Irrthum auf allen Ecken
Irrthum auf allen Ecken
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Irrthum auf allen Ecken.
Ein
net
fünf Aufzügen. —
— —
Nach dem Engliſchen des D. Goldſmith.
Neue Auflage.
———ů——5ðÿ9ùÄ—ᷓ᷑ ᷑ᷓ7 2 . Ben Kn¼˙ʃj7——
Hamburg,
bei Bachmann und Gundermant,
1 8 0 Ar
Perſonen.
Herr v. Wenski, ein alter Landedelmann.
Nanette v. Wens ki, deſſen Tochter, erſter Ehe. |
| Margarethe v. Wenski, deſſen zweite Frau.
Hans v. Ullerdorf, ihr Sohn, erſter Ehe.
Sophie v. Buchau; ihre Nichte.
Baron Karl v. Karwiz.
Baron Ferdinand von Perning,
Freund.
Peter,
Paul,
= akob, des Baton Karwiz Bediente.
5 des alten Wenski Bediente.
[3
r
I»
3 Erſter Aufzug.
Ne
*
Ein grüner. Platz mit hohen Bäumen, vor
einem ſehr altmodiſchen Landhauſe.
1
*
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Erſter Auftritt.
Herr v. Wenski ſitzt unter den Baͤumen
und lieſt in einem Buche.
Wenski. Maul! Peter! — Das iſt,
glaub ich, zum zwanzigſten male, daß ich die
Schlingel ruſe! und keiner hoͤrt; und keiner
kommt. (er ljeſt) Das nenn ich eine Schlacht,
die Schlacht bei Zenta! Dreißig tauſend Tuͤr—
ken maſſakrirt, und das ganze Lager erbeutet.
Ein großer Mann, der Prinz Eugen — aber
doch zieh ich ihm den Hunniades vor. — Pant!
Peter! das iſt verdammtes Volk! — So hät
U
* x N
*
—— 2 — 1 Bi
2
*
ten ſich die Dienſtbothen im funfzehnten Jahr-
hunderte betragen ſollen! — Alte Zeiten, gute
Zeiten! — Ich muß die Bengel zur Aufnahme
meines kuͤnftigen Schwiegerſohns abrichten!
Wit ſind immer allein; kommt einmal Geſell—⸗
ſchaͤft, fo muß man fie eben ſo exerziren, als eine
Kompanie Rekruten zur erſten Muſterung. —
Paul! Peter! Paul! Peter! SER,
Zweiter Auftritt |
Herr v. Wenski, Paul ohne Rock,
Peter mit einem Schuh und einen
Pantoffel.
—
Wenski. Wo ſteckt ihr? wo bleibt ihr ſo
lange, ihr liederlichen Schurken!
Paul. Ihro Gnaden! es iſt mit dem jun⸗
| gen Herrn nicht mehr auszuhalten.
Pet. Alle Augenblicke macht er uns einen
neuen Schabernack.
Paul. Mir hat er meinen Livreerock verſteckt.
Pet. Und mir einen Schuh.
Pau l. Das hat ung jo lange aufgehalten.
Wenski. Der Bube hat lauter Schelme⸗
N
7
x 8 Sid 3 ER
1
34 reien im Kopf! Verwahet eure Sachen deſſer,
daß er nicht dazu kommen kann.
Pet. Hilft nichts, an ene er findt's
überall,
Wenki. Nur jetzt still en! ich will ihn
bei der Mutter verklagen.
Paul. Hilft auch nichts, Ihr Gnaden!
dte gnaͤdige Frau giebt ihm immer Recht.
Pet. Ihr Gnaden ſollten nur ſo gnaͤdig
fein, und den jungen Herrn brav durchpruͤ—
geln. 863
Wenski. Das mag ich nicht, auſſer wenn
ich gar nicht anders umhin kann. Wir haben
in unſerer Eheſtiftung ausgemacht, daß ich mich
nicht um ihren Sohn, und ſie ſich nicht um
meine Tochter bekümmern darf. — Laßt uns
auf unfre Sache kommen. — Wie ſtehts um
eure Lektion? habt ihr behalten, was ich euch
gelehrt habe?
Alle beide. O ja!
Wenski. Ich hab' euch beide vom Pfluge
zu eurer jetzigen Würde befördert. Nun müßt
ihr hauptſaͤchlich die Unarten eures vorigen
Standes vergeſſen. — Wenn Fremde kom—
men, duͤrft ihr nicht, wie die Kettenhunde aus
1 *
dem Hundeloche, heraus ſtuͤrzen, die Leute an:
gaffen, und dann wie erſchrockne Kaninchen
zu ruͤck laufen.
Pet. Nein.
Wenski. Wie redeſt du die Fremden an,
Peter? >
Pet. (Kratzt fih mit einer Hand im Kopfe,
und ſcharrt mit einem Fuße aus) Sein Sie
willkommen! a |
Wenski. Die Hand vom Kopfe, du Dumm—
bart! dugiebſt dadurch einen uͤbeln Begrif von
der Reinlichkeit des Hauſes. Halt deine Kaͤnde
wie Paul.
Paul. Ja, halt's wie ich. Sieh, fe
mußt ich ſie halten, wie ich exerzirt wurde, da
ſie mich zum Soldaten machen wollten, — und
da ich Soldat werden ſollte und exerzirt wurde,
o
Wenski. Nicht fo ſchwazhaft, Paul! Zur
guten Bedienung gehoͤrt Aufmerkſamkeit, aber
kein Geſchwaͤtz. Du mußt uns reden hören,
ohne an's Reden zu denken; du mußt uns
trinken ſehen, ohne an's Trinken zu denken;
du mußt uns eſſen ſehen, ohne an's Eſſen zu
denken. f
— 3 "Tan
Paul. Flickerment, Ihr Gnaden, das kann
ich nicht. Wenn ich eſſen und trinken ſehe, ſo
4 waäſſert mir gleich das Maul, und ich c
auch zugreifen.
Wenski. Nicht fo ſchwazhaft, Paul, es
ſchickt ſich nicht. Ferner, — wenn ich einen
a guten Einfall habe, oder eine luſtige Geſchichte
erzaͤhle, ſo müßt ihr nicht, wie bisher, die Keh—
len aufreiſſen, und aus vollem Halſe mitlachen,
als ob ihr auch zur Geſellſchaft gehoͤrtet.
Pan! So mäffen Ihr Gnaden nicht die
kurzwellige Hiſtorie von dem Geſpenſt erzaͤhlen
— ha, ha, ha! — Und Ihr Gnaden erzaͤh—
len's auch ſo kurzweilig, und da muß ich lachen
— ba, ha, ha — Wir haben ſchon acht Juhe
darüber gelacht.
Peter. (lacht auch) Wenn Ihr Gnaden
vom Geſpenſt erzaͤhlen, ſo muß man lachen,
wenn man auch todtſterbens krank iſt.
Wens ki. (lacht auch) Die Geſchichte iſt
uͤberaus luſtig! das iſt wahr. Ich habe ſie ſo
viel hundertmal erzaͤhlt, und — ha, ha, ha! —
Ihr müßt euch aber doch zwingen, nicht laut zu
lachen. — Das Laͤcheln will ich euch allenfalls
0
— 6 —
erlauben. — Weiter! Paul, wo iſt dein Plat
bey Tiſche?
Paul. (ſtellt ſich hinter ihn) Pe Ihro
Gnaden. Mise ohr
Wenski. Und der deinige, Peter?
Pet. (im Abgehen) Hinter der gnaͤdigen
Frau.
Wenski. Wo gehſt du hin? ü
Pet. Ich will mich auf meinen Platz ſtellen.
Wenski. Dummkopf! bleib da. — Der
Stuhl ſoll die gnaͤdige Frau ſein.
Pet. (ſtellt ſich hinter den Seuhl.)
Wenski. Nun merkt auf! Geſetzt, einer
von der Geſellſchaft federte ein Glas Wein —
wie wollt ihr euch dabei verhalten? (zu peter)
Ein Glas Wein, guter Freund! — Nun, warum
gehſt du nicht? N | er
Pet. Es iſt ja keiner da. —
Wenski. Strohkopf! du mußt dir eine
bilden, als wenn welcher da waͤre.
Pet. Das kann ich nicht, Ihr Gnaden.
Wenski. O uͤber den dummen Teufel! —
Paul! ein Glas Wein!
Paul. Denn muß ich ja von meinem Platze
weggehn?
— 7 } u
Wenski. Freilich, du Strohkopf!
Paul. Ihr Gnaden! ich kann mich nicht
1455 zurecht ſinden, als wenn 's Eſſen und Trin⸗
ken auf dem Tiſche ſteht. — Flicerment! da
hangt n mein NE auf dem Baume — f
y Wanze, (er laͤuft ab.)
pet. Da wird mein Schuh auch nicht weit
| vn * er ab.)
0
Dritter Wufteiee
Hört doch! Paul! Peter! — Das find
Erzſchtingel! laufen mitten in der Lektion davon
und find noch eben fo dumm, als fie waren. —
Ich bin doch ein recht geplagter Mann! — Da
kommt meine Tochter, mein Herzblatt! die halt
mich einigermaßen fuͤr den Verdruß ſchadlos,
den mir die uͤbrige Familie macht. Wenn ich
ihr nur diey erdammten neuen Moden aus dem
Kopfe bringen koͤnnte! Aber es iſt meine Schuld!
warum ſchickte ich fie in die Stadt! Durch einen
Aufenthalt von einigen Jahren dort, iſt fie eben
ſo in Flor und Puz vernarrt worden, als die
ſchlimmſte von allen Modedamen.
*
Vierter Auftritten
Herr v. Bensti. Nanette in einem
ſehr geputzten Nellie. Re
Nan. Guten Tag, lieber Vater!
Wenski. Guten Tag, meine liebe Anna!
Du biſt bald von deinem Veſuche zuruͤck gekom⸗
men. (ſieht nach der Uhr) Halb drei! Aber,
Herr des Himmels! was haſt du wieder fuͤr
uͤberfluͤßig Zeug an dir! Wozu nutzt der Flor?
Wozu nutzt das Band? Wozu nutzt die gemachte
Blume? Wozu nutzt der Korb um deinen Leib? —
Wenn deine Aekter⸗Mutter aufſtuͤnde, und bich
in dem Anzuge ſaͤhe! — Aung! Anna! Iſt's
denn nicht möglich, die heutige Welt zu uͤberzeu⸗
gen, daß man mit dem überfiüßigen Putze von
tauſend eiteln Weibern, tauſend duͤrftige Weiber
kleiden und naͤhren kann! Jain 1
Nan. Sie wiſſen, lieber ER —
Wenski. So recht, auch das Wort Vater
iſt nicht mehr Mode. Druͤckt das Wort Papa,
deine kindliche Pflicht und Liebe beſſer aus? |
Nan. Ich vergaß mich, lieber Vater.
Was meinen Putz betrift, ſo erinnern Sie ſich
nur unſers Vergleichs. Sie haben mir den
ars
| Morgen zugeftanden, Beſuche anzunehmen und
zu geben; mich zu kleiden, wie es mir gefällt;
des Abends gehoͤre ich Ihnen, und lege die
Kleidung einer guten Hausfrau an.
Wenski. Ich bin freilich fo gut, oder ſo
N thoͤricht geweſen, dir das zu bewilligen. Aber
deine Eitelkeit wird noch heute auf eine harte
Probe geſtellt werden.
Nan. Wie fo, lieber Vater?
Wenski. Ich erwarte den jungen Herrn,
den ich dir zum Manne beſtimmt habe. Sein
Vater giebt mir Nachricht, daß er abgereißt fon,
und er ihm bald folgen werde. 1 10 60
Nan.“ Lieber Himmel! und ich ſoll den
Herrn in meiner ee Kleidung em—⸗
pfangen? 8
Wenski. Darauf beſteh⸗ ich. Du hätt
dich puͤnktlich an den Vergleich — ich auch.
Sey des Morgens ſo naͤrriſch, als du willſt,
aber des Nachmittags ehrbar.
Nan. Das iſt ſehr grauſam, lieber Vater.
Wenski. Ich kann dir nicht helfen; ich
halte den Vergleich pünktlich, — Vielleicht
kommt er ſo fruͤh, daß du ihn noch in dem
Narrenputze empfangen kannſt, denn du haft
noch anderthalb Stunden. — Das 1 1
mir denn auch gefallen laßen. 1 N
Nan. Wie nennt ſich dieſer Drdurigam ı in
Hoffnung ? > Gin
Wenski. Baron new R Es be 0
Sohn meines alten Freundes, von dem ich oft
mit dir geredet habe. Der junge Herr ſoll ſehr
gelehrt ſeyn. — * 1 NN
Nan. Gelehrt? l
Wenski. Man macht ſich Song 916
er dem Vaterlande 3 ee .
werde. EN A FE Eine
Nan. Und feiner dial deſto e
Ein Gelehrter! lieber Vater! ich wette tauſend
an eins, daß er mir nicht gefallen wird.
Wenski. Ich will dich nicht zwingen,
mein Kind; H denn ich kenn' ihn ſelbſt nicht. —
Seine Geleheſamkeit ſoll nicht muͤrriſch en 6
Nan. Das laͤßt ſich hoͤren. f ö
Wenski. Er iſt mitleidig.
Nan. Gewiß?
Wenski. Sehr großmuͤthig.
Nan. Ich glaube, er wird mir Be
Wenski. Jung und brav! f
Nan. Er wird mir ganz gewiß gefallen.
*
1
Wenski. Und ſehr huͤbſch! — 5
Nan. Genug, lieber Vater! ich nehm
ibn, ich nehm ihn.
Wenski. Und was feinen 2150 Eigenſchaf—
ten die Krone aufdruͤckt, iſt ſeine Annan
und Beſcheidenheit.
Nan. Ach, Sie machen, daß ich ee
eiskalt werde! Das einzige Wort verdunkelt alle
feine übrige Vollkommenheiten. Ein zurückhal—
tender Liebhaber wird immer ein argwoͤhniſcher
Ehemann. 5055 m”
Wenski. Grade das Gegentheil. Be⸗
ſcheidenheit iſt das Kennzeichen des Verdienſtes;
des vollkommenen Mannes. Eben dieſer Zug
in ſeinem Karakter hat mich für. ihn eingenom—
men.
Nan. Mich nimmt dieſer Zug gegen ihn
ein. — Gleichwohl — wenn er jung, huͤbſch,
und alles das iſt, was Sie ſagen — ſo will ich
ihn nehmen. 2 4
Wenski. Es koͤmmt aber noch darauf an,
wie du ihm gefaͤllſt, und ob er dich nehmen
will.
Nan. Das heißt mich ſehr demuͤthigen,
lieber Vater! — Wenn er mir einen Korb
a A
giebt, fo will ich, anſtatt mich zu haͤrmen, und
zu weinen, nur meinen Spiegel für feine
Schmeichelei zerbrechen; weil er mir immer
ein Geſicht wieß, das keinen Korb zu befuͤrchten
hat. Dann will ich meinen Putz nach einer
neuen Mode umformen, und einen andern Ber
wunderer ſuchen, der Ya ei
macht. ws
Wens ki. Ein bewenmüthter Cneſclüß! 1—
Leb wohl, Anna! 5
Nan. ie Sur Ye bon 10% eine
Bitte, —- ens
Wenski. Nun? 7 |
Nan. Daß Sie mich, wenn mein Liebhaber
kommt, Nanette, und nicht Anna nennen — in
dem Namen Anna liegt etwas ſo baͤuriſches —
Wenski. Und in dem Namen Nanette
liegt etwas fo naͤrriſches. Anna biſt du getauft, |
und nicht Nanette. —
Nan. Aber — f
Wenski. Laß mich gehen! ich muß die
Bedienten in dem Tafelexerzitio unterrichten.
(er geht ab.)
ni Fünfter Auftritt.
Nanette.
i Die Nachricht meines Vaters hat mein Blut
in Wallung gebracht. — Jung, huͤbſch! dieſe
Eigenſchaſten nannte er zuletzt; aber bei mir
ſtehn ſie oben an. Großmuͤthig, mitleidig,
das gefällt mir auch. Aber zuruͤckhaltend und
pinſelhaft — O weh! o weh! Sollt ihn das
aber nicht von feiner Furchtſamkeit heilen, wenn
man ihn lehrte, ſtolz auf ſeine Frau zu ſeyn?
— und kann ich nicht — Aber ich mache ſchon
Einrichtungen mit dem Manne, und bin des
Liebhabers noch nicht gewiß.
*
Sechster Auftritt.
= Nanette, Sophie.
Soph. Schon wieder zu Hauſe, Nanette?
Nan. Gut, daß du kommſt, liebe Sophie!
— Sag mir, wie ſeh ich aus? Bemerkſt du
nichts Wunderbares an mir? Bin ich noch ſo,
wie ſonſt? Wie iſt meine Farbe?
Soph. Du biſt unruhig — aber warum?
Hier iſt in deiner Abweſenheit nichts vorgefallen.
— 14 is
Dem Kanarienvogel iſt kein widriger Zufall
begegnet. Kartouche iſt geſund. Hat etwa
dein Bruder oder die Katze wieder einen 0 88
geſpielt?
Nan. Man hat mir gedroht — kaum
kann ich es ſagen — man baten mir mit einem
Liebhaber gedroht.
Sopah. Er nennt ſich? —
tan. Baron Kar wiz.
Soph. Im Ernſt?
Nan. Im voͤlligem Ernſt.
Soph. Vortreflich, liebe Nanette! das iſt
der vertrauteſte Freund meines Geliebten. Du
mußt ihn geſehen haben, da wir in der Stadt.
waren? 1 *
Nan m | **
Soph. Es iſt ein Menſch von vielen Ber:
dienſten, aber von einem ſonderbaren Karakter.
Bei Frauenzimmern von Ehre und Tugend iſt
ſeine Beſcheidenheit beinahe uͤbertrieben; aber
bei Geſchoͤpfen von einem andern Gepraͤge ſoll
er gerade das Gegentheil ſeyn.
Nan. So wird es ſchwer halten, einen
guten Ehemann aus ihm zu ziehen. — Doch, ich
will nicht eh' an ihn denken, als bis ich ihn
— 1 5 ——
| ſehe; und den gluͤcklichen Ausgang der Sache
dem Zufall uͤberlaſſen. Wie ſteht's denn mit
| dir, liebe Sophie? hat meine Stiefmutter nicht
wieder fuͤr ihren wilden Jungen bey dir ange⸗
worben??̃
Soph. Ich komme eben von einem tete
a tete, in dem fie mir tauſend zärtliche Sachen
vorgeſchwatzt, und ihr artiges Ungeheuer bis
zum hoͤchſten Gipfel der Vollkommenheit erhoben
hat. . N.
Nan. Sie iſt voͤllig blind gegen die
Untugenden des Buben. Ueberdieß iſt dein
Vermoͤgen keine kleine Lockſpeiſe; und da fie es
in ihren Händen hat, ſo iſt's kein Wunder, daß
ſie es nicht aus der Familie laſſen will.
N So p h. Mein Vermoͤgen beſteht hauptfächs
lich in Juwelen, verliert alſo von feiner Wirk
lichkeit ſehr viel. — Ich hoſſe aber, ihr end—
lich die Sache leid zu machen, wenn mir nur
meim lieber Perning treu bleibt. Sie laͤßt ſich's
auch nicht im Traume einfallen, daß mein Herz
ſchon verſchenkt iſt; ſo zaͤrtlich begegne ich ihrem
lieben ſuͤſſen Jungen. N
Nan. Faſt könnte ich meinen Stiefbruder
lieben, weil er dichſo herzlich haßt.
— 16 —
Soph. Im Grunde iſt's ein guter Junge,
der mich gern mit jedem andern, auſſer ſich,
verheirathet ſaͤhe. — Aber da kommen deine
Eltern! Laß uns ihnen aus dem Wege gehn.
Nan. Von Herzen gern! Meine Brautge—
ſchichte 120 mir gewaltig im Kopfe herum.
(ſie gehen ab.)
Siebenter Auftritt.
Herr v. Wenski, Frau v. Wenski.
Wenski. Ich darf mich alſo darauf ver—
laſſen, daß du meinen Gaſt gut aufnehmen
wirft?‘
Fr. v. W. Ja doch. Soll mir denn der
Braͤutigam deines lieben Toͤchterchens nicht will;
kommen ſeyn? — Ich will ihm zeigen, daß
ich wohl weiß, wie es in der Stadt hergeht,
ob ich gleich, leider! nie dort war.
Wenski. Deſto heſſer fuͤr dich!
Fr. v. W. Deſto beſſer? — Du biſt ein
rechter Sonderling, mein Schatz! Giebt es
wohl, auſſer uns, ein vernuͤnftiges Geſchoͤpf,
das nicht ab und zu einmal in die Stadt faͤhrt,
um den Landſtaub ein wenig abzureiben? Da
— 17 —— 1
ſind unſre Nachbarinnen links und rechts, die
alle Winter einen Monat in der Stadt zubrin—
gen, um etwas Politur zu bekommen.
Wenski. Ja, ja, und Eitelkeit und Affek—
tation und laͤcherliche Moden fuͤr ein ganzes Jahr
zuruͤckbringen. Es nimmt mich Wunder, daß
die Stadt ihre Narren nicht fuͤr ſich behalten
kann. Zu meiner Zeit ſchlichen ſich ihre Thor—
heiten langſam bei uns ein; aber itzt eilen ſie
geſchwinder als eine Poſtkutſche, die nicht blos
inwendig mit ihren Poſſen angefuͤllt iſt, ſondern
wo ſie auch noch hinten aufſtehen.
