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AS
ARCHIVES INTERNATIONALES
D'ETHNOGRAPHIE.
PUBLIEES
PAK
Prof. D. ANUTSCHIN, Moscou; Prof. F. BOAS, New- York, N. Y. ; Dr. G. J. DOZY, la
Haye; Prof. E. H. GIGLIOLI, Florence; Prof. M. J. DE GOEJE, Leide; Prof.
E. T. HAM Y, Paris ; Prof. H. KERN, Utrecht ; J. J. MEYER , Banjoemas (Java) ;
Dr. J. D. E. SCHMELTZ, Leide; Prof. E. B. TYLOR, Oxford.
REDACTEUR:
Dr. J. D. E. SCHMELTZ,
Directeur du Musee National d'Ethnographie, Leide.
Nosce te ipsum.
VOLUME XVII.
Avec XIII planches et 24 gravures dans le texte.
LIBRAIKIE ET IMPRIMERIE, ci-devniit E. J. BRILL, LEIDE.
ERNEST LEROUX, PARIS. — C. F. WINTER'SCHE VERLAGSHANDLUNG, LEIPZIG.
On salo by KEGAN PAUL. TRENCH, TRÜBNER & Co. (Linid.), LONDON.
1905.
INTERN A1MONALK8 ARCHIV <l^^ ^^v>*^^
FÜR
ETHNOGRAPHIE.
HERAUSGEGEBEN
VON
Prof. D. ANUTSCHIN, Moskau; Prof. F. BOAS, New York, N. Y.; Dr. G. .J. DOZY, im
Haag; Prof. E. H. GIGLIOLI, Florenz; Prof. M. J. DE GOEJE, Leiden; Prof.
E. T. HAMY, Paris; Prof. H. KERN, Utrecht; J. .1. MEYER, Banjoemas (Java);
Dr. J. D.E. SCHMELTZ, Leiden; Prof. E. B. TYLOR, Oxford.
REDACTION:
Dr. j. d e. scjhmeltz,
Direktor des Ethnographischen Reichsniuseunis in Leiden.
Nosce te ipsum.
BAND XVII.
Mit XIII Tafeln und 24 Textillustrationen.
BUCHHAN DLUNa und DRUCKEREI vormals E. .1. BRILL, LEIDEN.
ERNEST LEROUX, PARIS. — C. F. WINTER'SCHE VERLAGSHANDLUNG, LEIPZIG.
On sale by KEGAN FAUL, TRENGH, TRÜBNER & Co. (Lim<J.), LONDON.
1905.
DKUCK VON P. W. M. TEAP, IN LEIDEN.
IHECEnVCEMtER
UPMPY
ÖÜMMAIRK - INHALT.
Pag.
Chevallier, Henri: Les charrues des Indes neeiiandaises (Avec pl. XII & XIII) . 189
Groneman, Dr. J. : Het njirami of de jaarlijksche reiniging van de eifwapens in
Midden Java (Met eene afb. in den tekst) 81
HoEVELL, G. W. W. C. Baron van: Het paard in de Gorontalosche landschappen
(Met plaat XI & 1 afb. in den tekst) 178
Kersten, Dr. L. : Die Indianerstämme des Gran Ciiaco bis zum Ausgange des 18ten
Jahrliunderts. (Mit zwei Karten. Taf. VII & VIII) 1
ÖCHMELTz, Dr. J. D. E. : Beiträge zur Ethnographie von Neu-Guinea.
X. Die Stämme in der Nachbarschaft des Merauke-Flusses
(Mit Taf. I— VI & 18 Abb. im Text) . . . .194
XL Zwei Gegenstände von Nieder). Nord Neu-Guinea (Mit
2 Abb. im Text) 219
SiERiCH, Dl-, jur. 0.: Samoanische Märchen (Schluss) , . 182
NOUVELLES ET CORRESPONDANCE. - KLEINE NOTIZEN UND CORRESPONDENZ.
Fischer, H. W. : Een beuten klopper om boombast te bewerken van het eiland
Nias (Met afb.) - 222
HoEVELL, G. W. W. C. Baron van: Zittend Ravana-beeld op gevleugelde Raksasa.
(Met afb.) 221
WoLTERBEEK- Muller, J. : De manpiirengke-fee^ten in de Minahassa .... 222
Parkinson, R. : Baumrindenkleidung in Deutsch Neu-Guinea (Erwiderung an Prof.
p. Schmidt) 222
Schmeltz, J. D. E.: Die Kupfertrommel von Alor. — Berichtigung zu Kersten, die
Indianerstamme des Gran Chaco ■ . 221
MUSEES et COLLECTIONS. — MUSEEN UND SAMMLUNGEN.
Zeller, Dr. R. : Ethnographische Sammlung in Bern 76
REVUE BIBLIOGRAPHIQUE. — BIBLIOGRAPHISCHE ÜBERSICHT.
DozY, Dr. G. J. : Revue bibliographique 225
VI
LIVRES ET BRUCHURES. — BÜCHERTISCH.
Pag.
ScHMELTZ, J. D. E. : Richard Andree, Braunschioeiger Volkskunde . . . 233
— — T. J. B e z e m e r , Javaansche en Maleische Fahelen en Legenden. —
Prof. Dl'. R. Langenbeck, Landeskunde des Reic/ts^andes Elsass-
Lothringen. — Heiniich K e r p , Landeskunde von Skandinavien.
Fror'. Dr. Arnold Jacob i, Tiergeographie ..... 2:~)4
— — - Dr. C. H. St ratz, Der Körper des Kindes. — Le H. p. .J. J. M.
von der Bürgt, Dictionnaire francais-kirimdi . . . . 235
EXPLORATIONS ET EXPLORATEURS, NOMIN ATIONS, NECROLOGIE. —
REISEN UND REISENDE, ERNENNUNGEN, NECROLOGE.
Personalia :
Dr. Alfr. Götze. — Prof. Di'. Hbrm. Klaatsch. — Alb. C. Kruyt. — Prinz
RuppRECHT V 0 n B a y e r n . . . . . . . . . . . . 236
Necrologie :
Dr. W. Hein (Mit Porträt) von F. Heger 78
Prof. Karl Ujfalvy -^36
TABLE DES PLANCHES. — VERZEICHNIS DER TAFELN.
Taf. I — VI. Dr. J. D. E. Schmeltz: Beiträge zur Ethnograpliie von Neu-Guinea . 194
„ VII— VIII. Dr. L. Kersten: Die Indianei'stämme des Gran Chaco ... 1
, IX— X. Dr. JoH. Weissenborn; Tierkult in Afiika 91
„ XI. G. W. W. C. Baron van HoEvell: Het paard in de Gorontalosche
landschappen 177
„ XII— XIII. Henri Chevallier: Les charrues des Indes neerlandaises . . . 189
E R R A T U M.
Seite 177 lies (lisez) im Titel „Hoevell" statt (au lieu de) „Höeveli,"
DIE
INDIANERSTÄMME DES GRAN CHACO
BIS ZUM AUSGANGE DES 18. JAHRHUNDERTS.
EIN BEITRAG ZUR HISTORISCHEN ETHNOGRAPHIE SÜDAMERIKAS
■ VON
Dr. LUDWIG KERSTEN.
(Mit Taf. VII & VIII).
INHALTSVERZEICHNIS
Einleitung g 2
I. ABSCHNITT: Die Quellen unserer Kenntnis von den Chaco-Indianekn (bis etwa 1800). , 5
n. — Die allgemeinen Grundlinien der Geschichte der Chaco-Indianee seit
Ankunft der Spanier ]^2
a. Allgemeine Zurückdrängung der Cliaco-Indianer ]2
b. Kolonisationsversuclie der Spanier 22
c. Innere Uinwandelung der Indianer infolge der Berülirung mit den Weissen . " . . 16
d. Einführung des Pferdes . ' ,16
e. Zucht von Haustieren 20
/■- Mission ! 20
IIL ABSCHNITT: Die Stammesgeschichte der Chaco-Indianer in ihren einzelnen Zügen
BIS ZUM Ende des 18. Jahrhunderts 24
A. Vorbemei'kungen 24
B. Historische Entwicklung der einzelnen Stämme und Völkergruppierung im Gran Chaco
gegen Ende des 18. Jahrhunderts 28
I. Die Indianer-Stämme südlich des Gran Chaco 28
IL Die Guaikurü-Stämme 30
a. Die Abipön 3^
b. Die Mokovf 34
c. Die Toba, Pilaga und Aguilot 37
d. Die Guaikurü-Mbayä ^2
e. Die Payaguä ^g
f. Die Guachi (Guatschi) 52
III, Die Mataco-Mataguayo-Stämme 50
IV. Die Lule-Vilela-Stämme 5g
V. Die ethnischen Verhältnisse des südöstlichen Chaco boreäl am Ausgange des 18. Jahr-
hunderts g2
a. Vorbemerkungen g2
&■ Lengua I 62
c. Enimagä go
d. Guentuse g3
e. Machicuy g^
VI. Die Zamuco
VII. Die Chiriguano oder Chiriguanä
VIII. Die Nu-Aruak-Stämme des Gran Chaco
64
69
Zusammenfassung und Rückblick 73
EINLEITUNG.
Das Bild, das die autochthonen Bewoliner Südamerikas dem Etlinologen darbieten,
lässt erkennen, wie Einflüsse des Bodens und des Klimas in beständiger, untrennbarer
Wechselwirkung bei der Gliederung dieser nur für den flüchtigen Betrachter scheinbar ein-
heitlichen Völkermasse differenzierend tätig gewesen sind. In drei grosse Gruppen
lässt sich im allgemeinen die Gesamtheit der Südamerikaner scheiden, Völkergruppen,
deren jede weniger durch gleiche Sprache oder physische und anthropologische Gleichheit,
als vielmehr durch solche Gemeinsamkeiten der Sitten und Gebräuche, der Gefühls- und
Denkweise, der geistigen und materiellen Kultur und anderer Erscheinungen zusammen-
gehalten wird, wie sie die Einwirkungen gleicher oder ähnlicher Naturbedingungen erzeugen.
Der Gruppe kulturlich höherstehender Völker, denen die Anden ein Wohn-
gebiet mit wesentlich gleichen Existenzbedingungen trotz der gewaltigen meridionalen
Erstreckung boten, steht jene andere Gruppe reiner Naturvölker gegenüber, die, gewöhn-
lich als tropisch e ■ Stämme Südamerikas zusammengefasst, das Orinoco- und Amazonas-
becken sowie das ostbrasilianische Gebirgsland bewohnen, ein Völkermeer, aus dem
Karaiben, Ges, Nu-Aruak und Tupf sich herausheben. Als dritte Gruppe endlich erscheinen
jene Pampas- und Reiter Völker der Ebenen des Südens, deren Angehörige, im
wesentlichen der einst von d'Obbigny konstruierten Pampasrasse entsprechend, im Gran
Chaco sich keilförmig zwischen jene anderen beiden grossen Gruppen schieben und am
oberen Paraguay bis tief in das Herz des Kontinentes eindringen.
Der Gran Chaco, jenes durch die Gebirge im Westen und Osten umschlossene, wie
eine Mulde in den Kontinent hineingelagerte Naturgebiet, besitzt bei dem zwingenden
Einflüsse der Bodengliederung auf die Völkergruppierung wie in geographischer, so auch
in ethnischer Hinsicht eine Zwischenlage, und seine Bewohner, deren Zusammenhang
mit den südlichen Völkern weniger genetisch , als vielmehr auf gemeinsame Kulturmittel
begründet ist, nehmen infolgedessen vielfach eine Übergangsstellung zu den tropischen
Stämmen Südamerikas ein, die besonders im Norden deutlich zu Tage tritt, wo die niedrige
Bodenschwelle, die das Stromgebiet des La Plata und des Amazonas trennt, nicht wie die
Gebirge im Westen und Osten des Chaco genügend scharf sondernd wirken kann. Daher
im Norden ein bieites Gebiet grenzlosen Überganges zwischen den Gruppen der tropischen
und der südlichen Indianer. Der nur gelegentlich und oberflächlich betriebene Feldbau stellt
den Chaco-Indianer in die Mitte zwischen den fleissigen Ackerbauer im Westen, Norden
und Osten und den stolzen Sohn der Steppe dos Südens, dem, wie dem Pehuenchen, der
Ackerbau als entehrend galt.
Die Macht gleichen Bodens und gemeinsamer Lebensbedingungen hat den Chaco-
Stämmen trotz der Verschiedenheit ihrer Sprachen und damit ihrer Abkunft in ethnogra-
phischer Beziehung eine gewisse Gleichartigkeit aufgeprägt, die uns berechtigt, sie im
Sinne einer anthropogeographisch wohlcharakterisierten Einheit zusammenzufassen.
I. A. f. E. XVII. 1
- 2 -
Kaum anderswo können die Beziehungen, die sich zwischen Boden und Mensch knüpfen,
in ihrer Wirkungsweise einen deutlicheren Ausdruck finden als in dem Gegensatze zwischen
den geschichtlichen Wirkungen der Ebene und der Gebirge, des Chaco und seiner gebir-
gigen Nachbargebiete. Diese geographische Bedingtheit der im weitesten Sinne gefassten
geschichtlichen Erscheinungen zeigt, dass erst eine Betrachtung des Wohngebietes die
Geschichte, das Wesen und die Eigenart der Chaco-Stämme völlig begreifen lehrt. Die
Naturumgebung, Boden und Landschaft als Ganzes, wirkt nicht nur psychologisch auf
Sitte, Brauch und religiöse Anschauungen, sondern bestimmt auch den ethnographischen
Besitz eines Volkes, das Material seiner Werkzeuge und Waffen.
Der G]'an Chaco ist jenes geologisch junge und jüngste Gebiet, welches das alte Schol-
lenland im Osten Südamerikas mit dem Andensysteme zusammenfügte, nachdem lange ein
seichtes tertiäres Meer diese beiden Hälften getrennt hatte. Über einer Schicht diluvialer
Schutt-, LÖSS- und Lehmablagerungen liegt eine meist nur dünne Decke alluvialen Ursprungs.
Wie schon die Flussrichtungen andeuten, zeigt der ebene, fast steinlose, nur von verein-
zelten Flussbarrancas tief durchschnittene Boden eine leichte Neigung von NW nach SO.
An den Mittel- und Unterläufen der Flüsse finden sich ausgedehnte Sumpf bildungen , die
bei hohem Wasserstande jede Abgrenzung zwischen den verschiedenen Flussgebieten ver-
wischen und die Erforscher des Chaco vor manches hydrographische Rätsel gestellt haben.
Geographisch betrachtet wird der Chaco in drei Abschnitte zerlegt durch Pilcomayo
und Ber mejo-Teuco, die, den bolivianischen und argentinischen Anden entströmend
und auf ihrem einander parallelen Laufe vielfach zerfasert, diagonal den Chaco durchkreuzen
und ihr Wasser dem Rio Paraguay zuführen. Ausser diesen Hauptströmen, zu denen
sich noch der Rio Salado des Chaco austral gesellt, findet sich auf dem Ostrande noch
eine Masse von Arroyos, kleineren Flüssen. Infolge des Wechsels zwischen Trockenzeit
und Regenzeit ist die Wasserführung aller Flüsse grossen Schwankungen unterworfen.
Politisch teilt sich der Chaco heute ebenfalls in drei Teile, zwischen den Republiken
Argentinien, Bolivia und Paraguay.
Mit dei- eingeengten jetzigen staatlichen Begrenzung des Chaco decken sich keineswegs
seine Natur grenzen, die im Westen von den mit dichten Wäldern bedeckten Vorbergen
der Anden, im Norden durch die Llanos de los Chiquitos und jene Ausläufer, die
das Hochland von Mato Grosso nach Westen zu entsendet, sowie im Osten durch
Paraguay und Paranä gebildet werden. Nach Süden hin setzt sich zwar in geologischer
Hinsicht der Boden des Chaco in den Pampas fort, aber dennoch vollzieht sich ein beinahe
unmerklicher Übergang hinsichtlich der Vegetation; als Südgrenze setzt man den Rio
Salado oder Rio Saladillo (Dulce), wo die gewaltigen Salzpfannen wie die Laguna
de los Porongos und die Salinas grandes — die, in der Regenzeit weite Flächen
bedeckend, bei längerer Trockenheit verschwinden und eine Schicht bitteren Salzes zurück-
lassen — die landschaftliche Veränderung am deutlichsten erkennen lassen i).
Während die Tiefebene des Amazonas wegen ihres westöstlichen Verlaufes einheit-
lichen Vegetationscharakter trägt, bedingt die nordsüdliclie Erstreckung des Chaco über
mehr als zwölf Breitengrade einen wechselnden Charakter der Vegetation. Die tropischen
Wälder Amazoniens und des Mato Grosso, der „Hylaea" Humboldts, lösen sich nach Süden
') Der Chaco misst in seiner grössten Länge von N nach S ca. 1560 km., in seiner grössten Breite
ca. 670 km., und er bedeckt einen Fläciienraum von gegen 500.000 km".
- 3 -
zu iiielir und mehr auf. Obgleich die Flüsse, wie besonders Pilcomayo und Bermejo, von
der Tiopenfülle üppiger Wälder begleitet sind, wird nach Süden der Charakter der offenen
Landschaft dominierend. Wenn im Norden der Wald und im Süden die baumlose Chanar-
steppe und Pampa vorherrscht, so ist das mittlere Gebiet landschaftlich ein Zwischenglied
zwischen Waid und Steppe: ein Gebiet der Savannen mit wechselnden Gehölzen und
Wiesentlächen und dem parkartigen Baumwuchse der nahrung- und holzspendenden Algar-
roba- (Prosopis dulcis) und Copernicia-Haine {Copernicia cerife.ra], hie und da unterbrochen
von einförmigen Schilfdickichten und dem häufigen, doppelt-mannshohen Duragnello-Strauch
(Bougainvillea praecox). Es ist wie bei allen grossen Ebenen ein Charakter der Eintönigkeit,
der nach den Schilderungen aller Reisenden dem Landschaftsbilde des Chaco anhaftet.
„Chacü", d.i. Treibjagdfeld, grosses Jagdgebiet der Inkas, nannten ihn einst, wie Lozano,
Guevara und Dobrizhoffer übereinstimmend berichten, die Aymarä-Quechua-Indianer
wegen seines Wildreichtumes.
Die Wirkungen der Tatsache, da.ss sich im Chaco Wald und Steppe gleichsam durch-
dringen, drücken sich in seinen Bewohnern insofern aus, als diese Merkmale beider, der
Waldindianer der Selvas von Amazonien sowohl wie der Steppenvölker Patagoniens und
Asiens zeigen. Vor allem war es die Einführung des Pferdes, die sie letzteren und den
Steppen- und Prairiejägern Nordamerikas vergleichbar, ähnlich gemacht und ihnen eine
gleiche geschichtliche Rolle zugeteilt hat. Mannigfache Parallelen könnte der Anthropo-
geograph zwischen ihnen finden und daraus Gesetze des Lebens der Völker ableiten. —
Die vorliegende Arbeit will versuchen, die historische Entwickelung der Indianer-
stämme des Gran Chaco festzulegen und, indem sie gleichsam die heutigen Lagerungs-
verhältnisse um hundert Jahre nach rückwärts projiziert zeigt, eine Darstellung der
ethnischen Zustände im Chaco zu geben, wie sie sich an der Wende des 18. Jahrhunderts
darboten. Schon seit mehr als einem Jahrzehnt bringt die aufstrebende Völkerwissenschaft,
wie insbesondere die Forschungen von Karl von den Steinen, S. A. Lafone Quevedo,
Pelleschi, Brinton, Felix Gutes, Boggiani und Koch zeigen, der Geschichte und den
Sprachen der autochthonen südamerikanischen Bevölkerung ein lebhaftes Interesse entgegen,
das vollauf gerechtfertigt wird durch die Wichtigkeit der zahlreichen Probleme, die es zu
lösen gilt. Da beim Chaco bisher aber die Forschung zumeist auf linguistische Unter-
suchungen und Klassifizierungen sich beschränkt und überhaupt sprachliche Momente
weitaus am meisten in den Vordergrund gestellt hat, so sucht die gegenwärtige Arbeit haupt-
sächlich darin ihr Ziel, das historische und geographische Element herauszuheben.
Sie versucht Einblick zu gewähren in die geschichtlichen Ereignisse der Vergangenheit und
in den Mechanismus der Wanderungen und Völkerbewegungen im Chaco. Und zugleich
damit will sie, soweit dies angängig, aus dem Nebeneinander der Völkerlagerung ein Nach-
einander und eine Zeitfolge herzustellen streben, um so einer Forderung Friedrich Ratzels i),
dass die Völkerkunde Entwickelungswissenschaft werden und dass in ihr der Blick in die
Tiefe neben der Gewohnheit flächenhaften Sehens zu seinem Rechte kommen müsse, auch
an ihrem Teile gerecht zu werden.
Äussere und innere Gründe sind es, die es erklären, dass unsere entwickelungs-
') Fr. Ratzel, Die Zeitforderung in den Entwickelungswissenschaften (in Ostwalds „Annalen der
Natuvpiiilosophie," Bd. I).
- 4 -
geschichtliche Darstellung der Chaco-Stämme mit der Wende des 18. Jahrhunderts Halt
macht: äussere insofern, als damals eine intensive Forschertätigkeit der ethnographischen
Kenntnis des Chaco einen breiten Strom reichen Materiales zuführte, der ein Bild der
dortigen Völkergruppierung zu zeichnen zum ersten Male überhaupt ermöglicht, während
die gleichen Versuche für einen früheren Zeitpunkt bei dem Mangel an genügendem Induk-
tionsmaterial und bei dei- verworrenen Nomenklatur zu dem Auskunftsmittel gewagter
Vermutungen würden greifen müssen. Neben diese äusseren Momente treten bemerkens-
werte innere hinzu: eine Betrachtung der Geschichte der Chaco-Stämme wird zeigen,
welche bedeutsamen Wandlungen sich in dem Zeiträume von 1750—1800 vollzogen haben.
Möge diese Abhandlung als Beitrag zur historischen Ethnographie Süd-
amerikas das ursprüngliche Völkerleben des Chaco und damit zugleich das Bild einer
historischen Landschaft in Sinne Carl Ritters verstehen und das füi- die Entwickelung
der Chaco-Indianer vorhandene Interesse noch mehr vertiefen helfen. Wenn Ethnographie
und Geschichte stets der Erkenntnis des primären Zustandes der Völker nachgehen müssen,
mn dadurch eine Erklärung für das Gewordene, für die sekundären Erscheinungen der
Gegenwart zu gewinnen, so findet damit auch unsere Untersuchung ihre innere Be-
rechtigung.
I. ABSCHNITT.
Die Quellen unserer Kenntnis von den Cliaco-Indianern (bis etwa 1800).
Da bei der monographischen Behandlung der Chaco-Stämme nur eine induktive Methode
in Betracht kommt, so ist es nötig, zunächst die Grundlagen kennen zu lernen, auf denen
unsere Kenntnis beruht.
In dem ganzen fast 300-jährigen Zeiträume von 1516, wo der Reichspilot Jüan de
SoLis als erster Weisser am Silberflusse landete, bis zum Ende der spanischen Kolonial-
herrschaft ist der Ethnographie der La Plata-Länder nur in den ersten fünfzig Jahren,
zusammen mit den geographischen Ergebnissen der Konquistadorenzüge, und dann erst
wieder in den letzten Jahrzehnten des 18. Jahrhunderts ein beträchtlicher Gewinn zuge-
flossen. Die Zwischenzeit wäre nahezu völlig unfruchtbar geblieben, wenn nicht in dieser
Epoche wirtschaftlicher und geistiger Abschliessung der spanischen Kolonien die Jesuiten
am La Plata, in Paraguay und Tucuman selbst eine in völkerkundlicher Hinsicht bemer-
kenswerte Tätigkeit entfaltet und über ihre Erfahrungen mit den Eingeborenen und ihre
auch geographisch interessanten Missionsreisen in zahlreichen Relationen Kunde gegeben
hätten. Vieles derartige, im Archiv von Cördoba niedergelegte Material ist freilich bei der
Katastrophe des Ordens vernichtet oder zerstreut worden ; der Rest ist fast bis zur Gegen-
wart unverarbeitet geblieben. Selbst dei' protestantische Forscher muss den Jesuiten das
Verdienst zuerkennen, dass sie die Gründer der südamerikanischen Ethnologie sind.
Die spanische Regierung dagegen hat bei der Erforschung von Land und Leuten von
Anfang an bis zuletzt versagt. Überall sind ihre wichtigsten Interessen auf die Ausbeu-
tung der Schätze des Landes gerichtet gewesen, und nur insoweit wurden Geographie und
Ethnographie gepflegt, als sie sich in diese Interessenkreise einfügten. Aber selbst die
wenigen Früchte offizieller Erhebungen blieben unzugänglich. Europäische Forscher wurden
ängstlich ferngehalten, Karten des La Plata-Gebietes als Staatsgeheimnis gehütet. Die
Archive von Asunciön waren selbst noch für Azaka lantie verschlossen.
Bei der menschheitsgeschichtlich so bedeutungsvollen Erweiterung des Weltbildes im 16.
Jahrhundert ist auch der Völkerkunde ein namhafter Beitrag zugute gekommen. Für die
Kenntnis der damaligen ethnischen Zustände des Chaco verdienen besondere Beachtung die
Reisebeschreibung Ulkich SchmidelsI) aus Straubing sowie des Alvar NuiiEz Cabeza de
Vaca2) Kommentare, die nach dem Tode des Adelantado von dessen Geheimschreiber im
') Ulrich Schmidel (Schmidt), Warhafftige vnd liebliche Beschreibung etlicher fürnemen Indianischen
Landtschafften vnd Insulon/ die vormals in keiner Chronicken gedacht/ vnd erstlich in der ScliifTart Vleici
Schmidts von Straubingen/ mit grosser gefahr erkündigt/ vnd von ihm' selben auffs fleissigst beschrieben
vnd dargethan. Fiaiikfurt 1567 Für den Zeitraum 1534-54. - Ausser den von Ha.ntzsch (Deutsche
Reisende des 16. Jahrhunderts, Lpz. Studien I, p. -50) angeführten drei Handschriften und 18 gedruckten
Ausgaben sind noch vorhanden eine spanische, lig. von Gabeiel Garden as, 1731, und eine englische
Ausgabe, hg. von Luis Dominguez, in Bd. 81 der Veröffentlichungen der Hakluyt Society, London 189L
2) Alvak NufiEZ Cabeza de Vaca, Zeitraum 1541—1.544. Ausgaben: 1. La relacion y comentarios del
gobernador Alvak Nüüez Cabecja de Vaca, de lo acaecido en las dos jornadas que hizo ä las Indias. —
Comentarios de Alvar Nuhez Cabeza de Vaza, por Pedro Heenandez, escribano del adelantando, Valla-
- 6 -
Jahre 1555 veröffentlicht wurden. An dritter Stelle sei ferner genannt die das erste Jahr-
hundert spanischer Herrschaft am La Plata behandelnde, bereits im Jahre 1612 verfasste,
aber erst 1835 von de Angelis mit einem ausführlichen Index herausgegebene „Historia
Argentina" des Rui 'Diaz de GuzmanI), des Sohnes des Conquistadors Alonso Riquelme de
GuzMAN und Schwiegersohnes des Domingo Martinez de Irala. Rui Diaz war seit früher
Jugend Offizier in Paraguay ; sein Werk stellt eine geschichtliche Quelle von hoher Wichtig-
keit dar, während die Sammelwerke des Oviedo y Valdes und Hebeera, weil zu allgemein
gehalten, in ethnographischer Hinsicht nur untergeordnete Bedeutung für den Chaco besitzen.
Wie in der Geschichte der Geographie das Zeitalter der grossen Entdeckungen im be-
ginnenden 17. Jahrhundert durch eine Epoche langsamer Fortbildung und Verarbeitung der
Resultate abgelöst wird, so folgte in engerer Beziehung auch in den La Plata-Provinzen
auf die litterarisch ziemlich produktive Zeit der Conquista eine 150-jährige Periode, in der
die völkerkundlichen Quellen gänzlich versiegt sein würden, wenn nicht diese wissenschaft-
liche Dürrezeit durch die bereits besprochenen jesuitischen Forschungen oft unterbrochen
worden wäre. Man könnte diese anderthalbe Jahrhunderte, in denen in Südamerika die
Wissenschaft fast ausschliesslich bei Religiösen Pflege genoss, mit dem scholastisch-ecclesias-
tischen Mittelalter Europas vergleichen.
Eine reiche Ausbeute ethnographischer Beobachtungen liefert die „Historia Provinciae
Paraquariae" des Paters del TechoS). Nicolo del Techo , eigentlich Toict, wurde 1611 in
Lille geboren, kam 1640 nach Paraguay und stieg dort bis zum Provinzial der Jesuiten
auf. Er starb 1685 in der Mission Los Apostoles bei den Guarani.
Auch LozANOs weitschweifige Beschreibung des Chaco 3) wird trotz ihrer zahlreichen
Mängel und Einseitigkeiten immer eine Hauptquelle für die Kenntnis dei- alten Völker-
lagerung in diesem Gebiete bleiben. Pedro Lozano ■*) wurde 1697 in Madrid geboren, kam
1712 nach Paraguay und hatte später am „Colegio mäximo" zu Cördoba in Tucuman
bis zu seinem Tode, im Jahre 1759, einen Lehrstuhl für Philosophie und Theologie inne.
Von seinen zahlreichen Schriften historischen und theologischen Inhaltes sind am bekanntesten
geworden die „Historia de la Conquista del Paraguay" und die „Historia de la Compaiiia
de Jesus."
Von Pater Machoni^), einem Sardinier, der im ersten Viertel des 18. Jahrhunderts bei
dolid 1555. — Darin Bericht des Heenando de Ribera über seinen Streifzug gegen die Indianer des
Chaco — ''. In Bd. 2 der Histoviadores primitives, hg. von Barcia, Madrid 1749. — 3. In Bd. ^^ aer
Biblioteca de Autores espanoles, hg. von Rivadeneyea, Madrid 1863. - 4. In Bd. 3 der Voyages, Relations
et Memoires originaux poiir servir ä l'histoire de la decouverte de l'Amerique, lig. von Teenaux-Oompans,
Paris 1837—41 - 5. Luis Dominguez, Gesandter der argent. Rep. in London, The Commentaries ot Altar
NufiEZ Cabeza de Vaca, in Bd. 81 der Veröff. der Hal^luyt Society, London 1891. .
') Rui Diaz de Guzman, Historia Argentina, verf. 1612, gewidmet dem Herzog von Medina-Sidonia,
in DE Angelis, Colecciön de obras y documentos relatives a la historia antigua y moderna de las provincias
del Rio de la Plata. Bd. I, Buenos Aires 1835. , ,^„„ , , •,<•,■, , , «„,.„co
2) NicoLO del Techo, Historia provinciae Paraquariae, Leod. 16.3 foL, vielfach übersetzt. — boMMEE-
vogel. Bibliotheque de la' Com pagnie de Jesus, Paris 1892 ff. Bd. VIII, p. 62
ä) LozANO, S. J., Descripcion chorografica del Terreno, de los Rios, Arboles y Animales de las dilatis-
simas Provincias del Gran Chaco Gualamba y de los Ritos y Costumbres de las innumerables Naciones
barbaras e infieles quo le habitan, con una cabal relacion historica de lo que en ellas han obrado para
conquistarias algunos governadores y ministros reales y los misioneros jesuitas para reducirlas a ia iö üei
verdadero Dios, hg. von P. Machoni, Cördoba 1733.
■•) Sommervogel, Bibliotheque, Bd. V, p. 130, 1894. , , . j , , t i
') Sommer VOGEL, Bibliotheque, Bd. V, p. 263, 1894. - Machoni, Arte y vocabulario de la lengua Lule
y Tonocote. Catecismo y doctrina cnstiana en la lengua Lule y Tonocote, Madrid 1732. — Buenos Aire&
1877—1894 hrsg. von Laf. Quevedo, Los Lules (Boletin del Inst, geogr. Arg. Bd. XV).
- 7 -
den Lule in Miiaflores missionierte und zu der Würde eines Rektors der Universität
Cördoba und eines Provinzials von Paraguay gelangte , besitzen wir einige wichtige Relationen
linguistischen Inhalts.
PiEBKE FRANgois-XAViER Charlkvoix 1) , einer der Vielschreiber des vorvorigen Jahr-
hunderts, widmete, selbst Jesuit, einen Teil seiner bedeutenden Arbeitskraft dem Dienste
seines schon damals angefeindeten Ordens und' schrieb zur Rechtfertigung desselben seine
etwas tendenziöse „Geschichte von Paraguay", die jedoch in ihren ethnographischen Partien
als völlig einwandfrei gelten darf. Charlevoix, geboren 1682 zu St. Quentin, hat sich
nie in Südamerika aufgehalten , doch wissen wir von zwei Reisen , die er nach Nordamerika
unternommen hat.
Wie die Veitreibung der Jesuiten aus den La Plata-Provinzen für das Schicksal der
Indianer vielfach einen entscheidenden Wendepunkt bezeichnet, so hat sie auch indirekt
dadurch, dass sie wieder das allgemeine Interesse auf diese Gebiete lenkte, die nach Europa
deportierten Missionare zur Verteidigung ihrer Wirksamkeit und zur litterarischen Verar-
beitung ihrer Beobachtungen veranlasst. Aus den letzten Jahrzehnten des 18. Jahrhunderts
besitzen wir daher so viel ethnographisches Material über den Chaco, dass es an Umfang
dasjenige der vorausgehenden zwei Jahrhunderte weit übertrifft.
Wenn wir aus der Fülle dieser Schriften nur die wichtigsten herausgreifen, so müssen
wir an erster Stelle nennen die „Historia de Abiponibus" des deutschen Missionars Martin
DoBRizHOFFER , ein Werk, das trotz seiner Weitschweifigkeit als eine der ersten Darstel-
lungen eines engeren ethnographischen Einzelbezirkes für die Kenntnis der Chaco-
Indianer und infolge seiner Auffassung und Beurteilung der Naturvölker für die Ethno-
logie überhaupt von einer gewissen Bedeutung geworden ist.
Da vom Lebensgange Dobrizhoffers bisher nur wenige, einander meist widersprechende
Angaben vorliegen , so dürften hier einige biographische Daten angebracht sein 2).
DoBRizHOFFER ist vou Geburt Österreicher. Er wurde am 7. September 1717 geboren;
der Geburtsort lässt sich nicht mehr feststellen 3) , doch ist mit vieler Wahrscheinlichkeit
anzunehmen, dass er in Steiermark liegt. Im Jahre 1734 trat Dobrizhoffer in Wien in
die Societas Jesu ein und absolvierte in den folgenden Jahren sei Noviziat in Trentschin
und Skalitz in Ungarn. 1740 finden wir ihn wieder in Wien, wo er philosophische Studien
trieb. Seit 1743 war er als Lehrer der Grammatik, Rhetorik und Philosophie an den Kol-
legien und Gymnasien in Linz, Steyr und Laibach tätig und studierte darauf in Graz
Theologie. Auf sein Ansuchen wurde er im Jahre 1748 mit mehreren anderen Jesuiten
nach Südamerika gesandt, wo er zunächst am Colegio mä.ximo zu Cördoba in Tucumän
seine Studien zum Abschlüsse brachte, um dann als Missionar in den nicht mit Unrecht
als Jesuitenstaat bezeichneten Organismus einzutreten, der, auf der Grundlage einer Art
von hierarchischem Socialismus ruhend, die Ideen von Campanellas Sonnenstaat mit der
Staatsform des Inkareiches verband und zu verwirklichen suchte. Nach einigen Reisen in
der Sierra de Cördoba und nach einem vorübergehenden Aufenthalte in der MokoviReduk-
'"> Sommervogel Bibliotheque Bd. IL p. 1075.. ff. - Charlevois; Histoire du Paraguay. 6 vol. Paris
1757. — Davon 2 deutsclie. eine engl. u. eine lat. Übersetzung. g; . ui. r<ius
Titt'lR"r,M!^n^w''*'°'l''''""^''" '" "/o^, Wien Freiberg i. Mähren, Skalitz und Trentscliin diente folg.
Litt, als Giundlage: Sommebvogel Bibl. de la Comp, de Jesus), Biogr. Le.xika von Wurzbach Ersch u
Grüber etc; Biogr. genörale ed. Hoefeb; Stoeger, Scriptores provinciae Austriacae. ^''^''^'"' ^''^''^^ "'
o.,<- T . Angaben dass D. aus C7iaz, und jene andere, dass er aus Fieiberg i. Mähren stamme, beruhen
auf Irrtum, wie Anfragen daselbst ergaben. =>i.<»"j"ie, ueiunen
tion San Javier bei Santa Fe war Dobrizhoffer mehrere Jalire liindurcii bei den Abipön
in den lieute verschwundenen Missionen Concepciön, San Jerönimo und San Fernando, mit
Unterbrechung durch zwei Reisen quer durch den Chaco nach Santiago del Estero,
missionarisch tätig, bis ihn die andauernden Entbehrungen und Anstrengungen zwangen,
seine Gesundheit in den alten Guarani-Reduktionen am Rio Paranä und Rio Uruguay
wiederherzustellen. Darauf hat er bis 176ä in der Mission San Joaquin bei dem Guarani-
Stamme der Itatingua im nördlichen Paraguay in den Matedistrikten am oberen Yhü
gewirkt. Ein Befehl des Provinzials in Asunciön rief ihn zu den Abipön zurück, denen er
dann die Reduktion San Carlos y Rosario zwischen Rio ßermejo und Rio Paraguay, gegen-
über der Mündung des Tebicuari, anlegte. Da er bei einem Angriffe der Toba durch
einen Pfeilschuss verwundet worden war, musste er zurückgerufen werden. Der Ausweisungs-
befehl traf ihn in San .Joaquin. Als Gefangener wurde er nach Spanien deportiert. Seine
letzten Lebensjahre — er starb in Jahre 1791 — verbrachte er in Wien, wo er am
Professhau.se eine Anstellung als Lehrer und Bibliothekar und später auch als Prediger an
der Sankt-Teresa-Kapelle erhalten hatte.
Ausser seiner „Geschichte der Abiponer"i), die in mehrere fremde Sprachen übersetzt
wurde und im Auszuge in einer Reihe von Zeitschriften erschien, besitzen wir von ihm
einen Brief linguistischen Inhaltes, den Murr abdruckte, und Predigten in deutscher und
abiponischer Sprache. Nach seinem Abipön-Vokabular und seinei- Grammatik dei' Abipön-
Sprache waren dagegen bisher alle Nachforschungen vergeblich 2).
Eine eingehende Beschreibung der Mokovi, ein Gegenstück zur Geschichte der Abiponer,
verdanken wir einem Ordensbruder Dobrizhoffers , dem im Jahre 1719 zu Witzingen in
Schlesien geborenen Florian Baucke oder Pauke 3) , der sich seit 1748 als Missionar zuerst
in Cördoba in Tucuman, dann in den Mokovi-Missionen San Javier und San Pedro y Pablo
im Chaco austräl aufgehalten hat. Das Manuskript seines Werkes, das die Cistercienser zu
Zwetl in Verwahrung genommen hatten, publizierte zuerst Fräst im Jahre 1829 und dann
auch Kobler4).
Da Dobrizhoffer und Baucke jahrelang unter den Indianern gelebt haben und in die
dem Weissen sonst verschlossene Tiefe des Geistes- und Gemütslebens des primitiven
Menschen haben eindringen können, so besitzen ihre aus unmittelbarster Erfahrung
geschöpften Beschreibungen einen hohen ethnologischen Wert.
Vermutlich ebenfalls von einem der zahlreichen, damals in Südamerika tätigen deut-
schen Missionare stammt eine kurz vor der Ausweisung des Jesuitenordens in spanischer
') Historia de Abiponibus, equestri bellicosaque Paraquanae natione, locupletata copiosis baibararum
gentium, urbium, fUiminum, feraram, amphibioram, insectorura . serpentinm praecipuorum , piscium,
avium, arborum, plantarum, aliarumque eiusdem provinciae proprietatum observationibus, authore Maetino
DOBRIZHOFFEE, Presbytero et per annos duo de viginti Paraquariae missionario — Viennae 1784, III vol. —
Deutscli: Geschichte der Abiponer, einer berittenen und Icriegerischen Nation in Paraguay, bereichert mit
einer Menge Beobachtungen über die wilden Völkerschaften, Städte, Flüsse, vierfüssigen Tiere, Ampliibien,
Insekten, merkwürdigsten Sclilangen, Fische, Vögel, Bäume, Pflanzen und andere Eigenschaften dieser
Provmz, verfasst von M. Dobbizhoffer , a. d. Lat. von A. Kreil, 3 Bde., Wien 1783—84. — Engl ■ An
Account of the Abipones, an equestrian People of Paraguay, London 1821, 3 Vol.
-) MuEE, Journal zur Kunstgeschichte und zur allg. Litt., Nürnberg 1780, Teil IX, p. 98—106. — Ein
von Lafone Quevedo (Revista del Museo de La Plata IV, 1893, p. 371) erwähntes Manuskript linguisti-
schen Inhalts, angeblich von Dobrizhoffer stammend, könnte die DoBBizHOFFERSchen Abipön-Arbeiten
enthalten.
') SoiaMERvoGEL, Bibhothequo III, 1895. — Kobler, Fl. Baucke, Einleitung.
*) Fräst, Flokian Pauke's Reise etc., Wien 1829. — Kobler, P. Florian Baucke, ein Jesuit in
Paraguay, Regensburg 1870.
- y -
Sprache niedergescliriebene Übersicht über die ytämme des Gran Chaco, die erst vor kurzer
Zeit von HuoNnER i) veröffentlicht worden ist. i
Der Catalonier Jose Jolis 2), der in den letzten Jahren des Jesuitenregimentes als
Missionar in den Reduktionen am Rio Salado wirkte und 1767 nach Italien deportiert
wurde, schrieb in italienischer Sprache eine Naturgeschichte des Chaco, in der auch die
ethnographischen Verhältnisse eine eingehende Berücksichtigung finden. Die dem Buche
beigegebene Karte 3) erhebt sich weit über das Niveau der bis dahin bekannten kartogra-
phischen Darstellungen dieses Gebietes und bietet besonders auch eine Fülle von völker-
kundlich wertvollen Angaben.
Eine auf wissenschaftliche Gesichtspunkte gegründete sprachliche Einteilung der
Indianer Südamerikas suchte zuerst der gelehrte Jesuit HERväs 4) mit erstaunlicher
Gelehrsamkeit durchzuführen. Unter allen Jesuiten gebührt ihm am ehesten der Beiname
eines Gründers der südamerikanischen Linguistik. HERväs war von Geburt Spanier (geb.
173.5 in Horcajo), wurde 1767 aus seinem Vaterlande ausgewiesem und lebte dann bis zu
seinem Tode (1809) fast ohne Unterbrechung in Italien, zuletzt in Rom als Bibliothekar
am Quirinal 5). Da sich HERvas niemals in Südamerika aufgehalten hat, bezog er seine
Informationen von den dorther deportierten Ordensbrüdern.
Die deutschen Sprachforscher Adelung und Vater ß) versuchten die HERvas'schen
Gedanken weiterzuführen , ohne dass ihnen aber dies gelungen wäre.
Eine nebensächliche Rolle spielen ethnologische Interessen in der „Historia del Paraguay"
des P. Jose Guevara 7), der (geb. 1719 zu Rexas bei Toledo) seit 1732 in Paraguay weilte,
1767 ausgewiesen wurde und 1806 in Italien starb. Guevara übergab 1767 das Manuskript
seines einseitig-jesuitischen Geschichtswei-kes den Dominikanern in den Lule-Missionen;
DE Angelis hat es 1836 teilweise publiziert.
Mancherlei ethnographische Beobachtungen finden sich auch in einer der zahlreichen
mathematischen und geographischen Arbeiten des Jesuiten Jose Quiroga, der 1758 ver-
fassten „Descripciön del Rio Paraguay" S). Geboren 1707 in der Provinz Galicia, widmete
sich Quiroga zuerst dem Seemannsberufe, doch quittierte er den Dienst und trat 1739 in
den Jesuitenorden ein. Lange Zeit war er in Buenos Aires Dozent der Mathematik. Am
bekanntesten ist er durch die Reise längs der Terra Magellanica geworden. Im Jahre 1767
wurde er des Landes verwiesen und starb 1784 zu Bologna 9).
Während in Europa durch diese im allgemeinen nicht tendenzfreie Litteratur der
Jesuiten die Kenntnis der La Plata- Länder eine bedeutende Bereicherung erfuhr, war gleich-
zeitig auf südamerikanischem Boden ein Forscher tätig, der, sowohl was Umfang und
') HuoiJDEK, Die Völkergruppiening im Gran Chaco im 18. Jahrhundert. Globus, Bd. 81 , 1902, p. 387 ff.
-) Jolis, Saggio sulla storia naturale della provincia del Gran Chaco, Faenza 1789. — Sommervogel,
Bibliotheque IV, p. 812.
') Lafone Quevedo nennt sie „el niejor que yo he visto de la regiön a qiie se refiere", Bol. del. Instit.
geogr. Arg. XVII, 1896. Ebendort ein Facsimile der Karte.
■*) HERvas, Idea dell' Universo, 22 Bde., und Catälogo de las lenguas de las naciones conocidas y enu-
nieracion, division y clases de estas segun la diversidad de sus idiomas y dialectos, 6 Bde., 1800-1805,
Bd. I: Lenguas y naciones americanas, Madrid, 1800.
') So.MMEKVOGEL, Bibliotheque IV, 318 ff.
^) Adelung- Vater, Mithridates, Berlin 1806-1817.
") Guevara, Historia del Paraguay, Rio de la Plata y Tucumdn, bei de Angelis II, 1836. - Sommer-
vogel, Bibliotheque III, 1892.
') Quiroga, Descripciön del Rio Paraguay desde la boca del Xauru hasta la confluencia del Parana,
bei DE Angelis II, Buenos Aires 1836.
') SoMiiERvoGEL, Bjbliotheque VI, 1895. — de Angelis II, Noticias biograficas.
I. A. f. E. XVII. 2
- 10 -
Ausdehnung als auch Gründlichkeit und Glaubwürdigl<eit seiner Beobachtungen anlangt,
die meisten Reisenden, die mit ihm in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts in dem
gleichen Gebiete exploratorisch tätig gewesen sind, um Haupteslänge überragt: Don Felix
DE AzARA, hier der erste Forscher mit wirklich wissenschaftlichen Zielen und Gesichtspunkten.
Bei der ausserordentlichen Bedeutung, die Azaba für die Kenntnis der Indianer des
südlichen Amerika besitzt — Bertuchs geographische Ephemeriden stellen ihn mit Humboldt
in die gleiche Linie — sollen hier einige biographische Daten i) dieses ausgezeichneten
Mannes folgen, der, wie im Norden Südamerikas A. v. Humboldt, am La Plata von aussen
her zuerst die Schranken durchbrach, die Spanien in seinem Kolonialreiche gegen die freie
Forschung aufgerichtet hatte. Geboren am 18. Mai 1746 zu Barbunales bei Balbastro in
Aragonien , machte Don Felix de Azara seine Studien auf der Universität zu Huesca und
trat darauf in die Militärakademie zu Barcelona, um sich der militärischen Laufbahn zu
widmen. Auf dem algerischen Feldzuge wurde er schwer verwundet. Als auf Grund des
Vergleiches von lldefonso (1777) und des folgenden Friedens von Pardo Spanien und Portugal
die seit dem Vertrage von Tordesillas (1493) schwebende Grenzfrage in Südamerika durch
eine beiderseitige Kommission endlich zu regeln beschlossen, wurde Don Felix, der damals
als Ingenieur-Oberstleutnant zu San Sebastiano in Garnison stand, nebst drei spanischen
Marineoffizieren zum Mitgliede derselben berufen. Die Abreise musste so rasch erfolgen,
dass Azara nicht einmal Zeit zur Mitnahme von Büchern und Instrumenten fand. Zwanzig
Jahre (1781 — 1801) dauerte sein Aufenthalt in Südamerika. Nachdem er die Aufgabe der
Grenzbereinigung schnell vollendet hatte, wurde er durch die spanischen Gouverneure,
gegen deren Intriguen er fortwährend zu kämpfen hatte, von der Heimkehr zurückgehalten
und — wie er selbst sagt — so gleichsam gezwungen, sich als Forschungsreisender zu
betätigen. Nach seiner lange ersehnten Rückkehr hielt er sich einige Jahre in Paris bei
seinem Bruder Don Nicolo, dem doi'tigen spanischen Botschafter, auf und starb 1811 als
Mitglied der „Junta de fortiflcaciones y defensa de ambos Indias". Seine in alle geogra-
phische und naturwissenschaftliche Wissenszweige einschlagenden Arbeiten sind in zahl-
reichen Schriften niedergelegt. Wie die Kartographie der La Plata-Länder ihm und seinen
Begleitern die ersten auf genaue Messungen und Ortsbestimmungen gegründeten Karten
verdankt, so hat auch die Ethnographie der von ihm bereisten Gebiete durch ihn eine
grosse Erweiterung erfahren. Im zweiten Bande seiner „Voyage" lieferte ei" die für uns
vor allem in Betracht kommende ethnographische Beschreibung der Indianei'stämme des
Chaco, in deren Gebiet er sich wiederholt als Koramissar des nordwestlichen Grenz-
abschnittes aufgehalten hat.
Der besonders von den modernen Linguisten empfundene Mangel, dei' Azara in sprach-
lichen Dingen anhaftet, wird ausgeglichen durch die Beobachtungen seines Begleiters Don
Juan Francisco Aguirre, dessen 1793 verfasstes dreibändiges Manuskript erst neuerdings
wieder in der Biblioteca Nacionäl zu Buenos Aires aufgefunden worden ist. Enrique Peua -)
') Azara, Voyages dans l'Amerique meridionale , 1781 bis 1801, hg. v. Walckenaes , 4 Bde m. Atlas,
Paris 1809. Deutsch: Berlin 1810, Bd. 31 vom „Magazin merlcwürdiger neuer Reisebescln'eibungen"; Leipzig
1811, 3 Bde. - Allgemeine geogr. Ephemeriden, Bd. XXIX, 1809 (m. Bild). - de Angelis, Oolecciön II,
Discurso preliminar ä la Descripciön del Tebicuari.
-) Enrique Peüa, Etnografia del Chaco, im Boletin del Institute geogräfico Argentino, B. Ai. 1898,
Bd. XIX, p. 465-510. — Diariü del capitäu de fragata de la Real Armada Don Juan Francisco Agüibre
en la demarcaciön de limites de Espana y Portugal en )a America meridional, dedicado al Rey N. S. En la
Asunciön del Paraguay por Don Pedro Rodriguez, oficial 2° en la factoria general de Reales rentas de
Tabaco, ano MDCCLXXXXIII.
- 11 -
hat daraus elon ;uif den Ctiaco bezüglichen ethnographischen Teil herausgegeben. Agüirres
Verdienst liegt daiin, dass er zuerst genaue vei-gleichende Wörtertabeilen einer Reihe von
Chaco-Sprachen geliefert hat. Erst an der Hand dieser Wöiterlisten ist es möglich gewesen
einigermassen Ordnung in das Chaos verwirrender Angaben der älteren Autoren zu bringen.
Durch eine Anzahl von Denkschriften und Reiseberichten aus den Jahren 1774 bis
1800, die unten noch genauere Erwilhnung finden werden, erhalten wir Kunde von den
Indianern des Innern, besonders über die längs des Bermejo wohnenden Stämme.
Von portugiesischer Seite endlich ist uns durch die „Historia dos Indios Cavalleiros
ou da nagäo Guaycurü" des Rodrigues do Prado i) eine Beschreibung der nördlichen Chaco-
Stümme, besonders der Mbayä, zugekommen. Diese kleine Monographie ist 179.5 im Presidio
Coimbra am oberen Paraguay — wo damals do Prado Kommandant war — entstanden.
') Jornal o Patnota, p. U ff., .Juli 1814 und Revista do Instituto liistorico e geographico do Brazil
Bd. I. p. 2o-o7, Rio de Janeiro 1856. <= o r ,
II. ABSCHNITT.
Die allgemeinen Grundlinien der Geschichte der Chaco-Indianer seit Ankunft der Spanier.
a. Allgemeine Zurückdrängung der Chaco-Indianer. — Im ganzen trägt die Geschichte
der Chaco-Indianer seit dem 16. Jahrhundert bis heute dieselben einheitlichen Züge und
Merkmale: es ist ein Prozess stossweiser, unaufhaltsamer Zurückdrängung und Isolation
durch den Weissen zu beobachten, ein Vorgang, gegen den nur eine abgesonderte Lage
hat schützen können. In diesem bald blutigen, bald unblutigen Kampf um Raum gegen
den roten Mann wird das Vorrücken des Europäers von Süden nach Norden etappenweise
bezeichnet durch die einzelnen Flüsse und Flussabschnitte. Nachdem vom La Plata aus
bald eine dauernde Verbindung durch die Pampa nach Chile und über Tucuman nach Peru
hin hergestellt und damit zuerst Bresche in das zusammenhängende indianische Wohn-
gebiet des Südens gelegt war, bildeten Saladillo und Salado die Grenze. Ende des 18- Jahr-
hunderts war der Rio Bermejo erreicht und der grosse Abschnitt des Chaco austi'äl im
allgemeinen für die Kolonisation gewonnen. Wenn dann neuerdings der argentinische
General ViCTomcä die Indianer des Chaco bis an den Pilcomayo und darüber hinaus
zurückgetrieben hat, so ist dieses Vordringen nichts anderes als ein erneuter sichtbarer
Ausdruck jener Bewegungsrichtung, die in ihrer Wirksamkeit älter als 350 Jahre ist.
Dieser langsamen Zurückdrängung nach Norden entspricht eine östliche und westliche
Einengung des Wohngebietes der Chaco-Indianer, wobei auf der einen Seite der Rio Para-
guay und auf der anderen der östliche Teil der Provinz Tucuman die gegebenen Angriffs-
basen für die Weissen waren.
Aber diese Entwickelung, wie wir sie mit wenigen Strichen gezeichnet haben, vollzog
sich keineswegs gleichmässig und ohne schwere Störungen; wir werden erfahren, wie
während eines Zeitraumes von über hundert Jahren die Spanier in dem Kampf um Raum
infolge einer in ihren Ui-sachen noch zu charakterisierenden Expansion der Indianer eher
an Boden verloren als gewonnen haben.
b. Kolonisationsversuche der Spanier. — Wenn der Chaco auch schon von den ersten
Conquistadoren berührt und in seinem nördlichsten Teile von Ayolas und Irala auf ihren
Zügen nach dem sagenhaften Goldlande im Nordwesten durchkreuzt worden war, so
begannen doch erst die eigentlichen Versuche zu seiner Eroberung und Kolonisation, nach-
dem die Nachbargebiete im 0, S und W bereits eine zahlreiche weisse Bevölkerung
trugen. Weder die Natur des Landes noch die rauhe Sinnesart der Chaco-Indianer mögen
für die Spanier besonders verlockend gewesen sein.
Der von Peru zur Kolonisation der Provinz Santa Cruz de la Sierra ausgesandte
Kapitän Don Andres Manso hatte auf dem Marsche dahin im Gebiete der Chirguano in
den Llanos des nordwestlichen Chaco eine Stadt anzulegen begonnen, wurde aber mit
- 18 -
seinen Leuten von den Indianern ermordet, üas vom Vizekönig Don Francisco de Toledo
mit der Bestrafung der Cliiriguano beauftragte Heer entging nur mit genauer Not der
Verniclitung ^.
Glückliciier waren die Städte, die in den tucumanesischen Grenzgebieten des Cliaco
entstanden waren-): Tausende von Chaco-Indianern wurden von ihnen bis zum Ende des
16. Jalirlnmderts unterworfen und in Encomiendas veieinigt. In der Jurisdiktion von
Santiago del Estero waren angebiicli allein -17000 (?) Juri und Tonocote impatroniert^).
Eine dieser Stadtgründungen hatte ein ausgesprochen militärisches Motiv: Esteco^),
zuerst 1567 von Diego de Heredia 30 Leguas von Santiago del Estero entfernt unter
26° 30' s.Br. am Rio Salado angelegt, später aber wegen der beständigen Angriffe der
Indianer nach dem oberen Salado nach rückwärts verlegt, sollte als Aussenposten die
Städte Salta, San Miguel und Santiago gegen die Invasionen der Chaco-Stämme decken,
wurde aber 1692 durch ein Ei^dbeben völlig zerstört und aufgegeben. Trotz der grossen
militärischen und kommerziellen Bedeutung, zu der sich die Stadt bald aufgeschwungen
hatte, wurde Esteco nicht wieder aufgebaut.
Einen nicht minder unglücklichen Ausgang nahm ein Kolonisationsversuch an der
entgegengesetzten Seite des Ghaco: die zur Abwehr der allmählich überhand nehmenden
Angriffe der Indianer im Jahre 1585 von Alonso de Vera y Aragon, dem Gouverneur
von Corrientes, am Rio Bermejo mit so grossen Hoffnungen für die Zukunft gegründete
Stadt Concepciön de buena Esperanza^) wurde im Jahre 1631 von den Eingeborenen, beson-
ders den Mokovl, zeistört. Dieser Vorposten hatte dazu dienen sollen, die Verbindung
zwischen den getrennten Gebieten östlich und westlich des Chaco herzusteilen. Die Jesuiten
hatten seine Bedeutung sehr früh erkannt und aus ihm ein Centrum für die Christiani-
sierung des Chaco zu machen gedacht. Concepciön del Bermejo lag, 30 Leguas vom Rio
Paraguay entfernt, im Gebiete der von den Spaniern wegen ihres Gebrauches, die Haare
oberhalb der Stirn abzuscheren , gewöhnlich als Frentones 6) bezeichneten Indianer.
Seitdem aber die Spanier sich üljerzeugt hatten, dass die Eroberung des Chaco mit
viel grösseren Opfern verbunden sein würde als die der benachbarten Gebiete, beschränkten
sie sich lediglich auf die Defensive und überliessen es der Mission — deren Wirksamkeit
unten eine eingehendere Behandlung finden wird — ihnen auf filedlichem Wege, mit der
„Conquista espiritual", vorzuarbeiten. Gleichwohl zwangen die Angriffe der Indianer, die
') DE Angelis, Colecciön I, Indice pp. XXI, LIV f. — Hmonder, MS p. 390. — Chaelevoix I, p.
262 ff. — LozANO p. 58. - ca. 1560.
2) Santiago del Estero, von Aguieee 1563 am Rio Dulce gegr.; San Miguel del Tucumän, gegr. 1564
von Don Diego Villaroel beim Cerro de Aconqiiü'a, 1585 wegen ungünstiger (resundheitsverliältnisse verlegt
(GüZMAN, p. 120 f.i; Esteco gegr. 1567 (Guzmak p. 121 f.); Cördoba, gegr. 1.573 von D. Jeeoximo Luis de
Cabrera; in dem gleichen Jahre S^i Fe von Juan de Gaeay angelegt (Guzman p. 139): Salta (Guzman p. 10)
verdankt seine Entstehung (1.58-2) dem Gonzalo de Abreu y Figueeoa. Später verlegte der Gouverneur
Hehnando de Leema die Stadt aus dem Tale von Siancas an den Ort, wo sie sich heute befindet. (Guzman
p. 10.) - Sa Cruz de la Sierra 1560 von Chaves unter 18° 4' s. B. gegr.; 1575 nach dem jetzigen Orte,
17^ 49', verlegt.
■'') (tuzman, Hist. Arg. pp. 10. 82.
*) Guzman p. 121 f. - de Angelis I, Ind. zu Guzman p. XXXI. - Hüondee. MS. p.390. Die Stadt lag
zuerst am Ostufer des Salado, musste aber wegen der Angriffe der Indianer auf die andere Seite des
Flusses verlegt werden.
») del Techo, Lib. I, cap. 41. - Huonder MS. p. .390. — Guevaea , bei de Angelis II, p. 157. — de
Angelis 1, Indice zu Guzman p. XXIII. — Dübrizhopfer III, p. 6. — Diego de Alvear. Relaciön geogr.
y hist. de la prov. de Misiones, p. 30, bei de Angelis IV. - de Angelis IV. Proemio zu Gakcia de Sola-
LiNDE, Proyectos de colonizaciön del Chaco. — Lozano p. 93.
^) CtUzman p. 11 u. Indice p. XXXIl. S. n. p. 30 f.
- 14 -
sich seit der Einfülirung des Pferdes, wie wir weiter unten näher ausführen werden, in
ausserordenthcher Weise verstärkten, zu enei'gischen Gegenmassregeln und von Zeit zu
Zeit zu Gegenstössen , um die Flut zurückzudämmen.
Im Jahre 1628, also drei Jahre vor der Zerstörung von Concepciön, plante die spanische
Kolonialregierung, wie del Techo i) berichtet, nichts geringeres, als eine feste Verbindung
von den oberen Zuflüssen des Bermejo quer durch den Chaco herzustellen und damit den
Weg von Peru nach Asunciön — der über Cördoba und Santa Fe führte, seitdem der
Chaco boreäl zuletzt 1565 von Francisco Ortiz de Vergara und Nuflo de Chaves durchquert
worden war — um fast die Hälfte zu verkürzen. Aber der Gouverneur von Paraguay,
der im Osten in den Chaco eindrang, sah sich wegen der offensiven Haltung der Indianer
zum schleunigen Rückzuge genötigt, und die militärische Expedition Martin Ledesmas,
des Gouverneurs von Tucumän, kam im Westen nicht über das Gebiet der Mataguayo
am oberen Bermejo hinaus. Die damals von Ledesma unterhalb der Mündung des Rio
Centa am Bermejo de Tarija gegründete Stadt Santiago de Guadalcazar 2) hatte eine nur
ephemere Existenz, denn die Mataguayo, der ewigen Plackereien müde, griffen zu den
Waffen und jagten die spanische Bevölkerung schon im Jahre 1635 wieder aus ihrem Lande.
Der Grund aller spanischen Misserfolge war der viel zu geringe Aufwand von Kräften:
AlonsD de Vera gilindete Concepciön mit 135 Soldaten, mit 29 bekriegte Ledesma die
OcotäesS). Aus gleicher Ursache sind auch die Expeditionen, die Gouverneur Angel Peredo
von Tucumän seit 1670 unternommen hatte, um die Anfälle auf Jujuy und Esteco abzu-
stellen, ohne Ergebnis geblieben 4). Das Heer, mit dem der Maestro de campo Amusategui
1671 die Mataguayo züchtigte, wurde aus Kontingenten von Esteco, Salta, Jujuy und Tarija
gebildet und bestand trotzdem nur aus 110 Veteranen, von denen noch dazu die von
Salta und Fuerte de Guadalupe zurückkehrten und andere am Rio Ocloyas blieben 5). Wenn
auch damals (1672) Don Diego Marin de Armenta y Zurate mit einem Corps von Tari-
janern den Pilcomayo weit abwärts vordrangt), so übten doch derartige Streifzüge weit
in das unbekannte Land hinein keinen wesentlichen Einfluss auf den allgemeinen Gang
und das Ergebnis des Kampfes aus.
Da nach der Zerstörung von Esteco (1692), die den Verlust der gesamten Jurisdiktion
dieser Stadt nach sich zog, die Ostgrenze von Tucumän offen lag, erbaute der Gouverneur
EsTEVAN DE Urizar y Arespacochaga 1710 am Salado unterhalb der Ruinen der Stadt
das Presidio Valbuena und suchte die Chaco-Indianer durch mehrere Feldzüge einzuschüch-
tern. Dabei drangen seine Maestros de campo Fernando de Lisperguer und Juan de.
Elisondo den Bermejo abwärts bis zu den Chunupi und Vilela vor. Das Resultat aller
Kämpfe war unbedeutend genug: gelang es doch nur, einige unberittene Stämme sesshaft
zu machen, wie die Lule, die später den Kern der Bevölkerung von Valbuena bildeten.
Letzteres musste für lange Jahi-e allein den Grenzschutz gegen die Indianer übernehmen,
konnte aber die verheerenden Züge derselben nicht im entferntesten abwenden ').
') DEL Techo, Lib. VIII, cap. 15. ^ t, . j i ■
=) HuoNDEE, MS. p. 390. - DB Angelis IV, Proemio zu Gaecia de boLALiNDE, Proyectos de coloni-
zaciön. — Lozano p. 5.
3) DE Angelis IV, Proemio zu Qarcia de Solalinde.
4) _ _ VI, „ „ Matobbas, Diariode laexpediciönhechaen 1774. - DoBRizHOFFEBlil,pb.
5) _ - IV^ l „ Solalinde.
6) _ - VI, „ ,. Matoheas. ,. .. , u 1 -
') Lozano p 399 ff. - de Angelis VI, Proemio zu Matobbas, Diario de la expedicion liecha en el ano
1774. - DE Angelis I, Indice zu (Iuzman, p. XXXI. - Chaelevoix VI, p. 227 ff. - Dobrizhoffer III, p. 7 ff.
- 15 -
Ein aggressives Vorgelien der Spanier ist seit ilcr Einfülirung des Pferdes stets an der
Beweglichkeit der Indianer gescheitert, denen die Weiträumigkeit ihrer Wohngebiete als
bestes Kampfmittel noch obendrein zur Verfügung stand. Wenn trotzdem die Spanier
wieder allmählich an Boden gewannen, so war das weniger die Folge ihrer kriegerischen
Expeditionen als vielmehr einer langsamen Kulturarbeit, besonders auch der Missions-
tätigkeit, die seit dem 18. Jahrhundert am oberen Salado kräftig einsetzte i).
Wenn man absieht von unbedeutenderen Expeditionen , die fast alljährlich von Milizen
diesei" oder jener Grenzstadt des Chaco zur Bestrafung der häufigen indianischen Überfälle
ausgefühlt wurden, hat es fast fünfzig Jahre hindurch an einer grösseren, von Seiten der
Kegierung ausgehenden Unternehmung militärischer und kolonisatorischer Art gefehlt.
Erst 1759 wurde in Tucuman wieder ein Kriegszug ins Werk gesetzt; der Gouverneur
Don JoAQUiN EspiNOSA Y Davalos trat mit zwei Heerhaufen, die von Fuerte de San Fer-
nando und Valbuena au.sgingen und sich in der Gegend von Tren de Espinosa am oberen
Bermejü vereinigten, in den Chaco ein, während gleichzeitig von Osten her ein Verstoss
gemacht wurde. Ein den Bermejo abwärts vordringendes kleines Corps vermochte eine
Verbindung nicht herzustellen, da es, nur noch 35 Leguas von Cori'ientes entfernt, die
Richtung verlor und umkehi'te 2).
Ein sehr unrühmliches Ende nahm ein Zug, den 1764 der Offizier Arrascaeta und 80
Tucumanier mit Hilfe eines befreundeten Kaziken von Macapillo ausfühiten: in der „Can-
gaye" genannten Gegend am Bermejo von den Mokovi umzingelt, konnten sie sich nur
unter schändlichen Bedingungen vor der Niedermetzelung bewahren 3).
Mit der Verbannung der Jesuiten (1767—68) begann allenthalben für die Indianer eine
neue Periode ihrer Entwickelung. Als damals die spaniische Regierung sich plötzlich vor die
schwere Aufgabe gestellt sah , die Aufsicht über die verlassenen Indianer-Missionsstationen
und die Paziflzierung der freien Stämme des Chaco austral selbst zu übernehmen , begriff
auch sie bald, dass nur auf friedlichem Wege eine dauernde Okkupation und Sicherung
dieses Gebietes möglich wäre. Die eigentliche Erschliessung des südlichen Chaco ist dann
eines der sonst geringen Verdienste der Spanier in den letzten Jahrzehnten ihrer Herr-
schaft geworden.
Die Indianergrenze vom Rio Salado bis zum Bermejo vorzuschieben und damit den
Chaco austräl gegen Norden abzuschliessen, war das Ziel aller Kolonisationspläne. Zwar
verlief der Zug des Matorras'*), der 1774 von Fuerte del Valle ausging, ziemlich ergeb-
nislos, da in Cangaye am Bermejo eine Oppositionspartei im Feldlager den Führer zur
Rückkehr auf geradem Wege nötigte; aber schon 1780 gelang es dem Obersten Don Fran-
cisco Gavino Arias^), der auf Grund einer königlichen Cedula „Informationen über den
Zustand der Indianer am Bermejo einziehen und die Neuanlegung von festen indianischen
Siedelungen zum Zwecke der Abstellung der räuberischen Überfalle ins Auge fassen sollte",
die Reduktionen San Bernardo und Santiago oder Cangaye am mittleren Bermejo zu
l) S. u. p. 22.
'■) DE AiNGEi.is VI. Discurso preliminar zu Matorras, Diario.
') - — VI
<) Matorras, Don Geronimo, Gobernador del Tucuman, Diario de la expediciön hecha en 1774 ä los
paises del Gran Chaco desde el Fuerte del Valle, bei de Angelis VI, 1837 (erste Ausgabe).
*) Arias. Don Francisco Gavino, Coronet del regimiento de caballeria San Fernando. Diario de la
expediciön reduccional del ano de 1780, mandada pi-acticar por orden del Virey de Buenos Aires, hg. von
DE Ancjelis VI, 1837. — de Angelis IV, Proemio zu Garcia de Solalinde. Provectos de colonizaciön.
- 16 -
gründen, die der Obhut der Franziskaner unterstellt, später jedoch zeitweilig wieder auf-
gegeben wurden. In jenen Jahi-en eifriger Kolonisationstätigkeit fand auch zuerst das alte
Problem der Herstellung einer schiffbaren Verbindung zwischen Jujuy und Corrientes seine
Lösung, indem Cornejo i) den Bermejo 1790 bis zu seiner Mündung befuhr. Die Tagebücher
CoRNEJOS und seines Kaplanes während seiner ersten, gescheiterten Expedition (1780), des
Franziskaners Morillo2), enthalten sehr wichtige ethnographische Beobachtungen und
werden uns vielfach als Quelle dienen.
Zur Sicherung des gewonnenen Bodens hatte Arias eine Kette von Presidios vom Fort
San Fernando am Rio del Valle bis zum Bermejo anlegen wollen, ein Plan, den Cornejo
dadurch vereinfachte, dass er die Bermejo-Linie dui'ch die befestigten Punkte von Zapal-
larcito. Tren de Espinosa, Encrucijada de Macomita, Esquina, San Francisco und Genta
zu decken vorschlugt). Dass sich die Regierung auch weiterhin mit ei'nsten Projekten trug,
zeigen die Gutachten, die sie von Azaea und Garcia de Solalinde in Sachen der Koloni-
sation des Gran Chaco einforderte *). Wenn freilich damals Gargia die Pazifikation des
Chaco austnil, die Ansiedelung der Indianer und die Bevölkerung mit Weissen in weniger
als sechs .Jahren ohne viel Kosten für möglich hielt, so haben ihm die Ereignisse nicht
Recht gegeben, denn erst den letzten zwanzig Jahren des 19. Jahrhunderts blieb diese
Aufgabe vorbehalten.
c. Innere TJmioandelung der Indianer infolge der Berührung mit den Weissen. —
Haben wir die allgemeinen äusseren Folgen dieser Kolonisationsversuche ins Auge gefasst,
so hebt sich zugleich noch die Frage: welche Wirkungen verbanden sich mit der Berührung
der Spanier und Indianer hinsichtlich des inneren Zustandes der letzteren?
Die Umwandelungen waren sehr bedeutend: einzelne Stämme haben sich aus ihrem
Naturzustande herausgeschwungen und sind meist der stärksten Waffe des Euiopäers,
seiner Kultur, zum Opfer gefallen; andere sind auf ihrer tieferen Stufe verharrt, ohne
sich aber den Kultureinwirkungen völlig entziehen zu können. Infolge friedlicher Koloni-
sations- und Missionsbestrebungen und nicht zuletzt durch die Ausbreitung zahlreicher,
bis dahin in Amerika unbekannter Krankheiten, die, wie Schnupfen, Masern und Blattern,
pestartig verheerend wirkten, haben die Völkerverhältnisse im Chaco allmählich eine viel-
leicht nachdrücklichere Umgestaltung erfahren als durch die rein mechanischen Einwir-
kungen der Waffen.
d. Einführung des Pferdes. — Die Einführung des Pferdes war es vor allem , die das
ganze Dasein der Indianer der Ebenen des südlichen Amerika umgestaltend beeinflusst und
zugleich den durch die gleiche Umwelt begonnenen Prozess der Angleichung und ethno-
graphischen Vereinheitlichung dieser Stämme befördert hat. So wie uns die Chaco-Indianer
und die patagonischen Indianei- Völker am Ende des 18. Jahrhunderts und heute entgegen-
I) CoENEJO D. Juan Adrian Fernandez, Diario de la primera expediciön al Chaco, emprendida en
1780 por el coronel Cornejo, hg. von de Angelis VI, 1837. — Cornejo, Expediciön al Chaco por el Rio
Berniejo, 1790, bei de Angelis IV, 1837. ^ . , , ,,. , -^- r^ ■ ,,noA. *
-)'Morillo, Fray Francisco, del Orden de San Francisco, Diano del Viage al Rio Bermejo (1/80); erste
Ausgabe bei de Angelis VI , 1837. , , ^., -,^ . r, o
3) DE Angelis IV , Proemio zu Proyectos de colonizacion del Chaco por Don Antonio Gaecia de boLALiNDE.
■•) Informes de Don Felix de Azara sobre varios proyectos de colonizarel Cliaco, hg. von de Angelis IV,
Buenos Aires 1836. (verf. 1799.) - Proyectos de colonizacion del Chaco por Don Antonio CIabcia de Solalinde
(verf. 1799), hg. von de Angelis IV. Garcia de Solalinde hatte als Unternehmer eines Holzfällerei-Betnebes
mehrere Jahre am Bormejo im Innern des Chaco gelebt.
- 17 -
treten , .sind sie in ihrer Eigenart und in ihrer gesamten Lebensweise nicht zu begreifen
ohne den Besitz des Pferdes, das mit ihrer Existenz aufs engste verknüpft ist.
Rui DiAZ DE GüZMAN 1) (1612) berichtet, dass von jenen fünf Stuten und sieben
Hengsten, die bei Irai.as eiligem Abzüge von Buenos Aires zurückgelassen worden waren,
alle jene zahlreichen Rudel von Pfeixlen stammen, „de los cuales el dia de hoy ha venido ä
tanto multiplico en menos de 70 anos, que no se puede numerar; porque son tantos los
caballos e yeguas, que parecen grandes montanas, y tienen ocupado desde el Cabo Blanco
hasta el Fuerte de Gaboto, que son mas de 80 leguas, y llegan adentro hasta la Cordillera."
Die Indianer haben sich der eingefangenen Pferde bald zu bedienen gelernt, ja bald
wussten sie geschickter mit ihren Reittieren umzugehen als selbst die Spanier ~). Die
schwerfällige, nach europäischem Muster gerüstete spanische Kavallerie hat seitdem gegen
sie nur selten etwas ausrichten können. Die Natur des Landes und seine Weiträumigkeit,
deren schnelle Überwindung erst durch das Pferd möglich geworden war, sind für die
Indianer stets das stärkste Verteidigungsmittel geblieben.
Die meisten eingeborenen Völker der südlichen Ebenen bis nördlich über den Rio
Pilcomayo sind beritten geworden, so ausser den Indianern der Pampas, die Charrüa, die
Calchaqui, Abipön, Mokovi, Toba, Mbayä, Chiriguano, Malbalä und die meisten übrigen
Stämme der Mataco-Mataguayo-Sprachfamilie 3). Typische Reitervölker sind besonders die
Stämme der Guaikurü-Familie geworden, weniger diejenigen der Mataco-Mataguayo-Gruppe,
die, wie auch die Vilela, Ghunupi und Lule, nur wenige Pferde besassen. Der Mangel an
Nachrichten über die nördlichen Chaco-Stämme macht es unmöglich festzustellen, wie weit
damals das Pferd nach Norden hin Eingang gefunden hat. Um das Jahr 1800 pflegten die
unberittenen Zamuco-Chamacoco hoch im nördlichen Chaco von den benachbarten Mbayä
Pferde zu kaufen "*). Übrigens ist der Zeitpunkt der Einführung des Pferdes bei den ein-
zelnen Stämmen nicht einmal für den Chaco austräl anzugeben, aber sicherlich ist diese
nicht rasch erfolgt. Am frühesten besassen das Pferd die Indianer am unteren Paranä
und am La Plata. Die Abipön sollen, wie ein sehr alter Angehöriger dieser Nation Dobriz-
iiOFFER erzählte, von den Calchaqui, die damals schon in das Gebiet der Stadt Santa Fe
verpflanzt waren, im ersten Drittel des 17. Jahrhunderts ihre ersten Pferde gestohlen
haben 5). Im Jahre Ißil besassen nicht nur schon die Abipön Pferde, sondern auch selbst
die Stämme am mittleren Bermejo, wie P. Pastoe auf seiner Missionsreise zu den Abipön
feststellte 6). Noch früher, 1630, als Martin de Ledesma längs des Bermejo vordrang,
wurden die Vilela und Chunupi, sowie benachbarte Stämme im Besitze von Pferden ange-
troffen'^). Hundert Jahre später freilich berichtet Lozano^), dass die Vilela unberitten seien.
Da die meisten der später berittenen Stämme, selbst die schon Spuren höherer Kultur-
entwickelung aufweisenden Calchaqui von Tucumän , schweifende Jäger waren und keinen
') GüZMAN, Historia Argentina, bei de Angelis I, p. 10. Die Hacendados der Banda orientäl belohnten
diejenigen, welche die verwilderten Pfeide töteten, da diese das Yieli zerstreuten; de Akgelis I, Indice
zu GUZMAN p. XI.
2) LozANO, p. 79 ff. Estan el dia de hoy mas diestros en cavalgar, que los mismos Espanoles; rara
vez los dan alcance los Espanoles.
') DoBRizHOFFEK, Gesch. der Abiponcr JII p. 17.
<) Martius, Beiträge zur Ethnographie und Sprachenkunde I, p. 248.
') DoBRizHOFFER, a.a.O. III p. 10 f. - Über die Jlbay;i s. u. p. 43.
') - IIL p. 10, 124. - Charlevoix II. 414.
") LozANO , p. 86 f.
s) - p. 399.
I. A. f. E. XVII. 3
- 18 -
oder geringen Ackerbau trieben, so vollzog sich der Übergang zum Pferdenomaden um so
leichter. Der schwerfällige Ackerbauer dagegen, wie der Guarani, der Lule, der Vilela,
der Chiriguano, haftete zu fest am Boden; er hat nicht das Pferd in den Mittelpunkt seiner
gesamten Existenz gerückt, dessen Besitz seine Bodenständigkeit bedroht und ihn zur
Unstetigkeit geführt hätte. Das Beispiel der den Ackerbau treibenden Araukanern i) ver-
wandten Auca, die, als sich die Trupps der verwilderten Pferde nach Westen bis an den
Fuss der Cordillere verbreitet hatten, in die Ebene hinabstiegen und zum schweifenden
Leben übergingen, steht ganz vereinzelt da 2). Zugleich aber zeigt dieser letztere Vorgang,
wie tiefgehende Wirkungen auf die ethnischen Zustände die Einführung des Pferdes
gehabt hat: die Auca-Araukaner haben seitdem die patagonischen Stämme zurückgedrängt
und sind heute als Paraperos die herrschenden Stämme jener Gebiete gewoi'den 3). Schon
AzARA hat geschildert, wie die Gruppierung der Pampasvölker mit der wechselnden Aus-
breitung der Pferde- und Rinderherden im Zusammenhange steht *).
Der Indianer, dem mit dem Besitze des Pferdes die Möglichkeit zur Beherrschung
weiter Räume in die Hand gegeben war, gewann damit sofort an Defensivkraft und ging
selbst zur Offensive über. Das plötzliche Aufflackern aller Widerstandskräfte und die
Tendenz nach Expansion, die alle berittenen Chaco-Stämme seit Mitte des 17. Jahrhunderts
nach einer Zeit der Ruhe und Erschöpfung, seit der ersten Eroberung des Landes zeigten,
gehen in ihren Ursachen zurück auf den Gebrauch des Pferdes. So vermochten auch die
Chaco-Lidianer auf mehr als hundert Jahre lang aus der wesentlich passiven Rolle heraus-
zutreten, die sie die ganze Zeit vorher und nachher wieder, seit dem Ende des 18. Jahr-
hunderts bis heute gespielt haben. Nur der Besitz von Pferden, der das unstäte Dasein
jener Wildstämme noch mehr beflügelt hat, kann eine Erklärung geben für die grossen,
bis dahin in Südamerika unbekannten Raub- und Beutezüge der Indianer des Chaco, Züge,
die hinsichtlich ihrer Ausdehnung nur in denjenigen der asiatischen Horden ihr Analogen
finden. Dabei fällt es nicht schwer, nachzuweisen, dass der zur Zeit der Conquista noch
unbekannte Gebrauch von Speer und Lanze, wie in Afrika, als Ausdruck und Folgeerschei-
nung dieser Entwickelung zu einer kriegerischen Organisarion aufzufassen ist^).
Das uns bekannte Beispiel der AbipönG) mag sich auch bei anderen Stämmen wieder-
holt haben und möge deshalb hier als typisch angeführt werden. Waren sie, solange sie
noch keine Pferde besassen, froh, ihre Freiheit zu behaupten, so begannen sie seit Mitte
des 17. Jahrhunderts als berittene Krieger und Jäger expansiv zu werden. Zunächst setzten
sie den Matarä, einer den Spaniern schon früher unterworfenen Nation, sowie den Calchaqui
heftig zu und jagten anderen Stämmen Schrecken ein. Bald aber erschienen sie wie auch
die Mokovi und Toba als Räuber in den Haciendas der Grenzansiedler und stahlen, nach
Süden bis über den Rio Segundo vordringend, Pferde, Rinder und Schafe. Dobrizhoffer
schätzt die Zahl der innerhalb eines Zeitraumes von fünfzig Jahren von ihnen weggetrie-
benen Pferde auf gegen 100000 Tiere; es kam oft vor, dass sie bei einem einzigen Über-
') Fe. Müllee, Allg. Ethnographie, 1879, p. 275.
-) AZAEA II, p. 48. „ T T, 1
') Waitz, Anthropologie der Naturvöll<er III. p. 494. - Lafone Quevedo. La raza Pampeana y la raza
Guarani ö los Indios de la Plata en el siglo XVI. Buenos Aires 1900, Bol. del Inst, geogr. Arg. XA..
■■) AZARA II, p. 36 ff. ,.,„., ^ ■ ,_ j- -iT u
') Cf. Hatzel, Die geogr. Verbreitung des Bogens und der Pfeile in Afrika. (Berichte über die Verh.
der K. S. Ges. der Wiss., phil. bist. Klasse, 1887, pp. 233 ff.)
») DOBEIZHOFFER III, p. 10 ff.
- 19 -
falle 4000 Pferde mitnahmen. Allein aus den Estancias der Stadt Santa Fe sind innerhalb
von zwanzig Jahren 15000 Pferde weggeführt worden, i) Die Städte Santa Fe, Asunciön,
Corrientes, Santiago del Estero, San Miguel, Cördoba sowie die „alten" Reduktionen der
Guarani am Paranä haben schwer unter den blutigen Invasionen der Guaikurü-Stämme
gelitten. Mehr als eine Grenzansiedelung ist zerstört, viele Hunderte von Kolonisten und
friedlichen Reisenden sind ermordet oder in die Sklaverei geführt worden. 2)
Nirgends war damals unter den weissen Ansiedlern der fröhliche Wagemut der Con-
quistadoren noch vorhanden; nirgends hat man sich zu einem grossen, geschlossenen,
einheithch organisierten Angriffe auf die Indianer zusammenfinden können. So konnte e.s
kommen, dass beinahe während des ganzen Coloniaje die berittenen Indianer eine Geissei
der benachbarten Provinzen Paraguay und Tucumän bildeten. Selbst die Jesuiten mussten
damals ihre Pläne der begonnenen friedlichen Eroberung des Chaco zeitweilig zurückstellen.
Daher blieb auch die geographische Kenntnis dieses Gebietes lange auf dem Stande der
ersten hundert Jahre der spanischen Herrschaft im La Plata-Becken stehen. Erst gegen
Mitte des 18. Jahrhunderts konnte man wieder ei-nstlich das alte Projekt aufnehmen, von
Tarija aus quer durch den Chaco auf dem Pilcomayo nach Asunciön zu gelangen, ein
Problem, das 1744 mit dem Tode seines eifrigsten Förderers, des Paters Castaüaees,' der
auf einer Missionsreise von Mataco-Mataguayo- oder Toba-In dianern erschlagen wurde,
unglücklich endete und bekanntlich erst vor zwei Jahrzehnten gelöst wurde.
Es war bereits darauf hingewiesen worden, wie die Reiterstämme des Chaco lange
Zeit für Südamerika dieselbe geschichtliche Rolle gespielt haben wie die Prairie-Indianer
für Nordamerika und die Horden der Turkvölker und Steppennomaden für Asien. Wie
diese haben sie sich, hervorbrechend aus ihren Steppen- und Waldgebieten, über ihre
Nachbarn ergossen; doch sind ihre raschen Einfälle meist nur Raubzüge geblieben, von
denen sie sich alsbald wieder zurückzogen. Eine Umwandelung selbst ihres inneren Cha-
rakters, die mit ihnen seit ihrem Übergange zum Pferdenomadentum vorgegangen ist, hat
sie den asiatischen Reitervölkern ähnlicher gemacht: sie sind zäh und ausdauernd, energisch
und aktiv wie diese geworden. Schon älteren Beobachtern 3) ist die Überlegenheit der
berittenen Stämme des Chaco über die unberittenen aufgefallen, und sie haben richtig
erkannt, dass diese Superiorität seit Einführung des Pferdes datiert. Mit Recht wies Azara 4)
in semer dem Vicekönig Don Antonio Olagueb Feliü 1799 unterbreiteten Denkschrift auf
die Schwierigkeiten hin, die sich der Unterwerfung und Kolonisation des Chaco darböten,
seitdem die Indianer Pferde besässen und nicht mehr stationär wären. Erst lange nach der
Ansiedelung der unberittenen Stämme ist es gelungen, auch die „Indios Caballeros" ses.s-
haft zu machen.
Noch muss auf die eigenartige Erscheinung aufmerksam gemacht werden, dass das
Pferd unter den modernen Chaco-Indianern , etwa bei den Toba, bei weitem nicht mehr so
sehr im Vordergrunde des gesamten Lebens steht wie damals, als Dobeizhoffer unter den
Abipon seine Beobachtungen anstellte. Ich glaube, dass eine Erklärung dafür sehr nahe
hegt; die „Conditio sine qua non" für die Betätigung dieser Art des geschilderten, bei den
') LozANO, p. 79.
ä) DOBBIZHOPFER I, p. 146.
AngLs, Iniice z. GuzmaTp.'xI.'''' '"' ^'''■""- ' " '' ^'^ *^ ''^ " ''■ ' ^^^^^^^ ?" ^^9 f- - dh
') AzARA, Infornies sobre varios proyectos de colonizar el Chaco, p. 6, bei de Angelis IV.
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Turkvölkern Asiens am längsten und klarsten in Erscheinung tretenden, expansiven
Nomadismus ist das Vorhandensein grosser Räume. Das Gebiet der Chaco-Indianer aber
sehen wir im 19. Jahrhundert mehr und mehr eingeengt werden und diese selbst succes-
sive zum Ackerbau übergehen.
e. Zucht von Haustieren. — Im Vergleiche zur Einführung des Pferdes hat die Zucht
von Schafen, Ziegen, Rindern und anderen Haustieren bei den Chaco-Stämmen viel lang-
samer und zeitlich später Eingang gefunden; sie hat, schliesslich aber dennoch intensiver
betrieben, indem sie die raschen Kriegs- und Beutezüge erschwerte, zu einem mehr boden-
ständigen Leben führen müssen und auf den Charakter des ganzen materiellen Besitzes,
auf Material der Kleidung und des Schmuckes modifizierend eingewirkt. Die durch Salazar
(1555) oder de Gabay (1580) i) zuerst nach dem La Plata gebrachten Rinder bildeten bald
den Reichtum des Landes, den auch die Eingeborenen zu ihrem Vorteile zu verwenden
verstanden haben, zunächst freilich nur so, dass sie Tausende Stück von Hornvieh den
Grenzansiedlern seit Beginn des 18. Jahrhunderts wegtrieben. Die Abipön und Mokovi
DoBKizHOFFERS Und Baugkes Verwerteten, wie noch heute die patagonischen Stämme,
an den gestohlenen Rindern nur das Fleisch. Die Missionare pflegten ihre Zöglinge zur
Zucht von Haustieren anzuhalten in dei" bestimmten Absicht, sie damit bodenständiger zu
machen; denn sie merkten bald, dass der wichtigste Schritt zur Zivilisation der Indisiner
getan war, wenn es gelang, sie von der schweifenden Lebensweise abzubringen. Bei dem
Mangel an genaueren historischen Dokumenten lässt sich im einzelnen der Übergang vom
schweifenden Jäger zum Rindernomaden nicht verfolgen. Diese Entwickelung liegt im
wesentlichen abgeschlossen hinter uns, wenn wir heute bei den Toba des Rio Pilcomayo
neben dem Pferde Rind, Schaf und Ziege finden.'-)
f. Mission. — Die christliche Mission ist mit der Geschichte der Chaco-Indianer aufs
engste verknüpft, weshalb es gei'echtfertigt erscheint, wenn wir hier ihrer eingehend
gedenken. Nirgends im spanischen Amerika haben katholische Ordensgesellschaften eine
umfassendere Tätigkeit entfaltet als in den La Plata-Provinzen ; nirgends hat ihr, gerade
für die Naturvölker am wenigsten heilsamer Bekehrungseifer so tiefe Spuren im Leben der
Eingeborenen hinterlassen als hier.
Neben den Dominikanern und Franziskanern haben die Jesuiten, die nicht lange nach
Gründung ihres Ordens im spanischen Südamerika erschienen S) , eine bedeutende Rolle
gespielt: ist ja von ihnen eine der merkwürdigsten Staatengründungen ausgegangen, welche
die Weltgeschichte zu verzeichnen hat. Die Jesuiten hatten die Konzessionen, die ihnen
die spanische Regierung für ihr amerikanisches Kolonialreich schon im 16. Jahrhundert
gemacht hatte, allmählich zu erweitern gewusst. Unter dem Vorgeben, die Indianer vor
den Bedrückungen der Nachkommen der Conquistadoren zu schützen, denen durch die
Einführung des Systemes der Repartimientos und Encomiendas Eingeborene als Leibeigene
1) Rein, Geogr. Zeitschrift, Bd. VI, 1900, p. 310. — Waitz, Anthropologie der Naturvölker III, p. 494
Anm. Nach de Angeus I, Ind. z. üuzman, gebührt, dies Verdienst dem Lizenziaten Juan Torres db
Vera y Aragon, der von Charcas (Alto Peru) 4000 Stück Rindvieh, 4000 Schafe, 500 Ziegen und zahlreiche
Pferde nach den La Plata-Provinzen bringen und in den Bezirken von Buenos An'es , Santa Fe und Cor-
rientes verteilen liess. — Nach Ctuzman, Hist. Arg. p. 71, führte Nufi.o de Chaves Ziegen und Soliafe
nach Paraguay ein. ^ ,. t j- , ^
2) Nach den E.Kpeditionsberichten desMATORRAS, Coenejo, Arias, Morh.lo wurden die Indianer des oberen
und mittleren ßermejo in den Jahren 1774-90 überall im Besitze von Schafen betroffen. Die Machicuy des
nördlichen Chaco hatten sich dagegen erst zur Zeit Azabas einige Hunde verschafft (Azaba II, p. 157.)
») 1588 wurde in Asunciön ein Jesuitenkolleg, 1610 die erste Paranä-Mission gegründet.
- 21 -
zugewiesen worden waren , hatte es die Gesellschaft Jesu zu erreichen verstanden , dass
ihr von Spanien einige Distrikte am Uruguay, Paranä und Paraguay und bei den Chiquiten
und Mnjos im Norden und Nordwesten des Chaco, Gebiete die die Kolonisationsarbeit
nicht recht zu lohnen schienen, unter beinahe völliger Ausschliessung aller staatlichen
Gewalt überwiesen wurden, wo sie ihre, auf Komiimnisinus und einer Art hierarchischem
Staatssozialismus beruhenden Staatsmaxiiiien durchführte, lange bevor St. Simon seine Ideen
vom sozialen Staate ausbaute.
Es kann nicht meine Aufgabe sein, hier näher auf Wesen und Organisation dieses
Jesuitenstaates, wie man ihn nicht mit Unrecht genannt hat, einzugehen, i) Es ist bekannt,
dass eine Zeitlang vielleicht sogar die Möglichkeit bestanden hat, dass sich dieses eigen-
artige Staatsgebilde, das mit seiner hierarchisch-sozialistischen Grundlage zugleich als Fort-
bildung des Inkareiches erscheint und Campanellas Sonnenstaat in die Wirklichkeit umzu-
setzen suchte, gänzlich aus dem spanischen Kolonialverbande loslöste, zumal die spanische
Krone diese Losreissungstendenzen noch dadurch unterstützte, dass sie das Verbot der
Zulassung nichtspanischer Jesuiten aufhob. Nur mit Gewalt konnte schliesslich dieser
bedrohlichen Entwickelung durch Austreibung der Gesellschaft (1767 — 68) ein Ende ge-
macht werden.
Der Schwerpunkt der Missionstätigkeit der Jesuiten lag bei den Guarani Paraguays,
besonders im heutigen Districto de las Misiones, nachdem die Provinz GuayraS) am Alto
Paranä wegen der fortgesetzten Einfälle und Sklavenjagden der Paulisten oder Mameluken ,
der portugiesisch-indianischen Mischbevölkerung von Säo Paulo, hatte geräumt werden
müssen (1631). Ein zweites Missionszentrum befand sich im Norden des Chaco bei den
Chiquiten und im Moxos-Lande; die doi'tigen Etablissements wurden im Unterschiede zu
den „antiguas misiones" bei den Guarani als „nuevas m.isiones" bezeichnet. 3)
Das bei den Guarani mit so grossem Erfolge durchgeführte Experiment, das allerdings
zuletzt auch die völlige Entmündigung der Indianer und ihr rasches Dahinsterben nach
sich zog: ihre Vereinigung in sogenannten Reduktionen oder Doctrinas mit einer auf kom-
munistischen Prinzipien beruhenden Arbeitsteilung, hatten die Jesuiten auch auf die
Hordenvölker des Chaco auszudehnen vei'sucht, nachdem sie dieses weite Gebiet schon
vorher auf ihren zahlreichen Missionsreisen durchstreift hatten.
Zunächst freilich stellten sich nur Misserfolge ein: eine grosse Zahl von Missionaren-*)
hat den Glaubenseifer mit dem Tode büssen müssen. So rühmenswert auch den Religiösen
das Martyrium erschien, so führte doch praktisch diese Art von Heroismus zu nichts.
Aber mit einer fast bewunderungswürdigen Hartnäckigkeit und Glaubensfreudigkeit, der
selbst der Gegner derartiger Missionsbestrebungen seine Anerkennung nicht versagen dürfte,
ist es der Kirche endlich dennoch gelungen, nach und nach rings um den Chaco eine Kette
von Missionsstationen zu ziehen, die sich — zumal seit 17.50 — immer mehr in das Innere
') Eine eingehende Behandlung dieses Gegenstandes lieferten Gothein: Der christlich-soziale Staat der
Jesuiten in Paraguay (in Schmoi.lers Forschungen Bd. IV, 4. Heft. 188:3.), sowie Pfotenhaueu: Die Mis-
sionen der Jesuiten in Südamerika, 3 Bde., 1891-93.
-) DE Angelis I, Indice p. XLIV. — Zimmermann, Die europ. Kolonien, 1. 1896 p. 137.
») In den zehn Kolonien der Chiquito wurden im Jahre 1767 5173 Familien mit 23788 Köpfen gezahlt,
in den 32 alten Guarani-Missionen gegen lOOoOO Cluisten, während noch im .Tahre 1732 ihre Zahl um die
Hälfte grösser war. Dobrizhoffer I, 178 f., III, 505. - Diego de Alvear, Kelaciön de la prov. de Misi-
ones, bei DE Angelis IV, p. 87. — Düblas, Memoria sobre la prov. de Misiones, bei de Angelis III, p. 5.
") Dobrizhoffer zählt am Ende des III. Bandes ihre Namen auf.
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vorschoben. Sogar an einem „Heiligen und Apostel des Chaco" hat es nicht gefehlt, i)
Schon gegen Ausgang des 16. Jahrhunderfcs sind im südwestlichen Grenzgebiete des
Chaco die in den Jurisdiktionen von Santiago del Estero und Esteco zahlreich in Encomiendas
konzentrierten Indianer, vor allem Lule, Tonocote und Juri, zwangsweise zu Christen
bekehrt worden 2), aber die Flucht dieser Indianer in den Chaco austräl, die Zerstörung
von Esteco und die durch die Einführung des Pferdes herbeigeführte expansive Haltung
der freien Chaco-Indianer haben lange auf die „Conquista espiritual" hemmend eingewirkt.
Erst nach den Feldzügen des Urizar y Arespacochaga kam es am oberen Salado zu dauer-
hafteren Reduktionsgründungen, wie sich denn überhaupt die Lule und Vilela jener Gegenden
noch am ehesten der Katechese zugänglich gezeigt haben, da sie, von den Mokovi u.a.
arg bedrängt, von vorn herein in den Weissen ihre Verbündeten erblicken mussten.
Die im Jahre 1767 vorhandenen Reduktionen und Ansiedelungen von Indianern am
oberen Salado, an den Quellflüssen des Rio Bermejo, sowie bei den Chiriguano beweisen,
mit welchem Eifer und Erfolge die Jesuiten, an deren Stelle dann meist Franziskaner
traten, hier tätig gewesen sind. Die für den Ethnographen interessanteste Erscheinung ist
bei alledem, zu beobachten, wie durch die Verpflanzung in Missionsorte, die oft weit von
den Stammesgebieten ablagen, die einzelnen Indianerstämme durcheinander geworfen und
dort zu einer „Colluvies gentium" zusammengeschmolzen worden sind. Minder glücklich
waren die Jesuiten am östlichen Rande des Chaco. Zwar gelang es ihnen , die einst so
gefürchteten Abiponer und Teile der benachbarten Mokovi in einer Anzahl von Missions-
stationen zu vereinigen und selbst dem, nach dem Urteile aller Autoren wildesten Reiter-
stamme der Mbayä eine Reduktion zu erbauen, aber die Bekehrung dieser Guaikurü-Stämme
hat nicht standgehalten , und die Missionen verfielen und verschwanden später meist wieder.
Da die Patres die Kranken und Sterbenden zu taufen pflegten , so hatte sich unter den
der Katechese unterstehenden Indianern die Anschauung verbreitet, dass das „Kopf-
waschen", die Taufe, tötlich sei — ein Umstand, der sehr erschwerend ins Gewicht fiel.
Die Jesuiten fassten selbst die Wiedererbauung der alten Stadt Concepciön del Bermejo
ins Auge, 3) um von da aus den Chaco central zu christianisieren, und dieser Gedanke
war auch 1780 bei Gründung von San Bernardo und Santiago am Bermejo lebendig.
Zweifellos waren bei der Anlage von Reduktionen im Chaco neben religiösen Absichten
besonders praktische Gesichtspunkte massgebend. Nicht nur suchte man eine direkte
praktikable Verbindung zwischen den alten Missionen am Paranä mit denjenigen bei den
Chiquiten und Mojos im Nordwesten herzustellen — ein Versuch, dessen Ausführung
endlich 1767 dem P. Jose Sanchez Labrador von der Mbayä-Mission Bolen aus gelang 4) _
sondern man hoffte auch, die Indianer durch Ansiedelung und durch Darbietung einer
gesicherten wirtschaftlichen Basis, die sie von den Zufälligkeiten der Lebensbedingungen
unabhängig machte, allmählich von ihren Raubzügen abzuhalten. Freilich musste diese
Änderung der gesamten Lebensverhältnisse notwendig von nachteiligem Einflüsse sein.
Trotz der Fürsorge der Missionare brachen in den Reduktionen immer wieder heftige
') Francisco Solang, dessen Name wegen der Vorhersage der Zerstörung von Esteco zu hohen Ehren
gelangte, wurde kanonisiert.
-) LozANo pp. 94, 108, 113, 119. — Oharlevoix I, 308 ff. IL 411. — Dobrizhoffer III, 122. — de
Angelis, Indice z. Güzman pp. XXXI, LXXIII. — Als Missionare sind bekannt Francisco Solang,
AfiASCO und BäRCENA.
ä) DE Angelis IV, Proemio zu Garcia de Solalinde.
*) AzARA II, 230. — Dobrizhoffer I, 126.
- 23 -
Epidemien von Schnupfen, Schuiiacli, Masern und Blattern aus, und lulufig verödeten die
Stationen wieder. Was der Gewalt der Waffen nicht so völlig gelungen war, vermochte
die Mission und mit ihr die Kolonisation zu erreichen : eine nachdrückliche innere und
äussere Modifikation des gesamten A''ölkerlebens. Lebensweise und Kulturbesitz der Chaco-
Indianer, ja selbst iiire religiösen Vorstellungen i) haben einen veränderten Charakter
angenommen, und das ethnische Bild wenigstens des Chaco austräl ist ein völlig anderes
geworden.
Es ist nicht leicht, zu einer objektiven Beurteilung der Missionstätigkeit im Chaco zu
gelangen. Doblas und Diego de Alvear^) suchen den Verfall der Missionen und den
Rückgang der Zahl der eingeborenen Bevölkerung nach der Austreibung der Jesuiten unter
der weltlichen Organisation der Directorios zahlenmässig nachzuweisen, während Azaea 2)
das System der Religiösen heftig vei'urteilt. Mag auch das Urteil des letzteren in vieler
Hinsicht einseitig sein — wissen wii- ja, dass sein Bruder Jose Nicolo als spanischer
Botschafter in Rom grossen Einfluss auf den Papst besass und eines der treibenden Werk-
zeuge bei Aufhebung der Societas Jesu war — so sind doch die Jesuiten nicht von dem
Vorwurfe freizusprechen, dass es ihnen bei ihrer Tätigkeit lediglich auf äusserliche Formen
ankam. So nur ist es zu erklären, wenn die Neophyten trotz der Predigt und der Schulen
unmittelbar nach dem Sturze des Ordens vielfach in die schlimmste Barbarei zurückver-
fielen. Die Indianer sind in der strengen Ordnung und traurigen Einförmigkeit des Lebens
in den Doctrinas völlig entmündigt und, meist mit Stämmen anderer Abkunft absichtlich
zusammengewürfelt, ihrer nationalen und individuellen Eigenart zu ihrem Schaden entkleidet
worden, genau so, -wie es Humboldt ■*) von den Indianern in den Orinoco-Missionen berichtet.
Was will dagegen besagen, dass auch ihre Sitten sich gemildert haben, ihre barbarischen
Gebräuche abgestellt worden, dass sie sesshaft und der Ordnung gefügig geworden sind?
Das düstere Temperament der Missionsindianer ist schon Humboldt aufgefallen. Eine traurige
Sprache reden die voi'handenen Missionsstatistiken: die Sterblichkeit der Indianer, eine
Folge veränderter Lebensverhältnisse, war in den Reduktionen sehr bedeutend, und die
Jesuiten mussten selbst zugestehen, dass die Seelenzahl fortdauernd abnahm, obwohl immer
wieder freie Indianer durch Geschenke zur Ansiedelung bewogen wurden.
Anderseits freilich haben Geographie und Ethnographie Südamerikas für einen Zeitraum
von 150 Jahren den Religiösen — und infolge der eifersüchtigen Absperrung der spanischen
Kolonien nach aussen beinahe ihnen allein — jegliche Förderung und Bereicherung zu
verdanken. Ein blühendes wissenschaftliches Leben entfaltete sich damals in den La Plata-
Provinzen. Noch heute verwertet die Linguistik Resultate von sprachlichen Untersuchungen
jener alten Zeiten. Auf dem Colegio maximo zu Cordoba, der grossen Jesuiten-Universität,
wurden sogar Indianersprachen vom Katheder gelehrt, und die zahlreichen Arbeiten, die
aus diesem geistigen Centrum hervorgegangen sind, zeugen noch heute von dem litterari-
schen Fleisse der Jesuiten,
') K. V. D. Steinen: Der Paradiesgarten als Schnitzmotiv der Pavaguä-Indianer (im Ethnoi. Notizblatt,
Berlin, II, 2, p. 60 ff., 1901) znm Vgl.
-) DuBLAs, floNZALü, Memoria historica, geografica, politica 5' economica sobre la provincia de Misiones
de Indios Guaranis. verf. 1785, gedr. b. de Angelis, III, 1839. - Diego de Alvear, Relaciön geografica
y historica de la provincia de Misiones, gedr. b. de Angelis, IV. — In Misiones hat die Seelenzahl von
1767—1801 rapid abgenommen. Während man dort 1767 noch 100000 Christen zählte, waren es nach
AzARA (II, p. 338, ca. 1790) nur noch 67000, von denen im Jahre 1801 nur noch 14000 übrig waren.
') AzAKA II, 223 ff.
■*) Humboldt, Reise in die Aequinoktialgegenden , Kap. 9.
in. ABSCHNITT.
Die Stammesgeschichte der Chaco-Indianer in ihren einzelnen Zügen bis zum
Ende des 18. Jahrhunderts.
A. Vorbemerkungen.
Geschickte muss Universalgeschichte sein. — Ei'st seitdem die Geschichte aufgehört hat,
allein die Kulturwelt und ihre Völker in ihre Kreise zu schliessen, und seitdem sie sich
auch für die Naturvölker zu interessieren begonnen hat, kann sie Anspruch erheben,
wahrhaft Universalgeschichte zu sein. Kein Volk ist geschichtslos , jeder Stamm hat seine
Eigengeschichte, die zur Betrachtung auffordert. Freilich, wenn bei der Geschichte der
Kulturvölker gar viele historische Vorgänge der Aufklärung ermangeln, um wieviel mehr
muss dies der Fall sein bei derjenigen der Naturvölker, deren Überlieferungen, Sitte und
Sprache man erst ziemlich spät zu verzeichnen der Mühe wert gehalten hat. Daher kann
auch unsere Darstellung nur eine lückenhafte, sprunghafte sein; sie wird häufiger mit
Vermutungen operieren müssen als die Geschichtsschreibung der Kulturvölker.
Sprachliche Zusammengehörigkeit als Einteilungsprinzip. — Es empfiehlt sich aus Gründen
der Zweckmässigkeit, von vorn herein eine Einteilung der zahlreichen Chaco-Stämme zu
treffen und auf deren Basis die entwickelungsgeschichtliche Behandlung der einzelnen
engeren Stammesverbände und die Fixierung der historisch-ethnischen Zustände im Chaco
durchzuführen. Da es nirgends zur Ausbildung fester Nationalitäten oder zur Staaten-
gründung gekommen ist, so bleibt dabei als Einteilungsprinzip, ja bei der vorliegenden
Gleichartigkeit physisch-anthropologischer Merkmale und des Kulturbesitzes als einzig ver-
wertbares Unterscheidungskriterium überhaupt, allein die sprachliche Zusammengehörig-
keit übrig.
Antizipation der Ergebnisse heutiger Sprachforschungen und Einteilung nach modernen
linguistischen Gesichtspunkten. — Da aber in unseren Quellen aus dem 18. Jahrhundert nur
immer der sofort augenfälligen Ähnlichkeiten des Habitus, der materiellen Existenz, der
Sitten und Gewohnheiten gedacht, und dabei eine Gemeinsamkeit oder Verwandtschaft der
Sprachen, wie sie tatsächlich vorhanden ist, nur bedingt anerkannt oder überhaupt geleugnet
wird, so lag es für uns nahe, von den heutigen Sprachforschungen auszugehen und ihre
Ergebnisse antizipierend in die Vergangenheit zu übertragen. Es zeigt sich dabei, dass das
den älteren Autoren und Beobachtern schier unentwirrbar erscheinende Chaos der Chaco-
Sprachen bei Anwendung moderner Methoden der Sprachvergleichung zu lösen wohl möglich
ist. Der argentinische Linguist S. A. Lafone Quevedo und Guido Boggiani haben dazu
den Weg gewiesen.
In einer auf den wissenschaftlichen Resultaten der zahlreichen detaillierten Sprach-
forschungen basierenden Zusammenstellung von grundlegender Bedeutung hat Lafone
Quevedo eine Übersicht und Klassifikation der Indianer des Rio de La Plata-Gebietes
- 25 -
gegebeil i). Darnach zerfallen alle diese in zwei grosse „Razas", deren Kriterien nicht nur
in einer gewissen Verschiedenheit der physischen Erscheinung beruhen, sondern vor allem
in der Spraciie ihren deutlichsten Ausdruck finden. Der durch dialektische Abweichungen
kaum geschiedenen grossen S])rachfoinilie der Guarani (Tupf) steht gegenüber der Komplex
aller nicht guarani redenden, unter einander gleichartigen Stämme des La Plata-Gebietes,
die im allgemeinen südlich und westlich vom Sprachgebiete der Guarani, also in Entre-Rios,
in der Banda orientäl, vor allem aber im Chaco wohnen. Hinsichtlich der Sprache werden
diese Nicht-Guarani, vorwiegend nomadische Bewohner der Ebene, in eine Reihe von unter-
einander teils verwandten, teils fremden Sprachgruppen eingeteilt.
Die bei Ankunft der Spanier um das La Plata-Ästuar herumwohnenden, im N an die
Guarani und an die Chaco-Stämme grenzenden zahlreichen Stämme werden unter den
Gruppen der Charrüa, der Querandi und Chand-Timbü zusammengefasst -).
Bei den eigentlichen Bewohnern des Chaco ist die Linguistik 3) , teilweise unter Rekon-
struktion der primären "Verhältnisse, zur Aufstellung folgender Sprachgruppen gelangt:
1. Guaikurü: Abipön, Mokovi, Toba, Mbayä-Kadiueo, Payaguä. Von allen diesen
einst im allgemeinen die östliche Hälfte des Chaco bewohnenden Stämmen existieren
heute nur noch die Toba sowie geringe Reste der Mbayä-Kadiueo und Payaguä.
Wahrscheinlich gehörte auch der kleine Stamm der Guatschi den Guaikurü an.
') S. A. Lafone Quevedo, Progresos de la etnologia en el Rio de La Plata durante el ano 1898. (Boletin
del Instituto geografico Argentino, XX p. 3 — 64, 1899).
■) Lafone Quevedo, a. a. 0. p. 60 f. — Los Indios Chanases y su lengua, con apuntes sobre los Que-
randies, Yaros, Boanes, Güenoas o Minuanes, Bol. XVIII, 1897, p. 115 ff.
')«) Lafone Quevedo, Bol. XV, 1894, Los Lules; Bol. XV, Calepino Lule-Castellano, Vademecum para
el arte y vocabulario del P. Machoni. — La lengua Vilela ö Chulupi. estudio de filologi'a chaco-argentina,
fundado sobre los trabajos de HerviIs, Adelung y Pelleschi, Bol. XVI, p. 37 ff. , 87ff. , 1895 — 96. — Lenguas
Argentinas: griipo Mataco-Mataguayo del Chaco, dialecto Nocten, Bol. XVI, p. 343 ff. — Lenguas Argen-
tinas: grupo Mataco-Mataguayo, dialecto Vejoz, Bol. XVII, p. 121 ff., 1896. — Los Indios Matacos y su
lengua por el P. Remedi, hg. von Lafone Quevedo, Bol. XVII, p. 331 ff. — Progresos de la etnologia,
Bol. XX, p. 58—64, 1899. — Principios de gramätica Mocovi, Revista del Museo de La Plata I, 1890—91. —
Vocabulario Mocovi-Espanol , Revista del Museo de La Plata IV, 1892. — Arte de la lengua Toba del P.
BäECENA, Revista del Museo de La Plata V, 1893. — Idioma Mbaya, Buenos Aires 1896. — Idioma Abipön,
Buenos Aires 1896-97.
h) Juan Pelleschi. Los Indios Matacos y su lengua, Bol. XVII, p. 559 ff., 1896; Bol. XVIII,
p. 173 ff., 1897.
c) Daniel Beinton, The american Race. A linguistic Classification and ethnographic description of the
native tribes of North and Soutli America, New-York 1891. — The linguistic Cartography of the Chaco
Eegion , Philadelphia 1898. (Auch in A^ol. XXXVII der Proceedings of the american philosophical Society,
held at Philadelphia for promoting useful knowledge.)
d) Guido Boggiani, I Ciamacooo, (in: Boll, della Soc, geogr. Italiana, Ser. III, Vol. VII, p. 466—510,
und Atti della Soc. Rom. d'Antropologia VII, fasc. 1) Roma 1894. — I Caduvei (Mbaya o G-uaycurü), viaggi
d'un artista nell' America meridionale, Roma 1895 (darin Einl. von Golini, Notizie storiche ed etnografiche
sopra i Guaycurü e gli Mbaya). — I Caduvei, Studio intorno ad una tribu indigena dell' alto Paraguay nel
Matto Grosso, Roma 1895 (auch in Mem. della Soc. geogr. Ital. V, Roma 1895). — Vocabulario dell' Idioma
Guana (in Atti della R. Accad. dei Lincei, Ser. V, 1895), — Etnografia del Alto Paraguay, Bol. XVIII,
1897, p. 613-625. - Los Indios Chamacocos (in Revista del Instituto Paraguayo, April 1898). — Guaikurü
(in Mem. della Soc. geogr. Ital. VIII, p. 244-294, Roma 1898-99). - Compendio de Etnografia Paraguaya
moderna, Asunciön 1900. — Linguistica sud-americana: Data para el estudio de las idiomas Payaguä y
Machicuy. Buenos Aires 1901.
e) Theodor Koch, Die Lenguas-Indianer in Paraguay, Globus 78, N°. 14 u. 15, 1900. - Die Guaikurü-
Stiimme, Globus 81, N°. 1, 3, 5, 7; 1902. - Die Maskoi-Gruppe im Gran Chaco, in Mitt. der Anthropol.
Geselisch. in Wien, XXXII, p. 130-148, 1902. - Die Guaikurü-Gruppe, in Mitt. der Anthrop. Ges. in
Wien, XXXIII, 1903.
f) Karl v. d. Steinen, Die Schamakoko-Indianer , Globus 67. 1895.
g) Amadeo Baldeich, Las comarcas virgenes; el Chaco central norte, Buenos Aires 1890.
L A. f. E. XVIL 4
- 26 -
2. Mataco-Mataguayo: Mataco, Mataguayo, Vejoz, Nocten , Choroti, Guisnai,
Malbalci, Matarä, Tonocote. Sie bewohnen in kompakter Masse die Gebiete des
mittleren Cliaco, westlich der Toba.
3. Vilela-Lule: Vilela, Lulei), Chunupi. Einst im Süden der Mataco-Mataguayo,
bilden sie heute nur noch wenige Trümmer.
4. Maskoi- Gruppe (früher fälschlich auch als Lengua-Enimaga-Ennima bezeichnet):
Lengua, Angaite, Sanapanä, Sapuqui und Guanä. Ihr Wohngebiet befindet sich
heute im Chaco boreäl, wo es sich von Villa Concepciön am Rio Paraguay in nord-
westlicher Richtung in das Innere zieht.
5. Eine gemeinsame Sprachgruppe bildeten die jetzt verschollenen Stämme der Lengua,
Enimagä und Guentuse der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts.
6. Samucu -Gruppe: Zamuco-Samucu, Chamacoco, Tumanahä (Timanahä), Moro
(Morotoco), mit Wohnsitzen im Norden und Nordosten des Chaco boreäl.
7. Ein von der Stammfamilie der Tupi-Guarani räumlich getrennter Zweig sind die
Chiriguano im nordwestlichen Chaco, die, im Gegensatze zu den übrigen genannten
Stämmen des Chaco, in nachkolumbischer Zeit das sesshafteste Bevölkerungselement
gebildet haben.
8. Guanä-Chane, Untergruppe des Mojo-Mbaure-Zweiges der Nu-Aruak-Familie
(Aruaco, Maipure): Chane im bolivianischen Chaco, Quiniquinäo (Kinikinau) bei der
Laguna de los Xarayes, Tereno und Guanä 2) am Rio Miranda (Mondegp) in Brasilien.
Allmähliche Herausbildung der heutigen Nomenklatur. — Erst allmählich haben sich
diese heutigen Stammesnamen herauskrystallisiert, wie denn überhaupt eine der Haupt-
schwierigkeiten für die Lösung historisch-ethnischer Probleme in der chaotischen Verwirrung
der älteren Nomenklatur besteht. Es ist bis heute nicht völlig geglückt, in dieses Gewirr
von Namen Ordnung zu bringen und einzelne Gruppen von Stämmen sondernd herauszu-
heben, umsoweniger als eine Reihe der älteren Stämme, besonders derjenigen im Mündungs-
gebiete des La Plata, verschollen oder ausgestorben ist. Erst verhältnismässig spät ist man
dazu gekommen, sich von den nur äussere Merkmale berücksichtigenden und deshalb meist
nicht die tieferen ethnischen Verwandtschaften charakterisierenden Stammesbezeichnungen
zu emanzipieren und die Eigenbenennungen der Indianer anzuwenden.
Wirrwarr der älteren Nomenklatur. — Es sind Gründe mannigfacher Art, auf welche
die komplizierte Nomenklatur der älteren Zeit zurückgeht. Zunächst musste die häufige
Korrumpierung der Namen und die selbständige Verwendung von Hoi'dennamen zur Auf-
stellung neuer zahlreicher „Nationen" führen. Sind ja sogar aus den Namen der Kaziken
mitunter Stämme geschmiedet worden 3). Sodann hat eine streng ausgebildete Geisterfurcht
beim Todesfalle des Häuptlings oft den Wechsel aller Namen veranlasst. Wie in-eleitend
die Benennung nach äusseren Merkmalen oder der Lebensweise sein konnte, zeigt das Beispiel
der Frentones*). Ebenso ist — ähnlich wie in Brasilien der jeglicher gemeinsamen ethnischen
Unterlage entbehrende Begriff „Coroados" — die Bezeichnung „Lenguas" für alle den Lippen-
') Diese Lule (des P. Machoni) sind wohl zu scheiden von den Lule am Cerro de Aconquya in Tucumän
(Lule des BäRCENA).
■) Diese G-uanä (Nu) sind nicht zu verweohsehi mit den Guana der Maskoi'-G-ruppe.
■*) DoBRizHOFFER I, 159; d'ORBiGNY, Voyage dans rAmerique möridionale, rhomme americain p. 191,
Paris 1839.
■*) Siehe oben p. 13 und unten p. 30.
- 27 -
pflock tragenden und deshalb dem Anscheine nach eine zweite Zunge besitzenden Indianer
der La Plata-Provinzen die Ursache jahrhundertelanger Verwechselungen gewesen. Endlich
sind die verschiedensten , vorwiegend Fischfang treibenden Stämme als Canoeros (Canoeiros),
die berittenen hilufig als Caballeros (Cavalheiros) bezeichnet worden.
Die natürliche Folge dieses Überflusses an Stammesnamen war die Anschauung, dass
der Chaco eines der bevölkertsten Gebiete der Erde sein müsse. Dieser Auffassung ent-
spricht es, wenn Pater Fernanden i) nicht weniger als vierhundert Tokios von verschie-
denen Nationen im Chaco nennt, wenn eine andere Relation 2) von 54 Nationen und wenn
LozANO 3) , der aus Manuskripten , die er in Cördoba fand , kritiklos alle Namen für seine
Übersicht der Indianerstämme übernahm , von „innumerables naciones del Gran Chaco"
redet, del Techo und Dobrizhoffer ■*) wissen sich die Entstehung dieses Völkergemisches
nur dadurch zu erklären, dass sie nach der Eroberung Perus und Tucumans zahlreiche
rings um den Chaco wohnende Stämme aus Furcht vor den Spaniern im Schutze desselben
als einer natürlichen Festung Zuflucht suchen lassen; „denn wie die Spanier den Chaco
für einen Sammelplatz des Elendes, so sehen ihn die Indianer hingegen als ihr gelobtes
Land und als ihr Elysium an". Es bestand in alten Zeiten in der Tat nach Pelleschi 5)
die Tradition bei den Eingeborenen, dass grosse Einwanderungen in den Chaco stattge-
funden hätten und zwar, wie Lozano^) berichtet, auch schon vor der Invasion der Spanier,
da die Inkaherrschaft den Indianern sehr drückend erschienen sei.
Wenn auch bereits del Techo ") nicht mehr als zehn „Nationen" in den südlichen
Gebieten des Chaco aufzählt, so steht er doch damit ganz vereinzelt in seiner Zeit. Erst
das von Huonder publizierte spanische Manuskript sowie Jolis suchen die übertriebene
Zahl der Stämme auf ihr wahres Maass zurückzuführen ^).
Ansätze zu vertiefter Auffassung der sprachlichen Verhältnisse. — Die Zusammen-
gehörigkeit und Verwandtschaft einzelner Indianersprachen des Chaco haben bereits teilweise
die jesuitischen Missionare, die durch ihr Bekehrungsgeschäft zu Sprachstudien hingeführt
wurden, erkannt. Nachdem schon Lozano^) bemerkt hatte, dass die Toba, Mokovi und
Yapitalagä einerlei Sprache hätten , hat Dobrizhoffer if*) zuerst einen inneren Zusammen-
hang der Idiome der heutigen Guaikuri'i-Gruppe am klarsten ausgesprochen. Im übrigen
war aber um das Jahr 1800 die irrige Anschauung, wie sie selbst noch Azara vertritt,
durchaus herrschend, dass die Sprachen der einzelnen Stämme völlig verschieden seien,
dass es also ebensoviele selbständige Idiome als Stammesverbände gäbe. Agüirres synop-
tische Übersicht einer Reihe von Chaco-Sprachen , die am ehesten hätte klärend wirken
können, verstaubte unterdessen in den südamerikanischen Archiven. Lorenzo HERväs legte
aber in derselben Zeit mit seinem Catalogo"), seiner Zeit weit vorauseilend, den Grund-
stein, auf dem dann die wissenschaftliche Sprachforschung aufbaute.
