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Full text of "Irrthum auf allen Ecken; ein Lustspiel in fünf Aufzügen. Nach dem Englischen des O. Goldsmith"

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Irrthum auf allen Ecken 
Irrthum auf allen Ecken 


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University of Toronto 


http://www.archive.org/details/irrthumaufallene0Oirrt 


| 
| 
| 


Irrthum auf allen Ecken. 


Ein 
net 


fünf Aufzügen. — 


— — 


Nach dem Engliſchen des D. Goldſmith. 


Neue Auflage. 
———ů——5ðÿ9ùÄ—ᷓ᷑ ᷑ᷓ7 2 . Ben Kn¼˙ʃj7—— 
Hamburg, 
bei Bachmann und Gundermant, 
1 8 0 Ar 


Perſonen. 


Herr v. Wenski, ein alter Landedelmann. 
Nanette v. Wens ki, deſſen Tochter, erſter Ehe. | 
| Margarethe v. Wenski, deſſen zweite Frau. 
Hans v. Ullerdorf, ihr Sohn, erſter Ehe. 
Sophie v. Buchau; ihre Nichte. 
Baron Karl v. Karwiz. 

Baron Ferdinand von Perning, 

Freund. 

Peter, 
Paul, 
= akob, des Baton Karwiz Bediente. 


5 des alten Wenski Bediente. 


[3 


r 
I» 


3 Erſter Aufzug. 


Ne 


* 


Ein grüner. Platz mit hohen Bäumen, vor 
einem ſehr altmodiſchen Landhauſe. 


1 
* 


IM 


4 
0 } 
FAN 


Erſter Auftritt. 


Herr v. Wenski ſitzt unter den Baͤumen 
und lieſt in einem Buche. 


Wenski. Maul! Peter! — Das iſt, 
glaub ich, zum zwanzigſten male, daß ich die 
Schlingel ruſe! und keiner hoͤrt; und keiner 
kommt. (er ljeſt) Das nenn ich eine Schlacht, 
die Schlacht bei Zenta! Dreißig tauſend Tuͤr— 
ken maſſakrirt, und das ganze Lager erbeutet. 
Ein großer Mann, der Prinz Eugen — aber 


doch zieh ich ihm den Hunniades vor. — Pant! 


Peter! das iſt verdammtes Volk! — So hät 


U 


* x N 


* 
—— 2 — 1 Bi 
2 


* 


ten ſich die Dienſtbothen im funfzehnten Jahr- 
hunderte betragen ſollen! — Alte Zeiten, gute 
Zeiten! — Ich muß die Bengel zur Aufnahme 
meines kuͤnftigen Schwiegerſohns abrichten! 
Wit ſind immer allein; kommt einmal Geſell—⸗ 
ſchaͤft, fo muß man fie eben ſo exerziren, als eine 
Kompanie Rekruten zur erſten Muſterung. — 


Paul! Peter! Paul! Peter! SER, 


Zweiter Auftritt | 


Herr v. Wenski, Paul ohne Rock, 
Peter mit einem Schuh und einen 


Pantoffel. 


— 


Wenski. Wo ſteckt ihr? wo bleibt ihr ſo 
lange, ihr liederlichen Schurken! 

Paul. Ihro Gnaden! es iſt mit dem jun⸗ 
| gen Herrn nicht mehr auszuhalten. 

Pet. Alle Augenblicke macht er uns einen 
neuen Schabernack. 

Paul. Mir hat er meinen Livreerock verſteckt. 

Pet. Und mir einen Schuh. 

Pau l. Das hat ung jo lange aufgehalten. 

Wenski. Der Bube hat lauter Schelme⸗ 


N 


7 


x 8 Sid 3 ER 


1 


34 reien im Kopf! Verwahet eure Sachen deſſer, 


daß er nicht dazu kommen kann. 

Pet. Hilft nichts, an ene er findt's 
überall, 

Wenki. Nur jetzt still en! ich will ihn 
bei der Mutter verklagen. 


Paul. Hilft auch nichts, Ihr Gnaden! 


dte gnaͤdige Frau giebt ihm immer Recht. 

Pet. Ihr Gnaden ſollten nur ſo gnaͤdig 
fein, und den jungen Herrn brav durchpruͤ— 
geln. 863 

Wenski. Das mag ich nicht, auſſer wenn 
ich gar nicht anders umhin kann. Wir haben 
in unſerer Eheſtiftung ausgemacht, daß ich mich 
nicht um ihren Sohn, und ſie ſich nicht um 
meine Tochter bekümmern darf. — Laßt uns 
auf unfre Sache kommen. — Wie ſtehts um 
eure Lektion? habt ihr behalten, was ich euch 


gelehrt habe? 


Alle beide. O ja! 
Wenski. Ich hab' euch beide vom Pfluge 


zu eurer jetzigen Würde befördert. Nun müßt 


ihr hauptſaͤchlich die Unarten eures vorigen 
Standes vergeſſen. — Wenn Fremde kom— 


men, duͤrft ihr nicht, wie die Kettenhunde aus 
1 * 


dem Hundeloche, heraus ſtuͤrzen, die Leute an: 
gaffen, und dann wie erſchrockne Kaninchen 
zu ruͤck laufen. 

Pet. Nein. 

Wenski. Wie redeſt du die Fremden an, 
Peter? > 

Pet. (Kratzt fih mit einer Hand im Kopfe, 
und ſcharrt mit einem Fuße aus) Sein Sie 
willkommen! a | 

Wenski. Die Hand vom Kopfe, du Dumm— 
bart! dugiebſt dadurch einen uͤbeln Begrif von 
der Reinlichkeit des Hauſes. Halt deine Kaͤnde 
wie Paul. 

Paul. Ja, halt's wie ich. Sieh, fe 
mußt ich ſie halten, wie ich exerzirt wurde, da 
ſie mich zum Soldaten machen wollten, — und 
da ich Soldat werden ſollte und exerzirt wurde, 
o 

Wenski. Nicht fo ſchwazhaft, Paul! Zur 
guten Bedienung gehoͤrt Aufmerkſamkeit, aber 
kein Geſchwaͤtz. Du mußt uns reden hören, 
ohne an's Reden zu denken; du mußt uns 
trinken ſehen, ohne an's Trinken zu denken; 
du mußt uns eſſen ſehen, ohne an's Eſſen zu 
denken. f 


— 3 "Tan 


Paul. Flickerment, Ihr Gnaden, das kann 
ich nicht. Wenn ich eſſen und trinken ſehe, ſo 
4 waäſſert mir gleich das Maul, und ich c 

auch zugreifen. 

Wenski. Nicht fo ſchwazhaft, Paul, es 
ſchickt ſich nicht. Ferner, — wenn ich einen 
a guten Einfall habe, oder eine luſtige Geſchichte 

erzaͤhle, ſo müßt ihr nicht, wie bisher, die Keh— 
len aufreiſſen, und aus vollem Halſe mitlachen, 
als ob ihr auch zur Geſellſchaft gehoͤrtet. 

Pan! So mäffen Ihr Gnaden nicht die 
kurzwellige Hiſtorie von dem Geſpenſt erzaͤhlen 
— ha, ha, ha! — Und Ihr Gnaden erzaͤh— 
len's auch ſo kurzweilig, und da muß ich lachen 
— ba, ha, ha — Wir haben ſchon acht Juhe 
darüber gelacht. 


Peter. (lacht auch) Wenn Ihr Gnaden 
vom Geſpenſt erzaͤhlen, ſo muß man lachen, 
wenn man auch todtſterbens krank iſt. 


Wens ki. (lacht auch) Die Geſchichte iſt 
uͤberaus luſtig! das iſt wahr. Ich habe ſie ſo 
viel hundertmal erzaͤhlt, und — ha, ha, ha! — 
Ihr müßt euch aber doch zwingen, nicht laut zu 
lachen. — Das Laͤcheln will ich euch allenfalls 


0 


— 6 — 


erlauben. — Weiter! Paul, wo iſt dein Plat 
bey Tiſche? 

Paul. (ſtellt ſich hinter ihn) Pe Ihro 
Gnaden. Mise ohr 

Wenski. Und der deinige, Peter? 

Pet. (im Abgehen) Hinter der gnaͤdigen 
Frau. 

Wenski. Wo gehſt du hin? ü 

Pet. Ich will mich auf meinen Platz ſtellen. 

Wenski. Dummkopf! bleib da. — Der 
Stuhl ſoll die gnaͤdige Frau ſein. 

Pet. (ſtellt ſich hinter den Seuhl.) 
Wenski. Nun merkt auf! Geſetzt, einer 
von der Geſellſchaft federte ein Glas Wein — 

wie wollt ihr euch dabei verhalten? (zu peter) 
Ein Glas Wein, guter Freund! — Nun, warum 
gehſt du nicht? N | er 

Pet. Es iſt ja keiner da. — 


Wenski. Strohkopf! du mußt dir eine 


bilden, als wenn welcher da waͤre. 
Pet. Das kann ich nicht, Ihr Gnaden. 
Wenski. O uͤber den dummen Teufel! — 
Paul! ein Glas Wein! 
Paul. Denn muß ich ja von meinem Platze 
weggehn? 


— 7 } u 


Wenski. Freilich, du Strohkopf! 
Paul. Ihr Gnaden! ich kann mich nicht 
1455 zurecht ſinden, als wenn 's Eſſen und Trin⸗ 
ken auf dem Tiſche ſteht. — Flicerment! da 
hangt n mein NE auf dem Baume — f 
y Wanze, (er laͤuft ab.) 
pet. Da wird mein Schuh auch nicht weit 
| vn * er ab.) 
0 
Dritter Wufteiee 


Hört doch! Paul! Peter! — Das find 
Erzſchtingel! laufen mitten in der Lektion davon 
und find noch eben fo dumm, als fie waren. — 
Ich bin doch ein recht geplagter Mann! — Da 
kommt meine Tochter, mein Herzblatt! die halt 
mich einigermaßen fuͤr den Verdruß ſchadlos, 
den mir die uͤbrige Familie macht. Wenn ich 
ihr nur diey erdammten neuen Moden aus dem 
Kopfe bringen koͤnnte! Aber es iſt meine Schuld! 
warum ſchickte ich fie in die Stadt! Durch einen 
Aufenthalt von einigen Jahren dort, iſt fie eben 
ſo in Flor und Puz vernarrt worden, als die 
ſchlimmſte von allen Modedamen. 


* 


Vierter Auftritten 


Herr v. Bensti. Nanette in einem 
ſehr geputzten Nellie. Re 


Nan. Guten Tag, lieber Vater! 

Wenski. Guten Tag, meine liebe Anna! 
Du biſt bald von deinem Veſuche zuruͤck gekom⸗ 
men. (ſieht nach der Uhr) Halb drei! Aber, 
Herr des Himmels! was haſt du wieder fuͤr 
uͤberfluͤßig Zeug an dir! Wozu nutzt der Flor? 
Wozu nutzt das Band? Wozu nutzt die gemachte 
Blume? Wozu nutzt der Korb um deinen Leib? — 
Wenn deine Aekter⸗Mutter aufſtuͤnde, und bich 
in dem Anzuge ſaͤhe! — Aung! Anna! Iſt's 


denn nicht möglich, die heutige Welt zu uͤberzeu⸗ 


gen, daß man mit dem überfiüßigen Putze von 


tauſend eiteln Weibern, tauſend duͤrftige Weiber 
kleiden und naͤhren kann! Jain 1 
Nan. Sie wiſſen, lieber ER — 
Wenski. So recht, auch das Wort Vater 
iſt nicht mehr Mode. Druͤckt das Wort Papa, 
deine kindliche Pflicht und Liebe beſſer aus? | 
Nan. Ich vergaß mich, lieber Vater. 
Was meinen Putz betrift, ſo erinnern Sie ſich 
nur unſers Vergleichs. Sie haben mir den 


ars 


| Morgen zugeftanden, Beſuche anzunehmen und 
zu geben; mich zu kleiden, wie es mir gefällt; 
des Abends gehoͤre ich Ihnen, und lege die 
Kleidung einer guten Hausfrau an. 

Wenski. Ich bin freilich fo gut, oder ſo 
N thoͤricht geweſen, dir das zu bewilligen. Aber 
deine Eitelkeit wird noch heute auf eine harte 
Probe geſtellt werden. 

Nan. Wie fo, lieber Vater? 
Wenski. Ich erwarte den jungen Herrn, 
den ich dir zum Manne beſtimmt habe. Sein 
Vater giebt mir Nachricht, daß er abgereißt fon, 
und er ihm bald folgen werde. 1 10 60 
Nan.“ Lieber Himmel! und ich ſoll den 
Herrn in meiner ee Kleidung em—⸗ 
pfangen? 8 
Wenski. Darauf beſteh⸗ ich. Du hätt 
dich puͤnktlich an den Vergleich — ich auch. 
Sey des Morgens ſo naͤrriſch, als du willſt, 
aber des Nachmittags ehrbar. 

Nan. Das iſt ſehr grauſam, lieber Vater. 

Wenski. Ich kann dir nicht helfen; ich 
halte den Vergleich pünktlich, — Vielleicht 
kommt er ſo fruͤh, daß du ihn noch in dem 
Narrenputze empfangen kannſt, denn du haft 


noch anderthalb Stunden. — Das 1 1 

mir denn auch gefallen laßen. 1 N 
Nan. Wie nennt ſich dieſer Drdurigam ı in 

Hoffnung ? > Gin 


Wenski. Baron new R Es be 0 


Sohn meines alten Freundes, von dem ich oft 
mit dir geredet habe. Der junge Herr ſoll ſehr 
gelehrt ſeyn. — * 1 NN 
Nan. Gelehrt? l 
Wenski. Man macht ſich Song 916 
er dem Vaterlande 3 ee . 
werde. EN A FE Eine 
Nan. Und feiner dial deſto e 
Ein Gelehrter! lieber Vater! ich wette tauſend 
an eins, daß er mir nicht gefallen wird. 
Wenski. Ich will dich nicht zwingen, 
mein Kind; H denn ich kenn' ihn ſelbſt nicht. — 
Seine Geleheſamkeit ſoll nicht muͤrriſch en 6 
Nan. Das laͤßt ſich hoͤren. f ö 
Wenski. Er iſt mitleidig. 
Nan. Gewiß? 
Wenski. Sehr großmuͤthig. 
Nan. Ich glaube, er wird mir Be 
Wenski. Jung und brav! f 
Nan. Er wird mir ganz gewiß gefallen. 


* 


1 


Wenski. Und ſehr huͤbſch! — 5 

Nan. Genug, lieber Vater! ich nehm 
ibn, ich nehm ihn. 

Wenski. Und was feinen 2150 Eigenſchaf— 

ten die Krone aufdruͤckt, iſt ſeine Annan 
und Beſcheidenheit. 
Nan. Ach, Sie machen, daß ich ee 
eiskalt werde! Das einzige Wort verdunkelt alle 
feine übrige Vollkommenheiten. Ein zurückhal— 
tender Liebhaber wird immer ein argwoͤhniſcher 
Ehemann. 5055 m” 

Wenski. Grade das Gegentheil. Be⸗ 
ſcheidenheit iſt das Kennzeichen des Verdienſtes; 
des vollkommenen Mannes. Eben dieſer Zug 
in ſeinem Karakter hat mich für. ihn eingenom— 


men. 
Nan. Mich nimmt dieſer Zug gegen ihn 
ein. — Gleichwohl — wenn er jung, huͤbſch, 


und alles das iſt, was Sie ſagen — ſo will ich 

ihn nehmen. 2 4 
Wenski. Es koͤmmt aber noch darauf an, 

wie du ihm gefaͤllſt, und ob er dich nehmen 

will. 

Nan. Das heißt mich ſehr demuͤthigen, 

lieber Vater! — Wenn er mir einen Korb 


a A 


giebt, fo will ich, anſtatt mich zu haͤrmen, und 
zu weinen, nur meinen Spiegel für feine 
Schmeichelei zerbrechen; weil er mir immer 
ein Geſicht wieß, das keinen Korb zu befuͤrchten 
hat. Dann will ich meinen Putz nach einer 
neuen Mode umformen, und einen andern Ber 
wunderer ſuchen, der Ya ei 
macht. ws 

Wens ki. Ein bewenmüthter Cneſclüß! 1— 
Leb wohl, Anna! 5 

Nan. ie Sur Ye bon 10% eine 
Bitte, —- ens 

Wenski. Nun? 7 | 
Nan. Daß Sie mich, wenn mein Liebhaber 
kommt, Nanette, und nicht Anna nennen — in 
dem Namen Anna liegt etwas ſo baͤuriſches — 

Wenski. Und in dem Namen Nanette 


liegt etwas fo naͤrriſches. Anna biſt du getauft, | 


und nicht Nanette. — 
Nan. Aber — f 
Wenski. Laß mich gehen! ich muß die 
Bedienten in dem Tafelexerzitio unterrichten. 
(er geht ab.) 


ni Fünfter Auftritt. 


Nanette. 


i Die Nachricht meines Vaters hat mein Blut 
in Wallung gebracht. — Jung, huͤbſch! dieſe 
Eigenſchaſten nannte er zuletzt; aber bei mir 
ſtehn ſie oben an. Großmuͤthig, mitleidig, 
das gefällt mir auch. Aber zuruͤckhaltend und 
pinſelhaft — O weh! o weh! Sollt ihn das 
aber nicht von feiner Furchtſamkeit heilen, wenn 
man ihn lehrte, ſtolz auf ſeine Frau zu ſeyn? 
— und kann ich nicht — Aber ich mache ſchon 
Einrichtungen mit dem Manne, und bin des 

Liebhabers noch nicht gewiß. 
* 


Sechster Auftritt. 
= Nanette, Sophie. 


Soph. Schon wieder zu Hauſe, Nanette? 

Nan. Gut, daß du kommſt, liebe Sophie! 

— Sag mir, wie ſeh ich aus? Bemerkſt du 

nichts Wunderbares an mir? Bin ich noch ſo, 
wie ſonſt? Wie iſt meine Farbe? 

Soph. Du biſt unruhig — aber warum? 

Hier iſt in deiner Abweſenheit nichts vorgefallen. 


— 14 is 


Dem Kanarienvogel iſt kein widriger Zufall 
begegnet. Kartouche iſt geſund. Hat etwa 
dein Bruder oder die Katze wieder einen 0 88 
geſpielt? 

Nan. Man hat mir gedroht — kaum 
kann ich es ſagen — man baten mir mit einem 
Liebhaber gedroht. 

Sopah. Er nennt ſich? — 

tan. Baron Kar wiz. 

Soph. Im Ernſt? 

Nan. Im voͤlligem Ernſt. 

Soph. Vortreflich, liebe Nanette! das iſt 
der vertrauteſte Freund meines Geliebten. Du 
mußt ihn geſehen haben, da wir in der Stadt. 
waren? 1 * 

Nan m | ** 

Soph. Es iſt ein Menſch von vielen Ber: 
dienſten, aber von einem ſonderbaren Karakter. 
Bei Frauenzimmern von Ehre und Tugend iſt 
ſeine Beſcheidenheit beinahe uͤbertrieben; aber 
bei Geſchoͤpfen von einem andern Gepraͤge ſoll 
er gerade das Gegentheil ſeyn. 

Nan. So wird es ſchwer halten, einen 
guten Ehemann aus ihm zu ziehen. — Doch, ich 
will nicht eh' an ihn denken, als bis ich ihn 


— 1 5 —— 


| ſehe; und den gluͤcklichen Ausgang der Sache 

dem Zufall uͤberlaſſen. Wie ſteht's denn mit 
| dir, liebe Sophie? hat meine Stiefmutter nicht 
wieder fuͤr ihren wilden Jungen bey dir ange⸗ 
worben??̃ 

Soph. Ich komme eben von einem tete 
a tete, in dem fie mir tauſend zärtliche Sachen 
vorgeſchwatzt, und ihr artiges Ungeheuer bis 
zum hoͤchſten Gipfel der Vollkommenheit erhoben 

hat. . N. 

Nan. Sie iſt voͤllig blind gegen die 
Untugenden des Buben. Ueberdieß iſt dein 
Vermoͤgen keine kleine Lockſpeiſe; und da fie es 
in ihren Händen hat, ſo iſt's kein Wunder, daß 
ſie es nicht aus der Familie laſſen will. 

N So p h. Mein Vermoͤgen beſteht hauptfächs 
lich in Juwelen, verliert alſo von feiner Wirk 
lichkeit ſehr viel. — Ich hoſſe aber, ihr end— 
lich die Sache leid zu machen, wenn mir nur 
meim lieber Perning treu bleibt. Sie laͤßt ſich's 
auch nicht im Traume einfallen, daß mein Herz 
ſchon verſchenkt iſt; ſo zaͤrtlich begegne ich ihrem 
lieben ſuͤſſen Jungen. N 

Nan. Faſt könnte ich meinen Stiefbruder 
lieben, weil er dichſo herzlich haßt. 


— 16 — 


Soph. Im Grunde iſt's ein guter Junge, 
der mich gern mit jedem andern, auſſer ſich, 
verheirathet ſaͤhe. — Aber da kommen deine 
Eltern! Laß uns ihnen aus dem Wege gehn. 

Nan. Von Herzen gern! Meine Brautge— 
ſchichte 120 mir gewaltig im Kopfe herum. 

(ſie gehen ab.) 


Siebenter Auftritt. 
Herr v. Wenski, Frau v. Wenski. 


Wenski. Ich darf mich alſo darauf ver— 
laſſen, daß du meinen Gaſt gut aufnehmen 
wirft?‘ 

Fr. v. W. Ja doch. Soll mir denn der 
Braͤutigam deines lieben Toͤchterchens nicht will; 
kommen ſeyn? — Ich will ihm zeigen, daß 
ich wohl weiß, wie es in der Stadt hergeht, 
ob ich gleich, leider! nie dort war. 

Wenski. Deſto heſſer fuͤr dich! 

Fr. v. W. Deſto beſſer? — Du biſt ein 
rechter Sonderling, mein Schatz! Giebt es 
wohl, auſſer uns, ein vernuͤnftiges Geſchoͤpf, 
das nicht ab und zu einmal in die Stadt faͤhrt, 
um den Landſtaub ein wenig abzureiben? Da 


— 17 —— 1 


ſind unſre Nachbarinnen links und rechts, die 
alle Winter einen Monat in der Stadt zubrin— 
gen, um etwas Politur zu bekommen. 
Wenski. Ja, ja, und Eitelkeit und Affek— 
tation und laͤcherliche Moden fuͤr ein ganzes Jahr 
zuruͤckbringen. Es nimmt mich Wunder, daß 
die Stadt ihre Narren nicht fuͤr ſich behalten 
kann. Zu meiner Zeit ſchlichen ſich ihre Thor— 
heiten langſam bei uns ein; aber itzt eilen ſie 
geſchwinder als eine Poſtkutſche, die nicht blos 
inwendig mit ihren Poſſen angefuͤllt iſt, ſondern 
wo ſie auch noch hinten aufſtehen. 