Fr. v. W. Deine Zeiten waren feine Zei—
ten! Man erkennt ſie leider ſehr deutlich in
unſrer itzigen Lebensart. Hier wohnen wir in
einem alten verfallenen Landhauſe, das einem
Wirthshauſe ſo aͤhnlich iſt, als ein Ey dem an
dern — nur mit dem Unterfchiede, daß wir nie
Geſellſchaft haben.“ Unſre ganze Unterhaltung
beſteht in deinen alten Geſchichten vom Hunnia—
des, vom Skanderbeg, vom Prinzen Eugen —
ich haſſe dergleichen altmodiſches Zeug.
Wenski. Und ich lieb' es. Ich liebe
alles, was alt iſt; alte Freunde, alte Zeiten,
alte Sitten, alte Buͤcher, alten Wein, und ich
2
glaube, Margaretha, ich hab' es dir bewieſen,
(ſie bei der Hand nehmend) auch alte Frauen.
Fr. v. W. Ich bitte dich um alles in der
Welt! fuͤhre nicht immer deine Margaretha und
deine alte Frau im Munde. Soll ich dich nicht
etwa auch Tobias nennen? Du magſt immerhin
ein alter Graukopf, aber ich will kein altes
Muͤtterchen ſein. Ich bin ſo alt nicht, als du
mich machſt, daran fehlt noch manches rundes
Jahr. Thu einmal zwanzig zu zwanzig —
wie viel macht das? |
Wenski. Zwanzig zu zwanzig macht grade
ſieben und fünfzig. ö
Fr. v. W. Das iſt nicht richtig. Ich
war zwanzig Jahr, als ich meinen Hanſel be:
kam, den ich mit meinem vorigen ſeligen Mann,
dem Herrn von Ullerdorf zeugte, nnd mein San
ſel iſt noch nicht einmal zu verſtaͤndigen Jahren
gekommen. N
Wenski. Dazu wird er auch nie kommen,
darauf will ich ſchwoͤren. g
Fr. v. W. Das thut nichts. Mein Han⸗
ſel hat ein ſchoͤnes Vermoͤgen, er darf nicht
von ſeiner Gelehrſamkeit leben. Ich denke
nicht, daß ein Junge viel Gelehrſamkeit
— 1 9 u K
U
braucht, um ee Gulden jährlich zu
verzehren.
Wenski. Ich verlange keine Gelehrſam—
keit! er ſoll nur bas lernen, was jeder vernuͤnf—⸗
tige Menſch wiſſen muß, und nicht lauter bos—
hafte Streiche und Ungluͤck anrichten.
Fr. v. W. Spaßhaftigkeit, mein Schatz!
lauter Spaßhaftigkeit Das muß man dem
Knaben erlauben. f
Wenski. Lieber wollt' ich ihm erlauben
ſich in die Pferdeſchwemme zu ſtuͤrzen. Wenn
das Spaß iſt: den Leuten die Kleider zu ver—
ſtecken, die Schuh zu verbrennen, die Maͤdchen
zu erſchrecken, und junge Katzen zu zerzauſen,
ſo iſt er wirklich ſehr ſpaßhaft. Erſt geſtern
band er dem Schulmeiſter die Peruͤcke an der
Stuhllehne feſt, und da er aufſtand meiner Toch—
ter einen Buͤckling zu machen, lief er ihr mit
dem kahlen Kopf ins Geſicht. Ein feiner
Spaß! — Das kommt von deiner Erziehung.
Fr. v. W. Der arme Junge hat zu viel
Langeweile, und war immer zu kranklich, um
ihn in eine Schule zu ſchicken. Ein paar Jahr
Unterricht im Latein kenn noch viel aus ihm mar
chen, wenn er etwas ſtärker und geſunder wird.
28
*
Wenski. Er und Latein! Der Eſel uns
die Laute! Nein, nein, das Bierhaus und der
Stall, das ſind die einzigen Univerſitaͤten, die
er in ſeinem Leben beſuchen wird.
Fr. v. W. Er mag thun was er will, in
ſeinem jetzigen Zuſtande muß ich ihm alles zu.
Gute halten. Wer weiß, wie lang ich ihn noch
behalte! Ich fuͤrchte immer, der arme Junge
iſt ſchwindſuͤchtig.
Wenski. Freilich! drum wird er alle Tage
dicker und fetter.
Fr. v. W. Er huſtet bisweilen.
Wenski. Alle Morgen, wenn er des Abends
vorher betrunken war.
Fr. v. W. Mir iſt wirklich fuͤr ſeine Lunge
bange. ER
Wenski. Mir auch, denn er ſchreit wie eine
Trompete. (Hans ſchreit hinter der Scene.)
Wenski. Da kommt die arme ſchwindſuͤch—
tige Figur. (ſetzt ſich zu feinem Buche und liest.) .
Achter Auftritt.
Vorige. Hans v. Ullerdorf (mit einer
l Blaſe in der Hand).
Fr. v. W. Hanſel! mein Herzenskind! we
— 2 1 —
willſt du hin? Leiſte uns doch ein wenig Geſell—
ſcaſt.
Hans. Ich kann jetzt nicht, Mama, ich
muß fort.
Fr. v. W. Du ſiehſt erbaͤrmlich aus! Du
ſollſt in der rauhen Luft nicht ausgehen, ſag ich.
Hans. Und ich muß ausgehn, ſag ich, ich
hab mein Wort gegeben.
Fr. v. W. Wo denn?
Hans. Im Wirthshauſe.
Wenski. Das dacht ich wohl!
Hans. O! ich hab einen blitzluſtigen
Streich ausgedacht.
Fr. v. W. Schaͤm dich doch, und 10 nicht
ins Wirthshaus. Es iſt ja lauter gemeine Ge—
ſellſchaft dort. 5
Hans. Oho! ſo gar gemein nicht. Da
iſt der Mauthner, der Roßarzt, der Schmidt,
der Pachter, der Muͤller, und zwei pudelnaͤrri—
ſche fremde Muſikanten.
Fr. v. W. Sie mögen ſich heut einmal in
ihrer Hoffnung betruͤgen.
Hans. Daraus macht' ich mir nichts, aber
ich will mich nicht in meiner Hoffnung betruͤ—
gen. Ich muß meinen Streich ausfuͤhren.
1
Fr. v. W. Du ſoll nicht hingehen, ſag en
(fie hatt ihn) N
Hans. Mama! ich muß EG ſag ich.
Wenski. Willſt du wohl hoͤren, wenn dir
deine Mutter beßehlt! du ſollſt dableiben.
Fr. v. W. Fahr ihn nicht an, lieber Mann!
er wird ſchon, er wird ſchon. f
Hans. Nun gut! (fuͤr ſich) ſo fuͤhr ich
meinen Streich hier aus- 1
Fr. v. W. Siehſt du, lieber Mann, ob
mein Hanſel nicht folgſam iſt.
Wenski. Ja, recht ſolgfam!
Fr. v. W. Was willſt du denn mit der
Blaſe? ö
Hans. Sie werden's wohl gewahr wer:
den, Mama. 12 g
Fr. v. W. Pfui, Hanſel! ſei doch nicht
ſo kindiſch. |
Hans. Wenn der Vater will, daß ich blei—
ben ſoll, ſo leſen Sie mir etwas vor; far wird
mir die Zeit lang.
Fr. v. W. Ach, was hoͤrſt 73 an den alten
Hiſtorien!
Wenski. Recht ſo! halt ihn ab etwas zu
lernen, damit er ja ein Schaafskopf bleibt.
Hans. Nein, nein, leſen Sie nur, ich
will recht genau zuhoͤren.
Wenski. Und doch nichts behalten!
Hans. Ich will ſchon behalten, leſen Sie
nur recht deutlich.
Fr. v. W. Nun, ſo will ich denn auch zu—
hoͤren.
Wenski. (lieſt) Johannes Korvinus, Hun—
niades, war Statthalter des Koͤnigreichs Un—
garn, und einer der tapferſten Kriegshelden in
der Welt. Er verjagte die Tuͤrken Anno 1443,
da ſie Belgrad ſieben Monate belagert hatten,
und ſchlug fie totaliter. Anno 1448 lieferte
er den Tuͤrken wieder eine gewaltige Schlacht,
die drei ganzer Tage dauerte. Endlich, als
40000 Türken geblieben waren, fo behielt Sul—
tan Amurath das Feld, und Hunniades mußte
flüchten. Er gerieth zween Straßencgubern in
die Haͤnde. 85
Hans. (ſpringt unter dieſer Erzaͤhlung auf
die Blaſe.) |
MWenski, (erſchrickt heftig) Gott ſei bei
| mir!
Fr. v. W. O weh! was iſt das?
Hans. (lacht.)
Wenski. (nachdem er fih erholt) Galgen—
ſtrick! was haſt du gemacht? 5
Hans. Nichts, Papa; da hab ich eine Plaſe
gehabt, und die iſt zerſprungen.
Wenski. (greift ihm in die Haare) So
ſoll dein Kopf auch zerſpringen, du Spitzbube.
Fr. v. W. Huͤlfe, Huͤlfe, Mord! Laß mir
meinen Hanſel gehn! (ſie laͤuft dazwiſchen und
hält ihn ab.)
Wenski. Wart Galgenvogel! ich hole die
Bediente, und will dich geißeln laſſen, daß du
an mich denken ſollſt. (er geht ins Haus.)
Fr. v. W. Du garſtiger Junge, mit deinen
ewigen Spaßen!
Hans. Warum haben Sie mich nicht gehen
laſſen? ich wollte den Streich im Wirthshauſe
ausfuͤhren.
Fr. v. W. Ich muß nur laufen, den Va—
ter wieder zu beſaͤnftigen, und ein niederſchlagend
Pulver einnehmen, Du garſtiger, boͤſer, wil,
der Junge! 8
(geht ab.)
— 23 —
Neunter Auftritt.
Hans.
Ha, ha, ha! das war ein Spaß! — Aber
er hat mich verdammt bei den Haaren gehuſcht!
Dafür muß ich ihm wieder einen Streich ſpie—
len. — Nun will ich ſehen, wo ich eine andere
Blaſe bekomme, und nach dem Wirthshauſe
wandern. — Was iſt das? — Poz Wetter,
wie ſind die mit dem Wagen dort in den Schleif—
weg gekommen? Die haben ſich gewiß verirrt. —
He! hier! (er winkt) Das iſt ganz gewiß der
Menſch, den meine Schweſter heirathen ſoll,
wie meine Mutter ſagt. — Da koͤnnt' ich gleich
wieder einen pudelnaͤrriſchen Streich machen.
Der Stiefvater hat mich das ganze halbe Jahr
einen jungen Hund, einen Bullenbeiſſer ge—
nannt, heut hat er mich gar bei den Haaren ges
huſcht — ich will ihn wieder huſchen.
7
Zehnter Auftritt.
Hans, Karl, Ferdinand.
Hans. He! meine Herren! wie kommen
Sie in den Weg? Sie haͤtten rechter Hand
fahren ſollen. Nicht wahr, Sie find ſtecken ge;
blieben?
Karl. Das ſind wir! Iſt das nicht das
Landhaus des Herrn von Wenski?
Hans. Bewahre der Himmel! Sie haben
ſich verteufelt verirrt.
Karl. Sagt' ich's nicht gleich?
Hans. (fuͤr ſich) Es iſt richtig. (laut) O
weh! o weh!
Ferd. Was giebts ?
Hans Sie wiſſen alſo nicht, in welcher
Gegend Sie ſich befinden? |
‚Gerd Nein.
Hans. Sie erinnern ſich auch des Weges
nicht, den ſie gekommen ſind?
Karl. Eben ſo wenig,
Haus, Meine Herren, wenn Sie weder
wiſſen, wohin Sie wollen, noch wo Sie ſind,
noch wo Sie hergekommen, ſo iſt das erſte,
wovon ich Ihnen Nachricht geben kann — daß
Sie ſich veritrt haben. 5
Karl. Dazu hatten wir keinen Wahrſager
noͤthig. | |
Hans. Darf ich fragen, von welchem Orte
Sie eigentlich kommen.
Karl. Das iſt nicht noͤthig, um uns den
Ort zu zeigen, wohin wir wollen.
Mans. Frage und Gegenfrage bricht Nie—
mand den Hals, wie Sie wiſſen. Ich kenne
den alten Wenski recht gut. Es iſt ein naͤrri—
ſcher, altmodiſcher, wunderlicher Mann, der
eine ſehr haͤßliche Tochter und einen ſehr huͤb—
ſchen Stiefſohn hat. Die Tochter iſt ein ſchwaz—
haftes unerzognes Kalb, aber der Sohn ein
artiger angenehmer junger Menſch, den jeder—
mann liebt.
Karl. Wir haben ganz andere Nachrichten.
Die Tochter ſoll ſehr wohlerzogen und ſchoͤn, der
Sohn hingegen ein toͤlpiſcher Bengel, ein vers
zognes dummes Muͤtterſoͤhnchen fein,
Hans. Ha, ha, ha! Sie moͤgen ſich ſelbſt
uͤberzeugen. Aber das kann ich Ihnen ſagen,
meine Herren, daß Sie vor fpäter Nacht des
Herrn von Wenski Haus nicht erreichen wer⸗
den. |
Ferd. Das wäre der Teufel!
Hans. Es iſt ein langer, fumpfigter, ge
fährlicher Weg. — Sie haben ſich ganz ver:
zweifelt weit verirrt. Sie ſind doch uͤber jenen
Berg gekommen?
Karl. Ja. 2
Hans. Nun, am Fuße des Berges haͤtten
Sie ſich links halten ſollen. 8
Ferd. Links?
Hans. Alsdenn haͤtten Sie grade fortfahs
ren ſollen, bis Sie an eine Stelle gekommen
waͤren, da vier Wege zuſammenſtoßen — aber
von dieſen vier Wegen haͤtten Sie nur einen
wählen muͤſſen.
Karl. Sie ſind ein Spasvogel!
Hans. Alsdenn haͤtten Sie ſich rechts hal—
ten müffen — da wären Sie auf eine Mühle
geſtoſſen —
Karl. Aber zum Henker! wir fragen nicht
was wir haͤtten thun ſollen — ſondern was wir
jetzt thun muͤſſen, um zu dem Herrn von Wenski
zu kommen.
Hans. Sind Ihre Pferde noch frifh ?
Ferd. Wie waͤre das in den verdammten
Landwegen moͤglich?
| Hans. So rathe ich Ihnen in dieſem
Wirthshauſe zu bleiben, und Morgen einen
Wegweiſer mitzunehmen.
Karl. Iſt dies ein Wirthshaus?
Hans. Das beſte auf zehn Meilen im
Umkreiſe.
Karl. Das haͤtte ich nicht geglaubt. —
Was meinſt du Ferdinand?
Ferd. Ich ſtimme willig bei.
Hans. Nur muß ich Ihnen ſagen — der
Wirth iſt ſehr reich, und will die Wirthſchaft
niederlegen. Er macht ſich alſo nichts aus ſei—
nen Gaͤſten, wenn fie ihm nicht fehr höflich
begegnen. Er möchte gern für einen Mann
vom Stande gehalten ſein — Thun Sie das,
ſo wird er Sie vortrefflich bedienen.
Karl. Eine ſonderbare Grille!
Hans. Er iſt ein ſehr beſchwerlicher alter
Knabe, ſpricht immer von Tuͤrkenkriegen! aber
er hat guten Wein und gute Betten. 3
Karl. Wenn er das hat, fo mag er immer
ſchwatzen.
Hans. Sie muͤſſen wieder zuruͤck fahren,
um auf den Hof zu kommen, denn hier durch's
Gebüͤſche gehrs nicht. — Ich will Ihnen
jemand aus dem Wirthshauſe entgegen ſchicken.
Ferd. Sie werden uns verbinden. —
Wir wollen beim Wagen bleiben, Karl, damit
uns nichts entwendet wird.
Karl. Ich danke recht ſehr. (ſie gehn ab.)
Hans. Ha, ha, ha! das wird Spaß geben.
(im Abgeben) He! Paul! Peter! es kommen
Fremde — ha, ha, ha!
(er geht ſingend ins Haus.)
Ende des erſten Aufzuges:
Zweiter Aufzug.
Ein altmodiſches Zimmer, in welchem, auſſer
den gewoͤhnlichen Meublen, auch ein Fluͤgel und
Spiegelleuchter ſind; alles im alten
Geſchmack.
Erſter Auftritt.
Karl ſitzt in einem Großvaterſtuhl, Ferdi—
nand auf dem Sopha.
Ferd. Nun Karl, ſei nicht verdrießlich!
da wir doch einmal den Weg verfehlt, fo koͤnnen
wir noch von Gluͤck ſagen, daß wir auf eine ſo
gute Herberge geſtoſſen ſind. Das Haus if
zwar alt, doch reinlich und bequem.
Karl. Es war gewiß ehmals ein Edelhof.
Aber das iſt das gewoͤhnliche Schickſal ſolcher
Landſitze. Wenn ihr Herr fie durch feine Gaſt—
freiheit ruinirt hat, fo werden Gaſthoͤfe daraus,
um Reiſende zu ruiniren. |
Ferd. Ich fürchte, wir werden alle die
huͤbſchen Meubeln mitbezahlen müffen, Aber
ſo geht's immer in guten Wirthshauſern.
— 32 — —
Karl. Reiſende muͤſſen uͤberall bezahlen.
In ſchlechten wird man auch gerupft, und muß
beinahe erhungern. a
Ferd. Du haſt Erfahrung! denn eine gute
Zeit deines Lebens iſt in Wirthshaͤuſern verfirie
chen. Drum iſt es zum Erſtaunen, daß dir
anſtaͤndige Dreiſtigkeit ſo ſehr fehlt.
Karl. Wirthshausdreiſtigkeit hab ich zur
Genuͤge! aber jene, die du meinſt — wo ſollt
ich fie erlernt haben? Ich habe keinen Umgang
mit dem liebenswuͤrdigen Theile der Schoͤpfung
gehabt, welcher ung, vorzüglich in anſtaͤn⸗
diger Dreiſtigkeit unterrichtet. Ich bin nie
mit einem einzigen ſittſamen Frauenzimmer
vertraut geweſen — meine Mutter ausgenom—
men. —
Ferd. Es iſt wahr! in der Geſellſchaft
ehrliebender Frauenzimmer hab ich nie einen
ſolchen Tropf, einen ſo furchtſamen Menſchen
geſehn. Du ſcheinſt immer Gelegenheit zu
ſuchen, dich aus dem Zimmer zu ſtehlen.
Karl. Ich ſcheine nicht ſie zu ſuchen, ich
ſuche fie wirklich. Bei Frauenzimmern einer
andern Klaſſe hingegen — 75
Ferd. Biſt du unverſchaͤmt genug. Aber,
wie in aller Welt denkſt du dich gegen das
Fraͤulein Wenski zu benehmen?
Karl. Wie ich mich gegen alle Damen
denehme. Ich werde mich tief buͤcken — roth
werden — Ja und Nein antworten, und nicht
das Herz haben, ihr ins Geſicht zu ſehn.
Ferd. Iſt's moͤglich, daß ein ſo warmer
Freund, ein ſo kalter Liebhaber ſein kann!
Karl. Liebhaber? — Meines Vaters Ber
fehl treibt mich zum alten Wenski. Aber der
vornehmſte Beweggrund meiner Reiſe war die
Befoͤrderung deines Glücks, nicht des meinigen.
Fraͤulein Buchau liebt dich; du biſt der Famllie
unbekannt; als mein Freund biſt du einer guten
Aufnahme gewiß, und die Liebe wird das
Uebrige thun.
Ferd. (ſpringt auf und umarmt ihn) Lie—
ber Karl! — Doch ich will die Bewegung
meines Herzens unterdrücken. Mär ich ein
Elender, der nur Vermögen zu erſchnappen
ſuchte, ſo wuͤrd' ich dich am letzten um Beiſtand
bitten. Aber meine Abſichten ſind rechtſchaffen,
und Sophie gehört mir, da ich nicht allein ihret
verſtorbenen Vaters, Padıra auch ihre Einwin
ligung habe.
3
en 8 *
Karl. Glücelcher Mann! Du haſt Tu;
lente und die Kunſt jedes Frauenzimmer einzu—
nehmen. Ich bin dazu beſtimmt, das ſchoͤne
Geſchlecht anzubeten, und doch nur mit dem
Theile deſſelben umzugehen, den ich verachte.
Das Stammeln in meiner Anrede, mein ein:
faͤltiges Geficht, erlaubten mir nicht, mich über
den Stand eines Dienſtmaͤdchens empor zu
ſchwingen — Da ſtoͤrt uns der verdammte Wirth
ſchonwieder.
Zweiter Auftritt.
Vorige, Herr von Wens ki.
Wenski. Noch einmal von Herzen will—
kommen, meine Herren! Sie ſehen, es iſt
meine Mode nicht, meine Gaͤſte in meinem
Zimmer im Großvaterſtuhl zu empfangen. Ich
habe Sie nach alter Art und Weiſe an der Thuͤre
bewillkommt, und dann ſelbſt nach Ihren ai
und Sachen gejehn.
Karl. Ihre e und Hoi ge:
falle uns.
