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Full text of "Jahrbücher des Vereins von Alterthumsfreunden im Rheinlande"

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JAHRBÜCHER 


DES 


VEREINS  VON  ALTERTHUMSFREUNDEN 


IM 


KHEINLANDK 


HEFT  LIU  n.  LIV. 


KT  17  LITHOeiUPfllSTfiN  TAFELN  ÜHD  7  HOLZSCHKITTBK. 


BONN. 

GEDRÜCKT  AÜP^  KOSTEN  DES  VEREINS, 

BONN,  BEI  A.  MARCUS. 
1879. 


Inhaltsverzeichniss. 


L    Geschielite  und  Denkmäler. 

Seite 

1.  Ueber  einige  Bronzebilder  des  Ares.    Hierzu  Taf.  I— XIL     Vom  Prof. 
Dr.  Diltbey  in  Zürich 1 

2.  Die  kunstgeschiobtlichen  Beziehungen  zwischen   dem  Rheinlande  und 
Westfalen.    Vom  Privat-Doc.  Dr.  Nordhoff  in  Münster 48 

3.  Ein  römischer  Fund  in  Bandorf  bei  Oberwinter.  Hierzu  Taf.  XIH  und 
XIY.    Vom  Geh.  Med.-B.  Prof.  Schaaffhansen  in  Bonn    ....     99 

4.  Römische   Inschriften    Yom  Mittelrhein.    Vom   Prof.  Dr.  Becker  in 
Frankfurt .142 

5.  Römische  Alterthüm^r  in  Lothringen.  Vom  Prof.  Dr.  Hüb n er  in  Berlin  169 

6.  Römische  Inschriften  aus  Rohr  bei  Blankenheim  und  Bonn.  Vom  Prof* 
Dr.  Freudenberg  in  Bonn 172 

7.  Alterthümer   am  Oberrhein,    Vom  Oberbibliothekar  Prof.  Brambach 

in  Carlsruhe 188 

8.  Die  an  der  Ost-  und  Nordseite   des  Domes   zu  Köln  entdeckten  Reste 
röm.   und  mittelalt.    Bauten.    I.  Vom  Dombaumeister  Hrn.  Voigt  ei. 

n.  Vom  Prof.  Dr.  Düntzer.  Hierzu  Tafel  XV  und  XVI 199 

9.  Epigraphische  Mittheilungen  aus  Gleve.  I.  Die  Turok'sclie  Chronik.  Vom 
Director  Dr.  Fulda  in  Smgershausen 229 

10.  Zur  Staurologie.  Von  Pastor  Otie  in  Fröhden 253 

11.  Fund  römischer  Eaisermünzen  in  der  Nähe  von  Bonn.  Von  Dr.  Cuny 
Bouvier.    Hierzu  Tafel  XVII,  Fig.  1-4 261 

12.  Zwei  nnedirte Kaiser-Münzen.  Von  F.  van  Vleuten.  Hierzu Tii.  XVH, 
Fig.  5.  6.  . 268 

IL    Litteratnr. 

1.  a)  Histoire  de  la  peinture  au  pays  de  Li^ge  —  parM.  Jules  Hei  big. 
b)  Charles  G6rard,  les  artistes  de  l'Alsace  pendant  le  moyen-4ge. 
T.  I.  Colmar  1872.  c)  Dr.  Rahn,  Geschichte  d.  bild.  Künste  in  der 
Schweiz.  I.  B.  1.  Abth.  Zürich  1873.  Angezeigt  vom  Obertrib.-R.  Dr. 
Schnaase  in  Wiesbaden 271 

2.  Julius  Cäsar  am  Rhein.  Von  Prof.  D  ed  e  r  i  eh.  Angez.  von  Prof.  Fiedler 

in  Wesel 287 

in.    Miscellen. 

1.  Bömisohe  und  germanische  Alterthümer  im  Bergisohen.  Von  F.  W. 
Oli^Bchlager 293 

2.  Zwei  röm.  Inschriften  aus  Alzey.    Von  Reallehrer  Schwabe    .     .     .  295 

3.  Zur  rheinischen  Epigraphik.    Von  Dr.  Kamp 296 

4.  Römischer  Grabstein  in  Jülich.    Von  demselben 296 

5.  Eine  gallische  Goldmünze  aus  Leichlingen.    Von  Dr.  Crecelius  .     .  298 

6.  Rom.  Alterthümer  in  Poppeisdorf.   Von  J«  Freudenberg.     .     ,     .  298 


Seite 

7.  Analyse  eines  röm.  Metallspiegels.    Von  demselben 299 

8.  Röm.  Alterthümer  in  Aachen.    Von  demselben 300 

9.  Röm.  Alterthomsfande   zwischen  Mülheim  a.  d.  R.    und  Witten.    Von 
Hofrath  Essellen 300 

10.  Oefifnnng  des  Grabmals  von  Eginhard  in  Seligenstadt.  Fr.  J.    •     .     .  302 

11.  Aus  2  Vortragen   des  Prof.  Becker  über  den  Taunus  und.  die  Aus- 
grabungen auf  der  Saalburg  bei  Homburg  a.  d.  Höhe      ....  303 

12.  Mittheilungen  des  Hm.  Pfarrer  Grün  in  Betr.  des  Bleisiegels  des  Köln. 
Erzb.  Piligrimus 306 

13.  Antikes  &zffefass  von  Münstermaifeld '.  309 

14.  Röm.  Alterthümer  am  Apollinarisbrunnen 310 

15.  Rathselhafbe  Inschrift   eines    röm.  Salbenfl&schohens  und  Töpfemamen 
aus  Neuss.  Von  J   Freudenberg 310 

16.  Aus  d.  12.  Ber.   d.  ant.-hist.  Ver.   für  Nahe   und   Hunsrüok;   Töpfer- 
inschriften.   Von  J.  Freudenberg ,311 

17.  Röm.  Grabstatten  in  Trier 313 

18.  Die  alte  Burg  in  Honnef.    Vom  Geh.  Med.-R.  Schaaffhau^en     .     .  314 

19.  Manerreste  des  röm.  Gastrums  in  Coblenz.  Von  demselben     .     .     .  314 

20.  Alterthumsfunde  in  Pfalzfeld,  Malberg  and  Hunzel.    Von  demselben  316 

21.  Antiker  Steinblook  in  Coblenz  (Taf.  XVH,  Fig.  6).    Von  demselben  315 

22.  Germanische  Gräber  im  Elsass.    Von  demselben 316 

23.  Germanische  Urnen  aus  Dahlen  (Kr.  Gladbach),  Von  demselben  •  317 

24.  Eine  Abraxas-Plombe.  Taf.  XVII,  Fig.  7.  Von  F.  van  Vleuten   .     .317 

25.  Amulet  mit  griech.  Inschrift.  Taf.  XVII.  Fig.  8.  Von  demselben.     .  318 

26.  Römische  Grabfunde  in  Bonn.  Von  Dr.  Bouvier 319 

27.  Der  röm.  Pfahlgraben  östl.  und  südöstl.  von  Linz.  Von  Dr.  Pohl  .     ,  322 

28.  Fundstätten  röm.  Alterth.  bei  Billig.   Von  demselben 324 

29.  Römische  Baureste  bei  St.  Vith 830 

30.  Mercurius  und  Rosmerta.  Von  0.  Robert 331 

31.  Altdeutsche    Inschrift  in   ünkelbach.    Vom   Geh.   Med.-R.  Schaaff- 
hausen 383 

32.  Röm.  Münze  aus  dem  Bergwerk  von  Call.  Von  demselben  .     .  333 

33.  Der  Genlok  von  ühland 333 

IV. 

Chronik  des  Vereins  fBr  das  Vereinsjahr  1872  (resp.  Pfingsten  1872—73)    .  884 

V. 

VerzeichnisB  der  Mitglieder 342 


L     Oeschiclite  nnd  Denkmäler. 


I.    Ueber  einige  Bronzebilder  des  Ares. 

Hierzu  Taf.  I— XII. 

Es  waren  nicht  mehr  als  drei  Kunstdarstellungen  des  Ares,  auf 
die  Winckelmann  den  Satz  gründete :  die  Züge  des  Mars  offenbaren  in 
den  ruhigen  Mienen  einen  jungen  Helden  von  sanfter  und  menschlicher 
Natur  ^).  Seitdem  ist  öfters  Klage  geführt  worden  über  unsere  Armuth 
an  sicheren  Bildnissen  des  Ares^)  und  die  Versuche,  welche  unternom- 
men worden,  den  plastischen  Typus  des  Oottes  zu  charakterisiren, 
weichen  so  sehr  von  einander  ab,  dass  sie  unsere  Unklarheit  über  dies 
Kapitel  der  sogenannten  Kunstmythologie  nur  zu  bestätigen  scheinen. 
Winckelmann  wollte  keinen  bärtigen  Ares  anerkennen "),  die  italienischen 


')  Kunst  der  Zeichnung,  Winckelmanns  Werke  her.  von  Meyer  und 
Femow  VII  86  =  Monum.  ined.  S.  XLI,  vgl.  Kunstgesch.  B.  V  Gap.  I  §  18. 
Die  drei  Aresbilder,  auf  welclie  sich  Winckelmann  beruft,  sind  die  sitzende 
Statue  der  Villa  Lndovisi,  die  Reliefdarstellungen  am  Kandelaber  Barberini  und 
an  der  Kapitolinischen  Brunnenfassungf.  Er  unterlässt,  den  sog.  Achill  Borghese 
heranzuziehen,  obwohl  er  (Monum.  ined.  S.  33)  für  wahrscheinlich  erklärt,  dass 
diese  Statue  den  Ares  darstelle. 

•)  VgL  Hirt  Bilderb.   für  Mythol.  I  51,  Baoul  Rochetto  monum.  ined.  S.  51. 

^  Den  bärtigen  Marskopf  römischer  Münzen  ist  er  geneigt  ^Evvahog  zu 
nennen,  an  der  angeführten  Stelle  der  Kunstgeschichte«  welcher  die  Erklärer 
der  antich.  d'Ercol.  VI  S.  68  zu  folgen  scheinen;  B.  X  Cap.  2  §  18  behauptet 
er:  Mars  findet  sich  allezeit  ohne  Bart  in  allen  seinen  Bildern  in  Marmor  und 
aaf  Münzen. 

1 


2  üeber  einige  Broncebilder  des  Ares. 

Archaeologen  widersprachen  ^).  0.  MttUer  urtheilt,  dass  die  ausgebildete 
Kunst  ihn  lieber  bartlos  gebildet^),   Raoul  ßochette,   dass  er  meist 
bärtig®),   und  Preller,  dass  er  bisweilen  unbärtig  dargestellt  worden 
sei^).    Hatte  Winckelmann,  unter  dem  Einfluss  seiner  philosophischen 
Kunstlehre,  die  Züge  des  Ares  menschlich,  ruhig,  jugendlich  sanft  gi^ 
nannt,  so  fand  Visconti  in  ihnen  Schönheit  zwar,  aber  eine  Schön- 
heit derberer  nüchterner  Art;   er   behauptet,    dass    in    der   Kunst 
sein  Haar  stets  kurz  und  kraus  sei^).   Aehnlich  urtheilten  liaoul   Ko- 
chette®)  und   0.  Müller.  Nach   der  Ansicht  des  Letzteren  bezeichnen 
Ares  durchgängig  eine   derbe  und  kräftige  Muskulatur,   ein  starker 
fleischiger    Nacken,    kurzgelocktes    und    gesträubtes  Haar;    er  hat 
kleinere  Augen,  eine  etwas  stärker  geöffnete  Nase,  weniger  heitere 
Stirn  als  andere   Zeussöhne;  dem   Alter    nach   erscheint   er  männ- 
licher als  ApoUon   und  Hermes.    Im  'Uebrigen  war  doch  sein  Wesen 
zu  sehr  bioser    Begriff,   um    ein  Hauptgegenstand   der    plastischen 
Kunst  zu  werden';  so  komme  es  dass  über  den  plastischen  Charakter 
des  Gottes  manche  Zweifel  obwalten.    Anders    wiederum   begründet 
K  Braun  den  Umstand,  dass  Ares  durch  die  griechische  Kunst  ver- 
hältnissmässig  selten  behandelt  worden  sei^).    Er  glaubt,  dass  sie  ins- 
gemein ihn  gescheut  habe  als  ungethümes  .Wesen,  in  dessen  Gefolg 
Todesgrauen  und  Schrecken  sind,   und  fast  überall,  wo  sie  ihn  zum 
Gegenstand    selbständiger  Darstellung  gemacht,    erscheine  er  durch 
die  Verbindung  mit  Aphrodite  gebändigt  und  verwandelt;  in  den 
bessten  Zeiten  habe  die  Kunst  ihn  gefasst  als  Heldenjüngling,  kampf- 
lustig und  zugleich  sentimental.    Neuerdings  schien  der  verdienstvolle 
Aufisatz   von  Stark  ^)  über  ein  von  ihm  als  Ares  Soter  bezeich- 
netes Fragment  in  Madrid    dem  Gott  eine  Reihe  von  Statuen  und 
Büsten  mit  gutem  Rechte  zugewiesen  und  unsere  Einsicht  in  seine 


')  Fea  Eur  röm.  Ausgabe  der  Kanstgeschiohte  Bd.  III  S.  466,  Visconti 
Mus.  Pio-  Clem.  Bd.  II  eu  Uv.  49. 

')  Haadb.  der  Arohaeol.  §  372  S.  673. 

')  Monum.  in^  S.  68. 

^)  Dieser  durohaus  schiefe,  wohl  aus  Raoul  Boohetie  entnommene  Satz  ist 
auch  in  der  neuen  Ausgabe  ohne  Berichtigung  wiederholt,  I  S.  270. 

^)  Monum.  scelti  Borghes.  S.  34  fg.  der  Mailänder  Ausgabe. 

*)  A.  a.  0.,  S.  49  ff.  Seine  ganse  weitschweifige  Darlegung  ist  voll  von 
grundlosen  Behauptungen,  Oberflächlichkeiten  und  Irrthümern. 

')  Vorschule  d.  Kunstmythol.  S.  64  fg. 

•)  Berichte  d.  s&chs.  Ges.  d.  Wissensch.  1864  S.  173  ff. 


Üeber  einige  Broncebilder  des  Ares.  8 

kfinsüerische  Erscheinung  nicht  wenig  gefördert  zu  haben.  Oleich  da- 
rauf hat  wiederum  Urlichs  0  den  gesammten  Typus,  welchem  jene 
Werke  angehören,  auf  Achill  bezogen;  uud  einzelne  Bepräsentanten 
desselben  erfahren  immerfort  die  verschiedensten  Benennungen. 

Der  nachfolgenden  Besprechung  wird  es  vielleicht  gelingen,  die 
schwankende  Terminologie  einer  ausgebreiteten  Gattung  van  Ideal- 
büdnissen  zu  befestigen,  und  durch  neues  gesichertes  Material  den 
plastischen  Typus  des  Ares  in  seiner  jüngeren  und  geläufigsten  Er- 
scheinung deutlicher  zu  macheu.  Jedenfalls  wird  man  der  Redaktion 
dieser  Zeitschrift  Dank  wissen  für  die  reiche  Publikation,  die  auf  Taf. 
I — XII  eine  zusammengehörige  Reihe  von  Bronzen  vereinigt,  von 
denen  nur  zwei  schon  frQher  veröffentlicht  worden,  und  einige  bis  jetzt 
ganz  unbekannt  gewesen  sind. 

1.  Sie  nahm  ihren  Ausgang  von  der  auf  Taf.  I  II  in  der  Grösse 
des  Originals  abgebildeten  Büste.  Dieselbe  wurde  im  Jahre  1869 
an  der  Mosel  beim  Orte  Wehr  gefunden,  nicht  weit  von  der  Stelle, 
wo  in  römischer  Zeit  eine  Fürth  die  beiden  grossen  Militärstrassen 
verband,  die  zur  Rechten  und  Linken  des  Flusses  von  Trier  nach 
Hetz  führten').  Am  selben  Ort  stiess  man  im  Wasser  auf  ein  grösse- 
res Relief,  das  im  Nenniger  Mosaikgebäude  aufbewahrt  wird,  auf  ein 
Kapitell  und  Reste  von  Mauern,  welche  sich  vom  erhöhten  Ufer  bis 
hinunter  in  die  Mosel  ziehen.  Die  kleine  Bronzebüste  erwarb  Herr 
von  Musiel  auf  Schloss  Thoren  bei  Nennig.  Er  überliess  sie  bereit- 
willig dem  Verein  zur  Publikation,  und  ich  hatte  Gelegenheit,  das 
Original  ^Iber  zu  prüfen. 

Kopf  und  Büste  sind  intact  erhalten,  es  fehlt  nur  die  Spitze  des 
Helmbügels.  Der  Rücken  ist  von  oben  i^ach  unten  schräg  abgeplattet, 
seine  Höhlung  ausgegossen  mit  Blei  und  in  diesem  steckt  noch  das 
Ende  eines  Metallzapfens.  Hieraus  ergiebt  sich,  dass  die  Büste  als 
Affix  zum  Schmuck  irgend  eines  Geräthes  diente,  an  welchem  sie  der- 
artig aufgesetzt  war,  dass  sie  gleich  den  Hochreliefen  der  imagines 
clupeatae  von  unten  nach  oben  aus  der  Fläche  heraussprang.  Auf 
solche  Verwendung  deutet  auch  die  untere  Begrenzung  der  Büste 
durch  ein  Blattornament,  welches  den  Uebergang  in  die  Fläche  zu  ver- 
mitteln hatte. 

')  Ueber  dio  Gruppe  des  PaBquino,  nebst  einem  Anhang  über  den  Achill 
Borghese  (Winckelmannsprogramm  des  Vereins,  1867)  S.  35  ff. 

>)  Vergl.  Lafontaine  in  der  Zeitschr.  d.  Luxcmb.  Ges.  t.  XXIII  (II)  S.  164 
ff.,    Jahrb.  des  Vereins  XXXI  S.  22.  29. 


4  Uiber  emige  Bronsebilder  des  AreB. 

Büsten  dieser  Art  aus  getriebenem  Silberblech  dienten  unter  dem 
besonderen  Namen '  emblemata  und  dem  allgemeineren  der  sigilla  ^) 
besonders  häufig  zum  Schmuck  silberner  Trinkschalen,  auf  deren 
Boden  sie  festgelöthet  wurden.  Ich  brauche  nur  zu  erinnern  an  die 
Schalen  mit  den  Büsten  des  schlangenwürgenden  kleinen  Herakles,  des 
Attis  und  der  Kybele  aus  dem  Hildesheimer  Silberfund').  In  einer 
jetzt  im  Louvre  aufbewahrten  Silberschale,  die  in  Berthouville  gefun- 
den wurde,  sind,  durch  Blattomament  abgeschlossen,  die  Büsten  des 
Hermes  und  der  Aphrodite  angebracht  <) ;  ein  Brustbild  des  Harpokrates 
schmückt  den  Boden  einer  im  Leidener  Museum  aufbewahrten  Schale^). 
Goldene  Emblemata  zusammen  mit  einer  silbernen  Phiala  werden  der 
Lokalgottheit  Noreia  geweiht  in  einer  Inschrift  aus  dem  alten  Noricuro, 
auf  die  jüngst  Hübner  hingewiesen  hat  ^).  An  soU±es  Tafelgeräth  denkt 
auch  Valerius  Flaccus,  wenn  er  erzählt  vom  Knaben  Achill,  der  zu 
Peleus  und  den  schmausenden  Argonauten  kommt  (I  260) : 

illum  nee  valido  spumantia  pocula  Baccho 

soUicitant  veteri  nee  conspicienda  metallo 

Signa  tenent. 
Diesen  Schalen  mit  ihrem  Innenschmuck  entsprach  die  Gestalt 
der  römischen  Phalerae;  darum   auch  wurde  der  >  runde  Schild  von 
Silberblech,   welcher  die  einfachste  Form  dieses  militärischen  Ehren- 
schmuckes war,  g>takf]  geheissen*). 


>)  Vgl.  Beoker-Marquardt  Handb.  d.  röm.  Alterth.  I  S.  276»  0.  Jahn  xu 
Penias  S.  132,  MicbaeÜB  das  corsinische  Silbergefius  S.  4  S.,  Semper  der  Stil 
n  S.  24  f. 

>)  Wieseler  der  Hildesh.  Süberfand  Ta£  IH,  Holzer  der  Hildesh.  ant 
Silberfand  Taf.  H.  Dass  die  beiden  letzteren  Büsten  mit  Recht  auf  Attis  und 
Kybele  bezogen  werden,  weist  R.  Schöne  nach,  Hermes  III  S.  477,  2.  Das 
Emblema  der  Kybele  ist  nachträglich  innen  mit  Blei  ausgegossen  (replumbatum) ; 
Tgl.  Schöne  a.  a.  0.  and  im  PhUoL  1869  S.  369  f. 

*)  Le  Pr^vost  memoire  sar  la  ooUeot.  de  vases  ant.  tronv^e  en  mars  1880 
k  BerthouTiUe  PL  III  2.  3,  Text  S.  27  (aus  dem  Mem.  de  la  soo.  des  antiqu.  de 
Normandie  t  VI);  vgl.  Ch.  Lenormant  buUett  dell'  Inst.  1830  S.  110,  Cha- 
bouillet  catal.  g6ner.  S.  440  n.  2823.  Le  Prevost  S.  15  n.  4  erwähnt  auch  einer 
Büste  des  Mercur  aus  massivem  Silber,  die  bestimmt  gewesen,  den  Boden  einer 
Patera  einzunehmen,  vgl.  Lenormant  a.  a.  0*  S.  99. 

^)  Leemans  monum.  Egypt.  du  mos.  d'ant.  ä  Leyde  taf.  LXX  n.  490. 

»)  ArohaeoL  Zeit.  1870  S.  89. 

•)  Vgl.  0.  Jahn  die  Ijauersforter  Phalerae  S.  2  f. 


Ueber  einige  Bronzebilder  des  Ares.  5 

Von  solchen  Gefässzierrathen  waren  die  Götterbüsten  der  imagi- 
nes  clapeatae  in  Nichts  verschieden.  Eine  kürzlich  bei  Nemi  aufge- 
fandene  Inschrift  %  welche  das  Inventar  zweier  Tempel  enthält,  zählt 
auf  unter  Anderem  Signa  n.  XYII,  caput  solis  I,  imagines  argenteae  IUI, 
clapeos  I.  Wie  in  der  oben  erVrähnten  Norischen  Inschrift,  werden 
hier  Geiikth  und  Schmuck  unterschieden;  offenbar  waren  die  imagines 
bewegliche  kleine  Götterbüsten,  welche  auf  dem  Schildrund  erst  dann 
befestigt  wurden,  wann  dieser  seiner  Bestimmung  gemäss  als  architek- 
tonischer Zierrath  zur  Verwendung  kam  ^).  So  heisst  es  auch  in  einer 
Weihinschrift,  die  bei  diesem  Anlass  von  Henzen  erwähnt  wird, 
^imago  argentea  cum  aereo  clipeft'')  und  in  einer  anderen  'clupeus 
argenteus  cum  imagine  aurea'^).  Mit  Recht  deutete  Henzen  die 
Mmagines  argenteae  deorum  Septem',  die  anderwärts  erwähnt  werden^), 
auf  die  nämliche  Gattung  von  Büsten:  es  ist  hinzuzusetzen,  dass  offen- 
bar die  sieben  Pianetengötter  gemeint  sind,  nach  denen  die  Wochen- 
tage ihre  -Namen  haben  ^). 

Vielfältigste  Verwendung  hatten  ganz  analog  geformte  Büsten 
aus  Bronze.  Es  finden  sich  solche  an  einer  vor  wenigen  Jahren  in 
Pompei  ausgegrabenen  mit  Bronzeblech  gedeckten  Holzkiste;  auf  der 

'}  BuUet.  deU'  Inst.  1671  8.  66,  HenneB  vi  S.  6  ff.  Von  den  imagines 
(emblemsia)  sind  die  signa  (Statuen)  verschieden,  wie  sonst  'imagines  et  statuae* 
unterschieden  werden  (vgl.  Benndorf  und  Schöne  d.  lateran.  Mus.  S.  210),  und 
unter  dem  caput  Solis  haben  wir  uns  vielleicht  eine  selbständige  Büste  zu 
denken.  Die  Corona  analempsiaca  i  cum  gemmis  topazos  n.  xxi  et  carbuncnlos 
D.  Lxxxim,  welche  hier  unter  den  Inventarstücken  des  Isistempels  vorkommt, 
and  auch  sonst  auf  diese  Göttin  bezogen  erscheint  (Vercellono  dissertazioni  accade- 
miche  S.  339),  hat  Mommsen  aufgefasst  als  einen  Kranz  der  aufgesetzt  und 
abgenommen  werden  konnte.  Indessen  scheint  mir  selbstverständlich,  dass  ein 
gesondert  aufgeführter  Kranz  diese  Eigenschaft  besass,  und  zugleich  dürfte 
Mommsens  Erklärung  sprachlich  schwer  zu  rechtfertigen  sein.  Das  Beiwort  führt 
mich  auf  die  Vermuthung,  dass  dieser  Keif  vermöge  der  eingesetzten  Steine 
Heilkräfte  ausüben  sollte  und  medizinische  Bestimmung  hatte.  Ueber  die  Wort- 
form vgl.  Joh.  Schmidt  zur  Oesoh.  des  indog.  Voc.  S.  118  f. 

')  Aehnlich  entsprechen  sich  in  der  Inschrift  von  Noricum,  die  oben  er- 
wähnt wurde,  phiala  argentea  und  emblemata  aurea,  und  Schale  und  Em- 
blemata  sind  gesondert  gewogen.  (Jeher  die  imagines  clupeatae  s.  Jahn  a.  a. 
O.  S.  8,  32  und  6er.  der  säehs.  GeseUsch.  d.  Wissensch.  1861  S.  299. 

•)  Mnratori  718,  6. 

*)  Marini  atti  e  monum.  de*  frat.  Arv.  S.  408. 

«)  Gniter  175,  9,  vgl.  Henzen  buUett.  dell'  Inst.  1866  S.  100. 

•)  Vgl  unten  8.  7  und  S.  17. 


6  Ueber  einigu  Bronsebilder  des  Ares. 

im  Einzelnen  undeutlichen  Abbildung  bei  Niccolini')  erblickt  man,  so 
scheint  es,  Apoll  und  Artemis,  zwischen  ihnen  einen  Thierkopf, 
darunter,  rechts,  und  links  von  der  Maske  eines  Dionysos,  wohl 
die  geflügelten  Büsten  des  Frühlings  und  des  Herbstes.  Der 
gleiche  plastische  Schmuck  fand  sich  an  Bettstellen^),  zuweilen  auch 
an  Dreifüssen^)  angebracht.  Ein  Brustbild  der  Athene  von  Bronze, 
aus  einer  runden  Platte  vorspringend,  die  an  zwei  zusammenlaufende 
Bronzewangen  befestigt  ist,  zierte  als  Hutela'  den  Bug  eines  römischen 
Kriegsfahrzeuges  ^).  Eine  Reihe  von  Bronzebüsten,  wie  die  unsrige 
geformt,  und  jede  auf  einer  runden  Platte  befestigt,  wurde  in  Resina 
gefunden^  zusammen  mit  bronzenem  Pferdegeschirr  und  den  Resten 
bronzener  Pferde;  hieraus  ergab  sich  mit  Gewissheit  ihre  Bestimmung 
als  Phalerae  für  Pferde.  Es  sind  ausser  einem  nicht  näher  zu  be- 
stimmenden weiblichen  Kopf*),  Athene«),  Nike''),  Ares^),  Athene •) 
dargestellt.  Gleichartiger  Zierrath  ist  auch  an  Bronzerüstungen  an- 
gebracht >^).  Eine  Votivhand  von  Bronze,  in  Avenches  gefunden  und 
aufbewahrt,  ist  mit  mehreren  dieser  Götterbüsten  ausgestattet).    An 


^)  Gase  die  Pompei  fascic.  89,  descriz.  gen.  tav.  88. 

')  Niocolini  a.  a,  0.  fascic.  40  tov.  36;  Mus.  Borb.  II.  tav.  31  =Overbeck 
Pompei  n*  S.  46  =  Semper  der  Stil  I  S.  379  =  Guhl  und  Koner  Leben  der 
Griechen  und  Körner  (3.  Aufl.)  S.  543.~  Häufiger  noch  mochten  diese  Zierrathen 
der  Bettstellen  aus  Elfenbein  gearbeitet  sein;  s.  die  Erklärer  zu  Properz  V  5, 
24  sectaque  ab  Attalicis  putria  signa  toris,  wo  man  hinzufuge  Choric.  ecphras. 
imag.  S.  161  Boissonade  17  Sk  (xXivri)  iXiipavri  xal  XQvat^  xal  NCxrji  x^xoafAfßvu^ 
ylvfAfAaat  div^qififAivuig  m^Qv^iv  axQ(f  r^  x£(paXj  rrjv  xUvijp  avixpvüi.  Doch  wohl 
Nlxrig  xexoafdrpai  yXv/4fÄaatf    Sir^Qtifjiivcug  tu^qv^i  xai  axftif   ry  xiipal^  riiv  xUvfiv 

s)  Vgl.  z.  Q.  mem.  deU'  accad.  di  Torino  xxxin  (1829)  Taf.  zu  S.  138. 

*)  Archaeol.  Zeit.  1872  Taf.  62. 

«*)  Antich.  d'Ercol.  V  S.  18  =  S.  139  =  S.  145. 

«)  Ant.  d'Erc.  S.  7  =  S.  31 ;  S.  1  =  S.  126. 

')  Ant.  d'Erc.  V  S.  7  =  S.  131. 

»)  Ant.  d'Erc.  VI  S.  71  =  8.  166  =  8.  265  =  S.  341. 

•)  Ant.  d'Erc.  VI  S.  76  =  S.  169  =1  S.  259  =  8.  346.  ^  Aehnliche  Pha- 
lerae,  bei  Mors  gefunden,  weisen  Büsten  aus  dem  dionysischen  Kreise:  0.  Jahn 
d.  Lauerforter  Phal.  Taf.  I  6.  6.  7.  8,  vgl.  S.  8  f. 

^^)  Ant.  d'Erc.  VI  S.  39=  S.  171;  Niccolini  a.  a.  0.,  caserma  dei  Gladia- 
tori  tav.  IV  2.  6. 
^  ")  Mittheil.  d.  antiquar.  Ges.  in  Zürich  XI  taf.  3,  XVI  taf.  18;  vgl.  0.  Jahn 

Ber.  d.  sächs.  Ges.  d.  W.   1855  S.  101  und  Taf.  IV  2a.    Ueber  den  Gestus  der 
Votivhande  s.  H.  üsener  rhein.  Mus.  n.  F.  xxvra  (1873)  S.  407  flf. 


Üeber  elhige  Bronzebilder  des  Ares.  .   7 

einer  in  der  Themse  gefundenen  Bronzezange  sind  nicht  weniger  als 
zehn  emblemata  angebracht:  an  den  Schenkeln  die  BUsten  der  sieben 
Wochengötter,  denen  eine  achte  angereiht  ist,  oben  über  dem  Chamier 
die  der  Venus  und  Kybele^-  An  einer  bronzenen  Inschrifttafel  des 
kapitolinischen  Museums  sind  oben  die  Brustbilder  des  Septimius 
Sevems,  des  Geta  und  CaracaJla  befestigt'). 

Für  ejne  SchlusshQlse  möchte  ich  ein  .Bronzegeräth  des  Museum 
Kircherianum  halten,  über  welches  Herr  A.  Trendelenburg  die  folgende 
Mittheilung  mir  zu  machen  die  Güte  hatte :  Eine  genaue  Wiederholung 
des  Kopfes  von  der  Mosel  ist  im  Museum  Kircherianum  nicht  vor- 
handen, dagegen  findet  sich  dort  ein  in  wesentlichen  Punkten  ähnlicher 
Bronzekopf.  Derselbe  schmückt  den  äusseren  Boden  eines  in  seiner 
Bestimmung  mir  nicht  deutlichen  becher^hnlichen  Geräthes  von  etwa 
1  Zoll  Höhe  uud  3  Zoll  Durchmesser  (die  Maasse  beruhen  auf  un- 
sicherer Schätzung,  da  das  Geräth  hoch  in  einem  Glaskasten  hängt), 
das  oben  eine  runde,  unten  eine  viereckige  Oese  hat.  Der  Kopf  ist 
mit  einem  Helme  bedeckt,  dessen  Busch  ausnehmend  gross  ist.  Locken- 
striemen fallen  zu  beiden  Seiten  auf  die  mit  einem  faltenreichen  Ge- 
wände bedeckte  Brust  (keine  Aegis,  kein  Gorgoneion)  herab.  Die 
Brust  findet  unten  ihren  Abschluss  ganz  in  der  Weise  des  vorliegenden 
Kopfes  in  einem  Blätterrande,  der  in  seiner  Bildung  mit  dem  der  Pho- 
tographie übereinstimmt.  Kopf  und  Helm  springen  vollständig  körper- 
lich aus  dem  Behef,  das  die  Brust  bildet,  heraus. 

Ungleich  häufiger  finden  diese  Affixe  sich  getrennt  von  dem 
Grund  welchem  sie  angehörten.  Die  Zahl  der  kleinen  Bronzebösten, 
welche  nach  ihrer  Form  und  manchen  äusseren  Merkmalen  ähnliche 
Verwendung  wie  die  unsrige  gehabt  haben  müssen,  ist  weit  grösser 
als '  man  glauben  sollte ;  denn  die  Kunsterklärer  haben  sich  meist  be- 
gnügt, die  betreffenden  Bronzen  als  Büsten  zu  registriren.  Wenn  an 
den  Originalen  selber  die  Beachtung  der  Rückseite  in  den   meisten 


*)  Arcbaeologia  ormiscellan.  traots  relat.  to  antiqu.  vol.  xxx  (Lond.  1844) 
p1.  24  S.  648. 

*)  Vgl.  Fabretti  columna  Traj.  87,  Maffei  Mos.  Ver.  309,  Donati  175,3, 
Guasoo  Mus.  Gapit.  95,  Eellermann  vig.  Rom.  lat.  12.  Auch  kleine  Marmor- 
bdsten  der  nämUchen  Form  hat  man  in  genau  entsprechender  Weise  verwendet. 
So  findet  sidi  an  einem  Florentiner  Kriegerrelief  das  Porträt  des  Hadrian, 
dessen  Pendant  verloren  gegangen;  vgl.  arch.  Zeit.  1870  Taf.  29,  dazu  Hübner 
S.  82. 


% 


8  lieber  einige  Bronzebilder  ^es  Ares. 

Fällen  die  früheren  Applike  wird  erkennen  lassen,  so  verrathen  in 
vielen  Fällen  doch  auch  die  Abbildungen  durch  bestimmte  Indicien 
diese  dekorative  Bestimmung.  Einmal  pflegen  diese  Büsten  durch  eine 
mehr  oder  minder  starke  Biegung  des  Kopfes  nach  oben,  mit  der 
meist  eine  seitliche  Wendung  verbunden  ist,  anzuzeigen  dass  sie  auf 
eine  gewöhnlich  vertikal  gestellte  Fläche  befestigt  werden  sollten,  aus 
der  sie  als  Hochrelief  hervorsprangen  *)•  Ferner  scheint  die  untere 
Begrenzung  der  Büste  durch  vegetabilisches  Ornament  regelmässig  auf 
den  dekorativen  Zweck  hinzuweisen,  ohne  dass  doch  dieser  nur  da  an- 
zunehmen wäre,  wo  wir  am  Band  des  Bruststückes  diesen  Abschluss 
gewahren^).  Als  schönes  Beispiel  dieser  ungemein  häufigen  Form  der 
Büste,  die  unter  den  Bronzewerken  in  allen  grösseren  Publikationen 
zahlreich  vertreten  ist,  führe  ich  eine  zu  Brunault  in  Belgien  gefundene 
und  von  Boulez  veröffentlichte  Herabüste  an,  die  aus  einem  glocken- 
blumenartigen  Kelch  hervorkommt^). 


')  Hier  muss  freilich  darauf  hingewiesen  werden,  dass  auch  gewisse  kleine 
Bronzebüsten  anderer  Bestimmung  diese, Eigenthümlichkeit  besitzen,  nämlich 
die  als  Hängegewichte  an  den  römischen  Schnellwagen  verwendeten  Büsten, 
welche  überhaupt  durchaus  analoge  Fabrikate  sind.  Dieselben  verrathen  zwar 
durch  das  meist  auf  der  Höhe  des  Kopfes,  bei  behelmten  Büsten  auch  im  Helm- 
bügel  befindliche  Loch,  da*  einen  zum  Aufhängen  dienenden  Haken  aufnahm 
—  zuweilen  ist  dieser  mit  erhalten  —ihre  Bestimmung,  es  ist  aber  in  denPnblikatio* 
neu  und  Beschreibungen  namentlich  aus  älterer  Zeit  nicht  immer  auf  dieses  Merk- 
mal geachtet  worden.  Das  Bruststück  dieser  Gewichtbüsten  pflegt  hinten  hohl  und 
mit  Blei  ausgegossen  zu  sein  zur  Regulirung  des  Gewichtes.  Vgl.  Friedrichs 
kleinere  Kunst  und  Industrie  im  Alterth.  S.  206  ff.,  Mus.  Borb.  1 55,  YUI  16,  Over- 
beck  Poropei  H  S.  72,  Guhl   und  Koner  Leben  der  Griechen  und  Römer  S.  672. 

^)  Nur  eine  aus  Blattomament  sich  erhebende  Büste  ist  mir  bekannt, 
deren  ^ienende  dekorative  Funktion  fraglich  erscheinen  kann  in  Anbetracht 
ihrer  Grösse  und  feinen  und  freien  Ausführung.  Es  ist  die  Marmorbüste  der 
sog.  Glytia  im  brittischen  Museum,  abgeb.  Townley  gall.  U  &  90,  besprochen 
archaeol.  Anz.  1867  S.  55*  ff.  und  Friederichs  Bausteine  n.  818.  Die  Analogien, 
welche  Letzterer  beibringt  sind  nicht  zutreffend.  Denn  dass  kleine  Marmor- 
köpfe dekorativer  Natur,  meist  Fragmente  von  Tischfussen,  Marmorsesseln  und 
dergl,  häufig  diese  Blattbegrenzung  aufweisen,  ist  bekannt  genug;  ich  habe 
deren  mehrere  im  römischen  Kunsthandel  gesehen.  Leider  hat  kühner  seine  in 
der  archäolog.  Gesellschaft  kürzlich  vorgetragenen  Bemerkungen  über  das  Motiv 
des  Blattkelches  an  antiken  Büsten  nicht  veröffentlicht,  vgl.  arch.  Zeit.  1872 
S.  41.  Ueber  Yerknüpfung  menschlicher  Figur  mit  Pflanzenomament  s.  Benn- 
dorf  und  Schöne  das  lateran.  Mns.  S.  40. 

»)  Bullet,  de  l'acad.  de  Brux.  tome  X,  zu  S.  68.  Boulez  :'les  trois  feuilles, 


Ueber  einige  Bronsebilder  des  Aret.  9 

Seltener  finden  sich  im  Bruststück  oder  unter  den  Achselhöhlen 
Nietlöcher  vor  für  die  Stifte,  mit  welchen  das  Affix  angeheftet  wurde ; 
mitunter  auch  ist  ein  mit  Löchern  versehener  Rand  herausgetrieben, 
der  das  Ganze  als  Beschlägeplattchen  erkennen  lässt  ^),  oder  die  Büste 
läuft  nach  unten  gabelförmig  auseinander,  und  erscheint  als  Bekrönung'). 

Hiernach  ist  wahrscheinlich,  da^  weitaus  die  Mehrzahl  der  er- 
haltenen kleinen  Bronzebüsten  als  Appliken  fungirt  hat;  wer  die  Ab- 
biUungen  im  ftlnften  und  sechsten  Band  der  Antichita  d'Ercolano,  in 
den  Sammlungen  von  Mont&ucon  und  Gaylus,  den  kürzlich  von 
Sacken  herausgegebenen  ersten  Band  der  Bronzen  des  kk.  Münz-  und 
Antikenkabinets  in  Wien  durchmustern  mag,  wird  sich  leicht  hiervon 
überzeugen. 

Bisweilen  tritt  sehr  charakteristisch  das  Bestreben  zu  Tag, 
durch  Beifügung  eines  Attributes  oder  auch  eines  Bewegungsmotives 
den  Kopf  zu  kennzeichnen;  und  so  kommt  es,  dass  öfters  ein  Arm 
oder  beide,  meist  in  etwas  verkümmerten  Verhältnissen,  hinzugefügt 
sind.  In  diesem  Falle  vermögen  wir  mitunter  das  Verfahren  deutlich 
zu  erkennen,  mittelst  dessen  bekannte  Darstellungen  zu  solcher  Büsten- 
form abbreviirt  worden  sind.  Besonders  lehrreich  ist  in  dieser  Be- 
ziehung die  von  Ritschi  als  'Ino  Leukothea'  herausgegebene  Büste, 
die  vielmehr  Amphitrite  zu  benennen  sein  dürfte^).    Die  gesammte 


qm  fofit  saiUie  ä  sa  base  et  enr  lesquelles  ii  (le  broDze)  repose,-  semblent  indi- 
qner  qü'il  a  appartenu  k  un  meuble,  anquel  11  servait  d'ornement,  et  la  brisure  . 
qai  Be  voit  par  derriere  ä  la  partie  inferieure,  no  laisse  meme  aucun  doute 
8ur  oette  destiDation.  Mais  quelle  peat  avoir  ete  la  nature  de  ce  meuble;  etait- 
ce  un  siege,  oa  an  tröpied,  etc.?*  Eine  andere  bemerkenswertho  Bronzebüste 
der  Hera,,  gefunden  in  Baden  (Ganton  Aargau)  und  publicirt  im  Anzeiger 
f.  schweizer.  Alterthunisk.  1872  Taf.  XXYUI  (vgl.  S.  310),  diente  gleichfalls  als 
Applike ;  sie  ist  inwendig  hohl,  der  Hinterkopf  fehlt.  Die  erwähnte  Abbildung 
giebt  keine  richtige  Vorstellung  des  Originals,  von  dem  eine  Photographie  mir 
Torliegt;  es  ist  eines  der  Herabildnisse,  welche  dem  Typus  der  Aphrodite  nahe 
stehen.  Eine  werthlose  kleine  Herabüste,  von  Blattomament  begrenzt,  wurde 
zugleich  mit  der  Aresbaste  von  YTehr  aufgefunden.  Overbeck  in  seiner  eben 
erschienenen  'Kunstmythologie*  der  Hera  übergeht  die  Bronzebasten  der  Göttin, 
ich  weiss  nicht  mis  welchem  Grande,  mit  StillscWeigen. 

*)  Z.  B.  Speoim.  of  ano.  sculp.  U  34,    Sacken  Bronzen  d.   kk.  Münz-  und 
Antikenkabinets  in  Wien  I  Taf.  28,  2;  31»  5;  48,  3  und  5. 

*)  S.  Friederichs  kleinere  Kunst  und  Industrie   S.   333   n.  ^562 1^^*   und 
öfter. 

■)  Bitsohl  Ino  Leukothea  (1865)  Ta£  I  1,  U  1.   Gegen  Ritschis  Deutang 


10  Ueber  einige  Bronsebilder  des  Ares. 

von  Ritschi  gänzlich  missverstandene  Haltung  and  Bewegung  ist 
bedingt  durch  den  Umstand,  dass  diese  Büste  kopirt  ist  nach  einer 
jener  Figuren  von  Wassergottheiten,  welche  auf  Seewesen  gelagert 
sind,  während  sie  den  Kopf  auf  die  Hand  stützen  und  den  Blick  über 
die  Meeresfläche  schweifen  lassen.  Hier  ist  das  Seethier,  ein  Delphin, 
zum  Attribut  zusammengeschrumpft,  welches  gleichzeitig  die  Büste 
omamental  abschliesst  *) ;  aber  das  Bewegungsmotiv  ist  einfach  beibe- 
halten worden. 

Diese  Büsten  sind,  ihrer  dekorativen  Bestimmung  gemäss,  meist 
von  geringerem  Eunstwerth,  die  physiognomische  Charakteristik  ist 
mehr  oder  minder  abgeflacht.  Bisweilen  kam  dem  Verständniss  ein 
kennzeichnendes  Attribut  zu  Hülfe;  meist  aber  pflegte  die  Bedeutung 
dieser  Köpfe  durch  die  Zusammenstellung  klar  zu  werden.  Denn 
Alles  lässt  vermuthen,  dass  es  fast  regelmässig  Gottheiten  waren, 
welche  in  diesen  ornamentalen  Büsten  dargestellt  wurden,  und  dass 
diese  in  paarweiser  Entsprechung  oder  in  umfänglicherem  Cyklus  ver- 
bunden wurden. 

Schon  dieser  Gesichtspunkt  leitet  auf  die  Annahme,  dass  viel 
eher  Ares,  als  etwa  Achill  oder  Alexander  in  der  Büste  von  der 
Mosel  zu  erkennen  sei.  Nicht  minder  stark  spricht  eine  zweite  ausser- 
liehe  Erwägung  zu  Gunsten  des  Kriegsgottes.  So  mangelhaft  auch  ge- 
sorgt ist  für  Publicirung  und  Beschreibung  der  In  den  öffentlichen  Samm- 
lungen und  im  Privatbesitz  verstreuten  kleinen  Bronzen,  und  so  schwer 
es  hierdurch  gemacht  wird,  einem  einzelnen  Typus  auf  diesem  Gebiete 
nachzugehen,  so  war  es  mir  doch  ohne  grosse  Mühe  möglich,  fünf 
dieser  kleinen  Bronzebüsten  aufzufinden,  die  mit  der  von  der  Mosel 
mehr  oder  minder  übereinstimmen,  und  augenscheinlich  in  eine  Reihe 
mit  ihr  zu  stellen  sind.  Hiernach  muss  die  Zahl  der  vorhandenen 
Wiederholungen  eine  sehr  grosse  sein.    Eine  so  populäre  Verwendung 


erklärten    rioh  Michaelia  anaglyphi  Vatia  explic.  S.  XIX  ff.   und  Gonze  Gott, 
gel.  Anz.  1866  S.  1182  ff.,  welche  die  Büste  Thalassa  benennen. 

')  Gonse  a.  a.  0.  S.  1135  vergleicht  das  Attribut  des  Blitses  an  einer 
ßronzebüste  des  Zens,  Müller- Wieseler  Denkm.  d.  a.  K.  II  Taf.  II  29.  Auf 
Tafel  CXLIII  der  Probedrucke  für  die  gescheiterte  Fortsetst^g  von  Gerhards 
antiken  Bildwerken  (der  Band  ist  gegenwärtig  im  Besitz  des  archaeologischen 
Instituts  in  Rom)  ist  die  Büste  Plntons  abgeschlossen  dnrch  die  drei  Köpfe  des 
Kerberos.  l5ie  in  ihrem  Armarinm  stehende  imago  im  Lateran  (Benndorf 
und  Schöne  S.  209  n.  848)  wird  unten  begrenzt  durch  das  Todtensymbol  der 
Schlange. 


Ueber  einige  BroDzebilder  des  Ares.  11 

im  dekorativen  Gebrauch  konnte  wohl  das  Bildniss  des  Ares  finden, 
den  die  Römer  identificirten  mit  dem  'Hanpt-  und  Stammgott  der 
italischen  Bevölkerung',  aber  nimmermehr  das  des  Achill  oder  Alezander. 
2.  Es  wird  zunächst  Niemand  leugnen  mögen,  dass  die  auf 
Taf.  III  rv  abgebildete  Bronzebttste  des  Berliner  Antiquariums  mit 
der  von  der  Mosel  zusammenzustellen  ist  ^).  Auch  hier  weist  die  Be- 
schaffenheit des  hinten  ausgehöhlten  und  mit  Blei  ausgegossenen  Brust- 
stückes auf  entsprechende  Verwendung  hin ;  der  Rand  desselben,  da  er 
auf  irgend  einem  Grund  fest  aufsass,  ist  theilweise  ausgebrochen.  Es 
sind  Spuren  ,von  Vergoldung  wahrnehmbar.  Der  Kopf  blickt  nach 
rechts,  während  die  Büste  von  Wehr  nach  ihrer  linken  Seite  gewendet 
ist ;  der  Helm  sitzt  vom  etwas  höher  als  dort.  Sonst  herrscht  zwischen 
den  beiden  Büsten  ein  Grad  der  Uebereinstinimung,  welcher  zwingt^ 
sie  von  demselben  Vorbild  herzuleiten.  Die  Maasse  sind  gleich ;  der 
Helm  hat  hier  und  dort  die  nämliche  Form,  der  Schwertriemen  durch- 
schneidet in  übereinstimmender  Weise  quer  die  Brust.  Wesentlich 
erscheint  die  bis  ins  Einzelne  gehende  Aehnlichkeit  in  Anlage  und  Ver- 
theilung  der  vollen  weichen  Haarmassen.  Der  Eindruck  des  Gesichtes  ist 
einigerinassen  verschieden,  aber  die  Grundformen  sind  dieselben:  in  2 
entwickelter  und  lebensvoller,  in  1  abgeplattet  zu  einer  leeren  und  banalen 
Noblesse.  In  2  sind  gewisse  Züge  treu  bewahrt,  welche  auf  die  Lysippische 
Schule  zurückweisen;  namentlich  entspricht  der  Bau  der  Stirne  und 
ihr  Debergang  in  die  Nase  den  Eigenthümliehkeiten,  welche  vornehm- 
lich am  Schultypus  des  Lysipp  beobachtet  werden.  Der  Ausdruck 
des  fein  modellirten  Gesichtes  ist  sehr  schmerzlich  und  verräth  zu 
gleicher  Zeit  ein  zommüthiges  Temperament').  Die  hinaufgezoge- 
nen Augensterne  geben  beiden  Gesichtern  einen  verschwommenen 
languideh  Blick.  Diese  Eigenthümlichkeit  entspricht  einer  Modelieb- 
haberei der  späteren  zur  Sentimentalität  neigenden  Kunst.  Und  allein 
aus  dieser  Geschmacksrichtung,  nicht  aus  der  Absicht  individueller 


')  Vgl.  Friederichs  kleinere  Kunst  and  Industrie  S.  898  n.  1861.  Schon 
Hirt  Bilderb.  I   51  erwähnt  derselben  und  rühmt  ihre  Schönheit. 

')  ^vfjof  U^iis  anth.  append.  40,  11,  in  einem  Epigramm  auf  die  sieben 
Planetengötter,  welches  Theon  zugeschrieben  wird.  Theodoret  graec.  äff.  cur.  III. 
p.  46  (p.  877  Migne)  !k^ia  dk  i6v  ^vfiov  ovofiaCovai;  Gregor,  or.  in  lul.  I  c.  122 
imxoTnira)  rbv  ^vfiov  jtQr^q,  Panyasis  bei  Clem.  Alex.  Protr.  p.  22  d,  und  hymn. 
Hom.  8,  2  oßqtfAo^vftoQ  Uqh^^  'ipse  furor  Mars'  Dracont.  VII  21  Duhn.  Hera 
schilt  Ares  aff>qmv  U.  E  761. 


12  lieber  einige  Bronzebilder  des  Ares. 

Charakteristik,  möchte  ich  jenen  klagenden  Zug  der  Berliner  Büste 
erklären,  dem  auch  die  seitliche  Neigung  zu  Hülfe  kommt  0-  Dieser 
pathetische  Ausdruck  findet  sich  an  einem  guten  Theil  der  dekorativen 
Bronzeköpfe,  und  er  ist  mit  bedingt  durch  die  emporgerichtete  Hai- 
tung  und  die  Neigung  zur  Seite,  welche  ihnen  eigenthümlich  zu  sein 
pflegt. 

Die  Beziehung  dieser  Büste  auf  Ares  wird  bekräftigt  durch  die 
Aeimlichkeit  der  Aresköpfe  auf  kampanischen  Kupfermünzen;  zwei 
derselben  aus  der  Sammlung  des  Herrn  Imhoof- Blumer  in  Winter- 
thur  sind  hier  abgebildet'). 


3.  In  dieselbe  Reihe  ist  die  auf  Taf.  V  VI  abgebildete  Bronze- 
büste des  Münchener  Antiquariums  zu  stellen.   W.  Christ  *)  beschreibt 


')  Ueber  diese  Erscheinung  s.  die  treffenden  Bemerkungen  von  Conze  in 
der  ermähnten  Besprechung  von  Ritschis  Ino  Leukothea  8. 1188 -ff.  Nur  scheint 
mir,  als  sei  dort  einer  an  sich  sehr  richtigen  Beobachtung  viel  zu  weite  Aus- 
dehnung gegeben.  Von  der  stumpfen,  gedankenleeren,  gegenstandlosen  Sehwer- 
muth  dieser  Köpfe  liegt  fernab  das  dramatische  Pathos  des  Laokoon,  der 
Niobidengruppe,  jener  sterbenden  Mutter,  die  Aristides  gemalt  hatte,  und  ver^ 
wandter  Werke.  Sehr  stark  ausgeprägt  ist  dieser  klagende  Zug  z.  B.  an  der 
Bronzestatnette  des  Herakles  anc.  marbl.  of  the  brit.  Mus.  III  pl.  2 ;  er  findet 
sich  aber  auch,  zu  pathetischer  Sohwermuth  herabgestimmt,  und  mit  Seitenwen- 
dung und  Anfblick  verbunden,  selbst  an  Marmorbüsten  der  Athene,  z.  B.  dem 
in  Glienike  befindlichen  Kopf  (Monum.  delP  Inst.  lY  1,  Müller- Wieseler  Denkm. 
a.  K.  II  19,  IdSa)  und  einem  entsprechenden  des  Vatikanischen  Musetnns, 
von  dem  mir  eine  Photographie  vorliegt.  Es  würde  nicht  schwer  fallen,  in  der 
Literatur  analoge  Erscheinungen  nachzuweisen.  Namentlich  ist  die  Erz&hlung 
in  der  alexandrinischen  Poesie  mit  einer  lyrischen  Stimmung  verwandter  Natur 
durchdrungen  worden. 

^  Dieselben  Münzen  s.  bei  Cohen  monn.  de  la  rep.  pl.  xliv  11,  12;  die 
Abbildungen  sind  aber  dort  ungenügend. 

')  W.  Christ  und  J.  Lanth  Führer  durch  das  königl.  Antiqnarium  in 
MüiMDhen  (1870)  S.  22.    Es  ist  anzunehmen,  dass  auch  diese  Aresbüate  altrApplike 


üeber  einige  Bronsebilder  det  Ares.  18 

sie  als  *gate  Büste  eines  tmb&rtigen,  mit  leiser  Neigung  nach  rechts 
aufwärts  blickenden*  Mannes  mit  hohem  griechischem  Helm ,  der  den 
rechten  Arm  in  absonderlicher  Weise  schräg  vor  die  Brust  hält'. 
Er  schlägt,  mit  einem  Fragezeichen,  die  Deutung  auf  Alexander  den 
Grossen  vor,  im  Anschluss  an  eine  viel  zu  häufig  in  Anspruch  genommene 
Nomenklatur.  Das  Gesicht  hat,  wie  ich  nach  Prüfung  des  Originals 
versichern  darf,  gar  keine  Aebnlichkeit  mit  den  beglaubigten  Bildnissen 
Alexanders,  und  das  zu  beiden  Seiten  in  überaus  dicken  weichen 
Lockenmassen  lang  herabfallende  Haar  widerstrebt  augenscheinlich 
seinem  Porträt,  dessen  vorzüglichstes  Merkmal  das  schwungvoll  em- 
porgesträubte und  rückwärts  fallende  Haar  ist^).  Auch  spricht  der 
Umstand 9  dass  dieser  Kopftypus,  wie  wir  sehen,  von  der  römischen 
Kunstübung  sehr  bevorzugt  worden  ist,  eben  so  sehr  zu  Gunsten 
des  Ares,  als  gegen  die  Deutung  auf  Alexander.  Das  Gesicht  weicht 
durch  mehr  längliche  Form  etwas  ab  von  den  eben  besprochenen 
Bronzen;  es  trifft  aber  hierin  zusammen  mit  den  Marmorköpfen  des 
Gottes,  von  denen  im  Folgenden  die  Bede  sein  wird.  Der  Helm  ist 
zwar,  wie  bei  1  und  2,  der  korinthische  und  stimmt  in  der  Form  ganz 
überein,  aber  an  Stelle  der  dort  am  Visir  angedeuteten  Ausschnitte 
fQr  die  Augen  treten  Widderköpfe;  es  krönt  ihn  ein  stattlicher  breiter 
Bosch.  Der  Büste  ist  der  rechte  Arm  hinzugefügt  und  auf  der  linken 
Schulter  das  vomüberfallende  Stück  der  Chlamys,  welche  unten  in 
schmalem  Streifen  das  Bruststück  begrenzt  Die  Haltung  des  Armes, 
welche  Christ  mit  Recht  absonderlich  nennt,  und  die  noch  auffalligere 
SteDung  der  Finger  wird  uns  durch  eine  analoge  Büste  alsbald  ver- 
stfindtich  werden. 

Dem  Münchener  Ares  entsprechen  durchaus,  bis  auf  eine  sehr 
unbedeutende  Abweichung  in  der  Form  des  Helms 


verwendeV  war,  obwohl  äussere  Sporen  davon  nicht  sichtbar  sind,  wie  anoh 
H.  Bronn  mir  nachtr&glich  bestätigt.  Die  Rückseite  ist  mit  Gips  ansgel&Ut  worden. 
^)  Zo  den  bekannten  SchrifteteUerseognissen  (0.  Müller  Handb.  §.  129,  4) 
föge  man  Itinerar.  Alexandri  e.  6:  qoippe  ipse  visu  argnto  naribnsqae  sub- 
aquilinis  fnit,  fronte  omni  nuda  plerumque,  qnamvis  pinguius  fimbriata  de 
exeroitio  [ob  vehementiam]  equitandi,  ouios  id  arbitrio  dabat,  ex  quo  relioinam 
com  am  iacere  sibi  in  oontrariom  feoerat^  idque  aiebat  decorius  miHti,  quam 
si  defloerrtf  Die  Mailander  Hds.  hat  reclinam,  ich  besserte  relicinam  (vgl. 
Apalei.  flor.  I  n.  7  und  I  n.  8),  in  D.  Volkmanns  Ausgabe  des  Itinerarium 
(Programm  der  königl.  Landesschule  Pforta  1871).  Es  soheinty  dass  die  höfische 
Kunst  hier  einen  schmeiohelBden  fiophemismns  angewendet  hat. 


14  Uebar  einige  Bronsebilder  des  Ares. 

4.  BroDzebüste  aus  Herculanettm,  abgebildet  in  den  Bronzi  d'Ercol. 
I  17; 

5.  Bronze  der  Kopenbagener  Antiksammlung  (d.  123),  stammend 
aus  der  Fevervary-Pulskyschen  Auktion.  Die  Kenntniss  dieser  Bronze, 
nebst  einer  Skizze  derselben,  verdanke  ich  A.  Conze.  Hier  sitzt  an  der 
Bttste  hinterwärts  noch  der  Zapfen,  welcher  zur  Befestigung  diente'). 

Durch  eine  geringfngige  Modifikation  unterscheidet  sich  von  den 
letztgenannten  drei  Exemplaren 

6.  Bronzebüste  des  Wiener  Münz-  und  Antikenkabinets,  abgebil- 
det auf  unserer  Tafel  VII  VIIP).  Die  Haltung  des  Armes  ist  hier  die 
nämliche^  aber  sie  hat  Zweck  und  Zusammenhang:  zwei  Finger  der 
Hand  sind  leicht  auf  den  mit  seiner  Wölbung  die  linke  Schulter  deckenden 
kleinen  Schild  gelegt.  Es  ist  nunmehr  deutlich,  dass  die  Büsten  von 
München,  Neapel  und  Kopenhagen  nur  durch  Nachlässigkeit  oder  Spaai- 
samkeit  der  Arbeit  des  Schildes  eiitbehren,  der  allein  die  Bewegung  des 
Armes  motivirt  und  erklärt ;  denn  es  scheinen  keine  Spuren  vorhanden  zu 
sein,  dass  der  Schild  etwa  angelöthet  gewesen  und  verloren  gegangen 
sei.  Indem  die  Ghlamys,  über  die  linke  Schulter  nieder,  unter  Schild  und 
Arm  weg,  und  auf  der  anderen'  Seite  wiederum  über  den  Rücken  auf- 
wärts gezogen  ist,  säumt  sie  die  Büste  ein  und  fungirt  in  ähnlicher 
Weise^  wie  die  Begrenzung  durch  Blattornament.  Der  Schild  ist  auch 
anderen  Brustbildern  des  Ares  als  bezeichnend  beigefügt,  indem  er 
wie  hier  an  die  linke  Schulter  gelehnt  ist;  und  die  nämliche  Stelle 
nimmt  die  Aegis  ein  an  dem  Madrider  Statuenfragment,  von  welchem 
später  die  Hede  sein  wird.  Der  Schild  ist  nicht  allein  kriegerisches 
Wahrzeichen,  soi^lern,  gleich  Lanze  und  Schwert,  mythologisches 
Attribut  des  Himmelsgottes,  wie  dem  römischen  Mars  die  Ancilia  g(*- 
weiht  werden^).    Wenn  man  sich  überzeugt,  welche  Rolle  der  Schild 

')  £ine  Zeichnung  derselben  ist  mir  durch  die  Freundlichkeit  des  Direktors 
der  Sammlung  Hm.  L.  MüUer  in  Aussicht  gestellt  worden  und  soll  nachträglich 
veröffentlicht  werden. 

*)  Sie  ist  Yor  Kurzem,  doch  weniger  gut,  von  Sacken  publicirt  worden 
in  den  Broneen  des  kk.  Münz-  und  Antikenkabinets  I  Taf.  XXXI  1.  Sacken 
hält  dafür,  dass  sie  *im  Charakter  des  Achillens*  sei,  nennt  sie  eine  ^herrliche 
Büste*,  von  'schmachtendem  Ausdruck*  und  'sanfter  Melancholie. 
Wahrscheinlich  hat  eben  dieser  schwärmerisch  weiche  Ausdruck  die  Deutung 
auf  AohiU  veranlaisti  und  den  Gedanken  an  Ares  znrückgedr&ngt.  Auch  Sacken 
weist  auf  die  Uebereinstimmung  der  Heroulaneer  Bronze  hin.  Er  bemerkt  noch, 
dass  die  Büste  im  Rücken  flach  ist. 

>)  Vgl.  die  Arasbüste  unter  den  sieben  Wochengottern  Pitt  d'Ero.  III  60 


üeber  einige  Bronxebilder  des  Area.  15 

des  Ares  spielt  in  den  Dichterstellen,  welche  die  Natarbedeatang  des 
Grottes  vernehnüich  nachklingen  lassen  (unten  S.  39),  so  kann  ein  Zweifel 
hieriiber  wohl  nicht  bestehen,  dass  der  Schild  auf  das  Himmelsgewölbe 
deutet,  ein  Bild,  das  auch  sonst  durch  die  Poesie  fortgepflanzt  worden  ist. 
Der  Helm  ist  dem  der  MUnchener  Bronze  sehr  ähnlich ;  es  treten  hier  an 
Stelle  der  Widderköpfe  einfache  Voluten,  ein  Ersatz,  der  nicht  zu- 
fällig erscheinen  wird,  wenn  man  die  Formenverwandtschaft  beider 
Dekorationsmotive  ins  Auge  fasst.  Ausdruck  und  Formen  des  Ge- 
sichtes, die  Haltung  des  Kopfes,  machen  hier  einen  weichlicheren 
Eindruck,  der  durch  die  fleischige  Bildung  des  Halses,  der  Schulter, 
des  Armes  verstärkt  wird ;  und  doch  kann  kein  Zweifel  obwalten,  dass 
diese  Büste  von  demselben  Original  abgeleitet  ist,  wie  die  in  Kopen- 
hagen, Neapel,  München  und  den  nämlichen  Gott  darstellt,  wie  die 
Bronaen  in  Berlin  und  von  der  Mosel.  Wir  gewahren,  wie  bei  diesen 
dekorativen  Bronzen  die  Formen  und  der  Ausdruck  des  Gesichts  inner- 
halb ziemlich  weiter  Grenzen  fluctuirten,  und  die  Interpretation  sich  vor 
Allem  an  gewisse  attributive  Merkmale  allgemeiner  Art  zu  halten  hat. 
Die  sechs  Büsten,  welche  wir  zusammengestellt  haben,  zeigen  Ares  Jugend- 
Uch,  bartlos,  idealschön,  mit  vollem  niederfallendem  Lockenhaar,  den 
Kopf  bedeckt  mit  dem  korinthischen  Helm;  zweimal  tritt  der  Schwertrie- 
roen  hinzu ,  zweimal  der  Schild ,  und  viermal  die  über  die  linke  Schulter  ge- 
worfene Chlamys,  welche  auch  vielen  Marmorstatuen  des  Ares  eigen  ist. 
Wäre  die  Behauptung  Visconti's  richtig,  dass  der  sog.  Achilles 
Borghese  wegen  der  Hroppa  venusta  de'  sembianti'  kein  Ares  sein  könne, 
und  dass  dieser  Gott  regelmässig  durch  kürzeres  krauses  Haar 
charakterisirt  sei,  so  würden  hieraus  gerechte  Zweifel  sich  ergeben, 
ob  jene  Büsten  den  Ares  darstellen  können.  Indessen  hat  schon  Raoul 
Rochette  mit  gutem  Grund  dieser  Anschauung  widersprochen  0* 

S.  263,  MuB.  Horb.  YII  8  (Helbigr  n.  1006) ;  und  die  schöne  Petersbarger  Gemme 
bei  Maller- Wieseler  II  28,  248,  welche  Aehnlichkeit  mit  unseren  Bronzen  hat, 
und  mehr  noch  mit  dem  durch  die  Aufschrift  APHG  gesicherten  Brustbild  einer 
Knochentessera  Mon.  dell'  Inst.  JY  (1848)  Tay.  52,  6.  Auch  auf  einer  Berliner 
Paste  (III  Kl.  866),  von  der  ein  Abdruck  mir  TorHegt,  unterscheidet  man  an 
der  linken  Seite  den  Schildrand. 

')  Monum.  in6d.  S.  55,  8.    Winckelmann  hatte  bereits  hingewiesen  auf 
die  Stelle  des  Justinus  martyr  §.  8  p.  4  ui^rig  .  .  .  y/o(  wy  *al  to^lög.    Schon 
Od«  ^.  810  heissi  Ares  xaXog  n  utü  agtinos,  im  Lied  yon  seiner  Buhlschaft  mit 
Aphrodite.    Schön  gepflegtes  Haar  bezeugt  0?id  fast  III  am  Anfang: 
Bellice,  depositis  clipeo  paulisper  et  hasta, 
Mars,  ades  et  nitidas  casside  solve  comas. 


16  üeber  einige  Bronzebilder  des  Ares. 

Ursprünglich  rechtmässiger  Gemahl  der  Aphrodite  ^),  muss  Ares 
im  späteren  mythologischen  System  vor  Hephaest  weichen  und  wird 
zu  ihrem  Buhlen.  Dieser  Liebesverkehr  zwischen  Ares  und  Aphrodite 
wird  in  Poesie  und  Kunst  der  alexandrinischen  Epoche  mit  vieler 
Gunst  behandelt').  In  Rom  genoss  Mars  als  italischer  Hauptgott, 
als  der  befruchtende  und  sengende  Himmelsgott  ^),  seit  alter  Zeit  das 
höchste  Ansehen.  Die  einströmende  jung-griechische  Sage  und  Kunst 
wandelte  ihn  um  zu  dem  heldenhaften  und  zärtlichen  Liebhaber  der 
Venus,  und  seit  Caesar  und  Augustus  fiel  von  dieser  Seite  her  neuer 
Glanz  auf  den  Kriegsgott.  Schon  Caesar  wollte  ihm,  nachdem  er  die 
Stamm-Mutter  Venus  Genitrix  verherrlicht  Wte,  ein  Heiligthum 
erbauen  von  unvergleichlicher  Pracht.  Diesen  Plan  nahm  Augustus 
auf  und  errichtete  Mars  jenen  Tempel ,  in  welchem  man  ihn  mit 
Venus  vereinigt  erblickte,  wie  in  den  Lectisternien  und  der  Circus- 
pompa.  Die  Einwirkungen  dieser  Verbindung  sind  deutlich  erkennbar  *) 
in  den  Kunstdarstellungen  des  Ares,  die  wir  besitzen,  und  von  denen 
sehr  wenige  älter  sind,  als  die  römische  Kaiserzeit.  Je  lieber  diese  sich 
Ares  als  den  zärtlichen  und  beglückten  Genossen  der  Liebesgöttin 


>)  Vgl.  0.  Jahn  arch.  Aufs.  S.  10. 

'J  Hierfür  sind  vielleicht  am  Bezeichnendsten  drei  Stellen  des  Ovid,  die 
aaf  kecke  und  familiäre  Ausfährung  dnrch  die  Hand  eines  alexandrinischen 
Dichters  zurüokschliessen  lassen.    Amor.  I  9,  40 

Mars  quoqne  deprensus  fabrilia  yincula  sensit, 
notior  in  caelo  fabula  nulla  fuit 
In  der  a.  a.  U  561 

fabula  narratur  toto  notissima  caelo, 

Mnloiberis  capti  Marsque  Venasque  dolis. 
und  met.  IV  189 

diuque 
haeo  fuit  in  toto  notissima  fabula  caelo. 
Dracontius  11  63  fif.  lasst  Klymene  den  Nymphen  singen  von  der  ßnhlsohaft  des 
Mars  und  der  Venus.  Des  Beposianus  Epyllion  vom  concubitus  Martis  et  Yenerts 
(Wemsdorf  poet.  lat.  min.  IV  1  S.  819,  in  Mejers  anthol.  lat.  n.  569,  in  Rieses 
Ausgabe  n.  268)  ist  sicherlich  aus  alexandrinischer  Quelle  abgeleitet  und  die 
h&uügen  Erwähnungen  dieses  Stoffes  bei  Nonnos  weisen  auf  gleichen  Ursprung 
zurück.  Auf  aUerlei  Ausschmückungen  und  Episoden  beziehen  sich  Dichter- 
stellen und  Kunstwerke;  vgl.  Apollod.  I  4,  4,  Nonn.  Dion.  29,  831,  anth.  Lat. 
ed.  Riese  n.  4,19  f.;  Heibig  Wandgem.  n.  827,  Annali  dell'  Inst.  1866  tav. 
d'agg.  EF,  Bullett.  dell'  Inst.  1869  S.  151. 

')  Vgl.  Bergk  Zeitschr.  f.  Alterthumsw.  1866  S.  129  fgg. 

«)  Vgl.  0.  Jahn  Her.   d.  s&chs.  Ges.  d.  W.  1661  S.  126  f. ,    1868  S.  200. 


üeber  einige  Bronzebilder  des  Ares.  17 

dachte,  um  so  aügemeiner  fasste  sie  ihn  als  idealen  Heldenjiingling 
in  gefalligen  anmuthigen  Formen.  Es  bewährte  sich  der  Vers  des 
anonymen  Dichters  der  Orestis  tragoedia  (332):  emollit  Cytherea  traeem 
per  proelia  Martern.  So  erscheint'  sein  Kopf  mehrmals  in  Verbindungen, 
die  jeden  Zweifel  ausschliessen,  langlockig  und  jugendlich  schön. 

Dies  scheint  zu  gelten  von  der  Büste  des  Ares  an  dem  sog.  astro- 
logischen Altar  von  Gabii  im  Louvre^.  Sie  ist  gepaart  mit  der  der 
Aphrodite,  zwischen  beiden  befindet  sich  Eros.  Die  Büsten  der  zwölf 
Götter,  die  übrigens  meistens  ergänzt  sind  —  die  des  Ares  ist  alt 
—  treten  genau  so  aus  der  Fläche  als  Hochrelief  heraus,  wie  die  als 
Affixe  angebrachten  Bronzebüsten.  Darf  man  den  Publikationen 
trauen,  so  hat  der  Kopf  des  Ares  einige  Aehnlichkeit  mit  1.     * 

Auf  einem  Terrakottenfriesstück  der  Sammlung  Campana  befinden 
sich  die  Brustbilder  zweier  Götterpaare,  von  Ares  und  ZeuS;  Hera  und 
Athene*).  Ares  trägt  den  korinthischen  Helm,  hier  mit  lang  herab- 
hängendem Schweif  verziert ;  das  Haar  quillt,  ganz  wie  an  den  Bronze- 
bildnissen, reich  und  lockig  an  Schläfen  und  Nacken  hervor  uüd  fällt 
übö"  die  Wangen  tiefer  herab.  Die  Formen  von  Schultiem  und  Hals 
shid  mächtig  entwickelt,  das  Gesicht  hat  vielleicht  Verwandtschaft  mit 
der  Berliner  Büste. 

Einige  Darstellungen  der  sieben  Planetengötter,  meist  in  Büsten- 
form,  mögen  hier  erwähnt  werden,  obwohl  die  Abbildungen  grössten- 
theils  zu  unvollkommen  sind,  um  schwer  ins  Gewicht  zu  fallen.  Ein 
Mosaik  des  Louvre,  das  ein  Planisphär  vorstellt»),  eine  Thonlampe*), 
eine  Münze  der  Antonine  von  Alexandria*)  scheinen  Ares  ähnliches 
Haar  und  ähnliche  Züge  zu  geben  wie  unsere  Bronze.  Noch  mehr 
dürfte  sich  dieser  die  Büste  nähern,  welche  unter  denen  der  sieben 
Planetengötter  an   der  oben    erwähnten  Bronzezange  angebracht  ist. 


>)  Abgebildet  in  Visconti'8  Monnm.  Gabin.  tav.  XV— XVII  und  öfter;  vgl. 
Gkiedeehens  der  raarmome  Hinunelaglobus  des  Antikenkabinete  zu  Arolsen 
S.  36,  wo  alle  Publikationen  yerzeicÜnet  sind.  Die  Ergänzungen  werden  am 
Genauesten  tingegeben  von  Fröhner  Notice  S.  11. 

')  Campana  ant.  opere  in  plastica  tav.  III,  Petersen  das  Zwölfgöttersystem 
der  Griechen  I  Taf.  D. 

»)  Clarac  PL  248  b. 

*)  Passeri  lue.  IS.  21, Martorelli reg.  tbeca  calam.  S.  330,  Kopp  Palaeogr.  III 
8.  376. 

*)  Miliin  gal.  myth.  XXIX  90,    vgl.  Lersch  Jabrb.  des  Vereins  IV  S.  167. 

2 


20  Ueber  einige  Bromebüder  des  Aree. 

lastet  durchaus  auf  dem  rechten  Beiu,  während  der  linke  Fuss  seit* 
wärts  leicht  aufsetzt  Auch  hierin  ist  augenscheinlich  Analogie  zwischen 
der  Wiener  Bronze  und  der  Statue  Lysipps :  nicht  minder  deutlich  und 
nicht  minder  lehrreich  sind  die  Abweichungen.  Der  Apoxyomenos 
ruht  nicht  ausschliesslich  auf  dem  Standbein,  dessen  Schenkel  nicht 
sehr  einwärts  gewendet  ist,  sondern  das  Spielbein  hilft  mittragen. 
Unsere  Aresfigur  zeigt  völlige  Entlastung  des  einen  Beines:  der 
rechte  Schenkel  ist  stark  einwärts  gestellt  und  unterstützt  den  Körper 
in  seinem  Schwerpunkt;  in  demselben  Maass  tritt  die  Hüfte  auf  der 
rechten  Seite  hervor,  ist  der  Oberkörper  auf  die  linke  Seite  hinüber- 
gebogen ^  und  die  linke  Schulter  erhöht  So  entsteht  eine  Verschie- 
bung, welche  den  Bindruck  grosser  Biegsamkeit  hervorbringt,  das 
Geftlge  der  Figur  verliert  an  Festigkeit,  der  Rhythmus  ihrer  Linien 
wird  schwungvoller  und  weichlicher.  Ich  ^ube,  dass  der  Künstler, 
ans  dessen  Händen  das  Vorbild  unserer  Bronze  hervoi^egangen  ist^ 
nicht  minder  dieser  Verwandtschaft  seines  Werkes  mit  der  berühmten 
Statue  Lysipps,  als  der  Abweichungen  von  demselben  sich  bewusst 
gewesen  ist. 

Auch  die  schlanken  Proportionen^)  des  Körpers  und  die  Model- 
lirung  seiner  Oberfläche  verrathen  Aehnlichkeit  Um  so  grösser  ist 
die  Verschiedenheit  der  Köpfe.  Die  Wiener  Statuette  senkt  das  fast 
weiblich  zart  gebildete  Antlitz  und  richtet  dabei  die  etwas  conver- 
girenden  Augen  —  sie  sind  eingesetzt  und  von  Silber  —  über  das 
Schwert  weg  auf  den  Beschauer  mit  einem  Ausdruck  leerer  Sentimen- 
talität Das  Haar  fällt  reich  und  lockig  auf  Wange  und  Nacken. 
Offenbar  soll  der  Vorstellung  jugendlicher  Schönheit  im  Sinne  jenes 
Modqieschmackes  genügt  werden,  von  dem  oben  die  Rede  gewesen  ist 

Auf  diese  Weise   scheint  die  Wiener  Statuette  zu  veranschau- 


')  Hoohbeiiiig  and  Behlank,  dem  Apoxyomenos  sehr  ähnlich  in  SteUong 
xOfd  Verhältnissen,  enoheint  Aree  anch  aof  einer  schönen  Münse  des  Commodos 
(Cohen  m  S.  106  n.  S72) ;  er  stemmt  mit  der  erhobenen  Linken  den  Speer  auf  and 
h&lt  in  der  Rechten,  als  Attribat,  einen  Zweig  (wie  aaoh  aaf  den  pompeianiäohen 
Bildem  Heibig  n.  278,  278  b,  einer  Gemme  MiUin  GaL  myth.  40,  167  und  auf 
römischen  Münsen  öftei^;  von  der  linken  Achsel  hftngt  die  Chlamys  herab,  auf 
dem  Kopf  trftgt  er  den  hohen  korinthischen  Helm.  Einen  Abdruck  der  Münze 
▼erdenke  ich  Conze.  Dass  dieae  Verhältnisse  Ares  arsprüngiiöh  nicht  zukommen 
nnd  ihm  erst  Ton  der  jüngeren  Kunst  verliehen  werden,  kommt  in  der  Fdlge 
zur  Sprache. 


üeber  einige  Bronzebilder  des  Ares.  dl 

lieben ,  wie  Lysipps  Schöpfungen  in  hellenistischer  Zeit  nachgebildet  und 
modifijdrt  worden  sind. 

Es  verdient  noch  hervorgehoben  zu  werden,  dass  der  von  einer 
Sphinx  bekrönte  Helm  in  der  Form  selbst  bis  auf  die  Falten  an  der 
Seite  genau  mit  dem  der  Berliner  Bttste  übereinkommt 

B.  Als  das  bedeutendste  Stück  unserer  Reihe  und  den  Haupt- 
schmuck dieser  Publikation  betrachte  ich  die  graziöse  feingearbeitete 
Bronzestatuette,  welche  auf  Taf.  XI  XE  zum  ersten  Mal  abgebildet  ist. 
Das  Original,  aus  Oberägypten  stammend ^  gehört  Frau  Sabine  von 
Horhy  in  Fiume.  Dort  sah  es  vor  einigen  Jahren  A.  CWnze,  und  ent- 
sann sich  freundlich  meines  Interesses  für  diese  Gattung  von  Bronze- 
bildem.  Auf  seine  Bitte  willigte  die  liebenswürdige  Besitzerin  nicht 
nur  ein,  dass  ihre  kleine  Antike  von  mir  veröffentlicht  werde,  sondern 
sie  stellte  ihm  auch  zwei  gute  Kartenphotographien  zur  Ver- 
fügung, nach  denen  vermittelst  photographischer  Vergrösserung  unsere 
beiden  Tafeln  gearbeitet  sind.  Conze  theilt  mir  mit,  dass  die  einzige 
literarische  Erwähnung  der  Bronze  sich  finden  dürfte  in:  Gatalogue 
of  a  most  interesting  collection  of  Egyptian  antiquities  principally  found 
at  Thebes  and  Abydos,  during  the  years  1818,  19,  20  and  21  etc. 
which  will  be  sold  by  auction  by  Mr.  Sotheby  and  son  at  their  house 
Wellington  Street,  Strand,  on  Monday  the  13th  of  May,  1833  etc. 
Daselbst  ist  S.  25  unter  der  Rubrik  'Greek  and  Roman  antiquities 
found  in  Egypt'  als  n.  298  aufgeführt:  'Statue  of  Mars,  of  the  finest 
Greek  style,  wanting  the  left  arm,  8  inches  high'. 

Der  verloren  gegangene  linke  Arm  hielt  wahrscheinlich  das  kurze 
Schwert  mit  dem  Parazonium.  Der  rechte  Arm  ist  emporgereckt  und 
die  Hand  an  den  Helm  gelegt;  von  den  drei  Fingern,  welche  ihn  be- 
rührten, sind  zwei  abgebrochen.  Dieser  Gestus  ist  aufzufassen  als  ein 
Zurechtrücken  des  Helmes  und  giebt  ein  beliebtes  Bewegungsmotiv 
ab  für  kriegerische  Figuren.  Und  zwar  fasst  die  Hand  bald  an  den 
Helmschirm,  bald  ist  sie  mehr  auf  die  Höhe  des  Helmes  gelegt,  je 
nachdem  dieser  zurückgeschoben  oder  tiefer  in  den  Kopf  gedrückt  und 
fester  gesetzt  werden  soll  ^).  Es  läge  hiemach  nahe,  diesen  Gestus  auf- 


^)  Zweimal  an  jagendlichen  Kriegerfiguren  aaf  ddm  sog.  Sarkofag  des 
SeptimioB  Seyerus  im  Kapitol,  abgebildet  bei  Rigbetti  il  Campid.  illustr.  I  Taf. 
188  und  sonst;  einmal  auf  dem  cntspreobenden  Relief  des  Louvre,  abgebildet  in 
Winckelmanns  Mon.  ined.  Taf.  124  (0.  Jahn  aroh.  Beitr.  S.  354  MN).  Femer 
auf  dem  Fragment  im  Atlas  zu  Winckelmanns  Kunstgeschichte  132;   auf  dem 


22  lieber  einige  Bronzebilder  des  Ares. 

zufassen  als  den  Ausdruck  des  Aufbörens  oder  des  Beginnes  kriege- 
rischer Aktion;  und  dieser  Gedanke  könnte  besonders  da  angezeigt 
scheinen,  wo  es  der  korinthische  Helm  ist  mit  dem  Yisir,  der  vor 
dem  Kampf  in  das  Gesicht  gedrückt  und  nach  demselben  wieder  zu- 
rückgesetzt wird.  Indessen  sprechen  die  Monumente  durchaus  nicht 
für  di&se  Annahme ;  denn  die  Scenen ,  in  welchen  der  Gestus  vorkommt, 
verbieten  meist  an  ein  Ausruhen  nach  dem  Streit  oder  an  kriegerische 
Vorbereitung  zu  denken.  Hiemach  haben  wir  es  blos  mit  einem  sehr 
beliebten,  für  kriegerische  Gestalten  geradezu  attributiv  gewordenen 
Motiv  der  Bewegung  zu  thun,  welches  eben  so  künstlerisch  dankbar, 
als  an  sich  schicklich  und  natürlich  scheint. 

Die  Stellung  ist  wiederum  der  des  Apoxyomenos  ähnlich;  sie 
drückt  elastische  sichere  Jugendkraft  aus.  Es  scheint  dass  die  meisten 
Aresstatuen  ungefähr  denselben  Stand  haben,  indem  der  Körper  auf 
dem  rechten  oder  linken  Bein  ruht,  und  das  andere  mehr  oder  weniger 
seitwärts  gesetzt  ist.  Auch  begegnen  wir  namentlich  auf  den  Sarko- 
fagen  überaus  häufig  Heroen  und  Doryphoren  in  der  nämlichen  Stellung. 

Die  Photographie  lässt  die  Behandlung  des  Körpers  um  ein 
weniges  kräftiger  erscheinen  als  unsere  Abbildung.  Ganz  verschieden 
ist  hier  und  dort  der  Eindruck  des  Gesichtes;  es  hat  leider  unter  der 
Hand  des  Lithographen  seinen  sehr  bestimmten  Charakter  eingebüsst. 
In  der  Photographie  entspricht  dasselbe  durchaus  einem  Typus 
heroischer  Jünglingsköpfe,  welcher  in  der  kampanischen  Wandmalerei 
häufig  wiederkehrt.  Erinnern  wir  uns  zugleich  der  Provenienz  unserer 
Bronzestatuette,  so  wird  dem  Kundigen  ohne  Weiteres  klar- sein,  dass 
an  den  schönen  Kopf  derselben  sich  ein  besonderes  Interesse  knüpft. 
Der  Ausdruck  des  Gesichtes  ist  in  der  AJ[)bildung  heiter,  in  der 
Photographie  ernst,  stolz  und  feurig.  Das  Haar  quillt  in  reichen 
vollen  Locken  unter  dem  Helm  hervor,  der  wiederum  von  der  korin- 
thischen Form  ist  und  bekrönt  mit  einem  mächtigen  Busch. 

G.  Zu  diesen  Figuren  ruhigerer  Art  habe  ich  eine  dritte  von 
energischer  Bewegung  fügen  mögen:  Ares  wie  er  kampfmuthig  in  die 
Schlacht  stürmt.    Das  Original  befindet  sich   im   alten  Museum   in 


Relief  *SuoveUurilia*  bei  BouiUon  T.  III  Basrel.  pl.  SO  and  bei  Clarac  pL  221. 
Hier  greift  überaU  die  Hand  an  den  Helroschirm;  dagegen  legt  die  siUende 
Athene  am  Giebel  des  kapitolinisohen  Jupitertempels  Mon.  ined.  deir  Inst.  Y 
(1851)  tav.  36  (vgl.  arob.  Zeit,  1872  S.  8)  die  Hand  oben  auf  den  Helm. 


Deber  einige  BrontelHlder  dM  An». 


24  üeber  einige  Bronsebilder  de«  Aret. 

Berlin^);  der  eingedruckte  Holzschnitt  ist  nach  einer  schönen  Zeich- 
nung angefertigt,  die  mein  Freund  Herr  Architekt  Reinike  von  einem 
mir  durch  E.  Curtius  vermittelten  Abguss  genommen  hat.  Obwohl 
die  Oberfläche  der  Bronze  (ihre  Höhe  beträgt  6V8'0  an  einzelnen 
Stellen  und  namentlich  im  Gesichte  stark  gelitten  hat,  trägt  sie  doch 
die  Spuren  grosser  Schönheit.  Die  Unterarme  sind  abgebrochen ;  ohne 
Zweifel  hielt  die  linke' Hand  den  Schild,  die  rechte  entweder  Speer 
oder  Schwert.  Ungemein  häufig  haben  griechische  Städte  ihren  lokalen 
Heros  in  ähnlicher  Haltung ,  nackt  bis  auf  den  Helm ,  bewehrt  mit 
Speer,  oder  kurzem  Schwert  und  Schild ,  auf  ihre  Münzen  geprägt '). 
Aber  auch  Ares  erscheint  ebenso  auf  Münzbildern;  von  ihm  ist  das 
Motiv  wohl  erst  auf  Heroen  übertragen,  aber  schwerlich  nach  Belieben. 
Man  hat  ihn  mit  Recht  erkannt  auf  Münzen  der  Bruttier  {B^errtiov) 
in  dem  unbärtigen  nackten  Kämpfer,  der  Schild  und  Speer  vorstreckend, 


^)  Friederichs  kleinere  Kunst  und  Industrie  S.  898  n.  185  1  *  beschreibt  die 
Figur  folgendermassen.  *  Nackter  Jüngling,  die  Brust  vom  Schwertriemen  durch- 
schnitten, mit  einem  Helm  auf  dem  Kopf.  Die  beiden  Arme  fehlen  vom  Eilen- 
bogen an.  Der  Jüngling  schreitet  mit  starken  Schritten  davon,  während  sein 
Kopf  sich  stolz  umdreht.  Beide  Fasse  restaurirt.  Es  ist  gewiss  etwas  Heroisches. 
Das  Motiv  ist  sehr  schön  und  der  ganze  Charakter  der  Figur  griechisch.' 

')  Namentlich  die  Opuntier  Aiax  den  Lokrer  (Mionnet  descr.  If  S.  91, 
Suppl.  III  pl.  15,  4,  5»  vgl.  S.  489  fgg.,  mit  dem  Namen  descr.  des  med.  du 
cab.  Dupre  pl.  II  217,  Annali  dell'  Inst.  1866  S.  381);  die  Thebaner  Kadmos  (Mil- 
lingen  anc.  coins  Taf.  IV  12,  den  Abdruck  eines  vollständigeren  Exemplares 
verdanke  icli  Herrn  Imhoof-Blumer),  die  Tegeaten  wahrscheinlich  den  Kepheus 
(Bröndstedt  Reisen  II  289,  Overbeck  Gal.  her.  Bildw.  Atlas  Taf.  XI  4,  vgl. 
Overbeck  Gal.  Taf.  XXIX  13,  Archaeologia  vol.  XXXII  pl.  XI  S.  162),  die 
Syraknsaner  den  Leukaspis  (Eckhel  doctr.  num.  I  S.  246,  Annali  dell'  Inst. 
1829  S.  810;  einen  Abdruck  mit  der  Unterschrift  Au^xnamg  und  dem  Vorder- 
theil  eines  vor  dem  Heros  auf  dem  Bücken  liegenden  Widders  besitze  ich  durch 
Herrn  Imhoofs  Güte),  die  Aspendier,  Trikaeer,  Kierier  unbekannte  Heroen 
(Gombe  mus.  Hunter  YII  15—18,  Taylor  Combe  numi  mus.  Brit.  Y  11,  Monum. 
deir  Inst.  YIII  1866  tav.  82,  4).  Yielleicht  Hessen  sich  von  einigen  dieser  Heroen 
engere  Beziehungen  zu  Ares  erweisen;  in  Tegea  und  Theben  war  die  Yerohrung 
des  Ares  heimisch,  die  Syraknsaner  setzten  den  Kopf  des  Ares  auf  ihre 
Münzen.  Ich  verdanke  Herrn  Imhoof  den  Abdruck  einer  sehr  schönen  Gold- 
münze von  Syrakus  mit  einem  lorbeerbekranzten  jugendlichen  Kopf,  der  g^enau 
übereinstimmt  mit  den  Köpfen  der  Mamertinermünzen ,  welche  die  Aufschrift 
jiQiog  tragen.  —  Bekanntlich  stellen  Statuen,  Reliefe  und  Münzen  besonders  gern 
Athene  in  dieser  stürmischen  Angriffsbewe^ng  dar. 


Qeber  «ifüg«  ~JSrcitiMbilder  des  Arei.  36 

den  Helm  auf  dem  Kopf,  zum  Angriff  voiftärmt.  Denn  die  bnittiscben 
Mamertii^r  setzten  den  Kopf  des  Gottes  auf  ihre  Münzen ') ,  und  die 
Eule,  welche  auf  einem  von  Magnan  publizirteu  Exemplar  am  Boden 
aitsend  zugefügt  ist^),  dürfte  eher  Ares  als  irgend  einem  Heroen  zu- 
kommen. Zwei  andere  sind  nach  Abdrücken,  die  ich  Imfaoof-Blumer 
Terdanke,   hier  abgebildet,  zugleich  mit  einer  scbönen  Monze  von 


Meeaana,  die  gleichfalls  das  Bild  des  Ares  zn  tragen  scheint.  Das- 
selbe gilt  von  der  verwandten  Figur  auf  Marmeftinertnflnzen").  Imhoof- 
Blumer  erinoert  mich,  dass  aof  Münzen  dieser  Stadt  auch  Pallas  und 
Artemis  in  ähnlich  vordringender  Stelhing  vorkommen,  auf  BretUscheo 
Zeus,  ein  Umstand  der  die  Annahme  bestätige,  dass  die  Krieger^ur 
der  Mamertiner-  und  Bruttiermflnzen  gleichfalls  einen  Gott  vorstelle, 
Ares.  Vermuthlicb  wird  auch  der  Krieger  auf  Mtlnzen  der  thrakischen 
Bisyener,  der  mächtig  ausschreitend  den  Kopf  zurQckwendet  und  ausser 
Speer  und  Schild  eine  Sturmleiter  ti^gt,  richüg  Ares  benannt*).  In 
derselben  Kampfstellung,  aber  in  ruhigerem  Vorschreiten,  gewahrt 
man  den  Gott  auf  römischen  Familienmünzen,  wie  denen  der  gens 
Sulpicia,  mit  der  Umschrift  'Marti  ultori'^). 

Eine  Bronze  den  Wiener  Antikenkabinets*),  der  unsrigen  ähn- 
lich aber  ungleich  gröber  und  von  Sacken  wohl  mit  Becbt  etruskiscb 
genannt,  stellt  einen  jungen  Helden  vor,  welcher  im  Vorstürmen  das 


>}  Vgl.  HüUer-WieiGler  D.  a.  K.  II  23,  244.  Diese  Abbildung  ist  übrigens 
ohne  j«d«  Aehnlichlceit }  es  liegen  mir  Abdrücke  von  vier  sabr  schonen  Exem- 
plsreu  KOS  Imhoof-Blumera  Sammlung  vor,  die  ioh  «pätar  publioiren  werde. 

*)  Hagnu  Brattia  II  TU ,  wiederholt  von  Miliin    gal.  myth.  XXXIX  161. 

')  Vgl.  S.  27. 

*)  MOnte  des  Septimins  Sevemi,  nach  Toltereck  Electa  numaria  III  T  bei 
Hillin  XTXTX  1G2. 

*)  Vgl.  Theaanr.  Horell.  Salpia.  I. 

•)  Sacken  T^.  X  1. 


26  lieber  einige  Bronsebiider  de«  Ares. 

Schwert  mit  der  Rechten,  die  den  Griff  noch  hält  —  das  Schwert 
selber  ist  verloren  --,  aus  der  Scheide  zieht,  während  die  Linke,  wie 
ihre  Höhlung  beweist,  den  Schild  hielt  Ich  zweifele  nicht,  dass  auch 
in  dieser  Bronze  Ares  zu  erblicken  ist.  Nicht  minder  wahrscheinlich 
ist  mir,  dass  jene  häufig  begegnenden  etruskischen  Bronzefiguren 
eines  jungen  unbärtigen  Kriegers,  der  in  völliger  Kflstung  zum  Angriff 
vorschreitet,  den  Kriegsgott  darstellen  >). 

In  der  Formengebung  weicht  die  Berliner  Figur  von  den  beiden 
anderen ,  welche  vorher  besprochen  worden ,  beträchtlich  ab ;  sie  weist 
auf  ein  Original  älterer  Epoche  zurück.  Wie  der  gewählte  Moment 
einen  anderen  Geschmack  verräth,  ist  auch  der  Körper  straffer  und 
nerviger  gebildet.  Unter  dem  korinthischen  Helm  kommen  reiche 
Lockenmassen  hervor,  das  Gesicht,  obwohl  seine  Oberfläche  zerstört  ist, 
hatte  jugendliches  Aussehen,  der  Mund  ist  etwas  geöffnet. 

Ich  habe,  als  charakteristische  Darstellungen  des  Ares,  drei  Bronze- 
statuetten aneinander  |[ereiht,  die  nicht  etwa  dadurch  als  solche  sich 
ausweisen,  dass  Haltung  und  Bewegung  derselben  dem  Kriegsgott 
ausschliesslich  zukämen^).  Auch  spricht  der  Typus  der  Köpfe  nicht 
in  absolut  zwingender  Weise  zfk  Gunsten  des  Ares;  er  fiuctuirt  hier 
nicht  weniger,  als  wir  es  vorhin  bei  den  Bronzebüsten  wahrnahmen, 
die  wir  trotzdem  mit  gutem  Girunde  Ares  vindidrt  haben.  Die  Art 
der  Bewehrung  entspricht  zwar  den  sicheren  Bildnissen  des  Gottes, 
aber  auch  sie  kann  an  sich  keinen  Ausschlag  geben,  weil  sie  mit  dem 
ziemlich  allgemeinen  Brauch  der  Heroendarstellungen  übereinstimmt. 

^)  Vgl.  z.  B.  8pec.  of  ano.  Sculpt.  II  PI.  4,  Fröhner  miuees  de  France  pl.  19. 

')  Andere  Bronzefigoren  des  jugendlichen  Ares,  die  dem  nämlichen  Typus 
zogehören,  sind  früher  pnblicirt  worden.  So  die  woblerhaltene  Statuette  von 
Herculaneum  abgebildet  Bronzi  d'Erool.  II  18  and  Mus.  Borb.  XIII  26;  man 
hat  sich  in  die  Rechte  das  Schwert  mit  dem  Parazonium,  in  die  Linke  den  Speer 
zu  denken.  Das  Gleiche  gilt^von  der  offenbar  falsch  ergänzten  und  gedeuteten 
Figur  in  den  Monum.  deil*  Inst.  1854  S.  116  tav.  36,  und  von  einer  andern  bei 
Caylus  Recueil  III  pL  121,  1,  wo  nur  die  Linke  höher  erhoben  ist.  Eine  völlig 
intacte  Bronzefignr  des  Ares  zeigt  eine  Abbildung  in  der  Lettera  sugli  scavi 
fatti  nel  circondario  dell'antica  Freja  del  dottor  F.  Benign!  al  celeberr.  Sig. 
Gay.  Albino  Luigi  Miliin  (Macerata  1812)  tay.  IX  fig.  6.  Sie  hat  in  der  er- 
hobenen Rechten  den  Speer,  in  der  Linken  einen  kleinen  Schild;  der  linke 
Schenkel  lehnt  an  einen  Stamm,  die  Wangen  sind  von  den  Helmklappen  .bedeckt. 
Yermuthlioh  sind  hier,  sei  es  am  Original,  sei  es  blos  in  der  Zeichnong,  Er- 
gänzungen hinzugekommen. 


Udber  einige  fironeebilder  dei  AreB.  27 

So  könnte  meine  Deutung,  obwohl  sie  durch  die  Yergleichung  der  von 
mir  zusammengestellten  Büsten  und  Münzen  näher  gelegt  ist  als  jede 
andere,  fraglich  erscheinen;  und  in  diesem  Fall  würde  immer  wieder 
die  Entscheidung  schwanken  zwischen  Ares  .und  Achill.  Ich  glaube 
aber  meiner  Ansicht  eine  starke  Stütze  verleihen  zu  können,  wenn  ich 
wahrscheinlich  mache,  dass  wir  schwerlich  eine  plastische  Einzeldar- 
stellung des  Achill  besitzen,  und  dass  alle  oder  fast  alle  jene  Statuen 
und  Köpfe,  deren  Benennung  schwankt  zwischen  Ares  und  Achill,  auf 
den  Ersteren  bezogen  werden  müssen  0.  Es  handelt  sich  hier  haupt- 
sächlich um  jene  Gruppe  von  Figuren  und  Büsten,  deren  bekanntester 
Bepräsentant  der  sogenannte  Achilles  Borghese  ist  Ich  glaube,  dass 
die  folgende  Zusamm^tellung,  indem  sie  von  sicherem  Ausgangspunkt 
zu  den  fraglichen  Darstellungen  vorschreitet,  zugleich  eine  Serie  bildet, 
deren  Zusammengehörigkeit  nicht  geleugnet  werden  kann,  und  dass 
auf  diese  Weise  schon  die  Zusammenordnung  unsere  Frage  entscheidet. 
Gelegentlich  werden  andere  Erwägungen  zu  Hülfe  kommen. 

a.  Eine  sichere  Grundlage  giebt  die  Statue  des  Ares  vom 
Fastigium  des  kapitolinischen  Jupitertempels  ab,  welches  jüngst  nach 
einer   Zeichnung  der  Goburger  Handschrift  in  der  archaeologischen 


')  Freilich  beschreibt  uns  Christödor  eine  Erzstaiue  des  Achill,  weiche 
im  Gymnasien  des  Zeuxippos  in  Konstaniinopel  stand,  folgendem assen,  ecphras. 
291  £ 

ttl^fir^tfl^  6'  aviovXog  Hufin^TO  6iog  *Ax*J^vg, 
yvfivos  itov  aaxiwv.  i^oxivi  fdki^tyj^g  kUaattv 
di^ireQ^f  axtu^  6k  aaxog  /aJlx€^oy  afCgtiv 
ax^fioTi  texyriim'  fAodav  «T  änintfinev  anukifv 
^agai'i  Tolfirjj€yn  ndfiy/iivog.  al  yicg  ontonal 
yy^aipv  ri^os  ttptuvov  a^iov  AfaxiSatov. 
Also  war  die  Figur  der  Rüstung  ledig  (da  aaxea  schwerlich  die  Rüstuug  be- 
deuten kann,  scheint  mir  das  Wort  verdorben),  und  trug  Nichts  in  den  Händen ; 
aber  die  Haltung  der  Arme  war  als  fahre  der  Held  in  der  Rechten  den  Speer, 
in  der  Linken  den  Schild.    Das  Gesicht  drückte  kriegerisches  Feuer  aus.    Ist  es 
für  uns  maassgebend,  wenn  Christödor  diese  Statue  für  Achill  hält  ?    Ich  glaube 
nicht;  wir  dürfen  hieraus  nicht  mehr  folgern,  als  dass  ihr  dieser  Name  beigelegt 
war  in  dem  Katalog,  den  Christödor  benützte,  oder  der  Aufschrift,   welche  die 
Statue  trag.    Denn  dass  der  Ekphrast  sich  an  bestimmte  tituli  hielt,  die  ihm  vor- 
lagen, wird  durch  einige  Stellen  seines  Gedichtes  erwiesen  (863  ff.  407  ff.).    Die 
'statuae  Achilieae'  waren    eben  ein  bequemer  Gattungsbegriff,  der  vermatblich 
auch  auf  Statuen  des  Ares  angewandt  wurde. 


08  D«ber  einige  BroDzebilder  dei  Are*. 

Zeitung  abgebildet  worden  ist').  Der  jugendliche  Gott  steht,  gerade- 
aus schauend ,  auf  einer  kleioen  Basie ,  unbekleidet  bis  auf  den  hoben 
Helm  und  die  Chlamys,  die  leicht  auf  die  linke  Schulter  vomOber 
gelegt  ist  und  von  dem  linken  Vorderarm  herabhängt.  Die  erhobene 
Rechte  fa^t  den  aufgestemmten  Speer,  die  niedergehende  Linke  hält 
das  Schwert,  welches  aufwärts  gerichtet  ist  und  am  Oberarm  anlehnt. 
Es  nnterliegt  wohl  keinem  Zweifel,  dass  diese  Figur  einer  römischen 
Tempelstatue  ziemlich  getreu  nachgebildet  ist.  Auf  Mttnzen  der  geos 
Mescinia')  steht  eine  ähnliche  Aresstatue  anf  hohem  Sockel  mit  der 
Weihinschrift  S-P-O'R'V-P-REO-CAES-  ,  die  mit  geringer  Ver- 
änderung mehrmals  wiederkehrt  Eine  Münze  von  Paeatnm»)  weist  die- 
selbe Figur  auf  ganz  niedriger  Basis,  und  diese  fehlt  ganz  auf  den 
FamilienmüDzen  der  Claudier,  welche  Ares  in  der  nämlichen  Weise 
darstellen*).  Eine  schöne  MamertinermUnze  mit  nah  verwandtem 
Bilde,  in  Imhoof-Blumers  Besitz,  ist  hier  abgebildet.  Ares  hält  in  der 
Rechten  das  Schwert  mit  dem  Parazonium,  in  der  Linken  die  Lanze, 
an  die  der  Schild  lehnt  Eine  zweite  unterscheidet  sich  durch  den 
mangelnden  Helm,  stellt  aber  sicherlich  auch  Ares  dar;  hier  ist  das 
reiche  Haupthaar  bemerkenswerth. 


b.  Mit  dem  kapitolinischen  Ares  stimmt  eine  angeblich  aus  dem 
Peloponnes  stammende  Statue  in  so  augenscheinlicher  Weise  überein, 
dass  auch   ihre  Bedeutung  als   gesichert  angesehen   werden  muss*). 

>)  Arch.  Zeit.  1872  Taf.  67. 

')  Tgl.  Cohen  deaor.  des  monii.  de  le  rep.  Rom.  pl.  27,  1.  2.  6. 

■)  CareUi  tav.  136,  108.  109. 

')  Cohen  pl.  12,  8.  9.  12. 

•}  PacJELudi  Mon.  Peloponn- ,  Titelbild.  Vgl.  Rnoul  RoohetU  Mon.  in^d. 
S.  58  fff.  n.  10.  In  Besiehung  «uf  die  Änordnimg  des  Oewendea,  deBaen  über 
die  linke  Schulter  gelegter  Zipfel  in  der  Abbildung  wie  eine  Lowentatxe  aua- 


üeber  «inige  Bronsebilder  ddB  Ares.  29 

Der  rechte  Arm  ist  abgebrochen;  zur  Stütze  für  die  über  den  linkoi 
Arm  fallende  Chlamys  dient  ein  Panzer,  welcher  ain  Boden  steht.  Die 
Figur  ruht  mehr  auf  dem  linken  Bein,  die  kapitolinische  Statue  auf 
dem  rechten,  und  setzt  das  linke  in  ähnlicher  Weise  zurück,  wie  die 
Bronze  von  Finme. 

c.  Eine  in  Ostia  gefundene  Statue,  die  nach  England  gekommen  % 
weicht  nur  darin  von  der  vorerwähnten  ab,  dass  hier  die  Chlamys  von 
der  linken  Schulter  quer  über  die  Brust  geht  und  auf  der  rechten 
Achsel  durch  eine  Spange  zusammengehalten  ist ;  an  Stelle  des  Pan- 
zers  fungirt   ein   Baumstamm.     Diese   Statue   trägt   die  Aufischrift 

MARTI.  Es  ist  bekannt  genug,  dass  man  in  Tempel  und  Kultstätteu 
auch  die  Kunstdarstellungen  anderer  Gottheiten ,  als  der  eigentlichen 
Inhaber,  geweiht  hat^);  immerhin  aber  war  durch  diese  Inschrift  die 
Annahme  am  Nächsten  gelegt  worden,  für  welche  nunmehr  die  Co- 
burger Zeichnung  endgültig  entscheidet  lieber  den  Charakter  der 
Körperformen,  Bildung  und  Ausdruck  des  Gesichtes  wird  kein  Kun- 
diger aus  den  Abbildungen  bei  Güattani  und  Clarac  Schlüsse  ziehen 
mögen ;  doch  darf  vielleicht  das  volle  lange  Haar  hervorgehoben  werden. 

d.  Mit  dieser  Statue  haben  qchon  die  Herausgeber  der  ^antiken  Bild- 
werke des  Lateranensischen  Museums'  eine  nah  verwandte  des  Lateran 
zuammengestellt^).  Sie  ruht  nicht  auf  dem  linken,  sondern  auf  dem 
rechten  Bein ;  das  Gewand  fällt  im  Bücken  breit  und  tief  herab  und 
bildet  einen  ruhigen  Hintergrund  der  Figur;  der  Panzer  hängt  über 
einem  Stamm  zur  Rechten.  Beide  Arme  sind  ergänzt.  Die  Verglei- 
chung  der  ähnlichen  Statuen  des  Gottes  könnte  auf  die  Vermuthung 
leiten,  dass  die  Linke  das  Schwert  geführt,  wie  auch  der  Restaurator 
annahm,  doch  in  etwas  anderer  Haltung,  und  die  erhobene  Rechte 
den  Speer.    Indessen  scheint  der  letztere  auf  dieser  Seite ,  vor  Baum- 


wibi,  füiimit  genau  überein  die  auch  sonst  ähnliohe  Statoe  des  Galigul»  bei 
Yiseonti  mos.  Pio-Clem.  III  tav.  3. 

1)  Gnattani  Mon.  ined.  1806  Tai  18,  vgl.  S.  87-92;  Clarac  827,  2074, 
▼gL  Fea  Viaggio  ad  Ostia  S.  58,  Raonl  Roohette  Mon.  ined,  S.  68,  Hirt  Bilderb. 
S.  52,  V^elcker  das  akad.  Kunstmas.  (II.  Aufl.)  S.  80  n.  45,  Urlichs  a.  a.  0.  S.  86. 

')  Sohon  Welcker  a.  a.  0.  citirt  hierfür  Annali  VI  198;  vgl.  ausserdem 
Letronne  Revue  aroh^L  1844  S.  888  'sur  Pusage  des  anoiens  de  oonsacrer  la 
Statue  d'un  dieu  a  un  autre  dieu,  K.  Keil  insoript.  Boeot  S.  87. 

>)  A.  a.  0.  a  79  fgg.  n.  172,  publioirt  von  Clarac  685,  1485  und  von 
Garmeoi  mus.  Lat.  tav.  XXYII. 


dO  Ueber  einige  Bronxebilder  des  Ares. 

Stamm  und  Panzer,  keinen  passenden  Platz  zn  haben,  and  die  Ver- 
fasser der  Bescbreibnng  des  Lateranischen  Mnseams  artheilen  wohl 
mit  Rechte  dass  Haltung  und  Anlage  der  Figur  der  Annahme  günstig 
sind,  sie  habe  arsprünglich  den  Speer  in  der  Linken  gehabt.  Dieser 
Fall  ist  der  seltenere;  es  konnte  wohl  bei  Einzeldarstellungen  des 
Gottes  nur  da  passend  erscheinen,  ihm  den  Speer  in  ^ie  Linke  zu 
geben  ^),  wo  die  Rechte  mit  dem  Schwert  als  der  Hauptwaflfe  und  dem 
wesentlichen  Attribut  ausgestattet  war*),  oder  auch  der  Gott  fem 
von  Kriegsgedanken  in  feiernder  Ruhe  und  versenkt  in  Liebessinnen 
vorgeführt  wurde').    Es  ist  berechnete  Absicht,  dass  der  Ares  Ludovisi 


*)  Statitts  schildert  in  der  Tbebais  wie  Ares  dabinfahrend  auf  seinem 
Kriegswagen  von  Aphrodite  aufgehalten  wird  mit  zärtlichen  Vorwürfen  und 
Bitten;  da  heisst  es  von  ihm,  III  202 

hastam  laeva  transanmit  et  alto 
—  l^aud  mora  —  desiluit  ourro,  clipeoque  receptam 
laodit  in  amplexu  dictisque  ita  mnicet  amicis. 

')  Vgl.  folgende  Aresbildnisse :  Sacken  d.  Wiener  Antikenkab.  I  Taf.  6,  8, 
Mus.  Borb.  I  46,  VIII  56,  und  die  oben  abgebildete  Mamertinermünze.  So  oft 
Ares  einzeln  bewehrt  mit  Speer  und  Schild  dasteht,  und  so  erscheint  er,  nn- 
b&rtig  und  bärtig,  ausserordentlich  oft,  hält  die  Rechte  den  Speer.  Man  wird 
nicht  Figuren  entgegenhalten,  wie  das  kleine  Nebenbild  auf  dem  Feld  der 
Münzen  von  Ambrakia  Monum.  dell'  Inst.  I  tav.  14,  1.2  (hinter  einem  Athenekopf), 
welches  den  Ambrakischen  Qründungsheros  Qorgos  (vgl.  Axmali  1829  S.  314  ff.) 
darstellt,  nackt,  den  Helm  auf  dem  Kopf,  wie  er  die  Rechte  auf  den  Schild  legt, 
den  Speer  mit  der  erhobenen  Linken  festhält;  oder  das  Bild  der  Virtus  auf 
römischen  Kaisermünzen  (vgl.  Cohen  IV  pl.  6  und  18),  wo  sie  übrigens  dio 
Lanzenspitze  gegen  den  Boden  kehrt.  Auf  einem  römischen  Relief,  veröffentlicht 
Ber.  d.  sächs.  Ges.  1868  Taf.  IV  C  nimmt  Ares  an  einer  Opferscene  als  Zu- 
schauer  Theil,  ganz  im  Typus  der  statuarischen  Darstellungen  des  Gottes: 
jugendlich  und  nackt  bis  auf  die  über  die  linke  Schulter  geworfene  Ghlamys 
und  den  korinthischen  Helm,  und  stemmt  mit  der  Linken  den  Speer  auf,  indem 
der  die  susammengesohlossene  Rechte  in  auffallender  V^eise  vor  die  Brust  hält. 
Man  hat  sich  wohl  in  diese  Hand  das  Schwert  zu  denken,  mag  es  nun  im 
Original  abgebrochen  oder  nur  so  flüchtig  angedeutet  sein,  dass  der  Zeichner  es 
übersehen  konnte,  oder  mag  endlich  der  Arbeiter  es  aus  Nachlässigkeit  wegge- 
lassen  haben. 

•)  Irrthümlioh  ist  Starks  Angabe  (Philolog.  XXI  S.  485),  dass  der  sitzende 
Area  auf  einem  Reliefmedaillon  im  Triumphbogen  des  Constantin  (Müller-Wie* 
seler  I  70,  888)  die  Lanze  in  der  Linken  halte;  er  hält  sie  mit  der  Rechten. 
Uebrigens  sehe  ich  nicht  ein,  warum  diese  Figur  eine  Kopie  vom  Ares  des 
Skopas  sein  soll,  wie   mit  Stark  Overbeok  (Oesoh.  d.  griech.  Plastik  U  S.  16) 


üeber  einige  Bronzebilder  des  Ares.  81 

das  Schwert  mit  der  Linken  hält.  Aaf  dem  Terracottarelief  Campana 
hSIt  der  rahig  sitzende  Gott  den  Speer  mit  der  Linken,  und  legt  die 
herabhängende  Rechte  auf  den  Schild,  der  am  Boden  steht,  während 
Aphrodite  sich  im  Stehen  an  seine  rechte  Schalter  lehnt  ^).  —  Der 
Greslehtsausdruck  der  Lateranischen  Statue  ist  trflbe  and  schwermüthig. 

e  f.  Zwei  Wiederholungen  der  Lateranischen  Statue,  die  eine  im 
Palazzo  Mattei  in  Rom,  die  andere  in  der  Sammlung  Landsdowne'), 
werden  angefahrt  von  Benndorf  und  Schone. 

g.  Eine  Statue  der  Blundellschen  Sammlung,  welche  als  Theseus 
ergänzt  worden,  ist  unzweifelhaft  hier  einzureihen^).  Die  Chlamys 
fehlt;  die  SteUung  ist  wie  bei  b  c,  wie  dort  ist  auch  hier  an  der 
linken  Seite  eine  Stütze  angebracht,  und  zwar  wie  bei  c  ein  Baum- 
stamm. Der  rechte  Arm  ist  mit  einer  Keule  ergänzt ;  sicherlich  war 
er  mehr  erhoben  und  stemmte  den  Speer  auf.  Die  Linke  ist  unthätig 
über  den  Stamm  gelegt,  an  dem  das  Schwert  hängt.  Ich  muss  den 
rechten  Arm  und  das  obere  Stück  des  Stammes  für  modern  halten, 
obwohl  diese  Theile  unter  den  Ergänzungen  nicht  verzeichnet  sind; 
gewiss  war  das  Schwert  in  die  Linke  gegeben.  Am  Helm  sind  Greife 
angebracht.  Das  Haar  scheint  genau  dem  der  Lateranischen  Statue 
zu  entsprechen ;  der  Kopf  blickt  geradeaus,  gleich  dem  von  b.  Wäre 
es  yerstattet,  aus  der  Abbildung  Schlüsse  zu  ziehen  über  Formen  und 
Ausdruck  des  Gesichtes,  so  läge  die  Vergleichung  mit  dem  Ares  des 
Lateran  am  Nächsten.  Ich  möchte  aber  hierin  ebenso  wenig,  als  in  Be- 
ziehung auf  die  schlanken  Proportionen  des  Körpers,  der  Publikation 
Vertrauen  schenken. 

h.  Den  bisher  besprochenen  Statuen  steht  der  ^Achill  Borghese' 
weniger  nahe,  als  jene  unter  einander  stehen  ^),  Doch  überwiegt  die 
Verwandtschaft  so  sehr,  dass  die  Identität  der  dargestellten  Person 
für  wahrscheinlich  gelten  darf.    Es  kommt  hinzu,  dass,   wie  schon 


annimmt.  Eine  sohöne  Kupfermünse  der  Mamertinef  mit  dem  sitsenden  Ares 
findet  fliob  in  Herrn  Imhoofs  Sammlung. 

^)  Campana  op.  in  plast  II  104;  dine  Wiederholung  dieser  Reliefplatte 
■ah  ich  im  Mueeum  von  Arles, 

*)  Mon.  Matt.  I  10,  Clarac  648  A,  1436  A;  950,  2446  A. 

>)  Spec  of  anc.  scnlpture'  II  Taf.  19. 

*)  Abgebildet  Ferner  segm.  nob.  sign.  1688  tav.  39,  Bouillon  II  14  E,  Vis- 
conti mon.  scelti  Borghes.  tav.  III  1.  Braun  Kunatmyth.  Taf.  85,  Clarao  pl. 
268,  2078,  UrlichB  a.  a.  0.  S.  84.  unter  den  neueren  Besprechungen  der  Statue 
ist  henronraheben  die  von  ^riederiohs  Bausteine  n.  720. 


32  Üeber  einige  Bronzebilder  des  Ares. 

Andere  hervorgehoben  haben,  in  einigen  Gruppen  des  Ares  und  der 
Aphrodite  die  Figur  des  Gottes  mit  dem  'Achill  Boi^hese'  durchaus 
übereinstimmt  0*  Sicher  fasste  die  Linke  den  Speer;  ob  die  herab- 
hängende Rechte  das  Schwert  gehalten,  muss  sehr  fraglich  erscheinen. 
Nur  die  Finger  sind  ergänzt  und  die  innere  Handfläche  zeigt  keine 
Spur,  dass  hier  ein  Gegenstand  aufgelegen  habe. 

Obwohl  die  Figur  in  Ruhe  steht,  ist  das  rechte  Bein  wie  im 
Schritt  vorangestellt ;  es  setzt  fest  auf  und  kann  nicht  als  Spielbein 
gelten.  Hierdurch  erhält  die  Statue  eine  schwere  Festigkeit  des 
Standes.  Der  Oberleib  ruht  wie  unbeweglich  'in  den  Hafteu.  Der 
Kopf  ist  etwas  tiefer  gesenkt  als  am  Ares  des  Lateran,  das  lange 
Haar  legt  sich  glatt  und  schlicht  auf  Wange  und  Hals  ^),  während  es 
dort  voller  und  lockiger  ist  Das  Gewand  fehlt,  der  Körper  ist  völlig 
nackt  Im  Uebrigeu  herrscht  in  den  Proportionen  des  Körpers  und 
im  Allgemeinen  der  Haltung  augenschdnlich  Aehnlichkeit  *) ;  ich  wage 
nicht  vom  Kopf  dasselbe  zu  ^haupten. 

Conze  hat  diese  Statue  in  die  Reihe  der  Köpfe  und  Figuren  ge- 
stellt, welche  man  seit  Friederichs  auf  Polyklet  zurückzuführen  pflegt, 
während  er  selber  vorzieht  sie  für  attisch  zu  halten^).  Mir  scheint 
aber,  dass  der  Achill  Borghese  kaum  irgend  einen  Typus,  wie  er  aus 
der  Hand  eines  grossen  Meisters  hervorgegangen,  rein  wiederspiegelt. 


^)  Besondera  in  der  kapitolinischen  Gruppe,  Mus.  Oap.  III  20,  Glarao  684, 
1428,  Quatremere  de  Quincy  sur  la  statue  ant.  de  Venus  decouverte  dans  File  de 
Milo,  Taf.  D.  2;  vgl  0.  Jahn  Ber.  d.  sächs.  Ges.  1861  S.  126.' 

')  Dieser  ganzen  Gruppe  von  Statuen  und  Köpfen  des  Ares  ist  eigen  die 
überall  gleichm&ssig  vor  dem  Ohr  niedergehende  an  die  Wange  geschmiegte 
und  spitz  zulaufende  Haarpartie.  Sie  findet  sich  gerade  so  am  Ares  der  bar- 
barimschen  Candelaberbasis  (Visconti  mns.  Pio-Glem.  IV  tay.  7,  Braun  Kunstmyth. 
Taf.  88)  and  des  erw&hnten  Terracottareliefs  Gampana. 

')  Dass  der  stutzende  Stamm  hier  gerade  eine  Palme  ist,  wie  unendlich 
oft,  hat  nur  für  den  tektonischen  Geschmack  Bedeutung*  Die  Behauptung, 
der  Palmenstamm  charakterisire  die  Statue,  welcher  er  als  Stütze  dient,  als  die 
eines  Athleten  —  besonders  Gerhard  machte  gern  von  ihr  Gebrauch  —  oder 
bezeichne  doch  eine  Beziehung  auf  das  Gymnasion,  gehört  zu  den  unerwiesenen 
und  unerweisbaren  Sätzen,  welche  in  der  arohaeologisChen  Literatur  immer 
wieder  aufbauchen,  wo  sie  bedurft  werden.  Auch  der  Umstand,  dass  der  n&m- 
liohen  Fig^r,  wie  wir  sahen,  anderwärts  ein  gewöhnlicher  Stamm  zur  Stütze 
dient,  spricht  gegen  eine  besondere  Symbolik  des  Palmstammes. 

*)  Beiträge  zur  Geschichte  d.  griecb.  Plastik  S.  8  fg. 


Ueber  einige  Bronzebilder  des  Ares.  3$ 

sondern  aus  Elementen  älterer  und  jüngerer  Kunst  in  verhältniss- 
mässig  später  Zeit  zusammengesetzt  worden  ist.  Wie  man  diese  Statue 
hat  auserlesen  schön  nennen  und  an  ihr  den  charakteristisch  belebten, 
herrlich  ausgebildeten  Götterleib,  den  meisterhaften  und  zugleich 
eigenthümlich  realistischen  Stil  rühmen  können^  wird  nicht  mir  allein 
schwer  begreiflich  scheinen. 

Vom  Kopf  gilt  in  minderem  Grade,  was  Benndorf  und  Schöne 
von  dem  des  Lateranischen  Ares  bemerken:  'er  gehört  in  eine  Reihe 
von  Typen,  welche  mit  dem  Doryphoros  des  Polyklet  grosse  Aehnlich- 
keit  haben'.  Er  steht  den  Doryphorosköpfen  in  der  HaarbehandluQg 
näher,  während  hierin  die  Statue  des  Lateran,  wie  Benndorf  und 
Schöne  ausführen,  von  ihnen  abweicht.  Die  Körperformen  sind  sehr 
stark  entwickelt,  aber  es  geht  dem  Fleisch  und  den  Muskeln  das 
blühende  Leben  ab,  der  Körper  scheint  wie  ausgepolstert:  die  Ver- 
schiedenheit vom  Doiyphoros  ist  hierin  sehr  gross.  Die  Flächen  setzen 
hart  und  unvermittelt  ab  und  sind  wenig  gegliedert.  In  den  Pro- 
portionen des  Kö]*pers  fällt  die  Länge  des  Oberleibs,  die  verhältniss- 
massige  Kürze  der  gedrungenen  Beine  auf;  dieselbe  Eigenthümlichkeit 
haben  Benndorf  und  Schöne  an  der  Statue  des  Lateran  hervorgehoben. 
Diese  Verhältnisse,  welche  den  Doryphorosfiguren  fremd  sind,  verleihen 
der  Gestalt  eine  mächtige  Wucht,  die  dem  schwungvollen  schnell- 
füssigen  Sohn  der  Thetis  nicht  minder  widerspräche,  wie  der  schwer- 
fällige Ausdruck  des  Antlitzes.  Es  kommen  Achill  naturgemäss  hohe 
und  schlanke  Schenkel  zu.  Isaak  Porphyrogennetos  in  seiner  Beschrei- 
bung der  griechischen  Helden  vor  Troia  und  der  troischen  Fürsten 
sagt  von  Achill:  o  l^x^AA^tc;  etaTtj&og,  jtiiyag  tov  dyxov  tov  Oijjfiavog, 
fiaxQoaiukog  {Wes  ^cmQoaxeli^g),  a7cav6g^  ^avd^og  etc. ^).  Hiermit  ist 
eine  Stelle  des  Athenaeus  zu  vergleichen:  /;>'  ä'  ftviwg  fia-jigozaTog  xai 
XsTTtovaTog  o  Kivrfiioig^  alg  ov  T^ai  olop  d^cTjua  yiyQOipe  ^TQOTTiQf 
Od-iviTt^v  ^AydXLoL  mnov  yuxXüVy  dia  tn  sv  rij  airov  noiTjaei  avvex^g 
t6  Od^nSza  keyuv.  Tcai^wv  ovv  elg  triv  Ideav  aiiov  bq)rj'0r^ic!)T*  -^X'A^ev*). 

*)  In  Rutgers'  variae  lectiones  S.  öll;  auch  bei  Leo  Allatius  tt^qI  rwr'xca«- 
XiMp^ivTtov  iino  tov  'OfAtiQov,  Aus  Isaak  Porphyrogennetos  schöpfte  Tzetzes  Post- 
hörner. V.  474: 

^ttxfm  <r  i/e  axilia  vno  (f'  lannviaio  vnrjvrjv. 
Es  verdient  Erwähnung  und  ist  für  die  Herkunft  dieser  Personalbeschreibungen 
von  Wichtigkeit,  dass  SteUen  des  Malalas,  wie  die  Schilderang  der  Helena  chron. 
Y-  p.  91,  8  der  Bonner  Ausgabe,  mit  ihnen  genau  übereinstimmen. 
«)  Athen.  XH  551  d,  Meineke  frgg.  com.  If  2  S.  7G9. 

3 


84  Üeber  einige  Bronsebilder  des  Area. 

Dagegen  ist  dem  ^vQog  und  nekciQiog^Jgrjg  mächtige  Entwickelang 
der  Lenden  eigen.  Ein  merkwürdiges  Zeugniss  hierfflr  bietet  die 
homerische  Stelle  B  477.  Sie  deutet  auf  Vorstellungen  der  Götter- 
erscheinungen  von  einer  überraschenden  plastischen  Realit&t  nnd  Be- 
stimmtheit : 

ofifictra  wxl  xeq>aXi^v  XxeXog  Jii  T€Q7tiii€Qavv(p, 

^'Aqbi  di  Cdvtjv,  üviqvov  de  Iloaetdatüvi. 
Wie  also  für  Poseidon  die  Breite  der  Brust  %  so  ist  für  A.res  die 
EntWickelung  des  Unterleibe  bezeichnend').  Die  Kunstdarstellungen 
des  Poseidon  rechtfertigen  durchgängig  diese  Charakteristik;  nicht 
minder  muss  man  von  der  Hervorhebung  der  ^civfj  des  Ares  annehmen, 
dass  sie  auf  eine  sehr  alte  und  ganz  allgemeine  Vorstellungsweise 
zurflckgehe,  die  nothwendig  auch  in  die  Kunst  Eingang  finden  musste. 
Und  zwar  ist  zu  vermuthen,  dass  es  besonders  der  ältere  Arestypus 
gewesen  sei,  welcher  diese  Eigenthttmlichkeit  zum  Ausdruck  brachte, 
während  die  jüngere  Kunst  in  ihrer  Neigung  für  schlanke  schwungvolle 
Formen,  begabt  mit  einem  höheren  Maasse  von  Bewegungsfähigkeit, 
dieselbe  verwischte^).    Nicht  minder  auch  musste  die  Grewöhnung,  den 


')  Er  wird  nfQvtnfffvog  genannt  Ton  Ghristodor  eophr.  V.  66. 
*)  Hesychiue   (tivti'   6   vno  r^  yatn^ga  xonoq  ttai  6  tonoQ  $y  (tjvyvftB^, 
Diese  Erkl&rang  geht  auf  die  oben  angefahrte  Stelle;  M.  Schmidt  notirt  fiUschlioh 

5  181,  ^  234.    Vgl.  schol.  B  479  (tavtiv]  i^roi  ro  xarä  C^afia  fiiqog,  Etym.  m.  p.  414, 

6  C<^'  "^o  Tov  atofÄOTo^  f^^QOSj  iv  (p  fiahaxa  xb  rov  (toov  lail  (tonxov,  xal  ro 
negl  avro  wpaafia  Ctorri  ofKovvfitos  Ifyaai,  tos  xal  Sioga^  to  fiigos  tov  anifiarog 
xtdro  TiEQtTi^'iiuievov  ott Jlov,  Etym.  Gud.  Ctovfi*  ro  tov  atofLaros  fiiQog'  tT^riTai  naga 
to  C^,  iv  qt  fioXtata  fori  rh  tov  ^ijv  Sixjtxov  xtA-TO  ^ontxov  xai  to  ntgl  avto 
vqmftfia.  Hiernach  ist  im  Etym.  m.  zu  emendiren  ro  tov  ir^v  Sixraeov  xtA  ro 
(anixov,  wie  aach  der  codex  Sorbon.  hat.  Uebrigens  fasete  die  ganze  Stelle 
schon  Dio  Ghrysostomos  or.  XII  p.  407  R  sehr  richtig,  indem  er  vom  Vergleich 
mit  Zeus  sagt:  hokfiiiafv jiyttfiifAVova  ngoaeixaatu  tov  S'€ov  Toig  xvQiioTaroti 
fAiQsatv.  Wenn  es  dagegen  in  den  Priapea  86,  9  heisst  'nemo  est  feroci 
pectorosior  Marte*  (vgl.  Sen.  HippolyL  816  'Martis  belligeri  pectore  latior ),  so 
wird  damit  nur  eine  Eigenthümlichkeit  hervorgehoben,  die  der  Eriegsgott 
gemein  hat  mit  den  m&chüg  gebildeten  Heroen;  so  wird  Herakles  von  Theokrit 
24,  78  ano  atiqvov  nhtavg  t^^ioq  genannt. 

')  Man  setze  dieser  wohlgegründeten  Erwägung  nicht  entgegen,  dass  Ares 
in  der  Ilias  öfters  ^oog  zubenannt  wird,  in  der  Odyssee  einmal  aqrinog  (^  810, 
wo' übrigens  die  Scholien  akxi^oq  wollen)  und  bald  darauf  gar  ^xvraros  &i€av 


üeber  einige  Broiusebilder  des  Area.  85 

Eriegsgott  als  den  zärtlichen  Geliebten  der  Aphrodit«  zu  denken,  be- 
wirken, daas  man  seine  Erscheinung  modelte  nach  einem  allgemeinen 
heroischen  Schönheitsideale.  In  diesem  gingen  urwüchsige  Besonder- 
heiten der  Gestalt  zum  Theile  auf,  welche  zusammenhingen  mit  der 
mythologischen  Natur  und  Bedeutung  des  Gottes. 

Bekanntlich  tritt  bei  dieser  Statue  ein  schwieriges  Detail  hinzu 
in  dem  Ring,  welcher  das  rechte  Bein  über  dem  Knöchel  umschliesst. 
Es  scheint  mir,  wieKekul^O)  dass  für  denselben  weder  unter  der  Vor- 
aussetzung, dass  Achill,  noch  unter  der  hinderen,  dass  Ares  dargestellt 
sei,  eine  befriedigende  Deutung  gefunden  worden  ist.  Am  Wenigsten 
hätte  man,  um  aus  ihm  ein  Argument  für  die  erstere  Annahme  zu 
gewinnen,  neuerdings  wieder  zurückgreifen  sollen  auf  eine  Methode 
der  Kun3terklärung,  die  mit  allem  Fug  für  überwunden  gelten  durfte. 

Diejenigen,  welche  eine  Fesselung  annahmen  —  und  Friederichs 
scheint  mit  fiecht  in  dem  Ring  eine  Fussfessel  {rcidrj)  zu  erkennen  -— 
durften  sich  berufen  auf  den  nachdenklichen  trüben,  beinahe  klagenden 
Ausdruck  des  stark  gesenkten  Kopfes.  Und  doch  ist  schwer  möglich  die 
Statue  mit  der  Situation  des  bei  Aphrodite  ertappten  Ares  zu  reimen. 
Ich  möchte  weit  eher  an  einen  trionfo  d'Amore  denken.  Der  Ares 
Borghese  und  mit  ihm  vielleicht  der  des  Lateran,  erscheint  als  eine 
modifizirende  Verwendung  des  vorhin  besprochenen  Typus ;  und  dass 
dieser  hier  dem  beliebten  dichterischen  Motiv  von  der  unwiderstehlichen 
Gewalt  des  Eros  angepasst  worden  sei,  ist  eine  nahe  gelegte  Ver- 
muthung ;  ihr  würde  der  Ausdruck  des  Gesichtes,  die  Haltung  der 
Figur  günstig  sein,  und  die  schwere  Wucht  des  Leibes  käme  so  zu 


(^  381),  in  der  Ilias  auch  noöaoxrig.  {4»  265).  Die  Natorsymbolik  bringt  es  mit 
Bioh,  dass  die  Baiwörter  und  Züge,  welche  an  den  Personen  der  Götter  haften, 
theilweise  sich  widersprechen,  denn  die  Naturobjecte  können  nach  sehr  ver- 
schiedenartigen Seiten  und  Zuständen  betrachtet  werden.  Die  plastische  In- 
dmdualisirong  kann  daher  nicht  alle  Züge  aufnehmen,  sie  lasst  von  den  alt- 
überlieferten Beiwörtern  diejenigen  zur  Seite,  welche  sich  dem  poetisch  ausge* 
stalteten  Charakter  nicht  willig  anschmiegen  mögen.  Und  zu  diesen  gehört 
gewiss  jenes  Epitheton  des  Ares,  mochte  man  auch  fortfahren  ihn  als  *  geschwinde' 
zu  rühmen  so  gut  wie  irgend  einen  streitbaren  Heroen.  Uebrigens  ist  bemerkens- 
werth,  dass  in  der  nachhomerischen  Poesie  diese  Qualität  des  Ares  gar  keine 
RoQe  spielt.  In  einem  Epigramm  des  Aristotelischen  Peplos  kommt  wxhgjlgtig 
vor  (n.  6.  Bergk  poet.  lyr.  p.  660),  offenbar  nicht  mehr  als  eine  homerische 
Reminisoenz . 

*)  Kekiile  d.  akadem.  Kunstmus.  zu  Bonn  n.  389  S.  97. 


86  Ueber  einige  Bronzebilder  des  AreB. 

sprechender  Wirkung.  Auch  wird  wohl  nur  durch  diese  Voraussetzung 
die  Schwierigkeit  gelöst,  dass  die  Linke  den  Speer  gehalten  hat,  ohne 
dass  doch  die  antiken  Theile  der  rechten  Hand  der  Annahme  günstig 
wären,  sie  habe  das  Schwert  umschlossen. 

Meine  Vermuthung  könnte  ich  leicht  weiter  ausspinnen  und 
stützen,  es  lassen  sich  ihr  vielleicht  auch  Einwendungen  entgegen- 
stellen. Mir  scheint  das  Problem  gehöre  zu  denen,  deren  Lösung  wir 
von  der  Zeit  und  einem  glücklichen  Fund  erwarten  dürfen. 

i.  Kopf,  Brust  und  Oberarme  von  einer  genau  entsprechenden 
Statue  befinden  sich  im  Dresdener  Augusteum.  Nur  kommt  hier  der 
von  der  linken  Schulter  schräg  über  die  Brust  laufende  kunstreich 
gearbeitete  Schwertriemen  hinzu  0* 

Ich  sehe  ab  von  einigen  vielleicht  entfernter  stehenden  Statuen, 
wie  dem  Ares  der  Villa  Albani'),  und  einem  vermeintlichen  Alexander 
im  Louvre "),  und  reihe  an  den  Ares  Borghese  die  Büsten,  welche  dem 
Kopf  dieser  Statue  genau  entsprechen. 

1.  Eine  augenscheinliche  Wiederholung  desselben '  befindet  sich 
in  der  Münchener  Glyptothek,  abgebildet  in  Brauns  Vorschule  der 
Kunstmythologie  Taf.  84,  und  besprochen  von  Brunn  in  seiner  Be- 
schreibung der  Glyptothek  n.  91.  Der  Kopf  ist  geradaus  gerichtet, 
der  trübsinnige  Ausdruck  geschwunden.  Die  Uebereinstimmung  der 
Züge  ist  evident;  die  Anordnung  des  Haares  die  nämliche  bis  ins 
Einzelne;  sie  ist  dieser  ganzen  Gruppe  von  Köpfen  eigenthümlich. 
Ebenso  scheint  der  vor  und  unter  den  Ohren  keimende  Backenbart  für  die- 
selbe charakteristisch;  er  wiederholt  sich  an  den  jugendlichen  Aresköpfen 


^)  Becker  Attguateom  II  86. 

*)  Wenig  zuverlässig  herausgegeben  bei  Clarao  pl.  838  B,  2074  A.  Vgl. 
Indicazione  antiquar.  per  la  villa  suburb.  dell'  cooellent.  casa  Albani.  Roma 
1785  n.  468,  ediz.  II  Roma  1808  n.  381,  Braun  Ruinen  und  Museen  Roms 
8.  704.  Fiasch  im  BuUett.  deU'  Inst.  1878  S.  10  versichert,  dass  der  Kopf  nicht 
zugehörig  sei,  und  erklart  die  Statue  für  eine  der  besten  Repliken  des  Poly- 
kletisohen  Doryphoros.  Dagegen  schreibt  tnir  Heibig :  *Der  Kopf  ist  aufgesetzt, 
aber  entschieden  zugehörig/  Auch  in  die  Behauptung,  dass  die  Figur  unter 
die  Doryphorosstatuen  gehöre,  setze  ich  starke  Zweifel. 

>)  Abgebüdet  bei  Visconti  Monum.  Gabini  tav.  X  23,  Müller>Wieseler 
I  Taf.  40,  168.  Dürfte  man  den  Publikationen  trauen,  so  hatte  der  Kopf  Aehn- 
lichkeit  mit  dem  der  vorhergenannten  Statue;  beide  haben  auch  den  kühn 
empor  gerichteten  Blick  gemein,  den  Visconti  wohl  mit  Unrecht  charakteristisoh 
für  Alexander  glaubte. 


üeber  einige  Bronzebilder  des  Ares.  S7 

kampanischer  Münzen  und  römischer  Familienmünzen,  von  denen  ich 
durch  Imhoof-BIumers  Güte  eine  stattliche  Beihe  prüfen  konnte.  Auch 
der  Helm  hat  die  gleiche  Form  und  den  gleichen  Schmuck:  zwischen 
übereinstimmenden  Ornamenten  Hunde  und  Greife^).  Das  Gesicht  ist 
fast  ohne  Affekt,  aber  das  Muskelspiel  in  den  Partien  um  den  geöff- 
neten Mund  und  die  Nase  verräth  ein  heftig  erregbares  Gemüth.  Der 
Kopf  ist  glatt  gearbeitet  und  entbehrt  der  Empfindung  und  Lebens- 
frische eines  Originalwerkes,  aber  er  hat  hinreichende  Spuren  eines 
sehr  schönen  Vorbildes. 

2.  Im  Gampo  Santo  von  Pisa,  abgebildet  bei  Lasinio  sculture 
del  campo  santo  tav.  YII  108. 

3.  Im  Louvre,  abgebildet  im  Mus^e  Napoleon  II  59,  Bouillon 
mus.  III^  bust.  pl.  3,  6 ;  vgl.  Fröhner  notice  S.  161  n.  130. 

*)  Statins  Theb.  III  223  nennt  die  Waffensiücke  des  Ares  'terriücis  mon- 
Btrornm  animata  figuris*.  Der  Greif  ist  stehend  am  Helm  der  überaus  schönen 
bärtigren  Aresköpfe  auf  den  Münzen  der  Bruttior,  deren  ich  mehrere  durch 
Imhoof-Blumers  Freundlichkeit  betrachten  konnte;  er  findet  sich  am  Helm  des  Ares 
auf  der  Barberinischen  Kandelaberbasis,  und  dem  Helm  der  BlundeUschen 
Statue;  am  Panzer  des  bärtigen  Ares,  SuppL  au  rec.  d'antiqu.  Suisses  par  le 
baron  de  Bonstetten  pl.  VI  16.  Wenn  auch  der  Greif,  als  Lichtsymboli  allge- 
meine apotropäische  Geltung  hatte  (vgl.  Stephani  compt-e  rendu  1864  S.  63. 
119—144,  1865  S.  72.  ff.  und  Öfter),  so  scheint  es  doch,  dass  man  ihn  besonders 
gern  an  den  Waffen  der  Atheue  und  des  Ares  anbrachte.  Die  Atheneköpfe  unter- 
italischer Münzen  haben  fast  immer  den  Greif  am  Helm  (vgl.  Carelli  Taf.  187, 
138  etc.).  Bedeutsamer  sind  die  Hunde,  weil  sie  unmöglich  durch  Einreihung 
in  die  grosse  Kategorie  apotropäischer  Thiere,  sondern  nur  durch  die  Annahme 
eines  speziellen  mythologischen  Bezuges  erklärt  werden  können.  Der  Hund  ge- 
hört Ares  zu  eigen,  es  wurden  ihm  an  mehreren  Orten  Hundeopfer  gebracht, 
▼gl.  Preller  gr.  Myth.  PS.  268,  4.  Der  Zusammenhang  ergiebt  sich  mit  Leich- 
tigkeit, wenn  man  Useners  Erörterung  im  rhein.  Mus.  n.  F.  XXIII  (1868)  S  384 
ff.  mit  meinen  Bemerkungen  unten  S.  41  fg.  zusammenhalten  mag.  Der  Hund  ist 
attributiTes  Thier  des  Ares  in  demselben  Sinn  und  derselben  Weise  wie  der 
Wolf.  Bekanntlich  sah  man  früher  in  den  Thieren  am  Helm  dieser  Köpfe  über- 
all Wölfe;  Stephani  entdeckte  aber  am  Petersburger  Exemplar  Halsbänder,  die 
auch  Gonze  anerkannte  (Beiträge  S.  9,  4)  und  an  n.  5  sich  wiederfinden,  und 
nnabhäugig  von  ihnen  bemerkt  Bötticher  (königl.  Museen,  Yerz.  der  Abgüsse, 
n.  717  S.  440  der  II.  Auflage),  dass  am  Helm  des  borghesischen  Ares  nicht 
Wölfe  sondern  Hunde  angebracht  sind;  von  der  Münchener  Büste  gilt  das 
Gleiche.  —  Üebrigens  beruht  die  scharfe  Scheidung  zwischen  griechischer  und 
römischer  Kunst,  welche  Friederich^  hier  und  überall  durchfuhren  zu  können 
meint,  unzweifelhaft  auf  einer  Täuschung. 


I 


38  üeber  einige  Bronzebilder  des  Ares. 

4.  Im  Museo  Worsleiano,  Visconti  Taf.  XIII  3;  vgl.  Conze  im 
archaeol.  Anzeiger  1864  S.  216*.  Nach  der  Abbildung  ist  die  Stirne 
stark  gerunzelt,  der  Ausdruck  zornig.  Der  Helm  entbehrt  jedes  ReUef- 
schmuckes. 

5.  Püblicirt  in  Gavaceppi's  Raccolta  II  21  als  *eroe  or  esistente 
in  Annover  presse  il  generale  Walmoden.'  Es  ist  sehr  gewagt^  nach 
dieser  offenbar  höchst  unzuverlässigen  Abbildung  das  Original  zu  bezeich- 
nen als  den  schönsten  aller  Aresköpfe.  Die  Helmzierrathe  lassen  ver- 
muthen,  dass  es  dem  unter  n.  3  aufgeführten  Exemplar  sehr  ähnlich  ist. 

6.  In  der  kk.  Ermitage  in  Petersburg;  vgl.  Stephani  compte 
rendu  1864  S.  123,  3. 

7.  Früher  im  Besitz  des  duca  die  Nemi;  vgl.  Visconti  mon. 
scelti  Borgh.  S.  36,  6  und  Stephani  a.  a.  0. 

8.  Fragment  in  der  Ambraser  Sammlung  in  Wien;  vgl.  Conze 
Beiträge  S.  9,  1. 

Wahrscheinlich  gehört  in  diese  Reihe  auch  ein  Madrider  Kopf, 
den  Hübner  (Bildw.  in  Madrid  n.  124)  erwähnt,  und  mancher  andere, 
welchen  die  Kataloge  ohne  eingehende  Beschreibung  aufführen. 

Der  Typus,  welchen  diese  Köpfe  darstellen,  gehört  offenbar  der 
Erfindung  eines  berühmten  Meisters  an ;  es  wäre  aber,  bei  dem  Mangel 
aller  fesiten  Anhaltspunkte,  eiteles  Wagen  auf  einen  bestimmten  Namen 
rathen  zu  wollen. 

Nicht  wenig  entfernt  sich  von  diesem  vielverbreiteten  Typus  ein 
Statuenbruchstück,  das  von  B.  Stark  gründlich  und  gelehrt  erörtert 
worden  ist^).  Es  scheint  mir  aber,  dass  sowohl  er  als  Hübnei* 
den  künstlerischen  Werth  dieser  seitdem  im  Abguss  verbreiteten 
Skulptur  bedeutend  überschätzt  haben.  Wohl  leuchtet  ein  Original 
guter  Zeit  und  attischen  Ursprunges  hindurch,  aber  die  Arbeit  ist  in 
fast  allen  Theilen  flüchtig  und  flach.  Indem  der  Kopist  dem  Kopfe 
den  Geist  nahm,  ist  an  Stelle  kriegerischer  Entschlossenheit  ein  un- 
wirscher, zugleich  gedrückter  und  blöder  Ausdruck  getreten.  Die 
Formen  des  erhaltenen  Stückes  vom  Körper  sind  nicht  jugendlich  zart, 
son(fem  auffallend  kümmerlich ;  die  hohe  Stellung  der  Ohren  ist  viel- 
leicht dadurch  bedingt  worden,  dass  der  Helm  nicht  gehörig  in  den 
Kopf  gesetzt  ist.  —  Es  verdient  hervorgehoben  zu  werden,  dass  unter 
den  aufgeführten  Skulpturen  diese  allein  Ares  den  hohen  korinthischen 
Helm   giebt,  während  die   gesammte  Serie  der  Statuen  und  Köpfe, 


')  Ber.  d.  sächs.  Ges.  1864  S.  173  fgg. 


üeber  einige  Bronsebilder  des  Are«.  89 

welche  wir  vorhin  besprochen  haben,  übereinstimmt  in  der  Form  des 
niedrigen,  fast  halbkugelförmigen  und  mit  einer  Stephane  versehenen 
Helmes.  Dagegen  ist  bei  den  Aresbronzen  der  korinthische  Helm  die 
Regel. 

Dass  die  Statue  einen  Ares  darstellte,  scheint  mir  keinen  Zweifel 
zu  leiden,  und  darch  die  Aegis  selber  bestätigt,  welche  hier  nicht  wie 
zu  vereinzeltem  Gebrauch  entliehen,  sondern  als  zugehöriges  Attribut 
erscheint^).  Hingegen  sehe  ich  nicht  ein  wie  sie  berechtigen  könne, 
diesen  Ares  als  Ares  Soter  zu  bezeichnen').  Denn  die  Aegis  deutet 
nicht  auf  ein  besonderes  Amt  des  Gottes,  eine  einzelne  Seite  seines 
Wesens  und  Wirkens,  sondern  ist  klares  Symbol  seiner  ursprüng- 
lichen Natur  als  Himmelsgott,  lieber  die  Bedeutung  der  Aegis  selber 
bedarf  es  ja  kaum  eines  Wortes.  Das  mythologische  Wesen  des  Ares 
redet  vernehmlich  aus  der  Hias.  Sie  lässt  den  verwundeten  dröhnend 
aufbrüUen  gleich  neun-  oder  zehntausend  Mannen  iu  der  Schlacht,  und 
dann  mit  dem  Gewölk  zum  Himmel  fahren:,  'also  erscheint  die 
glänzende  Luft  zwischen  den  Wolken,  wenn  die  Hitze  durch  den  scharf- 
wehenden Wind  vertrieben  wird.'  Von  Athene  mit  einem  mächtigen 
Stein  getroffen,  deckt  er  niederstürzend  sieben  Hufen  Landes  und  um 
ihn  rasselt  seine  Rüstung  3).  Das  sind  vereinzelte  Naturlaute  einer 
gewaltigen  Bildsprache,  die  wie  aus  einer  anderen  Welt  des  mytholo- 
gischen Glaubens  und  Ausdruckes  in  die  homerische  Darstellung  hin- 
einklingen. Die  alte  Naturbedeutung,  wiewohl  poetisch  umgesetzt, 
lebt  auch  noch  fort  in  den  Schilderungen,  welche  römische  Dichter 
von  Ares  entwerfen  wie  Statins: 


')  Brustbilder  auf  Münsen,  wie  das  des  Marc  Aurel  Cohen  med.  imper. 
11  pl.  17,  369,  mit  Aegis  über  der  Unken  Schalter,  Schwertriemen  über  den 
Rücken  und  Lanze,  einen  Lorbeerkranz  am  den  Kopf,  scheinen  mir  jedesmal 
den  Kaiser  als  Mars  daranstellen. 

')  Die  Entwiokelung  Starke  nimmt  ihren  Ausgang  von  einer  irrthüm- 
liehen  Auffassung.  Christodor  96  beschreibt  ein  Erzbild  des  lulius  Caesar,  das 
auf  der  Schalter  die  Aegis  trug,  wie  das  Madrider  Fragment,  in  der  Rechten 
den  Blitz  hielt:  ota  Z€vs  viog  alXog,  Dies  heisst  nicht  'als  lupiter  luvenis', 
sondern,  nach  einer  der  jüngeren  epischen  Sprache  sehr  geläufigen  Formel:  als 
ein  anderer,  ein  zweiter  Zeus.  Ueberdies  ergiebt  sich,  wie  mir  scheint,  aus 
Starks  ParaUelisirungen  und  Kombinationen  gar  keine  Berechtigung,  auf  Ares 
einen  Kultusbeinamen  zu  übertragen,  den  wir  nur  in  Verbindung  mit  anderen 
Gottheiten  nachweisen  können. 

•)  JE  859  fgg.,  *  406  fgg. 


40  Ueber  einige  Bronzebilder  des  Ares. 

ille  furentes 
Bistonas  et  Geticas  populatus  caedibos  urbes, 
turbidus  aetherias  currus  urgebat  ad  arces, 
fulmine  cristatum  galeae  iubar  armaque  in  auro 
triBtia,  terrificis  monstrorum  animata  figuris, 
incutiens;  tonat  axe  peius  clipeique  cruenta 
lux  rubet,  et  solem  longe  ferit  aemulus  orbis. 
hunc  ubi  Sarmaticqs  etiamnum  efSare  labores 
luppiter  et  tota  perfasum  pectora  belli 
tempestate  videt  *talis  mihi,  nate,  per  Argos, 
talis  abi,  sie  ense  inadens,  hac  nubilus  ira*  etc/ 

Ein  sehr  später  anonymer  Dichter  singt  in  einem  kurzen  Hym- 
nus auf  den  Kriegsgott: 

tu  crista  galeaque  rubes,  tu  pulcher  in  auro 
incutia  e  vultu  radiantia  lumina  ferro  (terrae?), 
te  thorax  galeaeque  tegunt,  non  quo  tibi  terror 
hostilis  subeat,  sed  quod  decor  exit  ab  armis. 
tu  cum  pulsatum  clipei  concusseris  orbem, 
immugit  raundus,  tellus  tremit,  aequora  cedunt. 

Bei  Virgil  heisst  es: 

sanguineus  Mavors  clipeo  intonat. 

Damit  vergleiche  man  Kallimachos: 

aAfjx  Ol  AQTjg 
Ila^ycLiov  jrQod'fkv^va  TcaQtjaTa  fiillev  aelgag 
ifLißakeeiv  divyuiv  anoxQvxpai  de  ^^ad'Qa, 
vipod-e  6'  iaiuagayr^os  ymi  dam  da  Tvipev  dnwxy 
äovQOTog'  T^  (J'  elili^ev  ivoTtXiov'  i'tQEf.ie  d'  ^Öoaf]g 
ovQta  xai  /vsdiov  Kgawciviov  a%  t€  dvaaelg 
eoycLxiai  IlivdoLO,  q^oßqj  <J'  iogxfjoaro  näoct 
GaaaaXiTi'  zolog  yag  a/t'  dojridog  sßgax^v  fjxog^). 

In  diesen  Stellen  erscheint  Ares  deutlich  als  mächtiger  Himmels- 
gott, als  Gott  des  düsteren  Gewitterhimmels. 

So  ist  es  wohl  auch  nicht  zufällig,  wenn  in  der  Ilias  das  Wüthen 
des  Ares  dem  finsteren  Sturme  verglichen  wird  2);  freilich  konnte  nicht 


')  Die  hier  abgedruckten  Stellen  sind  folgende :  Theb.  lU  220  fgg.,  Meyers 
antbol.  Ist.  585,  5  ff..  Virgil  Aen.  XII  332,  KaUimachos  h.  in  Del.  133  fgg.  Vgl. 
Dracont.  III  43. 

')   Y  51. 


üeber  einige  Bronsebilder  des  Ares.  41 

fehlen,  dass  eine  Vorstellung,  welche  dem  homerischen  Dichter  nur 
noch  ein  poetisches  Bild  war,  auch  auf  Heroen  übertragen  wurde  ^). 
Der  Epiker  Antimachos,  welcher  gern  uralte  Züge  der  Göttersage  be- 
nutzte, nannte  die  Aressöhne  Deimos  und  Phobos  Kinder  der  OveXXa '). 
Erscheint  Ares  hier  überall  auf  das  Deutlichste  als  Gewitter* 
Stürmer,  so  liegt  darin  doch  nur  eine  Seite  des  Himmelsgottes  be- 
schlossen. Neben  Zeus  und  ApoUon  kam  die  lichte  Hälfte  seines 
Wesens  nicht  zur  Entfaltung,  oder  trat  doch  zurück  im  religiösen  Be- 
wusstsein  einer  verhältnissmässig  jüngeren  Zeit.  Aber  die  uralten 
Sagen  von  seiner  Bewältigung  durch  die  Biesen  Otos  und  Ephialtes 
und  der  Gefangenschaft  im  ehernen  Fass,  vom  goldenen  Vliess  im 
Hain  des  Ares  weisen  noch  deutlich  auf  Licht  und  Sonne.  Ares  stellt 
sich  neben  ApoUon,  der  gleich  ihm  aus  Zeus  herausgewachsen  ist^), 


>)  So  auf  Hektor  ^  297,  vgl.  Nonn.  Dion.  30,  126  und  sonst 
*)  Fntgm.  45  StoU,  ans  schol.  IL  /Y~439.    Ares  selbst  führt  den  Namen 
Phobos  in  der  kürstich  gefandenen  Inschrift  von  Seiinas,  vgl.  Benudorf  die  Me- 
topen  Ton  Selinunt  S.  27  £f. 

*)  Wie  dieses  geschehen  konnte,  lehrt  der  Zevi  kqho^  (vgl.  den  Zevs  Ivv- 
ahog).  Für  diese  Genesis,  welche  freilich  nur  in  grösserem  Zusammenhang  feste 
Begründang  erhalten  könnte,  spricht  auch  der  Umstand,  dass  der  Hain  in 
Kolchis,  welcher  insgemein  für  den  des  Ares  galt,  von  Hellanikos  Hain  des 
ZeoB  genannt  warde  «(schol.  Apollon.  2,  406,  Eratosth.  catast.  19.  Hygin  22). 
An  Stelle  der  petra  ApoUinis  bei  Hygin  fab.  141  tritt  petra  Martis  in  der- 
selben Ensahlung  bei  Lactant.  fab.  V  9  und  dem  Mythogr.  Yat  II  fab.  101.  Auf 
dem  Silbergefass  von  Weddingen  abgeb.  in  den  Mitth.  der  ant.  Ges.  in  Zürich 
Bd.  XY  Taf.  13  ist  Ares  der  Schwan  beigegeben.  Bezeichnend  ist  der  Name 
der  Gemahlin  des  Ares  X^va^  und  der  des  Sohnes  Beider  4>Uyvas.  Der  italische 
Mars  wird  im  ArvaUiede  *Marmar*  angerufen,  und  führt  auf  Inschriften  den  Bei- 
namen 'LoQcetius*.  Altitalische  Kultusnamen  des  Ares  giebt  Lykophron  wieder 
V.  937  fg.  (vgl.  V.  1410)  rdv  t€  K^tiortovris  ^fov  |  Kav^dov  3  Mafi((nov 
onUrtiv  Xvxov,  Vgl.  den  Heliossohn  KdvSaXog  bei  Diod.  V  56,  und  lohannes 
Schmidt  a.  a.  0.  S.  97.  Einen  Mars  Neton,  der  mit  Strahlen  ausgestattet  war,  ver- 
ehrten die  Bewohner  von  Acci,  dem  heutigen  Guadix  in  Spanien,  nach  Macro- 
bins  I  19,  5,  vgl.  C.  Inscr.  L.  II  3386  und  Hübner  im  Hermes  I  S.  346  fg.  Be- 
zeichnend ist  auch,  dass  öfters  die  leuchtenden  oder  sprühenden  Augen  des  Ared 
hervorgehoben  werden ,  s.  II.  S  349,  anth.  lat.  585,  6  (Meyer).  !kQiis  nnd  Ugeiog 
aeheint  mir  einfach  *der  Starke\  and  der  Stamm  derselbe  wie  in  »(h-  und 
i(H',  jl^iwy  nnd  ^Egitov,  Doch  mag  in  letzter  Linie  eine  rein  sinnliche  Be- 
deainng  za  Grunde  liegen.  •—  Darob  Vermahlnng  mit  Demeter  Erinnys  tritt 
Area  neben  den  Himmelsgott  Poseidon:  vgl.  Kuhn  in  Zeitschr.  f.  vgl.  Spraohf. 
I  S.  452  %g. 


42  Ueber  einige  pronzebilder  des  Are«. 

wenn  er  den  Wolf  als  heiliges  Symbol  mit  ihm  gemein  hat,  und  ein 
Sohn  von  ihm  Avxovqyot;  und  Avxatav  heisst,  gewiss  nach  alten  Bei* 
namen  des  Ares  selber;  wenn  er  in  Sophokles  König  Oedipus  Pest 
verhängt  Oy  wie  ApoUon  im  Anfang  der  Ilias  die  Pestpfeile  versendet, 
wenn  er  als  Todesgott  bei  den  Lakoniem  QrjQshag  heisst^),  wie 
Persephone  in  einem  böotischen  Kultus  den  Beinamen  Gi^ga  fOhrt'), 
wie  Artemis  die  Todesgöttin  Jägerin  ist  und  Hades  Zkxygevg  genannt 
wird^).  Es  ist  bedeutsam,  dass  Aeschykis,  der  gern  alte  religiöse 
Formeln  anwendet,  den  Chor  der  Ghoephoren  (926)  singen  lässt: 

efiols  d'  ig  dofiov  vov  ^^ya^ifivovog 

dutXovg  liwv^  dmkovg  ''^Qrjg. 
Denn  der  Löwe  ist  bekanntes  Symbol  der  Sonne  und  als  solches^) 
uraltes  Bild  verzehrender  Gewalt  und  Vernichtung.  Nach  der  Ilias  ist 
Artemis  von  Zeus  als  Löwe  über  die  Weiber  gesetzt,  denn  er  habe 
ihr  verliehen  zu  tödten  wen  sie  wolle;  £uphorion  und  Lykophron, 
indem  sie  aus  einer  veralteten  Metapher  der  Kultussprache  ein  schillern- 
des Epitheton  machten,  nannten  den  Lö#ven  x^iQ^^^)-  Selbst  diese 
Züge,  welche  den  Sonnengott  bezeichnen,  kehren  das  düstere  Wirken 
hervor,  ungleich  häufiger  walten  Beziehungen  auf  Gewitter  und  Sturm. 
Ares  scheint  von  Apoll  zurückgedrängt  worden  zu  sein,  dass  sein 
Wesen  in  dieser  sinistren  Richtung  sich  entwickelte,  und  der  Grund 
hiervon  kann  in  örtlichen  und  geschichtlichen  Verhältnissen  gelegen 
haben. 

So  mochte  die  bewölkte  Physiognomie,  das  melancholische  Wesen 
des  Ares  aus  dem  Grund  seiner  mythologischen  Naturbedeutung  her- 


')  Soph.  0.  R.  190  mit  dem  bezeichnenden  Ausdruck  €plfyei;Y.  27  heiast 
die  Peat  nv^oQog  ^<o;.  Auch  in  diesem  Wirken  entspricht  Ares  der  italische 
Mars,  welchen  das  AinraUied  bittet,  das  Fieber  abzuwehren.  Denn  dieselben 
Gottheiten  senden  und  bannen  ein  Uebel.  Ares  wirkt  Geistesverwirrung  Soph. 
Ai.  706. 

')  Pausan.  III  19,  7.  8,  Hesyoh.  Sff^irag  6  *EvvaXiOS  nofm  Aaxmaiv, 

s)  Paus.  IX  89,  4. 

*)  Vgl.  hierzu  B.  Schmidt  Volksleben  der  Neugriechen  I  S.  227. 

^)  *Der  Fenergott  wird  ein  Geist  der  Vernichtung,  ein  verzehrendes  und 
fressendes  Feuer,  wie  es  von  Jehovah  gesagt  ist*,  Roohholz  deutscher  Glaube 
und  Brauch  I  S.  66.  « 

^)  Vgl.  B.  4»  481  ff.,  Meineke  Analecta  Alex.  p.  84  fg.  Es  scheint  mir 
anzweifelhaft,  daas  der  Löwe  auf  griechischen  Sarko&gen  und  GrabmalerB  als 
Todessymbol  aufzufassen  ist. 


üeber  einige  Bronzebilder  des  AreB.  43 

vorgehen  und  erst  durch  jüngere  Vorstellung  und  Kunst  auf  das 
Liebesschmachten  des  Gottes  und  die  Wechselfälle  seines  Verkehrs 
mit  Aphrodite  bezogen  werden.  Zwischen  uraltem  Naturglauben  und 
kflnstlerischer  Charakteristik  liefen  vermittelnd  die  Fäden  von  tausend 
Beiwörtern  und  Formeln,  welche  religiöse  Geltung  und  Fortpflanzung 
genossen  und  dem  Künstler  die  Hand  leiteten;  uns  sind  sie,  bis  auf 
verstreute  Reste,  denen  wir  bei  den  Dichtem  nachzugehen  haben, 
verloren  gegangen.  Und  die  religiöse  Kunst  der  Griechen  bewährt  in 
ihrem  Entwicklungsgang  Überall  den  fruchtbaren  Trieb,  urwüchsige 
Motive  und  Züge  primitiver  Symbolik  durch  neue  Beziehungen  und 
Kombinationen  umzudeuten  in  allgemein  menschlichem  Sinn  und  ihnen 
Inhalt  dichterischer  und  ethischer  Art  zu  verleihen.  Hier  oflfenbart  sich 
ein  Widerspiel  und  Gleichgewicht  von  fromm  beharrender  Zähigkeit 
und  betriebsamer  Erfindung,  in  welchem  das  hohe  Wesen  der  antiken 
Kunst  zum  guten  Jheil  gegründet  ist.  Diese  Sätze  wird  dereinst  die 
'Kunstmjrthologie^  durch  Verfolgung  der  typischen  Göttererscheinungen 
und  Erforschung  der  Attribute  und  Symbole  an  vielen  Beispielen  er- 
weisen können ;  denn  dieser  BegriiF  ist  einer  wesentlichen  Vertiefung 
fähig  und  bedürftig. 