Fr. v. W. Deine Zeiten waren feine Zei— 
ten! Man erkennt ſie leider ſehr deutlich in 
unſrer itzigen Lebensart. Hier wohnen wir in 
einem alten verfallenen Landhauſe, das einem 
Wirthshauſe ſo aͤhnlich iſt, als ein Ey dem an 
dern — nur mit dem Unterfchiede, daß wir nie 
Geſellſchaft haben.“ Unſre ganze Unterhaltung 
beſteht in deinen alten Geſchichten vom Hunnia— 
des, vom Skanderbeg, vom Prinzen Eugen — 
ich haſſe dergleichen altmodiſches Zeug. 

Wenski. Und ich lieb' es. Ich liebe 
alles, was alt iſt; alte Freunde, alte Zeiten, 


alte Sitten, alte Buͤcher, alten Wein, und ich 
2 


glaube, Margaretha, ich hab' es dir bewieſen, 
(ſie bei der Hand nehmend) auch alte Frauen. 

Fr. v. W. Ich bitte dich um alles in der 
Welt! fuͤhre nicht immer deine Margaretha und 
deine alte Frau im Munde. Soll ich dich nicht 
etwa auch Tobias nennen? Du magſt immerhin 
ein alter Graukopf, aber ich will kein altes 
Muͤtterchen ſein. Ich bin ſo alt nicht, als du 
mich machſt, daran fehlt noch manches rundes 
Jahr. Thu einmal zwanzig zu zwanzig — 
wie viel macht das? | 

Wenski. Zwanzig zu zwanzig macht grade 
ſieben und fünfzig. ö 

Fr. v. W. Das iſt nicht richtig. Ich 
war zwanzig Jahr, als ich meinen Hanſel be: 
kam, den ich mit meinem vorigen ſeligen Mann, 
dem Herrn von Ullerdorf zeugte, nnd mein San 
ſel iſt noch nicht einmal zu verſtaͤndigen Jahren 
gekommen. N 

Wenski. Dazu wird er auch nie kommen, 
darauf will ich ſchwoͤren. g 

Fr. v. W. Das thut nichts. Mein Han⸗ 
ſel hat ein ſchoͤnes Vermoͤgen, er darf nicht 
von ſeiner Gelehrſamkeit leben. Ich denke 
nicht, daß ein Junge viel Gelehrſamkeit 


— 1 9 u K 


U 


braucht, um ee Gulden jährlich zu 
verzehren. 
Wenski. Ich verlange keine Gelehrſam— 
keit! er ſoll nur bas lernen, was jeder vernuͤnf—⸗ 
tige Menſch wiſſen muß, und nicht lauter bos— 
hafte Streiche und Ungluͤck anrichten. 

Fr. v. W. Spaßhaftigkeit, mein Schatz! 
lauter Spaßhaftigkeit Das muß man dem 
Knaben erlauben. f 

Wenski. Lieber wollt' ich ihm erlauben 
ſich in die Pferdeſchwemme zu ſtuͤrzen. Wenn 
das Spaß iſt: den Leuten die Kleider zu ver— 
ſtecken, die Schuh zu verbrennen, die Maͤdchen 
zu erſchrecken, und junge Katzen zu zerzauſen, 
ſo iſt er wirklich ſehr ſpaßhaft. Erſt geſtern 
band er dem Schulmeiſter die Peruͤcke an der 
Stuhllehne feſt, und da er aufſtand meiner Toch— 
ter einen Buͤckling zu machen, lief er ihr mit 
dem kahlen Kopf ins Geſicht. Ein feiner 
Spaß! — Das kommt von deiner Erziehung. 

Fr. v. W. Der arme Junge hat zu viel 
Langeweile, und war immer zu kranklich, um 
ihn in eine Schule zu ſchicken. Ein paar Jahr 
Unterricht im Latein kenn noch viel aus ihm mar 
chen, wenn er etwas ſtärker und geſunder wird. 

28 


* 


Wenski. Er und Latein! Der Eſel uns 
die Laute! Nein, nein, das Bierhaus und der 
Stall, das ſind die einzigen Univerſitaͤten, die 
er in ſeinem Leben beſuchen wird. 

Fr. v. W. Er mag thun was er will, in 
ſeinem jetzigen Zuſtande muß ich ihm alles zu. 
Gute halten. Wer weiß, wie lang ich ihn noch 
behalte! Ich fuͤrchte immer, der arme Junge 
iſt ſchwindſuͤchtig. 

Wenski. Freilich! drum wird er alle Tage 
dicker und fetter. 

Fr. v. W. Er huſtet bisweilen. 

Wenski. Alle Morgen, wenn er des Abends 
vorher betrunken war. 

Fr. v. W. Mir iſt wirklich fuͤr ſeine Lunge 
bange. ER 

Wenski. Mir auch, denn er ſchreit wie eine 
Trompete. (Hans ſchreit hinter der Scene.) 

Wenski. Da kommt die arme ſchwindſuͤch— 
tige Figur. (ſetzt ſich zu feinem Buche und liest.) . 


Achter Auftritt. 


Vorige. Hans v. Ullerdorf (mit einer 
l Blaſe in der Hand). 


Fr. v. W. Hanſel! mein Herzenskind! we 


— 2 1 — 


willſt du hin? Leiſte uns doch ein wenig Geſell— 
ſcaſt. 

Hans. Ich kann jetzt nicht, Mama, ich 
muß fort. 

Fr. v. W. Du ſiehſt erbaͤrmlich aus! Du 
ſollſt in der rauhen Luft nicht ausgehen, ſag ich. 

Hans. Und ich muß ausgehn, ſag ich, ich 
hab mein Wort gegeben. 

Fr. v. W. Wo denn? 

Hans. Im Wirthshauſe. 

Wenski. Das dacht ich wohl! 

Hans. O! ich hab einen blitzluſtigen 
Streich ausgedacht. 

Fr. v. W. Schaͤm dich doch, und 10 nicht 
ins Wirthshaus. Es iſt ja lauter gemeine Ge— 
ſellſchaft dort. 5 

Hans. Oho! ſo gar gemein nicht. Da 
iſt der Mauthner, der Roßarzt, der Schmidt, 
der Pachter, der Muͤller, und zwei pudelnaͤrri— 
ſche fremde Muſikanten. 

Fr. v. W. Sie mögen ſich heut einmal in 
ihrer Hoffnung betruͤgen. 

Hans. Daraus macht' ich mir nichts, aber 
ich will mich nicht in meiner Hoffnung betruͤ— 
gen. Ich muß meinen Streich ausfuͤhren. 


1 


Fr. v. W. Du ſoll nicht hingehen, ſag en 
(fie hatt ihn) N 
Hans. Mama! ich muß EG ſag ich. 
Wenski. Willſt du wohl hoͤren, wenn dir 
deine Mutter beßehlt! du ſollſt dableiben. 
Fr. v. W. Fahr ihn nicht an, lieber Mann! 
er wird ſchon, er wird ſchon. f 
Hans. Nun gut! (fuͤr ſich) ſo fuͤhr ich 
meinen Streich hier aus- 1 
Fr. v. W. Siehſt du, lieber Mann, ob 
mein Hanſel nicht folgſam iſt. 
Wenski. Ja, recht ſolgfam! 
Fr. v. W. Was willſt du denn mit der 
Blaſe? ö 
Hans. Sie werden's wohl gewahr wer: 
den, Mama. 12 g 
Fr. v. W. Pfui, Hanſel! ſei doch nicht 
ſo kindiſch. | 
Hans. Wenn der Vater will, daß ich blei— 
ben ſoll, ſo leſen Sie mir etwas vor; far wird 
mir die Zeit lang. 
Fr. v. W. Ach, was hoͤrſt 73 an den alten 
Hiſtorien! 
Wenski. Recht ſo! halt ihn ab etwas zu 
lernen, damit er ja ein Schaafskopf bleibt. 


Hans. Nein, nein, leſen Sie nur, ich 
will recht genau zuhoͤren. 

Wenski. Und doch nichts behalten! 

Hans. Ich will ſchon behalten, leſen Sie 
nur recht deutlich. 

Fr. v. W. Nun, ſo will ich denn auch zu— 
hoͤren. 

Wenski. (lieſt) Johannes Korvinus, Hun— 
niades, war Statthalter des Koͤnigreichs Un— 
garn, und einer der tapferſten Kriegshelden in 
der Welt. Er verjagte die Tuͤrken Anno 1443, 
da ſie Belgrad ſieben Monate belagert hatten, 
und ſchlug fie totaliter. Anno 1448 lieferte 
er den Tuͤrken wieder eine gewaltige Schlacht, 
die drei ganzer Tage dauerte. Endlich, als 
40000 Türken geblieben waren, fo behielt Sul— 
tan Amurath das Feld, und Hunniades mußte 
flüchten. Er gerieth zween Straßencgubern in 
die Haͤnde. 85 

Hans. (ſpringt unter dieſer Erzaͤhlung auf 
die Blaſe.) | 

MWenski, (erſchrickt heftig) Gott ſei bei 
| mir! 

Fr. v. W. O weh! was iſt das? 
Hans. (lacht.) 


Wenski. (nachdem er fih erholt) Galgen— 
ſtrick! was haſt du gemacht? 5 

Hans. Nichts, Papa; da hab ich eine Plaſe 
gehabt, und die iſt zerſprungen. 

Wenski. (greift ihm in die Haare) So 
ſoll dein Kopf auch zerſpringen, du Spitzbube. 

Fr. v. W. Huͤlfe, Huͤlfe, Mord! Laß mir 
meinen Hanſel gehn! (ſie laͤuft dazwiſchen und 
hält ihn ab.) 

Wenski. Wart Galgenvogel! ich hole die 
Bediente, und will dich geißeln laſſen, daß du 
an mich denken ſollſt. (er geht ins Haus.) 

Fr. v. W. Du garſtiger Junge, mit deinen 
ewigen Spaßen! 

Hans. Warum haben Sie mich nicht gehen 
laſſen? ich wollte den Streich im Wirthshauſe 
ausfuͤhren. 

Fr. v. W. Ich muß nur laufen, den Va— 
ter wieder zu beſaͤnftigen, und ein niederſchlagend 
Pulver einnehmen, Du garſtiger, boͤſer, wil, 
der Junge! 8 

(geht ab.) 


— 23 — 
Neunter Auftritt. 
Hans. 


Ha, ha, ha! das war ein Spaß! — Aber 
er hat mich verdammt bei den Haaren gehuſcht! 
Dafür muß ich ihm wieder einen Streich ſpie— 
len. — Nun will ich ſehen, wo ich eine andere 
Blaſe bekomme, und nach dem Wirthshauſe 
wandern. — Was iſt das? — Poz Wetter, 
wie ſind die mit dem Wagen dort in den Schleif— 
weg gekommen? Die haben ſich gewiß verirrt. — 
He! hier! (er winkt) Das iſt ganz gewiß der 
Menſch, den meine Schweſter heirathen ſoll, 
wie meine Mutter ſagt. — Da koͤnnt' ich gleich 
wieder einen pudelnaͤrriſchen Streich machen. 
Der Stiefvater hat mich das ganze halbe Jahr 
einen jungen Hund, einen Bullenbeiſſer ge— 
nannt, heut hat er mich gar bei den Haaren ges 
huſcht — ich will ihn wieder huſchen. 

7 


Zehnter Auftritt. 
Hans, Karl, Ferdinand. 


Hans. He! meine Herren! wie kommen 
Sie in den Weg? Sie haͤtten rechter Hand 


fahren ſollen. Nicht wahr, Sie find ſtecken ge; 
blieben? 

Karl. Das ſind wir! Iſt das nicht das 
Landhaus des Herrn von Wenski? 

Hans. Bewahre der Himmel! Sie haben 
ſich verteufelt verirrt. 

Karl. Sagt' ich's nicht gleich? 

Hans. (fuͤr ſich) Es iſt richtig. (laut) O 
weh! o weh! 

Ferd. Was giebts ? 

Hans Sie wiſſen alſo nicht, in welcher 
Gegend Sie ſich befinden? | 

‚Gerd Nein. 

Hans. Sie erinnern ſich auch des Weges 
nicht, den ſie gekommen ſind? 

Karl. Eben ſo wenig, 

Haus, Meine Herren, wenn Sie weder 
wiſſen, wohin Sie wollen, noch wo Sie ſind, 
noch wo Sie hergekommen, ſo iſt das erſte, 
wovon ich Ihnen Nachricht geben kann — daß 
Sie ſich veritrt haben. 5 

Karl. Dazu hatten wir keinen Wahrſager 
noͤthig. | | 


Hans. Darf ich fragen, von welchem Orte 
Sie eigentlich kommen. 

Karl. Das iſt nicht noͤthig, um uns den 

Ort zu zeigen, wohin wir wollen. 
Mans. Frage und Gegenfrage bricht Nie— 
mand den Hals, wie Sie wiſſen. Ich kenne 
den alten Wenski recht gut. Es iſt ein naͤrri— 
ſcher, altmodiſcher, wunderlicher Mann, der 
eine ſehr haͤßliche Tochter und einen ſehr huͤb— 
ſchen Stiefſohn hat. Die Tochter iſt ein ſchwaz— 
haftes unerzognes Kalb, aber der Sohn ein 
artiger angenehmer junger Menſch, den jeder— 
mann liebt. 

Karl. Wir haben ganz andere Nachrichten. 
Die Tochter ſoll ſehr wohlerzogen und ſchoͤn, der 
Sohn hingegen ein toͤlpiſcher Bengel, ein vers 
zognes dummes Muͤtterſoͤhnchen fein, 
Hans. Ha, ha, ha! Sie moͤgen ſich ſelbſt 
uͤberzeugen. Aber das kann ich Ihnen ſagen, 
meine Herren, daß Sie vor fpäter Nacht des 
Herrn von Wenski Haus nicht erreichen wer⸗ 

den. | 
Ferd. Das wäre der Teufel! 


Hans. Es iſt ein langer, fumpfigter, ge 


fährlicher Weg. — Sie haben ſich ganz ver: 
zweifelt weit verirrt. Sie ſind doch uͤber jenen 
Berg gekommen? 

Karl. Ja. 2 

Hans. Nun, am Fuße des Berges haͤtten 
Sie ſich links halten ſollen. 8 

Ferd. Links? 

Hans. Alsdenn haͤtten Sie grade fortfahs 
ren ſollen, bis Sie an eine Stelle gekommen 
waͤren, da vier Wege zuſammenſtoßen — aber 
von dieſen vier Wegen haͤtten Sie nur einen 
wählen muͤſſen. 

Karl. Sie ſind ein Spasvogel! 

Hans. Alsdenn haͤtten Sie ſich rechts hal— 
ten müffen — da wären Sie auf eine Mühle 
geſtoſſen — 

Karl. Aber zum Henker! wir fragen nicht 
was wir haͤtten thun ſollen — ſondern was wir 
jetzt thun muͤſſen, um zu dem Herrn von Wenski 
zu kommen. 


Hans. Sind Ihre Pferde noch frifh ? 


Ferd. Wie waͤre das in den verdammten 
Landwegen moͤglich? 


| Hans. So rathe ich Ihnen in dieſem 
Wirthshauſe zu bleiben, und Morgen einen 
Wegweiſer mitzunehmen. 

Karl. Iſt dies ein Wirthshaus? 

Hans. Das beſte auf zehn Meilen im 
Umkreiſe. 
Karl. Das haͤtte ich nicht geglaubt. — 
Was meinſt du Ferdinand? 

Ferd. Ich ſtimme willig bei. 
Hans. Nur muß ich Ihnen ſagen — der 
Wirth iſt ſehr reich, und will die Wirthſchaft 
niederlegen. Er macht ſich alſo nichts aus ſei— 
nen Gaͤſten, wenn fie ihm nicht fehr höflich 
begegnen. Er möchte gern für einen Mann 
vom Stande gehalten ſein — Thun Sie das, 
ſo wird er Sie vortrefflich bedienen. 

Karl. Eine ſonderbare Grille! 


Hans. Er iſt ein ſehr beſchwerlicher alter 
Knabe, ſpricht immer von Tuͤrkenkriegen! aber 
er hat guten Wein und gute Betten. 3 

Karl. Wenn er das hat, fo mag er immer 

ſchwatzen. 
Hans. Sie muͤſſen wieder zuruͤck fahren, 


um auf den Hof zu kommen, denn hier durch's 
Gebüͤſche gehrs nicht. — Ich will Ihnen 
jemand aus dem Wirthshauſe entgegen ſchicken. 
Ferd. Sie werden uns verbinden. — 
Wir wollen beim Wagen bleiben, Karl, damit 

uns nichts entwendet wird. 
Karl. Ich danke recht ſehr. (ſie gehn ab.) 
Hans. Ha, ha, ha! das wird Spaß geben. 
(im Abgeben) He! Paul! Peter! es kommen 

Fremde — ha, ha, ha! 
(er geht ſingend ins Haus.) 


Ende des erſten Aufzuges: 


Zweiter Aufzug. 


Ein altmodiſches Zimmer, in welchem, auſſer 
den gewoͤhnlichen Meublen, auch ein Fluͤgel und 
Spiegelleuchter ſind; alles im alten 
Geſchmack. 


Erſter Auftritt. 


Karl ſitzt in einem Großvaterſtuhl, Ferdi— 
nand auf dem Sopha. 


Ferd. Nun Karl, ſei nicht verdrießlich! 
da wir doch einmal den Weg verfehlt, fo koͤnnen 
wir noch von Gluͤck ſagen, daß wir auf eine ſo 
gute Herberge geſtoſſen ſind. Das Haus if 
zwar alt, doch reinlich und bequem. 

Karl. Es war gewiß ehmals ein Edelhof. 
Aber das iſt das gewoͤhnliche Schickſal ſolcher 
Landſitze. Wenn ihr Herr fie durch feine Gaſt— 
freiheit ruinirt hat, fo werden Gaſthoͤfe daraus, 
um Reiſende zu ruiniren. | 

Ferd. Ich fürchte, wir werden alle die 
huͤbſchen Meubeln mitbezahlen müffen, Aber 
ſo geht's immer in guten Wirthshauſern. 


— 32 — — 
Karl. Reiſende muͤſſen uͤberall bezahlen. 
In ſchlechten wird man auch gerupft, und muß 
beinahe erhungern. a 


Ferd. Du haſt Erfahrung! denn eine gute 
Zeit deines Lebens iſt in Wirthshaͤuſern verfirie 


chen. Drum iſt es zum Erſtaunen, daß dir 
anſtaͤndige Dreiſtigkeit ſo ſehr fehlt. 

Karl. Wirthshausdreiſtigkeit hab ich zur 
Genuͤge! aber jene, die du meinſt — wo ſollt 
ich fie erlernt haben? Ich habe keinen Umgang 
mit dem liebenswuͤrdigen Theile der Schoͤpfung 
gehabt, welcher ung, vorzüglich in anſtaͤn⸗ 
diger Dreiſtigkeit unterrichtet. Ich bin nie 
mit einem einzigen ſittſamen Frauenzimmer 
vertraut geweſen — meine Mutter ausgenom— 
men. — 

Ferd. Es iſt wahr! in der Geſellſchaft 
ehrliebender Frauenzimmer hab ich nie einen 
ſolchen Tropf, einen ſo furchtſamen Menſchen 
geſehn. Du ſcheinſt immer Gelegenheit zu 
ſuchen, dich aus dem Zimmer zu ſtehlen. 

Karl. Ich ſcheine nicht ſie zu ſuchen, ich 
ſuche fie wirklich. Bei Frauenzimmern einer 
andern Klaſſe hingegen — 75 
Ferd. Biſt du unverſchaͤmt genug. Aber, 


wie in aller Welt denkſt du dich gegen das 
Fraͤulein Wenski zu benehmen? 

Karl. Wie ich mich gegen alle Damen 
denehme. Ich werde mich tief buͤcken — roth 
werden — Ja und Nein antworten, und nicht 
das Herz haben, ihr ins Geſicht zu ſehn. 

Ferd. Iſt's moͤglich, daß ein ſo warmer 
Freund, ein ſo kalter Liebhaber ſein kann! 

Karl. Liebhaber? — Meines Vaters Ber 
fehl treibt mich zum alten Wenski. Aber der 
vornehmſte Beweggrund meiner Reiſe war die 
Befoͤrderung deines Glücks, nicht des meinigen. 
Fraͤulein Buchau liebt dich; du biſt der Famllie 
unbekannt; als mein Freund biſt du einer guten 
Aufnahme gewiß, und die Liebe wird das 
Uebrige thun. 

Ferd. (ſpringt auf und umarmt ihn) Lie— 
ber Karl! — Doch ich will die Bewegung 
meines Herzens unterdrücken. Mär ich ein 
Elender, der nur Vermögen zu erſchnappen 
ſuchte, ſo wuͤrd' ich dich am letzten um Beiſtand 
bitten. Aber meine Abſichten ſind rechtſchaffen, 
und Sophie gehört mir, da ich nicht allein ihret 
verſtorbenen Vaters, Padıra auch ihre Einwin 
ligung habe. 

3 


en 8 * 


Karl. Glücelcher Mann! Du haſt Tu; 
lente und die Kunſt jedes Frauenzimmer einzu— 
nehmen. Ich bin dazu beſtimmt, das ſchoͤne 
Geſchlecht anzubeten, und doch nur mit dem 
Theile deſſelben umzugehen, den ich verachte. 
Das Stammeln in meiner Anrede, mein ein: 
faͤltiges Geficht, erlaubten mir nicht, mich über 
den Stand eines Dienſtmaͤdchens empor zu 
ſchwingen — Da ſtoͤrt uns der verdammte Wirth 
ſchonwieder. 


Zweiter Auftritt. 
Vorige, Herr von Wens ki. 


Wenski. Noch einmal von Herzen will— 
kommen, meine Herren! Sie ſehen, es iſt 
meine Mode nicht, meine Gaͤſte in meinem 
Zimmer im Großvaterſtuhl zu empfangen. Ich 
habe Sie nach alter Art und Weiſe an der Thuͤre 
bewillkommt, und dann ſelbſt nach Ihren ai 
und Sachen gejehn. 