Wenski. Ich bin von altem mai und
Korn, lieber Baron Rarwiz >
Pe, a
Karl. ((eiſe zu Ferd.) Unſre Namen hat
er ſchon bei dem Bedienten erfragt. (laut) Ich
denke Freund, da wir ſo nahe ſind, ſo koͤnnten
wir unſere Reiſekleider morgen fruͤh mit andern
verwechſeln, denn fie find ziemlich ſchmutzig.
Wenski. Machen Sie hu riet sera
in meinem Hauſe.
Ferd. Du haſt Recht. Der tac Angrif
iſt faſt immer entſcheidend.
Wenski. Ja keine Umſtaͤnde, meine Her—
ren! dies iſt das Haus der Freiheit.
Karl. Aber wenn wir den Feldzug zu heftig
eröffnen, ſo koͤnnt es uns vielleicht vor ſeinem
Sqhlaſe an Ammunition fehlen. Ich denke,
wir müſſen die geſtickten Kleider ſparen, um den
Ruͤckzug zu ſichern.
Wenski. Das Wort Ruͤckzug erinnert
mich an den Prinzen Eugen, als er Modena
belagerte. Er foderte zuerſt die Beſatzung auf —
Karl. Glaubſt du nicht, daß die gelbe
geſtickte Weſte mit dem ſimpeln braunen N
gute Wirkung thun werde? En
Wenski. Er foderte zuerſt die Beſatzung
auf, die ohngefähr aus ehntauſend Mann be;
a ’ } hit Bee v w
5*
— 36 —
Ferd. Gelb und braun ſticht zu ſtark ab.
Wenski. Wie geſagt, er foderte zuerſt
die Beſatzung auf —
Karl. So nehm ich die weiſſe.
Wenski. Die ohngefaͤhr aus zehntauſend
Mann beſtand, und mit Lebensmitteln und
Ammunition gut verſehen war. Weil ſich nun
die Stadt nicht ergeben wollte —
Karl. So waͤr es gut, wenn Sie uns eine
Bouteille Rheinwein hohlten. Wir würden die
Belagerung deſto muthiger fortſetzen koͤnnen.
Wenski. Rheinwein?
Karl. Ja; oder haben Sie keinen?
Wenski. Allerdings! Den Augenblick
ſollen Sie bedient werden. (fuͤr ſich.) Das iſt
eine unbegreifliche Art von Beſcheidenheit.
(er geht ab.)
Fer d. Der Kerl moͤcht uns fo gern Geſell—
ſchaft leiſten. Er vergißt, daß er Wirth iſt, eh
er noch die Rolle eines Herrn zu ſpielen gelernt,
hat. — Was ſagſt du zu dem Einfalle, daß
er feinen Aufwaͤrtern ordentliche Livre giebt?
Karl. Es iſt ein Original. Wir wollen
uns aber ein wenig nach ſeiner Laune richten.
— 37 —
Dadurch vielleicht wird die Rechnung kleiner,
und die Bewirthung beffer,
Dritter Auftritt.
Vorige, Hr. v. Wenski, hernach Pau!
mit einer Bouteille Rheinwein und drei
Glaͤſern.
Weneki Den Augenblick werden fie de;
dient ſein, meine Herren.
Kart. Aus Ihrer Belagerungsgeſchichte
ſcheint es mir, daß Sie ſich mehr mit der alten,
als neuen Literatur beſchaͤftigen, und ſich um
jetzige Staatsſachen wohl gar nicht bekuͤmmern.
Wenski. Im geringſten nicht. Es war
einmal eine Zeit, da ich wie andere Leute uͤber
die Fehler der Regierung boͤſe that; weil ich aber
fand, daß ich, alle Tage zorniger, und die Re⸗
gierung doch nicht beſſer ward, ſo uͤberließ ich's
ihr ſelbſt, ſich zu beſſern. (Paul kommt.)
Wenski. Ah, hier iſt der Wein! ich hoffe,
Sie werden ihn nach Ihrem Geſchmacke finden.
Er iſt aus dem Mutterfaͤßgen.
(Paul geht ab.)
- 5 =
Wenski. (ſchenkt ein) Auf beſſere Ben
kanntſchaft, meine Herren
Karl. (für ih) Ein unser Kerl!
(ſie trinken.) |
Ferd. Sie muͤſſen ein ſehr angenehmes
und geſchaͤftiges Leben führen.
Wenski. Ja, ich tummle mich ziemlich
herum. Die mehrſten Streitigkeiten unter
meinen Nachbarn. werden in dieſem Zimmer bei—
gelegt, fo viel Zutrauen hat man zu mir,
Karl. Durch ein Dutzend ſolcher Bouteil⸗
len laſſen ſich viele Streitigkeiten ſchlichten, alter
Herr!
Wenski. Ja, junger Herr, und durch
ein bischen Philoſophie.
Karl. (leiſe) Das iſt das Erſtemal, daß ich
von der Philoſophie eines Gaſtwirths hoͤre!
Ferd. Sie greifen ſie alſo, wie ein erfahr—
ner General, von allen Seiten an. Wenn die
ſtreitenden Partheien ſich durch Vernunft leiten
laſſen, ſo bedienen Sie ſich Ihrer Philoſophie;
und haben fie keine Vernunft, fo greifen Sie fie
mit dieſen Waffen an. — Ihre Krabbe
Herr Philoſoph! f un
Wenski. Danke, danke, Her Beton!
Ihre Generalſchaft erinnert mich an den Prinz
zen Eugen, da er den Tuͤrken die iin bei
Belgrad lieferte —
Karl. Anſtatt der Schlacht bei Belgrad,
wollen wir von der Abendmahlzeit reden. Was
fuͤr Speiſen hat uns Ihre Philoſophie beſorgt?
Wenski. Was für Speiſen? (für ſich)
That man je dergleichen Frage an einen Mann
in ſeinem eignen Hauſe? \
Karl. Ja, ja, was für Speifen! Denn
mir iſt nicht alles gleich, und ich fuͤhle auch,
daß ſich mein Appetit nach grade einſtellt.
Wenski. (für ſich) Das iſt ein unver
ſchaͤmter Burſche! (laut) Worin die Abend—
mahlzeit beſtehn wird, kann ich Ihnen nicht
ſagen. Dergleichen Dinge verabreden meine
kargaretha und die Köchin mit einander, und
wenn ich nicht irre, ſo ſind ſie jetzt in wirklicher
Beratbſchlagung.
Karl. So muß ich bitten, daß man mich
zum Mitgliede des geheimen Raths aufnimmt.
Auf Reiſen mag ich mein Eſſen gern ſelbſt be—
ſtellen. Laſſen Ste die Koͤchin rufen.
Wenski. Die Koͤchin rufen?
Ferd. Oder laſſen Sie uns den Kuͤchen⸗
er
zettel ſehn. Ich richte immer meinen umme
nach demſelben ein. a
Karl. Das iſt auch meine Seiashnfeit.
Wenski. (geht voll Verwunderung zur
Thuͤre) Paul! laß dir den Kuͤchenzettel ges
ben. — Ihre Gewohnheit, meine Herren, ers
innert mich an meinen Oheim, den Oberſten
Wallenblum. Er pflegte zu ſagen: Niemand
ſei feiner Mahlzeit gewiß, als bis er ſie ver⸗
zehrt habe. f
Ferd. (leiſe) Sein Oheim, ein Oberſter!
wenn's noch lange dauert, ſo war ſeine Muhme
General.
(Paul mit dem Kuͤchenzettel. )
Karl. Da iſt der Kuͤchenzettel! gieb her!
(Paul geht ab.)
Karl. Was iſt das? Zum erſten Gang —
zum zweiten Gang — zum Nachtiſche ve Zum
Zenfel, Herr! meinen Sie, daß wir eine ganze
Zunft mitgebracht haben, eine ſolche Mahlzeit
zu verzehren? Zwei oder drei reinliche und
nahrhafte Gerichte ſind genug.
Ferd. Wir wollen ihn doch leſen.
Karl. (tief) Eine Leberſuppe —
Ferd. Weg mit der Leber.
— 41 —
Karl. Weg uͤberhaupt mit der Suppe. (lleſt)
Ein Spanferkel mit einer Pflaumen-Sauce.
Ferd. Weg mit dem Spanferkel!
Karl. Und weg mit der Pflaumen Sauce!
Wenski. Es iſt doch ein gutes Gericht.
Karl. (lieſt) Kalbszunge und Kalbsgehirn.
Ferd. Laſſen Sie Ihr Gehirn auch weg,
ich mag es nicht.
Karl. Laſſen Sie ein beſonderes Gericht
davon machen, ich eß es gern.
Wenski. (fuͤr ſich) Ihre Unverſchaͤmtheit
macht mich ganz verwirrt. (laut) Sie ſind |
meine Gaͤſte! verändern Sie nach Ihrem Ges
fallen. 5
Karl. (lieſt) Blumenkohl mit Bratwuͤrſten.
Ein Frikaſſee von Tauben. Eine Haſenpaſtete.
Ein Hache von —
Ferd. Verdammt! mit den vielen Speiſen!
Wenski. Es iſt mir leid, meine Herren,
daß ich nichts nach Ihrem Geſchmacke habe!
Karl. Nicht doch! wir beſchweren uns nur
uͤber die Menge der Speiſen. Laſſen Sie uns
Blumenkohl mit Bratwuͤrſten, und die Haſenpa⸗
ſtete geben; damit ſind wir zufrieden. So viel
vom Eſſen! nun wollen wir nach den Betten ſehn.
*
Wenski. Das uͤberlaſſen Sie gaͤnzlich mir.
Karl. Ihnen? Nein, mein Herr! nach
ſolchen Sachen ſehe ich ſelbſt.
Wenski. Ich bitte Sie nochmals, ſich gar
keine Sorge zu machen. b
Karl. Und ich bitte Sie nochmals, mich
gehn zu laſſen, oder ich kann Ihr Haus nicht
für das Haus der Freiheit halten. (für ſich)
Das iſt ein beſchwerlicher alter Narr!
(er geht.)
Wenski. So will ich Sie wenigſtens be—
gleiten. (fuͤr ſich) Das mag eine neumodiſche
Beſcheidenheit ſein, aber ſie ſieht der altmodi—
ſchen Unverſchaͤmtheit gewaltig aͤhnlich. |
> Ger folge ihm.)
Vierter Auftritt
Ferdinand.
Nachgrade werden mir die Hoͤflichkeiten des
Wirths beſchwerlich. Aber man darf billig nicht
über Dienſtgefaͤlligkeiten zuͤrnen, die zu unſerm
Beſten abzielen. Was ſeh ich! Fräulein Bu:
‚hau! welche unerwartete Erſcheinung!
0
Fünfter Auftritt
Ferdinand, Sophie.
Sort, Mein befter, liebſter Ferdinand!
Ferd. Meine angebetete Sophie! — Was
für ein Zufall verſchaft mir das Gluck, Sie in
dieſem Wirthshauſe anzutreffen?
So p h. Ha, ha, ha! Wirthshauſe? —
Sie ſind ja in dem Hauſe meiner Tante, und
meines Vormunds.
Ferd. Herrn von Wenski?
Soph. Freilich.
a Fer d. Verdammter Streich! — Ein jun—
ger Burſche, den wir vor dem Hauſe antrafen,
verſicherte uns, daß dies ein Gaſthof ſei, und
wir noch ſechs Stunden von dem Herrn von
Wenski entfernt waͤren.
Soph. Ha, ha, ha! Das iſt gewiß wieder
ein Streich meines hofnungsvollen Vetters.
5 Fer d. Den Ihre Tante fuͤr Sie beſtimmt
hat? Der mir ſo gerechte Beſorgniſſe macht?
Soph. Sie haben nichts von ihm zu beſor—
gen. Sie wuͤrden ihn anbeten, wenn Die
wuͤßten, wie herzlich er mich haßt,
— 44 —
Ferd. Was hilfts, da wir nicht auf die
Einwilligung der Tante rechnen koͤnnen!
Soph. Freilich: 8
Ferd. So laſſen Sie uns die gluͤckliche
Gelegenheit nutzen, die ſich darbeut. Unſre
Pferde werden ſich bald erhohlt haben. Wenn
alsdann meine liebſte Sophie Ihrem Ferdinand
trauen will, ſo wollen wir fliehen, und ein
heiliges Band knuͤpfen, zu welchem uns der
Segen und die Einwilligung Ihres Vaters be⸗
rechtigt. N
Soph. Ich bin bereit Ihnen zu folgen,
aber ich verliere mein kleines Vermoͤgen ungern.
Der groͤßte Theil deſſelben, der in Juwelen
beſteht, ward mir von meinem Oheim mit der
Bedingung hinterlaſſen, meinen liebenswuͤrdigen
Vetter zu heirathen.
Fer d. Schade um Ihr Vermögen? Ihre
Perſon iſt alles, was ich verlange. —
Soph. Ich habe meine Tante ſchon lange
um die Erlaubniß gebeten, den Schmuck zu
tragen. Und da ich mich ſo zaͤrtlich gegen ihren
Sohn ſtelle, hoffe ich meinen Zweck vielleicht
noch heute zu erreichen. Ka):
Ferd. Noch eins, liebſte Sophie! Karwiz
«
— 6 —
muß in feinem Irrthum bleiben. Er iſt fo
wunderbar zuruͤckhaltend, daß, wenn er ploͤtzlich
erführe, wie er ſich gegen den Herrn von Wenefi
vergangen, er eben ſo ploͤtzlich das Haus ver;
laſſen, und unſern Plan dadurch vereiteln
wuͤrde.
Soph. Ich bin eben mit Nanetten von
unſerm Spaziergange zuruͤckgekommen — Wie
waͤr es, wenn wir vorgaͤben, daß auch uns der
Zufall in dies Wirthshaus gefuͤhrt Hätte !
Ferd. Recht gut, und dann muͤſſen wir
ein tete-A-tete zwiſchen ihnen veranſtalten,
damit ſie — da iſt er!
Sechster Auftritt.
Vorige, Karl.
Karl. Die Hoͤflichkeiten der Wirthsleute
werden mir unertraͤglich. Cer ſieht Sophien,
und erſchrickt) Was iſt das! —
Fer d. Wir ſind wahre Gluͤckskinder, mein
lieber Karl! kannſt du errathen, wer den Augen—
blick hier angekommen iſt?
Karl. (verlegen) Nein!
Ferd. Unſre Gebieterinnen! Sie haben
m:
dieſen Mittag in der Nachbarſchaft gefpeift, und
ſind hier eingeſprochen, Pferde . ee Iſt
das kein Gluͤckks?s Vn rs
Karl. Ja. * e
Soph. Es iſt mir ſehr Wörnehn, Boron!
Sie hier zu ſehen! 5
Karl. Gnädiges — — Fr — Frau — — —
Soph. Nanette wird den Augenblick hier
ſein, ſie iſt nur ins naͤchſte Zimmer gegangen.
Karl. So? — Aber unſere Kleider —
Ferdinand — ſind ſehr in Unordnung — wie,
wenn wir das Gluͤck dieſer angenehmen — Zu:
ſammenkunft bis Morgen verſchoͤben! — Mor:
gen — in ihrem eignen Hauſe — es wird an⸗
ſtaͤndiger — und ehrerbietiger ſein —
Soph. Gewiß nicht, Baron! Im Gegen:
theile würde ihr dieſe Ceremonie mißfallen. Die
Unordnung Ihrer Kleider wird von Ihrer feu⸗
rigen Ungeduld zeugen. Auch weiß ſie, daß
Sie hier ſind, und erlaubt Ihnen, ihr aufzu⸗
warten. I meien Nr
Karl. (letſe zu gente 0 der Teufel!
Ferdinand! verlaß mich ja nicht, und bleib bei
mir. Laß mich um alles in der Welt nicht *
ihr allein. 5
Nice r. d. (leiſe) Koutage Karl! es iſt ja nur
ein Frauenzimmer. 5
Karl. Aber unter allen Frauenzimmern mir
das fürchterlichſte, weil ich es heirathen ſoll.
Siebenter Auftritt
Vorige, Nanette mit einer Kappe, von
der Promenade kommend.
Ferd. Erlauben Sie mir, gnaͤdiges Frau
lein, Sie zu bewillkommen, und Ihnen zugleich
meinen Freund Karwiz vorzuſtellen. Ich bin
ſtolz darauf, zwei Perſonen von ſolchen Verdien—
ſten zuſammen zu bringen, die ſich nur kennen
duͤrfen, um einander hochzuſchaͤtzen.
Nan. (für ſich) Ich will den beſcheidenen
Herrn in ſeiner eigenen Manier empfangen.
(nach einer Pauſe, laut) Es iſt mir lieb —
Herr Baron! — daß Sie — gluͤcklich ange
kommen ſind! — Haben Sie auf dem Wege
ae Unfaͤlle gehabt?
Karl. (ſehr verlegen) Nur einige wenige,
gnaͤdiges Fräulein! — Ja, wir hatten einige.
— 46 —
— Ja, gnaͤdiges Fräulein, ziemlich viel Un
faͤlle — Aber, fie — find mir leid — find
mir lieb, wollt ich ſagen — da fie ſich fo gluͤck⸗
lich endigen — hm! (er huſtet.)
Ferd. (leiſe) Kourage! es geht vortreflich.
Nan. Sie ſchmeicheln, beſorg' ich. —
Sie haben in den — beſten Geſellſchaften ge;
lebt, und koͤnnen in einem dunkeln Winkel —
auf dem Lande, wenig Vergnuͤgen finden.
Karl. Ja, gnaͤdiges Fraͤulein — ich
habe zwar in der — Welt gelebt — aber ich
bin nur — ein Beobachter des Lebens gemes
ſen — indem es andere genoſſen.
Soph. Das iſt der eigentliche Weg es
endlich ſelbſt zu genießen.
Ferd. (leiſe) Cicero hat nicht beſſer gere
det! Nur immer dreiſter
Karl. (leiſe) Hilf mir nur dann und
wann, wenn mit ein Wort fehlt
Nan. Ein Beobachter, wie Sie, muß
feine Zeit unangenehm zubtingen, weil er vers
muthlich mehr zu tadeln, als zu loben findet.
E Karl. Verzeihen Sie, guädiges Frau:
lein! — Die Thorheit der mehreſten Leute iſt
mehr ein Gegenſtand des Lachens, als der Unzu—
—
friedenheit.
Ferd. (leiſe) Du haft in deinem ganzen
Leben noch nicht ſo gut geſprochen.
Soph. (leiſe zu Nan.) Er hält deines
Vaters Haus fuͤr einen Gaſthof; reiß ihm ja nicht
aus dem Irrthume.
Nan. Ha, ha, ha! |
Ferd. Ich glaube unfre Gegenwart ſtoͤrt
die Unterhaltung. Wir wollen uns entfernen,
Fraͤulein.
Karl. (leiſe) Biſt du raſend! Wenn du
mich lieb haſt, ſo bleib.
Ferd. (leiſe) Du bedenkſt nicht, daß auch
Sophie und ich ein tete-A-tete wuͤnſchen.
(laut) Gute Unterhaltung!
(geht mit Sophien ab.)
eri.
Karl, Nanette.
Nan. (nach einer Pauſe) Ich vermuthe,
Herr Baron, daß Sie nicht immer nur ein Be—
obachter geweſen ſind — Sie werden hoffent—
4
lich auch den Frauenzimmern einen Theil Ihrer
Zeit gewidmet haben. N |
Karl. (wieder ſehr furchtſü Vergeben
Sie mir! — J — i — ich habe mich —
bisher — nur befliſſen — mich um ſie ver—
dient zu machen.
Nan. Und das iſt, wie einige Leheupten,
nicht das zuverläßigſte Mittel, ihre Gunſt zu
erlangen. g 7
Karl. Es — es kann fein, Aber —
ich mag nur gern mit — dem ernſthaftern und
empfindſamern Theile des ſchoͤnen Geſchlechts
— umgehn — Ich beſorge, daß 0 Ihnen
Langeweile mache.
Nan. Gewiß nicht. Ich liebe nichts ſo
ſehr, als eine ernſthafte Unterredung; ich
koͤnnte Tagelang zuhoͤren. Ich bin oft daruͤber
erſtaunt, wie ein Mann von Empfindung, leich⸗
finnige eitle Ergoͤtzungen bewundern kann, die
das Herz nicht ruͤhren.
Karl. Es iſt — eine Krankheit — der
Seele. — Bei der Verſchiedenheit des Ge:
ſchmacks muß — es einige — geben — die
gar keinen Geſchmack haben — an — an —
Nan. Ich verſtehe Sie Baron. Es muß
einige geben, die keinen Geſchmack an verfeiz
nerten Ergoͤtzlichkeiten haben, und das verach—
ten, wozu ſie unfaͤhig ſind. 8
Karl. Das iſt meine Meinung, gnaͤdiges
Fraͤulein! aber unendlich beſſer ausgedruͤckt. —
Ich kann nicht umhin — anzumerken — daß
— daß —
Nan. (für ſich) Sollte man's glauben, daß
der Menſch bei gewiſſen Gelegenheiten unver—
ſchaͤmt iſt! (laut) Sie wollten anmerken, Bas
ron! — ö
Karl. Ja, ich wollte anmerken — Ver—
zeihen Sie! — ich habe vergeſſen, was ich
anmerken wollte. ö
Nan. (fuͤr ſich) Ich auch. (laut) Sie woll—
ten vermuthlich anmerken, daß in diefen heuch—
leriſchen Zeiten —
Karl. Ganz recht. Daß in dieſen heuch—
riſchen Zeiten — die Heuchelei und dasjenige —
was durch heucheln — und —
Nan. Ich verſtehe Sie vollkommen.