Zürich.  K.  Dilthey. 


2.    Die  kunstgeschichtlichen  Beziehungen  zwischen  dem  Rheinlande 

und  Westfalen*). 

Ich  habe  mir  vorgeuommen,  heute  die  kuDstgeschichtlichen  Be- 
ziehungen zwischen  dem  Rhein-  und  Westfalenlande  zu  besprechen. 
Dies  Thema  beschäftigt  sich  zwar  von  vornherein  mit  einem  Kunst- 
material christlicher  Cultur  und  dennoch  dürfte  es  nicht  im  Widerspruch 
stehen  mit  der  Bedeutung  des  Tages,  an  dem  wir  das  Oeburtsfest 
jenes  Genius  begehen,  welcher  der  dankbaren  Welt  den  Himmel  der 
antiken  Kunst  und  Kunstschönheit  erschloss  und  als  den  Wiederschein 
des  gesammten  Natur-  und  Geisteslebens  treflFend  und  plastisch  ver- 
anschaulichte. Die  Antike,  die  Vorgängerin  und  mit  ihrer  reichen 
Schönheit  wiederholt  eine  Hauptquelle  der  späteren  Kunstphasen,  ging 
auch  in  der  wissenschaftlichen  Werthschätzung  der  Kunst  des  Mittel- 
alters und  der  Neuzeit  voran.  Indem  Winckelmann  in  seiner  Kunst- 
geschichte den  Nachfolgern  für  immer  die  Gliederung  des  vorraittelalter- 
lichen  Kunstvorraths  an  die  Hand  gab,  hat  er  nicht  nur  den  frühem 
ästhetischen  Theoremen  \)  und  antiquarischen  Leistungen^)  Richtung 
und  System  verliehen,  sondern  damit  auch  der  Kunst '),  welche  sich 
diesseits  der  Antike  entwickelte,  ihre  Stellung  angewiesen  und  ihrer 
Erforschung  eine  Grundlage  bereitet.  Denn  wurde  schon  durch  diese  Ar- 
beit der  Geschichtswissenschaft  überhaupt  in  ihrer  Bedeutung  und  Dar- 
stellung der  dankenswertheste,  wichtigste  Dienst  erwiesen,  so  hätte 
ohne  Winckelmann,  ohne  systematische  Klärung  der  Antike  die  mittel- 
alterliche Kunstwissenschaft,  zumal  der  Engländer  ^),  wohl  nicht  so 
leicht  einen  Halt  gewonnen,  Göthe,  Foi*ster,  Schlegel'^)  und  die  Ro- 


*  Vortrag  gehalten  auf  dem  Winckelmannsfeste  za  Bonn  am  9.  Deoember 
1872.    For  den  Druck  verbessert  und  mit  ausführlichen  Belegen  versehen. 


Die  knnatgeschicfatl.  Besiehangen  zwischen  dem  Rheinlande  u.  Westfalen.    46 

mantiker  nicht  so  bald  ein  offenes,  empfängliches  Auge  fflr  den  künst- 
lerischen Nachlass  des  Mittelalters  gehabt;  und  die  reale,  kritische 
Eünstforschung  von  heute  muss  wiederholt  ähnliche  Mittel  und  Wege 
nehmen,  um  ihr  Material  zu  bewältigen,  wie  Winckelmann  behufs 
KlarsteUung  der  Antike. 

Die  „Griechische  Baukunst  bot  doch  in  ihrem  Entwickelungsgange 
Aehnlichkeiten  mit  demjenigen  der  gothischen  dar/'  und  wie  lange 
hat  sich  doch  das  Mittelalter  mit  antiken  und  urwüchsigen  Motiven 
befaetfen,  wie  viele  von  der  Antike  geleitete  Experimente  anstellen 
müssen,  bis  es  einen  selbstständigen  Kunststil,  der  seiner  Herkunft 
und  Zeit  entsprach,  erzeugte.  Der  Westen  und  Süden  konnten  sich 
dabei  einer  antiken  Erbschaft  von  Kunst  und  Künstlern  bedienen,  — 
die  Länder  des  Nordens,  Westfalen  auch,  entbehrten  dieser  Yortheile : 
diese  konnten  erst  an  der  allgemeinen  Cultur-  und  Kunstentwickelung 
Theil  nehmen,  als  ihnen  mit  dem  Christenthum  der  Beruf  zu  einer 
hohem  Givilisation  und  die  Verbindung  mit  dem  culturreichern  Westen 
überkommen  war.  Dass  das  Rheinland  dabei  eine  wichtige  Rolle  gespielt, 
und  schon  früher  westlalische  Stämme  dem  Rheine  freundlich  oder 
feindlich  sich  genäheil  haben,  scheinen  besonders  auch  die  Sagen  nach- 
klingen zu  lassen,  die  Kunde  von  den  Nibelungen  wäre  von  Männern 
aus  Münster  und  Soest  zuerst  an  den  Rhein,  und  der  Leib  des  Hai- 
monskindes  Reinold  von  Köln  nach  Dortmund  gebracht*). 

Doch  waren  es,  soweit  sich  nachweisen  lässt,  nicht  die  benach- 
barten Rheinlande,  welche  in  Westfalen  zuerst  die  Keime  der  Kunst 
einsetzen  sollten,  es  waren  die  westlichem  Gebiete,  wo  die  Wiege  der 
Karolinger  gestanden  und  wo  die  Reibung  von  Deutschen  und  Wälschen 
geistige  und  ästhetische  Interessen  zeitig  gefördert  hatte.  Die  fränkische 
Princessin  Ida  verschönert  in  Westfalen  ihren  neuen  Wohnsitz  Herz- 
feld an  der  Lippe  mit  einer  Steinkirche,  indess  das  Land  rihgsher  für 
die  Qottejshäoser  wie  für  die  Wohnungen  nur  den  Holzbau,  zu  hand- 
haben verstand ;  Herford  errichtet  seine  Stiftsgebäude  ad  exemplum  des 
Frauenklosters  Soissons  und  Korvei,  und  dies  neue  Licht  an  der  Weser 
baut  sich  ähnlich  an,  wie  das  Mutterkloster  Corbie  an  der  Somme. 
Westfalen  aber  geht  fortab  mit  den  ihm  gebrachten  Anregungen  und 
Colturkeimen  so  haushälterisch  um,  dass  es  bald  unter  dem  segens- 
reichen Schirm  der  Ottonen  mit  dem  stammverwandten  Sachsen  einen 
Galtnraufschwung  nimmt,  wie  ihn  das  Rheinland  später  und  dafür 
auch  gewaltiger  seinem  Strome,  seiner  Lage  und  altern  Kunsterbschaft 
abgewinnen  sollte.  Inuner  reger  stampft  es  auf  dem  Boden  der  Kunst, 


46    Die  konatgrascbichtl.  Besiebungen  zwitchan  dem  Bheinlande  n.  Westfalen. 

immer  weiter  greifen  die  Pläne,  und  weil  dagegen  die  heimischen 
Kräfte  noch  zurückstanden,  berief  die  vornehme  Dame  Marcsuidis 
939  für  den  Neubau  des  Klosters  Schildescbe  Zimmerleute,  Maurer 
und  Steinwerker  aus  Franzien^),  und  als  kaum  hundert  Jahre  später 
die  nordischen  Domplätze  wie  mit  Gewalt  eine  Kunstblüthe  zeitigen 
wollten,  liess  Bischof  Meinwerk  von  Paderborn  (1009—1036)  seine 
Bussdorfkirche  ad  similitudinem  der  Grabeskirche  zu  Jerusalem  und 
die  zierliche  Bartholomäuskapelle  durch  italiänische  Griechen,  — 
andere  seiner  vielen  Baupläne  vielleicht  durch  die  von  Cluny  berufenen 
Benedictiner  ausführen.  Jeder  Künstler,  jedes  fremde  Kunstmotiv  war 
ihm  in  der  kunstarmen  Heimat  willkommen,  und  so  mochte  ihm  die 
wechselvolle  Säulenanordnung  in  der  Krypta  zu  Emmerich,  mit  der  ihn 
gewiss  seine  Familienbeziehungen  zum  Niederrhein  bekannt  gemacht 
hatten,  als  nachahmenswerthes  Muster  beim  Bau  der  Abdinghofer 
Krypta^}  seines  Bischofssitzes  erscheinen. 

Kaum  dreissig  Jahre  nach  Meinwerks  Heimgange  1068  bestieg 
den  Bischofsstuhl  zu  Osnabrück  ein  Mann,  der  in  sich  das  verkör- 
perte Bild  des  staunenswerthen  Kunstlebens  seiner  Zeit  darstellt, 
eine  Grösse,  die,  nachdem  sie  früher  auf  verschiedenen  Kaiser* 
pfalzen  und  Domplätzen  gebaut  und  geleuchtet  hatte,  noch  als 
Greis  mehrere  Male  na«h  Speier  reisen  muss,  um  durch  geschickte 
Substructionen  den  neuen  Kaiserdom  vor  den  reissenden  Unterspülungen 
des  Rheines  zu  schützen  und  vielleicht  auch  im  Baue  zu  fördern ').  — 
Diese  That  Benno's  von  Osnabrück  bezeichnet  eine  namhafte,  indess 
vereinzelte  und  persönliche  Kunstbeziehung  Westfalens  zum  Rheine, 
und  ebenso  gering  dürfte  für  damals  der  Kunstaustausch  des  Rheines 
nach  dem  Nachbarlande  hin  anzuschlagen  sein.  Will  man  audi  die 
Ansicht  eines  verdienten  Bauforschers,  als  ob  in  Köln  seit  1059  der 
romanisch-vaterländische  Stil  entwickelt  und  von  dort  zunächst  nach 
Westfalen  und  Sachsen  übertragen  sei^^),  nicht  unbedingt  v^werfen, 
so  kann  dieser  Einfluss  weniger  das  Systematische  als  das  Stilistische, 
als  die  Stilfeinheiten  der  Bauwerke  betroffen  haben,  und  anderseits 
bleibt  zu  beachten,  ob  nicht  Benno's  regsame  und  darum  so  viel  be- 
neidete Wirksamkeit  in  Köln  an  jener  rheinischen  Bauentwickelung 
seinen  Antheil  habe.  Angeregt  von  der  Werkthätigkeit  des  ^esammten 
Sachsenlandes  konnte  Westfalen  damals  an  manchen  Werken  die  Er- 
fordernisse eines  Stil-  und  Schönheitsbaues  selbstständig  herausarbeiten 
und  wenigstens  hier  und  dort  mit  den  gesteigerten  Kunstbestrebungen 
des  Niederrheines  wetteifern:  das  geschah  zu  Soest,    wie  die  ält^n 


Die  koitftgMchiohiL  Beriehungen  zwischen  dem  Rheinlande  q.  Wastl&leo.    47 

basilikalen  TheQe  des  Domes  zeigen  und  das  geschab  an  der  Kloster- 
kirche zu  Iburg  bei  Osnabrück,  wie  die  Baureste  mit  dem  Eckblatt 
und  die  rühmlichen  Berichte  von  Augenzeugen  ergeben:  es  war  ja 
Benno^s  eigenstes,  angelegentlichstes  Werk! 

Auch  im  entwickelten  romanischen  Stile  sucht  man  in  Westfalen 
charakteristische  Merkmale  rheinischer  Kirchen  vergebens:  versteckte 
Portale,  Kuppelbauten,  Doppel*  oder  flankirende  Thürme  sind  als  ver- 
einzelte und,  weil  nie  vereinte,  Erscheinungen  schwerlich  auf  ein 
rheinisches  Muster  zurückzufahren.  Und  wenn  schon  in  frühromanischer 
Zeit  die  Sculpturen  und  Kleinkünste  des  Domes  zu  Münster  einem 
Kölner  Bewunderung  abnöthigen^'),  sollte  dann  die  Architektur,  die 
Grundlage  der  iibrigen  Künste,  nicht  schon  eine  entsprechende  selbst- 
ständige Durchbildung  erfahren  haben!  Es  wurde  in  der  That  der 
bei  der  Christianisirung  eingeführte  Steinbau  im  11.  Jahrhundert  immer 
allgemeiner,  wahrscheinlich  bald  darauf  den  meisten  Dorf-  und  Land- 
kirchen zu  Theil,  es  wurde  nun  die  Wölbung  an  Krypten,  Altaren 
und  Kapellen  so  weit  gehandhabt,  dass  sie  früh  im  12.  Jahrhundert 
schon  die  grösseren  Bäume  der  Abseiten,  etwas  später  die  ganze 
Kirche  bedecken  konnte ;  und  mit  der  Technik  wurde  die  Form  so  leicht 
beherrscht,  dass  man  bald  nach  der  Mitte  des  12.  Jahrhunderts  die 
seither  nur  an  Krypten  und  Kapellen  versuchte  Hallenform  auch  an 
grossen  Gotteshäusern  zu  Ehren  bringt. 

Drei  Schiffe  gleich  hoch,  das  Mittelschiff  breiter  als  die  Seiten- 
schiffe, das  Fehlen  eines  Kreuzbaues,  einfache  Thurmanlage,  hohe  und 
kahlere  Dachbildung  stellen  die  erst  in  der  Gothik  ausgebildete  ge- 
wöhnliche Hallenkirche  dar,  und  wenn  diese  auf  den  malerischen 
Wechsel  verzichtet,  welchen  eine  Basilika  im  Grund-  und  Aufrisse  ent- 
faltet, so  bietet  sie  dafür  nicht  weniger  eine  ernste  Einfalt  wie  licht- 
volle^ Anordnung ;  und  wenn  ihre  schlichte  Gestalt  in  Werksteinen  noch 
Perlen  der  zieiliphsten  Schönheit,  wie  die  Lambertikirche  zu  Münster 
und  die  Wiesenkirche  in  Soest,  aufzuweisen  hat,  so  empfahl  sie  sich  ganz 
vorzüglich  den  grossen  Baurevieren  des  schematischen  und  weniger 
bildsamen  Ziegelsteines.  Ich  habe  hier  nicht  genauer  auf  die  örtlich 
und  fbrmel  verschiedenen  Versuche  Westfalens  einzugehen,  eine  ent- 
wickelungsf&hige  Hallenform  herzustellen;  ich  will  hier  nur  hervor- 
heben, dass  ohne  Zweifel  die  um  1173  begonnene  Ludgerikirche  zu 
Münster  zuerst  jene  fruchtbare  Hallenform  anstrebt,  welche  im 
Anschlüsse  an  die  Gewölbeeintheilung  der  romanischen  Basilika  die 
charakteristische  Gleichzahl   der  Joche  in  allen  Schiffen  und  demge* 


48    Die  kanstgeschichtl.  Beziehungen  zwischen  dem  Rheialande  u.  Westfalen. 

mäss  die  gleiche  Stärke  aller  Stützen  bedeutet  ^').  Nachdem  das  System 
mit  Hälfe  des  Spitzbogens  seine  Vollendung  erlangt  hat,  verdrängt  es* 
im  Norden,  Osten  und  Süden  Deutschlands  weiter  und  breiter  die  Basi- 
lika, es  gefällt  noch  im  Spätmittelalter  dem  Italiener  Enea  Silvio  so 
wohl,  dass  er  als  Papst  (Pius  II)  unter  den  stattlichen  Bauwerken, 
womit  er  seine  Heimaih  Pienza  verschönert,  (1462)  auch  einen  Dom 
in  Hallenform  aufführte  ^'').  Hätte  ihr  das  Rheinland  auf  die  Dauer 
widerstehen  sollen?  Sie  wagt  sich  am  Mittelrhein  freilich  nur  mit 
kleineren  Werken  zwischen  die  stolzen  Basiliken,  dafür  findet  sie  am 
Niederrhein,  in  Westfalens  Nähe,  eine  um  so  freundlichere  Aufnahme 
und  entfaltet  ihr  ganzes  Wesen,  man  möchte  sagen,  grossartig  in  der 
Nicolai-Pfarrkirche  zu  Calcar  **),  obgleich  St.  Victor  zu  Xanten  in  allen 
basilikalen  Schönheiten  aufstieg.  Hier  sollte  das  einfache  System 
später  noch  eine  eigenthümliche  Umbildung  erfahren  und  damit  sogar 
wieder  Einiluss  nehmen  auf  die  westfälische  Heimath. 

Hat  die  romanische  Kunst  bloss  bauliche  Einflüsse  unter  beiden 
Ländern  gekannt?  Wenn  auch  in  andern  Kunstgattungen  ein  Verkehr 
bestand,  so  darf  man  ihn  von  vornherein  dem  Niederrhein  und  dem 
Westtheile  Westfalens  zuschreiben.  Diese  Gegenden  haben  lange  Zeit 
einen  so  wohlthuenden  Wechselverkehr  unterhalten,  ¥rie  ihn  die  enge, 
durch  keine  Naturhindernisse  gestörte  Nachbarschaft,  die  ähnlichen 
Boden-  und  Nahraogsverhältnisse  begründeten  und  der  dem  Mangel  des 
einen  Landes  zu  Gute  kommende  Ueberfluss  des  andern  befestigte. 
Hier  wie  dort  will  der  romanische  Stil  ungern  der  Gothik  weichen. 
Der  Westfale  hatte  hier  den  Rhein  und  Rheinverkehr  am  nächsten, 
der  Niederrhein  und  der  Westfälische  Grenzsaum  benutzten,  beide  arm 
an  gewachsenen  Steinen,  ursprünglich  den  weithergeholten  Tufltetein, 
auf  die  Dauer  jedoch  als  Füllung  den  Ziegelstein  und  als  Werkstein 
für  die  feinern  Theile  den  bildsamen  Bruchstein.  Westfalen  konnte, 
wie  es  vom  Rheine  vereinzelt  den  Tuffstein  bezogen,  dahin,  nur  massen- 
hafter, seinen  Bruchstein  zurückgehen  lassen.  So  lieferten  die  Baum- 
berge (östlich  von  Coesfeld)  ihren  hellgelb-weisslichen  und  verarbeit- 
samen Sandstein  in  stärkern  und  leichtern  Stücken  über  die  Ostgrenze 
des  Landes  und  nicht  weniger  über  die  Westgrenze,  ja  nach  dem 
Niederrhein  hin  so  massenhaft,  dass  er  von  Wesel,  wo  «r  gelagert  zu 
sein  scheint,  nach  den  einzelnen  Bau-  oder  Bedürfnissstätt^n  des  Nieder- 
rheins vertrieben  wurde.  Die  Xantener  bestellten  ihn  sogar  für  die 
feinern  Details  ihres  Domes  in  der  gewünschten  Grösse  und  Form 
an  den  Brüchen*^).    Nördlich  von  den  Baumbergen  und  dem  Nieder- 


Die  kanstgescluchtl.  Benebungen  zwischen  dem  Rbeinlande  u.  Westfalen.    49 

rhcin  nicht  ferner  bargen  die  Gruben  von  Gildehaus  und  die  noch 
altem  von  Bentheim  einen  harten,  körnigen,  dunklern  oder  gelberp 
Sandstein,  und  ihnen  entstammt  wahrscheinlich  ein  romanischer  Tauf- 
stein der  Kirche  zu  Wissel  bei  Calcar.  Seine  Base  ist  viereckig,  der 
Ständer  rund  und  in  regelmässigen  Abständen  von  löwenartigen  Thier- 
gebilden  besetzt,  die  aufrecht  so  nach  aussen  sehen,  dass  über  ihren 
Köpfen  mittelst  eines  Wulstes  das  Becken  ausladet;  das  runde,  tief 
ausgehöhlte  Becken  umzieht  oben  zwischen  zwei  Tauverzierungen  ein 
Rankenge  winde  mit  Blättern  und  viereckig  umrandeten  Trauben,  unten 
legen  sich  aufrechte  palmettenartige  Blätter  herum,  jedesmal  im  Felde 
der  vier  Löwen  des  Fusses  unterbrochen  von  zwei  Menschenköpfen  ~ 
Alles  möglichst  steif  und  schematisch.  Zeigte  auch  der  rohe  Stein 
nicht  auf  die  Bentheimer  Brüche,  so  gleicht  das  Ganze  schon  so  sehr 
einer  Beihe  westfälischer  Taufsteine,  dass  man  ihm  wohl  nur  dieselbe 
Herkunft  beilegen  kann  wie  diesen ;  diese  finden  sich  aber  wie  im 
Halbkreise  um  die  Brücke  verbreitet  in  den  Kirchen  des  Emslandes 
und  Westfalens,  mir  einzelne  haben  sich  weiter  in  den  Norden  oder  in 
die  Mitte  des  Landes  zerstreut.  Sie  zeigen  zwar  namentlich  im  Or- 
nament des  Beckens  und  in  der  Zahl  der  Tauverzierungen  grössere 
oder  geringere  Abweichungen  —  allen  gemeinsam  ist  im  romanischen 
Typus  die  viereckige  Base,  der  runde  mit  aufrechten  Gestalten  um- 
stellte Ständer  und  das  über  den  Köpfen  desselben  ausladende  runde 
Becken. ")  Da  auch  einfachere  Formen  im  Innern  des  Landes  den 
Bentheimer  Stein  verraten,  so  liegt  die  Annahme  nahe,  es  wären  bei 
den  Bentheimer  Brüchen  in  romanischer  Zeit  Taufsteine  handwerks- 
mässig  angefertigt  und  nach  allen  Richtungen  nach  Westfalen,  wie 
nach  dem  Emslande  und  Niederrhein  käuflich  verschickt  worden. 
Jedenfalls  hat  auch  der  zweite  Taufstein  zu  Wissel  dieselbe  Herkunft, 
wie  Fuss  nnd  Becken  dieselbe  Form,  nur  dass  das  letztere  durch  die 
dicke  Tünche  als  Flächenzier  bloss  mehr  eine  gewisse  Quadrirung 
scheinen  lässt. 

Die  Kunstbeziehungen  innerhalb  des  romanischen  Stils  sind 
gewiss  lehrreich,  sie  treten  indess  nur  zufällig,  nur  vereinzelt  nach 
Ort  und  Gattung  auf,  wenn  wir  sie  mit  jenen  der  Folgezeit  ver- 
gleichen, wo  sich  neue  politische,  cultur-  und  kunstgeschichtliche 
Hebel  einsetzten,  um  beiden  Nachbarländern  einen  so  warmen 
Wechselverkehr  zu  bescheeren,  dass  für  Jahrhunderte  ein  Hin-  und  Her- 
wogen der  Motive  ermöglicht  wurde.  Den  Wendepunkt  bildet  auch 
hier  das  13.  Jahrhundert.  Die  Auflösung  des  sächsischen  HerzojEcthuras 

4 


60    Did  kirastgetchichtl.  Beziehungeii  zwiichen  dem  Bheinlaade  %l  Westfalen. 

hatte  Westfalen  vom  Osten  losgerissen  und  die  Hälfte  des  Landes, 
dessen  grösserer  Umfang  kirchlich  schon  längst  dem  Erzbisthum  Köln 
untergeben  war,  diesem  auch  politisch  einverleibt.  Dort  wie  hier 
erbiahten  in  Freiheit  die  Städte,  und  um  die  Segnungen  des  Handels 
und  W^arenvertriebs  möglichst  vollständig  zu  gemessen,  verbanden 
sie  sich  zu  Schutzbündnissen  gegen  Wegelagerer  und  jede  Art  von 
Verkehrsstörung.  In  dem  städtischen  Handelsverband,  der  als  Hanse 
den  ganzen  Norden  bis  nach  England  und  Bussland  umschlang,  bildeten 
schliesslich  Westfalen  und  der  Rhein  unter  der  Metropole  Köln  ein 
Verkehrsglied  i^),  beherrschten  Köln,  Münster,  Soest  und  Dortmund  als 
Hauptinteressenten  des  Londoner  Stalhofes  den  deutschen  Handel  in 
England.  Die  Städte  zeitigten  somit  zuerst  einen  Wechselverkehr  der 
profanen  Lebensinteressen,  welcher  weit  über  die  Grenzen  des  eigenen 
und  des  Nachbarlandes  hinauswogte,  sie  traten  dadurch  immer 
wirkungsvoller  als  die' Angelpunkte  der  Cultur  in  den  Vordergrund 
und  sie  haben  auch  die  Pflege  der  Künste  in  die  Hand  genommra 
und  fortgesetzt,  grade  als  die  KlQster  und  Domplätze  dem  Richtscheit, 
Meissel  und  Pinsel  entsagten,  und  von  Frankreijch  eine  neue  Stilart, 
die  Gothik,  herüberkam,  welche  triumphirend  den  einen  Bauplatz  nach 
dem  andern,  die  eine  Kunstgattung  nach  der  andern  den  herkömm- 
heben  Formen  entriss  und  den  ihrigen  mit  unerbittlicher  Gonsequenz 
unterordnete. 

Auch  der  erweiterte  Lebens-  und  Gesichtskreis  vermag  den 
Westfalen  nicht  zu  bestimmen,  so  schnell  und  entschieden,  wie  das 
Rheinland,  dem  neuen  Stile  zu  huldigen ;  fest  verwachsen  mit  dem  Cre- 
wohnten  muss  er  dessen  Formen  erst  gehörig,  man  möchte  sagen,  noch 
an  der  Hand  der  romanischen  Kunst  sich  einüben  und  einprägen,  be- 
vor er  sie  rein  und  lauter  zur  Geltung  bringt,  und  selbst,  wo  er  sie 
beherrscht,  vermag  er  noch  so  wenig  durchgreifend  mit  dem  Alt^  zu 
brechen,  dass  er  neben  seiner  Hallenform  keine  gothische  Basilika 
aufkommen,  die  stolzesten  Thurmbauten,  wie  früher,  ohne  Streben  auf- 
steigen lässt  und  das  Omamentale  schlicht,  aber  klar  handhabt  Und 
welche  Selbstständigkeit,  Werkthätigkeit  und  Meislerschaft  hat  sich 
in  diesem  westfälischen  Baukreise  entwickelt,  zumal  an  den  Glanz- 
punkten Münster,  Dortmund  und  Soest?  Soest,  die  alte,  volk-  und 
verkehrreiche  Stadt  setzt  seine  Bauthätigkeit  auf  der  breiten  GfUnd- 
lage  der  früheren  Zeit  fort,  den  rheinischen  Einflüssen,  so  nahe  sie 
auch  der  rege  Verkehr  mit  Köln  legte,  nur  geringe  Goncessionen 
machend;  in  Dortmund  werden  in   das  von   1296—1506  reichende 


Die  kimsigesobiohtL  Boriehongen  ewisohen  dem  Rheinlande  u.  West&leii.    61 

Bflrgerbach  neben  den  Gewerbetreibenden  und  Kaufleuten  beinahe  Jahr 
i&r  Jahr  Vertreter  der  monumentalen  und  Kleinkünste  eingetragen, 
80  besonders  Steinmetzen,  Zimmerleute  und  Maler,  jedoch  mit  zwei 
Ausnahmen,  sämmtlich  Westfalen;  und  wenn  man  in  der  Heimat 
und  im  Auslande  von  Münster  erzählte,  seine  Liebfrauenkirche,  be- 
gonnen 1340,  sei  von  Johann,  dem  Sohne  des  weltbekannten  Strass- 
burg^  Dombaumeisters  Erwin  von  Steinbach  aufgeführt,  oder  seine 
Lambertikirche,  begonnen  1375,  wäre  von  Tyrolem  erbaut,  so  wollen 
diese  Sagen,  deren  Einzelbestandtheile  entweder  falsch  oder  unerwiesen 
sind,  gewiss  weniger  die  Erinnerung,  dass  die  Gothik  als  fremdländisches 
Gewächs  auch  hier  eingebürgert  sei,  als  die  Thatsache  bestätigen,  dass 
sie  sich  hier  in  Werken  verkörpert  habe,  welche  den  grössten  Meistern 
des  Auslandes  Ehre  machen  könnten.  In  der  That  sahen  diese  beiden 
Eirchenbauten  im  Kleinen,  wie  der  Kölner  Dom  im  Grossen,  als  sie 
eben  ihre  schönen  Glieder  zeigten,  ihre  verkleinerten  Abbilder  rings- 
h&c  auf  dem  Lande  erstehen.  1405  wird  ein  Meister  Kurd  von  Münster 
mit  seinen  Gesellen  zum  Ausbau  des  Rathhaus^  nach  Bremen  be- 
rufen und  der  Meister  der  Albrechtsburg  zu  Meissen  (1471— 1483),  jenes 
«grossartigen  Prachtwerkes^,  Arnold  Bestürling,  war  ein  Westfale'^). 

West&lens  Anhänglichkeit  an  den  romanischen,  Westfalens 
Sdbständigkeit  im  gothiscfaen  Stil  fällt  um  so  mehr  auf,  als  seit  Mitte 
des  13.  Jahrhunderts  Köln  an  einem  basilikalen  Dombau  arbeitete, 
der  an  Grösse  und  Pracht  in  allen  Landen  seines  Gleichen  nicht  sehen 
soDtOy  und  der  noch  als  Torso,  schon  mit  seinem  Haupte,  so  gewaltig 
imponirte,  dass  man  die  schönsten  Bauten  der  Umgegend  nach  seinem 
Vorbilde  anlegte.  Wir  lassen  es  dahin  gestellt,  ob  gewisse  Profilirungen 
der  Beinoldikirche  zu  Dortmund  nach  rheinischen  Mustern  gezeichnet 
sind,  ob  die  beid^  in's  dortige  Lagerbuch  eingetragenen  Steinmetzen 
aus  Kettwig  in  der  Köliier  Hütte  gearbeitet  haben :  Thatsache  ist, 
dass,  wo  Westfalen  durchgehends  einfachere  Grundrisse  liebte,  die 
reichen  Grundrisse  des  Hauptchors  und  der  Seitenchöre  der  Petrikirche 
zu  Soest  unter  dem  überwältigenden  Eindrucke  des  erstehenden  Kölner 
Domchores  gqilant  sind;  und  wahrscheinlich  ist,  dass  man  dort  später 
den  der  Hallenform  eigentlich  fremden  Poppelthurmbau  der  Wiesen- 
kirche rheinischen  Mustern  nachgebildet  hat  Im  Ganzen  bleiben  diese 
Imitationen  ohne  Nachfolge,  und  nur  vereinzelt,  wie  sie  sind,  dürften  west- 
fälische Werkleute  einem  Johann  von  (Dren)Steinfurt  (1368)  nach 
Köln  gefolgt  sein,  die  dortige  Werkhütte  zu  besuchen,  die  Technik 
und  Formhandhabung  für  sich  auszunutzen  ^^), 


52    Die  kanstgeschichtl.  Beziehungen  zwischen  dem  Rheinlande  n.  Weat&len. 

Eine  architektonische  Einwirkung  auf  Westfalen  ging  nicht 
80  sehr  von  Köln,  als  vom  Gievischen  Niederrhein  aus  und  vollzog  sich 
in  einer  modifidrten  Hallenform,  die  weniger  durch  ihre  Schönheit, 
als  durch  ihre  Mittelstellung  zwischen  Hallen-  und  Basilikensystem, 
und  weniger  durch  ihre  Verbreitung,  als  die  Art  dieser  Verbreitung 
unsere  Aufmerksamkeit  erweckt.  Diese  seltsame  Zwitterform  zu  ent- 
wickeln, winkten  einmal  vom  SUden  der  Dom  zu  Köln  und  die  Victors- 
kirche in  Xanten  zu  schön  und  mächtig,  um  die  BasiUkenform  nicht 
als  die  vornehmste  und  üppigste  zu  bewundern,  anderseits  gefiel  in 
der  westfälischen  Nähe  die  einfache  Schönheit  der  Hallenkirche  so 
sehr,  dass  eine  an  Bruchsteinen  arme  Landschaft  sie  schwerlich  hätte 
umgehen  können.  Während  man  der  grossen  Nicolaikirche  zu  Calcar 
ganz  unverkürzt  die  Hallenform  gab,  verzwitterte  diese  sich  mit  der 
Basilika  in  einer  Gruppe  von  Bauten,  als  deren  Mutter  die  1341  be- 
gründete Stiftskirche  zu  Cleve  dem  Alter  wie  dem  Typus  nach  gelten 
dürfte.  Von  ihren  drei  durch  einen  Doppelthurmbau  im  Westen  abge- 
schlossenen Schiffen  erweitern  sich  die  Seitenschiffe  erheblich  über  die 
halbe  Breite  des  Mittelschiffes  und  steigen  so  hoch  empor,  dass  die 
eine  Oberwand  des  Mittelschiffes  nur  mehr  kleine  Oberlichter,  die 
andere  bloss  Blenden  zeigt.  Ein  Kreuzschiff  ist  nicht  mehr  ausgebildet, 
dafür  treten^  wie  zu  Xanten,  die  Chöre  der  Seitenschiffe  bedeutsam 
heraus ;  oder  man  müsste  die  zwei  kleinen,  aus  den  Langwänden  nach 
aussen  gehenden  Kapellen,  wovon  eine  als  Taufraum  dient,  für  eine 
Beminiscenz  des  Kreuzbaues  halten.  Weiter .  entwickelt  finden  wir 
diese  Form  in  der  spätgothischen  Pfarrkirche  zu  Geldern;  denn  hier 
haben  die  Seitenschiffe  mit  dem  Hauptschiffe  annähernd  die  Breite  und 
völlig  die  Höhe  gemein,  den  östlichen  Absc|ilu3s  bilden  drei  Chöre  — 
zwischen  Chor  und  Langhaus  erhebt  sich  ein  stattlicher  Kreuzbau  mit 
weit  ausladenden  Armen,  deren  Gewölbe  jederseits  auf  einem  Pfeiler 
in  der  Flucht  der  Langmauem  ruhen.  In  den  kleineren  Landkirchen 
haben  sich,  von  der  Chorbildung  abgesehen,  die  basilikalen  und  Hallen- 
bestandtheile  so  verbunden,  dass  nur  ein  Westthurm,  keine  Kreuzarme 
geplant,  die  Mittelschiffe  wenig  höher,  ohne  Lichter,  höchstens  mit 
innem  Blenden  emporgezogen  sind:  so  bei  den  Kirchen  zu  Uedem, 
Keppeln  und  theilweise  zu  Weeze.  In  dieser  Umgestaltung  kehrte  das 
Hallensystem  vom  Niederrhein  wieder  nach  Westfalen  zurück,  so  zwar, 
dass  die  grosse  1415  begonnene  Pfarrkirche  zu  Bochold,  die  dem 
Rheine  nächste  und  frühste  dieser  Art,  ähnlich  den  grösseren  Vorbildern 
des  Rheines,  noch  einen  vortretenden  Kreuzbau  erhielt,  die  kleineren 


Die  kunstgeBchiohil.  Beziehungen  zwiM)hen  dem  Rheinlande  u.  Westfalen.    68 

and  spätem  Kirchen  zu  «Ramsdorf,  Senden  und  Greven,  ähnlich  den 
kleinem,  dem  Rreuzbau  entsagen,  in  allen  drei  Schiffen  wohl  dieselbe 
Känipferhöhei  aber  in  den  Abseiten  niedrigere  Gewölbe,  hohe  mit  dem 
Gesimse  wohl  durchs  Dach  schauende  Oberwände  und  demgemäss  licht- 
arme Gewölbe  des  Mittelschiffes  zeigen.  Nichts  Angenehmeres  kann 
es  für  den  Forscher  geben,  als  eine  Erscheinung,  wie  diese  Bauform, 
hier  stufenweise  aufkommen  und  doi;thin  in  regelmässiger  Folge  von 
Zeit  und  Ort  überspielen  zu  sehen;  denn,  wie  diese  Form  von  Cleve 
aus  am  Niederrhein  die  Runde  macht,  so  nimmt  sie  von  der  west- 
fälischen Grenzstadt  Bochold  eine  fast  nordöstliche  Richtung  auf 
Münster  (Greven),  als  ob  die  Baumeister  sie  vom  Westen  immer  weiter 
ins  Land  hineingetragen  hätten.  Sie  steht  ästhetisch,  weil  ein  Mittel- 
ding,  den  ausgebildeten  Formen  nach,  sie  hat  nur  eine  locale  und 
ephemere  Bedeutung,  sie  erscheint  als  ein  Auswuchs  der  haltlosen  und 
schwankenden  Spätgothik,  welcher  der  ernste  Geist  der  Construction 
abhanden  gekommen  und  desshalb  jede  Neuerung  lieb  war.  Indem  so 
am  Ende  Stil  und  Formen  in  sich  selbst  entarteten,  konnten  am 
Niederrh.ein  wie  im  benachbarten  Münsterlande  (Stadtlohn,  Buldera, 
Darup)  noch  andere  abnorme  Gestaltungen  zu  Tage  treten,  welche  im 
Allgemeinen  ein  niedriges  Seitenschiff  (an  der  Nordseite),  in  der  nörd- 
lichen Oberwand  keine,  in  der  südlichen  Langwand  des  Hauptschiffes 
um  so  grössere  Lichter  erhielten,  und  im  Besondem  so  viele  Ver- 
schiedenheiten darstellten,  dass  diese  schwerlich  unter  einen  allge- 
meinen Begriff  zu  befassen  sind. 

Mit  so  schwachen  Gaben  mochte  auch  der  Rhein  seine  alten 
Verbindlichkeiten  gegen  Westfalen  nicht  abtragen  —  erfreulicher  und 
epochemachender  wirkte  die  Kölnische  Malerschule  ein,  und  Westfalen, 
wo  im  14.  Jahrhundert  die  Malerei  einen  Ruf  hatte,,  dass  ein  Meister 
Philipp  Herman  (f  1392)  von  Münster  die  älteren  Glasgemälde  des 
Domes  zu  Metz  fertigte  ^°),  hätte  gewiss  seine  heimische  Weise  der 
Kölnischen  nicht  so  willig  geopfert  oder  angeschlossen^  wenn  beide 
lÄnder  durch  die  neue  Kunstauffassung  nicht  die  zartesten  Saiten 
ihrer  Seelenstimmung  gemeinsam  berührt  gefunden  und  darin  nicht 
gleiche  Fühlung  gehabt  hätten.  Freilich  war  sie  schon,  als  Meister 
Philipp  Herman  in  Metz  malte,  so  überwältigend,  so  reizend  in 
Köln  bethätigt,  dass  sie  von  dort  die  auswärtigen  Schulen  entweder 
neben  sich  in  den  Schatten  stellte  oder  zur  Nachfolge  einlud ;  denn 
gestützt  auf  eine  uralte  Schild-,  Wand-,  Glas-  und  Büchennalerei,  in 
den  Mitteln  und  Anschauungen  bereichert  von  dem  bunten  Weltverkehr 


/ 


64    Die  kunstgeschichtl.  Beziehungen  Ewiiohen  dem  Rheinlande  u.  Westfalen. 

ZU  Wasser  und  zu  Lande,  beherrschte  die  reiche,  schöne,  heilige  Stadt 
den  ergiebigsten  Boden,  uin,  wie  in  der  Architektur,  nun  auch  in  der 
Malerei  Epochemachendes  zu  leisten  und  grade  in  der  Tafelmalerei 
Form,  Idee  und  Farbe  zu  den  hehrsten,  innigsten  und  mildesten  Dar- 
stellungen zu  vermählen. 

Im  zweiten  Viertel  des  14.  Jahrhunderts  culminirte  diese  in  ver- 
schiedenen Schulen  geübte  Malweise  in  dem  Meister  Wilhelm,  der 
schlechtweg  als  der  „beste  Maler  in  allen  deutschen  Landen'^  als  der 
Meister  aller  Meister  gepriesen  ward,  und  so  wenig  befangen  künst- 
lerten  diese  Schulen  weiter,  dass  sie  bereits  vor  1449  auch  die  Oel- 
malerei^O  angenommen  hatten.  Dem  Zauber  der  Kölnischen  Gemälde 
unterwarfen  sich  Bildhauer,  Steinmetzen,  Schnitzer  und  nicht  minder 
die  Miniaturmaler  welche  sich  sonst  so  gerne,  unbekümmert  um  jeden 
Stilzwang,  in  den  freisten  und  heitersten  Launen  und  Einfällen  ergingen. 
Denn  das  verleiht  überhaupt  dem  mittelalterlichen  Kunstleben  einen 
eigenthümlichen  Beiz,  dass  bei  dem  nahen  Verbände  aller  Zweige  der  eine 
von  dem  andern  lernte,  fast  dessen  Stil  annahm,  wenn  er  ^ch  hervor- 
gethan  hatte ;  hat  man  doch  auch  nach  Siegeln  gemalt  und  geschnitzt 
und  die  Siegelbilder  wieder  nach  freien  Bildwerken  bearbeitet  1 

Die  Westfalen  sind  vielleicht  die  Ersten  gewesen,  welche  die 
heimische  Malweise  der  Kölnischen  näherten,  weil  diese  mit  ihrem 
hehren  Idealismus  der  zartesten  Seite  des  westfälischen  Herzens  ent- 
sprach. Noch  nicht  erklang  der  Name  des  Meisters  Wilhelm  durch 
die  deutschen  Ateliers  —  1320  schon  malt  in  Köln  ein  Johann  von 
Münster,  und  wie  schnell  ihm  andere  Landsleute  folgten,  um  entweder 
dort  oder  heimgekehrt  ihr  Vaterland  mit  den  idealen  Gebilden  des 
Rheines  zu  zieren,  das  zeigen  wieder  Tafelgemälde  zu  Soest.  Diese 
Stadt,  mit  der  rheinischen  Metropole  bis  tief  ins  15.  Jahrhundert  auch 
politisch  aufs  engste  verknüpft,  hatte  ihr  im  Handel  und  Kunstleben 
so  rüstig  nachgestrebt;  dass  sie  sich  der  ältesten  Staffeleigemälde 
Deutschlands  rühmen  kann,  und  sie,  welche  der  Kölnischen  Gothik  so 
bald  ihren  Weihrauch  streute,  schmiegt  sich  auch  zuerst  mit  ihrer 
Malerei  der  rheinischen  Auffassung  an.  Bald  ist  diese  im  ganzen 
Westfalenlande  zu  Hause,  und  immer  zahlreicher  erglänzen  die  Bilder 
mit  den  hellen  Farben,  mit  den  weich  gebogenen  Gestalten,  langen, 
gefältelten  Gewändern,  den  ovaleu  Köpfchen,  sanft  gerundeten  Kinnen, 
fein  gezogenen  Nasenrücken,  längen  Händen,  den  mandelartigen  Augw, 
mit  dem  hochgewölbten  Munde,  kurzum  mit  dem  holdseligen  wie  aus 
einer  andern  Welt  schauenden  Antlitz  —  und  alle  diese  Schönheiten 


Die  konstgeooliiohtL  BenehaiigeD  swiMhen  dem  Rheinlande  u.  WeiÜBden.    (5 

treten  von  dem  goldenen  Hintergrande  nur  um  so  deatUbher  hervor. 
Prägnant  machen  sie  sich  geltend  an  dem  reichen  Bildercyclus  des  um 
1400  bemalten  Missale  der  Bibliothek  zu  Münster,  sie  ziehen  noch 
1442  einen  Maler  Gerhard  von  Soest  nach  Köln^^),  sie  klingen  bis  1479 
nach  in  den  zahlreichen  Mihiatttren  der  westfälischen  Fraterherren,  sie 
leihen  den  1465  geweihten  Altarbildern  des  Liesbomer  Meisters  eine 
merkwürdige  Anziehungskraft,  indem  darin  sonst^  nach  den  paar  con- 
tinentalen  Resten  zu  urtheilen,  die  kräftigere,  festere  Farbe,  der  mar- 
kirte  Gesichtsausdruck,  das  betonte  Costüm  und  die  opulenten  In- 
terieurs die  Einflüsse  der  niederländischen  Schule  deutlicher  aussprechen, 
als  bisher  gegenüber  dem  Kölnischen  Idealismus  hervorgehoben  wurde. 
Da  erst  nach  ihrer  Aufstellung  beim  Kloster  Räume  pro  variarum 
artium  exercitatione  eingerichtet  wurden,  so  hat  sie  wohl  kein  Lies- 
bomer, am  wenigsten  ein  Mönch  mehr  geschaffen,  nur  so  viel  ist 
sicher,  sie  haben  einen  Meister  altkölnischer  Richtung,  der  sich  mit 
der  niederländischen  Aufiiassung  vertraut  gemacht  hatte:  ob  einen 
Niederlä<idery  Kölner  oder  Westfalen,  muss  spätem  Funden  überlassen 
werden*®). 

Wir  müssen  auch,  da  wir  die  genauere  Zeit  und  das  Werk  nicht 
mehr  kennen,  darauf  verzichten,  die  Stilweise  des  Kölner  Malers  Wil- 
helm von  Grevenbroch  zu  charakterisiren,  von  dem  J.  D.  von  Steinen 
nur  Folgendes  mittheilt :  „Wilhelm  von  Grevenbroch,  so  im  fünfzehnten 
Jahrhundert  gelebt  und  ein  Bürger  und  Glasschreiber  zu  Köln  ge- 
wesen, hat  (ohne  Zweifel  durch  Gelegenheit  des  Glasmalens)  ein  schön 
Wappenbuch  zusammengetragen,  darinnen  1500  mehrentheils  Gülichsche, 
CöUnische,  Bergische  und  Märkische  Adelige,  auch  Wappen  von  König- 
reichen, Königen,  Fürsten,  Grafen,  Bisthümem,  Städten  u.  s.  w.  mit 
ihren  Farben  und  Helmzierden  anzutreffen.  Ich  habe  es  von  dem 
Freiherra  von  und  zu  Bodelswing,  Gerichtsherren  zu  Mengede  etc. 
zum  Gebrauche  und  daraus  nicht  geringen  Nutzen  gehabt 

Wahrscheinlich  unter  dem  Eindrucke  der  Kölnischen  Schule 
hatte  sich  in  Westfalen  mit  dem  15.  Jahrhundert  die  Zahl  der  Ateliers 
für  Maler  und  der  ihnen  nachbildenden  Schnitzer  so  vermehrt,  die 
Technik,  die  Formgebung  so  vervollkommnet,  dass  Münster,  Osnabrück, 
Dortmund,  Soest,  (Paderbom,)  vielleicht  auch  die  Kleinstädte  Meister 
besitzen,  denen  von  nah  und  fern  die  ehrenvollsten  Aufträge  werden. 
Nahm  doch  1474  König  Christian  von  Dänemerk  von  einer  Rheinreise 
den  westfälischen  Bildhauer  Daniel  Aretäus  mit  an  seinen  Hof,  kann 
doch  die  westfälische  Kunst  bald  am  Rheine  mit  rheinischen  und 


56    Die  kunstgeBchiohtl.  Beziehungen  zwischen  dem  Rheinlande  u.  WestfjEJen. 

niederländischen  Arbeiten  v^etteifem.  Die  drei  oder  vier  Decennien 
vor  und  nach  1500  bezeichnen  ohne  Frage  den  Höhepunkt  west- 
fälischer Bildnerei  und  Malerei,  wenn  man  auf  Technik,  Kunstfleiss, 
auf  eine  gewisse  Rettung  des  idealen  Gehalts  und  den  Buf  sieht;  dessm 
sich  ihre  Meister  innerhalb  und  ausserhalb  der  Heimath  erfreuten. 
Als  die  Achse  dieser  hehren  Bestrebungen  Westfalens  ragt  die  Stadt 
Münster  glänzend  hervor.  Die  den  Bhein-  und  Niederlanden  nahe 
Lage,  .ein  stolzes  reiches  Bürgerthum,  ein  weitverzweigtes  Handelsnetz 
und  eine  nicht  minder  in  allen  Zweigen  und  Phasen  bethätigte,  noch 
in  manchen  Monumenten  bewunderungswürdige  Kunstübung  hatten  ihr 
längst  den  Namen  der  westfälischen  Metropole  gesichert,  als  ihr  der 
gesteigerte  Wechselverkehr  der  Länder  im  15.  Jährhundert  Gelegenheit 
gab,  das  Licht  ihres  idealen,  geistigen  und  künstlerischen  Vermögens 
in  weitere  Fernen  strahlen  zu  lassen.  Hier  malten,  um  vorläufig  nur 
von  der  Kunst  zu  reden,  die  Fraterherren  nicht  nur,  hier  wurden  alle 
Künste  so  ruhmreich  betrieben,  dass  der  vielgereiste  Humanist  Johannes 
Murmellius  1503  in  dithyrambischem  Lobe  von  Münster  behauptet, 
es  stehe  durch  der  Künste  Vielzahl  Athen  gleich**). 

Rheinland  und  Westfalen  erleben  nun  ein  se  reges  Hin-  und 
Hergehen  von  Künstlern  und  Stilweisen,  und  diese  hangen  wieder  so 
innig  zusammen  mit  ausländischen  Einflüssen,  dass  wir  von  dem  Leiben 
und  Leben  dieser  gegenseitigen  Strömungen  nur  eine  dunkele  Vor- 
stellung bekommen  würden,  wenn  wir  nicht  die  allgemeingeschichtlichen 
Fäden,  wovon  dieselben  durchwebt  sind,  einigermassen  entwirren  und 
klar  legen.  Dabei  haben  wir  von  vornherein  die  Niederlande  mit  ins 
Auge  zu  fassen.  Ihrer  realistischen  Malweise  öffnen,  vom  Süden  abge- 
sehen, die  rheinisch-westfälischen  Ateliers  immer  weiter  die  Thore,  und 
wenn  dieser  tiefgreifenden  Kunstwandlung  auch  allerwärts  der  allmählig 
veränderte,  auf  das  Leben  und  die  Wirklichkeit  gerichtete  Geist  der  Zeit 
entgegenkam,  äusserlich  wurde  sie  dadurch  ermöglicht,  dass  gerade  seit 
der  Mitte  des  15.  Jahrhunderts  die  Niederlande  mit  dem  Rheine  und 
Westfalen  eine  allseitige,  sich  sogar  auf  die  Schrift  erstreckende,  Gul- 
tureinheit  ausmachten,  und  dass  darin  das  eine  Land  die  Vortheile  und  die 
nachahmenswerthen  Leistungen  des  andern  so  leicht  ausbeuten  konnte, 
wie  nie  zuvor.  Dahin  wirkten  ausser  den  alten  Handelsbeziehungen 
eine  Reihe  von  Fehden,  Bündnissen,  und  Friedensverhandlungen,  in 
denen  Gelderland,  Utrecht,  die  Länder  des  Niederrheins  mit  Köln, 
Münster  und  andere  westfälische  Herrschaften  sich  freundlich  oder 
feindlich  berührten,   die  einen   das  Interesse   der  andern  vertraten, 


Die  knuBigeBCliicfatl.  Beziehungen  zwischen  dem  Rheinlande  ii.  Westfalen.    57 

deren  Länder  kennen  lernten,  oder  worin  sie  gar  mit  einander  be- 
stimmte Verkehrsverträge  schlössen.  Schon  der  Vergleich,  wodurch 
der  Münsterische  Bischof  Heinrich  von  Mors  1445  die  Zwistigkeiten 
mit  seinem  Utrechter  Amtsgenossen  Budolf  beendete^  sicherte  vor 
Allem  den  gegenseitigen  Verkehr  and  Handel  für  die  holländischen 
Städte  OMensal,  Campen,  ZwoUo  und  Deventer,  und  von  diesen  Städten 
werden  uns  die  drei  letztem  als  Stütz-  und  Ausgangspunkte  hollän- 
discher Kunst  wieder  begegnen.  Die  schon  1444  angezettelte  Soester 
Fehde  führte  die  Kölner,  die  Clever  und  ihre  Bundesgenossen;  theils 
als  Freunde,  theils  als  Feinde,  ins  Herz  Westfalens  und  die  ihr  auf 
dem  Fusse  gefolgte  Münsterische  wirbelte  wieder  die  Kölner  und  die 
niederrheinischen  Streitkräfte  mit  allen  guten  und  schlechten  Folgen 
durch  das  Münsterland  und  zog  gegenseits  die  Westfalen  wieder  zu 
Verträgen  aufs  rheinische  Gebiet,  so  dass  namentlich  die  Ausländer 
von  der  Westhälfte  Westfalens,  vom  Lande,  von  den  blühenden  Städten 
und  Städtchen,  von  deren  alitäglichen  und  idealern  Betrebungen 
Augenschem  nehmen  konnten.  Und  etwa  dreissig  Jahre  später  (1474) 
ziehen  die  Münsteraner,  ihr  Bischof  Heinrich  an  der  Spitze,  an  den 
Rhein,  um  sich  mit- Karl  dem  Kühnen,  dem  ehrgeizigen  Herzog  von 
Burgund,  zu  messen.  Wer  einem  Kriege  auch  noch  so  wenig  gute 
Folgen  zutrauen  will,  wird  nicht  im  Ernst  bestreiten,  dass  selbst  der 
Feind,  falls  er  nicht  alles  Menschengefühl  abgeworfen,  in  Feindeslande 
das  Gute  und  namentlich  die  bildenden  Künste  mit  Empfänglichkeit 
auf  sich  wirken  lassen  kann. 

Wirksamere  Hebel  des  Culturaustausches  hat  allerdings  der 
Frieden,  und  als  die  eifrigsten  Pfleger  des  ersteren  haben  sich  für  alle 
drei  Landschaften  die  Fraterherren  Verdienste  erworben,  die  bis  jetzt 
nur  zu  beiläufig,  wenigstens  nicht  allseitig  gewürdigt  sind.  Diese  an- 
spruchslosen Geistlichen  hatten  sich  in  der  zweiten  Hälfte  des  14.  Jahr- 
hunderts in  Nordholland  zu  einer  Genossenschaft  zusammengethan^  von 
dort  am  Ilheine  und  in  Westfalen  in  mehreren  Häusern  ausgebreitet,  um 
neben  tief  religiösen  Uebungen  den  Wissenschaften  obzuliegen,  Bücher 
abzuschreiben  und  kunstreich  mit  Miniaturen  grossen  Stiles  zu  be- 
male. In  Deventer  übernahmen  sie  auch  die  Capitelschule  und  be- 
gründeten die  humanistische  Bildung,  jenes  Ferment,  welches  geraume 
Zeit  die  erleuclitetsten*  Köpfe  diesseits  wie  jenseits  der  Alpen  zu  ge- 
meinsamer grossartiger  Geistesthätigkeit  vereinte.  Während  nun  die 
Fraterherren  vom  Rheine  und  Westfalen  mit  ihren  holländischen 
Bruderhäusem   eine  auch  ihren  Kunststil  gewiss  anregende  Fühlung 


68    Die  kttostgeschichtl.  Beziehungen  swisohen  dem  Rheinlande  n.  Westfalen. 

hielten,  Yerbreiteten  sich  in  den  deutschen  Nachbarländern  die  Huma- 
nisten und  Humanistenschulen  vom  Süden  und  besonders  von  Holland 
aus  und  eröffneten  für  die  drei  Länder  ein  Netz  des  geistigen  Verkehrs, 
das  in  Deventer,  Münster  und  Köln  seine  Knotenpunkte  hatte.  Köln 
fällt  als  Sitz  einer  Universität,  vieler  und  theilweise  sehr  regsamer 
Klöstef,  Gelehrten  und  Buchhändler  für  das  Rheinland  aufs  schwerste 
in  die  Wagschale  und  wird  von  den  grössten  Humanisten,  auch  von 
Rudolf  von  Langen  mit  allem  dichterischen  Preise  erhoben.  Münster 
hatte  seine  humanistische  Domschule  mit  den  trefflichsten  Lehrern  und 
an  deren  Gründer,  Rudolf  von  Langen,  einen  Vertreter  der  Bildung, 
den  die  Humanisten  von  nah  und  fern  aufsuchten  und  wegen  seiner 
Verdienste  im  überschwänglichsten  Lobe  feierten.  Von  allen  Seiten 
strömte  hierher  die  wissensdurstige  Jugend  und  radienförmig  ging  sie 
zum  Lehren  und  Schulgründen  wieder  in  die  westfälischen  Städte  und 
weiter  bis  nach  dem  Osten  und  Süden  Deutschlands  zurück.  Und 
Deventer  hatte  fast  alle  die  Grössen  geschult,  welche  dem  Humanis^ 
mus  in  Westfalen  und  Rheinland  Boden  und  Dauer  verschafften^^}. 
Von  hier  nach  dort  und  *  umgekehrt  kamen  die  Gelehrten,  ihre  lite- 
rarischen Producte,  die  meisten  neuen  Presserzeugnisse:  ist  es  denkbar, 
dass  solchen  regen  Geistesströmungen  nicht  auch  Künstler  und  Kunst« 
motive  von  einem  Lande  ins  andere  gefolgt  seien? 

Wie  wenig  man  im  Spätmittelalter  an  die  Scholle  gebunden, 
wie  gern  man  in  einem  fremden  Wirkungskreise,  wie  unglaublich  der 
Zug  zu  andern  Gegenden  und  neuen  Stellungen  war^  davon  gibt  allein 
die  Gulturgeschichte  Westfalens  schlagende  Belege  um  das  Jahr  1500. 
Nicht  nur  dass  Mönche  von  Trier  und  Köln  in  westfälische,  die  West- 
falen in  rheinische  Ordensklöster  traten  oder  als  Weltpriester  in  Köln 
und  Holland  ihren  Wirkungskreis  fanden,  dass  der  buchhändlerische 
Erwerb  diesen  hierhin,  jenen  dorthin  lockte  und  das  capitelsfähige 
Kind  oft  mit  einer  fernen,  auswärtigen  Pfründe  vorlieb  nahm  — der 
Westfale  Rolevinck  kann  als  Karthäuser  in  Köln  1478  von  dem  Aposto- 

lat  seiner  Landsleute  behaupten :  „Gesetzt  der  Dienst  und  die 

Arbeit,  welche  die  Westfalen  in  der  Welt  verrichten,  hörte  auf:  ich 
glaube,  dann  werden  alsbald   gewaltige  Klagen  unter  den  Menschen 

entstehen.    Wie   viele  Klöster würden   eingehen;    wie   viele 

Städte  würden  bei  schweren  Geschäften einen.  Rückgang  ver- 
spüren; wie  mancher  Prälat  würde  ein  minder  gutes  Bett  und  Ross 

besteigen;  wie   viele  Schiffe  blieben  im  Hafen  zurück; wie 

viele  Kirchen,  Collegien,  Hospitäler,   Klöster,  Prälaturen  würden  die 


Die  konstgeschiobtl.  BeEiehongen  swisohen  dem  Rheinlande  u.  Westfalen«    69 

hergebrachten    Hülfeleistungen    bei    mehreren    Nationen    entbehren 

müssen  I Heutzutage,   erzählt   er  im   weitem  Verlaufe,  hat 

(Westfalen)  selbst  keine  Universität,  allein  ob  es  in  der  Christen- 
heit eine  gebe,  wo  sich  kein  West£ale  findet,  möchte  ich  nicht  be^ 
haupten Dieser  durchforscht  die  tiefen  Geheimnisse  der  Theo- 
logie, jener  liegt  dem  kanonischen,  jener  dem  bargerlichen  Rechte  ob, 
ein  anderer  den  medicinischen  Studien,  noch  andere  wenden  ihren 

Eifer  den  Künsten,  der  Poesie,  der  Geschichtskunde zu/'    In 

einem  auswärtigen  Kloster 'findet  er  fünf  Westfalen  mehr  als  die  Hälfte, 
in  einer  auswärtigen  Provinz  fast  ein  volles  Drittel,  in  Venedig  einen 
Geldaristokraten  aus  Westfalen'^). 

Wenn  so  mannigfache  Fäden  des  Verkehrs  unfehlbar  die  geistigen 
wie  die  materiellen  Errungenschaften  der  drei  Nachbarländer  zum 
Gemeingut  machen  mussten,  so  thaten  die  alten  Handelsverbindungen 
und  die  Presse  das  Ihrige,  diesen  Austausch  so  zu  beschleunigen,  wie 
es  einer  Zeit  ohne  Eisenbahnen  und  Telegraphen  nur  möglich  war, 
und  darum  hat  für  uns  das  Fluctuiren  der  Stilweisen  und  der  aus- 
ländischen Kunst  nichts  Bäthselhaftes  mehr. 

Dem  idealen  und  anhänglichen  Wesen  der  Westfalen  hatte  die 
altkölnische  Kunstrichtung  es  zu  verdanken,  wenn  sie  auf  der  rothen 
Erde  so  lange  dem  niederländischen  Realismus  widerstand,  dann  sich 
mit  ihm  glücklich  verband;  dieser,  dass  er  nach  seinem  Siege  nicht 
so  leicht  in  alP  die  Manierirtheiten,  Härten  und  Verzerrungen  verfiel, 
wie  anderswo.  Freilich  forderte  der  schnelle,  der  Wirklichkeit  zutrei- 
bende, Zeitpulsschlag  auch  hier  am  Ende  seine  Rechte  für  die  ihm 
wahlverwandte  Weise  der  Eyckschen  Schule,  für  die  brillante  Technik, 
für  das  Eingehen  auf  die  kleinsten  Details  und  Stimmungen  im  Menschen 
und  NaturlebeUy  —  doch  bei  dem  Liesbomer  Meister  und  den  Fraterherren 
schliesst  diese  mit  der  Kölnischen  ndch  einen  freundlichen  Compromiss. 
Auf  zwei  Wegen  drang  der  Eycksche  Stil  nämlich  immer  nach- 
haltiger in  Westfalen  ein,  einmal  von  den  Niederlanden,  sodann  auf 
dem  Umwege  des  deutschen  Holzschnitts.  Brügger  KünsÜer  hatten 
schon  1461  prächtige,  1723  im  Brande  meistens  untergegangene,  Glas- 
gemälde für  die  Kirche  in  Unna  geliefert,  Bürger  in  Ahlen  bestellten 
damals  ein  Bildwerk  auf  den  Hochaltar  fttr  das  dortige  Schwesternhaus 
direct  in  Antwerpen,  und  wie  lange  mochten  die  Gemälde  Francos  von 
Zütphen  im  Dome  zu  Münster,  um  mit  einem  Augenzeugen  zu  reden, 
angestaunt  sdn,  als  die  Wiedertäufer  sie  durchlöcherten'^).  Trotzdem 
wäre  dem  neuen  Stil  der  Sic^  nicht  so  leicht  geworden,  wenn  er  nicht 


€0    Die  kuiiaigeschioIiU.  Beziehungen  zwischen  dem  Rheinlande  u.  Westfalen. 

allmälig  Hülfe  uud  Verbreitung  gefunden  hätte  in  den  Holzschnitten 
und  sich  darin  das  Auge  des  Publicums  befreundet  und  es  dem  alten 
Stile  entwöhnt  hätte.  Holzschnitt  und  Druck  hingen  doch  ursprüng- 
lich grade  in  Holland  enge  zusammen  und  es  konnte  nicht  fehlen, 
dass  jener,  nachdem  der  Druck  durch  Gutenbergs  Erfindung  der  be- 
weglichen Type  einen  gesonderten  Weg  zu  seiner  Vervollkommnung 
eingeschlagen  hatte,  auch  seinerseits  einen  freiem  schönem  Anflug 
nahm,  und  beide  allmählig  wieder  so  zusammengingen,  dass  der  Holz- 
schnitt erst  in  Verbindung  mit  der  Miniaturmalerei,  dann  allein  das 
vornehmste  Mittel  wurde,  um  einem  vollendeten  Drucke  zugleich  eine 
kunstreiche  Ausstattung  zu  geben.  Buchhändler,  Gelehrte  und  Künstler 
überraschten  das  Publicum  mit  jenen  opulenten  Ausgaben,  welche  mit 
ihren  einfachen  oder  colorirten  Holzschnitten  einen  solchen  Duft  der 
Schönheit  verbreiteten,  dass  sie  zugleich  Musterbücher  fßr  Bildhauer, 
Maler,  Decorationsmaler  und  Kleinkünstler  wurden.  Es  stellten  sich 
die  vor  einigen  Jahren  entblössten  Gewölbc-Decorationen  der  Kirche 
zu  Bennighausen  bei  Lippstadt,  welche  inschriftlich  in  den  zwanziger 
Jahren  des  16.  Jahrhunderts  gemalt  waren,  beim  ersten  Vergleich  als 
freie  vergrösserte  Uebertragungen  der  Holzschnitte  heraus,  womit 
Koelhof  1499  stellenweise  seine  „Gronica  van  der  hilliger  Stadt  van 
Coellen^'  verziert  hat;  und  ebenso  weist  die  Madonnenauffassung  des 
Muttergottesaltars  zu  Galcar  mit  der  Sibylle  und  dem  Kaiser  Augustus 
offenbar  auf  die  1492  zu  Nürnberg  gedruckte  Chronik  des  Hartmann 
Schedel  zurück;  diese  ist  auch  ein  wahres  Musterbuch  der  verschie 
densten  Decorationen  und  figürlichen  Bildwerke  ^^). 

Keinem  Druckort  verdankt  Westfalen  so  viele  Bücher  und  Bücher- 
holzschnitte,  wie  Köln,  wo  die  Koelhof  s,  Terhoernen's,  Quentel's  u.  A. 
in  Nichts  ihren  Concurrenten  zu  Strassburg,  Augsburg,  Basel,  Nürn- 
berg, Wittenberg,  Deventer,  Paris  u.  s.  w.  nachstehen  wollten.  An  dem 
Ruhme  der  Kölner  Presse  oder  vielmehr  des  Kölnischen  Bücherholzschnit- 
tes hat  Westfalen  einen  gewissen  Antheil,  falls  nämlich  die  sonderbaren, 
unglücklich  realisirenden  Holzschnitte  der  seltenen  deutschen  und 
zuerst  mit  diesem  Sehmucke  bereicherten  Bibel,  welche  etwa  1472  bis 
1474  in  Köln  die  Presse  verliess,  von  Johann  von  Paderbom,  oder  wie 
J.  Niesert  annimmt,  von  Israel  von  Meckenen  aus  Bochold  stammen  *'). 
Es  lag  doch  nahe,  dass  die  Gegend,  welcher  Sprache  und  Ueber- 
Setzung  angehörten,  auch  die  Bilder  lieferte.  Wie  dem  auch  sei,  That- 
sache  ist,  dass  die  älteren  Bücherholzschnitte  schnell  den  niederlän- 
dischen Typus  annahmen,    die    Bildnerei   und  Kleinkunst   für  ihre 


Die  knnstgeschicbtl.  Beziehungen  zwischen  dem  Rheinlande  u.  Westfalen.    61 

Formen  gewannen,  und  dass  die  Ateliers  in  Westfalen  der  neuen 
Kunstrichtung  immer  mehr  Rechte  einräumten,  seitdem  sie  unmittelbar 
von  den  Niederlanden  aus  in  grösseren  Gemälden  und  massenhafter 
durch  den  deutschen  Bücherholzschnitt;  zumal  den  Kölnischen,  in  allen 
Richtungen  das  Land  durchzog. 

So  verschiedene  Kunstströmungen  stiessen,  weit  entfernt,  der 
Kunstübung  überhaupt  zu  schaden,  vielmehr  in  Westfalen  auf  einen 
so  empfänglichen  Boden  technischer  Geschicklichkeit  und  soliden  Kunst* 
fleisses,  dass  die  Uebergäuge  zu  den  neuen  Stilweisen,  wohin  sie  auch 
fahrten,  leicht  gefunden  und  die  Meister  ihnen  so  bald  gerecht  wurden, 
dass  sie  davon  am  Niederrhein  Proben  ablegen  konnten.  Wieder  ist 
es  das  Clevische  Land,  und  speciell  die  Stadt  Calcar,  wo  sich  ihnen 
das  Feld  der  ehrenvollsten  Anerkennung  und  Aufträge  eröffnete.  Noch 
mochten  die  Traditionen  der  altromanischen  Beziehungen  nicht  ganz 
verklungen  sein;  jetzt  war  grade  die  Hallenform  in  ihrer  Spielart  auf 
dem  Rückwege  nach  Westfalen,  war  die  wiederholte  politische  Be- 
rührung beider  Länder  noch  in  lebhafter  Erinnerung,  der  Verkehr  der 
Humanisten  bereits  begonnen,  Rudolf  von  Langen  selbst  am  Hofe  des 
Herzogs  Johann  von  Gleve  gewesen.  Kein  Wunder,  dass  neben  den 
besten  Meistern  der  Heimath  und  der  Niederlande  auch  die  tüchtigen 
Kräfte  Westfalens  unmittelbar  in  Betracht  kamen,  andere  Einflüsse, 
wie  die  Burgundischen,  am  Clever  Hofe  zurücktraten,  wenn  es  galt, 
eine  Kirche,  wie  jene  zu  Calcar,  .mit  den  schönsten  Werken  auszu« 
statten.  Stets  war  diese  Stadt  Gegenstand  besonderer  Fürsorge  der 
Glevischen  Landesherren  oder  vielmehr  der  Clevischen  Landesväter  und 
auf  deren  Betreiben  sogar  im  15.  Jahrhundert  eine  Zeit  lang  Sitz 
eines  Bischofs  gewesen,  und  sie  wusßte  nun  die  Ueberschüsse  ihrer 
Gewerbethätigkeit  und  ihres  Handelsverkehres,  der  über  einen  Ganal 
zum  Rheine  und  zu  den  Seeländern  bis  Danzig  hin  führte,  nicht  besser 
zu  verwenden,  als  dass  sie  die  grosse  Pfarrkirche  mit  den  pracht- 
vollsten Kunstwerken  ausstattete.  Was  hier  an  Altären,  Altaraufsätzen, 
Chorstühlen,  Gemälden,  an  decorativen  Architekturen  und  kunstvollen 
Metallarbeit^n  seit  der  zweiten  Hälfte  des  15.  Jahrhunderts  bis  über 
hundert  Jahre  später  geschaffen  ist,  das  bezeugen  noch  heute  die  gross- 
artigsten Ueberbleibsel  und  besonders  die  einzig  stolze  Reihe  von 
Schnitzaltären  und  Gemälden.  Auf  die  rührigsten  Jahre  von  1486  bis 
1500  werfen  die  Rechnungen  der  Liebfrauen-  und  St.  Annenbruder- 
schaft ein  höchst  erfreuliches  Licht;  sie  ergeben,  wie  vorsichtig  man 
Form  und  Grösse  der  Werke  bestimmte,  die  qualificirtesten  Meister 


62     Die  knnstgeflohichtL  Besiehungeii  zwisohen  dam-  Rheialande  u.  WeiifiAlaiL 

auswählte,  welche  Grundfiätze  dabei  leiteten,  wie  wenig  man  Reisen  und 
Kosten  deshalb  scheute.  Diese  weittragenden  Eunstangelegenheiten  be- 
sorgten anscheinend  unter  Zuziehung  der  Pfarrer  die  beiden  Bruder- 
schaften durch  ihre  Provisoren,  die  Stadt  durch  den  BOrgenneister ; 
das  Holz  für  Altäre  und  Schnitzwerke  wird  roh  oder  geschnitten  von 
Galcarschen  oder  Kölnischen  Holzhändlem,  nicht  selten  in  Amsterdam, 
Campen  und  Nymwegen  angekauft,  zumeist  aber  von  der  Huld  des 
Herzogs  geschenkt^  für  die  Arbeiten  den  Meistern  auch  wohl  das  j,voirt 
rede  to  maeken^'  empfohlen.  Nachdem  schon  kleinere  Kunstsachen  be- 
schafft oder  in  Arbeit  gegeben  waren,  besieht  man  1488  zu  Wesel  auf 
der  Matema  eine  (Altar)  Tafel  und  gibt  Arndt  von  Lorenwert,  wahr- 
scheinlich deren  Meister,  eine  ähnliche  in  Auftrag,  sodann  besichtigt 
man  auf  den  Rath  Lorenwerts  andere  Tafeln  zu  Zütphen  und  Deventer 
und,  nachdem  man  Meister  Arndt  den  „Beldensnider"  von  Zwolle  zu 
Rathe  gezogen  hat,  wird  eine  neue  Arbeit  dem  Meister  Gaert  Hartoch, 
der  die  dortigen  Musterwerke  schon  im  Voraus  in  Augenschein  nehmen 
musste,  verdungen.  Jener  Arndt  von  ZwoUe,  welcher  also  einen  ge- 
wissen leitenden  Einfluss  bei  den  Galcarschen  Kunstbestellungen  aus- 
übt, hatte  bereits  vor  1487  grössere  Arbeiten  und  namentlich  ein 
nacktes  Ghristusbild  für  das  Grab  auf  dem  Chore  unter  Händen,  und 
wie  vieles  er  geschaffen,  wovon  wir  nicht  genauer  unterrichtet  werden, 
bekunden  die  Summen,  die  er  bis  in  sein  Todesjahr  1491  ausgezahlt 
bekommt  Weitere  Aufträge  erhalten  1491  Rabe,  der  „beldensnider 
van  Eymerick'S  1492  ein  Meister  Deridc  Boegert,  neue  Bestellungen 
Evert  van  Münster,  Jan  van  Halderen,  1498  ein  Meister  Loedewick, 
anderer  nicht  zu  gedenken,  die  die  Nebenarbeiten  fertigten.  Mein 
Plan  gestattet  mir  nicht,  weiter  erklärend  auf  diese  Thatsachen  einzu- 
gehen, ich  habe  nur  noch  hervorzuheben,  dass  alle  erwähnten  Kunst- 
aufträge anscheinend  nur  Schnitzaltäre  und  keine  Tafelgemälde  be- 
zweckten ^).  * 

Dann  waren  in  dieser  schönen  Künstlerzahl  auch  die  beiden  West* 
Men,  die  hier  engagirt  wurden,  Bildhauer  oäer  Bildschnitzer,  aller- 
dings in  dem  damaligen  weiten  Sinne,  dass  sie  ihre  Werke  auch  wohl 
selbst  illuminirten.  Der  erwähnte  Meister  Evert  von  Münster  stammt 
dem  Namen  nach  aus  der  westfälischen  Hauptstadt;  er  hatte  schon 
Verbindungen  nach  Calcar  gehabt,  als  er  1492  dahin  berufen  wurde. 
Nun  geht  er  mit  den  Provisoren  ips  Wirthshaus,  verständigt  sich  mit 
ihnen  über  das  zu  fertigende  Werk,  und  nachdem  der  Contract  ge- 
schrieben und  ihm  Reise,  Versäumnisse  und  Zeche  mit   3  Gulden 


Die  1caii8igQ0chiohtL  Beäehoiigen  zwischen  dem  Rheinlande  a.  Westfalen.    68 

18  Kreuzer  vergätet  sind,  kehrt  er  heim,  ohne  dass  er  andere  Vor- 
bilder ZQ  besuchen  hat 

Das  wird  auch  dem  Meister  Johann  von  Halderen  nicht  zur 
Pflicht  gemacht  Er  stand  Arndt  von  Zwolle,  als  Verwandter,  Freund 
oder  als  Gehülfe  so  nahe,  dass  er  für  diesen  1491  in  Galcar  eine 
Summe  Geldes  cassirt  und  mochte  sich  hier  durch  Arbeiten  schon 
längst  empfohlen  haben,  als  ihm  1498  zwei  Bildwerke  für  den 
Hochaltar  verdungen  und  gleich  eine  ansehnliche  Summe  Geldes 
gezahlt  wurde.  Seinen  ViTohn-  oder  Stammort  Halderen  werden  wir 
eher  in  der  Münsterischen  Stadt  Haltern,  als  in  dem  gleichnamigen 
Dorfe  des  Niederrheines  suchen;  denn  abgesehen  von  der,  eine 
weitere  Ausbildung  unterbindenden  Hörigkeit  der  Dorfleute,  ziert 
noch  heute  die  Kirche  der  Stadt  Haltern  ein  bemalter  Schnitzaltar,  der 
jedenfalls  dieser  Zeit  und  heimischen  Meistern  angehört,  die  dann 
an  den  Münsterschen  Ateliers  ihren  Rückhalt  gehabt  hätten.  Es  erübrigt 
noch,  dass  die  vergleichende  Kunstwissenschaft,  nachdem  so  specielle 
Nachrichten  über  die  Calcarschen  Künstler  und  Kunstwerke  ge- 
wonnen sind,  jene  auf  die  betreffenden  Altäre  nach  Zeit  und 
Meister  zurückführe,  sie  wird  weiterhin  zu  untersuchen  haben,  ob  nicht 
noch  Reste  von  den  als  mustergültig  erachteten  Altarwerken  an 
der  Yssel,  zu  Wesel  und  Köln  oder  anderweitige  Werke  von  diesen 
Calcarschen  Künstlern  übrig  sind,  und  endlich,  ob  die  spätgothischeKunst- 
blüthe  der  Städte  Dortmund  und  Soest  keinen  Antheil  an  den  Cal- 
carschen Tafelgemälden  habe; "waren  doch  ebensowenig,  wie  in  Galcar, 
in  Westfalen  die  Kunstreviere  abgeschlossen,  dass  zu  einer  Zeit,  wo 
die  Gebrüder  Dünwegge  das  Kunstvermögen  der  Malerschule  zu  Dort- 
mund noch  einmal  in  herrlichen  Altarbildern  aufleuchten  Hessen,  der 
Kölnische  Maler  Hildegard  1523  für  die  dortige  Dominicanerkirche 
die  Tafel  des  Rosenkranzes  im  Auftrage  seines  Mitbürgers  Wilhelm 
von  Arborch  fertigte  —  ein  Werk,  das  doch  an  ästhetischem  Werth 
den  Arbeiten  der  Dünwegge  nachsteht  ^^). 

Ungefähr  zwanzig  Jahre  später  sind  zu  Münster  ein  Johann  von 
Aachen,  von  Stand  Franziskaner  und  Domprediger,  sonst  ein  Tausend- 
künstler, und  der  Kunstschmid  Nieolaus  Windemaker  aus  dem  Jülicher- 
Lande  mit  dem  gelehrten  Bürger  Dietrich  Zvivel  beschäftigt,  das  grosse 
von  den  Wiedertäufern  ganz  zerschlagene  Uhrwerk  des  Domes  mit 
allen  Gängen  und  aller  Mechanik  wieder  in  Stand  zu  setzen  —  ein  Ver- 
dienst,  das  den  Johann  später  nicht  schützen  konnte  vor  der  städtischen 
Verfolgung,  als  er  sich  in  öffentlichen  Verruf  gebracht  hatte  ^}. 


64    Die  IronBtgetchichtl.  Beziehungen  zwischen  dem  Rheinlande  u.  Westfalen. 

Damals  hatte  das  Bheinland  schon  in  einer  andern  Bichtung  auf 
Westfalen  eingewirkt,  die  allgemeiner  war  und  desslialb  eine  weitere 
Beachtung  beansprucht ;  sie  ging  auf  nichts  Anderes,  als  auf  eine  völlige 
Umgestaltung  des  Stiles.  Die  Spätgothik  erlebte  zunächst  freilich  in 
dem  Hin-,  und  Hergehen  der  Kunstwerke  und  Localau£fassungen  eine 
Verdeckung  ihrer  wankenden  und  schwankenden  Formen,  auf  die 
Dauer  aber  konnte  sie  auch  hier  zu  Lande  nicht  mehr  bestehen  vor 
der  neuen  Stilweise  der  Renaissance,  die  sich  längst  zu  ihrem  Sturze 
gerüstet  hatte.  Und  grade  in  Westfalen,  wo  das  Volk  am  Altliebge* 
wonnencn  hing,  Handwerke  und  Zünfte  innigst  mit  der  Gothik  ver- 
wachsen waren,  wäre  das  Aufkommen  des  neuen  Stils  nicht  so  schnell 
möglich  geworden,  wenn  dieser  nicht  heimlich,  unbeachtet  von  den 
Augen  der  Zunftgothiker,  mit  den  anspruchslosem  Kleinkünsten  hätte 
eindringen  können.  In  den  Pfaden  des  ihr  verwandten  niederländischen 
Realismus  kam  sie,  als  die  bildenden  Künste  noch  in  den  bunten 
Formen  des  alten  Stiles  schwelgten,  mit  den  Urkundensiegeln  von 
Italien,  mit  den  Münzen  und  Stempeln  aus  nähern  Ländern,  und  der- 
selbe Bücherholzschnitt,  welcher  früher  die  niederländische  Weise  so 
schnell  aufgenommen  und  verbreitet  hatte,  sollte  nun  eine  gleiche 
Aufgabe  für  den  neuen  Stil  erfüllen.  Und  wieder  hat  von  allen  Druck- 
orten Köln  die  meisten  Renaissancemotive  nach  Westfalen  gebracht. 
Während  das  Figürliche  noch  lange  an  den  traditionellen  Formen 
festhielt;  zeigten  die  Einrahmungen  der  Bildwerke  wie  der  Blätter  be- 
reits die  bunten  heitern  Formen  der  Rötiaissance.  Und  warum  sollte 
der  Schnitzer  nicht  auf  dem  Holzstock  ähnliche,  freie  Ornamente  und 
Gedankenspäne  bringen,  wie  viele  Büchermaler  sie  in  den  Gerimseln 
und  Verschlingungen  ausgeprägt  hatten,  ohne  die  schematisbhen 
Formen  der  Gothik  zu  beachten.  Das  freie  Schnitzen  war  nicht  jmmer 
Renaissance^  jedoch  der  gerade  Weg  zu  ihr  hin ;  auch  Kölns  Presse 
übernahm  früh  den  zierenden  Holzschnitt  und,  obwohl  dieser  noch 
lange  mittelalterliches  Stilgefühl  athmete,  als  Nürnberg  die  Bücher 
bereits  Blatt  für  Blatt  aus  dem  vollen  Borne  der  Renaissance  ver- 
schönert hatte,  brach  doch  in  einzelnen  Drucken  eine  ungezwungene 
nicht  mehr  traditionelle  Omamentation  durch,  so  in  der  niederdeutschen 
Bibel  der  siebziger  Jahre,  —  in  der  Koelhofschen  Chronik  1499  spielt 
der  Zierholzscbnitt  schon  in  Renaissancemuster  über,  und  die  Puerilia 
super  Donatum  um  1500  haben  sich  in  ihren  Randverzierungen  zur 
reinen  Renaissance  bekannt.  Hier  vollzieht  sich  eine  Anbetung  der 
Könige  noch  unter  einem  Wimberg,   allein  die  denselben  stützenden 


Die  kuDstgeschichU.  Beziehungen  zwischen  dem  Rheinlande  u.  Westfalen.    65 

Säulen  mit  ihren  Windungen,  die  kurzen  Gapitäle  mit  ihrem  Blatt- 
werk gehören  entschieden  dem  neuen  Stile  au.  Gegen  1520  hin  er- 
weitert dieser  zusehends  sein  Bereich,  um  das  Meublement,  die  Inte- 
rieurs und  endlich  das  Figürliche  nach  seinen  Gesetzen  umzugestalten. 
In  Westfalen  liess  man  in  Ermangelung  geeigneter  Typen  die  Breviere 
in  Strassburg  und  Paris  drucken.  Die  grösseren  Kirchenbücher  gingen 
entweder,  wie  das  Münsterische  Missale,  1489  aus  Kölnischen  Officinen, 
oder,  wie  jenes  von  1520,  aus  Kölnischem  Verlage  und  etwas  später  die 
hauptsächlichen  Chorbücher  wieder  aus  den  Kölnischen  Druckereien 
hervor;  mit  diesen  Büchern  kehrt  eine  Ueberfülle  der  verschiedensten 
und  flottsten  Renaissancemotive  in  die  westfälischen  Kirchen  zurück 
um  im  Bunde  mit  den  Kleinkünsten  sich  unter  Geistlichen  und  Laien 
neue  Verehrer  zu  erwerben..  Lange  verzichteten  die  Drucker  "West- 
falens auf  reichere  und  besonders  auf  figürliche  Holzschnitte  und  diese 
wieder 'bis  1521  auf  die  Formen  der  Renaissance.  Ein  Gedicht  auf 
die  h.  Jungfrau  vom  Ahlener  Ludimagister  Gerardus  Cotius,  ein  Quart- 
format, gedruckt  zu  Münster  von  Dietrich  Tzvyvel,  zieren  drei  Marien- 
bilder in  Holzschnitt.  Das  Figürliche,  die  Strahlenumgebung,  die  Krone 
sind  im  zweiten  Bilde  noch  rein  gothisch;  in  dem  Antlitz,  dem  Mar- 
kirten  und  dem  Knittergewande  der  beiden  andern  offenbart  sich  jene 
bizarre  Art,  womit  der  mittelalterlich-Eyck'sche  Stil  hier  zu  Lande  ab- 
starb; auf  dem  letzten  Bilde  jedoch  zeigen  sich  im  Hintergrunde  der 
Strahlenglorie  die  Frühlingsvögel  der  Renaissance:  zwei  kleine  nackte 
Jungen  mit  mollig  gerundeten  Gliedmassen.  Wenn  nun  mit  dem 
Jahre  1520  Siegel,  Münzen,  Zierstempel  der  Bücher,  Holzschnitte  und 
Metallarbeiten  immer  mehr  dem  alten  Stil  entsagen,  dem  neuen  sich 
zuwenden,  so  glaubte  ich,  dem  Kölnischen  Bücherholzschnitt  um  so 
mehr  einen  Antheil  daran  einräumen  zu  sollen,  als  Westfalen  vom 
Kölnischen  Büchermarkt  das  Meiste  bezog,  und,  wie  wir  wissen,  die 
Randverzierungen  der  Koelhofschen  Chronik  sogar  als  Vorlagen  kirch- 
licher Wanddecorationen  benutzte  ^^). 

Blicken  wir  einmal  zurück  auf  das  spätmittelalterlichc  Kunst- 
leben, —  müssen  wir  nicht  gestehen,  dass  das  Flnctuiren  der 
Formen  und  Meister  von  hier  dorthin  und  zurück  auch  ästhetisch 
den  regen,  fruchtbaren  Verkehr  wiederspiegelt,  wie  wir  ihn  im  Handel; 
und  besonders  im  Leben  der  damaligen  Gelehrten  vorgezeichnet  fanden? 
Wir  müssen  staunen,  wenn  wir  sehen,  wie  empfanglich,  erfinderisch 
und  weitherzig  jene  Zeit,   wie  bildsam  und  flüssig   die  Formen,   wie 

5 


66    Die   kuDBigesohichtl.  Boziebungen  zwischen  dem  Rhoinlande  u.  Westfalen. 

freundnachbarlich  die  Beziehnngen  zwischen  den  beiden  Ländern  sich 
gestalteten  und  wirkten. 

Das  letztere  bestätigt  uns  auch  der  Glockenguss;  denn  wenn 
in  alter  Zeit  schon  die  Giesser  von  Land  zu  Land  gingen,  ihre  Hütten 
errichteten,  wo  eben  Bedürfhiss  war,   so  haben  vollends,  wie  die  meist 
kunstgerechten  Reste   beweisen,   zwischen  Rheinland  und    Westfalen 
kaum  Grenzen  gegolten  bis  in  jene  Tage,   wo  der  Glockengusss  mehr 
an  die  Wohnstätte  des  Giessers  gebunden  ward.    Weil  die  altem  Meister, 
welche  ihren  Werken  ihren  Namen  noch   vorenthielten,  durch   den 
Laut  der  Inschriften  und  die  constante  Form  der  Typen,  welche  wie 
Handwerksgeschirr    mit    auf    die    Reise   genommen    wurden,,    ihre 
Spuren  und  Werke  bis  in    weite  Femen   zu  verraten   pflegten,    so 
möchten  schon  die  Glocken  zu  Sinzig  aus  dem  Jahre  1299  denselben 
Meister  haben,  wie  die  ihnen  älmlichen  zu  Castrop.    Seitdem  tritt  im 
Austausch  des  Kunstgusses   eine  Unterbrechung  ein,  doch  vTelleicht 
nur  scheinbar,  indem  nämlich  die  einschlägigen  Werke  entweder  gar 
nicht  oder,  wo  Meistemamen  und  sonstige  auffällige  Merkmale  fehlen, 
wohl  zu  ungenau  beschrieben  sind,  als  dass  sich  unbestimmte  Werke 
des  einen  Landes  auf  die  verwandten  des  andern  mit  Sicherheit  zu- 
rückführen und  die  auswärtige  Herkunft  darthun  liesse;  —  jetzt,  im 
Spätmittelalter,  sollte  dafür  der  Guss  um  so  vollendeter,  der  Verkehr 
um  so  offener  zu  Tage  treten.    Nachdem  um  die  Mitte  des  15.  Jahr- 
hunderts der  Kölner  Dom  an  Christian  Cloit  und  Johan  4e  Vechel 
Meister  gefunden  hatte,  welche  den  schwersten  Guss  leicht  bewältigten, 
nimmt  gegen  Ende  der  Kunstguss  zu  Dortmund  unter  den  Meistern 
Johan,  Henric    Renald  (Widenbrock)  und  Claus  einen  weitgreifenden 
der  ganzen  Umgegend  wohlthuenden  Au&chwung,  und  im  Anfange  des 
16.  Jahrhunderts  folgt  Soest  durch  Herman   Vogel  mit  noch  form- 
vollendeteren Arbeiten  nach.    Grösser  als  diese,  vielleicht  der  grösste 
Glockenkünstler  der  Geschichte,  war  ein  Meister,  der  zwar  weder  dem 
Rheine     noch     dem     Westfalenlande    seiner  Geburt    nach    gehört, 
aber   grade  diesen  beiden  Ländern  die  meisten,  und   durchgehends 
prachtvolle,  Werke  hinterlassen  hat;  das  war  der  als  Schöpfer  der 
grossen  Gloriosa  zu  Erfurt  weltbekannte  Gerhard  de  Wou  aus  Campen. 
Etwa  dreissig  Jahre  bis  1502  hat  er  mit  seinen  Prachtwerken  bezeich- 
net, und  davon  besitzt  der  Landstrich  von  Calcar  bis  Münster  die  meisten. 
Noch  "bevor  sich    seine  Spuren  verlieren,    lieferte  der   bedeutendste 
Glockenkünstler  Westfalens,  Wolter  Westerhues  aus  Münster,  welcher 
bis  1526  goss,  zwei  Glocken  schön  in  der  Form,  und  Schrift,  massvoll  im 


Die  knntigesohichtl.  Besiehungen  swisehen  dem  Rheinlande  u.  WeBtlalen.    67 

Ornament  und  musterhaft  im  Klange  f&r  die  Kirchen  zu  Grieth  und 
Niedermörmter  bei  Calcar;  ebenso  viele  hatte  Johann  von  Düren 
1491  für  die  Nicolaikirche  zu  Siegen  gegossen.  Als  mit  Wolter  Wester* 
hues  Tode  der  Kunstguss  Westfalens  so  tief  sank,  dass  ^ohl  viele 
Master,  aber  wenige  mit  bedeutenderen  Leistungen  auftraten,  müssen 
bis  zum  Ausgang  des  18.  Jahrhunderts  gewöhnlich  Rheinländer  und 
Holländer  sich  in  die  Arbeit  theilen,  wenn  in  Westfalen  etwas  Muster- 
gültiges verlangt  wurde.  Johan  von  Neuss  goss  1522  die  zweite 
Glocke  zu  Weitmar  bei  Bochum,  Heinrich  von  Trier  1576  eine  kleine 
Glocke  für  Werth  bei  Anholt  und,  nachdem  der  Westfale  Antonius 
Paris  mit  einem  Claudius  Lamiral  1647  für  die  Abteikirche  Siegburg 
gearbeitet  hatte,  goss  wieder  Godfried  Dinckelmaier  aus  Köln  1732 
eine  schwere  Gk>ckc  für  Dorsten,  1733  eine  kleinere  für  Polsum  bei 
Recklinghausen.  Aus  dem  Clevischen  von  Isselburg  kamen  vor  fast 
hundert  Jahren  die  Voigts,  um  zunäshst  als  fürstlich -privilegirte 
Glockengiesser  im  Münsterischen  von  Bochold  bis  Werne  und  neben- 
bei in  Dortmund  und  Umgegend  von  1766—1790  verhältnissmässig 
ansehnliche  Arbeiten  zu  machen ;  sie  gehörten  zu  den  besten  Vertretern 
des  Gusses,  insofern  der  Kunstguss  damals  meist  mit  der  Stückgiesserä 
verbunden  und  zu  einem  handwerksmässigen  Erwerb  geworden  war. 
So  sind  ihre  Concurrenten,  die  Mabillots  aus  Goblenz  ausdrücklich  „chur- 
fürstlich  Trierscbe  Stuck*  und  Glockengiesser'^ ;  sie  verlieren  sich  auch, 
nachdem  sie  nur  von  1777—1781  filr  Mesum,  Billerbeck,  Nottuln,  Rorup 
bei  Coesfeld  und  Stromberg  meistens  die  Mängel  der  Geläute  ausgefüllt 
hatten,  schnell  wieder  aus  dem  Lande,  wahrscheinlich  um  den  berühm- 
testen Wandergiessem  des  18.  Jahrhunderts  zu  weichen.  Die  Familie 
Petit  nämlicb,  welche  aus  den  Niederlanden  stammte  und  angeblich 
von  den  berühmten  Emonys  und  de  Graaf  die  Kunstgeheimnisse  ererbt 
hatte,  kam  tbeils  vom  Emdande,  theils  und  namentlich  von  ihrem  am  V 
Niederrbein  zu  Dinslaken  aufgeschlagenen  Wohnsitz  seit  1749  (zuerst 
Jean  nach  Bochold)  immer  häufiger  in's  Westfälische,  bis  zu  Anfange 
dieses  Jahrhunderts  Alexius  Petit  zu  Gescher  seinen  bleibenden  Wohn- 
sitz nahm,  um  dem  westfälischen  Glockenguss  entkleidet  von  jeder 
Gdbgiesserei  gründlich  wieder  aufzuhelfen^^). 

Sonst  hat  Westfalen  seine  ruhmreichen  Kunstbahnen  bis  in  den 
dreissigjährigen  Krieg  selbständig  weiter  verfolgt  und,  ohne  die 
Gothik  für  das  Kirchliche  ganz  aufzugeben,  treffliche  Werke  der  Re- 
naissance in  allen  Verzweigungen  der  bildenden  Kunst  hervorgebracht. 
Die  Stadt  Münster  behauptete  ihre  Kunsthöhe  noch  fast  zwanzig  Jahre ' 


68    Die  kanstgeiohiohtl.  Besiehnngen  zwiBchen  dem  Eheinlande  u.  Westfalen. 

• 

aber  den  westfälischen  Frieden  hinweg;  denn  während  alle  deutschen 
Lande  und  Städte  an  den  Wunden  des  grossen  Krieges  bluteten  oder 
nachblateten,  hatte  sie  im  Schutze  der  Abgelegenheit  und  der  Friedens- 
gesandten  den  Faden  ihrer  Gultur  angehalten ;  statt  auswärtiger  Hülfe 
zu  bedürfen,  konnte  sie  auf  den  Wunsch  des  grossen  C!hurfdrsten  1651 
den  Baumeister  Gottmann  zur  Bestauration  des  Schlosses  Sparenbei^ 
nach  Bielefeld  entsenden  und  brauchte  höchstens  für  grössere  Arbeiten, 
so  1622  für  4ie  Flügelgemälde  des  Domaltars,  den  Amsterdamer 
Maler  Adrian  von  dem  Bogardt  und  für  die  Portraits  der  Friedens- 
gesandten den  Jan  Baptist  Floris  und  Terburg  als  auswärtige  Kräfte 
in  Anspruch  zu  nehmen.  Doch  als  sie  1661  durch  die  Erstürmung 
des  Bischofs  Bernhard  von  Galen  ihrer  Rechte  beraubt  und  in  den- 
selben kläglichen  Zustand  versetzt  war,  der  auch  den  Rhein  seit  dem 
grossen  Kriege  der  Gultur  und  Kunst  entblösst  hatte,  mussten  aus- 
ländische Künstler  wiederholt  Aushülfe  leisten.  Schon*  Bernhard  von 
Galen  wandte  sich  1676  an  die  Augsburger  Goldschmiede,  Johan 
Spring  und  Isac  Boxbart,  als  er  von  einem  erbeuteten  Franzosenschiffe 
ein  silbernes  Modell  für  den  Dom  anfertigen  Hess;  zumeist  waren  es 
Holländer,  welche  von  ihrem  im  Frieden  errungenen  Kunstvorrat  dem 
Nachbarlande  mitgeben  mussten.  Im  18.  Jahrhundert  gehen  auf  Grund 
der  Verbindung  des  Kölnischen  mit  einem  oder  anderm  westfälischen 
Bisthum  wieder  gemeinsame  Kunstspuren  auf  von  Glemenswerth  im 
Emslande  über  Münster,  Köln  bis  Bonn;  sie  waren  jedoch  an  die  Per- 
son des  Fürsten  geknüpft  und  so  wenig  volksthümlich,  dass  der  Adel, 
der  für  ästhetische  Zwecke  allein  Geld  hatte,  als  Stadt  und  Land  geistig 
und  materiell  daniederlagen,  für  seine  höfischen  Kunstbedürfnisse, 
für  Stuckaturen  und  Deckengemälde,  Italiener  kommen  liess"^). 

Denken  wir  lieber  noch  einmal  an  die  altem  Zeiten  zurück,  so 

'  ergeben  sich  schon  im  Lichte  meiner  Angaben  die  Züge  des  erfreu- 
lichen Bildes,  wie  sich  Rheinland  und  Westfalen  bereits  in  romanischer, 
besonders  in  gothischer  Stilzeit  und  über  dieselbe  hinaus  von  den 
schönsten  Blüthen  ihrer  edelsten,  idealen  Lebensgüter  gegenseitig  mit- 
theilten, was  das  eine  Land  eben  vor  dem  andern  errungen  hatte. 
Die  Beziehungen  des  Oberrheins  einerseits,  und  der  westfälischen  Ost- 
hälfte anderseits  kommen  kaum  in  Betracht.  In  romanischer  Stilzeit 
treten  Westfalen  und  die  Architektur  in  den  Vordergrund,  in  der 
Gothik  Köln  und  die  Kölnische  Malerschule;  Köln  verhält  sich  zu 
Westfalen  mehr  gebend,    der  (clevische)  Niederrhein  mehr  nehmend. 

'  Der  ästhetische  Verkehr  erstreckt  sich  von  den  Hauptkünsten  auf  die 


Die  kiuiBtgesohichtl.  Besiehangen  zwischen  dem  Rlieinlande  a.  Westfalen.    69 

Nebenzweige  und  bringt  beiden  Ländern  schöne,  stolze  Früchte.  Und 
wie  viele  Werke  und  Nachrichten  mögen  der  Vergessenheit  anheim- 
gefallen sein,  welche  weitere  Zeugnisse  für  diesen  freundlichen  Kunst- 
austausch ablegen  könnten,  wie  viele  Stücke  mögen  hier  noch  als  hei- 
misch betrachtet  werden,  die  dort  enstanden  sind,  ohne  dass  ihr 
eigentliches  Vaterland  ermittelt  werden  kann  oder  ermittelt  istl 

Gott  Dank,  sind  schöne  Zeiten  wiedergekehrt,  für  die  Kunst, 
noch  mehr  aber  für  ihr  Fundament,  die  Gultur.  Da&  deutsche  Vater- 
land ist  eitriger  und  stärker,  als  in  den  Tagen  Meister  Wilhelm's, 
seine  stolzen  Töchter  Rheinland  und  Westfalen  verbinden  sich  wie 
Zwillingsschwestern  durch  tausend  Bande  des  Verkehrs  und  der  Inte- 
ressen weit  inniger,  wie  in  den  Tagen  der  Hanse.  Und  wenn  dennoch 
unsere  Väter  in  der  Kunst  Grösseres  und  Geschmackvolleres  geleistet 
haben,  als  die  Gegenwart»  so  ist  es  um  so  mehr  unsere,  der  Nach- 
kommen, Pflicht,  nicht  nachzulassen  im  Specialforschen  und  Vergleichen, 
im  Durchsuchen  der  Bücher  und  Archive,  um  das  Bild  ihres  Kunst- 
lebens immer  mehr  aufzuhellen;  und  damit  der  Bausteine  mehr  ge- 
wonnen, und  das  Gewonnene  sich  schleuniger  und  vollkommener  wieder 
zu  dem  grossartigen  Bilde  der  Vergangenheit  füge,  müssen  wir  uns 
dabei  vom  Rheine  und  von  Westfalen  stets  hülfreiche  Hand  bieten. 
Mit  diesem  lebhaften  Wunsche  schliesse  ich. 


Anmerkungen. 

*)  ROckblickend  auf  die  psychologische  AesUietik  eines  Burke,  Gerard  und 
Home  sagt  H.  Heitner,  Literaturgeschiohte  des  achtzehnten  Jahrhunderts  (1866) 
l,  420:  „Es  ist  überraschend,  dass  von  diesen  psychologischen  Grandlagen  aus 
die  englische  Wissenschaft  doch  nirgends  zur  Erfassung  der  in  der  innigsten 
Durchdringung  und  Wechselwirkung  des  Geistigen  und  Sinnlichen  wurzelnden 
Konstidealitat  vordringt.  Dazu  haben  die  Engländer  offenbar  nicht  künstlerische 
Unbefangenheit  genug,  und  nicht  philosophische  Scharfe.  Erst  der  Sinnigkeit 
und  Tiefe  eines  Winckelmann,  Lessing  und  Kant  war  es  besohieden,  das  von 
den  Engländern  nur  Geahnte  und  dunkel  Gefühlte  zur  zwingenden  und  ab- 
schUessenden  Begriffsklarheit  zu  erheben/'  Denn  was  die  geschwätzige  Ennstr 
hteratnr  der  Engländer,  Franzosen  und  Italiener  an  Theorien  und  historischem 
Material  lieferten  oder  geliefert  hatten,  das  hat  Winckelmann  zunächst  gierig 
in  sich  aufgenommen  und  beherzigt,  bis  er  im  Lande  der  Kunst  „mit  eigenen 
Augen  sah;  da  erschien  ihm  seine  frühere  Weisheit  aus  Büchern  keinen  Schuss 


70    Die  kunstgescbiohtl.  Beziehaogen  zwiaohen  dem '  Rheinlande  a.  Westfalen. 

Pulver  wertb.    loh  habe  erfahren,  schreibt  er  im  ersten  Briefe  aus  Rom,  dass 
man  halbsehond  von  Altertbümem  spricht  aus  Büchern,  ohne  selbst  gesehen  zu 
haben.    loh  glaubte,  ich  hatte  alles  ausstadirt,  und  siehe  da,  ich  sah,  dass  ich 
nichts  wusste.   0  .  .  .  schreibt   er   im  Sommer   1766' an  Franke,  .  .  .  wie  viel 
wollte    ich  Ihnen  erz&hlen,  wie  viel  sollten  Sie  hören,  was  in  keinen  Büchern 
stehty  und  was  selbst  Richardson  nicht  gewusst  hat.   .....  Nun  nennt  er  de 

Piles  jämmerlich,  Bellori  „einen  der  gelehrten  Betrüger  und  Windmacher" ;  Da- 
bos  rechnet  er  zu  den  Rhapsodisten,  die  alles  in  ein  Buch  schütten,  was  sie 
wissen."  C.  Justi,  Winokelmann.  Sein  Leben,  seine  Werke  und  seine  Zeitgenossen 
1866  I.  801.  Wie  dennoch  Winokelmann,  befangen  von  den  Ideen  der  Zeit,  das 
Wesen  des  Schönen  und  der  Kunst  zu  eng  fiuste,  zeigt  Hettner  a.  a.  0 III.  2, 430  ff. 
')  Abgesehen  von  den  rudimentären  und  meist  praktischen  Alterthums- 
Studien  des  Mittelalters,  hatten  seit  Petrarca  der  Humanismus  und  die  Philolo- 
gie diesseits  wie  jenseits  der  Berge  der  Antike  eine  bis  auf  die  letzten  Antiqui- 
täten durch  Quellenforschung,  Sammeln  und  Kachgraben  ermöchlichte  Unter- 
suchung angedeihen  lassen,  so  dass  zur  Zeit  Winckelmanns  ein  grosses,  grade 
durch  die  Entdeckung  von  Herculanum  und  Pompeji  und  die  Publioationen  der 
Engländer  aus  Griechenland  erquicktes,  Material  von  Antiquitäten  und  Kunst- 
resten der  beiden  classischen  Völker  in  Werken  verschiedener  Sprachen  und 
Stärke  vorlag.  (Vgl.  L.  Waohler,  Geschichte  der  histor.  Forschung  und  Kunst, 
Göttingen  1812—20.   5   voll.  F.  Mortons,   Die  Baukunst  des  Mittelalters   1850. 

S.  3.).    Doch  „es  bedurfte  grösserer  Kraft, um  den  versunkenen  Schatz 

der  alten  Kunst  wieder  in's  Licht  zu  heben.  Job«  Joach.  Winokelmann  war, 
von  einem  unwiderstehlichen  Instinkt  getrieben,  nach  Rom  gewandert  und  ent- 
deckte dort  die  alte  Kunst  gleichsam  von  Neuem.  Vorbereitet  durch  philo- 
logische und  historische  Studien,  eingeweiht  in  die  Auffassung  der  griechischen 
Dichter  und  Denker,  war  er  nicht  allein  befähigt,  die  Erklärung  der  alten 
Kunstwerke,  indem  er  sie  auf  das  Gebiet  der  griechischen  Mythologie  zurück- 
führte, von  Grund  aus  zu  reformiren:  seinem  begeisterten  Blicke  offen- 
barte sich  zuerst  wieder  in  der  bildenden  Kunst  die  Schönheit  als  dasjenige 
Element,  welchem  sie  ihr  Leben  verdankt*  Indem  er  den  Wegen  nachspürte, 
auf  welchen  die  Alten  die  Schönheit  bildlich  darzustellen  bemüht  gewesen  waren, 
schuf  er  die  Geschichte  der  Kunst,  in  welcher  zum  ersten  Male  ge- 
zeigt wurde,  wie  das  geistige  Leben  eines  Volkes  nach  einer  bestimmten  Rich- 
tung hin  sich  unter  dem  bedingenden  Einfluss  der  natürlichen  und  politischeu 
Verhältnisse  im  Zusammenhange  seiner  gesammten  Gultur  stetig  entwickelt. 
Wenn  die  Wiederherstellung  der  Kunst  des  Schönen  von  allen  Gebildeten  als 
eine  Wohlthat  empfunden  wurde  und  lauten  Widerhall  fand,  so  war  die  Auf- 
fassung der  historischen  Entwicklung  kein  geringerer  Gewinn  für  die  Wissen- 
schaft liehe  Forschung".  (Otto  Jahn,  Aus  der  Alterthumswissenschaft. 
186a  S.  1  ff.  S.  27.  2a).  Dabei  „treten  wir  den  Verdiensten  Winckelmanns 
nicht  zu  nahe,  wenn  wir  auch  eingestehen,  dass  diese  (vgL  Note  1)  architekto- 
nischen Studien  der  Engländer  zu  Winckelmanns  Kunstgeschichte  eine  sehr 
wesentliche  Ergänzung  bilden''.  H.  Hettner  a.  a.  0.  I,  437. 


Die  knoBigeechichil.  Bexiehongen  zwischen  dem  Rheinlande  u.  Westfalen.    71 

')  Schon  vom  frohem  Humanismaß  behauptet.  Burckhardt,  die  Gnltur  der 
Benabeance  in  Italien  1860  8.  241 :  „Das  Studium  des  Alterthums  allein  hat 
das  des  Mittelalters  möglich  gemacht;  jenes  hat  den  Geist  zuerst  an  olijectives 
geschichtliches  Interesse  gewöhnt.'*  Geleitet  vom  patriotischen  und  Forschtmgs- 
triebe  des  Humanismus  gingen  auch  dessen  Anhänger  in  Deutschland  bald  bo 
tief  auf  die  Geschichte  ihres  Vaterlandes  ein,  dass  Jakob  Wimpfeling  dem  Dome 
in  Speier  eine  ausführliche  poetische  Beschreibung  widmet  und  1502  in  seiner 
Epitoma  Germanicarum  rerum,  mit  der  frühem  auch  die  gleichzeitige  Kunst- 
blüthe  werthschätzend,  das  Strassburger  Münster,  die  Werke  Martin  Schön's  und 
Albrecht  Dürers,  welche  sogar  von  Italienern  gesucht  würden,  mit  gerechtem 
Stolze  erhebt;  er  feiert  die  deutsche  Architektur  als  die  Blüthe  der  ausgezeich- 
netaten  Künstler  und  mit  nicht  geringerer  Wärme  die  deutsche  Plastik,  die  sich 
im  gewohnten  Hansrath  zeige  und  selbst  einem  Choroilos  Bewunderung  würde 
abgenöthigt  haben.  Vgl.  R.  von  Raumer,  Gesch.  der  Germ.  Philologie  (Gesch. 
der  Wissenschaften  in  Deutschland.  Neuere  Zeit  B.  IX)  1870.  S.  12.  A.  Haro- 
witz  in  V.  Sybels  Histor.  Zeitschrift  XXV,  76,  77,  99;  derselbe  hat  den  kunst- 
literarischen  Theil  in  dem  eben  erschienenen  Heft  4  der  von  Lützow'schen  Zeit- 
schrift für  bildende  Kunst  1878  S.  126  f.  eigens  erweitert  und  namentlich  die 
Nachrichten  des  Beatus  Rhenanus  über  frühere  und  zeitgenössische  Kunst  und 
Künstler  in  Deutschland  hinzugefügt.  Heinrich  Bebel  glaubt  De  veterib.  german. 
Encomion.  c.  XVH  bei  Sohard,  Histor.  opus.  Basileae  1674  I,  275,  die  römischen 
Glassiker,  welche  Germania  als  eine  Art  £inöde  dargestellt,  würden,  quam  si 
hodie  viderent  .  .  ,  dicerent,  commutato  ordine,  Greciam  in  Germaniam  commi- 
grasse  .  .  .  .  si  urbes,  arces  et  edificia,  nihil  Ulis  pulchrius,  magnificentius  at- 
que  munitius  inrarent.  Franz  Irenicus  betheuert  Exegesis  historiae  germaniae 
IV,  29  ed.  loan.  Ad.  Bernhard,  Hanoviae  1728  p.  196:  Sunt  praeterea  artifices 
longo  optimi  in  Germania,  quia  graecis  joQivrai  ij  Qaßionrfyoi  (?)  dicuntur,  quorum 
artificio  nihil  absolutins  alius  orbis  produxit.  Nicht  zufrieden  mit  einer 
so  allgemeinen  Anerkennung  deutscher  Künstler  und  Kunstwerke  versacht  Geltes 
in  der  Descriptio  urbis  Norinbergae  a  5  ibid.  p.  441  sohon  ein  anachacdiches, 
technisch -reales  Büd  zu  entwerfen  de  arce  imperiali  (Norinberg.),  fontibus 
aedificiisque  et  foris  orbiS)  hortis  et  of&cinis  metallarüs.  In  die  Fussstapfen 
dieser  Humanisten  traten  Walter  Rivius  in  seinem  „Vitruv  teutsch*'  1548 
fol.  XXI.  V  für  die  Werke  Dürers,  später  der  Strassburgeii  Buchhändler  Jobin 
and  1589  der  Festangsbanmeister  Daniel  Speoklin  mit  ihren  Vertheidigungs- 
Schriften  zu  Gunsten  der  deutschen  Kunst  ein.  „Auch  in  unserer  Zeit  waren 
jene,  welche  dem  Mittelalter  nnd  dessen  Kunst  ein  sym  pathisches  Interesse  zu 
wandten,  „die  Begründer  der  romantischen  Schule,  aus  eigentlich  philologischer 
Schule  hervorgegangen,  und  weder  ihre  Kritik  noch  ihre  Poesie  hat  diesen 
Ursprung  je  verläugnet.''  Otto  Jahn,  a.  a.  0.  S.  29.  Hettner  zeigt  a.  a.  0.  HI. 
2,496,  wie  die  Geschichte  überhaupt  zuerst  von  Winckelmann  tiefer,  cultorge- 
schiohtlioher,  mit  einem  Worte  als  geistige  Verknüpfung  von  Ursache  und 
Wirkung  erfasst  sei,  und  fi^hrt  fort :  „Hatte  Herder  schon  kurz  nach  dem  Er- 
scheinen von  'Vfinokelmanns  grossem  Werke die  Forderung  nach  einem 


72    Die  kunstgeschichtl.  Beziehungen  zwischen  dem  Rheinlande  a.  Westfalen. 

Bliche  geäussert,  das  „uns  den  Tempel  der  griechischen  Weisheit  und  Dicht- 
kunst so  eroffne,  wie  Winckelmann  den  Künstlern  das  Geheimniss  der  Griechen 
von  ferne  gezeiget",  so  suchte  zuerst  Friderich  von  Schlegel  diese  Forderung  aus- 
zufuhren und  bekennt  dabei  willig  seine  Abhängigkeit  von  Winckelmann;  und 
sicher  ist  es  kein  Zufall,  dass  grade  die  sinnigsten  Schüler  Winckelmanns, 
Welcker  und  Otfried  Müller,  zugleich  auch  die  tiefsten  Geschichtschreiber  der 
griechischen  Literatur  wurden.  Von  hier  aus  kam  sodann  der  AnstosB  zur 
mittelalterlichen  und  neuern  Kunst-  und  Literaturgeschichte.  Kunst-  und  Litera- 
turgeschichte hat  längst  aufgehört,  eine  bloss  äusserliche  Künstler-  und  Dichter- 
geschichte zu  sein;  sie  ist  Naturgeschichte  des  wissenschaftlichen  und  künst- 
lerischen Geistes/' 

*)  Es  hiesse  dem  Raum  einer  Note  zu  viel  zumuten,  wollte  ich  hier 
auch  nur  eine  dürftige  Skizze  geben,  wie  die  mittelalterliche  Kunst  (Gothik)  in 
England;  Frankreich  und  Deutschland  einzelne  Ausläufer  bis  in  die  Neuzeit, 
stellenweise  bis  ins  18.  Jahrhundert  trieb,  und  wie  sie  nächst  der  Antike  in  dem 
Masse,  als  das  Unnatürliche  des  damaligen  Kunstgeschmacks  blossgelegt  zu 
werden  anfing,  anerkannt  (das  Strassburger  Münster  1772  von  Göthe,  der  Kölner 
Dom  1790  von  G.  Forster)  und  erforscht  wurde,  um  sodann,  in  unserm  Jahr- 
hundert nicht  nur  historisch  gewürdigt,  sondern  auch  praktisch  verwertet  zu 
worden.  Hinsichtlich  der  „Rennaissance  der  Gothik"  bringt  das  Organ  für 
christliche  Kunst  (1859)  IX,  55  ff.  nur  literarische  Aphorismen ;  werthvoll,  jedoch 
kaum  mit  Rücksicht  auf  die  cultur-  und  allgemeingeschichtlichen  Motive  ent- 
worfen, sind  die  Skizzen  von  Franz  Mortons  im  ersten  Theile  seiner  Baukunst 
des  Mittelalters,  Berlin  1850  S.  1  ff.  und  die  ,, Historische  üebersicht  der  bis- 
herigen Abhandlungen,  über  die  Baukunst  des  Mittelalters'*  in  (Kugler's)  Museum, 
Blätter  für  bildende  Kunst  1835  Nr.  15,  17,  23,  25,  26. 

*)  Seine  „Ansichten  vom  Niederrhein,  Brabant,  Flandern,  Holland  u.  s.  w. 
1790'*  nehmen  noch  auf  die  diesseitige  Bewegung  der  Romantiker  einen  so  nach- 
haltigen Einfluss,  dass  ihnen  Friedrich  von  Schlegel  für  seine  Grundzüge  der 
gothischen  Baukunst  1804/1805  die  schwungvollsten  Reflexionen,  besonders  auch 
die  Details  des  Kölner  Domes,  den  Vergleich  der  Säulen  mit  Rohrbündeln  ent- 
lehnt (Sämmtliche  Werke.  2  Originalausgabe  VI,  184,  196,  ^00  vgl.  mit  Forster 
I.  Ausg.  I,  453,  481,  90)  und  zu  ihrem  Nachtheile  etwas  umredet,  ohne  seine 
Quelle  zu  nennen. 

^)  Die  Translation  der  Niebelungensage  von  Westfalen  an  den  Rhein 
nach  dem  Hundeshagenschon  Codex  bringt  F.  von  Schmitz,  Denkwürdigkeiten 
aus  Soest's  Vorzeit  1873.  S.  13.  —  Nach  der  Legende  de  s.  Reinoldo  monaoho  et 
martyre  in  AA.  SS.  Jan.  I,  385,  387  war  Reinold  Mönch  von  St.  Pantaleon  zu 
Köln  und  ex  praecopto  abbatis  sui  lapicidarum  raagister  geworden.  Ubi,  cum 
plus  ceteris   laboraret,   lapicidac  magnam   concepcrunt  adversus  ipsum  invidiam 

et  qualiter  cum  morti  tradereut inter  se  conspiraverunt  .....  Habuit 

autem in    consuetudine   monasteria  et  singulas  longo  vel  prope  positas 

frequentare  ecclesias.  Dabei  zerschlagen  sie  ihm  mit  ihren  Hämmern  den 
Schädel.    Nachdem  dann  die  Leiche  durch  ein  Wunder  wiedergefunden  und  von 


Die  kanatgescbichtL  Beziehuagen  swischen  dem  Rheinlande  u.  Westfalen.    73 

den  Dortmundern  aasgebeten  war,  oonveniens  clerus  cum  omni  populo  honorifice 
felicissimnm  martyrem  Reinoldum  capsulao  deoenter  adornatae  imposuefnnt 
atque  ad  Tremonienses  partes  deferendum,  tnrba  eum  ab  urbe  Colonia  cum 
innumeris  laudibus  per  tria  millia  prosequente,  tradiderunt.  —  Köhis  allerdings 
nur  geringer  Antheil  an  der  Bekehrung  der  Sachsen  (cf.  Annal.  reg.  in  Monam. 
6enn.  Histor.  I,  138,  Evelt  in  der  Zeitschrift  für  Geschichte  u.  Alterthumskunde 
West&lens  XXXIII,  28  ff.)  und  erzbischöfliehe  Hoheit  über  die  Sprengel  Münster, 
Osnabrück  und  Minden  (nicht  über  Paderborn  wie  Moyer,  Onomasticon  Chron. 
Hierarch.  German.  1854  p.  80  angibt,  vgl.  Potthast,  Bibliothcca  Histor.  med. 
aeyi. Supplement-  p.  878),  die  Beziehungen  Xantens  zu  Vreden  (Vgl.  Wilmans,  Kaiser- 
Urkunden  I,  416,  Yita  s.  Norberti  in  Mon.  Germ.  Hist.  XII,  671)  und  zu  den 
Pfarren  Dorsten,  Dülmen  und  Schwerte,  der  Cappenbergischen  Grafenfamilie 
(Eyelt  a.  a.  0.  28,  51. 62.  Tibus,  Gründungsgeschichte  der  Stifter,  Pfarrkirchen, 
Klöster  u.  b.  w.  I,  761  ff.)  und  des  Paderbomer  Bischofs  Meinwerk  zum  Nieder- 
rbein  (Elton.  Wilmans  a.  a.  O.  I.  421,  430  ff.)  und  des  Kölners  Anno  zu  Pader- 
born und  Münster  (Evelt  a.  a.  0.  XXIX, ,  2.  S.  98  ff.)  und  andere  dauerndere 
oder  zeitweise  Umstände  bildeten  in  alterer  Zeit  schon  mehr,  als  nachbar- 
sohafUiche  Berühi*ungspunkte ;  wenn  desungeachtet  der*  Verkehr  des  Rheines 
mit  Westfalen  noch  kein  durchgreifender  und  allgemeiner  wurde»  so  lag  das 
sowohl  in  den  eigenthümlichen  Gulturzuständen  hier  wie  dort.  Mit  dem  hier 
Yorzugsweise  in  Betracht  kommenden  Niederrhein  nahm  ganz  Lothringen  bis 
in  die  Zeiten  der  Salier  eine  gegen  Francien  zu  unsichere  Stellung  ein,  um  mit 
dem  Herzen  Deutschlands  so  fest  zu  verwachsen,  wie  die  übrigen  Länder ;  daher 
allen  Schwankungen  und  namentlich  feindlichen  Verwüstungen  ausgesetzt,  hat 
es  weder  eine  heryorra^^ende  wissenschaftliche  (Vgl.  Wattenbaoh,  Deutschlands 
Geschicht^aellen  im  Mittelalter  II  §  16,  III  §  6)  noch  künstlerische  Regsamkeit 
entfaltet.  Denn  dass  Otto  III  zur  Ausstattung  des  Aadicner  Münsters  einen 
Maler  Jobannes  aus  Italien  berief  (Fiorillo,  Geschichte  der  zeichnenden  Künste 
in  Deutschland  und  den  vereinigten  Niederlanden  I,  75  ff.),  gestattet  wohl  den 
Schluaa,  dass  die  Rheinlande  dermalen  denselben  Kunstmangel,  wie  andere  Terri- 
torien, und  zu  dessen  Abhülfe  dieselben  Mittel,  wie  jene,  zu  ergreifen  hatten. 
Hat  doch  selbst  die  Kunstblüthe  Karls  d.  Gr.  hier  die  Arbeiten  der  gleich- 
zeitigen Italiener  immer  noch  als  leitende  Vorbilder  im  Auge  behalten  (Sohnaase, 
Gesch.  der  bild.  Künste  2.  Aufl.  III,  632).  Die  Ottonen  und  die  mit  ihnen  ver- 
schwägerten Geschlechter  Widukinds  und  der  Billunger  (Wilmans  a.  a.  0.  I. 
409,  481)  fachen  die  karolingische  Cnltur  wieder  an  und  breiten  sie  namentlich 
über  das  Sachsonland  aus,  wo  ihnen  die  ererbten  Besitzungen  und  das  Entgegen- 
kommen des  Volkes  freiere  Hand  Hessen.  Das  ganze  Sachsenland  bildet  bis  ins 
11.  Jahrhundert  eine  in  den  Ottonen  gipfelnde,  systematische  Gultureinheit.  Die 
Segnungen  des  Friedens  und  die  Erträge  der  Kriege,  die  vom  Hofe  ausströmende 
Bildung  und  Kunst,  die  vom  Süden  kerangezogenen  Gulturelizire,  der  unter  dem 
schützenden  Arm  der  Stammesherrscher  gediehene  Verkehr  und  Volkswohlstand 
kommen  zunächst  dem  Hofe  und  Volke  der  Sachsen  zu  Gute.  Und  dieses  höhere 
gedeihliche  Leben  des  Hofes  strahlte  wieder  in  den  Brennpunkten   der  hohen 


74    Die  kuoBigeschichtl.  Beziehungen  zwischen  dem  Rheinlande  u.  Westfalen. 

Stifter  von  Magdeburg  bis  Vredeu,  und  dann  in  den  mit  den  besten  Kräften 
besetzten  ßisohofsstühlen  yon  Hamburg  bis  Paderborn.  (Vgl.  Wattenbadi  a.  a. 
O.  II  §  14y  16,  lli  §  1—5)  Das  Volk  sonnte  sich  in  dem  Glänze  seiner  Herrseher 
nnd  war  in  sich  von  den  einheitlichen  Banden  der  Herkunft,  Einrichtungen  nnd 
des  Stammesbewiisstseins  so  innig  umschlungen,  dass  noch  zum  Jahre  10G5  der 
Gorreyer  Mönch  wie  erbittert  über  das  Bhicksal  seiner  Stammeageuossen  jenseits 
des  Meeres  in  die  Klosterannalen  schrieb:  Willehem  basthard,  legitimo  rege 
Anglorum  expulso,  regnum  sibi  arripuit  Mon.  Germ.  Histor.  SS.  III,  6.  Bischof 
Thietmar  von  Merseburg  erzahlt  mit  sichtlichem  Stammesstolze  Ghronieon  YI, 
S.  Mon.  Germ,  Histur.  SS.  III,  807;,  dass  Kaiser  Heinrich  1004  auf  seiner  Rückreise 
von  Italien  durch  das  Elsass  gekommen,  dann  aber  per  Franciam  orientalem 
iter  faoiens  Saxoniam,  ut  sepe  professus  est,  securitatis  ac  tocias 
ubertatis  quasi  florigeram  pardisi  aulam  revisit.  S<^che  Gultur- 
einheit  und  Blüthe  musste  sich  auch  in  der  Kunst  aussprechen,  und  wohl  kein 
Land  bat  aus  den  frühem  kunstarmen  Zeiten  bis  ins  11.  Jahrhundert  einen 
solchen  Kreis  von  Bauresten  aufzuweisen,  wie  Sachsen  in  den  Kirohenbauten  zu 
Gernrode  (Lucanus  im  Anzeiger  des  Germ.  Museums  1857,  12  fi.  42),  Quedlin- 
burg (Ranke  n.  Kugler  -  in  des  letztem  Klein.  Schriften  I,  693),  Gandersheim, 
Corvey  (Schnaase  a.  a.  0.  lY,  2,  61,  61),  Paderborn,  Yreden  (Lfibke  a.  a.  0. 
S.  69  f.,  63  ff.)  und  Essen  (v.  Quast,  in  der  Zeitschr.  für  ehr.  Arohaeologie  und 
Kunst  I,  1  ff.).  Wenn  nun  das  älteste  Stück  diesseitiger  Bauthätigkeit,  der  west- 
liche Yorbau  der  St.  Pantaleonskirche  zu  Köln,  als  ein  Werk  dos  Erzbisohofs 
Bruno,  de«  sächsischen  Königsbruders,  dasteht,  und  zu  Essen  dieselben  jonisiren- 
den  S&ulenkapitale,  wie  zu  Quedlinburg  und  Gandersheim  (v.  Quast  in  d.  Rhein.' 
Jahrb.  X,  196  u.  in  der  Zeitschr.  für  ehr.  Archaeologie  u.  Kunst  I,  4),'  und 
ebenso  in  den  ICrypten  zu  Emmerich  und  Paderborn  wieder  dorisitende  vor- 
kommen (E.  aue'm  Weerth,  Kunstdenkmäler  des  ehr.  Mittelalters  in  d.  Rhein- 
landen Text  I,  XY),  sollte  man  da  nicht  fast  behaupten  können,  der  wahre 
Heerd  dieser  Kunstübung  sei  das  Sachsenland,  und  die  rheinischen  Werke  dieser 
Art  Strandl&ufer,  Früchte  derselben  Sonnenwärme,  gewesen  —  gleichviel,  welches 
Land  eben  den  ältesten  Kunstrest  bewahrt  hat?  Und  ebenso  wie  einst  Otto  lU. 
zu  Aachen,  bemft  später  der  grosse  Adalbert  von  Bremen  einen  Maler  aus  Italien, 
der  viele  Kirchen  mit  seiner  Kunst  verherrlichte  (Stenzel,  dentsche  Gesch.  unter 
den  Frank,  Kaisern  I,  141),  und  so  wenig  mustergültig  erschien  ihm  der  für 
seine  Zeit  epochemachende  Dom  zu  Köln,  dass  er  den  darnach  von  seinem  Yor- 
ganger  für  den  Dom  zu  Bremen  genommenen  Plan  aufgibt  und  den  Dom  zu 
Benevent  als  würdigeres  Muster  wählt  (Adam.  Bremens.  Gresta  Hammaburg. 
ecclesiae  pontificum  11,68,  78,  III,  8.  Schumacher  im  Bremischen  Jahrbudi  I, 
294  f.).  Freilich  änderte  sich  die  Stellung  und  Kunst  Sachsens  und  Widstfolens 
zu  den  andern  Ländern  schon  mit  dem  Aussterben  des  sächsischen  Königshauses 
und  besonders  mit  der  Auflösung  des  Herzogthums. 

')  Gleich  bei  der  Organisation  des  Sachsenlandes  erscheinen  als  die  Haupt- 
pioniere der  Gultur  und  Kunst  die  fränkischen  Beamten,  die  Klöster  und  ihre 
ersten  Leiter,  meistens  Kinder  vornehmen  oder  gar  königlichen  Geblüts,  und  die 


Die  kuQftgeschiühtl.  Beziehungen  swischen  dem  Rheinlande  u.  Westfalea    75 

Qeisilioheo  überiiaupt,  insofern  ihnen  im  Aachener  Capitular  801  der  Bau  der 
Kirchen  ausdrücklich  anbefohlen  ward  (Monnm.  Germ.  Hist.  III,  87).  C^naaere 
Belege  sind  hier  nicht  am  Ort;  beseichnend  erscheint  schon  jene  Stelle  der 
vita  B.  Idae  (Mon.  Germ.  Uistor.  II  569  sq.)  o.  8.  Erat  antem  praefatus  Bert- 
gerus  (presbyter)  ex  illorum  contubernio,    quos    beata.  Ida  primum   de 

Galliis  secum  advexerat quippe  eorum  disciplinis   informatus,  qui 

in  l^e  Dei  sui  sine  qaerela  incesserant,  qui  etiam  ipsam  ecclesiam  et 
Sacra  mausolea  aliquot  annis  strennissime  divinis  humanisquo  obsequiis 
excolttit,  honoravit  et  venustavit.  —  Uebeif  Ida's  Bau  spricht  die  Yita 
c.  8.  Kon  multo  post  in  loco  supradicto,  ubi  quondam  densissima  silvarum 
obductione  astra  ipsa  occulebantur,  lapidea  basilica  constmitur  ac  in  sanctae 
Mariae  genitricis  Dei  honore  sanctique  Germani  episcopi  oonsecrata  est.  lAe 
reichere  Anlage  derselben  ergfibt  sich  aus  den  cc.  5,  6.  7,  10  (vgl.  Note  8)  Die 
erwähnte  Imitation  der  frankischen  Klostereinrichtung  bezeugt  später  König 
Ludwig  in  einer  Urkunde  död^^/»  bei  Wilmans,  Kaiser-Urkunden  (1867)  I,  119. 
.  .  •  Is  (abbas  Warinus)  peciit  celsitudinem  nostram  recordari,  quod  pi^  memorie 
genitor  noster  Hindowious  imperator  ambo  hpc  monasteria  oonstrui 
justit  ad  normam  videlicet  precipuorum  in  Gallia  monasteriorum, 
Novam  utique  Gorbeiam  ad  similitudinem  Antique  Gorbeie,  Heri- 
fordense  vero  cenobium  ad  exemplum  monasterii  sanctimonia- 
lium  in  Suossionis  civitate  consistentium  ....  Die  auf  den  Kloster- 
bau zu  Schildesche  bezügliche  Stelle  ist  von  Strunck  aus  einer  alten  Hand- 
schrift des  Klosters  mitgetheilt  und  abgedruckt  in  Regesta  Historiae  Westfoliae .  . 

herausgeg.  von  fl.  A.  Erhard  I.  S.  125 Ibi   dum  in   loco  arae  summae 

dostinato  crux  erecta  . .  . .  ^  essety  domina  Marcsuidis  primum  lapidem 

suis  ipsa  manibua  in  scrobem  detulit Mox  etiam  accedere  jussi,  quos  e 

Galliis  accessiverati  fabri,  murarii,  et  cementarii,  eorumque  laboribus  in- 
defesBia  operi  coepto  tarn  ardenter  institum,  ut  ecclesiae  totius  fundamenta  eadem 
adhnc  aestate  quaquaveraum  de  terra  consurrexerint.  Dass  in  diesen  Berichten  das 
Land  Gallia  nicht  Lotharingia  (cf.  Index  in  Mon.  Germ.  Histor.  XI  s.  v.  Gallia) 
oder  dal  Rheinland  bedeutet,  dürfte  sich  aus  den  sachlichen  Gründen  der  vorigen 
Note  ergeben. 

^)  Ausreichende  Aufschlüsse  geben  schon  die  vita  Bennonis  ep.  Ospabru- 
genBis  t  1088,  anotore  Norberte  abbate  Iburgensi  a.  1118  conscripta  in  Mon. 
Germ.  Histor.  SS.  XH,  58  sq.  —  und  die  vita  Meinwerci  ep.  Paderbornensis 
1009— 10S9  in  Monum.  Germ.  Histor.  SS.  XI  106  sq.,  die  letztere  insbesondere 
e.  155  (ib.  p.  139):  luxta  principale  quoque  monasterium  oapellam  quandam, 
capeUae  extructae  in  honore  Mariae  perpetuae  virginis  a  Gerolde  Koroli 
magni  imperatoris  consanguineo  et  signifero  contiguam,  per  Grecos 
operarios  oonstruxit  eamque  in  honore  sancti  Bartholomei  apostoli  dedicavit.  — 
c  216  (ib.  p.  158):  Episcopus  ergo  pro  obtinenda  celesti  Jerusalem  ecclesiam 
ad  similitudinem  sanotae  Jerosolimitanae  ecclesiae  facere  disponens  Winonem 
abbatem  de  Hebnwardehusun,  quem  de  monaohis  civitatis  suae  ibi  praeposuerat^ 
ad  se  aocersivit,  eumque  Jerosolimam  mittens,  mensuraa  eiusdem  eodesiae  et 


76    Die  kuDstgesohiohtl.  Boziehungon  zwischen  dem  Rbeinlande  u.  Westfalen. 

sancti  Sepulcri  deferri  sibi  mandavit.  Die  Literatur  bei  W.  Lotz,  Kunsttopo- 
graphie Deutschlands  (1, 1862)  I,  493  f.  s.  v.  Paderborn :  S.  Bartholomäusk.  u. 
Stiftsk.  Bustorf).  Die  Monachi  civitatis  suao  waren  die  Benedictiner  des  Klosters 
Abdinghof  und  von  Meinwerk  (vitae  c.  30)  ans  Cluny,  jedenfalls  zugleich  behufs 
Künstlerdienste,  nach  Paderborn  heimgeföhrt;  denn  wie  leicht  auch  für  den  ganzen 
Norden  die  Kuust  der  Klöster  gegen  jene  der  Domplatze  im  11.  Jahrhundert 
übertrieben  zu  werden  pflegt— die  dies^itigeThatigkeitAbdinghofB  bezeugen  jene 
Sendung  Winos,  der  Bau  der  Klosterkirche  (Lübke,  Mittelalterliche  Kunst  in 
Westfalen  1858,  S.  60  f.),  vielleicht  auch  die  figurenreiche  Kreuzabnahme  und 
die  Kapellen  der  Externsteine  (E.  Giefers,  in  der  Zeitschrift  für  Gesch.  u,  Alter- 
thumskunde  Westfalens  (1867)  XXVI,  13)  und  nicht  weniger  das  früh  rege 
Mmstleben  des  Mutterklosters  Cluny  (Acta  Sanctorum  Cff.  Vitae  Bemonis, 
Guilclmi  I  abbatb  s.  Beuigni  Divionensis«  Odilonis  Jan.  I,  827,  828,  61,  62,  69 
vita.  s.  Hugonis  ib.  April  III,  646,  646),  sowie  die  epochemachenden  Bau- 
leistungen Burgunds  überhaupt  (vgl.  F.  Mertens,  a.  a.  0.  S.  91,  92).  Uebrigens 
leitet  der  Vergleich  der  Stützenverschiedenheit  und  der  dorisirenden  Gapitale 
der  Krypta  zu  Emmerich,  und  der  noch  von  Meinwerk  erbauten  Abdinghofer 
Krypta  zu  Paderborn  (E.  aus'm  Werth,  Kunstdenkmälor  des  ehr.  Mittelalters  in 
den  Rheiulanden.  Text  I,  XV  N.  78)  auf  die  ansprechende  Ansicht:  „die  Be- 
ziehungen Meinwerks  zu  Emmerich  durch  das  Erbe  seiner  Mutter  Adela  machen 
es  wahrscheinlich,  dass  er  die  Bündels&ulen  zu  Abdinghof  nach  dem  Motive 
derjenigen  zu  Emmerich  machen  Hess. 

*)  F.  V.  Quast,  Die  romanischen  Dome  des  Mittelrheines  zu  Mainz,  Speier, 
Worms  1853  S.  26,  bemerkt  über  den  Fortschritt  des  Speierer  Dombaues  unter 
Heinrich  IV.  bis  zur  Weihe  1061 :  „Aber  auch  damals  scheint  'er  noch  nicht 
vollendet  gewesen  zu  sein,  vielmehr  drohten  die  hart  an  der  Ostseite  vorbei- 
strömenden  Wogen  des  Rheines  den  Untergang  des  Bauwerks.  Der  in  der  Bau- 
kunst hochberühmte  Bischof  Benno  von  Osnabrück  1068—1088  ward  zu  Hülfe 
gerufen  und  half  jenem  Üebel  nicht  nur  ab,  sondern  scheint  überhaupt  den  Bau 
gefördert  zu  haben",  von  dem  er  S.  37  noch  bedeutende  Reste  in  dem  heutigen 
Riesenbau  wiederfindet.  Vgl.  Schnaase,  Geschichte  der  bild.  Künste  2.  Aufl.  IV, 
377  ff.  —  Wer  nach  der  Ausbreitung  des  sächsischen  Stammes  und  der  frühem 
Landesgrenze  (W.  Bolevinck  (f  1502),  De  laude  veteris  Sazoniae  nunc  West- 
phaliae  dictae  herausg.  von  L.  Tross  1865.  I.  1.  S.  6  und  darnach  B.  Wittius 
c.  1500  Historia  Westphaliae  ed.  Monasterii  1778  p.  6),  Essen  zu  Westfalen  zahlt, 
mnsB  umgekehrt  einen  frühern  auf  Westfalen  ausgeübten  Einfluss  constatiren, 
insofern  der  polygone  Westchor  des  Münsters  zu  Essen  aus  der  Mitte  des  10. 
Jahrhunderts  nach  dem  Vorbilde  des  Karlsmünsters  zu  Aachen  aufgeführt  ist. 
(v.  Quast  in  der  Zeitschrift  für  christl.  Archaeologie  u.  Kunst  1856.  I,  18.) 
„Preussen**  (oder  dessen  Provinzen  Rheinland  und  Westfalen)  „besitzt  (darnach) 
jetzt  die(se)  beiden  einzigen,  die(se)  beiden  ganz  namhaften  Ueberreste  der 
Baukunst  vom  Ende  des  4.  Jahrhunderts  bis  gegen  die  Zeit  des  Anno  (von 
Köln)  ....  1060,  nicht  nur  in  Deutschland,  nicht  nur  in  Frankreich,  sondern 
in  den  gesammten  Ländern  des  Nordens  j  und  noch  muas  man  sagen,  dass  auch 


Die  kmutgeschichtl.  Besiehangeti  zwisohen  dem  RheinlaDde  n.  Westfalen.    77 

der  AnfaD(|r  der  folgenden  Periode  sich  mit  am  ersten  und  kräftigsten  in  diesen 
preussischen  Landestheilen  zeigt.  Diese  Thatsaohen  sind  einigerroassen  bezeich- 
nend fnr  die  Verhältnisse  der  Cultur^eschichte"  (F.  Mertens,  Die  Baukunst  des 
Mittelalters  1850.  S.  90)  —  ein  Urtheil,  das  heute  in  seinen  Vordersätzen  nach 
den  Thatsachen  der  Note  6  zu  erweitem  ist  und  dann  die  Schiassfolgerung  noch 
deutlicher  bewahrheitet. 

^*)  F.  Mertens  meint  a.   a.  0.  S.  92:    ,,Man  muss  auf  den  statistischen 

Tafeln    sehen,   in   welcher  Weise  hier   in  Köln von   dem  Jahre    1059, 

welches  ich  als  das  Anfangsjahr  des  Baues  von  St.  Georg  angegeben  habe,  die  Bau- 
werke continuirlich  durch  alle  Jahrhunderte  bis  zii  unsern  Tagen  aufeinanderfolgen. 
wie  in  Hinsicht  des  Anfanges  .der  Kunst  oder  der  Früheeitigkeit  oder  der  An- 
leitung in  der  Baukunst  nur  die  Orte  Trier,  Lüttich,  Nivelles  (in  Brabant)  ijs 
gleichberechtigt  neben  Köln  gelten  können,  wie  dann  vom  Niederrhein  aus, 
seit  dem  Anfang  des  12.  Jahrhunderts,  die  Baukunst  sich  erst  am  Mittelrhein, 
in  Westfalen  und  Niedersachsen  und  erst  später  gegen  die  Mitte  des  12.  Jahr- 
hunderts und  selbst  gegen  das  Ende  und  nach  dem  Ende  desselben  in  den  nun 
noch  übrigen  Provinzen  des  südlichen  Deutschlands  sich  zeigt,  um  zu  begreifen, 
was  diese  eine  Stadt,  was  der  Niederrhein  überhaupt,  in  Hinsicht  der  Givilisation 
und  der  Hinfuhrung  zu  solcher  für  Deutschland  und  selbst  für  Europa  gegolten 
habe.'*  —  Schon  in  der  Entfaltung  des  romanischen  Baustils  brachte  Köln 
es  zu  einer  Meisterschaft  und  zu  einer  weit  über  die  Grenzen  der  Rhein* 
lande  gelangten  Berühmtheit,  die  als  ein  Vorspiel  der  grossartigen  Verbreitung 
der  Kölner  Kunst  des  gothischen  Stils  gelten  darf.  Das  ergibt  sich  aus  folgen- 
den Nächrichten.  Als  der  heilige  Norbert  1121  in  der  Einsamkeit  von  Goucy 
das  Mutterkloster  Prämonstrat  erbauen  wollte,  wurde  erst  eine  Kapelle  errichtet 
und  dann  zum  Bau  geschritten.  Es  waren  Caementariorum  autem  quidam  Teu- 
tonici,  quidam  Gallici  ....  woher  die  Teutonici  kamen,  sagt  die  andere  vita 
B.  Norbert! :  Porro  pars  caementariorum  Teutonici  erant  —  conduxerant 
enim  eos  Golonienses  amici  hominis  Dei  —  pars  nostrates,  amici  jam 
Praemonstratensium.  Vita  s.  ^rberti  archiepiscopi  et  institutoris  ordinis 
Praemonstratensis  ed.  Wilmanns  in  Monimi.  Germ.  Histor,  SS.  XH,  666,  AA. 
SS.  Juni.  I.  838.  —  Das  Prämonstratenserkloster  Floridus  hortus  zu  Wittewerum 
in  Ostfriesland  baute  in  den  Jahren  1288—1259  eine  grosse  Klosterkirche;  der 
dritte  Abt  Menco  (Chronicon  in  A.  Mathaei  Veter.  aevi  Analect.  ed.  2.  II, 
132  sq.)  erzählt  umständlich  den  Verlauf  des  Baues,  mit  der  Berufung  des  Meisters 
beginnend:  ,,  .  .  .  anno  Domini  MQCXXXVHI,  anno  ab  inchoatione  lateritii 
operis  tertio,  praedictus  Abbas  veniens  in  ortum  Sanctae  Mariae  de  oonsilio 
Domini  Sibrandi  Abbaus  ibidem  conduxit  magistrum  Everardum  lapioi- 
dariae  artis  peritum  natione  Goloniensem  adnovamecclesiam  inFlorido 
orto  faciendam,  mercede  ipsius*  taxata  tam  hyeme  quam  aestate  videlicet  ut 
reciperet  praeter  victum  aestivo  tempore  ad  diem  VII  daventrienses,  hyemali 
vero  tempore  a  festo  Martini  ad  puriücationem  tres  et  hoc  tempore  sederet  ad 
secandoB  lateres,  sed  satis  dampnose  propter  diei  brevitatem  et  aeris  obscuri- 
tatem  .  .  .'*    Dennoch  lassen  sich   merkliche  Spuren  Kölns  in  der  romanischen 


7$    IM«  koflitgMebMtL  IkMmogmk  tmimhm  dem  Bhehilaiida  il  WaitfOeii. 

AnihiUkUir  Watifalent  niobt  nftchweiteo.  und  C.  Mrnaate,  m.  a.  0.  lY.  2, 
104,  d,  Aufi,  Wf  896  hmutrki  hintlebilieh  einet  des  weeentliobtten  Oliedee  der 
HmtmimUMiun^  t  ,,0b  nnn  die  Bitte  der  dorebgftngigen  Ueberwölbang  ans  den 
li^MiinKi*Kenden  bSerber  gelangt,  oder  ob  eie  bier  lelbstiUidig  gefonden  let^  Iftest 
»iuh  freiliob  niobt  ermitteln.  Indeteen  deutet  keine  nihere  AebnÜcbkeit  der 
Form  auf  jnne  Kinführung»  violmebr  ipriobt  die  eigeothumlicbe,  der  Rheingegend 
unbekannte,  Vorbindung  der  Sftale  mit  dem  Ge^ölbeban  dafari  dass  dieser  hier 
in  Folge  eigener  Voraucbe,  die  freilich  nicht  an  bo  mächtigen  Domen  wie  dort, 
«ondern  an  Gebinden  von  geringen  Dimensionen  vorgenommen  wurden,  ansge- 
bildst  sei,*'  —  F.  v.  Qtiast  will  Überhaupt  im  Mittelalter  keine  Baneinflüsse  vom 
Hhttlnlatulfl  aulassen  und  die  Helbitindigkoit  der  i^cstfalisohen  Architektur  retten, 
lodern  er  versichert:  „in  den  Banton  der  Diöcesen  des  ehemaligen  westfälischen 
Landes keine  wesentlichen  Unterschiede,  sondern  nur  etwa  locale  Ein- 
flüsse bemerkt  su  haben,  die  sich  wohl  auf  einEclne  Ortschaften,  nicht  aber  auf 
ganae  ÜlÖoesen  erstreckten;  jedoch  seien  Unterschiede  innerhalb  der  Diöcesen 
wahraunehmon,  sobald  man  die  eigentlichen  Grenaen  West&lens  fiberschreite, 
und  so  gehörten  die  Östlich  gelegenen  Theile  des  Mindenschen  Sprengeis  lum 
,  niederslohslsohen'  Baukroise,  w&lurend  umgekehrt  die  westfUischen  Theile  des 
Kölner Hprengels  von  den  rheinischen  desselben  Sprengeis  völlig  verschie- 
den sich  den  übrigen  Westfalens  anreihen/^  Correspondenz-Blatt  des 
Uttsammtvereines  der  deutschen  Geeohiobts-  und  Alterthomsvereine  (18&5) 
Jahrgang  111,  85. 

'*)  Der  Vergleich  der  Bannaohriohten  mit  den  Formen  und  Stildmrakteren 
an  den  verschiedenen  Tbeilen  bestimmen  auch  mich,  für  den  einen  grosseren 
HautheU  des  Soester  Domes  ein  höheres  Alter,  als  daa  12.  Jahrhundert  in 
Anapruoh  au  nehmte  und  midi  gegen  die  Ansichten  gewiegter  Bauforecher 
(Oorrespondentblatt  111«  2&»  Lota  a,  a.  0.  I,  559)  tu  Gunsten  der  Annahme 
liübke's  a.  a.  IK  S.  78  ff.  (K^yeer's)  im  Organ  für  ohr.  Kunst  (1864)  XIY,  14, 
Gief^rNi  und  Kaievr'e»  die  Soester  PalrooU-Kirobe  n.  Nicolai-KapeUe  1863  S.  1  iL 
tu  enUobeldeii :  %,Die  Patrooli*Kirobe  au  Soeel^  gewöhnlich  der  Dom  genanst»  ist 
«Um  In  ranem  fonianiaoheii  Slüe  erbaute  Pfoilerbaailika  und  gekört  an  den 
berv^rragendalea  Gebiudea  dieser  Art  in  gana  Weatfalen.  Daa 
gMie  OelAvide  bat  ttimUoh  «im  Lftnge  von  9S4  Fuaa;  daa  Mitlebehiff  iat  S7 
I\mi^  jedes  der  beide«  S^itensbbifits  U\,  Fuas  br«i;  der  Darcksebaili  dar  besdos 
Krs«ialH^  VMii  Nvvrdeii  Mob  SUett  ist  106  Faaa  kag«  Doeb  ist  daa  gewaltige 
GiMwde  niebl  aia»  Rinew  Guas  bwiroigf'gangea,  aoudeni  etenmt  ans  awei  ver- 
StfMe4ei>e<l  HwepetMkik  Maslibk  daa  Omv  das  Kreeoaebifi«  aowie  der  öetKebe 
TWa  dee  llilUlsicbii^  bia  awai  Amlbw  PMatpaare  mü  desi  UAidBuid 
l«a  dir  »IbMSS^bUlfe  sMl  ««  die  Mlttie  des  eiUlift  labitendeKa  (H») 
4mx  dir  iW%i^  wesOiefci  TVeü  der  iaroba  iig^nn  «i&  der 
wdvdMpNn  AidaiP»  der  VvwMtte  m«)  dce  «Mt  deraalbtsi  ivrtasiplbMa 
IVMrea«»  iM^nths  d^r  Hill*  dee  li.  laJbAiwidtrta  asi;  denn  mdb  eiMr  Uikwde 
t««a  Jbdbr»  ll«6  bsMIli^  IMbmbM^  IMmM  wwi  IRIa  die  KMbe  kwa  veikv  cia- 
«i^y^^         1^  AM^ikir^^li«  U^r|{    Ws   <>iisbrhl.  «^  Labl»  a.  a.  a 


Die  kimstgeschichiL  Beziehongen  swiscben  dem  Rkeinlande  u.  Westfalen.    79 

8.  iSO,  deren  Chor  1070  daroh  BiecLof  Benno  von  Osnabrück,  ihrem  Gründer, 
eingeweiht  wurde  and  die  im  Jahre  1084,  von  welchem  die  Stiftnngsnrkande 
datirt,  im  Bao  beendet  erscheint,  zeigt  trotz  eines  nüchternen  spätgothischen 
Umbaaes  ihres  aus  drei  gleichhohen  Schiffen  bestehenden  lAnghauses  bedeut- 
same Reste  der  romanischen  Anlage,  die  ich  dem  arsprüngliohen  Baue 
zuschreibe;  namentlich  sind  die  Mauern  des  Chores  und  Kreuzschiffes  alt, 
letzteres  hat  auch  die  gedruckten  rundbogigen  Gowölbegurte  and  in  den  Ecken 
ab  Träger  derselben,  wie  in  der  Kirche  zu  Marienmfinster  kraftige  Säulen. 
Ihre  Kapitale  gleich  denen  der  Pfeiler  des  Schiffes,  sind  in  der  Rococozeit  mit 
Stuckomamenten  überklebt;  /  ihre  steilen  attischen  Basen  zeigen  das 
Eokblatt  Auf  der  Kreuzung  ein  Glockenthurmchen  als  Dachreiter.  Die 
Kirohe  hat  eine  herrliche  Lage  auf  einem  steilen  Abhänge  des  Teutoburger 
Waldes,  der  weit  in  die  Ebenen  des  Münsterlandes  hinaussieht.*'  Unmöglich 
lassen  sich  jene  älteren  Theile  ins  12.  Jahrhundert  versetzen;  einmal,  weil  der 
Bau,  den  der  architectus  praecipuus,  der  caementarii  operis  sollertissimus  dis- 
positor  seiner  Zeit  persönlich  und  unter  den  grossartigsten  Znrüstungen  leitete, 
vielleicht  schon  auf  ein  Gewölbe  berechnet  und  in  einer  Bauzeit  von  1070  bis 
zu  seinem  Tode  1088  noch  nicht  vollendet  war,  schon  nach  Verlauf  von  kaum 
100  Jahren  wieder  umgebaut  sein  sollte;  sodann  kennt  auch  der  Abt  Norbert 
von  Iburg  selbst,  der  1118  Bennos  Leben  und  Thaten  beschrieb,  keine  andere 
Kirche  als  jene  Bennos  und  statt  sie  fua  bald  restaurationsbedürftig  zu  halten» 
gibt  er  gleichsam  episch  zu  verstehen,  dass  sie  der  Stolz  des  Klosters  und  der 
Umgegend  sei  (Cf.  Vita  Bennonis  c.  23,  36,  29,  19,  40,  24,  41.)  An  einem' 
Bennosbau  hat  auch  das  zierende  Eckblatt  an  steiler  attischer  Base  nichts  Be- 
fremdendes für  das  11.  Jahrhundert.  —  Die  Pracht  der  Kunstwerke  im  Dome 
zu  Münster  besengt  der  Kölner  Handeli^ode  Herman,  der  sich  hier  um  1131 
aufhielt,  um  auf  die  Rückzahlung  eines  dem  zeitigen  Bischof  Egbert,  in  Mainz 
geleisteten  Geldvorschusses  zu  warten,  und  der  zum  Zeitvertreib  die  Domschule 
und  die  Fredigten  im  Dome  besuchte,  so  dass  er  am  Ende  Christ  und  Prämon- 
stratenser  des  neu  gestifteten  Klosters  Cappeuberg  wurde.  In  der  Schrift  de 
soa  oonversione  c.  2.  bei  von  Sternen,  Beschreibung  der  Gotteshäuser  Kappenberg 
and  Scheda  1741  erzählt  er :  Processu  temporis  ex  orebris  eorum  (Christianorum) 
oon£ibulationibns  ad  exploranda  diligentius  ecclesiastioa  sacramenta  factus  alacrior, 
basilicam  (oathedralis  ecclesiae)  non  tam  adhuc  devotus,  quam  ouriosus  iutrabam, 
quam  antea  velut  delubrum  quoddam  exhorrueram.  Ubi  studiosius  omnia  per* 
lustrans,  inter  artifioiosas  caelaturarum  ac  picturarum  v^rietates 
monstrosum  quoddam  idolum  aspioio.  Cemo  siqnidem  unum  eundemque  hominem 
humiliatnm  et  exaltatum  et  ejectum  ignominiosnro  et  gloriosum,  deorsum  in 
cruce  mirabiliter  pendentem,  pictnram  sursum  metienti  yenustissimum  ac  velut 
deificatnm  residentem  ....  dass  ihm  überhaupt  die  Bilder  und  Bilderverehrung 
damaliger  Zeit  viel  zu  schaffen  machten,  bezeugt  o.  8  seine  Unterredung  mit 
Abt  Rupert  von  Deutz. 

^*)  Das  Genauere  geben  meine  Artikel  },die  Ludgerikirohe  zu  Munster^  im 
Organe  für  christl.  Kunst.  (1868)  XYIII,  Nro.  2,  8,  4 


80    Die  kanBtgeschiohtl.  Beziehungen  zwischen  dem  Rheinlande  u.  Westfalen. 

'3)  „Der  Dom  zeigt  drei  Schiffe  yon  gleicher  Höhe;  der  Papst  berichtet» 
wie  diese  Anordnung  anf  seinen  Wunsch  getroffen  worden  sei,  nachdem  er 
solche  Hallenkirchen  in  Deutschland  gesehen/*  A.  yon  Reumonty  Gesch,  der 
Stadt  Rom  HI.  1,  398. 

^*)  Eine  genauere  Beschreibung  der  hier  zur  Sprache  kommenden  Kirchen- 
bauten des  Niederrheins  würde  zu  weit  fahren  und  muss  vorbehalten  bleiben. 

^')  Der  Tuffstein  kömmt  in  Westfalen  nur  mehr  als  Grenzläufer  vbr,  so 
als  Verkleidung  der  grossen  Kirche  zu  Bochold  (Lubke  a.  a.  0,  S.  281),  an  dem 
benachbarten  malerischen  Thurme  der  romanischen  Uebergangszeit  zu  Dingden 
und  angeblich  an  den  romanischen  Bauresten  der  Kapelle  zu  Haas  Dülmen  bei 
der  gleichnamigen  Kreisstadt;  am  Niederrhein  wurde  er  theils  aus  den  Ruinen 
der  Römerbauten  gewonnen  (von  Dechen  in  den  Jahrbüchern  des  Vereins  88, 
1  ff.  gegen  Schneider  das.  98,  84.  Eyck  van  Zuylichem  bl.  14),  theils  zu  Schiffe 
bezogen,  wie  er  dann  wohl  nur  auf  diesem  Wege  bis  nach  Ostfriesland,  sogar 
bis  Bremen  (Sibrandi  Leon.  Chronicon  apud.Matheum,  Analecta  ed.  secunda  VIII, 
856,  Schumacher  im  Bremisch.  Jahrbuch  I,  299)  gef&hrt  sein  kann.  Der  sich 
mehrende  Gebrauch  des  Ziegelsteins  und  anderer  benachbarter  Bruchsteine  ver- 
drängte  ihn  in  gothischer  Zeit  so  gut  wie  völlig,  falls  er  nicht  von  altern  Bauten 
übernommen  werden  konnte.  Vgl.  Aus'm  Weerth  a.  a.  0,  Text  I,  XIV,  XIX,  29t 
So  erweisen  auch  die  Xantener  Baarechnungen  den  Bezug  der  Baumberger 
Steine  in  den  Jahren  1474,  1495,  1600,  1609,  1611,  1684  bei  Schölten  Baurech- 
nungen der  St.  Victorskirche  zu  Xanten  1862.  S.  88,  60,  72  f.,  76,  80,  84  ff.  II,  2. 

'^)  Eine  Abbildung  des  Wisseler  Taufsteins  gibt  Ernst  aa8!m  Weerth, 
a.  a.  0.  I  Taf.  X,  7.  Mit  geringen  Abweichungen  stellen  eine  gleiche  Form  dar 
die  Westfälischen  Taufsteine  zu  Haselünne  bei  Meppen,  Südkircfaen  bei  Werne, 
Metelen  bei  Burgsteinfart,  Wetteringen  bei  Rheine,  Gescher,  Ramsdorf,  Borken. 
Der  erste  ist  der  einfachste,  der  Borkener  der  reichste,  dem-  Wisseier  ähnlichste, 
weil  hier  wie  dort  Menschenköpfe,  die  sonst  fehlen,  im  Ornament  des  untern 
Beckenrandes  abwechseln;  am  Taufsteine  zu  Südkirchen  nimmt  ein  Fries  von 
Säulen,  unterbrochen  von  Blumen  und  Menschenköpfen,  die  Stelle  der  Palmetten- 
zier des  untern  Beckenrandes,  an  jenem  zu  Wetteringen  Menschenfratzen  die 
Stelle  der  vier  aufrechten  Löwen  des  Fusses  ein,  an  jenem  zu  Borken  wechseln 
am  Ständer  zwei  Löwenköpfe  mit  zwei  Menschenfratzen,  an  dem  Taufsteine  zu 
Gescher  hat  die  Verbindung  des  den  Fuss  abdeckenden  Wulstes  mit  der  Becken- 
ausladung  durch  eine  Kehle  statt.  Dem  Becken  nach  gehört  hierher  der  Tauf- 
stein  zu  Recke  bei  Jbbenbüren,  der  Fuss  ist  in  drei  getrennte  Träger  zerlegt 
(Abbild,  von  Alf.  Hartmann  in  der  Zeitschrift  für  christl.  ArchaeoL  n.  Kunst 
II,  268).  Einfachere  Formen  und  Vorstufen  jener  entwickelten  Reihe  bilden  die 
Taufgefösse  zu  Ochtrup  bei  Burgsteinfurt  und  die  sich  fast  ganz  gleichen  zu 
Gimbte  bei  Greven  und  Ostönnen  bei  Soest,  nur  dass  der  letztere,  welcher  sich 
am  weitesten  ins  Land  gewagt  hat,  durchgehends  feiner  empfunden  ist.  Alle 
drei  haben  gemein  den  kahlen  oben  fast  den  Durchmesser  des  Beckens  erreichen- 
den und  nach  unten  stark  verjüngten  Fuss  und  als  Hauptbelebung  der  Becken- 
fläche Arkaden.    Während  diese  an  dem  Ochtruper  Exemplar  unten  ein  Band 


Die  kunatgeaohiolitl.  Beziehungen  Bwischen  dem  Rheinlande  u.  Weetfalen.    Bl 

Yon  einfachen  schräg  nebeneinander,  oben  ein  solches  von  je  zwei  winkelig  zu 
einandergestellten  Blättern  einfasst,  verlaufen  sie  an  den  beiden  andern  zwischen 
einer  doppelten  Tauverzierung,  und  erlangen  ihre  Arkaden  einen  Abschluss 
mit  zur  Hufeisenform  neigenden  Bögen.  An  diesen  zeigen  die  Füsse  die  stärkste 
Veij&ngung  und  vertritt  die  untere  Tauverzierung  von  rundlichem  Profil  zu- 
gleich den,  FusB  und  Becken  verbindenden,  Wulst;  den  Uebergang  des  verengten 
Fusses  zu  der  breiten  Base  vermittelt  eine  Profilirung,  zu  Gimbte  und  Ostönnen 
ein  Wulst  und  darunter  eine  starke,  ausladende  Schräge.  Diese  drei  Stücke 
vertreten  ohne  Zweifel  den  rein  romanischen  Stil,  in  der  zahlreichem  und  ent- 
wickeltem Reihe  dagegen  scheinen  mehrere  in  den  viereckig  stilisirten 
Traubengebilden,  welche  die  wellenförmigen  Windun^n  des  Beckengeränks  ab* 
wechselnd  mit  einem  gefingerten  Blattwerk  (Pal  motten)  ausfallen,  schon  ein 
gewisses  gotiiisches'  Stilgefühl  zu  verraten,  so  handwerksmässig  und  steif  auch 
sonst  die  übrigen  Formen  gehalten  sind.  Erwähnt  sind  die  Taufsteine  zu  Me- 
telen und  Ramsdorf  bei  Lübke  a.  a.  0.  S.  378. 

*')  Hinsichtlich  der  hanseatischen  Verbindung  und*  des  gemeinsamen 
Londoner  Handels  sei  nur  verwiesen  auf  L.  Ennen,  Geschichte  der  Stadt  Köln 
U.  551  UI.  705.  Geisberg  in  der  Zeitschrift  für  Gesch.  und  Alterthumskunde 
Westfalens  (1866)  XYII,  174  ff.,  869,  und  auf  Schnaase  a.  a.  0.  VI,  889,  der  an- 
lisslich  der  Grabplatte  des  1812  in  Boston  gestorbenen  und  beerdigften  Münste- 
rischen Kaufmanns,  Wisselus  von  Smalenbergh,  das  Vorkommen  vollständiger 
(nicht  aus  Theilen  bestehender)  Metallplatten  unmittelbar  deutschen  oder  aus- 
landischen Einflüssen  zuschreibt.  Vgl.  die  genannte  Zeitschrift  XVII,  170  ff. 

^^)  Gothische  Thürme  mit  Strebepfeilern  eignen  in  Westfalen  nicht  ein- 
mal allen  Prachtwerken  dieser  Art  und  fehlen  sogar  dem  Thurm  der  Lieb- 
frauenkirche zu  Münster.    Nordhoff  im  Organ  für  ehr.  Kunst  (1868)  XVIÜ,  124. 

—  Soest  nennt  die  Vita  Idae  in  Mon.  Germ.  Histor.  II,  574  im  10.  Jahrhundert 
eine  civitas  ....  commeantium  populorum  frequentia  nobilis.  —  Die 
Bürg^raufhahmen  der  Stadt  Dortmiud  sind  aus  dem  dortigen  2  Folianten  starken 
Bargerbuche  ausgezogen  und  publicirt  von  Fahne,  die  Herren  und  Freiherren 
von  Hövel  II,  44  ff.  Unter  den  pictores  wird  einer  zum  Jahre  1381  de  Susato, 
unter  den  aurifices,  cnprifabri  einer  aus  Münster^  unter  den  lapicidae,  Stein- 
bickem  und  Steinmetzen  werden  zwei  ,^Ton  Kettwig'S  auch  ein  cntellifex  aus 
Soest  1864  genanüt  —  die  einzigen  Angaben  über  das  Herkommen  der  Künstler. 