Karl. Ihre e und Hoi ge: 
falle uns. 

Wenski. Ich bin von altem mai und 
Korn, lieber Baron Rarwiz > 


Pe, a 

Karl. ((eiſe zu Ferd.) Unſre Namen hat 
er ſchon bei dem Bedienten erfragt. (laut) Ich 
denke Freund, da wir ſo nahe ſind, ſo koͤnnten 
wir unſere Reiſekleider morgen fruͤh mit andern 
verwechſeln, denn fie find ziemlich ſchmutzig. 

Wenski. Machen Sie hu riet sera 
in meinem Hauſe. 

Ferd. Du haſt Recht. Der tac Angrif 
iſt faſt immer entſcheidend. 

Wenski. Ja keine Umſtaͤnde, meine Her— 
ren! dies iſt das Haus der Freiheit. 

Karl. Aber wenn wir den Feldzug zu heftig 
eröffnen, ſo koͤnnt es uns vielleicht vor ſeinem 
Sqhlaſe an Ammunition fehlen. Ich denke, 
wir müſſen die geſtickten Kleider ſparen, um den 
Ruͤckzug zu ſichern. 

Wenski. Das Wort Ruͤckzug erinnert 
mich an den Prinzen Eugen, als er Modena 
belagerte. Er foderte zuerſt die Beſatzung auf — 

Karl. Glaubſt du nicht, daß die gelbe 
geſtickte Weſte mit dem ſimpeln braunen N 
gute Wirkung thun werde? En 

Wenski. Er foderte zuerſt die Beſatzung 
auf, die ohngefähr aus ehntauſend Mann be; 


a ’ } hit Bee v w 
5* 


— 36 — 


Ferd. Gelb und braun ſticht zu ſtark ab. 

Wenski. Wie geſagt, er foderte zuerſt 
die Beſatzung auf — 

Karl. So nehm ich die weiſſe. 

Wenski. Die ohngefaͤhr aus zehntauſend 
Mann beſtand, und mit Lebensmitteln und 
Ammunition gut verſehen war. Weil ſich nun 
die Stadt nicht ergeben wollte — 

Karl. So waͤr es gut, wenn Sie uns eine 
Bouteille Rheinwein hohlten. Wir würden die 
Belagerung deſto muthiger fortſetzen koͤnnen. 

Wenski. Rheinwein? 

Karl. Ja; oder haben Sie keinen? 

Wenski. Allerdings! Den Augenblick 
ſollen Sie bedient werden. (fuͤr ſich.) Das iſt 
eine unbegreifliche Art von Beſcheidenheit. 

(er geht ab.) 

Fer d. Der Kerl moͤcht uns fo gern Geſell— 
ſchaft leiſten. Er vergißt, daß er Wirth iſt, eh 


er noch die Rolle eines Herrn zu ſpielen gelernt, 


hat. — Was ſagſt du zu dem Einfalle, daß 
er feinen Aufwaͤrtern ordentliche Livre giebt? 

Karl. Es iſt ein Original. Wir wollen 
uns aber ein wenig nach ſeiner Laune richten. 


— 37 — 


Dadurch vielleicht wird die Rechnung kleiner, 
und die Bewirthung beffer, 


Dritter Auftritt. 


Vorige, Hr. v. Wenski, hernach Pau! 
mit einer Bouteille Rheinwein und drei 
Glaͤſern. 


Weneki Den Augenblick werden fie de; 
dient ſein, meine Herren. 

Kart. Aus Ihrer Belagerungsgeſchichte 
ſcheint es mir, daß Sie ſich mehr mit der alten, 
als neuen Literatur beſchaͤftigen, und ſich um 
jetzige Staatsſachen wohl gar nicht bekuͤmmern. 

Wenski. Im geringſten nicht. Es war 
einmal eine Zeit, da ich wie andere Leute uͤber 
die Fehler der Regierung boͤſe that; weil ich aber 
fand, daß ich, alle Tage zorniger, und die Re⸗ 
gierung doch nicht beſſer ward, ſo uͤberließ ich's 
ihr ſelbſt, ſich zu beſſern. (Paul kommt.) 

Wenski. Ah, hier iſt der Wein! ich hoffe, 
Sie werden ihn nach Ihrem Geſchmacke finden. 
Er iſt aus dem Mutterfaͤßgen. 

(Paul geht ab.) 


- 5 = 


Wenski. (ſchenkt ein) Auf beſſere Ben 
kanntſchaft, meine Herren 

Karl. (für ih) Ein unser Kerl! 
(ſie trinken.) | 

Ferd. Sie muͤſſen ein ſehr angenehmes 
und geſchaͤftiges Leben führen. 

Wenski. Ja, ich tummle mich ziemlich 
herum. Die mehrſten Streitigkeiten unter 
meinen Nachbarn. werden in dieſem Zimmer bei— 
gelegt, fo viel Zutrauen hat man zu mir, 

Karl. Durch ein Dutzend ſolcher Bouteil⸗ 
len laſſen ſich viele Streitigkeiten ſchlichten, alter 
Herr! 

Wenski. Ja, junger Herr, und durch 
ein bischen Philoſophie. 

Karl. (leiſe) Das iſt das Erſtemal, daß ich 
von der Philoſophie eines Gaſtwirths hoͤre! 

Ferd. Sie greifen ſie alſo, wie ein erfahr— 
ner General, von allen Seiten an. Wenn die 
ſtreitenden Partheien ſich durch Vernunft leiten 
laſſen, ſo bedienen Sie ſich Ihrer Philoſophie; 
und haben fie keine Vernunft, fo greifen Sie fie 
mit dieſen Waffen an. — Ihre Krabbe 
Herr Philoſoph! f un 

Wenski. Danke, danke, Her Beton! 


Ihre Generalſchaft erinnert mich an den Prinz 
zen Eugen, da er den Tuͤrken die iin bei 
Belgrad lieferte — 

Karl. Anſtatt der Schlacht bei Belgrad, 
wollen wir von der Abendmahlzeit reden. Was 
fuͤr Speiſen hat uns Ihre Philoſophie beſorgt? 

Wenski. Was für Speiſen? (für ſich) 
That man je dergleichen Frage an einen Mann 
in ſeinem eignen Hauſe? \ 

Karl. Ja, ja, was für Speifen! Denn 
mir iſt nicht alles gleich, und ich fuͤhle auch, 
daß ſich mein Appetit nach grade einſtellt. 

Wenski. (für ſich) Das iſt ein unver 
ſchaͤmter Burſche! (laut) Worin die Abend— 
mahlzeit beſtehn wird, kann ich Ihnen nicht 
ſagen. Dergleichen Dinge verabreden meine 

kargaretha und die Köchin mit einander, und 
wenn ich nicht irre, ſo ſind ſie jetzt in wirklicher 
Beratbſchlagung. 

Karl. So muß ich bitten, daß man mich 
zum Mitgliede des geheimen Raths aufnimmt. 
Auf Reiſen mag ich mein Eſſen gern ſelbſt be— 
ſtellen. Laſſen Ste die Koͤchin rufen. 

Wenski. Die Koͤchin rufen? 

Ferd. Oder laſſen Sie uns den Kuͤchen⸗ 


er 


zettel ſehn. Ich richte immer meinen umme 
nach demſelben ein. a 

Karl. Das iſt auch meine Seiashnfeit. 

Wenski. (geht voll Verwunderung zur 
Thuͤre) Paul! laß dir den Kuͤchenzettel ges 
ben. — Ihre Gewohnheit, meine Herren, ers 
innert mich an meinen Oheim, den Oberſten 
Wallenblum. Er pflegte zu ſagen: Niemand 
ſei feiner Mahlzeit gewiß, als bis er ſie ver⸗ 
zehrt habe. f 

Ferd. (leiſe) Sein Oheim, ein Oberſter! 
wenn's noch lange dauert, ſo war ſeine Muhme 
General. 

(Paul mit dem Kuͤchenzettel. ) 

Karl. Da iſt der Kuͤchenzettel! gieb her! 

(Paul geht ab.) 

Karl. Was iſt das? Zum erſten Gang — 
zum zweiten Gang — zum Nachtiſche ve Zum 
Zenfel, Herr! meinen Sie, daß wir eine ganze 
Zunft mitgebracht haben, eine ſolche Mahlzeit 
zu verzehren? Zwei oder drei reinliche und 
nahrhafte Gerichte ſind genug. 

Ferd. Wir wollen ihn doch leſen. 

Karl. (tief) Eine Leberſuppe — 

Ferd. Weg mit der Leber. 


— 41 — 


Karl. Weg uͤberhaupt mit der Suppe. (lleſt) 
Ein Spanferkel mit einer Pflaumen-Sauce. 

Ferd. Weg mit dem Spanferkel! 

Karl. Und weg mit der Pflaumen Sauce! 

Wenski. Es iſt doch ein gutes Gericht. 

Karl. (lieſt) Kalbszunge und Kalbsgehirn. 

Ferd. Laſſen Sie Ihr Gehirn auch weg, 
ich mag es nicht. 

Karl. Laſſen Sie ein beſonderes Gericht 
davon machen, ich eß es gern. 

Wenski. (fuͤr ſich) Ihre Unverſchaͤmtheit 
macht mich ganz verwirrt. (laut) Sie ſind | 
meine Gaͤſte! verändern Sie nach Ihrem Ges 
fallen. 5 
Karl. (lieſt) Blumenkohl mit Bratwuͤrſten. 
Ein Frikaſſee von Tauben. Eine Haſenpaſtete. 
Ein Hache von — 

Ferd. Verdammt! mit den vielen Speiſen! 

Wenski. Es iſt mir leid, meine Herren, 
daß ich nichts nach Ihrem Geſchmacke habe! 

Karl. Nicht doch! wir beſchweren uns nur 
uͤber die Menge der Speiſen. Laſſen Sie uns 
Blumenkohl mit Bratwuͤrſten, und die Haſenpa⸗ 
ſtete geben; damit ſind wir zufrieden. So viel 
vom Eſſen! nun wollen wir nach den Betten ſehn. 


* 


Wenski. Das uͤberlaſſen Sie gaͤnzlich mir. 
Karl. Ihnen? Nein, mein Herr! nach 
ſolchen Sachen ſehe ich ſelbſt. 
Wenski. Ich bitte Sie nochmals, ſich gar 
keine Sorge zu machen. b 
Karl. Und ich bitte Sie nochmals, mich 
gehn zu laſſen, oder ich kann Ihr Haus nicht 
für das Haus der Freiheit halten. (für ſich) 
Das iſt ein beſchwerlicher alter Narr! 
(er geht.) 
Wenski. So will ich Sie wenigſtens be— 
gleiten. (fuͤr ſich) Das mag eine neumodiſche 
Beſcheidenheit ſein, aber ſie ſieht der altmodi— 
ſchen Unverſchaͤmtheit gewaltig aͤhnlich. | 
> Ger folge ihm.) 


Vierter Auftritt 
Ferdinand. 


Nachgrade werden mir die Hoͤflichkeiten des 
Wirths beſchwerlich. Aber man darf billig nicht 
über Dienſtgefaͤlligkeiten zuͤrnen, die zu unſerm 
Beſten abzielen. Was ſeh ich! Fräulein Bu: 
‚hau! welche unerwartete Erſcheinung! 


0 


Fünfter Auftritt 
Ferdinand, Sophie. 


Sort, Mein befter, liebſter Ferdinand! 

Ferd. Meine angebetete Sophie! — Was 
für ein Zufall verſchaft mir das Gluck, Sie in 
dieſem Wirthshauſe anzutreffen? 

So p h. Ha, ha, ha! Wirthshauſe? — 
Sie ſind ja in dem Hauſe meiner Tante, und 
meines Vormunds. 

Ferd. Herrn von Wenski? 

Soph. Freilich. 

a Fer d. Verdammter Streich! — Ein jun— 
ger Burſche, den wir vor dem Hauſe antrafen, 
verſicherte uns, daß dies ein Gaſthof ſei, und 
wir noch ſechs Stunden von dem Herrn von 
Wenski entfernt waͤren. 

Soph. Ha, ha, ha! Das iſt gewiß wieder 
ein Streich meines hofnungsvollen Vetters. 
5 Fer d. Den Ihre Tante fuͤr Sie beſtimmt 
hat? Der mir ſo gerechte Beſorgniſſe macht? 

Soph. Sie haben nichts von ihm zu beſor— 
gen. Sie wuͤrden ihn anbeten, wenn Die 
wuͤßten, wie herzlich er mich haßt, 


— 44 — 


Ferd. Was hilfts, da wir nicht auf die 
Einwilligung der Tante rechnen koͤnnen! 

Soph. Freilich: 8 

Ferd. So laſſen Sie uns die gluͤckliche 
Gelegenheit nutzen, die ſich darbeut. Unſre 
Pferde werden ſich bald erhohlt haben. Wenn 
alsdann meine liebſte Sophie Ihrem Ferdinand 
trauen will, ſo wollen wir fliehen, und ein 
heiliges Band knuͤpfen, zu welchem uns der 
Segen und die Einwilligung Ihres Vaters be⸗ 
rechtigt. N 

Soph. Ich bin bereit Ihnen zu folgen, 
aber ich verliere mein kleines Vermoͤgen ungern. 
Der groͤßte Theil deſſelben, der in Juwelen 
beſteht, ward mir von meinem Oheim mit der 
Bedingung hinterlaſſen, meinen liebenswuͤrdigen 
Vetter zu heirathen. 

Fer d. Schade um Ihr Vermögen? Ihre 
Perſon iſt alles, was ich verlange. — 

Soph. Ich habe meine Tante ſchon lange 
um die Erlaubniß gebeten, den Schmuck zu 
tragen. Und da ich mich ſo zaͤrtlich gegen ihren 
Sohn ſtelle, hoffe ich meinen Zweck vielleicht 
noch heute zu erreichen. Ka): 

Ferd. Noch eins, liebſte Sophie! Karwiz 


« 


— 6 — 


muß in feinem Irrthum bleiben. Er iſt fo 
wunderbar zuruͤckhaltend, daß, wenn er ploͤtzlich 
erführe, wie er ſich gegen den Herrn von Wenefi 
vergangen, er eben ſo ploͤtzlich das Haus ver; 
laſſen, und unſern Plan dadurch vereiteln 
wuͤrde. 

Soph. Ich bin eben mit Nanetten von 
unſerm Spaziergange zuruͤckgekommen — Wie 
waͤr es, wenn wir vorgaͤben, daß auch uns der 
Zufall in dies Wirthshaus gefuͤhrt Hätte ! 

Ferd. Recht gut, und dann muͤſſen wir 
ein tete-A-tete zwiſchen ihnen veranſtalten, 
damit ſie — da iſt er! 


Sechster Auftritt. 
Vorige, Karl. 


Karl. Die Hoͤflichkeiten der Wirthsleute 
werden mir unertraͤglich. Cer ſieht Sophien, 
und erſchrickt) Was iſt das! — 

Fer d. Wir ſind wahre Gluͤckskinder, mein 
lieber Karl! kannſt du errathen, wer den Augen— 
blick hier angekommen iſt? 

Karl. (verlegen) Nein! 

Ferd. Unſre Gebieterinnen! Sie haben 


m: 


dieſen Mittag in der Nachbarſchaft gefpeift, und 
ſind hier eingeſprochen, Pferde . ee Iſt 
das kein Gluͤckks?s Vn rs 

Karl. Ja. * e 

Soph. Es iſt mir ſehr Wörnehn, Boron! 
Sie hier zu ſehen! 5 

Karl. Gnädiges — — Fr — Frau — — — 

Soph. Nanette wird den Augenblick hier 
ſein, ſie iſt nur ins naͤchſte Zimmer gegangen. 

Karl. So? — Aber unſere Kleider — 
Ferdinand — ſind ſehr in Unordnung — wie, 
wenn wir das Gluͤck dieſer angenehmen — Zu: 
ſammenkunft bis Morgen verſchoͤben! — Mor: 
gen — in ihrem eignen Hauſe — es wird an⸗ 
ſtaͤndiger — und ehrerbietiger ſein — 

Soph. Gewiß nicht, Baron! Im Gegen: 
theile würde ihr dieſe Ceremonie mißfallen. Die 
Unordnung Ihrer Kleider wird von Ihrer feu⸗ 
rigen Ungeduld zeugen. Auch weiß ſie, daß 
Sie hier ſind, und erlaubt Ihnen, ihr aufzu⸗ 
warten. I meien Nr 

Karl. (letſe zu gente 0 der Teufel! 
Ferdinand! verlaß mich ja nicht, und bleib bei 


mir. Laß mich um alles in der Welt nicht * 
ihr allein. 5 

Nice r. d. (leiſe) Koutage Karl! es iſt ja nur 
ein Frauenzimmer. 5 
Karl. Aber unter allen Frauenzimmern mir 
das fürchterlichſte, weil ich es heirathen ſoll. 


Siebenter Auftritt 


Vorige, Nanette mit einer Kappe, von 
der Promenade kommend. 


Ferd. Erlauben Sie mir, gnaͤdiges Frau 
lein, Sie zu bewillkommen, und Ihnen zugleich 
meinen Freund Karwiz vorzuſtellen. Ich bin 
ſtolz darauf, zwei Perſonen von ſolchen Verdien— 
ſten zuſammen zu bringen, die ſich nur kennen 
duͤrfen, um einander hochzuſchaͤtzen. 

Nan. (für ſich) Ich will den beſcheidenen 
Herrn in ſeiner eigenen Manier empfangen. 
(nach einer Pauſe, laut) Es iſt mir lieb — 
Herr Baron! — daß Sie — gluͤcklich ange 
kommen ſind! — Haben Sie auf dem Wege 
ae Unfaͤlle gehabt? 

Karl. (ſehr verlegen) Nur einige wenige, 
gnaͤdiges Fräulein! — Ja, wir hatten einige. 


— 46 — 


— Ja, gnaͤdiges Fräulein, ziemlich viel Un 
faͤlle — Aber, fie — find mir leid — find 
mir lieb, wollt ich ſagen — da fie ſich fo gluͤck⸗ 
lich endigen — hm! (er huſtet.) 

Ferd. (leiſe) Kourage! es geht vortreflich. 

Nan. Sie ſchmeicheln, beſorg' ich. — 
Sie haben in den — beſten Geſellſchaften ge; 
lebt, und koͤnnen in einem dunkeln Winkel — 
auf dem Lande, wenig Vergnuͤgen finden. 

Karl. Ja, gnaͤdiges Fraͤulein — ich 
habe zwar in der — Welt gelebt — aber ich 
bin nur — ein Beobachter des Lebens gemes 
ſen — indem es andere genoſſen. 

Soph. Das iſt der eigentliche Weg es 
endlich ſelbſt zu genießen. 

Ferd. (leiſe) Cicero hat nicht beſſer gere 
det! Nur immer dreiſter 

Karl. (leiſe) Hilf mir nur dann und 
wann, wenn mit ein Wort fehlt 

Nan. Ein Beobachter, wie Sie, muß 
feine Zeit unangenehm zubtingen, weil er vers 
muthlich mehr zu tadeln, als zu loben findet. 
E Karl. Verzeihen Sie, guädiges Frau: 
lein! — Die Thorheit der mehreſten Leute iſt 


mehr ein Gegenſtand des Lachens, als der Unzu— 


— 


friedenheit. 

Ferd. (leiſe) Du haft in deinem ganzen 
Leben noch nicht ſo gut geſprochen. 

Soph. (leiſe zu Nan.) Er hält deines 
Vaters Haus fuͤr einen Gaſthof; reiß ihm ja nicht 
aus dem Irrthume. 

Nan. Ha, ha, ha! | 

Ferd. Ich glaube unfre Gegenwart ſtoͤrt 
die Unterhaltung. Wir wollen uns entfernen, 
Fraͤulein. 

Karl. (leiſe) Biſt du raſend! Wenn du 
mich lieb haſt, ſo bleib. 

Ferd. (leiſe) Du bedenkſt nicht, daß auch 
Sophie und ich ein tete-A-tete wuͤnſchen. 
(laut) Gute Unterhaltung! 

(geht mit Sophien ab.) 


eri. 
Karl, Nanette. 


Nan. (nach einer Pauſe) Ich vermuthe, 
Herr Baron, daß Sie nicht immer nur ein Be— 
obachter geweſen ſind — Sie werden hoffent— 

4 


lich auch den Frauenzimmern einen Theil Ihrer 
Zeit gewidmet haben. N | 

Karl. (wieder ſehr furchtſü Vergeben 
Sie mir! — J — i — ich habe mich — 
bisher — nur befliſſen — mich um ſie ver— 
dient zu machen. 

Nan. Und das iſt, wie einige Leheupten, 
nicht das zuverläßigſte Mittel, ihre Gunſt zu 
erlangen. g 7 

Karl. Es — es kann fein, Aber — 
ich mag nur gern mit — dem ernſthaftern und 
empfindſamern Theile des ſchoͤnen Geſchlechts 
— umgehn — Ich beſorge, daß 0 Ihnen 
Langeweile mache. 

Nan. Gewiß nicht. Ich liebe nichts ſo 
ſehr, als eine ernſthafte Unterredung; ich 
koͤnnte Tagelang zuhoͤren. Ich bin oft daruͤber 
erſtaunt, wie ein Mann von Empfindung, leich⸗ 
finnige eitle Ergoͤtzungen bewundern kann, die 
das Herz nicht ruͤhren. 

Karl. Es iſt — eine Krankheit — der 
Seele. — Bei der Verſchiedenheit des Ge: 
ſchmacks muß — es einige — geben — die 
gar keinen Geſchmack haben — an — an — 

Nan. Ich verſtehe Sie Baron. Es muß 


einige geben, die keinen Geſchmack an verfeiz 
nerten Ergoͤtzlichkeiten haben, und das verach— 
ten, wozu ſie unfaͤhig ſind. 8 

Karl. Das iſt meine Meinung, gnaͤdiges 
Fraͤulein! aber unendlich beſſer ausgedruͤckt. — 
Ich kann nicht umhin — anzumerken — daß 
— daß — 

Nan. (für ſich) Sollte man's glauben, daß 
der Menſch bei gewiſſen Gelegenheiten unver— 
ſchaͤmt iſt! (laut) Sie wollten anmerken, Bas 
ron! — ö 

Karl. Ja, ich wollte anmerken — Ver— 
zeihen Sie! — ich habe vergeſſen, was ich 
anmerken wollte. ö 

Nan. (fuͤr ſich) Ich auch. (laut) Sie woll— 
ten vermuthlich anmerken, daß in diefen heuch— 
leriſchen Zeiten — 

Karl. Ganz recht. Daß in dieſen heuch— 
riſchen Zeiten — die Heuchelei und dasjenige — 
was durch heucheln — und — 

Nan. Ich verſtehe Sie vollkommen. 