Karl. (fuͤr ſich) Ich nicht, fo wahr ich
lebe!
Nan Ihre Meinung iſt, daß es in dieſen
heuchleriſchen Zeiten wenige giebt, die das nicht
4*
öffentlich verdammen, was fie feldft heimlich trei—
ben; die der Tugend genug zu thun glauben,
wenn ſie ſie loben.
Karl. Ja gnaͤdiges Fraͤulein! — Aber,
ich falle Ihnen beſchwerlich.
Nan. Wie waͤre es moͤglich! Es iſt ſo viel
angenehmes, und geiſtreiches in Ihrer Art ſich
auszudruͤcken. Ich bitte, fahren Sie fort.
Karl. Ja gnaͤdiges Fraͤulein — Ich wollte
ſagen — daß es Gelegenheiten giebt, — da
ein gaͤnzlicher Mangel des Muths — uns
gaͤnzlich — und gleichſam, als — als —
Nan. Ich bin voͤllig ihrer Meinung. Der
Mangel des Muths giebt uns bei gewiſſen Ge:
legenheiten das Anſehen der Unwiſſenheit, und
ſchadet uns, grade wenn es am noͤthigſten wäre,
uns von der beſten Seite zu zeigen.
Karl. Ja — moraliſch zu reden — iſt
es — Aber ich ſehe, daß Fraͤulein Buchau
auf Sie wartet. Ich will nicht laͤnger be—
ſchwerlich fallen. N |
Nan. Sie unterhalten mich fo angenehm,
daß —
Karl. Sie winkt — ich — ich werde
bie Ehre haben, wieder aufzuwarten.
— 5 3 up
Nan. Aber —
Karl. Unterthaͤniger Diener! (er geht ab.)
Neunter Auftritt.
Nanette.
Das war die ſittſamſte und empfindſamſte
Unterredung, die ſeit tauſend Jahren iſt gehal—
ten worden — Nicht ein einzigesmal ſah er
mir ins Geſicht. — Seine unbegreifliche Bloͤ—
digkeit ausgenommen, gefaͤllt mir der Mann
ganz gut. Er hat Verſtand, aber feine Furcht
ſamkeit macht, daß er dadurch beſchwerlicher
wird, als durch Unwiſſenheit. Koͤnnt ich ihn
etwas dreiſter machen, ſo wuͤrd' ich einer ge—
wiſſen Perſon keinen kleinen Dienſt leiſten.
Aber wer iſt die gewiſſe Perſon? Das iſt bei
meiner Treue eine Frage, die ich kaum beant⸗
worten kann. — Sieh da! Sophiens tete-
a-tete iſt durch meine Stiefmutter und ihren
Sohn unterbrochen worden. Ich will Ihnen
aus dem Wege gehn. (ſieht nach der Uhr) Hilf
Himmel! es iſt die hoͤchſte Zeit, daß ich mich
nach meines Vaters Phantaſie kleide, ſonſt hab
[er
pres
|
ich in vierzehn Tagen kein freundlich Geſicht zu
hoffen. (geht ab.)
Zehnter Auftritt.
Hans, Sophie, Frau v. Wenski, und
Ferdinand folgen, im Gefprache
begriffen.
Hans. Ich ſag's Ihnen, laſſen Sie mich
gehen, Kouſine! und ſitzen Sie mir nicht im—
mer ſo auf dem Nacken. Es iſt ja eine Schand',
wenn ſich die Maͤdels einem ſo aufhaͤngen.
Soph. Ich hoffe doch, Vetterchen, daß
man mit ſeinem Verwandten ſprechen kann, ohne
deswegen Tadel zu verdienen.
Hans. Ich weiß ſchon, zu was für e einen
Verwandten Sie mich machen wollen; aber
hohls der Hund! daraus wird nichts. Alſo
bleiben Sie mir vom Leibe! ich mag keine naͤhere
Verwandſchaft mit Ihnen.
Soph. Sie ſind recht grauſam, Vetter!
Hans. Grauſam hin, grauſam her! Ich
will Sie nicht, ich mag Sie nicht, ich nehm
Sie nicht — und wenn Sie ſich auf den Kopf
ſtellen. (ſie folgt ihm kokettirend zum Hinter—
grunde.) N
Fr. v. W. Das. iſt wahr! Sie ſind ein
recht angenehmer Geſellſchafter! ein artiger, hoͤf—
licher Herr! gerade das Gegentheil vom Baron
Karwiz. — Haben Sie doch die Guͤte mir noch
mehr zu erzaͤhlen! Ich hoͤre von nichts in der
Welt ſo gern, als von der Stadt, und von
neuen Moden, ob ich gleich niemals da geweſen
bin. u
Ferd. Nie in der Stadt geweſen? Sie ſez—
zen mich in Erſtaunen! Aus Ihren Manieren,
aus Ihrem Anſehen ſchloß ich, daß Sie Ihr gan—
zes Leben dort zugebracht haͤtten!
Fr. v. W. O, das beliebt Ihnen nur jo
zu ſagen. — Ich thue freilich was ich kann
mich von den Landleuten ein wenig zu unter—
ſcheiden — aber das iſt's auch alles. Wie
gefällt Ihnen dieſe Friſur, Herr Baron?
Ferd. Ungemein degagirt! Ihr Friſeur iſt
vermuthlich ein Franzoſe?
Fr. v. W. Nein, ich friſire mich ſelbſt,
nach einem Kupſerſtiche. Ich laſſe mir alle
Jahre einige aus der Stadt kommen.
Ferd. Ich verſichre Sie, gnaͤdige Frau!
in dem erſten Zirkel der Stadt würde man keinen
Unterſchied zwiſchen Ihnen und den eleganteſten
Damen finden. |
Fr. v. W. O, das belieben Sie nur ſo zu
ſagen. Und wenn ich mich auch zu kleiden ver—
ſtuͤnde — was nutzt es mich, wenn ich eine
ſolche Antiquitaͤt, als meinen Mann, an meiner
Seite habe? Ich kann ihm keinen einzigen
Knopf von ſeinen Kleidern herab demonſtriren.
Wie oft hab ich ihn gebeten, ſeine große Flachs—
peruͤcke wegzuwerfen, und die kahlen Stellen
ſeines Kopfs mit Puder und Pomade zu befleis
ſtern, wie es jetzt Mode iſt! — Was meinen
Sie, was er mir zur Antwort gab?
Ferd. Sie ſchuͤtze ihn gegen die Kaͤlte.
Fr. v. W. Mit feiner gewöhnlichen gothis
ſchen Lebhaftigkeit fagte er — ich baͤte ihn wohl
nur deswegen ſeine Peruͤcke abzulegen, um mir
ſelbſt eine Haartoure daraus machen zu laſſen.
Ferd. Das war hart! In Ihren Jahren,
gnaͤdige Frau! koͤnnen Sie tragen, was Ihnen
gefällt. Ihnen ſteht alles gut.
Fr. v. W. O, das belieben Sie nur ſo zu
ſagen — Herr Baron! welches Alter iſt wohl
jetzt in der Stadt am meiſten in der Mode?
— 54 —
Ferd. Bis jetzt waren es vierzig Jahre.
Aber man hat mir geſagt, daß die Damen Wil—
lens find, kuͤnftigen Karneval funfzig Jahre in
die Mode zu bringen.
Fr. v. W. Im Ernſte? — Schade! ſo bin
ich noch zu jung fuͤr die Mode. |
Ferd. Keine Dame trägt jetzt Juwelen,
wenn ſie nicht uͤber vierzig Jahr alt iſt. Zum
Beiſpiel: das Fraͤulein dort wuͤrde in einer ga—
lanten Aſſemblee blos als ein Kind angeſehen
werden.
Fr. v. W. Und doch haͤlt meine Fraͤulein
Niece ſich eben ſo gut fuͤr ein Frauenzimmer,
und iſt eben ſo verliebt in Juwelen, als die
ältefte Dame.
Ferd. Sie iſt Ihre Niece? Und der junge
Herr da, vermuthlich ein Bruder von Ihro
Gnaden?
Fr. v. W. O, das belieben Sie nur ſo
zu ſagen! Es iſt mein Sohn, Hans von Uller—
dorf, Herr Baron! und iſt mit ihr verſprochen.
Bemerken Sie nur ihre kleine Neckereien!
ſie zanken und vertragen ſich taͤglich ſo oft,
als wenn fie ſchon Mann und Frau wären.
Kommt doch her zu uns, Kinder. — Nun
Hanſel, haft du deiner Koufine viel ſchoͤnes ge—
ſagt?
>
Hans. Darauf kann ſie lauren! ich habe
ihr geſagt, ſie ſoll mit ihrer Katze ſpielen, und
nicht mit mir. Immer iſt ſie hinter mir her!
Mein Seel! auſſer dem Stall iſt im ganzen
Haufe kein Fleck, wo fie mich nicht aufſtoͤbert.
Fr. v. W. Haͤrme dich darum nicht, liebe
Sophte! er ſpricht ganz anders hinter deinem.
Ruͤcken. 2 \
Soph. O ich weiß es Tante. Er zankt
ſich nur in Gegenwart andrer Leute, damit ich
ihm unter vier Augen verzeihen kann.
Hans. Das iſt eine verdammte Lüge!
Fr. v. W. Du liſtiger Schelm! Daucht
Ihnen nicht Herr Baron! daß ſie um den Mund
viel Aehnlichkeit mit einander haben? Das leib⸗
hafte Venusmuͤndchen. Auch ſind ſie von gleicher
Lange, Ruͤcken an Ruͤcken, ihr Kinder! daß
der Herr Baron es ſehen kann.
Hans. Von gleicher Laͤnge? Nehmen Sie
ihr einmal alles Falſche weg, was ſie an ſich
hat, dann wollen wir ſehen, N
Fr. v. W. Bei den Frauenzimmern wird
das glles gerechnet.
Hans. Hohls der Hund! ich mag ſolche
Frauenzimmer nicht, bei denen ich alles rechnen
muß.
Fr. v. W. Nun, keine Umſtaͤnde, Hanſel!
und ſtell dich Ruͤcken an Ruͤcken. «tie ftellt
ſie) ei
Hans. Was gilt's, es iſt das letztemal!
(er ſtoͤßt Sophien) N
Soph. O weh! er hat mir beinahe die
Hirnſchale eingeſtoſſen!
Fr. v. W. O du Ungeheuer! Schaͤm dich
doch Hanſel! Biſt ein Mann, und fuͤhrſt dich
ſo auf.
Hans. Bin ich ein Mann, ſo geben Sie
mir Geld in die Haͤnde, und laſſen Sie mich
heirathen, wen ich will.
Soph. Sehn Sie nur Tante, wie er
meine Zaͤrtlichkeit belohnt!
Fr. v. W. O du undankbarer Knabe!
Hans, Wenn mir jemand einen falſchen
Thaler ſchenken will, und ich mag ihn nicht —
iſt das undankbar?
Fr. v. W. So ſprich doch, du boͤſer Bube!
was fehlt denn deiner Kouſine?
f Hans. Sie gefallt mir nicht.
Fr. v. W. Iſt fie nicht wohl gewachſen,
ſchoͤn, reich, ſanftmuͤthig?
Hans. Das mag fie. alles fein, aber fie
gefällt mir doch nicht. .
Fr. v. W. Sie ſoll dir aber gefallen, du
ungezogner Bube. Ä
Hans. Bin ich ungezogen Mama, fo find
Sie Schuld, ich hab mich nicht ſelbſt erzogen.
Fr. v. W. Was? du unterſtehſt dich? —
Ferd. Erlauben Sie mir, gnaͤdige Frau,
mit dem jungen Herrn allein zu ſprechen. Ich
hoffe, ihn dahin zu bringen, daß er Ihren
Willen mit Vergnuͤgen erfüllt,
Fr. v. W. Ach, lieber Herr Baron, er
kennt kein ander Vergnuͤgen, als das Bierhaus
und den Pferdeſtall. Aber verſuchen Sie, was
Sie uͤber ſein boͤſes widerſpaͤnſtiges liebes Herz
vermögen. Komm Sophie, weine nicht! Hanſel
wird endlich Vernunft annehmen.
(ſie geht mit Sophien ab.)
Eilfter Auftritt.
Ferdinand, Hans.
Hans. (ſingt) Ein junger Mann ritt
neben an,
— 61 —
„ ee Der wollte gern ſeinen Willen ha'n.
Hop heißa polei!
Ferd. Haben Sie geſehen, daß das Fraͤu—
lein weinte? |
Hans. Das ſchadet ihr nichts, ſie weint
gern. Sie und meine Schweſter haben manch—
mal eine ganze Stunde über ein Buch geweint;
und ſie ſagten, je mehr ſie weinen muͤßten, je
beſſer ſei das Buch.
Ferd. Wie es ſcheint, ſind Sie kein Freund
des ſchoͤnen Geſchlechts?
Hans. O ja, ein recht großer ERROR
aber die kann ich nicht leiden.
Ferd. Und iſt doch ein ſehr huͤbſches, gut;
artiges Maͤdchen.
Hans. Gutartig? ich kenn ſie beſſer.
Hohls der Hund! es giebt keine boshaſtere,
giftigere Kroͤte in der ganzen Chriſtenheit.
Ferd. (fuͤr ſich) Trefliche Ermunterung
fuͤr mich!!
Hans. Sie iſt fo voll Finten, als ein Jafe
im Gebuͤſche.
Ferd. Mir scheint ſie ſtill und empfindſam
zu ſein.
Hans. Ja, in Geſellſchaft; aber allein,
iſt fie fo wild als ein junges Füllen,
Ferd. Schoͤnheit muͤſſen Sie ihr doch
wirklich zugeſtehn — 7
Hans. Lauter Flitterſtaat! es iſt alles
falſch an ihr! Da ſollten Sie einmal mein Mi;
del ſehen, des Muͤllers Lieſel! da koͤnnten Sie
von Schoͤnheit reden. Ein paar Arme, ſo dick,
wie ich im Leibe. Ein paar Augen, ſo ſchwarz,
wie eine Kohle. Ein paar Backen, ſo dick und
roth, als meiner Mutter Kuͤſſen auf dem Bet—
pulte. Drei ſolche Dinger, wie die Koſine
kann man aus ihr machen.
Ferd. Nun wundre ich mich nicht uͤber
Ihre Abneigung gegen Sophien, da Ihr Herz
von einer dreifachen Schoͤnheit eingenommen ift:
Hans. Nicht wahr!
Ferd. Wenn ſich nun ein u: faͤnde,
der Sie von Sophien befreite?
Hans. O Sapperment!
Ferd. Und Ihre ſchoͤne Lieſel von einer
Nebenbuhlerin? ER
Hans. Das wär ein Freſſen! Aber, hohls
der Hund! wo ſteckt ſo ein Freund?
Ferd. Ich bin der Freund. Wenn Sies
— 63 —
mir beiſtehn, ſo geh ich mit Sophien davon,
und Sie ſollen nichts weiter von ihr hören.
Hans. Ihnen beiſtehn? Bis auf den letz—
ten Biutstropfen. Ich will Ihnen ein paar
Pferde vor die Chaiſe ſpannen, die ſchneller
laufen, wie der Teufel. Und wenns möglich
iſt, fo will ich der Kouſine ihre Juwelen vers
ſchaffen. Es waͤr unbillig, da ſie mich nicht
bekoͤmmt, daß ſie auch ihr Vermoͤgen verloͤre.
Ferd. Das waͤre die That eines Mannes
von Ehre und Verſtande.
| Hans Kommen Sie nur mit, ich will
gleich Hand ans Werk legen. Sie ſollen ſehen,
was Hanſel für ein Kerl iſt. ber ſingt)
Wir zittern nicht,
Wir zagen nicht,
Beim Donner der Karthauen.
(ſie gehen ab.)
Ende des zweiten Aukzuges,
64 —
Dritter Aufzug.
(Daſſelbe Zimmer.)
‚Erfter Auftritt.
Hans (mit einem Kaͤſtchen.)
Hans. Hohls der Hund! da hab ich ſie!
den ganzen Plunder! Der Kouſine Juwelen mit
Haut und Haar. Meine Mutter ſoll das arme
Ding nicht um ihr Vermoͤgen betruͤgen. O ha!
Sind Sie da? eben wollt' ich Sie ſuchen.
Zweiter Auftritt.
Ferdinand, Hans.
Ferd. Unſre Pferde werden ſich bald erhohlt
haben; dann wollen wir ohne Zeitverluſt fort.
Hans. And da ſchenk ich Ihnen etwas,
die Reiſekoſten gut zu machen; Sophiens Ju—
welen. Nun, hab ich nicht Wort gehalten?
Bin ich nicht ein Mann von Verſtande?
Ferd. Sie ſind ein Wunder von Klug⸗
n
heit! — Aber auf welche Art kamen fie in Ihre
Haͤnde?
Hans. (ihm einen Schluͤſſel zeigend)
Durch dieſen meinen beſten Freund auf der
Welt. Sehn Sie, der Freund iſt ſo klug, daß
er meiner Mutter Buͤreau oͤfnet, und mir Öelez
genheit verſchafft, ſo oft ins Wirthshaus zu gehn,
als ich will. Das iſt keine Suͤnde, denk ich;
denn ich bin meiner Mutter Erbe, und ein ehr—
licher Mann darf ſich zu aller Zeit ſelbſt beſteht
len.
Ferd. Das geſchieht taͤglich von Tauſenden.
Aber ich muß Ihnen ſagen, daß Sophie ſich eben
bemuͤht, die Juwelen von Ihrer Mutter zu
erbitten, und wenn es ihr gelingt —
Hans. Halten Sie die Dinger feſt, wenn
ich Ihnen rathen ſoll. Ich wette ein ganzes
Faß Bier, daß es ihr nicht gelingen wird. —
Meine Mutter iſt verteufelt geizig.
Fer d. Wenn ſie es aber gewahr wird, daß
die Juwelen fort ſind? —
Hane. Weiß fie denn, daß Sie fie haben?
— Ich nehme alles auf mich; ich will ſie ſchon
wieder troͤſten. — Zum Henker! da iſt ſie! —
fort! fort! (Ferdinand läuft ab.)
5
3
>
*
— 66 —
Hang. Sie muß es noch nicht wiſſen, daß
das Neſt leer iſt.
Dritter Auftritt.
Hans, Fr. v. Wenski, Sophie.
Fr. v. W. Ein Mädchen von deinem Alter
will Juwelen tragen! laͤcherlich! — Wenn du
zwanzig Jahr aͤlter biſt — wenn deine Schoͤn—
heit noͤthig hat aufgeputzt zu werden, dann iſt
es Zeit dazu.
Soph. Was im vierzigſten Jahre die
Schoͤnheit erheben kann, kann es ſicher auch im
zwanzigſten.
Fr. v. W. Du haſt das gar nicht noͤthig.
Dein weiß und roth Geſicht uͤbertrift allen Putz.
Ueberdieß mein Kind, ſind Juwelen ganz aus
der Mode. — 5
Soph. Aber liebe Tante! vielleicht gefalle
ich einem Gewiſſen, den ich nicht nennen mag,
in meinen Juwelen beſſer, als bisher.
Fr. v. W. Komm her Hanſel! bedarf
Sophie in deinen Augen einiger Juwelen,
um ſchoͤner zu werden? f
— 67 —
Hans. Weiß nicht, Mama.
Fr. v W. ueberdieß mein Kind — ich
will es zwar nicht hoffen — aber ich muß dir
geſtehn, daß ich ſie ſeit langer Zeit nicht habe
finden koͤnnen. Wenn ſie mir nur nicht gar
geftohlen ſind! 4
Hans. (leiſe zur Mutter) Sagen Sie es
ihr grade zu, daß ſie weg ſind; ich will es be—
zeugen.
Fr. v. W. (leiſe) Gut Hanſel, bezeug es.
Du weißt, daß ich ſie blos fuͤr dich aufhebe.
Hans. Nur zu, Mama. Sie ſind ge,
ſtohlen! ich will es bezeugen.
Soph. Ich begehre fie nur auf einen Tag,
liebe Tante; hernach moͤgen ſie wieder verſchloſ—
ſen werden.
Fr. v. W. Ich muß es dir nur grade heraus
ſagen, liebe Sophie; koͤnnte ich ſie finden, ſo
ſollteſt du ſie haben, aber ich fuͤrchte, ſie ſind
fort.
Soph. Das iſt nur ein ſchaler Vorwand,
liebe Tante! Sie verfahren bei Dingen von fo
großem Werthe nicht ſo nachlaͤßig, beſonders da
Sie fuͤr den Verluſt ſtehen muͤſſen.
Fr. v. W. Sind fir verloren, fo muß ich fie
a 85
„
dir erſetzen, das verſtoht ſich. Aber mein Sohn
weiß, daß fie nicht in meinem Buͤrcau find.
Hans. Das kann ich bezeugen. Ich hab's
mit meinen Augen geſehn, daß ſie nicht mehr
dort ſind.
Soph. Aber wie —
Hans. Ich will einen Eid Dt ſchwöͤ⸗
ren, daß ſie fort ſind.
Soph. Entſetzlich!
Fr. v. W. Sei gelaſſen Sophie! Wenn
wir gleich unſer Vermoͤgen verlieren, muͤſſen
wir doch die Geduld nicht verlieren. Sieh nur,
wie ruhig ich bin!