—  Die  Chronisten  des  Elsasses  erzählen  nach  F.  von  Schmitz  a.  a.  0.  S.  186, 
187^  dass  der  Sohn  Ervins  von  Steinbach,  des  Schöpfers  des  Strassburger 
Münsters,  Namens  Johannes,  sich  mit  seinem  Vater  überwerfen  und  den  Wander- 
stab nach  fernen  Landen  ergriffen  habe.  Auf  solcher  Wanderung  nach  Münster 
in  Westfalen  gekommen,  habe  er  dort  die  schöne  Liebfrauenkirche  zu  Ueber- 
wasser  erbaut.  Diese  Sage  ist  den  gleichzeitigen  Chronisten  unbekannt  und  ihr 
specieller  Inhalt  schon  desshalb  hinflillig,  weil  die  Liebfrauenkirche  erst  1840  be- 
gonnen wurde,  Johann  von  Steinbach  aber  schon  1389  starb.  (Joh.  Schilter  zu 
J.  V.  Königshovens  Chronik  S.  559.  Tgl.  dagegen  Hegel,  in  den  Chroniken  der 
deutschen  Städte  IX,  1014  Note  6.)  —  Hinsichtlich  der  Lambertikirche  erzählt 

6 


62    Die  kanstgeschiohÜ.  Beziohungen  zwischen  dem  Rheinla&de  a.  Westfalen. 

Kock,  Series  episooporum  Monasteriensiam  eorundemque  vitae  ao  gesta  in 
eoclesia.  Monasterii  1601,  II.  14—17:  Hie  ptaeterire  non  poi^am  traditionem 
adhuc  vigentem  de  ecclesiae  exstractione;  Fenint,  operarios  Tyrolenses  huic 
operi  adliibitos ferunt  quoque,  eosdem  operarios  de  die  exstruendae  eccle- 
siae Lambertinae  et  ad  vesperam  exstruendae  ampliori,  quam  olim  foit  ecclesiae 
Minoritarum  incubuisse.  Die  evangelische,  vormals  Minoritenkirche  zu  Münster 
beschr.  von  Nordhoff  Organ  XYIII,  198  ff.  Uebrigens  sind  nach  der  Erinnerung 
älterer  Leute  Tyroler  Maurer  bis  in  unser  Jahrhundert  des  Sommers  bei  bedeuten- 
den Bauten  in  Westfalen  thätig  gewesen.  Nach  dem  Vorbilde  der  Liebfrauen- 
kirche wurden  im  Münsterlande  theilweise  noch  während  des  Baues  aufgeführt 
die  Kirchen  zu  Wolbeck,  Havixbeck  (Lübke  a.  a.  0.  S.  251),  die  elegante  schon 
1844  vollendete  Kreuzkapelle  auf  dem  Strombwge  (Münster.  Geschichts-Quellen 
in,  306)  und,  von  allen  die  grbsste,  die  Kirche  zu  Altenberge;  die  Lamberti- 
kirche  diente  zum  Muster  den  stattlichen,  weiträumigen  Kirchen  zu  Nottuln 
und  Lüdinghausen.  (Lübke  a.  a.  0.  S.  290,  293).  —  Die  Berufung  Meister 
Kurds  nach  Bremen  ist  mitgetheilt  von  Ehmck  imd  Schumacher  im  Bremischen 
Jahrbuch  £1,  294  ff.  367,  419 ;  —  der  Bau  und  der  Mebter  der  Albreohtsburg 
zu  Meissen  besprochen  von  Klemm  in  den  Mittheilungen  des  sächsisch -thürin- 
gischen Vereins  Heft  XI,  19  ff.  und  Lotz  I,  438. 

^*)  Der  Hanptchor  des  Domes  zu  Köln  schliesst  mit  5  Seiten  des  12ecks, 
jener  der  Petrikirche  mit  ebenso  vielen  des  lOecks  (vgl.  über  diese  seltene  Bil- 
düng  Otte  a.  a.  0.  S.  475),  die  Seitenkapellen  dort  und  die  Seitenchöre  hier 
mit  drei  Seiten  des  Achtecks,  letztere  jedoch  unregelmässig.  (Grundriss  bei  Lübke, 
Tafel  V).  —  Die  Nachricht  über  den  Steinmetzen  Johann  von  (Dron)Steinfart 
und  die  später  nicht  weiter  belegten  Angaben  über  Kölnische  Künstler  finden 
sich  in  dem  fleissigen,  alphabetisch  geordneten  und  deshalb  leicht  zu  hand- 
habenden Sammelwerke  Joh.  Jac.  Merlo's :  Nachrichten  von  dem  Leben  und  den 
Werken  Kölnischer  Künstler.  Mit  174  Monogrammenbildungen.  Köln  1850. 
Die  dort  S.  160  benannten  Kölner  Steinmetzen  „von  Hamm"  kamen  auch 
unseres  Erachtens  aus  dem  rheinischen  Dorfe  Hamm  und  nicht  aus  der  gleich- 
namigen, bis  in  die  neueste  Zeit  unbedeutenden  Stadt  Westfalens. 

'^)  Grabsohrift,  Werke  und  biographische  Notizen  über  Meister  Philipp 
Hermann  bringen  nach  Begin's  Werke  über  die  Kathedrale  von  Metz,  der  An- 
zeiger für  die  Kunde  der  deutschen  Vorzeit  Jahrg.  V  Nro.  3  und  die  Zeitschrift 
des  Vereins  für  Geschichte  und  Alterthumskunde  Westfalens  (1858)  XIX,  366  f.  — 

'^)  Der  Zunftbrief  der  Kölner  Gilde,  Glaswörter  Bildschnitzer,  einer  der 
frühsten  seiner  Art  vom  Jahre  1449  in  den  Annalen  des  historischen  Vereins 
für  den  Niederrhein  Heft  XVI,  184,  185  besagt:  Vort  so  wer  einich  werck 
geloiffde  zo  machen  vanOliefarven,  der  sali  dat  nit  machen  von  wasserfiurven 
und  an    wem  man  dass  gewar  wurde,   der  sali  gelden  zo  boissen  funff  marck 

und   darzo   besserong   des  wercks  doin Eine  andere  Stelle  des  Briefes 

sei  des  seltenen  Inhalts  wegen  hier  in  Erinnerung  gebracht:  Vort  wer  saoh, 
dat  einich  man  zo  Colin  queme,  der  sich  dieser  Ampter  anneme  und  sich 
damit  gedeoht  zn  emeren,  idt  were  mit  Bildensohnitaen,  ofderenicheer- 


Die  kunstgeschichtl.  Beziehungen  zwischen  dem  Rheinlande  u.  Westfalen.    88 

h«Ten  bilder  drackde,  darvan  sioh  dat  stuck  verlief  boven  ein  marck,  der 
sali  nnsem  ampt  gehorsam  sein  in  allen  Sachen  und  punten  vnrg.  sonder 
argelist.  Hinsichtlich  der  Altcrsstellung  des  Briefes  und  der  Bedeutung  des 
Bilderdruoks  vgl.  K.  •  Falkenstein,  Geschichte  der  Buchdruckerkunst  1840,  S. 
18  ff.    Sotzmann  in  Baumerts  Histor.  Taschenbuch  1841  S.  517  ff. 

'^)  Die   vielleicht  noch  im  11.   Jahrhundert  wurzelnde  Malerei  Soest's^  — 
wenigstens    zeigten    die    dem   11.   Jahrhundert    entstammenden    Bautheile   des 
Domes  (vgl.  Note  11)   in    den  Apsiden  die  jetzt  restaurirten  ernsten  Wandge- 
mälde —  wird  nach  den  Werken  und  Meistern  ästhetisch  und  technisch  ge- 
würdigt von  Lübke  a.  a.'O.  S.  321  ff.,  Giefers  und  Kaiser  a.  a.  0.  S.  17  ff.  und 
erscheint   den  Arten  wie  der  Verbreitung  nach  immer   bedeutsamer,  je  mehr 
Beste  von  Tafel-  und  Wandmalerei  in  der  Stadt  und  Umgegend  entdeckt  werden. 
Der  älteste  dieser  Fimde  in  der  Kirche  Maria  zur  Höhe  ist  zugleich  der  merk- 
würdigste,  sowohl  in  Absicht   auf  den  Reichthum  der  Darstellungen,  wie  der 
Technik   und  Dimensionen.    (Vgl.  Leipziger  Illustr.  Zeitung    1870  S.  Sil).    Es 
ist  nämlich  auf  eine  mit  Leinwand  überzogene  und  bemalte  kreisrunde  Holz- 
scheibe ein  hölzernes  Cmcifix  derart  gdegt,   dass  die  Enden  der   drei  oberen 
Balken  sieh  mit  der  Peripherie  der  unterliegenden  Scheibe  decken;   unter  den 
nach  unten  über  die  Kreisscheibe  hinweghangenden  Kreuzesfuss  hat  man  später 
eine  viereckige  Unterlage  gelegt  und  diese  oben  durch  schräge  Giebel  mit  der 
Kreisfläche  des  Bildes  verbunden,  die  Unterlage  durch  farbige  Linien  in  vier- 
eckige Felder   zerlegt  und   diese  schwarz    in  Gold   verziert  mit  Blattmustem, 
Thiermotiven,   grotesken  und  andern  Menschengestalten ;  das  Kreuz  nun  enthält 
in  hohem  Belief  acht  eingesohnitzte  Scenen  aus  der  Leidensgeschichte,   die  von 
der  Kreisscheibe  gefüllten  Winkel   des  Kreuzesbalken  4  runde,  die  Enden  der- 
selben 4   quadratische  Darstellungen   aus    dem  Leben  Jesu,   so   dass   die  des 
untern  Kreuzbalkens  mit  der  Grablegung    abschliesst.    Ueber  jedem  Ende  des 
Querbalkens   schwebt  ein   geschnitzter  Engel,    die  beiden    Rundbilder   in  den 
untern  Winkeln  des  Kreuzbalkens  zeigen  das  eine  Christus  vor  Pilatus,  das  an- 
dere den  Einzug  in  Jerusalem.    Malerei  und  Sculptur  gehen  hier  völlig  Hand 
in  Hand,  falls  der  Farbenauftrag  nicht  der  Restauration  des  Bildwerks  ange- 
hört.    Es  gehört    nämlich  das  Kreuz  mit  der  Kreisscheibo  und  den  Bildern 
der  romanischen^Stilzeit   Vielleicht,    wie  der  Thurm  der  Kirche,  noch  dem  12. 
Jahrhundert  an;  dagegen  kann  der  viereckige  Untersatz  mit  den  quadratischen 
Ziermustem  und  der  oberste  Farbenauftrag  wohl  nur  in  der  Zeit  gemalt  sein,  wo- 
rauf  die  Inschrift  hinter  dem   Bilde  an  der  Wand  hinweist:    Anno    Domini 
MGGCGLXX  primo  die  assumptionis  b.  Marie  virginis  gloriose  hec  tabula  cum 
cradfixo  et  aliis  reformata  fuit.  Dominus  Johannes  Eppynck,  dominus  Johannes 
Warendorp  capellanus,  Thomas  Myle,  Johannes  Schone,  Ratte  provisores.    Ma- 
gister Theodericus  de  Tremonia  pictor  huius  tabule.  —  Dem  Anfange  des  13  Jahr- 
hunderts entstammt  das  vom  Baurath  Bucholtz  zu  Arnsberg  gefundene  und  von  F. 
V.  Quast  in  der  Zeitschrift  für   ehr.  Archäologie  u.  Kunst  (1858)  U  28S  f.  be- 
schriebene Altargemälde    der   Wiesenkirche:   eine   in   allen    Theilen    frei   und 
lebendig  empfundene  Kreuzigung  mit  den  Seitenstücken  des  Verhörs  vor  Kaiphas 


84    Die  kunstgesohichtl.  Beziehungen  swiachen  dem  Rheinlande  n.  West&len. 

und  der  das  Grab  besuohenden  Frauen.  „Für  ein  Staffeleibild  ist  dies  so  früh, 
dasB  hiermit  in  Deutschland  nur  noch  das  zweite  Bild  desselben  Altars  und  ein 
anderes  aus  Soest  stammendes,  welches  sich  jetzt  im  Museum  zu  Münster  be- 
findet —  es  ist  das  Antipendium  aus  dem  Walburgiskloster  .mit  dem  Salvator 

und  Seitenfiguren  (Lübke  S.  884)  -<  verglichen  werden  kann Von  andern 

etwa  gleichalterigen  Staffeleibildem  lassen  sich  unter  den  bekannt  gewordenen 
nur   die  des  Guido  von  Siena  vom  Jahre  1221  nennen'*.  —  In  der  Umgegend 
gehören   die  Wandgemaide  der  alten  Ghortheile  in  der  Marienkirche  zu  Lipp- 
stadt wahrscheinlich  noch  dem  Yollendungsjahi^  ihres  Substrats  1198  an  (Lübke 
S.  166).    Es  sind  Engelfiguren  bewegt  und  belebt,  die  Gontouren  entbehren  der 
greUen  farbigen  Gegensätze,  das  den  Bildern  als  Basis  dienende  Deoorationsband 
besteht  an  der  einen  Wand  aus  einem  Netz   geometrischer  Ornamente,  an  der 
andern   aus   Ereiswindungen    und  Mustern,  denen  man  absieht,  dass  sie  den 
mannigfaltigen  Teppichomamenten  der  Zeit   abgeschaut  (Vgl.  Springer  in  den 
MittheilL  der    E.  K.  Gentral-Gommission   (1860)  Y,  67  ff.)  und  in  Farbe  über- 
tragen sind.  —  Jünger  erscheinen  die   meisten  Figuren  der  vor  8  Jahren  ent- 
deckten Wandgemälde  in  der  alten  Thurmkapelle  der  Klosterkirche  zu  Liesbom 
nordostlich  von  Soest.  Sie  stehen  unter  Arkaden  mit  runden  Bögen,  über  deren 
Säulen  sich  eine  thurmartige  Zierarchitektnr  —  Alles  in  Farbe  —  entwickelt, 
indess  der  über  den  Rundbögen  der  Arkaden  angelegte  Spitzgiebel,  der  an  den 
Seiten  anscheinend  mit  kräftig  bestielten  Knollen  besetzt  ist,  die  Einflüsse  der 
romanischen  Uebergangszeit  deutlich  bekundet.  Andre  Figuren  ohne  Umrahmung 
passen  sich  frei  den  Flächen  der  von  Bögen  durchbrochenen  Wände  an,   oder 
sie  deuten*  mit  den  Emblemen  der  fünfblätterigen  Rose  auf  eine  Beziehung  zum 
Hause  Lippe,  welches  die  Yog^tei  des  Klosters  inne  hatte.    Soweit  man  erkennt, 
verbindet  ein  Typus,  eine  Technik  und  unterzieht  ein  Zierband  mit  romanischen 
Mustern  diese  figürlichen  Darstellungen  —  welche  stilistisch  der  Mitte  des  18. 
Jahrhunderts  angehören  möchten  und  für  damals  um  so  eher  Soest's  Malerschule 
beizumessen  sind,  als  sich  in  dieser  Stadt  bis  1239  der  Liesbomer  Abt  Burchard 
Gbsundheits  halber  aufhielt  und  starb.  (B.  Wittius  1.  a  p.  761.)  Zwei  Figuren  der 
südlichen  Wand  dagegen  sind  unzweifelhaft  jünger  und  jedenfalls  um  1322  ge-. 
malt,  als  Abt  Florin,   während  die  Kirche  im  Baue  begriffen  war,  die  Thurm- 
kapelle für  den  Gottesdienst  wieder  einrichtete  und  mit  Zustimmung  des  Yogtes, 
Simon   von  der  Lippe,    reich  dotirte.  (Staatsarchiv  zu  Münster  Urkk.  No.  120, 
122,  127  A.   B.  Wittius   1.  c.  p.  768).  Da  ich  die  Kunstnachriohten  über  Soest, 
Lippstadt  und  Liesborn  hier  nach  alter  Erinnerung  beigebracht  und  überdiess 
die  erwähnten  Wandgemälde   wegen  der  Dunkelheit  der  Räume   und  des  ver- 
letzten Zustandes  nur  höchst  unklar   sehen  konnte,  so  werden  sie  vielleicht  in 
manchen    Punkten    zu  corrigiren  sein,   wenn  einmal  eine  behutsamere  Unter- 
suchung zu  Lippstadt  und  Liesbom  vorgenommen  werden  sollte.    Wahrschein- 
lich würde  auch  eine  Entfernung  der  Tünchschale  in   den  romanischen,  Soest 
benachbarten  Kirchen  zu  WeslarUi    Borgeln,  Ostönnen  und  Bremen  den  Cyolus 
der  von  Soest  ausgegangenen  Wandmalereien  noch  erweitem. 

'')  Das  Missale  zu  Münster,   seither    nur  mehr   erwähnt  als  beschrieben 


Die  knnstgeschiohil.  Benehnngen  zwischen  dem  RheiDlande  n.  Westfalen.    85 

▼on  Becker  in  Euglers  Museum  18S5>  S.  398  f.  und  Lübke  a.  a.  0.  S.  345,  ver- 
diente «nicht  nur  wegen  des  Stiles,  sondern  auch  wegen  der  Erkenntniss  der 
seitigen  Heiligensymbole  und  -Attribute,  der  Kostüme  und  Liturgik,  wie  sich 
dies  Alles  in  dem  Cydus  von  57  lieblichen  Miniaturbildern  entrollt,  eine  mög- 
lichst genaue,  mit  Facsimilirung  der  lehrreichsten  Stücke  verbundene,  Würdigung. 
—  üeber  die  Liesbomer  Kunstübung  und  Malerei  vgl.  Nordho£f,  Chronisten 
S.  32-40. 

'*)  Von  dem  sogen.  „Oldenburgisohen  Hörn**  der  dänischen  Sammlung 
auf  dem  Schlosse  Rosonburg,  einem  Meisterstüoko  der  spätgothischen  Metall- 
kunst,  sagt  G*  Andersen,  Die  chronologische  Sammlung  der  dänischen  Könige, 
Kjobenhavn  1872.  S.  5:  „Was  die  Entstehung  dieses  Horns  betrifft^  (von  dem 
eine  alte  Mythe  sogar  erzählt,  dass  es  im  Jahre  989  dem  Grafen  Otto  I  von 
Oldenburg  von  einer  Bergnymfe,  welche  aus  dem  Berge  OSenberg  heraustrat, 
als  er  sich  auf  der  Jagd  verirrt  hatte  und  müde  und  durstig  sein  Boss  vor  dem- 
selben anhielt,  gereicht  wurde)  so  hat  die  Yermuthung  am  meisten  Wahrschein- 
lichkeit für  sich,  das9  König  Christian  I.  es  im  Jahre  1474  von  dem  nach 
Danemark  berufenen  westfälischen  Bildhauer  Daniel  Aretäus  fertigen  Hess.**  — 
Welche  Stellung  Münster  einnahm  bezeugen  die  Geschichtschreiber,  wie  Wittius 
1.  c.  p.  329  und  die  Fraterherren.  Ein  von  ihnen  kunstreich  hergestelltes  Chorbuch 
in  der  Kirche  zu  Stadtlohn  bei  Ahaus  schliesst  mit  folgender  Inschrift:  Anno 
Domini  millesimo  quadringentesimo  septuagesimo  octavo  in  urbeMonasterio, 
primaria  Westphalie,  in  coUegio  presbyterorum  et  clericorum  fontis  salien- 
iis  hie  über  diligenter  scriptus  et  completus  et  pro  ecclesia  sancta  parochiali 
in  Stadtloen.  (Bei  Nordhoff,  Chronisten  S.  57.)  Das  lange  Lobgedicht  des 
Murmellius  (bei  J.  Niesert,  Beiträge  zur  Buchdruckergeschichte  Münsters, 
Coesfeld  1828  S.  185)  benennt  sich  in  der  Ueberschrift :  In  urbem  Monasterium, 
Westphaliae  metropolim,  opulentia  doctisque  ac  prudentibus  hominibus  insigueni 

Ode  sapphica  ab' Joanne  Murmellio 1503  und  klingt  in  der  Strophe  10 

und  7: 

Eminent  turres  nimium  levatae,      . 

Sunt  domus  altae:  speciosa  lucent 

Templa  et  obsciirae  decorata  cingunt 
Moenia  fossae. 

Westphalae  gentis  decus,  aura,  splendor, 

Civitas  Paulo  celebris  patrono 

Notier  Delphis,  variis  Athenas 
Artibus  aöquat. 
Folgende  Bemerkung  einer  alten  Chronik  des  Klosters  Marienfeld   im   Staats- 
archiv  zu   Münster  Ms.  YH,    1305  leistet  zur  Kunstgeschichte   Münsters   und 
Westfalens   einen  nicht  unwillkommenen  Beitrag,  indem  sie  berichtet  vom  Abt 

Beinold   1443—1477 Tabula  in   maiori  altari,  quae  per   antecessorem 

fuerat  inchoata,  temporibus  suis  est  erecta,  quam  fecit  deaurari  et  depingi;  et 
cum  pretio  non  parvo  et  cum  adiutorio  fratris  Anthonii  sartoris  fecit  scribi 
libros  cantuales,  qui  libri  scripti  (sunt)  per  fratrem  de  Osnabrugo  nato  (sie),  cuius 


86    Die  kanstgeschiohtl.  Beziehungen  zwischen  dem  Rheinlftnde  a.  Weet&len. 

nomen  erat  Bruno  Tollen.  Et  fecit  enim  parari  Organum,  quod  nunc  antiquom 
dicitur,  quod  Organum  cum  tabula  maioris  altaris  pro  mille  florenis  (rh.)  com- 
paravit,  uti  a  fratre  Anthonio  sntore  intellexi,  qui  adiutor  fuit  in  negotio  talL 
Insuper  et  alii  boni  fratres  de  licentia  domini  abbatis  parari  fecerant  tabulas 
et  omamenta  s.  Mariae  Magdalenae  Osnabrvgi  praeparata  et  depiota  cum  imagine 
Brunonis,  et  aliam  tabulam  Philippi  et  Jacobi  a  magistro  dicto  Korbe ck 
de  Monasterio.  Das  Weitere  verbreitet  sich  über  Anschafibngen  von  Bechern 
und  Kelchen.    Eine  kostbare  Orgel  war  schon  1385  errichtet. 

'^)  Ein  doppelter  Schriftcharakter,  ,,der  gerade  stehende  Missaltypus''  und 
,,eine  Art  länglicher  schiefliegender  Minuskel  von  ungleich  freierer  Bewegung 
bildet  den  weit  verbreiteten  Handschriftenductus  des  burgundischen  Reiches, 
, Jenes  grossen  Staates  mit  Flandern,  Brabant,  Henegau,  Geldern  und  Nieder- 
landen in  dem  weitesten  Umfange  des  Wortes,  also  auch  mit  Inbegrifif  des  be- 
nachbarten Niederrheins  und  Westfalens^'  Falkenstein  a.  a.  0.  S.  87.  —  Auch 
in  der  altem  Type  des  Nordens  erkennt  Ebert  in  Ersch  und  Grubers  Ency- 
clopädie  I.  14,  234  s.  v.  Buchdruckerkunst  eine  solche  Abweichung  von  der  bis 
1476  in  Süd-  und  Westdeutschland  verbreiteten,  und  so  viele  Anklänge  an  die 
holländische,  dass  er  geneigt  ist,  die  ältesten  Drucke  in  Magdeburg,  Hamburg, 
Lüneburg,  selbst  in  Köln  durch  die  Fraterherren  auf  Brüssel  zurückzuführen, 
welche  ja  auch  1476  mit  einer  Brüsseler  Type  die  erste  Presse  Norddeutsch- 
lands in  Rostock  eröffneten.  Druckereien  der  Fraterherren  zu  Rostock  und 
Nürnberg  beschreiben  Lisch  in  den  Jahrbb.  des  Mecklenb.  Geschichtsvereins  IV, 
35  ff.  Falckenstein  a.  a.  0.  S.  163,  177,  154.— üeber  die  rheinisoh-westfalischen 
Kriege  geben  die  einzelnen  Landes-  und  Localgeschichten  Auskunft.  —  Die 
epochemachende  Wirksamkeit  der  Fraterherren  im  Allgemeinen  ist  anerkannt 
von  Ullmann,  Reformatoren  vor  der  Reformation  (1866)  II,  11—167,  von  Delprat, 
Yerhandeling  over  de  Broederschap  van  G.  Grote  en  over  den  invloed  der 
fraterhuizen  II.  Druck,  Amheim  1856;  ihre  Verdienste  um  die  Kunst,  ihr  Zu- 
sammenhang mit  dem  Humanismus,  ihr  Eingreifen  in  die  Buchdruckerkunst, 
ihre  Beziehungen  zum  Mutterlande  und  zu  einander  sind  entweder  sachlich  und 
örtlich  zu  einseitig  oder  gar  noch  nicht  behandelt;  daher  denn  bis  jetzt  von 
einer,  alle  Zweige  ihres  regen  Lebens  umfassenden,  Würdigung  für  den  Norden 
leider  noch  keine  Rede  ist,  obwohl  die  hundertfältigen  Verbindungen  der  hol- 
ländischen Fraterherren  mit  dem  Rheine,  Westfalen  und  selbst  mit  dem  östlichen 
Sachsen  aus  einzelnen  Beispielen  einer  zeitgenössischeiy  GeschichtsqueUe  erhellen, 
nämlich  aus  des  Joh.  Buschii  libri  II  de  reformatione  monasteriorum  oomplurium 
per  Saxoniam  et  vicinas  regiones  in  Leibnit.  Scriptor.  rerum  Brunsvic.  H, 
806  ff.  Was  Erhard  in  der  Zeitschrift  für  Geschichte  und  Alterthumskunde 
Westfalens  (1838)  I,  28  über  die  bereits  1400  blühende,  als  Stamm-  und  Ober- 
haus verschiedener  männlicher  und  weiblicher  Congregationen  Norddeutschlanda 
bedeuti^me,  Niederlassung  der  Fraterherren  in  Münster  anführt,  lässt  nichts 
ahnen  von  ihrer  schwerwiegenden  Gulturbedeutung.  Die  Münsterischen  Ge- 
schichtsquellen I,  160,  331,  338  erwähnen  wiederholt  dieses  Instituts  und  weisen 
auch  III,  314  auf  seine  schon  bei  der  Gründung  bestehende  Beschäftigung  des 


Die  kunfligesohiobtl.  Benehangeo  zwischen  dem  Rheinlande  u.  Westftklen.    87 

Bfichersohreibens  hin.  Ich  fiind  allein  in  den  münsterländisohen  Kirchen  meistens 
der  holländischen  Grenze  entlang  vom  Jahre  1413  ab  eine  ansehnliche  Keihe 
Foho-^osser  Kirchenbücher  theils  mit  Initialen  und  Randverziemngen.  theils 
zugleich  mit  einem  Folio-groBsen  Passionsbilde  bemalt.  Die  reichem  Exem- 
plare sind  inschrifllich  als  Arbeiten  der  münsterischen  Fraterherren  beglaubigt, 
die  einfachem,  welche  mit  jenen  in  der  Form  der  Schrift,  der  Initialen  und 
Randgerimsel  übereinstimmen  und  also  auch  gleichen  Ursprung  theilen,  ent- 
behren dieser  Angabe.  Eins  der  schönsten  Exemplare  dieser  Art,  ein  Anti- 
phonarinm  der  Kirche  zu  Ennigerloh  bei  Beckum  schliesst  mit  den  in  diesen 
Büchern  fast  typischen  Worten:  Anno  Domini  MCCCCLXXIX  scriptns  et 
completns  est  iste  über  in  domo  fratrum  communis  vite  ad  fontem  salientem  in 
Monasterio.  Qni  utitur  conoret  pro  ipsis.  Die  grossen  mannigfaltigen  Initialen 
lassen  nach  allen  Seiten  auf  die  freien  Ränder  ein  Gewebe  der  zartesten 
Yerfadelungen  in  den  hellsten  Farben  ausspriessen ;  eine  l^erle  der  Pergament- 
malerei und  ein  Spiegel  des  zeitigen  Kunststils  erscheint  ein  Passionsbild  in 
Folio.  Den  Rahmen  bilden  vegetabile  Muster,  zum  Theil  nach  dem  Akanthus 
genommen,  zum  Theil  Blüthenkolben  und  Knospen,  in  den  buntesten  Yer- 
schling^ngen  und  Farben  mit  einander  verwunden.  Im  Bilde  stehen  zu  jeder 
Seite  des  Kreuzes  vier  Personen,  links  die  Gruppe  ddr  h.  Frauen,  dem  Kreuze 
zunächst  die  h.  Mutter,  welche  ihren  tiefen  Seelensohmerz  weniger  im  zart- 
empfindenden Antlitz  als  in  der  Haltung  offenbart;  sie  würde  zusammensinken, 
«wenn  nicht  der  h.  Johannes  unter  ihre  Arme  griffe.  Rechts  die  Henker,  Maria 
Magdalena  umklammert  das  Kreuz,  in  allen  Gesichtern  spielt  ein  edler  Schmer- 
zensausdrnck,  auch  die  Henker  dürfen  ihre  böse  Seele  wohl  in  der  Handlung, 
aber  nicht  in  den  Zügen  des  (jresichts  ausprägen.  Namentlich  milde  ist  der  Ge- 
sichtszug des  Gekreuzigten,  seine  Gestalt  noch  lang  gezogen.  Gegenüber 
diesen  idealen  Schönheiten  bricht  der  Realismus  in  allen  Aensserlichkeiten 
durch.  Die  Frauen  haben  ihre  Kopf-  und  Halstücher,  Johannes  ein  schön  ge- 
locktes, goldiges  Haar  und  über  einem  grünen  ünterkleide  einen  rothen  Mantel, 
die  Henker  tragen  halb  weisse,  halb  blaue  Kleidung.  Statt  des  frühem  Gold- 
grundes wölbt  sich  oberhalb  der  Scene  der  dunkelblaue  Himmel,  durchflattert 
von  Spruchbändern,  wovon  der  am  obern  Kreuzbalken  die  letzten  Worte  Jesu 
enthält.  Unterhalb  am  fernen  Horizont  erheben  sich  Burgzinnen  und  Kirch- 
thürme  zwischen  sanft  gewölbten  Hügeln,  die  sich  mit  leichten  Wölkchen  be- 
rühren. Die  Farben  sind  mannigfaltig  und  gut  vertrieben  selbst  in  den  Ueber- 
gängen;  die  hellen  Töne  walten  'vor,  Schwarz  ist  gar  nicht  angewandt.  Ein 
Ohorbuch  mit  guter  Schrift,  schönen  Initialen  und  Randverzierungen,  ohne  freie 
Bildwerke,  Folio  gross  und  über  516  Seiten  stark,  wie  es  in  der  Kirche  zu 
Borken  erhalten  ist,  kostete  für  die  damalige  Zeit  eine  Summe  Geldes  laut  der 
Inschrift:  Hpnc  librum  fccit  scribi,  illuminari  et  ligari  dominus  Johannes  Wil- 
kini,  decanus  veteris  ecclesie  sancti  Pauli  Monasterii,  pro  triginta  octo  florenis 
Rhenensibns,  octo  solidis  et  sex  denariis  ....  Weiteres  über  die  Malerei  der 
Fraterherren  bei  Nordhoff^  Chronisten  S.  37  ff.  —  In  Betreff  des  norddeutschen 
Humanismus  vgl.  ausser  der  zahlreichen  Speoialliteratur  G.  Krafft  und  W.  Cre- 


88    Die  kanstgeschiohU.  BeziehuDgen  zwisoben  dem  Rheinlande  u,  WestfaleD. 

celiuB,  Beitrage  zur  Geschichte  de$  Humanismus  am  Niederrhein  und  in  West- 
falen. Erstes  Heft  1870;  Opera  ü.  Hutteni  ed.  Böcking,  Suppl.  U;  Parmet, 
Rudolf  von  Langen,   Leben    und   gesammelte   Gedichte    1869,    wo   S.  2^3   das 

Carmen  LVIII:  Ad  clarissimam  Coloniam  Agrippinensem ;  Cornelius,  die 

Münsterischen  Humanisten  1851. 

^^)  Wemerus  Rolevinck,  Laerensis,  ord.  Carthus.  (f  1502)  de  Laude  veteris 
Saxoniae,  nunc  Westphaliae  dictae  ....  Im  Originaltext  nach  der  ersten  Aus» 
gäbe  (c.  1478)  mit  deutscher  Uebersetzung  herausgegeben  von  Dr.  L.  Tross. 
1865.  p.  41,  139,  141,  143  fif  161.  —  Belege  des  unmittelbarsten  Verkehrs  der 
Länder  geben  folgende  Inschriften.    Johannis  Nyderi  .  .  .  preceptorii  preclans- 

simum  opus uon  pennis  ut  pristi  (sie)  quidem,  sed  litteris  sculptis  arti- 

ficiali  certe  conatu  ex  ere  remota  nempe  indagine  ingeniique  diversa  inquietacione 
illustre  figuratum  accurate  denique  correctum  ac  per  providum  Jeorium  Husner, 
civem  urbis  famose  Argentinensis,  completum  et  terminatum  est  ydus  Februarii 
anno  1476  wurde  in  dem  Exemplare,  welches  die  Paulinische  Bibliothek  zu 
Münster  H.  158  besitz,  laut  folgender  handschriftlichen  Notiz  von  einem  Kölner 
Ordensgenossen  für  das  Benedictinerkloster  Liesbom  in  Westfalen  angekauft: 
Istud  preceptorium  egregii  doctoris  Johannis  Nider  pro  monasterio  in  Leysbom 
emptum  est  pro  VUI  marcis  monete  Coloniensis.  Item  HI  alb.  expositi  pro 
pelle  et  fune,  quam  pecuniam  humiliter  peto  presencium  latori  restitui,  quia  ex 

intuitu  Dei  libenter  exposuit. 

F.  Heinrious  de  Tremonia  etc. 

f  apud  s.  Martinum. 
Ein  Exemplar  der  Sermones  sancti  Bernardini  de  Senis  ordinis  fratrum  Minorum 
de  evangelio  etemo  gedruckt  gegen  1490  (cf.  Graesse,  Tresor  de  livres  rares  et 
preoieux  I,  343),  in  der  Paulinischen  Bibliothek  aufgestellt  L.  45  trägt  unter 
dem  Titel  folgende  Notiz:  Honorabilis  dominus  Henricus  Pelsrinck  de  Lippia> 
quondam  capellanus  in  Zwollis,  donavit  anno  Domini  1511  adhuc  superstes  fratribus 
maioribus  de  observancia  conventus  Bylveldensis  hoc  quadragesimale  sancti  Bemar- 
dini  eo,  quod  in  nativo  situs  sit  termino,  ut  eins  in  oracionibus  memores  (sie) 
requie  potiatur  eterna  atque  premium  sibi  accidentale  ex  huius  libri  usu  semper 
accrescat.  Amen.  Ein  Eelch  der  Ludgerikirche  zu  Münster  ist  laut  Inschrift 
unter  dem  Fusse  ein  Geschenk  „Bernardi  Mumen,  decani  s.  Ludgeri  Monastenensis, 
canonici  (Jltrajectensis  1502'*.  Mümen  stand  auch  als  Schüler  mit  Deventer  und 
als  Humanist  mit  den  auswärtigen  Gelehrten  in  Verbindung.  (Parmet  1.  o. 
p.  51.  68.) 

^^)  Die  Ünnaer  Glasgemälde,  wahrscheinlich  das  erste  Werk  niederläD- 
discher  Kunst  in  Westfalen^  erwähnt  von  Steinen,  Westfälische  Geschichte  ü, 
1188— 11Q9.  —  Von  dem  Altarbildwerke  im  Schwesterhause  zu  Ahlen  spricht 
das  Memorienbuch  im  Besitz  des  Vereins  für  Geschichte  und  Alterthumskunde 
Westfalens  zu  Münster,  Ms.  fol.  17a  leider  ohne  Jahresangabe:  18.  Oct  „Memoria 
vor  seligen  Elhen  Dregers  onde  Jasper  eren  soen  unde  er  geschlechte,  de  uns 
bestelt  hefift  van  Antwerpen  de  thafel  up  den  bogen  altaer."  —  Die  Bilder  des 
Bruders  Franco  von  Zütphen  hingen  am  Eingange  des  hohen  Chores  und  stellten 


Die  kunstgesohiohtl.  Beziehungen  zwiBohen  dem  Rheinland^  u.  Westfalen.    89 

das  eine  die  Matter  Qottes,  das  andere  den  heiligen  Johannes  vor,  wie  er 
mit  dem  Finger  auf  das  Lamm  Gottes  zeigt.  .»Diese  Bilder  waren  so  schön, 
dass  ein  jeder  geschickter  Maler  sie  nicht  ohne  Erstaunen  ansehen  konnte,  zur 
Zeit  der  Belagerung  aber  haben  sie  die  Wiedertäufer  zerstört.  H.  von  Eerssen- 
broich,  Geschichte  der  Wiedertäufer  zu  Munster  in  Westfalen  nebst  einer  Be- 
schreibung der  Hauptstadt  dieses  Landes  aus  einer  lateinischen  Handschrift. 
Deutsch  in  4^  1771  S.  38.  511.  —  Unter  den  westfälischen  Schulen  neigt  die 
Soester,  wie  ein  Altargemälde  der  Wiesenkirche  zeigt  (Lübke  a.  a.  0.  S.  855) 
entschiedener  zum  Realismus,  dagegen  lässt  sich  an  den  etwa  2'  hohen  Statuen 
der  zwölf  Apostel  und  der  h.  Luoia  zu  Merfeld,  welche  1475  geweiht  wurden, 
(Kindlinger  Münster.  Beiträge  (1787)  I  Urk.  51)  noch  kaum  eineSpur  realistischen 
Einflusses  finden,  und  handwerkmässige  Arbeiten  mögen  noch  länger  in  ihrer 
'Art  dem  alten  Idealismus  treu  geblieben  sein,  unberührt  von  jeder  Neuerung. 

^*)  Den  Zusammenhang  des  Bild-  und  Buchdruckes  namentlich  in  Holland 
entwickeln  Sotzmann  a.  a.  0.  S.  517.  Falkenstein  a.  a.  0.  S.  15  ff.  S.  88.  Die 
Anfange  und  künstlerische  Ausbildung  des  Holzschnittes  Springer,  Bilder  8. 180  ff., 
wo  indess  die  ästhetische  Bedeutung  des  Bücherholzschnittes  far  das  15.  Jahr- 
hundert nicht  zu  hoch  angeschlagen  wird.  —  Dass  von  der  „Kölnischen  Chronik*' 
noch  ältere  Ausgaben,  als  jene  von  1499,  vorhanden  seien,  wie  einige  Biblio- 
graphen annehmen,  stellen  Ebert,  Panzer,  Götze  (A.  Potthast,  Bibliotheca 
historica  medii  aevi,  1862  p.  244)  und  neusthin  Ennen,  Geschichte  der  Stadt 
Köln  2,  XV  entschieden  in  Abrede.  —  Die  Jahreszahl  der  Gewölbedecorationen 
in  der  Benninghauser  Kirche,  wovon  die  letzte  Ziffer  bei  Abnahme  der  Kalk- 
decke bis  zur  Unkenntlichkeit  gelitten  hatte,  dürfte  genau  dem  Jahre  1520  ent- 
sprochen haben,  in  welchem  inschriftlich  auch  der  noch  vorhandene  spätgothische 
Chorstuhl  gefertigt  ist.  —  Hinsichtlich  der  erwähnten  Imitation  der  Holzschnitte 
in  Hartmann  SchedePs  Chronik  vgl.  man  die  drei  obersten  Figuren  des  Mutter- 
gottesaltars  zu  Calcar  bei  Aus'm  Werth  a.  a.  0.  I.  Taf.  XIII  und  die  Bilder 
des  Octavian,  der  mater  amabilis  und  der  Sibylle  der  Chronik  fol  93  b.  Die 
stilistische  und  ästhetische  Stellung  der  Schederschen  Chronik  ist  eingehend 
mit  einem  Rückblick  auf  die  Kölner  Chronik  gewürdigt  von  Lübke,  Geschichte 
der  deutschen  Renaissance  1872.  S.  48—52. 

^*)  J.  Niesert,  Literarische  Nachrichten  üb.er  die  erste  zu  Köln  gedruckte 
niederdeutsche  Bibel,  und  Yergleichung  derselben  mit  der  Yulgata  und  den 
sieben  ältesten  oberdeutschen  Bib^übersetzungen.  Coesfeld  1825  S.  5  sagt :  „Die 
Holzschnitte,  welche  die  vorliegende  Bibelausgabe  enthält,  sind  wohl  die  ersten, 
die  in  einer  deutschen  Bibel  angetroffen  werden*'.  Während  Naest,  Literarische 
Nachrichten  von  hochdeutschen  Bibelübersetzungen  S.  XXXV  sie  dem  Johan 
von  Paderborn  zuschreibt,  hält  Niesert  S.  15  Israel  von  Meckenen,  den  Yater, 
für  ihren  Urheber,  über  dessen  Abstammung,  Wohnort  und  Thätigkeit  er  ein 
sehr  schätzbares  Material  beibringt,  woraus  auch  hervorgeht,  dass  Israel  mit  den 
Werken  jenes  Pseudo-Israel  der  Kölnischen  Schule,  welcher  seit  der  Mitte  des 
X  15.  Jahrhunderts  in  zahlreichen  Tafelgemälden  dem  Eyck'schen  Realismus  huldigte, 
Nidits  gemein  hat.    (Vgl.  Merlo  a.  a.  0.  S.  275.)    Stilistisch  werden  auch  die 


90     Die  kimatgesojiichtl.  Beziehungen  zwiechen  dem  Rheixüande  u.  Wedtüideo. 

Holzschnitte  der  Bibel  echverlich  einem  damaligen  Kölner  Meister  oder  Köl- 
nischen Werken  entsprechen.  Üeber  den  Drucker,  Druckort,  Drackweise  und 
die  Sprache  des  Buches  ygl.  Niesert  16  f.,  19  f.,  90  f. ;  er  hält  Heinrich  Quentell, 
Heinrich  Lempertz  dagegen  mit  mehr  Wahrscheinlichkeit  den  Kölner  Nicolaus 
Götz  1474-1478  für  den  Drucker,  (vgl.  Falkenstein  a.  a.  0.  S.  154  £);  diese 
Verschiedenheit  der  Ansichten  in  Hinsicht  des  Druckers  braucht  indess  Nichts 
zu  ändern  an  der  Herkunft  der  Holzschnitte. 

"^)  Den  Aufenthalt  Rudolfs  von  Langen  am  Clevischen  Hofe  um  1466 
erweist  nach  einer  fast  gleichzeitigen  Handschrift  Parmet  a.  a.  0.  S.  85,  die 
vielsagende  Bedeutung  des  Humanismus  und  der  Humanisten  AL  Wolters,  Conrad 
von  Herresbach  1667,  die  bürgerliche  und  kirchliche  Stellung  Calcar's  Aus'm 
Werth  a.  a.  0.  Text  I,  28  f.,  XXJ.^--  Die  werthvollsten  Aufschlüsse  über  Cal- 
car's Kunstleben  am  Ende  des  15.  Jahrhunderts  bringen  die  aus  dem  dortigen 
Stadtarchiv,  namentlich  aus  den  Bechnungen  der  Liebfrauen*  und  St.  Anna- 
Bruderschaft  1486—1500  gewonnenen  ,,Archivalischen  Nachrichten  über  Künstler 
und  Kunstwerke  der  Nicolaikirche  zu  Calcar,  mitgetheilt  von  Dr.  J»  B.  Nord- 
hoff"'  im  Organ  für  ehr.  Kunst  (1868)  XVIU,  236  ff.,  250  ff.  £s  wäre  ein  Jammer, 
wenn  alle  jene  Werke  des  Utrechterlandes  und  Niederrheins,  welche  den  neuen 
Werken  Calcars  zum  Muster  dienten,  spurlos  verschwunden  sein  sollten;  und 
ein  ebenso  erfreulicher  Gewinn  würde  es  für  die  Kunstgeschichte  sein,  auch 
nur  ein  Stück  dieser  Musterwerke  oder  andere  Werke  auch  nur  eines  der 
Calcarschen  Künstler  wieder  zu  finden.  Hoffentlich  wird  der  Herr  Kaplan  Wolff 
zu  Calcar  seine  Calcarschen  Kunstforschungen  auch  hierüber  ausdehnen  und 
sie  der  Yeröffentlichung  nicht  zu  lange  vorenthalten. 

'')  Auf  Meister  Evert  von  Münster  beziehen  sich  folgende  Posten  der 
Liebfrauen -Rechnungen  1492—1498:  Item  in  den  verdingh  upt  ny  meister 
Evert  van  Monster  onse  taeffel  to  macken  in  Jan  Telmans  huis  upgespraeken 
II  guld.  VIII  kr.  —  Item  Paephoff  van  den  cedulen  dis  verdings  to  sohriven 
geg.  YlII  k.  —  Item  meister  Evert  voers.  voir  sinen  g^gh  ind  versamenisse 
syns  wercks»  dat  hy  hier  is  gekommen  ind  dat  ick  on  to  Tadden  huis  utter 
herbergen  gequy t  heb  to  saemen  geg.  HI  guld.  ind  XVUI  kr.  Job.  van  Haldem 
nennt  folgende  Stelle  derselben  Rechnung  1491—1492:  Item  meister  Amt  bilden- 
snider  gesant  omtrent  piuxten  XIII  goldene  ryusche  gülden.  Item  gesant 
omtrent  nativitatis  Christi  myt  Jan  synen  knecht  ind  dat  Jan  van  Halderen  van 
synre  wegen  ontfingh  XYIIgold.  guld.  Ind  dartoe  soe  hefft  on  die  richter  myn 
(des  Provisors  Nico  laus  von  Wetten)  neeff  van  mynre  wegen  gedaen,  doe  hy  toe 
Kaelen  reysde  enen  Wilhelmus  schilt  ad  XXXVH  stuver  ind  daer  toe  enen 
Kaelschen  postgulden  voer  XXII  stuver,  ind  die  gold.  gülden  is  on  gesant 
voer  XXXYI  st.  Ind  hier  toe  so  dede  ick  on  mede  een  malder  hayeren  voer 
II  gülden  current,  fac.  to  saemen  LYI  guld.  ourrent  ind  XXXIX  kr. ;  ferner  die 
Rechnung  der  Bruderschaft  unserer  lieben  Frau  1498—1499:  Item  is  men  ver- 
draegen  in  bywesen  des  borgermeisters  cum  suis  in  der  provisoeren  mit  meister 
Johan  van  Halderen  van  twe  parcken,.  beneden  in  den  voet  van  den  käst  opt 
hoighe  altair  te  maeken,   vur  XXX  gold.  gülden,  der  he  van  Lamt^rt  Koedert 


r 


) 


/ 


Die  kanstgesohiobtl.  Beriehnsgen  zwischen  dem  Rheinlande  q.  Westfalen.    91 

m  gold.  golden  ontfimgen  heft  ind  yan  my  XXYII  gold.  guld.  ad  XL  stuv. 
Ind  806  die  gold.  golden  doe  meer  dan  XL  etuver  golden,  bekroende  meister 
Johan  dairop.  Soe  heb  ick  oen  noch  dairtoe  gegeven  myt  consent  des  bnrger- 
meisten  XXX  st  ind  synen  Knecht  to  verdrincken  IUI  alb.  fac  myn  uitgeven 
ts—  LY  gold.  Xm  st.  XII  gr.  kr.  Jedenfalls  betreffen  auch  zwei  Stellen  der 
Rechnung  der  St.  Anna-Bruderschaft  aus  den  neunziger  Jahren  unsem  Johan, 
zumal  die  Bechnungen  überhaupt  keinen  andern  Johan  kennen :  Item  noch  meister 
Johan  geg.  I  gülden  levis,  fac.  gravis  XXY  kr.  Item  Conr(ad)  van  den  Steen 
van  meister  Jans  wegen  gegeven  enen  gülden  levis,  fac.  gravis  L  kr.  —  Lübke 
bespricht  den  Haltemschen  Altar  mit  Beispielen  der  Dortmunder  und  Soeeter 
Malerei  a.  a.  0.  S,  894,  860  ff.,  358,  365.  Seinem  geringschätzenden  Urtheile 
über  die  Tafeln  des  Kölner  Malers  Hildegard  steht  das  ältere,  sehr  günstige 
Paasavants  gegenüber.    Merlo  S.  177,  178. 

'')  Die  Ühr,  welche  ausser  den  Stunden  auch  den  Lauf  der  Planeten,  die 
Jahreszeiten,   das  Kalendarium  sammt  den  beweglichen  Festen  anzeigt,    ist  um 

• 

1400  im  Oldenburgischen  Kloster  Hnda  gefertig^t  (H.  Geisberg,  Merkwürdig- 
keiten der  Stadt  Münster,  5.  Aufl.  S.  18).  Die  Zerstörung  melden  die  Münste- 
rischen Geschichtsquellen  I,  882:  Item  alle  aitare,  hilligenkasten,  saoramentes- 
huse,  orgelen,  dope  und  insunderheit  de  twe  schonen  orgeln  in  dome  und  dat 
kunstlich  urwerck  gantz  toschlagen  und  in  grundt  verdorven.  Der  in  Rede 
stehende  Joh.  v.  Aachen  ist  nicht  zu  verwechseln  mit  dem  gleichnamigen  Maler, 
welcher  erst  1552  zu  Köln  geboren  wurde.  (Fiorillo  a.  a.  0.  II,  518,  Merlo  S.  1  ff.) 
Nachrichten  über  die  Zerstörung,  Wiederherstellung  und  die  Kestauration  bieten 
die  Münsterischen  Geschichtsquellen  I,  345,  III^  6,  über  die  Zeit  der  Kestaura- 
tion und  die  Herkunft  des  Nicolaus  Windemaker  III  828:  anno  MDXLHQ  is 
desse  (S.  Servatii)  porte  wedderumme  dorch  godts  hulpe  reformert.  ümb  diese 
zeit  scheinet  auch  das  schone  uhrwerck  im  thum,  so  die  Widertheuffer  ver- 
dorben, wieder  zu  gange  gebragt  zu  seien,  wie  diese  inscription  meldet: 

Juliaca  in  terra  natalibus  ortus  honestis 
Cuius  et  ingenii  sedulitate  decus 

Laude  satis  clarus  Nicolaus  nomine  magnus 
Huic  operi  arma  novo  ferrea  restituit. 
Der  humanistisch  gebildete  Dietrich  Zvivel  war  Nicolaus*  Landsmann,  gleichfalls 
im  Jülioher  Lande  geboren,  von  Stand  Buchdrucker  in  Münster  (J.  Niesert, 
Beiträge  zur  Bnchdruckergeschichte  Münsters  1828  S.  27}  und  dabei  namentlich 
der  Mathematik  und  Astronomie  beflissen.  Theodorius  Tzyvel,  natione  (?)  West- 
phalns,  patria  Mongavensis,  homo  bonarum  litterarum  disciplinis  satis  stndiosus 
et  eruditus,  qui  studia  sua  longe  lateque  pauois  licet  adhuc  utpotejuvenis 
quibusdam  epigrammatis  noviter  Monasteriensis  chalcographie  primicijs  prepo- 
sitis  conspergens  nominis  sui  auoupatus  est  famam.  Yivit  adhuc  maioribus  inten- 
tus  lucubrationibus  cito  emittendis  159  [1509].  J.  Murmellius  widmet  die  Ti- 
bulli,  Propertii  ac  Ovidii  flores  ihm,  Theodorico  tzvyvelensi,  luro  literato  et 
mathematicarum  disciplinarum  in  primis  perito  und  feiert  ihn  In  den  Elegant« 
mor.  II,  8: 


92    Die  kansigeBchiohtl.  Beziehang^en  zwischen  dem  Rheinland  u.  Westfalen. 

Ta  qoi  certa  pio  meditare  mathemata  corde 
Altaque  semoti  suspicis  astra  poli  .  .  . 
(Krafil  u.  Grecelias  a.  a.  0.  S.  64  f.)  'Hiemach  scheint  man  sich  bei  der  Be- 
stauration  des  Uhrwerks  in  die  Arbeit  so  getheilt  zu  haben,  dass  Zvivel  das 
Mathematisch-Astronomische,  Johan  von  Aachen  das  Mechanische  vorschrieb, 
und  Nicolaus  Windemaker  die  Schlosser-  und  Schmiedearbeiten  anfertigte.  Die 
Uhr,  deren  Mechanismus  heute  zum  grossen  Theüe  ausser  Gang  ist,  zeigt  das 
Kalendarium  mit  den  schönen  Allegorien  der  12  Monate,  gemalt  von  Herman 
tom  Ring  (Becker  in  Kuglers  Museum  (1837)  Y,  4),  das  Zifferblatt  mit  24  Stun- 
den und  einen  giebelartigen  Abschluss  desselben  mit  Schnitzwerk  und  phanta- 
stischen Schildereien  im  Stile  der  Frührenaissance.  Die.  Mitte  der  Giebelfront 
tragt  die  noch  gothisirende  Inschrift:  In  hoc  horologio  mobili  potueris  heo  alia- 
que  multa  dinoscere,  tempus  equalium  et  inequalium  horarum  |  medium  motum 
omnium  planetarum,  ascendens  vel  descendens  signum  ortus  insuper  et  occasus 
aliquarum  |  stellarum  fixarum,  ad  hec  regnum  planetarum  in  horis  astronomicis 
utrimque  a  lateribus  operis  |  supeme  vero  oblationes  trium  regum  infeme  autem 
oalendarium  cum  festis  mobilibus  |  .  Unter  der  Schlagglocke  steht :  Positum  1696, 
im  Centrum  des  Zifferblattes:  renovatum  1670. 

^)  Die  anscheinend  den  bibliographischen  Sammelwerken  unbekannten 
Puerilia  zählen  8  Quartblätter  mit  38  Zeilen  in  klaren  antikisirenden  Typen, 
beginnen  Fol.  1*  Puerilia  super  Donaturo  |  und  enthalten  unter  dem  darauf  fol- 
genden Holzschnitt  der  Anbetung  der  Könige  die  Schrift:  Gedruckt  zu  Collen 
up  deme  ald^mart  |  tzo  dorne  wilden  manne  zc  Fol.  2*  beginnt  (p)Rima  decli- 
natio  quot  |  .  Schluss  auf  Fol.  8*:  Expliciunt  puerilia  fuper  donatum  |  impressa 
Colonie  Tuper  antiquü  forü  |  .  Sie  sind  also  aus  der  Bongart'schen  Officin  1498 
—  1521  hervorgegangen  (Ennen  a.  a.  0.  III,  1042).  —  Die  Münsterischen  Ge- 
schichtsquellen I,  297  berichten,  Bischof  Erich  1508 — 1522,  der  sich  überhaupt 
der  Restauration  der  Kirchen  mit  allem  Eifer  annahm,  habe  die  breviaria,  so 
men  de  getyde  boeker  nhomet,  nyes  binnen  Pariss  drucken  lassen;  Kock 
series  episcop.  II,  262  meiht  Coloniae  .  .  .  1518.  Niesert,  Beiträge  erzählt  p. 
IX,  um  zu  erweisen,  wie  sehr  dermalen  die  Münsterische  Presse  den  auswärtigen 
noch  nachstand,  „ebenso  erschien  das  erste  Münsterische  Brevier  i.  J.  1489,  das 
zweite  1.  J.  1518  in  Paris  mit  einer  äusserst  schlechten  kleinen  gothischen  Type 
gedruckt  und  die  dritte  Ausgabe  i.  J.  1597  zu  Köln  bei  Quentel.*'  Da  diese 
Drucke  hier  nur  eine  weitere  Beachtung  finden  können,  sofern  sie  in  Köln  ver- 
anstaltet sind,  so  will  ich  nur  verbessernd  hinzusetzen,  dass  Kock  1.  c.  IL  235 
als  Druckort  des  Breviers  1489  nicht  Paris  sondern  Argentinae  kennt,  und  dass 
die  Paulinische  Bibliothek  in  Münster  noch  ein  Brevier  aus  dem  J.  1497  ent- 
hält, welches  den  Historikern  und  Bibliographen  unbekannt  und  darum  wohl 
höchst  selten  geworden  ist.  Auch  das  Diu  male  Monasteriensis  diocesis  ist  1511 
impensis  GuiUermi  Korver  zu  Paris  gedruckt.  Man  ist  versucht  die  Vermittlung 
der  auswärtigen  Drucke  den  Fraterherren  zuzuschreiben,  wenn  man  erwägt,  dass 
die  Rostocker  Brüder,  welche  in  Münster  ihr  Mutter-  und  Oberhaus  hatten, 
selbst   eine   fleissige  Presse   besassen,    aber   in  Ermangelung  von  Breviertypen 


Die  kuBstgeschichÜ.  Besdehungen  zwischen  dem  Rheinlande  xl  Westfalen.    93 

(1522)  far  das  Domcapitel  zu  Schwerin  den  Druck  eines  1529  in  Paris  bei  der 
Wittwe  des  Thilemann  Eeryers  erschienenen  Breviers  besorgten  (Lisch  in  den 
Jahrbb.  des  Vereins  für  Mecklenburgische  Geschichte  und  Alterthumskunde  IV^ 
8,  42  ürk.  IX|  XIX,  XX).  —  Dass  man  sich  nach  Strassburg  und  Paris  wandte, 
mosste  besondere  Gründe  haben;  denn  die  benachbarte  Kölner  Presse  leistete 
damals  doch  in  allen  Typen  ein  Erhebliches  und  in  demselben  Jahre  1489,  wo 
das  erste  Münsterische  Brevier  in  Strassburg  erschien,  verliess  das  erste  Missale 
eine  Ofßcin  Kölns.  Niesert  muss  es  bei  aller  Aufmerksamkeit  nicht  mehr  ge- 
langen sein^  ein  Exemplar  zu  erwerben  und  jenes,  was  er  als  Seminarist  auf 
der  Seminarbibliothek  zu  Münster  sah,  scheint  längst  abhanden  gekommen  zu 
sein.  Ich  habe  es  nur  an  eiuer  Stelle,  in  der  Bibliothek  des  Staatsarchivs  und 
hier  in  zwei  Exemplaren  vorgefunden,  wovon  das  eine  aus  fler  Scblosslcapelle 
zu  Vischering  bei  Lüdinghausen  stammt,  das  andere,  dessen  Herkunft  nicht  be- 
stimmt ist,  des  Passionsbildes  entbehrt.  Es  fehlen  Signaturen  und  Custoden,  die 
Missaltype  ist  gross  und  scharf,  der  Text  schwarz,  die  Bemerkungen,  Anweisun- 
gen und  die  Blattzahlen,  GYL  ausgenommen,  roth  gedruckt,  die  Initialen 
sämmtlich  gemalt,  die  Wasserzeichen  den  Hausmarken  ähnlich,  jede  Golumne 
31  Zeilen  stark. 

Fol.  1*.  GoL  1.  Quatuor  decim  confilia  ,doGtoru  pro  per|riculis  que  in 
miasa  contingere  possunt.  |  Fol.  2*  beginnt  das  6  Blätter  starke  Kalendarium. 
Fol.  7*  Incipit  ordo  miCCalis  p  |  circulu  anni  DnTca  pri  |  ma  T  advetu  domini 
Injtroittts  ad  officiü  mirre  |  und  damit  die  Foliirung  bis  Blatt  148  incl.;  es  fol- 
gen sodann  24  Blätter  ohne  Zahlen  mit  Infumis  maioribus  fesjtivitatibus  can- 
tabitur  und  von  Blatt  149  läuft  die  Foliirung  bis  335.  Fol.  835*  CoL  2  Sequu- 
tor  Sequentie  per  |  totü  anu  de  tpe  et  de  fcTe.  |  Et  primo  7  nativitate  dm  |  In 
galliostu  I  auf  11  nicht  foliirten  Blättern,  deren  letztes  auf  der  Vorderseite 
Bcbliesst: 

([  Cörümmatü  est  mirfale  hoc  integru  <x  correctum  |  iuxta  verü  ordinem 
eoclerie  Monasterien  .  sine  rejquiritiöibus :  bene  quotatü  cü  nouis  feCbif  et  no| 
iolis  fuis  pro  ordiario  lucidiflime  interporitis.  |  Ad  laude  dei  et  utilitatem  fa- 
eerdotum  sub  eade)  eccleria  militätium:  eorü  precipue.  q  hucufq)  exjtraneis 
qoibnrdam  puta  Eolo  |  niefi.  feu  alioZt  lo|co24*  müTalibus  in  graue  eclTal|,  sna2i 
periculü  uCi  pjhibentnr.  cü  nuUa  vel  modica  rit  illorü  mirraliu)  |  cü  isto  Mona- 
sterien. missali  cocordantia  et  decet  |  semper  ut  mebra  capiti  Tuo :  hoc  est  ecclel  ie 
cathe|draH  fefe  coforment  ([  -P  Lodouuicü  de  rechen  al|me  civitatis  Colonien.  in- 
cola)  Anno  domini  M|ocGcLxxxix  Ipso  die  Pauli  primi  heremite-:.  |  Das  Pas- 
sionsbild zeigt  die  alte  (niederländische?)  Auffassung  des  Gekreuzigten,  der 
Bfaria  und  des  Johannes  mit  drei  theils  schwebenden  das  Blut  in  Kelchen  auf- 
fangenden Engeln,  Die  Figuren  sind  steif  und  stämmig,  jedoch  im  Ausdruck 
und  in  der  Gewandung  frei  von  niederländischer  Manier.  Der  4eckige  Rahmen 
bildet  massvoll  geleg^s  Blumen-  und  Blattwerk,  jenem  der  niederdeutschen 
Bibel  nicht  unähnlich.  Es  gehört  dies  Missale  der  Blüthezeit  der  Benchenschen 
Presse  an,  zumal  von   späteren  Leistungen   nur  ein  Druck  aus  dem  J.  1606 


94    Die  kanstgesohichtl.  Beziehungen  zwischen  dem  Rheinlande  u.  Westfalen. 

bekannt  ist.  (Norrenberg,  Köhiisohes  Literaturleben  1873  p-  XI.  Ennen 
setzt  a.  a.  0.  III,  1041  die  Blüthezeit  der  Renchen'sehen  Presse  in  die  Jahre 
1485 — 1489.)  Doch  1520  erschien  gleichzeitig  mit  einem  Kölner  Missale  das 
zweite  Münsterische  in  Köln.  Fol.  1*:  das  reiche  Titelblatt  füllen  in  4eckigem 
Renaissancerahmen,  der  jedoch  unten  mit  herabhangendem  Blumenkamm  besetzt 
ist,  ein  in  drei  Abtheilungen  zwischen  ebenso  vielen  Säulenstellungen  aufge- 
bautes Bildwerk  und  die  dazwischen  vertheilte  Schrift:  ([  Miffale  ad  usum 
dyocesis  Monairterienfis  Nouiter  imprefCum  ao  emedatnm,  Anno  difi.  M.GGCCCXX 
I  Unten:  ^  Venale  habet  Colonie  apud  Fräcircü  birchma  ^x  Goffredü  hect  Fol. 
lb_2b  Preparationes  miffe,  Fol.  3»-8*>  Kalendarium  nicht  foliirt,  Fol.  9»  wie- 
der von  üppiger  Renaissance  umrahmt  enthält  in  der  obem  Hälfte  ein  grosses 
Bild  mit  gothisireiftLer  Bekrönung  und  in  der  untern  die  Schrift:  ([  Incipit  ordo 
mirfalis  per  circujlum  anni  ad  uFum  et  confuetndi{nem  diooeris  Monafterienfis 
Et  I  primo.  ([  Dominica  prima  in  ad|yetum  dm  introit*  ad  offioiu  milTe  |  Das 
Missale  umfasst  60  Folien  und  schliesst  Fol.  60^  Col.  2  |  Finis  |  und  das  Sancto- 
rale  hat  98  Folien  und  schliesst  98*Mirrale  ad  ufu  |  diocerisMonarterienfis:  poli- 

tirß|mis  formulis  in   alma  Parißorum  aoademia  tpreffum :  additis   plnri  | 

Impefis  Fräcisci  byrck|man  et  Goffredi  hector  hoc  T  opefre  sociomm.  Anno  dni 
M.  CCCCGXX  I  Der  Canon  FoL  ^2  und  63  des  ersten  Theiles  ist  auf  Pergament 
gedruckt,  Fol.  62^  mit  dem  schönen  Holzschnitt  des  Crucifizus,  der  h.  Maria 
und  des  h.  Johannes  versehen.  Ausser  den  grösseren  Bildwerken  sind  auch  die 
oft  sehr  decorativen  Initialen  und  die  kleineren  Bildwerke  im  Beginne  grösserer 
Abtheilungen  in  Holz  geschnitten,  und,  mit  geringer  Ausnahme,  alle  decorativen 
Zierarten  im  Geiste  und  in  den  Formen  der  freisten  Renaissance  ausgeführt;  das 
Figürliche  entbehrt  der  Manierirtheiten  des  gleichzeitigen  deutschen  Stiles  und 
das  Passionsbild  erfreut  sich  in  der  Composition  wie  in  den  Einzelfiguren  einer 
so  würdevollen  Auffassung,  dass  es  wahrscheinlich  in  Paris  gezeichnet  ist.  Die 
wenigen  Blätter  im  Eingange  abgerechnet,  hat  das  ganze  Buch  Blattzahlen  und 
Signaturen  und  abwechselnd  rothen  und  schwarzen  Druck.  In  dieser  Ausstattung 
ragt  das  Missale  als  eins  der  bemerkenswerthesten  Erzeugnisse  der  altem  Presse 
hervor.  —  Nach  den  Wiedertäuferwirren  liess  das  Münsterische  Domcapitel  an 
sonstigen  Ritualbüchem  zuerst  in  Köln  1536 — 1537  folgende  drucken:  1,  ein 
Gra duale  295  Blätter  stark*  mit  Signaturen  und  an  den  Rand  gedruckten 
Blattzahlen.  Das  Titelblatt  umfassen  oben  und  unten  Bildwerke,  unten  aosserd^ 
noch  ein  omamentaler  Besatz,  an  den  Seiten  aus  allerhand  Motiven,  so  aus 
Delphinen  und  posaunenblasenden  Putti,  gewundene  Säulen.  Die  Bilder  in  den 
4  Ecken  stellen  die  4  Evangelisten  in  einer  nicht  gewöhnlichen  Auffassung  und 
dazwischen  oben  den  Salvator,  unten  anscheinend  eine  Sibylle  vor.  Die  Initialen 
sind  in  Holz  geschnitten  und  oft  reich  mit  Bildwerken  verziert,  die  architekto- 
nischen Einfassungen  der  Bildwerke  in  Renaissanoeformen  gehalten,  der  Titel 
lautet: 

GRaduale,  omnia  sacre  Mirre  cantica  |  per  totum  annum  |  ad  nfum  et 
confue|tudinem  Ecclelle  et  dioceris  Monasterienfsis  |  continens,  iam  primü  im- 
prerfum  ac  emedatum.  Anno  dni  M.  D.  xxsivi.  | 


Die  knnsigesciuchtl.  Beziehungen  zwischen  dem  Rheinlande  u.  West^itlen.    95 


^nnc  qoi  aperia  et  volais  libru:  |         Et  no  laceres  oaueto  | 

Mandas  habeto  manua.  |  Nodulos  eti»  modeste  attingito  | 

Folia  leniter  vertito,  |  Et  semper  librum  bene  claudito.  | 

In  dem  Bildwerke  vertheilt  steht  unten  auf  dem  Titelblatte  Excndebat  H 

Alopecitts  Expenfis  capituli  Maieris Ecclefie  Monafterienfis  1536. 

2.  Das  Antiphonarium  501  Folien  gross.  Das  Titelblatt  hat  an  den  Seiten 
eine  Einfassung,  oben  und  unten  grössere  Bilder  und  unten  die  Renaissanceeier 
wie  in  Nr.  1.  Die  obere  Bilderreihe  zeigt  die  Herabkunft  des  h.  Geistes  mit  der 
üeberachrift  links  Spiritus  sanctus,  in  der  Mitte  Salvator  Mundi,  rechts  Maria 
mater  Dni,  die  untere  Petrus  apostolus,  in  der  Mitte  PauP  doctor  getiü  unter 
reichem  Renaissance-Baldachin,  rechts  JohSnes  eüagelirta,  in  der  Mitte  die 
kleineren  4eckigen  Bilder  des  Mat(theu8)  links  und  des  Mar(cus)  rechts.  Der 
Titel  lautet:  ANtiphonariü,  Oia  pia  Ganojnicarum  horarum  cantica:  secundu 
ordine  atq}  vfum  Ecclefie  et  dioceris  Monafterien:  coplecjtenB  iam  primum 
summa  dili|gentia  excnrum. 

t 
Hunc  qui  aperis  et  voluis  librü:  |  etc.  wie  in  Nr.  1.  Unter  dem  Bilde  des 

Paulus:  Excudebat  Hero  |  Alopecius.  Anno  1537.     Ein  Exemplar  fand  ich  auf 

Pergament  abgezogen. 

3.  Den  154  Blättern  des  Psalterium  ^  Sequuntur  Vigijie  Mortuoruip  auf 
20  Blattern  ohne  Zahlen,  aber  mit  Signaturen;  die  sonstigen  Eigenthümlich- 
keiten  entsprechen  jenen  des  Antiphoniarium  Nr.  2,  ebenso  im  Titel  die  Seiten- 
einfassung  und  das  Monitum:  Hunc  qui  aperis  etc.  Zur  obem  Einfassung  des 
Titels  dienen  die  4eckigen  neben  einander  gestellten  Bilder  der  4. Evangelisten, 
anten  jene  der  Bekehrung  des  Paulus  links,  des  SaWators  rechts  und  der  beiden 
Apostelfursten  in  der  Mitte.  PSalteriü  cum  freque{tioribus  Canonicarü  horarü 
Antiphonis:  et  Hymnis,  pro  Ecclefia  ft  dioceß  Monartejrien.  singulari  diligetia 
excufum.  Kalenjdario  'X  Vigiligs  mortuorü  adjectis  |  .  Es  wechselt  der  schwarze 
Druck  mit  rothem.  Einzelne  Initialen  und  die  kleinen  Inschriften  der  Bilder 
sind  wie  in  Nr.  2  römisch.  In  allen  drei  Büchern  erscheint  dasselbe  Bild  des 
Salyators  und  beherrscht  die  freieste,  flottste  Renaissance  das  Decorative,  der 
realistische  die  Gewandung  in  Augen  brechende  Stil  das  Figürliche,  jedoch  so 
massvoll  und  gefallig,  dass  von  einer  Manier  in  vollem  Umfange  kaum  die  Rede 
ist.  Laut  einer  mir  in  Abschrift  vom  frühern  Domwerkmeister  Herrn  A.  Krabbe 
mitgetheilten  Urkunde  des  Capitelarchivs  stellt  das  Münsteidsche  Domcapitel 
über  den  Druck  des  Graduals,  Antiphpnars  und  Psalters  dem  »Meister  Heroni 
Alopecio,  Buchdrucker  zu  Cölnc  einen  Schuldschein  von  400  Joachimsthalem 
aus  mit  dem  Versprechen,  diese  Summe  in  gewissen  Raten  abzutragen,  was  1540 
laut  der  Rückschrift  geschehen  war:  »Weddergekoft  und  berichtigt  van  den 
Buchdrucker  1540.  c  ~  Das  Bibliographische  in  Betreff  des  Gotius'  Gedicht  auf 
die  h.  Jungfraui  gibt  Niesert  Beitrage  S.  27.  —  Das  erste  auswärtige  Renais- 
sance-Siegel, welches  ich  im  Staatsarchiv  zu  Münster  fand  (Fürst.  Münster,  2645) 
hangt  an  einer  römischen  Urkunde  des  J.  1603,  worin  der  Cardinal  Raimundns 
Ton  St.  Maria  Novelia  dem  Uünsterischen  Bischof  Konrad  mehrere  Reliquien 


96    Die  kunstgeschichtL  Besiehungen  zwischen  dem  Rheinlande  u. Westfalen. 

vermacht.  Die  heimischen  Siegel  der  Kaiser,  Bischöfe,  Fürsten,  selbst  der  Ritter 
verlassen  am  1610  schon  den  gothischen  Typus  und  nehmen  von  1619—1582 
immer  mehr  das  Gepräge  der  Renaissance  an. 

^*)  Au£fallend  und  bezeichnend  für  Nachlässigkeit  und  Geringschätzung, 
mit  der  die  Archäologie  der  Glocken  betrieben  wurde,  ist  es,  wenn  man  bis 
jetzt  in  der  Entwickluugrggeschichte  der  Type  vom  Briefdruck  bis  zur  beweg- 
lichen Letter  einerseits  und  beim  historischen  Verfolg  der  gedruckten  Initialen, 
gravirten  Metallplatten  und  Holzmodeln  bis  zum  mcchanisch-vervielfaltigenden 
Gebrauch  behufs  des  Holzschnitts  und  Kupferstichs  anderseits  die  Lettern  und 
Formen  der  wandernden  Glockengiesser  (Voy.  Viollet-le-Duc,  Dictionnaire  III, 
288)  unter  den  Vorläufern  des  Buch-  und  Bilddrucks  ganz  übersehen  hat;  denn 
der  Glockengiesser  führte  doch  Formen  für  Blumen,  Kreuze,  Punkte  und  andere 
Zeichen  zum  Eindrücken  in  die  Form  und  zum  Abdruck  im  Guss  —  und  ebenso 
alle  Buchstaben  des  Alphabets,  natürlich  in  den  Zügen  der  Zeit,  bei  sich,  um 
sie  entweder  einzeln  zu  gebrauchen  oder  zu  Worten  zu  componiren.  Dies  Ver- 
fahren entsprach  dem  Buch-,  jenes  dem  Bilddrucke.  Da  der  Giesser  gewöhnlich 
nur  ein  selbstgegossenes  oder  sonst  wie  angefertigtes  Alphabet  mit  den  nöthigen 
Formen  für  Zeichen  und  Ornamente  besass,  so  lassen  sich  daran  die  Werke 
eines  und  desselben  Meisters  unschwer  erkennen,  beziehungsweise  solche,  welche 
nicht  datirt  oder  mit  dem  Meisternamen  versehen  sind,  nach  seinen  genauer 
bestimmten  Arbeiten  bestimmen.  Um  dies  Verfahren  indess  mit  möglichster 
Sicherheit  handhaben  zu  können,  bedarf  es  der  genauesten  Formbeschreibung 
der  Glocken  und  besonders  bibliographisch  exacter  Copien  der  Inschriften,  so 
schwer  diese  auch  in  vielen  Fällen  wegen  der  dunkeln  oder  nur  halbzugäng- 
lichen Lage  der  Glocke  zu  nehmen  sein  mögen.  —  Die  Hauptglocke  zu  Sinzig 
ist  laut  Organ  f.  ehr.  Kunst  XIII,  164  reich  mit  Wappen  und  Medaillons  (?) 
verziert.  Von  den  Majuskelinschriften  lautet  die  untere  für  die  ältere  Zeit  cha- 
rakteristische: 0  rex  glorie  veni  Cum  pace,  Anno  Domini  m^cc^Lxxxx^  mense 
Mai  fni  fusa,  die  obere:  Maria,  rector  celi  nos  tu  dignare  nos  salvare.  0  et 
Alpha  nos  ac^uva.  A  -f-  i2.  Die  grösste  Glocke  zu  Castrop  entbehrt  jener  auch  in 
älterer  Zeit  nicht  üblichen  äusseren  Decoration;  nur  verläuft  ein  rundlicher 
Reifen  über  dem  Schlagring,  und  oben  an  der  rundlichen  Biegung  der  Haube 
fassen  zwei  Doppelreifen  die  Majuskelinschrift  ein :  Rector.  celi  nos.  exaudi.  tu.  dig- 
nare. nos.  salvare.  0.  et  AUa.  nos.  adiwa  (sie).  Auf  denselben  Meister  weisen  Form 
undSohriflzüge  der  zweiten  und  der  kleinsten  Glocke,  diese  mit  dem  altüblichen 
Spruch:  0.  rex.  glorie.  veni.  cum.  pace,  jene  mit:  Vincit.  xps.  regnat.  xps.  inperat. 
xps.  —  Gerhard  de  Wou,  vielleicht  der  Sohn  des  gleichnamigen  Glockengiessers  Wil- 
helm, gilt  nun  einstimmig  für  ein  Kind  der  Stadt  Campen  in  jenem  Theile  von  Hol- 
land, dem  Deutschland  dermalen  so  viele  andere  Kunstwerke  verdankte;  seine  Wirk- 
samkeit lässt  sich  von  1472  oder  wie  Andere  wollen  erst  vonl476  bis  1602  nachweben. 
(Smeddingk  a.  a.  0.  VHI 163  f.,  v.  Tettau,  Meister  und  Kosten  des  Gusses  der  gros- 
sen  Domglooke  zu  Erfurt  (Abdruck  aus  der  Erfurter  Vereins-Zeitschrift)  1866  S.  10 
ff.).  Drei  seither  unbekannte  Werke  hat  er  der  Lambertikirche  zu  Münster  hin- 
terlassen, eine  kleinere  Glocke  ohne  Namen  aus  dem  J.  1497,  eine  mittlere  und 
die  grösste  aus  dem  J.  1493.  Die  grösste,  ein  Pracktstück  des  Tones,  der  Form- 


Die  kunttgesohiolitl.  fiasiehongen  zwisohen  dem  RheinlAnde  o.  Westfalen.    97 

Tollendmig  und  Schönheit  omsiehen  am  Schlage  3,  über  demselben  5  zu  dem 
mittleren  in  elegantem  Metallprofile   an*   und  absteigende  Reifen,    die  Schrift 

oben  am  Mantel  verläufb  beiderseits  zwischen  einer  stehenden  oder  hangenden  > 

Einfassung  von  Perlschnur,    weich    anschwellenden  Beifen   und  Blumenkamm  i 

und  wird  unterbrochen   von  Rosetten  und  einem  Revers-Abdrucke  eines  Ham- 
burger Groschens: 

Sum  tuba  magna  Dei,  divi  sub  nomine  patris 
Lamberti  populos  ad  sacra  templa  vocans. 
Gherardus  de  Wou  Campensis  me  fecit  anno  Domini  Moooozoin. 
Gleiche  Behandlung  und  Ausstattung  zeigt  die  mittlere  Glocke,  nur  unterbrechen 
die  Schrift  5  Abdrucke,  nämlich  die  Evangelistensymbole  mit  namentragenden 
Spruchbändern  und  das  Gottesiamm  in  der  Mitte.  Der  Schluss  der  Inschrift 
lautet:  Gherardi  Wou  Campensis  erarij  opus  ^nno  Domini  Mooooxom.  Das  noch 
grössere  Geläut  zu  Elecklinghausen  zeigt  die  hier  genannten  Formsohönheiten 
in  vergrössertem  Maasse;  die  Blumenkämme  der  Sohrifleinfassung  schwellen 
förmlich  zu  Trauben  an.  —  Wolter  Westerhues  wohnte  zu.  Münster  auf  der 
Rothenburg  und  lieferte  seine  form-  und  klanggerechten  Kunstwerke  seinem 
Yaterlande  und  der  Umgegend,  vom  Emslande  bis  zum  Niederrhein  in  den  J. 
1499 — 1526.  üeber  sein  Leben  und  seine  Arbeiten  liefert  inschriftliches  und 
urkundliches  Material  Kordhoff  im  Organ  für  ehr.  Kunst  (1868)  XVIII,  89  f., 
(1669)  XJX,  19  f.  Seine  Glocken  zu  Grieth  und  Niedermörmter  erwähnt  Zehe, 
Histor.  Nachrichten  über  Glockengiesserkunst  1867,  8.  11.  —  Die  Arbeiten 
Johan's  von  Düren  zu  Siegen  und  ihre  Inschriften  bringt  Lübke  a.  a.  0.  S.  416.  — 
Ueber  die  Arbeit  Joh.'s  v.  Neuss  zu  Weitmar  ertheilte  mir  Herr  Dr.  C.  Mertens 
zu  Kirchborchau  briefliche  Auskunft:  die  schöne  Glocke  zieren  an  beiden  freien 
Seiten  im  ganzen  4  Bildwerke,  oben  rundliche  Reifen  und  die  einzeilige  In- 
schrift Jus  X  Maria  z  heissen  x  ich  x  Jan  van  Nuis  gois  mich  XYXXII.  -* 
Die  erwähnte  Glocke  zu  Werth  umziehen  in  regelmässiger  Anlage  Reifen  und 
oben  die  Inschrift:  Henürick  van  Trier  hat  mi  gegoten  1576,  jene  zu  Anholt, 
über  Mittelgrösse,  trägt  zwei  kleine  Reifen  über,  und  ebensoviele  an  dem  stark 
aasladenden  Schlagring,  oben  am  Mantel  über  dem  Schriftbande  einen  noch 
gothisirenden  Blumenkamm,  unter  der  Schrift  ein  kraus  verflochtenes  Zierband 
von  Blättern,  Meeijungfem  und  andern  Renaissance- Ornamenten:  Doer  dat  vyer 
byen  ick  gevloteui  Peter  van  Trier  ende  Johan  Philipsen  hebben  mi  gegoten 
.  .  .  1636.  —  Claudius  Lamiral  und  der  Westfale  Antonius  Paris  gössen  1647 
ein  schweres  Geläut  für  die  Abteikirche  zu  Siegburg  (Smeddingk  a.  a.  0.  YIU. 
214);  der  erstere,  dem  auch  die  grösste  Glocke  zu  Olfen  von  1640  angehört, 
ist  dem  Namen  nach  Ausländer,  vielleicht  wie  die  beiden  Paris  aus  Lothringen 
gebürtigi  wenigstens  kam  dorther  nach  einer  brieflichen,  dem  Pfarrarchiv  zu 
Ahsen  entnommenen  Anzeige  des  Herrn  Pastors  Lorenz  zu  Waltrop  Johannes 
Paris,  der  als  frater  laicus  minoris  ordinis  s.  Francisci,  oder  ordinis  minoris 
strictioris  observantiae,  oder  als  observans,  wie  er  sich  nannte,  von  1638—1656 
eine  Reihe  von  Glocken  meistens  im  Münsterlande  gegossen  hat  und  deshalb 
vielleicht  früh  ins  Minoritenklost^r  zu  Münster  getreten  war.  Werke  seiner  Hand 

7 


98    Dia  kaiutgefloliielitl.  Bdsielrangen  swisehen  dem  Rheinlande  u.  Westfalen. 

finden  Bich  sra  Sfldkirchen  bei  Werne  1688,  in  Albachten  bei  Müneter  1661,  m 
Seppenrade  und  Olfen  bei  Lüdinghansen  1664,  En  BöBensell  bei  Münster  1666, 
an  Weslam  bei  Soest  nnd  in  der  Petrikirche  zu  Dortmnnd.  Die  Namensgleich- 
heit,  der  schlechte  meist  unToUständige  Gnss,  die  überladene  Decoration  des  Man- 
tels, das  Bild  des  Kreuzes  gestellt  zwischen  mehrere  yielleicht  iiir  mystisch  gehal- 
tene Blätter  (Kratz,  Zeitschr.  des  bist  Yer.  f.  Nieder^achs.  1866,  k  868  f.),  die 
Arbeitszeit  sind  dem  Johan  wie  dem  Anton  Paris  nnd  Lamiral  gemeinsam  und  deuten 
also  anf  eine  gemeinsame  Herkunft  hin.  Jedenfalls  hat  Anton  Paris,  als  Lamiral's  Ar- 
beiten aufhörten,  das  hiesige  Geschäft  allein  fortgesetzt.  Von  Steinen  nennt  a.  a.  0. 
m,  1209  als  Meister  der  1660  **/a  gegossenen  Brandglocke  zu  Altena  »Anton  von 
Pariss  aus  Schwerte  bürtig«.  Die  Lösung  dieser  Widersprüche  sp&tem  Funden 
Überlassend,  haben  wir  von  seinen  Arbeiten  noch  3  Glocken  zu  Freckenhorst 
(1646),  eine  in  der  evangelischen  Kirche  zu  Hattingen  1662  und  eine  zu  Alt- 
lünen  1661  zu  verzeichnen.  —  Die  grosse  Dinckelmaiersche  Glocke  zu  Dorsten 
zieren  Reifen  an  und  über  dem  Schlage,  eine  Johannesfigur  am  Mantel  und  oben 

ein  herabhangendes  Blattwerk  aIs  Stütze  der  Inschrift : Godfried  Dinckel- 

maier  von  Collen  hat  mich  gegossen  1782;  die  kleine  zu  Polsum  hat  nach  einer 
Mittheilung  des  Herrn  Notarp  jun.  zu  Münster  die  Inschrift:  Ich  rope  euch  zur 
Kirchen,  um  euer  heil  zu  wirken.  Gottfried  DInckelmaier  van  Collen  hat  mich 
gegossen.  1788.  üeber  die  Kölner  Giesserfamilie  Dinckelmaier,  die  wahrschein- 
lich von  Nürnberg  stammt,  und  andere  Werke  am  Eheine  vgl.  Smeddingk  im 
Organ  f.  ehr.  Kunst.  VIII,  224.  —  Die  Arbeiten  der  Voigts  von  Isselburg  halten 
für  ihre  Zeit  eine  löbliche  Höhe  in  Form  und  Ton.  Nachdem  1746  in  einem 
vom  Blitz  aus  heiterm  Himmel  entzündeten  Thurmbrande  die  7  alten,  schönen 
Glocken  zu  Bochold  bis  auf  eine  als  zerschmolzene  Metallstücke  herabgefallen 
waren  (Nunning,  Monumenta  Monasteriensia  I,  411),  wurde  allmälig  die  grösste 

Glocke   wiedergegossen   mit  der  Inschrift: Chrbtian  Voigt   et  Christian 

Diederich  filius  duc(atu8)  Cliviae  Isselburgenses  me  fnderunt.  Als  »ohurfürst- 
lich-münsterischer  privilegirter  Klockengiesserc  arbeitete  Christian  Wilhelm 
Voigt  1766  für  Wulfen  bei  Haltern,  1776  für  Bamsdorf,  1777  für  Dühnen,  1786 
für  Wesecke  bei  Borken,  als  ducatus  Cliviae  Isselburgensis  1779  für  Watten- 
scheid und  Hövel  bei  Werne  — ;  Christian  Wilhelm  Voigt  der  Vatter  et  Rutt- 
gerus  Voigt  der  Sohn  für  Dortmund,  1767  für  Herbem,  1768  für  Werne,  — 
Johann  Rutger  1790  für  Dingden.  —  Die  Mabillots  aus  Coblenz  nennen  sich 
Stuck  und  Glockengriesser.  Sie  pfiegen  ihre  Arbeiten  formel  mit  Ornamenten  zu 
überladen,  die  Schrift  mit  Zierb&ndem  einzufassen,  den  Mantel  mit  einem  von 
Blattwerk  umgebenen  Bilde  zu  beleben  und  die  Inschrift  durch  Handweiser 
einzuleiten.  Maurice  Mabillot  (beide  Namen  klingen  nach  französischer  Herkunft) 
Stucke-  und  Klockengiesser  goss  1777  eine  kleine  Glocke  für  Mesum  bei  Rheine, 
Andreas  Mabillot,  vielleicht  des  erstem  Sohn,  goss  in  unschönem  Formen  eine 
grössere  für  die  Kirche  zu  Notuln  und  1777  eine  kleinere  für  die  Ludgeri- 
kirche  zu  Billerbeck,  als  »churfürstlich-Trierscher  Stucke-  und  Glookengiesser 
1777  eine  grössere,  1778  eine  kleinere  für  Rorap.  Von  Joan  et  Andreas  Mabillot 
stammen  die  drei  Glocken  au  Stromberg  bei  Oelde  aus  dem  Jahre  1781.  —  Das 


k*--^ 


Die  kanttgesohiohtl.  Beoehongeii  zwiaehen  dem  Rheinlande  u.  Westfalen.    d9 

weitgreifende   Material    über   die   Petita  einigermassen   tu    verarbeiten,    geht 
hier  nicht  an. 

'*)  Unviderleglicher,  als  gleichzeitige  Berichte,  beglaubigen  das  üppige 
Kunst-  und  Culturleben  der  Stadt  Münster  während  des  dreissigjährigen  Krieges 
jene  stolzen  (von  1540)  bis  1667  in  fast  ununterbrochener  Folge  sich  erhebenden 
Giebel  an  den  belebtesten  Strassen  der  Stadt,  und  ebenso  schlagend  bezeichnet 
das  Benehmen  Bernhards  von  Galen  die  Yemichtung  der  Stadtblüthe,  da  seit 
1661  nur  mehr  ein  Haus  (1668)  im  missverständlichen  Renaissancestil  erstand, 
wahrend  ein  anderes  vom  J.  1665  in  edlern  Formen  als  adeliger  (Schmiesinger) 
Hof  die  der  bürgerlichen  Kunst  gefolgte  adelich-höfische  einleitet.  Einflüsse 
rheinischer  Benaissancearohitektnr  sucht  man  vergebens;  nur  die  sehr  reiche 
Fa^^ade  einea  Bürgerhauses  (Ohm),  welche  die  Sage  wegen  der  ungewöhnlich 
prunkenden  Stilcharaktere  von  Italien  (Mantua)  direkt  nach  Münster  versetzt, 
dürfte  wegen  der  Aehnlichkeit  des  geometrischen  Ornaments  — ,  der  Atlanten 
und  Karyatiden  unter  dem  Eindrucke  des  Kölner  Rathhauses  geschaffen  sein. 
—  Die  Berufung  des  Baumeisters  Gottmann  zur  Restauration  des  Sparrenbergs 
enthält  L.  v.  Ledebur's  Sperrenberg  1842,  S.  74.  —  Auffallend  ist,  dass  Leon- 
hardt  Thumeisser  1570  zu  Münster  für  die  Tafeln  seiner  Archidoxa  und  Quinta 
Essentia  keine  Formschneider  in  Holz  finden  konnte  (Becker  in  der  Zeitschrift 
für  Geschichte  und  Alterthumakunde  Westfalens  I,  245)»  wie  solche  doch  den 
altern  Druckern  zu  Diensten  gewesen  waren  (Vgl.  Niesert,  Beiträge  zur  Buch- 
dmckergeschichte  S.  14  ff.),  und  dass  er  deshalb  die  ihm  von  dem  Maler  Her- 
man  tom  Ring  ^  angefertigten  Zeichnungen  von  Remigius  Hogenberg  in  Köln 
musste  stechen  lassen  (Becker  in  Kugler's  Museum  (1837)  Y,  4).  —  Die  dom- 
oapitularischen  Rechnungen  »circa  annum  Domini  1622  &  28«  über  die  Her- 
stellung des  Hochaltars  im  Dome  und  die  Anfertigung  der  Flügelbilder  sind 
noch  im  Original  vorhanden.  —  Von  den  86  Portraits  der  Friedensgesandten 
im  Bathhause  führen  insohrifUich  nur  zwei  von  Gerhard  Terburg,  und  wenn  er 
dennoch  nach  Fiorillo  lU,  132  auf  dem  Friedenscongress  1648  »beinahe  alle  dort 
versammelten  G^esandten  mahlte«,  so  kann  sich  diese  Nachricht  nicht  auf  die 
Einzelportraitsi  sondern  auf  das  Bild  der  den  Frieden  beschwörenden  Gesandten 
beziehen.  34  Portraits  fertigte  laut  Contracten  und  Rechnungen  im  Stadtarchiv 
sein  Landsmann  Jan  Baptist  Floris.  (Vgl.  Westfal.  Merkur  1873  Nr.  89.)  —  Die 
Verhandlungen  Bernhards  von  Galen  mit  den  Augsburger  Goldschmieden  Johan 
Spring  undlsac  Bozbart,  der  sich  auf  Grund  seiner  Seereisen  nach  Indien  als  Kenner 
dea  Sofaiffabaua  ausgab,  über  die  Anfertigung  des  silbernen  Schiffes  fallen  in 
das  Jahr  1676  und  aind  mir  vom  Herrn  Archivsecretar  Sauer  aus  dem  Münste- 
riacfaen  Staataarchiv  mitgetheilt.  —  In  dem  Dunkel,  welches  bis  jetzt  die  Kunat- 
geechichte  der  beiden  letzten  Jahrhunderte  umhüllt,  findet  man  Nachrichten, 
wie  sie  F.  v.  Mering,  Geschichte  der  Burgen,  Rittergüter,  Abteien  und  Klöster 
in  den  Rheinlanden  und  den  Provinzen  Jülich,  Cleve,  Berg  und  Westphalen  (1842j 
TI,  61—78  über  den  kunstliebenden  Bischof  Clemens  August  von  Köln  und 
Münster  veröffentlicht,  schon  dankenswerth.  —  Die  Angabe  über  italienische 
Künstler  beruht  auf  Acten  in  Privatarohiven. 


^^. 


F4.    ' 


"^ 


3.  Ein  romischer  Fund  in  Bandorf  bei  Oberwinter. 


Hierzu  Tafel  XIII  u.  XTV. 


Bereits  im  März  1870  wurden  nahe  am  Wege  von  Bandorf  nach 
Oberwinter,  kaum  einige  hundert  Schritte  vom  erstgenannten  Orte 
entfernt,  beim  Umspaten  eines  Feldes  in  der  geringen  Tiefe  von 
IV2  Fuss  eine  römische  Ära  und  ein  Götterbild  gefunden,  das,  in 
liegender  Gestalt,  die  linke  Hand  auf  eine  Urne  stützt,  während  dem 
linken  Fusse  sich  ein  Defphin  anschmiegt.  Unverkennbar  ist  der  dar- 
gestellte Gott  ein  Neptun,  oder  ein  Flussgott,  der,  wie  die  Urne  zeigt, 
einen  Brunnen  geziert  hat.  Als  mir  im  Sommer  desselben  Jahres  die 
Nachricht  zukam,  dass  man  an  diesem  Orte  einen  Stein  gefunden 
habe,  auf  dem  ein  Ritter  zu  sehen  sei,  dem  ein  Vogel  in  den  Fuss 
picke,  glaubte  ich,  dass  es  sich  um  irgend  ein  Steinbild  aus  dem 
Mittelalter  handle  und  schenkte  der  Mittheilung  wenig  Beachtung. 
Erst  am  14.  Februar  vorigen  Jahres  begab  ich  mich  mit  Prof.  Bitter 
nach  Bandorf.  Als  uns  der  Besitzer  des  Feldes  und  d6r  Finder  der 
beiden  Denkmale,  Herr  J.  Loosen  daselbst,  das  erste  Bruchstflck  des 
zerbrochenen  Steinbildes  brachte,  erkannten  wir  sofort,  dass  es  sich 
^  um  einen  werthvollen  Fund  des  römischen  Alterthums  handle.    Nach 

der  Angabe  des  Finders  wurde  zuerst  in  der  angegebenen  Tiefe  eine 
k  6'  Rh.  lange,  4'  breite  und  2V2'  hohe  Steinplatte  gefunden,  die  wie 

ein  Feuerheerd  aussah  aber  zerbrochen  war,  sie  soll  wie   von  Feuer 
[:;  geschwärzt  gewesen  sein  und  Kohlem^este  lagen  daneben.   Loosen  hat 

f'J-^ :  an  der  Ecke  eines  neuen  Hauses  ein  Stück  dieses  Steines  eingemauert, 

q.  es  ist  ein  Berkumer  Trachyt,  der  also  von  den  Römern  schon  gebrochen 

wurde.    Zwei  Fuss  neben  dieser  Steinplatte  lagen  die  Bruchstücke  der 
kleinen  IOV2"  Rh.  grossen  Ära,  und  zwei  Schritte  daneben  die  drei 
Stücke  der  20''  langen  und  14"  hohen  Brunnenfigur.     Beide  liessen 
'^''  sich   indessen  vollständig  wieder  ergänzen.     Auch    einen   schweren 

^^'^V  römischen  Dachziegel,  16"  lang  und  12  Vs''  breit,  sowie  eine  viereckig^ 


Ein  romisoher  Ftind  in  Bandorf  bei  Oberwioter.  101 

11 ''  lange  und  breite  und  1 V2 ''  dicke  Ziegelplatte,  an  der  sich  keinerlei 
Abzeichen  fand,  hatte  der  Finder  aufbewahrt.  Auch  Stücke  gebrannten 
Thones,   die  mit  Blumengewinden  verziert,  aber  abhanden  gekommen 
waren,  sowie  das  Ende  einer  Geweihspitze  vom  Hirsch  lagen  an  derselben 
Stelle.    Als  wir  den  Fundort,  ein  Kleestück,  in  Augenschein  nahmen, 
«    entdeckten  wir  noch  eine  grosse  Menge  kleiner  Scherben  von  Thon- 
gefassen  und  Ziegeln  und  mussten  es  fUr  sehr  wahrscheinlich  halten, 
dass  eine  Nachgrabung  hier  auf  Fundamente  eines  römischen  Gebäudes 
fuhren   werde.    Der   Besitzer  des  Grundstückes   erklärte  sich   auch 
bereit,  im  Spätherbste  vorigen  Jahres  eine  solche  zu  gestatten.    Noch 
.  jetzt  kreuzen  sich  an  dieser  Stelle  drei  Wege  und  ein  Bach  fliesst  in 
der  Nähe  vorbei.   Die  ganze  Gegend  ist  wasserreich,  eine  nahe  gelegene 
Wiese  besitzt  3  Quellen,  die,  wenn  die  Brunnen  des  Ortes  bei  langem 
Regenwetter  trübes  Wasser  geben,   als  Trinkwasser  benutzt  werden. 
Loosen  zeigte  uns  auch  in  der  Nähe  dieses  Ortes   die  Spuren  ge- 
mauerter unterirdische^  Wasserleitungen  in  seinen  Feldern.    Es  kann 
nicht  fiberraschen,  in  diesem  fruchtbaren,   mit  vortrefflichem  Quell- 
wasser versehenen  Thale,  dessen  besonders  geschützte  warme  Lage 
der  '  üppige  Baumwuchs  noch  heute  erkennen  lässt,  die  Spuren  einer 
römischen  Niederlassung  zu  finden,   während  die  Erhaltung  eines  so 
bemerkenswerthen  römischen  Bildwerkes   in  so    geringer  Tiefe   des 
Bodens  und  nahe  am  Wege  sich  aus  der  von  der  grossen  Verkehrs- 
Strasse  am  Rheine  abgelegenen  stillen  Lage  des  Ortes  erklärt.    Bandorf 
liegt  in  einer  Abzweigung  des  Unkelbachthales,  das  unterhalb  Remagen 
gegen  den  Rhein  sich  öffnet.    Unzweifelhaft  hat  von  Remagen  aus 
«ne  römische  Strasse  .zur  Verbindung  des  Rheines  mit  dem  Binnen* 
lande  durch  das  bei  Remagen  sich  weit  öffnende  Thal  des  Unkelbachs 
bestanden,   in  der  Richtung  nach  Gelsdorf,  wo   römische  Gräber  mit 
werthvoUen  Glas-  und  Thongefässen  aufgefunden  worden  sind  ^).    Die 
erste  Mittheilung  über  den  Fund  der  Ära  und  des  Neptun  machte  ich 
in  der  in  Bonn  zur  Winckelmannsfeier  veranstalteten  Sitzung  des  Vereins 
von  Alterthumsfreunden  im  Rheinl.  am  9.  Dezember  1872.    Ich  sprach 
mich  für  die  Annahme  aus,  dass  an  einer  vielgebrauchten  römischen 
Heerstrasse,   da,  wo   sich    mehrere  Wege  kreuzten,   ein  öffentlicher 
Brunnen   und  zugleich  ein  vielleicht   in  einer  Kapelle  aufgestellter 
römischer  Altar  gestanden  hätten,  und  erwartete  weitere  Aufklärung, 
wenn  eine  sorgfältige  Aufgrabung  auf  der  Fundstätte   werde  ver- 


>)  Jahrb.  XSSUL  und  XXXIV  1868.  S.  224. 


102  Ein  römiBOher  Fond  in  Bai^dorf  bei  Oberwinter. 

anstaltet  werden  können.  Diese  wurde  denn  auch  auf  Kosten  des 
Vereins  am  18.  Dezember  in  Angrifif  genommen  und  unter  des  Herrn 
Prof.  aus'm  Weerth  und  meiner  Aufsicht  bis  zum  24.  Januar  1873 
fortgesetzt.  Die  aus  Jurakalk  gefertigte  Ära  trägt,  wiewohl  der  Stein 
etwas  verwittert  ist^  die  noch  leicht  lesbare  Inschrift: 

DEO 

INVICT 

REGIPR 

OBONO 

COMVN 

Auffallend  erscheint  es>  dass  das  Wort  Deo  auf  dem  Gesimse 
der  Ära  selbst  eingehauen  ist.  Dies  ist  indessen  auf  einem  Votivstein 
mit  einer  dem  Mercur  geweihten  Inschrift,  Nr.  888,  sowie  auf  d^n 
dem  Mithras  geweihten  Yotivsteinen  Nr.  645  und  Nr.  1456  des  Bram* 
bach^schen  Verzeichnisses  auch  der  Fall. 

Die  Buchstaben  sind  die  des  3.  und  4.  Jahrhunderts  unserer  v' 
Zeitrechnung.  Die  einfach  schöne  Weiheschrift :  „Dem  Gotte,  dem  un- 
besiegbaren Herrscher,  für  die  öffentliche  Wohlfahrt,'*  erinm^  mit 
grosser  Bestimmtheit  an  den  Mithrasdienst.  Die  Bezeichnung  Invictus 
ist  für  diese  Gottheit  ganz  gewöhnlich.  Auf  einer  Münze  des  Kaisers 
Elagabalus,  der  selbst  Mithraspriester  war,  lautet  die  Inschrift  des 
Reverses :  Invictus  Sacerdos  Aug.  Auf  Münzen  des  Probua  kommt  der 
Revers:  Soli  Invicto,  auf  dem  des  Constantinus  magnus  das  Soli 
Invicto  Gomiti  häufig  vor.  .  Unter  römischen  Inschriften,  die  in  den 
Rheingegenden  gefunden  sind,  begegnet  man  solchen,  die  sich  auf  den 
Mithras  beziehen  und  ähnlich  lauten,  nicht  selten.  Bei  Brambach, 
Corp.  Inscript.  Rhenan.  1867,  finden  sich  die  folgenden,  deren  Vor- 
kommen auf  die  Verbreitung  des  Mithrasdienstes  durch  die  römischen 
Legionen  bezogen  werden  darf.  Die  Bezeichnung  D(eo)  I(nvicto) 
M(ithrae)  kommt  vor  auf  Nr.  1036  aus  Mainz,  Nr.  1413  von  Friedberg, 
1463,  1464  und  1465  von  H^dernheim;  Deo  Dol(icheno)  auf  Nr.  1456 
und  1457  von  Heddemheim;  I(nvicto)  M(ithrae)  auf  Nr.  1466  von 
Heddemheim,  Soli  Invicto  Mi  .  .  ae  auf  Nr.  1584,  bei  Heilbronn 
gefunden,  hier  wird  die  8.  Legion  erwähnt;  D(eo)  S(oli)  I(nvicto) 
M(ithrae)  auf  Nr.  1730  von  Osterburken  in  Baden,  in  dieser  Gegend 
stand,  wie  aus  mehreren  anderen  Inschriften  hervorgeht,  die  8.  und 
die  22.  Legion; 'S(oli)  I(nvicto)  M(ithrae)  auf  Nr.  1568  von  Murrhardt 
im  Neckarkreis,  Soli  Invicto  %uf  Nr.  55  von  Vechten  bei  Utrecht ;  hier 


Ein  römitoher  Fond  in  Bandorf  bei  Oberwinier.  108 

werden  mit  dem  Mithras  aach  Jupiter,  Apollo,  Luna,  Diana,  Fortuna, 

Mars,  Victoria  und  Fax  genannt ;  Deo  Soli  I(nvicto)  M(ithrae}  P(ro) 

S(alute)  I(mperii)  auf  Nr.  285  von  Dormagen,   D(eo)  S(oli)  I(nYicto) 

Imp(eratori)  auf  Nr.  286    von    ebendaher.    Das  Deo  Sol(i)  kommt 

vor  auf  Nr.  1719  aus  Lobenfeld  in  Baden,  Deo  Invicto  auf  Nr.  384 

aus  Cöln,   auf  Nr.  UOl   und  1402  aus  Lengfeld  in  Hessen  und  auf 

1720  aus  Lobenfeld,  Deo  Invicto   C(omiti)  auf  Nr.  1467,  auf  diesem 

Steine  aus  Heddemheim  wird  die  32.  Gehörte  genannt,    ^(ithrae) 

kommt  vor    auf  Nr.  1579  von  Feibach  in  Würtemberg,    Soli   auf 

Nr.  388  aus  COln,  Soli  Serapi  auf  Nr.  330  ebendaher,  Soli  et  Luna^ 

auf  Nr.  1838  aus  Nfthweiler  im  Elsass,  auf  zwei  andern  Inschriften 

derselben  Gegend  werden  wieder  die  8.  und  die  22.  Legion  erwähnt; 

Lunae  Solique  (?)  auf  Nr.  151  von  Birten  bei  Xanten,  hier  wird  die 

30.  Legion  angefahrt.    Ein  Sacerdos  Dolicheni  wird  auf  Nr.  645  aus 

Remagen  genannt.   Dieses  Denkmal  gab  Braun  Veranlassung  zu  seiner 

Schrift:  „Jupiter  Dolichenus.''  Die  ganze  Inschrift  lautet:  In  honorem 

domus  divinae  Arcias  Marinus  sacerdos  Dolicheni  donum  donavit  equi- 

tibus   cohortis  primae  Flaviae   Decio  et   Orato  consulibus.     Dieser 

Yotivstein  wurde  also  unter  dem  Consulate  des  Decius  und  Gratus, 

das  ist  im  Jahre  250  errichtet.     Braun  führt  merkwürdiger  Weise 

einen   in    Camuntum    in  Pannonien   gefundenen  Stein  an,    mit  der 

Widmung  I(ovi)   0(ptimo)   M(aximo)  D(olicheno),  auf  dem  ebenfalls 

ein  Marinus  als  Priester  des  Jupiter  Dolichenus  genannt  ist.     Der 

Wechsel  der  Standquartiere  in  Pannonien  und  dem  Bheingebiet  ist 

für  viele  römische  Legionen  festgestellt.    Der  Name  Dolichenus  kommt 

von  der  Stadt  Doliche,  die  in  der  römischen  Provinz  Commagene  am 

Euphrat  im  nördlichen  Syrien  lag  und  zur  Zeit  der  Antonine  blühend 

war,  von  Strabo  aber  noch  nicht  genannt  wird.    Die  Beziehungen  der 

ersten  flavischen   Gehörte  zu  dieser  Provinz  sind  auch  anderweitig 

nachweisbar.      In   einer  von   Mommsen  beschriebenen   Inschrift  der 

Sammlung  in  Neapel  wird  der  cohors  prima  Flavia  die  Bezeichnung 

Commagenorum  zugefügt    Auf  einem  zu  Friedberg   in  der  Wetterau 

gefundenen  gebrannten  Steine  heisst  die  erste  flavische  Ciohorte  Da- 

mascenorum  milliaria  und  auf  einer  ebendaselbst  gefundenen  Inschrift 

kommt  dieselbe  auf  Syrien  hinweisende  Inschrift  vor.    Diese  Cohorte 

hat  aber  auch  ihr  Standquartier  in  einer  Stadt  von  Palästina  gehabt, 

wie  Panqirollus  angiebt.     Die  Beziehungen   der  Stadt  Doliche  oder 

Dolichene  zum  assyrischen  (Gottesdienst  gehen  aber  aus   einer  von 

Reinesius  mitgetheilten  Inschrift  hervor,    in   der  es  heisst:   Junoni 


-l'* 


V 


t.:--. 


104  Ein  römischer  Fand  in  Bandorf  bei  Oberwintar. 

Assyriae  Beg.  Dolichenis  ^).  Wir  entnehmen  aus  unserer  Inschrift  und 
den  andern  beigebrachten  Daten,  sagt  Braun,  dass,  während  römische 
Soldaten  in  verschiedenen  Gegenden  Deutschlands,  namentlich  an  den 
Ufern  des  Rheines,  dem  Jupiter  Dolichenus  Gelübdesteine  errichteten, 
ein  Priester  dieses  in  weiter  Feme,  an  den  Ufern  des  Euphrat  ver- 
ehrten Gottes  in  unserer  Nähe  zu  Remagen  seinen  Wohnsitz  hatte. 

Es  ist  gewiss  eine  auffallende  Bestätigung  der  Annahme,  dass  durch 
die  römischen  Legionen  der  Mithrasdienst  aus  den  östlichen  Provinzen 
des  Reiches  an  den  Rhein  gebracht  worden  ist,  wenn  wir  erfahren^ 
dass  eine  mit  der  Bandorfer  nahe  übereinstimmende  Inschrift  in  Ofen, 
also  einer  Stadt  Unterpannoniens,  gefunden  worden  ist.  Sie  ist  bei 
Orelli-Henzen  III  unter  Nr.  5854  aufgeführt  und  lautet: 

SOLI 
INVICTO 
ETPRO 
BONOC 
OMVNI 

Schmidt,  Oesterr.  Blätter  1846.  p.  380. 
Ueher  die  Verlegungen  römischer  Legionen  aus  den  östlichen 
Provinzen  des  Reiches  in  die  westlichen  uud  umgekehrt  verdanke  ich 
Herrn  Prof.  Floss  folgende  Angaben:  Der  Prätorianische  Flügel,  ala 
Praetoria,  der  in  Cöln  erwähnt  wird,  lag  unter  Domitian;  85  n.  Chr. 
in  Pannonien.  Der  Frontonianische  Flügel,  ala  Frontoniana,  stand  bei 
Neuss,  war  unter  Vespasian  und  Domitian  in  Britannien,  unter  Trajan 
106  n.  Chr.  in  Britannien  und  später  in  Dacien.  Die  Legio  XIV 
gemina  lag  seit  71  n.  Chr.  in  Mainz,  scheint  aber  schon  unter  Nerva 
nach  Ober-Pannonien  abgerückt  zu  sein.  Die  Legio  I  adjutrix  lag  zu 
Mainz  und  wurde  aus  Dalmatien  und  Pannonien  rekrutirt;  um  140 
lag  dieselbe  in  Pannonien.  Eine  Cohorte  der  Asturer  und  Galläcier, 
zweier  spanischer  Völkerschaften,  stand  bei  Mainz ;  sie  lag  unter  Titus 
und  bis  zu  den  Zeiten  des  Marc  Aurel  und  Lucius  Verus  in  Pannonien. 
In  Cöln  wird  eine  dritte  Lusitanische  Cohorte  genannt,  sie  stand  unter 
Trajan,  Marc  Aurel  und  Lucius  Verus  in  Vorder-Pannonien.  Die  erste 
thracische  Cohorte  ist  im  1.  Jahrhundert  und  wieder  um  116  am 
Mittelrhein,  unter  Hadrian  rückte  sie  nach  Pannonien,  wo  sie  sich  noch 
bis  ins  5.  Jahrhundert  verfolgen  lässt.    Die  zweite  asturische  Gehörte 


>)  Braun,  Jupiter  Dolichenus  Bonn  1852,  S.  6. 


w 


t 


Bin  rdmifldier  Fund  in  Bandorf  bei  Oberwinter.  105 

ist  unter  Trajan  im  Brohlthal;  unter  Domitian  lag  sie  in  Pannonien, 
unter  Hadrian  ist  sie  in  Britannien,  unter  Marc  Aurel  und  Ludns 
Verus,  Yielleicht  auch  unter  Antoninus  Pius  wieder  in  Pannonien,  zuletzt 
vielleicht  in  A^^ypten.  Der  erste  Flügel  der  Thraker  steht  in  den 
Niederlanden,  unter  Domitian  war  er  in  Judäa,  unter  Trajan  in 
Britannien,  unter  Marc  Aurel  und  Lucius  Verus  in  Nieder-Pannonien. 
Eäne  sechste  thracische  Gehörte  ist  in  Mainz  bezeugt,  sie  lag  unter 
Domitian  in  Pannonien.  Ein  Flügel  der  Ituraer  steht  bei  Frankfurt, 
er  stand  unter  Trajan  in  Da^en,  unter  Marc  Aurel  und  Lucius  Verus 
in  Pannonien.  Ein  erster  Flngel  der  Scubuler  unter  Vespasian  und 
Trajan  in  Ober-Germanien,  stammte  aus  einer  Pannonischen  Völker- 
schaft dieses  Namens.  Die  Legio  X  gemina  aus  Spanien  stand  seit 
71  in  Nymwegen,  Antoninus  Pius  verlegte  sie  nach  Unter-Pannonien. 

Wiewohl  diese  häufigen  Versetzungen  römischer  Legionen  sich 
meist  in  einer  firöheren  Zeit  ereigneten  als  die  ist,  aus  welcher  der 
uns  hier  beschäftigende  Fund  herrührt,  so  enthalten  sie  doch  den 
Beweis  für  die  wiederholten  Beziehungen,  die  zwischen  den  Besatzungen 

• 

des  Bheingebietes  und  Pannoniens  stattfanden  und  gewiss  auch  später 
fortdauerten.  Die  Uebereinstimmung  römischer  Inschriften  aus  beiden 
entfernten  Gegenden,  die  sich  auf  einen  besonderen  Cultus  beziehen, 
erhalten  dadurch  eine  befriedigende  Erklärung. 

Ungewöhnlich  muss  auf  unserer  Ära  die  Bezeichnung  *des  Mithras 
als  Bex  erscheinen;  wiewohl  die  als  Imperator  vorkommt  und  die 
Widmung  Mercurio  Regi  auf  einem  bei  Nymwegen  gefundenen,  von 
Brambach  unter  Nr.  70  angeführten  Steine  sich  findet,  und  noch 
einmal,  wiewohl  zweifelhaft,  auf  Nr.  79.  Auch  darf  hier  angeführt 
iferden,  dass  nach  Winckelmann  ^)  auf  einer  Münze  des  Kaisers 
Claudius  Gothicus  Vulkan  mit  Amboss,  Zange  und  Hammer  abgebildet 
ist;  dieselbe  hat  die  Umschrift:  Regi  Artis.  Die  Widmung  Junoni 
Beginae  kommt  sehr  häufig  vor,  zumal  in  Verbindung  mit  Jovi  optimo 
maximo.  Im  Brambach'schen  Verzeichniss  stammen  die  meisten  dieser 
Inschriften  aus  Mainz  und  seiner  Umgegend,  und,  was  für  uns  Be- 
deutung hat,  viele  von  Orten,  wo  Mithras  verehrt  wurde,  so  Nr.  1451, 
1453  und  1493  von  Heddernheim,  2063  von  Osterburken.  Wir  dürfen 
schliessen,  dass  die  Beiworte  Bex  und  Begina  um  diese  Zeit  üblich 
waren.  Stark  bemerkt  in  Bezug  auf  die  Inschrift  des  einen  oben  an- 
geführten Steines  von  Dormagen,  auf  dem  er  mit  Lersch  D(eo)  S(oli) 


^)  Joh.  Winokebnann'B  sämmtL  Werka,  Donsueflchingen  1826.  IX.  S.  85. 


106  Ein  i'ömisoher  Fand  in  Bandorf  bei  Oberwinier. 

I(nyicto)  Imp(eratori)  und  nicht  mit  Fiedler  Imperio  statt  ex  Imperio 
oder  Impensa  statt  sua  Impensa  liest,  dass  er  den  Beinamen  Imperator 
für  den  Mithras  nicht  kenne,  wiewohl  er  für  Jupiter  gelte«  Doch 
findet  er,  dass  derselbe  der  mit  der  Verehrung  des  Imperators  eng 
verbundenen  Natur  des  Mithraskultus  im  römischen  Heere  sehr  wohl 
entspreche.  Der  Gebrauch  des  Wortes  Begi  in  unserem  Falle  recht- 
fertigt wohl  die  Lesung  Imperatori  in  jener  Inschrift  Auch  möchte 
die  Deutung  der  Buchstaben  P.  S.  I.  in  der  Inschrift  eines  zweiten 
Steines  von  Dormagen  als :  Pro  Salute.  IiQperii,  wie  Lersch  vorschlug, 
durch  die  auf  unserer  Ära  ausgeschriebenen  Worte  Pro  Bono  Gomun(i) 
ihr  Gleichniss  finden. 

Nicht  so  leicht  wie  die  dem  Mithras  geweihte  Ära  ist  das  Bild 
des  Neptun  zu  deuten,  und  es  entsteht  sogleich  die  Frage,  ob  nicht 
blos  ein  Fluss-  oder  Quellengott  in  dieser  Figur  dargestellt  sei.  Das 
Bildwerk  besteht  aus  demselben  Jurakalk  wie  die  Ära,  und  zeigt  eine 
etwas  derbe  aber  stilgemässe  Ausführung  des  fast  ganz  nackten 
Körpers.  Der  kräftige  Gliederbau,  die  breite  muskulöse  Brust,  das 
in  eigenthümlicher  Weise  geordnete  Haupthaar,  welches  über  der  Stime 
emporstrebt  und  der  in  regelmässige  Zwickel  getheilte  Bart,  endlich  der 
Delphin,  dessen  Mund  den  linken  Fuss  des  Gottes  berührt,  während 
die  rechte  Hand  des  letzteren  auf  der  Schwanzflosse  desselben  liegt,  endlich 
das  hinter  dem  Rücken  herabhängende,  und  nur  die  linke  Schulter 
und  den  rechten  Vorderarm  bedeckende  Gewand  deuten  sehr  bestimmt 
auf  die  Darstellung  des  Neptun.  Schon  Meyer  bemerkt  in  einer  Note 
zu  Winckelmann  >)  dass  die  Bilder  dieser  Gottheit,  deren  Verehrung 
bei  den  Griechen  eine  allgemeinere  war  als  bei  den  Römern  und  von 
diesen  unverändert  aus  der  griechischen  Mythologie  übernommen 
worden  war,  im  Alterthum  sehr  selten  seien,  und  dass  ausser  der 
von  Winckelmann  angeführten  grossen  Statue  eine  kleinere  zu  Dresden 
(Becker,  August.  Taf.  40)  und  auch  einige  Figuren  Neptuns  auf  er- 
habenen Arbeiten  bekannt  seien.  Auf  geschnittene  Steine  und  Vasen- 
gemälde bezieht  sich  diese  Bemerkung  nicht,  sondern  nur  auf  die 
plastischen  Darstellungen  des  Neptun.  Auch  am  Rheine  sind  solche 
Funde  selten.  Im  Mainzer  Museum  befindet  sich  nach  einer  Mit- 
theilung von  Liudenschmit  weder  unter  den  Skulpturen  noch  unter 
den  Bronzen  und  Terrakotten  ein  Bild  dieses  Gottes,  ebensowenig  ist 


')  Winckehnann  a.  a.  0.  lY,  S.  186. 


Ein  römiaoher  Fand  in  Bandorf  bei  Oberwinter. 


107 


ein  solches  in  Wiesbaden  vorhanden.  Auf  mehreren  der  bereits  an- 
geführten Votivsteine  der  Nehalennia  von  Zeeland,  auf  Nr.  27  bis  31 
bei  Crambach,  ist  dem  Hercules  gegenüber  Neptun  dargestellt,  auf 
Nr.  28  mit  Delphin  und  Dreizack,  auf  Nr.  45  mit  der  Pappel  und  dem 
Dreizack,  lieber  die  Art  der  Darstellung  des  Neptun  bei  den  Alten 
macht  Winckdmaon  folgende  Angaben.  Es  ist  ihm  eigenthümlich, 
dass  er  wie  Jupiter  unbekleidet  mit  prächtiger  gewölbter  Brust 
dargestellt  wird;  Winckelmann  erinnert  dabei  an  die  Ilias  n  479. 
,,Gewöhnlich  ist  er  auf  einem  Wagen  von  Meerpferden  gezogen;  auf 
einem  Steine  des  Stoschischen  Museums  aber  steht  er  auf  einem  Wagen 
von  4  wirklichen  Pferden  gezogen  und  entführt  die  Amymone,  die  er 
in  den  Armen  hält.  Sein  dreizackiger  Scepter  soll  nach  dem  Plutarch 
das  dem  Neptun  zugefallene  dritte  Loos,  das  Meer  bedeuten;  es  ist 
dieser  Scepter  aber  nichts  anderes  als  ein  Fischerwerkzeug,  womit 
diese  die  grossen  Fische,  zumal  den  Spada  fangen  und  tödten,  es  hiess 
fusdna.  In  der  linken  Hand  hält  Neptun  zuweilen  ein  aplustre,  ein 
Zierrath  am  Hintertheil  des  Schi£Ees.  Eins  von  dessen  Zeichen  ist  ein 
Pferd,  wovon  die  Ursache  aus  der  Fabel  bekannt  ist  An  einem 
Oefässe  von  Erz  in  dem  Herkulanischen  Museum  macht  ein  Pferd  den 
Henkel,  indem  die  Vorderfüsse  auf  dem  Rande  des  Gefässes  liegen; 
es  kann  dies  bedeuten,  dass  das  Gefäss  bei  Opfern  dieser  Gottheit 
gebraucht  worden.  Auf  dem  Pferde  hat  sich  ein  Delphin  um  den 
Trident  gewunden.  Einen  Delphin  hält  Neptun,  weil  er  durch  den- 
selben die  Amphitrite,  die  sich  vor  seinen  verliebten  Verfolgungen 
verbarg,  entdeckte.  Wo  ein  Knabe  mit  einer  Schale  in  der  Hand 
neben  demselben  steht,  kann  dieser  den  Pelops  bedeuten,  der  von 
Nepton  wegen  seiner  Schönheit  entführt  wurde.  Was  der  Hippokam- 
pns  ist,  welchen  nach  Strabo  eine  Statue  des  Neptun  in  der  Hand 
hielt,  wissen  wir  nicht;  einige  meinen,  es  könne  vielleicht  ein  Pferde- 
zaum  sein,  wir  finden  ihn  aber  auf  keinem  alten  Denkmal  mit  diesem 
Zeichen.  Von  dieser  Gottheit  hat  sich  nur  eine  einzige  grosse  Statue 
zu  Rom  erhalten,  die  in  der  Villa  Medicis  steht'^  0-  An  mehreren 
SteDen  spricht  er  von  dieser  grossen  und  schönen  Statue,  die  zu 
Korinth  nebst  einer  Juno  ausgegraben  worden  und  zu  J.  Caesars  Zeit 
oder  nicht  lange  nachher  verfertigt  worden  ist.  Auf  dem  Kopfe  des 
Delphin,  zu  den  Füssen  der  Statue  findet  sich  die  griechische  Inschrift, 
welche  besagt,  dass  die  Statue  von  Publius  Licinius  Priscus,    einem 


^)  Winckelmaan  a.  a.  0.  IX,  S.  83. 


■« 


106  Ein  rtmiflcher  Fand  in  Bandorf  bei  Oberwinter. 

Priester  des  Neptun  gesetzt  worden  ist  <).  Winckelmann  macht  wieder- 
holt darauf  aufmerksam,  wie  schon  durch  die  Behandlung  des  Haupt- 
haares und  des  Bartes  einige  der  Hauptgöttergestalten  sich  unter- 
schieden. Die  Darstellung  des  Neptun,  ist  der  des  Jupiter  verwandt, 
mit  ihm  führt  er  auch  den  Blitz.  ,;An  der  Neptunstatue  in  der  Villa 
Medicis  ist  der  Bart  krauser,  und  über  der  Oberlippe  dicker,  die  Haare 
sind  lockichter  und  erheben  sich  auf  der  Stirne  verschieden  von  dem 
gewöhnlichen  Wurfe  dieser  Haare  am  Jupiter  *).  Der  Bart  ist  nicht 
etwa  länger  oder  so  wie  er  bei  andern  dem  Neptunus  untergeordneten 
Meergöttem  zu  sein  pflegt,  das  heisst:  gestreckt  und  gleichsam  nass, 
sondern  er  ist  krauser  als  beim  Jupiter  und  der  Enebelhart  ist 
dicker^' ').  Beim  Jupiter  bezeichnet  Winckelmann  das  Haar  als  von  der 
Stirne  aufwärts  gerichtet  und  im  Bogen  herabfallend  und  das  Ohr 
bedeckend  wie  beim  Löwen,  indess.  beim  Herkules  das  Haar  aber  der 
kurzen  Stirne  kurz  ist  wie  beim  Stier.  „Der  Herkules  auf  einem 
Altar  des  Museum  Capitolinum  hat  kein  anderes  Kennzeichen  als  den 
Bart,  welcher  spitzig  ist  und  woran  sowohl  als  an  den  Haupthaaren 
die  Locken  durch  kleine  Ringeln  oder  vielmehr  Kügelchen  reihenweise 
angedeutet  sind,  welches  die  älteste  Art  der  Form  und  der  Arbeit  der 
Barte  war"  ^).  Dass  die  Behandlung  des  Haars  auch  von  der  Kunst- 
epoche  abhängt,  räumt  Winckelmann  selbst  ein.  Er  sagt :  „an  Figuren 
des  ältesten  Stils  pflegen  die  Haare  geringelt  und  in  kleine  Locken 
zerlegt  zu  sein,  frei  und  ungezwungen  in  der  Blüthe  der  Kunst,  müh- 
selig und  fast  bbs  mit  dem  Bohrer  gearbeitet,  als  die  Kunst  in  Verfall 
zu  gerathen  anfieng''^).  Nach  K.  0.  Müller*)  wird  Poseidon  oft  mit 
gesträubtem,  wild  durcheinander  geworfenem  Haar  gebildet,  während 
Zeus  einen  von  der  Mitte  der  Stirn  emporstrebenden  und  mähnenartig 
zu  beiden  Seiten  herabfallenden  Haarwurf  hat.  An  unserer  Neptun- 
statue  sind  die  Haare  des  Hauptes  über  der  Stirne  hoch  emporgerichtet 
und  fallen  in  regelmässigen  langen  Locken  nach  den  Seiten  herab, 
lassen  das  Ohr  aber  frei,  auch  die  Haare  des  Bartes  sind  in  gerade 
abwärts  gerichteten  Zwickeln  regelmässig  geordnet  und  liegen  wie 
von  Wasser  triefend  dem.  Halse  an.    Diese  Anordnung  scheint  mehr 


»)  Winckelmann  a.  a.  0.  VI,  8.  140. 

>)  Winckelmann  a.  a.  0.  IV,  S.  186. 

•)  Winckelmann  a.  a.  0.  VIT,  S.  115.  ^ 

^)  Winckelmann  a.  a.  0.  III,  S.  826. 

»)  Winckelmann  a.  a.  0.  YII,  S.  148. 

<")  K.  0.  MüUer,  Handb.  d.  Archäologie  der  Kunai  1866.  8*  504. 


^^^• 


■V. 


Ein  römiioher  Fond  in  Baadorf  bei  Oberwinter. 


109 


f&r  einen  Flussgott  zu  passen.    Die  Beigabe  des  Delphin  muss  aber 
wieder  auf  den  Neptun  bezogen  werden,  wenn  auch  der  Dreizack  fehlt 
In  Bezog   aof  diesen   bemerkt  noch  Winckelmann,  dass  auf  alten 
Münzen  der  Stadt  Posidonia  Neptun  den  dreizackigen  Scepter  wie  eine 
Lanze  hält,  im  Begriff  damit  zu  stossen,   er  ist  wie  Jupiter  nackt, 
ausser  dass  er  sein  zusammengenommenes  Gewand  über  beide  Arme 
geworfen  hat  0>    Winckelmann  schildert  eine  Reihe  von  geschnittenen 
Steinen  mit  verschiedenen  Darstellungen  des  Neptun.   Auch  hier  führt 
er  wieder  als  eigenthümlich  an,  dass  das  Haupthaar   in   Reihen  von 
geraden  und  parallelen  Locken  auf  den  Hals  herabfällt,  welche  An- 
ordnung auch,  wo  man  ihm  wallende  Haare  gemacht  hat,  sich  wenigstens 
am  Barte  erkennen  lasse  *).    E.  0.  Müller  macht  auf  die    grosse 
Mannigfaltigkeit  in  der  Darstellung  des  Poseidon  bei   den  Griechen 
aufmerksam,  indem  er  stehend  un(f  thronend,  heftig  schreitend,  den 
Dreizack  schwingend,  bald  nackt  bald  bekleidet  dargestellt  werde.  Dass 
dem  Meer-  und  Fluss-  und  Quellengott  das  Pferd  geheiligt  war,  erklärt 
sich  wohl  aus  dem  Umstände,   dass  auf  den  quellenreichen  Wiesen- 
gründen Griechenlands  das  Pferd  vortrefflich  gedieh  oder  auch  aus  der 
Thatsache,   dass  das  Steppenpferd  auf  weite  Entfernungen   hin  die 
Anwesenheit  des  Wassers  mit  seinen  Nüstern  wittert  und  ein  Quellen- 
finder genannt  werden  kann.    In  einer  neuen  Arbeit  ^)  erhalten  wir 
eine  üebersicht  der  Darstellungen  des  Neptun  in  der  ältesten  grie- 
chischen Kunst,   und  zwar  auf  Vasenbildem,   Reliefe  und  Münzen. 
Schon  in  der  ältesten  Zeit  wussten  die  Künstler,  dass  die  Kraft  und 
Gewalt  dieses  Gottes  am  nackten  Körper  am  besten  ausgedrückt  werden 
konnte.    Wie  das  Meer  bald  spiegelglatt,  bald  stürmisch  erscheint,  so 
wurde  auch  er  bald  rahig  bald  bewegt  vorgestellt.   Auf  Vasen  ist  die 
stehende  Figur  des  Gottes  meist  mit  dem  Dreizack  dargestellt,  in 
Gesellschaft  der  Minerva,  häufig  mit  dem  Merkur.    Die  Eigenthüm- 
lichkeiten  seiner  Darstellung  bildeten  sich  in  der  Kunst  allmählich  aus; 
am  schwersten  ist  dieselbe  von  der  des  Jupiter  zu  unterscheiden,  oft 
nur  durch  den  Dreizack.    Die  ursprünglich  langen  Gewänder  wurden 
später  kürzer,   wie  es  für  den  mit  Polybotas  kämpfenden  oder  ein 
Weib  verfolgenden  Gott  besser  passte.     Erst  als   die  griechischen 
Künstler  mit  rother  Farbe  malten,  tritt  das  in  kleine  *Löckchen  ge- 


>)  Winokelmann  a.  a.  0.  Y,  8.  176. 

*)  Winokelmann  a.  a.  0.  IX,  S.  881. 

')  Dr.  CtroL  Munilii»,  De  antiquiisima  Neplam  figora. 


,  1878. 


110  Ein  römifloher  Fand  in  Bandorf  bei  Oberwinter. 

ordnete  Haar  des  Neptun  auf,  das  früher  ungeordnet  in  üppiger  Fülle 
den  Kopf  bedeckte.  In  allen  den  angeführten  zahlreichen  Bildein  ist 
Neptun  immer  stehend  oder  schreitend,  selten  sitzend  dargestellt.  Sein 
Fuss  steht  auf  einem  Felsen,  auf  dem  Vordertheil  eines  Schiffes,  oder 
auf  dem  Delphin,  die  Rechte  ist  gestützt  auf  den  Dreizack.  Auf  S.  38 
wird  unter  o  ein  Bild  desselben  aus  dem  Museum  Gapitolinum  1.  1  als 
fontem  aperiens  bezeichnet  Wenn  er  auf  einem  Seepferd  reitend  auf 
Vasen  und  Münzen  gesehen  wird,  so  soll  diese  Darstellung  des  Gottes 
unwürdig  und  dem  Merkur  zuzuschreiben  sein;  den  Dreizack  führen 
auch  Amphitrite  und  Andere.  In  den  ältesten  Zeiten  wurden  dem 
Neptun  am  meisten  die  Delphischen  Gottheiten  und  der  Merkur  bei- 
gesellt. Es  mögen  deshalb,  da  auch  aus  dem  römischen  Alterthum 
die  Darstellung  eines  liegenden  Neptun  nicht  bekannt  ist,  gewiss 
Manche  in  unserm  Funde  nur  einen  Flussgott  sehen,  für  den  auch 
die  Urne  spricht,  auf  welcher  seine  linke  Hand  ruht  Winckelmann 
hält  diese  für  entscheidend,  er  führt  einen  liegenden  Fluss  auf  einem  ge- 
schnittenen Steine  an,  dessen  Linke  auf  einer  Urne  ruht,  in  der 
Rechten  hält  er  den  Dreizack,  unter  ihm  sind  zwei  Delphine,  welche 
anzeigen,  dass  der  Fluss  seine  Mündung  ins  Meer  hat.  Er  bemerkt 
dazu:  „Derjenige,  welcher  den  Stein  gezeichnet  hat,  gab  nicht  Acht 
auf  die  Urne  und  darum  hat  der  Erklärer  diese  Figur  für  einen 
Neptun  gehalten^'  ^).  Im  Münzkabinet  des  Berliner  Museums  befindet 
sich  eine  Münze  des  Postumus  mit  dem  Rheine  als  liegendem  Fluss- 
gott, der  die  eine  Hand  auf  das  Hintertheil  eines  Schiffes  legt  und 
eine  Urne  unter  der  andern  hat  Dass  dem  Rheine  göttliche  Ver- 
ehrung gezollt  wurde,  geht  aus  Inschriften  *)  hervor,  und,  was  vielleicht 
nicht  ohne  Beziehung  auf  unsere  fragliche  Göttergestalt  ist,  gerade  in 
Remagen  wurde  ein  Votivstein  aus  Drachenfelser  Trachyt  gefunden, 
der  die  Widmung  hat:  I(ovi)  0(ptimo)  M(aximo)  et  Genio  Loci  et 
Rheno  etc.  Im  Museum  Pio-Clementinum  ist  der  Nil  als  Flussgott 
dargestellt  mit  einem  Crocodil  unter  den  Füssen,  ebenso  der  Tiber 
mit  einem  Ruder  und  den  Symbolen  der  Fruchtbarkeit.  Ein  dritter 
Flussgott  hält  die  Urne,  keiner  hat  den  Delphin.  Doch  befindet  sich 
wieder  auf  einem  Basrelief  der  Villa  Albani,  welches  den  Achill  und 
Agamemnon  'darstellt,  das  Bild  eines  Flussgottes  mit  der  Urne  und 
mit  kleinen  Delphinen,  die  sich  im  Wasser  tummeln.    Der  Flussgott 


')  WinokeUnann  a.  lu  0.  IX,  8.  887. 

')  J.  de  Wal,  MyihoL  septentr.  monom.  Jahrb.  XVII,  8.  178.  Bramb.  647. 


Ein  römischer  Fund  in  Bandorf  bei  Oberwinter.  111 

der  Donau  auf  der  Säule  des  Marc  Aurel  ist  mit  üppigem  und  lang 
herab  wallendem  Haare  aber  ohne  die  gebietenden  Züge  des  Neptun 
dargestellt,  ebenso  derselbe  Fluss  auf  der  Trajanssäule ;  dieser  lässt 
einen  Theil  des  Gewandes  um  die  Hüften  erkennen  und  trägt  einen 
Kranz  von  Schilfrohr  um  das  Haupt.  Im  Wallraffschen  Museum  in 
Köln  befindet  sich  der  Kopf  eines  Flussgottes  unter  Nr.  56,  dessen 
Haupthaar  wild  und  verwirrt  ist;  das  Relief  ist  von  sehr[schlechter  Arbeit 

Der  Name  des  Neptun  kommt  auf  Inschriften  im  Rheingebiet 
höchst  selten  vor,  bei  Brambach  findet  er  sich  auf  Nr.  26  von  Zecland, 
Nr.  1433  von  Hanau,  Nr.  1668  von  Baden-Baden  und  Nr.  1678  von 
Ettlingen;  auf  dem  der  Dea  Nehalennia  gewidmeten  Steine  Nr.  45 
von  Zeeland  steht  auf  einer  Säule  Neptun,  in  der  Rechten  die  Pappel, 
in  der  Linken  den  Dreizack  haltend.  Auf  Münzen  des  Agrippa  hat 
er  in  der  Rechten  den  Delphin,  in  der  Linken  den  Dreizack. 

Die  rechte  Seitenwand  unserer  Neptunstatue  lässt  einen  Baum  er- 
kennen, der  einen  Lorbeer  oder  eine  Pappel  darzustellen  scheint,  er  hat 
genau  12  Zweige  oder  Blätter  und  das  ist  gewiss  nicht  ohne  Bedeutung. 
Winckelmann  0  bemerkt  bei  Besprechung  eines  geschnittenen  Steines 
mit  dem  Bilde  der  Isis  und  einem  Palmzweige,  man  behaupte,  dass 
der  Palmzweig  das  Jahr  vorstelle,  weil  man  ihn  für  den  einzigen 
Baum  hielt,  der  bei  jedem  Mondeswechsel  einen  neuen  Zweig  trieb, 
80  dass  am  Palmbaum  das  Jahr  durch  12  Zweige  vorgestellt  war. 

Mit  Rücksicht  auf  die  Oertlichkeit  kann  man  nicht  zweifeln,  dass 
aas  der  Urne  dieses  Wassergottes  das  Wasser  einer  der  Quellen  floss, 
deren  die  nahe  gelegenen  sogenannten  Entzfelder  Wiesen  mehrere 
enthalten.  Die  Reste  sehr  sorgfaltig  durch  Gämentguss  hergestellter 
Wasserleitungen  sind  auf  langen  Strecken  in  den  nahe  gelegenen 
Aeckem  noch  vorhanden  und  zum  Theil  wohl  erhalten.  Es  sind  zwei 
nach  verschiedenen  Richtungen  laufende  Leitungen,  von  denen  die  eine 
in  gerader  Linie  auf  das  Haus  von  Loosen,  das  Hauptgebäude  des 
Ortes,  hinläuft.  Diejenige,  welche  unserem  Brunnen  das  Wasser  zu- 
fithrte,  konnte  indessen  nicht  aufgefunden  werden.  Die  oberflächliche 
Lage  der  anderen,  die  oft  nur  V/t'  Rh.  tief  in  den  Aeckem  liegen, 
lisst  vermuthen,  dass  dieselbe  durch  die  Vertiefung  der  Bodenfläche 
in  der  Nähe  des  Fundortes  längst  zerstört  worden  ist.  Die  Rinne  des 
Kanals  besteht  aus  Gussmörtel,  der  V2  F.  stark  ist,  und  in  dem 
eckige,  bis  1  Zoll  dicke  Steine  enthalten  sind ;  im  Lichten  ist  derselbe 


*)  Winckelmann  a.  a.  0.  IX,  S.  804. 


lia  Ein  römiMber  Fund  in  Bttidorf  bei  Oberwinter. 

6''  Bh.  hoch  tmd  8''  breit,  die  Rinne  ist  innen  mit  feinem'Kalkmörtel 
glatt  verputzt  und  mit  starken  Schieferplatten  bedeckt,  Taf.  XIV,  Fig.  10. 

Welchen  Werth  die  BOmer  auf  gutes  Quellwasser  legten,  das 
beweisen  die  Aquädukte  in  aUen  Ländern,  wo  Bömer  sich  niederliessen, 
in  unserm  Bheinlande  ist  Zeuge  dessen  der  in  Köln  mündende  Bömer- 
kanal.  Den  Quellen  bezeigten  die  Bömer  Verehrung,  in  ihrer  Nähe 
pflegten  sie  Haine,  Altäre  und  Tempel  zu  errichten.  An  den  Quellen 
goss  man  Wein  aus  und  schlachtete  ein  Böcklein,  wie  uns  Horaz  und 
Martial  berichten  0-  Ob  nun  unsere  Brunnenfigur  ein  Quellengott  oder 
ein  Flussgott  und  zwar  der  Bhein  ist,  oder  Neptun  selbst,  möchte  dess- 
halb  sch^for  zu  entscheiden  sein,  weil  ohne  Zweifel  das  Bild  des  Fluss- 
gottes sich  aus  dem  des  Neptun  allmählich  entwickelt  hat,  wie  denn 
auch  die  spätere  mittelalterliche  Kunst  und  die  Zeit  der  Benaissance 
den  Fluss-  und  Quellengöttem  die  Beigaben  des  Neptun  freigebig  zu- 
ertheilte.  Schöpflin ')  erwähnt  des  bei  Ettlingen  im  Badischen  ge- 
fundenen Beliefs,  wekhes  den  Neptun  mit  dem  Dreizack  und  dem 
Delphin  in  der  Hand  neben  einem  Meerdrachen  vorstellt  und  welches 
Yon  einer  Schiffergilde  dem  Gotte  geweiht  ist.  Habel  bemerkt  hierzu, 
man  sehe,  dass  nicht  nur  Seestädte  ihn  verehrten,  sondern  auch  Fluss- 
bewohner und  Schiffer  ihm  Altäre  errichteten.  Erwägt  man,  dass  in 
Bemagen  eine  römische  Beiter-Gohorte  stand,  so  darf  man  auch  daran 
erinnern,  dass  Neptun  zugleich  als  Seegott  und  als  Gott  der  ritterlichen 
Uebungen  galt.  Als  der  letztere  scheint  er,  wie  Preller  bemerkt, 
besonders  im  Gircus  Flaminius  verehrt  worden  zu  sein,  denn  bei  diesem 
Gircus  stand  der  einzige  Tempel  des  Neptun  in  Bom.  Am  wenigsten 
kann  es  auffallen,  wenn  eine  Beiter-Gohorte  den  Neptun  verehrte,  da 
ihm  das  Pferd  heilig  und  er  der  Bändiger  der  Bosse  war. 

Man  muss  hier  noch  die  Frage  aufwerfen,  ob  auch  sonst  wohl 

« 

eine  Beziehung  des  Neptun  zum  Mithras  beobachtet  worden  ist  Es 
ist  eine  EigenthQmlichkeit  der  Mithrasreligion,  dass  mit  der  Verehrung 
dieses  Gottes  die  Vorstellungen  von  den  übrigen  Gottheiten  sich  ver- 
binden und  der  Polytheismus  dem  Glauben  an  einen  das  All  um- 
fassenden Gott  weicht  In  den  Darstellungen  des  Mithras  finden  sich 
desshalb  auch  die  Zeichen  und  Attribute  der  übrigen  Gottheiten  ver- 
einigt, sie  werden  als  signa  panthea  oder  polythea  bezeichnet    Braun 


*)  Horat.  Od.  m,  18,  Msrtial.  VI,  47. 

*)  AUaUa  ill.  I,  490.  Vgl  Annalen  des  Vereini  für  naM.  Aliertlraniskand« 
n,  8  HO.  8.  168. 


Ein  römisoher  Fund  in  Bandorf  bei  Oberwinier.  118 

macht  in  seiner  Schrift  über  den  Jupiter  Dolichenus  besonders  anf 
diesen  Umstand  aufinerksam  und  fuhrt  als  Beispiele  auch  die  Bflder 
des  Jupiter  und  der  Juno  Dolichene  auf  der  Heddemheimer  Bronze- 
pyramide an.  Jener  steht  in  Rüstung  auf  einem  Stier,  in  der  Hechten 
ein  Schlachtbeil  emporhebend,  in  der  Linken  den  doppelten  Dreizack 
haltend,  nicht  den  Blitz,  wie  in  einem  Belief  aus  Ninive,  die  Juno 
steht  auf  einer  Hirschkuh  in  faltenreichem  Gewände,  den  Modins  auf 
dem  Haupte,  in  der  Linken  den  Galathus,  in  der  Hechten  dasSistrum 
der  Isis.  Von  dem  Tempel  der  syrischen  (jöttin  zu  Hierapolis  schreibt 
Lucian:  „ii^  dem  Innern  desselben  stehen  die  Bilder  der  Götter,  der 
Juno  nämlich  und  eines  Gottes,  der  kein  anderer  als  Jupiter  ist. 
Diese  Juno  zeigt,  wenn  man  sie  Daher  betrachtet,  ein  Mannigfaltiges 
in  ihrer  Gestaltung.  Im  Ganzen  zwar  ist  sie  unstreitig  die  Juno,  sie 
hat  aber  auch  etwas  von  der  Minerva,  der  Venus,  der  Luna,  der 
Rhea,  der  Diana,  der  Nemesis,  und  den  Parzen.  In  der  einen  Hand 
hält  sie  einen  Scepter,  in  der  andern  einen  Spinnrocken;  auf  dem 
Haupte  hat  sie  Strahlen  und  einen  Thurm  und  um  den  Leib  einen 
Gürtel,  womit  man  sonst  nur  die  Venus  Urauia  schmjQckt  0«  D&ss 
Jupiter  Dolichenus  gewöhnlich  als  ein  streitbarer  Gott  im  Harnisch 
dargestellt  wird,  mag  sich  auf  seine  Verehrung  im  römischen  Heere 
beziehen,  daher  auch  die  Beinamen  Imperator  und  Rex,  das  Invictus 
erinnert  an  den  Herkules,  der  auf  dem  in  den  Brohler  Tuffsteinbrflchen 
gefundeneu  Votivsteine,  Nr.  654  des  Brambach'schen  Verzeichnisses,  so 
genannt  wird.  Auf  der  Heddernheimer  Bronzepyramide')  hält  aber  der 
Jupiter  Dolichenus  oder  Mithras  in  der  linken  Hand  einen  doppelten  Drei- 
zack, also  das  Abzeichen  des  Neptun.  Dies  Zeichen  bann  nicht  etwa  für 
den  BUtz  gehalten  werden,  der  als  ein  geschlängelter  oder  im  Zickzack  fort- 
schreitender oder  strahlenförmig  aus  der  Hand  des  Jupiter  auseinander 
gehender  Strahl  dargestellt  wird,  während  wir  hier  deutlich  dem  ge- 
häuften Schwulst  der  Darstellung  entsprechend  eine  doppelte  Harpune 
vor  uns  haben.  Wenn  in  den  Darstellungen  des  Mithras  selbst  die 
Bilder  und  Zeichen  der  übrigen  Götter  sich  gleichsam  vermengen,  so 
kann  es  auch  nicht  überraschen,  wenn  neben  einem  Mithrasaltar  die 
Bilder  anderer  Götter  aufgestellt  waren.  An  unserm  Fundort  wurde  ja 
noch  der  Kopf  eines  dritten  Gottes  und  das  Fussende  sowie  Bruchstücke 
einer  vierten  StatuOj  die  doch  wahrscheinlich  auch  ein  Götterbild  war, 


>)  De  des  Syria  32. 

^  Vgl.  die  Abbildang  in  Brauns:  Jupiter  DoUohenos.  Bonnt  1852. 

8 


U4 


Sin  romiieher  Fond  in  Bimdorf  bei  Oberwintar. 


gefunden.  Wir  werden  aber  noch  auf  eine  andere  Erklärung  der  Ab- 
zeichen des  Neptun,  auf  Mithrasdenkmälem  geführt  Sie  können  die 
Abzeichen  oder  Wappen  römischer  Gehörten  sein  und  gerade  solcher, 
welche  auch  den  Mithrasdienst  übten  und  verbreiteten.  So  konnte 
Habel  nachweisen,  dass  der  Gapricomus,  bekanntlich  die  Figur  eines 
Steinbocks,  der  hinten  in  einen  Fischleib  übergeht,  ein  Gohortenzeichen 
der  22.  Legion,  der  Primigenia  Pia  war;  es  ist  ein  solches  bei  Wies- 
baden 0  gefunden  worden  und  wird  im  dortigen  Museum  aufbewahrt. 
Die  22.  Legion,  wird  aber  auch  auf  dem  Brohler  Mithrasdenkmal  an- 
geführt. Das  Gaprikorn  kommt  mit  dem  Namen  dieser  Legion  auf  2 
Steindenlonalen  in  Mainz,,  auf  gebrannten  Ziegeln  und  auf  Münzen, 
auch  auf  einem  Relief  aus  Heddemheim  vor.  Da  der  Eintritt  der  Sonne 
in  das  Zeichen  des  Steinbocks  die  Winter-Sonnenwende  bezeichnet,  die 
für  Aegypten,  wo  der  Thierkreis  seinen  Ursprung  hat,  die  Zeit  der 
üppigsten  Fruchtbarkeit  ist,  so  hat  das  Zeichen  zunächst  diese  Be- 
deutung, daher  das  Füllhorn  als  Attribut  der  Fortuna  und  Abundantia 
so  oft  mit  demselben  verbunden  ist.  Aber  der  Fischleib  und  die  See- 
muschel, welche  das  Gapricom  mit  den  Vorderbeinen  hält,  bringt  es  in 
Verbindung  mit  den  Wasser-Gottheiten.  So  ist  es  nach  Habel  dar- 
gestellt auf  einem  Basrelief  bei  Piranesi  in  einer  Gruppe  von  Tritonen 
und  Meergdttem,  auch  auf  Münzen  und  geschnittenen  Steinen  in  Be- 
gleitung eines  Ruders,  Ankers  oder  Schiffes.  Die  Verehrung  dieses 
Zeichens  unter  den  römischen  Soldaten  erklärt  sich  auch  daraus,  dass 
Augustus  unter  demselben  geboren  war  und  auch  die  späteren  Kaiser 
es  gern,  wie  er  gethan,  auf  ihre  Münzen  setzten.  *  Merkwürdig  ist 
nun,  dass  auch  der  Dreizack  Neptuns  auf  emigen  Ziegelplatten  als 
Gohortenzeichen  der  22.  Legion  vorkommt,  die  bei  Heddemheim  und 
Nied  gefunden  worden  sind.  Habel')  tadelt  Hansselmann's  Meinung, 
dass  der  Dreizack  als  Feldzeichen  von  der  Gründung  von  Patrae  her- 
rühre, er  sieht  darin  nur  die  mächtige  Waffe,  von  den  Gyklopen 
geschmiedet,  die  den  Titanen  furchtbar  war.  Des  Letzteren  Ansicht 
gründete  sich  darauf,  dass  man  von  der  22.  Legion  auch  Golonie- 
münzen  von  der  Stadt  Patrae  in  Achaia  finde,  auf  deren  Rückseite 
dn  stehender  Neptun  mit  dem  Dreizack  gebiUet  ist.  HabeP)  bildet 
gebrannte  Ziegel  mit  den  Gohortenstempeln  der  22.  Legion  ab,  auf 


*)  Annalen  a.  a.  0.  ü,  3.  Heft,  S.  98. 
>)  Annalen  a.  a.  0.  IL  8.  Heft  S.  151. 
*)  Annalen  a.  a.  0.  3.  Heft  Tab.  V. 


j. 


Ein'römbolier  Fond  in  Bandorf  bei  Obex^vinter.  116 

den  Figg.  5  und  6  ist  es  der  Dreizack  Neptuns  auf  Ziegeln  von  Mainz  und 
Heddemhdm.  Auf  dem  Backstein  der  22.  Legion,  Fig.  4,  siebt  er  den 
Donnerkeil  Jupiters;  er  hat  an  beiden  Enden  einen  harpunenartigen 
Dreisack,  während  von  dem  mittlem  Theil  des  Keils  jederseits  3  Zacken 
abgehen.  Hansseimann  £and  denselben  Stempel  auf  gebrannten  Platten 
eines  Lakonikums  bei  Oehringen  und  ist  zweifelhaft,  ob  die  Figur  als 
Zeichen  der  ersten  Gohorte  anzusehen  sei  oder  einen  doppelten  Drei- 
zack Neptuns  darstellen  soll.  Das  fragliche  Zeichen  ist  das  von  uns 
schon  besprochene  auf  der  Bronzepyramide  von  Heddemheim.  Wie- 
wohl Habel  auf  die  mannigfaltige  Art  der  Darstellung  des  Fulmen 
aufinerksam  macht,  das  bald  als  zusammengerollter  Keil  ohne  Blitz- 
strahl, bald  angerollt  mit  dem  Blitze  dargestellt  werde,  dessm  Strahlen 
bald  gezackt  oder  ungezackt,  bald  mit  oder  ohne  Widerhacken  er- 
scheinen,  der  auch  zuweilen  geflügelt  vorkommt,  so  passt  doch  keines 
dieser  Bilder  auf  das  vorliegende  Zeichen,  das  in  der  That  wie  ein 
doppelter  Dreizack  aussieht  und  in  dem  Doppelbeil,  welches  Mithras 
auf  der  Heddemheimer  Bronzepyramide  in  der  Bechten  hält,  ein 
Gregenbild  hat.  Es  sei  hier  noch  angeführt,  dass  auf  Ziegeln  der  22. 
Legion  noch  andere  Zeichen  vorkommen,  von  denen  viele,  wie  das  mit 
Strahlen  umgebene  Haupt  des  Apollo,  der  Halbmond,  Löwe  und  Stier, 
wie  Habel  selbst  hervorhebt,  in  den  Mithrischen  Bilderkreis  gehören, 
woraus  wir  schliessen  dürfen,  dass  diese  Legion  dem  Mithrasdienst 
ganz  besonders  ergeben  war,  nicht  aber,  was  jener  Forscher  damals 
glaubte,  dass  sie  denselben  aus  Aegypten  mitgebracht  habe. 

Der  Kopf,  Taf.  XHI  Fig.  3  und  4,  dessen  üppiges  Haupthaar  und 
Bart  einen  Gott  erkennen  lässt,  bietet  der  Forschung  manches  Eigen- 
thOmliche.  Während  die  Ära  und  das  Neptunbild  aus  Jurakalk  be- 
stehen, ist  der  Kopf  aus  Sandstein  gefertigt.  Die  glatte  untere  Fläche» 
auf  der  er  stehen  kann,  lässt  vermuthen,  dass  er  nicht  von  einer 
Statue  abgeschlagen  ist,  sondern  als  blosser  Kopf  aufgestellt  war. 
Bemfflicenswerth  ist,  dass  unter  den  zahlreichen  römischen  Funden  in 
dar  Umgegend  von  Schwarzerden,  wo  auch  ein  Mithrasbild  auf  einer 
Felswand  erhalten  ist,  auch  ein  in  gleicher  Weise  gearbeiteter  Kopf 
aas  Sandstein  von  VU  Fuss  Höhe  sich  befindet,  dessen  herabwallende 
Locken  eine  Art  phrygischer  Mütze  deckt,  welche  auf  ein  Mithrasbild 
schliessen  lässt  0-    Derselbe  wird  in  der  Sammlung  des  St.  Wendeler 


^)  Elfter  Bericht  dee  antiquar.  Iiistor.  YereioB  for  Nahe  oad  Hoairüoken 
von  1869—1871.  8.  16. 


116  •     Ein  römisoher  Fand  in  Bandorf  bei  Oberwinter.  • 

AlterthomsvereiDS  aufbewahrt.  Der  in  Bandorf  gefundene  Kopf  ist  nur 
5V2"  Rh.  hoch.  Wiewohl  derselbe  durch  Verwitterung  gelitten,  ist 
doch  erkennbar,  dass  das  Haupthaar,  welches  um  den  ganzen  Kopf 
in  regelmässige  Locken  gelegt  ist  und  einer  Perücke  gleicht,  über  die 
Mitte  der  Stime  herabhing.  Dieser  Umstand  und  das  milde  Lächeln, 
welches  sich  mit  einem  Ausdruck  der  Güte  in  dem  Gesichte  ausspricht, 
weisen  auf  den  Pluto.  Herrn  Prof.  Bergk  hierselbst  fiel  sogleich  die 
Aehnlichkeit  dieses  Kopfes  mit  dem  eines  Pluto  aus  der  Sammlung 
des  Palazzo  Ghigi  in  Rom  auf  0 ;  sie  zeigt  sich  namentlich  im  Ausdruck 
des  Mundes  und  in  der  Behandlung  des  Bartes.  Schon  Winckelmann*} 
-giebt'an,  dass  sich  dieser  Gott  durch  das  Herunterhängen  der  Haare 
über  die  Stime  vom  Jupiter  unterscheide,  bei  dem  sie  sich  von  der 
Stime  erheben.  Wenn  aber  Winckelmann ")  sagt,  dass  Jupiter  mit 
einem  heiteren  Blicke  gebildet  werde  und  die  Köpfe,  die  keinen  gnä- 
digen und  gütigen  Blick  haben,  dem  Pluto  zuweist,  so  bemerkt  Meyer 
zu  dieser  Stelle,  dass  zwei  Köpfe  des  Pluto  und  Serapis  keineswegs 
diese  strenge  Miene,  sondem  ein  gütiges  Aussehen  haben.  Im  Mu- 
seum zu  Mainz  findet  sich  ein  grosser  Steinblock,  den  in  einem  Me^- 
daillon  ein  kolossaler  Plutokopf  schmückt.  Derselbe  ist  an  einem  Pfeiler 
der  festen  Rheinbrücke  zu  Mainz  gefunden,  deren  Erbauung  in  die 
Zeit  der  Garolinger  gesetzt  wird.  Das  üppige  Haar  dieses  Pluto,  der« 
an  dem  Modius  mit  Sicherheit  erkannt  wird,  ist  in  der  ihm  eigen- 
thümlichen  Weise  dargestellt,  sein  Gesichtsausdruck  ist  eher  mild  als 
ernst  oder  furchtbar.  Merkwürdig  erscheint  das  in  regelmässige  Locken 
gelegte  Haupthaar  des  uns  vorliegenden  Kopfes,  welches  auf  Taf.  XIV 
Fig.  1  in  der  hintem  Ansicht  dargestellt  ist.  Dasselbe  ist  verschieden 
von  den  steifen  wulstigen  Perücken  der  Matronen  der  spätem  römi- 
schen Zeit.  Ein  stufenförmig  gekräuseltes  und  in  parallel  laufenden 
Rollen  perückenartig  geordnetes  Haar,  coma  in  gradus  formata,  kommt 
indessen  auch  in  früher  Zeit  schon  vor,  wie  ein  zu  Venedig  befind- 
licher Kopf  des  M.  Antonius  zeigt.  PerUckenartig  ist  die  Haartracht 
der  Kaiserinnen  Julia  Domna,  Mammaea,  Plautilla  und  anderer.  Den 
bekannten  Darstellungen  des  Pluto  aus  besserer  Zeit  kommt  eine  solche 
keineswegs  zu,  indem  Winckelmann  dessen  Haar  vielmehr  als  verwirrt 


')  Mosee  Pie-Glement.  Müan,  1819.  Bd.  II  Tab.  a  VI,  Nr.  9. 
*)  Winckelmann  a.  a.  0.  lY.  S.  128. 
')  Winckehnann  a.  a.  0.  YII.  S.  114. 


Ein  römioeher  Fand  in  Bandorf  bei  Oberwinier.  117 

bezeichnet.  Habel  0  bildet,  was  für  unsern  Fond  von  Wichtigkeit  ist, 
ein  zu  Heddernheim  gefundenes  Bronzestflck  ab,  auf  dem  über  den  Brust- 
bildern von  Sonne  und  Mond  ein  bärtiger  Kopf  mit  dem  Scheffelmaas 
auf  dem  Haupte  dargestellt  ist,  also  ein  Jupiter  Serapis  oder  ein  Pluto. 
Das  Kopfhaar  ist  in  regelmässige  Bollen  gelegt  und  von  der  Stime 
aufwärts  gerichtet.  Auch  dieser  Kopf  hat  eine  freundliche  Miene.  Dass 
das  künstlich  geordnete  Haupthaar  auf  den  asiatischen  Ursprung  der 
Mithrasreligion  hindeutet,  könnte  man  vermuthen,  wenn  man  an  die 
in  künstlichster  Weise  mit  zierlichen  Löckchen  versehenen  Köpfe  persi* 
^er  Mithrasbilder  denkt,  die  Lajard  abgebildet  hat,  eine  Mode,  die  auch 
auf  persischen  Münzen  vorkommt,  aber  diese  Bildung  wird  sonst  auf 
unsern  Mithrasdenkmalen  nicht  beobachtet. 

Es  ist  ausserdem  nun  noch  der  Sockel  einer  aufrecht  stehenden 
Statue  gefunden  worden,  auf  dem  ein  halber  Fuss  und  der  Rest  eines 
bis  auf  den  Boden  herabfallenden  Gewandes  sichtbar  ist.  Dieses  Büd- 
werk  war  aus  Jurakalk,  und  nach  dem  Fusse  zu  urtheilen  war  die 
Gestalt  ohngefähr  so  gross  wie  die  unseres  Neptun  oder  Flussgottes. 

Betrachten  wir  nun  die  vollständig  blosgelegten  Fundamente  des 
kleinen  Gebäudes,  in  dessen  Schutte  sich  diese  Bildwerke  nebst  Scher- 
ben von  feinen  und  groben  Thongefässen,  Kohlen,  Thierknochen,  sowie 
einige  Bruchstücke  von  Gläsern,  Münzen,  zahlreiche  Dachziegel,  grös- 
^re  und  kleinere  sehr  sorgfältig  gearbeitete  viereckige  Ziegel,  auch 
einige  runde  Heizziegel,  femer  einige  bronzene  und  eiserne  Geräthe 
gefunden  haben,  so  zeigt  sich,  dass  dasselbe  ein  gleichseitiges  Viereck 
von  13 Va  F.  Rh.  Länge  und  Breite,  Taf.  XIY  Fig.  8,  A,  bildete.  Die  Mauern 
scheinen  bei  der  Anlage  des  Ackers  bis  auf  4 '  Höhe  vom  Grunde  aus 
horizontal  abgetragen  zu  sein,  sie  kamen  in  etwa  2'  Tiefe  zum  Vor- 
schein und  umschliessen  nur  einen  Raum;  die  Mauer  an  der  Nord- 
seite ist  32 ",  die  der  anderen  3  Seiten  nur  20 ''  stark,  die  untersten 
2  Fuss  der  Mauer  sind  um  einige  Zoll  stärker,  so  wie  auch  wir  die 
Fundamente  bauen.  Der  Innenraum  fand  sich  durch  einen  Kalk-  oder 
Gämentstrich  geglättet,  über  dem  wahrscheinlich  Platten  gelegen  hatten. 
Dieser  Boden  lag  etwa  3V2  Fuss  unter  der  Oberfläche  des  Ackers. 
Zwei  an  der  Südseite^es  Gebäudes  wie  Pfeiler  vorspringende  Mauern 
scheinen  den  Eingang  gebildet  zu  haben.  Dafür  spricht  ein  5  Vs'  langer 
und  1'  hoher  Deckstein  aus  Berkumer  Trachyt,  Fig.  8"*",  der  m  der 
Nähe  lag  und  wohl  die  Thürkrönung  bildete;  zwei  scharf  gehauene 


')  Annalen  des  YereinB  för  nass.  AlterthumBk.  I,  Taf.  YU,  Fig.  8,  s. 