') Pernandez, Relaciön bist, de los Chiquitos, p. 419.
2) Erwähnt von Arenales, Noticias historicas sobre el gran pais del Chaco. (ca. 1828), p. 86.
ä) LozANo, p. 51 ff.
*) DEL Techo, Historia provinciae Paraquariae Lib. VIII. cap. 15. - Dobrizhoffer, I. 158 f.
«) Pelleschi, Los Indios Matacos y su lengua, Bol. XVII, 1896, p. 569.
«) LozANo, p. 47 ff. Cf. G-ARCiLASo DE LA Vega , Com. reales Lib. V, cap. 36. (Flucht von Peruanern in
den Chaco).
') DEL Techo. Lib. VIII, cap. 15: Taimviae (mit 188 Dörfern!), Teutae Mataguaiae, Agoiae. Tobae,
Mosobiae, Yapitalapae , Churumatae, Tonocotae, Abipones.
") HuoNDER, Globus 81, 1902 p. 387 ff. — Jolis, Saggio, Paenza 1789, p. 392.
») LozANO , p. 77. '») Dobrizhoffer , II. p. 191 , 242.
") HERväs, Catalogo de las Lenguas, Vol. 1.. Longuas y naciones americanas, Madrid 1800.
28
B. Historische Entwickelüng der einzelnen Stämme und Yölkergruppierung
IM Gran Chaco gegen Ende des 18. Jahrhunderts.
I. Die Indianerstämme südlich des Gran Chaco.
Die wenigsten der zahlreichen, von den Autoren der Conquista genannten Nationen
des Chaco existierten noch am Ende des 18. Jahrhundeits. Wenn auch dieses Verschwinden
hier vielfach nur auf Rechnung einer veränderten Nomenklatur zu setzen ist, so hat
hingegen bei den — den Indianern des Chaco nach Lebensweise und vielleicht auch nach
Abkunft nahestehenden — Stämmen südlich des 31. Grades s. Br. bis zu dieser Zeit eine
fortschreitende Ausbreitung des weissen Elementes zum völligen oder nahezu völligen
Untergange geführt.
Die von Lafone Quevedo i) unter dem Namen Chana-Timbü zusammengefassten Stämme
der Ghana, Mbegua, Timbü, Caracara, Coronda u. a. im Gebiete von Espiritu Santo und
Santa Fe sind zeitig unterworfen und in Encomiendas vereinigt worden. Um die Mitte des
17. Jahrhunderts wurden sie bekehrt und in San Domingo Soriano, das 1708 an den Rio
Negro verlegt wurde, angesiedelt. Bereits Cabot (1527) war bei seiner Stromfahrt mit den
Caracara und Timbü in Beziehungen getreten und hatte in ihrem Gebiete bei der Mündung
des Carcaranal die Festung Espiritu Santo angelegt. Hatte sich schon, wie wir von Guzman
erfahren, die Zahl dieser Stämme um das Jahr 1600 von 8000 auf IßOO Köpfe vermindert,
so waren Ende des 18. Jahrhunderts nur noch wenige unvermischte Individuen vorhanden,
die anscheinend in San Domingo Soriano lebten. Indianer der Gruppe Chana-Timbü mögen
vor allem am Aufbaue des jungen hispano-amerikanischen Bevölkerungselementes dieser
Gebiete stark beteiligt gewesen sein 2).
Viel früher ist der Name der Querandi, der Carendies Schmidels, welche die Pampas
von Buenos Aires weithin bewohnten, von der Völkertafel des La Plata-Landes ver-
schwunden. Nach blutigen Kämpfen mit den Spaniern sind sie nach Süden gedrängt woi'den
und haben dort andere Namen angenommen. Nach Azara sind die Pampas und Puelche
die Nachkommen der Querandi; neuere Forscher jedoch halten das Querandi-Problem und
die Frage nach der ethnischen Stellung der Querandi noch jetzt für keineswegs so leicht
gelöst 3).
Die den Querandi sprachlich vielleicht verwandten Chariiia mit den Jarö, Minuanes,
Chana („salvajes"), Bohanes und Güenoa in Entre Rios und der Banda orientäl waren
durch die Annahme und den Gebrauch des Pferdes widerstandskräftiger gewoi-den und
haben sich infolge dessen bis ins 19. Jahrhundert, wenn auch in geringer Zahl, erhalten
können; ausgenommen jedoch sind die Jarö und Bohanes, die bereits im 18. Jahrhundert
von den Charrüa ausgei-ottet wurden. Der Reichspilot (Piloto mayor) Juan de Solis, der
Entdecker des Silberstromes, dürfte Indianern der Charrüa-Gruppe zum Opfer gefallen sein
') Lafone Quevedo, Los Chanases, Bol. XVIII, p. 115 ff.; Bol. XX, p. 60.
-) ScHMiDEL, Ausg. Langmantel p. 38. — de Angelis I, Indice p. XL. — Guzman, Hist. Arg. p. 10,
schildert die Umwohner von Espiritu Santo als „gente de buena masa y volundad, son afables y labradores
y tienen sus pueblos fundados sobre la costa del rio".
') Schmidel, p. 28 ff. — Guzman, p. 9. — de Angelis I, Indice p. LXX. — Azara II. p. 35 f. —
Brinton, Linguistic Cartography, p. 200. — Lap. Quevedo, Bol. XX, 3 ff. XVIII. Los Clianases, p. 115 ff.
- 29 -
(1516). Die noch lange gefürchtote Macht der Chanüa wurde endlich im Jahre 1832 durch
die Uruguayer gebrochen; seitdem sind sie gänzlich zerstreut, in den nördlicher wohnenden
Stammen (Tupi-Guarani) aufgegangen i).
Ein in diese Gegenden am Rio de la Plata eingepflanzter fremder Zweig sind die
Calcliaqui ~). Ursprünglicli lag das Wohngebiet der Calcliaqul , nach deren Häuptling Tucu-
MANiio die Provinz Tucumän iliren Namen erhalten hat, im westlichen Teile der alten
Provinz Tucumän des Virreinato de! Rio de la Plata bei Catamarca und Salta am Rande
der Andes und bildete einst als Provinz Colla-Suyu eine der vier Hauptprovinzen des
Inkareiches. Dort zeugen, zumal im Valle de Calchaqui, noch heute zahlreiche archäolo-
gische Gegenstände, besonders Graburnen und Idole, sowie Ruinen grossartig angelegter
Bauwerke von ihrer Anwesenheit 3). Den Inkas niemals völlig unterworfen, setzten die
äusserst kriegerischen Calchaqui und die südlicher wohnenden Diaguita, den Spaniern von
Anfang an den hartnäckigsten Widerstand entgegen. Erst 1664 gelang, nach mehr als
hundertjährigem Kampfe, dem Gouverneur Alonso Meecado die Expatriation ihres letzten
Stammes, der Quilmes, die teilweise bei Buenos Aires angesiedelt wurden, wo die Ort-
schaft Quilmes noch jetzt an sie erinnert.
Die Frage ist noch offen, ob jene Calchaqui, die bei Concepcion del Bermejo encomen-
diert waren , sich später aber der drückenden Herrschaft der Spanier entzogen und im
Bunde mit den benachbarten Frentones diese Stadt zerstörten , mit dem gleichnamigen
Stamme in Tucumän zu identifizieren sind. Zwar behauptet Lozano*), dass es zwei Nationen
dieses Namens gebe, aber sonst sehen wir eine Unteischeidung von keinem anderen Autor
festgehalten. Nach de Angelis 5) sollen vielmehr die zu Christen bekehrten Calchaqui aus
Tucumän nach Concepcion übergefühlt worden sein.
Wie dem auch sei, die Calchaqui bei Concepcion gerieten in Krieg mit den Abipön
und mussten sich nach Süden in die Gegend von Santa Fe zurückziehen. Im Jahre 1665
versuchten sie diese Stadt zu überrumpeln, wurden aber von einem indianischen Hilfsheere
aus den Reduktionen am Uruguay besiegt 6). Später wurden sie wieder unterworfen und
hatten stark unter den Angriffen der Abipön zu leiden, bis sie infolge einer Seuche im
Jahre 1718 beinahe verschwanden. Neun oder zehn Familien der Calchaqui siedelten sich
damals bei Buenos Aires oder an der Strasse dahin an 7) , vielleicht am Rio Carcaranal ,
denn Dobrizhoffer S) berichtet, dass dort noch Reste der Calchaqui in der Zahl von
zwanzig Köpfen lebten. Sie bildeten anscheinend die Bewohnerschaft des Ortes Calchaqui
an der Carcaranal-Mündung, der sich auf Azara's Karte findet.
So sind es also, wenn wir von den Charrüa absehen, nur noch Völkertrümmer, die
wir gegen Ende des Coloniaje südlich des 80 Grades antreffen.
') AzAKA II, pp. 7, 28 f. — DE Angelis I, Iiidice p. XVII. — Beinton p. 198.
i) Die Litteratur über die Calchaqui ist sehr umfangreicli. Es sei aus der Masse nur das folgende
lierausgegriffen : Iheuing , Die Calchaqui (Ausland 1891. Jahrg. 64 p. 941 ff. 964 ft". — «lobus 72. 1897. p. 159. —
DE Angelis I, Indice p. XII. — Wah-/.. Anthropologie der Naturvölker III p. 480. — Brinton, Calchaqui,
in American Anthropologist, N.S. Vol. I, Jan. 1899, u. Bol. del Instit. geogr. Arg. XX, 1900, p. 503 ff. —
Bkinton, Lingiiistic Cartograpliy, p. 201 ff. — Adan Quikoga. Calchaqui, Tucumän 1897. — Bürmeister.
Physik. Beschr. der Rep. Arg. p. 100 ff.
■■") Nach Brinton, a. a. Orten, haben wir dagegen in den Calchaqnf nicht die Erbauer, sondern die
Zerstörer dieser Bauwerke zu sehen.
*) LozANO, p. 92. ') DE Angelis I, Indice XII f. °) Charlevoix. IV, p. 28. ') Lozano. p. 93.
') DOBEIZHOFFER, 111, p. 13.
-so-
ll. Die Guaikurü- Stämme.
Der Chaco ist viel länger als die benachbarten Gebiete ethnographisch eine Terra incog-
nita geblieben. Zwar hatten die ersten Durchquerungen des Chaco boreäl durch die Con-
quistadoren und später die gelegentlichen Missionsreisen der Jesuiten , die sich bis tief in
die Wildnis hinein erstreckten , zu — freilich nur flüchtigen — Berührungen mit den
Indianern des Innern geführt, aber gerade in der Fülle der Stammesnamen spricht sich die
geringe Kenntnis aus, die man in Wirklichkeit besass.
Von den Aymara-Quechua-Völkern in Tucuman übernahmen die Spanier die Benennung
Suri oder Juri i) für die schweifenden Chacostämme und bezeichneten damit auch die
ethnisch unter einander sehr verschiedenen Elemente, die sie in raschem Anprall eine
Zeitlang bei den neugegründeten Städten an der Südwest-Grenze des Chaco in Encomiendas
zu konzentrieren vermochten -). Es unterliegt keinem Zweifel , dass diese Juri hauptsächlich
Stämme der Guaikurü-Familie umschlossen 3).
Im 1-5. Jahrhundert, so erzählt Garcilaso de la Vega, soll ein wildes Nomaden volk,
die Chancas, die Ostgrenze Perus bedroht, jedoch von dem Inka Viracocha besiegt, sich
nach Osten gewandt haben. Ob wir nun auch in diesen Chancas mit Lafone Quevedo und
BoGGiANi Guaikurü-Stämme erkennen dürfen, erscheint jetzt nach den von Koch*) vor-
gebrachten überzeugenden Gegenargumenten mehr als zweifelhaft.
Solange Concepciön am Bermejo bestand, bezeichneten die Spanier die zahlreichen
umwohnenden Stämme ohne Rücksicht auf die tieferen Verschiedenheiten in Sprache und
Abkunft, lediglich nach der ihnen gemeinsamen eigentümlichen Sitte, das Haar über der
Stirn so abzuscheren, dass die Stirn vergrössert erschien, als „Stirn-Indianer", Frentones
oder Frontones 5). Garcilaso de la Vega schreibt ihnen sogar peruanische Abkunft zu,
und DEL Techo hat sie auf gegen 100000 Seelen geschätzt ^'). Sie sollen in vierzehn Stämme
mit ebensovielen verschiedenen Sprachen zerfallen sein '').
Neben einigen Gliedern der Mataco-Mataguayo-Gruppe, wie z.B. den Matarä, umfasste
der Begriff der Frentones vorwiegend Stämme der Guaikurü wie die Abipön, Mokovi und
Toba**). Daher gibt uns auch eine Betrachtung der Frentones Aufschluss über diese
Guaikurü-Stämme für eine Zeit, wo ihre späteren Namen noch unbekannt sind.
1) Juri = Sun' = Strausse, Oviedo y Valdes, Historia de las Yndias, Lib. 47, cap. 3 sagt: Son tan ligeros,
que los indios comarcanos los llaman per proprio nombre jun'es, quo quiere decir avestruges, e son tan
os-ados e denodados en el pelear, que uno de ellos acomete a diez de caballo.
=) Lafone Quevedo, Bol. XX p. 30; Arte de la lengua Toba del P. Buroena, Revista del Museo de La
Plata V, p. 133, 1893 — 94. — Ein Nachklingen des Namens Juri-Suri und eine an seine Bedeutung (Strausse)
anknüpfende Vorstellung von fabelhaften Wesen finde ich in den Suripchaguin am Pilconiayo (= Straussen-
füsse), die Lozano (p. 73) erwähnt.
') Lafone Quevedo, Bol. XX p. SO; Principios de gramäticaMocovi, Revista del Museo de La Plata I, p. 115.
■•) Koch, Mitt. der Anthrop. Gesellschaft in Wien, XXXIII, p. 8 ff., 1903.
*) „Frentones" ist die Übersetzung des Guarani- Wortes töbä, d.i. „Stirn". Mit Toha bezeichneten die
Guarani die Chaco-Indianer. Lafone Quevedo, Revista del Museo de La Plata, V, 1893. — Koch, Mitteil.
der anthr. Gesellsch. XXXIII, p. 23. S. u. p. 37.
'^) Gaecilaso de LA Vega , Comentarios reales, Lib. V, cap. 26. — del Techo, Lib. III cap. 28 (ano 1628),
Lib. I, cap. 41.
') Guzman, p. 11 und Indice p. XXXII. — Lozano, p. 63. — Dobeizhofper, II, 15.
') Lafone Quevedo, Arte y vocabulario de la lengua Toba, Revista del Museo de La Plata V, p. 140. —
DE Angelis I, Indice zu Guzman p. XXXII, sagt von den Pi'entones: Se ignora su historia ä pesar de
haber estado en contacto con los misioneros. Los conquistadores espafioJes no tuvieron ninguna relacion
con ellos. Lo ünico, que sabian, era que entre las provincias del Tucumän y el Paraguay habia muchos
naciones barbaras, que ocupaban un vasto territorio.
- 31 -
Es ist den Spaniern in Concepciön del Bermejo bald gelungen, einzelne friedliche
Stämme der Frentones, wie die Matani , zu impatronieren i). Zu ihrer Bekehrung kamen
1690 die Patres Fönte und Angulo von Tucuman quer durch den Chaco herüber nach
Concepciön 2). Die Patres Bi'iRCENA und Aüasco, die bei den Matarä mit grossem Erfolge
missioniert hatten , versuchten , nachdem sie zuvor die verschiedenen Idiome der Frentones
mit vieler Mühe gelernt und Wörtertabellen sowie Grammatiken derselben zusammen-
gestellt hatten, bereits in den Jahren 1591 und 1592 auch die Guaikurü-Frentones zu
bekehren, mussten aber unverrichteter Sache zu den Matarä umkehren •5). Im Jahre 1608
berührte P. Diego Torres diese Frentones aufs neue, und „da ihn ihres Heidentumes
jammerte", so reiste ei- nach Europa zurück und machte auf den Universitäten von
Spanien und Italien für die Heidenbekehrung im Gran Chaco Propaganda 4).
Seit der Zerstörung von Concepciön^) durch die Frentones (1631) ist der Name der-
selben verschwunden , und die einzelnen Stämme dieses Sammelbegriffes treten seitdem
allmählich hervor.
a) Die Abipön.
Durch DoBRizHOFFERS eingehende Beschreibung — neben Granz' Geschichte von Grön-
land eine der ersten ethnographischen Monographien überhaupt — haben die Abipön in
der älteren völkerkundlichen Litteratur eine gewisse Berühmtheit erlangt und in zahl-
reichen „Kulturgeschichten" zitiert gleichsam zur Illustrierung der verschiedenartigsten
Erscheinungen dienen müssen. Wenngleich sich das Werk „Geschichte der Abiponer"
nennt, so ist es jedoch neben den wahrhaft trefflichen Schilderungen der Sitten und
Gebräuche vergleichsweise sehr wenig, was sich darin über die ältere historische Ver-
gangenheit und die Wanderungen der Abipön findet.
ScHMiDEL^) erzählt von einem grossen Indianervolke, das er acht Tagereisen unterhalb
der Paraguay-Mündung am Rio Paraucä fand, den Mapenuss. „Diese sindt starckh in die
100000 man, wonen allennthalbenn im landt, so pey 40 meil weit und preit [ist] unnd
mögen auf dem was^er unnd landt in 2 tagen all zusamen khumen ; haben mehr canaen
oder Zilien , dann kein nazion , die wir pis zu inen gesehen ; es mögen in einer caneo oder
Zillen faren piss in die 20 person. Diss folckh [emp]fing unnss auff dem wasser kriegsweis
mit 500 canaen oder zillen, haben aber nit vil ann uns gewunen, wir habenn ir fil mit
pixen erlegt, dann sie heten nie khein pixen noch einigen Criesten gesehen. Als whir
aber zu ihren heuseren khamen, mochten wir inen nichts abgewinen, dann es whas ein
meil Wegs von dem wasser Paranaw, da wir unnser schieff hetten unnd umb diesen ihren
fleckhen ist umb und umb sehr diefs wasser dess sess, also das wir mit inen nichts künden
ausrichten, noch etwas abgewinen; dann 250 cananen oder zillen fannden whir, die haben
wir verprennt unnd zerstört. Wii- durften auch nicht weit vonn unnseren schieffen, die-
weil wir pesorgten , das sie mochten die schieff auf einer annderen seiden angrieffen ; so
') S. u. p. 53.
2) DE Angelis IV, Proemio zu Garcia de Solalinde.
3) DEL Techo, Lib. I, cap. 40-44.
*) - - Lib. III, cap. 28.
") S. 0. p. 13.
") ScHMiDEL, Ausg. Langmantel p. 4L
- 32 -
kerten wir wieder umb zu unnseren schieffen; dann ir krieg ist sonnst nie dann auf dem
Wasser".
Wahrscheinlicli sind diese „Mapenuss" oder, wie sie sonst iieissen, die Mapenis oder
Mepenes mit den Abipön identisch, deren Name in dieser Form erst im 17. Jahrhundert —
anscheinend zuerst bei del Techo i) — vorkommt. Nach Dobrizhoffee und Azara hiessen
die Abiponer einst Meponer (Mepones) , und die Kommentatoren Schmidels sowie Burmeister
haben diesen Stamm des 16. Jahrhunderts den späteren Abipön gleichgestellt 2). Koch 3)
sieht in der Form Mepenes einfach eine Korrumpierung von Abipones. Gegen die Identität
beider Namen würde die Bemerkung Schmidels sprechen, dass die „Mapenuss" stets auf
dem Wasser ihre Kriege führten, dass sie also — was denn auch der Besitz der zahl-
reichen Kanus andeutet - ihre gesamte Existenz nach Art der stammverwandten Payaguä
mit dem Wasser verknüpft hatten , während uns die Abipön später immer als schweifendes
Jägervolk entgegentreten. Aber Dobrizhoffer berichtet uns von einer bereits im 17. Jahr-
hundert von den Spaniern nahezu aufgeriebenen Horde der Abipön, die sich von den beiden
übrigen Horden dialektisch stai'k geschieden und Yaaukaniga , d. i. Leute des Wassers ,
genannt habe 4). Diese Yaaukaniga könnten also mit den Mapenuss-Mepenes , dem Fischer-
und Flusspiratenvolke der alten Historiographen , identisch sein.
Auch in den „Gulgaissen" Schmidels und den Quilvasas des P. del Techo dürften
wir die späteren Abipön vor uns haben, denn diese erscheinen in der älteren Zeit vielfach
unter dem Namen Callagäes, Callages, einer Verstümmelung von Callagaic, d. i. die
Benennung der Abipön bei den Mokovi, Toba und PilagäS).
Die Abipön zeigen wie auch die Mokovi und Toba seit dem 17. Jahrhundert eine bis
zur Mitte des folgenden Jahrhunderts anhaltende Wanderungstendenz von Norden nach
Süden, die wir in Zusammenhang bringen müssen mit der Einführung des Pferdes, der ja
überall, wie wir schon oben ausführten, ein starkes Expansionsstreben parallel läuft. Erst
bei der Einengung ihres Wohngebietes seit ca. 1750 sind die Guaikurü-Stämme aus dem
Zustande einer in Permanenz erklärten Unstetigkeit gezwungenerweise zu einer grösseren
Sesshaftigkeit übergegangen.
Im 17. Jahrhundert lagen die Wohnsitze der Abipön an den Ufern des Bermejo in der
Gegend von Concepciön. Bereits 1641 verhandelten dort die Patres Pastor und Cerqueira
- nach der Durchquerung des Ghaco von Santiago aus - mit dem nomadisierenden Jäger-
stamme über die Anlegung einer Missionsstation, ohne dass aber später der Superior der
Missionen dem Wunsche der beiden stattgegeben hätte. Von del Techo, Lozano und
Charlevolx besitzen wir eine Beschreibung dieser interessanten Entdeckungs- und Missions-
reise 6). Im Anfange des 18. Jahrhunderts wanderten die Abipön, angeblich um den Kriegs-
zügen der Spanier von Salta und Tucumän auszuweichen, vom Bermejo nach Süden in
den Chaco austrdl, wo sie die Matard, mit denen sie schon 1641 im Kriege lagen 7), ver-
') DEL Techo, Lib. I, cap. 43; VIII, cap. 15 (aiio 1628).
-) AzAEA, II, 164. - Burmeister, Physik. Besehr. der Arg. Rep. p. 35.
•') Koch. Mitteil, der Anthrop. Ges. in Wien XXXIII, p. 33, 1903.
*) S. u. Anm. 4 pg. 33. — Cf. die Darlegungen von Benigno Marti'nez vor dem wissenschaithchen
lateinisch-amerikanischen Kongresse, Bol. XIX, p. 355, 1898.
■') Koch, Mitt. der Anthrop. Gesellsch. XXXIII, p. 32 f., 1903. - Schmidel, p. 38 f. - Dobriz-
hoffer II, p. 15.
8) DEL Techo, Lib. XIII, cap. 4—5. — Lozano, p. 185 ff. — Charlevoix II, 410 ü.
?) Lozano, p. 185 ff.
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niehteten und den bei Santa Fe impatronierten Calchaqui hart zusetzten und ilii- Gebiet
in Besitz nahmen i). Nach Lozano^) lagen zu seiner Zeit (1733) die Hauptsitze der Abipön
am rechten Ufer des unteren Bermejo bis zu seiner Mündung. Bis gegen die Mitte des
18. Jahrhunderts hatten sie — damals etwa 1000 Krieger stark — den ganzen Chaco
austräl zwischen Parana und unterem Bermejo bis nach Santa Fe und bis zu den Bezirken
von Cördoba und Santiago del Esteio hin als Nachbarn der Mokovi inne. Von hier aus
suchten sie bald die Reduktionen bei den Guarani, bald die spanischen Ansiedelungen und
Haciendas im Süden und Westen mit Raub und Mord heim und verwandelten die bis
dahin blühenden Grenzprovinzen in eine traurige Einöde. Selbst die von Santa Fe nach
Cördoba und längs des Dulce-Saladillo durch Tucumän nach Peru führende Hauptverkehrs-
strasse verödete, da die festen Plätze La Ensenada und La Estacada sie nicht genügend
zu schützen vermochten ^). Dobrizhoffer hat uns die einzelnen Episoden des grausamen
und an dramatischen Wendungen reichen Grenzkrieges mit ermüdender Weitschweifigkeit
geschildert.
Zur Zeit des Jesuiten-Regimentes zerfielen die Abipön in drei Haupthorden : die Riikahe
(Leute des Feldes), die Nakaigetergehe (Leute des Waldes) und die 1750 schon erloschenen
Yaaukaniga *).
Ein gleichzeitiger Krieg mit den ihnen an Zahl überlegenen Mokovi soll nach Azara
die Abipön gezwungen haben , den Schutz der Spanier anzurufen , während dagegen
DoBEizHOFFEH berichtet, dass die Spanier sich den Frieden erbettelt hätten. Nachdem
endlich im Jahre 1747 der Friede mit den Abipön zu Stande gekommen war 5), wurde
innerhalb weniger Jahre fast das ganze Volk in den vier Reduktionen Jerönimo, Concepciön,
San Fernando und San Rosario y San Carlos (mit der Estancia Timbö) unter Aufsicht der
Jesuiten vereinigt 6).
Die Lage dieser heute verschwundenen Missionsstationen, in denen sich im Jahre 1767
über 2000 Abipön-Indianer aufhielten '), vermögen wir nach den Karten und Beschreibungen
von Dobrizhoffer, Jolis, Azära und HERvds festzustellen. San Jerönimo befand sich nahe
der Mündung des Arroyo del Rey, etwa unter 29° 8' s. Br. ; San Fernando lag ebenfalls
auf dem rechten Paranä-Ufer, etwa unter 27° 28' s. Br. , gegenüber von Corrientes. Rosario
war in dem Winkel gelegen, den Paraguay und Bermejo mit einander bilden, unter
26° 24' s. Br. , einige Leguas westlich von Timbö am Rio Paraguay. Concepciön endlich ist
nicht weniger als vierzehnmal verlegt worden: zuerst lag es am Unterlaufe des Rio
Salado — nach Jolis' Karte unter 29° 45' s. Br. , — dann nach einander an verschiedenen
Stellen im Chaco austräl, südwestlich von San Jerönimo, endlich am Rio Dulce unter
29° 26' s. Br. bei der Laguna de los Porongos.
Alle diese Kolonien mit Ausnahme von San Jerönimo fristeten nur ein kurzes Dasein,
da die Indianer nach der Deportation der Religiösen teilweise wieder in die Wälder fiohen
') S.o. p. 29. - Dobrizhoffer II, 3, 15, III, 7, 13 f., 28 ff.
t) LozANo, 89.
ä) Dobrizhoffer II, 13, III, a. v. 0., bes. 13 ff. - Charlevoix VI, 1-30. - Quiroga, Desciipciön del
Rio Paragua}', bei de Angelis ll, 7.
") Dobrizhoffer II, 122 ff., 237 f. - HERväs, 177. - Jolis, 454.
') Azara II, 165. — Dobrizhoffer III, 50.
6) Dobrizhoffer III, 506. — Charlevoix VI, 117 ff. — Quiroga, 7.
_ ') Jolis, 528. — Hervüs, 176 f., 192. — In S. .Jerönimo (gegr. 1748) waren 823, in Concepciön (1749) 400,
in S. Fernando (1750) 440 und in Rosario-Timbö (1763 von Dobrizhoffer gegr.) 350 Indianer vereinigt.
Nur eine kleine Zahl davon war getauft. Übrigens fluktuierte die Bevölkerung fortwährend ab und zu.
I. A. f. E. XVII. 5
- 34 -
und in Barbarei zurückverfielen. San Fernando wurde sclion 1769 von den miteinander
verbündeten Toba und Mol^ovi, Timbö von den Moliovi zerstört i). Der Krieg gegen diese
„Indios bravos" dauerte in unverminderter Heftiglceit fort, wie selir sich auch der Gouver-
neur von Tucumän, Matoeras, sowie Oberst Ariaö bemühten, am Bermejo den Frieden
herzustellen 2). War schon im Jahre 1760, noch unter den Jesuiten, eine Anzahl Abipön
teils an den Bermejo, teils über diesen nach Norden hinaus in die alten Stammessitze
zurückgewandert, die inzwischen von den Toba und Mokovi besetzt worden waren S), so
verliess im Jahre 1770 ein Teil der im Chaco austräl verbliebenen und in San Jerönimo
noch ansässigen Abipön, um den Angriffen der Mokovi und Toba zu entgehen, das rechte
Paranä-Ufer und siedelte sich jenseits desselben in dem Bezirke von Corrientes bei Las
Garzas und Goya an 4), wo sie Azara, trotz der Mission, ohne eine Spur von Christentum
und ohne Zivilisation und an ihren alten Gebräuchen festhaltend, vorfand.
Mit der Vereinigung in Reduktionen hatten die Abipön als selbständiger Stamm zu
existieren aufgehört. Ihre Zahl ist dauernd zurückgegangen. Hatte um die Wende des
16. Jahrhunderts der Pater Juan Fönte bei ihnen Dörfer, d.h. vorübergehende Niederlas-
sungen einzelner Horden , von angeblich 8000 Einwohnern gefunden S) , so zählte nach
DoBRizHOFFER gegen Mitte des 18. Jahrhunderts der ganze Stamm nur noch 5000 Köpfe,
eine Zahl, die infolge der zahlreichen Kriege, des Brauches der Kindestötung und Abor-
tation, sowie infolge von Epidemien, die wiederholt — so besonders in den Jahren 1590
und 1591, 1616, 1718 — unter ihnen wüteten, und hauptsächlich infolge der ihnen auf-
gezwungenen Sesshaftigkeit rasch abnahm. Haben ja gerade die ehemaligen Reitervölker
gegen Krankheiten in den Reduktionen wenig AViderstandskraft gezeigt ^'). Reste der Abipön
haben sich nach Koch ') möglicherweise bis zur Gegenwart erhalten.
b) Die Mokovi.
Die Mokovi und Toba sind wegen ihrer nahen, schon von Lozano erkannten Sprach-
verwandtschaft häufig zu Unrecht als ein und derselbe Stamm angesehen worden, so
zuerst von d'Orbigny und dann von Waitz^). Aber eine wesentliche Übereinstimmung des
äusseren und inneren Charakters, der Lebensweise als schweifende Jäger und Fischer, ferner
der Waffen und Geräte, auf die sich bei seiner Identifikation d'Orbigny beruft, besteht
nicht nur zwischen Toba und Mokovi, sondern ganz allgemein zwischen allen Gliedern der
Guaikurü-Gruppe und im weiteren Sinne den Chaco-Indianern überhaupt. Anlass zu der
Identifikation beider Stämme konnte neben der sprachlichen Verwandtschaft die Tatsache
geben, dass die Toba und Mokovi in den letzten Jahrzehnten der Jesuitenherrschaft stets
verbündet erscheinen, dass sie ihre Kriege gegen die Abipön und die Mataco-Mataguayo-
') DE Angelis vi, Discurso preliminar al Diario de Matorbas p. XI. — Aguirre, 504. — Rosario ging
jedenfalls bereits 1767 ein.
■) Azara II, 165. — Diario de Matobras 22, 24 bei de Angelis VI. — Abias, 25, 30.
') DOBRIZHOPFER II, 15. QUIB.OGA, 7.
••) AzABA II, 165. — Koch, Globus, Bd. 81 p. 110, 1902. — Jon. Severin Vater, Litteratur der Gram-
matiken, Lexica etc. Berlin 1815, p. 4.
*) LozANO, 89.
*) DoBBizHOFFER II, III, a. V. 0. - .JoLis 454. - HERvds, 178.
') Koch, Globus, 81 p. 111; Mitt. der anth. Gesellsch. in Wien XXXIII, p. 32, 1903.
») d'Orbigny, Voyage dans l'Amerique meridionale; riiommo aniericain de l'Am. merid., Paris 1889,
p. 229. — Waitz, Anthropologie der Natur- Volker, III, 474. - Lozano, 77.
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Stämme immer gemeinsam ausfbchten und endlich, dass sicii grosse Teile der Mokovi bei
der Zersetzung des Stammes an die Toba anschlössen i).
Möglicherweise haben wir in den „Kueremagbeis" Schmidels^), die acht Tagereisen
oberhalb der Wohnsitze der „Mapenuss" an einem „fliesenten Wasser mit namen Paraboe"
(Rio Paraguay) südlich der Einmündung des Jepedy (Ypitd, d.i. roter Fluss, Rio Bermejo)
hausten, die Mokovi vor uns. Burmeister 3) nennt die Kueremagbeis auch Curumoba und
identifiziert diese mit den Mokovi. Schmidel berichtet von diesem Stamme: „Haben
annderst nichts zu essen, dann fischs unnd fleischs unnd vonn dem Johannesprot oder
poxhernen, daraus sie auch wein machen; dis folckh erpot sich gar woll gegen unns unnd
gaben unns all unnser nohtturft. Sinndt lanng unnd gross leut, zugleich man und frauen.
Diese mannspilt habenn ein löchlein auflf der nasen, darein sie zu zir ein papageyfederen
steckhen; diese weibspilt haben lanng plab gemalte strich unnder dem anngesicht, die
pleiben inen ir leben lanng; ir schäm ist von paumwilens dichlein vom nabel pis zu denn
knien bedeckht. Es ist vonn den ernanten Mapenniss zu diesen Kurgmaibeis 40 meil wegs;
plieben pei ynen 3 tag."
Als Teilstamm der Frentones haben die Mokovi an der Zerstörung von Concepciön am
Bermejo initgewirkt. Unter den Mogosnae und den Mosobiae del Techos sind wohl die
Mokovi zu verstehen 4). Seit Mitte des 17. Jahrhunderts drängten sie vom Bermejo nach
Süden und unternahmen ausgedehnte Raubzüge bis nach Tucumän, durch die Salta,
Jujuy, San Miguel del Tucumän, Esteco, Santiago del Estero und selbst Cördoba mit dem
Untergange bedroht wurden s). Diese plötzliche Steigerung der Aktivität können wir auch
hier nur auf die Wirkungen zurückführen, welche die Einführung von Pferden überall mit
sich brachte. Für die Stämme am oberen Salado (Rio Juramento) waren die Angriffe der
Mokovi insofern von Bedeutung, als sie die von diesem Guaikurü-Stamme bedrängten Lule
u. a. zum Anschluss an die Spanier veranlassten 6). Im Anfange des 18. Jahrhunderts
hatten die Mokovi die Malbalä aus ihren Sitzen in der Gegend von Valbuena nach dem
Bermejo hin verjagt 7). Ei'st die Expeditionen Urizars setzten dem weiteren Vordringen
der Mokovi auf dieser Seite des Chaco ein Ziel 8). Dafür fiel nun die ganze Last des
Krieges auf Corrientes und Santa Fe 9). Ihre Räubereien in den Estancias der Grenz-
ansiedler und ihre Angriffe auf die „Indios mansos" in den Reduktionen haben indessen
die Mokovi noch lange fortgesetzt, ohne dass ihnen die Spanier beikommen konnten. In
dem Kampfe mit den Abipön waren die Mokovi entschieden im Vorteile W).
Gleichwohl befanden sich die Mokovi seit Mitte des 18. Jahrhunderts in einem Zustande
des Rückganges, wenn sie auch noch d'Orbigny ") zu seiner Zeit als mächtigen Stamm
Bol.Xvtn.^fsOT/p.^iTl ^''"■'° ''*' Matoeeas, pp. 22, 24. - Juan Pelleschi, Los Matacos y su lengua,
=) Schmidel, 'p. 42, Ausg. Lakgmantel.
') BURMEISTEE, p. 35.
XVir Tsge'^'n" «59 "^" //.IfR" ^° ^°Jf^^ Cf Pelleschi, Los indios Matacos y su lengua, BoL
sVr ~ Lafone Quevedo, Bol. XX, p. 39. .^ & >
n qs ff 95f^ff ^' ^f ^' ~ J^OBEizHOFPER, III a. V. 0. — HuoNDEE, Manuskript, p. 390. — Charlevoix IV
p. dö ff., 231 ff. — Lafone Quevedo, Revista I, 1890—91, p 115 v > i- ^ ■ vhahlevoix i v ,
") b. u. p. ;j9.
■) Chablevoix IV, p. 240.
2 r. ^^' P- 2'^0. - Baucke, p. 863 ff.
9) DOBRIZHOFFER III, n. 8.
'») S. 0. p. 33.
") d'Oebigny, a.a.O. p. 230.
- 36 -
gelten lässt. Noch 1764 zwang ihr Kazike Lachikirin das Detachement Aerascaetas zur
Preisgabe aller militäi-ischen Ehren i). In dieser Zeit erscheinen sie stets als Verbündete
der Toba^), und ihr Wohngebiet reichte vom Be,rmeio, dessen beide Ufer sie unterhalb
der Toba bewohnten , nach Südwesten weit in den Chaco austral hinab , wenn auch nicht
mehr bis zum Rio Salado. Nach Jolis' und Azaras Karte lagen ihre Hauptsitze unter
26° s. Br. am Bermfjo.
Über die Zahl der Mokovi liegen sehr verschiedene Angaben -vor: das Manuskript
HuoNDERS (ca. 1765) schätzt sie auf 2000 bis 3000 Seelen, während der Reisebericht der
Expedition Matorras (1774) die Zahl der Mokovi und Toba zusammen auf mehr als 7000
Köpfe veranschlagt; nach P. Gonzalez, auf den sich Aguirre (1793) stützt, zählten die
Mokovi 500 waffenfähige Männer. Im Gei!;ensatze dazu gibt Azara an, dass sie 2000
Krieger in vier Haupthorden besässen 3). Im übrigen schildert er sie als stolze, kriegerische
Nation und hält sie für bei weitem grausamer als die Abipön.
Als im Jahre 1780 Oberst Don Francisco Gavino Arias am Bermejo Erhebungen über
eine eventuelle Ansiedelung der Eingeborenen anstellte, baten gegen 300 schon bekehrte
Mokovi um eine Reduktion. Damals wurde ihnen unter der Leitung der Franziskaner bei
Cangaye die Mission Santiago de Mocobies angelegt 4). Sechs Jahre voi'her hatte sich schon
der Kazike Paikin in Cangaye dem Gouverneur Matorras unterworfen 5). Einige kleinere
Horden der Mokovi, die sich bereits vor der Mitte des Jahrhunderts in dem Bezirke von
Santa Fe festgesetzt hatten und mit den Spaniern in freundschaftlichen Verkehr getreten
waren, hatte man mit Aufwand von viel Geld und Mühe ebenfalls endlich pazifizieren und
in blüheuden Reduktionen ansiedeln können % Aber nachdem bereits früher alle derartigen
Experimente misslungen waren — so z. B. Ende des 17. Jahrhunderts die Christianisierung
in einer alten Mission San Javier bei Esteco am Salado 7) — so sind auch diese Jesuiten-
Reduktionen bei Santa Fe infolge der Ausweisung des Ordens nicht von dauerndem Bestände
gewesen. Zu Azaras Zeit existierten zwar noch die drei Kolonien von San Javier, die
Francisco Burges 1743 gegründet hatte und die später der deutsche Missionar Florian
Baucke verwaltete 8), ferner diejenigen von San Pedro y Pablo und von Ynispin, aber in
allen dreien befanden sich die Mokovi noch fast im Zustande der Wildheit, da ihre geistlichen
Lehrer — wohl Franziskaner — mit ihren milden Erziehungsmitteln und mit ihrem auf der
Beichtgewalt beruhenden Regierungssystem durchzugreifen auch nicht annähernd im Stande
waren. Auch Santiago am Bermejo scheint bald wieder eingegangen zu sein 9).
Die letzten Reste der Mokovi aus den alten Missionen von Santa Fe durchziehen heute
zum Teil als zerlumpte und demoralisierte Hosenindianer vagabundierend das Gebiet dieser
') S. 0. p. 15. — DE Angelis vi, Disc. prelim. zum Diario des Matorras, p. V.
2) Matorras, 17, 20. — Moeillo, 18. — Arias, 24, 30.
3) HuoNDER, a.a.O. p. 390. — Matorras, 22. — Bei. XIX, 1898, 468. — Azara II, p. 163.
■•) Arias, Diavio, bei de Angelis VI, 33.
^) Matorras, Diario bei de Angelis VI. Paikin wird „prinier caporal dal Chaco" genannt.
») DoBRizHOPFER II, 135 ff. — Charlevoix VI, 120 ff. — Baucke, a. v. 0.
7) _ _ III , 141 ff. — - - IV , 38 ff.
s) Koblee, Florian Baucke, ein Jesuit in Paraguay, Regensburg 1870.
5) Azara II, 164, 329 ff,, 337 f. — Nach Jolis' Karte und nach Hervüs (p. 179, 192) lag San
Javier unter 30° 30' s. Br. einige Leguas westlich vom Paranä und San Pedro y Pablo (gegr. 1765) unter
30' südlicher Breite in 12 Legaas Entfernung N.W. von San Javier. Ynispin gibt Azaras Karte unter
30" s. Br. nahe bei S. Pedro y Pablo an. Im Jahre 1767 sollen sich nach HERväs (p. 192) in San .lavier
gegen 1000 Mokovi aufgehalten haben ,. während die Zahl der Bewohner von San Pedro y Pablo zwischen
150 und 300 schwankte.
- l-it —
Stadt, während sich andere, vereinigt mit den Überbleibseln der freien Mokovi, im Norden
an die Toba angeschlossen haben i).
c) Die Toba, PilagiI und Aguilot.
Die Toba. — Während in der Gegenwart alle übrigen Guaikurü-Stämme völlig ver-
schwunden oder bis auf geringfügige Trümmer ausgestorben sind, hat sich in den nach
zuverlässigen Schätzungen noch jetzt 4000 Seelen zählenden, nomadischen und kriegerischen
Toba ein für die nördlichen Grenzprovinzen Argentiniens nicht zu verachtender Gegner
erhalten-'). Der Wissenschaft haben sie dui'ch die Ermordung zahlreicher Forscher,
daruntei' Crevaux', bis in die neueste Zeit herein unersetzliche Verluste zugefügt. Die auf
die Säuberung der südlichen Gebiete des Chaco abzielende Expedition ViCTORicas (1884—85)
ist ziemlich wirkungios geblieben; die berittenen Toba sind nicht eben leicht zu stellen.
Vielleicht hätte man mehr Erfolg gehabt, wenn man auf das von den Missionaren ange-
wandte System friedlicher Ansiedelung zurückgegriffen hätte.
Im 16. Jahrhundert bezeichneten die Guaranf die ihnen zunächst wohnenden Chaco-
Indianer wegen eines schon erwähnten Gebrauches des Scherens des Vorderhaupthaares als
„Tobä", d. i. Stirnen. Die spanische Benennung Frontones ist die Übersetzung davon. Als
sich der Sammelbegriff Frontones verlor und in eine Reihe von zum Teil noch heute
gebrauchten Stammesnamen auflöste, ging die Guarani-Benennung Toba auf den noch jetzt
so benannten Stamm über 3). Die Selbstbezeichnung der Toba ist Ntakebü oder Ntokowit.
Daher hat man in dem alten Stamme der Natica bei del Techo die Toba erkennen wollen *).
In den uns zugänglichen Quellen wird des Stammesnamens Toba zum ersten Male Erwäh-
nung getan im Zusammenhange mit der Expedition Ledesmas im Jahre 1628. Schon damals
müssen sie ihre Streifzüge weithinauf an den Bermejo bis ins Gebiet der Mataguayo aus-
gedehnt haben, denn Pater Osorio traf sie auf einer Missionsreise in jenen Gegenden an.
OsoRio schrieb seinem Provinzial darüber u.a., dass es ihm bei genügender Unterstützung
wohl möglich wäre, bei den Toba, Mokovi und Zapitalagä drei Missionsstationen einzu-
richten; er fügte seinem Berichte hinzu, „Indios in interioribus regionibus adeo proceros
esse, ut vix eorum capita elata manu attingeret" 5).
Beinahe jegliche Kunde, die uns über die Toba bis gegen Mitte des 18. Jahrhunderts
hin zugekommen ist, stammt aus dem Munde ihrer Missionare oder hat Bezug auf die
Missionstätigkeit.
Bereits seit 1591 versuchte man ohne Erfolg von Concepciön am Bermejo aus, wie
wir schon oben sahen 6), die Guaikurü-Frontones zu bekehren. Eine Grammatik und ein
Wörterverzeichnis, die zu diesem Zwecke die Patres BaRCENA und Aüasco zusammen-
gestellt haben, sind vor einiger Zeit wieder aufgefunden und als Toba erkannt worden").
') Koch, Globus 81, p. 110: Mitt. der Anthrop. Gesellscli. in Wien, XXXIII p. 27 f., 1903. — Juan
Pelleschi, Bol. XVIII, p. 174. 1897.
2) Koch, Mitteil, der Anthrop. Gesellschaft in Wien, XXXIII, p. 20 f., 1903.
») S. 0. p. 30.
■*) DEL Techo, Lib. I, cap. 43. — Lafone Quevedo, Bol. XX, p. 39. — Koch, a. a. 0. p. 20 ft'.
') — - Lib. VIII. cap. 15. — S. o. p. 14.
6) S. 0. p. 31.
') DEL Techo, Lib. I, cap. 41-44. - Bol. XVII, p. 566, 1896. — Lafone Quevedo hat sie heraus-
gegeben in der Revista del Museo de La Plata V, 1893, Arte y lengua Toba por el Padre Alonso BäRCENA
S. J., p. 129 ff.
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In einer von den Jesuiten angelegten Kolonie San Rafael am Rio Genta, deren Lage
näher zu bestimmen nach Lozanos Karte möglich ist, wurden Anfang des 18. Jahrhunderts
die Patres Juan Antonio Solinas und Ortiz de Zabate von den Toba und Mokovi erschlagen i).
Wie die übrigen Guaikurü-Stämme suchten auch die Toba seit dem 17. Jahrhundert
bis in die Gegenwart herein die Grenzgebiete des Chaco mit ihren beständigen Überfällen
heim. Wie weit sie ihre erst infolge des Gebrauches von Pferden möglichen Züge aus-
dehnten, zeigt sich darin, dass ein Teil in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts in
Tucuman erschien und gleichzeitig eine andere Streifschar im Norden die Zamuco-Doctrina
San Ignacio angriff-)- Die Diöcese von Tucumän im Westen hat besonders schwer unter
ihnen leiden müssen, und dahei- sind auch von dieser Seite her immer wieder Versuche
ausgegangen, die westlichsten Horden der Toba zu bekehren und ansässig zu machen.
Endlich im Jahre 1756 gelang es den Jesuiten, die Reduktion San Ignacio am Rio Ledesma
ins Leben zu rufen und mit Toba und Mataguayo zu bevölkern S). Die Franziskaner aber,
die auch hier als Nachfolger der Jesuiten eingetreten sind, konnten ihre Zöglinge — ihre
Zahl betrug nach den Angaben der Jesuiten im Jahre 1767 600 Personen 4) — trotz der
Nähe der Forts am Rio Ledesma und Rio Negro so wenig im Zaume halten, dass sie nicht
einmal die blutigen Fehden der Toba mit den ebendort angesiedelten Mataguayo verhindern
konnten 5). Fray Antonio Tamajuncosa 6) erzählt, dass die Toba sich wiederholt empört
und die benachbarten Indianerstämme angegriffen, ermordet und beraubt hätten. Die Strafzüge
der Regierungstruppen blieben erfolglos, da die Toba dann jedesmal in den Chaco retirierten.
Die 1762 von dem schon mehrfach erwähnten Jesuiten Giuseppe Jolis am Rio Dorado
del Chaco gegründete Toba-Mission San Juan Nepomuceno ging bereits nach kurzer Zeit in
den Kämpfen mit den indianischen Bewohnern von Valbuena wieder zu Grunde 7).
Beachtenswert ist eine Erscheinung, die häufig wiederkehrt: die Mission war syste-
matisch bestrebt , ihre Neophyten von ihren alten Sitzen möglichst weitweg zu verpflanzen,
weil sie mit der Herausreissung aus dem angestammten Boden und Hineinverlegung in ein
neues Milieu am ehesten die wilde Sinnesart der Indianer schwinden sah. Wenn sich auch
bei den Toba an der Grenze von Tucumän die erwarteten Folgen dieser Massregel zuerst
nicht einstellten, so hat sich jedoch bei der grossen Zahl der Indianer, die als Völker-
trümmer in den Missionen des östlichen Tucumän sowie am Rio Salado angesiedelt waren,
ihre Richtigkeit und Wirksamkeit nur zu gut erwiesen.
Die freien Toba des Innern sind den Bestrebungen der Mission gegenüber stets in
ablehnender Haltung verharrt. Wenn sich auch 1780 gegen 500 Toba vor Aeias S) zur
Ansiedelung in der damals gegründeten, von den Franziskanerpatres Lapa und Mokillo
verwalteten Mission San Bernardo de Tobas am mittleren Bermejo bereit erklärten , so hat
doch die Katechese bei ihnen niemals dauernd Fuss fassen können, so sehr sich auch die
>) DoBEizHOFFKR III, p. 499. ~ Cf. LozANOS Karte.
■) Chaelevüix V u. VI. a. V. 0. ,„ ^ - r> ,r
') HEBvas p. 176. - HuoNDEE , Manuskript p. 390. — Aeias p. 13. - Coenejo p. o u. 9. — Mobillo
p 1 _ San Ignacio de Tobas lag unter 23° 50' s. ßr. am Rio Ledesma.
") HERvas, p. 176 und 192. Die Hälfte davon waren Katechumenen.
5) HüONDER p. 390. — Aeias p. 13. — Coenejo, p. 23, 44. — Mobillo, p. 7. _ ^ , . ,
«) Tamajuncosa, Descripciön de las misiones, al cargo del Colegio de Nuestra Senora de los Angeles
de la Villa de Tarüa, hg. zuerst von de Angelis V, 1836. Tamajuncosa besuchte die Franziskaner-Missi-
onen an der westlichen Chaco-Grenze gegen Ende des 18. Jahrhunderts.
") HEBväs, p. 180.
') Akias, Diario bei de Angelis VI, 33.
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Kirche und die spanisclien Gouverneure bemüht haben i). Garcia de Solalinde^) befand
sich im einem schweren IiTtume, wenn er 1799 in seiner Denkschrift an den Vizekönig
AviLiis die baldige freiwillige Unterwerfung der Toba in Aussicht stellte.
Die Toba zerfielen in eine grössere Anzahl von Unterstämmen oder Horden, als deren
bekannteste die Cocolote im Chaco central, die Tapicosique, die Dapicosique und Abaguilote
unterschieden werden 3); letztere werden uns unten als Aguilot^) begegnen.
Liessen sich schon die Stammesgrenzen der alten Abipön und Mokovi trotz der
Berührung mit spanischen Bezirken nur schwer bestimmen, so würde es dagegen für einen
so wenig sesshaften , in ruhelosem Nomadismus lebenden Stamm, wie die Toba, überhaupt
undui-chführbar sein, das Wohngebiet oder vielmehr Ausbi'eitungsgebiet im 18. Jahrhundert
festzulegen, wenn uns nicht die Möglichkeit zu Gebote stünde, von den heutigen Verhält-
nissen ausgehen zu können.
Bei den Toba muss man scheiden zwischen einem Gebiete, über das sich ihre Streif-
züge erstreckten, und einem solchen, das sie faktisch dauernd im Besitze hatten. Heute
wohnen die Toba in beträchtlicher Stärke auf beiden Ufern des Pilcomayo bis tief in den
nördlichen Chaco hinauf und in geringerer Anzahl pazifiziert in den Chiriguanen-Missionen
der Franziskaner in Bolivia, doch dehnen sie ihre schnellen Beutezüge bis weit über den
Berraejo nach Süden aus 5). Im 18. Jahrhundert dagegen reichte ihr Wohngebiet selbst
nach Südwesten bis hinab in den Chaco austral, wo sie als Nachbarn der Vilela genannt
werden, aber ihr Hauptgebiet lag doch schon, wie noch heute, zwischen Bermejo und
Pilcomayo, östlich und südöstlich der Wohnsitze der Mataco-Mataguayo-Stämme 6). Der
Chaco austral ist von den Toba gegen Ende des 18. Jahrhunderts mehr und mehr geräumt
worden. Einen Teil dieser südlichen Toba nahm wohl die Mission San Bernardo de Tobas
(seit 1780) auf, während die Hauptmasse ihren Schwerpunkt damals in den zentralen
Chaco verlegt haben dürfte, wie man aus den Worten des Garcia de Solalinde 7) schliessen
könnte. Das Gebiet in dem Winkel, den Paraguay und Bermejo miteinander bilden, hatte
einst den Abipön gehört, war aber von den Mokovi und Toba in Besitz genommen worden.
Wir hatten bereits gesehen»), wie es seine alten Besitzer, die Abipön, seit 1760 rekla-
mierten und sich dort zum Teil in der neuen Doctrina Rosaria- Timbö ansiedelten. Nach
Norden erstreckte sich das Gebiet der Toba über den Pilcomayo hinaus angeblich bis zu
den Quellen des Yabehiri 9). Über die ethnischen Lagerungsverhältnisse am mittleren Pil-
comayo, wo jetzt die Toba gemischt mit Mataco-Mataguayo- und Tupi-Stämmen leben,
haben uns erst die Forschungen der letzten Jahrzehnte Aufschluss gegeben. Dass sich im
Nordwesten Toba und Chiriguano berührten, war jedoch schon längst bekannt. Pater
Patiuo, der 1721 den oberen Pilcomayo befuhr, traf die Toba dort in der Nachbarschaft
dieses Tupi-Stammes, und Jolis verzeichnet auf seiner Karte am Pilcomayo unter 21° s. B. =
22° „Ind. infed. creduti di nazione Toba" W).
') AZARA II, 161. ■) Garcia de Solalinde, bei de Angelis IV, 9.
'■') Cf. Jolis' Karte; Huondeu, Manuskript, 388. — Moeillo, 21.
*) Matorras, Diario p. 21. — Ö. u.p. 40.
') Koch, Mitteil, der Antlirop. Gesellsch. in Wien, XXXIII, p. 20. — S.' u. p. -59.
p HuoxDER, 388. — Aguirre, Bol. XIX. p. 469. — Azara II, 160.
) Garcia de Solalinde, bei de Angelis IV, p. 9. ») ö. o. p. 33.
^) HuüNDER, 388. Diese Naclinclit ist wenig wahrscheinlich, da diese Gebiete im Besitze der Lengua
u. a. Ütamme waren. — S. u. p. 62.
'") DE Angelis V, Proemio zu Tamajuncosa. - Auf Jolis' Karte sind am oberen Pilcomayo alle Breitea
um 1" nach N gerückt.
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Da die Toba, mit Recht als einer der stcärksten und volkreichsten Stämme bezeichnet,
damals noch mehr als heute gefürchtet waren , so muss es uns wundern , dass Azaea und
Agüiree die Zahl ihrer Krieger auf nur 500 Köpfe veranschlagen i) , während die Angaben
gleichzeitiger Beobachter bedeutend höher lauten 2). Wahrscheinlich ist, dass Azara und
ACtUibre in ihren Schätzungen um deswegen zu niedrig gegriffen haben, weil sie anschei-
nend nur die Toba-Horden des unteren Pilcomayo und Bermejo gekannt haben.
Die Pilagä. — Die von den älteren Autoren bis herab auf Azara als eigene, jedoch
den Toba nach Sprache, äusserem Habitus und Sitten als nahe verwandt bezeichnete
Nation der Pitilaga, Yapitalagä oder Zapitalaga, der heutigen Pilagä 3), die noch jetzt
ebenso wie am Ende des 18. Jahrhunderts den Lagunendistrikt zwischen dem unteren
Pilcomayo und dem Rio Paraguay inne hat, gilt gegenwärtig als Unterstamm der Toba 4).
Zur Zeit Azaras und Aguirres zählten die Pilagä, die schon del Techo als Zapitalaga
1628 erwähnt, 200 Krieger und beraubten häufig, mit den Toba verbündet, die jenseits
des Paraguay liegenden Estancias ihrer Pferde und Herden 5).
Am Ende des 18. Jahrhunderts sassen die Pilagä wohl erst kurze Zeit in ihrem oben
angegebenen Gebiete. MorilloG) (1780) nennt als Bewohner des zentralen Chaco südöstlich
der Mataguayo einen Stamm der Pitaleäes oder Pitelahä, in denen wir zweifellos nur die
Pitilagä-Pilagä Aguirres und Azaras wieder erkennen müssen. Eine weitere Bestätigung
für unsere Vermutung einer Wanderung der Pitilagä-Pilagä liefern neben dem älteren
Zeugnisse del Techos die ethnographischen Eintragungen auf den Karten Lozanos und
JoLis' 7). Bei der Annahme ursprünglicher Stammessitze tief im Innern findet auch die von
AguirreS) verzeichnete befremdliche Notiz, dass sich bei den Pitllagä einige gefangene
Chiriguano befunden hätten — eines Stammes, der damals (1793) schon weit von ihnen
getrennt wohnte — eher ihre Erklärung. Einige Pitilagä-Indianer befanden sich übrigens
unter den Toba der kurzlebigen Missionsstation S. Juan Nepomuceno^).
Der Grund für die Auswanderung der Pitilagä lässt sich nicht klar erkennen; sicher
aber ist es nicht rein zufällig, dass um dieselbe Zeit die Aguilot W) vom Bermejo her
sowie die Inimacä (Enimagä) und Muchicoi (Machicuy) ") , die wir später im nördlichen
Chaco wiedertreffen werden , ebenfalls ostwärts wanderten. Wahrscheinlich gab den Anstoss
zu allen diesen Wanderzügen das durch den Druck der Weissen gegen den Bermejo hin
erzeugte Nachdrängen der Mokovi und Toba von Süden her.
Die Aguilot. — Die Aguilot — ein kleiner Stamm von hundert Kriegern, der bisweilen
in der Form Abaguilote als Unterstamm der Toba bezeichnet wird i2) — verliessen gegen
') Azaea II, 160. — Aguihre, Bol. XIX, p. 469. u ^ n« o xr ,, sqr
2 Matorras, 22, 30: Mokovi und Toba zusammen 7000 Seelen; nach dem M.S. Huondeks, p. -räbb,
Toba 20— 30,000 Seelen, davon allein die Stämme am Rio Grande (Bermejo) 4-5000 Seelen; nach d Oebiuny
(1839), p. 192, Toba und Mokovi 14000 Seelen. . ,■ tj ,-^-^ v
3')'boggiani, Etnografia del Alto Paraguay, Bol. XVIII, 1897, p. 619, bezeugt die Identität diesei
älteren und neueren Stammesnamen. ., „ «„o -n „ n
*) Azaea II, 161 f. — Dobeizhoffer I, 160. — Huonder M.S. p. 388. — Boggiani, a.a.O.
5) — II, 161 f. — Aguiree, 469. — del Techo Lib. VIII Cap. lo.
V) DErTECHO^; Lib. VIII, cap. 15. - Auf Lozanos Karte finden sich zwischen 22-23° s. Br. südl des
Pilcomayo die Zapitalagua eingetragen. - Jolis lässt auf seiner Karte unter 25 im Chaco central die
„nazione Yapitalagä o Guacurure" wohnen.
') AouiERE, 468.
9) HERväs, 180. — S.'o. p. 33. '") S. weiter unten.
") MoEiLLO, 21. - S.u. p. 63. ,,...„,■. QQQ
'=') So auf .ToLis' Karte und in dem von Huonder publizierten Manuskripte, p. d»».
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Ausgang des vor vergangenen Säkiilums ihre Wohnsitze am Bermejo im Innern des Landes
und wandelten ostwärts bis zur Pilcomayo-Mündung, wo sie sich mit den ebengenannten
Pitilagii verschmolzen i). Nach Azara waren die Aguilot eine Horde der Mokovf. In Über-
einstimmung damit berichtet Lozano^), dass sie unter den Mokovi lebten. Im Jahre 1710
hielten sie sicli mit diesen zwischen Salado und Bermejo auf und bedrohten Valbuena^).
Auf den Karten von Lozano, Jolis und Azara finden sich die Aguilot unter 25" s. B. am
Bermejo verzeichnet. Ebendoit nennt sie ein Bericht des Gouverneurs von Santa Fe über
seinen Zug an den Bermejo (1790)'*).
Das spanische Manuskript Huonders sowie HERväs^) sprechen von drei flüchtigen
Indianern eines Stammes der Yacurure, der neben den Toba im Chaco central gewohnt
habe und von seinen Feinden, den Abipön und Mokovi, Ende der 30er Jahre des 18. Jahr-
hunderts überfallen worden sei. Möglicherweise sind diese Yacurure, wie der Verfasser des
Manuskriptes vermutet, mit den Yapa oder Guaj^curuti oder Guayuquines identisch, deren
Name sich auf der von den Jesuiten 1732 herausgegebenen Karte ihres Missionsgebietes 6)
sowie auf Lozanos Karte eingetragen findet; aber wahrscheinlicher erscheint mir, dass
die Yacurure des Manuskriptes mit den Guacurure oder Yapitalaga-Pilagä auf
JoLis' Karte im Chaco central zu identifizieren sind, die uns schon oben beschäftigt hatten.
d) Die GuAiKUEÜ-MBAYa.
Bis in die neuere Zeit herrschte die Anschauung, so noch bei AVaitz, dass die
Guaikurü ein zwar den Mbayä verwandter, im übrigen aber selbständiger Stamm des
nördlichen Chaco gewesen seien. Konnte man sich dabei doch auf eine lange Reihe von
Autoren und vor allem auf Azara berufen, der die Guaikurü als die einst mächtigste und
stolzeste, aber zu seiner Zeit bereits bis auf ein einziges Individuum ausgestorbene Nation
nennt"). In Wirklichkeit haben — wie in den gründlichen Untersuchungen Boggianis und
Kochs gezeigt wird ^) — die Spanier und Guarani von Paraguay ohne Rücksicht auf die
Stammesgliederung mit Guaikurü zusammenfassend alle schweifenden Indianer des Chaco
bezeichnet, vorzugsweise allerdings zuerst die Stämme der heutigen Guaikurü-Gruppe und
später in engerem Sinne die Mbayä. Die moderne Linguistik hat diesen Kollektivnamen
für eine ganze Sprachgruppe akzeptiert.
Die verschiedenen Erklärungsversuche der Namen Guaikurü und Mbayä hat Koch 9)
') Azara II, p. 162. — Aguirbe, p. 469.
2) Lozano, p. 78.
3) Charlevoix IV, p. 23.3 ff. — Lozano, p. 399.
*) d'Oebigny, p. 191.
*) HuoNDER, M. S. p. 389. — HERvas, p. 184 f.
^) Vogt, Materialien zur Ethn. u. Spr. der Guayaki-Indianer, Ztsclir. f. Ethnol. 1902. — Dobrizhoffer
(I, 162) erwähnte einen Stamm der Giiaycuruti in dem felsigen Gebiete um Villarica am Tebicuari in
Paraguay.
') Azara II, p. 146 ff. — Auch Aguirre, p. 469, sagt: La naciön Guaycurü se extinguiö del todo sin
quedar memoria do su'lengua, sino solamente de los sitios que ocuparon' entre Lenguas, Machicuis y
Mbayaces, que habitaban entre el Pilcomayo, Araguay y Yabebiri ö rio Confuso.
») ßoGGiANi, Guaicurü, in „Memorie della Societä geografica italiana" VIII, 1898, p. 244 ff. — Koch,
Mitteil, der Anthrop. Gesellschaft in Wien, XXXIII, 1903, p. 3 ff. — Ähnliche Erscheinungen solcher
Sammelnamen sind häufig auf südamerikanischem Boden. Die „wilden" Indianer der verschiedensten
Stämme heissen in Peru Jivaros, in Brasilien Bugres. Erinnert sei auch an die durchaus nicht ethni-
schen Begriffe „Coroados" und „Frentones".
') Koch, Mitteil, der Anthrop. Ges. XXXIII, p. 11 ff.
I. A. f. E. XVII. 6
- 42 -
zusammengestellt. Während „Mbayä", noch jetzt der Name des jeweiligen Kadiueo-Häupt-
lings, ein m-sprünglicher Stammesname gewesen zu sein scheint, ist „Guai]<urü" von
BoGGiANii) u.a. als eine Benennung gedeutet worden, die den verhassten Chaco-Indianern
von den benachbarten Guarani beigelegt worden wäre und etwa bedeutete „räudige
Verräter".
Dass Guaikurii eine Kollektivbezeichnung sei, hat zuerst der deutsche Missionar
Florian Baucke^) aufs klarste ausgesprochen. Erst später sagte der Franziskaner Fray
Feancisco MobilloS) in seinem „Diario del Viage al Rio Bermejo" von einigen Indianer-
stänimen dieses Flusses: „Ä todos los de estas naciones llamamos los Espanoles Guaycurüs,
no porque haya naciön de Guaycurüs, sino porque esta voz guaycurü significa inhumanidad
6 fierza". Nach Martius *) verstanden die Spanier und Brasilianer unter Guaikurü alle jene
Chaco-Indianer, die sich den Gebrauch des Pferdes angeeignet hatten. Ebenso fasst Rodri-
GUES DO PradqS) als Guaycurü oder „Cavalleiros" die Mbayä, Lengua und Chiriguano
zusammen. Und während endlich Dobrizhoffer die Lengua und Mbayä beide ohne Unter-
schied auch „Guaykurü" nennt, berichtet Jolis, dass die verschiedensten Chaco-Stämme
von den Grenzbewohnern als „Guaicurü" bezeichnet würden 6). Erst seit der Mitte des
18. Jahrhunderts ist die Bezeichnung Guaikurü bestimmter auf den Mbayä haften geblieben.
So sind z. B. unter den bei Eschwege und Castelnau erwähnten Guaikurii die Mbayä zu
verstehen 7).
Schon die ältesten Historiographen der Laplata-Länder berichten von Guaikurü und
Mbayä. Cabeza de Vaca S) erzählt von einem Stamme der Guaycurü, der im Jahre 1542
gegenüber von Asunciön gewohnt und die Guarani ihres Gebietes auf dem Westufer des
Paraguay-Flusses beraubt habe. Wahrscheinlich handelt es sich dabei um die Mbayä oder
einen ihrer Unterstämme, denn diese nannten sich selbst u. a. Eyiguayegi oder Eyiguayegui i'),
d. i. „Bewohner der Palnienregionen", wie sie sich allein am unteren Piicomayo vorfanden.
Damit ist zugleich die ursprüngliche Ausdehnung des Stammesgebietes der Mbaya-Guaikurü
angedeutet. Eine Bestätigung unserer Vermutung fanden wir bei BoggianiIO), nach dem
die Mbayä einst bis über den 25°. s. Br. nach Süden reichten. Diese Mbaya-Guaikurü gegen-
über von Asunciön waren bei allen benachbarten Indianern verhasst. Sie rühmten sich
selbst vor dem Adelantado Cabeza de Vaoa, niemals besiegt worden zu sein, bis sie in
den Spaniern ihre Meister gefunden hätten "). Ihi'e Zahl muss ziemlich gross gewesen sein ,
denn allein die von den Spaniern unter Alvar Nuuez Cabeza de Vaoa zersprengte Hoi'de
zählte angeblich 4000 Krieger. Wunderlich erscheint, dass diese Mbayä-Guaikurü damals
') BoGGiANi, Etnografia del Alto Paraguay, Bol. XVIII, 1897, p. 617. - Vogt, Mat. zur Ethnogr. u.
Sprache der auayaki-Ind. , Ztschr. für Bthnol. 1902, p. 30-45.
2) BaUCKE, hg. V. KOBLEE, p. 177.
') MoEiLLO, p. 21 (1780).
•') Martius, Beiträge zur Ethnographie und Sprachenkunde I, p. 226.
') DO Prado, Historia dos Indios Cavalleiros ou da naijäo Guaycurü, in „Revista do Inst. hist. e geogr.
do Bi-azil", I, p, 25. 1856.
«) DOBKIZHOFFEK I, p. 75, 160. - JoLis , p. 481. — HERvds, p. 182.
') Eschwege, .lournal von Brasilien II, 268 ff., 1818, - Castelnau, Exped. dans les parties centrales
de l'Am, du Sud, Paris 1850, II, p. 392, 479. .. ,..
») Cabeza de Vaoa, Ausg. der Hakluyt Society, p. 135 ff., 138, 140, 142, 147 ff., 152 ff., 155, 157. -
Desgl. DEL Baeco Centeneea, La Argentina, bei de Akgelis II, p, 28. - Cf. auch Azaea II, p. 146.
8) Brinton, Ling. Gart. p. 183. - Bol. XVIII, 1897, p. 367. — de Angelis I, Indice zu Guzman p.XLII ff.
'«) BoGGiANi, Etnografia del Alto Paraguay, Bol. XVIII, p. 617.
") Cabeza de Vaoa, p, 153,
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grosse, aber leichte, tragbare Häuser von 500 Schritt Länge besasseni), während sie sich
am Ende des 18. Jahrhunderts in elenden Toldos notdürftig gegen die Witterung schützten.
Die Mbaya, mit denen wir die Guaikurü gegenüber von Asunciön identifizierten,
hatten weite Gebiete auf dem Westufer des Rio Paraguay inne. Zwischen dem 20° und
22° s. B. werden sie besonders häufig genannt 2). Dort fand sie auch Schmidel^), 70 Leguas
nordwestlich vom Pan de Azucar: „Khamen zu einer nazionn, haisst Maieaiess, ist ein
grosse mennig des voickhs. Diese Mayeaiess seindt lanng, geratht unnd streitparlich leut,
welchs alis sein fleis auff denn krieg wennt." Eine Horde der Mbayä, die 20000 Mann
stark gewesen sein soll, suchte die Spanier zu überrumpeln, wurde aber mit einem Ver-
luste von 1000 Kriegern zurückgetrieben. Bei der Verfolgung stiessen die Sieger auf eine
andere Mbayä-Horde, die für die Hinterlist ihrer Stammesgenossen büssen musste. „Also
muest der unnschuldig des schuldigenn entgelten ; dann do wir zu diesen Mayaiess khamen,
schluegenn wir zu todt und namen gefanngen mann, weib unnd khindt pis in die 3000
personn unnd wann es tag wehr gewest, als nacht, so wehr ir keiner darvonne khummen."
Mögen auch die von Schmidel angegebenen Zahlen noch stärker übeitrieben sein als
diejenigen, die wir oben von Cabeza de Vaca angeführt haben, so waren doch trotzdem
die Mbayä, wie ein Vergleich mit anderen Zahlenangaben dieses Miles gloriosus lehrt,
einer der stärksten Stämme im Ghaco.
Die Stämme der „Zchennte" (Chane-Guanä) und der „Thohannes" waren den Mbayä
unterworfen-*). Auf das eigentümliche Untertanenverhältnis der Guanä zu den Mbayä,
das fast bis heute fortbestanden hat , werden wir noch zu sprechen kommen S).
Die Mbayä waren schon in der Conquista ein Eroberervolk und sind es immer geblieben.
Schon die scharfe Einteilung des Stammes in Adelige, Krieger und Sklaven ist dafür
bezeichnend 6). Nachdem die Mbayä bei-eits zu Rui Diaz de Guzmans Zeit (ca. 1600) oft
die Umgegend von Asunciön unsicher gemacht und die Bewohner zahlreicher Haciendas
ermordet hatten 7), gingen sie im Jahre 1661, - bis dahin Bewohner des Ghaco boreäl, —
in grösseren Massen über den Rio Paraguay und zwangen durch ihre Angriffe die Jesuiten
zur Aufgabe der bei den Itati'n-Guarani unter 22° 5' s. Br. angelegten Reduktion Santa
Maria de Fe. Nach Zerstörung der spanischen Stadt Xerez kehrte der grössere Teil der
Mbayä in die alten Sitze im Westen des grossen Flusses zurück, während sich der kleinere
in dem eroberten Gebiete festsetzte. Diesen östlichen Mbayä gelang es 1672, bei einem
nächtlichen Angriffe auf die Ortschaft Pitun oder Ypane einige Pferde«) davonzuführen ;
später haben sie ihre Besuche mehrmals wiederholt und sind als berittene Räuber die
unumschränkten Herren der ganzen Provinz Ytati (Itatfn) geworden, die sich vom Jejuy
im Süden bis zum Tacuary und den Xarayes-Sümpfen im Norden erstreckte und deren
von Missionaren teilweise schon in Doctrinas vereinigte Bevölkerung durch die Sklaven-
jagden des portugiesisch-indianisch-afrikanischen Mischvolkes der „Mameluken" von Säo
,„„'^ Cabeza de Vaca, p. 147. - Chaklevoix I, 104. - Erinnern diese langen Häuser der Mbayä von
lo&ü niclit an die strassenaitig aneinandergereihten Hütten der jetzigen Kadiueo, der Nachkommen der
alten Mbaya?
■) Azaka II, 100. - Lafone Qüevedo. Bei. XX. 1899. p. 61.
') Schmidel, Ausg. Langmantel, p. 85 flf.
<) Schmidel, p. 88. *) S. u. p. 70.
«) DO Peado, p. 27. Die Portugiesen pflegten die Adligen „Capitaes" und ihre Weiber galant „Donas"
zu nennen. f n
') GUZMAN, p. 11.
') Cf. dazu DO Prado p. 27.
- 44 -
Paulo stark dezimiert war i). Ein gewaltiges Gebiet war damit für die Kultur verloren.
Ypane und das benachbarte Guaranbare, sowie Atirä waren schon 1673 beim Nahen der
Mbayä von ihren Bewohnern verlassen worden. Selbst bis in das Gebiet der heutigen
Republik Paraguay haben die Mbaya in der folgenden Zeit ihre wilden Beutezüge ausge-
dehnt: sie zwangen die Einwohner von Tobaty (25° 1' 35' s. Br.) zur Auswanderung,
richteten dann ihre Angriffe gegen die Stadt Curuguaty, zerstörten die Ansiedelungen bei
der Hauptstadt Asunciön und stellten den Bestand der nördlichen Bezirke von Paraguay
ernstlich in Frage, bis ihnen der tapfere Gouverneur Eafael de la Moneda (1744) ener-
gischen Widerstand entgegensetzte. Besonders übel hatten sie den jungen Reduktionen
San Estanisiao und San Joaquin mitgespielt 2). Die „Guaycurü", von denen Lozano ^)
berichtet, dass sie wiederholt, so im Jahre 1677, die Stadt Asunciön zu überfallen ver-
sucht hatten, sind wohl ebenfalls mit den Mbayä identisch.
Die westlichen Mbayä verheerten mehrmals die Provinz der Chiquiten und vertrieben
die Einwohner der Reduktion Santo Corazön de Jesus *). Zwischen den Einfällen der
Mbayä und der von den Jesuiten bewirkten Räumung des Landes der Zamuco (zu 19° u.
21° s. Br.) durch die Versetzung des grössten Teiles des Zamucovolkes zu den Chiquiten
im Norden lässt sich leicht ein Zusammenhang konstruieren S).
Hatten die Mbayä schon im 17. .Jahrhundert den Sklavenzügen der Paulisten nach
dem oberen Paraguay für immer ein Ende gemacht, so brachten sie im folgenden Jahr-
hundert die jungen Kolonien der Poitugiesen in Mato Grosso, deren rückwärtige Verbin-
dungen mit Säo Paulo und Rio de Janeiro fast ausschliesslich auf dem — nur durch zwei
niedrige Pässe in der Serra do Mar und der Serra Cayapö unterbrochenen Flusswege
beruhten, in arge Bedrängnis, besonders seitdem sie im Jahre 1719 mit den Payaguä einen
Bund geschlossen hatten und zu „Canoeiros" geworden waren 6). Die sumpfigen Niederungen
am oberen Paraguay mögen wohl dem Gebrauche des Pferdes wenig günstig gewesen sein.
Als Flusspiraten pflegten seitdem die verbündeten Mbayä und Payaguä den alljährlich mit
ihren tragbaren Kanus auf den Rios Tacuary, Paraguay und Cuyabä nach den Minen von
Mato Grosso reisenden Goldsuchern, Kolonisten und Kaufleuten empfindlichen Schaden an
Gut und Blut zuzufügen. Nachdem sie unter ihnen wiederholt blutige Metzeleien ange-
richtet hatten, denen jedesmal mehrere Hunderte von Weissen und Indianern zum Opfer
fielen, sandte endlich im Jahre 1734 die portugiesische Regierung unter General Manoel
RoDRiGUES DE Cabvalho eine Strafexpedition aus , die aber so wenig nachdrücklich ausfiel ,
dass schon in den nächsten Jahren wieder Ansiedelungen bei Cuyabä verwüstet und diese
Stadt selbst beunruhigt wurde. Nach do Prado^), der im Jahre 1793 Kommandant des
Presidios Coimbra war und dort seine „Historia dos Indios Cavalleiros ou da nagäo Guay-
curü'" verfasste, sind von den Mbayä und Payaguä nicht weniger als 4000 Portugiesen
getötet und Waren im Werte von drei Millionen Milreis erbeutet worden. Erst als sich
1768 der Bund der Mbayä und Payaguä löste, gewannen die Portugiesen allmählich das
') Charlevoix II, a. V. 0. — de Angelis I, Indice p. XLIX.
2) Aguiere, Bol. XIX, p. 474 ff., 1898. - Azaba II p. 100 ff. - Quikoga, Descripcion del Rio Paraguay,
bei DE Angelis II, cap. IL
3) Lozano, p. 60 ff.
") Azara II, p. 100 ff. — DO Prado, p. 56.
') Cf. dazu unten p. 65.
«) DO Peado, p. 40 ff. — QUIROGA II, p. 14 ff.
') — p. 4.5.
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Übergewicht am oberen Paraguay, wie sich denn überhaupt beobachten lässt, dass in der
zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts bei den Mbayä, die Widerstandskraft ebensosehr
erlahmte wie bei den übrigen Guaikurü-Stämmen. Dass die Mbaya viel von ihrer früheren
Schrecklichkeit eingebüsst hatten, zeigt schon die Tatsache, dass sich das 1775 gegründete
Presidio Coimbra sowie die Posten Albuquerque und Fuerte Olimpo oder Borbon trotz der
Angriffe der umwohnenden Stämme behaupten konnten. Die Besatzung von Olimpo ist
allerdings zweimal von den Mbayu überfallen und in Coimbra sind einst fünfzig Brasilianer
ermordet worden. Im Jahre 1791 endlich schloss Joäo de Albuquerque de Mello Pereira
E Caceres, der Generalkapitän von Mato Grosso und Cuyabd, mit der „Nagäo Aicurü"
feierlich Frieden; den Wortlaut des Friedensvertrages hat uns do Prado überliefert i).
Mit den Spaniern waren die Mbayd schon 1746 und dann aufs neue 1774 einen Frieden
eingegangen, den sie getreulich hielten 2). Denn seit dieser Zeit unternahmen sie nur mehr
gegen Eingeborene, wie die Caayguä, Guachie, Aguitequedichaga und Ninaquiguila Kriegs-
züge, um sich Sklaven zu verschaffen-''). Eine Ausnahme allein machten die den Portugiesen
seit 1791 verbündeten , bereits seit Mitte des 18. Jahrhunderts am Fecho dos Morros ange-
siedelten Mbayä, die den Spaniern auch fernerhin jedmöglichen Schaden zufügten,'*) ein
sehr bemerkenswertes Zeichen dafür, welche starke Rivalität in diesen Gebieten am oberen
Paraguay zwischen den beiden Kolonialmächten herrschte. Ausser den genannten Stämmen
hatten vor allem die „Indios monteses", die Waldindianer der Ges-Familie im Osten, wie
die südlichen Cayapö jenseits der Cordilheira Amambahy nach dem oberen Paranä hin,
unter den Anfällen und Sklavenjagden der Mbayä zu leiden 5). Die Mbayä sind immer ein
Herrenvolk geblieben, das die benachbarten Stämme mit Verachtung behandelte: In ihren
Aldeas befanden sich gefangene Indianer zahlreicher Stämme, so der Guachie (Guaxi), Guanä,
Guatö, Cayvaba, Bororö, Coroä, Cayapcj, Chiquito und Chamacoco^).
Nachdem sich schon in älterer Zeit Missionare bei den westlichen Mbaya aufgehalten
hatten, legte im Jahre 1760 der Pater Jose Sanchez Labrador, vormals Professor der
Philosophie am Colegio maximo zu Cördoba, kurz vor der Mündung des Rio Ypane, etwa
unter 23^° s. Br., eine Reduktion Nuestra Senora de Belen 7) an, in der sich 1767 gegen
260 Ml)aya aufhielten. Nur wenige davon waren Christen, denn die Bekehrungserfolge
entsprachen bei weitem nicht der aufgewendeten Mühe. Am Ausgange des 18. Jahrhunderts,
nach der Verbannung der Jesuiten, war Belen ein elendes Dörfchen mit einigen dorthin
verpflanzten Indianern. Die umwohnenden Mbayä, die Horde der Apacachodeguo , nahmen
nur wenig Notiz von Belen, obgleich sie sich mit Vorliebe Mbayäs Belenistas nannten«).
Bei den nördlich von diesen wohnenden Mbayäs-Ichagoteguos übte in den Jahren 1769 — 74
Fray Miguel Mendez in einer Missionsstation die Katechese aus, musste sich aber aus
Mangel an Unterstützung zurückziehen ^).
>) DO Prado, p. 44 ff. - Aguirre, Bol. XIX, 1898, p. 474 ff.
'') - - p. 56, erzählt, ein spanischer Pater habe diesen dadurch angebahnt und herbeigeführt,
dass er alle Gebrauche und Sitten der Mbaya annahm und sich unter ihnen sogar verheiratete.
') Aguirre, pp. 478, 482 f. — Azaka II, p. 103. — do Prado, p. 56. — Über die CHiachie, Aguiteque-
dichaga und Ninaquiguila s. u. pp. 51, 66 f.
■*) DO Prado, p. 57. — Martius, Beiträge I. p. 227.
*) - - p. 26. — Aguirre, p. 485 IT.
«') - - p. 38. — säo täo soberbos quo a todos os gentios confinantes tratam com desprezo,
e estes de alguma sorte os respeitam.
') Dobrizhoffer I, p. 126. — Hertus, pp. 180 f., 192.
') Aguirre, p. 475 f. ') Aguirre, p. 476.
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Über die weiteren Schicksale und das Dahinschwinden der Mbaya im 19. Jahrhundert
hat Koch 1) gehandelt, und ich verweise hier auf seine gründliche Arbeit. Noch von
DoBRizHOFFER als die wildeste und stärkste Nation im Chaco bezeichnet und von dem
Verfasser des spanischen Manuskriptes, sowie von Aguirre und Azara auf 3000 bis 4000
Seelen geschätzt 2), sind sie heute bis auf die ca. 100 Individuen der modernen Cadioeo
oder Kadiueo zwischen Rio Branco und Rio Miranda (21° s. B.) östlich des Paraguay zusam-
mengeschmolzen, während die westlichen Mbaya anscheinend völlig verschwunden sind 3).
Die Chamacoco sind in ihre Sitze im Westen des Rio Paraguay eingerückt.
Das Wohngebiet der Mbaya hatte in den letzten Jahrzehnten des 18. Jahrhunderts
bereits eine beträchtliche Einengung erfahren ^). Den Rückgang können wir freilich nur
am Paraguay-Flusse genauer verfolgen, wo sie nach Quiroga (1753) auf beiden Seiten alles
Gebiet vom Rio Jejuy bis zum Tacuary und nach Jolis (1789) nur noch vom Ypane bis
zum Tacuary im Besitze hatten, während sie do Prado, dessen Angaben durch den 1790
zur navigatorischen Aufnahme des Rio Paraguay entsandten Piloten D. Ignacio de Pasos
bestätigt werden, nur mehr bis zu 19° 36" s. B. nach Norden reichen lässt^). Für die
Bestimmung dei- Ausbreitung der Mbaya nach Westen in den Chaco boredl hinein fehlt
uns jede zuverlässige Kunde; im Osten, wo sie auf die Ges-Völker drängten, mag wohl
die Cordillere von Amambahy die Grenze ihres Gebietes gewesen sein 6).
Nach DOBRIZHOFFER 7) nannten sich die Mbaya auf dem westlichen Ufer Quetia-Degodis,
diejenigen im Osten des Rio Paraguay Eyiguayegis. Im einzelnen zerfielen die Mbaya in
eine Reihe von Unterstämmen, deren Zahl und Namen in den Quellen durchaus wechselnd
und schwankend angegeben werden. Aguirre, dessen Angaben hier diejenigen Felix Azaras
und der übrigen Autoren an Genauigkeit weit übertreffen, kennt sechs Stämme der Mbayä,
während das Manuskript von sieben bis neun und Jolis von sieben Stammesgruppen spricht.
Azara nennt nur vier Hauptstämme der Mbaya, wobei er allerdings seine Catiguebo
(Kadiueo) in drei Unteistämme zerlegt S).
Zwischen Rio Ypane und Rio Apa (einst Rio Corrientes), östlich des Paraguay, vor-
wiegend am Aquidabän, hauste der Mbaya-Stamm der Apacachodeguo^), die, von den
Guarani „Nandureta", — d.i. Bewohner der Straussenebene — genannt, anscheinend zuerst
') Koch, Globus 81, p. 3 ff.; die Guaikuru-Stämme, Mitt. der anthrop. Gesellsch. in Wien, XXXIII,
1903, p. 6 ff.
=) HuoNDER, p. 389. — Aguikee, p. 487. — Azara, II, 100.
3) BoctGIANI, Etnografia del Alto Paraguay, Bol. XVIII, 1897, p. 617.
") RoDEiGUES DO Pbado , p. 27, sagt: Antipuamente os Cavalleiros senhoreavam mas vasto terreno, o
quäl pouco a pouco foram perdendo com as povoa^öes que formavam os Portuguezes e Hespanhöes, estes
forgando as correntes do Paraguay, e aquelles acompanliando as suas aguas.
^) Quiroga, cap. IL p. 7. — Jolis, p. 481 ff. — do Prado, p. 2-5. — de Pasos, Diario de una navega-
cion y reconociraiento del Rio Paraguay, desde la ciudad de la Asumpcion liasta los presidios portugueses
de Coimbra y Albuquerque (ca. 1790), hg. v. de Angelis IV, Buenos Aires 1836.
•>) Cf. Quiroga, cap. II, p. 14.
') DoBRizHOFFEE I, p. 160. — Nouerdings hat Guido Boggiani von den Kadiueo in Erfahrung gebracht,
dass sich der ganze Stamm Eggiuägeg (= Eyiguayegis) nenne, wodurch die Angaben Dobeizhoffee's eine
überraschende Bestätigung finden. Die Quetia-Degodis sind mit dem untergegangenen Mbayä-Stamme der
Uettiadiiu auf dem Westufer des Paraguay identisch , in dem wir wohl die Gueteadebo oder Gueteadeguo
Azaras und Aguikkes wieder erkennen müssen. Die Gueteadebo- Gueteadeguo- Uettiadau wohnten bei
Puerto 14 de Mayo (Puerto Chamacoco oder Puerto Pacheco). Azara II, p. 104. — Aguirre, p. 477. —
Boggiani, Apuntes sueltos de la lengua de los Indios Caduveos del Chaco Paraguayo, in Bol. XVIII, 1897,
p. 367 ff.
8) Aguirbb, p. 47.5 ff. — HuoNDER, MS. p. 389. — Joi-is, p. 481 f. — Azaba II, 108 f.
») — p. 47.5 f.
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von Westen her über den Paraguay gewandert waren und einst alles Gebiet bis zum Rio
Jejuy im Süden besessen hatten. In einem gewissen Gegensatze zu den übrigen Mbayä,
den Mbaya-guazü, die sich noch 1760 zeitweise in dem ehemaligen Stammesgebiete im
Westen aufhielten, nannten sich die Apacachodeguo auch Mbaya-mini i). Der ganze
Stamm — der etwa 600 Köpfe, darunter 220 Männer, zählte — zerfiel in sieben Horden,
die aber die Autorität eines gemeinsamen Stammesoberhauptes, zu Aguirres Zeit des
Kaziken Loeenzo, anerkannten. Häufig kam es vor, dass sich der Stamm vereinigte oder
auch wieder in grössere oder kleinere Verbände auflöste.
Nördlich des Rio Apä bis gegen den 21°. s. Br. hin, vorzugsweise im Osten des Para-
guay, fand Aguirre die Mbayä-Ichagoteguo^), die unter etwa 400 Personen 180 Erwach-
sene besassen.
AzARA^) gibt als Bewohner des Gebietes zwischen dem 21. Grade und dem Rio Ypane
zwei Unterstämme seiner Mbayä-Catiguebo (Caduveo, Kadiueo) in einer Kopfzahl von
zusammen 800 Personen an; die Hauptmasse der Catiguebo, bei Aguirre Catibebo, in
einer Stärke von 1000 Köpfen mit dem alten Kaziken Nabidrigui oder Camba lässt er
westlich des grossen Flusses unter 21° 5' s. Br. wohnen. Mag auch dieser Widerspi'uch in
unseren Quellen bemerkenswert erscheinen, wichtiger ist es, dass Azara an einer anderen
Stelle 4) angibt, dass eine Payaguä-Horde der Cadigue unter 21° ö' s. Br. — also genau
wie seine Mbayä-Catiguebo — am Paraguay gewohnt habe. Zwar könnte es scheinen, als
sei dieses Zusammentreffen zweier fast gleicher Namen auf gleichem Wohngebiete auf eine
Verwechselung zurückzuführen, aber Azara sagt ausdrücklich, dass die Sitze der Cadigue-
Paj'aguä erst nach deren Verpflanzung nach Asunciön S) von den Mbayä eingenommen
worden seien. Ausserdem mag wohl die in jenen Gegenden wachsende Pflanze „Cadi",
nach der sich z. B. die. Mbayä-Catiguebo in ihrem eigenen Idiom als „Cadigueeguo" bezeich-
neten 6), auch den Cadigue-Payagud ihren Namen geliefert haben.
Die Catibebo Aguirres, die bei de Pasos Guativevo und bei Azara — wie wir sahen —
Catiguebo genannt werden , wohnten unter 21° s. Br. ''). Dieser Stamm der Mbayä setzte
sich aus vier „Toldos" zusammen, von denen sich zwei auf dem Ostufer des Rio Paraguaj''
und die beiden anderen jenseits des Flusses tiefer im Innern des Chaco befanden. Aguirre
schätzte die Zahl seiner Catibebo auf 800 Personen (dai'unter 300 Männer) , während bei
Azara allein die westlichen Catiguebo auf 1000 Köpfe veranschlagt wurden. Der Kazike
dieser letzteren. Pedro Nabidrigui oder Camba, dessen Körpergrösse die Spanier in Erstaunen
setzte, soll ein Alter von ungefähr 120 Jahren besessen haben, denn er war ein Knabe,
als der Bau der Kathedrale von Asunciön (1689) begann S).
An die Catibebo schloss sich nach Osten hin der kleine Stamm der MbayäOcotegueguo 9)
an; er umfasste nur 200 Individuen.
Auch über die nördlichen Stämme der Mbayä gehen die Angaben Aguirres und Azaras
auseinander. Während Azara lO) die drei Stämme der Tchiguebö, Gueteadebö und Beutuebö
') Mini = klein, gtiazii — gross, Guarani.
=) Aguirre, p. 475 f.
') Azaba II, p. 103 f.
*) — II, p. 119. ') S. u. p. 51.
«) Aguikke, p. 476. Los Mbayäs absoliitamente se denoniinan por las circiinstancias de la lierra en qua
viven, p. 475.
') AouHiKE, p. 476. — DE Pasos, p. 33.
') Azara II, p. 104. - do Peado, p. 26. 9) Aguirre, p. 476 f. '») Azaea II, p. 104.
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mit einer Seelenzalil von zusammen 2000 zwischen 21° und 20° 40' im Osten des Rio Paraguay
auf den Hölienzügen von Noatequidi und Noateliyä wohnen lässt, hatten nach Aguirbe i)
die Gueteadeguo unter ihrem damaligen Kaziken Pablo EmadicxUi und die Echigueguo unter
Jaime NiYOCOLADi, beide Stämme je 500 Seelen stark, beide Ufer des Paraguay um den
20. Grad im Besitze. Wenn auch die von Aguirbe angeführten Namen sich mit denen der
Gueteadebö und Tchiguebö bei Azara decken mögen, so bleiben doch hinsichtlich der
Kopfzahl und der Lage der Wohnsitze noch bedeutende Widei-sprüche bestehen. Im Jahre
1799 Hess sich bei Coimbra ein Haufen von 800 „Guaycurüs" nieder, deren Zahl in den
folgenden Jahren durch Zuzüge aus dem Chaco bis auf fast 2000 Köpfe stieg -). Alle diese
nördlichen Mbayä an der matogrossenser Grenze — die später nach Martius (ca. 1820) in
sieben Aldeas, vermischt mit Guanä und Ghamacoco, hausten — machten im 18. Jahr-
hundert einen Entwickelungsprozess vom Pferdenomaden zum typischen Flussnomaden
durch; diese durch die Naturumgebung begonnene Umwandelung wurde besonders durch
den Bund mit den Payaguä gefördert S).
Das eigenartige, halb freiwillige, halb gezwungene symbiotische Verhältnis, in dem
der friedsame ackerbauende Nu-Stamm der Guanä zu den stolzen und herrischen, an Zahl
ihm bedeutend unterlegenen Mbayä stand, kam nicht nur dadurch zum Ausdrucke, dass
zahlreiche Guana-Indianer einzeln innerhalb von Stammesgemeinschaften der Mbayä lebten,
sondern auch in einer Durchsetzung des Mbayä-Gebietes mit Enklaven von geschlossenen
Guanä-Horden. Bei der Betrachtung der Nu-Stämme im nördlichen Chaco werden wir
versuchen , die Wohnsitze der Guanä genauer festzulegen *).
e) Die PAYAGua.
Die heute im Hafenviertel von Asunciön hausenden, dui-ch Alkohol und Geschlechts-
krankheiten arg degenerierten 40 bis 50 Payaguä 5) sind der klägliche Rest eines Stammes ,
der einst den Rio Paraguay beinahe in seiner ganzen Ausdehnung beherrschte. Grosse,
weitverzweigte Flusssysteme haben immer die Ausbildung einer solchen Art von Wasser-
nomadismus begünstigt, wie er bei diesem Zweige der Guaikurü-Familie zur Auspi'ägung
gelangt ist. Die wie so viele andere Stämme dieser Gebiete den Lippenpflock tragenden und
daher'' mitunter — so von Azaras Begleiter Pedro Cerviiio — als „Lenguas" bezeichneten
Payaguä waren „Canoeros" ' x«r' l^o^v' und als solche zugleich gefürchtete Flusspii-aten 6).
Man hat von ihrem Namen das Wort „Paraguay", ursprünglich „Payaguay", d. i. Fluss der
Payaguä , ableiten wollen '').
Schon bei der Ankunft der Spanier zerfielen die Payaguä in zwei Unterstämme, von
denen nach Azara») der eine, die Gadigue, unter 21° 5' und der andere, die Magach —
so genannt nach dem Kaziken Magach - unter 25° 17' s. B. auf dem Paraguay woimte.
') Aguiere, p. 477.
? AGUirE' p"4^ -DO Ibado p. 40. - Martius. Beiträge I, p. 228. ^) S. u. p. 69.
^1 Koch Die'GSLm-Stämme aLbus Bd. 81, p. 111; Mitt. der Authr. Gesellsch. in Wien XXXIII,
^' ^Vdo'prado, p. 40, sagt: , Payagoäs, os quaes podemos ter quasi por ampliibios, pelo grande uso
que fazem das aguas, e pelo muito que nella säo destros. " P^rao-ncv"
') AZA.BA II p 119. Umgekehrt deutet Ruiz de IVIontoya ihren Namen als „Volle des Paiaguay
(paragutyguara). Cf- Martius , Beiträge I, p. 225. - Siehe darüber die ausführlicheren Angaben Kochs in
den Mitt d. Antlir. Gesellsch. in Wien XXXIII, p. 34. ') Azara II, p. 119 f.
- 4ü -
Die alte Nation der Agaces, die — in Lebensweise völlig den Payaguä gleichend —
im IH. Jaiirhundeit am unteren Paraguay nördlich der Bermejo-Mündung sass, dürfen wir
wohl mit AzARA als Payagua selbst ansprechen oder wenigstens mit Brinton oder Lafone
QuEVEDO als nächste Verwandte der Payagua unter die Sprachgruppe Guaikurü einreihen i).
Nach Azara 2) bezeichneten einst die Spanier nur die nördliche Horde der Payagua, die
Cadigue, mit Payagua, während sie den Namen der südlichen Horde, der Magach, in
Agaces korrumpierten.
Mit den Agaces- Payagud traten die Spanier schon sehr früh in Berührung, denn das
Aktionsgebiet dieser Indianer, der Paraguay, ist bald Hauptverkehrsader des Landes
geworden. Bei der ersten Befahrung des Paraguay durch Sebastian Gaboto (1527) suchten
die Agaces der Flottille des Admirals 40 Leguas oberhalb der Mündung des Flusses mit
mehr als 300 Kanus, die sie in drei Geschwadern aufgestellt hatten, die Durchfahrt zu
versperren, wurden aber blutig zurückgeschlagen. Auch die Expedition des Pedro de
Mendoza hatte zehn Jahre später mit ihnen an derselben Stelle einen Kampf zu bestehen ^).
Von unserem Landsmanne Schmidel "*) haben wir einen Bericht über dieses Zusammen-
treffen mit den Agaces: „Khamen zu einer nazion, heisen Aigeiss, habenn auch fischs unnd
fleischs; item sindt lanng unnd geradt zu peiden teilen, die frauenpilter .sindt schönn ,
sindt gemalt unnd umb die schäm bedeckht. Wie wir zu diesen khamen , stellen sie sich
zu wehr unnd pegerten wieder unns krieg zu füren ; damit sie unns nit weiten lassen fort
passiren ; do wir solches vernamen, da khain mittl entzwischen helfen weit, befalen wirs
got dem almechtigen unnd machten alsdann unnser ordinanz zu wasser unnd zu lannd
wieder sie, schlugen mit ihnen und prachten der Aigas sehr vil umb unnd sie uns pey 15
man eilegten. Gott genat inen allensampt. Diese Aeiges sein die dreflichsten oder pesten
kriegsleut, so auf dem wasser erfunden werden, aber zu lannt sind sie nicht dergleichen." —
Kurze Zeit darauf rächten die Spanier im Bunde mit den Carlos (Guarani) ihre gefallenen
Kameraden: „Do unnser oberster hauptman solches alles beschlossen, nam er 300 Spanier
unnd diese Carlos unnd zugen das wasser abwertz unnd darnach zu landt die 30 meil, da
die genanten Aigais woneten. Also fannden wirs am foringenn plaz, da wirs gelassen,
unnd überfülen sie un versehener dieng in iren heyseren, da sie noch schlieffenn, morgens
fru zwischen 3 und 4 urn, dann die Carlos hettens ausgespirt oder gespecht: da schluegenn
wir jung unnd alt, alle menschenn zu todt, dann die Carlos habens in prauch, wens
kriegen unnd obliegen, so muss es alles dran, haben kein erparmung über das folckh.
Demnach namen wir 500 cannanon oder zillen unnd verpreneten alle die fleckhen, die
wir fanden , unnd tehten grosenn schadenn".
Cabeza de Vacä 5) schloss mit den Agaces Frieden, den sie aber nicht hielten, wes-
halb sich wiederholt StrafzQge nötig machten. Als ihre Räubereien und Angriffe auf die
Umwohner von Asunciön überhand nahmen, wurden Alonso Riquelme de Guzman, der
Vater des Historiographen , und Rui Garcia Mosquera mit 200 Soldaten und 1000 befreun-
deten Indianern zu ihier Unterwerfung ausgesandt. Damals wurden die Agaces zum grössten
') xVzAEA II. 119 ff. - Brinton, Linguistic Cartography, p. 200. - Lafone Quevedo, Bol. XX, p. 61,
1899. - Cf. DE Angelis I, Indiue pp. II, XL, LXIV. - Waitz III. p. 468.
") AZAEA II, p. 119 ff.
') Guzman (1612i, Historia Aigentiiia, pp. 20, 37.
"> CCHMIDEL, p. 42 f., p. 46 f.
'* Cabeza de Vaca, Ausg. Dominguez, pp. 131 ff., L50, L58, 238 f.
L A. f. E. XVIL 7
- 50 -
Teile gefangen oder getötet i). Dies scheint auch der wahre Grund zu sein, warum seitdem
der Name der Agaces verschwindet, während Azara 2) behauptet, dass die Spanier nach
dem. Tode Magachs, nach dem sich der Stamm nannte, die Bezeichnung „Agaces" ver-
gessen und dafür den Namen „Payaguä" auch auf die Reste der Agaces überti-agen hätten.
Die nördliche Horde der Payagua, die schon mehrfach erwähnten Cadigue oder — wie
sie von den Spaniern genannt wurden — Sarigue^), hat über zweihundert Jahre lang
mit den Weissen im Kampfe gelegen, ehe sie vor ihnen die Waffen streckte. Die Sarigue-
Cadigue, die Guzman verräterisch und hinterlistig nennt, waren es, die 1537 den Juan de
Ayolas mit seinen 200 Spaniern auf der Rückkehr von der Suche nach einem Goldlande
im Nordwesten ermordeten 4). Ihr Gebiet lag damals am Pan de Azucar, der in Schmidel
so lebhafte Erinnerungen an seinen heimatlichen „Pogenberg" wachiief, sowie am Mariä-
Lichtmess-Hafen (Puerto de Candelaria, 21° 5' s. Br.) S). Später zerstörten sie einen spani-
schen Marktflecken am Rio Jejuy und die Ansiedelung der Ohoma-Indianer 6) und bedrohten
beständig die Kolonien längs des Rio Paraguay, wie sie denn überhaupt die hartnäckigsten
Feinde der Weissen geblieben sind. Im Jahre 1703 wurden die Patres Bartolome Ximenez
und Johann Baptist Neumann und zwölf Jahre später die zur Aufsuchung eines direkten
Weges zu dem Chiquitenlande ausgesandten Missionare Arge und Blende von den Payagua
aufs grausamste ermordet'). Solange die Payagua mit den Mbaya verbündet auftraten
(1719 bis 1768)8), ^ar eine gedeihliche Entwickelung der portugiesischen Kolonien am
oberen Paraguay und an dessen Zuflüssen unmöglich. Quiroga 9) erzählt, dass sich die
Cuyabaner schliesslich gezwungen sahen, alljährlich eine Kriegsschaluppe nach dem oberen
Tacuary zu schicken, um Überfälle der Payagua und Mbaya auf die paulistischen Handels-
karawanen zu verhindern.
Obgleich die Payagua, über deren Lebensweise Azara und Dobrizhofper eingehendere
Mitteilungen machen lO), ihre Streifzüge in Kanus, die vierzig Mann fassten, bis nach
Cuyaba und zum oberen Tacuary im Nordosten und bis weit über Asunciön hinaus nach
Süden ausdehnten, so hielten sie sich doch hauptsächlich in der Nähe des Mbayä-Landes
auf 11). Dort traf sie auch der Pilot Ignacio de Pasos i2) zahlreich an , und Jolis i3) ver-
zeichnet sie als „Corsari del Paraguay" zwischen dem 21. und 25. Grade. Zu bemerken
bleibt dabei, dass sich die südliche Horde der Payagua, die Tacunbii oder Siacua, nach
') GczMAN p 111. Auch Barco Centenera hat diesen Sieg seiner Landsleute besungen: La Argentina
o \A conquista del Rio de la Plata, poema histörico, Lissabon 1602. Bei de AnCxElis II, p. 28, Buenos
Aires, 1836.
■) Azara II. p. 119. ^ ^ _,■ r^nr
3) Azara II, p. 120. - HERväs, p. 186 f. - de Angelis I, Indice p. LXIV.
4) Guzman, pp. 38, 71. - Barco Centenera, a.a.O. p. 43. - Schmidel, p. 51. - Cabeza de Vaca,
p. 182. - Charlevoix I, p. 73. - Azara II, p. 120.
5) Schmidel, p. 48 ff. - Cabeza de Vaca, p. 185. , ,,. • o, T^•
«) Die Ohoma oder Mahoma wohnten nach den älteren Autoren, z.B. Guzman {p. 11), im Uiaco. Uie
Laguna de las Perlas bei der zerstörten Stadt Concepciön del Bermejo hiess nach ihnen einst Laguna de
los Ohomas. — de Angelis I, Indice zu Guzman, p. LI. i£,r, . , j .] *. i
') Charlevoix IV, p. 293. - HERväs, p. 187. - Nach Dobrizhopfer I, p. 127, starb der deutsclie
Jesuit Neumann infolge der Strapazen der Reise.
8) DO Prado p. 40 ff. - S. 0. p. 44.
") Quiboga, cap. II, p. 14 ff. - dg Prado, p. 40 ff.
'») Azara II, pp. 119-145. - Dobbizhoffer I, pp. 147-152.
") Letti-es edifiantes et curieuses, 1717-22, Teil XIV, Bd. 7. Lettre du P. de Haze (1718), p. 202 ff. -
HUONDEB, MS. p. 389. T.r ofl «■
'2) Ignacio de Pasos, Diario de una navegacion, bei de Angelis iV, p. ^b n.
■3) JoLis, p. 459 u. Karte.
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AzARA die Reste der Af^iaces, damals schon in Asunciön befand, wo sie der Gouverneur
Rafael de LA MoNEDA nacli dem Abschlüsse eines für sie sehr vorteilhaften Schutz- und
Trutzfriedens im Jahre 1744 angesiedelt hatte i). Als fünfzig Jahre später auch die Cadigue-
Sarigue im Norden die Aussichtslosigkeit ihres Kampfes gegen die Spanier einsahen,
schlössen sie sich den TacunbüSiacuä an 2). Beide Horden zusammen zählten damals
1000 Seelen 3). Obgleich sie mit den Einwohnern von Asunciön in einem regen Handel
mit Fischen , Flechtwerk und Kanus standen , dessen Ertrag sie meist in Schnaps um-
setzten, so haben sie doch ihre Gebräuche und Zeremonien noch lange streng bewahrt.
Vor allem haben sie sich gegen die Mission ablehnend gezeigt, dergestalt, dass sie mit
Wiederaufnahme der Feindseligkeiten drohten, als 1792 ein übereifriger Gouverneur 153
Kinder unter zwölf Jahren taufen liess''). Wir erwähnten schon, wie sehr die Zahl der
Payaguii bis heute abgenommen hat. Noch um die Mitte des vorigen Jahrhunderts zählten
sie 200 Individuen ; der Kontakt mit der Zivilisation und besonders der blutige Paraguay-
Krieg brachten sie dem Untei-gange nahe 5).
In den noch von Eschwege und Rengger •>) am oberen Pai'aguay erwähnten Payagua
haben wir diejenigen Angehörigen dieses Stammes vor uns, die innerhalb des Bereiches
der Portugiesen lebten und daher nicht von den Spaniern nach Asunciön verpflanzt worden
waren. Wie die Mbaya versprachen auch sie im Jahre 1791 fortan Frieden zu halten'^).
f) Die GuACHi (Guatschi).
Das kleine Volk der Guachi oder Guachie, deren Identität mit den von den ältesten
Autoren 8) genannten Guarapayo, Guasarapo, Baschereposs oder Guaxarapo gesichert
erscheint, reiht Koch 9), auf dessen gründliche Untersuchungen hier verwiesen sei, unter
die Sprachgruppe „Guaikurü" ein. In ihrer Lebensweise als Fischer und Flusspiraten waren
die heute als Stamm wohl erloschenen Guachi den Payaguä und Guatö ähnlich, wie schon
QüiROGA 10) bezeugt. Zu Azaras Zeit zählten die Guachi immerhin noch annähernd sechzig
Krieger und wohnten in entlegenen, fieberreichen Schlupfwinkeln nördlich des 20. Parallels
am Rio Mondego oder Rio Guachie (Rio Guasarapo, heute Rio Miranda) "). Geschworene
Feinde der Payagua, standen sie zu den Mbaya wohl in dem gleichen nahen Bundes- und
Abhängigkeitsverhältnisse wie die GuanaiS). Die Jesuiten in der Provinz Itatin hatten bei
den Guachi bereits im 17. Jahrhundert missioniert, jedoch wegen der Einfälle der „Mame-
lucos" von Säo Paulo ohne dauernden Erfolg i3).
') HEBväs, p. 186 f. - AZARA II, p. 120.
J) Aza RA II, p. 120.
') HuüNDER, MS., p. 389. — DO Prado, p. 41.
■*) AzAKA II, 122 f. — AzAEA, Informes sobie varios proyectos de colonizar el Chaco, bei de Angelis IV,
p. 4. — HERväs p. 186. — DoBRizHOFFEH I. p. 148. — Guevara, Historia del Paraguay p. 200. — Qüiroga, p. 7.
*) Koch, Milt. der Anthrop. Ues. XXXIII, p. 36.
«) Eschwege, .loiirnal von Brasilien, Weimar 1818, II p. 287. — Rengger, Reise nach Paraguay
(1818-26). Aaiau 1835, p. 135 f.
') S.o. p. 45. - DO Prado, p. 44 ff.
») ScHMiDFL, p. 62. — Cabeza DE Vaca, p. 189 ff., 222 ff. — GuzMAN, p. 38. 43, 61. - Cf. Azara II,
p. 78 ff. — Aguirre, p. 483. — do Prado, p. 38.
9) Koch, Globus 81, p. 111 f.; Mitteil, der Anthrop. Ges. XXXIII, p. 38 ff.
'") QuiROGA , cap. II , p. 7.
") Azara II, p. 78 ff. - Martius, Beiträge I, p. 243 f.
'■) - 11, p. 80. — DO Prado, p. 38. — Aguirre. p. 483. — HERvas, p. 192.
") HERväs, p. 191. — Adeluno-Vater (Mithridates od. allg. Sprachenkunde, Berlin 1806-17, Teil III,
52
III. Die Mataco-Mataguayo-Stämme.
Das vom Pilcomayo im NO, den Stammessitzen der Toba, Molcovi und Abipön im SO
und dem Rio Juramento (oberer Salado) sowie den Anden im W begrenzte, also die west-
liche Hälfte des mittleren und südlichen Chaco umfassende Gebiet wurde einst von zahl-
reichen Stämmen bewohnt, deren heute teils kaum mehr unvermischte Überbleibsel, teils
nach dem Innern hin noch fast unberührte Nachkommen in spi-achlicher und demnach in
einem engeren Sinne genetischer Hinsicht zwei Gruppen angehören, die der argentinische
Sprachforscher nacli den beiden Hauptstämmen als Mataco-Mataguayo und Vilela-Lule
bezeichnet i).
Der heutigen Lagerung und Zusammensetzung der Mataco-Mataguayo-Gruppe
aus den bereits genannten 2), wesentlich durch die wackere Mitarbeit der Franziskaner-
Missionen Boliviens S) erforschten Einzelstämmen und ihrer i'äumlichen Ausbreitung gehen
völlig andere Verhältnisse voraus. Welche von den zahlreichen Stämmen und Stammes-
namen, die im Laufe von 350 Jahren in diesen Gebieten des westlichen Chaco erscheinen,
dieser Gruppe zuzuzählen sind , lässt sich heute in der Mehrzahl der Fälle mit einiger
Bestimmtheit feststellen. Es hat sich gezeigt*), dass nicht nur die Mal bald und Matara,
sondern dass auch die im ersten Jahrhundert der spanischen Herrschaft vielgenannten
alten Tonocote Glieder ebenderselben Gruppe waren. Erst seitdem es gelungen ist, die
unheilvolle Verwirrung zu lösen, die MachoniS) mit seiner Behauptung angerichtet hatte,
dass die Tonocote gleichen Stammes mit den Lule wären, ist man über die älteren Völker-
verhältnisse im südwestlichen Chaco einigermassen genauer unterrichtet.
Was wissen wir nun über die Ge.schicke der Mataco-Mataguayo-Stämme, ihre Wan-
derungen und ihre geographische Verbreitung?
In ausgesprochenem Gegensatze zu den Guaikurü-Stämmen werden sie als friedfertig,
dem Ackerbau und Handel geneigt, dabei aber als sehr hinterlistig und feig geschildert 6).
Wie sie sich ihren Erbfeinden gegenüber, den Guaikurü, stets unterlegen gezeigt haben,
so geschah auch deren Expansion nach S und SW fast überall auf ihre Kosten. Überhaupt
überwiegen in ihrer Geschichte mehr die passiven Züge. Brinton ') will aus der Tatsache,
dass sie in geschlossenem Zusammenhange wohnen, gleichsam wie durch äusseren Druck
zusammengepresst, die Wahrscheinlichkeit ableiten, dass sie das älteste Bevölkerungs-
element im Chaco darstellen.
p. 469, 473 f.) machen über die Gruachi mehrere offenbar unrichtige Angaben. Die Identifikation des
Fischervölkchens der Guatö (an der Laguna de la Cruz, am Tacuary, Säo Laurenze und Paraguay selbst,
z. T. in Aldeas bei Albiiquerque) mit den Guachi ist unhaltbar.
') Lafone Qqkvedo, Lenguas argentinas; grupo Mataco-Mataguayo; dialecto Nocten , Bol. XVI, p. 343 ff.
1806; Dialecto Vejoz, Bol. XVII; Los Indios Matacos y su lengua, Bol. XVII; Progresos de la etnologia,
Bol. XX, p. 62. — Juan Pelleschi, Los Indios Matacos y su lengua, Bol. XVII, XVIII, 1896-97. —
Brinton, Linguistic Cartography, 1898, p. 181 u. 194. — Amadeo Baldrioh, El Chaco central norte,
Buenos Aires, 1890.
-) S. 0. p. 26.
') P. Cakdüs, Las misiones franciscanas entre los infleles de Bolivia, Barcelona 1886. — Lafone
QuEVEDO u, a bezogen ihre Informationen von den Franziskanerpatres.
■■) Lafone Quevedo, Los Lules, Bol. XV. — Pelleschi, Matacos, Bol. XYIL
') Machoni, Prologe zum Vocabulario de la lengua Lule y Tonocote, Madrid 1732. — S. o. p. 6. —
HEEväs, p. 166 ff.
6) HEHvas, p. 164: naci6n mas vil del Chaco... — Huonder, MS. p. 388.
') Beinton, Linguistic Cartography, p. 181 f.
- 53 -
An aniieier .SlcUe ') ist bereits angedeutet worden, dass im 16. Jahrhundert viele
Tausende von Tonocote-Indianern des oberen Salado, von den Spaniern zu Hörigen herab-
gedrückt und in i'^ncomiendas vereinigt, in den Bezirken von Esteco, Santiago del Estero
und San Miguel del Tucuman lebten und dass hier die Mission unter Francisco Solang,
dem „Apostel des Chaco", schon sehr zeitig ihre Tätigkeit - wenn auch ohne tieferen
Erfolg - begann. Wenngleich es auch sicherlich Übertreibung ist, wenn berichtet 2) wird,
dass allein 30000 Männer der Tonocote bei Esteco impatroniert gewesen seien, so ist doch
die Tatsache nicht wegzuleugnen, dass die Tonocote sehr volkreich gewesen sein müssen.
Übrigens scheint es mir, als sei Tonocote nicht der Name eines einzelnen Stammes,
sondern ein Sammelbegriff für alle bis dahin bekannte Indianer gewesen, die verwandte
Idiome, nämlich der heutigen Mataco-Mataguayo-Gruppe, sprachen. Nur so werden nicht
allein die hohen Zahlenangaben des 16. und 17. .Jahrhunderts annehmbarer, sondern auch
der in den Quellen 3) oft wiederkehrende, auffällige Wechsel in der Bezeichnung eines bei
Concepciön del Bermejo wohnenden Stammes der Mataco-Mataguayo-Familie, der bald als
Matara, bald als Tonocote erscheint, findet damit seine Erklärung. Wir müssen uns hier
versagen, weiter auf die Frage über das "Verhältnis der altberühmten „Tonocote-Nation" zu
den Matarä des Bermejo, ein Problem, das zuerst HERväs^) zum Gegenstande seiner
Untersuchungen gemacht hat, näher einzugehen.
Der Name der Tonocote hat sich im 17. Jahrhundert verloren 5). Die Indianer dieses
Namens sind infolge der Bedrückungen durch die Spanier allmählich .stark zusammen-
geschmolzen 6) , der grösste Teil aber entzog sich der Herrschaft derselben , indem er mit
zahlreichen Lule-Indianern nach Norden zum Rio Pilcomayo wanderte ''). Vieles spricht
dafür, dass sich diese Wanderung an der Wende des 16. Jahrhunderts vollzog. Nach einer
alten Tradition S) freilich fällt diese Flucht an den Pilcomayo schon in die Zeit der Ankunft
der Conqui.stadoren. Wie dem auch sei: an sich bleibt das Faktum einer grossen W^anderung
bestehen. Wenn auch noch Lozano^) Tonocote am Pilcomayo und Yabebiri erwähnt und
in seinem Berichte über die Missionsreise des P. Osorio (1630) bemerkt, dass dieser Tonocote
am Oberlaufe dieses Flusses angetroffen habe, so blieben doch die Indianer, denen man im
16. Jahrhundert diesen Namen beigelegt hatte, im Innern des Chaco verschollen, bis erst
jetzt Pelleschi 10) jn dem Stamme der Noctene oder Notene, der heute zwischen Pilcomayo
und Itiyüro südöstlich von Caiza wohnt, die Tonocote der Conquista wiedererkannt hat.
Unter den schon wiederholt H) genannten, einst in der Nähe von Concepciön am
Bermejo hausenden Matarä, die bisweilen auch als Tonocote und Frentones bezeichnet
wurden, begannen bald nach der Gründung von Concepciön jesuitische Missionare, zuerst
') S.o. p. 13, 22. — Cf. HERväs, p. 164 if.
2) HERväs, p. 164 ff., 169. — de Angelis I. Indice zu Guzman, pp. XXXI, LXXVIII.
') Machoni, Piülogo, cit. nach HERväs, p. 166 ff., berichtet, dass bei Concepciön del Bermejo 60000
Tonoootd gewohnt hätten, del Techo, Lib. I, cap. 41 ff. u.a. erwähnen nur Matarä in dieser Gegend.
■•) HERväs, p. 168—171. — Ferner handelte über diese Streitfrage Juan Pelleschi, Los Matacos 5' su
lengua, Bol. XVII, p. .596 ff.
') LozANo, p. i96.
^) HERvds, p. 169.
') Macho.ni, Piölogo. — DE Angelis I, Indice zu Guzman, p. LXXVII.
») LozANo, p. 54; auch HERväs p. 167 und Adelung-Vatek. Teil III, p. 506 ff.
') - p. 174 f. — HERViis, p. 167.
'") Pellesciii, Matacos, Bol. XVII, p. 596 ff. — Sclion vorher hat HERvas, p. 167, die Tonocote des
P. OsoRio mit den alten Tonocote identifiziert.
■') S.o. p. 13 u. p. 31.
- 54 -
FoNTE und Angulo und dann BäKCENA und Aüasco, die der Gouverneur Alonso de Vera
von Tucumdn berufen hatte, das Evangelium zu predigen (1591), angeblich mit solchem
Erfolge, dass man den ganzen Stamm von 7000 Köpfen taufen konnte i). Ein grosser Teil
der Matarä lebte später impatroniert in Dörfern % Durch den Fall von Concepciön (1635)
wurde der Stamm zwar von seinen spanischen Schutzherren befreit, geriet aber bald mit
den von N und NO heranflutenden Guaikuni-Stämraen in Konflikt und wurde seitdem
mehr und mehr vom Bermejo weg in den Chaco austral abgedrängt 3). Die Patres Pastor
und Gerqueira berührten dort, 100 Leguas von Santiago del Estero entfernt, auf ihrer
Missionsreise im Jahre 1641 das Gebiet der Matara und fanden noch schwache Spuren
christlicher Gebräuche und Anschauungen bei ihnen vor 4). Schliesslich brachten die Abipön
den noch immer starken Stamm dem Untergange nahe 5). Seine Reste wurden im begin-
nenden 17. Jahrhundert in einem unter 28° 6' am Salado gelegenen Dorfe Matarä — der
Name der Stadt Matarä gibt dort noch heute von dem Stamme Kunde — angesiedelt.
Nach JoLis lebten 1767 daselbst 700-800 Matarä-Indianer, die der adeligen Familie
Ureyola tributpflichtig waren 6). Daneben gab es aber wohl noch „freie" Matarä, die in
einer von d'Orbigny 7) citierten Denkschrift von 1790 als Mabatara im südlichen Chaco
erscheinen.
Traten so die südlichen Zweige der Mataco-Mataguayo-Familie, die Tonocote und Matarä,
schon frühzeitig ins Licht der Geschichte, so gelangte dagegen von den Stämmen im
Innern des Landes am Bermejo und Pilcomayo erst viel später unbestimmte Kunde zu den
Spaniern. Leider sind die teilweise noch von Lozano benutzten Berichte der Jesuiten über
ihre Missionsreisen, die sie im 17. Jahrhundert weit ins Gebiet der Mataco-Mataguayo-Stämme
ausdehnten und deren ethnographischer Nebengewinn sicher nicht unbeträchtlich war, nicht
auf uns gekommen; sie sind jedenfalls wie so vieles andere, für die Kenntnis der einstigen
Völkerlagerung im Chaco wichtige Mateiial verloren gegangen oder bei der Ausweisung der
Religiösen vernichtet worden»). Es ist daher kaum mehr bekannt, als dass sich die Paloma,
Ojata (= Ocotäes?)9) und Churumata um den oberen Bermejo gruppierten lO).
In engere Beziehungen zu den Mataco-Mataguayo-Stäramen — zunächst den west-
lichsten, der Provinz Tucumän benachbarten Zweigen — kamen die Spanier erst infolge
der Feldzüge Ledesmas und während der kurzen Lehensdauer von Guadaloazar "). Im
Umkreise dieser Stadt nahe der Centa-Mündung hausten die Mataguayo, deren Name in
der Form „Mataqua" zuerst bei Pater Diego Torres (1608) Erwähnung findet i2). Angeblich
zählten sie zur Zeit Ledesmas 30000 Seelen i3). Nach der Vertreibung der Spanier missi-
I) DEL Techo, Lib. I, cap. 41, 42. — Machoni, Prölogo. — HEEvas, p. 164 ff.
•i) Lozano, pp. 89, 94.
