlichkeit oder Unwahrschein-
lichkeit, so müssen wir in der Namenfrage ganz besonders miß-
trauisch sein. Denn zweitens entstehen Yolksnamen allmählich
und lassen sich kaum nach Jahrhunderten, geschweige denn wie
Personennamen nach Jahren datieren. Nach Nestor traten die
germanischen Rush, die dem von ihnen beherrschten slavischen
Volke ihren Namen gegeben haben sollen, um 862 zum erstenmal
396 F. Knauer,
in die Geschichte. Nimmt man ihn wörtlich, so war auch der
Name Bush vor dieser Zeit unbekannt. Das ist ein Irrtum ; denn
die Busb sind geschichtlich als Rhös schon 838 — 839 bezeugt
(vgl. w. u.). Haben sie schon damals, wie sicher anzunehmen
ist, über das slavische Volk in Rußland geherrscht, so muß auch
der slavische Volksname Riisb, der sich von Rhös nicht trennen
läßt, schon längst vor 862 bestanden haben. Es fragt sich also
nur, ob Rusb von Rhös oder Rhös von Rush stammt, was auf
die Frage hinausläuft, ob das slavische Rusb skandinavisch-
finnischen Ursprungs ist, wie die Normannisten glauben, oder
slavischen, wie ich hier mit den Antinormannisten denke. Drittens
stammen die ältesten Handschriften von Nestors Chronik ei*st
aus dem vierzehnten Jahrhundert und "jeder Abschreiber hat
nach Belieben im Texte Änderungen und Zusätze gemacht"
(Thomson S. 14), so daß die gegebene Namenerkläruug als sichere
weder Nestor noch einem seiner Vorgänger, sondern auch einer
weit späteren Zeit zugeschrieben werden kann. Von Avem sie
auch herrühren mag, wichtiger ist viertens, daß der Chroniksatz
"denn wie diese Waräger sich Russen nannten (hießen), so nennen
sich (heißen) andere Swieen und noch andere Normannen, Angeln,
andere Goten" (nach Kunik "Die Berufung der schwedischen
Rodsen", St. Petersburg 1844 ,Abt. I, S. 1) — in AVirklichkeit bloß
ein erläuternder Zusatz ist zu den Worten "sie gingen über das
Meer zu den Waräger-Russen". Er bildet eine sachlich über-
flüssige Parenthese, da mit 'Waräger-Russen*, d. h. Waräger, die
Russen waren oder hießen, im Grunde schon dasselbe gesagt
war. Er enthält eine abschweifende Verdeutlichung, wie sie
einer ruhig und fortschreitend erzählenden Chronik nicht ange-
messen ist. Ich bin daher fünftens geneigt, in ihm bloß einen
Gelehrtenzusatz zu erblicken, der grübelndem Nachdenken sein
Dasein verdankt und auf gar keiner fortlaufenden Geschlechts-
oder Volkstradition beruht. Er mochte der gleichen Folgerung
entsprungen sein, wie sie die Anhänger der skandinavischen
Theorie anstellen, nämlich, daß wenn die Rhös Germanen waren,
auch ihr Name germanischen Ursprungs sein müsse, ein Trug-
schluß, vor dem nicht genug gewarnt werden kann. Sind die
vorstehenden Erwägungen nicht hinreichend, Nestors Autorität
in allem in Zweifel zu .setzen, wie die Antinormannisten tun,
80 doch einzuschränken. Anders als beim Namen liegt die Sache
in der Nationalitätsfrage der Waräger. Weder Nestor noch sonst
Zur Bush-Frage. 397
ein Slave hätte auf den Gedanken verfallen können, die "Waräger,
die den russisch-slavischen Staat gegründet haben, seien schwe-
dische Skandinaven oder überhaupt germanische Xordmänner
gewesen, wenn es ihm nicht eine sichere Tradition vorgesagt
hätte, ohne -welche ihm der slavische Ursprung der Waräger als
natürlicher und selbstverständlicher erschienen wäre. Diese Seite
der Tradition spricht also schon für sich allein; sie trägt den
Stempel innerer "Wahrhaftigkeit an sich und würde überzeugend
bleiben, auch wenn sie nicht noch linguistisch und historisch
bestätigt werden könnte. Der spezielle Xame Rusb^Bhös dagegen
kann bloß das slavische Kleid der "Waräger sein und braucht
nicht aus ihrer germanischen Nationalität zu resultieren. "Ich
betrachte es deshalb", betont der kühl abwägende Normannist
Thomsen S. 94, "als einen großen Mißgriff der Anhänger der
nomiannistischen Schule, daß sie sozusagen Pulver und Schrot
verschAvenden mit dem Bemühen, Spuren eines skandinavischen
oder germanischen Stammes zu finden, von dessen nationaler
Benennung der Name Russen direkt herstammen könnte". Das
'deshalb' ist bei ihm freilich anders motiviert, als es in unserem
Zusammenhang erscheint. Er meint nämlich, daß weder die
alten Russen [= Waräger] noch ein anderer skandinavischer
Stamm sich selber Russen nannten, so vielmehr nur von anderen
Yölkem im Osten nach finnischem Vorgänge genannt wurden,
ähnlich wie die Deutschen von anderen nach keltischem Gepräge
den Namen Germani erhalten haben. Diese Ansicht des be-
rühmten Gelehrten, die er im Gegensatz zur normannistischen
Lehre durch Vergleiche annehmbar zu machen sucht, ließe sich
nur dann stützen, wenn nicht auch die Slaven selbst Rusi = Rhös
heißen würden, wenn also nicht zwei verschiedene Völker ein
und denselben Namen trügen. So etwas konnte nur bei enger
politischer Verschmelzung eintreten, wobei der eine Teil den
Namen des anderen überkam und dann beide Teile sich gleicher-
weise benennen konnten. Außerdem kann man sich, von Nestor
ganz abgesehen, auf Prudentius von Troyes berufen, der in den
Bertinischen Annalen unter dem Jahre 839 von einigen Be-
gleitern der griechischen Gesandten des byzantinischen Kaisers
Theophilus zu Ludwig dem Frommen berichtet, *sie sagten, daß
sie, d. i. ihr Volk, Rhös heiße' (misit etiam cum eis quosdam
qui se, id est gentem suam, Rhos vocari dicebant, s. Th. p. 43).
Nach Thomsen folgt daraus nur, daß sie Rhös von anderen ge-
398 F. Knauer,
nannt wurden, nicht aber, daß sie auch sich selbst so bezeich-
neten. Mag man das vocari pressen, in suam und der ganzen
Ausdrucksweise liegt aber zweifelsohne auch eine Selbstbezeich-
nung. Zwischen Thomsen und seinen normannistischen Gegnern,
die in der angezogenen Stelle mit Recht eine Selbstbenennung
erkennen, aber den falschen Schluß daraus ziehen, daß dann
auch der Name Rhös wie das Volk, das ihn trägt, germanisch-
schwedischer Herkunft sei, möchte ich dahin vermitteln, daß
ich sage: die Rhös, die national zu den Skandinaven gehörten,
aus Skandinavien oder sonstwo aus dem Norden in Rußland
eingedrungen und dort bereits um 839 als herrschender Yolks-
teil ansässig waren, haben bei ihrem engen Zusammenleben mit
den Slaven deren slavischen Namen Rush (aus *Rqsh, *'ro?)sä) in
Form von Rhös angenommen, weshalb die Rhös der Bertinischen
Annalen, die ja aus Rußland gekommen waren, mit Fug und
Recht sich selbst auch so nennen konnten, wie sie von anderen
genannt wurden. Nicht also folgt aus der Selbstbezeichnung
Rhös, daß sie Slaven waren (gegen die Antinormannisten), noch
daß ihr Name germanischer Herkunft ist (gegen die Norman-
nisten), wie auch aus der Nichtselbstbenennuug nicht folgen
würde, daß die Slaven ihren Namen Rusb von auswärts erhielten
(gegen Thomsen) und ihn nicht vielmehr selbst aus dem Schatz
ihrer eigenen Sprache geschöpft hätten (meine Meinung). Man
scheide also stets streng zwischen Volk und seinem Namen.
Beide können ebenso verschiedenen wie gleichen Ursprungs sein,
wofür wir in beider Hinsicht zahlreiche Beispiele haben. Ich
kann in diesem Punkt der normannistischen Lehre kein Vor-
recht einräumen und beanspiiiche für meine das gleiche Recht
*Der gewichtigste Grund der Antinormannisten', sagt Thomsen
S. 94 in anerkennenswerter Offenheit, "liegt in dem Namen Russen
selbst; und wir müssen gestehen, daß die Verfechter der auch
von uns vertretenen Theorie bisher nicht im Stande gewesen
sind, die mit diesem Namen verknüpften Schwierigkeiten auf-
zuklären". Warum er trotzdem, obschon mit einer gewissen Unent-
schlossenheit, an der skandinavischen Ableitung dieses Namens
festhält, wird aus dem folgenden ersichtlich. Wie steht es nun
mit dieser Ableitung?
Zu 2. Nach der normannistischen Anscliauung stammt
das slav. Rtish, vermittelt durch finn. Ruossiy vom finn. Rmtsi
'Schweden* als Volk und Land = estn. Rötsi^ Röts^ liv. RuotM,
Zur i?M»»-Frage. 399
Rüotsli^ und dieses allgemein nordfinnische Wort vom schwed.
Röds in der Bedeutung 'Ruderer, Seefahrer'. Allseitig begründet
ist sie von Kunik und weiter gestützt durch Thomsen in ihren
bereits erwähnten Werken. Drehte sich bei der Ableitung Riish
aus Ruotsi die Kernfrage bloß um die Angleich ung des t an 8,
wonach also finn. Ruotsi zu finn. Ruossi, Ruosi und dieses zu
slav. Rtish werden konnte, so kämen wir bald vorwärts. An
sich ist diese regressive Assimilation in beiden Sprachen mög-
lich, so daß man für slav. Rusi nicht einmal eine finnische
Übergangsform Ruossi vorauszusetzen brauchte, sondern es auch
direkt aus Ruotsi ableiten könnte; doch haben wir hiefür im
Russischen kein sicheres Beispiel {pyciiü 'dunkelblond, hell-
braun' darf nicht angezogen werden); auffallend aber bleibt
immerhin, daß finn. Ruossi aus Ruotsi nach Kunik, der weit
herumgefragt hat, nur in dem Landstrich bei Wiburg vor-
kommt, also bloß in einem kleinen Winkel der gesamten großen
nordfinnischen Sprachgruppe incl. Estnisch, Livisch und Lappisch.
Kunik hat es sich noch besonders angelegen sein lassen, auch
speziell im Estnischen ein Rössi {Rösi, Rös) aus Rötsi {Rots)
nachzuweisen und hat keins gefunden. Meines Wissens blieb es
auch bis auf den heutigen Tag unentdeckt. Fände es sich
trotzdem noch, so müßte estn. Rössi wie finn. Ruossi außerdem
noch vor 862 datiert werden, da beide ja das slav. Rusb ver-
anlaßt haben sollen und dieses nach Nestor schon seit dieser
Zeit bestand, nach den Bertinischen Annalen sogar noch früher,
wie wir oben gesehen haben; ein Übergang von Ruotsi — Rots
in Ruossi — Rös in späterer Zeit würde also für slav. Rusi nichts
abgeworfen haben und somit auch nichts beweisen. Wollen wir
immerhin diesem Lautumstand keine entscheidende Bedeutung
beimessen, so haben wir doch Grund genug, an ihm nicht
gleichgiltig vorbeizugehen. Daß altschwedisches geschlossenes ö
zu estn. ö, finn. und liv. uo und dieses zu slav. u werden konnte,
wäre ein durchaus naturgemäßer Lautübergang. Auch ließe sich
das r unseres Wortes für alle Sprachgruppen, die germanische,
finnische und slavische, als das ursprünglich gleiche ansetzen.
Besonders ernste Schwierigkeiten dagegen bereitet das 8 in
Rmtsi — Rots— Röds. Bei der gegebenen Etymologie muß es
Genetivzeichen sein, das sich aus Zusammensetzungen wie Rods-
karlar oder Rods-mmn 'Ruderleute, Seefahrer' erklären würde.
Die Finnen hätten dann nur den ersten Teil des Kompositums
^00 F. Knauer,
festgehalten, also etwa ein ursprüngliches Ruotsalainen in Ruotsi
verkürzt, wobei sie demnach den zweiten Teil des notwendig
vorauszusetzenden schwedischen Kompositums -karlar oder
-menn gar nicht in den Mund genommen hätten. Die Annahme,
ein Genetiv Singularis habe den Stamm für den Namen abge-
geben, erscheint so sonderbar, daß sie Kunik schließlich mit
veranlaßt hat, seine Ableitung aus dem Skandinavischen ganz
zu opfern und dafür eine aus dem Gotischen vorzuschlagen,
die sich lautlich freilich auch nicht halten läßt. Thomsen sucht
die alte zu retten, indem er ein Beispiel — das einzige? —
anführt wie finn. riksi 'schwedischer Keichstaler* für schwed.
riks-dalar^ ohne übrigens das Bedenkliche solcher Erklärung zu
verkennen. Dazu kommt meiner Ansicht nach vielleicht noch
das Schlimmste, daß nämlich Röds als Gen. Sing, ein Abstraktum
sein, also etwa Rods-menn ursprünglich 'Ruderungs- oder Schiff-
fahrtsleute' statt 'Ruder- oder Schiffsleute' bedeuten soll; die
Finnen hätten dann unter Weglassung des zweiten Komposi-
tumsteils das Abstraktum in ein Konkretum verwandelt, dem
ein Monstrum von Kompositum aus einem schwed. Röds in
auch ihnen noch verständlicher appellativer Bedeutung und einem
eigenen finnischen Appellativum etwa lainen^ da ja karlar oder
menn nicht mit herübergenommen sein soll, zeitlich voran-
gegangen wäre. Ich bezweifle durchaus die Natürlichkeit ähn-
licher Sprachvorgänge. Wohl meint Thomsen (S. 100 Anm.):
"Im nördlichen Norwegen bezeichnet noch Rössfolk {Rörs- oder
Röds-folk) Fischer, die sich während der Fischzeit an der
Küste versammeln; Singular dazu ist i?dss-Ä*ar oder -waw". Aber
einmal sind ja hier beide Kompositumsteile skandinavisch und
sodann hat sich diese Bezeichnung, ihre vorübergehende, zeit-
weilige, zufällige appellative Bedeutung wahrend, zu keinem
Volks- oder Stammnamen verdichtet. Das höchst Erzwungene
in der Laut- und Formenerklärung der Normannisten geht auch
aus den folgenden Bemerkungen Kuniks hervor (S. 89 ff.) : "Die
Esten haben für die Schweden fast denselben Namen, welchen
die aus der mittleren Wolgagegend nach Ungarn eingewanderten
finnischen Magyaren den slavischen Russen von jeher gaben.
Es heißt nämlich der Russe bei den Magyaren mit einem
orientalisch-euphonischen Anlaut oroi^z (lies ora*« mit mehr ge-
dehntem als kurzem Vokal). Gleich wie die unter Oleg bei
Kiew vorbeiziehenden Magyaren die Russen nach einer Form
Zur i?M«»-Frage. 401
benennen, die ursprünglicher als das finnisch-slavisciie Riisb
ist, so haben auch offenbar die Esten unmittelbar aus dem
Munde der Schweden vernommen, wie diese sich selbst nannten."
Wäre das nicht die Frucht einer vorgefaßten Meinung, so müßte
man über den geringen Scharfsinn staunen, den Kunik hier
im Gegensatz zu sonst offenbart. Klingt schon das 'fast' schlecht,
so will das 'den slavischen Russen von jeher* wenig zu seiner
Theorie stimmen, und das 'ursprünglicher' schlägt ihr direkt
ins Gesicht. Die Voraussetzung war lautlich : slav. Ritsi ist ver-
mittelt durch das vereinzelt vorkommende finn. Ruossi aus all-
gemeinem Riiotsi von schwed. Röds ; historisch : die slavischen
Russen haben ihren Xationalnamen von den Schweden durch
Yermittlung der Nordfinnen erhalten. Jetzt muß angenommen
werden lautlich : die Ostfinnen haben ihr urus. oros, magy. orosz
direkt aus schwed. Röds^ also unvermittelt durch nordfinn. Ruofsi.
gebildet und zwar lange bevor letzteres zu finn. Rtwssi und
slav. Rusi geworden ; historisch : die Ostfinnen standen wie die
Nordfinnen in unmittelbarer Berührung mit den Schweden,
hörten von diesen *Röds' und übertrugen es in eigener Laut-
form auf ihren slavischen Nachbar. Es fehlt nur noch der
Schluß : die slavischen Russen haben ihren Yolksnamen keines-
wegs durch die Nord-, sondern durch die Ostfinnen erhalten.
Und doch ist ganz klar, daß lautlich das ostfinnische urus, oros,
magy. orosz einfach dem slavischen Rus^ nachgebildet ist und
daß in solchem Fall historisch die Ostfinnen das slavische Volk
und Land unter dem Namen Ri(Sh schon vor und wohl schon
lange vor der Gründung des russischen Staates durch die nor-
mannischen Waräger um 862 gekannt haben müssen. Es hat
doch alle Wahrscheinlichkeit für sich, daß die Magyaren, die
sich schon gegen Ende des 9. Jahrhunderts in Ungarn fest-
setzten, nicht zum ersten mal etwas von dem slavisch-russischen
Volke gehört haben, als sie unter Oleg (879—912), dem Nach-
folger Ruriks (862—879), des Begründers des russischen Staates,
an Kiew vorbeizogen, sondern von demselben auch schon an
der Wolga, wie ihre dortigen Stammesbrüder, gewußt haben
und zwar eben unter dem Namen Riish = orosz, oros, tirus\ in
diesem Sinne nehme ich das Kuniksche 'von jeher' gern an.
Es bleibt fest: ostfinn. urtis — oros — orosz hat nichts mit nord-
finn. Ruotsi — Ruossi zu tun, ist als aus slav. Riisi geboren jünger
als dieses, aber mindestens bis auf 862 zurückreichend: slav.
ladogermanische Forschungen XXXIII. 27
402 F. Knauer,
JRusb = Bhos der Bertinischen Annalen um 838 — 39 ist um
Jahrzehnte älter als der russische Staat (vgl. oben), älter auch
als nordfinn. Ruotsi und schwed. Röds, die ja nach Nestor und
der normannistischen Lehre geschichtlich nicht vor 862 bestehen
konnten ; folglich läßt sich bei 'Rusb' weit eher auf einen ein-
heimischen, d. i. slavischen Ursprung schließen, als auf einen
fremden. Zu meinen Gunsten würde sich aus urus — oros — orosz
— Rusb noch geographisch ergeben, daß die ältere slavisch-
russische Heimat in die engere Nachbarschaft der Ostfinnen
gerückt werden darf, also viel näher zur Wolga hin, als wir
sonst gewohnt sind anzunehmen. Wer trotz all der erhobenen
und gewiß nicht unberechtigten Einwendungen in lautlicher^
formeller und anderer Beziehung an der normannistischen Theorie
von dem skandinavischen Ursprung des Namen Rusb nicht
Anstoß nehmen möchte, hat sich auch noch mit unglaubhaften
sachlichen Dingen abzufinden. Die Annahme ist, die schwedi-
schen Waräger hätten sich selbst 'Ruderer, Seefahrer* genannt.
Wo gibt es aber ein Volk, das sich in alter Zeit nach einer
Beschäftigungsart selbst etwa als Fischer, Jäger, Viehzüchter,
Ackerbauer u. dgl. bezeichnet hätte? Auch psychologisch er-
scheint mir das unwahrscheinlich. AVohl aber konnte ihm einen
derartigen Namen ein anderes Volk beilegen, wie wenn z. B.
Griechen unter skythischen Völkern Anthropo- oder Andro-
phagen aufzählen. So wäre gut denkbar, daß die seefahrenden
Waräger zwar keinen Anlaß hatten, sich selbst als Volk 'See-
fahrer' zu bezeichnen, so aber von den Finnen genannt wurden;
wenn jedoch so, dann nur in ihrer eigenen Sprache. Nun aber
läßt sich Ruotsi in der Bedeutung 'Ruderer' nicht aus dem
Finnischen erklären. Es bleibt daher vorauszusetzen, die Finnen
hätten ein unverstandenes schwedisches Appellati vum zum Eigen-
namen gestempelt, was wiederum ganz und gar unwahrschein-
lich ist. Wir können nur schließen: entweder ist Ruotsi als
Name der Waräger ein finnisches Wort von unbekannter Ur-
bedeutung, oder es kommt von schwed. Röds als Stammname
dieser Waräger, dessen Urbedeutung ebenfalls unbekannt, keines-
wegs aber 'Ruderer' oder 'Seefahrer' gewesen ist. Im ersten
Fall, wenn also die Finnen selbst einen Namen für die skandi-
navischen Waräger erdacht hätten, wären sie wohl ähnlich
verfahren, wie die schwedischen Lappen, die einen Schweden
nicht Swensk oder — nach Kuniks voreiligem Ansatz —
Zur i?«s»-Frage. 403
'Rodsen' nennen, sondern in eigener Sprache tarolats, taro 'Kauf-
mann' oder laddelats 'Landbewohner'. Erst später ging auch
auf sie die finnische Bezeichnung der Schweden und Schwedens
über in der Form Buotheladz und Fuothi (hier also mit pro-
gressiver Assimilation), wie ähnlich bei den russischen Lappen
die herkömmliche Bezeichnung der russischen Slaven durch
'Karjel, Karelier' auch einem Ruoscha Platz gemacht hat (so
nach Kunik S. 95); Ruoscha ist aber natürlich dem slav. Rusi
und nicht dem finn. Ruotsi nachgebildet. Im zweiten Fall, wenn
also die Schweden den Namen geschaffen haben, dürften wir
mit Fug und Recht erwarten, daß Röds als Stammname der
Waräger, die so tief in die Geschichte einschnitten, nachge-
wiesen werden könnte, was bis jetzt nicht möglich war und
auch kaum je gelingen wird (vgl. w. u.). Es wäre nicht müßig
sogar noch zu fragen, daß wenn die Slaven sich Rush nach
dem schwed. Röds nannten, warum die Finnen nicht gleichfalls
denselben Namen in der Form Ruotsi sich auch selbst beilegten ;
sollen doch nach Nestor sie gemeinsam mit den Slaven die
*Waräger-Russen', d. h. nach der normannistischen Lehre die
schwed. "Rodsen' berufen haben und waren von den "Warägern
jedenfalls ebenso beherrscht wie die Slaven. Ein solcher poli-
tischer Name auch für die finnischen Stämme, neben welchem
einzelne Stammnamen bestehen konnten, hätte um so näher
gelegen, als ja gerade das slav. Rusb durch das finn. Ruotsi
vermittelt sein soll. Schließlich aber ist es ganz unnatürlich
und gewiß beispiellos, daß ein Volk (hier das slavische) sich
selbst einen Nationalnamen auswärtiger Herkunft (hier skan-
dinavisch-schwedischer) sogar noch durch Yermittelung eines
dritten völlig stammfremden Volkes (hier des finnischen) an-
eignete. Das ist wohl mit ein Grund, weshalb Thomson Rhös
gar nicht als Selbstbezeichnung der Waräger anerkennen, viel-
mehr es als finnische Benennung eines skandinavisch-schwedi-
schen Volkes 'Röds' in Form von 'Ruotsi erklären möchte nach
Analogie von keltischem 'Germam für 'Deutsche' (vgl.o.); nichts-
destoweniger soll auch nach ihm das finn. Ruotsi nichts anderes
sein als das schwed. Röds in der Bedeutung 'Ruderer', ur-
sprünglich *Ruderung'. Warum er in der angezogenen Parallele
nicht dann auch *Germani' für ein Wort deutscher Herkunft
ansieht? Nach all den angestellten Erwägungen, die sich noch
weiter ausdehnen ließen, kommen wir zu dem Schluß, daß wir
27*
404 F. Knauer,
uns in offenkundigen Widersprüchen und unglaubwürdigen
Voraussetzungen verwirren, so lange wir an der normannistischen
Lehre festhalten.
Zu 3 bemerkt Gr. v. Glasenapp: "Der Umstand, daß
man keinen Warägerstamm namens Riish hat auffinden können,
d. h. die Folgerung ex silentio, würde Nestors Angabe nur dann
suspekt machen, wenn uns die Namen aller übrigen skandina-
vischen Stämme bekannt wären". Das läßt sich hören ; so un-
gefähr schließen auch die Normannisten. Doch ist die Frage
nicht, ob alle Staramnamen auf uns gekommen sind und keiner
für die Geschichte verloren ging, sondern nur, ob unter den
uns überlieferten ein Röds sich befindet oder nicht. Hier muß
ich einschalten, daß ich Röds überall mit einem Sternchen ver-
sehen müßte; denn Röds ist bloß eine erschlossene Form auf
Grund einer unbewiesenen Etymologie (s. o.). Auf der Suche
nach dem angeblichen skandinavischen Yolksstamm Röds hat
man dieses 'Röds' auch einfach durch Rös, was = griech. Rhös
wäre, ersetzt in der offenbaren Voraussetzung, daß wenn Ros
(Rös) als schwedischer Stammname begegnete, er unbedingt auf
Röds zurückgehen müßte: wiederum ein seltsamer Schluß.
Man hat nun nach Rods^ Ros die nordischen Sagen befragt,
daraufhin auch die skandinavische und schwedische Geschichte,
Geographie und Ethnologie von den ältesten Zeiten bis auf die
Gegenwart durchaus studiert; und wenn bei all den vor-
handenen reichen Quellen schließlich nur 'Roslagen* als Name
der Küste der schwedischen Landschaft Upland, die dem finni-
schen Busen gerade gegenüber liegt, heraussprang, dieser Name
aber nach Thomsons freimütigem Zugeständnis "zu jung ist,
um in Betracht zu kommen", so gewinnt eine diesbezügliche
Folgerung ex silentio ein besonderes Gewicht, zumal wenn wir
als Ersatz für das fehlende schwedische Rods, Ros ein slavisches
Rush entgegenstellen können, das in mancherlei Formen auf
slavischem Gebiete von der Wolga bis nach Ungarn hinein
verbreitet ist und war und im Ostfinnischen das nrus, oras^
raagy. orosz sicher dem slav. Rush entstammt und nicht weder
direkt noch indirekt auf schwed. Rods oder Ros zurückgeht,
(vgl. 0.). Auch die Normannisten vollziehen eine Folgerung ex
silentio, wenn sie meinen, 'Rods' oder 'Ros' sei bloß zufällig
abhanden gekommen; doch halte ich meine für stärker, die
sich hier mit der der Antinormannisten berührt. Thomsen er-
Zur i?M«»-Frage. 405
kennt gern an (S. 94), daß kein skandinavischer Stamm Rusb
anzugeben ist ; dennoch möchte er der normannistischen Doktrin
dadurch beispringen, "daß es ebenso wenig möglich ist einen
slavischen Stamm nachzuweisen, dem jener Name von Haus
aus zukam; denn die Versuche, dies zu beweisen, sind nichts
als luftige Vermutungen, die vor dem Auge eines streng wissen-
schaftlichen Eichters keine Gnade finden". Er hatte leider Recht
mit seiner Verurteilung; Unrecht aber täte er, auch meinen
Erklärungsversuch unter die Kategorie 'luftiger Vermutungen'
zu bringen. Dieser Versuch mag sich als falsch erweisen;
unwissenschaftlich aber dürfte man ihn so wenig nennen wie
den normannistischen. Freilich ist kein Stamm unter den Slaven
nachzuweisen, dem 'jener Name von Haus aus zukam'. "Wenn
ich mir aber vorstelle, daß Rush als slavischer Nationalname
seine Entstehung einem geographisch genau bestimmbaren Fluß-
gebiet verdankt, das seinen Anfang an der oberen bis mittleren
Wolga genommen hat und durch Flußnamenübertragungen
parallel der weiteren Ausbreitung oder Verschiebung des slavi-
schen Russenvolkes ausgedehnt worden ist und zu Beginn der
russischen Staatsgeschichte bereits von Alt-Nowgorod bis Kiew
reichte, so daß dieses Gebiet eigentlich *Flußland' und als
Eigenname 'Rußland' hieß und darnach vor allen die slavische
Grundmasse der Einwohner sich 'Russen' nannten, so glaube
ich damit nichts Ungeheuerliches zu denken; die Möglichkeit,
das "Wort Rtisi aus dem Slavischen abzuleiten, die Thomsen
noch nicht zugeben wollte, ist damit jedenfalls gesichert und
die Folgerung aus dem skandinavischen Schweigen erhält eine
positive Seite.
Zu 4. Die normannistische Schule verweist mit Nachdruck
auch auf die doppelsprachigen Namen der Dnjepi-stromscbnellen
und Gr. v. Glasenapp betrachtet meine diesbezügliche Erklärung
geradezu als die 'Achillesferse' an meiner Arbeit. Ich fürchte
sie nicht, diese 'Achillesferse'; ich müßte sie fürchten, wollte
ich mit verbohrten Antinormannisten die germanische Nationa-
lität der Waräger leugnen, die durch die neben den 'slavischen'
bestehenden 'russischen' d. i. germanischen Namen der Dnjepr-
stromschnellen aufs unzweideutigste erwiesen ist. Kaiser Kon-
stantin Porphyrogennetos berichtet nämlich in seinem Werk
über die Verwaltung des griechischen Reiches um 950 u. a. "von
den Rhös, die aus Rußland mit ihren Booten nach Konstantinopel
406 F. Knauer,
kommen", und führt bei Beschreibung ihrer jährlichen Dnjepr-
fahiten auch die Namen der hinderlichen und gefährlichen
Stromschnellen südlich vom heutigen Jekaterinoslaw in zwei
Sprachen an, in "russischer' und 'slavischer', von denen die
erste, wie eine Analyse ergibt, dem Nordgermanischen, die
zweite dem heutigen Russisch entspricht. Aus Konstantins Be-
richt geht hervor, daß die germanischen Rhös im slavischen
Rußland wohl eine Art Wandervögel waren, die jedoch bekannt-
lich immer wieder heinikehren, nicht aber bloße Durchzügler,
die nimmer wiederkommen, waren vielmehr fest in Rußland
angesessen, herrschten über die dortigen Slaven und hatten um
950 noch nicht ihre Muttersprache vergessen. Weiter läßt sich
aus ihm schließen, daß ihre germanische Sprache sich zur
slavischen verhielt wie Herrensprache zur Volkssprache, ähnlich
wie Livländisch-deutsch zu Estnisch und Lettisch. Das ergibt
sich auch aus der Stellung der Doppelnamen, wo als erster
stets der 'russische', d. i. nordgermanische, angeführt wird, ein
Zeichen von Selbstbewußtsein der erzählenden germanischen
Rhös\ nur bei der ersten Stromschnelle wird zwar auch 'russisch'
vorangestellt, jedoch der von Konstantin als 'russisch und
slavisch' bezeichnete gemeinsame Name bloß in slavischer Form
erwähnt, woraus sich übrigens einfach folgern läßt, daß das
germanische hier zufällig unterdrückt ist oder, was wahrschein-
licher ist, in seinem Lautbestand dem griechischen Ohr ähnlich
wie der slavische klang (vgl. Thomsen S. 61 ff.). Verhielten sich
aber 'russisch' und 'slavisch' zu einander wie Herren- und
Volkssprache, so liegt auch nahe, die 'russischen' Namen als
Übertragungen aus dem Slavischen anzusehen, nicht umgekehrt.
Man beachte außerdem, daß Namen wie 'schlaf nicht* oder
'Nimmersatt*, die von Thomsen zweifellos richtig gedeutet sind,
in Satzform mit einem Anflug poetischen Gehaltes erscheinen,
wie sie das einfache Volk zu bilden liebt. Einer von beiden
Teilen muß übertragen haben; wer möchte glauben, daß der
Knecht übersetzt hat und nicht der Herr? Und der Herr hatte
in unserem Fall guten Grund dazu; hatten doch die slavischen
Namen noch durchsichtige appellative Bedeutung und mußte
er doch die betreffenden Stellen in Schweiß und Not passieren,
80 daß sie außerordentlichen Eindruck auf ihn machten, die
charakteristischen Namen sowohl wie die gefährlichen Stellen.
Erfahren wir nun aus Konstantins Werk so mancherlei von
Richard Günther, Griechische Miszellen. 407
den Rkös, so doch nichts von der Herkunft ihres Namen; was
wir aus ihm für letztere gewinnen wollen, beruht daher nur auf
Schlüssen. Xach meinen Erwägungen gab es nicht bloß germa-
nische Bhös, sondern auch slavische ( = i?Ms&); beide hatten einen
gemeinsamen Namen, was sich zwar nicht ethnologisch, wohl
aber politisch-staatlich sehr gut verträgt. Wenn bei Konstantin
zwischen 'russisch* und 'slavisch' geschieden wird, so liefert
das keinen Beweis für die Behauptung, die Slaven könnten
nicht gleichzeitig 'Bush' geheißen haben, wenn die Germanen
'Bhös' hießen, weshalb denn auf den germanischen Ursprung
des Namen Bhös geschlossen werden müsse, während doch
die germanischen "Waräger auch das slavische 'Busi' in Form
von 'Bhös' annehmen konnten, also, ohne zunächst ihr Wesen
einzubüßen, sich bloß fremd kleiden mochten, wie Deutsche als
*Livländer' und viele andere ähnlich. Daß sie ihr altes ger-
manisches Gewand 'Waräger' gegen ein neues slav. Bust> = Bhös
eintauschten, lag in ihren neuen Lebensverhältnissen begründet,
wie auch, daß sie später unter der erdrückenden Majorität der
Slaven slavisiert wurden, also neben einer äußeren AYandlung
noch eine innere durchgemacht haben.
Die voi"stehenden Bemerkungen heben die Kehrseite nor-
mannistischer Betrachtungsweise hervor. Ich halte sie für wert,
beachtet zu werden. Sie warnen vor eingefleischten Meinungen
und wollen deren Sicherheit ins Wanken bringen, was freilich
außerordentlich schwer ist, da diese längst in Handbüchern und
Encyklopädien festgelegt sind. Übte ich übrigens an der nor-
mannistischen Schule nur negative Kritik, so wäre ich nicht
viel weiter gekommen, als das bunte antinormannistische Lager;
daher wolle man neben ihr nicht auch meine Ersatz bietende
Position verkennen, wie ich sie zum Teil hier, vor allem aber
in meinen früheren Abhandlungen kund getan.
Jena. R Knauer.
Griechische Miszellen.
I.
Die Herkunft des äolischen Optativs.
Nach Choiroboskos waren die mit ei gebildeten Optativ-
formen des aktivischen c-Aorists (tuij^eia, Tuij;eiac, Tuij/eie, rüxiiei-
fiev, TUM^eiav) vor allem bei den Äoliern üblich, daneben auch
408 Richard Günther,
(in der 2. und 3. Sing.) bei den Athenern (vgl. die Zeugnisse
bei Meister Die griech. Dial. 1, 188 f.). Zu dieser Nachricht stimmt
das, was sich aus unseren literarischen und inschriftlichen Quellen
ergibt, nur ungefähr. Zwar für das Ionisch-Attische finden
wir die ei-Formen in der Tat von Homer an reichlich neben
der Bildung mit ai belegt, für das Attische im besonderen aller-
dings bloß in der Literatur, während die Inschriften bisher nur
ai-Optative bieten (vgl. Kühner-Blaß 2, 73 f.); die äolischen
Dichter dagegen verwenden lediglich Formen mit ai (s. Meister 1,
188, Hoffmann Die griech. Dial. 2, 5691), und nur auf der Inschrift
von Eresos IG. 12, 2, 527 scheint in dem bei Hoffmann 2 Nr. 121
übergangenen bjiabeHeie Z. 57 eine 'äolische' Form vorzuliegen.
Sicher bezeugt ist die ei-Bildung für das Elische durch Kana-
pauceie SGDI. 1152, 2 und dbeaXTujhaie auf dem Amnestiegesetze
(Solmsen Inscr. sel.^ Nr. 43), mag man nun das aie dieser zweiten
Form als Verquickung von €ie und vorläufig allerdings noch
nicht als elisch belegtem ai deuten (so vermutungsweise Solmsen
Rh. Mus. 59, 169) oder im a des Diphthongen den graphischen
Ausdruck für offenes elisches e erblicken (vgl. uctapiv Z. 8 der-
selben Inschrift). Weiter bietet das Gortynische neben über-
wiegenden ai-Formen wie FepKcai, pnKcaiev usw. (vgl. die Zusam-
menstellung bei Kieckers Die lok. Verschiedenh. im Dial. Kretas
S. 70 f.) zwei äolische Optative: FepKCiev SGDI. 4982, 7 und
öiaXuciav 5004, 9. Das Mittelkretische scheidet sich damit vom
übrigen Dorisch, das durchgehends Formen mit ai verwendet
(denn Alkmans crdceiev Fr. 5, 47 Hiller-Crusius braucht nicht
lakonisch zu sein, s. Thumb Handb. d. griech. Dial. S. 82).
Schließlich ist auch das vielbehandelte öiaKuuXucei der
tegeatischen Bauinschrift (SGDI. 1222 Z. 6/7) vielfach als äoUscher
Optativ angesprochen worden, und Wackernagel rechnet Verm.
Beitr. zur griech. Sprachk. S. 46 sogar mit der Möglichkeit, daß
sich die gleiche Bildungsweise der 8. Sing. Opt. Aor. aus der
literarischen Überlieferung nachweisen lasse. Neuerdings neigt
man indes mehr anderen Deutungen zu: Hoffmann 1, 261 und
Bück Class. Rev. 19, 246 f. vermuten in der Form den Ind. Fut,
Jacobsthal IF. 21 Beiheft S. 105 f. und Hermann Die Neben-
sätze in den griech. Dialektinschr. S. 37 einen kurzvokalischen
Konj. Aor.
Die Bedenken der ebengenannten Forscher gegen die opta-
tivische Auffassung sind begreiflich. Einmal steht eine optativische
Griechische Miszellen. 409
3. Sing, auf ei ganz isoliert im Griechischen da ; denn die von
Wackernagel aus der Literatur herangezogenen Parallelen sind,
wie sich dieser selbst keineswegs verhehlt, ohne sichere Grewähr.
Dann aber ist es auch immerhin auffallend, wenn der Verfasser
der Inschrift beinahe in demselben Atem neben der Form mit
ei den mit normalem ai gebildeten Optativ qpGepai gebraucht.
Leider sind nur auch die anderen Deutungen nicht unanfechtbar.
Gegen die futurische Auffassung, für die besonders Bück ein-
getreten ist, läßt sich einwenden, daß dann in dem Kondizional-
satze ei be TroXeinoc öiaKUjXucei xi tujv e'pYUJV tuiv ecöoGevTuuv f|
Tujv ripYac|uevujv ti qpGepai eine Art des Moduswechsels vorläge,
für die weder Bück noch Hermann a. a. 0. Entsprechendes aus
dem Griechischen beizubringen vermögen; die beiKühner-Gerth 2,
480 Anm. 10 und Stahl Krit.-hist. Synt. S. 404, 2 angeführten
Fälle, in denen Optativ mit Ind. Fut. wechselt, sind sämtlich
von anderer Art. Bei konjunktivischer Auffassung aber kommt
erstens öiaKiuXOcei unmittelbar hinter nacktem ei zu stehen. Nun
kennen Avir ja allerdings auch aus dem Altarkadischen (s. Hermann
a. a. 0. 36) einen sichern Fall dieser vor allem in nordwestgrie-
chischen Urkunden nicht seltenen Verbindung (vgl. Hermann
S. 9, 16, 29, 30, 31, 32, 33, 35, 38 sowie S. 277ff.): aber gerade
die Bauinschrift setzt bei konjunktivischem Ausdruck sonst pein-
lich ei (k') av (vgl. Hermann S. 36 f.. Hoffmann 1, 315 f.). Ferner
zeigen die von Hermann aus den anderen griechischen Gebieten
mitgeteilten Fälle von Wechsel zwischen Konjunktiv und Optativ
(S. 11, 19, 28, 33, 34), daß, wenn zuerst ein Konjunktiv steht,
der Nebensatz durchgehends mit ei (ai) -|- av (kc, Ka) beginnt,
bei bloßem ei, ai aber stets ein Optativ an erster Stelle erscheint.
Endlich aber — und das wiegt wohl am schwersten — wird
bei konjunktivischer Deutung für das Arkadische eine kurz-
vokalische Bildung des Konj. Aor. vorausgesetzt, die diesem
Dialekte im übrigen ganz fremd ist (vgl. die Beispiele bei
Hoff mann 1, 260, Thumb Griech. Dial. 277).
So kämen wir schließlich doch wieder auf die optativische
Auffassung zurück, die auch dadurch empfohlen wird, daß die
Möglichkeit der Störung des Baues durch kriegerische Ereignisse
auf Z. 13 derselben Inschrift ja auch durch die optativische
Wendung ei ... 6 . . iroXeiioc öiaKouXuoi angedeutet wird. Das
nahe Beieinander zweier Formen mit ei und ai jedoch, woran
Bück vor allem Anstoß genommen hat, erklärt sich vielleicht
410 Richard Günther,
SO, daß der Verfasser der Urkunde (oder der Steinmetz) bei der
zweiten Yerbalform, die e im Stamme hat, aus einem unwillkür-
lichen dissimilatorischen Triebe heraus von den beiden Bildungs-
weisen des Opt Aor., die ihm seine Mundart gleich dem Atti-
schen zur Verfügung stellte, die mit ai bevorzugte.
Während der ai-Optativ zu dem schließlich im Griechischen
entwickelten Schema des c-Aoristes stimmt und demnach erst
in der Zeit gebildet ist, in der man bereits a als charakteristischen
Vokal des Aorists empfand (also etwa Ypavpaiiaev neben dTpo:vpa^ev
wie Ypa^poiinev neben dYpdcpoiaev), fällt der äolische Optativ mit
seinem Vokalismus dermaßen aus diesem Schema heraus, daß
man ihn durchgehends als eine ganz für sich stehende, uralte
Bildungsweise aufgefaßt hat, deren Wurzeln bis in die Grund-
sprache zurückreichen. Von den Deutungsversuchen aus neuerer
Zeit, deren mir im ganzen vier bekannt geworden sind, haben
nur zwei, der Brugmannsche und Wackernagelsche, Anklang
gefunden. Die beiden anderen von Bechtel und Walker sind,
soweit ich sehe, von niemandem angenommen worden: in der
Tat halten sie der Kritik am wenigsten stand.
Bechtel geht Nachr. d. Gott. Ges. d. Wiss. 1888, 403 ff. von
der arkadischen 3. Sing. biaKuuXucei aus ; in ihrem Ausgange findet
er ein mit dem Moduszeichen l erweitertes Element -ce-, das
ursprünglich den Ton getragen habe und dem Suffix des 7. ai.
Aorists (ved. dhuksdn, dhuk$dnta^ dhukßäsva, s. Whitney A Sanskr.
Gramm. § 916 ff.) entspreche. Gegen diese Erklärung ist einzu-
wenden, daß sie
1. gerade diejenige der griechischen €i-Bildungen zurGrund-
lage nimmt, deren optativischer Charakter nicht allgemein aner-
kannt ist,
2. die anderen Ausgänge des äolischen Optativs (eia, eiac,
€16, €iav) unerklärt läßt,
3. einen altindischen Aoristtypus heranzieht, dessen Alter,
worauf Wackernagel Verm. Beitr. S. 46 hingewiesen hat, proble-
matisch ist, und dem überdies gerade Optativformen ganz abgehen,
die doch als Parallele zu den griechischen €i-Formen erwünscht
wären (s. Whitney § 920 c).
Noch weniger befriedigt, was Walker Class. Rev. 10, 369 f.
vorträgt. Nach ihm steckt in npaEeiac usw. eine Optativendung
*C€Cia. Indes, dieser 'reduplizierte' Ausgang schwebt ganz in
der Luft; ebenso auch die Annahme, die Endung la sei ein
Griechische Miszellen. 411
ablautliches Mittelding zwischen den bekannten Optativelementen
ie und i; nicht nainder endlich die Yermutung. die ursprüng-
liche 1. Sing., für welche später TrpdEai|Lii eingetreten sei, habe
*Trpd£eiav (cecia + v) gelautet.
Auf viel festerem Fundamente bauen sich die beiden
anderen Erklärangen auf. Brugmann (zuerst Morph. Unters. 3,
64 ff., 159, jetzt wieder in der Thumbschen Bearbeitung der
griech. Gramm. 368 f.) nimmt an, daß der c- Aorist seinen Optativ
ursprünglich nach Art der unthematischen Präsentien mit ie,
i gebildet habe, also *Tpavp(i)r|v usw., 1. Plur. *TpaMJl|Lxev, 3. Plur.
*Ypaip(i)av. Da durch den Schwund des postkonsonantischen i
die 3. Plur. Opt. der 3. Plur. Ind. (e)Tpaiijav gleich wurde, habe
man nach Optativen wie *ö\6iav (aus *6\ec-iav zu *uj\ea aus
*ujXeca), die es eine Zeitlang gegeben habe, bis auch *uj\ea
wegen seiner aoristischen Bedeutung das c wieder einführte,
die 3. Plur. Opt. zu ■xpä\\fe\av erweitert, und zu dieser Form
seien nun nach dem Vorbilde des Indikativs (^TpaM^a, ac, € neben
efpa\])av) weiterhin fpa\\ie\a usw. für *Ypdnjriv usw. hinzugebildet
worden. Was sich gegen diese Herleitung sagen läßt, ist zum
großen Teil schon von Wackernagel Verm. Beitr. 43 ff. ausge-
sprochen worden. Zwar kann ich, gleich Brugmann Griech.
Gramm. 3 315 Anm., Wackernagel nicht beistimmen, wenn er
wegen des Arischen, das vom s- Aorist nur einen medialen
2- Optativ, nicht aber einen aktivischen mit je, i kennt, es als
unstatthaft ansieht, eine solche aktivische Bildung für das Urgrie-
chische anzusetzen; auch halte ich die Ausbreitung des Aus-
ganges eiav von dem hypothetischen *ö\eiav aus, da dieser das
charakteristische f- Element des Optativs enthielt, prinzipiell für
ebenso möglich, wie etwa den Übergang der Lokativendung
-ecci von eTrecci auf Trobecci in der von Bück Class. Rev. 19, 247 ff.
erörterten Weise. Aber sehr spricht allerdings gegen die Brug-
mannsche Annahme, erst nach fpay\ie\av seien analogisch die
Singularformen auf eia, eiac, eie aufgekommen, die Wacker-
nagelsche Feststellung (S. 44), daß der Optativ von Homer ab
umgekehrt gerade dazu neigt, das -iri- des Singulars auf das
ganze Paradigma auszudehnen. Stand denn nicht neben dem
auf die 3. Plur. *Ypdn;av einwirkenden *ö\eiav singularisches
*öXeiriv usw., das seinerseits, zumal es das optativische i ent-
hielt, auch die Umbildung von *Ypdv|;nv zu YPCtM^eiriv würde
herbeigeführt haben (wie dies übrigens Brugmann selbst anfangs
412 Richard Günther,
[Morph, Unters, a. a. 0.] angenommen hat), und gab es, wenn
öXeiTiv in der weiteren Entwicklung zugrunde ging, nicht noch
eiriv, TiGeinv u. ä., die jene Neubildung würden gehalten haben?
Endlich noch ein Punkt. Brugmann legt bei seinen Konstruk-
tionen besonderes Gewicht auf die von ihm für die älteste der
äolischen Formen gehaltene 3. Plur. fpa\\ieiav. Wenn diese jedoch
wirklich auf einen eV-Optativ zurückwiese, wäre dann, nach eiev
= *ecievT usw. zu schließen (vgl. Brugmann Griech. Gramm.' 350,
K. vergl. Gramm. 592, 593 ; Brugmann-Thumb Griech. Gramm.*
387 f., 401), nicht auch hier der den ^e-Bildungen zukommende
Ausgang -€v(t) zu erwarten? Und war dieser ursprünglich da,
wie wäre er dann wohl verdrängt worden, wo er sich sonst
vielmehr weiterausgebreitet und im oi- und ai-Optativ an die
Stelle des hier ursprünglich heimischen -a{v) gesetzt hat (vgl.
Brugmann-Thumb 401,402)?
Kann ich mich nach alledem nicht zu Brugmanns Auf-
fassung bekennen, so vermag mich anderseits auch Wackernagel
nicht zu überzeugen. Dieser erinnert a.a.O. S. 48ff. an einige
wenige mit e gebildete Optative des s-Aoristes im Altindischen,
in deren Diphthong er den Reflex des griech, ei erkennt: RV",
tartißenui, Käthakam jani^eyam^ -eyci\ ihnen zur Seite stellt er
die ziemlich häufigen e-Optative, die im Altindischen neben
untheraatischen Indikativen und entsprechenden kurzvokalischen
Konjunktiven stehen, z. B. RV". sak-ima von sak 'können* neben
Konj. sak-at^ Opt. sak-yäm, Imper. sag-dhi usw. Aus diesen Bei
spielen gehe hervor, daß man in der ältesten Phase des Alt-
indischen die thematischen Optativformen, und zwar die mit
betontem, zu griech. ei stimmendem thematischen Vokal, gern
an Stelle der athematischen verwendete; nach dieser Bildung
habe man auch im Optativ des s-Aoristes gegriffen. Indes, was
zwingt uns denn, wenn wir griech. €i aus dem Spiele lassen,
ai. e als et, nicht als oi aufzufassen, zumal in taru^ema, das, wie
Wackernagel selbst anmerkt, thematische 3. Plur, täru^ante^
tariüfanta neben sich hat, dann aber auch in hkima usw.?
Weist der Umstand, daß die von Wackernagel aufgeführten
athematischen Aoriste neben und z, T. vor den e-Optativen meist
auch solche mit -yä- zeigen, wie sie bei unthematischem In-
dikativ eigentlich zu erwarten sind, nicht darauf hin, daß wir
es hier nicht mit uralten, diesem unthematischen Typus eigen-
tümlichen ^»-Bildungen zu tun haben, sondern mit Eindringlingen
Griechische Miszellen. 413
aus dem o«-Optativ der thematischen Konjugation? Veranlaßt
wurde dieses Übergreifen der o?-Formen wohl dadurch, daß ge-
wisse Wurzeln wie dfs den Aorist sowohl unthematisch {adarsam
mit Konjunktiv darsat) wie thematisch (3. Plur. dfsan) bildeten
(vgl. Thumb Handb. des Sanskr. 1, 374, Whitnej a. a. 0. § 832
+ 847). Stellen wir nun abweichend von Wackernagel den
Optativ dfseyam zum thematischen Indikativ, so erhalten wir
eine genaue Parallele zu griech. biabpciKoi =. 347 : eöpaKOv. Daß
aber bei diesem thematischen Aorist oi etwas sehr Altes ist,
erkennt auch Wackernagel im Hinblick auf slavische Imperative
wie Tbci mit i aus ois^ oit (zu reka 'ich spreche') an (S. 48).
Nun glaubt allerdings Solmsen KZ, 44, 172 in der preußischen
3. Sing. Opt. housei *er sei', woneben auch bonsai vorkommt, eine
dem vermuteten griech. cei-Optativ entsprechende Bildung zu
erkennen. Aber eine sichere Stütze bedeuten die baltischen
Formen für die Wackernagelsche Hypothese nicht, wie auch
bei Brugmann-Thumb S. 368 bemerkt ist ; denn eine unbedingte
Notwendigkeit, jene in Solmsens Art zu deuten, liegt nicht vor;
es bieten sich auch andere Möglichkeiten i).
Auch das, was Hirt Griech. Laut- u. Formenl.^ 587 zu-
gunsten des ei-Optativs vorbringt, zerstreut die entgegenstehenden
Bedenken nicht. Er meint, die Griechen hätten, gewohnt die
Optativbildung an einen vokalischen Stamm anzuschließen, in
dem ursprünglich konsonantisch flektierenden c-Aorist den im
Konjunktiv auftretenden e-Stamm zugrunde gelegt, zu leiceie
also Teiceiie gebildet. Aber hätte man, wenn man schon vom
Konj. Aor. ausging, nicht vielmehr an die in diesem auch vor-
handenen o-Formen (leiciu, Teicoiuev, reicovii) angeknüpft, d. h.
*Teicoia gebildet, wo bei den thematischen Stämmen ebendies
Verhältnis tausendfach vorlag: Tpaqpuj, TpaqpoiLiev, Ypa^ovti :
*Tpaq)oia usw. ? In der Tat ist das Griechische so vorgegangen, nur
erst einige Zeit später, als der Konj. Aor. zum Ind. Fut. geworden
war und man diesem einen Optativ TeicoijLii zur Seite stellte.
1) Bei Brugmann Grundr. II 2, 1187 sind freilich nur die preußischen
Formen auf ai erklärt. Im Anschluß an Trautmann (s. Solmsen a. a. 0.)
könnte man sich -ai (= *oit) in bousai aus dem Präsens übertragen denken
(vgl. den gleichen Vorgang bei ai. jani^eyam) ; das gleichwertige bousei
wäre dann durch das Nebeneinander von ai und ei in den Imperativen wie
wedais : weddeis 'führe' veranlaßt, eine analogische Beeinflussung, mit der
auch Solmsen, nur im entgegengesetzten Sinne, rechnet, um das Auftreten
von -sai neben dem von ihm für das Ältere gehaltenen -sei zu erklären.
414 Richard Günther,
Da sich zeigt, daß auch Wackernagels Hypothese das
Rätsel des äolischen Aorists nicht befriedigend löst, sind wir
berechtigt, eine neue Erklärung zu suchen. Zu dieser gelangen
wir aber, wie ich meine, wenn wir uns einer lautlichen Er-
scheinung erinnern, welche ebenderselbe Gelehrte ins rechte
Licht gerückt hat.
An der Hand von Wortpaaren wie att. 'Pnvaieuc : 'Pnveia
(daneben außerhalb Athens auch das die Grundform darstellende
Piivaia) hat Wackernagel IF. 25, 331 ff. gezeigt, daß das Attische
bereits im 5. Jahrhundert dazu neigte, die Lautfolge aia dissi-
milatorisch in eia, ea umzuwandeln ; ja auch für andere Mund-
arten vermutet er die gleiche Neigung wegen herakl. irpoTepeiai
'pridie' neben ion. -rrpoTepair), ucTepair). Für die Richtigkeit dieser
Annahme spricht das Vorkommen weiterer Fälle des gleichen
Lautwandels außerhalb Attikas. Wir finden nämlich
1. in Sparta, der Mutterstadt von Herakleia, als Beinamen
der Artemis neben der aus dem arkadischen Kotilon (Eph. arch.
1903, 177 ff.) bekannten Form FopGacia (SGDL 4, 681 ff. "5) in
archaischem Alphabet Fpo0aiai (SGDI. a. a. 0. "1), Fopq)a(i)a ("2),
Fopea[iai] (»^3; die Ergänzung fraglich, da auch -ciai möglich
wäre)'), dann aber mit ei um 400 Fop[0eiai] "4 (ei wird durch
die vorhandenen Spuren nahegelegt), vom Ende des 4. oder
Anfang des 3. Jahrhunderts FujpSeiai "7 und dann weiter auf
Inschriften, die zwischen 100 v. Chr. und 200 n. Chr. fallen
("10 ff., "14 p.) FuupGea, Bujpcea, 'Op9e(i)a u. ä. Vor unsern Augen
also vollzieht sich hier der dissimilatorische Übergang von aia
zu eia*). Es liegt nahe, ihn auch in Acdvea "13 anzunehmen,
1) Hiller v. Gaertringen entscheidet sich IG. V 1, 252 allerdings für
Fopee[iai; doch will mir nach der von ihm mitgeteilten Abbildung die
Lesung mit -a- ebenso möglich erscheinen.
2) Daß -am seinerseits infolge der lakonischen Verhauchung des
intervokalischen c aus -acia hervorgegangen sei, ist eine Vermutung, die
sich wohl jedem sofort aufdrängt, wenngleich es bei dem verhältnismäßig
häufigen Vorkommen des Namens auffallen muß, daß der aus c entstandene
Hauch nie ausdrücklich durch H bezeichnet ist. Sollte das daran liegen,
daß in dem außerhalb jeden Systems stehenden Namen a -|- hi, vielleicht
infolge einer Art von Epenthese, schon zeitig zu einem Diphthongen zu-
sammenfloß (vgl. den alten Wandel von *Fibucia zu Fibuia), während z. B.
in ^Tco(r]h€, ^vixahe das sichere Gefühl für die Silbengrenze und damit
zugleich der Hauch erhalten blieb ? Denn Hauchdissimilation (6 — h zu
0 — 0) anzunehmen ist nicht unbedenklich, da bei dieser gewöhnlich der
erste Hauch schwindet und zudem spirantische Aussprache des lakonischen
Griechische Miszellen. 415
dem Xamen des auf der Damononstele (4416) und SGDI. 4, 688
"27 A9dvaia genannten Festes : doch ist bei der späten Abfassung
von "13 (Zeit Trajans oder Hadrians, vgl. Ana. of the Brit. Seh.
at Ath. 14, 82 f.) nicht unmöglich, daß hier der gemeingriechische,
von folgendem a unabhängige Wandel von ai zu ä vorliegt,
auf den die Schreibung KaiXoav 4498, 4 (s. SGDI. 4, 680, 2. Jahrh.
n. Chr.) für KeXo(i)av hinweist. Dagegen dürfte unsere Dissimi-
lation mit ziemlicher Sicherheit zu vermuten sein für
2. Delphi 2257 (73/72 v. Chr.). Wenn hier der Name
NiKttia (Z. 4) auch mit e auftritt (NiKeac Z. 9, NiKcav Z. 12), so
denkt man allerdings zunächst auch an den allgemeinen Wandel
von m zu ä, das dann teils in der überkommenen Orthographie
mit Diphthong, teils phonetisch mit e bezeichnet wäre. Xun
hat aber Xachmanson Beitr. z. Kenntn. d. altgriech.Yolksspr. S. 49
wahrscheinlich gemacht, daß in der Zeit unserer Inschrift ai
im Delphischen noch diphthongisch klang, und vermutet des-
halb bei unserem Xamen Suffixwechsel. Das ist wenig glaub-
lich ; ich denke vielmehr, wir haben hier ein neues Beispiel für
unsere Dissimilation. Wenn diese aber aus dem Delphischen des
1. vorchristlichen Jahrhunderts belegbar ist, so wage ich auch
3. einen Fall, der auf den knidischen Verfluchungen er-
scheint, hier anzureihen. Diese ins 2. oder 1. Jahrhundert v. Chr.
zu setzenden Inschriften (vgl. Audollent Def. tab. S. 5) weisen
zwar mit Schreibungen wie eueiXdxou 3540, 4, eXGTv 3546. 11
(s. Audollent Xr. 9, 12), TteTroiKei 3545, 14 usw. auf eine dem i
ganz nahekommende Aussprache von ei, r] ; dagegen findet sich
von Verwechslung zwischen ai und e keine Spur, wenn man
von Ke = Kai auf 3546 Z. 5 absieht. Hier folgt aber das mit a
anlautende dvevivKai, und wie dieser Infinitiv selbst gegenüber
der sonst auf den Verfluchungen erscheinenden schriftsprach-
lichen Form dvevETKai (3537, 11 u. s.) die Volksmundai-t durch-
schimmern läßt, so wird auch in Ke eine der Alltagssprache ge-
läufige Dissimilation zu sehen sein. Daß sie neben sonstigem
Kai dveve-fKaiev 3538, 8, dvevcTKai auroc 3543, 5 usw. nur an
e in ziemlich früher Zeit immerhin nicht ausgeschlossen ist. auch wenn
man von dem schwierigen Fop9oia absieht (vgl. Kretschmer Griech. Vasen-
inschr. 10 f., Ath. Mitt. 21, 418, Glotta 1, 352 f.). — Das einmal in Sparta
auftretende FopGocia, das nach Verlust des F als 'OpGaöio weiterlebt
(IG. V 1, 1588), betrachtet man wohl am einfachsten als (arkadischen?)
EindringHng.
416 Richard Günther,
der einen genannten Stelle auftritt^), liegt daran, daß selbst die
Verfasser(innen) dieser Täfelchen sich bemühten, möglichst so
zu schreiben, wie sie's in der Schule gelernt. Das knidische
K^ vor a gibt nun aber auch eine Stütze ab für Wackernagels
Vermutung IF. 25, 333, daß das koische KOTuXeai (SGDL 3637,
25 ; 3638, 12 ; beide Inschriften vermutlich aus dem ausgehenden
4. Jahrb.) dissirailatorisch aus KOTuXaiai hervorgegangen ist.
Die eben besprochenen Fälle zeigen im Verein mit den von
"Wackernagel gebotenen Beispielen, daß nicht allein auf attischem
Boden und während eines beschränkten Zeitraumes, sondern
auch sonst im griechischen Sprachgebiete durch die Jahrhunderte
hindurch die Dissimilation von aia zu eia zu verfolgen ist. Ja,
wir hätten wohl noch Aveit mehr Beispiele dafür, kennten wir
die Volkssprache genauer und wären nicht so und so viel Dis-
similationen durch Analogie wieder beseitigt worden, wie z.B.
dor. AGavaia durch AGdva, att. Aörivaia durch A9nvaToc, iXaia
durch IXaiov geschützt war. Es ist darum nicht zu kühn, wenn
wir denselben dissimilatorischen Trieb für eine noch ältere Epoche
des Griechischen annehmen, wie ja auch andere Neigungen der-
selben Art, z. B. die zur Liquidendissimilation, die ganze Ge-
1) Ob und unter welcher Bedingung 3546 (= AudoUent Nr. 9) Z. 6 (7)
k]^ ... Koüpai Kai GeoTc ktX. k4 = Kai gestanden hat, ist leider nicht fest-
zustellen. — Wenn in dem besprochenen knidischen Beispiel die Wort-
grenze zwischen -ai und d- die Dissimilation nicht hinderte, so erinnert
das ganz besonders an die gleiche Umwandlung von wortschließendem
-Ol vor folgendem oi-, die uns zweimal auf attischem Boden begegnet
(s. Schwyzer N. Jahrb. 5, 256 f.). Wenigstens wird es mir trotz Rabehl De
serm. def. Att. S. 31 schwer, in dem sonderbaren lokativischen e von IG. II
768 I 24 (Ende des 4. Jahrh.) 0aXr|pe otKiIiv und Def. tab. Att. 81, 4 (IG. III 3)
<l>peappe oiKoOvTa etwas anderes zu sehen als die durch Dissimilation
hervorgerufene Fortsetzung von ursprünglichem oi. Wer in € dieselbe alte
Lokativendung ei wiederzufinden meint, die scheinbar in oIkci vorliegt,
hat zu bedenken, daß dieses nach Wackernagels Beobachtung nicht vor
Menander belegt ist und selbst erst durch Dissimilation aus o!koi hervor-
gegangen sein dürfte (vgl. darüber und über die Verbreitung von loka-
tivischem €1 im allgemeinen Solmsen Rh. Mus. 54, 340). So singulär, wie
bei Brugmann-Thumb S. 267 Fußn. behauptet wird, ist der Wandel in
oTkoi : oiK€i nicht ; ihn zeigt auch der ebenfalls bereits von Schwyzer
gebuchte Dat. Plur. XomcTc = XomoTc auf einem attischen, um 100 v. Chr.
beschriebenen Steine (IG. II 467t«,i3). Wenn neben oikci das alte oTkoi
nicht ausstarb (s. Def. tab. Att. S. IIb, b2), so rührt das natürlich von den
unversehrten Lokativen auf -oi her ('lc6^oi usf.), die das Attische in
reicher Menge besaß.
Griechische Miszellen. 417
schichte des Griechischen durchziehen. Bildete man nun zu
einer Zeit, wo a bereits zum charakteristischen Vokal des c-
Aoristes geworden war, entweder als Ersatz für den älteren, von
Brugmann vermuteten ^?e-Optativ *Ypaij;(i)r|V oder überhaupt als
rein griechische Schöpfung nach dem Vorbilde von präsentisch
*Tpdq)oia (vgl. ark. eEeXauvoia), fpdcpoic usw., 3. Plur. Ypa(poia(v)
(vgl. Bnigmann-Thumb S. 397, 401) aoristisches *TpdH'ctia usw.,
so mußte durch unsere Dissimilation ein Riß ins Paradigma
kommen, das nunmehr *YpdH'£ia^), TpdM^aic, Ypdi|;ai, Tpdu^ai|Liev,
TpdvjiaiTe, Tpdqjeiav lautete. Durch Ausgleichung nach ver-
schiedenen Richtungen wurde einerseits das alte *Ypdi|/aia(v)
wiederhergestellt, anderseits kamen neben Tpdv};eia(v) noch *Tpd-
HJ61C, Tpdqiei, *Tpdi|iei)nev, *TPdHieiTe auf. Von diesen Formen waren
*Tpdn;eic tpdvpei unbequem, da sie sich völlig mit der 2. 3. Sing.
des kurzvokalischen Konjunktivs des Aorists (= späterem Ind.
Fut.) deckten, und so führte man, vielleicht unter Einwirkung
des Umstandes, daß sich in der Verwendung als Potential
und Wunschmodus der Vergangenheit Opt. und Ind. Aor. ur-
sprünglich berührten (Brugmann K. vergl. Gramm. 540 Fußn.),
an ihrer Stelle nach der Proportion Ind. ?Tpavpa(v): etpaH'ac, -e
= Opt. Tpdiveia(v) : x die Neubildungen Tpdijieiac, Tpdvjjeie ein,
an denen nur das Arkadische nach Ausweis von öiaKuuXiicei nicht
teil hatte 2); der 1. 2. Plur. hingegen konnte man ihre bisherige
Gestalt belassen, die uns denn auch die Grammatiker überliefern.
Daß sich die Erweiterung der 2. 3. Sing, nicht auch im präsenti-
schen Tpdcpoic, -Ol festsetzte, hat seinen Grund natürlich darin,
daß die Formen eindeutig waren, nicht also in der frühzeitigen
Verdrängung von xpdqpoia durch Ypdqpoi|ai, wie Wackemagel
Verm. Beitr. S. 45 annimmt; warum sollte auch a in der 1. Sing.
Präs. eher als im Aorist aufgegeben worden sein? Im Gegen-
teil glaube ich, daß erst, nachdem eiac, eie eingeführt waren, in
der 1. Sing, Opt. Präs. und Aor. m aufkam; und wenn es nun
Tpdqpoiiii, ypd^)a\pi\ hieß, YPdq^eia aber blieb, so liegt das daran,
daß diese letzte Form durch die bereits vorhandenen Ypdn^eiac,
Tpdii;€ie aufs beste geschützt wurde, die ebenso die 3. Plur. xpd-
1) Vgl. das TÜ\|/eia der Grammatiker, dessen Existenz man m. E.,
seitdem wir EEeXauvoia kennen, nicht mehr anzuzweifeln braucht.
2) Allerdings ließe sich ark. ei auch als Umbildung von ai nach
danebenstehendem eie auffassen ; wir hätten dann ein Gegenstück zu der
Solmsenschen Deutung von el. aie (s. o. S. 1).
Indogermanische Forschungeu XXXIIL 28
418 Richard Günther,
i|;eiav retteten, als in der 3. Flur, des oi- und ai-Optativs ev an
Stelle des altertümlichen av trat. Sollte aber wirklich hie und
da *Tpd^|Jel^l gebildet worden sein, so erlag dies, und ebenso
in den meisten Dialekten Ypdi|;ei|Liev, fpä\\)^n€, sehr bald der Kon-
kurrenz der fast gleichlautenden, aber dem gesamten Aorist-
schema besser entsprechenden Formen Ypdq^aim, Tpdu^ctifjev, Tpd-
ipaite. Schließlich hätte wohl auch YPotM^eiac, "xpa^ieie (und mit
ihnen zusammen YPctH'eiav) dasselbe Schicksal getroffen, hätten
sie sich nicht mit ihrer Dreisilbigkeit so schön in das System
eingefügt, ein Vorzug, den sie vor dem normalen Ypdu'ai(c) vor-
aushatten.
Daß im Medium keine ei-Optative erscheinen, obwohl die
ursprüngliche 3. Plur. YpctU^aiaro nach unserer Annahme hätte
zu *fpa^)e[a^o werden müssen, hat wohl zwei Gründe: erstens
stand im medialen System diese eine ei-Form fünfen mit be-
wahrtem ai gegenüber, während das Aktivum von vornherein
zwei mit ei besaß; zweitens aber brachte dies Dissimilations-
produkt nur Verwirrung in das System, ohne sich — anders als
Tpdvj;eiac, ypä^>e^e — durch irgend einen Vorzug zu empfehlen.
Kein Wunder also, wenn sich tpaMiaiaio allen dissimilatorischen
Anfechtungen zum Trotz hielt, bis es durch YpdM^ciivTO ersetzt
wurde.
Schließlich noch ein AVort über krpt. FepKCiev, öiaXuciav,
deren i ich übereinstimmend mit G. Meyer Griech. Gramm. ^ 662
aus €1 herleite. Das ist allerdings nur möglich, wenn wir als
ursprüngliche Endung -eiav ansetzen, zu dem sich -lav genau
so verhält wie gort, ötjupid SGDI. 4983, 1 zu att. öuupeid (Meister-
hans ^ 40, Brause Lautl. d. kret. Dial. 76); das von einer Bu-
strophedoninschrift in ionischem Alphabet (5004, 9) gebotene Öia-
Xuciav stellt also eine ältere Bildung dar als das in einheimischer
Schrift überlieferte FepKCiev 4982, 7, in welches bereits das ev
des Ol- und ai-Optativs eingedrungen ist (vgl. Vaxos 5125 A 5
erreXeoiev, Gortys 4965 ^riKcaie[v, beidemal archaische Schrift,
u. ä.). Wie zäh sich indes av dem siegi'eichen ev gegenüber hielt,
beweist der Umstand, daß noch auf einer knosischen Inschrift
des 2. Jahrhs. (5073) neben vulgärem TrapaYY^iXaiev Z. 17 auf
Z. 16 ^2opKi£aiav erscheint, dessen Endung Kieckers a.a.O. S. 70
richtig als Kreuzung von (£)iav mit ai€v erklärt.
Daß unter den dorischen Dialekten gerade das Gortynische
den äolischen Optativ besitzt, ist schwerlich bloßer Zufall. Ich
Griechische Miszellen. 419
trage kein Bedenken, den Gebrauch dieser Bildungsweise zu
jenen Nachwirkungen vordorischer Sprache zu zählen, die das
Mittelkretische kennzeichnen (s. Thumb griech. Dial. 124f.); und
ebenso wird im Elischen der ei-Optativ gleich dem thematischen
Infinitiv auf rjv achäischen Ursprungs sein (vgl. Verf. IF. 32,377).