Karl. (fuͤr ſich) Ich nicht, fo wahr ich 
lebe! 

Nan Ihre Meinung iſt, daß es in dieſen 
heuchleriſchen Zeiten wenige giebt, die das nicht 

4* 


öffentlich verdammen, was fie feldft heimlich trei— 
ben; die der Tugend genug zu thun glauben, 
wenn ſie ſie loben. 

Karl. Ja gnaͤdiges Fraͤulein! — Aber, 
ich falle Ihnen beſchwerlich. 

Nan. Wie waͤre es moͤglich! Es iſt ſo viel 
angenehmes, und geiſtreiches in Ihrer Art ſich 
auszudruͤcken. Ich bitte, fahren Sie fort. 

Karl. Ja gnaͤdiges Fraͤulein — Ich wollte 
ſagen — daß es Gelegenheiten giebt, — da 
ein gaͤnzlicher Mangel des Muths — uns 
gaͤnzlich — und gleichſam, als — als — 

Nan. Ich bin voͤllig ihrer Meinung. Der 
Mangel des Muths giebt uns bei gewiſſen Ge: 
legenheiten das Anſehen der Unwiſſenheit, und 
ſchadet uns, grade wenn es am noͤthigſten wäre, 
uns von der beſten Seite zu zeigen. 

Karl. Ja — moraliſch zu reden — iſt 
es — Aber ich ſehe, daß Fraͤulein Buchau 
auf Sie wartet. Ich will nicht laͤnger be— 
ſchwerlich fallen. N | 

Nan. Sie unterhalten mich fo angenehm, 
daß — 

Karl. Sie winkt — ich — ich werde 
bie Ehre haben, wieder aufzuwarten. 


— 5 3 up 


Nan. Aber — 
Karl. Unterthaͤniger Diener! (er geht ab.) 


Neunter Auftritt. 


Nanette. 


Das war die ſittſamſte und empfindſamſte 
Unterredung, die ſeit tauſend Jahren iſt gehal— 
ten worden — Nicht ein einzigesmal ſah er 
mir ins Geſicht. — Seine unbegreifliche Bloͤ— 
digkeit ausgenommen, gefaͤllt mir der Mann 
ganz gut. Er hat Verſtand, aber feine Furcht 
ſamkeit macht, daß er dadurch beſchwerlicher 
wird, als durch Unwiſſenheit. Koͤnnt ich ihn 
etwas dreiſter machen, ſo wuͤrd' ich einer ge— 
wiſſen Perſon keinen kleinen Dienſt leiſten. 
Aber wer iſt die gewiſſe Perſon? Das iſt bei 
meiner Treue eine Frage, die ich kaum beant⸗ 
worten kann. — Sieh da! Sophiens tete- 
a-tete iſt durch meine Stiefmutter und ihren 
Sohn unterbrochen worden. Ich will Ihnen 
aus dem Wege gehn. (ſieht nach der Uhr) Hilf 
Himmel! es iſt die hoͤchſte Zeit, daß ich mich 
nach meines Vaters Phantaſie kleide, ſonſt hab 


[er 
pres 
| 


ich in vierzehn Tagen kein freundlich Geſicht zu 
hoffen. (geht ab.) 


Zehnter Auftritt. 


Hans, Sophie, Frau v. Wenski, und 
Ferdinand folgen, im Gefprache 
begriffen. 


Hans. Ich ſag's Ihnen, laſſen Sie mich 
gehen, Kouſine! und ſitzen Sie mir nicht im— 
mer ſo auf dem Nacken. Es iſt ja eine Schand', 
wenn ſich die Maͤdels einem ſo aufhaͤngen. 

Soph. Ich hoffe doch, Vetterchen, daß 
man mit ſeinem Verwandten ſprechen kann, ohne 
deswegen Tadel zu verdienen. 

Hans. Ich weiß ſchon, zu was für e einen 
Verwandten Sie mich machen wollen; aber 
hohls der Hund! daraus wird nichts. Alſo 
bleiben Sie mir vom Leibe! ich mag keine naͤhere 
Verwandſchaft mit Ihnen. 

Soph. Sie ſind recht grauſam, Vetter! 

Hans. Grauſam hin, grauſam her! Ich 
will Sie nicht, ich mag Sie nicht, ich nehm 
Sie nicht — und wenn Sie ſich auf den Kopf 


ſtellen. (ſie folgt ihm kokettirend zum Hinter— 
grunde.) N 

Fr. v. W. Das. iſt wahr! Sie ſind ein 
recht angenehmer Geſellſchafter! ein artiger, hoͤf— 
licher Herr! gerade das Gegentheil vom Baron 
Karwiz. — Haben Sie doch die Guͤte mir noch 
mehr zu erzaͤhlen! Ich hoͤre von nichts in der 
Welt ſo gern, als von der Stadt, und von 
neuen Moden, ob ich gleich niemals da geweſen 
bin. u 

Ferd. Nie in der Stadt geweſen? Sie ſez— 
zen mich in Erſtaunen! Aus Ihren Manieren, 
aus Ihrem Anſehen ſchloß ich, daß Sie Ihr gan— 
zes Leben dort zugebracht haͤtten! 

Fr. v. W. O, das beliebt Ihnen nur jo 
zu ſagen. — Ich thue freilich was ich kann 
mich von den Landleuten ein wenig zu unter— 
ſcheiden — aber das iſt's auch alles. Wie 
gefällt Ihnen dieſe Friſur, Herr Baron? 

Ferd. Ungemein degagirt! Ihr Friſeur iſt 
vermuthlich ein Franzoſe? 

Fr. v. W. Nein, ich friſire mich ſelbſt, 
nach einem Kupſerſtiche. Ich laſſe mir alle 
Jahre einige aus der Stadt kommen. 

Ferd. Ich verſichre Sie, gnaͤdige Frau! 


in dem erſten Zirkel der Stadt würde man keinen 
Unterſchied zwiſchen Ihnen und den eleganteſten 
Damen finden. | 

Fr. v. W. O, das belieben Sie nur ſo zu 
ſagen. Und wenn ich mich auch zu kleiden ver— 
ſtuͤnde — was nutzt es mich, wenn ich eine 
ſolche Antiquitaͤt, als meinen Mann, an meiner 
Seite habe? Ich kann ihm keinen einzigen 
Knopf von ſeinen Kleidern herab demonſtriren. 
Wie oft hab ich ihn gebeten, ſeine große Flachs— 
peruͤcke wegzuwerfen, und die kahlen Stellen 
ſeines Kopfs mit Puder und Pomade zu befleis 
ſtern, wie es jetzt Mode iſt! — Was meinen 
Sie, was er mir zur Antwort gab? 

Ferd. Sie ſchuͤtze ihn gegen die Kaͤlte. 

Fr. v. W. Mit feiner gewöhnlichen gothis 
ſchen Lebhaftigkeit fagte er — ich baͤte ihn wohl 
nur deswegen ſeine Peruͤcke abzulegen, um mir 
ſelbſt eine Haartoure daraus machen zu laſſen. 

Ferd. Das war hart! In Ihren Jahren, 
gnaͤdige Frau! koͤnnen Sie tragen, was Ihnen 
gefällt. Ihnen ſteht alles gut. 

Fr. v. W. O, das belieben Sie nur ſo zu 
ſagen — Herr Baron! welches Alter iſt wohl 
jetzt in der Stadt am meiſten in der Mode? 


— 54 — 


Ferd. Bis jetzt waren es vierzig Jahre. 
Aber man hat mir geſagt, daß die Damen Wil— 
lens find, kuͤnftigen Karneval funfzig Jahre in 
die Mode zu bringen. 

Fr. v. W. Im Ernſte? — Schade! ſo bin 
ich noch zu jung fuͤr die Mode. | 

Ferd. Keine Dame trägt jetzt Juwelen, 
wenn ſie nicht uͤber vierzig Jahr alt iſt. Zum 
Beiſpiel: das Fraͤulein dort wuͤrde in einer ga— 
lanten Aſſemblee blos als ein Kind angeſehen 
werden. 

Fr. v. W. Und doch haͤlt meine Fraͤulein 
Niece ſich eben ſo gut fuͤr ein Frauenzimmer, 
und iſt eben ſo verliebt in Juwelen, als die 
ältefte Dame. 

Ferd. Sie iſt Ihre Niece? Und der junge 
Herr da, vermuthlich ein Bruder von Ihro 
Gnaden? 

Fr. v. W. O, das belieben Sie nur ſo 
zu ſagen! Es iſt mein Sohn, Hans von Uller— 
dorf, Herr Baron! und iſt mit ihr verſprochen. 
Bemerken Sie nur ihre kleine Neckereien! 
ſie zanken und vertragen ſich taͤglich ſo oft, 
als wenn fie ſchon Mann und Frau wären. 
Kommt doch her zu uns, Kinder. — Nun 


Hanſel, haft du deiner Koufine viel ſchoͤnes ge— 
ſagt? 


> 


Hans. Darauf kann ſie lauren! ich habe 


ihr geſagt, ſie ſoll mit ihrer Katze ſpielen, und 
nicht mit mir. Immer iſt ſie hinter mir her! 
Mein Seel! auſſer dem Stall iſt im ganzen 
Haufe kein Fleck, wo fie mich nicht aufſtoͤbert. 

Fr. v. W. Haͤrme dich darum nicht, liebe 


Sophte! er ſpricht ganz anders hinter deinem. 


Ruͤcken. 2 \ 

Soph. O ich weiß es Tante. Er zankt 
ſich nur in Gegenwart andrer Leute, damit ich 
ihm unter vier Augen verzeihen kann. 
Hans. Das iſt eine verdammte Lüge! 

Fr. v. W. Du liſtiger Schelm! Daucht 
Ihnen nicht Herr Baron! daß ſie um den Mund 
viel Aehnlichkeit mit einander haben? Das leib⸗ 
hafte Venusmuͤndchen. Auch ſind ſie von gleicher 
Lange, Ruͤcken an Ruͤcken, ihr Kinder! daß 
der Herr Baron es ſehen kann. 


Hans. Von gleicher Laͤnge? Nehmen Sie 


ihr einmal alles Falſche weg, was ſie an ſich 
hat, dann wollen wir ſehen, N 

Fr. v. W. Bei den Frauenzimmern wird 
das glles gerechnet. 


Hans. Hohls der Hund! ich mag ſolche 
Frauenzimmer nicht, bei denen ich alles rechnen 
muß. 

Fr. v. W. Nun, keine Umſtaͤnde, Hanſel! 
und ſtell dich Ruͤcken an Ruͤcken. «tie ftellt 
ſie) ei 

Hans. Was gilt's, es iſt das letztemal! 
(er ſtoͤßt Sophien) N 

Soph. O weh! er hat mir beinahe die 
Hirnſchale eingeſtoſſen! 

Fr. v. W. O du Ungeheuer! Schaͤm dich 
doch Hanſel! Biſt ein Mann, und fuͤhrſt dich 
ſo auf. 

Hans. Bin ich ein Mann, ſo geben Sie 
mir Geld in die Haͤnde, und laſſen Sie mich 
heirathen, wen ich will. 

Soph. Sehn Sie nur Tante, wie er 
meine Zaͤrtlichkeit belohnt! 

Fr. v. W. O du undankbarer Knabe! 

Hans, Wenn mir jemand einen falſchen 
Thaler ſchenken will, und ich mag ihn nicht — 
iſt das undankbar? 

Fr. v. W. So ſprich doch, du boͤſer Bube! 
was fehlt denn deiner Kouſine? 

f Hans. Sie gefallt mir nicht. 


Fr. v. W. Iſt fie nicht wohl gewachſen, 
ſchoͤn, reich, ſanftmuͤthig? 

Hans. Das mag fie. alles fein, aber fie 
gefällt mir doch nicht. . 

Fr. v. W. Sie ſoll dir aber gefallen, du 
ungezogner Bube. Ä 

Hans. Bin ich ungezogen Mama, fo find 
Sie Schuld, ich hab mich nicht ſelbſt erzogen. 

Fr. v. W. Was? du unterſtehſt dich? — 

Ferd. Erlauben Sie mir, gnaͤdige Frau, 
mit dem jungen Herrn allein zu ſprechen. Ich 
hoffe, ihn dahin zu bringen, daß er Ihren 
Willen mit Vergnuͤgen erfüllt, 

Fr. v. W. Ach, lieber Herr Baron, er 
kennt kein ander Vergnuͤgen, als das Bierhaus 
und den Pferdeſtall. Aber verſuchen Sie, was 
Sie uͤber ſein boͤſes widerſpaͤnſtiges liebes Herz 
vermögen. Komm Sophie, weine nicht! Hanſel 
wird endlich Vernunft annehmen. 

(ſie geht mit Sophien ab.) 


Eilfter Auftritt. 
Ferdinand, Hans. 
Hans. (ſingt) Ein junger Mann ritt 
neben an, 


— 61 — 


„ ee Der wollte gern ſeinen Willen ha'n. 
Hop heißa polei! 


Ferd. Haben Sie geſehen, daß das Fraͤu— 
lein weinte? | 

Hans. Das ſchadet ihr nichts, ſie weint 
gern. Sie und meine Schweſter haben manch— 
mal eine ganze Stunde über ein Buch geweint; 
und ſie ſagten, je mehr ſie weinen muͤßten, je 
beſſer ſei das Buch. 

Ferd. Wie es ſcheint, ſind Sie kein Freund 
des ſchoͤnen Geſchlechts? 

Hans. O ja, ein recht großer ERROR 
aber die kann ich nicht leiden. 

Ferd. Und iſt doch ein ſehr huͤbſches, gut; 
artiges Maͤdchen. 

Hans. Gutartig? ich kenn ſie beſſer. 
Hohls der Hund! es giebt keine boshaſtere, 
giftigere Kroͤte in der ganzen Chriſtenheit. 

Ferd. (fuͤr ſich) Trefliche Ermunterung 
fuͤr mich!! 

Hans. Sie iſt fo voll Finten, als ein Jafe 
im Gebuͤſche. 

Ferd. Mir scheint ſie ſtill und empfindſam 
zu ſein. 


Hans. Ja, in Geſellſchaft; aber allein, 
iſt fie fo wild als ein junges Füllen, 

Ferd. Schoͤnheit muͤſſen Sie ihr doch 
wirklich zugeſtehn — 7 

Hans. Lauter Flitterſtaat! es iſt alles 
falſch an ihr! Da ſollten Sie einmal mein Mi; 
del ſehen, des Muͤllers Lieſel! da koͤnnten Sie 
von Schoͤnheit reden. Ein paar Arme, ſo dick, 
wie ich im Leibe. Ein paar Augen, ſo ſchwarz, 
wie eine Kohle. Ein paar Backen, ſo dick und 
roth, als meiner Mutter Kuͤſſen auf dem Bet— 
pulte. Drei ſolche Dinger, wie die Koſine 
kann man aus ihr machen. 

Ferd. Nun wundre ich mich nicht uͤber 
Ihre Abneigung gegen Sophien, da Ihr Herz 
von einer dreifachen Schoͤnheit eingenommen ift: 

Hans. Nicht wahr! 

Ferd. Wenn ſich nun ein u: faͤnde, 
der Sie von Sophien befreite? 

Hans. O Sapperment! 

Ferd. Und Ihre ſchoͤne Lieſel von einer 
Nebenbuhlerin? ER 

Hans. Das wär ein Freſſen! Aber, hohls 
der Hund! wo ſteckt ſo ein Freund? 
Ferd. Ich bin der Freund. Wenn Sies 


— 63 — 


mir beiſtehn, ſo geh ich mit Sophien davon, 
und Sie ſollen nichts weiter von ihr hören. 
Hans. Ihnen beiſtehn? Bis auf den letz— 
ten Biutstropfen. Ich will Ihnen ein paar 
Pferde vor die Chaiſe ſpannen, die ſchneller 
laufen, wie der Teufel. Und wenns möglich 
iſt, fo will ich der Kouſine ihre Juwelen vers 
ſchaffen. Es waͤr unbillig, da ſie mich nicht 
bekoͤmmt, daß ſie auch ihr Vermoͤgen verloͤre. 
Ferd. Das waͤre die That eines Mannes 
von Ehre und Verſtande. 
| Hans Kommen Sie nur mit, ich will 
gleich Hand ans Werk legen. Sie ſollen ſehen, 
was Hanſel für ein Kerl iſt. ber ſingt) 
Wir zittern nicht, 
Wir zagen nicht, 
Beim Donner der Karthauen. 
(ſie gehen ab.) 


Ende des zweiten Aukzuges, 


64 — 


Dritter Aufzug. 
(Daſſelbe Zimmer.) 


‚Erfter Auftritt. 
Hans (mit einem Kaͤſtchen.) 


Hans. Hohls der Hund! da hab ich ſie! 
den ganzen Plunder! Der Kouſine Juwelen mit 
Haut und Haar. Meine Mutter ſoll das arme 
Ding nicht um ihr Vermoͤgen betruͤgen. O ha! 
Sind Sie da? eben wollt' ich Sie ſuchen. 


Zweiter Auftritt. 
Ferdinand, Hans. 


Ferd. Unſre Pferde werden ſich bald erhohlt 
haben; dann wollen wir ohne Zeitverluſt fort. 

Hans. And da ſchenk ich Ihnen etwas, 
die Reiſekoſten gut zu machen; Sophiens Ju— 
welen. Nun, hab ich nicht Wort gehalten? 
Bin ich nicht ein Mann von Verſtande? 
Ferd. Sie ſind ein Wunder von Klug⸗ 


n 


heit! — Aber auf welche Art kamen fie in Ihre 
Haͤnde? 

Hans. (ihm einen Schluͤſſel zeigend) 

Durch dieſen meinen beſten Freund auf der 
Welt. Sehn Sie, der Freund iſt ſo klug, daß 
er meiner Mutter Buͤreau oͤfnet, und mir Öelez 
genheit verſchafft, ſo oft ins Wirthshaus zu gehn, 
als ich will. Das iſt keine Suͤnde, denk ich; 
denn ich bin meiner Mutter Erbe, und ein ehr— 
licher Mann darf ſich zu aller Zeit ſelbſt beſteht 
len. 
Ferd. Das geſchieht taͤglich von Tauſenden. 
Aber ich muß Ihnen ſagen, daß Sophie ſich eben 
bemuͤht, die Juwelen von Ihrer Mutter zu 
erbitten, und wenn es ihr gelingt — 

Hans. Halten Sie die Dinger feſt, wenn 
ich Ihnen rathen ſoll. Ich wette ein ganzes 
Faß Bier, daß es ihr nicht gelingen wird. — 
Meine Mutter iſt verteufelt geizig. 

Fer d. Wenn ſie es aber gewahr wird, daß 
die Juwelen fort ſind? — 

Hane. Weiß fie denn, daß Sie fie haben? 
— Ich nehme alles auf mich; ich will ſie ſchon 
wieder troͤſten. — Zum Henker! da iſt ſie! — 
fort! fort! (Ferdinand läuft ab.) 

5 


3 


> 


* 


— 66 — 


Hang. Sie muß es noch nicht wiſſen, daß 
das Neſt leer iſt. 


Dritter Auftritt. 
Hans, Fr. v. Wenski, Sophie. 


Fr. v. W. Ein Mädchen von deinem Alter 
will Juwelen tragen! laͤcherlich! — Wenn du 
zwanzig Jahr aͤlter biſt — wenn deine Schoͤn— 
heit noͤthig hat aufgeputzt zu werden, dann iſt 
es Zeit dazu. 

Soph. Was im vierzigſten Jahre die 
Schoͤnheit erheben kann, kann es ſicher auch im 
zwanzigſten. 

Fr. v. W. Du haſt das gar nicht noͤthig. 
Dein weiß und roth Geſicht uͤbertrift allen Putz. 
Ueberdieß mein Kind, ſind Juwelen ganz aus 
der Mode. — 5 

Soph. Aber liebe Tante! vielleicht gefalle 
ich einem Gewiſſen, den ich nicht nennen mag, 
in meinen Juwelen beſſer, als bisher. 

Fr. v. W. Komm her Hanſel! bedarf 
Sophie in deinen Augen einiger Juwelen, 
um ſchoͤner zu werden? f 


— 67 — 


Hans. Weiß nicht, Mama. 

Fr. v W. ueberdieß mein Kind — ich 
will es zwar nicht hoffen — aber ich muß dir 
geſtehn, daß ich ſie ſeit langer Zeit nicht habe 
finden koͤnnen. Wenn ſie mir nur nicht gar 
geftohlen ſind! 4 

Hans. (leiſe zur Mutter) Sagen Sie es 
ihr grade zu, daß ſie weg ſind; ich will es be— 
zeugen. 

Fr. v. W. (leiſe) Gut Hanſel, bezeug es. 

Du weißt, daß ich ſie blos fuͤr dich aufhebe. 

Hans. Nur zu, Mama. Sie ſind ge, 
ſtohlen! ich will es bezeugen. 

Soph. Ich begehre fie nur auf einen Tag, 
liebe Tante; hernach moͤgen ſie wieder verſchloſ— 
ſen werden. 

Fr. v. W. Ich muß es dir nur grade heraus 
ſagen, liebe Sophie; koͤnnte ich ſie finden, ſo 
ſollteſt du ſie haben, aber ich fuͤrchte, ſie ſind 
fort. 
Soph. Das iſt nur ein ſchaler Vorwand, 
liebe Tante! Sie verfahren bei Dingen von fo 
großem Werthe nicht ſo nachlaͤßig, beſonders da 
Sie fuͤr den Verluſt ſtehen muͤſſen. 

Fr. v. W. Sind fir verloren, fo muß ich fie 

a 85 


„ 


dir erſetzen, das verſtoht ſich. Aber mein Sohn 
weiß, daß fie nicht in meinem Buͤrcau find. 

Hans. Das kann ich bezeugen. Ich hab's 
mit meinen Augen geſehn, daß ſie nicht mehr 
dort ſind. 

Soph. Aber wie — 

Hans. Ich will einen Eid Dt ſchwöͤ⸗ 
ren, daß ſie fort ſind. 