3> _ n 196. — Cf. Pelleschis Karte im Bol. XVII.
*) DEL Techo, Lib. XIII, cap. 4, 5. - Lozano, p. 196 f. - Charlevoix II, p. 411. - Dobbizhoffeb
III, p. 122. - de Angelis I, Indice p. XXXI.
*) S o. pp. 18. .32. — DoBRizHOFFEB III , p. 10 ff. - Chaelevoix IV, p. 31.
e) Lozano, p. 194. - Jolis, p. 451. - HERvds, p. 168. - Adelung- Vater, III, 5U6 ff
') d'Orbigny p 191. Auch die Montaraces, die Lafüne Quevedo (Revista del Museol, 1890-91, p. 115)
auf einer Karte des Guillermo Araos (von wann?) fand, sclieinen Matani gewesen zu sein.
8) de Angelis VI, Diseurso preliniinar zu Matoeras, p. III.
9| Ojata-Ocotaes . s.o. p. 14.
1") Chaelevoix I, p. 2.52; IV, pp. 1, 245. - Bol. XVII. p. 619.
") S.o. p. 14.
'-) del Techo, Lib. III, cap. 28.
'3) - - Lib. VIII, cap. 15.
- 55 -
onierten zeitweilig Jesuiten bei den Mataguayo und erneuerten trotz ilii-er Misserfoige
immer wieder ihre Beliehrungsversuclie '). Wenn wir die sonst wenig al<tiven Mataguayo
in der zweiten Hälfte des 17. Jahrliunderts mit Macht nach W und SW dräno'en und
die Grenzstädte wie Jujuy und Esteco anfallen sehen, sodass sich die Strafexpedition
Amusateguis nötig machte^), so möcliten wir darin nicht so sehr eine spontane oder auch
in ihren Ursachen auf den Besitz von Pferden zurückgehende Expansion erblicken als
vielmehr die Folge eines Druckes, den sie von Seiten der Guaikurü-Stämme erfuhren.
Denn die östlichen Stämme der Mataco-Mataguayo lagen fortgesetzt mit den Toba im
Kampfe und zogen dabei meist den kürzeren, bis sich ihre Stämme der Nocten, Guisnay,
Choroti später mit ihren Feinden selbst verbündeten oder teilweise sogar mischten und
mit deren Hilfe ihre eigenen Stammesbrüder im Westen häufig bekriegten 3). Diese hatten
ihrerseits mit den Städten Salta, Jujuy, San Miguel del Tucuman und Santiago del Estero
seit etwa der Mitte des 18. Jahrhunderts Freundschaft geschlossen, waren als Arbeiter in
den Holzfällereien und Zuckerrohrplantagen tätig und bildeten übei'haupt als ein friedliches
Element von Ansiedlern die Grenzmauer gegen die „Indios braves" des Chaco 4). Die
Jesuiten machten Angehörige dieser westlichen Mataco-Mataguayo, besonders des Mataguayo-
Stammes im engeren Sinne, ausser in der bereits genannten 5) Toba-Mission San Ignacio de
Ledesma bei den Chiriguano in dei- Reduktion Nuestra Seflora del Rosario de las Salinas
ansässige). Die Franziskaner, denen seit 1767—68 die ehemaligen Jesuiten-Stationen an
dem östlichen Abhänge der Anden unterstellt wurden, fügten diesen im Jahre 1779 eine
weitere hinzu, Nuestra Seflora de las Angustias del Genta, wo Mataguayo- und Ve.joce-
Indianer Aufnahme fanden '). Als im folgenden Jahre Oberst Arias seine Expedition «) zum
Zwecke der Pazifizierung der Bermejo-Stämme unternahm, waren auch alle übrigen, längs
des Rio Berraejo wohnenden Mataco-Mataguayo bereit, in festen Ansiedelungen unter die
Katechese der Franziskaner zu treten 9). Damals waren schon gegen tausend Mataguayo
christianisiert 10); davon befand sich später eine grössere Anzahl in San Bernardo de Tobas
am mitteren Bermejo ii).
Wie einst die Bezeichnung Tonocote für eine Anzahl von untereinander verwandten
Einzelstämmen Anwendung gefunden hatte, so wurde im 18. Jahrhundert der Name der
den Spaniern in Tucumän zunächst wohnenden Mataguayo auf die nach Osten , also dem
Innern zu, wohnenden Stämme ausgedehnt, da die Jesuiten bald erkannt hatten, dass
diese und die Mataguayo Dialekte eines und desselben Idiomes sprachen i2). Die „Mataguayo-
Nation" der letzten Jahizehnte der Jesuiten-Herrschaft umfasste ausser den eigentlichen
') DEL Techo, Lib. XIII, cap. 24. - Chaelevoix IV, 30 ff. - HERvas, p. 164 ff.
-) b. 0. p. 14.
D'ORBirNY''T qk f^'^'^T' ^°^- -"^X^^VP- ^^^ ^- - '^"°^^^' Explorations dans l'Aui. du Sud, Paris 1891. -
DURBIGNY, p. 9o f. - Baldeich, Las Comarcas virgenes, p. '^60
VI, p.^*u.Tv°'p To' ^' ^^^' ~ ^'"^^' ^'''™' P' '■^- ~ MORILLO, pp. 6, 8. - CORNEJO, bei DE Angelis
' ') S. 0. p. 38.
. j 'l^^^^^^' PP- }6-i. 192. - Tamajuncosa, p. 51. - N. S. del Rosario (s. u. p. 68) lag unter 21° 50' s Br •
i. J. 176^ waren unter den 310 Bewohnern 100 Mataguayo- Indianer ■ '
7) lAMAJüNcosA, pp. 36, 51. — Über die Vejoce, s. u. p. 56
') ö. 0. p. lo.
») Arias, Diario, an vielen Stellen. — Matorras d 10
">) — pp 18 f., 33, 38. ' ^' '
") DE Angelis IV, Proeinio zu Garcia de Solalinde. — k o p 38
■) HERvas, p. 164. — Adelü.ng-Vater, Teil III, p. 493.
- 56 -
Mataguayo die Mataco, Abucheta, Hueshuo, Pesatupe und Imaca, Stämme, deren Identität
mit den bei del Techo und Lozano genannten Teuta, Agoya, Curumata (Cluu-umata) ,
Tainoa (Taynuyes), Paloma, Ojata, Tafii und Xolota meiirfach bezeugt wird i). Anscheinend
gingen fast alle diese Einzelbezeichnungen der — später von der Linguistik konstruierten —
Mataco-Mataguayo-Gruppe verloren, als die Jesuiten diese Gebiete verliessen, denn Cornejo
und MoBiLLO wissen nur von den Mataguayo auf dem nördlichen Ufer des Bermejo, den
Mataco südlich des Flusses und den Vejoce (Bejose) auf dem linken Ufer des Bermejo de
Tarija unterhalb der Centa-Mündung — wohl schon damals bis zum Itiyüro reichend —
zu berichten. Cornejo bezeichnet letztere, von denen wir einen Teil in der Franziskaner-
Mission am Rio Genta wiederfanden, bereits als Zweig der Mataguayo. Übrigens waren
die Stämme im Norden und Süden des Bermejo, obgleich verwandt, geschworene Feinde 2).
Ist es bei den bisher behandelten Mataco-Mataguayo-Stämmen nicht immer möglich,
sie im Laufe ihrer geschichtlichen Entwickelung auseinandei-zuhalten, so treten dagegen
die Malbalä stets als scharf umrissener Einzelstamm hervor. Dieser wenig zahlreiche, aber
sehr kriegerische Stamm, der während des ganzen 17. Jahrhunderts mit benachbarten
Vilela-Stämmen, besonders den Chunupi, in einem engen Bundesverhältnisse stand, war
durch die Überflutung des südwestlichen Chaco mit Guaikurü-Stämmen aus seinen alten
Sitzen am mittleren Bermejo vertrieben worden und zeigte sich deshalb den "Wünschen
des Gouverneurs Ubizar y Abespacochaga, der ihn 1710 bei Buenos Aires ansiedeln lassen
wollte, zunächst sehr gefügig 3). Aber auf dem Marsche dahin töteten die Malbala ihre
spanischen Begleiter und flohen in ihre Heimat zurück. Gleichwohl ist es später gelungen,
den grösseren Teil des Stammes in der Jurisdiktion von Buenos Aires ansässig zu machen *).
Weiterhin wird berichtet 5), dass schon vorher Malbalä-Indianer bei der Gründung von
Miraflores und Valbuena^) am Salado angesiedelt worden seien.
Es scheint, als ob die Jesuiten diesen Stamm irrtümlicherweise für nahezu erloschen
gehalten hätten', denn- nach HERvas^), dessen Angaben fast ausschliesslich auf die aus
Südamerika ausgewiesenen Missionare zurückgehen, existierten von den Malbala im Jahre
1767 nur mehr wenige Familien, die zerstreut unter Mokovi, Vilela und Mataguayo lebten
und deren Sprache angenommen hatten. Wenige Jahre später aber erfahren wir, dass
nicht nur unter den 400 christianisierten Indianern der Vilela-Gruppe, die sich haupt-
sächlich in der Reduktion Macapillo aufhielten, eine beträchtliche Anzahl den Malbalä
zugehörte 8), sondern dass es neben diesen Jndios mansos" auch noch freie Malbalä gab,
die zusammen mit Völkersplittern der Vilela-Ötämme das rechte Bermejo-Ufer oberhalb
San Bernardo, etwa unter dem 25. Parallel, inne hatten 9). Die MalbaUi, Chunupi und
Sinipe bildeten unter einem gemeinsamen Oberhaupte ein Ganzes lO), wie denn überhaupt
') JoLis. Karte: nazione Mataguaya. — Hervös, p. 164. - Adelung-Vatee Teil III, p. 493. — del
Tkcho Lib VIII, cap. 5. - Lozako, p. 77. — Huonder, MS., p. 388. - Waitz IH, p. 478.
-) MoRiLLO. pp. 11, 21. - Cornejo, pp. 27, 44 (1780). - S.o. p. b5
ä| Lozano, pp. 84, 85. - Chaelevoix IV, p. 236 ff. , , . ■, -.r i, i
•• - p 85 - Es ist über diese Malbalä am La Plata nichts beliannt, weder ob sie ihr VolkstiitB
noch längere Zeit erhalten haben, noch ob sie schon bald nach ihrer Ansiedelung ausgestorben sind.
*) DE AnctEIjIs IV, Proemio zu Gaecia de Solalinde.
6) S. u. p. 59.
') HEEVas, p. 175 - Auch Adelüng-Vatek, Teil III, p. 494.
8) Aeias, pp. 18 f., 33, 38. - Morillo, p. 16. - Coenejo (1790), p. 31. - S. u. p 61.
') Nach den Expeditionsberichten des Matorras, Arias und Coenejo, a. v. o. - b. o. p. lo. — uiese
Malbala zählten etwa 100 Krieger.
'») Abias (1780), p. 18 f. - MoRiLi.o (1780), p. 14. - Coenejo a<90), p. 20.
- 57 -
die schwachen Stämme des mittleren Bermejo zeitig zu einem Zusammenschlüsse hinge-
fülirt worden sind i).
Der Versuch, die Ausbreitung der Mataco-Mataguayo-Familie und die Vülkerlagerung
im südwestlichen Chaco für die zweite Hälfte des 18. Jahrhunderts festzulegen, ist mit
einiger Genauigkeit nur für die Stämme längs des Bermejo durchführbar. Für die Gebiete
im Osten am Pilcomayo muss auf die Möglichkeit einer Rekonstruktion der dortigen
Volkerverhältnisse von vorn herein verzichtet werden, da um jene Zeit die Kenntnis nur
dunkel oder überhaupt nicht bis dahin reichte.
Im Westen waren die Mataco-Mataguayo im allgemeinen — und der Stamm der
eigentlichen Mataguayo insonderheit — hineingelagert in die von den Quellflüssen des
Bermejo gebildeten Buchten zu Füssen der majestätischen Ostkette der Cordilleren, die
zugleich die Grenze gegen die unterworfene Aymarä-Quechua-Bevölkerung und das der
Kultur einbezogene Gebiet der Spanier bildete. Die Doctrina am Ledesma — wo Mata-
guayo zusammen mit Toba wohnten — sowie diejenige am Genta — wo Mataguayo und
Vejoce angesiedelt lebten — endlich diejenige von Salinas bezeichneten ohne Zweifel die
Peripherie der westlichen Ausbreitung der Mataguayo, wenn diese auch noch vereinzelt
bei Humahuaca, nördlich von Jujuj', genannt werden 2). Die Reduktion Nuestra Senora
del Rosario de las Salinas, in der sich neben Chiriguano auch Mataguayo vorfanden, war
wohl der Grenzort dieser beiden Stämme, die sich auf einer Linie von hier nach Osten bis
zum Itiyüro breit berührten 3). Die Toba des oberen Pilcomayo scheinen gegen den 22.
Parallel hin Nachbarn der Mataco-Mataguayo-Stämme gewesen zu sein. In dieser Gegend
fiel wohl im Jahre 1744 der Pilcomayo-Forscher Pater Castahaees der Rache der Mataguayo
oder Toba zum Opfer ■<). Beide Ufer des Rio Bermejo östlich der Wohnsitze der eigentlichen
Mataguayo bis hinab in die Gegend , wo später Esquina grande entstand , befanden sich in
ausschliesslichem Besitze von Mataco-Mataguayo-Stämmen ; und zwar wurde das rechte
Ufer eingenommen von den Mataco, die der Rio del Valle im Süden von den Lule-Vilela
trennte, und das linke bis zum Itiyüro im Norden ausser von den Vejoce von den Stämmen
der Mataco, Hueshuo, Abucheta, Pesatupe und Imaca, Stämmen, auf die seit der Verban-
nung der Jesuiten die Bezeichnung Mataguayo Ausdehnung fand. Von Esquina grande an
bis hinab nach der Mission San Bernardo (25° 30' s. Br.) teilten die Malbala die Uferland-
schaften südlich des Bermejo mit den kleinen und kleinsten Wildstämmen und Bruch-
stücken der Vilela-Gruppe 5), wie denn überhaupt der Grundzug der damaligen Völker-
verhältnisse am mittleren Bermejo eine weitgehende Zersplitterung ist, die zurückgeht
einmal auf die Völkerwellen der Guaikurii-Stämme, die von Südosten über diese Gebiete
dahingebrandet sind, und dann auf die Angriffe der Spanier und besonders auch auf die
Eingriffe der Mission vom Salado her. Auf dem nördlichen Ufer des Bermejo bis zum
Parallel von San Bernardo hinab überwogen entschieden die Mataco-Mataguayo. Zwischen
den Jahren 1767 — 80 scheinen sie die dort noch von den Jesuiten'^) genannten und auf
') LozANO, pp. 84, 399.
*) — pp. 55, 75 f.. 294. 399. — Matoreas, p. 9. — Arias. pp. 14, 15. — Jolis' Karte. — Huonder,
MS. p. 388. — Cf. die Angaben d'Okbigny's von 1839, p. 235.
') GuzMAN, p. 11. — HERvas, p. 164. — Tamajuncosa, p.51. — Karte des Giuseppe Jolis. — Ht;o.\DEB,
MS. p. 388. — Matorras, p. 29. — Arias, p. 14.
■*) DoBRizHOFFER III, p. 500. — Charlevoix VI, p. 125 ff.
') S. u. p. 59 f.
") So auf JoLis' Karte und im MS. IIuonders p. 388.
I. A. f. E. XVII. 8
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den Karten derselben verzeichneten Vilela-Stämme der Chunupi, Vacaa, Atalalä, Yecoanita,
Yooc und Ocole nach Süden über den Fluss gedrängt zu haben, denn Cornejo i) (1790)
bezeugt ausdrücklich, dass nur mehr Mataguayo im Norden des Bermejo sässen, und
MoRiLLO (1780)2) gibt an, dass das südliche Ufer dieses Flusses unterhalb von Esquina
grande von Westnach Ost von den Chunupi, den Ocole, Sinipe, Malbalä, Atalalä, Pazaines
und den eigentlichen Vilela eingenommen wurde. Im Ghaco central schlössen sich nach Osten
und Südosten hin an die Mataguayo an die Toba-Horde der Cocolote, ferner die 1780 noch
in ihren alten Sitzen wohnenden Pitalea oder Pitelaha, die wir als Pitilagä oder Pilaga
wenige Jahre später im Lagunendreiecke zwischen Paraguay und Pilcomayo wiederfanden,
sowie die später im Norden des Pilcomayo im Cliaco boreäl erscheinenden Enimaga (Inimacä)
und Machicuy (Muchicoi y Sotenahä) 3). Über die ethnische Stellung der Orejones („Ohren-
indianer") und Pelichoco*) zwischen Bermejo und Pilcomayo lässt sich Genaueres nicht
sagen ; möglicherweise haben wir in ihnen Zweige des vielästigen Stammes der Mataco-
Mataguayo zu erkennen. Wenn Pelleschi 5) für diese Gruppe eine einstige Ausbreitung
bis nahe an den Paraguay und bis übei- den Pilcomayo annimmt und Brintonö) sie gar
bis zum Paraguay selbst im Osten reichen lässt, so ist damit zugleich eine Zurückdrängung
und ein Überlagerungsvorgang mit jüngeren Schichten angedeutet. Dieser Prozess hat sich
teilweise erst in historischer Zeit abgespielt, und wir hatten schon mehrfach Gelegenheit,
auf ihn hinzuweisen ^). In seinen einzelnen Phasen liess er sich allerdings nur bei den
Matarä verfolgen, aber überall, wo Toba und Mataco-Mataguayo aufeinanderstossen , ist
seine fortdauernde Wirksamkeit noch heute zu beobachten »).
Die Mataco-Mataguayo-Stämme galten im 18. .Jahrhundert als eine der zahli'eichsten
Chaco-„Nationen" 9). Ihre Gesamtzahl, die sich noch heute auf ungefähr 20000 Köpfe
beläuft", wurde von den Jesuiten auf 12—14000 Individuen allein für die eigentlichen
Mataguayo geschätzt W). Dabei sei bemerkt, dass die von Lozano ") gelieferten Zahlen werte
deshalb unbrauchbar sind, weil bei seiner verwirrenden Nomenklatur ein unsei'en Mataco-
Mataguayo entsprechender ethnischer Begriff nicht zu konstruieren ist.
Wie für die Guaikurü-Stämme, so begann auch für die Mataco-Mataguayo gegen den
Ausgang des 18. Jahrhunderts ein neuer Abschnitt der Entwickelung, denn die west-
lichen Zweige traten damals in engere Beziehungen zur Zivilisation und Mission. Ihrer
Eigenart sind die „Matacos mansos" an der Gi-enze von Tucumän seitdem grösstenteils
verlustig gegangen, denn sie verdingen sich heute als Arbeiter in den Zuckerrohrplantagen
und als Vaqueros und Peones in den Estancias. Anders die östlichen Zweige: als „Indios
1) COENEJO (1790) p 25. „ „ ,„ n ,^r,ar^^ v>r. 07 QR A-t
2 MoKiLLO, p. 21. - Cf. Lozano p. 85. - Matoreas, pp. 6, 9, 10. - Cobnejo (1780) pp. 27 38, 44 -
MoRiLLO, pp. 9-17. - AEIAS, pp. 8, n, 14-18, 21 , 29. - C:oene.jo (1790), p. 4 f.. 17, 19 ff., .4 f., 27 ff.
31. - Gaecia de Solalinde, p. 4. - d'Orbigny, p. 191.
3) MoEiLLO, p 21. - JoLis' Karte. - S.o. p. 38 ff. - S.u. p. 62 u. 6H. , • , > ■
< - Diario pp 6, 9, 21. — Ein Stamm der Orejones begegnet uns im Ghaco noch emmal bei
der Xarayes-Lagune; um diese Orejones hat sich ein reicher Kranz von Sagen und Fabeln gebildet. Auch
den Orejones schrieb man peruanische Abkunft zu. Chaelevoix I, p. 136.
5) Pelleschi, Bol. XVIII, Karte.
") Bkinton, Linguistic Cartography, Karte u. p. 181.
') S.o. pp. 52, 54. ,_, „_ ,
«) Baldeich, Las Comarcas virgenes, Buenos Aires 1890, p. 260. - d'Oebigny, pp. 95 f.
') Abi AS, pp. 15 f. ,.,,.• mno
'») HuoNDEK, MS. p. 388. - Sievers, Süd- und Mittelamerika, Leipzig 1903.
") Lozano, pp. 52 f., 76. - d'Oebigny (1839), p. 236, hat die Zahl seiner „Nation Mataguaya auf
6000 Seelen gescliätzt.
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bravos" zwischen Bermejo und Pilcomayo haben sie sich ihre frühere Unabhängigkeit
bewahrt, wenn sie auch in jahrliundertelanger Fehile von den Toba, mit denen sich iiire
Stämme der Choroti, Noctene und Guisnai jetzt meist gemischt haben, viel erleiden
mussten i).
IV. Die I. ule- Vilela-Stämme.
Bei seinen Studien über die alten Indianersprachen der argentinischen Republik ist der
Linguist und Ethnolog Lafone Quevedo zu dem Ergebnisse gelangt, dass die bereits von
HERViis ausgesprochene Vermutung einer Verwandtschaft der Lule und Vilela, die sich
einst im westlichen Teile des Chaco austräl den Mataco-Mataguayo im Süden vorlagerten
und sich in einem nach Nordosten gerichteten Keil am mittleren Bermejo zwischen die-
selben schoben, auf Richtigkeit beruht 2).
Schon die Lage der Wohnsitze dieser Gruppe zwischen der Provinz Tucumän im SW
und den expansionskräftigen Guaikurü-Stämmen im 0 musste für sie eine wechselvolle
Geschichte bedingen. Dass dieser aber alle Züge von Heroismus fehlen, begreift man erst,
wenn man weiss, dass die Lule-Vilela nächst ihren Nachbarn im Norden die friedlichsten,
schüchternsten Indianer im Chaco waren , sodass die alten Historiographen ihre Ursitze in
Peru suchen zu müssen glaubten S). Daher die grossen Erfolge, die die Mission bei ihnen
stets gehabt hat.
Der Stamm der Lule, der in die vier Horden der eigentlichen Lule, der Isistine,
■Toquistine und Oristine zerfiel, wurde wie die Tonocote und andere Chaco-Indianer bereits
von den Conquistadoren in ihren Encomiendas in den Grenzbezirken von Tucumän kon-
zentriert und von den Jesuiten BäscENA, Moneoy, Viana und Solano evangelisiert, verliess
aber mit den Tonocote seine ihm zugewiesenen Dörfer am Salado und verschwand seitdem
aus dem Gesichtskreise der Spanier, bis er nach länger als hundert Jahren in den trockenen
Steppen östlich des mittleren Salado wieder aufgefunden wurde ■*). Von den Mokovi schwer
bedrängt 5), waren die Lule damals (1710) gern bereit, sich unter den Schutz der Weissen
zu begeben. Der Gouverneur Ueizar y Arespacochaga siedelte darauf den Stamm unter
den Mauern der Presidios von Valbuena und Miraflores am Rio Salado an und übergab
seine Missionierung den Jesuiten 6). Als aber die GuaikuriVStämme ihre Angriffe fortsetzten,
ging ein grosser Teil der Lule wieder zum schweifenden Leben über. Erst im Jahre 1752
kehrten die Lule in ihre alte Mission Miraflores oder San Esteban zurück; im Jahre vorher
hatten sich schon die Lule-Horden der Isistine und Toquistine in Valbuena oder San Juan
Bautista niedergelassen, während die Oristine verschollen blieben"). Von allen Doctrinas,
') ViviEN DE St. Martin, Dictionnaire de Geographie III, p. 715.
2) Lafone Quevedo. Los Liiles. Bol. XV, 1894: La lengua Vilela ö Chiilupf, Estudio de filoiogia Chaco-
Argentina. Bol. XVI, 1895. - HEEväs, Catälogo p. 175. - Die hier behandelten Lule (sog. Lule des P.
Machoni) sind nicht identisch mit den Lule am Cerro de Aconquija (Lule des BäiicENA)
ä) HuoNDEE, MS. p. 388. - Gakcilaso de LA Vega, Com. reales, Lib. V, cap. 36.
') S. 0. pp. 13, 22, 53. — Machoni (1732), Prölogo, (Cf. Bol. XVII, p. 588 f.). — Lozano, p. 89 ff. —
Chablevoix I, 309 ff. — Lafone Quevedo, Bol. XV. p. 193.
') S.o. pp. 14, 22, 35 f.
«) Chaelevoix IV, p. 250 ff., VI, p. 140 ff. - HEEvas, p. 171. - Bol. XVli, p. 588 f. - Damals
missionierte P. Machoni unter den Lule in Miraflores neun Jahre lang und schrieb eine Grammatik der
Lulesprache.
') HERväs, pp. 165, 171, 192. - .ToLis p. 528. — Nach Heevus war Oristine eine Selbstbezeichnung
aller Lule, die auf den Wanderungen vermutlich verloren ging.
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die die Jesuiten im Cliaco oder an den Grenzen desselben anlegten, waren diejenigen am
oberen Salado die volkreichsten i), wie überhaupt die Bekehrungserfolge unter den Lule
und Vilela sehr beträchtliche waren und diejenigen bei den übrigen Chaco-Stämmen bei
weitem übertrafen.
Die ersten Beziehungen der Spaniei' mit den Vilela datieren aus dem Jahre 1710, wo
ein Detachement die Ufer des mittleren Bermejo erreichte und dort mit Vilela-Horden
Frieden und Freundschaft schloss. Lange galten diese friedsamen, gelehrigen Leute, die
beständig unter den Angriffen der Guaikurü-Stämrae litten und sich nur im Bunde mit
den Malbala mühsam behaupten konnten , als Nachkommen von entflohenen christianisierten
Indianersklaven. Mit heiligem Eifer zerschlugen die Spanier und ihre fanatischen Priester
die geschnitzten und mit Kreuzen bemalten Ahnensäulen, die sich überall in den Rancherias
vorfanden und als Zeugnisse des Rückfalles in das Heidentum gedeutet wurden 2). Fünf-
undzwanzig Jahre später, noch ehe sich die Lule dauernd in Missionsorten niederliessen ,
wurde die Horde der eigentlichen Vilela zum grössten Teile nach dem Salado veipflanzt
und in einer Ortschaft San Joseph oder Petacas unter der Obhut von Weltgeistlichen
angesiedelt. Die Jesuiten, denen der Bischof von Tucuman im Jahre 1757 die Mission
übertragen hatte, verlegten vier Jahre danach diese Reduktion aus dei- Gegend von Moppa
(28" am Salado) weiter nach Norden auf das östliche Salado-Ufer (unter 27° s. Br.)^). Im
Jahre 1763 vereinigten sie weitere Vilela-Indianer, besonders die Horden der Pazaines
und Umuampa (Omoampa), die bis dahin auf dem Südufer des Bermejo unterhalb des
Sumpfes, den der Rio del Valle bildet, gewohnt hatten, in den zwei Missionsorten
Macapillo (oder Nuestra Senora del Pilai-) und Ortega (oder Nuestra Senora del Baen Con-
sejo). Aus den von den Jesuiten mit anscheinend grosser Sorgfalt geführten Statistiken
ist zu ersehen, dass sich im Jahre 1767 in jeder dieser beiden letztgenannten Stationen
gegen 200 Indianer aus den Vilela-Horden der Pazaines, Omoampa, Yeconoampa, Ipa und
Chunupi befanden, während in Petacas 656 eigentliche Vilela ansässig waren. Ausserdem
wird berichtet, dass die Einwohner der den Franziskanern unterstellten kleinen Ortschaft
Chipeona, 4 Leguas westlich von Cördoba, ebenfalls der Vilela-Gruppe zugehörten ■*).
Auf beiden Ufern des Bermejo — dabei das rechte mit den Malbala 5) teilend — von
Esquina grande bis nach San Bernardo schweiften die schwachen, zersplitterten Vilela-
Horden der eigentlichen Vilela, der Chunupi, Sinipe (Sivinipe), Yooc, Yecoanita, Ocole,
Vacaa und Atalalä.6). Die alten „Nationen" der Guamaica und Tequetes, die die Vilela-
Sprache redeten , waren bereits zu Herväs' Zeit infolge von Epidemien oder Kriegen unter-
gegangen oder lebten tiefer im Innern 7). Es ist schon erwähnt worden, dass es den
') Nach den Statistiken der Jesuiten vom Jahre 1767 (HERväs, p. 192; Jolis, p. 528; Huonder, MS.
p. 388, 390), waren die 550 bezw. 740 Einwohner von San Esteban (25^20' s. Br. am Salado) und San Juan
Bautista (25° 24' am Salado) sämtlich Christen — freilich wissen wir, dass die Bekehrung nur eine äusser-
liche, oberflächliche war.
■) S.o. p. 14. — LozANo, pp. 85 fr., 399.
') HERväs, pp. 178, 192. - Jolis, Karte. - Huonder, IVIS. p. 391.
■•) HERväs, pp. 173 f., 192. — Huonder, iVIS., p. 390 f. — Jolis, Karte. — Ortega lag nach der Karte
von Jolis auf dem Siidufer des Salado zwischen Miraflores und Valbuena, Macapillo - wo in den letzten
Jahren des Jesuiten-Regimentes Giuseppe Jolis unter den Pazaines missionierte - weiter im Osten dort,
■wo der Salado aus der Ostrichtiaig nach Süden umbiegt. Die auf den alten Jesuitenkarten angegebenen
Längen und Breiten sind durchweg ungenau.
') S. 0. p. 56 u. 57.
'^) HERvds, p. 174. — Huonder, MS., p. 388. — Jolis, p. 892; Karte. Alle diese Horden am Bermeio
umfassten nach HEEväs (p. 174) höchstens 1200 Köpfe. ?) Heevüs, p. 174.
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Anschein hat, als ob die Mataco-Mataguayo-Stämme die Viiela- Horden in den Jahren
1767—80 auf das Südufer des Bermejo zurückgedrängt hätten , denn dieses war durch die
Ansiedelung der Omoampa, Yeconoampa, Ipa, Pazaines und des grössten Teiles der eigent-
lichen Viiela frei geworden i). Zahlreiche Pazaines aus Macapillo mögen allerdings nach der
Wegführung der Jesuiten aufs neue in ihre alten Wohnsitze am Bermejo gezogen sein,
denn sie werden dort 1780 als Horde neben den übrigen Viiela- Wildstämmen wieder aus-
drücklich genannt 2). Auch Viiela aus Petacas hatten sich diesen wiederum beigesellt;
daher die Verdoppelung der Zahl der Indianer aus der Vilela-Horde im Jahre 1780 3).
An Stelle dieser Pazaines und Viiela abei' vereinigten die Franziskaner und Dominikaner
Chunupi, Sinipe und Atalala mit Malbala in den Salado-Missionen ■!).
Von diesen schon am Ende des 18. Jahrhunderts stark geschwächten Vilela-Horden
des Bermejo existieren, wie ein neuerer Chaco-Forscher, Juan Pelleschi S), berichtet,
heute nur noch geringfügige Reste, die, mehr oder weniger gemischt, als Chulupi oder
Viiela im Osten des Chaco central zwischen Toba und im Westen untei- Mataco ange-
troffen wurden.
V. Die ethnischen Verhältnisse des südöstlichen Chaco boreal
am Ausgange des 18. Jahrhunderts.
a) Vorbemerkungen. — Mit dem Chaco boreal betreten wir ein Gebiet, das für die
Völkerkunde noch jetzt ein völliges Neuland darstellt. Erst die Forschungen Guido Bog-
GiANis^), der nun leider vor kurzem wie so viele andere Chaco-Forscher ebenfalls ein Opfer
der Wissenschaft geworden ist, haben das über den Indianern dieser Regionen lagernde
Dunkel gelichtet und die für eine sprachliche Gruppierung nötigen Grundlagen geschaffen,
auf denen Lafone Quevedo 7) und Koch^) dann weiterbauten. Wir wissen jetzt, dass sich
heute von Villa Concepciön am Rio Paraguay aus eine familienhafte Giuppe von Stämmen
nach NW in den Chaco hineinzieht, deren einzelne Glieder die Toösle, Süjen (Suhen),
Lengua, Anguaite, Sanapanä, Sapuqui (Sapuki) und Guanä (del Chaco) sind, Stämme, für
die die frühere, irreleitende Bezeichnung Enimaga oder Ennima mit der historisch besser
begründeten Mascoy oder Maskoi vertauscht worden ist. Gerade bei dieser ganzen Frage
über die Maskoi-Gruppe hat sich der Nutzen historisch ethnischer Untersuchungen aufs
klarste erwiesen, denn es ist gelungen festzustellen, dass wir in den genannten modernen
Lengua, die schon jahrelang unter englischen Missionaren stehen, die Verwandten oder
eine Teilgruppe der alten Machicuy oder Mascoy Azaras, Aguirres und anderer alten
Autoren vor uns haben, nicht aber die Lengua des ausgehenden 18. Jahi'hunderts, wie
man lange geglaubt hat, ehe das erst vor wenigen Jahren wieder aufgefundene, im Jahre
') S. 0. p. 58.
") MOEILLO, p. 21.
^) — p. 21. — Diese Viiela zählten nach HEBvas (1767) 200 Individuen, nach Azara (II, 167) und
Aguirre (p. 469) allein 100 Krieger, also etwa 400—500 Personen insgesamt. Die Chunupi besassen eben-
falls 100 Krieger (Azara, Aguirre), und im Ganzen zählten sie 400 Seelen. Cornejo (1790) p. 5.
*) Arias. pp. 18, 33, 38. — Morillo p. 16. — Cornejo (1790) p. 31. — S.o. p. 56.
*) Boletin del Inst, geogr. Arg. XVI, p. 53.
«) Boggiani, Etnografia del Alto Paraguay, Bei. XVIII, 1897.
') Lafone Qüevedo, Progresos do la etnologia en el Rio de la Plata, Bol. XX, 1899, p. 48 ff., p. 63.
') Koch, Die Lenguas-Indianer im Oran Chaco, Globus 78, 1900, p. 235 ff. — Die Maskoi-Gruppe im
Gran Chaco, Mitt. der antliropol. Gesellsch. in Wien. XXXII, 1902, pp. 130—148.
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1793 von Aguirre in Asunciön verfasste Manuskript der Spracliforschung mit den Wörter^
listen einer Reihe von Chacospraclien zu Hilfe kam. Ein weiteres Ergebnis der modernen,
auf Aguirres synoptischen Wörterlisten fussenden Sprach vei'gleichung ist der JSfachweis,
dass die alten Lengua zusammen mit den Enimagä und Guentuse des 18. Jahrhunderts
einer gemeinsamen Sprachgruppe angehörten, wenn auch Azara selbst, der erste Erfor-
scher dieser Stämme, eine Verwandtschaft ihrer Sprachen geleugnet hat. Während aber
die heutigen Maskoi-Stämme mit den alten Machicuy-Mascoy in Beziehung zu setzen sind,
hegen hingegen die Schicksale der Lengua-Enimagä-Guentuse, die um die Wende des 18.
Jahrhunderts nur kurze Zeit hervortraten, völlig im Dunkeln, denn es gibt im Chaco,
soweit er uns bekannt ist, keinen lebenden Stamm, der diesen Lengua-Enimaga-Guentuse
sprachlich nahestünde.
b) Lengua. — Von allen Stämmen des südöstlichen Chaco boreäl hatte man um die
Mitte des vorvorigen Jahrhunderts nur geringe Kunde. Gewöhnlich i) wurden sie zusam^
mengefasst als „Lenguanation", da man aus dem fast allen Indianern dieser Gebiete
gemeinsamen Gebrauche eines eigentümhchen, eine zweite Zunge vortäuschenden Lippen-
pflockes auf eine ethnische Gemeinsamkeit schloss. Zwar sind, da dieser Lippenpflock im
La Plata- Becken eine äusserst weite Verbreitung hatte, die verschiedensten Stämme, wie
z.B. auch die Payagua, als Lengua, „Zungen-Indianer", bezeichnet worden, aber allmählich
war diese Bezeichnung bei langsamem Fortschreiten der Kenntnis von Land und Leuten
allein auf jenen Indianern haften geblieben, deren Sitze sich in dem mächtigen, vom
Paraguay und Pilcomayo gebildeten Winkel ausbreiteten.
Die aus den letzten Jahren der Jesuiten-Herrschaft stammende Handschrift 2) spiegelt
den damaligen niedrigen Stand des Wissens über die Lengua wieder, wenn sie von ihnen
nur zu sagen weiss: „Ihre Zahl ist nicht bekannt, noch wie viele Stämme zur Nation
gehören, noch ihre Eigenart, Gesinnung u. s. w.. Dass sie kriegerisch sind, beweisen ihre
häufigen Kriege mit den Nachbarvölkern und ihre räuberischen, feindseligen Einfälle in das
spanische Gebiet." Sie schweiften, wie auch Quiroga^) und HERväs-*) bezeugen, an dem
nördlichen Ufer des Pilcomayo und weiterhin nach Norden bis zum Yabebiri und bis zum
22. Parallel in die Nachbarschaft der Mbayä.
Von diesen einst mächtigen und stolzen Lengua existierten zur Zeit Azaras und
Aguirres (1793 — 94), die beide ihre Informationen über die Indianer nördlich des Pilcomayo,
vorzüglich über die bei ihnen zuerst genauer beschriebenen Lengua, Enimagä, Guentuse
und Machicuy, von Pater Don Francisco Gonzalez bezogen, infolge von Krieg, Krank-
heiten und der Gewohnheit des Abortierens nur noch 22 Individuen , von denen sich einige
unter den Schutz des P. Gonzalez begeben hatten, während die übrigen unter den Pilagä
und den Machicuy lebten, um der Bekehrung und Unterwerfung zu entgehen 5).
c) Enimagä. — In der Nachbarschaft dieser Lengua Hessen sich die Enimagä O) nieder.
') So nooh bei Quiroga (II, p. 7), dem MS. Huonders und Dobrizhoffek.
=) HuoNDER, MS., p. 389.
') Quiroga II, p. 7.
•*) HERväs, p. 185. — Auf JoLis' Karte erscheint zwischen Pilcomayo und Yabebiri eine „Nazione de Lenguas".
') .. por no cristianizarse ni sujetarse . . Aguirre, p. 469. — Azara II, p. 148 ff. — Adelung- Vatee,
III. Teil, p. 491 ff. — Diese von den Spaniern „Lengua" genannten Indianer bezeichneten sich selbst als
Juiadje oder Oujadje. Bei benachbarten Stämmen hiessen sie Cocoloth, Manapen, Cadalu, Quiesmagpipo,
Cochaboth.
') Aguirre, p. 468. — Azara II, p. 1-57. — Adelung- Vater, III. Teil, p. 491 ff. Die Enimagä nennen
sich selbst sowie die Lengua Cochaboth und heissen bei den Machicuy Etabosle.
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Dieser Staiiim hatte vorher am südlichen Ufer des Pilcomayo im Innern des Chaco central
gewohnt. In den „Inimacä", die dort im Jahre 1780 von Morillo i) als Nachbarn der
Pilaga , Cocolote und Muchicoi (Machicuy) genannt werden , möchten wir die Enimagä
AzARAS und Aguirres wiedererkennen. Azara berichtet von einer alten Tradition, nach
der die Enimagä in vorkoJumbischer Zeit die Mbaya in einer Art von Sklaverei gehalten
hätten, dass diese aber den durch Kriege dezimierten Enimagä entwischt und nach Norden
gewandert seien. Mit allen benachbarten Stämmen, ausgenommen allein den stammver-
wandten Guentuse und Lengua, lagen einst die äusserst kriegerischen Enimagä in Fehde,
wurden aber dadurch so stark geschwächt, dass endlich eine ihrer beiden Horden, nur
noch 150 Krieger stark, durch die Toba und Pilagä zum Verlassen des Landes gezwungen
werden konnte. Diese unfreiwillige Wanderung dei- Enimagä fällt wohl erst um das Jahr
1790, denn neben Morillos Zeugnis, der sie noch 1780 im Chaco central erwähnt, und
ferner neben demjenigen des P. Francisco Amancio Gonzalez 2), der sie noch 1789 als
Anwohner des Rio Bermejo nennt, geht aus den Worten Aguirres hervor, dass die Enimagä
damals (179.3) in ihrem neuen Gebiete noch nicht zur Ruhe gekommen waren. Dieses lag
im Chaco im Quellgebiete eines Flusses, der unter 24° 24' gegenüber der Ortschaft Guai'epoti
in den Rio Paraguay mündet S). Trotz der starken Verminderung ihrer Zahl durch Kriege
und Epidemien blieben die Enimagä ein äusserst feindseliger Stamm, der fortwährend auf
dem Kriegspfade wandelte *}.
Der Rest der anderen Horde dei- Enimagä, nur 22 Männer und eine entsprechende
Anzahl Weiber und Kinder, hatte sich in der Nähe von Asunciön in die missionarische
Obhut des P. Gonzalez begeben 5).
d) Guentuse. — Der mehrfach erwähnte Stamm der Guentuse oder Quentuse^) wohnte
einst in dei- Nachbarschaft der Enimagä im Chaco central und hielt mit ihnen so gute
Freundschaft, dass er sich bei der Wanderung derselben nach Osten anschloss und am
Rio Aguaray-guazü niederliess. Die Guentuse, Verwandte der Enimagä und Lengua, waren
f|-iedliche Leute, trieben etwas Ackei'bau und zerfielen in zwei Horden mit zusammen 300
waffenfähigen Männern.
Auf dem westlichen Ufer des Rio Paraguay waren dui-ch die schon im 17. Jahilumdert
beginnende und noch am Ende des achtzehnten anhaltende Bewegung der Mbayä nach
Osten und dann vor allem durch das Dahinschwinden des räumlich einst sehr ausgebreiteten
Stammes der Lengua weite Gebiete füi' die Aufnahme neuer Elemente offen geworden.
Ein breiter Streifen , der an dem Scheitel des vom Paraguay und Pilcomayo gebildeten
Winkels seinen Ausgang nahm und sich in nordwestlicher Richtung bis über den 22. Gi-ad
hinaus tief in den Chaco boreäl hineinzog, wurde in den letzten Jahrzehnten des vorvorigen
Jahrhunderts durch Zuwanderungen von Stämmen des centralen Chaco in Besitz genommen,
im Süden durch Pitilagä, Enimagä und Guentuse, im Norden, etwa nördlich des 24.
') MoRiLLO (1780), Diario, p. 21. — S.o. p. 40, p. 58.
-) P. Gonzalez, Brief an Francisco Aguiere, Bol. XIX, 1898, p. 471.
^) Azara II. 158. — Aguirre, p. 468. — Dieser Fluss, nach Aguirre ein Rio Verde, wurde von den
Eingeborenen Flagmagmegtenipela oder Etacanietguischi oder Tahaagui genannt und ist wohl mit dem
heutigen Rio Agiiaraj^-guazü , der lange als Arm des Pilcomayo galt, identisch.
•i) P.Gonzalez (1793) sagt von ihm: tiene guerra implacable con todas las naciones que hay bajo de! cielo.
*) Aguirre, p. 468. — Azara II, p. 158. — Anscheinend lag die Mission des P. Gonzalez gegenüber
von Asunciön.
^) Azara II, p. 159. — Aguirre, p. 469. — Adelung-Vater III, p. 491 ff. Auf Azaeas Karte finden
sich die Guentuse im Chaco central eingezeichnet.
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Parallels, durch die Machicuy, von denen die einzelnen Zweige der heutigen Maskoi-Gruppe
abzuleiten sind.
e) Machicuy. — Die Machicuy i) oder Mascoy hausten, wie Azara und Agüiree
berichten, an einem dem Pilcomayo von Norden her zufliessenden Flusse, den sie selbst
Lacta, ütugualacta oder Nelguata nannten 2). Nach Norden erstreckte sich ihr Gebiet bis
zu den Grenzen der Chiquiten 3). Die Einwanderung der Machicuy in den nördlichen Ghaco
erfolgte gleichzeitig und im Zusammenhange mit derjenigen der Pitilaga, Enimaga und
Guentuse. Noch 1780 sassen sie im zentralen Chaco, wo sie auch Azaras Karte ver-
zeichnet 4). Somit erscheint auch die von Langmantel 5) versuchte Identifikation der Mach-
kaisies Schmidels im Chaco boreäl oder in Hochperü mit den Machicuy hinfällig. Die nach
Hawtrey 6) unter den modernen sogenannten Lengua (Maskoi) westlich von Villa Concepciön
bestehende Überlieferung, dass sie aus NW gekommen seien, ist der Möglichkeit einer
ursprünglichen Abkunft der Machicuy aus dem zentralen Chaco keineswegs hinderlich,
denn die Machicuy-Maskoi haben sich tatsächlich in den letzten hundert Jahren weiter
nach Osten und Südosten hin ausgedehnt in das Gebiet, das einst von den Payagua, den
Enimaga und Guentuse eingenommen wurde').
Die Machicuy waren ein sehr volkreicher Stamm: er setzte sich aus 16 oder 19 Horden
zusammen und zählte insgesamt 80Ö bis 1200 Krieger. Jede Horde besass ein besonderes
Wohngebiet, doch unterstanden alle Horden, die bis auf vier oder fünf im Besitze von
Pferden waren, einem gemeinsamen Oberhaupte. Während aber die alten Machicuy ein
einziges Idiom sprachen, ist heute unter den Stämmen der Maskoi-Gruppe zugleich mit
der sprachlichen Differenzierung das Gefühl der Zusammengehörigkeit und selbst der gemein-
same Name Machicuy-Mascoy verloren gegangen »).
VI. Die Z a m u c 0.
Das rege missionarische Leben, das die Jesuiten für lange Zeit im Herzen Südamerikas
in den Llanos des Moxos-Landes bei Nu-Aruak-Völkern am Mamore, Guapore und anderen
Zuflüssen des Madeira sowie in den „Nuevas Misiones" 9) bei den Chiquiten zwischen
Santa Cruz de la Sierra und dem oberen Paraguay entfalteten , zog auch die Stämme des
nördlichen Chaco in seine Kreise: die Chiriguano und verwandte Tupi-Stämme, die Chane-
Guanä (Nu-Aruak, Mojo-Mbäure) und die Zamuco (Samucu).
In den Missionsberichten lO) aus den Nuevas Misiones wird in den ersten Jahrzehnten
') Azara II p. 154 ff. - Aguiere, p. 469 f., 501. — Adelüng-Vateb, Teil III , p. 498.
2) Nach P. Gonzalez an einem Rio Araguäy, der dem Pilcomayo zufliesse. Es handelt sich wohl um
den Rio Turbio oder Tinto der Spanier. „. . , , T^ , u -i ^
3) Die Zamuco (s. u.) galten als Zweig der Chiquiten in administrativer Hinsicht. Demnach berührten
sich die Machicuy und Zamuco tief im Innern des Chaco.
*) MoRiLLO, Diario, p. 21.
5) Schmidels Reise, hg. v. Langmantel, p. 94 ff. „„, . t , r ., ^v t *■■<■ f..
6) Hawteey The Lengua Indians of the Paraguayan Chaco, p. 294 in Journal of the anthrop. Institute
of Great Britain and Ireland, vol. XXXI, 1901. — H. war Missionar der Lengua.
') Lafone Quevedo, Progvesos, Bei. XX, p. 19.
8) Koch, Die Lenguas-Indianer, Globus 78, p. 235. », s.o. p. 21. . ,.« j. ^
'«) P Fernandez, Relaciön historica de los Indios Chiquitos, Madrid 1726. - Lettres ediflantes et
curieuses Paris 1717—22: pars XII, Etat des missions des PP. Jesuites parmi les Indiens de 1 Anierique
meridionale, appelles Clhquites: pars X, Abrege d'une Relation espagnole de la vie et de la mort du
P Cypeien Babaze, fondateur de la mission des Moxes. - Erbauliche Geschichten derer Chiquitos und
anderer bekehrter Völker, Wien 1729. — Chaulevoix I-VI, an vielen 0.
- 65 -
des 18. JiihilnuHierts ein Volk der Zamuco oder Samucu erwähnt, das im Süden dieser
den Jesuiten zur Missionieiung überwiesenen Provinz Chicfuitos, etwa zwischen dem 19.
und 21. Grade, im nördlichen Chaco wohnte und von den Horden der Zamuco, Ugarono,
Zatieno, Morotoco, Caipotorades, Imono, Tunacho, Cucutades und Timinahä gebildet wurde ^).
Für alle diese wurde der Name iler zuerst bekehrten Zamuco Gemeinbezeichnung. Trotz
mancherlei anfänglicher Misserfolge-) konnte bald ein Teil des Zamuco-Volkes in einer
Reduktion, San Ignacio de Zamucos^)^ mitten in dem noch heute fast unbekannten Chaco
boreäl von den .Jesuiten angesiedelt werden; Morotoco und andere Zamuco-Indianer waren
schon 1726 in der Chiquiten-Mission San Juan Bautista untergebracht). Schliesslich wurden
alle Zamuco mit Ausnahme der Horde der Timinahä bekehrt und — wohl wegen der ver-
heerenden Einfälle der Mbayä 5) — aus dem Chaco boreäl in das Land der Chiquiten im
Norden weggeführt, wo sie die Jesuiten in den Doctrinas Santo Corazön, Santiago und
San Juan Bautista ansässig machten und sich nach Kräften bemühten , sie zur Annahme
der Chiquito-Sprache und der politischen und sozialen Ordnung des Missionslebens zu
bewegen ^). Nur die heidnischen Timinahä blieben auch fernerhin im Chaco zurück ').
Allem Anscheine nach ist die Reduktion San Ignacio aufgegeben und verlassen worden.
Übrigens wurde auch die von den Religiösen mit der Verpflanzung des Zamuco-Volkes
angestrebte Sicherheit vor den wilden Angriffen der Mbayä keineswegs erreicht, denn diese
erschienen nach wie vor raubend und mordend bei den Zamuco und Chiquito und holten
sich Sklaven S). Diese ohnehin schwer bedrängten Zamuco-Missionen Santo Corazön, San
Juan Bautista und Santiago gerieten durch den Sturz der Jesuiten in völligen Verfall,
denn die eingesetzten weltlichen Administratoren beuteten die Indianer aus und bedrückten
sie mit hohen Steuern und Fronden 9).
Bei dem Kenntnisrückschritte, der für diese Gebiete der Vertreibung der Jesuiten-
Missionare folgte, hat man diese Missions-Zamuco und ihre Stammesbrüder im Chaco
gänzlich aus den Augen verloi^en, und man hat geglaubt, dass sie, ohne Reste zu hinter-
lassen, verschwunden wären. Zwar erkannte Boggiani ^O) die Übereinstimmung der Namen
der von ihm erforschten Ciamacoco (Chaniacoco, Schamakoko) und der alten Zamuco an,
0 HERvas, p. 162 ff. — HuoNDER, MS. p. 889. — Jolis, Karte.
-) Im Jahre 1718 wurde der Jesuit Alberto Romero von den Zamuco ermordet. — Dobrizhoffer III,
p. 499. — LozANo, Karte (1733).
^) Dieser Ort findet sich schon 1733 auf Lozanos Karte verzeichnet. Er lag (nach den Karten von
Chaelevoix und Jons) unter etwa 20° .50' s. Br. Cf. Charlevoix VI, p, 112 ff. — Vom Rio Paraguay lag
S. Ignacio 20 Leguas westlich.
■•) P. Feenandez. Relaciön historica, pp. 316. 371, 394, cit. nach Brinton, LinguisticCartography, p. 190.
°) S. 0. p. 44.
^) HEEvas, p. 162 ff. — HüONDEE, MS., p. 389. — d'Obbigny, p. 253. — Chahlevoix, V u. VI. a. v. 0.
") Auf Jolis' Karte wird das Gebiet der Zamuco bezeichnet als „Paese anticaniente abitato", es nuiss
also geräumt worden sein, worauf auch die Eintragung hindeutet: „Tribu de Zamucos oggi cristiani tia
Chiquitos". Die Timinahä zwischen 20° und 21°, im SO von S. Ignacio, werden bezeichnet als „non
ancora ridotti".
') DO Peado sagt: (p. 56) „Desde entäo foi que os povos de S. Cora^äo, S. Tiago e S. Joäo ficaram no
estado de abatimento em que hoje se veem ; as aldeas ermas, as casas reducidas a pardieiros, os campos
seni cultura: tudo, emflm , cm tal estado, que faz suppör a um viajante que aquella provincia acaba de
soffrer uma devorante peste, uma guerra de religiäo, ou alguni monstro, que com o seu corrupto halito
tem inflcionado tudo o que e criado sensivel."
') Viedma, Descripciön de la prov. de Sa Cruz de la Sierra, bei de Angelis III, §§453ff. , 521 ff. (1788).
'») BoGGiANi, I Ciamacoco, p. 466 ff. (Bell, della Soc. gcogr. Ital. Ser. IlL vol. VII, Roma 1894). —
BoGGiANi, Los Indios Chamacocos, in Revista del Institute Paraguayo, April 1S98. — Boggiani, Guaicurü,
in Mem. della Soc. geogr. Italiana VIII. p. 266, Roma 1898-99. — Boggiani, Etnografi'a del Alto Paraguay,
Bol. del Instit. geogr. Arg. XVIII, 1898.
I. A. f. E. XVII. 9
- 66 -
aber er hielt die Identität beider Stämme selbst für ausgeschlossen. Erst Karl von den
Steinen i) ist es dann gelungen , auf Grund einer in seinem Besitze befindlichen , alten
handschriftlichen Jesuiten-Grammatik der Zamuco-Sprachen überzeugend nachzuweisen,
dass das Zamuco enge Verwandtschaft mit dem modernen Chamacoco-Idiom zeigt und dass
die heutigen Chamacoco tatsächlich ein Zamuco-Stamm sind. Die Amerikanisten haben
daraufhin eine Sprachgruppe Samucu aufgestellt, die neben den Zamuco oder Samucu die
heutigen Stämme der Chamacoco, der Moro (Morotoco) und Tumanaha umschliesst 2).
Puerto Pacheco liegt in der Mitte des Gebietes der Chamacoco; nach Süden reichen sie
bis Fuerte Olimpo, nach Norden unternahmen sie früher ihre Streifzüge bis Coiumba,
kommen jetzt aber nur noch selten über Puerto Pacheco nach Norden hinaus 3).
Wenn die Zamuco zur Zeit der Jesuiten tief im Innern des Chaco wohnten, so zeigt
die soeben skizziei'te Verbreitung der heutigen Chamacoco-Stämme, dass eine Wanderung
der Zamuco-Chamacoco nach Osten an den Paraguay stattgefunden hat. Diese Bewegung
dürfen wir wohl mit dem allmählichen Verschwinden der gefürchteten Mbayä aus dem
Chaco boreäl in Zusammenhang bringen. Sie scheint bald nach dem Jahre 1767 eingesetzt
zu haben, denn 1803 lebten einige Hundert Chamacoco schon bei Fuerte Coimbra am
Paraguay angesiedelt ■*). Bereits im Jahre 1795 aber ist ein Stamm der „Xamacoco" dem
Portugiesen Rodeigues do PkadoS) wohlbekannt; obgleich sie von den Mbaya grausam
befehdet wurden, pflegten sie an diese doch schon damals, wie es noch 18-18 Cuyabaner
Akten — aus denen Karl von den Steinen ö) einige Angaben macht — berichten, ihre
Kinder gegen Beile und Messer, später gegen Pferde und Baumwolle zu verkaufen.
Mit Alcide d'Obbigny^) können wir die Stämme der Aguitequedichaga und Ninaqui-
guila vielleicht ebenfalls als Angehörige der Zamuco-Familie ansprechen. Erstere sassen,
höchstens 50 Krieger stark , nach Azara ») als friedliche Landbauer in festen Wohnsitzen
auf der niedrigen Sierra de San Fernando nahe des Rio Paraguay gegen den 18. Parallel
hin und galten wegen des von ihren Weibern geübten Gebrauches, die Ohren bis fast auf
die Schultern herabzudehnen, als Reste der Orejones des 16. Jahrhunderts, deren Ursprung
man in Peru suchte. Die Ninaquiguila oder Potorera hausten in mehreren Horden , ziemlich
zahlreich, in dem Walde, der sich zwischen dem Chaco und dem Chiquitenlande (18—19°)
ausdehnte und von ihnen niemals verlassen wurde. Beide Stämme wurden durch die
Sklavenjagden der Mbaya beständig dezimiert 9).
VII. Die Chiriguano oder Chiriguanä.
Die ganze westliche Hälfte des Chaco boreal sowie die im W und N angrenzenden
Gebiete der ehemaligen Präsidentschaft Alto Peru oder Charcas und der Provinz Santa
1) Karl von den Steinen: Die Schamakoko-Iiidianer. Globus 67, p. .325 ff., 1895.
2) Lafone Quevedo, Progresos de la etiiologia en el aüo 1898, Bei. del Inst, geogr. Arg. XX.
') BoGGiANi, I Ciamacoco; Etnografia del Alto Paraguay, Bol. XVIII, Karte.
■') Mautius, Beiträge zur Ethnographie und Sprachenkunde, I, p. 248. — Castelnau, Expedition, 11,
p. 397, 405.
*) DO Prado, p. 38.
«; Karl v. d. Steinen, Unter d. Naturvölkern Zentralbrasiliens, 1894, p. 548 L
') d'Orbigny, p. 253.
«) Azara, II, p. 81 ff. — Adelung- Vateb, Teil III, p. 4/3 f. ., • ^ v •. . n,v, • •
'■») S.o. p. 4.5. Nach Adelung- Vater (III, p. 474) lebten die Ninaquiguila jedoch mit den Mbaya in
freundschaftlichem Einvernehmen.
- 67 -
Cruz de la Sierra bis hinauf zum 15. Grade waren und sind grossenteils noch heute im
Besitze von Zweigen der weitverbreiteten Tupi-Famiiie, im einzelnen der Stämme der
Siriones, Guarayo, Guaranoca, Yanaigua, Palmares und Tapietes, vor allem aber der
Chiriguano. Schon im 17. und 18. Jahrhundert fielen diese Tupi den damals bei ihnen
missionierenden Jesuiten i) durch ihre enge Sprachverwandtschaft mit den Guarani, die
gleichfalls der Tupi-Gruppe angehören, auf, umsomehr, als sie im übrigen ein wildes,
fast nacktes Reitervolk, in Habitus und Lebensweise eher den Chaco-Stämmen glichen.
Für diese, bereits von Guzman-) beobachtete, bemerkenswerte Erscheinung sprachlicher
Zusammengehörigkeit bei gleichzeitiger weiter räumlicher Trennung suchte man frühzeitig
nach einer Erklärung, und man fand sie in einer grossen Wanderung von Guarani-Stämmen
nach NW. Dabei laufen zwei Versionen neben einander her. Der Geschichtschreiber
Perus, der Inka Garcii.aso de la Vega, berichtet, dass die Chiriguano im 15. Jahrhundert
nach NW gezogen und an den Grenzen Perus von dem Inka Yupanqui bekämpft worden
seien "^). Den Namen Chiriguano, nach Waitz*) vielleicht eine Kollektivbezeichnung aller
jener wilden Guarani, die in Peru eingebrochen waren, leitete man ab von dem Quechua-
Worte „chiriguan", das „frieren" bedeutet 5). Nach der anderen, weniger glaubhaften Tradi-
tion 6) haben sie ihre Wohnsitze in der Provinz Guayra am Alto Parana aus Furcht vor
der Rache der Portugiesen wegen der Ermordung ihi-es Landsmannes Aleixo Garcia ver-
lassen, der nach Guzman 7) schon 1-526 von Säo Vincente aus quer durch den Kontinent
bis Peru hin vorgedrungen sein soll.
Ausser diesen Tupi im NW wohnten einst auch am Ostrande des Chaco Angehörige
dieser Familie. Westlich des Paraguay, in der Gegend der Pilcomayo-Mündung, sassen im
16. Jahrhundert Guarani-Stämme, die aber von da bald verschwunden zu sein scheinen,
da sie schon die Hilfe des Alvar Nuhez Cabeza de Vaca anrufen mussten ^).
Wenn die Guarani, sesshafte Ackerbauer, niemals in dem Masse wie die Chaco- Völker
eine starke Widerstandskraft gezeigt haben, sondern überall, schnell unterworfen, mit den
Conquistadoren in enge freundschaftliche Beziehungen getreten sind, so unterscheiden sich
auch darin die stammverwandten Chiriguano des nordwestlichen Chaco von ihnen.
xVls mutiges und sehr zahlreiches Eroberervolk haben die Chiriguano schon der ersten
spanischen Invasion ihres Gebietes den heftigsten Widerstand entgegengesetzt 9) und sind
niemals von den Spaniern unterworfen worden, ebensowenig wie vorher von den Inkas.
Oft sind die Chiriguano, die unversöhnhchsten Feinde der Spanier, aus ihrem Lande
hervorgebrochen und haben in den Bezirken Chichas, Pilaya, Laguna und Sa Cruz de la
Sierra grosse Metzeleien verübt und zahlreiche spanische und indianische Niedei-lassungen
zerstört, u.a. die Städte Pilaya und Paspaya lO).
Die christliche Mission versuchte die Chiriguano schon im 17. Jahrhundert wiederholt
.) DoBKizHOFFER 1, p. 160. Gsographiaciies be:
-) Ctuzman I, p. u. <1< ü. Lsiuzi».
') LozANO, p. 57 ff.
■•) Waitz III, p. 41L
5) DE Angelis I, Indice zu Guzman, p. XXI.
<') LoZANO, p. 57. — DOBRIZHOFFEE I, p. 160.
') GüZMAN I, p. 15 ff.
«) Cabeza de Vaca, p. 135 ff.
") S.o. p. 12/13.
'") LozANo, p. 56 ff. — Chablevoix I. p. 262 ff. — Huoxder, MS. p. 390. — de Angelis I, Indice
p. XXI, LIV f.
- 68 -
zu bekehren, ohne aber jemals dauernd festen Fuss fassen zu können. Mehrmals wurden
die zu ihnen entsandten Missionare vertrieben oder erschlagen, aber mit einer Zähigkeit,
die Bewunderung verdient, gelang es den Jesuiten immer wieder, sich bei den Chiriguano
Zutritt zu verschaffen, zuletzt (ca 1730) mit Hilfe der Chiquiten und ihrer gefürchteten
Giftpfeile 1). Guevara 2) erzählt uns, dass sie, von den Religiösen mit dem ewigen Feuer
der Hölle bedroht, antworteten, sie würden sich dann dadurch zu helfen wissen, dass sie
die Kohlen von dem Feuer hinwegnähmen. Im Jahre 1734 kam es endlich zur Anlegung
der ei'sten Chiriguanen-Reduktion Nuestra Senora -del Rosario de las Salinas südöstlich von
Tarija, in der später auch Mataguayo Aufnahme fanden 3). Eine zweite Station kam ein-
unddreissig Jahre danach (1T65) in der Diöcese von Santa Cruz zustande: Santa Rosa*).
Die Franziskaner, in deren Hände das 150 Jahre lang von den Jesuiten betriebene und
vom „Colegio de Propaganda fide" in Tarija einheitlich organisierte Bekehrungsweik über-
ging, vermehrten die Zahl der Missionsdörfer bei den Chiriguano bald um das Zehnfache,
doch war, scheint es, in diesen Orten — die sich in einer Kette vom Rio Piray bei Santa
Cruz im N bis zu den nördlichen Quellflüssen des Bermejo im S längs der Cordilleren
hinzogen — immerhin nur ein kleiner Teil des Stammes untergebracht. Von Viedma (1788)
und Tamajuncosa (1799), die in drei Denkschriften ihre Informationen über die Franziskaner-
Missionen niederlegten, wissen wir, dass sich diese keineswegs in blühendem Zustande
befanden. Das Regierungssystem der Jesuiten mit der fast völligen Abschliessung nach
aussen und der absolut herrschenden Stellung des Patei's hatte auch bei den Gründungen
der Franziskaner Anwendung gefunden, und es besteht dort im allgemeinen noch heute fort 5).
Versuchen wir jetzt, die Ausbreitung der Chiriguano für die zweite Hälfte des vor-
vorigen Säkulums festzulegen !
Nach JoLis und Herväs waren sie über ein Gebiet verbreitet, das sich von Tarija im
W über 50 Leguas (ca 250 Km.) nach Osten und von Süden nach Norden über 100 Leguas
(ca 500 Km.) erstreckte 6). Über die Grenzen desselben erfahren wir folgendes: Nach Norden
reichte es etwa bis zum 17. Parallel und grenzte nach Nordosten hin an den Missions-
distrikt der Jesuiten im Chiquiten-Lande, während es sich im Süden, etwa unter 22° s. Br.,
bei Salinas, Itau und am oberen Pilcomayo mit demjenigen der Mataco-Mataguayo und
Toba berührte. Gegen Westen hin sassen Chiriguano bis in die Nachbarschaft von Chichas,
Pilaya, Laguna und Valle grande in festen Dorfschaften unter erblichen Kaziken ''). Die
Behauptung Viedmas, dass der Rio Parapiti die Ostgrenze ihres Landes gebildet habe,
dürfen wir nur für den Unterlauf dieses Flusses gelten lassen, wenn wir den im Innern
des Chaco boreäl mitunter als Tapui oder Tapiete bezeichneten , noch jetzt sehr volkreichen
Chiriguano mit Herväs und Jolis von Tarija aus eine Ausbreitung von fünfzig Leguas
') LozANO. p. 130, 27:3, 316, 323 ff. — Charlevoix I, p. 258, 341. — HerviIs, p. 144. — Fray Antonio
Tamajuncosa, Descripciön de las misiones, al cargo del Colegio de Nuestra Seüora de los Angeles de la
Villa de Tarya, pp. 11, 30 ff. (1799) bei de Angelis V. — Dobrizhoffee III, p. 498 f.: 1689 wurden die
PP. OsoRio und RiPARio, 1645 Romeeo und Fernandez und später Lizaedi ermordet.
■) Guevara, Historia del Paraguay, Rio de la Plata y Tucuman I, p. 33 bei de Angelis II.
3) HERvas, p. 143, 192. — S. o. p. 55.
■•) HERväs, p. 143. — Viedma, Descripciön de la provincia de Santa Cruz de la Sierra (1788), §§ 312,
323, bei de Angelis III. - Sa. Rosa lag nach Hervüs unter 17° 11' s. Br., 22 Leguas von Sfi Cruz entfernt.
') Viedma, s. Anm. 4, sowie a. v. 0. der Descripciön de las reducciones de los indios Chiriguanos, bei
DE Angelis III. — Tamajuncosa, s. diese Seite, Anm. 1.
") JoLis, p. 394. - HERvds, p. 143.
') Lozano, p. 130. — HuoNDER, MS. p. 388. — Viedma, Descr. de las reducciones, a. v. 0. — Tama-
juncosa, p. 3 f. — de Angklis I, Ind. p. XX.
- 69 -
nach Osten geben. Diese von uns gezeichneten Grenzen der Chiriguanen haben im grossen
ganzen noch heule ihre Giltigkeit; nur im Westen ist die bolivianische Indianergrenze bis
zu den Missionen auf den Vorbergen der Anden vorgeschoben worden ^.
Die Chiriguano galten im 18. Jahrhundert für die bedeutendste und angesehenste
Nation im westlichen Chaco. Die Angaben über ihre Zahl sind sehr schwankend und
bewegen sich mit der üblichen Übertreiliung und Übei-schätzung zwischen dem Maximum
von 41000 Waffenfähigen und dem Minimum von 15000 Kriegern-')- Der Wert dieser an
und für sich schon wenig zuverlässigen .Zahlenangaben wird noch dadurch geringer, dass
darin überall die innerhalb des Ghiriguanen-Stammes lebenden Chane 3) eingeschlossen
erscheinen.
VIII. Die Nu-Aruak-Stämme des Gran Chaco.
Die weitverbreitete, in überraschender Kontinuität ihres Vülkerzuges von den Küsten
des Antillenmeeres in südwestlicher Richtung bis zu den bolivianischen Anden nachweisbare
Nu-Aruak-Familie (Aruaco, Maipure) entsendet aus dem Gebiete der Mojo Mbaui'e-Stämme
(Nu-Aruak) am Mamore und Guapore zwei Zweige: der eine, nach Osten gerichtet, um-
schliesst die Pareci sowie Kabisi in den Quellgebieten des Tapajoz und Arinos und findet
in den Mehinakü und Kustenaü an den südlichen Xingü-Zuflüssen seine äussersten Vor-
posten. Der andere Zweig durchzog in weitem Bogen den nördlichen Chaco bi.s hinüber
nach Brasilien •*).
Die Nu-Völker des Chaco, von dei- Linguistik S) als nächste öprachverwandte erkannt,
erscheinen im 18. Jahrhundert unter den Namen Chane und Guanä, wobei im allgemeinen
als Guanä der Komplex de]- östlichen und mit Chane derjenige der westlichen Tribus
zusammen gefasst wurde. Sie zeigen, wie in mancher Hinsicht auch die Chiriguano, zu
den übrigen dortigen Stämmen stai'ke Gegensätze, durch die sie fast zu einem in den
Chaco eingelagerten fremden Elemente werden: sesshaft und friedlich, leben sie — soweit
sie nicht vorgezogen haben, ihre nationale Sonderexistenz aufzugeben — in festen, mit
Pallisaden geschützten Ortschaften und treiben intensiven Ackerbau. Sie verstehen sich
auf das Spinnen der Baumwolle und sind wie alle Nu-Völker ausgezeichnete Töpfer. Der
Brauch des Kindesmordes sowie Polygamie sind ihnen fremd, und die .lesuiten rechneten
es ihnen hoch an, dass sie weder Idole noch Götzenbilder besassen C).
Die beiden Nu-Stämme des Chaco, die Chane im W und die Guanä im Osten des
Chaco boreäl, wohnten innerhalb des Gebietes der Chiriguano und Mbayä und standen zu
diesen in einem Untertanen- und Abhängigkeitsverhältnisse, das örtlich und nach Form
') NussERrAspoET ; Die Stämme der östl. Indianer-Grenze in Bolivia, Globus 71, 1897 p 160 ff
-ncT ^' LozANo (1733), p. 59: 25—30000 Waffenfähige. — MS. 40-50000 Seelen. — Jolis (p. 394): 41000
Waffenfähige. — Gilij, Saggio di storia americana, Rom 1780, cit. n. HESvas, p. 148- 15-^0000 Krieger
in 160 Ortsehiiften. "
') S. den folgenden Abschnitt,
') Ehrenreich, Die Einteilung und Verbreitung der Völkerstämme Brasiliens, Pet. Mitt 1891 —
K. V. D. Steinen, Unter di.-n Naturvölkern Zentralbrasiliens. 1894.
») Lafone Qukvedo. Proyresos, Bol. XX, „Grupo Guana-Chane". Diese Nu haben nichts •jemein mit den
Maskoi-Guana oder den Chana-Timbu des imteien Paianä. - Guana = „Mensch" oder „viele Menschen"
(AzABA II, p. 86, Aguirke p. 471), nach Martius, Beiträge zur Ethnogr. u. Sprachenkuade II, p. 172, 788
eine Bezeichnung der Guarani, die eine Hochscliätzung ausdrückt, etwa „edles Volk", die Gelehrten"
«) Jolis, p. 511. — HEBväs, p. 191. -■ Hüonder. MS. p. 389.
- 70 -
verschieden war; während es bei dem Chane- Vollie völlig demjenigen zwischen Herren und
Sklaven, zwischen Siegern und Kriegsgefangenen entsprach, fand es bei den Mbaya den
Guana gegenüber ungleich mildere Anwendung, dergestalt, dass diese teils als Verbündete
mit annähernd selbständigen, geschlossenen Gemeinwesen, teils als Vasallen und Schützlinge
der Mbaya erscheinen. Die kriegerischen Mbaya pflegten ihre Weiber mit Vorliebe aus den
Stämmen der Guanä und Chamacoco zu nehmen, und so findet wohl auch die Erscheinung
ihre Erklärung, dass Weiber und Kinder der Mbayä teilweise ein etwas anderes Idiom als
die Männer i'edeten. Schon Schmidel i) weiss von einem Volke der Zchennte zu berichten ,
das wir nach der Lage seiner Wohnsitze für die Guanä-Chane halten müssen: „Sindt
baisailles (Vasallen) oder underthanen der Mayaiess, als hie zu landt die paurenn under-
thenig sindt irem herren". Auch in dem Stamme der Queanaes, der nach einer von
d'Orbigny-) erwähnten sehr alten Relation von den benachbarten Chiriguano unterworfen
und zum Bebauen der Felder gezwungen worden sein soll, möchten wir bereits die Chane
erkennen, die im 18. Jahrhundert als Kriegsgefangene der Chiriguano in besonderen Sklaven-
dörfern — nach ihnen Chanes genannt — angesiedelt lebten S). Wenn Lozano^) berichtet,
dass die Chiriguano ihre Sklaven „Chanos" nannten, so finden wir in dieser Bezeichnung
einen ethnischen Inhalt. Das Untertanenverhältnis des Chane zu dem Chiriguano kam
schon dadurch zum Ausdrucke, dass der Chane diesen als „cheya" = mein Gebieter,
bezeichnete, während er umgekehrt bei den Chiriguano „tapii" = Sklave hiess^).
Das wenige, was wir sonst von den Chane in diesen weltentlegenen Gebieten des
nordwesthchen Chaco wissen, hat ausnahmslos Bezug auf die Missionstätigkeit der Jesuiten
und Franziskaner des Collegiums von Tarija. Erstere scheinen sie schon im 17. Jahrhundert
gleichzeitig mit den Chiriguanen im Christentume unterwiesen zu haben, doch kam es erst
1714 zur Anlegung einer Doctrina in der Nähe von Santa Cruz, die — ihr Name war
San Juan de los Porongos — noch 1767 unter Weltgeistlichen fortbestand*^). Nur mit
schwerer Mühe konnten weitere Chane in den beiden Missionen Asero und Itl in den
Jahren 1767 und 1789 reduziert werden''). Ferner erfahren wir aus einem Berichte eines
Paters Pedro de Babtolome vom Jahre 1792 an Francisco Aguirre, dass die Bevölkerung
der Franziskaner-Station Filipili aus Chane-Indianern bestand, deren Stammesgenossen,
meist mit Chiriguanen vermischt, an den Grenzen von Chuquisaca und Santa Cruz hausten S).
Viedma9), cler 1788 die Chiriguanen-Missionen besuchte, fand im Dorfe Parapiti Indianer
der Chane und der Chiriguano unter der Katechese von Franziskanern zusammenwohnen.
Die Missionsarbeit unter den Chane musste notwendig eine Lösung des alten Abhängig-
keitsverhältnisses derselben zur Folge haben: in der Tat begannen sich seit der Mitte des
18. Jahrhunderts bei den Chane grosse soziale Umwälzungen vorzubereiten, denn sie strebten
sich aus ihrer Knechtschaft freizumachen ^^).
Reste der Chane haben sich anscheinend bis zur Gegenwart erhalten, denn neuere
') Schmidel, p. 88.
') d'Oebigny, p. 237.
") HuoNDEB,'MS. p. 388.
■•) LozANo, p. 58.
5) DE Angelis I, Indice p. XVII. — Brinton, Ling. Cart. p. 198.
<^) HERVils, p. 146. — S. J. de los Porongos lag 4 Leguas von S» Cruz entfernt.
') Chablevoix V u. VI, a. V. 0. — Tamajuncosa p. 4, 26, 28, 51.
*) Agüiree, Bol. XIX, p. 502. — Die genaue Lage alier dieser Stationen lässt sicli nicht angeben.
9) ViEDMA, Desc. y estado de las redueciones de los Indios Ohiriguanos, bei de Anüelis III, p. 181.
'0) JoLis, p. 394. — HEKvds, p. 146.
- 71 -
Chaco-Reisende haben den Namen dieses Nu-Stammes auf ihren Karten eingezeichnet i).
Wie im nordwestlichen Ciuico infolge der entgegenlaufenden Wanderungsrichtungen
der Tupi-Guarani und der Nu-Völker eine Durcheinanderlagerung der Chiriguano und Chane
stattfand, so durchdrangen sich nach Osten hin in den Guand weitere Angehörige der
Nu-Aruak mit den Mbayä-Guaikurü. In beiden Fällen lässt sich nicht mit Bestimmtheit
sagen, ob die Nu die ältere Schicht darstellen, aber man möchte fast vermuten, dass die
Einwanderung der Chiriguano und Mbaya erst nach derjenigen der Nu erfolgt sein müsse.
Abgesehen von alten Traditionen -') scheint dafür die Hörigkeit der Guanä und Chane
beweisend zu sein: auch anderwärts lässt sich vielfach die Beobachtung machen, dass die
zuletzt Zugewanderten sich im Besitze der Herrschaft über früher eingewanderte, ältere
Elemente befinden.
Die Guana sind bereits von den Conquistadoren bei ihren wiederholten Versuchen , vom
oberen Paraguay nach dem Goldlande Peru vorzudringen, flüchtig berührt worden. Von
allen Stämmen und Stammesnamen, von denen uns da berichtet wird, lassen sich allein
die Guanä oder — wie sie nach ihrer Eigenbenennung bezeichnet wurden — Chaneses
identifizieren. Die Wohnsitze der Chaneses-Guana lagen damals im nördlichen Chaco
zwischen 18° und 23° s. Br. und erstreckten sich nach Westen bis an die G]-enzen von
Peru 3). Da bei Cabeza de Vaca, der sie auch im Norden an der Einmündung des Rio
Cuyabä oder Rio Cheane in den Paraguay vorfand, wiederholt davon die Rede ist, dass
die Chaneses wie auch die Chii'iguano im Zusammenhange mit der Unternehmung des
Portugiesen Aleixo Garcia dorthin gekommen seien, so hat man bis in die neueste Zeit
herein — so noch Waitz und Brinton — die Chane-Guanä für einen Unterstamm der
Chiriguano, also für Tupi-Guarani, gehalten.
Die Nachricht bei Azaea*), dass ein grosser Teil der Guanä wie die Mbaya seit dem
Jahre 1673 nach Osten über den Paraguay gezogen und in die Sitze der Itatin-Guarani
eingerückt sei, kann sich nur auf diejenigen Horden beziehen, die seit jeher — schon
ScHMiDEL und andere alte Historiographen berichten uns davon — als Hörige innerhalb der
Stammesverbände der Mbaya lebten. Soweit dagegen die Guanä als Verbündete der Mbaya
noch in geschlossenen Massen lebten , dürften sie erst gegen die Mitte des 18. Jahrhunderts
hin und später ausgewandert sein. Denn ausser den Angaben Agl'ieres5), der diese Guanä
erst seit 1746 nach Osten in langsamem, durch Rückwanderurigen unterbrochenem Zuge
voi-dringen und sie auch erst seit dieser Zeit zu den Mbaya in ein bestimmtes, nach ihm
aber durchaus freiwilliges Bundes- und Dienstverhältnis treten lässt, haben wir die Zeug-
nisse der Jesuiten 6), dass die Guanä bis gegen Mitte des 18. Jahrhunderts in geschlossenen
Verbänden nur westlich des oberen Paraguay sassen. Dort hat sich auch wiedei'holt die
Mission versucht; sie ging aber ein, als die Guanä-Missionare Pedro Roiiero und Mateo
') Cardüs, Las misiones fianciscanas de Bolivia. Barcelona 18S6. — Thouar, Explorations dans
l'Amerique du Sud, Paris 1891. — Queracchi, £1 Colegio franciscano de Tarija y sus misiones, 1884 rCit
nach Brinton, Ling. Gart. p. 197 f.).
-) Die Chiriguano sollen aus SO gekommen sein, und die Mbaya sollen in alter Zeit von den Enimaga
im Chaeo central in Sklaverei gehalten worden sein. S. o. p. 63.
=•) Cabeza de Vaca, Ausg. Dominguez, p. 102 f.. 168, 191, 197, 202 f., 231 f.. — de Angelis I, Indice
p. XVII. — AzARA II, p. 86 ff. — Aguirbe, p. 471.
•>) Azara II , p. 86 ff.
>) Aguirre, p. 471 ff.
«) HuüNDER, MS. p. 380. — QuiKOGA II, p. 7. — JoLis, Karte: zw. 21° u. 22' s. Br. und 820° der Länge
westlich des Paraguay die Guanä oder Ghana. — HERväs, p. 187: zw. 20" und 22= s. Br.
- 72 -
Fernandez 1645 von umwohnenden Stämmen ermordet wurden. Über hundert Jahre später
erst, 1761, wurden die Guana aufs neue besucht und missioniert. Die von Pater Labrador
vorbei'eitete und von Manuel Duran ausgeführte Reduktionsgründung von San Juan Nepo-
muceno, von dei- man sich bei den guten Anlagen der Guanä grosse Erfolge versprach i),
musste jedoch bereits nach wenigen Monaten von den Jesuiten infolge der Verti'eibung
ihres Ordens wieder geräumt werden und verschwand bald völlig -').
Die Patres Camauo und Jolis haben zuerst den Stamm der Guanä in fünf oder sieben
Horden zerlegt, die im allgemeinen den fünfundzwanzig Jahre später von Azaha und Agüirre
gezählten entsprechen 3). Die Schätzungen , die wir über die Zahl der Guanä besitzen ,
scheinen samt und sonders übertrieben zu sein, doch geht aus ihnen immerhin hervor,
dass sie den Mbayä an Menge bedeutend überlegen waren 4).
Die zeitlich einander folgenden Angaben der Jesuiten, Azaras und AguirresS) gestat-
ten, die bei'eits oben ei'wähnte Wanderung der Guanä nach Osten und deren Ausstrahlung
über weite Gebiete jenseits des Paraguay in den einzelnen Phasen festzulegen. Besonders
bemerkenswert erscheint diese allgemeine, in den letzten drei Jahrzehnten des vorvorigen
Jahrhunderts vor allem zu beobachtende Bewegung der damals noch geschlossen wohnenden
Guanä deshalb, weil sie zeigt, dass die grosse Wanderung der Nu-Völker — deren südöst-
lichste Avantgai'de die Guanä darstellen — unter Innehaltung der füi' den südlichsten —
die Gruppe Chane-Guanä umfassenden ■ — Zweig der Nu-Aruak charakteristischen nordwest-
lich-südöstlichen Bewegungsrichtung bis weit an die Gegenwart heran angedauert hat. Als
Agüirre 1793 in Asunciön sein Manuskript niederschrieb, waren bereits sämtliche Guanä
mit alleiniger Ausnahme der kleinen Horde der Neguecagetemi oder Niguecactemic, die
unter 211/0° im Chaco zurückgeblieben war, auf das Ostufer des Paraguay gewandert 6).
Einige Jahre früher wohnten nach Azara ausser der eben genannten Horde die Ethelenä
und Equiniquinao noch zur Hälfte in den alten Stammessitzen. Die andere Hälfte der volk-
reichen Ethelenä hatte sich im Osten des Pai'aguay unter 21° s. Br. auf der niedrigen
Sierra Echatiyä, östlich der Nogona-Hügel ''), niedergelassen, während der andere Teil der
') HERväs, p. !88, nennt die Guana „naciön, qua es paciflca, döcil y trabajadora".
■) DoBHiZHOFFiiR I, p. 123 ff. — HEBvds, p. 188 f.; 192. — Huonder, MS. p.'391. — Aguieke p. 472 f. —
S. .1. Nepomiiceno, gegr. 1767, lag nach Jolis' Karte unter 22° 2' s. Br. und 320° 16' der Länge, also nord-
westlich von Belen, im Chaco boreäl; 1767 waren dort 600 Indianer ansässig.
Jolis, p. 511: Die Guanä
') CamaiIo.
p. 187 ff.
bei Hebvus,
Layana.
Echoaiadi.
Eterena )
Equiniquinao S
Ghana.
p. 511:
in 7 Ortschaften . deren
kleinste 1767 6000 Fers.
(!) zählte.
Lajana.
Echoaiadi.
^Vier Horden der Eterena
( od. Equiniquinao.
Neguecagetemi.
Azara II. p. 86 fif.
Layana-Equacchigo (1800).
Ghabarana-Echoaladi (2000).
Ethelenä (8000).
Equiniquinao (600).
Niguecactemic (300).
Echoroanä (zw. Mbaya).
") S.o. Aiim. 3.
Agüirre, p. 4i1 ff.
Layana (-500 Krieger).
Echoaladi-Echenoana (1000 K.).
Etelenoe od. Etelena (1000 K.).
Equiniquinao (600 K.).
Neguecagetemi (200 K.).
Zus. 3300 Krieger; dazu kom-
men noch diej. Guanä, die als
Hörige unter den Mbayä lebten.
30000 Seelen. — Azara:
.loLis: ca. 30-45000 Seelen. — Huonder, MS. p. .389
ca. 8000 Köpfe. — Agüirre: 3300 Krieger (S.o.) oder 8200 Köpfe (p. 474, 487).
*) Azara nuiss seine Beobachtungen über die Guanä früher als Aguibbe niedergeschrieben haben,
denn die Echoaiadi (s. u.) hatten sich zu seiner Zeit eben erst bei Caazapä niedergelassen. Azara II, p. 87.
") Aguirbe, p. 471 ff.
') Leider war es selbst auf älteren Karten nicht möglich , diese anscheinend mit indianischen Namen
bezeichneten Lokalitäten aufzufinden.
- 73 -
Equiniquinao wie die ganze Horde der Echoroand völlig innerhalb der Stammesverbände
der Mbayd lebte (incorpore). Übrigens erschienen solch hörige Guanä 1793 vor Coimbra und
stellten sich unter den Schutz der Portugiesen, um sich der Herrschaft der Mbayä zu
entziehen!). Später wohnten, wie Martius^) von Portugiesen erfuhr, Guanä auch am Rio
Amambahy und auf der Wasserscheide nach dem Corrientes-Apsi hin. Zwei Horden der
Guani'i, die Layana und die Echoaladi, schoben sich nach Südosten hin weit in das spanisch-
guaranische Gebiet der heutigen Republik Paraguay vor und lösten damit zugleich zu den
Mbaya alle Beziehungen ihres räumlichen Nebeneinanderwohnens. Die Layana, die einst die
südlichste Horde der Guanä im Chaco gewesen waren und 1767 — damals Chand genannt —
unter der Katechese der Jesuiten gestanden hatten 3), siedelten sich nördlich des Rio Jeju;^
unter 24° s. Br. an, und die Echoaladi fassten unter 26" U' im Zentrum von Paraguay,
in dem Berglande um Caazapa , festen Fuss 4).
AzARA'"') sah oft Scharen von 50—100 Guanä den Paraguay hinabfahren, die sich an
die Spanier bis hinab nach Buenos Aires verdingen wollten. Viele von ihnen Hessen sich
dann als ein friedliches Element von Ackerbauern dauernd in spanischen Ortschaften nieder 6).
Gerade die Mojo-Mbaure-Stämme haben sich, wie alle Ackerbauer am La Plata, der Kultur
leichter gefügig gezeigt als die schweifenden Jäger des Chaco, sind ihr aber auch ebenso
rasch erlegen. Die Layana und Echoaladi sind , rings umgeben von einem Gebiete spanisch-
indianischer Halbkultur, bald guaranisiert worden und leben anscheinend noch heute in
den Guayana oder Gualachen in Paraguay fort '').
Von allen übrigen Guanä des ausgehenden 18. Jahrhunderts haben sich nur einige
wenig zahlreiche Horden bis zur Gegenwart erhalten. Am Rio Miranda, dem Mondego des
18. Jahrhunderts, hausen die Guana und Tereno, die nach Boggiani s) mit der alten Ethe-
lenä-Horde identisch sind, und am oberen Paraguay sind in den lange irrtümlich für
Guaikurü erklärten Quiniquinäo (Kinikinau) auf dem Westufer zwischen Corumbä und
Albuquerque ebenfalls Nu-Aruak erkannt worden 9).
Zusammenfassung und Rückblick.
Wenn wir, noch einmal zurückschauend, die aus der Betrachtung der verschiedenen
Stamm esgruppen und der Darstellung ihrer historischen Entwickelung gewonnenen Einzel-
bilder zu dem Gesamtbild einer historischethnischen Landschaft vereinigen, so erscheinen
uns darin als ausgeprägteste Züge einmal der weite Komplex der Tatsachen, wie sie sich
aus der Berührung zwischen Weissen und Indianern und aus dem gegenseitigen Aufein-
anderwirken der verschiedenartigsten Kräfte kulturlichen und primitiven Lebens ergaben ,
sodann aber vor allem die fortwährenden Wanderungen, Pressungen, Schiebungen, Über-
lagerungen und sich beständig durchkreuzenden Völkerbewegungen und Völkerbeziehungen.
') DO Prado, p. 38.
-) Martius, Beiträge I, p. 236 ff.
=) HERväs, p. 189 f. — Adelung-Vater, Teil III. p. 474 ff.
*) AzARA II, p. 87 ff. - Aguirre, p. 471 ff.
') Azara II, p. 97.
6) Adelung- Vater, Teil III, p. 474 ff.
') Lafone Quevedo. Bol. XX, p. 64 ff.
«) Boggiani, Etnografia del Alto Paraguay, Bol. XVIII p. 620, 1897.
') Boggiani, Etnografia. Bol. XVIII. — Boggiani, Guaicurü, p. 252 f., in Mem. della Soc. geogr.
Ital. Vlir, 1898.
I. A. f. E. XVIl. 10
- 74 -
Die Geschichte der Chaco-Indianer äusserte sich , wenn wir es zusammenfassend ausspre-
chen, hauptsächUch in Bewegungen in weiterem Sinne; in ihnen mussten wir dort, wo
nähere Kunde fehlte, vielfach das einzige sichtbare Merkmal geschichtlicher Betätigung
überhaupt zu erblicken uns gewöhnen.
Für die Wanderungen selbst waren mannigfaltige Ursachen massgebend. Schon der
Boden des Chaco an sich , sein Wechsel zwischen Überreichtum an Wasser und Trocken-
heit und Unfruchtbarkeit, musste jahreszeitliche Oscillationen erzeugen, die sich dann,
im Verein mit den in den Chaco-Indianern wie in allen Steppen- und Ebenenvölkern
liegenden natürlichen Bewegungstrieben, ihrer Lust zu Raub und Eroberung, zu einer
aussergewöhnlichen , durch die Einführung von Pferden unter diesen Indianern während
eines Zeitraumes von hundert Jahren in ungeahnter Weise gesteigei'ten Expansionsfähigkeit
und zu einer ausgesprochenen Tendenz schrankenloser Ausbreitung verstärkten. Und
zugleich mit diesen innei'en Momenten gaben Anstösse von aussen immer wieder die Ver-
anlassung zu Verschiebungen und Verschmelzungen: durch die Kriegszüge, die Kolonisations-
bestrebungen und die von uns im einzelnen eingehender gewürdigte Missionstätigkeit der
Weissen sahen wir das Wohngebiet der Indianer besonders im Süden, Osten und Westen
eingeengt und an den Grenzen desselben mit einer Schicht domestizierter Indianer oder
Mestizen bedeckt werden. Da aber das Bild des Völkerlebens im ganzen die Züge dauernden
Wechsels trägt, so kann, zumal bei der Unzulänglichkeit der zu Gebote stehenden
Quellen, die Lokalisation der Stammesgebiete der Chaco-Bewohner und die Festlegung der in
einem Zustande fortwährenden Fliessens befindlichen Grenzen nur Anspruch auf annähernde
Richtigkeit erheben und im besten Falle immerhin nur für einen Moment dei- Wirklichkeit
entspi'echen.
Nach den voi'waltenden Richtungen dei- Wanderzüge können wir im Chaco zwei
Gebiete unterscheiden. Vom Bermejo her griffen seit etwa 16.50 die durch den Gebrauch
von Pferden erstarkten Guaikurii-Stämme der Abipön , Mokovi und Toba nach Süden und
Südwesten weit in den Chaco austräl vor, vertrieljen die Calchaqui nach Santa Fe hin,
rollten Angehörige dei- Mataco-Mataguayo-Gruppe wie die Matai'a gegen den Salado hin auf
und trieben die schwachen Stämme der Lule-Vilela-Familie der vom oberen Salado her dem
Heranfluten der Guaikurü zielbewusst entgegenarbeitenden Mission und Kolonisation in die
Arme. Diese ausgesprochene, nach Süden und Südwesten gerichtete Bewegung sahen wir
um die Mitte des 18. .lahrhunderts zum Stillstande kommen und bald dai'auf umschwen-
kend sich nach Norden wenden. Der Druck der über den Bei-mejo nach Norden zurück-
drängenden Guaikurü hatte im Chaco central anscheinend eine Stauung zur Folge, die
durch neue Stammeswanderungen ausgelöst wurde: die Richtung derselben aber ist eine
west-östliche im Gegensatze zu der süd-nördlichen Bewegungstendenz südlich des Bermejo,
die wir seit etwa 1750 beobachteten. Ausgenommen bei den Chiriguano, die aus NO oder
0 von dem Ausstrahlungszentrum der Tupi-Völker anscheinend schon in praehistorischer,
d. h. praekolumbischer Zeit nach dem nordwestlichen Chaco kamen und dort in verhältnis-
mässig sesshaftem Zustande verharrten , finden wir bei allen Stämmen des nördlichen
Chaco ebenfalls diese west-östliche Bewegungsrichtung wieder. Nu- Völker, wie die Chane
und Guana, wanderten schon zeitig aus dem Moxos-Lande im NW ein und bildeten, soweit
wir zurückzuschauen vermögen, einen breiten Streifen, der sich durch den ganzen Chaco
boreiil erstreckte. Die Mbaya, in denen man zusammen mit Toba, Mokovi und Abipön
die Chancas, die zur Zeit der Inkas weit im Westen an den Grenzen von Peru wohnten,
- 75 -
hat wiodeierkenneii wollen, siedelten seit der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts nach
dem Ostufer des Paraguay-Flusses über und verbreiteten sich nach Osten bis zum Rande
der Chapadil, wo sie auf Ges-Völker drängten. Im Zusammenhange mit dieser Auswan-
derung der Mbayä stand eine Ausstrahlung der Guana nach Osten und Südosten, die zur
Zei'reissung des Stammes geführt hat. Die durch das Zusammenschmelzen der alten
mächtigen Lengua und durch die Riiumung des rechten Paraguay-Ufers, wo vorher die
Mbayä und Guansi sassen, fi-ei gewordenen weiten Gebiete wurden bald durch Zuwander-
ungen neuer Elemente besetzt: aus Nordwesten her rückten die Zamuco-Chamacoco in die
ehemaligen Sitze der Mbayä und Guanä ein, während von Südwesten und Westen her die
Machicuy, die Enimagä und Guentuse, die Pilagä und Aguilot aus dem zentralen Chaco
einwanderten und sich in das Land der Lengua teilten. Zwischen Piicomayo und Bermejo
aber zeigten die Toba starke expansive Kräfte; sie besetzten nicht nur die früher von den
Aguilot und Pilaga bewohnten Sitze, sondern dehnten sich auch nach Westen zu auf
Kosten von Mataco-Mataguayo-Stämmen aus, die ihrerseits wiederum die schwachen Bruch-
stücke der Gruppe Lule-Vilela auf das Südufer des Bermejo beschränkten.
So erscheint uns der Chaco unter dem Gesichtswinkel universaler Geschichtsauffassung
als geschichtlicher Boden und als der Schauplatz eines reichgestalteten Völkerlebens, das
für uns an Mannigfaltigkeit noch gewonnen hätte, wenn nicht weite Strecken des mittleren
und besonders des nördlichen Chaco — Gebiete, deren Erforschung erst dem ausgehenden
19. Jahrhundert vorbehalten war — der Kenntnis des 18. Jahrhunderts verschlossen geblieben
wären. Einen Hinweis aber und eine Erklärung für dieses Vorwiegen der aktiven Kräfte
in der Geschichte der Chaco-Indianer versuchte eine Sage i) zu geben, die die Mbayä in
der Fülle ihrer Macht zu erzählen wussten : Allvater Tupa, der den Guaikurü erst schuf,
als er bereits alle übrigen Völker geschaffen und an diese alle Güter der Erde gegeben
hatte — Tupa habe dem Guaikurü eine Waffe geschenkt und durch den Vogel Caracarä
verkünden lassen, dass er ungesti-aft seine Nachbarn überfallen und deren Land weg-
nehmen dürfte.
Inzwischen hat, um mit den Abiponern Dobbizhoffers zu reden, der Mais viele Male
geblüht. Der Guaikurü und der übrigen Chaco-Indianer aber sind immer weniger geworden,
und die Zeit wird vielleicht nicht mehr fern liegen, wo auch sie für den weissen Mann
eine „Quantite negligeable" geworden sein werden. Mit der fortschreitenden Europäisierung
und Zivilisieiung der Erde scheint sich das Schicksal aller Naturvölker rasch vollenden zu
wollen. Hoffentlich gelingt es allenthalben rechtzeitig, ihren ethnographischen Besitz als
unersetzliche Dokumente für die Zukunft zu retten.
DO Pkado, Hist dos Indios Cavalleiros, p. 35. — de Angehs I, Indice p. VIII.
76
III. MUSEES ET COLLECTIONS. - MUSEEN UND SAMMLUNGEN.
I. Ethnographische Sammlung in Bern.
Wie vielerorts bildet auch in Bern die ethnogra-
phische Sammlung nicht ein selbstständiges Institut,
sondern sie ist ein Annex des Bernischen his-
torischen Museums und füllt den einen Flügel
des Erdgeschosses während der andere die praehis-
torisch-archaeologische Abteilung beherbergt, so dass
die berühmten Pfahlbausammlungen in der gegen-
überliegenden ethnographischen Abteilung ihre neu-
zeitlichen Parallelen finden.
Der Grundstock der Sammlungen für Völkerkunde
besteht aus Schenkungen und Depositen überseeischer
Landsleute, zu denen nun immer mehr systematische
Ankäufe, in erster Linie ebenfalls von aus der
Fremde heimkehrenden Bernern hinzutreten. Begin-
nen wir einen kurzen Überblick des vorhandenen
Materials mit Europa, so ist da vor allem eine
sehr gut ausgewählte Sammlung von Bosnien-
Hercegowina zu erwähnen , welche im Tausch gegen
Pfahlbauavtefakte vom Museum in Sarajewo erwor-
ben wurde.
Nicht schlecht ist Afrika vertreten: Nordafrika
erwartet allerdings erst gründliche Aufbesserung des
bisherigen Bestandes aus Marokko, dafür ist West-
afrika von Senegambien bis Kamerun ziemlich gut
repräsentiert. Eine gute Sammlung, namentlich
mit prachtvollen Mandingo-Lederaibeiten, stammt von
Französisch Guinea; dann ist von der Gold-
küste die Sammlung von Amuletten und Kultus-
gegenständen des Missionars Laedrach; von Benin
besitzt Bern leider nur eine jüngst erworbene frei-
istehende Gruppe und eine Glocke, hingegen sind
die bekannten Goldgewichte der Ashanti
in grösserer Anzahl (200) und guter Auswahl exakt
bestimmter Stücke vorhanden , welche die Grundlage
einer demnächst erscheinenden Publikation bilden.
Von Metallarbeiten sind ferner zu erwähnen einige
der gepunzten Messingplatten, welche aus Qu eis
Nupe stammend als old Calabar plates etwa
an die Küste kommen. Auch Dahome (Sammlung
Barth) und Nigeria sind durch gute Serien reprä-
sentiert. Von Kamerun sind ausser 2 Kanu-
modellen mit Schiffsschnäbeln (wovon der eine bei
Feobenius abgebildet), einige gute Masken, auch
Hörnermasken, besonders zu erwähnen. Am Schlimm-
sten stehts in der Abteilung Kongogebiet, wo
einige zufällig erworbene Beile nur eine schwache
Ahnung von der reichen Waffentechnik dieses Ge-
bietes geben können. Doch steht auch hier Zuwachs
in Aussicht.
Von Süd Westafrika ist gerade soviel da, um
von der eigenartigen Kultur der Herero und
0 V a m b 0 einen Begriff zu geben. Um so besser steht
es mit Südostafrika. Die Sammlung LtrscHEE,
welche das ganze Gebiet von der Delagoa-Bay bis
Mozambique umfasst und die erst durch eine
neuerliche Schenkung in erfreulicher Weise comple-
tiert worden ist, zeigt einen in Europäischen Museen
seltenen Formen-Reichtum jener Messing umspon-
nenen Waffen (Wurflanzen und Äxte). Deutsch-
und Britisch -Ostafrika sind wiederum unbe-
deutend, dagegen ist das obere Nilbecken in
einigen guten alten Sachen, die von S. Zuebuchbn,
einem Leibarzte Gordons herstammen, nicht übel
vertreten. Sie umfassen dasGebiet von der Gezireh
bis zu den Niam-Niam und Monbuttu. Endhch
sind in 3 Vitrinen vergleichende Gruppen afrikani-
scher Musikinstrumente zusammengestellt und an
der Südwand sind die ostafrikanischen Speere, Pfeile
und Bogen , sowie die afrikanischen Schilde in über-
sichtlichen Gruppen vereinigt worden, während die
übrigen Wände ob den Schränken für die Ausstel-
lung der Textilien, sowie für bildliche Dai-stellungen
(z. B. das MARTiN'sche Anthropologische Tafelwerk)
Verwendung gefunden haben.
Während Afrika in eigenem Saale aufgestellt ist,
sind Asien, Australien, Oceanien & Amerika in einem
grössern Räume, dem ersten beim Eintreten, ver-
einigt. Asien ist sehr ungleichmässig vertreten. So
fehlt fast ganz Sibirien, auch Vorderasien weist nur
Einzelnes auf; von Persien ist nicht viel Bedeutendes
da, hingegen zeigt Indien eine Serie guter, reich
geäzter Waffen sowie ein altes Bilderwerk, das noch
der nähern Bestimmung bedarf '). Diese Sachen sowie
ein reich geschnitztes Modell des Tempels von
Madura sind alle schon durch einen schweizerishen
Offizier in Diensten der Ostindischen Compagnie ,
Ende des 18. .Jahrhunderts nach Bern gekommen.
Hinterindien zeigt in dem wenigen, was vorhanden
ist, keine Besonderheiten; von China besitzt das
Museum eine kleine, meist von Missionar Kutter
herrührende Sammlung, die sich aber ziemhch
gleichmässig über alle Gebiete chinesischer Kultur
erstreckt. Wertvoll ist ein altes Rollbild mit Dar-
') Nach Prof. Grünwedel sehr charakteristische südindische Darstellungen aus dem Jugendleben
Krischnas.
- 77 -
stellungeil chinesischen Lebens, das vom Spital-
meistor Herport, der Mitte des 16. Jahrluindert
China besuchte und darüber eine „Ostindianische
Reissbeschreibung" veröffentlichte, mitgebracht wor-
den ist. In der japanischen Abteilung besteht
das Hauptstück aus drei vom Hohen Schweiz.
Bundesrat deponierten Rüstungen, die derselbe von
einer Gesandschaft, welche anlässlich der Umwäl-
zungen von 1868 Europa bereiste, als Geschenk
erhielt. Der übrige Bestand ist erst in diesem Jahre
durch einen grössern Ankauf guter Kultussachen
etwas gehoben worden und auch die japanische
Kunst ist dabei zu ihrem Rechte gckonunen, nicht
zum Mindesten in Folge einer reichen Schenkung
von Herrn G. Jakoby in Berlin, dem das Museum
eine gute Serie von Stichblättern und Inros ver-
dankt ').
Durch frühere und neuere Schenkungen und Ankäufe
ist die indonesische Abteilung in erfreulicher
Weise gewachsen und namentlich die malayische
Waffentechnik wird durch eine grössere Formen-
reihe von Krissen und Dolchen ordentlich veran-
schauhcht. Der übrige Kulturbesitz der holländischen
Kolonien ist noch etwas dürftig und herrscht das
kleine Modell zu sehr vor. Dagegen sind die Phi-
lippinen durch eine reiche Sammlung, namentlich
an Waffen gut repräsentiert.
Für Australien, das bis dahin gar nicht vertreten
war, ist erst jüngst durch Tausch die Erwerbung
einer kleinen Typensammlung möglich geworden;
Neuseeland zeigt einige alte Nephritgegenstände
der sogleich zu erwähnenden Sammlung Wäber, sowie
die FiscHER'schen Parafflnabgüsse berühmter Tikis.
Die Hauptstücke der Berner-Sammlung aber liegen
in der Abteilung Oceanien.
Hier besteht der Grundstock aus vier Sammlungen,
die alle noch der guten alten Zeit angehören. Da
ist in erster Linie zu nennen die Sammlung Wäber.
Es war dies der Zeichner, welcher Cook auf seiner
dritten Reise begleitete. Von ilmi stammt der schöne
und sehr gut erhaltene Federmantel, ein Federhelm,
sowie andere Gegenstände (Hand- Waffen & Schmuck)
von Hawaii. Dann prächtige alte Steinbeile und
Fischereigerätschaften von Tahiti, Flechtarbeiten
und Matten von den Freundschaftinseln, sowie
eine reiche Reihe alter Tapa von Hawai und
Tahiti. Ebenso die massiven Perlmutterschmuck-
sachen der Tahitier. Die ganze Sammlung wurde
schon 1791 der Stadtbibliothek geschenkt. Die zweite
ältere Sammlung verdankt das Museum einem Herrn
J. J. BiscHOPF, der in der ersten Hälfte des 19. Jahr-
hundorts in Manila lebte und 1859 seine Sammlung
dem Museum schenkte. Sie beschlägt hauptsächlich
Samoa, Alofi und Fidschi und zeigt nament-
lich einige schön geschnitzte Lanzen. Eine kleinere
aber ebenfalls gute ältere Sammlung aus Neu-
kai edonien ist ein Geschenk von Dr. 0. Lindt in
Aarau und endlich hat Prof. Tu. Studer, der seiner-
zeit die Gazelle-Expedition mitmachte, eben-
falls eine reiche Sammlung guter Sachen mitgebracht
wie die bekannten Keulen und die Potwalhalsbänder
der Fidschinsulaner sowie Waffen und Schmuck aus
Neuguinea und dem Bismarckarchi pel. Die
Studersche Sammlung aus diesen letzteren Gebieten
ist nun in diesem Jahre durch Kauf und Tausch
bedeutend vermehrt worden, so dass Neuguinea,
wenn wir von grossen Schnitzwerken absehen, für
ein Provinzialmuseum ausreichend vertreten ist.
Nach den Südsee-Reliquien bilden wohl die nord-
amerikanischen Indianersach on den wertvollsten
Bestand der Sammlung. Zunächst hat Wäber von
der Cookschen Reise auch einige gute Stücke
aus Nord Westamerika mitgebracht, dann gelang es
mit der Zeit die Sammlungen einiger Berner zu er-
werben, so dass die Wald- und Prärie-Indianer
(Canada, Ciamath, Sioux) namentlich was Kleidung
anbetrifft, gut vertreten sind. Zu erwähnen sind
speziell zwei grosse mit Pictographien versehene
Büffelfelle. Im Vergleich zu Nordamerika ist die
südamerikanische Abteilung mehr als ärmlich. Eine
mit Federn verzierte Hängematte, scuiptierte Cocos-
schalen, Bogen und Pfeile etc. sollen den Kulturbesitz
der Amazonasgegend repräsentieren. Argenti-
nien zeigt die obligaten Gauchoartikel, von Feuer-
land ist ganz weniges da, Chile hat etwas Schmuck.
Die altamerikanische Kultur der Westküste ist erst
in jüngster Zeit durch eine Serie von 40 Thongefässen
der Ghimü zur Darstellung gekommen.
iDie ethnographische Sammlung in Bern besitzt
demnach neben den gewöhnlichen übiquitäten eine
Anzahl von Gegenständen von hohem Werte, welche
dieselbe über den Rang eines blossen Curiositäten-
Kabinets herausheben. Da sie zugleich die bedeu-
tendste Sammlung der Schweiz ist, so ergibt sich
') Neuerdings wurde von Herrn Spörry, dem Verfasser des bekannten Werkes über den Bambus,
dessen Japan-Sammlung für frcs 5900.- angekauft. Dieselbe besteht aus auserlesenen guten Stücken und
umfasst cca 100 gute alte keramische Objekte, die wichtigsten Werkstätten repräsentierend; Lacke,
zumal Sakeschalen, diverse Ethnographica, 63 der auserlesensten Netsukes in Holz, Elfenbein etc.. und
endlich die Sammlung Stempel, welche als Grundlage für das, das Stempelwesen in Japan behandelnde
Werk des genannten Herrn gedient.
78 -
daraus von selbst die Forderung, die vorhandenen
Lücken nach MögHchlceit auszufüllen, so lange es
noch Zeit ist. Man muss anerkennen, dass die Auf-
sichtsbehörde dem dahinzielenden Bestreben der
engern Leitung dieser Abteilung in liberalster Weise
entgegenkommt; beläuft sich doch der Zuwachs von
1903 auf 800 Nummern. Zugleich wird die Samm-
lung jetzt neu aufgestellt und mit gedruckten Eti-
quetten versehen, welcher Modus nach den Erfahr-
ungen des Schreibers wohl etwas teuer zu stehen
kommt, aber für das Studium weitaus am besten ist.
Ein neuer Katalog wird mit der Zeit naclifolgen.
Bern, November 1903. Dr. R. Zellee.
VI. EXPLORATIONS ET EXPLORATEURS, NOMINATIONS, NECROLOGIE.
REISEN UND REISENDE. ERNENNUNGEN, NECROLOGE.
L t Dr. WiLH. Hein. In Wien starb am 19.
November 1908 nach längerem Krankenlager Dr.
Wilhelm Hein, Kustos- Adjunkt am K.k. naturhis-
torischen Hofmuseum und Privatdozent an der
Universität im 43. Lebensjahre. Er wurde am 7.
Januar 1861 in Wien geboren und besuchte dort
das Real- und Ober-Gymnasium auf der Landstrasse.
Schon damals zeigte er ein be-
sonderes Interesse für sprach-
liche Studien, was darin seinen
Ausdruck fand, dass er schon
in den letzten vier Gymnasial-
klassen die semitischen Kolle-
gien des Professors Dr. D. H.
Müller an der Universität als
ausserordentlicher Hörer be-
suchte. Nach abgelegter Maturi-
tätsprüfung war er in den Jahren
1881-1885 ordentlicher Hörer
der philosophischen Fakultät der
Wiener Universität, wo er haupt-
sächhch die semitischen Spra-
chen studierte; ausserdem nahm
er als ordentliches Mitglied des
historischen Seminars auch an
dessen üebungen, sowie an jenen
des germanistischen und geogra-
phischen Seminars teil. Am 22.
Juli 1885 wurde er zum Doktor
der Philosophie promoviert. Um
sich für sein spezielles Fach
weiter auszubilden, studierte er
in den .Jahren 1886-1887 an
der Universität zu Strassburgim
Elsass bei Euting, Nöldeke und HIjeschmann. Um
eine feste Lebensstellung zu gewinnen, trat er im
Oktober 1887 als Volontär bei der anthropologisch-
ethnographischen Abteilung des K.k. naturhistori-
schen Hofmuseums ein, wo er bald nach der Eröff-
nung des Museums im .Jahre 1889 zum wissenschaft-
lichen Hilfsarbeiter ernannt wurde.
Nachdem Hein sich mit dem gesammten Museums-
material vertraut gemacht hatte, wendete er seine
Dr. WiLH. Hein, in arab. Kleidung,
während seiner Arabien- Reise „Muhsin ben
Abdallah" genannt.
Hauptaufmerksamkeit den Verzierungsformen der
Völker mit primitiven Kulturen zu. Seine erste
selbstständige Arbeit erschien in den Mitteilungen
der Anthropologischen Gesellschaft in Wien. Bd. XX
S. 51—59: „Ornamentale Parallelen". — Dnnn
folgte im Bd. XXI S. 45—56 eine Arbeit unter dem
Titel: „Die Verwendung der Menschenge-
stalt in Flech t wer ken",
nachdem er schon frülier an der
grossen Arbeit seines Bruders
Professor Alois Raimund Hein
über die Ornamentik derDayak:
„Die bildenden Künste
bei den Dayaks aufBorneo
(Wien, Alfred Holder, 1890), u. A.
durch Bearbeitung eines sehr
wertvollen, zumal die malay-
ischen etc. Ausdrücke klar stel-
lenden Registers, regen Anteil
genommen hatte. Eine weitere
Folge dieser Studien war die
Herausgabe einer selbstständi-
gen, in den Annalen des K.k.
naturhistorischen Hofmuseums
in Wien erschienenen Arbeit:
„Zur Entwicklungsge-
schichte des Ornamentes
bei den Dayaks", im Bd. X
S. 94—114 (1895) sowie dieje-
nige über Indonesische
Schwertgriffe in denselben
Annalen Bd. XIV (1899) S.317—
358, in der er in mustergültiger
Weise die Verzierungen an den
Griffen der Dayakschwerter analisierte.
Hein hatte ein tiefes Ver.ständnis für die Volks-
seele; dabei hatte er eine gute Art und Weise, mit
dem Volke umzugehen und in nähere Beziehungen zu
ihm zu treten. Er verdankte dieser glücklichen Eigen-
schaft manchen tiefen Einblick in das Denken und
Fühlen des Volkes, welcher anderen, in dieser Be-
ziehung weniger günstig ausgerüsteten Gelehrten
versagt blieb. Auf seinen zahlreichen Wanderungen
- 79
in verschiodoncn Gegenden unserer Monarchie liatte
er immer ein aufmerksames Auge auf die Sitten,
Gebräuche und sonstigen geistigen Lebensänsserungen
des betreffenden Vollces, dessen charakteristische
Seiten er mit richtigem Blick lierauszugreifen wusste.
So entstanden mehrere seiner besten folkloristischen
Arbeiten, die er nach und nach an verschiedenen
Stellen publizierte und deren wichtigste sind: Die
Todtenbretter im Böhmerwalde, Mitth. der
Wiener anthrop. Gesellschaft Bd. XXI. - Die geo-
graphische Verbreitung der Todtenbret-
ter, Ibidem Bd. XXIV (1894) pg. 56-71. - Hexen-
spiel, Ein salzburgisches Bauernstück; in „Zeit-
schrift des Vereins für Oesterr. Volkskunde, TJalirg.
S. 43—53 & 74-79. - Hexennachspi II , Ibid.
III Jahrg. (1897) S. 168—176. - Das Huttier-
laufen, in Zeitschrift des Vereins für Volkskunde
zu Berlin (Jahrg. 1899) S. 109-123. - Eiserne
W eihef i gu ren, ebenda S. 324-26. — Die
Opferbärinutter als Stachelkugel, Ibid.
Jahrg. 1900, S. 420-26. — Das Prettauer
Faustusspiel, in „Das Wissen für Alle" I. Bd.
(1901) S. 681 ff. ').
Obgleich ihm diese folkloristische Richtung ur-
sprünglicli etwas ferne lag, so war das Kultivieren
derselben doch eine gute Vorschule für seine späteren
praktischen Arbeiten auf ethnologischem Gebiet und
hätte dies, wäre ihm ein längeres Leben beschieden
gewesen, noch manche schöne Frucht gezeitigt.
Mit richtigem Blicke hatte Hein bald erkannt,
dass es heute für den modernen praktischen Museums-
Ethnographen geradezu unerlässlich sei, die ver-
schiedenen ethnographischen Museen, deren Ein-
richtung und Material kennen zu lernen. So sehen
wir ihn denn alljährlich seine Urlaubszeit dazu be-
nützen, um sich auf derartigen Musealreisen die
nötigen Kenntnisse zu verschaffen. Er beschränkte
sich dabei niciit nur auf die grossen Museen, sondern
verschmähte es in der ihm eigenen gründlichen Art
und Weise auch nicht, die kleineren Sammlungen
des Landes, das er eben boreiste, kennen zu lernen,
die ja bekanntlich manche von der Allgemeinheit
noch weniger gewürdigte Perle enthalten. (Studien-
reise 1898: Museen in Bayern, Mainz, Frankfurt a/M.,
Holland, Belgien und Schweiz, in Annalen etc. Bd.
XIV 1899). Auch beteiligte er sich vielfach an Fach-
kongressen und an Fachausstellungen. So nimmt er
im Jahre 1886 an dem VII. internationalen Orien-
talisten-Kongresse in Wien, 1889 an dem VIIL Kon-
gresse in Stockholm, 1891 an dem IX. Kongresse in
London und 1899 an dem X. Kongresse in Rom teil.
Auf dem Kongiess in London erhielt er für seinen
Vortrag aus seiner Dissertationsarbeit über den Kha-
lifen Omar IL ein Diplom. Desgleichen besuchte er
im Laufe der Jahre mehrere der Kongresse der Deut-
schen Anthropologischen Gesellschaft (Wien 1^9,
Innsbruck 1894, Lindau-Bodensee 1899. Halle a/d
Saale 1900 und Metz 1901) und nahm an vielen der
von der Wiener Anthropologischen Gesellschaft ver-
anstalteten Exkursionen Teil, von welchen jene im
Jahre 1895 nach Bosnien und der Herzegowina be-
sonders hervorgehoben zu werden verdient.
Im Jahre 1892 beteiligte sich Hein an den Ar-
beiten der ethnographischen Fachgruppe der Wiener
Theater- und Musik-Ausstellung und wurde darauf
noch in demselben Jahre als offizieller Vertreter der
österreichischen Abteilung der Columbus-Ausstellung
nach Madrid gesendet, wo er während vier Monaten
verblieb und die österreichische Ausstellung instal-
lierte. Für seine Verdienste um diese Ausstellung
wurde ihm damals der Orden Isabella der Katholi-
schen verliehen.
In den Jahren 1893-1895 sehen wir den rastlosen
Mann wieder folkloiistisch tätig. Er besucht in dieser
') Ausser zahlreichen Recensionen neuer ethnologischer Erscheinungen, kürzeren Berichten über
Museen, seine Reisen etc., sei es gestattet noch folgende Arbeiten des Verstorbenen hier zu erwähnen:
Beiträge zur Ethnographie von Borneo. Intern. Archiv für Ethnographie IV (1891) pg ''85f -
Holzfiguren der Waguha, Ebenda, Suppl. zu Bd. IX (1896) pg. 13 f. — Die ethnographische
Ausstellung der St. Petrus Claver Sodalität in Wien. Ebenda Bd. XIII (1900) pg 16-> f —
Die Kopftrophäen der Jivaro's. Mitth. der Antluopol. Gesellsch. Wien Bd. XXIII (1893) (Heiv
löste hier durch scharfsinnige Untersuchungen das Rätsel der Erzeugung jener getrockneten Köpfe] —
Die Grotte Schweizorsbild bei Seh äff h ausen. In „Mitth. der'Section für Naturkunde -des
OesteiT. Touristenclub Jahrg. X (1898) N». 3. — Ein Beitrag zur Verwendung der Menschen-
gestalt in Dayakischen Flechtwerken, in „Veth Albuin" pg. 273 f. (Leiden 1894). — Da.s
Huttierlaufen in Rum bei Hall, Tirol, in Nachr. der Section „Austria" des Deutschen und
Oesterr. Alpenvereins. Wien 1898. — Zur Pflege des Volksliedes in den Alpen vereine n
Ebenda, 1899. — Armringe von Eibesthal in Niederösterreich und von Ukaniba in
Afrika, in „Mitth. anthr. Ges." Wien Bd. 28 (1898) pg. [.53 ff.]. — Tiroler Weisen in „Meraner
Zeitung" 1899 N». 33. — Das Musee du Congo in Tervueren in Mitth. K.K. geogr. Gesellsch.
Wien, 1899. — Der Schneider im Pongauer Perch tenla ufen in Correspbl. Dtsch. Anthropol.
Gesellschaft. München, 1899. — Mährische Marteln und rumänische Erin neru ncsk reuze
m „Zeitschrift des Vereins für Volkskunde", Berlin. 1899. - Zur Tätowirung der Sanfcaner in
Mitth K.K. geogr. Gesellsch. Wien 1899. 7?,.(f
- 80
Zeit die vielen kleinen tschechoslavischen Ausstel-
lungen in Böhmen und Mähren, welche zur Vorbe-
reitung der grossen ethnographischen Ausstellung in
Prag dienen sollten und studierte bei dieser Gelegen-
heit die slavischen Volksgebräuche. Aus diesem
Anlasse wurde ihm bei der erwähnten Prager- Aus-
stellung eine Anerkennungsmedaille zugesprochen.
Inzwischen war Hein im Jahre 1894 in seiner
Anstellung am Hofmuseum zum Assistenten vor-
gerückt, nachdem er noch in demselben Jahre im
Vereine mit Dr. Habeel.4NDT den Verein und
das Museum für österreichische Volks-
kunde gegründet hatte, von denen er sich jedoch
später nach mehrjähriger Arbeit wieder zurückzog.
Im Jahre 1901 avancierte er zum Kustos-Adjunkten
und habilitierte sich noch im gleichen Jahre als
Privatdozent für Ethnographie an der Wiener Uni-
versität.
Von seiner ferneren Tätigkeit ist noch zu erwähnen,
dass Hein in den Jahren 1891-1896 als Sekretär-
Stellvertreter, von 1900 an bis zu seinem Tode als
Erster Sekretär der Wiener Anthropologischen
Gesellschaft tätig war. Im Jahre 1894 wurde er
ins Redaktionskomite des Internationalen Ar-
chiv für Ethnographie gewählt.
Alle diese Arbeiten und Studien waren jedoch für
den unermüdlich tätigen Mann nur als vorbereitende
aufzufassen. Seiner wissenschaftlichen Hauptaufgabe
wandte er sich erst zu, als ihn die kaiseriiche Aka-
demie der Wissenschaften in Wien mit der Erfor-
schung gewisser südarabischer Dialekte betraute und
er Veranlassung- fand , selbst auszuziehen , um diese
zu erforschen. Am 3. Dezember 1901 trat er diese
Reise in Begleitung seiner stets an seiner Seite
wirkenden Gattin an , von der er nach Ueberwindung
mancher Schwierigkeiten und Pähriichkeiten am 19.
Mai 1902 glücklich zurückkehrte. Während dieser
Zeit hielt er sich 66 Tage lang in Gischin an der
südlichen Küste Arabiens auf, wo er trotz mancher
Hindernisse unausgesetzt sprachliche, ethnographi-
sche, statistische und geographische Forschungen
trieb. Als erste Frucht dieser Reise ist in den Mit-
teilungen der K.k. geographischen Gesellschaft in
Wien (1903, pg. 219-264) der Aufsatz erschienen:
„Ein Beitrag zur Statistik Südarabiens".