/ 

V 


118  Ein  römischer  Fond  in  Baodorf  bei  Oberwinter. 

Tiereckige  Löeher  deuten  darauf,  da8S  er  mit  zwei  Eisen  nach  hinten 
befestigt  war.  Ein  bis  unter  das  Fundament  an  der  Westseite  gegra- 
benes Loch  zeigte,  dass  der  ganze  Boden  hier  jetzt  von  Quellwasser 
durchdrungen  ist.   Das  Gebäude  liegt  regelmässig  zwischen  3  Wegen, 
die  seinen  Seiten  parallel  laufen  und  nach.Sttden  und  Norden  etwa  25% 
nach  Osten  36'  davon  entfernt  sind.    Vor  der  Ostseite  des  Hauptge- 
bäudes wurde  in  nur  4^1% '  Entfernung  das  Mauerwerk  eines  zweiten  klei- 
nem viereckigen  Baues,  Fig.  8,  B,  gefunden,  der  mit  semer  nördlichen 
Mauer  genau  in  der  Frontlinie  des  ersten  Gebäudes  lag.  Dieser  klei- 
nere Bau  hatte  nur  6Vs  'Länge  und  5Vs'  Breite.  Die  Mauerdicke  be- 
trug 15".  .In  seiner  westlichen  Mauer  war  ein  kleiner  Tu£bteinsarg 
eingelassen,  mit  rundlicher  Vertiefung  und  eigenthfimlich  verzierter 
Vorderseite.  Wiewohl  man  zunächst  schon  mit  Rflcksicht  auf  die  Kep- 
tunstatue  an  einen  Brunnensarg  denken  konnte,   an  dem  aber  eine 
Ausflussöffliung  fehlte,  stellte  sich  doch  bald  aus  der  ganzen  Anord- 
nung und  dem  Umstand,  dass  einige  Kohlen-  und  Knochenreste  in  der 
Vertiefung  lagen,   heraus,  dass  der  Sarg  eine  Aschenkiste  war,   wie 
solche  in  hiesiger  Gegend  mehrfach  gefunden  und  einige,  auch  aus 
Tuff    gefertigte    im    WaUraff'schen  Museum     in    Göln    aufbewahrt 
werden.  Die  Aschenkiste  ist  28  V2''  lang,   14"  breit  und  1272''  hoch. 
Die  Vorderseite  hat  in  der  Mitte  eine  Inschrifttafel  von  der  gewöhn- 
lichen Form,  wie  sie  zweimal  auf  dem  Mithrasbild  von  Ladenburg, 
•aber  auch  auf  Votivsteinen  vorkommt,   z.  B.  auf  Nr.  52  und  Nr.  667 
des  Brambach'schen  Werkes,  der  letztere  ist  aus  der  Zeit  des  Nerva 
Trajan.  Auch  eine  Platte  an  der  Wand  eines  Hauses  in  Pompcqi  mit 
einer  öfifentlichen  Ankündigung  hat  diese  Form,   ebenso   die  Schwelle 
dnfö  andern  Hauses  mit  der  Aufschrift  Salve  ^).    Neben  dieser  Tafel 
ist  die  Vorderseite  mit  Rauten   und  Zickzacklinien  verziert,  die,  wie 
die  deutlichen  Reste  der  Farbe  zeigen,  roth  und  weiss  gemalt  waren, 
wie  es  in  unserm  Bilde  Taf.  XIV  Fig.  2   dargestellt  ist.    Da  auf  der 
Tafel  eine  eingehauene  Inschrift  sich  nicht  befand,  darf  man  vermu- 
then,  dass  eine  solche  darauf  geschrieben  war.  Trotz  einiger  Farben- 
reste darauf  kann  aber  doch  keine  Spnr  einer  Schrift  mehr  erkannt 
werden.  Der  ganze  Raum  ist  demnach  fUr  eine  Grabstätte  zu  halten, 
die  vielleicht  frtther  nach  Art  der.Columbarien  mehrere  solcher  Aschen- 
behälter oder  auth  Urnen  enthielt.    Als  die  Mauerreste  blosgelegt 
wurden,  zeigte  sich  der  Innenraum  sorgfältig  mit  zerbrochenen  Dach- 


')  Ani.  Rieh,  niuBtr.  Worterb.  p.  19  und  661. 


Ein  römiscber  Fund  in  Buidorf  bei  Oborwinter.  110 

pfannen  zugedeckt,  aus  welchem  Umstände,  sowie  aus  dem  Mangel  an 
Orabgefiissen  man  scUiessen  moss,  dass  diese  Grabjstätte,  yielleicht 
beim  Wegrilumen  der  Beste  dieser  Gebäude,  schon  einmal  aufgedeckt 
worden  war  und  als  ein  geweihter  Ort  in  der  bezeichneten  Art  vor 
gänzlicher  Zerstörung  geschützt  werden  sollte.  Auffallend  bleiben  die 
hier  gefundenen  18  Münzen,  von  denen  nur  6  in  der  Eiste,  die  an- 
dern davor,  ursprOnglich  aber  wohl  bei  der  Asche  lagen.  Von  einem 
Deckel  der  Kiste  fand  sich  keine  Spur.  Im  Mainzer  Museum  stehen 
solche  Aschenkisten  mit  rundlicher  Vertiefung,  in  einer  sind  mehrere 
Glasgefässe,  auch  eine  Münze  enthalten,  die  über  den  Enochenresten 
liegen.  Das  Museum  in  Wiesbaden  enthält  solche  Aschensärge,  die 
im  Innern  viereckig  sind. 

Die  meisten  Gegenstände  wurden  in  dem  vor  der  Süd-  und  Ost- 
seite des  Gebäudes  liegenden  Schutte  gefunden,  und  zwar  bei  A,  Taf. 
XIV  der  Mithrasaltar,  bei  N  die  Neptunstatue,  bei  E  der  Kopf,  im  In- 
nenraum bei  P  die  grosse  Steinplatte,  bei  M  die  Münzen.  Die  grossen 
Ziegel  Fig.  13  sind  genau  viereckig,  11''  lang  und  breit,  1''  10'" 
dick,  viele  sind  auf  einer  Seite  mit  schräg  sich  kreuzenden  Rinnen  versehen, 
die  kleineren  sind  4"  lang,3Va"  breit  und  1"  2/"  dick.  Auch  dünnere 
Platten  kamen  vor,  wie  zum  Belegen  der  Wände  auf  einer  Seite  mit  wellen- 
förmig gekrümmtei^  Rinnen  zur  bessern  Verbindung  mit  dem  Mörtel.  Die 
runden  Heizziegel  haben  7V2'' Durchmesser  und  sind  2"  dick.  Ausser- 
dem wurden  mehrere  4 "  breite  und  5 "  lange  viereckige  Plättchen  ge- 
fanden, Fig.  11,  und  vier  wahrscheinlich  dazu  gehörige  scharfkantige 
5"  breite,  47«"  lange  und  2V2"  hohe  dachförmige  Steine,  Fig.  12, 
beide  aus  Jurakalk,  deren  Verwendung  unbekannt  ist.  Zahlreich  waren 
die  Bruchstücke  schwerer  Dachpfannen,  sie  sind  16"  hoch  und  gerade 
1 "  breit,  einige  waren  ganz  geblieben.  Dabei  fanden  sich  die  thönemen 
Wulste,  welche  die  aufstehenden  Seitenwände  zweier  aneinander  lie- 
genden Pfannen  bedeckten,  eine  Einrichtung,  die  wir  beim  Legen  von 
Zinkdächem,  die  Italiener  aber  an  Ziegeldächern  noch  heute  nach- 
ahmen ;  es  sind  die  imbrices  und  tegulae  der  Schriftsteller.  Auf  Taf. 
XIV  Fig.  9  ist  diese  Art  der  Bedachung  genau  angegeben,  zumal  in 
der  Profilzeichnung  sieht  man,  wie  zweckmässig  die  obem  Zi^el  auf 
den  unteren  ruhten.  Diese  Dachpfannen  sind  so  schwer,  dass  man 
annehmen  soUte,  nur  die  in  Stein  gewölbten  Häuser  seien  auf  diese 
Weise  gedeckt  gewesen.  Auf  der  Säule  des  Marc  Aurel  und  auf  der 
Trajanssäule  in  Rom  sind  Häuser  mit  solchen  Dächern  abgebildet,  am 


120  Ein  römiaoher  Fund  in  Bandorf  bei  Oberwinter. 

deatlichsten  auf  Tab.  112  des  die  letztere  illustrirenden  Werkes  0- 
Im  Museum  von  Wiesbaden  hat  Oberst  von  Gehäusen  ein  römisches 
Pfannen*  und  ein  Schieferdach  aufstellen  lassen.  Das  erste  hat  genau 
die  Construction,  wie  sie  hier  gezeichnet  ist.  Der  Umstand,  dass  von 
Cohausen  auch  Ziegelplatten  gefunden  hat,  die  am  Seitenrande,  wo  sie 
von  dem  Hohlziegel  bedeckt  sind,  Löcher  haben,  lässt  nur  die  Deutung 
2U,  dass  hier  Holzpflöcke  oder  eiserne  Nägel  die  Pfannen  auf  den 
•  Dachsparren  befestigt  haben,  dass  also  auch  in  Holz  gebaute  Dilcher 
80  gedeckt  waren.  Müller  giebt  an,  dass  der  unterste  der  Hohlziegel, 
um  die  Höhlung  zu  verbergen,  am  Kopfe  mit  einer  Platte  versehen 
zu  sein  pflegte,  die  man  mit  Zierrathen  schmückte,  wie  deren  Hirt 
abgebildet  hat.  Dass  die  Römer  auch  schon  Dachschiefer  benutzten, 
ist  wenig  bekannt,  aber  schon  von  Habel  mitgetheilt  worden ').  In 
Ant.  Rieh's  Illustr,  Wörterbuch  der  römischen  Alterthümer,  übers,  von 
G.  Müller,  Leipzig  1862,  ist  als  Probe  des  römischen  Ziegeldaches  das 
Dach  des  Portico  der  Octavia  zu  Rom  abgebildet,  dessen  Ziegel  von 
weissem  Marmor  sind. 

Von  den  22  Münzen  in  Kleinerz  wurden  4  in  dem  Schutte  vor 
dem  Hauptgebäude  gefunden,  es  sind  ein  Glaudius  mit  dem  Revers: 
Felicitas  Aug.,  ein  Grispus,  R. :  Glaritas*  reipublicae,  ein  Gratianus,  R. 
Gloria  novi  saeculi,  ein  Valens,  R. :  Securitas  reipublicae.  Die  übrigen 
18  lagen  in  dem  inn^n  Raum  der  Grabstatte  und  6  in  dem  Aschen- 
sarge selbst.  Es  sind  die  folgenden:  ein  Antoninus  pius,  eine  Faustina 
(junior),  ein  Gordianus,  R.:  Laetitia  aug.,  zwei  Tetricus,  R.:  Salus  aug., 
ein  Probus,  R :  Felicitas  sec,  eine  Helena  (I),  R. :  Fax  publica,  zwei 
Gonstantinus  (Magnus),  R.:  Soli  invicto  comiti  und  Beata  tran- 
quillitas,  zwei  Urbs  Roma,  R.*.  die  Wölfin  mit  Romulus  und  Remus, 
zwei  Gonstantinopolis,  ein  Gonstantius  (junior),  R.  Gloria  exercitus,  ein 
Magnentius,  R.:  Gloria  Romanorum,  zwei  Valens,  R.:  SeCuritas  reipu- 
blicae und  Gloria  Romanorum,  ein  Gratianus,  R.  Gloria  novi  saeculi. 
Alle  diese  Münzen  gehören  mit  Ausnahme  der  des  Antoninus  pius  und 
der  Faustina,  die  durch  den  längern  Gebrauch  auch  fast  unkenntlich 
sind,  dem  3.  und  4.  Jahrhundert  an  ^).  Unter  den  Scherben  von  Thon- 

^)  Golumna  Gochlis  M.  Aarelio  Antonino  Aag.  dio.  Roma  1704  und  P.  S. 
Bartoli,  Golonna  Trajana  Tab.  112. 

')  Annalen  des  Vereins  für  nassauisehe  Alterthomsk.  und  GeBchichtsf.  I, 
2.  and  8.  Hft.  Wiesb.  1830.  8.  160. 

')  Später  worden  noch  9  Münzen  im  Schutte  gefanden,  daronter  eine  äl- 
tere Faustina,  R.:  Angnsta,  ein  Claadius,  R.:  Yirtas  Aug.,  ein  Grispus,  R.:  wie 
oben,  ein  Yalens,  R. :  Securitas  reipublicae. 


£m  römiiolier  Fond  in  Baadorf  bei  Oberwinter.  181 

gdäasen  waren  Stücke  von  Schalen  ans  feiner  rother  terra  sigülata, 
ein  kleines  Schälchen  aus  gelbem  Thon,  Taf.  XIV  Fig.  3,  die  Bruch- 
stücke mehrerer  grosser  bauchiger  Gefasse  mit  1  F.  weiter  Oeffnung, 
deren  eines  ergänzt  dargestellt  ist,  Fig.  4;  in  der  Wandung  sind  die- 
selben fast  1 "  dick,  der  dicke  obere  Sand  hat  eine  vertiefte  Ausguss- 
öfibung.  Ausser  der  ein&chverzierten  bronzenen  Fibula,  Fig.  5  wurde 
ein  dünner  Bronzering,  Fig.  6,  und  em  aus  3  zusammengedrehten 
Bronzedrfihten  bestehender  Henkel,  Fig.  7,  der  wahrscheinlich  einer 
kleinen  Schale  angehörte,  gefunden ;  ferner  ein  grosser  eiserner  Meis- 
sei,  Fig.  15,  und  ein  eiserner  Löffelbohrer,  Fig.  16,  ein  in  römischen 
Gebäuden  häufig  vorkommendes  Werkzeug,  welches,  wiewohl  in  dieser 
Form  veraltet,  noch  jetzt  von  unseren  Schreinern  gebraucht  wird. 
Unter  einigen  Glasscherben  ist  ein  flaches  2'"  dickes  Stück  hellgrü- 
nen fast  weissen  Glases  mit  rund  geschliffenem  geradem  Bande  be- 
merkenswerth,  es  ist  auf  einer  Seite  mattgeschliffen,  auf  der  andern 
glänzenden  sieht  es  wie  gegossen  aus;  man  kann  dasselbe  nur  für 
das  Bruchstück  einer  Fensterscheibe  halten;  ein  Stück  azurblauen 
Glases,  von  einer  Schale,  ohne  Spur  einer  chemischen  Veränderung, 
zeichnet  sich  durch  die  Schönheit  der  Farbe  aus.  Auch  A.  von  Co- 
hausen  0  hat  bei  der  Saalburg  Bruchstücke  römischen  Fensterglases 
ausgegraben,  deren  Beschreibung  fast  vollkommen  auf  unser  Stück 
passt.  jpDas  Glas  ist  hellgrün,  klar  durchsichtig  und  gut  erhalten;  die 
untere  Fläche  der  rechtwinkeligen  Scheiben  ist  eben,  aber  rauh  und 
daher  blind,  während  die  Oberfläche  sanfte  Unebenheiten,  aber  voll- 
kommene Glätte  und  Glanz  zeigt.  ^  Die  Bänder  sind  an  dem  Glase 
der  Saalburg  rundlich  geflossen,  als  sei  die  glühende  Glasmasse  durch 
einen  Bahmen  begrenzt  worden,  wodurch  die  Bänder  des  Glases  wul- 
stig anschwollen.  An  dem  Glase  von  Bandorf  ist  der  Band  rund- 
lich abgeschliffen.  Die  Knochen  sind  Ueberreste  vom  Schwein  und 
vom  Ochsen  und  eine  Geweihspitze  vom  Hirsch.  Die  Mauern  sind 
aus  Bruchsteinen  von  Thonschiefer  hergestellt,  aber  mannigfaltig  waren 
die  Gesteine,  die  sich  im  Schutte  fanden,  Berkumer  Trachyt,  Basalt, 
abgerundete  StUcke  von  Jurakalk,  grauer  Sandstein,  Brohler  Tuff,  ein 
Tuff  mit  grossen  Bimssteinstücken. 

Suchen  wir  nun  die  in  Bandorf  entdeckten  Mauerreste,  welche  den 
vollständigen  Grundriss  der  dort  gestandenen  römischen  Gebäude  uns 
vor  Augen  stellen,  mit  den  auf  derselben  Stelle  gefundenen  Alterthü- 

')  „Römischer  SohmebMobmiiok''  in  den  AniuJeD  des  Vereins  fär  nsss. 
AHerthiimsk.  XU,  Wiesbaden  1878. 


13d  Ein  römiseher  Fund  in  Bftndofff  bei  Obarwinier. 

mern  in  einen  Zusammenhang  zu  bringen,  so  erscheint  als  das  Wahr- 
scheinlichste» dass  hier  ein  kleiner  Mithrastempel  gestanden  hat,  in 
welchem  aach  die  Bilder  anderer  Götter  aufgestellt  waren;  dabei  be- 
fand sich  ein  laufender  Brunnen  mit  dem  Neptunbilde  und  ganz  in  der 
Nähe  auch  noch  eine  Grabstätte.  Die  Inschrift  der  Ära:  pro  bono  communi 
deutet  vielleicht  darauf,  dass  der  an  drei  Wegen  liegende  Brunnen  ein 
öffentlicher  war.  Der  nur  ISVa"  im  Gevierte  messende  Raum  des  Haupt- 
gebäudes erscheint  zu  klein  für  ein  Wohnhaus,  während  der  beschränkte 
Raum  der  Büthrastempel  auch  anderwärts  beobachtet  ist  ^).  Die  iä 
demselben  gefundene  grosse  Steinplatte,  die  wegen  der  daraufliegenden 
Kohlenreste  für  eine  Heerdplatte  gehalten  wurde,  sowie  die  übrigen  im 
Schutte  gefundenen  Gerätbschaften,  selbst  eine  Heizvorrichtung,  kön- 
nen ebensowohl  mit  dem  Tempelbau  als  mit  einer  Wohnstätte  in  Ver- 
bindung gebracht  werden.  Sehr  merkwürdig  ist  es,  dass  die  Richtung 
des  Gebäudes  gegen  den  Himmel,  wie  die  dem  Grundriss  auf  Taf .  XIV 
beigefügte  Polangabe  zeigt,  genau  dieselbe  ist,  wie  die  der  beiden 
Mithrastempel  von  Heddemheim  ■).  Die  Platte  kann  der  Altarstdn  ge- 
wesen sein.  Dass  man  eine  Grabstätte  nahe  einem  Tempel  baute,  ist 
zwar  kein  im  römischen  Alterthum  gewöhnliches  Vorkommen,  ab«: 
eine  dem  menschlichen  Gefühle  zusagende  Sitte,  die  sowohl  in  der 
germanischen  Vorzeit  Gebrauch  war,  indem  man  in  der  Regel  bei  den 
heidnischen  Opferstätten  auch  die  Todtenäcker  findet,  als  auch  bei  den 
Christen  in  Uebung  blieb,  die  zuerst  in  den  Katakomben  bei  den  Grä- 
bern ihren  Gottesdienst  feierten  und  dann  in  den  Kirchen  oder  in 
deren  Nähe  die  Todten  bestatteten,  bis  erst  in  unserer  Zeit  aus  Rück- 
sicht für  die  Gesundheit  die  Kirchhöfe  in  den  Städten  untersagt  und 
die  Begräbnissplätze  ausserhalb  derselben  angelegt  wurden.  Da  der 
Mithrasdienst  ursprünglich  in  Höhlen  oder  unterirdischen  Räumen  ge- 
feiert vrurde,  so  war  bei  der  angeordneten  Ausgrabung  darauf  unsere 
Aufmerksamkeit  gerichtet ;  an  der  Fundstätte  fand  sich  indessen  nichts 
der  Art,  doch  verdient  es  angeführt  zu  werden,  dass  die  Einwohner 
von  Bandorf  auf  Befragen  eine  nur  einen  Steinwurf  von  dem  Fundort 
^tfemte  Stelle  am  Berge  bezeichneten,  wo  sich  früher  eine  Höhle  be- 
funden habe,  die  man  die  Kohlkaul  nannte;  sie  ist  jetzt  verschüttet 
und  kann,  da  im  Bandorfer  Thale  und  seinen  Umgebungen  zu  ver- 
schiedenen Zeiten,  wie  noch  heute,  auf  Kupfer,  Blei  und  Eis^erz 


')  Annslen  des  Vereins  für  nara.  Alterihomik.  II,  8.  92. 
^  A.  ft.  0.  I,  2.  u.  3.  Hft.  Taf.  lY  a.  V. 


V- 


Ein  rdnoBOlier  Fimd  in  Bndorf  bei  Ot^rwintor.  198 

Bergbau  getrieben  vatde,  ein  alter  Stollen  oder  Schacht  gewesen  sän. 
In  der  Nähe  des  Mithrasdenkmals  von  Schwarzerden,  sowie  bei  dem 
freilich  irrthflmlich  als  Bfithräum  bezeichneten  Denkmal  vdn  Schwein- 
adned  sind  Höhlen,  die  merkwürdiger  Weise  beide  vom  Volke  »das 
Wildfranloch«  genannt  werden.  Von  der  letzteren  giebt  Engelmann  an, 
dass  sie  ein  verschütteter  Stollen  sein  könne,  wie  es  deren  in  jener 
Gegend  viele  gebe.  Als  eine  Erinnerung  an  die  Bömerzeit  kann  es 
wohl  gedeutet  werden,  dass  das  neben  der  Fundstätte  gelegene  grosse 
Ackerfeld,  auf  dem  das  Haus  des  Loosen  steht,  und  die  Fundamente 
starker  Mauern  in  der  Erde  liegen,  noch  heute  in  der  Eatasterkarte 
der  »Hermes-Ackert  heisst.  Da  es  in  den  letzten  Jahrhunderten  in 
unserer  Gegend  ni^nals  üblich  war,  Felder  mit  den  Namen  der  Be« 
sitzer  zu  bezeichnen,  so  darf  man  diese  Benennung  vielleicht  für  eine 
römische  halten.  An '  den  griechischen  Gott  Hermes  ist  dabei  wohl 
nicht  <zu  draken,  sondern  an  den  römischen  Familiennamen  Hermes, 
der  in  unsem  Bheingegenden  mehrmals  auf  Inschriften  vorkommt,  so 
bei  Brambach  auf  Nr.  1629  aus  dem  Schwarzwaldkreis,  auf  Nr.  1064 
aus  Mainz  und  auf  Nr.  2005. 1  aus  Wiesbaden.  Doch  ist  es  auffallend, 
dass  an  dem  grossen  Mitfarasbilde  von  Heddemheim-  in  den  vier 
Ecken  Köpfe  angebracht  sind,  die  wie  Mercur  mit  Flügeln  ver- 
sdien sind.  Auch  wurde  in  diesem  Mithrastempel  eine  Statue  des  Mer- 
cur gefunden.  Wichtiger  ist  noch;  dass  ein  nahe  dem  Fundort  zwisdien 
Unkelbach  und  Bemagen  gelegener  Berg  noch  jetzt  der  Sonnenberg 
heisst,  welcher  Name  wohl  als  eine  Erinnerung  an  den  hier  einst  ge- 
übten Scmnendienst  betrachtet  werden  kann. 

Die  Ausbreitung  der  ursprünglich  persischen  Mithrasreligion  im 
römischen  Beiche,  die  wie  ein  Vorläufer  des  Christenthums  angesehen 
werden  kann,  bietet  ein  besonderes  Interesse  für  die  Culturgeschichte. 
Während  dne  Verehrung  der  Sonne  und  der  Gestirne  mit  den  ersten 
Begnügen  des  religiösen  Gefühls  im  Menschen  sich  zu  verbinden  pflegt 
und  sich  desshalb  in  den  ältesten  Beligionen  wie  bei  lebenden  rohen 
Völkern  so  gewöhnlich  findet,  wobei  indessen  die  Verehrung  des  Mon- 
des, als  des  dem  Menschen  näher  stehenden  und  bekannteren  Gestirnes 
älter  ist,  als  der  Sonnendienst,  *  ist  es  gewiss  eine  auffallende  Erschei- 
nung, dass  ein  so  alter  Gultus  mit  neuen  und  voUkommneren  Vor- 
stellungen von  der  Gottheit  gerade  in  einer  Zeit  verfeinerter  Geistes- 
bildung und  Cultnr  dem  Glaubensbedürfhisse  der  Menschen  wieder 
näher  tritt  und  die  Verehrung  dnes  allmächtigen  und  höchsten  Gottes 
unter  dem  Bilde  der  Sonne  an  die  Stelle  der  Vielgdtterd  setzte  womit 


»- 


134  £in  römifoher  Fund  in  Baadorf  tiei  Oberwiater. 

eine  sinnliche  AufiEassung  der  Natur  Erde  und  Himmel  belebt  und 
sich  verständlich  gemacht  hatte.  Wiewohl  unzweifelhaft  dieser  Ver- 
ehrung dei'  Sonne  schon  die  einfache  Ueberlegung  des  Menschen  zu 
Grunde  liegt,  dass  er  dem  Tagesgestim,  seinem  Lichte  und  seiner 
Wärme  alle  Gaben  des  Lebens  zumeist  verdankt,  so  dürfen  wir  doch 
heute  hinzufügen,  dass  diese  Ansicht  auch  von  der  gegenwärtigen  Wis- 
senschaft die  glänzendste  Bestätigung  erfahren  hat,  indem  diese  in  der 
Lehre  von  der  Verwandlung  der  Kraft  jede  in  der  Natur,  in  den  Pflan- 
zen und  Thieren  wie  im  Menschen  wirksame  Kraft  auf  die  Sonne  zu- 
rückzuführen im  Stande  ist.  Ganz  besonders  hatten  die  Perser  den 
Sonnendienst  ausgebildet,  der  auch  in  Syrien  der  herrschende  war  und 
hier  mit  dem  Baaldienst  der  Babylonier  und  Phönizier  zusammenhiog. 
Im  Baal  wurde  die  befruchtende  Kraft  verehrt.  Auch  der  höchste  Gott 
der  Aegypter,  Osiris,  war  Führer  des  Sonnenjahres,  sein  Sinnbild  der 
Stier>  ein  bezeichnendes  Bild  der  Kraft  und  Fruchtbarkeit.  In  den 
Mithrasbildem  wird  der  Stier  als  die  dem  Lichte  entgegengesetzte 
irdische  Natur  gedeutet;  am  Pallaste  von  Persepolis  aber  überwindet 
der  Löwe  den  Stier.  Auch  im  indischen  Alterthum  fehlen  diese  Vor- 
stellungen nicht.  Mitras  ist  in  einem  Hymnus  des  Zendavesta  die  höchste 
Macht  des  Lichtes,  ein  streitender  Held  und  Gegner  aller  finstem  Da* 
monen,  der  auf  gewaltigem  Schlachtwagen  daherfährt.  Die  Sonne  über- 
windet Nacht  und  Winter;  den  Mitra  nannte  man  Mittler  zwischen 
Licht  und  Finstemiss  ^).  Nach  Lactantius ')  haben  die  Perser  die  Sonne 
in  Höhlen  gefeiert,  die  Stierhörner,  welche  Mithras  in  Händen  hält, 
sind  auf  die  Mondsicheln  zu  beziehen,  denn  Luna  wird  die  zweihömige 
genannt.  Daher  auch  der  Stier  in  Mithrasbildem  mit  mondsichelför- 
migen Hörnern  abgebildet  ist.  Stark  bezieht  gewiss  mit  Recht  den 
Skorpion,  den  Hund,  die  Aehren,  die  Schlange,  das  Wassergefäss,  den 
Raben  auf  den  Mithrasdarstellungen  auf  die  Sternbilder  der  Ekliptik; 
die  in  Dormagen  gefundenen  12  Kugeln  verschiedener  Grösse  er- 
innern an  die  12  Monate  des  Sonnenjahres.  Auf  dem  grossen  Mithras- 
bilde  von  Heddemheim  ist  die  Ekliptik  mit  den  12  Sternbildern  voll** 
ständig  dargestellt^).  Deutet  der  Baum  unseres  Neptunbildes  nicht 
auch  auf  den  Mithras? 


*)  L.  Preller,  Römische  Mythologie.  Berlin  1858. 

>)  Vgl.  E.  B.  Stark,   über  die  Büthrassteine  von  Dormagen.  Jahrb.  XLVI 

leed.  8. 16.  ' 

')  Annalen  des  Yereios  f&r  naisauische  Alierthamskunde;  Wiesbaden  1890 
I,  2.  n.  8.  Hft.  Tab.  I.  '    « 


Ein  rdnÜMlier  Fond  in  Bandorf  bei  Oberwintar.  19S 

Man  pfl^  die  Verbreitang  der  Mithrasreligion  unter  den  römi- 
schen Kaisern  aus  dem  Zusammenfliessen  der  religiösen  YorsteUangeii 
der  Terschiedensten  Völker  des  Alterthums  zu  erklären,  während  frflher 
mit  grosser  Strenge  der  römische  Gottesdienst  von  fremder  Beimischung 
rein  erhalten  wurde ;  denn  im  letzten  Jahrhundert  vor  Christus  wurde 
der  ägyptische  Gottesdienst  als  schändlicher  Aberglaube  in  Rom  wie- 
derholt verboten.  Auch  will  man  in  der  Annahme  der  neuen  Religion 
rine  Rttckkehr  zu  einer  mehr  innerlichen  und  einfacheren  Gottesver- 
ehrang,  im  Gegensatze  zu  einem  prunkvollen  aber  glaubenslosen  Got- 
tesdimst  in  den  Tempeln  so  vieler  verschiedener  Götter  erkennen.  Es 
ist  aber  wohl  richtiger,  dieselbe  als  einen  Fortschritt  in  der  Entwick- 
lung des  religiösen  Denkens  zu  bezeichnen,  der  in  einer  hochgebildeten 
Zeit  nicht  ausbleiben  konnte.  Hatte  doch  dieser  Gottesdienst  so  Man- 
ches mit  dem  christlichen  Cultus  gemein,  dass  die  Kirchenväter  sich 
veranlasst  sahen,  die  Bekenner  des  Ghristenthums  gerade  vor  einer 
Vermischung  mit  dieser  Religion  ausdrücklich  zu  warnen.  Die  Bezeich- 
nung des  Teufels  als  Lucifer  bezeugt,  welcher  Verachtung  man  diesen 
heidnischen  Glauben  Preis  gab.  Das  Stieropfer  war  ein  Sühnopfer,  in 
dem  in  der  Borghesischen  Samndung  aufbewahrten  Bilde  leckt  ein 
Hund  begierig  das  Blut  des  Opferthiers,  und  daneben  stehen  die  Worte: 
nama  sebesio(n),  beiliges  Blut  Liegt  nicht  dieselbe  Vorstellung  auch  der 
christlichen  Religion  zu  Grunde?  Ein  anderes  Mal  kommen  auf  einer 
Inschrift  die  Worte :  nama  cunctis  vor,  die  als  )»das  für  Alle  vergossene 
Blatt  gedeutet  zu  werden  pflegen.  Diese  in  der  Villa  des  Hadrian  zu 
Tivoli  gefundene  Inschrift  hat  indessen,  worauf  mich  Herr  Prof.  Bergk 
aufmerksam  machte,  eine  ganz  andere  Bedeutung.  Sie  lautet ') :  Soli 
Invicto  Mithrae  |  sicut  ipse  se  in  visu  |  jussit  refid  |  Victorinus  Caes. 
N  I  vema  dispensator  |  numini  praesenti  suis  in  |  peudls  refidendum  | 
coravit  dedicavitque  |  nama  cunctis.  Diese  Worte  dürfen  mit  grösster 
Wahrscheinlichkeit  auf  die  Herstellung  eines  Götterbildes  und  auf  die 
Fassung  einer  dem  öfientlichen  Gebrauche  bestimmten  Quelle  bezogen 
werdm.  Ist  diese  Ansicht  richtig,  so  würde  das  Denkmal,  wozu  diese 
Inschrift  gehört  hat,  mit  unserm  Bandorfer  Funde  eine  auffallende 
Uebereinstimmung  zeigen;  das  pro  bono  communi  unserer  Ära  würde 
dem  nama  cunctis  entsprechen  und  auf  die  Quelle  hindeuten,  die  aus 
der  Urne  unseres  Brunnengottes  floss.   Nur  durch  eine  Reihe  strenger 


>)  G.  Zoega's  Abhandl  herausg.  ron  Welckei^  Göttingen  1817,  S.  143. 
*)  Orelli,  InBcripi  laiin.  sei.  ooU.  I.  Torid»  182a  n».  19U. 


\H  Ein  römiMker  Fond  in  B«ndorf  bei  Ob^nvmtar. 


\ 


Prüfungen  und  Bassungen,  durch  Proben  von  Muth  und  Seelen- 
stärke wurde  man  in  die  Geheimnisse  dieses  Gottesdienstes  einge- 
weiht Die  Hithrastempel  von  Heddemheim  erinnern  in  ihr^n  Grund- 
riss  an  die  christliche  Kirche,  der  Tempel  ist  in  8  Schiffie  getbeilt,  das 
mittlere  verlängert  sich  durch  einen  vorspringenden  Ausbau,  welcher 
das  Sacrarium  bildete;  bei  dem  einen  dieser  Tempel  hat  das  Mittel- 
schiff sogar  die  Kreuzesform.  Man  kann  kaum  zweifeln,  dass  aus  dem 
Mithras-Heiligthum  der  christliche  Altar  mit  seiner  Chornische  ent- 
standen ist,  oder  doch  darin  ein  Vorbild  hatte. 

Wie  Friedländer  in  treffender  Weise  hervorhebt,  ist  es  ein  Irr- 
thum,  zu  glauben,  dass  die  heidnische  Religion  bei  Stiftung  des  Chri- 
stenthums  sich  ausgelebt  hatte.  Der  Götterglaube  herrschte  in  unver- 
änderter Stärke  und  den  christlichen  Wundem  wurden  heidnische  ent- 
gegengesetzt, an  die  auch  fast  alle  Gebildeten  glaubten.  Die  zahlreichen 
Inschriften  religiösen  Inhalts,  die  uns  erhalten  sind,  beweisen  mehr 
wie  die  Literatur  die  Innigkeit  des  Glaubens  im  Volke.  Währ^d  frei- 
lich ein  Lukrez  und  Plinius  Gott  und  Unsterblichkeit  läugnen,  bekennt 
Tadtus  seinen  Götterglauben,  und  Mark  Aurel  und  Juvenal  ermahnen 
zum  Gebete.  Die  stoische  Philosophie  entwickelt  Betrachtungen,  wie 
sie  bei  Seneca  sich  finden,  die  den  christlichen  Anschauungen  nahe 
verwandt  sind ;  eine  religiöse  Schwärmerei  sogar,  die  an  den  christ- 
lichen Pietismus  erinnert,  spricht  sich  in  den  Schriften  des  Redners 
Aelius  Aristid^s  aus,  der  117 geboren  war').  Dass  der  zumal  unter 
Hadriau  und  den  Antoninen  in  Rom  eingefnhrte  Mithraskultus  mit  den 
durch  Prlfungen  erlangten  verschiedenen  Rangstufe  seiner  Bekenner 
den  Soldaten  besonders  zusagen  musste,  ist  oft  hervorgehoben  worden ; 
dass  die  römischen  Legionen  denselben  aus  dem  Osten  des  Reiches 
wie  nach  Frankreich  und  England  so  auch  an  den  Rhein  gebracht 
haben,  dafilr  ist  der  Fund  von  Bandorf  in  der  Nähe  des  von  der  ersten 
flavischen  Gehörte  besetzten  Remagen  ein  neuer  Beweis.  Während  erst 
im  3.  Jahrhundert  die  Gottheiten  aller  Länder  sich  in  Rom  zusammen 
fluiden,  hatte,  wie  Friediänder  anführt,  doch  sdion  Mark  Aurel  bei 
dem  allgemeinen  Schrecken  des  markomannischen  Krieges  Priester  aas 
allen  Landein  kommen  lassen,  um  die  Stadt  Rom  mit  allen  Arten 
religiöser  Gebriluche  zu  söhnen.  Die  BfithrasmTBterien  wurden  indessen 
schon  frQher  daselbst  gefeiert,  und  vor  Hadrian  sollen  in  denselben 


^)  L.  Fnedlftndqr,  Dantellangen  aus  der  SitteDgetobicbte  Bon»,  8*  Tbeil, 
Leipzig  1871,  8.  48». 


^ 


EiB  romifoher  Fond  in  Bandorf  bei  Oberwiater,  127 

sogar  Menacbenopfer  herkömmlich  gewesen  sein,  wie  auch  dem  indischen 
Indra  solche  gebracht  wurden  0*  Hadrian  verbot  die  Menschenopfer,  aber 
^ter  soll  noch  Commodus  eigenhändig  dem  Mithras  einen  Menschen 
geopfert  haben,  aus  dessen  Eingeweiden  er  wahrsagen  liess.  Zuerst 
brachte  Pompejus  im  Jahre  68  vor  Chr.  aus  dem  Seeräuberkriege  deu 
Mithrasdienst  nach  Bom.  Die  Bilder  von  Sonne  und  Mond  finden  sich 
schon  auf  Münzen  des  Augustus,  des  Yespasian  und  Trajan,  die  Beger 
abbildet.  Preller  macht  darauf  aufinerksam,  wie  der  Jupiter  Dolichenus 
in  römischer  Kriegsrüstung  gleichsam  eine  Verherrlichung  des  römi- 
schen Kaisers  darstellte.  Stark  erwähnt  einer  Münze  des  Commodus, 
auf  der  das  Bild  des  siegenden  Sonnengottes  auf  den  Kaiser  selbst 
übertragen  ist,  der  mit  Mantel  und  Strahlepkrone  die  Erdkugel  in. der 
Hand  hält  Die  römischen  Legionen  hatten  seit  Septimius  Severus  eine 
besondere  Vorliebe  für  den  Mithrasdienst  Elagabalus  war  selbst  früher 
Oberpriester  im  Sonnentempel  zu  Emesa  in  Phönizien  und  Aurelianus 
der  Sohn  einer  Priesterin  des  Sonnengottes  in  Sirmium.  Er  richtete 
m  Rom  einen  Sonnenkultus  ein  und  nannte  sich  auf  Münzen  Dens  et 
Dommus  natus  Aurelianu»  Augustus,  eine  Selbstvergötterung,  gegen 
die  das  von  unseren  Herrschern  beliebte  »von  Qottes  Gnaden«  doch  ein 
sehr  bescheidener  Titel  ist  Auch  Diocletian  .  und  Constantin  waren 
dieser  Religion  noch  zugethan.  Auf  einem  in  Paris  befindlichen  grosses 
Onyx  mit  dem  Bilde  des  Constantinus  magnus,  der  früher  der  Gastor* 
kirche  in  Cobienz  angehörte,  trägt  der  Kaiser  auf  der  Brust  eine 
Spange  mit  dem  Bilde  der  Sonne.  Auch  Julian  nennt  sich  noch  den 
Diener  des  Sonnenkönigs.  Da  im  Mithrasdienst  das  licht  verehrt  wird, 
welches  die  Finstemiss  überwindet,  so  fand  derselbe  in  Höhlen  oder 
unterirdischen  Räumen  statt  Die  Mithrashöhlen  in  Rom,  Gonstantino- 
pd  und  Alexandrien  werden  noch  im  Anfang  des  5.  Jahrhunderts  von 
Paulinus  von  Nola  erwähnt  und  man  feierte  in  Rom  das  Fest  dieses 
Gottes  nach  dem  Vorbilde  der  Phönizier  und  Perser  um  die  Zeit  des 
kürzesten  Tages,  am  25.  December').  In  der  Inschriften-Sammlung 
von  Orelli-Henzen  *)  kommt  in  Nr.  5846  die  Widmung:  lavicto  vor, 
wozu  Henzen  bemerkt,  dass  in  einem  alten  Galendarium  dies  VIO  Ca* 
lendas  Januarias  »Natalis  Invicti«  benannt  sei.  Hieraus  folgt  aba* 
nichts  dass,  da  jener  Tag  der  25.  December,  also  unser  Chrisfetag  ist» 


>)  Porphyr,  de  absün.  U,  66  und  AeL  Lamprid.  Comm.  9. 
^  L.  PreUer,  Bomiache  Mythologie.  8.  766. 
*)  Insortpi.  Latinar.  Select  Coli.  ampl.  T.  8. 


128  Ein  römiaoher  Fund  in  Bandorf  bei  Oberwinter. 

das  Natalis  Invicti  nicht  auf  Mithras,  sondern  auf  Christus  zu  beziehen 
sei,  denn  das  Fest  der  Geburt  Christi  wurde,  wie  auch  andere  christliche 
Feste,  z.  B.  das  Johannisfest,  absichtlich  auf  den  Tag  eines  einigermaassen 
entsprechenden  heidnischen  Festes  •gelegt.  Ehe  man  die  deutlichen 
Beweise  für  die  Verbreitung  des  Mithrasdienstes  unter  den  späteren 
römischen  Kaisem  zur  Hand  hatte,  war  man  wegen  des  alten  asiati- 
schen Ursprungs  dieser  Religion  geneigt»  einige  dieser  Denkmale  als 
asiatische  Alterthümer  zu  betrachten.  Selbst  von  Raumer  und  Ritter 
sprachen  die  Meinung  aus,  der  Mithrasdienst  sei  nicht  erst  durch  die 
Römer  in  das  südöstliche  Deutschland  verpflanzt  worden,  sondern  un- 
sere Vorfahren  hätten  selbst  ihn  aus  dem  asiatischen  Stammlande 
mitgebracht.  Alle  künstlerischen  auf  die  Mithrasreligion  sich  beziehen- 
den Darstellungen,  auch  die  asiatischen,  welche  F.  Lajard  seinem 
Werke  ^)  einverleibt  hat,  gehören  einer  fortgeschritteaen  Culturperiode 
an  und  enthalten  nur  ausnahmsweise  Andeutungen  einer  ältesten  Vor- 
zeit Es  ist  eine  bekannte  Thatsache,  dass  sich  bei  fast  allen  Cultur- 
Völkern  in  religiösen  Verrichtungen  der  Gebrauch  steinerner  Werkzeuge 
lange  Zeit  erhalten  hat,  weil  er  der  ursprüngliche  war.  So  bediente 
sich  der  Pontifex  Maximus  in  Rom  beim  Opfer  eines  Steinmessers, 
die  Leicheneröfihung  bei  der  Mumienbereitung  in  Aegypten  geschah 
auf  dieselbe  Weise,  ebenso  die  Beschneidung  bei  den  Juden,  auch 
die  Priester  der  Gybele  entmannten  sich  mit  einem  Steinmesser; 
selbst  die  Oberpriester  im  alten  Mexico  opferten  die  Kriegsgefangenen 
auf  diese  Art.  Wiewohl  unter  den  Ruinen  von  Persepolis  Stein- 
waffen gefunden  worden  sind,  so  ist  in  den  Mithrasbildem  die  Waffe 
des  Stiertödters  doch  in  der  Regel  der  persische  Dolch  oder  ein  langes 
Messer,  dessen  Form  auch  die  oft  dargestellte  Scheide  erkennen  lässt. 
Auf  dem  in  den  Jahrb.  XLVI,  Taf.  III  wiedergegebenen  Mithrasdenk- 
male  der  Eremitage  von  St  Petersburg  sieht  das  Werkzeug  in  der 
rechten  Hand  des  mit  entblössten  Schaamtheilen  Opfernden  aber  wie 
ein  Steinbeil  aus.  Dass  in  der  alten  Kunst  Steinwaffen  dargestdlt 
worden  sind,  sieht  man  z.  B.  in  den  Denkmälern  der  Kunst  des  Alter- 
thums  zu  Winckelmann's  sämmtl.  Werken,  Donaueschingen  1835, 
Vignette  12,  wo  ein  geflügelter  Genius  den  Opferstier  mit  einer  wie 
ein  Feuersteinmesser  gestalteten  Waffe  tödtet,  die  am  Griffe  einen 
Knopf  hat.    Ebendaselbst  ist,  Vignette  14,  Merkur  mit  einem  Stein- 


^)  F.  Lajard,  Introduotion  k  l'^tade  da  oalte  de  Mithra  eto.  Paria  1847. 


\ 


Ein  römiflcber  Fand  in  Bandorf  bei  Oberwinter.  129 

hammer  dargestellt.  Zu  den  \?en]gen  in  der  EuBst  der  klassischen 
Völker  nachweisbaren  Ueberlieferungen  der  Urzeit  muss  aber  die  Keule 
gerechnet  werden,  welche  Waffe  die  Griechen  dem  Herkules  zuertheilen. 
In  der  persischen  Mythologie  ist  die  Keule  auch  Symbol  des  Mithras. 
Im  Zendavesta  wird  die  Keule  dreimal  als  Waffe  des  Mithra  gepriesen. 
Nach  Arrian  wurde  den  indischen  Stieren  das  Zeichen  der  Keule  ein- 
gebrannt. 

Das  Bheinland  und  sein  angrenzendes  Oebiet   sind  reich  an  be- 
merkenswerthen  Mithrasdenkmälern.    Die  bedeutendsten  sind  die  von 
Dormagen  *),  das  von  Schwarzerden  *),  die  von  Neuenheim  und  Laden- 
burg') und  die  von  Heddernheim.   Dass  sich  die  von  Freudenberg  be- 
schriebene, dem  Hercules  Saxanus  geweihte  Altarinschrift  auf  einer  Fels- 
wand des  Brohlthales  aus  dem  Anfang  des  2.  Jahrhunderts,  die  sich  jetzt 
im  Wallraff 'sehen  Museum  zu  Cöln  befindet,  wegen  der  daraufgemalten 
Bilder  von  Sonne  und  Mond  auch  auf  den  Mithras  beziehe^  ist  zwar  nicht 
sicher  nachweisbar,   aber   doch  sehr  wahrscheinlich.    Freudenberg  er- 
gänzt  die  Inschrift  als:    Deo  Invicto  Herculi,   und  fahrt  an^  dass  im 
Brohlthale  noch  zwei  Altäre  mit  der  Widmung  Herculi  Invicto  sacrum 
gefunden  seien.  Herkules  hat  als  Beschützer  der  Steinbrüche  den  Na- 
men   Saxanus  erh|lten;    der   bei  Brambach  l5mal   in  Funden   dieser 
Gregend  vorkommt.  Gegen  die  Meinung,  als  hätten  sich  diesem  Gultus 
vielleicht  germanische  Elemente  beigemischt,  führte  bereits  Grimm  an, 
dass  diese  Inschriften  über  Deutschland  hinaus  vorkommen.  Dass  solche 
Weihesteine  und  Altäre   von  römischen  Soldaten   errichtet   wurden, 
kann  nicht  auffallen,  wenn  man  weiss,  dass  man  dieselben  mitunter  zu 
öffientlichen  Arbeiten  benutzte.  Die  Erwähnung  der  Legio  VI  Victrix  Pia 
Fidelis  und  der  Legio  X  Gemina  führt   zu  dem  Schlüsse,  dass  dieser 
Altar  an  der  Felswand  nicht  vor  Vespasian  und  nicht  nach  Hadrian 
errichtet  ist.    Die  an  dritter  Stelle  erwähnte  Legio  XXII  Primigenia 
Pia  kommt  in  zahlreichen  Inschriften  vor,  deren  älteste  vom  Jahre  65 
ist.  Diese  Legion  stand  mehrere  Jahrhunderte  in  Deutschland,   meist 
in  Mainz.  Die  Erwähnung  des  Legatus  Qu.  Acutius,  der  auch  auf  einer 
Nymweger  Inschrift  vorkommt,    lässt  vermuthen,  dass  dieser  mit  dem 
Consul  suffectus  Acutius  Nerva  des  Jahres  100  nach  Chr.  derselbe  ist. 
Freudenberg  bemerkt  nun:  num  an  einen  Dens  In victus (Mithras)  und 


*)  Jahrb.  XLVI,  Taf.  I  u.  ü. 

*)  Schöpflin,  Alsaüa  iU.  I  p.  61  und  Engelniaim,  Elfter  Bericht  deaatitiqa. 
Mit  Ter.  f.  Nahe  und  Hansrücken  1869—71. 
•)  Jahrb.  XLVI  Taf.  IV. 

9 


190  Ein  romisöher  Fand  in  Bandorf  bei  Ob^rwinter. 

Hercules  zu  denke]},  wie  bei  Mommsen  Inscript  confoed.  Helv.  Nr.  64 
der  Deus  Invictus  und  Genius  Loci  verbunden  sind,  ist  unsere  Inschrift 
zu  alt,  wenn  auch  die  räthselhaften  Zierrathen  aber  den  Seitennischen, 
Sonne  und  Mond,  eine  solche  Annahme  zu  begünstigen  scheinen.«  Es 
ist  indessen  die  Uebereinstimmung  des  Qu.  Acutius  mit  dem  Acutius 
Nerva,  worauf  die  Altersschätzung  der  Inschrift  beruht,  nicht  ganz 
zweifellos,  dagegen  weisen  der  Beiname  Invictus  im  Munde  römischer 
Legionen,  die  auf  den  Mithrasbildern  so  gewöhnlichen  Darstellungen 
von  Sonne  und  Mond  und  gerade  der  Umstand,  dsss  mit  der  Verehrung 
des  Mithras  skh  die  anderer  Götter  vermischt  hat,  mit  grosser  Be- 
stimmtheit auf  den  Mithraskultus  hin.  Freudenberg  selbst  spricht  an 
einer  andern  Stelle  die  Vermuthung  aus,  dass  die  Bilder  der  Sonne, 
die  durch  7  in  Pfeilspitzen  auslaufende  Strahlen  dargestellt  ist  und 
des  sichelförmigen  Mondes  mit  aufwärts  gekehrten  Hörnern  zu  dem 
Heros,  dem  das  Denkmal  geweiht  ist,  eine  nähere  Beziehung  haben 
und  gesteht,  dass  es  am  nächsten  liege,  an  einen  Einfluss  der  Mithras- 
religion  zu  denken,  welche  nach  Plutarch  den  Römern  bereits  in  Folge 
des  durch  Pompeius  beendigten  Seeräuberkrieges  bekannt  wurde  und, 
nach  römischen  Denkmälern  zu  urtheilen,  bereits  gegen  Ende  des  1. 
und  zu  Anfang  des  2.  Jahrhunderts  in  Rom  sich  festsetzte.  Wiewohl 
der  unter  Domitian  lebende  Dichter  Statins  schdb  auf  die  Mithras- 
verehrung  anspiele,  sei  sie  erst  unter  Septimius  Severus  und  seinen 
Söhnen  in  den  Staatskultus  übergegangen.  Das  dem  Hercules  beige- 
legte Invictus  deute  darauf,  dass  sich  der  asiatische  Sonnendtenst  mit 
der  Verehrung  dieses  Heros  vermischt  habe.  Vielleicht  sei  eine  der 
an  dem  Denkmal  betheiligten  Gehörten,  z.  B.  die  Cohors  U  aus  Spa- 
nien gekommen  und  die  Bilder  der  Sonne  und  des  Mondes  rührten 
von  dem  Cultus  des  tyrischen  und  zumal  des  gaditanischen  Herkules 
her.  Es  waren  besonders  die  Kaiser  Galba,  Trajan  und  Hadrian,  von 
denen  die  beiden  letztem  aus  Spanien  stammten,  welche  diesen  Heros 
verehrten.  Diese  Verehrung  scheine  aber  aus  Spanien  auch  früh  nach 
Gallien   gekommen    zu    sein,    worauf  gallische  Inschriften   des  H^r- 

« 

cules  Andossus  hinweisen.  Die  im  südwestlichen  Frankreich  gefundene 
Inschrift  Helioucmouni  (Deo),  über  welcher  das  Haupt  des  Gottes  um- 
geben von  7  Strahlen  und  der  die  Homer  nach  oben  kehrende  Halb- 
mond dargestellt  sind,  kommt  dem  Bilde  auf  der  Felswand  im  Brohl- 
tbale  sehr  nahe '). 

^)  J.  Freudenberg,  das  Denkmal  des  Hercules  Saxanus  im  Brohlthal.  Fest- 
programm des  Vereins  von  Alteribumsfreanden.  Bonn  1662.    S.  25  fg. 


Ein  röadfoher  Fnad  in  Bandorf  bei  Oberwintor.  ISl 

Der  MithrasteiDpel  von  Dormagen  wurde  bereits  1821  entdeckt 
Beim  Umgraben  eines  Ackers  in  der  Nähe  dieses  Ortes  traf  man  auf 
ein  GewMbe  von  Gussmauer  und   neben  demselben   auf  ein  Gemach 
von  10  F.  Höhe  und  Breite  und  40  F.  Länge.  In  diesem  Baume  stan- 
den an  die  Wand  gelehnt  zwei  trefiTlich  gearbeitete  Mithrasmonumente, 
an  der  Erde  lag  das  Bruchstück  eines  Isispriesters,  sämmtlich  mit  In* 
Schriften  versehen,  die  oben  angegeben  sind.  Femer  wurden  hier  zwei 
Altäre  aus  Tuffstein  ohne  Inschrift,  der  eine  in  Form  und  Grösse  dem 
van  Bandorf  ähnlich,  gefunden,  sowie  Lampen,  Münzen  und  12  Kugeln 
aus  Tufitein.    Diese  Denkmäler  wurden  in   diesen  Jahrbüchern  ein- 
gehend von  K.  B.  Stark  besprochen  0-    Ueber  das  in  der  Nähe  des 
Dorfes  Schwarzerden,  3  Stunden  von  St.  Wendel,   auf  einer  Felswand 
befindliche  Miihrasbild,  welches  durch  die  Witterung  bereits  sehr  be- 
schädigt ist,  hat  kürzlich  Engelmann  berichtet  und  eine  von  ihm  vor 
30  Jahren  entworfene  Zeichnung  desselben  veröfifentlicht ').   Er  macht 
hierbei  auf  die  zahlreichen  Mithrasdenkmale   in  den  Donauländerui  in 
Oestenreich  und  Tyrol,  in  Neapel,  Rom,  Oberitalieo,  Gallien  und  Bri- 
tannioi  aufmerksam,  sowie  auf  die  in  den  Felsen  gehauenen  Mithras- 
bilder  von  St.  Andeol  an  der  Rhone  und  von  Roshang  in  Niederkrain. 
Hierbei  sei  angeführt,  dassSeidl  in  seiner  Schrift:  »Der  Dolichenuskult, 
Wien  1854t,  gegen  60  Monumente  dieses   Gottesdienstes  verzeichnet, 
die  in  die  Jahre  139  bis  318  fallen.  Das  im  Jahre  1751  von  Schöpflin 
merkwürdiger  Weise    in   der   Alsatia   illustrata   gelieferte   BUd    von 
Schwarzerden  scheint  ihm  vom  Zieichner  ergänzt  zu  sein.    In  der  Ab* 
handlang  des  Professor  Stark :  i^Zwei  Mithräen  der  Grossherzogl.  Alter- 
thttmer*Sammlung  zu  Garlsruhe,  Heidelberg  1865tt,  worin  die  Mithras- 
bilder  von  Osterburken  im  Odenwald  und  von  Neuenheim  ^)  bei  Hei- 
delberg beschrieben  sind,  wird  irrthümlich  mit  Berufung  auf  Schöpflin 
und  Lajard  dieses  Felsenbild  nach  Schwarzerd  in  der  Grafschaft  Dachs- 
burg im  Elsass  versetzt.  Auch  bei  Beschreibung  der  Mithrassteine  von 
Dormagen   scheint  derselbe  Verfasser  das  Denkmal  im  Elsass  anzu- 
ndimen.  Eogelmann  theilt  ferner  mit,  dass  Prof.  Fiedler  in  einem  am 
21.  Dec.  1869  an  ihn  gerichteten  Briefe  sich  darüber  wundert,  dass 
das  von  ihm  gezeichnete  Denkmal  bei  einem  Dorfe  desselben  Namens 


*)  Jahrb.  des  VereinB  von  Alterthnmsfr.  XL  VI.  Bodq  1869,  1.  Vgl.  Jahrb. 
XXI,  29  and  XXIII,  146. 

*)  Elfler  Bericht  des  antiqnar.  Vereins  für  Nabe  und  Hunsrlioken.  1889 
-1871,  S.  15. 

')  Vgl.  Creaser,   über  das  Mithräiim  von  Neaenheim,  1838. 


182  Ein  römischer  Fnnd  in  Bandorf  bei  Oberwinter. 

sich  befinde,  wie  das  von  Schöpflin  beschriebene,  und  gibt  endlich  eine 
Aufklärung  über  den  Ursprung  dieses  Irrthums,  dessen  Fortbestehen 
nur  desshalb  auffallend  ist,  weil  das  bei  St.  Wendel  befindliche  Denk- 
mal doch  in  verschiedenen  Schriften  erwähnt  worden  ist.  Schöpfiin  gab 
nämlich  an,  dasselbe  sei  im  Gebiete  der  Grafen  von  Leiningen-Dachs* 
bürg  gelegen,  und  zwar  in  Lothringen,  während  die  Herrschaft  Ober- 
kirchen, in  deren  Nähe  Schwarzerden  liegt,  nur  ein  lothringisches  Lehen 
war.  N.  Müller  ^),  der  mehr  als  1000  25eichnungen  mithräischer  Denk- 
male gesammelt  hat,  gibt  in  seiner  Mithrasgallerie,  in  der  er  22  Mi- 
thrasbildwerke  abgebildet  hat,  unter  Fig.  5  eine  Darstellung  desselben. 
Er  bemerkt,  dass  die  Franzosen  dieses  zwischen  Pfeffclbach  und 
Schwarzerd  gelegene  Mithrasbild  das  vogesische  nennen  und  fügt  hinzu : 
Ich  sah  dieses  mächtige  Monument  vor  etwa  30  Jahren  und  traf  es 
leider  nicht  mehr  in  dem  frischen  Zustande,  in  welchem  es  Schöpflin 
für  seine  Alsatia  illustrata  abbilden  liess.  Also  dieser  Forscher,  der 
an  Ort  und  Stelle  war,  lässt  ihm  die  Bezeichnung  des  vogesischen.  Ein 
Umstand  könnte  in  Zukunft  noch  einmal  dazu  beitragen,  an  zwei  ver- 
schiedene Denkmale  zu  glauben,  es  sind  nämlich  die  von  diesenrBilde 
gegebenen  Zeichnungen  nicht  ganz  übereinstimmend.  In  dem  von  Müller 
gegebenen  Bilde,  welches  wohl  nach  Schöpflin  verkleinert  ist,  erhebt 
der  Hund  den  Kopf  zum  Stier  und  hat  eine  Schlange  neben  sich,  in 
der  Zeichnung  von  Engelmann  liegt  der  Hund  und  die  Thiergestalt 
daneben  ist  nicht  deutlich,  dort  steht  links  in  der  Ecke  die  Sonnen- 
scheibe, hier  ein  Brustbild  des  Sol,  auf  dem  Bogen  über  dem  Stier- 
tödter  sind  dort  zwei  Köpfe  im  Profil,  hier  zwei  andere  Figuren,  dort 
senkt  der  Stier  den  Schweif,  hier  hebt  er  ihn,  die  stehende  Figur 
links  vom  Beschauer  ist  in  beiden  Zeichnungen  ganz  verschieden.  Diese 
Verschiedenheiten  können  nur  dadurch  entstanden  sein,  dass  die  Zeich- 
ner das  beschädigte  Bild  willkürlich  ergänzt  haben.  Engelmann  er- 
innert noch  daran,  dass  wie  im  Odenwald  ein  Osterburken  vorkommt, 
so  bei  Schwarzerden  ein  Osterbrücken,  ein  Osterbach,  ein  Osterthal 
und  fragt,  ob  diese  Namen  nicht  mit  Astarot,  Ostara  zusammenhängen, 
woher  unser  Ostern,  ursprünglich  vielleicht  ein  Frühlingsfest,  den  Na- 
men hat.  Da  sich  an  der  Felswand  von  Schwarzerden  die  Locher  zum 
Einlegep  der  Balken  noch  finden,  so  lässt  sich  die  ursprüngliche  Grösse 
des  Tempels  genau  angeben,  das  Mittelschiff  des  Tempels  war  10  F. 
lang,  SVa  F.  breit   und  12  F.  hoch,  das  ganze  Gebäude  hatte  eine 


^)  Annalen  des  Vereins  für  nassauisohe  Alterthnmsk.  IL  1.  S.  12.  Tab.  L 


Ein  römischer  Fund  in  Bandorf  bei  Oberwinter.  188 

Breite  von  16Vt  F.  und  eine  Höhe  von  14  F.  Die  Mithrastempel  von 
Heddernheim  waren  der  eine  39  F.  lang  und  25  breit,  der  andere  46 
F.  lang  und  21  breit.  Der  in  der  Gegend  von  Schwarzerden  gefundene 
15'' hohe  männliche  Kopf  0,  dessen  schon  früher  gedacht  ist,  hat  in  der 
That  eine  phrygische  Mütze,  wie  der  das  Opfer  verrichtende  Jüngling 
sie  auf  den  Mithrasbildern  gewöhnlich  trägt,  und  gehört  wahrschein- 
lich zu  einem  Mithrasbilde,  auf  denen  die  Darstellung  blosser  Köpfe 
sehr  häufig  vorkommt  und  eine  Eigenthümlichkeit  zu  sein  scheint,  wie 
insbesondere  das  Denkmal  von  Heddernheim  zeigt.  Das  Mithrasbild 
von  Ladenburg  am  Neckar  ist  unlängst  von  Stark  in  diesen  Jahr- 
büchern^) beschrieben  worden.  Dagegen  ist  das  in  den  Felsen  ge- 
hauene Denkmal  bei  dem  früher  hessenhomburgischen  Dorfe  Schwein- 
schied, welches  in  diesen  Jahrbüchern  lY,  S.  94  irrthümlich  als  Mi- 
thräum  bezeichnet  worden  ist,  und  in  seinem  Hauptbilde  einen  Reiter 
vorstellt,  wie  Engelmann  mit  Ilecht  hervorhebt,  kein  solches,  sondern 
scheint  vielmehr  das  Grabdenkmal  eines  im  Kampfe  gefallenen  Helden 
zu  sein ').  Drei  grosse  Denkmale  dieser  Art,  auf  denen  ein  Reiter  dar- 
gestellt ist,  unter  dem  ein  gefallener  Krieger  sich  mit  dem  Schilde 
deckt,  enthält  das  Mainzer  Museum.  Auch  ist  dieses  Bild  als  Revers 
auf  Münzen  häufig.  Die  neben  dem  Hauptbilde  von  Schweinschied 
dargestellten  Figuren  scheinen  indessen  doch  auf  die  Mithrasverehrung 
sich  zu  beziehen,  wovon  später  die  Rede  sein  wird.  Auf  den  beiden 
Silberplatten  des  Berliner  Museums,  die  Gerhard  ^)  beschrieben  hat, 
ist  der  sonst  streitbare  Gott  Jupiter  Dolichenus  nackt  vorgestellt,  in 
dem  einen  Bilde  ist  aber  an  den  vier  Ecken  des  Reliefs  ein  bewafif- 
neter  Flügelknabe  dargestellt,  und  der  Gott  selbst  hält  einen  mit  einer 
Pfeilspitze  versehenen  Herrscherstab;  in  beiden  Bildern  hält  er  Pfeile, 
in  dem  einen  auch  einen  in  Pfeilspitzen  endenden  Donnerkeil  in  der 
Hand.  Gerhard  vetmuthet,  dass  diese  Reliefs  von  einem  rheinischen 
Funde  herrühren. 

Das  grosse  Heddernheimer  Mithrasdenkmal  ^),  welches  im  Museum 

^)  Erster  Bericht  des  Vereins  für  Erforschung  upd  Sammlang  von  Alter- 
thümern  in  den  Kreisen  St.  V^eudel  und  Ottweiler.  Zweibrücken,  1838,  Tab.  IIl 
Fig.  1. 

«)  Jahrb.  XLIV  und  XLV.  1868. 

'}  Neunter  Bericht  des  antiquar.  histor.  Vereins  für  Nahe  und  Hunsrücken. 
1867—68;  und  Jahrb.  XLVI.  1869.  S.  169. 

*)  Jahrb.  XXXV.  1868.  S,  31. 
'  *)  F.  G.  Habel,  die  Mithrastempel    in  den  röm*  Ruinen  bei  Heddemheimj 


ite  Ein  römischer  Fund  in  Bandorf  bei  Oberwinter. 

von  Wiesbaden  aufgestellt  ist,  wird  schon  von  N.  Müller  mit  Recht 
als  das  vorzüglichste  und  werthvollste  von  allen  bezeichnet.  Hier  wur- 
den zwei  Mithrastempel  entdeckt,  in  die  man  zwar  auf  sieben  Treppen- 
stufen hinabstieg,  die  aber  doch  grösstentheils,  wie  man  schliessen 
muss,  überirdische  Bähten  waren.  Beide  bildeten  ein  Mittelschiff  mit 
zwei  Seitenschiffen,  am  Ende  des  ersten  befand  sich  das  Sacrarium,  in 
welchem  das  grosse  drehbare  Mithrasbild  des  einen  Tempels  sich  be* 
fand.  Bei  dem  zweiten  Tempel  bildet  der  mittlere  Raum  geradezu  ein 
Kreuz.  Wenn  der  von  Habel  nach  den  Mauerresten  entworfene  Grund- 
riss  dieser  Gebäude  zuverlässig  ist,  so  muss  die  dem  Bau  der  christ- 
lichen Kirche  entsprechende  Einrichtung  als  höchst,  auffallend  bezeich- 
net  werden.  Das  Mithrasbild  in  dem  abgesonderten  nach  aussen  vor- 
springenden Räume  am  Ende  des  Mittelschiffs  steht  an  der  gleichen 
Stelle  wie  der  christliche  Altar  im  Chor.  Man  würde  das  sich  drehende 
Mithrasbild  vielleicht  dem  drehbaren  Tabernakel  vergleichen  dürfen, 
wenn  nicht  dieses  erst  im  12.  Jahrhundert  in  Gebrauch  gekommen 
wäre  und  keineswegs  allgemein  diese  Einrichtung  hat.  Lajard  hatte 
behauptet,  die  Eingänge  zu  den  Mithrastempeln  seien  meistens  gegen 
Norden  gelegen,  bei  diesen  beiden  Tempeln  findet  er  sich  gegen  Sü- 
den. Der  muthmassliche  Eingang  in  das  Gebäude  von  Bandorf  war 
auch  an  der  Südseite.  Die  H^ddemheimer  Denkmale  bieten  noch  meh- 
rere Eigenthümlichkeiten,  die  auf  unsern  Bandorfer  Fund  einiges  Licht 
zu  werfipn  scheinen.  Das  häufige  Vorkommen  blosser  menschlicher  Köpfe 
in  den  Reliefdarstellungen  des  grossen  Mithrasbildes  gestattet  die  An- 
nahme^ dass  der  jedenfalls  einen  Gott  darstellende  Kopf  aus  Sandstein, 
dem  wir  einen  bei  Schwarzerden  gefundenen  Mithras-  oder  Attiskopf  an 
die  Seite  stellten,  eine  ähnliche  Aufstellung  auf  Steinblöcken  hatte, 
wie  es  vier  Köpfe  in  dem  das  Hauptbild  umgebenden  Rahmen  des  gros- 
sen Mithrasdenkmals  zeigen.  Habel  hat  nur  an  dem  einen  Kopfe  oben 
rechts ')  es  deutlich  gezeichnet,  dass  der  Kopf  mit  glatter  Fläche  am 
Halse  endet  und  gleichsam  aus  einem  Haufen  von  Steinen  hervor- 
kommt.  Betrachtet  man  das  Denkmal  selbst,  so  scheinen  auch  die 
übrigen  drei  entsprechenden  Köpfe  aus  Steinen  hervorzuwachsen,  wie 
auch  noch  die  Gestalt  eines  Kindes  und  der  halbe  Leib  eines  Mannes 
gleichsam  aus  Felsen  hervorgehen.    Auch  ist  ein  Mensch  dargestellt, 


Annalen  des  Vereins  für  nassauische  Alterthumskunde  nnd  Gteschiditsforsohung. 
Wiesbaden,  1830.  1.  B.  2.  u.  3.  Hfl.  S.  161. 
')  Habel  a.  a.  0.  Tab.  L 


Ein  römischer  Fund  in  Bandorf  bei  Oberwinter.  185 

<)er  aus  einem  Baume  hervorwächst.  In  dem  zweiten  Mythräum  von 
^ieddemheim  sind  zwei  Bildwerke  *)  gefunden  worden,  die  wahrschein- 
lich Bruchstücke  eines  grössern  Mithrasbildes  sind,  sie  stellen  ?wei 
^albe  Jünglinge  dar,  welche  aus  Steinen  emporwachsen.  Die  von  Bram- 
^ach  unter  den  Inscriptiones  spuriae  (Append.  p.  361.  Nr.  23)  aufge- 
^^ährte  Inschrift  Deo  Invito  Mithir  Secundinus  dat  befindet  sich  nach 
\iersch,  Centralmuseum  rheinl.  Inschriften  in  1842,  Nr.  148,  auf  einer 
zu  Neuss  befindlichen  Bronzestatuette,  die  im  Besitze  der  Frau  Hertens 
in  Bonn  war.  Sie  stellte  eine  jugendliche  Gestalt  dar,  die  einen  Schild 
mit  einer  Schlange  hält,  worauf  jene  Worte  stehen.  Lersch  bemerkt 
dazu :  Secundiner  müssen  den  Mithrasdienst  sehr  verbreitet  haben,  und 
verweist  auf  sein  Gentralm.  n  Nr.  17,  wo  dieselbe  Inschrift  auf  einem 
bronzenen  Votivtäfelchen  vorkommt,  das  oben  in  ein  Mithrasbild  aus- 
läuft, zu  dem  sich  eine  Schlange  emporwindet.  Dies  Bronzetäfelchen 
ist  im  Bonner  Universitäts-Museum;  auch  seine  Aechtheit  wird  von 
Overbeck  (vgl.  Katalog,  1851,  Abth.  11.  1,  Nr.  21)  für  zweifelhaft  ge- 
halten, wiewohl  dieselbe  Inschrift  noch  einige  Mal  vorkommt.  Lersch 
inl  aber,  wenn  er  meint,  dasselbe  sei  als  in  Lyon  befindlich  von  Gru- 
ter  XXXin.  11  abgebildet  worden.  Denn  N.  Müller*)  giebt  in  seiner 
Mithrasgallerie  Fig.  15  die  Zeichnung  eines  Votivsteines  mit  derselben 
Inschrift,  der  ein  vielbesprochenes  Denkmal  ist  und  aus  Lyon  stammt. 
Auf  diesem  Steine  steht  ein  Kopf,  der  nach  Art  der  Mithrasbilder  aus 
demselben  hervorzukommen  scheint;  um  den  Stein  windet  sich  eine 
Schlange  empor.  Schon  vor  piehr  als  250  Jahren  hielt  der  Florentiner 
Symeoni  dies  Denkmal  für  einen  dem  Aesculap  geweihten  Votivstein. 
Müller  begreift  nicht,  wie  dieser  Forscher  die  auffallende  Inschrift  an 
der  Seite  des  Steins:  Deo  Invi(c)to  Mithir  Secundinus  dat  übersehen 
haben  soll  und  spricht  ebenfalls  die  Vermuthung  aus,  dass  sie  ge- 
fälscht sein  könne.  Die  Art  der  Aufstellung  des  Kopfes  spricht  für  die 
Aechtheit  des  Steines  und  der  Inschrift  und  es  ist  deshalb  auch  kein 
Orund  vorhanden,  an  der  Aechtheit  der  übrigen  gleich  lautenden  In- 
schriften zu  zweifeln.  Die  Darstellung  blosser  Köpfe  auf  Mithrasbildern 
ist  auch  sonst  beobachtet.  Im  Mainzer  Museum  befindet  sich  das  Bruch- 
stück eines  Mithrasaltars,  der  mitten  auf  dem  Markte  der  Stadt  ge- 
funden worden  ist.  Im  viereckigen  Felde  ist  ein  Kopf  mit  phrygischer 
Mütze  dargestellt;  daneben  steht  ein  Schütze  mit  Mantel  und  phrygi- 


1)  Habel  a.  a.  0.  Tab.  lY  Flg.  4  u.  5. 
*)  N.  MüUer  a.  a.  0.  S.  17. 


186  Ein  römischer  Fand  in  Bandorf  bei  Oberwinter. 

scher  Matze,  er  schiesst  auf  eine  Gestalt,  die  im  Hiutergrunde  des 
Bildes  aus  dem  Felsen  kommt.  Mitbras  selbst  wird  als  der  Steinge- 
bome  geschildert.  Die  vier  Hermesköpfe  auf  den  Ecken  des  grossen 
Heddemheimer  Bildes  beweisen  einen  Zusammenhang  beider  Gott- 
heiten. N.  Müller  sagt  geradezu:  Mithras  und  Hermes  sind  so  nahe 
verwandt,  dass  Mithras  in  mehrfacher  Beziehung  Hermes  und  dieser 
ebenso  Mithras  ist.  Er  weist  auf  ein  von  Schöpflin  ^)  veröffentlichtes 
Mercurbild,  das  auf  den  vier  Ecken  ebenfalls  vier  Köpfe  zeigt,  die, 
wie  er  glaubt,  die  vierfache  Natur  des  Mercur  bezeichnen,  den  Götter- 
boten, den  Orakelgeber,  den  Beschützer  des  Verkehrs  und  den  Führer 
der  Träume.  Erwägt  man  diese  Beziehungen,  so  möchte  doch  vielleicht 
der  Hermesacker  in  der  Nähe  des  Mithrasaltars  zu  Bandorf  aus  einer 
solchen  sich  erklären.  Ein  Brunnen  fliessenden  Wassers,  auf  welchen 
unsere  Neptunstatue  deutet,  scheint,  wie  die  oben  erwähnte  Inschrift 
von  Tivoli  schon  zeigte,  den  Mithräen  nicht  fremd  zu  sein.  In  dem 
zweiten  Mithräum  von  Heddemheim  fand  sich  ein  kleiner  Löwe  aus 
Sandstein'),  der  zum  Wasserausgusse  durchbohrt  ist.  Im  südlichen 
Frankreich  befindet  sich,  wie  Habel  mittheilt,  das  bei  Bourg  St.  Andeol 
in  den  Felsen  eingehauene  Mithrasbild  zwischen  zwei  hervorrieselnden 
Quellen.  Auch  das  Felsenbild  bei  Schweinschied,  dessen  Hauptdarstel- 
lung, wie  bereits  oben  angegeben  ist,  gewiss  kein  Mithrasdenkraal  ist, 
welches  aber  in  seiner  ganzen  Anordnung  mehrerer  neben  einander- 
stehender  Bilder  von  symbolischer  Bedeutung  doch  lebhaft  an  diese 
erinnert,  wie  insbesondere  durch  die  unverkennbare  Figur  eines  Attis  * 
und  den  Oel-  oder  Lorbeerbaum,  wie  er  auch  auf  anderen  Mithrasbil« 
dern  vorkommt,  lässt  uns  in  dem  Seepferd  eine  Darstellung  wahrneh- 
men, die  in  den  Vorstellungskreis  des  Gottes  Neptun  gehört;  denn 
Poseidon  auf  dem  von  Hippokampen  gezogenen  Wagen  dahinfahrend 
oder  Nereiden  auf  Hippokampen  reitend  sind  gewöhnliche  Darstellun- 
gen der  griechischen  Kunst.  Doch  könnte  dies  Thierbild  an  dem  Dcjpk- 
mal  auch  als  das  Zeichen  der  römischen  Gehörte  angebracht  sein,  die 
dasselbe  errichtet  hat.  Zuweilen  verräth  uns  nur  eine  einzelne  Figur 
auf  Denkmälern  die  Verehrung  des  Mithras,  wie  die  trauernde  Gestalt 
des  Gottes  Attis  auf  den  Denksteinen  römischer  Soldaten,  die  in  Bin- 
gerbrück  gefunden  sind  und  in  der  Sammlung  zu  Kreuznach  aufbe- 
wahrt werden. 


1)  Alsaüa  in.  p.  4S7,  Tab.  IV. 
»)  Habel  a,  a.  0.  Tab.  V  Fig.  7. 


,^  ' 


Ein  römisoher  Fund  ia  Bandorf  bei  Oberwinter.  187 

Der  kleine  Ort  Bandorf  hat,  wie  der  vorliegende  Fund   zu  be- 
weisen scheint,  vor  sechszehnhundert  Jahren  eine  grössere  Bedeutung 
gehabt  wie  heute,  und  es  lag  die  Aufigabe  nahe,  zu  erforschen,   ob 
über  die  Geschichte  dieses  Ortes  in  späterer  Zeit  etwas  in  Erfahrung 
zu  bringen  sei.    Das   massive  Haus  mit  hohem  Dach,  welches  Herr 
Loosen  bewohnt,  das  einzige  ansehnliche  Gebäude  des  Dorfes,  scheint 
der  Eest  einer  alten  Burg  zu  sein,  es  heilst  nodi:  »der  Thurm«  und 
war,  wie  alte  Leute  angeben,  früher  mit  einem  Weiher  umgeben.  Es 
hat    im  Erdgeschoss  5  Fuss    dicke  Mauern    und  ein  rund  gewölbtes 
Thor.    Die  Ecken  desselben  sind  mit  starken  Quadern  aus  Drachen- 
felser  Trachyt  gebaut  und  an  der  Nordseite  sind  noch  zwei  vorstehende 
Xragstelne  übrig  von  einem  Balkon  oder  einem  Aborte.  Die  unter  dem 
Dache  angebrachten  eisernen  Anker  stellen  die  Jahreszahl  1657   dar 
und  bezeichnen  jedenfalls  nur  die  Zeit   einer  Erneuerung  des  innern 
Holzbaues  oder  des  Daches.    Dieses  feste  Gebäude,  das  in  der  That 
-wie  ein  Thurm  über  alle  andern  Häuser  emporragt,  könnte  recht  wohl, 
wie  manche  mittelalterliche  Burg,  römischen  Ursprungs  sein.  Eine  der 
ohen  geschilderten  römischen  Wasserleitungen,  die  auf  langen  Strecken 
in  den  Feldern  bei  Bandorf  noch  erhalten  sind,  geht  in  gerader  Rich- 
tung auf  dieses  Haus  und  hat  wohl  schon  den  römischen  Fischweiher, 
das  Yivarium,  mit  Wasser  versehen.  Da  mir  die  Angabe  gemacht  war» 
<la8S  das  Gehöfte,  wozu  dieses  Haus  gehört,  bis  zum  Jahre  1808  dem 
Hospital  zum  h.  Lambertus  in  Düsseldorf  angehört  hatte,  so  ersuchte 
ich  die  Herrcy»  Archivräthe  Dr.  Harless  in  Düsseldorf  und  L.  Eltester 
in  Coblenz  um  gefällige  Nachforschung  über  dieses  Besitzthum,  welcher 
£itte  dieselben   in   dankenswerther  Weise  bereitwilligst  entsprachen. 
Ans  den  Mittheilungen  geht  hervor,  dass  dieser  Ort  auch  im  Mittel- 
silter  ein  in  Urkunden  oft  genannter  ist  und  sogar  einem  angesehenen 
Hittergeschlechte  den  Namen  gab.  Dr.  Harless  schreibt  darüber:  »Die 
Ijandeshoheit  über  die  Herrlichkeit  Winter  (Ober-  oder  Lützeiwinter) 
uit  den  Kirchspielen  Birgel,  der  Mutterkirche  und  Oberwinter, 
der  Filiale,  war  zwischen  Jülich-Berg  und  Kur-Köln  streitig.  Pfalzgraf 
I*riedrich  IV   hatte  die  beiden  Kirchspiele   als   pfalzgräfliche  Passiv« 
Xieben  der  Herren  zu  Tomberg  und  Landskron  im  Jahre  1565  dem 
Herzoge  Wilhelm  HI  von  Jülich-Cleve-Berg    tauschweise   überlassen, 
demnach  war  letzterer  Chorherr  daselbst  geworden.  Nichtsdestoweniger 
steht  im  Jülich'schen  Geistlichen  Erkundigungsbuch  von  1676,  Ober- 
winter sei  zu  Köln  gehörig  und  die  Eickholt'sche  Beschreibung  des 
Erzstiftes  Köln  führt  Birgel  und  Klein-Winter  ftls  Ortschaften  im  Amte 


188  Em  römiacher  Fand  in  Buidorf  bei  Oberwintar.  • 

Godesberg-Mehlem  an.  Die  Kölnischen  Rechte  gründeten  sich  aof  eine  * 
PfandYerscbreibung  von  1420  seitens  Friedrich  von  J'omberg  und 
Landskron  zu  Onnsten  £rzbischofs  Dietrich  II  von  Köln.  Die  Spezial- 
Akten  über  das  kombinirte  JQlich'sche  Amt  Sinzig-Remagen,  wozu 
jeden&Us  der  jetzige  Weiler  Bandorf  gehört  hat,  sind  zur  Zeit  der 
Fremdherrschaft  an  das  damalige  Präfektur- Archiv  des  Rhein-  und 
Mosel-Departements  nach  Goblenz  gelangt  Aus  dem  Staats-Archiv  zu 
Coblenz  hat  wohl  von  Stramberg  seine  Angaben  geschöpft,  die  er  im 
Rhein.  Antiquarius  III.  Abth.,  9.  Bd.  S.  387  mittheilt.  Danach  hat  das 
Düsseldorfer  Hospital  seinen  Hof  zu  Bandorf  einem  Bürgermeister  von 
Beyweg  abgekauft;  ursprünglich  hat  derselbe  den  Herrn  von  DoIIen- 
dorf  zugehört. a  Dr.  Harless  bemerkt  nun  femer:  »was  die  alte  Na- 
mensform von  Bandorf  betrifft,  so  glaube  ich  diese  mit  Wahrschein- 
lichkeit in  dem  Bacherendorp  wiedererkennen  zu  dürfen,  welches  in 
der  Schenkungs-Urkunde  der  Königin  Richeza  an  die  Abtei  Brauweiler 
vom  7.  Sept.  1054  genannt  wird  (Lacombl.  ü.  B.  I  Nr.  189,  p.  121). 
Die  Hauptstellen  dafür  sind  bei  Guden,  Cod.  diplom.  II  p.  1289  und 
13 15. in  der  Landskroner  Urkunde  vom  Jahre  1441  und  1450,  wo  ein- 
mal Wyntern,  Birgel,  Bacherendorp  und  Entzfelt  zusammen  als  Pfal- 
zisches Lehen  genannt  werden,  und  dann  es  heisst:  solich  manlehen, 
nemelich  die  Krispel  und  Gericht  zu  Winteren  und  zu  Birgel  mit 
Bachendorff  und  Entzfelt,  die  zu  Birgel  gehorich  sint  Von  Baggerdorp 
oder  fiacherdorp  führt  ein  ritterliches  Geschlecht  den  Namen.  Reinol- 
dus  de  Baggerdorp  (1276)  kommt  vor  bei  Guden,  Cod.- diplom.  H  p. 
963  (1280),  ebendas.  S.  969.  Giselbert  de  Bacherdorp  (1298)  ebendas. 
S.  977.  Im  Lehnregiäter  der  Abtei  Deutz  1318  steht:  Reynoldus  de 
Baggerdorp  recepit  quandam  dedmam  ibidem.«  Da  sich  ein  Ort  Ba- 
cherdorf in  der  Nähe  der  genannten  Orte  nicht  findet,  so  dürfen  wir 
wohl  mit  Harless  in  Bandorf  das  alte  Bacherendorp,  welches,  wie  er 
meint,  an  Bacharach  erinnert,  wiedererkennen.  Archivrath  Eltester  be- 
stätigt, dass  der  alte  Name  von  Bandorf,  nämlich  Baggerdorp  und 
Bacherdorp  auch  im  Coblenzer  Archiv  urkundlich  nachweisbar  ist  Dort 
befindet  sich  auch  das  Siegel  des  bei  Guden  II  p.  963  erwähnten 
Reynoldus  de  Ba^erdorp^  welches  einen  Adler  mit  Turnier-Krempen 
zeigt.  »Der  Adler  ist  sowohl  das  Wappen  des  grossen  Geschlechts  von 
Sinzig,  wovon  auch  die  Burggrafen  von  Landskron  stanunen,  an- 
knüpfend an  den  Adler  des  deutschen  Reiches,  dessen  sehr  getreue 
Ministerialen  sie  Waren,  als  auch  des  Edelherrengeschlechtes  von  Dol- 
lendorf (bei  Blankenheim  an  der  obern  Ahr).  Diese  müssen  die  jfingern 


Bin  rdmiicher  Fand  in  Ba&dorf  bei  dberwinler.  180 

86hne  oder  deren  Nachkommen  von  den  von  Bachendorp  gewesen  sein ; 
die  letzten  dieses  Namens  sind  zwei  Schwestern  Katharina  und  Nese 
(Agnes)  von  Bachendorp^  wovon  die  erste  1376  an  Roland  von  Vilpge 
(Vilip)  vefheirathet,  die  ^andere  Nonne  zu  Eppinghoven  war.«  Der  in 
den  Urkunden  erwähnte  Ort  Entzfelt  ist  verschwanden,  kommt  aber 
in  der  Fhirbezeichnung  noch  vor,  die  quellenreichen  Wiesen  bei  Ban- 
dorf heissen  die  Einsfelder  Wiesen.  Wie  schnell  sich  die  Sage  emes 
'  solchen  Ereignisses  bemächtigt,  zeigt  sich  hier,  indem  die  Landleute 
erzählen,  nahe  bei  Bandorf  habe  eine  Stadt  gestanden,  die  durch  den 
vulkanischen  Ausbruch  des  Rodderberg  verschüttet  worden  sei,  Sie 
geben  an,  im  Walde  sehe  man  noch,  dass  der  Boden  beackert  ge- 
wesen,  auch  stosse  man  auf  Mauerreste  von  Gebäuden,  und  es  fänden 
sicknoch  verwilderte  Weinreben  daselbst. 

Fragen  wir  endlich,  ob  f&r  eine  römische  Niederlassung  im  Thale 
von  Bandorf,  abgesehen  von  der  warmen  geschützten  Lage  des  Ortes 
an  einem  alten  Heerwege,  nicht  vielleicht  noch  besondere  Ursachen 
von  Einfluss  gewesen  sind,  so  können  wir  diese  allerdings  in  dem  Me- 
tallreichthum  der  nächsten  Umgebung  finden,  in  welcher  noch  heute 
mehrere  Bergwerke  Kupfer-,  Blei-  und  Eisenerze  ausbeuten.  Wie  sehr 
die  Römer  bei  ihren  Kriegen  und  Eroberungen  am  Rheine  die  Gewin- 
nung der  Natui'schätze  des  Bodens  sich  angelegen  sein  liessen,  dafür 
haben  wir  zahlreiche  Beweise  zur  Hand.  Bei  dem  grossen  Kupferwerk 
Josephsberg  an  dem  auf  der  andern  Rheinseite  unserm  Fundorte  fast 
gegenüber  gelegenen  Virneberge  bei  Rheinbreitbach  hat  man  in  einer 
uralten  bemoosten  Berghalde  am  Ausgehenden  des  Erzganges  eine 
Münze  des  Antoninus  pius  gefunden  ^) ;  der  durch  die  Eifel  nach  Göln 
hinführende  ROmerkanal  steht  mit  seinem  Fundamente  an  einer  Stelle 
bei  Clommem  auf  einer  alten  Halde ;  diese  Bleibergwerke  waren  also 
schon  vor  Erbauung  des  Kanals,  die  wahrscheinlich  unter  Trajan  und 
Hadrian  stattfand,  im  Betriebe ;  hier  beobachtete  Flach  im  Jahre  1866, 
dass  sich  4  Fuss  Torf  über  einer  alten  Halde  fanden,  unter  dieser  war 
wieder  eine  Torfschicht  und  darunter  wieder  eine  alte  Halde.  In 
dem  Bleibergwerk  zu  Roggendorf  bei  Gommern  wurden  auch  jene 
seltsamen  aus  Saüdsteinkugeln  gehauenen  fratzenhaften  Köpfe  >)  ge- 
funden, denen  man  nicht  wohl  einen  andern  als  römischen  Ursprung 
zuschreiben  kann,  und  in   dem  Bleibergwerk   bei  Keldenich  kürzlich 


')  F.  Wurzer,  Taschenbuob  zur  Bereisong  des  Siebengebirges,  Göln,  1806. 
*)  Verhaadl.  des  naturluBt.  V.  Bonn  1862,  Sitzungsber.  S.  aOl. 


140  Ein  römiwher  Fand  in  Bandorf  bei  Oberwintar. 

ein  Erztrog  aus  BucheohoLfi  uud  auf  derselbeu  Sohle  des  alten  Stollens 
mehrere  römische  Münzen  und  eine  Fibula;  in  Commem  selbst  sind 
die  Fundamente  römischer  Häuser  aufgedeclct  worden.  Vielleicht  ist 
auch  die  Braunkohle  schon  von  den  Römern  gewonnen  worden.  Auf 
den  Brauokohlengruben  Urwelt  und  Fortuna  zwischen  Quadrath  und 
.  Oberaussem  sind,  freilich  nur  in  der  die  Braunkohle  bedeckenden  Erd- 
schicht, nach  den  mir  von  Herrn  Kaplan  Dornbusch  in  Cöln  gemach- 
ten Mittheilungen,  häufig  römische  Gefässe  und  Münzen  und  auf  der . 
letztgenannten  Grube  der  Stein  einer  Handmühle  in  3  Fuss  Tiefe  und 
beim  Ebenen  einer  alten  Halde  5  runde  Steinperlen  gefunden  worden. 
Auch  Aschentöpfe  und  SteinwaiTen  fanden  sich  in  der  Nähe  der  Gru- 
ben, die  ganze  Umgegend  ist  reich  an  römischen  Alterthümern.  Auf 
der  Grube  Blissenbach  bei  Engelskirchen,  wo  Blei-  und  Zinkerz  ge- 
wonnen wird,  sind  römische  Münzen  und  Bronzegeräthe,  darunter  ein 
Waagebalken  mit  Bingelchen,  auch  Steingeräthe  in  alten  Halden  nach 
Aussage  des  Herrn  H.  Mülhens  gefunden  worden.  Bei  dem  Bergwerk 
Silberkaul  zu  Uckerath  hinter  dem  Siebengebirge,  wo  noch  heute 
Blende  gewonnen  wird,  finden  sich  so  grossartige  alte  Bauten,  dass  schon 
Engels  ^)  die  Ansicht  aussprach,  dieselben  möchten  von  den  Römern 
herrühren.  Er  führt  die  Stelle  des  Tacitus  an,  Annal.  XI,  Gap.  20, 
worin  dieser  eines  Silberbergwerks  erwähnt,  welches  der  Feldherr 
Gurtius  Rufus  in  dem  agro  mattiaco  betrieb  und  von  welchem  Habel 
in  dem  Nassau-Usingischen  Amte  Naurod  bei  Idstein  deutliche  Spuren 
entdeckt  haben  wollte.  Der  Zusatz  et  quia  plures  per  provincias  similia 
tolerabantur  lasse  vermuthen,  dass  dergleichen  Schürfarbeiten  den 
römischen  Legionen  mehrfach  auferlegt  worden  seien.  Engels  führt  an, 
dass  schon  Werner  der  Ansicht  gewesen,  der  deutsche  Bergbau  habe 
in  den  Rheingegenden  seinen  Ursprung  gehabt,  indem  seit  dem  Ver- 
falle der  römischen  Herrschaft  derselbe  zuerst  in  denjenigen  Theilen 
des  alten  Galliens,  welche  der  Rhein  begrenzte  und  namentlich  in  den 
Ländern  von  Limburg,  Aachen  und  MaiAZ  stattgefunden,  von  dort 
aber  sich  nach  Franken,  dem  H^rz  und  weiter  nach  Sachsen  hin  ver- 
breitet h^^be.  Zahlreiche  römische  Denkmäler,  die  in  den  Tuffsteingru- 
ben des  Brohlthales  entdeckt  worden  sind,  beweisen  die  Anwesenheit 
der  Römer  daselbst ;  auch  in  den  Tuffgruben  zu  Kretz  ^)  wie  bei  Pleidt 


')  J.  D.  Engels,  Ueber  den  Bergbau  der  Alten  in  den  Ländern  des  Bhei- 
nes,  der  Lahn  nnd  der  Sieg.  Siegen  1808,  S.  13  u.  S7. 
')  Yerhandl.  a.  a.  0.  1W9,  S.  U3. 


Ein  römischer  Fand  in  Bandorf  bei  Oberwinter.  141 

und  Kraft  in  der  Nähe  von  ÄDdernach  fehlen  die  römischen  Funde 
nicht  Der  letzte  Ort  hat,  wie  Nöggerath  vermuthet,  daher  seinen  Na* 
men,  dass  der  Tuff  hier  ehemals  in  unterirdischen  stollenähnlichen  Aus- 
höhlungen gewonnen  wurde.  Dje  Gegend  von  Niedermendig  und  Mayen  ^) 
ist  reich  an  den  Spuren  römischer  Ansiedelungen,  in  den  Basaltgruben 
des  letztern  Ortes  fand  man  römische  Aschenurnen ;  und  sehr  häufig  . 
kommen  in  den  Ruinen  römischer  Gebäude  vom  Rheine  ab  bis  in  das 
Innere  von  Deutschland  und  die  Schweiz  kleine  zu  Handmühlen  be- 
stimmt gewesene  Mühlsteine  aus  niedermendiger  Lava  vor').  Die  Rö- 
mer brachen  den  Trachyt  des  Drachenfels  wie  den  von  Berkum  ^).  Zu 
diesem  Orte  führt  die  Strasse  von  Remagen  durch  das 'Thal  von  Ban- 
dorf. Dass  die  Römer  auch  bereits  Basaltbrüche  am  Rhein  angelegt 
hatten,  beweist  ein  Fund,  der  in  Folge  des  im  Jahre  1846  bei  Ober- 
wint^  stattgehabten  Bergschlüpfes  ^)  gemacht  wurde.  Beim  Wegräu- 
men des  Schuttes  faüd  man  zwischen  den  alten  Basaltwänden,  ohnge- 
fähr  in  der  Höbe  der  vorbeiführenden  Landstrasse  einen  römischen, 
dem  Hercules  gewidmeten  Altar  aus  Tuif,  unter  dem  nach  dem  Be- 
richte eines  Augenzeugen,  des  Geometer  Schäfer,  noch  mehrere  mäch- 
tige Tuffquadem  lagen,  die  wohl  das  Fussgestelle  des  Altai*s  gebildet 
hatten.  Als  im  Jahre  1857  an  dieser  Stelle  die  Rheinische  Eisenbahn 
gebaut  wurde,  kamen  die  Reste  einer  römischen  Wasserleitung,  die  in 
bekannter  Weise  durch  weite  Röhren  aus  gebranntem  Thon  hergestellt 
war,  zum  Vorschein.  Sie  kann  hier  nur  den  Steinbrechern  gedient 
haben  und  deutet  wie  der  Altar  auf  e!nen  ausgedehnten  und  nachhal- 
tigen Betrieb  des  auch  heute  noch  höchst  ergiebigen  Steinbruches 
schon  in  römischer  Zeit. 

Bonn,  den  30.  April  1873. 

H.  Schaaffhausen. 


»)  Jahrb.  LH  1872,  S.  156. 

*)  J.  Noggerath,  III.  Zeit.  Leipzig,  1868,  Nr.  786. 

')  Vgl.  J.  Nöggerath :  Zar  architektonisohen  Mineralogie  der  RheinproTii» 
10  Karsten's  and  ▼.  Deohen's  Arohiv  XVIU.  Berlin  1844,  S.  455. 

*)  J.  Nöggerath,  Der  Bergachlüpf  vom  20.  Dec.  1846  an  den  Unkeier  Ba- 
laltsteinbracben  bei  Oberwinter,  Bonn  1847. 


4.  Römische  Inschriften  vom  Mittelrhein. 


Alxei. 

l.  Votivaltar  der  Dea  Sulis,  von  rothem  Sandstein,  i.  J.  1872 
in  zwei  Theile  zerbrochen  aufgefunden,  so  dass  die  (bis  jetzt  unedierte) 
Inschrift  unten  theil weise  zerstört  ist: 

DEA- SV  U     Dea(e)  Sali 

AT  TON  IS    Attonius  * 
LVC/%NV5    Lucanus 


Der  Göttin  Sulis  Hess  Attonius  Lncanus  (diesen  Altar  errichten). 

Ueber  die  Dativform  Dea  s.  Bonner  Jahrbücher  XLII  S.  93  f. 
Die  Dea  Sulis  war  bis  jetzt  nur  durch  sechs  in  dem  englischen  Bade- 
orte Bath,  den  Ptolemäos  einfach  »warme  Quellen«,  das  Itinerariam 
Antonini  nach  der  besseren  Lesung  nAquaeSulisu  nennt,  aufgefundene 
Vitivinschriften  bekannt  gewesen,  von  denen  drei  sie  mit  der  Minerva 
identifizieren,  weiche  C.  Julius  Solinus  polyh.  p.  114  ed.  Mommsen  als 
Vorsteherin  der  Heilquellen  in  Britannien  bezeichnet:  vgl.  Archiv  für 
Frankfurter  Geschichte  und  Kunst.  N.  F.  III.  S,  17  f.  Unsere  Alzeier 
Yotive  ist  das  erste  Denkmal  der  Dea  Sulis  auf  dem  Festlande  und 
dürfte  für  die  uralte,  auch  in  anderweitigen  Spuren  vorliegende  Ver- 
bindung Britanniens  und  des  mittelrheinischen  Vangionenlandes  ein 
weiteres  Zeugniss  abgeben.  Der  Name  Attonius,  in  welchem  das  V 
verkleinert  über  das  I  gestellt  ist,  findet  sich  ebenso  wie  Lucanus  auch 
auf  anderen  Inschriften  der  Bheinlande:  vgl  Brambach  1336,  17Ö9  u. 
2003.  Die  obem  Theile  der  vier  vorletzten  Buchstaben  des  Wortes 
Lucanus  sind  zerstört,  vom  S  am  Schlüsse  findet  sich  kaum  noch 
eine  Spur. 

2.  Scheerenklinge,  i.  J.  1872  ebendort  gefunden,  mit  der  im  s.  g. 
Tremolierstich  ausgeführten  (unedierten)  Inschrift : 

SEN0CENN4^ 


Römische  Insohrifien  Tom  Mittelrheia. 


148 


Dieser  offenbar  gallo-römische  Namen  (wessen?  ist  schwer  zu  sagen) 
ist  gebildet  aus  dem  in  vielen  Personen-  und  Ortsnamen  vorkommenden 
Stamm  SEN  und  dem  mittels  des  Bindevokals  0  damit  verbundenen  Worte 

CENNA.  Von  erstgenanntem  Namtn  leitet  sich  der  erste  Theil  des  Na- 
mens der  Senones  ab,  dessen  Singularis  in  dem  Seno  (Steiner  cod.  inscr. 

n,  3289),  wohl  auch  in  den  MATRONAE  SENO vorliegt,  femer 

der  vicani  Senot(enBe0),  wie  auch  der  Personennamen  Senomagus,  Se- 
nomacflus,  Senognatus,  Senovir,  Senocondus,  Senodius,  über  welche 
Kuhn  und  Schleicher  Sprachvergleichende  Beiträge  III,  3  S.  358  und 
R.  Smith  collect  antiq.  lU,  2  p.  99  zu  vergleichen  sind.  Insbesondere 
aber  istunserm  Senocenna  der  Namen  Senodonna  bei  Grivaud  de  la 
Vincelle  antiq.  gaul.  et  rom.  II,  pag.  246  zur  Seite  zu  stellen.  Das 
Wort  cenna  findet  sich  vornehmlich  in  den  Ortsnamen  Nemetocenna 
und  Sumelocenne,  vielleicht  auch  in  dem  Namen  der  Göttin  Nitiogenna 
(Mr  Nitiocenna)  in  einer  römischen  Inschrift  der  Schweiz  bei  Mommsen 
Inscr.  Helv.  61. 

Bingen. 

3.  Grabstein  des  Metzgers  Gaius  Vescius  Primus,  im  Mai  1869 
in  der  Rochusstrasse  zu  Bingen  gefunden.  Das  mit  Laubwerk  (Mohn?) 
und  einer  Rosette  und  zwei  Delphinen  ausgefüllte  dreieckige  Giebel^ 
feld  ist  aber  seinen  oberen  Randleisten  mit  einer  Art  Stimziegeln  be- 
krönt; unter  der  Inschrift  ist  in  der  Mitte  ein  Ochsenkopf,  rechts  ein 
Schlachtmesser,  links  eine  Pfanne  mit  langem  Stiele,  ein  Beweis,  dass  G. 
Vescios  Primus  wirklich  ein  lanius,  ein  Metzger,  war,  nicht  blos  den 
Namen  führte;  ein  negot.  lanius  findet  sich  bei  Brambach  324.  Vgl. 
Mainzer  Wochenblatt  1869  Nr.  152  vom  3.  Juli,  6.  Spalte.  Archäolog. 
Ztg.  1869  N.  F.  II.  2  u.  3.  S.  30.  Ephemeris  epigraphica  Rom.  et 
Berol.  fasc.  1872.  p.  228: 


C  •  VESCiVSC  LIB 
PRIMVSLA/IVSHSE 
CVESCiVS  CFSEVR/S 
ETPERECR'NAC- 
VESCIFILIAFECER/ 
NT  PER  A/CTOREM 
TVTOREMCVESCIO 
G'LlB   VAARO 


Gaius  Vescius,  Gai  libertus, 
Primus,  lanius,  hie  Situs 
est.  Gaius  Vescius,  Gai  li- 
bertus, Severus  et  Pere- 
grina,  Gai  Vescii  filia, 
fecerunt  per  auctorem 
tutorem  Gaio  Vescio, 
Gai  liberto,  Vaaro. 


144  Römische  Inflchriften  vom  Mittelrhein. 

Gaius  Vescius  Primus,  des  Gaius  Freigelassener,  Metzger, 
liegt  hier.  Gaius  Vescius  Severus,  des  Gaius  Sohn,  und  Peregrina, 
des  Gaius  Vescius  Tochter,  Hessen  (diesen  Grabstein)  unter  dem  Bei- 
stande ihres  Vormundes,  des  Gaius  Vescius  Varus,  des  Gaius  Freige- 
lassenen, setzen. 

Deutlich  ist  die  Sigle  G  (nicht  C)  für  Gaius.  Der  Namen  Ves- 
cius ist  ein  sehr  seltener.  Nur  in  einer  römischen  Inschrift  bei  Gruter 
1149,  9  findet  sich  ein  T- VESCIS  -T-  F  •  VEL-TERTI,  wo  Gro- 
tefend'T  •  VESCI  •  ST  •  F-  VEL  •  TERTI  zu  verbessern  geneigt  ist.  Einen 
VESCINIVS  in  Rom  hat  Gruter  1000,  4  und  mehrere  in  Capua 
Mommsen  Insc.  Neap.  3855.  Was  die  Schreibweise  VAARO  für  VARO 
anlangt,  so  bietet  Gruter  998,  10  einen  VAARIVS  und  171,  8  einen 
a-BETILIENVSVAARVS.  Bei  dem  zu  dem  vorausgehenden  Ac- 
cusativ  nicht  stimmenden  Ablativ  des  Eigennamens  hat  dem  Ver- 
fasser der  Inschrift  offenbar  das  geläufigere  curante  oder  curam  agente 
u.  s.  w.  vorgeschwebt;   im  übrigen  findet  sich  per  in  ähnlicher  Weise 

gebraucht  bei  Brambach  754  u.  912.  Z.  3  ist  in  SEVRVS  uns  von 
einer  Ligatur  von  E  und  B,  wie  sie  Klein  und  Grotefend   annehmen, 

nichts  ersichtlich:  bei  Brambach  1223  ist  derselbe  Namen  SVERVS 
geschrieben,  lieber  den  Unterschied  der  Bedeutung  der  beiden  For- 
meln «per  Tutorema  und  i» Tutore  auctorea  im  römischen  Rechte  ist 
die  Ephem.  epigr.  a.'  a.  0.  mit  besonderm  Bezüge  auf  unsere  Inschrift 
ztt  vergleichen. 


Ü12  und  Umgegend. 

4.  Votivaltar  (Jupiter  und  Juno)  aus  Mainz,  nicht  mehr  vor- 
handen. Nach  einer  Mittheilung  des  Hm.  Prof.  Th.  Mommsen  in  einem 
uns  zugänglichen  Briefe  an  den  zu  Mainz  verstorbenen  Prof.  E.  Klein 
aus  dem  Jahre  1850  findet  sich  in  einem  CoUektaneenbande  der  Bogar- 
sischen  Sammlung  auf  der  Hamburger  Bibliothek  folgende,  so  viel 
bekannt,  bis  jetzt  nirgends  veröffentlichte  Votivwidmung,  mit  der 
Ueberschrift :  »zu  Maintz  auf  einem  Stein  unter  dem  Boden  gefunden, 
als  man  daselbst  geschautzet  hat.<(    Sie  lautet: 


\ 


Bdmiselie  Inschriften  vom  Hittelrhein.  146 

I    O   M  d-  b.  wol  Jovi  optimo  maximo 

ET  IVN    REG  et  Junoni  reginae 

OPOMPVA  Quintus  Pompejus  (Pom- 

LS^SVICGXXII  ponius)  Valens,  centurio 

PR  3P0SEESV  legionis  vicesimae  secundae 

I    O    M  primigeniae,  pro  se  et  suis 

(votum  solvens  posuit  laetus 
lubens  merito?) 

Juppiter,  dem  besten,  dem  grössten,  und  Juno,  der  Herrscherin, 
(Uess)  Quintus  Pompejus  (Pomponius)  Valens,  ZugfQhrer  der  22  Legion, 
der  erstgeworbenen,  für  sich  und  die  Seinigen  setzen  sein  Gelfibde 
gerne  und  freudig  nach  Gebühr  lösend). 

Z.  3,  4  u.  5  wird  von  Hm.  Prof.  Mommsen  verbessert:  Q*  POMP* 
VALENS  >  LEGXXII  PP  F  PRO  SE  ET  SVIS;  es  scheint  in- 
dess,  wie  öfter,  blos  P  R  CR  O  gewesen  und  das  I  O  M  am  Schlüsse 
der  Best  der  Votivformel  V  •  S  •  L  •  M  mit  vorausgehendem  P  zu  sein. 
POMP  l&sst  sich  entweder  in  das  auf  römisch-rheinischen  Inschriften 
nicht  seltene  POMPEIVS  (vgl.  Brambach  C.  I.  B.  Ind.  p.  373)  oder  in 
POMPONIVS  ergänzen;  em  T  POMPONIVS  VALENTINVS 
findet  sich  bei  Muratori  p.  737,  1. 

5.  Votivaltar  (Genius  einer  Genturie  d*  h.  eines  Zuges  von  Sol- 
daten) i.  J.  1877  in  Mainz  gefunden.  Auf  den  Nebenseiten:  rechts 
Opferbeil  und  langstielige  Opferschale,  links  Ausgusskanne  (praefae- 
culum),  Schöpfkelle  (patera)  und  ein  unbestimmbares  dreieckiges,  oben 
ausgezahutes  Opferinstrument,  auf  der  Vorderseite  die  (unedierte)  In- 
Bchrift: 

GENIO>         Genio  centuriae 
NIGIDI  *  Nigidii  Censorini  . 

C3M  S  O  U  N      AeUus  Verinus 
AEL  -  VERIN     architectus,  Gemi- 
A  R  C  H  i  "E  C     nius  Primus,  custos 

G  E  M  I  N  I  ^     armorum,  ex  voto 
PRIMVSC  *  A      suscepto  posuerunt 

EXV0T08V8CEPTP08VER 

Dem  Genius  (Schutzgeist)  der  Genturie  des  Nigidius  Censorinus 

10 


146  Romitche  InBehriften  vom  Mitteblieiii. 

Hessen  Aelitts  Verinus,  Ingenieur,  und  Geminius  Primus^  Waffeawart, 
in  Folge  eines  gethanenen  Gelübdes  (diesen  Altar)  erric)iten. 

Dem  Genius  einer  Centurie  sind  noch  mehrere  Votivinschriften 
des  Mainzer  Museums  gewidmet,  wie  bei  Brambach  1025,  1026,  1028, 
1029;  hierbei  und  sonst  pflegt  die  Centurie  öfter  durch   einen 
Namen,  wie  1029,  oder  durch  zwei,  wie  in  unserer  Inschrift  u.  1025, 
1102,   1103,   1104,    1105,    116,   1093,   1554,   1153,  seltener  durch  die 
drei  Namen  des  Centurionen  bezeichnet  zu  werden,  am  wenigsten  wol 
durch  das  vom  nomen  gentilicium  gebildete  Adjectiv,  wie  centuria  Clau- 
diana  (Brambach  2087),  Passiniana;  Lucaniana,  Hilariana  (Benier  Insc. 
d'Algärie  1125,  594,  664).  Die  Namen  des  Centurionen  Nigidius  Cen- 
sorinus  und  der  beiden  Soldaten  seiner  Centurie  Aelius  Verinus  und 
Geminius  Primus  sind  nicht  selten,  wie  die  Indices  bei  Gruter  und 
Muratori  bezeugen,  ihr   militärischer  Charakter  dagegen  um  so  be- 
merkenswerther,  als  der  eines  architectus  hier  zum  zweiten  Male 
(vgl.  Brambach  468)  auf  einer  römisch-rheinischen  Inschrift,   der  eines 
custos  armorum  aber  auch  nur  auf  einer  kleinen  Anzahl  römischer 
Inschriften  der  Rheinlande  vorkommt.  Die  Legion,  wozu  jene  Centurie 
und  die  beiden  Soldaten  gehörten,  kann  kaum  eine  andere  gewesen  sein, 
als  bei  Brambach  a.  a.  0.  unzweideutig  angegeben  ist,  nämlich  die  22.,  die 
so  lange  Zeiten  am  Mittelrhein  stationirt  war,   dass  die  ausdrückliche 
Bezeichnung  derselben  auf  solchen  Votivsteinen  als  selbstverständlich 
leicht  weggelassen  werden  konnte :  so  dürfte  es  auch  bei  den  ähnlichen 
Centuriensteinschriften  aus  Mainz   bei  Brambach  1028  und  1029  sein, 
in  welchen  gleichfalls  zwei,  beziehungsweise  ein  Dedikant,  und  zwar 
erstere  ohne  weitere  Bezeichnung  als  Soldaten,  genannt  sind,  während 
1025  und  1026  sich  ausdrücklich  auf  C!enturien  der  22  Legion  beziehen. 
Wie  der  Charakter  eines  custos  armorum  ist  nämlich  auch  dereines  archi- 
tectus hier,  wie  bei  Brambach  ein  militärischer.  Architectus') 
bezeichnete  ohne  Zweifel  bei  dem  römischen  Militär  diejenige  Truppengat- 
tung, welche  jetzt  Pionier-  und  Genietruppen  heissen.  So  wird  ein  sol- 
cher bei  Orelli  3489  zugleich  als  Soldat  zweier  prätorischen  Cohorten 


^)  Mit  der  Schreibvariante  arcitectns  bei  Mommsen  Insc.  Neapel. 
2485,  8916  (Marat.  947,  5  arquitectofi),  OreUi  1145,  Orelli-Henzen  5795,  5881, 
5892;  auch  in  einer  griechischen  Inschrift  ans  Alessandria  in  Oberitalien  bei 
MnraC  949,  6  steht  in  gleicher  Form  APXITEKT02,  während  sonst  mehr 
APXITEKTSIN  vorkommt,  insbesondere  als  machinarius  oder  Ingenieur  in 
einem  Bergwerke:  vgl  Beoker-Marquardt  Rom.  Alterth.  II,  2  p.  201.  f.  u.  III, 
2  p.  362,  486. 


Romiscbe  Inschriften  vom  Mitielrbein.  147 

bezeichnet,  bei  Orelli-Henzen  7420  a.  v.  als  solcher  der  3  Augustischen 
Legion :  auch  von  der  Flotte  zu  Misenum  wird  ein  solcher  ebendort 
6888  erwähnt;  ausgediente  Soldaten  der  prätorischen  Gohorten  und 
Legionen  werden  ebendort  6796  der  eine  als  architectus  armamentarii 
imp.  d.h.  des  kaiserlichen  Zeughauses,  ein  anderer  bei  Mommsen  a.  a. 
0.  2851  gradezu  als  architectus  Augustorum,  d.  h.  des  Kaiserlichen 
Hauses  bezeichnet.  Aber  auch  als  civile  Funktion,  und  zwar  von 
Freigeborenen,  Freigelassenen  und,  wie  es  scheint,  von  Sklaven  aus- 
geübt, erscheint  die  Bethätigung  des  architectus  auf  Inschriften ;  vgl. . 
Mommsen  a.  a.  0.  1323,  3308,  Murat.  982,  3,  976,  4,  972,  6,  Orelli 
1145,  Orelli-Henzen  5881,  5892;  Mommsen  3918,  2405,  2238,  Orelli 
4145,  2896  u.  a.  m.  Privat-Ingenieur  oder  Baumeister  scheint  der 
architectus  Nicanorianus  bei  Murat.  298,  3  gewesen  zu  sein.  Nicht 
minder  zahlreich  sind  die  Erwähnungen  der  militärischen  Funktion 
eines  Waffen-  oder  Zeugwartes,  armorum  custos,  welche 
Senfeca  de  Tranq.  3  mit  den  Worten:  qui  armamentario  praeest  be- 
zeichnet. Wie  der  architectus,  so  wird  auch  der  armorum  custos  zu- 
nächst als  Soldat,  miles,  des  betreffenden  Truppenkorps,  als  welche 
letztere  sich  bis  jetzt  jedoch  nur  die  Legionen  und  die  equites  singu- 
lares,  noch  nicht  aber  die  prätorischen  Gehörten  und  die  Stadtwache 
von  Rom  haben  nachweisen  lassen,  so  bei  4er  leg.  II  adiutrix,  leg.  IH 
augusta,  leg.  XXH  primigenia,  pia,  fidelis,  vielleicht  jedoch  auch  bei 
einer  kleineren  Truppenabtheilung,  einem  sogenannten  Numerus  (Bram- 
bach  1762):  vgl.  Murat.  855,  1,  Renier  Insc.  d'Algörie  1220,  556,  639, 
Ö14,  788,  888,  777,  793,  Grut.  568,  11;  Murat.  774,  3,  Brambach 
1294.  Bisweilen  scheint  man  auch  ausgedienten  Soldaten,  veterani, 
diesen  Posten  übertragen  zu  haben;  vgl.  Orelli  3500,  Grut.  568,  11, 
Mitth.  des  hist.  Ver.  f.  Steiermark  (1852)  III,  S.  98.  Zur  Bezeichnung 
desselben  bediente  man  sich  auch  mit  Weglassung  des  überdiess  CVST, 

CVS,  CV,  C    abgekürzten   Wortes   custos   des  Wortes   armorum 

schlechthin,  wie  bei  Renier  514,  556,  639,  778,  888,  Murat.  347,  2  0- 

Da  das  Wort  armorum   bei  dieser  Funktionsbezeichnung  eines 

armorum  custos  das  vorwiegende  ist,  so  erklärt  sich  einestheils  die 

Auslassimg  des  Wortes  custos,  anderestheils  die  constante  Voran - 


*)  Nahe  läge  es  dem  armaturae  oder  armatara  leg.  XXII  auf  zwei 
Mainzer  Inschriften  bei  Brambach  1068  und  1178  eine  gleiche  Bedeutung  beizu- 
legen, wönn  nicht  schon  Borghesi  in  den  Annal.  deFinst.  1839  p.  181  das  Wort 
armatara  hier  als  gleichbedeutend  mit  miles  erklärt  hätte. 


148  RömiBche  Inschrifben  vom  Mitteirhein. 

Stellung  des  armorum.  Erst  die  Inschrift  aus  Wachenau  bei Bram- 
bach  942  zeigt  ausgeschrieben  custos  armorum  ohne  nähere 
Bezeichnung  des  betreffenden  Truppenkorps,  gibt  aber  damit  auch  den 
Schlüssel  zur  sichern  Deutung  der  Sigle  CA  auf  unserer  und  an- 
deren römisch-rheinischen   Inschriften  bei  Brambach:  so  1762   der 

CAIIXNVM ferner  die  C  <  A  •  LEGXXIi    Magissius    Hibernus 

(Murat.  729,  3  =»  Orelli  1395),  Titus  Devillius  Victorinus  (Brambach 
1024),  Pervincius  Ursinus  (Brambach  1294);  diesen  Waffenwarten  der 
22  Legion  dürften  dann  ohne  Bedenken  der  Titus  Saturio  (Brambach 
942)  und  unser  Geminius  Primus  anzuschliessen  sein,  da  bei  dem 
langen  Aufenthalte  dieser  Legion  am  Rheine  kaum  eine  andere  ge- 
meint sein  kann ;  ebenderselben  gehörte  dann  auch  wohl  der  Secundus 
EX  .  C  •  A  der  Mainzer  Inschrift  bei  Brambach  1117  an,  deren  Schluss 

leider  durch  Abbruch  des  Steines  verloren  ist.  Was  die  dienstliche 
Stellung  des  custos  armorum  betrifft,  so  gehörte  er  zu  den  Unter- 
gebenen des  praefectus  castrorum,  Platzcommandanten,  dem  die  An- 
lage neuer  befestigter  Plätze,  sowie  die  Aufsicht  über  das  Kriegs-  und 
Festungsmaterial,  Geschütz,  Train,  Gepäck  oblag;  vgl.  Becker-Mar- 
quardt  Rom.  Alterth.  III,  2  S.  428.  —  Die  letzte  Zeile  unserer 
Inschrift  ist  in  viel  kleineren  Schriftzügen  gehalten,  so  dass  insbe- 
sondere die  3  letzten  Buchstaben  VER  in  eine  Ligatur  zusammenge- 
drängt sind. 

6.  Unediertes  Bruchstück  einer  oberhalb  Mainz  in  der  soge- 
nannten neuen  Anlage  gefundenen  Inschrift: 

D  I  I  N 
NONSP 
NAMHIC 
OTCARI 
PECTO 

Vorstehendes  Bruchstück  findet  sich  auf  einem  Zettel,  welcher  einem 
Exemplare  von  Fuchs  Alte  Geschichte  von  Mainz  U.  Einleitung  p.  XXY 
eingeklebt  und  mit  der  Anmerkung  versehen  ist :  »diess  ist  der  Stein, 
den  ich  ohnlängst  in  der  ehemaligen  Favorite  abgeschrieben  habe.« 
Die  Favorite  war  bekanntlich  das  kurfürstliche  Schloss,  welches  auf 
der  Stelle  der  heutigen  »Neuen  Anlagere  bei  Mainz  stand  und  L.  am 
Schlüsse  ist  ohne  Zweifel  die  Sigle  des  Namens  des  bekannten  Mainzer 
Inschriftenforschers  Friedrich  Lehne. 


k 


Rdmisohe  Insohriften  vom  Mittelrhem.  149 

7.  Grabstein  eines  Gallo-BSmers  aus  Sandstein  im  Anfange  des 
Jahres  1870  im  Felde  zuWechenau  bei  Mainz  aufgefunden;  das 
Giebelfeld  ist  mit  Arabesken  geschmückt.  Vgl.  Archäol.  Zeit  N.  F. 
1870,  m,  S,  53. 

PVSA  •  TROVCILLI  •  F  Pusa  Trougilli  fiUus 

AN  •  CXX  •  HIC  •  SITVS  annorum  centum  viginti, 

EST  •  PRISCA  •  PVSA  -  F  Wc  situs  est ;  Prisca,  Pu8a(e) 

AN  •  XXX  •  HIC  •  SITA  filia,  annorum  triginta, 

EST  •  VINDA  -  ATEC  Wc  sitä  est;  Vinda,  Ategnio- 

NIOMARI*F-HIC  mari  filia,  hie  sita  futura 

SITA  •  FVTVRA-  EST  est.  annorum  octoginta. 
ANLXXX. 

Pusa,  des  Trougillus  Sohn,  120 Jahrs  alt,  liegt  hier;  Prisca,  des 
Pusa  Tochter,  30  Jahre  alt,  liegt  hier ;  Vinda,  des  Ategniomar  Tochter, 
wird  hier  liegen.  80  Jahre  alt. 

Zu  dieser  Inschrift  bemerkt  Hr.  Archivrath  G.  L.  Grotefend 
brieflich  folgendes:  »Ausser  dem  hohen  Lebensalter  der  ersten  hier 
genannten  Person  sind  besonders  die  keltischen  Namen  dieses  Steins 
von  Interesse.  Der  120jährige  Pusa  möchte  leicht  der  älteste  Mann 
sein,  der  auf  römischen  Grabsteinen  genannt  wird,  eine  115jährige 
Spanierin  finden  wir  in  Corp.  Insc.  lat.  11  n.  2065.  Der  Name  Pusa, 
der  nach  Z.  3  auch  im  Genitiv  Pusa  lautet,  ist  mir  neu.  Einen  PVSVA 

hat  Brambach  Corp.  insc.  Rhen.  296.  Ein  Trougillus  findet  sich 
auch  auf  einem  in  Lengfeld  gefundenen  Stein  bei  Brambach  n.  1401. 
Den  Frauennamen  Vinda  finde  ich  nur  in  der  stark  corrumpirten  In- 
schrift bei  Gruter  1082,  2,  Muratori  854,  3  und  eine  Yindilla  be- 
Steiner n.  3014.  Zur  Erklärung  des  zusammengesetzten  Namens  Atei 
gniomarus  bieten  sich  uns  einerseits  die  Ategnia  bei  Muratori 
1082,  2,  die  Ategnata  Gruter  758,  11  und  763,  6,  die  Ategenta 
im  Archiv  fQr  Kunde  österr.  Gesch.  IX,  112  und  die  mancherlei  Zu- 
sammensetzungen mit  Ate  bei  Becker  in  den  Beiträgen  zur  verglei- 
chenden Sprachf.  III,  4  S.  438,  andererseits  die  mancherlei  gallischen 
Namen  auf  marus,  der  Aeduer  Viridomarus  bei  Caesar,  der  Gallier 
Aegritomarus  bei  Cicero  in  Q.  Caecilium  divin.  XX,  67  und  in  Verrem 
act.  secunda  n,  47,  118,  vor  Allem  aber  der  Gallische  FtLrst  Atepo- 
marus  bei  Plutarch  Pärallela  30  und  de  fluviis  (Arar)  VI,  4.  Den 
letzteren  Namen  würde  ich  mit  Hinsicht  auf  den  Ategniomarus  unserer 


160  Römische  Insohrilten  vom  Mitielrhein. 

Inschrift  unbedenklich  in  ATEFIOMAPOS  corrigieren,  wenn  nicht 
der  Namen  ^AteTtoqi^j  welchen  uns  Strabon  XII,  3,  37  p,  560  als  den 
eines  galatischen  Tetrarchen  aufbewahrt  hat^  durch  eine  Ancyranische 
Inschrift  (Corp.  inscr.  gr.  III,  4039),  deren  Leseart  durch  Ueberein- 
stimmung  von  Montfaucon,  Lucas,  ChishuU  und  Hamilton  bestätigt 
wird,  vollkommen  festgestellt  würde;  es  heisst  dort  unstreitig 
AABIOPia  ATEnOPEir02.  Wie  "Atenogi^  wird  also  auch 
^ATBTtofxaQoq  ein  keltischer  Name  sein,  verschieden  von  unserem  Ate- 
gniomarus.tt  Hierzu  sei  weiter  bemerkt,  dass  der  Genetiv  PVSA 
(denn  so,  nicht  PVSAE,  steht  auf  dem  Steine)  offenbar  derselben 
römisch-keltischen  Flexionsweise  angehört,  wie  der  Dativ  keltischer 
Eigennamen  auf  a,  worüber  in  den  Bonner  Jahrbüchern  XLU  S.  93 
Näheres  bemerkt  ist.  —  Die  zahlreichen  keltischen  Personennamen 
auf  — illus  und  — marus  sind  von  uns  in  den  oben  citirten  Beiträgen 
zur  vergleichenden  Sprachforschung  IH,  3  S.  352  u.  UI,  4  S.  431  zu* 
sammengestellt  worden;  ihre  Zahl  könnte  jetzt  noch  weiter  vermehrt 
werden.  Die  letzte  Zeile  der  Inschrift,  welche  die  Lebensjahre  der 
Vinda  angibt,  die  auf  dem  Steine  selbst  in  absonderlicher  Wendung 
als  dereinst  hier  liegend  bezeichnet  wird,  ist  selbstverständlich  später 
beigefügt  worden,  obwohl  die  Schrift  nicht  sehr  von  derjenigen  der 
übrigen  Zeilen  verschieden  ist 

8.  unedler tes,  nicht  mehr  vorhandenes  Bruchstück  der  Grab- 
schrift eines  römischen  Soldaten  i.  J.  1795  zu  Zahlbach  bei  Mainz 
gefunden,  nach  einer  handschriftlichen  Notiz  Bodmanns  in  seinem*Hand- 
exemplare  von  Joannis  Bes.  Mog.  III  S.  63  auf  der  Stadtbibliothek 
zu  Mainz,  als  Zusatz  zu  Huttich  collect,  antiq.  XXXIX: 


F  •  L  •  STIP  •  X  (annorum?)  quin- 

H  •  S  •  E  S  T  quaginta,  stipendiorum 

decem,  hie  Situs  est. 

50  Jahre  alt,  im  Dienste  10  Jahre,  liegt  hier, 

Z.  1  scheint  das  angebliche  F  der  letzte  Strich  eines  mit  A  ver- 
bundenen (legierten)  N  gewesen  sein,  da  der  Angabe  der  Diensljahre 
(stipendia)  in  der  Regel  die  der  Lebensjahre  vorangeht.  Die  übliche 
Schlussformel  römischer  Grabschriften  H  S  E  findet  sich  mit  der  hier 
beliebten  Ausschreibung  des  EST  genau  so  auf  drei  anderen  Zahl- 
becher Grabschriften  bei  Brambach  1234,  1260,  1261. 


RdmiBche  Insohriften  vom  Mütelrhein.  161 

9.  Un  ediertes,  nicht  mehr  vorhandenes  Brachstttck  einer  Orab- 
säale  ].  J.  1803  zwischen  Oppenheim  und  Nierstein  oberhalb  Mainz 
gefanden,  nach  einer  handschriftlichen  Notiz  Bodmanns  in  seinem  Hand- 
exemplare von  Joannis  Res.  Mog.  III  auf  der  Stadtbibliothek  zu  Mainz. 
Bodmann  tbeilt  a.  a.  0.  die  Abbildungen  dreier  Stücke  desselben 
Fundorts  mit,  und  zwar  1.  die  Büste  einer  umschleierten  weiblichen 
Figur,  offenbar  einer  gallischen  Muttergottheit,  mater,  matrona.  2.  Die 
(kopflose)  Büste  einer  in  eine  weitärmliche  Tunika  gehüllten  weib- 
lichen Figur;  beide  Büsten  scheinen  hermenartig,  d.  h.  auf  Säulen- 
postamentchen  angebracht.  8.  endlich  Untersatz  und  Capitell  einer 
bruchstücklichen  Grabsäule,  auf  deren  (sechsseitigem?)  Untersatze 
zweimal 

und  auf  einer  Seitenfläche 


gelesen  wird. 


D  M 

ID    M 
10  VIN 

Danustadt. 


10.  Oben  verstümmelter  Grabstein  eines  von  Räubern  er- 
schlagenen Campaners  i.  J.  1868  oder  1869  bei  dem  Gehaborner  Hof 
unweit  Darmstadt  im  Walde  aufgefunden  und  ins  Darmstädter  Mu- 
seum verbracht:  vgl.  A.  Klein  und  £.  Hübner  in  der  Archäol.  Zeitg. 
1869  S.  30.  Die  Inschrift  lautet  theils  nach  Autopsie,  theils  nach  den 
dankenswerthen  Mittheilungen  des  Hm.  Museumsdirektors  R.  Hof- 
mann also: 

fclV .    .    .    .    Clodius 

EHICiN    ...        (filius  Peri)gen(es  annorum) 

.    .    .    •    ^  E  L  A  T  R  O  NE  S        ( —  hie  situs  est  in(terfece)re 
.    .    •    MC3MVITTE-A        latrones  (que)  m  genuit 
^^SIDICINOEXCM        Teano  Sidicino 
P  A  N I A  ^  ALTERA  ^  C  o  N        ex  Campania.  Altera 
TEXITTELL  VS03)IT        contexit  teUus,  dedit 
ALTERA.2rNASCIP3^l        altera  nasci.  Perigenes 
C  3\E  SH ABET  ^  TITVL  NM        habet  titulum,  Secundus 
SECWDVSOFFICIVVI        officium .  PubUus 
P^CLOO-SECVAOVS        Clodius  Secundus 
F  RAT  Rl  P  lENTISSIM  O        patri  pientissimo. 


V-. 


168  Römifohe  Intohriften  vom  Mittelrhem. 

....  Qodias  Peri)gen(e8,  alt  .  .  .  Jahre)  liegt)  Uer.  Hier  ver- 
wundeten Räuber  denjenigen,  welcher  entstammte  aus  Teanum  Sidid- 
num  in  Gampanien.  Das  eine  Land  deckt  ihn  mit  Erde,  das  andere 
gab  ihm.  das  Dasein.  Perigenes  hat  nun  seine  Grabschrift,  Secundus 
seine  Liebespflicht  erfüllt  Publius  Glodius  Secundus  (liess  diesen  Grab- 
stein) seinem  geliebtesten  Bruder  (setzen). 

In  Z.  3  ist  NE,  Z.  4  EN,  Z,  5  AH,  Z.  7  ED,  Z.  8  ER,  Z.  9 
ENE,  Z.  9  (wie  10)  VM,  VN,  Z.  10  VND  durch  Ligatur  verbunden. 
Da  der  Verstorbene  Z.  8  u.  9  PERIGENES  mit  seinem  cognomen  ge* 

nannt  wird,  sein  Bruder  sich  Z.  11  Publius  Glodius  Secundus  nennt, 
die  gens  Glodia  auch  durch  Inschriften  von  Teanum  Sidicinum  bei 
Mommsen  Insc.  NeapoL  p.  208  ff.  n.  4004,  4005,  4006  bezeugt  ist,  so 
fahrte  demnach  auch  Perigenes  den  Gtentilnamen  Glodius.  Da  nun 
weiter  in  den  Buchstabenresten  der  1.  Zeile  unschwer  lES  als  Best 
von  (Perig)en(es)  zu  erkennen  ist,  vor  diesem  EN  aber,  nach  Massgabe 
der  Zahl  der  Buchstaben  in  den  vollständig  erhaltenen  Zeilen  wenig- 
stens 6—7  Buchstaben  gestanden  haben  müssen,  so  sind  wahrschein- 
lich vor  dem  PERIG(EN)ES  noch  die  Sigle  fQr  das  praenomen 
seines  Vaters  nebst  dem  B.uchstaben  F  (filius)  auszufüllen.  Aber  auch 
hinter  dem  vervollständigten  Namen  (PERIG(EN)ES)  fehlet  wenig- 
stens noch  zwei  Buchstaben  und  diese  glauben  wir  mit  ziemlicher 
Wahrscheinlichkeit  durch  AN  (annorum)  ergänzen  zu  dürfen,  wenn 
sich  im  Anfange  von  Z.  2  die  Angabe  der  Zahl  der  Lebensjahre  nebst 
der  Formel  H  S  E  anscMoss,  von  welcher  letzteren  das  E  noch  übrig 
ist.  Da  nun  weiter  auch  das  I  N  am  Schlüsse  von  Z.  2  nebst  demRE 
in  der  vom  verstümmelten  Z.  3  bereits  ebenso  durch  IN(TERFEGE)RE 
hergestellt  ist,  wie  das  (QVE)M  im  Anfange  der  4.  Seile  und  das  (N)0 
in  dem  der  5. ;  so  liesse  sich  der  jetzt  zerstörte  Kopf  der  Grabschrift 
vielleicht  also  wieder  ergänzen: 

DM.- CLODI VS 
(.•F-PERIG)EN(ES.  AN 
.  .  .  HS)EHICIN(TER) 
(FECE)RELATRONES 
(QVE)MGENVITTEA 
(N)OSIDICINOEXCAM 

u.  s.  w. 

Der  Anfang  der  Inschrift  wäre  demnach  genau  so,  wie  oben  bei 


-   r  ■ 


K'^ 


Romisohe  Inaohriften  vom  MittelrheiiL 


168 


Nr.  7  (vgl.  auch  Nr.  3).    Mit  besonderer  RQcksicht  auf  die  Gebart  in 
dem  fernen  Italien  and  den  Tod  and  die  Beerdigang  in  Grermanien 
scheint  das  HI  C  im  Gegensätze  za  dem  QVEM  GEN  VIT  a.  s.   w. 
betont  werden  za  wollen.  Hier  (d.  h.  im  nordischen  Germanien)  starb 
der,  welchen  das  italienische  Gampanien  gebar:  der  Mann  scheint  also 
unfern  des  Ortes  begaben  worden  za  sein,  wo  er  anter  den  Händen 
von  Baabem  seinen  Tod  fand.    Aehnliche  Erwähnungen  von  Gebarts- 
und Todesarten  finden  sich  aach   sonst  auf  römisch-rheinischen  In- 
schriften: so  auf  dem  Grabsteine  eines  Mösiers  zu  Mainz  (Brambach 
1077)  und  eines  Afrikaners  zu  Bedburg  (163):  ähnlich  wie  auf  unserm 
Steine  lautet  es  hier:  QVEM  GEN  VIT  TERRA  MAVRETANA — 
OBRVIT  TERRA  ....    Diesem  tragischen  Schicksale  eines  ge- 
waltsamen Todes  ferne  von  der  Heimat  gibt  der  Bruder  nicht  blos 
einen  besondem  Ausdruck  in  der  Erwähnung  des  Geburtsorte,  sondern 
auch  in  dem  Anlaufe  zu  einem  poetischen  Ergüsse:  Altera  content 
tellos,  dedit  altera  nasd,  den  er  wol  irgend  einer  andern  ihm  bekann- 
ten Grabschrift  entnahm,  in  welcher  das  Distichon  sich  etwa,   wie 
Hübner  bemerkt  hat,  mit  dem  Pentameter:  Meta  habet  titulum,  filius 
offidum  abschloss,  in  welchem  er  statt  mater  das  cognomen  des  Ermor- 
deten, Perigenes,   statt  filius  sein  eigenes,   Secundus,  substituirte.  •— 
Zwischen  TE  und  A  von  TEANO  hat  der  Steinmetz  irrthümlich  eine 
starke  Interpunktion  angefangen,  aber,  wie  man  sich  an  dem  Origi- 
nale zur  Genüge  überzeugen  kann,  unvollendet  gelassen.    Die  Auso- 
nische  Völkerschaft  der  Sidicini  im  nordwestlichen  Theil  von  Gampa- 
nien hatte  zur  Hauptstadt  Teanum  Sidicinum  (jetzt  Teano)  am  nörd- 
lichen Abhänge  des  Mons  Massicus  an  der  via  Praenestina,  mit  nicht 
unbedeutendem  Handel;  seit  Augustus  war  es  römische  Colonie,  vgl. 
Forbiger  Handb.  der  alten  Geogr.HI  S.730;  über  die  dort  gefundenen 
Inschriften  vgl.  Mommsen  a.  a.  0.,  Münzen  bei  Eckhel  D.  N.  I,  117. 
Wenn  nicht  Alles  trügt,  so  ist  auch  unsere  Inschrift  eine  neue  Illu- 
stration zu  der  Tacitus  Germ.  29  gegebenen  Schilderung  der  Misch- 
bevolkerung,  welche  in  das  leerstehende  Zebntland   zwischen  Rhein, 
Main  und  Neckar  in  römischer  Zeit  nach  und  nach  aus  dem  jenseiti- 
gen Gallien  einwanderte:  bereits  liegt  eine  Anzahl  Inschriften  vor, 
welche  den  Zusammenfluss  und  die  Niederlassung  überrheinischer  Gal- 
lier dortselbst  beurkundet:   vgl.  Mommsen  Epigraghische  Analekten  I 
8.  196  und  Archiv  für  Frankfurts  Gesch.  u.  Kunst  N.  F,  I.  S.  8—9. 
Bezeugt  unsere  Inschrift  auch  keinen  weiteren  »levissimus  Gallorum«, 
wie  Tacitus  sagt,  so  ist  es  immerhin  ein  weithergekommener  Südländer, 


154  Röinisehe  Ixurohriften  yom  Mittelrbein; 

welchen  wol  nebst  seinem  Bruder  Handel  und  Wandel  anf  das  solum 
dubiae  possessionis  gefahrt  hat;  auch  die  Art  seines  Todes  durch 
Räuberhand,  welche  auch  sonst  wohl  auf  Inschriften  vorkommt,  dürfte 
für  die  Zustände  des  Landes  bezeichnend  sein. 

Frankfurt  am  Hain. 

10.  Oben  verstümmelter  Votivaltar  (unbekannte  Gottheit)  im  Juli 
1872  als  Gesimsstück  an  der  nördlichsten  Mauer  des  ältesten  Theiles 
der  Domkirche  (alten  Bartholomäuskirche)  aufgefunden,  wahrschein- 
lich von  dem  Trümmerfelde  des  ehemaligen  NO  WS  ViCVS  zwischen 
Heddernheim'  und  Praunheim,  oder  aus  dem  Odenwalde  hieriier 
verschleppt;  die  rechte  Seite  und  die  letzte  Zeile  der  Inschrift  ist 
gänzlich  abgeschliffen.  Vgl.  Frankfurter  Zeitung  1872  N.  236,  Erstes 
Blatt  ArchäoL  Zeitung  1873,  Januar  S.  82 : 

ATO  D (Sedato  deo  sacrum?) 

.  oHI  •  SEQ- Jl ■      (c)ohors  prima  Sequanorum 

.  VRAMAC ßt  (Rauracorum  c)uram 

.  EXTILIOP  ....  ag(ente  S}extilio  P(rim)o 

,  O  >  LEG  XX  .  .  .         centurione  leg(ionis) 
.  PColVMoD'VII         vicesimae  (secundae 

primigeniae)  imperatore 
Commodo  septimum(et 
PubUo  Helvio  Pertinace  iterum 
consulibus). 
Dem  Gotte  Sedatus  geweiht.  Die  erste  Cohorte  der  Sequaner  und 
Rauraker  (liess)  durch  Fürsorge  des  Sextilius  Primus,  des  Zugführers 
der  22.  Legion,  der  erstgeworbenen  (diesen  Altar  errichten)  unter  dem 
7.  Ck>nsulate  des  Kaisers  Gommodus  und  dem  2.  de^  Publius  Helvius 
Pertinax. 

In  der  ersten  Zeile,  von  der  nichts  zu  fehlen  scheint,  war  der 
Namen  einer  nicht  römischen  Localgottheit  enthalten,  kaum  wol,  wie 
E.  Hübner  meint,  irgendwelcher  Matronen,  viel  wahrscheinlicher,  wie 
er  andeutet,  des  Sedatus  deus,  wie  bei  Orelli  2048  u.  5972 :  doch  steht 
das  A  vor  T  nicht  ganz  sicher :  hiemach  wären  die  Reste  der  ersten 
ZeUe  ATO(XTO?)  D(EO  Sacrum)  zu  vervollständigen.  In  allen  fol- 
genden Zeilen  ist  der  Anfangsbuchstabe  infolge  der  Zurüstung  des 
Steins  zum  Qesimsstttck  zerstört,  lässt  sich  aber  unzeifelhaft  ergänzen. 


k. 


•^-^- 


Bömische  Iiuohrifteii  vom  Mitielrhein..  156 

Die  cohoTS  prima  Sequanorum  et  Raaracorum  ist  durch  Inschriften 
von  Steinbach  in  Baden  (Brambach  1738)  und  Miltenberg  am  Main 
(1740,  1744)  bezeugt:  die  Abkürzung  des  Rauracorum  lautete  auf 
unserm  Steine  ohne  Zweifel  RAVR,  wovon  der  Hauptstrich  des  R  noch 
übrig  ist.  Die  Formel  curam  agere  bedarf  bei  dem  Hinweis  auf  Orelli- 
Henzen  3340,  3722,  6737,  6753  keiner  weiteren  Erörterung.  Ein 
Haruspex  P.  Sextilius  Primus  und  eineSextilia  Prima  finden  sich  bei 
Grut.  304,  6  und  661,  4.  Das  siebente  Gonsulat  des  Kaisers  Commodus 
und  das  zweite  des  Publius  Helvius  Pertinax  fällt  ins  Jahr  193  n.  Chr. ; 
da  die  eine  Ära  von  Miltenberg  ins  Jahr  191  gehört,  muss  also  die  be- 
sagte Gehörte  zu  Ende  des  zweiten  Jahrhunderts  .am  untern  Main  sta- 
tionirt  gewesen  sein.  Dasselbe  Gonsulat  des  Kaisers  Gommodus  aus 
seinem  letzten  Regierungsjahre  findet  sich  auch  auf  einer  Mainzer 
Inschrift  (Brambach  993),  welche  das  älteste  datierte  inschriftliche 
Denkmal  von  Mainz  ist 

Heddernheim. 

11.  In  dem  Archiv  für  Frankfurts  Geschichte'  und  Kunst,  N.  F.  I S. 
25  n.  3.(Brambach  1475)  ist  von  uns  ein  der  Mittheilung  des  verstorbenen 
Frankfurter  Rektors  Voemel  verdanktes  Bruchstück  (üntertheil)  einer  Vo- 
tivinschrift  aus  Heddernheim  zum  erstenmale  ediert,  deren  Original  aus 
dem  Besitze  des  verstorbenen  Hrn.  v.  Meyer  in  den  Besitz  des  Hrn.  Pfarrers 
Wolf  zu  Frankfurt  gelangt,  von  diesem  nunmehr  geschenksweise  an 
die  Stadtbibliothek  abgegeben  wurde.  Bei  dieser  Gelegenheit  konnte 
das  Original  selbst  von  uns  genauer  eingesehen  und  danach  die  erste 
bruchstückliche  Zeile  der  Inschrift  genauer  statt  LON  vielmehr  als 
Rest  einer  halb  zerstörten  Zeile  also  1 1  u  IV  I  festgestellt  werden ; 
demnach  lautet  die  Inschrift: 

llulVl 

VSFLORE 

N  T INVS 

ARAMINS 

VoROSVIT 


LLM 

Die  erste  Zeile  enthält  nur  noch  die  Untertheile  der  Buchstaben 
ITONI  oder  TTONI,  so  dass  also  ein  Gentilnamen  entweder  auf 
— ttonins  oder  itonius  u.  a.  m.  dem  FLORENTINVS  voransgegan* 


166  Römiiohe  InBohrifteii  vom  Miitelrheiii. 

gen  sein  kann :  zahlreicbe  Namensformen  auf  —  ONIVS  sind  in  Kuhns 
und  Schleichers  Sprachvergleichenden  Beiträgen  m,  4  S.  408  f.  von 
uns  zusammengestellt  worden.  Am  wahrscheinlichsten  ist  ATTONIVS 
zu  ergänzen  (vgl.  oben  N.  1  und  Brambach  1336,  1768);  ein  L  - 
PETRONIVS  FLORENTINVS  findet  sich  auf  einem  Steine  zu 
Obernburg  in  Franken,  ein  L.SEPTVMIVS  FLORENTINVS  zu 
Kirchheim  in  Rheinbayern  bei  Brambach  1748  u.  1786;  vgl.  1533. 

12.  Gleich  dem  Originale  vorstehender  Votive  ist  nun  auch  das 
einer  andern  Heddemheimer  Weibinschrift  wieder  zum  Vorschein  ge- 
kommen. Es  ist  die  bei  Brambach  1483  mit  einem  »periit«  be- 
zeichnete: 

lOMhR 
AELCRE 
SIA/VSSE 
DATIAB 
ASSINA 
VSLL-M 

welche  nunmehr  in  dem  Museum  zu  Cassel  in  so  defektem  Zu- 
stande der  Inschriftseite  bewahrt  wird,  dass  schon  Fr.  Stoltz  in  seiner 
^^Beschreibung  des  Kurfürstlichen  Museums  zu  Cassel  im  Jahre  1832« 
8.  75  n.  83  bemerkt;  »ein  anderer  Altar  von  Sandstein^  von  dem  die 
Inscription  verwischt  ist.«  Wir  haben  uns  durch  Autopsie  von  der 
Identit&t  flberzeugt 

Wiesbaden. 

18.  Folgende  kleinere  Inschriften  des  dortigen  Museums  wurden 
uns  von  dessen  gelehrtem  Gonservator  Hm.  Oberst  A.  von  Cohausen 
mitgetheilt,  welche  noch  unediert  zu  sein  scheinen:  a.  Bronzering  mit 
dem  Namen  des  Besitzers  im  Genetiv:  FIRMI,   b«   ein  gleicher  Ring 

mit '.der  Aufschrift  TVN  (d.  h.  wol  Juni  oder  Sunii)  und  c  der  Fa- 
brikstempel SILVANVSF  auf  dem  Stiele  einer  Casserole.    Ueberdies 

wurde  ein  Siegelstempel  aus  dem  Besitze  des  Hrn.  Grafen  von  Elz  zu 
Eltville  im  Bhemgau  vorgezeigt  mit  der  rückläufigen  Aufischrift: 

CTITI 
SEVERI 


X 


\* 


Römiaehe  Insohrifteii  vom  MüMrhein. 


167 


Cassel. 

Nach  freundlicher  Mittheilung  des  gelehrten  Gonservators  des 
Museums  zu  Cassel,  Hm.  Dr.  E.  Finder,  findet  sich  in  einem  alten 
Inventare  dortselbst  die  Abschrift  einer  Anzahl  römischer  Inschriften, 
welche  nach  einer  Notiz  des  vormaligen  Gonservators  Hofraths  Völkel 
verschwunden  waren,  nachdem  im  Jahre  1808  der  Umbau  eines  Tbei- 
les  des  Museumsgebäudes  zu  einem  Ständesaal  erfolgt  war;  sie  sind 
möglicherweise  in  den  damals  gemachten  runden  Anbau  wieder  vermauert 
worden.  Diese  Inschriften  sind  bei  Brambach  840.  1325,  1206  u.  1492 
aus  anderen  Quellen  mitgetheilt,  und  die  von  dem  alten  Inventar  ge- 
botenen Varianten  sind  von  keiner  sonderlichen  Bedeutung.  N.  1206 
ist  in  bei  Dr.  Stoltz  a.  a.  0.  S.  76  u.  91  als  in  zwei  Stücke  zerschla- 
gen angegeben,  deren  eines  von  uns  in  den  Nass.  Annal.  VIU  S.  572 
n.  12  irrthümlich  als  noch  vorhanden  bezeichnet  und  darnach  von 
Brambach  2082  in  die  Addenda  aufgenommen  wurde.  Ausser  diesen 
bereits  bekannten  Inschriften  findet  sich  aber  in  vorgedachtem  alten 
Inventar  noch  folgendes  Bruchstück  einer  Grabschrift  aufgezeichnet. 

0 

0  •  VIC  • 
M  •  VICI 
SONIVS 

1  V  T  O  R 
SECVND 
A  •  VICTO 

COH 

welche  leicht  zu  ergänzen  sein  dürfte:  D(M)Q||-VICT  .  .  .  .  || 
MVECI  i  SONIVS  II  (A0)IVTOR  f  SECVND(I)  ||  (N)AVICTO(R!| 
(INA)  CON||(IVCI)  ....  Ein  Vegisonius  Primus  findet  sich  auf 
einer  verlorenen  angebUchen  Frankfurter  Inschrift  bei  Brambach  1438 ; 
ein  Caupinius.  Adiutor  1329,  ein  Omullius  Adiutor  825. 

15.  Weiter  i^t  in  dem  mehrerwähnten  alten  Inventar  verzeichnet 
»ein  römischer  Altar,  wo  auf  beiden  Seiten  die  Fortuna  zu  sehen  und 
I  O.«    Dieser  Altar  war  sicherlich  ein  s.  g.  Viergötteraltar  mit  den 

Reliefbildem  der  Fortuna,  sodann  wol  der  Juno  regina  und  einer  un-  . 
bekannten  Gottheit,  sowie  wol  auf  der  Vorderseite  einer  Dedikation  an 
rO-M  (Juppiter  optimus  maximus). 


158  Bonifche  Inscbriftdii  vom  Mittelrhein. 

16.  Erwäbnenswertl^  erscheint  auch  noch  ein  dortselbst  aufbe- 
wahrter Wochengötteraltar  aus  der  Umgegend  von  Mainz,  bereits  bei 
Stoltz  a.  a.  0.  S.  77  u.  83  und  Appel  Hand-Katalog  des  Kurf.  Mu- 
seums IX,  E,  S.  24  u.  93  erwähnt.  Die  Reliefbilder  der  7  Tagesgott- 
heiten Satumus,  ApoUo-Sol,  Luna-Diana,  Mars,  Mercui*ius,  Juppiter, 
Venus  sind  nach  einer  brieflichen  Mittheilung  des  Hrn.  Dr.  Pinder  jetzt 
thellweise  sehr  verwischt.  Den  Wochengottheiten  schliesst  sich  übrigens 
noch  ein  Genius  an. 

17.  Von  kleineren  Inschriften  des  Casseler  Museums  er- 
wähnt Stoltz  a.  a.  0.  S.  44  besonders  Töpferstempel,  dören  viele  vor- 
handen sind  und  näherer  Feststellung  ihrer  Legenden,  durch  Hm.  Dr, 
Pinder  entgegensehen.  Von  Fabrikstempeln  bronzener  Geräthe  schlies- 
sen  wir  an  den  unseres  Wissens  unedierten  einer  Schöpfkelle  mit 
Q  •  MASVRI.  Der  Namen  Masurius  findet  sich  öfter  bei  Gruter  Ind. 
s.  V.  belegt;  ein  Masurius  Agatho  auch  bei  Muratori  601,  1. 

18.  Bemerkenswerth  sind  endlich  einige  gleichfalls,  wie  es  scheint, 
unedierte  Ring-  und  Siegelinschriften,  nämlich: 

1.  u      welche  Legende  in  der  3.  Zeile  nicht  ganz  feststeht  und 

C  •  PA   sich  einer  näheren  Deutung  entzieht. 
CM 

2.  I V 1 1  N   gleichfalls  unbestimmbar. 

3.  Sfegelstempel  mit  Handhabe,  in  erhöhter  Schrift: 

C  •  HOSTI 
A-EX  A 
d.  h.  Gai  Hostii  Alexandri.  Der  Name  ddr  Hostii  ist  nicht  selten ;  ein 
C.  Hostius  Hilarius  ist  bei  Muratori  1687,  3 ;  ein  Hostius  Festus  und 
ein  P.   Hostius  Severus   ebend.   687,  6;    ein  M.  Hostius   Sampseros 
ebend.  1026,  10. 

Frankfurt  a.  M. 

J.  Becker. 


5.  Römische  Alterthflmer  in  Lothringen. 

Die  nachfolgenden  Bemerkungen  haben  nicht  den  Zweck  einen 
neu  gemachten  Fund  aus  dem  in  der  Ueberschrift  genannten  Gebiet 
zu  veröffentlichen,  noch  auch  eine  abschliessende  Uebersicht  zu  geben 
aber  alles  bereits  dorther  bekannte.  Sie  sollen  nur  die  Aufmerksam- 
keit der  Mitforscher,  besonders  der  rheinischen,  auf  ein  Gebiet  lenken, 
das  durch  die  neuen  Erwerbungen  des  deutschen  Reiches  einen  er- 
neuten Anspruch  auf  die  Beachtung  seiner  antiken  Denkmäler  erlangt 
hat  Trier  und  seine  Umgebungen^  so  wie^  das  Saargebiet  werden  von 
dem  rheinischen  Alterthumsverein  in  Bonn  und  der  Trierischen  Ge- 
sellschaft für  nützliche  Forschungen  mit  Sorgfalt  überwacht;  für  das 
benachbarte  Luxemburg  hat  das  dortige  historische  Institut  der  glei- 
chen Verpflichtung  sich  unterzogen  >).  Nicht  minder  reich  an  Resten 
der  römischen  Gultur  ist  Deutsch-Lothringen.  Zwei  gelehrte  Gesell« 
Schäften,  in  Metz  und  in  Nancy,  haben  bisher  schon  in  dankenswerthe- 
ster  Weise  für  die  Aufbewahrung  der  zufällig  gemachten  oder  aus 
Ausgrabungen  gewonnenen  Funde  gesorgt;  für  den  jetzt  deutsch  ge- 
wordenen Theil  Lothringens  liegt  uns  nunmehr  eine  gewisse  Verpflich- 
tung ob,  nicht  mehr  blo&  aus  dem  allgemeinen  Interesse  für  unsere 
Wissenschaft  überhaupt  die  Erbschaft  jener  Bemühungen  in  würdiger 
Weise  anzutreten. 

Ich  beschränke  mich  hier  auf  einige  Notizen  über  das  Museum 
von  Metz,  das  ich  im  vorigen  Herbst,  freilich  nur  flüchtig,  sehen  konnte. 
Denn  dieses  scheint  seinen  ältesten  Bestand  bis  auf  die  Zeit  Boissards, 


>)  Wunflohenswerih  bleibt  nur,  dass  die  jetzt  in  einem  ungünstigen  Raum 
des  Atbenäiuns  in  Lazemburg  mebr  übereinander  geschichteten  als  auf* 
gestellten  Inschriftsteine  und  Soulptarstücke  in  angemessener  Weise  aufgestellt 
werden. 


160  Römisohe  Alterthümer  in  Lothringen 

des  berüchtigten  Fälschers  (der  im  Jahre  1602  inMetz^  wohin  er  sich 
zurückgezogen  hatte,  starb),  also  auf  das  Ende  des  sechzehnten  Jahr- 
hunderts znrückzufCkhren.  In  neuester  Zeit  ist  es  der  Mittelpunkt  aller 
antiquarischen  Bestrebungen  in  jenen  Gegenden  geworden.  Mir  fehlt 
es  freilich  leider  ganz  an  genaueren  Nachweisungen  über  die  Metzer 
Sammlung;  die  Hand-  und  Reisebücher  ebenso  wie  die  Vorräthe  der 
hiesigen  Bibliothek  lassen  dafür  ^nzlich  im  Stich;  so  sind  mir  z.  B. 
die  Memoiren  der  Metzer  Akademie  und  selbst  Devilly's  antiquUis 
Mediomatfidennes  (Metz  1SK23,  8.)  bis  jetzt  nicht  zugänglich  gewesen. 
Dagegen  liegt  mir  L.  Beaulieu's  Archiologie  de  la  Lorraine  (2  Bde. 
Paris  1840  und  1843  8.)  vor,  ein  Buch  das  manches  verdienstliche 
enthält  —  obgleich  auf  den  Tafeln  des  zweiten  Bandes  einige  offenbar 
moderne  Stücke  als  alte  abgeliildet  sind  — ,  das  sich  aber  nicht  mit  Metz 
selbst  beschäftigt,  sondern  nur  mit  den  übrigen  antiken  Ortschaften 
der  Gegend  ^).  Das  Museum  befindet  sich,  vereint  mit  der  Stadtbiblio- 
thek, in  der  rue  Ch^vremont,  nahe  dem  Dom ;  in  den  gro&en  Räumen 
des  Erdgeschosses  der  früher  zu  kirchlichen  Zwecken  benutzten  An- 
lage (im  oberen  Geschoss  sind  Gemälde-  und  naturwissenschaftliche 
Sammlungen  aufgestellt)  ist  die  reichhaltige  Sammlung  römischer 
Sculpturen  und  Inschriftsteine  aufgestellt;  die  kleineren  Alterthümer, 
Münzen,  Erz-  und  Thongerilthe,  Waffen  und  ähnliches  befinden  sich 
in  einem  Raum  des  oberen  Geschosses.  Leider  war  der  verdiente  Gon- 
servator  der  Sammlung,  Hr.  Lorrain,  verreist,  so  dass  ich  allein  auf 
die  eigene  Betrachtung  angewiesen  blieb. 


*)  Falsch,  d.  h.  eine  Arbeit  des  sechsehnten  oder  siebEehnten  Jahrhan- 
derts  scheint  mir  die  Bd.  2  Taf.  2  Fig.  8  abgebildete  Bronsegrappe  eines  dra- 
cheniödtenden  Hercules,  wie  Beauliea  erklärt  (2  S.  187  £f.),  tu  sein.  Sie  soll  im 
Bett  der  Mosel  zwischen  Scarpone  und  Pont  k  Mousson  gefanden  sein  und  be- 
fand sich  in  Beauliea's  Besitz.  Aecht  dagegen  ist  unzweifelhaft  -eine  kleine 
Bronzefigur,  die  derselbe  in  einem  aus  den  Mimoiree  der  SociiU  des  sdenceSf 
leUres  et  arte  de  Nancy  von  1849  besonders  abgedrackten  Aufsatz  veröffentlicht 
hat,  welcher  überschrieben  ist :  de  Vemplaeemewt  de  la  Station  Bomaine  cPAndisina 
(Nancy  1849  8.  S.  11  ff.).  Sie  stammt  aus  La  neme  tHHe  im  Vogesen-Departement  — 
das  ist  seiner  Meinang  nach  das  römische  Andesina.  Die  offenbar  ziemlieh 
treue  Abbildang,  die  er  davon  giebt,  verdient  Aufmerksamkeit^  weil  die  Figur 
deutlich  den  Schlafgott  Hypnos  darstellt,  ganz  Ähnlich  den  bisher  bekannten 
gröfseren  Darstellungen  (s.  meine  antiken  Bildwerke  in  Madrid  S.  66  ff.).  Beauliea 
erw&hnt  daselbst  noch  einer  andern  ahnlichen  Figur  aus  Cbran  (oder  Qrand)  im 
Yogesen^Departement. 


Römisolie  Alierthümer  in  Lotbringen  161 

Die  Sammlung  übertrifft  zanachst  an  Umfang  die  Trierischen  (in 
der  Porta  Nigra  und  in  der  Bibliothek).  Ausserdem  überwiegen  dort, 
wie  bekannt,  die  Denkmäler  aus  spätester  Zeit,  aus  dem  vierten  und 
fünften  Jahrhundert^  die  ja  eine  Zeit  des  Glanzes  fElr  Trier  waren, 
besonders  christliche  Inschriften;  aus  der  älteren  Zeit  hat  sich  ausser 
der  Porta  Nigra  selbst  (die  ich,  nebenher  bemerkt,  an  meinen 
früheren  Auseinandersetzungen  festhaltend  %  fortfahre  fOr  ein  Bau- 
werk aus  der  Oründungszeit  der  Stadt  durch  Claudius  zu  halten, 
ehe  meine  Ansicht  nicht  durch  Beweise  widerlegt  ist)  verhältnissmäs- 
sig  wenig  daselbst  erhalten.  Die  Stadt  der  Mediomatriker  Divodurum 
(erst  spät  Metiy  Metti  oder  Mettis  genannt,  wie  Rheims  statt  seines 
alten  Namens  Durocartarum  später  Bemi  hiess  —  daher  die  modernen 
Namen  beider  Städte  >) )  scheint  ihre  höchste  Blüthe  in  früherer  Zeit 
gehabt  zu  haben,  d.  h.  etwa  im  zweiten  und  dritten  Jahrhundert.  Auf 
diese  Zeit,  die  Epoche  von  Traian  etwa  bis  auf  Caracalla,  aus  welcher 
ja  die  gröMe  Masse  der  uns  inschriftlich  erhaltenen  Denkmäler  fast 
aller  Gegenden  des  römischen  Seiches  überhaupt  stammt,  weist  der 
Schriftcharakter  der  meisten  der  in  Metz  erhaltenen  inschriftlichen 
Drakmäler  deutlich  hin.  Die  inschriftlichen  Denkmäler  aber  an  sich 
sind,  trotz  ihrer  nicht  unbedeutenden  Anzahl  (sie  stammen  freilich 
keineswc^  blo&  aus  der  Stadt  Metz  selbst,  sondern  aus  dem  ganzen 
früheren  Moseldepärtement),  in  ihrer  Gesammtheit  nicht  hervorragend, 
obgleich  sie  manche  lehrreichen  Einzelheiten  bieten.  Ich  bemerkte  z.  B. 
zwei  grölte  längliche  Steinblöcke,  die  ich  nach  der  Aehnlichkeit  mit 
einer  ganzen  Anzahl  gleichartiger  früher  einmal  von  mir  zusammen- 
stellter  Werkstücke  aus  anderen  römischen  Städten  %  z.  B.  den  gal- 
lischen Arelate,  Lugudunum  und  Nemausus,  fär  Sitzstufen  eines 
Theaters  oder  Amphitheaters  halte,  mit  Au£3chriften,  welche  wahr- 
scheinlich den  festen  Platz  von  Körperschaften  bei  den  öfiientlichen 
Spielen  angaben.  Auf  dem  einen  (in  rother  Farbe  mit  Nr.  65  be- 
zeichnet) steht  deutlich  in  der  schmalen  und  länglichen  Schrift  etwa 
des  zweiten  Jahrhunderts : 

HOliTORES 

auf  dem  anderen  (Nr.  66): 
TRIM// 

1)  In  den  Monatsberichten  der  Berliner  Akademie  von  1864  S.  94  ff. 
*      *)  Vgl.  Böoking  zar  Notit.  ooc.  S.  256. 

*)  In  der  Abbandlang  iseriziani  esiHenti  sni  sedilt  di  teatri  ed  anfUeatri 
a0U%ehi  in  den  ÄrmaU  von  1856  S.  52  ff.  mit  dem  Naobtrag  Annali  1859  S.  122  ff. 

11 


192  Römitehe  Alterthümer  in  Lotbringen 

Die  erste  Inschrift  bedeutet  unzweifelhaft  holli]tor€8\  die  aspirier- 
ten Formen  holus  und  holitores^  forum  hoUtcrtum  sind  als  die  älteren 
und  besseren  auch  sonst  hinreichend  bezeugt.  Dass  die  Gärtner  und 
Grankramhändler,  welche  in  Rom  am  19.  August  das  alte  Fest  der 
vmaiia  rustiea  feierten  ^),  auch  in  den  römischen  Gemeinden  in  den 
Provinzen  eine  Zunft  oder  Genossenschaft  bildeten,  wie  die  meisten 
anderen  Gewerke,  ist  zwar  nicht  direct  bezeugt,  aber  durchaus 
wahrscheinlich.  ^  Ein  paar  ansehnliche  Grabsteine  von  holüores  haben 
sich  in  Rom  erhalten,  einer  aus  republicanischer  oder  augustischer  Zeit'), 
der  andere  wohl  nicht  viel  jünger,  bei  Marini  Arv.  S.  529  =  Oreil. 
2861  ^).  In  Nimes  hatten  z.  B.  die  nautae  Bhodanici  d  Ararid  einen 
festen  Platz  im  Amphitheater.  Dass  es  in  Metz  ganz  ähnliche  Körper- 
schaften gab,  zeigt  eine  schon  im  Jahr  1523  gefundene  jetzt  nicht 
mehr  vorhandene  Inschrift.  Aus  der  Metzer  Chronik  des  1526  verstor- 
benen Philipp  de  VigneuUes  ist  sie  in  der  bibliathSque  de  Vicdle  des 
ehartes  (Serie  1  Bd.  5  S.  543)  mitgetheilt  und  scheint  acht  zu  sein, 
da  sie  aus  unverdächtiger  Quelle  stammt  und  die  Ergänzutagen  sich 
von  selbst  ergeben.  Sie  lautet :  M.  Publicio  See[un]dano  nauiarum  Mo- 
8dttieor(um)  liber(to)  tabtdarioy  8evi(ro)  AugustcUL  Der  Mann  fdhrt 
nach  bekannter  Sitte  den  Namen  Publicius  als  Freigelassener  des  pu- 
blict4m  der  nautae.  Auch  das  Vorkommen  verschiedener  viei  auf  den 
in  Metz  gefundenen  Inschriften,  eines  vicus  Honoris  ^)  und  eines  vicus 
Paeis  *),  einer  Wasserleitung  mit  piscina^  eamptis  und  nyn^haeum «) 
deutet  auf  die  reiche  Entwickelung  des  bürgerlichen  Lebens  hin.  Eine 
Inschrift  bei  Schöpflin'')  nennt  einen  eaiglarius,  d.  i.  cdigtdarius.  Alle 
übrigen  Metzer  Inschriften  mit  Handwerksbezeichnungen  ^)  sind  Boissard- 
sehe  Fälschungen.  Der  andere  Stein  enthielt  vielleicht  den  Namen 
einer  benachbarten  Gemeinde ;  wie  in  Lyon  die  Arverni,  die  Bituriges 


^)  Ygl.  Mommsen^B  Gommentar  zum  römisclien  Calender  G.  I.  L.  I  S.  400. 