Soph. Entſetzlich! 

Fr. v. W. Sei gelaſſen Sophie! Wenn 
wir gleich unſer Vermoͤgen verlieren, muͤſſen 
wir doch die Geduld nicht verlieren. Sieh nur, 
wie ruhig ich bin! 

Soph. Bei andrer Ungluͤck iſt es ſehr leicht, 
ruhig zu ſein. 

Fr. v. W. Weißt du was Sophiechen? du 
kannſt unterdeſſen meine Granaten tragen, bis 
ſich die Juwelen wieder finden. | 

Soph. Granaten kann ich nicht leiden, ich 
will — 

Fr. v. W. Ich hole ſie, du wirſt dich 
freuen, wie gut ſie dir ſtehen. 0 

(ſie geht ab.) 

Hans. O weh! nun findt ſie's leere Neſt! 


Soph. Verlegt meine Juwelen, und will 


mich zwingen, ihre abgeſchmackten Granaten zu 
tragen! 

Hans. Sein Sie keine Naͤrrin, und neh: 
men Sie die Granaten „ wenn Sie fie kriegen 
koͤnuen. Die Juwelen haben Sie ſchon. Ich 
hab' ſie weggeputzt, und Ihrem Baron gegeben. 
Gehn Sie nur zu ihm, er wird Ihnen mehr 
von der Sache ſagen; ich will ſehn, daß ich die 
Mutter beſaͤnftige. Sie wird verdammt boͤſe 
werden, wenn ſie ſieht, daß aus dem Spaß 
Ernſt geworden iſt. So bald ich von ihr los— 
komme, will ich die Pferde beſtellen. 

Soph. O mein beſter Vetter! Sie ſind 
ein ganz allerliebſter Spitzbube! 

Hans. Mein Seel! da iſt die Mutter ſchon! 
Machen Sie, daß Sie fortkommen. 

(Sophie laͤuft ab.) 

Hans. Sie laͤuft und ſpeit um ſich, wie 
ein Muͤhlrad! 


Vierter Auftritt. 
Fr. v. Wenski, Hans. 
Fr. v. W. Hanſel! Hanſel! Diebe! Raͤu⸗ 


ber! Wir ſind betrogen, gepluͤndert, beraubt, 
verloren! 


2 VE 


Hans. Was giebts Mama? iſt Papa krank 
geworden! f | 

Fr. v. W. Wir find beſtohlen. Die Zus 
welen ſind fort. | 
Hans. Hahaha! das heiß ich recht natuͤr— 
lich ſpielen! Ich glaubte, mein Seel! ſie waͤren 
im Ernſte fort. | 

Fr. v. W. Freilich find fie im Ernfte fort, 
Man hat mein Bureau eröfnet, und fie heraus⸗ 
genommen. N 

Hans. Bleiben Sie dabei, Mama, und 
rufen Sie mich zum Zeugen! hahaha! 

Fr. v. W. So hoͤr mich doch an Hanſel! 
So wahr ich lebe, die Juwelen ſind fort. 

Hans. Ich weiß, daß ſie fort ſind, und 
wills auch bezeugen! hahaha! 

Fr. v. W. Die Juwelen find wirklich ge; 
ſtohlen. 

Hans. Ich weiß recht gut, wer ſie geſtoh⸗ 
len hat. Hahaha! 

Fr. v. W. Verdammter Dummkopf! kannſt 
du nicht Scherz vom Ernſt unterſcheiden? Ich 
ſcherze jetzt nicht, du Bube! | 

Hans. Das iſt recht; das iſt recht! Sie 
muͤſſen recht bitter boͤſe thun, ſo glaubt man 


” 
—— 7 1 — 


uns deſto eher. Sie ſind fort, ich kann's bes 
zeugen. 

Fr. v. W. Starrkoͤpfiges Vieh! das mich 
nicht anhören will. Du biſt ein Eſel, das kannſt 
du bezeugen! Hoͤr mich an Hanſel! wir muͤſſen 
ſehen, wie wir den Dieb heraus bekommen, 
denn die Juwelen ſind fort. 

Hans. Schon recht, ſchon recht, ich wills, 
bezeugen! ö 
Fr. v. W. Sprich noch einmal vom Bezeu— 
gen, du Dummkopf, und ich werfe dir den 
Stuhl ins Geſicht. Ach! meine arme Niece! 
ihr ganzes bischen Vermoͤgen! — Lachſt du 
noch, du verdammter Junge? 

Hans. Sie machen's charmant, Mama, 
bleiben ſie dabei. Ich wills bezeugen. Hahaha! 

Fr. v. W. I du Ungeheuer! ich will dich 
lehren, deine Mutter zu quaͤlen. 

Hans. Ich wills bezeugen! bleiben Sie 
dabei! (er läuft davon, und fie ihm nach.) 


Fuͤnfter Auftritt. 
Herr v. Wenski. 


A ha! da giebt's wieder einen der gewoͤhn— 
lichen Auftritte zwiſchen Mutter und Sohn! 


— 72 — 


Ganz gut, Margarethe! Du wirſt die Folgen 
deiner Erziehung fhon empfinden. — Wun⸗ 
derliche Sachen gehen heut in meinem Haufe 
vor. — Was fuͤr eine Abſicht konnte mein alter 
Freund dabei haben, daß er mir ſeinen Sohn 
als den beſcheidenſten Juͤngling empfahl? — 
Mir ſcheint er das unverſchamteſte Geſchoͤpf zu 
ſein, daß je mit menſchlicher Zunge ſprach. 
Meinen Großvaterſtuhl nahm er mir vor der 
Naſe weg. Seine Stiefel zog er im Viſiten⸗ 
zimmer aus, und bat mich, dafuͤr zu ſorgen, 
daß ſie geputzt wuͤrden. Was fuͤr Eindruck mag 
ſeine Unverſchaͤmtheit wohl auf meine Tochter 
gemacht haben! gewiß nicht den beſten. Welch“ 
ein Unterſchied zwiſchen ihm und ſeinem Freunde! 


Sechſter Auftritt 


Herr v. Wenski, Nanette in ſehr ehr⸗ 
barer Hauskleidung. 


Wenski. So mein Toͤchterchen! wie ich 
jehe Haft du deinen Narrentand ſchon abgelegt, 
und dich ehrbar gekleidet. . 

Nan. Da Sie fo pünktlich find, lieber 


Vater, fo werd' ich mich wohl hüten, gegen 
unſern Vergleich zu fehlen, 

Wenski. Was ſagſt du zu dem beſcheidnen 
jungen Herrn, den ich dir zum Liebhaber em; 
pfahl? . 

Nan. Ich ſage, daß das Original Ihre 
Beſchreibung noch uͤbertrift. 

Weenski. In meinem Leben bin ich nicht 
ſo ſehr uͤber etwas erſtaunt! 

Nan. Ich auch lieber Vater! und das heißt 
ein Weltmann! 

Wenski. Das hat er alles auſſerhalb Lan— 
des gelernt. Nun glaub ich wahrlich, daß ein 
junger Menſch weit eher auf einer Maskerade 
Witz, als auf Reiſen Beſcheidenheit lernen kann. 

Nan. Doch ſcheint ſein Betragen ihm an— 
geboren zu ſein. 5 
Wens ki. Nein, nicht angeboren. Schlech— 
te Geſellſchaft und ein franzoͤſiſcher Tanzmeiſter 
haben ihn verdorben. 

Nan. Nein, lieber Vater. Ein franzoͤ⸗ 
ſiſcher Tanzmeiſter hätte ihm nie den furchtſamen 
Blick, den einfältigen Anſtand, die verſchaͤmten 
Manieren lehren Können, 


Wenski. Furchtſamer Blick! verſchaͤmte 
Fanieren! 
Nan. Sie glauben nicht, wie ich uͤber ſeine 
Furchtſamkeit beim erſten Anblick erſtaunte. 
Wenski. So hat dich der erſte Anblick 
gewaltig betrogen. Er iſt der unverſchaͤmteſte 
Burſche, den ich je ſah! 


Nan. Sie ſcherzen! — Er iſt der beſchei⸗ 


denſte Burſche den ich je ſah! 

Wenski. So lang ich auf der Welt bin, 
iſt mir kein fo prahlender, trotziger, unver: 
ſchaͤmter Kerl vorgekommen. 0 

Nan. Sie ſetzen mich in Erſtaunen! Mich 
redete er mit der ehrfurchtsvollſten Verbeugung 
an — mit ſtammlender Zunge, und niederge⸗ 
ſchlagenen Augen. 

Wenski. Mit mir ſprach er, als wenn 
wir uns fon zwanzig Jahr kennten; that 
funfzig Fragen, und ließ mich nie antworten. 
Unterbrach meine beſten Anmerkungen durch ein 
laͤppiſches Wortſpiel. Spaßte uͤber meine Er; 
zaͤhlungen vom Prinzen Eugen. 

Nan. Einer von uns irrt ſich, lieber Vater. 

Wenski. Ein ſo dreiſter unverſchaͤmter Burs 
ſche ſoll nie mein Schwiegerſohn werden. 


* 


Nan. Ein fo beſcheidner, furchtſamer Burs 
ſche fol nie mein Mann werden. 

Wenski. In einem Stuͤcke ſind wir alſo 
einig — ihn abzuweiſen. 

Nan. Ja, aber unter gewiſſen Bedingun— 
gen. Ich glaube, daß der Menſch zu beffern 
iſt. Wenn Sie ihn alſo kuͤnftig, nicht ſo uns 
verſchaͤmt — und ich ihn etwas dreiſter — 
Sie ihn ehrerbietiger, und ich etwas zudringe 
licher faͤnden — ſo daͤcht' ich, ginge er zum 
Manne wohl an. 

Wenski. Wenn wir ihn fo finden! — 
Das iſt aber unmoglich. Ich betrüge mich ſel— 
ten in dem Urtheile, das ich beim erſten Anblicke 
eines Menfchen fälle. 

Nan. Und doch Finnen beim erſten Anblick 
viele gute Eigenſchaften verborgen bleiben. 

Wenski. Wenn einem Mädchen das Aeuſſer— 
liche einer Mannsperſon gefaͤllt, ſo vermuthet 
es gleich vortrefliche innerliche Eigenſchaften. 
Ein glattes Geſicht vertritt die Stelle des Ver— 
ſtandes, und eine artige Figur die Stelle der 
Tugenden. 

Nan. Ein ſchlechtes Kompliment für meine 
Einſicht, lieber Vater. 


Wenski. Mit einem Worte — wenn der 
junge Hans Unverſchaͤmt Widerſpruͤche vereini— 
gen kann, ſo wird er uns beiden gefallen, und 
dann ſoll er dich haben. 

Nan. Und da doch einer von uns ſich irren 
muß, wie waͤr' es, wenn wir noch mehr Ent: 
deckungen zu machen ſuchten. 

Wenski. Es ſei. Aber verlaß dich darauf; 
ich habe Recht. 

Nan. Und ich nicht ganz Unrecht. 

Wenski. (fuͤr ſich) Da kommt er! ich will 
gleich dahinter ſein, ob er wirklich ſo beſcheiden 
bei ihr iſt, wie ſie vorgiebt. laut) Leb wohl, 
mein Kind! ich will nach meinem Hausweſen 
ſehn. x (er geht ab.) 


Siebenter Auftritt. 


Nanette. 


Wenn mein Vater wüßte, daß er ihn für 
einen Gaſtwirth haͤlt, ſo wuͤrde er ſich nicht 


über feine Dreiſtigkeit wundern. — Mich ſah 


er eben fuͤr die Beſchlieſſerin an, und warf mir 
ein paar ziemlich feurige Augen zu. Ich will ihn 
fo lange als möglich in dem Irrthume laſſen. 


Dafuͤr bin ich ſicher, daß er mich nicht kennt; 
denn ſeine Furcht war ſo groß, daß er waͤhrend 
unſrer Unterredung nicht ein einzigesmal auf 
blickte. Gegen Maͤdchen in dieſem Anzuge iſt 
er dreiſt — er wird mich alſo ſehen — kein 
geringer Vortheil für ein Frauenzimmer, das 
ihr Geſicht zu Markte bringt. Zweitens werd' 
ich vielleicht mit ihm bekannt — kein ſchlechter 
Sieg uͤber einen Menſchen, der nur die Be— 
kanntſchaft der Ungefitteten meines Geſchlechts 
ſucht. Drittens und hauptſaͤchlich kann ich gleich 
dem unſichtbaren Ritter eines Romans, die 
Staͤrke des Rieſen pruͤfen, eh ich mich mit ihm 
in einen Kampf einlaſſe. — Da kommt er. 


Achter Auftritt. 
Karl, Nanette. 


Karl. (fuͤr ſich, in Gedanken) Das if 
ein verwuͤnſchtes Wirthshaus! nicht einen Aus 
genblick kann man allein ſein. Geh ich in das 
eine Zimmer, ſo finde ich den Wirth und ſeine 
Hiſtorien; in dem andern die Wirthin, die ſich 
bis auf die Erde neigt. Endlich hab' ich doch 


einen Augenblick für mich, meine Lage zu Aber: 
denken. (geht auf und ab.) 
Nan. Haben Ihro Gnaden gerufen? _( fie 
verſtellt den Ton ihrer Stimme.) 5 
Karl. Das Fraͤulein if für mich zu ernſt⸗ 
haft, zu empfindſam. b 
Nan. (ſtellt ſich immer vor ihm hin, wenn 


er ſichumwendet) Haben Ihro Gnaden gerufen? 


Karl. Nein Kind. (nachdenkend) und wenn 


mich der eine Blick, den ich ihr zuwarf, nicht 
betrog, fo glaub ich gar, daß fie ſchielt. 

Nan. Ich habe doch gewiß eine Glocke ge 
hoͤrt! (wie vorhin.) | 

Karl. Nein, nein — (nachdenkend) Wo— 
zu bedarf ich der Bekanntſchaft des alten Wens⸗ 
ki! Ich bin meinem Vater zu gefallen hieher 
gereiſet — und Morgen will ich, mir zu gefal— 
len, wieder fort reiſen. 

Nan. Vielleicht hat der andere Herr gerufen! 

Karl. Nein, ſag ich. (er ſieht ihr ins © 
ſicht) Doch ja Kind! — Ich glaube, ich habe 
gerufen. — Ich moͤchte gern — ich moͤchte 
gern — Du biſt ja ein allerliebſtes Maͤdchen! 

Nan. O Ihro Gnaden werden mich roth 
machen! 


n 
Pr 


Karl. Was für ein munteres, muthwilli— 
ges Auge! — Ja, ja, mein Schatz! ich habe 
gerufen. 

9 6 1 1 
Neunter Auftritt. 
Vorige, Jakob. 


Jak. Cleife zu Karl) Ihro Gnaden! der 
Baron Perning laͤßt Sie bitten, ihm das Kaͤſt— 
chen gut aufzuheben, es ſind Juwelen darin. 

Karl. Nun zum Henker! wo ſoll ich's denn 
aufheben? Soll ich's mir auf den Ruͤcken bin; 
den? denn in die Taſche geht es nicht. Der 
einzige Platz, den ich habe, iſt der Sitz in der 
Chaiſe, und die ſteht auf dem freien Hofe. — 
Bring es der Wirthin, Jakob. Gieb es in 
ihre eigene Haͤnde — fie ſoll es ſorgfaͤltig bis zu 
unſrer Abreiſe aufbewahren. 

Jak. Gut, Ihr Gnaden! — 

Karl. Und du, iß, trink, und laß dit 
nichts abgehen. 5 

Jak. Ich wills nicht vergeſſen, Ihr Gng— 
den. N 

(er geht ab.) 


Zehnter Auftritt. 
Karl, Nanette. 


Nan. Ihro Gnaden haben alſo nichts zu 


befehlen? e a 
Karl. Ja, mein Engel! ich moͤchte gern — 
haſt du nichts von dem? — Aber man kann 


in dieſem Hauſe fodern was man will, und bes 
kommt es nicht. 

Nan. Was denn Ihro Gnaden? 

Karl. Ich moͤchte gern eine Probe vom 
Nektar deiner Lippen. 

Nan. Nektar! Nektar! — Das iſt wohl 
ein ſpaniſcher Wein, denk ich! und wir haben 
keine ſpaniſche Weine, Ihro Gnaden.“ 

Karl. Er iſt vom achten, deutſchen Ge— 
waͤchſe. | 
Nan. Kurios! ich lebe doch achtzehn Jahre 


in dieſem Hauſe, und hab nie von dem Weine 


gehoͤrt. 

Karl. Achtzehn Jahre! Auf die Art biſt du 
Beſchlieſſerin geweſen, eh du auf die Welt kamſt. 
Wie alt biſt du? 

Nan. O Ihro Gnaden, das darf ich nicht 


— 81 — 


ſagen. Frauenzimmer und Muſik muͤſſen nicht 
datirt werden. 

Karl. In dieſer Entfernung zu urtheilen, 
kannſt du nicht viel über vierzig fein. (naͤhert 
ſich) Von hier kaum dreißig. (nähere ſich) Von 
hier kaum fünf und zwanzig. (nähert ſich) Je 
naher man dir kommt, je juͤnger wirſt du. Und 
ganz nahe — (er will ſie kuͤſſen.) 

Nan. Sachte, ſachte! Bleiben Sie nur in 
der Entfernung. Ich glaube, Sie wollen mir 
das Alter am Maule abſehen, wie bei den Pfer— 
den! 

Karl. Aber mein Schatz! wenn du mich 
immer von dir entfernt haͤltſt — wie koͤnnen wir 
miteinander bekannt werden? 

Nan. Ich will nicht mit Ihnen bekannt 
werden. Mit dem Fraͤulein Wenski ſind Sie 
gewiß nicht ſo dreiſt, und unhoͤflich umgegangen ! 
Bei ihr werden Sie wohl die Augen niederge— 
ſchlagen, ſich bis auf die Erde gebuͤckt, und 
geſtammelt haben, als wenn Sie vor Gericht 
ſtuͤnden. 

Karl. (für ſich) Sie hat es ziemlich genau 
getroffen. (laut) Wie, du glaubſt, daß ich ihe 
hoͤflicher begegnet bin als dir? — Ha, ha, ha! 

6 


. 


Ich ſehe, du kennſt mich nicht. (er ergreifft 
ihre Hand, die ſie los zu machen ſucht) Ich 
ſollte mit einem ſo albernen, ſchielenden Geſchoͤpfe 
mehr umſtaͤnde machen, als mit einem ſo rei— 
zenden Kinde? — Gelacht hab' ich; mich 
uͤber ſie luſtig gemacht. Aber mit dir, mein 
Engel! — (er will ſie kuͤſſen, fie ſtraͤubt ſich) 
Da iſt der verdammte Wirth ſchon wieder! (er 
laßt fie los) Ueberall kommt er mir in den Weg. 
Mein gewoͤhnliches Gluͤck! Ich gewann nie ein 
Spiel, ohne gleich darauf Kodille zu verlieren. 
(er geht ab.) 


Eilfter Auftritt. 


Herr v. Wenski, Nanette. 


Wenski. So Fraͤulein! iſt das der be— 
ſcheidne Liebhaber? der furchtſame, unterthanige i 
Bewunderer, der mit niedergeſchlagnen Augen, 
bloß in demuͤthiger Entfernung, anbetet? Anna! 
Anna! ſchaͤmſt du dich nicht, deinen Vater ſo 
zu betruͤgen? 

Nan. Ich will Ihre Liebe verlieren, wenn 
er nicht noch immer der beſcheidene Mann iſt, 
fuͤr den ich ihn ausgab. N 


MWensti So wahr mein Kopf grau iſt! 
ich glaube, ſeine Unverſchaͤmtheit hat dich ange— 
ſteckt. Sah ich nicht, daß er deine Hand ergriff? 
dich kuͤſſen wollte? und du plauderſt von ſeiner 
Ehrfurcht und Beſcheidenheit? 

Na n. Aber wenn ich Sie in kurzem davon 
uͤberzeuge; j wenn ich Ihnen beweiſe, daß er nur 
ſolche Fehler bak, die mit den Jahren vergehn, 
und Tugenden, die mit den Jahren zunehmen — 
daun werden Sie ihm doch verzeihen? 

Wenski. Du wirſt mich toll machen Anna! 
Ich will nicht uͤberzeugt werden; denn ich bin's 
ſchon. Kaum iſt er drei Stunden hier, und 
er ſpielt den Herrn im Hauſe — verjagt mich 
aus meinem Großvaterſtuhl. Mag dir meinet; 
wegen feine Unverſchaͤmtheit gefallen! magſt du 
fie meinetwegen Veſcheidenheit nennen! Aber 
mein Schwiegerſohn muß andre Eigenſchaften 
haben. 

Nan. In zwei Stunden aufs laͤngſte, wer, 
den Sie einerlei Meinung mit mir ſein. 

Wenski. In einer halben Stunde aufs 
laͤngſte, werd' ich ihm die Thuͤre weiſen. 

Nan. So erlauben Sie mir denn nur eine 
Stunde. 

8 6 


— 84 PR 


Wenski. Nun, ſo mags denn eine Stunde 
ſein. Aber treib kein Spiel mit deinem Vater 
und geh aufrichtig zu Werke. 

Nan. Lieber Vater! Sie wiſſen, wie willig 
ich jederzeit Ihren Befehlen gefolgt bin; denn 
Sie ſind ſo guͤtig gegen mich, daß meine Pflicht 
bisher auch meine Neigung war. (fie geht ab.) 

Wenski. Ich will nicht ehrlich ſein, wenn 
ich daraus klug werden kann! — Iſt der junge 
Menſch beſcheiden, ſo moͤcht' ich wohl noch vor 
meinem Ende einen Unbeſcheidnen ſehn. 


Ende des dritten Aufzuges. 


Vierter Aufzug, 


( Daffelbe Zimmer.) 


Erſter Auftritt. 
Karl. 


Unter eine wunderliche Geſellſchaft von Leuten 
bin ich gerathen. Ferdinand ſteckt immer bei 
ſeiner Sophie — Ich darf mich nicht ruͤhren, 
ſo werd' ich von allen Seiten angeſchrien, ob 
ich etwas befehle? — Der Wirth und die 
Wirthin ſind unertraͤglich! — Doch bei allem 
Schlimmen iſt das noch gut, daß mir meine Braut 
in Hofnung, nicht zu nahe kommt; und die kleine 
Beſchlieſſerin — ſie geht mir gewaltig im Kopfe 
herum, und jagt die Thorheiten der Übrigen 
Familie heraus. — Sie muß mein werden, 
oder ich muͤßte mich ſehr irren. 