Das Achäische selbst aber ginge dann wieder einmal mit dem
Äolischen und Ionisch- Attischen Hand in Hand, insofern es im
äolischen Optativ gemeinsam mit jenen beiden Dialektgruppen
eine Bildung bewahrte, die, wenn unsere Überlieferung nicht
trügt, vom Westgriechischen ganz aufgegeben worden ist
IL
Gortynisch xpiivc,
"Wenn das Gortynische als Akkusativ des Zahlwortes für
3 statt des zu erwartenden *Tpivc (vgl. herakl. usw. xpfc Brug-
mann-Thumb griech. Gramm.* S. 250) das seltsame tpiivc ge-
braucht (SGDI. 4986, 20; 4990, 11; 4991 Y 54; auch 4993
II 3 mit Sicherheit ergänzt), so ist es w^eniger die Zweisilbig-
keit, was an dieser Form so auffällt, als das doppelte i. Denn
die Zweisilbigkeit haben bereits die Brüder Baunack Die Inschr.
v. Gort. S. 70f. mit großer Wahrscheinlichkeit aus der auch sonst
im Griechischen zu beobachtenden Neigung hergeleitet, inner-
halb desselben Paradigmas gleiche Silbenzahl durchzuführen (vgl,
Brugmann-Thumb a.a.O. 8.74, 403). Wie aber kam das doppelte
i zustande? Schwerlich durch eine Yerquickung von ui-sprüng-
lichen *Tpivc + *Tpiac, wie Brugmann Grundr.* 2, 2, 222 ver-
mutet; denn diese hätte doch wohl unfehlbar zu *Tpiavc geführt,
einer Form, die vortrefflich zu ipia und zu den reimenden Kom-
parativformen TiXia TiXiavc gepaßt hätte. Andere, wie Baunack
a.a.O. S. 273, meinen, man habe von xpiujv, ipici her ein i vor
dem -ivc der ursprünglichen einsilbigen Form eingeschoben. Das
ist denkbar; aber erklärt diese Annahme wirklich vollkommen
die Tatsache, daß sich die Gortynier auf die Dauer mit dem
so entstandenen lästigen u abfanden? Ich glaube, daß es kein
Zufall ist, wenn ipiivc gerade in einem Paradigma aufkam, das
noch eine andere Form mit zwei gleichen, durch Hiat getrennten
Vokalen besaß, nämlich den Nominativ xpeec ; diesen Kasus halte
ich denn auch für das Vorbild des Akkusativs. Es ist nicht zu
bezweifeln, daß das Gortynische eine Zeit lang dazu neigte, den
28*
420 Norbert Jokl,
Nominativ der Dreizahl ebenso zu kontrahieren wie *KaXeev zu
KaXfiv (4998 II 9) u. ä., daß aber neben *Tpfic die ältere Form
sich infolge der Zweisilbigkeit von ipiüjv, ipici hielt und schließ-
lich sogar wieder das Allgemeinübliche wurde ^). Allerdings
dürfte diese Alleinherrschaft von ipeec nur in der Hochsprache
bestanden haben; in der schnellen, sorglosen Alltagsrede mag
sich, besonders bei Nebentonigkeit (etwa in oO rpeec cTarfipec,
dXXd rpeec bapxvai) oft genug die kontrahierte Form aufs neue
entwickelt haben. Nach diesem Nebeneinander nun von *Tpfic
und rpeec hat man, wie ich vermute, auch zu der einzigen von
Anbeginn einsilbigen Form des Paradigmas tpivc eine zweisil-
bige Nebenform dadurch geschaffen, daß man sie mit doppeltem
Exspirationshub sprach, also gewissermaßen zerdehnte. So ent-
stand eine etwa durch *tri-ns darzustellende Lautfolge mit i-
farbigem w, die man auf den Inschriften mit tpiivc wiedergab.
Dresden. Richard Günther.
Katun.
Zur Geschichte eines Balkanwortes.
Dem Ursprung und der Geschichte eines Balkanwortes
nachzugehen, ist der Zweck der folgenden Zeilen. Zwei Gesichts-
punkte sollen für die Untersuchung maßgebend sein: 1. das
Moment der *Balkaneinheit', die sich ja mehrfach schon in
rein grammatischen Übereinstimmungen äußert (vgl. Sandfeld
Jensen Grundr. d. rom. Phil.* 1, 524 ; Weigand Hochschulvortr.
f. Jedermann 9, 24; Alexici Gesch. d. rum. Lit., S. 18 f.); auf
dem Gebiete der kulturellen Wechselbeziehungen, für die Sprach-
grenzen nicht existieren, die aber dann gerade in der Sprache
ihre Spuren hinterlassen, tritt sie umso deutlicher in die Er-
scheinung. Dieses Moment zu beachten, empfiehlt sich in
unserem Falle schon wegen der geographischen Verbreitung
des Wortes (s. u.). Mit Recht bemerkt Jireöek (Arch. f. slav.
Phil. 15, 91) die Völker der Balkanlialbinsel seien wegen ihrer
nahen Berührungen bei historisch-ethnographischen Studien
1) Ich lese also übereinstimmend mit Brause Lautl. d. kret Dial.
S. 88 das überlieferte rpeec mit Kürze in der Stammsilbe, nicht mit r\,
wie Solmsen KZ. 32, 518 vorschlägt.
Katun. 421
stets als ein Ganzes zu betrachten. Kulturhistorische Daten,
die aus einem Sprachgebiete überliefert sind, werden daher
wohl auch Rückschlüsse auf ein anderes gestatten. 2. das sach-
geschichtliche Moment.
alb.-geg. katun'^, best. katiuV^i 'Dorf' (Pekmezi Gramm. 249),
älter katund 'villa' (Bogdan Cun. proph. 11 99, 5), in Elbasan
kotun^) *Dorf' (Weigand Jahresber. d. rum. Inst Lpz. 17, 229),
in Borgo Erizzo kotun (ebd.) ; tosk. katunt^ katundi 'Dorf* (Kalen-
dari Kombiar 1911, 51; in Griechenland (von Kristoforidi AeE.
S. 146 für Hydra verzeichnet; Reinhold Noctes pelasg., AvOcX.
S. 23, vgl. auch ebd. TTp6&po|uoc XeE. S. 70; Kuluriotis, AXqpaß.
S. 33), ital.-alb. Stadt (de Rada Raps. S. 62 ; Schirö Te Dheu i
huaj (Palermo 1900, S. 30, 37), Vaterland (Scurra Gli Albanesi
in Italia, S. 238), Land (ebd. S. 330); rum. cätun 'Weiler' (isolierte
Vereinigung weniger Bauerngehöfte, Tiktin Rum.-d. Wb. 1,
314), mold. auch coti'm^ ferner cätiinä^ cotünä\ mgriech. Kaioöva
'Zeltlager' (Kekaumenos Strategikon ed. Vasilevskij et Jernstedt,
S. 11, 13, 22 in Zapiski istor. fil. fakult. S.-Petrb. Univ. Bd. 38),
'Gepäck, Zelt, Lager' (Ducange), ngriech. *camp, quartier' (Legrand
Poemes bist. 342), 'maison, appartement, chambre' (Korais
"AtaKTtt 2, 186 f.), KttTouveuiu 'schlage eine Zeltwohnung auf,
KttTOuveiia 'Zeltwohnung', EeKaTOuviZluj 'ziehe um' (Cerigo, vgl.
G. Meyer Xgriech. Stud. 2, 82, Miklosich Slav. Elem, im Xgriech.
17, ders. Türk. Elem. in d. südosteur. Spr., Xachtr., 1. Hälfte,
S. 60); ksl. katum 'Lager, Heerlager' (Miklosich Lex. Palaeosl.
2842), Sreznevskij Materialy 1, 1200); s.-kr. alt Hirtendorf der
Albanesen und Vlachen {katum vüashkychh i arbanasbkichb:
Gründungsurkunde des Klosters Decan v. J. 1330, Miklosich
Monum. serb. S. 91; vgl Jirecek, Staat u. Gesellsch. im mittel-
alterl. Serb., S. 69, Sp. 2 ; ders. Wlachen u. Maurowlachen, Sitz.-
Ber. d. böhm. Ges. d. Wiss. 1879, S. 1141); später: 'Ort, Dorf,
Gegend' (vgl. die Belege aus M. Vetranic, P. Hektorovic im
1) Über den Schmalzungenlaut g und die derselben Reihe ange-
hörigen Vokale f, i vgl. Weigand, 1. c. 184. Meyer hat für sämtliche Vokale
dieser Reihe nur das Zeichen €. In Meyers Schreibung also: kitim. [In
Weigands eben erschienenem Wörterbuch wird (S. 34) für das Südgegische
katund verzeichnet. K.-N.]
2) Für die bei Miklosich zitierte Stelle der Klosterurkunde des
Garen Konstantin Asgn (1259—1278, Safarik Okäzky obc. pis. S. 25) kann
man dem Zusammenhange und der Analogie der anderen Balkansprachen
nach etwa die Bedeutung 'Hirtenniederlassung' oder dgl. ansetzen.
422 Norbert Jokl,
Rjecnik d. südslav. Ak. 4, 900); Distrikt (im Statut von Poljica,
Monum. hist.-iurid. Slavor. merid. I, 4, S. 137, Matid ') Wissensch.
Mitteil, aus Bosn. u. d. Herzegow. 12, 377); heute: *Ort, wo
auf den Bergen Vieh, namentlich Schafe, geweidet und gemolken
■wird, Sennerei ; die Gegend, wo die Sennhütten errichtet werden'
(L. Tomid Naselja srpskih zemalja ur. Cvijid 1, 423 f. in : Srpski
etnogr. zbornik IV); bulg. katün, katunin 'nomadisierender
Zigeuner', katuniste 'Zigeunerlager'.
Es handelt sich also, wie die beigebrachten Belege zeigen,
um ein spezifisches Balkanw^ort. Nichts liegt daher näher, als
es aus einer der Balkansprachen erklären zu woUen. Wie ent-
sprechen nun die bisherigen Deutungsversuche, die G. Meyer
Et. Wb. d. alb. Spr., S. 183 zusammengestellt hat — die seit
dem Erscheinen dieses Werkes hinzugekommene etymologische
Literatur entscheidet sich im großen und ganzen für eine der
bei Meyer erwähnten Erklärungen — den grammatischen
und historischen Tatsachen? Korais "AraKra 2, 187, Paspati Et.
s. les Tchingianes 273, Matzenauer Cizi sl. 42, Miklosich Alb.
Forsch. 2, 10 und neuestens Weigand Jahresber. d. rum. Inst.
Lpz., 17, 228, Thallöczy-Jirecek-Sufflay Acta, et dipl. res Alb.
med. aet. ill. 1, 288 dachten an ital. cantone, eine Erklärung,
die G. Meyer 1. c. stillschweigend abgelehnt hat. Und in der
Tat, wie will man das lautliche Verhältnis zwischen ital. cantone
und dem Balkanwort erklären ? Einen Versuch, diese Schwierig-
keit, die in erster Linie das Verhältnis der ersten Silbe von
cantone zu der von katunt usw. bietet, aus dem Wege zu räumen,
machte Triandaphyllidis Die Lehnwörter der mgriech. Vulgär-
litteratur, S. 109, indem er von einer Grundform *KavTouva aus-
geht und volksetymologische Umdeutung der ersten Silbe nach
griech. Kaid annimmt. Vom intern griechischen Standpunkt
läßt sich eine solche Erklärung gewiß hören. Aber zweifelhaft
ist es, ob sie auch den sachgeschichtlichen Tatsachen und der
Grammatik des Albanischen gerecht wird. Denn aus Triandapiiyl-
lidis Annahme würde folgen, daß das Wort von sämtliclien
Balkansprachen dem Griechischeu entlehnt wurde. (So auch
Jireöek Gesch. der Serben 1, 156.) Nun zeigen aber gerade
relativ alte Belege das Wort bei Vlachen und Albanesen in
einer völlig terminologischen Verwendung ('Hirtendorf*), die
1) Diesen Stellen- und Bedeutungsnachweis vordanke ich Herrn
Dr. T. Matic, dem ich auch hier meinen verbindlichsten Dank abstatte.
Katun. 423
von der mittelgriechischen abweicht und der gesellschaftlichen
Gliederung dieser Hirtenstämme gemäß ist (vgl, Jagic Arch. f.
sl. Phil. 15. 110). Die bereits erwähnte Stelle aus der Gründungs-
urkunde des Klosters Decan spricht von katum vilaskychh i
arbanaskichb. Im Gesetzbuch des Garen Dusan wird der kafim
(Mas Hirtendorf) dem selo ('Ackerbauerdorf') gegenübergestellt.
Cf. Art. 22: i Ijudie vlasteVscii, koi sede po crhkovnyichi seJechh
i po katunechh . . . (Zakonik Stefana Dusana izd. Xovakovic,
S. 2-i); Art. 94: Ako iibie vlastelim sehra u (jradu ili u äupe,
ili u katunu (ebd. S. 73), Hiezu bemerkt Novakoviö Selo S, 49 f,
(Glas Srpske Akad. 24): izrice se pretpostavka, dato moze biti
u gradu, u zupi ili u katunu, i kad mesto zupe uzmemo njen
sastavni deo selo, onda izlazi da su se naseljenja delila na gradove,
sela i katune. (Es wird die Voraussetzung ausgesprochen, daß
dies in der Stadt, in der zupa [im Landgau] oder im katun
[Hirtendorf] sein kann, und wenn Avir an Stelle der zupa ihren
Bestandteil, das [Ackerbauer-]Dorf nehmen, so ergibt sich, daß
die Siedlungen in Städte, [Ackerbauer-] Dörfer und Hirtendörfer
[katuni] zerfielen.) Und Hasdeu (Arch, istor. a Romaniei 3, 135)
wollte sogar aus dieser Stelle schließen, daß sich die katuni
einer gesonderten, von der zupa unabhängigen Verwaltung er-
freuten. Doch ist diese Schlußfolgerung bestritten (Jagic Arch.
f, sl, Phil, 15, 110), Daß für die Zeit des Gesetzbuchs des Garen
Dusan und der serbischen Klosterurkunden, also für das 14. Jahr-
hundert die Bezeichnungen Arbanasi und Vlasi tatsächlich eine
ethnographische Bedeutung hatten, geht für die 'Arbanasi' aus
den albanesischen Xamen ihrer Niederlassungen hervor. So wird
in der Gründungsurkunde des Erzengelklosters bei Prizren (wohl
aus dem Jahre 1348) ein zasehkh ('Dorf teil, Weiler') Kruimada
erwähnt (Glasnik drustva srbske slov, 15, 286), Es ist klar, daß
in diesem Xamen alb, knie Kopf und maQ, mabi, Fem, mabe
groß steckt. Die Niederlassung hat ihren Namen von einem
Spitznamen des Sippenhauptes: 'Großkopf'. Man vergleiche
ferner: A se Arbanasi: Katum Ginovci . . . Katwib Flokovci . . .
Katum Spinadinci (ebd. S, 278 f,). (Über die Katune als Sippen-
dörfer vgl. Jirecek Sitz.-Ber. d. böhm. Ges. d.Wiss., 1879, S. 114f.:
über die Benennung der Hirtendörfer nach den Namen der
Häuptlinge ders., Gesch. d. Serben 1, 156 1)). Ginovci ist also
1) Neben dem patronymischen Spinadinci kommt in der erwähnten
Urkunde auch §pinadija vor. i pridasmo mn . . . ot Ärbanasb ^pinadiju
424 Norbert Jokl,
die Sippe des Gin (= alb. G'in 'Johann'), Flokovci die des Flok
(aib. flok 'Haar'). Über die rumänische Nationalität der Bewohner
der 'vlachischen' Katune vgl. Jirecek Sitz.-Ber. der böhm. Gesch.
1879, S. 110, 117. Wollte man sich aber dessenungeachtet über
die geschichtliche Tatsache, wonach der katun als soziale Or-
ganisationsform gerade Vlachen und Albanesen eigen war, hin-
wegsetzen und dem Worte trotzdem nicht vlachischen und nicht
albanesischen Ursprung zuschreiben, so bliebe auch dann noch
ein sprachliches Merkmal bestehen, das gegen griechische Ver-
mittlung — ebenso wie gegen jede andere — spräche; die
albanische Form katunt mit t im Auslaut. Alb. katunt, katiindi
ist mit griech. Kaxoöva lautlich nicht zu vermitteln. Und der
Auslaut des albanischen Wortes ist auch bei jedem anderen
Erklärungsversuch wohl zu beachten. So könnte man ja etwa
daran denken, daß das Wort aus rom. cantone durch Dissimilation
der beiden n entstanden sei, bei welchem Erklärungsversuch
man Vermittlung des Griechischen nicht annehmen müßte. Aber
der albanesische Auslaut steht auch einer solchen Deutung
entgegen.
Gegen einen anderen Erklärungsversuch Miklosichs (Türk,
Eiern. 1, 93, E. W. 113), den der große Slavist an der zuletzt
angeführten Stelle übrigens nur als zweifelhafte Vermutung
hinstellt: Herleitung aus nordtürk. Ä:«/an, kutan 'Schafhürde' ')
wendet G. Meyer E. W. 183 zweierlei ein: 1. das Wort komme
im Osmanischen nicht vor, 2. es tue den Lauten des Balkan-
wortes nicht Genüge. Den ersten Einwand suclite Vasmer
(Glasnik 1. c. S. 303). Spinadija verzeichnet auch die österr. Generalkarte
1 : 200.000, BI. Prizren. Vielleicht ist auch dieser Name aus alb. Mitteln
zu deuten, und zwar aus dem Spitznamen des Sippenhauptes : Spin a
di 'kennst du das Haus ?'. Eine ähnliche Bildung läßt sich wohl auch
sonst in alb. O.-N. zeigen. Bei Spinadija könnte freilich auch
an rora. spina mit s.-kr. Suff, -adija (vgl. Sumadija gedacht werden.
Doch ist die Erklärung aus alb. Mitteln wahrscheinlicher, da die Katune
nach den Sippenhäuptern (vgl. das patronymische Spinadinci) und nicht
nach geographischen Merkmalen benannt werden. Morphologisch ist
Spinadinci vom sl. possessiven Adjektiv auf -im mit Suff, -»c» ebenso
gebildet wie Flokovci vom possess. Adjektiv auf -ovt. Dabei wurde
Spinadija nach Art der sl. ö-Stämme, Flok nach Analogie der sl. o-
(M-)Stämme behandelt.
1) In 6ejch Suleiman Efcndis Cagataj-osman. Wörterbuch, bcarb. v.
J. Kunos (Supplem. z. Keleti Szemle), S. 139 findet sich die Angabe : kutan
Stieglitz, Mondhof, Weideplatz.
Katun. 425
Izvest otdel. russk. jaz. 12, 241, Anm. 1 dadurch zu beseitigen,
daß er Vermittlung des Zigeunerischen annimmt. Und in der
Tat finden wir im zig. katüna 'Zigeunerzelt' (Paspati Et s. les
Tching. ou Bohem. de l'Emp. Ottom. 273, Ascoli Zig. 9, Miklosich
Mundarten u. Wand. d. Zig. 1, 16; 5, 29; G. Meyer E. W. 1. c).
Zudem ließe sich für Yasmers Ansicht geltend machen, daß
im bulg. katün nach Gerov gerade den nomadisierenden Zigeuner
bedeutet. Dennoch ist diese Erklärung schon mit den geschicht-
lichen Fakten schwer zu vereinigen. Xach Miklosich 1. c. 3, 7
rechtfertigen sprachliche Tatsachen, nämlich der tiefgehende
Einfluß des Griechischen auf die Zigeunersprache, die Annahme,
daß die Zigeuner schon geraume Zeit vor der ersten Hälfte
des 11. Jahrhunderts — für das Jahr 1322 ist ihre Anwesen-
heit auf Kreta, für 1346 ihre Ansiedlung auf Korfu bezeugt —
in Griechenland eingedrungen waren. Allein unser Wort findet
sich schon im Strategikon des Kekaumenos, einem Werk, dessen
Abfassungszeit in die Regierungszeit Michaels YII. Dukas
(1071 — 1078) fällt (Yasilevskij und Jemstedt in ihrer Ausg.,
praef., S. 7) und ferner in 2 lateinisch geschriebenen Gerichts-
protokollen von Ragusa aus dem Jahre 1285: dum irem per
Blachos ab uno catone ad alium und: ego iuerara in catonem
Blacorum (Jirecek Sitz.-Ber. d. böhm. Ges. 1879, 118). Daß die
Zigeuner schon um diese Zeit in Dalraatien erscheinen, dafür
bietet sich kein Anhalt. Also müßte man, wenn mau nord-
türkischen Ursprung und zigeunerische Yermittlung annehmen
wollte, wieder zum mittelgriechischen als unmittelbarer Quelle
des Ragus. seine Zuflucht nehmen. Dann aber gelten wieder
dieselben Einwände, die oben gegen TriandaphyUidis Deutung
(KaToöva aus cantone nach Kaxd) und die daraus sich ergebenden
Folgerungen erhoben wurden. Übrigens bleibt nach dem oben
Bemerkten auch bei diesem Deutungsversuch die Lautgestalt
des albanesischen Wortes, nämüch das auslautende <, unerklärt.
Und auch Yasmer selbst nimmt jetzt (RS. 5, 134) die An-
nahme zigeunerischer Yermittlung zurück, da zig. katuna Ent-
lehnung aus der griechischen Augmentativform Katoöva ent-
lehnt sei^).
Einen dritten Erklärungsversuch : mittelbare Herleitung aus
1) Damit entfällt auch Ascolis mit Zweifel ausgesprochene Ver-
mutung (Zig. 9), katüna sei durch Dissimilation aus arab.-türk. qutnn
'Baumwolle' entstanden, desgleichen Paspatis Deutung: ai. kafa 'Geflecht' M.
426 Norbert Jokl,
arab. qiitün *Wohnung* (Miklosich Üb. d. Mundarten ii. Wander.
d. Zig. 1, 16, wo qutün als türkisch bezeichnet wird, ders. Sl. El.
i. Ngr. 17, Cihac Dict. 2, 558) hat Miklosich im E. W. selbst fallen
gelassen und G. Meyer wendet E.W. 183 ein, das Wort scheine
im Türkischen nicht vorzukommen. Wiewohl nun diese Vermutung
G.Meyers durch Zenkers Wörterbuch (vgl. S. 704)^) nicht bestätigt
wird, ändert dieser Umstand nichts an der Unglaubwürdigkeit auch
dieser Erklärung. Denn da durch die erwähnten ragusäischen
Protokolle das Wort auch außerhalb des griechischen Sprach-
gebietes lange vor der türkischen Invasion belegt ist, müßte
man auch bei dieser Deutung Vermittlung der Byzantiner, die
ja lange vor dem Erscheinen der Osmanen in Europa mit tür-
kischen Stämmen in kriegerische und friedliche Berührungen
kamen, annehmen und damit wären dieselben sachlichen und
lautlichen Schwierigkeiten gegeben, die nach dem Obigen den
andern erwähnten Erklärungsversuchen entgegenstehen. —
G. Meyer selbst war, offenbar von keiner der vorgeschlagenen
Erklärungen recht befriedigt, geneigt, das Wort den türkischen
Bulgaren, die es nach der Balkanhalbinsel gebracht hätten, zu-
zuschreiben. Indes ist eine solche Vermutung — für mehr hat
sie auch G. Meyer nicht ausgegeben — nur ein ultimum re-
fugium, vor dessen Inanspruchnahme weitere Versuche zu
machen sind.
Fassen wir also zusammen, so hat sich an der Hand der
Urkunden ergeben, daß der Katun die soziale Organisationsform
der albanesischen und rumänischen Hirtenbevölkerung war, die
noch von der Gesetzgebung des 14. Jahrhunderts vom Acker-
bauerdorf (s.-kr. selo) geschieden wurde. Es ist daher richtig,
wenn man die Besitzergreifung der Balkanhalbinsel durch die
Siaven so darstellt, daß diese als Ackerbauer die fruchtbaren
Niederungen okkupierten, während die lUyrier und Illyroromanen
auf den Höhen ein Hirtenleben führten (Jireöek Dej. när. bulh.
180, P. Mrkonjid Naselja srpsk. zem. 1, 255). Die Erklärung des
Wortes katünf wird daher am besten vom Alb. oder Balkanlat.
auszugehen haben ; und da der Deutungsversuch : rom. cantone,
wie gezeigt, abzulehnen ist — womit freilich nichts gegen Er-
klärungen aus dem Romanischen überhaupt gesagt sein soll —
1) Herrn Dr. Hrozny, der mir bei dieser Feststellung seine freund-
liche Unterstützung lieh, danke ich verbindlichst auch an dieser Stelle.
Katun. 427
empfiehlt es sich von vornherein, das Albanische zu befragen ^).
Und in der Tat liefert das Albanische eine, wie mir scheint voll-
ständig ausreichende Erklärung, geg. katun^, ketun, tosk. katünt
gehört zu tosk. ndena^ ndeja^ geg. n'^eja, ndejta^ das als Aorist zu fi
'halte mich auf, wohne, ruhe aus' fungiert, femer zu e ndenura,
geg. e ndeitmeja ., ndeime (Mever E. W. 300), nng/, nneja *die
Wohnung, der Aufenthalt' (Bask. 300), nd^nüör 'Einwohner'
(Meyer 1. c), eine Sippe, die Meyer in scharfsinniger "Weise zu
ndi^n., geg. ndej 'breite aus, ziehe, strecke, spanne die Seite eines
Instruments aus *tenio : griech. teivai, idg. Wz. ten- gestellt hat.
Die Bedeutungsentwicklung 'ausspannen — wohnen' erklärt sich
eben als Terminus des Hirtenlebens vom Ausspannen der Zelte.
Tatsächlich wird auch der Katun 'ausgespannt'. So heißt es
in einem von Vuk zitierten s.-kr. Yolksliede : razapese Piperi
katime "die Piperi spannten die Katune aus". Morphologisch
ist katiint mit seinem auslautenden -t eine Partizipialbildung
mit Suffix -to-, das im Albanischen einst zur Bildung dieser
Wortkategorie verwendet wurde, während heute diese Bildungen
adjektivischen Sinn haben: i Bäte 'trocknen' (00/ 'trockne') i pl'ote
'voll', / ngrite, geg. i n^rit 'erfroren' {ngrij, n^rjj 'mache frieren,
erfriere') vgl. Pekmezi Gr. 194, 224 f. Im Nordostgeg. ist das
^-Suffix noch heute bei Bildung der Partizipia produktiv, k'eni
si i terbuet po uluron 'der Hund heult wie wütend' (Bageri
Kopesht Malsori, Sofia 1910, S. 32; der Verfasser dieser Schrift
stammt aus Reka) ; giQ se tska sohem . . . qst e krihuet prej Perendis
'alles, was wir sehen, ist von Gott geschaffen' (ebd. S. 37);
ngdrkuet 'beladen' (als masc.) (ebd. S. 10). Der Yokalstufe nach
ist katunt als *-tnt- zu fassen, zeigt also dieselbe Vertretung
von w, wie sie auch in grimde 'Kleie', munt 'ich kann', strimge
'Abteilung des Pferches, in dem Ziegen gemolken werden, tunt
'schüttle' auftritt (Verf. Stud. z. alb. Etym. u. Wortb., S. 25, 58,
89, 91). Are-, ka- ist dasselbe Präfix, das sich auch in gbent 'be-
haue Holz, hoble, prügle' : geg. bend, benn 'aushauen, gbin 'mache
Tag, beginne den Tag' : dihet 'es tagt', dite 'Tag', kQiet 'rein' :
ejeTtn dass. (Schirö Te Dheu i huaj, S. 27), kenem 'Weihrauch'
(vgl. Verf., 1. c, S. 21 f., 87) nachweisen läßt, katunt ist also
1) Miklosich war in einer seiner früheren Schriften, Die slav. Elem.
im Rum. [1861], S. 10 geneigt, rum. cätun, alb. katunt für ein 'altein-
heimisches Element' zu halten, ein Gedanke, den er freilich nicht näher
begründet und in seinen späteren Veröffentlichungen wieder aufgab.
428 Norbert Jokl,
*das Ausgespannte', das 'Gezelt', dann Aveiter Mas Gewohne',
die Wohnung, der Aufenthalt. Die auf Grund der etymologischen
und grammatischen Analyse gewonnene Bedeutung stimmt also
zu der tatsächlich im Albanesischen und den übrigen Balkan-
sprachen bezeugten (vgl.z. B. diengriech. Bedeutungen). Wenn sich
neben küun meist katunt findet, so erklärt sich das a als Wandel
des gedeckten Kehllautes (Schmalzungenlautes) e {q Weigand)
zu a in Nachbarschaft von k. Als weitere Beispiele für diese
Behandlung des Schmalzungenlautes seien genannt: k(.m6s neben
kames 'Hacke, Hippe' (vgl. Verf., 1. c, S. 39 f.), gakatar 'blutig,
mörderisch' (Liri e Ök'ip. Nr. 47, S. 1, Sp. 2, Kristoforidi, Lex.,
S. 75 'Mörder' aus Berat) neben gakdtuar (Meyer E. W. 136)
'Mörder' ; kartsin 'springe' (Meyer E. W. 189, Kristoforidi, Lex.
145), kardsej, kardsen (ebd.), kazegniene ( = katsenent) 'sie springen'
(Bogdan Cun. proph. 2, 40, 9), ka me kazüe (= katsüe) 'er wird
springen' (ebd. 2, 46, 1) gegenüber kertsen, ketsen (G. Meyer 1. c.) ;
ndlagbn 'du denkst' (Katechismus des L. Matranga v. J. 1592
in : Roma e l'Oriente, 4, 27) : griech.-alb. ddgon 'ich höre, ge-
denke', ge^. ndegoj; Plur. te kak'ijete (cachijetcß) 'die Bösen
(L. Matranga 1. c, S. 29): te kek'ij^) dess. (Kristoforidi, geg.
Matthäus-Evang., Kap. 5, V, 45), te kek'ite (ders.. Lex. 149, Tosk,
Psalter, Ps. 12, 8), nordostgeg. Plur. F. te kk'ia (Bageri Kopst
Mal'sori 25). Man vergleiche ferner l'esatak 'zottig' (Eltsija i
zemers J. Kristit, 1911, 2, 72) gegenüber griech.-alb. tese^oV dass.
(Meyer E.W. 241), pasanik 'wohlhabend' (Kendime . . ., Libri i 3,
Shtampa e 2, s. 1., s. a., S. 4) : pasun aus -en- dass. Über andere
Wandlungen gedeckter Kehllaute (zu «, i) vgl. Weigand Jahre.s-
ber. d. rum. Inst. Lpz., 17, 184.
Aus der oben gegebenen Übersicht der Formen und Be-
deutungen der Balkansprachen geht hervor, daß das Albanesische
allein die Gruppe -«<, bzw. -n^ im Auslaut aufweist, während
die übrigen Sprachen -n (bzw. -n-) zeigen. Es ist dies so zu
erklären, daß bei der Entlehnung des albanesischen Wortes der
Akkusativ, und zwar in seiner bestimmten Form zugrunde ge-
legt wurde, also katund-ne, was regelrecht katune ergibt. Vgl. /€
«iMn€ = te mundne 'er könnte' (Pedersen Alb. Texte 54, 10, 165 :
mHnt)\ mone akkus. zu mot 'Jahr*, giQmon 'immer'; pane 'sie
hatten' : p(äa 'ich hatte*; zone 'Frau* aus *zot-ne : zot 'Herr' usw.
1) pl. tf. kek'ij (Pekmezi, Gr. 106) zeigt den Vokal des Sing.: kek'.
Katun. 429
(vgl. Pekmezi Gr. 65, 95). Wenn der best. Akk. von vent *Ort'
neben vmtne vende lautet (Pekmezi Gr. 65) — statt des nach
dem Vorstehenden zu erwartenden *vene — so bemht dies auf
analogischer Ausgleichung, ganz so wie auch die Akkusative
püte, pütn^ Analogiebildungen dai"stellen. Denn nach den Aus-
führungen Pedersens über -In- (KZ. 33, 535, 543) würden wir
*pül't erwarten. Auch sonst wird bei Entlehnungen mit Vorliebe
der Akkusativ zugrunde gelegt. Man vergleiche d. Kreuz aus
lat. crücem (Kluge E. W.^ 265), Kelch aus lat. cälicem (ebd. 237).
Wie verhalten sich nun die Zeugnisse der außeralbanischen
Balkansprachen zu dem eben gewonnenen Ergebnis? Eelativ
tren hat die Grundbedeutung, wie sie sich aus den obigen Aus-
führungen ergibt, das mgriech. bewahrt: Kaxoüva "Zeltlager'
(Kekaumenos 1. c.) Kaiouveüuj 'schlage ein Lager auf. Das
Heerlager und das Hirtendorf mit seinem fast nomadenhaften
Charakter stimmen zweifellos in ihrer Anlage vielfach überein.
Kekaumenos Strategikon ist, wie bereits erwähnt, zur Zeit des
Kaisers :\[ichael VH. Dukas (1071—1078) abgefaßt. Da nun
gerade Kekaumenos selbst in vielfache Berührungen mit den
Wlachen trat — stammen doch von diesem Schriftsteller die
viel erörterten Xachrichten über Volkscharakter und ältere
Wohnsitze der Wlachen (S. 7-1 der Ausg. von Vasilevskij und
Jernstedt, vgl. auch S. 12 der praefatio und die S. 13, Anm. 1
zitierte Literatur) — so könnte man sich leicht zu der Annahme
verleiten lassen, der Byzantiner habe das Wort unmittelbar von
den Wlachen und in diesem Fall nur mittelbar von den Albanesen
übernommen. Indes deutet die Verwendung des Wortes durch
den anspruchslos schreibenden Krieger darauf hin, daß das Wort
in der militärischen Sprache seiner Zeit bereits üblich war. Und
so ist es wohl kaum dem bloßen Zufall zuzuschreiben, daß
das Wort gerade ein Menschenalter nach der Erwähnung der
Albanesen durch die byzantinischen Quellen in der byzantinischen
Literatur auftaucht»). Wie nämlich Tomaschek (Zeitschr. f. d.
1) Es muß ferner mit der Möglichkeit gerechnet werden, daß
katum auch in dem mit dem Strategikon fast gleichzeitigen Izbornik
Svjatoslava v. J. 1073 belegt. Zu einem abschließenden Urteil über die
Frage dieses r.-ksl. Belegs für das Wort kann man bei dem gegenwärtigen
Stande der Editionen dieses Denkmals (vgl. Jagic Istorija slavj. filol. 463.
Djuvernua Ctenija v Imp. ob§c. ist. 1882, 4, S. 21 des Arch. obozr.) schwer
gelangen. Die von ßodjanskij besorgte Ausgabe, erschienen in den eben-
erwähnten Ctenija, umfaßt bloß die ersten 74 Blätter der Handschrift.
430 Norbert Jokl,
öst. Gymn. 1877, S. 681 f.) zeigt, erwähnen die Byzantiner die
AXßavoi nicht erst 1079, wie man bis auf ihn allgemein an-
nahm, sondern bereits 1040—1043 (Michael Attaliota, S. 9, 18
in Corpus Script, hist. Byz. Bd. 32). Die Bedeutung 'Gepäck'
(Ducange) erklärt sich leicht als militärischer Terminus; man
denke an die wichtige Rolle des Zeltes innerhalb des Gepäckes
des Heeres. Die weiteren (neugriechischen) Bedeutungen beruhen
auf Verallgemeinerung eines ursprünglich spezielleren Sinnes.
Eine mit dieser griechischen parallele Bedeutungsentwicklung,
die Jirecek Arch. f. sl. Phil. 22, 213 bemerkt hat, zeigt bei
ähnlichen kulturellen Verhältnissen s.-kr. stän heute 'Wohnung',
im Westen *Sennerei im Gebirge' gegenüber ar., c. 'Zelt', aserb.
(Gesetzb. d. Garen Dusan) 'Gepäck des Reisenden' in ragus. Ur-
kunden 'Quartier'. — Chronologisch folgen auf die mittel-
griechischen Belege und den kirchenslavisch-bulgarischen des
Zaren Konstantin Äsen die lateinischen aus Ragusa (1285): ab
Tino catone, in catonem. Das o dieser Formen bereitet nur schein-
bar Schwierigkeiten. Wir haben es nämlich mit einer gelehrten
'Latinisierung' eines volkstümlichen katun zu tun. Da nämlich
in den lateinischen Elementen des Altdalmatischen einem
volkstümlichen -un lat. -oiiem entsprach, (vgl. skr. racun
Einigen Ersatz gewährt — da auch die photographische Reproduktion
der Handschrift selten (z. B. mir in Wien zurzeit nicht zugänglich ist) —
die Beschreibung der Handschrift bei Gorskij und Nevostruev, Opis. slavj.
rukop. n 2, 365 ff. Nun führen die Genannten 1. c. 401 nach Bl. 190 der
Handschrift an : izgzinana bysth mm is katii na sedmh dnii (fStu xfic
TTap€|ußoXfic, die Stelle handelt von der Schwester des Moses). Miklosich
las dies Les. Palaeosl. 284, da er den Passus unter kattim zitiert, mit
leichter Emendation offenbar is katuna. Hingegen findet man bei Srez-
nevsky Materialy I, 1200 die Stelle nicht unter katum, sondern unter kat»,
und Berneker folgt E. W. 494 in der chronologischen Fixierung nicht
Miklosich, sondern Sreznevskij. Übrigens ändert sich, auch wenn man
Miklosichs Lesung annimmt, an den Daten für die Wortgeschichte nicht
viel. Der Izbornik Svjatoslava v. 1073 wurde nämlich auf Grund einer
ursprünglich für den bulgarischen Zaren Symeon angefertigten Vorlage
abgeschrieben (Murko Gesch. d. alt. südsl. Lit. S. 65 f., Vondräk Ksl.
Chrestom. 164 f., A. Archangel'skij in Brockhaus-Efrons Enciklop. slovar'.
12, 816). Die Wortgeographie weist ohne Zweifel auf die Balkanhalbinsel
als Ursprungsland des Wortes. Nun ist es freilich eine gar nicht zu ent-
scheidende Sache, ob das Wort auch im big. Archetypus des Izbornik,
der in die Zeit um 900 fällt, stand. Sind doch lexikalische Varianten in
den verschiedenen Abschriften ksl. Texte häufig (vgl. Jagic Entstehungs-
gesch. d. ksl. Spr.' 281 ff.). Und gerade die bei Gorskij und Nevostruev
Katim. 431
'Rechnung' : lat. rafionem, Bartoli Das Dalmatische 2, 299 ; salhun
[überliefert in älteren Texten aus Arbe, Spalato, Zara = it.
sabbione, ragus. saßun dass, (ebd. 300); skr. sapun, in Ragusa
sapliin *Seife' aus sapone (ebd.), skr. stacun 'Kaufladen' [in Ra-
gusa, Resetar Arch. f. d. Phil. 17, 42, Jirecek Die Roman, i. d.
Stadt. Dalm. 1, 81), Xobiles de Carbunne [Zara a. 1199], lati-
nisiert de Carbone [Jirecek 1. c. 3, 14], Razunat 'Beiname eines
ragusanischen Kaufmannes' [lat. ratwnatus, ebd. S. 54], rasun
[Zara 1325 1. c. 2, 4] gegenüber latinisierendem rasoyi [Brskovo
1312, geschrieben von einem Ragusaner, ebd. S. 3], presun [Klage
vor dem Gerichtshofe von Ragusa 1372] 'Gefängnis' [ebd. S. 17]
gegenüber stacon [ib.]), deserigion (geschrieben von Ragusanern
1302 1. c. 2, 2)1), so wurde nach dem Muster dieser Fälle katun
zu catonem umgestaltet. Bedeutet katun{t) ursprünglich nur ein
Hirtendorf eines Stammes, so finden wir später im Serbokr.
auch die Bedeutung 'Distrikt' (Statut von Poljica s. o.), ferner
1. c. angeführte Stelle hat eine Parallelstelle, in der für katii na ein phha
steht: da oMudena bgdetb vbni pslka sedmi dnii (Ctenija 1882, 4. S. 126
= ä(popic9riTU) eEuj Tf|C uapeußoXfic V r\]xipac. (Man beachte übrigens,
daß hier nicht na sedmt dnii, sondern bloß sedntb dnii steht. Könnte dies
Miklosichs Lesung bestätigen?) Xur das ließe sich, falls man die Stelle
überhaupt zu irgend welchen Schlüssen verwerten wollte, erschließen,
daß das Wort schon einige Zeit vor 1073 bei den Bulgaren üblich w^ar.
Nach der Bedeutung, der heutigen Verwendung und Verbreitung des
Wortes handelt es sich nicht bloß um gelehrte, sondern um volkstümliche
Entlehnung, die wohl nicht auf das Griechische zurückgeht. (Vgl. Vasmer
Izvgst. otd. r. jaz. 12, 2. 240, a 1.) Da die Bulgaren bereits im 10. Jahr-
hundert Mittel- und Südalbanien beherrschten, bieten sich für die An-
nahme einer vor 1073 erfolgten Entlehnung des Altbulgarischen aus dem
Albanischen chronologisch keine Schwierigkeiten. Doch sei dem wie ihm
wolle, jedenfalls haben wir das sichere Zeugnis des Kekaumenos, das in
die gleiche Zeit führt wie der Izbornik. Nur der Vollständigkeit halber
mußte auch die Frage nach der Chronologie des Wortes im ksl. behandelt
werden. — Die bei Ducange angeführten Belege sind durchwegs jünger
als Kekaumenos. — Dies gilt gewiß von allen bis auf die Glosse zu den
Basiliken : KÖctpov tout^cti qpöccav r|v ^^eic KaXoOuev KaxoOvav, die Ducange
offenbar Labbaeus Veteres glossae verborum iuris quae passim im Basilicis
reperiuntur (Paris 1606), S. 131 entnommen hat (vgl. auch Otto Thesaur.
iur. III, 1818). Zeit, Quellen und Wert der von Labbaeus aus mehreren
juristischen Wörterbüchern zusammengestellten glossae verborum sind
noch nicht festgestellt. (Krüger Gesch. der Quellen u. Liter, d. röm. Rechts,
S. 369 f. u. Anm. 67,» S. 417 u. Anm. 70.)
1) Auch zeitlich stehen einige der angeführten Schreibungen mit
-on einem catonem nahe.
432 Norbert Jokl,
'Gegend* (vgl. die oben angeführten Belege). Der Bedeutungs-
wandel erklärt sich so, daß das Sippendorf, daß ursprünglich
bloß einen Katun umfaßte, sich später bei Anwachsen der Be-
völkerung über mehrere Siedlungen ausbreitete. Vgl. die histo-
rischen Belege bei Jireöek Gesch. d. Serben 1, 137. Zu den
ital.-alb. Bedeutungen von hatunt 'Land, Vaterland, Stadt' vgl.
man die Bedeutungen von sizil. |;a/si regione, tratto di terra,
cittadetta, borgo o villaggio, patria (Trajna Nuovo vocab. sicil.-
ital., S. 685)1). gg kann sich sehr wohl um semasiologische
Beeinflussung des Ital.-Aib. durch das sizil. handeln. — Das
hier über den Ursprung des Wortes Gesagte wird durch das
Zeugnis des rumänischen gut veranschaulicht. Im Rumänischen
wird zwischen dem Doritypus des Hügellandes der Oltenia und
der Muntenia, dem Weiler {cätun) und jenem der Niederterrassen
der Donau (der unteren Muntenia): sat unterschieden (Grothe
Zur Landesk, v. Rumän. S. 541). Der cätun gehört also der
Hügelregion an, was zu seinem Charakter als Ansiedlung der
von Viehzucht lebenden Hirtenbevölkerung stimmt. Der eben
dargelegten Herkunft der Bezeichnung entspricht es, daß solche
Niederlassungen nach dem Berichte der österreichischen Ver-
waltungsdeputation von 1719 (zitiert bei Grothe a. a. 0.) in ihrer
Anlage und Bauart etwas Provisorisches und zu sofortigem Ab-
bruch Bereites zu verraten schienen. Und damit stimmt auch
die Terminologie der serbischen Urkunden des Mittelalters, die
für die 'Gründung' von Hirtendörfern {katuni) sich eines be-
sonderen Verbums bedienen, das von dem für die Gründung
von Ackerbauerdörfern gebrauchten verschieden ist. So heißt
es in der Urkunde des Garen Stefan v. J. 1347 betr. das Bistum
Ljesnovo vom Despoten Oliver: katum Vlachb nastroi (Glasnik
srpskog u6. drustva 27, 290. Novakovid Selo 143). Bei der hier
vertretenen Erklärung des Wortes: mkn aus *teniO^ lat. fendo
usw. ist auch dies verständlich. In späterer Zeit konnte dann
die Bauart der Hirtendörfer einen etwas solideren Charakter
annehmen. Man vergleiche die ausführlichen Beschreibungen, die
Cviji6 von den Hirtendörfern der Kutzowallachen und Albanesen
gibt (Naselja srpsk. zem. 1, 129, 134 f.). — Eine ältere alb.
Quelle, nämlich Bogdan, Cuneus prophet (1685) 2, 99, 5 ver-
wendet katund in der Bedeutung 'Landhaus'. (Das entsprechende
Wort der italienischen Übersetzung ist villa). Es ist dies ein
1) Das Zitat verdanke ich der Freundlichkeit des Herrn Dr. Battisti.
Ednard Hermann, Noch einmal das Jmiglakonische. 433
Notbehelf, der durch die in den Gebirgen der Balkanhalbinsel
herrschenden Siedlungsgewohnheiten erklärlich wird. So heißt
in dem seit 1878 montenegrinischen, früher herzegowinischen
Drobnjak hatim die Gegend, wo das Gesinde mit den Herden
den Sommer verbringt und wo die Sommerhütten {kolihe) er-
richtet werden (Tomic Xaselja srpsk. zem. 1, 423 f.).
Wien. Norbert Jokl.
Noch einmal das Junglakonische.
In meinem kleinen Aufsatz über das Junglakonische
BF. 32, 8 58 ff. habe ich zu beweisen gesucht, daß die Inschriften-
sprache Spartas in der Kaiserzeit ein Abbild der Umgangs-
sprache Spartas darstellt. Thumb war und ist noch der An-
sicht, daß diese Inschriftensprache ein künstliches Gemenge
von Koine und der Umgangssprache der Kynuria sei.
Das sind trotz Thumb zwei verschiedene Ansichten. "Wäre
das nicht der FaU, dann brauchte Thumb nicht den Versuch
zu machen, die meinige zu bekämpfen. Davon, daß ich mit
meinem Aufsatz um so und so viel Jahre zu spät gekommen
sei, kann also gar nicht die Eede sein. Mein Artikel wäre aller-
dings dann überflüssig gewesen, falls das, was ich begründet habe,
in Thumbs mir selbstverständlich sehr genau bekannten Büchern
stände. "Was ich für Erforschung der dem Zakonischen benach-
barten griechischen Mundarten gesagt habe, hat auch seine gute
Berechtigung. Nur ist hierfür ein Buch wie das von KouKouXec,
das Thumb zum Studium empfiehlt, nicht ausreichend. Da das
Zakonische auch neugriechische Elemente aufweist, sind moderne
Beziehungen zu den Xachbarmundarten höchst wahrscheinlich.
Diese Beziehungen kann in genügendem Umfang nur feststellen,
wer an Ort und Stelle zu diesem besonderen Zweck das Zako-
nische und die Nachbarmundarten, auch die nichtgriechischen,
durchforscht. Solches Verlangen bedeutet keine Archaeomanie.
Das habe ich a. a. 0. S. 364 auch noch besonders ausgesprochen.
Sachlich bin ich nicht widerlegt. Es gibt weiter kein Bei-
spiel dafür, daß man in Griechenland aus archaistischer Freude
an der Mundart eine anderwärts gleichzeitig gesprochene
Mundart in die Koine verwebt hat. Der Fälscher des
ladogennanische Forschangen XXYTTT 29
iM A.Thumb, Antwort.
Timotheosdekretes wird sich jungspartanische Inschriften zum
Muster genommen haben. Ich muß daher dabei bleiben, daß
das Junglakonische der spartanischen Inschriften spartanische
Mundart war. Der sogenannte Attizismus liefert nicht entfernt
eine Parallele für das Wiederauftreten der Mundart in Sparta.
Hier handelt es sich in allererster Linie um lautliche Eigen-
tümlichkeiten, beim Attizismus spielen diese nur eine sekundäre
Rolle. Vor allem aber ist die besondere Art der Mischung
von Koine und Mundart nur zu verstehen, wie ich an einzelnen
Beispielen gezeigt habe, wenn man in gewissen Kreisen Spartas
halb Koine, halb Mundart sprach. Diese Beispiele hat Thumb
ebenso wie meine sonstigen Argumente nicht berührt.
Demnach habe ich keinen Grund, von meiner
Ansicht über das Jungspartanische abzuweichen. Ich
würde nur, wenn jetzt Anlaß zu einem solchen Aufsatz für
mich vorläge, meine Untersuchung auf die sämtlichen jetzt so
bequem zugänglichen spartanischen Inschriften ausdehnen. Auch
würde ich a. a. 0. 361 die zwei leicht mißverständlichen Wörter
'als T]', die von 'viel eher ä' abhängig zu denken sind, weglassen.
Thumb behauptet, dasselbe wie ich gesagt zu haben. Das
ist nicht der Fall. Das Mißverständnis liegt also nicht auf
meiner Seite. Soll ich nun den Spieß umdrehen und in dem
von Thumb ohne vorausgegangene Spannung plötzlich ange-
schlagenen Ton antworten? Nun ich denke, nur Sachlichkeit
fördert die Wissenschaft.
Kiel. Eduard Hermann.
Antwort.
Ich kann die Leser nur bitten, Hermanns und meinen
Artikel genau zu lesen und dann zu urteilen. Weiter habe
ich nichts zu sagen.
Albert Thumb.
Aug. Zimmermann, Erwiderung. 435
Erwiderung.
(Vgl. IF. 32, 364.)
In meinem Aufsatz gegen die Aufstellungen Schwerings
(EF. 30, 220 ff.) habe auch ich der Überzeugung Ausdruck ge-
geben, daß man bis jetzt auf die Vermittlerrolle der Osker
zwischen Griechen und Eömern zu wenig eingegangen sei, aber
dabei auch erklärt, "die Tatsache, daß der Künstler Novius
Plautius ein Osker sei", könne ich nach genauer Prüfung der
Sachlage nicht bestätigen, sondern höchstens eine Möglichkeit
zugeben. Kann doch auch Mommsen, auf den man sich in
dieser Hinsicht beruft — siehe Jahn Die ficoronische Cista, S. 61
— nicht umhin, in seiner Anmerkung zu CIL..1, 54 die Ein-
schränkung zu bringen: Plautiorum . . lihertus Novius quo-
minus ex Canqxinia Graeciave oviundus fuerit, nihil impedit.
Soll aber der Künstler, wenn des Künstlers Xame ^) oder eines
der Hersteller der cista — vgl. darüber was Dessau CIL. 14,
4112 über die Entstehung des Kunstwerks sagt — wirklich
Xovios Plautios war, darum nach Mommsen ein lihertus gewesen
sein, weil seine Nomenklatur eine so kurze ist? Drücken sich
doch die andern Künstler jener früheren Zeiten, die Manios,
die Buenos noch kürzer aus. Und ebensowenig wie man die
zwei letzten Künstlernamen als nur oskisch ansprechen kann,
ebensowenig ist das der Fall mit dem Individualnamen Novius.
Hat doch dieser Xame, ob man ihn nun von novem oder von
novus herleiten mag, lautlich betrachtet gar nichts an sich, was
dazu berechtigte, ihn für einen besondern italischen Volksstamm
zu reklamieren. Um nun nicht schon Gesagtes zu wiederholen,
will ich vorerst für meine Ansicht "W. Schulze sprechen lassen.
Derselbe sagt S. 433: "Für die grammatische Wertung der
latinischen Xamen auf -eins haben wir glücklicherweise ein
paar feste Anhaltspunkte: Novieius CIL. 14, 3179 {Praeneste\
das unverkennbar vom Pränomen Novius abgeleitet ist". Also
der latinische Gentilname Novieitis ist eine Weiterbildung von
dem — dann doch offenbar auch latinischen — Pränomen
Novius. Ist aber hiernach das Pränomen Novius auch in Praemste
1) Nach Mau. bei Pauli- VVissowa s. v. cista ist es aber sehr wohl
möglich, daß die Zeichnungen von einem griechischen Arbeiter ausgeführt
wurden und Novios Plautios nur der Fabrikherr war.
29*
436 Aug. Zimmermann, Erwiderung.
im Gebrauch gewesen, in derselben Stadt also, in der die cista
gefunden wurde und anscheinend auch die Bestellerin gewohnt
hat, dann kann auch der Künstler, dessen Gentilname auf prä-
nestinischen Inschriften nicht selten vorkommt, ein Pränestiner
gewesen sein. Und der Passus der Inschrift: "Novios Plautios
med Romai fecid"? Er sagt das doch nicht selbst von sich;
der cista wird das in den Mund gelegt. Von wem? Nicht viel-
leicht von der Bestellerin, der daran lag, daß das Kunstwerk
als ein aus einer so bedeutenden Stadt herrührendes auch
dem entsprechend geschätzt würde? Dies Romai soll ein Ur-
sprungszeugnis sein — ob ein echtes oder unechtes, darauf
gehe ich hier gar nicht ein, ich erinnere nur an das bekannte
made in Germany — ; über die Herkunft des Künstlers gibt
es uns keinen Aufschluß. Derselbe kann auch, wenn er nicht
von Praeneste aus nach Rom zog und sich dort einen Namen
machte, in Rom selbst geboren sein, und wir hätten dann den
zwei früher von mir zitierten römischen Inschriften mit dem
Pränomen Novius auch diese anzureihen. Nun "macht nach
Schwering für Noiios Pomplios (VI 30898) auch der Gentilname
die Herkunft mindestens der Familie aus oskischem Sprach-
gebiet sehr wahrscheinlich" ; ich kann sofort darauf nur erwidern,
daß in einer Stadt, deren zweiter König Numa PompiUus nach
der Sage hieß, die zum dritten Teil von Sabinern besiedelt sein
sollte, ein derartiger Name gar nichts für die Herkunft des
Trägers derselben beweist. Während das CIL. 10 nur eine
Inschrift mit dem Namen PompiUus aufweist, zähle ich unter
den inscrijjtiones sepulcrales von VI deren 5 auf; eine derselben
24 579 bringt sogar einen C. PompiUus C. F. Numa. Nun mag
ja der Gentilname Novius in Campanien häufiger vorgekommen
sein, als in Latium, aber nach dem Index von CIL. 14 ist er
dort auch vorgekommen, und eine Schätzung, die die Stadt
Rom grundsätzlich dabei nicht berücksichtigt, kann doch nicht
als maßgebend gelten.
Bezüglich meiner Etymologie von Äiax muß ich den
Lesern dieser Zeitschrift überlassen, sich ihr Urteil zu bilden.
Ob man nach dicax loquax auch aiax für denkbar hält oder
aiax erst nach Aiax geschaffen ansieht, darüber laßt sich
streiten; beides ist möglich. Und als solch eine Möglichkeit
habe ich meine Herleitung auch nur hingestellt. Aber sollte
der Umstand, daß der in der Sage mit Aias doch so häufig
Druckfehler. -437
zusammen auftretende Odysseus im Latein auch sein s zn x
wandelt, nicht auf einen gleichen Grund des Wandels von s zn x
schließen lassen ? Xach P. Kretschmer E. S. 280 "besaß die
messapische Sprache eine Spirans, welche von den Eömern
teils mit x teils s{s) wiedergegeben wurde" und ebenda "die-
selben Stämme (die illjrischen) haben auch den italischen Völ-
kern die Sagengestalt des Odysseus vermittelt". Als fernem
Beitrag zu dieser Frage will ich nur noch erwähnen, daß der
auf römischen Inschriften sehr häufige Frauenname Thalassa
in den N. d. Sc. 1912, S. 228, Nr. 20 (Roma) Thalwca lautet
München. -^ug. Zimmermann.
Druckfehler.
IF. 33. S. 108 Z. 25 v. o. Hes sk'elt statt Welt
S. 110 Z. 26 V. 0. lies hrekdt statt hrekat.
S. 111 Z. 6 V. u. lies skaitit statt skaitU; ebenso Z. 3 v. u.
iatsU statt tatstt.
S. 115 Z. 10 V. 0. lies mioskriesim statt mwskriesim.
Sachregister.
Ablaut der Suffixe imGriech. :
-ab- zu -b- 318 ; sekundärer im Lit.
und Lett. 245 A.
Ablautsentgleisung im Lett.
199.
Adverbienauf -ftaimGot. 281;
griech. des Orts mit Akk. 72.
Analogie im Ai. 137, im Lit.
264, im Griech. 319. 420, im Anord.
339.
Aussprache Schwierigkeit
als Dissimilationsgrund 372.
Assimilation von m — jizMtnt-
m im Idg. 369; im Germ. 379; von
s an 0 im Poln. 253. 254 A.
Assoziations Verschiebung
255.
Bedeutungsdoppelheit, ur-
zeitlich 244, gemeinslav. 265, im
Germ. 323.
Bedeutungsübereinslim-
mung zufäUig 259.
Betonung. Metatonie bei Sub-
stantiv. Adjektiven im Lett. 107;
im Nomen 108; Intonation, lettische
104; die der lett. Suffixsilben 105;
Wechsel der Intonation 107.
Betonung, slav. steigender Ton
wird lett. Dehnton 118; slav. fallen-
der Ton wird lett. fallender Ton
118, Akzentverschiedenheiten 35. 36.
Brechung im Anord. 346.
Deklination Akk. und Instr.
PI. der o-Stämme im Lit. 120; lit.
Dual auf -e 123; got. Gen. PI. auf
-e 272; griech. -(pi 275; lat. kelt.
-T als Genetiv 275; arm. Gen. PI.
auf -f 278 ; Gen. des Pron. pars, im
Germ. 275 f. und Ar. 275; Kasus-
ausgleich im Ai. 135.
Dissimilation: von tn-m zu
v-ni im Ai. 369 ; von tn-m zu f-nt
im Lat. 369; von m-m zu F-|ii im
Griech. 369; von m-ni zu m-ji im
Aw., Kelt., Slav. 370; Dissimilations-
richtung durch die Stehung des
Worttons bedingt 370; im Griech.
durch die Art des Tones bedingt
370; von 9 zu Ä im Griech. 414 A;
von Ol — Ol zu Ol — €1 imGriech. 416 A;
Silbenverlust infolge von Dissi-
milation im Got. 300; von z zu ^
im Slav. 207; von mj« zu Oft im
Lat. 171.
DittographieimAschwed.339;
im Anorw. 344.
Dnjeprstromschnellen, ihre
Benermungen 405.
Ellipse, toOto im Griech. 128.
Entwicklung der Laute und
Bedeutung und ihre Nachweisbar-
keit 36.
Epenthese des » im Kur. 102.
Flexionslose Urzeit 40. 42.
42 A.
Gegensatzworteim Aind. 154;
im Griech. 319.
Gemütsstimmungen 55. 82.
Heimat, Entfernung von ihr
am Grad der Artikulationsverän-
derung meßbar 381.
Imperfektiv 250.
Interjektion, lettische 264.
iDtonation, lettische 104; der
Sachregister.
439
lett. Suflixsilben 105; Wechsel der-
selben 107.
Junglakonisch, keine künst-
liche Sprache 294.
Verben des Redens 250.
K a t u n , Bezeichnung des Balkan-
hirtendorfes 426 f.
Konsonantismus: Ursprach-
liche Lautvariation im Lit. 97 ; got.
-nn- aus -tiin- 305; idg. zg wird
zu ai. jj 135. 155 ; ar. zg -\- Kons,
wird zu urind. g -j- Kons. 136 ; ai.
<ig aus ar. dg 39; griech. ex aus
zgh aus idg. -^ä + st-Suffix 144;
idg. zgh aus idg. Media aspirata
-f- sÄr-Suffix entstanden 144. 146
ar. z nicht gleich ai. d oder <^ 146
idg. gg wird zu ai. jj 149. 155 ; ai
jj wird zu klass. (prakr.) jt/. dy 152
ar. z -\-bh wird zu ar. h -\-bh 153
ar. az -f- bh wird zu ar. o -\- bh
153 ; ai. ? steht für s 153 ; idg. z
ist unhaltbar 158; idg. 2" + T, ß*
h, 6 bewirkt nicht Schwund des z
im Urgriech. 164; griech. e\- aus
idg. dhl- 165; Rillenlaute 380; Spalt-
laute 380 ; Lautverschiebungen im
Germ. 393; got. -h 173; vorslav.
in -\- Kons, wird zu slav. e -\- Kons.
224; tautosyllab. m im Lett. be-
wahrt 101.
Kontamination, von drum-
aus drup- zu drump- im Lett. 101 ;
von -€iav und -aiev zu -aiav im
Griech. 418; im Altnord. 344: von
ves- und fcn^Stämmen im Idg. 155 ;
im Kleinruss. 240 ; von püi- und pür-
im Idg. 311.
Kontraktion im Lit. 125.
Kuren, waren nicht Finnen,
sondern Balten 96.
Lautnachahmung 263.
Lautvariation im Lit. 97.
Einteilung der Lautverände-
rung nach Artikulationsart, -stelle
und -form 379.
Lautverschiebung im Germ,
durch Atemdruck verursacht 393.
Lehnwörter, balt.-slav. aus
dem Germ. 264; slovn. aus dem
Germ. 266; lett. aus dem Dtsch.
267 ; halt, aus dem Slav. 269 ; slovn.
aus dem Kämt. 270 ; lit. aus Slav.
223. 229; Lit. Lehnwort entweder
aus dem Germ, oder Slav. 225; üt.
Lehnwort aus dem Russ. 231. 254.
262; lit. aus dem Dtschn. 235; lit.-
lett. aus dem Slav. 253.
Metatonie bei Substantiv. Ad-
jektiv im Lett. 107 ; im Nomen 108.
Mundarten, idg. 372.
Namenwanderung 98.
Orthographie. diejenige
Kurschats 233 A.
Palatalumlaut im Aschwed.
und Anorw. 342 £F.
Perfektiv 250.
Präpositionen, griech. mit
Akk. 72.
Proportionsbildung im Halt.
101 A.
Reimworte: im idg. g(¥)hel- zu
ghel- 207 ; im Lit. 271.
Rillenlaute 380.
Rusa-Frage 394.
Sandhi im Lit. 197.
Sekundärablaut im Lit. und
Lett. 245 A.
Spaltlaute 380.
Sprachbeeinflussung durch
anderssprachige Unterschichten 120;
der romanischen Sprachen durch
das Keltische 383.
Sprachgefühl 33. 83.
Sprachmischung bedingt
durch Wanderung 377 ; als Ursache
der Veränderung der Artikulations-
stelle 378. 383. Keltisches Substrat
der romanischen Sprachen 383.
Stammbildung griech. -ivbrjv
315 A; griech. -ab- 317; »-Forma-
tionen im Verhältnis zu e|o- Bil-
dungen, -M- zu -ejio- 283 ; -ejo- aus
-e-}0- 283; got. ->m aus -nin 305.
Stellenverzeichnis: s. Stel-
lenverzeichnis S. 85.
440
Sachregister.
RV. 1. 30. 6, S. 333.
Käty. Sr. 25. 5. 2, S. 334.
Mantra - Brähmanam 2. 1. 15,
S. 355.
Aristoph. Vög. 42, S. 316.
Demosth. 20. 30, S. 43.
Eur. Bacch. 460, S. 43.
Eur. Bacch. 1268, S. 365 A.
Eur. Herakl. 610, S. 334.
Eur. Or. 757, S. 334.
Her. 1. 19, S. 22.
Her. 1. 180, S. 17.
Her. 2. 48, S. 42.
Her. 2. 49, S. 18.
Her. 2. 133, S. 42.
Her. 4. 6, S. 22.
Her. 4. 12, S. 16.
Her. 4. 181, S. 3, 22.
Her. 5. 92, S. 22.
Her. 7. 176. 5, S. 16.
Her. 8. 138. 3, S. 16, 19.
Hesiod Theog. 144, S. 24.
Hesiod Frag. 241, S. 365A.
Homer A 606, S. 336.
Homer H 321, S. 351.
Homer I 11, S. 316.
Homer M 134, S. 351.
Homer M 296, S. 351.
Homer = 37, S. 332.
Homer = 340, S. 336.
Homer = 347, S. 413.
Homer = 434, S. 365.
Homer n 174, S. 364.
Homer P 263, S. 364.
Homer 0 168, S. 364.
Homer 0 268, S. 365.
Homer <t> 326, S. 364 f.
Homer X 415, S. 316.
Homer X 510, S. 336.
Homer V 58, S.336.
Homer b 278, S. 316.
Homer b 477, S. 364.
Homer b 581, S. 364.
Homer b 836, S. 351.
Homer n 122, S. 366.
Homer r\ 188, S. 336.
Homer n 241, S. 851.
Homer n 284, S. 364.
Homer y\ 342, S. 336.
Homer 9 315, S. 336.
Homer X 341, S. 336.
Homer |li 56, S. 351.
Homer v 195, S. 351.
Homer E 437, S. 351.
Homer u 232, S. 336.
Homer c 375. S. 351.
Homer t 340, S. 336.
Homer 9 294, S. 319.
Hyppokr. 599. 51, S. 365.
Find. Pyth. 5. 14, S. 334.
Plato Prot. 323 a, S. 334.
Plato Korn. (Arist. ?) I. 636 fr.,
S. 316.
Plato Kratyl. 402 D, S. 21 A.
Soph. Ai. 326, S. 333.
Soph. Ant. 742, S. 334.
Soph. El. 1056, S. 334.
Soph. El. 1095, S. 334.
Soph. Oed. T. 773, S. 334.
Soph. Phil. 604 ff., S. 21 A, 26.
Soph. Trach. 768, S. 352.
Thuk. 2. 11. 4, S. 334.
Thuk. 3. 101 (Schluß), S. 26.
Thuk. 4. 64. 3, S. 24.
Thuk. 4. 113. 3, S. 18, 26.
Thuk. 6. 4. 5, S. 21 A, 26.
Thuk. 6. 4. 1, S. 18.
Xen. An. 1. 2. 23, S. 15, 18.
Xen. An. 1. 3. 20, S. 17.
Xen. An. 1. 4. 9, S. 18.
Xen. An. 1. 5. 4, S. 15.
Xen. An. 1. 5. 10, S. 15.
Xen. An. 1. 8. 19, S. 47, 58.
Xen. An. 2. 4. 13, S. 15.
Xen. An. 2. 4. 28, S. 15.
Xen. An. 4. 5. 12, S. 55.
Xen. An. 7. 3. 23, S. 59.
Xen. An. 7. 8. 25 f., S. 17.
Lykophr. 1424, S. 319.
Quint. Smyrn. 13. 13. S. 319.
Inschrift von Lucera, S. 285 ff.
Caelius ap. Cic. Fam. 8. 16. 2,
8. 355.
Horaz C. 1.29. 19, S. 353A.
Livius 1. 26. 13, S. 356.
Ovid Met. 11. 518, S. 364.
Sachregister.
Ul
Plautus Amph. 276, S. 316.
Plautus Amph. 717. S. 355.
Plautus As. 78, S. 355.
Plautus As. 250, S. 355.
Plautus Aul. 682, S. 354.
Plautus Cu. 438, S. 355.
Plautus Men. 140, S. 353.
Plautus Mi. 234, S. 354.
Plautus Mi. 848, S. 355.
Plautus Mi. 1316, S. 355.
Plautus Mo. 999. S. 355.
Plautus Pers. 249, S. 354.
Plautus Pers. 545, S. 354.
Plautus Pers. 533, S. 355.
Plautus Pers. 683, S. 355.
Plautus Ps. 66, S. 355.
Plautus Ps. 1161, S. 354.
Plautus St. 216, S. .355.
Plautus St. 649 f., S. 360.
Plautus Tr. 585, S. 355.
Terenz Ad. 229, S. 353.
Tibull 2. 1. 24, S. 356.
TibuU 2. 5. 97, S. 356.
Tanum Inschrift, S. 338.
Möjebroininschrift, S. 348.
Muspilli 25 f., S. 19.
0. 3. 14. 21, S. 322.
Megenberg 65. 8, S. 326.
Parz. 117. 11, S. 326.
Walter 35. 7, S. 326.
M. S. 1. 192 a S. 326.
Heinrich v. d. Türlin Krone
27082, S. 326.
Blackmore Cl. Vaughan XV.,
S. 321.
Besant and Rice. Ready Mon.
Mortiboy, S. 322.
Caine Son of Hagar 11, XIV, S. 822.
Coles Adam in Eden cl. 229,
S. 322.
Daniel Ecclus 13. 59, S. 320.
Hardy Ethelbert 93, S. 322.
Heber Palestine -261, S. 321.
Holland Phny 2. 152, S. 321.
Latimer öth serm. Edw. VI. 154,
S. 322.
Lytton Devereux 1. 11, S. 321.
Mahaffy Soc. Life Greece 8. 252,
S. 322.
Mahaffy Soc. Life Greece 11. 349,
S. 322.
Ouida Marenuna 1. 17, S. 321.
Prophetess I. V, S. 321.
Roe Nat. Ser. Story XII, S. 321.
Scott Guy U, S. 321.
Shakespeare Ant. 1.5.48, S. 322.
Smolett Reproof 125, S. 320.
Stanyhurst Aeneis II. 55, S. 321.
State Paper Heinr. VIII. 11. 230,
S. 322.
Thoresby Lett. to Ray, S. 322.
Spitteler Olymp. Frühl. * 2. 148,
S. 41.
Stichworte, ihre Auswahl 237.
Stilbedürfnis 9.
Suffixe. Suffixwahl im Anord.
337 f. ; Verbalsubstantive auf -imas
im Lit. 119; -g- -gU- im Idg. 139.
Syntax. Analogie, syntaktische
30. 36. 43. 52. 76. 78; Analogie-
kampf 76 ; Akkusative : des be-
strichenen Raumes 47. 51, der Ent-
fernung 47. 66, der Richtung 48. 67,
des Zieles 48. 68. des Bereiches 71,
innerer im Aw. 65, der Person 36,
der Unterordnung 39, der Zeit 48,
des Grades 66, des Teil(inhalt)s 29.
37, Subjektsakkusativ 32, Akku-
sativobjekt 6 ; Bereichsakkusativ,
aus Analogie nach Neutren 43, aus
Vermischung der Stämme mit in-
strumentalem -m 43, aus (unbe-
kanntem) Akkusativ 44, seine Arten
im Griech. 49, beim Vergleich 60,
seine Benennung 71, Entstehungs-
zeit 75, lat. Nachbildung des griech.
81, Entstehung 84, Ortsverhältnis
in der Anschauung 45, in der Be-
ziehung 45, 'beanspruchtes' 45, 'ge-
währtes' 46, bezeichnet : Einschlie-
ßen 46, Berührung 46, Nähe 46;
absoluter Akkusativ 8, 'Stehenblei-
ben' des Akkusativs 4, doppelter
Objektsakkusativ 6, Beziehungsak-
I kusativ lA., Bereichsakkusati wem
a2
Sachregister.
Akkusativobjekt verschieden 7, Al-
ter des Bereichsakkusativs bei Ho-
mer 39, Bereichsakkusativ nicht aus
dem 'Teilakkusativ' 35, im Griech.
und Aw. 28, Variation des Objekt-
akkusativs 5, griech. Präp. mit Akk.
72, Ortsadverbien, griech. mit Akk.
72, 'freie' Bestimmung 10, freier
Akkusativ 39. M; Dativ, sympathe-
tischer 76; Instrumental der Be-
ziehung 81; Lokativ des Bereichs
78 f.; Genetiv des Bereichs 79, 277,
'partitiver' Genetiv 48. 79, Genetiv
des SachbetrefTs 81, Genetiv der
Richtung 79, der Masse 80 A, Prä-
dikatsnominativ 3. 8, näma- als sol-
cher 19; Gemütsstimmungen 55. 82,
Alter von Sätzen mit 'Name' 17. 27;
Bedeutungsgipfel 17; Sätze ohne
Kopula 18 A. 26; Verquickung von
Satzformen 19; flexionslose Urzeit
•40. 42. 42 A.; Gliederungsverschie-
bung 13; Vorausnahme des Neben-
satzsubjektes 13; Aktiv ohne Passiv
34, Passiv ohne Aktiv 2, Einkeilung
des Nebensatzsubjektes 12; falsche
Analogiebildungen 13. 14; einzel-
sprachliche Entstehung, nicht Er-
erbung 27; Vorausnahme des Ob-
jekts 13; Ganzes und Teil 11; Appo-
sition 3. 5, keine, trotz Kasusgleich-
heit 11; syntakt. Unterordnung, ihr
Wesen 40, Wesen der syntakt. Funk-
tion 40.
Systemzwang im Got. 305.
Tendenzen in der Lautent-
wicklung im Lit. 245 A; im Germ.
378.
Tocharisch. 308.
Univerbierung von öipei (öv-
Tei im Griech, 335.
Urverwandtschaft 269.
Verbum. 3. Plur. Präs. auf -q
im Lit. 125; Ut. Partizipialformen
auf -e 123; griech. Optativ auf -ei
407; io-Präs. im Lit. 228.
Vermischung von Wortsippen
237. 266.-288. 303; von Verben
259. 260.
Vokalismus. Got. -e aus idg.