Soph. Bei andrer Ungluͤck iſt es ſehr leicht,
ruhig zu ſein.
Fr. v. W. Weißt du was Sophiechen? du
kannſt unterdeſſen meine Granaten tragen, bis
ſich die Juwelen wieder finden. |
Soph. Granaten kann ich nicht leiden, ich
will —
Fr. v. W. Ich hole ſie, du wirſt dich
freuen, wie gut ſie dir ſtehen. 0
(ſie geht ab.)
Hans. O weh! nun findt ſie's leere Neſt!
Soph. Verlegt meine Juwelen, und will
mich zwingen, ihre abgeſchmackten Granaten zu
tragen!
Hans. Sein Sie keine Naͤrrin, und neh:
men Sie die Granaten „ wenn Sie fie kriegen
koͤnuen. Die Juwelen haben Sie ſchon. Ich
hab' ſie weggeputzt, und Ihrem Baron gegeben.
Gehn Sie nur zu ihm, er wird Ihnen mehr
von der Sache ſagen; ich will ſehn, daß ich die
Mutter beſaͤnftige. Sie wird verdammt boͤſe
werden, wenn ſie ſieht, daß aus dem Spaß
Ernſt geworden iſt. So bald ich von ihr los—
komme, will ich die Pferde beſtellen.
Soph. O mein beſter Vetter! Sie ſind
ein ganz allerliebſter Spitzbube!
Hans. Mein Seel! da iſt die Mutter ſchon!
Machen Sie, daß Sie fortkommen.
(Sophie laͤuft ab.)
Hans. Sie laͤuft und ſpeit um ſich, wie
ein Muͤhlrad!
Vierter Auftritt.
Fr. v. Wenski, Hans.
Fr. v. W. Hanſel! Hanſel! Diebe! Raͤu⸗
ber! Wir ſind betrogen, gepluͤndert, beraubt,
verloren!
2 VE
Hans. Was giebts Mama? iſt Papa krank
geworden! f |
Fr. v. W. Wir find beſtohlen. Die Zus
welen ſind fort. |
Hans. Hahaha! das heiß ich recht natuͤr—
lich ſpielen! Ich glaubte, mein Seel! ſie waͤren
im Ernſte fort. |
Fr. v. W. Freilich find fie im Ernfte fort,
Man hat mein Bureau eröfnet, und fie heraus⸗
genommen. N
Hans. Bleiben Sie dabei, Mama, und
rufen Sie mich zum Zeugen! hahaha!
Fr. v. W. So hoͤr mich doch an Hanſel!
So wahr ich lebe, die Juwelen ſind fort.
Hans. Ich weiß, daß ſie fort ſind, und
wills auch bezeugen! hahaha!
Fr. v. W. Die Juwelen find wirklich ge;
ſtohlen.
Hans. Ich weiß recht gut, wer ſie geſtoh⸗
len hat. Hahaha!
Fr. v. W. Verdammter Dummkopf! kannſt
du nicht Scherz vom Ernſt unterſcheiden? Ich
ſcherze jetzt nicht, du Bube! |
Hans. Das iſt recht; das iſt recht! Sie
muͤſſen recht bitter boͤſe thun, ſo glaubt man
”
—— 7 1 —
uns deſto eher. Sie ſind fort, ich kann's bes
zeugen.
Fr. v. W. Starrkoͤpfiges Vieh! das mich
nicht anhören will. Du biſt ein Eſel, das kannſt
du bezeugen! Hoͤr mich an Hanſel! wir muͤſſen
ſehen, wie wir den Dieb heraus bekommen,
denn die Juwelen ſind fort.
Hans. Schon recht, ſchon recht, ich wills,
bezeugen! ö
Fr. v. W. Sprich noch einmal vom Bezeu—
gen, du Dummkopf, und ich werfe dir den
Stuhl ins Geſicht. Ach! meine arme Niece!
ihr ganzes bischen Vermoͤgen! — Lachſt du
noch, du verdammter Junge?
Hans. Sie machen's charmant, Mama,
bleiben ſie dabei. Ich wills bezeugen. Hahaha!
Fr. v. W. I du Ungeheuer! ich will dich
lehren, deine Mutter zu quaͤlen.
Hans. Ich wills bezeugen! bleiben Sie
dabei! (er läuft davon, und fie ihm nach.)
Fuͤnfter Auftritt.
Herr v. Wenski.
A ha! da giebt's wieder einen der gewoͤhn—
lichen Auftritte zwiſchen Mutter und Sohn!
— 72 —
Ganz gut, Margarethe! Du wirſt die Folgen
deiner Erziehung fhon empfinden. — Wun⸗
derliche Sachen gehen heut in meinem Haufe
vor. — Was fuͤr eine Abſicht konnte mein alter
Freund dabei haben, daß er mir ſeinen Sohn
als den beſcheidenſten Juͤngling empfahl? —
Mir ſcheint er das unverſchamteſte Geſchoͤpf zu
ſein, daß je mit menſchlicher Zunge ſprach.
Meinen Großvaterſtuhl nahm er mir vor der
Naſe weg. Seine Stiefel zog er im Viſiten⸗
zimmer aus, und bat mich, dafuͤr zu ſorgen,
daß ſie geputzt wuͤrden. Was fuͤr Eindruck mag
ſeine Unverſchaͤmtheit wohl auf meine Tochter
gemacht haben! gewiß nicht den beſten. Welch“
ein Unterſchied zwiſchen ihm und ſeinem Freunde!
Sechſter Auftritt
Herr v. Wenski, Nanette in ſehr ehr⸗
barer Hauskleidung.
Wenski. So mein Toͤchterchen! wie ich
jehe Haft du deinen Narrentand ſchon abgelegt,
und dich ehrbar gekleidet. .
Nan. Da Sie fo pünktlich find, lieber
Vater, fo werd' ich mich wohl hüten, gegen
unſern Vergleich zu fehlen,
Wenski. Was ſagſt du zu dem beſcheidnen
jungen Herrn, den ich dir zum Liebhaber em;
pfahl? .
Nan. Ich ſage, daß das Original Ihre
Beſchreibung noch uͤbertrift.
Weenski. In meinem Leben bin ich nicht
ſo ſehr uͤber etwas erſtaunt!
Nan. Ich auch lieber Vater! und das heißt
ein Weltmann!
Wenski. Das hat er alles auſſerhalb Lan—
des gelernt. Nun glaub ich wahrlich, daß ein
junger Menſch weit eher auf einer Maskerade
Witz, als auf Reiſen Beſcheidenheit lernen kann.
Nan. Doch ſcheint ſein Betragen ihm an—
geboren zu ſein. 5
Wens ki. Nein, nicht angeboren. Schlech—
te Geſellſchaft und ein franzoͤſiſcher Tanzmeiſter
haben ihn verdorben.
Nan. Nein, lieber Vater. Ein franzoͤ⸗
ſiſcher Tanzmeiſter hätte ihm nie den furchtſamen
Blick, den einfältigen Anſtand, die verſchaͤmten
Manieren lehren Können,
Wenski. Furchtſamer Blick! verſchaͤmte
Fanieren!
Nan. Sie glauben nicht, wie ich uͤber ſeine
Furchtſamkeit beim erſten Anblick erſtaunte.
Wenski. So hat dich der erſte Anblick
gewaltig betrogen. Er iſt der unverſchaͤmteſte
Burſche, den ich je ſah!
Nan. Sie ſcherzen! — Er iſt der beſchei⸗
denſte Burſche den ich je ſah!
Wenski. So lang ich auf der Welt bin,
iſt mir kein fo prahlender, trotziger, unver:
ſchaͤmter Kerl vorgekommen. 0
Nan. Sie ſetzen mich in Erſtaunen! Mich
redete er mit der ehrfurchtsvollſten Verbeugung
an — mit ſtammlender Zunge, und niederge⸗
ſchlagenen Augen.
Wenski. Mit mir ſprach er, als wenn
wir uns fon zwanzig Jahr kennten; that
funfzig Fragen, und ließ mich nie antworten.
Unterbrach meine beſten Anmerkungen durch ein
laͤppiſches Wortſpiel. Spaßte uͤber meine Er;
zaͤhlungen vom Prinzen Eugen.
Nan. Einer von uns irrt ſich, lieber Vater.
Wenski. Ein ſo dreiſter unverſchaͤmter Burs
ſche ſoll nie mein Schwiegerſohn werden.
*
Nan. Ein fo beſcheidner, furchtſamer Burs
ſche fol nie mein Mann werden.
Wenski. In einem Stuͤcke ſind wir alſo
einig — ihn abzuweiſen.
Nan. Ja, aber unter gewiſſen Bedingun—
gen. Ich glaube, daß der Menſch zu beffern
iſt. Wenn Sie ihn alſo kuͤnftig, nicht ſo uns
verſchaͤmt — und ich ihn etwas dreiſter —
Sie ihn ehrerbietiger, und ich etwas zudringe
licher faͤnden — ſo daͤcht' ich, ginge er zum
Manne wohl an.
Wenski. Wenn wir ihn fo finden! —
Das iſt aber unmoglich. Ich betrüge mich ſel—
ten in dem Urtheile, das ich beim erſten Anblicke
eines Menfchen fälle.
Nan. Und doch Finnen beim erſten Anblick
viele gute Eigenſchaften verborgen bleiben.
Wenski. Wenn einem Mädchen das Aeuſſer—
liche einer Mannsperſon gefaͤllt, ſo vermuthet
es gleich vortrefliche innerliche Eigenſchaften.
Ein glattes Geſicht vertritt die Stelle des Ver—
ſtandes, und eine artige Figur die Stelle der
Tugenden.
Nan. Ein ſchlechtes Kompliment für meine
Einſicht, lieber Vater.
Wenski. Mit einem Worte — wenn der
junge Hans Unverſchaͤmt Widerſpruͤche vereini—
gen kann, ſo wird er uns beiden gefallen, und
dann ſoll er dich haben.
Nan. Und da doch einer von uns ſich irren
muß, wie waͤr' es, wenn wir noch mehr Ent:
deckungen zu machen ſuchten.
Wenski. Es ſei. Aber verlaß dich darauf;
ich habe Recht.
Nan. Und ich nicht ganz Unrecht.
Wenski. (fuͤr ſich) Da kommt er! ich will
gleich dahinter ſein, ob er wirklich ſo beſcheiden
bei ihr iſt, wie ſie vorgiebt. laut) Leb wohl,
mein Kind! ich will nach meinem Hausweſen
ſehn. x (er geht ab.)
Siebenter Auftritt.
Nanette.
Wenn mein Vater wüßte, daß er ihn für
einen Gaſtwirth haͤlt, ſo wuͤrde er ſich nicht
über feine Dreiſtigkeit wundern. — Mich ſah
er eben fuͤr die Beſchlieſſerin an, und warf mir
ein paar ziemlich feurige Augen zu. Ich will ihn
fo lange als möglich in dem Irrthume laſſen.
Dafuͤr bin ich ſicher, daß er mich nicht kennt;
denn ſeine Furcht war ſo groß, daß er waͤhrend
unſrer Unterredung nicht ein einzigesmal auf
blickte. Gegen Maͤdchen in dieſem Anzuge iſt
er dreiſt — er wird mich alſo ſehen — kein
geringer Vortheil für ein Frauenzimmer, das
ihr Geſicht zu Markte bringt. Zweitens werd'
ich vielleicht mit ihm bekannt — kein ſchlechter
Sieg uͤber einen Menſchen, der nur die Be—
kanntſchaft der Ungefitteten meines Geſchlechts
ſucht. Drittens und hauptſaͤchlich kann ich gleich
dem unſichtbaren Ritter eines Romans, die
Staͤrke des Rieſen pruͤfen, eh ich mich mit ihm
in einen Kampf einlaſſe. — Da kommt er.
Achter Auftritt.
Karl, Nanette.
Karl. (fuͤr ſich, in Gedanken) Das if
ein verwuͤnſchtes Wirthshaus! nicht einen Aus
genblick kann man allein ſein. Geh ich in das
eine Zimmer, ſo finde ich den Wirth und ſeine
Hiſtorien; in dem andern die Wirthin, die ſich
bis auf die Erde neigt. Endlich hab' ich doch
einen Augenblick für mich, meine Lage zu Aber:
denken. (geht auf und ab.)
Nan. Haben Ihro Gnaden gerufen? _( fie
verſtellt den Ton ihrer Stimme.) 5
Karl. Das Fraͤulein if für mich zu ernſt⸗
haft, zu empfindſam. b
Nan. (ſtellt ſich immer vor ihm hin, wenn
er ſichumwendet) Haben Ihro Gnaden gerufen?
Karl. Nein Kind. (nachdenkend) und wenn
mich der eine Blick, den ich ihr zuwarf, nicht
betrog, fo glaub ich gar, daß fie ſchielt.
Nan. Ich habe doch gewiß eine Glocke ge
hoͤrt! (wie vorhin.) |
Karl. Nein, nein — (nachdenkend) Wo—
zu bedarf ich der Bekanntſchaft des alten Wens⸗
ki! Ich bin meinem Vater zu gefallen hieher
gereiſet — und Morgen will ich, mir zu gefal—
len, wieder fort reiſen.
Nan. Vielleicht hat der andere Herr gerufen!
Karl. Nein, ſag ich. (er ſieht ihr ins ©
ſicht) Doch ja Kind! — Ich glaube, ich habe
gerufen. — Ich moͤchte gern — ich moͤchte
gern — Du biſt ja ein allerliebſtes Maͤdchen!
Nan. O Ihro Gnaden werden mich roth
machen!
n
Pr
Karl. Was für ein munteres, muthwilli—
ges Auge! — Ja, ja, mein Schatz! ich habe
gerufen.
9 6 1 1
Neunter Auftritt.
Vorige, Jakob.
Jak. Cleife zu Karl) Ihro Gnaden! der
Baron Perning laͤßt Sie bitten, ihm das Kaͤſt—
chen gut aufzuheben, es ſind Juwelen darin.
Karl. Nun zum Henker! wo ſoll ich's denn
aufheben? Soll ich's mir auf den Ruͤcken bin;
den? denn in die Taſche geht es nicht. Der
einzige Platz, den ich habe, iſt der Sitz in der
Chaiſe, und die ſteht auf dem freien Hofe. —
Bring es der Wirthin, Jakob. Gieb es in
ihre eigene Haͤnde — fie ſoll es ſorgfaͤltig bis zu
unſrer Abreiſe aufbewahren.
Jak. Gut, Ihr Gnaden! —
Karl. Und du, iß, trink, und laß dit
nichts abgehen. 5
Jak. Ich wills nicht vergeſſen, Ihr Gng—
den. N
(er geht ab.)
Zehnter Auftritt.
Karl, Nanette.
Nan. Ihro Gnaden haben alſo nichts zu
befehlen? e a
Karl. Ja, mein Engel! ich moͤchte gern —
haſt du nichts von dem? — Aber man kann
in dieſem Hauſe fodern was man will, und bes
kommt es nicht.
Nan. Was denn Ihro Gnaden?
Karl. Ich moͤchte gern eine Probe vom
Nektar deiner Lippen.
Nan. Nektar! Nektar! — Das iſt wohl
ein ſpaniſcher Wein, denk ich! und wir haben
keine ſpaniſche Weine, Ihro Gnaden.“
Karl. Er iſt vom achten, deutſchen Ge—
waͤchſe. |
Nan. Kurios! ich lebe doch achtzehn Jahre
in dieſem Hauſe, und hab nie von dem Weine
gehoͤrt.
Karl. Achtzehn Jahre! Auf die Art biſt du
Beſchlieſſerin geweſen, eh du auf die Welt kamſt.
Wie alt biſt du?
Nan. O Ihro Gnaden, das darf ich nicht
— 81 —
ſagen. Frauenzimmer und Muſik muͤſſen nicht
datirt werden.
Karl. In dieſer Entfernung zu urtheilen,
kannſt du nicht viel über vierzig fein. (naͤhert
ſich) Von hier kaum dreißig. (nähere ſich) Von
hier kaum fünf und zwanzig. (nähert ſich) Je
naher man dir kommt, je juͤnger wirſt du. Und
ganz nahe — (er will ſie kuͤſſen.)
Nan. Sachte, ſachte! Bleiben Sie nur in
der Entfernung. Ich glaube, Sie wollen mir
das Alter am Maule abſehen, wie bei den Pfer—
den!
Karl. Aber mein Schatz! wenn du mich
immer von dir entfernt haͤltſt — wie koͤnnen wir
miteinander bekannt werden?
Nan. Ich will nicht mit Ihnen bekannt
werden. Mit dem Fraͤulein Wenski ſind Sie
gewiß nicht ſo dreiſt, und unhoͤflich umgegangen !
Bei ihr werden Sie wohl die Augen niederge—
ſchlagen, ſich bis auf die Erde gebuͤckt, und
geſtammelt haben, als wenn Sie vor Gericht
ſtuͤnden.
Karl. (für ſich) Sie hat es ziemlich genau
getroffen. (laut) Wie, du glaubſt, daß ich ihe
hoͤflicher begegnet bin als dir? — Ha, ha, ha!
6
.
Ich ſehe, du kennſt mich nicht. (er ergreifft
ihre Hand, die ſie los zu machen ſucht) Ich
ſollte mit einem ſo albernen, ſchielenden Geſchoͤpfe
mehr umſtaͤnde machen, als mit einem ſo rei—
zenden Kinde? — Gelacht hab' ich; mich
uͤber ſie luſtig gemacht. Aber mit dir, mein
Engel! — (er will ſie kuͤſſen, fie ſtraͤubt ſich)
Da iſt der verdammte Wirth ſchon wieder! (er
laßt fie los) Ueberall kommt er mir in den Weg.
Mein gewoͤhnliches Gluͤck! Ich gewann nie ein
Spiel, ohne gleich darauf Kodille zu verlieren.
(er geht ab.)
Eilfter Auftritt.
Herr v. Wenski, Nanette.
Wenski. So Fraͤulein! iſt das der be—
ſcheidne Liebhaber? der furchtſame, unterthanige i
Bewunderer, der mit niedergeſchlagnen Augen,
bloß in demuͤthiger Entfernung, anbetet? Anna!
Anna! ſchaͤmſt du dich nicht, deinen Vater ſo
zu betruͤgen?
Nan. Ich will Ihre Liebe verlieren, wenn
er nicht noch immer der beſcheidene Mann iſt,
fuͤr den ich ihn ausgab. N
MWensti So wahr mein Kopf grau iſt!
ich glaube, ſeine Unverſchaͤmtheit hat dich ange—
ſteckt. Sah ich nicht, daß er deine Hand ergriff?
dich kuͤſſen wollte? und du plauderſt von ſeiner
Ehrfurcht und Beſcheidenheit?
Na n. Aber wenn ich Sie in kurzem davon
uͤberzeuge; j wenn ich Ihnen beweiſe, daß er nur
ſolche Fehler bak, die mit den Jahren vergehn,
und Tugenden, die mit den Jahren zunehmen —
daun werden Sie ihm doch verzeihen?
Wenski. Du wirſt mich toll machen Anna!
Ich will nicht uͤberzeugt werden; denn ich bin's
ſchon. Kaum iſt er drei Stunden hier, und
er ſpielt den Herrn im Hauſe — verjagt mich
aus meinem Großvaterſtuhl. Mag dir meinet;
wegen feine Unverſchaͤmtheit gefallen! magſt du
fie meinetwegen Veſcheidenheit nennen! Aber
mein Schwiegerſohn muß andre Eigenſchaften
haben.
Nan. In zwei Stunden aufs laͤngſte, wer,
den Sie einerlei Meinung mit mir ſein.
Wenski. In einer halben Stunde aufs
laͤngſte, werd' ich ihm die Thuͤre weiſen.
Nan. So erlauben Sie mir denn nur eine
Stunde.
8 6
— 84 PR
Wenski. Nun, ſo mags denn eine Stunde
ſein. Aber treib kein Spiel mit deinem Vater
und geh aufrichtig zu Werke.
Nan. Lieber Vater! Sie wiſſen, wie willig
ich jederzeit Ihren Befehlen gefolgt bin; denn
Sie ſind ſo guͤtig gegen mich, daß meine Pflicht
bisher auch meine Neigung war. (fie geht ab.)
Wenski. Ich will nicht ehrlich ſein, wenn
ich daraus klug werden kann! — Iſt der junge
Menſch beſcheiden, ſo moͤcht' ich wohl noch vor
meinem Ende einen Unbeſcheidnen ſehn.
Ende des dritten Aufzuges.
Vierter Aufzug,
( Daffelbe Zimmer.)
Erſter Auftritt.
Karl.
Unter eine wunderliche Geſellſchaft von Leuten
bin ich gerathen. Ferdinand ſteckt immer bei
ſeiner Sophie — Ich darf mich nicht ruͤhren,
ſo werd' ich von allen Seiten angeſchrien, ob
ich etwas befehle? — Der Wirth und die
Wirthin ſind unertraͤglich! — Doch bei allem
Schlimmen iſt das noch gut, daß mir meine Braut
in Hofnung, nicht zu nahe kommt; und die kleine
Beſchlieſſerin — ſie geht mir gewaltig im Kopfe
herum, und jagt die Thorheiten der Übrigen
Familie heraus. — Sie muß mein werden,
oder ich muͤßte mich ſehr irren.
Zweiter Auftritt.