Für die Denkschriften der kais. Akademie der Wis-
senschaften wurden folgende Arbeiten vorbereitet:
Seine in Gischin aufgesammelten Texte von Mär-
chen, Erzählungen, Gedichten und Bräuchen, seine
ethnographischen Aufsammlungen, seine geographi-
schen Notizen u. s. w.
Zur vollständigen Ausarbeitung seiner auf dieser
Reise gesammelten wissenschaftlichen Resultate, die
auf einer bereits projektierten zweiten Reise nach
denselben Gebieten vervollständigt werden sollten,
sollte es aber leider nicht mehr kommen. Anfangs
Juli 1908 erkrankte er, nachdem er sich schon seit
längerer Zeit mühsam herumgeschleppt hatte und
musste sich legen. Ein schleichendes Übel hatte
ihn ergriffen, dem er mit seiner starken Willens-
kraft vergebens Widei'stand zu leisten versuchte,
bis er der tückischen Krankheit am 19. November
1908 erlag.
Hein war eine eigenartige, sehr selbständige Natur.
Wenn er einmal etwas als richtig erkannt hatte, so
verfolgte er mit seinem, mitunter an Starrsinn gren-
zenden eisernen Willen die ihm vorschwebende
Aufgabe und gab sich ihr mit vollem Eifer und
besonderer Gründlichkeit hin. Dies, sowie sein reiches
Wissen auf verschiedenen Wissenschaftsgebieten,
womit er dem behandelten Stoffe immer neue und
interessante Seiten abzugewinnen wusste, kamen
seinen Arbeiten, welche sich durch tiefe Erfassung
des Themas und erschöpfende Ausarbeitung aus-
zeichnen überall zu Gute. In der Erfüllung seiner
Museumsaufgaben war er stets von peinlicher Ge-
nauigkeit und Gewissenhaftigkeit, so dass die von
ihm verfassten Museumsinventare als Musterarbeiten
bezeichnet werden können. Sein frühes Hinscheiden
muss daher nicht nur für die Wissenschaft im All-
gemeinen, sondern ganz besonders für das Institut,
dem er 16 Jahre hindurch angehörte, als ein schwerer
Veriust bezeichnet werden. In diesem hat er sich
durch seine Arbeiten ein würdiges und unvergäng-
liches Denkmal gesetzt.
In See im Januar 1904. Franz Hegeb.
HET NJIRAMl
OK
DE JAARLiJKSOHE REINlGiNG VAN DE
ERFWAPENÖ EN ANDERE POESAKA'S
IN MIDDEN-JAVA
DOOR
Dr. J. G R O N E M A N.
Ondanks 't belijden van den Islam is de Javaan nog altijd animist, als zijn voorouders
uit den tijd van 't Hindoe'isme en 't Boeddhisme of van een nog veel vroeger verleden.
Dat ontwaart men telkens, als men dieper in zijn leven en zijn gewoonten tracht
door te dringen, dan bij een oppervlakkigen omgang als van meerdere en mindere, van
heer en dienaar, mogelijk is. Maar ook dan is de .Javaan lang niet altijd de mindere,
vooral niet in beschaving en wellevendheid.
Bij 't smeden van zijn gewijde wapens — ik weet geen beter woord dan dit, als men
niet van heilige v\'apens of erfstukken [poesäkä) spreken wil — leert men zien hoe hij
die voortbrengsels van zijn hoogen kunstzin als bezielde wezens behandelt. En dat
gebeurt evenzoo bij de plechtige jaarlijksche reiniging, 't njirami vooral van de als heilig
vereerde erfstukken, körissen en lansen en klankbekkens {gong en andere), ook die niet
meer als gamelan-m'ätYümenten gebruikt, maai" uit eerbied voor hun hooge v?aarde als
voorvaderlijke poesäkä's verzorgd worden.
Met den Javaan bedoel ik den man van 't volk, niet den veel meer maatschappelijk
of ook wetenschappelijk ontwikkelden man van opvoeding, priahi van geboorte of door
ambtelijke verheffing, of ook zonder adellijken of ambtelijken rang, maar die aan 't
animistische gelooven en denken van zijn landgenooten voor goed ontwassen is, ook al
brengt hij geen verandering in de voorouderlijke adat, en duldt hij dat zijn poesäkä's
behandeld, zijn edele wapens gesmeed worden, als zag hij zelf daarin nog bezielde wezens,
door goede en kwade invloeden beheerscht.
Ook de enkele körissen, die ik nog als gedachtenissen van nu reeds lang overleden
javaansche vrienden bezit — vier liet ik in 1890 in 't Rijks-Ethnografisch Museum te
Leiden achter — worden op dezelfde wijze behandeld en in dezelfde maand, de eerste
van 't arabisch-javaansche maanjaar, omdat ze daardoor goed onderhouden worden.
't Is de maand Soerä en bij voorkeur wordt daarvoor de dinä SSläsä-kliwon of , zoo die
in die maand niet voorkomt, de djoemoewah-kliwoii gekozen. Waarom? Er zijn er die
beweren dat de maand Soerä aan den oorlog herinnert waarin Hasan en Hoesein, de klein-
zonen van den profeet MoehammaüI), gesneuveld zouden zijn, wat geschiedkundig niet
') Ik volg de javaansche schrüfvvys.
I. A. f. E. XYII. 11
- 82 -
juist is. De wapens waren toen ook door bloed verontreinigd en werden daarom schoon-
gemaakt, maar dat is meer gebeurd in later oorlogen.
De seläsä- (Dinsdag-)MM'OW, de oud-javaansche anggära-kasih , wordt als een heilige
dag uit den Hindoe-tijd; de Y rij dag-kliwon daarentegen als een groote dag uit den tijd der
negen wali's [wali sängä), de eerste JsMm- predikers , ge6erd i). 'tGebeurt echter ook veel,
zooals bij de plechtigheid , die ik beschrijven wil , dat de bizondere redenen een anderen
dag doen kiezen.
Reeds in 1889, toen ik als kraton- of hofarts nog vrijen toegang in den kedaton, de
vorstelijke woning van Z. H. den Sultan, had, had ik Z. H. verzecht de jaarlijksche
reiniging in de eerstvolgende maand Soerä te mögen bijwonen en beschrijven, maar mijn
vertrek, in December van dat jaar, naar Europa heeft dat plan toen verijdeld.
Ik wist echter, dat die reiniging met groote plechtigheid geschiedde en dat de voi'st
zelf en alle daarbij tegenwoordige en medewerkende prinsen en edelen met de koeloeq, de
staatsie-muts , gedekt, en dus deftig gekleed waren, uit eerbied voor de heiligheid vooral
van de drie hoogste poesäkä ageng of groote erfstukken, de lans: kangdßng kjahi
ageng Plered, en de beide kerissen: k. kj. ageng Kopeq en de k. kj. ageng Betoq^).
Nu was ik onlangs, dat is op den 9 Maart van dit jaar, begonnen met het volgen
en bestudeeren van 't smeden van zulke wapens, en wel door den empoe of wapensmid
van 't huis Pakoe Alam, Karja di Krama, aan wien ik namens den Oostenrijkschen
Regeeringsraad Fr. Heger de vervaardiging van vijf kerissen had opgedragen, elk dezer
5 wapena versierd met een van de vijf oer-javaansche pamor's. Men moet zulk een
gelegenheid waarnemen, als men zoo iets zien wil, want die empoe's zijn arm, omdat hun
werk niet als kunst maar als handwerk betaald wordt en zij dus nooit uit eigen
beweging, maar alleen op bestelling arbeiden. Bovendien duurt het smeden van zulk een
wapen met immor-üguren geruimen tijd, minstens eenige weken (Vrijdags wordt niet
gewerkt), en wie geen tijd heeft om dien arbeid geregeld te volgen, leert dien niet
grondig kennen.
Nu heb ik op mijn ouden dag echter tijd genoeg voor onderzoek, en daarom besloot
ik tot een studie, die mij ongeveer een half jaar zal bezighouden, Indien ik die behoorlijk
tan einde zal brengen.
Maar Zondag, den 3den dezer maand (April), kon 't werk weder geen voortgang hebben,
omdat die dag gekozen was geworden voor de jaarlijksche reiniging der poesäkaa van
'thuis Pakoe Alam, en daarbij was de empoe de man; de deskundige, de onmisbare
medewerker.
Ook die reiniging had eigenlijk op Dinsdag-Ä/wow , den 29sten Maart, moeten geschieden;
maar toen kon 'twel reeds aangewezen, maar nog niet als zoodanig bevestigde nieuwe
hoofd van 't kleine vorstenhuis nog niet te Jogjäkartä terug zijn. Baden mas Soera Ardja,
de nog geen 23 jaren teilende aanstaande pangeran adipati, de opvolger van zijn in 1902
') De anggära kasih of gunstige of geliefde Dinsdag, wordt ook anggärä moelja genoemd, d.i.
de heerlyke of luisterrüke anggdra. De dubbele iiamen der dagen wyzen op 't samentreffen van
denzelfden dag der ze ven-daagsclie vveek (woekoe) met denzelfden dag der vyfdaagsche pasar- of markt-
week (pasaran, hgo-, pekenan), dus eenmaal om de 35 dagen. Anggdra is ook de Sanskrit-naam van de
planeet Mars.
2) Zie over deze drie hoofd-poesafcö's mtjn door 't Koninklijk Instituut voor de Taal-, Land- en Volken-
kunde van Ned.-Indie in 1895 uitgegeven werk: „De Garebeg's te Jogjakarta". bl. 58—60.
De q vertegenwoordigt de stomme k aan 't einde van een lettergreep of de Arabisclie hainza.
- 83 -
oveiieden vader, pangeran adipati Pakoe Alam VI, zou eerst de Hoogere Burgerscliool te
Semarang verlaten en niet voor Zaterdag, 2 April hier zijn, en dus werd de plechtigheid
tot den onmiddeliyic daarop voigenden Zondag uitgesteld, opdat de eerste belanghebbende,
'toieuwe hoofd van de dynastie, daaraan zou Itunnen deelnemen.
Daarom werd 'tnjirami dit jaar niet op D i n s d a g-Zcfew« , maar op Z o n d a g-Wwow
van de maand Soerä bepaald , en werd het mij vergund daarvan op dien dag getuige te zijn.
Er zijn echter veel meer erf-wapens dan op dien eenen morgen behandeld kiinnen
worden en daarom worden alleen de hoogste of meest gewijde op dien dag, de vele minder
hoog gehenden op den eerstvolgenden en de later volgende Donderdagen gereinigd, elken
keer een deel en dan zondor deftig ceremonieei, en dat gebourt dan alleen door den' gwooe
en enkele helpeis.
Om 8 nur werd ik door pangeran Nata di Rädja in de sewa tämä, de voorhal van
den dalem, de vorstelijke woning, ontvangen. Als alle andere prijahi'a was de prins in
deftigen Javaanschen dos gekleed, maar niet met den koeloeq, doch met den hoofddoek
(iM, hgj.: destar) gedekt en droeg hij den Mris (doetooeng , hoftaal : xoangkimgan) j-echts
achter in den gordel (sabceq, pmingset).
De hoogsten volgens gebeerte of ambtelijken i-ang, zaten in stVrt-houding op den met
matten (klcisä, hgj. gelaran) belegden verhoogden binnenvloer der pfndäpä; de minder
hooge edellieden op den lageren vloer van de omloopende emper; de pMgoeloe met zijn
ondergeschikte geestelijken en de overige, niet adellijke, volgelingen op de bloote aarde
onder de tratag of 't afdak.
Mij werd eerst een stoel in een der kamers van den westelijken zijvleugel aangewezen
en van däär zag ik allen naar achteren gaan , de hoogere gasten met den prins binnen
door 't hoofdgebouw ; de minderen buiten om, en weldra werd ook ik uitgenoodigd hen
naar binnen te volgen.
Natiiurlijk was ik, niet om den hoogen rang van den gastheer, dien ik als oudere
vriend en oud-huisarts gewoonlijk in 't wit bezocht, maar om de hooge waarde Aev poesäkä's
m gekleede zwarte jas gekomen. Ik wist dat ik daardoor den prins en zijn gasten aan-
genaam zou zijn en een blijk van takt zou geven. In den kedaton van den Sultan zou ik bij
'tremigen der poesäkä'^ in zvvaiten rok hebben moeten verschijnen, ook toen ik däär nog
als hofarts m gewone kleeding binnenkwam. Men bezoekt Z. H. nooit anders dan in een
rok, m umform (groot tenue) of in ambtelijk kostuum i). De hoogste erfstukken worden
trouwens, zoowel in den kraton als in den dalem van andei'e vorsten en gi'ooten hoo-er
gesteld dan de eigenaren zelf2). ' '^
Voor mij was een stoel met een klein tafeltje gereed gezet onder de tratag, die de
acitergalenj van 'tzuidelijke hoofdgebouw, de mädjä penganti, met d.e prähäjSqsa , de voor-
hal ^van Ae kapoeiren of de vrouwenwoning , 't noordelijke binnenhof of, juister nog met de
sewa rlngga de overdekte Vierkante open ruimte vöör ^praba^qsä, verbindt. De'steenen
vloer van deze ,exoa renggä was met matten belegd en daarop stond aan de westzijde een
klein laag tafeltje, dat met een stuk lawon of wit katoen overdekt was.
- 84
Vlak vöör mij stonden op den vloer van de tratag twee volledige stellen offergaven
{sadjen, hgj. sahosan an ladosan) gereed, 't eene voor den hoogstwaardigen keris {doetooeng,
hofj. wangkingan) , 't andere voor de eerste lans {toembaq, wahos of penoeroeng).
AI 't andere benoodigde stond buiten de sejoä renggfi en de tratag's, bezuiden 'tweste-
lijke gedeelte van de tratag präbajeqsä. 't Waren enkele gepaai'de honten
rakken [pläntjä) van den liiernevens geschetsten vorm , en kleine Vier-
kante tafeltjes, geli.jk aan 't reeds genoemde, maar hooger, benevens een
grootere en stevigere bamboe-bank of amben, en te midden van al deze
met wit katoen (lawon) overdekte voorwei'pen, bestemd om de poesrtA'a's
gedurende de bewerking op te nemen, stond de „gouden" pajoeiig,
de vorstelijke songsong keiitjänu, geopend op zijn geelkopei'en drievoet
.{pläntjä).
Op den grond stonden nogettehi'kenieu.vfepengaron'sendjembajtgan's
of aarden vaten, enkele met water gevuld , andere ledig, en twee of
drie metalen pPdoepan's of wierook-komforen , wier houtskolenvuur {geiti areng) door middel
van eenvoudige waaiers van gevlochten bamboe-reepen (tepas) in gloed gehouden en met
wierook-hars {nmijan, hgj. seid) bestrooid werd i).
Ook dat reukoffer gold äe poesäkä's of juister, de goede geesten die hen bezielden, de
demit's en de dewä's of de door dezen met de bewaking er van belaste danjang's of schuts-
geesten. En de sembaJt , de eerbiedige groet der opgeheven plat-saraengevouwen banden ,
waarmede allen de poesäkä's naderden, was ditmaal alleen aan hen gewijd en niet aan
den persoon van den eigenaar, den jeugdigen vorstentelg, of van zijn prinselijken oom
en voogd.
De open ruimte , die al deze voorwerpen bevatte , was in 't westen begrensd door een
steenen gebouwtje, de bandjar-wangoenan , op den vloer van welks voorgalerijtje (de
emper) een derde sadjen aangerecht was, ten l)ehoeve van de beide oude gong's en nog
twee andere bronzen klankbekkens, die niet meer, tenzij bij uitzondering, om den klank
te onderhouden, als 5ram("?a«-instrumenten bespeeld worden.
Op en bij de tafeltjes werden half doorgesneden lemmetjes {djeroeq 2}tijel, Citrus
limonellus Hasskakl), aan bamboepennen gestoken, en paardeharenborstels en penseelen
{sikat) met bamboe of van touw gevlochten handvatten, een paar scheppers {siwoer),
gesteelde batoq's of krambü- (keläpä-) of kokosdoppen en een of meer platte bakken
(nampan) vol kawoel of bamboeschraapsel gereed gehouden en op de tafeltjes stonden ook
nog eenige witte kommetjes met enkele stukken rattekruit {warangan).
AI dat vaatwerk moet nieuw zijn en mag wel nog voor hetzelfde doel voor andei'e
poesäkä's^ maar dan ook voor niets andei's meer gebruikt worden, maar wordt daarna
vernield.
De sadjcn's bestonden uit verschillende gerechten en vruchten , alle , behalve de kegel-
vormige ioenipeng's rijst en de aarden kmdi'^ of kruiken met water, met stukken pisang-
blad (godong gedang., hgj: dahon of oedjmngan pisang) bedekt. Bij elk stel brandde een
kleine dijan of dilah., een oliepit (soemboe) van kapoeq of boomwol, in een klein aarden
schaaltje (tßlaipaq grabah). De vele lekkernijen, die, nadat de geesten de sari er van
') Sel& (iets anders dan stilä) is ook 't lioogjav. woord voor steen en voor klontjes suiker, die evenals
de hars op steen geljjkt.
- 85 -
genoten zuUen hebben, door den nnpoe of wapensmid en anderen naar huis medegenoinen
worden, zai ik later noemen.
Vöör de bandjar wangoenan zat de pmgoeloe op 't zand met zijn kHib's en modin'a en
andere dienende geesteli.jken, die de vevtrekken, waar de poesäka'ü bewaard werden, moesten
Stoffen of aanvegen {njajMe). Tussclien de pläntjcVs en tafeltjes waren de prijahi'a (edelen
en ambtenaren) en abdi's dalSm (onderdanen) op den grond gezeten, en onder hen de Smpoe
of wapensniid, Karjä di Krämä, die als eerste abdi dalhn of mantri evenals de andere
aöf/fs de geie sai)n7- ^) om den iiais droeg en den khis in den gordel.
Raden mas Soera Ardjä en pangeran Natä di Radjä waren naar binnen gegaan om
de iioogstwaardige wapens uit liun bergplaatsen , in de binnenruimte van de präbäjfiqsä,
naar buileii te brengen en de körissen op iiet tafeltje in de seivä ranggä, de Jansen op de
naastb^j staande pkhitjä neder te leggen. Die körissen worden in een eigen kist (pisarelian,
dus rustplaats) bewaard, acliter de pPsarehan ageng, 't alleen voor de huisgeesten,
Bahne ReqsS,, bestemde praalbed. Die lausen in hun houten kisten [glodog) , aan de oost-
zijde van dat pronkbed. De andere lansen staan in houten plimtjä's of standaards.
Pangeran Nätä di Radjä droeg die lansen over den rechter schouder in de rechter
band, de punt naar voren, met de houten scheede bedekt en 't geheele wapen met zijn
zeer oud i/iwrie'-zijden overtrek {singep) omkleed. De kerissen lagen ook nog in hun scheeden
van hout (saroengan of ook tvrongkä) en metaal (pmdoq), hgj. [kandi'lan) en in hun tjinde
overtrekken gehuld.
De oom en de neef spraken onderling de beleefde taal, 't krämä; de eerste als oudere
tegen den jongere maar voor hoogeren rang bestemde, de neef tegen den andere als oom
en oudere. Later, als hij tot vorst verheven zal zijn, dan voegt het zijn oom de hoftaal,
't krämä inggil tot hem te spreken.
De hoogste poesäkä's van 't huis Pakoe Alam zijn volgens hun rang de Jansen (toembaq,
wahos of p&noeroeng) :
kangdjPng kjahi ageng Boejoet en
„ „ „ Pakoe Baroe; en de körissen (hgj. doewa;ng of ivangkingan):
„ „ , Boentit,
„ „ „ Sekambang,
„ „ „ Bagas Pati, en
,, » „ Maritja, en daarna volgen nog de broederwapens (pencßreq):
n „ Gringsing, een patrem of kleinere vrouwenkeris, en de
„ „ Danoe "iVara.
Natuurlijk werden ook de bovengenoemde penoeroeng's door pender eq's gevolgd {di dereq).
De eerste lans kwam 't meest nabij de se'icä ränggä, dus 't meest oostelijk te liggen;
de andere westelijk daarvan naar volgorde van rang.
Ook de körissen worden aldus gerangschikt.
De klankbekkens zijn twee groote gong's:
de kjahi Gambir en de kjahi Anom; een kSnong, de kjahi Mangoe, en een bende, de
kjahi Djimat. Zij werden in hun oude rood laken oveitrekken (sm^'r/)) naar buiten gedragen,
maar op de amben daarvan ontdaan en de singeb'a in de nabijheid te luchten gehangen,
') Zie over dit ondersdieidingsteeken niün plaatwerk : „In den kt^ ilaton te Jogjäkartä," (Leiden,
E. J. Bbili,, 1888. bl. 13 en U van den tekst. '^ " ■ <=j ^ ,
- 86 -
even als de singeb tjinde der Jansen en kerissen. Daarvoor waren lijnen (tali, hgj. tangsoel)
tusschen enkele vruchtboomen gespannen, waarover zij in 't zonlicht hingen even als de
wapens op hun rakken en tafeltjes door 't volle zonlicht besehenen werden.
Eerst werden de boogstwaardige wapens door raden mas Soeeardja zelf en zijn com
onder de gouden pajoeng van hun omkleedsels bevrijd, terwijl anderen äe pender eq's en de
bekkens ontkleedden.
Toen begaven de neef en de com zieh naar de gong's en bestreken zij eerst de pentjoe's ,
de blanke ronde verhevenheden op 't midden van de even blanke bronzen buitenvlakten ,
en daarna ook deze, met Tamarinde- water (banjoe of tojä asem). Groote paardeharen sikat's
dienden daarbij als kwast of penseel. De verdere behandeling, 't afspoelen met water en
't afdrogen door middel van kaiooel, werd toen aan anderen overgelaten. Vooi' 't afspoelen
werd een groote siwoer of schepper gebruikt.
Intusschen waren de beide hoofdpersonen naar de lansen gegaan oni die van hun
beuten scheeden te ontdoen en met citroensap te bestrijken. Dit dient, volgens den Javaan,
ora 't oude ivarangan te verwijderen. Juister, om 't oude uitei'st dünne laagje arsenik-ijzer
door oplossing min of meer weg te nemen.
De beide prinsen namen daartoe een der aan een bamboestaafje (tjekelan of tjepengan)
gestoken halve djerceq's, die zij soms ook los tusschen de vingers der i'echterhand drukten,
en wreven dan met het uitgedrukte sap de klingen aan beide zijden geruimen tijd en
herhaaldelijk af, totdat ze nagenoeg blank werden.
Daarna werden de klingen met water afgespoeld , met kawcel afgedroogd en in de
zonnehitte gelegd en telkens omgekeerd, om beide zijden gelijkelijk aan de inwerking der
zonnestralen bloot te stellen.
Na de lansen kwamen de kerissen aan de beurt. De beide prinsen ontdeden die, den
een na den andere, van de scheeden, die door helpers overgenomen werden. De houten
gevesten of oekiran's waren met een groen lakensch zakje omkleed , dat gedurende de
geheele bewerking behouden bleef. De empoe Karja di Kräma was met enkele anderen
den hoofdpersonen behalpzaam.
Pangeran Nata di RadjI bracht de kostbare wapens achtereenvolgens naar buiten ,
naar 't hoogere tafeltje naast bij de sewä rSnggä. Hij droeg ze in de rechterhand, den
vöorkant {landep ngarepan of ngadjengan) naar voren gekeerd en de punt, poetjceq,
naar boven. Ze werden op 't tafeltje gelegd met de punt naar buiten gericht, dus naar
't Westen. Daar woi'den ze dan met djeroeq-sap afgewreven , en in de zon gelegd {di pepe) ,
even als de lansen , na afgespoeld en met kawcel afgedroogd te zijn.
Ongeveer kvvart over 9 was dat afgeloopen en konden de wapens de hoofdbewerking
ondergaan, 't marangi. Daartoe waren de witte kommetjes met een raelkachtig wit mengsei
van -warcmgan (rattenkruit) en citroensap, juister 'tsap van lemmetjes, djcroeq petjel (Citrus
limonellus) ^ gevuid en lagen de zwart-paardeharen sikat's met eenvoudige bamboe of touwen
handvatten {tjekelan of tjepengan) gereed. Natuurlijk pasten de beide hoogste prinsen de
bewerking weder 't eerst op de voornaamste wapens toe , daarin door anderen , vooral ook
door den vakman, den empoe ^ bijgestaan en door de overige prijahi's, die de minder hooge
poesäkä'ü behandelden , gevolgd. De afdruipende vloeistof werd door andere Javanen in
aarden kommen {pengaron) opgevangen, om later bij eigen wapens gebruikt te worden,
die daardoor als een afstraling van de heiligheid der hooge poesäkä's zouden oveinemen.
Ook dat marangi (passivum: di warangi) werd geruimen tijd volgehouden en, na
- 87 -
afspoeling van de wapens, minstens driemalen herhaald. Soms doet men dat nog wel
meer, als de wapens erg vuil heeten.
Toen weiden ze nog eens ruim en zorgvuldig afgewasschen en daarna afgedroogd,
niet door ze met liet zachte en hygroskopische bamboeschraapsel (kawcel) af te vegen of
droog te wrijven, maar door ze daarmede te omsluiten en te bedrukken. En toen dit
afgeloopen was, werden ze nog eens met fijnere paardeharen penseelen afgestoft, om alle
achtergebleven /cajüce^deeltjes te verwijderen, en weder te drogen gelegd, maar nu niet
meer in de zon , doch in de schaduw, om ze winddroog te doen worden {di isis) zonder ze
te verbitten. De pläntjä's en tafeltjes werden daartoe onder de tratag terugged ragen.
Eerst toen ook dit geschied was, konden ze aan de laatste bewei'king onderworpen
worden, 't olien of lengani (hgj.: lisahi) , mindei- evenwel om 't staal voor roest te bevei-
ligen, daar dit doel veel beter bereikt wordt door 't marangi, dat het metaal met een
zeer dun beschermend laagje arsenikijzer bedekt i).
Men gebruikt voor dat olien een mengsei van twee vluchtige olien, de lengä of lisah
tjmdänn (sandelhout-olie) en de läigä gändäpoerä, met een weinig kokosolie, lengä krambil
of lisali klentiq.
Dat arsenikijzer geeft aan 't staal den fraaien dof-donkeren glans, waarop 't blanke
Tpamor zoo goed uitkomt en bij oude wapens des te duidelijker wordt, omdat, volgens
de bewering der Javanen, de oppervlakte van 't staal langzaam afneemt en die van 't
pamor niet. Nu is 't waar dat dit pamor zieh bij zeer oude wapens een weinig boven
't staal schijnt te verheffen, wat verklaard zou kunnen worden door de grootere hardheid
van 't meteooi-ijzer, waardoor dit niet gelijkelijk met het staal zou slijten; maar dan moet
men tevens aannemen dat 't citroenzuur bij de jaarlijksche reiniging 't staal meer aantast
dan 't pamor; want bij poesäkä's, die maar eenmaal in 't jaar uit de scheede genomen
worden, kan aan andere slijting niet gedacht worden, een slijting waardoor trouwens 't
donkere arsenik-ijzer 't eerst verdwijnen en de 2-)amor-teekening dus minder zichtbaar
worden zou dan de ervaring leert.
Wat de oorzaak is dat wel 't staal, maar niet 't pamor onder de arsenik-hehandeling
een donkeren tint aanneemt, weet ik niet. Misschien de koolstof van 't staal? Maar er
zijn wapens met pamor uit den tijd toen de Javanen zeker nog geen staal {wädja) gebruik-
ten, maar gewoon ijzer {loesi). Ik heb eens een keris gekregen van den langoverleden
hoofdregent-kratonkommandant, raden toemenggoeng Merta Negara, een erfstuk van diens
overgrootvader, den eersten Sultan. Dit wapen, een Nägä Seloeman met t^mor beras (of
was) woetah, was (natuurlijk zonder de later vervaardigde houten scheede en de gouden
pendoq) ergeus in 't ßj^en^'-gebergte opgegraven en dus vermoedelijk ettelijke eeuwen oud.
Of zou 't ijzer {wesi) meer koolstof opnemen uit 't houtskolenvuur dan 't hardere
famor'> Dat zou door bevoegde scheikundigen onderzocht kunnen worden %
Vöör 't olien werden de winddroge kerissen eerst nog in de scheeden gestoken, om ze
aan de temperatuur van de scheedeholten te gewennen. Die scheeden waren toen reeds
door helpers schoon geraaakt, uitwendig, door ze met witkatoenen doeken af te vegen
mwendig door ze met een paardehai-en wisser uit te wissen.
') Zie boven.
') Meteooryzer is zeer zuiver en bevat hoogstens een zeer geringe hoeveelheid nikkel of mangaan.
- 88 -
't Olien der voornaamste körissen was weder de taak van de beide eerste prinsen.
't Geschiedde met een fijn paardeharen penseel. Daarna werden ze eerst met kaiocel en
vervolgens met katoenwatten (kapas) afgedroogd en wederom door middel van penseelen
van de laatste katoonvezeltjes bevrijd.
Baden mas Soerardjä bevestigde ze daarna, difcmaal voor goed, in de sclieeden, en
pangeran Nata di Radja omkleedde die weder met liun tjinde overtrekken.
De overige körissen werden door anderen op dezelfde wijze geölied.
De gong's, de kenong en de bende waren al vroeger gereed gekomen en met liun rood
laken iioezen omkleed geworden en naar hun bewaarplaatsen binnen in de präbäjf'qsä achter
't praalbed teruggebraclrt, om daar weder een jaar lang met i'ust gelaten te worden.
Dit moest nu ook met de wapens gebeuren.
Terwijl om kwart vöor elf de mindere Javanen de pengaron'a met 't kostbare badvocht
begonnen weg te dragen en de rakken en tafeltjes, die niet meer gebruikt werden, naar
buiten te brengen, had pangeran Nata di Radja den kjahi ageng Boejoet, de punt door
de honten scheede gedekt en 't geheelwedei- met zijn tjinde-omhahel omkleed, opgenomen
en droeg hij dat wapen over den rechter schouder, de punt naar voren, naar binnen, door
raden mas Soeeardja begeleid. Däar werd de heilige lans aan de Oostzijde van 't pi-aalbed
in haar standaard (glodog) geplaatst.
De tweede lans, de kjahi Pakoe Baroe, werd toen op dezelfde wijze weggebracht
raaar door den prins alleen , onvergezeld.
't Was over 11 uur toen ook de körissen geolied waren en door oom en neef weder
naar binnen werden gebracht.
Toen werd ook de gouden pajoeng uit den standaard genomen en toegevouwen en
weggeborgen , en werden de laatste p/äntjä's en tafeltjes weggehaald.
Juist had een der mindere Javanen de bijna uitgebrande lampjes, die bij de sadjen's
stonden, nog eens van olie voorzien. Dat ging later mee naar huis, met al de offergaven
wier sari (geur, essence) door de demit's en de d4wä's genoten waren, de düalis brandend
en de pedoepan's rookend, misschien wel nadat die eerst nog met versehe menjan bedeeld
waren.
En toen was ook voor mij de tijd gekomen om mijn beide gastheeren voor hun
vriendelijke ontvangst en voor de vele welwillend gegeven inlichtingen te danken en in
mijn warm zwart pak onder de liefelijke koestering der middagzon (28° C. in de schaduw)
naar mijn 6 minuten gaans verwijderde woning terug te wandelen.
Jogjiikartfi, 5 April, 1904.
de sadjen voor de lansen.
1. ToempSng püoe, getjoq mripat mahesä, dat is: zeven toempeng'ä rijst met toebehooren ,
en daarbij 't oog van een buffel of kebo (hgj.: mahesä)'^].
2. Tjmgkaroeq gimbal, satoenggal wadah , d. i. een portie of schotel rijstgebak met jav.
suiker, in ronde koekjes.
') El- waren slechts vier toempeng's by ledere sadjm belialve de twee afzondedyk genoemde. Een
toempcnri is een kegelvormige klomp rijst, zooals die uit de, van bamboereepen gevlochten koekoesan komt,
waarin zjj bovon een koperen dandang met kokend water gaar gestoomd is.
- 89 -
3. Gapoelä, satoenggal wadali, d.i. tjcii poitie rijstpap.
4. Kembany pari ^ satoenggal loadaJt , il. i. kleefrijst met kokosiiooL (;n jav. suiker.
5. Pisang ajoe sag abSnipcen, sat. londah. d. i. gedang rädjä (konings-pisawr/) met toe-
behooren.
6. Toembasan peken, sat. wadah, verschillende zaken, zie beneclen.
7. DjSnang abrit, s.w., roode rijstpap met jav. suiker, d.i. suiker uit den bloemstengel
van den kokospaim.
8. Djcnang petaq , s.io., witte rijstpap als 7.
9. „ baro-baro , s. lo. , djenang met santtn i).
10. Sekcel golong , s.w., bolvormige rijstklompen in bladeren.
11. „ woedceq, s.w., rijst met geraspte kokosnoot met zout, bladeren en sporerijen.
12. „ geboeli, s.to., rijst met eieren en specerijen gebraden.
13. Toempeng robjong, s. w., een met buffelleverreepen en toebehooren versierde rijstkegel.
14. „ panggang s.w., een onversierde rijstkegel met gepoft vleesch.
15. Roedjaq dcgan, s.w., 't vleesch van halfrijpe kokosnoten met jav. suiker.
16. DilaJi inggal, satoenggal tvidji, een nieuw bakje met olie en een brandende soemboe,
zie boven.
17. Lantingan, mawi lambaran, sat. widji, een nieuwe aarden waterkruik met onderstel.
18. Gelaran bongkä s. widji, een ruwe van pawdaw-bladei-en gevlochten mat.
19. Äjmi djaler, satoenggal toidji, een (levende) haan.
DE sadjen vooe den keris.
1. Tßngkaroeq gimhal, s. wadah.
2. Gapoelä, „ ,
3. Kembang pari, „ „
4. Pisang ajoe, saq abenipcen, sat. wadah.
5. Djenang abrit, ^^ ^
6- >, P''taq,
7. „ baro-baro ,
8. Sekcel golong,
9. ,, looedoeq ,
10. ,, geboeli,
11. Toempeng robjong,
12. „ panggang,
13. Dilah inggal, „ widji.
li. Lantingan , mawi lambaran , „ „
15. Gelaran bongkä, „
16. Toempeng pitoe, getjoq mripat mahesä.
17. Ajam djaler, sasoenggal widji.
rt
V
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»
') Santen is een melkwitte omulsie van 't zachte vleesch on 't waler van lialfrype kokosnoten (degan).
90
DE sadjm vooR ue yong's.
1. Toempi'ng pitoe gctjoq nirntak ajam Ijrinrng moeloet kalijan rahipivn^ als boven, maar
inet rauw vleesch en bloed van een zuiver z warte kip.
2. Tjengkaroeq gimbal, satoenggal waclah.
3. Gapoelä, „ „
i. Kcmbang pari, ' „ „
5. Pisang ajoe saq äbmipcvn , „ „
6. Toembasan peken, „ „
7. Dßnang abrit, „ „
8. „ pctaq, „ „
9. „ baro-baro , „ „
10. „ dodol, „ „
11. Sckcel golong, saq abhiipmi, „ „
12. „ woe(kieq, „ „
13. „ gcboeli, „ „
14. Toempmg robjong „
15. „ panggang „
16. Poemir ketan, sat. wadak, kleefrijst met koenir (kurkuma) toebereid.
17. Dilah inggal, satoenggal widji.
18. Lantingan, maioi lambaran, sat. loidji.
19. Gelaran bongkä, sat. widji.
20. Lawe, sat. loidji., d.i. een streng ongeweven garen.
21. Goelä kelcipä, sat. widji.
22. Äjam. djaler satoenggal loidji, sat. tvidji.
Toembasan peken, laag jav. toekon pasar in een kleine verzameling van onveranderlijke
zaken, die men op de markt {peken , pasar) voor een vaste waarde van ongeveer 17 centen,
vroeger 224^ duit, koopt. Daartoe behooren gedang of pisang rädjä en gedang poeloet,
ketelä- en andere worteis (ketM pmclern), verschillend gekleurde djenang-, serabi- , en
andere ketan (kleefrijst-) en rijstspijzen, inlandsclie geneesmiddelen {tninbä) , enkele bloenien
(kcmbang, hgj. sekar), boreh, een door kurkuma geel gekleurd huidsmeersel en wierookliars,
menjan. Ik herinner mij een half europee-sche , half inlandsche familie, die veel dochters
maar geen fortuin had, en nu en dan op de prapatan^s, de viersprongen der wegen,
toekon pasar deed neerleggen om de geesten te bewegen haar dochters aan mannen te helpen.
Ti ERKULT ]N AFRIKA.
EINE ETHNOLOGISCH-KULTURHISTORISCHE UNTERSUCHUNG
VON
JOHANNES WEISSENBORN, Bre.me.x.
(Mit Tafel IX & X).
L KAPITEL.
Tatsachen des Tierkultes in Afrika.
VORBEMERKUNG.
Wenn in diesem Kapitel die Tatsachen des Tierkultes in Afi-ika im Zusammenhang
besprochen werden sollen, so ist es zuvor unbedingt erforderlich, den Begriff Kult scharf
zu umgrenzen. Wir fassen Kultus hier im w^eitesten Sinne als die Summe der Äusserungen
und Handlungen des Menschen, die als Reaktionen auf wunderbare, ihm unerklärliche
Erscheinungen in seiner Umwelt zu verstehen sind. Empfindungen, hervorgerufen durch
Einwirkungen der den Menschen umgebenden Natur (dem Naturmenschen gilt die ganze
Natur für beseelt) und ausgelöst durch zufällige äussere Anstösse, verdichten sich zu
Gedankenreihen, die in Gefühlsäusserungen übergehen und in Handlungen ausfliessen,
ohne dass man feste Grenzen zwischen den Einzelerscheinungen ziehen oder angeben
könnte, wo in dieser Entwickelungsreihe das religiöse Moment einsetzt. Dass dieses aber
schon sehr früh einsetzt, das lehi't der geistige Kulturschatz auch des niedrigsten Volkes i),
vorausgesetzt, dass wir den Begriff Religion im umfassendsten Sinne anwenden, eine
Forderung, deren Notwendigkeit in diesem Zusammenhange von vornherein einleuchten
muss, wenngleich wir uns nicht ohne Weiteres der Ansicht von Mayers anschliessen
möchten, der, unseres Brach tens mit Recht, den Kern aller Religion, das religiöse Urgefühl
in der Erkenntnis der lebendigen Mächte der Umwelt, im Glauben an eine lebendig tätige
Welt sehen will, aber wohl zu weit geht, wenn er behauptet, dass die Menschheit von
ihrei- Geburtsstunde an, die v. Mayer als das erste Aufblitzen des Ich-Bewusstseins
definiert, die Natur sofort aus ihrem eigenen Innern begriff 2). Jedenfalls gilt für uns der
Satz, den Ratzel in seiner Völkerkunde formuliert: „Die Ethnographie kennt keine religions-
losen Völker, sondern nur vei'schieden hohe Entwickelung religiöser Ideen", und den
') SiKBECK, 278. — ScHURTz: Urgeschichte, 554. Derselbe, Speiseverbote, 13 und Katechism. der
Völker-kunde, 27. — Geeland, 279 ff. — Orelli, 562.
2) V. Mayer, 51. 50; vgl. Dorner 60.
I. A. f. E. XVII. ]2
- 92 -
ScHUETZ hinsichtlich des Begriffes Religion erweitert, wenn er sagt: „Es giebt sehr viele
Völker, bei denen von Religion in unserem Sinne nicht die Rede ist; aber es giebt keines,
das nicht Anfänge der Religion in einer oder dei- anderen Form" (nämlich Kultus, Mytho-
logie, Mystik) „besässe" 1).
Im Folgenden soll die religiöse Gedankenwelt samt ihi-en Äusserungen bei den Völkern
Afrikas behandelt werden , soweit sie in Beziehungen zui- Tierwelt tritt und hierbei wieder
unter den Begriff Kult fällt 2), und zwar zunächst bei den afrikanischen Naturvölkern.
Die Reihenfolge der behandelten Tiere schliesst sich an das System in Brehms Tierleben
an, soweit eine Rubrizierung nach den Angaben der Berichte möglich war.
I.
Tierkult bei den afrii<anisclien Naturvöll<ern.
Säugetiere.
I. Ordnung: Affen (Pitheci).
1. Familie: Schmalnasen (Catarrhini).
M e n s c h e n a f f e n (AnthropomorpJii).
1. Gattung: Gorillas (Gorilla).
In seinem Berichte über die deutsche Loango-Expedition erzählt Güssfeldt, dass er
in Ntonda, einem kleinen am Lubomo (Nebenfluss des Kuilu) gelegenen Dürfe, einen jener
für das Bakunya-Land besonders charaktei'istischen Tierschädelfetische, Buim genannt,
gefunden habe, die auch an der Küste bekannt sind, dort jedoch weit seltener, so z.B.
bei Massabe-Tschibona (nach Soyaux Tschibonne): „Sie bestehen aus Anhäufungen der
Schädel solcher Tiere, die auf der Jagd erlegt worden sind und von dem Jäger zur Erhaltung
seines Jagdglücks dem Fetisch gewissermassen als Opfer dargebracht werden" bez. nach
Lenz dem Fetisch der Erde geweiht sind, von dem man alljährlich bei feierlichen Tänzen
und Umzügen gute Ernten und erfolgreiche Jagden erbittet. Unter diesen Schädeln findet
man sehr häufig Gorilla- (Mpungu-)Schädel ; die Tierschädelfetische, die die Bakunya mit
den Bayaka und Bayornbe teilen, können geradezu als Führer dienen zur Feststellung des
Verbreitungsgebietes des Gorilla, das beinahe 6 Breitengrade umfasst. Lenz weist auch
darauf hin, dass man in den sog. Gri-Gri-Häusern in Westafrika (Gebiet des Gabun und
Ogowe) allenthalben Gorillaschädel als Fetische aufgehängt findet 3). Dem Leipziger Museum
für Völkerkunde sind im vergangenen Jahre zwei Gorillaschädel zugegangen, die von
A. DiEHL auf dem Grabe eines Mannes in Assam , im Gebiet des oberen Cross-River
(Manyu) gefunden wurden; ca. 2 Stunden von Assam entfernt erhebt sich ein kegelförmiger
') Ratzel, Völkerkunde I., 37. — Schurtz: Religion 131. Derselbe, Völkerkunde 118. — Hoernes,
84 ff. — ScHiNZ, 181. — Henning im Globus LXXI, 125 ff.; vgl. Junod 377: riiomme est un ötre religieux.
2) ErsRheinunj,'en also, die in das Gebiet des Aberglaubens im engeren Sinne gehören, wie das Arau-
lettwesen und vor allem die Speiseverbote u.a., sind im allgemeinen nur gestreift worden.
3) Güssfeldt in VE II, 212 und Loango-Expedition, 123, 200. — Soyaux I; 263. — Lenz, 193.
- 93 -
Berg, auf dem Massen von Gorillas voikoniiiien sollen ^). Das ethnographische Reichs-
museum in Leiden besitzt einen Jägerfetisch mit Gorillaschädel von den Bakunda,
Kamerun (Inv. N°. 1393/292) 2).
2. Gattung : S c h i m p a n s e n {Simia).
Die Bakwiri (Kamerun), denen die Schimpansen als von bösen Geistern besessene Tiere
gelten, glauben dass die Seele eines der Ihren, der im Busche starb oder vi^egen Armut
keine Ziege ins Grab bekam (vgl. S. 138 unter 6)), in einen Schimpansen fahren müsse 3).
H u n d s a f f e n (Cynopilhecini).
8. Gattung: Meerkatzen {Cercopithecus).
In Bukoba (am Viktoria Nyansa) bestehen sog. Kabüa (Vereinigungen von Leuten, die
dieselben Beziehungen zu bestimmten Tieren haben, bez. sie verehren); eine dieser Kabila
huldigt dem Glauben, dass sie durch die blos.se Berührung mit einer Meerkatze schädlichen
Einflüssen ausgesetzt sei •*).
>
11. Gattung: Paviane {Cynocephalus).
Am ausgeprägtesten findet sich die Verehrung der Affen (nach den Autoren meist der
Paviane) in Togo, und zwar vornehmlich in Kete-Kratschi (am Volta); sie gelten dort für
heilig, weil sie den heiligen Hain bei Kratschi bewohnen. Die Eingeborenen stellen täglich
Yams zur Mahlzeit für die Affen bereit, die deshalb mit ihren Verehrern auf sehr gutem
Fusse stehen. Als einst ein nichtsahnender Händler einen dieser heiligen Affen getötet
hatte (worauf Todesstrafe steht), sollen die Kratschi-Leute den Leichman des Tieres wie
den eines Menschen mit dem bei Menschen üblichen Schiessen begraben haben 5). Symbol
des Stammes und deshalb unverletzlich ist der Pavian bei den Bakatla („Affenvolk"),
einem Betschuanenstamm, de.ssen Zauberer u. a. auch Pavianköpfe zu ihrer Arbeit brau-
chen ''). Göttliche Ehren erweisen dem Pavian die Kunama und Barea (am Mittellauf des
Atbara südlich von Kassala) ").
Nicht näher Bestimmbare.
BüTTiKOFER erzählt aus Liberia, dass die Fetischdoktoren ihren Klienten, die sie von
einem auf ihnen lastenden Zauber befreien sollen, u.a. allerlei Vorschriften über das Ver-
meiden gewisser Speisen, so auch des Affenfleisches, machen — Verbote, die allem Anschein
nach erblich werden können 8). Gewisse Affenarten, besonders solche, die sich in der Nähe
eines Friedhofes aufhalten, gelten in Westafrika, speziell den Eweern, als von Geistern
') Material im Museum für Volkerljunde in Leipzig.
•) Nacli einer liebenswürdigen Mitteilung des Direktors Dr. Schmeltz'.
•■) Seidel, in B K III. 194 f.
•*) RiCHTKK, in M Seh XII. 83 f.
») Klose. 340 ff
6) Fritsch, 3 Jahre, 338. — Ratzel II, 43. — v. Hellwald. Naturgeschichte, 67, 83. — Bastian,
Loangoküste I. 186.
") V. Hellwald, Naturgeschichte 257; vgl. Platz 143.
«) BÜTTIKOFER II, 333 f.
- 94 -
oder Gottheiten bewohnt i). „In Killibium, einem Benny (an der Nigermündung) gegenüber
gelegenen Dorfe, wird eine langgeschwänzte Affenart als Fetisch verehrt", und wer an der
Westküste Afriivas den seiner FainiHe heiligen Affen tötet, muss nach seinem Tode zur
Strafe den Körper eines Affen annehmen ~). In manchen Gegenden hält man die Affen
für Menschen, die bei der Schöpfung verunglückt sind (in Akkra an der Goldküste) oder
für Sünder, die zur Strafe verwandelt wurden (bei den Serrakolet am oberen Niger und
Senegal, in der Landschaft zwischen den Quellen des Rio Grande und des Gambia und auf
Madagaskar) ; man hütet sich sie zu töten aus Furcht vor der Rache ihrer Verwandten 3).
Die Matebele (am Sambesi und Limpopo) verehren nächst dem Nilpferd (vgl. S. 109 unter 8))
eine kleinere Affenart*). Von den Baschilange und Manyema werden Affen nicht getötet,
wie PoGGE meint, aus der unbestimmten Annahme, dass vielleicht die Seele eines Ver-
wandten in dem Tiere sich aufhalten könne 5).
Erwähnt seien hier die Steinidole aus dem Hinterland von Scherböi'O zwischen dem
Boom- und Kittam-River, die Rütimeyer beschrieben hat; es finden sich unter ihnen Tier-
figuren, die Affen darstellen. Ob die Veranlassung zu ihrer Nachbildung im Ahnenkult zu
suchen ist, ist nicht sicher*^). (Vgl. 8. 103).;
IL Ordnung: Halbaffen {Prosimii).
1 . Familie : L e m u r e n (Lemuridae).
1. Gattung: Indris (Lichanotus).
Die Betanimena (an der Ostküste Madagaskars) sehen in dem Babakoto (Keller:
Babakota) (L. brevicaudatus) eine Verkörperung der Geister ihrer Vorfahren {Fady) und
scheuen .sich deshalb das Tier zu töten '').
9. Gattung : 0 h r e n m a k i s {Otodinus).
Nach ScHWEiNFüRTH fürchtou die Bongo (am oberen Nil) böse Waldgeister (Ronga),
die sie u. a. in der Gestalt des Riesengalago {Otodinus crassicaudatus) , eines Halbaffen,
an.beten s).
3. Familie: Fingertiere (Leptodadyla).
Einzige Gattung: Fingertiere [Ghiromys).
Dieselbe Stellung wie der Babakoto nimmt bei den Betanimena der harmlose und
furchtsame, eichhornartige Aye-Aye {Ghiromys madagascariensis) ein, dessen Vernichtung
ebenfalls verboten ist 9).
') Wilson 161. — Müller, Fetu, 97. — Zündel in Z G E XII, 434; vgl. Tyloe, Anfänge II, 7.
J) Bastian, Bilder 14.5, 160 f.
■■"l MoLLiEN, 237. — MoNBAD, 156. — Waitz II, 177 f. — Madagaskar gehört in ethnographischer Hinsicht
nicht zum afrikanischen Kontinent, wird aber vergleichsweise des öfteren hier mit gestreift.
") HoLUB in Z. E. XXV, 197.
») Wissmann, Quer durch Afrika 373; vgl. A E XIV, 207.
«) A E XIV. 197, 207.
') SiBEEE, 302. — Keller, Inseln, 68. — Brehm, I. 276.
') Hartmann, 211. — Paulitschke, Sudanländer, 263.
») SiBREE, 302.
- 95 -
III. Ordnung: Fl iit t ert i ere {Chiroptera).
2. Hauptabteilung: Glattnasen [Gymnorhina).
2. Gattung: Nach tych wi rrer {Vespertüio).
Die eben erwähnten Ronga oder Bongo erscheinen bisweilen auch als Fledermäuse
(Mäuseohr: V. umrimis) ^) , während auf Madagaskar die Geister von nicht begrabenen
Toten in Fledermäusen umherschweifen oder gar sich in solche verwandehi müssen -).
3. Hauptabteilung: Blattiiasen (Tstiophora).
3. Gattung: Vampire {Phyllostomä).
In Abessinien hält man die Vampire (P/t. spectriim) für Wahrsagerinnen, besonders
solche, die etwas fettleibig sind und sich nächtlicherweile verwandeln, um sich mit ihrem
schweren Körpergewicht auf Schlafende zu legen und ihnen das Blut auszusaugen 3).
IV. Ordnung: Raubtiere {Carnivora).
1. Familie: Katzen (Felidae).
1. Gattung: Eigentliche Katzen [Felis).
Die Hauskatze (F. maniadata domestica), ein Haustier afiikanischen Ursprungs 4), gilt
als Schicksalstier an der Goldküste, d. h. wenn ein Neger ein wichtiges Unternehmen im
Vertrauen auf eine Katze, die ihm zufällig in den Weg lief, glücklich vollendet hat, so
erhebt er die Katze zu seinem Fetisch, seiner Gottheit, dei' er dann täglich opfert; auch
meint man , dass die Seelen Verstorbener in Katzen fahren 5). Bei den Waschambaa (Usam-
bara) werden die Katzen heilig gehalten (nach der Vermutung des Berichterstatters als
Vertilger der zahlreichen Ratten); diese Sitte soll aus dem Nachbargebiet Kwambugu
stammen. Wenn in einer Waschambaa-Familie Krankheit ausbricht, die man auf den Tod
einer Katze zurückführt, so wird folgender Gegenzauber in Szene gesetzt: „ein Schaf wird
um den Kranken viermal im Kreise herumgeführt, dann geschlachtet; der Kopf des Tieres
wird vergraben. Eine lebendige Katze wird eingefangen und derselben ein Stück vom Her-
zen des Schafes, bestrichen mit Honig und Fett, zu fressen gegeben. Nimmt die Katze
das Fleisch nicht, so ist die Krankheit auf eine andere Ursache zurückzuführen. Schliesslich
erhält die Katze ein dunkles Band um den Hals und wird wieder freigelassen" %
Die Schädel kleinerer Katzen gehören zum Behang der Votivbäume, die nach Emin
Pascha in den Schuli- und Madidörfern (am oberen Nil) gepflegt werden. 7)
Ob es sich in den angeführten Fällen tatsächlich um die allerdings auch in Afrika
weitverbreitete Hauskatze oder um eine ihier wilden Schwestern handelt (in Frage würden
kommen vielleicht Felis cahis, Cattis ferus, die Wildkatze, deren Vorkommen in Nordafrika
aber höchst zweifelhaft ist, oder Felis maniciüata, die Falbkatze, die man mit ziemlicher
') Hartmann, 211. — Paulitschke, a.a.O. — Suhneideh, 196.
■) SlBKRE, 302 f.
') V. Hellwald, Naturgeschichte, 265; vgl Pesch. 90: Vampire bei den Mundingo.
*) Keller, Haustiere, 81 tf.
*) BosMAN, 444. — Mülleh, Fetii 97: vgl. Ratzel II, 43.
') Stokch in M. Seh. IX, 313. 325, vgl. Johanssen in N. M. 1892, 143; 1896, 26; M. J., XI. 108.
') Ratzel II, 42.
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Bestimmtheit als die ötammmutter unseier, zuerst von den Ägyptern gezähmten Hauskatze
ansprechen darf), ist schwer zu entscheiden i).
Der Löwe (in Betracht kommen hier der Berberlöwe, F. leo barbarus, der Senegallöwe,
F. leo senegalensis , ausgezeichnet vor dem vorigen durch eine lichte Mähne am Vorderteil,
die an der Unterseite schwach ist oder ganz fehlt, und der Kaplöwe, F. leo capensis, der
durch besondere Grösse auffällt, wie vermutlich auch sein abessinischer Vetter), der schon
bei vielen alten Völkern das Symbol des" Heldentums war, geniesst diesen Vorzug noch
heute, besonders bei Naturvölkern. Am Kongo, von mehreren Sambesistämmen und von
den Sulu werden die Löwen als Aufenthalt der Seelen verstorbener Fürsten verehrt 2). Nach
LiviNGSTONE glauben die Leute am Sambesi, dass sich ein Häuptling beliebig zeitweise in
einen Löwen verwandeln könne, um als solcher irgend einen Feind zu erlegen 3). Mit
diesen Vorstellungen von der fürstlichen Natur des Löwen mag der Glaube zusammen-
hängen, der sich am Kongo und in Senegambien findet, dass nämlich der Löwe „keinen
Menschen angreife, wenn er höflich gegrüsst werde, und dass er Frauen aus Galanterie
schone," wiewohl sich in Verbindung gerade mit diesen Anschauungen keine ausgesprochen
religiöse Verehrung vorfindet 4). Bei den Sulu (Angoni) „ist es ein allgemeiner Wunsch und
Ehrgeiz, im Körper eines Löwen sein zukünftiges Dasein verbringen zu können" s). Der
Glaube, dass sich Menschen in Löwen verwandeln können, findet sich auch bei den Hot-
tentotten und Herero^). Ob die Gepflogenheit der Kalahari-Bewohner, „einen alten Löwen,
der dann gerade für Menschen gefährlich wird", ungestraft und widerstandslos in ihren
Kraalen morden zu lassen aus Furcht vor etwaigem Unheil, mit dem Verwandlungsglauben
der Hottentotten innerlich zusammenhängt, lässt sich nicht nachweisen 7). Jedenfalls aber
gilt der Löwe den Bakalahari als Stammessymbol, ebenso den Batau oder Bataung, einem
östlichen Betschuanenstamm , dessen Name „Löwenvolk" bedeutet. Tötung eines Löwen
zieht demzufolge eine Verunreinigung des Jägers nach sich S). Die Wayao (Verwandte der
Sulu, östlich und südlich am Nyassa) nehmen an, dass böse Zauberer die Menschen nach
ihrem Tode in Löwen verwandeln können 9). In der Gegend um Tete (portugiesischer Ort
am Sambesi) herrscht der Glaube, dass Menschen die Gestalt von Löwen anzunehmen und
sich auch wieder zurückzuverwandeln vermögen lO). Bei den Wambugwe (am Südende des
Manyarasees in DeutschOstafrika) gelten die Löwen als Geister Verstorbener H) ; bei den
Bari (im oberen Niltal und auf dem anliegenden Gebirgsland , etwa zwischen dem 4° und
6° N.) sind sie nach dem Volksglauben Organe der Zauberer i2). in Togo vergräbt man,
wenn man dem Ewe-Fetisch Legba eine Tonfigur errichten will, unter derselben u.a.
') Brehm I, 417, 424, 426. ff. — Hahn, 237 ff. — Greve in Z J, VI, 67 f.
2) Bastian, Loangoküste II, 244. — Livingstone, Missionsreisen 176. Vgl. auch Müller, Petu 97.
') Andbee, Forschungsreisen, 369.
■•) Bastian. Menscli III, 199. — Waitz II, 179. vgl. Reville, 65.
s) Wiese in Z. E. XXXII, 199; vgl. Sievers-Hahn 230, 329.
«) Bastian, Fetisch 59. — Schinz 183; vgl. Sievers-Hahn, 123.
') Fritsch, 3 Jahre, 399.
9) Waitz II, 413. — v. Hellwald, Naturgeschichte, 67. — Ratzel II, 43. — Bryce, 113; vgl.
Schneider 141. — Zu der Stellung der Betscliuanen gegenüber den Tieren vgl. auch Wangemann, 57.
Ausland LIll, 654.
ä| Andeee, Forschungsreisen II, 359.
'») a. a. 0.
") Baumann, Massailand, 187.
'•) Jephso.v und Stanley, 132.
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einen Löwenkopf i). Noch mögen die wundersamen Erzäiilungen Erwälinung finden, die bei
den Eingeborenen am Tanganyika in Umlauf sind und von ihnen für zweifellos wahr gehalten
werden. Danach werden die Löwen von den Bewohnern eines Dorfes Ukaranga am Tanga-
nyika wie ihresgleichen behandelt und verkehren auch ihrerseits mit den Eingeborenen
auf das freundschaftlichste. Jedenfalls sind derartige Anschauungen Ausflüsse des Glaubens
an Verwandlungen von Menschen in Löwen -).
Der Behandlung des Leoparden an dieser Stelle ist zweierlei vorauszuschicken.
1). Es finden sich in einigen Reiseberichten Notizen über die Verehrung des Tigers
bei verschiedenen Völkern. Nun aber fehlt in Afrika der echte Tiger vollständig; wir haben
vielmehr in dem Tiger der Berichte mit ziemlicher Sicherheit den Panther oder Leoparden
zu vermuten 3).
2). Panther und Leopard sind zwei Bezeichnungen, die sich in einem zoologischen
System nicht unterscheiden lassen; es handelt sich hierbei nur um eine Art, die über
ganz Afrika verbreitet ist:
Felis pardus, von den Bantu in Westafiika Ngo genannt*), bez. Felis panthera. Wir
haben also hier die Berichte, soweit sie von dem Panther oder von dem Leoparden
sprechen, zu einem einzigen Gesamtbild zu vereinigen, wobei zu berücksichtigen ist. dass
in dieser Darstellung vermutlich auch die
3. Gattung: Jagdleoparden (Cynaihirus)
durch eine afrikanische Art vertreten sein dürfte, die von den Forschern Fahhad, von
den Kaffern Ngulule, von den Herero Onguirira genannt wird. Die von den einzelnen
Quellen angegebenen Bezeichnungen sind beibehalten worden.
Das Centrum des Leopardenkultes in Afrika ist Dahome, wo der Leopard — abgesehen
von der Küste (Weida) mit ihrer intensiven Schlangenverehrung (vgl. S. 114 ff.) — als bevor-
zugte Gottheit gelten darf, und das benachbarte Togo 5). Labarthe bezeichnet den Tiger
geradezu als eine angesehene Untergottheit neben der Schlange in Dahome, „wo man glaubt,
dass der von einem Leoparden Zerrissene besonders glückselig im anderen Leben sein wer-
de" 6). Schon Bruns hat die Vermutung ausgesprochen (um 1800), dass der „Tiger" der
Dahomeer der Leopard sei ''). In Togo gelten Zähne und Köpfe von Leoparden als Amulette
und Fetischzeichen, die vergraben werden, und über denen man dann wie über einer
Opferstelle Tonfigui-en zur Versöhnung böser Geister errichtet 8).
Über dieses Centrum hinaus findet sich bei den Benue- _und Uiger-Stämmen (bei den
') Klose, 271.
^) Cameron II. 75 f.
') Sievers-Hahn, 98, 174. 179.
') Brehm I. 464 f. — Kirchhoff 93. — Geeve in Z. J. VI. T4 f. — Klein und Thome, 317: vgl. 326.
*) Dalzel XXIX. — Zöller, Kamerun I, 53, 89. — Hartmann, 214. — Ausland. 1852, 47:' 1891, 570.
«) Labarthe 153. — Waitz II. 178. Die Mitteilung, die Berghaus (II. 43) über die Annahme des
Tigers von selten der Dahomeer zur Gottheit macht, sei hier wiedergegeben: den Europaern, die sie nach
dem Grund dieser Wahl befragten, antworteten sie „wir mü.ssen mit diesem zufrieden sein; der bessere
Gott, welcher den Weissen so viel Gutes gewährt hat, hat sich uns noch nicht offenbart."
') Bruns V. 156.
») Klose, Togo. 358, 368. 371.
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Akpoto, Ibo und in Neu-Calabar) ; die das Krol^odil verehren (vgl. S. 127), nebenherlaufend
auch der Leopard bez. Tiger als gefürchteter Fetisch i). Über eine merkwürdige Sitte
berichtet Bastian aus den Städten am Calabar (Nigerdelta). Dort findet alle zwei Jahre
eine Reinigung der Ortschaften von allen Teufeln und bösen Geistern statt. Diese Reinigungs-
ceremonie heisst Ndök und wird durch eine Vorbereitungszeit bis zu vier Wochen eingeleitet;
man fertigt rohe Tierfiguren, Nabikem oder Nabikim genannt, darunter auch Leoparden,
aus Stöcken, Stricken, Gras und Tüchern und verteilt sie hier und da in der Stadt,
besondei'S an den Kreuzwegen. In diesen Figuren sollen nach einer gewissen Zeit (drei
Wochen) alle bösen Geister ihren Aufenthalt genommen haben, worauf die Nabikim
unter grossem Hallo an einem vorher bestimmten Tage vernichtet werden % Unter den
Bronze-Arbeiten aus Benin finden sich zum Tiiil sehr lebenswahre Darstellungen von
Leoparden 3), doch lässt sich über eine Bedeutung dieser Nachbildungen etwa für den Kult
nichts sagen. Den Bakwiri gelten die Leoparden als von bösen Geistern besessene Tiere *).
Auch nach Westen scheint der Leopardenkult sich noch über Togo hinaus auszudehnen;
denn Müllee nennt als Aufenthaltsort für die Seelen Verstorbener an der Goldküste (Fetu)
u. a. den Tiger, während v. Hellwald den Panther unter den Trägern böser Geister bei den
Aschanti aufzählt 5).
In besonderem Ansehen steht der Leopard {Fume-Chicumbo oder Fume-Ungo) in Loangg,
wo ei- für einen Fetisch fürstlicher Natur gilt. Bastian schreibt von ihm, dass er von den
Loango- Negern als Prinz des Waldes verehrt wird; deshalb wird ein gemeiner Neger, der
einen Leoparden getötet hat, gebunden vor die Prinzen des Landes geführt, „da er einen
der Ihrigen, einen ihres Gleichen erschlagen habe." Vor diesen muss er sich dann pro
forma damit rechtfertigen, „dass der von ihm getötete Prinz ein Prinz des Waldlandes, also
ein Fremder gewesen sei". Auf Grund dieser Ausrede wird der Angeklagte frei gesprochen
und von den Pi'inzen sogar belohnt. „Der tote Leopard wird dann aufgeputzt und mit einer
fürstlichen Mütze geschmückt im Dorfe ausgestellt, wo zu seiner Ehre nächtliche Tänze
stattfinden." Den Beweis für die prinzliche Natur des Leoparden sieht der Neger nach
Bastian auch in seiner Überlegenheit über den wilden Büffel, in dem Hartmann allerdings
den kleineren, weniger wehrhaften Bos brachyceros vermutet. Bastian erwähnt noch,
dass der glücklich gelungene Fang eines Leoparden in alter Zeit eine der seltenen Gelegen-
heiten bot, bei denen der König von Loango sein Schloss verlassen durfte 6). Pogge
berichtet aus Lunda von geschnitzten Holzklötzen , schwarz und weiss , oder rot mit Ton
bestrichen, die vor den Hütten der Eingebornen stehen und Leoparden und andere Tiere
vorstellen sollen^). Cameron weiss ebenfalls von Fetischen zu erzählen, die, rot und
weiss gefleckte Gebilde aus Ton, Leoparden oder andere wilde Tiere darstellen und von ihm
>) Waitz II, 178. — Ausland 1880, 169; vgl. Schneider, 196.
2) Bastian, Fetisch 21 f. Die Geisteraustreibung, die Bastian erlebte, fand Anfang Dezember statt;
etwas Näheres darüber konnte er nicht erfahren, wahrsclieinlirh weil man die der Ceremonie ursprünglich
zu Grunde liegende Idee selbst nicht mehr kannte.
') Vgl. z. B. die Abbildungen Globus LXXII, 312 Fig. 9; Hagen, Altertümer von Benin, Tafel IL
Fig. 2 (Jahrb. der Hamb. Wiss. Anstalten XVII); Schuhtz, Urgeschichte, 510 Fig. 2; Jahresbericht des
Ethnogr. Reichsmuseums in Leiden 1900/01. Tafel XII, Fig. 24.
<i Seidel, in B K III, 194.
*) Müller, Fetu 97; vgl. Klemm III, 363. — v. Hellwald, Naturgeschichte, 154. — Wuttke, 62.
") Bastian, Loangoküste 243, f. — Z E VI, 95. — Hartmann, 215. — Schneider, 196; vgl. auch
Bastian in V.A., I, 86.
') PoGOE, 118; vgl. Thonnek 61.
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in l.ovalo gefunden wurden i). Aus Ton gefertigte Tiergestalten sah Wissmann bei den
Bascliilange als Vertreter der Baschangi, der Geister der verstorbenen Eltern des Häuptlings
Tschingenge^). Holub beobachtete im Marutse-Mambunda- Reiche, dass nach dem Erlegen
eines Leoparden ein Tanz mit Festgesang veianstaltet wurde 3). Zauberer stehen an der
Westküste Afrikas in dem Rufe, sich in Leoparden verwandeln und als solche ihre Um-
gebung in beständiger Furcht und Aufregung erhalten zu können *). Waitz weist darauf
hin, dass die Neger am Kap der guten Hoffnung nicht wagen, dem Leoparden trotz des
Schadens, den er anrichtet, nachzustellen, und vermutet, dass dein ähnliche Beweggründe
unterzulegen seien wie der Leopardenverehrung in Dahome (vgl. S. 7) ^).
Im Osten Afrikas ist der Leopard vielfach Gegenstand der Verehrung und des Abei'-
glaubens, so bei den Kosa oder Xosa, dem südlichsten aller Kaffernstämme, bei den Wayao
(in derselben Weise wie der Löwe — vgl. S. 6), bei den Makonde (in der Gegend nördlich
vom unteren Rovuma)^). Die Bewohner des Latuka-Gebirges (südöstlich von Lado) und die
Madi (im Niltal südlich von Dufile bis zum Albertsee) glauben , dass sich Menschen in
Leoparden verwandeln können ; ") die Madi bemalen die Wände ihrer Hütten mit seltsamen
Abbildungen von Leoparden und behängen nach dem Zeugnisse Emin Paschas Votivbäume
u.a. mit Schädeln und Zähnen von Leoparden S). Die Bari sind der Überzeugung, dass
Leoparden, wenn sie Menschen oder Vieh angreifen, das nur auf Befehl von Zauberern
tun. Auch gilt ihnen die Haut vom Bauche des Leoparden oder Panthers als Wundermittel,
das von dem Zauberarzt {Punök) an Leidende verpachtet wird ^).
v. Hellwald berichtet von dem Glauben der Nuba, dass aus dem Munde ihrer Kudjur
(Priester) bei wichtigen Gelegenheiten irgend ein Schutzgeist spreche, so z. B. aus dem
Kudjur kaijkum (d. i. das politische und kirchliche Obei'haupt) der „Amt el nimmer", der
Geist des Panthers. Der Kudjur besteigt einen mit einem Pantherfell bedeckten Betschemel,
ahmt das Geschi'ei des Panthers nach und verkündet, nachdem der Amt el nmitner in
ihn gefahren ist, unter Verzückungen die Zukunft des Volkes lO).
4. Gattung: Frettkatzen [Gryptaprocta).
Die Katze, die bei den Madagassen dieselbe Rolle spielt wie die Fledermaus (vgl. S. 5
unter 2)) im Zusammenhang mit den Seelen unbestatteter Leichname, ist wohl die auf
Madagaskar heimische Frettkatze oder Fossa (C. /eroo;)"); da es eine schwere Strafe für
eine Seele bedeutet, in einer Katze wohnen zu müssen, hält man diese Tiere gar nicht
im Hause '2).
) Cameron II. 146 f. vgl. Platz 167.
-) Wissmann. Quer duich Afrika 102.
'i HüLUB, Marutse-Mambunda 62.
") Wilson, 164.
5) Waitz II. 178.
6) Kropf, 207. — Andrek, Forschungsreisen 396. — Ratzel II. 43.
') Stühlman 801. — Feobenius, Heiden-Neger 862.
S) R.VTZEL, II., 42. 44.
'') JEPHS0^• und Stanley 132. — Kaufmann, 189; vgl. auch Ratzel, Völkerkunde 1. Au.fl., L, 267.
1°) V. Hellwald, Naturgeschichte 235
i'> SiBRKE 302 f. vgl. Bhehm I. 543. - Wallace II. 220.
'2) Vgl. WuTTKE, 84. — Waitz, 11., 441. — Pesch 42.
I. A. f. E. XVII. 13
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4. Familie: Hyänen {Hyaenidae).
1. Gattung: Hyänen {Hyaena).
Besonders hinzuweisen ist liier auf die Tüpfelhyäne (H. cromta), die vom 17". N. aus
über ganz Afrika südwärts verbreitet ist {Marafil der Araber, Tigerwolf am Kap der guten
Hoffnung), und auf die Streifenhyäne (H. striata), deren Südgrenze in Afrika im allgemeinen
durch den Aequator gebildet wird i).
In Akkra setzt sich jeder einer schweren Strafe aus, der eine der göttlich verehrten
Hyänen tötet 2). Den Eweern gilt die Hyäne als ein von einem Geiste, einer Gottheit
bewohntes Tier 3). Unter den Stammestieren der Betschuanen wird auch die Hyäne genannt *).
Wenn v. Hellwald von den Kaffern berichtet, dass bei mehreren Stämmen des Inneren
die Leichen ärmerer Leute den Hyänen zum Frasse ausgesetzt werden, so ist wohl, da
die Wohlhabenderen demnach ihre Toten beisetzen, nicht an eine Übersiedelung der Seele
des Verstorbenen in die Hyäne zu denken S). Bei den Wayao (vgl. S. 6 unter 9) und S.
9 unter 6)) vermögen nach dem Volksglauben die Zauberer Menschen nach ihrem Tode in
Hyänen zu verwandeln ß). Die Angoni, die an eine Seelen Wanderung glauben, verabscheuen
das Fortleben als Hyäne ganz besonders; sie sind der Ansicht, dass nur Hexen und Zauberer
in die liCiber von Hyänen wandern 7) (vgl. S. 6 unter 5)). Ein regelrechter Hyänenkult
besteht bei den Massai (zwischen Kenia und Kilimandjaro) und bei den Wanika (bei Mom-
bas), obwohl Fischer und Thomson nichts davon gefunden haben. Die Hyäne gilt als das
Stammtier der Wanika; es ist daher das grösste Verbrechen, sie zu töten, und wer „die
Stimme einer Hyäne nachahmt, muss Strafe zahlen" 8). Die Massai beerdigen ihre Toten
nicht, sondern bestreichen sie mit Rindsfett, hüllen sie in eine Haut und legen sie unweit
des Kraals unter einen Baum; wird eine Leiche nicht schon am ersten Tage von den
Hyänen gefressen, so gilt dies als Unglückszeichen; es werden nunmehr vier Rinder
geschlachtet, und der Tote wird abermals mit Fett bestrichen 9).
Hildebrandt zieht bezeichnende Vergleiche zwischen der Stellung des Häuptlings und
der Hyäne bei den Massai und Wanika: Stirbt eine Hyäne, so trauert der ganze Stamm
mit allen Ceremonien; stirbt ein Häuptling, so wird nur in seinem Dorfe eine Trauerfeier
veranstaltet. Der Totschlag eines Menschen kann bei den Massai mit Blutgeld gesühnt
werden ; der einer Hyäne aber muss durch Blut gerächt werden ; doch lässt sich hierfür
in Unika auch Sühngeld entrichten i").
In Latuka glaubt man, dass Menschen sich in Hyänen verwandeln können; die Bongo
schreiben diese Kunst besonders alten Weibern zu, die sich nächtlicherweile verwandeln,
ohne dass jemand etwas davon merkt n). Die Bari halten die Hyänen für Menschen , die
') Greve. 100 f.
•i) BowDicH, 362. vgl. Waitz, IL, 178. Ratzel II. 43.
') ZüNDEL, in Z AE XII. 413.
■•) Schneider, 141.
*) V. Hellwald, Naturgescliichle 66.
^) Andree, Forschungsreisen IL, 369.
7) Wiese in ZE XXXIL, 199.
') Waitz IL, 424. — Bastian, Mensch IIL, 199. — Hildebrandt in Z E X. 383; vgl. Fischer in M H
1882/83 77. Thomson 396 f.
^) Bau.mann, Massailand 163. — Fischer a.a.O.
'") Hildebrandt in Z E X. 383; vgl, Bastian, Loangoküste, 244.
") Stuhlmann, 801. — Frobenius, Heiden-Neger, 362.
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diese Gestalt angenommen haben, um Unheil anrichten zu l<önnen, die Abessinier füi
Wahrsagerinnen, die so den Ziegen und Schafherden nachstellen, und die Fundsch, ein
Volksstamm in Hochsennar (nach Marko) für Zauberer, die auf diese Weise nächtliche
Orgien feiern ').
5. Familie : Hunde (Canidae).
1. Gattung: Wölfe {Canis).
Ausser dem Schakal (C. aureus) ist hier auch der „Buschhund" der Berichte mit zu
behandeln, in dem wir jedenfalls den Schakal zu sehen haben; denn der echte Buschhund
(C. venaticus) kommt nur in Brasilien vor.
Der Schakal wird an der Goldküste verehrt (Ussue, Akkra, Ningo). Isert erzählt,
dass der Buschhund, der ihn in "seiner Grösse und seinem Benehmen sehr an den europäi-
schen Wolf erinnerte, trotz seiner empfindlichen Räubereien (Kinder und Schafe sind seine
hauptsächlichste Beute) nicht getötet werden darf, sondern auf Ningo sogar in einem
besonders für ihn errichteten Tempel allabendlich Esswaien vorgesetzt erhält 2). Bisweilen
gilt er als Ti'äger der Seelen Verstorbener 3). „Pogge glaubt sich zu der Annahme berech-
tigt, dass bei einzelnen Baschilange der Glaube vorhanden sei, die menschliche Seele könne
in einen Hund übergehen... Ob eine Art Verehrung des Hundes... stattfindet, wagt er
nicht zu behaupten" 4). Bei den Maravi (am Nyassa) gehen die Seelen böser Menschen nach
dem Tode in Schakale über 5). Von den Massai und Wakuafl wird der Hund sehr geschätzt;
jedes Massaikind hat seinen Hund; „wenn dieser stirbt, wird das Haupt des Kindes als
Trauerzeremonie in wechselsweisen Streifen geschoren" 6). Die Bari und Dinka sehen in
dem Schakal ein Unglückstier, auf dessen Treiben genau geachtet wird; sein Heulen in
der Nähe eines Hauses bedeutet den Tod des Eigentümers 7). Manche Stämme auf Mada-
gaskar verachten den Hund 8).
Vn. Ordnung: Nagei' {Rodentia).
1. Familie: Mäuse (Muridae).
Die Maus (am verbreitetsten sind in Afiika u.a. die sog. Rennmäuse: Merionidinae)
wird nur an einer Stelle als Träger der Seelen Verstorbener neben der Schlange bei den
Sulu genannt 9). es dürfte sich hier vermutlich um eine in den menschlichen Wohnungen
hausende Mäuseart handeln.
9. Familie: Stachelschweine {Hystrichidae).
Erdstachelschweine {Hystrichinae).
') Jephson und Stanley 132. — v. Hellwald. Naturgeschichte 265. 237; vgl. Bastian, Fetisch 59.
'-» Isert 176. — Monkad, 33; vgl. Klemm III. 363.
') Müller, Fetu 97.
■•) Wissman.n-, Quer chuch Afrika 379 f.
') Waitz II. 419; vgl. hierzu Andree, Parallelen I. 91.
0) KiiAPF im Ausland 1857 442.
') Jrphson und Sta.nley 132. — Fkobenius, Heiden-Neger 343; vgl. Pogge in M. A. IV., 255. 259.
') Keller, Inseln 68.
'i Kranz, 106; vgl. Platz, 107.
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1. Gattung: Stachelschweine {Hystrix). vertreten durch H. cristata (Sene-
gambien und Sudan), und
2. Gattung: Qu astenstachle r {Atherura), vertreten durch A. africana (West-
afrika von Sierra Leone bis Benguella); die 1. Gattung scheint die
vei'breitetere zu sein.
Sobald der König auf Fernando Pöo den Thron bestiegen hat, ist es ihm untersagt,
Fleisch vom Stachelschw^ein zu geniessen i). Lubbock teilt (nach Aebousset) mit, dass einige
Baperi (ein Betschuanenstamm) das Stachelschwein anbeten 2).
13. Familie: Hasen (Leporidae).
1. Gattung: Hasen {Lepus).
Afrikanische Hasen sind L. saxatüis, L. crassicaudatus und L. capensis.
Der Hase, der Götterbote im Mythus der Hottentotten, gilt ihnen nach dem Zeugnis
eines Missionars als Zufluchtsort der Seelen Verstorbener; deshalb essen die Hottentotten
auch in der grössten Hungersnot keine Hasen, wie denn schon Peter Kolbe bezeugt,
dass wenigstens den Männern unter ihnen das Hasenfleisch vei'boten sei; das von Kolbe
gleichzeitig erwähnte Verbot des Kaninchenfleisches fällt ohne Zweifel mit dem Verbot
des Hasenfleisches zusammen 3). Die Bari kehien , wenn ihnen ein Hase quer über den
Weg läuft, sofort nach Hause zurück und bleiben den Rest des Tages in ihrer Hütte; sie
halten den Hasen also anscheinend für einen Unglücksboten oder die Verkörperung eines
bösen Geistes *).
IX. Ordnung: Rüsseltiere {Proboscidea).
Einzige Familie: Elefanten {Elephantidae).
Einzige Gattung: Elefanten (Elephas).
Die Verehrung des Elefanten {E. africanus) findet sich ausser in Dahome hauptsächlich
an der Ostküste Afrikas, an der sonst der Tierkult mehr zurücktritt. Wahrscheinlich
dürfen wir hier eine Übertragung von Indien her, besonders Slam and den benachbarten
Ländern, annehmen, eine Vermutung, für die wir in dem regen Handelsverkehr zwischen
Ostafrika und dem asiatischen Kontinent (zunächst Arabien), der sicher bestanden hat,
vielleicht einen Beweis sehen können S), wenn auch nicht mit absoluter Gewissheit, wovor
bereits Tylor gewarnt hat, indem er zugleich auf die allgemeine Vorliebe des Menschen
hinwies, „ungewöhnliche Tiere, Pflanzen oder Steine mit abergläubischen Gefühlen der
Ehrfurcht oder des Grauens zu betrachten" ß). Jedenfalls bleibt die Tatsache auffällig, dass
neben den Kaffern, bei denen freilich die Tierverehrung an der Ostküste Afrikas am
weitesten ausgebildet ist, auch die Bewohner von Ennarea (südlich von Abessinien) und
') Bastian, San Salvador 319.
•) Lubbock, 231; vgl. Schneider 141.
') Chantepie de LA Saüssaye L, 23. — Berghaus II. 88. — Kolbe 487.
■*) Jephson und Stanley, 132.
') Vgl. Weule in der Polit.-Antropolog. Revue I. 772.
«) Tylor, Urgeschichte 352.
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der we.sllicli davon gelegenen Wildnis Bakko den Elefanten und zwar den hellfarbigen oder
sog. weissen als den Beschützer (Adbar) der Menschen betrachten und ihm eine derartige
Verehrung zollen, dass jeder, der einen solchen töten würde, seine Tat mit dem Leben
büssen müsste, während die Waml)Ugwe u. a. die Elefanten als Träger der Geister längst
Verstorbener ansehen, ihnen also eine Stelle in ihiem Ahnenkult zuweisen, der bei ihnen
eine grosse Rolle spielt i).
Wenn die Kaffern einen Elefanten jagen, so lufen sie ihm zu: „Töte uns nicht,
grosser Häuptling, tritt nicht auf uns, mächtiger Häuptling!" und wenn er tot ist, ver-
sichern sie ihm, sie hätten ihn nicht absichtlich getötet, worin ihre Ehrfurcht vor ihm
als einem höheren Wesen zum Ausdruck kommt; auch essen sie „aus Achtung vor seinem
Verstände nicht von seinem Fleische"; seinen Rüssel vergraben sie, „denn der Elefant ist
ein mächtiger Häuptling, und sein Rüssel ist seine Hand" 2). (Vgl. hiermit den Gebrauch
des Schwanzendes eines Elefanten als Scepter am Kongo) 3).
In Dahome ist der Elefant ein angesehene!' Nationalfetisch, „dessen Tötung zwar nicht
verboten ist, aber umständliche Reinigungsceremonien erforderlich macht" *). Wilson
bemerkt, dass man in Westafrika Elefanten, die Pflanzungen zerstören, für Zauberer hält,
vor denen man in beständiger Furcht lebt 5). Den Bakwiri erscheinen böse Geister in
Elefanten 6). Elefantenschädel als Fetische erwähnen Römer aus der Gegend der Voltamün-
dung und Soyaux von der Loangoküste (Tschibönne am Luemme)^). — Vgl. die S. 4 unter 6)
erwähnten Sleinidole, die u.a. auch Elefanten darstellen.
X. Ordnung: Unpaarzeher (Perissodactyla).
1. Familie: Pferde (Equidae).
Einzige Gattung: Pferde (Equus).
Von einer Verehrung des Pferdes berichtet Waitz aus Benny und Wadai. In Wadai,
wo es sich wohl um das sog. Berberpferd handelt, schreibt man dem schnellen Rosse
unsichtbare Flügel zu und entnimmt ihm glück- und unglückverheissende Vorbedeutungen »).
Von abergläubischen Gebräuchen, die sich an das in die Gattung der Pferde gehörende
Zebra (E. zebra) knüpfen, spricht Bastian. „If a Bakwain" (ein Westbetschuanenstamm)
„is bitten by a zebra, he is expelled the tribe and obliged to take his wife and family
away to the Kalahari" 9). (Vgl. S. 125 unter ^). Im Marutse-Mambunda- Reiche fand Holub
Zebra-Schädel auf den Giäbern dei- -Jäger lO).
XL Ordnung: Paarzeher [Artiodactyla).
3. Familie : H o r n t i e i- e ( Bovidae).
Böcke [Caprinae).
Was von der Verehrung des Bockes im allgemeinen erzählt wird, gehört allem
') Krapf, 89. — Baumann, Massailand 157; v^;!. Tylor a.a.O.
J) "Waitz, II, 178; vgl. 441. — Lichtenstein, 1, 412.
') Nach einer liebenswürdigen Mitteilung des Herrn Dr. Schmeltz in Leiden. Siehe dessen „Album of
the Ethnography of tlio Congo Basin" pl. 41 fig. 7—8 (Inv. N». 958/90 & 48.5/7.)
*) Waitz, II, 178; vgl. Burkhardt— Grundeman, I. Abt. 54.
') Wilson, 164. <■) Seidel in BK, III, 194.
') RciMER, 62. — Soyaux, I, 263; vgl. 105. «; Waitz, II, 178 f.
») Bastian, Mensch, III, 199. '») Holub. Marutse-Mambunda, 45.
- 104 -
Anschein nach zum teil in das Reich der Fabel i). Im Anschluss an Zuchelli berichtet
Bruns von einem Bocli, der in einer Wüste in Angola, an den Hörnern zwischen zwei
Bäumen angebunden, lange Zeit Gegenstand der Verehrung und Empfänger von Opfergaben
gewesen sei, bis ihn Missionare getötet und verbrannt hätten. Auch weiss Bruns von
einem anderen Bock in Niederguinea zu berichten, der einem Fetisch geweiht war und
den man mit in die Schlacht nahm; aus seinem Vorgehen oder Zurückweichen schloss
man auf den Ausgang der Schlacht; wurde ei- erschossen, so ergriff das ganze Heer
die Flucht 2). .
Eine besondere Verehiung geniesst der Bock bei den Bari, während unter den Feti-
schen der Schuli die hölzerne Nachbildung eines Bockes genannt wird S).
Die Gruppe der Böcke zerfällt zoologisch im zwei Gattungen *).
1. Gattung: Ziegen [Capra).
Die Bijagos (Bewohner der Inselgruppe westlich vom Mündungstrichter des Rio Grande)
beten u.a. Tierbilder an, die durch ihre naturgetreue Darstellung auffallen; allerdings glaubt
DoELTER annehmen zu müssen, dass es sich hier nur um Symbole höherstehender Gott-
heiten handelt. Unter diesen Tierbildern steht die Ziege obenan. Dass die Bijagos an eine
Wanderung der Menschenseelen nach dem Tode in Tierleiber, also auch in die der Ziegen,
glauben, wurde Doelter erzählt; doch vermochte er sich von der Wahrheit dieses Glaubens
nicht zu überzeugen s). Als Schutzgötter gegen böse Mächte werden in Liberia heilige
Tiere gehalten ; als solches fand Büttikoper in Cobolia am Massa River eine heilige weisse
Ziege 6). An der Goldküste (Fetu) gehören Ziegenköpfe zum Bestände der Schädelfetische 7).
Gelegentlich eines Besuches bei dem „Könige" Akwa , dessen Dorf einige Meilen von Alt-
Calabar landeinwärts liegt, fand Soyaux in unmittelbarer Nähe des königlichen Thrones
eine wohlgenährte Ziege angebunden, die von Seiten der Eingeborenen hohe Verehrung zu
geniessen schien und vor jeder Berührung durch Weisse sorgfältig gehütet wurde. Leider
konnte Soyaux ausser ihrem Titel „Gesetzesziege" nichts näheres über sie erfahren 8).
Bastian berichtet von der Egboziege am Kamerun, deren Anblick dem Volke nur selten
gestattet wird, die man aber vorzuführen pflegt, um einen Besuch, besonders einen euro-
päischen, auszuzeichnen 9). In San Salvador wurde nach demselben Autor eine Ziege ver-
ehrt, die man abgerichtet hatte, dass sie mit ihren vier Füssen auf einem kleinen Stein
stand 10). Neben der Kuh (vgl. S. 107 unter 5) wählt der Familiengeist der Makalaka (Kaffern-
stamm zwischen den Makarikari-Salzpfannen und dem Matoppo-Gebirge nördhch vom Lim-
popo) gern die Ziege als Aufenthaltsort "). Die Schuli haben unter ihren hölzernen Fetischen
auch solche, die Ziegen darsteUen i2).
') Dass in den Reisewerken naineiitlicli der älteren Zeit mitunter die Phantasie des Autors ihr Spiel
treibt dafür mögen als Beleg einige Erzählungen in „Reise des Pater Zuchelli nach Congo" etc., Samm-
lung nierkwürd. Reisen in d. Innere v. Afrika, ed. Cühn, Lpzg. 1790, dienen, z.B. S. 19. 20.
-■) Bruns, IV, 106. 116; vgl. Bastian, San Salvador. 82.
3) Vita Hassan, I, 47, 55.
") Vgl. BREHM, III, 169. ') DOKLTEH, 124.
") BüTTiKOFER in AE, I, 86; derselbe, Liberia, II, 238.
') Müller, Fetu 50. ") Soyaux, I, 106 f.
') Bastian, Fetisch 12. Der Egbo-Orden (Eßk) ist ein Geheimbund.
'») Bastian, San Salvador 207; vgl. Bekghaüs, II, 73.
") Schneider, 196. ") Vita Hassan, I, 55.
- 105 -
Enthaltung' vom Genüsse des Ziegenfleisches ist sehr weit verbreitet, teils aus rein
abergliiubischen Gründen, teils zu Ehren einer Gottheit, so an der Gold- und Guineaküste i),
in Togo (auf Befehl Odentes, eines mächtigen Fetischs)^), an der Loangoküste („damit
die Haut nicht abschilfere"); die Weiber der Bayaka haben das Vei'bot des Ziegenfleisches
dem Fetisch Muiri zu verdanken 3). Ferner ist der Genuss des Ziegenfleisches einem Stamm
der Buschmänner untersagt (obwohl die Ziege hier das häufigste Haustier ist) 4), ebenso
auf Madagaskar und anderwärts 5).
2. Gattung: Schafe (Ovis).
Von einer eigentlichen Verehrung des Schafes kann kaum die Rede sein, obwohl es
neben dem Rind ein bevorzugtes Nutztier in Afrika ist; wo eine solche behauptet wird,
haben wir wohl vielmeiir Erscheinungen vor uns, die auf Opfergebräuche zurückzuführen
sind. Meist handelt es sich um Speiseverbote. So fand Müller in Fetu, dass gewissen
Personen das Schaffleisch verboten war 6). Bei den Warundi (nordöstlich am Tanganyika-
See) ist es den Weibern nicht gestattet, Schaffleisch zu essen 7). Wenn Klose hervorhebt,
dass in Kete Kratschi ausser Hunden und Schafen kein Vieh gehalten werden darf, so ist
diese Bevorzugung der beiden genannten Tiere nicht etwa ein Akt religiöser Verehrung,
sondern lediglich der Ausfluss einer Laune des mächtigen Fetischs Odente (eines 1894 von
Dr. Grüner hingerichteten Gauners), der speziell weisse Schafe als Opfer verlangte *).
Herold berichtet von den deutschen Ewe-Negern (vor allem aus Aneho oder Klein-Popo),
dass sie gelegentlich eines Festes zu Ehren ihres Fetischs Nanyo einen grossen Umzug
um die Stadt veranstalten, wobei sie Ziegen, Schweine und Hunde, denen man unterwegs
begegnet, niederschlagen und später zu Ehren Nanyos verzehren; nur Schafe werden dabei
verschont 9). Eine Erklärung für diese merkwürdige Erscheinung giebt Herold nicht; viel-
leicht ist hierbei derselbe Gedanke massgebend wie bei einem Gebrauch der Kaftern : wenn
ein junger Sulu Zauberpriester gewoi-den ist, biingt er Schlachtopfer dar, sonderbarerweise
aber nie Schafe; als Grund dafür giebt Ratzel nach der Aussage eines Eingeborenen an,
dass die von den Sulu geschlachteten Opfertiere schreien müssen ; da aber das Schaf, wenn
es geschlachtet wird , lautlos stirbt, scheidet es aus dei' Reihe der Opfertiere aus lO). Schädel
von Schafen als Amulette in Fetischhütten nennt Römer für die Gegend an der Volta-
mündung n)
Rinder ( Bovinae).
4. Gattung: Rinder (ßos).
Das Rind (gewöhnlich das Sanga- oder Sanka-Rind, Bos africanus^ das ausserafrika-
') Labat, I, 297. - Bruns, V, 153. - Bastian, Fetisch 54 (nach Müller).
■) Klose, 341.
') Bastian, Loangoküste, I, 185. — Güssfeldt, 200.
■•) Ratzel,' I, 689
') SiBREE 303; vgl. Rat>,el, II, 43. - Vinson, 15. — Baumann, Massailand, 223.
^) Bastian, Fetisch, 54 f. (z. t. nach Müller, Fetu).
') Baumann, Massailand 223.
') Klose, 341. — Richter in „Die evangel. Mission", II, 63.
') Herold in M. Seh., V, 148.
'") Ratzel, Völkerkunde, 1. Aufl. I, 269.
") Römer, 62.
- 106 -
nischen, nach Durst asiatischen, Ursprungs ist, heute aber nur in Ägypten und der
Libyschen Wüste fehlt i)) nimmt im Kult der afrikanischen Naturvölker eine ausgesprochene
Doppelstellung ein: einerseits ist es ein bevorzugtes Opfertier, andererseits bei mehreren
Völkern Gegenstand einer besonderen Verehrung, die um so erklärlicher wird, wenn man
die hervorragende Bedeutung des Rindes für die speziell viehzuchttreibenden Völker bedenkt
und erwägt, dass in gewissen Gegenden, so z.B. im Norden Deutsch-Südwest-Afrikas, die
Existenz der Viehzüchter geradezu von dem Bestände ihier Rinderherden abhängt.
Ein Blick auf die von Ratzel entworfene Kulturkarte Afrikas belehrt uns, dass die
vorzugsweise viehzüchtenden Naturvölker im Süden vom 10. Parallelkreise an, sowie am
oberen Nil zu suchen sind, und bei diesen Völkern finden wir auch die Rinderverehrung
am meisten ausgebildet.
Am Oberlaufe des Weissen Nils kommen hier besonders in Betracht die Dinka, Schilluk,
Nuer und Bari. Die Dinka, die „gegen alles Übersinnliche sehr gleichgiltig sind", ti'agen
um so gi'össere Sorge um ihre Rinder, die ihnen für rein und edel gelten und niemals
geschlachtet werden (der Dinka verzehrt nur die gefallenen oder die von anderen getöteten
Rinder) 2). Der Stier wird unter dem Namen Madjok, der grosse Gott, verehrt. „Der
Madjok-Kult besteht in einem Congo (= Fest), den man um das Tier mit Gesang, Musik
und Tanz aufführt; diese Ceremonie wird manchmal mehrere Tage hinter einander wieder-
holt. Wenn das Tier dabei zu brüllen anfängt, so wird dies als ein Zeichen seiner Befrie-
digung angesehen, und der Congo geht lustig weiter. Das arme Tier, das von dieser
Demonstration nichts versteht, brüllt dann noch stärker" 3). Über die Verehrung des
Rindes bei den genannten vier Stämmen teilt v. Hellwald nach den Angaben des engli-
schen Reisenden Petherick, der 1862/63 Centralafrika und speziell die westlichen Nilstämme
erforschte, folgendes mit; „Man erwählt zur Heiligung den schönsten Schecken weit und
breit. Von jedermann geliebkost und verhätschelt bekommt der Bulle sehr rasch das
Bewusstsein seiner Würde und schreitet stets der Herde voran. Seine Beine und Fesseln
werden mit ausei-lesensten Eisen- und Kupferringen verziei't, und von den Spitzen seiner
langen Hörner wehen zum Schmucke Kuh- und Giraffenschwänze. Gesänge weiden zu seinem
Preise verfasst und seine Hilfe zur Abwendung von Unheil angerufen. Nach seinem Tode
wird der heilige Schecke unter grossen Feierlichkeiten beerdigt, seine Hörner aber an einem
Pfosten befestigt, der das Grab seines Eigentümers bezeichnet oder bezeichnen soll." Leider
ist aus Pethericks Bericht, wie v. Hellwald hervorhebt, nicht zu ersehen, ob eine
derartige Verehrung des Stieres bei allen oder nui- bei einigen Stämmen des Weissen Nils
gefunden wurde. 4) Für die Bari ist die Verehrung des Stieres etwa 30 Jahre später
bezeugt. 5) Auch wird mehrfach mitgeteilt, dass von den Nuer der Stier, der die Herde
führt, fast abgöttisch verehrt wird; „er wird als der schützende Genius der Familie
beti-achtet, und sein Verlust gilt als das grösste Unglück; in ihm verehrt der Nuer den
Begriff alles Schönen und Starken, ja er bezeichnet ihn mit demselben Namen Nyeledit
(d.h. der Höchste, Grösste, Mächtigste), welchen er dem kaum in dunkelster Ahnung ihm
vorschwebenden Begriffe von einem höchsten Wesen und dem Donner beilegt". 6)
') Müller, Wiilschaftstiere, I, 19 ff.; vgl. Globus, LXVI, 181.
-) ScHWEiNFURTH, I, 175, f. — Marno, 348. — Pesch, 95. — Andree, Parallelen I, 122, (nach
Schweinfurth); vgl. Hahn, 106.
^) Vita Hassan, I, 58 f. ••) v. Hellwald, Naturgeschichte, 215 f. *) Vita Hassan, I, 47.
«) Marno, in M L 1873, 6; derselbe, Reisen 343, 347 ff'.; vgL A M VII, 34.
- 107 -
Ob die Latukii dem Stier eine \viri<liche Verehrung zu teil werden lassen oder ihn
nur seiner Klugheit wegen (weil er im stände ist sich seine Nahrung zu verschaffen,
ohne zu arbeiten) bewundern, ist nicht festzustellen.!) — zu bemerken ist, dass bei den
Somali schwarze Rinder als unheilbringend gelten. 2)
Richter fand in dem Bezirk Bukoba Anklänge an die Verehrung des Rindes in einer
Kabila (vgl. S. 3 unter 4), die keine inneren Teile des Rindes geniessen darf; doch bemerkt
er, dass ein Glaube an Abstammung von Tieren oder an Seelen Wanderung in Tiere nicht
besteht. ^) Die Ahnen der Sultane und Grossen der Wahehe leben in den schönsten und
stärksten Rindern weiter -i). Die Makalaka huldigen der Anschauung, dass der Familiengeist
gern in einei' Kuh .seinen Aufenthalt nimmt. 5) Der Kaffer schlachtet nur bei feierlichen
Gelegenheiten eins seiner schwärmerisch verehrten Rinder. 6)
Wenden wir uns nach der Westseite Afrikas, so finden wir Verehrung des Rindes
bei den Ovaherero oder Damara in Deutsch-Südwest-Afrika 7). Das heilige Rind heisst
Oviririke (das ist nach Missionar Hahn ein Rind, das in Lobliedern besungen und gepriesen'
wird). Die Damai-a sind in sog. Ejanda (eine Art Kasten) eingeteilt; je nach der Ejanda,
deren es 6 oder 7 giebt, sind die von ihr zu verehrenden Rinder nach Farbe, Gestalt,
Wuchs der Hörner u. s. w. duich Gesetze genau bestimmt, wozu noch Vorschriften über
Speiseenthaltung kommen S). v. Rohden schildert eine Opfermahlzeit, ein heiliges Festessen,
das die Ovaherero bei gewissen Gelegenheiten zu veranstalten pflegen. Dabei erwähnt er,
dass den Ovaherero ein bestimmtes Stück Fleisch von der inneren Seite des rechten
Hinterviertels eines jeden Rindes, das „Ehango'\ als heilig gilt 9) (vgl. S. 144 unter 3)).
In den Schädelpyramiden an der Loango-Küste fanden sich auch Ochsenschädel. lO)
Bastian nennt unter den Tierflgui'en , die bei dei- Geisteraustreibung am Calabai- zur Ver-
wendung kommen (vgl. S. 98 unter 2)), solche von Kühen; auch konstatiert er, dass in
Guinea (an der Goldküste) sich manche des Rindfleischgenusses enthalten i^). Neben der
Ziege (vgl. S. 104 unter ^)) dient als Idol bei den Bijagos die Kuh i2).
Der in Afrika heimische Kap- oder Kafferb üffel (Bos caffer) tritt als Objekt der
Verehrung nur bei den Sulu auf, denen er neben der Schlange als Verkörperung der
Geister Vestorbener gilt. i3) Schädel von Büffeln trifft man in den Skelettpyramiden im
Bakunya-Lande und an der Loango-Küste, hier besonders am Ausgange des Walddorfes
Tschibonne, wo der in der ganzen Gegend verehrte, dem Erdgeist geweihte Tierschädel-
fetisch M-kissi-nsi sich befindet,!*) dann an der Goldküste als Amulette in den Fetisch-
häusern !5) und an den Votivbäumen der Madi i^).
') Peety, Antliropologie. II, 85. — Pesch, 96.
') Globus, LXVI, 184.
') Richter, in M. Seil.. XII. 83 f.
■•) Engelhardt, in BK III, 78 f.
*) Schneider, 196.
°) Fritsch, in V. A. 1879, 288; vgl. Hahn, 107 f. — Andree, Parallelen I. 122. (nach Peitsch).
') Hahn, 107.
") Andree, Parallelen, I, 123 f.: vgl. Waitz. II, 416. — Anderson, im Ausland. 1856, 45.
») V. Rohden, in A M V, 354 f.
'") Lenz, 193.
") Bastian, Fetisch, 22, 54 f.; vgl. Bruns V, 158. — Bowdich, 362.
'2) DoKi.TER, 124. '') Peitsch, Eingeborene, 139.
'<) Chavanne, 407. — GüssFELDT, 123. — Falkenstein, I, 218. — Soyaux, I. 263; vgl. 105.
>') Römer, 62; vgl. Ratzel, II, 43. '«) Ratzel, II, 42 (nach Emin Pascha).
I. A. f. E. XVII. U
- 108 -
Antilopen {Antilopinae).
6. Gattung : Antilopen (Antilope).
Gazelle {A. dorcas).
19. Gattung: Schopf antilopen (Cephalolophus).
Duck er (C. mergens).
Die Antilope (Gazelle, Ducker) ist das Stammtier mehrerer Betschuanenstämme : der
Bamangwato im Westen und der Baputi im Osten ; der Name dei' Letzteren weist auf den
Ducker, Puti genannt, direkt hin. Man vermeidet, die dem Stamm geweihte Antilope zu
töten, ihr Fleisch zu geniessen und ihr Fell zu gebrauchen. Aufgabe eines guten Zauberers
ist es, an den zu einer Ortschaft führenden Pfaden zwei Antilopenhörner zu vergraben i).
In den Schädelfetischen an der Loango-Küste spielt der Antilopenschädel eine Haupt-
rolle 2). Das Verbot, vom Fleische einer durch den Fetischdoktor speziell bezeichneten
Antilopenart zu essen , fand Büttikofee in Liberia 3) ; hierher ist wohl auch das Verbot
des Rehfleisches zu rechnen , von dem Bruns aus Fetu berichtet. ^) Nach Ratzel findet sich
Antilopenverehrung bei den Buschmännern. An den Votivbäumen der Schuli hängen Anti-
lopenschädel 5) ; ebenso liegen im Marutse-Mambunda-Reiche Antilopenschädel auf dem Grabe
des Jägers 6). Dodo, vermutlich eine böse Gottheit, wird nach der Anschauung der Afo-Neger
(am Benue) repräsentiert durch eine tönerne Tiergestalt mit vier Antilopenhörnern auf dem
Rücken und zwei menschlichen Gesichtern. 7)
8. Familie: Schweine {Suidae).
2. Gattung: Höckerschweine (Potamochoerus).
Pinselschwein (P. porcus), in West- und auch Ost- Afrika vertreten.
■ F 1 u s s s c h w e i n (P. africanus).
4. Gattung: Warzenschweine (P/mcochoenis).
Warzenschwein [P. africanus), in Ost- und Mittel- Afrika heimisch.
Hartläufer (P. aethiopicus) , in Süd-Afrika vorkommend.
An der Goldküste (bei den Aschanti) gehört das Schweinefleisch zu den Speisen, die
einzelnen Pei^sonen verboten sind ; nach Cruickshank gilt dieses Verbot auf Lebenszeit und
geht auch auf die Kinder übei'; die Begegnung mit einem Ferkel muss durch einen Zauber-
spruch wirkungslos gemacht werden 8). Den Jaga ist der Genuss des Schweinefleisches
ebenfalls verboten 9). In den von der Loango-Expedition aufgefundenen Tierschädelanhäu-
fungen waren Schädel von Pinselohrschweinen vorhanden lO). Die Häuptlinge der Bondo und
') Fritsch, 3 .Jahre, 388. — Holüb, Süd- Afrika, I, 478 (412). — Beyce, 113; vgl. v. Hkllwald,
Naturgeschichte, 67. — Ratzel, II. 43.
■) GüssFELDT, 123. — Lenz, 193. — Soyaux. I, 263: vgl. 105. — Chavanne, 407.
3) BÜTTIKOFEB, II, 333 f.
<) Beuns, V, 153.
s) Ratzel, I, 690; II. 42.
') HoLUB, Marutse-Mambunda, 45.
') RüHLFS, It, 199 f.
') BowDicH. 362. — Cruickshank, 220; vgl. Waitz, II, 200. — Falkenstein, I, 217.
') Bastian, .San Salvador, 207. Die Jaga sind ein altes Volk, dessen Herkunft liypothetisch ist und
das durch seine Einfälle (auch in das Kongo-Gebiet) viel Schrecken verbreitet hat; später sclieint man mit
Jaga eine Art Häuptlinge zu bezeichnen. Vgl. Bastian, a.a.O., 11 ff., 150.
'») GÜSSFELDT, 123. — Falkenstein, I, 218.
- 10'.) -
Hollo, z. t. auch der Kalunda und Baluba (Central-Afrika) dürfen kein Schweinefleisch essen i).
Fritsch berichtet, dass versciiiedene Stämme der Betschuanen das Schwein verabscheuen,
doch nicht so konsequent wie den Fisch, so dass sie sich schliesslich bewegen lassen,
Schweinefleisch zu essen 2). Auf Madagaskar • ist das Schwein in einigen Stämmen und
Familien verpönt 3), ebenso bei den Sulu ■•). Schweineschädel gehören bei den Madi zum
Behang der VotivbäumeS).
9. Familie: Plumptiere (Hippopotamidae).
Einzige Gattung: Flusspferde (Hippopotaynus).
Chavanne nennt den Schädel des Fluss- oder Nilpferdes (H. amphibius) als Bestandteil
der Skelettpyi-amlden der Bafiote (Bewohner der Loangoküste) am Kongo; aus Holz
geschnitzte Fhisspferde gelten hier als Fetische und werden als Aufbewahrungsorte für
Zaubermittel benutzt 6). Die Sulu betrachten Flusspferde als Erscheinungsformen von
Seelen Verstorbener"). Von den Matebele (vgl. S. 94 unter 4)) wird das Flusspferd verehrt;
es darf nicht getötet und sein Fleisch nicht gegessen werden 8).
XIII. Ordnung: Waltiere (Cetacea).
Waitz berichtet von den Bewohnern Madagaskars (nach Owen), dass sie, wenn sie
das Junge eines Walfisches getötet haben, sich bei dessen Mutter entschuldigen und sie
bitten, sich zu entfernen, „ganz so wie die Kaffern zu verfahren pflegen, wenn sie einen
Elefanten erlegt haben" 9). (Vgl. S. 103 unter 2)).
Vögel.
Der Raum , den die Vögel im Kult der afrikanischen Naturvölker als dii-ekte Objekte
der Vei-ehrung einnehmen, ist ein verhältnismässig geringer. Vogelkult im allgemeinen
(ohne nähere Bestimmung der Art) wird mehrfach erwähnt. So ist er üblich an der Küste
von Guinea (Fetu)iO), am Kongo") und in Ostafrika i2). Alle Kabilas in Bukoba (Vgl. S. 93
unter •*)) verehren einen bestimmten Vogel is) (ausser den Tieren, zu denen sie in besonderen
Beziehungen stehen). Niekam , der Stammgott der Schilluk , erscheint bisweilen als Vogel ").
Unter den Nabikem am Kamerun finden sich u. a. auch Darstellungen von Vögeln ^^).
') WissMANN, Im Iiinein Afrikas, 128.
'•) Fritsch, 3 Jahre, 399.
') SiBHEF, 303; vgl. Waitz, II, 441. — Keller, Inseln, 68.
*) Platz, 107.
») Ratzel. II, 42.
6) Chavanne, 407, 409; vgl. Soyaüx, I, 263, 105.
") Fritsch, Eingeborene. 139.
■') HoLUB in ZE, XXV, 197.
9) Waitz, II, 441.
'») Bruns, V, 152. - Monrad, 33.
") Frobknius, Weltanschauung, 44 ff.
'■•) Storch in M. Seh., IX, 313.
") Richter in M. Seh., XH, 83.
'•*) Petermann und Hassenstein, in P M E B. II, 22; vgl. Ratzel, II, 44.
") Bastian, Fetisch 22.
- 110 -
Ähnliche Vogelfiguren gelten den Akwapira (an der Goldküste) als Fetische i). Die Sulu
glauben , dass ihre Vorfahren als Vögel wiederkehren 2). Die Massai legen ihre Toten den
Vögeln zum Frasse vor 3). Wakamba und Wanika beobachten den Flug der Vögel 4). In
Guinea und bei den Nuer ist der Genuss des Vogelfleisches verboten S).
Im einzelnen wei'den folgende Vögel verehrt oder in den Kreis des Aberglaubens
gezogen.
I. Ordnung: Bauravögel (Goracomithes).
6. Familie: Honigsauger (Nedariniidae).
Einzige Gattung: Erzhonigsauger (Nedarinia)
Erzhonigsauger {N. metallica).
Die Kosa- Kaffern verehren den Erzhonigsauger 6).
10. Familie: Waldsänger (Sylvicolidae).
Stelzen (Motacillinae).
Stelzen werden von den Bari verehrt ").
46. Familie: Eulen (Strigidae).
Die Eulen gelten als Vögel schlimmer Vorbedeutung bei den Bari 8) und Dinka^), bei
den WanjoroiO), auf Madagaskar"), bei den Bakundu i2) und an der Goldküste i^), als böse
Geister bei den Bakwiri i*) , den Bongo i^) und auf Madagaskar i6).
III. Ordnung: Taubenvögel (Peliornithes).
1 . Fa m i 1 ie : Tau b e n ( Golumbidae).
Im Nigerdelta verehit man Tauben i^).
VI. Ordnung: Kranichvögel (Geranornithes).
1. Familie : Kraniche (Gruidae).
Verehrung ^eniessen die Kraniche bei den Matebelei^); als Unglücksboten gelten sie
den Balubai9).
') V. Hellwald, Naturgeschichte. 155.
=) Kra.nz, 106. - Platz, 107.
') Fischer in M H, 1882/83, 72.
') Waitz, IV, 200, 423.
') Labat, I, 297. - Marno, 349.
") Kkopf, 206; vgl. Bastian, Mensch, TU, 199.
') Jephson und Stanley, 132. ') a. a. 0.
'■>) FKüBENiuy, Heiden-Neger, 343. ">) Platz, 226.
") SiBBEE, 307. '2) Schwaez, 256.
'■') MüLLEK, Fctu 100. ") Seidel in B K, III, 194.
'■'■) Hahtmann, 211; vgl. Paulitschke, Sudanländer, 263 (nach Schweinpueth).
'8) SiBKEE, 302 f. ") Bastian, Bilder. 160.
'») HüLUB in Z. E., XXV, 197. ") Wissmann, In Innern Afrikas, 157.
- 111 -
X. Ordnung: Stossvögel (Pelargornithes).
1. Familie: Falkenvögel (Falconidae).
Geier ( Vulturinae).
Der Geier ist Gegenstand der Verehrung in Ascliantii), bei den Kosa- Kaffern 2) , bei
den Wadschagga und Wataita •').
4. Familie: Reiher (Ardeidae).
4. Gattung: Nachtreiher {Nycticorax).
Den Nachtreiher, auch Nachtrabe genannt, verehren die Kunama und Barea^).
6. Familie : S t ö r c h e ( Ciconiidae).
3. Gattung : K r o p f s t ö r c h e (Leptoptilus).
M a 1' a b u ( L. crumenifer).
Eine gewisse Verehrung zollen die Massai dem Marabu 5); den Baluba gilt er als
Unglücksbote ^).
7. Familie: Hammer köpfe (Scopidae).
Einzige Gattung: Schattenvögel (Scopus).
Schatten vogei (S. umbretta).
Die Kalahari-Bewohner ") und die ßasuto §) verehren den Schatten vogei.
8. Familie: Ibisse (Ibidae).
Ibisse (Ibidinae).
2. Gattung: Ibisse (Ibis).
Verehrung des Ibis {I. aethiopica) ist bekannt von den Nuba ^) und Basuto lO).
10. Familie: Scharben (Phcdacrocoracidae).
Seh langen halsvögel (Plolinae).
2. Gattung: Schlan gen hals vögel (Plotus).
Den Schlangenhaisvogel (P. levaillantii) verehrt man in Kamerun H).
') BowDicH, 362, 436. =) Kropf. 207.
») HiLDKBEANDT in Z E. X, 383; vgl. Waitz. II, 518.
*) V. Hellwald, Naturgeschichte, 257; vgl. Klemm. III, 363.
') Fischer in M H, 1882/83, 72. ') Wissmann, Im Innern Afrikas, 157.
') Fritsch, 3 Jahre, 399. ') Ratzel, II, 43.
») M J, II, 18; vgl. auch Monbad, 33.
'») Endeman.v in Z E, VI. 43 und in A M, III, 8.5: vgl. Hartmann, 225. — Klose 399.
") CoNRAU in M. Seh., XI, 200.
112
Kriechtiere.
I. Ordnung: Schuppenkriechtiere (Squamata).
1. Unterordnung: Eidechsen (Lacertilia).
4. Familie: Leguane (Iguanidae).
3. Gattung: Basilisken (Basüiscus).
Nach V. Hellwald glauben einzelne Stämme der Buschmänner an ein schlangenartiges
Wesen , das er als Basilisk bezeichnen möchte i).
, 8. Gattung: Leguane (Iguana).
Die Hauptgottheit in Dahome und in Bonny (Nigerdelta) war bis in die zweite Hälfte
des vorigen Jahrhunderts die Eidechse , Iguana oder Guana genannt. Die Berichte erzählen
folgendes von ihr. Sie ist ein schwarzes, hässliches und ungeschlachtes Tier, das dem
Menschen unschädlich ist, unbelästigt überall in den Strassen und Häusern umhei-schleicht
und selbst von dem Gefühle seiner Heiligkeit durchdrungen zu sein scheint, da es sich
„kaum die Mühe nimmt auszuweichen". Jeder geht den Iguanas aus dem Wege „um sie
nicht zu stören und den Besuch dieses Ehrengastes nicht frevelhafter Weise abzukürzen;
ja man scheut sich sie anzublicken oder auf sie hinzuweisen, so heilig hält man sie."
Bastian schildert, wie sich die Neger beeilen, jeden Leguan, der zufällig in den Fluss
oder in einen der von Haifischen wimmelnden Kanäle gerät, ehrfurchtsvoll aufzufischen
und ans Land zu bringen, „da es das traurigste Omen für den Staat sein würde", wenn
eins dieser Tiere von einem Hai beleidigt oder gefressen werden sollte 2). Waitz erwähnt
bei der Beschreibung einer Fetischhütte in Bonny an den Wänden hängende Bilder, die
die Guana-Eidechse darstellen. >^)
Mehrfach führte die Verletzung einer dieser Eidechsengotthoiten durch fremde Matrosen
zu Aufständen, bis Bischof Crowther (ein Neger) im April 1867 dem Gotte den Krieg
erklärte und ihn tatsächlich absetzte. *)
Mit dem Leguan scheint identisch zu sein ein Daboue oder Deboiie genanntes Tier,
das fast die Gestalt einer grossen Eidechse hat, aber ungefähr 2 Fuss lang ist und mit
einer Art Pfoten sich fortbewegt. An anderer Stelle wird seine Länge auf nur 1 Fuss
angegeben. Eine Gemeinschaft von Weibern bringt diesem heiligen Tiere seine tägliche
Nahrung nach einer Hütte, die eigens zu diesem Zwecke gebaut worden ist; kein unein-
geweihtes Weib, noch weniger aber Männer dürfen dahin kommen, ohne das Leben zu
verwirken &).
Die Verehrung der Eidechse wird auch aus dem Hinterlande von Dahome, dem König-
reiche Borgu , bezeugt 6) , ebenso aus Fetu , *■) während den Schilluk ihr Stammgott Niekam
') V. Hellwald. Naturgeschichte, II, 21.
2) Bastian, Bilder, 160. — Koelkr in M B, IV, 148; vgl. Brdns, V, 1.56.
') Waitz, II, 200; vgl. Zöllee, Kamonin, I, 89.
*) Globus, X, 285, XII, 256.
*) Pruneaü de Pommegoege, 195; vgl. Vinson, 15. — Fesch, 85.
°) Bekghaus, 55.
') Bruns, V, 152. — Müller, Fetu, 48.
- 118 -
u. a. in der Gestalt einer Eidechse erscheint i). Nach dem Glauben der Sulu können sich
Menschen in Eidechsen verwandeln.^) Richter erzählt aus Bukoba von einer Kabila, die
keine Eidechse berühren darf, ohne Hautausschlag zu bekommen.^) Den Betschuanen gilt
die lilidechse als Urheberin grossen Übels. ■*)
Am ausgeprägtesten und zugleich in den .sonderbarsten Formen findet sich die
Eidechsenverehrung auf Madagaskai-. Sibree berichtet von dort über ein merkwürdiges
Tier, Fanany genannt (auch Fanatiimpitoloha , „das Fanany mit sieben Köpfen"), „das
verschiedentlich als Eidechse, Wuim oder Schlange beschrieben wird." Dieses Fabeltier
„soll aus dem Leichname der Toten von adeligem Blute kommen und eine Verkörperung
ihrer Geister sein.""')
2. Unterordnung: Wurm zun gl er (BMptoglossa).
Einzige Familie: Chamäleons (Chamaeleontidae).
Von den Betschuanen wird das Chamäleon als Unglückstier wie die Eidechse aufgefasst.
Den Madagassen flösst es „eine Art von religiöser Scheu" ein 6).
3. Unterordnung: Schlangen (Ophidia).
Es kommen hier, soweit wir sehen werden, besonders in Betracht
2. Familie: Stummelfüsser (Boidae).
Pythonschlangen (Pythoniae).
1 . Gattung : Felsenschlangen (Python).
Natalfelsensch lange (P. natalensis).
Assala (P. sebae oder Coluber sebae).
Boaschlangen [Boinae).
4. Gattung: Schlinger {Boa).
Königsschlange [Boa constridor).
5. Familie: Nattern (Colubridae).
Erste Reihe: Glattzäh ner (Aglypha).
Echte Nattern ( Colubrinae).
8. Gattung: Baum schlangen {Dendroplds).
Glanznatter [D. pictus oder Leptophis pictus oder Ahaetulla belli).
„De tous les animaux , le plus generalement revere par les Noirs d'Afrique, c'est le
serpent". Mit diesen Worten leitet Reville seine Charakteristik des Schlangenkultes bei
den afrikanischen Naturvölkern ein , und wir schliessen uns ihm ohne weiteres in seinem
Urteile an ^). Die Verehrung der Schlange in Afrika ist fast allgemein zu nennen und wird
von den meisten Roisendi-n erwähnt, bez. bestätigt.
') Ratzel, II, 43. •...,, -X Tylor, Anfänge, II, 7.
3) RicHTEB in M Seh, XS, 83 f. ^) Sievees— Hahn, 196.
<■) Sibree, 309 f.; vgl. 263[>— Keller, Inseln, 76. — Frobenius. Weltanschauung, 51 ff.
«) Sievees-Hahn, 196. — JWaitz, II, 441.
') Reville. I, 65; vgl. "RteTKE, I, 63. — Vinson. 15.
.1
- 114 -
Ganz besonders ausgebildet tritt uns der Sclrlangenliult entgegen in Daliome, dann
bei den Kaffern und endlich bei den Stämmen am oberen Nil.
In Westafrika stossen wir von Norden her zuerst auf Schlangenvei-ehrung bei den
teils zum Islam sich bekennenden, teils heidnisch gebliebenen Mandingo (zwischen dem
oberen und unteren Niger und der Küste), denen die Schlange als Verkörperung ihres
Schutzgeistes gilt und deshalb ein ehrerbietigst geduldeter Hausgenosse ist i). In Buluma
am Fisherman Lake (Liberia) fand Büttikoper eine grosse heilige Schlange, die als unver-
letzliche Schutzheilige der Stadt gegen böse Mächte galt und gefüttert wurde 2). Dieser
vereinzelte Fall erinnerte Büttikofer an den berühmten Schlangendienst in Daliome, den
wir jetzt im Anschluss hauptsächlich an die ausführlichen Schilderungen von Isert,
Labarthe, Wilson, Repin und Zöller erörtern vsrojlen.
Als Mittelpunkt des interessanten und verhältnismässig reich ausgestatteten Schlangen-
kultes in DahomeS) wird die Hafenstadt Weida (mit der umliegenden Landschaft ein Teil
des alten Reiches Ardra) genannt, östlich von Gross-Popo gelegen. 4) In Klein-Popo noch
unbekannt, beginnt der Schlangenkult in milder Form bei Gross-Popo und erreicht den
Höhepunkt seiner Entwickelung in Weida, „wo den nicht giftigen Schlangen und nament-
lich den sehr zahlreichen Boas eine ähnliche Verehrung dargebracht wird wie im alten
Ägypten dem Apis."5) Der Schlangengott als solcher führt den Namen Danh-gbi^). Der
grösste der zahlreichen Schlangentempel gilt als die erste Sehenswürdigkeit von Weida. 7)
Als Grund für die Heilighaltung der Schlangen giebt Wilson an, dass man glaubt, die
Seelen der Toten seien in sie übergegangen 8); jedoch fügt Wilson hinzu, dass dieser
Glaube ursprünglich wohl die Veranlassung zu ihrer Verehrung gegeben habe, mit der
Zeit aber, „wie es in solchen Dingen gewöhnlich zu geschehen pflegt", in Vergessenheit
geraten sei, worauf man die Verehrung auf die Tiere selbst übertragen, die sie angeblich
bewohnenden Geister aber vernachlässigt habe. Durch schonende und aufmerksame Behand-
lung sind die heilig gehaltenen Tiere schhesslich zahm und gelehrig geworden und unter-
scheiden sich nun .so auffalleml von anderen wilden Tieren, „dass die abergläubischen
Begriffe der Eingeborenen in dieser Erscheinung einen wesentlichen Stützpunkt finden." Die
Berichte über den Ursprung des Schlangenkultes gehen auseinander. Bosman erzählt, dass
nach den Angaben der Eingeborenen vor vielen Jahren eine Schlange aus fremdem Lande
wegen der Bosheit der dort wohnenden Menschen zu ihnen nach Weida gekommen , hier
mit grosser Freude aufgenommen , unter Ehrenbezeugungen in einer seidenen Decke nach
einem Hause, dem jetzigen Tempel, getragen und bis auf den heutigen Tag gepflegt worden
sei. Das betreffende Exemplar lebte während Bosman's Besuch in Weida angeblich noch. 9)
Ursprünglich war der Schlangenkult auf Weida beschränkt. Als die Dahomei- von Norden
') Pesch, 90. — Schneider, 165, 196.