-eian 280 ; Vokalsynkope im Isl. 347 ;
idg. o j, oj im Litauischen 245. 270 ;
Vokalsynkope im Got. 301. 305, Kür-
zung von Langdiphthongen im Lett.-
Lit. 120 ; lit. -ais aus idg. -äis, nicht
aus -öis 121 ; lit. -ms aus -uns 122 ;
idg. Ou wird halt, du, wird zu au,
uo 123.
Völkerwanderung als Ur-
sache der Sprachmischung 377.
Warägerfrage 395ff.
Wortstellung bei näma- 18,
Freiheit der 29.
Wurzelvariation im Lit. 97.
Wurzelverwandtschaft 238.
Zwischenstufen, semasiolo-
gische 271.
Wortregister.
I. Indogermanische Sprachen.
[Ordnungsgrundsätze: 1. Für Wörter in eignen Schriften gilt
deren Buchstabenfolge; Wörter in Umschrift werden in der Reihenfolge
des ABC angeführt. — 2. Maßgebend ist die Schreibung, nicht die Lesung.
— 3. Ausgeschlossen sind nicht oder nicht eindeutig benannte Wörter.]
Altindisch.
adarsam 413.
•ddga- 141. 143. 144.
ddhara- 301.
Äditis 361.
agnä 283.
ÄgndyT 283.
ajd- 160.
ajina- 160.
dk^i- 311.
alajjata 152.
alajji^ata 152.
alajji^ätäm 152.
alajji?ta 152.
alalajjat 152.
ana(fudbhis 147.
anagludbhi/as 147.
ana^udbht/äm 147.
ana4utsu 147.
ana(fvani- 147.
anaivah- 146. 147.
dnavapfgna 136,
dnikam 304.
antdr 304.
aräla- 162.
drbha- 141.
drbhaga- 141.
arbhakd- 141.
asajja 152.
««iVo- 107.
asifrf- 107.
aamdkah 275.
asmdkam 275.
as/Ä» 311.
asvapnd- 140.
dsvapnajas 140.
avaprajjana 136.
öÄa- 147.
ahands- 313.
ä/>- 362.
babharja- 149.
babharje 149,
ÄarÄa- 169.
bharatät 287.
bharjate 149.
bharjayati 149.
bharjita- 149.
bhra?ta- 149.
bhra^fra- 149.
bhrä^fra- 149.
bhiJjana- 149.
MT-i/af» 139. 149. 163.
bh^'stis 357.
bhfffvä 149.
bhphd- 163.
bhuraj- 149.
i/-A(fM^ 306.
ÄT-Äof 306.
i/-Äa<» 109.
Ä/'Aa^/ 306.
bpnhafi 163.
btbhatsate 207.
bodhdyati 200.
capala- 142.
cardtha- 163.
dan^äs 142.
dardru- 165.
darsat 413.
dayü- 363 A.
däiteya- 367 A.
ddman- 367.
dänam 310.
ddnw- 310.
de»rfs 363.
derayati 363 A.
dhavißyati 214.
dhäman- 367.
dhj-^ad- 166.
dhj-^ag- 141.
dhuk$dn 410.
dhuk^dnta 410.
dhukfdsva 410.
dhunoti 214.
(ii*d 335.
divdm 363.
divasdm 366.
rftrö 363.
divddive 363.
dideti 366.
rfidAc<» 366.
dfdhitis 367.
do^dsas 154.
do^dsasca 154.
dj'^ad- 166.
df Arn 413.
444
Wortregister.
dfäSyam 413.
dtirah 311.
durd(i 311.
dvdram 311.
di/avf 363.
rfyrfm 363.
dyäüs 363.
crfÄa« 160.
«rfÄafe 160.
edhi 160.
erfÄiVa 160.
gra^ifM 138.
ga(ji,ura 138.
gafimdn- 302.
gavämayaneneyuh 334.
^räft 245 A.
^rä^Ärf- 163.
gäyati 24:0 k.
ghand- 313.
ghar^ati 162.
gh^^i- 150.
^fiW- 166.
^wr# 302.
ÄaZa- 141 A.
har^ati 162.
hasati 155.
Äö^a- 141 A.
Ȁt 147.
jani^eyam 412.
janiydti 334.
jasate 155.
jafhdra- 355.
jäfharas 355.
j7r«a- 162.
>MÄd<t 126.
^■yä 152.
kadanna- 152.
kadapatyn- 152.
kajjala- 152.
kdkhati 330.
A:d/ä- 199.
A-a/ja/t- 196 A.
kapj-th- 142.
karda- 147.
kardafa- 147.
Arrfica 178.
X;a/a 425 A.
Arä/a- 166.
khaiga- 139 f.
/fct^a- 142.
knüyate 148.
Ä;oca- 146.
kf^pd- 107.
Äf ^wa- 107.
k^odate 142.
kubhra 146 A.
Ä;?<Ä;a- 145. 146.
kubra- 145.
kucati 146.
kumba- 145.
kumpa- 146.
küpa- 146.
küpikä- 146.
lagnah 152.
lagnavän 152.
lajate 152.
/aj(;V7- 152.
lajjate 152.
lajjatäm 152.
lajjayati 152.
lajjeta 152.
lajji$T$fa 152.
lajjifyate 152.
lajjitafy 152.
lajjitä 152.
lajjitvä 152.
/a7>ä- 152. 166.
/aÄ;M/a- 142.
lalajje 152.
?aj/a- 158.
lälajjate 152.
lälajjiti 152.
/flZaA-^i 152.
längaJa- 141.
längüla- 141.
lilajjifate 152.
locdyati 248.
lokdyati 248.
»iod«7M 133. 137.
madgura 138.
madguras 134.
madgtirasf 138.
madgtia 134.
fwarfA« 138.
madhura 138.
madhydihdinas 360.
ma^na 136.
»ta;jd 134. 136.
majjdn 133. 136,
majjana 136.
majjas 136.
mdjjati 134. 136.
majjnas 137.
majjnä 137.
majjükä 137.
mak^ati 136.
mandhätar- 163.
manobhis 153.
manobhyas 153.
mdtUhati 230.
mantl- 163 A.
mantu- 163 A.
manktar 137.
manktavya- 137.
ma7Ji-<um 137.
manktvä 137.
mdthati 230.
ma^t 275.
matsya 139.
matyäm 275.
mäbhis 154.
mäbhyas 154.
madbhis 134. 154.
mädbhyas 134. 154.
mrf« 1.S4. 154.
merfArf- 160. 163.
medhdvin- 163.
mddhira- 163.
nirak$ati 136.
mj'jati 136.
mudgara- 146.
mtidrä- 146.
mwÄTÄa- 355.
mukhya- 355.
un'co 173.
nadd- 141.
naddha 147.
na/»- 147.
ndhyati 352 A.
natsyati 147.
watJfArar- 283.
/iar/>ia- 283.
ndviya- 283.
ndtiyas- 283.
Wortregister.
445
näma 14.
nimank^ye 137.
nityah 304.
nü kam IIb.
nyiibja 151.
paddm 279 A.
pakthd- 163.
jyaktth 239.
paldvah 283.
2>ardÄ 300.
pdrak 300.
param 300.
paramdh 301.
paiiiadhtadbhis 155.
paymadhvadbhyäm 155.
pa?'sa 136 A.
jjjaru 136 A.
parus 141.
2>an<<Ä-a 136 A.
parvan- 141.
pdsah 242.
2)afa^a- 140. 309.
patatri- 140.
patatri'n- 140.
patangd- 140. 309.
pathe^thd- 354.
pathi^fhd- 354.
pavana- 148.
pdvate 312.
pavdyati 312.
paväkdk 308.
pdyate 236.
pämsu 138.
pämsura 138.
jiävakdh 308.
pävanah 308 f.
payuÄ 238 A.
phdlaka- 140. 143.
phalgii- 139.
phdlguna 139.
phaliga- 140.
2)lava- 140.
plavaga- 140.
pipyü^i 236.
jrisäcdh 243.
insunah 243. 244.
pisdti 244.
i)»VuÄ 238.
pindh 245.
jjrraÄ 236. 238 A. 245.
prasajjante 152.
prathamds 356.
pfsatka 136 A.
^/•^/Aa 136 A.
puccha- 142.
pudgala- 146 A.
^Mrd 304.
purändh 304.
putriydti 334.
pi7r 246.
racdyati 250.
rajjos 136.
rajju- 156.
rajjum 136.
rayws 134. 136.
rajjvam 136.
rajjvä 137.
rajjvam 137.
rajjväs 136.
rajvä 136.
rajväm 136.
rajyate 152. 166.
rajyati 152.
rangati 141.
rathesthd- 354.
rayas 152.
rejate 141.
rw- 148.
/•ÄrfAa- 163.
/•iry- 353 A.
sahasram 161.
sajafi 152.
sajja- 152.
sajjatia- 152.
sajjate 152.
sajjati 137.
sajjayate 152.
sajjayati 152.
sajßkar- 152.
sajjiyate 152.
sajyate 152.
sambhf^fa- 149.
sarpsmayate 152.
sanag- 141.
sa>i<» 362.
sanjati 152.
sanjayati 137. 152.
satavän 155.
sädhate 160.
sädhtis 160.
sisank^ati 137.
sik$ate 136.
snätan- 159.
somaprthd- 163.
sphicau 141.
sphig- 141.
spÄ/^rj" 141. 362.
sphijau- 141.
sphik- 141.
»phulinga- 148. 151.
sphulingäyate 151.
sphulita 151.
sphurana- 148. 151.
sphurati 151.
sphiD'ita- 151.
sfarf 303.
sthagati 357.
sthdlam 358.
sfrf- 161.
sudivdm 363.
»uditth 363.
*ücf 164.
«üi-^ma- 164.
sünäü 283.
surah 311.
spar 140.
scargd- 140.
svdtavadbhyas 154.
sratavobhyas 134.
svatavas 134.
svavadbhyas 134. 154.
»raras 134.
svavän 155.
sagdhi 412.
.9aÄ;a- 147.
ia^•af 412.
sakema 412.
*aÄ-/-^ 147.
äakyäm 412.
Äa7a- 143.
saläka- 143.
sankii- 142.
«iwArura- 142.
sardd- 154.
U6
Wortregister.
äaradbhif löi.
^aradbhyas Ibi.
ädri/ä- 141.
^at/d 335.
ääl-hä 257.
äepa- 142.
äepha- 141.
^ephas- 141.
äete 335.
^iphä 141.
^>%a^t 199.
subhra- 157.
^/vJ^ra- 140. 310.
svabhyah 309.
^ron- 309.
ftfnä 335.
taru^anta 412.
tdru^ante 412.
taru^ema 412.
täram 358.
fäyi/'s 367 A.
tejdnam 356.
tejani 356.
tiram 358.
ttrthdm 358.
trädhvam 153.
tj'^nag- 141.
«/•/j>a- 283.
tunga- 140.
^« 175.
tvagvant- 147.
<p»> 157.
M 177.
MÄ/a 151.
ubjann 151.
ubjantu 151.
udbheda 140.
udMirf- 140.
udbhidyate 140.
udbhijja- 140.
M<£r# 311.
ukhasradbhia 155.
ukhäsradbhyäm 155.
«Ar^Ärf- 163.
ülmuk-om 310.
upabdd- 151 A.
upabdi- 151 A.
üpara- 301.
«i)rfrt 311. 362.
urubjd- 151 A.
uftadbhis 134. 153 f.
ttsddbhts 154.
usant 153.
M^ar- 312.
it,yrfs 134.
u$dsas 154.
M^aso 154.
u-^i^f- 141.
«.so 154.
u^o 154.
usra- 311 f.
t^sr/Ä 312.
M< 151.
Mc?Äar 308.
udhnah 308.
ür/rf 335.
vadhar- 145. 147.
vadhafi 145.
vadhatra- 145.
vadhil- 147.
vaitasd- 141.
valmtkah 367.
vdmiti 371.
vamrdh 367.
vamrt 367.
fJrtna- 139.
vainig- 141.
vanga- 139.
varaii(}a- 140.
varate 140.
vdrga- 140.
variia- 140.
var-pu- 150.
f-ar^ma- 164.
vdrtanam 280.
rrfiaÄ 275.
ta.^/ 275.
vavri- 159.
vagdm 275.
vayas- 159.
vayati 135 A.
rayn 135 A.
vägvant- 147.
vägvid- 147.
vägvin- 147.
pä/a« 126. 269.
mra- 140. 269.
väraka- 140.
värakena- 140.
vehäyati 168.
vema- 159.
vefka- 168.
vetasa- 159.
vetra- 159.
p/nä 304.
vijjala- 149.
vijjana- 149.
vi$pitdtn 353 A.
vfnda- 140
r/Ärwa 137.
vj-k?a- 142.
vfscati 137.
vf$nih 311.
vf$an- 159.
c/^nt 311.
ydbhati 193.
ydjati 353 A.
yak$ati 136.
yüdhyati 351.
yugdm 351.
yu^mäkam 275.
yuvakah 308.
yiivdm 275 A.
yiivasdh 308.
yuvatih 308.
yuväku 275 A.
yüydm 275.
Mittelindisch.
»■«Ä* 161.
Pili.
*Ao//Aa 149.
khagga- 139.
Prakrit.
cheppa 142.
Zigeunerisch.
katüna 425.
Awestisch.
aAm<lAvm 275.
apana- 304.
apanötgma- 304.
Wortregister.
U7
araezo 149.
aväbiS 153.
azdya- 160.
äda- 147.
hardz- 306.
bdrdz- 306.
*7nu.? 810.
däzgra- 156.
däzgräupay- 156.
däzgrogav- 156.
driway- 165.
driicika- 165.
duwwm 141 A. 142.
rfMwwia- 142.
frabda- 151 A.
fräyebiS 153.
gairi- 166.
garöbCS 153.
/yä 152.
karata- 140.
mae^a- 160.
wai'bjm zrayawho 362.
mand- 163.
manäbis 153.
maoirti 367.
mastay 163 A.
masya 139.
mazdä- 163.
mazdäh- 163.
mas-^ra 134. 136. 156,
mazgam 134.
mqzdra- 163.
mantav- 163 A.
naxtru- 154.
nqmn 14.
nizanta- 304.
paitina- 304.
^rä 153.
jjarö 153.
parSa 136 A.
payäbiS 153.
raoääbiS 153.
raoöibyö 153.
»o«/'- 141.
söandayeinti 100.
spaeta- 161.
spayeiti 353 A.
staoydbi^ 153.
<M 175.
/MiVt 168.
^a;»/- 262.
&rüzdäm 153.
ubjyaite 151.
upabdi- 151 A.
uzgastay- 155.
taö^biS 153.
rarf- 147.
ratZa- 145. 147.
cadar- 145. 147.
»a«»n 275.
Fanö- 139.
varasa- 142.
variniä 311.
vara{n)gan- 126.
r5 158.
rö 153.
xrvant 202.
x^maksm 275.
ar^iH^' 309.
yaväksm 275.
yäsaiti 136.
yä 153.
yö 153.
yuzdtn 275.
ytli 275.
yüämäkam 275.
0a7i- 155.
0rft 160.
Altpersisch.
amäxam 275.
öj»»- 362.
rauöabiJ 153.
vayam 275.
Mittelpersisch.
creeafc 149.
aclzaÄ-tA 149.
osrf 143.
a^(7 148.
iarÄan 149.
brejan 150.
irtifaÄ: 149.
Jastan 155.
Ä:ar»<f 167.
ÄJört 140.
niSinet 160.
paväg 308.
SampSer 140.
Nenpersisch.
a^flty 148.
a^rw 143.
bare/an 151.
barezan 151.
WrtÄa 149.
biristan 149.
biryän 151.
&ur« 306.
buzgah 147.
(5afto 142.
d^opaÄ 142.
CO/?»,? 142 A.
dardcÄ 167.
güzak 145.
«rped 161.
Jahad 155.
jahidan 155.
Jastan lob.
karah 167.
Ärar» 167.
itärrf 140.
Äröz 146.
mayz 134. 136. 156.
mäy 138.
nieStn 160.
niitnad 160.
rayzah 134. 156.
Gabri.
güzek 145.
Kurdisch.
*rä^f 149.
Afghanisch.
im 148.
imA; 148.
Pamirisch.
inr^am 149.
wirzdam 149.
448
Wortregister.
Balatschi.
brejag 150.
brifag 150.
Armenisch.
aiHp 279.
air 284.
ama( 279.
anjanp 279.
aramh 284.
arambi 284.
c^^r 14i. 145.
a^n 144. 145.
catr 166.
cnanim 300.
(orean 162.
e; 149.
«rcp 157.
^ra/'t 162.
Ä«rt 151.
harkanetn 151.
Äc^ 279 A.
Äo^^'m 246.
holonem 246.
Äroy 308. 311.
hnop 308.
Äur 308. 811.
ijanem 149.
iof 141 A.
kork 167.
kanamb 284.
kanamhi 284.
ÄJOn^A 142.
^-l?^ 284.
j»ar(? 279.
mardot 279.
maur 167.
mrjimn 869 A. 374 A.
»i;/.un 369 A. 374 A.
»MMr 167.
mM^ 146.
nopin 279.
o/or 162.
olorn 162.
orop 279.
08t 141.
phailetn 139.
phailun 139.
phalphalim 139.
si-unrf 309.
«r<tp 279.
^äöAtm 357.
thalun 151.
thatkim 151.
pof 150.
varem 150.
rarop 142.
zarduf 279.
Albanesisch.
iardi 150.
Aar.? 150.
rfepre 135.
de^^ro^ 428.
(ijAe< 427.
rfife 427.
benrf 427.
hfnn 427.
/?oÄr 424.
giient 427.
^röm 427.
gründe 427.
gakatar 428.
gaketuar 428.
p'in 424.
gidtnon 428.
Äwri 143.
kaRijeU 428.
kamis 428.
kards^j 428.
kardsM 428.
kartsH 428.
kataenenf. 428.
katsiie 428.
katund 421.
Ä-a/«Mrf 421.
kattindi 421.
katim^i 421.
i-a/Mne 428.
Ä;a<Mn< 421.
kazegniene 428.
Ära^iVe 428.
Äe^y 428.
ArcAT^c 428.
item^r« 428.
Aieffem 427.
Ä;€r/s«i 428.
fc€<«e« 428.
Ä;e<Mn 427.
Mto 428.
Ärorde 140.
Äjo^un 421.
ÄjrtVe 423.
Ä:»ie/ 427.
/e.?e<({r 428.
VeSatak 428.
/'GMsrdr 221.
matTe 423.
maJ^ 423.
ma,9^ 423.
tnasiir 143.
wone 428.
mo^ 428.
mun€ 428.
trnint 427. 428.
ndeime 427.
ndeitmeja 427.
Mc?c/a 427.
ndena 4:21.
ndej 427.
Mt'ß/a 427.
«rfß/f« 427.
ndegoj 428.
nrfe« 427.
ndenetör 427.
ndtnura 427.
ndlagbn 428.
ngdrkuet 427.
n^'/"»)' 427.
ngritf. 427.
n^riy 427.
n^rj« 427.
MMg; 427.
nng/a 427.
pa»€ 428.
pasanik 428.
pasuH 428.
^/a 428.
;)/W€ 427.
;)ö/e 429.
I>i7/n€ 429.
fi- 427.
Strungf. 427.
/MM/ 427.
Wortregister.
449
&äj 427.
Ȋte 427.
Sjel'm 427.
vendne 429.
vent 429.
»enf/ie 429.
^one 428.
zot 428.
Griechisch.
ÖTXi 352.
ÖYXi.^oxnT'lc 320.
ÖTXOÖ 281.
äbeaXTdihaie 408.
ctbrifpÖTOC 320.
ABövaia 415.
deeXßdZeiv 165.
dOeXbexai 165.
aiev 360.
aixo^ai 149.
oiKic 136 A.
dKKÖp 298.
ÖKpi 365.
dKpißnc 164.
dKpov 307.
QKpOC 164.
dXFov 283 A.
dXu)(F)n 283 A.
dAüuc 283 A.
ctuapTti 352.
dMUCTi 319.
ä|iucTic 319.
dvaqpavböv 319.
dvevEYKai 415.
dvevivKai 415.
dvcTTixöbriv 318.
dvSpujirri'ioc 282 A.
äv0pujiroc 282 A.
dTToXXdccoiaai 333.
dTToXXaEeiuJv 333.
airac 65.
dTToeXiii/uj 164.
dTroKT€ivvüvai 158.
dpYuqpoc 281.
dpiCTivbrjv 315 A.
ApiCTiiuv 315 A.
dpiuoT 353.
äpTi 352.
dpneirric 353 A.
dproKÖTTOC 240.
Äcdv€a 414.
äcic 167.
aiTfri 364.
aÜTOi 281.
auTÖc 324.
dxdveia 329.
dxavTjC 329.
ßobireiv 316.
ßdbov 316.
ßdboc 316.
ßaivuu 334.
ßoppdc 303.
ßopuc 302.
^dcl 365.
ßaciXeOc 282 A.
ßaciXrjioc 282 A.
Boi-ruXoc 299.
ßöpuas 367.
ßpiapöv 151.
ßpuxaX^oc 163.
ßpöxdo.uai 163.
ßupuat 367.
Bujpcea 414.
YaXr|vri 157.
fevvduj 300.
Yepapöc 302.
T^pac 302.
Tn 358.
TIC 159.
TpaÜHJeie 417.
Tpdqpo)aev 413.
Tpdqpoia 417.
TpdqpovTi 413.
Tpdqpoiuev 410.
Ypdcpoim 417.
Tpdqpoic 417.
Tpdq)iu 413.
Ypöv^ai 417.
Tpav+faiaTo 418.
Tpdij»ainev 410. 417.
YpdvyaivTO 418.
Tpdvj^aic 417.
Tpd\|;aiTe 417.
Tpdvyei 417.
TpdHJeia 411.
Ypdnjciav 411. 417.
Indogermanische Forschungen XXXIII.
Tpdmeioc 417.
Tpav|;e{riv 411.
Tpdvpeijiev 418.
Ypdvt/eiTe 418.
Ypivoc 159.
baivvum 158.
baivvuuu 158.
bdKpu 309.
beiKvu|ii 251.
beipdc 166.
A^pa 166.
Adpeiov 166.
Aeppa 166.
Aeppiov 166.
becuoi 367.
bfiXoc 363.
btipdc 166.
biabeSeie 408.
bidbecuoc 351.
biabpdKoi 413.
bidZuuiaa 351.
bioKcuXucei 408. 410.
biaXuciav 408.
biauTrepec 72.
biacpepövTuuc 281.
biboKTi 298.
bibaKKTi 298.
bibdcKTi 298.
bibaxi 298.
Aiei 364.
bicivöc 366."^
AieiTpeqprjC 364.
AiFeiBemc 363.
birivcK^c 351.
All 365.
bimerric 364.
biiqpiXoc 365.
Aiyaieeuic 363.
biKH 335.
bioc 363.
bopd 357 A.
bpoiadbiiv 317.
bpojLidc 317.
bujpedv 316A.
buupeid 418.
bwpid 418.
bujTivriv 316 A.
^apivöc 365.
30
450
Wortregister.
^TTuduu 271.
irf^Y] 271.
^TJ^VTl 354:.
^Ypctqpoiaev 410.
JYPOH'a 411.
^•fpoin/aiLiev ^lO.
Ifü) 275.
IbpaKOv -413.
dexctcenv 165.
iQXixva 164.
eibÖTO? 155.
elbObc 155.
etriv 412.
^Xaia 416.
^XeTv 415.
€i\0 159. 167.
elm 334.
eic 304.
eic äxavdc 329.
dKeivoc 271.
4Xdvri 164.
^Xivvüu) 158.
^Xivüuj 158.
i\xd 276.
d^ßaböv 316 f.
djueeev 295.
^inöv 275.
^^TreXaböv 317.
d|Li9dbriv 319.
iv 304.
gvbioc 363.
^vl 304.
lv\ 304.
^viKohe 414 A.
ivvlrtw 219.
^vc 304.
ivrdv 298.
^vrauGoi 281.
^vTi 362.
^EeXaüvoia 417.
.«^TOMOv 358.
^EopKiEmav 418.
^tr^eoiev 418.
Inccci 411.
^nlKXnciv 14. 20. 21.
^mXlTbnv 317.
^nmpciTiCTOc 157.
^Tro(nh€ 414A.
^uujvu|jiriv 14. 20. 21.
^pÜKOvciiu 300.
^pucißn 164.
?pXO|iai 334,
^Tpißw 161.
irrdw 298.
eöbia 366A.
eubiaixepoc 366A.
eubieivöc 365.
eObi^crepoc 366.
eöbioc 363.
eöei 364.
cöeiXdTOu 415.
ei)Qiveia 313.
euGev^u) 313.
euBevric 313.
eijpuxavbric 332.
?xavov 318.
iiuQi- 365.
Fapnv 160.
F^Xa 164.
F^pKcai 408.
F^pKCiev 4Ö8. 418.
F^TOC 354.
Fibma 414 A.
?\fa 164.
FoiK^ä 283.
Fopöacia 414.
FopGeiai 414.
Föp^äE 367.
Fopq)a(i)a 414.
FpoGaiai 414.
Fiupe^a 414.
FiupSeiai 414.
ZeO 115.
ZeOYoc 354.
Zeüc 115.
Znva 363.
f\ 177.
f\i 177.
'riXiKia 156.
•)^M€poc 302.
^nepi- 365.
fip^ac 283 A.
i]piic 283 A.
t^pDuc 283A.
i]XiiJ 353 A.
eea( 121.
GeiXÖTiebov 366.
QiXiu 231 A.
Gcoi 121.
Gcoic 121.
Geöc 121.
G€C|noi 367.
GXacTÖc 165.
GXduj 165.
GXeißexai 164.
GXn 165.
GXfiTai 165.
GXiß[e]i 164.
GXißeiv 164.
GXißiu 164.
GX{vi;ic 164.
Guvuj 214. 215.
Güpba 318.
Guuj 214.
Guuj 214.
iTO 164.
ibpüuj 160.
lep^a 283.
lepeüc 283.
i^peiuc 283.
Mepdjvbäc 315 A.
iGi 147.
iGuc 160.
iXuc 159.
ivec 158.
iviov 158.
{Eöc 149.
ilvc 149.
Ittttiköv 279.
icGi 160.
'lcG^ol 281. 416A.
IcKXai 149.
{cTr)Xriv 161,
icxpaTiiiJTric 161.
tcxavduj 300.
Iqpi 159 A.
Kobfii'iioc 282 A,
KdbMoc 282A.
KaTxdJiu 331,
KaiXoav 415,
KaKK£lOVT€C 336.
KaX^o^ai 25.
KaX^uj 23.
KaXf|v 420,
Wort register.
^1
KaXüic 281.
Kovaxn l-i3.
Kctpvov 140.
KäpÜKr|Fioc 282 A.
Kdpcpoc 157.
KoccripaTÖpiv 295.
KOTTCtC 300.
KOTiapaOceie 408.
KaqpdZiuu 331.
KaxdZii) 330.
KaxXäJoi 331.
KaxväZu) 331.
Ke 415. 416.
KeiToi 335.
Keiovxec 335.
K^Xaboc 317.
Kepavvüuj 158.
K^pac 159.
KepKic 143.
KepKoc 143.
Kr\\dc 148.
KnpÖKriiov 282 A.
KiKXrjCKiu 23.
KiKuvvoi 281.
KXdboc 317.
KXeövbäc 315 A.
KXribrjv 317.
KOITTI 336.
KoiToc 336.
KÖpuußoc 140.
Kopiuvöc 283 A.
KOTuXeai 416.
KÖxXoc 329 A.
Kpi 162.
Kpißavoc 164.
KpiGn 162.
Kpifivov 162.
xpinvöc 162.
Kpi|avu)bric 162.
Kpivu) 164.
Kpiöc 159.
KpußdZiu 317.
KpOßba 317.
Kpüßbnv 317.
KußdZu) 317.
Küßba 317.
KUßlTOV 146.
Küßoc 146.
KußujXov 146.
KÜußaxoc 143.
Kufißri 146.
Kuiaßoc 146.
KUTOC 354.
Kuqpöc 146.
Köqpoc 146.
KÜJTTri 195 A.
Xafapöc 158.
XoTfö^iw 141.
Xaf-fiJuv 141.
Xemujv 335.
XcKdvri 221.
XeKoc 221.
X^cxn 158.
XeuKÖc 100. 107. 150 A.
XeüKoc 107.
XeuKÖrric 150 A.
XeuKoöv 150 A.
X^xoc 158.
XriKeuu 251.
XiTba 317.
Xi-fbn 317.
XiTbnv 317.
XiTboc 317.
XiTTÜJv 335.
Xomeic 416 A.
XoEöc 221.
AouKapia 290.
XouKep 291.
Aoux^pio 290.
XuYoioc 166.
Xurbn 317.
Xüfbriv 317.
Xirfboc 317.
XÜTH 166.
XiKÖqpuuc 150 A.
XOfio 147.
Xu^a 159.
XOcca 223.
Xibßri 152.. 166.
^labduü 139.
Hdbov 139.
Mabujvia 139.
naeeiv 163.
MoXeaKÖc 234 A.
liapxvpoum 334.
^acdo^al 357 A.
\i4Xai 148. 167.
H^unjaTToi 298.
jiepic 358.
li^cov 362.
luripia 358.
liripöc 358.
mfdbnv 317.
\xvfdc 317.
fiovdbnv 317.
laovdc 317.
jiöpiov 358.
liöcxoc 144.
(iObiov 146.
liuXaE 166.
ILiOXXiu 166.
laupioi 163.
\iüp\ir\l 367. 374 A.
fiupiLioc 867.
liCiTiXoc 146.
vaöqpi 275.
veKuc 351 A.
Nixaia 415.
NiKeav 415.
NiKeac 415.
NiKriqpöpoc 170.
vO 175.
vu Ke 175.
vu Kev 175.
vuKxepi- 365.
VUKTUUp 154.
EeKaTOuviIuj 421.
Euußaceiuuv 332.
Eüußacic 332.
Eu|ißrico|aai 332.
öZoc 143.
oiKei 416 A.
ÖKXaböv 317.
öXeinv 412.
ö^iaböv 317.
öuaboc 317.
övo.ua 14. 15.
övo^aiv^)v 335.
ÖTTTaX^oc 151.
öiTTdviov 151.
öp^cxepoc 357.
'Ope6(i)a 414.
öpiiiKai 367.
öpvieoc 143.
30*
452
Wortregister.
öpviE 143.
öpvic 143.
öpvixoc 143.
öcqpüc 145.
öcxoc 143.
ouvo|uia 20.
oÖTUJ 179.
oÖTuuc 129. 281.
ÖHJeiovrec 332 ff.
övpeiiuv 333. 335.
övjjic 333.
iraFiiu 313 A.
TTävöc 312.
iravTaxoT 281.
TTäC 65.
uacTÖc 364 A.
-neXdlw 317.
ir^oc 242.
ueiToiKe 415.
TT^pä 300.
irdpäv 300.
iT^PYOuv 156.
iT^puci 354. 365.
TT^CCUJ 240.
TT^H/ic 239.
irriTn 151 A.
■n'xbviu 236.
TTieriKoc 196.
mov 236.
uXia 419.
irXiavc 419.
uXouTivbriv 315A.
TT\out(ujv 315 A.
TTviYnpöc 167.
Ttv(Tiu 167.
Tiob^cci 411.
iTobriveK^c- 351.
irobripric 351.
iroi 281.
troi^nv 239.
iröXni 283.
iTÖXi? 246.
iröppiü 300.
iTÖpciu 300.
iTorrdv 298.
noTTÖv 300.
woO 281.
npdEai|Lit 411.
irpdEeiac 410.
irpeiYeucdvTUJv 157.
irpeiTova 157.
TrpeYTeuTai 156.
TTpeiTeuxdc 157.
irpeiTU«; 157.
irpeicßeiac 157.
up^cßeec 157.
irp^cßeia 157.
irp^cßeipa 156.
irp^cßeuc 156.
TTpccßeucövxac 156.
irpecßeurai 157.
irpecßeuxdc 157.
TTpecßcuxac 157.
irpdcßuv 156.
irp^cßuc 156.
TTpecßOxac 156.
irpecßuxepoc 156.
irp^cßuuv 156.
irp^CTeic 156.
irpecYeuxai 156.
irp^T^c 156.
irpeuYeia 157.
■npevfr\ia 157.
itp/ificxoc 157.
irpicYeiec 157.
TTpOlKO 316 A.
irpox^invuu 356.
TTpoxepair) 414.
irpoxepeiai 414.
Trpoxoiari 356.
irpouqpdbäv 319.
uOp 308. 311.
TtupiriKr|c 317.
TTupöc 308. 311.
ttAu 238 A. 239.
^dßboc 317.
itafdc 317.
^arbaioc 317.
i)d-xbr\v 317. ,
f>an(c 143.
f)i^Kcaie(v) 418.
{)i^Kcai€v 408.
'Pi^vaia 414.
'Pnvaieüc 414.
'Pi^veia 414.
/)f1Xoc 142.
f)ivöc 159. 164.
f)iov 164.
^uxic 148.
f)ibH» 143.
caXof^uu 148.
caXdrn i-^-
caXeüuu 148.
cdXoc 148.
caqpüjc 281.
cß^vvu|Lii 155.
cßevvOui 158.
c^eev 275.
ceXoT^uj 140.
ceXaTiZu» 140.
c^OYOc 140.
c^Xac 140. 164.
ciToXöeic 157.
ciyaXöuj 157.
ciYÖu) 164.
ciYH 164.
ciKxöc 262.
CKaipo) 303.
CKebdvvu|ni 162.
CKibvainai 162.
CKITTUJV 142.
CKOxeivöc 366.
CKÖxioc 366 A.
CKOxoißöpoc 366.
CTT^P^UC 156.
CTT^pxei 365.
luepxeiöc 364. 365.
CTTiXdc 245.
CTTiXoc 245.
ciTopdbr|v 317.
CTTopdc 317.
cxdcciev 408.
cxaupöc 313.
cx^Toc 357.
cxeipa 303.
cxepeöc 303.
cxfipa 148.
cxi^piTH 148.
cxripiZIu) 148.
cxö|Liaxoc 143.
cxoxavböv 319.
cxoxdc 319.
cxpaxöqpi 276.
cxpoOeoc 162.
Wortregister.
453
CTuai 152.
cu]u,uaxiKÖv 279.
Zuja-rrXriYdbec 317.
cuuTiXriT&nv 317.
cxolv 145.
cxoXairepoc 366 A.
cxoXn 366 A.
ToXaüpivoc 159.
TOÖTO 128.
Teyoc 357.
Teivu) 427.
xeicexe 413.
reicoiui 413.
reicovTi 413.
reico) 413.
xeicuj |aev 413.
Te]uvuj 262.
xeGXiiauai 164.
reuaxoc 143.
Teuvuu 152.
TeT|iTiKa 152.
rrjueXeiu 262.
Ti9einv 412.
Tiuri 194.
Ti,uiüvbäc 315 A.
TiuaTui 152.
r\if\f{X) 152.
Tocaura 129.
Tpeec 419.
Tpißricouai 161.
Tpißo|Liai 161.
Tpi'ßuj 161.
Tpiivc 419.
Tpic 419.
Tpici 419.
Tpiiliv 419.
xpü^iu 163.
TÜ^ißoc 140.
Tüuöc 140.
Tüpöc 168.
Tupöuj 148. 168.
Tuiveia 407.
T(j\\ie\av 407,
TÜn/eiac 407.
Tuvyeie 407.
TÜ^ieiuev 407.
ußpic 151.
önepGev 72.
ucTopiv 408.
OcTepair) 414.
<J^ll 354.
öi^oc 354.
imjoö 281.
qpävöc 313.
qpdcfovov 140.
(peYTOC 100.
qpeepai 409,
(pifha 317.
qpiXeiuv 335.
q)Xctuu 165.
qpXißnv 164.
qpövoc 313.
qppuYOVOv 157.
cppuTiu 163. 150. 157.
qpuYÖi 317.
qpÜYbriv 317.
Xctböv 318.
XabeTv 318.
XCtbriv 318.
XctZeiv 318.
Xdlu) 331.
Xaivo) 318,
Xauai 354.
Xavbct 319.
Xavbdvuu 314. 319.
Xavböv 314. 318.
XavboTTOTnc 320.
Xavböc 314. 319,
Xctvoc 329,
XcicKuu 318. 329,
XeiXioi 161.
XeiiLiepi- 365,
XeXeüc 283.
X^Xoi 161.
XEXioi 161.
X^XXioi 161,
X^Xüc 283,
Xepoic 112.
Xepiudc 162,
X^uj 126.
Xnv 329.
XiXioi 161,
XOiZöc 162.
Xpaivuu 162.
Xpiuj 162.
i(>u> 165,
vpOupa 165,
uicxn 143.
Mittelgriechisch.
KOTOuva 421.
Neugriechisch.
KOTouvefia 421.
KOTOuveuiu 421,
Altlateinisch.
parentatid 287,
proiecitad 287.
ffli 275,
ftlius 275.
fundatid 287.
Lateinisch.
ä 179.
abella 192.
acer 164.
adüläre 269.
adülo 192..
adierstis 355.
aedes 192.
aevom 360.
agt 281,
Aiax 436.
airid 291,
aice 192.
alnus 192.
altum 307,
ancus 193.
angeris 193.
angit 352.
antiquos 170 A.
aper 193.
aro 193.
aHe 352,
articulus 352.
artus 353. 354,
arvorsum 294.
ossäres 291.
ater 167.
atigur 193.
auröra 193.
beta 193.
bibo 193.
4:04c
Wortregister.
blitum 193.
bovid 291.
caballus 193.
cadaver 291.
caelebs 193.
caelum 193.
caerimönia 193.
caZeo 194.
calfcem 429.
ca^t^o 148.
ca??is 194.
cannabis 195.
ca^er 142 A.
capere 288.
cap»o 195. 217 A.
corpo 196.
ccistrum 310.
cattus 196.
cauda 143.
caudex 143.
capco 196.
censere 288.
cep» 195 A.
ctp/)MS 142. 197.
cms 197.
c^arfes 194. 198.
clango 199.
claudus 199.
Clemens 199.
cliens 199.
cZ»no 199.
c?Mco 200.
cohors 362.
columbo 200.
commentator 163 A.
commenticiiis 163 A.
commircium 290.
confü/o 200.
conti eo 201.
conventionid 291.
corn« 140. 310.
cräbro 201.
cremare 164.
cretno 201.
creper 202.
crucem 429.
cruentug 202.
cubitum 146.
cunctua 324.
cunque 177.
curvos 283 A.
de 202.
defendo 203.
rf«H« 203.
dentatus 203.
derbiüsus 203.
dc^rmtew^Mm 161.
rfcMs 363. 367.
dfco 251.
dici'if 335.
rftem 363.
rftVs 361.
digero 139.
dinae 366.
dtö 363.
Diovis 363.
dissipo 204.
rfm 154. 205.
diurnus 154. 366.
dfvfnus 366.
rftj^os 363.
dölium 205.
dönicum 205. 249.
ducentum 163.
erfo 205.
egredior 139.
gmungo 205.
CO 205.
equidem 271.
esurio 334.
extensio 353 A.
/"aÄM/a 206.
facio 207.
/•a//o 207.
/•«mcs 207.
/'artio 207.
fascium 207.
fastidium 207.
fastigiuni 357.
fatigare 148.
fntiscor 148.
/"er/Mm 209.
/•erio 208. 209.
f«/ 207.
/?*«• 209.
/?dc//a 210.
/■fm» 210.
flaccus 210.
^ä<7»Vo 211.
^a^rro 211.
^dru« 211.
^crtf 281.
/itVere 288.
^i^ro 165 A.
/'orfäre 288.
/'orferc 288.
/^rfi 212.
forf/o 211.
/■oerfMS 207. 291.
/"oräre 208.
/bria 212.
formtca 367.
/•ormMS 212. 218.
/•ra^for 212.
frFgreo 212.
frfgere 163.
/•rf^o 139. 150.
/"Wo 213.
/"M^rjo 213.
fM» 213.
/•iZ^o 213.
fütnus 214.
fundäre 288.
fundere 288.
fünus 215.
/"wr/"«»- 162.
futuere 193.
galbus 215.
gannio 215.
geniits 215.
^^ero 215.
^/eÄa 215.
glomus 215.
graculus 216.
gradior 216.
granum 162.
gravis 302.
grunda 216.
ijrM/a 217.
habena 135 A.
Aaico 217.
AaZ/i« 217.
AaiMl 218. 271.
AirA 218.
Wortregister.
455
höce 290.
hodie 361.
Jiorior 218.
horttis 362.
hospes 218.
humi 359.
humiis 359.
humulus 218.
»iea; 218. 193.
»n 218.
infero- 301.
iniecto 293.
inqiiam 219. 258.
inseque 258.
»Mfer 304.
intertrügo 1-48.
interus 220.
ioudicatod 292.
ismaragdus 161.
jM^rjs 354.
iürare 148.
iürigare 148.
»Mor^a 351. 354.
jutenis 170. 308.
juventa 308.
kapiafd] 288.
/aÄo 220.
/acer 220.
lacertus 142. 221.
?a«o 221.
laevus 222.
7äma 223.
lämentum 223.
/an>o 224.
langueo 158. 223.
/anx 221.
/a/>pa 225.
laqueus 221.
läridum 225.
/a^ro 225.
dawäre 288.
Safere 288.
lentus 225.
Zeo 225.
/ei(Mm 226.
/et'»« 225.
/JÄer 226.
/»6o 226.
7»no 228.
Zfnwm 228.
«s 228.
/»reo 229.
/ocMS 229.
7o?iMm 229.
loquor 251.
loucarid 290. 291.
louceri 291.
?OMc» 291.
lottcom 291.
louqviod 291.
Zwcar 290.
Ziiceo 229.
Lücerenses 292.
Lüceria 290.
Lücerini 292.
/mc«s 291.
7uo 223.
Zkj:)» 275.
lutum 159.
mäceria 229.
tnadeo 139.
madulsa 139.
maior 230.
malus 230.
mamphur 230.
mannus 193. 231.
mens 232.
mentio 163 A.
menstis 163 Ä.
wemirMW 231. 357.
memini 232.
merda 232.
»nere«<fa 358.
mergere 136.
nxergo 150.
mersTM« 138. 134. 136.
m»co 232.
minus 233.
mi7ia 163.
miV/e 163.
Mircurios 290.
Mirqurios 290.
misceo 233.
moderor 291.
modestus 291.
modw« 291.
mö/es 233.
mo7o 208. 235.
musca 235.
muticus 146.
mutilus 146.
nasare 291.
nävus 235.
necesse 351.
nectere 287.
neque 173.
nFrfor 235.
nocfü 154.
noc^MrMMS 154.
Mos 236. 276 A.
nostrorum. 276 A. 278.
nostrum 276 A.
norem 236.
«otjos 170 A.
nundinae 361.
occupäre 288.
oculus 236.
o?ea 236.
oparae 291.
opTmus 236.
opTnor 237.
opitulat 364 A.
ojws 291.
ornus 237.
oa«s 310.
ossw 310.
Päcuvius 170.
palam 237.
^a?ea 237.
palleo 238.
pannus 238.
paräre 288.
parere 288.
partes 238.
jjösco 238. 260.
passares 291.
^a/eo 239.
/Mi<ro 240.
2)ecu 240.
j>edu 240.
pejero 242.
pehus 242.
2>ent» 242.
penitus 324. 356.
456
Wortregister.
perendinus 361.
pet'opicuos 170 A.
peHica 243.
pes 24-3.
pestis 2-l;3.
^i'^cf 243.
pingo 244.
pinna 244.
pitisäre 288.
phisere 288.
jji'nso 243. 245.
pfntis 245.
pltuita 238 A.
j9?eo 246.
^Zöro 247.
ywo 247.
jjoeZZ« 169.
/>o//e?i 247.
poUüceo 248.
polluo 159.
^öne 304.
porrTgo 249.
i)orrö 300. 301.
portendere 301.
^osct 281.
postis 364 A.
postulo 364 A.
povero 169.
priscus 157.
profligäre 288.
proiciat 288.
promello 148.
/>ucr 169.
pürare 148.
pürigare 148.
^uanffö 205. 249.
quandüne 205.
gue 250.
quisque 178.
5M0d 178.
juomjMC 178.
racco 250.
rationem 431.
rorw« 252.
ra/>»o 251.
rä^um 252.
remelfgo 148.
»•?no 159. 253.
rc«<ts 135.
reo»* 253.
rigare 152.
röbigo 253.
röbur 253.
»•öius 253.
Romünus 366.
rwiw« 254.
rMdts 254.
rw^ra 148.
rM()r/o 254.
rugire 255.
ruo 256.
rMre 291.
rfrws 253.
Sablni 256.
«accu« 256.
saeto 256.
saliva 159.
sänus 256.
saiis 256.
satiust 293.
scabere 165.
Scabies 165.
scalpo 256.
scandida 257.
scateo 257.
scipio 142.
scrtpturio 334.
scrobis 257.
scrütor 164.
«cco 257.
segnis 155.
Semen 308.
sementis 308.
sentfna 167.
Septem 257.
«c?MOr 219. 257 f.
servos 170 A.
sextus 353 A.
«fca 257.
«»crf 288.
simila 258.
«i7ui< 293.
aodälis 259.
aoUerter 352.
sonore 288.
sordidus 167.
spargo 259.
spatium 353 A.
»pec/o 238. 260.
«j?e« 353 A.
«^tro 260.
spisse 353.
spissus 353.
stabulum 161.
sterilis 303.
»^erni 281.
stircorium 290.
stircus 290.
strages 148.
stratiis 148.
striga 161.
subitus 324.
sublestus 168.
sublica 260.
«wrfi's 142.
supäre 204.
superne 304.
super nus 304.
super 0- 301.
supra 301.
taedet 261.
iaZi« 262.
/c7/hs 358.
templum 262.
tempus 262.
tendit 353 A.
/cnrfo 432.
terebra 358.
ierra 358.
/errac 359.
terrCnus 360.
terrestris 357.
<«rr€0 262.
territorium 357.
tesqua 262.
Thalassa 436.
Thitlaxa 436.
tigillum 356.
tignum 356.
<im«o 262.
<o«/a 357.
/omirc 288.
«onere 288.
forpeo 263.
Wortregister.
457
torreo 157.
torn's 157.
tötus 324.
traho 263.
trecentum 163.
tribiilum 161.
^rio 161.
tritus 148.
frtVi 161.
trtia 263.
trucilare 162.
^r«ncMs 161.
tumulus 140.
turdus 150. 156.
turgeo 168.
turgto 148.
fwrjo 148.
M?Fa 270.
umbra 270.
MHWS 270.
urviim 272.
ustiilai 364 A.
üvtdiis 170.
radis 266.
t-ae 263.
ra/'er 264.
FöZeo 264.
Pannus 265.
rärtis 266.
ros 266.
vecors 270.
rcZ?e 272.
Fenerws 291.
vereor 266.
ro-gro 267.
vetinis 368 A.
verpa 143.
pescor 267. 270.
vestrum 276 A.
vestrorum 276 A. 278.
f«fM» 267.
Fenos 291.
cenfM« 266.
viesco 268.
«reo 270.
pi'r^a 168.
viriae 270.
rtWü« 301.
cts 159.
viscantes 149.
viscare 149.
viscidus 149.
viscosus 149.
i7t/ts 268.
rtro 268.
ro?a 271.
po/o 272.
voltus 272.
rotno 272.
rö« 276 A.
Pränestinisch.
Novieius 435.
A'briMÄ 435.
Faliskisch.
(iotJtad 288.
Oskisch.
acwm 281.
amiricatud 290.
castroHs 310.
cenÄOMm 288.
cotnenci 304.
dadehatted 289.
deicmn 281.
[d]uunated 289.
fa^fcncKi 288.
fatium 281.
Aeriiad 288.
jdtc 179.
/rfa- 179.
»»nÄ; 179.
»oc 179.
/mä; 179.
mc 179.
kaispatar 287.
kastrti- 310.
i-er*na t[t]ö- 284.
krustatas 287.
/mfA:« 291.
menvutn 281.
moltaum 281.
perutn 300.
pestlum 364 A.
prüfatted 289.
teeriim 358.
<er« 359.
teremnattens 289.
Pälignisch.
eoisatens 289.
Umbrisch.
kastru- 310.
tnanuve 283.
^<r>^M 364 A.
l»r 308.
j)t> 308.
postne 304.
p«re 308.
purome 308.
pustnaiaf 304.
Romanisch.
Spina 424 A.
Italienisch.
can^otie 422.
capiseo 263.
Sizilisch.
j>am 432.
Proven^alisch.
porma 369.
Französisch.
embrasser 252.
fourmiller 374.
m«r^e 371.
Knmänisch.
caf«n 421. 427 A.
«af 432.
Montenegrinisch.
katun 433.
kolibe 433.
Spanisch,
»uti^o 351.
Gallolateinisch.
mesga 136.
458
Wortregister.
Keltisch.
rfrrts^- 156.
CO/ 199.
Bregenz 306.
draskl 156.
coZ« 199.
Brigantia 306.
foirenn 140.
drwdwy 162.
Tasgetius 168.
(7^d 331.
^rj^-den 159.
Tasgillus 168.
/a«/ 158.
ieuanc 308.
Tasgius 168.
/carfi 168.
//e«^ 158.
Tasgoduni 168.
loss 143.
matW 136.
m/r 358.
tnor 370.
Gallisch.
moirb 367.
myr 370.
Segomari 275.
mwf 146.
oddf 141.
roi«<i 200.
tresglen 156.
Altirisch.
slat 161.
«rtttVi 162.
bruighim 151.
snäthe 161.
yfiore 150.
corn 140.
sZ»s 161.
ynvore 150.
^ 125.
s7dM(i 161.
ysgafnu 161.
^c 351 A.
Tarf^r 168.
ysgaru 161.
ecen 351 A.
ür 308.
t/s<)rrj/f? 161.
fadb Üb. Ul. -
ys/a<Ä 161.
f4 135 A.
Althritannisoh.
ysnoden 161.
feith 159.
Brigantes 306.
ys^a/"e// 161.
iiar 270.
ysthrn 161.
frace 142.
Mittelbretonisch.
ys^Zy« 161.
5-5« 218. 264. 271.
rfrasg- 156.
ystrewi 161.
gö 218. 264.
drasql 156.
5fr/an 162.
sca/f 161.
Altgermanisch.
immedön 360.
streuya 161.
Burgund 306.
ingen 304.
strevya 161.
/rtcc 158.
«roMs 163.
Germanisch.
lacgad 158.
Bornholm 306.
7crf^ 149.
Bretonisch.
Burgundarholmr 306
Zasc 158.
?o*^ 143.
Burgundiones 307.
odi 141. 143. 145,
<Mn 140.
Burgundö 306.
orgim 151.
scaraim 161.
Gälisch.
Gotisch.
</r 358.
Icbb 168.
rt^or 301.
</r»m 358.
»c; 159.
a/"/o 305.
aftana 305.
Mitteliriach.
Kornisch.
ainfvaparamnteh 178.
claideb 139.
acruth 161.
ainishun 178.
imbärach 150.
ainndhun 300.
Zerfi 168.
Kymrisch.
ainöhun 178.
<owm 140.
ia/Au 148.
ainummehun 178.
bedd 212.
ainshun 178.
Irisch.
iorau 150.
anabiudan 200.
breg 306.
irainf 306.
analaugniba 281.
irt 306.
cledd 139.
analaiigna 281.
J5r»<7»Y 306.
c/«rff/y^ 139,
anapraggan 285.
cail 143.
cogail 142.
andhruskan 164.
Wortregister.
459
andstaurraidedun 302.
andstaün-an 302.
ara 311.
arja 208. 209.
armaiö 282.
armaip 282.
arms 282.
aste 143.
attane 273.
atuppangaggand 174t.
batrhtaba 281.
Z>aiVÄte 281.
bandwida 177.
bandiriduh 177.
barne 279.
baurge 273.
baürgim 273.
iaMr<7s 306. 362.
bidjandansuppan 17-4.
binanhan 175. 176.
bisunjane 277 Ä.
Jj;^eÄ 177.
blandan 285.
blindaize 273.
blindaizö 273.
ÄruM/ia 309.
bundans 337.
rfoß^e 273.
rfa/e» 280 A.
rfi2uÄ^?»^a<174.177.180.
dw^ron 308.
duhpe 174.
rfMÄ;e 174.
dMJ5e 174.
duppe 174.
fadar 176 A.
/•a/'ÄM 310.
fairneis 300.
/•aiVnÄ 300. 304.
fatrra 300.
fairraprö 300.
/iaur 176 A.
faüra 176 A.
/?;•« 280.
^n 308.
fraOtnan 281.
frumabaür 176 A.
funins 308.
/'MnjÄt« 309.
gabaür 176 A.
^raiet 217.
gabeigs 217.
gabigs 217.
gaggan 285.
gahmelida 177.
garehns 250.
^TrtÄ^e 273.
gatatr 176 A.
gataira 176 A.
gappantrana 174.
gauhaseh'i 174.
gaulaubeis 174.
^rtÄö 273.
graban 285.
5rri/5s 216.
hairdje 274.
hairtane 273.
Aa/r<ö 310.
hairtöna 310.
harduba 281.
AarrfMS 281.
harje 274.
ÄOMrn 140. 310.
Äer 280. 373.
Äirfre 174.
ĻW 174.
hirjats 174.
hirjip 174.
huhindi 305.
ÄMnds 309.
Ä;aÄ 177. 178.
h'ammeh 177.
fcana 178.
/yanöA 177. 178.
harjammih 178.
harjatöh 177.
h'arjizuh 178.
tvazuh 177.
Jvileiku 175 A.
/t'i« 178.
hizuh 178.
Ä;öA 177.
irfd/a 177.
idd/MÄ 177.
igqara 276.
»>m 304.
tnna 304.
tnnana 305.
innaprö 304. 305.
mnuma 304.
tnu 174.
tnuA 174.
lup 305.
»upa 305.
iupana 305.
iupaprö 305.
izwara 276.
jabbiudis 174.
jaddu 174.
jaggahausida 174.
ioÄ 176. 180.
jaind 307.
ya»ws 271.
jalliban 174.
jammundöp 174.
janni 174.
^*a«so 174.
jappans 174.
^■« 175.
><7^« 308. 309.
jüÄiza 308.
junda 308.
A;ar' is< 178.
kaürja- 302.
kaürn 162.
kunje 274.
laikan 141.
lasitcs 168.
/ou« 223.
Zi^ra« 158.
moAfa» 283.
mähte 273.
mahtim 273.
maihstus 176.
»la/a 208.
manageinö 273.
mann 305.
manna 148.
mannan 305.
manne 305.
m«na 276. 278.
midjungards 362.
tnundön 163.
na«Ä 175.
460
Wortregister.
naühpan 175.
natihpanuh 175.
nefv 301. 351. 352.
neh'a 301.
neh'undja 305.
nih 173.
nissijai 174.
nißjis 304.
nippan 174.
nippatei 174.
qain-ei 302.
qairrus 302.
(/enat 283.
jene 273. 279.
qenitn 273.
qepunuh 177. 180.
5»y5a 177.
3ij5m;j 177. 178.
rahnjan 250.
rinnan 281.
saÄ 177.
sa//y 175 A.
sat'Jva 175 A.
sa/fean 220. 251. 258.
«•aM« 176 A.
«etna 276.
sijaippan 174.
siWe 277 A.
sinteins 361 A.
«ÖÄ 177.
stairnö 303.
stairö 303.
stiurjan 312.
striks 161.
«unau 283.
suniwe 273.
sunnö 309.
svikna 157.
«M^are 277 A.
fa/Aun 176.
tuggönö 273.
pamma Vll.
pammuh 177.
/a» 175.
j&an« 177.
ßanamais 305.
ßattaseits 305.
/oniiÄ 177. 178.
panzuh 178.
/rtruÄ 178.
/afa 177.
^a<'t*< 178.
ia^MÄ 177. 178.
j5a^'Mfe 180.
/dwA 175.
jöetAan 262.
/c»na 262. 278.
pisharuh 178.
piudangardi 362.
j^is-e 273.
}5i>(J 273.
j5t«MA 177. 178.
i5öA 177.
priskan 161. 281.
püsundi 168.
M/-ar 176 A. 301.
ufarö 301.
undar 301.
tindarO 301.
undatirnimats 304.
unsara 276.
urreisan 301.
urrinnam 174.
urrinnan 301.
urriqiza 174.
urrwis 174.
usstagg 284.
usstaggan 285.
usstigg 284.
Mf 301.
M<a 301.
ütana 305.
veitvöds 155.
if'at'r 176 A.
wairpan 278. 280. 281.
waldan 264.
warjan 267.
toastippan 174.
»<a<ö 310.
waürde 273.
mljauh 177.
K'Mon 278.
Krimgotisch.
m«ero 372.
Langobardiäch.
/Äina? 329.
Althochdeutsch.
aganahi 279.
arn 311.
aro 311.
a«pa 237.
icr/a» 209.
iorön 208.
ira^o 141.
chinddhi 279.
chrumbelingün 221.
rfoA 175.
dringan 161.
drösca 163.
«nes 277 A.
eZira 192.
eninchil 309.
«rnt 311.
/•«Am 310.
ferro 300.
/lAu 310.
/irnt 304.
^rs< 136 A.
/iwr 308.
fnaskazzan 167.
/•o» 304.
fowa 304.
/•orn 304.
foM^en 312.
Fragunt 307.
friscung 309.
/•u»r 308.
/"unc-Ao 308.
furdir 311.
gackazzen 330.
gannazzo 329.
^ran^o 325. 329.
ö'eian 217 A.
geinön 330.
gifsta 162.
gibuntan 337.
gickazzen 330.
^rm< 165.
gumisgi 279.
Äo/f/ra 135 A.
Ae/iAan«a 307.
Wortregister.
461
Hetan 346.
hüciski 279.
hogger 146.
hoppezen 317.
houtcan 147.
hovar 146.
Hruadun 307.
jä»w?' 302.
i'n^jan 304.
innana 304.
innar 304.
»M 175.
jugund 307.
kanzo 325.
leidunt 306.
lohezen 317.
/öS 223.
Joscen 166.
lougezen 317.
lugizunga 317.
^MO^r 158.
/Msen 166.
marag 136.
marak 136.
»näire« 163.
tneriro 305.
»n«ro 305.
»neröro 305.
mefo 310.
nahtes 154.
näA 301.
nöÄMM« 306. 307.
nihein 173.
»itMires 211 Pl.
noh 173 A.
Purgunt 306.
ruohhön 251.
rwo 164.
sogren 251.
«rt/o 159. 167.
sccütan 285.
sceltan 285.
scer»» 303.
scinco 309.
senava 159.
simbles 211 k.
smero 232.
sprehhan 251.
stanga 284.
starablint 303.
Staren 303.
«^«•no 303.
«^«»■»•0 303.
sftMra 312.
»torren 302.
storro 302.
strihhan 161.
s^mW 312.
swihhan 164.
sunnan 152. 164.
/aj/es 154.
thana 305.
thanana 305.
thuesben 164.
/ti/rj 312.
tugund 307.
ttceres 324.
Miir 311.
ünahsunt 307.
«Hfar 304.
untarn 304.
untorn 304.
rȀC 168.
t?M^»V 308.
tcalzan 285.
icafjar 312.
wer Jan 267.
tr»(i 159.
wiega 168.
wigan 168.
M70)f 143.
worphozen 317.
H^ö/an 346.
ra^a/ 143.
«ttmpo 142.
Mittelhochdeutsch.
Äo< 200.
drSu 210.
brüsche 169.
erlesicen 168.
gackezen 330.
gagezen 330.
gancze 325.
ganzliche 325.
gigezen 330.
jro^e; 329 Ä.
Aoflrer 146.
hüren 152.
tu;-re 302.
Zin 158.
meier 374.
mugent 307.
mur 373.
nöÄ«tj< 306. 307.
rwÄcA« 135.
shichkczen 317.
starren 303.
»terre 303.
«<err«n 303.
«<&^ 143.
stürzel 143.
«weichen 164.
<«ren 312.
FanA:e 100. 309.
ureigen 168.
Neuhochdeutsch.
angeworden 268.
*»cÄ aufreiben 233.
augenweide 260.
as< 141.
Balandan 102.
iär 192.
begatten 193.
begreifen 263.
bekommen 268.
berichten 251.
Äe«eZn 148.
beunruhigen 234.
brausche 169.
brechen 223.
i»-ttcÄ 223.
entbrennen 218.
erfassen 263.
erstarren 303.
erstehen 268.
erzielen 248.
CMrer 278.
/a»«en 263.
frühaufsteher 320.
/•«//e» 246.
gackeln 329.
gackern 329.
462
Wortregister.
gacksen 330.
ganz 313.
gatzen 330.
gicksen 330.
greifen 263.
ÄaZi 135 A.
ÄcZi 135 A.
hopsen 317.
Ä«?sf 199.
humpeln 146.
hurken 152.
stcÄ hüten 260.
inbrunst 218.
Jugend 307.
fceZcÄ 429.
Wrre 302.
kommen 268.
kratzen 165 A.
kratze 165.
kreuz 429.
^aue 270.
lauern 220.
lavieren 220.
loschen 166.
marbel 370.
marÄ,- 134.
märbel 370.
tn/W 235.
richten 251.
«acÄe beherrschen 235.
sarAe mächtig sein 235.
schade 161.
scheint 366.
schluchzen .317.
schlucksen 317.
schwarz 167.
«jpct7 245.
«2;t7Zc 244.
spriessen 259.
spritzen 259.
«^arr 303.
stehen 268.
»<«rr 303.
itürrig 302.
tugend 307.
umfassen 252.
untrer 278.
tra^r nehmen 267.
f<>oZf 192.
jfO?Ä-c 166.
zweig 135.
Altsächsisch,
irärfo 141.
rffM 276. 278.
eu»<>or 276.
/an 304.
/"er 301.
/'erro 300.
ferscang 309.
/lur 308.
/"orn 304.
gibundan 337.
Äer 373.
iämar 302.
mnana 304.
iiiwer 276.
mar^ 136.
OTfn 276. 278.
muggia 126.
nöÄ 301.
nigein 173.
noÄ 173 A.
sin 276.
thana 305.
thanana 305.
M»cr 276.
verscung 309.
wrisilik 164.
Altniederdeutsch.
«de? 145.
«Z 145.
drunkenschap 343.
/■or»< 136 A.
^rcMjf'c 264. 271.
(/«(/eZ 329.
gouwe 264. 271.
Äfr 373.
humpelen 146.
humpen 146.
mir 373.
m»re 372.
ö«< 141.
querre 302.
«<er< 143.
Niederdeutsch.
gfans 320.
Ae; 323.
hump 146.
hümpel 146.
2)0^e 147.
spc/?e 147.
Mittelniederländisch.
gra^reZ 329.
ganssen 330.
miere 372.
mMcr 373.
mwre 372.
ongansch 323.
Niederländisch.
dwars 324.
gagelen 329.
^ans 320.
Aoep 145.
marwier 370.
meer 373.
mier .374.
mier{e) 373.
molper 371.
mulhvdiid) 371.
mulp»r 371.
mulver 371.
mure 373.
mur^pal 371.
murik 373.
muring 373.
muur 373.
/jote 147.
jjooÄ; 147.
t<»ce^- 149.
wurm 374.
trurmen 374.
Ostfriesisch.
poker 147.
Pommerisch.
Ode/ 167.
Siebenbürgisch.
goaseln 330.
Wortregister.
463
Tirolisch.
gänsern 330.
gangen 330.
Schwäbisch.
storze 1'43.
Altenglisch.
adela 167.
bedecian 148.
bl(sc 148.
cnticel 148.
driigod \bl.
dryge 157.
du5u<f 307.
donan 305.
ea?M 310.
/■^or 301.
flöican 247.
/na«< 167.
/■yr 308.
gespannan 351.
gesicican 164.
grind 165.
5050; 329.
yinian 330.
jano^ 329.
Seaj/ 329.
jeo 175.
jcojud 307.
^eomor 302.
5*0 175.
Äer 373.
Äic//" 135 A.
Äd/) 145.
höpig 145.
hoppettan 317.
Ar^ac 148.
Ärrfn 159.
mn 304.
innan 304.
innemesf 304.
lef 226.
/e«<re 168.
//cje^ 317.
lütan 166.
/yj5re 223.
menesc 279.
ne'aÄ 301.
r/sce 135.
rixe 135.
s/rcc 152.
sid 160.
sfeorra 303.
stin^an 284.
sicican 152. 164.
^eoÄ 175.
^eV«'»< 306. 307.
pringan 161.
prysce 163.
pweores 324.
i^^a'c 149.
M-fZ 268.
M?tr 270.
Mittelenglisch.
gagelin 329.
Äa?e 148.
ÄaZÄ-n 148.
Ajte7e 148.
Wednesday 346.
ffÄe?A-e 148.
Neuenglisch.
armgaunt 322.
become 268.
distension 353 A.
^ra^r^r/e 329.
gannet 329.
^awn/ 320.
gaunted 321.
gauntlg 321.
ganntness 321.
gaunty 323.
Äoop 145.
hump 146.
longing 353 A,
luncheon 358.
mea< 358.
parch 149.
parchen 149.
pintle 143.
/)OÄ;e 147.
rations 358.
rwÄÄ 135.
«Arne« 366.
span 351.
Spans 351.
Springs 365.
fArusÄ 163.
<»de 361.
<»me 361.
Altnordisch.
iresfa 337.
^>ro«f»n 337.
brosinum 337.
gatnan 330.
firaM 329.
ganta 330.
ö-an^t 330.
i^as 329.
glymta 330.
haitinas 338.
Acimfa 330.
Arr/mfa 330.
lasinn 168.
Zosna 168.
Zejya 158.
mawrr 372.
sf'dr 160.
skemta 330.
slaginas 348.
sZoarVMaB 339. 348.
^1/1(7 329.
para 159.
ym^a 330.
Nordisch.
Jagund 307.
JaZö 307.
Jalund 307.
Jegindö 307.
Ostnordisch.
t;^ra 276 A.
«f«a 276 A.
röra 276 A.
tw»Ta 276 A.
Altisländisch.
Ä«-»a 209.
Jorf 200.
ir;ö«Ä; 169.
464
Wortregister.
bruskr 168.
dagr 283.
draugr 157.
fiarre 300.
fi(fl 283.
f^pZ 140. 143.
flöriiH 283.
fnasa 167.
/"orn 304.
fraudr 140.
fraukr 140.
/■wne 308. 309.
funninn 337.
fwr 308.
fw'rr 308.
fynninn 837.
/•yrj 308.
ßra^/ 329.
(??aÄ/r 282.
<7(5» 282.
grras 283.
greni 283.
S'rpn 283.
hddegi 283.
Äa/'r 142 A.
Äa?e 143.
hnipa 167.
hnipenn 167.
hnykr 148.
hraukr 148.
hreinn 159.
hreyse 148.
illgresi 283.
inn 304.
innan 304.
innar 304.
Ä;Mt<e 148.
A:n«rr 302.
Ä«/rr 302.
7rf/"a/i/t 283.
/e/ijrta 222.
/e«c 158.
lingim 224.
/i(}«/r 143.
Zti/a 166.
^^jrunrf 307.
tnerf^ 136.
mergr 136.
w/n 276. 278.
migdr 310.
nrfn<i 305. 307.
np'Md 305. 307.
gl 310.
o?mr 310.
rä 267.
r/an 152.
r»«c 164.
riüfa 165 A,
s/n 276.
Skadi 282.
skiarr 303.
sÄ;j7ta 198.
smalke 148.
stnalr 148.
spraka 251.
s^/Ä; 141.
stiarna 303.
stinga 284.
s^pnpf 284.
strykna 161.
svarkr 148.
svarre 148.
fa^f 143.
^c^rund 306.
//n 276. 278.
^ra«»V 282.
pi'Qstr 156.
jiMn<;r 262.
«A'* 311.
undorn 304.
vaJpan 345.
fa/J5t 345.
valpir 345.
va?^r 345.
ra/^M 345.
rar 276.
rrfrr 276.
ve»A-r 149.
»e/to 285.
veykr 149.
ri«i- 168.
wVMnd 306. 307.
yrf(u)cr 276.
Isländisch.
bindine 340.
6»<mn 838 A.
ftoZp^iMn 338.
Jraw< 345.
briöta 343. 345.
brostin 338.
brotnum 345.
brutu 345.
bundin 340.
bundinn 337. 338.
Äynrfin 339.
byndini 340.
dreginn 343.
drykkni 343.
fenginn 343.
funninn 344.
hepan 347.
Hepinn 346.
Hiapningar 346.
hiepan 347.
Hiepinn 347.
iaparr 346.
kenna 347.
kienna 347.
Zcp^r 342.
o^inn 345.
Opinn 346.
sunginn 344.
synginn 344.
syngva 344.
tekinn 343.
Altschwedisch.
Jtnf/a 339.
braten 343.
bryggia 342.
bryggin 342.
iry^a 343.
Äywrfin 339.
byrghia 342.
iyr^rÄ»« 342.
dragha 343.
draghin 343.
drceghin 343.
droÄrfcirt 342.
drMMm 342.
drykker 343.
drykkia 343.
drykküh 343.
(fryitA^m 342.
Wortregister.
465
drykkinskaper 342.
falla 340.
fallin 340.
fallinn 340.
fallnir 340.
fcel 340 A.
/•(p//^n 340.
fmller 340 A.
/ieWin 340.
fcBllnir 340.
/a?Zz 340 A.
fceprine 340.
fkerme 301.
funninn 344.
ganga 343.
gangin 343.
gengin 343.
gr^ra 347.
grceva 342.
grcevin 342.
S^yri 347.
Äce/ia 342.
A<Bpm 342.
Hedenn 346.
/TjdenM 346.
-ff»;^!« 346.
i-flrt«7 347.
AMOÄ;a 148.
Ä:»< 347.
i-yft 347.
/«Ka 342.
te^jn 342.
/t«rt 342.
/<^er 342.
litit 341.
/M?a 341.
/yrfA«n 341.
lydhin 341.
7^rfAiY 341.
lytin 341.
/y<»Y 341.
meprine 340.
o/>»n 345.
siunga 341.
siunka 341.
s^ür 312.
sungin 341.
«unArtn 341.
f<K 337.
tcebundin 339.
twbgndin 339.
thryskia 342.
thryskin 342.
rcexa 342.
voexin 342.
i?rä 267.
p»n«o 342.
vynna 342.
pynnin 342.
yj)»n 345.
Neuschwedisch.
daska 156.
drucken 342.
dryckenskap 342.
^an< 330.
gantas 330.
«/rt/t/i 344 A.
Ä-»"«e/ 347.
/m/oi 341.
tnyra 372.
pi« 143.
pykol 147.
riksdalar 400.
i?örfÄ 399. 404.
Rodskarlar 399.
Rodsmenn 399.
sjungen 341.
«/wnÄ'en 341.
sÄrör 148.
«iwi- 148.
Altdänisch.
Hithinui 348.
Dänisch.
o/m 310.
drukkenskab 343.
gante 330.
^ran/^« 3.30.
grau/ 329.
^//mfe 330.
Aadi (Aap) 115
haöbokt {havbugt) 115.
myr^ 372.
Indogermanische Forschongen XXXIIL
inW 143.
«jbWe 330.
Altnorwegisch.
drykkinn 343.
funninn 344.
fynninn 344.
HroBan 282.
HroRBR 282.
/a'to 342.
/cfa 342.
letenn 342.
/i'na 276 A.
Norwegisch.
*y»7»» 344 A.
rfosi-e 156.
flra^/ 329.
gjenle 330.
/«/ 236.
Rödsfolk 400.
Rössfolk 400.
Rösskar 400.
sferf 143.
«f/ar< 143.
Dialektnorwegisch.
knjüke 148.
^wfc 147.
pofc 147.
Litanisch.
altksnis 192.
alkanis 192.
arhpalas 237.
cn^rÖÄ 119 A.
an^ru 119 A.
ankstybas 109.
ankstybe 109.
antras 108.
apgduti 264.
apgebau 217 A.
aplamtnti 225.
apleju 228.
aptayftau 228.
aptepimaa 251.
aptepiu 251.
dpmdzgoti 136.