Karl, Ferdinand.
Jer d. Wuͤnſch mir Gluͤck, Karl! ich bin am
Ziel meiner Wünfche,
„
Karl. So? 5
Fer d. In- einer halben Stunde bin ich mit
meiner lieben Sophie uͤber alle Berge.
Karl. Und mich willſt du in dem abfheulis
chen Loche allein zuruͤck laſſen? |
Fer d. Ich muß, beſter Karl! ich muß.
Karl. Je nun, ich hab' unterdeſſen einen
Zeitvertreib gefunden, der mich entſchaͤdigt. —
Aber Ferdinand! Die Pferde koͤnnen unmoͤglich
ſchon im Stande fein —
Ferd. Du behältft Wagen und Pferde. f
Ich hab' andre.
Karl. Deſto beſſer!
Ferd. Ich muß machen, daß ich an den
Ort der Verabredung komme. Gieb mir das
Juwelenkaͤſtchen, lieber Karl! Du bat es doch
ſicher verwahrt?
Karl. Das verſteht ſich. Aber wie konn⸗
teſt du unſre Chaiſe auf dem freien Hofe für
einen ſicheren Ort halten?
Ferd. Ich glaubte, im Koffer —
—
Karl. Und gehoͤren nicht Stunden dazu,
Stricke, Matten, Ketten und dergleichen loszus
machen? — Ich habe, ohne ſolche Weitlänfigs
— 37 —
keiten, beſſer fuͤr die et, des Kaͤſtchens
geſorgt. Ich habe —
1 Ferd. Was?
Karl. Ich hab' es der Wirthin zum Auſ—
heben geſchickt.
Ferd. Der Wirthin?
Karl. Der Wirthin.
Ferd. Der Wirthin? —
Karl. Und wo kann es ſichrer ſein? ſie
muß dafuͤr ſtehn, daß es wieder an den rechten
Mann kommt.
Ferd. Ja, ja, ſie wird es wieder an den
rechten Mann bringen. (fuͤr ſich) Verdammter
Streich.
Karl. Nun, hab' ich es nicht gut gemacht?
Ferd. Ganz vortreflich. (fuͤr ſich) Ich
muß ihm meine Verlegenheit verbergen.
Karl. Ich weiß wenigſtens nicht, wie es
kluͤger zu machen waͤre.
Fer d. Das glaub ich.
Karl. Aber dem ungeachtet ſcheinſt du in
Verwirrung zu ſein. — Es iſt dir doch nichts
widriges begegnet? 12
Ferd. Nein, gar nichts. In meinem
ganzen Leben war mir nie beſſer zu Muthe.
— 343 —
Die Wirthin hat ohne Zweifel das Kaͤſtchen mit
vieler Bereitwilligkeit angenommen? ;
Karl. Mit der größten Bereitwilligkeit
von der Welt. Jakob erzaͤhlte, daß ſie ihn
allerhand hätte fragen wollen, aber da er durſtig
war, ging er davon.
Ferd. Du haſt deine Sachen vortreflich
gemacht! — Die Juwelen find dort recht gut
aufgehoben.
Karl. So ſicher als im Koffer.
Fer d. (für ih) Zu dem Vermoͤgen iſt weis
ter keine Hofnung; wir muͤſſen's im Stiche
laſſen. (laut) Leb wohl, lieber Karl! Ich danke
dir fuͤr den Dienſt, den du mir haſt leiſten wol—
len, und wuͤnſche, daß du für dich felbſt gluͤckli⸗
cher ſein moͤgeſt! (er geht ab.)
Dritter Auftritt.
Karl, hernach Herr v. Wenski.
Karl. Was will er damit ſagen? hab' ich
etwa einen dummen Streich gemacht?
Wenski. (für ſich) Aus Freundſchaft fuͤr
ſeinen Vater will ich mich doch zwingen, gelaſſen
zu ſein.
— 89 —
Karl. Da hat der Teufel den Wirth ſchon
wieder!
Wenski. Ihr gehorſamer Diener, Herr
Baron!
Karl. Ihr Diener! (fuͤr ſich) Er will mir
ſicher wieder eine alte Geſchichte erzählen.
Wenski. Ich glaube, lieber Herr Baron!
Sie werden fühlen, daß kein Menſch auf der
Welt in dieſem Hauſe willkommener ſein, und
freundlicher kann bewirthet werden, als Ihres
Vaters Sohn. Ich hoffe, Sie werden das
glauben? |
Karl. Das thue ich von Herzen. Auch
bedarſ's bei mir keines Noͤthigens; denn ich
richte es ſchon ſo ein, daß meines Vaters Sohn
uͤberall gut bewirthet wird, wo er ſich nur ſehen
läßt.
Wenski. Das ſeh' ich, daß Sie das thun.
Aber, mein lieber Herr Baron! wenn ich auch
gleich zu Ihrem eigenen Betragen ſchweige, ſo
fallt mir doch die Auffuͤhrung Ihres Bedienten
unertraͤglich. Die Art zu trinken giebt ein ſehe
boͤſes Beiſpiel in meinem Hauſe, das ich nicht
dulden darf. |
Karl. Das iſt wahrhaftig nicht meine
Schuld. Trinkt er nicht, wie er foll, fo liegts
an dem Kerl ſelbſt. Ich hab' ihm befohlen,
des Kellers nicht zu ſchonen; mehr kann ich nicht.
(er geht zur Thuͤr) He! mein Bedienter fol
kommen. — Es war mein ausdruͤcklicher Bes
fehl, daß er meine Maͤßigkeit wieder gut
machen ſoll. 5 5
Wenski. Was heißt das? Ich verſtehe
Sie nicht. Ahr
Karl. Sofind Sie taub. Ich habe mei—
nem Kerl befohlen, er ſoll fo viel ſaufen, als
er nur kann und mag. 5
Wenski. Es war Ihr Befehl? Das iſt
etwas anders! Denn mag es gut ſein.
Karl. Freilich war's mein Befehl. Sie
ſollen es von ihm ſelbſt hoͤren.
Vierter An fa ni tt.
Vorige, Jakob betrunken.
Karl. Komm her, Jakob! Hab ich die
nicht befohlen Schlingel! dir nichts abgehen zu
laſſen? zu eſſen, zu ſaufen, fo viel du kannſt?
Wenski. (fuͤr ſich) Nach grade verlier ich
die Geduld. 5
Jak. Ja, Shro Gnaden — aber ben ich
gleich nur ein Dedienter, fo bin ich doch ein
freier Menſch, und kein Hund. — Ich trinke
nie vor dem Abendeſſen, niemals! — eh ließ
ich mich umbringen.
Karl. Nun? iſt Ihnen der Kerl nicht be
ſoffen genug? {
Wenski. (für ſich) Bald kann ich nicht
langer.
Jak. Niemals vor dem Abendeſſen, oder
mich ſoll der Teufel hohlen! — Aber, nach dem
Abendeſſen kann ich trinken, und dann will ich
mich auch dazu halten.
Karl. Geh deiner Wege.
(Jakob geht ab.)
Süanfter Auftritt.
Herr v. Wenski, Karl.
Karl. Iſt er nicht fo honett beſoſſen, als
möglich? — Wenn Sie noch mehr wollen, ſo
muͤſſen Sie den armen Teufel in Wein oder
Bier erſaͤufen.
Wenski. (für ſich) Das iſt zu toll! Ich
würde raſend, wenn ich das laͤnger ertruͤge.
(laut) Hören Sie, mein Herr! ich habe Ihre
Unverſchaͤmtheit drei Stunden gelaſſen ertragen,
aber, da ich das Ende davon nicht abſehe, ſo
bin ich entſchloſſen, Herr in meinem Hauſe zu
ſein; und verlange, daß Sie und Ihr betrunke—
ner Schlingel mein Haus ſogleich verlaſſen.
Karl. Ihr Haus verlaſſen? — Zum Hen—
ker! das iſt ganz was neues! — Ich ſoll Ihr
Haus verlaſſen, weil ich thue, was ich kann,
um Ihnen zu gefallen?
Wenski. Sie gefallen mir nicht, ſag ich
Ihnen, und daher ſollen Sie mein Haus raͤu—
men. |
Karl. Sie belieben zu fpaffen, glaub' ich!
So ſpaͤt gegen die Nacht ſollt' ich reiſen? Ha,
ha, ha! Zum Teufel iſt es meine Schuld, daß
der Kerl nicht mehr ſaufen kann?
Wenski, (fuͤr ſich) Ich glaube, ich kriege
den Schlag. 8
Karl. Gehen Sie, guter Mann! laſſen Sie
mich in Ruhe, und machen Sie Ihrem Scherz
ein Ende.
Wenski. Scherz? Ich ſag Ihnen, es iſt
Ernſt, ſag ich Ihnen! Und da Sie fo unver;
ſchaͤmt find, ſag' ich Ihnen: das Haus iſt mein,
verftehn Sie wich? Mein iſt das Haus, und
ich befehle Ihnen, es den Augenblick zu raͤu—
men. a }
Karl. (ernſthaft) Dies iſt ſein Haus, Pa:
tron? Es iſt mein Haus — mein Haus iſt
es, ſo lang ich darin bleiben will. Herr!
Was fuͤr ein Recht haben Sie, Ihrem Gaſte
zu befehlen, daß er Knall und Fall aus dem
Hauſe gehe? Mich ſoll der Teufel hohlen, wenn
mir dergleichen Unverſchaͤmtheit Zeit meines Le
bens vorgekommen iſt!
Wenski. Und mir, ſo wahr der Himmel
lebt! auch nicht. Nach grade muß ich daruͤber
lachen! Kommt in mein Haus; fordert, was
ihm beliebt; draͤngt mich aus meinem Großva—
terſtuhl; beleidigt meine Frau und Hausgeſinde;
befiehlt ſeinem Bedienten, ſich zu beſaufen; und
ſagt mir dann — das Haus iſt mein. — Je
verflucht! — Was meinen Sie, da Sie ſich
doch einmal das Haus zueignen, wenn Sie auch
die Mobilien nahmen! Da iſt ein huͤbſcher
Kronleuchter! — Dort iſt ein filbernes
Schreibzeug.
Karl. Bringen Sie mir Ihre Rechnung,
Herr! und machen Sie mir den Kopf nicht warm.
Wenski. Da iſt auch eine Sammlung von
Gemaͤlden. — a ' "
Karl. Ihre Rechnung! dann will ich Ihr
verdammtes Haus ſogleich verlaſſen. 5
Wenski. Was ſagen Sie zu dem Fluͤgel?
den Tiſchen und Stuͤhlen? —
Karl. Meine Rechnung! —
Wenski. Vergeſſen Sie den Großvater,
ſtuhl nicht, es ſitzt ſich gut darin. i
Karl. Zum Teufel! meine Rechnung,
oder — 5 N
/
5
Wenski. Juͤngling, Jaͤngling! nach Ih—
res Vaters Briefe hab' ich einen wöderzognen
jungen Mann erwartet; aber ich finde, N er
2
r
ein Geck, ein Grobian iſt. Morgen komm
Ihr Vater; dann wollen wir weiter egen
(er geht ab.)
Karl. Was Teuſel iſt das? — - Sol ich
mich in dem Hauſe geirrt haben? — Aber,, 4
es iſt doch alles fo wirthshausmaͤßig hier. Die ;
Bediente ſchreien, wenn man ankommt — die
Aufwartung iſt elend — auch eine Beſchlieſſerin
iſt hier. — Da kommt fie zu gelegner Zeit,
mir aus dem Traume zu helfen.
e ee |
Sechſter Auftritt.
Karl, Nanette.
Karl. Wohin ſo eilig, mein Schatz? Nur
ein paar Worte.
Nan. Es duͤrfen aber nicht mehr ſein, denn
ich hab' Eile. b
Karl. Sag mir doch, liebes Kind! Wer
biſt du, und was iſt dein Geſchaͤft in dieſem
Hauſe?
Nan. (für fih) Voͤllig iſt er noch nicht un
terrichtet. (laut) Ich bin eine arme weitläuftige
Anverwandtin des Hauſes, Ihro Gnaden.
Karl. Eine arme weitläuftige Anverwands
tin?
Nan. Ja, Ihro Gnaden! aber leider nur
von buͤrgerlicher Abkunft. Eine arme Anver—
wandtin, der man die Schluͤſſel anvertraut hat,
und die darauf ſehen muß, daß es den Gaͤſten
an keiner Bequemlichkeit fehle.
Karl. Das heißt auf deutſch: du biſt Bes
ſchlieſſerin in dieſem Wirthshauſe.
Nan. Wirthshauſe? — Lieber Himmel!
wer hat Ihnen das weiß gemacht? Eine der
beſten Familien auf zehn Meilen im Um—
— 96 —
kreiſe, ſollte ein Wachen halten? — Ha,
ha, ha!
Karl. DRAN ſich denn der Herr des
Hauſes? |
Nan. Herr von Wensti.
Karl. Dies Haus gehoͤrt dem Herrn von
Wenski ?
Nan. Freilich! wem ſollte es denn gehoͤ⸗
ren? Sa 8
Karl. O verdammt! So iſt der alte Mann
in dem grauen Rocke, und der dicken Peruͤcke,
den ich für den Gaſtwirth hielt —
Nan. Herr von Wenski.
Karl. Alle Teufel! Und die alte Frau, dir
ich für die Wirthin hielt, iſt — t
Nan. Frau von Wenski.
Karl. Nun fo ift der Teufel los! und
man hat mir einen verdammten Streich ge—
ſpielt. — Ich Dummkopf über alle Dumm—
koͤpfe! dies Haus fuͤr ein Wirthshaus, und
meines Vaters alten Freund fuͤr einen Gaſtwirth
anzuſehen. Fuͤr was fuͤr einen unverſchaͤmten
groben Toͤlpel muß er mich halten! und für was
fuͤr einen einfaͤltigen Tropf erkenne ich mich
ſelbſt. Auch Sie, Mademoiſelle, hielt ich für
jo ein Maͤdchen — für — für eine Beſchlleſſerin
des Wirthshauſes.
Nan. Ich hoffe doch, daß in meinem Bes
tragen nichts zu finden iſt, um mich mit Maͤd⸗
chen jener Gattung in einen Rang zu ſetzen.
Karl. Nein, meine Liebe! gar nichts, gar
nichts. Aber ich wollte mein Verzeichniß von
einfaͤltigen Streichen voll machen, und da konnte
ich nicht umhin, auch Sie mit unterſchreiben zu
laſſen. Meine Dummheit ſah alles aus dem
falſchen Geſichtspunkte. Ihre Aufmerkſamkeit
hielt ich für Dreiſtigkeit, und Ihre liebenswuͤr⸗
dige Einfalt für Koketterie. — Verzeihen Sie
mir! und entſchuldigen Sie mich in einem Hanſe,
in welchem man mich nie wieder ſehen ſoll.
Nan. Wie? Ste wollen ſort? — Ich
hoffe doch nicht, daß ich die Urſache bin? —
Sollt' ich wohl fo unglücklich fein, einen Herrn
zu beleidigen, der fo höflich gegen mich war,
und mir ſo viel ſchoͤne Sachen vorgeſagt hat? —
(fie ſtellt ſich, als ob fie weinte) Ach! wie wuͤrde
es mich kraͤnken, wenn Sie dies Haus meinet—
wegen verlleſſen! Ich würde mich todt grämen,
wenn man mir ſo etwas nachſagte, da ich kein
ander Vermoͤgen, als meinen guten Namen habo,
—
d
17 — 98 vn.
ey
Karl. (fuͤr ſich) Beim Himmel! fie weint! —
Dies iſt das erſte Zeichen der Zaͤrtlichkeit, das
ich von einem ehrbaren Frauenzimmer empfing,
| 10 es ruͤhrt mich empfindlich. (laut) Liebens⸗
wuͤrdiges Kind! — ich kann nicht bleiben, fo
gern ich auch wollte. Wie ſoll ich nach dem
abſcheulichen Mißverſtaͤndniſſe jemand von der
Familie in die Augen ſehn?
Nan. O man wird Ihnen gern er
Karl. Aber ich mir ſelbſt era; Meine
Beſchaͤmung iſt zu groß —
Nan. Ja, ja, ſchaͤmen Sie ſich nur immer,
daß Sie mir ſo viel Schoͤnes von Liebe und der:
gleichen vorgeſagt, und mich jet fo ... ver⸗
laſſen koͤnnen.
— Karl. Ach! Sie ſind die Einzige in der
Familie, die ich mit Widerwillen verlaſſe.
Aber — ja, ich muß aufrichtig mit Ihnen
reden — der Unterſchieb unſrer Geburt —
unſrer Gluͤcksumſtaͤnde und Erziehung, und vor
allem, die Abſichten meines Vaters, machen
eine rechtmaͤßige Verbindung unmoͤglich; und
ich werde nie dem Gedanken Raum geben, ein
unſchuldiges Maͤdchen, das ſich voll Einfalt auf
meine Ehre verließ, zu verfuͤhren; oder eine
.
Perſon ins Verderben zu ſtuͤrzen, deren einziger
Fehler wat, daß fie zu liebenswuͤrdig iſt.
Nan. (für fih) Rechtſchaffener Mann! —
(laut) Man hat mir immer geſagt, ein ver—
nuͤnſtiger Mann ſieht weder auf Stand noch
Reichthum. — Ach! — erſt in dieſem Augen—
blick fühl ich, daß es ein Uebel iſt, kein Vermös
gen zu haben. | |
Karl. Und warum erſt in dieſem Augen:
blick?
Nan. Weil — weil es jemanden von mit
entfernt, dem ich gern mein ganzes Vermögen
hingeben wollte, und wenn es auch tauſend
Thaler wären.
Karl. (fuͤr ſich) Ich bin verloren, wenn
ich laͤnger bleibe. Dieſe liebenswuͤrdige Eins
falt, dieſe reizende Offenherzigkeit verrückt mir
das Gehirn. Ich muß ſie verlaſſen, und ſollt'
es mir das Herz brechen. (laut) Ihre Parthei—
lichkeit gegen mich, ruͤhrt mich auf das empfind—
lichſte; und lebte ich nur mir allein, fo wäre
meine Wahl ſchon entſchieden. — Aber ich bin
der Meinung der Welt, dem Anſehen eines
zaͤrtlichen Vaters zu viel ſchuldig, fo daß —
ar
kaum hab' ich Worte — ich Sie verlaſſen muß.
Leben Sie wohl! (er geht ab.)
Nan. Vortreflicher junger Mann! — Bis
jetzt habe ich ſeine Verdienſte kaum halb gekannt.
Du ſollſt dich gewiß nicht entfernen, mein guter
Karl, wenn ich Gewalt oder Kunſt beſitze, dich
zurück zu halten. (fie geht ab.)
Siebenter Auftritt.
Sophie, Hans.
Hans. Ah, hohls der Hund, wenn Sie
‘fo dumme Streiche machen! Ein andermal koͤn⸗
nen Sie fuͤr ſich ſelbſt ſtehlen, wiſſen Sie das?
Die Juwelen ſind wieder im Buͤreau, und das
Kabinet hat ſie verſchloſſen; alſo iſt nichts mehr
zu thun. Ich hab' der Mutter geſagt, es ſei ein
Spaß von mir geweſen, um fie auf ihr Buͤreau
aufmerkſam zu machen. — Es hat mich ordentlich
Muͤhe gekoſtet, ſie wieder zu beſaͤnftigen.
Soph. Aber, liebes Vetterchen, Sie wer—
den uns doch in dieſen mißlichen Umſtänden nicht
verlaſſen? Denn, wenn ſie den geringſten Vers
dacht ſchoͤpft, daß ich entwiſchen will, fo ſperrt
ſie mich gewiß ein, oder, was noch aͤrger iſt,
ſchickt mich zu der Tante Buchau,
Hans. Run, was kann ich denn mehr
thun? — So viel Muͤhe hat ſich noch kein
Menſch gegeben, ein Maͤdel los zu werden, als
ich. — Ich hab' meine Mutter beſtohlen;
ich hab' Ihnen ein Paar Pferde angeſchaft, die
wie der Wind laufen; ich hab' in der Mutter
Gegenwart ſchoͤn mit Ihnen gethan; was kann
ich mehr? — Da iſt Mama! ich muß mir
ſchon noch ein bischen Gewalt anthun, Sie zu
karreſſiren, damit fie feinen Unrath merkt.
Achter Auftritt.
Vorige, Frau v. Wenski.
Fr. v. W. Der Spaß mit den Juwelen
geht mir ein wenig im Kopf herum! Was ſeh'
ich! So wahr ich lebe, ſie thun recht zärtlich
mit einander. — Aha! hab' ich euch übers
raſcht, meine Taͤubchen! kannſt du nun munter
fein, Hanſel? Was? Schnaͤbeln? Haͤndedruͤk—
ken? Verſtohlne Blicke? Leiſes Murmeln? —
So ſo!
Hans. Ja, wir murmeln jetzt recht viel
mit einander, Mama. Und wenn wir uns
auch ab und zu ein wenig abbrummen, wie die
— 102 ae
Sau den Sack — das thut Wa wir 105
einander doch gut. 8
Fr. v. W. Das iſt grade fo, e
man ins Feuer ſpruͤtzt, damit es deſto heller ;
brennt,
Soph. Der Vetter verſpricht, nicht jo oft
ins Wirthshaus zu gehn; uns ſeine Öefellichaft -
oͤfter zu goͤnnen. Warlich, er ſoll uns kuͤnftig
nicht von der Seite kommen. Nicht wahr, lies
bes Vetterchen, Sie werden uns nicht perlaſſen?
nicht wahr? |
Hans. O! das iſt ein liebes Mädel! Nein,
lieber will ich mein Pferd im Moraſte ſtecken
laſſen, als von Ihnen gehn, wenn Sie mich fo
freundlich anſchielen.