'-') Büttikofer in AE, I, 86. Derselbe, Liberia, II, 328 f.
3) Nach Hornberger, (P M 1867, 48> bedeutet Daho-me soviel wie „Da wo me" oder „im Bauch
der Schlange."
•") Pruneaü de Pommegorge, 195. — Dalzel, XXIX. — Büttner, 7 f. — Burkhaedt— Grundemann,
1. Abt., 55. — Haktmann, 215. — Berghaus, II, 42. — Ausland, 1852, 47 (nach Forbes). — Labat, II,
129. — V. Hellwald, Naturgeschichte, 150. — Bruns, V, 154, 156. - Vinson, 16. — Schneider, 197 f.—
Pesch, 85. — Meinkrs, I, 205 ff.
') ZöLLEK, Kamerun, I, 53 f.
<") Seidel in ZA, 1897, 161.
") Züller, Kamerun, 1, 52 f.; vgl. Iskrt , 140.
8) Wilson, 155, 161 f.
9) Bosman, 448; vgl. Waitz, II, 179.
-Hö-
her Anira (Weida) angriffen, sandten ihnen die Bewuiuier von Weida, statt sich in einer
Sclilacht zu verteidigen, unter grossen Ceremonien eine ihrer heiligen Schlangen entgegen,
die der andringenden Armee Einhalt tun sollte; da sie das nicht vermochte, gaben die
Weidaer allen Widerstand auf und Hohen i). Ihre Überwinder, die Dahonieer, nahmen
aber den tichlangendienst selir bald auch an -). Nach Labat datiert die Verehrung der
Schlange in Weida überhaupt erst seit dieser Schlacht '^K während Andree^) schreibt, dass
die vorzugsweise verehrte Schlangenart nacii dem Glauben der Weidaer von einer riesigen,
Jahrhunderte alten Schlangenmutter abstamme, die einst Göttin des "Volkes von Ardra
gewesen sei, „diese Leute machten sich aber ihres Schutzes unwürdig, und deshalb übertrug
die Schlange denselben auf jene in Weida, in deren Lager sie während einer Schlacht
überging." Isert, der die „Fetischschlange" als ein „herrliches Tier" schildert, von grauer
Farbe mit gelben und braunen Flecken überstreut und von der Länge und Dicke eines
Menschenarmes, erklärt die Schlangenverehrung in Dahome aus einer zufälligen Ursache:
man halie einmal bemerkt, wie die jetzt verehrte harmlose Schlange eine Giftschlange in
dem Augenblicke tötete, als diese im Begriff war, einen Menschen zu beissen, und an
dieser Handlung habe man sie als Schutzgottheit erkannt. 5) In bedeutend höherer Sphäre
bewegt sich die Deutung, die Zöller giebt: die Eingeborenen hätten ihm auf Befragen
erklärt, die Schlangen seien nicht selbst Götter, sondern Verkörperungen „eines sehr
mächtigen und einflussreichen göttlichen Princips", mit dessen Hülfe Kranke Heilung und
treue Anhänger der Schlangen Reichtum erlangen könnten. Wie man sich dieses Prinzip
vorstellt, konnte Zöller nicht in Erfahrung bringen. 6)
Über den Kult selbst berichten Bosman, Labarthe, der sich auf Bosman zu stützen
scheint, und Zöller eingehend. Wer eine der vollkommen ungefährlichen Schlangen findet,
ist gehalten, sie in den Schlangentempel zu bringen; wer dies unterlässt, setzt sich
schwerer Strafe aus. '') Der Schlangentempel wird von Bosman als ein sehr schön gebautes
Haus, auf einer zwei Meilen von des Königs Dorf entfernten Höhe gelegen und von einem
Baume überschattet, geschildert. S) Die sachlichsten Beschreibungen geben der französische
Marinearzt Repin, Zöller und Büttner. Die beiden letzteren sprechen nur von einem
Tempel und zwar in Weida, während Repin noch einen zweiten zwei Wegstunden von
dem Fort Weida nach Norden entfernten Tempel in Xavi besucht hat. Bosman hat anschei-
nend nur den zweiten gesehen; demnach wäi'e der Tempel in der Stadt Weida selbst
jüngeren Datums. Duncan, dei- 1845 in Weida war, hat Schlangenhäuser in mehreren
Teilen der Stadt gefunden. Büttner beschieibt den Tempel als „ein nicht bedeutendes,
ummauertes, mit einigen Bäumen bestandenes Gebiet inmitten der Stadt", das „in einigen
offenen Pavillons" eine ganze Anzahl verschiedenartiger Schlangen enthält. Nach Repin ist
der Tempel selbst „situe non loin du fort, dans un lieu un peu isole, sous un groupe
d'arbres magnifiques. Ce curieux edifice consiste simplement en une sorte de rotonde de
dix ä douze meti;ps de diametre et de sept ä huit de hauteur. Ses murs en terra seche,
') Im Jahre 1727; vgl. Schurtz in Helmoi.ts Weltgeschichte, III, 453.
■') NoEKis, 396. — Lab-.rthe, 149. — AHR, 333 f. — Ausland, 1891, 570; vgl. Waitz, II, 179.
') Labat, II, 133.
■*) Andree, im Globus, VIII, 247.
^') Isert, 142 f., 175. — Bosman, 448, 459; vgl. Labat, II, 133. — A.H. R. 333.
j) Zöller, Kamerun, I, 54.
) Isert, 143. — Repi.n, in Tour du monde 1863. 1. Band, 72. — Labarthe, 149; vgl. Büttner, 8.—
Wittum, 75.
«) Bosman, 448.
I. A. f. E. XVIL 15
- 116 -
comme ceux des cases des habitants, sont perces de deux portes opposees, par lesquelles
eiitrenfc et sortent librement les divinites du lieu". Das Innere dieses Raumes wimmelt
förmlich von Schlangen. Die Tiere, die Repin genau schildert und in die Familien der
Pythonschlangen und Nattern einordnet, halten sich mit Vorliebe unter dem Dache auf
einem rund herumlaufenden Sims auf, entweder zusammengerollt oder ihre Riesenleiber
zum teil herabhängen lassend. In diesem Tempel sollen nach Repin über 100, nach Zöller
über 1000, in ganz Weida 3000 heihge Schlangen leben. Die kleineren von ihnen gehor-
chen bis zu einem gewissen Grade den Weisungen ihrer Priester; die grösseren dagegen
scheinen vermöge ihrer Kräfte sich vollkommen frei bewegen zu dürfen. Repin beschreibt
die Schlangen als 1 bis 3 Meter lang, spindelförmig, doch in der Mitte ein wenig dicker,
mit einem Schwanz, der ungefähr 1/3 "^er Körperlänge ausmacht; der Kopf ist breit, abge-
plattet und dreieckig, jedoch mit abgerundeten Ecken, und sitzt auf einem Hals, der
etwas kürzer ist als der Körper. Ihi-e Farbe schwankt zwischen hellgelb und grünlich gelb,
wahrscheinlich entsprechend dem Alter. Die Mehrzahl hat zwei braune Linien auf dem
Rücken; die anderen sind unregelmässig gefleckt, i)
An den eigentlichen Schlangentempel schliesst sich ein gewöhnliches, aber sehr langes
Gebäude an, das Wohnhaus der Priester. Neben den Priestern stehen in speziellem Dienste
der heiligen Schlangen eine Anzahl Priesterinnen (nach Labarthe 12, nach Repin 6), die
gleich den Vestalinnen ehelos bleiben müssen, freilich nur, um im Geheimen desto zügel-
losere nächtliche Orgien mit den Schlangenpriestern zu feiei'n. Waitz weist einerseits auf
diese groben sinnlichen Ausschweifungen der Priester hin, leitet andererseits aus den der
Schlange zugeschriebenen göttlichen Wirkungen (vgl. S. 118 unter *)) ihre Bedeutung als Symbol
der schaffenden Naturkraft ab und bringt dann beide Momentein ursächlichen Zusammenhang,
indem er vermutet, dass der ganze Schlangenkult den Priestern nur dazu diene, unter
dem Deckmantel der Religion sich sinnlichen Ausschweifungen hinzugeben. Eine solche
Vermutung liegt nahe und ist nicht ohne weiteres von der Hand zu weisen , bleibt aber
aus dem uns vorliegenden Material unbewiesen. Allerdings würden dann die angeführten
Erzählungen über die Entstehung des Schlangendienstes an Wahrscheinlichkeit verlieren, 2)
wenn man nicht annehmen will, dass diese Erklärung — falls sie wirklich auf Äusserungen
von Schlangenpriestern zuiückginge oder ihren Überzeugungen entspräche — keine ursprüng-
liche-, sondern eine erst später aus vorliegenden Tatsachen konstruierte ist.
Die Priesterinnen beziehen ein halbjährliches Gehalt (5 Kabeschen Kauris) vom Könige,
der ihnen ausserdem 4 Sklaven znr Bebauung des ihrem Unterhalte dienenden Landes zur
Verfügung stellt 3). Für ihi-en Beruf werden sie von den Priestern durch einen raffinierten
Betrug gewonnen, den diese aus Habgier und zu unzüchtigen Zwecken (in der angedeuteten
Weise) alljährlich inscenieren. Bosman berichtet von dem Glauben des törichten, durch die
Priester irregeleiteten Volkes, dass in der Zeit von der Getreidesaat im Mai an bis dahin,
wo das Getreide (Mais) Mannshöhe erlangt hat, die heiligen Schlangen zur Abend- und
Nachtzeit die schönsten jungen Mädchen in eine Art heilige Raserei versetzen, so dass
diese zum Zwecke ihrer Heilung auf mehrere Monate in ein besonders dazu gebautes Haus
gebracht werden müssen, während ihre Eltern in dieser Zeit auf das reichlichste für ihren
1) REPfN, a. a. 0. 71 f., 74. — Zöller, Kamerun, I, 55 f. — Büttner, 7 f. — AHR. 338.
Ausland, 1846, 1157.
•■i) Waitz, II, 179 f.; vgl. hierzu die Evlclärang, S. 115, unter 6).
^) Labaethe, 149 f.
- 117 -
Unterhalt zu sorgen haben , wobei natürlich der Hauptanteil auf die Priester entfällt.
Auch glaubt man, dass die Schlange die Macht habe, eine Jungfrau aus verschlossenem
Hause weg zu entführen. In Wahrheit aber werden die betreffenden jungen Mädchen von
den Priestern durch Drohungen gezwungen, die Raserei zu heucheln und ihnen in jeder
Weise zu Willen zu sein, während die Eltern meinen, dass ihre Töchter von dem Schlangen-
gott zu Gattinnen begehrt worden seien ')•
Um zu verstehen, wie sich solche Anschauungen im Volke erhalten können, ohne
dass der Priesterbetrug eines Tages öffentlich entlarvt wird, muss man bedenken, dass die
Priester der Menge gegenüber über eine unbeschränkte Macht verfügen und jeden, der
ihre Wege zu kreuzen sich unterstehen sollte, ohne weiteres stumm machen würden.
Schon der Verfasser der „Allgemeinen Historie der Reisen" (1749) konstatiert, dass
sich seine Quellen, soweit sie einerseits von den rasenden Weibern und andererseits von
den Priesterinnen der Schlange berichten , nicht recht vereinigen lassen 2). Der Grund für
diese sehr berechtigte Bemerkung scheint darin zu liegen, dass die Schilderungen der
älteren Reisenden den Anschein erwecken, als stände das Institut der Schlangenpriesterinnen
in keinem inneren Zusammenhang mit den eben gekennzeichneten nächtlichen Vorgängen
zur Zeit der Getreidereife, während wir mit Sicherheit annehmen können, dass es sich bei
diesen Vorgingen tatsächlich darum handelt, Kandidatinnen für das künftige Priesterinnen-
amt zu gewinnen, eine Ansicht, die besonders durch die Ausführungen Repins sehr gestützt
wii-d 3). Danach greifen die alten Priesterinnen an den bezeichneten Abenden von den
Priestern überredete junge Mädchen im Alter von 10 bis 12 Jahren auf, halten sie eine
Zeit lang gefangen und unterrichten sie in den heiligen Biäuchen und Tänzen, zeichnen
sie ausserdem durch in die Haut eingeschnittene Schlangenüguren als Eigentum des Gottes 4).
Nachdem man ihnen über alles, was mit ihnen vorgegangen ist, Schweigen auferlegt hat,
werden sie wieder zu ihren Eltern gebi'acht, müssen von Zeit zu Zeit im Tempel zu Ehren
der Gottheit tanzen, um schliesslich, wenn sie mannbar geworden sind, mit dieser, d.h.
mit den Schlangenpriestern, vermählt zu werden und damit endgültig in den Stand der
Priesterinnen einzutreten 5). Später dürfen einige von ihnen, wie Repin mitteilt, sich mit
gewöhnlichen Sterblichen (simples mortels) verheiraten, ohne indes dadurch etwas von
ihrem geweihten Charakter zu verlieren. Hierin scheint es begründet zu sein, dass die
Zahl der eigentlichen Priesterinnen nur auf 12 oder 6 angegeben wird, während doch die
Zahl der aufgegriffenen Mädchen unbeschränkt bleibt (schon des daraus erzielten Gewinnes
wegen), und hierin dürften sich die scheinbar auseinander gehenden Quellen vereinigen.
Sehr interessant ist hier eine Bemerkung Oj.dendoep's , der unter den Negern auf den
caraibischen Inseln um die Mitte des 18. Jahrhunderts als Missionar tätig war; er behandelt
in seiner Geschichte dieser Mission u. a. die Religion der afrikanischen Neger, wobei er
ausdrücklich betont, dass er sich auf mündliche Mitteilungen der von ihm unterrichteten
Neger stützt. Diese haben ihm erzählt, dass in Weida eine Negerin bei einer grossen
Schlange Daboy das Priestertum verwalte und junge Mädchen, die jährlich mit Gewalt
aufgegriffen werden, in den Religionsgesängen und Tänzen unterrichte, künstlich zeichne
') BosMAN, 449 fr. — AHR, 342; vgl. Bastian, Mensch, III, 202. — Globus, VIII, 247 f.
■) AHR, 348.
h Repin, i\.a. 0. 74, 2. Spalte.
■*) Klemm, IlT, 363, (nach Isert).
'I A. H. K. 345 ff.
- 118 -
und schliesslich gewissermassen mit der grossen Schlange verheirate und zu ihren Prie-
steriiinen weihe i).
Die Schlangen werden mit Ratten und Hühnern gefüttert, wohl auch mit kleinen in
den Sümpfen gesammelten Tieren. Nach Labarthe glaubt das Volk allerdings, die
Schlangen nähmen überhaupt keine Nahrung zu sich. Jedenfalls werden alle anderen
Opfertiere, die die Menge der Schlange darbringt, von den Priestern vei'zehrts).
Zu Ehren der Schlange fand früher in jedem Jahre ein grosses Fest mit feierlichem
Zug nach dem Schlangentempel statt. Der König und sein Statthalter beschenkten bei
dieser Gelegenheit die Schlange und ihre Priesterinnen reichlich; für die Teilnehmer wurde
ein Ochse geschlachtet, dessen Blut und Geschlinge man heimlich der Schlange gab;
auch stiftete der König Branntwein und 5 Kabeschen Kauris. Das Fest dauerte unter den
ausschweifendsten Lustbarkeiten gewöhnlich 7 Tage lang 3). Doch bemerkt schon Bosman,
dass der König (wahrscheinlich der grossen Kosten wegen) dieses Schlangenfest abgeschafft habe.
Nach dem Glauben des Volkes werden alle Schmerzen geheilt, sobald man den
leidenden Köi'perteil mit einei- heiligen Schlange in Bei'ührung bringt; schwangere Weiber
erbitten von ihr eine glückliche Niederkunft, indem sie ihr Geschenke darbringen, unfrucht-
baie flehen sie um Kindersegen an. Die Priesterinnen wissen diesen Aberglauben natürlich
bestens auszunützen. In dürren und nassen Zeiten wird die Schlange um Hülfe angerufen;
Bastian spricht von einer Prozession , die man in Zeiten der Teuerung nach dem Schlangen-
tempel vei'anstaltet. Von der Schlange hofft man günstigen Einfluss auf das Gedeihen des
Viehes und der Feldfrüchte, selbst auf den Ausgang eines Krieges. Dass dabei reiche
Opfer dargebracht werden müssen, besonders vom Könige, deren Löwenanteil der Priester-
schaft zu gute kommt, ist selbstverständlich'*).
Sehr oft geschieht es, dass eins der heiligen Tiere, die zu wissen scheinen, dass man
ihnen nichts zu leide tut, den Tempel verlässt und einen Streifzug in die Stadt unter-
nimmt, „so dass fast stündlich dort aufgefangene Schlangen wieder zum Tempel gebracht
werden", wobei man die grösseren , die unter Umständen gefährlich werden könnten , In
einen Sack steckt, während die kleineren auf den Armen getragen werden S).
Wer vorsätzlich eine heilige Schlange tötet oder auch nur verletzt, wird unwidei'-
ruflich mit dem Tode bestraft und zwar angeblich auf dem Scheiterhaufen Selbst ein
Europäer, der sich an einer der nicht giftigen Schlangen vergreifen wollte, würde dies
schwer büssen müssen und wohl auch durch die Macht des Königs nicht vor der Volks-
wut geschützt werden können 6). Die Berichte darüber, ob dieser kritische Fall schon ein-
getreten sei, widerstreiten sich übrigens 7).
Daneben besteht eine besondere Form der Sühne für diejenigen, die aus Versehen,
etwa bei der Feldarbeit, eine heilige Schlange getötet haben. „Sie müssen sich freiwillig
beim ersten der Schlangenpriester melden , und einmal im Jahre wird alsdann für alle
gleichzeitig das Verfahren der Reinigung vorgenommen. Bis dahin bleiben sie auch äusser-
') Oldendorp, I, 328.
'-) Bosman, 460. — Labarthe, 140. — Zöller, Kamerun I, 56; vgl. AHR, 332.
») Bosman , 448 f. - Labarthe, 150 f.; vgl. Bastian, Mensch III, 202. — Globus VIII, 247. - Waitz II, 180.
••) Labarthe, 150. — Bosman, 446 f. ~ Bastian, Mensch III. 202. — Zöller, Kamerun I, .56; vgl.
AHR, 339. - Bruns, V, 154. — Waitz, II, 179.
*) IsERT, 142. - Zöller, Kamerun I, 56. — Vinson, 16. — Schneider, 197.
') Bosman, 455. — Isebt, 142. — Zöller, Kamerun I, 53. 56; vgl. Bruns V, 155. — Hartmann, 215.
') Vgl. AHR, 334 f. — Globus VIII, 248. - Zolles, Kamerun I, 56. - Haetmann, 215.
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lieh als Ausfiestossene gekonnzeiclinet. Dif Reinigung besteht darin, rlass alle gleichzeitig
und zwar zusammen mit ychvveinen und Hühnern" — die wohl als Sühnnpfei' zu gelten
haben; betr. des Schweines, vgl. hieiunten unter 2) — „in ein Haus eingesperrt weiden, an
das man Feuer legt. Sobald die Zerstörung des Hauses soweit vorgeschritten ist, dass
die .\usgestossenen hindnrchbrechen können, rennen sie, von den Umstehenden mit Prügeln
Piiipt'angen, zur Lagune, um sich hineinstürzend ihre halbverbrannte Haut zu kühlen. Mit
der ICahlscherung des Kopfes ist die Reinigung beendet, und die bis dahin Ausgestossenen
erfreuen sich wieder derselben Rechte wie alle übrigen". ') Selbst Tiere, die einer heiligen
Schlange ein Leid antun, müssen für diese Schandtat büssen. Im Jahre 1697 hatte in
Weida ein Schwein eine heilige Schlange gefressen, worauf der König befahl, alle Schweine
zu vertilgen -).
Von Weida aus greift der Schlangenkult in die benachbarten Gebiete über. Er findet
sich in abgeschwächten Formen fast an der ganzen westafrikanischen Küste wieder. Noch
verhältnismässig am auffallendsten tritt er in Gross-Popo an der Mündung des Mono-Flusses
hervor, weil dort die gewaltige Boa constrictor , die zu der Klasse der giftlosen und heiligen
Schlangen gehört, bei weitem häufiger vorkommt als in Weida. Sie steht hier ebenfalls in
holirin Ansehen und darf auch von einem Europäer nicht belästigt werden, wenn dieser
sich nicht sehr grossen Unannehmlichkeiten aussetzen bez. mit hohen Summen loskaufen
will. Jeder, der eine solche Schlange findet, muss den Fetisch priester rufen lassen, und
dieser befördert das Tier mit kühnem Griff in einen Sack und dann nach der Schlangen-
in.sel, die hier die Stelle des Schlangen tempels zu vertreten scheint. Doch bereits in Ague
(zwischen Gross- und KleinPopo) und anderwärts „dürfte jeder Weisse es ohne besonders
grosse Gefahr wagen, ein solches Tier zu töten" 3).
Wie nichtige Ursachen der Verehrung eines Tieres zu Grunde liegen können, zeigt die
Veranlassung, aus der einzelne Eweer (vor allem solche weiblichen Geschlechts) der Riesen-
schlange göttliche Ehren erweisen. Der Missionar Zündel schreibt hierüber folgendes. „Man
verehrt; eine gewisse Riesenschlange, weil einheimische Kaufleute, die mit Glasperlen
handeln, dem Volke eingeredet haben, diese Perlen stammten von der Haut einer grossen
Schlange (nach anderer Version sind sie die Exkremente der Schlange). Da nun die Perlen
von den Frauen sehr begehrt wurden, zogen sie vorgeblich den Regenbogen, in Wirklich-
keit aber jene geheimnisvolle Schlange, deren Symbol der Regenbogen ist, weil sich in
ihm die Hautfarben der Schlange ab.spiegeln, in den Kreis ihrer Götterverehrung in der
Hoffnung, dadurch den Geist, der die geschätzten Perlen verwaltet und den sie in der
Schlange verkörpert glaubten, zu reichlicherer Spendung seiner Kostbarkeit veranlassen zu
können." Diese Riesenschlange ist natürlich ein mythisches Gebilde; doch gelten kleinere
Arten der Boa als ihre sichtbaren Boten *).
Wilson hebt besonders hervor, dass die Schlange von Popo sehr zahm und gut abge-
richtet sei 5). Neben der nicht giftigen Boa constrictor verehren die Eweer noch eine giftige
') Zöller, Kamerun, I, 56 f.; vgl. Hartmann, 215. — Vinson 16.
=) BosMAN, 461. — Labat, II, 133. — A H R 336; vgl. Bastian, Mensch, III, 198. Nach Isert, (324 f.;
vgl. Klemm, III, .363), ist allerdings nicht die Schlange, sondern di.e Schnecke die von den Schweinen
beleidigte Gottheit gewesen; doch da Isert die Schnecke als Wurm bezeichnet, liegt es nahe, mit den
anderen Autoren an eine (kleine) Schlange zu denken, zumal die Schnecke sonst nirgends als ..Favorit-
gottheit" der Weidaer, wie sie Isert bezeichnet, genannt wird.
') Zöller, Togoland, 156, 192. — Derselbe, Kamerun, I, 53. 89.
*) Zündel, in ZGE, XII, 413, 417 f. — Zur Deutung des Mythus vgl.
*) Zündel, in ZGE, XII, 413, 417 f. — Zur Deutung des Mythus vgl. Frobenius. Weltanschauuns, 82 ff.
»; Wilson, 162. "
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Schlange als das Symbol des Schlangengottes Vocluda; dieser Kult stammt aus Glewe
in Dahome i).
An der Goldküste (von der Volta-Mündung bis zum Dreispitzenkap) tritt uns die
Schlangenverehrung mehrfach entgegen, so in der Nähe der Volta-Mündung, wo man eine
ausgestopfte Schlangenhaut als Fetisch beim Schwur gebraucht, und in der alten dänischen
Kolonie Fetu (hinter Friedrichsburg) 2). Nach Cruickshank führt hiei- die Schlange als
Gegenstand des Kultes, ebenso vfie alle anderen Kultobjekte die Bezeichnung „Souman"^).
Reville erzählt aus den Aufzeichnungen des Missionars Ramseyer, wie dieser im Aschanti-
lande eine ihm unbequeme Schlange töten wollte, aber von den Eingeborenen daran gehin-
dert wurde unter dem Vorgeben , dass diese Schlange der Nachkomme einer heiligen
Schlange sei , deren Grabhügel in der Stadt Abankoro der Gegenstand eines Kultes war 4).
Wie nach Westen, so erstrecken sich Ausläufer des Schlangenkultes in Weida auch
nach Osten und Norden. In Borgu wird die Boa constrictor ebenso verehrt wie im Niger-
Delta, speziell in Brass-Town 5). Eine Schlange, die Menschen tötet, gilt den Duala an der
Küste Kameruns und ihren nördlichen Hinterleuten, den Bakwiri, sowie den an der West-
küste verbreiteten Kru, deren Heimat das Hinterland von Liberia bis Kap Palmas ist, als
von einem bösen Geist besessen 6). Die Bakwiri haben ausserdem vor einer dicken , ^j^ M.
langen, gelb und schwarz gemusterten Blindschleiche eine Abneigung, da sie nach ihrer
Meinung vom Himmel fällt (deshalb Nyam a loba oder Gottestier genannt) "i). Im allgemeinen
sieht man aber in ganz Afrika in den Schlangen Verkörperungen guter Hausgeister und
verehrt namentlich in den Riesenschlangen die Seelen verstorbener Häuptlinge *). Nach der
Beschreibung Bastians wird auf Fernando Pöo, wenn ansteckende Kinderkrankheiten aus-
brechen, eine Schlangenhaut auf einen Pfahl in der Mitte eines Platzes aufgesteckt, von
deren Berührung durch die Säuglinge sich die Mütter Gutes versprechen. In dem Dorfe
Issapoo war die Erneuerung dieser Schlangenhaut zu einer jährlichen Feierlichkeit geworden,
und alle in demselben Jahre geborenen Kinder mussten die Haut schon im Voraus
berühren 9). — Beachtenswert ist eine Verordnung des britischen Konsuls für die Bucht
von Biafra und Fernando Pöo (Artikel 12 des Vertrags vom 17 November lS5ß): „Da
bisher so lange eine Zurückhaltung im Handel stattgefunden hat und unter den Eingebo-
renen viel Zorn erregt worden ist, weil eine gewisse Ai't von Boa constrictor^ welche die
Häuser besucht und welche den Brassmen ju-jxi oder geheiligt ist, durch die weissen
Männer in ihrer Unwissenheit getötet wurde, so wird hiemit allen britischen Untertanen
verboten, irgend eine solche .Sclilange zu beschädigen oder zu vernichten" lO).
Bruns weiss von den Bewohnern der Provinz Sundi (von San Salvador aus nach Nord-
osten bis an den Kongo sich ersti-eckend) zu erzählen , dass sie die Schlangen , die sich auf
Bäumen sehen lassen, als ihre SchuLzgottheiten verehren ii). Figuren, aus Lehm gefoj-mt,
1) Spieth, in MJ 1893, 86. — Seidel, ui ZA 1897, 161 f.; vgl. Afrika 1898, 115.
■) Müller, Fetu, 48 f. — Römer, 74. — Bruns, V, 152.
ä) Cruickshank, 217.
••) Reville, 66; vgl. Schneidee, 198. — v. Hellwald, Naturgeschichte, 154.
■^) Crowther, im Cluirch Missionary Intelligencer, 1866, 223. — Bastian, Bilder, 160: vlg. Globus,
X, 285. — Z.V. XVII, 269. — Berghaus, II, 55.
«) Ausland, 1880, 169.
') Seidel, in BK III. 194.
«) Ausland, 1888, -589
°) Bastian, San Salvador, 318, f. (Man denke an unsere Schutzpockenimpfung).
'») Mitgeteilt (nach M'Lennan) bei Spencer, I, 403.
") Beuns, IV, 106; vgl. 1.53.
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die Sclihviigen vorstellen, fand ToutiE in Lunda unter kleinen Strohhütten in der- Nähe der
Wasserplätze i). Derselbe Reisende beobachtete in Mussumba gelegentlich der Hochzeit einer
Tochter des Muata Jamwo, dass einer etwa zwei Fuss langen, daumenstarken braun-
grünlichen Blindschleiche, die hier als gutes Omen gilt, gehuldigt wurde. Er bemerkt dazu,
dass die Schlange an der Küste und in Songo (10° S. 17/18° 0.) als böses Omen betrachtet wird 2).
Fritsch berichtet: „Die meisten schwarzen Stämme Süd-Afrikas haben einen unüber-
windlichen Widerwillen gegen Fisch, ohne dass sie dafür irgend einen bestimmten Grund
angeben könnten. Die Antwort, welche man gewöhnlich bei einer einschlägigen Frage
erhält, ist, dass die Fische Schlangen wären, und sie sich daher fürchteten, dieselben zu
essen". Kolbe macht die beachtenswerte Angabe, dass den Hottentotten das Essen von
Fischen ohne Schuppen, also z.B. von Aalen, verboten ist: die Ähnlichkeit des Aales
und der Schlange liegt auf der Hand. Darin , dass der Fisch das nationale Tier z. B. der
ßatlapi ist, vermutet Fritsch kaum „den wahren Grund für den herrschenden Widerwillen,
da sich dieser über die verschiedensten Stämme verbreitet zeigt", ohne freilich das Rätsel
endgültig zu lösen, indem er sagt: „Wenn sie manche Tiere grundsätzlich nicht töten,
so geschieht es aus einem unklaren Aberglauben, der sich auf mannigfache Dinge aus-
dehnt, ohne dass ein besonderer Grund dafür angegeben wird" 3). Sollte nicht eben diesem
„unklaren Aberglauben" die über ganz Afrika verbi'eitete Idee zu Grunde liegen, dass in
den Schlangen die Geister Verstorbener wohnen? Man hält die Fische für eine Abart oder
Verwandte der Schlangen und scheut sich deshalb, sie zu essen. Vielleicht wird diese
Anschauung noch verstärkt durch den Gedanken, dass die Fische die im Wasser umge-
kommenen Menschen verzehren, wie sich die Schlangen nach dem Volksglauben von
Leichenstaub nähren.
Weite Kreise zieht die Schlangenverehrung bei den Eaffervölkern im Südosten Afrikas.
Casalis schreibt: „Les Cafres-Zoulous s'imaginent que leurs ancetres les visitent le plus
souvent sous la forme de serpents. Aussi, des qu'un de ces reptiles se montre pres de
leurs demeures, se hätet-on de le saluer du nom de pere, de placer des jattes de lait sur
son passage et de l'econduire doucement avec le plus grand lespect" ■*). Tylor spricht es
aus, dass die Sulu den Glauben am vollkommensten ausgebildet haben, „dass die Toten
zu Schlangen werden, zu Geschöpfen also, deren Hautwechsel schon so oft mit dem
Gedanken an Auferstehung und Unsterblichkeit in Zusammenhang gebracht worden ist" ■'').
Bleek spricht von Innyoka bei den Sulu und versteht darunter unschuldige Hausschlangen,
die als Träger der Geister verstorbener Familien- und Stammeshäupter gelten und durch
Opfer (Rinder, Ziegen etc.) veisöhnt werden % Zeigt sich auf dem Grabe eines Verstor-
benen eine Schlange, so glaubt man, dass dessen Seele, bei den Sulu I-hlozi (Mehrzahl
Ama-hlozi) oder Isiciuta, bei den Kosa U'mshologu (Mehi-zahl Jmi-shologu)'') genannt, in ihr
Wolmung genommen lial)e8). Freilich ist das nicht so zu verstehen, dass er dauernd in
') POGGE, 117 f. (Vgl. S. 126 unter 8'.
-) PoGGE. 195.
') Fritsch, 3 .Jalire 338 f. Derselbe. Eingeborene 107. 139. — Kolbe. 487; vgl. Andree, Parallelen.
125. — Sievers-Hahn, 123.
■") Casalis, 259 f. — Fritsch, Eingeborene. 139; vgl. Kranz, 112. ^ Haaehoff, 94.
') Tylor, Urgeschichte, II, 7; vgl. Kranz. 111 f. — Platz, 107.
«) Bleek im Ausland, 1857, 744.
') U'mshologu, bezeichnet besonders den (Jeist eines bestimmten fiüheren Häuptlings, ohne dass man
sich über dessen Person klar ist.
») Ausland, 1857, 744. — Fritsch. Eingeborene 98, 139. — Bastian, Mensch. III. 201. — Waitz. II. 413.
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ihr wohnt, sondern so, „dass er, wenn er Menschen zu besuchen wünscht, ihre Gestalt
annimmt"!). Diese Schlange gilt als Itongo (i\Iehrzahl Amalongo), Schutzgeist, Gott des
Hauses; ihre Besuche in den Hütten der Verstorbenen sind sehr erwünscht und werden
im Notfalle durch ein Schlachtopfer erbeten, das um so wirksamer ist, je lauter das
Opfertier schreit (Vgl. S. 105 unter ^^)). Eine Schlange, die beim Anblick von Menschen
umkehlt, ist kein Itongo. Verletzung einer Itowg'o-Schlange zieht die Rache des sie bewoh-
nenden Geistes nach sich; sie kann nur durch umständliche Reinigungszeremonien (ßrand-
opfer) gesühnt wei'den -). Übrigens kann man wohl eine Schlange vernichten , aber den sie
bewohnenden I-hlozi nicht 3). Stirbt jemand, der die Schlange gereizt hat, an ihrem Riss,
so sieht man darin . eine gerechte Strafe für irgend eine Untat ^). Es handelt sich hier
nebenbeibemerkt nicht um eine bestimmte Gattung von Schlangen, sondern man kennt
besondere Arten für die Geister der Häuptlinge, andere für die des gemeinen Volkes und
wieder andere für die der Weiber. Es werden gelbe, grüne und braune, in der Regel
unschädliche Schlangen verehrt, und die Kaffern sollen wünschen, „nach dem Tode in eine
gelbe Schlange verwandelt zu werden", die in den Häusern zum Mäusefangen benutzt
wird 5). Tötet man eine dem Geiste eines' Häuptlings zur Behausung dienende grüne
Schlange, so wird ihr Skelett am Tore der Niederlassung auf die Umzäunung gesteckt 6).
Die Kosa und die Matebele bringen der grünen Schlange eine besondere Verehrung ent-
gegen und suchen den sie bewohnenden Geist durch Opfer sich günstig zu stimmen '^). Die
Kosa verehi'en ausserdem noch die Wasserschlange (Icanti) , der sie Versöhnungsopfer dar-
bringen, „damit Unglücksfälle durch Ertrinken nicht so häufig geschehen möchten", und
die Riesenschlange, die ihnen ein Bild der Unüberv^findlichkeil ist und die bei Todesstrafe
niemand umbringen darf, weil dadurch dem Orte und Lande, wo .sie lebt, Schutz und
Sicherheit genommen wird. Eine Erinnerung an früheren Schlangenkult fimd Merensky
bei den Basuto in Nord-Transvaal darin , dass die Mädchen bei der Koma (Mannbarkeits-
feier) um eine aus Lehm gebildete Schlange tanzen ^). Die Baronga (an der Delagoa-Bai)
erzählen, dass eine Frau, die von den Früchten eines den göttlichen Schlangen geweihten
Baumes ass, sterben musste^).
Spuren von Schlangenverehrung finden sich bei einigen Volksstämmen nördlich vom
Sambesi gegen den Nyassa-See hin, so bei den Maravi, nach deren Anschauung die "Seelen
guter Menschen nach dem Tode in gewisse Schlangen übergehen lO).
In Deutsch-Ostafrika steht die Schlange bei einigen Völkern mehr oder weniger im
Ansehen eines heiligen Tieres. Schwarze und Pythonschlangen werden von den Wascham-
bafi (Usambara) selten getötet, da ihr Tod Ki'ankheit nach sich ziehen würde; deshalb ruft
der von Krankheit heimgesuchte Mschhambaa ihre Hilfe an, indem er sie durch ein Schaf-
oder Ziegenopfer zu versöhnen sucht "). Bei den Wapai^e (im Pare-Gebige südöstlich vom
') Bryce, 112 f.
-) Fkitsch, Eingeborene 106. — Waitz. II, 178. — Kranz 106. — Hartmann, 216.
^) Diesen Gedanken bezeichnet Blkek als eine neue Erscheinung in der Dogmengeschichte der Sulu.
••) Fritsch . Eingeborene, !06.
*) Kropf, 192. — Ausland 1875, 667. — Hartmann, 216. — Ratzel, II, 44. — Tylor , Urgeschichte,
II, 7. — V. Hkllwald, Naturgeschichte, 65.
«) Kropf, 192. - Ratzel, II, 44.
') Kropf, 192, 285.
*) Merensky. Erinnerungen, 38 f.; vgl. Ausland, 1875, 667.
») .Jü.voD, 385, vgl. auch 397 f., 469.
'") Waitz, II, 419. — Brehm , VlI, 217 (nach Livingstone). — Schneider, 146. — Platz, 154.
") Storch, in M.Sch., IX, 313. — .Tohanssen, in N M 1892, 143; vgl. MJ XI, 108.
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Kilimamijaro), von denen diese Auffassung stammt, wagen nur die Mutigsten eine solciie
Schlange zu erlegen, und auch das nicht, ohne sie sofort danach durch ein Opfer zu ver-
söhnen; erkrankt trotzdem ein Familienglied, so muss der Medizinmann ein Huhn oder
eine Ziege opfern und die Krankheit besprechen ; die Knochen des Opfertieres aber werden
gesammelt, hinter dem Rücken zu einem Baum getragen und dort niedergelegt i). In
Unyanyembe, einer Landschaft im südlichen Uniamwesi, beobachtete Cameron, wie seine
Leute eine grosse 10 Fuss lange Boa, die sich in eine Hütte eingeschlichen hatte, langsam
aus dem Dorfe hinaustrieben; sie duldeten nicht, dass Cameron sie erlegte, da sie ein
Pepo, ein Geist sei und ihr gewaltsamer Tod den Bewohnei'n des Dorfes ein Unglück
bringen würde 2). Die W.akerewe (auf Ukei'ewe im Viktoria NyauHa) töten keine Schlange,
„sondern sehen ruhig zu, wenn diese Reptilien ihre Hütten besuchen, und preisen die-
jenigen glücklich, die durch den Biss einer Giftschlange getötet werden" 3). Im Bezirk
Bukoba besteht Schlangenkultus in Verbindung mit dei- Anschauung, dass die Seelen der
Abgeschiedenen die Scliutzgeister der Lebenden sind und mit diesen beständig verkehren *).
Es ist daher anzunehmen, dass man in den Schlangen Träger menschlicher Seelen sieht.
Als heilig gilt vor allen Dingen eine grosse schwarze (giftige), in Ihangiro (südlich von
Bukoba) nebenbei noch eine kleine dicke (ungiftige) Art, in Usindja (am Südufer des
Viktoria Nyansa) die Riesenschlange. Die Verehrung der Schlange in Bukoba ist sym-
bolisch; in dem ihr geweihten Hain muss nicht notwendig eine Schlange vorhanden sein,
denn man stellt sich ihre Anwesenheit daselbst geistig vor, ebenso wie ihre Fütterung
mit reifen Bananen symbolisch ist. In jedem Dorfe wohnt ein Katikiro (Unterhäuptling),
der hauptsächlich für die Beeidigung heiliger Schlangen zu sorgen hat; wer auf seinem
Grundstück eine tote heilige Schlange findet, hat dies dem Katikiro unter Beifügung eines
weissen Schafes und zweier Ketten (200 Stück) Kauris zu melden , worauf dieser am späten
Abend die Schlange begräbt, nachdem er sie mit dem Schaffell zugedeckt hat. Am nächsten
Tage darf kein Weib die Hütte verlassen. Auch gilt das Anrufen einer heiligen Schlange
unter gewissen Ceremonien als Gottesurteil; nach Ablauf einer bestimmten Frist stirbt
dann entweder der Beklagte oder aber der Kläger, falls seine Anschuldigungen erfunden
waren, woi'auf die Angehörigen des Verstorbenen die Schlange durch Opfer versöhnen
müssen ^).
Bei den Völkern in dem weitverzweigten Quellgebiet des Nils , welchem der Bezirk
Bukoba genau genommen schon zuzurechnen ist, tritt der Schlangenkult wieder tiefer
eingewurzelt und in grösserer räumlicher Ausbreitung auf als in südlicheren Gegenden.
Die Bari glauben von der schwarzen Viperschlange abzustammen; sie nennen sie Yukanye
(Grossmutter) und bewirten sie mit Milch 6). Bei den Dinka findet sich fast in jedem
Hause eine ungeheure zahme Schlange, eine Python, die völlig harmlos ist, dem Locken
ihres Herrn folgt und sich mit Milch füttern lässt, sie wird besonders wegen ihrer pro-
phetischen Gaben verehrt und gilt auch hier als Ahnherrin, deren gewaltsamer Tod L^nheil
bringt. Kaufmann berichtet, dass man ihr zu Ehren, wenn sie in das Lager kommt,
') Storch, in M Seh. IX, 31.3.
2) Cameron, I. 162.
3) KüLI.MANN, 97.
■•) Richter, in M Seh. XII, 97.
■i) Richter, in M Seh, XII. 100 f.. 90 f.
«) Kaufmann, 127, 188; vgl. Ratzel II, 44.
I. A. f. E. XVII. 16
- I-Ai -
einen Ochsen schlachtet i). In ähnücher Weise wird die Schlange auch von den Schilluk
und Makaraka (im Quellgebiet des Gazellenflusses) heilig gehalten; sie ist übrigens das
einzige Tier, dem die Dinka sowohl wie auch die Schilluk göttliche Verehrung zollen 2).
Von den Nuer sagt Marno ausdrücklich, dass sie die Schlange verabscheuen, wobei zu
bemerken ist, dass Kaupmann auch von den Dinka und Schilluk den Eindruck empfangen
haben will, dass ihnen die Schlange als das Symbol des bösen Prinzips gilt, während
ScHWEiNFURTH orzählt , dass die Dinka die Schlangen als „ihre Brüder" bezeichnen und die
Schilluk ihren Gott und Stammvater Niekam in der Schlange verkörpert sehen % Die
Agow (östlich vom Tana-See) haben eine grosse Achtung vor den Schlangen, füttern sie
und schliessen aus ihrem Fressen oder Nichtfressen auf die Zukunft *).
Die Galla, und zwar vorzugsweise die östlichen (Schoa), sehen die Schlange als die
Mutter des Menschengeschlechtes an und zollen ihr eine hohe Verehrung; sie opfern ihr
Milch und wenden sich hauptsächlich an sie, um Heilung von Krankheiten zu erlangen.
Krapf weist hierbei auf die Schlangen Verehrung im altäthiopischen Götzendienste hin und
bemerkt, dass auch die Abessinier behaupten, vor ihier Bekehrung eine grosse Schlange
angebetet zu haben , woraus wir auf eine früher noch viel bedeutendere Ausbreitung des
Schlangenkultes in diesen Gegenden schliessen dürfen ^). Heute greift er nach Norden bis
zum 15. Breitengrade voi-, wo die Kunama und Barea noch als seine Anhänger gelten
können 6). Im Kunama-Lande hat übrigens noch heute jeder Gau ein bestimmtes Tier als
seinen besonderen Gaugott, genau wie einst in Ägypten.
Nachtigal erwähnt den Glauben der Inselbewohner des Tsad-Sees, speziell der Budduma,
an ein fabelhaftes mächtiges Wesen, das das höchste Ansehen geniesst und bei wichtigen
Anlässen um Rat und Hülfe gebeten wird; dieses Wesen, das den Geist des Sees darstellt,
denkt man sich in einer riesigen im Wasser lebenden Schlange verkörpert 7). — Nach
Bastian hat jedes Quartier in Kairo eine Schlange als Schutzgeist S).
Auf Madagaskar spielte die Schlange eine Rolle als Symbol des Gottes der Heilkunde
Ramahavaly , des Hauptidols der Centralprovinz. Bei den Umzügen dieses Götzen musste
jeder seiner Begleiter eine Schlange in der Hand tragen, die durch ihre Windungen den
Schrecken der Zuschauer erregen sollte. Diese Schlangen sind nach der Deutung, die
Frobenius gegeben hat, als Werkzeug der Rache Ramahavahjs aufzufassen, durch die er
jede Beleidigung rächte, während seine getreuen Anhänger dui-ch die Freundschaft mit
Schlangen ausgezeichnet waren %
II. Ordnung: Panzerechsen {Emydosauria).
Einzige Familie: Krokodile (Crocodüidae).
Das typische Beispiel für die Heilighaltung des Krokodils unter den afrikanischen
') Kaufmann, 126 f. — Casati I, 42. — Vita Hassan I. 58 f. — Brehm VII, 217 (nach Heuglin);
vgl. Ratzel II, 44.
2) Kaufmann, 12G. — VrrA Hassan I, 61. — Schweinfurth I, 169. — Sievers-Hahn, 123.
3) Marno, 350. — Kaufmann, 126. — Schweinfurth I, 169. (Schweinfurth nennt 3 Schlangenarten,
die er im Dinka-Lande fand; Psammophis ■punctatus Dun., Psam. siUlans 1,. und. Ahaetulla irregulär ish^Aca.).
Petermann und Hassenstein in PMEB II, 22.
■') Bruns, II, 179. Zur Situation vgl. die Karte bei Waitz, II.
*) Krapf, I, 99 f. 104. — Waitz, II, 518. — Hartmann, 215. — Brehm, VII, 217. — Ratzel 11,44.
^) V. Hellwald, Naturgeschiciite. 257. ') Nachtiual, 369.
«) Bastian, Menscli, III, 201. •>) Sibree. 300; vgl. Pesch, 39. — Frobenius, Weltanschauung, 59.
125 -
NaturvC.lkern bieten die Betscluianen und zwar speziell die Bakwena, deren Wohnsitze
sicli heute von den nordwestlichen Quellflüssen des Limpopo (Krokodilfluss) in der Gegend
von Kolobeng über Molepolole in nordwestlicher Richtung nach der Kalahari zu erstrecken ;
für diesen Volksstanim ist das Krokodil geradezu das nationale Tier, obgleich nach Fritsch
von einem eigentlichen Kultus kaum die Rede sein kann", vielmehr die nationalen Tiere
('auch anderer Betschuanen-Stämme) für die Eingeborenen nur Gegenstand des Aberglaubens
sindi). HoLUB bestätigt dies, indem er feststellt, dass die Betschuanen keine eigentliche
Religion besitzen, sondern nur gewissen Tieren eine Art Verehrung zollen, die sich darauf
beschränkt, dass sie das Tier nicht töten, sein Fleisch nicht geniessen und sein Fell nicht
gebrauchen. Unter diesen geweihten Tieren hebt Holub bei den Bakwena das Krokodil
hervor und erklärt Ba-kwena als „die Leute, die das Krokodil ehren, d. h. seinen Tanz
begehen"; etwas näheres über diesen Tanz teilt er leidfer nicht mit 2). Dass wir aber gerade
in "diesem Tanz und den damit zusammenhängenden Gebräuchen den Ausdruck religiöser
Empfindungen der Bakwena sehen, braucht nach unserer im Eingang gekennzeichneten
Stellung zu dem Problem der Religion bei den Naturvölkern kaum bemerkt zu werden.
Nach Bastian, der berichtet, dass die Bakwena vor einem Krokodil (B. schreibt irrtümlich
^, Alligator") ausspeien mit den Worten: „Hier ist Sünde", könnte man vermuten, dass
das Krokodil ihnen als Verkörperung eines bösen Princips gilt 3).
Eine ähnliche Stellung wie bei den Bakwena scheint das Krokodil in dem religiösen
Anschauungskreise der Basuto einzunehmen, des südlichsten Stammes der Ost-Betschuanen
(östlich vom Oran.je-Freistaat zwischen dem Caledon-Fluss und den Draken-Bergen) , und
zwar gelten die Ki'okodile hier „für Wassergeister, die Menschen und Vieh mit ihrem Blicke
töten und sie unter Wasser ziehen", also für ausgesprochen böse Geister; dies bestätigt
der Missionar Endemann in seinen Berichten über die Sotho-Neger (Basuto), in denen er
mitteilt, dass bei diesen ein von einem Krokodil Gebissener verbannt wird, während nach
Bastian bei den Bakwena (und Bamangwato) diese Massregel schon platzgreift, wenn
jemand durch ein Krokodil nur mit Wasser bespritzt worden ist 4). (Vgl. S. 103 unter 9)).
Dass das Krokodil das Totemtier der Basuto ist, geht daraus hervor, dass ihre Redner in
den Volksversammlungen die Zuhörer als „Söhne des Krokodils" anzureden pflegen 5).
Bastian erklärt diese Erscheinung in anderem Zusammenhange, indem er sie zurückführt
auf ein ursprüngliches Speiseverbot, gestützt auf Hahn, der von den Herero bemerkt,
dass sich die Speiseverbote nach der Ejanda (Eganda), d.h. Abkunft (vgl. S. 107 unter »))
richten, von wo aus das betreffende „nationale Tier" leicht in die Bedeutung eines Stammes-
wappens übergeht, zum Symbol der Stammesgruppe wird 6). Hierzu stimmt vielleicht ein
Ausspruch des Basuto-Häuptlings Moschesch (t 1870), den uns Casalis mitteilt: „Es
scheint uns, dass die Welt seit immer dagewesen sein muss, ausgenommen freilich Men-
schen und Tiere, die nach unserer Anschauung einen Ursprung genommen haben, und
zwar zuerst die Tiere und hierauf die Menschen"'?). Schneider meint, dass die Sitte der
') Peitsch, 3 Jalira. 338.
=) Holub, Süd-Afrika I, 41-2, 478. Derselbe in ZE XXV, 197.
■•) lUsTiAN, Mensch ni. 200; vgl. Waitz, II, 413. , _ ,,
*) Bastian, Mensch III, 199 f. - Endemann in Z E VI, 43 und in A M III, 85; vgl. Waitz, 11,
413. — Hartmann, 225.
') Beyce, 113; Vgl. LippERT, Kulturgeschichte der Menschheit, 420.
') Bastian. Loangoküste I. 186; vgl. Ratzel, II, 43.
') Haakhoff. 90: vgl. Waitz, II, 413.
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Betschuanen, sich nach Tieren zu benennen und diese zu verehren, dem Glauben an eine
Beeinflussung oder Beseelung derselben durch die Barimo (die Geister der Abgeschiedenen)
entstainme ^).
Auf Madagaskar werden die Krokodile, von denen alle Flüsse und Seen wimmeln und
denen zahlreiche Menschenleben zum Opfer fallen, vielfach als göttliche Wesen angebetet,
weil man ihre vermeintlich übernatürliche Macht fürchtet. Von den Eingeborenen am
Itasy-See (westlich von Antananarivo) wird berichtet, dass sie nicht einmal wagen, einen
Speer über einem Flusse zu schütteln aus Scheu vor der Rache der beleidigten Reptilien.
In scheinbarem Widerspruch damit steht ihre Gepflogenheit, alljährlich in einem feierlichen
Aufruf an die Krokodile diesen für jedes geraubte Menschenleben blutige Rache anzudrohen,
indem sie gleichzeitig alle gutgesinnten Krokodile ermahnen, sich abseits zu halten, da sie
nur ihren bösgesinnten Verwandten etwas anhaben wollten ^). Doch findet sich dieser Zug
allenthalben und nicht nur bei Natui'völkern wieder, dass man gefürchtete Wesen durch
Versprechungen zu gewinnen oder aber, wenn man augenblicklich vor ihnen sicher ist,
durch Drohungen einzuschüchtern sucht 3). Vielleicht ist die fast vollständige Schonung der
Krokodile zum teil auch auf den Glauben zurückzuführen , der sich besonders bei den
Antankarana (im äussersten Norden von Madagaskar), aber auch bei den Betsileo und
ebenso bei den Antarayes findet, dass nämlich „die Geister ihrer Häuptlinge in Krokodile
übergehen, während die des niederen Volkes in andere Tiere verwandelt werden""*). Eine
grosse Rolle spielt auf Madagaskar das Krokodil-Ordal , das hauptsächlich bei den Antay-
mour gebräuchlich ist und darin besteht, dass der Angeklagte durch einen Fluss schwim-
men muss, in dem sich viele Krokodile aufhalten, die als Richter angerufen werden 5).
Als mehr oder weniger heilig gelten die Krokodile den Kaffern ß), während in der
Gegend von Tete der Glaube herrscht, dass lebendige Menschen zeitweise die Gestalt von
Krokodilen annehmen könnten '^).
An der Westküste Afrikas findet sich die Verehrung des Krokodils vom südlichen
Kongobecken bis nach Senegambien. In Lunda stellt man aus Lehm gebildete Krokodile
unter kleinen Strohdächern an den Wasserplätzen auf 8) (Vgl. S. 121 unter i).) Die Bafiote
(an der Loango-Küste vom Kongo bis zum Kuilu) fertigen Tierfiguren als Aufenthaltsorte
für unsichtbare Fetische, mit Höhlungen im Innern zur Aufbewahrung von Zaubermitteln,
die vielfach durch Tierhautstücke verschlossen werden ; sie sind aus Holz geschnitzt und
mit Takula-Farbe oder mit Asche und Tonmergel eingerieben und — wenn schon länger
im Gebrauch — mit zahlreichen Nägeln und spitzen Eisenfragmenten beschlagen, wodurch
Ihre Wirksamkeit bei der Entdeckung von Verbrechen bezeugt wird. (Vgl. oben unter 3).)
Diese Tierfiguren stellen u.a. häufig Krokodile dar 9). Felszeichnungen, die zweifellos Kroko-
I) Schneider, 141.
■•') SiBEEE, 301 f.; vgl. Keller, Inseln, 76.
'') Vgl. hierzu das Einsclilagen von Nägeln in Fetische, um sie durch den ihnen damit vermeintlich
verursachten Schmerz zu gevyissenhafter Erfüllung ihrer Pflichten anzuspornen. So Bastian; vgl. Lenz,
183. — Vgl. ferner E. S. Hartland: The Legend of Perseus Vol II, 199. Abbildungen der betr. Fetische
bei ScHMELTZ, I A f E VII, 144 und Album of the Ethnogr. of the Congo Basin pl. 205. — Chavanne409.
■■) Sibkee, .302. - Waitz, II, 179.
>l Waitz, II, 440, etc.
«I Kropf, 206.
') Andrer, Forschungsreisen, 369.
') POÖGR, 117 f.
9) Chavannk, 408 f.
- 127 -
dile nachbilden sollen, fand Passarge in Adamaua (Nordkamerun) bei Garua (am Benue)
und ahnliche auch in Kassa. Passarge vermutet, dass die Zeichnungen aus der Heidenzeit
stammen und die Bedeutung von Fetischen haben; die von ihm befragten Haussa erkannten
die seltsamen Figuren nicht, wohl aber sofort sein Boy, der aus Ida am Niger stammte,
ein Umstand, der an Interesse gewinnt durch Vergleichung mit einer Tatsache, die Zöller
aus Ronny mitteilt, dass sich nämlich dort im Fetischhaus Holzschnitzereien finden, die
namentlich Rieseneidechsen und Krokodile darstellen; auch die Volksstämme am Niger
aufwärts bis zum Einfluss des Benue, so die Ibo, Akpoto u.a., sollen das Krokodil ver-
ehren i). Bastian nennt unter den Nabikem am Calabar (vgl. S. 98 unter 2)) auch Krokodile.
Von einer mehr oder minder ausgeprägten Verehrung des Krokodils wird uns ferner
berichtet aus dem Königreich Borgu, aus einzelnen Gegenden Togos (das Krokodil gilt
speziell als Schutzgott von Klein-Popo), aus Ada an der Volta-Mündung, 'von der Goldküste
und aus Aschanti, wo die Krokodile für böse Geister gelten 2). An der Goldküste wird
besonders das Krokodil von Dixcove genannt, das angeblich auf ein gewisses Pfeifen dem
Menschen über Land folgt, sobald dieser einen weissen Vogel in der Hand trägt 3). Bastian
bestätigt, dass sich fast an der ganzen Westküste neben dem Kultus anderer Tiere her-
laufend der des Krokodils finde, und bemerkt, dass nach dem landläufigen Glauben die
Seele dessen, der ein Krokodil tötet, falls dieses das seiner Familie heilige Tier ist, in den
Körper eines solchen fahren wird, worin man eine ganz besonders schwere Strafe erblickt 4).
Die Bewohner von Liberia bringen an den Flussufern eigens zum Schutze der Wasch- und
Trinkplätze gegen Krokodile Grigris (Fetische: nämlich Strohwische, Tuch'.appen, leere
Flaschen, Bretter u.s. f.) an 5). In Senegambien sah Bastian Teiche, in denen Krokodile
gefüttert wurden wie einst im See Möris (Ägypten); doch scheint man dies mehr aus
Vorsicht (da die gesättigten Tiere weniger gefährlich sind) als aus Verehrung zu tun,
wenigstens nach dem Zeugnisse von Anne Raffenel: „Les Senegambiens n'ont ni respect
ni adoration pour les cäiinans, ä la difference de certains Guineens: ils les redoutent
simplement comme dangereux et comme des individus adonnes ä la magie''^).
III. Ord nung : S c h i hl k r ö t e n (Chelonia).
Das Vorkommen eines Götzenbildes, das möglicherweise eine Schildkröte darstellt,
bezeugt Buchholz von den Akwapim (etwa von Akkra an der Goldküste bis zum Voltaknie
bei Kpong); er bezeichnet die betreffende Figur, deren Einweihung zum Fetischbilde er
beiwohnte, als eine rohe versilberte Nachbildung eines Tieres, das ihm eine Schildkröte zu
sein schien. '') Bbrghaus, dem eine ältere Quelle vorgelegen haben muss, nennt die Schild-
kröte unter den Fetischen des Königreichs Boigu S).
I) Passarge, 90. - Zölleb, Kamerun, I. 89. - Waitz, 11,178; vgl. Schnkider, 196. - Ausland 1880, 169.
-) MoNRAD, 33. — Klemm. Ill, 363 (nach Hutton). - Berghaus, II, 55. - Waitz. II, 179. —
Wilson. 161. - Zöller, Kamerun I. 53. - Ratzel, II, 48. - v. Hellwald, Naturgeschiclite 154. —
BoWDicH, 362. — Ausland, 1891, 570. '
•') Wilson, 155, 162.
■■) Bastian, Bilder, 145, 161; vgl. Pesch, 42. - Tylor, Anfänge, II, 7 f.
*) BÜTTIKOFEB, II, 329.
6) Bastian, Bilder, 161. — Raffenel, Voyage dans l'Afrique occidentale (1846), 84: vgl. Vinson, 1(.
') Ausland, 1880, 167; vgl. v. Hellwald, Naturgeschichte, 155.
') Berghaus, II, 55.
- 128 -
Fische.
I. Ordnung: Stachel flosser {Acanthoptenjgü).
6. Unterordnung; Seh wertfischförmige {Xiphiifornnes).
15. Familie: Schwertfische (Xiphiidae).
Die Verehrung des Schwertfisches beschränkt sich — soweit bekannt — auf die
Guineaküste (nach Klemm auf Weida) i). Lubbock berichtet, gestützt auf Astley, dass die
Verehrung der Guinea-Neger für den Schwertfisch soweit gehe, dass sie ihn nie absichtlich
fangen; wenn er aber doch zufällig in ihren Besitz gerät, verzehren sie ihn erst dann,
nachdem sie sein Schwert abgeschnitten haben, das sie trocknen und als Fetisch betrachten 2).
8. Unterordnung: Groppen- und Makrelen förmige (Gottoscombriformes).
22. Familie: Makrelen (Scombridae).
Ausser der eigentlichen Makrele ^) verehrt man an der Guinea-Küste einen Fisch
Namens Bonito, Bonite oder Thon fisch; es ist das eine Makrelenart, dem zur zweiten
Gattung der Makrelen gerechneten Thunfisch verwandt {Tliynnus pelamys) •*).
IV. Ordnung: Edelfische (Physostomi).
29. Familie: Aal fische {Muraenidae).
HiLDEBßANDT erzählt, dass auf der Comoro-Insel Johanna in einem Bache ein grosser
Aal lebt, zu dem die Eingeboi'enen in Zeiten der Dürre oder anderer Notstände hinaus-
ziehen; sie beten zu ihm, essen dann und werfen ihm schliesslich die Speiseüberreste zu. 5)
Vni. Ordnung: Knorpelflosser (Chondropterygii).
1. Unterordnung: Quermäu 1er (P/aöriostorwato).
1. Sippschaft: Haie {Selachoidei).
An erster Stelle unter den Fischen, die von den afrikanischen Naturvölkern mit aber-
gläubischer Furcht betrachtet werden, steht der Hai, der schon durch seine Gefrässigkeit
die Aufmerksamkeit erregen muss. Der Mittelpunkt seiner Verehrung ist das Niger-Delta,
besonders das Land am Neu-Calabar (Bonny und Umgegend) 6). Nach Wilson kommt dieser
Gott „täglich zum Ufer empor, um zu sehen, ob irgend ein menschliches Opfer zu seiner
Mahlzeit bereit liegt". Bisweilen gelten die Haie, die alle Fische in den Flüssen vertilgen,
auch für verzauberte Menschen. '^) Früher stand auf dei' Erlegung eines Haies die Todes-
') AHR, 179; vgl. Klemm, III, 363.
') Lubbock, 231.
■<) AHR, a.a. 6.; Vgl. Deutsche Kolonialzeitung, 1904, 304.
s) HiLDEBKANDT, in ZE, X, 383.
«) Globus, X, 285, (nach Crowther) ; vgl. Waitz, II, 178. — Ratzel, II, 43. — Schneider, 196. —
KoELER, in MB, IV, 82.
'j Wilson, 161 f., 164.
- 129 -
strafe, da die Tiere sicii aber infolgedessen dermassen vermehrten, dass täglich Frauen und
Kinder beim Wasserholen von ihnen verschlungen wurden, soll ihnen eine Art religiöser
Revolution um 1850(?) den Charakter der Unverletzlichkeit genommen haben, i) Eine der
Gottheiten, deren Kulte in den religiösen Gepflogenheiten des levhe-Ordens in Togo ver-
einigt sind, ist Atv'leketi, ein Meeresgott, dessen Abzeichen der Hai ist, wodurch der
Zusammenhang mit der Verehrung des Haifisches angedeutet wird '■^).
Dass die Speiseverbote sich auch auf den Fisch erstrecken , ist schon erwähnt worden
mit der Begründung, dass man die Fische vielfach für Wasserschlangen hält. (Vgl. S. 31
f. unter 3).) Wie streng man dieses Verbot, besonders in Südafrika, beobachtet, zeigt
Feitschs Äusserung, dass viele sicher eher verhungern als eine „Wasserschlange" auch
nur kosten würden 3). An der Goldküste ist das Fisch-Essen einzelnen Personen an be-
stimmten Tagen oder überhaupt verboten. 4) Die Mitglieder des schon erwähnten levhe-
Ordens haben sich des Fisches Adepe zu enthalten. S) Die Wadschagga verschmähen den
Fisch als Nahrungsmittel. ^)
Das typische „Fischvolk", d.h. die Leute, die sämtliche Fische ehren oder, wie sie
sich selbst ausdrücken, den Tanz der Fische begehen, sind die Batlapi, ein Betschuanen-
stamm in der Gegend von Kuruman (Britisch-Betschuanenland) 7). (Vgl. S. 121).
Insekten.
I. Ordnung: Käfer (Coleoptera oder Eleutherata).
F ü n f z e h e r [Col. pentamera).
14. Familie: Blatthornkäfer {Lamellicornia oder Scarabaeidae).
Mistkäfer [LamelUc. laparostictica).
1. Sippe: Mistkäfer im engeren Sinne (Coprophaga).
Eins der merkwürdigsten Tiere ist der Skarabaeus ») oder heilige Pillendreher (Atetichus
sacer oder Ateuchus Aegyptiormn) , ein Käfer, der bei den Hottentotten und einigen ost-
afrikanischen Völkern göttliche Ehren geniesst und schon im alten Ägypten zu den bevor-
zugten Tiergottheiten gehörte. Livingstone, Baker und Fritsch schildern den Pillendreher
übereinstimmend als ein sehr nützliches Insekt: er beseitigt in emsiger Tätigkeit ;|ede Spur
') Bastian, im Ausland, 1859. — Derselbe, Bilder, 160.
■-') SpiETH, im Monatsblatt der Norddeutschen Missionsgesellschaft, 1893. 53. — Derselbe in M J, 1893
85. — Seidel, in ZA, 1897, 161.
3) Fritsch, 3 Jahre, 338; vgl. Schurtz, Speiseverbote, 24, Anm. 30.
") Labat, I, 297. — Falkenstein, I, 217.
') Spieth. in M J, 1893, 86.
") V. HöHNEL, in PM E. IC. 22,
TT '1 HoLUB, in ZE, XXV, 197. — Fhitsch, 3 Jahre, 338. — Bastian, Loangoküste, 186; vgl. Ratzel,
11, 42. — LippERT, Kulturgeschichte der Menschheit, 420. — Livingstone, Erforschungsreisen. 149.
') Skarabäu» ist eigentlich das in Stein geschnitzte Bild dieses Käfers; doch wird auch der Käfer
selbst so bezeichnet.
- 130 -
von tierischen Exlirementen , indem er aus dem Dünger Kugeln von der Grösse einer
Walinuss oder eines Billardballes formt und diese dann in der Weise fortrollt, dass er
rückwärtsgehend den Ball mit den emporgehobenen Hinterfüssen schiebt, während er den
Kopf zur Erde neigt. Wo dieser Käfer häufig vorkommt, wie in Kuruman, sind die Dörfer
infolgedessen sehr reinlich. Sind die Kugeln, deren jede von einem Käferpaar gemeinschaft-
lich angefertigt wird, an einen sicheren und geeigneten Ort mit weichem Boden gerollt,
so gräbt der Pillendreher so viel Erde unter der Kugel weg, dass sie völlig im Boden
versteckt ist, und das Weibchen legt dann je ein Ei in jede Kugel, in der die heran-
wachsende Larve genügende Nahrung findet, bis sie selbst für ihr Fortkommen sorgen
kann. Der Käfer erscheint kurz nach dem Anfange der nassen Jahreszeit und setzt seine
Arbeit fort, bis der Regen aufhört, worauf er dami wieder verschwindet, i) Er wird 2,5
bis 3 cm. lang, ist schwarz, wenig glänzend, an Kopf, Thorax und Beinen schwarz
gefranst und hat auf den Flügeldecken schwache Längsrippen ; die Larve ist dem Engerling
ähnlich, auf dem Rücken grau gefleckt, und hält sich bis zum nächsten Jahre
verborgen.
BuKCKHARDT, der 1813/14 Nubien bereiste, konstatiert dort am Westufer des Nils das
Vorkommen des Skarabäus; er vermutet, dass der Skarabäus-Dienst der alten Ägypter in
Nubien- entstanden sei, bringt aber keine Beweise dafür. Nach seinen Angaben fürchten
die Nubier den Käfer, weil sie glauben, er sei giftig und vergifte die Speisen. Burckhardt
meint, man könne dieses Tier mit Recht als ein Sinnbild der leidenden Ergebung in den
Willen der göttlichen Vorsehung betrachten; denn unmöglich könnten diese Käfer auf den
Sanddünen, auf denen sie sich aufhalfen, je Wassei- trinken, und ihre Nahrung müsse
höchst kärglich sein; man sehe sie jedoch stets beschäftigt, und sie arbeiteten sich uner-
müdet airf ihren Wegen über den Sand fort 2).
Eine eigentliche Verehrung scheint dieser Käfer ausser bei den Hottentotten in Afrika
nicht zu finden. Von den letzteren berichtet schon Peter Kolbe, dass sie einen Käfer
verehren, dem sie Schafe und selbst Ochsen schlachten; doch ist es zweifelhaft, ob die
Angaben Kolbe's nicht auf die Heuschrecke zu deuten sind, die tatsächlich von den
Hottentotten verehrt wird. Allerdings bestätigt Peters neuerdings den Skarabäus-Kult bei
den Hottentotten und beschreibt diese Hottentottengottheit als einen grünen halbflnger-
langen unseren Schrötern verwandten Käfer, wobei zu beachten ist, dass Peters in dieser,
der altägyptischen analogen religiösen Anschauung einen Beweis für die Verwandtschaft
der Hottentotten mit den Ägyptern sehen will 3). Hartmann erwähnt nach dem Bericht
des belgischen Reisenden Pruyssenaere den Gebrauch des heiligen Rüsselkäfers, „eines
schön grünen in Süd-Sennar gemeinen Skarabäus" als Amulett bei den Berta (am oberen
Blauen Nil) und erkennt darin den Pillendreher der alten Ägypter wieder 4). Noch mag der
Anschauung dei- Kosa gedacht werden, die den Mistkäfer {Uqonqotwane) aus ausgekautem
und weggeworfenem Zuckerrohr entstehen lassen, ihm also einen wunderbaren Ursprung
zuschreiben 5).
') LiviNGSTONE, Missionsreisen, I, 57 f. — Baker, 257. — Fritsch, 3 Jahre, 29 f. — Derselbe,
Süd-Afrika, I, 219; vgl. Klein und Thome, 277.
2) BURCKHAHDT , 40.
3) KoLBE, 416, f. — Peters, 291 f.; vgl. Waitz, II, 343. — Ratzel, I, 705 f. — Pütz, II, 582 f.
*) Hartmann, 208. Die Bezeichnung Rüsselkäfer ist unzutreffend; die Rüsselkäfer bilden eine ganz
andere Familie, die „Curculionidae".
5) Kropf, 207.
VI. Oidnung: Kaukerfe, Geiiid II ü gle r {Gymnognniha , Orthoptera).
Gesellige Kaukerfe [Orthoptera gregaria).
5. Familie: Termiten {Termitina).
Bastian berichtet (nach d'Uk villi:) von einer Anbetung, die in manchen Gegenden
der Westküste den Hügeln der Btiglmgs oder „weissen Ameisen" d.i. Termiten gezollt vpird;
sie bezieht sich häufig auf die abgeschiedenen Geister vornehmer Häuptlinge, die in solchen
Nestern begraben werden , damit die als Reliquien aufzubewahrenden Knochen möglichst
rasch und vollkommen vom Fleische gelöst werden i). Nach Winterbottom hält man die
Erdhaufen der Termiten für Sitze von Geistern, denen man opfert; die Opfer gelten als
angenehm , wenn die Termiten sie verzehren 2).
Schreitende Kaukerfe {Orthoptera gressoria).
7. Familie: Fan gsch )• ecken {Mantodea).
Die Gottesanbeterin {Mantis religiosa) , von den Busch Völkern Cagn genannt, geniesst
von Seiten der Buschmänner und vermutlich auch der Hottentotten eine ausserordentliche
Verehrung, obwohl Fritsch Bedenken dagegen geltend macht, indem er meint, dass irgend
welche abergläubische Gebräuche in zufälliger Verbindung mit irgend welchen Tieren die
Forscher veranlasst hätten, hieraus Tierkult anzunehmen 3). Leider fehlen weitere Angaben
in der Litteratur, die diesen Fall eingehender zu untersuchen und zu beurteilen gestatteten.
Das Voikommen der Mantis religiosa konstatiert Soyaux ausdrücklich in der Gegend von
Mpungu-au-döngo (portugiesische Grenzfeste in Westafrika), spricht aber von keiner Ver-
ehrung derselben 4).
Von manchen Buschmännern wird eine Raupe Ngo verehrt; sie wird angeblich von
einem Geist bewohnt, der gute .Jagdbeute zu spenden im stände ist^).
Weichtiere.
Die Schnecke wurde nach Iserts Beobachtung von den Mokas angebetet, gleichzeitig
aber auch gegessen; also scheint diese Verehrung nicht sehr tief gegangen zu sein, oder
es handelte sich um ein Speiseverbot nur für einzelne. Dass die Schnecke in Weida
„Favoritgottheit" war, ist bei dem dort herrschenden intensiven Schlangenkult sehr unwahr-
scheinlich (Vgl. S. 29 unter Anm. 2))6). Nach dem Glauben der Kosa entstehen aus den
Eiern der Schnecken nicht wieder Schnecken, sondern Schlangen 7).
') Bastian, Bilder, 181. ■■') Vgl. Klemm, 111, .S63. — Ratzel, II, 44.
■■') Frobenius, in „Afrik.a", V, 241. — Peitsch, Eingeborene, 340. — VA 1890, 265; vergl. Bukkh.\rdt-
Grundemann, 2. Abt., 104. — Hartmann, 226 t.
••) Soyaux, II. 53. '• Ratzel, I, 690. — Pesch 44.
«) Isert, 324. ') Kropf, 207.
I. A. f. E. XVII. 17
132 -
Zusammenfassender Überblick.
Stellen wir die Ergebnisse unserer bisherigen Untersuchungen in der Weise zusammen,
dass wir für jedes einzelne Tier die Gebiete innerhalb Afrikas, in denen es Gegenstand des
Kultes ist, kartographisch umschreiben, so tritt die Frage auf, ob sich diese Gebiete mit
dem Verbreitungsbezirke dfes betreffenden Tieres überhaupt decken oder nicht, mit anderen
Worten: ob jedes Tier, das in Afrika Verehrung findet, in seinem ganzen Verbreitungs-
bezirke verehrt wird, woran sich die weitere Frage anschliessen könnte, ob alle Tiere,
die in Afrika vorkommen, verehrt werden oder nicht.
Dass die Beantwortung der angedeuteten Fragen erheblichen Schwierigkeiten begegnet,
liegt darin begründet, dass einmal die Verbreitungsbezirke der Tiere in den meisten Fällen
infolge der ihnen zustehenden Möglichkeit einer freien Bewegung nicht scharf umschrieben
werden können, dass ferner unsere Kenntnis der Tatsachen des Tierkultes zum teil noch
recht lückenhaft ist, und dass schliesslich auch der Tierkult nach Massgabe der Völker-
verschiebungen einer gewissen Beweglichkeit unterworfen ist i). Wir müssen uns deshalb
hier auf die Andeutung der genannten Umschreibungslinien im grossen und ganzen beschrän-
ken und in der Hauptsache damit begnügen , die angeregte Frage etwas genauer zu formu-
liei-en, wobei wir in erster Linie nur die Tiere berücksichtigen können, die einerseits
möglichst allgemein verehrt werden und andererseits in der zoogeographischen Litteratur
bereits übersichtlich bearbeitet worden sind 2).
Die folgenden Ausführungen schliessen sich an die beigegebenen Orientierungs-
karten (Siehe Taf. X) an.
Zu Karte I. — Der Gorilla ist auf das Gebiet zwischen dem 2.° N , dem 5.°S,
der Westküste und dem 16." 0 beschränkt. Er lebt vorzugsweise in den heissesten Wald-
regionen an den Mündungen des Ogowe, Gabun und Muni und im Gebirge Sierra do Cristal,
dringt aber nur ganz selten bis zur Küste vor. Sein Verbreitungsgebiet war früher ver-
mutlich grösser (vgl. die Gorillajagd der Karthager unter Hanno). Für diese Annahme scheint
das Vorkommen von Gorillaschädeln in Nord-Kamerun zu sprechen (vgl. S. 93 unter i) & 2)),
wo lebende Gorillas heute nicht mehr getroffen werden, vorausgesetzt, dass man die
erwähnten Gorillaschädel als Jagdtrophäen betrachten darf. Jedenfalls scheint dem häufigeren
Vorkommen des Gorilla ein intensiverer Kult zu entsprechen 3).
Meerkatzen und Paviane sind fast über ganz Afrika verbreitet mit Ausnahme des
Nordostrandes, die Meerkatzen besonders in Waldgebieten. Die Rolle, die beide im Kult
spielen, ist demgegenüber nur gering *). Auch die weiterhin angegebenen Gebiete, in
denen sich Verehrung von (nicht näher bestimmbaren) Affen findet, verschwinden gegen-
über dem grossen Verbreitungsbezii'k derselben. Doch ist darauf hinzuweisen, dass z.B. in
Senegambien, dessen Affenreichtum besonders hervorgehoben wird 5), auch Affenkult
existiert.
') Vgl. Bauthel, in ML 1893. — Frobenius, in PM, 1897, 225 ff. — Wundt, Logik, II, 2, S. 453 f.
») KiECHHOFP, 85. — Hektwig, 138 f.; vgl. Wallace, I, 43 ff. — Wagneb, Lehrbuch, I, 603 ff. —
Feiedriuh, 90 ff., 250 ff., 265 ff.
') Bkehm, I, 60. — Lydekkeh, 246. — Haauke und Kuhnert, III, 47. — &ievers— Hahn, 381. —
Allenthalben sind zu diesem Abschnitt zu vergleichen Mabshalls Atlas und Wallaces Tabellen.
4) BkEHM, I, 128, 167. — LV'DEKKER, 315 f.
*) Schmarda, 273.
- 138 -
Die Verehrung der Leiiiuriden scheint sicli gegenüber ihrem Vorl<ommen auf ein
Miuimum zu beschränlcen i).
Zu Karte II. — Die Feliden im ganzen genommen sind über das gesamte Afriica
verbreitet. Die Gebiete für die einzelnen Arten hat Greve übersichtlich umschrieben; doch
decken zieh z. ß. seine Angaben über Felis maniculata nicht mit den Gebieten, in denen
heute eine Katze verehrt wird, die uns Felis maniculata zu sein scheint, weshalb wir die
Frage vorläufig noch offen lassen müssen 2). Der Löwe hat im Laufe der Zeit an Ausbreitung
verloren; er findet sich aber mit Ausnahme der Südspitze und des Nordwest- und Nordost-
randes, sowie der engeren äquatorialen Gebiete zwischen Niger und Kongo noch heute in
ganz Afrika 3). Die Gebiete, in denen er verehrt wird, sind im Verhältnis zu seiner Ver-
breitung sehr klein. Der Leopard, bez. Panther ist über ganz Afrika verbreitet; ihm gesellt
sich der Jagdleopard {Cynailurus) zu, der vom Kap aus bis etwa zum 19.° N. gefunden
wird •*). Eine Verehrung des Leoparden findet sich im Verhältnis dazu nur in geringer
Ausdehnung, dann aber meist über mehrere benachbarte Völker vei'breitet.
Zu Karte III. — Hyänen kommen, mit Ausschluss von Ägypten etwa, in ganz
Afrika vor 5); der Hyänenkult konzentriert sich fast ausschliesslich auf Ostafrika.
Eletantenkult trifft man nur an wenigen Stellen, vorzugsweise in Ostafrika. Der
Elefant ist im letzten Jahrhundert allenthalben stark zurückgedrängt worden; so liegt z.B.
das Gebiet des Elefimtenkultes der Kaffern heute vollkommen ausserhalb des Verbreitungs-
bezirkes dieses Tieres 6).
Die Ziege, dieses für Afrika so wichtige Haustier, ist ohne Zweifel aus Asien einge-
wandei-t. Die detaillierten Angaben bei Müller über ihr Vorkommen lassen sich kartogra-
phisch nur in grösstem Massstabe wiedergeben ''). Die Vei-ehrung der Ziege beschränkt sich
auf wenige kleine, von einander unabhängige Gebiete.
Das Rind findet sich überall in Afrika 8). Zur Verbreitung seines Kultes vgl. S. 16.
Die Antilopen bevölkern ganz Afrika 9); doch ist ihre Verehrung nur aus verhältnis-
mässig kleinen Gebieten bekannt.
Zu Karte IV. — Über die Verbreitung der Flusspferde wurden keine bestimmten
Angaben gefunden.
Die Verteilung der Eidechsen, die in ganz Afrika vorkommen, hat Palackj- eingehend
untersucht. Es ist bemerkenswert, dass die Gebiete, die er als besonders reich an Eidechsen
bezeichnet, auch Eidechsenkult aufweisen: Westafrika, Südafrika und Madagaskar W).
Die weite Ausdehnung und relativ reiche Ausgestaltung des Schlangenkultes steht mit
der Verbreitung und dem auffallenden Wesen dieses Tieres vollkommen im Einklang.
Der Kult des Krokodils ist aus Ägypten und seinen Nachbarländern verschwunden;
er findet sich heute vorzugsweise an der West- und Südseite Afrikas.
') Brehm, I, 271/77. — Lydekkee. 316.
-) Geeve, 59. — Derselbe in Z J, VI. 68. — Kellee, Haustiere, 81 ff
') Pechuel-Loesche in Z J, III, 705. — Geeve, 60 ff. — Derselbe in Z J. VI, 69 ff.
*) Bfehm, I, 461 f. — Geeve, 66 ff. — Derselbe in Z.T. VI, 74 f. 97. — Kleix und Thome, 317.
s) Brehm. IT, 6 ff. — Geeve, 100 ff. — Lvdekker. 321. — Sch.marda, 280.
'S) Breiim. III, 11 ff.
') Hahn, Haustiere, 147 ff. — Müller, Wirtschaftstiere, 98 ff. — Schmarda, 282. — Haacke und
KuHNEET, 452. — Kellee. Haustiere, 203 ff.
») Hahn, Haustiere, 105 ff. — Müller, Wirtschaftstiere, 19 ff. — Sievees— Hahn. 101. — Klein und
Thome, 271 f. -- Haacke und Kuhnert, 449. — Pechuel— Loesche, in ZJ, III, 707 f. — Keller,
Haustiere, 116 ff., 125 ff.
') Lydekker, 332. — Haackk und Kuhnert, 103. '») Palackv, m Z J, XII, 26/ ff.
- 134 -
Auffallend ist, dass die Bezirke mit Eidechsen- und Krokodilkult fast ausschliesslich
in Gebiete fallen, in denen Schlangenkult vorkommt.
Überblicken wir die Reihe der Tiere, für deren Stellung im Kult wir Belege haben,
so ist zunächst zu bemerken, dass bis jetzt, soweit die in Betracht kommende Litteratur
durchgesehen wurde, kein Tier gefunden worden ist, dessen Kultgebiet sich auch nur
annähernd mit seinem Verbreitungsbezirk deckt. Vielmehr stehen die Gebiete auch der
ausgedehntesten Tierkulte, so das des Schlangendienstes, hinter den Bezirken des Vorkom
mens der betreffenden Tiere an räumlicher Ausdehnung erheblich zui'ück. Inwieweit fi-eilich
bei dieser Erkenntnis der Umstand in Rechnung zu ziehen ist, dass wir über viele Völker
nur sehr geringe oder noch gar keine Nachrichten hinsichtlich ihrer religiösen Anschau
ungen besitzen, lässt sich zunächst nicht sagen. Jedenfalls kann das Ergebnis der vor
liegenden Untersuchungen nur erst als ein vorläufiges gelten.
Ferner ist zu beachten, dass die Gebiete der Verehrung eines um! desselben Tieres oft
räumlich weit von einander entfernt sind. Ob sich dazwischen liegende Lücken auf Grund
späterer Erfahrungen und Foi'schungen werden ausfüllen lassen , oder ob Völkerwanderungen
gewisse Kulte von einem Centrum aus nach anderen Gegenden verpflanzt haben, ohne in
den durchzogenen Gebieten Spuren zu hinterlassen, kann vorläufig ebensowenig entschieden
werden.
Am auffallendsten ist wohl die Tatsache, dass von einer Verehrung mancher äusserst
charakteiistischer Tiere, wie der Giraffe, des Schuppentieres, des Webervogels, des
Strausses, nirgends, soweit wir sahen, die Rede ist — eine Erscheinung, die, wenn auch
nur negativ, doch vielleicht geeignet ist, zur Lösung des Problems von der Entstehung
des Tierkultes das Ihrige beizutragen.
ANHANG.
Tieropfer bei den afril<anischen Naturvöli<ern.
Julius Happel stellt in seiner Preisschrift über die Anlage des Menschen zur
Religion den Satz auf: „Man will die Gottheit nicht bloss erforschen, man will sie
auch haben , geniessen , man will duich die innigste Lebensgemeinschaft mit ihr verbunden
sein, so dass der Mensch in Gott und Gott in ihm ist: das ist vornehmlich die Aufgabe
des Opfers, Gebets" i) Dies trifft wie bei jeder Religion, so auch bei der der afrikanischen
Naturvölker zu, und es erscheint deshalb gerechtfertigt, in einem Anhang im Anschluss
an den eigentlichen Tierkult das Tieropfer, das sog. blutige Opfer, bei den Naturvölkern
Afrikas in seinen Hauptzügen zu chai-akterisieren.
Die Zahl der zu opfernden Tiere ist naturgemäss beschränkt: es kann sich hier in der
Hauptsache nur um Haustiere handeln, da der Begriff des Oj)fers stets das Moment der
Entäusserung materiellen Besitzes von selten des Opfernden in sich schliesst. Wir folgen
in der Behandlung der in Betracht kommenden Tiei'e wieder der Anordnung nach Brehms
Tierleben.
Hai'pel, 37; vgl. Schuktz, Volkerkunde, 116. — Perty, Ethnograpiiie 372. — Doknee, 292 ff.
- 135 -
Die Katze dient als Opf'eitier iin der Westküste (Guinea). Bohnek beschieibt einen
Fall, in dem zum Zwecke einer Krankenheilung eine Katze lebendig unter einer Schüssel
vor dem Eingang des Hauses begraben wurde. Ellis zählt die Katzen untei' den Opfer-
tieren auf, die bei den Eweern als Ersatz für frühere Menschenopfer von einer hohen
Estrade herabgestüi-zt werden i).
Der Hunil. — Lichtenstein berichtet von den Eingeborenen Südafrikas, dass .sie
Krankheiten zum teil dem Zorn gewisser Wesen zuschreiben, die sie in den Flüssen
wohnend glauben ; zu ihrer Versöhnung wird ein vierfüssiges Tiei-, oft ein Hund, in Stücke
geschnitten und ins Wasser geworfen -). Das wirksamste Opfer der Ovambo in Krankheits-
fällen ist das Hundeopfer {fombua-mbua), das in Szene gesetzt wird, wenn ein vorher
dargebrachtes symbolisches Hundeopfei' (aus Bohnen bestehend) die eizürnten Ahnen (aasisi)
nicht besänftigt hat. Dem Hunde wird mit der Wurfkeule der Schädel zertrümmert; einen
mit Palmblättern umwickelten Stab taucht man in das im Schädel geronnene Blut und
bestreicht dann damit dem Kranken Gesicht, Arme und Beine. Die eigentlichen Opferteile,
Leber, Herz und Nieren, werden in heisser Asche geröstet und von dem Kranken gege.s-
sen, nachdem er den aasisi davon geopfert hat; doch darf ei' die Opferteile nicht mit den
Händen berühren, sondern nur mit den Zähnen davon abbeissen. Das Fleisch des Hundes
wird gekocht, ein Teil davon geopfert und das Übrige von den Gästen verzehrt'^). In Kaffa
(nördlich vom RudolfSee) werden den Flussgenien ebenfalls Hunde durch Ertränken im
Flusse geopfert 4). Bastian erwähnt, dass für vornehme Leute an der Westküste bei Krank-
heit Hunde als Ersatz für die früher üblichen Sklavenopfer dienen ; der betreffende Hund
wird vor der Hütte des Patienten eingegraben und muss elend umkommen S). Auch
Müller, Bosman und Bruns nennen die Hunde unter den Opfertieren an der Westküste 6).
Hierbei ist auf die Bemerkung Monrads hinzuweisen, dass der Hund an der Westküste
unheilig sei ")■ Schwarze Hunde nennt BERCfHAUs unter den den Tiergottheiten in Borgu
jährlich einmal darzubringenden Opfern ^). Ebenso dienen in Gäbberi Hunde, die unter
einer grossen Sykomore (djimes) geschlachtet werden , als Opfei- für die Gottheit ^).
Dei Hase nimmt nach Lichtenstein als Opfertier bei den Eingeborenen Süd-Afrikas
dieselbe Stellung ein wie der Hund lO).
Das Pferd. — Die Hova auf Madagaskar pflegten früher beim Tode ihres Königs
einige der schönsten Pfeide des verstorbenen Hellsehers zu opfern in der Weise, wie die
I) BoHNER. ■242. — Ausland. 1891, 571; vgl. Bosman, 184.
-) LiCHTENSTKIN. I, 414.
3) ScHixz, 315 f.
") Paulitschke, Nordostafrika .50.
^) Bastian, Bilder, 146; vgl. Sanimluny iiierkwürdigor Reisen eil. Cüun, 1, 105 (nach der Schilderung
eines hollandischen Offiziers).
6) Miii.LER. Fetn. 71. — Bosman, 184: vgl. A H R. IV. 431 — Brüns, V, 1.50, 153.
') Mü.VBAD, 34.
') Bekghaus, II, 55.
') Barth, 1.11, 571; vgl. A E, VIII, 144. — Zn beachten ist die Notiz bei Schweinfurth (I 299), dass
bei den Bongo tote Hnnde nicht begraben werden ciinfen, sondern aufs Feld geworfen werden, da sonst
die Saaten ohne Regen bleiben würden. — Vgl. auch oben. S. 15 unter 9).
'") Lichtenstein, I, 414.
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Sihanaka noch heute bei Begräbnissen Rinder schlachten (vgl. S. 145 unter 5) i). Pferdeopfer
laufen bei den Eweern den Katzenopfern parallel 2).
Das Kamel. — Der einzige Fall, dass das Kamel eine Rolle im afrikanischen Tierkult
spielt, findet sich bei Marno verzeichnet, der von der Karamah*) der Sudanesen im Gebiete
des Blauen und Weissen Nils erzählt, worunter eine Art Opfer (Bitt-, Dank-, Versöhnungs-
oder Totenopfer) zu verstehen ist, das bei Geburts- und Todesfällen, bei Hochzeiten, vor
und nach Reisen, bei grosser Sterblichkeit des Viehes und darnach und bei ähnlichen
Gelegenheiten von der Dorfgemeinde dargebracht wird und darin besteht, dass man u.a.
ein Kamel schlachtet und das Fleisch entweder verteilt odei- verkauft; Marno bemerkt dazu,
dass der ursprünglich mit dem Opfer verbundene Sinn in Vergessenheit geraten sei, der
Brauch aber sich aus der Heidenzeit erhalten habe ^).
Der Bock ist das Schlachttier bei dem sog. Id-Nerüs-Opfer**) der südlichen Somali,
wobei der Läb-Tanz aufgeführt wird, und bei den Boräna-Galla, bei denen alle Jahre im
Frühling ein hervorragender Häuptling einen schwarzen Bock als Opfer abschlachtet *).
Zu den Begräbnisgebräuchen der Dinka gehört es, einen Bock um das Grab zu führen und
dann in den Wald zu jagen s).
Die Ziege, „für manchen Negerstamm fast das einzige Nutztier", gehört zu den
beliebteren Opfertieren. Sie wird in dieser Hinsicht teils in gewissen Fällen ausschliesslich,
teils unterschiedslos neben anderen Haustieren verwendet, im letzteren Falle vielfach von
den Wohlhabenderen an Stelle des verbreitetsten Opfertieres, des Huhnes 6).
Als Opfergabe für die Gottheit im allgemeinen oder speziell für den guten Gott dient
die Ziege voi-zugsweise an der Westküste (Togo, Fernando Pöo und anderwärts) 7), aber
auch im Osten bei den Galla, die ihren Untergottheiten Oglia (männlich) und Atete (weib-
lich) an bestimmten Festtagen Ziegen opfern und aus deren Eingeweiden die Zukunft
lesen 8), ferner bei den Schill uk zum Danke gegen Niekam nach glücklichem Kampfe 9),
sowie bei den Basiba (in der Nähe von Bukoba), deren Gott Wamälla in Kitöma, westlich
von Ngäramo, eine grosse mnde, von einigen Wächtern geschützte Hütte besitzt, in die
man ihm Ziegen bringt, um ihn günstig zu stimmen lO) ; dem Untergott Mkassa in Bukoba
werden weisse Ziegenböcke geopfert "), und in Bagirmi schlachtet man dem höchsten
Wesen Ziegen an einem heiligen Pfahl, der mit Blut bestrichen wird i2). Die Latuka
bedürfen des Blutes von Ziegen, um ihre bösen Geister zu besänftigen; wird jemand von
') SiBREE, 265. — Pferde opfert man wolil in dem Glauben, dass der Verstorbene sie im Jenseits
nötig habe. -) Ausland, 1891, 571.
•) Kardma ist ein arab. Wort, das auch wohl für „Festmahlzeit" gebrauelit wird, de Goeje.
') Maemo, 201.
") Id-Nerüs bedeutet „Neujahrsfest" ('Id ist arabisch = „^''est", neuruz persisch = Neujahr), de Goeje.
■*) Paülitschke, Nordostafrika, 46 f. *) Kaufmann, 130.
") Vgl. Müller, Wirtschaftstiere, 98. — Hahn, Haustiere, 147.
') Müller, Fetu, 71 ff. — Römer, 59. — Labarthe, 148. — Ceuickshank, 218. — Klose, 301. —
Baumann, Fernando Pöo, 108; vgl. A H R, IV, 433. — Bruns, V, 153. — Bürk;h.a,edt— Gründemann ,
1 Abt. 57. - M Seh, V, 148. — Bastian, Mensch, II, 15.
') Paulitschke, Nordostafrika, I[, 47. — Isenberg, I, 44; vgl. Krapf, I, 99.
ä) Petermann und Hassenstein, in P M E B, II, 22.
">) Stuhlmann, 726.
") Richter, in M Seh, XII, 97 f.
'■') Nachtigal, II, 685.
- 137 -
diesen im Traume belästigt, so muss eine Ziege geschlachtet werden, mit deren Blut man
die Lagerstätte des übel Träumenden, auch die Ecken seiner Felder oder die Hörner seiner
Tiere besprengt i). Ähnlich fand Krapf bei den Abessiniern die Gewohnheit, zur Abwehr
böser Geister Ziegen zu opfern, und zwar mussten diese von roter Farbe sein 2). Die
Manyema (westlich vom oberen Tanganyika-See) haben geschnitzte hölzerne Ahnenbilder,
denen sie, wie Livingstone erzählt, bei gewissen Gelegenheiten Ziegenfleisch opfern, das
dann von den Männern verzehrt wird 3).
Vielfach werden Ziegen zur Abwendung von Krankheiten geschlachtet. Die Waschambaa,
die die Entstehung einer Krankheit der Schlange zuschreiben (vgl. S. 122 unter"), suchen
diese durch ein Ziegenopfer zu versöhnen; man beruft hierzu einen besonderen Priester
msembezi, Versöhner), der meist ein Mpare ist; dieser führt das Opfertier im Kreise um
den Kranken herum und bittet dabei die Schlange um Heilung, ihr gleichzeitig die Ziege
als Sühnopfer anbietend; Kopf und Knochen der Ziege werden gekocht und mit einigen
Zutaten der Schlange geweiht*). Die Ovambo opfern in Krankheitsfällen den erzürnten
Ahnen oft eine Ziege {oyula j'oshikoynbo = Ziegenopfer) &) (vgl. S. 140 unter 5)). Am Kamerun
giebt man Kranken die Halsdrüse einer geopferten Ziege zu essen 6). Von den muhamme-
danischen Arabern in Algier berichtet man übrigens ebenfalls, dass sie in schweren Krank-
heitsfällen eine Ziege opfern, deren Fleisch man vergräbt, während das Blut getrunken
werden muss ').
An die Opfer für Kranke schliessen sich die Totenopfer an. Die Wanika schlachten
bei der Bestattung eine Ziege, geben dem Toten ein Stück von der Stirnhaut des Tieres
in die Hand und besprengen mit dem Blute das Grab auf drei Seiten ; das Fleisch wird
unter die Anwesenden verteilt 8). Die Waschambaa und Wanyamwesi opfern beim Tode
einer alten Frau eine Ziege, deren Fleisch gegessen und deren Blut auf die Erde gesprengt
wird 9). Nach einem anderen Berichte wird von den Waschambaa bei jedem Todesfall eine
Ziege in einem mit Wasser gefüllten Mörser erstickt und dem Geist des Verstorbenen
geweiht, damit er keine Krankheit sende; jeder der bei dem Totenopfer Anwesenden,
auch die kleinen Kinder, schlägt mit der Hand auf den Kopf der Ziege und erhält dann
aus dem Fell des geopferten Tieres einen Streifen , den er um das Armgelenk trägt w).
Ist eine Familie der Wassukuma nicht vermögend genug, für einen Verstorbenen ein Rind
zu opfern, so schlachtet sie eine Ziege unter den gleichen Ceremonien wie S. 143 unter 8)
augegeben n). Die Wadschagga führen eine Ziege aus dem Besitzstande des Toten um das
in der Hütte befindliche Grab herum (dreimal beim Tode eines Mannes, viermal beim Tode
einer Frau) , töten sie dann ausserhalb der Hütte durch Einstechen eines Messers in die
Brust, nachdem sie ihr auf die Stirn gespuckt haben, und schneiden aus der Stirnhaut
Fingerringe für die Veisammelten ; einige Stücke des Tieres werden den Geistern vorgelegt,
') Stuhlmann, 801.
=) Krapf, I, 100.
•■"j A E, vn, 21.
■•) JoHAXssES, in N M. 1892. 143: vgl. M J. XI, 108. Eine ähnliche Sitte besteht bei den Wapare;
vgl. S. 123 unter ').
') ScHINZ. 315.
«) Bastian. Bilder, 146.
') Bruns, vi, 264.
8) V. D. Deckkn, I, 216, vgl. Schneider, 158. — Pl.viz. 254.
9) N M, 1900, 111. — V. Götzen. 83.
'») M J. XI. 107 f.
") Kollmann. 123.
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das Übrige verzehren die Trauernden ; später werden zur Besänftigung des Geistes am
Grabe Ziegenopfer wiederiiolt i). Bei den Warangi ist die Ziege das Totenopfer für alle
Verstorbenen, ausgenommen die Krieger 2). Die Wambugwe schlachten beim Tode eines
Angehörigen eine Ziege und reiben mit ihrem Fett die Augen des Verstorbenen ein, damit
sein Geist die neugeborenen Kinder nicht sehen und ihnen durch bösen Blick nicht schaden
kann 3). Ziegen werden von den Sulu den Familiengeistern geopfert*). An der Westküste
sind während der Leichenfeierlichkeiten Ziegenopfer üblich bei den Bube auf Fernando PöoS)
und bei den Bakwiri^), in der Gegend um Buea in Kamerun (hier werden die Ziegen mit
in das Grab gelegt) 7), im Niger-Delta S), bei den Akkra^) und Mandingo^o), ebenso in
Bagirmi und Umgegend, wo man zu Häupten und Füssen des Toten eine geschlachtete
Ziege legt ") , sowie bei den Soni-hay i^). Die Wapare öffnen nach Jahresfrist das Grab ,
das sich in der nach wie vor bewohnten Hütte befindet; stellt es sich dabei heraus, dass
dem Toten der Unterkiefer fehlt, so wird eine Ziege geschlachtet und ihr Unterkiefer zu
dem Menschenschädel gelegt, damit „der Tote kauen könne" und so diohendes Unheil
abgewandt wird i*).
Neben den bisher genannten Fällen bieten noch die mannigfaltigsten Gelegenheiten
Veranlassung dazu, je nach Volkssitte eine Ziege zu opfern: Dank gegen den Fetisch-
priester für geleistete Hülfe während schwerer Geburt bei den Bassarileuten (Togo)i''), die
Geburt eines Knaben bei den Somali und manchen Danakili^), Auszug in die Schlacht bei
den Waganda^ö), gewisse Feste bei den Aschanti^^), Vorbeugung gegen Feuersgefahi' am
TanganyikaSee 18)^ Sühne für einen Mord am Nyassa i^). Hans Meyer erzählt von einem
Friedensvertiag, den er mit den Eingeborenen am westlichen Kilimandjaro schliessen
musste, wobei beide Parteien einer Ziege mehrfach auf die Stirn spuckten und, nachdem
der Ziege der Kopf abgeschnitten worden war („damit sich Blut und Speichel nhsche"),
Ringe an den Mittelfinger dei- rechten Hand gesteckt bekamen, die aus der losgelösten
Stirnhaut der Ziege geschnitten wurden 20). Die Berta schliessen einen Freundschaftsbund
in der Weise, dass die Beteiligten die Hände in das Blut einer Ziege tauchen und dann
einen blutigen Händedruck wechseln ^i).
In Benny und auf Fernando Pöo pflegt man die Opfertiere, so auch die Ziegen, auf
dünne in den Boden gepflanzte Stöcke zu spiessen , wo sie bleiben, bis sie infolge der
') WiDENMANN, Sil P M E H, 129, 49; vgl. 33.
■■) Baümstakk, in M Seh, XIII, 56; vgl. S. 143 unter").
■') Baumann, Massailaiid, 187.
"i Bleek, im Ausland, 1857, 744; vgl. oben S. 31, unter <>).
*) Baumann, Fernando Pöo, 97.
»I Ausland, 1880, 169: vgl. Seidel, B K, III, 195.
7) Preuss, in M Soli, IV 134.
S) B.\sTiAN, Bilder 165; vgl. 185: vgl. Pesch, 82.
ä) Steiner, im Globus, LXV, 229.
'") Mungo Park, 324.
") Nachtigal, II, 687: vgl. Platz, 345.
") Pesch, 93.
") N M, 1892, 51 f. Das geheimnisvolle Verschwinden des Unterkiefers wird nicht näher erklilrt.
'■•) Klose, 509.
'■i Paulitschke, Nordostafrika, 47.
'«) Ratzel, II. 46.
") BowDiGH, 368 (f.
'») Cameron, II, 102 ff.
") Merensky, Deutsche Arbeil. 133.
•») Meyer, Gletscherfahrtun, 217: vgl. Widenmann, in PMEH, 129, 35, — Volkens, 255,— Post, 40,
2') Post, 39.
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Verwesung vollkommen skelettiert sind. Kein Eingeborener darf wagen, ein solches Opfer-
tier, solange es noch frisch ist, wegzunehmen i). Ziegenopfer sind noch heute in entlegenen
Gegenden Madagaskars üblich 2). Von den Kosa berichtet Kropf, dass sie früher jedes
Schlachten eines Tieres (Rind und Ziege) als Opfer betrachteten: nachdem mit dem Spiess
eine Öffnung in den Bauch gemacht worden war, wurde die Herzarterie abgerissen; es
durfte kein Blut ausströmen und zur Erde fallen; dann wurde ein Stück Fett aus der
Bauchhöhle genommen und ins Feuer geworfen, damit die Geister seinen Rauch beriechen
konnten ^). Einen ganz ähnlichen Gebrauch finden wir von Marno in seiner Schilderung
eines Marktes in Woad Medineh, einer alten verfallenen muhammedanischen Stadt am West-
ufer des Bahr el Azrak*), beschrieben: „An einer anderen Stelle haben sich die Fleischer
angesiedelt. Die Rinder, Schafe und Ziegen werden an Ort und Stelle unter religiösen
Gebräuchen geschlachtet"; das Tier wird gefesselt und mit dem Kopfe nach Osten gerichtet;
unter dem Hersagen einer Gebetsformel wird ihm die Kehle durchgeschnitten, und erst
nach den letzten Zuckungen wird die Zerlegung vorgenommen , nachdem Kopf und Füsse
abgeschnitten woi'den sind ■*).
Das Schaf wird als Opfertier für die Gottheit genannt bei den Völkern der Gold-
küste, den Aschanti^) und Fan 6), sowie bei den Bewohnern der Volta-Mündung 7) ; von
den Fan wird der Götze mit dem Blute des Opfertieres beschmiert; an der Volta-Mündung
erhält der Fetisch nur etwas Eingeweide. Die Eweer und die Leute von Bassari opfern in
der Regel weisse Schafe, zum teil als Ersatz für frühere Menschenopfer 8). In Weida und
Umgegend gilt das Schaf für das Opfertier der Vornehmen bez. des Königs, das u.a. der
heiligen Schlange geweiht wird, freilich nur nominell, denn die Opfernden pflegen das Tier
selbst zu verzehren 9). Die Bube opfern ihrem Geist Lobe Schafe lO). Die Hottentotten
schlachteten ihrem Käfergotte (vgl. oben S. 130 unter 3)), wenn er ihre Niederlassungen
besuchte, zwei Schafe"). In Ost- und Nordost-Afrika sind Schafopfer üblich in Bukoba
(hier weisse Tiere für Irungu, den Jagdgott, und Yangomhe, den Gott des Viehes) i2), bei
den Bei-tai»), bei den muhammedanischen Danakil und ihren Nachbarn ") und bei den Galla
(für Wak, die oberste Gottheit, sowie für Oglia und Atete)^^). In Bagirmi (Gäbberi) i«) ,
Bornu 1') und Borgu i») werden ebenfalls Schafe geopfert, in Borgu nur solche von schwar-
zer Farbe.
') KoELER, in M B, IV, 150. — Baumann, Fernando Pöü, 109.
-) SiBEEE, 341. ,, , TTT f^n
3) Kropf, in V A, 1888, 45. Derselbe, Kosakaflfern, 188; vgl. Bastian, Mensch, III, 99.
•) Bahr el Azruk — der blaue Fluss (Nil), de G-oejk.
■•) Mabxo, 147.
5) Ausland, 1849, 514.
6) Cruickshank, 218.
') RÖMEK, .59.
s) Klose, 268, 301, 341 ff. 490. ,,^ ^ .r i-o
«) BosMAXN, 184, 187. — IsERT, 175; vgl. Müller, Fetu, 71. — Lababthe, 148. — Bkü>Js, V, lod. —
Bubkhardt-Grundemaxx, 1 Abt. 57.
'") Baumann. Fernando P6o, 108.
") KoLBE, 416 f.: vgl. V A, 1890, 265. — Ratzel, I, 705 f.
'■-) Richter, in M Seh, XII, 98.
") Klemm, III. 362.
") V. Hellwald, Naturgeschichte, 248.
'ä) Krapf, I, 99, 105.
'6) Langkavel, in A E, VIII, 144.
") Pesgh, 93. '") Bebghaüs, 55.
I. A. f. E. XVII. ^S
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In Krankheitsfällen opfern die Eweer ein Schaf, das sie zu der vom Priester vorge-
schriebenen Stunde an einem bestimmten Orte für den beleidigten Fetisch bereitstellen i).
Die Ovambo pflegen zur Besänftigung der aasisi, die eine Krankheit verursachten, in
gewissen Fällen ein Schafopfer {oyula fonsi)- darzubringen -) (vgl. S. 137 unter S)). Bei den
Waschambaa tritt an die Stelle der Ziege in dem S. 137 unter ■*) beschriebenen Falle oft
ein Schaf. Schafe gelten als Expiationsopfer bei den Somali 3) und in Algier*), (vgl. auch
S. 95 unter ")).
Den Toten werden Schafe geopfert von den Fan und Akkra (und zwar seit dem Verbot
der Menschenopfer durch die englische Regierung) 5) und anderwärts an der Goldküste 6), in
Yoruba^), in Kamerun (von den Bakwiri) 8) und in Adamaua (von den Arnani, Tengelin
und Falli)9), auch bei den Herero (vgl. S. 143 unter i)), ferner von den Wassukuma (alter-
nierend mit Ziegen; (vgl. S. 137 unter") bez. S. 143 unter lO)) lO)^ den Wadschagga ") , den
Wanika 12) und den Wanyaturu, die einen Toten, dessen Geist sich durch Sendung von
Krankheiten unangenehm bemerkbar macht, ausgraben und mit einem Opferschaf neuer-
dings beerdigen iS). Die Frauen eines verstorbenen Kikuyu schlachten , sofern sie in mehreren
Hütten wohnen, jede für ihren Gatten ein Schaf; ebenso wird beim Trauermahl für einen
verstorbenen Jüngling oder eine Jungfrau ein Schaf verzehrt i*). Die Dinka zünden nach
vier Tagen über dem Grabe ein Feuer an ; der Zauberpriester führt ein Schaf um das Grab
herum, worauf die Leidtragenden das Tier langsam ersticken, indem sie sich daraufsetzen,
oder es in den Wald jagen und den wilden Tieren zur Beute überlassen i^) (vgl. S. 13ö
unter 5)). Es sei hierbei auf ein auf Madagaskar gebi-äuchliches Sühnopfer {Fäditra) hinge-
wiesen , bei dem ein Mann ein Schaf auf die Schultern nimmt und in eiligstem Laufe v^^eit
fort trägt, im Dahineilen alles Übel und Unheil, das das Opfer hinwegnehmen soll, auf
das Tier herabrufend is).
Nach glücklich überstandener Krankheit oder günstigem Ausgang eines Gottesurteils
opfern die Völker um Tete (hauptsächlich die Marutse und Mambunda) ein Schaf, dessen
Blut sie als Libation für die Seele eines Verstorbenen ausgiessen "). Die Akkra und Akira
danken dem Gott der Erde für den Fund eines Goldklumpens durch ein Schafopfer i^). Die
"Wanika legen Streitigkeiten durch folgende Ceremonie (das sog. Schaflecken) bei: Die
Beteiligten bilden einen Kreis; ein Schaf wird um diesen herumgeführt und um Beseitigung
des Streites gebeten ; dann wird dem Tiere rasch der Bauch aufgeschnitten , das noch
pulsierende Herz herausgenommen und mit Blut, Exkrementen und Kräutern zu einer
') Herold, in M Seh, V, 151 f.
■) SCHINZ, 315.
3) Paulitschke, Nordostafrika, 47.
") Beüns, vi, 264.
*) Cruickshank, 262 f. — Steiner im Globus, LXV, 229.
I>) MONRAD, 27.
') Bastian, Bilder, 184 f.
') Ausland, 1853. 169. — Preuss, in M Seh, IV, 134.
9) Passauöe. 500.
'») Kollmann, 123.
") VOLKENS, 253 f.
'•) BuRKHARDT— Geundbmann, 3. Abt. 19. — Platz , 254.
") Baumann, Massailand, 190 f.; vgl. hierzu Platz, 360 f.
'<) V. Höhnel, in P M B H, 99, 26; vgl. S. 143 unter ">).
'5) Kaufmann. 130; vgl. Schneider, 163.
1»
) SiisREE, 342; vgl. Platz, 48.
") Livi.N'GSTONE, Missionsreisen, II, 301.
"") Römer, 154; vgl. Wuttke, 132.
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Mischung verarbeitet, an der jeder Beteiligte lecken muss, worauf die Aussöhnung voll-
zogen isti). Freundschaftsbündnisse schliessen unter Opferung eines Schafes die Berta2),
sowie die Bafuen und Bamunda (Nordkamerun) 3). Schafe opfert man in Aschanti und
Darfur bei grossen Nationalfesten •*) , in Weida bei stürmischer See, wobei man das Blut
des Opfers ins Meer fliessen lässtS), bei den Warundi und Wanyamwesi gegen Besessen-
heit 6), in Togo bez. bei den Eweern nach Unglücksfällen und bei der Priesterweihe 7),
zur Verhütung von Diebstahl und Missernten »), bei den Herero nach dem Errichten einer
neuen Feuerstätte 9) , bei den Massai und Wakuafl in dürren Zeiten lO), bei den Wanyam-
wesi und Waganda vor dem Auszug in den Kämpft). (Vgl. auch S. 95 unter«), S. 139
unter •*) und Marno, 201). Besonders zu erwähnen ist der Brauch der Herero, kurz nach
der Geburt eines Kindes unter Beobachtung der orw^o- Vorschriften i^) ein Schaf zu schlachten,
von dem ein Hinterschenkel zu anderweitigen religiösen Ceremonien im Hause aufbewahrt
wird (vgl. S. 107 unter 9) und S. 144 unter 3) i3).
Das Rind i*). — In Dahome werden dem Leoparden als dem höchsten Gott an
Stelle der früheren Menschenopfer jetzt Stiere geschlachtet is). In Weida und anderwärts
an der Westküste sind ebenfalls Opfer von Rindern für die Gottheit üblich; sie werden
zum teil unter Bäumen dargebracht, die man für Wohnungen der Götter hält; das Opfer-
blut wird an die Wurzeln gegossen und an die Zweige gesprengt, Haut und Hörner der
geweihten Tiere werden auf die Äste gehangen i6). Die Eweer schlachten ihrem Gott
Nyikplä jährlich einen Ochsen als Sühnopfer"). Die Stiere, die dem Fetisch in Gross-
Bassam geopfert werden, müssen, wenn das Opfer Erfolg haben soll, vorher weinen; dies
kann nur durch den Gesang der Frauen erreicht werden, die den Tieren gleichzeitig
Maniokmehl und Palmwein in die Augen spritzen i«). Die Hottentotten opfern ihrem
Käfergott bisweilen Ochsen i9). Bei den Kaffern soll es vorkommen , dass zu opfernde
Ochsen lebendig verbrannt werden 20). in Deutsch-Ostafrika ist das Opfern von Rindern
fast allgemein üblich. In Bukoba weiht man dem Jagdgott Irungu und Mkassa, dem
Untergott (Katikiro) im Geisterreiche Wamaras, der obersten Gottheit, weisse Rinder,
Mkassa namentlich dann, wenn er durch Blitzschlag Rindvieh getötet hat, um ihn zu
1) BuBKHARDT— Gründemann, 3. Abt., 18 f. — Baumgarten. 347; vgl. „Afrika". I, 83.
■) Post. 39.
') HUTTER. 438; vgl. 450.
<) BowDicH. 368 ff.: vgl. Waitz, II, 198.
") Bruns, V, 154.
«) Baumann, Massailand, 223, 235.
') Z E 1902. 209. M J, 1893. 88.
«) Hebold, in M Seh, V, 147 f.: vgl. oben S. 105 unter "). — Bohner, 95.
') A M, V, 353: vgl. Ausland, 1856, 46.
1°) Kkapf, im Ausland, 1857, 442.
") Ratzel, II, 46. — Richter, 40. — Platz, 228. . , , ..
'■) Unter oruzo (Mehrzahl otozo) versteht man eine Gruppe von Familien , denen ganz bestimmte traai-
tiouelle Vorschriften hinsichtlich der Haartracht, der Zubereitung von I'leischspeisen etc. gemacht sind
(SCHINZ. 164).
") SCHINZ, 167 f.
'*) Vgl. oben S. 106 Einleitung.
15) Ausland. 1852, 47 (nach Fobbes, Dahomey and the Dahomans). _
•«) BuRKHABDT— Geundemann, 1. Abt., 57. — Bruns, V, 158, 150; vgl. auch Bohner, y3, 231, 249.
>') ZüNDEL, in Z G E, XII, 416.
18) Bastian, Mensch. III, 102.
'S) KoLBE, 416 f.; vgl. oben S. 130 unter ').
■o) LifHTENSTEiN , I. 413. — V A. 1890, 265.
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versöhnen 1). Die Basiba schlachten dem Wamälla Ochsen, wenn sie ihn sich günstig
stimmen wollen 2), ebenso die Massai (mit Ausnahme der Wakuafl) ihrem götthch verehrten
Oberzauberer Mbatyan^ Bei den Bari fand Maeno in den Gehöften Baumstämme (Opfer-
pfähle), an denen Stirnteile und Hornzapfen von Rindern hingen 4). Die Dinka opfern
einen Ochsen, wenn ihr Schlangengott sie besucht 5). Wak^ Oglia und Atete, die Gott-
heiten der Galla, erhalten ebenso Rinder zum Opfer wie Niekam, der Gott der Schilluk,
nach glücklich bestandenem Kampfe 6), sowie der Nationalgott der DanakiP). Schwarze
Stiere werden den Göttern in Borgu geschlachtet 8).
Als letztes Hilfsmittel in gefährlichen Krankheitsfällen opfern die Dinka dem Teufel
einen Ochsen ; der Tyet (Zauberpriester) nimmt den warmen Kot aus den Eingeweiden
des Tieres und streicht ihn über den Körper des Kranken; das Fleisch wird zwischen dem
Priester und den Angehörigen geteilt 9). Bei den Waschambaa wird in denselben Fällen
den Wasimu (den Geistern der Verstorbenen) ein Rind dargebracht lO). Die Sulu schlachten
bei Krankheit ein Rind, dessen Fleisch und Blut sie den Ama-hlozi (vgl. oben S. 121 unter '))
in einer gut gereinigten und verschlossenen Hütte eine Nacht lang zur Verfügung stellen;
darnach wird das Fleisch verteilt, während man die Knochen meist verbrennt H). Als
wirksames Opfer für Kranke gilt bei den Ovambo das Ochsenopfer {oyula fongombe). Handelt
es sich um ein krankes Kind, so muss dieses, nachdem man durch den Tierkörper in der
Gegend des Herzens ein grosses Loch gebohrt hat, durch die Öffnung hindurchkriechen,
um sich vollständig mit dem Blute des Opfers zu waschen. Die Brust des Tieres wird
geröstet und von den Anwesenden verzehrt i2). Bei den Ceremonien, die die Negerin
Algier zur Rettung Schwei'kranker voi'nehmen, spielt das Opfer eines Kalbes eine Haupt-
rolle 13).
Eine hervorragende Stelle nimmt das Rind als Opfertier für die Toten ein i^). Fulbe
und Mandingo schlachten am Begräbnistage einen Ochsen, den man unter die Trauer-
versammlung verteilt 15), ein Brauch, der sich auch anderweit an der Westküste findet,
besonders wenn es sich um die Beerdigung hervorragender Personen handelt '6). Im nörd-
lichen Adamaua huldigen die Tengelin , Fall! und Arnani demselben Brauche i'^). Die Herero
schlachten bei der Bestattung eine Menge Ochsen je nach dem Besitzstande des Verstor-
benen; die Grabstätten sind durch Bäume mit gebleichten Ochsenschädeln kenntlich. Die
zuj- Opferung bestimmten Rinder {ozongoncljoza), oft viele Dutzende, aus den Lieblingsherden
des Toten, werden mit Speeren erstochen, nicht wie bei anderen Gelegenheiten erstickt.
') Richter, in M Seh, XII, 98.
=) Stuhlmann. 726; vgl. oben S. 136 unter '»).
ä) Baumann, Massailand, 164.
^) MO, 1876, 189.
') Kaufmann, 127; vgl. oben S. 124 unter ').
») Keapf, I, 99, 105. — Peteemann und Hassenstein in P M E B. IT, 22; vgl. Schneidee, 162.
') V. Hellwald, Naturgeschichte, 248.
') Berghaus, 55.
^) Kaufmann, 129; vgl. Paulitschke, Sudanländer, 245.
'») Dahlgeün, in M Seh., XVI, 229.
") Hartmann, 224; vgl. Ausland, 1888, 588.
'=) SCHINZ, 316 f.
") V. Hellvvald, Naturgeschiclite, 317 f.
n) Vgl. zu diesem Abschnitt oben S. 100 unter '■>).
") Doelter 197; vgl. Mungo Park. 324.
'«) Cruickshank, 262 f. - Wilson. 170.
") Passarge, 500.
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samt dem Fell in .Stücke zerlegt und dann als unrein weggeworfen; nur die Ovambandjera
düifen Fleisch von den ozongoncljoza essen, die anderen (westlichen) Hei-ero nicht. Die
Schädel werden auf die der Grabstätte zunächst stehenden Bäume gestecltt. , Ausser den
ozongondjoza werden zu gleicher Zeit auch noch einige ozomaze oder fette Ochsen
geschlachtet, mit deren Fett sich die Trauei-nden den Körper beschmieren müssen, und
deren Fleisch... von den Anwesenden an Ort und Stelle verzehrt werden darf" (Schinz).
Alljährlich treiben die Herero die Rinder des Verstorbenen nach seinem Grabe, klopfen
dort an und erbitten sich unter Hinweis auf seine geliebten Ochsen die Gunst des Toten i).
Nach Ablauf iler Trauerzeit findet ein Reinigungsopfer (Ovemä) statt, das vermutlich auch
in Rindein besteht 2). Die Kaffern opfern dem Toten, der sofort nach dem Verscheiden
unter die Familiengötter aufgenommen wird, ein Rind oder, wenn der Verstorbene ein
Häuptling ist, Hunderte von Rindern auf seinem Grabe; von dem Sulu-König Tschaka
wird berichtet, dass er beim Tode seiner Mutter Mnante über 1000 Rinder opfern liess»).
Die Völker zwischen Rovuma und Rufidji und die Wadschagga suchen die Geister ihrer
Toten durch Opfer von Rindern bei guter Stimmung zu erhalten*). Die Waschambaa
schlachten einen Stier beim Tode eines ei'wachsenen Mannes 5), die Warangi beim Tode
eines Kriegers") und die Wanyamwesi für den verstorbenen Grossvater (vgl. oben S. 137
unter 10) *■). Am Grabe eines Sultans opfern die Wassukuma ein Rind, dessen Fell sie über
den Leichnam des Häuptlings breiten; erst nachdem die Trauerversammlung das Fleisch
des Rindes verzehrt hat, wird das Grab geschlossen 8). Die Wapare giessen vor der S. 138
unter i3) beschriebenen Ceremonie das Blut eines geopferten Ochsen in das offene Grab und
verbrennen die Leber des Tieres. Erscheint den Wambugwe ein Toter im Traum, so
fordert der Zauberpriester auf Befragung meist das Opfer eines schwarzen Stieres, dessen
Nabel im Grabe verscharrt wird 9). Die "Wanika schlachten bei der Bestattung eine Kuh
unter denselben Gebräuchen, wie sie S. 137 unter ») beschrieben worden sind. „Stirbt ein
älterer Kikuyu oder eine seiner Frauen , so wird ein Trauermahl gehalten und hierzu ein
Ochse geschlachtet". (Die Kikuyu wohnen vom 37." 0. / 1.° S. nach dem Südostabhang
des Kenia hin) lO). Wohlhabende Dinka opfern beim Begräbnisse einen Ochsen , der von
den Beteiligten verzehrt wird "). Das Grab des Bari wird mit einem Pfahle geschmückt,
auf den man Schädel und Hörner von Ochsen steckt i2). Bei den Galla schlachten die
Kinder ihren Eltern eine Kuh , die sie noch vor der Bestattung verzehren ; ihre Toten
sollen sie in Rindshäute einwickeln i^). Paulitschke giebt eine ausführliche anschauliche
'i Im Anschluss hieran findet ein Opfer von Ochsen und Schafen statt, deren Fleisch in symbolischer
Handhnig auf das Grab gelegt und dann gegessen wird (Schinz, 184i.