»)  C.  I.  L.  I  1057. 

*)  In  der  britannischen  Inschrift  ans  Isca  G.  I.  L.  YII  106  (ygl.  die 
Addenda)  habe  ich  hoUtorea  neben  den  Yeteranen  yermathet;  vgl.  Mommsen  im 
Hen^Bs  7  S.  898. 

*)  Auf  der  Inschrift  Taf.  8  Fig.  1—3  in  dem  S.  168  Anm.  1  genannten 
Werk  von  Bobert. 

')  Auf  dem  Matronenstein  bei  Gmter  92,  1. 

'}  In  der  Anm.  4  genannten  Inschrift  und  der  Inschrift  des  Mnsenms  Nr.  7. 

')  Alsat.  1,  468. 

«)  Orut.  641,  1.  2.  648,  1.  648,  6. 


Bdmiaohe  Alterthümer  in  Lothringen  168 

Gabi,  die  Triboci  oder  Tricassi  dergleichen  feste  Plätze  im  Amphi- 
theater hatten.  Auf  den  Inschriften  der  Stadt  selbst  oder  der  Um- 
gebung kommen  vor  die  vkani  SöHnuxriacenses  (in  Soulosse)^  deren 
Inschriften  gröiSsten  Theils  in  das  Museum  von  Epinai  gekommen  zu 
sein  scheinen,  die  vicani  Maroscdlenses  (in  Marsäl),  der  Genius  der 
Leuci  u.  a.  Ein  Altar  der  Roma  und  des  Augustus  scheint  in  Metz 
gewesen  zu  sein;  und  das  spricht  für  Plätze  auch  auswärtiger  Ge- 
meinden oder  Körperschaften,  welche  nach  Augustus'  Bestimmungen 
in  den  Provinzialhauptstädten  zu  gemeinsamen  Festen  und  Versamm- 
lungen {concüia)  um  den  Altar  der  Staatsgottheiten  zusammen  zu 
Kommen  pflegten.  Auf  einem  von  zwei  Seiten  mit  Inschriften  versehe- 
nen Stein  in  dem  Keller  des  alten  hotd  du  grand  S,  Christophe,  rue" 
de  la  Ute  d^ar  Nr.  14,  den  ich  nur  aus  einer  Copie  de  Saulcy's  kenne, 
kommt  ein  8aeerd(os)  Itom(ae)  ei  Aug(usU)  vor,  welchen  man  doch  aller 
Wahrscheinlichkeit  nach  als  nach  Metz  selbst  gehörend  zu  betrachten 
hat  Ob  aus  dem  Fundort  sich  etwas  ergiebt  für  die  ursprüngliche 
Verwendung  jener  beiden  Steine  mit  hciitores  und  Trim . . .  vermag 
ich  nicht  anzugeben. 

Der  Beachtung  besonders  werth  jedoch  sind  die  zahkeichen  Re- 
liefs, welche  sich  auf  den  Altären  und  Grabsteinen  befinden.  Von  ihrem 
Kunstwerth  darf  man  sich  allerdings  keine  hohe  Vorstellung  machen; 
die  meisten  sind  roh  und  flüchtig  gearbeitet,  die  besseren  zeigen  die 
auch  den  handwerksmälbigen  Leistungen  aller  Epochen  einer  reich  aus- 
gebildeten Kunstthätigkeit  eigene  Sicherheit  und  Einfachheit  der  Be- 
handlung. Nur  von  der  einen  Klasse  dieser  Denkmäler,  den  Altären  mit 

ä 

Weihinschriften,  giebt  die  äusserst  sorgfältige  und  geschmackvolle  Ar- 
beit des  Hm.  Robert^)  eine  klare  Vorstellung.  Die  Reliefbilder  von 
allerlei  Gottheiten  (wie  z.  B.  Roberts  Taf.  3  Fig.  4—10  zeigen)  bieten 
jedoch  der  Mehrzahl  nach  kein  hervorragendes  Interesse;  abgesehen 
etwa  von  den  Eponabildem  (bei  Robert  Taf.  1  Fig.  4  und  6),  welche  die 
Göttin  reitend  oder  zwischen  zwei  Pferden  stehend  darstellen.  Merkwür- 
diger schon  ist  ein  Stein  des  Museums  (bezeichnet  Nr.  64,  roth  13),  der 
in  einer  nischenartigen  Vertiefung  eine  Anzahl  von  Gladiatoren  zeigt;  er 


^}  Epigraphie  de  la  MoaeUe,  Müde  par  Charles  Bohert,  carrespondant  de 
Vlhetiiu^  (Academie  des  inscriptions  et  helles  lettres),  membre  de  la  Sociäh  des 
aniiguaires  de  France,  Bim,  Ä.  Lhvi  editeur.  1869,  Fol.  Es  liegt  bisher  nur 
Tor  die  erste  Lieferang,  5  Bogen  Text  and  S  vorzügliche  Tafeln,  in  der  Art  wie 
die  schönen  Facsimile's  Boissieas  in  dem  Werk  über  die  Lyoner  Inschriften 
ansgefahrt  {photogra/owre  Bujardin). 


\ 


I 


1^ 


V 


[5. 


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!•../• 


i^N- 


\ 


164  Römiacbe  Aliertbümer  in  Lothringen 

erinnert  an  die  im  Trierer  Amphitheater  gefundenen  Gladiatorenreliefs 
und  bestätigt  gewisser  Mafeen  die  Deutung  der  oben  gegebenen  In- 
schriften auf  Sitzstufenaufschriften  eines  Amphitheaters.  Ob  und  wie 
der  Stein  mit  dem  Relief  an  einem  Amphitheater  selbst  angebracht  war 
oder  nur  die  Erinnerung  an  Oladiatorenspiele  bewahrt,  die  ja  oft  ge- 
nug auch  in  vorübergehend  errichteten  Gebäuden  aus  Holz  g^eben 
wurden,  ist  hierfür  gleichgültig. 

Ein  Kriegerdenkmal  ist  mir  femer  aufgefallen  (Nr.  117):  es 
enthält  die  so  oft  wiederkehrende  Vorstellung  eines  Reiters  mit  run- 
dem Schild,  der  den  unten  liegenden  Feind  niedei^eritten  hat  Die 
dazu  gehörige  Inschrift,  welche  unzweifelhaft  Auskunft  über  den  Trup- 
pentheil gab,  zu  welchem  der  dargestellte  Reiter  gehörte,  scheint  zu 
fehlen.  An  solchen  Denkmälern  aber  sind,  neben  der  Mainzer  Sammlung, 
welcher  auch  hierin  ja  der  Preis  vielleicht  vor  allen  Museen  der  Welt 
gebührt,  schon  die  von  Bonn  und  Köln  reicher  als  die  Metzer  Samm- 
lung. Dass  Metz,  seitdem  es  römische  Provinzialstadt  geworden,  ein 
militärisch  wichtiger  Platz  war  und  eine  Garnison  hatte,  ist  bei  seiner 
herrschenden  Lage  am  Zusammenfiuss  d^r  Mosel  und  Seille  an  sieh 
nicht  unwahrscheinlich,  aber  so  viel  ich  sehe,  nicht  erweislich.  Die 
Inschriften  eines  beneficiarius  des  Legaten  der  22.  Legion,  (bei  Robert 
Tafel  1  Figur  5)  und  einiger  Veteranen  der  20.  und  der  22.  Le- 
gion beweisen  dafür  nichts;  Dedicationen  von  Soldaten  an  verschie- 
dene Gottheiten  kommen  auch  in  den  kleineren  Ortschaften  der  Gegend 
vor.  Jene  Metzer  Soldateninschriften  sind  zuletzt  in  einer  kleinen  Ab- 
handlung von  dem  verstorbenen  K  Klein  in  Mainz,  die  in  den  Jf<^ 
moires  der  Metzer  Akademie,  von  1857/8  erschienen  ist,  nach  den  französi- 
schen Quellen  mitgetheilt  ^).  Die  ebenda  behandelten  Inschriften  Nr.  1  <) 
Nr.  2  >)  und  3  ^)  sind  dagegen  Fälschungen  Boissards,  ebenso  wie  eine 
von  Klein  selbst  verworfene  *).  Sie  steht  schon  bei  Orelli «) ;  Gruter 
hatte  sie  von  Boissard  und  schon  Maffei '')  hat  sie  mit  Recht  verdammt ; 
wie  denn  überhaupt  die  Boi^sard'schen  Fälschungen  in  Metz'  viel  Un- 
heil gestiftet  haben :  hat  er  doch  unter  anderem  auch  eine  Oberdruidin 


^)  Unter  Nr.  4  und  6. 
')  Im  MuBeum  Kr.  SO. 
'^  *)  Qrnt.  668,  10,  die  ich  im  Mnseam  nicht  bemerkt  habe. 

^)  Im  Haas  des  Baron  Marcband. 
•)  Nr.  6,  im  Museum  Nr.  28.  •)  Nr.  2908. 

\^f^  ')  In  der  Ars  crit  lapid.  S.  351. 


^ 


Bömisohe  Alterthömer  in  Lothringen  165 

mit  Namen  Arete,  da  ja  diese  Priesterinnen  die  Tagend  selbst  waren, 
erfanden  0-  ^i^t  die  zwischen  den  Jahren  411  und  413  aalgeschrie- 
bene Notitia  ^)  setzt  sub  disposiHone  viri  ülustris  magistri  pedüum 
praesentaUs  eine  der  seinen  Befehlen  unterstehenden  legianes  pseudoco- 
mUalenses,  A\%  prima  FUma^  nach  Met%s\  das  ist  zugleich  das  älteste 
Zeagniss  für  den  jüngeren  Namen. der  Stadt  Wahrscheinlich  aber  be- 
fiind  sich  in  Metz  als  dem  Ereuzungspunkt  mehrerer  Stra&en  (Mei- 
lensteine des  Tiberius  und  Nerva  sind  in  den  Umgebungen  gefunden 
worden),  ebenso  wie  in  der  römischen  Station  ad  Confiuentes  am  Zu- 
sammenfloss  von  Mosel  und  Rhein  ^);  eine  Zollstation.  In  einer  der 
Inschriften  von  Metz^)  wird,  wofern  die  Lesung  sicher  ist,  ein  pre- 
f{ectu$)  sM(ionis)  q(uadragesimae)  G(äUiaruin)  genannt,  in  einer  andern  ^) 
ein  kaiserlicher  Sclav  servus  vema  dispensator  a  frumento ;  in  einer 
dritten  ^)  publid ;  d.  h.  servi  publiciy  Angestellte  irgend  einer  Behörde. 
Aach  die  Häufigkeit  der  Dedicationen  in  hmorem  domus  Augustae 
oder  divinae  (ich  zähle  deren  ein  halbes  Dutzend)  und  das  Vorkom- 
men von  Augustalen '')  spricht  für  den  Sitz  einer  kaiserlichen  Behörde. 
Die  Bedeutung  der  Metzer  Sammlung  liegt  aber  nicht  vorwiegend 
in  diesen,  wie  gesagt,  vereinzelten  und  nur  schwer  zu  einem  in  sich 
zasammenhängenden  Bilde  zu  vereinigenden  inschriftUchen  Zeugnissen. 
Sie  liegt  vielmehr  in  dem  mannigfachen  bildlichen  Schmuck,  welchen 
die  begüterten  bürgerlichen  Bewohner  von  Metz  und  den  die  Stadt 
umgebenden  Ortschaften  auf  ihren  Grabsteinen  angebracht  haben. 
Darin  zeigen  sich  nämlich  die  Verstorbenen  in  kunstloser,  aber  naiver 
und  zuweilen  offenbar  höchst  wahrer  Darstellung  abgebildet,  in  der 
Tracht  des  täglichen  Lebens,  mit  den  Geräthen  oder  Abzeichen  ihres 
Berufs  oder  ihrer  häuslichen  und  bürgerlichen  Beschäftigungen.  Die 
Sitte  3olche  Darstellungen  der  Verstorbenen  auf  Grabsteinen  zu  geben, 


1)  Grat.  62,  9  ==  OrelL  2200. 

*)  Vgl.  0.  SeecVs  quaestionea  de  notitia  dignitatunif  Berlin  1872,  8.  S.  11  £ 

')  YgL  diese  Jahrbüoher  42,  1867  S.  48  und  meine  Bemerkung  in  der 
arcbäol.  Zeitang  1872  S.  76.  Ich  habe  daselbst  darauf  hingewiesen,  dass  die  im 
Jahrbuch  50.  51,  1871  S.  295  von  Eliester  mitgetheilte  neue  Goblenzer  Inschrift 
das  erste  vollgültige  Zeugniss  für  die  dort  an  der  Kreuzung  der  vier  Strarsen 
einst  befindliche  römische  Zollstation  enth&lt. 

*)  Orelli  4965;  gesehen  habe  ich  sie  nichi 

•)  OreUi  895. 

*)  Im  Museum,  ohne  Nummer,  gefunden  in  der  rue  de  la  tete  d>or, 

^)  Oben  S.  162  Anm.  4  und  auf  einigen  anderen  Inschriflen. 


166  Römisohe  Alterihümer  in  Lothringen 

geht  ja,  wie  bekannt,  auf  die  griechischen,  besonders  attischen  Muster 
zurück,  wie  sie  in  jüngster  Zeit  in  immer  grö&erer  FttUe  und  Mannig- 
faltigkeit bekannt  geworden  sind.  Ganz  fehlen  mehr  oder  weniger  ge- 
lungene Anwendungen  solches  Bildschmuckes  auf  den  Gräbern  wohl  in 
fast  keiner  Stadt  des  römischen  Reiches ;  und  auch  diese  vereinzelten 
Exemplare  verdienen  mehr  Beachtung  als  sie  bisher  gefunden  haben. 
Wo  sie  aber  so  häufig  gefunden  werden,  wie  in  den  Moselgegenden, 
und  durch  glückliche  Zufälle  oder  sorglichen  SammlerfleiTs  in  Museen 
vereinigt  sind;  da  bieten  sie  in  der  That  annähernd  ein  Bild  der  unter- 
gegangenen römischen  Cultur,  wie  es  keine  Beschreibung  in  Worten 
erreicht.  Auch  in  unseren  rheinischen  Sammlungen  fehlt  es  nicht  an 
dergleichen  Bildwerken ;  unter  den  mannigfaltigen,  zum  grö&eren  Theil 
mythologischen  Reliefs  des  gröfsten  und  berühmtesten  aller  Grab- 
denkmäler der  Mosellande,  des  Igeler  Steins,  sind  einige  von  derselben 
Art  ^).  Noch  jüngst  sind  unter  den  an  der  Coblenzer  Moselbrücke  auf- 
geschichteten Sculpturstücken  solche  Darstellungen  zum  Vorschein  ge- 
kommen ').  Einen  annähernden  Begriff  von  der  Fülle  dieser  Denk- 
male im  Moselland  —  aber  auch  nur  von  ihrer  FüUei  nicht  von 
ihrer  Eigenart  —  geben  die  Zeichnungen  Wiltheims  zu  seinen  ja 
auch  viel  Lothringisches  enthaltenden  Luciliburgensia^  welche  frei- 
lich in  den  Lithographieen  der  im  übrigen  ja  sehr  verdienstlichen  Pu- 
blication  von  Neyen  {Alex,  Wüthemi  S.  L  Lucüiburgensia  sive  Luxem- 
hurgum  Ramanum  .  ,  .  ab  Alex.  Neyen  edüum,  Luxemburg  1842,  4.) 
jede  Spur  von  Treue  verloren  haben.  Leider  ist  der  gröHste  Theil 
dieser  noch  im  siebzehnten  Jahrhundert  vorhandenen  Steine,  y^e  es 
scheint,  jetzt  verschwunden,  so  dass  man  dafür  allein  auf  Wiltheim 
angewiesen  bleibt ;  umsomehr  würden  seine  Abbildungen  der  verlorenen 
Steine  eine  Facsimilierung  nach  dem  in  Luxemburg  in  Besitz  der  dor- 
tigen antiquarischen  Gesellschaft  befindlichen  Original  Wiltheims  verdie- 
nen ^).    Man  sieht  da,   um  nur  einiges  hervorzuheben,  abgesehen  von 

^}  Anf  den  sehr  unzulängliohcn  Abbildungen  von  Osterwald  und  Sohmidt, 
um  von  den  übrigen  gan?  wiUkürlichen  zu  schweigen,  erkennt  man  sie  freüioh 
kaum  in  ihrer  Bedeutung,  welche  besonders  in  der  sorgfaltigen  Ausführung  aller 
Details  besteht.  Besonders  merkwürdig  sind  die  genauen  Darstellungen  der  ein- 
heimischen Fuhrwerke^  die  ja  zu  den  uralten  nationalen  Erfindungen  der  Gal- 
lier gehören.  Die  übrigen  Scenen  aus  dem  Leben  des  Verstorbenen  harren  noch, 
wie  das  ganze  Denkmal,  einer  würdigen  Abbildung  und  eingehenden  Deutung. 

»)  Jahrb.  42,  1867  Taf.  IV  Fig.  76- 

*)  Ich  verweise  auf  die  Darstellungen  Tal  8, 6.  4,  7.  8.  9,  9. 10.  11.  O,  12. 
la.    9Z,  81.    26,  94.    81,  114.    84,  180.   86,  188.    87,  189.   88,  142.  148. 


Römiflohe  Altorthümer  in  Lotfaringen  107 

den  einfachen  Bildnissen  (und  ohne  Berücksichtigung  einzehier  christ- 
licher Darstellungen),  wofern  den  Abbildungen  zu  trauen  ist,  häusliche 
Sctoen  vorgestellt,  wie  Mahlzeiten^),  Lectflre')  und  Toilette').  Fer- 
ner die  Thätigkeiten  def^Ackerbestellung  ^),  der  Walkerei  oder  Färberei, 
wie  es  scheint  ^),  der  Waarenverpackung  und  besonders  häufig  des  Trans- 
ports in  Fuhrwerken '),  sowie  des  Verkehrs  in  Kaufläden ''),  wobei  die 
Weinfässer  nicht  selten  sind.  Eine  Anzahl  von  wahrscheinlich  auch 
auf  ähnliche  Dmge  bezüglichen  Darstellungen  bleibt  bei  der  Beschaffen- 
heit der  Abbildungen  mir  wenigstens  unklar  ®).  Von  den  nicht  in  Metz 
selbst,  sondern  in  den  umliegenden  vki  gefundenen  ganz  ähnlichen 
Steinen  hat  Beaulieu  einige  recht  gute  Abbildungen  gegeben  ^),  die 
bis  jetzt  am  besten  den  Charakter  jener  Darstellungen  vergegenwär- 
tigen. Unter  den  Orabsteinen  von  Solimariaca  (oder  Solimariatum, 
Soulosse),  meist  ganz  rohen  Darstellungen  der  Verstorbenen  ^^),  ist 
zuerst  bemerkenswerth  der  obere  Theil  eines  Beliefs,  welches  zwei 
Männer  in  einer  Nische  darstellt,  welche  groflse  Blasinstrumente  zu 
tragen  scheinen  ^0.  Von  besserer  Arbeit  schon  ist  ein  anderes  Belief 
eben  daher  ^^),  mit  der  einfachen  Aufischrift  Martdlo  Satumim  f(%lio). 


48,  158.  44,  160.  161.  45,  165.  166.  49,  180.  51,  192.  56,  216.  57,  222. 
59,  232—234.  60,  235  61,  245.  65,  273.  66,  282—284.  67,  285—288. 
68,  289.  290.  69,  291.  292.  294.  76,  295.  71,  800.  301.  78,  303-305. 
84,  367.  368.  90,  414.  417.  94,  456.  95,  458.  459.  468.  98,  475—478. 
Das  sind  im  gsiizen  über  60  Bildwerke  dieser  Art. 

1)  Taf.  45,  165.  57,  222.  69,  291.  292. 

»)  Taf.  70,  295.  »)  Taf.  46,  167. 

*)  Taf.  8,  6.  67,  286.  288.  <»)  Taf.  6,  12.  18.  84,  367. 

«)  Taf.  45, 166.  67,  287.  71,  301.  72,  803-306. 

')  Taf.  4,  7.  8.  5,  9.  10.  88,  112.  48,  158. 

")  Taf.  59,  232-234  und  60,  285.  61,  245. 

»)  Bd.  1  Taf.  2  Fig.  1—9,  Taf.  3  Fig.  1.  2.  3,  Taf.  4  Fig.  11,  and  be- 
sonders Tai  5  Fig.  1  und  2;  Bd.  2  Taf.  2  Fig.  1.  Anderer  Art  dagegen  scheint 
das  im  buüetin  der  Soeiiti  des  cmtiquaires  de  France  1865  auf  der  Tafel  su 
S.  54  ff.  abgebildete  Belief  des  Meteer  Museums  aus  Betting  zu  sein.  Dort  er- 
scheint namüoh  die  traditioneUe  Figur  des  Pädagogen,  wie  es  scheint,  mit  fünf 
Epheben  in  griechischer  Tracht,  deren  einer  einen  Hahn  tragt.  Das  Relief  bildet 
die  Basis  einer  Statue,  von  der  nur  ein  Fafs  noch  übrig  ist.  Wahrscheinlich 
war  es  eine  Statue  des  Merour  und  kein  Grabmonument,  wie  Hr.  Dr.  Bluih6- 
lemy,  der  Herausgeber,  meint. 

><»)  Bei  Beauliett  1  Taf.  2  Fig.  1  bis  9. 

")  Taf.  2  Fig.  13.  ^«)  Taf.  5  Fig.  2. 


168 


RömiBehe  Alterthimer  in  Lothringen 


»/: 


Zwei  Männer  sind  darauf  dargestellt,  nebeneinanderstehend;  beide  tra- 
gen matzen&hnliche  püei,  wie  sie  Bürger  und  Bauern  jener  nördlichen 
Gegenden  auch  sonst  zu  tragen  pflegen.  Bekleidet  sind  sie  ndt  Ober 
die  Knie  hinabreichender  Tunica  und  Lacema  oder  Paenula  (die  Dar- 
stellung lässt  den  Schnitt  des  Mantels  nicht  mit  voller  Sicherheit  er- 
kennen)« Der  rechts  vom  Beschauer  stehende  ist  bartlos;  er  hält  in 
der  Lmken  vor  sich  eine  groüse  beilartige  Hacke ;  mit  der  Rechten 
greift  er  nach  dem  Beutel,  den  der  rechts  stehende  bärtige  Mann  in 
der  Rechten  hält  In  der  Linken  hält  dieser  ganz  ebenso  wie  der  jün- 
gere ein  Werkzeug,  die  bekannte  Steinhacke  (ascia).  Der  Beutel  findet 
sich,  wie  schon  Beaulieu  bemerkt  hat,  fast  regelmäHsig  in  den  Händen 
der  Verstorbenen  ^ ;  er  scheint  kaum  den  kaufmännischen  Berufi  viel- 
leicht nur  den  Besitz  Oberhaupt  anzudeuten  und  mag  mit  der  vielbe- 
zeugten Vorstellung  von  dem  Reisegeld,  das  der  Verstorbene  mit  auf 
den  Weg  nahm,  in  Verbindung  zu  bringen  sein.  Nicht  selten  halten 
die  Verstorbenen  auch  Eästchen,  Flaschen  oder  Trinkgefäite  in  den 
Händen.  So  hält  eine  Frau  des  Namens  lassia  auf  einem  schönen 
Steip  aus  Solimariacum  im  Museum  zu  Metz')  eine  kleine lYinkschale; 
ein  Mann,  Regultis  Beb(ur)rici  %  in  der  Rechten  einen  Becher,  in  der 
Linken  eine  gro&e  Börse  mit  Ringen  und  Quasten.  Auf  seiner  Tunica 
sollen  sich  deutliche  Spuren  rother  Bemalung  erhalten  haben  ^) ;  dass 
auch  auf  diesen  rohen  Bildwerken  Bemalung  angewendet  wurde,  ist 
an  sich  keineswegs  unwahrscheinlich.  Ein  alter  Mann  auf  einem  Grab- 
stein aus  Scarpone  im  Museum  zu  Nancy  ^)  trägt  in  der  Rechten  eine 
an  drei  Ketten  hängende  Lampe,  die  ihm  vielleicht  den  dunkeln  Weg 
des  Todes  erhellen  sollte;  mit  der  Linken  stützt  er  sich  auf  einen 
Stock.  Auch  Werkzeuge  in  den  Händen  der  Verstorbenen  sind  nicht 
selten.  So  hält  z.  B.  auf  einem  anderen  Grabrelief  aus  Soulosse  im 
Museum  von  Epinal*)  die  links  stehende  Frau  einen  Beutel,  den  der 
Mann  rechts  mit  der  Rechten  oben  anfasst,  während  er  in  der  Linken 
eine  messeraitige  Hacke  hält.  Was  diese  Werkzeuge  bedeuten  ist  nicht 
klar;  ich  bin  geneigt  ihnen  keinen  andern  Sinn  unterzulegen  als  den 
bekannten  der  ascm  auf  den  Grabsteinen,   dass  nämlich  das  Grabmal 


1)  Z.  B.  auf  dem  daneben,  Taf.  6  Fig.  1  abgebildeten  Relief  iweier  Halb- 
figoren  von  Kindern,  wie  es  soheint. 

«)  Taf.  8  Fig.  2.  •)  Taf.  3  Fig.  3. 

«)  Beanüen  1  S.  216.  «)  Beanliea  2  Taf.  2  Fig.  1. 

f)  Taf.  4  Fig.  11. 


Römisehe  Alterihfimer  in  Lothringen  169 

für  den  Verstorbenen  von  Steinmetz  neu  hergestellt,  gleichsam  frisch 
von  der  Hacke  weg  in  Benutzung  genommen  worden  sei  ^.  Auf  einem 
andern  dieser  Steine  von  Soulosse,  der  sich  ebenfalls  in  Metz  befindet, 
sieht  man  in  einer  Nische,  welche  das  Dach  des  Hauses  andeutet, 
rechts  von  einem  kleinen  Basament  den  Verstorbehen,  wahrscheinlich 
einen  Kaufmann,  bekleidet  mit  kurzer  Tunica  und  die  Lacema  um 
die  Schultern  geworfen.  Das  Basament  bedeutet  wohl  seinen  Laden- 
tisch. Er  hält  in  der  Rechten  eine  Wagschale,  in  deren  eine  Schale  er 
mit  der  Linken  etwas  hinein  zu  legen  scheint;  wohl  dieWaare,  die  er 
zuwiegen  will.  Auf  dem  Tisch  steht  ein  Kästchen  mit  emem,  wie  es 
scheint,  kugelförmigen  Knopf.  Links  vom  Tisch  steht  eine  Frau  in 
langem  Untergewand,  über  welche  die  weite  Paenula  gelegt  ist ;  sie 
hUt  in  der  Rechten  einen  Gegenstand,  der  allenfalls  für  einen  Beutel 
gehalten  werden  könnte.  Vielleicht  stellt  sie  eine  Käuferin  vor;  viel- 
leicht auch  nur  die  Frau  des  Verstorbenen.  Auf  den  Seiten  sind  archi- 
tektonische Ornamente  von  Weinlaub,  an  den  Seiten  des  Giebels  kleine 
Köpfe  als  Akroterien  angebracht.  Die  Inschrift,  welche  unzweifelhaft 
einst  auf  der  Basis  des  Steins  befindlich  war^  fehlt ;  es  ist  jedoch  nicht 
mit  Sicherheit  vorauszusetzen^  dass  sie  von  dem  besonderen  Beruf  des 
Verstorbenen  Nachricht  gegeben  habe.  Denn  meist  enthalten  die  sehr 
kurz  ge&ssten  Grabschriften  der  älteren  römischen  Sitte  entsprechend 
weiter  nichts  als  die  Namen  der  Verstorbenen.  Auch  ein  etwa  hinzuge- 
fagtes  negotiator  würde  das  Verständniss  des  Bildwerks  nicht  beson- 
ders gefördert  haben ;  man  ttberliess  es  eben  dem  Bildwerk  allein  durch 
den  Augenschein  im  Gedächtniss  zu  bewahren  und  zu  lehren,  was  der 
Verstorbene  im  Leben  gewesen.  Von  den*  übrigen  zahlreichen  Darstel- 
lungen ähnlicher  Art  gebe  ich  keine  Beschreibung,  da  dieselbe  ohne 
Abbildungen,  welche  ich  nicht  zu  bieten  vermag,  doch  nicht  viel  nützen 
würde.  Es  ist  ja  überhaupt  nur  der  Zweck  dieser  Zeilen  auf  eine 
ganze  Klasse  bisher  nicht  gehörig  beachteter  Denkmäler  die  Aufmerk- 
samkeit zu  lenken.  Durch  die  weit  verbreitete  Technik  der  Photogra- 
phie (selbst  die  kleinste  Provinzialstadt  hat  ja  jetzt  ihren  Photogra- 
phen), die  so  viel  Unnützes  abconterfeit,  wäre  es  leicht  genug,  der- 
gleichen Denkmäler  wenigstens  vorläufig  bekannt  zu  machen  und  da- 
mit der  Wissenschaft  wahrhaft  zu  nützen.  Eine  genügende  Abbildung 
ersetzt  freilich  auch  hierfür  die  Photographie  nicht;  aber  auf  Grund- 


1)  Vgl.  meine  Bemerknngen  in  diesen  Jahrb.  Heft  87,  1864  S.  161. 
^  Bei  Beanlien  I  Taf.  8  Fig.  1. 


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1^: 


170  ROTiifoba  Alierikömer  in  Lotitringwi 

läge  einer  photographischen  Aufnahme  wird  jeder  einiger  Massen 
tüchtige  Zeichner,  allerdings  nur  unter  der  verständnissvolien  Anlei- 
tung eines  Archäologen,  eine  so  vollkommene  Darstellung  liefern  kön- 
nen, als  sie  überhaupt  nur  verlangt  werden  kann.  Als  solcher  Publi- 
cationen  durchaus  würdig  bezeichne  ich  im  Metzer  Museum  ausserdem 
in  erster  Linie  die  Steine  Nr.  25,  37,  53,  93  und  98,  alle  so  zu  sagen 
Genrebilder  des  römischen  Lebens  aufweisend;  doch  ist  damit  der 
Vorrath  des  bemerkenswerthen  noch  keineswegs  erschöpft.  Selbst  Otto 
Jahn,  dessen  Scharfblick  und  umfassender  Denkmäler-  und  Bücher- 
kenntniss  so  leicht  nichts  entging,  hat  in  seinen  lehrreichen  Aufsätzen 
über  die  Darstellungen  von  Handwerk  und  Handelsverkehr  in  der  an- 
tiken Kunst  0  von  diesen  uns  räumlich  so  viel  näher  liegenden  Quellen 
als  die  italienischen  und  griechischen  Denkmäler,  vielleicht  weil  die 
Wiltheim'schen  Tafeln  ihm  zu  unzuverlässig  schienen,  keine  Notiz 
genommen.  Es  wäre  eine  höchst  dankenswerthe  Aufgabe  für  die  ge- 
lehrten Vereine  in  jenen  Gegenden  und  für  den  patriotischen  Eifsr 
ihrer  Mitglieder,  die  Auffindung,  Aufbewahrung  und  Veröffentlichung 
dieser  Denkmälerklasse  in  systematischer  Weise  in  Angriff  zu  nehmen, 
was  ja  nur  von  den  nächstgelegenen  Pflegstätten  antiquarischer  Stu- 
dien aus  erfolgreich  geschehen  kann.  Selbst  der  unscheinbarste  und 
roheste  Grabstein,  von  dem  sich  der  nur  das  Schöne  und  dem  Auge 
Gefällige  in  der  antiken  Kunst  aufsuchende  Blick  mit  Verachtung  ab- 
wendet, gewinnt  in  der  Verbindung  mit  gleichartigen  Denkmälern  und 
in  seiner  Beziehung  zu  der  nächsten  lokalen  Umgebung  Wichtigkeit 
und  Interesse ;  mind^tens  so  viel  Berücksichtigung  wie  die  kunst- 
losesten Producte  des  Töpfer-  oder  Glaserhandwerks  oder  die  einfach- 
sten Erzgeräthe,  welche  man  ja,  und  mit  Recht,  überall  eifrig  sammelt 
und  sorgfältig  aufbewahrt,  verdienen  doch  jene  Grabsteine  zum  min- 
desten auch. 

Die,  wie  bemerkt,  im  obem  Stockwerk  des  Metzer  Museums  auf- 
gestellten kleineren  Alterthümer  habe  ich  ebenfalls  nur  flüchtig  durch- 
sehen können.  Vor  allem  fiel  mir  darunter  eine  bronzene  Helmmaske 


^)  0.  Jahn  DanieUangen  antiker  Reliefs,  welche  sieh  auf  Handwerk  und 
HandelBverkehr  beziehen,  in  den  Berichten  der  hist.  Glasse  der  Sachfi.  Gesell- 
schafb  der  Wissenschaften  von  1861  S.  291  ff.  Dazu  desselben  Darstellungen 
des  Handwerks  und  Handelsverkehrs  auf  Yasenbildem,  in  denselben  Berichten 
1867  S.  76  ff.  und  über  Darstellungen  des  Handwerks  und  Handelsverkehrs  auf 
antiken  Wandgemälden  in  den  Abhandlungen  der  S&chs.  Gesellschaft  der  Wis- 
tensohaften  philol.  histor.  Klasse  Bd.  Y  1868  S.  265  ff. 


w 


Bömische  Alterthümer  in  Lothriogen  171 

auf,  d.  h.  das  Vordertheil  eines  HelmS;  welches  des  Gesicht  bedeckte, 
genau  in  den  Formen  des  menschlichen  Gesichts,  mit  offenen  Augen- 
höhlen, Nasenlöchern  und  Mund.  Ob  diese  Art  Helme  wirklich  ge- 
tragen worden  sind  oder  welchen  Zweck  sie  sonst  hatten,  ist  meines 
Wissens  unbekannt.  Einen  ganz  ähnlichen  von  prachtvoller  Arbeit,  in 
Bibchester  (Lancashire)  in  England  gefunden,  besitzt  das  brittische  Mu- 
seum >) ;  ein  zweiter  ist  in  Nordschleswig  gefunden  worden  und  in 
Engelhardts  Werk  abgebildet.  Neuerdings  ist  ein  ähnlicher  im  Rheingau 
zum  Vorschein  gekommen  und  in  das  Mainzer  Museum  gelangt,  wo 
ich  ihn  im  vorigen  Herbste  luiter  Herrn  lindenschmits  sachverstän- 
digen Händen  sah.  Auch  in  Etrurien  kommen  ähnliche  Helme  mit  Ge- 
sichtsmasken vor,  wie  z.  B.  der  im  Museo  Etrusco  Gregoriano  1  Taf. 
21,  2  abgebildete. 


^)  Earze  Notiz  darüber  habe  ich  in  der  arohäol.  Zeitung  27,  1871  S.  90 
gegfeben.  Ediert  ist  er  in  den  Yetasta  monumenta  Bd.  4  (London  1815  FoL) 
Taf.  1 — 4.  Townley,  der  ihn  besars,  hat  eine  mystische  Erklärung  dazu  geliefert. 
Das  Gesicht  ssbeint  das  einer  Minerva  zu  sein;  das  vordere  Stirnband  bildet 
ein  diademartiger  Kranz  von  Befestigungen,  eine  Corona  murälis,  geschmückt 
mit  Victorien,  Tritonen'  und  Gonienköpfen.  Den  ganzen  Helmkopf  bedecken  Re- 
liefcr,  welche  Kämpfe  zwischen  Römern  und  Britten  darzustellen  scheinen.  Der 
Helm  ist  lOVj  Zoll  hoch;  Townley  vergleicht  der  vortrefiflichen  Arbeit  wegen 
mit  Recht  die  in  Pompeji  gefundenen  Gladiatorenhelme,  denen  der  Londoner 
Helm  auch  der  Zeit  nach  nahe  steht;  denn  er  gehört  unzweifelhaft  dem  ersten 
Jahrhundert  an. 

Berlin,  Juni  1873. 

E.  Hüb n er. 


6.   Römische  Inschriften  aus  Rohr  bei  Blankenheim  und  aus  Bonn. 


r. 


1^ 


^¥' 


Bereits  im  vorigen  (52.)  Hefte  unserer  Jahrbücher  S.  175  haben 
wir  die  vorläufige  Nachricht  gebracht,  dass  beim  Abtragen  der  bau- 
fäUigen  Kirche  zu  Rohr  im  Frühjahr  1872  zwei  römische  Inschriften 
gefunden  worden  seien.  Beide  Inschriftsteine  sind  seitdem  nebst  einem 
inschriftlosen  Steine,  welcher  die  Figur  eines  Mannes  en  haut  relief 
in  einer  Nische  trägt,  vom  Vorstände  des  Vereines  erworben  und  mit 
nicht  unbeträchtlichen  Kosten  hierhin  befördert  worden.  Aus  den  uns 
vorliegenden  Fundberichten  des  Hm.  Pastor  Schönhuth  von  Rohr  d.  d. 
16.  Juni  1872  und  des  Hm.  Rector  Dr.  Pohl  in  Linz  vom  3.  Jan.  1873, 
so  wie  des  Kreisbaumeisters  Hrn.  Schütte  heben  wir  hervor,  dass  der 
dem  Mercurius  geweihte  Altar,  so  wie  der  mit  dem  Bilde  versehene 
Sandstein  in  einem  der  äusseren  Strebepfeiler  in  der  Weise  einge- 
mauert lagen,  dass  die  Inschrift-,  resp.  Bildseite  nach  innen  gekehrt 
war.  Die  Verstümmelung  des  letztern  Steines  rührt  nach  Hm.  Schön- 
huths  Bericht  daher,  dass  die  Maurer  denselben  zum  Behufe  des  Auf- 
legens  auf  einen  andern  flachen  Stein  zurecht  hauen  mussten.  Den 
dritten  Stein  mit  der  Matroneninschrift  fand  Hr.  Dr.  Pohl  am  20.  Sept. 
1872  auf  dem  Kirchhofe  zu  Rohr  unter  den  noch  umherliegenden  Stein- 
haufen. Durch  seine  Güte  erhielt  ich  von  beiden  Inschriften  Papierab- 
klatsche mit  sorgfältigen  Notizen  und  der  freundschaftlichen  Auffor- 
demng,  die  Veröffentlichung  derselben  selbst  in  die  Hand  zu  nehmen. 


.  *  ; 


1. 


Der  Altar,  von  dem  nur  der  obere  Theil  erhalten  ist,  aus  grau- 
gelben Sandstein,  ist  0,48  m.  breit,  0,48  m.  breit,  0,40  m.  hoch  und 
0,22  m.  dick.  Die  Höhe  der  Buchstaben  beträgt  0,05  m. 


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Bömiicbe  InBohriften  ans  Rohr  bei  Blankenheim  und  aua  Bonn.  178 

MERCVRI 

CHANNINI 

/tili 

Z.  1.  Da  nach  der  rechten  Seite  zu  der  Rand  etwas  beschädigt 
ist,  so  liegt  die  Vermutbung  nahe,  dass  ein  0  ausgefallen  sei,  jedoch 
hat  eine  wiederholte  Besichtigung  des  Steines  mich  in  der  Ueberzeu- 
gnng  bestärkt,  dass  für  diesen  Buchstaben  kein  Baum  vorhanden  ge- 
wesen. 

In  Z.  2  könnte  man  auf  den  ersten  Blick  in  dem  Anfangsbuch- 
staben ein  0  vermuthen;  bei  näherer  Betrachtung  ergibt  sich  aber, 
dass  die  bogenförmige,  bis  zu  M  in  die  1.  Z.  hinauf  verlängerte  Ver- 
tiefung wahrscheinlich  beim  Reinigen  der  Buchstaben  vom  Mörtel  durch 
Einritzen  unwiUkührlich,  oder  auch  in  der  nicht  ganz  ungerechtfertig- 
ten Voraussetzung,  dass  der  Name  des  Gottes  im  Dativ  stehen  mflsse, 
durch  Nachhülfe  entstanden  sei,  eine  Möglichkeit,  welche  Hr.  Pfarrer 
SchOnhuth  dem  Hm.  Dr.  Pohl  auch  zugab.  In  dem  letzten  Buchstaben, 
von  dem  nur  der  Rest  des  Verticalstrichs  erhalten  ist,  erkenne  ich 
ein  £.  Wir  haben  also  hier  den  seltenen  Fall,  dass  in  der  Widmung 
der  Name  des  Gottes,  anstatt  im  Dativ,  im  Genitiv  steht,  wie  bei  dem 
Kölner  Weihestein  des  Mercurius  Arvemus  0  und  einem  ganz  ähnlichen 
Mercursteine  im  Antikenkabinet  zu  Wien ').  Andere  Beispiele  giebt 
Zell  in  seiner  Anleitung  zur  Kenntniss  der  röm.  Inschriften  S.  143. 
Doch  beschränkt  sich,  wie  es  scheint,  dieser  Gebrauch  auf  die  Ver- 
bindung mit  der  Formel  SACRVM.  £s  möchte  daher  grosse  Wahr- 
scheinlichkeit für  sich  haben,  dass  in  der  3.  Zeile,  worin  nur  fünf 
wenig  Anhalt  bietende  Buchstabenreste  erhalten  sind,  ausser  der  Er- 
gänzung von  CHANNINEFATIVM  das  Wort  SACRVM  ganz,  oder  in 
SACR.  abgekQrzt  gestanden  habe.  Der  abgebrochene  Theil  des  In- 
schriftsteins wird  den  Namen  des  Widmenden  nebst  der  gewöhnlichen 
Weiheformel  V  '  S  *  L  *  M  enthalten  haben. 

Der  verstümmelte  Votivstein  nimmt  in  mehrfacher  Hinsicht  unser 
Interesse  in  Anspmch:  er  ist  der  Stammgottheit  eines  acht  germa- 
nischen Volkstammes,  der  G  ann  in  ef at e  n  geweiht,  welche  nach  Tacitus 
Hist.  IV,  15,   »in  Herkunft,  Sprache,  Tapferkeit  den  Batavern  gleich, 


^)  S.   das  Yen.   der   röm.  Alterth.  des  Mus.  Wallraff-RichArs  in  Köln 
8.  21  Yon  Düntser. 

')  Vgl.  die  BesohreibuDg  desselben  von  v.  Sacken  and  Kenner  S.  109,  28. 


174  Römische  InBohriften  tus  Rohr  bei  Blftnkenheim  und  aue  Boan. 

jedoch  an  Zahl  von  diesen  abertroffen,  einen  Theil  der  Batavischen 
Insel  bewohnten.«  Im  Anfange  des  Aufstandes  des  Batavers  Civilis 
spielten  sie  unter  Anführung  Brinnos  eine  bedeutende  Rolle,  indem  sie 
das  Winterlager  zweier  römischer  Gehörten  zerstörten  und  als  die 
ersten  sich  dem  Civilis  anschlössen.  Tacitus  nennt  Cohorten  derselben, 
welche  (nach  H.  IV,  19)  von  Vitellius  nach  Italien  gef&hrt  Wurden, 
so  wie  (Ann.  IV,  73)  im  frisischen  Feldzuge  eine  ala  Canninefatium, 
die  der  Legio  X  gemina  zu  Vetera  zugetheilt  war.  Ueberhanpt  schei- 
nen sie  in  späterer  Zeit  nur  als  Reiter  gedient  zu  haben;  im  daci- 
schen  Feldzuge  finden  wir  eine  ala  zu  Vindobona,  eine  andere  zu 
Mainz,  der  leg.  I  adiutrix  beigegeben  ^) ;  auf  drei  Militärdiplomen 
aus  der  Zeit  des  Antoninus  Plus  wird  die  ala  I  erwähnt,  welche 
auf  das  Vorhandensein  mehrerer  Reitergeschwader  schliessen  lässt. 
Die  letzte  Erwähnung  der  Canninefaten  findet  sich  auf  einer  In- 
schrift aus  Volsinü  aus  der  Zeit  des  Severus  Alexander  (3.  Jahrh. 
nach  Chr.)«). 

Kehren  wir  nach  dieser  kleinen  Abschweifung  zu  unserer  Inschrift 
zurück,  so  bieten  sich  zu  dem  hier  zum  ersten  Mal  vorkommenden 
Mercurius  Channinefatium,  in  dem  wir  den  römisch  gedeuteten 
Hauptgott  der  Deutschen  W  u  o  t  a  n  zu  verstehen  haben,  in  Inschrif- 
ten mehrfache  Parallelen  besonders  von  romanisirten  Gallischen  Gott- 
heiten, wie  die  des  schon  obengenannten  Mercurius  Arvernus  oder 
Arvernorum,  des  Mars  Talliatium,  Mars  Caturix,  Albiorix 
u.  a.,  welche  Prof.  J.  Becker  in  diesen  Jahrbb.  XXTT,  170  ff.  zusam- 
mengestellt hat. 

Es  erübrigt  uns  noch,  einiges  Über  die  Schreibweise  des  Namens 
der  Canninefaten  zu  bemerken,  welcher  in  den  Handschriften  des  Ta- 
citus, Plinius  und  Velleius  Paterculus  gewöhnlich  CANNINEFATES, 
dagegen  in  den  Inschriften  bald  CANNJ5NEFATES,  bald  CANNFN- 
oder  CANNINEFATES  geschrieben  wird.  Prof,  Becker »),  welcher  diesen 
Streitpunkt  einer  besonderen  Untersuchung  unterworfen  hat,  ist  ztf 
dem  Resultate  gelangt,  dass  in  den  Inschriften  die  Schreibung  Can- 
naneiates  die  am  sichersten  beglaubigte  sei.  Dieses  Ergebnisa  möchte 
indessen  bei  der  zum  Theil  onsichem  Ueberlieferung  der  bezüglichen 


^)  Bonxu  Jahrbb.  XV,  101. 

')  OrelL  96  und  dazu  Henzen  I.  L.  III,  p.  6,  vgl.  Völker,  d.  Freiheitakampf 
der  Bataver  anter  ClaudiaB  Civilis,  1.  Lief.  S.  28. 
>)  Bonn.  Jahrbb.  XY,  101  ff. 


k 


Bdmiflcfae  Insohnften  aus  Bohr  bei  Blankenheim  und  am  Bonn.  175 

Inschriften  durch  die  abweichende  und  sich  der  Tradition  in  den  Hand- 
schriften anschliessende  Schreibweise  unserer  Inschrift,  welche,  in 
schönen  Charakteren  eingehauen,  ohne  Zweifel  aus  guter  Zeit  stammt, 
zu  modificieren  sein,  zumal  da  die  Schreibung  GAanninef.  auch  zu  der 
Ableitung  des  Namens,  welche  J.  Grimm  ^  und  Zeuss  ^)  versucht  ha- 
ben, vortrefPlich  stimmt.  Beide  stellen  nämlich  den  Namen  in  der  Vor- 
aussetzung, dass  die  Bataver  centum  durch  cannin,  cannan  ausdrückten, 
mit  dem  Oothischen  ,hundafadeis'  zusammen,  so  dass  also  der  Name 
Hundertmänner  (fathes,  faths - gomo - homo,  Mann)  bedeuten 
würde,  was  in  der  Germanischen  Kriegs-  und 'Gauverfassung  seinen 
Grand  gehabt  haben  könnte  *).  Wenn  nun  J.  Grimm  zugleich  mit  Zeuss 
noch  das  Auffallende  hervorhebt,  dass  man  nach  dieser  Ableitung  eigent- 
lich GAanninefates,  was  sich  aber  nirgends  findet,  erwarten  müsse,  so 
kömmt  unsere  Inschrift  dieser  Anforderung  auf  das  Erwünschteste 
entgegen  und  möchte  daher  nicht  blos  die  richtige  Aussprache  des 
fraglichen  Volksnamens  bieten,  sondern  auch  die  richtige  Schreibung 
desselben  am  nächsten  reprilsentiren.  ^ 

Wir  schliessen  hieran  eine  kurze  Besprechung  des  in  demselben 
Strebepfeiler  gefundenen  Bildsteines.  Es  ist  diess  ein  gelblich  weisser 
Sandstein  0,66  met.  hoch,  0,41  m.  breit  und  0,17  m.  dick.  Die  in  einer 
Nische  in  haut-relief  befindliche  unbekleidete  männliche  Figur  ist,  wie 
oben  bemerkt,  stark  beschädigt,  besonders  an  den  Unterschenkeln  und 
den  Füssen,  welche  letztere  fast  ganz  verschwunden  sind;  so  wie  auch 
der  untere  Theil  des  Gesichtes  fehlt.  In  der  rechten  Hand  scheint  sie 
eine  Keule  zu  halten,  ein  Attribut,  welches  auf  Hercules  zu  schliessen 
geeignet  wäre,  wenn  nur  die  die  Löwenhaut  nicht  fehlte.  Ich  möchte 
die  sehr  roh  gearbeitete  Figur  eher  für  einen  Mercur  halten,  da  sie 
mit  dem  Mercuraltare  in  näherer  Beziehung  zu  stehen  scheint  und 
der  Gegenstand,  den  die  rechte  Hand  trug,  nach  oben  so  stark  her- 
anstritt, dass  man  möglicher  Weise  »den  Beutek  erkennen  dürfte. 
Indessen  ist  von  emem  » Schlangenstab  k  (caduceus)  in  der  abwärts  ge- 
haltenen Linken  nichts  mehr  zu  sehen. 


^)  GesoK  d.  dentschen  Sprache  2,  586. 

')  Die  Deutschen  tind  die  Naohbarsi&mme  S.  102  Anm. 

*)  8.  Grimm  a.  a.  0.  491  f.  und  VöUcer  a.  a.  0.  S.  27. 


BSmiache  Inadirift«D  miu  Bohr  b«i  ffluakenlimiii  und  ftoi  Bonn. 


MatroneDinschrift  in  grünem  Sandstein,  0,75  m.  lang,  0,47  m. 
breit  und  0,23  m.'  dick.  Die  Habe  der  Buchstaben  beträgt  0,045  m. 
Der  Stein  ist  auf  der  rechten  und  der  linken  Seite  abgeschnitten,  so 
das8  sowohl  am  Ende  als  am  Anfange  jeder  Zeile  venigstens  je  ein 
Buchstabe  fehlen ;  am  Ende  der  ersten  Zeile  so  wie  am  Anfange  der- 
selben findet  sich  ein  Bruch,  Wodurch  ein  paar  Buchstaben  im  Namen 
der  Matronen  verloren  gegangen  sind.  Die  Inschrift,  deren  Buchstaben 
nicht  sehr  tief  und  meist  verwischt  sind,  lautet  na(^  dem  mir  vor- 
li^enden  Papierabdmck : 

XvTRONISd 
^BVSmCLEM 
TINVS  IVSTVS 
IVLIA  CINN 
5  V  L   M 

(Ma)troni3  G(abijabus  Clem(en)tinus  Justu(3)  (et)  Jnha  CinD(a)(?). 
Votum  (solTenmt)  lubentes  merito. 
Unzweifelhaft  ist  Z.  1  zu  Anfang  JlfATROMIS  zu  ergänzen; 
der  darauffolgende  Buchstabe  ist  nicht  Hir  ein  G  oder  0,  sondern, 
wie  das  Ektypon  zeigt,  für  ein  G  anzusehen.  Da  nun  nach  der  sich 
von  selbst  ergebenden  Er^nzung  der  in  den  folgenden  Zeilen  vorkom- 
menden Xamen  am  Ende  der  Zeilen  je  1  bis  l'/i  Bachstabea  wegge- 
fallen sind,  so  werden  wir  mit  Sicherheit  zur  Annahme  gefflhet,  dass 
am  Schlüsse  ein  A  und  am  Anfange  der  2.  Zeile  BI  oder  B'  ausser 
dem  linken  Schenkel  des  A  ausgefallen  sei.  Kein  anderer  der  wenigen 
mit  G  beginnenden  Matronennamen,  weder  die  Gavadiae  noch  die 
Guinebae,  könnten  hier  Platz  finden,  ausser  den  Gablae,  welche  im 
westrheinischen  Ubierlande  auf  vier  zu  Rövenich  bei  Zflipich  gefunde- 
nen, jetzt  verlorenen  Altären  mit  Matronae,  and  einmal  in  Köln  mit 
Innones  vorkommen. 

Was  die  Deutung  dieses  Beinamens  betrifft,  so  hat  man  bisher 
&8t  allgemein  darin  keine  topische  BeneDiiung  gefunden,  sondern  den- 
selben theils  mit  der  deutschen  Emtegöttia  Fru  Gaue  (Fra  Göde) 
zusammen  gestellt,  wie  Lersch '),  oder  man  hat  durch  Ableitung  von 
der  altdeutschen  Form  des  Wortes  Gau  (gawi,  gavi),  dessen  v  in  b 


<)  Bonn.  Jahrbb.  II,  127. 


Römiselie  Inscbriften  aus  Rohr  bei  ßlankenheim  nnd  ftus  Bonn.  177 

übergegangen,  die  Gabiae  als  Gaugöttinnen  gedeutet,  wie  ReinO* 
welcher  in  der  Bürgeler  Inschrift  der  Matronae  Alagabiae  gleich- 
Matronen  »aller  Gaue«  versteht.  Die  neueste  Deutung  der  M.  Gabiae 
von  dem  Holländer  Dr.  Kem^)  als  »Geberinnen  von  guten  Gaben«, 
hat  etwas  Empfehlendes,  doch  möchte  die  uns  mündlich  von  Prof. 
Simrock  nütgetheilte  Erklärung  »die  Begabenden«  noch  vorzuziehen  sein, 

■ 

womach  die  in  einer  Inschrift  als  Junones  bezeichneten  Gabiae  als 
die  wohlthätigen  Feen  erscheinen,  welche  den  Neugeborenen  besondere 
»Begabungen«  zutheilen. 

Z.  2  findet  sich  hinter  dem  ausgefallenen  S  ein  Zeichen^  welches 
ohne  Zweifel  für  das  als  Interpunktion  dienende  Epheublatt  zu  halten 
ist  Der  horizontale  Strich  des  folgenden  L  ist  verwischt,  so  wie  auch 
die  2.  Hälfte  des  M. 

Z.  3  ist  es  wahrscheinlich,  dass  hinter  IVSTV  bloss  ein  S  aus- 
gefallen und  mit  dem  geforderten  ET  die  4.  Zeile  begonnen  habe.  In 
dieser  Zeile  fällt  der  etwas  nach  oben  gehende  Querstrich  des  ersten 
Buchstabens  in  IVLIA  auf,  so  dass  man  an  7VLIA  statt  XyLLIA 
denken  könnte,  jedoch  erscheint  derselbe  bei  näherer  Betrachtung  als 
eine  Fortsetzung  der  oben  rechts  von  dem  Buchstaben  bemerklichen 
zufälligen  Vertiefung.  In  dem  folgenden  Namen  GINN  sind  die  zwei 
ersten  Buchstaben  sehr  verwischt,  so  dass  die  Lesung  unsicher  bleibt, 
namentlich  ob  der  zweite  Buchstabe  für  ein  I  oder  E  zu  halten  sei. 
Wir  entscheiden  uns  mit  Hrn.  Dr.  Pohl  für  CJ5NNA,  obgleich  wir  für 
diese  mehr  einem  keltischen  Mannesnamen  zukommende  Form  kei- 
nerlei Beleg  beizubringen  im  Stande  sind.  Die  einzig  anklingende 
Form  findet  sich  in  einer  Mainzer  Inschrift  (Stein,  327),  welche  einer 
QENIA  LINEA  GRATA  gesetzt  ist.  Uebrigens  möchte  die  Julia 
Genua  als  Gattin  des  Glementinus  Justus,  dessen  ersterer  Name  auf 
einer  Mainzer  Inschrift  (Br.  1064)  vorkommt,  zu  betrachten  sein. 

Z.  5  in  der  Widmungsformel  scheint  nach  Massgabe  der  symme- 
trischen Entfernung  der  erhaltenen  3  Buchstaben  V  L  M  das  sonst 
regelmässig  gebrauchte  S(olvit)  zu  fehlen;  jedoch  möchte  ich  bei  dem 
verwitterten  Zustande  der  Inschrift  lieber  den  Ausfall,  als  die  Aus- 
lassung des  S  annehmen,  welche  Zell ')  unter  den  Variationen  dieser 


1)  Hans  Bürgel.  Crefeld    1866.  S.   84  ff.    Yergl.  B.  Jabrbb.  XXIII,  S. 
149  f.    Simrook,  Handb.  d.  doutochen  Myth.  S.  864. 
^)  H.  LH  d.  Jahrbb.  S.  160. 
')  Anleitong  sur  Eenntniss  der  röm.  Inschriften  S.  145. 

12 


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I: 


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\ 


178  BönuBohe  Iiudhiifteii  ins  Bobr  bei  Blankenhfflm  und  aas  Bonn. 

Widmangsformel  zwar  anführt,  jedoch  durch  kein  sicheres  Beispiel  be- 
legt hat. 

Znm  Schloss  wollen  wir  die  Yermathong  nicht  nnterdrücken, 
dass  die  besprochenen  drei  Steine,  von  denen  die  zwei  ersten  wahr- 
scheinlich einem  kleinen  Tempel  des  Mercurins  angehört  haben,  nicht 
ursprünglich  an  der  Fundstätte  zu  Rohr  gestanden,  da  uns  von  dort  ge- 
fundenen Alterthumsresten  bisher  nichts  bekannt  geworden,  vielmehr 
halten  wir  die  Annahme  für  gerechtfertigt,  dass  dieselben  von  dem 
benachbarten  römischen  Etappenorte  Marcomagus,  durch  welchen  die 
sowohl  im  Itinerar  des  Antonin  als  auf  der  Peutingerschen  Tafel  an- 
gegebene Hauptstrasse  von  Trier  nach  Köln  führte  0»  als  Material  für 
den  Bau  der  alten  Kirche,  wie  diess  auch  anderwärts  so  häufig  der 
Fall  war,  hergeholt  worden  sind. 

3. 

Votivaltar  aus  Jurakalk,  im  Jahre  1870  bei  der  Tieferlegung 
der  Aussenmauem  der  hiesigen  MQnsterkirche  in  den  Fundamenten 
des  nördlichen  SeitenschiiFes  entdeckt.  Da  die  eine  Schmalseite  ein 
Fflllhom  zeigte,  so  schloss  man  mit  Recht  auf  eine  römische  ara  und 
arbeitete  den  schweren  Stein  mit  grosser  Eraftanwendung  aus  den 
Grundmauern  heraus.  Derselbe  ist  aber  nach  der  rechten  Seite  zu 
schief  abgeschnitten;  die  Höhe  desselben  beträgt  0,95  m.,  die  Breite 
0,59  m.,  die  Dicke  0,29  m.  Die  linke  Volute  der  ara  ist  noch  erhalten,  so 
wie  auch  der  grösste  Theil  des  arg  zerstörten  Simses.  Ebenso  reicht 
das  auf  der  linken  Schmalseite  in  schönen  Formen  gearbeitete  FfiU- 
hom  bis  zur  Basis,  während  von  dem  auf  der  rechten  Seite  befind- 
lichen nur  der  sich  nach  unten  verjüngende  Theil  sichtbar  ist 

Durch  Brüche  hat  der  Stein  an  der  obem  Hälfte  rechts  und 
links  stark  gelitten,  und  ist  Qberhaupt  in  so  hohem  Grade  abgeschlif- 
fen und  verwaschen,  dass  die  zum  Theil  schattenhaften  Charaktere 
sehr  schwer  zu  lesen  sind.  Was  mir  mit  Hülfe  eines  Papierabklatsches 
und  einer  recht  gelungenen  photographischen  Aufnahme,  die  ich  der 
Güte  des  Hm.  Stud.  ehem.  Friedrich  Krafit  verdanke,  zu  enträthsebd 
möglich  war,  lautet  also: 


^)  J.  W.  Schmidt  über  die  Römentrassen  im  Rheinlande  in  diesen  Jahrbb. 
Heft  XXXI,  S.  SS  ff.  üeber  die  wahrscheinliche  Lage  des  alten  Maroomagos 
(Mermagen)  vgl.  noch  Eick  die  röm.  Wasserleitung  aus  der  Eifel  nach  Köln. 
S.  16  ff. 


L 


Römische  Inschriften  aus  Rohr  bei  Blankenheim  und  aus  Bonn.  179 


...  1   VN. 
.  .  .  R  C  V  .  . 
. . • OhL- V- 
,     .  .   :>CV   •  AEN. 
5  .  .  ASSIANVS'  • 

_  VRIVSSA  .... 

N  V  S C 

EX  VOTO  .  .  . 

>  ntoNno-  •/    - 

d.  h.  forTVNae  et  heRCVli   .  cOELiVs  FuSCVs  .  (m)AENius 

cASSIAJn^S  (et)    .   ZVRIVS  SA(tumi)NVS G  •  EX  VOTO 

(posuerunt)  •  ANTONINO  ....  cos 

Da  sich  über  dem  Simse  schwache  Reste  von  Buchstaben  zeigen , 
so  wird  die  Vermuthung  nicht  zu  gewagt  sein,  dass  daselbst  entweder 
GENIO  LOCI,  worauf  der  erhaltene  Strich  Querstrich  von  L  zu  führen 
scheint,  oder  die  Formel  In  H(onorem)  D  '  D(omus  divinae)  gestan- 
den habe.  In  der  1.  Zeile  ist  die  Ergänzung  forTVNae  sicher,  eben 
80  die  von  herCVLi  in  der  2.  Z.  —  Z.  3  scheint  es  zweifelhaft,  ob 
der  zweite  Buchstabe  für  ein  L  oder  ein  E  zu  halten.  Im  erstem 
Fallist  die  Ergänzung  von  LOLLIVs  geboten,  ein  Gentilname,  welcher 
auch  sonst  auf  rheinischen  InschViften  vorkömmt;  vgl*.  Bramb.  389, 
wo  ein  G.  Lollius  Priscus  und  1467,  wo  ein  C.  LoUius  Grispus  genannt 
wird.  Im  andern  Falle  ist  cOELiVs  zu  suppliren,  wozu  Bramb.  679 
ein  Beispiel  liefert.  Ausserdem  wird  vor  Coelius  noch  der  Vorname 
gestanden  haben.—  Z,  4  ist  unbedenklich FuSGVs  zu  ergänzen;  desto 
schwieriger  ist  die  Deutung  der  schwach  durchschimmernden  Zeichen 
A  E  N,  worin  der  Gentilname  des  2.  Dedikators  der  Ära  enthalten 
sein  muss.  Ergänzen  wir  mAENius,  so  fehlt  der  Raum  für  den  Vor- 
namen; es  möchte  daher  vor  diesem  höchst  seltenen  Gentilnamen  der 
öfter  auf  rheinischen  Inschriften  erscheinende  AELius  sich  empfehlen, 
da  das  N  nicht  unzweifelhaft  fest  steht.  —  Zu  Anfang  der  5.  Z.  lese 
ich  gASSIANUS  (vgl.  Bramb.  1683)  und  fülle  den  noch  übrigen  Raum 
durch  et  und  einen  das  Praenomen  bezeichnenden  Buchstaben  aus.  -- 
In  Z.  6  war  der  1.  Buchstabe  ohne  Zweifel  LVRIVS,  welcher  Name 
bisher  auf  rheinischen  Inschriften  nicht  vorgekommen  ist  Bekannt  ist 
den  Nunüsmatikern  P.  LVRIVS  AGRIPP A  auf  einer  Monetarmünze 


K*. 


180  BömiBche  Inschriften  aus  Bohr  bei  Blankenheim  und  ans  Bonn. 

des  Aagustus.  Hinter  SA  sind  wahrscheinlich  5  Buchstaben  tumi  aus- 
gefallen, wodurch  wir  den  sehr  häufig  vorkommenden  Namen  Satumi- 
nus  erhalten,  obgleich  man  auch  mit  der  Ergänzung  SAmi  sich  be- 
gnügen könnte  (Yergl.  firamb.  1520).  Da  jedoch  die  vorhergehende 
Zeile  12  Buchstaben  enthält,  so  ziehen  wir  die  erstere  Ergänzung, 
wonach  in  diese  Zeite  13  Buchstaben  zu  stehen  kommen,  vor.  —  Zu 
Anfang  von  Z.  7  steht  deutlich  die  Schlusssilbe  NVS,  alles  Uebrige 
ist  bis  zur  gänzlichen  Unkenntlichkeit  verschwunden  ausser  einem  G 
oder  6  am  Ende.  Einer  meiner  Bekannten,  welcher  die  Inschrift  zur 
Abendzeit  bei  Lampenlicht  wiederholt  betrachtet  hat,  will  Spuren  des 
Wortes  STRATOR  entdeckt  haben,  wovon  ich  jedoch  ausser  schwachen 
Spuren  eines  T  nichts  finden  kann.  Dürfte  ich  eine  Yermuthung  wagen, 

so  möchte  ich  VEXILL(arii)  (le)6I  als  ausgefallen  annehmen,  da  die  hier 
genannten  Dedika;toren  höchst  wahrscheinlich  der  1.  Legion  angehört 
haben  werden  und  die  zu  besonderen  Diensten  detachirten  Vexillarii 
auf  rheinischen  Votivaltären,  und  zwar  namentlich  auf  solchen,  die 
dem  Hercules  geweiht  sind,  häufig  vorkommen.  Vergl.  das  Denkmal 
des  Hercules  Saxanus  im  Brohlthal.  Bonn  1862.  Nr.  2.  4.  5.  10.  II. 
12.  14.  und  die  zwei  Inschriften  von  Neuwied,  Bramb.  692  und  693. 
Das  Nähere  über  die  Vexillarii  in  engerer  Bedeutung,  womach  sie 
aus  Veterani  bestanden,  und  in  weiterem  Sinn  als  Detachements  einer 
Legion  oder  auch  eines  Hülfstruppentheiles  in  Beckers  Handb.  d.  röm. 
Alterth.  HL  2.  Abth.  S.  366  f. 

Z.  8  sind  die  drei  ersten  Buchstaben  der  Formel  EX  YOTO 
vollkommen  deutlich,  die  drei  folgenden  schimmern  noch  erkennbar 
durch.  Dahinter  ist  sehr  wahrscheinlich  posuerunt  ausgefallen. 

^^  Aus  dem  in  der  letzten  Zeile  noch  vorhandenen  Eaisemamen 

ANTONINO  lässt  sich  das  Jahr  um  so  weniger  bestimmen,  als  ausser 
Antoninus  Pius  und  Antoninus  philosophus  mehrere  spätere  Kaiser, 
r^  wie  Caracalla,  Elagabal  und  Severus  Alexander  denselben  Namen  in 

^  .  öffentlichen  Urkunden  geführt  haben.  Unter  einem  der  drei  letzteren 

l'  wird  unsere  Inschrift  zu  setzen  sein,  wenn  die  von  uns  angenommene 

Devotionsformel  In  Honorem  Domus  Divinae  an  der  Spitze  der  In- 
schrift stand,  da  diese  erst  g^en  Ende  des  2.  Jahrh.  in  Gebrauch 
^'\  gekommen  ist  Ergänzen  wir  dagegen  OENIO  LOCI,  so  möchten  wir 

wohl  berechtigt  sein,  unsere  Inschrift  in  die  Regierungszeit  des  M. 
Aurelius  Antoninus  zu  setzen,  und  zwar  unter  das  Gonsulat  des 
ANTONINVS  ffl  et  VERVS  H  «  161  p,  Chr.,  in  welches  Jahr  zwei 


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Römische  Inflohriften  aus  Rohr  bei  Blankenheim  und  aus  Bonn. 


181 


von  ans  in  diesen  Jahrbüchern  ^)  besprochene  Inschriftsteinc  von  Sol- 
daten der  Leg.  I  Min.  gehören. 

4. 

Grabstein  aus  Jurakalk,  15"  hoch,  I3V2"  breit,  3"  dick,  gefun- 
den bei  der  Anlage  von  Latrinen  nahe  der  Reitbahn !  auf  dem  neuen 
Exercirplatze  vor  dem  Kölnthor,  für  verwundete  Krieger,  im  Sommer 
1870.  Der  Stein,  welcher  mit  anderen  Fragmenten  von  Säulen  und 
Inschriften  an's  Licht  kam,  wurde  als  brauchbares  Baumaterial  von 
einem  Arbeiter  bei  Seite  geschafft  und  von  mir  in  diesem  Frühling 
zufällig  entdeckt  und  für  die  Vereinssammlung  erworben.  Die  im 
Ganzen  wohl  erhaltene  Inschrift  lautet: 


NELLONIA 

PEREGRI^A 

VIVA 

SlBI  FC 

Dieser  Stein  ist  dadurch  von  besonderem  Interesse,  dass  er  zu 
den  wenigen  bis  jetzt  in  Bonn  gefundenen  römischen  Denkmälern  ge- 
hört, welche  Privatpersonen  gesetzt  sind.  Die  Zahl  dieser  Grabschriften, 
welche  in  dem  ,Urkundenbuch  des  römischen  Bonn'  von  dem  Unter- 
zeichneten ')  zusammengestellt  sind,  belauft  sich  auf  fünf,  von  denen 
nur  eine  vollständig  erhalten  ist,  während  die  Zahl  der  Grabsteine 
von  Soldaten  achtzehn  beträgt,  ein  beweis,  dass  das  bürgerliche  Ele- 
ment vor  dem  militärischen  stark  zurückgetreten  ist. 

Der  Name  der  auf  unserer  Inschrift  genannten  Frau  Mellonia, 
welche  sich  bei  Lebzeiten  diesen  Grabstein  hat  anfertigen  lassen,  dürfte 
als  vornehm  und  reich  angesehen  werden,  wenn  sie  zu  der  Familie 
der*  Gebrüder  Melonii  Garantus  und  Jucundus  gehört  hätte,  welche 
auf  einem  in  Castel  bei  Mainz  gefundenen,  dem  Juppiter  und  der  Juno 
geweihten  nnd  ausserdem  mit  4][Götterbildem  geschmückten  Altare 
als  Stifter  demselben   und  zugleich  als  Gründer   eines  nach  ihnen  be- 


')  Heft  L  und  U  S.  186  ff. 

^)  S.  22  ff.  in  der  Festoohrifb^  zu  demjinternationalen  Congresse  f.  Alter- 
thomskande  und'  Geschichte  zu  Bonn  im  Sept.  1868. 


182  RoiuiBche  Inschriften  ans  Rohr  bei  Blankenheim  nnd  ans  Bonn. 

naDüten  Quartiers  oder  Viertels  (Novus  Yicus  Melomorum)  in  Gastel- 
lum  Mattiacorum  ^)  erscheinen.  Jedoch  scheint  es  geboten,  unsere  MeZ- 
tonia,  die  mit  doppeltem  1  geschrieben  ist,  von  der  Familie  Melonia, 
wozu  eine  Mefonia  Junia  auf  einem  Grabstein  aus  Frankfurt  (jetzt^in 
Wiesbaden)  ^)  gehört  haben  mag,  zu  trennen.  Ein  MeZfonius  Severus, 
Centurio  der  22.  Legion,  kommt  auf  einem  Grabsteine  vor,  der  im  J 
1858  auf  dem  Kästrich  gefunden  wurde  und  die  Datirung  Cilone  et 
Libone  cos.  =  204  trägt  ^).  Dazu  kommt  noch  ein  Grabstein  aus  Köln, 
der  dem  Mellonius  Eraclius  und  der  Fannia  Secunda  von  ihrem  Sohn 
Publius  Mellonius  geweiht  ist^).  Was  die  Abstammung  des  Namens 
MeZonius  betrifiFt,  so  hält  sie  Prof.. Becker  ^)  für  celtisch  mit  Hinweiä" 
auf  viele  analoge  Namen  mit  der  Endung  onius  und  auf  den  in  der 
>  ,  Kasteier  Inschrift  damit  verbundenen  Beinamen  Garantus.    Ob  ein 

: .  V  Gleiches  fQr  die  Form  Meßonius  anzunehmen  oder  ob  diese  vielmehr 

auf  ein  griechisches  Etymon,  wie  MiiXcDv  (bei  Xenophon),   zurückzu- 
:. .  fahren  sei,   wofür  der  damit  verbundene  Name  Eraclius  der  Kölner 

w  Inschrift  zu  sprechen  scheint,  lasse  ich  dahingestellt  sein.  —  Der  Zu- 

name unserer  Mellonia:  Peregrina  findet  sich  auf  einer  Grabschrift 
l;  aus  Worms  •).  lieber  die  in  unserer  Inschrift  gebrauchte  Formel  VIVA 

'%.  SIBI  Faciendum  Curavit  oder  Posuit,   wie   sie  auf  Grabmälem  vor« 

kommt,  welche  sich  einer  selbst  bei  Lebzeiten  errichten  liess,  verweise 
;;:  ,  ich   auf  die  lehrreiche  Besprechung  Braun's  in  B.  J.  XVII.  S.  108, 

wo  diese  Sitte  mit  Recht  aus  dem  bei  den  Römern  allmählich  ein- 
reissenden Egoismus,  über  den  schon  Plinius  der  J«  Klage  fahrt  ^), 
iiergeleitet  wird. 

5. 

Nachdem  ich  diese  Besprechung  von  Inschriftsteinen  aus  Rohr 
){■-  und  Bonn  schon  dem  Druck  übergeben  hatte,   wurde  unsere  Samm- 


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^)  Bramb.  1821.  C.  L.  Grotefend  in  ZimmeimannB  Zeitschrift  f.  Alierth. 
Wies.  1888.  S.  126,  besonders  aber  J.  Becker  Gastellam  Mattiacomm  in  d.  Ann. 
d.  Nass.  Alterthamsk.  u.  Gesch.  Bd.  YII.  H.  1.  S.  81. 

')  Br.  1438  nnd  J.  Becker  a.  a.  0.  8.  33. 

')  Bramb.  1026. 

*)  Yergl.  Düntzer  in  dies.  Jahrbb.  XLYII  u.  XLYIIX.  a  121. 

*)  a.  a.  P.  S.  38. 

•)  Bramb.  802.    Stein.  699. 

"*)  Plin.  ep.  L  YI,  10.  Tarn  rara  in  amicitia  fides,  tarn  parata  oblivio  mor- 
tuoram,  ut  ipsi  nobis  debeamus  etiam  conditoria  ezstmere,  omnia  heredum 
ofßcia  praesunere. 


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Römisohe  Inschriften  aus  Rohr  bei  Blankenheim  und  aus  Bonn.  183 

lung  noch  durch  den  FuAd  eines  römischen  Grabdenkmals  von  her- 
vorragendem Interesse  bereichert,  vorüber  wir  einen  genauem  Bericht 
an  dieser  Stelle  zu  bringen  um  so  mehr  uns  veranlasst  fühlen,  als 
bereits  die  öffentlichen  Blätter  die  Aufmerks«imkeit  weiterer  Kreise  auf 
den  neuen  Fund  gelenkt  haben.  Es  ist  diess  der  Grabstein  eines  Beiters 
der  Leg.  I,  welcher  laut  der  Inschrift  nach  15  Dienstjahren  im  30. 
Lebensjahre  starb  und  von  der  Hand  eines  liebenden  Bruders  dieses 
Ehrendenkmal  erhielt.  Der  kolossale  Stein  aus  Jurakalk,  dem  gewöhn- 
lichen Material  der  römischen  Inscbriftsteine,  wurde  gegen  Ende  des 
Monats  August  c.  vor  dem  Kölnthore,  rechts  von  der  Chaussee,  nahe 
bei  dem  Steinbilde  des  Kreuztragenden  Christus,  beim  Fundamentaus- 
werfen eines  dem  Wirth  Hm.  Deinert  gehörenden  Neubaus,  ausge- 
graben. Nicht  weit  entfernt  von  dieser  Stelle  war  schon  im  J.  1870 
der  in  diesen  Jahrbüchern  *)  beschriebene,  mit  der  Abbildung  von  pha- 
lerae  gezierte  Grabstein,  der  die  einfache  Inschrift  VALE  •  LVCI  trägt, 
zu  Tage  gekommen.  —  Unser  Grabstein  ist  1,95  m.  lang,  0,78  m. 
breit  und  0,30  m.  dick.  Den  oberen  Theil  des  Grabsteines  nimmt,  in 
der  Höhe  von  0,75  m.,  in  einer  nischenförmigen  Vertiefung  die  Figur 
eines  hoch  zu  Boss  sitzenden  gewappneten  Reiters  mit  eingelegtem 
Speere  ein,  die  Brust  mit  einem  Riemengeflecht  von  phalerae,  d.  h. 
grossen  silbernen  Medaillen  geschmückt,  die  nur  zum  Theil  noch  zu 
erkennen  sind,  so  wie  auch  die  Nase  des  Reiters  abgebrochen  ist.  Das 
mit  hoch  erhobenen  Vorderfüssen  vorspringende  Pferd  ist  mit  einer 
Schabrakc  bedeckt,  welche  nicht  durch  einen  Bauchgurt,  sondern  durch 
einen  vom  Yorderbug  ausgehenden,  der  Länge  nach  unter  dem  Schweif 
durchlaufenden  Gürtel  befestigt  zu  sein  scheint*). 

Unter  dem  hoch  gehobenen  Vordertheile  des  Pferdes  bis  zum 
rechten  Bein  des  Reiters,  das  von  Beinschienen  (ocrcae)  keine  Spuren 
zeigt,  ist  ein,  uns  schon  von  dem  früher  in  der  Nähe  gefundenen 
Grabstein  her  bekanntes  gitterförmiges  Riemengeflecht  mit  neun  sym- 
metrisch zu  je  drei  neben-  und  untereinander  gereihten  x)halerae  ab- 
gebildet, von  welchen  man  noch  das  am  häufigsten  vorkommende 
Medusenhaupt  und  zwei  Thierköpfe  unschwer  zu  erkennen  vermag.  An 
das  GeflechtiB,  welches  0,42  m.  breit  und  0,25  m.  hoch  ist,  schliessen 
sich  links  zwei  grössere  Ringe,  die  ich  für  armillae  oder  Armbänder 


^)  Heft  XLIX,  8.  190  f. 

^)  Vergl.  zwei  ähnliche  bildliche  Darstellungen  der  Säule  des  Antonin  bei 
Rieh,  inustrirtes  Wörterbuch  der  rom.  Altcrtbümer  s.  v.  oqucs.  S.  24  fg. 


184  Römische  Inflohriften  aas  Rohr  bei  Blankenheim  und  aas  Bonn. 

erkläre,  dergleichen  wir  auch  auf  dem  ältesten  romischen  Denkmale 
der  Rheinlande,  dem  vielfach  abgebildeten  und  besprochenen  Grab* 
steine  des  in  der  Varusschlacht  gefallenen  Centurio  M.  Caelius  (im 
Museum  der  yaterländ.  Alterth.  in  Bonn)  finden  ^). 

Der  mittlere  Theil  des  Grabsteins  trägt  in  fünf  Zeilen  die  in 
schönen  und  wohl  erhalteneu  Buchstaben,  die  in  der  1.  Zeile  0,05  m., 
in  den  übrigen  nur  0,04  m.  hoch  sind,  eingehauene,  in  Leisten  einge- 
fasste  Inschrift: 

C      MARIVS  •    L  •   F      VOL 
LVCO   AVGVSTO-  EQVES 
LEG  •  T  •  AN  NOR  •  XXX  •  STIPEN 
XV    H  •  S  •  E  •  SEX  •  SEMPRONIVS 
FRATER   FACIEN   CVRAVIT 
d.  h.   C(aius)  Marius  L(ucii)   f(ilius)  Vol(tinia)   sc.   tribu«   Luco 
Augusto,  eques  leg(ionis)  primae,  annorfum)  triginta,  stipen(diorum)  quin- 
decim.  H(ic)  s(itus}  e(st).  Sex(tus)  Senipronius  frater  facien(dum)  curavit. 
Z.  1.  Der  Name  Marius  kommt  auf  einer  Kölnischen  Yotivara 
(Bramb.  338)   und  auf  zwei  Mainzer  Grabsteinen  von  Soldaten  (Er. 
1057  und  1145)  vor;   der  erstere   ist  einem  Soldaten   der  21.  Legion 
gleichfalls  von  dessen  Bruder  gesetzt.   ~    Der  tribus  Voltinia  ge- 
hörten ausser  zahlreichen  anderen  Städten    in  Gallia  Narbonensis  der 
Z.  2  genannte  Ort  Lucus  Augustt«s,  nicht  Augustt,  wie  man  gewöhn- 
lich schreibt;  im  Gebiete  der  Vocontii,  an;   die  gleichnamige  Stadt,  in 
Hispania  Tarraconensis  war  in  die  tribus  Aniensis  eingeschrieben  ^). 

Z.  2.  Unser  Marius  war  Reiter  der  1.  Legio,  welche  in  einer  In- 
schrift den  Beinamen  Germanica  führt  und  nicht  mit  der  von  Domitian 
errichteten  Legio  I  Minei*via  pia  fidelis,  deren  Standquartier  mehrere 
Jahrhunderte  hindurch  Bonna  war,  verwechselt  werden  darf.  Die  Le- 
gio I  (Germ.)  hatte  nach  Tacitus  Ann.  I,  37  im  J.  14,  dem  Todes- 
jahre des  Kaisers  Augustus,  zugleich  mit  der  Leg.  XX,  ihr  Winter- 
quartier in  Köln  (civitas  Ubiorum,  wofür  c.  39  ara  Ubiorum  gesetzt 
ist),  und  'betheiligte  sich  an  dem  Aufstande  gegen  Tiberius,  welchen 
Germanicus  nur  mit  Mühe  dämpfte.    Doch  erhielt  sie  wahrscheinlich 


')  Vergl.  die  Abbild,  in  Lerscb,  Central-Mua.  rheinl.  Ins.  II,  p.  1  ff.  lieber 
die  phalerae  überhaupt  verweise  ich  auf  0.  Jahn*8  Abhandlung  zum  Bonner 
Winckelmanns  Progr.  vom  J.  1860,  ,die  Laue^sforter  phaleraeS  sowie  auf  A.  Rein 
de  phaleris  apud  Lauersfort  a.  1858  repertis.  Romae  1860,  p.  176  f. 

^)  C.  L.  Grotefcnd  imperium  rom.  tributim  descriptum  p.  101  und  119. 


k. 


RönuBche  InBchrift^n  aus  Robr  boi  Blackenbeim  und  aus  Bonn.  185 

schon  unter  Kaiser  Claudios,  welcher  im  J.  50  die  Ubierstadt  zur 
CSoIonie  erhob  und  zu  Ehren  seiner  Gemahlin  Agrippina  Golonia 
Agrippinensis  benannte  ^),  ihr  Standquartier  in  Bonn.  Hier  lag  sie  bis 
zum  Aufstande  der  Bataver  unter  Claudius  Civilis  im  J.  69,  in  wel- 
chem sie  sich  durch  Meuterei  und  Verrath  befleckte  und  nicht  lange 
darauf,  wahrscheinlich  sohon  unter  Vespasian,  aufgelöst  wurde  ^).  Von 
den  8  Inschriftsteinen,  welche  überhaupt  von  dieser  Legion  bis  jetzt 
existirten,  stammen  6  von  Bonn,  einer  von  Lessenich  unweit  Bonn; 
nur  ein  einziger  ist  im  Kreise  Mühlheim  näher  bei  Köln  gefunden 
worden,  ein  sicherer  Beweis,  dass  die  Legion  I  die  längste  Zeit  in 
Bonn  gestanden  haben  muss*).  Unser  Stein  (der  9.)  wird  demnach 
unter  die  Regierung  des  Claudius  oder  des  Kaisers  Nero  zu  setzen  sein- 

Z.  4.  Bemerkenswerth  ist,  dass  der  hier  Beigesetzte  im  30«  Le- 
bensjahre schon  15  Dienstjahre  zählte  und  demnach  schon  im  15.  Jahre 
in  den  Kriegsdienst  getreten  ist. 

Z.  5.  Auffallend  erscheint  der  Name  des  Bruders  Sextus  Sempro- 
nius,  welcher  dem  Gestorbenen  den  Grabstein  gesetzt  hat ;  doch  erklärt 
er  sich  durch  die  Annahme,  dass  er  dessen  Stiefbruder  gewesen  ist, 
wenn  wir  nicht  annehmen  wollen,  dass  er  seinen  Namen  durch  Adop- 
tion von  einem  Sextus  Sempronius  erhalten  habe. 

Schliesslich  bemerken  wir  noch,  dass  der  für  die  römischen  Kriegs- 
alterthümer  werthvoUe  Stein,  von  dessen  Bildwerk  nächstens  eine  an- 
gemessene Abbildung  zugleich  mit  dem  unweit  der  Fundstelle  früher 
ausgegrabenen  Grabsteine  mit  Vale  Luci  gegeben  werden  soll,  für  un- 
sere Yereinssammlung  von  Alterthümem  im  Amdthause  angekauft 
worden  ist,  wo  auch  der  Grabstein  des  Lucius,  der  höchst  wahrschein- 
lich derselben  Legion  angehört  haben  wird,  sich  befindet 


Diesen  zuletzt  besprochenen  Bonner  Inschriftsteinen  fugen  wir 
der  Vollständigkeit  wegen  noch  einige  Fragmente  bei,  welche  durch 
Prof.  Gustav  Wilmans  in  Dorpat  bei  seinem  Aufenthalte  im  Sommer 
1871,  wo  er  im  Hause  der  Fraul.  von  Droste  bei  seinem  Vetter,  dem 
Hm.  Berghauptmann  Brassert,   eingekehrt  war,  aufgefunden  und  in 


*)  Tacit.  Ann.  XII,  27.  Agrippina  ejus  vim  suam  sociis  quoque  nationi- 
bu8  OBientaret,  in  oppidum  Ubioram,  in  quo  genita  erat,  veieranos  coloniamque 
dedaoi  impetrat,  cui  nomen  inditom  e  yocabulo  ipsius. 

>)  Bonn.  Jahrbb.  XLU,  p.  189  f. 

')  Vergl.  das  römische  Bonn  in  der  oben  ang.  Festschrift  S.  27  und  B. 
Jahrbb.  XLU,  139. 


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186        <    Bomiache  Inschriften  aus  Rohr  bei  Blankenheim  und  aus  Bonn. 

der  Arch&oL  Zeitang  Jabrg.  XXIX  S.  165  fg.  veröffentlicht  worden 
sind.  Wenn  Hr.  Wilmans,  dem  wir  für  die  Förderung  unserer  Vereins- 
zwecke öffentlich  unsern  Dank  aussprechen,  bemerkt,  dass  diese,  wie  er 
anzunehmen  scheint,  dortselbst  ausgegrabenen  Steine  fast  seit  einem 
halben  Jahrh.  in  dem  von  Droste'schen  Garten  (in  der  Voigtsgasse  3), 
welcher  allerdings  nicht  unbedeutende  Substructionen  und  namentlich 
Reste  eines  römischen  Hypocaustums  enthält  %  aufgestellt  gewesen 
seien,  so  beruht  diese  Angabe  auf  einem  verzeihlichen  Irrthum.  Die- 
selben rühren  vielmehr  von  einer  kleinen  Sammlung  von  römischen  In- 
schriftsteinen und  anderen  Alterthumsgegenständen  her,  welche  unser 
verstorbener,  so  hoch  verdienter  Präsident  des  rheinischen  Alterthums- 
vereins  von  seinen  zahlreichen  Freunden  aus  dem  Jülicher  Lande  und 
aus  der  Eifel  zum  Geschenk  erhalten  und  unter  dem  Treppengewölbe, 
das  zur  Aufbewahrung  von  Gartengerätheh  dient,  untergebracht  hatte. 
Während  von  den  wenigen  werthvoUeren  Steinen  die  aus  Wüstenrode 
bei  Eschweiler  herrührende  Votivara  der  Göttin  Sunuxsalis  (vgl.  Braun 
in  diesen  Jahrbb.  XXV,  S.  18  ff.)  in  das  hiesige  Museum,  dagegen 
eine  im  Enabengarten  zu  Bonn  gefundene  Herculesstatue  aus  Sand« 
stein ')  in  die  Vereinssammlung  gelangte,  blieben  die  von  den  Erben 
des  Verstorbenen  als  werthlos  angesehenen  Bruchstücke  in  ihrem  Ver- 
stecke zurück.  Dieselben  hat  die  Fräulein  von  Droste  auf  unser  An- 
suchen bereitwilligst  unserer  Sammlung  überlassen.  Sie  bestehen  aus 
vier  Fragmenten: 

1. 

aus  dem  obem  Theile  eines  grossen  Grabsteins,  der  in  der  Mitte  zwei 
der  gewöhnlichen  Protomen  (Brustbilder)  trägt  und  dessen  Inschrift 
bis  auf  das  zur  Linken  sichtbare  D(is),  dem  rechts  ein  M(anibus)  ent- 
sprach, zerstört  ist ; 

2. 

aus  einem  zu  beiden  Seiten,  wie  auch  unten  abgebrochenen  Fragment 
einer  Ära: 

^.  O  m 

T.  G 

Die  Darstellung  eines  Adlers  auf  einer  Kugel  auf  der  einzigen 
noch  erhaltenen  Seite  beweist,  dass  die  ara  dem  Jupiter  Optimus  maximus 
geweiht  war. 


1)  Braun  in  B.  Jahrbb.  II,  41.  und  IV.  115. 
>)  Bonn.  Jahrbb.  XXV,  206. 


BomiBohe  Insohriflen  aus  Rohr  bei  Blankenheim  and  aus  Bonn.  187 

Etwas  besser  sind  zwei  Bruchstücke  von  Matronensteinen  er- 
halten. 

3. 

MATRONIS 

rVMANErfs 

CIA  Sl 

Die  Votivara  ist  den  Matronae  Rumanehae  geweiht,  die  auf 
anderen  Inschriften  Romanehae,  Rumnehae  oder  Rummehae 
genannt  werden.  Der  Fundort  von  Altären  dieser  Mütter,  von  wel- 
chen man  den  Ortsnamen  nicht  mehr  nachzuweisen  vermag,  ist  die 
Umgegend  von  Jülich  <)  und  Bürgel  (Burungum)  bei  Worringen  am 
Niederrhein  *). 

Z.  3  liest  Wilmans  G  *  A  *  S  und  hält  diess  für  einen  abgekürz- 
ten NameUi  wie  G.  A(urelius)  S(ecundus),  Wir  können  dieser,  der 
Analogie  entbehrenden  Annahme  nicht  beipflichten,  sondern  glauben 
in  den  theilweise  zerstörten  Resten  des  Namens  einen  GLACSicus,  der 
sich  auf  einem  Brohler  Herculesstein  (Bramb.  657)  findet,  oder  einen 
GAtSius  zu  finden,  ein  Namen,  welchen  eine  Grabinschrift  aus  Jülich 
trägt  ')i  zumal  da  die  Punkte  hinter  G  und  A  nicht  feststehen. 

4. 

Links  abgebrochenes  Fragment  einer  Matroneninschrift,  von  wel- 
cher nur  die  3  Schlusszeilen  theilweise  erhalten  sind. 

.  .  LVII  ....  SET 
A  C  A  T  A  •  EX 
z  M  P  I   .   .  . 

Die  von  Wilmans  vorgeschlagene  Ergänzung  des  Namens  Z.  1 
durch  Silvinius  ist  wahrscheinlich,  die  der  letzten  Z.  unzweifelhaft. 

Schliesslich  ist  noch  zu  erwähnen,  dass  sich  unter  den  Frag- 
menten im  Treppengewölbe  des  von  Droste'schen  Gartens  noch  ein 
sehr  gut  erhaltener  römischer  Mühlstein  aus  Niedermendiger 
Lava  vorfand,  welcher  gleichfalls  in  die  Alterthumssammlung  des  Ver- 
eins (im  Amdthause)  gelangt  ist. 

Bonn.  J.  Freudenberg. 


>)  Lench  im  Central-Mus.  rhein.  I.  I,  8.  29.  B.  Jahrbb.  XXY,  92. 
>)  B.  Jahrbb.  XXIH,  151.  XXXI,  92. 
*)  Bonn.  Jahrbb.  XXY,  8.  140  N.  4. 


»ü« 


V 


'<' 


r«t-'-: 


7.  Alterthum8for8Chung  am  Oberrhein. 

I. 

Als  mich  im  Jahre  1867  ein  Aasflug  in's  Elsass  nach  Zabern 
führte,  war  ich  angenehm  überrascht,  daselbst  ein  leicht  zugängliches 
städtisches  Museum  zu  finden,  welches  die  Alterthümer  von  Stadt  und 
Umgegend  beherbergt.  Zabern,  in.  Deutschland  mehr  unter  seinem 
französischen  Namen  Saverne  bekannt,  ist  reich  an  Deberresten 
aus  der  gallisch-römischen  Zeit.  Freilich  findet  sich  nicht  alles  mehr 
an  Ort  und  SteUe,  da  auswärtige  Alterthümler  die  Gegenstände  ent- 
führten, welche  nicht  zufällig  in  festen  Händen  waren.  Erst  durch  die 
im  Jahre  1858  erfolgte  Gründung  des  stadtischen  Museums  ist  diesem, 
fast  in  allen  rheinischen  Städten  üblichen  Unwesen  der  Zerstreuung 
vaterländischer  Alterthümer  ein  Ziel  gesetzt.  Es  ist  das  ein  Werk 
des  Zabemer  Gemeinderathes,  gefördert  durch  die  thätige  und  an-  ^ 
regende  Hilfe  des  jetzigen  Bürgermeisters  Dagobert  Fischer,  des 
Herrn  Emil  Audi  guier  und  des  französischen  Colonel  de  Morlet, 
eines  rührigen  und  kundigen  Freundes  elsässischer  Alterthümer. 

Das  Museum  befindet  sich  in  einer  alten  Kapelle,  die  ehemals 
zum  bischöflichen  Schlosse  gehörte  und  dem  Erzengel  Michael  geweiht 
war.  Sie  stammt  aus  dem  15.  Jahrhundert,  ruht  aber  auf  einem  äl- 
teren, romanischen  Unterbau.  Ihrer  Bestimmung  wurde  sie  durch  die 
französische  Revolution  entzogen.  Die  Steindenkmale,  welche  in  ihrem 
Innern  keinen  Raum  fanden,  sind  auf  einem  Vorplatz,  welcher  bis 
1777  als  Kirchhof  diente,  aufgestellt. 

Die  vor  Gründung  des  Museums  gefundenen  und  zerstreuten 
Reste  der  gallisch-römischen  Zeit  waren  zum  Theil  in  Strassburg, 
Golmar  und  Nancy  untergebracht,  sie  sind  wohl,  bis  auf  die  Strass- 
burger,  noch  daselbst  zu  finden.    Die  rührige  Gesellschaft  für  Erhal- 


AlterthaUBforschnng  am  Oberrhein.  189 

tung  der  historischen  Denkmale  im  Elsass  (Soci^t^  pour  la  cönser- 
vation  des  monuments  historiques  d'Alsace)  hatte  ihre  Aufmerksamkeit 
den  Zabemer  Antiquitäten  zugewendet  und  beabsichtigt,  das  Inventar 
des  erwähnten  Museums  in  ihrem  Bulletin  abdrucken  zu  lassen.  Leider 
ist  es  nicht  dazu  gekommen,  da  der  Krieg  die  Thätigkeit  der  Gesell- 
schaft unterbrach ;  und  die  jetzigen  Zustände  im  Elsass  lassen  an  ein 
einmüthiges  Zusammenwirken  selbst  auf  dem  neutralen  Gebiete  der 
römischen  Alterthümer  in  nächster  Zeit  nicht  hoffen.  Um  so  anerken- 
nenswerther  ist  es,  dass  der  Zabemer  Gemeinderath  und  insbesondere 
Herr  Dagobert  Fischer  im  verflossenen  Jahre  einen  Katalog  des 
Museums  selbstständig  veröffentlicht  haben,  welcher  eine  Fülle  inter- 
essanter Nachrichten  bietet  0- 

Bei  meinem  Besuche  des  Museums  war  ich  natürlich  vor  allem 
gespannt,  zu  erfahren,  wie  es  mit  der  Echtheit  der  durch  den  ver- 
storbenen Strassburger  Bibliothekar  Jun^  in  Verdacht  gezogenen  In- 
schriften stehe.  Da  ich  vor  Herausgabe  der  Rheinischen  Inschriften 
nicht  in  der  Lage  gewesen  war,,  nach  Zabem  zu  reisen,  so  hatte  ich 
die  von  Jung  gelieferten  Nachrichten  ohne  eingreifende  Untersuchung 
mittheilen  müssen  % 

Die  mir  bekannten  Legenden  der  Steine  boten  kein  Anzeichen 
von  Fälschung,  mit  einziger  Ausnahme  des  Votivsteines  n.  1868.  Ich 
begnügte  mich  daher,  auf  Jung  gestützt,  die  von  diesem  bezeichneten 
beiden  Steine  unter  die  Fälschungen  (n.  87.  88.)  zu  verweisen,  die 
übrigen  jedoch  unt6r  den  echten  zu  belassen  und  ihr  verdächtiges 
Herkommen  kurz  anzugeben.  Das  Resultat,  welches  ich  durch  Autopsie 
gewann,  war  unerwartet.  Zwar  der  von  mir  aus  inneren  Gründen  als 
besonders  verdächtig  bezeichnete  Stein  (n.  4868  p.  368  n.  88)  zeigte 
auch  äusserlich  unantike  Spuren;  dagegen  sämmtliche  übrigen  Denk- 
male, auch  die  beiden  von  Jung  und  mir  unter  die  Fälschungen  ver- 
wiesenen, konnten  ihrer  äusserlichen  Beschaffenheit  nach  nicht  als 
Fälschungen  erkannt  werden.  Ich  nehme  also  mein  Urtheil,  soweit  ich 
es  von  Jung  angenommen  und  weiter  verbreitet  habe,  zurück. 

Zunächst  ist  es  mir  eine  angenehme  Pflicht,  die  beiden  bis  jetzt 
als  Fälschungen  verurtheilten  Inschriften  in  ihr  Recht  einzusetzen. 
Die  eine  (87)  ist  gebrochen: 


^)  Masee  de  Saverne.    Catalogae  et  desoription  des  objects  d*art  de  Tan- 
tiqnite,  du  moyen-äge  et  de  la  renaissanoe  exposes  au  musöe.  Saverne  1872. 
')  Corpus  Inscriptionum  BhenaDamm  p.  868,'  vgl.  p.  837  u.  1868—1873. 


190 


AltarthamtforsGhiing  «n  Oberrhein. 


/ETcINTVS 
MVS      PILI 

P  c      • 


Im  Vergleich  zu  dieser  Lesart  0  war  allerdings  die  bisher  be- 
kannte verdächtig.  Die  Zeilen  waren  vom  Abschreiber,  wie  es  scheint» 
verwirrt  worden,  und  dadurch  hatte  der  erste  Name  eine  ungehörige 
Form  erhalten.  Der  Inhalt  der  Inschrift  ist  einfach  und  klar,  obgleich 
ein  grosser  Theil  fehlt.  Kinder,  wahrscheinlich  Tochter  und  Sohn, 
lassen  dem  verstorbenen  Vater  oder  den  Eltern  zusammen  ein  Grab- 
mal setzen.  Wenn  der  dritte  Buchstabe  ein  E  und  der  fünfte  ein  0 
war,  so  hiess  der  verstorbene  Vater  vielleicht  LAETVS.  Das  Fehlen 
eines  Vor-  und  Geschlechtsnamens  würde  darauf  hinweisen,  dass  er 
ein  Gallier  war,  der,  wie  oft  geschah,  einen  römischen  Namen  ange- 
nommen hatte  und  sich  durch  Zusetzen  des  Vaternamens  legitimirte. 
Wahrscheinlicher  aber  ist  hinter  dem  Buchstaben  L  ein  Punctum,  wie 
auch  sonst  in  der  Inschrift,  weggelassen,  und  der  Verstorbene  hiess 
Lucius  A  .  t .. .  Die  frühere  Abschrift  lautete  LATIO,  wonach  ich 
Lucius  ATTOnius  vermuthen  möchte*).  Dass  unter  den  Widmenden, 
welche  collectiv  als  FILI,  das  heisst  filli,  bezeichnet  werden,  eine 
Tochter  ist,  scheint  aus  der  weiblichen  Wortendung  . .  •  VSSA  her- 
vorzugehen.   Der  letzte  Name  findet  sich  auch  sonst  auf  rheinischen 


')  Ich  habe  die  ToHkommen  lesbaren  gebrochenen  Buchstaben  durch  ganze 
Typen  ersetzt. 

*)  Aehnlich  ist  die  fehlerhafte  Lesung  des  Töpfemamens   auf  der  schönen 
Yase,  die  de  Morlet  im  BuUetin   de  la  soci6t6   pour  la  consenration  des  monu-^ 
ments  hittoriques  1868  hat  abbilden  lassen :  SATIO  FECIT,  wahrend  der  Name 
SATTO  lautete.    £in  Attonius   erscheint  auf  einer  im  Jahre  1872  zu  Alzei  ge- 
fundenen Weihinschrifty  deren  Kenntniss  ich  Herrn  G.  Schwabe  Terdanko*^ 

DEA  •  SVL 

ATTONIS 
L  V  C  A  N  I 


^^:.. 


AlieHhamsfonohimg  am  Oberrbeiii. 


191 


Denkmalen:  dNTVS  ist  die  bäuerische  Form  des  Namens  Quintus, 
und  MVS  weist  anf  Musicus  oder  Mussicus  hin.  Ein  Gintns 
Massic.  findet  sich  sogar  auf  einer  Inschrift  aus  Murrhardt  in  Wflr- 
temberg. 

Der  zweite  Stein  (88)  ist  von  solcher  Beschaffenheit,  dass  sich 
die  Echtheit  der  eingemeisselten  Buchstaben  nicht  bestreiten  lässt. 
Ich  habe  gelesen: 

D        M 
B  II  LLA 
5ALLOM 

R  I  K  I  K 

Die  Form  der  Buchstaben  ist  nicht  nur  antik,  sondern  auch  so 
geartet,  dass  sie  von  einem  modernen  Epigraphiker  schwerlich  wäre 
angewendet  worden.  Die  vier  L  der  zweiten  und  dritten  Zeile  haben 
ihre  Schenkel  in  stumpfem  Winkel  gekreuzt  Die  vierte  Zeile  enthält 
das  ebenfalls  unverdächtige  L  mit  dem  in  der  Mitte  des  Verticälstri- 
ches  angesetzten  rechten  Schenkel.  Die  Inschrift  ist  im  Katalog  durch 
die  Worte  charakterisirt:  ä  peu  prte  illisible,  moins  pour  un 
^pigraphiste  qui  ne  peut  s'aider  d'aucune  autre  connaissance  que  de 
oelle  des  divers  alphabets  grecs  et  latins.  Wenn  ich  mich  aber  nicht 
täusche,  so  ist  der  Inhalt  folgender:  Dis  Manibus  Bella  Dal- 
lom(i)ri   fil(ia). 

Zu  meiner  Veröffentlichung  der  übrigen  Inschriften  aus  Zabern, 
in  so  fem  ich  fremden  Lesungen  gefolgt  bin,  habe  ich  Weniges  zu 
bemerken,  da  die  früheren  Herausgeber,  namentlich  Schöpflin  und  de 
Horlet,  auf  richtige  Gopieen  schon  grossen  Werth  gelegt  haben.  Die 
Legende  des  Steines  im  Corpus  Inscript.  Rhen.  N.  1867  steht  fest; 
die  Schriftzttge  sind  deutlich,  ET  (3)  und  VN  (4)  sind  ligirt.  N.  1869 
ist  erheblicher  beschädigt,  als  es  nach  meinem  Drucke  den  Anschein  hat: 


3  O 

Nlll 


SIINV 
A  VS 


Der  Name  des  Verstorbenen  lautete  wohl  Codosenus.  N.  1870 
liess  sich  mehr  entziffern: 


192 


Alterthnmsfoncbang  am  Oberrhein, 


0 


M 


i 


t, 


6 


1^ 

^9 


rif. 


C  A  RAT  I 
CAITIFIII 


Dis  Manibus  Carati  Caiti  fi(Ii) ;  demgemäss  hiess  der  Sohn  Ca- 
ratus,  der  Vater  Caitas,  und  sie  Mraren  offenbar  Einheimische. 

Zu  dem  Steine  N.  1871  habe  ich  noch  ein  Bruchstück  gefunden, 
welches  die  rechte  obere  Ecke  bildete. 


0 
LAETTM/ 
MO  N  I M  h 


Dis  Manibus  Laeti  Ma  . . .  ai  (oder  ae)  filii  monimentum  ^). 

Die  beiden  übrigen  Inschriften  N.  1872.  1873,  welche  ich  nach 
de  Morlets  Zeichnung  habe  drucken  lassen,  sind  so  oberflächlich  ein- 
geritzt, dass  ich  bis  jetzt  zu  einer  Deutung  oder  besseren  Lesung 
nicht  gekommen  bin.  Dagegen  eine  neue  Inschrift  fand  ich  vor,  von 
welcher  inzwischen  der  Ratalog  Nachricht  gegeben  hat  (p.  19):  Ge 
petit  monument  a  k\k  d^couvert  dans  la  for£t  de  Greifenstein,  canton 
Schlosserhoehe.    - 


i  H  0  D 

i    0    Mll 
\REM 

MIHI 


Die  Höhe  wird  im  Katalog  auf  0,41,  die  Breite  auf  0,42,  die 
Dicke  auf  0,27  Meter  angegeben,  die  Lesart  lautet  daselbst  I  H  D  || 
D  D  N  II  R  E  M.  Ausser  der  ersten  Zeile  In  Honorem  Domus  Divinae 
sind  die  Schriftzüge  nicht  zuverlässig  zu  deuten.  Man  könnte  an  die 
Idaea  denken,  wenn  nicht  Abkürzungen  (luppiter  Dolichenus  oder 
andere)  vorliegen.  Auch  die  letzten  Buchstaben  gestatten  verschiedene 
C5onjecturen. 


^)  Die  häufige  Form  monimentum  iat  hier  wohl  eher  anzunehmen,   alt  ein 
Eigenname  (C.  I.  Bh.  p.  377). 


•r-  * 


Alierthumsfonobung  am  Oberrhein.  198 

Endlich  ist  im  Katalog  p.  17  noch  eine  Inschrift  mitgetheilt, 
velche  im  Jahre  1868  gefunden  wurde: 

D       M 
MAGIORICI 
NATALIS    FILIO 

Cette  pierre  formait  la  paroi  d'une  tombe  franque,  trouv^e  en 
1868  dans  un  cimeti^re  franc  situ£  dans  la  banlieue  de  Durstel,  au 
lieu  dit  Lupbei^'.  Ein  Magiorix  aus  Zabern  war  schon  durch  den 
Weihestein  C.  I.  Rh.  1867  bekannt. 

Wenn  ieh  erklären  soll,  wie  Jung  dazu  kam,  die  Zabemer  In- 
schriften theilweise  für  Fälschungen  zu  halten,  so  möchte  ich  die  Ver- 
muthung  äussern,  dass  ihm  eine  Nachricht  über  Veränderung,  Ent- 
stellung oder  Zusätze  an  der  allerdings  verdächtigen  Inschrift  C.  I. 
Rh.  1868  zugekommen  ist,  und  dass  er  diese  Weihinschrift  mit  echten 
Denksteinen  verwechselt  hat  Vielleicht  war  auch  die  ihm  zugekom- 
mene Nachricht  so  unbestimmt,  dass  er  über  den  wirklichen  Befund 
der  Fälschung  irre  geleitet  wurde. 

Wie  die  Zabemer,  so  haben  auch  andere  Gemeinden,  z.  B.  Strasa- 
bürg,  Golmar,  anerkennenswerth  für  die  Denkmale  der  Vorzeit  gesorgt. 
Vergleichen  wir  damit  was  von  städtischen  Gemeinden  auf  der  rechten 
Rheinseite  geschehen  ist,  so  wird  das  Urtheil  nicht  überall  günstig 
ausfallen. 

Die  Städte  des  Grossherzogthums  Baden  wären,  so  weit  meine 
Erfahrung  reicht,  in  der  Lage,  etwas  mehr  für  die  Kunde  ihrer  Vor- 
zeit zu  thun,  als  heutzutage  wirklich  geschieht.  An  Mitteln  und  An- 
regung hat  es  nicht  gefehlt^  wie  die  lange  Reihe  von  antiquarisch- 
historischen Arbeiten  und  Unternehmungen  zeigt,  die  seit  mehreren 
Jahrhunderten  in  den  jetzt  Badischen  Landen  aufgetaucht  sind. 

Der  Sinn  für  die  Erforschung  der  römischen  Epoche  erwachte 
hier  schon  während  der  Blüthezeit  des  deutschen  Humanismus.  Wie 
man  in  Köln,  Mainz,  Augsburg,  Basel  die  Ueberreste  der  römischen 
Cultur  zu  schätzen  begann,  so  bekundete  sich  auch  im  badischen 
Rheinthal  seit  dem  Schlüsse  des  fünfzehnten  Jahrhunderts  das  Be- 
streben, alte  Denkmale  zu  erklären  und  zu  erhalten.  Einen  merkwür- 
dige Beweis  dafiir  liefert  die  Geschichte  des  Ettlinger  Neptun, 
eines  zu  Ehren  des  kaiserlichen  Hauses  im  zweiten  oder  dritten  Jahr- 
hundert n.  Chr.  gesetzten  Bildsteines,  welcher  den  Wassergott  in  Be- 

13 


L 


194  AlierthnmsforschttDg  am  Oberrhein. 

gleitung  eines  Seethiers  darstellt  and  in  der  beigeffigten  Inschrift  von 
dem  Stifter  des  Denkmals  Nachricht  gibt.  Im  Jahre  1480  warde  dieser 
Neptun  von  der  ausgetretenen  Alb  an  das  Ufer  geworfen,  von  den 
Ettlingen!  aufgestellt,  aber  zu  ihrem  Leidwesen  1513  durch  den  Kaiser 
Maximilian  I.  auf  das  linke  Rheinufer  versetzt.  Nachdem  der  Stein 
mehrere  Jahre  im  Exil  zugebracht,  wurde  er  auf  kurze  Zeit  zurück- 
gegeben, dann  nach  München  verschleppt,  bis  es  endlich  der  Stadt 
Ettlingen  gelang,  sich  dauernd  seinen  Besitz  zu  sichern.  Sie  liess  ihn 
an  einem  ehrenvollen  Platze  dicht  bei  der  steinernen  Albbrücke  ein- 
mauern und  daneben  eine  lange  stattliche  Inschrift  anbringen,  in  wel- 
cher die  Schicksale  ihres  Neptun  erzählt  sind. 

Im  sechszehnten  Jahrhundert  sind  drei  historisch  wichtige  Mei- 
lensteine der  römisch-badischen  Gemeinde  bereits  durch  den  Pforz- 
heimer Schulrector  Beyer  und  den  Speierischen  Geistlichen  Beiel  be- 
schrieben. Im  Laufe  des  folgenden  Jahrhunderts  finden  antike  Monu- 
mente eine  Stätte  im  Durlacher  Schlossgarten  und  an  Markgraf  Frie- 
drich VI.  einen  kundigen  Beschützer.  Derselbe  lässt  sich  von  dem 
Polyhistor  Charles  Patin  über  die  Alterthümer  und  Urgeschichte  des 
Rheinthaies  Bericht  erstatten^  und  bediente  sich  dessen  gelehrter 
Beihülfe  bei  Anordnung  einer  Münzsammlung. 

Wenige  Jährzehnte  später  begann  die  Blüthezeit  der  Alterthums* 
forschung  am  Oberrhein.  Sie  knüpft  sich  an  die  Namen  zweier  Män- 
ner, von  denen  der  eine,  geborener  fireisgauer,  im  Elsass  unter  fran- 
zösischer Herrschaft  ein  seltenes  Ansehen  erlangte,  der  andere,  gebore- 
ner Elsässer,  in  churpfälzischem  Dienste  zu  Mannheim  erfolgreich 
wirkte.  Der  erste  ist  Joh.  Daniel  Schöpflin  (1694—1771),  dessen 
Arbeiten  über  badische  Geschichte  bekannt  sind,  und  dessen  Pracht- 
werk  Alsatia  illustrata  auch  rechtsrheinische  Alterthümer  eingehend 
behandelt  Andreas  Lamey  (1726—1802)  trat  in  seine  Fusstapfen. 
Als  Secretär  der  churpfälzischen  Akademie  der  Wissenschaften  zu 
Mannheim  übte  er  einen  hervorragenden  Einfluss  auf  die  Veröifent- 
lichungen  dieser  gelehrten  Gesellschaft  und  sorgte  in  gleicher  Weise 
für  die  Erforschung  der  deutschen,  wie  der  römischen  Cidtur  am 
Oberrhein.  In  dieselbe  Zeit  fallen  die  Schriften  und  Forschungsreisen 
des  berühmten  Abtes  Martin  Gerbert  zu  Sanct  Blasien,  welche 
ebenfalls  der  Alterthumskunde  reiches  Material  zuführten. 


»)  Corpus  I.  Rh.  1678. 

')  Quatre   relations   historiqnes  par  Charles  Patin,   medecin  de  Paris. 
Basel  1673  p.  219. 


Alierthumsforsohang  am  Oberrhein,  105 

Im  neunzehnten  Jahrhundert  begannen  die  culturgeschichtlichen 
Studien  am  Oberrhein  mehr  in  die  Breite,  als  in  die  Tiefe  zu  gehen. 
Die  von  Schöpf! in  und  Lamey  angebahnte  ruhige  und  besonnene 
Erschliessung  der  alten  Gulturzustände  durch  genaue  Interpretation 
der  erhaltenen  schriftlichen  und  monumentalen  Quellen  wurde  getrübt 
durch  das  Bestreben,  vorgefasste  Meinungen  über  die  Sprache  und 
Abstammung  der  alten  Rheinthalbevölkerung  schablonenartig  durch- 
zuführen. Namentlich  war  es  die  keltische  Sprache,  die  in  unglaub- 
licher Weise  zur  Erklärung  der  Ortsnamen  und  zur  Herstellung  eines 
in  allen  Theilen  unsicheren  Bildes  von  der  Urgeschichte  der  oberen 
Rheinlande  herbeigezogen  wurde. 

Ging  auf  diese  Weise  die  Methode  der  Geschichtsforschung  in 
Bezug  auf  das  Alterthum  in  unserem  Lande  rückwärts,  so  erkaltete 
doch  nicht  die  Vorsorge  für  die  antiken  Denkmale. 

Carl  Friedrich  folgte  dem  Beispiele  seiner  Vorgänger;  er 
schützte  und  erweiterte  die  Sammlung  von  Monumenten,  die  sich  zu 
Baden  gebildet  hatte  und  liess  1803  nach  Weinbrenners  Plan 
einen  Tempel  in  altdorischer  Ordnung  für  dieselbe  erbauen.  Es  sollten 
hier  nicht  nur  die  in  Baden  gefundenen,  sondern  auch  Alterthümer 
aus  den  benachbarten  Ländern  aufbewahrt  werden  ^), 

Angeregt  und  unterstützt  duröh  die  vorhandenen  Sammlungen 
und  Funde  leisteten  Männer,  wieC.  L.  Wielandt  (1811),  Leichtlen 
(1818  ff.)  Anerkennenswerthes  in  der  Erforschung  der  badischen  Ur- 
geschichte. Während  Mone  sich  in  seinen  keltischen  Studien  verirrte, 
führte  das  mehrseitig  erwachte  Interesse  an  Ausgrabungen  und  Samm- 
lungen zur  Bildung  von  Alterthums vereinen.  Der  Pfarrer  Wilhelm  i 
zu  Sinsheim  rief  eine  Gesellschaft  zur  Erforschung  der  Sinsheimer 
Todtenhügel  ins  Leben.  Aehnlich  bildeten  sich  Alterthums-  oder  Ge- 
schichtsvereine zu  Donaueschingen,  Freiburg  und  anderwät*ts,  deren 
Existenz  allerdings  eine  schwankende  war  und  ist.  Es  waren  gewöhn- 
lich nur  wenige  Personen,  welche  ihre  Umgebung  zur  Association  an- 
regten, und  über  ihren  persönlichen  Einfluss  hinaus  pflegte  die  Ge- 
sellschaft sich  nicht  als  that-  und  lebenskräftig  zu  erweisen.    Solche 


^)  So  besagte  die  Inschrift  des  Tempels:  Monumenta  haec  qualiacunque 
Romanae  dominationis  caltusve  Deo  Mercurio  habiti  passim  in  terris  Badensi- 
boa  yicinisque  regionibas  deteota  in  memoriam  gentis  quondam  late  per  orbem 
terraram  imperantis  conqairi  et  in  hoc  museo  conlocari  iussit  Carolus  Fride- 
ricui  S.  R.  I.  Elector,  ,anno  MDCCCIV. 


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196  Alterthumsfonohang  am  Oberrbein. 

Männer  sind  oder  waren  namentlich  Heinrich  Schreiber  in  Frei- 
burg, Fickler  in  Donaueschingen,  später  in  Mannheim,  Rappen- 
egg er  und  A.  V.  Bayer.  Der  Letztere  fahrte  1843  die  Gründung 
eines  badischen  Alterthumsvereins  herbei,  wodurch  *die  Centralisirung 
der  Arbeiten  und  Interessen  ermöglicht  war.  Leider  scheiterte  diese 
Schöpfung,  sei  es  dass  sich  Sonderinteressen  zu  lebhaft  geltend  mach- 
ten, sei  es  dass  hier,  wie  anderwärts  im  Rheinlande,  der  anfängliche 
Eifer  erkaltete.  In  der  neuesten  Zeit  steht  es  um  die  Veröffentlichung 
vaterländischer  Alterthümer  in  Baden  sehr  ungünstig.  Im  Lande  gibt 
es  drei,  zeitweise  mehr  historische  Inschriften,  durch  deren  Vereinigung 
ein  ebenso  achtunggebietendes  Organ  hergestellt  werden  könnte,  wie 
durch  die  Zersplitterung  jetzt  vieles  zerfahren  und  unfertig  erscheinen 
muss.  Leider  liegen  zwingende  Gründe  vor,  welche  die  Vereinbarung 
unthunlich  machen. 
f^  In  ähnlich  ungünstiger  Lage   sind  die  Sammlungen  und  Museen, 

nur  dass  hier  die  Centralisirung  nicht  empfehlenswerth  ist.  Wer  Al- 
terthümer aus  Liebhaberei  sammelt,  dem  mag  es  gestattet  sein,  nach 
Gutdünken  allerwärts  Werthvolles  und  Merkwürdiges  zu  suchen.  Oef- 
fentllche  Museen  vaterländischer  Alterthümer  sollten  anders  gebildet 
werden.  Man  hört  zwar  oft  Lobsprüche  zu  Gunsten  sogenannter  Gen* 
tralmuseen,  in  welchen  die  transportablen  Monumente  eines  Landes 
vereinigt  werden  sollten.  Es  ist  immerhin  zu  berücksichtigen,  dass 
ausländischen  Gelehrten  durch  ein  Centralmuseum  eine  grosse  Er- 
leichterung geboten  wird,  indem  ihnen  manche  Reise  erspart  bleibt. 
Aber  gerade  dieser  letzte  Umstand  hat  seine  ungünstige  Kehrseite. 
Die  Localforscher  nämlich,  welche  nicht  gerade  am  Orte  des  Central- 
museums  wohnen,  werden  gezwungen  sein,  Reisen  zumachen,  um  die 
Denkmale  ihrer  engeren  Heimath  in  der  oft  weit  entlegenen  Landes- 
sammlung aufzusuchen.  Dies  ist  besonders  unangenehm,  wenn  der 
Gründer  oder  Leiter  des  Museums  seinen  Sammlungseifer  in  Land- 
schaften verschiedenen  Charakters  bethätigt  und  alles  Werthvolle 
ohne  Rücksicht  auf  Particular-Bedüiinisse  an  einer  Stelle  zu  vereini- 
gen strebt.  So  ist  es  entschieden  tadelnswerth,  dass  Kunstgegenstände 
des  Alterthums,  die  in  den  Rheinlanden  gefunden  wurden,  nach  Berlin, 
München  und  anderwärts  verbracht  worden  sind.  Aber  auch  in  den 
Rheinlanden  selbst  verfährt  man  keineswegs  zweckentsprechend,  wenn 
man  Gegenstände  des  Alterthums  von  Wiesbaden,  Mainz  nach  Bonn 
verbringt  und  umgekehrt.  Ein  niederrheinischer  Gelehrter,  welcher 
^     ^  sich  mit  vaterländischer  Mythologie  oder  Inschriftenkunde  beschäftigt, 


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Alterihamsforschung  am  Oberrhein.  197 

cmpiimlet  es  höchst  unangenehm,  dass  Carl  Theodor  Matronen- 
steine  und  andere  Denkmale  ^  ^om  Niederrhein  nach  Mannheim 
versetzt  hat,  wo  sie  ihres  localen  Interesses  beraubt  unter  den  fremd- 
artigsten Monumenten  aufgestellt  sind.  Der  Localforscher  sieht  sich 
gezwungen,  aus  dem  Jülich-Clevischen  Lande  eine  weite  Reise  in  die 
Rbeinpfalz  zu  seinen  heimischen  Denksteinen  zu  machen. 

Nicht  viel  besser  wäre  die  Lage  eines  Forschers  am  Bodensee 
oder  im  Tauberthal,  wenn  ihm  die  für  Localgeschichte  wichtigen  An- 
tiquitäten in  ein  Gentralmuseum  nach  Garlsruhe  entführt  werden  soll- 
ten. Nun  liegt  freilich  eine  solche  Gefahr  wohl  nicht  vor,  da  ein  guter 
Theil  der  Alterthumsreste  in  städtischem  oder  Privatbesitz  sich  be- 
findet. Aber  nicht  in  allen  Städten  bekundet  sich  ein  solcher  Sinn  für 
die  Denkmale  der  Vorzeit,  wie  in  dem  oben  erwähnten  eisässischen 
Städtchen  Zabern,  obgleich  den  reichen,  rasch  aufblühenden  badischen 
Gemeinden  Gelegenheit  genug  geboten  ist,  ihre  Achtung  vor  den  Wer- 
ken der  Vorzeit  zu  bethätigen. 

In  erster  Linie  ist  die  Erforschung  und  Bewahrung  der  heimath- 
lichen  Denkmale  ohne  Zweifel  Sache  patriotischer  Bürger,  und  so 
fassten  von  jeher  einsichtige  Männer  ihre  Aufgabe,  z.  B.  in  Constanz, 
Basel,  Freiburg,  Strasaburg,  bis  rheinabwärts  nach  Mainz,  Köln,  Nym- 
wegen.  Die  Staatshilfe  sollte  erst  dann  angerufen  werden,  wenn  Pri- 
vatmittel zu  grösseren  Unternehmungen  nicht  ausreichen,  zumal  wenn 
es  gilt,  die  werthvollsten  Kunstgegenstände  vor  Verkauf  an  das  reiche 
Ausland  zn  schützen. 

Die  Stadt  F  r  e  i  b  u r  g  hat  jetzt  die  kostbare  Sammlung  H.  S  c  h  r  e  i- 
bers  durch  Vermächtniss  erhalten.  Es  ist  zu  erwarten,  dass  nun 
durch  Zusammenwirken  der  Gemeinde,  der  Universität,  des  anthropo- 
logischen und  historischen  Vereins  eine  schöne  Alterthumssammlung 
in  der  Hauptstadt  des  Breisgaues  entstehe.  Ebenso  besitzt  Constanz 
Alterthümer,  die  sich  durch  Fundstücke  der  Bodenseeufer  bereichern 
lassen,  Donau  esc  hin  gen  hat  die  werthvollen  Sammlungen  des  Für- 
sten von  Fflrstenberg,  endlich  befinden  sich  auch  in  Mannheim  und 
Heidelberg  Museen.  Wenn  diese  alle  zweckentsprechend  gepflegt, 
namentlich  wenn  die  transportablen  und  der  Aufbewahrung  würdigen 
Alterthumsgegenstände  der  einzelnen  Landschaften  in  den  zugehörigen 
Städten  ein  schützendes  Unterkommen  finden,  so  ist  für  die  Kenntniss 
unserer  Vorzeit  reichlich  gesorgt.  Es  ist  dies  um  so  eher  möglich,  als 


>)  Z.  B.  C.  I.  Rh.  608—616.  697.  600.  265.  294. 


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198  AlterthttmsforschuDg  am  Oberrheio. 

in  8ämmtlichen  genannten  Städten,  wie  auch  in  Wertheim  und 
Tauberbischofsheim  höhere  Schulen  sind,  an  denen  geschichts- 
kundige  Männer  wirken. 

Für  die  grösste  und  bedeutendste  Sammlung  des  Landes  scheint 
nun  auch  eine  bessere  Zeit  zu  kommen.  In  den  Jahren  1854  bis  1858 
wurde  unter  den  Auspicien  des  regierenden  Orossherzogs  von  Baden 
durch  den  Herrn  A.  v.  Bayer,  Gonservator  der  vaterländischen  Al- 
terthümer,  ein  stattliches  Museum  zu  Carlsruhe  organisirt,  welches 
die  im  Durlacher  Schlossgarten  und  die  zu  Baden,  anfengs  in  dem  er- 
wähnten Tempel,  seit  1846  in  der  alten  Trinkhalle  aufgestellten  Mo- 
numente vereinigte.  Leider  mussten  die  Alterthttmer  schon  nach  we- 
nigen Jahren  ihren  Au&tellungsraum  veflassen,  und  sie  wurden  noth- 
dürftig  an  verschiedenen  Stellen  untergebracht.  Im  laufenden  Jahre 
endlich  wird  ein  grosses  Gebäude  fertig,  in  welchem  die  Schätze  der 
Carter uher  Sammlung  eine  würdige  Aufsstellung  finden  sollen.  Mit  den 
Fortschritten  der  neuen  Aufteilung  soll  auch  mein  Bericht  seine  Fort- 
setzung erhalten. 

Carlsruhe  im  Mai  1873. 

W.  Brambach. 


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8.  Die  an  der  Oet-  und  Nordeeite  dee  Domee  zu  Köln  entdeckten 
Reste  römischer  und  mitteialterlicher  Bauten. 

Hierzu  Tafel  XV  und  XVI. 
I. 

Fnndberieht. 

Die  Anlage  einer  den  Dom  zu  Köln  an  der  Nord-  und  Ostseite 
umgebenden  Futtermauer  bedingte  die  Abtragung  eines  grossen  Theiles 
des  mit  einer  steinernen  Erdböschung  nach  Osten  zu  abdachenden 
Domhägels.  Diese  umfangreichen  Erdbewegungen  constatirten  zunächst 
die  Thatsache,  dass  der  sogenannte  Domhügel  eine  künstlich  geschaf- 
fene Terrainerhöhung  sei,  indem  in  wechselnden  Lagen  Bauschutt, 
Scherben,  Humusboden  und  Baureste  mittelalterlicher,  wie  römischer 
Bauanlagen  zu  Tage  gefördert  wurden.  Hiemach  und  nach  der  Höhen- 
lage der  aufgefundenen  umfassenden  Bauwerke  dürfte  es  als  gewiss 
anzunehmen  sein,  dass  die  Bebauung  desjenigen  Terrains,  welches 
heute  als  Domhügel  ca.  19 '  über  dem  Strassenterrain  sich  erhebt, 
zur  Römerzeit  im  natürlichen  Gefälle  der  Terrainabdachung  erfolgte. 
Der  Domhügel  selbst  ist  demnach  eine  Anhäufung  von  Steintrümmern 
und  Bauschutt,  herrührend  von  den  an  dieser  Stelle  zu  verschiedenen 
Zeiten  bis  zur  Gründung  der  jetzt  den  Domhügel  krönenden  Dom- 
kirche errichteten  Bauanlagen.  Bei  Aufgrabung  der  Fundamente  zur 
Treppenanlage  an  der  Ostseite  des  Domes  im  Jahre  1866  stiessen  die 
Arbeiter  in  einer  Tiefe  von  ca.  19 '  unter  der  Oberfläche  des  Dom- 
hfigels  oder  ca.  2 '  unter  dem  heutigen  Strassenpflaster  zunächst  auf 
grössere,  zerstreut  liegende  Tuffsteinquadern  und  Bruchstücke  römi- 
scher Hauptgesimse  aus  Jurakalk.  Bei  3'  Tiefe  unter  dem  Strassen- 
terrain wurde  demnächst  ein  gut  erhaltenes,  aus  Tuffsteinquadern  ge- 


200      ^   Reste  römiBcher  und  mitielalierlicher  Bautea  am  Dom  zu  Köln. 

fertigtes  und  mit  sorgfältig  geglättetem  rothen  Mörtelputz  bekleidetes 
Wasserbecken  (XV  d)  aufgedeckt.  Dasselbe  ist  achteckig  mit  beinahe 
halbkreisförmig  ausgerundeten  Begränzungsflächen  bei  6 '  6  "  4 '"  lich- 
ter Weite  und  2 '  1 "  9 '"  Tiefe,  bis  zur  ersten  umlaufenden  Treppen- 
stufe gemessen.  Der  höher  liegende  Bassinrand  von  1 '  6 ''  Mauerdicke 
war  zerstört  und  konnte  somit  die  Gesammttiefe  des  Wasserbeckens 
nicht  festgestellt  werden.  Im  Innern  des  Wasserbehälters  läuft  ein 
Mauerabsatz  von  1 '  Breite  an  allen  acht  Seiten  herum,  und  sind  zwei 
Stufen  an  der  Nord-  und  Südseite  von  je  1 '  1 "  6 '"  Höhe  vorgelegt, 
die  als  Treppenstufen  oder  Sitzstufen  gedient  haben  können,  je  nach- 
dem das  Wasserbecken  als  Qsteme  zum  Wasserschöpfen  oder  als 
Badevorrichtung  im  Gebrauch  war. 

Dieser  Fund  gab  Veranlassung,  nunmehr  eine  planmässige,  und 
über  das  Bedürfniss  zur  Fundamentirung  der  Domterrasse  hinaus- 
gehende Aufgrabung  des  Domhügels  zu  veranstalten,  und  wurde  zu 
diesem  Behufe  im  Laufe  des  Jahres  1866  eine  Fläche  von  120 'Länge 
und  ca.  30'  Breite  freigelegt  (Tafel  XV).  Das  Ergebniss  dieser  Nach- 
grabungen, welche  von  dem  Unterzeichneten  in  Gemeinschaft  mit  dem 
Herrn  Professor  Dr.  Düntzer  zu  Köln  geleitet  und  worüber  zur  Zeit 
in  der  Kölnischen  Zeitung  das  Wichtigste  veröffentlicht  wurde,  ist 
nachstehend  auf  Wunsch  des  Vorstandes  des  Vereins  von  Alterthums- 
freunden  zu  Bonn  unter  Beifügung  von  zwei  Situationsplänen  über- 
sichtlich zusammengestellt 


a.  Aelteste  römische   Bauperiode. 

Nach  Abtragung  der  östlichen  Abdachung  des  Domhügels  in  dem 
angedeuteten  Umfange  zeigte  sich  eine  ausgedehnte  Bauanlage,  be- 
stehend aus  scheinbar  planlos  sich  durchkreuzenden  Tuf&teinmauem, 
deren  Zugehörigkeit  zu  zwei  verschiedenen  Bauwerken  römischen 
Ursprungs  sich  bei  Aufräumung  des  Bauschuttes  herausstellte.  Zur 
grossem  Deutlichkeit  der  Ueberschrift  sind  die  in  der  Richtung 
0  P  auf  dem  Grundrisse  (Tafel  XV)  belegenen  Bautheile  der  älteren 
Anlage  dunkel,  die  später  hineingebauten  Mauertheile  hell  schraffirt. 
Die  aufgefundenen  Fundamentmauern  haben  eine  Dicke  von  3 '  6 ", 
während  das  aufgehende  Mauerwerk  der  Umfangswände  meist  2' 
stark  ist.  Spuren  eines  Fussbodens,  wie  auch  von  Mörtelbewurf  an 
den  Mauerresten  waren  nicht  sichtbar. 


Reste  römischer  und  miitelaltcrlicher  Bauten  am  Dom  zn  Köln.  201 

b.   Neuere  Römerbauten. 

In  die  ad  a  beschriebene  Ba^anlage  ist  nach  Abbruch  oder  Zer- 
störung der  früher  errichteten  Gebäude  ein  Neubau  hineingebaut,, 
dessen  Mauern  genau  parallel  mit  der  Achse  der  jetzigen  Domkirche 
liegen  und  die  in  dem  Grundrisse  Tafel  XV  mit  I.  IL  III.  IV.  V  be- 
zeichneten Räume  umfassen. 

Der  «Raum  I,  mit  einem  wohlerhaltenen  und  sorgfältig  geglätte- 
ten Estrich  aus  rothem  Ziegelmehlmörtel  versehen,  der  ca.  2 '  unter 
dem  jetzigen  Strassenpflaster  belegen  ist,  dürfte  als  der  Küchenraum 
des  römischen  Hauses  zu  bezeichnen  sein,  indem  sich  daselbst  eine 
grössere  Zahl  von  Topfscherben,  die  Theile  einer  Handmühle,  Holz- 
kohlen, sowie  zahlreiche  Knochenreste  von  Thieren  fanden,  die,  mit 
Fischgräten  und  einer  grossen  Menge  von  Austerschalen  gemischt, 
den  Küchenabfall  einer  römischen  Haushaltung  vor  Augen  führte. 
Namentlich  war  die  massenhafte  Anhäufung  von  Austerschalen,  von 
derselben  Form,  wie  die  englischen  Austern,  auffallend.  Die  in  dem 
Räume  I  aufgefundenen  vier  Säulenreste  m.  m.  m.  m.  sind  zufällig 
dort  gelagert  und  standen  in  einer  ca.  6  "  starken  Schicht  von  schwar- 
zem Brandschutt,  der  den  ganzen  Ziegelboden  bedeckte.  Bei  R  fand 
sich  derFuss  eines  Pilasters  mit  einem  Theile  des  cannelirten  Schaftes 
aus  Jurakalk  (Detail  XV  R)  noch  in  dem  ursprünglichen  Lager  stehend. 

Nachdem  die  Auf  räumung  des  Brandschuttes  in  dem  Räume  I  mit 
Sorgfalt  beendet  war,  kam  der  erwähnte  rothe  Ziegelestrich  meist  un- 
verletzt zum  Vorschein,  und  wurde  derselbe  nunmehr  an  mehreren 
Stellen  durchbrochen,  um  zu  untersuchen,  ob  Keller-  oder  Heizungs- 
anlagen darunter  befindlich  seien.  Hierbei  ergab  es  sich,  dass  diese 
Räume  nicht  unterkellert  waren  und  der  Estrich  sich  unmittelbar  auf 
einer  Lage  von  grossen  Steinen  ausbreitete,  die  als  Fundr  TZnt  dienten 
und  sich  bei  weiterem  Nachsuchen  als  absichtlich  zerschlagene,  zum 
Theü  mit  Ornamenten  bedeckte  Constructionstheile  eines  Gebäudes 
von  Jurakalk  ergaben.  Auffällig  und  als  Beweis  der  planmässigen  Zer- 
störung vorhandener  Kunstbauten  erschien  es,  dass  selbst  ein  Reiter- 
standbild, aus  Kalkstein  gehauen  (nach  den  wenigen  erhaltenen  Resten 
von  ca.  Va  natürlicher  Grösse),  behufs  Gewinnung  von  Fundament- 
steinen für  den  Neubau,  in  Stücke  geschlagen  wurde. 

Den  besterhaltenen  Theil  der  ganzen  Anlage  umfasst  der  Raum  II 
mit  dem  bereits  erwähnten  Wasserbassin  d.  Die  Umfassungsmauern 
aus  Tufbteinquadem  bei  einer  Dicke  von  ca.  4 '  durch  eine  Isolir- 


202  Reste  römisoher  und  mittelalterlicher  Bauten  am  Dom  zu  Köln. 

schiebt  von  6  "  Breite  in  ihrer  ganzen  Länge  getheilt,  umscbliessen 
eine  Brunnen-  oder  Badestabe  von  ca.  24 '  Breite. 

Bemerkenswerth  ist  es  hierbei,  dass  beinahe  an  gleicher  Stelle 
auch  in  dem  älteren  zerstörten  römischen  Gebäude  ein  Wasserbassin 
gestanden  hat,  wie  die  nnter  dem  Fussboden  aufgefundenen  Spuren 
eines  zweiten  achteckigen  Wasserreservoirs  andeuten,  zu  dem  die  noch 
erhaltenen  Stufen  e  führten.  Mithin  ist  anzunehmen,  dass  an  dieser 
Stelle  zu  den  verschiedensten  Zeiten  ein  Wasserausfluss  gewesen  ist, 
dessen  Zuleitungsrohr  leider  durch  die  späteren  mittelalterlichen  Bau- 
ten zerstört  wurde.  Aus  dem  Wasserbassin  der  älteren  Anlage  führte 
der  gemauerte  Kanal  a  von  8 ''  Weite  in  südöstlicher  Richtung,  so  wie 
aus  dem  erhaltenen  Wasserbecken  d  ein  höher  gelegener  und  mit 
Platten  gedeckter  Kanal  c  nach  Nordosten  das  gebrauchte  Wasser 
in  die  Abzugsgräben.  In  die  Umfassungswand  des  Wasserbeckens  d, 
dicht  am  Boden  eingelassen  und  in  den  Kanal  c  eingelegt,  befand 
sich  der  ca.  6 '  lange  Rest  eines  gut  erhaltenen  Bleirohres  von  2 " 
lichter  Weite.  Das  Rohr,  aus  Bleiplatten  zusammengelöthet,  zeigte  an 
seiner  Einmündung  in  das  Wasserbecken  keinerlei  Vorrichtung  zum 
Verschluss.  Als  einer  der  zu  dem  Kanal  c  verwendeten  Decksteine  wurde 
hier  ein  Weihestein,  dem  Genius  der  zu  Köln  wohnenden  Focarii  ge- 
*  widmet  (Jahrbücher  XLII.  83  flf.),  zu  Tage  gefördert.     Der  bei  XV  b 

gezeichnete,  aus  gewöhnlichen  Ziegelsteinen  neuerer  Form  construirte 
Kanal  steht  zu  der  römischen  Wasseranlage  ausser  Beziehung;  er 
scheint  zur  Ableitung  von  Wasser  aus  den  mittelalterlichen  Bauanlagen 
gedient  zu  haben.  Leider  sind  die  Umfassungswände  der  römischen 
Brunnen-  oder  Badestube  beinahe  bis  auf  den  Fussboden  abgebrochen 
und  zerstört,  so  dass  über  die  Verbindung  der  Wohnräume  unterein- 
ander nichts  Genaueres  festgestellt  werden  konnte. 

Die  Räume  IIL  IV.  V.  entbehrten  eines  Fussbodens,  und  wurde 
bei  den  fortgesetzten  Nachgrabungen  hier  eine  grosse  Zahl  von  be- 
arbeiteten Ornamenten  aus  Jurakalk,  Münzen,  römischen  Nadeln  und 
Topfscherben  zu  Tage  gefördert,  die  über  das  Alter  der  Bauten  den 
gewünschten  Aufschluss  brachten. 

Zunächst  wurde  ca.  7 '  tief  unter  dem  jetzigen  Strassenpflaster 
der  Weihestein  eines  zur  Zeit  des  Titus  erbauten  Mercurtempels  auf- 
gedeckt, und  nicht  weit  davon  das  Bruchstück  eines  grossen  Archi- 
travs  mit  Relief,  das  zu  demselben  Tempel  gehört  hatte.  Ueber  diesen 
Fund,  sowie  über  die  hier  ausgegrabenen  römischen  Nadeln,  Münzen, 
Griffel,  Schmucksachen  etc.  ist  bereits  in  den  Jahrbüfchern  XLII.  79  ff. 


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Ratte  römischer  und  mittelalterlicher  Beaten  am  Dom  tu  Köln.  208 

86  fif.  Mittheilong  gemacht.  Ein  Anhalt  für  die  Zeit  der  Niederlegung 
des  neueren  römischen  Gebäudes  ergab  steh  aus  den  Nachgrabungen 
nicht,  dagegen  muss  die  Zerstörung  nach  der  Menge  des  aufgehäuften 
Brandschuttes  zu  urtheilen,  durch  Feuer  veranlasst  und  so  vernichtend  ge- 
Wesen  sein,  dass  die  Spuren  jeder  Bebauung  im  Mittelalter  vollständig 
verschwunden  waren,  indem  die  erhaltenen  kolossalen  Fundament- 
mauem  S  S  des  auf  derselben  Stelle  später  errichteten  romanischen 
Gebäudes  bis  wenige  Fuss  ttber  den  Bauschutt  des  Römerbaus  hinab- 
reichen, und  eine  Vertiefung  der  Baugrube  um  wenige  Fuss  genfigt 
hätte,  den  gewachsenen  Boden  zu  erreichen. 

c   Bauwerke  aus  der  fränkischen  Zeit. 

Nachdem  Jahrhunderte  hindurch  Bauschutt  .und  Trümmer  über 
den  Ruinen  der  Römerbauten  aufgehäuft  und  hierdurch  die  heute  noch 
bestehende  als  Domhügel  bezeichnete  künstliche  Terrainanhöhung  ge- 
schaffen war,  begann  der  Bau  eines  umfangreichen  Gebäudes,  dessen 
aus  drachenfelser  Stein  errichtete  Fundamentmauem  auf  der  Situa- 
tionszeichnung XV  bei  S  S  verzeichnet  sind  und  deren  Entfernung 
von  einander  von  Aussenkante  zu  Aussenkante  gemessen  84 '  9 ''  be- 
trägt Die  auiigehende  Mauer  über  den  Banketten  hat  eine  Stärke  von 
3*  6"  und  lag  ein  Fussboden  von  3 ''  starken,  sauber  behauenen  dra- 
chenfelser Hausteinplatten  in  einer  Höhe  von  10 '  über  dem  Fussboden 
des  römischen  Hauses.  In  der  Richtung  der  südlichen  Umfassungs- 
mauer wurde  8 '  vom  Domsockel  entfernt  die  Basis  einer  romanischen 
Säule  von  2 '  2  "  6 '"  Schaftdurchmesser  aus  drachenfelser  Stein  ge- 
arbeitet, im  Lager  stehend,  ausgegraben  (Detail  XV  £).  Die  ganze 
Breite  des  Gebäudes,  im  Lichten  ca.  77 '  9 ''  messend,  war  durch  die 
Zwischenmauern  T  T  T  getheilt. 

d.   Die  römische  Stadtmauer. 

Bei'  Abtragung  der  den  Dom  umgebenden  Terrasse  um  6 '  wur- 
den an  der  Nordseite  des  Domes  die  Ueberreste  der  römischen  Stadt- 
mauer freigelegt,  deren  Dicke  ca.  8 '  6 ''  beträgt.  Auf  Tafel  XVI  ist 
der  Lauf  der  römischen  Stadtmauer  übersichtlich  in  den  jetzigen 
Bebauungsplan  des  DomhUgels  eingezeichnet,  und  zeigt  dieselbe  auf 
der  ganzen  lÄnge  von  dem  bei  d  in  der  Burgmauer  noch  bestehenden 
und  zu  Wohnräumen  ausgebauten  fiefestigungsthurm  ausgehend  bis 
zum  Thurme  a  auf  der  Domterrasse  zwei  Unterbrechungen  in  gleichen 
Abständen,    bestehend    in  einem  bei  b  belegenen,   zum  Theil  in  das 


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204  Reste  römischer  und  mittelalterlicher  Bauten  am  Dom  zu  Köln. 

Domfundament  eingebauten  Thttrme  und  dem  bei  c  befindlichen  soge- 
nannten Pfaffenthore,  dessen  Fundamente  neuerdings  bei  Eanalbauten 
freigelegt  wurden.  Gestützt  auf  die  sich  ergebende  genaue  TJeberein- 
stimmung  des  Abstandes  zwischen  den  einzelnen  Befestigungsthürmen 
der  römischen  Stadtmauer  wurde  versucht,  die  Lage  des  nächsten 
Thurmes  östlich  vom  Thurme  a  durch  Aufgrabungen  zu  bestimmen. 
Nachdem  der  Lauf  der  Mauer  auf  eine  Länge  von  210 '  aufgedeckt, 
fand  sich  leider  das  Mauerwerk  bis  zu  den  Fundamenten  abgebrochen 
und  somit  jede  Spur  der  römischen  Befestigungswerke  nach  dem  Rheine 
zu  verwischt. 

Der  bei  b  belegene  Befestigungsthurm  (Detail  Tafel  XVI),  dessen 
Freilegung  bereits  in  den  Jahrbüchern  XXXVII,  65  flf.  und  XXXDL.  XL, 
111  ff.  erwähnt  wurde,  ist  mit  sorgfältig  hammerrecht  behauenen 
Grauwackenfeldsteinen  verblendet  und  mit  einer  Ausgangsthtir  nach 
dem  früheren  Wallgraben,  der  heutigen  Trankgasse,  versehen.  Die 
Schwelle  dieser  Thür  liegt  1 '  3  "  über  dem  Pflaster  der  Trankgasse, 
woraus  erhellt,  dass  eine  wesentliche  Veränderung  in  der  Höhenlage 
der  Strassenoberfläche  in  diesem  Theile  der  Stadt  Köln  seit  der  Bö- 
merzeit  nicht  stattgefunden  hat.  Nicht  unwichtig  für  die  Bestimmung 
der  Zeit  der  Erbauung  der  römischen  Befestigungsmauer  durfte  es 
sein,  dass  die  Decke  des  untern  Gemaches  des  Thurmes  bei  b  nicht 
durch  Wölbung,  sondern  durch  eine  4 '  dicke  Platte  aus  Gussmauer- 
werk hergestellt  ist. 

Sämmtliche  bei  den  Ausgrabungen  in  der  Umgebung  des  Domes 
aufgefundenen  Architekturtheile,  Inschriftsteine,.  Utensilien,  Münzen 
und  Gefässe,  von  künstlerisch  hervorragender  oder  archäologischer  und 
historischer  Bedeutung  sind  dem  städtischen  Museum  zu  Köln  über- 
wiesen und  im  Katalog  der  römischen  Alterthümer  0  und  in  diesen 
Jahrbüchern  XLII,  79—88  beschrieben. 

Beim  Bau  der  neuen  Umfassungsmauer  der  Domterrasse  und  des 
Treppenbaues  an  der  Ostseite  sind  die  Reste  der  römischen  Anlagen^ 
namentlich  das  Wasserbecken,  thunlichst  erhalten  und  sorgfaltig 
überwölbt. 

Die  Aussicht,  durch  bedeutendere  Bauausführungen  auf  dem  der 
rheinischen  Eisenbahn- Gesellschaft  gehörigen  Terrain  zwischen,  der 
Brückenrampe  und  der  Trankgasse  Gelegenheit  zu  finden,  die  Auf- 
grabungen der  römischen  Befestigungswerke  gegen  den  Rhein  zu  weiter 


0  II,  7.  8.  27.  32*.  36.  160» .  163 1-  K  163.  164. 


h 


Reste  römisoher  and  mittelalierlicher  Bauten  am  Dom  su  Köln.  206 

frei  zu  l^en  und  die  begonnenen  Nachgrabungen  zu  vervollatändigen, 
hat  sich  bis  heute  nicht  verwirklicht,  und  erschien  es  somit  angemessen, 
die  Publication  der  durch  die  bisherigen  Ausgrabungen  erlangten  Re- 
sultate und  Aufschlüsse  über  die  älteste  Baugeschichte  Kölns  nebst 
den  dazu  gehörigen  Situationszeichnungen  und  Detailaiifnahmen  den 
Freunden  vaterländischer  Geschichte  nicht  länger  vorzuenthalten. 

Der  Dombaumeister  Voigtel. 


n. 

Ergebnisse. 


Der  vorstehende  genaue  Fundbericht  des  Herrn  Begierungs-  und 
Baurath  Voigtel  gibt  zunächst  erwünschte  Auskunft  über  die  Reste 
zweier  römischen  Gebäude,  von  denen  das  erste  sich  so  rasch  und, 
man  möchte  sagen,  übereilt  auf  den  Trümmern  des  andern  erhob,  dass 
der  noch  erhaltene  ganz  gemauerte  Abzugscanal  a,  der  für  das  neue 
Wasserbassin  d  unbrauchbar  geworden  war,  nicht  einmal  beseitigt, 
sondern  nur  so  weit  abgebrochen  wurde,  als  er  hinderlich  war;  denn 
derselbe  mündet  keineswegs  in  das  neue  Wasserbassin,  sondern  reichte 
nur  bis  an  dasselbe  hinan,  da  man  unmittelbar  an  demselben  ihn  ab- 
gebrochen hatte.  Ausser  diesem  alten  Abzugscanal  hat  man  die  Spuren 
eines  altern  Wasserbassins  unten  im  Fussboden  fast  an  derselben  Stelle 
gefunden,  wo  auch  die  zu  diesem  führenden  Stufen  e.  Gehörte  dieser 
Abzugscanal  zu  dem  altern  Wasserbassin,  so  muss  dieses  etwas  höher 
gelegen  haben,  da  er  jedenfalls  noch  eine  Strecke  weiter  führte;  dass 
früher  das  Wasser  südöstlich,  später  nordwestlich  abgeführt  wurde, 
war  durch  die  neue  Einrichtung  des  Abflusses  bedingt.  Finden  wir 
nun  fast  ganz  an  derselben  Stelle  im  altern  wie  im  neuern  Baue  ein 
Wasserbassin,  so  dürfen  wir  wohl  annehmen,  beide  Gebäude  seien  zu 
demselben  Zwecke  bestimmt  gewesen  und  das  neue  habe  in  seiner 
ganzen  Einrichtung  wesentlich  dem  alten  entsprochen.  Von  diesem 
haben  sich  sonst  nur  Reste   von  Tuffsteinmauern  >)  östlich  von  dem 


^)  Ueber  die  Verwendung  des  Tufifsteins  bei  den  Römern,  welche  durch 
ansere  Entdeckung  eine  wesentliche  Bestätigung  erhält,  hat  der  Wirkl.  Geh. 
Rath*  Yoo  Deohen  Jahrb.  ICKXVIII,  1  ff.  gehandelt. 


i.l-* ' 


^Nv 


206  Reste  römifober  und  mittelalterUoher  Bauten  am  Dom  su  Köln. 

Wasserbassin  erhalten,  die  weder  von  der  Eintheilung  der  Räume 
noch  von  dem  Umftinge  des  Ganzen  eine  Anschauung  geben;  ja  bei 
der  Oewalt  der  Zerstörung  kann  man  zweifeln,  ob  dieselben  ganz  an 
ihrer  ursprünglichen  Stelle  sich  befinden.  Sie  stehen  auf  gewachsenem 
Hoden,  woraus  sich  ergibt,  dass  auf  diesem  kein  früheres  Gebäude  ge- 
standen haben  dürfte. 

Wenden  wir  uns  zu  dem  neuen  Gebäude,  so  zieht  hier  zunächst 
das  in  einem  Gemache  von  24 '  Breite  und  entsprechender  nicht  genau 
zu  bestimmender  Länge  befindliche  Wasserbassin  (vgl.  die  Detaikeich- 
nung  XV  oben  links)  unsere  Aufmerksamkeit  auf  sich,  das  wir  als 
baptisterium^  wie  Plinius  (epist.  II,  17,  11.  V,  6,  25)  das  Bassin 
zum  kalten  Wasserbade  nennt,  wie  dt^s  Gemach,  in  welchem  es  sich 
befindet,  nach  demselben  als  cella  frigidaria  bezeichnen.  Im  Gym- 
nasium hiess  nach  Vitruv  (V,  11,  2)  das  kalte  Bad  frigida  lavatiOj 
bei  den  Griechen  lovtQoy,  davon  ist  das  frigidarium  (Eühlstube) 
verschieden,  das  wir  auf  der  berühmten  Abbildung  aus  den  Thermen 
des  Titus  zwischen  dem  elaeothesium  (Oel-  und  Salbenzimmer) 
und  dem  tepidarnffu  (der  lauen  Stube)  finden.  Das  frigidarium 
war  eben  so  wenig,  wie  das  tepidarium  mit  einer  Vorrichtung  zum 
Baden  versehen;  beide  dienten  zum  Ausruhen  (residere).  Wenn 
Sidonius  ApoUinaris  (epist.  II,  2)  piscina  als  römischen  Namen  des 
baptisterium  bezeichnet,  so  ist  dies  für  die  frühere  Zeit  irrig;  denn 
die  Piscina  befindet  sich  im  Freien  und  hat  eine  weitere  Ausdehnung, 
wie  sich  aus  den  angeführten  Stellen  des  Plinius  ergibt  Unser  Was- 
serbassin entspricht  in  den  wesentlichen  Punkten  dem  freilich  grossem, 
kostbarem  und  runden  in  den  Thermen  zuPompeii,  das  12'  9"  oben 
im  Durchmesser,  einen  10'  unter  dem  Rande,  2'  4"  oberhalb  des 
Bodens  umlaufenden  Sitz  von  1 1 '  Breite  und  an  der  einen  Seite  eine 
Stufe  zum  Ein-  und  Aussteigen  hat.  An  unserm  Bassin  war  nördlich 
und  südlich  ein  Absatz  zum  Ein-  und  Aussteigen ;  der  Sitz  hatte  die- 
selbe Breite  wie  in  Pompeii.  Wenn  sich  kein  Verschluss  an  dem  Ab- 
zugscanal  c  gefunden  hat,  so  mag  dieser  mit  dem  erhaltenen  Blei- 
rohre in  Verbindung  gestanden  und  sich  bei  der  gewaltsamen  Zerstö- 
rung verloren  haben;  keinenfalls  dürfte  dieser  gewiss  nicht  ursprüng- 
liche Mangel  gegen  die  Bestimmung  des  Beckens  zum  kalten  Bade 
einen  haltbaren  Grund  abgeben.  Woher  das  Wasser  zum  Bade  kam, 
lässt  sich  nicht  mehr  bestimmen.  Zu  Pompeii  strömte  es  aus  einer 
kupfernen,  dem  Eingange  gegenüber,  etwa  4'  über  dem  Boden 
befindlichen  Röhre,    die  es  durch  andere  Röhren   aus    einem    grossen 


Reste  römiBcber  and  mittelalterHoher  fiauten  am  Dom  eu  Köln.  207 

Wasserbehälter  brachte.  Da  der  Eingang  in  unsere  cdla  frigidaria, 
nach  der  altem  Stufe  e  zu  schliessen,  östlich  war,  so  dQrfte  das  Was- 
ser westlich  eingeströmt  sein.  Wahrscheinlich  kam  der  Wasserzi^uss 
aus  der  öffentlichen  Wasserleitung.  Der  Ziegelcanal  ist  viel  jungem 
Ursprangs. 

Ausser  der  ceSa  frigidaria  ist  die  Entdeckung  der  Küche, 
adina,  von  grosser  Wichtigkeit.  Nördlich  erstreckte  dieselbe  sich  in 
ihrer  grossem  Länge  bis  zu  Pfeiler  R  (Detailzeichnung  XV  unten 
links),  in  der  kleinern  bis  zur  Mauer  des  südlich  von  der  c^a  fri- 
gidaria befindlichen  Gemaches,  etwa  eines  Vorraumes  der  Küche, 
wie  wir  ihn  auch  sonst  wohl  zum  Anrichten  der  Speisen  finden;  ihre 
Breite  wird  nur  an  der  engsteja  Stelle  durch  das  westlich  und  östlich 
daran  stossende  Gemach  bezeichnet.  Die  Form  der  Küche  ist  dieselbe, 
wie  zu  Pompeii  in  der  casa  della  caccia  und  in  der  casa  del  poeta 
tragico.  Der  Eingang  war  wohl  durch  jenes  als  Vorraum  bezeichnete 
Gemach  oder  weiter  südwestlich,  so  dass  sie  am  Eingang  die  geringste 
Länge  hatte.  Die  Küche  ist  meistens  im  hintersten  TheUe  des' Hauses, 
seltener  im  mittlem,  am  seltensten  in  der  Nähe  des  Einganges,  neben 
dem  atrium]  meistentheils  liegt  sie  an  der  Strasse  oder  ist  nur  durch 
ein  Gemach  von  dieser  getrennt.  Wir  gehen  wohl  nicht  fehl,  wenn 
wir  auch  hier  den  gewöhnlichen  Fall  annehmen  und  die  ctdina  uns 
hinter  der  ceUa  frigidaria  im  äussersten  Theile  des  Hauses  den- 
ken; denn  dass  wir  es  mit  einem  Privathause  zu  thun  haben, 
zeigen  uns  eben  die  Küche  und  das  für  den  öffentlichen  Gebrauch  zu 
kleine  baptisterium.  Demnach  würden  wir  die  schmale  Frontseite 
des  Hauses  nördlich,  der  Trankgasse  gegenüber,  die  Hinterseite  süd- 
lieh,  nach  dem  Domhofe  zu,  die  westliche  Strassenseite  eine  beträcht- 
liche Strecke  jenseit  des  Wasserbassins,  die  östliche  nicht  sehr  weit 
jenseit  der  ausgegrabenen  Beste  der  Mauer  und  des  Küchenestrichs 
anzunehmen  haben.  In  einem  Hause,  welches  ein  kaltes  Bad  hatte, 
dürfte,  bei  der  Unentbehrlichkeit  warmer  Bäder,  ein  solches  kaum 
gefehlt  haben.  Die  Einrichtungen  zu  den  warmen  Bädern  befanden 
sich  westlich,  hier  wahrscheinlich  südwestlich,  von  der  cdla  frigidaria. 
Von  dem  nördlich  von  dieser  gelegenen  Theile  des  Hauses  ist  wenig 
zu  sagen;  nur  vier  Gemächer  desselben  lassen  sich  nach  den  erhal- 
tenen Mauerresten  unterscheiden,  über  deren  Verbindung  und  Ver- 
wendung aber  nichts  mit  Wahrscheinlichkeit  sich  vermuthen,  eben  so 
wenig,  wie  weit  sich  das  Haus  noch  gegen  Norden  ersteckte.  Die  Zer- 
störung war  hier  zu  gewaltig;   von  dem  alten  Gebäude  hat  sich  hier 


>  - 


208  Reste  römisoher^nnd  mittelalterlicher  Baaten  am  Dom  tu  Köln. 

gar  nichts  erhalten^  [dagegen  fand  man  hier  den  Weihestein  und  ein 
Relief  des  unter  Titus  erbauten  Mercurtempels  in  einer  Tiefe  von  7 ', 
gleich  vor  der  Wendung  der  neuen  Umfassungsmauer  der  Domterrasse. 
Dass  gerade  hier  der  Mercurtempel  gestanden,  wird  man  nicht  be- 
haupten dürfen,  da  bekanntlich  Trümmerreste  von  Gebäuden  und  In- 
schriften oft  weit  verführt  wurden,  wie  wir  denn  in  Köln  selbst  ein 
schlagendes  Beispiel  besitzen,  dass  Stücke  derselben  Inschrift  in  weiter 
Entfernung  von  einander  aufgefunden  wurden  (vgl.  Jahrb.  XLI,  125  fif.}. 
Hier  kommt  noch  dazu,  dass  bei  dem  zweiten  römischen  Baue  nach- 
weislich Gebäudetrümmer,  ja  Stücke  von  einem  zerschlagenen  Reiter- 
standbilde, dessen  Reste  sich  leider  nicht  mehr  zusammenfügen  Hessen, 
verwandt  worden  sind,  um  einen  festen  Boden  zu  gewinnen.  So  wenig 
jenes  Reiterstandbild  an  der  Stelle  des  Hauses  gestanden  hat,  auf  dem 
der  zweite  Bau  errichtet  worden,  so  wenig  können  wir  behaupten, 
dieser  Weihestein  mit  dem  Reliefsteine  rühre  von  einem  an  dieser 
Stelle  gestandenen  Mercurtempel  her,  sei  nicht  von  einer  andern  Stelle, 
die  wir  uns  näher  oder  ferner  denken  können,  hierher  gebracht  worden. 
Bei  der  grossartigen  Zerstörung,  welcher  der  älteste  Hausbau  zum 
Opfer  fiel,  war  auch  in  der  Nähe  desselben,  besonders  auf  dem  Dom- 
hofe, den  wir  als  römisches  Forum  nachgewiesen  zu  haben  glauben, 
so  vieles  zertrümmert  worden,  dass  man  bei  der  Grundlegung  diese 
Trümmer  zu  benutzen  sich  wohl  veranlasst  finden  konnte.  Bediente 
man  sich  ja  auch  eines  Weihesteines,  der  gewiss  nicht  ursprünglich 
in  diesem  Hause  gestanden  hatte  (Jahrb.  XLH,  83  ff.),  zur  Deckung 
des  Wasserabflusses. 

Bei  einer  für  die  älteste  Geschichte  Kölns  so  wichtigen  Thatsache, 
wie  diese  Entdeckungen  an  der  Ost-  und  Nordostseite  des  Domes  sind, 
gebietet  es  der  Ernst  der  Sache,  irrige  Angaben  als  ^solche  zu  be- 
zeichnen. In  den  >Annalen  des  historischen  Vereins  für  den  Nieder- 
rheiutt  (XVIII,  295  ff.)  behauptet  Herr  Archivar  Dr.  Ennen:  »Nach 
Ausweis  der  örtlichen  Ausgrabungen  ist  nur  die  Thatsache  unzweifel- 
haft, dass  hier  (an  der  Stelle  des  jetzigen  Doms)  ein  römischer  Tem- 
pel sich  befunden  hat.  Bei  den  Erdarbeiten  für  die  Terrassenanlage 
zwischen  dem  Domchor  und  der  Brückeurampe  haben  sich  dekorirte 
Säulen-,  Fries-  und  Täfelungsreste  gefunden,  die  darauf  hindeuten, 
dass  an  dieser  Stelle  ein  bedeutender  Bau  gestanden  haben  müsse.« 
Darauf  gedenkt  er  jenes  von  mir  gleich  auf  einen  von  den  Augustalen 
des  Titas  gebauten  Mercurtempel    bezogenen  Weihesteins  ^)  aus  dem 

^)  Brambach   gibt  Add.   20i0   die  Ergänzung:   (Mer)curio  Äugu8t{o   pro 


Reste  römischer  and  mittelalterlicher  Bauten  am  Dom  za  Köln.  209 

er  nichts  weiter  will  schliessen  können,  als  ndass  wir  es  hier  mit  einem 
Tempel  des  Titos  (?)  zu  thun  haben»  der  von  einem  (?)  Augustalen 
quoad  (?)  maceriem  et  in  drcuüu  (?)  errichtet  worden  ist«.  Beim  Ein- 
dringen der  Franken  soll  dieser  Tempel  in  Trümmer  gefallen  »und 
nach  Glodwigs  Bekehrung  wohl  an  der  Stelle  jenes  Tempels  eine 
christliche  Kirche  erbaut  worden  sein,  zu  dem  etwa  jenes  dort  ent- 
deckte Wasserbecken  gehört  haben  möge,  das.  zwei  Abflüsse  gehabt 
habe.  Dafür,  dass  hier  in  der  merowingischen  Zeit  »ein  kräftiger  Kir- 
chenbautt  gestanden  habe,  werden  die  im  Fundbericht  unter  c  be- 
schriebenen Ausgrabungen  angeführt.  In  seiner  historischen  Einleitung 
zu  den  Domzeichnungen  des  Architekten  Franz  Schmitz  S.  3  ent- 
scheidet Ennen  sich  für  die  Annahme,  )^ass  schon  in  merowingischer 
Zeit  die  Verlegung  der  bischöflichen  Kirche  von  Gäcilien  nach  der 
Nordostecke  des  alten  römischen  Köln  beliebt. worden  und  dieser  ein 
römischer  Tempel  des  Mercur  (einen  solchen  nimmt  er  also  jetzt  auch 
an)  habe  Platz  machen  müssen  (wonach  er  also,  wie  es  scheint,  nicht 
zerstört  war).  '  Alle  diese  Behauptungen  zerfallen  vor  der  Thatsache, 
dass  wir  an  der  betreifenden  Stelle  die  Reste  zweier  römischen  Häuser 
haben,  von  denen  das  eine  sich  auf  den  Trümmern  des  andern  erhob 
und  dass  jedes  derselben  ein  Wasserbecken  hatte,  das  mit  dem  spätem 
Gebäude  nicht  in  der  allergeringsten  Verbindung  stand,  sondern  unter 
dessen  Fundamenten  lag. 