© o p h. Angenehmes Vetterchen! wer muß
dieſe natuͤrliche Laune nicht bewundern?“ dies
anmuthige, breite, rothe, gedankenlofe (klopft
ihn auf die Backen) Ach! es iſt ein liebes un:
verſchaͤmtes Angeficht,
Fr. v. W. Reizende Unſchuld!
Hans. Sehen Sie, Kouſinchen! ich hab'
immer Ihre lichtgrauen Augen gern gehabt —
und die huͤbſchen langen Finger, mit denen Sie
fo wie mit Trommelſtoͤcken auf dem Klavier
herumfahren. — Komm Herzensmaͤdel! klimpre
mir etwas mit den langen Fingern vor.
Soph. Gern, liebes Vetterchen! recht
gern! — Wer kann Ihnen etwas Abe!
(ſie geht zum Fluͤgel.)
Fr. v. W. Ach! er kann den Vogel vom
Baum herunterzaubern mit feiner ſuͤſſen Stimme.
Es iſt, als wenn ich ſeinen ſeeligen Herrn Vater,
den Herrn von Ullerdorf leibhaftig vor mir ſaͤhe.
(Sophie ſpielt, Hans bezeigt om Beifall auf
eine toͤlpiſche Art.)
Fr. v. W. Brav, Sophiechen! charmant!
unvergleichlich! Nun ſollſt du auch deine Juwe—
len haben; den Augenblick will ich ſie dir geben.
Iſts nicht ein ſuͤſſer Junge, mein Hanſel? he!
So bald als moͤglich, ſoll eure Hochzeit vor ſich
gehn. — Wartet hier, Kinderchen, ich hohle
die Juwelen. (ſie will gehen.)
Neunter Auftritt.
| Vorige, Paul. |
Paul. Da iſt ein Brief, Junker!
Hans. Gieb ihn an Mama — ſie lieſt
alle meine Briefe zuerſt. 1
Paul. Man hat mir aber geſagt, ich ſoll
Ihnen den Brief ſelbſt in die Hand geben.
Hans. (nimmt ihn) Von wem kommt er?
Paul. Darum muͤſſen Ihr Gnaden den
Brief fragen. cer geht ab.)
Hans. (beſteht den Brief finfs und rechts.)
Soph. (fuͤr ſich) Was ſeh' ich? ein Brief
von Ferdinand! ſieht ihn die Tante, ſo bin ich
verloren. (zu Fr. v. W.) Ich hab' Ihnen noch
nicht erzaͤhlt, liebe Tante, was der Vetter dem
Baron Karwiz fuͤr eine ſpitzige Antwort gab.
Wir haben uns halb todt gelacht. — Kommen
Sie weiter hierher, denn er muß es nicht
hoͤren.
Hans. (der noch immer den Brief bekuckt)
Ein ſo verdammtes kritzliches Geſchmiere, als
ich in meinem Leben geſehen habe. Gedruckte
Schrift kann ich ziemlich gut leſen. Aber hier
ſind ſo viele Haken und Staken, und Striche,
daß man kaum weiß, wo der Kopf, und wo der
Schweif iſt. Herrn von Ullerdorf! Das
iſt wunderlich! Die Auſſenſeite meiner Briefe,
auf welcher mein Name ſteht, kann ich gut
genug leſen; aber wenn ich ſie offen mache,
denn iſt's vor meinen Augen verborgen als ein
——
a 2
U
— 105 —
Spulrad. Das iſt ſchlimm! ſehr ſchlimm! denn
das Inwendige des Briefs iſt doch immer die
Hauptſache; das Mark des Brieſwechſels.
Fr. v. W. Ha, ha, ha! Gut, ſehr gut!
Und jo {mar mein Hanſel dem Baron über:
legen?
Soph. Ja freilich, liebe Tante. Aber
Sie muͤſſen auch das uͤbrige hören. Sie follen
fi wundern, wie er ihn abermahls in Verle—
genheit ſetzte. 7
Fr. v. W. Mein Hanſel ſcheint mit ſeinem
| Briefe auch in Verlegenheit zu fein.
Hans. Verdammte Schrift! bald hoch,
bald niedrig! ſie ſchwankt, als wenn ſie beſoffen
wäre. (er lieſt) „Beſter Freund!“ Ja, das
war das. Dann koͤmmt ein J und ein E und
ein H. Aber ob der folgende Buchſtab ein X
oder ein Q iſt — das will ich nicht verrathen.
Fr. v. W. Ha, ha, ha! recht gut, recht
gut. — Was giebt's denn Hanſel? kannſt du
den Brief nicht leſen? ſoll ich dir helfen?
Soph. Laſſen Sie mich liebe Tante! Nies
mand liest eine kritzliche Hand beſſer, als ich.
(ſie nimmt den Brief) Wiſſen Sie von wem
er iſt?
Hans. Kann's nicht wiſſen. Ich denk“
aber, er iſt von den ee, e aus
dem Wirthshauſe. 1 une
Soph. Richtig, ſo iſt's. (fie ſtellt ſich, als
ob fie liest) „Beſter Freund! — Wir erwar-
„ten Sie mit Ungeduld — wir machen viel
4 Muſik — und die Geſellſchaſt iſt zahlreich.
„Es hat Haͤudel geſetzt, weil des Müllers Lies
chen!“ — Ach! lauter dummes Zeug — fies
ken Sie ein, (fie druͤckt den Brief zuſommen, .
und will ihm ſolchen zuſtecken.)
Hans. Dummes Zeug? O Sapperment!
ich hab' nur ein Wort gehoͤrt, und das Wort
iſt kein dummes Zeug! Leſen Sie Mama! leſen
Sie! — Seht doch! dumm Zeug? (er giebt
der Mutter den Brief, u. ka aufer f b ö
auf und ab.) 125 a
Fr. v. W. Was iſt se: ſeh' ich recht?
(fie liest) Beſter Freund! Ich warte ſchon
„ſeit einer halben Stunde vergeblich auf unſerm
„Sammelplatze. Ich ſehe weder Sophien noch
„Sie, noch dle friſchen Pferde. Reiſſen Sie
„mich aus meiner Ungeduld. Sie wiſſen, daß
„uns Eile noͤthig iſt, ſonſt koͤnnte Ihre Mut⸗
ter Verdacht ſchoͤpfen. Der Ihrige! Per-
.
„..
— 107 —
ning.“ Ha! Spitz buͤberei! ſchelmiſche Spitz—
buͤberel! Ich erſticke vor Bosheit!
Soph. Ich hoffe liebe Tante, Sie werden
mir die Thorheiten, die boͤſen Abſichten nicht
zuſchreiben, von denen ein Andrer der Urheber iſt.
Fr. v. W. (neigt ſich tief) Wohl geſagt,
Fraͤulein! Sie find bis zur Bewunderung hoͤflich
und verbindlich! Sie ſind die Krone der Der
ſcheidenheit und Behutſamkeit. (mit veränder—
tem Tone) Und du, du großer ungeſchlifner
Toͤlpel, der nicht ſo viel Vernunft hat das Maul
zu halten — auch du hatteſt dich gegen mich
verbunden? Aber ich will euer Komplot den
Augenblick zu Schanden machen. Ihr habt ein
paar ſriſche Pferde in Bereitſchaft? Es würde
grauſam ſein, den armen Thieren nichts zu thun
zu geben. Bereiten Sie ſich alſo dieſen Au—
genblick, anſtatt mit Ihrem Amadis, mit mir
davon zu fahren. Ihre Tante Buchau wird
Sie ſchon huͤten; wird beſſer auf der Hut ſein,
als ich. Du unverſchämter Vengel ſollſt uns
hinfuͤhren, EN
Hans. Jetzt? Poz Wetter, Mama! es
iſt ſieben Uhr; wir kommen vor ſtock finſtrer
Nacht nicht wieder,
— 106 —
Fr. v. W. Es if Mondſchein. Kurz, du
ſollſt; und das ohne alle Widerrede. Ich will
euch zeigen, daß ichs beſſer mit euch im Sinne
habe, als ihr ſelbſt. |
(fie geht ab.)
een | Auftritt
Sophie, Hans.
Sop h. Nun bin ich völlig verloren.
Hans. Kommt mir auch fo vor.
Soph. Was war auch anders von einer
Verbindung mit einem ſolchen Dummkopfe zu
erwarten? und das nach allen den Winken und
Zeichen, die ich ihm gab.
Hans. Dummkopf ſelbſt! Ihre Dummheit,
nicht meine hat Sie in die Tinte gefuͤhrt. Was
rum ließen Sie des Muͤllers Liſel nicht aus dem
Spiel?
Soph. Nun, und wie konnte Sie das ins
tereſſiren, ob ich des Muͤllers, des Verwalters,
oder des Gärtners Tochter nannte?
Hans. Freilich intereſſirt's mich — und da;
mit Sie's nur wiſſen, die Liſel iſt mein Schatz,
nn ne
*
und um der Liſel willen mag ich Sie nicht
leiden.
Soph. (fuͤr ſich) Veraͤchtlicher Bube!
Eilfter Auftritt.
Vorige, Ferdinand.
Ferd. Finde ich Sie endlich allein? laſſen
Sie uns eilen, beſter Freund! — Wo ſind die
Pferde? a |
Hans. Im Stalle.
Soph. Er, Ihr Freund? der nichtswuͤr—
dige Dummkopf hat Ihren Brief feiner Mutter
gezeigt, und uns verrathen.
Ferd. Was? uns verrathen? — Elender
Menſch!
Hans. Ich hab' nichts verrathen. — War
rum hat ſie meine Liſel ins Spiel gebracht! —
Hohls der Hund! Sie war Schuld, nicht ich.
Zwölfter Auftritt
Vorige, Karl.
Karl Rechenſchaft Burſche! Warum hat
ar mich zum Geſpoͤtte gemacht? zu Unhoͤflichkei—
ee n
U
ten verleitet? Warum gab er ſeines Vaters
Haus fuͤr einen Gaſthof aus?
Hans. Noch Einer! — Ich I alle g
Narren aus deim i haben fi fd Losger |
riſſen. |
Soph. Jeder von uns hat Ai weiber,
gnuͤgen ihm zu danken.
Karl. Was kann man mit ihm anfäligen t:
einem bloſſen Knaben, einem Dummkopf, 0
ſen Unwiſſenheit ſein Schutz iſt. 4 f
Fer d. Ein armſeliger, verächtlicher Bube,
der der Zuͤchtigung nur Schande machen wuͤrde.
S o p h. Der aber Argliſt und Bosheit ges
nug beſitzt, ſich uͤber unſere e luſtig
zu machen.
Ferd. Ein unempfindliches Thier! nicht
werth, daß man 5 den 1 durch den Leib
rennt. f
Karl. Das lauter Seite und Un⸗
heil im Kopfe hat.
Hans. Potz Blitz und der Teufel! nun
hab ich's ſatt. Heraus mit euch! verdammt
will ich ſein, wenn ich mich nicht mit allen dreien
herumpruͤgle. Auf die Fauſt, oder auf den
Pruͤgel — wie ihr wollt.
—— 148 —
Karl. Er, Burſche, iſt unter meiner
Rache. Aber Ihr Betragen, Baron, fordert
eine Erklarung. Sie wußten meinen Irrthum —
warum beſtaͤrkten Sie mich, ſtatt ihn mir zu
benehmen?
Ferd. Iſt es jene 7 zu Fer Hässingen,
da ich von eigner fehlgeſchlagner Voffnung ge⸗
quaͤlt werde?
Karl. Aber —
So p h. Ach e wit r HR 95
ten Irrthum nicht eher, als bis es zu fpät war,
Ihnen denfelben zu e Veruhigen
Sie ſich.
Dreizehnter Auftritt.
Vorige, Paul.
Paul. Gnädiges Fräulein! fie ſollen kom—
wen. Es wird ſchon angeſpannt. N
Soph. Gut, gut! ich komme gleich.
(paul geht ab.)
Karl. War es redlich gehandelt, mich
lächerlich zw. machen? mich in die Nothwendig—
keit zu ſetzen, den Freund meines Vaters zu
Brain 112 —
beleidigen? Verlaſſen Sie ſich darauf, baß ich
nicht ohne Erklaͤrung von Ihnen ſcheide.
Ferd. War es rechtſchaffen gehandelt —
wenn Sie doch von Rechtſchaffenheit ſprechen
wollen — anvertrautes Gut der Aufſicht eines
Andern zu uͤbergeben?
Soph. Baron! Ferdinand! warum wollen
Sie meinen Kummer durch Ihre Zwiſtigkeit ver—
groͤßern? Ich bitte — ich beſchwoͤre Sie —
9
*
Vierzehnter Auftritt,
Vorige, Peter.
ö N
Pet. Da iſt der Mantel. Sie follen kom:
men! der Junker auch (er geht ab.)
Soph. Ich komme. — Ich bitte, vertra—
gen Sie ſich. Wenn ich Sie ſo verlaſſe, muß
ich vor Furcht ſterben.
Funfzehnter Auftritt
Vorige, Paul-
Paul. Da iſt die Kappe, die Handſchuhe —
die Pferde warten. (geht ab.)
1
1
i
1
f
Soph. O Baron! wuͤßten Sie, was fuͤr
eine Begegnung mir bevorſteht, Ihre Empfinds
lichkeit wuͤrde ſich in Mitleid verwandeln.
Karl. Verzeihen Sie mir, Fraͤulein! ver—
zeihen Sie mir, mein Freund. Sie koͤnnen
keine ſchlimme Abſicht mit mir gehabt haben.
Rechnen Sie meine Hitze meinem Temperamente,
nicht meinem Herzen zu.
Soph. Nun bin ich in fo fern beruhigt —
Fr. v. W. (inwendig) Sophie! Sophie!
Soph. Leb wohl, theurer Ferdinand! leb
wohl! Beſtaͤndigkeit iſt unſre Loſung! vergiß es
nicht, Beſtaͤndigkeit. — Adieu Baron!
(fie geht ab.)
Karl. Sie ſehen die Folgen Ihrer Thor—
heit, junger Herr! Leb wohl Ferdinand! du
bedarſſt Troſt, aber ich kann dich nicht troͤſten.
cer geht ab.)
Ferd. O mein Herz! wie kann ich das aus:
ſtehen? dem Gluͤcke fo nahe zu ſein, und einem
ſolchen Gluͤcke! 8
Hans. (der nachgedacht hat) Hohls der
Hund! ich hab's geſunden. Ihre Hand her —
Cer ſchlaͤgt ein) Sie follen das Madel wieder
haben. Und wenn Sie nicht finden, daß ich
8
— 116 —
Fuͤnfter Aufzug.
(Ein Platz mit Baͤumen, wie im erſten Aufzuge.
Mondſchein.) ö
Erſter Auftritt.
Ferdinand.
Noch kommt nichts! — Vin ich nicht ein
Thor, daß ich hier auf einen Burſchen warte,
der ſich vermuthlich ein boshaftes Vergnuͤgen
daraus macht, mich zu Franken; der gar nicht
die Abſicht hat, zur beſtimmten Zeit hier zu—
ſein. — Vielleicht iſt er unſchuldig — vielleicht
hat die Mutter ſeine Liſt gemerkt, und ihn an
der Ausfuͤhrung gehindert. — Dem ſei, wie
ihm ſei! ich will meinem erſten Gedanken fol⸗
gen, und mich dem alten Wenski entdecken.
Kann er nichts fuͤr mich thun, ſo wird er mir
wenigſtens nicht entgegen ſein; davon bin ich
überzeugt. — Er kommt, und iſt in guter Laune,
wie es ſcheint.
— TR —
Zweiter Auftritt
Herr v. Wenski, Ferdinand.
Wenski. Genieſſen Sie auch det ſchoͤnen
Abends, Herr Baron?
Ferd. Ja, ich unterhielt mich —
Wenski. Ha, ha, ha! ich habe viel in
meinem Leben geleſen, aber ſo etwas drolliges,
wie Ihres Freundes Irrthum, iſt mir nicht vor
Augen gekommen. Wenn ich mich des entſchei—
denden Tones noch errinnere, in welchem er
ſeine erhabnen Befehle bekannt machte!
Ferd. Seine Zuruͤckhaltung gegen Ihre
freundſchaftlichen Anerbietungen war nicht weni—
ger unterhaltend.
Wenski. Hahaha! Mich fuͤr einen Gaſt—
wirth anzufehen! Er follte doch in meiner Art
etwas bemerkt haben, das keinen gemeinen
Gaſtwirth ankuͤndigt. )
Ferd. Er hielt Sie auch nicht fuͤr einen
gemeinen Gaſtwirth.
Wenski. Aber lieber Baron, warum lieſſen
Sie ihn ſo lange in ſeinem Irrthume?
Ferd. Mein Plan war, ihn bis zu ſeines
Vaters Ankunft darin zu erhalten. Ich fuͤrch—
\
— 118 —
tete ſeine Beſchaͤmung moͤgte ihn zu einer
ploͤtzlichen Abreiſe beſtimmen. Und Sie ſehn,
da er noch jest, fo feſt darauf beſteht ſich zu
entfernen, daß meine Furcht nicht ungegruͤndet
war. eb a
Wenski. Schreckſchuͤſſe!, Schreckſchuͤſſe!
er geht gewiß nicht.
Ferd. Ich hab' ihm wenigſtens die
Mittel zur Abreiſe benommen. Er hat keine
Pferde. — 8 N
Wenski. So? wo ſind ſie denn? Sie
kamen ja mit eignen Pferden? — Nun, warum
ſo unruhig? 5
Ferd. Die kurze Zeit, in der ich die Ehre
habe, Ihnen bekannt zu ſein — berechtigt mich
nicht, Sie um Ihre Freundſchaft zu bitten.
Wenski. Mein Freund Karwiz giebt
Ihnen das Zeugniß eines braven Mannes,
folglich bin ich Ihr Freund. Und da haben Sie
Hand und Wort, daß ich's thaͤtig ſein will,
wenn Sie mir Gelegenheit dazu geben.
Ferd. Auf dieſe guͤtige Verſicherung will ich
Ihnen mein Herz oͤfnen — Ich bete Sophir
von Buchau an.
Wenski. Und lieſſen ſie davon fahren?
Ferd. Sollt' ich mich gegen den Befehl
Ihrer Gemahlin ſetzen? „
Wenski. Es haͤtt' Ihnen auch nichts gehol—
fen. Was ſie will, thut ſie; nur der lieder—
liche Junge, ihr Sohn kann ſie lenken.
Ferd. Er iſt auf meiner Seite, und den—
noch —
Wenski. Er iſt auf Ihrer Seite? Er ſoll
ja Sophien heirathen.
Ferd. Er ſoll, aber er will nicht.
Wenski. So hat wir meine Margaretha
etwas vorgelogen! Nun, das iſt nichts neues.
Ich hoffe, Ihre Sache wird gut gehen. — Ha—
ben Sie Sophiens Gegenliebe?
Ferd. Ja, Herr von Wenski. Sophiens
Pater billigte unſre Zaͤrtlichkeit; ſein ploͤtzlicher
Tod vernichtete alles. |
Wenski. So find Sie der Mann? —
Ich weiß, ich weiß! ich habe davon munkeln
gehört.
Ferd. Hierauf kam Sophie zu ihrem Oheim,
der mir allen Umgang mit ihr unterſagte.
Wenski. Sehr dumm!“
Ferd. Sein Vermögen vermachte er ihr
mit der Bedingung, Ihren Stiefiohn zu hei—
rathen.
Wenski. Das hat meine Frau fo gekartet.
Ferd. Ich bedarf keiner Vermehrung meines
Vermoͤgens, um meine Gemahlin ihrem Stande
gemaͤß zu erhalten.
Wenski. Das weiß ich.
Ferd. Aber Sophie, aus fakſcher Delika⸗
teſſe, will ihrem Mann nicht alles zu danken
haben; fonft war ich ſchon mit ihr geflüchtet,
und Morgen auf ewig mit ihr verbunden.
Wenski. Beſſer daß es nicht geſchehen iſt.
Jedes Davonlaufen mißfaͤllt mir. Sie ſollen
es hier bequemer haben. Alles kommt darauf
an, daß mein Stiefſohn Sophien nicht liebt.
Ferd. Er haßt ſie ſo ſehr, als moͤglich.
Wenski. Ein Kompliment fuͤr Sophien.
Wiſſen Sie hiemit, daß Sophiens Onkel noch
eine Klauſel in ſeinem Teſtamente gemacht: die
meine Margaretha weislich verſchweigt. Sie
lautet ſo: Wenn Herr von Ullerdorf Sophien
von Buchau nicht mag, ſo iſt ſie ungetheilte und
unumſchraͤnkte Beſitzerin der Erbſchaft.
Ferd. Iſt's moͤglich!
Wenski. Auf mein Wort. — Aber wenn
der Junge Sophien nicht will, warum führe er
ſie denn ſelbſt fort, und verhindert —
Ferd. Er verſprach zu thun, als wenn er
den Weg verfehlt haͤtte; und die Damen im
Zirkel wieder herzubringen.