=) Anderson, im Ausland. 18-56, 45. — Hahn, in Z 0 E, 1869, 495 f. — GCrich, in M H, 1891/92,
117. — RiTTNER— L., im Ausland, 1888, 588. 5- Schinz, 174 f., 184.
5) Casalis. 264. — Mkeensky, im Ausland, 1875, 668. — Rittner— L.. a.a. 0. — Kranz. 57. - Vgl.
auch oben S. 121 anter «). — Pesch, 51. — Ähnliche Massenmorde von Tieren zu Totenfeiern sind noch
heute bei den Bakwiri und Bakossi (vgl. Deutsche Kolonialzeitung, 1904, 289) und bei den Balanten
(DoELTER. 199) üblich.
') V. Behr, in M Seh. VI, 83. — Widenmann, in P M E H, 129, 33.
=) Ruccius, in N M, XIV, 111; vgl. oben S. 137 unter ">).
*) Baumstark, in M Seh, XIII, 56; vgl. oben S. 138 unter 2).
') V. Götzen, 83; vgl. auch Speke, I, 244.
«) K0LI.MANN, 123.
9) Baumann, Massailand, 187.
'») v. Höhnel, in P M E H, 99, 26; vgl. oben S. 140 unter '■").
") Kaufmann, 130.
1;) Bakee, 69. — Vita Hassan, I, 46; vgl. Platz, 360.
") Haktmann, Abessinien I. 159.
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Schilderung der Ceremonien , die das Opfer eines Rindes für den Genius des Hauses bei
den Danakil, Galla und Somali begleiten i). Bei den Bogos (nördlich von Massaua) schlachtet
beim Begräbnisse und an den folgenden Tagen „jeder der Verwandten eine Kuh am Grabe,
indem er ihr unter Ausstossung kriegerischer Drohungen mit einem Schlage die Hintei'-
beine abschlägt; am nächsten Sonntage (die Bogos waren früher Christen), dann am 30.
Tage, ferner nach 6 Monaten und am Jahrestage wird in dem Hause des Verstorbenen
wieder eine Kuh geschlachtet" -).
In Weida bedarf es des Opfers eines Rindes durch den Oberpriester, um die stürmische
See zu beruhigen (vgl. oben S. 141 unter 5)). Die Akkra und Akim opfern dem Gott der
Erde einen Ochsen zum Dank für einen besonders reichen Goldfund (vgl.. oben S. 140 unter is)).
Bei den Herero beschliesst das Opfer eines Ochsen die Ceremonie der Gründung einer neuen
Feuerstelle (vgl. oben S. 141 unter 9), und die Beschneidungsfeier wird bei ihnen durch das
Schlachten von Ochsen eingeleitet, deren linke Hinterschenkel — angeblich weil die Kühe
von dieser Seite gemolken werden — man für späteren Gebrauch auf bewahrt 3)'. Betschu-
anen und Basuto opfern bei Unglücksfällen an den Gräbern der Häuptlinge einen schwarzen
Ochsen, dessen Blut und Mageninhalt samt den Knochen auf die Gräber gelegt wird,
während man das Fleisch isst *). Basuto und Kosa schlachten Ochsen als Bittopfer, besonders
bei anhaltender Dürre, die Kosa auch vor dem Auszug in den Kampfs). Das Bespritzen
mit Galle, die einem lebenden Kalbe aus dem Leibe geschnitten wird, gilt bei den Sulu
als religiöses Reinigungsopfer 6). Die Matebele feiern beim ersten Vollmond nach dem
Sommer-Solstitium ein grosses Fest; der 3. Festtag ist der Tag des Opfers: eine Herde
von 2—300 Stück Hornvieh wird bereit gestellt; nachdem man aus ihr die Opfertiere aus-
geschieden hat, allen voran 10 ganz schwarze fehlerfreie Ochsen, werden diese von dem
Induna mit der Assegai geschlachtet; in einer Stunde sind über 100 Tiere verblutet. Das
Fleisch wird an die Krieger für das folgende Festmahl verteilt, nur das Fleisch und Blut
der 10 fehlerfreien „heiligen" Ochsen wird in den Königskraal gebracht und doi't zu
Arzneimitteln verarbeitet (vermutlich dient es den Amasis oder „Regenmachern" zum
Festmahle) 7). Um schweres Unheil abzuwenden, vergräbt man in Ostafrika wohl auch
eine Kuh lebendig, nachdem man ihr die Augen mit schwarzem Stoff verbunden hat»).
Die Wanyamwesi und Waganda opfern schwarze Stiere vor dem Auszug in die Schlacht 9).
Die Agau (Abessinien) schlachten alljährlich an der Nilquelle (Blauer Nil?) eine Kuh, ver-
zehren das rohe Fleisch, den Kopf ausgenommen, und verbrennen die Knochen lO). Die
Bogos opfern bei der Hochzeit eine Kuh vor dem Hause der Braut, deren Verwandte das
Fleisch verzehren, Kopf und Knochen aber sorgfältig vergraben"). Bei den Nubiern gilt
das Opfern eines Rindes als Regenzauber i2). In Darfur (vgl. oben S. 141 unter ■*)) und bei
') Paulitschke, Nordostafrika, 48.
:) Hunzinger, in Z A E, VII, 334; vgl. VI, 108.
3) ScHiNZ, 168 f. - Vgl. hierzu oben S. 107 unter '>).
■") Ausland 1875, 668 (nach Merensky); vgl. Haetmann, 224 f. und Lichtenstein, I, 420.
') Lichtenstein, I, 417. — Endemann, in Z E, VI, 42. — Kranz, 114. - Kropf, 191. — Haabhofp,
109; vgl. 108.
«) Kranz, 112
') Spillmann, 222.
8) N M, II, 127.
9) Platz, 228; vgl. oben S. 141 unter n).
'») Bruns, II, 179.
") Hunzinger, in Z A E, VU, 332.
>:) H J, II, 18.
- 145 -
den üroniö (in Nonlost-Afrika) i) werden heute Ochsen an Stelle von Menschen geschlachtet,
und in Togo genügt heute das Blut eines Ochsen zum Anfeuchten des Lehmes für die
Altilre, die man dem Fetisch Odente baut, während früher hierzu das Blut eines Menschen
nötig war-'). Opfer von Rindern können auch in den S. 136 unter 3) beschriebenen Fällen
eintreten. Der Fulup (am Gambia), der von Unglück heimgesucht oder von einer schlimmen
Vorbedeutung bedroht wird, befragt durch Vermittelung des Priesters seinen Gott Bakim
(Geist) unter Opferung eines Och.sen nach seinem Willen 3). Eine anmutige Szene, bei der
das Opfer eines Ochsen wesentlich ist, schildei-t Rebmann aus dem Bura-Gebirge (in Ost-
Afrika)*). Es sei noch darauf hingewiesen, dass die Opfer von Rindern auf Madagaskar
bei den verschiedensten Gelegenheiten unter Beobachtung besonderer, komplizierter Cere-
monien eine gi'osse Rolle spielen S), — Zur Erklärung der Mora, der Eingeweideschau bei
geopferten Tieren, speziell Rindern, erzählt Platz, auf den Kardinal Massaja sich stützend,
dass die Oramö glauben, ein ihnen vor Zeiten von Gott gesandtes Buch sei von einer
Kuh aufgefressen worden; wollen sie nun etwas aus diesem Buche wissen, so müssen
sie nur ein Rind schlachten und können dann aus dessen Eiiigeweiden das Gewünschte
herauslesen ^].
Das Schwein wird nur von Bosman als Opfertier in Guinea genannt, vielleicht in
Zusammenhang mit der S. 119 unter 2) berichteten Vertilgung aller Schweine in Weida ^.
Das Krokodil bezeichnet Ellis als Ersatzopfer für Menschen beim Tode des Königs
in Dahome *^).
Das Huhn ist im allgemeinen das verbreitetste , aber geringwertigste Opfertier, das
die weniger Bemittelten darbringen , oder das den Göttern zweiten Ranges ges{)endet wird ,
soweit nicht in einzelnen Fällen etwa besondere Vorstellungskreise und Gedankenreihen
sich gerade an das Opfer eines Huhnes anschliessen. Mithin ist das Huhnopfer das häufigste,
das sich wohl bei allen Völkein findet, die einerseits Tiere zu opfern pflegen und anderer-
seits Hühner besitzen, und das Vorhandensein von Hühnervieh wird selbst bei den abge-
schlossenen Völkern des inneren Afrika konstatiert 9).
Die Mandingo opfern den untergeordneten Geistern, denen Gott die Weltregierung
anvertraut hat, von Zeit zu Zeit ein weisses Huhn, das sie an die Zweige eines Baumes
hängen lO). AI« Opferspende für die Gottheit im allgemeinen werden Hühner ferner genannt
') Paulitschke , Nordostafrika 49.
"■) Klose, 346; vgl. oben S. 139 unter ').
3) V. Hellwald, Naturgeschichte, 163.
<) V. D. Decken, II, 60 f.
*) SiBBEE, 248, 250, 255, 262 f., 265—271, 305 ff., 341, 345, 354 ff. — v. Hellwald, Naturgeschichte,
337. — Pütz, II, 594: vgl. Keller, Inseln, 70 f. 76. — Vgl. auch oben S. 139 unter").
«) Platz, 386 f.
') Bosman, 184: vgl. Fkobenius, Weltanschauung, 63, 65.
9) Paulitschke, im Ausland, 1891, 671 (nach Ellis).
') Frobeniüs, Weltanschauung, 44 f.. 47, 49. — Sievees— Hahn , 103: vgl. auch Fbobenius, in
„Afrika", IV, 369. — Hahn, 303. — Mit der weiten Verbreitung des Huhnes steht im Einklang die
Häufigkeit der Fälle, in denen sich die Speiseverbote mit ihm befassen; vgl. u.a. Andree, Parallelen.
123; Bastian, Fetisch, 54, 53; Derselbe, Loangoküste. I, 185; Beuns, V, 153; Büttikofee, II, 333;
Cruickshank, 220; Güssfeldt, 200; Hautmann, Abessinien 159; Marko. 349: M J, II. 17: Nachtigal,
178; Waitz, II, 518.
'») Mungo Paek, 320; vgl. Schauenburg, I, 153. — Klemm, III. 362.
- 146 -
in Berichten über die Aschanti (für ihren Krokodilgott) i), die Eweer (die Fetischfigur wird
mit dem Blute des meist weissen Huhnes bestrichen ; von allen Teilen des Tieres wird ihr
ein wenig vorgelegt), die Kunya- und Bassari-Leute 2) , die Anhänger des Schlangengottes
in Weida^), die Leute von Ardra*), die Afo (zwischen Benue und Niger) s), die Duala^),
die Völker südlich von Yakoba (bei Kano)7) und andere Völker Westafrikas ohne nähere
Bezeichnung 8). Bei den Aschanti wechseln die Könige hinsichtlich der Farbe der von
ihnen geopferten Hühner: der eine König bringt nur schwarze, der nächste nui- weisse
Tiere dar. In Kete-Kratschi (Togo) werden die Hühner auf Befehl des Fetischs lediglich
zu Opferzwecken gehalten 9). In Ostafrika schlachten die Galla ihren Göttern Oglia und
Atete Hühner 10). Die Bagirmi (in Gäbberi) opfern ihre Hühner unter einer Sykomore n),
die Bewohner von Bornu auf einem heiligen Steine i2). in Abessinien gilt die Opferung
roter Hühner als Abwehr gegen böse Geister i3). Interessant ist die Bemerkung Zündels,
dass bei den Eweern nach der Vertieibung böser Geister aus einem Oite alle Hähne ver-
tilgt werden mü.ssen, damit die Geister nicht etwa, durch das Hahngeschrei geleitet, den
Weg zum Dorfe zurückfinden möchten i*).
In Bonny binden sich Kranke ein Hühnchen auf dem Herzen fest, damit die Krank-
heit auf das Tier übergehe; am Schreien und Zappeln des Huhnes bemisst man die Wirkung
des Mittels 15). Hühneropfer {oiula j'ondjuyua) für Kranke finden sich bei den Ovamboi").
Die Basuto hängen dem Kranken die Haut eines geopferten Hahnes um den Hals '7). Das
Opfern von Hühnern ist in Krankheitsfällen unter Umständen nötig bei den Wapare
(vgl. oben S. 123 unter i), bei den Eweern i^) und bei den Negern in Algier, die bei dieser
Gelegenheit ein grosses Opferfest, Derbdah genannt, veranstalten i^).
Als Totenopfer dienen Hühner bei den Wanika*"), im Nigerdelta (an Stelle früherer
Menschenopfer)'") und bei den Eweern, von denen Herold mit berechtigter Ironie äussert:
„Es kommt auch vor, dass ein Toter durch die Priester die Verwandten bitten lässt, ihm
ein Huhn zu opfern. Die Angehörigen bringen alsdann ein gekochtes Huhn zur Fetisch-
hütte, und der Priester übermittelt es dem Toten; die Knochen des Huhnes giebt der
') Klemm, III, 363, (nach Hutton); vgl. Wuttke, 62. — Ausland, 1849, 514. - Vgl. oben S. 127 unter ••').
■) Hekold, in M Seh, V. 1-54. — Klose, 268, 301, 342, 490.
') Zöller. Kamerun, I, 56. — Vinson, 16.
') A H R. IV, 433.
^) Pesch, 92.
") Buchholz, Land und Leute, 37. Derselbe, Reisen, 145.
') Passarge, 497.
*) BosMAN, 184, 187. — Römer, 59. ~ Iseet, 175. — Labaethe, 148. — Cruickshank, 218. —
Bastian, Bilder, 165. — Bkuns, V, 150, vgl. 156. — Burkhardt— Grundemann, 1. Abt., .57.
") Klose, 341, 343 f.; vgl. auch Baumann, Massailand, 223.
'») IsENBERG, I, 44.
") Barth, III, 571; vgl. Langkavel. in A E, VIII, 144.
'-■) Pesch, 93.
13) Kbapf, 100; vgl. Bastian, Fetisch, 50; vgl. oben S. 137 unter 2).
M) ZüNDEL, in Z ß E, XII, 415.
") Andres, Parallellen, .30 (nach Bastian); vgl. Bohner, 69.
'«) ScHi.Nz, 315; vgl. üben S. 137 unter ») und S. 140 unter •■').
") Casalis, 263 f.
") Herold, in M Seh, V, 151; vgl. Cruickshank, 218(?).
") Ausführlicher Bericht in der VViener Abendpost vom 29. August 1878, abgedruckt bei v. Hellwald,
Naturgeschichte, 316 f. — Vgl. Bruns, VI, 264. — Einen eigenartigen Tanz, den Kranke mit Hühnern in
der Hand um ein Feuer herum aufführen, schildert Baumann (,Deutsch-0.stafrika 169, und in P M, 1889,
46) aus Mrtsinde (Usambara).
-'') Burkhaedt — (trundemann, 1. Abt. 19.
■') Bastian, im Ausland 18-59, 820. Derselbe, Bilder, 139, 165; vgl. Pesch, 62.
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Priester den Verwandten znrflck als Zeichen, das« der Tote es mit gutem Appetit geges-
sen hat" •).
Das Opfer eines weissen Huhnes, das mit einem Bein an einen bestimmten Baum
gebunden wird, soll in den Gegenden am Senegal die Geister des Waldes für eine zu
unternehmende Reise günstig stimmen '-'). In Liberia opfern kindei'lose Frauen ein weisses
Huhn, um den auf ihnen lastenden Zauber zu heben-'). Als Bitt- und Dankopfer ist das
Huhn gebräuchlich an der Goldküste •*) und in Bagirmi (hier auch vor kriegerischen Unter-
nehmungen) •'^). Die Eweer opfern Hühner (meist von weisser Farbe), um Diebe und Gift-
mOrder ausfindig zu machen (vgl. oben S. 141 unter 8), oder in Unglücksfällen, wobei das
Huhn nach Sonnenuntergang auf freiem Felde geschlachtet und in einen Topf mit geweihtem
Wasser getaucht wird ; mit diesem Wasser wird dann die vom Unglück betroffene Person
gewaschen *^). Die Bassari-Leute bringen Hühner dar bei schweren, Miss- oder Totgeburten,
Zwillinge gelten ihnen als böses Omen; Klose teilt hierüber mit: „Sind Zwillinge die
Erstgeborenen, so wird ein Kind behalten, während das andere in einen grossen Topf getan
und lebendig begraben wird .... um gewissermassen die Zugehörigkeit der Zwillinge zu
einander anzudeuten, wird ein Huhn geopfert und in zwei Hälften geteilt. Die eine Hälfte
wird dem zu begrabenden Kinde mitgegeben , die andere Hälfte wird in einem Topfe neben
der Gi-abstätte des Kindes eingegraben. Dieses Opfer soll gleichsam den Fetisch versöhnen
und den Geist des verstorbenen Kindes an die nahe Beziehung zu dem lebenden Zwilling
erinnern, damit er sich nicht an ihm rächt',' '). Bei dem Eintritt in den Jevhe-Orden (Togo)
haben die männlichen Kandidaten weisse, die weiblichen weisse und schwarze Hühner zu
opfern, deren Blut ihnen auf das Haupt gegossen wird«). Bei verschiedenen Geremonien
der Bali (Nord-Kamerun) spielt das Huhn ebenfalls eine Rolle "). In San Salvador giebt der
Fetisch priester bei einer Eheschliessung jedem Gatten ein Huhn, der eine muss es für den
anderen zubereiten, bez. das für ihn zubereitete essen '"). Will bei den Völkern am Nyassa
ein entflohener Mörder wieder in seine Heimat zurückkehren, so entledigt er sich nach
vorangegangenen anderen Geremonien durch das Opfer eines Huhnes, das er mit der
Familie des Ermordeten isst, des auf ihm ruhenden Fluches i^). Die Umwohner um Tete
opfern nach einer Krankheit oder einer anderen Gefahr der Seele eines verstorbenen Ver-
wandten ein Huhn •'-'). Am Tanganyika werden Hühner zum Schutz gegen Feuersgefahr
geschlachtet, wobei kein Blut verloren gehen darf, oder (in Urua) bei Befragung des.
Medizinmannes (Waganga) ^'^).
Vielfach findet sich an der Westküste der Brauch, die Hühner lebendig an einen
Pfahl zu binden und so langsam absterben zu lassen i-*). Eine Erläuterung für diese Gepflo-
') Herold, in M ScIi , V, 155; vgl. Ausland 1891, 571. — Schneider, 131 f. — Junod, 392 ff.
•-) Mungo Pakk , 81.
3) BÜTTIKOFER, il, 333.
*) Römer, 58, 154. — Steiner im Globus, LXV, 231; vgl. Wuttke, 132; vgl. auch oben S. 140
unter '«) und S. 144.
») Nachtigal, 6«5; vgl. Z G E, 1873, 342. — Pesch, 94.
") Zündel, in Z G E, XII, 414. — Mischlich, in Z E, 1902, 209.
') Klose, 509 f.
s) SpiETH, in M J, XII, 86; vgl. 88. — Seidel, in Z A, 1897, 168.
9) HUTTEB, 450.
'") Bastian, San Salvador, 88. — Vgl, auch Bohner. 89.
I') Meeensky, Deutsche Arbeit 133; vgl. oben S. 138 unter ").
'■-) LiviNGSTüNK , Missionsreisen, II, 301; vgl, Platz, 120. Vgl. oben S. 140 unter '")•
>3) Camekon. II, 102 ff. — Hartmann, 220.
'<) IsEBT, 165 f. — MoNRAD, 31. — BASTIAN, Bilder, 139, 165.
I. A. f. E. XVII. 19
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genheit in Krankheitsfallen findet sich bei v. Hellwald: je langsamer der Tod des Opfers
eintritt, je mehr es im Todeskampfe leidet, um so annehmbarer ist es, da sich das Leiden
des Kranken um das Leiden des Opfertieres mindert i).
Eine wichtige Rolle spielt das Huhn in manchen Gegenden Afrikas als Orakeltier,
worüber Frobenius sich schon ausführlich geäussert hat 2). Wir vervollständigen die von
Fbobenius gegebenen Beispiele für die Westküste durch Hinweis auf Bastian: „Die Leiche
eines Verstorbenen wird mit dem Blut von .... Hühnern besprengt, und der kopflose
Rumpf eines Huhnes auf dieselbe gelegt. Schlägt es bei der Köpfung lebhaft mit den
Flügeln, so gilt es als ein gutes Zeichen für die künftige Wohlfahrt des Verstorbenen" 3).
Für Ost-Afi-ika können wir uns der Vermutung Frobenius, dass dort das Hühnerorakel
zu fehlen scheine mit Ausnahme der Randvölker des Viktoria Nyansa, anschliessen. Wollen
die Wassukuma beim Tode eines Menschen ausfindig machen, ob dieser oder jener der
Zauberei (Darm) schuldig, d. h. Urheber des Todesfalles ist, so wird einem lebendigen
Huhn der Bauch aufgeschnitten und nach Befund der Eingeweide die Schuldfrage erledigt ^).
Die Warundi halten nach Baumann die Hühner lediglich zum Zwecke des Orakeins aus
ihren Gedärmen, die Wanyamwesi erforschen aus den Eingeweiden eines Huhnes die
Ursache oder den Urheber von Todesfällen ^ ). Ähnliche Gebräuche werden aus Uganda
(von den Bafumo)'') und Bukoba^), sowie von den Danakil » ) berichtet. Der Bänge-
Trank») ist auch in Unjoro üblich, wo die Hühner ebenfalls nur für die Ceremonien der
^Mdiwr (Doktoren) gehalten werden: ein schwarzes Huhn, in gewissen Fällen ein weisser
Hahn, bekommt eine Abkochung von einer Wurzel zu trinken; der Eintritt des Erbrechens
oder des Todes gibt die Entscheidung i»). Eine andere Form ist die, dass man einen
Hahn eine Zeit lang unter Wasser taucht; erholt er sich wieder, so gilt dies als günstiges
Zeichen (so bei den Niam-Niam) i '). Das Hühnerorakel kann — soweit jetzt bekannt
ist — als eine raumlich zusammenhängende Erscheinung bezeichnet werden, die sich vom
Viktoria Nyansa und den Niam-Niam an quer durch Afrika hindurch bis zur Guinea-
Küste erstreckt.
Im Anschluss hiei-an sei eine andere Art des Tierorakels {bifanda-wingdm) erwähnt,
die den Indikibü, Yaunde und anderen Stämmen Südost-Kameruns geläufig ist. Um über
den Ausgang eines Unternehmens oder über den Urheber eines Verbrechens Gewissheit
zu erlangen , wendet man sich an den Medizinmann , der zu dem ihm bekannten Loch einer
bestimmten grossen Krabbenart (bei den Yaunde der grossen Erdspinne, ingam genannt)
geht und es mit Hölzern oder Blättern kreisförmig umstellt; Hölzer bez. Blätter sind mit
Zeichen versehen, denen der Medizinmann eine bestimmte Bedeutung beigelegt hat, das
•) V. Hellwald, Naturgeschichte, 317; vgl. Koeleb, in M B, IV, 150 und oben S. 138/139 unter ').
=) Frobenius, in M Seh, Vit, 265/70. Derselbe, Weltanscliauung 49 f o„,„,„^ or,
') Bastun, Bilder, 165; vgl. auch Junkers Reisen, [, 502; II, 262, 282. 313, 455. - Stanley, 364. -
Berenger— Feraud , 236.
■•) Kollmann, 105 f.
5) Baumann, Massailand , 223, 235.
6) Richter, 42.
') Richter, in M Seh, XII, 91; vgl. 101.
«) V. Hellwald, Naturgeschichte, 246.
•1) Vgl. Fkobicnius, in M Seh, VII, 265.
''"1 FROBENiuT^n m'sS;, VII, 269 f. - (Jlobus, XXI, 132. - Vgl. Casati , 1.206 f. - Schurtz, Urge-
schichte , 59. — Platz , 364.
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Ganze wird mit einem Gefilss oder mit Pisangblättern zugedeckt. Am nächsten Morgen
sieht man nach : das Tier hat dann das eine oder andere Holz bez. Blatt in .sein Loch
gezogen, und je nach der vorher hineingelegten Bedeutung erkennt man daraus Glück
oder Unglück oder eine bestimmte verdächtige Person '). Noch anders verfahren die Bakoko
(Kamerun) vor einer grösseren Reise: eine kleine Landschildkröte wird am Eingange des
Dorfes auf den Weg gesetzt, so dass ihre linke Seite dem Dorfe zugekehrt ist; wendet
sich die Schildkröte vom Dorfe weg, so ist dies ein gutes Zeichen; kriecht sie dagegen
dem Dorfi^ zu, so unterbleibt, wenn irgend möglich, die Reise-).
Die Erwähnung der Taube als Opfertier wurde nur einmal und zwar für die
Aschanti gefunden 3). Ebenso wird einmal angegeben, dass die Mandingo zur Besänfti-
gung der die Welt regierenden Geister von Zeit zu Zeit einen Schlangen-Kopf opfern •*).
Nach einer Notiz bei Frobeniüs' bekommt Obatala, der Hauptgott der Yoruba, Schnecken
zum Opfer ^).
Überblicken wir zum Schluss die Opferhandlung bei den afrikanischen Naturvölkern,
soweit sie das Tier betrifft, als Ganzes, so kommen wir zu dem Ergebnis, dass das
Wesentliche und Kostbare beim Opfer das Blut des dai-gebrachten Tieres, nicht in erster
Linie das Tier als solches ist«). Dafür sprechen die Tatsachen, dass man einmal nicht
etwa einen besonderen Wert darauf legt, in einem bestimmten Falle gerade dieses oder
jenes Tier zu opfern (anders freilich verhält es sich mit der Beobachtung gewisser körper-
licher Merkmale des in Frage kommenden Tieres), sondern der Gottheit einen Teil seines
Besitzes weiht je nach Vermögen und Veranlassung, beim täglichen Opfer ein gering-
wertigeres Tiei-, bei wichtigen Gelegenheiten ein kostbareres — und dass andererseits in
vielen Fällen das Tieropfer aus einem früheren Menschenopfer hervorgegangen ist ''). Der
Opfergegenstand ist also ein anderer geworden, während das Moment des Blutvergiessens
geblieben ist. (Gleichzeitig dokumentiert sich hierin das Bestreben, die wertvollere Spende
durch eine weniger kostbare zu ersetzen: Schürtz, Urgeschichte 586). Ferner ist darauf
hinzuweisen, dass — wie viele Reisende als wesentlich betonen — das Blut des geschlach-
teten Tieres auf die Fetischfigur gesprengt oder (beim Totenopfer) auf bez. in das Grab
gegossen wird »). Ausser dem Blute erhält der Fetisch meist nur die Eingeweide, die
Knochen oder die Federn (die oft mit dem Blute an die Götzenfigur' geklebt werden),
zuweilen das Fett, im günstigsten Falle einen geringen Teil vom Fleische des Opfertieres ");
mitunter aber muss er sich mit dem Fettdufte des Schlachtopfers allein begnügen lO). Das
') Matüdal im Museum für Völkerkunde in Leipzig. - Vgl. Zenker, in MScli, VIII, 46 f. — Hoesemann,
ebenda, XVI, 177 f. — Schmarda, 276.
-) V. ScHKOPP, in B K, IV, .531.
3) Ausland, 1849, 514.
••) Mungo Park, 320; vgl. Schauenbükg, I. 153.
5) Fkobeniüs. Weltanschauung, 350. — Vgl. schliesslich auch oben S. 118 ""ter ■).
«) Bastian, Mensch, III, 99; vgl. Autenrieth, in M J, XII, 93 f. - Ausland, 1891, 570. — Vgl. auch
ScHURTZ, Speiseverbote, 30 f. — Platz, 332. - Schinz, 316 f. j m- , r. f„.. „„v
') ScHURTZ, Speiseverbote, 27; vgl. Platz, 171. 311. Bei den Mambettu werden Tiere als üpfei nur
über den Gräbern geringerer Persönlichkeiten geschlachtet (Casati, I, 162). ■ ,, c i -ir i-.
8) Cruickshank, 218. — Rohlfs. II, 200. — Bastian, Bilder, 184 f. — Herold, in M Seh , V l.o4. --
MiscHLicH, in Z E, 1902, 209 — v^ d. Decken, I, 216. — Burkhakdt— Grundemann, 2.Abt., ^i-a; vgl.
Bruns, V, 155. — Pesch, 92. — Palittchke, Sudanländer, 189.
') Römer, -59; vgl. Keller, Inseln, 76.
">) V. Hellwald, Naturgeschichte, 248.
- 150 -
Fleisch fällt entweder den Priestern zu, die deshalb auch vielfach das Tier bestimmen,
das geopfert werden soll, oder es wird von den Opfernden selbst bei mehr oder weniger
festlichem Mahle verzehrt, bisweilen in Gemeinschaft mit den Priestern i). Durch besondere
Ceremonien ausgestattete Opfermahlzeiten finden sich bei den Herero: Die Opfertiere
werden dazu nicht geschlachtet, sondern erstickt, damit ja kein Blut verloren gehe; das
Fleisch wird gekocht; ein Stück davon zerreist der Pi'iester {Onmrangere) mit den Fingern,
salzt es mit Asche und giebt jedem Gaste (es dürfen nur Männer teilnehmen) einen Bissen
in den Mund ; darnach kann jeder nach Belieben zulangen. Nur das Ehango (vgl. oben
S. 107 unter 9) und S. 144 unter 3)) wird an einem heiligen Orte aufbewahrt und bei beson-
ders feierlichen Gelegenheiten (Besuch eines Häuptlings, Bundesschliessung) roh verzehrt,
indem einer es dem andern vor den Mund hält und ihn ein Stück abbeissen lässt 2). Die
Opferhandlungen der Kosa scheidet Kropf in Versöhnungsopfer (Reinigungsopfer), Bittopfer,
Dankopfer, Stärkungsopfer und eine Art Huldigungsopfer :^). Wieweit ein derartiges System
auf die mannigfachen Opferhandlungen anderer afrikanischer Naturvölker anwendbar ist,
lässt sich vorläufig nicht entscheiden, solange unsere Kenntnis ihrer Religion noch eine
beschränkte und ungleichmässige, zum teil auch verworrene ist*). Das Opferwesen der
nordostafrikanischen Völker, das wir genauer kennen, steht zu sehr unter dem Einflüsse
des Islams, als dass es hier zum Vergleich herangezogen werden könnte'^).
IL
Tierkult bei den alten Ägyptern.
Eine eingehende systematische Untersuchung und Darstellung des ägyptischen Tier-
kultes kann hier nicht unsere Absicht sein. Vielmehr kommt es in diesem Zusammenhange
darauf an, die Ergebnisse der Forschungen von Ägyptologen und Religionshistorikern
hinsichtlich der Tierverehrung in Ägypten zusammenzuftissen und dann mit dem Tierkult
bei den afrikanischen Naturvölkern, soweit dies angängig ist, in Parallele zu stellen. Es
bleibt nachher zu untersuchen, ob und inwieweit sich die in Frage kommenden Gedanken-
kreise und Volksanschauungen etwa mit einander decken oder gegenseitig ausschliessen,
wobei zu ermitteln wäre, ob zwischen dem alten Kulturvolk der Ägypter und seinen erst
in neuerer Zeit in das Licht der Geschichte eingetretenen näheren und ferneren Nachbarn
ein Zusammenhang, mithin auch eine wechselseitige Beeinflussung auf religiösem Gebiete
angenommen werden darf.
Eine übersichtliche Zusammenstellung der einschlägigen Quellen von religionsgeschicht-
1) Müller, Fetu, 72, 74. — Mungo Paek, 324. — Klose, 301. — Bohnee, 96. — Cameron, II, 102 ff. —
V. EoHDEN. in A M, V, 353. — Pbitsch, Eingeborene, 341. — v. d. Decken, I, 216. — Richtee, m
MSch, Xll, 98. — V. Hellwald, a.a. 0. — Burkhardt— Grundemann, 2. Abt. 177, 246. — Vgl. bcHURTZ,
Urgeschichte. 586.
2) V. KoHDEN, in A M, V, 354 f.: vgl. Ratzel, II, 52.
3) Kküpf, 188, ff. . .. . , Q-
■•) Es ist zu beachten, dass Reisende unter Umständen Ceremonien, die einen ganz anderen binn
haben, irrtümlich für Opferhandlungen zu halten geneigt sind; vgl. z. B. Globus, LXXIII, 231 ff. und
LXXXV, 101 ff.
*) Vgl. Paulitsuhke, Nordostafrika, 46 ff.
- 151 -
lichem Standpunkte aus findet sicli Ijei Chantepie de la Saussaye, verbunden mit einer
Würdigung ilires Inlialtes, und im Anschluss daran eine l<urze Darlegung der versciiiedenen
Ansicliten über die ilgyptisclie Religion, also auch den ägyptischen Tieriiult').
„Sobald man den Versuch macht;, sich nach den vorhandenen Darstellungen der ägyp-
tischen Religion über die Ergebnisse der modernen Forschung zu orientieien , wird man
bemerken, dass die Anschauungen dei- bewährtesten Meister der Ägyptologie ausserordent-
lich divergieren" ~). Versuchen wir zunächst einen Ül)f;rblick über den ägyptischen Tierkult
als gegebenen zu gewinnen. Manche Tiere wurden allgemein oder ziemlich allgemein verehrt,
andere nur in einzelnen Gauen heilig gehalten, in einzelnen aber gehasst und verfolgt 3).
Es handelt sich hierbei um die Verehrung ganzer Tiergattungen. Daneben steht der eigent-
liche, engere Tierkultus, bei dem ein einzelnes, besonders ausgewähltes Tier der Gegenstand
göttlicher Verehrung war. Dieser Tierkult reicht zeitlich soweit zurück als man die Geschichte
Ägyptens verfolgen kann ■• ). Die bis jetzt bekanntesten heiligen Tiere waren der Stier Apis
in Memphis, der Stier Mnevis in Heliopolis und der Widder (oder Ziegenbock?) in Mondes ').
PiETSCHMANN liebt licrvor , dass die in der Pyramidenzeit verehrten Stiei'e noch keineswegs
der Apis zu sein brauchen, dass also der Verehrung des Stieres als Individuum eine
Verehrung der Stiergattung vorausgegangen sein mag «). Eine hervorragende Stellung im
Kreise der ägyptischen Tiergottheiten nehmen ferner ein die Katze, die Ebers als das
heiligste der von den Ägyptern verehrten Tiere erscheint '), die Schlange (von dieser beson-
ders unschädliche Arten), das Krokodil, der Skarabäus, Ibis und Sperber, die teils allge-
mein, teils in bestimmten Bezirken mit göttlichen Ehren behandelt wurden. Möglicherweise
ist ein lokalisierter Kult für jedes Tier das Ursprüngliche, während einzelne Tiere mit der
Zeit im ganzen Lande die Stellung von Gottheiten erlangten ^). Hieran schliesst sich eine
lange Reihe, ein vollkommenes „Pantheon" von Tieren, die mehr oder weniger der Gegen-
stand religiöser Huldigungen waren ■'). Über die Art der Verehrung 'O) sind wir — ausge-
nommen den Kult des Apis ii) und den des Krokodils ^^), der von Hekodot ähnlich geschil-
dert wird wie oben S. 127 zum teil nach Bastian beschrieben — weniger unterrichtet
als über allerhand ßegleit- und Folgeerscheinungen der einzelnen Kulte im öffentlichen i^)
und privaten '-*) Leben, in Kunst i^) und Wissenschaft (= Theologie bez. Philosophie; '«).
') Chantepie de i-a Saussate, I, 91 ff.. 102 ff. (Der Abschnitt. iUier die Ägypter ist von Lange.
Kopenhagen, veifasst). Vgl. aueti Orelli, 107 ff.. 130 ff. — Xayser, 26 f.
•) Für den ganzen folgenden Abschnitt sind zu vergleichen Chantepi*: de la Saussaye, l, 103—112,
121. 125 und Orelli, 130—134, 136-138, 155.
'1 Maspero, 46. — [Jhlemann, II, 202
■•) Orelli, 131. — Pietschmann, in Z E, X. 162 ff.
') LiNDNEE, 659; vgl. Preiss, 239 ff.
^) Pietschmann, a. a. 0.. — Vgl. Kraft, 122.
') Vgl. Brehm, I, 426 ff, — Hahn, 237 ff.
8) Vgl. LiPPERT, Kultuigesohichte der Menschheit, 402.
ä) Dappeh, 122 fl. — Uhlemann, II, 202 ff. — Lippert. Priestertuni 436—448. — Sepp, I. 320 ff. —
V. Steaüss und Torney, 458. — Meyer, Ägypten, 83 f. — Spiegelberg, in A P, 1900. 340 f.
'») Uhlemann, II. 203 ff.
") Stern. 81 f. — Meister, in A W, XIII, 722. — Meinehs. I. 197 ff.
'2) Vgl. Steindorff, 112.
'■■') Vgl. u.a. Maspero, 46 f. — Meyer, Ägypten, III, 249 f. Derselbe, Altertum, I, 66 ff. — Lippebt.
Kulturgeschichte der Menschheit, 401. — Eeman, II, 375. — Kayser, 34. 51. — Preiss. 255 f.
'") Le Page Renouf, 148. — Preiss. 255.
I') Le Page Renouf, 180. — Perrot et Chipiez, 59 ff. — Bastian, in Z E, I, 161 f. — 'Stein-
dorff, 52, 113.
'6) Brugsch. 177, 385. — Steindorff, 122. — Le Page Renouf, 220 ff. — Kayser, 32 ff. — Pbeiss,
241 ff. — Sepp, I, 318. — Vatke. 413 ff. — Müller, Physische Religion, 376.
- 152 -
Dass man die Cadaver der heiligen Tiere einbalsamierte und mumisierte, ist uns aus den
zahlreichen Funden solcher Mumien geläufig. Lippert meint, dass man von einzelnen
Tieren (wahrscheinlich denkt er an solche, von denen keine Mumien gefunden wurden)
nicht mehr v?issen könne, „ob sie noch in lebenden Individuen oder nur in Abbildern, wie
sie die jüngere Zeit kennzeichnen, verehrt wurden" i). (Vgl. hierzu z.B. den Skarabäus-
dienst). Dagegen melden uns die Berichte von vei-schiedenen, zum teil mythischen Theorien,
die schon die alten Ägypter über die Entstehung bez. zur Erklärung ihres ihnen selbst
unklaren und rätselhaften Tierkultes aufstellten, von denen jedoch keine, soweit wii- sehen,
das Rätsel auch wirklich löst-). Daraus ergibt sich, dass die Anfänge der Tierverehrung
vermutlich in eine Zeit fallen, aus der keine Spur einer schriftlichen Überlieferung vorhanden
ist, auch keine mündliche Tradition in Form von Sagen und ähnlichem existiert — nicht
einmal für die alten Ägypter, geschweige denn für uns. Doch können wir schon heute
an der Hand der uns zugänglichen Quellen mit einiger Sicherheit die einzelnen Phasen der
Entwickelung verfolgen, die der ägyptische Tierkult in geschichtUcher Zeit durchlaufen hat.
Die älteste hierher gehörige Nachricht besagt, dass Menes, der als erster ägyptischer König
genannt wird, den Kult des Apis und der Krokodile eingeführt habe. Mit grösserer
Bestimmtheit wird Kaieohos (aus der zweiten Dynastie) die Stiftung des Apisdienstes in
Memphis, des Mnevisdienstes in Heliopolis und des Widderdienstes in Mendes zuge-
schrieben 3). Hierbei ist besonders hervoi'zuheben , dass — • wrie Steindorff bemerkt — die
Kulturentwickelung der Ägypter in der Zeit, da sie zum ersten Male mit ihren Denk-
mälern als historisches Volk auftreten, schon auf einer beträchtlichen Höhe angelangt ist,
dass u. a. ihre religiösen Anschauungen damals schon zu einem systematischen Abschluss
gekommen sind ■*). An die genannten Tiere reihten sich — wie schon gesagt — mit der
Zeit immer neue an, denen eine hochgespannte Phantasie in dem sich mehr und mehr
ausgestaltenden Göttersystem auch Plätze anzuweisen wusste. In der Perserzeit nimmt
die Tierverehrung „den vollen Aufschwung weit über Apis und Mnevis hinaus", und in
dei' Ptolemäer- und Römerzeit blieb kein Tier „von einer kindisch gewordenen Frömmigkeit
verschont" 5). Es scheint also festzustehen, dass der Tierkult der Ägypter, wie wir ihn
kennen, das Erzeugnis einer geschichtlichen Periode ist und zu einer Zeit einsetzte, da das
Volk bereits ein geklärtes religiöses System besass.
Aus welchem Bedürfnis heraus wurde aber dann ein Kult geboren , der — neben
einem hochentwickelten philosophisch-theologischen Göttersystem herlaufend — bei den
Griechen berechtigtes Staunen und bei den Römern ebenso berechtigten Spott hervoi-rief?
Entweder vermochte sich das mythologische Bewusstsein der Ägypter auf dem Gipfel seiner
Fortentwickelung wohl zu einer begrifflichen Gottheit, wie sie im System sich darstellt,
zu erheben, auf die.sen Höhen aber nicht zu erhalten; man wollte die abstrakt gedachte
Gottheit auch sinnlich erblicken und griff deshalb aus der sichtbaren Umwelt etwas
heraus, das man der Gottheit als Sinnbild, als Symbol zugesellte^). Es ist nun denkbar,
') Lippert, Kultargeschichte der Menschheit, 401. — Steindorff, 114.
2) Lippert, a. a. 0. — Meyer, Ägypten, I, 35, 40. — Vgl. Le Page Renouf, 7 f. — Uhlemann, II,
210 ff. — ScHURTZ, Speiseverbote, 10 f. — Vgl. auch Maspero. hi Revue de riiistoire des religions, I,
119, V, 89.
=').NiEBUHu, in Hühnolts Weltgeschichte, III, 589, 6H7. — Maspero, 55. — Bunsen, 545.
■*) Steindorff, in der Realencyklopädie fih- protestantische Theologie und Kirche, 3. Aufl., I, 208. Zeile 54 ff.
*) NiKBUHE, a. a. 0. 667. — Vgl. Steindorff, 114. — Le Page Renouf, 221.
') V. Stkauss und Tobney, I, 454 f. — Maspero, 45. — Pehrot et Chipiez, 59 f. Vgl. auch Wundt,
System, 670.
- 153 -
dass die Ägypter in diesem Streben, zumal sie besonders dazu befähigt waren, die Natur
zu beobachten und das Geistige in sinnlichen Erscheinungen wahrzunehmen'), eine
Anleihe bei der sie umgebenden Tierwelt machten, die in ihrem oft rätselhaften Treiben
und mit ihren geheimnisvollen Kräften ihnen als Organ einer göttlichen Macht erschien:
eine Anschauung, die sich als Episode im Geistesleben jedes Volkes nachweisen lässt 2).
Oder die Religion der alten Ägypter setzt sich aus zwei Elementen zusammen, so nämlich,
dass in vorhistorischer Zeit ein semitischer Stamm aus Asien nach Nordostafrika eindrang,
dort die einheimische Negerbevölkerung unterjochte und sich mit ihr vermischte, worauf
sich ein beide Völkeielemente umfassendes einheitliches Staatssystem entwickelte. In das
Streben, die Eigenart beider Völker zu vereinigen, wurde auch die Religion hineingezogen;
das Bestehende wurde beibehalten und mit dem Bekenntnis der Sieger in Einklang gebracht,
indem man den alteingewurzelten Tierkult dem Polydämonismus oder — wenn man schon
so weit vorgeschritten war — Polytheismus der Eindringlinge assimilierte in der Weise,,
dass man gewissen Gottheiten gewisse Tiere als ihre sichtbaren Repräsentanten, als
Symbole beiordnete. Hier würden die beiden angeführten Hypothesen zusammenfliessen.
Hatte sich eine solche Anschauung, die in dem im Tempel des Gottes gepflegten Tiere
dessen Inkarnation zu sehen sich gewöhnte, erst einmal festgesetzt, so entwickelte sie
sich ohne Rücksicht auf ihren Ursprung weiter. Zu den einzelnen heiligen Tiergattungen
gesellten sich neue; im Zusammenhang mit den Lokalgottheiten entstanden lokale Tier-
kulte; aus der heiligen Tiergattung wurde ein bestimmtes, besonders ausgezeichnetes
Exemplar herausgegriffen als eigentlicher Sitz der Gottheit und mit einem Hofstaat von
Pflegern und Priestern umgeben, der sich durch die wachsende Zahl der Vei-ehrer des
betreffenden Tieres zu einer kleineren oder grösseren Gemeinde entwickelte, bis vielleicht
schliesslich einzelne Tiere aus Lokal- oder Gaugottheiten zu mächtigen Landesgfittern
wurden und zuletzt, „als die Religion mehr und mehr an innerem Leben verloren hatte
und das Volk sich lediglich an Äusserlichkeiten klammerte", wieder alle Exemplare
der heiligen Gattungen als göttlich angesehen wurden »). Dass am Ende das heilige Tier
in einzelnen Fällen über die ihm ursprünglich übergeordnete Gottheit als das Sichtbare
gegenüber dem Unsichtbaren das Übei'gewicht erlangte, besonders bei dem urteilslosei'en
Volke, ist denkbar. Doch bemerkt noch Herodot ausdrücklich, dass man den Gott des
Tieres, nicht aber das Tier des Gottes anbetete, woraus deutlich hervorgeht, dass der
Tierkult ein späteres Accidenz im religiösen System oder — wie Le Page Renouf es
bezeichnet — nicht Prinzip, sondern Consequenz ist, wie denn überhaupt die ägyptischen
Götter keineswegs mit den Tieren identisch sind, in denen sie sich manifestieren, so dass
sich sogar die Angaben über die Gottheit, die in einem bestimmten Tiere zur Erscheinung
kommen soll, bisweilen widersprechen •*). Ebenso denkbar ist es, dass, wie man die Tiere
ursprünglich auf Grund einer besonderen natürlichen Eigenart zu ihren Gottheiten in
Beziehung setzte (wie z. B. den Schakal als charakteristisches Wüstentier zu dem Wüsten-
1) Müller, Ethnographie, 570. — Brugsch, 177, 385. — Vatke. 417. — Pfleidereb, Religions-
philosophie, 78. .„ _
•■i) Meyer, Ägypten, 34. — Vgl. Le Page Re.nouf. 219 f. — Lenoemant, III, 211 f. — Brugsch, a.a.O.
') Steindokff", 109, 112 f. — Derselbe in Realencyklopädie für' protestantische Theologie und Kirche,
I, 208. — Tiele, 27 f. — Meyer, Ägypten, 33 ff. — Lindnee, 661. - Vgl. auch Schdetz, Speise verbot«,
34, Anni. 55. . „ t^ -t- ,ß-> «■
■■) V. Steauss und Tobney. I, 459. — Meyee. Ägypten, 3.5. — Pietschmann, in Z E, X, 162 n. —
Maspeeo, 45. — Uhlemann^ II, 215. — Kraft. 121. — MOllee. Physische Religion, 271. — Wiedemann,
in Recueil de tiavaux d'erudition offert a mgr. Charles de Harlez etc. 372.
- 154 -
gott Anubis oder den Skarabäus wegen seiner schnellen und geheimnisvollen Entstehung —
vgl. oben S. 129 f. — zu Ptah, dem Gott des schöpferischen Anfanges), späterhin Tiere
wegen irgend einer sie auszeichnenden Eigenschaft unabhängig von einer Gottheit göttlich
verehrt wurden (so der Stier Apis wegen seiner gewaltigen Kraft und Fruchtbarkeit, den
man erst später auf Grund theologischer Spekulationen mit dem Lokalgott von Memphis,
Ptah, in Zusammenhang zu bringen versuchte, indem man ihn für „die Wiederholung des
Ptah" erklärte)!). Wieviel bei solchen Entwickelungsgängen auf Rechnung allmählicher
Umbildungen in den Volksanschauungen oder auf Rechnung philosophischer Spekulationen
der Priester zu setzen ist, entzieht sich vorläufig unserer Beobachtung '^).
Somit erscheint uns der ägyptische Tierkult entweder als das Ergebnis einer dem
Bedürfnis des Volkes nach Anschauung entsprungenen übertriebenen Spekulation, gegründet
auf eine aufmerksame Naturbeobachtung, oder als eine uralte lokale Erbschaft, die dem
.Spekulationsbedürfnis einer jüngeren, bereits zum Polydämonismus vorgeschrittenen Zeit
willkommene Symbole zur Verfügung stellte »). Im ersten Falle bleibt zu erklären, weshalb
die Naturbeobachtung sich gerade auf die Tierwelt konzentrierte, im zweiten Falle, woher
der Ursprung des alteingewurzelten Tierkultes abzuleiten ist. Unternehmen wir es, diesen
Fragen näher zu treten, indem wir der Entstehung des Tierkultes überhaupt, hier an der
Hand der Erscheinungen der Tierverehrung in Afrika nachzugehen versuchen.
2. KAPITEL.
Entstehung und Entwickelung des Tierkultes.
Der Versuch, die ersten Beweggründe zu entdecken, die den Naturmenschen bestimm-
ten, gewisse Tiere zu verehren, gehört unstreitig zu den schwierigsten Aufgaben der
Wissenschaft; gleichwohl hat kaum ein Problem der Mythologie und Ethnologie ein so
grosses Interesse hervorgerufen „wie das grosse Fragezeichen, das in der Weltanschauung
der Naturvölker zwischen Animalismus und Manismus, zwischen Tierwertschätzung und
Menschenseelenbeobachtung gemalt werden muss ... das Problem der heiligen Tiere"'*).
„Wir müssen uns dabei zuerst vor dem sehr allgemeinen Fehler hüten, für jeden religiösen
Gebrauch nur immer einen Beweggrund anzunehmen" ■').
Es ist der Fall denkbar, dass dem primitiven Menschen irgend ein Tier, das er
zunächst vielleicht gar nicht oder als sich gleichstehend betrachtete «), vermöge einer es
besonders auszeichnenden Fähigkeit zum Gegenstande des Aufmerkens, des Staunens wird;
dies Staunen wird sich zur Bewunderung steigern , wenn die in Frage kommende Fähigkeit
') StEINDORFF, 116. 113 f. — HlKSCHFELD, 152 f.
•■') Müller, Ethno^'raphie , 570.
') Vgl. LiPPEBT, Knltiirgeschichte der Menschheit. 401. — Kayser, 36.
-') Fbobenius, Völkerkunde, 184. — Müller, Ursprung der Religion, 129.
') MüLLEE, a. a. 0. - Derselbe, Anthropologische Religion. 121.
«) Frobenius, in „Afrika" 1897, 253 f. 352. — Waitz, II, 177. — Schültze, Psychologie, 245. —
Frobeniüs, Völkerkunde, 96 f. — Achelis, 375.
- 155 -
das betreffende Tier als dem Menschen überlegen kennzeichnen i), zum Schrecken aber,
sobald sich die Kraft des Tieres als eine dem Menschen feindliche offenbaren wird. Dieser
wird jetzt etwaige Angriffe des Tieres vermutlich zurückzuweisen oder von vorn herein
von sich abzuwenden trachten; in diesem Streben aber ist von dem Versuch, aus physi-
scher Kraft dem Tiere Einhalt zu tun, der jedoch in den meisten Fällen zunächst miss-
lingen wird, nur noch ein Schritt zum Gebet in seiner rohesten Form und, da auch
dieses den gewünschten Erfolg nicht zeitigt, ein weiterer zum Opfer in seiner ursprüng-
lichsten Gestalt: das Tier ist zur Erscheinungsform des Göttlichen geworden -).
Allein das Erstaunen über eine ein Tier vor anderen und vor dem Menschen auszeich-
nende Eigenschaft an sich kann schon genügen, den Beobachter zu seiner Verehrung zu
veranlassen, so z.B. die aus der erfehrungsgemäss langen Lebensdauer der Schlange resul-
tierende Anschauung von ihrer Unsterblichkeit, also Göttlichkeit 3).
Entdeckte man an einem Tiere die Kraft, ein anderes dem Menschen schädliches Tier
etwa zu vertreiben oder zu vernichten oder aber in andei'er Weise sich dem Menschen
dienstbar zu erzeigen (z. B. als Nahrung spendendes Nutztier), so war nichts natürlicher,
als dass der Mensch, vorausgesetzt, dass er diese Handlungsweise des Tieres nicht als
eine selbstverständliche, sondern als eine von dem Belieben des Tieres bez. — auf einer
schon geförderteren Stufe der Anschauung — des dem Tiei-e einwohnenden Geistes abhän-
gige betrachtete, ihm seine Dankbarkeit zu beweisen und seine Gunst sich zu erhalten
bemüht wai-, woraus wiederum Opferhandlungen folgen mussten ■* ). Die Beobachtung, dass
ein sonst schädliches Tier, wenn es durch Opfei'gaben gesättigt war, relativ unschädlich
wurde, konnte den Menschen in seinem Handeln nur bestärken ^j.
Wurde der Mensch nicht durch die bisher gekennzeichneten Beobachtungen in Verbin-
dung mit reflektierender Selbstbeobachtung — so nämlich, dass er in sich ein Geistwesen
wenn auch nicht erkannte, so doch ahnte •=) und darauf Schlüsse aufbaute — auf die
Vorstellung von geheimnisvollen Mächten, von Geistern geführt, als deren ausführende
Organe ihm die Tiere erscheinen mussten ') (was man aber in vielen Fällen wohl als
gewiss annehmen darf), so doch auf anderem Wege sicher durch die Tatsache, dass
gewisse Tiere die Leichname Verstorbener verzehrten, also Seelen in sich aufnahmen, deren
Betätigungsweise der Mensch kannte und nun erklärlicherweise aus dem betreffenden Tiere
sich äussernd, in dem Tiere handelnd sich vorzustellen veranlasst wurde. Hieraus konnte
sich dann der umfangreiche Ahnenkult entwickeln mitsamt dem Totemismus, den wir
nicht als Ursache (wie M^^lennan) ^), sondern als Folgeerscheinung des Tierkultes auffassen
möchten, da doch erst eine genügend begründete Wertschätzung und Verehrung eines
Tieres dem Menschen eine veiständliche Ursache dafür geben kann, das Tier zum Stammes-
symbol und zum göttlich verehrten Stammvater zu erheben, und zwar musste er in dem
') Vgl. z. B. oben S. 107 unter') — Tyloe, Anfänge, II, 230 f. — Peety, Anthropologie, II, 3o8.
■) Bastian, Mensch, I, 169 ff. — Achelis, 375 f. — Happel, 159. — Dor.ner, 3;8. — Vgl. augh Wundt,
System, 663 f. ^^ ^„
') Peety. Anthropologie. II, 85. — Lippert, Kulturgeschichte der Menschheit, 11, 403. — bCHULTZE,
Psychologie, 245. — Achelis, 376. — Vgl. u.a. auch die Entwickeking der Stierverehrung bei den Dinka und
ihren Nachbarn (oben S. 106). ' r, ,, , -mo
^) Vgl. z. B. oben S. 98 unter *). — Pebeot et Chipiez, 66. — Waitz. II, 176. — Andbee, Parallelen, Ui.
s) Bastian, Mensch, I, 169 ff. — Fkobenius, Völkerkunde, 187.
6) Vgl. Wundt, Einleitung, 350, 354. - Derselbe, Psychologie, 368 ff. — Dornkb, 60.
') Vgl. Tylor, Anfänge II, 197.
») In Fortnightly Review 1869/70; vgl. Tylor. Anfänge, II, 236 ff.
I. A. f. E. XVIL 20
- 156 -
Tier das vollkommenste beseelte Wesen erblicken i). Eine Scheidung in gute und böse
Geister bez. Tiere lag nahe; eine dementsprechende Trennung der Opferhandlungen war
nicht nötig, da sie ohne praktischen Wert blieb. Die Erfahrung, dass ein und dasselbe
Tier bisweilen sich nützlich, bisweilen schädlich erwies, wie die Schlange (vgl. oben S. 113 ff.),
musste die Vorstellung von einer Seele befestigen, die dem Menschen bald wohl, bald übel
gesinnt war 2). Die Erforschung der dieser Erscheinung zu Grunde liegenden Tatsachen
war die nächste Aufgabe für den reflektierenden Menschengeist, die aber bereits über den
Ideenkreis, in dem sich der eigentliche Tierkult bewegt, hinausführte.
Wir können uns weiter vorstellen, dass der Mensch irgend ein Tier, das ihm zufällig
beim Ausbruch eines Naturereignisses entgegentritt, mit diesem in ursächlichen Zusammen-
hang bringt, also die in der Naturerscheinung angestaunte höhere Macht in dem Tiere
verkörpert sieht und es deshalb zum Objekte seiner Kulthandlungen macht 3). Hieraus folgt
dann später die Symbolisierung von Naturphänomenen und Himmelskörpern in Tieren (so
z.B. die der schaffenden Naturkraft in der Schlange: vgl. oben S. 115 unter 6) und S. 118
unter*) oder die der Fruchtbarkeit in dem Stiere: vgl. oben S. 154 unter i)). In ähnlicher
Weise konnte ein Tier, das zufällig oder häufig in der Nähe von Grabstätten gesehen
wurde oder nach dem Tode eines Familiengliedes in die Wohnung kam und sich vielleicht
dort niederliess, für den Träger dei- Seele des Verstorbenen gehalten und als solcher ver-
ehrt werden. Dass man bald bestimmte Tiere im Ahnenkult (wie im Kult überhaupt)
bevorzugte, auch gewissen Tieren die Leichen absichtlich zum Frasse vorlegte (vgl. oben
S. 100 unter 9)). ist einleuchtend 4). Ein einzelnes Tier, das dem nach einer Vorbedeutung
forschenden, auf eine ihn bewegende Frage Antwort suchenden Menschen plötzüch auffällt,
etwa ein auffliegender Vogel, wird ihm zum Fetisch, den er verehrt, solange er ihm
wirksam erscheint; das Tierorakel konnte von hier aus sich zu seinem umfassenden Ein-
flüsse entwickeln, der bei den geistig höchststehenden Völkern noch heute nachklingt.
Dass der Tierkult, einmal in die Erscheinung getreten, eine divergierende Entwickelung
nehmen musste, geht aus der psychologischen Tatsache klar hervor, dass jeder Stamm
die Tierwelt unter anderen äusseren Umständen und inneren Gesichtspunkten, also anderen
Voraussetzungen betrachtete, dass ein unstetes Volk ein Tier mit anderen Augen ansah
als etwa ein Jägervolk, ein Nomadenvolk anders als ein ackerbauendes Volk '^).
Eine scharfe Trennung zwischen ausgesprochen positiver Verehrung eines Tieres und
abergläubischer Furcht vor ihm ist schon deshalb schwer möglich, weil aus dem zweiten
sehr leicht das erste resultieren wird. Jedenfalls ist kaum anzunehmen, dass je ein Volk
vollkommen gleichgültig an der Tierwelt vorüber gegangen sei. Damit ist freilich noch
nicht gesagt, dass jedes Volk auf der gleichen Altersstufe sich dem Tierkult zugewandt
habe; vielmehr wird der Übergang von einer blossen Tierbeobachtung zur Tierverehrung
je nach der Volksindividualität zu verschiedenen Zeiten erfolgt sein. Vermutlich mussten
die entscheidenden Beobachtungen an der Tiei'welt hier öfter gemacht werden als dort,
8) AciiELis, 374, 391. — Schuetz, Speiseverbote, 35 ff. — Feobbnius, in „Afrika", IV, 367 f. —
MüLLEi!, Anthropologische Rehgion, 121. — Happel, 161. — Schultze, Psychologie, 246. — Lippeet,
Kulturgeschichte der Menschheit, 390 ff. — Dornee, 60.
■-) Vgl. Bastian, Mensch, I, 169 flf.
3) Happel, 156 f. — Vgl. Spinoza, Ethik, II, 18. III, 14.
■•) Waitz, II, 177. — Spencer, II, 421. — Mullee, Ursprung der Religion, 129. — Frobenius,
Völkerkunde, I. 133.
') Happel, 162. — Vgl. Z V, I. Einleitung 49. — Wundt, Logik, II, 2, Seite 448.
- 157 -
ehe sie den Fortschritt von einer andeien (niederen) Weltanschauung zu der der Beseelung
der Tiere mit höheren , göttlichen Wesen oder Geistern , also zur Anerkennung von Geist-
wesen zur Folge hatten — ähnlich wie Entdeckungen oder Erfindungen oft mehrmals
-emacht werden mussten, ehe sie einflussreiche Wendungen im Menschen- und Völkerleben
hervoniefen Auch muss nicht jedes Volk notwendig zu derselben Höhe der Tieranschauung
sich erheben- gröbere und unklare Vorstellungen werden hier ein Volk auf einer niedrigeren
Stufe der Zoolatrie festhalten, während dort eingehende und angestrengte Reflexionen
-eläuterte Vorstellungen erzeugen werden, die sich über die eigentliche Zoolatrie hinaus
bis zu einer Symbolisierung unsichtbarer göttlicher Kräfte und Äusserungen m dem Tier
als sichtbarem ' Idol und schliesslich zur Therianthropie durcliringen werden. Wiederum
wird von einer höheren Stufe des Tierkultes aus ein Rückfall eintreten können, und einen
solchen werden wir bei der Mehrzahl aller Völker, die Tiere verehren, anzunehmen
haben- denn nichts ist einleuchtender, als dass der Sohn, der den Vater ein Tier aus
diesem vielleicht klar bewussten Gründen mit göttlichen Ehren behandeln sah, dies auch
tat wenngleich schon mit geringerer Klarheit der Überlegung und des Bewusstseins, und
ohne sichren und ganz Rechenschaft über sein Handeln abzulegen; in den folgenden
Generationen wird der Tierkult mehr und mehr zur äusserlichen Gewohnheit herabsinken,
besonders da, wo nicht nur eine Anregung zur Selbstkritik mangeln, sondern auch eine
selbstsüchtige Priesterschaft geflissentlich unklare und unwahre Anschauungen in einem
stumpfen Volke pflegen wird. Hier wird dann der ursprünglich sinnreiche Tierkult zu
sinnloser Äusserlichkeit depraviert, aus der die zahlreichen Widersprüche, ja zum teil
kindischen Ansichten, die sich in ihm finden, erklärt werden müssen, wie z.B. der Fall,
dass man ein für göttlich geachtetes Tier trotzdem jagt und erlegt und ihm dann einredet,
man habe es ganz unabsichtlich getötet ')• ,. ^ t^ •
Überblicken wir nun die Gesamtheit der angeführten Möglichkeiten, die den Keim zur
Tierverehrung in sich tragen können - wobei auf Vollständigkeit durchaus kein Anspruch
erhoben werden soll - und fragen nach dem ihnen allen gemeinsamen Moment, nach der
Grundidee die aus ihnen heraus den Tierkult zur Entfaltung bringt, so scheint uns dies
das im Innern des Menschen aufdämmernde Ahnen einer Weltseele zu sein: eine dunkle
Vorstellung sagt dem Menschen, dass in der gesamten Natur, ihn selbst nicht ausge-
schlossen, ein Etwas wirksam ist, das er nicht unmittelbar fühlen oder fassen, woh aber
mittelbar sehen und beobachten kann in dem Walten und Wirken der Natur, und dessen
negative Seite ihm der Tod in" den verschiedensten Formen täglich greifbar vor Augen
führt Ein unbestimmbarer Drang in seinem Innern treibt ihn zu dem Versuch an, dieses
Etwas zu fassen und zu erfassen; er strebt nach Anschauung dieser ihm in ihrem Wesen
unbegreiflichen Macht; denn er hat die mehr oder weniger klare Empfindung, dass er zu
ihr die auch ihn selbst erfüllt und in ihm tätig ist, irgendwie Stellung nehmen müsse.
Rel'ativ am deutlichsten und greifbarsten scheint sie ausser in anderen Erscheinungen der
Natur in der Tierwelt ihm entgegenzutreten, mit der ihn „das Gefühl der Gemeinsamkeit
des Lebensprinzipes" am innigsten verbindet, die ihm aber auch gleichzeitig fragende
Verwunderung abnötigt dadurch, dass sie vielfach ein Verhalten zeigt, das sich in anderer
Weise äussert als das der Menschen, also zu aufmerksamer Beobachtung heraus-
.) So die Kaffern gegenüber dem Elefanten (vgl. oben S. 103 unter =) - Vgl. ferner oben S. 108 unter»).
Ratzel, I, 37 f.
- 158 -
fordert 1). Auf der Basis demnach eines Mensch und Tier gleicherweise beherrschenden, in
seinen Äusserungen aber divergierenden Prinzips, ausgelöst durch zufällige Ursachen, wie
oben skizziert, tritt die den Menschen beherrschende Grundidee, die Seelenbeobachtung, in
die Erscheinung als differenzierter Seelenkult 2), für dessen Betätigung ihm die Tierwelt
aus angegebenen Gründen ein hochwillkommenes und zugleich dankbares Objekt ist.
Bestimmte, scharfumrissene Anfänge des Tierkultes konstatieren zu wollen erscheint
uns ebensowenig angängig wie jeder Versuch, seine Motive in ein Schema restlos einzu-
ordnen ^). Denn einerseits wie vergleichsweise in den in ununterbrochenem Wechsel auf-
und abflutenden Wogen des Meeres eine neue Küste bald auf-, bald wieder untertaucht,
um vielleicht erst nach langem und erbittertem Ringkampfe endlich eine feste Gestalt zu
gewinnen, ohne dass man ihr auch jetzt feste Grenzen anweisen könnte, so werden sich
ähnlich die Einzelerscheinungen des auf- und niederwogenden Geisteslebens der Menschheit
wohl kaum durch Grenzlinien umschreiben lassen; andererseits treten diese Einzeler-
scheinungen beim Naturmenschen oft — wenn auch vielleicht nur scheinbar — ganz unver-
mittelt auf; er verfährt in seinen Konsequenzen so sprunghaft und unberechenbar, dass
mit einem logischen System oder einem Schema, dem nur schwer beizukommen ist, wozu
für uns die ungeheure, fast unüberwindliche Schwierigkeit tritt, uns in das Seelenleben
und den Anschauungskreis eines Naturmenschen zurückversetzen zu müssen. Wir haben
uns deshalb darauf zu beschränken, die Erscheinungen lediglich zu gruppieren, sind aber
vorläufig nicht im stände, auch die ihnen zu Grunde liegenden Ursachen zu systema-
tisieren ■*).
Es ist nach diesen Erwägungen nicht wohl anzunehmen, dass der Tierkult bei den
alten Ägyptern etwa auf andere Beweggi'ünde zurückgeführt werden müsste als bei den
sog. Naturvölkern Afrikas, sobald wir nämlich diese Beweggründe bis auf ihre ersten im
primitiven Seelenleben sich äussernden Anfänge zurück verfolgen und nicht bei dem
Stadium ihrer äusserlich sichtbaren Verwirklichung stehen bleiben. Offen ist dann noch
die Frage, ob der Tierkult eine Erscheinung ist, die man als selbständige Erfindung jedes
Volkes bezeichnen darf, oder ob er zum teil auf Entlehnung zurückzuführen ist^), eine
Frage, deren Beantwortung selbstverständlich nur theoretischen Wert haben kann. In
Afrika haben wir den Tierkult, soweit Naturvölker mit Einschluss der heidnischen alten
Ägyptei- in Betracht kommen und genügende Quellen vorhanden sind , über weite Gebiete
verbreitet gefunden ^), wenngleich hier mehr, dort weniger ausgebildet. Eine wechselseitige
Beeinflussung oder wenigstens Befruchtung der einzelnen Völker hinsichtlich des Tierkultes
kann man im allgemeinen wohl da annehmen, wo ein Verkehr zwischen ihnen statt-
gefunden hat oder stattfindet. Dass die alten Ägypter schon um 1000 v. Chr. bedeutende
Kenntnisse über ihre Nachbarn besassen, steht fest'); also ist ein, wenn auch noch so
') BuNSEN, 545 f. — Vgl. ScHULTZE, Psycliologio, 217 ff. — Pkobenius, Völkerkunde, 185. — Hoernes,
91. — ScHUBTZ, Urgeschichte, 554 ff. — Lippert, Kulturgeschichte der Menschheit, 409. — Happel,
163. — Hegel, I, 235 f. — Hartmann, 107. — Roskopf, 125. — Tobleb in Z V, II, 212 f. — Schinz,
181. — Vgl. auch die sog. Lykanthropie, zum teil an den angeführten Stellen.
-) Vgl. hierzu das in der Vorbemerkung (oben S. 91 f.) Gesagte.
3) Vgl. z.B. Tylor, Anfänge, II, 238.— Peschel, 234. — Spenceb, I, 396—426. — Müller, Anthro-
pologische Religion, 125.
*) Vgl. Perrot et Chipiez, 67. — Happel, 159 f.
*) Vgl. Weule, in der Politisch-anthropologischen Revue. I, 678.
6) Vgl. die Karte (Taf. IX).
') Ratzel, Die Erde und das Leben, 1,8. vgl. 14.
- 159 -
beschränkter gegenseitiger Verkelir anzunehmen, der schon an sich weitere Schlüsse hin-
sichthch einer Beeinflussung auch auf geistigem Gebiete zuiässt und in der unzweifelhaften
Verwandtschaft z. B. des Apiskultes in Ägypten mit der Stierverehrung bei den benach-
barten Völkern, namentlich im Süden, eine wesentliche Stütze erhält '). Doch nicht genug
damit! Die Stellung Ägyptens bereits in frühester Zeit als Durchgangsgebiet ist in ihrer
Wichtigkeit für die Entwickelung der Kultur in Afi-ika längst erkannt und anerkannt,
wenn auch in ihrer ganzen Tragweite vielleicht noch nicht hinlänglich gewürdigt worden.
Die geographischen Kenntnisse eines Ekatosthenes, eines Ptülemäus z.B. hinsichtlich des
Nilquellen Problems, die erst durch Forschungen unserer Zeit ihre glänzende Bestätigung
erfahren haben, lassen uns auf alte Völkerbeziehungen schliessen, die tief in das Innere
Afrikas eingegriffen haben müssen. Wie solche Beziehungen innerhalb weniger Jahrzehnte
in hohem Grade umgestaltend auf den Zustand eines davon berührten Volkes wiiken
können, davon zeugt z. B. die erstaunlich rasche Annahme der ägyptischen (materiellen
und geistigen) Kultur durch Nubier und Neger in der Gegend des vierten Nilkatarakts
etwa um das 16. vorchristliche Jahrhundert, zu einer Zeit also, da die Ägypter im allge-
meinen über den 20." N nicht hinausdrangen 2). Wenn somit der Übergang geistiger und
materieller Kulturfaktoren von einer Menschheitsgruppe auf eine andere nicht an eine
dauernd oder direkte Berührung mit dem älteren Träger dieses entlehnten Besitzes gebunden
ist, so liegt auf der Hand, dass die geographische Erschliessung neuer Gebiete zu einem
Kulturträger ersten Ranges wird 3). Es dürfte demnach, sobald wir die zahlreichen Völker-
wanderungen und -Verschiebungen der Beachtung würdigen, die Afrika mit einem Netz
von Wandei-linien und A^ölkerstrassen übei'zogen haben •* ), z. B. der Schluss aus der Tat-
sache von Völkerbewegungen westwärts einerseits 5), aus den Erklärungen des Schlangen-
kultes in Weida und Umgebung als einer von Norden her stammenden Kultform anderer-
seits «), auf Zusammenhänge der eben erwähnten Schlangenverehrung mit dem altägyptischen
Tierkult nicht zu kühn erscheinen. Namentlich wenn man auf anderen Gebieten sich
zeigende auffallende Verwandtschaftsbeziehungen in den genannten Räumlichkeiten in
Rechnung stellt, wie sie z.B. in der geographischen Verbreitung gewisser Saiteninstrumente
hervortreten '), gewinnen die ausgesprochenen Vermutungen manches an Wahi-scheinlichkeit.
Angeregt durch eine Sammlung ethnographischer Gegenstände vom Kongo im anthropolo-
gischen Museum in Florenz ist Mochi den Spuren ägyptischer Kultur unter den Natur-
') Vgl. hierzu Weule über Ausgrabungen und Verkehr an der Ostküste Afrikas. in der Polit.-anthrop.
Revue, I, 733 (auch oben S. 102 unter^)); fernei- Mekker über geistige bez. religiöse Verwandschaft der
Israeliten und Massai (Vortrag in der Beil. Anthropol. (iesellscliaft am 18. VII. 1903; Berichte darüber im
Leipziger Tageblatt). Vgl. Tiele, 24; oben S. 105 ff.
•') KoACK, in Z J, II, 301. - Hahn, 456 ff. - Weule, in Weltall und Menschheit, III, 354, 330, 332.
ä) Weule, a.a. 0., 373. . . - .
") Neumann, in Z G E, XXII, 293. — Baethel über die Völkerbewegungen auf der Südhälfte des
afrikanischen Kontinents in ML, 1893. - Vgl. hierzu die interessanten Ausführungen MOllees (Wirtschafts-
tiere) über die Wanderungen des Rindes in Afrika, 19 ff.
5) Vgl. Ratzel, II, 405. Eine beachtenswerte Bemerkung findet sich bei Müller a.a. 0. 20: „Noch
heute durchzieht der Stamm der Fulbe den Kontinent von Ost nach West, und längs dieser Züge finden
wir das Langhornrind bis Senegambien."
«) Vgl. oben S. 114 f.
■) Die hauptsächlichsten Saiteninstrumente der alten Ägypter: Harfe, Lyra und Guitarre nehmen heute
in charakteristischer Anordnung „einen breiten, südlich der grossen Wüste quer durch den ganzen Erdteil
ziehenden und etwa bis zum Äquator reichenden Landgürtel" ein; der Weg ihrer Verbreitung ist durch
den Lauf des Nils gegeben. So Ankeemann, in E N, III, Heft 1, 121 ff. - Vgl. u.a. auch die auffiilHgen
Hinweise auf charakteristische altägyptische Merkmale in der Bronzetechnik der Beninneger (Stoll in
A E, XV, 164).
- 160 -
Völkern Afrikas nachgegangen und hat ein interessantes Belegmaterial für diese Beziehungen
aus der Litteratur zusammengestellt, illustriert durch eine instruktive Kartenskizze M-
Manche der dabei ausgesprochenen Behauptungen und Vermutungen mögen vorläufig noch
zweifelhaft und sehr hypothetisch erscheinen und sind deshalb, wie Verfasser selbst betont,
mit Vorsicht aufzunehmen. (Es sei bei dieser Gelegenheit an die Hypothese einer Abstam-
mung südafrikanischer Völkerschaften, speziell der Hottentotten, von den Ägyptern
erinnert, die z. B. von Hahn und Peteks vertreten wird 2)). Von vornherein unmöglich
ist jedoch keine der als wahrscheinlich angegebenen Kulturübertragungen von einem im
Nordosten Afi'ikas gelegenen Centrum aus, wobei durchaus nicht etwa ausschliesslich
Ägypten als ursprüngliche Quelle in Frage kommen muss 3). „I Bantii e gli altri Negri
devono averlo certo imparato da una delle popolazioni camitiche, ma niente ci autorizza a
ritenere che questa popolazione sia stata in ogni caso l'egiziana" *).
Ein abschliessendes Urteil wird auch hier vielleicht erst dann möglich sein, wenn aui
Grund umfassendster Kenntnis der Geschichte Afrikas die Probleme der Abstammung und
der Verwandtschaftsbeziehungen der einzelnen Völker untereinander, sowie der Veränderung
des ethnologischen Charakters durch Natureinflüsse und Kulturbedingungen, wie sie Wundt
aufstellt, gelöst sind ^).
') Bollettino della Soeietä Geografica Italiana. Aprile-Maggio 1903, 361—74.
°) Hahn, in Z G E, IV, 226 ff.. 481 ff. — Peters, 291 f.
') Vgl. oben S. 159 Anmerkung ').
■*) Bollettino della Soeietä Geografica Italiana. Aprile— Maggie, 1903, 372.
') Wundt. Logik, II, 2, Seite 448 vgl. 454, 453.
L I T T E R A T U R N A C H W E I S. ')
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van Taal-, Letter-, Geschied- en Aardrykskundige Bydragen ter gelegenheid van zvjn tachtigsten
geboortedag aan Dr. P. J. Veth.
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A M Allgemeine Missionszeitschrift, ed. Warneck.
A P Archiv für Papyrusforschung.
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B K Beiträge zur Kolonialpolitik und Kolonialwirtschaft.
E N Ethnologisches Notizblatt.
M A Mitteilungen der afrikanischen Gesellschaft in Deutschland.
M B Monatsberichte über die Verhandlungen der Gesellschaft für Erdkunde zu Berlin.
M H Mitteilungen der Geographischen Gesellschaft in Hamburg.
M J Mitteilungen der Geographischen Gesellsch.aft (für Thüringen) zu Jena.
M L Mitteilungen des Vereins für Erdkunde zu Leipzig.
M 0 Österreichische Monatsschrift für den Orient.
M Seh Mitteilungen von Porschungsreisenden und Gelehrten aus den deutschen Schutzgebieten, ed. v.
Danckei.man.
N M Nachrichten aus der ostafrikanischen Mission.
P M Petermanns Mitteilungen. E B Ergänzungsband.
E H Ergänzungsheft.
V A Verhandlungen der Berliner Gesellschaft für Anthropologie, Ethnologie und Urgeschichte.
V E Verhandlungen der Gesellschaft für Erdkunde zu Berlin.
Z A Zeitschrift für afrikanische und oceanische Sprachen.
Z A E Zeitschrift für allpemeine Erdkunde. Neue Folge.
Z E Zeitschrift für Ethnologie, ed. Viechow.
Z G E Zeitschrift der Gesellschaft für Erdkunde zu Berlin.
Z J Zoologische Jahrbücher. Abteilung für Systematik, Geographie und Biologie der Tiere.
Z M Zeitschrift für Missionskunde und Religionswissenschaft, ed. Ahndt.
Z V Zeitschrift für Völkerpsychologie und Sprachwissenschaft, ed. Lazarus und Steinthal.
Afrika. Herausgegeben vom Evangelischen Afrika-Verein zu Berlin.
Ausland, Das.
Gaea (Natur und Leben), ed. Dr. Klein.
Globus.
Theologische Studien und Kritiken.
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Paulitschke , Afrika- Litteratui'.
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Strümpfel, Wegweiser durch die wissenschaftliche und pastorale Missionslitteratur.
Zeitschrift für ägyptische Sprache und Altertumskunde.
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Brehms Tierieben. 3. Aufl. von Pechüel-Loesche.
Grundemann, Neuer Missions-Atlas. Calw und Stuttgart 1896.
GuNDEKT, Die evangelische Mission, ihre Länder, Völker und Arbeiten. Calw und Stuttgart 1894.
Marshall, Atlas der Tierverbreitung. Gotha 1887.
Meyers Konversationslexikon. 5. bez. 6. Aufl.
Recueil de travaux d'erudition offert ä mgr. Charles de Harlez etc.
Scobel, Geographisches Handbuch zu Andrees Handatlas. Bielefeld und Leipzig 1894.
Sievkrs— Hahn, Afrika. 2. Aufl. Leipzig und Wien 1901.
Wagnek, Hermann, Lehrbuch des Geographie. 1. Band. Hannover und Leipzig 1903.
SACH-KEGISTER.
Seite.
Seite.
Seite.
Aalfische (Aale) . . 121. 128
Angola
104
Bahr el Asrak .
. 139
Aasisi .... 13n. 140
Angoni
96.
100
Bakalaliari s. Kalahar
. .
Abankoro 12i)
Animalismiis .
154
Bakatla .
. 93
Abessinien (Abessinier) 95. 96. 101.
Antananarivo .
126
Bakim
. 145
102. 124. 137. 144. 146
Antankarana .
126
Bakko
. 103
Acanthopterygh. . . .128
Antarayes
126
Bakoko
. 149^
Ada 127
Anlaymour
126
Bakossi
. 143
Adamaua . . . 127. 140. 142
Anthropomorphi
92
Bakundu .
. HO
Adbar 103
Antilopen .
108.
133
Bakunya .
92. 107
Adepe 129
Antilopinae s. Antilopen.
Bakwena .
103. 125
Ägypten 96. 106. 114. 124. 127. 129.
Anubis
154
Bakwiri 93. 98.
103.
110.
120. 138.
130. 133, 1.50—1.54
Apis . . 114. 150.
152.
154.
159
140. 143
Äthiopien 124
Arabien (Araber)
100.
102.
137
Balanten .
,
. 143
Affen . . . 92-94. 182
Ardeidae .
111
Bali .
. 147
Afo-Neger. . . . 108. 146
Aidra
114.
115.
146
Baluba .
108.
109.
110. 111
Agau 144
Arnani
140.
142
Bamangwato .
.
108. 125
Aglypha 113
Artiodactyla
103
Bamunda .
. 141
Agow 124
Amt el nimmer
99
Baiitu
. 98
Ague j19
Aschanti 98. 108. 111.
120.
127.
138.
Baperi
. 102
Ahaetulla . . . . 113. 124
139.
141.
146.
Baputi
.
. 108
Ahnen, bez. Ahnenkult 94. 96. 103.
Asien
133.
153
Barea.
93.
111. 124
107. 123. 135. 137. 156. 157
Assala
113
Bari 96. 99. 100-
-102
106
110.123.
Akini .... 140. 144
Assani
92
142. 143
Akkra 94. 100. 101. 127. 138. 140.
Athara
93
Barinio
. 126
141. 144
Atetc .
136.
139.
142
146
Baron ga .
. 122
Akpoto . . . . 98. 127
Ateuchua .
129
Baschangi.
. 99
Akwa (König) .... 104
Atherura .
102
Baschilange
94
. 99. 101
Akwapim .... HO. 127
Ausgrabungen
159
Basiba
136. 142
Albertsee 99
Aw'leketi .
.
129
BmtiUscus .
. 112
Algier . . 137. 140. 142. 146
Aye-Aye .
94
Bassani
.
. 141
Alligator 125
Bassari
138.
139.
146. 147
Ama-hlozi s. I-klozi.
Babakoto (Babakota)
94
Basuto . 111.
122.
125.
144. 146
Amasis 144
BrtJije-Trank .
148
Batau (Bataung)
. 96
Amatongo s. Itongo.
Raflotc
109
126
Batlapi
121. 129
Ameisen (weisse) . . .131
Rafuen
141
Baumschlangen
. 113
Amulett . . 92.97.105. 107.180
Bafunio
148
Banmvögel
. 110
Aneho 105
Bagirnii . 13
X 138.
139.
146
147
Bayaka
92. lO.T
168
Seite.
Seite.
Seite,
Bayombe .
92
Canis s. Canidae.
Bodo.
. 108
Benguella .
,
102
Capra
104
Brake nberge
. 125
Benin
98.
159
Caprinae .
103
Dreispitzenkap .
.
. 12Ö
Benue . . 97.
108.
127.
146
Caraibische Inseln .
117
Daala
. 146
Berberlöwe s. Löwe.
Carnivora .
95-
-101
Ducker
. 108
Berta. . . 130.
138.
139.
141
Catarrhini
.
92 f.
Dufile
. 99
Betaniraena
94
Catus
95. 99
Betschuanen 93. 96.
100.
102.
103.
Cephalolophus .
108
Edelfische.
. 128
108. 109. 113.
125.
129.
144
Cercopithecus .
93.
132
Eflk s. Egbo-Orden.
Betsileo .
126
Cetacea
109
Egbo-Orden
. 104
Biafra
120
Chamäleons s. Chamäleontidae.
Ehango .
.
107. 1.50
Bifanda-mngdm
148
Chamäleontidae.
113
Ejanda
.
107. 125
Büagos
,
104.
107
Chelonia .
127
149
Eidechsen. . 11
2. 113.
133 134
Blatthornkäfer
129
Cliiromys .
94
Eingeweideschau
. 145
Blattnasen
95
Chiroptera.
95
Elefanten . . 102. 109.
133. 157
Blindschleiche
120.
121
Chondropterygii
128
Elephantidae s. Elefanten.
Boa .
113.
114.
119.
120
Ciconüdae .
111
Elcutherata
. 129
Böcke
108.
136
Cobolia
104
Emydosauria .
. 124
Bogos
,
144
Coleoptera .
129
Ennarea .
. 102
Bohnen .
,
185
Coluber
113
Equidae .
,
. 103
Boidae
.
113
Colubridae.
113
Eratosthenes .
159
Boinae
,
110
Colubrinae
113
Erdspinne.
. 148
Bondo
,
,
108
Colmnbidae
110
Erdstachelschweine
s.Hys
.richinae.
Bongo . 94. 95.
100.
110,
135
Comoro-Inseln .
128
Erzhonigsauger.
.
. 110
Bonito (Bonite)
128
Congo (Fest) .
106
Ethnologie
.
. 154
Benny 94.103.112.12
7. 128. 138. 146
Coprophaga
129
Eulen
. 110
Boom-River
,
.
94
Coracornithes .
110
Ewe (Eweer) 93. 9e
. 100.
105. 119.
Boräna .s. Galla.
Cottoscombriformes .
128
135. 136. 139. 140. 141.
146. 147
Borgii . 112. 120.
127.
189.
142
Crocodilidae
124-
-127
Born LI
139.
146
Cross-River
93
Fäditra .
. 140
Bos s. Bovinae.
Ceowther (Bischof)
112
Fady.
.
. 94
Bovidae .
103
Cryptoprocta .
99
Fahhad .
,
. 97
Bovinae
,
98.
105
Cynailurus
97.
133
Falbkatze .
.
. 95
Brasilien .
.
101
Cynocephalus .
93
Falconidae s. Falkenvögel
Brass-Town
.
120
Cynopithecini .
93
Falkenvögel
. 111
Bronze-Arbeiten s. Benin.
Falli .
.
140. 142
Bube
138.
139
Dahoue
112
Fan .
139. 140
Bildduma .
124
Daboy
117
Fananimpitoloha
. 113
Buea ....
,
138
Dahome (Dahomer) 97
. 99.
102.
103
Fanany .
.
. 113
Büffel
107
112. 114. 115
120 141
145
Pangschrecken .
. 131
Bugbug
,
,
131
Damara s. Herero.
Felidae .
95
-97. 133
Bukoba 93. 107. 109.
113.
123.
1.36.
Danakil . 138. 139.
142.
144
148
Felis s. Felidae.
139.
141.
148
Danh-gbi .
.
114
Felsenschlangen
. 113
Buluma. .
114
Darfur
114
Felszeichnungen
. 126
Bunsi
92
Dana.
,
148
Ferkel
. 108
Bina-Gebrige .
145
Bebaue s. Daboue.
Fernando Pöo . 102. 120.
136. 138
Buschhund s. Schakal.
Delagoa-Bai
,
.
122
Fetisch 92. 93. 95—
98. 103
104. 105.
Buschmänner .
105.
112
131
Dendrophis
,
113
110. 126.— 128. 140. 141.
145. 146.
Derbdah .
146
149. 1.56
Cagn.
.
.
131
Djinws
135
Fetischdoktor s. Zauberer.
Calabar . 98. 104.
107.
127.
128
Dinka 101. 106. 110.
123.
124,
136.
Fetischhütten 107. 112. 126
. 127. 136
Caledonfluss .
125
140.
142.
143
155
Fetu s. Goldküste.
Canidae .
lül
Dixcove .
127
Fingertiere
94
169 -
Fische
Seite.
109. 121. 128. 129
. lU
. 95
95. 99.
Museum . 158
. 109. 133
Fisherraan Lake
Flattertiere
Fledermäuse .
Florenz, Anthropol.
Flusspferde . •
Flusssclnvein .
Frettkatzen (Fossa)
Friedrichsburg .
Fulbe
Fulup
Fünfzeher
Fume-Chicumho {Fume- Ungo)
Fundsch .
üahbevi
Gabun
Galla 124. 136. 139
Gambia
Garua
Gazelle
Gazellenfluss .
Gebet
Geier.
Geisteraustreibun
Geradflügler
Geranornithes .
Giraffe
Glanznatter
Glattnasen
Glattzähner
Glewe
Goldküste (Fetu) 94
105. 107. 108. 110
129
Gorilla
Gottesanbeterin
Gottesurteil
Griechen .
Gri-Grt-Häuser
Grigris
Groppenförmige
Gross-Popo s. Pope
Gruidae .
Geünek, Dr. .
Guana
Guinea 104. 105. 107
Guitarre .
Gymnognatha .
Gymnorhina .
Haie (Haifisch)
. 108
. 99
. 120
142. 159
. 145
. 129
98
101
95.
137
142-
139.
92.
-144.
94.
106,
146
132
146
145
127
108
124
134
ni
98
131
110
134
113
95
113'
120 ',
104.1
127.
, 147
, 132
131
. 140
153
92
127
128
110
105
112
135.
148
159
131
95
113. 128. 129
Halbaffen .
Hamiten .
Hammerköpfe .
Hanno
Harfe
Hartliiufer.
Hasen
Hauskatze
Haussa
Haustiere .
Heliopolis.
Herero 96. 97. 107. 125. 140-
Heuschrecke .
Hexen ....
Himmelskörper
Hippopotamidae
Höckerschweine
HoUo
Honissauger .
Horntiere ....
Hottentotten 96. 102. 121.
131.
95.98
112.
139.
92
101
120.
140
93
123. 126
Hova
Huhn 118. 119. 123. 136.
Hunde . . . 101.
HundsafFen
Hyänen . . .100.
Hi/änidae s. Hyänen.
Hystrichidae
Hystrichinae . ■ .
.Jägerfetisch
i Jaga
Jagdleoparden .
j Ibidae ....
Ibisse s. Ibidae.
Ibo .
Icanti
Ida .
Id-Nerüs
Idol .
Jevhc-Orden
I guana
Iguavidae,.
Ihangiro
I-hlozi
Seite. ,
. 94!
. 160
. 111
. 132
. 159
. 108 j
102. 135'
. 95]
. 127
105. 134
150. 152
-144. 150
. 130
. 100
. 156
. 109
. 108
. 109
. 110
. 103
129. 130.
139. 141
. 135
145—148
105. 135
. 93
101. 133
Insekten .
lübanna (Insel).
I'ombua-mbua .
Trungu
Isiduta
Islam.
Israeliten .
Issapoo
Istiophora.
Itasy-See .
Itongo
Seite.
. 181
. 128
. 135
139. 141
. 121
. 114
. 159
. 120
. 95
. 126
. 122
96. 103. 111
119.
'.148
10
102
101
199
128.
145
. 121
Imi-shologu s. ü'nishologu
Indien
Indikibü
Indris
Induna
Ingam
Innyoka
. 93
. 108
97. 133
111. 151
. 122
. 127
. 136
107. 159
129. 147
. 112
. 112
. 123
122. 142
100
102
148
94
144
148
121
Kabila . . 93. 107. 109.
Käfer. . . . 129. 139.
Kaffa
Kaffern 97. 99. 100. 102. 103.
107. 109. 110. 114. 121. 122.
133. 141. 148,
Kaiechos .
Kaiman
Kairo.
Kalahari .
Kalunda s. Lunda.
Kamel ....
Kamerun 93. 104. 109. 111.
132.137.138.140.141.147
Kaninchen
Kano ....
Kapbüffel ....
Kap der guten Hoffnung 99.
Kaplöwe s. Löwe.
Kap Palmas
Karamah .
Karthager
Kassa
Kassala
Katikiro .
Katzen 95. 99. 133. 135.
Kankerfe .
Kenia
Kete-Ki-atschi . . 93.
Kikuyu
j Kilimandjaro . . 100,
' Killibium .
Kitöma
Kittam-River .
Klein-Popo s. Popo
Knoi-pelflosser .
Königsschlange
Kolobeng .
Koma
Kongo 96. 108. 108. 109
123.
136,
100,
105,
140
123
120.
183,
113
141
135
105.
126.
157
152
126
124
1-25
l;->;
, 120.
.149.
102
146
107
. 133.
120
136
132
127
93
142
150
131
143
146
143
138
94
136
94
128
113
125
122
126.
159
170
Seite. 1
Seite.
Seite.
Kosa 99. 110. 111. 122. 130. 131. i
Lubomo 92
Mnevis
. 150. 152
137. 144. 150
Luemme 103
Möris.
. 127
Kpong 127
Lunda . . 98. 109. 121. 114
Mokas
131
Krabbe 148
Lykanthropie .... 158
Molepolole.
125
Kraniche HO
Lyra 150
Mombas .
100
Kranichvögel s. Kraniche.
Mono-Pluss
114
Kratschi s. Kete-Kratsciii.
Madagaskar (Madagassen) 94. 95. 99.
Mora . . . .
145
Krieclitiere .... 112
101 . 109. 110. 113. 124. 126. 133.
MOSCHESCH
125
Krokodil 98; 124-127. 133. 14.3. 146.
135. 139. 140. 145
MotacilUnae
110
151. 152
Madi ... 95. 99. 107. 109
M'pare
132
Krokodilfluss . . • .125
Madjok 106
Mpitngu .
92
Kropfstörohe . . • -Hl
Mäuse . . . . .101
Mpungu a.u dongo .
131
Kru 1-^0
Mäuseohr 95
Msembezi .
137
Kudjur Ö9
Makalaka .... 104. 107
Muata lamwo .
121
Kuh s. Rind.
Makaraka 124
Mniri
105
Kuilu .... 92. 126
Makarikari-Salzpfannen . . 104
Mumien .
1.52
Kult 91. 92. 109. 115. 120. 128. 134.
Makonde 99
Muni.
132
151. 152
Makrelen . . ... .128
Muraenidae
128
Kultur . . .91. 106. 141.
Mambettu 149
Muridae .
101
Kunama . . 93. 111. 124. 130
Mambunda .... 140
Mussumba.
121
Kunya- Leute . . . .146
Mandingo 95. 114. 138. 142. 145. 149
Mystik
92
Kuruman 129
Maniok 141
Mythologie
. 92. 154
Kwanibugu .... 95
Manismus 154
Mantis religiosa . . .131
Nabikem (Nabikim)
98. 10
9. 127
Läb-Tanz 136
Mantodea 131
Nachtrabe .
. 111
Lacertilia 112
Manyara 96
Nachtreiher
. 111
Lado 99
Manyema . . . .94. 137
Nachtschwirrer.
. 95
Lamellicornia .... 129
Mänyu .... 92
Nager.
. 101
Lanshornrind .... 159
Marabu Hl
Nanyo
. 105
Latuka . . 99. 100. 107. 136
Maraßl 100
Natalfelsenschlange
. 113
Lefjba 96
Maravi . . . . 101. 122
Nattern .
. 11
3. 116
Leguane 112
Marutse-Mambunda 99. 102. 108. 140
Natur
. 91
Leiden. Ethnograph. Reichs-
Masinde 146
Naturerscheinungen
. 156
museum . . 93. 98. 103
Massabe-Tschibona . 92. 103. 107
Ndök.
. 98
Leipzig, Mu.seum für Völker-
Massai . 100. 101. 110. 111. U\ . Nedarinia.
. 110
kunde .... 93. 149
142. 159
1 Nectarinüdae s. Nee
tarinia.
Massa River .... 104
Neu-Calabar s. Cala
bar.
Lemurklae s. Lemuren.
Massaua 144
, Ngararao .
. i:iö
Leopard ... 97 ff. 133. 141
Matebele . 94. 109. 110. 122. 144
Ngo (Leopard) .
. 97
Leporidae .... 102. 135
Matoppo-Gebirge . . .104
Ngo (Raupe)
. 131
Leptodaclyla .... 94
]\fbatyan 142
Ngulule .
. 97
Leptophis 113
Medizinmann s. Zauberer.
Niam-Niam
. 148
Leptoptüus . ■ ■ .111
Meerkatzen . . .93. 132
Niekam . 109. 11
2. 124. 136. 142
Liberia 93. 104. 108. 114. 120. 127. 146
Memphis . . . 150. 152. 154
Niger 94. 97. 98. 11
2. 114. 120. 126.
Libysche Wüste . . .106
Mendes .... 150. 152
i 1'
!8. 133. 138. 146
Lichanotus .... 94
: Menes 150
Nil 95. 96. 99. 10
6. 114. 123. 130.
Limpopo . . .94. 104. 125
', Menschenaffen . . . .92
144. 158
Loango (Loango-Küste) 96. 98. 103.
Menschenopfer 135. 139. 140. 141.
Nilpferd .
. 94
107. 108. 109. 126
145. 146. 149
Ningo
. 101
Loango-Expedition , deutsche 92. 108
Mistkäfer .... 129. 130
Ntonda
. 92
Lobe 139
Mkassa . . . .136. 141
Nuba.
. 99. 111
Löwe. . . .96. 97. 99. 133
M-kissi-nsi . ■ . . 107 i Nubien (Nubier)
. 130. 144. 1.58
Lovale 99
Mnante 143
1 Nuer .
. 106. 1
10. 124
- 171 -
Seite.
Seite.
^rlte.
Nyam a loba .
,
. 120
Pkyllostoma
. 95
Rüsseltiere
. 102
Nyassa . 96. 101
122.
188. 147
Phyaontomi
. 128
Rufidji
. 143
Nycticorax
• 111
Pillendreher
129 f
Nyeledit .
. 106
Pinselschwein .
. 108
Säugetiere.
. 92-109
Nyikplä .
.
. 141 j
Pitheci
. 92- 94
Saiteninstrumente .
. 159
l'lagiostomata .
. 128
Sambesi .
94. 90. 122
Obatala
. 149
Plotinae .
. . 111,
Sanga- (Sanka-) Rind
. 105
Odente
,
105. 145 1
Plumptiere
. 109
San Salvador .
102. 104. 108,
Oglia. . . 136
139.
142. 146
Polydämonismus
. 153. 154
120. 147
Ogowe
92. 132
Polytheismus .
. 153
Scarabaeidae .
. 129
Ohreninakis
,
. 94
Pope .
105.
114. 119. 127
Scepter
. 103
Omurangere
. 150
Potamochoerus .
. 108
Schaf 95. 101. 105. 122. 123. 139—
Ongnirira .
,
. 97
Priester (vgl. auch Zauberer) 116.
141. 143
Opfer vgl. Tieropfer
131.
135. 136.
117. 118. 150
Schaflecken
. 140
143
Priesteriunen (der iSchlange) 116—
Schakal .
. 101. 1.53
Opferhandlung . 149
. 150.
154. 156
118
Scharben .
. 111
Opfermahlzeiten
. 150
Proboscidea
. 102
Sohattenvögel .
. 111
Ophidia
113—124
Prosimii .
. 94
Schildkröten .
. 127
Oranje-Freistaat
.
. 125
Psammophis .
. 124
Schilhik 106. 109.
111. 124. 136.
Ordal s. Gottesurteil.
Ptah .
. 157
142. 148
Ororao
. 145
Ptolemäus
. 159
Schimpansen .
. 93
Orthoptera.
. 131
Punök
99
Schlangen 97. 101.
107. 113—124.
Oruzo
. 141 Puti .
. 108
131. 133. 134. 137.
139. 149. 154.
OtoUcnus .
. 94
Pythoniae .
113.
116. 122 123
156. 159
Ovaherero s. Herero
Pythonschlangen
s. Pythoniae.
Schlangenhalsvogel .
. 111
Ovambandjera .
. 143
Schlangeninsel .
. 110
Ovambo . . 135
. 137
140. 146
Quastenstachler
. 102
Schlangentempel
. 114—119
Ovemä
. 143
Querniäuler
. 128
Schlinger .
. 113
Ovirike
. 107
Schmalnasen .
. 92—93
Ovis ....
. 105
Bamahavaly .
. 124 Schnecke .
119. 131. 149
Ozomase .
. 143
Ratten
. 95. 118 Schoa
. 124
Ozongondjosa .
142. 143
Raubtiere .
. 95—101 Schopfantilope .
. 108
O/ula j'ondjuxtM
. 146
Raupe
. 132 Schuli
95. 104. 108
Oxula fongombe
115.
118. 119.
Regenbogen
. 119 Srhuppenkriechtiere
. 112
150
. 153. 157
Regenmaclier .
. 144 Sehuppentier .
. 134
Oxula j'onzi
. 140
Reh .
. 108 Schutzpockenimpfung . . 120
Oyula foshikombo .
•
. 137
Reiher
1 Religion .
. 111 Schwein . . 10c
91. 92. Schwertfische .
. 108. 119. 145
. 128
Paarzeher.
. 103
Religion , ägyptische
. 151—154 Scombridae
. 128
Palmwein .
.
. 141
1 Rhiptoglossa
. 113
Scopidae .
. 111
Panther .
97. 99. 133
Rieseneidechsen
. 127
Scopus s. Scopidae.
Panzerechsen .
124-127
Riesengalago .
. 94
Seelenkult
. 158
Pare-Gebirge .
. 122
Riesenschlange
. 123
Selachoidei
. 128
Paviane .
93. 132
Rind 100. 104.
105.
107. 118. 121.
Semiten
. 153
Pelargornithes .
111
124. 130. 133.
136.
139. 141-145.
Senegal
. 94. 147
Peliornithes
. 110
151
155. 156. 159
SenegallOwe s. Löwe.
Pepo .
. 123
j Rio Grande
. 94. 104
Seneganibien . 96
. 102. 126. 127.
Perlen
. 119
Roden tia .
. 108
132. 159
Perissodaclyla .
. 103
Römer
. 152
Sennar
. 101. 130
Perser . ,
. 152
Ronga
94. 95
Serrakolet.
. 94
Pferde
Wc
i. 135 136
[ Roviuua .
. 99. 143
Sherboro .
94
Phacochoerus .
. 108 Hiidolfsee .
. 135
Siani .
. 102
Phalacrocoracidae
.
. 111
Rüsselkäfer
. 130
Sierra de Cristal
. 132
- 172 -
Seite.
Sierra Leone .... 102
Sihanaka 136
Simia 93
Skarabäus. . 130. 131. 152. 154
Sklavenopfer s. Menschenopfei-.
Somali . 106. 136. 138. 140. 144
Songo 121
Sonrhay 138
Sotho-Neger s. Basuto.
Souman 120
Speiseverbote 92. 93. 102. 105. 107.
108. 109. 125. 129. 145. 149. 156
Seite.
129. 136. 138. 141. 145. 147
Tonflguren . . . 96—99
Totemisnuis .... 155
Transvaal 122
Tsad-See 124
TSCHAKA 143
Tschibonne s. Massabe-Tschibona.
Tschingenge .... 99
Tüpfelliyäne . . . .100
Tyet 142
Sperber .
Squamata .
Stach elflosser .
Stachelschweine
Steinidole.
Stelzen
Störche
Stossvögel.
Strauss
Streifenhyäne .
Strkjidae .
Stummelfüsser.
Sudan (Sudanesen)
Suidae
Solu 96. 101. 105
121. 12'
Sundi
Sykomore .
SylvicoUdae
. 151
. 112
. 128
. 101
94. 103
. 110
. 111
. 111
. 134
. 100
. 110
. 113
102. 136
.108 f.
. 109. 110. 113.
2. 138. 142. 144
. 120
135. 146
. 110
Tana-See 124
Tanganyika 97. 105. 137. 138. 147
Tanz. 93. 99. 106. 125. 129. 146
Tauben . . . . 110. 149
Tempel 101
Tengelin .
Termiten .
Tete . . .96. 126.
Therianthropie .
Thon- (Thun-)fisch
Tierbilder .
Tierflguren 94. 98. 99.
109. 117. 120. 122.
Tieropfer ....
Tierorakel
Tierschädelfetische 92. 96,
Uganda ....
Uhelie s. Wahehe.
Ukerewe s. Wakerewe.
U'mshologii
Uniamwesi s. Wanyamwesi.
Uiiika s. Wanika.
ünjoro
Unpaarzeher
ünyanyembe .
Uqonqotwane .
ürua .
ürundi s. Warundi.
Usambai'a . . .95.
Usindja
Ussue
Vampire .
Verbreitungsgebiete
bez. ihrer Kulte
Veapertilio.
Viktoria Nyansa
Viperschlange .
Voduda
Vögel
Völkerbewegungen
Volta. 93. 103. lO:
Tiger
Tigerwolf .
Togo . . 93. 96. 97.
08.
140.
142
131
Votivbäame
140.
147
157
VuUurinae
128
Wadai
99.
104
Wadschagga 1
104.
107.
Waganda .
126.
127
Waganga .
134.
150
Wahehe .
148.
157
Wahrsagerinnen
99.
107.
Wak .
108.
109
Wakamba.
97. 98
Wakerewe
100
Wakuafl .
119.
127.
Waldgeister
111.
148
121
. 148
. 103
. 123
. 130
. 147
22. 146
. 123
. 101
Seite.
Waldsänger . . . .110
Waltiere 109
Wamalla .... 136. 142
Wamara 141
Wamhugwe . 96. 103. 138. 143
Wanika 100. 110. 137. 140. 143. 146
Wanjoro 110
Wanyamwesi 123. 137. 141. 143
144 148
Wanyaturu .... 140
Wapare . 122. 137. 138. 143. 146
Waratigi .... 138. 143
Warundi . . . 105. 141. 148
Warzenschweine . . . 108
Waschambaa . 95. 122. 137. 140.
142. 143
Wasimu .
Wasserschlange
Wassukuma
Wataita .
Wayao
Webervogel
Weichtiere
137,
. 142
122. 129
143. 148
. 111
96. 99. 100
. 134
. 131
Weida 97. 114. 116. 119. 120. 128.
1.31. 139. 141. 144. 145. 146
Widder . . . .160. 152
96
der Tiere
132 fr.
. 95
93. 123. 148
. 123
. 120
156
Wildkatze.
Woad Medineh.
Wölfe
Wurfkeule
Wurm
Wurmzüngler .
113.
95
139
101
135
119
113
109—111
95
120.
99.
132. 159
127. 139
107. 108.
109. 122}
. 111
. 103
29.137.140.143
138. 141. 144
. 147
. 107
95. 100
139. 142
. HO
. 123
101. 141. 142
. 94
Xavi 115
Xiphüdae 128
Xiphiiformes s. Xvphüdae.
Xosa s. Kosa.
Yakoba 146
Yams 93
Yangombe 139
Yaunde .... 148. 149
Yoruba .... 140. 149
Yukanye 123
Zauberer 93. 96. 99. 100. 101. 103.
108. 123. 138. 140. 148 144. 147. 148
Zebra 103
Ziege 93. 101. 104. 107. 121. 122.
133. 136—89. 140. 150
Zoolatrie 157
AUTOREN-KEGISTKR.
Seite.
ACHELIS . . . 154 155 156
Andekson. . 107. 143
Andres, Karl, 96.99.100.115.126
Andbee, Richard, 101. 106. 107.
121. 145. 146. 155
Ankekmann
Abbousset
ASTLEY
AüTENBIETH
129.
Bakee
Barth . . . .
Baethkl . . . .
Bastian 98. 94. 96. 98.
108—110. 112.117—121
129. i:^l. 135—141. 145
Baumann 96 100.
138-
Baümgarten .
Baumstark
Behr, V.,
Bekenger-Feraud .
Berghaus 97. 102.
103.
-143.
Bleek
Bohnee
Bosman
Bowdick
104.
120, 127. 135.
. 121.
146.
115.
139.
108.
135. 141,
95. 114.
135,
100. 107.
Brehm 92. 94. 96. 97. 99.
124. 132-
Brugsch . . . .
Brüns 97. 104. 105. 107-
114. 118. 120. 124. 135-
140. 141. 144-
130.
135
132
100—
124-
-149.
1 55.
105.
146.
138.
112.
139
122.
147.
117-
145.
111.
138.
104,
-134
151.
-109.
-137.
-146
159
102
128
149
143
1-16
159
105.
127.
151.
156
136
148
141
143
143
1-18
114,
142
1.38
1-50
119.
146
127
141
122
151
153
112.
139.
149
Seite. [ Seite.
Bryce . . 96. 108. 122. 125 ' Falkenstein . . 107.108.129
Büchholz. . . . 127. 146! Fischer . . . 100. 110. 111
Böttikofee 93. 104. 108. 114, Fürbes .... 114.141
127. 145. 147 i Friedrich . . . .132
Büttner .... 114—116 Fritsch 93. 96. 107. 109. 111. 121.
Bunsen .... 152.1581 122.125.129—131.150
Burckhardt .... 130! Feübenius, H., . 99—101. HO
Bubkhabdt-Geundemann 103. 114. j Feobenius, L., 109. 113. 119. 124.
131. 136. 139—141. 146 149. 150' 131. j32. 145. 148. 149. 154— 1-56. 1-58
Cameron 97—99. 123. 1 38. 1 47. 1 50
Casalis . 121. 125. 143. 146
Casati . . . 124. 148. 149
Chantepie de LA Saussaye 102 151
Chavanne . . 107—109. 126
CoNRAU .... 111
Crowther . , 112. 120. 128
Cruickshank 108. 120. 136. 139.
140. 142 145. 146. 149
Cuhn 104. 135
Gerland .
(iöTZEN, V.
Oreve
GÜEICH
GOssfeldt
. 91
. 137. 143
96. 97. 100. 133
. 143
92. 105. 108. 145
Haacke und Kuhneri' . 1-32.
Haakhoff . .121. 125.
Hagen
Hahn, Ed.,
133
144
. d.
riAHLGRÜN
Dalzel
Dapper
Decken ,
DlEHl,
Doelteb
Dorner
Durst
DUNCAN
Ebers
Ellis
Emin Pascha
Endemann
Engelhaedt
Erman
97.
137. 145. 149,
104.
14-J
114
151
1.50
. 92
107. 142. 143
134. 155.156.
106
. 115
. 151
. 135. 145
95. 99. 107
111. 125. 144
. 107
. 151
96. 106. 107.
136. 145.
Hahn , Jos. , 107. 125. 143. 1 59,
Happel . .134. 15-5. 156
Hartmann 94.95 97.98.111.
118. 119. 122. 124. 125. 130.
142-145.
Hartmann , v. ,
Hartland ....
Hegel
Hellwald 93.95.96.98—101.
108. 110—112. 114. 120. 122.
127. 139. 142. 145. 148-
Hei.molt
Henning
Herodot
Herold
Hertwig
. 115.
. 151.
105.140.141.146.147
133.
151
,160
1.58
114.
131.
147
158
126
158
106.
124.
-1.50
152
92
153
149
132
174 -
Seite.
Seite.
Seite.
Heuglin .
. 124
154—156. 158
Pesch . 95. 99. 106. 107. 112.
HiLDEBKANDT .
. 100. 111. 128
LlVINGSTONE
96. 122. 129. 130.
114. 124. 127. 131. 188. 139 143
Hirschfeld .
. . . 154|
187. 140. 147
146. 147
HÖHNEL, V.
. 129. 140. 143
LUBBOCK .
. 102. 128
Peschel 158
HOERNES .
. 92. 158
Lydekker.
. 132. 133
Petermann und Hasse.nstein 109.
HOESEMANN
. 149
124. 136. 142
HOLUB 94. 99.
103 108. 109. 110.
Mabno 100.
L06. HO. 124. 186
Peters .... 136. 160
125. 129
189 141. 142 145
Petherick .... 106
Hornberger .
. 114
Marshall.
. 132
Pfeiderer .... 153
Hotton .
. 127. 146
Maspero .
. 151—153]
PlETSClIMANN . . 151. 153
HUTTER .
. 141. 147
Massaja .
. . . 145 1
Platz 93, 98. 101. 109. 110. 122.
Mayer, v.
. 91
137. 138. 140. 141. 143. 144. 145.
Jephson und Stanley 96.99.101.
MeI.N'ERS .
. 114. 151
147. 148. 149
102. 110
Meister .
. 151
Pogge . 94. 98. IDI. 121. 126
JOHANSSEN
. 95. 122. 137
Mere.nskv.
122. 138. 144. 147
Post 138. 141
ISENBERG .
. 136. 146
Merke K .
. 159
Preiss 151
ISERT 101. 114.
115. 117—119. 131
Meyee, Eduard
. 151-153
Peeuss .... 138. 140
139. 146. 147
Meyer, Hans,
. 138
Pruneau de Pommegokge 112. 114
Junker .
. 148
M ISCHLICH
. 147. 149
Pruyssenaere. . . .180
JUNOD
. 92. 122. 147
M'Lennan.
MOCHI
. 120. 155
. 159
PrCtz . . . ' . 130. 145
Kaufmann 99.
123. 124. 136. 140.
MOLLIEN' .
. 94
Raffenel 127
142. 148
Monrad 94.
101. 109. 111. 127.
Ramseyer 120
Kayser .
. 151. 154
185. 140. 147
Ratzel 92. 98. 95. 99. 100. 105.
Keller 94. 95.
101. 109. IIB. 124,
Müller, Friedr
. 153. 154
107. 108. 109. 111. 113. 122 128.
138. 145. 149
Müller, Max,
. 151. 153. 154.
124. 125. 127—131. 138. 189. 141.
Kirchhoff
. 97. 132
156. 158
1.50. 157—159
Klein und Thome . 97. 130. 133
Müller, Robert
, 106. 183.136.159
Kebmann 145
KLE.MM 98. 101.
111. 117. 119. 127
Müller, W. J.,
94_96. 98 101.
Repin 115. 116
128. 131
104. 105. 108.
HO. 112. 120.135.
Reville . . 96. 113. 117. 120
Klose 93: -97.
105. 111. 136. 138.
136. 139. 1.50
V. Rhoden . . 107. 1.50
139. 145-147. 150
Mungo Park .
188. 142. 145. 147.
Richter, Jul., . . .148
KOELER .
112. 128. 139. 148
149. 150
Richter (Leuüiiint) 9-3. 107, 109.
KOLBE . 10-2
121. 130. 139. 141
MUNZINGBR
. 144
113. 123. 136. 139. 141. 150
KOLLMANN 123
137. 140. 143. 148
Rittnek, L. , . . . . 143
Kraft .
151. 153
Nachtigal 124
1.36. 138. 145. 147
Römer 103. 105. 120. 136. 1:^,9. 140.
Kranz 101. 110
121. 122. 143. 144
Neumann .
. 159
146 U7. 149
Keapf 101.
108. 124. 136. 137.
Niebuhr .
. 152
Rohlfs . . . .108. 149
139. 141. 142. 146
NOACK
. 152
ROSKOFF 158
Kropf 99. 110.
111. 122. 126. 130.
131. 139. 144. 150
NüREIS
Oldendorp
. 115
. 117. 118
Ruccius 143
RüTIMEYEE .... 94
Labarthe 97.
11-5. 116. 118. 136
Orelli
. 91. 151
Schaüenbueg . . . 145. 149
139. 146
Owen
. 109
ScHiNZ 92. 96. 135. 137. 140—144.
Labat 105. 110
.114. 115. 119. 129
146. 149 158
Lange
. 151
Palacky .
. 133
V. Schkopp .... 149
Langkavel
. 139. 146
Passarge .
127. 140. 142. 146
Schmaeda . . 132. 133. 149
Lenokmant
. 153
Paülit.schke .
94. 95. HO. 135.
SCHMELTZ. . . 93. 108. 126
Le.nz .
■ 92. 107. IDS. 126
136. 138. 140.
142. 148. 144. 145.
ScHNEiDEE 95. 96. 98, 100. 112.
Le Page Renouf . . 151—153
149. 150
104. 107. 114. 120. 122. 125 126
Lichtenstein .
103. 135. 141. 144
Pechuel-Lösche
. 133
128. 137, 140. 142. 147
Lindner .
. 151. 158
Perrot et Chipiez 151. 152. 155. 158
Schultze . . 134. 155. 156. 158
Lippert
125. 129. 151. 152.
Perty
. 107. 134. 154
ScHUBTZ 92. 98. 115. 129.134,148-
175 -
Seite,
150. 152. 153. 156. 168
SCIIWAHZ 110
SCHWKINFUBTH^ 94. 106. 110. 124. 135
Seidel 93. 98. 103. 110. 114. 120.
129. 138. 147
Sepp 151
SiBREE 94. 95. 99. 105. 109. 110.
113. 124. 126 139. 140. 145
Siebeck 92
Sievers-Hahn 96. 113. 121. 124.
132. 133. 145
SoYAUX 92. 103. 104, 107-109. 131
Speke US
Spencer . . • 120. 150. 1.58
Spiegelbekg . . 151
Spieth . . . 120. 129. 147
Spillmann .... 144
Spinoza 156
Stanley (vgl. Jephson und
Stanley) .... 148
Steindobff . . 151—154
Steiner . . • 138. 140. 147
Stern 151
Seite.
Stüll 159
Storch . . 95. 109. 122 123
V. Strauss lind Torney 151. 152
Stuhlmann . 100 136. 137. 142
Thomson
Thonner
TlKLE
Tobler
100
98
153'
158
Tyloe 94. 102. 103. 113. 121. 122.
127 15.5. 158
Uhlemann
d'Urville.
1.51—153
. 131
Vatke . . . 151. 153
ViNSON . 105. 112-114. 118 119.
127. 146
Vita Hassan 104.106.124.143.148
VOLKENS .... 138. 140
Wagneb, Hebmann . . 132
Waitz 94. 96—101. 103. 107—
111. 113. 115. 116.
124. 125. 127.
Wallace .
Wangemann .
Weule
Widenmann
Wiedemann
Wiese
Wilson 94. 103.
Winterbottom.
Wissmann 94. 99.
Wittum .
WUNDT
Wuttke 98. 99.
Seile.
118. 121. 122.
128. 130. 141.
145. 1.56
. 99. 132
96
102. 158. 159
. 134. 143
. 153
. 96. 100
114. 119. 127.
128. 142
. 181
101. 109—111
. 115
132 152. 160
113. 140. 146.
147. 155. 156
Zenker 149
Zöllek 97.112.114-116.118.
119. 127
ZüCCHELLl . . . .104
ZöNDEL 94.100. 119. 141. 146. 147
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Seite
92
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5
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„Tschibönne"
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»
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JJ
JJ
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JJ
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»
13
JJ
oben
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JJ
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JJ
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JJ
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JJ
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JJ
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„Zöndel"
JJ
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JJ
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JJ
„Siehe"
JJ
„Siehe"
»
107
n
17
JJ
JJ
JJ
„Tschibönne"
JJ
„Tschibönne"
n
109
n
13
JJ
JJ
JJ
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JJ
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119
jt
3
JJ
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JJ
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22
JJ
TT
JJ
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JJ
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ij
14
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unten
JJ
„Maschanibaa"
JJ
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145
»
13
JJ
oben
JJ
„Oromö"
JJ
„Oranio"
149
jj
3
»J
unten
JJ
„Paulitschke"
JJ
„Palittchke"
HET PAARD 11^ DE GORONTALOSCHE
LANDSCHAPPEN
DOOR
G. VV. W. C. Baioii VAN HOEVELL,
OuD-GouvERNEüR VAN Celebes en Onderhoorigheden.
(Met plaat XI).
Als bijvoegsel tot Deel VII vaii het „Internationales Archiv für Etlinogra-
phie" gaf wijlen Prof. P. J. Veth eene Monographie ovor „het Paard oncier de Volken van
het Maleische ras". — Die verhandeling is natuurlijk, zooals de schrijver /.elf aan het slot
erkent , nog voor aanvulling vatbaar. - Zoo komt daarin o. a. weinig voor over het paard
in Noord-Celebes of liever wordt er in 't geheel niet van gerept. — Tijdens mijn verblijf
te Gorontalo, tusschen de jaren 1885 — 1891, maakte ik eenige aanteekeningen omtrent dit
onderwerp, die nu hier eenigszins uitgewerkt eene plaats mögen vinden.
In de verschillende geschriften, toeti geheeten, omtrent den legendarischen oorsprong
en de geschiedenis der Gorontalosche stammen en geslachten, waarvan sommige opklimmen
tot de 14de eeuw, wordt van het paard, in het Gorontaleesch ivadala*) genaamd, nergens
gerept. —
Volgens de overlevering zuu het paard van uit Kajeli, Palos over Parigi in de Goron-
talo-landschappen zijn ingevoerd, doch is met zekerheid niet te zeggen wanneer zulks zou
hebben plaats gehad. .Somniigen stellen dat tijdstip op 300 ä 400 jaar geleden. Waar-
schijnlijk is het Gorontalosche paard das verwant aan het Makassaarsche ras.
Zeker is het dat nog langen tijd en nu zeker niet minder, na het tot stand komen eener
stoomvaartverbinding, paarden uit de Tominibocht van Parigi en Todjo te Gorontalo werden
ingevoerd. — Vroeger geschiedde dat transport met blottd's, groote prauwen of vlotten,
waarbij vele paarden in zee verdronken. — Zie hierover o. a. von Rosenberg, der Mal.
Archipel blz. 270.
Hoewel het ras zeer zeker in den loop der tijiien reeds eenigszins gedegenereerd is,
') De n;iam loadala is ongetwyfekl evenals de namen voor piiard op het eiland Rotti in gebruik, als
dara, rara. lala, ndalu, ndara duoi lettbivvisseling van djaran o{ djarang af te leiden. - In 't voorby-
gaan wil ik er hier even op wjjzen dat de woorden aikaramio, aikarano en nikaranjo. door niy in myne
verhandeling over de dialecten der Auibonsche landstaai voor paard opgegeven, inderdaad juist zun. — Prof.
Veth tv^üfelde eenigszins aan de jiiistlieid dezer niededeeling, dochliet schont hem ontgaan te zyn dat ik
op blz. 40 van genoenide verhandeling [Bydragen van het Koninklyk Instituut voor de Taal-. Land- en
Volkenkunde 4e volgreeks Dl. I (1877)] er in de noot op wees dat het zeer zeker te verwonderen is dat,
hoewel apen en paarden op de .Vmbonsche eilanden niet inheemsch zyn, men toch voor beide dier-
soorten oorspronkelyke namen in de land.staal aantreft. — Vergelyk overigens Prof. W. Joest. dii' in deel
VIII van het I. A. für Ethn. blz. 61 il8!)."i) müno niededeeling omtrent aikarano hevestigt.