31
466
Wortregister.
aprpde 231.
aprejszkus 122.
aprepiu 251.
aprcpti 251.
apryäti 121.
apsiriede 231.
apsiryedi 231.
apskritus 162.
apuSls 126.
apvcldeti 265.
äpveldu 265.
äpveldziu 265.
apvthi 269.
apviliu 269.
apwetdeimas 265.
aptvilu 269.
apybreszkis 150.
ardyti 114.
ar/(V 208.
rtXt 108.
arf* 352.
aStnntaa 98.
atduSimas 119.
a<*o<j 206.
atejüs 122.
atkimpu 195.
a<Ä:^2><t 195. 217 A.
rt^Hrh" 195.
atmenamas 232.
atmieszti 233.
atmintinas 232.
atmintis 163 A.
atsekti 257.
atsisekti 257.
atsisenkü 257.
atskaitytunsius 122.
atvyrs 270.
audtms 120.
äudims 120.
«U(/t 119 A.
rfH^f 124.
üugMas 107.
duguse 124.
dugusiu 124.
auilma« 119.
aiufiteia 227.
iof/y<i 241.
ia/-rfo 114.
ftairfy^t 114. 245 A.
baisits 207.
balaüdis 102.
bandyti 99 A. 201.
bandziü 200.
*or»ii 208.
barstyti 114.
irfW» 208.
iarw 208.
bastaü 241.
bastyti 241.
bauslys 200.
ÄoMs^t 200. 201.
bebrinis 209.
i/6r«s 209.
*^Är«s 209.
Äed^h" 211.
Jerfw 211.
beigti 110.
berszta 150.
6ef<t 114.
i(?s<t 211.
JeedeVt 240.
Äe2rfM 271.
ÄtÄru» 209.
Äjf^j 114.
bisteleti 240.
btstumpabästum 241.
blstupabastu 241.
blzdas 240.
bizdinSti 241.
btzdinti 241.
bizduHs 241.
bizdzius 240. 241.
WrM 114.
WaA:e 103.
blandyti 97.
*?aBÄ;<i 97.
bligstu 211.
i/t.ys/M 211.
blinginti 97.
blinksäi 97.
bliöcimas 119.
6<W2iM« 207.
6<yM 206.
W/i 206.
braüko 112.
braükti 110.
braukyti 112.
breksMtna 150.
brikszta 150.
brhzko 150.
bräziu 150.
brizge'ti 163.
brizgilaa 168.
brizgü 168.
brogas 150.
brölts 115.
ÄrwW» 207.
irw^M 207.
bruzduklas 168.
bruzga 163.
brüzgas 157. 168.
bruzgu 163.
bruzitns 163.
iöHa 213.
ÄM)tZ^- 213.
iund« 200.
ÄMrtmas 120.
6!i«<t 200.
4M<a« 213.
iii/i 213.
cyridis 104.
cyrulys 104.
rfa- 202.
dabartinaa 205.
daW/i 206.
da%' 262.
dantötas 203.
dangujt 28 k
dangujejis 284.
dantutas 203.
danii/ju 203.
dantytas 203.
dantyti 203.
darbunse 122.
dasiUiZU 229.
dasilisti 229.
rfauM 123.
daMz/» 111.
ddzgau 156.
dazgyti 156.
dijimas 120.
rf«Ä/i HO.
<2e/i^ 114.
(f^nd 361 A.
Wortregister.
467
deriau 204.
dirti 2M.
ddru 204.
deszinas 223.
deszine 223.
deti 108.
devintas 98.
dievas 115.
dt/Äa 110.
rft7«<u 114.
diW 114.
diVitt 114.
dilü 114.
dirrau 204.
dirft 203. 204.
di>M 203.
droztmas 119.
dwrfd 116.
Dubösgire 115.
Diibösgtriä 115.
dw/ts 213.
dM/Är^- 213.
rfü/ys 213.
dümai 213.
rfuöÄf 108.
rfuoÄ/ 123.
düobti 108.
rfw'oiy 108.
duo^i 111.
diirti 1.08.
dvesiü 251.
dr*s<» 114. 251.
dvynas 108.
dygsnis 210.
rfyrau 204.
dyriau 204.
%ru 204.
dziduti 110.
dziovä 110.
dzidvimas 119.
dziövos 110.
dziüvimas 119.
ct^Tii 149.
«m» 149.
elksnis 192.
/pt/i^ 126.
ezeras 127.
gadinti 203.
gaidijas 282.
gaidrus 245 A.
galvose 105.
galvü 115.
galvugale 115.
^ran« 313.
gandaü 155.
gandinu 155.
gandinti 155.
gandras 330.
gdudyti 264.
gäras 218.
garbingä 127 Ä.
^ä5^u 155.
^rawMH 264. 268. 271.
^ra'M^t 264. 268. 271.
gavaü 264.
gavus 264.
gedrä 310.
gidras 245 A.
gedrus 310.
^f/rfi* 245 A.
^ref^.^,- 121.
^refs^j 111.
gelimas 120.
^re/^c« 211.
geltönas 208.
gdumbe 200.
^r^ras 218.
geretis 218.
gerims 120.
<7^»s 218.
^cri« 218.
^rßV^,- 108.
gesan 155.
gesian 230.
gesyti 155.
^e^j 155.
5ffsa 113.
^rf^^a 113.
gieiumbe 200.
gimstu 113.
</m^» 113.
5rt«<.' 109.
^irjrt 166.
giriu 218.
«7««» 218.
gitoetUoius 122.
glaüsti 111.
^rZ/ÄJ« 108.
^Z/Ä^- 108.
gliaümas 310.
gliaumüs 310.
globimas 119.
gldstyti 112.
glüdau 111.
glüdoju 111.
glüdoti 111.
ördro^i 218.
grdizyti 112.
granda 216.
grändai 216.
^rrfMft 119.
5rr^« 162. 227.
prrÄt 162. 228.
gt-fzti 111.
gridiju 216.
gridyju 216.
grtdyti 216.
grimsti 113.
grimstü 113.
grindis 216. 242.
grindziü 242.
grioju 216.
grioti 216.
^rfsft 242.
grobstyti 112.
grobti 111.
grojimas 216.
groju 216.
ÖTOfi 216.
gröwiau 119.
groicimas 119.
gruinys 121.
grynas 121.
gudinti 264.
gudrduti 264.
^rurfrws 264. 271.
«/MÄt 113.
guiüs 264.
güvus 264.
giivüs 271.
5rwr«fM 302.
^Mr<t 162. 302.
gvaibti 121.
31*
468
Wortregister.
g{v)eibstü 113.
g{v)emi 113.
gyjü 268.
gynimas 120.
gyti 268.
gyv4nti 268.
gyvenü 268.
r 218.
f 218.
iejdu 227.
iigaü 227.
Z^'y^'Ä 268.
?5'y<t 268.
;YetM 227.
ilgas 108.
j7>»s 108.
imensti 230.
'»n 218.
indngti 219.
»neßt 219.
t% 219.
inkatu 219.
hilctoiu 219.
inkraniu 219.
ipesziü 244.
fpiszti 244.
iriedytai 232.
iriedytaa 231.
ir«<M 114.
ir<» 114.
/rw 114.
jsimdnkyti 230.
iszmauroti 375.
iszbrtzga 168.
iszgqstis l.'iö.
iszkadd 161.
iszlaivöti 222.
iszlydinti 228.
iszmiszti 233.
iazm'e'sziü 233.
iazpditviju 245.
iszpditviti 245.
iszpijuai 236.
iszrügöti 254.
iszsimdnkinti 230.
iszaimantyju 231.
inzsimantyti 231.
j««9»?tu 269.
f*«pJ7<t 269.
iszvomiju 272,
iszvomiti 272.
iszvyliau 269.
IMaga 127.
iäkeiniött 121.
{iä)mokimas 119.
ivairus 270.
ivairüs 270.
izbönas 161.
izbradnius 161.
izdrodyti 161.
iäteieias 227.
izlietas 227.
»^/•»Yem 227.
izrugoimas 256.
ja« 175.
jV^ 125.
jiezti 110.
i^ 125.
jojlmas 119.
id^t 206.
kdimas 114.
kaimynas 114. 245 Ä.
kairas 108.
Ä;afr/ 108.
Ärarsit 112.
kaiträ 310.
kaitrus 310.
Ära/iu 208.
kalnuojai 120.
Ä;rf/^ja 135 A.
kandis 108.
fcrfrd«« 139.
karejwins 122.
kdrsztas 201.
karwediu 122.
A;aM/t^i 110.
i-rfu^j 108.
t(iu<t 147.
M«<t 212.
A:?«/» 108.
Ä-flwjV 212.
kimas 245 Ä.
Jt^/>h' 239.
A:#ra« 143.
kiemas 114.
ArJnio 135 A.
A:irno« 167.
A-if/)<i 109.
Hfsf» 110.
A;l.?t»V 103.
MaikSis 121.
klaüptis 111.
;fc//ijo 108.
fc/^ij?« 108.
kleiva 110.
kleivas 110.
kletpti 121.
kleivas 121.
kloßmas 119.
klojlms 120.
klojims 120.
klmMß)is 121.
kluikti 121.
klüpan 111.
klüpoti 111.
fcd/M 119 A.
koukMas 123.
krankti 99.
krasztus 122.
kriisa 110.
Ä;refras 103 A. 162. 222.
kreivumas 110 A.
A;/-(5j»/t 196. 202.
krövitnas 119.
krösnis 201.
krüvinas 202.
kruvinti 202.
kruvinu 202.
^röwd 148.
ÄJMprJS 147.
ÄrÄiÄja 121.
^•«/^ 108.
A-Ä/^i 108.
kümpas 146.
kumpti 146.
^•Mj)/a 146.
kuprelis 146.
kuprffä 146.
kuokitas 123.
W/J«) 195 A.
kuriu.1 122.
kurkiü 113.
itKfA/» 113.
ibiir/i 164.
Wortregister.
469
kvdiSe 109.
kvaiMi 109.
hvepeti 246.
krepiu 245 A.
ktepti 246 A.
Idibas 226.
Idigyti 224.
Zae«<aM 228.
laistyti 228.
Wisfyf» 112. 228.
laitas 121.
W/irfa 110.
Idndzioti 109.
langoti 141.
Zan/fcy/t 220.
laükas 107.
WMi-f» 248.
/ai>^' 103.
/a/cM 226.
?a^rfa 126.
lebas 226.
lecziu 229.
/e'rfo« 149.
/^7ft 228.
/C?aj< 226.
lejejas 227.
lejimas 227.
fe^M 226.
/eief« 221.
leketas 221.
?/A-<t 111.
/«Mft 224. 225.
lendti 110.
Ze'nÄ:^ 109.
lenketas 221.
?e«ÄtM 221.
/c«A-<t 109. 110. 221.
lepinti 252.
/cjDMs 252.
lesas 226.
7/«a« 226.
lesti 229.
?c<e^' 228.
?Ä» 226. 228.
levas 226.
?^ca« 225.
lecas 225.
liaunas 222.
Zj«Mfj 223.
liatas 225.
liejimas 119.
liekas 102.
Zie/"«^ 226.
Ztc/"i6e 226.
liefinu 226.
?jc/"^M 226.
Ztrfa 227.
Zi/2« 109. 111.
lieicinis 226.
llndau 111.
lindoju 111.
/i;K?oit 111.
lingeti 141.
?t«5rÄfj 141. 223. 224.
Itnksminti 112.
linkstinis 141.
Unnas 147.
?iMto 228.
linksmas 112.
/fs^t 109. 110. 111.
/tü^ras 147. 166.
Z/m/«s 223. 226.
?oma 223.
?oma 223.
Zo/)y^t 108.
ZM()rna» 147. 166.
ZujYa« 121.
lüobas 123.
lumas 225.
^y^r^t 113.
/y^i 109.
Zy^i 228.
taukus 122.
feieias 227.
teimas 227.
/eiu 227.
mailius 233.
mai7M« 233.
maü^raü 233.
maiszyti 233.
mari^oi 109.
md»^g 109.
tnaitä 121.
«a/dd 234.
maidqs 234.
maldaü 234.
maldibe 234.
maldingas 235.
maldybe 234.
maldyti 234. 235.
maZtw 208.
maltes 233.
ma7ft 108. 233.
m«[Zw 235.
mandagus 147.
»ufn^au 229.
mdnkinti 230.
mdnkyti 230.
mastis 163 A.
mankti 110.
tnäzgas 143.
mazgöjü 136. 156.
mazgöte 136.
mazgöti 134.
mqstan 163 A.
tnqstus 163 A.
mästytojis 163 A.
maurai 374.
maurioti 374.
mauröti 374.
medega 147.
medegas 147.
medijas 282.
»weä/s 147. 282.
medzega 147.
meldziii 234 A. 235.
tnelsti 235.
menafi 232.
menqsis 232.
mencziaü 230.
menke 99.
mcn/a 232.
mcf« 122.
menuofi 232.
meni< 232.
menufis 232.
mergeta 124.
mergefe 124.
mfs<t 109.
mesziu 233. 245 A.
mes^f» 233.
menf/ 230.
ntfzdra 357 A.
mf^w 245 A.
470
Wortregister.
mieguistas 120.
miegiiostas 120.
misä 231.
miesös 231.
miesziu 233.
mildingas 235.
mildus 234.
mildybe 234.
minetoias 232.
min^ti 232.
minetinas 232.
m/n» 232.
miniu 232.
mhikyti 229.
minti 108.
mlrätu 113.
wjf^t 113.
minti 232.
mfzti 109.
moZß' 108.
m(5<^ 115.
mtiitä 121.
mükti 205.
muldet 233.
tnuldinät 233.
mutwS 167.
MtMsü 284.
musüjis 284.
muäimas 119.
milSti 119.
myliu 234 A.
«, p 219.
namie 115.
namiepi 115.
nasrat 164.
negälinde 124.
nenufekami 257.
neprifekamas 257.
nefufekamas 257.
nokimas 119.
nosele 124.
noHili 124.
niidrauslum 122.
nügyiiau 127 A.
nu/e/o« 227.
nuletus 227.
nulietas 221.
numazgojmas 136.
nüogi 115.
nusikti 167.
nykstü 113.
nyÄ:<j 113.
q;«s 264.
o^-sa^• 236.
pabüklas 203.
pabükle 213.
paiszas 244.
paiäos 121.
{pa)li6vimas 119.
pdlszas 238.
paminet 232.
paojeis 264.
papesiu 243.
papt'ieczejas 243.
ptapiesz^jas 243.
papljusi 236.
i)rfr- 115.
^rfr plaukti 115.
pasidontum 122.
pasklandinti 99.
pavüdeju 265.
paveldefi 265.
paveldu 265.
pavildeti 265.
pavilsti 265.
pavojas 263.
pavöjus 263.
paweldziu 265.
pMsakas 258.
pSdsokas 258.
peikenä 121.
jiekus 240.
pelega 147.
;jeZ^'j* 238.
pelenai 248.
pelesiai 238.
2>e//rt 238.
pelnyti 109.
petakas 143.
;>^mjf 236. 238 A. 246.
/>^;jas 193. 236. 238 A.
245.
;>eriti 161.
pefvaras 266.
^>«s^M 244.
/»«««i^ 244.
p^«^* 244.
j)e3ziu 244.
peszti 244.
/>eßM 244.
^«;?eM 143. 147.
pelene 247.
peäimas 244.
^^7ms 238. 245.
i>/j;a 236. 238 A. 245.
^irfMfi 108.
pienas 102.
pienüitas 120.
pieniiotas 120.
^iftfo*' 121.
jpIZdyfi 246.
j9j7Is 246.
^j7to 242.
piltavas 242.
j:)«7<i 237. 242.
piltuvas 242.
2)»7iV 237. 242. 246.
pilusis 246.
pilutis 246.
plningus 122.
piövimas 119.
^J«<t 243.
ptsw 243.
i>rM<^' 108.
2)ZaM;u 228. 247.
^Wm« 228. 247.
2)?Ä/» 109.
pleSims 120.
pleSinis 120.
p({«as 117.
prabreszklmas 150.
pramenu 232.
praminimas 232.
prausiu 259.
praüsti 259.
prgvoli 272.
priidai 115.
prileczia 229.
priseku 258.
prififtteimas 199.
prififitejmas 199.
priß/ciM 199.
privalaü 272.
pricalüs 272.
Wortregister.
471
privalyti 272.
pritcilu 269.
prmas 108.
prüse 108.
prusnä 259.
Prüsunsi 122.
pryvoU 272.
püdziau 230.
puikenä 121.'
piiikys 120.
puiSos 121.
pükys 120.
pnokys 120.
püposc 105.
pydau 236.
i>yd^<t 236.
pylimas 246.
raibas 114.
rdicioti 109.
rainas 121.
ra'iias 121. 123.
ranA-d 267.
ydnkioti 109.
rantyti 102.
raszejas 282.
raüpsas 165.
rdzas 142.
redau 232.
r^rfa« 231.
r^rfy/t 231.
regsti 134.
r/ia 110.
rekszcziai 135.
r/i/.- 110. 250.
renku 269.
re^^M 134.
rezgis 134.
rezgis 134.
rjV»<» 109.
»•i^«<t 134.
rlmstu 113.
rim/j 113.
rinkinuczei 99.
rjÄÄrfi 109. 267.
rizgaü 134.
röpjM 252.
ro/jf» 252.
rövimas 119.
rügöju 254.
rügöti 254.
rügstu 255.
rügsznys 255.
rM()r/» 255.
ruinas 121.
ruinis 120.
rwi^w 121. 123.
rüjaus menü 253.
rujös tnenu 253.
rumbas 254.
r«/ 109. 112.
rüpinti 112.
ryzgu 134.
«a^'d 152.
sakaü 219.
satg^ff 219. 251.
sargus 122.
säälavos 115.
sqälavü 115.
saüsas 109.
sepriM 152,
««}•(? 109.
sejimas 119.
»eA-j« 167.
«eA-f» 257.
«ei-ft 219.
«eÄTM 219. 257.
seÄrw 258.
s^mimas 120.
sinas 123.
Ä^nis 123.
«enMmK 122.
septintas 98.
sergii 113.
»/f» 109. 256.
«lÄ» 109.
sijdju 258.
«»;d<» 258.
«f^r^i 113.
skedziu 257.
«i-e/tu 198. 257.
si-^Z<t 108. 198. 257.
sÄ-/«<» 257.
skietas 102.
skrebiu 157.
«A;rÄt 162.
skynims 120.
«A:y«<aa 193.
slanginti 149.
slegiu 152.
slinka 110.
«/»■«iW» 110.
s/o^ro' 152. 166.
sloginti 152. 166.
slogüs 152.
slopstu 220.
«/yp(i 229.
smägenes 136.
smarsas 232.
smarstas 232.
smarste 232.
smarstvas 232.
smarte 232.
smirdeli 232.
sniegas 109.
spdrdyti 112.
sparnus 122.
spejimas 119.
spekas 108.
sp«ft 108.
sp/<» 109.
spiekü 122.
sptlgä 147.
spiövimas 119.
spuogüotas 120.
sprogimas 119.
sprögti 111.
sprüsti 259.
spuogüitas 120.
spunge 100.
spyliai 245.
spylys 245.
statbulas 142.
stembras 143.
«<tJa 142.
sttmbras 143.
stogas 357.
«<(fra« 116.
gtöviu 107.
sträzdas 156.
stügti 151.
stügti 151.
stümimas 120.
s<yro<» 303.
SM 122. 353.
472
Wortregister.
subtne'is 241.
sublzdo 24;1.
sudas 260.
sugyv^nti 268.
suMnkti 248.
sumazgdja 136.
sumiszan 233.
sumiszti 233.
sumijsztas 233,
sumijsztu 233.
sunkti 111.
supaü 204.
surüge'lit 255.
suskati 257.
sveikas 112.
sveikinti 112.
sveTkti 112.
sre/j* 114.
svtlstu 114.
«t>i?<i 114.
«pt/i'i 114.
«w7m 114.
svötas 259.
swaiginSti 168.
syÄ;*« 257.
A^amid 194.
«^^- 197.
szeimyna 245 A.
««^M 197.
tiziliua 194.
ss?e;u 228.
*2//<t 199. 228.
Sdukoti 111.
Saükti 111.
äeSkas 123 A.
^iV~ 125.
^JWy/.- 112. 114.
rfi« 125.
iJ«<« 114.
.^«/Ca« 114.
i»/<» 114.
.?//»< 114.
i/rt»7a« 127.
i/a;u« 127.
i/oMÄ:o 111.
Slaukyti 111.
Soklmaa. 119.
Sövimas 119.
ivendrai 126.
i»c«<a« 117. 127.
dTpiVp^t 109.
<ar 125.
famsfi 310.
tamsus 310.
tarszketi 161.
tasat 125.
Taw^a 359.
<e*;/ift 230 A.
ft'Ä-^j 262.
tempti 109.
temytis 262.
<eMÄ:M 262.
f/t7ös 115.
<t^ 125.
^t'^s^i 111.
<j7p^j 110.
tingeti 261.
tingiu 261.
^m^TM« 262.
<lnft 262.
<m«V 262.
tlrszkinti 161.
</«<« 262.
toMdfV 122.
trainöju 161.
trainöti 161.
trdnkau 161.
trejetas 104.
trenkiü 161.
<re»Ä<» 101,
triszkiu 161.
<r»MM 161.
triszu 262.
<rü6rt 117.
trüi? 117.
tritkstqs 119 A.
trükstu 119 A.
tryiau 161.
/r^s 105.
/mjW» 121.
turinöe 124.
tvaikaa 121.
mA»7» 151.
u/ieZi 126.
u/itnu 126.
u/?«^ 126,
unA;«na 270.
udega 141. 143.
M«?im 236.
ÄÄ:sat 236.
uksanti 236.
!«<» 236.
üzdaras 232.
uzdaras 232.
uz g reit 162*
uzsklanda 99.
mrfM/t 266.
vagosi 105.
vajdti 264.
raZaj" 192.
va/aü 272.
m/ar 269.
valdaü 264.
valdyti 264.
vdlkioti 110.
valszczius 265.
valyti 272.
vdrginti 112.
vargstu 113.
paf</<t 112. 113.
»rfrwa 110. 123 A.
mf«as 110. 110 A.
vdrstyti 112,
»affo 112.
vartyti 112.
»edw 147.
r^t/eVe 102.
veikti 114.
r<y w 264.
reÄr^wd« 201.
»e/A 270.
v«t(5<t 270.
»c/las 269.
t'^«» 108.
»*/y/» 272.
vhnalaa 272.
t)«m jffwi« 120.
rA«<» 272.
»Äia« 245 A. 270.
rerwiÄ 267.
V0riä 266.
('«rHma« 119.
rerfciii 113.
refW» 112. 113. 119.
Wortregister.
473
versti 267.
verii 266.
verziaü 267.
verziü 267.
vefzti 267.
vetuszas 267.
cetuszis 268.
vieversys 104.
p»7t(5^t 269.
t«7j'M 269.
vilius 272.
f»7las 109. 110 A.
ci^Äv 109. 110 A.
tilkti 110.
vilkiins 122 A.
rt7/u 204.
mlti 269.
n7fj« 272.
vemalai 272.
virbas 135 A.
vlskinti 112.
virszus 164.
rq;>« 263.
volunge 126.
fora 140.
po^t* 263.
vuoSvele 124.
vuoävele 124.
ry?^' 270.
vyliau 269.
vylitis 268.
vyritis 270.
ryft 264.
cy^ts 135 A.
vyturys 104.
icedega 145. 147.
Mt7a/V 272.
iciluofi 272.
jrt7Ms 272.
wittas 272.
wirus 122.
wizgöti 168.
wotange 126.
zdroda 161.
zuikis 103.
zvageti 104.
za6as 135 A.
z«'^» 135 A.
zabaras 135 A.
zaftas 218.
ia/ios 127.
zeffo« 218.
i^Mig' 127.
ziemq 114.
z«/as 211.
ii7<t 211.
zmogüs 147.
ztnones 147.
im« 147.
zo// 127.
iiJZis 141 A.
zumntas 215.
zvageti 104.
zcaizdf 114.
zvengti 100.
zvögatäi 104.
zwengiu 151.
iymf 114.
Lettisch.
afza 110.
o/apa 116.
dlavica 116.
aplenkt 222.
o^«a 237.
drdj^ 114.
af^ 108.
afw 193. 208.
aschas 148.
aschenes 148.
aschgi 148.
ascÄt 148.
astantes 97.
atpiles 237.
at-SRenst 100.'
au^2<i) 119 A.
aügsts 107.
aügStas 107.
ai}</M 119 A.
awÄf 120,
6rti<ft< 245 A.
Äanitf 112.
bangainis 96,
barst it 114.
idra«^ 114.
iaru 208.
Z>dM<ZHt 99 A.
Äau/e 147.
bausUba 200.
Äowsfis 200.
J«*ra 209.
ieÄrs 209.
if'rfa 117.
Jeaef 245 A.
5erf/-w 231 A.
bei gas 110.
Äej>< 110.
fier/'u 150.
fi^^rf 114.
Ä^rf 114.
ifrza 103,
Jers-e 103.
J^r^-s 103,
ie/a« 240.
Jidft 111.
iiaj< 111.
JtV^fc 150.
ÄjfsiM 114.
i»f^ 114.
ilftes 112. 114.
WaJfc^s 103.
bldnkstities 100.
blenda 97.
blensties 97.
i^enr^ 97.
Äi'aM* 119.
bl'uöda 116.
irdZt 115.
brälis 115.
JrdttH 110.
JroMctf 111.
braükät 110.
bräukt 111.
bräfchu 212.
^►rä/'w 168.
ir?Ara 110.
6r^Ä;a< 110.
Jrkf 110. 112.
brencinät 112.
iwda 116.
bultcäns 207.
bundul{t)s 100.
Jm/m 208.
buzga 126.
474
Wortregister.
bitzit 220.
deminS 114.
ciems 114.
cifpe 109.
ctrpt 109.
crrs^ 110.
cirsties 110.
cif/a 110.
cirülis 104.
dancis 97.
dandzis 127 A.
dandzis 97.
dandzu 97.
danga 96. 97,
dankuoties 97.
rfat<J< 111,
daüzit 111,
d^^rfef 114.
dencis 98.
dfnkts 98.
dfnkuöties 97.
depsis 126,
(i^*^«7 108.
rf^s/i7 108.
rffs^s 108.
rf/<; 108.
rfe^ 108.
devantfs 97.
devants 97.
d»e(t')« 115,
diezgan 115,
(?J/«^M 114.
dilstu 114.
rfi/< 114.
diZ< 114.
rfif^a 109.
rfifsrt 110.
difsfnät 112.
dJr«< 109. 112.
dränaa 110.
drumpaCas 101.
drumutalas 101.
drujHttas 101,
drM/)< 101.
drüpu 101.
«//•«//Art« 207. 211,
r;/W<^ 208,
(f/esee 230.
d/c»< 155.
rf/T^ra 147,
rf/'i^ru« 147,
rf/^firc 147.
rf/"tjrÄ< 147.
dwrfa 116.
dümuojs 120.
duncis 100.
dMOÄe 108.
rtfwöÄ/i 108.
duöma 116.
duötnät 116.
duönis 103.
rfi^Of 111.
dMre 108.
rf«f« 108.
rfwr« 208.
rfwia 118.
dvesele 114.
dvinis 108.
rf^er^ 108. 120.
dsjÄf 113.
dzilna 102.
dzimstu 113.
rfsimf 113.
dzindzinät 100.
dzindzindt 100.
dzintars 96. 98.
dzinteris 98.
dzires 108,
rf^^< 109.
dzTtars 98.
^/s<i^ 111.
^^8^ 109. 110.
e/ifrf^ 109.
erc(et)is 103.
gäidit 111.
gatdit 111.
iirrt/Tid« 109.
gatvas 105.
^ranrf 117.
Gavieze 102.
iC/dsi/^ 112.
gläust 111.
j7/cW 108.
gräbdt 111.
grdbstU 112.
gräbstU 112,
iyr<$A< 111. 112,
grämata 116.
grafzit 112.
graizit 112.
^T^da 117.
greilis 103.
greinis 103.
greizus 103,
^rr^Xs 117,
grkmdet 113,
grentzdt 101.
grencet 101.
griezt 111.
grlezt 111.
^riesr/ 112.
grlmstu 113.
griihstu 113.
grlmt 113.
^T»?«^ 113.
gfr/"«« 103.
grundulainä 99.
grundulis 98.
gruözit 111,
^rui« 101.
^MȀ< 121.
güldit 113.
gulstuös 113.
^^u/Ca 113.
«/iiZ^a 113.
gulties 113.
gülties 113.
gumba 101.
gumbdt 101,
jjrumä^u 272,
e/uMJf 272.
gumties 101.
gurdens 302.
gurstu 302.
^rurf 302.
güfcha 145.
güwejs 271,
^'Äiw 245. A.
^'/Ä< 13.
gJÄ< 113.
u 113.
r^^w 113.
115.
itgantta 100,
Wortregister.
475
ieiet 115.
iekritis 115.
ienaids 114.
iesist 115.
iJanda 115.
t/^s 108.
»r«<M 114.
»f«<M 114.
»r< 114.
in 114.
izvandit 100.
t/s 159. 167.
Jawi 115.
Jdnis 115.
kaiminä 114.
A;a»*f 112.
kaitindt 112.
Ära/>« 116.
i-aZ'M 208.
kancindt 100.
kankalis 100.
käpuosti 117.
käpuösti 117.
kafeias 212.
kaücindt 112.
kaüka 110.
kaükdt 110.
ÄrdwÄ:^ 110. 112.
i-oiJ< 108.
i-art 108.
i-ie;7s 117.
Warf/e/ 199.
klaigdt 111,
klandzindt 99.
Wdf 120.
kUiusit 111.
klaüsU 111.
)l-%äf 199.
kleinis 121.
W^;jis 108.
i7je5rf 111.
kluburät 194.
Wwrni 121.
kndbdt 111.
Ä;nai< 111.
kndpdt 111.
knäpt 111.
knesch 235.
i'nes^ 235.
knetet 235.
knidet 235.
Ä-»M<ief 236.
i-Mt**r< 236.
kraus 162.
Ärram*^ 201.
krancindt 99.
krantas 100.
krantes 100.
kräpju 196.
kräsa 117.
krauja 148.
fcrawf 119.
kratca 148.
Arräjj^ 202.
Ärrö^^ 196.
Jl-rerZjs 103 A.
^-ref/is 108.
Ärrew« 108. 110. 222.
krievs 117.
Ärrümu 113.
kruica 148.
kuilis 117.
ätm//! 108.
^uÄ;wm« 146.
kukurs 146.
Arüma 116.
kumpt 146.
i'MWJ« 116.
kuodaVa 123.
käodel'a 123.
kuökalis 116. •
kuökdl'i 116.
kudpa 123.
kiiorsviäi 104-
Ä;u&rf 108.
Ärwr 115.
ÄriVrcM 113.
kufkstu 113.
A-iVrAf 113.
ÄrMfA-^ 113.
i-Mfp 115.
kurseäi 104.
JfcMf/S 116.
ÄTMru 208.
Är'ems 108.
k'epju 195.
Ar'e;)/ 195. 217 A.
Ä;'er< 195.
k'iselis 116.
^aü^a 158.
/af'A:« 252.
laipns 114.
läipns 114.
7ai«/« 112.
^atto 158.
/a»Vß 229.
^am^ 111.
/ä»>^ 111.
/afio 109.
7ai>j/ 108.
/a^'Äß 103.
/aÄÄ;a 110.
7ä«A:Ä 107.
/o»A» 107.
^dtt^Mm« 100.
läupit 112.
/ö6m<^.* 220.
?ä< 223.
ZäM-a 223.
ZäiTÄe« 220.
/fca 116.
legens 158.
/fÄ-d/ 111.
/e/ji-/ 222.
/^Ä:< 111.
lemesis 224.
Zen^a 222.
%u 228.
;t^7« 107.
ZiW» 107.
««ts 102.
/i«Ä:< 109. 112.
/.e^ 112.
/f^s/e 141.
ligstu 113.
?J> 113.
/iV 113.
/jV 113.
liksms 112.
/ifcsfM 113.
/fts^M 113.
Zfivfna 114.
«tf 113. 114.
likt 113.
476
Wortregister.
Itnät 109,
litigät 100.
list 109.
IH 109.
löpas 108.
luncindties 97.
Zmoc;< 112.
Zuörfrf« 110.
lügätli 141.
/uöZ,-s 116.
luöz{n)a 109.
luöz{iiyd 109.
Zmä-«< 24r8.
/a«s«f 111.
/«/"p^a 152.
l'audis 193.
l'aunfgs 222.
Vaunütis 222.
Zaun« 222.
rau< 223.
roM« 119.
l'äwetes 220.
rm* 224.
mainit 112.
mainit 112.
mai'ss 109.
mäkties 114.
mäkuönis 114.
mälis 108.
mal'ttes 233.
ma/it 108.
»naZ« 208.
mafgäju 136. 156.
mafgat 136.
m«« 115. 124.
mrt^e 115. 124.
matpeniiia 101.
maüka 110.
mäwÄr« 110.
waw/ 163.
mfduojs 120.
menca 99.
m«nce 99.
mencis 99.
menöu 99.
men/e 230.
mente 109.
mew^c^ 230.
w^rde/ 113.
w^ri« 113.
WJesa 231.
mes« 111. /
m^W< 111.
tn^felis 117.
mieguojs 120.
miezndt 111.
»liC^Mi* 111.
miltuojs 120.
»iine 108.
mlrstu 113.
mifstu 113.
m«f< 113.
mJr< 113.
mf« 108.
ml< 112.
tnizenät 112.
mizene 114.
m^«« 109. 111. 112. 114.
mtz« 109.
wfi(i< 109.
mutta 117.
muÄ;< 205.
mulk'is 210.
mudcit 116.
muöka 116.
muscha 235.
müA;« 205.
nac 115.
n<ic 115.
na«Ärt 103.
ne 104.1
nfsei< 111.
ncs< 111.
niezas 108.
niezef 113.
niezti 108.
ntkstu 118.
ntA;«^u 113.
nffcf 113.
»liÄ-« 113.
n/ra 147.
nir< 147.
Mir^a 147.
nä/üÄ;« 248.
nilk> 114.
nuö 115.
nt^irauÄro« 115.
nuo-blenkt 97.
nuödal'a 114.
nuökrist 115.
nüosist 115.
nuöskriesim 115.
nuö»< 115.
nud«<(«) 115.
ödega 141.
o/fa 145.
o/fMZa 145.
iwtfr/« 102.
ija/'t 237.
pangainä 100.
pants 100.
^dr 115.
/)ar«< 102.
pärsist 115.
pdsma 116.
päsms 116.
pätaga 117.
Por»7s 116.
^di's 117.
^aps 117.
peZc?« 247.
pel'ina 109.
;j^Z'7»a 109.
^eZnt 248.
j9«Znj7 109.
pelütn 283.
j:>eZMs 283.
penteret 101.
pepilst 246.
peringa 99.
j!)»e 114.
piehraukt 115.
piedarbs 114.
piimineju 115.
piV«s 102.
piescelem 115.
plesiat 115.
pi7/ 237.
pintarAa 99.
pintaimte 99.
pirdgs 117.
p»r»< 109.
jMfia 109.
i>/Aft 111.
Wortregister.
477
plandities 99.
pl'aüt 119.
pl'aut 108.
pUst 109. 111.
pleat 112. 120.
pleäas 109.
plükt 110.
j)lükas 110.
yMÄ-ff< 110.
pluosit 112.
pluösit 112.
prävas 116.
^r»/ 115.
pH ekel is 115.
prtekä 114.
prieksaüts 114.
prüschlet 259.
pM<ief 230.
jpü^'a 148.
pupds 105.
jjMi-a 117.
puöstaäa 116.
püsis 148.
^MÄwe 148.
pus-üotra 108.
raibala 114.
raibit 111.
rdiī 111.
rd/ös 114.
rams 113.
rankainä 99.
ran/i7 102.
räpäties 111.
räpties 111.
raM<?«t< 112.
raüdzit 111.
räudzit 111.
raunas 252.
raM< 119.
i?»5ra 99.
regfchis 1.35.
rentdet 113.
refchget 135.
refchgis 135.
r»<?J< 111.
rJcÄf 109. 113.
He^ef 113.
ri/ifef 113.
rimstu 113.
rimsfi* 113.
riw/ 113.
ri>n< 113.
rindama 100.
Rindzele 99.
rüdindt 112.
rujaslaiks 253.
rüÄra HO.
rüÄri 252. 254.
Hiyfc« HO.
rumpaca 99.
ruobeza 117.
rtU* 254.
ruonis 120.
rüpes 109.
rüpeties 109.
rtt/i/i 99.
TTiz« 252.
sa-dingt 98. 127 A.
saime 245 A.
sainitis 114.
saj7e 109.
sakstit 258.
saspfandzet 100.
saspranga 100.
sasprangdt 100.
sastingt 98.
saükdt 111.
sdwÄ-f 111.
sawares 266.
sawari 266.
aaujäri 266.
sawires 266.
fcheberis 135 A.
schRedens 257.
scklcedet 257.
schJcedu 257.
schke fehlt 257.
schRest 257.
schRists 193.
fchumbrs 142.
fchüretes 193.
»^itt 109.
«cÄr« 257. 258.
seA:u 257.
«e/e;» 141 A.
/•c/<« 211.
se/iM 256.
septatit^s 97.
»^r<?a 113.
Ȁ 109.
seif 256.
»ief 109. 114.
«VdjV 112. 114.
*j/sfM 114.
*tÄ 114.
*i/te 114.
/■»w«« 235.
sifgstu 113.
sirgstu 113.
«if^rf 113.
sir^ 113.
skabargs 148.
skabrs 148.
«idiV« 111.
skaitit 111.
skanditidt 101 A.
sklandas 99.
skräidit 112.
sÄ:r»€< 112.
skümstu 113.
skumstu 113.
«JTMm^ 113.
skumt 113.
skundet 100.
skufbstu 113.
skürbstu 113.
sÄrMfi« 113.
sÄrMri« 113.
»/ais 118.
s/a^ra 152. 166.
slaücU 111.
släucit 111.
slaücene 114.
s/dMÄ:« 111. 114.
«/enw 199.
sZ« 199.
slicindt 112.
»««i« 117.
s/»Ä:»<M 113.
s/fÄ:s<M 113.
««ifcf 112. 113.
«/fArf 113.
»/u^ra 152. 166.
«/t!^s 152. 166.
478
smaidtt 112.
smaidit 112.
smidrs 121.
smiet 112.
stnudzi 126.
smuidrs 121.
sniedze 109.
sniegs 109.
so-mafgas 136.
spardit 112.
spärdü 112.
spaiglis 244.
8j)nngainis 96.
spangainä 100.
«/)^Ja 109.
spf'Ä;« 108.
si)^7 108. 109.
«/>cr< 112.
spilga 148.
spilgans 151.
spilwa 148.
s^f/e 244.
spl'aüt 119.
sprägt 111.
spranjüs 259.
spranschlet 259.
spranslat 259.
spranslüt 259.
spr^gdt 111.
spulgans 151.
spulgut 151.
s^arf« 108.
«^d</« 108.
staigdt 111.
stärasta 1 16.
«<aps 107.
»/dp.s 107.
Ä<a»u 107.
»«^»>« 111.
sträddt 117.
«<rn/(fo 156,
stregele 212.
8t regele 212.
stregele 212.
»trüga 117.
ntüris 108.
«<ür« 108.
BÜkalaa 114.
Wortregister.
««M< 111.
<a 115.
«iiÄ;< 111. 114.
<a 105. 115,
suluojs 120.
<awf 111.
»iVorft« 117.
<«rfca 110.
SMOrfs 117.
<^.A:< 110.
süo'sis 117,
<f//)a 110,
»wo/?7 117.
<^/« 117,
«uoma 116.
<en<er^< 101.
suöma 116,
<^(») 115.
suömazgas 115,
<^~(t;> 115.
sveTcindt 112.
<je 125.
sr^iX-s 112,
«j^pirt 109.
sveiks 112,
tlepties 109.
sretÄ:« 112.
<j;i)< 110.
«»(?<«< 117.
<»nM 101. 262.
sj;^<« 117.
<£< 101.
«rt/pe 109.
<« 262.
sriTpe« 109.
«röt>f« 111.
«»??/)< 109.
traipU 111.
svilstu 114,
<ra/)«7 116.
svilstu 114,
<re»i< 101.
s»t7i5 114.
trinkdt 101. 111.
sj)«7^ 114,
<r^nÄ:< 101. 111.
^a/^as 110.
trlekt 101.
^aZÄ;< 110.
<rfs 105.
^OM^ 119.
trüba 117.
i>f^Ze 108.
<rMÄ-«<w 119A.
i^e/^ 108.
tschuret 148.
^^ei5 120.
tschurga 148.
^^tete 102.
<u/yfc« 116.
i^ie/« 111.
<M0«« 109.
Sicindalas 100.
«uöia 109.
SRindama 100.
tuöSdt 109,
^^tndef 100.
<Mr 115.
mndindt 100.
<Mf/) 115.
^/'oMÄ-a 110.
tväraks 117.
M'aükdt 110.
Ü5rs<« 236.
ir^uÄ-f 110,
üoms 117.
i/ MÄ:< 111,
Äo<r« 108.
^r«Ä.vi/ 111.
uö<r« 108,
/»aAa 110.
hotruö-diena 108
^a^-(J/ 110.
M/>r/«» 237.
Aia^:« 110.
vagds 105.
rf;io«Ä:a 110.
rd/c 108.
Haükdt 110.
»a/r/M 126.
^()wi< 110.
vaikdt 110,
rfiir 115.
i>a/)tu 110.
/ufp(tt) 116.
väls 108.
Wortregister.
479
valstiba lü.
väluodze 126.
väpet 116.
värgstu 113.
värgstu 113.
cärgt 113.
rdr^r^ 113.
värna 110.
värsmis 126.
fdrsm« 126.
värstit 112.
t;är^/7 112.
vedzele 102.
veikls 114.
fejTr^ 114.
vikSenat 112.
ceÄ^?^ 112.
FfV/fcM 109.
pe//; 108.
reV6i 112.
j-VÄ^s 117.
vücindt 112.
rt/Ä:s 109.
f«7Är« 110. 112.
voleudze 126.
jcaj 264.
icaijät 264.
watnt 267.
wairüt 267.
icalsti 265.
tcarscha 142.
j<;a;a 263.
M^ö/fl^ 264.
Ji^a/scÄ 263.
(ffl^s 263.
jfi^'?« 168.
jrjZe 270.
(rtft 209. 272.
wiltus 272.
<ff/M 269.
jfi7'M 269. 272.
iiina 270.
icinsch 270.
tcedga 145. 147.
/f//-a nem< 267.
icerfba 267.
icerfgs 267.
/<;cr/e< 230. 267.
«rer/'f 267.
M'cr« 266.
wertes 266.
»rerw 266.
M?erM 267.
M;er«s 267.
iverfd 267.
uerüs 266.
uesels 267.
zäbaks 117.
^Ci>< 239.
zlema 114.
ziemelis 114.
ziemelis, 114.
zimaia 114.
^»me 114.
«»r/)e 196.
zttars 98.
zvadzinät 100.
zvaigala 114.
zvaigdi 111.
zväigzne 114.
zvandzinät 100.
zviegt 111.
iawf 126.
ia«« 110. 119.
z>7 116.
zelabas 116.
iftfe 116.
Preußisch.
a^r/o 310.
o/m 310.
amsis 144.
osfm 243.
aubirgo 150.
blensky 213.
bousai 413.
bousei 413.
brisgelan 168.
debikan 126.
greiwakatilin 103 A.
kerpetis 196.
i-övio 135 A.
/arfw 149.
laucks 107.
^awÄ;« 229. 248.
/cm/a» 224.
Ifmants 224.
limbtwey 224.
limticey 224.
merfrfo 310.
mensä 231.
pantko 310.
panno 308.
panustadan 308.
paustocaican 121.
l)ecÄ:u 240. 310.
i>cc<»s 239.
pelanne 248.
pelanno 247.
i)ß«ts 239.
2)owe/a 269.
stnüni 147.
spanxti 100.
siaii 125.
strigeno 254.
syrne 162.
towfo 359.
tresde 156.
tüsimtons 168.
waldüns 265.
tcedais 413 A.
weddeis 413 A.
wedigo 145. 147.
tceldütiai 265.
wessals 267.
M^Vie 135 A.
Altslayisch.
Wfdp 97.
glfdajg 97.
jfzyctnikü 144.
<«yti« 141.
Slawisch.
Äw«& 396.
Althnlgarisch
(Kirchenslavisch).
^Äro^ft 193.
qfiroda 220.
(j2^« 143.
Ja^yt 207.
ia/&;V 207.
Ja«» 212.
480
Wortregister.
211.
bizati 230 A.
blagoditi 207.
bIag^ 211.
bliscati sf 211.
bliskati «f 211
blhStq 211.
blhStati 211.
bodq 212.
bojt 210.
fto/y? 208.
Är#»fe> 211.
brizgi 150
brozenü 150.
brunathm 209.
Äruft> 207.
b}-znja 208.
Z>rS2» 282.
Ä/-»zöj 282.
ÄwdiY« 201.
c#na 193.
cigtcht 193.
chabiti sf 217.
cÄ»)^/& 218.
chvatiti 264.
chvastü 142.
rA«/<jV» 264.
cAy<r8 264.
ieporb 142.
ifeso 178.
c'tÄ/s 193.
CM<t 197.
(?u<»<t 197,
ifr#p» 196.
öriti 196.
^»•»/)? 196.
ilalekb 262.
rfeW» 126.
rfe/p» 205.
dehva 205.
(/«•^ 165.
dg(t 207.
r/erf<» 236.
devftyjh 236.
r/»/»p« 205.
rf»/y 205.
dfnijq 154.
drozgÜ 156.
dttchati 214.
(2uc/iB 214.
^wn^ 214.
dunqti 214.
gqgnqti 215.
gasiti 155.
gasnqti 155.
glagolati 251.
gnesti 242.
gobino 217.
gobizm 217.
gobbztm 217.
5'o/j' 143.
.^OMÄ» 313.
f/or« 166.
goriti 150.
govoriti 251.
grebq 285.
^Tfda 216.
(/rfrf» 216.
fl'r^jra llOA.
gruda 99.
t7M 167.
»w^rf^ 249.
tspo?» 242.
mo;» 253.
jablanh 192.
jachati 205.
^'ada 205.
j'arf» 205.
jazda 218.
jazditi 205.
^s'rfs 218.
jazdhcb 206.
Ja«»» 193.
JerfSM» 270.
Jehcha 192.
Jesft 225.
i#«rfo 218.
jfzykü 144. 145 A.
ief» 193.
jM 175.
iM^rä 364.
A-a/Ä 166.
^a^ux» 421. 429 A.
kazati 251.
;t(^/ 249.
A-^u 249.
AVarfa 194.
Ä:/adü'0 198.
Ä:/a<t 198. 257.
kljuditi 199.
koüam 142.
A;o/;9 198. 208. 267.
koreni 143.
korüda 140.
^ofe^a 196.
koteljarm 196.
kovati 147.
Ä;rf»ieM& 201.
kremy 201.
kremykb 201.
krinica 162 A.
krivü 162.
Ärrow/ 202.
Ä;rsj-8«» 202.
ktnfgZ) 215.
ktnfgynji 215.
ktnfzt) 215
M/-» 143.
Äryto 142.
/afctw 208.
?ai-Ä 208.
/^^(jt 220.
/qtJiYt 220.
/?iB 248.
/f(fc 221.
/f^a/i 221.
/<r/? 227. 259.
;fA;a 220.
^fip 221.
//n» 158.
/f«<» 220. 221.
/es«/» 158.
/«Äit-s 226.
lijati 225.
/»/rt/i 225. 237. 259.
Ihjq 228.
yi/din» 226.
Ijuti 223.
/o<f<? 208.
lojh 225.
/<muVi 223. 224.
lomt 223.
/w<fa7» 248.
/mcV/i 248.
lu£a 166.
Wortregister.
^1
majati 234.
majq 23i.
malü 148.
mqäiti 230.
mcfdrü 147. 165.
tnqka 230.
tnqzi 148.
»ie?/<? 208.
mftiachi 230.
nvbgnqti 233.
mlachavb 210.
tnlochavistvo 210.
mhviti 251.
motati se 231.
»1020-« 134. 136. 150 A.
mozdanü 136.
tnrakü 167.
mraviji 367.
mrar» 194.
müzditi 147.
narojb 253.
narokb 250.
nedggi 98.
nerodt) 253.
noStijq 154.
ny 236.
odinije 148.
orfÄi 148.
ogymati 271.
oZi?> 236.
opona 238.
or;> 208.
o^tö 142.
oäibajq sf 205.
otinqdb 249.
otilqCiti 220.
otbnqdb 249.
^acA» 260.
^arfqt 240.
paZtca 140. 143.
poZiYt 139.
palüka 143.
j)amf<& 163 A. 263.
jws? 238.
j9a«a 260.
joas^t 240. 260.
pastyrb 238.
pichyrT, 243. 260.
^cÄ;? 239.
po/m 238.
perqf 151.
i)^.?a 242. 243.
i>«i/t 239.
pe^<a 239.
;>?<»• 238.
2)jYa^t 236. 238. 245.
^j»7#^» 236. 238.
ptYt 236.
pitotm 231 A.
pizda 243.
^jna 238.
pbsotm 196.
phsbsky 242.
j»w» 242.
plamf 247.
plavati 247.
plaviti 247.
j:>Za»8 247.
i>Zot?qi 228. 247.
2>/M?t 247.
pogymati 271.
pokronfb 202.
po/^Ä 222.
i)oZ;e 237.
poluciti 248.
^o?B 242.
pomSnqti 262.
ponicati 201.
poniäq 201.
poniknqti 201.
ponjava 238.
popadq 240.
popasti 240.
popeh 248.
porokb 250.
posivb 197.
povlditi 251.
praskati 249.
praviti 250.
prMivarüi 267.
prilamiti 224.
prirokb 250.
probrizgü 150.
probrezgt 211.
proprizgnqti 150.
prorekq 250.
Indogermanische Forschungen XXXIIL
pn'orokzi 250.
prügnqti 151.
pryskati 259.
prychamje 259.
raskoh 257.
rastpati 204.
rasypati 204.
rataji 193.
razga 135.
razlqöiti 220.
ra2T> 135.
rqgati sf 255.
ro^f» 255.
roAra 267.
reÄ;(f 250. 413.
r#j>a 252.
r^^y» 252.
r#p2y» 252.
r&?<» 250. 251.
retJ(f 252.
r(;a<» 152.
»•act 413.
rjer^ 252. 2.54.
r/w/? 252.
r;M<t 252. 254.
roÄ» 250.
ropqt 252.
ro;& 253.
rozga 135.
rozdijo 135.
rttno 253.
rM<i 252.
riida 253.
sakuh 256.
«qfrfu 249.
sedmyji 257.
s#/qt s^'a^i; 258.
*^m& 197.
sirmja 245 A.
st«& 193.
sftria 201.
«Z^;-» 221.
sZo^a 194.
siw^ra 149.
socÄa 257.
«oAYt 219. 251. 258.
soi-s 258.
smijq Sf 259.
32
482
Wortregister.
stMjati sf 259.
stanq 214.
statt 214.
suti 204.
Sbcipiti 197.
Sblqöati 220.
stlqkb 221.
gbluöajb 248.
sbluöiti 8f 248.
«»jjqi 204.
s3>/>a#» 204.
sJpO"? 204.
s»r(y» 253.
stroki 250.
sisqd^ 260.
sbtqga 261.
sypati 204.
sy<» 256.
syrt 257.
^tJaZo 142.
rfiÄaft 142.
^/Mft7» 197.
f^rf^ 249.
tqga 262.
teöa-acht 230 A.
«f^rnqtf» 261. 263.
<f« 262.
tfzah' 261.
tfzq 261.
<fzo 261.
tfziti 261.
<fiȀ:8 262.
^&n(j 262. 263.
tojq 367 A.
frei^tVt 161.
trtfje 105.
tröskotati 161.
«r»Ä-8 263.
ftÄ» 262.
«pars 238. 263.
tvarogt 148. 168.
tvoriti 238.
<porJ 238.
fprjcft 238.
tygq^a 168.
<y<» 168.
ubojh 210.
««ro 364.
uzaaü 155.
»arjV» 150. 267.
varovati sf 267.
t-ar« 150.
rerf^ 147.
vidi 231 A.
r/rfÄt 231 A. 251.
vijati 265. 266.
vijq 266.
»<?m& 231 A.
veriga 140.
verigy 272.
veruga 140.
ffe«e?» 267.
resft 266.
rfaa 148.
»fz« 148.
vichrt 214.
riV-8 270.
wVt 270.
p/ac?? 264.
Vladimiri 230.
Vladimird 230.
p?os<t 264.
vZas<& 265.
pot^tYt 266.
ving 304.
p»nM 304.
vtm 304.
p»rJa 135 A.
msplanqti 247.
Vistqgt 261.
vrüchü 164.
zatvoriti 238.
^4y> 259.
^jya^t 259.
27b<?» 207.
«no/> 194.
«s/ofta 281.
zp^^qt 151.
zvonü 151.
zariti 150.
ia«t«t 155.
i«/Äi 231 A.
ie/y 283.
ierapj 212.
zestokt 215.
iM/»)t» 216.
zirt 236.
i/9^» 207.
i^jrfa 207.
Bulgarisch.
birkam 207.
<fe 250.
öepor 143.
rf^ra 205.
driskam 212.
driskati 212.
gqgnati 215.
gqffbnati 215.
^rrcÄÄ 117.
gigna 215.
Ä5WJ< 116.
JrfÄam 206.
jasika 237.
Ä:a<Mn 422. 425.
katunin 422.
katuniSte 422.
ä;u»ib7 116.
/om^i 224.
?c^7o 158.
le'mav 225.
/em^i 224.
///^a 116.
WJa 248.
/mä:»^ 116.
mrf^Ä;am 229.
wrf/a 234.
prdvja 250.
pogodi se 248.
pogodjd 248.
|)os(5Ä-a 220.
2)r/(fAa 243.
p^iiii'/ta 243.
pnSav 249.
^^ri/p 249.
«(5^a 258.
ssrfrf^ 117.
triskam 161.
rtr(*rf 263.
unvit 117.
p»r<;rf «« 234.
zliöka 207.
iW<?*o 207.
Wortregister.
483
AIt£echisch.
hospota 218.
niestiß 192.
zabrözdinie 150.
zabfezek 150.
Czechisch.
ad 250.
aüe 250.
bida 117.
ÄZa'Äa 211.
blahati 211.
boiida 116.
brezditi 150.
briziti 150.
^>ro«i- 169.
brunatny 209.
bruny 210.
WfÄfc 150.
cAu<' 207.
dlasmati 166.
drozen 156.
dfistati 212.
durf^ff 116.
duie 118.
A>ia< 141.
ÄorftYz 203. 248.
ÄoZi<?Ä,-a 144.
Ä/o 270.
Arad 109.
hramota 118.
Ara'^e 109.
hfada 117.
Äy^a 141. 145.
Ayie 141. 145.
Ayi?e 141.
jahoda 118.
j'dM 270.
i.ny 270.
i-c«<' 194.
kord 140.
Äryto 142.
lahati 158.
ZrtJfcflrft 222.
Z^rt 158.
libin 226.
/tAa^t 224.
loa 192.
?02<A7i 221.
?OM<*rti se 220.
mluviti 251.
mo2rt 136.
mo^ei- 136.
mozditi 147.
myfo 117.
ntestija 192.
ww^4; 192.
o<Zr 141.
oÄ€« 312.
opeska 242.
opesly 242.
osjÄra 237.
pdsmo 116.
pesky 242.
/)^cAur 242.
pichovati 242.
pichovy 242.
jj^cAy 242.
jjÄ?t 242.
pisniire 372.
pidpol 247.
prdviti 250.
prdvo 116.
i>riV 243.
prieka 243.
ijyr 309.
i>i/r 309. 312.
r//e 253.
rjye 253.
sWi 118.
s?oto 194.
slouäiti 221.
sodeni 258.
soöiti 258.
so^• 258.
sowie 109.
siJ»7e 147. 244.
Ä^rfr 116.
«Mrf 261.
</?o 118.
tfiskati 161.
Mm 117.
M^^ 143.
tizgowity 143.
rarf^a 266.
t/s^' 117.
icinek 159.
2raro<i 266.
zdvoditi 266.
Kaschnbisch.
«Zreya 254.
re/io 253.
Altpolnisch.
brzcnk 150 A.
Polniscli.
acz 250.
Äa< 148.
btagad 211.
Ä^jiÄrac 100 Ä.
Ä%t 211.
brud 167.
brudny 167.
brunatny 209.
brzazg 150.
brzezdzenie 150.
ca^ 142 Ä.
cAfff 207.
chwatki 264.
ct^^ 261.
ciaea 261.
rffiaf?' 206.
do- 202.
doi-9<Z 249.
gfgnqd 215.
i^ti 145.
gizela 145.
</?ed« 215.
golanka 144.
gorqcy 218.
^^u^ 145.
»Y 159.
yecA«^ 206.
jezdziec 206.
kazaö 251.
itp(iy 249.
/fconno 206.
Zad 237.
Ze» 158.
Zt</a(5 224.
^rtcA 221.
tqczye 221.
32*
*Si
Wortregister.
iazur 200.
todyga 148.
toi 192.
tuczyö 248.
mqciö 231.
mifso 231.
modta 235.
tnodliö 235.
m(Jp»(5 251.
»nos-Ä; 150 A.
orf^^rf 249.
odsiaö 259.
odziaö 148.
odziennie 148.
odziez 148.
odzieza 148.
opfte» 312.
ot/dZe 217.
o^rdZny 217.
0(7(5^ 217.
o^rd^em 217.
oÄ;»^d 142.
osa 237.
osaczyö 258.
o»iÄ:o 237.
osoczyö 258.
osoÄ;a 258.
Ofpat* 204.
ostrzyca 148.
palica 143.
^/fca 143.
parszywy 249.
i)er^ 312.
pienka 195.
piefzgnqd 151.
podsiaö 259.
powiedzieö 251.
przeaiad 259.
przyaoczyö 258.
rdza 254.
rd^e» 253.
rozdie 135.
nya 253.
rypad 165.
r«a/> 143.
r«^/) 143.
$aczyö 258.
«<iF<; 261.
«ft^u 261.
»tat? 259.
sieÄ; 142.
siepaö 141.
«ocÄa 257.
soczyö 258.
»u<?no 260.
audzina 260.
sukiennictwo 200.
sukiennik 200.
sukienny 200.
sukno 200.
strzaskaö 161.
szpilka 147.
^rzez 213.
trqciö 161.
<ruÄ:aef 163.
ma^ 266.
wiejaczka 266.
t<'?'e;y 266.
tcierzch 206.
tvierzchem 206.
«<^t7a^ 269.
jf'iYiV 269.
f^'jYo^^ 269.
witowac 269.
«'(5r 159.
worek 159.
wymqciö sif 232.
wysiewad 259.
^at^^drf 266.
zdrada 161.
zfqczyö 221.
.?arf 218.
^er< 218.
Dialektpolnisch.
/f< 225.
«'öa'^ 143.
Altruäsisch.
<f«/)» 195.
grjada 216.
jfcd^cj 206.
komoM 193.
kriviCi 117.
ya<fa 116.
mjateh 117.
veriga 140.
veruga 140.
zaj)ogi 117.
zestku 215.
««»/u 215.
ieaft» 215.
Russisch.
Äa*a 282.
*aöc; 282.
balamüti 207.
*a% 117.
batogt 148.
batozith 148.
ic<» 148.
Ä^^faf' 111.
i^drf 117.
WrfÄy 211.
6rj«fo 116.
iograf 282.
io^rafe; 282.
bönddi-h 210.
Ä(5^»a 193.
ioft 148.
Ä02» 148.
irrf^ra 150. 209.
brezgb 150.
brezziti 150.
brjuzzati 163.
Är({n> 208.
brünett 210.
6»-»«7a 208.
6ry«^^» 210.
buchatz 136.
i«do 116.
*urfM 268.
2>u^'a/» 136.
JMrrfp/» 208.
ÄurrffS 208.
%/> 268.
cepkij 195.
cep» 195.
cholöp 116.
cAo»*^ 116.
cAva/» 264.
da;> 142.
öapaft sja 142.
(«tojü 193.
Wortregister.
485
copi 142.
delvi 205.
djdgnut' 98.
do- 202.
dobüdu 268.
dobytt, 268.
dolukdti 248.
do«<a/» 268.
drebezü 148.
drebezgü 148.
drobizga 148.
drobizi 148.
di<da 116.
d«;w 214.
düma 116.
dümat' 116.
rf«^a 118.
dufi 214.
gajati 245 A.
^rZofart 217.
^rZofoAr» 217.
jr/o<» 217.
glyba 215.
^orfÄJ 248.
goluböj 200.
gologölith 251.
^ord 282.
^rorrf«;' 282.
5r<5rod 109.
goröza 109.
govoriti) 251.
grdmota 116.
(/r^cÄ 117.
grjadd 117.
</r;ad9 296.
gugnati 215.
ÄöBlV 117.
j7« 159.
jdlotica 116.
irfsen» 2.37.
jcÄa'rt 193.
jVcAart 206.
kaltiga 166.
kapüsta 117.
karjaka 143.
ÄTjTafc 117.
kisnut' 116.
A-»«ff 142.
148.
Wfrt 142.
Warf« 139. 198.
Ä:o/Ja 199.
koldyka 199.
koldykati 199.
i-oZorfa 194.
Ä;or(7a 140.
korenh 148.
korenga 143. 148.
krasd 117.
ÄTMdo 205. 249.
kudano 205.
kükol 116.
tum 116.
i-Mma 116.
i-iJpa 123.
Idchma 221.
lapüchi 225.
Ijagdth 223.
//M*»Yt 148.
Ijubza 148.
Z;«7&A.-a 229.
löchma 221.
/o^ 192.
Zor/ft 220.
ZmJäs 248.
luöitbsija 248.
/MC» 248.
/uÄ:» 116. 248.
Zm^m?' 112.
Zuif/e 225.
mo/a 233.
mdjaöit^ 234.
»id/a/niX-8 234.
mdjath 233.
mahga 148.
malyj 148.
fwa^^a 136.
ma^'^a 136.
melky 148.
migdtt 233.
tnjdso 231.
mnuk 376.
wio/i" 148.
mostovdja 230.
wo/rff» 231.
mozga 136.
mozzitb 147.
muravej 375.
mäf<o 117.
nazitb 268.
nymäe 250.
otljagdtt 224.
obJuiHti 220.
ochdbith 217.
opasdttsja 260.
osoöUi 258.
osrfAra 258.
oäibdtbsja 205.
pdchnuti 260.
pdsmo 116.
JKlt? 117.
^»a 117.
penikd 195.
pepeii 248.
pirog 117.
|)?#na 237.
p7/pa 237.
p/otT» 247.
p/y<» 247.
pobudtti 201.
pocapiti 142.
pölomja 244.
po/u 140. 143.
poluciti 248.
^jy 237.
popdstt 240.
posik 142.
potügi 261.
prdvo 116.
pricipithsja 195.
primozgnutt 136.
priSptliti 245.
prozitb 268.
pryskati 259.
psÄ» 242.
^cÄ 117.
püsioä 116.
r;W/f» 231.
roi^ 250.
rdzga 135.
rMÄ<<z 117.
rugdth 255.
rttwo 253.
sabogb 117.
»o<fÄ> 258.
486
Wortregister.
sakma 258.
sapög 117.
sejatt 258.
Sinti 197.
skrobdth 257.
«/aS 118.
«?^«i 117.
soöith 258.
sosiidi 260.
stdrosta 116.
s<o<s 268.
sterzenh 253.
straddt' 117.
strezem 254.
«^ru^ 117.
««<? 117.
sud'jd 117.
«u<i«T 117.
««?»■<' 117.
«Mm« 116.
svigati 168.
«tya< 117.
svjatW 117.
»&r^rt 201.
shrienh 201.
.?iia7& 205.
^/ÄA;y 205.
^jitVs 245.
Spiltka 245.
<e/o 118.
(/rf^ra 261.
tjdmiti 263.
tjanüth 263.
</rf/jo/& 263.
<o^/t 116.
<orÄ;a<& J61.
<o;Ä:5 161.
toropeti 263.
«rwÄrf 117.
<u<7»; 261. 262
<M(7(y 261.
tvarög 117.
UfirodÄ» 203
u/u(f//» 248.
um 117.
«ze/» 143.
uiasä 155.
prfjaiY' 116.
248.
vedatb 235.
vedomstvo 235.
v'edomyj 235.
verchömt 206.
vercht 206.
verenica 140.
»eVe«» 272.
i>e;a<» 265.
P^sf' 117.
vezzica 135 A.
t7>7>7& 269.
vizzocha 135 A.
vjaziga 148.
vjdzga 148.
»«ufc 376.
foW^c 109.
völokü 109.
völost' 114.
tcJrocÄ 126.
fdron 117.
rorortrt 117.
zdpachi 260.
zavedath 235.
iaZ' 116.
zdloba 116.
zanY& 218.
zdrkij 218.
2e?< 282.
2cZ/e;a 282.
zestkij 215.
2t(i 116.
z»rf(f 116.
it>» 236.
it<& 268.
pgcttü 399.
Dialektrussisch.
(!'c/)a<» 195.
<?erjoj 196.
Jerr» 196.
</m5»; 98.
A:oZ/«76 217.
koUökz 217.
/Ȁ/py 226.
aerpt 196.
«/o^(i 194.
0a.9<y 262.
tjdmit* 262.
Kleinrussisch.
iai't; 282.
bötva 193.
broska 169.
ir<i'»7y 240.
(5«i<y 196.
dÄrf^y 206.
derty 165.
diJrfa 116.
hanyty 117.
hotiibyj 215.
Aord'y 282.
ÄM^y^y 264.
izrnda 161.
koöan 142.
Ijuiödfiyk 229.
tel'ijaty 229.
^odpa 148.
^M^V 225.
ma^Äa 136.
wra 210.
mZ'% 210.
molha 148.
m(5^o^ 234.
tnorokva 167.
opastysja 260.
osyÄra 237.
pdsty 260.
pezd'ity 240.
»y(f 257.
äipaty 141.
t'dmyty 262.
tjaknuty 262.
»eZ'fty 272.
t'er«nt'a 140.
ztirbd 215.
zuryfy 215.
Weifirussisch.
WdAy 210.
bninyj 210.
rfiof* 206.
«Tttc' 196.
/crorfa 161.
it&en 142.
<rrf/>i<* 116.
zo/Aro 103.
ittr/t« »;a 216.
Wortregister.
487
Serbisch.
bat 148.
bazga 126.
hazag 126. 148.
bälvan 207.
bäsati 242.
bäsätn 242.
bdzati 241.
bäzäm 241.
Äy^rfa 117.
4» ^erfo 117.
bjegati 111.
jyw(?o 116.
Ä77<n 210.
budim 112.
iurfiYt 112.
(epur 142.
J«<if» 197.
c«^fi 196.
düvati 197.
drtökati 212.
driskati 212.
drozak 156.
drozd 156.
rfric 156.
rfMcfa 116.
<?Ä(?örft 116.
düjem 214.
dümäm 116.
rfw^a 118.
dwiM 118.
rfw^t 214.
govbriti 251.
greda 117.
gredu 117.
jrr» jeÄ 117.
^Tiz/a/ 141.
5fM2 145.
Ä/c^) 116.
Ar/ 116.
jägoda 118.
jäsen 237.
jäsika 237.
katuni 432.
Ä-a^rörft 251.
käzem 251.
kisntiti 116.
koöan 142.
i-ra« 117.
krdsa 117.
krdsiti 117.
Ä:r«srm 117.
H^aft 110.
itM/fcoy 116.
fcwm 116.
/i/en 158.
njemäm 224.
lijemati 224.
/ye;; 114.
/;m7;' 229.
O'M'ya/i 229.
/di)j7Ä 225.
loptiha 225,
/«/t 116.
mtjeh 109.
»irÖF 367.
mr^ 167.
müciti 116.
tnüka 116.
narudaj 282.
päsmo 116.
Pörrto 118.
p/tVj 247.
polüciti 248.
prävo 116.
pHc? 115.
prökola 257.
i)M«< 116.
rädim 253.
räditi 253.
regnetn 255.
regnuti 255.
re^ 143.
rögro« 254.
rübiti 117.
rMÄim 117.
rwyfca 282.
rj/no 253.
seÄ7-» 256.
sejati 258.
s/ai 118.
s/yVrf 117.
»/5/a 194.
s/M<rm 200.
s/m'/iV» 200.
snijeg 266.
*5i- 258.
strädäm 117.
strddati 117.
s^ör 116.
*Mrf 117.
surf»/» 117.
si<<fa 117.
«jJÄ 109.
sre/ 117.
svetim 117.
svetitt 117.
iiia 142.
/»/e/o 118.
fra^r 263.
fraijVt 263.
fr^afi 263.
/rM'äa 117.
«w 117.
M/(5/iVt 229.
t'ö; 264.
ca^nt 264.
vljati 265.
pye 266.
tö<fi-a/i 212.
vödim 212.
vbditi 212.
rran 110.
vräna 110.
zao 116.
zirf 116.
Kroatisch.
ca^ 142 A.
»«/oÄap 210.
Altslowenisch.
veriga 140.
veruga 140.
Neuslowenisch.
balvän 207.
irf^ni<» 241.
Jerfe» 210.
ie^^f 148.
Zöde«^' 210.
b9zddm 241.
b9zddti 241.
ftaz^a 126.
488
Wortregister.
bgznfti 241.
bödnar 210.
bödnatt 210.
böndar 210.
bolvän 207.
ir«n 210.
^tf^t 197.
iütiti 197.
drözg- 156.
rffi(? 156.
(7?Mi 215.
ts^^> 192.
kJestiti 194.
i-oj? 142.
Ijüljöen 229.
W^tYt 220.
/^JtY» 221.
lopüh 225.
Zffj?« 270.
luötti 248.
7MA;a<t 229.
w/aW 234.
mledsn 210.
|)^sto 245.
pdzdSti 240.
|)/a<j 242.
/)d^ 242.
p6la 242.
poljem 242.
prikla 243.
r^p 143.
rödim 253.
röditi 253.
«/f» 229.
s//m 229.
s?öÄr 220.
«Zrt« 200.
slütim 200.
sZii^iYt 200.
srm 194. 213.
sr/i 213.
steje 192.
^ra^r 263.
«r^ofj 263.
traziti 263.
vädlja 266.
vevnica 266.
Slovakisch.
/taia/ 217.
Obersorbisch.
dw/u 214.
duV 214.
iakaö 222.
^0« 192.
mozhy 136.
njeroda 253.
pyrid 309.
Niedersorbisch.
drozn 156.
drozyn 156.
flrfMft 215.
Ä;is<Ä;o 142.
faÄrai 222.
miknus 232.
rozga 135.
rozdze 135.
»ence 250.
Polabisch.
brezgoje 150.
II. Nichtindogerraanische Sprachen.
Arabiseh.
qufün 426.
Syrisch.
^o/lra 142 A.
Hebräisch.
pö^r 142 A.
miDT 143.
T
Türkisch.
kutan 424.
A-M<an 424 (A).
ntasur 143.
qufun 425 A.
Magyarisch.
oro«« 401.
Gießen.
Finnisch.
kuontalo 123.
oros 401.
^nu 309.
WÄrst 400.
Äuos«» 398.
Ruotsi 398.
urM« 401.
Lappisch.
laddelats 403.
<nro 403.
tarolats 403.
Ruoscha 403.
Ruotheladz 408.
ÄMOfAt 403.
Livisch.
atrdnta 102.
Äa/ac; 102.
ia/az 102.
rfa^rfz 97.
A-tVZ 102.
A:jff»das 102. 103.
leign 102. 103.
paländeks 102.
i?«ü/«» 398.
ÄMo<«/» 399.
vägäl 102.
Esthnisch.
Äöte 398.
Rötai 898.
Siamesisch.
ibÄorro 139.
II. Junker.
ANZEIGER
FÜR
INDOGERMANISCHE SPRACH- UND ALTERTCMSKÜNDE.