Wenski. Ob es gleich Ihren und auch
meinen Wuͤnſchen gemaͤß iſt, daß Sophie zu—
ruͤck kommt, ſo werden Sie mir doch ver—
zeihen, daß ich ihn mit ein paar Ohrfeigen
bewillkomme, weil er ſeine Mutter zum Nar—
ren hat.
Ferd. Aber —
Wenski. Dazu bin ich feſt entſchloſſen.
Vielleicht bewirkt auch der Spaß ſoviel, daß
der Mutter die Augen geöffnet werden, und fie
meinem Rathe folgt.
Ferd. Der iſt? —
Wenski. Ihn ein Paar Jahre unter die
Soldaten zu ſtecken; das iſt die einzige Schule
für ſolche Burſche. Doch, genug von ihm!
Es iſt mir angenehm, (lieber . daß ich
Ihnen dienen kann.
Ferd. Mein Dank wird ohne Grenzen
ſein.
Glauben Sie denn, daß Ihre ganze Familie
meine Unverſchaͤmtheit empfunden hat?
Wenski. Unverſchaͤmtheit! — Das ſag
ich nicht — das war's nicht — nicht voͤllig
Unverſchaͤmtheit — die Maͤdels haben es gern,
wenn man ein wenig mit ihnen ſpielt, und mit
unter, ſie ein bischen herum zauſet. — Aber ſie
hat das nicht erzählt, auf mein Wort!
Karl. Ich gab ihr auch nicht die geringſte
Urſache dazu.
Wenski. Gut, gut! Niemand ſchaͤtzt Bes
ſcheidenheit, wenn fie an ihrer rechten Stelle
ſteht, hoͤher als ich; aber Sie uͤbertreiben ſie.
Hier duͤrfeu Sie offenherzig ſein. 5
Karl. Ich will ſterben, wenn ich jemals —
Wenski. Nun, ſo will ich den Anfang zur
Offenherzigkeit machen. Sie mißfallen meiner
Tochter nicht, und da ich weiß, daß ſie Ihnen
gleichfalls gefaͤllt —
Karl. Ich verſichre Sie auf —
Wenski. So ſeh' ich nicht, warum wir
Weitlaͤuftigkeiten machen wollten; warum man
Sie nicht ſo geſchwind verheirathen ſollte, als
man nur verheirathen kann. 5
Karl. Aber hoͤren Sie mich nur —
Wenski. Ihr Vater trift Morgen ein. Er
genehmigt Ihre Verbindung; ich auch, und —
Karl Ich bitte Sie inftandig mich anzu—
hören —
Wenski. Nun?
Karl. Bei meiner Ehre, ich gab Ihrer
Fraͤulein Tochter nie das geringſte Merkmal von
meiner Zuneigung; auch nicht den entfernteſten
Blick, woraus ſie Liebe haͤtte muthmaßen koͤn—
nen. Wir hatten nur eine Unterredung mit—
einander, und dieſe war ſehr formell, beſcheiden
und gar nicht intereſſant.
Wenski. (fuͤr ſich) Die formelle beſchei—
dene Unverſchaͤmtheit des Menſchen iſt unertraͤg—
lich.
Karl. Ich darf mich kuͤhn auf das Zeug—
niß meines Freundes berufen, daß das Verfah—
ren, welches Sie mir gegen Ihre Fraͤulein Tochter
beimeſſen, ganz auſſer meiner Natur iſt.
Wenski. Was? Sie haͤtten ihr keine
Betheurungen von Zaͤrtlichkeit gemacht? ſie
nicht bei der Hand ergriffen, und —
Karl. Ich reiſte auf meines Vaters Be—
ſehl hierher. Ich ſah' Ihre Fraͤulein Tochter,
ohne geruͤhrt zu werden, und verlaſſe ſie, ohne
—— 128 —
kurze kragiſche Tirade an, und ſchloß mit dem
ſcheinbarſten Entzuͤcken der Liebe.
Wenski. Da ſehn Sie's!
Ferd. Verzeihen Sie mir, Fräulein! ich
darf nicht widerſprechen — und dennoch — zu
dieſem Gemaͤlde hat Karl nicht geſeſſen. Dies
thoͤrichte, kuͤhne Betragen bezeichnet ihn nicht.
Er iſt im Umgange mit Frauenzimmern der
ehrerbietigſte, beſcheidenſte Juͤngling; dem es
unmoͤglich fallt, vier zuſammenhaͤngende Worte
zu ſprechen.
Nan. Wie aber, Baron, wenn ich Sie
durch den Augenſchein uͤberzeuge, daß er ſehr
zuſammenhaͤngend ſpricht. — Sehn Sie ihn
dort nachdenkend auf und ab gehn? — Aus
welcher Urſach glauben Sie? Er erwartet den
Augenblick Ihrer Entfernung, um ein zuſam—
menhaͤngendes Geſpraͤch mit mir zu halten. —
Verſtecken Sie ſich mit meinem Vater ins Ge—
buͤſch, und Sie ſollen aus ſeinem eignen Munde
hoͤren, wer von uns ſich in ihm geirrt hat. 6
Wenski. Das wollen wir, das wollen wir.
Die Sache muß endlich zu Ende kommen. Fort
Baron, ins Gebuͤſch!
(ſie gehen hinter ein 2 Bofg wert.
Nan. (geht auf und ab) Er nähere ſich
ſchon. — Ich moͤchte wohl wiſſen, wer von uns
den groͤßten Trieb hat, einander zu ſehn! —
Er ſieht ſich um — wahrſcheinlich nach meinem
Vater — Nun ruͤckt er eilfertig an. Sachte Herr
General! ein forcirter Marſch bringt nicht immer
Vortheil. |
Sechſter Auftritt.
Nanette, Karl. |
Karl. Ich bin zur Abreiſe bereit, und
komme, nochmals von Ihnen Abſchied zu nehmen.
Der Schmerz, den ich bei dieſer Trennung fuͤhle,
vermehrt ſich mit jedem Augenblicke.
Nan. Cin ihrem natürlichen Tone) Ich
glaube, Herr Baron: ein Schmerz, dem fo
leicht abzuhelfen iſt, kann nicht groß fein. Es
liegt in Ihrer Willkuͤhr, Ihre Abreiſe zu ver—
ſchieben, wenn Sie den geringen Werth desje—
nigen wirklich fühlen, deſſen Verluſt Sie zu
bedauern ſcheinen.
Karl. (fuͤr ſich) Mit jedem Augenblicke
bekommt das Mädchen mehr Gewalt über mich.
(laut) Ich muß reiſen; ich darf nicht laͤnger
9
bleiben. Ich habe ſchon zu lange mit meinem
Herzen geſpielt. Sogar mein Stolz faͤngt an
meiner Leidenſchaft nachzugeben. Die Ungleich—⸗
heit der Erziehung, und der Gluͤcksumſtaͤnde;
der Zorn eines Vaters; die Verachtung meiner
Freunde fangen an ihr Gewicht bei mir zu
verlieren. Und nichts kann mich mir ſelbſt
wiedergeben, als der ſchmerzliche Entſchluß —
Nan. Gehen Sie alſo, mein Herr! Ich
will nichts mehr anfuͤhren, Sie aufzuhalten.
Ihre Abſicht geht auf Stand und Reichthum,
nicht auf Eigenſchaften der Seele und des Koͤr—
pers.
Karl. Nie hab' ich Gluͤcksguͤter meiner
Achtung gewürdigt. Ihre Schönheit fiel mir
zuerſt in die Augen; denn wer könnte wohl dieſe
ungeruͤhrt ſehn; aber jeder neue Augenblick ver—
mehrt Ihre Vollkommenheiten. Was mir
anfaͤnglich laͤndliche Einfalt ſchien, iſt nun edle
Simplizitaͤt. Was dreiſte Zuverlaͤſſigkeit ſchien,
iſt muthige Unſchuld und ſelbſt bewußte Zur
gend — der ich nicht zu widerſtehn vermag.
— Ich bleibe, und erwarte meinen Vater —
er beſtimme mein Schickſal. Sollt' er uns
trennen — nein, nein, er iſt zu weiſe, zu gut,
daß er mir feine Einwilligung verſagen follte,
wenn er Sie ſieht.
Nan. Glauben Sie, daß ich in eine Ver:
bindung willigen werde, die den geringſten
Anlaß zur Reue geben kann? Glauben Sie,
daß mir ein Gluͤck angenehm ſei, das ich durch
die Verminderung des Ihrigen erwuͤrbe?
Karl. Ich kenne kein ander Gluͤck als Ihren
Beſitz. Nie werd' ich Reue empfinden, als
daß ich Ihre Verdienſte nicht eher erkannt.
Auch wider Ihren Wunſch will ich bleiben, um
durch Ehrfurcht und Zärtlichkeit, meinen vorigen
Leichtſinn wieder gut zu machen.
Nan. Nein, Herr Baron, laſſen Sie unſre
Bekanntſchaft fo enden, wie fie entſtand —
gleichguͤltig. Nie werd' ich in eine Verbindung
willigen, die mir den Schein des Eigennutzes,
und Ihnen, der Unbedachtſamkeit geben kann.
Und wie kann ich mir ſchmeicheln, einen Mann
auf immer zu feſſeln, der ſich fo dreift, fo zuver—
ſichtig um mich bewarb?
Karl. (kniet) Sieht dies der Zuverſicht
ahnlich? — Nein, jeder Augenblick, der nur
neue Verdienſte an Ihnen zeigt, vermehrt mein
9 *
— 132 —
Mißtrauen und meine Verwirrung. Hier will
ich bleiben bis — |
Wenski. (tritt mit Ferdinand hervor)
Ich erhoͤrt werde, oder ſterbe. — Aha, junger
Herr! iſt dies Ihre Gleichguͤltigkeit, Ihre kalte
formelle beſcheidne Unterredung? — Was
koͤnnen Sie nun ſagen?
Karl. Daß ich erſiaune, und nicht begreife,
was das alles bedeutet!
Wens ki. Es bedeutet, daß Sie doppelzuͤn—
gig ſind; daß Sie unter vier Augen ſehr galant
bei einem Frauenzimmer find, und es öffentlich
wieder verneinen; daß Sie mit mir ganz anders
geſprochen, als mit meiner Tochter.
Karl. Tochter! — iſt dies Ihre Tochter?
Wenski. Ja, meine Anna, meine einzige
Tochter. Was ſoll ſie ſonſt ſein? |
Karl, O der Teufel! N
Wenski. Sie haben ſie alſo nicht ges
kannt? — Ah, nun kann ich mir Ihr Geſpraͤch
erklaͤren.
Ferd. Aus den erſten Reden ſah' ich den
Irrthum.
4 1
.
E U . u
3
Karl. Dies iſt Ihre Fräulein Tochter?
Nan. Ja, Baron, das alberne, ſchielende
Geſchoͤpf! (ſie neigt ſich) um welches ſie ſich
ſo ſanft, ſo beſcheiden, empfindſam, bloͤde, zu⸗
ruͤckhaltend — und zugleich fo dreiſt, kuͤhn, und
ausgelaſſen bewarben.
Karl. (fuͤr ſich) Ich moͤgte fuͤr Schaam in
Ohnmacht fallen. 7
Nan. In welchem von Ihren Karakteren
befehlen Sie jetzt zu erſcheinen? Als der ſtot—
ternde junge Menſch, der kaum ſo laut ſpricht,
daß man ihn hoͤren kann, oder als der laute,
dreiſte, zuverſichtliche Stutzer?
Karl. (für ſich) Nun, fo hab' ich doch nie
einen Verſuch gemacht, unverſchaͤmt zu ſein,
ohne dafuͤr zu buͤſſen. (laut) Erlauben Sie mir,
mich zu entfernen. y
Wenski. Entfernen? Nein, das ſollen Sie
nicht. Ich ſehe, daß hier auf allen Ecken
Irrthum war, und es beluſtigt mich herzlich.
deine Tochter wird Ihnen gern vergeben;
nicht wahr Anna? — Was kommt da fuͤr ein
Wagen? —
Ferd. Ich vermuthe, Ihre Gemahlin mit
meiner Sophie.
Wenski. Deſto beſſer! — Nun Anna!
was meinſt du?
Nan. Wenn mir der Herr verſprechen wollte,
kuͤnftig den Mittelweg zwiſchen dem zu beſchei—
denen, und zu freien Betragen zu halten —
Wenski. Was meinen Sie? —
Karl. Ich — wuͤnſchte — das Gluͤck —
Nan. Viel zu bloͤde —
Wenßki. Dreiſter, dreiſter.
Karl. O mein Engel, wenn mein Entzuͤk⸗
ken —
Nan. Viel zu dreiſt.
Wenski. Die Mittelſtraſſe, die Mittel
ſtraſſe.
Siebenter Auftritt.
Vorige, Sophie.
Wenski. Wer iſt da? Ha, Sophie! nur
naͤher, nur näher! Ich weiß alles, und es fol
ſchon gehn. Wo iſt meine Frau?
r
— 135 —
Soph. Sie kommt, aber in us beſchreibli—
cher Furcht! fie glaubt nicht, daß fie zu Haufe
iſt.
Wenski. Warum gingen Sie von ihr?
Soph. Um, um —
Wenski. Um mit dieſem jungen Herrn das
von zu wiſchen? Sie ſollen es bequemer haben.
— Ich glaube, da kommt meine Margaretha!
laßt uns bei Seite treten. Ich will doch ſehen,
wie der Junge ſich gegen die Mutter betraͤgt. —
Anna, geh du mit deinem bloͤd und dreiſten Her—
ren, und lehr ihn, keins von beiden zu ſein.
Und Sie Baron, unterrichten Sie Sophien,
wie Ihre Sachen ſtehn. Fort, fort. (Nanette
geht mit Karl, Sophie mit Ferdinand, und
Herr von Wenski verſteckt ſich allein.)
Achter Auftritt.
Vorige, Frau v. Wenski, Hans.
Fr. v. W. Ach! ich bin des Todes! —
Wo willſt du mit mir hin, Hanſel? Um alles
in der Welt — wo ſind wir?
— 136 —
Hans. Zu Hauſe, Mama, fo wahr ich
Ihr Sohn bin! Fuͤrchten Sie ſich doch nicht.
Fr. v. W. Du willſt mir Muth machen,
Hanſel, ich ſeh es wohl. Aber ich bin gewiß,
daß wir irre gefahren find, l
Häns. Wir ſind auch irre gefahren, aber
deswegen doch zu Haufe, an
Fr. v. W. Dein Troſt beunruhiget ie
mehr, als wenn du mir grade herausſagteſt, in
welcher Gefahr wir uns befinden.
Hans. Hohls der Hund, Mama, wir find
in keiner Gefahr! ſo glauben Sie mir doch.
Sehen Sie denn nicht die hohen Baͤume vor un—
ſerm Hauſe? dort den Taubenſchlag? dort —
Fr. v. W. So recht! iſts nicht an meiner
Furcht genug? willſt du mich auch noch aͤr—
gern? — Ich ſeh den Unterſchied gar zu
gut. — Laß uns weiter fahren, Hanſel! laß
uns weiter fahren! vielleicht finden wir den
rechten Weg. ö
Hans. Hohls der Hund! wir haben ihn
ſchon gefunden, ſag' ich Ihnen.
a, ce
* 4
\ -
Fr. v. W. Laß uns fahren! —- 4
Hans. Womit? die Pferde find ſchon im
Stall, und muͤde wie die Hunde. — BEER
Sie doch nur ins Haus. —
Fr. v. W. Nit nermehr! das kann eine
Moͤr derhoͤhle fein, ein Spitzbuben Auffenthalt —
Hans. Ich ſage Ihnen aber —
Fr. v. W. Du kennſt ja das Haus nicht,
weil du es für unſers ausgiebſt.
Hans. So laſſen Sie mich nur hinein
gehn, und Leute hohlen —
Fr. v. W. Du willſt von mir gehn? willſt
dich in Lebensgefahr ſtuͤrzen? — Laß uns fah—
ren! ich weiß, | daß der Wagen noch da ſteht al
Hilf lieber Himmel! wo ift denn Sophie?
Hans. Sie iſt im Hauſe, ſag ich Ih—
nen —
Fr. v. W. Halt mich nicht zum Beſten,
du unverſchamter Bube! oder trotz meiner To;
desangft —
Wenski. (nähere ſich)
Fr. v. W. Ach! barmherziger Himmel!
wer kommt da? — Es iſt ein Mann — ein
Straßenraͤuber —
— 138 —
Hans Potz Wetter, Mama, ſo fuͤrchten
Sie ſich doch nicht! es iſt ja Papa.
Fr. v. W. Ach! ich bin des Todes!
Hans. Es iſt ja der Papa. (Er geht zu
ihm) Sehn Sie doch! ’
Wenski. (zaußt ihn bei den Haaren)
Hans. Au, au!
Fr. v. W. Huͤlfe, Huͤlfe! er bringt meinen
armen Jungen um. (ſie kniet) Barmherzigkeit,
lieber Herr Straßenraͤuber, Barmherzigkeit!
nehmen Sie mein Geld, mein Leben, nur ſcho—
nen Sie des jungen Herrn.
Wenski. So komm doch zu dir! — -
Fr. v. W. Unſer Geld, unſre Uhren —
Sie ſollen alles haben, lieber Herr Straßen—
raͤuber! nur ſchonen Sie unſer Leben. — Wir
wollen Sie auch nicht bei Gerichte angeben.
Wenski. Bringt Licht! Margaretha!
komm doch zu dir! kennſt du mich denn
nicht? — |
Fr. v. W Ach! — Ach! — Mein Mann,
ſo wahr ich lebe! — Mein Himmel! wie
koͤmmſt du hierher? — ſo weit vom Hauſe? —
Biſt du uns nachgefahren? a
— 139 —
Wenski. Ich glaube, du haſt den Ver—
ſtand verloren, Margaretha! Deine Furcht
macht dich blind. So weit vom Hauſe, da
du kaum zehn Schritte von der Thuͤr entfernt
biſt?
Neunter Auftritt.
Vorige, Paul, Peter mit Lichtern.
(Die uͤbrigen naͤhern ſich auch.)
Fr. v. W. Wahr und wahrhaftig! ich bin
zu Hauſe.
Hans. Das hab ich Ihnen ja hundertmal
geſagt. Nun moͤgt' ich aber wiſſen, warum
der Vater mich gehuſcht hat?
Wenski. Um deiner Spatzierfahrt willen!
weil du deine Mutter zu Beſten gehabt haſt.
Fr v. W. Du biſt alſo vorſaͤtzlich irre ge—
fahren, du gottloſer Bube? Wart ich will
dich lehren, deiner Mutter fo mitzuſpielen!
Sophiechen, wie ich ſehe, iſt auch ſchon in
guter Geſellſchaft.
Wenskl. Die beiden Leute lieben ſich,
und verlangen einander zur Ehe. .
— 140 —
Fr. v. W. Daraus wird nichts.
Wen sk. Ihre Hand ſteht nicht unter
deiner Gewalt.
Fr. v. W. Aber ihr Vermögen. Das
bleibt bei der Familie, um uns uͤber den Verluſt
ihrer Hand zu troͤſten.
Wenski. Bei dem Teſtamente war noch
eine gewiſſe Klauſel —
Fr v. W. Klauſel hin, Klauſel her!
Wenski. Die Sache ſoll gleich in Ord—
nung ſein. — Komm her Hans!
Hans. Das laß ich wohl bleiben. Warum
hat mich der Vater gehuſcht?
Wens ki. Du haſt ein Mittel mich zu deinem
Freunde zu machen. —
Hans. Was iſt das fuͤr ein Mittel?
Wenski. Die Wahrheit zu ſagen.
Hans. Hohls der Hund, wers glaubt!
Darum ſind Sie mir ja nicht gut, weil ich Ihuen
ſo oft die Wahrheit ſage.
Wenski. Willſt du Fräulein Sophien hei—
rathen?
Fr. v. W. Sag ja, Le 199 ja. —
Wenski. Stille Margaretha, laß ihn
reden! — Hans, du biſt in punkto dieſer
Heirath ein freier Mann.
Hans. Iſts wahr?
Wenski. Auf mein Wort.
Fr. v. W. Hanſel!
Hans. So ſollen Sie ſehen, was ich von
meiner Freiheit für Gebrauch machen will. (ev
e Sophien bei der Hand) Kund und zu
iſſen ſei hiemit Jedermann! daß ich, Hans
von Ullerdorf, Fraͤulein Sophie von Buchau,
zu meiner treuen und kechtmaͤſſigen Frau —
5 — und gar nicht haben will.
[Wenski. Bravo Hans!“
Ferd. Mein beſter Freund!
Soph. Dank Vetterchen!
Fr. v. W. Du ungehorſamer Junge!
Kir
zugleich
Wenski. Anna, wie gehts mit deinem
Schuͤler? |
Na n. Ziemlich gut, Papa, ziemlich gut.
Wenski. (giebt ihre Hände zufammen )
d r Himmel fegne euch, meine Kinder! —
enn fie eine ſo gute Frau wird, als fie eine
e Tochter war, ſo ſoll Sie der Kauf nicht
Ag
— 142 — 5 70
reuen. Nun wollen wir zum Nactefen; un
Morgen ſollen alle Arme des Kirchſpiels cher
an meiner Freude nehmen. Du haſt dich i
der Geliebten geirrt, mein Sohn — id
wuͤnſche, daß du dich nie in der Frau irre
moͤgeſt. g
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