Fragen  wir  aber,  in  welche  Zeit  die  Zertrümmerung  des  ältesten 
Baues  fallen  möge,  so  kennen  wir  eine  solche  wilde  Zerstörung  Kölns, 
wie  sie  hier  vorausgesetzt  werden  muss,  nicht  vor  dem  Jahre  355  in 
den  Stürmen  nach  dem  Sturze  des  Silvanus.  Die  Franken  zerstörten 
die  Stadt  damals  völlig,  wie  Ammianus  berichtet  (XVI,  3,  1);  sie  hob 
sich  aber  bald  wieder,  als  Julian  zwei  Jahre  später  mit  den  Franken 
Trieden  schloss  und  sie  neu  befestigte  (daselbst  2).  Eine  zweite  Zer- 
störung durch  die  Franken  erfolgte  nicht,  wie  wir  aus  der  Schrift  des 
Presbyters  Salvianus  zu  Massilia  de  gubematione  dei  sehen,  der 
'  von  einer  viermaligen  Zerstörung  Triers  zu  seiner  Zeit  spricht,  die  Jn 


salMAe  %m'pe)raior%S'^  aber  die  dann  aaefallende  Erwähnung  des  V^eihenden 
darf  nicht  fehlen,  und  es  werden  dabei  am  Anfange  der  zweiten  Zeile  mehr 
Buchstaben  ergänzt,  als  nach  Ausweisung  der  übrigen  Zeilen  hier  gestanden 
haben  können.  Nur  darin  bin  ich  bereits  im  Museumskatalog  (Nr.  7)  von  mei- 
ner frühem  Deutung  (Jahrb.  XLU,  79  ff.)  abgewichen,  dass  ich  nach  Caesar is 
das  nach  durchgängiger  Regel  nöthige  Augusti  angenommen  habe. 

14 


210  Reste  römischer  und  Tnittelalterlicber  Bauten  am  Dom  zu  Köln. 

• 

einen  Schutthaufen  verwandelt  sei,  aber  dennoch  verlange  das  Volk 
vom  Kaiser  circensische  Spiele  (VI  p.  184,  198,  201),  während  er  von 
Köln  sagt,  dort  fänden  jetzt  keine  Schauspiele  mehr  statt,  weil  es  vom 
Feinde  besetzt  sei  (hostibus plena  VI  p.  184).  Köln  scheint  auch  gemeint, 
wenn  dieser  fromme  Polterer  von  einer  Stadt  Galliens,  die  fast  eben  so 
mächtig  sei  wie  Trier,  aus  eigener  Anschauung  berichtet,  deren  Wohl- 
stand und  Sitten  eben  so  zu  Orunde  gerichtet  würden  (VI  p.  200). 
»Denn  da  ausser  andern  dort  durch  die  hauptsächlichen  und  allgemeinen 
Laster  Habsncht  und  Trunksucht  alles  ins  Verderben  gestürzt  war, 
stieg  endlich  die'wüthende  Gier  nach  Wein  so  hoch,  dass  die  Vor- 
nehmen der  Stadt  selbst  damals  von  ihrem  Gelage  sich  nicht  erhoben, 
als  der  Feind  schon  die  Stadt  betrat.«  Wir  dürfen  es,  wie  viel  üeber- 
treibung  auch  sonst  bei  Salvianus  unterlaufen  mag,  wohl  als  That- 
Sache  betrachten,  dass  die  Franken  damals  sich  Kölns  ohne  Gewalt 
bemächtigten.  Salvianus,  der  erst  im  Jahre  495  in'  höchstem  Alter 
starb,  schrieb  diese  Schrift  um  das  Jahr  439;  er  selbst  war  in  der 
Gegend  zu  Hause  und  hatte  dort  Verwandte  (epist.  1).  Erst  bei  dem 
Rückzüge  Attilas  über  Köln,  im  Jahre  451,  erfolgte  eme  zweite  Zer- 
störung der  Stadt  durch  die  Hunnen.  Kessel  hat  in  seiner  Schrift: 
p'_  »St.  Ursula   und   ihre  Gesellschaft«  (1843)   die    geschichtlichen    und 

^'.  sagenhaften  Berichte  über  diese  Verwüstung  Kölns  zusammengestellt. 

f  Damals  wurde  das  noch  keine  hundert  Jahre  alte  römische  Haus  durch 

Brand  vernichtet.  Nach  Attilas  Abzug  blieben  die  Franken  im  Besitze 


5ir 


t 


il'  der  Stadt,  die  sich  aber  nur  schwer  und  langsam  von  dieser  zweiten 

W  Zerstörung  erholt  zu  haben  scheint.   Wir  bemerken  hierbei,  dass  man 

t.  nach  Ennen  )»Geschichte  der  Stadt  Köln«  I,  90  f.,  auch  bei  den  Aus- 

schachtungen für  die  neue  St.  Peterspfarrschule  Spuren  zweier  Bau- 
perioden gefunden  haben  will.  Das  dreifache  Pflaster,  auf  welches  man 
auf  der  Breitstrasse  bei  Ausgrabungen  nach  dem  Berichte  des  frühem 
Apothekers  Brocke  gestossen  sein  soll  (Jahrb.  XX,  27  f.),  wollen  wir 
^  hier  ausser  Betracht  lassen. 

i  Lange  Zeit  verging,  ehe  über  dem  Schutte  sich   ein  neues  Ge-  ^ 

1  bände  erhob,    wie  dies  bereits   der  Fundbericht  durch  den  thatsäch- 

r    ^  liehen  Verhalt  bewiesen  hat.  Der  Plattenboden  dieses  Gebäudes  befand 

^  sich  10'  über  den  Trümmern  des  zweiten  römischen  Baues;  die  ko- 

lossalen Fundamente  reichen  fast  bis  auf  die  römischen  Trümmer 
herab,  die  man  hier  nicht  mehr  ahnte.  Die  unten,  besonders  in  den 
Fundamenten  sehr  dicken  Umfassungsmauern  schliessen  einen  Baum 
von  77 '  9 ''  ein,  der  durch  drei  Zwischenmauern  abgetheUt  war,  von 


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Reste  römischer  and  mittelalterlicber  Bauten  am  Dom  za  Köln.  211 

denen  die  beiden  am  entferntesten  von  einander  stehenden  einen  Raum 
von  48 '  begrenzten ;  die  nördliche  war  8 '  6  "  von  der  Umfassungs- 
mauer, die  südliche  bloss  2 '  von  dieser,  von  der  nächsten  Wand  7 ' 
entfernt.  Für  die  Breite  des  Gebäudes  haben  wir  keinen  Haltpunkt. 
9'  6"  von  der  südlichen  Umfassungsmauer  wurde  die  nördliche  eines 
zweiten  Gebäudes  entdeckt.  Die  Fundamente  scheinen  am  wenigsten 
auf  eine  Kirche  zu  deuten,  welche  eine  viel  stärkere  Stütze  verlangen 
würde.  Am  nachten  liegt  es^  hier  an  eine  grosse  Halle  zu  denken. 
Vielleicht  gehörte  diese  Halle  zu  dem  ältesten  eigentlichen  Domstift, 
dem  monasteriumy  in  welchem'  sich  auch  die  Elosterschule  befand, 
war  der  Kapitelsaal  oder  der  Speisesaal.  Vgl.  Boisser^e  Jahrb.  XII, 
137  f.  Freilich  finden  wir  das  Domstift  später  an  der  Nordseite  des 
Doms,  und  ein  gleiches  ist  von  Boisserde  S.  136  f.  an  der  Südseite 
vermuthet  worden,  aber  nichts  steht  der  Annahme  entgegen,  nach 
der  Zerstörung  des  alten  Domstifts  sei  dieses  näher  an  die  hergestellte 
Domkirche  gerückt  worden.  Ennen  bringt  (I,  732)  die  Errichtung  der 
Stiftswohnungen  an  der  Nord-  und  Südseite  mit  der  von  Günther  be- 
willigten, von  Wilbert  anerkannten  Gütertheilung  zwischen  dem  Erz- 
bischof und  dem  Domcapitel  (I;  205  f.  212)  in  Verbindung.  Mag  aber 
auch  diese  Theilung  das  Domcapitel  bewogen  haben,  aus  eigenen  Mit* 
teln  die  Stiftswohnung  an  die  spätere  Stelle  zu  verlegen,  besonders 
massgebend  dürfte  dafür  doch  die  Zerstörung  des  alten  Gebäudes  ge- 
wesen sein.  Die  Möglichkeit,  dass  unser  Gebäude  das  paUxtium  ge- 
wesen, haben  wir  früher  (Jahrb.  XLH,  113)  zugestanden^  aber  wahr- 
scheinlich dürfte  es  schon  nach  der  Fundamentirung  des  Baues  kaum 
sein.  Mag  auch  das  römische  Prätorium,  das  wir  auf  dem  Rathhaus- 
platze  mit  Ennen  (Jahrb.  XLI,  60  ff.)  annehmen  müssen,  durch  die 
Franken  oder  durch  die  Hunnen  zerstört  worden  sein,  einer  der  frän- 
kischen Hausmeier  würde  wohl  einen  Palast  eher  auf  der  alten  Stelle 
des  Prätoriüms  gebaut  haben.  Dass  die  Sage  von  dem  pälatium 
Karls  des  Grossen  an  dieser  Stelle  keinen  geschichtlichen  Halt  hat, 
gibt  auch  Ennen  jetzt  zu  (a.  a.  0.  299),  da  er  meint,  Andeutungen) 
dass  hier  unter  den  Merovingem  ein  kräftiger  Eirchenbau  gestanden, 
hätten  sich  in  den  jetzt  noch  sichtbaren,  kräftigen,  scheinbar  von  einer 
Kirche  herrührenden  Seitenmauem  und  den  vielen  dort  gefundenen 
Steinsärgen  ergeben.  Dass  jene  Baureste  auf  nichts  weniger  als  auf  eine 
Kirche  deuten,  haben  wir  gesehen,  und  was  jene  Steinsärge  betrifft, 
so  wurde  der  Raum,  auf  welchem  das  Gebäude  gestanden  hatte,  später, 
als  die  Beste  mit  Schutt  und  Erde  überdeckt  waren,  zum  Kirchhof 


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212  Reste  römisoher  und  miitelaltorlicber  Bauten  am  Dom  eu  Köln. 

benutzt.  Man  hat  dort  in  einer  Tiefe  von  angef&hr  8 '  eine  Reihe  Särge 
der  Art  ausgegraben,  wie  sie  Herr  Geh.  Regierungsrath  von  Quast 
(Jahrb.  L.  LI,  108  ff.)  ausführlich  beschrieben  und  erörtert  hat.  Grab- 
steinplatten mit  Inschriften  liegen  noch  jetzt  rechts  vom  Domchor  im 
Boden. 

Die  Zerstörung  dieses  fränkischen  Gebäudes  erfolgte  unzweifel- 
haft durch  die  Normannen.  Nachdem  diese  wilden  Schaaren  schon 
mehrmal  in  Köln  gewesen  (die  Annales  Golonienses  brevissimi  bei 
Pertz  I,  97  melden  unter  dem  Jahre  856 :  Combustio  Goloniae  secunda 
vice ;  elf  Jahre  vorher  hatten  sie  die  Kirche  und  das  Kloster  des  hei- 
ligen Martin  auf  der  Rheininsel  verwüstet),  erfolgte  881  die  Zerstö- 
rung der  Stadt,  die  zwei  Jahre  später  mit  Ausnahme  der  Kirchen  und 
Klöster  hergestellt  wurde  (Pertz  I,  394).  Noch  891  sagt  Papst  Ste- 
Stephan  VI:  Basilice  et  omi^es  fabriee  domorum  Cohniensium 
dvücUis  igne  combuste  perierunt.  Damals  wurde  auch  das  frän- 
kische Gebäude,  das  sich  auf  den  römischen  Trümmern  erhoben 
hatte,  völlig  zerstört,  um  nie  wieder  aufgebaut  zu  werden.  Einen 
bestimmten  Haltpunkt  zur  Bestimmung  der  Zeit,  wann  dieses  Ge- 
bäude entstanden,  bietet  auch  der  dort  stehend  gefundene  Säulenstumpf 
nicht  dar. 

Ennen  hat  die  Aufgrabungen  am  Dome  benutzt,  um  meiner  Be- 
hauptung, Hildebold  habe  keinen  Neubau  des  Domes  begonnen  (Jahrb. 
XL,  102  ff.),  ihre  Stütze  zu  entziehen;  aber  dies  war  nur  mögUch, 
bei  der  auf  mangelhafter  Kenntniss  der  aufgefundenen  Reste  beruhen- 
den Voraussetzung  von  einem  dortigen  römischen  Tempel  und  einer 
an  dessen  Stelle  erbauten  christlichen  Kirche.  Seine  Annahme,  »die 
alte  bischöfliche  Kirche  habe  auf  dem  jetzigen  Domterritorium,  und 
zwar  zwischen  dem  hohen  Chor  und  der  alten  Kirche  St.  Maria  ad 
gradns  gestanden  u^  vrird  durch  das  wirklich  bei  den  Aufgrabungen  an 
der  Ostseite  des  Doms  Aufgefundene  widerlegt. 

Der  neueste  Geschiclitsschreiber  der  Stadt  Köhi  hatte  (I,  193  f.) 
die  Inschrift  des  804  gestorbenen  Alcuin,  nach  welcher  Hildebold  im 
Auftrage  Karls  des  Grossen  einen  Petersaltar  in  einer  Peterskirche 
mit  edlen  Metallen  schmückte,  auf  den  schon  vollendeten  westlichen 
Theil  von  Hildebolds  Neubau  bezogen,  und  die  Vermuthung  geäussert, 
dieser  habe  den  Grundstein  zu  seinem  neuen  Dom  zur  Feier  der  Er- 
hebung der  kölnischen  Kirche  zur  Metropolitankirche  gelegt,  obgleich 
Hildebold  erst  806  als  Metropolit  erscheint.  Meine  Behauptung,  der 
Kaiser  habe  kaum   einen  Altar  der  alten  Peterskirche  mit  einem  so 


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Rosto  römischer  nnd  mittelalterlicher  Bauten  am  Dom  zu  Köln. 


218 


kostbaren  Schmucke  bedenken  können,  wenn  Hildebold  sich  mit  der 
Gründung  eines  neuen  getragen  hätte,  glaubt  Ennen  in  dem  ange- 
führten Aufsatze  der  DÄnnalenu  mit  der  Bemerkung  abfertigen  zu 
können  (S.  30 1),  Karls  Auftrag  schliesse  nicht  aus,  dass  Hildebold 
eine  neue  Domkirche  zu  bauen  beabsichtigt  oder  bereits  begonnen 
habe,  da  die  Ornamente  leicht  in  den  neuen  Bau  mit  hätten  herüber- 
genommen werden  können.  Freilich  wenn  die  alte  Kirche  abgebrochen 
wurde,  aber  nicht,  wenn,  wie  Ennen  früher  annahm,  die  alte  bischöf- 
liche Kirche  die  der  heiligen  Cäcilia  war  und  diejenige,  welche  er 
jetzt  zwischen  die  Kirche  Maria  ad  gradus  und  den  Hildeboldsdom 
setzt,  ein  Nebelbild  ist.  Einen  Altar  einer  noch  benutzten  Kirche  seines 
Schmuckes  zu  berauben,  ging  unmöglich  an.  Auch  will  mir  scheinen 
dass,  wenn  Hildebold  damals  einen  neuen  Bau  beabsichtigt  oder  gar  be- 
gonnen hätte,  Alcuin  unmöglich  von  der  zum  Abbruch  bestimmten 
alten  Kirche  mit  solcher  Erhebung  und  solchem  Preise  hätte  sprechen 
können,  wie  er  es  hier  thut,  wo  er,  nachdem  er  den  Klerus  aufgefor- 
dert hat^  für  den  Kaiser  das  heilige  Messopfer  darzubringen,  mit  den 
Worten  schliesst: 

Hdec  est  cdma  domus  donis  solidata  supernis. 

Jetzt  gedenkt  Ennen  auch  der  von  mir  erwähnten  Verse  Alcuins 
auf  den  Medardusaltar,  wobei  er  aber  nicht  von  einem  Auftrage  des 
Kaisers  sprechen  durfte,  da  Alcuin  nur  sagt,  Hildebold  habe  aus  Liebe 
zu  Christus,  der  Jungfrau  Maria  und  dem  heiligen  Medardus  diesen 
Altar  geschmückt,  und  selbst  in  der  Ueberschrift  ist  von  Karl  dem 
Grossen  nicht  die  Rede.  Man  sollte  doch  denken,  Hildebold  hätte  einen 
solchen  Schmuck  eher  einem  Medardusaltare  seiner  neuen  Domkirche 
zugewandt.  Da  kommt  freilich  die  Annahme  einer  altern  in  der  Nähe 
stehenden  Kirche  sehr  gelegen,  bei  welcher  Ennen  eben  nur  übersieht, 
dass  er  damit  gerade  mit  den  Berichten,  auf  denen  der  Hildeboldsdom 
einzig  beruht,  in  Widerspruch  tritt,  da  diese  behaupten,  erst  Hilde- 
bold habe  die  bischöfliche  Kirche  aus  der  Cäcilienkirche  nach  seinem 
neuen  Dome  verlegt. 

Mit  der  jeder  Grundlage  entbehrenden  Annahme  einer  frühern 
Domkirche  in  der  Nähe  der  von  Hildebold  begonnenen  kann  Ennen 
freilich  leicht  meine  übrigen  Beweise  gegen  den  Hildeboldsdom  aus 
dem  Felde  schlagen.  Worauf  aber  beruht  jener  Hildeboldsdom  ?  müs- 
sen wir  noch  einmal  fragen.  Wir  wissen,  dass  unter  Wilbert  bei  der 
Provincialsynode  vom  Jahre  873  die  Weihung  der  Domkirche  statt- 
fand,   welche    die    anwesenden    Bischöfe    als    suae  ecclesiae  id   est 


214  Reste  römischer  and  mittelalterlicher  Bauten  am  Dom  zu  Köln. 

domtss  dedicatio  bezeichnen.  Die  ältere  Chronik  der  Erzbischöfe 
berichtet  von  Wilbert:  Dedicavit  ecdesiam  sandi  Petri  ow^i- 
quam.  Nun  deuten  dedicare  und  dedicatio  keineswegs  nothwendig 
auf  einen  Neubau  hin;  sie  stehen  von  jeder  Weihung,  sowohl  von 
einer  consecratio  als  von  einer  reconciliaUo.  Die  entgegenge- 
setzte Behauptung  Ennens  (S.  302),  der  sich  auf  das  Brevier,  das 
Missale  und  das  Gaeremoniale  beruft,  die  doch  für  eine  so  frühe  Zeit 
unmöglich  etwas  beweisen  können,  ist  eben  irrig,  weil  sie  den  altern 
Sprachgebrauch  ausser  Acht  lässt  *).  Aber  selbst  wenn  man  dedicatio 
im  Sinne  von  consecratio  nehmen  zu  müssen  glaubt,  würde  daraus 
höchstens  nur  nach  Ennens  eigener  Bemerkung  »eine  umfangreiche 
Reparatur»  folgen,  und  eine  solche  konnte  sich  nach  den  Stürmen  der 
Kirche,  die  Wilberts  Bestätigung  an  der  Stelle  des  geächteten  Günther 
vorhergegangen  waren  *),  ja  bei  dem  Schaden,  den  der  Blitz  schon  im  J. 
857  angerichtet  hatte,  wohl  als  nöthig  erweisen,  ja  setzen  wir  über- 
haupt, wie  wir  thun  müssen,  eine  ältere  Kirche  voraus,  was  wissen 
wir  von  dem  Zustande  derselben,  das  uns  irgend  hinderte  anzuneh- 
men, die  dedicatio  habe  einer  umfangreichen  Wiederherstellung, 
keinem  Neubau,  gegolten?  Und  ist  nicht  die  dedicatio  eines  vor  sieb- 
zig Jahren  begonnenen  Neubaus  an  sich  höchst  auffallend?  Und  wür- 
den die  Bischöfe,  wenn  von  einem  so  grossartigen  schon  von  Hildebold 
begonnenen  völligen  Neubau  die  Rede  wäre,  sich  mit  der  einfachen 
Bezeichnung  sua  eccUsia  id  est  domus  in  ihren  Schreiben  begnügt 
haben?  Die  Angabe  in  Rudolfs  A/nnaies  Fuldenses ,  im  Jahre  857  habe 


')  Walafridus  Strabo  de  rebus  eccleBiasticis  sagt  9:  Notandum  vero,  quod 
non  tuntum  in  prima  constitutione  templi  dedicatio  est  cdehrata,  sed  etiam  se- 
cundo  vel  tertio  post  eversionem  et  profanationem  eittsdefn  templi  propter  pec- 
cata  popüli  perpetratam  a  genttbus.  Auch  von  Kirchen  der  Ketzer  wird  der 
Ausdruck  dedicare  gebraucht.  Vgl.  Martene  de  ecclesiae  ritibus  II,  15,  7.  Man 
vergleiche  auch  die  Aeussemng  des  Papstes  Vigilius  daselbst  p.  322.  Die  be- 
stimmte Fixirung  des  Ausdrucks  reconciliatio,  neben  reconsecratio,  kann  für 
das  neunte  Jahrhundert  nicht  erwiesen  werden. 

>)  In  dem  Schreiben  der  Kölner  an  den  Papst  Hadrian  II.  von  871  oder 
872  heisst  es:  J^  cum  septennio  eodem  pastore  (Quntha/rio)  essemus  privaJtit  innume- 
rabites  susiinuimus  cedeSy  wistationes^  predas,  fraudes,  durasgue  dominationes. 
Sollte  der  Dom  damals  nicht  selbst  gelitten  haben  und  auf  jede  Weise  entweiht 
worden  sein?  Eüess  es  ja  sogar,  böse  Geister  hätten  dort  ihr  Spiel  getrieben 
und  am  Tage  vor  der  Weihe  gejammert,  dass  sie  von  dem  gewohnten  Sitze  wei- 
chen müssten  (Anselmi  gesta  episcoporum  Leodensium  bei  Periz  VII^  200). 


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RobIo  römischer  und  mittelalterlicher  Bauten  am  Dom  zu  Köln.  215 

sich  za  Köln  das  Volk  bei  einem  schweren  Gewitter  in  die  basilica 
sancti  Petri  geflüchtet,  in  welche  während  des  Glockeigeläutcs  der 
Blitz  eingeschlagen  und  drei  Personen  am  Marien-,  Petrus-  und  Dio- 
nysiusaltare  getödtet  habe,  weist  unwidersprechlich  auf  eine  im  vollen 
Dienste  befindliche  Kirche  hin,  die  nicht  erst  sechszehn  Jahre  später 
zum  erstenmal  geweiht  werden  konnte.  Freilich  kann  man  dieses 
schreienden  Widerspruchs  sich  dadurch  entledigen,  dass  man,  wie  £n- 
nen  in  Folge  meiner  Widerlegung  der  Sage  vom  Hildeboldsdome  thut, 
neben  diesem,  dessen  Bau  doch  unter  Hildebold  begonnen  haben  soll, 
I  ganz  in  der  Nähe  desselben  eine  ältere  Peterskirche  annimmt,    von 

welcher  sich  nicht  die  geringste  Spur  findet,  wie  es  an  sich  höchst 
unwahrscheinlich  ist,  dass  man  eine  neue  bischöfliche  Kirche  an  einer 
andern  Stelle  in  nächster  Nähe  der  alten  gebaut  habe;  denn  man 
baute  eine  neue  ^ Kirche  an  der  Stelle  der  alten,  wenn  man  auch  den 
Raum  derselben  erweiterte,  und  so  muss  auch  der  Dom,  der  im  Jahre 
873  geweiht  wurde  (denn  domus  nennen  ihn  nach  bekanntem  Ge- 
brauche schon  die  bei  dessen  Weihung  anwesenden  Bischöfe),  auf  der 
Stelle  der  ältesten  bischöflichen  Kirche  gestanden  haben.  Es  ist  nicht 
das  erstemal,  dass  man,  um  eine  falsche  Nachricht  oder  Sage  zu  stützen, 
statt  einer  Person  oder  eines  in  Bede  stehenden  Ortes  oder  Baues 
zwei  annimmt,  wodurch  man  neben  dem  einen  überlieferten  Irrthume 
glücklich  einen  zweiten  zur  Stütze  desselben  erfundenen  erhält.  Aber 
in  vorliegendem  Falle  muss  dazu  auch  noch  das  zu  Grunde  liegende 
Zeugniss  willkürlich  verändert  werden,  da  nach  diesem  Hildebold  es 
war,  der  die  bischöfliche  Kirche  aus  der  Gäcilienkirche  nach  der  neuen 
Peterskirche,  dem  alten  Dome,  verlegte. 

Wie  steht  es  aber  mit  jenem  Zeugnisse,  auf  das  sich  Ennen  von 
neuem  stützt?  Dass  ich  darauf  zurückkommen  muss,  ist  nicht  meine 
Schuld.  Ennen  belehrt  mich :  »So  lange  nicht  der  positive  Nachweis  ge- 
liefert wird,  dass  Nachrichten  mittelalterlicher  Chronisten  falsch  oder 
verbürgten  Thatsachen  widersprechend  sind,  ist  man  nach  anerkannten 
Grundsätzen  einer  richtigen  Behandlung  historischer  Verhältnisse  be- 
fugt, an  solchen  Nachrichten  festzuhalten.«  Ich  stelle  diesem  den  an- 
dern Satz  entgegen,  dass  man  bei  allen  Nachrichten,^  bei  denen  die 
Parteiliebe  des  Berichterstatters  ins  Spiel  kommt,  sehr  auf  der  Hut 
sein  muss,  besonders  dann,  weim  das,  was  wir  ihnen  glauben  sollen, 
von  früheren  Schriftstellern  nicht  erwähnt  wird,  welche  desselben  hätten 
gedenken  müssen,  wenn  sie  davon  Kunde  gehabt.  Die  älteren  Annalen 
der  Erzbisehöfe   von  Köln  gedenken   bei  Hildebold   mit  keiner  Silbe 


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I* 


216  Reste  römischer  und  mittelalierlicher  Bauten  am  Dom  zu  Köln. 

eines  Dombaues ;  das  erste,  was  sie  vom  Dome  berichten,  ist  eben  jene 
dedicatio  unter  Wilbert.  Der  erste  Grundsatz  der  geschichtlichen 
Forschung  ist  sorgfältige  Untersuchung  der  Glaubwürdigkeit  der  Quel- 
len, das  »Trau  schau  wem«.  Ennen  spricht  von  mittelalterlichen  Chro- 
nisten; es  handelt  sich  aber  nicht  um  einen  solchen,  iJondern  um  die 
parteiische  Behauptung  eines  eifersüchtigen  Stiftspatriotismus,  wenn 
mir  der  Ausdruck  erlaubt  ist,  dessen  Gebaren  der  Geschichtsforscher 
mit  derselben  Strenge  behandeln  muss,  wie  den  eiteln  Stadtpatriotis- 
mus, da  beide  eben  gewissenlos  die  Geschichte  zu  fälschen  pflegen. 

Die  älteste  zur  Zeit  meines  betreffenden  Auiisatzes  bekannte  Er- 
wähnung jenes  Hildebolddomes  ^)  befindet  sich  in  einer  bis  zum  Jahre 
1369  reichenden  Synopsis  brevissima  archiepiscoporum  Cohniensmnf 
welche  den  Dom  einmal  basüica  Hüdeboldi  archiepiscopi  nennt;  die 
Abschrift  derselben  dürfte  noch  jünger  sein.  Nicht  älter  wird  die  an- 
dere Quelle  sein,  die  uns  Ennen  jetzt  erschliesst  und  als  Grundlage 
des  Berichtes  von  Gelen  nachweist.  Es  ist  eine  Handschrift  aus  dem 
Ende  des  fünfzehnten  Jahrhunderts,  die  sich  im  Besitze  des  Cäcilien- 
stifts  befand.  Der  betreffende  Theil  (eine  genauere  Angabe  über  den 
Inhalt  jenes  Theiles  wäre  doch  erwünscht  gewesen)  ist,  wie  es  hier 
heisst,  aus  einem  antiquus  liber  scriptus  et  asseribus  Ugatus  wortgetreu 
abgeschrieben.  Nichts  nöthigt  uns  diesen  anHquus  liber  (er  heisst  nicht 
einmal  antiquissimm)  höher  als  anderthalb  Jahrhundert  vor  die  Zeit 
der  Abschrift  zu  setzen ;  denn  da  das  Stift  auf  die  ihm  schmeicheln- 
den,  wohl  aus  ihm  selbst  hervorgegangenen  Nachrichten  desselben 
hohen  Werth  legte,  so  war  es  natürlich,  dass  man  diese  Handschrift 
gern  möglichst  hoch  hinaufrückte.  Seltsam  ist  es,  dass  dieser  liber 
antiquus  selbst  nicht  erhalten  wurde,  was,  trotz  def  beigefügten  Be- 
scheinigung des  Jacobus  Wükun  notarius  publicus,  die  presens  historia 
sei  wörtlich  aus  jener  Handschrift  abgeschrieben^  eigene  Gedanken 
erregt.  Wir  wollen  aber  alle  Zweifel  dieser  Art  fahren  lassen,  nur 
fragen,  was  wir  denn  hier  lesen.  Quoddam  aliud  monasterium  novum 
sancti  PetH  in  Colonia,  prius  tarnen  videlicet  a*)  domino  HMeboldo^ 


')  Ennens  Gescbichta  begnügt  sich  mit  der  ganz  allgemeinen  Berufung 
auf  die  »Nachrichten  späterer  Chronisten«  (I,  '194),  da  doch  bei  einem  so  wich- 
tigen Punkte  die  Nachweisung  der  Quellen  und  ihrer  Beschaffenheit  dringend 
geboten  war. 

')  Vor  diesem  a  gibt  Ennen,  bei  dem  die  Stelle  zweimal  abgedruckt  ist 
(S.  298  f.  300),  das  erstemal  noch  anno^  das  er  beim  dritten  Abdruck  in  der 
angefahrten  »Historischen  Einleitung«  S.  3  weglasst,  wonach  es  auf  Druckfehler 
beruhen  wird. 


1^ 


Reste  römiscl^er  and  mittelalterlicher  Bauten  am  Dom  zu  Köln.  217 

iunc  temporis  episcopo  Cohniensi  in  parte  inceptum,  pro  prifhcipali 
eccUsia  per  Wiüibertum  fundatur  et  consecratury  quo  fit,  quod  multis 
annis  ecclesia  olim  beate  Marie  virginis,  ntmc  sancte  Cecilie  mona- 
sterium  vetus  et  ecclesia  sancti  Petri,  ntmc  metrcpolitana  ecclesia, 
monasterium  novum  appeUabcUur  ^).  Und  mit  einer  solchen  frommen 
Lüge  soUen  wir  rechnen?  Freilich  führte  das  monasterium  ecclesiae 
sanctae  CaecHiae  schon  zu  Brunos  Zeit,  wie  die  Urkunde  vom  Jahre 
962  bei  Lacomblet  I,  205  zeigt,  den  Namen  monasterium  vetus,  aber 
nicht  im  Gegensatz^  zum  Dom,  der  überhaupt  nie  mofMsterium  ge- 
nannt wird,  sondern  monasterium  novum  hiess  das  Marienstift  ^),  der 
Dom  dagegen  ecclesia  oder  domus  sancti  Petri.  Und  einem  solchen  Be- 
richte, der  sich  die  Fälschung  erlaubt,  der  Dom  sei  früher  monaste- 
rium novum  genannt  worden,  sollen  wir  glauben,  dass  der  von  Wilbert 
geweihte  Dom  von  Hildebold  begonnen  worden  sei !  Wie  man  in  jenem 
Stifte  mit  der  Wahrheit  umsprang,  ergibt  sich  aus*  der  von  mir  schon 
früher  beigebrachten  Angabe  Winheims,  ein  ehrwürdiger  und  gelehrter 
Angehöriger  des  Stifts  habe  ihn  belehrt,  Maternus  habe  die  Cäcilien- 
kirche  der  heiligen  Jungfrau  und  dem  heiligen  Petrus  geweiht,  was 
sich  nicht  allein  aus  der  daneben  liegenden  Pfarrkirche  des  heiligen 
Petrus,  sondern  auch  den  ältesten  Urkunden  ergebe.  Also  damals  ging 
man  so  weit,  die  Cäcilienkirche  auch  für  die  älteste  Peterskirche  zu 
erklären  ^).  Eine  Inschrift  in  der  Kirche  selbst  liess  sie  vom  Matemus 
der  heiligen  Cäcilia  weihen.  Und  dass  sie  je  der  heiligen  Maria  ge- 
weiht gewesen,  steht  durch  nichts  fest,  es  beruht  auf  jenem  lügenhaften 
Berichte  des  liber  antiquus  des  Cäcilienstiftes.    Dieser  erzählt  nach 


^)  Der  Druckfehler  appeüatur  des  zweiten  Abdrucks  ist  in  den  dritten 
übergegangen. 

2)  Vgl.  Binteriiä  und  Mooren  die  firzdiöcese  Köln  I,  65.  Boisseree  Denk- 
male  des  Niederrheins  S.  5. 

')  Ennen  schreibt  (8.  295):  »Nichts  hindert  uns  anzunehmen,  die  Mater- 
nuslegende  beruhe  bezüglich  der  Angabe  über  die  Lage  der  Bischofskirche  auf 
historischer  Grundlage  und  an  der  SteUe  der  spätem  Cäcilienkirche  habe  zu 
der  Zeit  des  Maternus  die  Peterskirche  gestanden,  c  Wo  findet  sich  denn  diese 
Legende  zuerst?  und  spricht  diese  schon  von  einer  Peterskirche?  Sie  beruht 
auf  dem  gefälschten  Apostelschüler  Maternus  I  und  hat  im  Ganzen  so  viel 
Gewähr  als  diese;  sie  ist  eine  der  leichtfertigen  frommen  Lügen,  die  der  Ge- 
sohichtschreiber  nur  insofern  beachten  darf,  als  sie  zeigen,  wie  man  damals  Ge- 
schichte gemacht  hat.  Was  ist  von  diesem  Apostelschüler  Maternus  nicht  alles 
gefabelt  worden? 


I 

L 


218  Reste  römischer  und  mittelalterlidier  Baaien  am  Dom  zu  KöId. 

Ennen  weiter :  Tecio  vero  ecclesie  sancte  Maria^igne  consumptOj pratU 
hodie  in  plumbo  turricule  ^usdem  scr^tum  legUur,  eadem  ecdesia  ipsa 
reconcüicUur  et  sancte  virgines  Cecüia  et  Eugenia  ut  patrane  adduntur 
et  adiiduntury  quo  fitj  ut  et  hodie  ecclesia  sancte  Cecäie  cognominetur. 
Gelen  weiss,  dass  auf  jener  Glocke  die  Zeit  Brunos  stand,  der  eben 
wegen  der  Einäscherung  der  Kirche  diese  962  so  reich  beschenkt  habe. 
Ouius  quidem  temporis  nota  ecdesiae  plumbo  inscripta  esty  sagt  er, 
sed  evanidis  literis,  ut  non  possit  elici  certitudo  anni.  Also  Brunos 
Namen  konnte  man  darauf  noch  lesen.  Wie  nun  aber?  Nach  jenem 
antiqtms  liber  sollen  erst  nach  dem  Brande  die  beiden  Märtyrinnen 
Gäcilia  und  Eugenia  als  Schutzheiligen  hinzugefügt  worden  sein;  und 
doch  spricht  bereits  Wichfrid  im  Jahre  941  von  dem  monasterium 
sanctae  Caecäiae  virginis  ac  martiris  cristi  nimis  honorifice  restauratum^), 
und  es  fehlt  jede  Bezeichnung,  dass  die  Kirche  Vor  der  Herstellung 
einen  andern  Namen  gehabt,  wie  dies  sonst  doch  in  solchem  Falle  er- 
wähnt wird.  Hiernach  ergibt  sich  auch  diese  Angabe  des  liber  antigms 
als  Unwahrheit.  Die  Kirche  wird  von  Anfang  an  der  heiligen  Gäcilia 
geweiht  sein,  die  heilige  Eugenia  bei  einer  zweiten  Weihung  hinzu- 
getreten sein').  Geschichtlich  steht  nur  die  Wiederherstellung  im 
zehnten  Jahrhundert  fest  und  aus  dem  jetzigen  Baue  ergibt  sich,  dass 
dieser  der  Hauptanlage  nach  ^nicht  älter  als  das  zwölfte  Jahrhundert 
sein  kann ').  Ob  hiervon  jener  liber  antiquus  gar  nichts  wisse,  möchte 
man  denn  doch  gern  erfahren ;  wäre  dies  wirklich  der  Fall,  so  würde 
es  zur  Charakteristik  der  Kenntniss  des  Schreibers  gar  bezeichnend 
sein.  Gelen  freilich  berichtet  von  der  Cäcilienkirche  (S.  230):  Exd- 
tata  est  in  honorem  Domini  nostri  Jesu  Christi  et  B.  M.  V.  anno 
Domini  94  {ut  habent  quaedam  recentioris  aevi  inscriptiones),  quae 
deinde  Sanctae  Eugeniae  dicta,  modo  5.  CecHiae  didtur.  Dann  S.  357 : 


')  Lacomblet  I,  98. 

2)  Ennen  memt  (S.  295),  nur  bei  der  Annahme,  dass  die  Gäcilienkirohe 
die  erzbischöfliche  Kirche  gewesen,  wisse  man  einen  Grand  für  die  schon 
962  erwähnte  generalis  ataiio,  welche  in  der  Christnacht  in  dieser  Kirche  vom 
Erzbischofe  und  der  Geistlichkeit  gehalten  wurde.  Als  ob  man  einen  Grund 
für  jeden  alten  Gebrauch  wissen  müsste?  Hier  aber  liegt  er  gar  nicht  fem,  da 
der  Erzbischof  sich  ans  der  Cäcilienkirche  in  die  Marienkirche  begab.  Die  bei- 
den ältesten  monasteria  intra  muros  sollten  eben  durch  diese  Anwesenheit  der 
ganzen  Geistlichkeit  besonders  geehrt  werden,  nichts  weniger  als  dass  der  Dom 
seinen  spätem  Ursprung  dadurch  hätt«  beurkunden  sollen. 

>)  YgL  von  Quast  Jahrb.  XII,  194. 


V 


kf 


Reste  römiBcher  und  mittelalterliober  Bauten  am  Dom  zu  Köln.  219 

Prima  Cathedralis  B.  M.  Virgini  sacra  in  Urbe  Agrippinensi  dediccUa 
perMbekw  a  Matemo  L  Antistüe  Anno  Dominicae  IncamcUionis  94 
et  t4sque  ad  B.  Eüdeboldi  Archiepiscopi  tempora  Cathedralis  honorem 
retinuü:  —  vetus  autem  cathedralis  tunc  Sanctarum  Eugeniae  et  Ce- 
cüiae  iittdum  ithduit.  Die  Weihung  auf  den  Namen  der  Jungfrau  Maria 
(das  erstemal  nennt  Gelen  Christus  dabei)  hing  also  mit  der  Erfindung 
zusammen,  der  Apostelschüler  Maternus  I  habe  die  Kirche  gegründet. 
FreOich  Ennen  hält  (I,  197)  daran  fest,  dass  die  Kirche  ursprüng- 
lich der  Jungfrau  Maria  geweiht  gewesen.  Für  Gelen  ist  es  be- 
zeichnend, dass  er  sich  auf  quaedam  recentioris  aevi  inscriptiones 
beruft  und  das  erstemal  die  Weihung  auf  die  heilige  Eugenia 
früher  setzt,  später  die  Kirche  auf  den  Namen  beider  Märty- 
rerinnen unter  Hildebold  weihen  lässt,  zur  Zeit,  wo  Hildebold  die  Ka- 
thedralkirche von  der  ersten  Stätte  nach  dem  Dom  übertrug,  der  also 
damals  schon  zum  Gottesdienste  gedient  haben  müsste.  Es  scheint, 
dass  diese  ganze  Sage  vom  Hildeboldsdom  von  dem  Gacilienstifte  aus- 
ging, weil  man  dort  die  Ehre  in  Anspruch  nahm,  das  Stift  sei  die 
erste  Kathedralkirche  gewesen,  worin  man  sich  durch  den  ständigen 
Gebrauch  nicht  irren  liess,  dass  die  Kathedralkirche  an  derselben 
Stelle  zu  verbleiben  pflegte.  Hier,  wo  man  so  weit  ging,  das  Jahr  der 
Gründung  unter  dem  ersonnenen  Apostelschüler  Maternus  zu  nennen, 
war  man  auch  nicht  in  Verlegenheit,  unter  welchem  Erzbischofe  die  Ver- 
legung der  Kathedralkirche  geschehen  sei;  wer  könnte  dies  anders 
gethan  haben  als  der  Günstling  Karl  des  Grossen? 

Aus  einer  solchen  Quelle  also,  wie  jener  lügnerische  liber  antiquus^ 
fiiesst  unsere  älteste  Kunde  vom  Hildeboldsdome,  und  die  Sage  ist  aus 
der  Sucht  des  Cäcilienstifts  hervorgegangen,  sich  aus  dem  ältesten 
Kloster  innerhalb  des  alten  Köln  (intra  muros)  zu  der  ersten  Kathe- 
dralkirche zu  erheben,  wobei  man  vor  keiner  noch  so  plumpen  Ent- 
stellung der  Wahrheit  zurückscheute.  Es  ist  endlich  Zeit,  dass  man 
mit  dem  Wüste  der  Sagenerfindungen  über  die  Kirchen  Kölns  auf- 
räume und  dieselbe  dem  falschen  Bischofsverzeichnisse  getrost  nach- 
schicke, an  die  denn  doch  heute  niemand  mehr  glaubt. 

Ennen  beruft  sich  für  den  Hildeboldsdom  auch  auf  die  »alte 
Legende  vom  heiligen  Beinold«,  nach  welcher  dieser  beim  Dombau, 
zu  welchem  Bischof  Agilolfus  um  das  Jahr  810  aus  allen  Landen 
Zimmerleute,  Steinmetzen  und  andere  Arbeiter  berief,  als  Steinmetz 
eintrat  und  von  seinen  eifersüchtigen  Mitgesellen  todt  geschlagen  ward. 
Die  Legende  von  Beinolds  Tode  düiite  sehr  spät  fallen,  wohl  erst  nach 


--V. 


220  Reste  römischer  und  mittelalterlicher  Baaten  am  Dom  zu  Köln. 

dem  Beginne  des  neuen  Dombaues  im  dreizehnten  Jahrhundert.  Der 
Bischof  Agilolfus  lässt  sich  nicht  so  leicht,  wie  Ennen  meint,  aus  ihr 
herausschaffen;  er  haftet  fester  in  ihr  als  die  beigeschriebene  Jahres- 
zahl; er  gehört  eben  in  sie  hinein,  und  entspricht  besser  den  Zeitver- 
hältnissen als  Hildebold.  Aus  der  handschriftlichen  Chronik  »Agrip- 
pina«  aus  dem  15.  Jahrhundert,  mag  diese  auch  vielfach  auf  weit  ältere 
Quellen  sich  stützen,  lässt  sich  am  wenigsten  beweisen,  die  von  ihr  auf- 
genommene Erwähnung  des  Hildeboldsdomes  sei  älter  als  das  14.  Jahr- 
hundert. Eben  so  wenig  können  die  annäles  Navensienses  eine  frühere 
Zeit  der  Sage  begründen.  Was  endlich  die  Schenkung  »des  ehemaligen 
Königs  Ludwig  an  die  Peterskirche  zu  Köln«  in  einer  Urkunde  Ottos  H. 
soll,  habe  ich  erst  aus  Ennens  »Historischer  Beschreibung«  S.  4  er- 
sehen. Er  ist  nämlich  »geneigt  anzunehments  unter  diesem  Ludwig  sei 
der  Nachfolger  Karls  des  Grrossen  zu  verstehen,  der  damit  Hildebold 
»bei  seinem  grossen  Werke  des  Dombaues«  habe  unterstützen  wollen, 
während  nach  ^em  ganzen  Zusammenhange  nur  der  nächste  Ludwig, 
Ludwig  der  Deutsche,  gemeint  sein  kann,  und  die  Urkunde  selbst 
zeigt,  dass  damit  nicht  der  Dombau  unterstützt  werden  sollte,  was 
sonst  ohne  Zweifel  erwähnt  sein  würde.  Mit  solchen  ganz  unwahr- 
scheinlichen Annahmen  kann  man  eben  nichts  stützen. 

Eine  Nachricht,  welche  erst  volle  fünfhundert  Jahre  später  auf- 
taucht, dazu  aus  der  Eitelkeit  eines  Stifts  geflossen  scheint,  das  sein 
Alter  gern  über  das  des  Domes  heraufrücken  möchte,  hat  keine  Ge- 
währ für  so  alte  Zeiten,  besonders  wenn  ihr  unzweifelhafte  Thatsachen 
gegenüberstehen,  deren  Widerspruch  mau  nur  durch  haltlose  Annah- 
men beseitigen  kann.  Ennen  hat  dazu  die  Entdeckungen  an  der  Ost- 
seite des  Doms  in  einer  mit  den  Thatsachen  nicht  zu  vereinigenden 
Weise  benutzt.  Neucrdin^  (Historische  Einleitung  S.  2)  meint  er, 
die  Zerstörung  des  Daches  der  Cäcilienkirche  habe  wohl  den  Bischof 
zum  Entschlüsse  veranlasst,  an  der  nordöstlichen  Ecke  der  Stadt  eine 
andere  Kathedrale  zu  erbauen,  was  unter  den  Merovingern  geschehen 
sein  müsse.  Nun  aber  weist,  wie  wir  gesehen,  dieser  Brand  nach  dem 
wenigen,  was  wir  davon  wissen,  erst  auf  die  Zeit  Brunos  hin.  Diese 
^merovingische  Kathedrale  soll  »niedergelegt  worden  sein,  als  Hildebold 
sich  entschloss,  eine  des  Erzbischofstuhles  würdige  Domkirche  zu  er- 
richten« (S.  2  f.),  aber  gleich  darauf  (S.  4)  wird  angenommen,  die 
alte  Kirche  habe  noch  so  lange  in  Gebrauch  bleiben  sollen,  bis  die 
neue  fertig  sein  würde.  Dabei  kommt  denn  die  »Tradition«  von  Hil- 
debolds  Verlegung  der  Kathedralkirche  sehr  zu  kurz.  Solcher  Mittel 


n 


■■*■  ^ 


Reste  römischer  und  mitielalterlioher  Bauten  am  Dom  zu  Köln.  221 

muss  man  sich  bedienen,  um  am  Hildeboldsdome  festzuhalten.  Wie 
sich  schwammartig  an  diese  Sage  andere  Erdichtungen  ansetzten,  habe 
ich  a.  a.  0.  S.  103  ff.  gezeigt.  Ich  muss  wiederholen,  was  ich  vor 
Jahren  bemerkte :  »Man  staunt,  sieht  man,  wie  es  mit  der  Begründung 
dieser  von  Niemand  in  Zweifel  gezogenen  Behauptung  steht,  wie  man 
in  leichtfertigster  Weise  Geschichte  gemacht  hat.«  Ja  man  fährt  leider 
damit  fort. 

Aehnlich  steht  es  mit  meiner  von  Ennen  gleichfalls  bekämpften 
Ansicht  über  die  Marienkirche,  das  monasterium  novum.  Treten  wir 
der  Sache  näher.  Gäsarius  von  Heisterbach  ist  der  erste,  bei  welchem 
die  Kirche  den  Zusatz  in  Capüolio  hat,  und  so  findet  er  sich  auch  in 
Schreinsurkunden  aus  den  Jahren  1283  und  1234.  Dass  die  Schreins- 
schreiber den  Namen  in  Capitolio  aus  Gäsarius  genommen,  ist  von 
mir  natürlich  ebenso  wenig  behauptet  worden,  als  dass  gerade  dieser 
den  Namen  erfunden.  )>Es  scheint  mir  sehr  gewagt  behaupten  zu  wol- 
len, die  Bezeichnung  in  Capitolio  bemhe  auf  einer  wHlkürlichen  An- 
nahme; natürlicher  scheint  es  mir,  dass  im  dreizehnten  Jahrhundert 
noch  die  Tradition  von  dem  Bestand  des  Capitols  an  der  fraglichen 
Stelle  beliebt  war,  und  dass  man  der  dortigen  Kirche  hin  und  wieder 
neben  den  andern  Beinamen  auch  den  Zusatz  in  Capitolio  gab.«  So 
Ennen.  Aber  mit  solchem  »Scheinen«  und  mit  solcher  »Natürlichkeit« 
werden  eben  keine  thatsächlichen ,  Gründe  weggeschafft,  wie  ich  sie 
trotz  des  Ableugnens  von  Ennens  Seite  beigebracht  habe.  Mit  seiner 
»sechshundertjährigen  Tradition«  hat  es  gute  Wege  und  ob  ich  keine 
»positiven  Gründe«  gegen  dieselbe  geliefert,  kann  ich  dem  Urtheile 
jedes  Kundigen  anheimstellen.  Ich  hatte  mich  auf  den  von  mir  H.  XXVII, 
19  ff.  gelieferten  Beweis  berufen,  dass  sich  römische  Spuren  in  deut- 
schen Namen  nur  in  Städtenamen,  nie  in  anderen  Oertlichkeiten  er- 
halten haben.  Hier  musste  Ennen  zuerst  seine  Lanze  einlegen.  Weiter 
hatte  ich  darauf  hingewiesen,  dass  an  keinem  Orte  der  ehemaligen 
römischen  Weltherrschaft  als  in  Rom  selbst  sich  eine  sichere  Kunde 
von  der  Lage  ihres  Gapitolium  erhalten,  man  aber  schon  im  zwölften 
Jahrhundert  an  mehreren  Orten  begonnen  habe,  gewissen  Kirchen 
eine  ganz  besondere  Ehre  durch  den  Anspruch  zu  erweisen,  sie  stän- 
den auf  der  Stelle  des  Capitolium.  So  war  es  in  Florenz,  so  in  Trier. 
An  letzterm  Orte  verlegte  das  Mittelalter  das  Gapitolium  auf  die  Stelle 
der  Kirche  Maria  ad  martyres  oder,  wie  sie  früher  heisst,  Maria  in 
ripa,  ecclesia  Mariae  super  lUus  Mosdlae.  Dagegen  hat  neuerdings 
Ladner  in  den  »Mittheilungen  der  Gesellschaft  für  nützliche  Forschun- 


TTTl^-        ^ 


222  Reste  römisoher  and  mittelalterlicher  Bauten  am  Dom  zn  Köln, 

gen  in  Trieru  1869—1871  S.  72  fF.,  in  üebereinstiramung  mit  B^rower 
und  Masen,  es  an  der  Stelle  der  grossen  Ruine  nachzuweisen  gesucht, 
welche  Kyriander  als  iemplum  summum  bezeichnete.  Und  warum  soUte 
es  in  Köln  mit  dem  so  ^ spät  sich  findenden  Beinamen  der  Kirche  Jtfa-. 
ria  (Uta  anders  sein?  Erkennt  doch  Ennen  selbst,  dass  der  bei  CSäsa- 
rius  und  in  Schreinsurkunden  sich  findende  Name  porta  Mortis  durch- 
aus haltlos  sei,  eine  Verromanisirung  von  Marktpforte;  und  mit 
dem  gleichzeitigen  Zusätze  in  CapitoUo  soll  es  anders,  es  soll  natür- 
licher sein,  dass  wir  hier  eine  alte  Erinnerung  haben!  -Seine  Bemer- 
kungen gegen  meine  Ansicht  über  die  Namen  Maria  de  AUbuchele, 
Maria  in  (super)  Mdlabuchel  (S.  304)  treffen  nicht  zu;  ich  habe  meine 
Vermuthung  mit  aller  möglichen  Vorsicht  gegeben,  einer  grossem, 
als  meiner  eigenen  Ueberzeugung  gemäss  war.  Dass  ich  die  Malz- 
mühle  mit  dem  Strassennamen  in  Verbindung  bringe,  ist  in  der  Sache 
gegründet,  und  ich  kann  nicht  sehen,  wie  dies  dadurch  widerlegt  würde, 
dass  die  Malzmühle  erst  im  fünfzehnten  Jahrhundert  sich  findet;  denn 
die  Mühle  ist  natürlich  von  der  Strasse  benannt,  nicht  umgekehrt. 
Wenn  aber  bemerkt  wird:  v'Der  Name  Malzbüchel  —  bezeichnet 
einfach  die  aus  dem  alteu  Stadtgraben  aufgehende  Strassenhöhe,  die 
zum  Malzmarkte  führt«,  so  habeich  mich  vergebens  sowohl  in  Ennens 
»Geschichte«  wie  in  seinen  »Quellen«  nach  diesem  sonderbaren  Malz - 
markte  umgesehen,  dessen  Dasein  ich  einstweilen  zu  bezweifeln  mir 
erlaube.  Ennens  Berufung  auf  die  Latinisirung  bracicumülfAS  beweist 
eben  nichts,  da  er  selbst  bestimmt  genug  anerkannt  hat  (I,  670  f«), 
wie  es  mit  dieser  Latinisirung  bestellt  ist. 

Darin  gebe  ich  freilich  Ennen  (S.  302  f.)  entschieden  Recht,  dass 
ich  nicht  aus  der  Urkunde  Lothars  vom  Jahre  867  schliessen  durfte, 
damals  habe  das  Marienstift  noch  nicht  bestanden^).  Er  bemerkt, 
Lothar  scheine  bloss  die  ausserhalb  der  Stadt  liegenden  Kirchen  mit 
Namen  haben  anführen  zu  wollen,  wobei  er  sich  auf  die  Nichterwäh- 
nung von  Martin  und  Andreas  beruft,  ohne  zu  bedenken^  dass  diese 
sich  damals  noch  extra  muros  befanden,  und  es  von  Andreas  noch 
sehr  zweifelhaft  ist,  ob  nicht  erst  Wilbert  dort  an  der  Stelle  eines 
alten  Kapellchens  eine  Kirche  gebaut.  Aber  dies  scheint  nicht  bloss, 
sondern  Lothar  hatte  keine  Veranlassung,   die  Kirchen  innerhalb  der 


^)  Einen  andern  Irrthum  hat  Dümmler  >Qe8ohichte  des  ostfr&nkisclien 
Reiches«  II,  681  Anm.  58  in  Bezug  aaf  dieselbe  Urkunde  begangen,  wenn  er 
das  bonner  Cassius-  und  das  xantener  Victorstifb  nach  Köln  verlegt. 


Reste  römischer  und  mittelalterlicher  Bauten  am  Dom  zn  Köln.  223 

Stadt  (ymfra  ipsam  emtatem  0 )  hinter  der  allgemeinen  Bezeichnung  na- 
mentlich aufzuzählen.  Dafür,  dass  die  Marienkirche  schon  unter  Otto  II. 
bestanden,  bedurfte  es  nicht  des  von  Ennen  gegebenen  Nachweises, 
da  diese  ja  schon  im  letzten  Willen  Brunos  erwähnt  wird,  wie  er  selbst 
I,  253  bemerkt  hat,  während  er  freilich  im  Register  zu  den  Urkunden 
die  Stelle  sonderbar  auf  Maria  ad  gradus  bezogen  bat.  Mein  Beweis 
gegen  die  Richtigkeit  der  Bezeichnung  in  CapUolio  und  die  Gründung 
der  Kirche  durch  Plectrudis  verlieit  durch  den  Wegfall  jenes  Zeug- 
nisses keine  wesentliche  Stütze.  Herr  Geh.  Regierungsrath  von  Quast 
bemerkt  Jahrb.  L.  LI,  134  Anm.  ^),  sichere  Beweise  für  das  höhere 
Alter  der  Kirche  gebe  es  nicht,  aber  auch  der  positive  Beweis  für 
eine  spätere  Zeit  der  Stiftung  sei  mir  nicht  gelungen.  Damit  ist  zu- 
gestanden, dass  die  Angaben  über  die  Plectrudiskirche  keine  ge- 
schichtliche Gewähr  haben;  ob  er  meine  Verwerfung  der  Sage  von 
Plectrudis  für  begründet  halte,  bemerkt  er  nicht.  Das  älteste  bestimmte 
Zeugniss  bleibt  die  Schenkung  im  letzten  Willen  Brunos  vom  Jahre  965 
monasterio  (sanctae  Mariae)  et  claustro  perßciendo,  neben  welcher  in 
der  schon  angeführten  drei  Jahre  altem  ^Urkunde  Brunos  die  Bezeich- 
nung des  numasterium  sanctae  Caecüiae  qmd  cognominatur  vetus  intra 
muras  insofern  in  Betracht  kommt,  als  dieselbe  auf  ein  navurn  mona- 
sterium  intra  muros  deutet,  als  welches  eben  das  Marienstift  gelten 
muss.  Die  Einweihung  der  jetzigen  Kirche  fällt,  wie  von  Quast  nach- 
gewiesen hat,  in  das  Jahr  1049,  und  derselbe  ist  geneigt,  nach  der 
Bauart  eine  noch  spätere  Vollendung  der  Kirche  anzunehmen.  Aus 
diesem  Neubau  in  der  Mitte  des  elften  Jahrhunderts  würde  man  aber 
mit  Unrecht  schliessen,  der  Bau  des  zehnten  sei  nur  eine  Wiederher- 
stellung eines  altern  gewesen.  Von  der  Geschichte  der  kölnischen 
Kirchen  in  dieser  Zeit  sind  wir  ausserordentlich  mangelhaft,  nur  durch 
einzelne  urkundliche  Berichte  üper  Schenkungen  und  Weihungen,  nicht 
Yon  den  Schicksalen,  die  sie  trafen,  unterrichtet.  Die  neue  Kirche 
konnte  leicht  durch  Feuer  oder  einen  sonstigen  Unfall  gelitten  und 
man   die  Wiederherstellung   zugleich   zu   einer  Erweiterung  benutzt 


')  In  Jßezug  auf  tn/ra»  das  ioh  nicht  für  einen  der  vielen  Druckfehler 
jenes  Bandes  der  »Quellenc  hätte  halten  dürfen,  hat  Ennen  gegen  mich  Recht. 

')  Ich  halte  es  für  meine  Pflicht,  hier  zu  erklären,  dass  ich  in  Bezug  auf 
die  Pfaffenpforte  (daselbst  S.  136}  ihn  missverstanden  hatte,  wogegen  er  mir  gestehen 
wird,  dass  ihm  die  Stelle  aus  dem  letzten  Willen  Brunos  unbekannt  war,  die 
Ar  die  Baagesohichte  der  Kirche  von  Wichtigkeit  ist. 


224  Rette  römischer  und  mittelalterlicher  Bauten  am  Dom  zu  Köln. 

haben.    Ennen  geht  auf  meine  Gründe  gegen  die  Plectrudissage  nicht 
ein,  sondern  hält  sich  daran,  dass  diese  in  der  Kirche  begraben  liege, 
was  den  entschiedenen  Beweis  liefere,  zur  Zeit  ihres  Todes  habe  dort 
schon  eine  Kirche  gestanden.    Aber  worauf  beruht   denn   die  Sage, 
dass  Plectrudis  in  der  Kirche  begraben  liegt  ?  Theodor  Breisig  hat  in  der 
Schrift,  )>Die  Zeit  Karl  Martells«  S.  5  ff.  ^ber  Plectrudis  und  Chalpaida, 
um   die  auch  ein  Sagenkreis   sich  gebildet,   eingehend  gehandelt  und 
auch  der  spätem  Sage  der  Wiederverheiratung  der  Plectrudis  gedacht. 
S.  28  bemerkt  er,   über  ihre   spätere  Stellung  und  ihr  Verbleiben  sei 
nichts  bekannt!    Ich  habe  schon  nach  Boisser^e  darauf  gedeutet,  dass 
sie  wohl  nach  der  durch  Karl  Martell  ihr  abgenöthigten  Yerzichtung 
in  ihre  Heimat  Baiern   sich   zurückzog,   wo  wir  die  regina  Plectrudis 
als  Stifterin  von  St.  Stephan  zu  Passau  finden.   Dass  sie  den  Wunsch 
geäussert,  in  Köln  begraben  zu  werden,   davon  wird  nichts  berichtet, 
und  ein  solcher  Wunsch  wäre   auch  damals  wohl  schwer  zu  erfüllen 
gewesen.  Freilich  wusste  man  später  in  Köln,  dass  sie  an  diesem  Orte, 
der  ihr  unter  Karl  Martells  Herrschaft  äusserst  verhasst  sein  musste, 
in  das  Stift  gegangen  und  dort  gestorben  sei.  Selbst  die  sich  einander 
widersprechenden  Inschriften  in  der  Kirche  sagen  nicht,   dass  sie  dort 
begraben  sei;  die  eine  feiert  sie  allein,   die  andere  mit  Pipin.    Gegen 
Boisser6es  Vermuthung,    das   mit  der  eiq^n  Inschrift  versehene  Bild 
der  Plectrudis  habe  früher  auf  ihrem  Grabe  gelegen,  zeugt  die  Inschrift, 
die    nicht   auf  ein  Grab   deutet,    sondern  auf  das  Bild  der  Stifterin, 
von  welcher  das  Wort  gilt:  Domine,  düexi  decorem  domus  tuae.   Man 
müsste    den  Stiftspatriotismus,    den  wir  schön  oben   bei  Cäcilien  er- 
wähnten, und  die  mittelalterliche  legenden-  und  Dichtungssucht  nicht 
kennen,  um  es  unglaublich  zu  finden,  dass  irgend,  nachdem  erst,   um 
das  novum  monastermn  hinter  dem  väus  nicht  zu  sehr  zurücktreten 
zu  lassen,  die  Kirche  als  eine  Stiftung  von  Pipin  und  Plectrudis,  dann 
als  eine  Schenkung  der  letzteren  allein  bezeichnet  worden  war,  man 
endlich  mit  dem  Ansprüche  auftrat,  die  Stifterin  sei  in  der  Kirche  be- 
graben. Boisser^e^  der  auch  keinen  rechten  Glauben  an  die  Grabstätte 
der  Plectrudis  hat,    setzt  die  betreffenden  Bilder  ins  zehnte  oder  elfte 
Jahrhundert.  Erst  nach  dem  Neubau  wird  man  den  Anspruch  erhoben 
haben,  das  Grab  der  Stifterin  zu  besitzen,  deren  Todesjahr  man  nicht 
>  einmal  wusste,  doch  feierte  man  ihr  Andenken  am  11.  August.    Gern 
hätte  man  sie  zu  einer  Heiligen  erhoben,   und  so  feiert  sie  Gelen  als 
Diva^  doch  dazu  fehlte  es  zu  sehr  an   einer  irgend  erwähnenswerthen 
Ueberlieferung;  Hie  Bollandisten  verweigerten  ihr  die  Aufoahme  in  ihr 


Reste  römiBoher  und  mittelalterliohei*  Bauten  am  Dom  tu  Köln.  225 

grosses  Werk,  was  sie  dort  ausführlich  begründen.  Wann  ihr  Grab- 
mal, früher  im  Mittelschiff  der  Kirche,  errichtet  worden,  wissen  wir 
nicht;  die  Kirche  besitzt  auch  ein  Grabmal  der  hier  begrabenen  Aeb- 
tissin  Ida.  Was  Ennen  gegen  meine  Behauptung,  der  Wechsel  der 
Bürgermeister  sei  in  der  Marienkirche  erfolgt,  aufz^jbringen  meint,  er- 
ledigt sich  dadurch,  dass  ich*  mich  auf  Boisser^e  als  Augenzeugen  be- 
rufen habe,  und  mich  nicht  dazu  verstehen  kann,  diesem  ehrenwerthen 
Zeugen  leichtfertig  den  Glauben  zu  versagen. 

Für  meine  Annahme,  das  Kapitol  habe  auf  dem  Platze  des  Doms 
gestanden,  hatte  ich  auch  den  Umstand  angeführt,  dass  der  Dom- 
hügel der  höchste  Punkt  der  Stadt  an  der  Rheinseite  sei.  Wenn  ich 
von  einem  Domhügel  sprach,  so  that  ich  das  mit  allen  meinen  Vor- 
gängern und  Ennen  selbst,  der  I,  88  der  drei  Hügel  gedenkt,  »welche 
sich  in  sanfter  Steigung  über  das  städtische  Terrain  erhoben«.  Jetzt 
ist  freilich  erwiesen,  dass  der  Hügel  um  den  Dom  nur  von  einer  spä- 
tem Aufschüttung  herrührt ;  die  Fundamente  des  Doms  gehen  bis 
unter  das  Rheinbett.  Ennen  belehrt  uns  jetzt  über  die  Bodenverhält- 
nisse des  römischen  Köln  also:  »Das  jetzige  Domterritorium  lag  um 
14  Fuss  tiefer  als  die  Mariengartengasse,  6  Fuss  tiefer  als  St.  Peter, 
2  Fuss  tiefer  als  das  Griechenthor,  3  Fuss  tiefer  als  die  Ruhr^  6  Fuss 
tiefer  als  die  Herzogstrasse,  7  Fuss  tiefer  als  der  Neumarkt  und  4 
Fuss  tiefer  als  die  Pipinstrasse.«  Wir  wären  ihm  sehr  dankbar,  wenn 
er  dies  eben  so  thatsächlich  erwiese,  wie  er  es  zuversichtlich  hinstellt; 
bis  dahin  erlauben  wir  uns  die  volle  Richtigkeit  dieser  Angaben  zu 
bezweifeln.  Die  einzelnen  Fundberichte,  auf  denen  eine  solche  Bestim- 
mung allein  beruhen  kann,  sind  meist  nicht  zuverlässig  genug,  und 
auch  die  Schlüsse  daraus  nicht  überall  sicher.  Jedenfalls  wäre  eine 
gesichtete  Zusammenstellung  dieser  Art  höchst  willkommen.  Wenn 
Ennen  meiner  Bemerkung  über  die  Höhe  des  Berlich  (S.  99)  entgegen- 
hält, der  Berlich  sei  nicht  der  höchste  Punkt  der  Stadt  gewesen,  so 
hätte  er  nicht  übersehen  sollen,  dass  ich  unter  dem  Berlich  nicht 
die  jetzt  sogenannte  Strasse,  sondern,  wie  nicht  zu  verkennen  war, 
den  früher  sogenannten  Stadttheil  verstehe,  wovon  ich  Jahrb.  XX, 
22  f.  29  gesprochen  habe.  Eine  Steigung  des  Terrains  am  Dome  von 
38  bis  46  Fuss  gesteht  Ennen  selbst  zu.  Wie  das  Yerhältniss  des 
Bodens  am  jetzigen  Dom  zur  ältesten  Römerzeit  gewesen,  weiss  ich 
nicht ;  wie  viel  mag  sich  dort  bis  zur  Fundamentirung  unseres  jetzigen 
Doms  umgestaltet  haben  I  Glücklicherweise  sind  wir  über  den  Boden 
zur  ältesten  Römerzeit  an  der  Stelle,  wo  die  neuen  Ausgrabungen  die 

15 


226  Reste  romischer  und  mittelalterlicher  Bauten  am  Dom  zu  Köln. 

Beste  zweier  römischen  Häuser  zu  Tage  gefördert  haben,  jetzt  unter* 
richtet,  und  wir  wissen  auch,  dass  die  Thürschwellc  des  Mauerthur- 
mes  a  nur  1 '  3 "  über  der  heutigen  Trankgasse  liegt.  Zur  Anlage 
des  Capitoliums  war  der  Platz,  wo  jetzt  der  Dom  liegt,  jedenfalls  sehr 
geeignet;  denn  er  war  einer  der  höchsten  Punkte  der  Stadt  und  ge- 
währte, da  das  Terrain  bis  zum  Bheinbette  bedeutend  abstieg,  einen 
weiten  Blick  über  den  Fluss  und  in  das  gegenüberliegende  Land. 
Gebe  ich  auch  jetzt  zu,  dass  der  Ort,  wo  die  Marienkirche  sich 
den  Namen  des  Capitoliums  erworben  hat,  dazu  ebenso  geeignet  ge- 
wesen wäre,  so  berechtigte  mich,  zur  Annahme  des  Capitoliums  an 
dieser  Stelle  der  Nachweis,  dass  hier  die  älteste  bischöfliche  Kirche 
stand;  da  man  solche  an  Orten,  wo  bedeutende  römische  Tempel  stan- 
den, anzulegen,  ja  selbst  diese  in  christliche  Kirchen  zu  verwandeln 
liebte,  und  die  von  mir  erwiesene  Wahrscheinlichkeit,  dass  der  Dom- 
hof das  römische  Forum  war ;  denn  auch  zu  Bom,  nach  welchem  sich 
die  Städte  in  den  Provinzen  richteten,  lag  das  Forum  neben  dem 
Capüolium.  Wollte  man,  wie  in  Bom,  auch  zu  Köln,  den  Campus 
Martius  in  der  Nähe  des  Forum  annehmen,  so  würde  dieser  zwischen 
dem  Gapitolium  und  dem  römischen  Nordthore,  dem  sogenannten  Pfaf- 
fenthor, gelegen  haben,  und  vor  diesem,  wenn  wir  Vitruv  I,  7,  1  fol- 
gen, der  Tempel  des  Mars,  freilich  nicht  das  delubrum  Mortis,  in  wel- 
chem zu  Vitellitts'  Zeit  das  Schwert  des  Julius  Cäsar  sich  befand.  Der 
Tempel  des  Mercur,  dessen  Weihestein  uns  erhalten  ist,  wird  sich  an 
oder  auf  dem  Forum  befunden  haben,  nach  der  Vorschrift  desselben 
Vitruv :  Mercurio  in  foro  (area  distribucUur)  aut  etiam^  ut  Mdi  et  Se- 
rapij  in  emporio.  Auf  dem  der  Ostseite  des  Doms  gegenüber  liegenden 
Frankenplatze  sind  im  Juni  1858  bei  den  Grundarbeiten  zum  Brücken- 
bau und  zehn  Jahre  früher  beim  Wegräumen  des  Erdhügels  daselbst 
Beste  von  grossen  Gebäuden,  Beliefs  und  ein  Weihestein  der  Diana 
aus  dem  Anfange  des  zweiten  Jahrhunderts  gefunden  worden  ^). 

Was  endlich  die  römische  Mauer  betrifft,  so  sind  nach  Ennen 
(I,  82)  »die  Beste  der  Nordostecke  1859  bei  Planirung  des  breiten 
Weges  von  dem  Domhofe  nach  der  Trankgasse  weggesprengt  worden.« 
Wo  dieselbe  geendet  haben  müsse,  lässt  sich  ungefähr  durch  die  gleiche 
Entfernung  der  Mauerthürme  von  einander  bestimmen,  da  Thurm  d 
von  Thurm  b  doppelt  so  weit  entfernt  ist,  als  Thurm  b  von  Thurm  a, 
wonach   das  Pfaflfenthor  nicht  genau   an  derselben   Stelle  aufgebaut 


1)  Vgl.  den  Maseumskatalog  B,  7*  15.  37.  148.  159.  162.  218. 


Reste  römischer  und  mittelalterlioher  Bauten  am  Dom  zu  Köln.  227 

war,  an  welcher  das  alte  Römerthor  stand.  Der  nordöstliche  Eckthurm 
muss  über  290 '  vom  Thurme  a  entfernt  gelegen  haben.    Nach  Ennen 
(I,  83)  beträgt  die  Strecke  von  dem  Thurme  auf  der  Burgmauer  bis 
zum  nordwestlichen  Eckthurm   119  Ruthen,    wonach   zwischen  di&sen 
beiden  Thürmen   noch   vier  gestanden    haben   würden.    Sehr  wichtig 
wäre  die  genauere  Untersuchung  aller  noch  vorhandenen  Thürmc  der 
römischen  Mauer  und  ihrer  Entfernung  von  einander;    an  der  West- 
seite hat  sich  noch  eine  Reihe  von  Thürmen  erhalten,  von  denen  einer 
in  einem  Hause  der  Helenenstrasse  eingebaut  ist.    Ob  von  dem  soge- 
nannten Röraerthurme   an  der  Zeughausstrasse  der  drohende  Abbruch 
abgewandt  werden  Wird,    ist,    so  viel  ich  weiss,    noch  unentschieden. 
Wäre  er  unrettbar  verloren,    so  würde  jedenfalls   die   genaueste  Auf- 
nahme vor  seinem  Ende   zu  wünschen   sein.    Höchst   wichtig  ist  bei 
unserm  Thurm  a  die  Entdeckung  der  ganzen  Thüre  bis  zur  Schwelle 
und  der  aus  Gussmauerwerk  gebildeten  Decke  des  untern  Gemaches. 
Die  Thurme  zeigten  ähnliche  Streifen  von  verschiedenen  Farben  und 
Formen,   wie   der  nordwestliche  Thurm.    Nach   von  Quast  (Jahrb.  X, 
191  f.)  kann  nicht  sicher  entschieden  werden,   ob  diese  Bauweise  der 
letzten  römischen  oder  der  ersten  merovingischen  Zeit  angehört.  Ennen 
behauptet  (I,  82),  der  ältere  Theil  der  Mauer  und  Thurme  gehöre  zwei 
verschiedenen  Zeiten  an,  und  er  setzt  den  erstem  in  das  erste  christ- 
liche Jahrhundert,  den  zweiten  unter  Julian.  Der  neuentdeckte  Thurm 
besteht  keineswegs  aus  zwei  zu  verschiedenen  Zeiten  gebauten  Stücken. 
Die  Franken  scheinen  zu  Julians  Zeiten  die  Mauern  der  Stadt  zerstört 
zu  haben,    so  dass  nur  Trümmer  derselben   übrig   blieben.    Ammian 
spricht  von  der  Zerstörung  Kölns  (XVI,  3,  1),  die  wir  uns  sehr  stark 
denken  müssen,  da  diese  so  gehaust  hatten,  dass  am  ganzen  Rheine 
nicht    einmal    ein  castdlum  erhalten  war,    nur  Rigamagum  bei  Con- 
fluentes  und  ein  Thurm  bei  Köln.    Wenn  er  weiter  sagt,  Julian  habe 
Köln  nicht  eher  verlassen,   qtiam   pacctn  ßmiaret  reipuhlicae  inierim 
profuturam  et  urbem  redperet  munitissimam,   so  könnte   man  tM-bem 
redpere  munitissimam  in  dem  Sinne  nehmen  wollen,  die  Stadt  stark 
befestigt   wiederherstellen,   weil   die  Bedeutung   wiederge- 
winnen, welche  recipere  gewöhnlich  in  der  Verbindung  mit  urbem 
hat,  nicht  passe,  da  ja  gesagt  werden  solle,  was  er  gethan,  ehe  er  die 
von  ihm  betretene  Stadt  {Ägrippinam  ingressus)  verlassen.    Aber  das 
recipere  scheint  hier  das  dauernde  Wiedergewinnen  in  Folge  des 
Friedens   bezeichnen  zu   sollen.    Jedeflfalls  musste  die  Stadt    neu 
befestigt  oder  wenigstens  diese  Befestigung  an  den  bedeutendsten  Stel- 


228  Beate  römiioher  und  ] 

leo  wieder  beigestellt  word 
begonnene  Befestigimg  «ur 
Auf  eine  nicht  frühere  Zeit 
Bchrift  des  römischen  Tbo 
Wahracbeiolich  litt  die  dc 
die  Hunnen,  dann  durch  die 
immer  möglichst  bergesteli 
Mauer  bestand,  wie  die  Er: 


9.    Epigraphi8che  Miitheiiungen  aus  Cleve. 

t.    Die  Turck'Bche  Chronik. 

Brambach  spricht  im  C.  I.  R.  p.  351  von  einer  verlorenen  CShronik : 
Turcii  bistorla  duc  Jul.  Cliv.  Mont.,  in  welcher  sich  Abschriften 
römischer  Inschriften  befänden.  Er  bemerkt  darüber:  Magni,  opinor, 
pretii  foret,  Turcii  liber  si  reperiretur,  quem  ego  in  bibliotheca  Trevero- 
rum  latere  sospicatus  in  catalogo  vetere  Jesuitarum  memoratum  rep- 
peri;  sed  nee  in  recentiore  indice  inveniebatur,  nee  omnino  in  biblio- 
theca, teste  quidem  Schoemanno,  indagari  potuit. 

Wie  es  sich  mit  jenem  Exemplar  der  Trierer  Bibliothek  verhält, 
lasse  ich  auf  sich  beruhen,  freue  mich  aber  mittheilen  zu  können,  dass 
ein  Exemplar  dieser  Chronik,  und  zwar  wohl  ohne  Zweifel  die  Original- 
handschrift des  Verfassers  sich  in  Cleve,  dem  Wohnorte  Turcks,  er- 
halten hat  und  seit  1857  der  auf  dem  Rothhause  befindlichen  Stadt- 
bibliothek angehört.  Der  durch  die  Freytag'schen  Bilder  aus  der 
deutschen  Vergangenheit  auch  in  weiteren  Kreisen  bekannte  WirkL 
Geh.  Rath  und  Präsident  des  Cassationshofes  Sethe  in  Berlin  vermachte 
nämlich  seiner  Vaterstadt  Cleve  eine  vermuthlich  von  ihm  schon 
während  seines  Aufenthaltes  in  derselben^)  angelegte  SammlAng  von 
Handschriften,  Urkunden  und  älteren  Dpickschriften,  die  sich  auf  die 
Geschichte  und  die  Rechtsalterthümer  des  Herzogthums  Cleve,  sowie 
der  mit  ihm  verbundenen  Territorien  beziehen.  No.  1  nun  dieser  bis- 
her noch  fast  gar  nicht  wissenschaftlich  ausgebeuteten  Sammlung  ist 
eine  Octavpapierhandschrift  von  328  Blättern,  die  auf  dem  äusseren 
Umschlag  mit  dem  Namen:  „Sethe"  bezeichnet  ist.    Der  älteste  Theil 


*)  Ein  Band  von  Gollectaneon  bezeichnen  die  Jahre   1796   und   1797  als 
Zeit  der  Sammlang. 


230  Epig^raphische  Mittheilungeu  aus  Cleve. 

dieser  Handschrift  wird  gebildet  von  der  märkisch-clevischen  Chronik 
des  Gert  van  der  Schuiren,  die  von  Tross  nach  jüngeren  Handschriften 
(Hamm  1824)  herausgegeben  ist.  Es  ist  jedenfalls  die  Originalhand- 
schrift des  Verfassers,  die  wir  hier  vor  uns  haben,  wie  unter  Anderm 
daraus  hervorgeht,  dass  es  in  der  Dedikation  ursprünglich  nur  hiess:  Gert 
uwer  gnaden  huusgcsinde  und  dass  die  für  den  Herzog  überflüssigen 
specielleren  Bezeichnungen  van  der  Schuiren  und  Secretarius  erst  nach- 
träglich zugeschrieben  sind.  Ueber  dem  mit  dem  clevischen  und 
märkischen  Wappen  verzierten  Initial  steht  die  Jahreszahl  A^lxxi 
d.  h.  (14)71;  rechts  daneben  von  jüngerer  Hand:  Libcr  Illmi  D.  Ducis 
et  Cancellariae  Clivensis. 

Die  Chronik  endigt  auf  der  Vorderseite  des  130.  Blattes  mit  den 
Worten:  want  soe  hedden  sy  des  speels  eyn  eynde  gehat.  *)  Sodann 
folgt  die  subscriptio  von  späterer  Hand: 

Hucusque   Gerardus    vän   der   Schujren    Secretarjus   Ducum 
Adolphi*  et  Joannis.  Qui  morte  praeuentus  sie  vidctur  desijsse. 
Vixit  tarnen  adhuc  Ao.  1488.  1489. 
Die  folgende  Seite  von  fol.  130  enthält  sodann  folgenden  Titel 
für  die  auf  fol.  131  folgende  Fortsetzung: 
'  >  Supplementum 

Chronicae  praecedentjs  ex  Registris  alijsque  penes  Concellarjam 

Cliviensem  asseruatis  scriptis  obiter  collectum  per  L*.  Turck: 

SecrT  et  ßg.  Cjrca  Annum  Dnj  1607.    Completum  usque  ad 

obitum  Illmj    Principis  D.  Jois  Wilhelmj  Ducis  Clivjae  Juljae. 

Diese  Fortsetzung  schliest  auf  fol.  299,  nachdem  die  Erzählung 

bis   zum  Aussterben  des   herzoglichen  Hauses  fortgeführt  ist.    Nach 

dem  Amen   des  eigentlichen  Schlusses  folgt  noch  eine  Notiz  über  die 

überlebende  Wittwe  des  letzten  Herzogs   und   deren  Tod,   der  nach 

Teschenmacher  am  18.  August  1610  erfolgte. 

Joh.  Turck  hat  nun  aber  nicht  allein  eine  iFoitsetzung  der 
Schuiren'schen  Chronik  geschrieben,  sondern  auch  eine  Vorgeschichte 
zu  derselben.  Diese  ist  flnzweifelhaft  von  gleicher  Hand  wie  die 
Fortsetzung  auf  20  nicht  paginirten  Blättern  geschrieben  und  der 
Schuiren'schen  Chronik  vorgeheftet.  Sie  trägt  die  üeberschrift :  De 
antiqua  Clivjae  origine  et  de  rebus  in  his  partibus  eis:  et  trans  Rhena- 
nis  post  djvjsjonem  Orbis  a  Cymbris  Galljs  et  Romanis  vsqj  ad  tempora 
magnj  urj  Eljae  prjmj  Cljvensjum  Comitis  gestis  summarja  quaedam 
narratjo.    Dieser  üeberschrift  entsprechend  beginnt  die  Vorgeschichte 

]  ')  Das  schliessende  Amen,  das  Tross  noch  folgen  lässt,  fehlt. 


% 


* 


Epigraphische  Miitbeiluogen  aus  Clove.  231 

mit  Noe  und  schliesst  mit  Elias  Grail,  mit  dem  Schuiren  die  devische 
Chrouik  beginnt. 

Bemerkenswerth  ist  noch  folgender  der  Handschrift  vorgehefteter 
Zettel:  »Dis  Buch  ist  mir  vff  vielfaltig  erfordern,  Von  M.  Werner 
Teschemachern  am  25  octobris  1633  Vormiddag  geliefert,  welcher 
dabei  referirt,  das  ihm  dasselbe  Johannis  Turcken  Sohn  Henricus 
Turck  Ganonicus  zu  Cranenburg  gelehnt  habe.u  Unter  dieser  Notiz 
scheint  ein  Name  gestanden  zu  haben,  der  aber  ausradirt  ist,  so  dass 
eine  weitere  Verfolgung  der  Schicksale  der  Handschrift  nicht  möglich 
ist.  Teschenmacher  hat  dieselbe  vielfach  benutzt;  er  citirt  sie  jedoch 
im  Syllabus  auctorum  nicht,  wohl  aber  die  Fortsetzung,  die  Joannes 
Turcus,  Gochensis,  Secretarius  et  Registrator  Clivensis  zur  Lower- 
mannschen  Fortsetzung  der  Schuirenschen  Chronik  lieferte,  und  die 
erst  mit  dem  Jahre  1590  begann.  Dagegen  sagt  der  spätere  Heraus- 
geber Teschenmachers  Dithmar  ausdrückhch: 

Quod  ex  ejus  (Lowermanni)  aliorumque  Scriptis  Joliannes  Turckius 
confecit  Supplementum  Chronici  Schurenii  quoque  possidemus.  Die 
zahlreichen  Gitate  aus  diesem  Supplementum  beweisen,  dass  er  das 
Supplement  der  Setheschen  Handschrift  meint;  ob  er  indessen  diese 
selbst  oder  eine  Copie  derselben  benutzt  hat,  wird  sich  schwerlich 
entscheiden  lassen;  unbedeutende  sprachliche  und  orthographische  Ab- 
weichungen kommen  in  den  wörtlichen  Citaten  allerdings  vor^  können 
jedoch  ebenso  gut  dem  Citator  wie  einem  Abschreiber  zugeschrieben 
werden. 

Diese  Chronik  hat  nun,  wie  Brambach  richtig  vermuthete,  einen 
nicht  unerheblichen  Werth  für  die  rheinische  Epigraphik.  Es  beruht 
derselbe  vor  Allem  darauf,  dass  Turck  in  der  Vorgeschichte  zur 
Schuirenschen  Chronik  genaue  Zeichnungen .  von  13  Steinen  liefert,  die 
bis  auf  2  jetzt  vedoren  sind.  Nachdem  er  nämlich  über  die  Varus» 
Schlacht  unter  Berufung  auf  Lipsius  comment  ad  Tacitum  berichtet, 
fährt  er  auf  Fol.  4  seiner  Vorgeschichte  fort: 

Dese  yorgevürte  Nederlag  der  Romeinern  hatt  den  Keyser  Augu- 
stum  hoch  bekümmert  vnd  vmb  der  Deutschen  auerfall  to  begegnen 
die  CASTRA  VETERA  oder  Aldeburg  bei  Santen  (dauon  die  Funda- 
menta  jm  feldt  noch  gesehen  werden)  also  befestiget,  dat  euer  die 
twee  Legionen  dat  sein  XHImCCCXXXH  *)  bewerther  Krigsleuth  darin 
leggen  kunnen,  auch  aldair  auer  Rhin  ein  Brügg  vnd  opt  höchst  van 


^)  Als  Starke  der  Legion  wird  also  die  Zahl  6666  angenommen. 


L       


2S2  Epigraphische  Mittheilungen  aus  Geve. 

dem  Bergh  (dair  dat  Cloister  furstenberg  vmbtrint  dat  Jahr  CHRISTI 
1122.  gebauwet  vnd  von  S.  Noriberto  Epö  Magdenborgensj  in  honorem 
patrjae  dotirt  ist),  ein  groet  Praetorjum  oder  Pallas  getimmert  als 
ouk  dat  Läger  leg  an:  vnd  vnter  Monderberg  sich  ertreckt.  Inmaten 
die  Romeiner  an  diesen  ortten  mit  starken  guarnisonen  vnd  Kreigsvolck 
sich  statig  gehalten,  wie  die  aide  gebauw  jn  der  erden,  golde  vnd 
Silbere  Pfenningen,  heidensche  bilder^  Altaren  vnd  dero  Inscriptiones, 
lampen,  GrsJstein^  Urnae,  Tichellstein,  darin  die  Romische  Legiones 
jngedruckt  stain,  Vtensilja  domus.  vnd  andere  Antiquiteten  so  aldair 
jn  groeter  mennigte  gefunden  sein  vnd  taglichs  mehr  vnd  mehr  ge- 
funden werden,  solchs  genugsamb  vthweisen,  daruan  ouk  allnoch  eine 
schöne  Vma  van  xxviil  colhiischer  maten  vp  dat  fürstliche  huys 
Cleve,  vnd  ander  stucken  fürhanden. 

Auf  Fol.  V,  VI  und  VII  folgen  sodann  ausgeführte  Tuschzeich- 
nungen, und  zwar  zunächst  jener  Urne,  einer  Amphora  mit  Spitze 
zum  Feststellen  gewöhnlicher  Form,  sodann  von  folgenden  Steinen 
mit  Inschriften:  Fol.  Va:  C.  I.  Rh.  i.  spur.  19;  219.  Vb:  (209)  Fol. 
Via:  202,  201,  1970,  1969.  Fol.  VIb  i.  sp.  11:  1968a;  218;  1968; 
212;  inscr.  ined.  Fol.  VII  a:  151. 

Wir  werden  die  Beschreibung  dieser  Zeichnungen  am  passendsten 
beginnen  mit  den  beiden,  deren  Originale  noch  vorhanden  sind,  da 
sich  so  am  leichtesten  ein  Urtheil  über  die  fides  Turcks  wird  gewinnen 
lassen.  Es  sind  die  Inschriften  G.  I.  R.  251  und  202 ;  beide  befinden 
sich  jetzt  in  der  Sammlung  der  bonner  Universität  und  sind  auf  der 
westlichen  Seite  des  Cabinets  eingemauert.  Wir  stellen  Brambachs 
Lesungen  derselben  neben  die  Turcks. 


■^ 


Epigraphieohe  Mittheilungen  aus  Cleve.  233 

151.  Brambacb. 
IN  H  D/b  PRO 
S  ALVTEj/iMP  •  SEVERI 
ALE  >y^N  D  I  R  I  •  A  V C  •  DEo 
APO^LINIDYSPROLV  S 
OyC  Q  •  D  E  •  M  I  L  I  TES  LEG 
XXX- VVP  F  SVB-  CVRA 
ACENTTFAPRI-COM 
MODIAN  •  LEG  •  AVG  •  P  •  P  •  ET 
CA  AN  VTMODEST  LEG 
LEG • SEPT  M VCATRA 
IMAG  ETSEPTCALLVS 
ETSEPT-  MVCATRA-  ET 
SEPT-DEOSPOR-ETSEPT 

SAM  MVST- SEPT-  MCAT^A 

CANDIDATIV-  S  •  L  •  M 

MAXIMO- tET-AELlANO 

~  COS 

Turck. 
I  N      H  •  D      D  -  PRO 


SALV    TE    IMP   SEVERI 
ALEXANDIRI  •  AVG  DEo  • 
APOLLINI  •  DVSEROLVS 
OIODfe  -  MILITES  -  LEG 
XXX  -  V  •  V  -  E  -  SVB  -  CVRA  - 
AGENT  •  T  •  E  •  APRI  •  COM 
MODIAN  •  LEG  -  AVG  •  P  •  P-T 
CAAV  Vt  •  MODESi     LEG 
LEG  -  SEPT     MVCATRA  • 
EMAG  •  ET  •  SEPT  •  CALLVS  - 
ET  -  SEPT  •  MVCATRA  •  ET 
SEPT  •  DEOSPOR  •  ET  SEPT 

SAMMV^Sl  SEPT  -  I^CAM  • 
CANDIDATI  •  V  •  S  ♦  L  •  M  • 
MAXIMO  •  II  ♦  liELIANO 

COS 


L 


234  EpigrapbiBche  Mittheilangen  aaa  Cleve.  4^ 

Die  Vergleichung  dfeser  beiden  Lesungen  und  des  Originals  er- 
gibt folgendes  Resultat. 

Z.  1.  Die  Stellung  der  einzelnen  Buchstaben,  insbesondere  der 
grosse  Zwischenraum  zwischen  D  und  PRO  ist  bei  Turck  ganz  genau 
mit  dem  Original  übereinstimmend;  der  bei  Brambach  fehlende,  bei 
Turck  stehende  Punkt  nach  dem  2.  D  ist  unzweifelhaft  im  Original 
vorbanden. 

Z.  2.  Da  die  obere  linke  Ecke  jetzt  dem  Steine  fehlt,  lässt  sich 
nicht  constatiren,  ob  der  Punkt,  den  Turck  fälschlich  nach  Y  hat^ 
durch  den  Zustand  des  Originals  indicirt  war. 

Z.  3.  Brambach  hat  mit  Recht  nach  AVG  einen  Punkt  gesetzt; 
dagegen  lässt  das  Original  am  Schlüsse  dieser  wie  der  übrigen  Zeilen 
den  Punkt,  den  Turck  fast  überall  angibt,  nicht  erkennen.  Da  aber 
die  Kante  des  Steins  gelitten  hat,  so  ist  es  durchaus  möglich,  dass 
diese  Punkte  früher  vorhanden  waren.  Dass  derselbe  in  dieser  Be- 
ziehung keineswegs  ganz  willkürlich  verfuhr,  geht  insbesondere  daraus 
hervor,  dass  Z.  4  der  Punkt  fehlt,  trotzdem  er  jedenfalls  nicht  ge- 
sehen hat,  dass  hier  nach  dem  S  kein  Wortschluss  ist. 

Z.  4  stimmt  Brambachs  Lesung  mit  dem  Original  überein,  nur 
habe  ich  den  Punkt  nach  DYS  nicht  constatiren  können.  Hier  hat 
also  Turck  fälschlich  £  an  Stelle  des  P  im  Original.  Dieser  Fehler 
erklärt  sich  jedoch  sehr  leicht;  der  untere  Ansatz  des  P  ist  nämlich 
im  Original  etwas  breit  gerathen,  wie  dies  auch  sonst  auf  dieser  In- 
schrift mehrfach  vorkommt,  so  dass  der  Buchstabe  etwa  folgende  Ge- 
stalt hat:  P  und  von  einem  den  Sinn  der  ausserordentlich  schwierigen 
Inschrift  nicht  verstehenden  Leser  leicht  für  ein  E  gehalten  werden 
konnte.  In  der  Punktirung  nach  RO  und  LY  hat  Br.  unbedingt  Recht. 

Z.  5.  Der  Stein,  soweit  er  erhalten,  bestätigt  Brambachs  Lesart; 
Turck  hat  also  die  unteren  wagerechte  Striche  des  L  und  Q  ausge- 
lassen, ein  Fehler,  der  ebenfalls  durch  die  zu  Z.  4  bemerkte  Eigen- 
thümlichkeit  der  unteren  Buchstäbenansätze  leichter  erklärlich  wird. 
Der  Punkt  nach  Q  ist  von  Brambach  richtig  angegeben. 

Z.  6.  Auch  hier  hat  das  F  im  Original  einen  bedeutenden  An- 
satz, der  Turcks  E  erklärt. 

Z.  8.  Turck  hat  hier  die  Ligatur  ^t  übersehen  und  statt  ET 
fälschlich  die  Ligatur  J  angegeben. 

Z.  9.  Original :  "ELEG  :  daher  beruht  Turcks  Lesart  auf  einer 

Yerwechselung  des  sehr  nahe  gerückten  Punktes  mit  dem  mittlem 
Apex  eines  E. 


Epigraphische  Mittbeiluhgen  aus  Cleve.  285 

Z.  11.  Das  Original  hat  nach  dem  ersten  I  einen  zufälligen  Punkt, 
so  dass  das  I  folgende  Gestalt   hat:   L  und  Turcks  Lesart  E   nicht 

sehr  fem  liegt. 

Z.  14.    Br. :  ^  mit  der  Bemerkung:    a  sinistra  parte  punctum 

cum  "E  coaluit;  Turck:  3"  ;  Original  £,  d.  h.  Punkt  und  dann  Liga- 
tur von  "E  mit  starkem  Ansatz  nach  links. 

Z.  16.  Original:  OTE'T'AE.  Turck  erkannte  ganz  richtig,  dass 

nach  MAXIMO  eine  Bezeichnung  des  iterum  folgte.  Da  er  aber  die  eigen- 
thümliche  Ligatur  f  ==  II  nicht  kannte,  so  zog  er  den  Hauptstrich  des 
E  mit^ur  Zahlangabe  und  glaubte  das  E  durch  Ligatur  mit  I  ver- 
bunden, wobei  ihm  ein  Punkt  und  die  mehrtach  ei*wähntc  Unsicher- 
beit  der  Schrift  in  der  Unterscheidung  von  bedeutungslosen  Hauan- 
Sätzen  und  unterscheidenden  apices  zu  Statten  kam.  Dagegen  er- 
scheint die  Schreibart  Turcks  M  statt  AE  nur  durch  Raummangel 
hervorgerufen.  ^       _ 

Fassen  wir  das  Resultat  unserer  GoUation  zusammen,  so  finden 
wir,  dass  Turcks  Zeichnung  allerdings  nicht  frei  ist  von  Fehlern, 
dass  aber 

1)  die  Abweichungen  in  den  Buchstaben  sich  sämmtlich  aus  den 
Eigenthümlichkeiten  des  Originals  leicht  erklären;  dass 

2)  auch  die  Ligaturen  dem  Original  entsprechend  wiederge- 
geben sind,  abgesehen  von  drei  Fällen,  in  denen  die  Ligatur  von  dem 
Laien  sehr  schwer  erkannt  werden  konnte  (Z.  5,  8,  16)  und  zwei 
Fällen,  wo  er  aus  Raummangel  zu  allgemein  übUchen  Ligaturen  ge- 
griffen, die  das  Original  nicht  hat;  dass  endlich 

3)  auch  die  Punktation  nicht  richtig  wieder  gegeben  ist;  bedeu- 
tende Fehler  finden  sich  nur  in  Z.  4  und  5  an  einer  dem  Zeichner 
unverständlichen  Stelle. 

Im  Uebrigen  ist  über  Turcks  Zeichnung  des  Steins  noch  zu  be- 
merken, dass  seine  Darstellung  der  allgemeinen  Form  desselben  fast 
genau  mit  dem  Original  übereinstimmt  (Orig.-Höhe  der  mittleren 
Schriftfläche  34  cent,  Breite  26,5;  Zeichnung:  Höhe  7,6  cent.  Breite 
5,6),  und  dass  der  jetzt  sehr  verwitterte  und  beschädigte  Kopf  des 
Steins  doch  noch  ganz  deutlich  die  Ornamentirung  erkennen  lässt,  die 
Turcks  Zeichnung  darbietet. 

Endlich  ist  noch  bemerkenswerth,  dass  neben  der  Zeichnung  des 
Steins  folgende  Bemerkung  von  Turcks  Hand  sehr  sorgfältig  mit  rother 
Dinte  eingetragen  ist: 


k. 


\.4. 


2S6  Epigraphisofae  Mittheilangen  ans  Geve. 

Altare  bei  dem  Ehrwürdigen  Hern  Lubbarth  van  Gartzfelt  De- 
chant  zu  Santen. 

Berücksichtigt  man  alle  diese  Umstände,  so  wird  man  mit  Noth- 
wendigkeit  hingeführt  zu  der  Annahme,  dass  Turck  das  Original  selbst 
gesehen  und  abgezeichnet  hat,  und  zwar,  wenn  auch  nicht  mit  der 
Akribie  eines  fertigen  Epigraphikers,  doch  mit  dem  entschiedenen  Be- 
streben, ein  möglichst  zuverlässiges  und  im  Einzelnen  wie  im  Ganzen 
getreues  Bild  des  Originals  zu  liefern. 

Da  nur  dieser  eine  Stein  als  beim  Dechanten  von  Gartzfeld  be- 
findlich bezeichnet  wird,  dieser  also  kein  Sammler  war,  so  wird  man 
den  Stein  unbedenklich  als  einen  aus  Xanten  oder  dessen  nächster 
Umgegend  herrührenden  betrachten  dürfen. 

Der  zweite  noch  erhaltene  Stein,  den  Turck  abgezeichnet  hat, 
ist  C.  I.  R.  202 

Turck. 

I  •      O  •      M  • 
MARTIVS 
VICTOR 
SIC     LEG    XXX  VV- 
SEVERIANiE 
ALEXANDRI- 
P  •  F  •  V  '  S  •   L  M  ' 
ACRICOLA  '  ET  •  CLE        ACRICOLA  ETCLE 
MENTIANO  •  COS  •         MENTIANO  •  COS  • 


Brambach. 

1 

O 

• 

M  • 

M 

A     R 

T     1 

V 

S 

V 

1       C 

T 

0 

R 

SIC  •  LEG 

XXX 

V 

•V 

S 

EVE 

R   1    A 

N 

M 

A 

LEX 

A    N 

0 

R  1 

P 

•  F  •  V  • 

S  •   L 

• 

M  • 

In  der  Lesung  finden  sich  nur  folgende  Differenzen: 

Z.  4.  Br.  V,  T.  V  •.  Der  gegenwärtige  Zustand  des  Originals  ge- 
\'  stattet  nicht  mehr,    zu  unterscheiden,    ob  an  dieser  Stelle  ein  Punkt 

gestanden. 

Z.  6  findet  sich  am  Schluss  dieselbe  Differenz;  das  Original 
scheint  mir  hier  entschieden,  wenn  auch  in  etwas  undeutlicher  Weise, 
den  von  Turck  angegebenen  Punkt  erkennen  zu  lassen. 

Z.  7.  Der  von  Bramb.  nach  L  angegebene  Punkt  ist  im  Original 
deutlich  vorhanden^  ebenso  die  Z.  8  nach  A  und  T  angegebenen. 

Eine  weitere  kleine  Differenz  liegt  in  der  von  Turck  gezeichneten, 
von  Br.  vernachlässigten  EinrUckung  des  Namens  VIGTOB  Z.  2.  Das 
Original  stimmt  hier  genau  mit  Turck  überein.  Ebenso  finden  sich  an 


Epigrapbisohe  Mitiheiiungen  aus  Cleve.  237 

demselben  deutliche  Spuren  der  von  Turck  gezeichneten  schneckenför- 
migen Ornamentirung  des  Kopfes.  Die  Schriftfläche  des  Originals  ist 
43,5  c.  hoch,  34  c.  breit;  Turcks  Zeichnung  4,3  c.  hoch,  3,8  c.  breit. 
Turck  hat  also  nur  3  Punkte  übersehen,  sonst  aber  eine  völlig 
correcte  Zeichnung  geliefert,  in  der  weder  in  Ligaturen  noch  in  der 
Stellung  der  Buchstaben  zu  einander  Abweichungen  vom  Original  vor- 
kommen. Er  ist  also  bei  dieser  Zeichnung  entschieden  genauer  als  bei 
der  von  Nr.  151.  Ich  glaube  dies  zwei  Umständen  zuschreiben  zu 
müssen : 

1)  Der  Text  der  Inschrift  ist  einfacher  Natur  und  war  offenbar 
dem  Zeichner  vollkommen  verständlich,  ein  gewiss  bedeutungsvolles 
Moment  bei  allen  nicht  rein  mechanischen  Reproductionen  von  In- 
schriften. 

2)  Der  Stein  war  dem  Zeichner  bedeutend  leichter  zugänglich 
als  Nr.  151.  Es  steht  nämlich  neben  der  Zeichnung  mit  rother  Dinte 
sorgfältig  eingetragen  die  Notiz: 

Antiquiteten  bei  dem  Hern  zu  Wissen. 

Wissen  ist  ein  bei  Weege  gelegenes  Schloss,  welches  schon  im 
16.  Jahrhundert  bei  Teschenmacher  mehrfach  genannt  wird,  als  im 
Besitze  der  Herren  v.  Loe  befindlich,  einer  hervorragenden  devischen 
Adelsfamilie,  deren  jetziges  Haupt,  der  Kgl.  Kammerherr  Graf  Max 
V.  Loe,  noch  gegenwärtig  dieses  Schloss  bewohnt.  Es  ist  von  Goch, 
dem  Geburtsorte  Turcks,  nur  1  Stunde  entfernt  und  stand  zu  dem- 
selben in  ganz  besonders  nahen  Beziehungen,  da  die  Herren  v.  Loe 
herzogliche  Praefecti  Gochenses  waren,  so  dass  Teschenmacher  ^)  einen 
Franciscus  a  Loe,  Dominus  in  Wissen  auch  geradezu  Gochensis  nennt. 
Es  konnte  daher  Turck  nicht  an  Gelegenheit  fehlen,  die  Wissenschen 
Steine  aufs  sorgfältigste  abzuzeichnen.  Dagegen  ist  es  sehr  leicht  mög- 
lich, dass  die  Umstände  für  die  Zeichnung  des  einzigen  in  Xanten 
aufbewahrten  Steines,  die  Turck  mittheilt,  weniger  günstig  waren. 

Nachdem  wir  so  zur  Beurtheilung  der  fides  der  Turckschen  Zeich- 
nungen einige  Anhaltspunkte  gewonnen,  folgen  wir  in  der  Betrachtung 
der  übrigen  Zeichnungen  der  Keihenfolge  der  Handschrift. 

Fol.  V,  Seite  1  findet  sich  oben  links,  wie  schon  erwähnt,  die 
Zeichnung  der  auf  dem  clever  Schloss  befindlichen  Amphora;  rechts 
daneben  der  Fuss  einer  Statue  mit  einem  Theile  des  Schildes  auf  einem 
Postament,  welches  folgende  Inschrift  trägt: 


^)  P.  342  d.  Fnmkf.  Ausg.  zum  Jahre  1562. 


238  Epigraphische  Mittheilangen  aus  Cleve. 

MARTI  •  SACRVM   C  •   IVL 


ANNAUS  '  CA     LEG    XXX  •  W 
P  •  F  •  IN  HONOREM    CIVIVM  - 
D  •  D  •    L   M   • 

Bei  Brambach  findet  sich  dieselbe  als  Nr.  19  der  inscr.  spuriae 
in  folgender  Stangefol  entlehnter  Form: 

marti  •  sacrum  •  c  •  iul  •  c  •  a  •  leg  |  XXX  •  V  •  V  •  p  *  f  • 
in  honorem  |  civium  d  •  d  •  1  •  m  • 

Er  bemerkt  dazu:  1—3  versus  aliter  exhibet  Gelenius.  1.  iul. 
annalis.  c.  fl  [an  h?]  leg  Gel. 

Ich  weiss  nicht,  was  den  scharfsinnigen  Herausgeber  der  Rhei- 
nischen Inschriften  bewogen  hat,  diese  Inschrift  unter  die  inscr.  spuriae 
zu  vei*setzen,  und  hoffe,  dass  die  zu  erwartende  berliner  Ausgabe  sie 
wieder  ehrlich  machen  wird. 

Zunächst  nämlich  scheint  es  mir  gänzlich  undenkbar,  dass  der 
von  Turck  so  genau  gezeichnete  Stein  nicht  wirkliche  existirte.  Zeich- 
nete er  in  den  zwei  controllirbaren  Fällen  gewissenhaft  nach  dem 
Original,  so  ist  auch  anzunehmen,  dass  er  es  in  diesem  ganz  gleich- 
artigen  nicht  mehr  controllirbaren  Falle  that.  Allerdings  gibt  Turck, 
wie  wir  später  sehen  werden,  auch  Inschriften,  deren  Original  er  of- 
fenbar nicht  kannte  (Fol.  VII,  Seite  2),  aber  hier  gibt  er  auch  aus- 
drücklich seine  Quelle  an  (Ex  chronica  Ger:  Juliacen  Secret:)  und 
liefert  nicht  ausgeführte  Zeichnungen,  sondern  einfache  Textabschriilen. 

Es  bliebe  also  nur  die  Annahme  übrig,  dass  der  Stein  zwar  wirk- 
lich existirte,  aber  nicht  römischen  Ursprungs,  sondern  in  betrüge- 
rischer Absicht  in  späterer  Zeit  angefertigt  war.  Ich  wüsste  aber 
nicht,  was  zu  dieser  Annahme  berechtigen  könnte,  da  ich  im  Text 
desselben  nichts  finde,  was  von  den  sonst  bekannten  Formen  römischer 
Weihinschriften  abwiche.  Nur  die  Formel  in  honorem  civium  weiss 
ich  nicht  zu  belegen,  da  indessen  in  honorem  mit  dem  Genitiv  eines 
Eigennamens  auch  sonst  vorkommt  (z.  B.  Orelli-Henzen  III  5705), 
so  sehe  ich  in  dieser  Widmung  dzu  Ehren  der  Mitbürgent  nichts  An- 
stössiges;  ein  weiteres  Analogen  bietet  ja  auch  der  bekannte  Clevener 
Mars- Cumulus- Altar  in  dem  0  •  C  •  S  (ob  cives  servatos).  Wie  sollte 
aber  ein  niederrheinischer  Falsarius  in  damaliger  Zeit  an  das  seltene 
G  '  A  (custos  armorum)  kommen,  das  nach  Brambach  ja  sonst  im 
Rheinland  sich  nur  noch  auf  drei  oder  vier  oberrheinischen  Steinen 
(1024,  1294  Mainz,  1762  Rossberg  (?)  1836  Weissenburg)  findet?    ~ 


\ 


Eptgrapbisobe  Mittbeilangen  aas  Cleve.  289 

'  Wir  halten  also  an  der  Echtheit  dieser  Inschrift  fest  und  glau- 
ben, dass  der  Stein  sich  zu  Turcks  Zeit  auf  dem  Clevener  Schloss 
befand,  wo  ja  nach  den  oben  citirten  unmittelbar  vorhergehenden 
Worten  Turcks  nicht  nur  die  Vrna^  sondern  auch  )>  andere  stucken 
fürhanden»  waren.  In  Bezug  auf  die  Lesung  der  Inschrift  wird  jeden- 
falls in  Zukunft  Turcks  Zeichnung  ausschliessliche  Grundlage  bilden 
müssen.  Stangefol  mit  seiner  falschen  Reihenabtheilung  und  seiner 
Auslassung '  des  Gognomens  Annalis  schöpfte  offenbar  aus  sehr  trüber 
Quelle  und  Gelens  Lesung  geht,  sei  es  direct,  sei  es  indirect,  auf  die 
Turcksche  Handschrift  zurück.  Die  eigenthümliche  Lesart  fl,  die  der- 
selbe in  Z.  2  hat,  erklärt  sich  einfach  daraus,  dass  das  A  in  Turcks 
Zeichnung  oben  sehr  breit  gerathen  ist  und  unten  rechts  einen  stark 
entwickelten  Fussansatz  hat,  so  dass  ein  oberflächlicher  und  vielleicht 
falsch  interpretirender  Abschreiber  darin  ein  nahe  aneindergerücktes 
FL  sehen  konnte. 

Unmittelbar  neben  dem  Reste  der  Figur  steht  eine  kleine  Zeich- 
nung eines  fragmentarischen  Kopfes  auf  einer  Platte;  vermuthlich  ist 
es  ein  auf  dem  Schilde  dargestelltes  Gorgoneion. 

Unter  der  Uma  in  der  Marsstatue  befindet  sich  auf  derselben 
Seite  noch  eine  sehr  sorgfältige  Zeichnung  des  Matronensteines  C.  I. 
R.  219.  Die  perspektivische  Darstellung  lässt  die  Fronte  und  die  linke 
Seitenfläche  vollständig  übersehen.  Auf  der  Vorderseite  sind  die  drei 
sitzenden  Matres  in  der  üblichen  Weise  dargestellt,  die  links  sitzende 
mit  zurückgeschlagenem,  die  beiden  anderen  mit  aufgerichtetem  Kragen 
des  langen  Gewandes.  Der  Stein  ist  an  der  rechten  oberen  Ecke  be- 
schädigt, so  dass  der  mittlem  Figur  der  Kopf  halb,  der  rechts  sitzen- 
den ganz  fehlt.  Die  Seitenfläche  lässt  eine  männliche  Figur  mit  einem 
Krug  und  darunter  eine  Amphora  mit  Blumen  erkennen.  Auch  zeigt 
die  Zeichnung  ganz  deutlich,  dass  die  linke  obere  Ecke,  jene  Figur 
der  Seitenfläche  und  fast  die  ganze  linke  Matrona  umfassend,  abge- 
sprengt und  wieder  aufgesetzt  war.  Die  Inschrift  steht  unter  den  Fi- 
guren der  Matres,  und  zwar  so,  dass  der  Anfang  MATRIBVS  auf 
einem  Inschrift  und  Figuren  trennend  vorspringenden  Gesimse  steht. 
Die  Inschrift  ist  folgende: 


■ 

..i 


240 


Epigraphiache  UiUbeilnngen  aas  Cleve. 


M      A 


Brambach : 
T      R      I      B 


V 


ANNANEPTIS 
Q  V  E  TTIVS  QVINTVS 
OFT  LEG  XXX  VVPFSA 
VSLM  MAXIMOET 
PATERNO      COSS 


Turck: 
MATRIBVS 


r' 

> 


r; 

r 


9^' 

Y''- 
& 


J'-T 


ANNA  NEPTIS- 
QVETI  VSQVINTVS- 
OPT  •  LEG  •  XXX  •  V  •  V  •  P  •  F  •  SA 
VSLM-  MAXIMO  ET 

PATERNo     COSS- 

t 
m 

Dieselbe  zeigt  voq  Brambach  folgende  Abweichungen : 

Z.  1.  MATKIBVS  nimmt  nicht  die  ganze  Breite  des  Steins,  son- 
dern nur  die  Mitte  desselben  ein. 

Z.  2.  Zwischen  dem  4.  und  5.  Buchstaben  ist  eine  bedeutende 
Lücke,  wie  sie  auch  Cuper  angibt.  Bei  der  grossen  Genauigkeit,  mit 
der  Turck  gerade  bei  diesem  Steine  auch  die  geringste  Beschädigung 
abgezeichnet  hat,  ist  jedenfalls  an  das  Fehlen  eines  Buchstaben  nicht 
zu  denken;  vermuthlich  ist  diese  auch  in  dqr  dritten  Zeile  (hier  frei- 
lieh  mit  Wortschluss)  wiederkehrende  Lücke  nur  durch  das  Streben 
nach  einer  symmetrischen  druppirung  der  Buchstaben  veranlasst  wor- 
den. Am  Schlüsse  der  Zeile  hat  T.  einen  Punkt. 

Z.  3.  Brambach:  VETTIVS,  Turck  VETIVS.  Mit  T.  stimmen 
auch  Crombach  und  Wiltheim  überein,  während  Gelen  und  Cuper  das 
T  verdoppeln.  Da  Gelens  Abweichungen  von  Turck  nur  auf  Schreib- 
fehlem beruhen,  so  bleibt  nur  Cuper  als  Zeuge  für  die  Verdoppelung 
stehen ;  ich  würde  hier  unbedingt  Turck  folgen,  da  mir  ein  so  aufifal- 
lender  Fehler  in  einer  mit  so  ausserordentlicher  Sorgfalt  gezeichneten 
Inschrift  undenkbar  scheint. 

Z.  4  stimmt  Turck  genau  mit  Brambach  überein;  von  einer 
Lücke  nach  SA,  wie  sie  Wiltheim  angibt,  kann  nicht  die  Kede  sein ; 


ImA^ — ->*- 


i 


Epigraphische  Mittheilangen  ans  Cle?e.  241 

auch  ist  ja  der  Text  durchaus  vollständig  und  verständlich,  da  SA 
offenbar  bedeutet:  Severianae  Alexandrianae,  genau  wie  auf  dem  ein 
Jahr  älteren  Steine  des  Tertinius  Vitalis  (Nr.  146),  während  auf  dem 
3  Jahre  älteren  des  Martins  Victor  (Nr.  202)  diese  Beinamen  der  30. 
Legion  fast  ganz  ausgeschrieben  sind.  Uebrigens  ist  das  S  bei  Turck 
sehr  in  die  Breite  gezogen,  so  dass  das  von  Cuper  angegebene  B  nicht 
gerade  sehr  fern  gelegen  zu  haben  scheint. 

Z.  5  hat  Turck  nach  VSLM  Punkte.  Obwohl  in  dieser  Hinsicht, 
wie  wir  sehen,  seine  Sorgfalt  nicht  gleichmässig  ist,  wird  man  doch 
auch  darin  ihm  folgen  müssen^  als  der  unbedingt  ältesten  und  besten 
Quelle  unter  den  für  diesen  Stein  vorliegenden. 

Schliesslich  ist  noch  zu  bemerken,  dass  auch  neben  diesem  Steine 
die  Bemerkung  steht:  Antiquiteten  bej  dem  Edlen  Hern  zu  Wissen, 
womit  Cuper  übereinstimmt,  dass  der  Stein  ex  arce  Wissens!  nach 
Cleve  gebracht  sei. 

Die  zweite  Seite  von  Fol.  V  ist  leer  geblieben.  Bei  genauer  Un- 
tersuchung entdeckt  man  indessen  auf  derselben  die  halb  verwischten 
Umrisse  eines  ersten  Entwurfes  zu  einer  Zeichnung  des  bekannten 
Cenotaphiums  des  M.  Caelius  Nr.  209.  Alle  wesentlichen  Theile  der 
Sculptureu  sind  erkennbar,  von  der  Inschrift  war  jedoch  noch  Nichts 
eingetragen.  Offenbar  bezieht  sich  der  Pluralis  »Antiquiteten«  bei  dem 
vorigen  Steine  auf  diesen  Stein  mit,  wie  denn  ja  auch  Dithmar  zu 
Teschenmacher  auf  Grund  einer  Marginalbemerkung  desselben  be- 
zeugt, dass  den  Stein  ehemals  Wesselus  L.  B.  de  Loe,  Dominus  in 
Wissen  besass. 

Demgemäss  werden  wir  auch  die  oben  rechts  auf  Fol.  VI  stehende 

Notiz  »Antiquiteten  bej  dem  Hern  zu  Wissen«  nicht  bloss  auf  den  zu- 

nächst,  obwohl  keineswegs    unmittelbar   daneben   stehenden  Stein  des 

Martins  Victor,  den  wir  oben  schon  behandelten,   zu  beziehen  haben, 

sondern  auch  auf  alle  folgenden  desselben  Blattes,  nämlich: 

C.  I.  R.  201 
Turck.  Brambach» 


M  A  T  R  1  B  VS 

M  A  T  R  1  B  VS 

BRITTIS- 

BRITTIS 

L  •  VAERIVS  • 

L  •  VALERIVS 

SIMPLEX  • 

SIMPLEX 

MIL  •  LEG      XXX 

MIL  •  LEG  •  XXX 

V  •  V  • 

V  •  V 

V  •  S  •  L  •  M 

VSLM 

16 


>». » 


242  EpigrephiBche  Mittheilungen  aus  Gleva. 

Es  finden  sich  hier  nur  folgende  Abweiehungen  von  Brambachs 
Recension,  die  aus  mehreren  sehr  erheblich  von  einander  abweichenden 
Quellen  erschlossen  ist. 

2?  2.  Der  kürzere  Name  BRITTIS  ist  eingerückt  und  hinter 
demselben  steht  ein  Punkt. 

Z.  3.  Brambach :  VALEBIVS  mit  der  Vermuthung,  dass  der 
Stein  eine  Ligatur  hatte:  VAiERIVS.  Er  hat  sich  dabei  nur  insofern 
geirrt,  als  nicht  A  und  L,  sondern  E  und  L  verbunden  waren:  £. 
Turck  sah  hier  offenbar  schärfer,  als  Cuper  und  andere,  die  VAERIVS 
lasen.  Am  Schlüsse  der  Zeile  hat  Turck  einen  Punkt,  ebenso  Z.  6 
nach  dem  zweiten  V,  dagegen  fehlt  die  von  Wiltheim  angegebene 
Linie  über  der  Zahl  XXX  bei  ihm.  Zu  der  in  einer  Quelle  angegebe- 
nen Ueberschrift :  I  *  0  *  M '  bietet  der  Stein  nach  Turcks  Zeichnung 
durchaus  keinen  Baum. 

C.  L  R.  1970. 
Turck:  Brambach: 

MATRIBVS  MATRIBVS 

FRISAVIS  PAIRNIS        TRISAVIS  •  PATER 

NIS 

Brambach  folgt  in  seiner  Recension  Wiltheim,  der  diese  und  die 
folgende  Inschrift  als  lecta  saxa  viro  doctissimo  Henrico  Turcio  be- 
zeichnet. Heinrich  Turck  ist,  wie  aus  den  früher  .angeführten  Zeug- 
nissen der  Sethe'schen  Handschrift  hervorgeht,  nicht  der  Chronist, 
sondern  der  Sohn  desselben,  Canonicus  in  Cranenburg,  der  Erbe  der, 
wie  WUT  sahen,  nicht  völlig  vollendeten  Handschrift  des  Vaters.  Es  ist 
daher  gewiss  anzunehmen,  dass  die  Sethesche  Handschrift  der  Arche- 
typus des  Wiltheimschen  Textes  ist  Dass  sie  von  diesem  in  Zeilenab- 
tbeilung  und  Punktation  abweicht,  wird  man  nicht  auffallend  finden, 
da  ja  jedenfalls  Zwischenglieder  anzunehmen  sind;  wohl  aber  kann 
auffiedlen  die  Differenz  im  Anfangsbuchstaben  der  matres;  WiUheim 
hat  wie  auch  Gelen  und  Aldenbrück,  von  denen  der  erstere  jedenfalls 
auf  Turck  zurückzuführen,  T,  Cuper  F.  Turck  hat  einen  Buch- 
staben, der  zunächst  den  Eindruck  einer  Ligatur  von  T  und  F  macht : 
"E.    Da  diese  undenkbar,  auch  bei  der  bedeutenden  Entwicklung,   die 

Turck  dem  untern  Strich  des  E  zu  geben  pflegt^  an  eine  Ligatur  von 
T  und  £  nicht  zu  denken,  so  wird  man  sich  für  F  oder  T  zu  ent- 
scheiden haben.  Ich  finde  es  sehr  begreiflich,  dass  diese  Entscheidung 
mehrfach  für  T  ausgefallen  ist,  muss  mich  aber  meinerseits  nach  ge- 


Epigraphische  Mittheilongen  aus  Gleve.  248 

nauem  Studium  der  Eigenthümltchkeiten  der  Turckschen  Schreibart 
für  F  entscheiden.  Turck  pflegt  bei  T  oben  links  kräftig  einzusetzen ; 
hier  jedoch  ist  das  keineswegs  der  Fall ;  vielmehr  ist  der  links  vom 
Hauptstrich  befindliche  Ansatz  durchaus  nicht  mehr  entwickelt,  als 
ihn  Turck  an  den  oberen  Ecken  von  I  E  F  B  P  B  M  auch  sonst  zu 
machen  pflegt  und  z.  B.  auch  bei  dem  gerade  darüber  stehenden  M 
gemacht  hat. 

,  Ich  halte  es  daher  für  keineswegs  unmöglich,  dass  auch  Cuper 
mit  seiner  Lesart  F  schliesslich  auf  Turck  zurückzuführen  ist  und 
dass  uns  in  der  Setheschen  Handschrift  der  Archetypus  der  ge- 
sammten  Tradition  über  diesen  Stein  vorliegt. 

Der  einfach  omamentirte  Kopf  des  Steines  war  nach  Turck  Wohl- 
erhalten, dagegen  nach  der  2.  Zeile  ein  Bruch  eingetreten,  durch  den 
der  weitere  Verlauf  der  Inschrift  verloren  gegangen  war.  Wenn  sich 
bei  Gelen  die  Angabe  findet,  dass  dieser  Stein  bei  Cöln  gefunden,  so 
ist  darauf  gewiss  kein  Ge.wicht  zu  legen,  da  sonst  nur  Xanten  als 
Fandort  der  Wissenschen  Steine  nachweisbar  ist 

C.  I.  R.  1969. 

Turck. 

MATRIBVS  ARSACIS  PA 
TERNISSIVE  MATERNIS 
M  •  AVR  •  LV  •  VERONIVS  VE 
RVS  •  PE  •  PRiEFECT  •  I  •  PRO  SE 
ET  •  SVIS  •  V  •  S  •  L  M  • 

Brambach. 

MATRIBVS  •  ARSACIS 
PATERNIS  •  SIVE  •  MATERNIS 
M  •  AVRELIVS  •  VERONIVS  •  VE 

RVS  •  PE  •  PRAEFECTI  •  PRO 

SE  •  ET  •  SVIS- VS-LM 

Brambach  folgt  auch  hier  Wiltheim,  der  aus  derselben  Quelle 
schöpfte,  wie  bei  der  vorigen  Inschrift,  d.  h.  eine  die  Zeilenabtheilung 
und  Ligaturen  ignorirende  Gopie  der  Setheschen  Handschrift  benutzte. 
Die  Lesart  AYRELIVS  (Z.  3)  muss  daher  nothwendig  als  Conjektur 
angesehen  werden,  und  zwar  als  eine  nicht  unbedingt  sichere,  da  in 
dem  überlieferten  LV  auch  eine  Tribusangabe  stecken  könnte. 


L 


244  Kpigraphische  Hitthtilangn 

Bemerkenswerth   ist    noch,  dass  C 
Ziehung  mit  Turck  übereinstimmt,  der 
ffohl  a]s  alleiniger  Urheber  der  ganzen  ' 
Der  Stein  war  mit  den  gewöfanlicli 
schmflckt,  doch  waren,  wie  die  Zeicfanan 
ches  nur  die  Füsse  derselben  erhalten. 
C.  I.  R.  Inser.  sp« 
Turck: 
I  ■  OM?C3SlC 
HVIVS  ■  Q  •  C^ 
VS ■   SECVNE 

Der  Stein  ist  oben  mit  einem  einfi 
unterhalb  der  3.  Zeile  abgebrochen.  Gi 
fast  genau  mit  Turck  flberein,  insbesond 
die  von  Turck  gezeichneten  drei  Zeilen 
auf  den  Bericht  eines  Lambert  van  der 
tion  noch  vier  weitere  Zeilen: 

leg  '  c  '  sereni  |  procos  '  galliae  | 
Henzen,  der  nur  in  dieser  Gestalt  ( 
Orelli  186  (III.  p.  28)  von  derselben :  s] 
Die  epigraphiscben  und  historischen  GrU 
hauptuDg  anführt,  beziehen  sich  sämmtlii 
Dieselben  erweisen  diese  als  Interp 
aus  nicht  die  Aechtheit  der  drei  ersten  ^ 
Eine  künftige  Sammlung  wird  daher  die 
unter  die  ächten  aufnehmen  müssen. 

Da  die  von  Lipsius  benutzte  Quelle 
lautere  und  unzuverlässige  war,  so  ist  jt 
der  Stein  e  ruinis  castri  antiqni  Qual 
wicht  zu  legen. 

C.  I.  K.  196£ 
Turck: 
CN  •  GARANT  Cl 
IVS  ■  CNE  •  VOL  IVi 
NEA^A  ■  MIL  •  LEG  NE 
XXI  •  STIPEN  XV  X> 
ANN  •  XXXV 


t . 


Epig^raphische  MittheiluDgen  aus  Cleve.  245 

Brambach  gibt  diese  Inschrift  auf  Grund  einer  Abschrift  Croni- 
bachs,  die  mitTurck  genau  übereinstimmt,  abgesehen  von  zwei  Stellen  : 

1)  Z.  2  hat  Crombach  die  Lesart  IVS  CN  •  F.  Ohne  Zweifel 
ist  diese  in  Bezug  auf  den  6.  Buchstaben  richtiger,  als  die  Turcks 
(und  Gelens) ;  indessen  ist  Turcks  Vereehen  sehr  leicht  erklärbar,  da 
Crombach  den  3.  bis  6.  Buchstaben  punktirt,  vermuthlich  also  der 
Stein  an  dieser  Stelle  beschädigt  war.  Was  den  Punkt  nach  IVS  be- 
trifft, so  spricht  die  Analogie  für  Turck. 

2)  Crombach  hat  den  Punkt  nach  NEMA  nicht;  auch  hier  wird 
man  Turck  zu  folgen  geneigt  sein. 

C.  I.  B.  218. 
Turck. 
HAVE  CALVENTI  •  CALV 
ENTIVS  TE  RESALVTAT  • 
C     CALVENTIVS  OMVI  • 
I   FIL  •  OVE  •  MED  •  HICSITVS 

EST  •  AN  •  XLIIX  MIL  •  LEG  •  V 
IP  •  XXIIX  •  ET  CONIVCI  ET  ■ 
•  3  FRATER  PRO  PIETATE 
COJSQVALES  MORS  H^C- 
APTA  EST- VIT  •  FELCES   QILI 
AR  •  PATRIA  •  DVLCIS  • 
ESE  •  SVA  • 

Crombach. 
HAVE    CALVENTI   CALV 
ENTIVS  TE  RESALVTAT 
C  •  CA  LV ENTIVS  OMVI 
IFIL     OVF  •  MED    HICSITVS 

EST   ANN   XLIIX  MIL- LEG  V 
STIP  ■  XXIIX  ET  CONIVGI  ET 
FllJO  FRATER  PRO  PIETATE 
COAEQVALES  MORS  HAEC 
SAPTAEST  VITFELCES   QIFL 
PATRIA  DVLCIS 
SE  SE  SVA 


..^..-Zi 


I 

I  V 

I 
! 

I 


>' 


r 


i 

1»  - 


246  EpigpraphiBohe  Mittheilangen  aus  Giere. 

Der  Kopf  dieses  von  Brambach  im  Rhein.  Museum  XX  p.  615 
zuerst  nach  Crombach  cdirten  Steines  zeigt  ein  Giebeldreieck  mit  zwei 
Nebendreiecken,  die  mit  Ornamenten  ausgefüllt  sind.  Die  Differenzen 
beider  offenbar  ganz  von  einander  unabhängiger  Traditionen  sind 
folgende : 

Z.  1  und  2  stimmen  abgesehen  von  zwei  Punkten  genau  über- 
ein; Z.  3  hat  Turck  wie  Crombach  das  unverständliche  OMVI///, 
welches  Brambach  wohl  richtig  in  Romuli  verbessert  hat.  Z.  4  ist 
OVE  fttr  OVF  ein  leichter  Lesefehler  Turcks,  dem  jedenfalls  die  Be- 
deutung des  Wortes  unklar  war.  Z.  5  hat  Turck  AN,  Crombach  ANN, 
wobei  die  Zählung  der  Buchstaben  für  letztere  spricht. 

Ausserdem  hat  Turck  in  der  Zahlenangabe  h  statt  L,  indem  er 
wohl  eine  zufallige  Verletzung  des  Steines  für  einen  Apex  ansah.  In 
Bezug  auf  Z.  7  und  8  bestätigt  Turcks  Zeichnung  die  Vermuthung 
Brambachs,  dass  die  punktirten  Buchstaben  bei  Crombach  auf  Con- 
jektur  beruhen;  die  Lesart  stimmt  in  diesen  Zeilen  wie  auch  in  der 
dritten  bis  auf  einige  Punkte  und  zwei  Ligaturen  (T.  in  coaequales 
und  haec  (Mj  C.  AE)  genau  überein.  Z.  9  hat  Crombach  an  der 
Bruchstelle  noch  ein  S  mehr;  da  dasselbe  bei  Turck  fehlt,  so  ist  es 
jeden&lls  als  unsicher  zu  betrachten.  Nach  FEL  hat  Turck  den  von 
Crombach  fälschlich  angegebenen  Punkt  nichts  vermuthlich  war  das  I 
durch  Ligatur  mit  dem  L  verbunden  (L).  Der  eigenthümliche  Schluss 
der  Zeile,  welche  bis  auf  den  Rand  des  Steines  sich  hinzieht,  stimmt 
wenigstens  nahezu  in  beiden  Quellen  überein,  da  Turck  Q I* L I*  und 
Crombach  Q'I'F'L  darbietet.  Brambachs  Conjektur  Quibus  wird 
also  durch  Turck  nicht  bestätigt;  es  wird  überhaupt  schwerlich  ge- 
lingen  den  Sinn  dieser  letzten  offenbar  sehr  verstümmelten  Zeilen  zu 
errathen,  wenn  nicht  etwa  Denkmäler  von  ähnlicher  Form  angeführt 
werden  können.  Z.  10  hat  Turck  vor  PATRIA  die  Buchstaben  AR, 
die  ich  für  ebenso  unsicher  halte,  wie  das  S  Crombachs  in  Z.9.  Z.  11 
hat  wiederum  Crombach  ein  S  in  der  Bruchstelle  mehr. 

Die  wesentlichste  Verschiedenheit  beider  Quellen  liegt  also  darin, 
dass  an  der  Bruchstelle  bald  die  eine,  bald  die  andere  einen  oder 
zwei  Buchstaben  mehr  bieten  zu  können  glaubt 

Es  liegt  unter  diesen  Umständen  nahe,  an  eine  fortschreitende 
Beschädigung  dieser  Stelle  zu  denken.  Crombachs  Recension  beruht 
auf  einer  ihm  aus  Xanten,  wo  1623  der  Stein  gefunden,  zugesandten 
Copie,  während  Turck  denselben  später  in  Wissen  gesehen  haben  wird. 
Die  Grombachsche  Quelle  ist  daher  als  die  ältere  anzusehen ;  da  in- 


B^r 


Epigraphiflohe  Mxitheilangen  aas  Gleve.  247 

dessen  an  einer  Stelle  auch  Turck  ein  wesentliches  Plus  darbietet,  so 
scheint  es  näher  zu  liegen,  die  Differenzen  auf  die  Beschaffenheit  des 
Steines,  der  ja  in  der  Nähe  des  Bruches  sehr  leicht  auch  auf  der 
Schriftflache  beschädigt  sein  konnte,  als  auf  den  geringen  Zeitunter- 
schied der  beiden  Quellen  zurückzufahren. 

Da,  wie  bemerkt,  dieser  Stein  erst  1623  gefunden,  sO  ergibt  sieb, 
dass  der  die  Inschriften  enthaltende  Theil  des  Mscr.  erst  nach  1623 
verfasst  sein  kann,  alsg  zwischen  1623  und  1633,  da  wir  in  diesem 
Jahre  bereits  die  Handschrift  in  fremde  Hände  übergegangen  sahen. 

1968. 
Turck: 

IVLFLI 

CIO 
PRO      SE- 
T  SViS  •  V  •  S  • 

Bis  jetzt  war  diese  Inschrift  nur  bekannt  durch  folgende  Cursiv- 
abschrift  Gelens: 

lulio  Flicio 

pro  se 
T  suis  •  VI   S 

Auch  diese  wird,  wie  die  sonstigen  Abschriften  Gelens,  auf  Turck 
zurückgehen,  ist  aber  in  willkürlicher  und  nachlässiger  Weise  ergänzt 
und  verändert. 

Was  die  Turcksche  Abschrift  betrifft,  so  zeigt  sie  uns  zunächst, 
dass  der  Kopf  des  Steines  abgebrochen  war;  vermuthlich  zeigte  der- 
selbe den  Namen  einer  Gottheit.  Ebenso  ist  noch  von  der  ersten  Zeile 
ein  Theil  weggefallen,  wodurch  das  Praenomen  des  Weihenden  ver- 
loren gegangen  sein  wird.  Das  Nomen  IVL  ist  nicht  ausgeschrieben; 
man  muss  jedenfalls  IVLIYS  (nicht  mit  Gelen  IVLioj  ergänzen.  Das 
Cognomen  ist  ohne  Zweifel  FELIGIO,  welches  auch  C.  I.  R.  916  vor- 
kommt. Vielleicht  war  das  E  ähnlich  wie  Z.  4  mit  dem  T  hier  mit 
dem  L  legirt:  3L  und  der  Punkt,  den  Turck  nach  F  hat,  wäre  dann 
ein  Rest  eines  Apex  des  E.  Zu  bemerken  ist  noch,  dass  das  I  in  SVIS 
nach  Turcks  Zeichnung  entschieden  als  i  longa  zu  ef kennen  ist. 

Neben  dieser  Inschrift  befindet  sich  die  Zeichnung  von  C.  I.  R. 
212  und  in  der  Mitte  unter  Beiden  folgender  mit  einfachen  Ornamen- 
ten geschmückter  Kopf  eines  Votivsteins : 


I 


1*' 

r 


248  Epigraphische  MittheiluDgen  aus  Cleve. 

FATIS 

A 

Dieses  Fragment  ist  bis  jetzt  nicht  bekannt  gewesen;  verinuth- 
lieh  hatte  Gelen  resp.  seine  Quelle  dasselbe  des  geringen  Umfangs 
wegen  übergangen.  Eine  Widmung  an  die  Fata  ist  sonst  nicht  selten 
(cf.  Orelli-Henzen  1771—76,  5788,  5789),  kommt  indessen  in  den 
Rheinlanden  nur  noch  einmal  vor  auf  einem  Kölner  Steine,  der  merk- 
würdiger  Weise  ebenfalls  nur  noch  das  Wort  FATIS  enthält.  C.  I. 
Rh.  322.  Man  könnte  daher  an  eine  Identität  beider  Fragmente  den- 
ken; indessen  gibtCrombach  ausdrücklich  an,  dass  er  dieses  im  Jahre 
1643  ausgegrabene  Fragment  in  St.  Ursula  in  Cöln  gefunden  habe; 
daher  scheint  mir  mit  Rücksicht  auf  eine  so  bestimmte  Angabe  eine 
Identificirung  doch  nicht  möglich  zu  sein.  Dagegen  liegt  sehr  nahe 
die  Vermuthnng,  dass  das  Turcksche  Fragment  den  Kopf  der  Weih- 
inschrift des  Julius  Felicio  bildete. 

Die  Form  des  Bruches  an  beiden  Steinen  ist  derart,  dass  eine 
Zusammenfügung  durchaus  nicht  unmöglich  scheint;  insbesondere  hat 
dieses  Fragment  unten  links  einen  Vorsprung  mit  einem  schwach  an- 
gedeuteten Rest  eines  Buchstabens  (und  zwar  vermuthlich  eines  M), 
der  sehr  wohl  in  der  Lücke,  die  der  andere  Stein  oben  links  hat, 
passen  würde.  Die  Breite  der  beiden  Steine  stimmt  in  den  Zeichnungen 
wenigstens  annäherjid  überein:  sie  beträgt  bei  dem  grösseren  Frag- 
ment 3,7  Centimeter,  bei  dem  kleineren  3,3.  Wir  würden  somit  fol- 
gende vollständige  Inschrift  erhalten: 

FATIS 
AAIVL     FeLI 

CIO 
PRO         SE 
T  SVIS    VS- 


212. 


Brambach. 

MARTI 
SACR  V  M 

VLP 
ATIDENVS 
RATORI      FC 


Turck. 

MARTI 
S  ACRVM 
VLP 
ATIDENVS 


Epigraphiflche  MittheUuDgen  aaft  Cleve.  249 

Die  Lesang  Brambacbs  beruht  auf  Crombach,  der  seinerseits  eine 
Abschrift  von  Xanten  her  erhalten  i  zu  haben  angibt,  wo  der  Stein 
gefunden  sei. 

Z.  3  hat  Turck  nach  V  und  L  Punkte,  jedenfalls  mit  Unrecht. 

Z.  4  ist  nach  der  Turckschen  Zeichnung  anzunehmen,  dass  1—2 
Bachstaben  im  Anfang  der  Zeile  weggefallen  sind.  Vermuthlich  ist 
daher  ATIDENVS  nur  ein  Theil  des  Cognomens. 

Z.  5  fehlt  bei  Turck.  Da  ein  gänzlich  willkürlicher  Zusatz  Seitens 
der  Xantener  Quelle  nicht  wahrscheinlich  ist,  so  vermuthe  ich,  dass  die 
Beschädigung  des  Steines,  als  Turck  ihn  in  Wissen  sah,  weiter  fort- 
geschritten war,  so  dass  diese  Zeile  nicht  mehr  vorhanden  oder  we- 
nigstens nicht  mehr  lesbar  war.  War  aber  Z.  4  im  Anfang  verstüm- 
melt, so  musste  es  nothwendig  auch  diese  Zeile  sein.  Es  könnte  also 
z.  B.  etwa  STRATOR  ursprüngliche  Lesart  sein,  in  welchem  Falle  in 
den  drei  letzten  Buchstaben  mit  Voraussetzung  einer  Verstümmelung 
auL  unteren  Theile  LEG  (d.  h.  Legati)  gefunden  werden  könnte.  Eine 
solche  Deutung  würde  jedenfalls  viel  näher  liegen  als  die  Annahme 
eines  C!ognomens  Batorus  (Brambach  p.  378). 

Auf  Fol.  VII  a  folgt  sodann  die  oben  behandelte  Inschrift  C.  I. 
Rh.  151. 


Im  Ganzen  bietet  uns  also  Turck  Zeichnungen  von  13  Steinen,  von 
denen  nur  zwei  sich  erhalten  haben.  Elf  dieser  Steine  sowie  das  Ke- 
notaphion  des  Legaten  M.  Caelius,  dessen  Zeichnung  er  nicht  mehr 
vollendete,  sah  er  auf  dem  Schlosse  Wissen.  War  bisher  nur  von  zwei 
Steinen  (209  und  219)  bekannt,  dass  sie  eine  Zeit  lang  in  Wissen  ge- 
wesen, so  erfahren  wir  nunmehr,  dass  dort  um  1630  eine  Sammlung 
von  mindestens  12  Inschriftsteinen  bestand,  dass  also  die  Sammlung  des 
Prinzen  Moritz  von  Nassau  keineswegs  die  erste  in  dortiger  Gegend 
war.  Die  weiteren  Schicksale  dieser  Sammlung  sind  leider  gänzlich 
unbekannt;  drei  der  ansehnlichsten  Denkmäler  derselben  (202,  219, 
209)  kamen  schon  im  Laufe  des  17.  Jahrhunderts  nach  Cleve,  viel- 
leicht als  Geschenk  des  Freiherrn  Wessel  von  Loe  an  den  grossen 
Churfürsten,  was  wenigstens  in  Bezug  auf  den  Gaeliusstein  (209)  be- 
zeugt ist.  Von  keinem  der  neun  übrigen  Steine  ist  ein  späterer  Auf- 
bewahrungsort nachzuweisen;   alle   bisher  bekannt  gewordenen  Ab- 


■  ^ 


260  Epigraphisobe  Mitiheilangen  ans  Giere. 

Schriften  derselben  gehen  allem  Anscheine  nach  entweder  auf  schedae 
zurack,  die  aus  der  Zeit  vor  Ueberfdhrung  der  Steine  nach  Wissen 
stammen,  oder  auf  den  Turckschen  Codex. 

Es  lag  daher  sehr  nahe,  weitere  Nachforschungen  über  Herkunft 
und  Verbleib  dieser  Steine,  wie  aber  die  Wissensche  Sammlung  über- 
haupt auf  dem  Schlosse  Wissen  selbst  anzustellen;  der  Kgl.  Kammer- 
herr Max  YonLoe  hatte  mir  bereitwilligst  seine  Mitwirkung  zu  diesem 
Zwecke  zugesagt,  indessen  ist  mir  durch  meine  sehr  bald  nachher 
eingetretene  Versetzung  in  eine  andere  Provinz  eine  weitere  Verfolgung 
dieser  lokalen  Forschungen  leider  unmöglich  geworden. 


Wie  schon  oben  erwähnt  worden,  beschränkt  sich  Turck  nicht  auf 
Mittheilung  von  Abzeichnungen  der  ihm  zugänglichen  Steine  der  Clever 
Gegend,  sondern  auf  Fol.  VII  b  theilt  er  auch  folgende  fdnf  Inschriften 
»Ex  Chronica  Ger:  Juljacen  Secret:  De  rebus  Juljacensjum«  mit: 

1.  (Bramb.  602.) 

M  •  ANTONIO  VICTORI 
FRONAMINIA  •  VXSOR  •  MOR  • 
SIBI  •  ET  MARITO  DE  SVO  POSVIT 

2.  (Bramb.  595.) 

C  •  F  L  A  V  I  O 
C  A  P  I  T  O  NS 
F  •  CONSTANT  • 

3.  (Bramb.  596.) 

DM- 
C  •  VESPASIANO 
VITALI 
AAACRINIA  •  AV  • 
VACAF.C- 


»♦ 


e 


Epigraphisohe  IfitUMilnngen  «u  CUve.  2(1 

4.  (Bramb.  588.) 

L  •  CASSIVS 

VERECVNDVS 
SIBI  ETLABITINIANAE 
MARTINE  VXORI  VIVOS 
FECIT  • 

5.  (Bramb.  601.) 

AAATRONIS  RVA^NEHABVS 

SACR  • 
L  ♦  VITELLIVS  CONSORS 
EX  POL  •  LEG  •  VI  •  VICTR  • 

Da  bereits  vier  Abschriften  dieser  JiUichschen  Chronik  resp.  ihrer 
Inschriften  durch  Bücheler  und  Brambach  bekannt  geworden  sind, 
bietet  dieses  fünfte  ziemlich  nachlässig  angefertigte  and  unvollständige 
Apographon  allerdings  kein  besonderes  Interesse  dar. 

Dagegen  liefert  uns  der  Schluss  der  Turckschen  Vorgeschichte 
noch  einen  interessanten  Beitrag  zur  lateinischen  Epigraphik.  Es  heisst 
nämlich  dort: 

Inscriptio  lapidis  sive  Saxj  antiquj,  quae  infra  Altare  in  Ecclesja 
de  Ryneren  habetur. 


•  •  • 


/WAR  •  IICAAAVLO  SACRVM  PRO  SALVTE 
CLAVDI  CiESARIS  VC'  CER/WANIdlMP  •  •  • 
VE •  S •  REMIQVI •  TEMPLVM  CONSTITVTVM  • 

Diese  Abschrift  des  bekanntlich  jetzt  auf  dem  Schlosse  zu  Gleve 
aufgestellten  Altars  ist  nämlich  dadurch  merkwürdig,  dass  nach  pro 
salute  nicht  das  Wort  TIBERII  folgt,  sondern  statt  dessen  eine  Lücke 
angedeutet  ist.  Hierdurch  erhält  die  von  Aschbach  und  Brambach  ge- 
billigte Yermuthung  Schneiders  (Jahrlf.  XVIII  p.  136),  dass  dieses 
Wort  interpolirt  sei,  eine  urkundliche  Bestätigung.  Und  zwar  ergibt 
sich  nunmehr  mit  Bestimmtheit,  dass  diese  Interpolation  nicht  aus  alter 
Zeit  herstammt,  sondern  erst  nach  Turcks  Zeit  ausgeführt  ist.  Offenbar 
ist  gleichzeitig,  wie  Brambach  richtig  vermuthet,  der  ganze  Stein 
restaurirt  forden,  und  erklären  sich  so  die  bedeutenden  sonstigen  Ab- 
weichungen Turcks   von   den  so  leicht  erkennbaren  jetzigen  Schrift- 


252 


Epigraphiflche  Mittheilungen  aus  Gleve. 


V  « 


Zügen  des  Steines.  Uebrigens  scheint  der  unbekannte  Restaurator,  ab- 
gesehen von  jenem  Tiberii,  überall  das  Richtige  getroffen  zu  haben. 

Wenn  wir  demnach  auf  Grund  des  Turckschen  Mscr.  die  Re- 
stauration des  Steines  für  eine  nach  1623—33  erfolgte  erklären  zu 
müssen  glauben,  so  ist  von  besonderm  Interesse  die  Frage,  welche 
Lesarten  denn  die  einzige  existirende  ältere  Quelle,  nämlich  das  Mscr. 
des  Martin  Smetius  auf  der  Leidener  Bibliothek  vom  Jahre  1588  dai- 
bietet.  Da  Brambachs  Notiz :  M.  Smetius  non  integram  descriptam  ac- 
cepit  hierüber  keine  Auskunft  gibt,  so  bat  ich  den  auswärtigen  Sekre- 
tär unseres  Vereins,  Herrn  Conservator  W.  Pleyte  in  Leiden  um  eine 
genaue  Abschrift  der  betreffenden  Stelle  des  Mscr.  Derselbe  erfüllte 
meine  Bitte  mit  der  grössten  Bereitwilligkeit  und  sandte  mir  fol- 
gende Gopie: 

MARTI    •    CAMVLO 
OB  •   SALVTEA/V  •  TIBERI 

CLAVOI  •  CAES  •  CIVeV  •  REMI 
TEMPLVM  •  CONSTITVE 

RVNT 

Diese  sehr  nachlässige  und  lückenhafte  Abschrift  des  Steines 
enthält  also  allerdings  schon  das  Wort  TIBERI,  und  zwar  mit  der 
richtigen  Genetivendung,  aber  mit  Punkten  bezeichnet,  die  vermuth- 
lich  bedeuten  sollen,  dass  das  Wort  Conjektur  ist. 

Somit  widerspricht  das  Mscr.  Smet  der  von  uns  aus  der  Turck- 
schen Abschrift  gezogenen  Folgerung  keineswegs. 

Jedenfalls  wird  die  Restauration  des  Steines  sehr  bald  nach  Turck 
vorgenommen  sein,  da  alle  späteren  Abschriften,  so  weit  sie  mir  be- 
kannt geworden,  die  jetzige  Beschaffenheit  desselben  voraussetzen  lassen. 


V" 


...» 


Somit  erweist  sich  die  Sethe'sche  Handschrift  in  verschiedener 
Hinsicht  als  eine  für  die  lateinische  Epigraphik  sehr  wichtige  Urkunde ; 
bietet  sie  auch  wenig  absolut  Neues  dar,  so  liefert  sie  doch  unzweifel- 
haft für  die  Kritik  einer  Reihe  niederrheinischer  Inschriften  ein  ganz 
neues  Fundament.  Hoffentlich  wird  auch  die  sonstige  Bedeutung  der 
Handschrift  bald  von  anderer  Seite  einer  eingehenden  Untersuchung 
unterworfen  werden. 


Sangershausen. 


Albert  Fulda. 


k. 


10.    Zur  Staurologie. 

Die  Sitte  auf  Märkten  und  an  Wegscheiden  monumentale  Kreuze 
zu  errichten,  lässt  sich  zwar  bis  ins  christliche  Alterthum  zurückfüh- 
ren*); aus  leicht  erklärlichen  Gründen  indess  sind  dergleichen  unter 
freiem  Himmel  errichtete  Kreuze  aus  älterer,  romanischer  Zeit  nur 
sehr  selten  bis  in  ujpsere  Tage  erhalten  geblieben,  und  diesseits  der 
Alpen  ist  vielleicht  das  Kreuz  auf  dem  alten  Markte  in  Trier  *)  sogar 
der  einzige  Repräsentant  dieser  ganzen  Gattung.  Dass  es  sich  in  der 
That  um  eine  besondere,  einen  eigenthümlichen  Typus  befolgende 
Gattung  handelt,  erhellt  aus  der  Vergleichung  mit  anderen  italieni- 
schen Beispielen,  deren  wir  zu  Bologna  eine  ganze  Reihe  näher 
kennen  lernen  aus  einer  mit  guten  Abbildungen  ausgestatteten,  zwar 
nicht  mehr  neuen,  aber  in  Deutschland  anscheinend  kaum  bekannt 
gewordenen  Abhandlung  des  Grafen  Giov.  Gozzadini^).  Es  befanden 
sich  in  früherer  Zeit  und  zum  Theil  noch  bis  zum  Ende  des  vorigen 
Jahrh.  viele  Steinkreuze  auf  den  Strassen  von  Bologna ;  sie  sind  seit- 
dem zu  Grunde  gegangen,  mehrere  wurden  jedoch  schon  frühzeitig  in 
Kirchen  übertragen,  weil  man  der  (übrigens  nicht  zu  begründenden) 
Tradition  zufolge  ihre  ursprüngliche  Errichtung   an  den  Thoren  der 


')  Pelliccia,  A.  A.,  de  christ.  ecclesiae  politia;  ed.  Bitter  1,  340.  — 
Rheinwald,  F.  H.,  Kirchl.  Archäologie  S.  407. 

>)  Abbild,  bei  £.  aus'm  Weerth,  Eunstdenkm.  I.  Taf.  LYI.  6  zu  8,  83. 
Vergl.  Kugler,  Kl.  Sehr.  2,  185.  —  Anch  in  Frankreich  ist  nur  ein  einziges 
£xemplar  bekannt :  das  Wegekreuz  von  Grisy  (Calvados),  abgebild.  bei  d  e 
Caumont,  Abecedaire  (4.  Aufl.)  1,  277. 

*)  Delle  croci  monumental!,  ch^erano  nelle  vie  de  Bologna  nel  secolo  XIII 
memoria  del  Conte  Giov.  Gozzadini.  Bologna  1863.  —  43  S.  4.  (Sonder- Ab- 
druck aus  den  Atti  della  Deputazione  di  Storia  Patria  per  le  provincie  di  Bo- 
magna.  —  Anno  II.) 


354  Zar  Staarologie. 

alten  ßoDonia  mit  der  Einfahning  des  ChriBtenthums  daselbst  in  Ver- 
bindung zn  setzen  gewohnt  war.  Die  Form  derselben  entspricht  im 
Wesentlichen  völlig  dem  Trierer  Marktkreuze:  es  sind  Säolen,  deren 
Schaft  mit  einem  Terhältnissmässig  kleinen  Ereaze  gekrönt  ist  Wenn 
die  Höhe  des  Trierer  Denkmals  anf  nngefäbr  lin,39  angegeben  wird, 
so  durfte  das  Krenz  selbst  etwa  dieselbe  Höhe  haben,  wie  die  Bolo- 
gneser Krenze,  deren  gröastes  l<n>02  hoch  ist.  Mehrere  der  letzteren 
sind  wie  das  Triersche  inschriftlich  datirt,  und  obgleich  danach  keines 
dieser  Denkmäler  bis  in  die  altchristliche  Periode  hinaufreicht,  so 
scheinen  sie  doch  dem  Typus  jener  ar^Xai  hiivixuti  *)  zu  entsprechen, 
welche  nach  Easebius  (de  landibns  Constanüni  c  9)  Gonstantin  der 
Gr.  ananaXav  ytjg  errichtet  hatte.  Während  die  Säxüe  in  Trier  auf 
dem  antiken  Granitschafte  einen  trichterförmigen  Kalksteinkranz  trägt, 
welcher  mit  eingemeisselter  romanischen  Palmettenverzierung  versehen 
und  mit  dem  Kreuze  selbst  aus  einem  Stocke  gehauen  ist,  steht  bei 
den  italienischen  Exemplaren  das  Kreuz  meist  nur  mittelst  einer  un- 
tergelegten achlichten  Kondplatte  auf  dem  Säulenschafte,  welcher  letz- 
tere in  mehreren  Fällen  ein  gestutztes  antik  römisch-korinthisches 
Capital  zur  Basis  hat,  wodurch  nach  sehr  wahrscheinlicher  An- 
nahme des  Grafen  Oozzadini  der  Sieg  des  Christenthums  über  das 
Heidenthum  bezeichnet  sein  soll.  Das  Material  ist  theils  Marmor  ver- 
schiedener Art,  theils  nur  Sandstein  (macigoo)  oder  Kalkstein.  Die 
Form  der  Kreuze  selbst  nähert  üch  mehr  oder  weniger  der  sogen, 
griechischen,  die  freien  Enden  der  Arme  verbreitem  sich  zuweilen 
krttcken-  oder  tatzenartig,  nirgend  aber  erscheint  eine  so  elegante 
Bildung  wie  an  dem  Kreuze  in  Trier,  welches,  aus  dem  Quadrate 
durch  Hohlkehlen  ausgeschnitten,  etwa  spätromanischem  Geschmacke 
entsprechen  dtlrfte. 

Mit  alleiniger  Ausnahme  eines  schlichten  Tatzenkreuzes,  welches 
urspranglich  in  der  Nähe  der  ehemaligen  Kirche  S.  Ambrogio  zu  Bo- 
loga&  zur  Bezeichnung  des  Ortes  errichtet  war,  wo  man  gegen  Ende 


■)  Felliacift  L  o.  übersetzt  pkraphrutitob :  ColumnBlUe  trinmphslM, 
craoe  inaigniUe ;  Zimm  e  rmanu  (Easeb.  hiit.  ecol  gr.  et  kt.)  dagegen:  Arcaa 
trinmpbalsa  (?).  Dia  SteUe  lautet  vollständig:  Toüi^  tö  nävtiav  ayaAtiv  Tliof, 
oittifti  XS^°<  ßaailtii  änodidovt,  nnowo;foC  y^r  OTijiaf  tntnxlot/s  ISgüno,  nlovaUf 
xnl  ßaaiXti^  X"C^  ^^^^  "^  Ttft/vri  Irgä  it  TT^atuxi^n  awlaiaaSta  tmi  näai 
Jutxiitvö/ttvo!.  Danach  ist  ea  freilich  möglieb,  dats  unter  den  oj^^bs  tmvixiovs 
lediglich  die  viüs  xal  icfi^  tu  7eratehen  sind,  und  man  „monnmenta  trinm- 
phalia"  ta  ObersetSen  hat. 


Zur  Staorologie.  256 

des  K.  Jahrh.  die  Gebeine  des  h.  Proculus  aofgefunden  hatte,  sind 
sämmtliche  Exemplare  entweder  symbolisch  oder  historisch  (d.  h.  als 
Gmcifixe)  decorirt,  und  bei  dem  ikonographischen  Interesse  dieser 
freilich  mehr  oder  weniger  rohen  Darstellungen,  gestatten  wir  uns  eine 
kurze  Uebersicht  der  einzelnen  Denkmäler. 

1.  In  S.  Grovanni  in  Monte  zu  Bologna  ein  sich  der  heraldischen 
Erückenform  annäherndes,  cordonirtes  Marmorkreuz,  welches  auf  einer 
Seite  mit  einfachen  Blattwindungen  en  bas-relief  geschmückt  ist,  die 
sich  auf  der  anderen  wiederholen,  nur  dass  hier  oben  das  Bild  einer 
Taube  hinzugefügt  ist,  die  an  einer  Weintraube  pickt,  und  unten  die 
Inschrift:  f  ^^^  ^^'  renova.  crux  temporibus  dom.  Vitale  epsc,  wo- 
nach also  das  Kreuz  in  der  Zeit  des  B.  Vitale  (789—814)  erneuert 
worden  ist  Weintrauben  geniessende  Tauben,  das  Bild  der  mit  dem 
Blute  Christi  sich  nährenden  gläubigen  Seelen,  kommen  schon  auf  alt- 
christlichen Grabsteinen  vor. 

2.  In  S.  Petronio  daselbst  ein  einfaches  Kreuz,  welches  auf  bei- 
den Seiten  an  seinen  drei  Armen  mit  einer  sich  dreitheilig  rankenden 
sparsam  mit  gestielten  dreizähligen  Blättern  besetzten  Pflanze  ge- 
schmückt ist,  deren  viel  verzweigtes  Wurzelgeflecht  den  Kreuzesstamm 
einnimmt  Eine  symbolische  Beziehung  dieser  Darstellung  darf  zwar 
mit  Becht  vorausgesetzt  werden,  ob  aber  darunter  die  »hedera«  des 
Propheten  Jonas  (Jon.  4,  6)  zu  verstehen  sein  möchte,  will  Gf. 
Gozzadimi,  der  diese  Meinung  anführt,  nicht  entschieden.  Da  übrigens 
das  Kreuz  nur  eine  im  J.  1303  verfertigte  Gopie  eines  älteren  sein 
soll,  so  ist  das  Rankengewächs  vielleicht  nur  als  ein  nicht  besonders 
getreu  gerathener  Weiustock  anzusprechen. 

3.  Eine  Gruppe  von  Kreuzen  —  drei  in  Bologna,  eines  in  Ba- 
venna  und  das  Marktkreuz  in  Trier  —  mit  dem  Gotteslamme  auf  der 
Mitte.  Letzteres  ist  nach  dem  sinnigen  mittelalterlichen  Typus  darge- 
stellt :  es  trägt  sein  Kreuz  und  schaut  sich  um  nach  denen,  die  willig 
sind  nachzufolgen  (Matth.  16,  24).  Auf  dem  nur  in  einem  Bruchstücke 
erhaltenen  Kreuze  im  archäol.  Museum  der  Universität  zu  Bologna 
steht  das  hier  ein  Fähnlein  tragende  Lamm  auf  einem  Medaillon, 
welches  grösser  als  die  Vierung,  zum  Theil  die  inneren  Winkel  und 
die  Arme  des  Kreuzes  bedeckt,  deren  etwas  verbreiterte  Enden  mit 
einer  'sechstheiligen  Bosette  geschmückt  sind,  wie  solche  ähnlich  auf 
einem  altchristlichen  Grabsteine  zu  Curubi  0  und  auf  dem  Planiger 


1)  P.  J.  Münz,  Archäol.  Bemerk,  über  das  Kreos.  Taf.  IL  22  u.  S.  68. 


2G6  Zar  Staurologie. 