Zweiter Auftritt. 
Karl, Ferdinand. 


Jer d. Wuͤnſch mir Gluͤck, Karl! ich bin am 
Ziel meiner Wünfche, 


„ 


Karl. So? 5 

Fer d. In- einer halben Stunde bin ich mit 
meiner lieben Sophie uͤber alle Berge. 

Karl. Und mich willſt du in dem abfheulis 
chen Loche allein zuruͤck laſſen? | 

Fer d. Ich muß, beſter Karl! ich muß. 

Karl. Je nun, ich hab' unterdeſſen einen 
Zeitvertreib gefunden, der mich entſchaͤdigt. — 
Aber Ferdinand! Die Pferde koͤnnen unmoͤglich 
ſchon im Stande fein — 

Ferd. Du behältft Wagen und Pferde. f 
Ich hab' andre. 

Karl. Deſto beſſer! 

Ferd. Ich muß machen, daß ich an den 
Ort der Verabredung komme. Gieb mir das 
Juwelenkaͤſtchen, lieber Karl! Du bat es doch 
ſicher verwahrt? 

Karl. Das verſteht ſich. Aber wie konn⸗ 
teſt du unſre Chaiſe auf dem freien Hofe für 
einen ſicheren Ort halten? 


Ferd. Ich glaubte, im Koffer — 


— 


Karl. Und gehoͤren nicht Stunden dazu, 
Stricke, Matten, Ketten und dergleichen loszus 
machen? — Ich habe, ohne ſolche Weitlänfigs 


— 37 — 


keiten, beſſer fuͤr die et, des Kaͤſtchens 
geſorgt. Ich habe — 
1 Ferd. Was? 

Karl. Ich hab' es der Wirthin zum Auſ— 
heben geſchickt. 

Ferd. Der Wirthin? 

Karl. Der Wirthin. 

Ferd. Der Wirthin? — 

Karl. Und wo kann es ſichrer ſein? ſie 
muß dafuͤr ſtehn, daß es wieder an den rechten 
Mann kommt. 

Ferd. Ja, ja, ſie wird es wieder an den 
rechten Mann bringen. (fuͤr ſich) Verdammter 
Streich. 

Karl. Nun, hab' ich es nicht gut gemacht? 

Ferd. Ganz vortreflich. (fuͤr ſich) Ich 
muß ihm meine Verlegenheit verbergen. 

Karl. Ich weiß wenigſtens nicht, wie es 
kluͤger zu machen waͤre. 

Fer d. Das glaub ich. 

Karl. Aber dem ungeachtet ſcheinſt du in 
Verwirrung zu ſein. — Es iſt dir doch nichts 
widriges begegnet? 12 

Ferd. Nein, gar nichts. In meinem 
ganzen Leben war mir nie beſſer zu Muthe. 


— 343 — 
Die Wirthin hat ohne Zweifel das Kaͤſtchen mit 
vieler Bereitwilligkeit angenommen? ; 

Karl. Mit der größten Bereitwilligkeit 
von der Welt. Jakob erzaͤhlte, daß ſie ihn 
allerhand hätte fragen wollen, aber da er durſtig 
war, ging er davon. 

Ferd. Du haſt deine Sachen vortreflich 
gemacht! — Die Juwelen find dort recht gut 
aufgehoben. 

Karl. So ſicher als im Koffer. 

Fer d. (für ih) Zu dem Vermoͤgen iſt weis 
ter keine Hofnung; wir muͤſſen's im Stiche 
laſſen. (laut) Leb wohl, lieber Karl! Ich danke 
dir fuͤr den Dienſt, den du mir haſt leiſten wol— 
len, und wuͤnſche, daß du für dich felbſt gluͤckli⸗ 
cher ſein moͤgeſt! (er geht ab.) 

Dritter Auftritt. 

Karl, hernach Herr v. Wenski. 


Karl. Was will er damit ſagen? hab' ich 
etwa einen dummen Streich gemacht? 

Wenski. (für ſich) Aus Freundſchaft fuͤr 
ſeinen Vater will ich mich doch zwingen, gelaſſen 
zu ſein. 


— 89 — 


Karl. Da hat der Teufel den Wirth ſchon 
wieder! 

Wenski. Ihr gehorſamer Diener, Herr 
Baron! 

Karl. Ihr Diener! (fuͤr ſich) Er will mir 
ſicher wieder eine alte Geſchichte erzählen. 
Wenski. Ich glaube, lieber Herr Baron! 
Sie werden fühlen, daß kein Menſch auf der 
Welt in dieſem Hauſe willkommener ſein, und 
freundlicher kann bewirthet werden, als Ihres 
Vaters Sohn. Ich hoffe, Sie werden das 
glauben? | 

Karl. Das thue ich von Herzen. Auch 
bedarſ's bei mir keines Noͤthigens; denn ich 
richte es ſchon ſo ein, daß meines Vaters Sohn 
uͤberall gut bewirthet wird, wo er ſich nur ſehen 
läßt. 

Wenski. Das ſeh' ich, daß Sie das thun. 
Aber, mein lieber Herr Baron! wenn ich auch 
gleich zu Ihrem eigenen Betragen ſchweige, ſo 
fallt mir doch die Auffuͤhrung Ihres Bedienten 
unertraͤglich. Die Art zu trinken giebt ein ſehe 
boͤſes Beiſpiel in meinem Hauſe, das ich nicht 
dulden darf. | 

Karl. Das iſt wahrhaftig nicht meine 


Schuld. Trinkt er nicht, wie er foll, fo liegts 
an dem Kerl ſelbſt. Ich hab' ihm befohlen, 
des Kellers nicht zu ſchonen; mehr kann ich nicht. 
(er geht zur Thuͤr) He! mein Bedienter fol 
kommen. — Es war mein ausdruͤcklicher Bes 
fehl, daß er meine Maͤßigkeit wieder gut 
machen ſoll. 5 5 
Wenski. Was heißt das? Ich verſtehe 
Sie nicht. Ahr 

Karl. Sofind Sie taub. Ich habe mei— 
nem Kerl befohlen, er ſoll fo viel ſaufen, als 
er nur kann und mag. 5 

Wenski. Es war Ihr Befehl? Das iſt 
etwas anders! Denn mag es gut ſein. 

Karl. Freilich war's mein Befehl. Sie 
ſollen es von ihm ſelbſt hoͤren. 


Vierter An fa ni tt. 


Vorige, Jakob betrunken. 


Karl. Komm her, Jakob! Hab ich die 
nicht befohlen Schlingel! dir nichts abgehen zu 
laſſen? zu eſſen, zu ſaufen, fo viel du kannſt? 

Wenski. (fuͤr ſich) Nach grade verlier ich 
die Geduld. 5 


Jak. Ja, Shro Gnaden — aber ben ich 
gleich nur ein Dedienter, fo bin ich doch ein 
freier Menſch, und kein Hund. — Ich trinke 
nie vor dem Abendeſſen, niemals! — eh ließ 
ich mich umbringen. 

Karl. Nun? iſt Ihnen der Kerl nicht be 
ſoffen genug? { 

Wenski. (für ſich) Bald kann ich nicht 
langer. 

Jak. Niemals vor dem Abendeſſen, oder 
mich ſoll der Teufel hohlen! — Aber, nach dem 
Abendeſſen kann ich trinken, und dann will ich 
mich auch dazu halten. 

Karl. Geh deiner Wege. 
(Jakob geht ab.) 


Süanfter Auftritt. 
Herr v. Wenski, Karl. 


Karl. Iſt er nicht fo honett beſoſſen, als 
möglich? — Wenn Sie noch mehr wollen, ſo 
muͤſſen Sie den armen Teufel in Wein oder 
Bier erſaͤufen. 

Wenski. (für ſich) Das iſt zu toll! Ich 
würde raſend, wenn ich das laͤnger ertruͤge. 


(laut) Hören Sie, mein Herr! ich habe Ihre 
Unverſchaͤmtheit drei Stunden gelaſſen ertragen, 
aber, da ich das Ende davon nicht abſehe, ſo 
bin ich entſchloſſen, Herr in meinem Hauſe zu 
ſein; und verlange, daß Sie und Ihr betrunke— 
ner Schlingel mein Haus ſogleich verlaſſen. 

Karl. Ihr Haus verlaſſen? — Zum Hen— 
ker! das iſt ganz was neues! — Ich ſoll Ihr 
Haus verlaſſen, weil ich thue, was ich kann, 
um Ihnen zu gefallen? 

Wenski. Sie gefallen mir nicht, ſag ich 
Ihnen, und daher ſollen Sie mein Haus raͤu— 
men. | 

Karl. Sie belieben zu fpaffen, glaub' ich! 
So ſpaͤt gegen die Nacht ſollt' ich reiſen? Ha, 
ha, ha! Zum Teufel iſt es meine Schuld, daß 
der Kerl nicht mehr ſaufen kann? 

Wenski, (fuͤr ſich) Ich glaube, ich kriege 
den Schlag. 8 

Karl. Gehen Sie, guter Mann! laſſen Sie 
mich in Ruhe, und machen Sie Ihrem Scherz 
ein Ende. 

Wenski. Scherz? Ich ſag Ihnen, es iſt 
Ernſt, ſag ich Ihnen! Und da Sie fo unver; 
ſchaͤmt find, ſag' ich Ihnen: das Haus iſt mein, 


verftehn Sie wich? Mein iſt das Haus, und 
ich befehle Ihnen, es den Augenblick zu raͤu— 
men. a } 

Karl. (ernſthaft) Dies iſt ſein Haus, Pa: 
tron? Es iſt mein Haus — mein Haus iſt 
es, ſo lang ich darin bleiben will. Herr! 
Was fuͤr ein Recht haben Sie, Ihrem Gaſte 
zu befehlen, daß er Knall und Fall aus dem 
Hauſe gehe? Mich ſoll der Teufel hohlen, wenn 
mir dergleichen Unverſchaͤmtheit Zeit meines Le 
bens vorgekommen iſt! 

Wenski. Und mir, ſo wahr der Himmel 
lebt! auch nicht. Nach grade muß ich daruͤber 
lachen! Kommt in mein Haus; fordert, was 
ihm beliebt; draͤngt mich aus meinem Großva— 
terſtuhl; beleidigt meine Frau und Hausgeſinde; 
befiehlt ſeinem Bedienten, ſich zu beſaufen; und 
ſagt mir dann — das Haus iſt mein. — Je 
verflucht! — Was meinen Sie, da Sie ſich 
doch einmal das Haus zueignen, wenn Sie auch 
die Mobilien nahmen! Da iſt ein huͤbſcher 
Kronleuchter! — Dort iſt ein filbernes 
Schreibzeug. 

Karl. Bringen Sie mir Ihre Rechnung, 
Herr! und machen Sie mir den Kopf nicht warm. 


Wenski. Da iſt auch eine Sammlung von 
Gemaͤlden. — a ' " 
Karl. Ihre Rechnung! dann will ich Ihr 
verdammtes Haus ſogleich verlaſſen. 5 
Wenski. Was ſagen Sie zu dem Fluͤgel? 
den Tiſchen und Stuͤhlen? — 
Karl. Meine Rechnung! — 
Wenski. Vergeſſen Sie den Großvater, 
ſtuhl nicht, es ſitzt ſich gut darin. i 
Karl. Zum Teufel! meine Rechnung, 
oder — 5 N 


/ 


5 


Wenski. Juͤngling, Jaͤngling! nach Ih— 
res Vaters Briefe hab' ich einen wöderzognen 
jungen Mann erwartet; aber ich finde, N er 


2 
r 


ein Geck, ein Grobian iſt. Morgen komm 

Ihr Vater; dann wollen wir weiter egen 

(er geht ab.) 

Karl. Was Teuſel iſt das? — - Sol ich 
mich in dem Hauſe geirrt haben? — Aber,, 4 
es iſt doch alles fo wirthshausmaͤßig hier. Die ; 
Bediente ſchreien, wenn man ankommt — die 
Aufwartung iſt elend — auch eine Beſchlieſſerin 
iſt hier. — Da kommt fie zu gelegner Zeit, 
mir aus dem Traume zu helfen. 


e ee | 
Sechſter Auftritt. 
Karl, Nanette. 


Karl. Wohin ſo eilig, mein Schatz? Nur 
ein paar Worte. 

Nan. Es duͤrfen aber nicht mehr ſein, denn 
ich hab' Eile. b 

Karl. Sag mir doch, liebes Kind! Wer 
biſt du, und was iſt dein Geſchaͤft in dieſem 
Hauſe? 

Nan. (für fih) Voͤllig iſt er noch nicht un 
terrichtet. (laut) Ich bin eine arme weitläuftige 
Anverwandtin des Hauſes, Ihro Gnaden. 

Karl. Eine arme weitläuftige Anverwands 
tin? 

Nan. Ja, Ihro Gnaden! aber leider nur 
von buͤrgerlicher Abkunft. Eine arme Anver— 
wandtin, der man die Schluͤſſel anvertraut hat, 
und die darauf ſehen muß, daß es den Gaͤſten 
an keiner Bequemlichkeit fehle. 

Karl. Das heißt auf deutſch: du biſt Bes 
ſchlieſſerin in dieſem Wirthshauſe. 

Nan. Wirthshauſe? — Lieber Himmel! 
wer hat Ihnen das weiß gemacht? Eine der 
beſten Familien auf zehn Meilen im Um— 


— 96 — 
kreiſe, ſollte ein Wachen halten? — Ha, 
ha, ha! 

Karl. DRAN ſich denn der Herr des 
Hauſes? | 

Nan. Herr von Wensti. 

Karl. Dies Haus gehoͤrt dem Herrn von 
Wenski ? 

Nan. Freilich! wem ſollte es denn gehoͤ⸗ 
ren? Sa 8 

Karl. O verdammt! So iſt der alte Mann 
in dem grauen Rocke, und der dicken Peruͤcke, 
den ich für den Gaſtwirth hielt — 

Nan. Herr von Wenski. 

Karl. Alle Teufel! Und die alte Frau, dir 
ich für die Wirthin hielt, iſt — t 

Nan. Frau von Wenski. 

Karl. Nun fo ift der Teufel los! und 
man hat mir einen verdammten Streich ge— 
ſpielt. — Ich Dummkopf über alle Dumm— 
koͤpfe! dies Haus fuͤr ein Wirthshaus, und 
meines Vaters alten Freund fuͤr einen Gaſtwirth 
anzuſehen. Fuͤr was fuͤr einen unverſchaͤmten 
groben Toͤlpel muß er mich halten! und für was 
fuͤr einen einfaͤltigen Tropf erkenne ich mich 
ſelbſt. Auch Sie, Mademoiſelle, hielt ich für 


jo ein Maͤdchen — für — für eine Beſchlleſſerin 
des Wirthshauſes. 
Nan. Ich hoffe doch, daß in meinem Bes 


tragen nichts zu finden iſt, um mich mit Maͤd⸗ 


chen jener Gattung in einen Rang zu ſetzen. 
Karl. Nein, meine Liebe! gar nichts, gar 
nichts. Aber ich wollte mein Verzeichniß von 
einfaͤltigen Streichen voll machen, und da konnte 
ich nicht umhin, auch Sie mit unterſchreiben zu 
laſſen. Meine Dummheit ſah alles aus dem 
falſchen Geſichtspunkte. Ihre Aufmerkſamkeit 
hielt ich für Dreiſtigkeit, und Ihre liebenswuͤr⸗ 
dige Einfalt für Koketterie. — Verzeihen Sie 
mir! und entſchuldigen Sie mich in einem Hanſe, 
in welchem man mich nie wieder ſehen ſoll. 
Nan. Wie? Ste wollen ſort? — Ich 
hoffe doch nicht, daß ich die Urſache bin? — 
Sollt' ich wohl fo unglücklich fein, einen Herrn 
zu beleidigen, der fo höflich gegen mich war, 
und mir ſo viel ſchoͤne Sachen vorgeſagt hat? — 
(fie ſtellt ſich, als ob fie weinte) Ach! wie wuͤrde 
es mich kraͤnken, wenn Sie dies Haus meinet— 
wegen verlleſſen! Ich würde mich todt grämen, 
wenn man mir ſo etwas nachſagte, da ich kein 
ander Vermoͤgen, als meinen guten Namen habo, 


— 
d 


17 — 98 vn. 


ey 


Karl. (fuͤr ſich) Beim Himmel! fie weint! — 
Dies iſt das erſte Zeichen der Zaͤrtlichkeit, das 
ich von einem ehrbaren Frauenzimmer empfing, 

| 10 es ruͤhrt mich empfindlich. (laut) Liebens⸗ 
wuͤrdiges Kind! — ich kann nicht bleiben, fo 
gern ich auch wollte. Wie ſoll ich nach dem 
abſcheulichen Mißverſtaͤndniſſe jemand von der 
Familie in die Augen ſehn? 

Nan. O man wird Ihnen gern er 

Karl. Aber ich mir ſelbſt era; Meine 
Beſchaͤmung iſt zu groß — 

Nan. Ja, ja, ſchaͤmen Sie ſich nur immer, 
daß Sie mir ſo viel Schoͤnes von Liebe und der: 
gleichen vorgeſagt, und mich jet fo ... ver⸗ 
laſſen koͤnnen. 

— Karl. Ach! Sie ſind die Einzige in der 
Familie, die ich mit Widerwillen verlaſſe. 
Aber — ja, ich muß aufrichtig mit Ihnen 
reden — der Unterſchieb unſrer Geburt — 
unſrer Gluͤcksumſtaͤnde und Erziehung, und vor 
allem, die Abſichten meines Vaters, machen 
eine rechtmaͤßige Verbindung unmoͤglich; und 
ich werde nie dem Gedanken Raum geben, ein 
unſchuldiges Maͤdchen, das ſich voll Einfalt auf 
meine Ehre verließ, zu verfuͤhren; oder eine 


. 


Perſon ins Verderben zu ſtuͤrzen, deren einziger 
Fehler wat, daß fie zu liebenswuͤrdig iſt. 


Nan. (für fih) Rechtſchaffener Mann! — 
(laut) Man hat mir immer geſagt, ein ver— 
nuͤnſtiger Mann ſieht weder auf Stand noch 
Reichthum. — Ach! — erſt in dieſem Augen— 
blick fühl ich, daß es ein Uebel iſt, kein Vermös 
gen zu haben. | | 

Karl. Und warum erſt in dieſem Augen: 
blick? 

Nan. Weil — weil es jemanden von mit 
entfernt, dem ich gern mein ganzes Vermögen 
hingeben wollte, und wenn es auch tauſend 
Thaler wären. 

Karl. (fuͤr ſich) Ich bin verloren, wenn 
ich laͤnger bleibe. Dieſe liebenswuͤrdige Eins 
falt, dieſe reizende Offenherzigkeit verrückt mir 
das Gehirn. Ich muß ſie verlaſſen, und ſollt' 
es mir das Herz brechen. (laut) Ihre Parthei— 
lichkeit gegen mich, ruͤhrt mich auf das empfind— 
lichſte; und lebte ich nur mir allein, fo wäre 
meine Wahl ſchon entſchieden. — Aber ich bin 
der Meinung der Welt, dem Anſehen eines 
zaͤrtlichen Vaters zu viel ſchuldig, fo daß — 

ar 


kaum hab' ich Worte — ich Sie verlaſſen muß. 
Leben Sie wohl! (er geht ab.) 
Nan. Vortreflicher junger Mann! — Bis 
jetzt habe ich ſeine Verdienſte kaum halb gekannt. 
Du ſollſt dich gewiß nicht entfernen, mein guter 
Karl, wenn ich Gewalt oder Kunſt beſitze, dich 
zurück zu halten. (fie geht ab.) 


Siebenter Auftritt. 
Sophie, Hans. 


Hans. Ah, hohls der Hund, wenn Sie 
‘fo dumme Streiche machen! Ein andermal koͤn⸗ 
nen Sie fuͤr ſich ſelbſt ſtehlen, wiſſen Sie das? 
Die Juwelen ſind wieder im Buͤreau, und das 
Kabinet hat ſie verſchloſſen; alſo iſt nichts mehr 
zu thun. Ich hab' der Mutter geſagt, es ſei ein 
Spaß von mir geweſen, um fie auf ihr Buͤreau 
aufmerkſam zu machen. — Es hat mich ordentlich 
Muͤhe gekoſtet, ſie wieder zu beſaͤnftigen. 
Soph. Aber, liebes Vetterchen, Sie wer— 
den uns doch in dieſen mißlichen Umſtänden nicht 
verlaſſen? Denn, wenn ſie den geringſten Vers 
dacht ſchoͤpft, daß ich entwiſchen will, fo ſperrt 
ſie mich gewiß ein, oder, was noch aͤrger iſt, 
ſchickt mich zu der Tante Buchau, 


Hans. Run, was kann ich denn mehr 
thun? — So viel Muͤhe hat ſich noch kein 
Menſch gegeben, ein Maͤdel los zu werden, als 
ich. — Ich hab' meine Mutter beſtohlen; 
ich hab' Ihnen ein Paar Pferde angeſchaft, die 
wie der Wind laufen; ich hab' in der Mutter 
Gegenwart ſchoͤn mit Ihnen gethan; was kann 
ich mehr? — Da iſt Mama! ich muß mir 
ſchon noch ein bischen Gewalt anthun, Sie zu 
karreſſiren, damit fie feinen Unrath merkt. 


Achter Auftritt. 
Vorige, Frau v. Wenski. 


Fr. v. W. Der Spaß mit den Juwelen 
geht mir ein wenig im Kopf herum! Was ſeh' 
ich! So wahr ich lebe, ſie thun recht zärtlich 
mit einander. — Aha! hab' ich euch übers 
raſcht, meine Taͤubchen! kannſt du nun munter 
fein, Hanſel? Was? Schnaͤbeln? Haͤndedruͤk— 
ken? Verſtohlne Blicke? Leiſes Murmeln? — 
So ſo! 

Hans. Ja, wir murmeln jetzt recht viel 
mit einander, Mama. Und wenn wir uns 
auch ab und zu ein wenig abbrummen, wie die 


— 102 ae 


Sau den Sack — das thut Wa wir 105 
einander doch gut. 8 

Fr. v. W. Das iſt grade fo, e 
man ins Feuer ſpruͤtzt, damit es deſto heller ; 
brennt, 

Soph. Der Vetter verſpricht, nicht jo oft 
ins Wirthshaus zu gehn; uns ſeine Öefellichaft - 
oͤfter zu goͤnnen. Warlich, er ſoll uns kuͤnftig 
nicht von der Seite kommen. Nicht wahr, lies 
bes Vetterchen, Sie werden uns nicht perlaſſen? 
nicht wahr? | 

Hans. O! das iſt ein liebes Mädel! Nein, 
lieber will ich mein Pferd im Moraſte ſtecken 
laſſen, als von Ihnen gehn, wenn Sie mich fo 
freundlich anſchielen. 