I. A. f. E. XVII. 23
- 178 -
heeft het toch nog vele van de oude deugden behouden en onderscheidt het zieh door ziju
zekeien gang, zijn groot weerstandsvermogen tegen afmattenden arbeid, bitte, ontbering en
siecht voedsel. In ki-acht, sneiheid, grootte en fraaiheid Staat het echter bij andere rassen
van den Archipel achter. — De paarden zijn niet zeer gestrekt, eerder gedrongen, hebben
een kort hoofd, tamelijk lange ooren, een vrij breede borst en stevige, goed gevormde
beenen, ietwat opstaande manen en een weinig behaarden staart. Om in dit laatste gebrek
verbetering te brengen schei'en de inlanders den staart geheel kaal en laten slechts een
klein bosje haar aan de punt over. — Ook de manen worden steeds kort gehouden. —
De hoogte van volwassen paarden varieert van 3 voet 5 duim tot 3 voet 10 duim.
Slechts uiterst zelden wordt tegenwoordig een paard van 4 voet gevonden.
Men treft paarden aan van allerlei kleur, zoowel licht- als donkerbruine, vosseri,
valken, isabellen, rauisvalen en schimmeis. Alleen zwarte paarden komen zelden voor.
Onder paarden van allerlei kleur vindt men goede en siechte, en de inlander heeft ten
deze geen preferentie. Als een hoofd zijn paard wat donkerder van kleur wenscht, plaatst
hij het in een zeer duisteren stal, wat hierop van invloed schijnt te zijn.
Over 't algemeen besteedt de inlander weinig zorg aan zijne paarden, laat ze los
rondloopen en vangt ze op als hij ze noodig heeft. Verscheurende dieren zijn hier niet,
zoodat hij in dit opzicht niet bezorgd behoeft te zijn. In 't ongunstige jaargetijde stalt hij
ze onder zijne woning en slechts enkele hoofden houden er afzonderlijke verplaatsbare
stallen oi' gadogan op na. — Een inlander roskarat zijn paard nooit; wel laat hij het nu
en dan baden, en is het na een zwaren rit erg vermoeid dan zag ik het beest ook wel
eens afwrijven met een dot droog gras.
't Dier moet zijn voedsel zelf zoeken. Slechts de hoofden en meer gegoeden geven
hunne paarden ma'Isbladeren te eten, wat een uitstekend voedsel is, mits ze niet te jong
zijn, daar ze in dat geval buikloop veroorzaken. De paarden worden er vet van met een
glimmende robe. Woi'den jonge maisbladeren door paarden niet verdragen, door kai'bouwen
en sapi's echter worden ze zonder schadelijke gevolgen met graagte genuttigd.
Maisvruchten , die hier 't hoofdvoedsel der bevolking uitmaken, leveren mede een uit-
stekend paardevoedsel op. Ze worden niet gepeld, doch voor 't gebruik slechts ongeveer
een nur in water geweckt. De ma'Is is echter klein van klos en wordt in den regel te
jong geplukt, zoodat ze spoedig door worm wordt aangetast en niet lang bewaard kan
worden. — De Gorontalees kent wel 14 soorten mais, in de taal des lands binte geheeten.
De tijd van rijping verschilt van 70 — 120 dagen.
In tijden van groote droogte en schaarschte woi'den het paard ook wel baniboebladeren
voorgezet.
Nooit snijdt een Gorontalees opzettelijk gras om dit zijn paard te eten te geven. —
Het weidegras is van inferieure kwaliteit en groeit op een bodem van graniet, waarvan
nog slechts eene zeer dünne laag tot verweering is overgegaan. Het gras, dat op de
sawah's groeit, nadat.de rijst geoogst is, is van betere hoedanigheid en wordt door de
paarden gezocht. - Twee in 't gras voorkomende planten (die ik helaas niet nader deter-
mineeren kan) doch bij den Gorontalees bekend zijn onder de namen tobile en pockhoe ver-
oorzaken, als ze door paarden gegete.n worden, hevige buikziekte, waarbij de dood dikwijls
spoedig intreedt. Ook een soort Imperata, hoehoelongo geheeten, heeft dezelfde ziekte ten
gevolge, doch zelden met doodelijken afloop.
De meest voorkomende ziekten onder de paarden zijn behalve de genoemde buikloop,
- 17'.) -
in 't Gorontaleoscli tidoepo genaanid, wchuift en woiideii. Droes komt zelden voor. Als
voorbelioedniiddel maakt de inlander dikwijis kleine incisies boven de neusgaten. — Bij
buikziekten worden de zieke paarden met klapperolie ingewreven, geeft man ze arak, dan
wei water van zeei- jonge klappers te drinken of laat men ze in 't zweet draven. — Is
een paard kreupel goworden, dan wordt de lioef eerst goed schoon gemaakt en nagezien
oni eventueel «teentjes of iets dergelijk.s eruit te verwijderen. Dan zet de inlander hat
zieke deel van het been in een pap van gekookte spaansche peper, malüa, vermengd met
kalk. De pap wordt tot diiemaal toe ververscht, daarna afgenomen en liet zieke deel met
droge kalk ingewreven. Deze beliandciing heeft mee.stal spoedige genezing ten gevolge.
Wonden worden op de volgende wijze behandeld. Na goed schoongemaakt te zijn doet
men er een pap van fijn gestooten vruclitjes van bidara*) vermengd met kiapper- of kemiri-
die op. Als opdrogend middel wordt gebrand leder gebi'uikt; terwijl men spinrag bezigt
cm bloeding te stelpen.
Om een paard vet en stei-k te maken begint een inlander met iiet schoonmaken der
kiezen, zoodat het voedsel belioorlijk kan worden vermalen. Blijkt dit niet voldoende dan
laat hij eenige malen per dag den buik van 't paard, dat tot aan de borst in de rivier
wordt gezet, met een rond stuk hout door twee personen flink wrijven, waarschijnlijk om
de peristal tische heweging der darmen op te wekken en alzoo de spijsverteering te bevor-
deren. Eene ruiniere voeding gaat met deze wrijfmethode gepaard, en die 't betalen kunnen
geven dan ook wel pap van mai's, gemengd met vruchten van pisang-batoe te eten.
De hoeven der paanien worden siecht vei'zorgd en nooit gesneden. .Slechts zeei- enkele
hioofilen laten ze soms met een beitel afsteken. Toch worden slechts weinig paarden met
gespletan hoeven aangetrofFen.
De prijs der paarden wisselt tusschen 80 ä 120 gülden. — Voor 25 ä 40 gülden kan
men echter ook al een minder mooi paard koopen.
Koopt een inlander een paard , dan let hij behalve op de goede en kwade teekenen ,
waarover hieronder woi-dt gehandeld, er op of de hals en de boi'st breed zijn, het voorhoofd
plat is, de beenen dun en goed gevormd zijn. Gave en donkergekleurde hoeven, kleine recht-
opstaande ooren, groote heldere oogen zijn vorder kenteekenen van een mooi paard. Ook
moet het haar fijn, glänzend en kort zijn, want men zegt dat paarden met lange hären
lui zijn. Het meeste echter let hij op de gunstige en ongunstige teekenen en niet licht
zal hij er toe overgaan een paai'd te koopen als die teekenen ongunstig zijn, ook al zij
het nog ZOO mooi. Hij let daarbij voornamelijk op de haarkringen of haarkronkels hier
lilingo geheeten. Tot de siechte lilingo behooren een kruin in de hären op het voorhoofd
als deze niet vlak tusschen, of te hoog boven de oogen valt, dan wel een kruin ter zijda
van de borst. Een kruin op het midden van de borst, vlak boven en tusschen de oogen,
dan wel op de achterheupen zijn zeer goede teekenen en bewijzen dat het paard sterk en
niet lui is. Ook een zwarte sti-eep over den rüg is bij muisvalen on valken een gunstig
teeken en zoo'n dier zal den eigenaar geluk aanbrengen.
Om den leeftijd van een paard te bepalen heeft de Goiontalees geen ander middel dan
wat overal eiders in gebruik is, namelijk het onderzoek van landen en kiezen. Is het
gebit voltallig en gaaf, dan zegt hij dat het dier vijf jaren of iets daarboven is. Ontbreken
nog een of meer kiezen, en heeft het dier nog niet van snijtanden gewisseld, dan is liet
•) Zizyphus Jujuha I;AM. | Filet, PUmtk. Woordenboek N». 1157 & 9111.
- 180 -
jonger en kan hij den leeftijd nog nauwkeuiig bepaleii. Is het paard ouder daii vijf jareii
dan weet hij den ouderdom niet zoo juist op te geven, daar hij dan slechts te rade kan
gaan met den toeytand der snijtanden ; hoe meer deze zijn afgesleten, hoe ouder het dier is.
Vroeger werd het paard in de Gorontalo-landschappen alleen als rij- en lastdier gebruikt.
In de laatste jaren echter zijn ook bendie's in gebruik gekomen , zoodat iiet nu ook als
trekdier dienst doet.
Een Gorontaleesch paard kan onder den man, of niet te zwaar belast, op den vlakken
weg met gemak 25 ä 30 palen per dag afleggen.
Treiis en ttugel, wangodoe, luv. N». 776/22.
Voor hoofdstel, trens en teugel gebruikt de inlander meest eenvoudig een stuk ineen-
gedraaid rotantouw, wangodoe genoemd. Beschouwt men de ti'ens als kooi'de, dan kan
men den teugel en het hoofdstel als twee uitgerekte bogen beschouwen , waarvan de
längste als toom dient, terwijl de andere achter de ooren van het paai'd geschoven wordt.
Het aan de trens bevestigde lange rotantouw houdt de laiiter in de hand, opdat het paard ,
als hij er soms mocht afvallen , niet door kan gaan.
Vroeger wai-en ook veel koperen rfoen'-stangen en trensen in gebruik, doch aan deze
marteling zal in de laatste jaren wel een einde gekomen zijn, door de sedert daartegen
uitgevaardigde verbodsbepalingen.
Het eenvoudigste Gororrtalosche rijzadel, wapidoe limboe-limboe (Fig. 1 van boven, Fig. 2
van onder gezien. Inv. N°. 776/18) bestaat uit niets anders dan een stijf met boomschors
saamgebonden , van droge pisang- of sitor-bladeren vervaardigd küssen. 'tZijn vier naast
elkander liggende rollen ter niiddellijn van 4; 8 centimeter. In 't midden wordt dit zadel
uit den aard der zaak bij belasting plat gedrukt. Meestal wordt het met grof zaklinnen of
een ongelooide geitenhuid overlrokken. *) — Meer afgewerkt worden deze zadels ook wel
met ongebleekt katoen overtrokken en ook wel met kapok opgestopt. Zij zijn in de lengte
gespleten en ieder deel afzonderlijk gepolsterd. De hierbij gevoegde afbeeldingen, alle
afkomstig van voorwerpen in 's Rijks ethnographisch Museum te Leiden, door mij aan die
instelling geschonken, zullen eene duidelijke voorstelling geven van de zadels zoowel als
van het dekkleedje.
•) Fig. 3 & 4 geeft den onder- en bovenkant van een van de Wereldtentoonstelling te Paiijs. 1878,
afkomstig exemplaar te zien (Inv. N». 300/1736). — In Bd. XIV van de Piibl. aus dem Kgl. Ethnogr.
Museum zu Dresden (Celebes I: Sammlung P. & F. Saeasin) worden deze zadels op bldz. 89 wel beschreven,
doch niet afgebeeld. De körte zadels zjjn lang 43 centim. . breed vöör 23-, achter 33 centimeter.
- 181 -
De zadels zijii voor een i»f' twee personen ingericht, in 't liuitste geval wat langer van
vorm, ze worden dan wapidoe /laja-haja (Fig. 5 & 6) genoemd.
Onder de zadels wordt een met kapok opgevuld kussentje, doeloe, gelegd eri over alles
heen een dekkleedje, depoehoeii-lo wapidoe (Fig. 7, Inv. N°. 776/20), van verschillende
stukken gekleurd katoen vervaardigd, zog bont mogeüjk, .somy nog van stikwerk voorzien.
Als buiksingei dient eenvoudig een stuk rotan en 't zadel iigt zeer los op 't paard. — Van
stijgbeugels wordt geen gebi'uik geinaakt, en de beenen van den ruiter zijn als die eener
ledepop in voortdurende sneile beweging tagen de flanken van 't paard, waardoor zij 'tbeest
aanzetten. Men kan zieh bi.jna geen bespotte! ijker vertooning denken dan zoo'n hollenden
Gorontalees op zijn paard, welks gladgeschoren staart, met siechts een klein bosje haar
aan de punt, gedurende den rit bijna recht in de lucht steekt. — De vrouwen houden
eveneens veel van paardrijden, doch altijd in gezelschap van een man, d. w. z. achter dezen
op hetzelfde paard gezeten. — De adat wil dat geen man met zijne eigene vrouw te paard
zit, maar voor zoo'n ritje steeds eene andere gezellinne moet kiezen.') — Vooral bij
maneschijn is rijden en rossen hun lust en hun leven. Twee siechte gewoonten zijn ten
nadeele van het paardenras, vooi'eerst dat zij de beesten steeds laten teilen, waardoor deze
zwak op de voorhand worden en ten tweede dat zij de veiilens te jong berijden, waardoor
vele paarden een zoogenaamden zadelrug krijgen. — Terwijl ruinen niet bekend zijn,
worden alleen hengsten, nooit merries bereden. — Tot voor ongeveer 50 jaren hield men
bij groote feesten ten hove wediennen, waaraan alleen de kleine man een werkzaam aan-
deel nam, doch waai'bij radjas en i'ijksgrooten soms aanzienlijke sommen op het spei zetten.
Van pakzadels wordt geen gebruik gemaakt en de lasten verbunden door een rotan-
touw eenvoudig over den rüg van 't paard gehangen , zoodat de pakken onophoudelijk
tegen de flanken van 't dier schüren. Zijn vele rijpaarden tengevolge van de primitieve
wijze van opzadelen gedrukt, de di'aagpaarden hebben nog meer te lijden en bijna allen
hebben bloederige wonden of ontvellingen op rüg of flanken.
Voor veredeling of cioiseering van het ras wordt niets gedaan. — Ook onder het
vroegere vorstenbestuur hielden noch de vorst, olongia^ noch de rijksgrooten , djoegoegoe en
marsaoleh zieh ooit ernstig met de paardenfokkerij bezig. — Dit belette echter niet, dat
zij dikwijls zeer goede paarden hadden, welke zij den kleinen man, die taillable et corve-
able ä merci was, wel afhandig wisten te maken. — Om deze vexatie der hoofden te
ontgaan sneed de mindere man, als hij eens een bizonder sterk paard in eigendom had,
het eenvoudig de ooren af, of verminkte het op zoodanige wijze dat het, zonder iets van
zijne goede hoedanigheden te verliezen , de hebzucht der hoofden niet meer opwekte.
Bij sterfgevallen onder de aanzienlijken liet men oudtijds bij de doodenfeesten paarden
vechten , en werden de vechthengsten van den overledene, zoolang die feesten duurden,
des morgens en des avonds in het wit gedöst en met koi'alen versierselen behangen naar
diens graf geleid. — Hoewel dit gebruik van paarden te laten vechten thans niet meer
gevolgd wordt, ziet men toch nog bij begrafenissen van voorname hoofden, dat het rijdier
van den overledene met een wit kleed bedekt den lijkstoet naar iiet graf volgt.
Hoewel de Gorontalees Mohammedaan is, en de rechtzinnige geloovigen, zooals Prof. Veth
in zijn opstel reeds opmerkte, het eten van paardevleesch ontraden, zieh grondende op
en Fig
■) Een met zakliiinen overtrokken zadel voor twee personen, wapidoe haja-haja, is in Fig. 5 (bovenkant
^ig. 6 (onderkant) afgeheeld. Inv N". 776,19. Lengte 71 centini.. breedte vöör 29-. achter 40 centimeter.
- 182 -
Koran plaatsen als sura VI: 143 en sura XL: 79, is hij van dat voedsel geenszins afkeerig. —
Ik veronderstel dat hij deze gewoonte van de vrij talrijke Boegineesche kolonisten heeft
overgenonien , vpant op Zuid-Celebes is 't eten van paardevleesch zeer algemeen. — Even
als daar, woi-den gestolen paarden hier zeer dikw^ijls geslacht en gegeten om ze zoodoende
als corpora-delieti te doen verdvi^ijnen.
Leiden, Mei 1904.
SAMOANI8CHE MÄRCHEN
VON
Dr. jiu. 0. SI ERICH,
AUF .Sa VAU, Samoa-Inseln ')•
"XXIIL
0 le usu -) e toakia o Mü ma Vea. Ua nuaofo le
nu'u. Ua fai atu Mü, e 5 ane fai lo la taua. Ua ö
i fafo, ua tau. Ua velosia^) Mu, ua tau lo la taua,
ua tulla*) Vea. Ua toe oso mai Vea, ua velosiaMü.
Ua oti Mii, ua alu atu Vea.
-Ola Mü, 01a Mü, 01a Mü".
Ua ola ia Mü.
Ua nonofo i 1h nuni, ua faapea atu Vea: oleä o e
si'i *) le tau i se nu'u.
Ua o atu, 5 fai le saofaHga'^) a le nu'u. Ua 5 i le
tasi fale, ua nonofo ai, ua moe Vea, a'e aia Mü
va'ai atu Mü, ua sau le fiia') tau.
Ua 0 mai, ua si'o') le fale, ua fafagii Mu ia Vea.
„Vea' 6, ala ia!" Ua si'omia^) täUa '").
') Fortsetzung und Schluss von Bd. XVI pg. 110.
-) brotliers, Pkatt, 0. c. s. V. li) ^) velo.v. 1) to dar
••) tuli, V. to drive, to chase, pass. tulia. *) .si'i, v.
circle of Chiefs seated. ') fua, s. a fleet of c;anoes.
to Surround. '") taua. we two.
W u n d e !• b a r e s K r i e g s a b e n t e u e r.
Da waren einmal zwei Brüder, die Mu und Vea
hiessen. Als die einmal bei einander sassen sagte
Mü: Komm' wir wollen mal mit einander kämpfen!"
So gingen sie hinaus und kämpften mit einander.
Mu wurde dann von einem Speer getroffen, Vea
wurde aber zurückgetrieben. Da sprang Vea wieder
heran and ein zweiter Speerwurf traf den Mu.
Da starb Mu und Vea kam heran um den Bruder
zu besehen.
„Lebe auf Mu", rief er aus, „Lebe auf Mu!", „Lebe
auf Mu!"
Da wurde Mu wieder lebendig.
Und sie sassen wieder friedlich beisammen in
ihrem Dorf, als eines Tages Vea ausrief: „Was
„sitzen wir hier, komm lass uns mit einer andern
„Dorfschaft kämpfen!"
Da machten sie sicli auf den Weg und gelangten
in eine Dorfschaft, wo sie die Häuptlinge zu einer
Berathung im Kreise versammelt fanden. Sie begaben
sich in ein anderes Haus, wo sie sich niedersetzten
und Vea sich schlafen legte, während Mu Wache
hielt. Da sah Mu dass einige Leute kampfgerüstet
herankamen.
Als dieselben näher kamen und das Haus um-
zingelten weckte Mu seinen Bruder Vea auf. „Wach'
„auf Vea!" rief er, „wir sind umzingelt!"
t, to oast a dart or spear. 2) to push otf a canoe etc.
to carry war into a district etc. '■) fiaofa'iga, s; a
") si'o, V. to Surround. ') si'omia, pass. n. M'o
- 183
Ua fai ;itu Vea: tu i fafo e tau ina le lui'u. Ua
OSO atu Mü, ua fai le taua mn le lui'u. üa tantau')
tulia Mü. Ua velosia Mn. Ua 'alaga-).
Vea'etü, vea'etu! Ua lali mal Vea:
Tauatu Mü. tauatu Mu! Ua velosia Mü oti. Ua
OSO atu Vea, ua täpale^) i le nn'u. Ua fa'auma
tagata i le nu'u.
A üa foi mai Vea ia Mu, ua vala'au: 01a Mü.
Ola Mn. Ua uiiia le uu'u ua leai se tasi e ola.
Mitgetlieilt von Losa. Vailu'utai
d. 10. Februar 1891.
Erklärt von Taitua, Taiunuafa.
26. Februar. 1891.
Üa sagte Vea „Stelle dich draussen hin und kämpfe
„mit den Kerlen!" Da sprang Mu auf und nahm
den Kauipf mit den Männern auf. Seine Kraft er-
lahmte aber bald und er wurde von einem Speer
getroffen. Da rief er aus:
„Vea. komm' heraus, Vea komm' heraus!" Vea
aber antwortete:
„Mu, mach' den Kampf aus, Mu, mach den Kampr
aus!" Da wurde Mu zu Tode gespeert. Nun sprang
aber Vea hinaus und hieb nach allen Seiten um
sich in die Krieger bis er alle Mann erschlagen hatte.
Dann begab sich Vea zu seinem Bruder zurück
und rief: „Lebe auf Mu!", „Lebe auf Mu!", worauf
derselbe wieder auflebte.
Übersetzt Vailu'utai 18. März 1891.
XXIV.
A o Soe la lenei nia Soe. Ua nofonofo lava. ua
fai atu Soe fafine: oleä alu fagota. Ua maua le
fe'e*) tele, ua alu a'e le faiva. Ua fai atu lana tane:
se'i au mai ni talo e iga'i le fe'e.
Ua alu. Ua nofo le fafine nia tao le fe'e. Üa ave
age, ua ai uma.
L^a alu ifo Soe. Ua leai se fe'e.
Ua ita. Ua alu i loga ilamutu^) o le manuali'i.
Ua fai mai le manuali'i: Ua e san? flau sau e te
alu ane e te aiga le fafine.
„E te fa^amaom" «).
„loe". Ua alu Soe i lo la fale.
Ua Paalogo atu ua „o" mai le manualii. Ua tagi
le fafine.
0 lea tagi.
E Soe, e Soe
faalogo i le manu le e
pe e mai, pe e ese,
Strafe einer schlechten Hausfrau.
Dieses ist die Geschichte von Soe und seiner Frau,
die auch Soe hiess. Die lebten ruhig zusammen, als
eines Tages die Frau sagte: „Komm, wir wollen
fischen gehen!" Dann fingen sie einen grossen
Dintenfisch und brachten ihn nach Hause. Und der
Mann sagte: „Jetzt will ich etwas Taro holen, um
„es mit dem Dintenfisch zu essen!"
So ging er fort; die Frau aber blieb zu Hause um
den Dintenfisch zu braten. Als er fertig zugerichtet
war gab sie aber davon an ihre Freunde und sie
assen Alles auf.
Dann kam der Mann zurück und der Dintenfisch
war fort.
Da wurde er böse und ging zu seinem Verwandten,
dem Vogel Manualii {Porphijrio samoeftsis). Der fragte
ihn: „Nun, kommst du auch einmal?" „Ja", ant-
„wortete der Mann, „ich komme um Dich zu bitten,
„dass du meine Frau auffrisst!"
. „Ist das dein Ernst?" fragte der V^ogel.
„Ja," sagte der Mann und ging nach Hause.
Da hörte die Frau wie das Geschrei des Manualii-
Vogels näher kam und fing an zu weinen.
Sie sang:
Ach SoE, ach Soe
Hörst Du da§ Geschrei des Vogels?
Gilt es uns, oder gilt es einem andern?
') tautau, V. to hang, to hang up. '■') alaga, to shout out.
^) täpale, V. to strike on every side, to knock about.
■•) fe'e s. the cuttlefish iOctopus). ') coitsin. «) fa'atnaoni, v. to be in earnest. to speak the truth.
184 -
faitalia ona oa solang
ou alu 0 fai fe'e
talia'i loii fa.i oge.
0 lea tagi le tamaloa:
se le manu
le fafine lou'a mata'u
ua ia ai le avevalii
a'e le tu se ave ma au.
Ua sau le manuali'i, ua ai le fafine.
Mitgetlieilt von Losa. Vaikrutai.
d. 10. Februar 1891.
Erklärt von Willie Laurenson.
Taumuafa, 26. Feb. 1891.
Aber ich kann vielleicht noch fortlaufen.
Ich will dir schnell einen Dintenflsch bereiten,
Weil ich dir vorher niclits davon abgegeben habe.
Darauf antwortete der Mann:
Da ist dei' Vogel!
Die Frau bekommt es mit der Angst.
Weil sie alle acht Arme des Dintenflsches verspeist
Und kein(3n einzigen mir nachgelassen hat.
Da war der Vogel angekommen und frass dies
Weili auf.
Übersetzt Vailu'utai d. 19. März '91.
[Morgens früh, eben fertig mit der Übersetzung
als der Kampf zwischen den Dörfern Vailu'utai und
Fasitotai begann].
XXV.
Weshalb die F 1 e il e r in ä u s e , wenn
sie rasten wollen, sich bei den
Beinen aufhängen.
Le uo ma le pea ') ma le isumu.
Tautala le pea i le isumu: alii'e tali ane nialo ta
to'oto'o. Aumai ou apa'au, so'u fa'asao.
Ua ane apa-au o le pe'a i le isumu , ua sola ma
le isumu, Ua lele i luga, ua vala'au o le pe'a, au
mai ia o'n apa'au.
Ua musu le isumu, ua alu lava le isumu ma
apa'au.
0 le pe'a a ua nofo le pea i lalu ma le to'oto'o,
ua fai atu le pe'a:
loe, a ona tau lava ia ,,e", tautau i ou vae ma
„e" mimi i lou nlu ma ou mata.
Mitgetheilt von Tafao. Vailu'utai.
12. Febr. '91.
Mit Hülfe von Fa'alataina.
Erklärt von Taitua. Taumuafa.
26. Februar. 1891.
Da waren einmal zwei Freunde: Dei- tliegende
Fuchs und die Ratte.
Eines Tages sprach die Ratte zum fliegenden Fuchs:
Mein Herr, warten Sie hier ein bischen mit ihrem
Spazierstock und „Leihen Sie mir doch mal
„Ihre Flügel, ich möchte versuchen zu fliegen!"
Da gab der fliegende Fuchs seine Flügel an die Ratte.
Diese aber lief damit weg und flog in die Luft.
Da schrie der fliegende Fuelis: „Bringen Sie mir
„doch meine Flügel zurück!"
„Das fällt mir gar nicht ein!" rief die Ratte zurück,
indem sie auf den Flügeln des fliegenden Fuchses
dahinflog.
So setzte sich denn der fliegende Fuchs mit seinem
Spazierstock nieder und schrie aus:
„Jawohl, geh nur zu, und mögest Du Dich in Zu-
„kunft, (wenn du rasten willst) bei den Beinen
„aufhängen, so dass Dir Dein eigener Unrath auf
„den Kopf und in's G-esicht fällt."
[Deshalb hängen sich noch heute die fliegenden
Ratten, wenn sie rasten wollen, bei den Beinen auf.]
Übersetzt Vailu'utai d. 18. März. 1891.
«) Fliegender Fuchs (Pteropus Keraudrenü Q. & G. - PI. Samoensis Peale).
185
XXVI.
0 Tafitofau ma Ogafau la lenei.
Fanau lea o le teine, toe fanau lea o le leine o
Siga e te vS ma Siga a le u unu.
Ua nonofo teine ua mananao so la tuagane.
Ua alu le teine i uta i lo la niatua.
I so la tua gane, ua niana le tania.
Ua igoa ia Maluafiti, ua alu ifo le tama.
Ua alu ifo ma le sua i ona tua fafine.
Oga fai atu lea o teine, o lea ö e faasoa se avä.
Ua 5 teine, savali savali ua muta le nu'u.
Ua a'au i le sami, ua ta-u nu'u i le nu'u ulu.
Ulu-Sele-a-ata-mai ma Ulu-Sele-a-valea.
Ua 0 a'e teine, ua momoe i le fuefue.
Ua asi e Ulii-Sele-ata-mai, ua tau manu i luga
0 teine.
Ua momoe pe'a lava ua momoe pe'a lava.
Toe alu ifo Ulu-se-le-valea.
Ua mata pomä i le lä lelei o teine.
Ona fa'apute ') lea o teine.
Ona ala'e lea le teine.
Ua 5 a'e iuta i le fale. Oga nonofo a'i lea. A'e
fai le umu a Ulu-sele-ata-mai ma Ulu-sele valea.
Oga fue age lea o le umu Ua ai.
Ua savali a'e i le fale o le taupou -), olea tagi.
Sinä le Uunu.
Sinä Ete vä.
E te ala toa.
Ala tofä.
Lou tuagane ta lu sä.
E'i a'iai tapegä.
Malu-o-fitii 'i.
Malu-a-fitii tutai a ua ao.
Mit Tafitofau und dessen Gattin Ongafau be-
ginnt diese Geschiolite.
Ihnen wurden zwei Mädchen geboren; die hiessen
SiNAETEVä und SiNAALEUUNÜ.
Als nun die Schwestern eines Tages so bei ein-
ander Sassen empfanden sie den sehnsüchtigen
Wunsch einen Bruder zu besitzen.
So machten sich die Mädchen auf und gingen in
die Berge, wo ihre Eltern wohnten und sprachen
zu ihnen:
„Ach, lasst uns auch einen Bruder haben!"
Dann gingen die Mädchen wieder hinunter. Die
Eltern besorgten ihnen aber einen Bruder, den sie
Maluafiti nannten.
Der ging nun eines Tages zum Strande hinunter
um seinen Schwestern etwas zu essen zu bringen.
Die Schwestern sagten wir gehen und trachten
ein W«ib für Dich zu erlangen.
Sie gehen bis der Weg zu Ende war.
Sie schwimmen in der See ; sie kommen zu einer
kleinen Insel, Ulu genannt.
Da waren auf Ulu zwei junge Leute, Ulu Selea-
atamai und Ulu Seleavalea.
Die beiden Mädchen schliefen in den Pflanzen.
Ulu seleatamai geht spazieren, alle Vögel ver-
bergen die Mädchen.
Das Geräusch des Schlafes der Mädchen ver-
breitet sich.
Darauf kam der muntere Jüngling herunter.
Er zögerte weil die Mädchen so schön waren.
Er erschreckte die beiden Mädchen.
Sie erwachten.
Die Mädchen gingen landeinwärts zum Hause,
blieben dort und lebten mit dem Valea
Dann brachten sie das Essen, sobald es gesche-
hen war.
In das Haus gehend sangen dann die Mädchen:
Mein Name ist Sina le Uunu.
Meiner Schwester Name ist Sina Ete va.
Glaube nicht dass wir gemeines Volk sind.
Wir schlafen mit Euch so lange wir wollen.
Unsers Bruders Mangel ist die Ursache unsers
Hierseins.
Wäre es nicht unsers Bruders halben, wir würden
nicht hier sein.
Maluofitii.
Konnn heran mit Deinem Kanoe, es ist Tag.
I) faapute, to frighten.
I. A. f. E. XVII.
•) taupou, virgine.
') Maluofitii = igoa o le = brother.
•24
186
Malou ala le nui ua ala tui le tae ao.
Du kannst den Vorgang sehen, es ist zu schade,
ihn moigen früh zu sehen.
Mitgeteilt von Tualaiga (le avä o Ege)
le uso 0 Tu, (mit dem Pferdehieh in's Gesicht).
Vailuutai 12. Feb. 1891.
XXVII.
Strafe des Menschenfressers Liavaa.
Tafitofau ma Ogafau fanau o Liava'a; toe fanau
Ogafau ua ai Liava'a, toe fanau, ua ai Liava'a, ua
soosola Tafitofau ma Ogafau.
Soosola i le mauga. toe fanau fo'i lea, Tau-tasi-
agamu'a.
Ua fai atu lea o le tama: po oleä le lä mea e tu'u
mai i tai?
Ua fai atu le matua: o le sami.
Ua fai atu o le ta'ma: au mai ni sami ') ou te avea.
Oga fai atu lea oga matua: ta e ■•) te fefe ne'i ai
oe e lou uso.
Aumai pea, i'a o'u te alu.
Oga alu lea.
Ua alu atu, o fagota o Liava'a, ma fai atu lea i
loga uso 0 fea o iai lou tama? ,.0 lo'o atu efagota".
Oga tuli lea o le tama Iai titi ma le sami oga fai
mai lea o le tama.
Ou te fefe i l'ou tamä alu pea ia.
Ona alu lea o le tama ma le sami. Ua sau, na
uma ona fu'e o i'a. Ona alu lea i ona matua.
Ua fai atu le tama, „o mai i ua a'ai i'a". Ua o'o
i le tasi aso.
Ua toe alu le tama, e toe u toeutu sami.
Ua poloa'i jjiava'a a sau le ali'a fai atu i ai e alu
e tau ma au i'a.
Tafitofau und seine Gattin Onc^afau hatten einen
Sohn, den Liavaa, dann bekamen sie noch ein Kind.
Das wurde aber von Liavaa aufgefressen. Als sie
dann noch ein Kind bekommen hatten und dieses
auch von Liavaa verschlungen wurde, flüchteten
sich Tafitofau und Ongafau.
Sie flüchteten sich in die Berge, und hier wurde
ihnen noch ein Kind geboren, welches sie Tautasi-
anamua nannten.
Eines Tages nun fragte das Kind seine Eltern:
„Was ist das denn da für ein Ding, dort nach dem
„Strande zu?"
„Das ist das Meer!" antworteten sie.
„Ach gebt mir doch einige Kokosflaschen , ich
„möchte etwas davon heraufholen !" sagte der Junge.
„Mein liebes Kind ," riefen die Eltern , „wir haben
„Angst, dass Dein Bruder Dich auffressen wird!"
„Seid nur nicht bange; ich möchte so gerne gehen!" '
Und so ging er fort.
Als er unten angekonunen war Liavaa gerade
auf den Fischfang gefahren. Er fragte daher seine
beiden Brüder (welche Liavaa nachher wieder aus-
gespien hatte): „Wo ist denn Euer Vater?" „Der
„ist zum Fischen fort!" antworteten die Beiden.
Dann trug er seinen beiden Brüdern auf ihm
Seewasser zu holen. „Denn ich fürchte mich vor
Eurem Vater," fügte er hinzu.
„Ach, der tut Dir nichts", sagten dit? Beiden,
„geh nur zu !"
So ging er denn fort und füllte sich seine Kokos-
fliaschen mit Seewasser. Und als er in's Haus des
Liavaa zurückkam nahm er dessen Fische fort,
packte sie in einen Korb und ging zu seinen Eltern
zurück.
„Nun kommt und esst Fische!" rief er ihnen zu.
Nach einigen Tagen machte er sich denn wieder
auf den Weg und holte sich Seewasser, ^l
Nun gab aber Liavaa den Befehl, dem Herrn,
wenn er wieder käme, zu sagen, er möge mit .seinen
') sami ~ cocoanut bottles to carry seawater. -) my pet.
^) Seewasser gebrauclien die Polynesier vielfach zur Zubereitung ihrer Speisen.
- 187 -
Ua alu le tania, ua tau mai i'a, ua mate i'a. 0 na
ave lea e le tama o i'a. Ua ai ina le inatua.
Ua to-e alu ifo. Ua toe tau ma le pua'a, ua mate
le pua-a. 0 na faatiau lea o le pua'a. Ua ave gao.
Ua alu i ona inatua , ua ai ma latou.
Oiia sau lea o Liava'a, ua tina lo loto, ua si'i le
ta'ua i le tama.
Ua alu, ua fa ta na o ti le tama.
Faagogo a tagi:
Pe'e mo'i pe'e pepelo,
Tautasi, na lu ae,
Tu ia i Inga ia ta pale.
la uma Dna tu lea o le tama. Ua tapale ia uma.
Ona fa'asao lea o le toalua. Ua tutü le vae. 0 le
tasi ae tutu le laulaufaiva.
0 le tasi ua alu ifo i tai. Ua fesili atu ali'i.
Ua faapepea le taua, ua taii mai.
Ua oti uma lava le iln i tana o Liava'a.
Ona toe alu lea o le itu tana a Liava'a. Ua toe
tau le tana.
Faagogo a tagi:
beiden Fischen einen Kampf aufnehmen.
Als dann der junge Mensch wiederkam, kämpfte
er mit den beiden Fischen und sclilug sie tot.
Darauf nahm er dieselben mit sich und verspeiste
sie mit seinen beiden Eltern.
Als er dann wieder einmal hinunter ging hatte
er mit den Schweinen des J.,iavaa einen Kampf zu
bestehen. Und auch die Schweine tötete er. Dann
schnitt er ihnen die Bäuche auf, nahm das Fett
an sich, brachte es zu seinen Eltern und verspeiste
es mit ihnen.
Als da aber Liavaa luich Hause kam ärgerte er
sich ■^ehr ') und beschluss einen Kampf mit dem
jungen Menschen zu beginnen.
Und er suchte ihn mit vielen seiner Leute in den
Bergen auf Der junge Mensch aber legte sich nieder
und stellte sich tot.
Da erhob seine Mutter den folgenden Gesang:
„Ob Du nun wirklicli tot bist, oder dich nur so stellst,
„Tautasi'''), spring auf,
„Und hau sie mit der Keule nieder!"
Da sprang der junge Mensch auf und teilte nach
allen Seiten Keulenschläge aus. Nur seine beiden
Brüder verschonte er. Einem der Leute schlug er
einen Fuss ab, einem andern schnitt er die Zunge aus.
Der Mensch, dem der Fuss abgehauen war, ent-
floh nach dem Meeresufer. Den fragte einer von
Liavaa's Partei.
„Wie steht der Kampf?"
„Alle Leute von Liavaa's Partei sind erschlagen!"
war die Antwort.
Da liefen noch mehr Leute von Liavaa's Kriegs-
partei hinauf und begannen den Kampf von Neuem.
Da erhub die alte Frau wieder ihren Gesang:
Tautasi anamu'a e.
Tu la i luga,
Ia tapale lava ia.
Fa'a uma ona tä lea
0 le fiti i sasa'e
Ua tapale mai.
Tu'u mai ia Liava'a,
To'e täle fiti sisifo.
„Taütasianamda ,
„Spring auf,
„Hau mit der Keule um Dich
„Und erschlage sie Alle.
„Stiu'ze dich nach dem Osten
„Und erschlage sie auf dem Flügel,
„Lass nur allein den Liavaa am Leben,
„Dann hau sie auf der westlichen Seite nieder!"
Ua toe tapale mai, ua tu'u mai ia Liava'a, ua
to'e tä le fiti iuta.
Und da schlug Tautasi wiederum mit der Keule
drein. Nur den Liavaa liess er stehen. Dann stürmte
er wieder den Berg hinauf, immer mit der Keule
um sich hauend. Wieder liess er nur den Liavaa
stehen.
1) Liavaa ärgerte sich (weil nämlich der Bergjunge früher die Fische gestohlen hatte).
•) Tautasi-agamua = der Name des Knaben.
188
Ua toe tapale inai, na tu'u mai ia Liava'a. Ona
fai atu lea pe la oe a ola.
Ona fai atu lea o Liava'a: ia ou ola
Ona fasi oti lea Liava'a
Ua ta, ua motu le ulu mua.
Ua oti.
Mitgeteilt von Ene, Vailuutai 12. Feb. 1891.
Erklärt von Taitua in Taumuafä (Vaimoso)
den 26. Februar 1891.
(Meine aiga u. Luisa gegenwärtig).
Dann schrie er aber dem Liavaa 7a\, „Ich lasse
Dich auch nicht am Leben!"
Liavaa aber rief aus ; „Schenke mir das Leben !"
Tautasi aber erschlag den Liavaa.
Dann schnitt er ihm den Kopf ab ').
So endete Liavaa.
Übersetzt in Vailuutai, den 19. März 1891.
KINDERLIEDER.
1.
Sau mai umü.
Tatä pate.
o — — —
Matia ulu pü.
O — CJ ü u —
Sile Sile-)
O — ü —
Apela le faivae.
ü — O ü — CO —
(Lotte Volkmann).
Sasafla tuipala tuipala.
— Ü— O ÜO — O CO — o
Oi oi oi fia ai alaga fafaga.
CO O — O ü — u
(Lotte Volkmank).
Teine ma tama.
Omai Ina matamata.
I le iiia'oma'o ').
0 lea fai ana :
(Lotte Volkmann).
4.
Si teine meamea*).
Ma si tama meamea.
Ua la tau uma.
ü — o — o
Le tona seasea ^).
(Lotte Volkmann).
') Noch heute existiert bekanntlich der Kriegsbrauch dem getöteten oder gefangenen Gegner das
Haupt abzuschlagen und als Siegestrophäe aus dem Kampf zu bringen.
=) Sili, le faifeau Samoa tuea ma Apela.
3) Ma'oma'o, s. , the name of a bird. (Leptornis Samoensis).
*) „Ti tu", lang gezogene Nachahmung eines Vogelrufs.
') Meamea, a. , j'oung, of infants.
8) Seasea, s., 1) the name of a tree and its fruit (Eugenia sp.?). 2) a child's penis.
LE8 CHARRLIES
DES INDES NEERLANDAISES
PAE
HENRI CHEVALIER, Paris.
(Avec pl. XII & XIII).
Nous nous proposons d'etudier dans cette note les charrues employees aux Indes
Neeilandaises en y joignant quelques types des Philippines. La plupart des instrunients
que nous allons decrire fönt partie des riches collections du Musee d'Ethnographie de
Leide, et c'est grfice ä l'obligeance de son savant dliecteur que nous avons pu mener ä
bien cette etude. Monsieur le Dr. .1. D. E. Schmeltz nous a en effet coramunique des
photographies , des croquis et des notes sur les modeles du Musee dont nous sommes
heureux de le reniercier.
On remaiquera ([ue certains types n'ont aucune ressemblance avec les charrues d'Asie,
le mode d'attelage du Keraboti*), au moyen d'un collier h fourche emmanche sur deux
brancards, est tout ä fait particulier aux lies de la Sonde, nous ne l'avons rencontre
nulle part ailleurs, il en est de meme de la charrue d'Atjeh qui ne rappeile aucun
type connu.
Nous allons passer en revue d'abord les instruments de Java puis ceux de Sumatra
et de Celebes et enfin les charrues des Philippines, en employant indifferemment
le nom de charrue ou celui d'araire, quoique ce dernier soit le veritable terme pour designer
des charrues saus avant ti'ain ce ([ui est precisement le cas de toutes celles que nous
allons examinei'.
Java.
PI. XII, fig. 1. C'est au Musee d'ethnographie de Hambourg que nous avons
trouve la plus simple des charrues employees ä Java. Elle est composee de trois pieces
de bois assemblees deux a deux. Malgre cette grande simplicite la charrue est stable,
solide et facile h diriger, eile n'a ni fer, ni versoir, ni aucun moyen de reglage; le
timon est tres court et tres bas. Par ses proportions generales ce type se rapproche de
nos charrues vigneronnes.
On peut ajouter ä cette charrue un fer plat triangulaii-e attache d'une fagon quel-
conque sur la pointe du sep; mais nous pensons que le fer doit etre fixe ä la partie
superieure du biseau et non en dessous, comme c'e.st le cas pour le modele du Musee
•) Box BubaluK. Büffle.
- 190 -
de Leide, PI. XII, fig. 2 (Ser. 659 N°. 140). Le joug est une piece de bois traversee
par cinq fiches egalement en bois, ceile du milieu seit ä attacher la corde de tirage et les
quatre autres eniboitent deux ä deux le garrot des boeufs, des cordes passant sous le cou
des animaux retiennent le joug en place.
A l'Exposition universelle de Paris en 1900 il y avait un araire, PI. XII, flg. 3, pour
la culture du riz, assez fort, tout en bois, avec inclinaison variable de la fleche au moyen
de trous perces dans l'etangon d'avant. Le mancheron est fort peu incline vers rarriere et
legerement recourbe en avant, ce qui est tres rare et donne moins de force au laboureur,
ce mancheron est fixe ä la fois sur le sep et sur l'etangon d'arriere.
Les labours de rizieres ne pi'esentent pas de grandes resistances puisqu'on les fait
generalement pendant la periode d'irrigation , les socs en fer ne sont pas indispensables et
les Charmes en bois ne s'abiment pas ä l'eau comme les charrues en fer, il ne faut donc
pas trop se häter de critiquer ces modeles qui ont au moins le grand avantage d'etre fort
economiques.
Le joug, PI. Xn, flg. 4, se compose d'une forte piece de bois horizontale posee sur le
cou des animaux. Au milieu de cette piece un renflement muni d'une cheville servant ä
fixer la corde par la([uelle se fait le tirage, ä droite et ä gauche des clavettes glissant
dans les mortaises du joug, ces clavettes sont assez Jongues pour permettre ä de petites
traverses de les reunir en passant sous l'encolure; ces petites traverses sont maintenues en
place par des cordes. Ces jougs qui rappellent beaucoup ceux qui sont usites en Algerie
et en Tunisie ont le grand inconvenient de blesser les boeufs au garrot des que le
travail est un peu penible.
Nous retrouvons un joug ä peu pres pareil sur la fleche de la PI. XII, fig. 5 (Serie 370
N°. 3958), dans la Photographie ce joug est ä l'envers, la grosse traverse devant etre en
haut et les petites en bas, enfln remarque generale ces jougs ne sont pas toujours attaches
directement sur la fleche, mais relies avec eile par une corde de tirage comme on le voit
dans le petit modele PI. XIII, flg. 23. Cet araire forme de trois pieces de bois est muni
d'un petit fer triangulaire , le sep taille en pointe se releve et s'elargit vers la droite de
facon ä former versoir, la pointe du timon est gracieusement decoree.
Se rapprochant beaucoup de la precedente, cette charrue, PI. XII, fig. 6, (Ser. 300
N°. 882), presente un emmanchement de fer un peu different, quoique le fer manque il
devait etre plus long et muni d'un tenon fixe dans le sep. Le versoir est assez allonge.
Dans la figure PI. XII, fig. 7, (Ser. 16 N°. 37), le ver.soir est tres developpe, le fer est
simplement emmanche k emboitement. Le joug est analogue ä celui de la fig. 4, les petites
traverses inferieures sont seulement remplacees par de grosses cordes. II y a un peu de
jeu dans la mortaise du mancheron oü pas.se la fleche, l'inclinaison de celle-ci peut donc
varier legerement suivant la hauteur des animaux et permettre au laboureur de regier
l'entrure ä volonte. Ges trois charrues sont au Musee de Leide, tandis (|ue les trois
suivantes sont au Musee d'Amsterdam (Natura artis magistra).
La premiere PI. XII, fig. 8, est munie d'un etangon ä l'avant permettant de faire varier
IMnclinaison de la fleche tout en assurant sa fixite, le sep forme ä la fois soc et versoir et
est quelquefois muni d'une pointe de fer. Les deux autres different de la premiere en ce
qu'elles n'ont plus de versoir, le .soc releve rejette la terre egalement ä droite et a gauche,
la pointe du type N". 9 (PI. XII, fig. N°. 9), en fer de lance legerempnt bombe et celle du
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- 191 -
N°. 10 (PI. Xll, fig. N". 10), plate munie en dessous d'un etrier qui emboite rextieniite
du sep. Cette extremite a la forme d'un toit ä deux pentes tres releve vers l'arriere.
Sumatra.
On tiuuve ä Sumatra trois genres bien differents de charrues: le premier caracteris^
par l'araire Batak, PI. XII, flg. 11, le deuxieme qui ressemble aux charrues de Java,
enfin le troisieme tout ä fait particuliei- avec soii attelage ä collier et brancards et dont
le versoir rudimeutaire est ä gauche.
La charrue Batak, Fig. 11, (Serie 340 N°. 92), est composee de deux pieces de l:)ois
dont une en forme de pioche sert ä la fois de mancheron, de corps de charrue et de sep,
l'autre est la fleche , le fer tres etroit se prolonge en arriere par une longue soie qui traverse
le Corps de charrue et s'appuie sur le sep. La fleche et le mancheron ont chacun environ
un mi'tre de long. Cet instiument ties leger ne peut produii-e beaucoup de travail, il gratte
la terre sans la retourner, mais peut convenir dans les sols tres pierreux. II exige une
certaine adresse du laboureur par suite de son instabilite.
La charrue Toba, PI. XII, flg. 13, du Musee d 'Amsterdam differe surtout des
precedents par le fer qui au lieu d'etre pointu est plat et plus large en avant qu'en arriere.
La charrue de Benkoulen, PI. XII, flg. 12, (Ser. 820 N". 26), est tout aussi primitive
que la precedente, mais plus grossiere et plus lourde; ses proportions sont diffei-entes, le
mancheron n'a plus que 0.60, tandis que le timon atteint 1.67 de long. Le joug fort simple
est represente sur la flgure attacht' provisoirement a la fleche, il ne mesure que 0,46? et
ne peut convenir (ju'ä de tres petits animaux. Les deux charrues PI. XII, fig. 11 & 12
sont au Musee de Leide.
Avec l'araire, PI. XII, flg. 14, (Ser. 40 N°.41), des Lampong-districts, on retrouve
les formes des Instruments usites ä Java avec une plus grande inclinaison du mancheron
et fort peu de longueur du soc, dont la surface superieure de foi'me triangulaire est forte-
ment inclinee sur la droite poui' rejeter les terres. II n'y a pas de fer.
L'exageration de l'inclinaison du mancheron est encore plus sensible dans la charrue,
PI. XII, flg. 15, (Ser. 300 N°. 884), dont l'extremite doit trainer d terre en revanche, ie
timon en est tres releve. Cette chari'ue est employee dans les parties montagneuses du
district de Padang, le fer est tres aigu. Dans les charrues du troisiCwiie genre, la traction
est faite par un seul animal le Kerabou, le joug est le plus souvent muni d'une fourche
ou collier ouvert, et est relie aux deux brancards qui sont flxes sur l'äge ainsi qu'on le
voit dans une charrue de Benkoulen, PI. XII, flg. 16, (Ser. .57 N°. 18), le joug est une
simple traverse de bois et le fer une longue barre emmanchee dans la mortaise du sep,
ni mancheron, ni versoir, ni mode de reglage.
L'araire du centre (Manindjou), PI. XIII, flg. 17, (Ser. 268 N". 408), pour un tmireau
mieux etudie et plus soigne dans son execution possede un joug ä fourche, le mancheron
est termine ä sa partie superieure par une poignee representant un oiseau et ä sa partie
inferieure par un sep soutenant un fer tres long, fixe dans une mortaise par le veisoir
dont le talon forme coin, on peut mettre un versoir ä droite ou un versoir ä gauche,
fig. 17 et 17a. M. A. L. van Hasselt i) a etudie cette charrue dans le Sumatra central
') Cfr. A. L. VAN Hasselt: Ethnograpliische Atlas van Midden Sumatra (Leiden. 1881) pg. 38 et pl.
LXXXIX fig. 2.
- 192 -
oü eile porte le noni de Bacljag Djawi. Voici d'apres cet auteui- les noms des differenfces
pieces qui la coraposent, ainsi que les essences de bois employees:
a. Mancheron
—
pitounggomo
en
bois de
b. Brancard
=
tali rotigoueng
»
c.
=
tali badjag
»
d. Joug
=
pasangan
n
e. Äge
=
palang
»
f. Traverse
=
pdsag
s
g. Poignee
=
bouroucng-bourc
meng
!)
h. Versolr
=
singka
)!
i. Fei-
=
gigi ■
!)
soicrian [Cedrela serrtdata Miq., Filet:
Plantk. Woordenb. van Nederl. Indie
N°. 8072.]
Pahnier dit „anaii" [Arenga saccharifera
Lab. Filet, O.e. N". 320.]
Bambou ^batoueng".
sourian.
»
anau.
sourian piraioe [Cedrela sp."?].
sourian.
anau.
Cette chaiTue pour im Kerabon^ PI. XIII, ttg. 18, (Ser. 268 N". 409), analogue ä la
precedente porte le nom de Badjag kabo^), celle des Lampong-districts, PI. XIII,
fig. 19, (Ser. 370 N°. 50), est plus robuste et le joug s'emmanche d'une fagon differente
sur les brancards. Ceux ci ne sont pas fixes ä demeure sur l'äge, munis de deux traverses,
ils peuvent tourner sur l'äge comnie autour d'un axe , la charrue s'incline librement ä droite
ou h gauche sans fatiguer le cou de l'animal, fer long et etroit. Le versoir manque, mais
doit etre pareil ä celui des araires N". 17 et 18.
Bien plus legere est la charrue PI. XIII, fig. 20, (Ser. 870 N". 29), les brancards .sont
en bambou le joug est rolle aux brancards par des cordes; une sorte de gourmette
egalement en corde passe sous le cou de l'animal, et est attachee aux deux branches de
la fourche. Le mancheron au lieu d'etre du meme morceau de bois que le sep est emmanche
ä tenon sur l'äge et le fer est maintenu par un coin en bois; il n'y a pas de versoir.
Une charrue fort curieuse est celle d'Atjeh (Musee de Leide) PL XIII, fig. 27,
(Ser. 636 N°. 1). Le corps de charrue de forme presque tronconique est traverse ä sa partie
inferieure par un fer trüs long dont la pointe est elargie en feuille de laurier. La fleche
droite et longue de 2m 75 traverse la partie moyenne du corps de charrue, conti-e lequel
vient se fixer une perche verticale qui sert de mancheron ä l'instrument et traverse la
fleche pour la maintenir en place. La traction est operee par un seul animal dont l'encolure
s'appuie sur un arc de cercle en bois fixe d'un bout sur la fleche et retenu de l'autre
par une corde fixee au mancheron. La place de la tete de l'animal est determinee
sur l'arc par deux chevilles en bois, la traction ne se fait donc plus par le garrot
comme dans tous les modeles que nous avons examines ici, mais par la poitrine et les
epaules, il parait indispensable que l'animal soit muni d'une sorte de coUier pour eviter la
compression de la gorge. Cet Instrument tres primitif ne comporte aucun moyen de reglage,
il faut remarquer toutefois que la forme du corps de charrue a ete etudiee de fagon ä
') Cfr. A. L. VAN Hasselt: O.e. pg. 39 et pl. LXXXIX fig. 3. — Le modele est fait aussi a Manin-
djou. Les difFerentes pieces sont fabriquees dos meines especes de bois comme ceu.K de la charrue prece-
dente, seulement a est fait en bois „si tapou", b et e sont faites en homhou-hatoumg , f en bois sourian et
g en bois pirmve [Psidium Guajava L. cfr. Filet, 0. c. N". 1911].
- 198 -
soulever les terres et les rejeter sur le cöte. Cependant la position verticale du mancheron
est tres defavorable pouv regier Ig labour tant en profondeur qu'en direction.
Gas charrues sont au Musee de Leide.
Bai.1.
Dans l'ile de Bali on se sert d'une charrue de construction savante, PI. XIII, fig. 21,
(Ser. 370 N°. 857). Le corps coude ä angle droit se termine en un long sep sur lequel
s'appuie un fer long et etroit maintenu dans une mortaise par le talon du versoir. Un
timon de 1.10 de long s'emmanche dans le corps de charrue et est fixe par un coin en
bois, dont la partie la plus forte est en avant et s'appuie sur la base du mancheron en
forme de S. Afin d'empecher le timon de sortir de la mortaise, une cheville est placee en
arriere comme cela se fait generalement. Musee de Leide.
Celebes.
La charrue de Makassar (Sud de Celebes) PI. XIII, fig. 22, (Ser. 1009 N". 90), est
analogue ä la precedente mais plus simple de construction ; le mancheron n'est plus une
piece differente du corps de charrue (La Photographie represente le fer separe du sep et le coin
de serrage tombe): on voit tres distinctement la corde de tirage qui relie le timon au joug.
Le petit modele indigene, PI. XIII, fig. 23, (Ser. 37 N°. 273), represente une charrue
tiree par deux boeufs , on remarquera que malgre la tres grande longueur du timon les boeufs
tirent par l'intermediaire d'une corde flxee au joug, qui est attache sur les cornes.
Dans l'araire, PI. XIII, fig. 24, (Ser. 1008 N°. 75), au contraire le timon est exces-
sivement court et l'on comprend qu'une corde soit indispensable. Le versoir tres eleve au
dessus du fond de la raie, agit sur la terre comme une oreille, c'est ä dire en ecartanb
plutot qu'en retournant. Dans ces charrues de Celebes les versoirs sont ä droite, comme
c'est l'usage dans presque tous les pays.
Ces modeles sont au Musee de Leide.
Philippines.
La charrue des Philippines, PI. XIII, fig. 25, se trouve ainsi que la suivante au
Musee du Trocadero ä Paris. Elle se compose d'un sep en bois termine par un soc
en fer ayant la forme d'un coin aplati ä la partie superieure, le mancheron est tres inclinö
vers l'arriere et regoit un äge long et retrousse en avant qui forme la fleche, un etanqon
tres fort soutient l'äge et sert en memo temps de coütre. L'äge et l'etangon sont assembles
ensemble et la fixite assuree par un coin en bois.
Le modele, PI. XIII, fig. 26, est plus perfectionne, le sep assez long porte un soc en
fer de meme forme que le precedent, mais plus allonge et sur lequel vient buter un versoir
en fer fixe contre Tetangon au moyen de deux oreillettes qui fönt partie de sa face arriere.
En resume toutes ces charrues sont tres primitives, si elles sont en general legeres
et peu coüteuses, elles ne peuvent convenir qu'ä des labours peu profonds et fönt dans
bien des cas un grattage plutot qu'un veritable labour.
L A. f. E. XVII. 25
BEITRÄGE ZUR ETHNOGRAPHIE
VON NEÜJ-GUINEA
VON
Db.'J. D. E. SCHMELTZ, Leiden.
(Mit Tafel I— VI und 18 Abbildungen im Text).
X. DIE STÄMME IN DER NACHBARSCHAFT DES MERAUKE-FLUSSES.
Als Fortsetzung unserer Beiträge lassen wir heute die Beschieibung der ersten der drei,
von Herrn W. de Jong dem Museum geschenkten Sammlungen 2) aus Süd Neu-Guinea
folgen, während wir die beiden anderen in einem feineren Beitrage in Bd. XVIII zu schil-
dern gedenken. —
Die im Folgenden besprochenen Gegenstände wurden der Hauptsache nach durch den
Schenker während der Fahrten des, von ihm derzeit befehligten Regierungsdampfers van
Doorn, auf dem Merauke-Fluss oder in dessen nächster Nachbarschaft zusammengebracht 3);
ausserdem werden einige andere seitdem erworbene gleicher Provenienz durch uns hier
gleichzeitig mit behandelt. Letztere entstammen zumeist der Schenkung eines bewährten
Freundes des Museums, des Herrn Controleur M. C. Sghadee*), sowie einer anderen die
Herrn Ltnt. z/S. B. J. HeilbronS) zu danken ist. Einige andere, weiter unten ebenfalls
besprochene Gegenstände, so z. B. der interessante, verstärkte Bambusbogen, wurden
zufällig mit anderen, teils anderer Provenienz, auf Auktionen in Amsterdams) erworben.
Herr W. de Jong stellte uns ausserdem eine Anzahl Photographien, den Gebrauch etc.
einzelner Gegenstände erklärend, zur Verfügung, von welchen einzelne untenstehend repro-
duciert sind. Ausserdem erhöhte derselbe, gleich Herrn Heilbbon, den Wert seiner
Schenkung durch die Angabe einheimischer Namen und anderer Bemerkungen, die unten
an entsprechender Stelle wiedergegeben sind. Hier sei vorweg genommen dass Herr de Jong
die Richtigkeit der Benennung „Toro" für einen Volksstamm bezweifelt, und eher geneigt
ist anzunehmen dass dies der Name eines Landstriches ist.
Ebenso bestreitet Herr de Jong in bestimmtester Weise die anderweitig ausgesprochene
Ansicht das die Tugeri Kannibalen sind.
Schliesslich war Herr Schadee so freundlich unsere Aufmerksamkeit auf den
Report on British New-Guinea, 1898", in dem eine Anzahl Gegenstände etc.
von den Tugeri abgebildet sind, zu lenken. Wir konnten diesen Report und andere
Jahrgänge desselben, in Folge freundlichen Entgegenkommens Sr. Excellenz des Herrn
') Siehe Bd. XVI S. 194 ff. 2) Siebe Bd. XVI S. 201. ') Serie 1392. ••) Sei'ie 1476.
N Serie 1500. «) Serie 1441 & 1462.
- 195 -
Ministers für die Niederländischen Kolonien für unsere Arbeit benutzen und citieren den-
selben im Verlauf derselben als „Report 1897/98 etc."
I. Nahrung und Narkotica und dafür benutzte Gegenstände.
Die Kenntnis der Töpfer kunst besitzen die Tugeri nach Herrn de Jono's An-
gabe nicht 1).
In unserem Beitrage I, Bd. VIll, erwähnten wir pg. 156 einer polierten Kokosnuss
als Wasserbehälter; die Sammlung des Herrn de Jong enthält zwei derartige Geräte. Das
eine (Ser. 1392/-59) ebenfalls aus einer, jedoch unpolierten Kokosnuss verfertigte, Taf. V
Fig. 6 abgebildete Exemplar ist als Wasserbehälter für Frauen bezeichnet und
wird haggre genannt. Das nach oben eine Schlinge bildende Trageband besteht aus ketten-
ähnlichem Geflecht von Kokosfaser; das untere Ende ist von einem Knoten versehen, der
sich innerhalb der Nuss befindet und dort durch einige, ebenfalls im Ausgussloch steckende
Rohrleistchen zurückgehalten wird -).
Eine Bereicherung unseres Wissens betreffs der in diese Gruppe gehörenden Gegen-
stände bildet ein Wasserbehälter für Männer, dirari (Ser. 1392/60; Taf. V Fig. 3).
Derselbe besteht aus zwei Bambusinternodien ; die Wand zwischen beiden ist durchstossen,
während die des einen Endes den Boden bildet und die Mitte jener des andern durchlocht ist.
Die Epidermis ist mit Ausnahme eines breiten Streifens längs der Mitte, der eingeritzte
winklig zusammentretende Striche zeigt, entfernt. Das Trageband besteht aus braunem
losem Faserstoff und ist mit einer Schlinge um das obere Ende befestigt, während dasselbe
am unteren um eine lange, aus der Wand hervortretende Spitze geschlungen ist.
Dem in unserem ersten Beitrage I.e., besprochenen Rauchrohre können wir heute
zwei weitere hinzugesellen. Das eine ist von Herrn de Jong eingesandt (Ser. 1392/65;
Taf. III Fig. 4) und wird nach dessen Angabe hange genannt. Dasselbe besteht aus einem
ganzen und einem Teile eines zweiten Internodiums, in dessen Nähe sich das Loch für
den Tabak befindet, die Scheidewände sind beide durchstossen; wie aus unserer Abbildung
ersichtlich, ist das Rohr rund um das Loch mit einem Querband kurzer eingeritzter Zick-
zacklinien verziert.
Das zweite, Herrn Schadee zu verdankende Exemplar (Ser. 1476/37) weicht von dem
eben besprochenen in mehrfacher Hinsicht ab. Nur die Wand am unteren, dem Mundende,
ist durchstossen und oberhalb des Rauchloches bildet ein Teil der Wand einen zungen-
förmigen Fortsatz, während überdem, auf derselben Seite, das Rohr mit zwei parallelen
Längsbändern von zahlreichen eingeiltzten , einander kreuzenden Linien, wodurch Rauten
gebildet werden, verziert ist 3).
Herr de Jong bemerkt zu seinem Stücke: „Das trockene Tabaksblatt wird, in ein
Blattstück gerollt, in das Loch nahe dem einen Ende gesteckt; vor das letztere wird dann
die eine Handfläche gehalten , während am anderen gesogen wird. Bei älteren Leuten
angetroffen" *).
1) Töpferarbeiten ans der Gona-Bai, iN. 0. Küste Br. N. O. sind Report 1897/98 (Brisbane, 1899).
Taf. 5 und von Wautntu. an demselben Küstenstrich, I.e. Taf. 13 abgebildet.
2) Siehe Report 1897/98 Taf. 26.
■') Ein rauchendes Ehepaar von den Kaile, Br. N. G. ist Report 1897/98 Taf. 1 abgebildet.
■") I)ie Kenntnis des Rauchens dürfte für die Tugeri nunmelir genügend bezeugt sein. Vergleiche
Bd. XVT S. 209.
- 196 -
II. Kleidung und Schmuck.
Betreffs der Frisur und des Schmuckes schreibt Herr de Jong: „Tugeri's in deren
Familie ein Sterbefall vorkommt, entledigen sich ihres Haarschmucks sowie der Körper-
zieraten. Nach und nach werden aber die gewohnten Schmuckstücke wieder angelegt.
Das krause Haar wird zu langen dünnen Strähnen verflochten, welche auch wohl mit
anderem Haar verlängert und mit Schilf umwunden werden."
Diese Haartracht veranschaulichen unsere untenstehenden Abbildungen 1 (stehender
Mann) und 2 (sitzende Frau), beide zusammengehörend, und zwar zumal der erstere
sehr gut. Die Sammlung des Herrn de Jong selbst enthält ausser einer abgeschnittenen
ganzen Frisur, dapies, (Ser. 1392/21) auch noch eine einzelne Flechte, welche an
Abb. 1.
Abb. 2.
einer Casuar-Flügelfederpose befestigt (Ser. 1392/20) und dort mit Schnur umwunden ist
(Taf. III Fig. 3). Wir vermuten dass derartige Flechten zur Ergänzung der Frisur verwandt
werden i).
Um die Frisur zusammenzuhalten bedient man sich eines Haarbandes ^angjurke"
{Ser. 1892/24), das aus hell- und dunkelbraunen Rohrfasern diagonal geflochten ist. Die
Vorderseite zeigt erhabene Längsstreifen in Fischgrat-Mustf^r, nach hinten endet das Band
in dicke gedrehte Schnüre von gleichem Material. — Gleichem Zwecke dient nach Herrn
DE Jong eine Art Kragen aus Casuarfedern , simbu, der über den Haaren getragen wird.
In der Sammlung desselben ist dieser nicht vorhanden, wohl al)er ist ein derartiges Stück
{Ser. 1476/27) durch Herrn Schadee eingesandt. Die Casuarfedern sind zu kleinen Büscheln
') Ähnliche Frisuren hei Eingeborenen von Mount Scratchley sind abj^iebildet in Report 1896 97
{Brisbane, 1898) Tafel zu S. 7; auf welcher Seite sich auch noch eine Reihe interessanter ethnographischer
Mitteilungen betreffs jener Eingeborenen findet.
- 197 -
vereinigt, deren untere Enden mit Kalk eingeschmiert und nebeneinander in einem eilip
soiden gitterartigem Bande befestigt sind, das durch quere Durchflechtung mit rot gefärbter
Faser, wodurch der Rand und die Bindschnüre gebildet werden, entstanden ist. An der
Aussenseite dieses Schmuckstückes sind im unteren Rand des Bandes noch einzelne weisse
Kakadu-Federn befestigt. Die Schnüre werden um die Stirn geknotet, der Schmuck hängt
nach hinten herab. — Ein dritter Gegenstand, ebenfalls als Haarschmuck benutzt, „hasiende"
(Taf. IV Fig. 5, Her. 1392/22), bildet eine Art Kragen mit kurzen, platten fischgratförmig
geflochtenen Faserschnüren an der einen Hälfte, während die andere einem dicken, mit
Rohrsti'eifen umwickeltem Tau ähnlich ist. Der ganze Schmuck ist mit rotem Farbstoff
eingeschmiert, an den Enden der Schnüre sind einzelne oder mehrere Früchte von Coix
befestigt, aus denen das Material dei- Schnüre, in Gestalt langer haarartiger Fasern
hervortritt. — Noch eine andere Form des Haarschmucks bildet eine Faserschnur auf
welche viele rote Bohnen (Erijthrina) und, in gewissen Abständen, einzelne cylindrische
oder kugelige graue Früchte von Coix gereiht sind (Ser. 1392/23).
Gleich einem Diadem werden innerhalb des Mittelteils einer geflochtenen, dreiteiligen
Faserschnur befestigte gelbliche Brustfedern eines Paradiesvogels (Ser. 1392/25) oberhalb
der Stirn getragen ; der Name dieses Schmuckes ist sakieri karuli.
Von Ohrschmuck liegen wiederum dieselben Ringe vor die wir Bd. VIII S. 1-58
und XVI S. 213 erwähnten. Nach Herrn de Josg's Angabe ist deren Name ihierke (Ser.
1392/26) und werden selbe von Casuarfederposen zusammengebogen ; danach wäre die Angabe
im unsrem Beitrage VIII, Bd. XVI S. 213, wo gesagt wird dass ein Zweig das Material
bildet, zu berichtigen. Diese Ringe werden bis zu 10 oder 12 in den durchbohrten und
erstaunlich erweiterten Ohrlappen durch Männer und Jünglinge getragen, wie dies auch
aus unserer Abbildung 1 ersichtlich ist. Ein einzelnes Mal wird auch ein Stück Eisendraht
oder ein Blechstreifen für den gleichen Zweck verwandt, indes ist dies natürlich nicht als
ursprüngliche Sitte aufzufassen; Kindern wird ein rundes Holzstück in das Loch des Ohr-
lappens gesteckt.
Nasenschmuck fehlt in der diesmaligen Sammlung. Herr de Jong sagt darüber:
,In die durchbohrten Nasenflügel werden die verschiedenartigsten Dinge gesteckt. Die meisten
Eingeborenen tragen zwei kurze Stücke Bambus oder zwei Knochen, andere zwei Schweins-
zähne oder noch andere Gegen.stände ; wir trafen selbst Männer welche die ihnen geschenkten
Cigarren, weil ihnen die Form derselben für diesen Schmuck ausserordentlich geeignet
erschien, sofort in die Nasenflügel steckten. Während des Essens und Trinkens werden
diese Schmuckstücke, weil teilweise den Mund bedeckend, entfernt. Frauen haben keine
durchbohrte Nasenflügel; nur sehr vereinzelt sieht man eine solche, welche zwei oder drei
dünne Rohrstengel von oben her in die Nasenflügel gesteckt und festgeklemmt haben." ^
Die Tracht des Nasenschmucks verdeutlicht die Abb. Bd. XVI S. 203 und die diesmaligen
3 & 4, welche überdem die Tracht auch des übrigen Körperschmucks sehi' gut veran-
schaulichen. \
Betreffs dieser beiden Abbildungen teilte Herr de Jong uns noch das Folgende mit: „Die
beiden in Fig. 3 links stehenden Jünglinge haben sich mit schwarzer Farbe eingerieben,
sie haben ein Alter zwischen 8—16 Jahren erreicht und unterliegen den Ceremonien der
Jünglingsweihe in dem dafür bestimmten, besonderen Gebäude. Während dieser Zeit werden
selbe „oklivide' genannt, dürfen keine Frauen sehen und müssen bei Bootfahrten, falls
ein Boot mit Frauen passiert, sich niederlegen. Nach Beendigung der Reifeceremonien
198
dürfen sie den Penisdeckel, die Muscliel, anlegen, heissen dann
fähig. Verheiratete Männer, „onimgieb'\ tragen einen Bauchgurt.
„eioatti" und sind heirats-
Kinder bis zu acht Jahren
„Der
Abb. 3.
heissen „patur"
vierte, stehende Mann
liniis trägt das oben be-
schriebene Wassergefäss
aus Kolcosnuss. Weiter
unten wird sich noch
Gelegenheit bieten auf
diese und die folgende
Abbildung zurückzu-
kommen.
Die in Abb. 4 abgebil-
deten Eingeborenen sind
Bewohner verschiedener
Kampongs in der Nähe
von Mei'auke.
Halsschmirck ent-
hält die Sammlung in vier
verschiedenen Formen ;
nach Herrn de Jong
werden Peilschnüre be-
vorzugt, was natürlich
auf Einfluss der Weissen
zurückzuführen ist. Zu-
erst sei eines hieher-
gehörenden Stückes er-
wähnt das aus auf dünne
Faserschnüre, in Form
zweier Schlingen, ge-
reihten, halbieiten Früch-
ten von Coix besteht (Sei'.
1392/28; Taf.V Fig. .5); am
untern Ende sind kleine
Quästchen aus Tierhaar
(Beuteltiei?) und cylin-
drischen Fi'üchten glei-
cher Art gebildet, wäh-
rend am obeien die beiden
Hälften der Schnur durch
eine tonnenförmige blaue
Perle oder durch eine
rote Erbsfrucht {Ery-
thrina?) gereiht sind. — Ein anderer, bumbe genannter Schmuck (Ser. 1392/29) besteht aus
angereihten roten Früchten wie eben erwähnt, die in ziemlich regelmässiger Folge durch
Abb. 4.
— WV.) -
•zwei oder melir ganze oder halbierte Coj'aj-Früctite unterl)roclien werden. Die Länge des
vorliegenden Stückes beträgt 65 cM. , der Schmuck wird durch Frauen, und hie und da
auch durch Männer angelegt. — Wieder anders ist das dritte Stück, sammun genannt
(Ser. 1392/30, Taf. III Fig. 5), gestaltet, dasselbe besteht aus fünfzehn mit einander ver-
einigten Schnüien, auf welche kleine, braune cylindrische Flüchte gereiht und die unten
zu einem fischgratförmig geflochtenem Bande vereinigt sind, von welchem wiederum einzelne
Schnüre mit daran befestigten Krebsscheren und dem Schnabel eines Wasservogels {Ibis
molucca?) auf die Brust herabhängen. — Die vierte, sim genannte Form (Ser. 1392/81) bildet
einen aus zwei, auf einander befestigten kragenförmigen Streifen Fasergeflechtes, zwischen
denen längs des einen Randes Tierzähne, wahrscheinlich die eines Sägefisches, befestigt sind,
bestehenden Schmuck. Derselbe stimmt soweit es Form und Material betrifft völlig mit dem
durch uns Bd. XVI, S. 212 besprochenen und Tafel XII Fig. 10 & 11 abgebildeten überein,
nur ist bei dem jetzt vorliegenden Exemplar der Beginn der Bindeschnüre, in welche der
kragenförmige Teil endet, mit dünner Schnur spiralig umwickelt und ist das Geflecht
weniger sorgfältig bearbeitet. Abb. 4 zeigt einige Eingeborene mit diesem Schmuck.
Vom Brustschmuck begegnen wir in erster Linie wieder der, durch uns schon
Bd. XVI S. 212 besprochenen und Taf. XII Fig. 2 abgebildeten Form (Ser. 1392/27) welche,
nach Herrn de Jong nur durch Männer getragen und gui genannt wird. Das diesmalige
Stück trägt am Querband 13 Schweineschwänze und an dem einen der, zur Befestigung
um den Hals dienenden Schnurbündel hängt ausser einigen, daran gereihten Cofa;-Früchten,
ein Fetzen der Haut eines Casuars, während am anderen, das gleichfalls mit den eben
erwähnten Früchten verziert ist, zwei mit braunrotem Farbstoff eingeschmierte Kattun-
fetzen befestigt sind. Der zweite links stehende Eingeborene in unserer Abb. 6 und die
Bogenschützen Abb. 13 zeigen wie dieser Schmuck getragen wird.
Von Bandelieren liegen zwei verschieden breite Formen je in zwei Stücken vor.
Die schmälere (Ser. 1392/32) stimmt ziemlich gut mit der, Bd. XVI, Taf. XI Fig. 14 abge-
bildeten überein; das Faserschnurgeflecht trägt aber an der Aussenseite nicht drei, sondern
gleich dem 1. c. S. 213 erwähnten Stück (Ser. 1824/31), vier Reihen schräg gegeneinander
befestigter cylindrischer Coic-Früchte und die Enden des Geflechtes sind nicht in einander
verflochten, sondern bilden kurze fischgratförmig geflochtene, platte Schnüre aus deren
einem Ende die einzelnen Rindenstreifen lose hervortreten und zu einem dicken Knoten
verschlungen sind. Bei der breiteren (cca. 5—6 cM.) Form (Ser. 1392/83) sind die Enden
ineinander verflochten , die Aussenseite trägt 8 bis 10 Längsreihen der vorerwähnten, wiederum
schräg gegeneinander befestigten Früchte, während diese Reihen bei dem einen Exemplar
zweimal und beim, zweiten viermal durch drei oder mehr Querreihen unterbrochen werden ,
wie wir dies I.e. S. 213 erwähnt. Der Name dieses Schmucks ist babba, er wird auf der
blossen Brust unter dem übrigen, und zwar zu zweien, den Rücken und die Brust kreuzend,
getragen. Unsere Textabbildungen 8, 12 & 18 zeigen Eingeborene mit derartigen Bandelieren
geschmückt.
Von Armsclimuck kommen zunächst geflochtene Armringe in Betracht, wofür Rotan-
streifen als Material dienen. Ausser einem Paar im Zickzackmuster geflochtener schmaler
(Ser. 1392/34, Taf. IV Fig. 2 & 2a) derartiger Ringe, liegen noch drei einzelne breitere vor,
wie wir sie schon in unseren früheren Beiträgen erwähnt, aber nicht eingehender besprochen
haben. Alle drei Stücke sind gleich dem ersterwähnten Paar im Zickzackmuster geflochten,
zeigen aber an der Aussenseite verschiedenerlei Ziermuster. Bei dem einen (Ser. 1392/35,
- 200 -
Taf. III Fig. \a & Ib) besteht dasselbe längs der Mitte aus einer Reihe spitzer Winkel,
denen jederseits eine, durch einander kreuzende Streifen gebildete, Reihe Rauten und endlich
längs des Randes, wiederum eine Reihe dicht aneinander liegender und stark hervortretender
spitzer Winkel folgt. Die Verbindungsstelle der Enden des, den Ring bildenden Flecht-
streifens zeigt wiederum letzteres Muster en relief, die Enden der Rohrfasern treten jeder-
seits desselben hervor. — Der zweite Ring (36, Taf. IV Fig. 7 & 7a) zeigt längs des Randes
dasselbe Muster wie der vorige, nach innen folgt dann ein schmaler Streif diagonalen
Geflechts, während im übrigen Raum Querreihen diagonaler, durch die Fasern gebildeter
kurzer Streifen und spitzer Winkel gebildet sind. Die erhabene Leiste an der Verbindungs-
stelle wie beim vorigen, die Enden der Rohrfasern jederseits derselben aber viel länger. —
Das dritte Stück (37, Taf. III Fig. 2) endlich zeigt längs der Mitte und des Randes dasselbe
Muster wie das erste (35) ; im übrigen Raum aber ist durch die Fasern jederseits der Mitte
eine Reihe dicht aufeinander folgender, kleiner spitzer Winkel und eine solche kurzer
querer Zickzackstreifen mit rautenförmigen Grul)en in den Biegungswinkelh gebildet. Die
Fasern treten hier jederseits der Querleiste an der Verbindungsstelle nicht hervor.
Die aus zwei, mit den Spitzen und Wurzeln gegeneinander befestigten Schweinshauern
verfertigten Armringe, welche wir zuletzt Bd. XVI S. 213 erwähnten, liegen auch in dieser
Sammlung in neun Exemplaren vor (Ser. 1392/38). Herr de Jong bemerkt betreffs derselben
dass deren Name „gomar" sei und dass zumal ältere Leute eine Anzahl dieser Ringe tragen ;
in unserer Abb. 3 ist dies bei dem dritten, stehenden Mann links deutlich sichtbar.
Auch der von uns schon früher (u. a. Bd. XVI S. 213) erwähnte, aus dem Scrotum
des Schweines verfertigte, Armschmuck liegt in zwei Exemplaren vor (Ser. 1392/67; vergl.
Bd. XVl, Taf. XII Fig. 13); diesmal aber sind die einzelnen Scrota, „kiembeke", an einem
geflochtenen Ringe, „mukdon", befestigt der in dem einen Falle aus Faserschnur, und im
zweiten aus einer Anzahl, einander rechteckig kreuzender Rohrfasern besteht und dick mit
erdigem, schmutzigbraunem Farbstoff eingeschmiert ist.
Von Hüft gurten liegt ein von Rohrfasern geflochtenes und mit rotem Farbstoff
eingeschmiertes Exemplar „segosse" vor (Ser. 1392/44); das Geflecht sowie das Ziermuster
desselben, stimmt mit jenem der oben erwähnten Armringe überein; die Enden des Flecht-
streifens sind indes nicht ineinander verflochten, sondern bilden im Zickzackmuster gefloch-
tene Röhren, wie dies unsere Taf. IV, Fig. 1 & la zeigt.
Als Schambedeckung der Männer liegt Melo diadema, deren wir schon Bd. XVI
S. 213 erwähnten, sowohl in der Sammlung Schadee (Ser. 1476/45), als auch in der des
Herrn de Jong (Ser. 1392/45), im letzteren Fall an ein dickes gedrehtes Tau befestigt, vor
(Siehe Taf. H Fig. 4).
Betreffs dieses Surrogates einer Bekleidung, dessen Name nach Herrn de 3 ojüg „sahuke"
ist, liegen uns heut neuere Mitteilungen des letzteren, sowie des Herrn Schadee und des
Herrn Ltnt. z./S. Heilbron vor; "die letzteren verdanken wir der freundlichen Vermit-
telung des Herrn Dr. G. A. J. van der Sakde, Kgl. Niederl. Marinearzt, des Ethnographen
der Nord Neu-Guinea-Expedition unter Leitung von Prof. A. Wichmann in Utrecht. Zuerst
sei bemerkt dass Herr Heilbron sowohl wie Herr de Jong das Durchbohren des Präpu-
tiums, im Bericht des Herrn Kapt. z. S. Bik (Siehe Bd. XVI S. 204) erwähnt, in bestimmter
Weise bestreitet. — Nur unverheiratete und junge Leute tragen die Penismuschel, ver-
heil atete den Leibgurt, an dem vorn eine kleine Muschel befestigt ist. Herr de Jong sagt
dass das Membrum virile in beiden Fällen nach oben gebogen getragen wird, doch gewöhn-
201
lieh nach unten hängt, und durch verheiratete Männer, sobald sich Frauen nähern, wieder
nach oben gebogen und zwischen den, den K(hper fest unischliessenden Hütlgurt geklemmt
wird. Ganz das Gleiche sagt Herr Schabte, Herr Heilbron berichtet ausserdem dass,
wenn junge Leute Arbeiten in gebückter Stellung verrichten, diese die Penismuschel zeit-
weise zur Seite schieben ; eine eigene Schnur um das
Glied nach oben zu ziehen, ist aber an demselben
nicht befestigt.
Eine Anzahl der in unserer Abbildung 3 dar-
gestellten Eingeborenen trägt als Penisschutz die oben
erwähnte Melo diadema; während bei jenen in Abb. 4
SemifusHS proboscidens (Siehe dieses Archiv Bd. VHI
S. 157) deren Stelle vertritt. Bedeutet dies einen
Stammesunterschied ?
Frauen tragen nach Herrn de Jong als Scham-
bedeckung eine dreieckige, mittelst einer Schnur um
die Hüften befestigte Binsenmatte, wie dies aus unseren
Abbildungen 5 & 6 ersichtlich ist. Kinder laufen völlig
nackt.
Betreffs des Tragens der bisher besprochenen
Zierrate sind ebenfalls die Abbildungen 1—6 zu ver-
gleichen 1).
Über die Verzierung der Körperhaut (Siehe Bd.
XVI S. 216) bringen die neuen Berichte keine Erwei-
terung unserer Kenntnis, dagegen enthält der Report
B. N. G. 1897/98 Taf. 24 die Abbildung
eines prächtig tätowierten Mädchens
aus dem „Central-District".
Der eigentlichen Kleidung uns zu-
wendend, bemerken wir dass die Samm-
lung DE Jong wiederum ein, von den
in Bd. XVI S. 214 beschriebenen be-
treffs des Geflechts abweichendes, der
Form nach aber damit übereinstim-
mendes Exemplar der „Frauenkleidung"
enthält. Das diesmal vorliegende Stück
(Ser. 1392/64) ist, wie die Abbildung
eines Teils des Unterrandes (Taf. III
Fig. 6) erkennen lässt, aus breiten
Blattstreifen , welche längs des Unter-
randes in Form von Büscheln von
Fransen hervortreten, diagonal geflochten. Nach Herrn de Jong wird dieser, oben kapuzen-
artig endigende Mantel iga genannt, und bei Regen oder starkem Sonnenbiand zumal durch
Abb. 5.
Abb. 6.
') Eine Anzahl der liier erwähnten Zierrate findet sich, jedoch sehr undeutlich, abgebildet in Report
1897,98, Taf. 9.
I. A. f. E. Bd. XVII. 26
202 -
Abb.
Frauen, vom Kopf über den Rücken herabhängend, getragen. — Auf unserer Abb. 6 scheinen
die beiden rechts stehenden Weiber die Bd. XVI Taf. XV Fig. 1 abgebildete Form zu tragen.
Die Bestätigung unserer
M^- ttl^^S iMÜ ■^hga»*u-k^ äi^HHI Vermutung, dass wir es
"^-w^tMuc: !. mm ^KaBsacak.. ^HI^^H j-,jgj. ,.|^j^ einer Art Trauer-
kleidung zu tun haben,
bleibt noch abzuwarten.
III.
Wohnung und Hausrat.
Eine erwünschte Er-
gänzung dessen, was
durch Herrn Bik Bd. XVI
S. 20.5 betreffs der Wohn-
ungen mitgeteilt wurde,
bilden zwei, in unseren
Abb. 7 & 8 reproducierte
Photographien , welche
wir inzwischen durch die
Vei'mittelung desselben
erhielten. Die eine, Abb.
7, stellt den Eingang zu
dem, ungefähr 30 engl.
Meilen stromaufwärts am
Merauke-Fluss liegendem
Kampong Tajam dar.
Der erste rechts hockende
Eingeborene tiägt die
Haarbedeckung aus Fe-
dern, Nasenschmuck aus
Rohi', Bandeliere und,
gleich dem in der Mitte
hockenden, Armringe aus
Schweinshauern, während
der zweite mit Ohrringen,
Bandelieren und dem
Armring mit daran hän-
genden Schweinescrota
geschmückt ist.
Die Abbildung 8 stellt
ein Haus aus einem
der Strandkampongs bei
Buterike vor; rechts
stehen einige Infanteristen der Kolonialarmee. Die Bauart scheint sich, soweit sich nach
Abb. 8.
- 203 -
Abbildungen in den „Reports" urteilen lässt, vorteilhaft von jener eines Teils der Einge-
borenen-Häuser in Britisch Neu-Guinea zu unterscheiden i).
IV. Jagd und Fischerei.
Als Jagdpfeil dürfte ein, aus einem Ankauf herrührendes Stück (Ser. 1441/14) aufzu-
fassen sein; dessen unverzierter Rohrschaft trägt ein umgekehrt kegelförmiges Stück eines
Bambuswurzelknollens, während auf jenem eines, zu demselben Ankauf gehörenden Pfeils
(Ser. 1441/13) ein gabelförmig, in zwei Zinken endendes, cca. 19 cM. langes Ende Bambus
befestigt ist; das unmittelbar darunter folgende Schaftglied ist mit eingeritzten Zickzacklinien
verziert. Während ersterer Pfeil sicher für die Jagd auf Vögel, behufs Betäubung derselben
benutzt wird , kann letzterer ebensowohl für die Jagd , als auch für die Fischerei dienen
und bleibt Näheres darüber abzuwarten. — Vielleicht sind auch die weiter unten zu
besprechenden Pfeile mit lanzetlicher Bambusspitze für die Jagd oder die Fischerei bestimmt 2).
VI. Transportgerät.
Von zu dieser Gruppe gehörigen Gegenständen enthält die Sammlung de Jong eine
„toaclde" genannte, aus braunen, sowie schmalen dunkelgrauen, fast schwarzen Blattstreifen
geflochtene Tasche (Ser. 1392/66, Taf. III Fig. 8 & 8a). Dieselbe ist, wie aus der Fig. 8a
ersichtlich, von einem beinahe die ganze obere Hälfte einnehmenden, ein Querband bilden-
dem Ziermuster aus hellgrauer Faser versehen, das sich aus concentrischen Parallelogrammen,
schrägen und verticalen Streifen und der Figur Z innerhalb Vierecken zusammensetzt; ein
schmales, diagonal geflochtenes Trageband ist mittelst einer Gruppe kurzer Schnüre, wie
unsere Figur ebenfalls erkennen lässt, mit dem Obenrand der Tasche verbunden. — Taschen
dieser Art werden nach Herrn de Jong auf langen Reisen mitgeführt und enthalten dann
etwas Sirih, essbare Erde 3), eine Muschel für das Ausschaben des Kerns der Kokosnüsse,
eine Quantität Perlen, ein Bambusmesser, u. s. w.
Das Geschenk des Herrn Schad^e enthält eine zweite, einem Handkorb mehr ähnhche
Tasche (Ser. 1476/41) von festerem, diagonalen Geflecht von gelblichen und hellrot gefärbten
Blattstreifen. An beiden Seiten ist die Tasche mit Flechtarbeit en relief veiziert : oben und
unten ein fischgratförmig geflochtener Streif von schwarzen und gelblichen Blattstreifen;
und im übrigen Raum schwarze und gelbliche Längs- and Querstreifen, Gruppen kleiner
Rechtecke innerhalb eines grösseren, einem Fenster mit zahlreichen Scheiben ähnlich,
concentrische Vierecke u. s. w.. Der Obenrand ist dick mit durch Kokosfaserschnur befes-
tigten Blattstreifen umwickelt. Als Henkel dient ein, wiederum durch Schnüre vorerwähnter
Art mit dem Obenrand verbundener Rotanstreif. — Dieser Koib wurde, einen Schädel
enthaltend, unter einigen Kokospalmenblättern verborgen, zu Buterike in der Nähe von
Merauke gefunden.
Besonderes Interesse beanspruchen die Modelle der zwei in der Umgegend von Merauke,
') Siehe Report 1896/97 Tafel bei S. 12 (Häuser im Dorf Neneba, am Mount Scratchley) und
Rep. 1897/98, Taf. 18 (Wohnungen und Vorratshäuser in (ioroniani).
■) Eine sehi- gute Abbildung eines, fiir die Fisciierei in Neu-CJuinea benutzten, aus Blättern von Morinda
citrifoUa verfertigten Drachens, sowie auch die Darstellung der Anwendung desselben bringt die dem
Report 1897/98 beigefügte, nach den Kartenskizzen folgende, besondere Tafel.
') Wohl eher für die Körperbemalung bestimmt. Schmeltz.
204
Abb. 9.
meist gebräuchlichen Kanoefnrmen, je aus einem Baumstamm vei'fertigt. Das eine
derselben (Ser.
1392/68, Taf. VI
Fig. 1) ist 300 cM.
lang; die Obenseite
des Vorder- und
Hinterstevens ist
platt, beide sind
von einem kurzen
Längsrücken, dem
sich an dem Ende
des einen (des Hin-
tei'stevens?) ein
Querrücken an-
sah liesst, versehen
und erweckt der
letztere, zumal da-
dui'ch dass er rechts
des Längsrückens
durchlocht ist, den
Eindruck als sei die
rohe Nachbildung
eines Menschenge-
sichts beabsichtigt.
Die Benutzung zeigt
unsere Abb. 10: die
stehenden Personen
sind Männer, die
sitzenden Frauen.—
Die zweite Form
(Ser. 1892/67; Taf.
VI Fig. 2), welche
unsere Abb. 9 in Be-
nutzung voi'stellt,
ist kürzer und brei-
ter (das Modell 198
cM. lg. und 24 cM.
bieit) ; der eine
Steven zeigt die-
selbe, einem Men-
schengesicht ähn-
"'''■ '" liehe Bildung, ist
jedoch nicht durch-
locht, während der Seitenrand des anderen, sonst mit dem der ersteren Form überein-
stimmenden Stevens, jederseits einen tiefen dreieckigen Ausschnitt zeigt. Die Seitenränder
- 205 -
erheben sich an beiden Enden etwas über das Niveau der Steven und sind hier einige
Male tief eingekerbt, während dies Modeil überdem Spuren von Bemalung, schwarze
und rote Quer-, Längs- und Winkelstreifen, zumal an den Enden zeigt. Aus dem Vor-
stehenilen erhellt dass wir es hier mit sehr primitiven Formen, die von den aus Britisch
Neu-Guinea bekannten, ausgezeichnet construierten i) in merkwürdiger Weise abweichen,
zu tun haben. Die für die Fortbewegung dienenden Ruder liegen in einer späteren Schen-
kung vor und werden in unserem nächsten Beitrage in Bd. XVIII beschrieben werden.
IX. Waffen und Feiedenszeichen.
Wie wir in unserem letzten Beitrage, I.e. S. 216, mitteilten gelang es Herrn Kpt. z. S.
BiK nicht eine Stein keule Im Gebiet von Merauke zu erwerben und bildeten wir daher
eine, in der viel westlicher gelegenen Etnabai gesammelte vergleichsweise ab. Heut liegen
uns nun zwei in Merauke erlangte Keulen mit scheibenförmigem Stein, von
jener abgebildeten Form also gänzlich abweichend , vor und zwar die eine aus der Sammlung
DE JoNG (Ser. 1392/50, Taf. IV Fig. 4) und die zweite als Geschenk des Herrn Heilbron
(Ser. 1500/1). Der mehr oder weniger gut polierte grüne, in der Mitte durch-
bohrte Stein ist auf einen Rotanstiel geschoben und wird durch ein , oberhalb
des Steines einerseits und in grösserem Abstände von letzterem, andererseits
um den Stiel geknotetes Flechtband, auf letzterem zurückgehalten. Das Flecht-
band ist bei beiden diagonal geflochten , das von 50 ist besser gearbeitet und
schmäler als das des anderen Exemplars und endet vor der Befestigung um
den Stiel in eine gedrehte Schnur. Das hintere Ende des Stiels ist bei 50
abgeplattet und durchbohrt; das dünnere Ende des anderen Stückes ist unter-
halb des letzten Gliedes abgeschnitten. Letzterer Stiel ist mit einem einge-
ritzten Spiralband, dessen Ränder durch Querlinien mit einander verbunden
werden (Siehe Abb. 11) verziert. In dem Loch am hinteien spitzen Ende von
50 ist eine kettenförmig geflochtene Schnur woran einige ausgekerbte weisse
Federn und einige Grasstreifen hängen, befestigt.
Nach Herrn de Jong ist der Name dieser Keulen -) „panke" und werden
selbe mittelst des Flechtbandes über die Schulter gehangen , wie dies auch
aus unserer, weiter unten folgenden Abb. 13 ersichtlich; betreffs der Schwie-
rigkeit Exemplare dieser Waffe zu eilangen sprechen sich die Herren de Jong
und Heilbbon in gleicher Weise aus, über die Herkunft und die Anwendung
mehr speciell noch der Letztere und lassen wir dessen Mitteilungen hier
folgen :
„Die Keule wird beim Nahegefecht über dem Kopf gewirbelt, wobei der Stein sich
nach hinten schiebt und beim Ausfühien des Schlages plötzlich wieder nach vorn, sodass
die Absicht das Haupt des Feindes zu zerschmettern, in beträchtlicher Weise unterstützt wird."
„Obwohl das Exemplar durch mich auf dem Pasar in Merauke eingetauscht wurde,
wage ich durchaus nicht zu behaupten dass diese Keule aus der unmittelbaren Nachbar-
schaft von Merauke stammt. Wiewohl ich den Pasar wiederholt besuchte, hatte ich nie
S
s
S
Abb. 1].
") Siehe Report 1897,98 Taf. 22: Gescliinücktes Segelcanoe mit Ausleger vom „Ce ii t ral-r>is t riet"
B. N. G. und I.e. Taf. 10, Kuder von den Tugeri.
-) Siehe Report 1897/98, Taf. 6.
- 206 -
eine derartige Waffe dort gesehen , bis ich eines Morgens dort acht Männer traf, die keine
direkte Absicht auf Tauschhandel verrieten und sehr scheu waren. Sobald ich mich
denselben näherte, machten sie Miene zu entfliehen und erst nach wiederholten Versuchen
glückte es mir, mit ihnen in Berührung zu kommen und konnte ich von einem von ihnen
gegen den, für Merauke unglaublich hohen Preis von drei Beilen die Keule erwerben, die
mir nur zögernd übergeben wurde. Mit beinahe absoluter Sicherheit kann angenommen
werden dass jene Eingeborenen in Merauke fremd waren und wohl deshalb weil Herr de Jong
in bestimmtester Weise erklärte, wiederholt in weiter Entfernung von Merauke Eingeborene
getroffen zu haben, die im Begriff waren sich behufs des Tauschhandels dorthin zu begeben.
Die Hautfarbe der betreffenden Eingeborenen war viel schwärzer als die der gewöhnlichen
Pasar-Besucher , auch waren sie viel weniger phantastisch geschmückt und überdem nie
durch Frauen oder Kinder begleitet, und viel scheuer als andere Eingeborene, die dort
verkehrten und mit welchen sie keinerlei Verkehr unterhielten."
Keulen mit scheibenförmigem Stein liegen uns , ausser den hier besprochenen , aus der
Sammlung Goldie von Britisch Neu-Guinea vor; jedoch ist hier der Stein mittelst Harz
am , aus Holz bestehenden Stiel befestigt.
Zur Besprechung der vorliegenden Bogen und Pfeile schreitend, möchten wir vor-
weg, um jedem Missverständnis vorzubeugen, bemerken dass wir mit der Wiedergabe der
Beobachtung eines Palmholzbogens aus unserem Gebiet (Merauke und Nachbarschaft) in
unserem letzten Beitrage (1. c. S. 198) durchaus nicht dieses Vorkommen als sicher erwiesen
hinstellen, sondern nur getreu den uns vorliegenden Berichten referieren wollten. Im Gegenteil !
auch heut halten wir unsere Behauptung aufrecht dass dies das Gebiet riesiger Bambus-
bogen sei und zwar auf Grund des uns vorliegenden Materials mit genügend verbürgter
Herkunft-Angabe. Wir werden auf diesen Gegenstand in unserem nächsten Beitrage in
Bd. XVIII, eingehender zurückkommen und hoffen dann den Beweis erbringen zu können
dass das Gebiet des Bambusbogens sich westlich ungefähr bis zur Princess Marianne-
Strasse sowie östlich bis weit in Britisch Neu-Guinea i) hinein und über die Torres-
strasse-Inseln , hier vom Festland von Neu-Guinea importiert, erstreckt 2). Bei aller Wür-
digung die wir der von Herrn Ass. Res. Kroesen entwickelten Tatkraft, wodurch auch der
ethnographischen Forschung das in Rede stehende Gebiet erst erschlossen wurde, zollen,
glauben wir doch annehmen zu dürfen, dass er selbst nicht in ethnographischen Fragen,
wie z. B. die geographische Verbreitung des Holz- resp. des Bambusbogens, als einwand-
freier Zeuge angesehen zu werden wünscht. — Überdem bedeutet die zufällige Auffindung
eines Holzbogens in einem Boote durchaus noch nicht, dass er zum ethnographischen Besitz
der betreffenden , dort wo das Boot getroffen wurde , wohnenden Eingeborenen gehört.
Kennen wir doch genug der Verschleppungen von Gegenständen von einem Gebiet in ein
anderes weit entferntes; eine solche nehmen wir auch für obigen Fund bis auf Weiteres
als das Wahrscheinliche an.
Drei Bambusbogen liegen uns zur Besprechung in unserem diesmaligen Beitrage
vor, von denen zwei (Ser. 1.892/1 & 1462/5) ausserordentlich gut mit unserer Beschreibung
in Bd. VIII S. 161 ff. und der dort gegebenen Abbildung übei-einstimmen und noch die
1) Von Neneba am Mount Scratchley am Oberlauf des Mambara-Flusses in Nord-Ost Neu-Guinea
wird ein Holzbogen erwähnt in Report 1896/97, S. 7 erwähnt.
2) Siehe auch unsere Ausführungen in Bd. Vltl dieses Archivs S. 162 & 238 flf.
- 207 -
Rotansehne tragen. Herr de Jonh teilt mit dass der Name ivisse i) ist und dass diese Bogen
sehr schnell und geschickt durch Jünglinge und Männer verfertigt werden. — Frauen
bedienen sich als Waffe des Bogens und der Pfeile nicht, dagegen sieht man selbst Kinder mit
kkonen Bogen und Pfeilen nach Vögeln und Fischen schiessen. — Von grossem Interesse
sind mit Bezug auf die Hantierung von Bogen und Pfeil zwei der Photographien welche
wir Hwin de Jong verdanken und welche wir hier reproducieren. Die eine (Abb. 12) stellt
einen Bogenschützen, Namens öivai vor, geschmückt mit Nasenzier (Knochen), Bandelieren,
Armring mit Schweinescrota, ßeinringen und Penismuschel {Melo diudema). Derselbe ist
noch ewatti, also unverheiratet; später wenn verheiratet, wird er orumerike genannt. —
Abb. 12.
Abb. 13.
Die Abbildung 13 zeigt zwei Eingeborene von Buterike, südlich Merauke, im Begriff
ihre Bogen abzuschiessen. Beide tragen den unten zu erwähnenden Armschutz (Rohr-
manschette; siehe auch unseren vorigen Beitrag in Bd. XVI S. 223), ferner Nasenschmuck
von Zähnen (links) oder Knochenstücken (rechts), Hals- und Brustschmuck (Kragen mit
Sägefischzähnen, Brustgehänge von Schweineschwänzen), Bandelier, Leibgurt mit Muschel
{Semifiisus proboscideus, siehe oben) und geflochtene Beinringe. Der links stehende Eingeborne
zeigt, worauf Herr Dr. G. A. J. van der Sande uns hinwies, zugleich die Weise wie
') Herr Bik giebt misaake, Herr Bauer inisSki, siehe Bd. XVI .S. 224 & 226.
- 208
Abb. 14.
beim Bogenschiessen die obenerwähnte Steinkeule, deren Flechtband gleich
einem Bandelier die Brust kreuzt, auf dem Rücken getragen wird.
Der zur Sammlung de Jong gehörende Bogen (1) zeigt an der con-
vexen Seite obeihalb jedes Querrückens, der Stelle der Nodien, eine
eingeritzte Zickzacklinie, und längs der Mitte jedes Internodiums eine
Reihe kurzer eingeritzter Striche. Das mittelste Internodium jedoch zeigt
eine, bisjetzt noch an keinem Bogen dieser Provenienz beobachtete, am
besten dem Buchstaben X i) zu vergleichende, gleichfalls eingeritzte
Verzierung, die unsere Abb. 14 verdeutlicht.
Das zweite, zu einem Ankauf gehörende Exemplar (1462/5) beansprucht
deshalb besonderes Interesse, weil hier eine Verstärkung des einen Endes
vorliegt, die deutlich erkennen lässt dass selbe den Zweck hat einem
Bruche dieses Teiles vorzubeugen , wodurch also unsere früher geäusserte
Anschauung (Bd. VIII S. 238 ff.) in erwünschter Weise unterstützt wird.
Wie unsere Abb. 15 erkennen lässt, zeigen die Kanten des zweiten
Internodiums Spuren einer beginnenden Zersplitterung; um dem weiteren
Fortschreiten des Zerstörungsprozesses vorzubeugen, sind gegen die
concave Seite zwei Holzleisten gelegt, welche durch vier fisch gratförm ig
geflochtene Rotanringe festgehalten werden.
Ein dritter, ebenfalls angekaufter Bogen (Ser. 1441/4), leider ohne
genauere Herkunftangabe, unterscheidet sich von den beiden vorigen
durch seine Form, indem beide Enden gleichmässig spitz auslaufen; die
einem Vogelkopf ähnliche Schulter des typischen Merauke-Bogen fehlt
hier also; überdem ist der Bogen selbst dünner, als jene. Das ganze
Stück besteht aus sechs Internodien, deren drittes vom einen, oder viertes
vom anderen Ende gezählt eine eingeritzte Verzierung zeigt, welche
einigermassen an eine riesige Assel (?) erinnert (Siehe Abb. 16). — Durch
Wurmfrass an der inneren, concaven Seite fast gänzlich zerstört, ist der
Bogen hier durch Befestigung einer, sich über die ganze Länge erstreck-
enden dünnen und concaven rotbraunen Holzlamelle verstärkt. Unser
Stück würde also einen wertvollen Beitrag zur Kenntnis des verstärkten
Bogens bilden , wäre es nicht dass die Holzlamelle mit Tischler-
leim befestigt wurde und also europäischen Ursprungs ist, wofür auch
die aussergewöhnlich sorgfältige Arbeit spricht.
Pfeile 2) deren Name für einfachere Sorten arieb , und für reicher
verzierte „turieb" ist, liegen sowohl aus den Sammlungen der Herren
DE JoNG und ScHAD^E^), Wie aus den beiden oben erwähnten Ankäufen
vor. Zuerst eine Anzahl der einfachsten Form mit kegelförmiger Palm-
holzspitze (Siehe Bd. XVI S. 218); von denen sich nach Massgabe
der Gesammtlänge zwei Formen unterscheiden lassen, deren eine, 28
Exemplare umfassend, einen dünneren Schaft besitzt und eine Länge
I) Der gleichen Verzierung werden wir weiter unten in der des Zwisclienstüoks vieler Pfeile begegnen,
a) In Report 1897/98 sind auf Tafel 9 verschiedene Pfeilfornien, jedoch Isaum deutlich erlcennbar
ä) Die' durch Herrn Schadee eingesandten bildeten den Schmuck eines Grabes, worüber weiter unten.
209 -
von cca. 115 — 122 cM. erreicht, während die Länge der Spitze 32—39 cM. beträgt; die
zweite Form zeigt bei einer Spitzenlänge von 26—53 cM. , eine Gesammtlänge von 149 —
177 cM. Die Befestigung der Spitze auf dem Schaft ist in den meisten Fällen durch
einfache ziemlich rohe und lose Umwindung des Obenendes des letzteren mittelst Pflanzen-
faser geschehen ; nur bei einzelnen Stücken ist
die Umwindung überdem noch mit Kalk einge-
schmiert.
Der Schaft entbehrt in den meisten Fällen
(1892/2) jeder Verzierung, oder Ijei einer grossen
Anzahl besteht dieselbe (1392/3) aus roh ein-
geritzten Längsstreifen an, beinahe allen Gliedern
(Vergl. Bd. XVI, Taf. XVI Fig. 1). Der Schaft
zweier Exemplare (N°. 4 derselben Serie) zeigt
statt dessen einfache verticale Schrägstreifen;
während das erste Schaftglied von N". 5 ein
schildartiges Muster besitzt, zeigt das zweite an
zwei Stellen gegenüber einander zwei nach oben
zu einem kopfstehenden Dreieck vereinigte Wellen-
linien (Siehe Taf. VI Fig. 11), und die übrigen
Glieder einfache Längsstreifen. Bei N". 6 besteht
nur am dritten Gliede eine, durch, mit den Spitzen
zusammenstossende, schilf blattförmige Figuren
gebildete Verzierung; dasselbe findet sich am
zweiten Gliede von N°. 7 , hier ist aber überdem
das vierte mit Wellenlinien verziert (Taf. VI
Fig. 10); wiederum ist nur das dritte Glied bei
N". 8 verziert und zwar in der Mitte mit con-
centrischen Rauten und einem, sich nach oben
und unten hin anschliessendem System schilf-
blattförmiger Figuren und Wellenlinien (Taf. VI
Fig. 9), während endlich nur das vierte Glied
des Schaftes von N". 8 im derselben Weise wie bei N°. 7 verziert
ist. — Von den, wie oben erwähnt, sich durch grössere Länge aus-
zeichnenden Pfeilen (1441/15, vier Expl.; 1476/48 & 51), trägt nur
das zweite Glied eine, mit der Bd. XVI, Taf. XIV Fig. 9b abgebildeten
übereinstimmende Verzierung.
An die Pfeile mit kegelförmiger Palmholzspitze schliessen sich
zunächst solche, an wo letztere in einen deutlich abgegrenzten,
lanz etlichen Teil endet; fünf Exemplare derselben liegen uns
heut vor. Das eine (1392/3) gehört zu der kürzeren Form, der Schaft
ist nur mit Längsstreifen verziert. Die vier übrigen gehören zu der
längeren (1392/10, Taf. VI Fig. 5; 1476/54 zwei Expl., und 58) Form, nur bei 53 findet sich
eine Verzierung und zwar aller Glieder des Schaftes, die mit der Bd. XVI Taf. XIII Fig.
156 abgebildeten übereinstimmt.
Die nun folgenden fünf Pfeile mit lanzettlicher Bambusspitze sind durch
I. A. f. E. XVII. 27
Abb. 16.
Abb. 15.
- 210 -
Herrn Schabte eingesandt und von demselben „als Wuifspiesse der Tugeri aus der Um-
gegend von Merauke" bezeichnet (1476/54 [2 Expl.], 55-57). Die Spitze is nur bei 56
innerhalb eines Schlitzes des Obenendes des Schaftes .selbst mittelst, mit Harz (?) einge-
schmierter Rohrfaser befestigt; bei allen übrigen dient zur Verbindung von Schaft und
Spitze ein runder Palmholzstab, der zumal bei 57, dessen Spitze überdem sehr platt und
einer Lanzenspitze ähnlich , ausserordentlich lang ist (87 cM.). In dem aufgeschlitzten Oben-
ende ist die Spitze mittelst Schnur- oder Rohrfaser- (1 Expl. von 54) Umwindung und
eines mehr oder weniger breiten, diagonal geflochtenen Rotanringes unterhalb letzterer
befestigt. Die Verbindung des Holzstabes mit dem Schaft ist dieselbe wie jene der Spitze
mit dem Schaft bei 56; der Schaft der beiden Exemplare N°. 54 ist nicht verziert, bei 55
zeigt das zweite Glied die Bd. XVI Taf. XIII Fig. 2«, (Sechsecke mit verticalen Zickzack-
streifen inmitten derselben Verzierung) und das dritte an drei Stellen die 1. c. Taf XV
Fig. 2b abgebildete, aus einzelnen verticalen Schlangenlinien bestehende. Das zweite und
dritte Schaftglied von 56 sind sehr reich verziert: Gruppen und schildförmige Figuren,
ähnlich Fig. 9b, Taf. XIV Bd. XVI, jedoch nur in einem vereinzelten Falle mit einem
Zickzackstreif längs deren Mitte. Der Schaft von 57 besteht nur aus drei Gliedern, wir
sind daher zu der Annahme geneigt dass das untere Ende abgeschnitten ; das zweite Glied
zeigt nächst den Knoten concentrische Dreiecke, deren Basis dein Knoten anliegt, während
den Raum zwischen beiden Spitzen gerade und Wellen-Streifen ausfüllen; auch das letzte
Glied zeigt an zwei Stellen einen parigen verticalen, mehrfach schwach gebogenen Streif
Wir schreiten nun zur Besprechung einer Anzahl für unser Gebiet sehr charakteristi-
scher Pfeile, welche, wie wir schon in unserem vorigen Beitrage (I.e. S. 219) sagten, sich
in zwei Formen verteilen lassen. Bei beiden ist auf dem Schaft ein mehr oder weniger
reich verzierter Holzstab, das Zwischenstück, befestigt, das als eigentliche Spitze entweder
einen Gas uar sporn oder Casuar Zehennagel oder, als zweite Form eine gegen das
obere Ende seitlich befestigte, mehr oder minder breite Knochen lamelle trägt. Von den
ersteren liegen unserer heutigen Betrachtung acht Exemplare (1392/11, 12 & 13; 1441/6,
8, 10 & 11 und 1476/75); von letzteren deren einundzwanzig (1392/14, 15, 16, 17,
18 & 19; 1441/5, 7 (2 Expl.), 9&12; 1462/20-22; 1476/50, 68-70, 71—74) derselben zu
Grunde. Die Länge ist bei allen eine ziemlich bedeutende (cca. 143—171 cM.), nur ein Stück
(1392/19) ist auffallend kurz; jedoch fehlt hier das untere Ende des Schaftes. Ein Stück
(1441/10) zeichnet sich durch einen sehr grossen Casuarsporn aus; die Knochenlamelle ist
stets mehr oder minder breit und platt und nur in einzelnen Fällen ähnelt selbe einer
dicken Nadel; in einem Falle (1462/22) ist das untere, aus der Faserumwindung hervor-
tretende Ende zweizinkig gestaltet i).
Jeder Verziering bar sind nur zwei Stücke (1462/20 & 21) die auch in anderer Bezie-
hung einen , von dem der übrigen abweichenden Charakter zeigen ; die Befestigung des
Zwischenstückes auf dem Schaft ist mit Faserschnur geschehen und, gleich dei- zur
Befestigung der Knochenspitze am Zwischenstück dienenden Umwindung mit Rohrfasern,
nicht mit Kalk eingeschmiert.
Was dann die Verzierung der übrigen Stücke betrifft 2) so hat unsere Analyse derselben
1) Bei 1441/9 fehlt die Kiiochenlainelle. ^ ^ „
■i) Vergleiche hiefür unsere Ausführungen in Bd. XVI S. 219—222. Siehe auch die Zusammenstellung
von Verzierungsmotiven unserer Pfeile bei J. E. Jasper: Een boek over de Tugens en Toros van Zuid-
Nieuw-Guinea (Unser Beitrag VIII in Bd. XVI) in Weekblad voor Indie 2e jaarg. N». 38 pg. 683.
- 211 -
das Folgende ergeben: Das der Spitze unmittelbar folgende, schwarze Band fehlt nur bei
zweien (1441/8 & 1462/22) im Übrigen ist das Zwischenstück hier, wie bei allen andern,
in eine Anzahl roter und gelber Bänder, wie 1. c. gesagt, verteilt. Von diesen enthält das
dritte gelbe Band jene, 1. c. S. 220 besprochene, einem Anker ähnliche Figur, nur
bei den zwei eben erwähnten Stücken ist das gelbe, diese Figur enthaltende Band das
zweite. — Spiralig eingerollt sind die Arme der Figur bei 1392/13 (Taf. VI Fig. 7),
14 (VI, 6 & 6a), 15 (VI, 13 & 13a), 16 (VI, 3 & 3a), 17 (VI, 15 & 15«), 18 (VI, 8 & 8a),
19 (VI, 4 & 4a); 1441/5, 7, 10 & 12; 1462/21; 1476/68, 69, 71, 73 und 75. — Rauten-
ähnlich eingerollte Arme zeigt unsere Figur bei folgenden Stücken: 1892/11 (VI, 14),
12 (VI, 12); 1441/6, 8, 9, 11 & 17; 1476/50, 70, 72 & 74. — Bei 1462/21 ist die Figur
sehr zusammengedrungen, bei 1441/6 & 10 und 1476/75 sehr in die Länge gereckt; in zwei
Fällen ist die Figur verdoppelt, so dass sie einem X ähnlich geworden (1392/19, VI, 4a
und 1476/71), wofür sich auch u. a. in Bd. XVI Taf. XIV Fig. 7 ein Beispiel findet; ein
aus dem Anheftungspunkt der beiden Arme hervorgehender Schlangenstreif (siehe Bd. XVI
S. 220) findet sich diesmal nur an zwei Stücken (1392/14, VI, 6 & 6a, & 18; VI, 8a);
gänzlich neu ist aber die Form der Figur bei einem anderen Stück (1392/17; VI, 15 & loa),
wo, so zu sagen, ein zweiter Anker aus dem ersten hervorgeht, der erste mit rautenförmig,
und der zweite, untei'e, mit spiralig eingerollten Enden der Arme.
Bei fünf Stücken nur zeigt sich neben der ankerförmigen Figur das Auftreten von
Punkt reihen (siehe 1. c. S. 220); bei dem einen (1476/75) läuft eine solche durch die
Mitte des, nur in diesem einen Falle gespaltenen Ankerstockes hin, in drei Fällen (1392/15;
1441, 8 & 10) begleiten die Punktreihen jederseits den Stock (siehe Bd. XVI Taf. XV & XVI,
mehrere Beispiele, sowie unsere heutige Tafel VI Fig. 13 & 13a, 1392/15); vöUig abweichend ist
das Verhalten bei dem fünften Stück (1462/22), wo die Punktreihe nicht dem sehr zusam-
men gedrungenen Anker angegliedert ist, sondern an zwei Stellen gegenüber einander, unten
von der Spitze eines Dreiecks ausgehend , das Band in verticaler Richtung kreuzt , während
die dadurch entstandenen Hälften noch einmal durch einen verticalen Schlangenstreif in
zwei Teile geschieden werden.
Die Ringstreifen an den Berührungspunkten der Bänder sind in bei Weitem der
meisten parig, in einzelnen Fällen begegnen wir deren drei, in einem Falle (1441/8) einer
Gruppe von acht, und in einem andern (1392/19) selbst bis zu zehn (siehe Taf. VI Fig. 4)
derselben.
Zickzackstreifen zeigt auch unser heutiges Material wiederholt und zwar sowohl
in verticaler als horizontaler Richtung. Was zuerst letztere betrifft so schliessen
selbe entweder das vorletzte, gelbe Band nach innen ab (1392/11 & 12; 1441/11; und
1476/73 & 74; vergl. z.B. Bd. XVI Taf. XV Fig. 5 & Taf. XVI 1 ig. 2, 10 & 12); einmal
wird ausserdem das, die Ankerfigur enthaltende Band nach oben (1392/12; VI, 12), ein
anderes Mal nach unten (1476/74) und in einem dritten Falle nach oben und unten (1392/11;
VI, 14) durch einen Zickzackstreif abgeschlossen. Bei 1462/21 folgt der Ringstreifen-Gruppe
über dem, den Anker enthaltenden Bande nach oben ein Zickzackstreif und wird überdem
das Band selbst nach unten durch einen solchen wieder abgeschlossen. Zwei Stücke
(1392/14 & 15; VI, 6 & 13) enthalten in dem, der Spitze folgenden schwarzen Band ein
schmales gelbes mit einem Zickzackstreif in dessen Mitte, dessen Biegungen bei 1392/15
kurze Winkel bilden (vergl. Bd. XVI Taf. XVI Fig. 5a); dasselbe ist der Fall bei 1441/8
wo, wie oben erwähnt, das schwarze durch ein rotes Band ersetzt ist. Zum Schluss findet
212
sich ein doppelter Zickzackstreif, begrenzt durch einen, resp. zwei Ringstreifen, oberhalb
der Ankerfigur in dem dieselbe enthaltenden Bande (1441/12) oder auch das, auf dieses
folgende rote enthält in dei- Mitte ein schmales gelbes Band mit breit gebuchtetem Zick-
zackstreif (1476/72 & 75, vergl. Bd. XVI Taf. XVI, Fig. 4).
Vertical verlaufende derartige Streifen enthält in grosser Anzahl wiederum das,
wie eben erwähnt, die Mitte des, dem Anker-Bande folgenden roten Bandes einnehmende
gelbe Band (1462/22; 1392/19; VI, 4; und 1476/71). Abgesehen von den Grössenver-
hältnissen zeigen die Pfeile 1392/19 und 1476/71 grosse Übereinstimmung unter einander,
zumal betreffs der Ornamentik.
Wir kommen jetzt zur Besprechung der Verzierung des Schaftes. Stets folgt,
wie schon Bd. XVI S. 221 gesagt, der Faserumwindung des ersten, oberen Gliedes ein
breites rotes und darunter ein schmales schwarzes Band. Andere Verzierung des Schaftes
findet sich bezw. selten, ziemlich oft treten noch eingeritzte Längsstreifen, und dann an
allen Gliedern auf. Bei einem Exemplar (1462/22) enthält das rote Band zwei breite, ein-
ander wiederholt kreuzende schwarze Zickzackstreifen; in einem Falle (1476/76) folgt dem roten
Bande ein einzelner breiter und in einem zweiten (1441/10) eine Gruppe von drei paral-
lelen derartigen Streifen ; bei dem ersteren enthält dann die obere Hälfte des dritten Gliedes
noch eine eingeritzte, kragenförmige, aus parallelen Bogenlinien und selbe verbindenden
kurzen Querlinien bestehende Vei'zierung. — Endlich findet sich noch reichere eingeritzte
Verzierung nur an einem einzigen, zu dieser Gruppe gehörenden Pfeil (1441/11) und zwar
wiederum am dritten Gliede in Form von Liniensystemen wodurch concentrische Dreiecke,
und schildförmige Flächen, mit einer Zickzacklinie längs deren Mitte, gebildet sind. —
Aus den vorstehenden Mitteilungen betreffs der Verzierung der voi-liegenden Pfeile,
ergiebt sich dass wir gewissen Übei-einstimmungen der Verzierung sowohl bei verschiedenen
Stücken des heutigen Materials, wie auch mit solchen in unserem voiigen Beitrage (Bd.
XVI, i. c.) besprochenen, begegnen. Dadurch dürfte unsere Voraussetzung betreffs des
Wertes des Studiums dieser Pfeilornamentik (I.e. S. 222) eine weitere Stütze erhalten.
Es erübrigt noch die Besprechung dreier Pfeile die ebenfalls mit der Angabe „Süd-
Neu-Guinea", durch Ankauf, erlangt wurden (Ser. 1462/23—25). Der Gesammthabitus der-
selben ist aber ein, von den übrigen oben besprochenen, so durchaus abweichender, dass
wir deren Herkunft vom Festlande von Neu-Guinea schon anfänglich bezweifelten und
selbe eher auf den „Torresstrasse-Inseln" suchten. Eine Durchsicht der ein-
schlägigen Literatur, zumal einer Arbeit Haddon'sI) und einer von Uhle 2) bestätigte
unsere Annahme betreffs der Herkunft in erwünschtester Weise.
Der allgemeine Charakter unserer drei Stücke ist ein un verzierter Rohrschaft, auf
welchem ein hölzernes Verbindungsstück mittelst Rohrfaser- oder Schnurumwindung befes-
tigt ist, während das Obenende ein Knochenstück als eigenliche Spitze trägt. Bei zwei
Stücken (24 & 25) ist die Form desselben lanzetlich, beim dritten (23) bildet ein einfacher
Vogelknochen, dessen oberes Ende abgebrochen, die Spitze.
') The decorative Art of Biit. New-Guinea. Dublin 1894.
2) Ueber Pfeile aus der Torresstrasse. Dieses Archiv Bd. I, S. 173 ff.
- 213 -
Das Zwischenstück ist melir oder weniger reich mit Schnitzwerk geschmückt;
bei dem von 23 ist die obeie Hälfte vierseitig und die untere rund, letztere ist mit
schrägen und verticalen Gruben, durch welche Rauten und gleichschenklige Dreiecke
begrenzt werden, verziert. Dort wo die obere in die untere Hälfte übergeht, ist das
Zwischenstück mit, sich vielfach kreuzender dünnei- Schnur umwunden; das obere
Ende dieser Umwindung ist mit einer teilweise fehlenden Lage Kalk(?) bedeckt, in welche
sehr kleine rote Federn und an zwei Stellen gegenüber einander kleine Muschelplatten
{Nassa) gedrückt sind. Die Knochenspitze ist grösserer Festigkeit halben durch eine Schnur
mit dem unteren Ende des Zwischenstücks verbunden i).