Bronze-CniciSxe  ')  vorkommen :  nicht  unwahrscheinlich  also  mit  irgend 
einer    symbolischen  Beziehung.     Die  beiden  anderen,   einander   ganz 
gleichen  und  deshalb  also  wohl  auch  gleichaltrigen  Bologneser  Lamm- 
kreuze  befinden  sich  in  der  Kirche  S.  Petronio.    Die  Vorderseite  ist 
mit  edlen  antikisirenden  Arabeskengewinden  gescbmUckt,  die  in  der 
Mitte  einen  aus  vier  trichterförmigen  Blumenkelchen  zusammengesetz- 
ten Kranz  bilden  als  Umrahmung  des  Kammes.    Die  RQckseite  zeigt 
auf  den  Qaerarmen   des  Kreuzes  eine  Bandverschlingung.    —    Eine 
Viertel  -  Miglie  vor  der  Porta 
nuova   von  Ravenna  an  der 
prachtvollen,  wahrhaft  kaiser- 
lichen Strasse  (Caesarea),  wel. 
cheBavenna  mit  der  Hafenstadt 
Classia  verband,  ist  die  Stelle 
der  ehemaligen,  schon  vor  412 
erbauten  und    1553  von  Pius 
IV.  wegen  beabsichtigter  neuen 


silica  S.  Lorenzo  durch  ein 
steinernes  'Kreuz  bezeichnet '), 
welches  wir  nach  einer  Photo- 
graphie im  Holzschnitte  geben, 
nebst  einigen  näheren  Notizen, 
die  wir  der  Freundlichkeit  des 
Herrn  Ph.  Lanciani  in  Ra- 
venna zu  verdanken  haben. 
Das  0"i'84  hohe,  byzantinische 
Kreuz  ist  wie  die  moderne 
Säule,  auf  welcher  es  steht, 
aus  Kalkstein  von  Istria  (seit 
Alters  dem  gewöhnlichen  Werk- 
stein der  ravennatischen  Bau- 
ten) verfertigt,  und  am  Säu- 
lenfusse  finden  sich  die  beiden 
folgenden  Inschriften;  vorn: 


')  Jahrb.  XLIV  u.  XLV.  8.  199  u.  Taf.  X. 
»)  V.  QoMt,  Ravenna  S.  3, 


Zar  Stanrologid.  257 

QVOD  D  .  LAVRENTi  MAR  •  BASILICA 
IN    CAESAREAE   OPPIDO    HEIC 
STETERIT  NE  NESCIAS  M  •  P  . 
und  auf  der  Rückseite : 

HONORIO  IMP  ♦  STRVITVR 
DELETVR  ANNO  MDLIII 
MEMORIA  INSTAVRATVR  MDCCCXX 

Ob,  wie  und  wo  das  Kreuz  vor  dem  Jahre  1820  aufgestellt  ge- 
wesen sein  mag  und  in  welcher  voraussetzlichen  Beziehung  dasselbe 
ursprünglich  zu  der  Kirche  S.  Lor^nzo  gestanden  hat,  darüber  ist 
nichts  bekannt.  Es  stimmt  in  der  Form  mit  San  Bologneser  Exem- 
plaren wesentlich  überein  und  zeigt  auf  der  Rückseite  in  einem  cor- 
donirten  Rund  eine  in  griechischer  Weise  segnende  Hand:  dieselbe 
Darstellung,  welche  sich  auch  auf  der  Kehrseite  einiger  unter  Nr.  5 
zu  besprechenden  Grucifixe  in  Bologna  findet,  jedoch  mit  dem  latei- 
nischen Gestus  des  Segnens.  Dass  auch  dieses  Kreuz  nicht  bis  in  die 
altchristliche  Zeit  hinaufreicht,  sondern  höchstens  ins  YII.  bis  IX. 
Jahrhundert,  erscheint  nicht  zweifelhaft.  —  Das  Triersche  Kreuz  zeigt 
in  sehr  flachem  Relief  das  Lamm  in  der  Mitte  in  einem  Rundfelde 
zwischen  vier  Rosen,  von  welchen  aus  sich  ein  palmettenartiges  Orna- 
ment über  die  vier  Arme  verbreitet.  Auf  der  Rückseite  des  Kreuzes 
steht  eine  bei  Kugler  und  aus'ra  Weerth  a.  a.  0.  mitgetheilte  Inschrift, 
nach  welcher  das  Kreuz  im  J.  958  von  Erzb.  Heinrich  von  Trier  im 
zweiten  Jahre  seines  Episcopates  errichtet  worden  ist,  und  darunter 
nach  Kugler :  Renovat.  anno  1723.  Ausserdem  stehen  rings  um  den  obem 
Rand  des  Säulencapitäls  demselben  Gewährsmann  zufolge  die  Worte : 
Henricus  episcopus  treverensis  me  erexit.  Kugler  bemerkt  dazu: 
)>Die  Inschriften,  auch  die  zweite,  nicht  ursprünglich.  Doch  ist  es 
nicht  unmöglich,  dass  die  Säule  an  die  in  der  ersten  Inschrift  genannte 
Zeit  hinanreicht  Die  erwähnte  späte  Renovation  hat,  nach  Angabe 
der  Gesta  Trevirorum,  nur  Anstrich  und  Vergoldung  betroffen.« 

4.  Das  (oben  in  der  2.  Anmerk.  erwähnte)  Kreuz  von  Grisy, 
welches  am  Rande  einer  Römerstrasse  auf  der  Grenze  zweier  Com- 
munen  steht,  wird  von  vier  zu  einem  Bündel  vereinigten  Säulen  ge- 
tragen, die  über  einem  gemeinschaftlichen  Plinthus  auf  cylindrischen 
Basen  ruhend,  schlichte  Kelchcapitäle  mit  Eckschnecken  haben.  Es 
ist  gleicharmig  aus  einem  Würfel  gehauen  und  bildet  deshalb  nach 
allen  vier  Seiten  Kreuzfa^aden,  deren  Mitte  mit  einem  grossen  Rund- 

17 


268  Zar  Staarologie. 

Schilde  belegt  ist.  Diese  Schilde  zeigen  verschiedenes  Ornament,  das 
eine  wiederum  die  unter  Nr.  3  erwähnte  sechstheilige  Rosette.  Die 
verbreiterten  kurzen  Kreuzarme  mit  in  den  Ecken  eingelegten  Rund- 
stäben sind  mit  einem  facettirten  Sternenfriese  geschmückt.  Das  ganze, 
ohne  Zweifel  dem  XII.  Jahrh.  angehörige  Denkmal  besteht  aus  einem 
Stück  und  ist  aus  Einem  Kalksteinblock  gehauen. 

5.  Mehrere  Grucifixe  zu  Bologna,  die  wir  zusammenfassen,  weil 
dieselben,  soweit  Abbildungen  davon  vorliegen,  viel  Uebereinstimmen- 
des  zeigen.  Die  Form  der  Kreuze  nähert  sich,  obwohl  der  Querbalken 
kürzer  i^t  als  der  Stamm,  insofern  der  griechischen,  als  ersterer  ziem- 
lich durdi  die  Mitte  des  letzteren  gelegt  ist,  wodurch  der  obere  Arm 
eine  unverhältnissmässige  Länge  erhält.  Das  Kreuz  ist  nischenartig 
vertieft  gearbeitet  und  der  erhobene  Rand  desselben  omamentirt  oder 
zur  Aufnahme  einer  Inschrift  benutzt.  Der  Grucifixus  ist  jugendlich 
und  bartlos,  lebend  ohne  Seitenwunden,  mit  wagerecht  ausgebreiteten 
Armen  und  vom  Gürtel  ab  mit  dem  sogen.  Herrgottsrocke  bekleidet 
dargestellt  und  steht  frei  auf  dem  untern  Rande  des  Kreuzstammes : 
das  Ganze  von  mehr  oder  weniger,  selbst  entsetzlich  roher  Ausführung. 
Letzteres  gilt  insonderheit  von  dem  Kreuze  an  der  Kirche  S.  Maria 

iv..  delle  Laudi,  welches  theils  im  Flachrelief,  theils  nur  in  vertieften  Um- 

rissen  ausgeführt,  etwa  den  Eindruck  einer  karolingischen  Federzeich- 

'y  nung  macht.    Die  Ränder  sind  mit  einem  Zickzack  verziert   und  im 

oberen  Theile  des  Kreuzes  stehen  die  Gesichter  von  Sonne  und  Mond 

l,  und  darunter   die  Worte   in  Capitalschrift :   IHS  NAZARENVS  RE. 

^ ;,.  Das  etwas  nach  rechts  geneigte  Haupt  des  Gekreuzigten  ist  mit  einem 

•^  Kreuznimbus  umgeben.   Da  das  Kreuz,  welches  früher  vor  der  Kirche 

stand  auf  dem  Ausgangspunkte  von  sechs  Wegen,  seit  1616  auf  einem 

modernen  Pfeiler   aussen  an  der  Kirchenwand  aufgestellt  ist^  so  lässt 

ssich  über  die  Rückseite  nichts  sagen ;  die  Seiten  zeigen  Bandverschlin- 

g-  gungen.  —  Minder  roh  erscheint  das  Kreuz  in  S.  Vitale,  schon  durch 

^  die  Einfassung  mit  einem  Ferlstabe,   obgleich  der  Grucifixus   selbst 

ziemlich  unförmlich  ist.  Das  etwas  rechts  geneigte  Haupt  blickt  nach 
oben  und  das  bis  zu  den  Schultern  reichende,  glatt  gescheitelte  Haar 
umrahmt  das  Gesicht  fast  wie  eine  Frauenhaube.  Der  eng  anschlies- 
sende Rock  geht,  unter  der  Brust  beginnend,  bis  über  die  Mitte  der 
Oberschenkel,  die  Kniee  der  fest  an  einander  geschlossenen  Beine  sind 
etwas  gebogen  und  die  Füsse  klumpig,  wie  mit  Schuhen  bekleidet.  Den 
oberen  Kreuzarm  nimmt  eine  Taube  ein,  die  mit  den  .Füssen  auf  dem 
Seitenrande  stehend,  den  Kopf  rückwärts  nach  unten  wendet    Dass 


'5 

^ 


r 


Zur  Staurologie.  269 

bierunter  das  Symbol  des  heil.  Geistes  zu  verstehen  ist,  erhellt  aus 
der  auf  der  Mitte  der  Rückseite  des  Kreuzes  befindlichen  segnenden 
Hand,  als  übliches  Symbol  Gottes  des  Vaters,  so  dass  also  die  ganze 
beil.  Dreifaltigkeit  repräsentirt  ist  <).  —  Das  meiste  Interesse  gewährt 
ein  auch  in  künstlerischer  Hinsicht  beachtenswerthes  Crucifix  in  der 
Kirche  S.  Petronio.  Der  mit  dem  Kreuznimbus  versehene  Gekreuzigte, 
dessen  gescheiteltes  Haupthaar  in  zwei  starken  dreisträhnigen  Zöpfen 
vorn  fast  bis  an  die  Brust  reicht,  blickt  mit  seinem  rechts  geneigten 
vollrunden  Antlitz  in  sanftem  Ausdruck  nach  unten  und  breitet  voll 
Anmuth  die  offenen  Liebesarme  aus.  Der  in  Falten  gelegte,  von  den 
Hüften  bis  nahe  den  Knleen  reichende  Rock  ist  vorn  über  der  Um- 
gürtung schürzenartig  umgeschlagen  und  oben  mit  Punkten  verziert. 
Auf  dem  Oberarm  des  Kreuzes  steht  in  einem  gereimten  Hexameter 
das  Datum:  Anno  M(illeno)  C(enteno)  qvo  nvmerato  et  qvlnqvageno 
nono  post  (h)is  sociato  (d.  i.  1159)  und  rings  auf  dem  Rande  der  drei 
oberen  Kreuzesarme  eine  dem  Sinne  nach  aus  drei  Theilen  bestehen- 
den Inschrift:  1.  Ein  Distichon,  anscheinend  in  Form  eines  Dialogs 
zwischen  der  Mutter  und  ihrem  gekreuzigten  Sohne:  f  Fili'  Q^id, 
mater?  Devs  es?  Svm,  Cvr  ita  pendes?  Ne  genvs  hvmanvm  vergat  in 
interitvm  f.  2.  Der  Name  der  Verfertiger  oder  Stifter :  Petrvs  Alberici 
me  fecit  cvm  patre.  —  3.  Die  Mahnung  an  die  Vorübergehenden: 
Pacem  satis  inter  vos  abeatis.  Die  Rückseite  zeigt  in  einer  parabolisch 
gespitzten  Einfassung  die  thronende  Figur  eines  gealterten  bartlosen 
Königs  mit  nackten  Füssen,  welcher  die  Rechte  segnend  erhoben  und 
in  der  Linken  ein  aufgeschlagenes  Buch  hält,  das  er  auf  das  Knie 
stützt  und  dem  Beschauer  zuwendet.  Die  mit  Perlen  besetzte  Einfas- 
sung wird  von  den  namentlich  bezeichneten  Engeln  Michael,  Gabriel 
und  Rafael  gehalten,  von  welchen  der  letztere  unten  steht,  die  beiden 
anderen  in  wagerechter  Stellung  in  den  Querarmen  des  Kreuzes.  Oben 
auf  der  Mandorla  steht  das  Lamm  mit  einem  Kreuze  als  Nimbus  und 
der  erklärenden  hexametrischen  Umschrift:  Hac  tibi  pictvra  svbeat 
patris  illa  figvra.  (Vgl.  Job.  12,  45:  Wer  mich  siebet^  der  siebet  den, 
der  mich  gesandt  hat.) 


')  Auch  ein  schon  1256  existirendes,  ehemaliges  Brückenkreuz  in  dem 
Saale  der  älteren  Denkmäler  auf  dem  Gottesacker  zu  Bologna,  dessen  Vorder- 
seite die  rohe  Darstellung  eines  unförmlichen  Crucifixus  enthalt,  zeigt  in  der 
Mitte  der  Rückseite  die  auf  einem  Strahlennimbus  liegende  segnende  Hand 
zwischen  den  auf  den  Ereuzarmen  befindlichen  Evangelisteuzcichen. 


200  Zur  SUurologie. 

Als  Resultat  für  die  Ikonographie  des  Crucifixus  eingibt  sich 
1)  dass  die  Symbob'sirang  des  Gekreuzigten  durch  das  Lamm  als 
Hauptdarstellung  ')>  wenn  nicht  später,  so  doch  wenigstens  noch  um 
die  Mitte  des  X.  Jahrh.  nachweislich  ist,  und  2)  dass  die  ideelle  Dar- 
stellung des  Grucrfixus  (naQa  <pvaiv)  *)  im  Abendlande  noch  bis  nach 
der  Mitte  des  XII.  Jahrh.  vorkommt. 

H.  Otte. 


^)  Vgl.  Jahrbuch.  XLIY  u.  XLY  8.  197. 
«)  Vgl.  ebd.  L  u.  U  S.  266. 


11.    Fund  römischer  Kalsermanzen  in  der  Nähe  von  Bonn. 

Hiezn  Tafel  XYII  Fig.  1—4. 

Jeder  Mttnzsammler,  der  seine  Münzen  nicht  alle  vom  Händler 
erhält,  sondern  sich  auch  mit  dem  Erwerb  aus  erster  Hand,  das  ist 
von  Grundarbeitem,  Gärtnern,  Ziegelbäckern  etc.  beüasst,  weiss  recht 
gut  wie  selten  unter  den  vielen  Exemplaren,  die  fortwährend  zu  Tage 
gefördert  werden,  ein  wirklich  gutes  Stück  sich  befindet,  indem  die 
Arbeiter  nichts  eiligeres  zu  thun  haben,  als  mit  Essig,  Mineralsäure 
oder  mechanischen  Mitteln  der  Münze  auch  noch  den  letzten  Rest  von 
Schönheit  und  Werth  zu  nehmen.  Um  so  mehr  erfreut  es  uns  ein 
Stück  zu  erhalten,  welches  unverletzt  geblieben  ist  und  dazu  sich 
durch  Seltenheit  auszeichnet. 

In  dieser  Hinsicht  war  mir  das  verflossene  Jahr  dn  günstiges, 
indem  ich  zu  wiederholten  Malen  Münzen  erwarb,  welche  jeden  An- 
spruch, auch  den  des  subtilsten  Sammlers  befriedigen.  Eines  Abends 
nämlich  überbrachte  mir  ein  auswärtiger  Arbeiter  eine  Anzahl  Mün- 
zen, welche  sowohl  wegen  ihrer  Schönheit  als  auch  theilweise  wegen 
ihrer  grossen  Seltenheit  einer  kurzen  Besprechung  werth  sind,  zumal 
dieselben  in  der  Nähe  von  Bonn  gefunden  worden  sind. 

Die  Münzen  lagen  frei  in  der  Erde,  etwa  3V2  Meter  unter  der 
Oberfläche  in  einer  trockenen  Eiesschichte.  Sie  schienen  ursprünglich 
in  einem  Kistchen  aufbewahrt  worden  zu  sein,  denn  bei  denselben 
fanden  sich  zwei  schmale,  mit  einer  einfachen  Verzierung  geschmückte 
Bronceringe  vor,  welche  etwa  6  Gm.  im  Durchmesser  hielten  und 
höchst  wahrscheinlich  als  Einfassung  am  oberen  und  unteren  Ende 
einer  kleinen  runden  Gassette  gedient  hatten.  Durch  Oxyd  waren  die 
meisten  Münzen  mit  einander  verklebt,  Hessen  sich  jedoch  leicht  ohne 
Anwendung  schädigender  Mittel  von  einander  lösen. 


262  Fnnd  römischer  EaüermÜDzeu  in  der  I 

Die  sämititlichen  Münzen  des  Fundes, 
mit  Ausnahme  von  dreien  aus  der  Zeit  von  V 
also  aus  der  zweiten  Hälfte  des  dritten  Jahi 
Die  drei  aus  früherer  Zeit  waren  stark  abj 
anderen  alle  vovzQglich  erhalten  waren,  so  d 
als  wenn  sie  nie  im  Verkehr  gewesen  wären. 

Die  drei  älteren  Münzen  sind  folgende: 

1)  Ein  Denar  von  Antoninus  Fius 

ANTONINVS  ■  AVC  -■  PIVS 

Kopf  des  Kaisers  mit  Lorbeerkrone  nacl 

Rev.  COS  1 1  I  I  -  Stehende  weibliche  Fi 

eine  Schale,  in  der  linken  einen  langen  Speer 

2)  Denar  der  altern  Faustina.  Derselbe 
gebrochen  und  hatte  so  stark  gelitten,  dass 
noch  ein  nach  rechts  gewandtes  Haupt  und  ai 
Figur  erkennen  konnte. 

3)  Denar  des  Kaisers  Caracalla.  Coh.  S 

M  ■  AVR  ■  ANTONINVS 

Büste  des  jugendlichen  Kaisers  nach  r 
Haupte  und  mit  dem  Paludamentum  bekleidel 

Rev.  seVERI  ■  AVC  ■  Pll      FIL.  Op 

Von  den  31  übrigen  Münzen  werde  ich 
aufführen,  von  den  häufig  vorkommenden  jede 
Dieselben  sind  entweder  von  Eilion  oder  von 

1)  Hariniana.    Bil. 

Coh.  IV.  P.  345  Nr.  9  ...  8  fr. 

OIVAE  MARINtANAE 

Verschleierte  Büste  derselben  nach  recl 

Rev.  CONSECRATIO. 

Pfan  nach  rechts  fliegend  und  die  Kais« 
tragend. 

Diese  Münze  ist  von  vorzüglicher  Schöi 
haltung. 

10  Münzen  des  K.aisersPostumn! 
vorkommende  Kleinerze,  6  Billonmiinzen  und 

1)  Silberqainar. 

IMP  ■  C     POSTVMVS  P  • 
'  Kopf  de  &ce,  ein  wenig  aach  links  geri 


\ 


Fund  rftniisoher  KaiBermünBen  in  der  N&he  ron  Bonn.  36S 

Rev.  PROVIDENTIA  AVC.  Die  Providentia  aufrecht  stehend 
mit  einer  Kugel  auf  der  rechten  Hand,  einen  Stab  in  der  linken  hal- 
tend.   Tafel  XVII  Fig.  1. 

Diese  Münze  findet  sich  bis  jetzt  weder  in  irgend  einem  der  mir 
bekannten  Werke  erwähnt  noch  abgebildet. 

2)  Silberdenar. 

POSTVMVS  PIVS  AVC. 

Kopf  mit  Lorbeerkranz  nach  rechts. 

Rev.  LIBERALITAS  AVC. 

Die  Liberalitas  stehend,  das  Gesicht  nach  links  gewendet,  in  der 
rechten  Hand  eine  Tessere  haltend,  auf  dem  linken  Arme  ein  Füllhorn. 
Tafel  XVII  Fig.  2. 

In  Betreff  der  Ausführung  kann  man  diese  Münze  den  besten  Stücken 
der  ersten  Kaiserzeit  an  die  Seite  stellen,  besonders  der  Kopf  ist  von 
schöner  erhabener  Arbeit.  Sie  ist  ebenfalls  bis  jetzt  nicht  beschrieben. 

3)  Bilionmflnze. 

POSTVMVS  PIVS  FELIX  AVC. 
Der  Kopf  des  Postum us  neben  dem  des  Hercules,   beide 
nach  links. 

Rev.  HILARITAS.  Weibliche  Figur  mit  Füllhorn  in  dem  linken 

Arme  und  einem  Palmenzweige  in  der  rechten  Hand ;  zu  beiden  Seiten 
steht  je  ein  Genius  in  Kindesgestalt. 

Cohen  sowie  die  übrigen  bekanntem  Numismaten  führen  die- 
selbe nicht  an.   Tafel  XVH  Fig.  3. 

4}  Bilionmflnze. 

Der  Avers  wie  vorher,  jedoch  sind  die  beiden  Köpfe  nach  rechts 
gewendet 

Rev.  HERCVLI  THRACIO.  Hercules  bändigt  die  Stuten  des 

Diomedes.    Ebenfalls  bis  jetzt  unbekannt.  Tafel  XVU  Fig.  4. 

De  Witte  führt  in  einer  Schrift  „Medailles  in^dites  de 
Postume  Revue  numismatique,  Paris  1844"  diesen  Revers  zweimal  an, 
die  Vorderseite  ist  jedoch  verschieden.  Bei  der  einen,  einer  Goldmünze, 
hat  dieselbe  einen  Kopf  fast  de  face,  etwas  nach  rechts  gerichtet,  bei  der 
andern  (Billonmünze)  zeigt  sie  einen  Kopf  mit  Lorbeerkrone  nach  links. 

Cohen  V.  P.  23  Nr.  67  und  68  führt  zwei  Münzen  mit  demsel- 
ben Revers  an,  jedoch  sind  die  betreffenden  Averse  verschieden,  indem 
dieselben  auch  nur  die  Büste  des  Postumus  zeigen,  ausserdem  ist 
die  erste  von  Gold. 


I 


264  Fond  römischer  KaisermüiiBexi  in  der  mibe  Ton  Bomi. 

5)  Bfllonmflnxe.  Coh.  V.  P.  21  Nr.  52  ...  200  fr. 
Av.  wie  vorher. 

Rev.  HERCVU  ERYMANTINO. 

Hercules  nach  rechts  schreitend,  auf  der  linken  Schalter  einen 
Eber  tragend,  welchen  er  mit  beiden  Händen  hält.  Unten  rechts  eine 
Tonne,  —  in  welcher  Eurysthens  verborgen  sein  soll  — 

6)  Billonmflnze.  Coh.  V.  P.  21  Nr.  5< . . .  150  fr. 
Av.  wie  bei  4. 

Rev.  HERCVLI  INMORTALI. 

Hercules  geht  nach  rechts,  indem  er  die  Keule  links  geschul- 
tert trägt,  mit  der  linken  Hand  führt  er  an  einem  Strick  den  drei- 
köpfigen Höllenhund. 

7)  Billonmflnze.    Coh.  VII.  P.  287.  Nr.  16  ...  250  fr. 
Av.  wie  bei  den  vorhergehenden. 

Rev.  HERCVLI  ROM. 

Hercules,  ohne  Bekleidung,  nach  rechts  gewandt,  so  dass  er  den 
Rücken  zeigt.  In  der  rechten  Hand  hält  er  die  Keule,  welche  er  auf 
den  Boden  stützt,  über  den  linken  Arm  hat  er  die  Löwenhaut  gewor- 
fen. Links  von  ihm,  in  der  Mitte  des  Münzfeldes  ein  Apfelbaum,  links 
von  diesem  drei  fliehende  Nymphen.  (Darstellung  des  Hercules  im 
Garten  der  Hesperiden.) 

8)  Billonmflnze.  Quinar.  Coh.  V.  P.  37.  Nr.  159  ...  150  fr. 
Av.  die  beiden  Köpfe  wie  bei  den  vorhergehenden  Münzen. 
Rev.  SALVS  AVG.  Die  Göttin  der  Gesundheit,  in  der  rechten 

Hand  einen  Stab  haltend,  um  welchen  sich  eine  Schlange  windet. 

Es  ist  bekannt,  dass  Commodus,  der  kein  grösseres  Vergnügen 
kannte,  als  auf  schnellem  Ross  das  flüchtige  Wild  zu  erjagen  oder 
selbst  im  Circus  die  Muskelkraft  seines  Armes  und  die  Sicherheit  sei- 
nes Auges  zu  erproben,  für  den  Gott,  in  dem  diese  Eigenschaften  in 
höchster  Vollkommenheit  sich  vereinigten,  eine  besondere  Vorliebe 
fasste.  Beweis  dafür  sind  die  mancherlei  Münzen,  auf  welchen  Co  m  - 
modus  selbst  sich  mit  der  Löwenhaut  und  den  übrigen  Emblemen 
des  Gottes  abbilden  lieä,  oder  auf  denen  Thaten  desselben  dargestellt 
wurden.  Bei  dem  Kaiser  Postumus  fanden  sich  auch  diejenigen  Tu- 
genden, welche  den  Mann  und  FcldheiTU  zieren,  in  hohem  Grade ;  da- 
durch gelang  es  ihm  wenigstens  zeitweise  eine  glückUche  Zeit  in 
seinem  Reiche  herzustellen.  Der  Antrieb,  dass  dieser  Kaiser  sich 
gleichfalls  zum  Vorwurf  nahm,  den  Cyclus  der  Heldenthaten  des  Her- 


r 


Fnnd  römisoher  Kaisermünsen  in  der  N&he  von  BonxL  266 

cules,   als  Vorbild  der  Tapferkeit,    auf  Münzen  darzustellen,  lag 
daher  sehr  nahe. 

De  Witte  führt  in  der  oben  citirten  lehrreichen  Schrift  ausser 
den  angeführten  Münzen,  welche  zu  diesem  Cyclus  gehören,  noch 
nachstehende  Stücke  an,  auf  welchen  andere  Arbeiten  des  Hercules 
dargestellt  sind: 

HERCVLI  NEMAEO  Hercules  den  nemäischen  Löwen  er- 
würgend ; 

HERCVLI  ARCIVO  H.  die  Hydra  bekämpfend; 

VIRTVS  POSTVMI  AVC  stellt  dar,  wie  H.  die  ermattete 
Hindin  bei  dem  Geweih  erfasst; 

HERCVLI  AV.  H.  erlegt  die  Stymphaliden ; 

HERCVLI  CRETENSI  H.  bändigt  den  Stier  von  Greta; 

HERCVLI  PISAEO  H.  reinigt  den  Augiasstall; 

HERCVLI  INVICTO  zeigt  H.  als  den  Besieger  der  Amazonen; 

HERCVLI  CADITANO  H.  im  Kampfe  mit  dem  dreifachen 
Geryon,  und  endlich 

HERCVLI  LIBYCO  führt  uns  den  H.  als  den  Besieger  des 
Riesen  Antaeus  vor. 

Was  nun  das  Gepräge  der  betr.  Münzen  des  Postumus  betrifft, 
so  sind  sämmtliche  Stücke^  welche  auf  der  Vorderseite  die  beiden 
Köpfe  führen,  von  vorzüglicher  Arbeit,  so  dass  sie  unbedingt  zu  den 
schönsten  Münzen  aus  jener  Zeit  zählen.  Ihre  Seltenheit  —  sie  stehen 
alle  in  hohem  Preise  —  macht  es  wahrscheinlich,  dass  sie  nicht  als 
Coursroünzen  geprägt  wurden,  sondern  dass  dieselben  ähnlich  wie  die 
Medaillons  nur  bei  feierlichen  Gelegenheiten  zur  Vertheilung  kamen, 
sei  es  nun  als  Belohnung  für  geleistete  Dienste,  für  Tapferkeit  im 
Kriege  oder  bei  anderen  Anlässen.    Jedenfalls  bildet  unser  Münzfund 

j  einen  werthvoUen  Beitrag  zu  diesem  Cyclus,  indem  derselbe  wesentlich 

;  dadurch  vervollständigt  wird. 

Ein  Kleinerz    des  Kaisers  Claudius   Gothicus  mit    gewöhn- 
j  lichem  Revers. 

(  Vom  Kaiser  Aurelianus   finden   sich  5  verschiedene  Münzen 

i  vor,  von  denen  jedoch  nur  eine  genauerer  Erwähnung  werth  ist.  Die- 

j  selbe  findet  sich  bei  Cohen  V.  P.  150  Nr.  200  ...  6  fr. 

IMP  AVRELIANVS  AVC. 


I 


266  Fand  römiiclier  Kus«rmfin»ii  in  ä 

GevandbQste  des  Kaisers  nach  recl 
Lorbeerkrooe. 

Rev.  VICTORIA  AVC. 

Geflügelte  Victoria  nach  links  sehr 
einen  Kranz,  in  der  linken  einen  Palmzwt 
Füssen  ein  GefaDgeoer,  dem  die  Hände  au 
darunter  der  Buchstabe  B.  Es  ist  eine  Ele 

Diese  hUbsch  geprägte,  sehr  gut  erh 
drei  Exemplaren  vor. 

Darauf  folgen  3  Münzen  von  Sever 

lians,  sämmtlich  Kleinerz,  zwei  in  gewöhi 

Form.  Letztere  ist  die  interessantere  und 

Nr.  14  ...  3  fr.  folgendermarsen  beschrie 

SEVERINA  AV 

Büste  diad^mä  k  droite  sans  le  croiss 

Rev.  VENVS   FELIX. 

Venas  debout  k  gancfae,  tenant  ane 

In  einer  Note  bemerkt  Cohen:  „La  ] 
distinctej  Welzl  a  cm  voir  un  oiseau.  D' 
mädailles  däcrites  par  Banduri  et  d'auti 
pomme,  et  le  quinaire  de  d'Ennery  oä  eile 
taut  que  ce  soit  un  veritable  quinaire)  n' 
et  mfime  type." 

Ich  glaube,  dass  Cohen  in  dieser  Bemei 

Mein  Exemplar  ist  so  deutlich,  wi< 
auch  bei  ihm  lässt  sich  nicht  mit  absoli 
was  die  Figur  in  oder  besser  auf  der  Hai 
es  keine  Statuette,  wie  Cohen  oben  sagt,  so 
kleinen  Untersatze.  Die  Schuld  liegt  am 
den.  betreffenden  Gegenstand  so  nachlässi{ 
ans  ihm  machen  lässt,  was  einem  gerade 

Die  beiden  anderen  Münzen  finden  si 

Auch  die  übrigen  11  Münzen,  von 
Tacitns  und  5  auf  Probas  kommen, 
vorkommenden  und  zeichnen  sich  nur  durc! 

Das  Wichtigste  des  ganzen  Fundes  si 
des  Postumus;  denn  erstens  waren,  si 
diesem  Kaiser  noch  keine  Mänzen  von  n 


! 


Fand  römischer  Kaisermünzen  in  der  Nahe  von  Bonn.  267 

sodann  sind  die  Münzen,  welche  auf  dem  Avers  die  Kopfe  des  Kaisers 
und  des  Hercules  tragen,  so  selten,  dass  in  den  grössten  Münzsamm- 
lungen nur  wenige  Exemplare  sich  vorfinden. 

Ich  überzeugte  mich  durch  eigene  Anschauung,  dass  diese  Mün- 
zen aus  einem  Eömergrabe  herstammen,  denn  an  derselben  Stelle 
fanden  sich  noch  Skeletttheile,  Asche,  sowie  eine  grosse  Menge  Frag- 
mente von  Gläsern,  Thongefässen  und  anderen  Gegenständen,  wie  die 
Römer  sie  ihren  Todten  mit  in's.  Grab  gaben,  vor.  Leider  waren  die 
meisten  Stücke  durch  das  Ungeschick  der  Arbeiter  zerstört. 

Das  Grab  eines  gemeinen  Mannes  kann  es  nicht  gewesen  sein^ 
dagegen  spricht  die  Anzahl  und  Seltenheit  der  Münzen.  Erinnern  wir 
uns  an  das  oben  in  Bezug  auf  den  Herculescult  Gesagte,  so  wird  es 
wahrscheinlich,  dass  diese  Stücke  dem  Grabe  eines  höhern  Be- 
amten oder  Offiziers  angehörten,  welchem  sie  vom  Kaiser  selbst  verehrt 
worden  waren.  Der  frühere  Besitzer  hielt  sie  ebenfalls  werth  und  be- 
wahrte sie  sorgfältig  auf,  bis  der  Schatz  noch  ganz  unversehrt  dem 
Verstorbenen  in's  Grab  beigelegt  ward. 

Bemerkenswerth  ist  übrigens  noch  der  Umstand,  dass  während 
in  Belgien,  Nord-Frankreich,  Luxemburg  und  Holland  jährlich  eine 
grosse  Menge  gewöhnlicher  Postumusmünzen  zu  Tage  gefördert  wer- 
den, diese  seltenen  Stücke  mit  den  Köpfen  des  Postumus  und  des 
Hercules  fast  alle  vom  Rheine,  und  zwar  aus  der  Nähe  Co  Ins,  wo 
Postumus  bekanntlich  residirte,  stammen.  Diejenigen,  welche  ich 
kenne,  sind  alle  in  unserer  Gegend  gefunden. 

A.  Senckler  —  Uebersicbt  der  Münzgeschichte  des  Rheinlandes 
etc.,  dieses  Arhivs  Bd.  XV  —  berichtet  von  mehreren  Münzen  dieser 
Suite,  die  in  oder  bei  Göln  ausgegraben  wurden,  und  aus  der  oben 
angeführten  Schrift  von  de  Witte  ersehen  wir  gleichfalls,  dass  mehrere 
dieser  seltenen  in  französischen  Gabinetten  befindlichen  Stücke  vom 
Rheine  dorthin  gekommen  sind. 

Bonn.  Dr.  Cuny  Bouvier. 


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12.    Zwei  unedirte  Kaiser-Mflnzen. 

ffierzu  Tafel  XVII,  Fig.  6  u.  6. 

I.  Auf  der  kölner  Münz-Aaction  vom  5.  August  1871  erstand  ich 
aus  dem  Nachlasse  des  Malers  Meinertzhagen  ein  Mittelerz,  welches 
bis  dabin  den  Augen  der  Münzliebbaber  nicht  besonders  aufgefallen 
zu  sein  scheint,  mir  aber  interessant  genug  dünkt,  hier  kurz  bespro- 
chen zu  werden. 

Av.  HAORIANVS  AVG  COS    III  •  P  •  P  • 

Gewandbüste  des  Kaisers  nach  rechts. 

Bev.  SICILIA  •  S  •  C  ' 

Triquetra,  in  der  Mitte  ein  Haupt  en  fa^e. 

Obgleich  Herr  Meinertzhagen  mehrere  seiner  Münzen  durch 
Tauschgeschäfte  aus  Paris  bezogen  hatte,  so  rührten  doch  die  meisten 
aus  kölner  Funden  her.  Der  unkundig  bewerkstelligte  und  unvoll- 
endete Putz  versuch  des  Averses  unserer  Münze  ist  ein  Beweis,  dass 
dieselbe  niemals  durch  die  Hände  der  im  Putzen  so  gewandten  pa- 
riser Händler  gegangen  ist;  wir  haben  es  also  wahrscheinlich  mit 
einem  kölner  Fundstück  zu  thun. 

Cohen  beschreibt  B.  II.  Hadrian  Nr.  1 141  ein  Grosserz,  welches 
an  unsere  Münze  erinnert: 

HADRIANVS  AVG  COS  III  P  P 
son  buste  nu  ä  droite. 

Bev.  SICILIA  -  S  -  C?  La  triqu^re,  au  milieu,  la  töte  de  Me- 
duse de  face;  dessous,  le  moustre  Scylla;  ä  gauche  deux?  ou  trois 
figures;  ä  droite  un  rocher?  ou  un  gouvemail.  F.  G.  B.  250  fr. 

Das  hier  von  Cohen  beschriebene  Exemplar  der  pariser  Samm- 
lung muss  sich   in  einem  sehr  desolaten  Zustande  befinden^    wie  ai)B 


Zwei  anedirte 


'Mflmfltt. 


269 


der  Unbestimmtheit  der  Beschreibung  und   den  angebrachten  Frage- 
zeichen erhellt. 

Der  Avers  meiner  oben  beschriebenen  Münze  ist  leider  durch 
ungleiche  Oxydation  und  schlechtes  Putzen  nicht  sehr  ansehnlich,  wenn 
auch  vollkommen  leserlich,  dagegen  ist  der  Revers  recht  gut  erhalten 
und  ziemlich  gleichmässig  grQn  patinirt. 

Ob  wie  bei  Cohen  auch  in  dem  Kopf  unseres  Reverses  ein  Me- 
dusenhaupt zu  sehen  ist,  wage  ich  nicht  zu  entscheiden,  glaube  es 
aber  nicht,  da  der  Kopf  zwar  sehr  wilde  Locken,  aber  keine  Schlangen 
zeigt.  Die  Triquetra  oder  Trinacria  {Tgirmtgia)  erscheint  schon  in 
sehr  früher  Zeit  theils  als  Hauptdarstellung,  theils  als  secundäres  Ge- 
bilde auf  dem  Felde  der  Münzen,  und  zwar  meistens  als  Sinnbild  Si- 
ciliens.  Sicilien  selbst  wird  bei  den  Alten  häufig  Trinacria  genannt, 
und  so  mag  der  Name  und  die  dreieckige  Form  der  Insel  sowohl  als 
der  Triquetra  zur  Annahme  dieses  Sinnbildes,  ich  möchte  sagen  Wap- 
pens, geführt  haben. 

Die  älteste  Münze  mit  der  Triquetra  wird  wohl  das  inStrozzi's: 
Periodico  di  numismatica  e  sfragistica  per  la  storia  dltalia  von  Ga- 
murini  im  vorigen  Jahre  publicirte  Ass  sein.  Dasselbe  zeigt  auf  der 
einen  Seite  den  neptunischen  Dreizack,  auf  der  andern  eine  Triquetra; 
hier  sind  die  drei  Beine,  wie  bei  mehreren  der  ältesten  Münzen,  ein- 
fach zusammen  gefügt  und  zeigen  in  der  Mitte  weder  einen  Kopf  noch 
em  anderes  Bild.  Die  Figur  wird  aber  dadurch  eine  so  unschöne,  dass 
es  dem  zarten  Schönheitssinne  der  Alten  nahe  lag,  dieselbe  zu  ver- 
edeln. Wir  sehen  desshalb  bei  dem  Quadrans  in  Marchi's  Aes  grave 
del  Museo  Kircheriano  Taf.  XI  Nr.  4  in  der  Mitte  einen  erhabenen 
Kreis,  der  sich  bei  der  Münze  von  Selge,  Mionnet  description  des  me- 
dailles  antiques  Taf.  LIII  Fig.  6  in  ein  Rad  oder  Q  von  alter  Form 
umwandelt,  während  bei  Münzen  einer  späteren  Periode  ein  Kopf  in 
der  Mitte  auftritt  Dieser  Kopf  ist  bei  den  älteren  Münzen  klein,  eben 
nur  Schmuckstück;  wie  z.  B.  bei  der  in  Beger's  Thesaurus  Branden- 
burgicus  S.  369  abgebildeten  Münze  von  Panormus;  wird  aber  im 
Verlaufe  der  Zeit  grösser,  wie  bei  dem  Denar  der  gens  Claudia,  Vail- 
lant  Nr.  38,  bis  er  bei  unserem  Hadrian,  dem  spätesten  bekannten 
Vorkommen  der  Triquetra  auf  antiken  Münzen,  als  grosser  Kopf  mit 
verhältnissmässig  sehr  kleinen  Beinen  auftritt. 

Dass  wir  es  mit  einer  in  Rom  geprägten  Münze  zu  thun  haben, 
ergibt  sich  einestheils  aus  der  edeln  Präge  und  den  Buchstaben  S.  C 
des  Rev.,  anderntheils  auch  aus  dem  Umstände,   dass  „nach  Tiberius 


370  Zwei  anedirt«  Kuaer-Hflnieo. 

Sicilische  LocalmOnze  Überhaupt  nicht  mehr  get 
Mommseu  Geschichte  des  röm.  MüDzwesens  S.  6 

II.  Ein  Kleinerz  voo  Constantinus  M. 

Av.  IMP  CONSTANTINVS      • 

Bekleidete  Büste  des  Kaisers  mit  Helm,  in 
auf  der  Schulter  tragend. 

Rev.  lOVI  ■  CONSERVATORI  AVC  ii 
'  Jupiter  auf  einem  Adler  sitzend,  einen  Don 
und  ein  Scepter  in  der  linken  Hand  haltend. 

Dieser  schöne  Revers,  der  bei  Licinius  6( 
kommt,  ist  meines  Wissens  von  Constantin  bis 
OlTenÜicht  worden. 

Bonn.  F- 


II.    Litteratar. 


1.  Histoire  de  la  peintare  au  pays  de  Liege  depuis  les  temps  les  plus 
recnles  jusqu'  &  la  fin  du  XYIII  siede,  par  M.  JulesHelbig,  peintre.  Abgedruckt 
in  den  Memoires  de  la  Societe  libre  d'emulation  de^  Li^ge.  Nouvelle  Serie. 
Tome  IV.  Liege  1872.  Seite  220-517. 

2.  Charles  Gerard,  les  Artistes  de  l'Alsaoe  pendant  le  moyen-&ge. 
Tome  I.  Colmar  und  Paris.  1872. 

8.  Dr.  J.  Rudolf  Bahn,  Geschichte  der  bildenden  Künste  in  der  Schweiz. 
I.  Band  1.  Abtheilung.    Zürich  1873. 

Die  drei  Werke,  deren  Titel  ich  hier  zusammen  gestellt  habe,  sind  zwar 
Ton  einander  völlig  unabhängig  und  sogar  durch  die  Speoialitat  ihrer  Aufgaben 
und  die  Tendenzen  ihrer  Verfasser  mannigfach  von  einander  abweichend,  eignen 
flieh  aber  dennoch  in  diesen  den  rheinischen  Alterthümern  gewidmeten  Blättern 
zu  gemeinsamer  Betrachtung.  Sie  beschäftigen  sich  nämlich  alle  mit  der  Kunst- 
geschichte einzelner  Territorien,  welche  entweder  selbst  zu  den  germanischen 
Rheinlanden  gehören  oder  doch  dieselben  von  Westen  oder  Süden  her  mit  ro- 
manischer Bevölkerung  umgrenzen  und  mithin  näher  bestimmen.  Der  Bildungs- 
reichtfaum  und  das  Interesse  der  modernen  Geschichte  und  Kunst  und  beson- 
ders dieser  mittleren  Gegenden  von  Europa  beruht  grossentheils  auf  der  durchweg 
individuell  verschiedenen  Mischung  und  Durchdringung  antiker  und  christlicher 
Elemente,  sowie  romanischer  und  germanischer  Bevölkerung,  welche  wir  durch 
die  nähere  Kenntnist  der  einzelnen  Localitäten  würdigen  und  verstehen  lernen. 

1.  Die  Stadt  und  das  Bisthum  Lütticfa,  mit  dessen  Geschichte  sich  das 
erste  jener  Werke  beschäftigt,  gibt  schon  ein  charakteristisches  Bild  dieser  Mi- 
•chungsverhältnisse.  Bewohnt,  wenigstens  überwiegend,  von  einem  romanischen 
Stamme,  der  hier  aber  auf  einem  vorgeschobenen  Posten  steht  und  zahlreiche 
Einflüsse  von  den  benachbarten,  ganz  germanischen  Stämmen  empfangt,  überdies 
bis  zur  französischen  Revolution  zum  deutschen  Reiche  gehörig,  zeigt  diese 
Gegend  recht  deutlich  den  inneren  geistigen  Kampf  und  das  wechselweise  Em* 
porkommen   romanischer  und   germanischer  Tendenzen.    Selbst  die  Geschichte 


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272  M.  Jules  Heibig, 

dieses  Buches  ist  nicht  unberührt  davon  geblieben.  Unsere  Schrift  ist  eine  vor 
der  auf  dem  Titel  genannten  Gesellschaft  gebilligte  Beantwortung  einer  von 
einem  Mitgliede  derselben  aufgestellten  Preisfrage,  und  sowohl  der  Aufstelle, 
dieser  Frage  als  die  Mitglieder  der  bcurtheilcnden  Commission  scheinen  sich, 
wie  die  romanischen  Völker  überhaupt,  der  Auffassung  der  Kunst  zuzuneigen 
welche  das  Individuelle  der  Kunst,  und  daher  vorzugsweise  die  Bravour  der 
Malerei  betont.  Die  Kunstfreunde  von  Lüttich  waren  sich  bewusst,  dass  ihre 
Stadt  seit  der  Renaissance  eine  Reihe  von  Malern  hervorgebracht  hatte,  deren 
Namen  in  den  Gallerien  des  17.  und  18.  Jahrh.  einen  guten  Klang  gehabt  hatten. 
Diesen  traditionellen  Ruhm  geltend  zu  machen,  war  die  Absicht  der  Frage- 
weiche deshalb  auch'  ausschliesslich  auf  die  Malerei  gerichtet  ist,  und  der  Wunsch 
der  Commission,  w^elcbe  sogar  eine  Vervollständigung  der  biographischen  Nach- 
richten von  dem  Verfasser  der  Preisschrift  verlangte.  Dieser  dagegen  ist  denn 
doch  zu  weit  mit  der  neueren  Kunstwissenschaft  fortgeschritten,  um  nicht  auch 
auf  die  innere  Einheit  der  bildenden  Künste  und  auf  das  ungebrochene  6e* 
sammtleben  derselben,  wie  es  sich  im  Mittelalter  zeigte«  grosses  Gewicht  zu 
legen.  Seine  Schrift  sucht  daher  sowohl  dieser  Auffassung  wie  jener  früheren 
gerecht  zu  werden  und  hat  dadurch  wesentlich  an  Interesse  gewonnen. 

Die  Leistungen  des  früheren  Mittelalters  in  dieser  Gegend,  denen  der 
Verfasser  fleissig  nachgeforscht  hat,  sind  zwar  an  sich  keineswegs  bedeutend, 
sondern  nur  Reflexe  allgemeiner  Ursachen,  die  sich  im  ganzen  damaligen  Abend- 
lande geltend  machten.  Irische  Missionarien  scheinen  auch  hier  den  Anstoss 
gegeben  zu  haben,  wie  zwei  Evangeliarien  des  7,  Jahrh,  beweisen^  welche  von 
Nonnen  des  Klosters  zu  Alteneyck  herstammen  sollen,  und  sich  jetzt  im  Kir- 
chenschatze von  Maeseyck  befinden.  Die  Zeit  Carls  des  Grossen  hat  trotz  der 
Nähe  von  Aachen  hier  keine  bedeutenden  Spuren  hinterlassen  und  wir  besitzen 
nichts  als  einige  Miniaturen  und  kurze  Nachrichten  über  untergegangene  Wand- 
malereien. Im  11.  Jahrh.  wurde  die  Abtei  Stablo  (über  deren  Reliquienschatz 
bereits  im  Heft  46  d.  Jahrb.  berichtet  ist)  eine  Stätte  eifriger  Kunstübung. 
Miniaturen  mit  der  Jahreszahl  1097  und  den  Namen  der  malenden  Mönche, 
werden  im  britischen  Museum  bewahrt.  Im  12.  Jahrh.  begann,  wie  das  be- 
kannte Taufbecken  von  Lambert  Patras  in  S.  Bartholomäus  zu  Lüttich  beweist, 
die  Uebung  des  Metallgusses,  welche  Technik  damals  in  der  Gegend  von  Di- 
nant  so  sehr  blühte,  dass  man  sie  eine  Zeitlang  geradezu  als  Dinanterie  be- 
zeichnete. 

Im  13.  Jahrhundert  scheint  das  Thal  der  Maas  den  Ruhm  der  Malerei 
erlangt  zu  haben.  Der  Dichter  des  Parcival  spricht  in  einer  oft  angeführten 
Stelle  von  den  Malern  von  Maestricht  in  sehr  anerkennender  Weise;  er  stellt 
sie  denen  von  Köln  gleich  und  scheint  beide  Schulen  als  die  au  bezeichneni 
welche  das  Höchste  in  dieser  Kunst  leisteten.  Erinnert  man  sich,  dass  dann 
zwei  Jahrhunderte  später  zwei  der  grössten  Meister  aller  Zeiten,  die  Brüder 
van  Eyck  aus  dieser  Gegend,  aus  dem  Städtchen  Maeseyck  hervorgingen,  so 
möchte  man  vermuthen,  dass  hier  eine  besondere  Beg^abung  der  Malerei  ein- 
heimisch  gewesen.    Allein   die  Bemühungen    der  Localforscher   und   auch   die 


■      '  ^^  tl 


Histoire/de  la  peinture  an  pays  de  Li^ge.  273 

unseres  Verfassers  haben  keine  Bestätigung  dieser  Vermutbung  gebracbt.  Es 
sind  zwar  einige  Wand-  und  Tafelmalereien  des  13.  und  li.  Jabrb.  (in  Kcrniel 
bei  Looz  und  in  der  Dominikanerkirche  zu  Maestricht)  erhalten,  aber  ohne  be- 
deutenden Werth.  Auch  in  der  Sculptur  scheint  sich  keine  eigen thümliche 
Schule  gebildet  zu  haben.  Bei  Erwähnung  eines  im  Jahre  1310  mit  Statuen  ge- 
schmückten Portales  an  der  jetzt  abgebrochenen  Domkirche  von  Lüttich  be- 
merkt der  Chronist,  dass  dabei  drei  Künstler  mitgewirkt,  die  in  der  ganzen 
Welt  nicht  ihresgleichen  gehabt  hätten;  die  Namen,  welche  er  nennt  (Jehan  de 
Cologne  und  Pire  li  Allemaus)  weisen  aber  auf  Deutschland  hin. 

Johann  von  Eyck  war  nicht  blos  aus  der  Nachbarschaft  von  Lüttich  ge- 
bürtig, sondern  scheint  sogar  seine  künstlerische  Laufbahn  in  dieser  Stadt  be- 
gonnen zu  haben,  wo  er  um  1420  im  Dienste  des  damals  zum  Bischof  desig- 
nirten  Prinzen  Johann  von  Bayern  stand.  Indessen  sind  keine  Spuren  seiner 
Wirksamkeit  hier  vorzufinden  und  sogar  sein  Einfluss  scheint  erst  ziemlich  spät 
hierher  zu  dringen.  Im  Kloster  S.  Lorenz  in  Lüttich  lebte  damals  ein  fleissiger 
Miniatur maler,  Johannes  von  Stablo  (f  1449),  von  dessen  Arbeiten  einige  in 
England  und  in  der  Bibliothek  zu  Brüssel  erhalten  sind.  Sie  tragen  aber  noch 
nicht  den  Charakter  der  Eyck'schen  Schule.-  Ja,  noch  mehr,  ein  sehr  viel  spä- 
teres Bild,  das  jetzt  im  Privatbesitze  befindliche,  ursprünglich  in  die  Pauls- 
kircbe  zu  Lüttich  gestiftete  Epitaphium  des  im  J.  1459  verstorbenen  Dr.  van 
der  Meulen  ist  noch  ganz  ohne  solchen  Einfluss;  in  strenger  symmetrischer 
Haltung,  auf  Goldgrund  und  ohne  naturalistische  Motive  ausgeführt-  Es  ist  zwar 
richtig,  dass  'ein  solches  vereinzeltes  Beispiel  nicht  entscheidend  ist,  da  es  stets 
einzelne  zurückbleibende  Künstler  gibt,  welche  den  Neuerungen  lange  wider- 
streben, und  man  kann  daran  erinnern,  dass  die  Stadt  Lüttich  im  Jahre  1468 
darch  die  Rache  Carls  des  Kühnen  eine  gründliche  Zerstörung  erlitt,  bei  wel- 
cher eine  grosse  Zahl  älterer  Kunstwerke  zu  Grunde  gegangen  sein  kann.  Al- 
lein wenn  ^  eine  blühende  Malerschule  in  Lüttich  bestanden  und  die  durch  die 
Eyck's  errungenen  Fortschritte  verwerthet  hätte,  würden  immerhin  einzelne 
Leistungen  derselben  in  der  Verborgenheit  des  Privatbesitzes  oder  in  den  be- 
nachbarten Ortschaften  jener  Zerstörung  entgangen  sein.  Nachrichten  über  da- 
mals in  Lüttich  lebende  Maler  fehlen  zwar  nicht  ganz.  In  den  Rechnungen  der 
Stadt  von  1454—1474  erhält  ein  gewisser  Antonius  wiederholt  Zahlungen  für 
Wand-  und  Tafelgemälde,  ein  Mal  sogar  eine  Zulage  zu  dem  ursprünglich  ver- 
abredeten Preise,  also  eine  Anerkennung  besonderer  Verdienste.  Wir  kennen 
aber  kein  Werk  von  seiner  Hand  und  es  ist  nur  eine  Vermuthung  des  Ver- 
fassers, wenn  er  die  bekannte;  früher  im  Besitze  von  Sir  Charles  Eastlake,  jetzt 
in  der  National-Gallerie  zu  London  befindliche  Darstellung  der  feierlichen  Be- 
stattung eines  Bischofs  für  die  Bestattung  des  heil.  Hubertus  in  S.  Peter  zu 
Lüttich  und  für  ein  Werk  dieser  Schule  und  sogar  dieses  Antonius  erklärt. 

Erst  bei  dem  Ende  der  Eyck* sehen  Schule  scheint  sich  der  Stern  von 
Lüttich  zu  heben  und  es  finden  sich  nun  hier  zwei  namhafte  Meister  von  glei- 
cher und  eigen thümlicher  Richtung,  welche  dahin  mitwirkten,  den  Uebergang 
von  dieser  Schule  zur  modernen  Malerei   zu  vollziehen,  Joachim  Patenier  and 

18 


•  >: 


274  M.  Jules  Heibig. 

Herry  met  do  Blei.  In  den  letzten  Decennien  des  15.  Jabrh.,  beide  im  oberen 
Maasthale,  Patenier  in  Dinant,  Heinrich  in  Bouvignes  geboren,  zeigen  sie  eine 
sehr  verwandte  Bichtang.  Das  landschaftliche  und  genrehafte  Element,  das  bei 
den  grossen  Meistern  der  flandrischen  Schule  schon  vorhanden,  aber  dem  Reli- 
giösen untergeordnet  gewesen  war,  erhält  bei  ihnen  höhere  Bedeutung;  die 
heiligen  Gestalten  werden  mehr  zur  Staffage.  Der  Verfasser  ist  geneigt,  dies 
den  Vorzügen  ihres  gemeinsamen  Geburtslandes,  die  Betonung  des  Landschaft* 
liehen  den  Schönheiten  der  Natur,  das  Hervortreten  des  Genrehaften  dem  prak- 
tischen, auf  das  Gewerbliche  gerichteten  Sinne  seiner  Bevölkerung  zuzuschreiben, 
Das  Thatsachliche,  das  Pikante  jener  Berglinien  und  der  rüstige,  erwerbsame  Sinn 
des  wallonischen  Stammes,  ist  unbestreitbar  richtig,  aber  schwerlich  die  Folge* 
rung.  Die  landschaftliche  Kunst  ist  durchweg  das  Product  der  Sehnsucht  nach 
schöner  Natur,  nicht  des  Genusses;  sie  hr.t  immer  in  unscheinbaren  Gegenden 
ihren  Ursprung.  Der  praktische  Sinn  sucht  auch  im  Idealen  die  Consequenz 
und  weist  das  Genrehafte  zurück.  Von  einer  Begeisterung  für  landschaftliche 
.  Schönheit,  von  einem  kräftigen  Humor  ist  in  der  That  bei  beiden  Meistern 
keine  Spur  zu  entdecken.  Ihre  Stellung  ist  vielmehr  schwankend,  sie  können 
sich  dem  Einflüsse  der  flandrischen  Schule  weder  entziehen,  noch  ganz  hin- 
geben. Sie  sind  mehr  aus  chronologischen  als  aus  geo<2[raphischen  Beziehungen 
zu  erklären.  Jene  mystische  Frömmigkeit,  welche  in  dem  Glänze  der  natür- 
lichen Dinge  die  Offenbarung  göttlicher  Geheimnisse  zu  erschauen,  jene  Naivetät, 
welche  irdische  Pracht  als  Ausdrucksmittel  des  Heiligen  und  Hohen  gebrauchen, 
und  kirchliche  Beligiosität  mit  sinnlichem  Lebensgenuss  vereinigen  zu  können 
glaubt,  wollte  im  16.  Jahrhundert  nicht  mehr  gedeihen.  Die  Elemente  des  Ab- 
strakten und  des  Sinnlichen,  welche  nach  der  asketischen  Sonderung  des  Mit- 
telalters im  15.  Jahrh.  vorübergehend  eine  Einheit  gebildet  hatten,  begannen 
wieder  auseinander  zu  gehen;  man  fühlte,  dass  jene  Mischung  des  Geistigen  und 
Sinnlichen  keinem  von  beiden  genüge,  man  strebte  das  Sittliche  und  Religiöse 
mit  tieferem  Ernst,  das  Natürliche  mit  grösserer  sinnlicher  Wahrheit  zu  er- 
fassen. Man  wurde  sich  der  Mängel  der  bisherigen  Kunstrichtung  bewusst,  eiie 
man^  das  Mittel  gefunden  hatte  ihnen  abzuhelfen.  Es  war  nahe  daran,  dass 
Wirklichkeit  und  Kunst  in  Widerspruch  geriethen.  Nahm  man  es  mit  den  reli- 
giösen und  sittlichen  Interessen  genau,  so  schien  die  Harmonie  des  Ganzen  ge- 
fährdet, und  fasste  man  diese  vorzugsweise  ins  Auge,  so  konnte  der  Ernst  des 
Ansdrucks  schwerlich  seine  volle  Kraft  erhalten.  Jenes  (die  Betonung  des  sitt- 
lichen Ernstes  und  der  Schmerzen)  entsprach  der  Stimmung  det  nordischen,  mehr 
germanischen  Völker,  dieses  (die  Schönheit  der  Form)  lag  den  Südländern,  vor 
allen  den  Italienern,  näher.  Eine  neue  Scheidung  auf  diesem  Gebiete  bereitete 
sich  vor.  Aber  es  währte  noch  eine  Weile,  ehe  man  sich  so  weit  von  dem 
Ueberlieferten  enifemte,  und  unsere  beiden  Meister  aus  dem  obem  Maasthale 
konnten  sich  noch  nicht  dazu  entschliessen.  Sie  gehörten  zwar  einem  romani- 
schen Stamme  an,  aber  einem  solchen,  der  vielfach  unter  dem  Einflüsse  der 
benachbarten  germanischen  Provinzen  stand.  Wir  wissen  nicht  einmal,  wo  lia 
ihre  Lehrjahre   durchgemacht   hatten,    und  es  ist  nicht  unwahrscheinlich,    data 


Histoire  de  la  peintnre  au  pays  de  Liege.  276 

dies  in  Brabant,  in  Antwerpen  oder  Mecheln,  wo  wir  sie  später  ansässig  ünden, 
geschehen  war.  Der  Weg,  den  sie  einschhigen,  war  daher  auch  nar  eine  halbe 
Maassregel.  Sie  yerminderten  die  Schwierigkeiten,  ohne  ihnen  abzuhelfen.  Wäh- 
rend ihr  germanischer  Zeitgenosse  Quentiu  Mcssys,  um  ergreifenden  Ausdruck 
zn  erlangen,  seinen  Figuren  grössere  Dimensionen  gab  ala  die  bisherigen  Mei- 
ster, bildeten  sie  dieselben  meistens  kleiner,  wodurch  sie  denn  von  selbst  in 
das  Yerh&ltniss  der  Staffage  rückten.  Wie  wenig  sie  dabei  als  Repräsentanten 
ihrer  Geburtsgegend  verfuhren,  zeigt  sich  denn  auch  daran,  dass  sie  in  der- 
selben keinen  Nachfolger  fanden,  dass  vielmehr  gleich  nach  ihnen  gerade  Lüt- 
tich es  war,  welches  entschieden  mit  der  mittelalterlichen  Tradition  brach  und 
sich,  den  Nachbargegenden  vorangehend,  der  italienischen  Renaissance  zuwandte. 
Es  ist  merkwürdig,  wie  kräftig  sich  bei  dieser  Gelegenheit  das  romani- 
sche Blut  dieses  Stammes  im  Gebiete  von  Lüttich  äusserte.  Der  Uebergang 
vollzog  sich  plötzlich,  aber  in  höchst  normaler  Weise;  wir  beündeu  uns  mit 
einem  Schlage  in  voller  Renaissance.  Künstler  und  Literaten  waren  dabei  mit- 
wirkend und  auch  an  einem  Mäcen  fehlte  es  nicht.  Erhard  von  der  Marck,  der 
im  Anfange  des  16.  Jahrh.  Fürstbischof  von  Lüttich  wurde^  war  ein  humani- 
«  stisch  gebildeter,  kunetliebender  Herr,    welcher  den  lebhaften  Ehrgeiz  empfand, 

seien  Residenz  im  Sinne  der  neuen,  in  Italien  aufkommenden  Kunstrichtung 
würdig  zu  schmücken.  Er  hatte  das  Glück,  die  Mittel  dazu,  und  namentlich 
einen  jungen  Maler,  der  die  dazu  nöthigen  Eigenschaften  im  vollsten  Maaase 
besasB,  in  seiner'  Stadt  selbst  vorzufinden.  Lambert  Lombard,  Sohn  eines  Lüt- 
ticher  Bürgers,  1503  oder  1506  geboren,  war  ohne  noch  die  Niederlande  ver- 
lassen zu  haben,  bereits  in  Berührung  mit  der  neuen  Kunstrichtung  gekommen, 
indem  er  in  Middelburg  mit  dem  berühmten  Maler  Mabuse  (Johann  Gossaert 
ans  Maubeuge)  zusammen  getroffen  war,  der  sich  damals  bereits  (das  erste 
Beispiel  dieser  Art)  in  gewissem  Grade  italienische  Manier  angeeignet  hatte* 
Dies  mochte  in  ihm  den  Wunsch  erregt  haben,  aus  derselben  Bildungsquelle 
zu  schöpfen,  und  veranlasste  den  Bischof  ihn  dabei  zn  unterstützen.  Er  be- 
stimmte daher  den  gelehrten  Cardinal  Pole,  der  damals  seinen  Wohnsitz  von 
England  nach  Rom  verlegte,  um  den  Reformplänen  seines  Königs  aus  dem 
Wege  zu  gehen,  den  jungen  Maler  in  sein  Gefolge  aufzunehmen,  der  in  dieser 
ehrenvollen  und  anregenden  Weise  zu  einem  längern  Aufenthalte  in  Rom  ge- 
langte und  hier  seine  Studien  denn  auch  mit  solchem  Eifer  betrieb,  dass  er 
I  wenige  Jahre  darauf,  als  der  Tod  des  Bischofs  (1538)  ihn  zur  Rückkehr  in  seine 

I  Heimath  nöthigte,   hier   mit   aller  Kraft    zur  Verbreitung  des  italienischen  Ge- 

J  tchmackes    wirken   konnte.    Lambert  Lombard    war   kein  gemeiner  Praktiker, 

sondern  hatte  theoretische  Neigungen,  und  strebte  auf  die  Quellen  zurück  zn 
gehen.  Er  hatte  mehr  die  Antike,  als  einzelne  italienische  Meister  studirt,  un- 
terliess  zwar  nicht,  sich  in  grossen  Gemälden  zu  zeigen,  war  aber  doch  frucht- 
barer in  Zeichnungen,  die  dann  durch  den  Kupferstich  verbreitet,  zur  Er- 
weoknng  des  Sinnes  für  antike  Form  wirkten.  Ihm,  dem  Theoretiker  und  Künst- 
er, stand  dann  ein  konstliebonder  Gelehrter  zur  Seite,  Dominicus  Lampsonius, 
der  in  Italien  ebenfalls  im  Dienste  des  Kardinals  Pole  gewesen,  später  aber  als 


'Tä 


276         M.  Jules  Heibig,  Histoire  de  la  pcintare  au  pays  de  Li6ge. 

Secretär  in  die  des  Bischofs  von  Lüttich  getreten  war.  Er  versuchte  sich  dilet- 
tantisch selbst  in  grossen  Altartafeln,  wurde  aber  auch  der  Herausgeber  einer 
Sammlung  von  Malerporträts  und  der  Verfasser  eines  Aufsatzes  über  nieder- 
l&ndiscbe  Künstler,  den  Vasari  in  der  zweiten  Ausgabe  seines  Werkes  benutzte. 
Lüttich  wurde  daher  eine  wichtige  Stelle  für  die  Verbreitung  der  italienischen 
Kunst  im  Norden.  Aus  Lamberts  Schule  gingen  Franz  Floris  und  andere  be- 
deutende Vertreter  der  neuen  Richtung  hervor,  welche  ausserhalb  Lütticht 
wirkten.  Aber  auch  in  seiner  Vaterstadt  selbst  war  seit  Lamberts  Tode  diese 
Kunstweise  völlig  eingebürgert,  und  sie  erzeugte  im  17.  und  18.  Jahrhundert 
jene  Reihe  von  namhaften  Meistern,  die,  wenn  sie  auch  nicht  Begründer  eigner 
Schulen  wurden,  doch  ein  gewisses  Ansehen  genossen  und  noch  jetzt  in  den 
Gallerien  ihre  Geltung  haben.  Ich  enthalte  mich  des  weitem  Eingehens  auf 
ihre  Kamen,  unter  denen  der  des  Gerard  Lairesse  der  bedeutendste  sein  möchte. 
Der  Verfasser,  der  ihre  Lebensnachrichten  mit  grossem  Fleisse  gesammelt  und 
ihre  Werke  catalogisirt  und  beschrieben  hat,  kann  doch  die  Bemerkung  nicht 
unterdrücken,  dass  von  nun  an  seine  Aufgabe  an  einer  gewissen  Monotonie 
leide.  Der  Hergang  sei  bei  allen  Malern  ziemlich  derselbe;  noch  ehe  sie  in  der 
Heimath  zu  wahrer  Meisterschaft  gereift  sind,  streben  sie  nach  Italien,  eignen 
sich  dort  mehr  oder  weniger  die  damals  gerade  herrschende  Manier  an  und 
kehren  so  gewissermassen  als  Italiener  zurück,  aber  doch  nur  durch  eine  Art 
von  Verkleidung,  welche  mit  ihrem  Naturell  nicht  ganz  im  Einklänge  steht. 

Lambert  Lombard  hatte,  wie  die  meisten  der  damaligen  italienischen 
Maler,  auch  die  Architektur  studirt,  und  es  ünden  sich  in  Lüttich  noch  mehrere 
Gebäude  in  einem  ziemlich  reinen  Renaissancestyl,  welche  von  nahe  stehenden 
Schriftstellern  ihm  zugeschrieben  werden.  Aber  hier  drang  er  nicht  durch : 
die  Bauherren  Hessen  sich  von  der  Reinheit  seiner  architektonischen  Zeichnun- 
gen nicht  reizen,  Kirchen  und  Paläste  behielten  noch  lange  gothische  Form, 
wenn  auch  in  einer  phantastischen  Umgestaltung,  wie  sie  schon  der  bischöfliche 
Palast  Erard's  von  der  Marck  gezeigt  hatte.  Wenn  so  eine  Zeit  lang  Archit-ektar 
und  Malerei  verschiedene  Wege'  gingen,  so  hatte  dies  indessen  noch  nicht  so 
gleich  die  Folge,  das  natürliche  Band,  das  beide  verbindet,  völlig  zu  lösen« 
Noch  im  17.  Jahrhundert,  ja  selbst  zum  Theil  noch  im  18.  wurden  die  Ge« 
mälde  auf  Leinwand  oder  Holz  für  bestimmte  architektonische  Stellen  und  in 
der  dadurch  gebotenen  Umrahmung  ansgeführt.  Erst  die  spätere  Zeit  des  18. 
and  der  Anfang  des  19.  Jahrhunderts  halben  den  Versuch  gemacht,  die  Malerei 
völlig  zu .  mobilisiren,  upd  die  Gemälde  als  vereinzelte  künstlerische  Gedan« 
ken  mit  willkürlicher  Begrenzung  zu  umgeben.  Es  ist  keine  Frage,  dass  jenes 
Anschlieesen  an  die  Architektur  ein  wichtiges  Mittel  zur  Erhaltung  des  Styl- 
gefuhls  war,  und  dass  die  seitdem  herrschend  gewordene  Lösung  dieses 
Bandes  dazu  beiträgt,  der  heutigen  Malerei  die  Haltungslosigkeit  zu  geben,  an 
der  sie  leidet. 

Diese  Bemerkungen  mögen  genügen,  um  auf  den  Werth  dieser  gründlichen 
provincialgeschichtlichen  Arbeit  aufmerksam  zu  machen. 


Charles  Görard,  les  Artistes  de  TAlsace  pendant  le  moyen-ftge.        277 

2.  Dasselbe  Lob  des  Fleisses  and  der  Gründliehkeit  wie  dem  ersten  ge 
bahrt  dem  zweiten  der  vorliegenden  Werke,  so  sehr  dasselbe  sich  sonst,  sowohl 
dem  Gegenstande  als  der  Form  nach,  von  demselben  unterscheidet.  Wenn  die 
Kunst  im  Gebiete  von  Lattich  erst  mitr  dem  16.  Jahrhundert  einen  bestimmten 
nnd  bleibenden  Charakter  annahm,  verhält  es  sich  im  Elsass  grade  umgekehrt, 
seine  künstlerische  Production  gehört  wesentlich  dem  Mittelalter  an.  Der 
Verfasser  des  zweiten  Werkes  hat  sich  daher  mit  Recht  auf  diese  frühere  Zeit 
beschränkt.  Dann  aber  fragte  sich,  in  welcher  Form  er  die  Resultate  seiner 
Studien  publiciren  wolle.  Er  hat  darüber,  wie  er  erzählt,  lange  geschwanktt 
sich  dann  aber  für  die  einfachste  Weise  entschieden,  nämlich  für  eine  chro- 
nologische Aufzählung  aller  ihm  bekannten  Künstlernamen  des  Elsassischen 
Mittelalters,  ohne  Unterscheidung  der  Kunstzweige.  Architekten,  Kalligraphen, 
Miniaturisten,  Bildhauer,  Maler  u.  s.  f.  folgen  daher  nach  der  Ordnung  ihrer 
muthmasslichen  Lebenszeit  auf  einander.  Vorzüge  und  Nachtheile  dieser  Be- 
handlungsweise  liegen  auf  der  Hand.  Bei  den  dürftigen  und  unzusammenhängen- 
den Notizen,  welche  uns  die  mittelsiterlichen  Chroniken  und  Urkunden  ge- 
währen, wird  dadurch  nicht  leicht  ein  lebensvolles  Büd  der  künstlerischen  Ent- 
Wicklung  entstehen.  Dagegen  wird  durch  diese  Vereinzelung  die  Handhabung 
einer  sorgfaltigen  Kritik,  welche  bei  der  Natur  dieser  Ueberlieferungen  geboten 
ist,  bedeutend  erleichtert.  Es  ist  daher  eine  solche  Zusammenstellung  eine  be- 
scheidene, aber  überaus  nützliche,  ja  unentbehrliche  Aufgabe,  der  sich  der  Ver- 
fasser denn  auch  mit  kritischer  Gewissenhaftigkeit  unterzogen  hat.  Sein  Buch, 
von  dem  jetzt  nur  der  erste  Theil  vorliegt,  wird  daher,  besonders  wenn  der 
zweite,  dem  15.  Jahrh.  gewidmete,  erschienen  und  mit  den  ausführlichen  Re- 
gistern, welche  die  Vorrede  verheisst,  versehen  sein  wird,  ein  Repertorium  bil- 
den, das  Keiner  übergehen  darf,  der  sich  mit  der  Kunst  des  Elsass  beschäftigt. 
Natürlich  hat  der  Verfasser  sich  bei  seinen  Mittheilungen  nicht  auf  eigene  neue 
Forschungen  beschränken  dürfen:  seine  Aufgabe  war  vielmehr,  die  Resultate 
der  schon  längst  eifrig  betriebenen  Localforsohnng  za  prüfen  und  die  mannig- 
fachen Irrthümer,  welche  sich  hartnäckig  zu  erhalten  pflegen,  aufzudecken. 
Gerade  die  Trockenheit  und  Lückenhaftigkeit  der  überlieferten  Nachrichten  gibt 
die  Pflicht,  aber  auch  einen  fast  übermässigen  Reiz,  sie  möglichst  auszubeuten, 
und  durch  die  Phantasie  zu  beleben,  was  denn  leicht  zu  bedenklichen  Hypo- 
thesen führt.  Der-  Verfasser  ist  sich  dieser  Gefahr  wohl  bewusst  und  hat  sie 
darch  sorgfältige  Kritik  möglichst  zu  vermeiden  gesucht.  Indessen  fehlt  es  auch 
bei  ihm  nicht  an  Annahmen,  die  ich  für  unbegründet  oder  doch  für  sehr  zwei- 
felhaft halten  muss.  In  die  letzte  Kategorie  gehört  auch  eine,  welche  so  eben 
bei  Weltmann  (Zeitschrift  für  bildende  Kunst,  8.  Band,  Seite  359)  Zustimmung 
gefunden  bat. 

An  der  stattlichen  gothischen  Kirche  St.  Martin  zu  Colmar  sind  die 
Namen  mehrerer  Werkmeister  erhalten.  Der  Eine  derselben,  Wilhelm  von  Mar- 
burg, ist  zufolge  seines  Grabsteines  im  J.  1364  gestorben ;  von  ihm-  kann  daher 
nnr  der  Chor  herrühren,  während  das  Langhaus  einer  frühem  Zeit  entspricht 
and  das  Kreuzschiff  noch  älteren  Ursprunges  scheint.  Gerade  an  diesem  ältesten 


278 


Charles  Gorard, 


Theile  aber  hat  man  schon  vor  etwa  zwanzig  Jahren  ebenfalk  den  Namen  eines 
Meisters  entdeckt.  An  dem  Portale  des  südlichen  Kreozarmes  befindet  sich 
nämlich  die  Statuette  eines  Mannes,  der  mit  dem  Schurzfell  bekleidet,  das  Win- 
kelmaass  in  dev  kräftigen  Hand,  augenscheinlich  die  Darstellung  eines  Stein- 
metzen oder  Baumeisters  gibt.  Daneben  dann  die  Inschrift:  MAISTRES-HVM- 
BRET  (Maistres-Humbret).  Schon  der  Entdecker  dieser  Inschrift,  der  verstor- 
bene Abbe  Hugot,  folgerte  daraus,  dass  dcr^Mann  kein  Deutscher,  sondern  ein 
Franzose  gewesen  sei,  eine  Ansicht,  der  jedoch  Ludwig  Schneegans,  einer  der 
gründlichsten  Elsassischcn  Forscher,  cbonfuUs  aus  sprachlichen  Gründen  ent- 
gegentrat. Unser  Verfasser  widerspricht  diesem  und  legt  namentlich  darauf  Ge- 
wicht, dass  der  Scbluss  des  Meistertitels,  das  S  am  Nominativ  des  Singulars 
eine  im  Altfranzösischen  oft  vorkommende  Form  sei.  Seine  Gründe  scheinen 
mir  indessen  nicht  schlagend.  Wenn  auch  jenes  S  beim  Gebrauch  des  Singulars 
im  Altfranzösischen  vorkommen  mag,  so  ist  es  immer  eine  üngenauigkeit,  welche 
nicht  gerade  als  ein  Zeichen  der  Nationalität  des  Schreibenden  gelten  kanni 
während  andererseits  die  Form  des  Namens  Humbret  (Humbrecht)  eher  auf 
deutschen  Ursprung  deutet  und  die  Schreibart  des  Meistertitels  keiner  beider 
Sprachen  vollkommen  angehört.  Im  Mittelhochdeutschen  ist  zwar  die  Schreibart 
»Meister«  gewöhnlicher,  doch  kommt  auch  die  Schreibart  »Maistert  (in 
Erinnerung  an  den  auch  den  Handwerkern  wohlbekannten  lateinischen  Ursprung 
des  Wortes  Magister)  nicht  selten  vor.  So  wiederholt  in  Esslingen,  vgl  Heide- 
löff,  Schwaben,  S.  44,  45.  Es  steht  daher  nur  so  viel  fest,  dass  die  Schreibart 
beider  Worte  incorrekt  ist;  eine  Üngenauigkeit  wie  sie  in  Steinschriften  so 
häufig  vorkommt.  Unier  diesen  Umständen  scheint  es  mir  höchst  gewagt,  aus 
der  Orthographie  einen  Scbluss  auf  die  Nationalität  des  dargestellten  Mannes 
zu  ziehen.  Fragt  man  aber  nicht  blos  die  Inschrift,  sondern  das  Werk  selbst 
an  welchem  sich  die  Statuette  befindet,  so  redet  es  entschieden  deutsche 
Sprache;  die  Architektur  dieses  südlichen  Kreuzarmes  enthält  noch  starke  ro- 
manische  Reminiscenzen.  wie  sie  um  das  Jahr  1240,  wo  nach  den,  von  dem 
Verfasser  selbst  mitgotheilten  Nachrichten  dieser  Theil  gebaut  sein  muss,  in 
Frankreich  nicht  denkbar  sind,  in  der  deutschen  Praxis  aber  ganz  herkömmlich 
waren.  Der  Erbauer  dieses  Ereuzarmes  muss  daher  ein  Deutscher  gewesen  sein. 
Damit  ist  denn  auch  Prof.  Weltmann  a.  a.  0.  einverstanden,  glaubt  aber  den- 
noch nach  Gcrard's  Vorgänge  die  französische  Nationalität  des  Meisters  Hum- 
bert festhalten  zu  dürfen.  Er  nimmt  rämlich  an,  dass  bei  dem  Eintritt  dieses 
fremden  Meisters,  der  Innenbau  des  Kreuzarmes  durch  seine  deutschen  Vor- 
ganger  bereits  vollendet  und  nur  noch  das  Portal,  an  welchem  die  Statuette 
sich  befindet,  auszuführen  gewesen  sei.  Gerade  dies  Portal  hat  aber  keines- 
weges  den  ausschliesslich  romanischen  Charakter  wie  der  Innenbau;  es  scheint 
zwar  aus  ununterbrochener  Arbeit  hervorgegangen,  enthält  aber  in  der  That 
eine  freilich  etwas  wunderliche  Mischung  von  romanischen  und  gothischen  Mo- 
tiven, die  et  den  Anordnungen  des  neuen  Meisters  zuschreiben  zu  dürfen  glaubt, 
der  von  da  zum  Bau  des  Langhauses  übergegangen  sei,  in  welchem  dann  die 
gothische  Formbildung   schon  deutlicher  liervortritt.    Die  Hypothese  ist  scharf- 


i 


les  ArÜBte«  de  TAlsacc  pendant  le  moyon*&ge.  279 

siimig,  leidet  aber  doch  wieder  an  innerer  Unwahrscbeinlichkeit.  Die  Misohnng 
der  romanischen  und  gothisoheD  Elemente  an  der  Bildung  des  Portals  ist  so 
roh  und  angeschickt  ausgeführt,  dass  man  sie  einem  Künstler,  der  in  der 
Kenntniss  des  neuen  Styls  aufgewachsen  war,  nicht  zuschreiben  kann  und 
ebensowenig  ist  es  glaublich,  dass  mau  dem  neu  hinzutretenden  Meister 
gestattet  haben  würde,  sogleich  mit  der  Anbringung  seines  Bildnisses  an 
einem  Werke,  an  dem  er  so  wenig  Antheil  hatte,  zu  debütiren.  Viel 
eher  wäre  es  möglich,  dass  ein  älterer  Meister,  'dessen  lange  Wirksam- 
keit ihm  Ansprüche  gab  bei  dieser  Schlussarbeit  seine  Vielseitigkeit  und 
sein  gewachsenes  Yerstandniss  des  neuen,  von  Frankreich  her  eindringen- 
den Styles,  zeigen  wollen,  was  denn  in  ziemlich  abschreckender  Weise  geschehen 
fi  und  eher  die  Lehre  gibt,  sich  in  späten  Tagen  kühner  Versuche  zu  ent- 
halten. Es  wäre  .in  der  That  gar  nichts  Auffallendes,  wenn  französische  Meister 
im  Elsass  thätig  gewesen  waren,  allein  der  Beweis  der  Thatsache  scheint  we- 
nigstens in  diesem  Falle  noch^nicht  erbracht  zu  sein. 

Besonders  ausfuhrlich  beschäftigt  sich  der  Verfasser  ndt  den  Baumeistern 
des  Strassburger  Münsters,  unter  denen  er  (wiederum  nach  dem  Vorgange  von 
Ludwig  Schneegans)  schon  einen  des  12.  Jahrhunderts  nachweisen  zu  können 
glaubt.  An  einem  der  durch  den  Bischof  Conrad  von  Hunenburg  (1190^1202) 
erbauten  Thore  der  Stadt  Straasburg  findet  sich  nämlich  das  Beliefbild  eines 
Mannes,  der  hinter  einem  Rade  sitzt,  mit  der  Lischrift:  »Hermanus  Anriga 
magister  hujus  operis.c  Da  das  Kreuzschiff  des  Münsters  ungefähr  derselben 
Zeit,  also  auch  muthroasslich  demselben  baolustigen  Bischof  angehört,  glaubt 
der  Verf.  es  demselben  bewährten  Meister  zuschreiben  zu  dürfen.  Eine  Ver- 
muthung,  die  jedenfalls  zu  kühn  und  entbehrlich  scheint, 

Noch  kühner  ist  es  dann,  wenn  man  diesen  Meister  auch  sofort  mit  einer 
künstlerischen  Tochter  beschenkt.     Schneegans  hat  überzeugend  bewiesen,   dass 
die  Bildhauerin  Sabina,  von  welcher  nach  einer  uns  auf  bewerten  Inschrift  einige 
Statuen  am  Aeussern  des  Münsters  herrührten,  nicht,    wie  man   durch  ein  gro- 
bes Missverständniss  angenommen,  eine  Tochter  Erwins  von  Steinbach  gewesen 
sein  könne,    sondern  mehrere  Decennien   vor  demselben   gelebt   haben   müsse. 
Da  aber  bei  den  damitligen  Zunftverhältnissen  die  Theilnahme  einer  Frau   an 
dor  Thätigkeit  der  Steinmetzen  nur  dann  denkbar  sei,  wenn  sie  zu  der  Familie 
des  Werkmeisters  und  also  gewissermassen  zur  Bauhütte  gehört  habe,  so  glaubt 
Schneegans  ^  und   mit  ihm   unser  Verfasser   annehmen  zu  dürfen,   dass  sie  von 
jenem  Hermann   Auriga, .  dessen  Lebenszeit  ihrem  Style  entspreche,  abstamme. 
£s  ist  augenscheinlich,    dass   wir   zu    dieser   völlig,  unerwiesenen  Vermuthung 
kein  Recht  haben. 

Bei  dem  vielgefeierten  Namen  Erwins  von  Steinbach  kommt  der  Verfasser 
au  einer  Hypothese,  die  so  viel  ich  weiss,  ganz  neu  und  ihm  eigenthümlich  ist. 
Gewöhnlich  hat  man  jenen,  ihm  nur  in  einer  Inschrift  beigelegten  Beinamen 
mit  der  im  markgräflichen  Baden  gelegenen  Ortschaft  Steinbach  und  «ogar 
theilweise  mit  dem  danach  benannten  ritterlichen  Geschlechte  in  Verbindung 
gebracht.    E^  gibt  aber  auch  noch  ein  anderes  Steinbaoh,   und  zwar   im  Elsass 


260  Charles  G^rard, 

selbst,  in  der  Nahe  von  Thann,  und  es  existirt  in  der  That  kein  Beweis  über 
die  Richtigkeit  der  einen  oder  der  anderen  Beziehung.  Aach  scheint  es  sehr 
gleichgültig,  ob  der  tüchtige  Meister  auf  dem  rechten  oder  auf  dem  linken 
Rheinufer  geboren  ist.  Unser  Verfasser  fügt  nun  aber  diesen  beiden  Möglich* 
keiten  eine  dritte  hinzu,  für  die  er  sich  entscheidet,  die  nämlich,  dass  Erwin 
ein  Franzose  gewesen,  dessen  Geburtsort  Pierrefont  oder  ahnlich  gelautet  habe, 
und  auf  deutschem  Boden  durch  das  deutsche  Wort  Steinbach  übersetzt  sei, 
Gründe  für  diese  Yermuthung  findet  er  besonders  darin,  dass  Erwins  Arbeiten 
nicht  bloss  in  künstlerischer  Beziehung  Spuren  der  französischen  Gothik  tragen, 
sondern  auch  sonst  einen  französischen  Patriotismus  verrathen.  So  namentlich 
wenn  er  bei  der  Darstellung  der  Auferstehung,  am  grossen  Portale  des  Münsters, 
einen  Sarg  mit  den  französischen  Lilien  und  dem  Thurme,  also  mit  dem  in 
Frankreich  so  oft  vorkommenden  Wappen  Ludwig  IX.  und  seiner  Mutter  Bianca 
von  Kastilien,  schmücke.  An  der  Fagade  seien  neben  dem  damals  lebenden 
deutschen  Kaiser,  Rudolph  von  Habsburg,  die  Reiterstatuen  des  Clovis  und  des 
Dagobert  aufgestellt.  Angeblich  sei  dies  eine  Anerkennung  ihrer  der  Kathedrale 
gegebenen  Schenkungen.  Aber  diese  habe  auch  andere  Woblthäter  gehabt,  und 
die  Wahl  des  Begründers  der  französischen  Monarchie  und  des  in  Frankreich 
populärsten  Königs  lasse  sich  daher  nur  als  ein  Ausdruck  persönlicher  Anhäng- 
lichkeit des  Meisters  erklären. 

Der  Verfasser  unseres  Buches  scheint  nicht  ein  geborener  Elsasser  zu 
sein;  er  ist  mit  dem  Elsass,  wie  er  sich  in  der  Vorrede  ausdrückt,  durch  kind- 
liche Anhänglichkeit  seit  mehr  als  einem  halben  Jahrhundert  verbunden;  er 
ist  jetzt  Advocat  am  Appellhof  zu  Nancy.  Er  wird  also  ohne  Zweifel  ge- 
borener Franzose  sein.  Er  versichert  uns  aber,  dass  dies  auf  die  eben  gedachte  ^ 
Bypothese  keinen  Einfluss  habe :  er  sei  weit  entfernt  eine  kindische  Befriedi- 
gung darin  zu  finden,  dass  er  Deutschland  einen  grossen  Künstler  entziehe.  Er 
habe  diese  Ansicht  schon  gehabt,  während  er  nur  das  gelehrte  und  künstlerische 
Deutschland  gekannt  und  geliebt  habe.  Wir  wollen  ihm  das  gerne  glauben,  da 
er  sich  auch  sonst  massig  und  vorurtheilsfrei  ausspricht,  aber  seine  Hypothese 
scheint  uns  dennoch  unhaltbar.  Dass  die  Arbeiten  Erwin's  der  französischen 
Schule  angehören,  ist  ausser  Zweifel,  aber  schon  die  Art  ihrer  Ausführung 
spricht  dafür,  dass  er  kein  Franzose,  sondern  ein  Deutscher  gewesen,  der  die 
in  Frankreich  ausgebildete  Form  in  eigenthümlicher  Weise  auffasste.  Jene  fran- 
zösischen Wappen  mögen  eben  eine  harmlose  I^eminiscenz  aus  seiner  Studienzeit, 
oder  eine  Copie  einer  mitgebrachten  Zeichnung  sein,  und  die  Gestalten  von 
Clovis  und  Dagobert,  wenn  überhaupt  diese  durch  eine  unerwiesene  Tradition 
überlieferten  Namen  richtig  sind,  stammen  nicht  aus  seiner  Wahl,  sondern 
waren  ihm  vorgeschrieben.  Jedenfalls  aber  ist  die  von  dem  Verfasser  angenom- 
mene Entstehung  des  Wortes  Steinbach  höchst  unwahrscheinlich.  Uebersetzuugen 
von  Beinamen  kommen  wohl  vor;  Regier  de  laPasture,  nachdem  er  aus  seinem 
französisch  redenden  Geburtsorte  Tournay  auf  fiamländisches  Gebiet  verzogen 
war,  nannte  sich  Roger  van  der  Weyden.  Allein  dies  geschah  im  15.  Jahrhun- 
dert, zu  einer  Zeit,  wo  die  Beinamen  bereits  in  bleibende  Familiennamen  über- 


les  Artistee  de  PAleace  pendaat  le  moyen-ftge.  281 

gingen  und  an  einem  Worte  von  allgemeingültiger  Bedeutung,  nioht  im  13* 
Jahrb.,  iro  die  Beinamen  stets  den  Charakter  der  persönlichen  Bezeichnung 
hatten  nnd  nach  Massgabe  der  umstände  wechselten,  und  nicht  an  einem  Orts- 
namen (nomen  proprium),  der  als  solcher  unveränderlich  war.  Der  Namen  einer 
grossen  Stadt  geht  durch  die  ganze  Welt,  der  eines  kleinen,  wenig  bekannten 
Ortes  hat  aber  ausserhalb  der  Provinz,  der  er  angehört,  und  besonders  im  Aus- 
lande, keine  Bedeutung,  man  ersetzte  ihn  daher  hier  durch  den  Namen  der  Pro- 
vinz oder  gar  des  Landes,  in  welchem  jener  kleine  Ort  lag.  Beispiele  davon  sind 
in  Italien  überaus  häufig,  für  Deutschland  mag  es  genügen,  auf  die  grosse  Zahl  von 
Künstlern  und  Handwerkern  aller  Art  hinzuweisen,  welche  im  14.  und  15.  Jahr- 
hundert unter  den  Namen  Beheim,  Behm  u.  s.  w.  vorkommen.  Wäre  Erwin 
wirklich  ein  Franzose  gewesen,  der  in  seinem  Yaterlande  von  Pierrefont  genannt 
war,  so  würde  man  sich  in  Strassburg  begnügt  haben,  ihn  als  den  »Wälschenc 
als  Franzosen,  oder  mit  dem  Namen  einer  grossen  Stadt,  in  der  er  gearbeitet 
hatte,  etwa  von  Amiens  oder  von  Paris,  zu  bezeichnen.  Jedenfalls  aber  wäre 
die  Uebersetzung  des  Namens  Pierrefont  durch  Steinbach  zweckwidrig  gewesen, 
da  sie  die  Vorstellung  erweckt  haben  würde,  dass  der  Inhaber  desselben  ein  Deutscher, 
ein  Elsasser  oder  Badenser  sei,  eine  Vorstellung,  welche  irregeführt  und  die  Er- 
kennung erschwert  haben  würde.  Der  Verf.,  der  uns  versichert,  dass  sein  fran* 
zösisches  Herz  an  dieser  Hypothese  keinen  Antheil  hat,  mag  seinerseits  überzeugt 
sein,  dass  unser  deutscher  Patriotismus  bei  dieser  Frage  gar  nicht  mitspricht. 
Wir  wissen  sehr  wohl,  dass  die  Gothik  in  Frankreich  ihre  Ausbildung  erhalten 
hat  und  erst  von  dort  her  nach  Deutschland  verpflanzt  ist.  Deutsche  Schrift- 
steller haben  dies  nachgewiesen,  ehe  es  in  Frankreich  selbst  ausgesprochen  war* 
Unter  diesen  Umständen  aber  erscheint  es  ziemlich  gleichgültig,  ob  diese  Ueber- 
tragung  nach  Deutschland  durch  deutsche  Meister,  auf  Grund  ihrer  in  Frank- 
reich gemachten  Studien,  oder  durch  französische,  die  zu  uns  einwanderten,  ge- 
schehen sei.  Innere  Gründe  bestimmen  uns  in  den  Fällen,  wo  wir  die  Entstehung  . 
der  frühesten  gothischen  Kirchen  in  Deutschland  genauer  verfolgen  können,  die 
Wirksamkeit  deutscher  Meister  anzunehmen.  Unserer  Eitelkeit  würde  vielleicht 
eher  die  andere  Ansicht  zusagen.  Dass  unsere  Meister  das  Bedürfniss  nach  fran« 
zösischer  Architektur  empfanden  und  sie  in  ihrer  Heimath  studirten,  ist  jeden- 
falls ein  stärkeres  Anerkenntniss  ihrer  Vorzüge,  als  wenn  französische  Meister  zu 
uns  gekommen  wären  und  uns  ihre  Leistungen  angeboten  hätten. 

Anf  die  ausführlichen  Untersuchungen  des  Verf.  über  die  Söhne  Erwin*s 
und  über  seine  Nachfolger  am  Bau  des  Münsters  darf  ich  nicht  weiter  eingehen; 
er  BchHesst  sich  in  der  Regel  der  Ansicht  von  Schneegans  an. 

Im  14.  Jahrhundert  kann  es  interessiren,  dass  der  Verf.  auch  da  noch 
mehrere  geistliche  Baumeister  nachweist.  Der  Franciskaner  Johann  Wagner 
erbaute  den  Chor  der  Kirche  seines  Ordens  in  Thann  (1303—1306),  an  der  Kirche 
von  S.  Thomas  leiteten  wiederholt  die  Scholastiker  des  Capitels  den  eleganten, 
noch  jetzt  bestehenden  Bau. 

Manche  Gründe  könnten  zu  der  Vermuthung  führen,  dass  auch  in  dieser 
Bheingegend  die  Malerei  schon  im  14.  Jahrhundert  einen  gewissen  Aufschwung 


282         Charles  Gerard,  \e»  Artistes  de  TAbaoe  pendant  le  moyen-lge. 

genommen  habe.  Die  Forschungen  des  Verf.  geben  indessen  keine  Bestätigung 
derselben.  £r  zählt  zwar  gelegentlich  (S.  837)  eine  Reihe  von  Wandmalereien 
auf,  welche  jedoch  nur  in  schwachen  Uebcrresten  erhalten  und  nicht  ausge- 
zeichnet zu  sein  scheinen.  An  einer  derselben  in  der  JOominikanerkirche  zu  Geb- 
weiler nennt  sich  der  Maler:  Werlin  zum  Burne  in  deutscher  Inschrift* 
Uebrigens  ist  aber  selbst  die  Zahl  der  Malernamen,  welche  der  Yerf.  aus  Bür' 
gerlisten  und  ähnlichen  Urkunden  mittheilt,  ohne  dass  wir  Eenntniss  von  ihrer 
Bedeutung  haben,  auffallend  klein.  Er  hätte  diesen  Namen  den  des  Andreas  von 
Colmar  hinzufügen  können,  den  der  Verf.  eines  Manuscripts  aus  dem  14.  Jahr- 
hundert als  seine  Quelle  für  mehrere  von  ihm  mitgetheilte  Farbenrecepte  an- 
führt (Gesch,  d.  bild.  Künste,  1.  Aufla^/e  VI.  408.  2.  Aufl.  S.  379).  Dagegen 
nennt  der  Verf.  zwei  andere  Malcrnamen,  die  bloss  auf  einer  augenscheinlich 
unbegründeten  Hypothese  beruhen.  Er  erzählt  nämlich  am  Schlüsse  des  13.  Jahrh. 
von  einem  Strassburger  Maler,  den  er  Wurmser  den  Alten  nennt,  dass  der- 
selbe nach  Prag  ausgewandert  sei  und  sich  daselbst  niedergelassen  habe,  und 
späterhin  von  einem  Eunz  Wurmser,  der,  ans  Strassburg  stammend,  Hofmaler 
Carl's  IV.  und  in  Prag  berühmt  gewesen  sei.  Was  wir  urkundlich  wissen,  ist 
nur,  dass  ein  Maler  aus  Strassburg,  'Nicolaus  Wurmser,  im  Jahre  1359  in  die 
Dienste  Carl's  IV.  trat,  von  ihm  hochgeehrt  und  längere  Zeit  im  Schlosse  Carl- 
stein  beschäftigt  wurde,  wo  wir  wahrscheinlich  noch  Malereien  von  seiher  Hand 
besitzen.  Von  dem  Lehrmeister  dieses  Nicolaus  und  von  seiner  Familie  wissen 
wir  nichts.  Was  der  Verf.  darüber  Weiteres  mittheilt,  gründet  sich  auf  eine 
Vermuthung  eines  älteren  deutschen  Kunstforschers,  von  Murr.  Derselbe  ent- 
deckte nämlich  in  einem  polizeilichen  Register  der  Stadt  Nürnberg  die  Notiz, 
dass  »Cunzel  der  Böhme,  der  Bruder  des  Malers  Nicolausc  bei  Strafe  des  Hän- 
gens ayis  der  Stadt  vei^uesen  sei,  und  nahm  an,  dass  dieser  Maler  Nicolaus  mit 
dem  Nicolaus  Wurmser  iüentisöh  sei.  Allein  die  Gleichheit  des  Vornamens  Nico- 
lans  genügt  nicht,  um  die  Identität  jenes  in  Nürnberg  befindlichen  Malers  mit 
Nicolaus  Wurmser  zu  beweisen.  Ja  diese  Identität  ist  fast  unmöglich,  da  die 
Nürnberger  Notiz  vom  Jahre  1310,  mithin  fast  fünfzig  Jahre  älter  ist,  als  def 
Eintritt  des  Wurmser  in  die  Dienste  Carl's  IV.  Kugler,  Hotho  und  ich  selbst 
hatten  daher  jene  Hypothese  von  Murr's  längst  verworfen,  nur  Passavant  nahm 
sie  gläubig  auf  und  erweiterte  sie  in  so  fern,  als  er  jenen  Cunzel  den  Böhmen, 
von  dem  die  Urkunde  durchaus  nicht  sagt,  dass  er  ein  Maler  gewesen  sei,  mit 
einem  Maler  Kunze,  der  später  in  der  Malergildc  von  Prag  war,  identificirte. 
Unser  Verf.  obgleich  crHotho's  Widerspruch  kennt  und  citirt,  geht  noch  weiter 
als  Passavant  und  baut  darauf  neue  Hypothesen.  Der  auffallende  Umstand,  dass 
der  eine  beider  Brüder  ein  Strassburger,  der  andere  als  Böhme  bezeichnet  sei, 
lasse  sich  nur  dadurch  erklären,  dass  der  Vater  beider  Brüder  nach  ihrer  Geburt 
von  Strassburg  nach  Böhmen  verzogen  sei  und  den  einen  derselben  .mitgenom- 
men und  dort  erzogen  habe,  weshalb  er  denn  auswärts  als  Böhme  bezeichnet 
worden,  den  andern  aber  in  Strassburj^  bei  seinen  Verwandten  zurückgelassen 
habe.  Die  auffallende  Differenz  zwischen  den  Jahren  1310  und  1859  glaubt  der 
Verf.  durch  die  Annahme  beseitigen  zu  können,  dbss  Nicolaus  der  jüngere  beider 


J 


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Dr.  J.  Rudolf  Bahn,  Gesoliichte  detf  bildenden  Künste  in  der  Schweiz.     268 

Brüder  und  im  Jahre  1810  noch  sehr  jung  gewesen  sei.  Allein,  da  sein  Name 
in  Nürnberg  gebraucht  wurde,  um  seinen  Bruder  näher  zu  bezeichnen,  muss  er 
doch  ein  einigermaassen  bekannter  Mann  und  mithin  wenigstens  zwanzig  Jahre 
alt  gewesen  sein,  was  ihm  denn  bei  dem  Eintritt  in  den  Dienst  Carl's  lY.  ein 
Alter  von  70  Jahren  geben  würde.  Ich  enthalte  mich  weiter  auf  die  Wider- 
sprüche und  UnWahrscheinlichkeiten  einzugehen,  zu  denen  diese  Hypothese  des 
Yerf.  führt,  und  mache  nur  darauf  aufmerksam,  wie  gefährlich  es  ist,-'  wenn  man 
Vermuthungen  auf  Vermuthungen  baut.  Nicht  nur  jener  Wurmser  der  alte,  son- 
dern auch  der  in  Frag  wirksame  Maler  Kunze,  müssen  daher  aus  der  Liste  der 
elsasser  Künstler  gestrichen  werden.  Der  in  Prag  vorkommende  Maler  Kunze 
scheint  wirklich  ein  geborner  Böhme,  blühete  aber  (wie  ich  anderweitig  nachge- 
wiesen habe,  Gesch.  der  bild.  Künste  2.  Aufl.  YI  S.  440,  Anm.  1)  wahrscheinlich 
erst  um  1414,  und  war  also  mit  jenem  aus  Nürnberg  verwiesenen  Cunzel  nicht 
identisch. 

Diese  Mangel  stehen  übrigens  dem  Wertho  des  Buchs  nicht  entgegen.  Der 
gegenwartige  Band  schliesst  mit  dem  Ende  des  14.  Jahrhunderts.  Der  folgende 
soll  nur  das  15.  umfassen,  jedoch,  wie  wir  aas  der  Yorrede  des  gegenwärtigen 
erfahren,/ mit  Ausschluss  Martin  Shongauers,  in  welchem  der  Yerf.  (nach  meiner 
Ansicht  nicht  mit  Unrecht)  mehr  den  Anfanger  der  heuern  Zeit  als  den. 
SchlusB  des  Mittelalters  sieht. 


3.  Das  dritte  der  oben  bezeichneten  Werke  wird  ohne  Zweifel  das  bedeu- 
tendste der  ganzen  Beihe  werden.  Der  Yerfasser  hat  es  auf  eine  in  jeder  Be- 
siehung  erschöpfende  Würdigung  der  noch  so  wenig  bearbeiteten  Kunstgeschichte 
der  Schweiz  abgesehen;  er  schildert  durchweg  auf  Grund  eigener  Anschauungen 
und  mit  Hülfe  sorgfältiger  und  reichhaltiger  Abbildungen.  Nur  die  Anfange  des 
Werkes  (zwölf  Bogen),  die  bis  in  den  Anfang  des  12.  Jahrh.  führen,  liegen  uns 
jetzt  vor,  enthalten  aber  schon  eine  grosse  Fülle  des  Stoffes.  Der  Yerfasser  jiQ" 
ginnt  damit,  seine  Leser  vor  unberechtigten  Ansprüchen  an  seine  Aufgabe  zu 
warnen.  Er  findet,  dass  die  Schweiz  innerhalb  der  umgebenden  Monumentalw^lt 
eine  eigenthümliche,  keineswegs  bevorzugte  Stellung  einnehme.  Es  fehlte  ihr  das 
Band  nationaler  Einheit;  schon  seit  der  frühesten  Zeit  sei  sie  ven  verschiedenen 
Nationen  bewohnt;  seit  denT  11.  Jahrh.  habe  sie  drei  verschiedene  Strömungen 
in  sich  aufgenommen,  die  noch  jetzt  sich  kennbar  sonderten.  Neben  der  schwä- 
bisch-alamanischen  Bauschule,  die  im  Norden  der  Schweiz  herrsche,  bestehe  eine 
italienisch-lombardische,  die  besonders  in  Tessin  und  Graubündten  einheimisch 
sei,  deren  Einfluss  sich  aber  selbst  noch  am  Grossmünster  von  Zürich  geltend 
mache,  und  endlich  die  französisch^burgundische  Bauschule,  welche  durch  die 
Klöster  der  Cluniacenser  und  Cistercienser  die  französische  Schweiz  .erfüllt  habe. 
Winckelmann  spreche  mit  Becht  wiederholt  au3,  dass  die  Freiheit  die  Quelle  der 
griechischen  Kunst  gewesen,  aber  schwerlich  sei  sie  allein  ausreichend.  Es  ge- 
höre dazu  die  Nationalität  und  wenigstens  ein  gewisser  Wohlstand.  Dieser  habe 
der  Schweiz  lange  gefehlt.    Erst  mit  dem  Ende  des  Mittelalters  beginne  sie  sich 


L 


s, 


284  Dr.  J.  Rudolf  Rahn, 

zn  heben,  und  erst  die  Ruhe,  deren  sie  sieh  seit  dem  dreissigjährigen  Kriege  im 
Yerhältniss  zu  anderen  Völkern  erfreut,  habe  ihr  den  nöthigen  Wohlstand  und 
eine  relative  Einheit  gegeben.  Daher  denn  in  den  früheren  Jahrhunderten  eine 
gewisse  Lückenhaftigkeit  der  künstlerischen  Entwicklung,  eine  Gleichgültigkeit 
gegen  das  künstlerische  Element,  welche  durch  die  Naturbeschaffenheit  der 
Schweiz- und  ihre  grossartige  Schönheit  noch  gesteigert  sei,  und  eine  Schwäche 
der  Production,  welche  es  verschuldet  habe,  dass  in  manchen  Gegenden  der  ro- 
manische Styl  sich  bis  in  das  16.,  der  gothische  sogar  bis  in  das  17.  und  18. 
Jahrh.  erhalten  habe. 

Aus  diesen  eigenthümlichen  Verhältnissen  ergibt  sieh  denn  auch  der  Plan, 
nach  welchem  der  Verfasser  seinen  Stofif  behandeln  musste.  Da  überall  die  von 
verschiedenen  Seiten  sich  geltend  machenden  Einflüsse  aus  den  Nachbarländern 
berücksichtigt  werden  müssen,  darf  er  die  allgemeine  Kunstgeschichte  nicht  aus 
dem  Auge  verlieren,  muss  vielmehr  die  nöthigen  Hinweisungen  zum  Verständniss 
ihrer  Richtung  vorausschicken,  und  daran  die  Schilderung  der  schweizerischen 
Monumente  anknüpfen  und  in  ihren  Abweichungen  und  Eigenthümlichkeiten  er* 
klären.  Es  ist  begreiflich,  dass  die  Aufgabe  dadurch  eine  mühsame  und  umfas- 
sende wird,  ohne  den  Vorzug  zu  haben,  eine  grosse  Zahl  von  musterhaften  Lei- 
stungen zusammen  zu  stellen.  Wohl  aber  wird  sie  das  Verdienst  haben,  tiefer 
und  lebendiger  in  die  Gesetze  der  Production  und  ihrer  Hemmnisse  und  Bedin- 
gungen einzuführen. 

Eine  üebersicht  des  Inhalts  der  jetzt  vorliegenden  ersten  Lieferung  wird 
genügen,  um  zu  zeigen,  in  wie  gründlicher  Weise  der  Verf.  sich  dieser  seiner 
Aufgabe  unterzieht.  Jener  Einleitung,  deren  Inhalt  ich  oben  geschildert  habe, 
folgt  als  erstes  Buch  (S.  17—48)  die  Kunst  des  helvetisch-römischen  Zeitalters, 
und  zwar  zuerst  der  Anfang  der  Kunst  in  vorhistorischer  Zeit,  mit  ziemlich  ge- 
nauen Berichten  über  die  Ergebnisse  der  Pfahlbauten  und  über  die  ersten  Spuren 
kunstgewerblicher  Thätigkeit.  Ein  zweites  Capitel  schildert  die  Kunst  der  Römer, 
die  militärische  Regelmässigkeit  ihrer  Architektur,  die  Einflüsse  ihrer  Schmuck- 
lust und  ihres  Formenreichthums.  Das  sehr  umfassende  zweite- Buch  beschäftigt 
sich  dann  in  einer  Reihe  von  Gapiteln  mit  der  Kunst  der  altchristlichen  Jahr- 
hunderte. Voran  gehen  die  ersten  Spuren  christlicher  Kunst  in  der  Schweiz, 
darauf  folgt  eine  Schilderung  der  Kunstanfange  bei  Alamannen  und  Burgundern, 
wo  namentlich  über  die  ornamentistische  Richtung  der  letzteren  interessante 
Mittheilungen  gegeben  werden.  Ein  drittes  Capitel  erzählt  die  Anlange  und  die 
Entwicklung  des  christlichen  Kirchenbaues,  wobei  das  Nöthige  über  die  Basiliken- 
frage beigebracht  wird.  Darauf  dann  endlich  die  Kunst  im  carolingischen  Zeit- 
alter, und  zwar  zunächst  die  Betrachtung  der  Architektur  mit  ausführlicher 
Schilderung  des  Bauplanes  von  S.  GaUen  und  der  grossartigen  Anlagen  der  Insel 
Reichenau.  Durch  die  Gunst  der  umstände  gibt  gerade  hier  die  Schweiz  hervor- 
ragende Beispiele.  Nicht  minder  gilt  dies  von  der  Plastik  und  Malerei  dieses 
Zeitalters,  wo  die  Schule  von  S.  Gallen  in  Elfenbeinarbeiten  und  durch  die  Mi- 
niaturen rühmlichst  vertreten  ist.  ^  Gerade  hier  sind  die  Schilderungen  des  Verf. 
sehr  genau  und  charakteristisch,  und  besonders  mit  Hülfe  der   gerade  hier  vor- 


Geschichte  der  bildenden  Künste  in  der  Schweiz.  285 

räglioh  aasgefohrten  umfassenden  Abbildungen  überaus  lehrreich.  Der  Rest  dieser 
Lieferung  (S.  149—192)  macht  dann  den  Anfang  mit  der  sehr  gründlichen  und 
mit  lebendigem  Stylgefühl  durchgeführten  Schilderung  der  romanischen  Kunst. 
Von  dem  Reich thume  der  Ausstattung  gibt  es  eine  Vorstellung,  dass  die  192 
Seiten  des  Textes  59  zum  Theil  fast  die  ganze  Seite  einnehmende  Abbildungen 
enthalten.  Wir  zweifeln  nicht,  dass  es  der  begeisterten  Energie  des  Verf.  ge- 
lingen wird,  das  allerdings  sehr  umfassende  Werk  in  gleicher  Weise  durchzu- 
führen und  so  das  Verständniss  bei  seinen  Landsleuten  und  allen,  die  an  der 
künstlerischen  Entwicklung  der  Schweiz  Theil  nehmen,  bleibend  zu  fördern. 

Wiesbaden,  im  September  1873. 

C.  Schnaase. 


Nachschrift. 


Charles  Gerard,  les  artistes  de  PAlsace  pendant  le  moyen-&ge.  Tome  11. 
Colmar-und  Paris  1873. 

Während  der  vorstehende  Bericht  bereits  dem  Drucke  übergeben  war,  ist 
der  darin  erwähnte  zweite  Band  des  obengenannten  Werkes  dem  Referenten  zu- 
gegangen. Er  entspricht  völlig  den  Voraussetzungen,  welche  der  erste  Band  er- 
weckte und  enthält  ausser  einer  mässige'n  Zahl  aus  der  Schlusszeit  des  14.  eine 
starke  Liste  von  Künstlern  des  15.. Jahrhunderts,  bei  denen  dann  das  biogra- 
phische Material  oft  etwas  reichhaltiger  fliesst  und  lebensvollere  Mittheilungen 
gewährt,  als  in  der  frühern  Zeit.  Näher  auf  das  Einzelne  einzugehen,  nament- 
lich die  vielen  Fragen  zu  erörtern,  welche  sich  an  die  Namen  der  Baumeister 
des  Münsters  anknüpfen,  kann  auch  hier  nicht  meine  Absicht  sein;  ich  begnüge 
mich,  auf  einige,  für  den  Gesammtgeist  des  15.  Jahrhunderts  charakteristische 
Mittheilungeu  aufmerksam  zu  machen.  Wie  eigen thümlich  sind  oft  die  Verhält- 
nisse der  Zünfte.  Ein  gewisser  Johann  Joerche,  der  als  Bildschnitzer  bezeichnet 
ist,  hatte  sich  in  die  Malerzunft  aufnehmen  lassen.  Nun  macht  aber  die  Zunft 
der  Wagner,  zu  welcher  übrigens  auch  Tischler  und  Drechsler  gehören,  auf  ihn 
Anspruch,  weil  er  sich  der  Axt,  des  Schneidemessers,  der  Säge,  also  der  Werk- 
zeuge bediene,  von  denen  sie  Gebrauch  machen.  Die  Malergilde  widerspricht 
dem,  und  der  Rath  entscheidet  denn  auch  zu  ihren  Gunsten,  weil  die  geschnitzten 
Bildwerke  auch  des  Malens  bedürften  und  er,  Joerche,  dies  selbst  bewirke  und 
verstehe.  Zahlreiche  Nachrichten  zeigen  dann  auch  den  Zusammenhang  der 
Künste  mit  der  aufkommenden  Buchdruckerei.  Das  Gewerbe  der  Bücherschreiber 
scheint  bedeutender  wie  je  und  entwickelt  sich  in  Verbindung  mit  dem  Buch- 
druck und  mit  der  Kunst  des  Holzschnittes.  Einzelne  Züge  deuten  auf  steigende 
Blüthe  der  Malerei  und  die  ausführlichen  Contrakte,  welche  im  Jahre  1418  die 
Vertreter  der  Stadt  Basel  mit  dem  Maler  Johann  Tiefenthal  aus  Schlettstadt 
über  die  Ausmalung  einer  KapeUe  in  ihrer  Stadt  und  im  Jahre  1462  der  Kir- 


I 


286  Charles  G^rard.  \ee  artistes  de  PAlsace  pendant  1e  moyen-ftge. 

chenvorstand  von  St.  Martin,  in  Colmar  mit  dem  daselbst  wohnenden  Maler 
Caspar  Ysenmann  über  die  Anfertigung  des  Hauptaltars  in  ihrer  Kirche  ab- 
schliessend enthalten  manches  Interessante.  In  dem  ersten  Contrakte  ist  nament- 
lich merkwürdig,  dass  die  Stadt  Basel  einen  Yorrath  von  blauer  (wahrscheinlich 
kostbarer)  Farbe  zu  besitzen  scheint,  aus  welchem  dem  Maler  Quantitäten  auf 
Abrechnung  seines  Honorars  verabfolgt  werden  sollen.  Caspar  Ysenmann  malt 
übrigens  in  Oel  und  die  Ucberreste  seines  Altarwerkes,  ,  welche  sich  im  Museum 
zu  Colmar  befinden,  lassen  darauf  schliessen,  dass  er  mit  niederländischer  Kunst 
nicht  unbekannt  war.  Als  ein  Beweis  für  die  populäre  Geltung  der  Malerei  ver- 
dient es  angeführt  zu  werden,  dass  die  Zerstörung  einer  feindlichen,  den  Herrn 
von  Thami  gehörigen  Burg  durch  die  Bürger  von  Strassburg  im  J.  1448,  durch 
ein  Bild  in  der  Amtsstube  der  Bäcker  gefeiert  wird.  Martin  Schongauer  stand" 
nicht  allein;  ausser  dem  ebengenannten  Ysenmann  war  Johann  Hirtz  in  Strass- 
burg ein  bedeutender  gleichzeitiger  Maler;  Geiler  von  Kaisersberg  nennt  in  einer 
seiner  Predigten  seinen  Namen  mit  dem  Zusätze,  dass,  wenn  man  ein  Altarbild 
bewundere,  man  es  ihm  zuzuschreiben  pflege,  und  Wiropheling  erwähnt  seiner 
noch  im  J.  1502  als  eines  ehemals  berühmten  Malers.  Er  starb  übrigens  schon 
um  1466.  Im  J.  1486  war  ein  gewisser  Lienhart  ein  bedeutender  Meister,  der 
das  jüngste  Gericht  im  Chor  der  Kathedrale  malte.  lieber  Martin  Schongauer 
selbst  erhallen  wir  nur  mittelbare  Nachrichten,  nämlich  die  Lebensdaten  seines 
Yaters,  des  Goldschmids  Caspar  Schongauers,  der  im  J.  1445  das  Bürgerrecht  in 
Colmar  erhielt  und  1408  daselbst  starb,  sowie  seiner  Brüder,  namentlich  des 
Malers  Ludwig,  der,  obgleich  er  nach  dem  bekannten  Bericht  des  Scheurl  im 
J.  1492  bereits  Albrecht  Dürer  in  Colmar  empfing,  dennoch  erst  im  J.  1493  das 
Bürgerrecht  daselbst  erwarb.  Bei  dieser  Gelegenheit  erfahren  wir  denn  auch, 
dass  der  Yerfasser  unseres  Buches  in  der  künftig  von  ihm  herauszugebenden 
Biographie  Martin  Schongauers  nachzuweisen  gedenkt,  dass  sein  Tod  nicht,  wie 
wir  jetzt  annehmen  (vgl.  His-Ueusler  in  Naumann's  Archiv,  Bd.  13,  S.  129)  im 
J.  1488,  sondern  erst  im  J.  1498  erfolgt  sei.  Referent,  der  früher  dieses  spätere 
Todesjahr  vörtheidigt  hatte,  jetzt  aber  die  besseren  Gründe  des  Herrn  His  an- 
erkennt, ist  begierig  diesen  neuen  Beweis  kennen  zu  lernen. 

Sehr   vollständige  Register    erleichtern    die    Brauchbarkeit    der    fleissigen 
Compilation. 

Wiesbaden,  im  October  1878. 

V  Sohnatse. 


2.  Julius  Cäsar  am  Rhein.  Nebst  Anhang  über  die  Germani 
des  Tacitus  (Germ.  2.)  und  über  die  Franci  der  Peiitinger'scheu  Tafel.  Von 
Prof.  A.  Dcderich,  Oberlehrer  am  Gymnasium  zu  Emmerich.  Paderborn, 
1870.  870  S. ») 

Der  allen  Freunden  der  rheinlandischen  Geschichte  rühmlichst  bekannte 
Verfasser  hat  in  diesem  Schriftchen  die  ältesten,  uns  bekannten  Ereignisse  am 
Niederrhein,  die  durch  J.  Gäsar's  Feldzüge  in  Gallien  veranlasst  wurden,  aufs 
Neue  einer  kritischen  Untersuchung  unterworfen  und  dabei  einzelne  Thatsadien 
und  Localitäten  richtiger  angegeben,  als  es  früheren  Geschichtschreiberu  mit 
geringeren  Localkenntnisscn  möglich  war.  Da  zu  einer  richtigen  Auffassung 
der  ältesten  römisch-deutschen  Geschichte  am  Niederrhein,  insbesondere  auch 
der  Feldzüge  des  J.  Cäsar  am  Rhein,  vor  allen  Dingen  eine  genaue  Kenntniss 
des  untern  Rheinlaufes  und  seiner  wechselnden  Stromspaltungen  bei  der  bata- 
vischen  Insel  unumgänglich  nöthig  ist,  so  behandelt  der  Verf.  in  §  1  die  Rhein- 
mündongen  und  das  Verhältniss  der  Maas  zum  Rhein,  nach  Cäsar,  Tacitus  und 
Plinius,  denen  auch  Strabo  und  Pomponius  Mela  beizufügen  sind,  da  diese  fünf 
Schriftsteller  des  ersten  christlichen  Jahrhunderts  die  ältesten  Nachrichten  über 
den  Lauf  des  Rheinstromes  und  seiner  Mündung,  soweit  sie  damals  den  Römern 
bekannt  waren,  uns  überliefert  haben.  Das  Wahre  ihrer  Berichte  von  den  ihnen 
verzeihlichen  Irrthümern  zu  scheiden  und  die  Entstehung  derselben  mit  Wahr- 
scheinlichkeit nachzuweisen  und  zu  berichtigen,  war  die  Absicht  des  Verf.,  die 
er  in  seiner  Darotellung  mit  Erfolg  erreicht  hat.  üeberzeugend  hat  der  Verf. 
nachgewiesen,  dass  Cäsar  in  der  Schilderung  der  Stromsysteme  des  Rheins  und 
der  Maas  (de  B.  G.  IV,  10,  15)  sich  darin  geirrt  hat,  dass  er  die  Maas  in  den 
Rhein  fliessen  lässt.  Wenn  er  von  dem  confluens  Mosae  et  Rhein  spricht,  so 
kann  er  nicht  den  Rheinarm  Waal  verstanden  haben,  der  ihm  bekannt  war  und 
den  er  genannt  haben  würde,  wie  er  ihn  in  Cap.  10  nennt.  Der  Verf.  verwirft 
daher  mit  Grund  die  Versuche  der  neuem  Erklärer  Cäsar's,  ihn  von  diesem 
Irrthnme  zu  befreien,  und  hält  eine  Aenderung  des  handschriftlichen  Textes  für 
unnöthig.  Verdächtig  scheint  aber  dem  Ref.  die  genaue  Angabe  der  Entfernung 


^)  Der  durch  Zufall   verspätete  Abdruck   dieser  lehrreichen  Anzeige  wird 
auch  jetzt  noch  willkommen  sein.  Die  Red. 


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288  Prof.  A.  Dederich, 

des  ZaBammenflasscs  vom  Meere,  die  Cäsar  zu  80  Millien  berecbnct,  wenig  ab- 
weichend von  den  Angaben  der  Itinerarien  und  der  Peutingerscfaen  Tafel '). 
Diese  genauen  Messungen  wurden  zuerst  lange  nach  Cäsar  in  friedlichen  Zeiten 
unter  Augustus  auf  Veranlassung  Agrippa's  gemacht  und  unter  den  nnchfolgen- 
dcu  Kaisem  vervollkommnet.  Cäsar  hatte  bei  seinem  kurzen  Aufenthalte  am 
Niederrhein  zu  solohen  genauen  Messungen  keine  Zeit;  dieselben  hätten  aucb  in  dem 
damals  noch  nicht  unterworfenen  feindlichen  Lande  von  römischen  Geometern 
nicht  können  ausgeführt  werden.  Daher  ist  Ref.  geneigt  mit  Ukert  anzunehment 
dass  die  Worte:  neque  longius  ab  oceano  milibus  passuum  LXXX  in  Rhenum 
transit,  aus  den  verlorenen  commentariis  Agrippae,  die  dieser  grosse  Feldherr 
und  Staatsmann  zu  den  in  einem  Forticus  öfifentlich  aufgestellten  tabulis  (Kar- 
ten) geschrieben  batte,  in  den  Text  Cäsar's  als  Bemerkung  eines  kundigen  Ab- 
scbreibers  eingeschoben  sind,  und  zwar  schon  in  alter  Zeit  vor  der  uns  über- 
lieferten Textrecension,  daher  sie  auch  in  den  ältesten  Handschriften  der  Com- 
mentarien  Cäsar's  nicht  fehlen.  Der  Verf.  hält  fest  an  den  Worten  des  durch 
die  Handschriften  beglaubigten  Textes  und  ist  überzeugt,  dass  Cäsar  hierin  sich 
geirrt  habe,  dass  die  Maas  in  den  Rhein  fliesse,  indem  er  die  Theilung  des 
Rheines  in  Waal  und  Rhein  mit  einem  Zusammenfluss  der  Maas  und  des  Bheines 
identificirt  habe.  Der  Irrthum  Cäsar's  ist  eben  so  wahrscheinlich,  wie  der  Zusatz 
eines  Abschreibers  mit  Wahrscheinlichkeit  angenommen  werden  kann.  In  §  2 
wird  der  Uebergang  der  Usipeten  und  Tencteror  bei  Cleve  über  den  Rhein  und 
die  Verdrängung  der  Menapier  aus  ihren  Wohnsitzen  zwischen  der  untern  Maas 
und  dem  linken  Ufer  des  Niederrheins  besprochen.  Die  Wohnsitze  dieses  von 
Cäsar  zuerst  erwähnten  Volkes  erstreckten  sich  aber  weit  über  die  Maas  und 
Scheide  bis  zum  Lande  der  Moriner  am  Pas  de  Calais.  Bei  dem  Anzüge  der 
aus  ihren  rechtsrheinischen  Gauen,  man  weiss  nicht  von  wem,  vertriebenen 
Volksstärame  gaben  die  Menapier  ihre  Besitzungen  auf  dem  rechten  Ufer  preis, 
wurden  aber  im  Winter  von  56  auf  55  v.  Chr.  durch  List  auch  aus  ihren  am 
linken  Rheinufer  liegenden  Ländereien  verdrängt.  Dass  die  Ueberfahrt  der  Ger- 
manen auf  menapischen  Schiffen  bei  Cleve  oder  Emmerich  geschehen  sei, 
schliesst  der  Verf.  mit  Recht  aus  dem  Umstände,  dass  von  hier  aus  die  Passage 
nach  der  Maas  über  den  Xanten -Nym weger  Höhenzug  am  nächsten  und  am 
leichtesten  zugänglich  war,  und  die  Germanen  ihr  Lager  für  Weib  und  Kind, 
Wagen  und  Gepäck  auf  dem  niedrigen  Plateau  bei  Goch  aufgeschlagen  hatten, 
das  auf  ihrem  Zuge  vom  Rhein  sich  ihnen  als  die  bequemste  und  sicherste 
Lagerstatt^  darbot.  Von  hier  aus  unternahm  die  Mehrzahl  der  waffentragenden 
Männer  Streifzüge  über  die  Maas  in  das  Land  der  Condrusen  und  Eburonen, 
welche  Schützlinge  oder  Clienten  der  Treverer  waren.  Sobald  Cäsar,  der  wäh- 
rend dieser  Vorgänge  sich  in  Italien  aufhielt,  Nachricht  von  diesem  gefahrlichen 
Einfalle  der  Germanen  erhalten  hatte,  eilte  er  früher  als  gewöhnlich  im  Früh- 
jahr 55   nach  Gallien,    um   dem  Ausbruche    eines  Aufstandes    zuvorzukommen. 


^)  Eine  Berechnung  dieser  Entfernung  gibt  Dederich  in  seiner  Geschichte 
der  Romer  und  der  Deutschen  am  Niederrhein  S.  29  ff. 


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Juliiu  Cäsar  am  Rhein.  289 

und  fahrte  sein  Heer  von  der  unteren  Seine,  wie  Napoleon  III.  den  Weg  angibt, 
über  Amiens,  Cambray,  Bavay,  Charleroy,  Tongern  und  Mastricht,  hier  die  Maas 
überschreitend,  was  er  nach  Cohansen  zwischen  Dinant  und  Lüttich  gethan  hat, 
in  die  der  Gefahr  aunächst  ausgesetzte  Gegend.  Schon  im  Jahr  1844  hat  der 
Verf.  die  Gocher  Haide  als  den  Ort  des  germanischen  Lagers  und  des  Ueber- 
falles  richtig  nachgewiesen,  und  in  dieser  Schrift  seine  Ansicht  ausführlicher 
begründet,  dass  die  anderlhalbstundige  Flucht  der  Germanen  am  Rhein  zwi- 
schen Cleve  und  Qualburg  endete.  Dasselbe  Terrain  hat  auch  Napoleon  III.  als 
Kampfplatz  auf  seiner  Karte  bezeichnet.  Da  Cäsar  nicht  selbst  die  Germanen 
verfolgte,  sondern  durch  seine  Reiterei  bis  an  den  Rhein,  wo  sich  die  Waal  von 
diesem  trennt,  verfolgen  liess,  die  dort  schnell  wieder  umkehrte  und  noch  an 
demselben  Abende  wieder  in  dem  erbeuteten  Lager  bei  Cäsar  eintraf,  so  konnte 
er  sich  in  seiner  Angabe  des  Flusses,  den  er  für  die  Maas  hielt,  der  aber  kein 
anderer  sein  kann,  als  die  Waal,  leicht  täuschen,  wenn  er  sich  auf  die  unrich- 
tige Meldung  seiner  Reiter  verliess,  die  zum  ersten  Male  in  diese  Gegend  der 
Flussspaltung  kamen  und  keine  Zeit  hatten  bei  den  Anwohnern,  mit  denen  sie 
sich  doch  nur  durch  Dolmetscher  hätten  verständigen  können,  genaue  Erkun- 
digungen einzuziehen.  Die  Maas  war  dem  Cäsar  zwar  bekannt,  aber  nicht  die 
Stelle  ihrer  Mündung  in  den  Rhein,  die  er  nicht  besucht  hat  und  sich  von  ihr 
eine  unrichtige  Vorstellung  machte.  Nachdem  der  Verf.  die  abweichenden  An- 
sichten V.  Cohausen's,  Brambach's  u.  A.  widerlegt  hat,  spricht  er  §  6  von  den 
Folgen  des  Sieges  über  die  Germanen,  von  Cäsar's  £iundesgenossenschaft  mit 
den  Batavern  imd  über  das  Alter  der  Stadt  Cleve,  das  die  Volkssage  und  ältere 
Chronisten  in  die  Zeit  Cäsar* s  vorsetzen,  obgleich  die  erste  beglaubigte  Er- 
wähnimg Cleve*B  als  eines*.  Grafensitzes  in's  J.  1093  fällt.  Aus  der  Burg  des 
Grafen  Dietrich  entstand  allmählig  die  heutige  Stadt,  welche  1242  eine  städ- 
l^ische  Verfassung  erhielt,  wie  Dederich  in  seiner  Schrift  »die  Feldzüge  des 
Drusus  und  Tiberiusc  gründlich  nachgewiesen  hat.  —  Cäsar's  erster  Rbeinüber- 
gang  bei  Bonn  in's  Land  der  Sigambrer  wird  im  §  7  ausfuhrlich  behandelt  und 
V.  Cohausen's  Meinung,  Cäsar  habe  seine  Brücke  über  den  Rhein  bei  Xanten 
geschlagen,  widerlegt,  denn  die  rheinischen  Sigambrer  wohnten  nicht  an  der 
Lippe,  sondern  im  Gebiete  der  Siegmündung.  Die  zweite  Brücke  schlug  Cäsar, 
um  in  das  Land  der  Ubier  zu  kommen,  bei  Neuwied,  wie  in  §  8  nachgewiesen 
wird.  Von  hier  zog  Cäsar  nach  seiner  Rückkehr  aus  Germanien  durch  die  zwi- 
schen Coblenz  und  Andernach  liegende  Ebene  weiter  über  die  Eifel,  die  er  sich 
als  einen  Theil  der  Ardennen  vorstellt  und  daher  Arduenna  nennt,  gegen  die 
Eburonen,  deren  Wohnsitze  sich  auf  beiden  Seiten  der  Maas  östlich  bis  in  die 
Nähe  des  Rheins  und  westwärts  über  das  Gebiet  der  Sambre  und  der  Ardennen 
ausbreiteten.  Die  Nachbarn  der  Eburonen  waren  auf  der  linken  Seite  der  Maas 
die  Aduatiker,  die  sich  seit  dem  cimbrischen  Kriege  hier  niedergelassen  und 
einen  selbstständigen  Staat  gebildet  hatten,  der  im  J.  67  den  Belgiern  zur  Ab- 
wehr der  Römer  19,000  Mann  Hilfsttuppen  stellen  und  die  benachbarten  tribut- 
pflichtig machen  konnte.  Nach  der  Niederlage  der  Belgier  zogen  sich  die  Adua- 
tnker  mit  ihrer^gesammten  Kriegsmacht  in  eine  von  der  Natur  trefflich  befestigte 

19 


290  Pi 

Stadt  zurück,  wurden  aber  vo 
trenloier  SobeinergebnDg  anf 
Beim  letxten  Ausfall  hatten  sie 
aatmng  nebst  den  EinwobDeir 
Sklaven  verkaufen.  Die  Känfei 
mit  C&sar's  Armee  hc^ramiiehei 
die  gekauften  Qefbngenea  nach 
dorcb  einen  Anemfer  (praecu) 
(tabernis)  unter  der  Hand  verk 
stände  dieses  Mens  che  nhaudela 
Feitnng,  deren  Name  er  nicht 
Kraft  des  unglücklichen  Volk«c 
hass;  denn  im  Herbst  des  J. 
Aufstände  de«  Eburonenf unten 
Ner*iem  dea  Legaten  Cicero's 
Lage  Cbar  unr  mit  den  Wort 
Snibas,  ubi  Titurius  atque  Aar 
süperioris  nnni  mnnitiones  int 
B.  6.  VI,  82.  Die  Befestigung 
nun  vervollständigt,  daher  ihn  i 
nun  diese;  nach  der  Onterdiäol 
Volk  der  Ebnronen,  so^e  d» 
traten  an  deren  Stelle  die  Tuj 
der  Germania  o.  2  bezeichnet, 
gallifohen  Krieges  eine  Stadt, 
mit  dem  Beinamen  Tungronun, 
Aduataoa,  und  daher  hat  £c  3 
Die  neueste  Untersuchang  des  ( 
aber  in  einem  andern  Ergebt: 
Aduatnca  anf  der  Höbe  von 
des  heutigen  Tongern.  Die  La 
rieh  s^t,  >aQSBer  Zweifel  gese' 
andern  Ergebnisse  führen,  das 
Im  Anhange  §  10  wird  i 
Germani  ausfährlich  behandelt 
a  se  ipii  statt  ipsis  bat  auch  I 
Tacitue  aufgenommen.  Dnter  i 
mani,  der  ein  keltischer  oder  < 
daher  anch  den  Galliern  verstäi 
aufgestellte  für  die  richügatc. 
tisoiien  Zeitwort  gur,  laut  nifei 

')  Julius  Cäsar  im  nordwi 
Gjmn.  lu  Krensnacb  1870. 


•  • 


Juliui  Gasar  tm  Rhein.  291 

Krieger,  Held,  dem  homerischen  »Rufer  im  Kampfe  ähnlich,  abzoleiien  Bind. 
Dieser  Bedeutung  entsprechend  ist  auch  der  Name  der  Tungem,  der  vom  go- 
thisohen  tuggo,  althocbd.  zunga,  Zange,  tungar,  Sohreier,  abgeleitet  wird.  Dem- 
nach sind  auch  die  Tungei  Schreier  und  ihr  Name  gleichbedeutend  mit  dem 
keltischen  gairmeau.  Diesen  keltischen  oder  deutschen  Namen  haben  ans  die 
Römer  nach  ihrer  Aussprache,  das  W  in  G  verwandelnd,  überliefert.  Die  Be- 
wohner der  Germania  magna,  des  Landes  swischen  dem  Rheine  und  der 
Weichsel,  hatten  ursprünglich  keinen  gemeinschaftlichen  Namen,  sondern  jeder 
einzelne  Volksstamm  seinen  eigenen  Namen.  Der  südlich  von  den  Guttonen, 
2wischen  der  Oder  and  Elbe  wohnende  und  mit  dem  Zuge  der  Cimbern  vor- 
dringende Stamm  heisst  Teutoni  oder  Teutones  ^),  ein  gothischer  Name,  der 
Volk  (thiuda)  bezeichnet,  der  aber  erst  im  neunten  Jahrhundert  nach  der 
Trennnng  des  Frankenreiches  von  dem  ostrheinischen  Deutschland  der  allge- 
meine und  herrschende 'geblieben  ist. 

Im  Scblussparagraph  tbeilt  der  Verf.  seine  »neu  gewonnene  Ansicht« 
über  die  Franci  der  Peutinger'sclien  Tafel  oder  über  die  fränkischen  Völker  am 
Niederrhein  mit,  um  sie  nicht  langer  der  Oeffentlichkeit  vorzuenthalten.  Die 
auf  der  Peutinger'schen  Tafel  stehenden,  von  dem  unwissenden  Abschreiber 
ganz  verkehrt  geschriebenen  und  abgekürzten  Namen  verbesseri  der  Verf.  mit 
glücklichem  Scharfsinn  in  folgender  Weise:  Renus  =  Rhenus,  Patabus  =  Va- 
cnlus,  wie  die  ältesten  Handschriften  und  Ausgaben  des  Cäsar  %B.  G.  IV,  10  den 
Namen  geben,  gewöhnlich  Vahalis;  Patavia  =  Batavia.  Es  folgen  in  zwei  Reihen 
die  Völkemamen:  Chac.  Vapii.  Varii.  ||  Chamavi,  qui  et  Pranci.  Zwischen  den 
beiden  Zeilen  und  theil weise  zwischen  den  Buchstaben  der  ersten  Zeile  von 
einer  andern  Hand,  wie  es  scheint,  hineingeschriobon,  sieht  das  sinnlose  Wort 
Rhepstini.  —  Vapii  und  Varii  sind,  wie  der  Verf.  richtig  annimmt,  nur  Endun- 
gen von  Völkernamen,  und  Vapii  -ist  verschrieben  aus  Varii.  Mit  dem  vor  an- 
stehenden Chaci  zu  Einem  Worte  verbunden  gibt  den  Völkernamen  Chacivarii 
oder  richtiger  Chattuarii,  woraus  denn  Hattuarii  und  Attarii  entstand.  Mit 
der  zweiten  Endung  Varii  müssten  zwei  Buchstaben  ps  aus  dem  darunter  stehen- 
den rhepstini  genommen  werden  und  durch  eine  etwas  kühne  Annexion  und 
Addition  der  Sylbe  Am  erhält  man  den  hierher  gehörenden  Volksnamen  Ampsi- 
varii.  Von  den  übrigen  Buchstaben  jenes  sinnlosen  Wortes  soll  rhe  vielleicht 
eine  Verbesserung  des  Renus  sein,  mit  dem  Reste  tini  aber  weiss  der  Verf. 
nichts  anzufangen.  Den  Zusatz:  qui  et  Franci  bezieht  der  Verf.  nicht  allein  auf 
die  Chamavi;  sondern  auch  auf  die  Chattuarii  und  auf  die  von  ihm  gebildeten 
Ampsivarii,  denn  diese  Völker  haben  gerade  da  gewohnt,  wo  auf  der  Peutinger'- 
schen Tafel  der  Name  Francia  steht.  Aus  der  Verbindung  der  drei  genannten 
Völker,  unter  denen  die  Chamaver   die  mächtigsten  waren,   hat  sich  durch  An- 


')  Nach  dem  Berichte  des  Seefahrers  Pytheas  aus  Massilia  (zur  Zeit  Ale- 
xander's  d.  Gr.),  den  uns  Plinius  H.  N.  XXXVII,  11  mittheilt,  wohnten  die  mit 
Bernstein  handelnden  Guttonen  an  der  Ostseeküste  und  verkauften  dieses  Pro- 
dact  an  die  ihnen  zunächst  wohnenden  Teutonen. 


v*^ 


292  Prof.  A.  Dederich,  Juliui  C&sar  am  Rhein. 

sohlnss  der  übrigen  kleinen  Völkerreste  anf  der  nordöstlichen  Seite  des  Rheines 
derFrankenbund  gebildet,  der  sich  seit  dem  fönften  Jahrhunderte  siegreich  über 
das  nordwestliche  Gallien  ansbreitete  and  dem  gansen  Lande  den  Namen  Frank- 
reich  gab. 

Wir  wollen  diese  Verbesserungen  der  bisher  verstümmelten  nnd  unver- 
ständlichen Kamen  auf  der  Peutinger'schen  Tafel  als  wichtige  Resultate  scharf- 
sinniger Forschung  mit  Dank  annehmen,  wenn  auch  gegen  die  Bildung  des 
Namens  Ampsivarii  erhebliche  Bedenken  übrig  bleiben.  Ebenso  möchten  wir 
die  sonderbaren  Rhepstini  oder  Ghrepstini,  wie  einige  schreiben,  die  das  G  des 
Wortes  Ghaci  als  zu  Rhepstini  gehörig  diesem  vorsetzen,  unberührt  stehen 
lassen,  bis  ein  neuer  Oedipus  das  R&thsel  löst. 

Wesel.  Fr.  Fiedler. 


in.     Miscellen. 


1.  Barscheid,  Kreis  Solingen.  —  RheinkaBsel  und  Kasselberg 
liegen  noch  eine  ziemliche  Strecke  weit  von  der  Steinstrasse  entfernt.  Mögen  anch 
Vom  ersteren  Orte  (Jahrb.  XXXI.  S.  86)  keine  römische  Alterthümer  bekannt 
sein,  so  war  der  Hügel,  auf  welchem  die  Kirche  liegt,  obwohl  nicht  ansg^edehnt, 
för  einen  festen  Pnnkt  besser  geeignet  als  das  niedrig  gelegene  Kasselberg. 
Bei  hohem  Wasser  wird  dasselbe  nicht  überschwemmt.  Hier  mnss  irgendwo  we- 
nigstens eine  Warte  in  der  Römerzeit  gewesen  sein,  weil  eben  der  Ortsnamen 
anf  einen  festen  Pnnkt  hindeutet. 

An  der  Stätte  des  oberhalb  gelegenen  Merke nicb,  von  welchem  Schmidt 
nichts  sagty  haben  die  Römer  Spuren  ihres  Daseii&s  hinterlassen.  Die  angefahrte 
Steinstrasse  führt  dnroh  das  Westende  des  Dorfes.  Wo  sie  dasselbe  von  unten 
zuerst  berührt,  hat  ein  Einwohner  (Bongerich)  beim  Graben  neben  derselben 
und  neben  seinem  Hause,  wiederholt  röm.  Münzen,  worunter  eine  von  Augrnstus, 
gefunden.  In  der  N&he  der  Kirche  fand  man  um's  J.  1840,  im  Garten  des  Yos- 
hofes  ein  römisches  Grabgewölbe.  Dieses  bildete  einen  runden  Raum,  der  etwa 
acht  Fuss  im  Durchmesser  hatte  und  gegen  fünf  Fuss  hoch  war.  Das  Gemäuer 
war  aus  Tuffsteinen  aufgeführt  und  ihr  Gewölbe  ruhte  auf  einem  Mittelpfeiler. 
In  einer  Nische  der  Mauer  standen  Aschenkrüge.  Eine  steinerne  Treppe  führte 
in  den  Raum  hinab.  Dem  Berichterstatter  zufolge  soll  dieselbe  noch  tiefer  in 
die  Erde  geführt  haben.  Es  wurde  darin  ebenfalls  eine  Steinplatte  mit  einer 
Inschrift  versehen  gefunden,  die  zerbrach,  bald  darauf  aber  in  die  Delhoven'scbe 
Sammlung  zu  Dormagen  gelangte.  In  der  Nähe  des  Hofes  fand  man  zweihenke- 
lige  röm.  Gefässe  u.  s.  w.  Die  Kirche  liegt  etwas  höher,  deren  Stätte  bei  der 
hohen  Flnth  von  1846  nicht  überschwemmt  wurde.  In  der  Feldflnr  nordwestlich 
vom  Dorfe  fand  man  Gemäuer  von  Tuffsteinen. 

Westlich  von  Bursoheid,  Kreis  Solingen,  liegen  auf  einem  Berge  am 
Bache  Eifche,  unterhalb  des  Böokershammers,  altdeutsche  Befestigungswerke, 
die  »alte  Bürge  genannt.  Ein  breiter  tiefer  Graben  zieht  sich  hier  quer  über 
die  Bergfläehe  vom  ECandd  des  nördlichen  Abhanges  bis  zu  dem  des  südlichen 
Seitenthals.  Von  seinem  nördlichen  Anfangs  läuft  ein  anderer  etwas  unterhalb 
des  Bergrandes  über  den  nördlichen  Abhang  ostwärts  zum  steilen  Abhänge  des 
Baohthals,  wo  ein  Steinbruch  ist.  Ein  ahnlicher  Graben  zieht  oben  über  den 
südlichen  Abhang  nach  dem  Endpunkte  des  vorigen,  wo  sie  sich  in  einen  ab- 


iß 


4 


204  Miscellen. 

(^^stuonpften  Winkel  vereini^on.  Die  Erde  aus  den  Seitengräben  worden  gross- 
tontbcils  an  ihrer  Aussen  seile  wallformig  aufgehäuft.  Nur  hie  tind  da  ist  etwas 
Erde  oben  auf  dem  ßergrande  aufgeworfen  worden.  Ein  eigentlicher  Wall  ist 
nicht  vorhanden.  Der  Einganpf  zu  dem  grossen  länglichen  dreieckigen  Räume, 
ßndet  ^ioh  an  der  nordwestlichen  Ecke.  Innerhalb  desselben,  der  mit  Gebüsch 
bedeckt  ist,  befindet  sich  nichts  Bemerkenswerthcs. 

In  der  Pfarrei  Odonthal,  Kreis  Mülheim,  findet  sich  östlich  von  der 
frühern  Abtei  Altenberg,  eine  unter  dem  Namen  »Erbericher  alte  Burg«  be- 
kannte altdeutsche  Befestigung  auf  einem  bewaldeten  Berge  unweit  des  Dünn- 
bachs. Wir  sehen  hier  zuerst  einen  Graben,  theilweise  zerstört,  mit  dahinter 
liegendem  Walle,  vom  nördlichen  Abhänge  des  Berges  über  seine  Fläche  bis 
zum  Rande  des  südlichen  gezogen.  Hundert  Schritte  weiter  findet  sich  ein  ähn- 
licher, welcher  96  Schritte  lang  ist,  und  90  Schritte  weiter  finden  wir  einen 
andern  von  112  Schritten  Länge.  Unmittelbar  hinter  diesem  ziehen  sich  zwei 
Gräben,  und  zwei  Wälle  hin.  Die  rechte  grössere  Hälfte  der  in's  tiefere  Seiten- 
thal sich  bald  abdachenden  Fläche,  hat  nach  Innen  auch  einen  Graben  und 
Wall  mehr.  Treten  wir  auf  dem  durchführenden  Pfade  in  den  abgeschlossenen, 
sich  stark  neigenden  Theil  der  Bergfläohe,  dann  sehen  wir  die  Abtheilang  links 
ohne  tieitenwälle,  die  rechte  Seite  aber,  welche  grösstentkeils  auf  dem  Abhänge 
liegt,  ist  von  einem  einfachen  Graben  und  Walle  umgeben.  Die  Gräben  Und 
Wälle  sind  im  Allgemeinen  nicht  tief  und  hoch.  Das  tiefere  Seitenthal  war  an 
seinem  Ausgange  durch  einen  hohen,  noch  jetzt  vorhandenen  Damm  gesperrt, 
um  das  Wasser  des  durchrinnenden  Bächelchens  zu  einem  grossen  Teiche  an* 
schwellen  zu  lassen.  Er  mag  aber  auch  erst  im  späteren  Mittelalter  aufgeführt 
worden  sein,  um  einen  Bnsohteich  zu  bilden. 

Reste  von  einer  altdeutschen  Feste  finden  sich  oberhalb  der  Neanderhöhle 
auf  dem  Berge  zwischen  der  Dussel  und  dem  Bache  von  Mettmann,  welcher 
das  Einzelhaus  »auf  der  Bürge  trägt.  Hier  zieht  sich  etwas  unterhalb  des 
Bergrandes  ein  tiefer  Graben  über  den  westlichen  Abhang  hin,  der  später  'nach 
der  Südseite  umbiegt,  hier  zugleich  einen  Bergrücken  abschneidet,  und  im 
weitern  Laufe  sich  nach  Osten  wendet,  wo  er  am  steilen  Abhänge  bald  endigt. 
Geringe  Reste  eines  Walles  finden  sich  an  einzelnen  Stellen  auf  dem  Rande  des 
Borges.  Im  J.  1870  wurde  noch  ein  Theil  desselben  geebnet.  Die  grosse  einge- 
schlossene  Bergobene,  eine  Fcldflur,  ist  an  der  Ostseite  stark  geneigt.  Die  Cul- 
tur  hat  die  wahrscheinlich  da  gewesenen  Qaerwälle  und  Graben  auf  der  Hoch- 
fläche  verwischt 

Gleich  nordöstlich  von  Bensberg  finden  wir  die  »Erdenburgt.  Auf  dem 
bobuschten  Bergrücken  an  der  Ostseite  beginnen  unweit  einer  Schlucht  drei 
Gräben  und  Wälle,  die  sich  gebogen  cum  südlichen  steilen  Abhänge  siehen,  um 
eine  Kuppe  absnsperren.  Wo  die  Steilheit  zunimmt,  endigt  der  änsserate  Gra- 
ben nach  160,  der  darauf  folgende  nach  322  Schritten,  während  die  zwei  inneren 
Gräben  und  Wälle  sich  xreiter  fortsetzen,  um  nach  und  nach  west-  und  nord- 
wärts Bu  laufen.  Dort  endigen  sie,  nachdem  sie  vom  Anfimgspunkte  695  Schritte 
zurückgelegt  haben.    An  der  Westaeite  fährt   ein  Fnhrweg  211  Schritte  weit 


Miicellen.  295 

zwischen  den  beiden  Wällen  hin.  Hier  an  der  Nordseite  fehlt  aber  auf  einer 
Strecke  von  146  Schritten  bis  zum  vorhin  bezeichneten  Anfangspunkte  jede  Be- 
festigung. Dem  Anscheine  nach  sind  hier  keine  gewesen,  waren  hier  aber  um 
so  nöthiger.  weil  der  Berg  hier  sich  sanft  abdacht.  Der  Kaum,  welchen  die 
Ringwälle  umsohliessen,  besteht  aus  einer  Kuppe  und  einer  vor  ihr,  ^egen 
Nordosten  gelegenen  kleinen  Fläche.  £i*  hat  356  Schritte  im  Durchmesser. 

Im  Lohmarer  Walde,  nordöstlich  von  Siegburg,  war  im  J.  1808  auf 
einem  Hügel,  unweit  der  Strasse  nach  Schreck,  ein  grosser  Stein  zu  sehen,  um 
welchen  in  einiger  Entfernung  zwölf  kleinere  in  einem  Kreise  lagen.  Dabei 
waren  Erdwälle  und  in  der  Nähe  deutsche  Grabhügel.  Der  bergische  Ober- 
geometer  Windgassen  fertigte  damals  einen  Grundriss  für  den  Begierungsrath 
Tryst  in  Cöln  davon  an,  welcher  die  Stätte  für  einen  alten  Opferplatz  hielt. 
Später  soll  an  diesem  Hügel  ein  Steinbruch  eröfifoel  worden  sein. 

.  Gleich  oberhalb  Overrath  liegt  auf  einem  Berge,  am  Wege  nach  Ma- 
rienlinden, die  Hausgruppe  aaf  der  Burg.  Dabei  ist  auf  der  bebnschten  Berg- 
hohe, die  ziemlich  steil  in's  Thal  der  Acher  sich  abdacht,  eine  Stelle:  die  Hing- 
mauer  genannt.  Es  findet  sich  dort  Gemäuer  in  der  Erde,  von  welchem  man 
schon  viel  weggebrochen  hat.  Von  einer  hier  etwa  im  Mittelalter  gewesenen 
Burg  schweigt  die  Geschichte.  Diese  Stelle,  so  wie  der  übrige  Theil  der  Höhe 
verdient  näher  untersucht  zu  werden.  Ob  hier  früher  eine  Warte  stand? 


2.  Alzey.  Zwei  römische  Inschriften.  Schon  im  Jahre  1783  wur- 
den in  der  Nähe  der  hiesigen  Freimaurerloge  drei  römische  Altäre,  der  Minerva, 
der  Fortuna  und  den  Nymphen  geweiht,  aufgefunden,  von  weichen  die  beiden 
ersten  durch  Karl  Theodor  nach  Mannheim  gebracht  wurden.  Der  dritte,  wel- 
cher hier  blieb,  war  für  uns  der  wichtigste,  weil  auf  ihm  die  vicani  altiaienses 
ausdrücklich  als  Dedicanten  genannt  werden.  Zu  diesen  drei  im  Corpus  inscr. 
rhen.  veröffentlichten  Inschriften  kam  im  vorletzten  Winter  eine  vierte,  jetzt 
im  Mainzer  Museum  befindliche  hinzu,  gleichfalls  auf  einer  ara,  welche  in  der 
äusseren  Beschaffenheit  grosse  Aehnlichkeit  mit  dem  aus  dem  J.  224  stammen- 
den Nymphenstein  zeigt,  also  wohl  auch  derselben  Zeit  angehört.  Die  Fund- 
stätte liegt  zwischen  der  alten  Schlossruine  und  der  Loge  und  fuhrt  den  Namen 
der  »Drommäckerc.    Die  Inschrift  lautet: 

1      DEA  •  S V  L 

2.     ATTONIVS 
3      L  V  C  A  N  I 

Da  auf  allen  Altären  ohne  Ausnahme  die  Namen  der  Gottheiten  im  Dativ 
stehen,  so  ist  Z.  1  jedenfalls  deabus  zu  lesen,  denn  für  deae  würde  sich 
eine  Abkürzung  nicht  verlohnt  haben.  Das  zweite  Wort  findet  sich  im  ganzen 
C.  inscr.  rh.  nur  einmal  ausgeschrieben,  und  zwar  auf  dem  verlorenen  Steine 
von  der  Schweppenbnrg  (Nr.  637),  woselbst  suleviabus  steht;  doch  findet  sich  auch 
E.  B.  auf  einer  italienischen  Inschrift  sulevis.    Da  Attonius  nur  als  nomen  vor- 


296 


Miaoellen. 


kommt..  8o  wird  das  folgende  Wort  Lucani  oder  Lucanii,  da  ee  des  Platses 
halber  keinesfalls  ein  Nominativ  sein  kann,  gleichfalls  ein  nomen,  und  zwar  der 
Genetiv  von  Lucanias  sein,  so  dass  also  eu  lesen  wäre: 

deabos  suleviabas  attonius  iQcani(i),  d.  h. 
den  Waldgöttinnen  Attonius,  des  Lncanius  (Sohn). 
Da  meines  Wissens  die  suleviae  nirgends  als  deae  bezeichnet  werden,  so 
dürfte  der  vorliegende  Stein  in  dieser  Hinsicht  von  Interesse  sein  ^). 

Im  vergangenen  Herbste  fand  sich  V«  Stande  nördlich  von  Alzei  im  Feld 
das  Fragment  einer  Yoti>tafel,  auf  welcher  sich  folgendes  erkennen  Hess: 


/rem 

/  VRIO 

•  D  •  r 

ET     R 

(-  VN  0 

1  V  S 

\/0  T  O  •    1*  O  « 

\    s  ■ 

L  1  B/ 

\ 

Ein  ganz  ähnlicher  Stein  ist  in  der  Zeitschrift  d.  V.  z.  E.  d.  rh.  6. 
u.  A.  in  Mainz,  B,  ü.  Nr.  187  anfgefOhrt;  hiemach  dürfte  die  vorliegende  Wid- 
mung gelautet  haben: 

IN • HONOREM  0  0 
OEO  MERCVRIO  •  ET  •  RO 
SMERTE  •  SECVNDIV  S  • 

•  EX      VOTO  •  POS 
VIT    VOTVM   S     LIB     M 

Zeile  2  und  4  haben  am  Ende  wohl  keinen  Raum  für  einen  Punkt,  wess- 
halb  ich  POS  nicht  als  eine  Abkürzung  ansehe« 

Merkur  kommt  auch  im  C.  inscr.  rh«  öfters  in  Verbindung  mit  Rosmerta 
vor.  W&hrend  sonst  der  Name  des  Merkur  auf  römischen  Inschriften  h&ufig  ist, 
wurde  er  hier  erst  auf  der  fünften  gefunden  und  auch  da  nicht  allein ;  vielleicht 
ist  übrigens  auch  mit  dieser  die  Reihe  derartiger  Denkmaler  in  der  Umgebung 
unserer  Stadt  noch  nicht  abgeschlossen. 

G.  Schwabe,  Reallehrer. 


1. 
2. 
3. 
4« 
6. 


3.  Köln.  *Zur  rheinischen  Epigraphik«  ist  die  Ueberschrift  eines 
von  Herrn  J.  J.  Merlo  in  Köln  geschriebenen  Artikels  in  Heft  LH  dieser  Zeit- 
schrift p.  108  sq.,  welcher  mich  zu  folgenden  Bemerkungen  veranlasst. 

Zu  Nr.  1  p.  103.    Herr  M.  behauptet,    dass   der  von  mir  edirte  Stempel 


')  Die  richtige  Deutung  der  in  diesem  Hefte  S.  190  schon  von  Brambach 
beiläufig  mitgetheilten  Inschrift  gibt  Prof.  Becker  oben  S.  142.  J.  Fr. 


MisoeUen.  297 

M£DJ)IGV8  (die  epigraphisohen  Aniioaglien  Kölns  Nr.  72  b)  identisch  sei  mit 
dem  von  Lersch  mitgetheilten  MEDDIRiyS  (Bonner  Jahrbücher  11  p.  86;  Froh- 
ner  1647),  weil  das  betreffende  Fragment  nach  dem  Tode  Meinertshagen's  in 
seine  Sammlung  übergegangen;  demgemäss  sei  derTöpfemame  Meddirius  zu  be- 
seitigen.   Dem  gegenüber  gebe  ich  Folgendes  zu  erwägen: 

1)  Es  besteht  die  Möglichkeit,  aber  auch  nur  die  Möglichkeit,  dass  es 
sich  nur  um  ein  einziges  Fragment  handelt,  und  zwar  gerade  um  das  im  Besitz 
des  Herrn  M.  befindliche;  denn  die  Meinei*tzhagen'sche  Sammlung  war  so  reich 
und  ist  so  vielfach  zersplittert  worden,  dass  der  Annahme  nichts  entgegen 
steht,  der  genannte  Sammler  habe  auch  ein  Gerath  mit  dem  Stempel  Meddirius 
gehabt,  welches  in  unbekannten  Besitz  gekommen  ist.  Als  ich  im  Sommer  1869 
Inschriften  der  M.'schen  Sammlung  aufzeichnete,  hat  Hr.  Merlo  auch  von  der 
angebliehen  Identität  der  beiden  Stempel  nicht  gesprochen.  2)  Die  Annahme, 
dass  L.  Lersch  den  Stempel  Meddious,  den  €r  »bei  gesundem  Auge  nothwendig 
gelesen  haben  müsset  und  der  in  vollkommener  Reinheit  und  Schärfe  der  Schrift- 
züge da  steht,  als  Meddirius  edirt  habe,  hiesse  die  wissenschaftliche  Glaubwür- 
digkeit des  verdienten  rheinischen  Epigraphikers  untergraben  und  denselben 
grosser  Oberflächlichkeit  bezüchtigen.  8)  Wenn  somit  schon  dael'M.'sche  Dic- 
tum »der  Töpfemame  Meddirius  wird  demgemäss  zu  beseitigen  sein«  ein  ge- 
wagtes ist,  so  verliert  es  jede  Berechtigung  durch  den  umstand,  dass  die  Firma 
Meddirius  hinreichend  gesichert  ist  durch  ein  aus  Luxemburg  stammendes,  jetzt 
in  Paris  befindliches  Exemplar  (Fröhner  Nr.  1548),  in  welchem  nur  das  E  de- 
fekt ist  und  das  gewöhnliche,  nicht  gestrichene  D  vorkommt. 

Zu  Nr.  4  p.  104.  Die  durch  Fröhner  Nr.  2050-2052  gesicherte  Lesung 
VACO  muss  ich  beibehalten.  Ich  habe  den  Stempel  ohne  Ligatur  von  Y  und  A 
drucken  lassen,  weil  die  Lettern  meines  Druckes  hier  nicht  ausreichten,  habe 
den  Stempel  auch  nicht  einer  Scherbe  angewiesen,  wie  HerrM.  sagt,  sondern 
einer  Schale.     (Epi graphische  Anticaglien  p.  7  Nr.  119.) 

Zu  Nr.  6  p.  1C5.  Wenn  Herr  M.  bemerkt,  dass  meine  Behauptung  AVF 
=  OF  auf  dem  auch  in  Italien  vorkommenden  Stempel  AYFFRON  »etwas  be- 
denklich erscheine,!  so  bedaure  ich,  dass  er  sich  nicht  die  Zeit  genommen  hat. 
die  von  mir  angegebenen  Stellen  nachzulesen  und  sich  über  die  Verwandtschaft 
zwischen  AY  und  0  zu  belehren.  Weitere  Belege  gibt  noch  H.  Schuchardt  der 
Yokalismus  des  Vulgärlateins  II  p.  303  sq.  III  p.  263. 

Zu  Nr.  8  p.  106  C  A  H  T  O 

F 

Diesen  Stempel  bietet  nicht  nur  eine  Lampe  des  Kölner  Museums,  sondern  Dorow 
fand  denselben  auch  in  Neuwied  (Fröhner  542).  Warum  nun  Herr  M.  ein  beson- 
deres Gewicht  darauf  legen  zu  müssen  glaubt,  dass  hiemeben  noch  der  sonst 
übrigens  vielfach  vorkommende  Stempel 

CARTO 

beizubehalten  sei,  vermag  ich  nicht  zu  ergründen. 


398  MiBcallei 

Zu  Nr.  9  p.  106.  Herr  H.  bemerkt  i 
von  DünUer  in  diesen  Jabrbucbern  XXXV 
346]  GemmeniDtchrift  unt«r  Nr.  19öb  meii 
stätigt  die  fticbtigkeit  der  Düntzer'echeo 
LeflOQ);  überein Btimme,  so  daas  das  dritte  ^ 
zu  lobreiben  Eei.  Herr  M.  bat  dabei  üben 
niobtB  handelt,  als  um  einen  Druckfehler. 
meine  Arbeit  geloBen  hätte,  würde  er  das  ; 
im  Text  der  Icachriften  ist  die  Schrift  ni 
oolegi.'  Literftrisohes  Centralblatt  1870  Nr. 
ttque  d'hiatoire  et  de  litteraturo  1S70  Nr.  I 
nusster  Weise  eine  von  den  bisherigen  Pub 
wollen,  so  war  es  geboten,  um  nur  einigen 
dies  hervortaheben  und  auf  die  Abweichanj 
mlsBig  gethan  iiiibe.  Epigraphiker  wie  Düt 
einfach  todtsobweigen.  Mit  grösierm  Reoh 
Torwurf  gemacht  worden.  Ich  hatte  nä 
gegen  die  Edhtheit  der  besagten  Inschrift  1 

Köln. 


4.  Köln.  Römisoher  Urabstein 
einet  Thurmes,  Hessen-Thor,  Hessenthum 
genannt.  Auf  seiner  vordem  Seite  sieht 
hanene  Figuren,  wovon  die  eine  eine  Fo 
eines  Fürsten  darstellt  •  So  Dr.  Carl  Brc 
Btatistisch-medicinischen  Topographie  der  E 
1889)  p.  42.  Bei  einer  genaueren  Bütrach 
staltet  sieh  das  Mordinstnunent  zmt  Darst 
beschlftigten  Mannes  und  iat  somit  einzurc 
rade  am  Rhein  vorkommenden  Grabreliefs, 
Lebensgenuss  beim  heitern  Mnble  darstelle: 
gebrachte  Inschrift  ist  nicht  vorhanden,  bc 
Seite  eines  der  Quadern,  die  nahebei  in  dei 
Qrabrelief  ist  auch  ohne  Zweifel  folgend« 
Büoheler  im  XXT.  Heft  dieser  Jahrbücher  ] 
Chronik  eines  Jülicher  Secretarius  vom  J 
find  man  ahn  den  dreien  alten  Statpfor 
steinen  gebaoen.* 

Köln. 

6.  Elberfeld,  Briefliche  Mittheilucf 

lioa  au  den  Ver.-Sekretär  Prof.  Freudenber 

■Anf  einem  Acker    zu  Holzerhof  (bi 


Miscellen.  990 

Düsseldorf,  südl.  von  Soli d gen  gelegen)  wurde  kürslich  eine  celtische  Goldmünze 
gefunden:  unbärtiger  Kopf  mit  Diadem  nach  der  linken  Seite ;  Rev.  geflügeltes  I'ferd  . 
im  Lauf,  darunter  Blätterschmuck  mit  doppelter  Perlenreihe.  Sie  hat  das  Gewicht 
von  nahezu  2  Kiiogr.  und  einen  Goldwerth  von  c.  1  Thir.  28  Sgr.  Auf  demsel- 
ben Grunde  ist  schon  früher  eine  grössere  Goldmünze  gefunden  worden,  über 
die  ich  nichts  Näheres  erfahren  konnte.  In  der  Nähe  des  Fundortes  ist  eine 
Quelle,  die  ehemals  ab  eine  heilige  gegolten  haben  soll.« 

Die  Slünze  zeigt  nach  der  richtigen  Verinuthung  des  Hrn.  Einsenders  den 
Typus  der  Mediomatriker  (Hauptstadt  Metz)  und  ist,  wie  Hr.  van  Vleuten,  wel- 
eher  ein  Exemplar  derselben  Münze  besitzt,  mir  mittheilte,  wahrscheinlich  eine 
barbarische  Nachahmung  des  Denars  der  gens  Titia.  J.  Fr. 


6.  Bonn.  Bömerreste  in  Poppeisdorf.  Beim  Ziegeln  zu  den  Neu- 
bauten an  der  verlängerten  FriedrichsHtrasse  nahe  dem  Poppelsdorfcr  Weiher 
fanden  die  Erdarbeiter  im  Februar  d.  J.  verschiedene  römische  Urnen  und 
Krüge  von  weisslichem  Thon,  femer  eine  grosse  Schüssel  mit  zweckmässig  ein- 
gerichteter Ausgusstülle,  eine  grössere  Sehale  so  wie  ein  ganz  kleines  nied- 
liches Schälchen  von  terra  sigillata,  endlich  eine  grössere  Thonlampe  mit  der 
Darstellung  eines  langgeöfirten  Kopfes,  wie  es  scheint,  des  Midas.  Die  sämmt- 
liohen  Fundgegenstände  sind  in  den  Besitz  des  Hm.  Sürth,  Conservator  des 
anatomischen  Museums  zu  Poppeisdorf,  gelangt.  J.  Fr. 