BEIßLAH Zu DEN INDOGERMANISCHEN FORSCHUNGEN
HERAUSGEGEBEN
VON
WILHELM STREITBERG
DREIUNDDREISSIGSTER BAND
STRASSBURG
VERLAG VON KARL J. TRÜBNER
1914.
M. DttMont Schaaberg, Strasburg.
Inhalt.
XXXIII. Band: Anzeiger.
Bücherbesprechungen : Seite
ßrugmann K, und B. Delbrück. Grundriß der vergleichenden
Grammatik der indogermanischen Sprachen (Karl Brugmann) 1
Meillet A. Altarmenisches Elementarbuch (J. Karst) 2
Maxudianz M. Le parier Armenien d'Akn (quartier bas) (J. Karstj 3
Meillet A. Aper<;u d'une histoire de la langue grecque (Albert
Thumb) 4
Hermann E. Griechische Forschungen I (W. HaversJ .... 5
P e k m e z i G. Grammatik der albanesischen Sprache (Albert Thumb) 12
LambertzM.&G.Pekmezi. Lehr- und Lesebuch des Albanischen
(Albert Thumb) 16
Weigand G. Albanesische Grammatik im südgegischen Dialekt
(Albert Thumb) 17
Schneider N. De verbi in lingua latina coUocatione (Hermann
Ammann) 18
Windisch E. Das keltische Britannien bis zu Kaiser Arthur
(J. Vendryes) 21
Pedersen H. Vergleichende Grammatik der keltischen Sprachen
(R. Thurneysen) 23
Morris Jones J. A Welsh Gramm ar Historical and Comparative
(R. Thurneysen) 37
Meyer-Lübke W. Romanisches Etymologisches Wörterbuch
(0. Schultz-Gora) 38
Kluge Fr. Urgermanisch (Hermann Möller) 52
Bruch Jos. Der Einfluß der germanischen Sprachen auf das
Vulgärlatein (Karl v. Ettmayer) 59
Classen Ern. On Vowel Alliteration in the Old Germanic Lan-
guages (Erik Noreen) 62
Olsen Magnus. Stedsnavne-Studier (M. Schönfeld) 65
WalschAug. Das ge-Praefix in verbalen Kompositionen in Konrads
von Würzburg 'Engelhard und Engeltrud' (Dr. Thedieck) ... 67
Jellinek M. H. Geschichte der neuhochdeutschen Grammatik
von den Anfängen bis auf Adelung I (K. v. Bahder) 68
Mitteilungen :
Georg Curtius-Stiftung 71
Bopp-Stiftung 71
ANZEIGER
FÜR DiDÖGERJIAiMSCHE SPR.\CH- UND ALTERTÜMSKLÜDE.
BEIBLATT ZU DEN INDOGERMANISCHEN FORSCHUNGEN
HERAUSGEGEBEN
VON
WILHELM STREITBERG.
DREIUNDDREISSIGSTER BAND.
Brugmann K. und B. Delbrück. Grundriß der vergleichenden Grammatik
der indogermanischen Sprachen. Kurzgefaßte Darstellung der Geschichte
des Altindischen, Altiranischen (Avestischen und Altpersischen), Alt-
armenischen, Altgriechischen, Albanesischen, Lateinischen, Oskisch-
Umbrischen, Altirischen, Gotischen, Althochdeutschen, Litauischen und
Altkirchenslavischen. 2. Band: Lehre von den Wortformen und ihrem
Gebrauch, von Karl Brugmann. 3. Teil, erste Lieferung: Vorbe-
merkungen. Verbale Komposita. Augment. Reduplizierte Verbalbildungen.
Die Tempusstämme im allgemeinen. Präsens und starker Aorist. Die
»-Aoriste. Das Perfekt und sein Augmenttempus. Zweite Bearbeitung.
Straßburg, Kari J. Trübner, 1913. Gr. 8°. VII u. 496 S. 14,50 M.
Über den Fortgang der Neubearbeitung dieses Grundrisses habe
ich zuletzt Anz. 32 S. 1 f. berichtet. Der vorliegende Teil entspricht den
S. 836 — 1263 des zweiten Bandes der 1. Auflage und behandelt im wesent-
lichen die Tempusbildungen : das Präsens und den starken Aorist (Im-
perfektpräsentia und Aoristpräsentia), den sigmatischen Aorist und das
Perfekt mit seinem Augmenttempus (Plusquamperfekt). Konnte die Dis-
position der 1. Auflage iimerhalb der Hauptabschnitte im ganzen bei-
behalten werden, so sind doch namentlich durch stärkere Berücksichtigung
der Beschaffenheit der Ablautbasen mancherlei Veränderungen der Dar-
stellung im einzelnen notwendig geworden. Mehrere Erweiterungen weist
der Abschnitt "Die Tempusstämme im allgemeinen" (S. 41 ff.) auf: er
handelt von den verschiedenen Möglichkeiten der Einteilung der Tempus-
bildungen, von dem Verhältnis der Tempusstämme zum Verbalstamm
und dem Verhältnis der verbal- und tempusstammbildenden Formantien
zu den sogen. Wurzeldeterminativen, von dem Suppletivismus in den
Verbalsystemen und von den Aktionsarten. Dank den Fortschritten der
Wissenschaft habe ich das Irische und das Armenische jetzt stärker
heranziehen können.
Von den in diesem Teil gebotenen neuen Versuchen, die Tempus-
bildung betreffende Tatsachen verschiedener Sprachen in den Gang der
Sprachgeschichte einzuordnen, sind, hoff ich, besonderer Berücksichtigung
wert die Deutung des Elementes -nq- in der slav. Verbalklasse dvignqti
S. 321 ff. und die Deutung des germ. schwachen Präteritums S. 369 f.
(vgl. dazu Verf. PBrB. 39, 84 ff. und R. Loewe und W. Schulze KZ. 45, 334ff.).
Anzeiger XXXIII. 1
2 Meillet Altarmenisches Elementarbuch.
Zur Literatur über die Desiderativa (S. 344 Fußn. 1) ist jetzt noch
hinzugekommen J. Charpentier Die Desiderativbildungen der indo-
iranischen Sprachen, Archives D'Etudes Orientales 6, 1 ff.
Leipzig. Karl Brugmann.
Meillet A. Altarmenisches Elementarbuch (Indogermanische Bibliothek
hg. von H. Hirt und W. Streitberg, I. Abt., Bd. 10). Heidelberg, C.Winter
1913. X, 212 S. 5,40 M.
Vorliegendes Lehrbuch will nur eine beschreibende Darstellung
des sogenannten klassischen Armenisch des 5. Jahrhunderts sein, also
daß von späteren Sprachphasen und dialektischen Eigentümlichkeiten
grundsätzlich Abstand genommen wird. Das Buch zerfällt in einen gram-
matischen und in einen chrestomathisch lexikalischen Teil. Jener wiederum
gliedert sich in 6 Kapitel: I. Schrift und Aussprache (9—25); II. Alter-
nationen (26—27); 111. Wortbildung (28—40): 1. Bildung der Zeitwörter,
2. Bildung der Nomina; IV. Nominalformen: 1. Flexion der Nomina
(41—83), 2. Gebrauch der Nominalformen (84 — 103); V. Verbalformen:
1. Flexion der Zeitwörter (104—117), 2. Gebrauch des Verbum finitum
(118—122), 3. Gebrauch des Verbum infinitum (123-131), 4. Zusammen-
fügung der Zeitwörter (132 — 135) ; VI. Satzlehre. Diese von den älteren
Lehrbüchern abweichende Disposition des Stoffes hat den Vorteil, daß
unmittelbar mit der Nominalflexion die Kasussyntax verbunden und der
Konjugationslehre gleich die Lehre vom Gebrauch der Verbalformen an-
geschlossen wird, wodurch der stofflichen Zersplitterung mit feinem
pädagogischem Sinne vorgebeugt wird. Überhaupt liegt die Stärke und
Hauptbedeutung dieses neuen Meillet'schen Werkes in seinem syntak-
tischen Teile. Ist schon im allgemeinen für ein einführendes Sprach-
lehrbuch die Behandlung der Syntax von nicht zu unterschätzender Be-
deutung, so desto mehr für das Armenische, dessen Konstruktions- und
Satzmethode mehrfach von der der meisten indogermanischen Sprachen
abweicht und ihre eigenen Wege geht (vgl. z. B. den kaukasoiden Parti-
zipialsatzbau dieser Sprache, der freilich unter gräzisierenden Einflüssen
in nachklassischer Zeit überwuchert und verdrängt wird); gerade aber
diese ward von Meillets Vorgängern nebensächlich und ungenügend be-
handelt. Eben der diesbezügliche große Vorzug von Meillets Handbuch
verleiht diesem eine grundlegende Bedeutung in diesem Bezüge. Auch
wäre wohl kaum ein zweiter unter den lebenden Armenologen geeigneter
gewesen zur Bearbeitung dieses Themas als dieser Pariser Gelehrte, dessen
zahlreiche, meist in den "Memoires de la Soci^te de Linguistique de
Paris" erschienenen Abhandlungen nicht bloß die Laut- und Formenlehre,
sondern auch die Kenntnis des Satzbaus und Gefüges des Armenischen be-
deutend gefördert haben. Der auch in seinem chrestomathisch-lexikalischcn
Teile musterhaften Arbeit ist eine knappe Einleitungsskizze über Schrifttum
und Literatur der Armenier vorausgeschickt, die dem Anfänger willkommen
sein wird. Als "Elementarbuch" ist nämlich Meillets Werk gedacht und
in erster Linie berufen, dem bisher auf armenischem Gebiete so schwer
empfundenen Mangel an einem gediegenen, praktisch einführenden Lehr-
buch für den Studierenden abzuhelfen ; aber es ist dieses bescheidene
"Elementarbuch" durchweht und getragen von demselben gründlichen,
tiefgründigen und kritischen Forschergeist, der desselben Autors treffliche
Maxudianz Le parier Armenien d'AKn. 3
"Esquisse d'une grammaire comparie de V Armenien classique" (Wien 1903)
hervorgebracht hat, dermaßen, daß es eigentlich ungerecht wäre, ein
Werk als bloßes elementares betrachten zu wollen, aus dem auch der
reifere Armenologe, ja der Sprachforscher überhaupt, dank der den Ver-
fasser kennzeichnenden originellen und von Schulmeinungen unabhängigen,
peinlich abwägenden und doch zugleich liberal-weitherzigen Arbeits-
methode, reichlich Belehrung, Klärung und Anregung zu neuen Gesichts-
punkten, zu neuer Betrachtungsweise alter Probleme zu schöpfen ver-
mögen wird.
Straßburg. J. Karst.
Maxudianz, M. Le parier Armenien d'Akn (quartier bas). Gr. 80. 146 S.
(Paris. Librairie Paul Geuthner) 1912.
Akn, eigentlich Aken oder Akyn gesprochen, das Egin der Türken,
liegt im Vilajet Charput auf dem Westufer des oberen Euphrat — Karasu
und zählt unter seinen 20000 Einwohnern (die umliegenden Dörfer des
Akn-Gebiets einbegriffen) etwa 10000 Armenier, die nach der herkömm-
lichen Meinung als Kolonisten vom Wansee-Gebiet gelten, welcher Ansicht
der Verfasser vorliegender Schrift jedoch eine andere Volkstradition
gegenüberstellt, wonach das armenische Akn vielmehr eine Siedelung der
alten armen. Metropole Ani sein soll. Der Dialekt von Aken, der hier,
und zwar zunächst in einer besonderen Spezies, der Mundart der Unter-
stadt ('quartier bas'), zur Darstellung kommt, zeigt in der Tat nächste
Verwandtschaft nicht mit dem Van-ldiom sondern mit der Gruppe west-
armenischer Dialekte, die sich als Ableger oder Fortsetzungen des mittel-
alterlichen Ani -Dialekts ausweisen, namentlich mit den Mundarten von
Erzerum, Achalzich (im Dongebiet), Charput-Erzingien, Sabin-Karahissar,
Arabgir, Polnisch- und Transsilvanisch-Armenisch.
Diese Dialektgruppe hängt nach Süden eng mit dem KUikisch-Ar-
menischen zusammen, so daß dem Aken -Dialekt als Binde- und Ver-
mittlungsglied zwischen Kilikisch - Armenisch einerseits, Transsilvanisch
und Ani-Armenisch anderseits eine besondere Bedeutung zukommt. Wie
der Akn-Dialekt ohne den kilikisch-syrischen historisch unvermittelt und
unerklärt bliebe, so erhält auch letzterer hinwieder durch jenen eine
wertvollere Beleuchtung; von diesem Standpunkte aus hält sich denn auch
die vorliegende Darstellung eng an die durch Karst's historisch -mittel-
armenische Grammatik bereits vorgezeichneten Grundrißlinien für die
moderne Dialektologie.
Das Werk gliedert sich, abgesehen von einer kurzen Einleitung,
die über Quellen, Bibliographie der Dialekte und verwandtschaftliche Dia-
lektbeziehungen gut orientiert, in zwei Hauptteile: I. Phonetik, II. Morpho-
logie. Das Hauptgewicht wird auf die Ausarbeitung der Phonetik gelegt,
mit Recht; Maxudianz zeigt sich hier als tüchtiger Sprachbeobachter,
als würdiger Schüler Meillets, dessen Mitwirkung und Unterstützung er
sich zu dieser seiner Arbeit zu erfreuen hatte. Aber auch die Formen-
lehre kommt zu ihrem Rechte; namentlich war die historisch -verglei-
chende Nebeneinanderstellung der Paradigmenschemata aus den ver-
schiedenen Sprachphasen ein glückhcher Gedanke. Daß Maxudianz von
jedem Versuche einer, wenn auch nur rudimentären Syntax dieses Dialekts
absieht, dürfte als Mangel umsomehr empfunden werden, als gerade dieser
1*
4 Meillet Apercu d'une histoire de la langue grecque.
Zweig der armenischen Grammatik als eigenartig entwickelter und noch
ungenügend erforschter, dringend einer baldigen näheren Bearbeitung be-
dürfte. Dafür ist als großer Vorzug der Arbeit ein Glossar der Lehn-
wörter beigegeben, das gerade für dies Grenzsprachgebiet, das vom Türkisch
stark affiziert und zum Teil altaioid modifiziert ist, von Wichtigkeit ist-
Als unpraktisch und für die armen. Dialektologie eher verwirrend
als klärend möchte ich an dem Buche rügen die übrigens auf Meillet
und Frühere zurückgehende Transkription der präkonsonantischen Di-
phtongen des Altarmenischen durch iw, ew, aw, usw. statt der genaueren
phonetischen Wiedergabe tu, eu, au, die doch allenthalben durch das
Neuarmenische gestützt und postuliert wird. Unpraktisch und ein für alle-
mal abzuweisen ist auch die slavoide Transkription x für , die harte
gutturale Spirans, zumal wenn es sich um Eigennamen handelt ; so z. B.
heißt unser Autor nicht Maksudianz, zu welcher Aussprache seine Trans-
skription Maxudianz uns Deutschen-Okzidentalen verleiten könnte, sondern
Machudianz, und ist seine Schreibung Xarput doch entschieden unserm
hier eingebürgerten Charput nachzusetzen. Einige Ungenauigkeiten sind
offenbar teils auf Rechnung allzu gefügigen doktrinären Schul- und
Traditionsglaubens, teils auf Übereilung zurückzuführen; so z. B. bemerke
ich S. 77 die Gleichsetzung von ak.-dial. udiß mit einem vermeintlich
klassischen utiß 'le gras', d. h. Tleischtag'. Ein klassisches utiff gibt's
nicht, das gemeinte Wort ist erst mittelarmenisch-vulgärsprachlich und
ist auch, wie Maxudianz nach den Wörterbüchern annimmt, nicht ein
Deverbale von ut-el 'essen', sondern mittelarmenische Entsprechung des
klassisch-altarmenischen Xortik Tleischessen, fette Mahlzeit' (R-Ausfall
vor Konsonanz und nachträgliche Assimilierung an utel 'essen').
Alles in Allem ist Maxudianz' Buch eine erfreuliche Leistung und
zu begrüßen als ein neuer, wertvoller Beitrag zur armenischen Dialek-
tologie. Möchte die schöne Monographie vorbildlich wirken in ihrer
Methode der Anknüpfung der modernen Sprachphasen an das Miltelar-
menische; erst die richtige Berücksichtigung dieser historischen Zu-
sammenhänge zwischen neuer und mittlerer Sprachstufe wird dazu
führen, die noch zahlreichen dunklen Punkte der älteren, sog. klassischen
Sprache aufzuhellen.
Straßburg i.E. Prof. J. Karst.
Meillet A. Apercu d'une histoire de la langue grecque. Paris Hachette
1913. XVI, 368 S.
"Man kann jetzt die Haupllinien der Entwicklung des Griechischen
zeichnen, ohne sich der Gefahr von Irrtümern auszusetzen, es sei denn
in Einzelheiten" — so sagt der Verfasser in der Vorrede (S. IX), und er
beweist es selbst in ausgezeichneter Weise in dem hübschen Buch, wo-
mit er uns überrascht. Auch 0. Hoffmann hat diesen Versuch in glück-
licher Weise gemacht, aber noch steht der zweite Teil aus, der die nach-
klassische Geschichte des Griechischen bringen soll. Meillet aber umspannt
in seinem Buch die Geschichte der griechischen Sprache von der Urzeit
bis zum Neu;?riechischen, indem er die Ergebnisse der Forschung in einer
eleganten und klaren Darstellung mit durchaus persönlicher Note zu-
sammenfaßt. Es ist wirklich ein Genuß, dieses Buch zu lesen, das ein
so schön abgerundetes und fesselndes Bild einer dreitausendjährigen
Hermann Griechische Forschungen I. 5
Sprachentwicklung uns vor Augen führt. "La prehistoire du grec", "Les
langues litteraires" und "Constitution d'une langue commune" sind die
drei Hauptabschnitte, wodurch die großen Entwicklungslinien der griechi-
schen Sprache charakterisiert werden. Die Dialekte werden im 4. Kapitel
des ersten Teils, das Neugriechische unter den Titeln "Dissolution de la
KOivri" und "Constitution d'une nouvelle Koivri" in den letzten Kapiteln
des dritten Teils behandelt. Besonders genannt sei das 6. Kapitel des
2. Teils "Les origines de la metrique grecque" — eine Skizzierung dessen,
was den Sprachhistoriker am meisten in der Metrik interessiert. In der
Frage der Dialektgruppierung und Dialektmischung scheint mir jetzt der
Verfasser mit meiner Darstellung viel mehr übereinzustimmen, als er
das in seiner Besprechung meines Buches getan hat, wo die "Kritik der
Kriterien" stark in den Vordergrund trat. Daß in der Frage des Unter-
gangs der alten Dialekte i3-i8fr.) ein so ruhig urteilender Sprachforscher
wie M. noch weiter geht als ich selbst, d. h. den Untergang eher noch
früher ansetzt, stelle ich mit Genugtuung fest, weil meine chronologische
Fixierung Widerspruch gefunden hat. In der Beurteilung der Koine nimmt
M. entschieden gegen Kretschmers Theorien Stellung. Der Einfluß des
Lateinischen auf die Koine (346 fr.) wird von M. etwas unterschätzt.
Es fällt schwer, aus dem Buche einzelnes als besonders bemerkens-
wert hervorzuheben: das Buch ist aus einem Gusse. Aber immerhin sei
hingewiesen auf die anregenden Ausführungen über das Wesen der lite-
rarischen Sprachen im Allgemeinen (119 ff.) und die griechischen Lite-
ratursprachen im Besonderen (140 ff.) imd die attische Literatursprache
(241 ff.) ; in treffenden Worten ist die kulturgeschichtliche Bedeutung der
Koine charakterisiert (277 f.). Auch der Abschnitt über die neugriechische
Schriftsprache (360 ff.) enthält gute Urteile über die heutigen spsachlichen
Verhältnisse, woraus die Gegner einer vernünftigen Sprachreform in
Griechenland etwas lernen können — denn Niemand wird wohl sagen
können, daß M. als Forscher an diesem Kampf der Meinungen irgendwie
persönlich beteiligt sei. Doch bemerke ich nebenbei, daß er die Einheit
der neugriechischen Dialekte zu hoch einschätzt (264): das Kappadokische
und Pontische stehen dem sonstigen Griechisch viel fremdartiger gegen-
über als das Rumänische den sonstigen romanischen Sprachen.
Wie man sieht, decken sich natürlich meine Anschauungen nicht
immer mit denen Meillets. Aber das gilt doch nur für ganz wenige Dinge.
Soweit sie prinzipieller Natur sind, werde ich sonst Gelegenheit haben,
darauf zurückzukommen. Eine Ungenauigkeit ist zu berichtigen: die Tsa-
konen wohnen nicht im Süden des Peloponnes (S. 348), sondern an der
Ostküste. Ferner hat der ngriech. Genetiv feiTÖvou nichts mit dem alten
Paradigma TroXirric uoXixou zu schaffen (vgl. mein Handbuch der ngriech.
Volkssprache § 166).
Straßburg. Albert Thumb.
Hermann, Eduard. Griechische Forschungen I. Die Nebensätze in den
griechischen Dialektinschriften im Vergleich mit den Nebensätzen in der
griechischen Literatur imd die Gebildetensprache im Griechischen und
Deutschen. Mit zwei Tafeln. B.G.Teubner, Leipzig und Berlin 1912. 10 M.
Diese, Berthold Delbrück zum 70. Geburtstage gewidmete Schrift,
nimmt ohne Zweifel unter den in den letzten Jahren erschienenen Arbeiten
6 Hermann Griechische Forschungen I.
syntaktischen Inhaltes eine der ersten Stellen ein. Im Mittelpunkte der
Untersuchung steht durchaus das Griechische mit seinen Relativpronomina
und den Konjunktionen des Nebensatzes, aber über das Urgriechische
hinaus Umschau haltend zieht der Verfasser auch die verwandten Sprachen
in den Kreis seiner Forschung, sodaß die Arbeit auch ein bedeutungs-
voller Beitrag zur vergleichenden Syntax der indogermanischen Sprachen
ist. Ihr Inhalt ist in Kürze folgender: Der erste der sechs Abschnitte,
in die das Werk sich gliedert, ist der Definition des Begriffes 'Nebensatz*
gewidmet (S. 1 — 7), womit der Verfasser sich schon früher (KZ. 33, 483 f.)
beschäftigt hat. Nach einer treffenden Widerlegung der neuerdings von
A. Ditlmar Syntaktische Grundfragen (Progr. Grimma 1911) S. 3 f. ver-
suchten Begriffsbestimmung kommt er S. 7 zu folgendem Resultat : "Der
Satz, der mehrere Satzteile der Periode, darunter das Prädikatsverbum
enthalten kann, ist der Hauptsatz; der Satz, der nur einen Satzteil der
Periode ausmachen, aber nie ihr Prädikatsverbum enthalten kann, ist
der Nebensatz". Der zweite Abschnitt (S. 7 — 184) gibt in alphabetischer
Ordnung das Material für die Konjunktionen und Relativpronomina der
griechischen Dialektinschriften mit Ausschluß des Attischen. Für die
Reihenfolge der Mundarten innerhalb jedes einzelnen Wortes wurde
Thumbs Handbuch zugrunde gelegt. Der Sprachgebrauch der delphischen
Freilassungsurkunden wird auf einigen Tabellen zur Anschauung gebracht.
Der dritte Abschnitt (S. 134 — 180) gibt in derselben alphabetischen Ord-
nung eine Übersicht über die Pronomina und Konjunktionen in der
griechischen Literatur. Der Verfasser stellt sich jetzt die Frage, inwieweit
das in den beiden vorhergehenden Abschnitten zusammengetragene Material
aus den griechischen Inschriften und der Sprache der griechischen Literatur
übereinstimmt mit den Nebensatzbildungen in der wirklich gesprochenen
Sprache des Alltags. Die Lösung dieses Problems versucht er im vierten
Abschnitte (S. 180— 221), der überschrieben ist : "Schrjiftsprache, Ge-
bildetensprache und Mundart". Er zerfällt wieder in drei Unter-
abteilungen: A) Die ältere Inschriftensprache (S. 180—192), B) Die Ent-
stehung der gesprochenen Gemeinsprache im Altgriechischen und Deutschen
(S. 192-219, C) Die griechischen Literatursprachen (S. 219—220). Im
ersten Teile betont der Verfasser, daß die Sprache der älteren griechischen
Inschriften, abgesehen von den Vaseninschriften und Fluchtafeln, uns
keineswegs ein treues Abbild der wirklich gesprochenen Sprache bietet.
Die Leute jener Zeit waren eben nicht imstande zu schreiben, wie sie
sprachen, sie schrieben nach der Norm der traditionellen Schriftsprache,
die sie in der Schule mit der Schrift lernten, und zwar gilt dies nach
Hermann nicht nur für die Athener, sondern auch für die Griechen der
literarisch nicht hervortretenden Mundarten. Angesichts der in den
Schulen gelehrten Schriftsprache müsse man auch mit der Möglichkeit
rechnen, daß manche griecliischen Mundarten nirgends geschrieben worden
sind. Ein angesehener Platz konnte nämlich auf einen größeren Umkreis
derart Einfluß gewinnen, daß man sich auch hier, wo die Mundart eine
andere war, der dort bestehenden Schriftsprache anschloß (vgl. S. 184).
Die Sprache der Griechen war daher wohl weit stärker differenziert, als
es die vorhandenen Überreste zeigen, weshalb uns auch von den Neben-
satzkonstruklionen gar manche überhaupt nicht überliefert sein werden.
Dazu kommt, daß uns der durch Jahrhunderte hindurch konservierte
Sprachstil der Inschriften mit seinen typischen Formeln die Zustände
Hermann Griechische Forschungen I. 7
der wirklichen Sprache verschleiert (S. 189 ff). Bei der Behandlung des
Problems, wie man in den einzelnen griechischen Landschaften zur Zeit
des Eindringens der Koine in die Inschriftensprache gesprochen hat, scheint
dem Verfasser sowohl Thumbs wie auch Kretschmers und Schwyzers
Ansicht annehmbar (S. 192 f.). Sehr eingehend wird dann (S. 193 ff.) als
Parallele zum Griechischen die Entstehung der deutschen Schriftsprache
behandelt. Im Gegensatz zu der bisher allgemein geltenden Ansicht, daß
die Entwicklung und Verbreitung unserer Schriftsprache durch den
schriftlichen Gebrauch in den Kanzleien und Druckwerken bedingt
ist, betrachtet er daneben auch die gesprochene Sprache der Gebildeten
als einen sehr wesentlichen Faktor bei der Ausbreitung der neuhoch-
deutschen Schriftsprache. Es folgt sodann der fünfte, umfangreichste
Abschnitt (S. 221 — 326), der die eigenthche Behandlung der Relati\-pro-
nomina und Xebensatzkonjunktionen in den griechischen Mundarten ent-
hält. Es werden zunächst die Relativpronomina besprochen (S. 221 — 237),
an die sich ein umfangreicher Passus über die Assimilation des Relativums
anschließt (S. 237—248). Es folgen die Lokalpartikeln (S. 248-257), und
die Modal- und Komparativpartikeln (S. 257 — 270), wo vor allem der
lehrreiche Artikel über ibc (S. 259 ff.) zu beachten ist. Die Behandlung
der Kondizionalpartikeln und fj, f| (S. 270—290) ist für die Syntax der
Bedingungssätze von Bedeutung. In Übereinstimmung mit den Forschungen
anderer Gelehrten, besonders J. M. Stahls, zeigt hier Hermann, wie sich
die Modi der Bedingungssätze von den ersten Anfängen an bis zu dem
in historischer Zeit vorliegenden Zustande entwickelt haben. Richtig ist
die Beurteilung des Wechsels von Konjunktiv und Optativ in den del-
phischen Freilassungsurkunden (S. 280 f.); er ist kein Reflex der wirkhch
gesprochenen Mundart von Delphi; die eine Inschrift ist oft nur eine
etwas veränderte Kopie einer ]?fachbarinschrift. Es folgen die Explikativ-
partikeln (S. 290—294) und die Temporalpartikeln (S. 294 - 317), sowie
die übrigen jüngeren Nebensatzpartikeln (S. 317—327) ; hier tritt bei der
Behandlung von biöxi (S. 317 f.) der konservative Charakter der attischen
Inschriftensprache klar zutage. "Obwohl der pseudoxenophontische Staat
der Athener und Thukydides biöri schon im 5. Jahrb., und zwar in der
Bedeutung 'weil' verwenden, wird es in den Inschriften gemieden und
dringt erst mit dem Umsichgreifen'der Koine von 300 ab mit Überspringung
der Kausalsätze gleich in die explikativen Sätze ein . . . Wie unrichtig
mögen also oft unsere Schlüsse sein, soweit wir mit der durch die In-
schriften für einen Sprachgebrauch gegebenen Zeit operieren!" Der letzte
Abschnit endlich (S. 328—341) behandelt das Relativum und die Neben-
satzpartikeln im Vorurgriechischen, d. h. es soll hier die Frage beantwortet
werden, inwieweit die Nebensätze aus älterer Zeit ins Griechische ver-
erbt worden sind. Verfasser kommt hier S. 339 zu dem Resultat : "daß
an Pronominibus und Partikeln aus alter Zeit vererbt sind *io8, jos qVis,
*ios qffid, *io8 q¥e, dazu ♦jW, *iodi, alle vom Stamme *io-, vielleicht
auch *af\ Zwei Tafeln mit den Relativpronomina und Nebensatzkon-
junktionen der griechischen Dialekte beschließen das inhaltreiche Buch.
Ein Sachindex ist dem Werke nicht beigegeben; ich will daher
hier noch auf einige in syntaktischer Hinsicht bemerkenswerte Einzel-
heiten aufmerksam machen, die an Hand des Inhaltsverzeichnisses (S. Yllf.)
nicht zu finden sind. S. 13 wird über die Modusassimilation in den
eleischen Nebensätzen gehandelt mit Widerlegung der von Jacobsthal,
8 Hermann Griechische Forschungen I.
Der Gebrauch der Tempora und Modi in den kretischen Dialektinschriften
(Straßburg 1907) S. 102 ausgesprochenen Ansicht. — Wer es unternehmen
will, die Vertauschung der BegrifTe 'wo', 'wohin' und 'woher' im Griechi-
schen zu untersuchen (vgl. Br. Keil, Hermes 48, 121 Anm.), wird bei
Hermann viel Material finden, vgl. z. B. S. 17 über delph. di 1) = 'wo*
2) = 'wohin', S. 120 über delph. oö, ferner S. 134, 164, 250, 252 f. und
besonders S. 330 ff. Solange wir eine solche zusammenfassende Unter-
suchung über die Vertauschung der Ortstermini in den einzelnen indo-
germanischen Sprachen nicht besitzen, kann ich der von Hermann S. 261
ausgesprochenen Ansicht nicht beistimmen, daß der Ablativ auf -öd die
Bedeutung 'wo' nicht liefern konnte. Man bedenke nur, daß W. Caland
neuerdings IF. 31, 105 f. nachgewiesen hat, daß sowohl im Avesta wie in
altindischen Texten der Ablativ als Wo-Kasus und als Wohin-Kasus an-
getroffen wird. — S. 24 finden sich inschriftliche Belege für b4. im Nach-
satz, vgl. auch S. 144. Auf S. 37 ist der Accusativus absolulus in Inschrift
aus Tegea zu beachten. S. 55 bringt eine Erörterung über den alter-
tümlichen lokrischen Nominativ beim imperativischen Infinitiv. S. 60 f.
finden sich interessante Belege aus delphischen Inschriften für den Über-
gang vom Akkusativ in den Nominativ in der Konstruktion mit ^qp' ötuji,
^q)' dJiTE, ^qp' oiTe, vgl. auch S. 133 oben. S. 82 unten beachte man die
Attractio inversa in der Inschrift aus Kypern, S. 83 und 98 den relativen
Anschluß, S. 99 den Imperativ im Relativsalz, wo das Relativum für das
Demonstrativum eingetreten ist (vgl. H. Paul Prinz* S. 298), S. 98 oben
das condicionale Relativum (ebenso S. 101 und 112). Die bekannte Tat-
sache, daß ein lautärmerer Ausdruck im Laufe der Sprachgeschichte
durch einen vollertönenden verdrängt wird, läßt sich bei Hermann ver-
schiedentlich an interessanten Beispielen beobachten : so wird öctic, ötic
gelegentlich genau so wie öc als Relativum ohne den Nebenbegriff der
Verallgemeinerung gebraucht, vgl. S. 113 und 114 unten, besonders S. 233;
im Delphischen läßt sich verfolgen, wie ibc vor dem voller tönenden
KoBubc zurückweicht, vgl. S. 128, 261 und 323; das ältere ibc muß dem
jüngeren öitujc weichen (S. 268), xaGd macht dem stärkeren Koödtrep Platz
(S. 321 f.); S. 335 zeigt Hermann, daß es ein urgriech. ö 'als' gegeben hat,
an dessen Stelle später öre (öko, öta) getreten ist, vgl. homer. €k öte
neben eic ö 'bis', vgl. auch S. 340. — Für öti oder ibc beim Superlativ
finden sich bei Hermann viele inschriftliche Belege, vgl. z. B. S. 119, 126,
127, 128, 129 f., OTTO beim Superlativ S. 161; man beachte auch die Ver-
bindung ÖTi rdxoc in der Koine-Inschrift aus Samos S. 120 (vgl. S. 134
über Theokrit und Pindar, und besonders S. 293); für das pleonastische
ibc ÖTi beim Superlativ vgl. die Beispiele bei Hermann S. 131 (S. 262).
Da es sich bei diesem Pleonasmus um die Verdeutlichung eines abgenutzten
Wörtchens handelt, berührt sich diese Erscheinung mit der soeben er-
wähnten Verdrängung einer lautärmeren Form durch eine vollertönende,
vgl. fürs Lateinische neuerdings Löfstedt in seinem Philol. Kommentar z.
Peregrin. Aeth. S. 59 ff. über pleonastisches itaque ergo usw. — S. 186,
vgl. auch S. 189 oben, gibt Hermann inschriftliche Belege für den Nomi-
nativ in der Apposition. Auch hier bietet das Lateinische hübsche
Parallelen, vgl. z. B. Audollent Defix. Tab. 270, 12 anima et cor uratur
Sextili, Dionysiae filitm (Löfstedt a. a. 0. S. 50 f., Konjetzny Arch. f. lat.
Lex. 15, 307 f.). Wenn dieser Nominativ auch mit Vorliebe in volkstüm-
lichen Denkmälern auftritt, so muß doch betont werden, daß er keineswegs
Hermann Griechische Forschungen I. 9
als eine ausschließliche Eigentümlichkeit der Volkssprache zu betrachten
ist. Ich erinnere nur daran, daß diese Konstruktion sich gerade bei
Goethe und Bismarck häufig findet, vgl. H. Wunderlich Der dtsch. Satz-
bau 2*. 19 f., wo z. B. aus Goethe (Leiden des jungen Werthers} zitiert
ist: "traf ich einen jungen V . . . an, ein offener Junge, mit einer gar
glücklichen Gesichtsbildung" , aus Bismarck : "heute tcerde ich bei dieser
(der Kaiserin Eugenie) . . . dinieren, in kurzen Hosen, Schuh und Strümpfen,
eine Tracht, in der ich meine eigne Heiterkeit errege''. Aus Bismarcks
Reden nenne ich noch die interessante Stelle Bd. 5, 304 : "es hat seine
übertriebene Wichtigkeit erst durch den uns ganz unencarteten Widerstand
der conservaticen Partei evangelischer Confession bekommen, ein Widerstand,
in dessen Genesis ich hier nicht näher eingehen wiW ; hier hat der Heraus-
geber Kohl den Nominativ 'ein des stenographischen Berichtes fälschlich
in den Akkusativ geändert. — Lehrreich sind auch die Beispiele, die
Hermann S. 188 für die Verwechslung der ersten und dritten Person gibt
in Fällen, wo der Verfasser einer Inschrift von sich selbst in der dritten
Person zu sprechen hat, z. B. IG. MI 3822 [Ejevöriuoc ' EmTeXouc dvarieriTi
TTiv ibiav boüXn[v] . . . Kai tö il. aurfic Kopdciov ZtuUav . . . nn TcpocnKoücac
miT€ ^|ioi |uiriT6 äXXuj nn^^vi. Mit Bezug auf die im Anschluß daran zitierte
Stelle aus Leskien-Brugmann Lit. VoIksHeder und Märchen S. 266, 10:
0 moczekai lepe gert ir valgyt ir nesikiszt ape mono majontkq 'und befalil
der Stiefmutter zu essen und zu trinken und sich nicht um sein Hab
und Gut zu kümmern', wo mano durch Kontamination der direkten und
indirekten Rede entstanden ist, erlaube ich mir den Verfasser zu erinnern
an das ähnliche Beispiel, das er in seiner Schrift, Die Entwicklung der
litauischen Kojunktionalsätze (Jena 1912) S. 45 aus Bezzenberger Lit.
Forsch. (Göttingen 1882) S. 39 zitiert : 2gds sdke, kad ans tan zmägu yr
malddcfs, kur ture" tan stäge ple^szt, ir suntfs venam zmd'gu päsku, kur
mäna müteris peningus i dengu nesz 'der Jude sagte, daß er den Mann,
welcher das Dach abreißen sollte, gebeten und einen anderen Mann
nachgesandt habe, welcher meiner (= seiner) Frau Geld in den Himmel
trägt'. Durch eine solche Kontamination von direkter und indirekter Rede
erklärt sich übrigens auch der Nominativ in lateinischen Beispielen wie
Varro r. r. II 4, 2 : dixit celeriter se Hlos, ut scrofa porcos, disiecturum
(vgl. Lachmann zu Lucrez S. 176). — S. 287 regt Hermann an zu der
Untersuchung über den Ausdruck des neuhochdeutschen 'als' nach Kom-
parativen in den griechischen Inschriften. Soweit sein lückenhaftes Material
ein Urteil gestatte, sei der Genitivus comparationis häufiger als f|, das
erst allmählich aufkomme. Eine solche Untersuchung würde dann auch
wohl über das rätselhafte ou liöXXov f| oö Licht verbreiten. Doch ich
kann hier nicht weiter auf Einzelheiten eingehen, die Fülle der Belehrung
und Anregung, die das Buch bietet, wird nur der an sich erfahren, der
es selbst zur Hand nimmt. Ich will nur noch kurz auf einige Punkte
eingehen, in denen ich mit dem Verfasser nicht übereinstimme.
Hermann leugnet S. 223 f., daß der adjektivische Gebrauch von 6c
urgriechisch oder gar vorurgriechisch sei, 6c war nach ihm von Haus
aus nur substantivisches Relativ, vgl. auch S. 240 und 330. Der adjek-
tivische Gebrauch von öc sei erst im Laufe der griechischen Sprach-
entwicklung dadurch entstanden, daß ein als Apposition nachgestelltes
Substantivum in den Relativsatz hineingezogen wurde, z. B. B 38 oOb^
TÖ fibr\, ä ()o Zeuc linbero Hpfa, wo das von Haus aus appositioneil nach-
10 Hermann Griechische Forschungen I.
gestellte Ipya später mit ä zu einer engen Einheit verknüpft worden
wäre. Abgesehen davon, daß Ameis-Hentze zu Z 421 und Anhang zu
ß 119 ähnlich urteilen, wird man hier an die Erklärung erinnert, die
Vogrinz Grammatik des homerischen Dialektes (Paderborn 1889) S. 196 f.
für die adjektivische Funktion des Demonstrativs 6 (ö) bei Homer ver-
sucht hat. Auch er geht nur von einem substantivischen 6 aus, wie
es z. B. in B 402 : aüxdp 8 ßoOv i^peucev, ävaS ävbpiöv Ayom^iixvujv vor-
liegt; durch sekundäre Verschmelzung des Demonstrativs mit der nach-
folgenden Apposition sei erst auf griechischem Boden der adjektivische
Gebrauch von 6 entstanden. Diese Erklärung von Vogrinz wird bei
Brugmann-Thumb Griechische Grammatik S. 484 mit Recht zurückge-
wiesen, weil nach Ausweis der verwandten Sprachen die adjektivische
Verwendung des Demonstrativstammes *so schon urindogermanisch war.
Merkwürdigerweise wird nun aber die von Hermann für das adjektivische
Relativum versuchte Erklärung bei Brugmann-Thumb a. a. 0. S. 642 ge-
billigt, obwohl sie m. E. identisch ist mit der von Vogrinz für das De-
monstrativum aufgestellten Hypothese. Sie scheitert aber ebenfalls an
der Tatsache, daß der adjektivische Gebrauch des Relativs nach Ausweis
des Arischen schon indogermanisch war, cf. Delbrück Vgl. Synt. III 298 f.
Auch das homerische Sprachmaterial führt bei ungezwungener Deutung
zu dem Schluß, daß das adjektivische Relativum schon vorhanden war,
man vgl. nur Stellen wie A 44ff. : aX YÖp Ott' f\e\\iu Ti Kai oüpaviy dcxe-
pöevTi / vaierdouci tröXriec ^Ttixöoviujv ävepduTrujv, /rduiv |ioi itepi Kfjpi
TidcKexo 'IXioc Ipr). T 167: 8c hl k' dvrip oivoio Kopeccduevoc Kai ^bujbr|C
/ dvbpdci . . . TTo\e.ui2Ir), / GapcaX^ov vu oi ritop, ähnlich A306: 8 c bl k'
dvrip diTÖ djv öx^ujv ^rep' dpiiiae' iKrixai, / ^TX^' öpeldcQw. Die letzte Stelle
zitiert auch Hermann S. 223 f. mit der Bemerkung, daß es hier noch
möglich sei, 'ävi]p prädikativ zu fassen' ; das verstehe ich nicht. Bei
ungezwungener Deutung wird niemand das 6c bi k' dvrip der beiden
homerischen Stellen anders auffassen als das bei Plautus geläufige qui
homo in Stellen wie Most. 1041 Qui homo timidus erit in rebus dubiis,
nauci non erit, Aul. 790, Cure. 380 usw. Daß an manchen homerischen
Stellen wirkliche Apposition vorliegt, darin stimme ich mit Hermann voll-
kommen überein, vgl. z. B. a 69 f. : KükXujttoc KCxöXiuxai, 6v öqp6a\|io0
dXduucev, / dvxiöeov TToXüqpriiaov, aber Hermann geht entschieden zu weit,
wenn er S. 224 behauptet, daß Belege für rein adjektivisches 6c bei
Homer nicht zu finden seien. Wie die Mehrzahl der bei Hermann S. 223 f.
genannten Beispiele zu beurteilen ist, wird sich erst entscheiden lassen,
wenn die Untersuchungen über die Wortstellung im Griechischen und in
den verwandten Sprachen weiter gediehen sind, und zwar denke ich
hier vor allem an Untersuchungen über die sog. 'Verschränkung' des
Relativs und die 'Spaltung' zusammengehöriger Begriffe. Letztere liegt
m. E. z. B. in B 38 vor: oüb^ xd f|bn, ä ^a Zeöc luribexo f pT«, wo ich
Ipfa nicht mit Hermann (S. 223) als nachträgliche Apposition fasse.
Auch über die sog. 'Attractio inversa' wissen wir noch zu wenig um,
wie Hermann S. 224 das tut, behaupten zu können, daß der Akkusativ
«puXaKdc in K416: qjuXoKdc b' de €ip£ai, t^piuc, oö xic K€Kp»M^vn f)üexai
cxpaxöv oüb^ q)uXdccei als Assimilation an das folgende Relativum auf-
gefaßt werden muß. Ich hoffe demnächst gelegentlich einer Untersuchung
über die lateinische 'Attractio inversa' zeigen zu können, daß wir auch
hier vom adjektivischen Relativum ausgehen können. — Bei der Behandlung
Hermann Griechische Forschungen I. 11
der Assimilation des griechischen Relativuras sagt Hermann S. 238 daß
seine Vorgänger auf diesem Forschungsgebiete 'zu einem vollen Verständnis
der Assimilation nicht vorgedrungen' wären. Zwei Punkte, die für die
Erklärung dieser Erscheinung von wesentlicher Bedeutung sind, haben
aber schon Hermanns Vorgänger mit Nachdruck betont, nämlich einmal
die Tatsache, daß der Relativsatz sehr oft die bloße Umschreibung eines
Nominalbegriffes ist. und sodann die sog. Ellipse des Demonstrativs vor
dem Relativ. Daß der Relativsatz 'nominis est vicaria' hat schon R.
Foerster De attractione enunt. relativ. (Berlin 1868) S. 31 bemerkt, vgl.
auch Fr. Dietrich De attractionis pronominis relativi usu Sophocleo
(Darmstadt 1878) S. off. und besonders Karl Reisert Zur Attraktion der
Relativsätze in der griechischen Prosa (Neustadt 1889) I. Teil S. 21. Für
die Ellipse des Demonstrativs vor dem Relativum. worauf Hermann S. 239
mit Recht großes Gewicht legt, verweise ich z. B. auf G. T. A. Krüger
Untersuchungen auf dem Gebiete der lateinischen Sprache (3 Teile, Braun-
schweig 1820 — 27) S. 257 f., der übrigens hier S. 28 f. auch schon eine
Bemerkung Buttmanns über den nominalen Charakter der Relativsätze
zitiert. Daß vor sog. umschreibenden Relativsätzen kein Demonstrativ
steht, läßt sich in verschiedenen Sprachen beobachten ; instructiv ist z. B.
die Stelle in der altpersischen Inschrift NRa § 4 (S. 90 bei Weißbach):
patikarä didij tiai[i\ gätum bardtii 'blick die Bilder (derer) an. die den
Thron tragen' = 'der Thronträger'. In b 177 laiav itöXiv ilaXanälac / ai
TrepivaieTciouciv ist der Relativsatz Umschreibung des Begriffes 'Nachbarn',
und in der Plautusstelle Capt. 9-41 : Quod bene fecisti, referetur gratia
kann man den Genitiv beneficü für den Relativsatz einsetzen. Auf Grund
der oben erwähnten beiden Punkte (Relativsatz = Nominalbegriff und
Ellipse des Demonstrativs) hat sich nun Foerster a. a. 0. S. 30 die Er-
scheinung der Assimilation an folgendem Beispiele klar zu machen ver-
sucht: Tntellectu destitutum est raöra öuoid den; necessarium est com-
plementum dativo, quem ouoioc notio flagitat, comprehensum, ut toTc
coic XÖToic, pro quo si enuntiatio rel. usurpatur, dativus ille appareat
necesse est in pronomine rel. : oic eiptiKac'. Ich muß gestehen, daß ich
durch Hermanns Ausführungen S. 239 f. auch nicht zu einem volleren
Verständnis der Erscheinung gekommen bin. — S. 286 f. beschäftigt sich
Hermann mit der Erklärung von ri 'als' hinter Komparativen. Mit Brug-
mann geht er von der Bedeutung 'wie' aus, meint aber, daß ein Satz
wie Meiluiv f| c6 nur verstanden werden könne, wenn vor dem r\ noch
eine Negation stände, d. h. 'er ist größer, nicht (ist er) wie du'. Daß
diese Annahme nicht nötig ist, wird schon bei Brugmann-Thumb Griech.
Gramm. S. 625 betont. Hermann beruft sich für seine Theorie aufs
Litauische, wo hinter positivem Komparativ meist nekaip = 'als' ge-
braucht wird. Hier dürfte aber die Negation ebenso zu erklären sein,
wie in den bei Ziemer Junggramm. Streifzüge S. 14i behandelten Fällen,
z. B. Jes. Sir. 29, 14 'der wird dir besser sein denn kein Gold' nach
'kein Gold ist so gut tvie er. Diese Konstruktion findet sich übrigens
auch im Lateinischen, wofür hier ein Beleg aus dem Alt- und Spätlatein
genannt sein mag: Ennius Sc. 428 topper quam nemo melius seit, wo
nemo statt quisquam steht (cf. Frobenius Synt. d. Ennius S. 16 A4); Petri
diaconi Liber de Locis Sanctis 117, 22: res pulchriores quam in nullo
tnari (P. Geyer Itinera Hierosolym. pg. 423). — Zur Erklärung von öxi
'weil' sagt Delbrück Vgl. Synt. III 344 kurz: "auf xi 'warum?' antwortete
12 Pekmezi Grammatik der albanesischen Sprache.
man mit öti 'weil'." Hermann S. 292 hält diese Deutung für überflüssig,
nach ihm ist öxi das Produkt einer Analogiebildung. Ich sehe aber
keinen Grund ein, von Delbrücks Deutung abzugehen, da sie auf einem
für das Griechische charakteristischen Sprachgebrauch beruht und durch
ähnliche Erscheinungen in anderen Sprachen gestützt wird. Arist. Nub.
214 heißt es : dW y] Aanebaiiaiuv iroO 'cB' ; fl: öttou 'ctiv ; aOrril = 'du fragst,
wo es ist ?', wozu Kock bemerkt : 'In der Wiederholung der F'rage durch
den Gefragten steht regelmäßig das relativ-interrogative Pronomen und
Adverbium', vgl. auch Brugmann-Thumb Griech. Gramm. S. 64ö. Das auf
Ti antwortende öti ist dann auf ähnlichem Wege zur kausalen Konjunktion
geworden, wie lat. qiita und spätlat. qiiare (vgl. franz. cur 'denn'), was
im Einzelnen bei Wackernagel Verm. Beitr. S. 22 f. ausgeführt ist. Wie
sich bei öti aus der Bedeutung 'weil' die explikative Bedeutung ent-
wickelt hat, zeigt Delbrück Vgl. Synt. 3, 344 f. — Die Erklärung der ver-
schiedenen Bedeutungen der Konjunktion idg. *jod leitet Delbrück Vgl.
Synt. 3, 831 ff. überzeugend aus einer ursprünglichen temporalen Funktion
her; auszugehen ist von Stellen wie RV. 3, 48, 2 ydj jdyathOs tdd dhar
apibah 'als du geboren wurdest, an dem Tage trankst du', wo der Haupt-
satz einen Zeitbegriff enthält. Hermann möchte hier lieber von den sog.
locker angeknüpften Kausalsätzen ausgehen, was mich nicht überzeugt.
S. 335 oben gesteht er selbst, daß sich ein vorurgriech. *iod mit tem-
poraler Bedeutung erschließen läßt. So könnte man noch in manchen
Punkten anderer Meinung sein, z. B. sehe ich keinen Grund ein, mit
Hermann S. 309 von der bei Brugmann-Thumb a. a. 0. S. 599 gegebenen
Erklärung des Infinitivs nach Tipiv abzugehen, auch mit dem S. 229 aus-
gesprochenen Zweifel daran, daß ibc 'wie' bei Homer digammiert war,
wird Hermann keinen ungeteilten Beifall finden, im allgemeinen aber
sind die Aufstellungen des Verfassers wohl durchdacht und gut begründet.
Der Druck des Werkes ist sorgfältig, nur folgende Kleinigkeiten sind
mir aufgestoßen: S. 55 Z. 22 lies V 285 st. 286. S. 188 Z. 1 u. fehlt vor
'ungeeignet^ wohl die Negation 'nicht.' S. 229 Z. 19 unten lies Delbrück
3, 339 St. 399. S. 262 Z. 10 unten lies Ojc l^piu st. ibc öpuj. Die Anm.
auf S. 275 gehört zur folgenden Seite.
Leipzig. W. Havers.
Pekmezi, G. Grammatik der albanesischen Sprache (Laut- und Formen-
lehre). Wien, Verlag des albanesischen Vereins 'Dija' 1908. IV, 294 S. 8 M.
Lambertz, M. & G. Pekmezi. Lehr- und Lesebuch des Albanischen.
Wien und Leipzig, Hartleben o. J. (1913, Die Kunst der Polygloltie, 107).
VIII, 182 S. Gebunden 2 M.
Weigand, G. Albanesische Grammatik im südgegischen Dialekt (Durazzo.
Elbassan, Tirana). Leipzig, Barth 1913. X, 189 S. Gebunden 6 M.
1. Albanien und das albanische Volk ist durch die jüngsten poli-
tischen Ereignisse in den Gesichtskreis europäischer Interessen gerückt
worden. Vor wenigen Jahren noch hatte nicht einmal die europäische
Diplomatie eine richtige Vorstellung von der albanischen Frage, deren
Bedeutung den Kennern des eigenartigen Volkes sclion längst klar ge-
worden war. Heute sorgt die Presse dafür, daß ein w^eiteres Publikum
über jenes Volk unterrichtet wird — aber über die ethnographische und
linguistische Stellung der Albaner begegnet man noch oft genug falschen
Pekmezi Grammatik der albanesischen Sprache. 13
Ansichten, die um so sicherer vorgetragen zu werden pflegen, je weniger
kompetent ihre Urheber sind. Doch das erwachende Interesse schafft das
Bedürfnis nach Belehrung, und das kommt auch der Sprachwissenschaft
zu gute, da es grammatische Hilfsmittel hervorruft und so unsere Kenntnis
der Sprache bereichert. Es ist daher kein Zufall, daß uns auf einmal
zwei neue Grammatiken beschieden werden; beiläufig genannt sei auch
das kurze, im wesentlichen Paradigmen enthaltende Elementarbüchlein
von K. Steinmetz ('Albanische Grammatik, nordalbanische Mundart',
Sarajewo 1913, 40 S.) und desselben Verfassers 'Albanisches Notwörter-
buch' (Sarajewo 1912). Doch hat auch vorher, seit dem Erscheinen von
G. Meyers Alb. Grammatik (1888), die Produktion nicht still gestanden.
So erhielten wir in Piskos Kurzgefaßtem Handbuch der nordalban. Sprache
(Wien 1896) ein treffliches praktisches Hilfsmittel zur Erlernung des nord-
gegischen, insbesondere skutarinischen Dialekts, wie ich selbst an mir er-
probt habe. Librandis Grammatica albanese con le poesie rare di Variboba
(Mailand 1897, in den Manuali Hoepli) ist eine sehr summarische Be-
handlung des italienischen Albanisch, das eine neue gründliche Dar-
stellung sehr wohl verdiente ; ob de Radas Caratteri e grammatica della
lingua albanese I (Corigliano Calabro 1894) modernen Anforderungen
entspricht, kann ich nicht sagen. Auch auf die albanisch geschriebenen
Schulgrammatiken möge hingewiesen werden, nicht nur weil sie die
grammatische Terminologie in albanischer Sprache geben, sondern weil
sie auch mundartliche Besonderheiten bieten. Ich nenne das Abetar i
ghuhes shqip (Brüssel 1899) und die Grammatika apo folmarmja shqype
per shkolla (Sofia 1912); die in Legrands Bibliographie albanaise N'^ 535
und 605, sowie in der Alban. Bibliographie von Manek, Pekmezi und Stotz
S. 90 und 116 verzeichneten Grammatiken sind mir nicht bekannt. Diese
albanisch geschriebenen Bücher zeigen, wie eine wissenschafthch noch
kaum ausgebildete Sprache bei gutem Willen und Geschick solchen
Zwecken dienstbar gemacht werden karm; in gleichem Sinn bemühten
sich auch verschiedene Aufsätze der im Jahre 1909 nach zehnjährigem
Bestehen leider eingegangenen Zeitschrift 'Albania'.
Wer sich zunächst einmal ins Albanische einarbeiten will, für
den kommen heute neben G. Meyer und Pisko die hier zu besprechenden
Werke in Betracht. Die bedeutendste Leistung ist die große Grammatik
von Pekmezi, die ein Gegenstück zu G. Meyer bildet, weil sie die alba-
nischen Dialekte auf sprachwissenschaftlicher Basis behandelt. Darin
liegt der Vorzug, in gewissem Sinn auch der Nachteil des Buches, sofern
man nach didaktischen Gesichtspunkten das Buch beurteilt. Pekmezi geht
vom Mittelalbanischen aus, das bis jetzt hterarisch keine Rolle gespielt
hat, und glaubt so, den 'normalen allgemeinen Typus' darstellen zu
können, indem er "die gemeinsam gegisch-toskischen Züge hervorkehrt,
• . . jedoch auch alle dialektischen, toskischen und gegischen Abweichungen
verzeichnet" (S. 111). So tritt also weder das Gegische noch das Toskische
in seiner Eigenart deutlich hervor, aber diese Stellung der Aufgabe, die
an sich gut gelöst ist, scheint mir für den Lernenden ungeeignet, weil
es eben noch keine mittelalbanische Schriftsprache gibt; sie ist auch
vom wissenschaftlichen Standpunkt aus nicht gerade glücklich, weil die
Erfassung des Gegensatzes von Toskisch und Gegisch mir zunächst wich-
tiger scheint; dieses Mittelalbanische, das noch wenig erforscht ist, tritt
uns allerdings durch die Grammatik Pekmezis deutlicher vor Augen als
14 Pekmezi Grammatik der albanesischen Sprache.
bisher: es ist die Sprache der Heimat des Verfassers, doch ist mir nicht
ganz klar, ob er nur den Dialekt von Elbassan darstellt, wie ich aus S. 3
vermute, oder ob er eine gewisse Durchschnittssprache des mittleren
Albaniens im Auge hatte. So reich der von Pekmezi gebotene Sprachstoff
ist, so ist doch die Grammatik von G. Meyer daneben nicht entbehrlich
geworden, da z. B. über das italienische und griechische Albanisch nichts
gesagt wird, auch in der Einleitung nicht, wo ein Hinweis auf G. Meyers
Alb. Studien 5 und 6 und auf Straticö Manuale della letteratura albanese
(Mailand 1896) willkommen wäre.
Die Einleitung enthält manches, was für die den albanischen
Studien fernerstehenden Leser interessant sein wird, über Literatursprache,
über Volksliteratur. Der Abschnitt über die albanischen Alphabete be-
handelt etwas eingehender diese für die künftige Literatursprache wich-
tige Frage (S. 9 ff.). Ich vermisse einen Hinweis auf das 'altalbanische'
Alphabet des 18. Jahrhunderts, das zu manchen Phantasien über die
älteste Geschichte der europäischen Alphabete Veranlassung gegeben hat.
Da die Albanesen selbst noch nicht zu einer Einigung gelangt sind, so
hat Pekmezi gut getan, nicht etwa ein neues Transkriptionssystem auf-
zustellen (eine Entsagung, die den meisten Sprachforschern schwer fällt),
sondern sich an die Schreibweise G. Meyers im Ganzen anzuschließen.
Sobald die Albaner ein eigenes Staatswesen bilden werden, müssen sie
sich wenigstens für die künftige Staatssprache über eine bestimmte Ortho-
graphie einigen, und der Sprachforscher wird sie zu akzeptieren haben,
wie er die Orthographie sonstiger Literatursprachen akzeptiert. Daß
dieses Einheitsalphabet in erster Linie dem praktischen Leben und nicht
wissenschaflhchen Zwecken zu dienen hat, ist klar; aber mögen sich die
Albanesen wenigstens von wissenschaftlicher Seite beraten lassen, statt
irgend etwas auszuklügeln, was weder praktisch noch wissenschaftlich
ist. Das Alphabet der Gesellschaft Ba§kim in Skutari scheint mir als
Basis geeignet, nur müßten solche Absonderlichkeiten wie x = z, xh := z
beseitigt werden. Was weiter die Aussprache der albanischen Laute be-
trifft, so hat Pekezi als phonetisch geschulter Albanese besonderen An-
spruch gehört zu werden. Hier gibt die Grammatik z. B. über die Aus-
sprache der /-Laute (S. 8), über den Gegensatz zwischen der expiratorischen
Betonung der Tosken und der musikahschen Betonung der Gegen (S. 16f. 4-7),
über die Unterschiede von kurzen, halblangen, langen und überlangen
Vokalen (S. 17 f., 46 ff.) sehr wichtige und neue Auskunft. So treten die
phonetischen Unterschiede der Dialekte (die S. 12 ff. übersichtlich, in der
Lautlehre S. 46ff. eingehender erörtert werden) deutlicher als bisher her-
vor, geben aber auch zu neuen Fragen Anlaß, deren Beantwortung der
künftigen albanischen Dialektforschung vorbehalten sind. In der Lautlehre
habe ich gelegenthch gegen die Formulierung einer Regel oder Beobachtung
Bedenken. Ich hebe das Wichtigste davon hervor. So heißt es S. 47 :
"Seiner Stelle nach steht der Akzent in Grundwörtern auf der letzten Silbe
und nur in ganz bestimmten Fällen auch auf der vorletzten". Richtiger
wäre es eher zu sagen, der Akzent ruht in der Regel auf der Wurzelsilbe;
denn charakteristisch ist für die indogermanischen Bestandteile des
Albanischen gerade eine Akzentzurückziehung (vgl. düh xo^*ic, baQt. q)aKdc,
hije CKjd u. a.), die sich gelegentlich auch in griechischen Entlehnungen
äußert, z. B. zärbtU zu Zepßöc, fort (cal. for) =. <popd. Die Ausnahmen
würde ich so zusammenfassen : nur gewisse wortbildende Suffixe fremden
Pekmezi Grammatik der albanesischen Sprache. 15
Ursprungs ziehen den Akzent auf sich, nämlich -tar-, -tuar- itor), -f- (-/-).
-im-, -ist-, beim Yerbum -o- {-ue-), -e- (-ie-), -is-, -os-, -as-; dieser allgemeinen
Regel wären dann die einzelnen Fälle hinzuzufügen, deren Betonung nur
aus der Etymologie zu verstehen ist. Wenn ferner S. öi bej 'ich mache'
gegenüber der gedehnten Form prej 'ich erquicke' sich leicht aus dem
Satzakzent erklären soll, so wünschte man doch über diesen Satzakzent
und seine Regeln einige Aufklärung : so steht die Erklärung in der Luft.
Unklar ausgedrückt ist die Diphthongierungsregel § 31 (S. 55). Zu noh
neh. äoh seh S. 57 bemerke ich, daß es sich hier um keinen Umlaut
handeln kann, sondern daß eine urindogermanische Vokaldoppelheit zu-
grunde liegt, wie ich Deutsche Lit.-Zeitung 1913 Sp. 805 kurz dargelegt
habe ; auch S. 58 Z. 1 ist die Bezeichnung 'Umlaut' ungeeignet. Der merk-
würdige Abfall des auslautenden r in bie 'ich bringe' und Mie 'ich werfe'
(S. 67), der vom Verfasser einfach konstatiert wird, und mit dem auch
G. Meyer nichts anzufangen wußte, ist m. E. lautgesetzlich so zu formu-
lieren: wenn hinter dem r in der indogermanischen Grundform nur ein
ungedeckter Vokal stand {*bhero), so fiel r ab ; es blieb aber vor idg. -os,
-es, -is, z. B. duar idür) = idg. *gheres 'Hände'. Daß der Übergang von br
in vr in tosk. vrim gegenüber geg. brCtn 'Loch' eine 'Assimilation' sei, ist
mir nicht recht verständlich.
Die 'Lautlehre' behandelt nur die internen albanischen Vorgänge;
die Beziehungen zu den Lauten der verwandten Sprachen werden in der
Einleitung S. 19 ff., die Lautwandelungen in den lateinischen Elementen
ebenda S. 34 ff. in engster Anlehnung an G. Meyer und Meyer-Lübke dar-
gestellt. Die Formulierung, die von G. Meyer herrührt, bedarf einmal
einer durchgehenden Nachprüfung ; denn wir müssen heute doch manches
anders auffassen, als es G. Meyer getan hat. Das hat sich mir bei meinen
Vorlesungen über albanische Grammatik öfter ergeben, und die trefflichen
Arbeiten von Jokl bestätigen es.
In dem Abschnitt Formenlehre treten die vergleichend-historischen
Gesichtspunkte ganz zurück: es kam dem Verfasser darauf an, die Tat-
sachen ausgiebig darzustellen. Vorangeschickt ist ein Abschnitt 'Das
wichtigste vom Verbum' (S. 69 ff.), dann folgt die Flexion des Nomens
und Pronomens, und hierauf die eingehende Behandlung des Verbums.
Den Nutzen dieser Einrichtung sehe ich beim ganzen Charakter des
Buches nicht recht ein : durch geschickte Druckanordnung hätte derselbe
Zweck erreicht werden können. Eine reichliche Verwendung von Petitsatz
in allen Teilen des Buches würde dem Lernenden gute Dienste leisten.
Denn ich habe in meiner Vorlesung, wo ich das Buch zugrunde legte,
von meinen Hörern öfter gehört, daß das praktische Erlernen der Sprache
nach dem Buche nicht gerade leicht sei. So verwirrt z. B. in der Deklina-
tion die Masse von Paradigmen, die nicht in einige deutliche Gruppen
zerlegt sind. Der Verfasser hätte außerdem durch Kleindruck Raum ge-
wonnen, um das wenige zu notieren, was bis jetzt über den Ursprung
der albanischen Flexionsformen festgestellt ist. In den Arbeiten von
Bopp, G. Meyer, Meyer-Lübke u. a. ist immerhin das eine oder andere
morphologische Problem behandelt. Gelegentlich nimmt auch der Ver-
fasser den Anlauf zu einer neuen Erklärung (so z. B. § 72, Schluß), aber
vom Prinzip der Analogiebildung, das auch im albanischen Formensystem
oft zutage liegt, macht Pekmezi doch nur einen ganz spärlichen Gebrauch:
man könnte dadurch manche Form verständlich machen, so z. B. wenn
16 Lambertz Lehr- und Lesebuch des Albanischen.
S. 172 über die Imperativformen epni und ipni, mirni und mimi oder
S. 180 ff. über die Aoristbildung auf -ta gehandelt wird. Bei der Behand-
lung des sogenannten Admirativus (S. 197 f.) hätte ich endlich eine etwas
ausführlichere syntaktische Beschreibung gewünscht; das Partizipium
fbamen und seine Konstruktion vermisse ich ganz (vgl. Pisko S. 59).
Dankenswert sind dagegen die Bemerkungen zur Wortbildung (S. 219 ff.),
in der freilich lebendige und längst erstorbene Suffixe (wie -t- in dtte)
nicht gelrennt werden, die Zusammenstellung der Präfixe (über die jüngst
Jokl manches gute gesagt hat) und die Zusammenstellung der charak-
teristischen Regeln der albanischen Komposition, die durch die Häufigkeit
von Bildungen wie jetegate 'Leben-lang' = 'langlebig', uh^krüß 'Weg-Kreuz'
= 'Kreuzweg' ein besonderes Gepräge hat.
Das reichhaltige Wörterverzeichnis am Schlüsse (S. 230—283) ist
nicht nur ein Wegweiser für die Benutzer der Grammatik, sondern gibt
außerdem einen ganz guten Überblick über den albanischen Wortschatz.
Unser Urleil über das Buch zusammenfassend dürfen wir sagen:
Pekmezis Grammatik ist eine wertvolle wissenschaftliche Darstellung des
Albanischen, die eine Grundlage für die weitere Erforschung bilden wird.
2. Die kleine Grammatik von Lambertz und Pekmezi ist wegen
ihrer praktischen Anlage sehr gut zur Einführung in das Albanische ge-
eignet. In den ersten zehn Lektionen wird zunächst eine ganz kurze
grammatische Übersicht mit albanischen und deutschen Übungssätzen
geboten unter Zugrundelegung des nordgegischen Dialekts "wie er von
den nordalbanischen Schriftstellern verwendet wird, die sich um Skutari
als geistiges Zentrum scharen" (S. 2). Der Dialekt ist nicht ganz identisch
mit dem von Pisko dargestellten Dialekt, denn die Verfasser behalten
z. B. die Schreibung des e bei, das in Skutari selbst nicht mehr gesprochen
und daher von Pisko völlig ignoriert wird. Es läßt sich nicht leugnen,
daß die Verwendung des e wenigstens in der Schrift für die Einprägung
und das Verständnis mancher Formen vorteilhaft ist. Die leidige Alphabet-
frage wird durch Annahme des auf dem nationalen Kongreß von Monastir
1908 beschlossenen 'Einheilsalphabets' entschieden ; ich halle gegen dieses
Alphabet nichts einzuwenden, wenn es nicht so seltsame Zeichen wie
f = tS, oder gar x{h) = dz [dz) hätte, und würde es schließlich hinnehmen,
wenn es wirklich das Einheitsalphabet wäre.
In Lektion 11 — 20 wird an der Hand eines zusammenhängenden
Textes (Geschichte des Skanderbeg) die Grammatik weiter ausgeführt,
darauf folgen weitere Lesestücke, die durch einen sprachlichen Kommentar
(bis Nr. 10) und ein am Schlüsse beigegebenes Glossar verständlich werden.
Sie sind teilweise im toskischen (auch italienischen) Albanisch abgefaßt;
über die Eigentümlichkeiten des Toskischen wird kurz S. 113 ff. orientiert.
Dieser Lesestoff gibt einen trefflichen Einblick in die jüngste Literatur-
bewegung der Albaner ; man begegnet nicht nur Dichtern wie Geg Postrippa
und Naim Be Fraäeri, sondern auch den Versuchen einer Kunstprosa.
Die Prosaliteratur, die zuerst meines Wissens von der oben genannten
Zeitschrift 'Albania' in bemerkenswerter Weise gepflegt wurde, ist gar
nicht so unerheblich, wie man bei dem 'literaturlosen* Volk annehmen
möchte. Ich vermisse unter den Autoren Faik Bey Konitsa, den Heraus-
geber jener Zeitschrift, der sich um die Ausbildung einer albanischen
Schriftsprache große Verdienste erworben hat.
Weigand Albanesische Grammatik im südgegischen Dialekt. 17
3. Einen gleichen praktischen Wert kann ich dem Buch von Weigand
nicht zuerkennen. Zwar enthält es auch Übungsstücke (mit deutscher
Übersetzung) und leichtere Texte (meist Märchen, leider ohne Glossar!), aber
die Tatsachen und Regeln treten nicht mit der einfachen Klarheit hervor,
wie das von einem 'praktischen' Lehrbuch erwartet werden muß. Seltsam
berührt die Bemerkung der Vorrede, daß es bis jetzt an einer praktischen
Grammatik gefehlt habe, als ob nicht die Grammatik von Pisko einem
solchen Bedürfnis für das Gegische durchaus genügte. Weiter aber er-
wartet man von einer praktischen Grammatik, daß sie eine Sprachform
zugrunde lege, die im Land selbst eine gewisse literarische Verwendung
findet, wie das Lambertz und Pekmezi (2) getan haben. Weigand stellt
den südgegischen Dialekt dar, "der das zwischen Elbassan, Durazzo,
Kroja, Dibra, Struga liegende Gebiet umfaßt", und wünscht diesem 'Dialekt
die ihm gebührende Stellung' zu verschaffen, obwohl er selbst betont,
daß dieser Dialekt vorläufig noch gar nicht fixiert ist. Mag auch die
Wahl des Südgegischen als der künftigen nationalen Schriftsprache durch
sprachliche Erwägungen nahegelegt sein (vgl. auch meine Bemerkungen
zu Pekmezis Grammatik oben S. 13 f.), so wird doch der Lernende gut tun,
sich an eine bereits literarisch verwendete Form des Albanischen zu
halten; denn ob einmal der Dialekt von Durazzo die offizielle Schrift-
sprache werden wird (ich halte es nicht gerade für wahrscheinlich), hängt
von der künftigen Entwicklung des jungen Staatswesens und der jungen
Literatur ab, und da kommt es weniger auf die Sprachwissenschaft als
auf die Macht der Tatsachen an.
Aber sehen wir von diesen praktischen Gesichtspunkten ab. so
muß anerkannt werden, daß Weigands Grammatik eine sehr erwünschte
Bereicherung unserer Kenntnis der albanischen Sprache bedeutet. Der
Verfasser beschreibt den Dialekt von Durazzo usw. auf Grund eigener
Beobachtung an Ort und Stelle, wobei er die talkräftige Unterstützung
gebildeter Einwohner fand. Wie weit die Beobachtungen richtig sind,
kann ich nicht nachprüfen, habe aber auch keinen Grund daran zu
zweifeln. Für Phonetik, Wortbildung und Syntax ergibt sich wohl der
größte Gewinn — das let7.te Kapitel ist ohnehin in den bisherigen Gram-
maliken stiefmütterlich behandelt. In der Transkriptionsfrage schließt sich
Weigand im Ganzen an das Alphabet der Gesellschaft Baskim (s. oben
S. 14) an, hält sich aber fern von so merkwürdigen Vorschlägen wie q = /c
oder gar x = z (vgl. auch das oben gesagte). Da die Albaner selbst noch
gar nicht einig sind (und es wohl noch lange nicht sein werden), so wäre
es doch vorläufig am besten, wenn die Verfasser von albanischen Gram-
matiken sich im Ganzen an die Transkription von G. Meyer hielten —
zum Nutzen der Sache, wie das Pisko und Pekmezi (1) getan haben.