© o p h. Angenehmes Vetterchen! wer muß 
dieſe natuͤrliche Laune nicht bewundern?“ dies 
anmuthige, breite, rothe, gedankenlofe (klopft 
ihn auf die Backen) Ach! es iſt ein liebes un: 
verſchaͤmtes Angeficht, 

Fr. v. W. Reizende Unſchuld! 

Hans. Sehen Sie, Kouſinchen! ich hab' 
immer Ihre lichtgrauen Augen gern gehabt — 
und die huͤbſchen langen Finger, mit denen Sie 
fo wie mit Trommelſtoͤcken auf dem Klavier 


herumfahren. — Komm Herzensmaͤdel! klimpre 
mir etwas mit den langen Fingern vor. 

Soph. Gern, liebes Vetterchen! recht 
gern! — Wer kann Ihnen etwas Abe! 
(ſie geht zum Fluͤgel.) 

Fr. v. W. Ach! er kann den Vogel vom 
Baum herunterzaubern mit feiner ſuͤſſen Stimme. 
Es iſt, als wenn ich ſeinen ſeeligen Herrn Vater, 
den Herrn von Ullerdorf leibhaftig vor mir ſaͤhe. 
(Sophie ſpielt, Hans bezeigt om Beifall auf 
eine toͤlpiſche Art.) 

Fr. v. W. Brav, Sophiechen! charmant! 
unvergleichlich! Nun ſollſt du auch deine Juwe— 
len haben; den Augenblick will ich ſie dir geben. 
Iſts nicht ein ſuͤſſer Junge, mein Hanſel? he! 
So bald als moͤglich, ſoll eure Hochzeit vor ſich 
gehn. — Wartet hier, Kinderchen, ich hohle 
die Juwelen. (ſie will gehen.) 


Neunter Auftritt. 
| Vorige, Paul. | 
Paul. Da iſt ein Brief, Junker! 


Hans. Gieb ihn an Mama — ſie lieſt 
alle meine Briefe zuerſt. 1 


Paul. Man hat mir aber geſagt, ich ſoll 


Ihnen den Brief ſelbſt in die Hand geben. 


Hans. (nimmt ihn) Von wem kommt er? 
Paul. Darum muͤſſen Ihr Gnaden den 


Brief fragen. cer geht ab.) 
Hans. (beſteht den Brief finfs und rechts.) 


Soph. (fuͤr ſich) Was ſeh' ich? ein Brief 


von Ferdinand! ſieht ihn die Tante, ſo bin ich 
verloren. (zu Fr. v. W.) Ich hab' Ihnen noch 
nicht erzaͤhlt, liebe Tante, was der Vetter dem 
Baron Karwiz fuͤr eine ſpitzige Antwort gab. 
Wir haben uns halb todt gelacht. — Kommen 


Sie weiter hierher, denn er muß es nicht 


hoͤren. 
Hans. (der noch immer den Brief bekuckt) 
Ein ſo verdammtes kritzliches Geſchmiere, als 


ich in meinem Leben geſehen habe. Gedruckte 


Schrift kann ich ziemlich gut leſen. Aber hier 
ſind ſo viele Haken und Staken, und Striche, 
daß man kaum weiß, wo der Kopf, und wo der 
Schweif iſt. Herrn von Ullerdorf! Das 


iſt wunderlich! Die Auſſenſeite meiner Briefe, 


auf welcher mein Name ſteht, kann ich gut 
genug leſen; aber wenn ich ſie offen mache, 


denn iſt's vor meinen Augen verborgen als ein 


—— 


a 2 
U 


— 105 — 


Spulrad. Das iſt ſchlimm! ſehr ſchlimm! denn 
das Inwendige des Briefs iſt doch immer die 
Hauptſache; das Mark des Brieſwechſels. 

Fr. v. W. Ha, ha, ha! Gut, ſehr gut! 
Und jo {mar mein Hanſel dem Baron über: 
legen? 

Soph. Ja freilich, liebe Tante. Aber 
Sie muͤſſen auch das uͤbrige hören. Sie follen 
fi wundern, wie er ihn abermahls in Verle— 
genheit ſetzte. 7 

Fr. v. W. Mein Hanſel ſcheint mit ſeinem 
| Briefe auch in Verlegenheit zu fein. 

Hans. Verdammte Schrift! bald hoch, 
bald niedrig! ſie ſchwankt, als wenn ſie beſoffen 
wäre. (er lieſt) „Beſter Freund!“ Ja, das 
war das. Dann koͤmmt ein J und ein E und 
ein H. Aber ob der folgende Buchſtab ein X 
oder ein Q iſt — das will ich nicht verrathen. 

Fr. v. W. Ha, ha, ha! recht gut, recht 
gut. — Was giebt's denn Hanſel? kannſt du 
den Brief nicht leſen? ſoll ich dir helfen? 

Soph. Laſſen Sie mich liebe Tante! Nies 
mand liest eine kritzliche Hand beſſer, als ich. 
(ſie nimmt den Brief) Wiſſen Sie von wem 
er iſt? 


Hans. Kann's nicht wiſſen. Ich denk“ 


aber, er iſt von den ee, e aus 
dem Wirthshauſe. 1 une 
Soph. Richtig, ſo iſt's. (fie ſtellt ſich, als 


ob fie liest) „Beſter Freund! — Wir erwar- 
„ten Sie mit Ungeduld — wir machen viel 


4 Muſik — und die Geſellſchaſt iſt zahlreich. 


„Es hat Haͤudel geſetzt, weil des Müllers Lies 


chen!“ — Ach! lauter dummes Zeug — fies 


ken Sie ein, (fie druͤckt den Brief zuſommen, . 


und will ihm ſolchen zuſtecken.) 


Hans. Dummes Zeug? O Sapperment! 


ich hab' nur ein Wort gehoͤrt, und das Wort 


iſt kein dummes Zeug! Leſen Sie Mama! leſen 
Sie! — Seht doch! dumm Zeug? (er giebt 
der Mutter den Brief, u. ka aufer f b ö 


auf und ab.) 125 a 


Fr. v. W. Was iſt se: ſeh' ich recht? 


(fie liest) Beſter Freund! Ich warte ſchon 
„ſeit einer halben Stunde vergeblich auf unſerm 
„Sammelplatze. Ich ſehe weder Sophien noch 


„Sie, noch dle friſchen Pferde. Reiſſen Sie 


„mich aus meiner Ungeduld. Sie wiſſen, daß 
„uns Eile noͤthig iſt, ſonſt koͤnnte Ihre Mut⸗ 


ter Verdacht ſchoͤpfen. Der Ihrige! Per- 


. 


„.. 


— 107 — 


ning.“ Ha! Spitz buͤberei! ſchelmiſche Spitz— 


buͤberel! Ich erſticke vor Bosheit! 


Soph. Ich hoffe liebe Tante, Sie werden 


mir die Thorheiten, die boͤſen Abſichten nicht 
zuſchreiben, von denen ein Andrer der Urheber iſt. 
Fr. v. W. (neigt ſich tief) Wohl geſagt, 
Fraͤulein! Sie find bis zur Bewunderung hoͤflich 
und verbindlich! Sie ſind die Krone der Der 


ſcheidenheit und Behutſamkeit. (mit veränder— 


tem Tone) Und du, du großer ungeſchlifner 
Toͤlpel, der nicht ſo viel Vernunft hat das Maul 


zu halten — auch du hatteſt dich gegen mich 
verbunden? Aber ich will euer Komplot den 


Augenblick zu Schanden machen. Ihr habt ein 
paar ſriſche Pferde in Bereitſchaft? Es würde 


grauſam ſein, den armen Thieren nichts zu thun 


zu geben. Bereiten Sie ſich alſo dieſen Au— 


genblick, anſtatt mit Ihrem Amadis, mit mir 
davon zu fahren. Ihre Tante Buchau wird 
Sie ſchon huͤten; wird beſſer auf der Hut ſein, 
als ich. Du unverſchämter Vengel ſollſt uns 
hinfuͤhren, EN 

Hans. Jetzt? Poz Wetter, Mama! es 
iſt ſieben Uhr; wir kommen vor ſtock finſtrer 


Nacht nicht wieder, 


— 106 — 


Fr. v. W. Es if Mondſchein. Kurz, du 
ſollſt; und das ohne alle Widerrede. Ich will 
euch zeigen, daß ichs beſſer mit euch im Sinne 
habe, als ihr ſelbſt. | 

(fie geht ab.) 


een | Auftritt 
Sophie, Hans. 


Sop h. Nun bin ich völlig verloren. 

Hans. Kommt mir auch fo vor. 

Soph. Was war auch anders von einer 
Verbindung mit einem ſolchen Dummkopfe zu 
erwarten? und das nach allen den Winken und 
Zeichen, die ich ihm gab. 

Hans. Dummkopf ſelbſt! Ihre Dummheit, 


nicht meine hat Sie in die Tinte gefuͤhrt. Was 


rum ließen Sie des Muͤllers Liſel nicht aus dem 
Spiel? 

Soph. Nun, und wie konnte Sie das ins 
tereſſiren, ob ich des Muͤllers, des Verwalters, 
oder des Gärtners Tochter nannte? 

Hans. Freilich intereſſirt's mich — und da; 
mit Sie's nur wiſſen, die Liſel iſt mein Schatz, 


nn ne 


* 


und um der Liſel willen mag ich Sie nicht 
leiden. 
Soph. (fuͤr ſich) Veraͤchtlicher Bube! 


Eilfter Auftritt. 
Vorige, Ferdinand. 


Ferd. Finde ich Sie endlich allein? laſſen 
Sie uns eilen, beſter Freund! — Wo ſind die 
Pferde? a | 

Hans. Im Stalle. 

Soph. Er, Ihr Freund? der nichtswuͤr— 
dige Dummkopf hat Ihren Brief feiner Mutter 
gezeigt, und uns verrathen. 

Ferd. Was? uns verrathen? — Elender 
Menſch! 

Hans. Ich hab' nichts verrathen. — War 
rum hat ſie meine Liſel ins Spiel gebracht! — 
Hohls der Hund! Sie war Schuld, nicht ich. 


Zwölfter Auftritt 
Vorige, Karl. 


Karl Rechenſchaft Burſche! Warum hat 
ar mich zum Geſpoͤtte gemacht? zu Unhoͤflichkei— 


ee n 
U 
ten verleitet? Warum gab er ſeines Vaters 
Haus fuͤr einen Gaſthof aus? 

Hans. Noch Einer! — Ich I alle g 
Narren aus deim i haben fi fd Losger | 
riſſen. | 

Soph. Jeder von uns hat Ai weiber, 
gnuͤgen ihm zu danken. 

Karl. Was kann man mit ihm anfäligen t: 
einem bloſſen Knaben, einem Dummkopf, 0 
ſen Unwiſſenheit ſein Schutz iſt. 4 f 

Fer d. Ein armſeliger, verächtlicher Bube, 
der der Zuͤchtigung nur Schande machen wuͤrde. 

S o p h. Der aber Argliſt und Bosheit ges 
nug beſitzt, ſich uͤber unſere e luſtig 
zu machen. 

Ferd. Ein unempfindliches Thier! nicht 
werth, daß man 5 den 1 durch den Leib 
rennt. f 

Karl. Das lauter Seite und Un⸗ 
heil im Kopfe hat. 

Hans. Potz Blitz und der Teufel! nun 
hab ich's ſatt. Heraus mit euch! verdammt 
will ich ſein, wenn ich mich nicht mit allen dreien 
herumpruͤgle. Auf die Fauſt, oder auf den 
Pruͤgel — wie ihr wollt. 


—— 148 — 


Karl. Er, Burſche, iſt unter meiner 
Rache. Aber Ihr Betragen, Baron, fordert 
eine Erklarung. Sie wußten meinen Irrthum — 
warum beſtaͤrkten Sie mich, ſtatt ihn mir zu 
benehmen? 

Ferd. Iſt es jene 7 zu Fer Hässingen, 
da ich von eigner fehlgeſchlagner Voffnung ge⸗ 
quaͤlt werde? 

Karl. Aber — 

So p h. Ach e wit r HR 95 
ten Irrthum nicht eher, als bis es zu fpät war, 
Ihnen denfelben zu e Veruhigen 
Sie ſich. 


Dreizehnter Auftritt. 
Vorige, Paul. 


Paul. Gnädiges Fräulein! fie ſollen kom— 
wen. Es wird ſchon angeſpannt. N 
Soph. Gut, gut! ich komme gleich. 
(paul geht ab.) 
Karl. War es redlich gehandelt, mich 
lächerlich zw. machen? mich in die Nothwendig— 
keit zu ſetzen, den Freund meines Vaters zu 


Brain 112 — 


beleidigen? Verlaſſen Sie ſich darauf, baß ich 
nicht ohne Erklaͤrung von Ihnen ſcheide. 

Ferd. War es rechtſchaffen gehandelt — 
wenn Sie doch von Rechtſchaffenheit ſprechen 
wollen — anvertrautes Gut der Aufſicht eines 
Andern zu uͤbergeben? 


Soph. Baron! Ferdinand! warum wollen 


Sie meinen Kummer durch Ihre Zwiſtigkeit ver— 
groͤßern? Ich bitte — ich beſchwoͤre Sie — 


9 
* 


Vierzehnter Auftritt, 
Vorige, Peter. 
ö N 

Pet. Da iſt der Mantel. Sie follen kom: 
men! der Junker auch (er geht ab.) 

Soph. Ich komme. — Ich bitte, vertra— 
gen Sie ſich. Wenn ich Sie ſo verlaſſe, muß 
ich vor Furcht ſterben. 


Funfzehnter Auftritt 
Vorige, Paul- 


Paul. Da iſt die Kappe, die Handſchuhe — 
die Pferde warten. (geht ab.) 


1 
1 


i 
1 
f 


Soph. O Baron! wuͤßten Sie, was fuͤr 
eine Begegnung mir bevorſteht, Ihre Empfinds 
lichkeit wuͤrde ſich in Mitleid verwandeln. 

Karl. Verzeihen Sie mir, Fraͤulein! ver— 
zeihen Sie mir, mein Freund. Sie koͤnnen 

keine ſchlimme Abſicht mit mir gehabt haben. 

Rechnen Sie meine Hitze meinem Temperamente, 

nicht meinem Herzen zu. 

Soph. Nun bin ich in fo fern beruhigt — 
Fr. v. W. (inwendig) Sophie! Sophie! 
Soph. Leb wohl, theurer Ferdinand! leb 

wohl! Beſtaͤndigkeit iſt unſre Loſung! vergiß es 

nicht, Beſtaͤndigkeit. — Adieu Baron! 
(fie geht ab.) 

Karl. Sie ſehen die Folgen Ihrer Thor— 

heit, junger Herr! Leb wohl Ferdinand! du 

bedarſſt Troſt, aber ich kann dich nicht troͤſten. 
cer geht ab.) 

Ferd. O mein Herz! wie kann ich das aus: 
ſtehen? dem Gluͤcke fo nahe zu ſein, und einem 
ſolchen Gluͤcke! 8 

Hans. (der nachgedacht hat) Hohls der 
Hund! ich hab's geſunden. Ihre Hand her — 
Cer ſchlaͤgt ein) Sie follen das Madel wieder 
haben. Und wenn Sie nicht finden, daß ich 

8 


— 116 — 


Fuͤnfter Aufzug. 


(Ein Platz mit Baͤumen, wie im erſten Aufzuge. 
Mondſchein.) ö 


Erſter Auftritt. 


Ferdinand. 


Noch kommt nichts! — Vin ich nicht ein 
Thor, daß ich hier auf einen Burſchen warte, 
der ſich vermuthlich ein boshaftes Vergnuͤgen 
daraus macht, mich zu Franken; der gar nicht 
die Abſicht hat, zur beſtimmten Zeit hier zu— 
ſein. — Vielleicht iſt er unſchuldig — vielleicht 
hat die Mutter ſeine Liſt gemerkt, und ihn an 
der Ausfuͤhrung gehindert. — Dem ſei, wie 
ihm ſei! ich will meinem erſten Gedanken fol⸗ 
gen, und mich dem alten Wenski entdecken. 
Kann er nichts fuͤr mich thun, ſo wird er mir 
wenigſtens nicht entgegen ſein; davon bin ich 
überzeugt. — Er kommt, und iſt in guter Laune, 
wie es ſcheint. 


— TR — 
Zweiter Auftritt 


Herr v. Wenski, Ferdinand. 


Wenski. Genieſſen Sie auch det ſchoͤnen 
Abends, Herr Baron? 

Ferd. Ja, ich unterhielt mich — 

Wenski. Ha, ha, ha! ich habe viel in 
meinem Leben geleſen, aber ſo etwas drolliges, 
wie Ihres Freundes Irrthum, iſt mir nicht vor 
Augen gekommen. Wenn ich mich des entſchei— 
denden Tones noch errinnere, in welchem er 
ſeine erhabnen Befehle bekannt machte! 

Ferd. Seine Zuruͤckhaltung gegen Ihre 
freundſchaftlichen Anerbietungen war nicht weni— 
ger unterhaltend. 

Wenski. Hahaha! Mich fuͤr einen Gaſt— 
wirth anzufehen! Er follte doch in meiner Art 
etwas bemerkt haben, das keinen gemeinen 
Gaſtwirth ankuͤndigt. ) 

Ferd. Er hielt Sie auch nicht fuͤr einen 
gemeinen Gaſtwirth. 

Wenski. Aber lieber Baron, warum lieſſen 
Sie ihn ſo lange in ſeinem Irrthume? 

Ferd. Mein Plan war, ihn bis zu ſeines 
Vaters Ankunft darin zu erhalten. Ich fuͤrch— 


\ 


— 118 — 


tete ſeine Beſchaͤmung moͤgte ihn zu einer 
ploͤtzlichen Abreiſe beſtimmen. Und Sie ſehn, 
da er noch jest, fo feſt darauf beſteht ſich zu 
entfernen, daß meine Furcht nicht ungegruͤndet 
war. eb a 

Wenski. Schreckſchuͤſſe!, Schreckſchuͤſſe! 
er geht gewiß nicht. 

Ferd. Ich hab' ihm wenigſtens die 
Mittel zur Abreiſe benommen. Er hat keine 
Pferde. — 8 N 

Wenski. So? wo ſind ſie denn? Sie 
kamen ja mit eignen Pferden? — Nun, warum 
ſo unruhig? 5 

Ferd. Die kurze Zeit, in der ich die Ehre 
habe, Ihnen bekannt zu ſein — berechtigt mich 
nicht, Sie um Ihre Freundſchaft zu bitten. 

Wenski. Mein Freund Karwiz giebt 
Ihnen das Zeugniß eines braven Mannes, 
folglich bin ich Ihr Freund. Und da haben Sie 
Hand und Wort, daß ich's thaͤtig ſein will, 
wenn Sie mir Gelegenheit dazu geben. 

Ferd. Auf dieſe guͤtige Verſicherung will ich 
Ihnen mein Herz oͤfnen — Ich bete Sophir 
von Buchau an. 

Wenski. Und lieſſen ſie davon fahren? 


Ferd. Sollt' ich mich gegen den Befehl 
Ihrer Gemahlin ſetzen? „ 

Wenski. Es haͤtt' Ihnen auch nichts gehol— 
fen. Was ſie will, thut ſie; nur der lieder— 
liche Junge, ihr Sohn kann ſie lenken. 

Ferd. Er iſt auf meiner Seite, und den— 
noch — 

Wenski. Er iſt auf Ihrer Seite? Er ſoll 
ja Sophien heirathen. 

Ferd. Er ſoll, aber er will nicht. 

Wenski. So hat wir meine Margaretha 
etwas vorgelogen! Nun, das iſt nichts neues. 
Ich hoffe, Ihre Sache wird gut gehen. — Ha— 
ben Sie Sophiens Gegenliebe? 

Ferd. Ja, Herr von Wenski. Sophiens 
Pater billigte unſre Zaͤrtlichkeit; ſein ploͤtzlicher 
Tod vernichtete alles. | 

Wenski. So find Sie der Mann? — 
Ich weiß, ich weiß! ich habe davon munkeln 
gehört. 

Ferd. Hierauf kam Sophie zu ihrem Oheim, 
der mir allen Umgang mit ihr unterſagte. 

Wenski. Sehr dumm!“ 


Ferd. Sein Vermögen vermachte er ihr 


mit der Bedingung, Ihren Stiefiohn zu hei— 
rathen. 

Wenski. Das hat meine Frau fo gekartet. 

Ferd. Ich bedarf keiner Vermehrung meines 
Vermoͤgens, um meine Gemahlin ihrem Stande 
gemaͤß zu erhalten. 

Wenski. Das weiß ich. 

Ferd. Aber Sophie, aus fakſcher Delika⸗ 
teſſe, will ihrem Mann nicht alles zu danken 
haben; fonft war ich ſchon mit ihr geflüchtet, 
und Morgen auf ewig mit ihr verbunden. 

Wenski. Beſſer daß es nicht geſchehen iſt. 
Jedes Davonlaufen mißfaͤllt mir. Sie ſollen 
es hier bequemer haben. Alles kommt darauf 
an, daß mein Stiefſohn Sophien nicht liebt. 

Ferd. Er haßt ſie ſo ſehr, als moͤglich. 

Wenski. Ein Kompliment fuͤr Sophien. 
Wiſſen Sie hiemit, daß Sophiens Onkel noch 
eine Klauſel in ſeinem Teſtamente gemacht: die 
meine Margaretha weislich verſchweigt. Sie 
lautet ſo: Wenn Herr von Ullerdorf Sophien 
von Buchau nicht mag, ſo iſt ſie ungetheilte und 
unumſchraͤnkte Beſitzerin der Erbſchaft. 

Ferd. Iſt's moͤglich! 

Wenski. Auf mein Wort. — Aber wenn 


der Junge Sophien nicht will, warum führe er 
ſie denn ſelbſt fort, und verhindert — 

Ferd. Er verſprach zu thun, als wenn er 
den Weg verfehlt haͤtte; und die Damen im 
Zirkel wieder herzubringen. 