Am Obenende des Zwischenstücks des zweiten, hier zu besprechenden Pfeils (24) tritt
aus der, zur Befestigung der Knochenspitze dienenden Umwindung ein nadeiförmiger, schief
nach aussen und unten gerichteter, knöcherner Wideihaken hervor. Übrigens verteilt sich
die Verzierung mit Schnitzwerk des Zwischenstücks über fünf gesonderte Teile: einem
kürzeren oberen, mit verticalen geraden und Wellenstreifen, sowie an zwei einander gegen-
über liegenden Stellen mit einem abgestutzten Dreieck, folgt als zweiter ein längerer mit
dreizehn Gruppen sägezahnartig vorspringender, quadrilateraler Widerhaken. Dann folgen
zwei andere je mit vier langen quadrilateralen , nach unten gerichteten Widerhaken,
worauf dann die Verzierung mit einem cylindrischen längeren Teil, dei' mit verticalen geraden
und Wellenstreifen und Reihen kleiner Rauten bedeckt ist, endet.
Unser drittes noch zu besprechendes Stück (25) zeigt wiederum den knöchernen Wider-
haken unterhalb der Umwindung der Spitze, hier aber nach innen gebogen und platt;
dagegen weicht die Verzierung des Zwischenstückes völlig von der jenes der beiden
vorerwähnten Stücke ab. Selbe stellt der Hauptsache nach eine stilierte Menschenfigur
mit übermässig grossem Kopfe vor und erinnert in dieser Hinsicht sehr an die bei Haddon^)
und Uhle^) abgebildeten und besprochenen Stücke. Am meisten stimmt unser Stück mit
der Abbildung bei Haddon überein, wie dort finden sich auch hier oberhalb des Kopfes
4 Gruppen quadrilateraler sägezahnartiger Widerhaken ; die Stirn zeigt eine Querreihe
kleiner Rauten, die Augen bilden Parallelogramme, der Nasenrücken ist sehr lang, beide
Flügel /\-förmig, der Mund ist nicht angedeutet, aber ein starker Kinnbait und am Halse
ein stumpf kegelförmiger Vorsprung, wie bei Haddon Fig. I8b, der nach ihm den Adams-
apfel vorstellt. Längs beider Seiten des Kopfes findet sich eine Leiste mit vielen flachen
Quergruben, welche Vorder- und Hinterkopf trennt; das Schnitzwerk des letzteren .stimmt
völlig mit der Zeichnung bei Haddon überein und besteht aus einem queren Schlangenstreif
in der Ohrgegend und einem , davon ausgehenden verticalen solchen längs der Mitte des
übrigen Teils des Hinterkopfes, sowie jederseits desselben drei parallelen verticalen, oben
winklig nach aussen gebogenen Gruben, als Andeutung des Haares. Die Arme bilden platten-
artige Erhabenheiten ; die Rückensäule ist durch eine leistenartige Erhabenheit mit queren
Gruben angegeben und die Beine durch zwei, einander mit der stumpfen Spitze berührende
Dreiecke vorgestellt, mit deutlich hervortretenden Knieen und Füssen, letztere in Form
einer ovalen Platte, die drei oder vier ellipsoide Erhabenheiten enthält. Vorn zwischen
den Beinen verläuft eine verticale Reihe kleiner vierseitiger Erhabenheiten; seitwärts
begleitet die Biegung der Beine eine Reihe kleiner rautenförmiger ErhaL>enheiten, während
I) Siehe Haddon, Op. cit., S. 48.
-) Op. cit., S. 51, Fig. 18. ') Op. cit., S. 174, Fig. 1 & la.
- 214 -
die Hinterseite vom Rumpf bis zu den Füssen durch zwei concentrisclie, ellipsoide Flächen
eingenommen wird. Befestigung des Zwischenstücljes auf dem Schaft mit Schnurumwin-
dung, die an der vorderen Seite eine verticale Reihe Knoten, wie bei Uhle, I.e. S. 175,
Fig. 3, bildet.
Von der schon mehrfach erwähnten Roh r man seh et te als Schutz gegen das Zurück-
schnellen der Bogensehne (Siehe Bd. VIII, S. 163 & XVI, S. 223) enthält die Sammlung
des Herrn de Jong wiederum ein Stück (1392/.59) das sich, wie die Fig. 7 & 7a der Taf. III
zeigt, von den früheren durch sehr sorgfältige Arbeit unterscheidet. Der Name derselben
ist „karieke", das Geflecht besteht aus einer Menge dünner Rohrstäbe als Kette und feinen
braunen Rohrfasern als Einschlag, wodurch an jedem Ende ein breites, und in der Mitte
zwei schmälere erhabene Querbänder gebildet werden (Siehe Fig. 7a und unsere Abb. 13) i).
Von den mehrfach (Bd. VIII S. 163 & XVI S. 223) erwähnten Friedenzeichen
liegen aus der Sammlung de Jong diesmal acht Stücke (1392/40—42 & 43 [-5 Expl.]) voi-,
betreffs welcher derselbe mitteilt dass der einheimische Name derselben „karirte matau"
(holl. „karirte matou') sei und dass bei Tänzen ein derartiger Federbusch in die oben
erwähnte Manschette gesteckt wird. .Dies weicht von den früheren Angaben betreffs der
Bedeutung dieser Schmuckstücke ab, da aber einerseits die früheren, von verschiedenen
Berichterstattern herrührenden Angaben unter einander übereinstimmten, und die Tänze
während welcher die Stücke nach Herrn de Jong getragen werden, sehr wohl Kriegstänze
sein können, besteht vorläufig für uns noch kein Grund dieselben als ausschliesslichen
Tanzschmuck unserer Gruppe XI einzuverleiben.
Das erste der heut vorliegenden Stücke (40) besteht aus einem cca. 95 cM. langen,
dünnen braunem Ende Rotan, an dessen Mitte eine Menge kleiner Büschel Casuarfedern ,
deren unteres Ende mit Rohrstreifchen umwickelt ist, mittelst gleichartiger ümwindung
seitlich befestigt sind. —
Das folgende ca. 62 cM. lange Stück (41) besteht wiederum aus Casuarfedern, welche
einzeln, also nicht zu Büscheln vereinigt, rund um das ganze Rotanende befestigt sind;
hiermit stimmt das dritte (42), ungefähr 50 cM. lang, beinahe völlig überein, jedoch hängen
von der Spitze zwei kleine Casuarfederbüschel und einige weisse Federn (Cacatna?) teils
mit mehrfach ausgekerbten Fahnen und, vom unteren Ende eine Anzahl letzterer, an kurzen
Schnüren befestigt, herab. — Die übrigen fünf Stücke (43) sind je cca. 100 cM. lang
und stimmen unter einander und mit der Fig. 7 der Taf. XII unseres vorigen Beitrages
(VIII, Bd. XVI) sehr gut überein. Beinahe das ganze Rohrende ist mit weissen Flaumfedern
umhüllt; am oberen Ende und an verschiedenen Stellen der Umhüllung treten Casuarfeder-
Strähne mit von den Enden herabhängenden weissen , schwarz und weissen und braun und
weissen Federn, teils mit ausgekerbten Fahnen, hervor; einmal sind in zwei der erwähnten
Strähne rote Federchen eingestreut.
XI. Musik, Tanzattribute.
Sanduhrförmige Trommeln, kendara, enthält die Sammlung de Jong zwei
Exemplare (1392/48—49), beide betreffs der Form mit den in unsren früheren Beiträgen
') Auch in Rep. 1897/98 sind auf Taf. 26 derartige Manschetten abgebildet.
215 ■
beschriebenen übereinstimmend ; auch diese sind , zusammen mit dem Griff aus einem
Holzstück verfertigt. Die erste (48) ist nur 52,5 cM. hoch, das Trommelfell fehlt und der
Trommelkörper ist der ganzen Lange nach, und ausserdem ein zweites Mal längs eines
Teils der unteren Hälfte, gesprungen; der Schade ist aber mittelst Zusammenschnürung der
entsprechenden Teile am unteren Ende der Sprünge mit Rohrfasern und ausserdem durch
Dichtung mit Harz (?) ausgebessert. Die Verzierung mit Schnitzwerk der unteren Hälfte
stimmt beinähe völlig mit der des zweiten Stückes (49) überein , nur ist die Wellenleiste
am Griff' und dessen, den Trommelkörper umklammernden Fortsatz stärker gebuchtet und
erlangt selbe an einzelnen Stellen die Gestalt einer Reihe
sich mit den seitlichen Spitzen berührender Rauten.
Überdem begegnen wir an der Hinterseite der Obenhälfte
einer Figur in basrelief welche einigermassen einem
fliegenden Vogel ähnelt (Siehe Abb. 17).
Die zweite Trommel (49) ist 148 cM. hoch; das
Trommelfell besteht, wie das der in Bd. XVI S. 224 be-
schriebenen und Taf. XI Fig. 6 abgebildeten aus Säuge-
tierhaut; von den 17 grossen Harztropfen, welche das-
selbe ursprünglich trug, sind nur noch 11, mehr oder
weniger gut erhalten, vorhanden. Die Verzierung der
unteren Hälfte ähnelt jener des Bd. XVI Taf. XI Fig. 6
abgebildeten Stückes und ist wie dort über drei Quer-
bänder verteilt; die Einzelheiten derselben lässt die
heutige Taf. II Fig. 5 deutlich erkennen. Der Griff' und
dessen, den Trommelkörper umklammernde Fortsätze,
zeigen, wie jene der Bd. XVI Taf. XV Fig. 2 abgebildeten
Trommel, eine, jedoch viel weniger gekrümmte Wellen-
leiste auf weissem Grunde. Der obere Fortsatz bildet
nach vorn einen kleinen, durchbohrten Vorsprung, in
welchem Casuarfederbüschel an kurze Schnüre verbunden,
durch diese befestigt sind. An der oberen Hälfte des
diesmaligen Exemplars finden sich, wie bei dem eben
erwähnten, rautenförmige Flächen mit erhabenem rauten-
förmigem Kern , die Spitzen derselben sind aber viel
länger ausgezogen und beiderseits endet die nach aussen
gerichtete Spitze der letzten , vorderen Grube in eine
doppelt hakenförmige, der rohen Figur eines fliegenden
Vogels nicht unähnliche Grube i).
Von Tanz attrib Uten liegt heute eine grös.sere Reihe vor. Zuerst eine solche
sogenannter Tanzkeulen (1392/51 — 58 und 61 — 63). Die erste derselben „kejapu" (b\,
Taf. V Fig. 2 & 2a) ist aus Palmholz verfertigt, löffelstielähnlich und 164,5 cM. lang; das
ganze Stück ist mit dunklem Firnis überzogen, am oberen Ende sind zwei braune, mit den
Krümmungen gegen einander gekehrte Zickzackstreifen nur undeutlich erkennbar, der Stiel
Abb. 17.
') Abbildungen ähnlicher Trommeln siehe in Report 1897 98 Taf. 6 und bei Jasper, Op. cit. S. 687. —
Zwei Saiteninstrumente, beide mit einer Saite, wahrscheinlich mit Schallkörper von Bambus und mittelst
eines Plectrons von Rohr gespielt, sind im ersterwähnten Report Taf. 7 abgebildet.
- 216 -
endet nach unten spitz. — Zwei weitere Stücke (52 — 53) sind aus gelblichem leichtem Holz
verfertigt und mit braunem Firnis überzogen ; das Schlagende des ersten (52, Taf. I, Fig. 2a — d)
besteht aus einem unteren breiteren Teil und einem oberen , im Durchschnitt ovalen ; die
eine Seite des ersteren (Fig. 2) zeigt drei mit Kalk gefüllte seichte Gruben : je eine längs
der Kanten und darunter zwei einen Winkel bildende. Am oberen Teil ist in geringem
Abstände vom Ursprung ein jederseits hervortretendes Querstück gebildet, während derselbe
oben in einen verdickten, stumpf kegelförmigen, der glans penis nicht unähnlichen Teil
(die beiden Seiten Fig. 2 & 2a, Durchschnitt 26) endet. Der Stiel zeugt, gleich wie das
ganze Stück von roher Arbeit, die Keule ist braun und schwarz übermalt in verschiedener
Verteilung in Quer- und Winkelstreifen wie dies aus der Abbildung ersichtlich, die Länge
beträgt 146 cM. — Das andere Stück (53) ist 152 cM. lang, der Stiel ist rund und braun
gefärbt, das lanzetliche Obenende mit vielen braunen queren Winkelstreifen und zwei
Zickzackstreifen vor der Einmündung in den Stiel an beiden Seiten verziert (Taf. IV Fig. 6).
Eine vierte sich hier anschliessende Form (61) „gongaai", mit länglich ovalem Schlag-
ende, ist wiederum aus Palmholz verfertigt, 129 cM. lang und mit schwarzem Firnis über-
zogen. Die eine Seite des Schlagendes ist mit einem System brauner Streifen: ein hufeisen-
förmiger und mehrere Wellenstreifen , verziert (Siehe Taf. II Fig. 2a) und die andere Seite
längs beider Kanten mit concentrischen Gruben die mit brauner Farbe gefüllt sind (Taf. II Fig. 2);
und zwar oben eine Gruppe winkliger und unten zwei die mit der Kante Vierecke bilden.
Nach unten hin wird die Verzierung durch ein eingeschnittenes, farnblattförmiges Quer-
band abgeschlossen. — Heri- de Jong bezeichnet dieses Stück als „Sagoklopfer"; gegen
einen derartigen Zweck spiicht aber schon die Form, die Angabe beruht also sicher auf
einem Irrtum.
Es folgt jetzt eine durch drei Exemplare (1392/54—56) repräsentierte, aus leichtem
gelblich weissem Holz verfertigte Form deren Schlagende ein hohl geschnitzter, mehr oder
weniger tonnenförmiger, von einer Spitze überragter Teil bildet. Das erste derselben
(54, Taf. VI Fig. 16) ist ziemlich roh bearbeitet, rotbraun gefärbt und 135 cM. lang. Der
tonnenförmige Teil zeigt sieben schräge Öffnungen und auf dem übrigen Teil der Oberfläche
concentrische winklige Einschnitte. Nach unten folgt ein platter, in Form eines Ringes
hervortretender Teil, nach oben zwei aus einander hervorgehende kegelförmige Spitzen. —
Das zweite Exemplar (55 i), Taf. II Fig. 3 & 3a) ist 144,5 cM. lang und dunkelbraun
gefärbt. Der tonnenförmige Teil des Schlagendes ist gleichmässig dick, nach oben nur von
einer Spitze gekrönt, von welcher der erstere, gleichwie vom Stiel, durch eine tiefe mit Kalk
bedeckte Grube getrennt ist. Das Schnitzwerk besteht aus zwei, mit dem convexen Rand
einander zugekehrten hufeisenförmigen Ausschnitten, deren Rand durch eine Grube begleitet
wird, während die durch die Ausschnitte umrahmten Teile mit einer eingeschnitzten, der
Länge nach gespaltenen, und hier einen Zickzackstreif enthaltenden, einem a;-ähnlichen
Figur verziert ist, die vielleicht aber auch einen Krokodilkopf bedeuten soll (Fig. 3). Diese
Verzierung findet sich an zwei Stellen gegenüber einander, die trennenden Teile zeigen
eine rautenförmige Öffnung durch eine Grube umrahmt, welche nach oben und unten in
eine lange verticale Grube übergeht (Fig. 3a). Das ganze Schnitzwerk ist mit Kalk gefüllt,
ebenso wie der Hohlraum mit Kalk beschmiert ist. Durch die rautenförmigen Löcher sind
dünne Schnüre gereiht mit weissen, teils an den Fahnen ausgekerbten Federn an den Enden.
') Verslag Rijks Ethn. Museum 1902/03, Taf. VIII 2te Fig. links.
- 217 -
Von sehr sorgfältiger Behandlung der Schnitzarbeit zeugt unser drittes Stück (5ßi), Taf. IV
Fig. 3 & 3a); dasselbe ist 119 cM. lang; der, sehr dunkelbraun geförbte, tonnenförmige Teil
des Schlagendes ist von der Spitze durch einen ringförmigen Vorsprung getrennt, während
auch der Stiel über das Unterende dieses Teils rund herum hervortritt. Durch die drei
schrägen Öffnungen wird an zwei Stellen, gegenüber einander, ein Stück der Wand begrenzt,
das einem Menschengesicht mit langer Nase, wie bei manchen der aus Britisch- und Deutsch
Neu-Guinea bekannt gewordenen Masken , zumal an der einen Seite (Fig. .3a), ähnlich ist.
Die ganze Wand ist mit eingeritzten horizontalen Zahnstreifen bedeckt, ausserdem sind die
Augen etc. durch flache Gruben angegeben und findet sich an beiden Enden ein breiteres,
queres Wellenband. Alle tief liegenden Teile des Schnitzwerks sind auch hier wieder mit
Kalk gefüllt, womit auch das Innere des Hohlkörpers teilweise beschmiert ist. An der
Spitze hängen, an einer Schnurumwindung, wie wir selbe oben bei dem Pfeil 1462/25
kennen gelernt, neun Schnüre angereihter halbierter Coi.-c-Früchte mit bräunlichen Federn
an den Enden.
Die zwei nun folgenden Stücke (1392/57 — 58) weichen von den bisher besprochenen
in Folge ihrer Form ausserordentlich ab und rufen eher den Eindruck von Speeren hervor;
selbe werden in der Tat durch Jasper 1. c. und im Report 1897/98 auch so genannt.
Beide sind mehr oder weniger dunkelbraun gefirnist, das als Schaft aufzufassende lange
und runde untere Ende ist durch einen schildförmigen Teil von der eigentlichen , im Durch-
schnitt rautenförmigen Spitze getrennt. Der schildförmige Teil ist ä jour in Spiralmuster
geschnitzt und erinnert daher ausserordentlich an das gleiche Motiv des Schnitzwerks
vieler Gegenstände von Neu-Seeland ; längs der Mitte verläuft bei beiden ein erhabener ver-
ticaler Zickzackstreif. Beim ersten Exemplar (57; Taf. V, Fig. 1, a&ö) ist das dünnere Ende
des hier besprochenen Teiles nach oben, beim anderen (58, Taf. V Fig. 4, a — c) nach unten
gekehrt. Beim ersteren (57)2), jgg cM. lang, findet sich am unteren Teil der Spitze und am
obersten Teil des Schaftes, an zwei Seiten gegenüber einander rund um einen rauten-
förmigen Kern eine Anzahl gebogener Gruben ; es dürfte sich hier um die Stilierung des
Menschenkopfes handeln. — Beim zweiten, ebenfalls 180 cM. langen Stück (58) 3) finden sich
an denselben Stellen und an der Mitte der, mit einem Casuarnagel bewaffneten Spitze,
nur unregelmässige, gebogene Gruben, die keinen bestimmten Schluss betreffs ihrer Bedeu-
tung gestatten. Der schildförmige Teil ist hier längs des Randes noch von einem Zierbande
mit verticalen Wellenstreifen versehen , ausserdem sind an beiden Rändern Faserschnüre
festgeknotet, deren Enden grauweisse Federn mit ausgekerbten Fahnen tragen.
Es erübrigt nun noch die Betrachtung zweier hieher gehörender, aus gelblichem Holze
verfertigter Stücke (1392/62—63); bei beiden ist das, dem länglich ovalen Blatte eines
Ruders ähnelnde Schlagende gelb gefärbt und am Obenende, der Spitze, mit diagonal gefloch-
tener grauer Faserschnur dicht umwickelt. Das Schlagende beidei', „hajam", genannter
Stücke ist ä jour geschnitzt, mit einer grossen rautenförmigen, durch einen Längsrücken
gekreuzten Öffnung als Mitte. Bei dem ersteren 170,5 cM. langen Stücke (62, Taf. 1
Fig. 1 & la) ist das Blatt oberhalb jener Öffnung in fünf Längsstreifen zerlegt, wovon
das Unterende jener beiderseits des Mittelstreifs, schräge nach aussen gerichtet ist; unterhalb
des Mittelteils folgt erst jederseits ein dreiseitig zahnartiger Vorspiung, während der übrige
') Verslag Rps Ethn. Museum 1902,0,S, Taf. VIII 2te Fig. rechts,
■i) Cfr. Jasper, O.e., S. 682 & Report 1897/98. Taf. 6, oberste Figur.
3) Cfr. Report 1897 98. Taf. 10. — Verslag Ryks Ethnogr. Mus. 1902/03. PI. VIII 1« Fig. links.
I. A. f. E. XVII. 28
- 218 -
Teil in sieben Längsstreifen zerlegt ist, wovon die beiden jedei'seits des Mittelstreifs oben durch
eine Querbrücke mit einander verbunden sind. Der unterste Teil des Blattes und der .Stiel
sind rotbraun gefärbt; von der Umwindung der Spitze hängen Giasstreifen , und aus dem
unteren Ende derselben Strähne von Casuarfedern mit weissen ausgekerbten Federn an den
Enden herab, während an der Mitte des einen Randes eine Anzahl Schnüre mit ange-
reihten Stücken einer Binse oder Früchten von Coix befestigt sind, deren Enden Muscheln
{Valuta Zebra Lam., Nassa rvtilans Rve. und ein Stück der Klappe einer Süsswasser-
muscheli), ein Stück eines Schweinezahns, kleine Büschel Tierhaar oder weisse Federn
tragen. — Der untere Teil des zweiten, 182 cM. langen Stückes (63, Taf. I Fig. 4, a & b),
imitiert die oben erwähnte Steinkeule; unterhalb dei- den Stein ersetzenden Holzscheibe
ist der Stiel mit Rotanstreifen umwickelt, wobei wiederum die verticale Reihe Knoten,
der wir schon zweimal bei Schnuium Windungen begegneten, auftritt. Die eine Seite des
Schlagendes ist convex, die andere schwach concav (Fig. 4a); die Verteilung des Schnitz-
werks im oberen Teil und in der Mitte stimmt mit der bei dem vorigen Stücke überein; die
untere Hälfte aber zerfällt hiei-, gleich der oberen, in fünf Leisten, von denen jene beiderseits
der Mittelleiste durch eine Querbrücke mit dieser verbunden sind. Im rotbraun gefärbten Teil
oberhalb der Scheibe befindet sich ein gelbes Querband das einen schwarzen Zickzackstieif
enthält. Auch hier hängen von der Spitze Schilfstreifen, und vom unteren Rande der
Umwindung jederseits eine Schnur mit daran befestigten kleinen roten und Paradiesvogel-
federn, sowie weissen ausgekerbten Federn an den Enden herab. An der Mitte des einen
Seitenrandes sind, wie beim vorigen Stück einige, durch eine Klappe einer Süsswasser-_
muschel laufende Schnüre befestigt, mit angereihten Stücken einer Binse, Früchten von
Coix und Erythrina, und an den Enden mit Büscheln Tierhaar, Stücken von Schweins-
zähnen, einer Feder und mehreren Meeresschnecken {Voluta zebra Lam., Nassa ruHlans
RvE. und Natica ampla Phil. vai-. petiveriana Rve.) 2).
Wir kommen jetzt zur Betrachtung zweier, bei Tänzen herumgetragenen Nachahmungen
von Tieren aus weichem Holz (1392/46—47). Die eine (46, Taf. 1 Fig. 3 & Sa) stellt
einen Fisch, die andere (47, Taf 2, Fig. 1, \a & b) eine Schlange vor; erstere ist
150, letztere 240 cM. lang. Beide sind mit in Harz gedrückten und auf verschiedenerlei
Weise verteilten roten und schwarzen {Abrus) und grauen Fi'üchten {Coix) in bestimmten,
aus unsren Figuren ersichtlichen Mustern bekleidet, und in der Mitte der Unterseite von
einem Loch versehen. —
Die beiden vorerwähnten Stücke die, wie Herr de Jonr bemerkt, ziemlich selten sind,
wurden am Bohika-Fluss gegen Beile, Messer etc. etc. eingetauscht. In das Loch der
Unterseite wird ein Stock befestigt, um den Gegenstand während des Tanzes bei Fackel-
licht oberhalb des Kopfes zu tragen, wodurch ein phantastisches Schauspiel erzeugt wird '5).
') Die Namen der Sclineoken verdanken wir der Güte des Herrn Dr. R. Hur.st vom liiesigen Reichs-
niuseuni für Naturgeschichte iZoolofrie). ,-,^.,,,0 ■ . ■ r. • ;
■■) Versl REM 1902,03. PI VIII, l^te Pig. rechts. — Auf Taf. 15, Report 1897/98 ist eine Ceieinonial-
keule mit" naciigeah'nitem Stein vom M o reh eadri ver abgebildet, deren Schlagende aber viel eiiitacher
wie das unseres Exemplars gestaltet ist. - Haddon bildet, 0. c. Taf. V Fig. 77 eine „pierced stone carving,
forniing a iiead to a disc-shaped stone rlub" aus dem Museum in Rom ab. welche, durch d Albeetis am
Flv-river gefunden, sowohl betreffs des Schnit/.werkes als auch wegen des Schnuibehanges unseren
beiden, hier besprochenen Stücken so ahnlich ist, dass wir versucht sind anzunehmen, unsere Stucke
. seien Nachahmungen jenes Typus. . , . , . tt-i« i ..
') Die Abbildung eines Tanzes bei Port Moresby, Brt. N. G., findet sich in der oberen Hälfte dei
Tafel 2 des Report 1897 98. - Die untere Hälfte derselben Tafel stellt ein Kai le-Mädchen vor, das mit
dem Fadenspiel {Cuts-cradle' beschäftigt ist.
- 219 -
XII. Religion, Begräbnis etc.
Von in diese Gruppe geiiörenden Gegenständen enthält diese erste Sammlung des
llüirn DE JoNG nichts, wohl aber verdanken wir demselben die Photographie einer Grab-
stätte welche wir als
Abb. 18 hier reprodu-
cieren. Links befindet
sich nach Herrn de Jong's
Angabe das Grab einer
Frau auf welches ein
Wasserbehälter aus Ko-
kosnuss niedergelegt ist ;
mehr nach rechts folgen
dann die Gräber zweier
Männei- auf welche von
Rotan verfertigte Fang-
schlingen für Schweine,
Pfeile und Lanzen ge-
steckt sind, wie dies auch
durch Herrn Schadee,
demzufolge die Pfeile
halbwegs im Boden
steckten, beobachtet wur-
de 1). Die Gräber sind
teilweise durch eine Bam-
bushecke umgeben ; die
hier abgebildeten wurden in der Nähe des Kampong Koperike oder Kuperike (Holl.:
Koeperike) angetroffen-).
Abb. 18.
XI. Zwei Gegenstände von Niederl. Nord Neu-Guinea
Der erste deiselben, ein Palmhoizbogen (Ser. 1.502/4) wurde neuerdings angekauft
und ist seiner auffallenden Verzierung mit Schnitzwerk, auf der convexen Seite, halben von
') Siehe oben S. 208, Anmerkung. ^t , j . nt
■) Im Report 1897,98 finden sich Taf 14 & 17 Gräber von Goromaui in Brit. N. (t. darijestellt^
die von dem oben abgebildeten aber diircli ihre Anlage etc. beträclitiich abweichen. Ferner zeigt Taf. 6
eine Wittwe vom Kaile-Stamm in vollem Trauerschmuclc und Taf. 26 zwei der oben erwähnten Fang-
schlingen , . r J
Besonderes Interesse aber beanspruchen die im Appendix CO. (S. 134 ft.) gegebenen, umfassenden
Mitteilungen über den Toteniismus bei den Stämmen Britisch Neu-Ouinea's, deren Wert durch näher
erläuterte Abbildungen von 13 Totemzeichen (S 13.5; Kasuar, Krolcodil, Bambus, Krebs. Mangrove,
Catfish, Polynesisohe Kastanie und eine Reihe anderer Pflanzen \nid Bäume, sowie Steine dienen als
Totem) und durch Bemerkungen betreffs des Toteniismus bei den Eingeborenen der Viti-Inseln, von
Neu-Britannien und Sanioa seitens der Drs. Lorimek Fison und Geo. Brown bedeutend erhöht
wird. — Einen wertvollen Reitrag zur Kenntnis der Ornamentik jener Eingeborenen bildet dann schliess-
lich noch die Erklärung der Zeichnungen auf einem Holzsclülde von K i r i wi na (App. J.,T.) durch Rev.
S. ß. Felloweb; der Morgenstern. Schlangen, Fische, Vögel, der Regenbogen und die, für die Schmuck-
stücke benutzten Muschelringe bilden die Elemente derselben.
220 -
besonderem Inteiesse. Wir geben
Breite in der Mitte 3,5 cM.; die
selben hier als Abb. 1., die Länge beträgt 194, die
beiden Schultern enden gleichmässig stumpf; das eine,
hier abgebildete Ende trägt einen, das andere fünf
fischgratförmig geflochtene Rotanringe. Nahe dem
einen Ende findet sich eine Giuppe Schnitzwerk aus
concentrischen Rauten , Ovalen mit ovalem Kern ,
schrägen und bogenförmigen Gruben bestehend. Unseier
Meinung nach haben wir es hier mit einer Zusammen-
stellung von drei stark stilierten Menschenköpfen zu
tun und würden dann die Ovale als Augen aufzu-
fassen sein. Längs der Mitte des zweiten Drittels ist
der Bogen ferner verziert mit zwei, durch die Schwänze
an einander verbundene Schlangen en relief. Eine ge-
nauere Fundangabe fehlt, wir vermuten aber dass das
Stück aus der Humboldt bai oder deren Nähe stammt.
Das zweite in Abb. 2 wiedergegebene Stück ist
■^ ^ - " Heirn Ltnt. z. S. B. J. Heilbron zu danken und
■^'''' -■■ wurde durch denselben im Kampong Bahaiserioor
auf dem Festland von Nord Neu-Guinea, etwas west-
lich V(in den Wakde-Inseln liegend, gefunden; höchst wahrscheinlich
wurde dieser Kampong vorher nie durch ein Schiff besucht. Den Gesammt-
eindruck unseres, als eine Büste aufzufassenden Exemplars (Ser. 1501/11)
giebt unsere Abbildung ausgezeichnet wieder; wir bemerken daher nur
dass die Figur von braunem festen Holz geschnitzt und 11,5 cM. hocli ist.
Die Brustwarzen sind deutlich, das Membrum virile sowie die Hoden sind
durch stumpfconische Erhabenheiten angegeben. Durch die Form des Kopfes
und zumal der Nase weicht diese Figur von allen übrigen uns aus jener
Gegend Ijekannt gewordenen, die ihr im Grossen und Ganzen durch den
Gesammthabitus verwandt sind , ab.
%:-
Abb 1.
- 221
I. N0ÜVELLE8 ET CORRESPONDANCE. — KLEINE NOTIZEN UND CORRESPONDENZ.
I. Zittend Ravaiia-beeld op ge vioiigu Ide
Raksasa. — Toen ik iiog (iouvernuui' te Makassar
was, ontving ik van den Voist van Goa, die
naar Bali geweest was oni daai de inigatie- werken
te bestudeeren, ten einde daarvan voor de bewatering
der rystvelden in ztjn land partü te trekkon, bjj
zyne terugkomst als eene lierinnering aan zjjne
Baiische reis, het liierender afgebeeld honten poly-
(•liniom beeld ten giisclienkc.
Vul^iens mijne ziensw-yze is litt eeii Balineesche
voorstelling van den lenzenvorst Ravana, gezeten
op den rüg van een gevleugelde Raksasa (RoA-
sasa malumpid). Waarschünlyk is hü afgebeeld op 't
oogenblik dat hy Dewi Sita, genialin van Batara
Rama . gaat schaken. Oji Bali schynt nien deze ge-
vleugelde reuzen Wilmana te noemen. wat evenwel
eene verkeerde. verbasterde schryfwyze is. waar-
schynlyk uit 't sankrietsche Wimana (wagen) ont-
staan. Zie hierover liet door Prof. Kern aangetee-
kende op blz. 160 van Deel X van 't Internationale
Archiv für Ethnographie.
Ravaxa is gekroond niet den Makoeta i-n daar-
(jnder den liaarband . de Raksasa op een been ge-
kniold in de liouding als vele tenipeiwachters op
Java. — Beiden hebben een zwaard (in den vorm.
van een kapmes, wedoeng, in de rechterliand).
Beide figinen zyn donkcrroodbruin van linidskleur.
hoewel Ravana iets lichter gelint is. — 't Beeld is
67 cM. lioog en 60 cM- breed , boven de punten der
vieiigels genieten.
Hoewel staande RAVANA-beelden niet zeldzaam
zyn en op Bali als krishouders dienst doen, o.a.
afgebeeld in C. M. Pleyte: „Indonesian art",
keinen beeiden als boven beschreven minder voor,
en vond ik het dus gewenscht het hier af te beeiden.
Leiden, April 1905
(t. W. W. C. baron van Hoevell.
II. Über die K upfertroni m ei von Alor.
In Sand XIV dieses Archivs, Seite 193—194, teilten
wir mit, dassdas im Ethnographischen Reichs-Museum
vorliegende Exemplar in einem der früheren Ver-
waltungsberichte dieser Anstalt als „Kwispedoor"
(Spucknapfl aufgeführt sei, sowie dass Herr Roüffaer
darauf hinwies dass auch in einem Bericlit des
Baron van Lynden jenes Instrument mit einem
„kwispedoor met deksel" verglichen wurde.
Herrn Dr. H. H. Jüynboll verdanken wii- nun
den interessanten Hinweis auf einen Aufsatz von
A. Pruys van der Hoeven „Iets over den bruid-
schat by eenige volken van den Indischen Archipel"
(Tydschrift voor Indische Taal-, Land- en Volken-
kunde. Deel XVI, 1866), wo die vorerwähnten
Trommeln als zum Brautschatz der Aloresen ge-
hörend, auch als eine Art „Kwispedoor" bezeichnet
werden, die allein als Tausclimittel oder „liggend
kapitaal" (Vermögen) verwendet und bei Sterbe-
fällen geschlagen werden." Daraus erklärt sich denn
auch die Bezeichnung in dem betreffenden Ver-
waltungsbericht, sowie die des Einsenders des
Stückes.
III. Die Redaktion bittet in der in Heft 1/2 er-
schienenen Arbeit: ,,Die Indianerstämme des
Gran Ghaeo" die Anmerkung unter dem Inhalts-
verzeichnisse, die sich infolge eines Missverständ-
nisses eingeschlichen hat, zu streichen. Ferner wolle
man folgendes berichtigen:
S. 17, Z. 4 statt: I?ara = Ira/a.
„ 39, „ 2'J „' Rosaria-Timbö= Rosario-Tiinbn.
„ 39, „31 „ Yabe/iiri = Yabeftiri.
„ 44. „ 12 „ hatten = hrttten.
.. 44, „ 15 „ 7At = ztc.
,. 45, „32 „ .-X pacachodeg»/o = ApacachodegMO.
222 -
IV. B a u m r i n d e n k 1 e i d u n g in Deutsch
Neu-Guinea. — Herr R. Parkinson auf Neu-
Pommern (Bismarck:- Archipel), schreibt uns unterm
20 Mai 1905 mit Bezug auf das in Bd. XVI Note 1
Gesagte:
„Ich bin Ihnen sehr dankbar für den mir zuge-
sandten Ausschnitt. Hinsichthch der Bemerkung
von p. Schmidt verweise ich auf den Wortlaut in
meiner Arbeit: „Die Berlin-Hafen Section"
erschienen in Ihrem Archiv von 1900, Seite 19
(2, des Separatabdruckes) heisst es wörtlich: „zum
„grössten Dank bin ich ferner den Herren Missio-
„nären in Tamara verpflichtet, welche ihre reichen
„Erfahrungen und Beobachtungen mit Bereitwillig-
„keit zu meiner Verfügung stellten."
Auf Seite 45 (28 des Separatabdruckes) heisst es:
„Herr pater Erdweg auf Tamara hat die Güte
„gehabt bei den Eingeborenen über deren Glauben,
„ihre Ansichten über eine Zukunft nach dem Tode
„und namerifiicli über die Parak-Gebräuche Nach-
„forschungen anzustellen. - - - pater Ekdweg
„theilt mir folgendes mit:"
Aus diesen beiden Äusserungen geht hervor,
dass ich meine Quellen gern und ohne Rückhalt
angebe.
Wir sind im Schutzgebiet leider nur eine kleine
Schaar, die sich mit der Etlinographie der verschie-
denen Stämine befasst. Treffen wir uns gelegentlich,
dann tauschen wir unsere Beobachtungen aus, freuen
uns wenn wir sehen dass Übereinstimmung herrscht
und bisher fiel es keinem ein sich darüber zu be-
schweren, wenn eine Beobachtung veröffentlicht
wurde ohne gleich dahinter die Quellenangabe zu
setzen. Meine Arbelt erschien bereits 1900, die
gründliche Arbeit von pater Erdweg über die Tumleo
einige Jahre später und von den Notizen die mir
bereitwilligst von dem Herrn p. Erdweg gegeben,
war es diesem bekannt, dass ich sie mit meinen
übrigen Aufzeichnungen aus Distrikten, die bis dahin
den Herren Missionären noch unbekannt waren, für
eine Arbeit zu benutzen gedachte die in Ihrem
Arcliiv zur Veröffentlichung gebracht werden sollte.
Prof. p. Schmidt macht mir daher einen völlig
grundlosen Vorwurf. R. Parkinson.
V. Een honten klopper om boom hast
te bewerken van het eiland Nias.
In aansluiting met de noot gesteld op biz. 175 van
Bd. XIV van dit tijdschrift (zie ook Publicaties uit
'sRjjks Ethnographisch Museum, Serie II N". 4 blz. 37),
omtrent de bewerking van foeja op het eiland Nias,
kan nog nader worden gemeld, dat het R. E. M. in
het bezit is van een klopper om boombast te Vor-
werken, waarvan de vorm zoodanig afwykt van der-
gelyke voorwerpen, zooals ze in de vermelde Publi-
catie zyn beschreven en afgebeeld, dat dit werktuig
wel eene afzonderlijke vermelding verdient. Het
voorwerp (Inv. n°. 1002/20) — deel nitmakende van
de in 1894 door den controleur Ch. L J. Palmer
VAN DE.v Broek ingezonden zeer belangrü'ke Nias-
collectie — is van liard hont vervaardigd en (zie
onderstaande afbeelding) knievormig gebogen, heeft
een in doorsnede cirkelvormigen steel en vertoont
aan de onderzüde een net van elkaar kruisende
groeven. Als benaming werd door den inzender
opgegeven la'oema aolowö. {.Het Niasch-Maleisch-
Nederlandsch woordenboek van J. W. Thomas en
E. A. Taylor Weber, geeft voor „la'oema": pemoekoel
fca;oe = Honten haraer op Nias by het dunkloppen van
boombast gebruikt; omtrent soloivö zie de in den
aanvang dezes vermelde noot). H. W Fischer.
VI. De Manpurengke-feesten in de Mina-
h as s a. — Meestal worden de manpurengke's gehenden
ter gelegenheid van interessante voorvallen in eene
familie, als daar zjjn : het terugkomen van een afwezige
die langen tyd uit de Minahassa geweest is, het vertrek
van een lid van het gezin, het zijn beslag krygen van
een huwelijksaanzoek, het inwjjden van eene nieuwe
woning etc. De feesten worden 's avonds tot laat in
den nacht gehouden in de open lucht op het erf van
dengene die tot het feest uitgenoodigd heeft, of zooals
ook de inlandsche expressie (afgeleid van het oud-
Hollandsche, thans by ons in onbruik geraakt woord
„nood" als — uitnoodiging) luidt: „kirim nod".
Deze uitnoodigingen strekken zieh in een dorp
zeer ver uit en is daar a. h. w. ') het spreekwoord:
„hoe meer zielen hoe meer vreugd", ten volle op
van toepassing. De drie door my' opgeschreven cou-
pletten (zie hier onder) werden gezongen ter gelegen-
heid van een feest dat aangeboden was door een
') als het wäre.
22a
joiigmati die geteekend liad als soldaat en daarop
niet de boot zou veitrekken.
Alle aanwezigcn scharen zieh in eon wijden kling
in liet rond, allen achter elkaar; oiiden van dagen
en jongelieden van beiderlei sekse dooreen. Beur-
telings treedt een persoon naar voran, die op een
zangerigen nielodieusen toon een wensch nitneuriet,
die door allen aangelioord wordt; daarna treedt hy
weer in den kring en heffen allen onder het nit-
voeren van speciale wiegende passen, rythniisch op
de melodie uitgevoerd in versniaat dezen wensch
aan '). In den regel vangt met het voorzingen de
gastlieer aan, die allen welkom heet, het refrein
hiidt dan. dat door allen wordt nitgezongen: „Hy
heeft ons in grooten getale op zien konien, hü is
ons dankbaar voor die teekenen van belangstelling."
In den tweeden zang treedt een naaste bloedver-
want op, die b.v. zingt: „Dat hy een vooispoedige
reis hebben möge en behouden terng mag komen."
Op dit thema herhaalt iiet geheele gezelschap dien
wensch weder. Zoo heeft beurtelings ieder van het
gezelschap eeninaal een wensch te houden, waarin
zu onuitputtelyk zyn. Na de behouden reis, kwamen
wenschen voor een goed hiiwelyk. Toen voor vele
kinderen in dit huwelijk. Daarna voor het terug-
komeii met vele rykdoninien gezegend. Dan weer
beloften van het gezelschap dat men tydens zyne
afwezigheid het erf goed onderhoiiden zal, zoodat
hü bü terugkomst liet ouderlyk huis in dezelfde
orde terug zal zien. In zeer vele gevallen namelük
komen ook de gehuwde kinderen weder by himne
ouders op het erf inwonen; naar ik meende op te
merken. Hoewel dit imsschien eene byzonderheid
is van weinig gewicht, trof my toch het merkwaar-
dige van de houding van de personell die aan het
manpureiigkfi-feest deelnemen, waaibü de linkerhand
de kin ondersteunt of half voor den niond gehouden
wordt, terwyl de rechterhand de linkerelleboog
a. h. w. ophoudt.
Toen ik later in Binta oena op Celebes'
n 0 0 rd k 11 s t een feest van Mohammedanen bywoonde
waarop de Radja Datangsolah van dat gewest my
uitgenoodigd had, bü gelegenheid van het afvülen
der fanden van de huwbaar geworden maagden ,
viel my op, dat by liederen die aldaai gezongen
werden eveneens de mannen de band voor den
mond hielden om daarmede het geluid a. h. w. te
dempen, waaruit ik af zou leiden dat dit een bewü»
is voor de oiide origine van deze zangen. dateerende
uit de oude tüden toen nog geen onderscheiding van
Mohammedaan of Christen aldaar hestond. Trouwens
de manpurengl:c-gezdi\ge\\ worden alle gezongen in
een veroiiderde taal die alleen daitrin nog niaar
voortleeft 2).
Ik woonde zulke feesten by te Ajermadidi.
Een gedeelte der aanwezipen scheidde zieh later
af om door dansen op Emopeesche muziok eenigc
afwisseling in den avond te brengen; doch vooral
by de jonge mannelyke bevolking Staat het fee.st
schynbaar zoo hoog in eerc, dat een kleine groep
een vaste kern vonnde, die met grooter of kleiner
tusschenpoozen met het zingen doorging. wat dan
in vele govalleti duiirt tot den morgenstond.
Hoewel van tyd tot tyd daarby de jeneverflesch
een enkele niaal de ronde doet (zeer eigenaardig
wordt een jeneverborrel in de Minahassa in den
volksniond genoemd „koeda merah" % zonder dat ik
te weten kon komen waaraan die byzondere naam
is toe te schrüven, in tegenstelling van „koeda
poetih" ') dat voor sagoweer genoemd wordt), wordt
bü deze feesten meer speciaal ongegiste sagoweer
gedronken waar een Minahasser een aartsliefhebber
van is; hoewel menigeen van de oiideien van dagen
tengevolge van het vele gebrnik daarvan jichterig
wordt of dikke beenen krygt, weid door my nooit
op die feesten iemand gezien die zieh bepaald aan
den drank te buiten gegaan had en loopen deze
partüen ordelyk en kalni af.
tieeft een welgesteld Minahasser voor een der
bovengenoemde feestelyklieden eon of meer zulke
avond- of beter gezegd nacht partüen , dan breidt hy
voor die gelegenheid de ruimte van zyn huis voor
het ontvangen der gasten aanmerkelyk uit door op
zun erf een houten loods by te bouwen overdekt
met (aap die met vlaggen bovenop een feestelyk
aanzien krügt, terwyl van de landen van het dak
versehe, in reepeii getrokken pisangbladeren *) of
andere bladeren afhangen, die met de neif legen de
') Vergelyk: G. A. Wilken, Vergelükende Volkenkunde van Nederlandsch Indie bldz. 121.
Red.
■) Vergelük 6. W. W. C. baron van Hoevei.l: Twee zangen üegoe lanah) in de Ambonsche landstaal.
Tydschr. Ind. Taal-, Land- en Volkenknnde, 1880. Red.
'i Dit „merah" duidt waarsehünlük op de roodbruine kleur der Arak , in tegenstelling met „poetih" de
Witte kleiir der sagoeweer. Red.
*) Volgens viiendelükü mededeeling van G. W. W. C. baron van Hoüvkli. is „pisangbladeren" stellig
eene vergissing; in den regel worden jonge klapperbladeren gebezigd. Zie „de Clercq. 't Maleisch der
Molukkon s. v amboe-amboe en van Hoevell, Vocabiilarium van 't Amhonsch Maleisch s. v. cit.
Ned.
224
randen aangespijkerd worden, of waarvan geheele
eerebogen en poorten gemaakt worden. De boven-
vermelde danspassen worden slepend uitgevoerd
zoodat de achterste voet telkens met de teenen over
den grond schnürt en eenige bewegingen maakt,
alvorens hy voor goed neergezet wordt en daarna
deze beweging weder met den anderen voet her-
haald wordt waarby het bovenhchaam weder naar
den anderen kant een weinig gedraaid wordt. Daar
telkens by drie passen vooriiit weder twee achteruit
worden gezet, schiet de gelieele kring sleclits by-
zonder langzaam op ').
J. WOLTERBEEK MULLEB. Ltn. t/Z.
Lied*) bjj het tnanpurengke ')-feest te Ajermadidi,
Minahassa gezongen :
1.
Meläwe, läwe rookdn-) karyä^)
oedöny. doewa *) sosenkotän *)
oenäng emö safceäw") karyä,
nitemoeloeng sikompam.
Vrüe verraUng in het Maleisch:
Kapal soedara kemari, orang mau toelong koinpani.
2.
Sapoe. sopoKaw'i, nange^i karyä
(en)gelässan kitte damötanä
(en)gel(issan kine dambtanä
noeda yoere^) bomaive renän.
Vrije vertallng:
D'jaga bikin brissik kintal sebab saja harap lekas
kembali.
Gezongen by gelegenheid van iemand die met een
schip wegzeilt en wien men toewenscht dat hjj niet
te lang afwezig zal blyven '").
melemai maloe ö losey,
Loegl apen rege rege san
melemai malo'io losey
amoe kamoe rinä e karyä.
{Inl ada hormat orang jang berhimpoen menjanji) '").
1. Lees: mampurengkei of mamurengkei van den
stam purengkei = dansend zingen, reien. Zie J. ten
HüVE, An amut un tarendem ne Tonsea ipawolanda.
Menado, 1904, pag. 85.
2. Lees: reikan = niet (Bulusch).
3. Karia = vriendin, met, mede ten Hove, 1 c. p. 37.
4. Dua = twee. 0. c. , p. 22.
5. Lees: sasengkotan. Van sengkot = zeil (Bulusch),
sumengkot = Zeilen.
6. Schip, van den stam soke = beryden, beklim-
men. TEN Hove, I.e. 97.
7. Lettevlijk : „er worde voortdurend of goed ge-
veegd". Sapu = vegen, keeren, bezemen. 0. c. p. 100.
8. Met het voorafgaande te verbinden : Sapu-sapuan-
ange = er worde voortdurend herwaarts geveegd !
0 vrienden! (karia).
9. Vre = oud, langdurig, gewezen. ten Hove,
0. c. p. 132.
10. Vergelük: Graafland, de Minahassa. 2e edit.
1. p. 160 (zangen by de mapalus), p. 289 (by het
rystplukken), pag. 293 (by het makaria), p. 294 (by
het m/xramba).
Lento.
^m
ZANGWIJZE DER BOVENSTAANDE LIEDEREN "),
,h=J^-=^Y^^^
iE^^a
-•-i-
• ä-
^^^'^-t^Fj
') Ook op Ternate komen dergelyke rondedansen voor en worden daar legoe genoemd. Zie F. S. A.
DE Clercq: Bydr. tot de kennis der Residente Ternate [Leiden, 1890] bldz. 3ii6 i.v. Red.
') De volgende noten danken wij aan Dr. H. H. Jüynbull Red.
") Volgens aanwyzing van den schryver op muziek gebraclit door J. C. E Schmeltz.
'") Zou er eenig verband bestaan tusschen purengkei en poreke, het feest, dat ter eere van den zoime-
god Upu lero op Babar, Loeang, Letti en Kisar by het beain van den Westuioeson gevierd wordt?
Vergelyk G.W. W.O. baron van Hoevell, Einige weitere Notizen über die Formen der Götterverehrung etc.
Int.Arch. f. Eth. Bd. X blz. 134.
225 -
[V. REVUP] BIBLIOGRAPHIQUE. - BIBLIOGRAPHISCHE ÜBERSICHT.
Pour les abreoiations voir p. 248 du Tome precedent. — Ajouter: Äfr. S. = Journal of the African
Society: Pol. s. --- .fouiiKil nf the l'olynesian Society; — R. M. P, = Revista do Museu Paulista.
GENlilKALITES.
I. L'iiidividualite de l'anthropologie fait le siijet
d'iine etude de M. L. Manouvriek (R. E. A. XIV
p. 397). M. H. Balfoue (A I. XXXIV p. 10; The
Relationship of Museums to the Study of Anthro-
pology) consacre soii discours piesidentiel anx rap-
poits entre les musees et les etudesanthropologiques.
M. John Beddoe (A. I. p. 92: The Somatology of
eight hundred Boys in Training for the Royal Navy)
rend conipte d'experienoes faites sur huit cent gar-
gons destines ä la marine. M. C. B. D.wenport
(Statistical Methods with special reforence to Biolo-
gical Variation. New York) publie unjivre pratique
sur les differentes methodes de mesurer les corps
avec des notes sur la variabilite, les rapports, l'he-
redite etc. M. Ales Hrdlicka (Bull. N. M. n°. 39:
Directions for collecting Information and Specimens
foi- Physical Anthropology) donne des indications
pour l'etude de l'anthropologie. M. le Dr. Oskah
VON HovoRKA (A. Gr. Wien p. 275: Über die anthro-
pologisch-orthopädischen Messmethoden des Rückens.
Av. flg.) donne une contrihution ä l'anthropometrie.
M. le Dr. H. ten Kate (Gl. LXXXVII p. 53: Die
blauen Geburtsflecke) fait des observations sur les
taches mongoloides. Les variations du cräne humain
fönt le sujet d'observations de M. ICabl Nagel (A. A.
III p. 142: Die Aufstellung von Schädelkalotten. Av.
flg.); M. D. VON Hansemann (Z. E. XXXIV p. 373:
Über die rachitischen Veränderungen des Schädels.
Av. flg.); et M. G. Sebgi (A. A. III p. 111: Die
Variationen des menschlichen Schädels und die Klas-
sifikation der Rassen. Av. pl.). Les deformations
artiflcielles fönt le sujet d'un article du Dr. Nello
PucciONi (A. A. E. XXXIV p. 391: Delle defor-
mazioni e mutilazioni artiflciali etnlche piu in uso.
Av. pl. et flg.). Le livre du Dr. 0. H. Stratz (Natur-
geschichte des Menschen. Stuttgart) donne des ele-
ments d'anthropologie somatique. La fcte comme-
morativo du philosophe Kant a donne lieu ä un
livre du Dr. Th. Elsenhans (Kants Rassentheorie
und ihre bleibende Bedeutung. Leipzig). M. Th. Volkov
(Bull. S. A. IV p. 632; V p. 1. Av. fig.) publie une
etude sur les variations squelettiques du pied chez
les Primates et dans les races humaines. M.J. Koll-
mann (Gl. LXXXVII p. 140: Neue Gedanken über
das alte Problem von der Abstammung des Menschen.
Av. fig.) publie des observations sur les rapports
entre le pithecanthropus de Dubois et le cräne de
I. A. f. E. XVII.
Neandertal. L'origine du genre humain fait encore
le sujet d'etudes de M. N. C. Macnamara (A. A. III
p. 77: Beweis.schrift betreffend die gemeinsame Ab-
stammung der Menschen und der anthropoiden Affen);
du Dr. C. H. Stratz (A. A. p. 85: Das Verhältnis
zwischen Gesichts- und Gehirnschädel beim Menschen
und Affen. Av. fig). M. A. Doigneau (Nos ancetres
primitifs. Paris. Av. flg.) publie des notes d'archö-
ologie prehistorique.
Z. E. publie une discussion sur l'epoque tertiaire,
de M. LissAUER (XXXVI p. 299: Die Sammlung
der „Tertiär-Silex" des Hrn Klaatsch); un rapport
du meme savant sur la commission prehistorique
(p. 537: Erster Bericht über die Tätigkeit der von
der Deutschen anthropologischen Gesellschaft ge-
wählten Kommission für prähistorischen Typen-
karten. Av. flg.); une notice sur un Instrument pour
les explorations archeologiques, de M. Hellmich
(Der Götze'sche Böschungsmesser. Av. fig.); et une
etude sur l'origine des ornements recueillis aux
fouilles de Troie, compares avec des objets retrouves
en Transylvanie, par M. Hubert Schmidt (p. 608:
Tioja-Mykene-Ungarn. Archäologische Parallelen'.
R. E. A. publie des etudes de M. S. Zaborowski
(p. 207: Les Protoaryens ont-ils connu les metaux?);
et de M. A. de Moetillet (p. 247: Les tumulus),
cours de technologie ethnographique. M. Bertholon
(Bull. S. A. V p. 55) donne une note sur les marques
sincipitales de certains cränes antiques. M. Nickerson
Bates (Trans. Penna I p. 45: Scenes from the Ae-
thiopis on a black-figured Amphora. Av. pl. col.)
decrit des peintures remarquables sur une amphore
antique. Les origines de la culture economique fönt
le sujet d'un livre de M. Ed. Hahn (Das Alter der
wirtschaftlichen Kultur. Heidelberg). Gorr. A. G.
publie des Communications faites ä l'asseniblöe de
l'A. G. ä Greifswald, par M. le docteur R. Müch
(XXXV p. 135: Das Zeitverhältnis sprachgescliicht-
licher und urgeschichtlicher Erscheinungen); par M.
Georg Buschan (p. 137: Cultur und Gehirn»; et par
le Dr. S. Günther (p. 133: Die Anfänge desZählens,
Rechnens und Messens im Lichte der vergleichenden
Ethnologie).
M. Paul Wilutzki (Vorgeschichte des Rechts.
Berlin) publie une etude de droit prehistorique.
Ajoutons y les articles publies dans Z. V. R. par
M. Eugen Kulischer (XVII p. 1: Untersuchungen
über das primitive Strafrechti; et par M. Josef Kohler
29
226
(p. 256: Über die Urgeschichte der Ehe). M. le Dr.
Paul Salmon (Bull. S. A. V p. 332) publie un article
sur l'influence du sexe sur le dessin. M. Chaelks
Lejeune (Bull. S. A. p. 404: La communion) donne
une explication du sacrifice de la messe, qui selon
lui n'est que le residu d'une foule de croyances an-
terieures.
Le tome I de l'annuaire publie par le Dr. P. S.
Keauss ■ (Jahrbücher für Folkloristische Erhebungen
und Forschungen zur Entwicklungsgeschichte der
geschlechtlichen Moral. Leipzig) traite le folklore
sudslave. M. le Dr. Josef MOllee (Das sexuelle Leben
der christlichen Kulturvölker. Leipzig) publie des
arguments en faveur de l'eglise catholique. Z. V. V.
contient une contribution sur les vampyrs, par M.
A. L. Jellinek (p. 322: Zur Vampyrsage): et le
compte rendu d'uii livre de M. Oskar Ebermann
Blut- und Wundsegen in ihrer Entwickking darge-
stellt. Berlin). M. Emil Schmidt (Gl. LXXXVIl p. 121 :
Die Grösse der Zwerge und der sogenannten Zwerg-
völker) donne une statistique de la hauteur des nains.
M. R. Lasch (Z. f. Sozialwiss. VII: Die Landwirt-
schaft der Naturvölker) publie une etude sur les
origines de l'agriculture. M. Zaborowski (Bull. S. A.
p. 87) donne une theorie sur la cereale protoaryenne.
Li! meme Journal contient un article de M. C. A.
PiETEEMENT (p. 412: Les racös chevalines dans le
teinps et dans l'espace). M. le Dr. Aenold Jacobi
(Tiergeographie. Leipzig) publie un manuel de geo-
graphie animale. M. Otto Schötensack (Z. E. p. 141:
Zur Nephritfrage) revient ä la question du nephrite.
EUROPE.
M. H. Kebp (Landeskunde von Skandinavien. Av.
carte et flg. Leipzig) publie un manuel de geographie
avec des notes sur le peuple scandinave. M. Finn
(Z. E. p. 666: Neuere Ausgrabungen in Skandinavien)
decrit des fouilles recentes. M. Cael Wibling (Ymer
p. 259: Drottninghögen i Helsingsborg)] decrit un
tuinulus prehistorique. M. Meisner (Z. E. p. 675:
Danewerk und Hedeby) donne des notes sur des
fortifications anciennes. Le livre de M. V. Gudmunds-
soN (Islands Kultur ved Aarhundredskiftet 1900.
Kobenhavn) donne une Physiologie des Islandais
expliquee en partie par leur entourage, en partie
par leur origine; l'auteur y reconnait les restes
d'une race pröarienne. Folkl. publie une etude de
mythologie, de M. A. B. Cook (XV p. 264: The
European Sky-God).
R. E. A. publie des Communications archtjologiques
de M. L. Capitan (XIV p. 240: La question des
Eolithes); MM. L. Baedon et J. A. Bouyssonie (p.
283: Monographie de la grotte de Noailles. Av. flg.);
MM. Capitan, Breuil et Ampoulange (p. 320: Une
nouvelle grotte pr6historique. Av. flg.); Dr. F. Houssay
(p. 326: Trois nouveaux polissoirs. Av. flg.); M. A.
Schenk (p. 335: Les squelettes prehistoriques de
Chamblandes, Suisse; Av.fig.); MM. Capitan, Beeuil
et Peyrony (p. 379: Une nouvelle grotte ä parois
gravees, la Calevie, Dordogne. Av. flg.); M. P. G.
Mahoüdeau (XV p. 56: L'aurochs et le bison, con-
fusiondeleursnoms); M. L. Capitan (p. 66: L'homme,
le mammouth et le rhinoceros ä l'epoque quaternaire.
sur remplacement de la lue de Rennes. Av. flg.).
Ajoutons y la notice de M. G. Beeaud (Z E. p. 237.
Av. flg.) sur la decouverte d'un nouvel Instrument
en pierre polie, galet polissoir.
Bull. S. A. contient la description d'explorations
archeologiques , par M. Charles Lejeune (IV p. 628:
La religion ä l'äge du renne): M. Armand Vire (V
p. 63: Une Station solutreenne); M. L. Manouveiee
(p. 67: Incisions, cauterisations et trepanations crä-
niennes de lepoque neolithique; p. 73: Note sur les
osseraents hupiains du dolmen du Terrier de Cabut,
Gironde; p. 101: Cränes de vieillards de l'epoque
nt^olithique en France; p. 117: Sur l'aspect negroide
de quelques cränes prehistoriques trouves en France);
MM. Gaston Ceepin et Laville (p. 117: Decouverte
et fouille du dolmen de Meriel); Dr. Maecel Baudouin
(p. 139: Les raenhiis satellites des megalithes fune-
raires). Nous trouvons encore la description avec de
bonnes figures de menhirs etc. dans l'article du
lieutenant colonel HObnee (111. Z. p. 202: Keltische
Monumentalbauten).
M. le Dr. L. Laloy (A. A. p. 185; Ethnographisches
aus Südwest-Frankreich II. Das Baskenland. Av. flg.)
publie une etude sur les Basques. M. H. Vanut-
beeghe (Ann. de G. p. 334: La Corse) publie une
ötude de geographie humaine sur le cararactere corse.
M. Atgier (Bull. S. A. V p. 110: Iberes et Herberes)
donne des observations sur l'origine et les siguifi-
cations diverses de ces expressions ethniques." Mlle
Elisabeth Lemke (Z. V. V. p. 320: Das Gnocchifest
in Verona) decrit le carnaval ä Verone. M. Andee
Lefevre (R. E. A. p. 220: Latium avant Rome) rend
compte des fouilles prehistoriques ä Rome. Bull. S. A.
contient un article de M. Deloee (V p. 104) sur les
Romains et les Francs dans les montagnes du centre
de la Gaule au sein de TArvernic.
Volksk. contient des contributions de M. A. Beets
(XVI p. 117: Palrapaasch) ; et de M. A. de Cock
(p. 128: Nog ketelmuziek) M. Geoeges Heeve (R. E. A.
p. 295) publie un cours d'ethnologie sur lesAlsaciens
sous le rapport moral et intellectuel. Le manuel de
geographie du prof. Dr. R. Langenbeck (Landeskunde
des Reichslandes Elsass-Lothringen. Av. carte et des
croquis de paysage) offre peu d'interöt du point de
vue ethnologique. Des contributions ä l'archeologie
de rAllemagiie nous viennent de M. Hugo Schumann
227
(Die Steinzeitgräber der Uckermark. Prenzlau. Av.
pl. et fi?.); M. KoFLER (Z E. XXXVI p. 108: Ein
eigentümliches Hügelgrab ans der Bronzezeit), sur
nn cinietiere retrouve prös de Darmstadt; M. A. Götze
(Z. K. 11. 112: Monolithgräber. Av. flg.): M. Klaatsch
(Z. E. p. 117: Fossile Knochen aus der Heinrichshöhle
bei Sundwig); M. Hubert Schmidt (Z. E. p. 145: Die
spätncolithischen Ansiedelungen mit bemalter Kera-
mik am oberen Laufe des Altflussesi; M. Hans Hess von
WiciiDORFF (Z. E. p. 237: Spuren ehemaliger Eisen-
erzgewinnung und alter Eisenschmelzhütten im
Kreise Naugard in Pommern. Av. flg.): M. Hubert
Schmidt (Z. E. p. 416; Der Bronzesichelfund von
Oberthan, Kr. Merseburg, Av. flg.): M. Olshausen
(Z. E p. 477: Über einen Ausflug nach Dr. Hannes
diluvialen Fundstätten bei Schönebeck); Dr. Brecht
(Z. E. p. 750: Die Eolithen von Biere); M. Erich
Pern^oe (Z. E. p. 752: Gräber in Thurow bei Züssow.
Av. flg.-); M. Paul Bartels (Z. E. p. 891: Über
Schädel der Steinzeit und der frühen Bronzezeit aus
der Umgegend von Worms a. Ehein. Av. flg.); Dr.
Deecke (Corr. A. G. XXXV p.86: FarbenditTerenzen
prähistorischer Steinvyerkzenge); M. F. Weber (Corr.
A G. XXXVI p. 2: Spuren des Menschen der Bronze-
zeit in den Hochalpen des deutschen Sprachgebiets);
Dr. Lehneb (Nachr. XV p. 65: Bericht über die
Tätigkeit des Provinzial-Museums zu Trier); M. K.
Lt)DEMANN (Nachr. p. 76: Vorgeschichtliche Funde
von Niendorf b. Bergen a. d. D.; p. 82: Urnenfunde
von Perver, Kr. Salzwedel. Av. flg.): M. Hebmann
Busse (Nachr. p. 84: Feuersteinmanufakte aus der
Provinz Brandenburg, namentlich aus der Umgegend
Berlins. Av. flg.); Dr. C. Mehlis (Gl.LXXXVIl p. 28:
Die neuen Ausgrabungen im neolithischen Dorfe
Wallböhl bei Neustadt a. d. R. und ihre Bedeutung
für die Kulturgeschichte. Av. flg.); Dr. L. Wilseb
(Gl. p. 45: Urgeschichtliche Neger in Europa); Dr.
F. FuRSE (Gl. p. 125: Hügelgräber in der Nähe von
Gandersheim, Braunschweig. Av. flg.i; M. K. Rhamm
(Gl. p. 131 : Die Ethnographie im Dienste der ger-
manischen Altertumskunde).
Z. V. V. contient des contributions de M. Max
HöFLEK (XIV p. 257: Die Gebäcke des Dreikönigs-
tages. Av. flg. >; Ed. Hermann (p. 279, 377: Gebräuche
bei Verlobung und Hochzeit im Herzogtum Koburg.
Av. flg.); M. Hugo von Pbeen ip. 361: Drischleg-
spiele aus dem oberen Innviertel); M. Ivan Franko
(p. 408: Kirchenslawische Apokrypha von den 72
Namen Gottes); M. S. Singer (p. 413: Ein französi-
scher Indiculus superstitionum aus der Mitte des
17 Jahrhunderts); M. Otto Heilig (p 416: Zur
Kenntnis des Hexenwesens am Kaiserstuhl); M. R.
Reichhardt (p. 418: Thüringer Pflngstvolksfeste);
M. R. Steig (p. 423: Volksgebräuche, Volksglauben
und Volkssagen im Lfmdchen Bärwalde); M. Max
Adler (p. 427: Allerlei Brauch und Glauben aus
dem Geiseltal); M. M. Höfler (p. 431: Das Fainiinger
St. Blasienbrot); M. D. Schabrinohausen ip. 439:
Das erste niedersächsische Volkstrachtenfest. Av.
flg.). Mad. Marie Andkke-Eysn (A.A. III p. 2, 122:
Die Perchten im Salzburgischen. Av.pl. et flg.) d(5crit
des masques dans une föte populaire des paysans
du Salzbourg. Le meme Journal publie une contri-
bution du Dr. M. Hüfler (p. 94: Bretzelgebäck. Av.
flg.). La religiosite du peuple catholique de l'Aile-
magne möridionale est illustree par M. Richard
Andbee (Votive und Weihegaben des katholischen
Volks in Süddeutschland. Bi-aunschweig. Av. pl. et
fig); M. Paul Sarturi (Gl. 87, 91: Votive und
Weihegaben des katholischen Volks in Süddeutsch-
land. Av. flg.); et M. M. G. Thilenius (Gl. p. 105:
Kröte und Gebärmutter. Av. flg.). M. H. Sadebmann
(L. u. M. XCII p. 1154: Alte niederdeutsche Bauern-
kunst) decrit l'intorieur des fermes du Holstein.
reproduit dans le musee de Plensbourg. Le livre de
M. Emanuel Feiedli (Bärndütsch als Spiegel ber-
nischen Volkstum. Bern. Av pl. et flg ) est une
publication subventionnee par le gouvernenient
cantonnal.
La carte publiee par le Dr. H. Rauchbekg (Spra-
chenkarte von Böhmen. Wien» montre la relation
entre la population tcheque et la population alle-
mande an Boheme. A. G. Wien publie des rapports
sur des fouilles en Autriche-Hongrie et des resultats
archeologiques par MM. L. Mattüla, Max von Bail-
Lou, J. Strabbergek. Dr. L. K. Moser, L. Schneider,
R. VON Weinzierl, A. Lindneb, F. Koudelka, A.
Makowsky, K. A. Romstobfer, Koloman Dabnat
DE Szent Marton; un deuxieme Supplement ä ses
Communications anterieures, du Dr. Karl Gobjanovic-
Krambebgeb (XXXIV p. 187: Der paläolithische
Mensel) und seine Zeitgenossen aus dem Diluvium
von Krapina in Kroatien. Av. pl. et flg.); et des
notes sur l'architecture bosniaque, l'ameublement
et les ustensiles de menage, du Dr. Rudolf Mebingek
(p. 155: Beiträge zur Hausforschung. Av. flg.). A.G.
Wien Sitzb. publie des rapports du Baron Kalman
von Miske (p. 62: Bericht über die im Jahie 1903
in Velem St. Veit gefundenen Macrocephalen. Av.
flg.); et du Dr. F. Gundbüm (p. 90: Bericht über
die Wanderversammlung in Agram und Krapina am
22 und 23 Mai 1904. Av. 2 pl., lesquelettede l'homme
diluvial de Krapina).
Z. 0. V. contient des contributions de M. Carl
Adriani (X p. 81 : Haussprüche und Haussegen aus
dem salzburgischen Flachgaue); M. J. Czkch von
Czechenherz (p. 89, 140: Beiträge zur Volkskunde
von Mähren und Schlesien); M. C. Reitereb (p. 107:
228 -
Die „Holtzkhra-Amulettaberglauben in den Nieder-
tauern; p. 119: Kuhglockzeuge des Museums für
österreichische Volkskunde"»; M. A. Hausotter (p. 109 :
Beiträge zur Volkskunde des Kuhländchens); M.
Josef Blau (p. 129: Die eisernen Opfertiere von
Kohlheim. Av. pl. et flg.; p, 191; Die Spitzenklöp-
pelei in Neuern, Böhinerwald. Av. fig. : p, '215: Die
„Bärmutier". Av. fig.); Dr. M. Müller (p. 147: Licht
und Leuchten im Egerlande. Av. flg.); Dr. R. Meeingkr
(p. 182: Die Glocke des Bauernhauses. Av. flg.);
Dr. V. HiNTNEE (p. 187: Egerländer lein); M. Ed.
DoMLUViL (p. 206: Die Kerbstöcke, der Schafhirten
in der mährischen Walachei. Av. fig.); Dr. Arthur
Petak (p. 211: Über die Herdform in der Vriaul.
Av. flg.); Dr. M. HöFLEH (p. 213: Herzgespann); Dr.
M. Haberlandt (p- 214; Menschliche Opferfiguren.
Av. flg.); M. J. ScHRAMEK (p. 216: Die Volksnahvung
im Böhmerwaide. Av. flg.): M. F. Wilhelm (p. 220:
Totschlagsühnen und Kreuzsteinurkunden aus dem
nordwestlichen Böhmen).
M. le prof. Karl Fuchs (Gl. LXXXVII p. 85, 151:
Über ein prähistorisches Almenhaus. Av. fig.) publie
une etude comparee d'architecture snr le prototype
du temple grec et des habitations de Csik en Tran-
sylvanie. Un sujet semblable est traite par le Dr.
WiLKE (Z. E. XXXVI p. 39: Archäologische Paral-
lelen aus dem Kaukasus und den unteren Donau-
ländern. Av. 120 fig ). La Population slave de la
region danubienne fait le sujet d'une etude de M.
S. Zaborowski (R. E. A. XV p. 3: L'autoclitonisme
des Slaves en Europe, ses premiers defenseurs).
M. le Dr. S. Wateff (Bull. S. A. V p. 487: Av. ng )
donne une contribution a l'etude anthropologique
des Bulgares. M. .1. Deniker (ibid. p. 458: Les Bul-
gares et les Macedoniens) y ajoute ses observations.
Les fouilles recentes dans l'ile de Crete fönt le sujet
de Communications du Dr. Emil Ketsch (A. G. Sitzb.
XXXIV p 13: Über die neuen Ausgrabungen auf
Kreta); de Mlle Harriet A. Boyd (Trans, Penna I
p. 7: Gournia. Av. pl. et flg.); et M. R. Dussaud
{R. E. A. XV p. 87: La Troie Homerique et les
röcentes decouvertes en Crete. Av. flg.). Le droit
pönal en Turquie fait le sujet d'une ötude de M. J.
Krosmarik (Morgenl. p. 539: Beiträge zur Beleuchtung
des islamitisolien Strafrechts, mit Rücksicht auf
Theorie und Praxis in der Türkei). M. le Dr. Georg
Jacob (Vorträge türkischer Meddähs. Berlin) publie
une traduction de contespopulaires turcs. M. J. Gott-
wald (L. u. M. p. 258: Konstantinopeler Strassen-
typen) döcrit la vie dans les rues de Constantinople.
Finni.sch-Ugrische Forschungen (IVHftl. Helsing-
fors) contiennent des contributions de M. Kaarle
Krohn (p. 11: Die geburt Vaina möinens; p. 79:
Was bedeutet fl. runo?); M. E. N. Setala (p. 20:
Über die Sprachrichtigkeit. Mit besonderer berück-
sichtigung des finnischen Sprachgebrauchs; p. 91:
Beiträge zur finnisch-ugrischen wortkunde); M.Ralf
Saxen (p. 94; Etymologisches).
ASIE.
Le Premier volume du Manuel d'Assyriologie de
M. Ch. Fossey (Paris) explique les explorations et
fouilles, le dechiffrement des cuneiformes, l'origine
et l'histoire de l'ecriture. M. C. F. Lehmann (Z, E.
p. 488i decrit des inscriptions chaldes recemment
retrouvees. M. H. V. Hilprecht (Trans. Penna I
p. 67: In the Temple of Bei at Nippur. Av. pl. et fig.)
decrit des fouilles en Babylonie. M. Felix von Luschan
(Z. E. p. 177: Einige türkische Volkslieder aus Nord-
syrien und die Bedeutung phonographischer Auf-
nahmen für die Volkskunde) publie une contribution
au folklore turc. La signification du phonographe
pour la science est encore demontree par MM. 0.
Abraham et E. von Hornbostel (Z. E. p. 203: Pho-
nogiaphierte türkische Melodien; p. 222: Über die
Bedeutung des Phonographes für vergleichende Musik-
wissenschaft).'M. M. J. A. Ma'louf (Al-M. 1904 n». 18)
publie un articie sur la musique et le chant des
Arabes.
M. Th. Sakhokia (Bull. S. A. V p. 370. Av. fig.)
decrit des objets ethnographiques de la Georgie. Les
Armeniens fournissent des sujets ä M. Demeter Dan
(Z. V. V. p. 96: Glaube und Gebräuche der Armenier
bei der Geburt, Hochzeit luid Beerdigung); M. Bagrat
Chalatianz(Z. V. V. p. 290: Die iranische Heldensage
bei den Armeniern). A. A. publie des notes du Dr.
R. Kaeutz (p. 194: Ethnographische Wandlungen in
Türkestan) sur les elements de la population du
Turkestan et sa vie domestique. L'article de M.
Ellsworth Huntington (G. J. XXV p. 22, 139:
The Mountains of Turkestan. Av. pl. et fig ) donne
des notes ethnographiques sur les Kirghis, Le livre
de M. Waldemab Bogoras (The Chukchee. Leiden-
New York. Av. pl. et fig.) -forme le vol. VII des
publications de l'expedition Jesup. Le meme auteur
(Bull, S. A. p. 341 Av. fig.) consacre un articie aux
idees religieuses des Tchouktchis.
Les resultats de l'expedition danoise dans l'Asie
centrale sont racontes par M. 0. Olafsen (Through
the unknown Pamirs. London). M. A. R. Wright
(Folkl. XV p. 332: Tibetan Prayer-Wheels; p. 333:
Tibetan Drum and Trumpet. Av. fig.) de(!rit des
objets tibetains. M. E. Deshayes continue ses Con-
ferences ethnographiques (M. G. 23 fevrier: Quelques
particularites esthetiques dans l'art pictural de l'Ex-
tröme-Orient. Av. fig,; 5 mars: Le Mobilier des an-
ciens Chinois). M. Paul d'En.ioy (Bull. S. A. p. 373)
publie des observations sur les associations, congre-
gations et societes secretes chinoises. M. F. Hieth
- 229 -
(Milth. des Sem. f. Or. Sp. Berlin VII p. 1: Chinesi-
sche Ansichten über Bronzetromnieln) pubUe des
dociinients chinois siir los famoux tambours on bronze.
M. le Dr. Behthoi.d Laukek (Ostas. LI. p. r)69: Zur
Geschichte der chinesischen Juden auf Grund ihrer
Inschriften) publie an articie sur des colonies juives
en Chine. Le menie Journal contient des articles de
M. P. R. Pieper (p. 656: Ahnentempel und Alinen-
tafehi in China); M.Otto Finger (p. 828: Von Kaigan
nach Dolonor, Priesterweihe und Volksfeste im Lande
der Tsachar-Mongolen); une contribution ä la Psy-
chologie des Chinois (p. 907); l'histoire de Mongaku
Shonin (p. 909); une description des ecoles de village
en Shantung (p. 1032i.
M. L. H. ÜNDERwooD (Fifteen Years among the
Top-knots, or Life in Korea. New York) publie ses
Souvenirs d'un sejour de qninze ans en Coree. M. J.
J. Rein (Japan nach Reisen und Studien. Leipzig.
Av. pl. et cartes) donne une nouvelle edition de son
livre sur le Japon. M. K Rathgen (Die Japaner
und ihr Wiithschaftsloben. Leipzig-Berlin) donne un
apergu du developpement commercial et industriel
du Japon. Mad. la comtesse de Modan (Contes et
legendes du vieux Japon. Paris) et M. S. Dick (Arts
and Grafts of Old .Japan. London) nous rappellent le
Japon avant l'introduction de la culture europeenne.
L'article de M. R. W. P. de Vries Ji-. (Onze Kunst:
Japansche prentkunst) est illustre avec des repro-
ductions de gravures japonaises.
M.Richard Garbe (Beiträge zur indischen Kultur-
geschichte. Berlin) publie des etudes sur la Philoso-
phie des Brahmanes, les rapports entre les Hindous
et les Grecs. la creniation des veuves, les Thugs,
les fakirs etc. M. Theodor Zachariae (Z. V. V.
p. 302, 395: Zur indischen Witwenverbrennung:
"Wiener Ztscht XVII p 135: Zimi altindischen Hoch-
zeitsritLial) donne des contiibutions a l'etude des
moeurs hindoues. M. R. Pischel (Morgenl. p. 363:
Gutmann und Gutweib in Indien) publie des notes
de folklore compare a propos d"un conte de Goethe.
M. H. NiEHUs (Gl. p. 58: Das Ram-Festspiel Nord-
indiens Av. flg.) decrit une festivite religieuse. I.
Ant. contient des contributions de M Arthur A.
Pereka (XXXIII, march 1904: Glimpses of Singlia-
lese Social Life): de M. Sylvain Levi (april: Further
Notes on the Indo-Scj'thians); et de M. B. A. (Juppe
(Female Tattooing at Vindhyachal , near Mirzapur).
Bombay publie des aiticles de M. M. A. Wali (VI
n». 8: The Traditions of Majhail); (M. R. K. Dada-
CHANJi (The Origin of Law and Legislation, and the
Influence of Codiflcation and Interpetration of Laws
on the Civilization and Progress of Nations) : le
Shams-ul-Ulma Jivan.h Jamshedji Modi (The Vene-
ration paid to the Plane-Tree in Per.sia; VII n". 1:
A few Notes on the Todas of the Nilgiris. Av. pl.);
M. S. MiTKA (VII n". 1 : Bihari Life in Bihari Riddlesi;
M. P. Kershasi' (Somo Superstitions prevailinp
aniongst Canarese-speaking Poopleof Southern India).
M. le Dr. Fischer (Corr. A. G. XXXV p. 123:
Über die Kachln im äussersten Norden und Nord-
osten von Birma) donne quelques dötails sur une
tribu birmane. M. le gönöral de Beylie (Le palais
d'Angkor Vat. Hanoii decrit l'ancierme residence des
rois Khniers. M. H. Girard (Paris) decrit les tribus
sauvages du Haut-Tonkin. M. Atgier (Bull S. A. V
p. 391) publie une etude de cräniometrie comparee
de cränes mongoloTdes. Bull. E.G. publie des contri-
butions de M. J. Takakusu (IV p. 1 : La Sanikhya-
karika etudiee a la lumiine de sa ver.sion chinoi.se);
M. Ed. Chava.nnes (p. 66: Les neuf neuvaines de la
diminution du froid. Av. flg.); M. L. Finot (p. 83,
672: Notes d'epigraphie); M. Adhemard Lecliire
(p. 120: La fete des eaux a Phnom-Penn); M. Paul
Pelliot (p. 131: Deux itincraires de Chine en Inde
ä la fin du VIII siecle); M. Ch. Duboiselle (i>. 414:
Upagutta et Mara, texte pali avec traduction); M.
Sylvain Levi (p. 548: Notes chinoises sur l'Inde);
M. Gl. E. Maitre (p. 580: La litterature historique
du Japon des originesaux Asliikaga); MM. L. Cadij:re
et P. Pelliot (p. 617: Premiere etude sur les sources
annamites de Thistoire d'Annam); M. Ed. Huber
(p. 698; Etudes de litterature bouddhique. M. Henry
Balpour (Fasciculi Malayenses: Musical Instruments
fi'ora the Malay Peninsula. Voir Cr. dans A.G.Wien
p. 318) publie une etude sur les Instruments de
musique des indigenes de la peninsule malaise.
M. le prof. Ch. A. van Ophüysen (Het Maleische
Volksdicht. Leiden) publie son discours inaugural
sur un sujet de folklore nialais. La Societo scien-
tiflque de Batavia publie le catalogue d'une collection
trös interessante provenant de l'interieur de Sumatra
(Inventaris van voorwerpen afkomstig van de Ciajo-,
Alas- en Bataklanden, verzameld door Luit.-Kol.
G.C. E. van Daalen). Le Journal de la meme societe
contient des contes bataks, recueillis par M. M. Joustra
(Karo-Bataksche vertellingen). Les Bataks fönt eii-
eore le sujet de Communications de M. A. von Oefele
(Das Schachspiel der Bataker. Leipzig); et M. J. H.
Neumann (Ned. Zend. XLVIII p. 361: Een en ander
aangaande de Karo- Bataks). Le meme Journal con-
tient des notes de M. D. Louwerier (p. 377: Bjjge-
loovige gebruiken , die door de Javanen worden in
acht genomen bjj het bouwen hunner huizen) siu-
des superstitions javanaises; des contes javanais re-
cueillis par M. S. LuiNENBt'RGtp. 67, 386: Javaansche
verhalenV: des contributions de M. J. H. Neümank
(p. 101: De tendi in veiband met Si-Dajang): et de
M. J. H. Meerwaldt (p. 273: Gebruiken in het
230 -
maatschappelük leven der Bataks). M. F. D. E. van
OssENBEUGGEN (I. G. XXVI p. 161: Ovev het primi-
tief begrip van grondeigendora . getoetst aan de
hieromtrent heerschende begrippen by de Chineezen,
Inlanders en eenige andere volken en volksstamraen)
publie une etiide sur la propriete du sol. Le nieme
Journal contient une etude linguistique de M. H. N.
KiLiAAN (p. 224: Consonantverbindirigin 'tjavaanscli);
une legende javanaise racontee par M. T. J. Bezemer
(p. 163: Nog een Kalang-legende?); des notes sur
les combats de coqs chez les Malais , par M. H. R.
R00KM4AKEB (XXVII p. 9). Bydr. donnent des textes
de File de Nias. avec traduction allemande par M. H.
Sundermann (IV p. 1: Niassische Texte mit Deut-
scher Übersetzung); et un conte malais publie par
M. C. M. Pleyte (p. 347: Een oud Indonesisch sprookje
in Lodasch en Tobasch gewaad). M. Stönneb (Z. E.
p. 519: Steinskulpturen von der Insel Java. Av. flg.)
decrit des sculptures javanaises. Le pamor, fer mete-
orique, qui est. tres reclierclie pour la forgerie des
glaives, est le sujet d'observations du Dr. J. Geoneman
(Javabode 29 juni 1904: Pamor-smeedkunst; 12juli:
Nikkei als Pamor). Les Dajaks fournissent des sujets
a M. le prof. A. W. Nieuwenhuis (Corr. A. G. XXXV
p. 82); et ä M. F. Grabov?sky (Gl. p. 102; Musik-
instrumente der Dajaken Südost-Borneo's. Av. flg.).
MM. A. B. Meyer et 0. Richter (Publ. Ethn. Mus.
Dresden: Die Bogen-, Strich-; Punkt- und Spiral-
ornamentik von Celebes) publient une etude sur
rornamentation indigene de Celebes ä propos de la
collection Sarasin. M. G. A. Skinner (Am. A. p. 299:
„Casco. Poot" in the Filipino. Av. pl.) publie nne
note sur la deformation des pieds chez les bateliers
des Philippines.
AUSTRALIE et OCEANIE.
M. R. H. Mathews (Z.E. XXXVI p.28: Language,
Organization and Initiation Ceremonies of the Kogai
Tribes. Queensland; p. 729: Language of the Wud-
dyawurru Tribe, Victoria; Bull. S.A. p. 132: Langage
des Kurnu, tribu d'indigenes de la Nouvelle Galles
du Sud) publie de nouveaux details sur des tribus
indigenes de l'Australie. M. Walteb E. Roth (North
Queensland Ethnography Bull. n". 7. Brisbane. Av.
26 pl.) publie des notes sur les ustensiles de menage
des indigenes du Queensland. MM. A.W. Howitt et
Otto Siebert (A. I. p. 100: Legends of the Dieri
and kindred Tribes of Central Australie) publient
des legendes australiennes. Des tribus indigenes fönt
encore le sujet de livres de M. A. W. Howitt (The
Nativo Tribes of South-East Australia. London); et
de MM. B. Spencer et F. J. Gillen (The Northern
Tribes of Central Australia. London. Av. ill.). M. J. W.
Gregory (Proc. R. S. Victoria XVII p. 120: The
Antiquity of Man in Victoria) refute la theorie d'une
origine ancienne et prouve que la population indi-
gene de Victoria est relativement recente.
M. le Dr. Dempwolff (Z. E. p. 384: Über aus-
sterbende Völker. Av. flg.) publie des notes ethno-
graphiques sur les indigenes des iles au sudest de la
Nouvelle Guinee. M. W. E. Safford (Am. A. p. 501:
The Chamorra Language) continue ses notes sur un
idiome des iles Carolines. M. Arno Senfft (Gl.
LXXXVII p. 78: Religiöse Quarantäne auf den West-
karolinen) decrit une ceremonie religieuse dans l'ile
de Jap; et publie (p. 174. Av. flg.) une notice sur
le tatouage des indigenes. M. H. Seidel (Gl. p. 113:
Die Bewohner der Tobi-Insel) publie des notes sur
une des iles Carolines et remarque que la population
de Tobi a le teint plus clair que les Papouas des
iles adjacentes. Les memes iles fournissent encore
des Sujets au Dr. Born (Mitth. D. S. XVII p. 175:
Einige Beobachtungen ethnographischer Natur über
die Oleai-Inseln): et ä M. Wm. H. Fubness (Trans.
Penna I p. 51: The Stone Money of Uap Av. pl.).
Pol. S. publie des contributions de M. Blsdon Best
(XIII n". 1: Notes on the Art of War, as conducted
by the Maoris of New Zealand; n". 2: Notes on the
Customs of Rahni); M. J. Rutland (n°. 2: On the
Survival of Ancient Customs in Oceania: Maori and
Egyptian Tattooing); et de M. E. Tregf.ar (n°. 2:
Polynesian Originsi. Bull. S.A. publie des notes sur
les Nouvelles Hebrides, du Dr. P. R. Joly (V p. 356.
Av. flg.) et de M. Täte (p. 115: Rondelle percee en
coquille). M. C. Riebe (Zwei Jahre unter den Kan-
nibalen der Salomo-Inseln. Dresden. Av. pl. et flg.)
decrit un sejour sur les iles Salomon. M. le Dr. W. Foy
(A. G. Wien XXXIV p. 112: Schemelartige Kokos-
nussschafer. Av. flg.) decrit un ustensile remarquable.
M. Karl von den Steinen (Gl. p. 119: Proben einer
früheren polynesischen Geheimsprache) publie une
notice sur une langue inventee par les habitants de
Hapan dans l'ile de Noukahiva et inintelligible pour
leurs voisins.
AFRIQUE.
MM. Manouvrier et Capitan (R. E. A. XV p. 18)
publient une etude anthropologique et archeologique
de l'Egypte, d'apres le livre de M. E. Chantre:
Recherches anthropologiques en Egypte (Lyon. Av.
180 ill.). MM. Arthur Thompson et D. Handall-
Maciver (The Ancient Races of the Thebaid. Oxford)
publient une etude anthropologique, basee sur l'ex-
amen de plus de 1500 cränes, sur les habitants de
l'Egypte Superieure depuis les temps prehistoriques.
M. M. Schlosser (A. A. p. 202: Die mumiflzierte
Tierwelt im alten Ägypten. Av. flg.) donne un aperiju
du livre de MM. Lortet et Taillard (La Faune
mumifiee de l'ancienne Egypte. Av. 8 pl. et 82 flg.),
publie dans les Archives du Museed'Histoire naturelle
- 231
du Lyon. M. H. Neffgen (Der Veterinar-Papyrus von
Kahun. Berlin. Av. 1 pl.) donne une contiibution sur
l'ait veterinaire des ancions Egyptiens. Z. E. publie
des obsei'vations archöologiques de M. von Lusohan
(p. 317: Über Beobaclitiiiigen an Kieselinanufakten
in Ägypten); et de M. G. Schweinfukth (p. 766:
Steinzeitliche Forschungen in Oberägypten. Av. pl.;
p. 517: Eine ägyptische Knallpeitsche „Fergille".
Av. flg.). M. Lefebuee (Sphinx VIII n". 1, 2) publie
une otude sur la vertu du sacrifice funöraire, ancien
et nioyen Empire Egyptien. M. le prof. Dr. (i.STEiN-
DOBPF (P.M. p. 179: Eine archäologische Reise durch
die Libysche Wüste zur Amonsoase üiv/e) donne
un rösume de son voyage dans le desert Libyen,
dont l'academie des sciences ä Dresde publiera les
rösultats archeologiques. M. Gr. Fritsch (Ägyptische
Volkstypen der Jetztzeit. Wiesbaden. Av. pl. et flg.)
publie des etudes anthropologiques sur l'Egypte
moderne.
M. E. ,T. Hamy (La Tunisie au debut du XXme
siecle. Paris. Av. flg.; Bull. Gg. h. et d. 1904 n°. 1:
Cites et necropoles berbere.s de l'Enflda, Tunisie
moyenne. Av. flg.) publie des etudes ethnographiques
et archeologiques sur la Tunisie. M.le Dr. R. Narbes-
HÜBER (A.G. Wien XXXIV p. 93: Anthropologisches
aus Süd-Tunesien) continue ses notes anthropologi-
ques sur la menie region. M. Deyrolle (Bull. S. A.
V p. 395: Les Häouan de Tunisie. Av. fig.) decrit
des cellules creusees dans des blocs de rocher dont
l'origine est incertaine, niais oü se trouvent des
soulptures d'un type prehistorique. M. A. van Gennep
(Z. E. XXXVI p. 749: Tätowieren in Nordafrika) donne
une notice sur le tatouage chez les Khoumirs. Le
meme sujet est traite par M. Pacjl Träger (Z. E.
p. 469: Das Handwerkszeug eines tunesischen Täto-
wierers. Av. fig. . dessins de tatouage). M. Atgier
(Bull. S. A. IV p. 619) fait des observations sur l'ori-
gine ethnique du mot „Maure" et ses diverses sig-
nifications successives, suivies d'une discussion par
M. F. Delisle et M. A. Bloch. L'esquisse du Dr.
Hans Leyden (L. u. M. n". 19: Tanger) est accom-
pagnee de quelques illustrations d'interet ethnogra-
phique. R. E. A. publie des articles de M. J. Huguet
(XIV p. 263: La valeur physique generale des indi-
genes sahariens. Av. flg.: p. 411: Contribution ä
l'etude sociologique des femmes sahariennes).
M. A Seidel (Das Geistesleben der Afrikanischen
Negervölker. Berlin) publie des observations gönei-ales
sur les peuples negres. M. le major J. A. Burdon
(G. J. XXIV p. 636: the Fulani Emiiates of Northern
Nigeria. Av. flg.) publie un essai sur les etats foulas.
M. M. Delafosse (Langues de la Cöte d'Ivoire. Paris)
publie une etude linguistique. Le Togo fournit des
sujets au conite Zech (Mitth. D.S. p. 107: Land und
Leute an der Nordwestgrenze von Togo. Av. flg.);
au niissionnaire L. Spiess (Gl. p. 173: Zeitberechnung
bei den Evlie in Togo); a M. H. Seidel (Gl. p. 176:
Erste Namengebung bei den Evhenegern in Togo);
et ä M. K. Fies (Ol. p. LXXXVII p. 13, 72: Der
Hostamni in Deutsch Togo. Av. flg.). Une etude de
droit indigene est publiee par M. J. M. Sarbah
(Fanti Gustomary Laws. London i. M. le Dr. A. Plehn
(Z. E. XXVI p. 713: Beobachtungen in Kamerun.
Av. flg.) publie des observations pendant un sejour
au Cameroun, specialement sur les societes secretes
chez les Dualis. M. le capitaine Stieber (D. K. B.
XVI p. 81, 115) publie un rapport sur son expedition
dans le pays des Mousgous. M. le Dr. Hans Ziem a NN
(Mitth. D. S. p. 136: Zur Bevölkerungs- und Vieh-
frage in Kamerun) publie les resultats d'une excur-
sion dans l'interieur du Cameroun.
M. R. H. Nassau (Fetichism in West Africa. London.
Av. ill.) publie les resultats d'un sejour de quarante
ans en Afrique. Afi'. S. publie des contribulions de
M. H. Reynolds (April 1904: Notes on the Azande
People); M. Frank H. Melland (Ethnographical Notes
on the Awemba Tribe); M. R. H. Nassau (The Phi-
losophy of Fetishism); M. J. W. C. Kibk (Yibirs and
Midgans, Somaliland); M. W. Renneb (Native Poisons,
West Africa); Mlle Werner (Right and Left Hand,
in Bantu: A „Hare" Story, African Folk Lore); M.
A. A. Whitehouse (An Ibo Festival). M. le lieutenant
Scheunemann (D. Kolbl. XV p. 765) publie un rap-
port sur une expedition, avec des notes sur les
tribus Njems et Ndsimus. M. le Dr. Max Schöller
(Mittheilungen über meine Reise nach Äquatorial
Ost Afrika. Berlin) publie ses notes de voj'age, illus-
trees de flgures de types de race et d'objets divers.
M. J. M. M. VAN DER BüRGHT (Un grand peuple de
l'Afrique equatoriale. Elements d'une monographie
sur l'ürundi et les Warundi. Bois-Ie-Duc. Av. pl.)
publie une S(jrie d'articies ethnologiques sur le pays,
les moeui's, les coutumes, la religion, les mtjtiers etc.
de cette partie de l'Afrique Orientale allemande.
M. B. H. Jessen (G. J. XXV p. 158: Southwestern
Abyssinia. Av. flg.) donne des notes ethnographiques
sur le peuple de Borna. M. M. Merker (Die Masai.
Berlin. Av. 150 ill.) publie un livre sur les Masai,
qui provoque des reinaj'ques ci'itiques de M. Carl
Meinhof (Z. E. XXXVI p. 735). Celui-ci tout en
appreciant les miSrites de M. Mebkeb sur le terrain
de l'ethnographie, nie l'affinite des Masai avec les
Isi-aelites et leur origine semitique. A. I. publie
des notes de M, H. R. Täte (p. 130: Notes on the
Kikuyu and Kamba Tribes of Biitish East Africa.
Av. pl.); du capitaine S. L. Cummins (p. 149: Sub-
tribes of the Bahr-el-Ghazal Dinkas. Av. pl.); et de
M. S. G. BAG(iE (p. 167: The Circumcision Ceremony
232
aniong the Naivasha Masai). ß. J. publie des notes
d'excursion du rev. A. B. Fisher (p. 249: Western
Uganda. Av. flg.). Z. E. publie des observations
faites au pays Kinga par M. Cleve (p. 456: Zahn-
verstümmelungen und ihre Bedeutung für den Laut-
wandel; p. 460: Über die Fraueiisprache; p. 463:
Die Dorsalen des Sango); et une comnuinication de
M. BiCHABD Kandt (p. 329: Gewerbe in Buanda.
Av. pl. et flg.) sur l'industrie en Ruanda. La meme
partie de l'Afrique allemande donne encore lieu ä
une communication publiee dans D. Kolbl. (XV p. 569:
Über die Basimu und Zauberer von Ruanda). M. S.
Passarge (Z. G. E. 1905 p. 20: Die Grundlinien im
ethnographisctien Bilde der Kalatiari Region) publie
une etude sur les tribus de la Kalahari. Mad. Minnie
Cartwbight (P. L. XV p. 244: Folklore of the Basuto)
publie des contes basouto. M. Arnold van Gennep
(Tabou et totemisme ä Madagascar. Paris) publie une
etude descriptive et theorique dans la Bibliotheque
de recole des hautes etudes.
AMERIQUE.
M. Charles Hill Tout (A. I. p. 20: Report on the
Ethnology of the Siciatl of British Columbia, a Coast
Division of the Salisli Stock. Av. pl.) publie des notes
sur une tribu indieune qiii a adopte la civilisation
europeenne et qui a fonde un village tres prospere;
il y ajoute la transcription, avec traduction, de leurs
traditions. Am A. contient des contributions de M.
George A. Dorsey (VI p. 240: An Arikara Story-
telling Contest); M. H. H. Wilder (p. 244: Racial
DIfFerences in Palm and Sole Configuration. Av. pl.
et flg.); M. D. L Bushnell Jr. (p. 294: Archeology
of the Ozark Region of Missouri. Av. pl.) ; M. U.
Francis Dufp (p. 303 : Some Exploded Theoiies con-
cerning South-western Archeology i; M. E. A. Spitzka
(p. 307: Hereditary Resemblances in the Brains of
three Brothers. Av. pL); M. W. R. Gerard (p. 313:
The Tapehanek Dialect of Virginia); M. S. C. Simms
(p. 331 : Cultivation of „Medicine Tobacco" by the
Crews, notes sur des ceremonies festives en usage
chez une tribu indienne); M. W. Jones (p. 369:
Some Principles of Algonquian Wordformation); M.
W. JocHELSON (p.413: Tlie Mythology of the Koryak);
M. E. L. Hewett (p. 426: Studies on the Extinct
Pueblo of Pecos. Av. pl,; p. 629: Archeology of Pa-
jarito Park, New Mexico. Av. pl.); M. A. F. Cham-
berlain (p. 4.59: Iroquois in Northwestern Canada);
M. W. W. TooKER (p. 464: Derivation of the Name
Powhatan; p. 670: Some Powhatan Names); M. F. G.
Speck (p. 469: A Modern Monegan-Pequot Text);
M. J. R. Swanton (p. 477: The Development of the
Clan System and of Secret Societies among the North-
western Tribes. Av. pL); M. Clarence B. Moore
(p. 600: Al)original Urn-burial in the United States.
Av. pl.); M. A. E. Jenes (p. 695: Bontoc Igorot
Clothing. Av. pl.). La Am. Folkl. S. publie un livre
de M. G. A. Dorsey (Traditions of the Skidi Pawnee.
Boston-New York. Av. pl.). F. C. M. publie des con-
tributions de M. H. R. VoTH (III n». 4: The Oraibi
Summer Snake Ceremony; VI n°. 1: The Oraibi
Oaqol Ceremony); MM. G. A. Dorsey et A. L. Kroeber
(V. Traditions of the Arapaho); et M. G. A. Dorsey
(VII n°. 1: Traditions of the Osage). Les publications
de l'universite de Californie contiennent des contri-
butions de M. Pliny Earle Goddard (I p. I : Life
and Culture of the Hupa. Av. pl. et flg.); M. William
J. Sinclair (II p. 1: The Exploration of the Potter
Creek Cave); M. A. L. Kroeber (II p. 29: The Lan-
guages of the Coast of California south of San Fran-
cisco; III p. 81: Types of Indian Culture in Cali-
fornia). M. P. E. Goddard (Hupa Texts. Berkeley)
publie encore des textes avec traduction. Mlle Mal-
wiNA Lampadino (Vom Neujahrsfest der Chinesen
in Kalifornien. Av. flg.) decrit le jour de l'an chinois
ä San Francisco.
M. Eduard Seler (Gesammelte Abhandlungen zur
Amerikanischen Altertumskunde. Berlin. Avec de
norabreuses ill.; Z. E. p. 244: Über Steinkisten,
Tepetlacalli, mit Opferdarstellungen und andere ähn-
liche Monumente. Av. .54 flg.; A. G. Wien p. 222:
Die holzgeschnitzte Pauke von Malinalco und das
Zeichen AU-tlachinolh. Av. 71 flg.; Gl. LXXXVII
p. HO: Misclifoi-men mexikanischer Gottheiten. Av.
fig.) publie de nouvelles contributions ä l'histoire et
l'ethnographie mexicaine. Ajoutons y les observations
de Mad. Zelia Nuttall (Peabody M. I n". 7: A
Penitential Rite of the Ancient Mexicans. Av. pl. et
flg.; Am. A. V p. 667: A Suggestion to Maya Scho-
lars, notes sur les afflxes numeriques; VI p. 486:
The Periodical Adjustment of the Ancient Mexican
Calendarj; M. J. W. Fewkes (p. 535: Ancient Pueblo
and Mexican Water Symbol); M. K. Th. Peeuss
(Gl. p. 136: Der Kampf der Sonne mit den Sternen
in Mexiko. Av. flg.); M. le baron E. von Nordenskiöld
(Gl. LXXXVII p. 27: Über die Sitte der heutigen
Aymara- und Quichua-Indianer, den Toten Beigaben
in die Gräber zu legen). L'archeologie maya fournit
des Sujets au Dr. Paul Schellhas (Peabody M. IV
n". 1 : Representation of Deities of the Maya Manus-
cripts); M. E. Förstemann 'Z. E. p. 6.59: Liegen die
Tonamatl der Mayahandschriften in bestimmten
Jahren?; p. 138: Die Lage der Ahaus bei den Mayas,
essai de Chronologie maya); M. Geo. Byron Gordon
(Trans. Penna. p. 61: Chronological Sequence in the
Maya Ruins of Central America). M. J. Walter
Fewkes (Am. A. VI p. 585: Prehistoric Culture of
Cuba. Av. pl.) donne des notes arclieologii|ues sur
nie de Cuba. M. Kahl Sapper (A. A. III p. 1 : Der
238 -
gegenwärtige Stand der ethnograplüsuheii Kenntnis
von Mittelamerika. Av. pl. et flg.; Gl. LXXXVII
p. 128: Der Charakter der mittelanierikanisclien Indi-
aner) pnblie des etiules sur l'Anu-rique Centrale. Le
Costa Rica fait le sn.jet de coniniunications de M. C.
V. Habtmann (Archaeological Researclies in Costa
Rica. Stockholm); et de M. H. Pittiek de Fabkega
(Am. A. p. 447: Numoral Systems of tlie Costa Rican
Indians).
M. le Dr. Paul Ehrenheich (A. A. III p. 39: Die
Ethnographie Südamerikas im Beginn des XX Jahr-
hunderts unter besonderer Berücksichtigung der
Naturvölker) publie une etude sur Tethnographie de
l'Amerique du Sud. M. Max Schmidt (Z. E. p. 490:
Ableitung sudamerikanischer Geflechtmuster aus der
Technik des Flechtens. Av. fig.i publie des notes
sur l'industrie textile indienne. M. le Dr. Rivet
(Bull. S. A. p. 116: Le „huicho" des Indiens Colo-
rados; p. 144: Les Indiens de Mallasquen publie une
notice sur une maladie et une etude ethnologique
sur une tribu dans la republique de l'Equateur.
M. Adolph F. Bandelier (Am.A. p. 197: Aboriginal
Myths and Traditions concerning the Island of Titi-
caca; p. 440: Ahoriginal Trephining in Bolivia, notes
sur la trepanation qui se pratique encore en Bolivia
par des indigenes; p. -599: The Cross of Carabuco in
Bolivia) publie des contributions ä l'ethnograpliie et
au folklore de la Bolivia. M. le Dr. R. Stegmann
lA. G. Wien Sitzb. p. 68: Knochensystemerkran-
kungen südamerikanischer Indianer, mit Berück-
sichtigung altperuanischer Vasen. Av. flg.) publie des
observations sur la question tant dlscutee du Syphilis
en Amörique. L'archöologie du Brösil fait le sujet
d'un article de M. H. von Ihering (R. M. P. VI p. 519:
Archcologia comparaiiva do Brazib. M. le Dr. Th. Koch
(Z. E. p. 293: Eine Forschungsreise nach Südamerika)
publie des notes d'une expedition sur le Rio Negro
en Bresil, avec des dötails linguistiques. Des tribus
de l'int^rieur du Brösil sont döcrites par M. Max
Schmidt (Z. E. p. 466: Nachrichten über die Kayabi-
Indianer. Av. flg.); et Dr. Bleykr 'Z. E. XXXVI
p. 830: Die wilden Waldindianer Santa Catharinas;
die „Schokleng". Av. flg.). M. E. Boman (L'Homme
Prehistorique II n". 10 Av. flg.) decrit des groupes
de tumulus prehispaniques dans la vallöe de Lerma,
republique argentine. M. A. de Mortillet (R. E. A.
XV p. 31. Av. fig.) decrit des grottes ä peintures de
l'Amerique du Sud. La question du Syphilis fait
encore le sujet d'observations de M. Lehmann-Nitsche
(Z. E. XXXVI p, 854: Altpatagonische, angeblich
syphilitische Knochen aus dem Museum zu La Plata.
Av. fig.^. Le missionaire Fb. Vogt (A.G. Wien p. 200 r
Die Indianer des Obern Parana) publie des experiences
parmi les Indiens de l'interieur. M. R. E. Latcham
(A. I. p. 170: Notes on the Physical Characteristics
of the Araucanos. Av. pl.) publie des notes anthro-
pologiques. M. Hauthal (Z E. p. 119: Die Bedeutung
der Funde in der Grypotheriumhöhle bei Ultima
Esperanza, Südwestpatagonien, in anthropologischer
Beziehung) donne des observations sur des explo-
rations prehistoriques.
LA Haye, avril 1905. G. J. Dozy.
V. LIVRES ET BROCHURES.
BÜCHERTISCH.
I. Rich'.rd Andreb: Brau nsch weiger Volks-
kunde. 2te vermehrte Auflage. Mit 12 Tafeln und
174 Abbildungen, Plänen und Karten. Braunschweig,
Friedrich Vieweg und Sohn, 1901. 8».
Im Jahre 1896 erschien die erste Auflage dieses
Werkes über welches wir im lOten Band dieses Ar-
chivs uns eingehender äusserten. Dass schon nach
kaum fünf Jahren eine zweite Auflage eines der-
artigen Werkes sich nötig erwies, ist ein Beweis
für die Richtigkeit unserer Annahme dass dasselbe
sich nicht nur in den engeren Kreisen der Ethno-
graphen und Volksforscher, sondern auch in weiteren,
diesen Forschungen ferner stehenden, einer günstigen
Aufnahme erfreuen und in letzteren das Interesse für
den Gegenstand beleben würde.
Das Werk tritt in beträchtlich erweitertem Um-
fang vor uns; während die erste Auflage 378 Seiten
zählte, sind es deren in der zweiten 5£0. Dies schon
beweist dass der Verfasser, der wie bekannt zu den
L A. f. E. XVII.
ältesten Förderern der völkerkundlichen Forschung
zählt, auch hier in jugendfrischer Weise weitere
Bausteine zur Kenntnis der Bewohner seiner schönen
engeren Heimat gesammelt hat. Dazu gesellte sich
die Hülfe einer Reihe von, wohl zumeist durch die
erste Auflage für die Sache gewonnenen Mitarbeitern,
deren der Verfasser im Vorwort gedenkt.
Die in der ersten Auflage kurz gehaltene Einleitung
wurde bedeutend erweitert und erscheint jetzt in
vier sich über fünfzig Seiten erstreckenden Ab-
schnitten. Besonders ist der zweite derselben, die
Vorgeschichte des Gebietes, für den Leser von Wert
weil die hauptsächlichsten Funde auf Braunschwei-
gischem Gebiet zwar kurz, aber genügend geschil-
dert hier zusammen gestellt sind. Von den übrigen
Abschnitten der ersten Auflage ist z.B. der über die
Dörfer und Häuser von 43 auf 56 Seiten, jener über
Gerät in Hof und Haus von 15 auf 26 Seiten er-
weitert u. s. w.
30
234
Das Abbildlingsmaterial ist gleichfalls, dank dem
Entgegenkommen der Verlagsbuchhandlung, ganz
ausserordentlich vermehrt; statt der 6 Tafeln der
ersten Auflage enthält die vorliegende deren 12
und statt der 80 Abbildungen im Text nun 174.
Mancherlei Gegenstände, deren in der ersten Auf-
lage nicht gedacht und die zu interessanten Ver-
gleichen mit ähnlichen Erscheinungen bei Natur-
völkern Veranlassung bieten, finden wir in dieser
zweiten Auflage zum ersten Mal erwähnt. So bei-
spielsweise Seite 199 ein hölzernes Türschloss
dessen Mechanismus vollkommen übereinstimmt
mit solchen die wir aus dem Indischen Archipel etc.
kennen.
In den Haussprüchen Seite 200 ff. offenbart sich
in schöner Weise der fronmie Kinderglaube unserer
Altvordern. Dem Abschnitt über Geburt, Hochzeit
und Tod ist dies Mal eine schöne Tafel, die Abbil-
dung einer 1840 in Lehre stattgefundenen Bauern-
hochzeit, beigegeben, die ein Stück echt deutschen
Volkslebens aus jener Zeit zur Anschauung bringt.
Die Abschnitte über die Geisterwelt, den Aberglauben
U.S.W, enthalten mancherlei neues, wertvolles Ver-
gleichsmaterial mit Erscheinungen, die uns ebenfalls
bei Naturvölkern entgegen treten.
Wir können nicht umhin, gleich wie wir dem
Verfasser für die erste Auflage seines Werkes dankten,
dies auch für diese zweite zu tun. Derselbe hat vor
Kurzem das siebenzigste Jahr erreicht und wirkt noch
stets in ungetrübter Frische für den Ausbau unserer
Wissenschaft. Möge ihm das noch während langer
Jahren vergönnt sein.
IL T. J. Bezemer: .Javaansche en Maleisclie
Fabelen en Legenden. Cohen 2onen. Amster-
dam , z. jaar 8°.
De schrijver, docent aan de Rykslandbouwschool
te Wageningen, heeft, met dezen bundel fabelen voor
een grooter publiek te bewerken, een goed werk
verriebt. Ook voor den leek , die zieh niet met taal-
kundige of ethnogi'aphische onderzoekingen bezig
houdt, zullen deze vertalingen blöken van waarde
te zvjn. Er ligt in die fabelen eene eigenaardige be-
koring en hoe meer men er in leest, te meer gevoelt
nien zieh er door aangetrokken. Door hier en daar
eenige voetnoten te plaatsen heeft de vertaler aan
•den leek een dienst bewezen.
De drie aanteekeningen aan het einde van het
boek verhoogen de waarde er van; de aanteekening
2 bevat eene beknopte sehets van eene Wajang-
veitooning juist zoo gesteld, dat ze voor een leek
begrijpelük is. De enkele eenvoudige illustraties ver-
hoogen niet de waarde van het werk , maar zullen
blyken voor den lezer eene aangenanie toegift tezyn.
in. Prof. Dr. R. Langenbeck: Landeskunde des
Reichslandes Elsass-Lothringen mit 11 Abbildungen
und einer Karte.
Heineich Kerp: Landeskunde von Skandinavien
mit 11 Abbildungen und einer Karte.
Prof. Dr. Arnold Jacobi: Tiergeographie. Mit 2
Karten. Leipzig, G. .1. Qöschen'sehe Verlagshand-
lung, 1904. 8».
Diese drei neuen Bändchen der Sammlung Gö-
schen bedürfen kaum einer besonderen Empfehlung.
Wie alle übrigen sind auch diese in leiehtfasslieher
Sprache geschrieben und führen sie den Leser in
gedrängter Kürze in das behandelte Thema ein.
Das dem Reichslande Elsass-Lothringen ge-
widmete Bändchen wird jeder gerne zur Hand neh-
men weil selbes die Kenntnis dieses schönen Fleckens
Erde nach jeder Eichtung hin zu fördern anstrebt.
Sehr richtig hat der Verfasser versucht die gegen-
seitige Abhängigkeit der geographischen Elemente von
einander, und insbesondere den Einfluss der Landes-
natur auf die Entwicklung der wirtschaftlichen Ver-
hältnisse und die Siedlungen zu zeigen. Vom völker-
kundlichen Standpunkt aus ist die kurze, der Be-
völkerung gewidmete Skizze zumal für den, ethno-
graphischen Untersuchungen ferner Stehenden von
Wert und wird selbe unserer Überzeugung nach
hie und da zu weiterem Eingehen auf den Gegen-
stand anregen, was durch das vom Verfasser gege-
bene Litteraturverzeichnis erleiclitert wird.
Das zweite Bändchen führt uns in gleicher Weise
in die Kenntnis der drei Scandinavischen Reiche:
Schweden, Norwegen und Dänemark ein. Das Land-
schafts- und das Kulturbild, sowie die Besiedelung
und die Bevölkerung werden, so weit dies bei einer
Veröffentlichung, wie die in Rede stehende, möglich
ist, der Hauptsache nach genügend gescliildert.
Über die Vikinger und die Sitte derselben ihre toten
Häuptlinge in deren eigenem Schiffe beizusetzen
finden wir Seite 132 eine interessante Schilderung.
Wie dem ersten hier besprochenen Bändchen, ist
auch dem zweiten eine gute Karte beigegeben.
Das dritte oben genannte Werkchen gehört
eigentlich nicht in den Kreis dieser Zeitschrift. Wo
aber der Mensch sich bekannteimassen in seiner
Verbreitung über die Erde als abhängig erwiesen
hat von der Scholle die er bewohnt und dei'en Ein-
fluss sich auf ihn geltend macht, erachten wir es
angezeigt die Aufmerksamkeit unserer Fachgenossen
auf das genannte Werkchen zu lenken , das die
Beziehungen der Tierverbreitung zur Geographie zu
schildern sich zur Aufgabe gemacht hat. Wir sind
überzeugt dass sich dem Leser dieses Buches
Gelegenheit bieten wird zu mancherlei interessan-
ten Vergleichen betreffs einschlägiger Verhältnisse
im Tierleben mit solchen in dem des Menschen.
235 -
IV. Dr. C. H. Stkatz: „Der Köipor des Kin-
des". Mit 187 in den Text gedruclcten Abbildungen
und 2 Tafeln. Stuttgart. Ferdinand Enke. 1903, 8".
Dies neue Werk des bekannten Autors scliildert
uns die Eiitwickolung des Kindes vom Embryo an
bis zum 20sten Jahre und ist gleicli den frülieren
Arbeiten von Stratz in fesselndem . angenehmem
Stil geschrieben. Anatomie, Physiologie, Entwick-
lungsgeschichte und Anthropologie treten in diesem
Buche auf den Vordergrund. Obwohl des Verfassers
Schilderungen der Hauptsache nach das Kind von
Eltern weisser Rasse zum Gegenstand haben, finden
sich doch, zumal in den beiden letzten Abschnit-
ten, Kinder auch von andern Völkern berührt.
Das Ergebnis seiner Untersuchung fässt Verfasser in
die Worte zusammen „dass das Kind trotz mehr
„oder weniger ausgeprägter Rassenunterschiede auf
„der ganzen Welt das Gleiche ist an Seele und
„Körper und dass es, allem menschlichen Unverstand
„zum Trotz, sich meist zur schönsten Blüte entfaltet."
Dem Verfasser ist das Kind die lieblichste Offen-
barung des Menschtums in seiner reinsten Form;
wenn er wünscht dass jeder sich von seiner eignen
Kindheit so viel im Leben erhält und bewahrt, als
ihm die wechselvollen Kämpfe während desselben
gestatten, so stimmen wir ihm hier aus vollem
Herzen zu. Sind doch gerade jene Zeiten einer
harten .Jugend , durch die uns die Sorge einer lieben
Mutterhand hindurch leitete, für uns mit Sonnen-
glanz umgössen und haben wir in der Erinnerung
an jene Zeit in mancher späteren, schweren Stunde
neue Stärke zum Kampf gefunden.
Auch in dem vorliegenden Buch von Stratz findet
sich viel, sehr viel, was uns Ursache giebt uns mit
Genugtuung zu erinnern, dass wir Mensehen sind.
Das Buch ist, ausser Ärzten und Künstlern, auch
Eltern und Erziehern gewidmet. Wir sind überzeugt
dass diese für ihre verantwortungsvollen Aufgaben
in diesem Buch manchen Fingerzeig finden werden.
Die Ausstattung des Buches ist, wie es von der
Verlagshandlung nicht anders zu erwarten, sowohl
was den Druck als auch die Abbildungen betrifft,
eine in jeder Hinsicht würdige.
V. Le R. P. J. J. M. VAN DEE Buecjt; Diction-
naire Frangais-ki rundi. Bois-le-Duc (Hol-
lande), Societe 1' Illustration Catholique, 1904. 8°.
Ein Werk von ganz ausserordentlicher Bedeutung,
und zwar auch mit Rücksicht auf die Ethnographie
einer Anzahl Stämme Central-Afrika's liege vor uns.
Der Verfasser, einer der „weissen Väter von Afrika",
war längere Zeit als Missionar unter jenen Völkern
tätig und ist, wie seine Arbeit uns lehrt, mit einer
ausserordentlichen Beobachtungsgabe ausgerüstet.
Davon zeugt auch das Urteil, welches die Profes-
soren Weule und VON Lüschan über seine dem
Berliner Museum verschaffte Sammlung fällen, davon
zeugen ebenso die ausserordentlich sorgfaltig ver-
fassten Etiketten, welche einer, von ihm herrühren-
den, in den Besitz des Ethnographischen Museum's in
Jjeiden gelangten Sammlung beigegeben sind und
worüber der Leser Näheres in der Einleitung findet.
Durch Krankheit zu einem längei'en Aufenthalt
in seiner Heimat gezwungen, benutzte p. van der
Bürgt jene Zeit für das Ausarbeiten seiner sprach-
lichen und ethnographischen Notizen und so ent-
stand das vorliegende Werk, dessen Herausgabe von
mehreren Seiten . u. a. auch seitens des Deutschen
Reiches, unterstützt wurde.
Wir müssen es uns versagen auf den Inhalt der
sehr umfangreichen Einleitung näher einzugehen.
Über Manches in derselben sind wii-, und wahr-
scheinlich unsere Fachgenossen ebenfalls, anderer
Meinung; allein unsei'er Überzeugung nach enthält
die.selbe dennoch auch mancherlei wertvolle Er-
gebnisse der Litteraturstudien des Verfiissers.
Was den Dictionnaire selbst betriff, so finden sich,
den einzelnen Worten angefügt, eine übergrosse Menge
interessanter Tatsachen: das ganze Leben des Ein-
geborenen von der Geburt bis zum Tode und die
während des Lebensganges sich ergebenden Feste
und Bräuche, z. B. Beschneidung, Tätowierung, Ver-
heiratung, Tod- und Trauergebräuche finden wir hier
geschildert. Den sehr verschiedenen Haarfrisuren ist
eine eingehende Besprechung gewidmet; dasselbe
ist der Fall betreffs der Verarbeitung von Baumrinde
zu Kleidungstoff, der Spiele etc.
Sehr interessant sind die Mitteilungen des Ver-
fassers über die Zwergvölker mit denen er Kenntnis
gemacht, wodurch das was wir betreffs der Zwerg-
völkei- in Afrika wissen in ungemeiner Weise be-
reichert wird. Auch über die religiösen Verhältnisse,
über die Zeitrechnung, teilt p. van der Bürgt viel
Interessantes, z.B. unter den Artikeln dien, esprit,
nuinea, etc. mit; zahlreiche Tafeln erläutern jene
Mitteilungen in erwünschter Weise.
Was die gegenwärtige Arbeit an ethnographischem
Material enthält, Hess der Verfasser auch noch
als besonderes Buch unter dem Titel: „Un grand
peuple de l'Afrique Equatoriale" erscheinen,
und hat damit jenen, welchen sprachliche Unter-
suchungen ferner liegen einen Dienst erwiesen.
Der Druck inid die Ausstattung des Werkes ver-
dienen Anerkennung.
Seit Jahresfrist ist der Verfasser wieder nach dem
Felde seiner Wirk.samkeit zurückgekehrt. Wir hoffen
dass eine dauernd gute Gesundheit es ihm ermög-
lichen wird, dem Gebäude unserer W'issenschaft noch
manchen Baustein hinzuzufügen.
236
VI. EXPLORATIONS ET EXPLORATEURS, NOMINATIONS, NECROLOGIE. -
REISEN UND REISENDE. ERNENNUNGEN, NECROLOGE.
II. Die „Deutsche Gesellschaft für Natur- und
Völkerkunde Ost-Asiens" hat den Prinzen Rüpprecht
von Bayern zum Ehrenmitglied ernannt und in
dem betr. Diplom auf die alten Beziehungen des
Hauses Witteisbach zu Ostasien hingewiesen. Schon
1570 wurden dem Kurfürsten Wilhelm V die Epis-
tolae .Japonicae und 1617 Trigantan's Historia, über
China handelnd , gewidmet.
III. Der Direktorial-Assistentam Museum für Völker-
kunde zu Berlin Dr. Alfred Götze wurde zum Mit-
glied der Kaiserl. Leopoldino-Carolinischen Akademie
der Naturforscher in Halle a/S. ernannt.
IV. Sa Majeste la Reine des Pays-Bas a nomme
notre collaborateur M. Alb. C. Kruyt ä Posso, Che-
valier de l'ordre d'Orange Nassau.
V. Prof. Dr. Herm. Klaatsch, Heidelberg trat
Anfangs Februar 1904 eine Forschungsreise nach
Australien an.
VI. t Prof. Karl (Jjfalvy, Docent an der orien-
talischen Akademie in Paris, ein geborener Ungar,
starb im Alter von 64 Jahren, Anfangs Februar
1904 zu Florenz. Der Verstorbene unternahm im
Auftrage der französischen Regierung zwei Reisen
nach Central-Asien und machte sich duKch mehrfache
Werke, das Resultat dieser Reisen und durch Ver-
öffentlicluing ethnogr. Studien aus Ungarn um die
Förderung unserer Wissenschaft verdient.
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