Mit sprachwissenschaftlichen Erläuterungen hält der Verfasser zu-
rück, soweit sie nicht für das Verständnis einer Regel nützlich sind.
Nicht immer kann ich jene für richtig halten, so wenn der Genetiv des
Personalpronomens i ati als ein ursprüngUcher Dativ erklärt wird (S. 62) ;
ati ist doch vielmehr ein richtiger Genetiv, der wie der neugriechische
Genetiv auch als Dativ verwendet wird. Endlich muß noch ein bedenk-
licher Lapsus ganz anderer Art moniert werden, der zeigt, daß der Ver-
fasser mit der (alt)griechischen Sprache auf etwas gespanntem Fuß steht :
Weigand spricht stets (z. B. 111 ff.) von 'Anomalia'. Wie denkt sich eigent-
lich der Verfasser den Singular zu diesem griechischen Worte? Ja, mit
Anzeiger XXXIII. 2
18 Schneider De verbi in lingua latina collocatione.
der Kenntnis des Griechischen geht es wirklich sehr bergab, wenn sogar
Dozenten der Philologie solche elementare Fehler in Lehrbüchern
drucken lassen.
Straßburg. Albert Thumb.
Schneider N. De verbi in lingua latina collocatione. Adhibiti sunt in
quaestionem praeter Caesaris de hello Gallico et de hello civili commen-
tarios A. Hirtii de hello Gallico et anonymi de hello Alexandrino com-
mentarius. Diss. Münster 1912. — 108 S.
Diese Schrift gehört sicher zum Anregendsten und insofern auch
trotz mancher Mängel im einzelnen zum Erfreulichsten, was über latei-
nische Wortstellung geschrieben ist. In flüssigem, eleganten Latein und
lebendiger Darstellung wird die Stellung des Verhums in vielseitiger —
manchmal zu vielseitiger — Weise und mit gelegentlich treffender Be-
obachtung erörtert. Eine Menge von Problemen werden gestreift, seltener
freilich auf ihren letzten Kern untersucht. Ausdrücklich bezeichnet der
Verfasser sein Verfahren als Induktion ; eine restlose Beantwortung der
Fragen gedenkt er nicht zu geben ('quod haec ipsa materia penitus exhauriri
omnino non potest'). Nicht ganz folgerichtig scheint es mir, wenn der
Verfasser seine induktiv gewonnenen Gesetze dann doch zu den obersten
Prinzipien der Sprachgestaltung, wie sie von anderen auf deduktivem Weg
festgelegt sind, in eine keineswegs immer als notwendig einleuchtende
Beziehung zu bringen sucht. In den allgemeinen psychologischen und
phonetischen Erörterungen liegt denn auch unverkennbar die Schwäche
des Werkes ; hier wäre größere Selbständigkeit, besonders in der metho-
dischen Verallgemeinerung der oft recht guten eigenen Beobachtungen,
zu wünschen gewesen. So stehen denn verschiedenartige psychologische
Grundanschauungen unvermittelt nebeneinander, und die eigene Ansicht
des Verfassers wird durch die Auseinandersetzung mit den verschiedensten
Standpunkten mehr verwischt als geklärt. Daß die Motive der Wortstel-
lung gelegentlich (S. 47) ins 'Unterbewußtsein' verschoben werden, spricht
nicht für besondere Vertrautheit mit der psychologischen Terminologie.
Es ist um des vielen Guten willen, was die Arbeit bringt, bedauer-
lich, daß der Verfasser die Nachprüfung seiner Ergebnisse durch einen
doppelten Fehler fast unmöglich gemacht hat. Man erwartet nämlich,
die Beispiele würden jeweils so gewählt, daß für sie keine andere als
die gerade in Rede stehende Erklärung in Betracht kommen könnte, was
bei dem Umfang des Materials doch sicher möglich gewesen wäre; das
ist nicht der Fall, und sehr häufig könnte die Glaubwürdigkeil der Analyse
auf Grund der in andern Kapiteln aufgestellten Erklärungsprinzipien ange-
fochten werden. Schlimmer noch als diese Willkürlichkeit der Auswahl
ist, daß jeweils nur wenige Stellen ausgeschrieben und dann nicht etwa
die übrigen mit Buch- und Kapitelzahl aufgeführt werden, sondern nur
die ungefähre Anzahl der dem Verfasser vorliegenden analogen Beispiele
angegeben wird. Eine vollständige Angabe der Belege würde den Umfang
des Buches um wenige Texlseiten vermehrt, seinen Wert aber außer-
ordentlich gehoben haben, da es an derartigen Sammlungen völlig fehlt.
Statistiken ohne Kontrollmöglichkeit sind, solange die Prinzipien noch nicht
einwandfrei feststehen, wertlos.
Schneider De verbi in lingua latina collocatione. 19
Auch sonst lassen sich gegen die Methode des Buches Bedenken
geltend machen, die durch die Sicherheit, mit der die Ergebnisse vor-
getragen werden, nicht zu zerstreuen sind. Gerade ein induktives Ver-
fahren bedarf sorgfältigster Berücksichtigimg aller etwa für die Erklärung
in Betracht kommender Einzelfaktoren; hier vermißt man Wesenthches,
nicht einmal die — längst erkannte — Sonderstellung der Nebensätze
ist zu ihrem Becht gekommen. Selten findet sich Scheidung nach Bedeu-
tungsklassen, Tempora, Aktionsarten ; das bleibt alles in Ansätzen stecken.
An Versehen im einzelnen fehlt es nicht. Die §-Überschriften findet
man z. T. erst im Register. Einiges inhaltlich Verfehlte möchte ich ver-
merken. § 8, S. 34. Gall. 6, 30, 2 magnae ftiit fortunae omtii militari
instrumento . . . erepto . . . ipsum effugere mot-tem. Hier soll dasVerbum
effugere enklitisch an ipsum angelehnt, also schwachbetont sein. Gerade-
sogut kann man ihm den Hauptakzent des Satzes vindizieren. — S. 39
wird das Verschmelzen der korrelativen Demonstrative mit der relativen
(nach dem Muster sowie, sicut) in eine ganz imverständliche Parallele
gebracht mit Verbindungen wie sed cum, et quoniam. — S. 4:1 wird die
Stellung der verba dicendi und sentiendi innerhalb der von ihnen abhängigen
Konstruktionen treffend mit der der 'Schaltesätze' wie inquit, credo ver-
glichen: aber unter den Beispielen tauchen plötzlich Verben wie coadus
est, consuecit auf, denen doch ganz gewiß keine Schaltesätze an die Seite
gestellt werden können. — S. 35. Das Verbum geht voran, wenn es die
Wirkung einer vorhergenannten Ursache bezeichnet; darunter Gall. 1, 18, 2
quaerit ex solo ea, qiiae in conventu dixerat. dicit liberius atque audacius,
wo eben die Adverbien, nicht dasVerbum den Ausdruck der Folge enthalten.
Es müßte also, wäre das Erklärungsprinzip durchzuführen, 7. d. atque aud.'
heißen. Das Asyndeton, das doch der Wortstellung geradezu die syntak-
tische Funktion der fehlenden Verbindungspartikel aufnötigt, ist hier wie
durchgehend unbeachtet geblieben, wohl die schlimmste Unterlassung der
Arbeit. — S. 72/73 werden Sätze wie cum iam defenderet nemo in Gleichung
gesetzt mit solchen wie neque . . . repertus est quisquam, obwohl im einen
Fall die Negation selbst, im anderen nur eine negationsverstärkende
Partikel die 'abnorme' Stellung einnimmt. — S. 74 : daß die von Eigen-
namen abgeleiteten Adjektive tatsächlich, von formelhaften Verbindungen
abgesehen, nicht 'post substantivum plerumque inveniuntur', hätte der
Verfasser den im 10. Kapitel meiner IF. 29, 1 ff. veröffentlichten Abhand-
lung enthaltenen Zusammenstellungen entnehmen können. — S. 93 ist der
Begriff Epexegese nicht scharf erfaßt ; sie liegt wirkhch vor in civ. 3, 99, 2
sie enim Caesar existimabat, eo proelio excellentissimam viiiutem Crastini
fuisse, was aber Gall. 1,37,7 coactos esse . . . obstring er e'^sese hier zu tun
haben soll, ist unerfindlich. — Durch Druckversehen ist S. 64, Z. 10
unverständlich geworden.
Die Schrift zerfällt in folgende Hauptteile : enklitische Stellung des
Verbums ; AnfangssteUung (gedeckte Anfangsstellung § 34) ; Verdrängung
des Verbums aus der Endstellung durch unbetonte und durch starkbetonte
Satzteile ; Stellung der Adverbialien hinter dem Verbum. Es folgen dann
noch kleinere Abschnitte, nur die Stellungsverschiebungen aus Gründen
der Deutlichkeit (§ 48 — 56) nehmen einen größeren Raum ein.
Das Prinzip der enklitischen Stellung des Verbs formuliert Schneider
dahin, daß das schwachbetonte Verbum die Neigung zeigt, sich dem ton-
stärkslen Wort des Satzes anzuschließen, wodurch gelegentlich syntaktisch
20 Schneider De verbi in lingua latina collocatione.
Zusammengehöriges auseinandergerissen wird. Treffend lehnt er dabei,
neben anderen älteren Ansichten, den Versuch ab, mit dem Ausdruck
'Hyperbaton' den Sinn einer Erklärung dieser Tatsache zu verbinden. Ich
glaube indes auch dem Prinzip des Verfassers nicht ganz die Tragweite
zusprechen zu können, die er ihm vindiziert. Er hat es nämlich, offenbar
von der Voraussetzung ausgehend, daß der Satz als Ganzes von vorn-
herein konzipiert sei und die Modifikationen der Wortstellung demnach
als nachträgliche, auf gewissermaßen mechanischem Gesetze beruhende
Verschiebungen aufzufassen seien, unterlassen im einzelnen Fall zu fragen,
ob das Verbum nicht der ursprünglichen Konzeption nach vielleicht wirk-
lich am Satzschluß stand und das Folgende demnach als nachträglicher
korrektiver Zusatz gedeutet werden könnte; was mir gleich bei den erst-
genannten Beispielen — Gall. 5, 44, 8 casus . . . dextram moratur [manum]
und Hirt. Gall. 8, 13,1 proelia . . ., quae ad vada transitusque fiebant [paludis]
— durchaus das Wahrscheinlichere dünkt. In anderen Fällen ließe sich
das schließende Glied als Träger einer Nebenmitteilung fassen, die dem
inhaltlich schon abgeschlossenen Satz nachträglich grammatisch einver-
leibt wurde. Einer richtigen Würdigung der Korreklurerscheinungen —
sie werden später kurz abgehandelt — stand wohl, neben der von der
gewählten Bezeichnung 'traiectio' ausgehenden Suggestion, hauptsächlich
die Wundtsche Anschauung im Weg, daß der Satz als Ausdruck einer
ursprünglich einheitlichen und geschlossenen Gesamtvorstellung aufzu-
fassen sei und sich also in allem Wesentlichen des Aufbaus als durch
die statische Struktur jener bedingt erweisen lassen müsse. Nach Abzug
der als Korrekturen erklärbaren Stellen würde das Material des Verfassers
erheblich zusammenschmelzen. Doch verdient seine These auf jeden
Fall aufmerksame Verfolgung. Freilich darf sich eine Untersuchung dieser
Art dann nicht auf das Verhältnis von zwei oder drei Satzteilen be-
schränken, sie muß in jedem Fall jeden einzelnen Teil des Satzes auf
seine innere und syntaktische Beziehung zum Verbum, auf seinen Mit-
teilungs-, Anschauungs-, Expositions- und Orientierungswert prüfen.
In seiner Auffassung vom Verhältnis des rhetorischen und psycho-
logischen Moments kann ich dem Verfasser nicht ganz beistimmen. Man
muß m. E. mit Ausdrücken wie 'natürliche' Wortstellung sehr vorsichtig
sein. Das Rhetorische kann in der Natur des einzelnen Schriftstellers
begründet oder ihm durch Gewöhnung zur 'zweiten Natur' geworden sein ;
es kann andererseits gerade im Affekt den unmittelbarsten Ausdruck echter
Empfindung darstellen. 'Künstlich' sind die Figuren der Rhetorik nicht
an sich, sie wirken nur künstlich und unwahr, wo sie gewohnheitsmäßig
auch gegen den 'Stil des y^voc und ohne dessen seelische Voraussetzungen
angewandt werden. Die rein logische Abfolge der Redeteile kann jeden-
falls auch keinen Anspruch darauf machen als die natürlichste zu gelten ;
gerade in der ungezwungenen Rede passieren die sonderbarsten Worl-
verschränkungen, die man, wo sie literarisch auftreten, dann leicht als
unnatürlich zu bezeichnen geneigt ist.
Im zweiten Abschnitt behandelt Schneider die Anfangsstellung des
Verbs. Jespersens Termini 'Gegendruck' und 'Neuheilsdruck' werden rezi-
piert, doch nicht ohne auf die enge innere Verwandtschaft hinzuweisen
('cum ipsum novum notiori et solito sempcr contrarium sit' S. 45). Be-
achtenswert scheint mir die Beobachtung, daß in Satzverbindungen wie
Gall. 7, 4, 2 sq. expeltitur ex oppido Oergovia ; non dtttitit tarnen — der
Windisch Das keltische Britannien bis zu Kaiser Arthur. 21
Gegensatz durch die Voranstellung des Verbums 'exp.' vorbereitet ist. —
S. 55 Anfangsstellung der Verba 'quae proxime res praecedentes excipiunt'.
Meist steht (S. 56) das Verbum im Praesens historicum ; das eine vom Ver-
fasser angeführte Gegenbeispiel im Perfekt Gall. ■!■, 34, 4 secutae sunt . . .
tetnpestates gehört mit Rücksicht auf das in seiner Bedeutung liegende
Beziehungsmoment in eine andere Kategorie.
Allzu rationaüstisch scheint mir das Argument, mit dem der Ver-
fasser im Anschluß an H. Weil die Anfangsstellung des Verbums z. B. im
Märchenanfang 'es war einmal . . .' zu rechtfertigen sucht : ''verbum seil,
substantivum vel auxiliare, cum multo universiorem habeat notionem,
multo aptius est ad illam 'expositionem'". Gerade der von Ph. Wegener
übernommene Ausdruck müßte auf das Irrige der Anschauung hinleiten.
Das 'es war Einmal . . .' des Märchens soll durch das Tempus des Verbums
unsern Blick von der Gegenwart abziehen und auf eine ferne Vergangenheit
hinlenken, der Mangel an anschaulichen, d. h. eben exponierenden
Werten kann höchstens als Spannungsmoment gewertet werden. — Im
ganzen möchte ich diesen Abschnitt als den gelungensten bezeichnen.
Aus den übrigen Teilen der Arbeit will ich nur Einzelheiten heraus-
greifen. S. 67 : Endstellung von se, sese im Anschluß an das Verbum im
B. Gall. nicht nachzuweisen, wohl aber in dem stiüstisch lässigeren B. civ.
S. 68 Endstellung des — bereits vorher erwähnten — Namens Caesar
civ. 2, 32. 5 : 'hunc locum non minus facile intellegeres, si omnino deesset
nomen Caesaris'. Hierzu mag man meine Ausführungen a. a. 0. S. 23
vergleichen. — Die enge Verbindung des Verbums mit voraufgehendem
Objekt in Fällen wie legatos miitunt auxUium petitum ist S. 90 ver-
merkt, aber nicht gebührend gewürdigt. — Trefflich ist die Bemerkung
(S. 91) 'apud Caesarem ipsas causas et rationes multo magis expressas
et servatas esse ; apud Hirtium et anonymum usu et consuetudine latius
interdum fines prolatos esse' ; das führt zu weittragenden Konsequenzen.
Gerade der kultivierteste Schriftsteller wird das feinste Gefühl dafür
haben, von welchem Punkte an die analogistische Übertragung von stil-
fremden Stellungstypen, die der lässigen Diktion eignet, die Durchsichtig-
keit des in der Wortstellung reflektierten Bildes der Vorstellungsbewegimg
gefährdet. Gegenstücke bietet die Alltagsrede in Menge. — S. 92 wird
über die Nachstellung der Infinitive gehandelt. Sehr ausgedehnte Kon-
struktionen folgen dem Verbum nach, gelegentlich aber auch solche 'quae
ante verbum collocatae haud ita magnam difficultatem praeberent. Sed
in huiusmodi rebus, quae sensu disceptantur, certa ratio nunquam statui
poterit ; et similia in participii constructionibus eadem lege collocatis in-
veniuntur'. Ein geringer Trost: sollte nicht eher in beiden Fällen Anlaß
zum Zweifel gegeben sein? —
Eine Abhandlung gleichen Gegenstandes von Axel W. Ahlberg (de
lat. verbi finiti collocatione et accentu quaestiones, fran Filol. fören. Lund
1906) ist dem Verfasser leider entgangen.
Freiburg i. B. Hermann Ammann.
Windisch, E, Das keltische Britannien bis zu Kaiser Arthur. Leipzig,
Teubner. 1912. 301 S. 8". (Abhandlungen der philol.-hist. Klasse der
k. Sachs. Ges. d. Wiss. Bd. 29, Nr. 6). 9 M.
Bien que cet ouvrage soit avant tout destine aux philologues et
aux historiens du moyen äge celtique, les linguistes peuvent en tirer
22 Windisch Das keltische Britannien bis zu Kaiser Arthur.
aussi plus d'un enseignement precieux. L'auteur s'est propos6 d'y donner
un exposö, ample et approfondi ä la fois, des questions qui se rattachent
aux legendes brittoniques et notamment k la 16gende d'Arlhur. C'est
Arthur qui forme le centre de l'ouvrage, et qui le domine. Mais avant
d'aborder le heros lui-m6me, l'auteur r^sume ce que nous savons des
Bretons depuis les origines, de leur histoire, de leurs moeurs, de leurs
croyances. Et d'autre part, il a groupe autour d'Arthur ses comparses
et ses acolytes, Gwalchmai, Gereint, Owein, Kei, et d'une fa^on generale
tous les personnages qui rentrent dans le cycle d'Arthur, y compris les
h6ros du Graal et Tristan. C'est, comme on le voit, un trös vaste sujet,
et qui touche ä la linguistique par plus d'un point. Tout celtiste qui ne
limite pas l'ötude du langage k la determination des sons et des formes
grammaticales, tout linguiste qui se soucie des 'Realien' et cherche
derri^re les mots les idees qu'ils reprösentent doit savoir gre ä M. Windisch
de fournir une orientation precise au milieu d'un dedale de textes, de
thöories et de faits.
Les Premiers chapitres intöresseront surtout ceux qui se mölent
de disserter sur les origines celtiques. Dans quelle mesure ces origines
nous sont revel6es par les noms propres, c'est ce qu'il etait hon une
fois de pröciser. Bien des historiens sont portes ä faire cette mesure
trop large et ä bätir sur de vagues ressemblances de formes des theories
aventureuses. A ceux-lä, M. Windisch donne une le<;on de methode : il
faut voir avec quelque prudence scrupuleuse il apprecie les etymologies
onomastiques, avec quelle juste severitö il traite les fantaisies mytholo-
giques. Certains celtistes, mfime des plus illustres, sortent de ses dis-
cussions un peu malmenös; c'est une excellente lepon pour les aulres,
qui n'ont pas l'excuse de l'äge ni la consideration des Services rendus.
Les chapitres qui sont specialement consacrös ä la legende
arthurienne contiennent (ja et lä quelques discussions sur les textes:
plus d'un passage obscur ou conteste s'y trouve interpr6t6 de main de
maitre, et par suite le sens de plus d'un mot y est precis6. C'est encore
du hon travail linguistique, tel que pouvait l'entreprendre M. Windisch,
qui connait si bien la langue de l'^pop^e irlandaise, et avait ainsi k sa
disposition de nombreux points de comparaison.
Un chapitre tout enlier est consacr6 k la langue (p. 238 — 250j; il
merite d'etre signal6 ici particuli^rement. A vrai dire, sous le nom de
langue, l'auteur n'entend parier que du vocabulaire; mais juslement le
vocabulaire des r6cits gallois du moyen äge offre un grand int6ret. On
y retrouve, refletöes comme dans un miroir, toutes les influences qui ont
agi sur la civilisation galloise et qui ont contribu6 ä former la litt^rature
arthurienne. Le fran^ais d'abord; non pas celui de Crestien et de B6roul,
mais celui des barons normands installes dans le Pays de Galles k la
suite de la conqu6te, et qui y inlroduisaient avec leur langue des id6es,
des habitudes et des modes fran^aises. Ce n'esl guiire par des raisons
litt6raires que s'expliquent les emprunts au fran9ais; il y a plus encore
de raisons politiques et sociales qui expliquent cette invasion de mots
fran^ais en gallois. Cette question sera sans doute traitöe densemble
un jour prochain. Pour le moment, M. Windisch a bien raison de rappeler
la thöorie qu'il a donn6e naguöre des 'Mischsprachen'; eile est ici tout
k fait k sa place et trouve dans l'histoire du moyen gallois une brillante
conflrmation. Aprös l'influence fran^aise, il faut faire une place k l'in-
Pedersen Vergleichende Grammatik der keltischen Sprachen. 23
fluence anglaise et ä l'influenee danoise, sans parier de l'influence irlan-
daise, plus delicate souvent ä determiner, mais cependant indeniable et
manifeste en quelques beaux exemples. Sans doute, c'est du point de
vue litteraire et pour expliquer la formation des recits gallois que
M. Windisch aborde ainsi Tetude du vocabulaire; mais les resultats qu'il
6tabht ont un interet general. Ce n'est pas le moindre merite de ce
bei ouvrage que de fournir, outre un expose philologique aussi varie
que solide, des aperQUS linguistiques d'une reelle portee.
Paris. J- Vendryes.
Pedersen H. Vergleichende Grammatik der keltischen Sprachen. 2. Band.
Bedeutungslehre (Wortlehre). Göttingen, Yandenhoeck & Ruprecht
1913. 842 S. S-». 23 M.
In diesem zweiten Band *) führt Pedersen sein großes Werk zu
Ende, indem er die Stammbildung, Flexion und Satzbildung aller keltischen
Dialekte behandelt, die syntaktischen Teile an die einzelnen Wort- und
Flexionsformen anknüpfend. Auch hier tritt überall seine ausgezeichnete
Beherrschung des Stoffes, die Schärfe seiner Interpretation und die Reich-
haltigkeit seiner Sammlungen zutage. Z. B. von allen Wörtern und Formen
der Würzburger Glossen scheint er ein so vollständiges Verzeichnis zu
besitzen, daß man wünschen möchte, es veröffentlicht und der Keltologie
allgemein zugänglich gemacht zu sehen, zumal Ascoli die Partikeln usw.
meist weggelassen hat. Auf der andern Seite findet man auch in diesem
Bande wieder eine Kühnheit der Erklärung, die mir die Grenzen des
bei so spät überlieferten Sprachen Erklärbaren gänzlich zu verkennen
scheint. Fast nichts bleibt unerklärt; überall stellt sich irgend eine Hypo-
these ein. So begegnet es z. B. Pedersen (S. 379f.) den Umlaut der kymr.
3. Sing, edwi/n 'er kennt' aus der Einmischung der urindogermanischen
Medialendung (ai. jajne) ins Aktiv zu erklären, die unterstützt worden
sein soll durch den angeblichen alten Aorist *b}ii[t 'er schlug' — der
ir. Plur. beotar weist für bi vielmehr auf eine Grundform *biue (Handb.
§ 694 c) — , während jetzt Morris Jones (Welsh Gr., S. 355) zeigt, daß
edwyn eine ganz späte Analogiebildung für älteres adwaen, atwen ist.
Nun, hier hat sich Pedersen wenigstens durch ein 'vielleicht' salviert;
aber anderwärts treten ganz ebenso luftige oder noch luftigere Hypothesen
völlig zuversichtlich auf. Das macht den großen Unterschied seiner Gram-
matik von der Grammatica Celtica aus; bei dieser trat die Erklärung
ganz hinter die Darstellung des tatsächlichen Sprachbaus zurück, bei
Pedersen drängt sich die Theorie in den Vordergrund. Daß ihm dabei
auch manches Einleuchtende eingefallen ist und daß er auch nach dieser
Richtung Gutes und Neues bringt, brauche ich kaum zu bemerken; ich
verweise etwa auf die Gleichstellung des Suffixes von kymr. cardotai
'Bettler' mit dem von ir. scelaige 'Erzähler' (das also bessere Schreibung
ist als scelaide), wodurch die abgeleiteten Verben (mit ir. -ag-) Anschluß
erhalten (S. 23), oder auf die interessante Beobachtung über die Stellung
der Nebensätze in dreisätzigen Perioden (S. 240).
Pedersen hat in der Besprechung meines Handbuchs des Altiri-
schen*) eine Art Parallele zwischen unseren zwei Werken gezogen. Das
1) Zum 1. Band vgl. IF. Anz. 26, 24; 27, 13.
2) GGA. 1912, S. 19 ff.
24 Pedersen Vergleichende Grammatik der keltischen Sprachen.
möchte ich andern überlassen, auch hier nicht auf theoretische Einzel-
heiten dieser Rezension eingehen, obschon sie einiges genauer formu-
liert als Pedersens 1. Band, sondern nur zu einem Punkt etwas Positives
nachtragen. Auf Grund der von Bergin und mir aufgestellten Theorie
über die altirische Konsonantenfärbung habe ich (Handb. § 157) ausge-
sagt, der Stamm von orcun 'Töten' Gen. oircne Akk. orcuin orcain müsse
zwischen c (= g) und n einen hellen Vokal enthalten haben (im Gegen-
satz etwa zu fedan, fednae), während Pedersen 1, 348; 2, 56 (vgl. a.a. 0. 43)
*orgonä ansetzt. Eine erwünschte Bestätigung erhält nun unser Ansatz
durch den leider früher von mir übersehenen Namen eines kalabrischen
Volksstamms, den Mela Orgenomesqui, Plinius Orgenomescy {Orgcnomes.
auch inschriftlich) und deren Stadt Ptplemäus ApYevöiaecKov nennt
(Holder s. v.). Es sind 'die sich am Totschlag Berauschenden', Ich halte
überhaupt meine Färbungsregeln, soweit ich sie nicht selber als zweifel-
haft bezeichnet habe, in den Grundzügen noch für zutreffend ').
Daß anderseits Pedersen verschiedentlich richtiger oder genauer
als ich gesehen hat, und daß ich seinem Buch auch fürs Altirische
manche Belehrung verdanke, erkenne ich gerne an; und es ist selbst-
verständlich, daß, wer sich mit altirischer Grammatik beschäftigt, unsere
beiden Werke wird beiziehen müssen. Die Wahrheit liegt manchmal auf
1) Handb. § 163 enthält allerdings, anlautendes sm- sp- im Neu-
irischen betreffend, einen Lapsus, den Pedersen a. a. 0., S. 44, mit Recht
rügt. Dagegen besteht zwischen S. 105 und S. 95 meines Handbuchs
der Widerspruch nicht, den Pedersen, S. 37 A. 1, zu konstatieren glaubt.
Ich spreche S. 105 ausdrücklich von Konsonanten, 'die nach § 165 um-
gefärbt sind', also von Wörtern, die archaisch noch mit e erscheinen
(wie Mumen : Muman). In orcun usw. dürfte die Verdumpfung des Vokals
bedeutend früher eingetreten sein, zu einer Zeit, als die «-Färbung der
Konsonanten noch völlig lebendig war.
In Bezug auf das t vor palatalisierten Konsonanten bemerke ich,
daß es sich bei dessen Bezeichnung als 'Gleitelaut' durchaus um keine
'Verwirrung' oder 'unwissenschaftliche Ausdrucksv/eise' oder 'pädagogische
Rücksichten' (Pedersen a.a.O., S. 38 f.) -gehandelt hat. Vielmehr halte ich
die Auffassung, die ich ja selber eine Zeitlang als einer der ersten ver-
treten habe, daß es von Anfang an nur zur Bezeichnung der Kon-
sonantenfärbung diente, für ungenügend und zweifle nicht daran, daß
beim Aufkommen dieser Schreibung das i ebenso einen hörbaren Laut
bezeichnete, wie das u vor «-farbigen Konsonanten — wo ja die Ver-
schleppung in F'ällen wie beura (Plur. zu biur) an der Lautung keinen
Zweifel aufkommen läßt — , und daß z. B. das Altirische darum nur die
Schreibung immaUe[i) 'zugleich' kennt im Gegensatz zu aile 'anderer* und
zu der mittelirisch nicht seltenen Schreibweise immaille, weil damals
das i noch einen Übergangslaut ausdrücken würde, der in diesem endbe-
tonlen Wort nie gehört worden ist. Ebenso halte ich a in menmae und
mir. fear für einen wirklichen Gleitelaut, der dann allmählich den eigent-
lichen Silbenvokal zum Teil völlig verdrängt hat. Ich kann natürlich
nicht behaupten, daß für jeden Schreiber die Buchstaben noch diese
Bedeutung hatten, wohl aber für die Begründer der Orthographie, die ja
zur Zeit unserer Glossen noch sehr jung war, wie das unsichere Schwanken
der archaischen Sprachdenkmäler zeigt.
Pedersen Vergleichende Grammatik der keltischen Sprachen. 25
der Mittellinie. Hatte ich z. B. § 249, 1 gelehrt, daß bei Abstrakten transi-
tiver Verben der Handelnde durch den Dativ mit do ausgedrückt wird,
und hatte ich als ein den Gegensatz zum Deutschen deutlich einprägendes
Beispiel a serc duit 'deine Liebe zu ihm' gebildet, so zeigt Pedersen
(S. 144), daß das Beispiel nicht gut gewählt war, indem bei sei-c vielmehr
die Präp. la steht (Wb. 23 a 27). Aber weniger richtig ist nun seine
Regel, daß überhaupt in solchen Fällen Ja verwendet werde. Die seither
erschienenen Sammlungen von Fräser (ZCP 8, 20 und 49) und von Baudis
(ebd. 9, 398 ff.) bestätigen, daß do durchaus das Gewöhnliche, la viel
seltener ist.
Auf die Einzelheiten, zustimmend oder ablehnend, einzugehen,
hieße eine zweite Grammatik schreiben. Ich begnüge mich, ein paar
Punkte herauszuheben, namentlich solche, die Tatsächliches betreffen,
komme aber auf das, was ich in der Besprechung des 1. Bandes bemerkt
habe, nicht zurück.
S. 20. Sollte kymr. dncs 'Türe', das sich mit ir. dorus lautlich nicht
wohl vereinigen läßt, nicht eher zu mir. drut, dniit 'Schließen', nir. druidim
'ich schließe' (aus *druzd-) gehören?
S. 28. nti(a)ide heißt nicht einfach 'neu', sondern glossiert nouellti»
Ml. 17 b 5, 18 d 5, also, der Bildung entsprechend, 'neuartig, frisch' (wie
marbd{a)e, beod{a)e zu ntarb, beo).
S. 38. Kymr. gweryd akorn. guei-et ist frz. gueret 'Brachfeld*
(ueruactum).
S. 40. Das britannische Partizipialsuffix -{e)tic (kymr. caredig etc.)
scheint mir aus dem Lateinischen {dediticius usw.) entlehnt. Das in der
Bedeutung meist abweichende ir. -thech erklärt sich aus der gewöhnlichen
Suffixkombination -it-aco-.
S. 49. Gegen ticut aus enklitischem ocut ist lautlich nichts einzu-
wenden.
S. 55. ten-lach 'Herd' scheint mir zu laigid 'liegt' zu gehören
('Feuerlager'), vgl. Cormac s. v.
S. 57. *de-didan erklärt weder Laute noch Bedeutung von ir. de-
thiden 'Sorge'.
S. 61. 62. Breton, linam 'lituram' scheint mir in der Bildung nicht mit
ir. Dat. Plur. lenomnaib zu identifizieren, da dessen Nominativ, nach togle-
namon SG. 95 a 7, 104 b 2 (toglenemon 78 b 1) zu schließen, als lenamon
mit anderm Mittelvokal anzusetzen ist (mir. lenmain). Sollten sich diese
altbretonischen Infinitive auf -om (douohinuam. meplaotn) nicht mit den
sonst isolierten kymrischen auf -u (S. 61) vereinigen lassen {meplaom =
meflhau), Grundform etwa: -umu- oder -omu-? Vgl. du 'schwarz' aus
*dubu- und gall. diuertomu, ociomu (für -mus?) Kai. von Coligny. —
Ir. Idnamain 'Ehepaar' (S. 62) ist doch wohl Kompositum Idn-emain
'volles Paar'.
S. 64, § 407, 1. Das zweite Beispiel: bü lia a mairb and andat
a tnbt ist nur ein Fehler von LU für ar mairb . . ar mbi (s. IT 261,
Hs. Egerton 93 ; ZCP 4, 155, Cod. Vossianus). Übrigens kommt masku-
lines Geschlecht des prädikativen Adjektivs bei völlig bestimmten Femi-
ninen vor: batar imtholtanaig na tnna IT 206, 12; fristnbat formdig
ardHgna ebd. 69, 19 (YBL).
S. 80 und 117. tüa{t)lnge, das sowohl bei singularischem wie
pluralischem Verb steht (w tualngi Dia IT 852, Medb ropo thüalnge Metr.
26 Pedersen Vergleichende Grammatik der keltischen Sprachen.
Dindsenchas III 868,41 gegen ammi tuailnge Wb. 17 b 5) wird als Plural des
Adjektivs <«a/aM^, jünger /Ma^am^r 'fähig, im stände' erklärt, eines angeblichen
Ä-Stammes, dessen Pluralform später singularisch gebraucht worden sei.
Diese ganze Konstruktion wird unnötig, wenn wir tua{ilnge einfach als
prädikativen Genetiv des femininen Abstraklums fassen (Handb. § 24r9, 3). —
Auch daß hinter tualang 'ein unflektierter Infinitiv' stehe (S. 80
und 415) ist ungenau ; das prädikative tüala{i)ng hat fakultativ, fhi und
adas immer den wirklichen Akkusativ hinter sich (Handb. § 251, 5;
K. Meyer, Hail Brigit, S. 21). Vgl. außer den dortigen Beispielen: is tua-
laing Dia sin 'Gott ist dessen fähig' ZCP 7, 306; am{al) nibimmis fiu
ni etir 'als wären wir gar nichts wert' Ml. 63 d 1 ; do thimpdn crida is
fiu mdin 'dein zinnernes Saiteninstrument ist einen Schatz wert' Imram
Brain 1, 39; fiu mor do maith Mcel-Fabaill 'M. F. ist viel Gutes wert'
Versl. I 54 = II 76, nidat fiu turcbdil, taccu, suas . . 'sie (meine Arme) sind
nicht wert, nein, erhoben zu werden . .' Otia Merseiana I 123 Str. 9 ;
ar niba tüalaing oirb 'denn er war des Erbes nicht fähig' LL 315 b 50.
S. 81. fagabar do feraib Herend tairismi comrama frim sa IT 100, 22
ist nur ein Fehler in LU für . . oinfer tairisme comrame . . (Hs. H).
S. 92. Die Deutung von fri-de{i) 'am Tage' aus angeblicher Enklise
ist mir sclion wegen der Länge des e (Meyer Contrib. s. v. 1. dia) un-
wahrscheinlich.
S. 106. Der Nom. Plur. sethir 'Schwestern' ist belegt F61. 30. Sept.
(Hdb. 2,98\ seithir Triads of Ireland 206—215, B&t Flur, sethraib F61.30.Aug.
S. 129. Die Angaben über die Zehnerzahlen sind irreführend, da
man sie nach Pedersens Worten als Feminina fassen müßte, zumal er
S. 134 unter den Beispielen dt chaicait 'zwei(mal) fünfzig' ohne irgend
eine Bemerkung druckt aus einer späten Glosse, die der Zeit angehört,
wo man dd und di nicht mehr unterschied. So ist z. B. Meillet MSL 17,
291 getäuscht worden, obschon in meinem Handb. § 388 (vgl. 323) deut-
lich steht, daß sie nur männlich sind. In den britannischen Dialekten
schließen die vor kymr. ugeint usw. multiplizierend tretenden Zahlwörter
wenigstens weibliches Geschlecht aus.
S. 138. 139. so als 'Augens der 1. Sing.* (vgl. so 'ich' § 516, 2)
kommt meines Wissens im Altirischen nicht vor.
S. 139. Bei der 1. und 2. Plur. fehlen die unverstärkten Formen
sni und sii (Wb. 25 a 3), obschon ein Beispiel für sni S. 237 angeführt ist.
S. 145. Die Beispiele für t für d als infigiertes Pronomen sind sehr
zweifelhafter Natur, das erste sicher falsch. In fo-d-era (zu fo-fera) hatte
d gewissermaßen die Funktion eines nominativischen Relativpronomens
angenommen (Handb. § 424). Es wurde nun auch beibehalten, wenn ein
anderes Pronomen hinzutrat, z. B. senta fo-m-d-era croan 'das Alter (ist's),
das mich zu einem Abscheu (?) macht' Otia Merseiana 1, 122, Str. 1, is
ed fu-d-d-era 'das ist es, das es bewirkt' Wb. 33 c 12 (keine 'jüngere
Schreibung' P., S. 146); diese letztere Form setzt sich im späteren
fotera fort. In dutfidedar (nicht -etar, wie Pedersen druckt) Thes. II 242, 13
steckt jedenfalls eine Verschreibung ; ich habe daher die Korrektur
dudfidetar mit Vertauschung der beiden auffallenden Dentalen vorgeschlagen
(Handb. § 411). Die selten mit Pronomen verbundenen Präverbien mi-
und remi- endlich werden sich an das ursprünglich konsonantisch aus-
lautende fri- (frit-, frita-) angeschlossen haben, so daß man doch t nicht
als Nebenform zu d bezeichnen kann.
Pedersen Vergleichende Grammatik der keltischen Sprachen. 27
S. 152. Was die Nebenformen von side usw. betrifft, so überzeugen
mich die von Pedersen zusammengestellten Belege für rfe, di von der Existenz
dieser gekürzten Gestalt, an der ich bei Abfassung meines Handbuchs
noch zweifelte. Aber in is he ae sis SG. 201 a 3 ist se Nebenform von
so, nicht von side, da dieses nicht mit sts verbunden werden kann. Das
ist dann auch für SG. ib 12 entscheidend.
S. 169. In cechtar nathar (cechtar ndr) zieht Pedersen das n- zu
cechtar, wodurch die Form dem Possessivpron. ar" ähnlicher wird. Doch
ist man dann gezwungen, cia nathar Gr. Gelt.* 1087 =^ Anecd. III 27, 18
als Analogiebildung zu fassen; und nathar scheint mir an sich leichter
zu erklären als athar, obschon Pedersen in diesem hypothesenreichen
Kapitel auch dafür einen Ausweg sieht.
S. 180. Die Beispiele von bloßem sin für gewöhnliches in.. sin
sind nicht überzeugend. Wb. 19 d 22 liegt die Besserung von far failte
sin in far failte si (Thes.) doch gar zu nahe. In SG. 191 a 2 scheint
mir der Thes. mit Recht ein Beispiel des selbständigen Adverbs sin 'hier'
zu sehen. So bleibt nur Ml. 40 d 16, wo ein Versehen des unsorgfältigen
Schreibers wegen des Genetivs {tri indlach) inna taltnan sehr ver-
ständlich ist.
S. 182. Für die Trennung von a" 'das, was' vom Verb des Relativ-
satzes, die ich Handb. II 24 für eine unirische Wortstellung gehalten habe,
bringt Pedersen zwei weitere Beispiele. Ich kann noch hinzufügen : an-di ecnce
ad-fet dö 'was von Weisheit ich ihm verkünde' Imr. Brain I 15 Str. 29;
an-do ligdath doadbat 'was von Farbenglanz er zeigt' Eriu II 11-i § 39.
S. 186. Daß sin jemals auf das Entferntere wiese, kann ich nicht
finden; es geht immer anaphorisch auf vorher Angedeutetes. Auch in
in tain sin 'zu jener Zeit' Wb. 3 c 14 ist die Zeit durch das lat. quae per
legem erant bestimmt. So ist Wb. 28 d 22 für in maic si mit dem Thes.
sin zu lesen — im Hinweis auf die vorher erwähnten nuiccu — , nicht mit
Pedersen st = se zu fassen. Näher liegt das auch bei a maith si Wb. 14b 6;
es fehlt beidemal nur der n-Strich.
S. 187. Von den beiden Formen a-tuaid und an-tuaid 'von Norden'
halte ich die zweite für die ursprünglichere. Denn nach c-an 'woher' zu
schließen, hatte die Präposition einst einen Vokal hinter n.
S. 189. Hier wird Zimmers Irrtum wiederholt, daß deseic für de
suidiu auf Süd-Irland weise. Aber nur auslautendes d, nicht altirisch in-
lautendes, wird dort zum gutturalen Verschlußlaut.
S. 207. 'Dem Gebrauch zum Trotz unterliegt es keinem Zweifel,
daß cid und cit dem Ursprung nach indikativisch sind'. Dieser Satz ist
von Pedersen offenbar nur seiner Erklärung zuUeb aufgestellt (vgl. S.423f.).
Meine Deutung von cith, cid und mad aus dem alten Konjunktiv *eseti
scheint mir immer noch die einfachste. Über den Gebrauch der Partikel
(tß nach cia und ma gibt Strachan Rev. Gelt. 21, 412 Genaueres als
Pedersen S. 208 und 220; es sollte also hier auf ihn verwiesen werden.
S. 217. besu Wb. 6b 23 relativisch zu übersetzen: 'welcher . . sein
mag' statt 'er ist vielleicht' hegt kein Grund vor. P. scheint sich auch
hier von seiner Erklärungshypothese leiten zu lassen.
S. 246. Hier kommt ein sonderbarer Angriff auf mich. Es wird mir
untergeschoben, ich betrachte jedes 7-u- für ro- als Beweis für prokhtische
Aussprache der Partikel, und ich werde von Pedersen belehrt, daß auch
betontes ro in gewissen Stellungen in ru übergehe. Letzteres ist natürUch
28 Pedersen Vergleichende Grammatik der keltischen Sprachen.
auch meine Lehre, und ich gebe Handb. §71 und 73, wo ich von der
Umfärbung von haupUonigem o zu u spreche, eigens Beispiele wie -rubad
aus ro-bith, asrubart aus -ro-bert, do rumalt aus -ro-melt (ferner 'rubai
§ 165). Es handelt sich also nur um ro in den Stellungen, die an sich
keinen solchen Klangwechsel erwarten lassen und jetzt aus Hessens Ab-
handlung ZCP 9, 1 IT. leicht herauszulesen sind. Ich kann mir Pedersens
Ausführungen nur daraus erklären, d.iß ihm die Tragweite von Slrachans
Untersuchungen (Trans. Phil. Soc. 1895 — 98, S. 184 ff.), obschon er sie
zitiert, nicht klar geworden ist. Seit dem 10. Jahrh. findet sich bekannt-
lich oft für ro an zweiter Stelle vor Konsonanien bloßes r mit folgender
Lenierung, z.B. im Saltair na Rann: dia-rchoisc, ni-rleicsetar usw.;
oder der Reim beweist Unbetontheit des ro : cond-ro-thallai : glannai usw.
(Strachan a. 0.; P., S. 24-7 f.). Um nun zu bestimmen, ob und wo schon
in altirischen Prosatexten solches ro den Hauptton nicht trug, ließ sich
Strachan — außer durch die Stellung infigierter Pronomen und den
Mangel des Schwundes von o (m) vor anlautendem Vokal — durch die
Beobachtung leiten, daß der Hauptschreiber von Wb. für o in unbe-
tonten Partikeln, die zwischen einer Konjunktion usw. und der be-
tonten Silbe stehen, also auf der schwächsten Betonungsstufe, meist u
schreibt : ma du gnether, ma nubbaitsem, ma rufesta, ma rudpredchisem,
ma nudfei, an-dugniat, an-dudesta, an-dumelatn, ar-rupridchad usw.,
während sonst vortonige da-, no-, ro- erscheinen (Strachan S. 176, vgl.
Handb. § 97). Daraus läßt sich nun mit voller Sicherheit schheßen, daß
nicht nur in ni-ruanus die Partikel ru den schwächsten Ton hat, was
schon durch den erhaltenen Vokal angezeigt wird (gegen Pedersen), sondern
auch in ni-ruthögaitsam, ir-rufollnastar, dia-ruchretsid si, ceta-rw
chreti (vor ehr wird betontes o nicht m) usw. usw., also in fast allen den
Fällen, die Pedersen auf ru betonen will. An der Hand dieser Beispiele läßt
sich dann auch in den anderen Texten, die jenen Vokalwechsel nicht
mehr befolgen, zeigen, daß solches ru für ro fast immer schwach betonte
Silbe anzeigt und so die Regeln gewinnen, die ich Handb. § 38 formuliert
habe. Daß trotzdem einige Fälle zweideutig sind, habe ich dort bemerkt
und mag vielleicht einmal eine Form unrichtig akzentuiert haben. Die
Lenierung hinter ro an zweiter Stelle beweist leider gar nichts — wie
Pedersen meint — , da sie sich sowohl hinler dem haupt- wie schwach-
tonigen ro findet. Daß haupttoniges ro- im Verbum jemals sein o vor
altem vokalischem Anlaut bewahre, ist Pedersen zu zeigen nicht gelungen ;
durch das Verhalten der Steigerungspartikel in ro-6lach, später ro-acairbe
usw. wird es natürlich nicht bewiesen.
S. 255. Ob na für sich allein schon altirisch 'so daß, auf daß' bedeuten
kann, scheint mir unsicher. Wb. 16a (8 und 9) steht über der latei-
nischen Zeile: c{on)nabiam ingorti usw., darunter .i.nabiam ingorti usw.,
sodaß man das zweite als einen Fehler oder eine Abkürzung ansehen
muß. Nachinrogba tiall 15 d 40 und na-imroimser 20c 4 kann man
als selbständige Sätze fassen. Freilich kommt in solchen auch ni vor:
ni-rohüa üait 'möge sie (die Gnade) dir nicht entgehen' 30a 10. was
ich Handb. § 852 hätte bemerken sollen. — In . . no ndbeth euit dait
IT 207, 12 ist besser 'nd = in-nd zu lesen.
S. 257. In in nl irr (siu) Ml. 77 a 10. 13. 15, das Pedersen richtig
'wirst du töten?' übersetzt (falsch Handb. § 854), möchte ich jetzt einfach
eine falsche Trennung des Kopisten für inn-Urr {aiu) annehmen ; U war
Pedersen Vergleichende Grammatik der keltischen Sprachen. 29
geschrieben, um die Lesung u zu verhindern, die hei dufiirr 126 d 1, sei
es beim Kopisten, sei es bei den Herausgebern, wirklich eingetreten ist.
S. 261. Pedersen hat recht, dem air. afe denselben adversativen
Sinn zuzuschreiben wie nate, während ich es, gemäß seinem späteren
Gebrauch, als Bekräftigungspartikel aufgeführt hatte (Handb. § 859, vgl.
IT II, 2, 190 A. 1 ; Rev. Cell. 3, 176, Z. 5 v. u.). Aber daß die Negationen
ohne n- 'ganz zweifellos' unursprünglich seien, kann nur bei acc, aicc
'nein' für älteres nacc, naicc als richtig gelten. Daß aco . i . nego H. 3. 18,
S. 80 (KB. VI 462) und das Kompositum tacco, taccu etymologisch zur
Negation gehören, ist mir unwahrscheinlich.
S. 271. Warum dessid aus de-en-s.. unregelmäßig sein soll, sehe
ich nicht, da die Präp. en -\- s- immer ess- ergibt : es7iid, es{s)air.
S. 299. 672. Pedersen will nicht anerkennen, daß die bisher als
od- angesetzte Präposition vor Vokalen als os(s)-. vortonig als as-, mit
infigiertem Pronomen als at- erscheint. Um od- zu retten, scheut er nicht
vor den künstlichsten Annahmen, z. B. daß in asoilgi 'öffnet', Abstr.
oslucud die Präpositionen umspringen {ess-od- und od-ess-, S. 563) ; oder
daß in atbobuid 'er wies zurück' (vgl. atroebaid Salt. n. R. 3997) das Kom-
positum mit ess- die Bedeutung von *od-bond- angenommen habe (S. 476).
Was er gegen die Annahme vorbringt, ist — außer dem nichtssagenden
Satze 'da die Zusammengehörigkeit mit skr. ud . . . keinem Zweifel unter-
liegt', der ja eben erst zu beweisen wäre — nur das in der Tat auffällige
einmalige oslucud Ml. 46 b 5 (S. 5641 neben häufigem tuas{s)ulcud (tuasolcud),
indem diese im Mittelirischen regelmäßige Metathese {Fedlimid aus Fedilmid,
cethracha aus cethorcha, dechnebar aus dechenbor, so auch tiiaslucud) den
Mailänder Glossen sonst noch fremd ist. Wenn man darin nicht einen Vor-
läufer der später allgemeinen Erscheinung anerkennen will (vgl. das ebenso
singulare berli Wb. 12d 4 für air. belre), so möchte ich am ehesten Einfluß
von leciud und seinen Komposita auf die Sprache oder auf den Schreiber
annehmen. Als entscheidend kann ich die Form jedenfalls nicht ansehen.
S. 340£f. Die Personalendungen. Pedersen glaubt nicht, daß
man, wie bisher geschehen, einige der Differenzen zwischen konjunkten
und absoluten Personalendungen auf den alten Unterschied der indoger-
manischen Sekundär- und Primärendungen zurückführen dürfe. Er setzt
z. B. für die 1. Plur. bermi eine 'verhältnismäßig junge Verschmelzung'
mit dem Personalpronomen : *berom ni voraus, worin in sonst unerhörter
Weise mn zu mm assimiliert worden wäre. Die 2. Plur. berihe führt er
dagegen auf eine 'uralte Verschmelzung' *bherete-wes zurück (also immer-
hin aus einer Zeit, wo kelt. -eu- nicht mehr zu -oji- wurde), eine Form,
die jedoch die britannischen Endungen auch nicht erklärt. Auf diese Kon-
struktionen, die für mich nichts Wahrscheinliches haben, würde ich dem in
dieser Rezension befolgten Grundsatz gemäß nicht eingehen, wenn ich nicht
an einer von Pedersen rekonstruierten Form weiterspinnen möchte. Aus
dem h, das im Mittelirischen sowohl hinter nt 'es ist nicht' als nach der
bloßen Negation ni vor Verben bei vokalischem Anlaut erscheint, habe
ich geschlossen, daß hier ein Konsonant vorhanden gewesen sein müsse
— Pedersen spricht dem h und der Geminierung von Konsonanten in
den Wb. -Glossen meines Erachtens mit Unrecht etymologischen Wert ab — ,
und da hinter tiach, naich 'daß nicht ist' wohl sicher die Form idg. -est
geschwunden ist, habe ich auch nt aus *nest entstehen lassen und ange-
nommen, weil für *tie8t vor einem Prädikat auch ohne Kopula *m/ gesagt
30 Pedersen Vergleichende Grammatik der keltischen Sprachen.
werden konnte, habe man auch vor Verben *ni und den Nachkommen
von *nest {ms) wechseln und schließlich das zweite siegen lassen. Von
*nis aus hätte sich das -s einesteils auf andere vokalisch auslautende
Präverbien (ro- no- do- usw.) übertragen und ebenso auf das positive
*essi (idg. *esti) 'ist' ; dieses *essi-s und der dadurch beeinflußte Plural
auf -nti-s erkläre, warum hinter air. is[8) und it das so eng verknüpfte
Prädikat niemals leniert wird (ZCP I, 6). Aus ganz anderen Gründen —
weil er in den konjunkten und absoluten Formen dieselben Endungen sieht —
kommt auch Pedersen zu einer 3. Sing, auf -tis; er läßt air. berid aus
*bheret is mit suffigiertem Subjektspronomen entstehen, dobeir aus *to-
is-bheret (S. 400 "). Gegen eine solche ideale Grundform 3. Sing. *bheretis
habe ich natürlich nach dem obigem nichts einzuwenden, mag man nun
*bhereti-s oder *bheret-is trennen, wohl aber gegen Pedersens Zurück-
führung der 3. Plur. berit auf *bheront ei, gegen die meiner Meinung nach
die mangelnde Lenierung nach it 'sie sind' spricht. Dagegen scheint mir,
daß die Annahme, -s habe sich von irgend einem beslimmten Ausgangspunkt
aus auf verschiedene Endungen der absoluten Flexion ausgebreitet, die
Gestalt mancher derselben gut erklären würde Der Unterschied der selt-
samen 1. Sing, biru vom konjunkten biur kann auf eine ältere Form
*berü-s {*bherö-s) gegen * berü weisen, ebenso im Subjunktiv bera gegen
'ber auf *beran-s gegen *'beran {*bheräm). Freunde einer kellischen
2. Sing, auf -ei {*bherei), zu denen ich einstweilen nicht gehöre, könnten
auch abs.*Äm [cani) gegen konj. bir so deuten. Und so öffnet sich vielleicht
endlich ein Weg zum Verständnis der 2. Plur. auf air. -the. Zur Zeit, als
lange Vokale im Auslaut schon gekürzt, aber vor -s noch lang waren,
standen in der 1. Sing. *berü und *berüs sich gegenüber; danach könnte
zu konjunktem * berete (= späterem berid) ein absolutes *beretes (= berthe)
gebildet werden. Ob das -s in letzter Linie pronominalen Ursprungs war
(etwa in Pedersens Weise) oder nicht, bliebe natürlich fraglich. Aber
ich möchte zum Schluß auf etwas hinweisen, was den wenigstens teil-
weise pronominalen Ursprung vielleicht wahrscheinlich macht ; ich meine
das bedeutungslose -t, das namentlich in den mitlelkymrischen Präverbien
ny-t, na-t, neu-t erscheint, und das Pedersen (S. 233. 424'f.), nach Gebrauch
und Laut unbefriedigend, auf die Verbalpartikel yd zurückführen will. Es
könnte ein mit t beginnendes Subjektspronomen, etwa idg. *tod, sein und
zu jener mit Dental anlautenden Klasse der infigierten Pronomen gehören,
die ich Handb. § 452 b besprochen habe und die Pedersen mir mit Unrecht
zu leugnen scheint. Wäre diese Erklärung richtig, so würde sie Pedersens
*to-i8-bheret einigermaßen stützen. Freilich ist dann sonderbar, daß sich
Spuren solcher Einschiebung von Subjektspronomen nur nach vokalisch
auslautenden Präverbien finden.
S. 346 ff. Bei den schwierigen Imperfektendungen macht Pedersen
die gute Bemerkung, daß sich drei unter ihnen auf aktive Endungen,
aber mit 'unleniertem' letztem Konsonanten zurückführen lassen, was
meines Erachtens auf Verdoppelung weist: 1. Sing, ir.-brit. auf -n [-nn)
aus *-o-n (idg. *-om\ 2. Sing, bret.-korn. -es, 1. Plur. ir. -'mit. Der Grund
dieser Erscheinung bleibt aber noch zu finden; Pedersens Ausführungen
befriedigen nicht.
S. 35H. Der britannische Subjunktiv. Vielleicht lassen sich
einige Schwierigkeiten dieser Bildung heben, wenn man einen starken
Einfluß des Verbs 'sein* annimmt. Ist dessen Subjunktiv eine Umformung
Pedersen Vergleichende Grammatik der keltischen Sprachen. 31
des alten Konjunktivs idg. *esö nach den Formen mit b eine Vermutung,
die zwar Pedersen (S. 419) 'überflüssig' nennt, die mir aber die best©
Grundlage für die Erklärung seiner Formen abzugeben scheint — , so
würde aus *b-esö-\-\x, das im Britannischen antrat, in der 1. Sing.
*Je(A)f]Li (woraus k^Tnr. bwyf), aber in den zahlreichen Komposita mit
Synkope *-bliT\k entstehen; dementsprechend 1. Plur. *behom.. und *-b'hom..,
3. *be{h)ont und -b'hont. Durch Vermischung beider Flexionen ergäbe
sich mkymr. -htct/f (z. ß. gwypwyf aus *gwyblucyf, carhwyf) und mbret.
-if (guillif^, im Plural mkymr. bom, bont (gicypom. gwypont; carhom, car-
hont), mbret. 1. guelhomp, körn. 3. gallons, um Pedersens Paradigmata
(S. 352) beizubehalten. Man müßte dann mit Pedersen die Endung -(Ä)a
der 3. Sing, in mkymr. carho mbret.- körn, gallo aus dem Einfluß des
Plurals erklären. Durch verschiedene Kreuzungen würden sich so die
meisten Formen des Präs. und Prät. Subj. deuten lassen.
S. 363. Bei der Erwähnung des neuirischen ed-Futurums vermisse
ich das Zitat von Bergin's eindringender Arbeit 'The Future Tense in
Modern Irish' Eriu 2, 36, der die Bildung aufgehellt hat.
S. 390. Pedersen meint, in Passivformen wie doformagar, doad-
badar usw. liege die Annahme einer analogischen Restitution für syn-
kopiertes *do- form gar usw. sehr nahe und dem vereinzelten, einmaligen
itnfolngar sei mehr Gewicht beizulegen als dem fünfmaligen invfolan-
gar. Dabei übersieht er, daß dieselben Verben in allen Formen, welche
Synkope erwarten lassen, diese auch zeigen, z. B. doförmgat, don-aidb-
dem, dun-aidbdet, duaidbdetar, dun-aidbditis, taidbdid, imfolngi usw.
Es wäre doch sehr auffallend, daß sie immer nur in der einen Form die
Restitution vorgenommen hätten, und ich kann keinen anderen Grund
für Pedersens Annahme finden, als daß sie ihm die Erklärung des
Passivs (durch Antritt des Reflexivums *se) erleichtert.
S. 405 (u. 387). Wenn sämtliche 3. Sing, des Deponens auf -ethar
-edar ausgehen, nur ein einziges Mal Wb. 31 c 10 reucreatur durch ca
armentar feid glossiert ist, so ist es doch ein starkes Stück, gerade in
diesem -tar die vereinzelt erhaltene lautgesetzliche Form zu sehen statt
eines einmaligen Versehens des Glossators oder Kopisten, der durch die
lateinische Endung -iur zu einer passivischen Form verführt wurde. Auch
hier scheint mir Pedersens Erklärungstendenz seine kritische Besonnen-
heit vergewaltigt zu haben.
S. 424. Ob man die Verbalpartikel mkymr. yd bret. ez ir. (t)d mit
Ebel-Pedersen mit ind. ihd 'hier' identifiziert oder mit hom. Ihi 'und' oder
ein Pronomen auf -d mit irgend einem Affix annimmt, hat keine besondere
Bedeutung, da Etymologien von Partikeln ja zum Unsichersten gehören.
Aber nicht zu billigen ist, wenn Pedersen zunächst den Gebrauch der
Partikel in den keltischen Dialekten sehr genau definiert, dann sie
aber zur Erklärung von Formen benutzt, die zu diesem Gebrauch gar
keine Beziehung haben. Mkymr. yttwyf (neben tcyf) 'ich bin' nkymr.
ydwyf (mit dem Hauptakzent auf y-I) mbret. edoff körn, esof soll nach
ihm die Partikel — man weiß nicht, weshalb — verdoppelt enthalten,
obschon sie überall da, wo man sie syntaktisch erwartet, noch einmal
davor erscheint (mkymr. yd-yttoed, mbret. ez edoff). Demgegenüber möchte
ich noch einmal auf meinen Handb. § 772 angedeuteten Erklärungs-
versuch hinweisen, obschon mir einstweilen die Verdoppelung des
Dentals im Mittelkymrischen nicht klar ist (mit Morris Jones S. 349 an
32 Pedersen Vergleichende Grammatik der keltischen Sprachen.
eine 3. Plur. *yd-hynt statt -ynt zu denken, fördert niclit). Im Übrigen lassen
sich die aktivische 2. Flur. ir. adib und mbret. edouch körn, esough mkymr.
*yttyu>ch, später ydywch ydych (in meinem Handb. ydwch verdruckt) auf
eine gemeinsame Grundform *ete-S}il (für *sete-sfit oder *este-sffT?) zurück-
führen, die neben der 1. Plur. mbret. omp körn, on kymr. ym (vgl. ir. ammt)
den Eindruck zu erwecken geeignet war, daß ed- usw. eine Art Präfix
sei. Danach konnte man teils ed-omp usw. in der 1. Plur. bilden, teils
umgekehrt die 2. Plur. zu ouch, ough, ywch kürzen; und das Präfix hat
sich dann durch das ganze Paradigma verbreitet. Aber die zuerst von
Strachan gemachte Beobachtung, daß im Mittelkymrischen die 3. Personen
ytt-iw, ytt-ynt für yw, ynt nur bei bestimmtem Subjekte gebraucht werden,
harmoniert aufs beste mit einer Erklärung, die die 2. und 1. Personen
als Ausgangspunkt betrachtet, da deren Subjekte von Natur immer be-
stimmt sind.
An die Darstellung und Besprechung der Konjugation schließt sich
ein alphabetisches Verzeichnis aller der — namenthch irischen — Verben,
deren Formen irgend eine Besonderheit zeigen, mit reichen Belegen. Das
ward dem Leser um so erwünschter sein, als Ascoli sein Glossar bekannt-
lich unvollendet hinterlassen, auch aus spätem Handschriften weit weniger
aufgenommen hat als Pedersen. Auch hier bin ich mit manchen Einzel-
heiten — Erklärungen oder Zuteilungen der Formen — nicht einver-
standen. Aber statt darauf einzugehen, glaube ich dem, der sich fürs alt-
irische Verb interessiert, besser zu dienen, wenn ich einige bemerkenswerte
Formen, die bei Pedersen und in meinem Handbuch niclit verzeichnet
oder sehr schwach belegt sind, zu den einzelnen Nummern hinzufüge.
§ 651 afameinn. Weitere Belege zugehöriger Formen s. Eriu 2, 67.
Ferner : afomensa dognithea 'möchtest du tun' Meyer Contrib. s. v. deimliu.
§ 652 ag-. Ein weiteres Beispiel des Futurums (S. 675) ist : eblaid
a samguboe 'sie werden die Totenklage um sie halten' Tain B. C. (ed.
Strachan-O'Keeffe) 3450. Vgl. auch ed. Windisch 5842.
§ 654 al-. Prät. 3. Sing, absolut alt IrT 138, 6, relat. altce ebd. 139, 6
= Zu ir. Hss., S. 37, Pass. abs. alte ZCP 8, 311, 17. Zum Abstraktum
vgl. mi-altar 'schlechte Erziehung' Anc. L., Gloss. s. v. mi-, das wolü die
ältere Form bewahrt ; auch diailtri ebd. S. 236. Altram ist nach den
Mustern saltram ZCP 6, 264, 13, artram Ml. 2d 10, 77 b 8 umgebildet
(anders Pedersen 2, 45).
§ 656 anag-. Wegen aingid und wegen gall. APOLLINI ANEXTIO-
MARO, Anectius, Anectio, ANEXTLVS (Holder I 153. 152, III 621) besser
als aneg- anzusetzen. Subj. 1. Sing, tnanin-adhnas Rev. Celt. 10, 82.
Prät. Pass. abs. anachtai-aide la C(^i]nculaind 'dieser wurde durch G. ge-
schützt' Tain B. C. (ed. Strachan-O'Keeffe) 2775.
§ 657 and-. Mit for-uss- 3. Sing, fofossndi Anecd. V 28, 12, fot-don-
osdd LL 123a 7, Prät. Plur. foruamaisiut IT III 1, 238, 110. Etymo-
logisch wohl zu griech. ÖYÖpaE, auch öyOpiutroc 'der mit dem leuchtenden
Blick oder Antlitz'; vielleicht ist auch gQxm.tandian tundjan 'anzünden*
(Fick 3* 154 f.) in t-and- zu zerlegen und ir. adandai gleichzusetzen mit
derselben Präpositionsform, die man in z-agen = ir. ad-dgathar annimmt
(Kluge 8. v. zag; Pedersen 2, 291).
§ 659 ba-. Fut. 2. Plur. bebt/ii Anecd. from Ir. Mss. III 69, 2. Das
Abslr. baath 'Sterben* ist zweisilbig Rev. Celt. 20, 170, 31, spricht also für
Pedersen Vergleichende Grammatik der keltischen Sprachen. 33
meine Wurzel bas-, die auch sonst die Formen am besten erklärt (vgl.
auch roman. basire 'sterben' Keltoroman. 83),
§ 660 Äa'tW-. Warum zweifelt Pedersen wohl an der Gleichstellung
mit ai. gähate 'taucht unter' griech. ßäcca ßncca, ßaGOc (ßeveoc hat
gewiß sekundären Ablaut a:ev)? Besser können Laut und Bedeutung
gar nicht stimmen.
§ 622. In aupaith epaid 'Zauber' weisen die Laute auf ad -\- buith.
§ 663 beg-. Präs. Pass. 3. Sing, in tan tathbongar O'Dav. 980 = in
tan do-n-athmongar Anc. L. V 506, 10, Prät. Pass. fo bith to' n-aidbecht
LU. 99 a 23.
§ 664 ben-. Präs. consuet. (s. Handb. § 592) : mo claideb derg tinbi cet
'mein rotes Schwert, das hundert zu schlagen pflegt' IT II 1, 185, 289
(gewöhnlich falsch als Prät. übersetzt, das aber ro erfordern würde). Fut.
1. Sing, coich biu-^ Tain B. C. (ed. Str.-O'K.) 3592, atabiu ZCP UI 216
§ 28, 3. Sing. rel. bias Tain B. C. (ed. Windisch) 3453.
§ 665 ber-. Die l.Sing. Imperat. Ätursa belegt E. Gwynn Metr. Dind-
senchas III 210, 18; Fut. 2. Sing, risa-tibre Rev. Gelt. 20, 12,20 (i. J.909);
Prät. 1. Sing, a-llaithi dond'm-biuH sa Tain B. C. (ed. Str.-0"K.) 3556,
2. Sing, atbirt ebd. 1755 ; 3. Sing. rel. berte Fianaigecht, S. 28. Auch das
unkomponierte ucc- kommt Imperativisch vor: uic, tuic, beir, tabairl
Tecosca Cormaic § 18. Sollte die britannische Nebenform ro- neben rod-
(S. 473) nicht auf Einmischung eines zweiten Verbs = ir. 7-ogud '(Hin)-
strecken' beruhen, namentlich im Kompositum dyroi'? Daß mir das i in
rokymr. rodi (bret. rei) ir. tarti auf die Wurzel dhe-, nicht dö- zu weisen
scheint, habe ich schon Handb. § 48 ausgesprochen.
§ 668 bond-. 2. Sing. Subj. niobbais ZCP 3, 454, 10; 3. Sing. Prät.
atroebaid 'er verweigerte' Saltair n. R. 3997.
§ 673 bronn-. 3. Sing. Subj. dobre no dobria . i . diburndud.
O'Dav. 620 (und 320). Oder zu 671. brenn-?.
§ 678 cel-. Part. nee. chthi (Reim : michi) Fei. Epil. 306.
§ 682 ci- 'weinen'. Fut. 3. Plur. cichtt Anecd. from Ir. Mss. V 29, 22.
§ 683 ci- 'sehen'. Imperf. 3. Sing, asidchid Cormac s. v. prull; Subj.
2. Sing, conaiccther Tain B. C. (ed. Str.-O'K.) 1556; Fut. 3. Plur. at-
chichset Eriu III, 30, 10 (wohl jung); Prät. Pass. 3. Plur. conaccassa Tain
B. C. 1413.
§ 684 cid-. Vgl. Meyer Contrib. s. v. 4. cess. Zu ticsdl (S. 491) vgl.
Imperf. doicsed 'er nahm heraus', Prät. don-icas (so zu lesen) Rev.
Gelt. 25, 346.
§ 686 clad-. Prät. Subj. 1. Sing, ara-clasaind Rev. Celt. 10, 82; Prät.
Pass. abs. clasa Eriu VI 133, 7.
§ 687 clech- dich-. Conciuchail (S. 493) als Fut. steht Anecd. from
Ir. Mss. II 8.
§ 689 cluin-. Prät. Pass. cocloth häuOg in Tain B. C. (KZ. 28, 549),
Plur. roclotha Fei. 24. Aug., abs. cHoisi Anecd. I 54, 28 (vielleicht wichtig
für die alte absolute Endung).
§ 692 coisecr-. Prät. Pass. conasecrad Gormac s. v. Mairt (Laud).
§ 700 dam-. Prät. 3. Plur. damnatar Mesca Ulad (ed. Hennessy)
S. 8 ; atdamnatar ZGP 3, 243 § 46 (also weiter verbreitet, als ich Handb.
§ 699 annahm).
§ 707 do: Ich halte die Lostrennung von kymr. deifio 'sengen'
(und bret. devi) von dieser Wurzel (doji-) für unberechtigt. In deifio ist
Anzeiger XXXIII. 3
34 Pedersen Vergleichende Grammatik der keltischen Sprachen.
to vor j zu f geworden wie in dyfiau, difiau 'Donnerstag' für dyw tau;
das f hat sich dann weiter ausgebreitet.
§ 711, 4 ind-ell: Die alte 3. Plur. Präs. inlaat (Zu ir. Hss., S. 34)
weist auf andern Ursprung. So wird auch inlaa TBC (ed. Str.-O'K.) 695
alt sein.
Hinter § 714 einzuschieben ess-: abs. 3. Sing. Präl. depon. eissistir
'er bat, verlangte' The Voyage of Bran I 56, 7 (selten belegte Form!).
§ 716, 4. dosn-ethat, dan-ethat in LU sind nur Schreibfehler für
-etat (S. 644, 7), wie die beiden anderen Hss. zeigen (Tain B. C. 1099.
1599). Dagegen donethea, donethe LL 173 a 47, b 13 ist = dognethe, Prät.
Subj. Pass. zu dogni 'macht'.
§ 722 fiad-. Imperat. 3. Sing, atfet Anecd. 3, 52, 20; Prät. 3. Sing.
inftd LL 292b 6 und 7 (eine Form, die ich Handb. § 693 also richtig
erschlossen hatte). Die 3. Plur. dazu heißt adfiadatar Rev. Celt. 11, 442, 5,
atfiadhatar Archiv f. G. Lexicogr. 111 6, 1, was riadatar (S. 601) als re-
lativ alt stützt. Für den Singular steht adfiadar IT I, 212, 16; 213, 6.
Mit com- 3. Plur. atcuadatar z. B. Rev. Celt. III, 1, 346, prototoniert
condecdatar Org. Bruidne Da D. (ed. Stokes) S. 43 A. 8.
§ 723 fich- fech-. Fut. Pass. dofiastar (viersilbig) Fianaigecht S. 36;
Prät. 3. Sing, rofkh (mit Längezeichen) LU 99a 3, LL 23a 20, 330c 21;
Prät. Subj. mit fo-ro- : foroesad Cormac s. v. Mugeme (Laud).
§ 726 finn-. Der Subjunktiv hat nach dem Ausweis der Dichtung bald
langes, bald kurzes e (gegen Handb. § 613), langes im F^lire : 2. Sing.
ro fesser (: üasal : crisen) 4. Febr., dian fesser (: üasal : crhsen) 24. Okt.,
aber kurzes : Prät. Subj. ro'fessad (: messar) Saltair n. R. 7926. Die 3.
Sing, nadfiastar Wb. 22 d 3 ist also ebenso berechtigt wie das häufigere
•festar. Das lange e (aus ei) wird das ältere sein, «aus dem passiven Prä-
teritum rofess stammen.
§ 727 fo-. Fut. 1. Sing, fiba Eriu II 3; Pass. fiibthir Zu ir. Hss. 54;
weitere Belege des Futurums : Mor of Munster (ed. O'Nolan) S. 279. Prät.