Wenski. Ob es gleich Ihren und auch 
meinen Wuͤnſchen gemaͤß iſt, daß Sophie zu— 
ruͤck kommt, ſo werden Sie mir doch ver— 
zeihen, daß ich ihn mit ein paar Ohrfeigen 
bewillkomme, weil er ſeine Mutter zum Nar— 
ren hat. 

Ferd. Aber — 

Wenski. Dazu bin ich feſt entſchloſſen. 
Vielleicht bewirkt auch der Spaß ſoviel, daß 
der Mutter die Augen geöffnet werden, und fie 
meinem Rathe folgt. 

Ferd. Der iſt? — 

Wenski. Ihn ein Paar Jahre unter die 
Soldaten zu ſtecken; das iſt die einzige Schule 
für ſolche Burſche. Doch, genug von ihm! 
Es iſt mir angenehm, (lieber . daß ich 
Ihnen dienen kann. 

Ferd. Mein Dank wird ohne Grenzen 
ſein. 


Glauben Sie denn, daß Ihre ganze Familie 
meine Unverſchaͤmtheit empfunden hat? 

Wenski. Unverſchaͤmtheit! — Das ſag 
ich nicht — das war's nicht — nicht voͤllig 
Unverſchaͤmtheit — die Maͤdels haben es gern, 
wenn man ein wenig mit ihnen ſpielt, und mit 
unter, ſie ein bischen herum zauſet. — Aber ſie 
hat das nicht erzählt, auf mein Wort! 

Karl. Ich gab ihr auch nicht die geringſte 
Urſache dazu. 

Wenski. Gut, gut! Niemand ſchaͤtzt Bes 
ſcheidenheit, wenn fie an ihrer rechten Stelle 
ſteht, hoͤher als ich; aber Sie uͤbertreiben ſie. 
Hier duͤrfeu Sie offenherzig ſein. 5 

Karl. Ich will ſterben, wenn ich jemals — 

Wenski. Nun, ſo will ich den Anfang zur 
Offenherzigkeit machen. Sie mißfallen meiner 
Tochter nicht, und da ich weiß, daß ſie Ihnen 
gleichfalls gefaͤllt — 

Karl. Ich verſichre Sie auf — 

Wenski. So ſeh' ich nicht, warum wir 
Weitlaͤuftigkeiten machen wollten; warum man 
Sie nicht ſo geſchwind verheirathen ſollte, als 
man nur verheirathen kann. 5 

Karl. Aber hoͤren Sie mich nur — 


Wenski. Ihr Vater trift Morgen ein. Er 
genehmigt Ihre Verbindung; ich auch, und — 

Karl Ich bitte Sie inftandig mich anzu— 
hören — 

Wenski. Nun? 

Karl. Bei meiner Ehre, ich gab Ihrer 
Fraͤulein Tochter nie das geringſte Merkmal von 
meiner Zuneigung; auch nicht den entfernteſten 
Blick, woraus ſie Liebe haͤtte muthmaßen koͤn— 
nen. Wir hatten nur eine Unterredung mit— 
einander, und dieſe war ſehr formell, beſcheiden 
und gar nicht intereſſant. 

Wenski. (fuͤr ſich) Die formelle beſchei— 
dene Unverſchaͤmtheit des Menſchen iſt unertraͤg— 
lich. 

Karl. Ich darf mich kuͤhn auf das Zeug— 
niß meines Freundes berufen, daß das Verfah— 
ren, welches Sie mir gegen Ihre Fraͤulein Tochter 
beimeſſen, ganz auſſer meiner Natur iſt. 

Wenski. Was? Sie haͤtten ihr keine 
Betheurungen von Zaͤrtlichkeit gemacht? ſie 
nicht bei der Hand ergriffen, und — 

Karl. Ich reiſte auf meines Vaters Be— 
ſehl hierher. Ich ſah' Ihre Fraͤulein Tochter, 
ohne geruͤhrt zu werden, und verlaſſe ſie, ohne 


—— 128 — 


kurze kragiſche Tirade an, und ſchloß mit dem 
ſcheinbarſten Entzuͤcken der Liebe. 

Wenski. Da ſehn Sie's! 

Ferd. Verzeihen Sie mir, Fräulein! ich 
darf nicht widerſprechen — und dennoch — zu 
dieſem Gemaͤlde hat Karl nicht geſeſſen. Dies 
thoͤrichte, kuͤhne Betragen bezeichnet ihn nicht. 
Er iſt im Umgange mit Frauenzimmern der 
ehrerbietigſte, beſcheidenſte Juͤngling; dem es 
unmoͤglich fallt, vier zuſammenhaͤngende Worte 
zu ſprechen. 

Nan. Wie aber, Baron, wenn ich Sie 
durch den Augenſchein uͤberzeuge, daß er ſehr 
zuſammenhaͤngend ſpricht. — Sehn Sie ihn 
dort nachdenkend auf und ab gehn? — Aus 
welcher Urſach glauben Sie? Er erwartet den 
Augenblick Ihrer Entfernung, um ein zuſam— 
menhaͤngendes Geſpraͤch mit mir zu halten. — 
Verſtecken Sie ſich mit meinem Vater ins Ge— 
buͤſch, und Sie ſollen aus ſeinem eignen Munde 
hoͤren, wer von uns ſich in ihm geirrt hat. 6 

Wenski. Das wollen wir, das wollen wir. 
Die Sache muß endlich zu Ende kommen. Fort 
Baron, ins Gebuͤſch! 

(ſie gehen hinter ein 2 Bofg wert. 


Nan. (geht auf und ab) Er nähere ſich 
ſchon. — Ich moͤchte wohl wiſſen, wer von uns 
den groͤßten Trieb hat, einander zu ſehn! — 
Er ſieht ſich um — wahrſcheinlich nach meinem 
Vater — Nun ruͤckt er eilfertig an. Sachte Herr 
General! ein forcirter Marſch bringt nicht immer 

Vortheil. | 


Sechſter Auftritt. 
Nanette, Karl. | 


Karl. Ich bin zur Abreiſe bereit, und 
komme, nochmals von Ihnen Abſchied zu nehmen. 
Der Schmerz, den ich bei dieſer Trennung fuͤhle, 
vermehrt ſich mit jedem Augenblicke. 

Nan. Cin ihrem natürlichen Tone) Ich 
glaube, Herr Baron: ein Schmerz, dem fo 
leicht abzuhelfen iſt, kann nicht groß fein. Es 
liegt in Ihrer Willkuͤhr, Ihre Abreiſe zu ver— 
ſchieben, wenn Sie den geringen Werth desje— 
nigen wirklich fühlen, deſſen Verluſt Sie zu 
bedauern ſcheinen. 

Karl. (fuͤr ſich) Mit jedem Augenblicke 
bekommt das Mädchen mehr Gewalt über mich. 
(laut) Ich muß reiſen; ich darf nicht laͤnger 

9 


bleiben. Ich habe ſchon zu lange mit meinem 
Herzen geſpielt. Sogar mein Stolz faͤngt an 
meiner Leidenſchaft nachzugeben. Die Ungleich—⸗ 
heit der Erziehung, und der Gluͤcksumſtaͤnde; 
der Zorn eines Vaters; die Verachtung meiner 
Freunde fangen an ihr Gewicht bei mir zu 
verlieren. Und nichts kann mich mir ſelbſt 
wiedergeben, als der ſchmerzliche Entſchluß — 

Nan. Gehen Sie alſo, mein Herr! Ich 
will nichts mehr anfuͤhren, Sie aufzuhalten. 
Ihre Abſicht geht auf Stand und Reichthum, 
nicht auf Eigenſchaften der Seele und des Koͤr— 
pers. 

Karl. Nie hab' ich Gluͤcksguͤter meiner 
Achtung gewürdigt. Ihre Schönheit fiel mir 
zuerſt in die Augen; denn wer könnte wohl dieſe 
ungeruͤhrt ſehn; aber jeder neue Augenblick ver— 
mehrt Ihre Vollkommenheiten. Was mir 
anfaͤnglich laͤndliche Einfalt ſchien, iſt nun edle 
Simplizitaͤt. Was dreiſte Zuverlaͤſſigkeit ſchien, 
iſt muthige Unſchuld und ſelbſt bewußte Zur 
gend — der ich nicht zu widerſtehn vermag. 
— Ich bleibe, und erwarte meinen Vater — 
er beſtimme mein Schickſal. Sollt' er uns 
trennen — nein, nein, er iſt zu weiſe, zu gut, 


daß er mir feine Einwilligung verſagen follte, 
wenn er Sie ſieht. 

Nan. Glauben Sie, daß ich in eine Ver: 
bindung willigen werde, die den geringſten 
Anlaß zur Reue geben kann? Glauben Sie, 
daß mir ein Gluͤck angenehm ſei, das ich durch 
die Verminderung des Ihrigen erwuͤrbe? 

Karl. Ich kenne kein ander Gluͤck als Ihren 
Beſitz. Nie werd' ich Reue empfinden, als 
daß ich Ihre Verdienſte nicht eher erkannt. 
Auch wider Ihren Wunſch will ich bleiben, um 
durch Ehrfurcht und Zärtlichkeit, meinen vorigen 
Leichtſinn wieder gut zu machen. 

Nan. Nein, Herr Baron, laſſen Sie unſre 
Bekanntſchaft fo enden, wie fie entſtand — 
gleichguͤltig. Nie werd' ich in eine Verbindung 
willigen, die mir den Schein des Eigennutzes, 
und Ihnen, der Unbedachtſamkeit geben kann. 
Und wie kann ich mir ſchmeicheln, einen Mann 
auf immer zu feſſeln, der ſich fo dreift, fo zuver— 
ſichtig um mich bewarb? 


Karl. (kniet) Sieht dies der Zuverſicht 
ahnlich? — Nein, jeder Augenblick, der nur 


neue Verdienſte an Ihnen zeigt, vermehrt mein 
9 * 


— 132 — 


Mißtrauen und meine Verwirrung. Hier will 
ich bleiben bis — | 

Wenski. (tritt mit Ferdinand hervor) 
Ich erhoͤrt werde, oder ſterbe. — Aha, junger 
Herr! iſt dies Ihre Gleichguͤltigkeit, Ihre kalte 
formelle beſcheidne Unterredung? — Was 
koͤnnen Sie nun ſagen? 

Karl. Daß ich erſiaune, und nicht begreife, 
was das alles bedeutet! 

Wens ki. Es bedeutet, daß Sie doppelzuͤn— 
gig ſind; daß Sie unter vier Augen ſehr galant 
bei einem Frauenzimmer find, und es öffentlich 
wieder verneinen; daß Sie mit mir ganz anders 
geſprochen, als mit meiner Tochter. 

Karl. Tochter! — iſt dies Ihre Tochter? 

Wenski. Ja, meine Anna, meine einzige 
Tochter. Was ſoll ſie ſonſt ſein? | 

Karl, O der Teufel! N 


Wenski. Sie haben ſie alſo nicht ges 
kannt? — Ah, nun kann ich mir Ihr Geſpraͤch 
erklaͤren. 


Ferd. Aus den erſten Reden ſah' ich den 


Irrthum. 


4 1 
. 


E U . u 


3 
Karl. Dies iſt Ihre Fräulein Tochter? 


Nan. Ja, Baron, das alberne, ſchielende 
Geſchoͤpf! (ſie neigt ſich) um welches ſie ſich 
ſo ſanft, ſo beſcheiden, empfindſam, bloͤde, zu⸗ 
ruͤckhaltend — und zugleich fo dreiſt, kuͤhn, und 
ausgelaſſen bewarben. 


Karl. (fuͤr ſich) Ich moͤgte fuͤr Schaam in 
Ohnmacht fallen. 7 


Nan. In welchem von Ihren Karakteren 
befehlen Sie jetzt zu erſcheinen? Als der ſtot— 
ternde junge Menſch, der kaum ſo laut ſpricht, 
daß man ihn hoͤren kann, oder als der laute, 


dreiſte, zuverſichtliche Stutzer? 


Karl. (für ſich) Nun, fo hab' ich doch nie 
einen Verſuch gemacht, unverſchaͤmt zu ſein, 
ohne dafuͤr zu buͤſſen. (laut) Erlauben Sie mir, 
mich zu entfernen. y 


Wenski. Entfernen? Nein, das ſollen Sie 
nicht. Ich ſehe, daß hier auf allen Ecken 
Irrthum war, und es beluſtigt mich herzlich. 

deine Tochter wird Ihnen gern vergeben; 
nicht wahr Anna? — Was kommt da fuͤr ein 
Wagen? — 


Ferd. Ich vermuthe, Ihre Gemahlin mit 
meiner Sophie. 

Wenski. Deſto beſſer! — Nun Anna! 
was meinſt du? 


Nan. Wenn mir der Herr verſprechen wollte, 
kuͤnftig den Mittelweg zwiſchen dem zu beſchei— 
denen, und zu freien Betragen zu halten — 


Wenski. Was meinen Sie? — 

Karl. Ich — wuͤnſchte — das Gluͤck — 

Nan. Viel zu bloͤde — 

Wenßki. Dreiſter, dreiſter. 

Karl. O mein Engel, wenn mein Entzuͤk⸗ 
ken — 

Nan. Viel zu dreiſt. 

Wenski. Die Mittelſtraſſe, die Mittel 
ſtraſſe. 


Siebenter Auftritt. 
Vorige, Sophie. 
Wenski. Wer iſt da? Ha, Sophie! nur 


naͤher, nur näher! Ich weiß alles, und es fol 
ſchon gehn. Wo iſt meine Frau? 


r 


— 135 — 


Soph. Sie kommt, aber in us beſchreibli— 
cher Furcht! fie glaubt nicht, daß fie zu Haufe 
iſt. 

Wenski. Warum gingen Sie von ihr? 

Soph. Um, um — 


Wenski. Um mit dieſem jungen Herrn das 
von zu wiſchen? Sie ſollen es bequemer haben. 
— Ich glaube, da kommt meine Margaretha! 
laßt uns bei Seite treten. Ich will doch ſehen, 
wie der Junge ſich gegen die Mutter betraͤgt. — 
Anna, geh du mit deinem bloͤd und dreiſten Her— 
ren, und lehr ihn, keins von beiden zu ſein. 
Und Sie Baron, unterrichten Sie Sophien, 
wie Ihre Sachen ſtehn. Fort, fort. (Nanette 
geht mit Karl, Sophie mit Ferdinand, und 
Herr von Wenski verſteckt ſich allein.) 


Achter Auftritt. 


Vorige, Frau v. Wenski, Hans. 


Fr. v. W. Ach! ich bin des Todes! — 
Wo willſt du mit mir hin, Hanſel? Um alles 
in der Welt — wo ſind wir? 


— 136 — 


Hans. Zu Hauſe, Mama, fo wahr ich 
Ihr Sohn bin! Fuͤrchten Sie ſich doch nicht. 

Fr. v. W. Du willſt mir Muth machen, 
Hanſel, ich ſeh es wohl. Aber ich bin gewiß, 
daß wir irre gefahren find, l 

Häns. Wir ſind auch irre gefahren, aber 
deswegen doch zu Haufe, an 

Fr. v. W. Dein Troſt beunruhiget ie 
mehr, als wenn du mir grade herausſagteſt, in 
welcher Gefahr wir uns befinden. 

Hans. Hohls der Hund, Mama, wir find 
in keiner Gefahr! ſo glauben Sie mir doch. 
Sehen Sie denn nicht die hohen Baͤume vor un— 
ſerm Hauſe? dort den Taubenſchlag? dort — 


Fr. v. W. So recht! iſts nicht an meiner 
Furcht genug? willſt du mich auch noch aͤr— 
gern? — Ich ſeh den Unterſchied gar zu 
gut. — Laß uns weiter fahren, Hanſel! laß 
uns weiter fahren! vielleicht finden wir den 
rechten Weg. ö 


Hans. Hohls der Hund! wir haben ihn 
ſchon gefunden, ſag' ich Ihnen. 


a, ce 


* 4 


\ - 
Fr. v. W. Laß uns fahren! —- 4 


Hans. Womit? die Pferde find ſchon im 
Stall, und muͤde wie die Hunde. — BEER 
Sie doch nur ins Haus. — 


Fr. v. W. Nit nermehr! das kann eine 
Moͤr derhoͤhle fein, ein Spitzbuben Auffenthalt — 


Hans. Ich ſage Ihnen aber — 


Fr. v. W. Du kennſt ja das Haus nicht, 
weil du es für unſers ausgiebſt. 

Hans. So laſſen Sie mich nur hinein 
gehn, und Leute hohlen — 

Fr. v. W. Du willſt von mir gehn? willſt 
dich in Lebensgefahr ſtuͤrzen? — Laß uns fah— 
ren! ich weiß, | daß der Wagen noch da ſteht al 
Hilf lieber Himmel! wo ift denn Sophie? 

Hans. Sie iſt im Hauſe, ſag ich Ih— 
nen — 

Fr. v. W. Halt mich nicht zum Beſten, 
du unverſchamter Bube! oder trotz meiner To; 
desangft — 

Wenski. (nähere ſich) 

Fr. v. W. Ach! barmherziger Himmel! 
wer kommt da? — Es iſt ein Mann — ein 
Straßenraͤuber — 


— 138 — 


Hans Potz Wetter, Mama, ſo fuͤrchten 
Sie ſich doch nicht! es iſt ja Papa. 

Fr. v. W. Ach! ich bin des Todes! 

Hans. Es iſt ja der Papa. (Er geht zu 
ihm) Sehn Sie doch! ’ 

Wenski. (zaußt ihn bei den Haaren) 

Hans. Au, au! 

Fr. v. W. Huͤlfe, Huͤlfe! er bringt meinen 
armen Jungen um. (ſie kniet) Barmherzigkeit, 
lieber Herr Straßenraͤuber, Barmherzigkeit! 
nehmen Sie mein Geld, mein Leben, nur ſcho— 
nen Sie des jungen Herrn. 

Wenski. So komm doch zu dir! — - 

Fr. v. W. Unſer Geld, unſre Uhren — 
Sie ſollen alles haben, lieber Herr Straßen— 
raͤuber! nur ſchonen Sie unſer Leben. — Wir 
wollen Sie auch nicht bei Gerichte angeben. 

Wenski. Bringt Licht! Margaretha! 
komm doch zu dir! kennſt du mich denn 
nicht? — | 

Fr. v. W Ach! — Ach! — Mein Mann, 
ſo wahr ich lebe! — Mein Himmel! wie 
koͤmmſt du hierher? — ſo weit vom Hauſe? — 
Biſt du uns nachgefahren? a 


— 139 — 

Wenski. Ich glaube, du haſt den Ver— 
ſtand verloren, Margaretha! Deine Furcht 
macht dich blind. So weit vom Hauſe, da 
du kaum zehn Schritte von der Thuͤr entfernt 
biſt? 


Neunter Auftritt. 
Vorige, Paul, Peter mit Lichtern. 
(Die uͤbrigen naͤhern ſich auch.) 


Fr. v. W. Wahr und wahrhaftig! ich bin 
zu Hauſe. 

Hans. Das hab ich Ihnen ja hundertmal 
geſagt. Nun moͤgt' ich aber wiſſen, warum 
der Vater mich gehuſcht hat? 

Wenski. Um deiner Spatzierfahrt willen! 
weil du deine Mutter zu Beſten gehabt haſt. 

Fr v. W. Du biſt alſo vorſaͤtzlich irre ge— 
fahren, du gottloſer Bube? Wart ich will 
dich lehren, deiner Mutter fo mitzuſpielen! 
Sophiechen, wie ich ſehe, iſt auch ſchon in 
guter Geſellſchaft. 

Wenskl. Die beiden Leute lieben ſich, 
und verlangen einander zur Ehe. . 


— 140 — 


Fr. v. W. Daraus wird nichts. 

Wen sk. Ihre Hand ſteht nicht unter 
deiner Gewalt. 

Fr. v. W. Aber ihr Vermögen. Das 
bleibt bei der Familie, um uns uͤber den Verluſt 
ihrer Hand zu troͤſten. 

Wenski. Bei dem Teſtamente war noch 
eine gewiſſe Klauſel — 

Fr v. W. Klauſel hin, Klauſel her! 

Wenski. Die Sache ſoll gleich in Ord— 
nung ſein. — Komm her Hans! 

Hans. Das laß ich wohl bleiben. Warum 
hat mich der Vater gehuſcht? 

Wens ki. Du haſt ein Mittel mich zu deinem 
Freunde zu machen. — 

Hans. Was iſt das fuͤr ein Mittel? 

Wenski. Die Wahrheit zu ſagen. 

Hans. Hohls der Hund, wers glaubt! 
Darum ſind Sie mir ja nicht gut, weil ich Ihuen 
ſo oft die Wahrheit ſage. 

Wenski. Willſt du Fräulein Sophien hei— 
rathen? 


Fr. v. W. Sag ja, Le 199 ja. — 


Wenski. Stille Margaretha, laß ihn 
reden! — Hans, du biſt in punkto dieſer 
Heirath ein freier Mann. 

Hans. Iſts wahr? 

Wenski. Auf mein Wort. 

Fr. v. W. Hanſel! 

Hans. So ſollen Sie ſehen, was ich von 

meiner Freiheit für Gebrauch machen will. (ev 

e Sophien bei der Hand) Kund und zu 
iſſen ſei hiemit Jedermann! daß ich, Hans 

von Ullerdorf, Fraͤulein Sophie von Buchau, 

zu meiner treuen und kechtmaͤſſigen Frau — 

5 — und gar nicht haben will. 

[Wenski. Bravo Hans!“ 

Ferd. Mein beſter Freund! 

Soph. Dank Vetterchen! 

Fr. v. W. Du ungehorſamer Junge! 


Kir 


zugleich 


Wenski. Anna, wie gehts mit deinem 
Schuͤler? | 

Na n. Ziemlich gut, Papa, ziemlich gut. 
Wenski. (giebt ihre Hände zufammen ) 
d r Himmel fegne euch, meine Kinder! — 
enn fie eine ſo gute Frau wird, als fie eine 
e Tochter war, ſo ſoll Sie der Kauf nicht 


Ag 


— 142 — 5 70 
reuen. Nun wollen wir zum Nactefen; un 
Morgen ſollen alle Arme des Kirchſpiels cher 
an meiner Freude nehmen. Du haſt dich i 
der Geliebten geirrt, mein Sohn — id 
wuͤnſche, daß du dich nie in der Frau irre 
moͤgeſt. g 


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