3. Plur. fair IT 139, 5.
§ 734 gaib-. Mit ms«- (Pedersens od-) 1. Sing. Fut. ni fuiceb, nifuicfh
Tain B. C. (ed. Str.-O'K.) 669.
§ 735 ^ram-. Prät.abs.l.Sing.5renarsaTengaBithnua§9(EriuII102).
§ 738 gel-. Prät. abs. 3. Plur. geUadar TBC (ed. Str.-O'K.) 247.
§ 739 gell-. Prät. 1. Sing, da-rindgiult TBC 1552, 3. do-ringelt 2966.
§ 741 gläd-. Fut. 3. Sing. nita{i)celladar Cormac s. v. prull.
§ 743 glenn- mit fo-. Part. nee. fogailse (fodailsi) ZCP 3, 449, 10.
§ 746 gon-. Prät. 3. Sing. rel. is tat gegna CuChul{aind) LL 170b 42.
§ 749 guid: Fut. 3. Plur. abs. gigsit LL. 122 b 37, Prät. Pass. am{aV)
ron-ges Tain B. C. (ed. Str.-O'K.) 1518.
§ 751 ib-. Fut. 1. Sing, iba LL 119 b 41. Vgl. unten zu 766.
§ 753 ith-. Fut. 1. Sing, niisa (= /s sa) Eriu V 234, 51 ; Prät. 3.
Sing, dofuaid Saltair n. R. 1287, dodasfuaid 3860, 3. Plur. duatar
(zweisilbig) 3328, 3332 ; Pass. du in-dces Vita Trip. 180, 25 (= du aneass
O'Clery s. v. dinnid).
§ 755 laig-. Prät. Subj. 3. Plur. forsalestais Tain B. C. (YBL) 3451.
§ 760 le-n-, Prät. Subj. 3. Sing, araliad ZCP III 249, 65; Fut. 3.
Sing. abs. lilith Eriu 5, 242, 178.
§ 766 long-. Der Subj. lila- mag zwar etymologisch zum schwachen
Verb longud 'essen' gehören; aber, wie die Belegstellen aus 'The Mo-
Pedersen Vergleichende Grammatik der keltischen Sprachen. 35
nastery of Tallaght' lehren, vertrat er in gewissen Dialekten den Sub-
junktiv zu ibid 'er trinkt', der anderwärts eba- lautete (Nr. 751). Dazu
wohl loimin 'Schluck'.
§ 767 lo-n-g-. Fut. 3. Sing, folil Eriu II 208 § 28.
§ 769 lu-. Mit fo 3. Plur. Präs. foluatar O'Mulc. 368.
§ 773 maid-. Subj. 3. Sing. abs. mdis LL 332 c, Z. 6 v. u. (die Länge
war also Handb. § 612 richtig erschlossen).
§ 774 mair-n-. Präs. 3. Sing, nimaird IT 217, 10, rel. marnas
LL 346 b 3 v. u. (mit der Färbung von rn, die ich in den mehrsilbigen un-
synkopierten Formen für die altirische halte, Handb. S. 333).
§ 778 mel-. Prät. 2. Sing, doromailt LL 246 a 8.
§ 780 mid-. atotmtastar (fünfsilbig) Fianaigecht S. 36. — Statt
irmiih Wb. 12 d 24 (S. 578. 385) liest die Hs. ismith (ZCP 6, 538);
Strachan's Korrektur is tn[a]ith, die Pedersen gar nicht erwähnt, ist also
so gut wie sicher.
§ 787 nig-. Mit uss- Abstr. ünach > folcadh Leabhar na gCeart,
S. 218 ; vgl. Cormac, ed. K. Meyer, Nr. 1288.
§ 791 org-. Prät. 3. Sing. abs. otrt K. Meyer Hail Brigit, S. 6 ; Prät.
Pass. tescmart Anecd. 1, 59, 78. dofuairc (S. 590) fasse ich anders auf
(Handb. S. 457).
§ 792 rä-. In immrerce ist re Reduplikation (Handb. S. 527) ; vgl.
3. Plur. ros-rersat Ir. Nennius 236, 121; rersad (Lee.) ib. 232, 96. Die
Flexion wie bebw bebais 'starb', Plur. bebsat bebsatt; doge'ni. dogeinset.
§ 795 reg-. Prät. 3. Sing, afrecht Tain B. C. (YBL) 397. Warum
dergtid, airdergttd nicht vom schwachen rogud abgeleitet sein soll, sehe
ich nicht ein.
§ 796 re-n-. Präs. mit com = ro, 3. Plur. : imrobhrad nad'escomhrad
Tecosca Corm., S. 96 Anm. 8 (vgl. Handb. 1, 355).
§ 797 reth-. Subj. 1. Plur. abs. cia resmai Fei. Prol. 257 (2 Hss.).
§ 798 riad-. Präs. 3. Sing, doret Orgain ßruidne D. D. (ed. Stokes)
§ 52 Anm. 7; nech imrdt ech Eriu II 204 § 23, immotret Metr. Dinds.
n 10, 4.
§ 803 Said-. Präs. 3. Plur. rel. sedda IT 264, 5 (vgl. 12) ; Pass. sedair
(oder Imperat. sedar'?) Eriu II 210 § 32 ; Prät. Subj. 3. Plur. forsasestais
Tain B. C. (YBL) 3451 ; Prät. (Narrativ) 1. Sing, cosessar Vis. MacCongl.
93, 2 ; Prät. Perf. 3. Plur. doesetar Tain B. C. (YBL) 3164.
§ 805 saig-. Fut. 3. Sing. abs. siais Egerton 1782, 18v,a; Prät. 3. Sing.
siacU oder dosiacht Tain B. C. (ed. Str.-O'K.) 1759, 1. Plur. ro- stach famar
Anecd. III 54, 9.
§ 819. Neben den beiden erwähnten senn- fehlt das 'hervorströmen'
oder ähnl. Bedeutende, dessen Belege : Fut. sifis (auch Anecd. V 29, 10),
Prät. con- (lies co)sephaind Stokes KZ 37, 260 gibt.
§ 820 Sern-. Präs. 3. Sing, fosernd ZCP 8, 108, Str. 4; mit in-:
in-sernd Tain B. C. (YBL) 3469. Hierher gehört das Subst. esair, nicht
zu ess-\ vgl. mit ms- : ossär osair 'Hinstreuen, Lager' ZCP 9, 336. Das
schwache Verb sritd und aisreuth scheint mir nicht unter diese Nr. zu
gehören.
§ 822 seth-. Fiith, fith heißt 'Glätte' (vgl. Windisch 3. feih; Meyer
Vis. MacCongl. s. v. fälishnass) und kann sowohl die Glätte des Meeres,
daher 'Windstille' bedeuten (Gegensatz: anboth, anfiid 'Sturm', jünger
anfeith, anfeth 'Unruhe'), als auch die Glätte der Haut des wohlgenährten
3*
36 Pedersen Vergleichende Grammatik der keltischen Sprachen.
Menschen (Gegensatz : anf^ijth gorta, Cormac s. v. prull), dann 'Aussehen'
überhaupt. Daher wohl feto 'tüchtig, wacker' {fete mit übergeschriebenem
d Wb. 13 a 29).
§ 825 slaid: Prät. Pass. Plur. diarslassa ZCP 8, 118, 31.
§ 834, 5. Die Erklärung von atroi scheint mir nicht gelungen ; die
1. Sing, addrö und das Pass. atroas, atrös weist eher auf eine Wurzel
mit schließendem s. Cditv^ra LU 46 b 19 gehört wohl zu as-ren- 'zahlen*
(§ 796). Atroe Coirpri huad heißt nicht 'es wendete C. von ihm (dem
Hunde) ab', sondern 'C. konnte ihn (den Hund) von ihm (dem Freund)
nicht erhalten'.
§ 838 ta-. Ich denke, daß Pedersen recht hat, wenn er niconetada
Ml 129b 5, aran-etatham {n)i Cam., die ich als Präsenzien ohne Syn-
kope gefaßt hatte, als reduplizierte Futura erklärt, wodurch meine Analyse
(Handb. § 675) hinfällig wird. Mit Unrecht will er dagegen initaste Ml
•43 d 20 in itaite ändern ; diese Passivformen haben immer s, z. B. Fut.
Pass. nietastar Vita Trip. (Kuhns Beitr. 7, 64), Prät. Pass. itas häufig
(KZ. 28, 350); nadetatais Ml 124 d 9 ist also aktivisch zu fassen 'sie
würden nicht erhalten'. Daß das Verb zur Wurzel *sthä 'stehen' gehört,
ist somit keineswegs 'zweifellos'. Auch ob neuir. is fiidir 'es ist mög-
lich' hier unterzubringen ist, ist sehr fraglich. Die altir. Form ist setir,
8e{i)ter neben eiter, vgl. Tain B. C. (ed. Str.-O'K.) 1151. 1152, Cormac s. v.
prull (in in setir lat?), Anecd. III 59, 8, das t seit jeher palatal.
§ 840 tiag-. Zu S. 641 Präs. doscuat carpat sech alaile (sech in n-aile)
'ein Wagen kann ihn (den Weg) am andern vorbei fahren' (Cormac s. v.
roKt, röt). — Prät. 2. Sing. abs. can lod Rev. Celt. 14, 406, 12 ; olcc hua(i)r
lot so IT III, 1, 236, 37, vgl. 244, 24; 1. Plur. 6 lodmar ni ib. 244, 49;
2. Plur. bd mad lodsaid Tain B C. (ed. Str.-O'K.) 823, vgl. 870, Prät. Pass.
do-eth ib. 1126 (vgl. etha Pedersen § 716). Den Imperat. eirg 'gehe'
{airgg Tain B. C. 1197 in YBL) hätte Pedersen nicht mit Mg 'steh auf
zusammenwerfen sollen (S. 594); auch daß ein Imperat. *tdig 'komme!'
nur zufällig nicht belegt sei (S. 648), kann man nicht sagen, da das ja
ir. tair heißt. — Mit to-in- (S. 644) : Präs. 3. Sing, dan-autat Tain B. C.
(ed. Str.-O'K.) 1720; Stokes Arch. f. C. Lexicogr. 1,291; tantat IT II, 2,
210, 60. 63 = 213, 24. 27; vgl. oben zu 716. — An einem Zusammenhang von
docoith, ducuaid mit lat. uado (S. 648. 379) zweifle ich. Nicht daß ich
etwa mit Pedersen, S.515, rofadatar Wb. 29 c 13 davon trennen möchte;
aber einmal widerspricht ihm das e von fethid, do'feith (Handb. § 808) ;
sodann glaube ich jetzt, daß ich a. a. 0. dem d von rofadatar zu viel
Bedeutung beigemessen habe, weil es gerade der älteste Beleg ist. Da
alle andern Formen auf th weisen (auch rofathatar LL 119b 27), wird
es als eine Entgleisung des Schreibers angesehen werden müssen. Pedersen
bringt den Sing, rofdith, dofaith fälschlich unter § 716, 3; dofaeth
(IT 98, 2), das er ebenfalls zitiert, gehört überhaupt nicht hierher, sondern
heißt 'wird fallen' (zu §854); rofaeth, rofaed für rofdith Amra Chol.
Gh. § 63 ist nur Korruptel einiger Handschriften.
§ 854 tuit: Prät. 3. Plur. docertar Tain B. C. (YBL) 2925, rel. do-
chertar Anecd. III 62, 19.
S. 669 — 678 bringt Berichtigungen und Zusätze (warum tadelt mich
Pedersen S. 666 zu I 494 in seiner — vergeblichen — Verteidigung der
Morris Jones A Welsh Grammar Historical and Comparative. 37
Identität von doig 'wahrscheinlich' und toich, daß ich dieses mit 'gehörig'
übersetze, da er selber 2, 267 is toich mit 'es ist gebührend' wiedergibt?
Toich wird im Ablaut zu kymr. teg 'schön' stehen). Vollständige Ver-
zeichnisse sowohl der besprochenen keltischen als der aus anderen
Sprachen beigezogenen Wörter (681—832), ergänzt durch einen kurzen
Sachindex (837 — 842), erhöhen in erwünschter Weise die Benutzbarkeit
der zwei inhaltreichen Bände.
Bonn. R. Thurnevsen.
Morris Jones J. A Welsh Grammar Historical and Comparative. 8".
XXVII, 477 S. Oxford, Clarendon Press, 1913.
Das Buch hat gewissermaßen zwei Seiten, eine untadelige und eine
der Kritik weit ofTenstehende. Es enthält einmal eine ausgezeichnete
historische Grammatik der kymrischen Sprache von den ältesten Sprach-
denkmälern bis zur heutigen Schrift- und Volkssprache. Der Verfasser ist
ein trefflicher Kenner der älteren und jüngeren Literatur, namentlich auch
der Poesie. An der Hand der Reime und des Versbaus führt er uns sicher
durch das Labyrinth des Laut- und Betonungssystems der verschiedenen
Jahrhunderte hindurch, unbeirrt durch den vielfach inadäquaten schrift-
lichen Ausdruck, der in neuerer Zeit zum Teil durch falsche Auffassungen
und Sprachtheorien beeinflußt ist. Besonders dankbar ist zu begrüßen, daß
die zahlreichen Proben aus der schwierigen Poesie, in der sich M. J. mit
voller Freiheit bewegt, immer mit Übersetzungen versehen sind.
Den schwachen Teil bilden die zahlreichen sprachwissenschaft-
lichen Erörterungen. Man sollte denken, zur Erklärung eines britannischen
Dialekts würde man in erster Linie die beiden anderen, das Bretonische
und das Kornische, beiziehen: sie werden in dieser Grammatik ganz selten
erwähnt. Das Irische wird mehrfach verglichen, aber auch nicht ein-
gehend genug ; sonst würde z. B. nicht der mkymr. Infinitiv auf -i und
-aw auf -tmen und -amen zurückgeführt (S. 386), während das Irische
gerade hinter t und ä niemals das Suffix -mn-, nur -mu- und -mä- kennt.
Meist springt der Verfasser direkt vom K^Tnrischen ins Urindogermanische,
und mit der Wirkung des ursprünglichen Akzents auf den Vokalismus wird
auf eine Weise hantiert und Grundformen werden angesetzt, daß einem
Hören und Sehen vergeht. Auf die Arbeiten anderer Gelehrter wird wenig
Rücksicht genommen. Wenigstens habe ich vergebens nach einer Erörte-
rung der deponentialen Formen gesucht, die Loth, Rev. Celt. 31, 481 ff.,
in der alten Poesie gefunden zu haben glaubt. Und wenn S. 243 Zimmers
Erklärung des Aquativs aus Abstrakten auf et darum zurückgewiesen
wird, weil Zimmer auf das vor et erscheinende h keine Rücksicht nehme,
so scheint er den Artikel gar nicht gelesen zu haben. Denn Zimmer gibt
ja eben KZ. 34. 184 eine Menge Beispiele von mittelkymrischen Abstrakten
wie dahet, duhet, drycket, tecket, trymhet usw., die genau dieselbe Gestalt
zeigen wie der Äquativ; es fehlt denn auch S. 231 Nr. 12 der Hinweis
auf diese ältere Gestalt des Suffixes. Unpraktisch finde ich endlich die
gewaltige Ausdehnung der einzelnen Paragraphen, die durch römische
und arabische Ziffern oft in eine Unmenge von Unterabteilungen zerlegt
sind, so daß man sich schwer zurechtfindet.
Also für das, was aus der mittelalterlichen und modernen Sprache
38 Meyer-Lübke Romanisches Etymologisches Wörterbuch.
selber herauszulesen ist, kann das Buch als trefflicher Führer empfohlen
werden; für die Spracherklärung ist es nur mit großer Vorsicht zu
gebrauchen.
Bonn. R. Thurneysen.
Meyer-Lübke W. Romanisches Etymologisches Wörterbuch. Lieferung 1.
Heidelberg, Carl Winter's üniversitätsbuchhandlung 1911 (Sammlung
Romanischer Elementar- und Handbücher, herausgegeben von Wilhelm
Meyer-Lübke. III. Reihe: Wörterbücher). 2 M.
Nach Körting's Lateinisch - Romanischem Wörterbuch hat gewiß
jeder Romanist Meyer- Lübke's Romanisches Etymologisches Wörterbuch,
welches nun schon bis zum Buchstaben P vorgedrungen ist, als eine
Erlösung begrüßt. Ein absclüießendes Urteil wird erst möglich sein, wenn
das Ganze mit dem Index dazu vorliegt, aber Hauptvorzüge des Werkes
treten natürlich schon jetzt deutlich hervor. Sie liegen vornehmlich in
dreierlei: einmal in dem weiten Überblick des Verfassers über das ge-
samte Gebiet, der eine erfolgreiche Heranziehung auch der Dialekte ge-
währleistet, ferner in der Neueinfügung so manchen guten Bausteines
und drittens und ganz besonders in dem kritischen Scharfblick von
M.-L., der ihn sogleich den schwachen oder wenigstens angreifbaren
Punkt einer aufgestellten Etymologie erkennen läßt.
Dem gegenüber stehen nun aber auch einige Mängel, die freilich
mehrfach mit äußeren Dingen und der Anlage zusammenhängen. Hierzu
muß ich zunächst die ungemeine Kürze der Darstellungsweise ') rechnen,
die noch erheblich über die Knappheit hinausgeht, welche man sonst
von dem Verfasser gewohnt ist. Diese Gedrängtheit mag durch den
Rahmen der Winterschen Sammlung mit hervorgerufen worden sein,
aber sie bleibt darum nicht minder unangenehm, denn sie hat nicht
selten Undeutlichkeit im Gefolge gehabt, Undeutlichkeit namentlich für
den gebildeten Laien imd für den Gelehrten anderer Disziplinen, der
sich doch auch aus dem Buche unterrichten will; daß Letzterer z.B. bei
den Nummern 774 und 945 eine klare Vorstellung von dem Sachverhalt
wie er ist, oder wie M.-L. ihn sich denkt, gewinnen kann, ist ganz un-
wahrscheinlich. Jenes fortwährende Streben nach Kürze hat aber den
Autor auch dahin geführt, Behauptungen selbst da ohne Begründung zu
lassen (man denkt unwillkürhch an das bekannte 'so ist's, und nun ist's
fertig' der Heiterethei), wo eine solche unbedingt nötig ist, so z. B. gleich
unter a, ab, wo es heißt: 'ä bei laisser, faire mit Inf. und dergl.', also
etwas als sicher hingestellt wird, was für Andere noch lange nicht aus-
1) Ich habe hier nicht diejenige Raumersparnis im Auge, welche
durch graphische Zeichen bewirkt wird. Solche hat M.-L. in durchaus
praktischer Weise verwendet, wie Puscariu in Zschr. f. rom. Phil. 37, 100
mit Recht hervorhebt. Sonderbar kontrastieren übrigens damit die viel-
fach langen Reihen von Abkürzungsbuchstaben für periodische Publi-
kationen: warum ist, um einen nur bescheidenen Fall herauszugreifen,
das Literaturblatt für germanische und romanische Philologie mit
LBlGRPh. abgekürzt, statt einfach mit LB., da hierzu eine Konkurrenz
nicht vorhanden ist und dem Nichtkundigon ja doch durch das Verzeichnis
der Abkürzungen sogleich der SchlU.<}sel gegeben wird?
Meyer-Lübke Romanisches Etymologisches Wörterbuch. 39
gemacht zu sein braucht. — Weiterhin ist es mehr als störend, daß die
Urheber von Etymologien nicht genannt werden, falls sie dieselben in
einem Zeitschriftenartikel vorgetragen haben. Wiewohl schon Schachardt
in der Zschr. f. rom. Phil. 35, 383 f. dagegen Einspruch erhoben hat, ist
die Sache wichtig genug, um noch einmal berührt zu werden. Also wenn
Thomas seine zahlreichen in der Romania erschienenen etymologischen
Aufsätze nicht gesammelt hätte erscheinen lassen, so würde bei den
vielen Wörtern, für die er die richtige Herkunft ermittelt hat, immer nur
der betreffende Romania-Band angeführt werden können, während Andere,
auch wenn sie mit viel weniger glücklicher Hand, aber in Buchform
operiert hätten, stets Namensnennung erführen. Die Bevorzugung des
Buches geht aber noch weiter: unter Nr. 3 wird zuerst Thomas, Mel. 14
zitiert und dahinter ZRPh. 26, 421 ; nun hat aber Thomas gar keine
Etymologie aufgestellt, wohl aber hat das Schuchardt, der nicht genannt
wird, an der betreffenden Zeitschriftenstelle getan, indem er akzeptiertes
*ahallinca ansetzte. Die auf S. 11 versuchte Rechtfertigung des ganzen Ver-
fahrens mutet eigentümlich an: 'es hütet vor dem Abschreiben'. Ist denn
das Werk nur für Studenten verfaßt? Und wenn ja, dann ist zu be-
merken, daß, falls ein Studierender nicht durch den Dozenten soweit
methodisch geschult ist, daß er bei Einzeluntersuchungen sich nicht mit
dem bloßen Namen begnügt, sondern die Sache selbst prüft, man schwer-
lich erwarten kann, er werde dies durch die Pädagogik des Autors. Im
Übrigen liegen die Dinge in Wirklichkeit doch so, daß die meisten Nach-
schlagenden überhaupt nicht die Quellennachweise ansehen ; um so mehr
darf derjenige, von dem eine richtige, oder von M.-L. angenommene Her-
leitung stammt, den Anspruch darauf erheben, genannt zu werden. —
In der Angabe dessen, was alt und neu ist, herrscht keine Konsequenz.
Unter Nr. 525 heißt es : 'prov. ap\ während unter Nr. 8 steht : 'aprov.
cibas, abäf; unter Nr. 3 sieht man die Formen abe^anco, aberlenco, ame-
lenco, die doch nur neuprovenzalisch sind, als 'prov.' angeführt, während
unter Nr. 6 barco ausdrücklich als 'nprov.' bezeichnet wird; bei Nr. 93
werden unter 'prov'. lauter neuprovenzalische Formen registriert, und bei
asermar (Nr. 75), das doch nur altprovenzalisch ist, steht auch nur 'prov.'.
und so fort in zahllosen Fällen. — Nicht selten findet man bezüglich des
Verbreitungsgebietes eines Wortes zu weit gefaßte Angaben. So wird
z. B. unter Nr. 15 ein ital. abburare aufgeführt; Petrocchi aber verzeichnet
das Wort als nur auf der Insel Elba begegnend, und wenn es nach M.-L.
auch noch im Logudoresischen vorkommt, so ist es deshalb natürlich noch
nicht gemeinitalienisch. Ähnlich heißt es ebenda: 'frz. bure 'Freuden-
feuer", indessen begegnet das Wort doch nur in einzelnen Dialekten Nord-
frankreichs. Oder es wird unter Nr. 245 [aestas) gesagt, daß im Proven-
zalischen der Sommer mehrfach männlich sei ; nach Gramm. II § 380,
worauf verwiesen wird, zu urteilen, kann aber nur dauphinesisches istd
gemeint sein '). — Hinsichtlich der Bedeutungen ist man sich nicht immer
sicher. Zwar bemerkt der Autor auf S. 9 : 'Unter dem Stichwort sind die
romanischen Wortarten in der oben angegebenen Reihenfolge aufgeführt,
so zwar, daß die Bedeutung nur dann gegeben wird, wenn sie von der
des Stichwortes abweicht' ; wie aber, wenn ein Wort die Grundbedeutung
hat, daneben jedoch noch eine andere? Ist durch die Angabe der letz-
1) Mistral unter ista sagt nur : 'dans les Alpes'.
40 Meyer-Lübke Romanisches Etymologisches Wörterbuch.
teren Bedeutung involviert, daß die erstere daneben besteht? Unter
Nr. 6346 liest man z. B. : pedester 'zu Fuß gehend' afrz. peestre nfrz. piktre
'armselig' und unter Nr. 6314: pedatio 'Grundlage', afrz. peaison (wo
übrigens in dieser Form belegt?), prov. peazo 'ausgemessenes Stück Land'.
Während indessen pietre heute ausschließlich 'armselig' bedeutet, heißt
peazo im Altprovenzalischen nicht nur 'ausgemessenes Stück Land', son-
dern auch 'Grundlage', 'Fundament' '). — Übler als das Vorhergehende
ist es, daß ziemlich oft unrichtige Wortgestalten auftreten (die zum Teil
auf Druckfehler zurückgehen mögen), oder Formen verzeichnet sind, von
denen man fragen darf, wo sie belegt zu finden sind. Schon Jud hat
im Archiv 127, 426 darauf hingewiesen und reichliche Berichtigungen
vorgenommen; aber es bleibt nach seiner Rezension sowie nach der-
jenigen von Thomas in der Romania 40, 102 ff. (und 41, 448 ff.) immer
noch Verschiedenes zu erinnern übrig, wie man weiter unten sehen wird.
Das hier im Einzelnen Bemerkte findet vielleicht bei einer neuen Auflage
Berücksichtigung, wie denn dann auch die vielfach falschen Ziffern in
den Verweisnummern (z. B. unter 474, 487, 491, 492) gebessert werden
mögen.
Ich muß mich im Folgenden auf die Besprechung der ersten
Lieferung beschränken.
4. ab ante.
'Mit Präfixwechsel frz. devanf ist, so ausgedrückt, unklar, vgl.
Rom. Gr. 1, 487.
17. abellana.
Schon Thomas hat in der Romania 40, 104 auf die Existenz von
aprov. aulana neben avelana hingewiesen; wenn er übrigens dazu Ro-
mania 32, 472 heranzieht, wo doch erst aulana aus aillana, wenn auch
gewiß mit Recht, erschlossen wird, so sieht es so aus, als ob es nur hier
begegnete, während es doch schon Raynouard belegt und daher auch
Nigra in der Zschr. 28, 641 richtig aufführt. — Unter den Ableitungen
fehlt aprov. avelaneta, bzw. aulaneta, vgl. Levy, S.-W.
18. *abellania.
Es fehlt aprov. aulanha, das Raynouard unter 'avelana' in der Form
aulaigna aus Palais (nicht Palazis) belegt und daher Thomas Essais S. 81
und Nigra in Zschr. 28, 640 verzeichnen. Ein zweiter Beleg findet sich
in den Auzels cassadors ed. Monaci 2056; auch diese Stelle hat Ray-
nouard, schreibt aber aulana, während der Text bei Monaci aulanha zeigt.
22. ab hoc.
Wenn es für das Altfrz. nur heißt: 'adv. 'zugleich", so erweckt
das den Anschein, daß es dort nicht als Präposition 'mit' auftrete, was
doch sehr häufig und seit der ältesten Zeit der Fall ist. — Die alle Her-
leitung von apud hoc, der M.-L. früher selber huldigte, weist er jetzt auf
Grund von E. Richter, Ab im Romanischen zurück : 'Bei apud hoc Diez
Wb. 513 bleibt unerklärt wie in Nordfrankreich apud neben od auch *ap
hätte ergeben können, das die Grundlage für avuec sein müßte'. Dem
gegenüber ist wohl der Einwand erlaubt, daß in der Verbindung mit hoc
aus apud etwas anderes werden konnte, ja mußte, als aus apud allein,
oder, genauer gesagt, daß die Verbindung mit hoc eine ganz anders enge
1) Die Bemerkung von Thomas Essais 356 nole gegen die Be-
deutungsangabe bei Raynouard ist nur zum Teil berechtigt.
Meyer-Lübke Romanisches Etymolofnsches Wörterbuch. 41
war, als diejenige mit einem folgenden Substantiv oder Pronomen personale.
33. ab oc ulis.
Die romanischen Formen sind in eckige Klammern einzuschließen.
34. abominatus.
Das s von afrz. abosme kann nicht als fraglich angesehen werden,
da es von Anfang an auftritt. Auch Thomas setzt in seiner neuerdings
vorgenommenen Heiieitung des Wortes (Romania 42, 370) die Ursprüng-
lichkeit des s voraus, und gerade dieses s spricht neben Anderem gegen
die Herkunft von abominatus.
44. absinthi u m.
Die altprov. Form aussens durfte nicht fehlen, schon nicht wegen
des neuprov. aussent.
65. *accaptare.
Warum *accapitare zu capiit für frz., prov. an den italienischen
Formen scheitern soll, ist nicht ohne Weiteres ersichtlich, vgl. catiano
aus *capitanus ').
75. *accismare.
Für das Altprovenzalische wird nur die Form aset-mar genannt.
Levy Pet, dict. verzeichnet allerdings nicht acesmar, wohl weil Ray-
nouard es unter assemtar nur aus Wilhelm von Tudela und dem Girart
de Rossilho belegt, aber diese ältere Form begegnet auch bei dem Delfin
von Alvernhe Gr. 119, 3 Str. 4 (Cod. A, Stud., ii fil. vom. III, S. 631).
78. *accognttio.
Wo ist ein afrz. acoinson 'Bekanntschaft', auf Grund dessen M.-L.
ein accognitio ansetzt, anzutreffen*)?
117. actus.
Man erwartet hier wenigstens frageweise das berühmte afrz. ait^)
angeführt zu sehen, das fünfmal im Oxforder Rolant in der Verbindung
a at't, ad ait erscheint und das G. Paris im Glossar zu den Extraits de
la chanson de Roland von actum herleitete.
119 — 120. *acücula. acücula.
Der Thesaurus gibt bei acucula keine Quantität an. — Es mußte
auch Ebeling, Auberee S. 138—147 namhaft gemacht werden.
139. adaestimare.
Hier werden asp. aesma?; asmar neben einander gestellt und aus
adaestimare hergeleitet, während unter Nr. 246 span. asmar als aus prov.,
kat. esmar erwaclisen erklärt wird. Es begegnet übrigens auch ein afrz.
asmer (amer) gar nicht selten, s. die Beispiele bei Godefroy unter esmer^
die sich leicht vermehren lassen.
146. adaptus.
Entsprechend dem [afrz. ate\ unter Nr. 566 ist hier ein [afrz. aate\
anzufügen.
163. adescare.
1) Beiläufig bemerkt, fehlt unter Nr. 1634 ein Sternchen bei diesem
Worte, während capitaneus (Nr. 1633) ein solches nicht zu haben braucht.
2) Ich sehe nachträglich, daß schon Thomas in der Romania 40,
105 einen Beleg verlangt.
3) Godefroy 4, 403 a stellt gewiß mit Unrecht unser Wort unter
hait, wenn auch nicht geleugnet werden soll, daß später eine gewisse
Vermengung mit hait eingetreten sein mag.
42 Meyer-Lübke Romanisches Etymologisches Wörterbuch.
Warum wird nur prov. sd azescar 'sich nähren' aufgeführt? Tran-
sitives a. 'ködern' ist gut bezeugt ; freiUch steht die von Raynouard an-
gezogene Stelle aus Rambaut d'Aurenca nicht bei Mahn I, 79, aber sie
ist im Cod. A zu finden (Studj di fil. rom. 111, lOi), wo das Gedicht zwei
Strophen mehr aufweist. — Warum soll afrz. aeschier eine Neubildung sein?
löi. ad id ipsum.
Aprov., afrz. ades heißt nicht nur 'sofort', sondern auch häufig
'immer', 'immer fort', was bei der nicht völlig sicheren Herkunft des
Wortes nicht ganz unwichtig ist. Zwar glaube ich nicht mit Ebehng
(Zs. 24-, 525), daß 'in einem fort' die Grundbedeutung sei, vielmehr
wird es von 'sogleich' erst zu 'in einem fort' gekommen sein (das Um-
gekehrte beobachtet man in tout de suite), so daß ein Etymon ad id ipsum
für die Bedeutung keine Schwierigkeit macht. Ob es allerdings nötig ist,
zu dem id zu greifen, bleibt mir nach wie vor zweifelhaft, und es scheint
mir nicht ausgeschlossen, daß das d in prov., afrz. ades durch das des
(aus de ipso ') frühzeitig festgehalten wurde. Gewiß gehört des einer
anderen Wortklasse an, aber es fällt die temporale Bedeutung des Wortes
ins Gewicht, welche das sprechende Volk wohl dazu führen konnte, ades
damit in Beziehung zu setzen und beide als zusammengehörig zu empfinden.
190. *adoperare.
Fehlt afrz. aouvrer, das Godefroy oft belegt. — Wenn *adoperare
eine besondere Nummer erhielt, so gebührte das Gleiche einem *adnoc-
tare'^), dessen Reflexe unter nox (5973) Erwähnung finden, und ebenso
einem *affructare, besonders da aprov. afruchar^), afrz. afruitier auch
unter fructus (3537) nicht genannt wei'den.
209. adunare.
Ein aprov. azunar ist nicht belegt ; das von Levy Pet. dict. ver-
zeichnete adunar gründet sich nur auf dem in dem Gedichte des Richard
Löwenherz begegnende äunar.
211. ad unum.
Man vermißt afrz. äun, das schon Diez zur Passion Str. 34 aus
Beneoit nachgewiesen hat.
231. aegrotus.
Afrz. engrot ist hier versehentlich mit 'Krankheit' glossiert. Das-
jenige engrot, welches 'Krankheit' bedeutet, ist ebenso wie engrote (s.
Godefroy unter egrote) Verbalsubstantiv zu engroter.
252. *afannare.
1) Jetzt zieht M.-L. unter Nr. 2514 die Herleitung von de ex der-
jenigen von de ipso vor, die er doch selbst früher lebhaft befürwortet
hatte, allein der Grund, den er anführt (,rfc ipso . . . muß vielleicht
darum abgelehnt werden, weil de ex in lateinischer Zeit belegt ist'), kann
nicht als stichhaltig gelten. Der Thesaurus gibt nur einen Beleg für deex
und zwar aus der Itala, und hier bezeichnet es die Herausnahme aus
einer Mehrzahl, hat also mit dem roman. des nichts zu tun. Übrigens
begegnet im Altprov. mehr als einmal die von M.-L. nicht genannte, aber
schon von Diez verzeichnete Form deis, s. Levy S.-W. unter des.
2) In seiner Hist. Gram. d. franz. Spr. S. 1.33 (nicht wie der Index
aagt, 147) läßt M.-L. das Wort unbesternt.
3) Vgl. ital. affruttato (Pelrocchi).
Meyer-Lübke Romanisches Etymologisches Wörterbuch. 43
Wo begegnet eine afrz. Interjektion ahan? Mir ist nur han bekannt,
das eine nasalierte Form zu ha sein wird, vgl. Espe Die Interjektion im
Altfranzösischen S. 17 f.
254. affectus.
Ein afrz. Infinitiv afiter, von dem hier die Rede, ist m. W. nicht
belegt. Godefroy hat ihn nach stammbetonten Formen angesetzt, die aber
ebenso gut zu einer Infinitivform afitt'er gehören können, indem hier der
Stammvokal eingedrungen ist. Wenn es weiter heißt : 'afiter ist Neubildung
(von afit), da es begrifflich nicht zu ajfectare paßt, so kann man dem
nicht beistimmen. Lat. affectare heißt ja doch auch 'angreifen', und das
paßt sehr gut zu der afrz. Bedeutung 'beleidigen'.
297. agulia.
Dieses Wort belegt der Thesaurus nicht. Es wäre sehr erwünscht,
daß der Autor in solchen Fällen seine Fundstelle angäbe.
307. alacer.
Ein afrz. halaigre darf nicht angeführt werden, am wenigsten als
ausschließliche Form, nachdem Förster in Böhmers Rom. Stud. 4, 53
Anm. die große Seltenheit derselben betont und M.-L. selbst in der Ein-
führung* § 92 und 112 richtig nur haliegre namhaft macht. Auch für
das Nordfranzösische wird demnach wie für das Prozenzalische eine
Basis *alecris gefordert.
316. *albanus 'Weih'.
Fehlt afrz. aubain. s. Godefroy I, 492 b Nr. 1. Daß ein *albanxi8
'Weih' zu albus gehört, kann kaum zweifelhaft sein. Sicher ist es bei
demjenigen *albanus der Fall, auf welches das ebenfalls nicht verzeichnete
afrz. aubain mit der Bedeutung 'weißes Pferd' zurückgeht, s. Godefroy
1. c. Nr. 2.
Hinter Nr. 328 vermißt man albumen, ital. albume, afrz. aubun. Von
letzterem behauptet M.-L. in der Zs. 31, 698, daß es 'Splint' heiße und
daß es daher unmöglich die Fortsetzung eines Wortes sein könne, das
'Eiweiß' bedeutet. Diese Behauptung ist für mich nur erklärlich aus einer
momentanen Verwechslung mit nfrz. aubour 'Splint'. Altfrz. aubun 'Eiweiß'
ist gut bezeugt, s. Godefroy unter aubun, dessen Stellen noch Montaiglon-
Raynaud Recueil 5, 107 anzufügen ist, sowie ein Passus aus dem Cam-
bridger Steinbuch, s. Zs. 25, 634.
329. alburnnm 'Splint'.
Unter den Ableitungen wird afrz. aubourne neben aubournaz ge-
stellt und auf Ott Etüde sur les couleurs . . 78 (schreibe 76) verwiesen,
wo übrigens eine etwas andere Bedeutung angegeben ist. Aber aubourne
(s. Godefroy unter alborne Nr. 2) kann doch nur von dem lat. in adjek-
tivischer Verwendung bezeugten albumus kommen, wenn auch das e
einige Schwierigkeit macht, sich indessen durch Einfluß der Femininform
erklären ließe.
345. aliquem, aliquid.
Afrz. auquea, aprov. auques (schreibe alque, -es), Span., portg. algo
leitet M.-L. von aliquid her. In der Rom. Gram. II S. 599 bezeichnete er
noch als Basis aliquod, und diese wird jedenfalls von der span. und
portg. Form verlangt.
350. *aliza.
Im Altfrz. haben wir nicht nur o/t«, sondern auch die ursprüng-
liche Form alise, z. B. Folque de Candie 701. Nfrz. alise bedeutet 'Eis-
il Meyer-Lübke Romanisches Etymologisches Wörterbuch.
beere', wie auch afrz. alise die Frucht bezeichnen kann, so in den vier
Haimonskindern: a son col la leva iusi comme une alise (Rev. d. 1. rem.
52, 231, V. 15987). Auch die Formen lise und lis begegnen im Afrz.:
Folq. de Cand. 2949, li Nerbonois 7016 und Folq. de Cand. 45. P* fol.
134 roa. — Ein langued. alio kann mit den «-Formen nichts zu tun haben,
sondern setzt ein altes *alia voraus, zu dem auch afrz. alie stimmen
würde. Schon Diez hat alle von alise getrennt.
387. alt US.
Auch das Altprovenzalische besitzt einen Reflex von in alto, näm-
lich naut.
411. ambo, 2. ambi, -ae.
Schreibe nfrz. ambesas in ein Wort.
•414. *ambutrum.
Zu afrz. amboure war nicht zuerst auf Romania 11, 109 (Cornu)
zu verweisen, sondern auf Diez EW., da dieser zuerst die Herleitung von
*ambutrum vorgetragen hat, wenn er sie auch später durch eine andere
ersetzte. — Für das in Klammern stehende 'begrifflich' scheint es mir
richtiger, 'funktionell' zu setzen.
416. amentia.
Aus dem einen von Godefroy für amance beigebrachten Belege er-
gibt sich nicht die Bedeutung 'Sorge', 'Schrecken', sondern nur diejenige
von 'Tollheit'.
418. amerina 'Weide' (aus Ameria).
Nicht amerina, sondern amarina ist die aprov. Form (nprov. ama-
rino, aumaritto), also vermutlich sehr frühe von amaru^ beeinflußt, wie
Thomas Nouv. Ess. S. 159 ganz richtig bemerkt. Die von Godefroy Cpl.
verzeichneten afrz. amerin (Adj.) und amerine waren der Aufführung nicht
unwert, wenn sie auch offenbar dem Provenzalischen entnommen sind,
vgl. Thomas 1. c. S. 362 zu S. 154. — Daß ein prov. amera existiert hat
oder existiert, muß ich bis auf weiteres bezweifeln; sollte nicht eine
Verwechslung mit dem vulgärlat. amera vorliegen, auf dessen Maskulin-
form *amerus Thomas 1. c. S. 137 (ohne weiter vom Akzente zu sprechen)
das heutige lyonesische ambro zurückführt?
443. ancilla.
Ital. ancella hat ein f und nicht ein f, wenigstens nicht im Tos-
kanischen.
448. andbahtjan.
Wo ist ein afrz. Verb ambassier belegt? Zum Ganzen sähe man
gerne Thurneysen Keltorom. S. 29 ff. zitiert.
463. angul 'Angel'.
An die Existenz von einem afrz. soi anghr glaube ich nicht. M.-L.
hat offenbar aus Godefroy geschöpft, der eine Stelle aus der Chronik des
Godefroi de Paris nach der Handschrift anführt : Les poissons sont pris
quant soi anglent. Es wird hier se janglent zu schreiben sein, s. refl.
jangier bei Godefroy belegt.
464. angulare 'Ecke'.
Aprov. anglar heißt nicht 'Ecke', sondern 'eckiger Stein" ') und ist
ofTenbar nicht die Fortsetzung von einem angulare 'Ecke*, das übrigens
1) Wenn Levy Pet. dict. neben 'quartier de rocher* mit 'pierre
angulaire' also = 'Eckstein* glossiert, so müssen ihm noch andere Be-
legstellen als die bisher registrierten vorliegen.
Meyer-Lübke Romanisches Etymologisches Wörterbuch. 45
der Thesaurus nicht verzeichnet , sondern vielmehr von angularis, welches
schon im Lateinischen als Substantiv anzutreffen ist, s. Thesaurus unter
angularis IL Es existiert ferner ein aprov. Adjektiv anglar (s. Levy, S.-W.
unter anglar) , sowie afrz. angler aus angularis, und es ist auch des
afrz. Adj. anglier^) {angularius) 'in den Ecken lebend' zu gedenken, falls
man nicht darin eine Weiterbildung von angle sehen will und es dann
unter Nr. 465 zu stellen hat.
465. angulus.
Warum aprov., afrz., nfrz. angle nicht volkstümlich sein sollen, ist
nicht ersichtlich.
494. ante.
Wir erhalten hier einen Verweis auf die Rom. Gram. 3, 533, allein
dieser Verweis stimmt nicht ') , was um so unerwünschter, als man die
im EW. angedeutete Erklärung der assibilierten Form aus der Stellung
vor folgenden Vokal irgendwo etwas ausgeführt sehen möchte. Ich trete
hier auf diesen Punkt nicht näher ein und möchte nur bemerken, daß
man dann doch auch ein an^an aus ayite anniim erwarten sollte. Es nutzt
natürlich nichts, daß man anteamium, wie M.-L. dies unter Nr. 495 tut,
in ein Wort schreibt. Nimmt man aber an, daß schon antannum erwachsen
war, bevor in ante annum eine Assibilierung eintreten konnte, dann muß
auch gleich *antannum angesetzt werden.
495. anteannum 'vorjährig'.
Die Glossierung mit 'vorjährig' an Stelle von 'vor einem Jahre'
scheint mir nicht richtig zu sein, s. die Belegstellen im Thesaurus II, 133
unter ante. Im Übrigen s. das zur vorigen Nummer Bemerkte.
505. antiphona, 2. antephona.
Wenn antiphona als Basis für ein afrz. antoine aufgeführt wird,
so dürfte das auf Grund einer Stelle geschehen sein, die Godefroy Cpl.
unter 'antienne' nach Du Gange aus einem Dokument von 1382 anzieht.
In diesem vereinzelten und späten antoine sehe ich nur eine dialektische
Form für antaine (Schw.-B.^ § 223 A. 1), das seinerseits eine (umgekehrte)
Schreibung für undiphthongiertes antene, antenne (s. Godefroy 1. c.) darstellt.
525. apis.
Ein aprov. ap finde ich nirgends verzeichnet. Was mag es bedeuten,
wenn es heißt : 'afrz. auch es" ? Es ist doch Nom. Sing, und Obl. PI. zu ef.
Oder liegt Druckfehler vor für ee ? Gedefroy belegt dies ee nur aus Prosa-
texten, aber daß ein zweisilbiges Wort vorliegt, ergibt sich aus Guiarts
Reimchronik ed. Buchon II V. 8300 40 ees im Reim mit acerees steht.
565. aptificare 'zurecht machen'.
Eine afrz. Form attefier gerade mit zwei t wird sich schwerlich
nachweisen lassen. Vermutlich ist M.-L. dazu gekommen, weil er bei
Godefroy, der im Cpl. unter atefier auf edifier (1. edefier) verweist, unter
diesem edefier die zu einer Stelle gegebene Variante atefier nicht be-
achtete, und andererseits sich für berechtigt hielt, für das actefier bei
1) Siehe Godefroy, der angler und anglier unter angler zusammen-
geworfen hat.
2) Vielleicht ist § 488 (S. 522) gemeint. M.-L. zitiert im EW. seine
Romanische Grammatik nach Paragraphen, was man freilich nicht ohne
weiteres wissen kann, da im Index zu derselben (ohne daß eine Vorbe-
merkung es verrät) nach Seitenzahlen zitiert wird.
"46 Meyer-Lübke Romanisches Etymologisches Wörterbuch.
Godefroy, auf das ich weiter unten zu sprechen komme, attefier zu
schreiben. Wenn man nun auch mit Puitspelu gegenüber Thomas in
atfier, adfier der Mundart von Berry, ebenso wie in nfrz. affier eine
regelrecht entwickelte Form sehen kann, so ist doch wohl sicher, daß
atefier {atußer, actifier), das auch im Folque de Cändie 7137 begegnet,
nicht eine solche darstellt, wie Thomas M61. S. 6 mit Recht bemerkt
hat, mithin nach dem sonstigen Verfahren von M.-L. in Klammern ein-
geschlossen werden müßte. Vielleicht könnte man noch hinzufügen:
'unter Einfluß von edefier, da in der Verwendung, wie Thomas nicht
entgangen ist, eine Vermengung mit edefier eingetreten sein dürfte ; für
letzteres sprechen die Beispiele unter edefier bei God. im Hptw., die Va-
riante atefier zu estefier (= esdefier) bei God. unter edefier in Cpl. und
die Varianten zu atefie im Folq. de Cand. 7137, wo P^ edefie und B desfie
zeigt {que tes sires desfie, 1. : qite tes aire esdesfie). Was schließlich die Form
actefier angeht, so glaube ich nicht, daß sie, wie Thomas 1. c. S. 6 A. 1
meint, eine 'simple graphie' für ein *attefier ist, sondern erkläre sie mir
durch Einwirkung von actif; es ist nämlich zu beachten, daß die be-
treffenden handschriftlich zitierten Belege aus dem 'Ovide moralis^'
stammen, also aus später Zeit, und ferner, daß die Bedeutung an der
Mehrzahl ') dieser Stellen 'wachsen', 'sprießen' ist, also verschieden von
der sonstigen von atefier. — Es überrascht, daß M.-L. das nfrz. üffi^r
mit 'Bäume pfropfen' glossiert. Littr6 gibt nur an : 'planter ou provigner
des arbres de bouture' *), also jedenfalls nicht 'pfropfen'. Auch ist es
nicht wahrscheinlich, daß diese Bedeutung, falls sie irgendwo in einem
Dialekt vorkommt, die ursprüngliche ist; da sie schlecht zu dem Sinne
von aptificare stimmen würde. Die ursprüngliche Bedeutung ist vielmehr
m. E. 'einen Steckling zum Einpflanzen zurecht machen', und sie erkenne
ich an der ersten Stelle aus Beneoit, die God. Hptw. unter 'edefier' gibt.
Dann heißt es auch 'einpflanzen', so an der oben angeführten Stelle aus
Folq. de Cand. und in dem zweiten und dritten Beleg, den God. 1. c. aus
viel späterer Zeit bringt.
570. aqua,
Afrz. aigue wird nicht aufgeführt, vielleicht weil M.-L. es mit Clara
Hürlimann als eine Entlehnung aus dem Provenzalischen ansieht, in
welchem Falle immerhin hinter prov. aiga zu schreiben gewesen wäre :
(zu afrz. aigue). Allein gegen jene Annahme der Entlehnung überhaupt
hat Herzog in Zs. 28, 383 mit Recht Einspruch erhoben.
584. *aquilentum.
Warum Berger Lehnwörter 124 angezogen wird, ist nicht ersicht-
lich, da er ja gerade noch mit dem alten *acuctdentum operiert. — Aprov.
aguilen kann nicht volkstümlich sein, s. Fröse Die lateinischen Vorton-
vokale im Altprovenzalischen S. 81. — Das Altprovenzalische besitzt auch
aiglentier, aiglentina.
590. Araba.
Es heißt hier : "prov. ar<ibe 'habgierig, geizig', nprov. arabro 'roh*,
1) An den beiden übrigen (der ersten und letzten) heißt es 'ins
Leben rufen*, 'zum Keimen bringen*.
2) Würde man nicht erwarten : 'planter des boutures ou provigner
des arbres'?
Meyer-Lubke Romanisches Etymologisches Wörterbuch. 47
auch prov. alabre 'gefräßig'". Man möchte wirklich wissen, wo ein altprov.
arabe zu finden ist, und dasselbe gilt von einem altprov. alabre.
605. arbitrium.
Liegt bei arviere ein Druckfehler vor ? — Die ursprüngliche aprov.
Form arbire *) war anzuführen und vor albire zu stellen, obgleich sie
seltener begegnet und Levy sie nicht bringt, s. z. B. Flamenca* 3205.
614. architriclinus.
Wenn lucch. arcidecUno angeführt wird, so hat auf die gleiche
Ehre afrz. Ärchedeclin Anspruch, das z. B. Aiol 7822 begegnet (vgl. im
übrigen Langlois Table), wiewohl das Wort hier, wie bekarmt, mißver-
ständlich als Eigenname aufgefaßt wurde.
630. arena.
Es fehlt aprov. arena sowie afrz. areine 'Sand' (s. Varianten zum
V. 1036 des Cliges), 'Mörtel' (s. God. unter 'araine').
643. argutare.
Wie unter 'arbitriare' als Ableitung prov. 'albir' genannt ist, so
erwartet man hier das afrz. argu, falls man es mit Scheler zum Bastart
de Bouillon 4415 als Verbalsubstantiv zu argüer ansieht. Wahrscheinlich
aber kommt es direkt von argutum. das substantiviert wurde, wenigstens
weist darauf die m. W. älteste Stelle, an der man es antrifft, Folq. de
Cand. 1118 hin, wo der Obl. Plur. arguz im Reime auf -uz steht; dann
wäre ein besonderes Stichwort argutum voimöten.
647. arir (arab.) 'Lärm'.
Für das afrz. aride, das als 'Kriegsruf der Sarazenen' bezeichnet
wird, sei es gestattet, noch besonders auf Romania 13, 24 V. 210 hinzu-
weisen, weil Godefroy diese Stelle nicht auiTührt und gerade an ihr
aride wirklich als Kriegsruf der Sarazenen erscheint, während an der
zweiten bekannt gewordenen Stelle (Chanson d'Antioche 6, 885) die Sache
lange nicht so klar liegt. Hier ist die Situation die, daß die Sarazenen
in der Nacht von den in die Stadt eindringenden Christen überrumpelt
werden und in die ärgste Bedrängnis geraten; dann heißt es von ilmen:
'Aride! Aride!', hucent, 'Mahons! quex destorbier!' Das W^ort scheint
also hier eher einen Angst- und Klageruf zu bedeuten und würde darui
mehr zu dem heutigen span. alarido stimmen, welches Salvä mit 'grito
lastimero' glossiert *).
667. *arramire.
Warum fehlt aprov. aramir ? Gleiches ist zu fragen bezüglich aprov.
arazonar (Nr. 669).
704. asinus.
Das Altprovenzalische kennt auch die Form asne ; sie ist offenbar
versehenthch bei Levy Pet. dict. fortgeblieben.
707. asparagus.
Wo ist ein afrz. asparge belegt? Das Wort scheint dem Alt-
französischen ebenso fremd zu sein wie dem Altprovenzalischen.
724. assequi.
1) Levy Pet. dict. registriert ein arbir, das auch schon Raynouard
unter dem Stichwort albir verzeichnet, ohne daß sich unter des letzteren
Beispielen ein Beleg dafür wahrnehmen läßt.
2) In Cantar del mio Cid ed. Menendez Pidal V. 606 heißt es, im
Plural stehend, 'Kriegsgeschrei'; übrigens erheben es die Christen.
•48 Meyer-Lübke Romanisches Etymologisches Wörterbuch.
Es hätte sich empfohlen, vor die afrz. Form as^ovir die fast ebenso
häufig anzutreffende und ursprüngliche Form assevir (s. God. unter 'as-
sovir') zu setzen.
735. *assuaviare.
Es fehlt das aprov. assuaujar.
741. asthmo.
Man vermißt das aprov. asma, das freilich auch bei Levy Pet. dict.
fehlt, s. Lex. Rom. und Zschr. f. rom. Phil. 27, 596 zu V. 1540.
774. au (Schaltwort für das Schreien des Katers), 2. 'Kater'.
Wenn frz. matou, wallon. marku, pikard. käu^), lolhr. röw *), marlu,
maro, bearn. arnau auf jenes au, welches = 'Kater' sein soll, zurückge-
führt werden, so ist das doch mehr als bedenklich, und der Hinweis auf
Bhft. I, 24 sowie GRM. I, t537 beruhigt keineswegs. Saineanu sagt nur:
Le Suffixe 'ou est caracteristique j^our cette nomenclature et para'it re-
monter ä 'miau, und die Bemerkungen von Meyer-Lübke am zuletzt ge-
nannten Orte gegen die Herleilung von den Eigennamen Matwulf (Ma-
tulfj, Markulf, Radulf, Marulf, Arnold^) überzeugen nicht. Die Be-
hauptung, daß es durchweg gar zu seltene Eigennamen sind, ist teils
nicht richtig, denn Badulf (heute Raoul) und Arnold sind alles andere
als selten, teils zu kühn, denn die Personennamenforschung ist für das
französische Sprachgebiet noch so wenig angebaut, daß wir vielfach nicht
in der Lage sind, über die Häufigkeit oder Nichthäufigkeit eines Namens
ein Urteil zu haben. Für die Herleitung von Personennamen, welche
schon Darmesteter Vie des mots § 58 b vornahm, spricht einerseits der
Umstand, daß für alle Formen, mit Ausnahme von pikard. kau *) , ein
lautentsprechender Eigenname zur Verfügung steht, was kaum ein Zufall
sein kann, und andererseits die Tatsache, daß das Französische doch
auch sonst eine nicht geringe Zahl von Tierbezeichnungen besitzt, die
zweifellos auf Personennamen zurückgehen: carlin % fouquet, guillemot,
jacque, jacquot, martin, tnartinet, pierrot, sansontiet u. a. Gewiß ist in
den Benennungen für den Kater die Laulreihe a — u beachtenswert, aber
es scheint mir viel plausibler anzunehmen, daß man, durch die beiden
Vokale im Schreie des Katers veranlaßt, unwillkürlich zu solchen Namen
griff, welche in den beiden aufeinanderfolgenden Silben diese Vokale
aufwiesen, als daß man zwischen jene Vokale ganz beliebige Konsonanten
einfügte.
775. *auctoricare.
Es fehlt aprov. autorgar.
780. auditus 'Gehör'.
Man möchte gerne die Fundstelle für aprov. auzit erfahren; ich
kenne nur nprov. ausido.
786. aura.
1) Saineanu (Bhft. I, 24) gibt caou an.
2) Meyer-Lübke nennt in GRM. I, 637 nicht röu, sondern raou.
3) Meyer-Lübke führt noch ein 'Markold' auf; es bedarf aber
dessen nicht für eine der franz. Wortformen.
4) Saineanu bemerkt wohl mit Recht, daß sich hier ca = chat ein-
gemischt haben wird.
6) Carlin sowie fouquet, jacquot und pierrot 'Spatz' finde ich nicht
bei Meyer-Lübke.
Meyer-Lübke Romanisches Etymologisches Wörterbuch. 49
Prov. aurön 'verrückt' ist wohl nur Druckfehler für aprov. aurdn,
dagegen gehört doch, wie mir scheint, nprov. auroun = 'essor', 'vol d'un
oiseau d'un lieu ä l'autre' (Mistral) hierher. — Ist aprov. aurat 'toll' ab-
sichtlich nicht aufgeführt?
789. aurata.
Wo ist ein aprov. aurada belegt?
848. azkon (bask.)
Es fehlt aprov. ascona, escona, ancona.
859. baca 'Beere'.
Wenn ital. bagdtella wirklich zu baca gehören sollte, wie das Meyer-
Lübke, eine alte Vermutung Schuchardt's aufnehmend und Suchier's Ety-
mologie nicht erwähnend, als sicher hinstellt, dann könnte doch immer
nur ein Deminutiv von *bacatum vorüegen, mithin unser Wort nicht ohne
Weiteres unter die Ableitungen von baca gestellt werden.
867. *bacculare.
Es heißt hier: 'frz. bäcler. prov. badar Thomas, Ess. 246'. Allein
Thomas sieht frz. bäcler als aus dem Provenzalischen übernommen an,
mithin wäre zu schreiben gewesen: prov. baclar (zu frz. bäcler). Hat
Meyer-Lübke für seine Anordnung etwa eine Stelle im Complement von
Godefroy aus der Pariser Steuerrolle von 1292 'Renost qui bacle' im
Auge gehabt (welche Stelle Thomas entweder übersehen oder bei Seite
gelassen), so hätte er besser gesagt: 'afrz. bäcler, nfrz. bäcler, nprov. baclar .
888. bajulns.
Die Ableitungen afrz. bailif, nfrz. baüi (schreibe bailU) sind ver-
sehentlich unter Nr. 3 geraten; sie gehören unter Nr. 1.
891. balakhS (arab.).
Vgl. unten zu Nr. 1087.
897. balazn (breton.) 'Ginster'.
Für das Altfranzösische wird balain, balais angegeben. Die Form
balain begegnet, wenn ich nicht sehr irre, nur in den vier Büchern der
Könige, und was ein balais betrifft, so geht m. E. aus keiner Stelle her-
vor, daß das s stammhaft sei, und wohl ebensowenig ist das in prov.
bcUai der Fall '), von dem übrigens nicht einzusehen ist, warum es aus
dem Nordfranzösischen entlehnt sein soll *).
899. *halca.
Warum wird nur nprov. bauko (schreibe bauco) und nicht auch
aprov. balca (Rom. 32, 282) genannt? Wenn dann Meyer-Lübke aprov.
terra bauca 'Sumpfland' vergleicht, so ist es wohl erlaubt, da es S. 10
heißt: 'Unverändert ist selbstverständlich auch alles geblieben, was aus
alten Texten übernommen wurde', zu bemerken, daß nur die Form balca
belegt ist; die Bedeutung wird durch den Zusammenhang an der ein-
zigen Belegstelle nicht gesichert, daher denn auch Levy Pet. dict. richtig
ein Fragezeichen setzt.
900. bald.
1) Bei Serveri de Girona findet man den Obl. Sing, balays im Reim
auf palaya (Annal. du Midi 24, 51). wozu Jeanroy nichts bemerkt, aber
es kann Reimzwang vorliegen. In dem Liede Gr. 46, 1 schreibt allerdings
Hs. H. lo balais, aber Aa haben den Plural los balais.
2) Schon die Gräfin von Dia Gr. 46, 1 gebraucht das Wort; die
Stelle fehlt bei Raynouard und Levy S.-W.
Anzeiger XXXIII. 4
50 Meyer-Lübke Romanisches Etymologisches Wörterbuch.
Man vermißt die provenz. Ableitungen und für das Nordfranzösische
baldour und das interessante baldoire.
906. baljos (galL).
Der Verweis auf Romania 29, 432, wo man etwas Näheres zu
finden hofft, stimmt nicht; die Stelle läßt sich auch nicht durch die Table
von Bos ermitteln.
928. *bandön 'Macht, Erlaubnis'.
Als welcher Sprache angehörig soll man sich die angesetzte Form
denken, und die gleiche Frage muß man bezüglich *ba-ut 'Koffer' (Nr. 1008)
stellen.
957. barga 'Uferböschung'.
Schreibe berge für bärge (Druckfehler). — Ein prov. barga mit obi-
ger Bedeutung kenne ich nicht.
988. batare.
Baherne ist die belegte Form, nicht baerne, s. God. unter 'berne'
und vgl. oben zu 899.
1008. *ba-ut 'Koffer'.
S. oben zu 928. — Eine Bedeutung 'Koffer' ist für das aprov. baue
nicht gesichert (s. die Bemerkung von Levy im S.-W.), das überhaupt
schwerlich hierher gehört.
1016. bed.
Warum fehlt afrz. bied, das doch die Herkunft deutlich hervor-
treten läßt? Zur Erklärung der nfrz. Form bieg^) wird nichts gesagt.
1027. bellus.
Wo ist ein komparativischer Nominativ belaire, den Meyer-Lübke
auch schon Rom. Gram. 2, S. 85 aufgeführt hatte, im Altfranzösischen
belegt? Ich kenne ihn nur aus dem Altprovenzalischen, wie denn da
auch, wie im Norden, bellazor begegnet, das Meyer-Lübke nicht ver-
zeichnet. Einen neutralen Komparativ belais nennt er nicht, was zunächst
überrascht, da schon Diez Altrom. Sprachd. S. 22 das im Raoul de
Cambrai 2446 anzutreffende belais als Neutrum zu belezour ansah und
nach ihm ebenso G. Paris im Glossar zum Orson de Beauvais *). Viel-
leicht aber war für ihn die Erwägung maßgebend, daß nur im Raoul de
Cambrai belais (mit einem e) begegnet, während an den beiden anderen
von G. Paris angezogenen Stellen, denen ich noch P. Meyer Rec. 2. 339
V. bi mit del mielz et del balais hinzufüge, balais steht (im Ors. de Beauv.
V. 2 hat die Hs. biaus laiz), und daß, wenn auch die Verbindung mit
mielz die Annahme eines Komparativs nahe legt, doch auch Folque de
Candie 7739 mit lo balais et la flor^) ins Gewicht fällt und man daher
an den Edelstein balais denken könnte *). Nur wäre dann eine ent-
sprechende Bemerkung unter Nr. 891 am Platze gewesen.
1) Godefroy Cpl. gibt als Titelkopf bies an, aber keine seiner Beleg-
stellen, unter denen übrigens Karlsreise 775 fehlt, rechtfertigt diese Form.
2) Wohl auf Grund hiervon registriert auch Nyrop in seiner Gram,
bist. II §453 Nr. 3 belais, während es bei Schwan -Behrens nicht steht.
3) Dieselbe Verbindung findet sich auch noch V. 10913 im 2. Bande
des Folque, den ich vorbereite.
4) Eine Anlehnung dieses aus dem Arabischen stammenden Wortes
an bei wäre erklärlich genug, vgl. auch die Schreibung bellais in der
Herner Hs. zu einer Stelle aus Gautier d'Espinal (s. God. C})1. unter balaiti).
Meyer-Lübke Romanisches Etymologisches Wörterbuch. 51
1029. benedicere.
Das ursprünglichere afrz. beneist re verdient den Vorzug vor spä-
terem henistre.
1050. Berrovier 'Bewohner der Landschaft Berry'.
Warum ist gerade die provenzalische Form als Stichwort vorangestellt ?
— Man vermißt aprov. berroier (s. Levy, S.-W.), das vom berrovier nicht zu
trennen ist, wenn es auch eine andere Bedeutung aufweist. — Den Sinn
von 'leichtbewaffneter Krieger' hat m. W. das afrz. berruier nicht.
1059. *besta.
Es bedarf des Sternchens nicht, s. Thesaurus II, Sp. 1935.
1061. bestia.
Wenn afrz. bisse absichtlich fortgelassen ist, dann würde man ein
besonderes Stichwort bistia erwarten, dessen Existenz schon Parodi an-
nahm (vgl. Romania 23, 315) und das zweimal bei Gregor von Tours
vorkommt, s. Thesaurus II, Sp. 1935.
1075. 1079. bibita. bibitura.
Hier wird boite und boiture als 'afrz.' bezeichnet, wiewohl das eine
zuerst im 16., das andere im 15. Jahrb. nachgewiesen erscheint. Dem-
entsprechend hätte denn auch unter 1078 (*bibitoria) ein afrz. boitoire
figurieren können, s. God. I, 676 c.
1080. bibitus 'betrunken'.
Auch hier möchte man wieder gerne, diesmal wegen der Bedeu-
tung die Fundstelle namhaft gemacht sehen. — Daß bü in der Mundart
von Reims von bibitus kommen soll, leuchtet nicht ein ; es ist offenbar
das alte beu, welches bei Villon im Sinne von 'betrunken' erscheint, s.
Bartsch -Wiese 93 b V. 17.
1084'. *bicornis.
Das Wort hat versehentlich ein Sternchen erhalten. Es scheint mir
recht gewagt, prov. (d. h. neuprov.) bigord 'verdreht' darauf zurückzu-
führen, da ein etwaiger altprovenzalischer Reflex nicht zur Verfügung steht.
1114. *ö»roitMm 'zweirädriger Karren'. 1115. itro<«s 'zweirädrig'.
Unter der ersten Nummer fehlt Verweis auf Diez 54. Frz. brouette
gehört natürlich unter birotus 'zweirädrig', wofür besser birotum 'zwei-
rädriger Wagen' zu schreiben wäre, da es schon im Lateinischen als Sub-
stantiv vorkommt. Hier würde es sich auch empfeiilen, die altfranzö-
sischen Formen anzugeben (s. God. Cpl. unter brotiete).
Über die Vollständigkeit des Werkes, soweit es sich um die Stich-
wörter handelt, wird man eigentlich erst reden können, wenn der Index
vorliegt. Immerhin sei schon jetzt wenigstens an ein paar solcher er-
innert, welche innerhalb der ersten Lieferung fehlen, und von denen man
nicht sieht, wo sie etwa späterhin behandelt worden sind, oder füglich
behandelt werden könnten : accubitare, afrz. acoder nfrz. accouder, aprov.
acodar — affundere, afrz. afondre 'anstürmen', s. Tobler zum Julian 2411
— aUquanti, afrz. auquant — alnetum, afrz. aunoi. span. alnedo — an-
cora, frz. ancre — Andros. afrz. andre in cendal d'andre — *appedatio,
aprov. apezazo — Basilia, afrz. Abi. ballois, balois *) (aus basilensis *).
Straßburg i. E. 0. Schultz-Gora.
1) G. Paris spricht in der Romania 18, 145 von ballois, aber diese
ursprünglichere Form läßt sich, soweit ich sehe, zufällig nicht nachweisen.
2) Für diese Form s. Thesaurus II, Sp. 1761 unter 'Basilia'.
4*
52 Kluge Urgermanisch.
Fr. Kluge, Urgermanisch. Vorgeschichte der altgermanischen Dialekte.
(= Grundriß der germanischen Philologie von H. Paul, 2.) Dritte ver-
besserte und vermehrte Auflage. Straßburg, Karl J. Trübner 1913. 5 M.
Kluges 'Vorgeschichte der altgermanischen Dialekte' erscheint
unter dem Haupttitel 'Urgermanisch' in dritter vermehrter und verbesserter
Auflage. Die Vorzüge des allgemein bekannten und unentbehrlichen,
durchweg interessanten Buches hier hervorzuheben ist unnötig. Kluge
sagt im Vorwort, man werde 'im vorliegenden Buch immer nur 6ine
Auffassung vertreten finden', er müsse 'also darauf gefaßt sein, daß der
subjektive Charakter vieler Anschauungen . . . manchem Fachmann an-
stößig sein' werde. Gegen das Prinzip, dessen notwendige Folge der
Verfasser richtig vorausgesehen hat, will ich hier nicht opponieren: ich
will nur einige Stellen hervorheben, wo die von Kluge vertretene Ansicht
m. E. unrichtig ist, und einige sonstige Bemerkungen machen in der
Hoffnung, daß Kluge einiges von dem hier vorgebrachten richtig und für
eine neue Auflage verwertbar finden wird. Alle Punkte zu behandeln,
in denen ich abweichender Ansicht bin, würde viel zu weit führen.
Von dem Grundsatz, nach welchem man im Buche 'immer nur
eine Auffassung vertreten finden' soll, wird wenigstens in einem Falle
abgewichen. S. 78 oben wird tcissun mit Osthoff Perf. 397 aus *tritsnt
hergeleitet; dieselbe Ansicht Osthoffs wird S. 168 angeführt; zwei Seiten
später 170 aber läßt Kluge das ss in ahd. tvessa, wissa aus vorgerra. tt
hervorgehen. Beide Ansichten können unmöglich nebeneinander bestehen,
aber Kluge ist hier wohl unsicher, welches die richtige ist. Osthoffs An-
sicht ist abzuweisen, s. jetzt Collitz Das schw. Präteritum S. 22. 45 f.
Zu S. 6 unten. Got. kelikn ist nach einer mir sehr wahrschein-
lichen Vermutung von G. Schütte (im 'Budstikke' I Nr. 5 (8. Dec. 1898)
S. 6 (Kgl. Bibl., Kopenhagen, nicht im Buchhandel)) nicht dem Gallischen,
sondern als speziell gotisch dem Galatischen entlehnt, analog den be-
sonders von Bugge IF. 5, 168 ff. nachgewiesenen speziell gotischen Lehn-
wörtern aus dem Armenischen.
S. 31 bemerkt Kluge mit Recht, daß die Römer germanische Laute
und Lautgruppen, die sie in ihrer eigenen Sprache nicht besaßen, 'nostri-
fizierten'. Er sagt richtig, daß germ. x als ch erscheint, latein. Autoren
dafür aber auch c schreiben (und griechische, was Kluge nicht bemerkt,
nach römischem Vorgang k), und ebenso germ. ß als th aber auch t,
wir erfahren also was in den Hss. steht, woraus zu entnehmen ist, wie
die Römer schrieben, aber die Frage, wie sie sprachen, wird nicht auf-
geworfen. Wenn Kluge als Beispiel der 'Nostrifizierung' Chattet (mit c
für das innere x), anführt, so kann der Leser glauben, daß die Römer
sich bei dieser Schreibung für den Anlaut bemühten, das x oder dafür
die Aspirata ch hervorzubringen, während sie doch sicher, wo es sich
um Sprachlaute von Barbaren handelte, sich nicht die Mühe gaben, sondern
germ. x und ß unter allen Umständen als reine Tenues c und t sprachen.
Cauci, Catti, Tencteri (welche Formen alle belegt sind), auch wo sie zur
Andeutung des germanischen Lautes ch und th schrieben. Bemerkt
könnte noch werden, daß die Römer offenbar den ch und th für germ.
X und ß gegenüber rein mechanisch die griechische Regel beobachtet
haben, nach welcher nicht in zwei aufeinander folgenden Silben zwei
Aspiraten geduldet wurden, daher sie in solchen Fällen die Aspirata
höchstens an 6iner Stelle schrieben, daher Chauci und Cauchi, griech.
Kluge Urgermanisch. 53
Kaöxoi, Chatti (nicht *Chatthi) und Catthi mit tth (nach dem Vorbild
von griech. t6) für germ. pß nach der von mir Zda. 43, 172 ff. darge-
legten Ansicht, (Thencteri und weit öfter) Tenchtheri, Tenctheri, Tenchteri
(Belege s. bei M. Schönfeld Wb. der altgerm. Personen- und Völkernamen).
S. 32, 35 schreibt Kluge lat. Marcomanni, die jüngere Form: die
ältere lateinische Form mit einfachem ti wird nicht berücksichtigt. Die
Römer und nach ihnen die Griechen schrieben das Wort von Cäsar bis
zum markomannischen Kriege, also länger als zwei Jahrhimderte, nur
mit einfachem n und sprachen es mit kurzer vorletzter Silbe, also lat.
Marcömäni, wie bei Tacitus' Zeitgenossen Statius im Verse zu sehn (Silvae
3, 3, 170 Mdrcömänös). Erst seit dem markomarmischen Kriege erscheint
die Schreibung mit nn '). Die Römer hörten also zu Cäsars Zeit den
germanischen Singular in der Form Markomanuz und schufen dazu ihrer
Sprache gemäß den Plur. Marcömäni. Zur Zeit des markomannischen
Krieges aber, als der Name en vogue kam, verbreitete sich die Kunde,
daß derselbe mit doppeltem n zu schreiben und zu sprechen sei. In-
zwischen war also im germanischen Plural imd in den obliquen Kasus
des Singulars das nu zu nn geworden, welches auch bereits durch Tacitus
Mannus Germ. 2 vorausgesetzt wird.
37 oben. Kluge meint, die westgermanischen Formen für 'Bischof
haben 'ein höheres Alter als eine lateinische Entlehnung aufweisen würde',
daher werde ags. bisceop ahd. biscof 'wohl got.-griech. Ursprungs sein'.
Diese Annahme könnte für das p zu hd. f passen, aber wie erklärt sich
denn das anlautende westgerm. und nord. b, das im Hd. zur reinen
Tenuis p [b) wurde zu der Zeit, wo das 2> zu f ward ? Dieses b kann,
soweit ich sehe, nur auf Rechnung des Vulgärlateinischen oder Früh-
romanischen kommen, es ist entweder Wiedergebung eines roman. b,
1) Begreiflicherweise haben spätere Schreiber die jüngere bekanntere
Form mit doppeltem n vereinzelt auch in die Hss. der älteren Schrift-
steller hineingetragen, so bei den schlecht überlieferten Vellejus und (z. T.)
Cäsar. Durchaus einfaches n haben das Mon. Ancyranum, Strabo, Statius,
Tacitus (in allen Hss.), Arrian; auch Ptolemaeus" Form ist sicher MapKoujLidvoi
(oder -^avoi. der Akzent schwankt in den Hss.) gewesen. In jüngerer
Zeit scheint Cassius Dio wenigstens z. T. nach seinen älteren Quellen
das einfache v gebraucht zu haben, und vielleicht unter seinem Einfluß
schreiben auch einige spätere Griechen noch einfaches v, vielleicht aber
ist die Kunde von dem in dem Namen von den Germanen selbst ge-
sprochenen nn den Griechen in geringerem Maße als den Römern zu-
gegangen. Die Belege im einzelnen s. bei Schönfeld S. 161 f., der aber
seinem Material das unrichtige Hauptresultat entnimmt, römische Schreib-
gewohnheit sei Marcomanni, griechische MapKO|iavoi gewesen, analog
der Schreibgewohnheit für den jüngeren Namen der Älamanni (so lat.),
griech. 'AXaiuavoi. Schönfeld sagt, 'nicht ganz gesichert' sei die Lesart
bei Cäsar, er habe deshalb in seiner Ansetzung der 'normalen' Form
mit nn den Vorzug gegeben, umgekehrt aus demselben Grunde der Form
mit einfachem v für Cassius Dio. (In dem jüngeren Namen der Ale-
mannen schrieben die Römer nn, weil sie es hörten, ebenso wie aus
demselben Grunde im Namen der Markomannen seit dem Markomannen-
kriege, während die griechische Schreibung AXafiavoi vielleicht analogisch
war nach MapKOMavoi).
54 Kluge Urgermanisch.
wie in portug. hispo, oder (wie in dem ahd. nicht belegten aber sicher
mit anlautendem b [p) vorhanden gewesenen mhd. Berne aus Verona)
des aus diesem b hervorgegangenen spirantischen b {v), wie in span.
obispo katal. prov. evesque usw. : am ehesten liegt ein frühital. *viscopo
(vfscopo) zugrunde (mit dem lautgesetzlichen ital. p statt des schrift-
sprachlich gewordenen r, vgl. sicil. vispicu mit Umstellung des c und p).
Die romanischen und die westgerm.-nord. Formen des Wortes tragen
sprachgeschichtlich betrachtet einen weniger gelehrten Charakter als die
gotische und die keltischen, air. epscop usw.
Zum Konsonantismus. Die Behandlung der indogermanischen
Verbindungen sA- st sp und kt tt pt im Germanischen (S. 54) ist nicht
unter 'Störungen' der Lautverschiebung aufzuführen, wenn nach dem von
Meringer Zog. 39, 140 f. und Noreen Abr. der urgerm. Lautl. 115 ver-
muteten und vom Ref. Ada. 25, 117 ff. nachzuweisen gesuchten die Ver-
schiebung eingetreten, aber sekundär in den Verbindungen «x ^P «/" "i^d
XP fp lautgesetzlich Spirant nach Spirant zur Tenuis geworden ist. —
S. 55 unter e) vermisse ich die Anführung von CoUitz' in seinem Schw.
Präteritum S. 105 ff. dargelegten Gesetz, wonach das aus idg. gh bh ~\- t
lautgesetzlich entstandene inlautende ghdh bhdh nach anlautendem idg.
bh dh gh (germ. b d g) im Germanischen zu (vorgerm. ht pt, woraus
germ.) x^ P geworden ist, was mir richtig zu sein scheint. — S. 65 § 46.
Wegen ags. hopian : hyht vgl. Ref. Vergl. idg.-sem. Wb. 121 ; wegen mhd.
steiften : s^wigen ebd. 238; wegen ahd. stiften: ags. stihtan ebd. 233 unter
st-, 234 unter st{h)-g-. — S. 68. Da got. asilus 'Esel' und *katilus 'Kessel'
keinen der Konsonanten (Labiale und Labiovelare) enthalten, die den
Übergang eines n in l begünstigen (wie das m in ahd. chumil aus cumlnum),
so ist anzunehmen, daß die Wörter aus den lateinischen Deminutiven
asellus und catiUiis stammen. Für ahd. igil um das griech. i^x^/oc willen
Entstehung des l aus n anzunehmen ist gar kein Grund vorhanden, da
es sich ja hier gar nicht um ein Lehnwort handelt, sondern in den beiden
Sprachzweigen selbständige Weiterbildungen des früher kürzeren indo-
germanischen Wortes vorliegen. — S. 69 § 51 zum Schlüsse, wo wir
lesen: 'Im As. ist die Regel für den Nasalverlust nicht klar bei ahd.
äband kind tnfndan = as. äband kind mpndian, vermißt man die An-
führung der nahehegenden Annahme, daß einfach grammatischer Wechsel
vorliegt, germ. np m hd. k-ind aus gdntom : as. kind aus §ent6m usw.
(S. 39 sollte darum zum aslav. (^fdo statt des hd. kind das as. kind ge-
stellt werden : wegen des slav. ä statt des zu erwartenden c für germ. A-
vor i ist indessen die Entlehnung des slavischen Wortes aus dem Ger-
manischen sehr zweifelhaft, s. Berneker Slav. etym. Wb. 154). — S. 73
§ 55b. Für got. bairös aus bMrö^es, an. söl = got. sauil griech. a(F)^\ioc,
worin Kluge 'Konlraktionserscheinungen' sieht, wird zu behaupten sein,
daß im Got.-nord. y. nach ö (aus idg. ä oder ö) (das im Gotischen vor
Selbstlaut zu au wird) lautgesetzlich schwindet (vgl. ohne 'Kontraktion'
an. *nT)a 'navium' (das got. *naue wäre) in Nöatün. In ahd. stüen, das
S. 92 ohne Erklärung zu got. stöjan mit geschwundenem y gestellt wird,
ist das ü Ablaut des üj«). — Zu S. 79 § 65 Anm., wo germanische Fälle
von der Art wie griech. ^^rpov aus *mMro-m aus *mM-tro-m ihre Er-
klärung finden, wäre m. E. auch das S. 142 anders erklärte as. sedal,
ahd. sedal aus vorgerm. *sMo- aus *sM-tlo- (neben got. sitls aus sed-lo-t)
zu stellen gewesen. — Für die Anlautgruppen germ. dl und // wäre in
Kluge Urgermanisch. 55
§ 66 zu berichten gewesen, daß in ihnen ebenso wie im Lateinischen
(und zwar im Germanischen erst nach der Lautverschiebung, da vor
der Lautverschiebung vorhanden gewesenes tl zu got. pl geworden ist)
der anlautende Dental vor dem / verloren gegangen ist, wie für germ.
tl aus idg. dl das Adj. got. laggs = lat. longus (aus *dlon'ghos) zeigt,
das eine nasalierte Bildung neben griech. boXixöc skr. dfrghd- (aus dl'gho-)
ist. — S. 81 f. zum Schlüsse des 'Konsonantismus' finden sich unter der
Überschrift 'Metathesen' wirkliche Metathesen von der Art wie and. etik
ahd. ?zz\h aus lat. acetum (in § 71) mit völlig heterogenen 'Metathesen
von n (§ 72), 'r-Metathesen' und 'Metathesen bei T (§ 73) in einem Kapitel
zusammengestellt. Es handelt sich bei diesen letzteren nicht um jüngere
Fälle wirklicher Metathese von der Art wie ags. cern = got. razn an.
rann, die nicht in dieses Buch gehören, sondern um germanische u vor
Liq. oder Xasal gegenüber Hochtonformen mit Liq. oder Nasal -{- Vokal,
wie ags. bord : bred, got. fuUs {til aus /') : lat. plenus (e aus e"), und
um ältere Fälle von der Art wie ahd. nagal (mit o-Stufe von *{e)neght-)
: lat. unguis (o-Stufe von 'en(e)gh"-), ags. broß (mit Schwundstufe von
bh{e)reu-) : lat. ferveo (aus bhei\e)u-), also Fälle, in denen nicht der mittlere
Konsonant bald vor. bald hinter den Vokal getreten, sondern in denen
wie in allen ursprünglich dreikonsonantigen Wurzeln je nach der ursprüng-
lichen Betonung bald der dem Konsonanten vorhergehende, bald der fol-
gende Vokal in unbetonter Stellung geschwunden ist, alles Fälle also, die
gar nicht in den 'Konsonantismus' gehören.
Den von Noreen Abr. der urgerm. Lautl. S. 181 £f., Zupitza KZ. 37,
387 ff., Ref. Semit, u. Idg. S. 134 ff. behandelten vorindogermanischen
grammalischen Wechsel finde ich, auch unter billiger Berücksichtigung
des Umstandes, daß das vorliegende Buch es speziell mit dem Germ,
zu tun hat, S. 53 § 34 unter dem Titel 'Vorgermanische Störungen' nicht
genügend behandelt, indem dort nur unter a) der indogerm. Wechsel
Tenuis : Media angeführt ist, (welcher Wechsel nicht dem Einfluß eines
Nasals zuzuschreiben ist, da er sich, wie Kluge selbst erkennt, auch
findet, wo kein Nasal mitspielt, und) welcher nicht allein im Inlaut, wofür
Kluge allein Beispiele gibt, sondern ebensogut auch im Anlaut vorkommt,
wie in ahd. {hynol : ags. cnoll (dessen c Kluge S. 46 als 'unverschoben'
betrachtet), lat. tango : got. teka. Neben diesem Wechsel besteht, von
Kluge gar nicht erwähnt,
b) der Wechsel der indogermanischen Medialaspiraten 1. im In-
laut mit Medien (Noreen 187), wie in skr. dmbhas, griech. vecpoc : skr.
dntbu griech. öußpoc, skr. {pra)-galbhd- : ags. gielj), sanskr. budhnd- griech.
Tru6|nriv : an. botn ags. botm, griech. Gupö : skr. dvär- (dessen d ursprünglich
im Inlaut gestanden hat, s. Ref. Vergl. idg.-sem. Wb. 63), griech. xetxoc
: ags. die, sanskr. ahäm : ifüj usw. (Kluge erwähnt allein S. 54 diesen
Wechsel ffh : §, indem er meint, daß 'im Indischen h für g in einigen
Fällen eingetreten' ist). Die indogermanische Medialaspirata wechselt
2. im Anlaut mit der Tenuis (Noreen 186, Zupitza 387 f.), wie in lat.
habeo : got. haban (von Kluge § 31 Anm. besprochen), as. drokno 'trocken'
: griech. rpÜTiu 'trockne', ags. bearh : lat. porcxis ahd. farah ags. fearh.
Kluge erklärt § 37 d einige anlautende germ. d neben p mit Bugges
Zusatz (Beitr. 12, 399) zu Verners Gesetz, m. E. mit Unrecht (daß germ.
ga- = lat. co- nach den Gesetzen des Inlauts mit Verners Gesetz zu
erklären ist, glaube indessen auch ich, und mit blach-feld neben flach
56 Kluge Urgermanisch.
mag es nach E. Schröder Nachr. d. GGW. ph.-h. Cl. 1908 S. 15 ff. seine
eigene Bewandtnis haben).
Ref. glaubt a. a. 0. bewiesen zu haben, daß diejenige anlautende
indogerm. Tenuis und inlautende indogerm. Media, die mit der Media
aspirata wechselt, vorindogermanisch ein anderer Laut gewesen ist als
die anlautende und inlautende indogerm. Tenuis, die mit der Media, und
indogerm. Media, die mit der Tenuis wechselt. Der Wechsel a) indogerm.
Media : Tenuis war vorindogerm. ein Wechsel emphatischer Media (die
indogerm. tönende Media bleibt (die labiale emphatische Media die idg.
b germ. p wird, war bereits vorindogerm. im Anlaut selten)) und nicht
emphatischer Media (die indogerm. zur Tenuis verschoben wird); b) der
indogerm. Wechsel der Medialaspiraten war vorindogerm. ein Wechsel
emphatischer Tenuis (zu idg. bh, dh, §h, gh) und nicht emphatischer
Tenuis (die indogerm. im Inlaut Media wird, das so entstandene b ist
indogerm. außer neben Sonoren zu y. geworden). Dazu kommt noch c)
ein seltenerer indogerm. Wechsel der Medialasp. mit der Tenuis im Inlaut
(im Anlaut indogerm. nicht vom vorigen zu unterscheiden), hervorge-
gangen, wie ich glaube, aus dem Wechsel eines vorindogerm. emphatischen
und nicht emphatischen tonlosen Spiranten. Der Wechsel ist nach A.
Trombetti (Mem. della R. Accad. di Bologna, Sc. stor.-fil., Tomo V, 1911
S. 3 ff.) ursprünglich derselbe wie er in vielen andern Sprachen alle
Konsonanten je nach dem Charakter des daneben stehenden Vokals be-
troffen hat, indem dieselben durch diesen teils gutturalisiert (emphatisch),
teils palatalisiert (nicht emphatisch) worden sind.
Zum Vokalismus. Da ich zu keiner Zeit Osthoffs Erklärung der
idg. t M in MU. 4 (im Gegensatz zu F. de Saussures genialer Erklärung
derselben t m) habe als richtig erkennen können, stört mich in Kluges
Etym. Wb. und andern Arbeiten, also auch im vorliegenden Buche, seine
Ansetzung germanischer und indogermanischer Wurzeln mit mittlerem
i ü. Nur wo wirklich ü und ü nebeneinander vorkommen, wie in germ.
luk- kann ich die Bezeichnung gelten lassen, und fürs Germanische auch
die Ansetzung von »-Wurzeln mit i wenn die Wurzeln mit germanischen
Konsonanten angesetzt werden, indem das t dann als Bezeichnung des
tatsächlich vorliegenden germ. i des Präsens gelten kann, nicht aber
(für die t-Wurzel, wenn mit indogermanischen Konsonanten angesetzt)
in Fällen wo ein (nicht aus idg. ei ey,, sondern aus idg. ej ey und fol-
gendem ursprüngl. Laryngal durch Reduktion entstandenes) idg. i ü nie
vorhanden gewesen ist, und nicht in Fällen, wo nur » ü (nicht i ü) vor-
kommt.
Kluge der (den f ü analog) idg. /• / als 'zweite Tiefstufe', d. h.
als Zwischenstufe zwischen er el oder re le und 2' / faßt, nimmt ferner
(S. 112. 116) mit Unrecht an, daß diese f / im German. durch ar al ver-
treten seien. Idg. /• / (wenn in dieser Form fürs Indogerm. richtig an-
gesetzt) oder älter /'/'(=/*/ ~l" Laryngal) sind vielmehr im German.
mit einfachem /• / zusammengefallen (wie in got. fuUa = skr. püt-pd-),
entsprechend idg. p ^ (von denen Kluge 115 sagt, daß ihre Vertretung
im German. 'noch nicht klar' sei) mit p ip, vgl. Streitberg Urgerm. Gramm.
293, Ref. Ada. 20, 135 Note 3. Kluges in Frage stehende germ. ar al
nach anlautendem Konsonanten (im Anlaut, d. h. nach ursprünglich an-
lautendem * oder sonstigem Laryngal, kann nämlich 'rf auch e-stulig sein)
sind im German. überall Vertreter der o-Stufe, teils einfach aus idg. or
Kluge Urgermanisch. 57
ol, teils (wo die Reduktion sanskr. ür oder Tr ist) aus or' ol\ Wenn
Kluge S. 82 schreibt : 'got. straujan und ahd. strö aus straw = stf-w
(griech. cxop ind. star)\ so nimmt er (stillschweigend) an, daß, wie 2"
durch ru, so f auch durch germ. ra vertreten sein könne (während germ.
strau- hier die o-Stufe von st{e)reu- ist): daß Kluge hier und in andern
Wörtern vor S. 112 i? 105 ^ statt r und ebenso / statt / setzt (wie S. 82.
111 bei germ. fitUa- ags. füll), rührt wohl daher, daß hier von f / noch
nicht die Rede gewesen ist.
S. 115 § 112. Das e in got. nemun. gebun. gaqems kann nicht
mehr durch 'urindogermanische Ersatzdehnung' erklärt werden. Lat. rer
an. vär ist nicht aus tiesr- sondern aus uesr- entstanden. — S. 116 § 114.
Kluge (der die e-Slufe 'Mittelstufe', die o-Stufe 'Hochstufe', die Schwund-
stufe 'Tiefstufe' nennt) läßt beim Ablaut e : d : ä {tekan : taitök : an. taka,
griech. ^rn-vum : IppiuT«) unbegreiflicherweise das ö 'Mittelstufe' und e
'eine Tiefstufe' sein.
Zu der S. 123 § 124 besprochenen t- und u-Epenthese erlaube ich
mir zu bemerken, daß ich (Idg.-sem. Wb. 106 f. Note) eine zur Bildung
von Deminutiven verwandte idg. i'-Epenthese zwischen dem 2. und 3.
Wurzelkonsonanten nachzuweisen gesucht habe, wie in an. griss aus
*gh{e)reis- neben ghj-s- (in sanskr. ghfivi-. ghfsti- 'Eber') von *gheres-,
und (ebd. S. 198 Note) eine idg. «-Epenthese zur Bildung von Kollektiven,
wie got. laufs an. lauf urspr. Koll. 'Laub' neben lit. läpas 'Blatt'. —
Griech. ^eüGepoc (S. 110) kann m. E. nicht idg. th gehabt und dann also
nicht mit hd. liederlich zusammengestellt werden (vgl. Vergl. idg.-sem. Wb. 11
Note, wo ich die Gleichung ^eOBepoc : leus- (got. laus 'los') = KOÖapöc
: kas- (lat. castus) aufgestellt habe).
S. 130ff. Zu Kluges Fassung der Auslautsgesetze wäre ver-
schiedenes zu bemerken, doch würde mich dieses zu weit führen. S. 136
§ 142 wäre wohl zu bemerken gewesen, daß e in ahd. tcolfes, icortes
bleibt, weil ein o (germ. a) folgte {-eso). während in der 2. Person ahd. -is
das e zu i geworden ist, weil ein i folgte {-est), ebenso wie in der 3.
-id ahd. -it (-eti). — S. 137 § 143. Statt zu sagen, daß die 'gemeinwest-
germanischen Auslautsgesetze' im Angelsächsischen wirken 'nach dem Ein-
tritt des Umlauts', im Deutschen 'lange vor der Periode der Umlaute',
wäre es wohl besser gewesen, darauf hinzuweisen, daß der Umlaut von
Norden nach Süden vorgeschritten und also im Engl.-Fries. früher ein-
getreten ist als im Hd.
Zur Flexion. S. 163 § 169. Der üblichen Erklärung von as.
bium ags. beoni ziehe ich die einfache lautgesetzliche Herleitung aus
*bheu-mi vor. Das ahd. bim könnte aus *bemmi (mit mm aus j«»iJ, wie
in an. snemma, snimma = ahd. sniomo ags. smome, got. sniumundo) ent-
standen sein. — Wie in der 2. Sing, das -t in ahd. bist richtig als das
t der Präteritopräsentia erklärt wird, so köimte in derselben Weise das
Fehlen des -t in der 3. Sing. as. ags. is erklärt werden (aus *ise statt ^sti
mit dem -e in jföjde: das i aus e erklärte sich aus der Stellung in der
Enklisis).
S. 171. Daß unnum aus *unznum entstanden und das s in ansts
wurzelhaft sei (S. 141 Anm. 3), bestreite ich durchaus: ich erkläre das
nn in ann, unnum genau wie in kann, kunnum (s. Semit, u. Idg. 291
Anm. 2, Idg.-sem. Wb. S. 10 unter *an zum Schlüsse).
68 Kluge Urgermanisch.
S. 193. Ahd. fater als ursprüngliche Akkusalivform kann nicht
aus paterm, nur aus -^ffp, oder analogischem -erom entstanden sein. —
S. 194 oben. Ich glaube, daß die Genetivendung -sio ursprünglich der
pronominalen, -so der nominalen Deklination angehört, nicht umgekehrt.
Die Annahme, daß die /-Maskulina urgerman. ihren Genetiv auf {gasti-)so
(woraus got. gastis usw.) bildeten, ist zweifellos unrichtig : die Endung ist
einfach Analogiebildung nach den o-Stämmen, die erst nach dem Schwund
des i der Endungen des Nom. Akk. Sing, eingetreten sein kann. — S. 197.
Die Endung {dag)e aus -em (mit Zirkumflex, der in. Kluges Buch völlig
ignoriert wird) ist aus -eom, nicht aus -eem entstanden (die Endung des
Gen. Plur. der konsonantischen Deklination ist Analogiebildung nach
dage. Ebenso ist die gotische Endung des Gen. Plur. der »-Stämme {gast)e
Analogiebildung nach dage, nicht, wie Kluge S. 74 annimmt, aus -ejem
entstanden).
Von der 'schwachen Deklination' der Adjektiva ist in Kluges Buche
weder bei der Adjektivdeklination (S. 208 ff.) noch bei der DekUnation
der n-Stämme die Rede, obwohl das 'schwache Adjektiv' gemeinger-
manisch und ohne Zweifel auch urgermanisch gewesen ist. In einer
grammatischen Darstellung des Urgermanischen, soweit es erschließbar
ist, könnte auch die Frage wenigstens aufgeworfen werden: wenn die
schwache Form der adjektivischen o-Stämme Mask. Gen. -enaz (got. -itis,
aus idg. -enos), Plur. Nom. -anez (got. -ans) oder -önez (aus idg. -dnes)
usw. lautete, wie lauteten denn die schwachen Formen der adjektivischen
*■- und «-Slämme, die doch auch einmal bestanden haben müssen ? Eine
Antwort habe ich in Kluges Zs. f. d. Wortf. 4, 110 Note 3 für eine Form
derjenigen »-Stämme zu geben gesucht, die in der DekUnation den Di-
phthongen -ej- {-oj-) als Stammausgang zeigen : der Nom. Plur. dieser
Stämme lautete in der ältesten erschließbaren Form vorgerm. -ejdnes
(woraus für die entsprechenden ««-Stämme (mit -ejt- -ou-) die Form -euönes
zu erschließen ist), doch konnte (wie in griech. -ovoc für -^nos usw.) an
Stelle des älteren e das o der starken Kasus eindringen, also vorgerm.
-ojänes, welche Form wir mit germ. aj aus oi in Ingy.-, Istfi-aeones
haben, wie Herminones die schwache Form des Nom. Plur. von germ.
*ermena- war. Eine Vermutung über eine schwache Form eines Ad-
jektivs von einsilbigem konsonantischem Stamme s. ebd.
S. 208. Daß der Dental lautgesetzlich in got. fva aus k^od ab-
gefallen sei, glaube ich nicht, vielmehr glaube ich mit Tamm Beitr. 6,
400 ff., daß germ. t aus vorgerm. d in einsilbigem Worte nach kurzem
Vokal im Auslaut lautgesetzlich erhalten ist in an. hvat ahd. hwaz usw.
(wonach analogisch im Adjektiv). Got. fva ist vielmehr *k"om mit der
Endung der nominalen Deklination : got. h'a verhält sich zu an. hvat wie
got. Neutr. blind zu bUndat{a). — S. 211. Das altobd. dei des Nom. Akk.
Plur. Neutr. ist gewiß eine alte Dualform (mit derselben Endung wie in
ztcei, erhalten im Oberd. in pluralischer Bedeutung gleich dem bair.
Dual der 2. P. des persönlichen Pronomens), und ebenso das an. patt
(mit au aus vorgerm. -ou aus urspr. -ü\i {-^ in pau ist in ursprünglichem
Auslaut vor folgendem Wort geblieben, auch wenn -a\ia zu an. -ä wurde):
diese Endung war Dual des Maskulins, dieselbe, die ich Z. ahd. Allitt.-
poesic 8ßf. für ahd. sunufatarungo als zugrunde liegend angenommen
habe ; die Endung ist, weil Dual Mask. (im Indogermanischen auch für
Mask. -{- Fem- gebraucht) und Plur. Neutr. in -ö dieselbe Endung hatten,
Bruch Der Einfluß der germanischen Sprachen auf das Vulgärlatein. 59
im Nord. Plur. Neutr. geworden). — S. 212. Ahd. Nom. Plur. Mask. dea,
das Kluge fragend aus *piai herleitet, ist aus wieder haupttonig ge-
wordenem de hervorgegangen, das als untonig aus pai entstanden war,
s. Braune Ahd. Gramm. *238. — S. 217. Das got. -a in meina gegenüber
an. as. ahd. mfn habe ich KZ. 42, 177 unten f. (wozu S. 178 Note) zu
erklären gesucht. — S. 218 läßt 'klar' ahd. unsih ags. üsic .'nach ahd.
»IIA usw. gebildet' und entsprechend ahd. iuu-ih ags. eotcic 'vom Singular
beeinflußt' sein. Durchaus möglich ist diese Annahme ja allerdings, aber
'klar' finde ich die Sache keineswegs: warum kann nicht neben germ.
üns{e) ein ünse-k{e) bestanden haben? Wenn das idg. -§e germ. -ke im
Singular mich ursprünglich soviel bedeutet hat wie 'für meinen Teil', 'im
Gegensatz zu andern' oder dgl., so kann im Plural das germ. linseke den
exklusiven Plural bezeichnet haben = franz. 'nous autres' im Gegen-
satz zum inklusiven unse 'nous*.
S. 220 § 255. Daß 'vom indogerman. Standpunkt aus' das idg. o
in ufk"o-s, germ. tculfaz 'als Suffix zu bezeichnen' ist, bestreite ich
durchaus (vgl. Fick HB. 1, 1 IT.) ; anders steht es mit den », u der Endun-
gen -is, -US, denen in der Tat (nicht ein »-, u-, sondern) ein i-, w-Suffix
zugrunde liegt.
Ein Versehen ist S. 48 (auch schon in *S. 365) die Ansetzung
von got. finf mit n statt m. — S. 60 (und bereits in *329, *372) wird
das y in an. ngra versehentlich durch ^-Umlaut erklärt, obwohl das
Wort dem ahd. nioro und dieses S. 65 (nicht in '•^) dem griech. veqppöc
gleichgesetzt wird. Der Umlaut muß von einem / stammen.
Ein aus *S. 468 beibehaltener Druckfehler ist S. 219 Z. 17 v. u.
nordfries. gat (auch S. 266 in dieser Form in den Index aufgenommen)
für jat 'ihr beide' (so auf Amrum, im Moringer Dial. usw.. Sylt at, in
keiner nordfriesischen Mundart mit anlautendem g).
Die Liste der lateinischen Lehnwörter, die sich in den beiden
ersten Auflagen fand ('309 ff. * 333 ff.), wird man vorläufig ungern ver-
missen : sie soll, wie Kluge im Vorwort S. VIII mitteilt, in seinem 'Alt-
germanischen Wörterbuch' eine Stelle finden.
Kopenhagen. Hermann Möller.
Bruch Jos. Der Einfluß der germanischen Sprachen auf das
Vulgärlatein. (Sammlung romanischer Elementar- und Handbücher,
herausgegeben von Wilhelm Meyer -Lübke V, Reihe 1. Heidelberg,
C. Winter 1913). 5 M.
Wie schon der Titel des Buches zeigt, weiß Bruch der Lehnwort-
frage eine neue Seite abzugewirmen, welche mit den gegenwärtigen sach-
geschichtlichen Interessen des modernen Linguisten in grundsätzlichem
Zusammenhange steht. Als die Lautgeschichte fast ausschließlich in den
sprachwissenschaftlichen Untersuchungen dominierte, wurden die Lehn-
worte als interessante Kennzeichen für die Chronologie einzelner Laut-
wandel wohl geschätzt und eifrig untersucht. Heute aber, wo die Wort-
forschung durch ihre Verbindung mit dem Studium der Wortbedeutungen
sich von der Hegemonie der formalen Grammatik einigermaßen befreit
hat, nehmen auch die Lehnworte in der Wissenschaft einen anderen
Standpunkt ein. Der kulturelle Kontakt zweier Sprachgebiete, der in
ihnen zum Ausdruck kommt, ist das eigentliche Ziel, das Bruch in seiner
Untersuchung verfolgt, dem alle anderen Probleme untergeordnet werden.
60 Bruch Der Einfluß der germanischen Sprachen auf das Vulgärlatein.
Es gibt gerade in der Kulturgeschichte Fragestellungen, die gleich
der vorliegenden bei hundert Gelegenheiten aufgerollt werden müssen und
tatsächlich aufgerollt werden und die wir seit jeher genötigt waren, mehr
oder weniger nach 'allgemeinen Eindrücken' und 'ungefähren Resultaten'
zu beantworten. Der kleinste Schritt, den die exakte Forschung in solche
dunkle Gebiete an der Hand konkreter Materialien zu tun imstande ist,
lohnt jede aufgewandte Mühe. Und man muß dem Verfasser das Zeugnis
ausstellen, daß er sich redlich bemüht hat, unter Anwendung aller
kritischen Hilfsmittel seiner Aufgabe gerecht zu werden.
Er trachtet, den germanischen Wortschatz des Vulgärlatein (bis
zum V. Jahrhundert), soweit er uns durch Überlieferung und linguistische
Rekonstruktion erkennbar ist, zu bestimmen. Ein zweiter Hauptabschnitt
soll uns die Gründe, Ausgangspunkt, Zielpunkt und Zeit der Entlehnungen
begreiflich machen (Br. nennt dies die äußere Geschichte der german.
Lehnworte) während der dritte Teil des Buches in der 'inneren Geschichte'
derselben eine vollständige Laut-, Formen- und Bedeutungslehre der germ.
Elemente des Vulgärlatein dem Leser bieten will.
Grundlegend ist natürhch der erste Teil und hier ist es auch, wo
die Kritik am meisten Verbesserungen für die Zukunft in Vorschlag zu
bringen hat. Es ist zweifellos ein Hauptverdienst der 'Einführung in die
roman. Sprachwissenschaft' Meyer- Lübkes, daß sie in die germanischen
Lehnworte im Romanischen Ordnung gebracht hat. Da von den übrigen
einschlägigen Arbeiten manche veraltet, andere recht mangelhaft sind, so
werden wir erst dann in dieser Frage eine vollständige Übersicht gewinnen,
wenn Meyer -Lübkes Materialien in seinem Etymolog. Wörterbuch uns
zugänglich gemacht sein werden. Schon aus den augenblickhch vorHe-
genden sechs Lieferungen dieses Werkes ist zu erkennen, daß die germ.
Lehnwortliste, die Bruch auf S. 87 seines Buches zusammenstellt, zu vielen
Bemerkungen Anlaß gibt.
Es gibt noch manchen etymologisch dunkeln Wortstamm wie *dan-
sare, *drappum, *gafa, *gIoba, *kampto, *palta, bei denen die Möglichkeit
einer frühzeitigen Entlehnung aus dem Germanischen gegeben ist. Andere,
sicher germanische Entlehnungen können unter Umständen vor der
Völkerwanderung von den Romanen aufgenommen worden sein (boro,
krappa, kruska): auch in den romanischen Abkömmlingen zu den Verben
bautan, brikan, brustjan, gripan, manvjan sind wahrscheinlich teilweise
sehr alte Entlehnungen eingestreut, die herauszufinden und zu erörtern
die Aufgabe des Verfassers gewesen wäre. Endlich hätten — wenn auch
in negativem Sinne — einzelne weilverbreitete Ausdrücke einer späteren
Entlehnungsperiode wie andbahta, barda, bausi, dubba, fat, iska eine
kurze Erwähnung vielleicht verdient.
Aber auch zu den positiven Ansätzen Bruchs ist manche Ergänzung
und Berichtigung noch zu gewärtigen, für welche allerdings nicht der
Autor, sondern die Schwierigkeit der von ihm behandelten etymologischen
Probleme verantwortlich zu machen ist. Beim Worte parricum (S. 8) ver-
traute Bruch vielleicht allzusehr dem bekannten Aufsatze Baist's. Hätte
er diese Etymologie (deren Festlegung in Meyer-Lübke's etymolog. Wörter-
buch ihm offenbar noch nicht bekannt war), statt aus der wissenschaft-
lichen Literatur heraus direkt aus den Quellenmaterialien bearbeitet, so
wäre es ihm nicht entgangen, daß der Form parricum eine zweite *bar-
Bruch Der Einfluß der germanischen Sprachen auf das Vulgärlatein. 61
ricum namentlich in den südlichen Landschaften zur Seite steht. Die
größeren toskanischen Wörterbücher (Tomrnoseo, Fanfandi verzeichnen
barco und parco für 'Pferch'. Ersteres ist namentlich in Oberitalien als
barco, barch, bareg romagn. berch verbreitet (Boerio, Pajello. Cherubini
Nachtrag und Arrighi. Tiraboschi, Melchiori, Monti, Morri. Matlioli usw.)
und bedeutet bald 'Hürde', bald 'Ruheplatz für das Vieh', in der Romagna
'Heuschober', in Parma (Peschieri) 'aufgestelltes Reisig zum Einspinnen
der Seidenraupen', in Rovereto (Azzolini) 'Holzstoß', in Verona (Bolognini-
Patuzzi) und den Etschlagunen (Mazzucchi) ist barchesa resp. barchessa
'überdachter laubenartiger Raum', trotz der scheinbar abliegenden Be-
deutungen hierher zu rechnen'). Auch nach Unteritalien scheint sich barco
zu erstrecken (vgl. neap. barchetto = loggia bei d' Ambra und Finamore
Vocab. abbruzz. unter barche). Andrerseits ist aber auch in Südfrankreich
barj, bardzo nach den Ausweisen des Registerbandes zum Atlas linguistique
verbreitet, wozu altprov. barri (Levy) zu stellen ist, und meist für 'Ein-
friedung, Heuboden', in der Gascogne (barquia) auch für 'Wassereservoir'
verwendet wird, welch' letzteres mit geändertem Suffixe in Savoyen als
berye (Constantin & Desormeaux) als 'lieux humide, marecageux' wieder-
zukehren scheint. Für 'Heuschober' wird das Wort im ganzen Westen
bis in die Normandie hinauf gelegentlich verwendet und ist auch im Alt-
französischen als bärge, barche (Godefroy) belegt. Daneben bietet der
Atlas die interessante neuprovenzalische Form bargena (Heuschober), das
in span. genauer astur, bdrgana (Zaun, lebende Hecke) sich fortsetzt.
Auch die Formen mit p sind im ganzen westromanischen Sprachgebiete
verbreitet und sind namentlich m Frankreich (auch im Süden, vgl. neupr.
par Dach, Tenne, Mauerwerk im Atlas ling. Registerbd.) und in ItaUen
altes volkstümliches Sprachgut. Mitunter wird *barricum und *parricum
begrifflich differenziert (bearn. barquie 'Wasserreservoir' parguie 'Viehhof),
doch bewegen sich beide Ausdrücke in denselben BegrifTssphären.
Charakteristisch ist auch, daß beide Typen allenthalben in Ortsnamen
vertreten sind, am häufigsten in Italien und Frankreich, am seltensten
auf der iberischen Halbinsel.
Die Form barricum ist unschwer mit barricare resp. barra zu ver-
binden. Dieses wieder ist mit dem auch von Meyer-Lübke angenommenen
gallischen barros verwandt, wie einerseits rätorom. bargua 'Schopf einer-
seits, venez. barena andrerseits erweisen dürften. *barrictim würde seinen
Grundbedeutungen nach teils 'Schopf (Schober), teils 'Zufluchtsstätte'
(Pferch) bedeuten, und * barricare nebst dem Deverbal ban-a wären
sekimdär aus unserem barricum abgeleitet. Für gallische Herkunft der
ganzen Wortsippe spricht auch die Nebenform *barric5. das als bargun,
margun {maregien) 'Alpenhütte' in den Alpen (worüber ünterforcher
ZfrPh. 35, 514) weit verbreitet ist, als margongh von den Lombarden bis
nach Piazza Armerina in Sizilien verschleppt wurde (Roccella), und wieder
in Ortsnamen als Bargone, Barcone, Margone in ganz Oberitalien bis
Sestri Levante und Urbino nachweisbar erscheint. Der Anlautwechsel
von m und b zeigt hier m. E. die Wirksamkeit der keltischen Konsonanten-
lenition. Um nun das zuerst in deutschen Rechtsquellen auftretende
parricum in seinem Anlaute zu erklären, müssen wir uns doch wohl
entschließen, eine Entlehnung dieses weit über das ehemalige Kelten-
1) Vgl. auch Meyer-Lübke in W. u. S. I S. 118 A.
62 Classen On Vowel Alliteration in the Old Germanic Languages.
gebiet hinaus verbreiteten Ausdruckes ins Germanische vor der ersten
Lautverschiebung anzunehmen, das dann zur nhd. Form Pferch weiter-
führte. Wie sich die span. Formen, auf die sich Baist beruft, zu *barri-
cum verhalten, bleibe dahingestellt. Vielleicht liegen iberische Laut-
entstellungen vor, vielleicht vulgärlateinische oder romanische Konta-
minationen mit lat. parien oder parare. Mit dem deutsch-spätfat. parricum
haben sie gewiß keinen unmittelbaren Zusammenhang.
Wie sich mithin j)arricum als ein bisher nur halbgelöstes Problem
erweist, so dürften auch melca, crucea, veno (das übrigens Holder als
re7id ansetzt) und vielleicht auch andere Etyma, die Bruch behandelt,
als noch nicht definitiv aufgeklärt zu gelten haben.
Unter den aus dem Latein selbst belegten germanischen Lehn-
worten, auf die sich der Verfasser beruft, dürften ihrer drei auszuschalten
sein. Die Inschrift CILXIII 10017,46 ist trotz der im Thesaurus sub canna
gebotenen etwas selbstsicheren Deutung so mangelhaft zu entziffern, daß
wir wohl den Beleg des Wortes canna bei Ven. Fortunatus als den ältesten
gesicherten anzusehen haben. Das Wort guitanos CILVI 1208 gehört
wohl, wenn kein Eigenname, als Adjektiv zu mauros und nicht zu ger-
manos und endlich ist die Übersetzung von sinnu (CILIX 2893) mit 'Sinn*
wenig einleuchtend und lat. signu in jeder Hinsicht wahrscheinlicher.
Daß auch mancher von den aus wortgeographischen Gründen für
das Vulgärlatein in Anspruch genommenen germanischen Wortstämmen
(wie kamarling, halla, knapp) kritische Bedenken erweckt, sei nur an-
gedeutet ')■ Als mangelhaft ist endlich der kurze Abschnitt über die ger-
manischen Suffixe zu bezeichnen (S. 86). Wirklich wertvoll scheint mir
hingegen die sorgsam ausgearbeitete Laut- und Formenlehre. Da das
ganze Werk in erster Linie auf der Fachliteratur und erst in zweiter
auf den primären Quellen aufgebaut ist, so kann man allerdings auch
diesen Abschnitt keineswegs als abschließend betrachten, wie auch die
den Schluß bildende Bedeutungslehre mehr zu weiteren Arbeiten anregt,
statt unseren Wissensdurst endgillig zu befriedigen. Im ganzen aber kann
man sagen, daß Bruch sein Möglichstes getan hat, um auf einem Ge-
biete, auf dem wir auf Schritt und Tritt noch im Dunkeln tappen, durch
eine methodische Zusammenfassung des bisher Bekanntgewordenen, einen
Weg zu bahnen, welcher der Wissenschaft von großem Nutzen sein kann.
Innsbruck. Karl v. Ettmayer.
Classen, Em. On Vowel Alliteration in the Old Germanic Languages.
University of Manchester Publications, Germanic Series No. I. Man-
chester 1913. (Diss. Würzburg).
Zur Erklärung der vokalischen Alliteration sind — nach Classen —
drei Theorien vorgeführt worden; erstens 'the glottal-catch theory', die
eine supponierle, jedem Vokal vorliergehende glottale Explosiva ('Knack-
laut') zum Träger der Alliteration macht; zweitens 'the sonority thcory',
welche den allen Vokalen gemeinsamen Stimmton (vox) als genügende Er-
klärung betrachtet; drittens Axel Kocks 'iheory of identical vowels*,
welche annimmt, daß ursprünglich nur identische Vokale alliteriert haben;
1) Vgl. mittlerweile die eingehende Besprechung Brückners in Zffrz.
Spr. u. Lit. 41, 2 bes. S. 8.
Classen On Vowel Alliteration in the Old Germanic Languages. 63
als später die anlautenden Vokale lautgesetzlich verändert und dadurch
mehrfach differenziert worden sind, habe man die dadurch traditionell
gewordene Alliteration ungleicher Vokale auch in neuen Gedichten ver-
wendet. — Der Verfasser der vorliegenden Abhandlung hat Beweise für
diese letztgenannte Theorie liefern wollen.
Eine Hauptschwäche der Abhandlung liegt darin, daß der Verfasser
die vorhandene Literatur nur sehr unvollständig verwertet hat. Vor allem
hätte man fordern können, daß er den ihm. als einer mit schwedischen
Verhältnissen vertrauten Person, wie ich vermute nicht ganz unbekarmten,
trefflichen Aufsatz 0. Gjerdmans 'Om vokalallilterationen och dess för-
klaring' (Spräk och stil 12. 1912, S. 57 ff.) benutzt hätte. Die Klarheit
und Logik dieses Aufsatzes hätte vielleicht dazu beitragen können,
die Begriffe des Verfassers etwas aufzuklären, was unbedingt vonnöten
gewesen wäre. — Auch im übrigen scheint seine Literaturkenntnis ziem-
lich gering zu sein. Ein Beispiel, das eine Nebensache betrifft : auf S. 16
(vgl. auch S. 17, 20, 21, 30) behauptet der Verfasser (im Anschluß an
Gering) ohne weiteres, daß "in Old Norse there are cases of alliteration of
vowel and w-^\ und er scheint keine Ahnung davon zu haben, daß (nicht
nur Mogk sondern auch) der Referent ('Om allitterationen pä v i fornis-
ländskan', Studier i nordisk filologi utgivna genom H. Pipping, 3, ö) und
L. F. Läffler ('Om nägra underarter av Ijööahättr, ebd. 4, 1. S. 102 ff.)')
es versucht haben, Gerings Ansicht als hinfällig zu erweisen.
Wie oben genannt, verficht der Verfasser die Kocksche Theorie von
der ursprünglichen Identität der alliterierenden Vokale. "The only pos-
sible way of testing Kock's theory is to trace back to their old Germanic
forms the actually existing alliterative lines. Such procedure would ne-
cessarily be notbing more than an experiment for the purpose of demon-
stration ; for, of course, the Heliand did not exist before the ninth Cen-
tury, nor Beowulf before about 730, nor the poems of the Edda before
850. or later. All these works, however, contain alliterative lines, many
of which doubtless show a traditional framework of greater antiquity
than the poems which contain them. If, then, these historically later
lines show, when traced back, a larger percentage of identical vowels,
we may be justified in drawing conclusions as to the character of the
older (though lost) poetry", sagt der Verfasser S. 21 — 22. Er hat darum
in dieser Weise den ganzen Beowulf, hundert Verse von dem Heliand
sowie vier eddische Gedichte (Volundarkuijja, Hyndloliöp, Prymskui{)a,
Hymeskui|)a) untersucht. Als nun "it appears that the frequency of iden-
tical alliteration considerably increases when older forms are substituted^
is one justified in considering the result as evidence in favour of Kock's
hypothesis", meint der Verfasser (S. 23). Meines Erachtens mit Unrecht.
Denn es ist klar, daß, wenn wir z.B. altisländische Verse ins Urger-
manische zurückführen, Alliteration zwischen identischen Vokalen häufiger
eintreten wird, da ja das Altisländische eine größere Anzahl Vokale be-
sitzt als das Urgermanische. Es wäre ja möglich, daß auch unter Berück-
sichtigung dieses Faktors die Anzahl identischer alliterierender Vokale
im Urgermanischen größer wäre. Um darüber ins reine zu kommen,
1) Vielleicht ist Läffiers Abhandlung zu spät erschienen, als daß
der Verfasser sie hätte benutzen können.
64 Classen On Vowel Alliteration in the Old Germanic Languages.
müßte eine sehr schwierige Untersuchung vorgenommen werden, und das
hat der Verfasser nicht getan.
Anderes wäre zu diesen Untersuchungen allgermanischer Gedichte
zu bemerken, allein ich halte es für unnötig. Denn der Ausgangspunkt
des Verfassers ist falsch: daß das Prinzip der Alliteration in der Iden-
tität der alliterierenden Laute liege (S. 1). Ich kann nicht umhin, hier
ein Zitat aus Gjerdmans oben genanntem Aufsalz zu geben, das auch
dieser Äußerung des Verfassers (S. 21) ihre richtige Beleuchtung gibt: "Is
not a b much more closely related to a p, to most people, than an i to
an 0? Thal this is the case is shown by the fact that nobody confuses
«■ and 0, though many people confuse b and p. and cannot distinguish
them". Gjerdman schreibt (a. a. 0. S. QQ) *) : "S in sitta klingt etwas ver-
schieden von s in sucka. Daß wir diese etwas verschiedenen s als einen
und denselben Laut auffassen, beruht offenbar darauf, daß wir von der
Verschiedenheit bei ihnen, der verschiedenen Räsonanz, abstrahieren,
und nur das Gleiche und Gemeinsame beachten. Die Verschiedenheit
zwischen s in sitta und s in sucka beruht auf der Veränderung, welche
der von den lautbildenden Sprechorganen hervorgebrachte Laut in-
folge der Artikulation der räsonanzbildenden Organe erleidet. Wo-
rauf beruht die Verschiedenheit der Vokale? Ebenfalls ja auf der ver-
schiedenen Räsonanz im Ansatzrohr, nicht auf der Artikulation der
lautbildenden Organe. Ebenso wie wir alle auf Räsonanz beruhenden
«-Variationen mit einem einzigen Zeichen s bezeichnen, können wir alle
Vokalvariationen mit einem Zeichen, z. B. x^ wiedergeben. Der Unter-
schied zwischen s und x beruht auf der Artikulation der laulbildenden
Organe. Vergleichen wir nun z. B. a : e mit k : g, finden wir, daß diese
sich infolge Verschiedenheit in der Artikulation der lautbildenden
Organe unterscheiden wie a und x, während a und e nur auf der Artiku-
lation der räsonanzbildenden Organe beruhende Variationen des x, der
Stimmton (vox) sind. Die Verschiedenheit k : g ist also anderer Art, als
die Verschiedenheit a:e (= x », x e). — Hieraus geht klar hervor, daß
man recht hat, die Wahrheit von Kocks Behauptung zu bestreiten, daß
zwei verschiedene Vokale einander nicht mehr gleich sind als zwei ver-
schiedene Konsonanten". Noch deutlicher als die Verschiedenheit der
5-Laute tritt die Verschiedenheit zwischen ha, hi, hu usw., die jedoch mit
einander alliterieren, hervor.
Daß es in modernen germanischen Sprachen Alliteration zwischen
nicht identischen Vokalen gibt, scheint dem Verfasser unbekannt zu sein.
Er behauptet (S. 41), daß im heuligen Englisch nur identische Vokale
alliterieren, und man muß ihm wohl als Engländer glauben. Was aber
sicher ist, ist daß im modernen Schwedisch (wo nebenbei bemerkt 'Knack-
laut' verhältnismäßig selten ist) Alliteration zwischen ungleichen Vokalen
vorkommt. Ich verweise auf Gjerdman, der auch als Beweis dafür, daß diese
Alliteration auch von nicht Gebildeten empfunden wird, folgendes erzählt :
"Als ich vor einiger Zeit einen Arbeiter fragte, welches schöner klinge:
änga strör : utanför oder vardagsbröd : överflöd, antwortete er:
'Änga strör : utanför'. Auf meine Frage: wieso? bekam ich die Antwort:
'Sie reimen besser*. Als ich ihn darauf aufmerksam machte, daß es ja
in vardagsbröd : överflöd auch einen Reim bröd:flöd gibt, ver-
1) Hier ins Deutsche übersetzt.
Olsen Stedsnavne-Studier. 65
setzte er: "Ja aber änga reimt besser mit uian als vardag mit over".
Daß änga strör : utanför nach seinem Gefühl besser reimte als var-
dagsbröd : överflöd konnte, soweit ich finden konnte, nur darauf be-
ruhen, daß jene Ausdrücke auch mit einander vokalalliterieren. Durch
Kontrollversuche mit anderen ähnlichen Ausdrücken fand ich nämlich,
daß sobald ein derartiges Reimpaar auch vokalalliterierte, 'reimte' es
besser nach dem Gefühl des betreffenden Mannes" (a. a. 0. S. 76 — 77).
Auch im Keltischen und Finnischen alliterieren — wie der Ver-
fasser mit großer Ehrlichkeit uns mitteilt — ungleiche Vokale. Was die ro-
manischen Sprachen betrifft, so scheint man im allgemeinen anzunehmen,
daß Alliteration zwischen ungleichen Vokalen nicht vorkommt. In einem
neuerdings erschienenen Heft von der 'Zeitschrift für romanische Philo-
logie' hat indessen Martin Scholz eine Abhandlung über 'Die Alliteration
in der altprovenzalischen Lyrik' veröffentlicht. Für diese Sprache hält
er diese Alliteration nicht für ganz ausgeschlossen (a. a. 0. 37, 387 f.).
Classens Buch ist hübsch ausgestattet. Ein Verdienst ist sein
mäßiger Umfang ; es beträgt nur XVI und 91 Seiten.
Uppsala, August 1913. Erik Noreen.
Olsen, Magnus. Stedsnavne-Studier. 8°. 130 S. Kristiania, 1912.
Welche interessanten Fragen sich an die altnordische Ortsnamen-
forschung knüpfen und wie man durch umsichtig-methodische Unter-
suchungen auf weiterliegende Probleme ein Licht werfen kann, zeigt der
bekarmte Namenforscher Magnus Olsen in einem vorzüglichen Buche, das
namentlich in seinen ersten vier Abschnitten die Aufmerksamkeit wei-
terer Kreise beanspruchen darf, da hier der Versuch gemacht wird, auf
dem Wege der Namenforschung Beiträge zur Geschichte, zum Aberglauben,
zu Mythus und Literatur zu liefern. Wenn man nicht immer den durch
glänzende Kombinationsgabe gewonnenen Ergebnissen zuzustimmen ver-
mag, so ist daran lediglich die Dürftigkeit des Materials schuld, nicht
die Art und Weise, wie der Verfasser seine Aufgabe erfüllt hat: diese
ist geradezu ausgezeichnet. — Im ersten Abschnitt läßt 0. Ortsnamen und
Runeninschriften sich gegenseitig aufhellen, um Anhaltspunkte für früh-
historische Einwanderungen aus Dänemark in West-Norwegen zu gewinnen.
Bekanntlich nennt Jordanes die Ärochi = an. Hgrdar, die Bewohner von
Hprda-land (um den Hardangerfjord), was auffällig an das jetzige flar-Syssel
in Jütland anklingt. Nun hat Kjaer darauf hingewiesen, daß im alten Lande
der Egdir (der Äugandzi des Jordanes) im Südwesten Norwegens nicht
weit von einander Mar-stad und Älle-stad (an. *M(erings-8tadir und *AUa-
stadir) liegen ; die ersten Glieder dieser Komposita sollen mit zwei in
einer dänischen Runeninschrift vorkommenden Personennamen Martha
und Ala identisch sein. Einen ähnlichen Fall sucht 0. im alten HorSa-
land nachzuweisen und zwar bei dem Inselnamen Varalds-e, dessen erster
Teil an. *Varaldr, urno. *Wara- {Warja-?)icaldaB, mit ahd. Warald
(Werold) übereinstimmt. Derselbe Name soll in einer nicht weit von
Varaldse gefundenen Runeninschrift la{n)da u:arin§ar, an. *Landi Veringr,
d. h. 'Lande aus dem Varingr-Geschlecht' *) vorliegen. Dieser Zusammen-
1) So wenigstens interpretiert Bugge die Inschrift von Tervik,
doch gibt es auch andere Deutungen.
Anzeiger XXXIII. 5
66 Olsen Stedsnavne-Studier.
hang wird nicht zufällig sein, aber der Mann, dessen Name in Varalds-0
fortlebt, gehört wohl zu demselben Geschlecht, das auf dem Runenstein
genannt wird, und da der Name sonst nicht in Norwegen vorkommt,
war dieser *Varaldr — nach der etwas kühnen Folgerung des Verfassers
— der Führer einer aus Dänemark in Norwegen einfallenden Völkerschar.
Den Lesern würde dieser weitgehende Schluß mehr einleuchten, wenn
0. hier nachgewiesen hätte, daß * Varaldr in Dänemark ein üblicher Name
gewesen sei. — Man weiß, daß auch auf dem nordgermanischen Sprach-
gebiet namentlich Fischer und Schiffer bisweilen aus abergläubischer
Furcht vor bestimmten Wörtern die ursprünglichen Namen durch andere
ersetzt haben und daß solche Ersatzwörter — wie Olrik gezeigt hat —
öfters in die altnordische Dichtersprache als Kenningar übergegangen sind.
Derartigen Ursprung vermutet Olsen im zweiten Abschnitt seines Werkes
beim Namen der Insel Selbjarn, an. Sal-bjqrn 'Saalbär', indem er das
Wort als 'Hund' deutet, mit Rücksicht auf die in den jüngeren Bjarkamäl
vorkommende Kenning {vid-)bjgrn veggja '(Holz)bär der Wand' = 'Maus'.
So muß die Insel einst einen dem Worte Hund, an. hundr ähnlichen
Namen gehabt haben, welcher von den Fischern mit Hund identifiziert
und aus Aberglauben durch die genannte Umschreibung ersetzt wurde.
Und dieser ursprüngliche Name soll dann *Hund (zu got. hunßs, hinpan)
'Fangstelle' gewesen sein, welches Wort er später (S. 93 ff.) auch in Hurum
(älter d Hud-rimum, urno. *Hunpa- \*Hunpi-]riman-) vermutet. So lange
aber nichts auf diesen vermutlich älteren Namen von SelbJBrn direkt
hinweist und so lange *hund als Appellalivum nicht im Altnordischen
nachgewiesen ist, wird wohl bei manchem starker Zweifel bestehen bleiben,
umsomehr als das Femininum *hund (aus *hundi- oder *hundö) und das
Maskulinum hundr nicht ganz zu einander stimmen. Wer weniger skep-
tisch ist, findet sich vielleicht^ auch mit der ähnlichen Beweisführung
über den Inselnamen AUten {Alpst) (S. 43—48) ab '). — Am wenigsten
gelungen scheint mir der dritte Abschnitt, wo der Verfasser die bekannte,
plausible Deutung von Seeland {Sjceland) als 'die an Seehunden reiche Insel'
ablehnt und die urnordische Grundform *Selhundi- mit ags. sulh 'Pflug,
Furche' verknüpft, um zu erklären, warum der Pflugmytbus der Göttin
Gefjon gerade auf Seeland lokalisiert ist {Gefjon gaf nafn ok kalladi
Selimd). Hier kommt der Verfasser in Widerspruch mit der später von
ihm selbst gegebenen Regel (S. 105 und 108), 'at man ikke uden grund
skal gaa udenfor det nordiske ordforraad* bei der Deutung von nordischen
Namen. — Dagegen gewinnt er die schönsten Ergebnisse im vierten Ab-
schnitt, wo er über Hävamäl Str. 78 handelt :
Fullar grindir
sä ek fyr Fitjungs sonum,
nü bera {)eir vdnarvol.
Er erweist hier die Unrichtigkeit der üblichen Deutung von Fitjungr als
'Fettling' und gibt eine bessere Ableitung, nämlich von fit F. (Gen. Sing.
fitjar) 'Wasserland, Aue', welches Wort mehrfach als Hofname vorkommt.
Da die Hävamdlstrophe auf einen damals allgemein bekannten Großbauern
1) Jedenfalls unrichtig ist hier (S. 47) die Deutung des Inselnamens
Vectia, ir. Icht, jetzt Wight, aus dem Lateinischen. Welche auch die
genaue Bedeutung dos Namens sein mag, die keltische Herkunft ist nicht
zweifelhaft; vgl. Holder Altcelt. Sprachschatz s. v.
WaJsch Das ge-Praefix in verbalen Kompositionen. 67
hinweist, ist wohl der Besitzer des öfters in der altern Literatur ge-
nannten Hofes Fiijar (eig. Plur. zu Fit), eines störbii in Horöa-land, ge-
meint, welcher schon vor dem 9. Jahrhundert berühmt war und dann
+ 900 in den Besitz des Königs Haraldr Härfagri überging. Und die
Strophe verdankt ihre Entstehung wahrscheinlich diesem Ereignis, wodurch
die einst so mächtigen Großbauern an den Bettelstab kamen. Auch für
die Entstehungszeit dieser Strophe, über die sich die Gelehrten bis jetzt
nicht einigen konnten, bietet dieses Resultat einen erwünschten Anhalt.
— Die letzten fünfzig Seiten enthalten eine Anzahl Proben zur Deutung
bestimmter geographischer Namen, wobei der Verfasser durch genaue
Beobachtung der geographischen Lage öfters zu gesicherten Ergebnissen
kommt, z. B. Ämle, älter (/) Andblaöa, urspr. = 'Förde, welche zwei
blattförmige, nach einander zugewandte Landspitzen hat', oder SJcogn,
älter Skatin 'Schild', in metaphorischer Anwendung. Mitunter gibt Olsen
auch mehr problematische, wenn auch immer erwägenswerte Deutungen,
z. B. von Billingstad, älter i Biliarstadum, aus *Bilgjarnsstadir {^Bilgjarn
Personenname zu an. bilgjarn 'cunctator'), wo ein Vergleich mit ahd.
BiUen-husen, Bili-stat u. a. (Förstemann-Jellinghaus Altd. Namenb. 2^, 453)
zur Vorsicht mahnen darf. Oder bei Blaker und Bleke, älter d Blakxim
und *Blekin , die zu an. *blok (Gen. Sing, blakar), in nhd. Blachfeld,
vlämisch blak 'flach' vorliegend, gehören sollen, wobei aber zu bedenken
ist, daß diese Deutung auf Falk-Torps keineswegs gesicherter Etymologie
(vgl. ebenda Nachtr. s. v. blcek) beruht. Aber da dieser ganze Abschnitt
mehr lokales Interesse hat, soll hier auf eine nähere Besprechung dieses
Teiles nicht eingegangen werden.
Hilversura (Niederlande). M. Schönfeld.
Walsch Aug. Das ge-Praefii in verbalen Kompositionen in Konrads von
Würzburg 'Engelhard und Engeltrud'. Mähr.-Schöneberg. Progr. 1912.
Die ganze Anlage der kurzen Abhandlung zeigt, daß der Verfasser
sich eng an Eckhardt : Das Präfix ge- in verbalen Zusammensetzungen
bei Berthold von Regensburg angeschlossen hat. Er kommt auch zu den-
selben Resultaten wie Eckhardt und erwähnt in seinem Schlußsatze die
perfektivierende Kraft von ge- nicht, obwohl er sie an einigen Stellen
zugeben muß, z. B. bei geligen, gesizen, gesten, "bei denen das ge- noch
den Begriff der eintretenden Handlung auszudrücken hat". Bei der Be-
handlung des ge- beim part. praet. und bei Hilfszeitwörtern erwähnt er
ebenfalls die Perfeklivierung durch diese Partikel. Bei anderen Verben
spricht er von "verschiedener Bedeutung" des Simpl. und des Komp., wo
die Beispiele klar eine Perfektivierung durch ge- zeigen, wie es in der
Übersetzung W.'s auch manchmal zum Ausdruck kommt, vgl. 1996 ir reinez
herze ir dd geriet, daz si gar stille siceic da zuo = durch einen Rat
veranlassen ; 3225 «/" den boiim ez dö gestuont = sich niederlassen ;
4492 ob mir es got der herre gan, so triuwe ich tcol, daz ich gesige = den
Sieg davon tragen. Im letzten Teile endlich, wo ge-, nach ie, ietner, nie,
niemer etc., in verallgemeinernden Sätzen und in Sätzen steht, die etwas
Zukünftiges ausdrücken, sind die ge-Komposita ohne alle Schwierigkeit
perfektiv zu fassen, z. B. 212 ich hau si . . . iif den tcdn getihtet, daz
sich nach mines herzen ger dd bi gebezzer eteicer bedeutet doch nicht
"auf dem Wege der (sittlichen) Besserung sein", sondern es kommt auf
68 Jellinek Geschichte der neuhochdeutschen Grammatik.
das Ziel, die endgültige Besserung an. 1452 daz du mich ie gemeintest
= lieb gewinnen. 3i4 swenne iemen dir gertte ziio 'durch Reiten zu dir
kommt'. Die Beispiele ließen sich beliebig vermehren ; jedoch ist die Frage
längst zugunsten der perfektiven Bedeutung der ge-Komposita gelöst, so
daß es sich nicht verlohnt, noch mehr Beispiele anzuführen.
Wenn W. zum Schluß die Ansicht ausspricht, "daß sich feste Regeln
für die Anwendung und Nichtanwendung des wandelbaren ge- kaum
irgendwo geben lassen ; denn in jeder Gruppe kommen neben Sätzen mit
ge-Kompositis andere ohne ge- vor, wo es doch bei der Gleichheit der
Satzverhältnisse auch eintreten sollte", so folgt aus diesem Satze doch
einfach, daß ein ie, iemer, nie, niemer usw. nicht der Grund dafür sein
kann, ob ge- in solchen Sätzen auftritt oder nicht, daß es vielmehr einen
andern Grund geben muß, wenn ge- gebraucht wird, und dieser Grund
liegt in dem perfektiven Sinne der Sätze mit ge-Kompositum.
Die Schwierigkeit bei der ganzen Frage liegt eben darin, daß uns
dieses Mittel zur Perfektivierung verloren gegangen ist und damit auch
das Gefühl für die perfektive Bedeutung der ge-Komposita im Mittelhoch-
deutschen usw. Wo unsere Vorfahren noch das ge-Kompositum haben
anwenden müssen, da genügt uns schon das Simplex, weil uns beim
Gebrauch des Simplex der Sinn des Satzes schon klar und deutlich genug
sagt, ob die Handlung in ihrer Dauer oder im Hinblick auf den Moment
ihrer Vollendung dargestellt werden soll; zur Übersetzung genügt uns
daher meistens schon das Simplex, wie in den oben angeführten Versen
ich hän si üf den tvün getihtet, daz sich nach mhies herzen ger, da bl
gebezzer etewer.
Graudenz. Dr. The die ck.
Jellinek, M. H. Geschichte der neuhochdeutschen Grammatik von den
Anfängen bis auf Adelung. 1. Halbband (Germanische Bibhothek hsg.
von W. Streitberg, 2. Abt. Untersuchungen und Texte 7 I). Heidelberg
1913, C. Winter. 7,50 M.
Der Verfasser bemerkt, er habe seinem Buche eigentlich denselben
Titel geben sollen, wie einst E. C. Reichard dem seinigen, nämlich 'His-
torie der deutschen Sprachkunst'. Eine solche fortlaufende Geschichte
der grammatischen Theorie im Neuhochdeutschen, wie sie hier vorgelegt
wird, besaßen wir bisher noch nicht. Wohl hat sich das Interesse seit
einigen Jahrzehnten (nachdem R. v. Raumer 1851 vorangegangen war) den
ältesten Grammatiken zugewendet, die auch in neuen Ausgaben vorliegen,
aber für die Grammatiker des 17. und 18. Jahrhunderts war man immer
noch in der Hauptsache auf die unzureichenden Bemerkungen von Rückert
in seiner Geschichte der neuhochdeutschen Schriftsprache und die Über-
blicke bei Socin, Engelien, Matthias u. A. angewiesen. Es ist ein Glück
zu nennen, daß dem lange vernachlässigten Gebiet in Jellinek ein Be-
arbeiter ersteht, der mit so außerordentlicher Umsicht und Gründlichkeit
an sein Thema herangeht, sich durch die Öde und Geistlosigkoit der
meisten in Betracht kommenden Schriften nicht abschrecken läßt, und
alles nach seiner Bedeutung für die Geschichte der nhd. Grammatik und
der nhd. Schriftsprache würdigt. Einer solchen Arbeil, die eine Fülle
von Quellen neu erschließt, vieles andre wenig Bekannte zum ersten Mal
ausführlicher bespricht und zergliedert, wird man durch ein genaueres
Jellinek Geschichte der neuhochdeutschen Grammatik. 69
Eingehen auf den Inhalt am besten gerecht. Am meisten konnte sich
Jellinek im 16. Jahrh. auf seine Vorgänger stützen, da ihm hier die vor-
treffliche Arbeit von Joh. Müller, sowie die Einleitungen zu den Neu-
drucken des Clajus, Ölinger usw. zustatten kamen. Bei Albertus (S. 71)
tritt er mit Recht der gewöhnlichen Ansicht entgegen, daß der Ausfall
auf 'balbi illi barbari — qui nos puriores Germanos de natura et pro-
prietate nostrae linguae instruere audent' auf Luther gemünzt sei und
möchte in den unbefugten Sprachlehrern hochdeutsch sprechende Nieder-
deutsche sehen. Bei Helber (S. 55) wiederholt er die Zschr. f. deutsches
Alt. 52, 182 ff. entwickelte Ansicht, daß der Verfasser des Syllabierbüchleins
aus dem bairisch-österreichischen Sprachgebiet gebürtig gewesen sei. da
namentlich das über die e- und ö- Laute Angegebene sich am besten aus
dem bairischen Dialekt erkläre ; ich meine indes, daß wir mit den Laut-
verhältnissen des östlichen Schwabens (wo Helber zuerst auftaucht) auch
ganz gut auskommen, und die Wortwahl spricht entschieden mehr für das
Schwäbisch-Alemannische als für das Bairische. Die der Tätigheit der
Sprachgesellschaften unmittelbar vorausgehenden, bisher wenig beachteten
Werke des Olearius, Werner, Brücker u. a. werden eingehend behandelt.
Besonders verdienstlich ist die Darstellung der von den Sprachgesell-
schaften ausgehenden grammatischen Bestrebungen; hier sind an der Hand
der Quellen die inneren Zusammenhänge aufgedeckt, die Werke von
Gueintz, Schottet, des vielangefeindeten Zesen sind nach ihren Licht-
und Schattenseiten gewürdigt. Eine für die Geschichte der Schriftsprache
wichtige Frage war hier zu berühren, die nach der geltenden Sprach-
norm, die Stellung der schlesischen Theoretiker gegenüber den Meißnern.
die Gegensätze zwischen Gueintz und Schottel, Harsdörfer und Schottet
werden beleuchtet. In der Beurteilung Bödikers (S. 196f.) weicht Jellinek
stark von Rückert ab, der Bödikers Bedeutung überschätzt ; sicher ist
dessen Grammatik an sich durchaus keine hervorragende Leistung, auch
darf man ihm keine ganz neuen Anschauungen über die Aufgaben des
Grammatikers zuschreiben, aber es bleibt sein Verdienst, die Unabhängig-
keit des Hochdeutschen von den oberdeutschen Dialekten zuerst ausge-
sprochen und damit auch der Beeinflussung der Schriftsprache durch das
Niederdeutsche theoretisch die Bahn gebrochen zu haben. Auch über
Gottsched wird wenig günstig geurteilt: 'es fehlt ihm das grammatische
Talent und die Lust zum Handwerk' (S. 229). Wie nichtssagend und un-
klar oft seine Regeln, wie unüberlegt und oberflächlich ihre Begründungen
sind, wird an vielen Beispielen gezeigt. Mit Recht wird er aber gegen
den Vorwurf in Schutz genommen, daß er ein blinder Verehrer des Meiß-
nischen gewesen sei; die feststehende Tradition der Schriftsprache war
für ihn unbedingte Autorität, nur da 'wo die Schriftsprache versagt, tritt
die obersächsische Umgangssprache in die Lücke'. Auch dem Gram-
matiker zog er ziemhch enge Grenzen, nur wenn der Sprachgebrauch
schwankend ist, soll er nach der Analogie die Entscheidung treffen.
Diese Klarheit seines Standpunkts und die bestimmten Regeln, die er
immer zu geben in der Lage war, erklären den außerordentlichen Erfolg
seiner Sprachkunst. Die sich teils an ihn anlehnenden, teils ihn be-
kämpfenden grammatischen Schriften werden im folgenden Kapitel be-
sprochen, wobei Jellinek viel neues Material zugänghch macht ; gegenüber
Kluge's bekannten Ausführungen wird S. 248 mit Recht betont, daß in
den Sprachkämpfen der landschaftliche Gegensatz eine weit größere Rolle
70 Jellinek Geschichte der neuhochdeutschen Grammatik.
spielt als der konfessionelle. Hervorheben möchte ich besonders die ein-
gehende Würdigung Fulda's S. 274 ff. und die Besprechung der ortho-
graphischen Reformversuche S. 286 ff. Das letzte Kapitel ist Adelung
gewidmet. Dreierlei wird (S. 332) an ihm gerühmt : Kenntnis der sprach-
lichen Tatsachen, das Geschick das von ihm und Andern Erkannte zu-
sammenzufassen und sein praktischer Blick, 'das richtige Gefühl für das,
was der Zeit not tat'. Vielleicht dürfen wir deip noch ein Viertes an
die Seite stellen: sein feines Sprachgefühl, das ihn im Wörterbuch be-
fähigte, trotz seines beschränkten Standpunkts, treffende Bemerkungen über
den Gebrauch der Worte zu machen. Im Ganzen : kein bedeutender Kopf,
verworren und oberflächlich, aber ein Grammatiker, der seine Vorgänger
bei weitem überragte. — Wir hoffen, daß der zweite Halbband des be-
lehrenden und anregenden Werkes, der uns noch tiefer in die gramma-
tischen Schriften einführen soll, nicht zu lang auf sich warten lassen wird.
Leipzig-Gautzsch. K. v. Bah der.
Mitteilungen.
Georg Curtias - Stiftung.
Der dieses Jahr zu vergebende Preis ist Herrn Privatdozent
Dr. Ernst Fraenkel in Kiel zuerkannt worden auf Grund seiner letzt-
jährigen Veröffentlichungen auf dem Gebiete der altgriechischen Sprach-
wissenschaft.
Leipzig, 30. Januar 1914.
Dr. K. Brugmann. Dr. H. Lipsius. Dr. E. Windisch.
Bopp - Stiftung.
Der Zinsertrag der von der Königlich Preußischen Akademie der
Wissenschaften zu Berlin verwalteten Bopp - Stiftung ist bestimmt, all-
jährlich am 16. Mai entweder 1. zur Unterstützung eines jungen Gelehrten,
wes Landes immer, der seine Studien auf der Universität bereits vollendet
hat, behufs Fortsetzung derselben, wo es auch sei, oder 2. zu Preisen für
vorliegende wissenschaftliche Leistungen oder zur Unterstützung wissen-
schaftlicher Unternehmungen verwendet zu werden, — beides unter Be-
schränkung auf das Gebiet der Sanskrit-Philologie sowie der vergleichenden
Sprachforschung namentlich innerhalb des indogermanischen Völkerkreises.
Bewerbungen müssen bis zum 1. Februar des Jahres, zu dessen 16. Mai
die Verleihung erfolgen soll, an die Akademie gerichtet werden.
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501
U
M.33
indogenaanische Forschungen
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