7.  Bonn.  Am  18.  Februar  c.  stiess  man  nahe  der  Kölner  Chaussee  im 
Rheiudorfer  Felde  beim  Fundamentgraben  zu  dem  grossartigen,  für  den  Regie- 
rungsbezirk Köln  bestimmten  Irrenhause  auf  mehrere  römische  Gräber.  Die 
darin  enthaltenen  Beigaben,  bestebt-nd  in  mehreren  Urnen  und  verschiedenen 
KrügeUi  einer  Thonlampe  mit  Verzierungen,  einem  kleinen  Salbenfläschchen  von 
grünlichem  Glas  und  ausserdem  den  Fragmenten  eines  römische n-Sp i egels  von 
w^eissem  Metall  wurden  von  den  Arbeitern  dem  Unterzeichneten  zugebracht  und 
für  die  Sammlung  unseres  Vereins  erworben.  Der  Metallspiegel  befand  sich  als 
Deckel  auf  einer  grossem  Urne,  wurde  aber  von  den  Arbeitern  aus  Unvorsich- 
tigkeit in  Stücke  zerschlagen,  die  sich  nicht  mehr  vollständig  genug  vorfanden, 
um  denselben  herzustellen.  Uebrigens  hatte  derselbe,  wie  man  noch  ersehen 
konnte,  eine  runde  Form  uüd  zeigte  eine  glatt  polirte  Fläche.  Nach  dem  Zeug- 
niss  des  altem  Plinius  (Nat.  Hist.  XXXIII,  45)  bestand  der  Stofif  solcher  Spiegel, 
die  am  besten  zu  Brundusium  in  Italien  verfertigt  wurden^  aus  einer  Mischung 
von  Kupfer  und  Zinn,  welches  letztere  dem  Metall  einen  silberartigen  Glanz 
verleiht.  Auf  mein  Ersuchen  hatte  Herr  Dahlen,  Assistent  an  der  Versuchssta- 
tion der  landwirthsohaftlichen  Akademie  zu  Poppeisdorf,  die  Güte,  ein  Stück 
des  fraglichen  Metalls  einer  sorgfältigen  Analyse  zu  unterwerfen,  welches  folgen- 
des Resultat  gab: 


800 


MueellflD. 

Kupfer    .    . 

69,81  «/e 

26,66  % 

Blei    .    ,    . 

4.96  Vo 

Eisen 

fM 

Antimon 

Spuren. 

Vergleicht  man  hiermit  die  chemische  Untersuchung  der  Metallmasse  eines 
antiken  (romischen)  Spiegels  in  Elaproth's  Beiträgen  zur  chemischen  Kenntoiss 
der  Mineralkörper  Bd.  6,  S.  74,  welche  als  Resultat  ergab: 

Kupfer    .    62 

Zinn    .    .    82 

Blei    .     .      6 


100 
so  ergibt  sich  der  unterschied  in  den  eigentlichen  vorschriftsmassigen  Mischungs- 
theilen  beider  Spiegel  nur  als  ein  geringer.  Es  scheint  im  Durchschnitt  in 
2  Theilen  Kupfer  und  einem  Theil  Zinn  bestanden  zu  haben  und  das  Blei  be- 
trögerisoher  Weise  beigemischt  zu  sein,  ein  Verhältniss,  das  nach  Klaproth 
auch  heut  zu  Tage  zu  den  Teleskopspiegeln  beobachtet  wird. 

Ueber  zahlreiche  weitere  Funde  römischer  Alterthümer,  die  an  derselben 
Statte  im  Verfolg  zu  Tage  gefordert  wurden,  verweisen  wir  auf  den  Bericht 
unseres  Vereinsmitglieds  Hrn.  Dr.  Bouvier  weiter  unten. 

Von  anderen  römischen  Alterthümem,  deren  doch  in  diesem  Jahre,  bei 
der  grossen  Bauth&tigkeit  in  der  Stadt  Bonn  selbst"  wie  in  ihrer  nfihem  Um- 
gebung, noch  manche  zu  Tage  gekommen  und  verschleudert  worden  sein  mögen, 
sind  mir  noch  zwei  auf  der  Sandkaul  15  im  Sommer'schen  Hause,  der  jetzigen 
Actiengesellschaft  zur  Eintracht,  beim  Fundamentiren  des  Saals  gefundene,  stark 
oxydirte  Münzen  zugekommen,  auf  deren  einer  sich  noch  der  Rev.  Bomae  et 
Aug.  mit  dem  Altar  von  Lyon  erkennen  liess. 

Freudenberg. 


8.  Aachen,  1.  August.  Ein  interessanter  Fund  ward  heute  hierseibst  zu 
Tage  gefördert.  Bei  den  Fundamentarbeiten  für  das  von  dem  Paulusvereine 
neben  dem  Paulushause  errichtete,  zu  Arbeiterwohnnngen  bestimmte  Gebäude 
fand  man  dieser  Tage  in  einer  Tiefe  von  etwa  sieben,  acht  bis  zehn  Fuss 
mehrere  wohlerhaltene  römische  Aschenkruge  und  Urnen  von  gebranntem  rothem 
Thon,  dann  mehrere  Ueberreste  von  Marmorgesimsen  mit  lateinischen  Inschrif- 
ten, die  man  aber,  weil  sie  zu  arg  ladirt  waren,  nicht  entziffern  konnte. 


9.  Hamm.  Für  Freunde  der  Alterthumskuude.  Der  Bau  einer 
Zweig-Eisenbahn  von  Mülheim  a.  d.  Ruhr  nach  Kettwig,  unter  Leitung  des  Ab- 
theilungs-Baumeisters  Herrn  Brewitt,'^fnhrte2zur  Entdeckung  einer  alten  heid- 
nischen Begr&bnissstätte,  in  der  N&he  von  Saam  (ehemaliges  Benediktiner-Fr&u- 
lein-Kloster,  jetzt  Gewehrfabrik),  etwa  V«  Meile  südlich  von  Mülheim. 


Miscellen.  9Ö1 

Der  Boden  des  Feldes,  worin  sie  vorkommt,  besieht  ans  GeröUe^  von 
dem  Rohrfiusse  herrührend,  der  einst  darüber  seinen  Lauf  nahm.  Später  hat 
derFI  nss  sich  ein  anderes  etwas  tiefer  liegendes  Bett,  gegen  1000  Schritte 
weiter  östlich^  gewühlt.  Beim  Ausschachten  des  Bodens  wurde  an  einzelnen 
Stellen  statt  des  Gerölles  lockere  Erde  mit  Eies  untermischt  bemerkt.  Offenbar 
sind  Löcher  in  den  Boden  gegraben  und  solche  mit  der  lockeren  Erde  ausge- 
füllt. Fast  ausschliesslich  in  diesen  Löchern,  selten  in  dem  (xerölle,  kamen  An- 
tioaglien  zum  Vorschein,  —  bis  zum  17.  Juli  c,  folgende: 

1)  Ein  in  mehrere  Stücke  zerfallenes,  grossentheils  aber  wieder  zusam- 
mengekittetes Gefäss,  ähnlich  den  jetzigen  Terrinen,  gegen  5. Zoll  hoch,  7Vt 
Zoll  im  Durchmesser  haltend,  von  dem  feinen  gelblich-rothen  Thon,  der  in 
späterer  römischer  Zeit  häufig  statt  der  hochrothen  terra  sigillata  in  Anwen- 
dung kam.  Das  Gef&ss  hat  eingepresste  Verzierungen.  Die  etwas  unterhalb  des 
oberen  Randes  bestehen  aus  aneinander  gefügten  länglichen  Halbkreisen  (\«ag 
etwa  4,  breit  3  Linien),  deren  Inneres  mit  gleichen  aber  kleineren  Kreisen  aus- 
gefüllt ist.  Man  sieht  solche  als  Randverzierungen  häufig  an  römischen  Vasen, 
z.  B.  Abbildungen  der  römischen  Alterthümer  in  Bayern,  Heft  H,  Tafel  VIII  ff! 
unter  denselben  zeigt  das  aufgefundene  Gefäss  Wellenlitlien.  Halbbogen  nn^ 
zwischen  letzteren  Zweige  von  Sträuohern  mit  drei  Blättern. 

2}  Vierzehn  irdene  (^efösse,  meist  wie  Aschenumen  geformt,  von  ver- 
schiedener Grösse,  einige  mit  ganz  einfachen  eingepressten,  andere  mit  erhabe- 
nen Verzierangen,  nur  in  Linien,  Punkten  und  dergleichen  bestehend.  Von  ab- 
weiohender  Form  sind: 

a.  Ein  nach  oben  sich  verengendes  (}efäss  mit  einer  Ausguss-Tülle,  unge- 
fÜkt  heutigen  Theetöpfen  ähnlich; 

b.  ein  anderes,  dessen  Gestalt  mehr  einer  Terrine  gleicht;  der  obere 
Rand  erweitert  sich  nach  Innen  um  etwa  \  Zoll  und  hat  eine  Ans* 
gnss-TüUe. 

3)  Viele  Scherben  von  hellrothem,  grauem  und  weisslichem  Thon,  theils 
mit  starken,  bis  4  Linien  dicken,  theiis  mit  dünnen  Wänden;  eine  mit  vielen, 
4  Linien  hohen  ovalen,  in  die  Aussenwand  eingedrückten  Verzierungen,  die 
das  Gefäss,  wovon  sie  herrührt,  rings  umgeben  zu  haben  scheinen.  Einige  Stücke 
sind  auf  der  Drehscheibe  gefertigt,  andere  nicht. 

4)  Eine  sog.  keltische  Perle  von  feinem  Thon,  5  Linien  lang,  nach  Aussen 
mit  5  kleinen  Erhöhungen,  deren  Spitz  hellblau  gefärbt  sind. 

6)  Zwei  Stücke  von  Glasgefässen.  Das  Glas  ist  dünn,  von  gelblicher,  et- 
was in's  Grüne  spielender  Farbe,  nicht  blasig. 

6)  Eine  eiserne  Lanzenspitze,  21  Zoll  lang,  unten  nahe  bei  der  Tülle  mit 
zwei  Ausbiegnngen  (orochets),  ähnlich  der  in  dem  Werke  des  Abb^  Goohet  »8e- 
poHures  gauloises,  romaines,  franqnes  etcc  S.  228  abgebildeten  f^ränkischen 
Lansenspitze. 

7)  Sechs  andere  Lanzenspitzen  von  verschiedener  Länge  und  Form,  ohne 
Anzbiegungen,  fast  sämmtlich  mit  einem  Grath. 

8)  Fünf  Schwerter  von    verschiedener  Länge,   verhältnistmäsaig    schwer, 


802  Misoellen. 

keines  gekrümmt;  —  das  grösste  24  Zoll  lang,  2  Zoll  breit,  ist  bei  der  Lansen- 
spitze  Nr.  6  oben  gefunden.  ' 

9)  Ein  Dolch  oder  Messer,  9  Zoll  lang. 

10)  Ein  Umbo  (Schildnabel)  von  Eisen,  unten  noch  mit  den  N&geln  oder 
Sohräubchen  znm  Befestigen  an  dem  hölzernen  Schild  versehen.  Von  diesem 
fanden  sich  nur  Bröckchen. 

11)  Ein  desgleichen,  weniger  gut  erhalten. 

12)  Ein  Stück  von  einer  eisernen  Pferdetrense.  mit  3  Zoll  im  Durch- 
messer haltendem  Ring  an  der  Seite. 

Die  Sachen  von  Eisen  sind  sämmtlich  dick  mit  Rost  belegt. 

13)  Stücke  von  Bronzeplatten,  ziemlich  dünn,  anscheinend  von  Gc fassen 
oder  Rüstungen  herrührend. 

14)  Mehrere  bis  8  Zoll  lange  Thierzähne,  wohl  von  Pferden. 

In  dem  unter  1  beschriebenen  Gefasse  fanden  die  Arbeiter  auch  Knochen - 
fragmente;  ob  von  Menschen-  oder  Thierknochen  möchte  schwer  zu  bestimmen 
sein.  Die  übrigen  Gefasse  enthielten  keine  Rnochenreste ;  möglich  dass  solche 
vorhanden  gewesen,  aber  in  dem  ziemlich  feuchten  Boden  verweset  sind. 

Von  den  Sachen  sind  einige,  z.  B.  das  Gefass  unter  1.,  die  Perle  und  die 
Glasscherben  wohl  unzweifelhaft  römischen,  andere  fränkischen  Ursprungs.  Sie 
scheinen  der  Zeit  anzugehören,  in  weicher  die  Römer  und  Franken  um  den 
Besitz  der  Länder  an  beiden  Seiten  des  Rheines  stritten,  also  dem  3.  oder  4. 
Jahrhundert.  Die  Grabstätte  dürfte  uls  eine  fränkische  anzusehen  sein.  Dass 
unter  den  Sachen  römische  vorkommen,  spricht  nicht  dagegen;  diese  können 
Franken  von  Römern  erhandelt  oder  erbeutet  haben. 

Essellen,  Hofrath. 


10.  Seligenstadt.  Die  Restauration  des  altromanischen  Domes  in  3c- 
ligenstadt  bei  Asohaffenburg  veranlasste,  dass  das  Grabmal  Eginhards  und  Em- 
mas (ein  Marmorsarkophag)  aus  dem  Mittelschiffe  in  eine  Nebenkapelle  ge- 
bracht und  bei  dieser  Gelegenheit  geöffnet  wurde.  Man  war  überrascht,  in  dem- 
selben noch  die  Ueberfeste  einer  dritten  Leiche  zu  finden,  nämlich,  wi3  die  gut 
erhaltene  Pergamentschrift  beurkundete,  die  einer  Tochter  Eginhards.  Sonder- 
bsrer  Weise .  fehlt  dem  Skelet  von  Eginhard  der  Schädel.  Von  alten  Stoffen 
fand  sich  nichts  von  Bedeutung  vor,  denn  die  Knochen  sind  nur  in  einfarbige 
violettsohwarze  und  in  rothe  verschossene  Stoffe,  welche  den  Futterstoffen  der 
Messgewänder  des  Mittelalters  ähnlich  sind,  eingewickelt.  Der  Sarkophag  zeigt 
den  Stil  aus  dem  Ende  des  17.  Jahrhunderts.  Leider  wird  die  genannte  Kirche 
gegenwärtig  von  einem  Landbaumeister  in  Offenbach  so  gründlich  restaurirt, 
dass  sehr  viel  Schönes  und  durchaus  nicht  Baufälliges  aus  der  malerischen  Ba- 
rokzeit,  welches  historische  Bedeutung  hat,  einer  moderneu  nüchternen  romani- 
schen Schablone  Platz  machen  muss.  Es  ist  dies  um  so  mehr  zu  beklagen,  da 
in  der  Nahe  tüchtige  Kräfte,  wie  der  Dombaumeister  Wesiken  in  Mainz  und 
Baurath  Essenwein  in  Nürnberg,   die  Oberleitung    hätten  übernehmen   können. 


Miscellen.  .%B 

Seligenstadt  ist  ein  Landstadtchen  yon  circa  4000  Ein-wohnem,  hat  keine  Fabri- 
kation wie  die  Nachbarstadte,  besitzt  aber  ein  sehr  reiches  uraltes  Stift,  wel- 
ches mehr  *als  honderttausend  Gulden  auf  eine  solche  Restauration  verwenden 
kann.  Ausser  einigen  guten  Goldstickereien  und  Statuen  aus  dem  16.  und  17* 
Jahrhundert  besitzt  die  Kirche  keine  nennenswertheu  Sehenswürdigkeiten^  wohl 
aber  ein  überaus  reichhaltiges,  wenn  auch  abschreckend  zopfiges  Jesuiteninven- 
tar  an  Holzwerk  und  schlechten  fiildern,  Reliquienbehältern  etc.  An  Curiosi- 
täten  ist  die  kleine  Stadt  reicher  als  der  gprosse  Dom.  Denn  der  riesige  Löffel, 
mit  welchem  Karl  der  Grosse  bei  seiner  verstossenen  Tochter  Emma  jenes  Ge- 
richt gegessen  haben  soll,  an  dessen  Zubereitung  er  sie  wiedererkannte,  wird 
sogar  in  zwei  Exemplaren  gezeigt  und  diese  spielen  in  der  That  eine  fast  wun- 
derthätigere  Rolle,  wie  manche  ächte  Reliquie.  Nur  müssen  wir  leider  gestehen, 
dass  diese  Löffel  den  Mund  des  grossen  Kaisers  nicht  berührt  haben,  sondern 
spiessbürgerlich  aus  den  ehrsamen  Städten  Nürnberg  und  Augsburg  stammen, 
allwo  sie  bei  Messgelegenheiten  auf  Kosten  der  zugereisten  Neulinge  in  der 
Zanft  gefüllt  und  in  einem  Zug  geleert  werden  mussten.  Diese  Löffel,  an 
welche  sich  ein  Stück  mittelalterlichen  Humors  knüpfl,  gleichen  an  Grösse  und 
Form  der  Kehrseite  der  alten  runden  Citheru,  sind  an  dem  yiolinartig  geboge- 
nen Stiele  reich  geschnitzt  und  fassen  etwas  mehr  als  eine  Flasche  Wein.  Am 
Ende  des  Stieles  ist  eine  massive  Holzkettc  befestigt,  welche  dem  Trinker  um 
den  Hals  gehegt  und  an  dem  andern  Löffelende  eingehakt  wird.  Solche  Löffel 
sind  einestheils  für  den  Wirth  ein  probates  Mittel,  um  seinem  Weinkeller  Zu- 
spruch zu  verschaffen,  und  andemtheils,  um  das  Kapitel  »Wein,  Weib  und  Ge- 
sang« durch  eine  Unzahl  von  Knittelversen  in  gehobener  Stimmung  zu  verherr- 
lichen. Wer  nämlich  aus  dem  Löffel  t Karls  des  Grossen  c  trinkt,  muss  sich  in 
ein  grosses  Buch  einschreiben  und  es  wirkt  dabei  der  kleine  Affe,  welcher  dem 
wackeren  Zecher  im  Nacken  sitzt^  so  sehr  auf  den  Nachahmungs-  und  Produc- 
tions-Trieb;  dass  selbst  auch  poesielose  Naturen  das  »Reim  Dich  oder  ich  fress 
Dich«  probiren.  Der  Wirth  >im  Riesen«  kam  zu  einer  solchen  alten  ererbten 
Chronik,  die  er  durch  fleissiges  Vorlegen  Jahr  für  Jahr  bis  zur  Gegenwart  be- 
reicherte und  auf  die  wir  unsere  Culturhistoriker  hiermit  aufmerksam  machen. 
Dass  unsere  Bildung  in  den  letzten  80  Jahren  fortgeschritten,  konnten  wir  aus  den 
Proben  der  in  Reime  gebrachten  Weinseligkeit  nicht  erkennen,  höchstens  mögen 
einige  gute  Weinjahre  den  höheren  Ausdruck  dieser  »angeheiterten«  Volkspoesie 
vennlasst  haben.  —  Den  älteren  Löffel  besitzt  die  aus  der  ehemaligen  »Krone« 
stammende  Malerfamilie  Kettinger  nebst  einer  Chronik,  in  der  selbst  Peter  der 
Grosse  constatirt,  dass  ihm  der  Trunk  aus  diesem  Löffel  behagt  habe.  Seligen- 
stadt  hat  am  Main  noch  Ueberreste  einer  im  besten  romanischen  Stil  gebauten 
Burg  aufzuweisen,  welche  der  des  Barbarossa  in  Gelnhausen  sehr  ähnlich  ist. 

Fr.  J. 

11.  Frankfurt.  In  der  am  19.  Juni  abgehaltenen  Sitzung  des  Vereins 
für  Geschichte  und  Alterthumskunde  hielt  Hr.  Inspector  Prof.  Dr. 
Becker   einen   ersten  Vortrag    über    die  Ausgrabungen  auf  der  Saalbarg  bei 


304 


Miiceilen. 


Homburgi  indem  er  zuvörderst  über  Namen  und  Deutung^  von  »Taunus«  rieh 
verbreitete.  Nach  einer  kurzen  Betrachtung  der  Gebirge  des  alten  Germaniens 
im  Ganzen  und  Einzelnen,  insbesondere  aber  von  den  den  Römern  sich  zunächst 
am  rechten  Rheinnfer  darbietenden  Höhenzügen,  wurden  eingehend  die  Quell- 
stellen erörtert,  in  welchen  sich  »der  mons  Taunus c  bei  den  alten  Geographen 
und  Gesohichtschreibem  erwähnt  findet,  die  verschiedenen  Ansichten  der  Inter- 
preten  bezüglich  der  Bedeutung  und  Verlegung  desselben  näher  dargelegt,  die 
endliche  Beziehung  auf  unsere  »Höhe«  (Heyrich,  Einrieb)  hervorgehoben  und 
die  Richtigkeit  dieser  Beziehung  durch  den  Fund  von  6—7  römischen  Inschrif- 
ten am  Fusse  des  Gebirges  weiter  oonstatirt,  von  welchen  Steinschriften  drei 
ausdrücklich  das  Wort  »Taunensis«  in  voller  Form  beurkunden.  Es  wurden  so- 
dann die  von  Tacitns  und  Gassius  Dio  erwähnten,  im  Lande  der  Sigambrer 
und  Chatten  von  dem  älteren  Drasus  angelegten  Castelle  an  der  Lippe  und  auf 
dem  mons  Taunus  nnd  das  nach  dem  frühzeitigen  Untergange  des  ersteren  ohne 
Zweifel  bei  Niederbiber  unweit  Neuwied  errichtete  in  ihrer  gesammtstrategischen 
Bedeutung,  zumal  als  die  beiden  grössten  auf  dem  rechten  Rheinufer  cha- 
rakteririrt  nnd  aus  den  mit  dem  Jahre  1723  beginnenden  Funden  auf  der  Saal- 
burg und  aus  der  allmäligen  Aufdeckung  eines  grossen  Gas  teils  dortselbst  neue 
Beweise  fur^  die  Identificirung  unserer  »Höhe«  mit  dem  mons  Taunus  der 
Alten  «entnommen.  —  In  der  am  3.  Juli  abgehaltenen  Sitzung  des  Vereins 
für  Geschichte  und  Alterthumskunde  hielt  Herr  Inspector  Prot  Dr. 
Becker  einen  zweiten  Vortrag  über  die  Ausg^bungen  auf  der  Saalburg  bei 
Homburg,  in  welchem  er  zugleich  einige  ergänzende  Bemerkung^en  zu  dem 
ersten  nachtrug.  Im  Anschlüsse  an  die  im  ersten  Vortrage  gegebene  Geschichte 
des  »mons  Taunus«  der  Römer  und  seiner  Beziehung  auf  heutige  Deutsche 
Berge  und  Gebirgszüg^e  wurde  zuvörderst  unser  Taunus  als  das  einzige  deutsche 
Gebirge  bezeichnet,  welches  nach  den  Aeusserungen  der  Alterthumsforscher  und 
Touristen,  einerseits  durch  den  feinen  Schwung  seiner  Linien,  durch  die  Art 
seiner  Erhebung  aus  einer  grossartigen  Ebene  und  durch  die  eigene  südliche 
Vegetation  an  die  €tobirge  Mittelitaliens,  vor  allen  an  das  Albanergebirge  er- 
innere, andererseits  ebenso  durch  die  Zahl  der  Fundstücke  römischer  Denk- 
mäler allen  übrigen  deutschen  Gebirgen  voranstehe,  und  zwar  nicht  blos  an 
seiner  Südseite,  sondern  auch  auf  dem  Kamme  des  Gebirges  selbst  Hier  sei  es 
vor  allem  die  Stelle,  welche  unter  dem  Namen  der  Saalburg  durch  die  trotz 
unbezweifelbar  vielfacher  Zerstörung  durch  die  Germanen,  .noch  vorhandenen 
Mauerreste,  Substructionen  von  Gebäulichkeiten  und  zahlreiche  Funde  das  Bild 
einstigen  römischen  Militär-  und  Verkehrslebens  an  der  Nordgrenze  des  Reiches, 
eines  gewaltigen  Gasteils  an  dem  Pfahlgraben  und  einer  bei  demselben  erwach- 
senen Lagerstadt  erkennen  lasse.  Hiemächst  wurde  eine  Geschichte  der  Aus- 
grabungen und  Funde  daselbst  von  1770—1872  gegeben,  wobei  zuvörderst  die 
Aufdeckung  eines  wohl  der  altchristlichen  Periode  angehörigen  Steinsarges  mit 
Deckel,  Symbolen  und  Aufschriften  an  dem  sog.  Emesberge,  sodann  der  1723 
den  Substructionen  der  Saalburg  selbst  entnommene  Votivaltar  einer  Soldaten- 
abtheilung  far  Kaiser  Caracalla  (212  n.  Chr.),  jetzt   an  dem  »weissen  Thurm« 


T»* 


Miseelleti.  806 

des  Homburger  Schlosses  eingemaaert,  erwähnt  nnd  der  bezüglichen  antiquari- 
schen Bestrebungen  des  damaligen  Landgrafen  Friedrich  Jacob  gedacht  wurde. 
Diese  Bestrebungen,  in  besonderen  Fundprotocollen  im  ehemaligen  Homburger 
Archive  beurkundet,  scheinen  in  den  vierziger  und  noch  mehr  beim  Ausgange 
der  siebenziger  Jahre  des  vorigen  Jahrhunderts  den  Hessen-Homburgischen  Re- 
gierungsrath  Elias  Neuhof  zu  Ausgrabungen  auf  dem  Taunus,  insbesondere  auf 
der  Saalburg,  zumeist  veranlasst  zu  haben.  Die  ersten  Resultate  derselben  legte 
er  in  einer  im  J.  1747  erschienenen  jetzt  sehr  seltenen  Schrift,  deren  Kenntniss 
der  Mittheilung  des  Herrn  Baumeisters  Jacobi  in  Homburg  verdankt  wird,  so- 
dann  in  seiner  1777  und  1780  herausgegebenen  »Nachricht  von  den  Alterthü- 
mem  bei  Homburg«  nieder  und  verwerthete  sie  mit  unbestreitbarem  Verdienste 
zu  der  Auffassung  und  Deutung  der  Fundstücke,  welche  sich  im  wesentlichen 
bis  jetzt  als  die  richtige  bewährt  hat.  Diese  Resultate  fanden  theils  Zustimmung, 
wie  unter  anderem  aus  des  Frankfurter  Kunstforschers  H„  Hasgen  »Yerräthe- 
rischen  ßriefenc  (1776)  ersehen  werden  kann,  theils  riefen  sie  die  Aeusserung 
abweichender  Ansichten  hervor,  wie  die  1778  in  einer  kleinen  Schrift  bekun- 
dete eines  nicht  genannten  Freundes,  welcher  die  Trümmer  auf  der  Saalburg 
der  fränkischen  Zeit  zuweisen  wollte  und  nähere  (neu  erbrachte)  Beweise  sich 
vorbehielt.  Nach  eingehender  Darlegung  der  Resultate  der  Neuhofschen  Aus- 
grabungen und  Aufstellungen  wie  auch  nach  einer  Digression  über  die  im  An- 
fange der  neunziger  Jahre  im  Castell  zu  Niederbiber  bei  Neuwied  auf  Anregung 
der  damaligen  Fürstin  von  Wied  gemachten  Ausgrabungen,  erwähnte  der  Vor- 
tragende die  1816 — 17  beim  Baue  der  Homburg-Üsinger  Landstrasse  gemachten 
wichtigen  Münz-  und  inschriftlichen  Funde  und  wandte  sich  sodann  den  1853 
bis  1867  von  dem  bekannten  Archivar  Habel  mit  Unterstützung  des  Landgrafen 
Ferdinand  und  der  Homburger  Kurhausadministration  unternommenen  Ausgra- 
bungen zu,  charakterisirte  deren  Resultate  allseitig  und  vorbreitete  sich  schliess- 
lich über  die  letzte  Periode  von  Aufdeckungen  daselbst,  welche  1870—72  unter 
der  Leitimg  des  Conservators  des  Wiesbadener  Museums«  Hrn.  Oberst  A.  von 
Cohausen,  sowie  des  Baumeisters  Hm.  L.  Jacobi  von  Homburg  mit  Unterstützung 
der  k.  Staatsregierung  und  des  zu  Homburg  jüngst  gegründeten  »Vereins  zur 
Förderung  der  Saalburgbauten«  bewerkstelligt,  eine  nach  jeder  Seite  hin  reiche 
Fundausbeute  erzielten,  deren  Einsichtsnahme  für  den  beabsichtigten  gemein- 
samen Ausflug  nach  der  Saalburg  vorbehalten  und  die  dabei  zumeist  nur  über- 
sichtlich gegeben  wurde.  Hierbei  wurde  auch  der  zu  Zwecken  anschaulicher 
Belehrung  für  die  Saalburgbesucher  theils  bereits  ausgeführten,  theils  beabsich- 
sichtigten  Wiederherstellungen  der  Thorthürme,  des  Wallweges  und  der  Zinnen- 
bekrönung  gedacht,  sowie  die  bereits  vollendete  Erbauung  eines  Gräberhauses 
zur  Aufnahme  von  Gräberfunden  und  die  projectirte  Gründung  eines  kleinen 
Museums  für  Originalstücke  und  Gypsabgüsse  bei  der  porta  decumana  hervor- 
gehoben. 

Aus  der  neuesten  Fnndausbeute  wurde  sodann  das  Randstück  eines  Ge- 
fasses  von  sahönem  weissem  Glase  mit  eingeritzter  Fischgestalt  und  dem  Reste 
des  Buchstabens  E   oder  F  vorgezeigt   und   in   dem   bedeutsamen  Fischsymbol 

20 


L 


806  Miflcellen. 

eine  erste  Spur  christliehen  Glaubens  in  der  einstigen  Lagerstadt  bei  dem  Castell 
auf  der  Saalbarg  erkannt. 

Schliesslich  wurde  noch  die  wohlbegvündete  Aufstellung  des  Hrn.  Bau- 
meister Jacobi  mitgetheilt,  wonach  die  einstige  römische  Ansiedelung  NOYYS 
VICYS  (Neudorf)  bei  Heddemheim  als  eine  nach  gänzlicher  Aufgabe  der  zer- 
störten Lagerstadt  beim  Castell  weiter  landeinwärts  bewerkstelligte  Neugründung 
anzusehen  sei  und  dabei  auf  das  parallele  Verhältniss  zwischen  den  verrouth- 
lichen  Ansiedlungen  Yictoria  imd  Victoria  nova  (jetzt  Heddesdorf)  bei  dem  Ca- 
stelle  von  Niederbiber  hingewiesen,  wobei  insbesondere  auf  die  in  ihrem  ersten 
Theile  bis  jetzt  noch  unerklärten  modernen  Namen  der  bezüglichen  Ocrter 
Heddemheim  und  Heddesdorf  aufmerksam  gemacht  wurde. 


12.  Bettenhoven.  Briefliche  Mittheilung  des  Hri^.  Pfarrer  Grün  an  Prof. 
Freudenberg  zu  dessen  Art.  Jahrbb.  LH.  S.  117  ff.  »Ein  merkwürdiges  Blei- 
siegel des  Köln.  Erzb.  Piligrimus.t  Es  kann  keinem  Zweifel  unierliegen,  dass 
das  von  Ihnen  publicirte  Bleisiegel  ein  wirkliches  Siegel  und  keine  Denkmünze 
ist.  Denn  1.  hat  dasselbe  das  von  Prof.  Düntzer  als  beweisend  bezeichnete  Merk- 
mal, nämlich  die  durch  das  Innere  desselben  von  Rand  zu  Rand  durchlaufende 
runde  Oeffnung  zur  Durchziehung  einer  Kordel.  Von  letzterer  fand  sich  zwar 
nichts  mehr  vor,  was  aber  dadurch,  dass  sie  während  einer  so  langen  Zeit 
vermodert  ist,  natürlich  zu  erklären  ist.  —  2.  bezeugen  Fundort  und  klar  er- 
kennbarer Zweck  desselben  es  als  wirkliches  Siegel.  In  dem  von  Tuffsteinen 
aufgemauerten  Stocke  eines  Altare  fixum  befand  sich  das  sog.  sepulchrum  und 
in  diesem  das  Siegel  als  Bedeckung  und  Yerschliessung  eines  runden  Glasge- 
fasses.  Dass  dieses  Gefass  ein  Reliquienbehälter  war,,  ist  an  sich,  wie  besonders 
dadurch,  dass  sich  auf  dem  Boden  desselben  noch  klebriger  Staub  befand,  nicht 
zu  bezeifeln,  vielmehr  gewiss,  dass  es  die  Reliquien  enthalten  hat,  welche  da- 
mals, wie  auch  heute,  bei  der  Consecration  eines  Altares  in  das  sepulchrum  de- 
ponirt  wurden  und  werden  raussten.  Dieses  Gefass  war  nun  zweifelsohne  mit 
dem  darauf  liegenden  Siegel  vermittelst  der  durch  die  Oeffnung  desselben  ge- 
zogenen Schnüre  zusammen  gebunden,  damit  das  zum  Verschluss  desselben  die- 
nende Siegel  befestigt  liegen  blieb.  Von  einer  sonstigen  Urkunde  fand  sich  keine 
Spur.  Es  war  aber  auch  eine  solche  unnöthig,  da  das  Siegel  ja  für  sich  sowohl 
die  Aechtheit  der  Reliquien,  als  auch  die  Consecration  des  Altars  vollständig 
documentirte.  —  Leider  ist  das  Glasgefass  abhanden  gekommen  und  nicht  aus- 
findig zu  machen.  Wie  mir  mein  Küster  sagt,  war  dasselbe  rund  von  grünlichem 
Glase  mit  mehreren  reifförmigen  Glaserhöhungen  versehen,  oder  mehrfach  ringsum 
umreift. 

Ueber  die  8  Figuren  und  die  sie  umschUessende  Legende  auf  der  Kehr- 
seite des  Siegels  habe  ich  eine  andere  Ansicht.  Ich  halte  nämlich  diese  8  Fi- 
guren nur  für  symbolische  Darstellungen  der  drei  christl.  Kardinaltugenden 
und  eben  diese  Darstellung,  in  welcher  die  Karitas  die  anderen  weit  überragt, 
und  über  die  Häupter  derselben   die  Hände  segnend  oder  weihend  ausstreckt. 


Mtsoellen.  807 

*  all  besonders  entsprechend  mit  Q$l.  6.  6,  und  1  Gor.  18.  13.    Demzufolge  nahm 
ich  Religio  in  der  Bedeutung    als  Inbegriff  der  ohristl.  Glaubens-    und  Sitten- 
Wahrheiten,  somit  als  Religion  der  kölnischen  Kirche  oder  Religio  christiana.  Die 
Annahme  aber,  dass  die  Darstellung  auf  den  besondem  £ifer  des  Erzb.  Piligri- 
muB,  den  Cult  der  drei  unter  diesem  Namen  verehrten  h.  Jungfrauen  zu 
▼erbreiten   und  zu  fordern  hindeute,  schien  mir  deswegen  weniger  wahrschein- 
lichy    weil,    wie  überhaupt   in    hiesiger  Gegend,   diese  nur  selten  als  Eirchen- 
patroninnen  vorkommen,  er  diese  dann  eben  bei  der  Gonseoration  der  hiesigen 
Kirche,    statt   des   L  Pancratius,    wohl   als  Kirchenpatroninnen  gewählt  haben 
würde.    Dagegen,   da  Religion,   wie  Sie  richtig  bemerkten,  auch  die  Bedeutung 
»Heiligthum«  hat,  erscheint  eben  in  dieser  Bedeutung  das  Siegel  als  ein  Weih'-  oder 
Gonsecrationssiegel  und  man  könnte,  eben  in  der  Legende,  wenn  man  diese  als 
geweihtes  Heiligthum  der  Kölnischen  Kirche  (wozu  ja  die  Kirche  zu  Bettenhoven 
stets  gehörte)  deutet,  einen  Beweis  hiefur  erkennen.   Wir  hätten  also  ein  eige- 
nes Gonsecrations-Siegel  des  Erzb.  Piligrimus,  nur  für  diesen  Zweck  be- 
stimmt und  gebraucht.    Es  wäre  sehr  interessant,    zu  erfahren,    ob    sich   nicht 
auch  ein  gleiches  Siegel  von  der  von  Pilgrimns  1028  vorgenommenen  Gonseora- 
tion der  Kirche  zu  Brauweiler  vorfindet    —    Sie  bemerken,    dass  in  dem  Ge- 
höfte zu  Frauenrath   die  hh.  Schwestern  unter  dem  Namen  Pelmerge  Sohwell- 
merge  und  Krieschmerge  angerufen  wurden.    Wie  ich  hier  höre,  soll  das  auch 
unter   dem   Namen:   Drillbärbel,   Schwellbärbel    und  Krieschbärbel    ge- 
schehen, also  eine  kleine  variatio.  üeberhaupt  aber  sind  dieselben  wenig  bekannt. 
—  Durch'^dai  Siegel  ist  nun  die  2^t  der  Gonseoration   des  Altars    resp.    auch 
der  Kirche   (falls    sie  nicht  schon  früher  consecrirt   war)   sicher  bestimmt,   da 
nach  altkirchlichen   Vorschriften   ein  altare  fixum  in  einer  nicht   consecrirten 
Bördhe    nicht   errichtet   werden  durfte.    Es  wäre  wohl  nicht  unwahrscheinlich, 
dass  Pilgrimus  diese  Gonseoration  vorgenommen  hat  bei  seiner  Hin-  oder  Rück, 
reise  su   resp.  von  der  Krönung    des  Kaisero   Heinrich  lü.,    die  er  urkundlich 
vollzogen  hat,  da  ja  die  Hauptstrasse   von  Göln  nach  Aachen   über  Jülich  nahe 
hier  vorbeiführte,  und  dann  hätte  die  Gonseoration  1028  stattgefunden.  Für  ein 
wenigstens   so  hohes  Alter  zeugt  auch,    wie  Sie  richtig  .  hervorgehoben   haben» 
theils  der  einfach  romanische  Baustyl  theils  das  Mauermaterial,  wie  jetzt  noch 
an  dem  Kiichthum  sichtbar  ist,   und  eben   so  deutlich  hervortrat  an   der  1668 
bei  der  Erweiterung  der  Kirche  abgebrochenen  südlichen  Frontmauer  des  Schiffes, 
welche  noch  die  ursprüngliche  war.    Auch  diese  war  hauptsächlich  mit  Bruch- 
steinen jeder  Art,  dazwischen  mit  grauen  Sandsteinen,  Tuffsteinen   und  Römer- 
ziegeln gemauert.  So  fanden  sich  an  dem  Rundbogen  über  den  drei  Fensteröffnungen 
Ziegelsteme  und '^Tuffsteine  abwechselnd  als  Verzierungen,  die  einzige  Ornamen- 
tik an  dieser  Mauer.    Da  nun  augenscheinlich  dieses  Material  schon  gebraucht 
gewesen,   so   muss  man   annehmen,   dass   bei   der  Erbauung  der  Kirche  noch 
frühere  ältere  verfallene  Gebäude   oder  Manrerreste  vorhanden  gewesen,  deren 
Material  man  für  die  Kirche  benutzt  hat.  Demnach  könnte  die  Kirche  wohl  ein 
noch  höheres  Alter  haben  und  vielleicht  nicht  gar  zu  lange  xuM)h  Abzug  der  Römer 
erbaut  worden  sein.    Möglich  wäre  es,  dass  an  ihrer  Stelle  eine  Kapelle  der  in 


808  IfiBoellen. 

heidiUBoher  Zeit  hier  verehrten  Matres  oder  Matronae  war,  möglich  aber  auch, 
das8  sie  von  den  ersten  christlichen  Besitzern  des  hiesigen  uralten  Hofgntes  als 
Oratoriom  erbaut  wurde,   worauf  wenigstens^  der  Umstand,  dass  die  Kirche  mit 
den  Gebäalichkeiten  des  Hofgates  zur  Zeit  in  Verbindung  stand,  hinweist.  Dieses 
Hofgut  gehörte  1272  gemäss  einer   vom  Grafen  Wilhelm  von  Jülich   und  seiner 
Gemahlin  Richardis   in  diesem  Jahre   zu  Heimbach   ausgestellten  Urkunde  dem 
Grafen  zu  Jülich,   der  aber  nicht  das  Patronatsrecht  hatte.    In  dieser  Urkunde 
heisst  es:    ...    Notnm  faciunt  et   recognoscunt  quod   nullum  ius   patronatus 
habeant  vel  habuerii^t  in  Ecclesiam  Bettenhoven,   licet  illa  curiae  nostrae  sit 
contigua.  Das  Patronatsrecht  hatten  bis  zum  Jahre  1216  die  Herren  von  Alfter, 
welche   nach  einer  von  Erzbischof  Engelbert    in  diesem  Jahre   vollzogenen  Ur- 
kunde auf  dasselbe   damals   zu  Gansten  des  Klosters  zu  Füssenich  resignirten. 
(Von  dieser  Urkunde  befindet  sich  ein  Abdruck  im  Urkundenbuch   von  Lacom- 
biet  Bd.  U.  p.  83  und  ebenso  ein  solcher   in  einrm  im  hiesigen  Pfarrarehiv  be- 
findlichen Buche.)    Man  kann   also  mit  Grund  annehmen,   dass  die  Herren  von 
Alfter,  weil  sie  das  Patronatsrecht  hatten,   auch  Erbauer  der  Kirche  resp.  fun- 
datores  der  Kirche  und  Pfarre  gewesen  sind.    Leider  befindet  sich  hierüber  ur- 
kundlich nichts   vor.    Nach  Fahne  gehörten   die  v.  Alfter  zu  den  ältesten  Be- 
sitzern am  Niederrhein.    Fahne  fuhrt  von  diesen  namentlich  an :  Hermann  von 
Alfter  1116—26,  Johann  1126—38,  Goswin    1166—88  und  Goswin  1172—1200, 
sodann  den  Hermann,  Marschall  von  Göln,  welcher  1216  auf  das  Patronatsrecht 
resignirte.  Letzterer  war  1217  bei  dem  Kriegszu^  gegen  die  Saracenen  und  be- 
fehligte unter  dem  Grafen  von  Holland  die  Nachhut.   Es  ist  sehr  denkbar,  dass 
er,  um  sich  die  nöthigen  Goldmittel  zu  verschaffen,   deshalb  sein  Petronatsreoht 
übertrug,   und,  dass   er,   bis  dahin  Eigenthümer  des  hiesigen  Hofgutes,   dieses 
damals  zu  denselben  Zwecken  an  die  Grafen  von  Jülich  verkauft  hat.    Für  den 
Ursprung  der  Kirche  w&re  es  sehr  wichtig  in  Erfahrung   zu  bringen,    ob  sich 
über  diese  v.  Alfter  ältere  Urkunden  oder  Nachrichten  vorfanden,  imd  möchte 
ich  Sie  bitten,  falls  Sie  davon  Kenntniss  erhalten  haben,    mir  darüber  Näheres 
gefälligst  mitzutheilen.  Dass  die  hiesige  Kirche  schon  vor  1216  eine  Pfarrkirche 
war,  beweist  die  Urkunde  von  Erzb.  Engelbert,    und  das  Bleisiegel  fast  un- 
bezweifelbar,    dass  sie  wenigstens   zwischen  1021—86  als  solche  erhoben  wurde. 
Eine  einfache  Kapelle   oder  ein  Oratorium  würde  wohl   nicht  conseorirt  worden 
sein.  —  Den  Ursprung  des  Ortes  Bettenhoven  darf  man  wohl  unbedenk- 
lich von  einer  Römer-Niederlassung   herleiten.    Dass   eine  solche  hier  bestand, 
bezeugen  ja   die  aufgefundenen  Monumente,   das  Material  an  der  Kirche  etc. 
Es  ist  nicht  unwahrscheinlich,    dass    eben   das  alte   Hofgut   ursprünglich   eine 
solche  Niederlassung   gewesen  ist,    und  später    mit   verschiedenen  Besitzungen, 
Renten  etc.  an  die  v.  Alfter  gekommen  ist,  vielleicht  als  Lehngnt.  *-   Den  Na- 
men »Bettenhovenc,  wie  er  gleichlautend  auch  in  alten  Urkunden  steht,  möchte  ich 
nun  wohl  abzuleiten  wagen  vonBeeden,  betten,  bitten  (Petitiones  precariae). 
Pfarre  und  Kirche  hatten  ehemals  zur  Dotation   eine  zahlreiche  Menge  von  Na- 
turalrenten  (mit  Fruchtrenten)  aus  den  meisten  umliegenden  Ortschaften  zu  be- 
ziehen, die  wohl  vor  Errichtung  der  Pfarre  dem  hiesigen  Hofgnte  gehörten  und 


Misoellen.  809 

an  dasselbe  abgeliefert  werden  mnssten.  Der  Hof  war  also  unstreitig  am  Bee- 
denhof,  und  das  um  denselben  sich  bildende  Dorf  konnte  somit  nach  dem  Hofe 
natürlicb  benannt  werden.  Es  ist  gar  keine  Andeutung  vorhanden^  dass  die  hh. 
Jungfrauen  unter  der  Bezeichnung  Einbetta,  Worbetta,  Wilbetta  hier  verehrt 
worden   sind,    sonst   hätte   man   den  Ortsnamen   auch  davon  herleiten  können* 

—  Im  Provinzial' Archiv  zu  Goblenz  befand  sich  zur  Zeit  ein  Mannscript  be- 
titelt: Dednctio  historica  Partheniae  Eoclesiaie  in  f^senich  ex  pergamenis  lit* 
teris  Archivi  per  ordinem  temporum   et  seriem  rerum  gestarum  ab  anno  1147 

—  ad  annnm  1720  ooordinata,  von  welchem  ein  Freund  von  mir  früher  Ein- 
sicht hatte  und  daraus  einzelne  Notizen  über  Bettenhoven  mir  mittheilte.  Höchst 
wahrscheinlich  enthielt  dasselbe  noch  mehr  hierüber.  Dieses  Mscr.  ist  leider 
nicht  mehr  im  Arohiv  verfindlich  nnd  wohl  möglich,  dass  es  sich  anter  den 
Schriften  des  verstorbenen  Rg-R.  Barsch,  der  es  bei  seiner Efflia  illust.  benutzt 
hat,  befindet.  In  einem  andern  Werke  von  C.  A.  Hugo  Estival  (1726),  welches 
ich  auch  nicht  besitze  noch  näher  kenne,  sind  Notizen  enthalten. 


18.  Münstermaifeld,  den  10.  April  1878.  Briefliche  Mittheilong  des 
Hrn.  Dr.  Schmitt  über  den  Fund  eines  grossen  Erzgef&sses  an  Prof.  Freu- 
denberg., 

Vor  einigen  Tagen  stiess  ein  Landmann  von  hier  beim  Pflügen  auf  ein 
grösseres  Gefass  von  Bronze.  Es  stand  senkrecht  in  der  Erde,  in  demselben 
befand  sich  bloss  Ackergrund.  Es  hat  einen  Durchmesser  von  ca.  16  Zoll  oben, 
hat  oben  an  jeder  Seite  einen  Henkel  und  ruht  auf  einem  massiven  Fusse.  Es 
hat  eine  kesselformige  Gestalt  und  erinnert  an  das  13  Zoll  Durchmesser  habende 
Gefass  aus  dem  Hildesheimer  Fund ;  Fuss  und  Henkel  sind  ähnlich,  doch  ist  es  nicht 
so  hoch  wie  das  Hildesheimer.  Das  Ganze  ist  mit  einer  grünen  ozydirten  Masse 
überzogen  und  noch  mit  Erde  beschmutzt.  Beim  Ausheben  dachte  man  nicht 
daran,  dass  sich  an  dem  Gefässe  ein  Fuss  befände  nnd  wandte  Gewalt  an,  um 
es  aus  der  Erde  zu  bringen;  dadurch  sprang  der  Boden  und  ein  ausgebroche- 
nes Stuck  mit  dem  Fusse  blieb  im  Boden  zurück,  das  man  dann  ausgrub.  Der 
Boden  ist  stark  oxydirt  und  brüchig  geworden,  wodurch  es  möglich  wurde,  dass 
ein  Stück  daraus  ausgebrochen  werden  konnte.  Der  obere  Theil  und  der  Fuss 
sind  gut  erhalten,  überhaupt  das  ganze  Gefass  noch  vorhanden.  Verzierungen 
finden  sich  nicht  an  demselben,  nur  oben  zwei  erhabene  Reifen. 

Der  Fundort  war  ein  Acker  in  der  Nähe  des  Hofes  Ealsch,  wo  man  schon 
früher  römisches  Mauerwerk  und  ein  Gemach  mit  römischem  Estrich  gefunden 
hat.  Es  war  daselbst  sicher  eine  römische  Niederlassung;  auf  einem  frisch 
geackerten  Felde,  das  ich  kürzlich  durchging,  sah  ich  eine  Menge  römischer 
Ziegelreste  zerstreut^). 

>)  Vergl.  die  geogr.-hist.  Untersuchung  v.  Gymn.-0.-L.  Seul  zum  Goblenzer 
Progr.  1840,  wo  Kais ch  als  eine  Zusanmienziehong  des  Namens  Galigola  ge* 
deutet  wird,  welcher  in  dieser  (}egrend,  in  vico  ambitirvio,  geboren  sein  soll. 
Genf.  Sneton.  vita  Galig.  8,  J.  Fr, 


310  Miscellen. 

Es  ist  daher  wohl  kein  Zweifel,  dass  dieses  Gefass  römischen  oder  gallo- 
romanischen  Orsprangs  ist.  —  Dasselbe  ist  für  unsere  Vereinssammlung  yon 
Alterthümern  erworben  worden. 


14.  Von  der  Ahr.  Römische  Alterthümer  wurden  im  Nov.  v.  J.  in  der 
Nähe  des  Appolinarisbronnen  bei  »Ausg^rabuDgen  zu  Neubauten  ca.  14  F.  tief 
unter  der  Oberfläche  gefanden,  worunter  auch  Thon-  und  Glasgeföss  und  gut 
erhaltene  röm.  Münzen  von  E.  Yalerianus  (253^260)  und  Caes.  Saloninus  Yaleria- 
nus.  Dieses  erinnert  an  interessante  Ausgrabungen,  welche  im  J.  1853  bei  An. 
läge  dee  Abflussg^rabens  für  den  Apollinarisbrunnen  gemacht  wurden.  Damals 
machte  man  die  ESntdeckung,  dass  in  einer  Tiefe  von  ebenfalls  14  F.  ganze 
Reihen  regelmässig  gepflanzter  Weinstöcke  in  der  Erde  standen.  Hieraus  lässt 
sich  ein  Schluss  auf  das  Alter  des  Weinbaues  in  unserm  Thale  machen. 

(Köln.  Ztg.) 


16.  Bonn.  Herr  Dr.  Decker,  Gymnasial-Lehrer  in  Neuss  theilte  dem 
Unterzeichneten  bereits  im  vorigen  Jahre  folgende  räthselhafbe  Inschrift  mit, 
welche   sich  um  den  Hals  eines  Saljsfläschchens  aus  weisslichem  Thon  hinzieht: 

OAil  •  SVNXAt^lS     illRIINDAS    IIICIT- 
CLAVDIVS-  VICTORINVS 

Die  Buchstaben  bilden  eine  Art  von  Gurrendschrifb;  dem  A  fehlt  der 
Verbindungsstrich,  £  wird  durch  zwei  Vertikalstriche  bezeichnet,  F  durch  das 
Spiritus  asper  zur  Seite  ober  dem  Vertikalstrich,  das  L  bildet  einen  stumpfen 
Winkel,  endlich  schlängelt  sich  das  S  nach  oben  und  unten  über  die  Linie  hin- 
aus. Damach  wäre  die  Umschrift  zu  lesen: 

DAE  •  S  VNXALIS  •  FERENDAS  FECIT  •  CLAVDIVS  •  VICTORINVS. 

Beim  ersteig  Anblick  der  seltsamen  Aufschrift  denkt  wohl  mancher  un. 
willkürlich  an  die  jüngst  bekannt  gewordene  Göttin  Unuxalla  oder  Sanuxsalis 
auf  2  in  unseren  Jahrb.  publizirten  Weihinschriften  (H.  XII.  S.  45  und  XXV. 
S.  18  ff.)*  ^^^  BO  theilt  mir  denn  auch  mein  geschätzter  Freund  Prof.  Düntzer, 
indem  er  von  der  Voraussetzung  ausging,  das  S  hinter  DAE  diene  bloss  zur 
Interpunction,  die  Vermuthung  mit,  es  sei  zu  lesen:  D(e)ae  Unxali  ferenda  fecit 
Cl.  Vict.  Jedoch  abgesehen  davon,  dass  man  auf  einem  Salbentöpfchen  nicht 
leicht  eine  Widmung  an  eine  Göttin  erwarten  dürfte^  ist  die  Annahme  des  S 
als  eines  Interpunctionszeichens  nur  nach  dem  3.  Buchstaben  zutreffend,  nicht 
aber  für  das  in  den  2  folgenden  Worten  wiederkehrende  S.  Mehr  dürfte  sich 
eine  andere  Vermuthung,  für  welche  sich  auch  mein  geehrter  Freund  Prof. 
Becker  in  Frankfurt  ausgesprochen  hat,  empfehlen,  dass  in  dem  1.  Worte  DA 
die  Sigle  für  ein  Gewicht  stecke  (etwa  drachma?)  und  dass  die  beiden  Striche 
II  nicht  =  E,  sondern  das  Zahlzeichen  für  duo  oder  duas,  endlich  S  =  semis 
sei.    Das  W.  Unxalis  müsste  man  als  Genitiv  eines  freilich  sonst  nicht  vor- 


MisoeUen.  811 

kommenden  Wortes  unzale  nehmen  =s  unguentum.  Ferendas  könnte,  wenn 
man  es  mit  der  Grammatik  nicht  allzu  genau  zu  nehmen  brauchte,  das  Fasseni 
Enthalten  des  Gewichtes  bedeuten.  Der  Sinn  wäre  demnach:  Gl.  Vict.  machte 
(solche  Salbtöpfchen  =  ollulas),  welche  2Vs  (Loth  oder  Quentchen??)  Salbe  fas- 
sen können.  Wir  geben  diesen  Vorschlag,  nicht  als  ob  ^ir  ihn  für  richtig  hiel- 
ten, sondern  um  Kenner  der  Epigraphik  zu  veranlassen,  ihren  Scharfsinn  an 
der  Lösung  der  jedenfalls  interessanten  Umschrift  zu  versuchen  ^). 

2.  Hr.  Decker  hat  mir  ausserdem  eine  Anzahl  von  Namensstempeln  auf 
Terrakotten  mitgetheilt,  die  grosaentheils  in  der  auf  dem  Rathhause  zu  Neuss 
befindlichen  Sammlung  von  Alterthümern  aufbewahrt  werden. 

Mit  Uebergehung  der  bekannten  Stempel  hebe  ich  hervor:  1.  CAGIVS, 
am  untern  Rande  eines  Erügleins,  wohl  =:  CAIVS  (Fröhn.  521  ff.);  2.  MAR- 
NVS,  =^  Marinus  (?).  Fröhn.  1480;  8)  IMANVS,  auf  einer  Schaale  (Fröhn. 
1187  aus  Windisch);  4)  OPISO  FEC.  (Fröhn.  1739  aus  Dormagen);  6) 
AAAA^IS  F  (Fröhn.  78  Amabilis;  79  Amadis);  6)  MOTVCVS  (fehlt  bei 
Fröhn.);  7.  AVCVSTINVS  F  (Fröhn.  235  fg.);  8)  ORIBOS  (vgl.  Kamp, 
die  epigrapb.  Anticaglien  in  Cöln.  Nr.  49  Daibo?  9)  OFISOFFC.  scheint 
nach  Nr.  4  zu  verbessern;  10)  OFMVS,  2  mal,  wohl  =  MVSa,  Fröhn.  1655; 
11)  MONIM,  vgl.  Fröhn.  1616,  Monim;  12)  lASSVS    (Fröhn.  117*  fg.);   13) 

SATVRNVS   (Fröhn.  1885).    -^  Die  weiteren  dankenswerthen  Mittheilungen 

des  Hm.  Dr.  Decker  über  Legionsstempel,  so  wie  die  Aufschriften  vonTrinkg^- 
fassen  von  schwarzem  Thon  finden  sich  schon  bei  Bramb.  G.  I.  Bh.  262  ff. 

J.  Freudenberg. 


16.  Bonn.  In  dem  mir  eben  zugegangenen  »Zwölften  Bericht  des 
antiquar.-hist.  Vereins  für  Nahe  und  Hunsrnoken  zu  Kreuznach« 
im  Sommer  1873,  findet  sich  unter  Nr.  III  ein  beachtenswerther  Vorschlag,  der 
Beschreibung  von  Alterthümern  Abbildungen  beizufügen,  von  dem  um  die  För- 
derung dieses  seit  17  Jahren  erfolgreich  tbätigen  Vereins  sehr  verdienten  Ar- 
chitekten Hrn.  P.Engel  mann.  Er  empfiehlt  nämlich,  ausser  Abbildungen  nach 
der  Natur  oder  nach  vorgenommenen  Messungen,  besonders  den  Abklatsch  der 
mit  autographischer  Tinte  gefertigten  Zeichnungen  auf  Stein  und  den  leicht  zu 
bewerkstelligenden  Ueberdruck  derselben  als  ein  treffliches  Mittel,  um  ein  kla- 
reres Bild  der  beschriebenen  Gegenstände  hervorzubringen  und  das  genauere 
Studium   derselben   zu   ermöglichen.    Als  Beispiel  und  als  Erläuterung  dieses 


')  Das  Salbentöpfchen,  dessen  Zusendung  zum  Behufe  des  Ankaufs  wir 
von  dem  Besitzer  wiederholt  erbeten  hatten,  ist  jetzt,  sicherm  Vernehmen  nach, 
in  das  Museum  der  Alterthümer  in  Berlin  gelaii^. 


812  Misoellen. 

Vorsohlagas  gibt  er  auf  Tafel  I  nach  diesem  Verfahren  Abbildangen  von  Töpfer- 
jiameii  aaf  yersohiedenen  Gefassen,  Grablampen,  Legionsstempeln  auf  Ziogebd 
etc.,  woran  wir  einige  Bemerkungen  knüpfen  wollen.,  Ueber  das  gestrichene  D. 

in  Fig.  6  MED B IC  *  FE  ist  ausser  dem  Ciiat  in  Bonn.  Jahrb.  49  (nicht  59) 
p.  157  wegen  des  N&heren  auf  J.  Becker  die  inschriftlichen  Ueberreste  der 
kalt.  Sprache  S.  207  ff.  (in  den  Beitragen  zur  vergl.  Sprachforschung  auf  d. 
Gebiete  d.  arischen,  kelt.  u.  slav.  Sprachen.  Von  A.  Kuhn  u.  A.  Schleicher.  Bd. 
III,  2  ff.  Berl.  1865)  zu  verweisen.  —  Was  das  doppelte  W  des  Namens  in 
Fig.  28  betrifft,  so  ist  dasselbe  nicht  als  ein  W,  sondern  unzweifelhaft  als  eine 
Ligirung  von  N  und  Y  anzusehen,  womach  sich  mit  Hinzufügung  des  ausge- 
fallenen I  der  bekannte  Töpfemame  lANVARIVS  ergibt.  Wenn  Hr.  Engel- 
mann zu  Fig.  40  OFFVRSI  gegen  die  von  mir  (Bonn.  Jahrb.  41  p.  180)  ge- 
gebene Deutung   des  Stempels  eines   bei  Bonn   gefundenen   L&mpchens   OVR 

als  Ofßcina  URsi   das  Bedenken   geltend  macht,    dass  auf  keiner  der  in  der 

Erenznacher  Sammlung  befindlichen  Grablampen  sich  bei  dem  Töpferstempel 
die  Bezeichnung  Offioina  finde  und  bei  einigen  nur  jF  s=  Fecit  beigefügt  sei ; 
so  mag  zur  Hebung  dieses  Zweifels  die  Verweisung  auf  das  röm.  Antiquarium 
von  PhiL  Houben  in  Xanten,  von  Prof.  Fiedler  S.  53  genügen,  wo  es  ausdrück- 
lich heisst:  »auf  den  bei  Xanten  gefundenen  Lampen  findet  man  häufig  die 
Namen  FORTIS,  GARPI  etc.  OF ;  sUtt  des  gewöhnlichen  OF  steht  auch  F,  das 
entweder  figulus  (Töpfer)  oder  fecit  bedeutet,  wofür  auch  bisweilen  F£G  ge- 
schrieben istc.  Uebrigens  ist  die  sorgfältige  Facsimilirung  dieser  Inschriften,  unter 
denen  mehrere  bisher  nicht  bekannte  sich  finden,  recht  dankenswerth.    Hierher 

gehören  Fig.  5  CORSO  FEC,  Fig.  10  AViZiNI^  Fig.  12  lOLVNTOS- 
SVS,  Fig.  16  IIIPIDVS  (Lepidus),  Fig.  17  OFLVCIEVS  (vgl.  Fröhu^r 
Insor.  terrae  coctae  Vasor.  Götting.  185S)  n.  1365  ff,  Fig.  21  OAIO  (Dato?), 
Fig.  29  CAVNI,  Figur  32  FASTVI  «Fabrica  ASTVI  (vgl.  Frohner  1.  c. 
n.    165),   Fig.  33   oFRilS  (Res.   cf.   Fröhn.  n.  1772),  der  Name  im  Nominativ 

nach  OF  auch  Fröhn.  Nr.  731.  Bemerkensweith  ist  noch  Fig.  18  OFFEICIS 
s  Officina  Felicis,  vergl.  Fröhn.  1081. 

Fig.  30  AT/VSAF  ist  wahrscheinlich  ATTVSA   «u  lesen,  vgl.  Froh- 
ner l.  c.  212.   —   Von  Fig.  37  weiss  ich  die  2  ersten  Buchstaben   P I  nicht  zu 

entr&thseln,  wenn  nicht  der  Vor-  und  Gentilname  darin  steckt,  wie  Fröhn.  196 
C.  ATISIV8  8ABINV8,  ebenda  207  P  •  ATTI,  248  P  •  S  •  AVIT;  der  folgende 
Namen,     dessen   drei   erste   Buchstaben   umgekehrt    stehen,     ist   zweifelsohne 

ATTONIb,  eine  in  Nymwegen,  Bottweil  und  Rheinzabern  vorkommende 
Töpferfirma. 

In  Nr.  y  das  Mithrasdenkmal  bei  Schwarzerden  betreffend 
berichtigt  Hr.  Engelmann  wiederholt   (s.  d.  11  Jahresber.   p.  35  ff.)  die  stets 


Miscellen.  313 

wieder  auftauchende  irrige  Meinung,  indem  das  von  Schöpflin  in  seiner  Alsatia 
illustrata  beschriebene  und  abgebildete  Mithrasdenkmal  nicht  im  Elsass  (in  der 
alten  Grafschaft  Dachsburg),  sondern  beim  Dorfe  Schwarzerden  im  rhein- 
preuss.  Kreise  St.  Wendel  zu  suchen  sei.  Darnach  ist  denn  auch  Bramb.  G.  I. 
Rh.  p.  155^  wo  noch  ein  Dorf  Schwarzerden  im  Kreise  Simmem  mit  dem 
Mithrashild  erwähnt  wird^  zu  berichtigen.  Vgl  auch  dieses  Jahrb.:  »Schaaff- 
hausen,  Ein  römischer  Fund  in  Bandorf. c  p.  131.  —  Kr.  VI  enthält  einige  Berich' 
tigungen  und  Zusätze  zuBrambach  C.  I.  Rh.  p.  152  Kreuznach  und  p.  154  Bin- 
gerbrdck,  woraus  wir  erfahren,  dass  mehrere  Nummern  der  von  Bramb.  be- 
schriebenen Inschriftsteine,  welche  zur  Sammlung  des  Vereins  gehören  und  in 
einem  Raum  des  Stadthauses  aufbewahrt  worden,  nicht  mehr  Torhanden  sind. 
Es  sind  dies  Nr.  722-725.  726.  728.  729.  730  und  732.  —  Nr.  737—744  be- 
finden sich  mit  Ausnahme  von  740  gegenwärtig  in  der  Wohnung  des  Hm.  En- 
gelmann. Die  beiden  Inschrift  steine  Nr.  740  und  745,  die  bei  den  Erdabtragun- 
gen auf  dem  Bahnhof  zu  Bingerbrück  gefunden  und  von  Hm.  Engelmann  ab- 
gezeichnet wurden,  sind  wenige  Tage  darauf  verschwunden  und  später  in  einer 
benachbarten  Alterthumssammlung  wieder  aufgetaucht. 

Schliesslich  wünschen  wir  dem  Verein,  welcher  für  Sammlung  und  Er- 
forschung von  römischen  Alterthümern,  welche  grösstentheils  aus  den  Ruinen 
des  Römercastells  bei  Kreuznach,  der  sog.  Heideumauer  und  von  Bingerbrück 
herrühren,  im  Verhältniss  zu  den  geringen  Mitteln,  die  ihm  zu  Gebote  stehen, 
recht  Anerkennenswerthes  geleistet  hat,  auch  für  die  Zukunft  fröhliches  Ge- 
deihen und  wo  möglich  gesteigerte  Theilnahme. 

J.   Freudenberg. 

17.  Trier,  im  Sept.  Auf  dem  römischen  Begräbnissplatz  vor  dem  Rö- 
merthore,  in  der  Häuserreihe  links  von  der  Landstrasse,  wo  Herr  Eisenwerks- 
besitzer Laeis  eine  Villa  baut,  mit  deren  Fundamentirung  und  Unterkellerung 
man  jetzt  beschäftigt  ist,  wurden  viele  römische  Urnengräber  aufgedeckt. 
Die  Aschenkrüge  und  Urnen  waren  grässtentheils  ohne  besonderen  Schutz  neben- 
einander gestellt,  nur  einige  von  kastenförmig  zusammengestellten  Ziegeln  um- 
geben. Auf  einem  Flächenraume  von  36  Quadratruthen,  der  noch  nicht  ganz 
ausgeschachtet  ist,  wurden  bis  jetzt  über  130  Gegenstände  verschiedener  Art 
aufgedeckt.  Die  Mehrzahl  derselben  besteht  in  grösseren  und  kleineren  Aschen- 
Urnen  und  Krügen  von  fast  allen  üblichen  Formen  und  Bestandtheilen.  Die 
übrigen  Funde  sind:  einige  Schalen  von  terra  sigillata,  elfenbeinerne  Griffel, 
Salbenfläschchen  von  stark  oxidirtem  Glase,  irdene  Lämpchen,  eine  metallene 
Breche,  verschiedenfarbige,  zwei-  und  dreifach  zusammengelegte  Glasscherben, 
einige  Münzen,  darunter  ein  Kleinerz  von  Antoninus  Pius  etc.  Diese  kleineren 
Sachen  befanden  sich  meistens  in  den  grösseren  Urnen  bei  den  Knochenresten. 
Bei  diesen  reichlichen  Funden  ist  dort  bis  jetzt  noch  kein  einziger  Sarg  zu 
Tage  getreten.  Sämmtliche  Gegenstände  standen  in  fast  gleicher  Tiefe,  5  bis  6 
FuBs  unter  der  Oberfläche  auf  gewachsenem  Sandboden,  der  von  schwarzem 
Gartengmnde  bedeckt  ist. 


814  Miscellen. 

18.  Die  alte  Burg  in  Honnef.  In  Bezug  auf  die  bei  Erbauung  der 
Villa  S.  Exe.  dei  Herrn  Generals  von  Seydlitz  in  Honnef  aufgedeckten  und  in 
d.  Jahrb.  L  und  LI  p.  289  erwähnten  Mauerreste  theilt  mir  Herr  Archivrath 
L.  Eistester  in  Coblenz  folgende  Angabe  mit,  die  sich  mit  grösster  Wahrschein- 
lichkeit auf  diesen  Bau  bezieht  »Conrad,  Erzbischof  von  Köln  verglich  sich  am 
22.  Juni  1252  mit  Heinrich,  Herrn  von  Heinsberg,  auch  Herr  zu  Löwenburg, 
wegen  dessen  Einsetzung  in  die  Güter  seines  Mutterbruders  Heinrich,  Grafen 
von  Sayu  (Blankenberg,  Löwenburg  u.  s.  w.)  und  wegen  der  Feste  (munitio), 
welche  des  Erzbischofs  Ministerial  Heinricus  de  Hunefe  wider  den  Willen  des 
Herrn  von  Heinsberg  erbaut  hatte,  über  deren  Schicksal,  ob  sie  niederzulegen 
oder  bestehen  bleiben  soll,  Schiedsrichter  bestellt  wurden.  Die  Urkunde  ist  ge- 
druckt bei  Kremer,  Beiträge  zur  Jülich-Bergischen  Geschichte.  Bd.  1.  Buch  2. 
Die  von  Hunfe  oder  Hunephe  kommen  in  Documenten  des  Coblenzer  Archivs 
oft  vor:  1282  Wilhelmus,  1288  Wilhelmus  minist,  eccl.  Colon.,  1299  Wilhelmus 
minist.«  1299  Lambertus,  1300  Wilhelmus  minist.,  1817  HerLamberz,  1334  Hein- 
rich, Her  Wilhelmus  Marschaller  von  Huncf,  Sohn.  Sie  führen  ein  Wappen  mit 
schrägem  Balken,  auf  dem  3  Muscheln  sich  befinden,  welches  an  das  der  noch 
blühenden  Familie  von  Heddesdorf  erinnert,  welche  Marschälle  der  Grafschaft 
Wied  waren.« 

Schaaffhausen. 


19)  In  Coblenz  wurde  unter  dem  alten  Stadt-Brauhause  beim  Auswerfen 
eines  Kellers  das  Fundament  einer  11  F.  dicken  römischen  Mauer  gefunden, 
welche  Herr  Archivrath  Eltester  für  die  Umfassungsmauer  des  römischen  Ca- 
strums  hält,  das  an  seineu  vier  Ecken  runde  Thürme  hatte,  von  denen  Ueber- 
reste  noch  vorhanden  sind.  Etwa  7  F.  tiefer  als  diese  Mauerreste  und  ausser- 
halb derselben  wurden  menschliche  Gebeine  im  vulkanischen  Sande  unter  einer 
fast  steinharten  sogenannten  Briizschicht  gefunden.  Ueber  diesen  sehr  merkwür- 
digen Fund,  desseu  nähere  Umstände  ich  an  Ort  und  Stelle  auf  die  mir  durch 
Herrn  Geh.  Rath  Wogeier  zugegangene  Nachricht  noch  in  Erfahrung  bringen 
konnte,  habe  ich  in  der  zu  Wiesbaden  im  September  dieses  Jahres  abgj^haltenen 
Anthropologen- Versammlung  Bericht  erstattet. 

Schaaffhausen. 


20.  In  Folge  einer  auf  Antrag  der  deutschen  anthropologischen  Gesell- 
schaft an  die  Ortsbehörden  ergangenen  Weisung,  über  die  Auffindung  alter 
Denkmale  an  die  Mitglieder  der  von  der  genannten  Gesellschaft  gewählten  Com- 
mission  zu  berichten,  sind  mir  folgende  Mittheilungen  zugegangen: 

Aus  Pfalzfeld  schreibt  der  Bürgermeister  Müller,  dass  in  der  Nähe  von 
Lingerhahn  im  Felde  ein  aus  Bruch-  und  Ziegelsteinen  errichtetes  Gemäuer 
aufgedeckt  worden  ist,  welches  bisher  überackert  wurde.  Die  Platten  aus  ge- 
branntem Thou  sowie  Thonröhren  und  Reste  von  Asche  lassen  auf  eine  Heiz- 
vqrrichtung  eiuQs  römischen  Gebäudes  schliossen,  —  tierr  Oberförster  Schmitz  aus 


Miscellen.  815 

Malberg  bei  Kyllborg  macht  die  Anzeige,  dass  im  Districte  188*  des  Forstbe- 
laofed  Prüm,  etwa  '/s  Meter  unter  dem  Waldboden  auf  einem  Fclsenvoraprang 
am  Ufer  des  Prümflnsser  1  M.  dickes  aus  Mauersteinen  erbautes  Fundament 
entdeckt  worden  ist,  von  welchem  eine  Treppe  nach  unten  fuhrt.  Er  hält  es 
for  wünschenswerthy  weitere  Nachgrabungen  vorzunehmen.  —  Unter  dem  9.  März 
1873  zeigt  der  Eönigl.  Oberförster  Herr  Scheurer  aus  Nassau  an  der  Lahn  mir 
an,  dass  in  seinem  Verwaltungsbezirk,  in  den  Gemarktingen  der  Gemeinden 
Hunzel  und  Pohl,  l'/s  Stunde  von  Nassau  entfernt,  deutliche  Züge  von  Pfahl- 
gräben, und  in  der  Gemarkung  Holzhausen,  2V2  Stunde  von  Nassau,  die  Reste 
eines  Römorkastells  sich  vorfinden.  In  der  Entfernung  von  einigen  100  Schritten 
östlich  von  den  Pfahlgräben  zeigen  sich  viele  Grabhügel,  die  theils  in  unregel- 
massigen  Gruppen  theils  einzeln  vorkommen. 

Schaaffhausen. 


äl.  Antiker  Steinblock  in  Coblenz.  Tau  XVII,  Fig.  8.  In  Coblenz 
befindet  sich  an  einem  Pfeiler  des  Gymnasiums  nach  der  Südseite,  da  wo  jetzt 
die  Strasse  hindnrchführt,  ein  grosser  viereckiger  Steinblock  von  unbekannter 
Herkunft,  der  immer  an  dieser  Stelle  lag  und  schon  der  ehemals  auf  dem  Hofe 
spielenden  8chu]|jugend,  die  sich  um  ihn  herumtummelte,  zu  allen  möglichen 
Deutungen  Veranlassung  gab.  Am  häufigsten  ^oirde  er  als  ein  germanischer 
Opierstein  bezeichnet  und  die  gerade  laufende  Rinne  auf  seiner  Oberfläche  als 
Blutrinne  gedeutet.  Der  auf  Taf.XVII  Fig.  8  abgebildete  Steinblock  ist  3' hoch, 
oben  2 '  9 "  breit  und  2 '  6  "  tief,  unten  ist  er  3 '  2"  breit,  die  in  die  obere 
Seite  eingehauene  Rinne  ist  2^2  "  tief  und  5  "  breit.  An  der  hintern  Seite  hat 
derselbe  ein  rundes  8  "  tiefes  Loch,  welches  mit  punktirten  Linien  auf  der  Vor- 
derseite unseres  Bildes  bezeichnet  ist.  Die  Steinart  ist  ein  dunkelgrüner  Diorit, 
der  nach  Nöggerath  in  der  Nähe  des  Ehrenbreitsteiu  am  sogenannten  Nellen- 
köpfchen  gefunden  wird.  Ich  habe  mich  wiederholt  aber  vergeblich  bemüht, 
über  die  Geschichte'  dieses  Steines  etwas  Sicheres  zu  erfahren,  bis  mir  durch 
Herrn  Archivrath  Eltester  die  hier  folgenden  Mittheilungen  gemacht  wurden, 
die,  wie  ich  glaube,  eine  sehr  wahrscheinliche  Deutung  des  räthselhaflen  Stei- 
nes geben. 

Eltester  erinnert  sich,  von  dem  verstorbenen  Gymnasial-Director  Klein 
gehört  zu  haben,  der  Stein  stamme  aus  dem  Rheinbette  bei  Engers  und  habe 
der  dort  gestandenen  Römerbrücko  angehört  und  liege  seit  Erbauung  des  Gym- 
nasiums, gegen  Ende  des  17.  Jahrhunderts  an  der  jetzigen  Stelle.  Eltester 
schreibt:  »Der  Umstand,  dass  bei  der  EntdeckuDg  der  Reste  einer  Pfahlbrücke 
über  die  Mosel  im  Jahre  1864  ganz  ähnliche,  wenn  auch  kleinere,  nur  auf  einer 
oder  zwei  Seiten  behauene  Dioritquadem  zum  ^Vorschein  *  kamen,  bestimmte 
mich  zu  einer  genauen  Untersuchung  des  fraglichen  Blockes  und  bin  ich  nun 
der  Ueberzengung,  dass  er  auch  aus  der  Mosel,  und  zwar  wahrscheinlich  aus 
der  der  Stadt  zugekehrten  Seite  herstammt,  wo  gegen  Ende  des  17.  Jahrhun- 
derte Gorrectionsarbeiten  für  die  Schiffahrt  Statt  fanden   und  Funde  von  gro«- 


316  Miscellen. 

sen  Sieinen  gemacht  wurden.  Der  Siein  isi  offenbar  ein  Arohitekiur-Bruohsiäck, 
wie  anch  die  übrigen  in  der  Mosel  gefundenen.  Da  er  eine  keilförmige  Gestalt 
hat,  so  hielt  ihn  Baron  Loqueissy,  der  im  Auftrage  Napoleon's  III.  hier  die 
Frage  nach  der  Brücke  Cäsars  studirie,  für  den  Schlusssiein  eines  grossen 
Thors  oder  Triumphbogens  und  die  Rinne  in  der  schmalem  Seite  dazu  be- 
stimmt, den  Riegel  beim  Schliessen  des  aus  zwei  Flügeln  bestehenden  Thores 
aufzunehmen.  Indessen  sind  die  platten  und  unebenen  Seiten  des  Blockes  •*- 
man  müsste  denn  seine  Bearbeitung  für  unvollendet  halten  —  zu  einem  solchen 
Schlusssteine  nicht  passend.  Wohl  könnte  er  auch  als  ein  unvollendetes  Stück 
nur  zur  Belastung  der  Moselbrücke,  die  ja  unzweifelhaft  von  Holz  war,  gedient 
haben.  Ich  denke  mir  aber  seine  Benutzung  der  Art,  dass  er  in  derselben  Lage, 
wie  er  jetzt  liegt,  mit  der  breiten  Fläche  nach  unten  auf  der  Bohlenlage  der 
Brücke  so  aufgestellt  war,  dass  er  in  der  obcrn  Rinne  dem  Geländer  zur  Stütze 
diente  und  das  Loch  zur  Aufnahme  eines  Zwischenbalkens  diente.«  Noch  wahr- 
scheinlicher ist,  dass  der  schwere  Steinblock  nicht  auf  der  Brücke  selbst,  son- 
dern an  einem  Ende  derselben  auf  dem  Lande  in  der  bezeichneten  Weise  auf- 
gestellt war  und  dem  Geländer  einen  festen  Stützpunkt  gewährte.  Seine  rauhe 
Seite  war  nach  aussen  gekehrt.  Gegen  diese  Deutung  kann  man  aber  freilich 
einwenden,  dass  in  der  Rinne  jede  Spur  von  einer  Befestigung  des  Balkens 
durch  ein  Eisen  fehlt,  die  doch  nöthig  war,  und  dass  das  Loch  zum  Einlegen 
eines  Balkenkopfes  nach  innen  konisch  sich  verjüngt.  Die  Blöcke  desselben  Ma- 
terials, die  man  bei  der  Pfahlbrüoke  fand,  massen  bis  2 '  im  Quadrat  und  waren 
nur  auf  einer  oder  zwei  Seiten  glatt  behauen,  sie  dienten  unzweifelhaft  zur  Be- 
kleidung von  grossen  Mauerflächen.'  Diese  Steine  wurden  leider  nicht  aufbe- 
wahrt, sondern  versteigert.  Ein  Steinmetz,  der  sie  kaufte,  erzählte  später,  dasa 
der  Stein  so  hart  sei,  dass  er  nichts  mit  ihnen  anzufangen  wisse  und  sie  nur 
zu  Treppenstufen  verwenden  könne. 

Schaaffhausen. 


22.  Germanische  Gräber  im  Elsass.  Die  Zeitungen  berichteten 
gegen  Ende  vorigen  Jahres,  dass  in  dem  eine  Stunde  von  Hagenau  entfernten 
Orte  Hardthansen  alte  Grabstätten  aufgefunden  seien.  Mitten  unter  den  gerin- 
geren Gräbern  fand  man  ein  solches,  das  wahrscheinlich  einem  vornehmen 
Manne  angehörte.  Die  Bestattung  war  eigenthümlich.  Der  Kopf  hatte  eine  Un- 
terlage von  Rinde,  während  unter  der  Schulter  und  über  der  Brust  Bretter  ein- 
gezwängt waren,  zwischen  denen  das  Skelet  mit  Schmuck  aller  Art  überladen 
geschützt  da  lag.  An  dem  Halse,  den  Handgelenken,  den  beiden  Schenkeln  und 
unten  am  Fusse  trug  es  Riuge  und  Spangen.  In  nächster  Nähe  des  Schädels 
lagen  viele  Haften  und  Nadeln,  mit  denen  jedenfalls  das  Haupthaar  verziert  war. 
Auf  der  Brust  lag  eine  verzierte  ovale  Platte  von  Kupfer,  welche  mit  gut  er- 
haltenen Haselnüssen  bedeckt  war.  Zwischen  den  Zähnen  des  Skeletes  waren 
zwei  Haselnüsse  eingepresst. 

Schaaffhausen. 


%r 


Miscellen.  317 

28.  Aus  Dablen  im  Kreise  Gladbach  gelangte  folgende  Zuschrift  des 
Herrn  F.  Schalte  vom  7.  Jan.  1878  an  den  Vorstand  des  Vereins:  »An  der 
Grenae  unserer  Gemeinde,  auf  Hardt  zu,  befindet  sich  eine  Menge  von  Hügeln, 
die  unter  dem  Kamen:  »Hunshügelc  bekannt  sind.  Sie  liegen  meist  links  von 
der  nach  Hardt  führenden  Chaussee  in  Fichtenwäldern  und  sind  in  letzter  Zeit 
häufig  das  Ziel  von  Nachgrabungen  gewesen.  Die  Hügel  bestehen  aus  ange- 
schütteter Erde,  sind  rund  und  von  verschiedener  Höhe  und  Ausdehnung  und 
bergen  im  Mittelpunkte  eine  Urne.  Die  Urnen  aus  gebranntem  Thon  werden 
erst  an  der  Luft  wieder  hart»  sie  sind  hell  oder  dunkelbraun,  über  den  Kno- 
chenresten, die  sie  enthalten,  liegt  Erde  mit  Holzasche  und  Holzkohlen  unter* 
mischt.  Bei  einigen  kommt  eine  Verzierung  von  sich  schräge  kreuzenden  Stri- 
chen vor.  Auch  sind  einige  Becher,  von  der  gewöhnlichen  Form  unserer  Ober- 
tassen mit  Henkel  gefunden.  Nur  bei  einer  Urne  fanden  sich  die  folgenden  Zei- 
chen auf  der  Aussenseite:  IXXXJ.  Andere  Sachen  sind  bisher  nicht  gefun- 
den worden.«  Diese  germanischen  Grabhügel  schliessen  sich  den  zahlreichen 
Todtenfeldem  an,  die  von  Siegbnrg  an  auf  der  rechten  Rbeinseite  stromabwärts 
sich  verbreiten,  und  ist  eine  aufmerksame  Durchsuchung  der  Hügel  selbst  so- 
wie des  Inhalts  der  Urnen  wünschenswerth. 

Schaaffhausen. 


24.  Bonn.  Eine  Abraxas-Plombe.  Taf.  XVII,  Fig.  7.  Ich  bin  im 
Besitze  einer  antiken  Plombe,  welche  obgleich  stark  verwittert  dennoch  deut- 
lich  erkennbar,    auf  der   einen  Seite    das  Abraxas-Bild,    mit   der  Unterschrift 

I  A  (0,  auf  der  andern  die  Inschrift 

ABPA 
CAX 

zeigt 

Ueber  das  bekannte  Abraxas-Bild  und  die  Inschriften  auf  Gemmen  ist 
sehr  viel  geschrieben;  am  übersichtlichsten  findet  man  den  Gegenstand  in:  Joh. 
Joach.  Bellermann's  Festschriften  des  BerL-KöUnischen  Gymn.  1817  und  1818 
behandelt.  Nach  ihm  gehören  die  Abraxas-Gemmen  der  christlich-gnos tischen 
Sede  der  Basilianer  an  und  sollen  eine  bestinmite  Idee,  ^e  Idee  des  Urwesens 
Gottes,  darstellen. 

Zur  Erklärung  des  Abraxas-Bildes  zerlegt  Bellermann  dasselbe  in  seine 
einzelnen  Theile:  den  menschlichen  Rumpf,  den  Hahnenkopf,  die  beiden  Schlan- 
gen, welche  an  die  Stelle  der  Beine  treten,  und  die  Symbole  in  den  Händen: 
die  Peitsche  und  den  Kreis  oder  Kranz  (letzterer  ist  auf  unserer  Plombe  nicht 
zu  erkennen). 

Den  menschlichenRumpf  hat Basilides,  der  Gründer  derSecte  und,  so 
viel  man  weiss,  der  Erfinder  des  Abraxas,  dem  Bilde  seines  Urwesens  gegeben, 
weil  der  menschliche  Körper  der  edelste  und  somit  zum  Bildnisse  des  Gottes 
der  würdigste  ist.  Er  verbindet  damit  die  fünf  zuerst  aus  Gott  hervortretenden 


818  Miscellen. 

Stammkrafte:  den  Hahnenkopf  als  Symbol  der  wachsamen  Vorsicht  oder  Vor- 
sehung («J^^o^ijcrf^),  die  geschwungene  Peitsche  als  Symbol  der  Macht  (^iW/iic)f 
den  Kranz  als  Sinnbild  der  ewigen  Weisheit  {Zoip(a)  und  als  Siegeszeichen^ 
endlich  die  Schlangen  als  Symbole  der  noch  fehlenden  zwei  Eigenschaften,  6e- 
müth,  ganzer  Sinn  (Novg)  und  Vernunft  {Aoyog),  Ia$  oder  lato  bedeutet  nach 
ihm  das  »Wesen  an  sich,  den  Namen  Gottest.  Den  Namen  Abraxas  fuhrt  er 
eines  Theils  auf  die  Zahl  365  zurück:  Ar3l  +  B  =  2  +  P»100  +  A:= 
14-2:  =  200  +  A=1  +  A  =  60,  Summa  365. 

Dann  erklärt  er  ihn  noch  alphabetisch  und  syllabisch-etymologisch,  was 
wir  hier  übergehen  müssen.  Hübsche  Abbildungen  von  Abraxas-Gemmen  findet 
man  auf  dem  Umschlage  von  Bellermann^s  Schrift,  und  in  Beger's  Thes.  Bran- 
denb.  S.  85.  Basilides  lebte  zu  Trajans  und  Hadrians  Zeiten.  Jedoch  hieraus  auf 
das  Alter  unserer  Plombe  schliessen  zu  wollen,  wäre  aber  sehr  kühn,  da  das 
Abraxas- Aild  von  vielen  magischen  und  alchymistischen  Secten  des  Mittelalters 
adoptirt  wurde,  und  man  aus  Gegenständen  mit  diesem  Symbol  in  jener  Zeit 
vielfach  Talismane  verfertigte.  Das  Vorkommen  des  römischen  X  in  der 
sonst  griechischen  Legende  lässt  mich  auf  das  10.  Jahrhundert  schliessen,  da 
auch  die  byzantinischen  Münzen  jener  Zeit  ein  buntes  Gemisch  von  römischen 

und  griechischen  Buchstaben  aufweisen  und  das   GJ,  im    Worte    laat    dieselbe 

Form  zeigt,  wie  das  Sl  auf  der  Münze  von  Romanus  II  959—963).  Doch  zeigt 
diese  Münze  das  lateinische  8,  während  unsere  Plombe  noch  das  griechische 
runde  Sigma  hat,  also  etwas  älter  sein  möchte. 

F.  van  Vleuten. 


25.  Bonn.  Amulet  mit  griech.  Inschrift.  S.  Tafel  XVD;  Fig.  8. 
Unter  anderen  römischen  Münzen  gelangte  vor  kurzem  ein  später  überarbeitetes 
Mittelerz  in  meinem  Besitz,  dessen  Deutung  mir  bis  jetzt  nicht  gelungen.  Es 
möge  hier  eine  kurze  Beschreibung  finden,  um  Fachmänner  zu  veranlassen,  ihre 
Ansicht  über  dasselbe  gütigst  mitzutheilen. 

Auf  der  Münze  zeigen  sich  auf  der  einen  Seite  sehr  schwache  Spuren 
eines  Kopfes,  auf  der  andern  ist  eine  längliche  Erhöhung,  welche  von  einer  der 
gewöhnlichen  Revers-Figuren  (Aequitas,  Virtus  oder  dgl.)  herstammen  könnte. 
Es  scheint  der  Grösse  und  dem  ganzen  Eindrucke  nach  ein  sehr  stark  abge- 
nutztes Mittelerz  von  Vespasian  oder  Domitian  zu  sein.  Von  grosser  Schärfe 
sind  dagegen  die  später,  aber  jedenfalls  noch  im  Alterthum  eingeschnittenen 
Buchstaben  der  einen  und  der  gleichfalls  eingeschnittene  schematisch  behan- 
delte Tannenbaum  oder  Tannenzweig  der  andern  Seite.    Die  Inschrift  laut-et: 

<DYAA 
€3TI 

Es  liegt  die  Vermuthung  nahe,  dass  wir  es  mit  einem  Amulet  oder  der- 
gleichen zu  thun  haben,  welches  aus  einer  durch  den  Verkehr  fast  unkenntlich 
gewordenen  Münze  hergestellt  wurde. 

Ob  das  'PvXa    sich'  auf  4>vXdaauß  erhalten,    beschützen  oder  4nfX^  Zunft 


Miscellen.  819 

Stamm,  oder  auf  ein  anderes  Wort  zurückfuhren  lasse,  mögen. Andere  entschei- 
den, zugleich  aber  bedenken,  dass  das  Amulet  wahrscheinlioh  aus  dem  IV.  Jahrh, 
oder  noch  sp&terer  Zeit  stammt,  einer  Zeit,  wo  das  Griechische,  wie  einge- 
kratzte Inschriften  in  den  Catakomben  daHhun,  oft  recht  sonderbar  verstüm- 
melt wurde. 

F.  van  Vleuten. 


26.  Bonn.  Bö  mische  Grabfunde  in  Bonn.  Im  Februar  d.  J.  wurde 
mir  mitgetheilt,  dass  in  einer  Kiesgrube  vor  dem  Cölnthore  antike  Gegenstände 
aufgefunden  worden ;  sofort  begab  ich  mich  zu  dem  mir  bekannten  Eigenthümer 
des  Grundstückes,  um  dieselben  zu  erwerben,  kam  jedoch  zu  spät,  denn  die 
besseren  Stücke  waren  schon  in  andere  Hände  übergegangen.  Etwa  14  Tage 
später  fanden  sich  an  selber  Stelle  wiederum  einige  Anticaglien,  welche  ich  er- 
warb. Ausser  gewöhnlichen  Töpferwaaren  waren  dort  ein  Gefass  von  blauem 
Glas,  ein  Schloss  mit  Schlüssel  und  ein  Gegenstand  von  Erz,  dessen  Bedeutung 
mir  noch  nicht  ganz  klar  geworden. 

Das  Glas  war  von  tief  dunkelblauer  Farbe,  der  Henkel,  sowie  ein  schma- 

• 

1er  Bing  am  obem  Halsende  und  ein  breiterer  am  Fusse,  sowie  ein  feiner  Glas- 
faden, welcher  als  Verzierung  den  Hals  umschlang,  war  heller  türkisgrün  ge- 
färbt. Die  Höhe  betrug  12  G.  In  der  Gestalt  ähnelt  das  Glas  genau  den  Essig- 
fläschchen,  welche  man  so  häufig  in  hölzernen  Einsätzen  sieht.  Die  ganze  Arbeit 
war  zierlich  und  das  Fläschchen,  mit  Ausnahme  eines  Sprunges  im  Bauchtheile, 
gnt  erhalten. 

Das  Schloss  war  insofern,  interessant,  als  sich  noch  eine  kleine  quadra- 
tische Platte  an  demselben  vorfand,  welche  an  dem  Kistchen,  an  dem  das  Schloss 
angebracht  war,  den  äusseren  verzierenden  Beschlag  bildet.  Die  Platte  war  an 
den  Seiten  durchbrochen  gearbeitet;  man  sah  an  derselben  noch  deutlich  den 
Umkreis,  welchen  der  Bing  des  Schlüssels  durch  den  langen  Gebrauch  einge- 
schliffen  hatte. 

Das  dritte  Stück  bestand  aus  mehreren  Theilen,  nämlich  einem  grossem 
Hauptstück,  und  mehreren  Gliedern  einer  Kette.  Erstercs  gleicht  einer  soge- 
nannten Bulle,  ist  annähernd  herzförmig  gestaltet,  d.  h.  oben  weiter  und  nach 
unten  spitz  zulaufend,  der  Höhendurchmesser  ist  etwa  8  Gm.,  der  Dickendnrch- 
messer  etwa  die  Hälfte.  Die  vordere  Seite  bildet  den  Deckel,  welcher  durch  ein 
Charnier  sich  öffnen  und  schliessen  lässt.  Die  übrigen  Theile  sind  etwa  8  Cm. 
lang  und  durch  ein  einfaches  Charnier  verbunden,  so  dass  sie  eine  Gliederkette 
bilden.  Sofort  kam  mir  der  Gedanken,  es  möchte  vielleicht  ein  Armband  sein, 
allein  es  ergab  sich  bei  einer  provisorischen  Zusammensetzung,  dass  der  Üm- 
Tang  der  Kette  für  ein  Handgelenk  zu  weit  ist,  am  Oberarm  würde  es  vielleicht 
passen.  Dann  sind  aber  auch  die  einzelnen  Glieder  so  gross,  dass  die  Kette  in 
Folge  dessen  sich  nicht  anschmiegen  kann  und  also  dei\  Zweck  als  Armband 
schlecht  vertreten  würde. 

Da  diese  drei  Stücke  dicht  beisammen  lagen,  vormuthe  ich,  dass  das 
Fläsohchen  mit  dem  letztem  in  einer  hölzernen  Cassette  aufbewahrt  wurde,   zu 


820  Miscellen. 

welcher  das  Schloss  sowie  der  Schlassel  gehörten.  Wahrscheinlich  stammen  sie 
sammtlich  aus  dem  Boudoir  einer  Römerin  und  diente  das  Glas  zur  Aufnahme 
wohlriechender  Oele  oder  Essenzen  und  Nr.  !2  zur  Aufbewahrung  von  Salbe 
oder  irgend  eines  wohlriechenden  Gegenstandes.  Ueber  letzteres  wird  jedoch 
später  noch  weiter  abgehandelt  werden. 

Einige  Zeit  später  fanden  sich  an  derselben  Stelle  wiederum  zahli*eiche 
römische  Anticaglien,  meistens  von  gewöhnlichem  Thon  und  werthlos,  Erwäh- 
nung verdient  ein  grosser  zweihenkcliger  Krug  von  rothem  Thon  nebst  dazu 
gehöriger  Unterschale.  Das  Gefass  ist  sehr  dickbauchig  und  verengt  sich  am 
Halse,  so  dass  die  Weite  desselben  kaum  einen  Zoll  beträgt,  während  es  im  . 
grössten  Dickendurchmesser  fast  IV2'  hat,  die  Höhe  ist  etwas  über  2*, 

Das  werthvoUste  Stück  des  ganzen  Fundes  war  ein  schwarzes  Trink- 
gefäss,  mit  weisser  und  gelber  Aufschrift  und  Verzierung.  Sowohl  was  Erhal- 
tung, wie  Schönheit  und  Seltenheit  der  Verzierung  und  Aufschrift  anbelangt, 
ist  dasselbe  bemerkenswerth.  Es  rangirt  in  die  Reihe  derjenigen  Gefasse,  deren 
Herr  Herstatt  in  Cöln  eine  unübertroffene  Sammlung  besitzt,  und  welche  zur 
Zeit  der  Römer  vorzüglich  hier  am  Rheine  verfertigt  wurden.  Da  ich  beab- 
sichtige nächstens   die  in  letzter  Zeit  hier  gefundenen  Inschriftgefasse   näher  zu 

besprechen,   erwähne  ich  nur  noch,   dass  das  Gefäss  die  Aufschrift    AQVAM 

SP  ARGE   hatte  und  dass  es  in  die  Sammlung  des  Herrn  Herstatt  gelangt  ist. 

Femer  fand  sich  noch  ein  schöner  Becher  von  mattem  Glas,  in  welches 
eine  einfache  Strichverzierung  eingekratzt  war.  Leider  war  das  seltene  Gefäss 
beim  Auffinden  an  einer  Seite  durch  einen  ziemlichen  Sprung  beschädigt;  das- 
selbe kam  in  Besitz  unseres  Vereines. 

Fast  zur  selben  Zeit  wurden  im  Rheindorfer  Felde  beim  Lehmstechen 
eine  Anzahl  römischer  Gkfässe,  Ziegeln  etc.  aufgefunden.  Bemerkenswerth  waren 

ein  leider  ganz  zerbrochenes  Gefass  mit  der  Aufschrift    VT|    *   FR  VI     und 

zwei  Tellerohen  von  weissem  Thon,  über  welchen  jedoch  eine  grün  glasirte 
Schicht  aufgetragen  war.  Ich  kam  selbst  hinzu,  wie  die  betreffenden  Stücke 
ausgegraben  wurden  und  habe  sie  eigenhändig  gereinigt,  so  dass  mir  an  der 
Aechtheit  dieser  Tellerchen  nicht  der  mindeste  Zweifel  aufkam.  Eines  derselben 
zeigte  auf  der  obem  Fläche  eine  einfache  Arabeskenverzierung,  auf  dem  andern 
war  die  grüne  Glasur  zum  grössten  Theil  abgesprungen,  so  dass  sich  nicht  mehr 
entscheiden  liess,  ob  es  auch  verziert  gewesen.  Da  die  Aechtheit  dieser  flachen 
Tellerchen  mehrfach  von  Archäologen  angezweifelt  worden  ist,  Hess  ich  eine  ge- 
naue Aquarellskizze  von  denselben  anfertigen  und  schickte  dieselbe  an  den 
Gustos  am  Brittischen  Museum,  Herrn  Franks,  den  man  mir  als  einen  Kenner 
von  dergleichen  Sachen  gerühmt  hatte.  Herr  Franks  war  darauf  so  freundlich 
mir  mittheilen  zu  lassen,  dass  er  die  Tellerchen  ganz  entschieden  für  acht 
halte  und  dass  auch  das  brittische  Museum  eine  Anzahl  bunt  glasirter  Thonge- 
fässe  besitze,   welche  unzweifelhaft  römischen  Ursprungs  seien.    Die  Tellerchen 

wurden  für  das  Vereinsmuseum  erworben. 

Eine  reiche  Fundgrube   römischer  Alterthümer  fand  sich  ebenfalls  in  der 


Miscellen.  821 

N&he  des  Cölnthorea  vor  der  Stadt,  nicht  weit  von  der  Heerstrasse.  Leider 
wurden  bei  weitem  die  meisten  Gegenstande  theils  durch  das  Ungeschick  der 
Arbeiter,  theils  durch  die  Ungunst  der  örtlichen  Verhältnisse  zerbrochen  oder 
sonst  arg  beschädigt.  Von  Gläsern  fand  sich  eine  ziemlich  grosse  Zahl  vor  von 
mannigfachen  und  sogar  seltenen  Formen,  aber  nicht  ein  einsiges  erhielt  ich 
unversehrt,  die   meisten  waren   ganz  zertrümmert.     Auch  mehrere  Inschriflge- 

fasse   fanden  sich  an  dieser  Stelle,  eines  derselben  trug  die  Aufschrift  SITIO, 

das  andere   REPLE  ME.     Beide    waren     stark    beschädigt.     Das    schönste 

Fnndstück,  welches  leider  auch  ganz  zertrümmert  wurde,  war  eine  Arbeit  von 
getriebenem  Erz  und  von  grosser  Schönheit.  Der  Mittelpunkt  des  Erzbildes  — 
so  will  ich  es  vorab  nennen  —  wurde  durch  einen  weiblichen  Idealkopf  ge- 
bildet. Die  Züge  waren  von  jugendlicher  Schönheit,  das  Haar  hoch  frisirt  und 
um  dasselbe  ein  Lorbeerkranz  geschlungen.  Bechts  und  links  von  dem  Kopfe 
stand  je  ein  Genius,  welcher  das  Ende  einer  sich  über  den  Kopf  hinziehenden 
Guirlande  gefasst  hielt.  Der  Zwischenraum  war  mit  verschiedenen  Verzierungen 
ausgefällt.  Das  Ganze  war  auf  der  erhobenen  Seite  stark  versilbert,  so  dass 
jetzt  trotz  des  schöneji  Oxyds,  welcher  das  Bild  überzieht^  noch  reichliche  Spuren 
davon  vorhanden  sind. 

Es  ist  schwer  zu  entscheiden,  welchem  Zwecke  dieser  Gegenstand  gedient 
habe.  Wäre  die  Arbeit  weniger  schön  und  fein  ausgeführt,  so  könnte  man  an 
einen  Schildbeschlag  oder  etwas  ähnliches  denken,  allein  dazu  war  es  nicht 
kräftig  genug,  denn  der  geringste  Schlag  oder  Stoss  würde  es  unstreitig  zer- 
trümmert haben.  Ich  kann  mir  anders  keine  Bestimmung  denken,  als  dass  er 
eben  als  ein  Bildwerk  zum  Schmuck  eines  Zimmers  oder  einer  Halle  aufgestellt 
oder  aufgehängt  wurde.  Die  sämmtlichen  Stücke,  welche  von  unserm  Vereine 
erworben  wurden,  befinden  sich  augenblicklich  in  den  Händen  eines  geschickten 
Juweliers,  dem  es  hoffentlich  gelingen  wird,  dieselben  richtig  zusammenzufügen 
und  das  Fehlende  zu  ergänzen. 

Genau  an  derselben  Stelle  fand  man  mehrere  Bronceverzierungen,  welche 
als  Beschläge  einer  Kiste  gedient  zu  haben  scheinen,  sogar  die  Nägel  fanden 
sich  noch  vor  und  es  ist  deshalb  anzunehmen,  dass  das  broncene  Kunstwerk 
sich  in  einem  Kästchen  befand.  Das  Holz  verwitterte  natürlich  im  Verlauf  der 
Zeit  und  nur  das  dauerhafte  Erz  gelangte  in  unsern  Besitz. 

Ausserdem  wurden  noch  römische  Gräber  an  verschiedenen  Stellen  an 
der  Goblenzerstrasse  aufgedeckt,  auf  der  Sandkaule  und  an  der  Cölner  Chaussee 
weiter  entfernt  von  der  Stadt,  allein  theils  waren  die  Funde  so  unbedeutend,  so 
dass  es  sich  nicht  lohnt,  dieselben  näher  zu  besprechen;  theils  gelang  es  mir 
nicht.  Näheres  darüber  zu  erfahren  resp.  die  betreffenden  Fundstücke  zu  sehen. 

Schliesslich  erwähne  ich  noch,  dass  ein  schön  gearbeitetes  Glasgefass  bei 
einem  Neubau  auf  der  Goblenzerstrasse  aufgefunden  wurde  und  durch  meine 
Vermittlung  in  die  Vereinssammlung  gelangt  ist. 

Ueber  einen  hier  gemachten  Münzfund  habe  ich  an  einer  andern  Stelle 
des  Heftes  ausfuhrlich  abgehandelt.  Dr.  Cuny  Bouvier. 

21 


322  Miscellen. 

27.  Liuz.  Der  römische  Pfahlgraben  östlich  und  südöstlich 
von  Linz.  Als  in  der  Nähe  wohnendes  Mitglied  des  Vereins  von  Alterthams- 
freanden  im  Rheinlande  musste  ich  es  sozusagen  als  Ehrensache  betrachten,  die 
nach  den  Untersachnngen  des  Oberstlieutenants  F.  W.  Schmidt  (Annalen  des 
Vereins  für  Nassauische  Alterthumskunde  und  Geschichte  Band  VI  Heft  1,  1859, 
auch  in  besonderem  Abdruck  erschienen  Kreaznach,  in  Gommission  bei  B. 
Voigtländer,  1869),  des  Freiherrn  von  Hoiningen  gen.  Huene  und  des  Prof. 
Dr.  Schneider  (in  diesen  Jahrbüchern  XXXVDI  S.  171  ff.,  XLIX  S.  177  ff.)  noch 
nicht  näher  untersuchte  Strecke  des  limes  transrhenanus  zwischen  dem  Biegel- 
Steinsgraben  und  dem  Hönningerwalde  wo  möglich  genau  nachzuweisen.  Die 
hierauf  gerichteten  Bemühungen  sind  nicht  ohne  £rfolg  geblieben,  wenn  auch 
noch  nicht  zum  Abschluss  gediehen.  Gleichwohl  dürften  sich  die  von  den  beiden 
zuletzt  Genannten  hinsichtlich  der  Ruine  Renneberg,  beziehungsweise  des  Hom- 
bornerhofes,  als  Anschlusspunkt  für  die  noch  zu  untersuchende  Strecke  ausge- 
sprochenen Vermuthungen  schon  jetzt  als  auf  irrthümlichen  Auffassungen  be- 
ruhend erweisen,  die  gewonnenen  Ergebnisse  überhaupt  aber  so  sicher  sein  ' 
und  die  vorhandenen  Lücke  so  wesentlich  ausfüllen,  dass  eine  Mittheilung  der- 
selben an  dieser  Stelle  gerechtfertigt  erscheinen  möchte.  Das  Verdienst,  das 
Beste  hierbei  gethan  zu  haben,  gebührt  der  freundlichen  Mitwirkung  und  dem 
wissenschaftlichen  Sinne  des  terrainkundigen  Herrn  Oberförsters  Melsheimer 
hierselbst. 

Bei  unserm  ersten  Suchen  nach  dem  Pfahlgraben  im  Anfange  dieses  Som- 
mers (1873)  fiel  uns  eine  Stunde  östlich  von  Linz,  etwa  V4  Stunde  östlich  von 
dem  Linzer  Ronig  (Hof),  auf  dem  in  der  Gemeinde  Dattenberg  >im  Grindel c 
Flur  10  Parzelle  8  nördlich  des  Weges  gelegenen  Acker  des  Herrn  Otto  von 
Mengershausen  eine  lange  und  gerade,  in  der  Richtung  von  Südosten  nach 
Nordwesten  sich  erstreckende  wallartige  Erhöhung  auf,  längs  deren  Ostseite  sich 
eine  grabenartige  Vertiefung  hinzog.  Unsere  Vermuthung,  dass  wir  hier  Reste 
des  gesuchten  limes  vor  uns  hätten,  und  dass,  falls  diese  Vermuthung  richtig 
wäre,  wir  in  dem  nordwestlich  anstossenden  Dattenberger  Gemeindewalde  die 
Fortsetzung  desselben  finden  müssten,  bestätigte  sich  sofort;  nur  waren  in  dem 
Walde  Wall  und  Graben  viel  schöner,  d.  h.  höher  resp.  tiefer  erhalten.  Herr 
von  Mengershausen  hatte  nämlich  im  letzten  Jahre  den  bis  dahin  noch  zum 
Theil  mit  Holz  bewachsenen  Damm  umroden  lassen,  wobei  natürlich  behufs 
bequemeren  Ackerns  sowohl  Wall  als  Graben  bedeutend  waren  eingeebnet  wor- 
gcn.  Die  Fortsetzung  des  Grabens  in  dem  genannten  Gemeindewalde  läuft  in 
gerader  Richtung  in  eine  natürliche  Schlucht  aus,  die  in  das  Thal  des  Heid- 
scheidenbaches  mündet,  welcher  sich  bei  der  Stemerhütte  mit  dem  Rennenber- 
gcrbache  vereinigt  und  bei  Linz  in  den  Rhein  fallt.  Zwischen  beiden  Bächen 
liegt  der  über  1300 '  hohe  Hummelsberg.  Da  es  höchst  unwahrscheinlich  ist, 
dass  die  Römer  den  Pfahlgraben  über  letzteren^  oder  sogar  mit  sehr  bedeu- 
tender Ausbengung  östlich  von  demselben  sollten  gezogen  haben,  so  ist  die 
Vermuthung  des  Herrn  Melsheimer  sehr  wahrscheinlich,  dsss  dieselben  hier,  wie 
auch  sonst,    die  von    der  Natur    gegebenen  Vertiefungen  benutzend,    denselben 


Misoellen.  1323 

von  dem  obengenannten  Biegelsteinsgraben  ans  zuerst  die  Westseite  eines  Ne- 
benbächleins  des  Bennebergerbaches  und  darauf  den  letztern  selbst  entlang  bis 
zur  jetzigen  Stemeihütte,  dann  die  Südseite  des  Heidscheiderbaohes  entlang  bis 
zu  der  eben  erwähnten  Schlucht  und  Parzelle  8  geführt  haben.  Vielleicht  liegt 
in  der  Districtsbenennung  >am  Heidscheid«  (=  Grenze  gegen  die  Heiden  ?)  und 
dem  von  ihr  abgeleiteten  Namen  d§B  Baches  eine  Bestätigung  dieser  Yermu- 
thung,  sowie  auch  vielleicht  in  dem  Namen  der  etwa  20  Minuten  Östlich  von 
Parzelle  8  gelegenen  Basaltkuppe  »Römerickc  (=  Römerberg  oder  Romberg*)?) 
auf  der. Wasserscheide  zwischen  Rhein  und  Windbach  eine  Erinnerung  an  das 
weltbeherrschende  Volk  anklingt. 

Kehren  wir  zu  der  Parzelle  Nr.  8  zurück!  Hart  an  der  Südseite  des  süd- 
lich an  ihr  vorbeiführenden  Weges  war  genau  in  der  Richtung  des  Pfahlgra- 
bens noch  eine  dammartige  Erhöhung  bemerklich,  die  uns,  obschon  in  den 
südlich  vom  Wege  liegenden  Aeckern  und  Wiesen  sonst  jede  Spur  von  Wall 
und  Graben  verschwunden  war,  für  die  Fortsetzung  derselben  in  der  etwa  40 
Schritte  südlich  von  dem  genannten  Wege  entfernt  liegenden  Holzung  das  Beste 
hoffen  Hess.  Und  richtig:  Wir  visirten  die  gerade  Richtung  und  fanden  beide 
trefflich  erhalten  vor.  Sie  verlieren  sich  wieder  in  eine  Schlucht,  die  sich  bald 
zum  »Kimmelsthalec  erweitert,  dessen  Wasser  sich  mit  dem  Döttersbach  ver- 
einigt und  bei  Leubsdorf  den  Rhein  erreicht.  Herr  Melsheimer  ist  der  Ansicht, 
dass  der  Pfahlgrab^i  der  Westseite  desselben  in  südwestlicher  Richtung  bis 
zur  Yereinigung  mit  dem  von  Osten  aus  dem  »grossen  Loche  kommenden  Döt- 
tersbach und  dann  der  Südseite,  des  letzteren  nach  Osten  bis  zu  dem  Punkte ^« 
gefolgt  sei,  von  welchem  südlich  auf  der  Höhe  er  denselben  im  August  d.  J. 
wieder  aufgefunden  hat.  Die  Fundstelle  ist  gelegen  in  dem  Gemeindewalde  von 
Leubsdorf,  eine  Stunde  östlich  von  diesem  Dorfe  entfernt,  in  den  durch  einen 
Weg  getrennten  Districten  >  Wammelster c  Nr.  7  und  >am  neuen  Wege  Nr.  6. 
Der  Pfahlgrraben  wird  hier  sichtbar  an  dem  nördlichen  Abhänge  des  ersteren 
Districts  und  zieht  in  einer  Länge  von  etwa  40  Schritt  und  einnr  Höhe  von 
4  Fnss  bis  zur  Wegeanlage;  dann,  durch  diese  unterbrochen,  weiter  südlich 
bis  an  den  entgegengesetzten  Abhang  in  einer  Länge  von  30  Schritt  und  einer 
Höhe  von  3  Fuss.  Die  südliche  Abdachung  fällt  in  den  »tiefen  Seifen« ,  den  öst- 
lichsten Theil  des  Thaies  des  Ariendorf erbaches,  dessen  Nordseite  der  Pfahl - 
graben  eine  Strerke  weit  nach  Westen  gefolgt  sein  muss,  um  dann  nach  einer 
südöstlichen  Schwenkung  über  den  Gebirgsrücken  das  Thal  des  bei  Hönningen 
in  den  Rhein   mündenden  Moorbachs    zu  gewinnen.    Auf  diesem  Gebirgsrücken 


1)  In  »Romberge  fiel  zuerst  »bc  als  Opfer  der  vorwärts  wirkenden  Assi- 
milation, wie  aus  ursprünglichem  Einher  (Gegensatz  Zeuber,  Stamm  bar,  la- 
teinisch und  griechisch  fer)  zuerst  Eimber,  dann  Eimer  wurde.  Für  den 
üebergang  von  »ergt  in  »erichc  vgl.  Limperich,  entstanden  aus  Lindberg,  wel- 
ches noch  996  linberge,  1383  limperche  hiess,  oder  die  noch  heute  in  officiellen 
Verzeichnissen  für  ein  und  denselben  Ort  vorkommenden  Namensformen:  Hem- 
perich,  Himperich,  Himberich,  Himberg. 


B24  Misoellen. 

■ 

fand  Herr  Melsheimer  ebenfalls  im  August  d.  J.  ein  praohtvoll  erhaltenes  Stück 
des  Pfahlgrabens  in  der  Gemeinde  Hönningen,  >aaf  dem  Peuleiterc  Flur  15,  wo 
der  Kamm  desselben  in  einer  Länge  von  70  Schritt  bei  einer  Höhe  von  6  bis 
7  Fuss  in  der  Richtung  von  Norden  nach  Snden  die  Grense  bildet  swischen 
der  dem  Herrn  Jakob  Schoop  in  Hönningen  gehörigen  Waldparzelle  Nr.  288 
nnd  der  dem  Herrn  Goswin  Müller  in  I^nz  gehörigen  Waldparselle  Nr.  286. 
An  derselben  Nordseite  beider  Parzellen  vorbei  führt  ein  im  Walde  tief  ein- 
geschnittener Weg  westlich  in  25  Minuten  nach  dem  Hombomerhof  (wo  also 
kein  Pfahlgraben  zu  suchen  sein  wird)  und  von  letzterem  in  85  Minuten  nach 
Hönningen.  An  der  Nordseite  des  Hohlweges  ist  der  Pfahlgraben  nur  noch  in 
einer  Länge  von  16  Schritt  erhalten,  obschon  das  Terrain  bis  zur  Thalwand 
des  Ariendorf erbachcs  noch  eine  ziemliche  Strecke  weit  flach  ist.  Wahrschein- 
lich war  der  jetzige  Wsldboden  an  dieser  Stelle  einst  Ackerland,  eine  Yer- 
mnthung,  die  mir  sowohl  Herr  Melsheimer,  als  unabhängig  von  diesem  ein 
Ackersmann  äusserte. 

Auf  diese  drei  Punkte,  die  ich  alle  genau  in  Augenschein  genommen 
habe,  sind  bis  jetzt  unsere  Entdeckungen  beschränkt  geblieben.  Viel  wird  auch 
wol  überhaupt  nicht  mehr  auf  der  fraglichen  Strecke  zu  entdecken  sein,  da  es 
bei  dem  von  zahlreichen  tiefen  Thälern  durchschnittenen  Terrain  nicht  zu  ver- 
wundem ist,  dass  im  Laufe  so  vieler  Jahrhunderte  an  den  steilen  Abhängen 
die  Dammerde  den  Ein^virkungen  des  Wassers  und  dem  Gesetze  der  Schwere 
weichend  spurlos  hinabgerollt  ist.  Bemerkenswerth  ist  bei  der  Anlage  an  allen 
drei  Punkten,  dass  die  schmälsten  Stellen  der  Bergrücken  zu  üebergängen 
von  Thal  zu  Thal  gewählt  worden  sind,  dass  auf  diesen  üebergängen  der  Wall 
dem  Rheine  parallel  von  Südosten  nach  Nordwesten  zieht,  dass  die  Verbin- 
dungen der  Bergrrücken  durch  westwärts,  convexe,  dem  Laufe  von  Bächen 
folgende  Curven  vermittelt  zu  sein  scheinen,  endlich  dass  alle  drei  Punkte  un- 
gefähr in  dem  gleichen  directen  Abstände  einer  Stunde  (der  südlichste  etwas 
weniger)  von  dem  Rheine  entfernt  sind. 

Steinring  bei  Hönningen  a.  Rh.  Im  AnscUuss  an  Vorstehendes  die 
Notiz,  dass  sich  1  Stunde  20  Minuten  östlich  von  Hönningen,  nördlich  an  dem 
Wege  nach  dem  Mahlberge  auf  einem  Bergrücken  am  Anfange  des  Rheinbroh* 
1er  Gemeindewaldes  in  dem  District  »Gepachte  Laach«  ein  runder  Steinhügel 
von  10  m.  Durchmesser,  1,8  m.  Höhe  befindet. 

Linz  a.  Rh.  Joseph  Pohl. 


28.  Linz.  Fundstätten  römischer  Alterthümer  in  der  Um- 
gebung von  Billig  im  Kreise  Euskirchen.  Die  durch  die  öffentlichen 
Blätter  zu  meiner  Kenntniss  gelangte  Absicht  des  Vereins  der  rheinischen  Al- 
terthumsfreunde,  die  alte  Belgica  aufgraben  zu  lassen,  hat  insofern  ein  erhöhtes 
Interesse  für  mich,  als  Billig  mein  Geburtsort  ist,  und  ich  in  Folge  dessen  im 
Stande  zu  sein  glaube,  mehrere  auf  eigener  Anschauung  beruhende  Angaben  sa 
machen,  die  zur  Aufhellung  der  Ausdehnung  der  Station,  ihrer  Umgebung  und 


MisoeUen.  325 

YerfaindiuigBwege  einige  nicht  ganz  onweaentliohe  Anhaltsponkte  geben  dürften. 
Ich  kann  dabei  die  Frage  nicht  uliterdrücken,  ob  es  sich  nicht  überhaupt  em- 
pfehlen würde,  8ur  Ermöglichung  und  Förderung  künftiger  NachforBchungen 
in  diesen  Jahrbüchern  den  j  Fundstätten  von  Alterthümemc  eine  besondere 
Rubrik  zu  eröfinen,  wenn  sich  auch  die  betreffenden  Mittheilungen  auf  eine 
genaue  Angabe  der  Localitaten  beschränken  sollten.  Zur  Anregung  dieser 
Fragebestimmt  mich  das  in  Folge  der  Bodencultur  taglich  mehr  um  sich  grei- 
fende Schwinden  der  Alterthümer,  die  leider  nur  zu  grosse  Theilnahmlosigkeit 
der  Menschen  für  solche  in  der  Regel  keinen  direoten  materiellen  Gewinn  ab- 
werfenden Dinge,  die  Schwäche  des  menschlichen  Gedächtnisses  und  die  daraus 
hervorgehende  Unsicherheit  mündlicher  Ueberlieferung,  endlich  die  Möglichkeit, 
dass  das  von  Einzelnen  Gewusste  durch  Schweigen  für  immer  oder  doch  viel- 
leicht auf  lange  Zeit,  bis  ein  glücklicher  Zufall  es  wieder  ans  Licht  bringt,  der 
Vergessenheit  anheimfallt.  In  diesem  Sinne  bitte  ich  die  nachstehenden  Notizen 
aufzunehmen. 

I.  Bei  meinen  Studien  über  römische  Ortsnamen  in  den  Rheinlandon  war 
mir  der  Flurname  »auf  der  Spichc  aufgefallen.  Die  fragliche  Flur  liegt  in  der 
Gemeinde  Euenheim,  an  der  Grenze  der  Gemeinde  Wisskirchen,  etwa  15  Mi- 
nuten von  letzterem  Orte  in  südöstlicher  und  etwa  40  Minuten  von  Billig  in 
westlicher  Richtung  entfernt.  Da  ich  erfuhr,  dass  daselbst  Ziegelstücke  gefunden 
würden,  so  begab  ich  mich  in  den  diesjährigen  Osterferien  an  Ort  und  Stelle. 
In  der  Richtung  von  Norden  nach  Süden  kommend,  gelangte  ich  vor  eine  etwa 
20  Fuss  hohe,  von  Osten  nach  Westen  sich  in  einer  Länge  von  ungefikbr  50 
Schritt  ausdehnende  Terrasse.  Die  Natur  hat  diese  schwerlich  gebildet,  da  die 
ganze  Abdachung  des  Höhenzuges,  des  nördlichsten  Ausläufers  der  Eifelgebirge, 
von  Süden  nach  Norden  streicht,  also  Regengüsse  beispielsweise  eine  Abspü- 
lung  in  der  angegebenen  Richtung  nicht  fuglich  hätten  bewirken  können.  Zu- 
dem befanden  sich  am  östlichen  und  westlichen  Ende  der  Terrasse  noch  Reste 
von  Qnergräben  in  der  Richtung  von  Norden  nach  Süden.  Die  südlich  an  die 
Terrasse  angrenzenden  Felder  fand  ich  mit  zahlreichen,  zum  Theil  noch  ziem^ 
lieh  grossen  Fragmenten  römischer  Dachziegel  bedeckt.  Erwägt  man  nun,  dass 
der  Punkt  nach  allen  Seiten,  Süden  ausgenommen,  eine  herrliche  Femsicht  ge- 
währt, dass  derselbe  höchstens  5  Minuten  südlich  von  einer  geraden  Verbin- 
dungslinie zwischen  Billig  und  Zülpich  liegt,  so  verfällt  man  leicht  auf  die 
Vermuthang,  dass  wir  hier  die  Stelle  eines  römischen  Wartthurms  vor  uns 
haben,  der  vielleicht  zum  Schutze  der  die  beiden  genannten  Stationsorte  ver- 
bindenden römischen  Militärstrasse  diente,  welche  F.  W.  Schmidt  in  diesen 
Jahrbüchern  XXXI  S.  48  ohne  nähere  Angaben  kürz  erwähnt.  Der  Name  »Spichc 
wäre  also  aus  »speculac  verstümmelt  (vgl.  Spiegel  ss  speculum).  Den  gleichen 
Urspmng  hat  vielleicht  der  Name  des  Dorfes  Spich  im  Siegkreise,  zumal  wenn 
es  wahr  ist,  dass  der  von  Th>isdorf  bis  Opladen  zu  verfolgende  Damm,  wie 
Sohaafihansen  (Jahrbb.  LII  S.  179)  vermuthet,  eine  römische  Heerstrasse  ge- 
wesen ist.  Dass  unmittelbar  östlich  von  Spich  auf  dem  Höhenzuge  ein  geeigneter 
Punkt  zur  Anlage  eines  Wartthurms  vrar,   beweist  der  Umstand,   dass  daselbst 


SZTß  Mücelleo. 

fidi  Dodi  iMote  das  Gebäade  einer  ehemaligen  optischen  TdegTaphenstatk» 
befindet.  Auch  der  Spechelsiein  im  Kreise  Rheinbsch,  eine  etwa  1000  ¥um  ab- 
soluter Höhe  messende  Bergkuppe,    ','t  Stande  südöstlich  von  Schweinbeim,   ist 

^wol  TOD  speeala  benannt,  eine  Vermutbiing,  die  sich  bereit«  in  dem  Ajnfinitie: 
»Belgioa,  eine  feste  römische  Niederlassang  an  der  Erfl«  (abgedruckt  is  der 
Erfsy  Unterhaltungsblait  und  Anzeiger,  Euskirchen  1636  Xr.  102  bis  105  und 
1837  Kr.  1,  anch  besonders  erschienen  Köln  1836  bei  Bachem)  mit  Andentang' 
näherer  Begründung  ausgesprochen  findet;  vgl.  auch  Barsch,  Eiflia  illostrala 
8.  Bd.  1  Abth.  1.  Abschn.  pag.  252,  Eick,  Römische  Wasserleitung  p.  122  and 
Beimer  Jahrbb.  XIY  p.  170.  (Auf  letztere  3  Stellen  hat  mich  Herr  Pfiurer 
Deeker  in  Kirehheim  aufinerksam  gemacht.)  —  Um  von  den  Spicherer  Höhen  za 
schweigen,  will  ich  bloss  noch  erwähnen,  dass  nach  einer  Urkunde  im  hiesigen 
•tidtischen  Archir  Tom  25.  April  1325  Erzbischof  Heinrich  den  Fischfang  im 
Rhein  an  der  Stelle  genannt  »Spichc  zn  Walen  [oberhalb  linz]  .  .  .   dem  Orte 

*  Breitbach  [hente  yerschwunden]  gegenüber,  neben  dem  Molenwege  .  .  .  und 
den  Fang  am  »Spyehc  oberhalb  Lupesdorp  [Leubsdorf]  verpachtet.  Unter  der 
Spich  ist  hier  wol  unzweifelhaft  die  unmittelbar  östlich  von  Walen  aof  der  Höhe 
bei  dem  Dorfe  Dattenberg  liegende  »alte  Bürge  zu  versteh«),  ein  Name,  mit 
welchem  das  südlich  von  dem  nach  Dattenberg  führenden  Qucrthale  gelegene 
mitteUüterliohe  Höhenterrain  bezeichnet  wird,  welches  der  noch  erhaltenen 
Borgmino  gegenüber  liegt.  Herr  Eduard  von  Mengershansen  in  Leubsdorf, 
der  18  Jahre  lang  zu  Dattenberg  gewohnt  hat,  theilte  mir  mit,  er  habe 
von  alten  Lenten  vielfach  gehört,  auf  der  »alten  Bürge  habe  ein  Römer« 
castell  gestanden,  mit  dessen  abgebrochenen  Maaerrosten  man  eine  zur  Seite 
der  Burg  gelegene  Schlucht  ausgefüllt  habe;  er  selbst  habe  dort  noch  einiges 
wenige  Blaaerwerk  mit  weissem  Kalkanstrich  gesehen.  —  Bei  dem  Namen  »Wa- 

'.len€,  zwei  ehemaligen  Gehöften  in  der  Rheinebene  vor. dem  Eingange  des  nach 
Dattenberg  hinauf  führenden  Thaies,  heute  allgemein  »Wallen«  gesprochen  und 
geschrieben,  liegt  der  Gedanke  an  das  lateinische  vallum  in  verführerischer 
oder  vielleicht  auch  nicht  verführerischer  Nähe. 

Name,  Lage,  Oertlichkeit,  Umgebung,  kurz  alles  vereinigt  sich,  um  »auf 
der  Spiohc  planm&ssige  Nachgrabungen  wünschenswerth  erscheinen  zu  lassen. 
Als  Cicerone  würde  mein  Verwandter,  der  Beigeordnete  Wilhelm  Rech  in  Wiss- 
kirchen,  auf  meine  Empfehlung  hin  gewiss  bereitwillige  Dienste  leisten. 

II.  Eine  zweite  Stelle  eines  römischen  Wartthurms  oder  jedenfalls  eines 
römischen  Gebäudes  constatirte  ich  als  solche  am  4.  Juni  d.  J.  Dieselbe  liegt 
zwischen  der  eben  besprochenen  Spich  und  dem  Dorfe  Billig  ziemlich  genau  in 
der  Mitte,  also  von  beiden  etwa  20  Minuten  entfernt,  in  dem  Euskirchener 
Gemeindewalde,  District  »Ober  dem  Dach^bücheU,  etwa  60  Schritte  östlich  von 
dem  Münstereifolerwege,  in  der  von  einem  gewissen  Koch  aus  Euskirchen  in 
diesem  Jahre  angekauften  und  abgetriebenen  Lohholzparzelle  Nr;  4.  Auf  die 
Mittheilung  eines  Landmannes,  dass  man  daselbst  altes  Mauerwerk  gefunden 
habe,  begab  ich  mich  an  Ort  und  Stelle.  Eine  etwas  erhabene,  nach  Norden 
grabenartig  unebene  Fläche    von  etwa  26  Schritt   im  Quadrat  ist  im  Vergleich 


Miscellen.  827 

za  der  ümgebong  auffallend  dicht  mit  Epheu  bewachsen.  Auch  zeigte  man  mir 
daselbst  abgehauenes  ülmenholz,  dort  Iftenholz  genannt,  welches  bekanntlich 
Kalk  and  altes  Gemäuer  liebt,  in  der  nächsten  Umgebung  daselbst  sich  aber 
sonst  nicht  findet.  An  mehreren  Stellen  lagen  Fragmente  römischer  Dachziegel  ^ 
zu  Tage;  auch  kommen  solche  nebst  Steinen  und  Mauermörtel  beim  Nachgra- 
ben an  mehreren  Stellen  schon  Va  Fufis  tief  unter  dem  Boden  zum  Vorschein. 
Auch  in  der  Richtung  auf  Billig  in  einer  Entfernung  von  80  resp.  150  Sehritt 
fanden  sich  beim  Spatenstich  an  zwei  Stellen  sofort  solche  Ziegelfragmente. 
Auch  hier  hat  man,  wie  a^f  der  Spich,  am  Abhänge  des  Waldgebirges  eine 
pr&chtige  Femsicht.  Wahrscheinlich  würden  zwei  Quergräben  die  Substructionen 
des  ehemaligen  Gebäudes  bald  zu  Tage  treten  lassen.  Da  die  Fläche  augenblick- 
lich frei  von  Holz  ist,  liesse  sich  die  Arbeit  leichter  bewerkstoUigoni  zu  welcher 
die  Stadtgemeinde  Euskirchen  dio  Erlaubniss  hoffentlich  nicht  yersagen  würde. 
Als  Führer  könnte  mein  Schwager  J.  A.  Gilsdorf  in  Billig  dienen. 

Die  alte  Bei gica,  die  beiden  eben  ausführlicher  besprochenen  Stellen  und 
Tolpiacum  (für  welches  Tulliacum  als  die  richtige  Form  nachzuweisen  mir 
vielleicht  ein  anderes  Mal  vergönnt  sein  wird)  liegen  fast  genau  in  einer  geraden 
Linie,  und  dürfte  deshalb  die  Vermuthung,  dass  sich  in  der  Nähe  derselben 
auch  noch  Spuren  der  römischen  Heerstrasse  finden  werden,  nicht  zu  gewagt 
erscheinen. 

III.  Die  zwischen  den  Dörfern  Billig  und  Rheder  gelegene  Feldflur  »auf 
dem  Kaisersteinc,  wo  wenigstens  nach  der  landläufigen  Ansicht  (cfr.  Eick  1.  I. 
p.  78  ff.)  die  alte  Belgica  gestanden  hat,  ist  in  einer  Ausdehnung  von  wenig- 
stens 5  Minuten  Länge  zwischen  dem  Rheder-Billiger  uncT  Weingarten-Billiger 
Wege,  wie  ich  mich  mit  eigenen  Augen  überzeugt  habe,  mit  römischen  Ziegel- 
fragmenten fast  wie  besät.  Zwischen  Billig  und  dem  Kaiserstein  fuhrt  noch  heute 
ein  von  Südwesten  nach  Nordosten  laufender  Weg  den  Namen  »Heerstrasse  c;  es 
ist  die  in  den  Jahrbb.  XXXI  S.  42  und  43  erwähnte,  die  aber  demgemäss  nicht 
direct  auf  den  Kaiserstein  mündet,  sondern  etwa  8  Minuten  westlich  an  diesem 
vorbeizieht.  Letzterer  war  ja  freilich  von  dem  Kreuzungspunkte  aus  auf  der 
Zfilpich-Billigerstrasso  schnell  zu  erreichen.  Die  Flur  an  dem  Verbindungswege  , 
zwischen  jener  »Heerstrasse«  und  dem  »Kaisersteinc  (dem  heutigen  Wege  zwi- 
schen Billig  und  Rheder)  heisst  »am  breiten  Weg«,  im  Volksmunde  »am  brede 
Weg«,  wobei  es  mir  zweifelhaft  bleibt,  ob  in  dem  letztem  Ausdruck  ein  Ana- 
logen von  »SteinstrasBcc,  »grüner  Weg«  u.  s.  w.  zur  Bezeichnung  einer  römi- 
schen Militärstrasse,  oder  bloss  eine  Gorruption  statt  »am  Rheder(er)  Weg« 
steckt,  in  welchem  Falle  das  b  in  »am  brede  Weg«  eingeschoben  wäre  zur 
Erleichterung  der  Aussprache,  ähnlich  wie  in  nombre  von  numerus,  chambre 
von  camera.  Zu  Gunsten  der  ersteren  Erklärung  dürfte  ausser  der  Bedenklich- 
keit der  Annahme  einer  Verschluckung  von  »er«  in  »Rhederer«  vielleicht  be- 
sonders der  Umstand  sprechen,  dass  im  Dorfe  Billig  noch  heute  eine  Strasse, 
die  ebenfalls  von  Osten  nach  Westen  läuft,  also  auch  ein  Stück  der  ehemaligen 
Billig-Zülpiofaer  Strasse  sein  könnte,  dio  »breite  Strasse«  heisst.  Indessen  scheint 
es  mir  überhaupt  willkürlich  und  mit  anderen  Thatsachen  im  Widersprach,  die 


_i_^ri_* 


328  Misoelleu. 

Aasdelmang  der  alten  Belgica  auf  den  Kaiserstein  beaohranken  sa  vollen  So- 
wohl Funde  als  Namen  sprechen  für  eine  grössere  Ausdehnung  der  Station 
oder  doch  wenigstens  einzelner  vorgeschobener  Werke.  So  fand  ich  Broehstuoke 
^  römischer  Ziegelsteine  in  der  Billiger  Feldflur  »auf  der  Heepc,  südlich  des 
Weingartener  Weges,  einen  Steinwurf  östlich  von  der  »Heerstrassec ;  femer  in 
der  Feldflur  »im  Kessel«,  in  welche  die  »Heerstrasse <  direct  hineinmündet,  so- 
gleich nördlich  vom  Stotzheimerwege  auf  den  Feldern  der  Ackerer  Jakob  Bung, 
Heinrich  Kupper  und  Matthias  Dissemond  von  Billig.  Von  Bung  erwarb  ich 
eine  jetzt  der  Sammlung  des  hiesigen  Progymnasinms  einverleibte,  auf  dem  q. 
Acker  beim  Pfldgen  im  October  1869  gefundene  Silbermünze  des  römischen 
Kaisers  Fhilippus  (244—249  n.  Chr.),  die  bei  Cohen,  med.  imp.  tom.  4  p.  184 
Nr.  83  näher  beschrieben  ist.    Die   mit  der  Strahlenkrone    geschmückte,   nach 

rechts  gewendete  Büste  des  Kaisers  trägt  die  Umschrift:  IMP(erator)  PHI- 

LIPPVS  AVC(u8tU8).;  Der  Revers  SAECVLARES  AVCC  (=  Augu- 
storum)  umgibt  einen  nach  rechts  schreitenden  Hirsch,  unter  welchem  eine  U 
steht.  Der  Flurname  »Kessel«  ist  wol  von  castellum  herzuleiten,  wie  nach 
Jahrbb.  XXXI  S.  125  Kessel  auf  der  linken  Seite  der  Maas  =s  castellum  Mena- 
piorum  ist.  Unmittelbar  südsüdöstlich  stösst  an  den  »Kessel«  die  Feldflur  »aufm 
Wihlder«,  die  mit  ihrem  südöstlichsten  Punkte  an  den  »Kaiserstein«  grenzt. 
Der  Name  »Wihlder«  ist  vielleicht  von  villa  (Weiler)  abzuleiten.  Was  den  Ein- 
schub  des  d  betrifft,  so  hört  man  in  Billig  auch  »Dahlder«,  »Tellder«,  »Kell- 
der«  für  Thaler,  Teller,  Keller  u.  s.  w.  (Die  Feldfluren  östlich  vom  »Wihlder« 
und  nördlich  vom  ^Kaiserstein«  heissen  »an  der  Ehlenmahr«  [?]  und  »auf 
der  Kuh«. 

'  Die  der  Gemeinde  gehörige  Anhöhe  hart  südöstlich  am  Dorfe  Billig,  auf 
welcher  jetzt  eine  Kapelle  sieht,  mit  der  herrlichen  Aussicht  nach  Zülpich, 
dessen  Thürme  man  deutlich  erkennt,  und  bis  zur  Roer-Gegend,  nach  der  Vill 
und  dem  blauen  Siebengebirge,  der  »Orenstein«  ')  genannt,  bin  ich  für  den 
Träger  eines  der  westlichsten  Vorwerke  von  Belgica  zu  halten  geneigt.  Die 
Zusammensetzung  mit  »Stein«  deutet,  wie  in  so  manchen  Wörtern,  auf  frühere 
Befestigung  hin;  vgl.  obiges  Specheistein,  ferner  Kaiserstein,  Eigelstein,  die  An- 
höhe »am  Stein«  bei  Freilingen,  im  Kreise  Scbleiden,  über  deren  Alterthümer 
ich  nächstens  berichten  werde,  »Stechgende-  oder  Steggen-Steiu«  bei  Gressenich 
(vgl.  Annal.  des  histor.  Ter.  f.  d.  Niederrhein  21.  22,  163).  vgl.  auch  Mittheil, 
des  Vereins  für  Gesch.  und  Alterth.  iu  Hohenzollern  V  S.  114  (1872).  Reste 
von  Ziegeln  u.  dgl.  sind  jetzt  freilich  auf  dem  Orenstein  nicht  mehr  zu  sehen; 
natürlich,  da  in  meiner  Knabenzeit  (in  den  40er  Jahren)  der  Grund  und  Boden 
desselben  nach  öfifentlicher  Versteigerung  mehrere  Fuss  tief  zur  Verbesserung 
von  Feldern  weggefahren  worden  ist,  nachdem  schon  vorher  die  meisten  der 
mächtigen,    auf  demselben  (wie  auch   im  Dorfe)   gelagerten  Errat-Granitblöcke 


^)  6  wird  in  dem  Worte   wie  ein  halbes  a  ausgesprochen,    fast  wie   im 
englischen  fall,  call,  all  etc. 


Misoellen.  329 

SQ  ChaoBseebaa-Material  waren  zenohlagen  worden.  Dass  man  dabei  Bruch* 
Stücke  von  Ziegeln  u.  s.  w.  bemerkt  h&tte,  habe  ich  allerdings  nicht  gehört; 
doch  hat  man  vielleicht  auch  nicht  darauf  geachtet.  So  würde  denn  unsere  Hy« 
pothöBe,  abgesehen  von  dem  dunkeln  Namen  des  Platzes  und  seiner  zu  einer 
Befestigung  für  militärische  Zwecke  die  Römer  gleichsam  einladenden  natür- 
lichen Beschaffenheit,  schliesslich  doch  gleich  ihm  selbst  ziemlich  luftiger  Art 
sein,  wenn  sich  nicht  in  seiner  unmittelbaren  Nachbarschaft  noch  einige  be- 
aohtenswerthe  Stützen  far  dieselbe  fanden.  Nämlich  westlich  von  dem  Orenstein 
liegt  vdie  alte  Bürge,  ein  weitläufiger  Rasenplatz  mit  noch  gut  erhaltenen  Grä- 
ben (Weihern)  an  der  Südseite  und  dem  ins  Dorf  abschüssigen  Gemeindeplatz 
»Bliessemc  [?]  an  der  Nordseite.  Besonders  bemerkenswerth  ist  an  der  »alten 
Burg«  der  südöstlichste  von  dem  Orenstein  kaum  200  Schritt  entfernte  Theil, 
der  sogenannte  »Knöppc  (mit  geschlossenem  ö  zu  sgrechen),  eine  rings  im 
Kreise  von  einem  sehr  tiefen  und  breiten  Weiher  umgebene  Anhöhe,  an  deren 
Rande  man  jetzt  bloss  noch  einige  Spuren  von  fjut  gänzlich  verschwundenen 
Mauerresten  bemerkt,  von  denen  ältere  Leute  noch  mehr  gesehen  haben  wollen. 
Mag  auch  das  Ganze  in  seiner  jetzigen  Gestalt  mittelalterlichen  Ursprungs  sein, 
der  vielleicht  bis  in  die  fränkische  Zeit  zurückgeht,  so  schliesst  das  doch  kei- 
neswegs die  Annahme  einer  älteren  römischen  Befestigung  an  jener  Stelle  aus, 
es  begünstigt  dieselbe  sogar,  da  bekanntlich  die  germanischen  Eroberer,  ihre 
Könige  nicht  ausgenommen,  sich  vielfach  in  den  verlassenen  Römer  statten  nie- 
dergelassen haben.  Dass  dies  seitens  eines  germanischen  Freien  auch  in  Belgica 
geschehen  sei,  dafar  liegt  vielleicht  ein  Anhaltspunkt  in  der  Thatsache,  dass 
bis  zur  ersten  französischen  Revolution  das  kleine  Dorf  Billig  unter  der  Herr- 
schaft eines  Freiherm  von  der  Yorst  zu  Lombeck  unid  Gudenau  ^)  stand,  dem 
auch  die  grössten  und  besten  der  zu  einem  seitdem  in  Privatbesitz  überge- 
gangenen  Pachthofe  vereinigten  Wiesen  und  Felder  gehörten.  Nach  der  aus  un- 
bekannter Ursache  erfolgten  Zerstörung  der  »alten  Bürge  wurde  dann  wol  der 
im  Dorfe  noch  bestehende  »alte  Hof«  gebaut,  nach  diesem  der  »neue  Hof«,  Ge- 
bäude, die  in  diesem  Jahrhundert  durch  neue  ersetzt  worden  sind,  während  die 
früheren  Benennungen  sich  erhalten  haben. 

Einen  weitem  Stützpunkt  für  die  römische  Nachbarschaft  finde  ich  ^  in 
dem  Namen  der  westlich  an  der  »Hoerstrasse«,  etwa  4  Minuten  südlich  vom 
Orenstein  gelegenen  kleinen  Feldflur  »auf  der  Zillig«.  Der  Name,  vielleicht 
identisch  mit  Zülpich  (platt  »Zöllich«),  scheint  römischen  Ursprungs,  wie  man 
das  von  ungefikhr  99  Prozent  aller  linksrheinischen  Ortsnamen  auf  »ich«  und 
»ig«  behaupten  und  —  beweisen  kann. 

Nebenbei  bemerkt   geben  manche  räthselhafte  Namen  am  und  im  Dorfe 


*)  Auf  einer  in  der  Kirche  zu  Billig  befindlichen,  im  Jahre  1746  gegosse- 
nen Glocke  wird  derselbe  ausserdem  genannt :  HERR  ZV  GYDENAY  KONIGS- 
WINTER  YHiLIP  MELL  NYERENDORFF  ODINGEN  RVTZHEIM  (»  Roitz- 
heim)  BILLIG  AMBTMANN  DERREN  AMBTREN  REINBERCK  GVDESBERC 
VND  MIEHTiEM  (de). 


830 


Miscellen. 


Billig  mancherlei  zu  denken.  So  ausser  den  bereits  genannten  der  »Hostertc. 
Ackerfeld  an  der  »breiten  Strasse«,  der  »Ringele,  allein  liegender  Doriiheil 
südlich,  von  der  »breiten  Strasse«,  die  »Comm«,  grosses  Ackerfeld  westlich  yom 
Dörfe  »der  alte  Weiher«,  sumpfiger  Wiesenglati  und  Holzung,  etwa  8  Min.  süd- 
westlich vom  Dorfe  (so  benannt,  nachdem  bei  der  »alten  Burg«  neue  Weiher 
waren  angelegt  worden?),  der  »Göbbelstall«,  desgl.,  etwa  8  Minuten  südlich,  das 
»Lützenbillig«,  Feldflur,  Vi  Stande  westlich  vom  Dorfe  (=s  Lützelbillig  d.  i. 
Kleinbillig?)  u.  s.  w. 

IV.  Schliesslich  sei  noch  auf  drei  Punkte  aufmerksam  gemacht,  an  denen 
sich  Nachgrabungen  wahrscheinlich  lohnen  würden:  a)  auf  ein  Grundstück  un- 
terhalb Rheder ')  in  der  Flur  »auf  dem  Hondert«,  dem  Wegewftrter  Müller  da- 
selbst gehörend,  welches  höchst  wahrscheinlich  noch  eine  bedeutende  Anzahl 
römischer  Graber  birgt;  b)  auf  einen  den  Geschwistern  Flink  in  Weingarten 
gehörigen  Acker,  auf  dem  rechten  Ufer  der  Erft  daselbst;  c)  auf  die  Flur  »an 
der  breiten  Strasse«  etwa  12  Minuten  südlich  von  Enzen  (Kr.  Euskirchen),  öst- 
lich von  dem  Wege  nach  Commem.  In  diesem  Frühjahr  wurde  der  Sammlung 
des  hiesigen  Progymnasiums  eine  daselbst  in  dem  Acker  des  Herrn  Theodor 
Althausen  gefundene  Kupfermünze   des  Kaisers  Valens    geschenkt    mit   der  ge- 

wöhnUchen  Legende:  DN  VALENS  P  F  AVC  Rev.  SECVRITAS 
REIPVBLICAE  "^ter  einer  Victoria  mit  Kranz  und  Palme:  TR  P.  Meh- 
rere Felder  daselbst,  z.  B.  das  des  Vorstehers  Walpott,  fand  ich  mit  ziemlich 
zahlreichen  Ziegelfragmenten  bedeckt.  Die  Umschau  ist  wieder  eine  sehr  freie. 
Linz  a.  Rh.,  Nov.  1873. 

Joseph  Pohl. 


29.  St.  Vith.  Der  grösste  bis  jetzt  in  hiesiger  Gegend  entdeckte  römische 
Bau  lag  südöstlich  vom  Dorfe  Montenau,  am  Fusse  des  jetzt  noch  sog.  Schoss- 
feldes (Schlossfeld?),  und  mag  wohl  unserer  hiesigen  Römerstrasse,  über  Tom- 
men  und  Müringen  nach  Cöln  gehend,  nicht  fern  gelegen  haben.  Nach  den 
auf  dieser  Stelle  noch  vorhandenen  abgegrenzten  Erhöhungen  zu  schliessen, 
bildete  dieser  Bau  ein  längliches  Viereck,  dessen  Länge  60  bis  70  Schritte  be- 
tragen haben  mag.  Auf  einer  dieser  Erhöhungen  wurden  im  J.  1868  auf  Kosten 
der  k.  Regierung  zu  Aachen  Nachgrabungen  veranstaltet.  Im  tiefen,  mit  Kalk- 
mörtel, Asche  und  Kohlen  vermischten  Schutte  fanden  sich  mitunter  noch  teller- 
grosse  weisse  Wandstücke  mit  gut  erhaltenen  gelben  und  rothen  Farbstreifen 
verziert;  ferner  eine  Menge  7-  bis  8-fach  verschieden  geformte  Ziegel  und  Zie- 


')  Ich  halte  diesen  Ortsnamen  für  keltisch  =  Rigodnrnm  (cfr.  Rigomagus 
=s  Remagen).  Der  Ort  bildet  mit  dem  deutschen  Weingarten  und  den  römi- 
sch en  Billig  und  Calcar  (wol  von  Kalköfen,  die  die  Römer  in  der  Nähe  betrieben, 
benannt,  wie  ich  mich  bereits  irgendwo  gelesen  zu  haben  erinnere)  jetzt  eine 
Pfarrei.  Eine  interessante,  übrigens  nicht  vereinzelt  dastehende  Zusammen* 
Stellung  I 


?r 


Misoelleti.  S31 

gelstaoke,  deren  auffallende  versohiedene  Oeffnungen  nnd  Locher  auf  eine  gleich* 
zeitige  HeizungsanBtalt  schlieesen  lassen;  dann  verschiedene  eiserne  Nägel,  ein 
langes  schweres  Stück  Roheisen,  Dachschiefer  mit  Nagollöchern,  welche  Schiefer 
aber,  wahrscheinlich  durch  Brand,  nicht  mehr  blau,  sondern  röthlichbraun  sind. 
Untcür  diesem  Schutte  kam  man  auf  yerechieden  verlaufende  Ziegelmauern,  wor- 
unter grosse  Basalt-Blöcke  lagen,  welche  jedenfalls  aus  der  hohen  vulkanischen 
Eifel  hierher  transportirt  worden  sind  und  auf  einen  ehemaligen  grossartigen 
römischen  Bau  hindeuten.  Nach  der  Lage  dieses  Baues  an  der  römischen  Heer- 
strasse durch  den  Ardennenwald,  sowie  nach  dem  vorgefundenen  rohen  Eisen- 
stücke, den  Basaltblöoken  und  den  kaminartig  geformten  Ziegeln  lässt  sich  ver- 
mnthen,  dass  hier  gleichzeitig  eine  Eisenschmelz  oder  Werkstatt  zur  Anfertigung 
römischer  Waffen  gewesen  sein  mag.  Grade  von  dieser  Stelle  aus  laufen  auch 
die  bis  jetzt,  hinsichtlich  ihres  Ursprunges  unerklärlichen,  sehr  zahlreichen 
mehr  oder  minder  grossen,  aufgeworfenen  Sand-  nnd  Kieshngel  an  dem  »Rech- 
ter Walde«  vorbei  sogar  bis  nach  St.  Hubert,  welche  mit  diesem  Baue  irgend 
einen  ursächlichen  Zusammenhang  gehabt  haben  mögen. 

Noch  näher  bei  St.  Yith,  zu  Breitfeld,  hat  ein  ähnlicher  römischer  Bau 
gestanden.    Auf  einem  Felde,  dicht  hinter  dem  MargrafTschen  Hause  sind  ähn- 
-licb  geformte  Ziegel  und  Ziegelmauer-Ueberbleibsel  heransgegraben  worden. 

(Kreisblatt  für  den  Kreis  Malmedy.  1868.  Nr.  74.) 


SO.  Bonn.  Mercnrius  und  Rosmerta.  Die  Temps  vom  29.  Mai  1873 
enthalten  folgenden  für  die  röm.  Epigraphie  beachtenswerttien  Bericht:  Auf  16 
epigraphisohen  Denkmälern,  welche  in  den  Rheinlanden,  und  im  östlichen  Gallien 
gekommen  sind,  findet  man  die  Namen  dieser  zwei  Gottheiten  vereinigt.  Seit  dem 
17.  Jahrb.  besitzt  man  ein  bas-relief  von  Längeres,  welches  den  Mercur  und  eine  Göttin 
darstellt,  die  keine  andere  sein  kann  als  Rosmerta  und  in  welcher  man  ent- 
weder die  römische  Postverta  oder  die  Schutzgöttin  des  Ackerbaus  oder  des 
Handels  oder  der  Pferdemärkte  zu  erkennen  glaubte.  Dieses  Bildwerk  ist  nicht 
mehr  vorhanden,  und  ohne  die  Zeichnung  von  Pe  tavius  würde  selbst  die  Erinne- 
rung daran  wahrscheinlich  erloschen  sein.  Jedoch  in  der  letztem  Zeit  ist  die 
Wissenschaft  durch  die  archäologischen  Forschungen  in  den  Besitz  einer  An- 
zahl von  neuem  Denkmälern  gelangt,  auf  welchen  Mercur  und  seine  räthselhafte 
Begleiterin  dargestellt  sind.  Ein  deutscher  Archäolog,  Hr.  Becker  aus  Frankfurt, 
hat  in  einer  Reihe  schätzbarer  Untersuchungen  festzustellen  gesucht,  dass  Ros- 
merta die  Göttin  des  Glückes  sei. 

Hr.  Gh.  Robert  theilt  seinen  Gollegen  eine  Denkschrift  mit,  welche  zum 
Zwecke  hat,  die  Rolle  und  Bedeutung  der  Rosmerta  näher  zu  bestimmen.  Zu- 
nächst ist  ersichtlich,  dass  man  es  mit  einer  römisch-gallischen  Ortsgotthoit  zu 
thun  hat,  d.  h.  mit  einer  Gottheit,  deren  Verehrung  auf  eine  Gruppe  von  be- 
nachbarten Städten,  auf  eine  einzelne  Gegend  beschränkt  gewesen  ^ein  muss. 
Es  erhebt  sich  die  Frage:  ist  der  Name  der  Rosmerta  deutsch  oder  keltisch? 
Dieses  etymologische  Problem  ist  noch  ungelöst;  jedoch   hat  die  Mehrzahl  der 


882 


Miflcellen. 


Philologen  dem  Namen  einen  keltisoben  ünpmng  beigelegt,  ohne  dais  es  bis 
jetzt  gelangen  w&re,  den  Sinn  des  Wortes  nachsaweisen. 

Bosmerta  ist  nicht  als  Fortuna  anzusehen;  Mercur  hatte  bei  den  Galliern 
keinerlei  mystische  Verbindung  mit  dieser  Göttin.  Weit  entfernt  beide  zu  yer- 
einen,  beweisen  die  Inschriften,  dass  die  Weihenden,  ganz  verschiedenen  socialen 
Verhältnissen  angehörten.  Es  ist  nicht  zn  leugnen,  dass  Bosmerta  mit  dem  Fflll- 
hom  erscheint,  allein  man  sieht  bei  ihr  niemals  das  Stenerradery  das  specielle 
und  charakteristische  Attribut  der  Fortuna.  Die  gallische  Gtottheit  hat  ein  dop- 
peltes Gewand;  sie  tragt  bald  den  Schlangenstab  (caducens),  bald  das  Füllhorn, 
bald  beide  Symbole  zugleich;  sie  erscheint  auch  mit  dem  Beutel,  abgesehen 
dayon,  dass  auf  einigen  Belief-Dar Stellungen  Mercur  ihr  den  Beutel  darreicht 
und  den  Inhalt  in  die  Schale  schüttet,  welche  sie  ihm  hinhalt.  Sie  ist  in  der* 
selben  Weise  beschuht  wie  die  Mütter. 

Hr.  Bobert  fuhrt  ähnliche  Darstellungen  aus  Puzzuoli,  Verona  und  Pompeji 
an,  auf  welchen  Maja,  d.  h.  die  Erdmntter,  sich  zu  Merour  gesellt  findet.  Hieraus 
folgert  er  im  Gegensatz  zu  Prof.  Becker  und  in  Uebereinstimmung  mit  Otto  Jahn, 
dass  die  yon  Mercur  seiner  Gesellschafterin  dargereichte  Börse,  wie  sie  in  Italien 
und  im  nordöstlichen  Gallien  sich  abgebildet  findet,  als  Symbol  der  alten  chtho- 
nischen  Bedeutung  Mercurs  zu  betrachten  ist,  vermöge  deren  er  die  Erde  be- 
fruchtet, ihre  Früchte  zur  Entwicklung  bringt  und  endlich  dem  Menschen  die 
Seele  und  das  Leben  gibt.  Diese  Schlussfolgerung  scheint  durch  die  Thatsache 
bestätigt  zu  werden,  dass  die  belgischen  Inschriften  eben  so  oft  die  Maja  als 
die  Bosmerta  dem  Mercur  zugesellen.  Die  Genossin  des  keltischen  Gottes,  wel- 
chen die  Bömer  mit  Mercur  identificirt  hatten,  ward  ununterbrochen  unter  ihrem 
einheimischen  Namen  durch  gallische  Familien,  welche  der  nationalen  Ueberlie- 
ferung  treu  blieben,  verehrt,  während  sie  den  Namen  der  Maja  annahm,  wenn 
romanisirte  Gallier  oder  Bömer  während  ihres  Aufenthaltes  in  Gallien  die  Wid- 
menden waren,  c 

Hr,  Bobert  hat  seine  Denkschrift  über  Mercur  und  Bosmerta  noch  weiter 
ausgeführt  und  zu  begründen  gesucht  in  der  Epigraphie  gallo-romaine 
de  la  Mo  seile.  Etüde  parP. CharlesBobert,  membre  de l'institut.  Finde  la 
I.  parthie.  Paris,  1873,  welche  uns  eben  durch  die  Güte  des  Verf.  zugegangen. 
Wir  gedenken  von  dieser  in  jeder  Hinsicht  musterhaften,  durch  treffliche  Ab- 
bildungen nach  der  neuen  sog.  Photogravure  Duj ardin  illustrirten  epigra- 
phischen Monogrraphie,  welche  die  römischen  oder  gallisch-römischen  Inschriften 
des  Mosel-Departements  (Hauptstadt  Metz)  begreifen  soll  und  bis  jetzt  in  den  zwei 
erschienenen  Abtheilungen  (die  1.  erschien  1869)  die  den  Göttern  gewidmeten 
Inschriften,  die  sich  meist  in  den  Metzer  Sammlungen  befinden,  behandelt,  in 
nnserm  nächsten  Hefte  eine  eingehendere  Anzeige  zu  bringen«  J.  Fr. 


81.  Ein  altdeutsches  Sprachdenkmal,  ünkel  gegenüber  steht  an 
dem  Wege,  der  in's  Unkelbaohthal  fuhrt,  einHeiligenhäusohen,  welches  in  neuerer 
Zeit  restanrirt  worden  ist.  An  demselben  befindet  sich,  nnzweifelfaalt  von  dem 


MiBoellen.  888 

Eapellohen  herrührend,  ein  grosser  Siein  über  der  Nische  eingemauert  mit  fol- 
gender gat  erhaltenen  Inschrift  in  gotischen  Buchstaben: 

>A.nno.  dm.  m.  €CGC  non.  in  die.  sti.  lamberti.  do  dede.  arnolt.  amolt- 
ges.  son.  TS.  nnkebach.  dit.  mache,  got.  geve.  de.  sin.  euuch.  leve.  de.  eir. 
hulpe.  zo  lien.  geve.c 

9lm  Jahre  des  Herrn  1409  am  Tage  des  heiligen  Lambertus,  da  Hess  Arnold 
Amoldgres  Sohn  Ton  Unkelbach  dieses  machen.  Gott  gebe  denen  sein  ewig  Le- 
ben, die  ihre  Hülfe  sa  Lehen  geben,  c 

Pyof.  Birlinger  übersetzt:  >6ott  gebe  den  Seinigen  das  ewige  Leben,  der 
Ehre  (und)  Hülfe  (zur  Zeit)  zu  Lehen  gibt,«  und  bemerkt,  dass  ähnliche  Sprüche 
bei  Freidanl[:  und  den  Minnesängern  vorkommen.  Professor  Simrook  tritt  der 
ersteren  Erklärung  bei  und  bemerkt,  wahrscheinlich  hätte  ein  Opferstock  dabei 
gestanden,  um  die  Beisteuern  zur  Erhaltung  des  Denkmals  aufzunehmen.  Die 
Sprache  sei  niederrheinisch. 

Schaaffhausen. 


82.  Bonn,  24.  Noy.  Einen  neuen  Beweis  für  die  Thatsacho,  dass  die  Römer 
bereits  die  Bleibergwerke  bei  Gommern  betrieben,  liefert  ein  kürzlich  gemachter 
Münzfand.  In  einer  alten  Halde  der  Bleierzgruben  am  Tanzberge  bei  Call  wurde 
eine  schön  patinirte  Grosserz-Münze  des  Kaisers  Claudius,  R:  S.  G.  und  ein 
schreitender  Mars  mit  Schild  und  Speer,  gefunden  und  von  Herrn  Gruben, 
director  Theobald  an  S'  Ezo.  Herrn  Geh.-Rath  von  Deohen  eingesendet. 

Schaaffhausen. 

[Vergl.  Bonn.  Jahrbb. LH  p.  168.  Üeber  den, bedeutendsten,  am  Tanzberg 
1849  gemachten  Fund  von  Silbermünzen,  welche  dem  Zeitraum  von  Yespasian 
bis  Severus  Alexander  angehörten,  im  Gewicht  von  20  Pfund,  finden  sich  nähere 
Mittheilungen  bei  >Eick,  die  röm.  Wasserleitung  aus  der  Eifel  nach  Eöln.t 
1867.  S.  41.  J.  Fr.] 


88.  Bonn.  Prof.  Simrock  theilt  mir  ein  Guriosum,  der  Genlok  über^ 
schrieben,  aus  Ühland's  Schriften  zur  Gesch.  der  Dichtung  und  Sage, 
8»  Bd.  S.  619  mit,  das  hier  als  fuga  spatii  eine  Stelle  finden  möge:  >In  einem 
Hanse  zu  Mittelstadt  war  ein  Stein  mit  Bildern  eingemauert.  Ein  Alterthuns* 
freund,  der  in  diesen  römische  Laren  findet,  macht  dem  Hausbesitzer  den  Stein 
feil  und  der  Handel  war  schon  am  Abschluss.  Da  legte  die  Altmntter  des  Hau- 
ses Widerspruch  ein;  es  habe  nur  Unheil  gebracht,  als  man  den  Genlok  ausge- 
brochen, gleich  in  der  folgenden  Nacht  sei  der  Falbe  im  Stall  gefallen.  Der 
früher  verkaufte  war  ein  ähnlicher  Mauerstein  mit  dem  eingehanenen  Kamen 
(gen.  loc,  genio  loci).  Der  Stein  mit  den  Laren  steht  noch  in  der  Mauer  und 
der  Kauflustige  muss  sich  gedulden,  bis  die  Altmutter  heimgegangen  ist.  Nach 
der  Erzählung  des  Hm.  Pfarrers  Memminger  am  24.  Sept.  1852. c      J.  Fr. 


IV.  Chronik  des  Vereins 


für  ias  yeretnsinlir  1872  (re$)r.  Ilfinsften  1872-1873). 


Auch  in  diesem  Jahre  trat  an  unser  Institut  die  Wahrnehmung 
heran;  dass  gegenüber  der  demselben  gesteckten  Aufgabe  der  all- 
seitigen Erforschung,  Erhaltung  und  Sammlung  rheinischer  Denkmäler 
das  sich  ihm  darbietende  wissenschaftliche  Material  ein  reichhaltigeres 
und,  vielseitigeres  war,  als  dass  es  durch  die  Kraft  des  Vereins  in 
seiner  jetzigen  Einrichtung  hätte  überwältigt  werden  können.  Wenn 
wir  desshalb  wiederholt  auf  die  Nothwendigkeit  einer  eingreifendem 
Thätigkeit  der  auswärtigen  Sekretaire  zurückkommen  müssen,  so  war 
es  doch  vor  allem  zu  bedauern,  dass  die  bei  dem  hohen  Königl.  Mini- 
sterium und  den  städtischen  Behörden  zu  Bonn  beruhenden  Vorlagen, 
betreffend  eine  dauernde  Jahresunterstützung  und  die  dringend  noth- 
wendige  Erweiterung  des  Vereinslocals  noch  immer  unerledigt  geblieben 
sind:  drei  Momente,  von  deren  günstiger  Erledigung  die  fortschreitende 
Blüte  unseres  Vereins  wesentlich  bedingt  ist. 

Die  sonstigen  äussern  Verhältnisse  waren  fortdauernd  befriedigend ; 
die  Zahl  der  Mitglieder  betrug  614,  unter  welchen  nach  Abzug  der 
ausserordentlichen  und  Ehrenmitglieder  580  zahlende  verblieben.  Durch 
den  Tod  verlor  der  Verein  aus  der  Reihe  der  Ehrenmitglieder  einen 
der  hervorragendsten  Archäologen  Frankreichs,  NarcissdeCaumont, 
den  Begründer  der  Soci6t^  des  Antiquaires  de  Normandie  so  wie  der 
Soc.  fran^aise  d'arch^ologie,  Verfasser  des  Cours  d'antiquit^  monu- 
mentales (6.  Tom.)  und  des  bekannten  Ab^c^daire  d'arch6ologie.  Von 
ordentlichen  Mitgliedern  beklagen  wir  den  Verlust  des  Herrn  Geh.- 


Chronik  des  Vereins.  886 

ßaths  Altgelt  in  Düsseldorf,  eines  der  wohlwollendsten  Förderer  der 
Vereinszwecke,  des  zu  frühe  der  Wissenschaft  entrissenen  Professors  der 
Geschichte  Dr.  Kamp  schulte,  des  um  das  Schulwesen  verdienten 
Reg.-Bath  Lic.  Blum  in  Köln,  des  Herrn  Freiherrn  von  Nordeck 
und  des  Herrn  Pfarrers  Bichrath  in  Rommerskirchen ;  ausserdem 
starb  das  ausserord.  Mitglied  Herr  Pfarrer  Welt  er  in  Hürtgen. 

Was  die  Cassenverhältnisse  betriflft,  so  betrugen  die 
Gesammteinnahmen  im  Ganzen    3104  Thlr.  15  Sgr.  —  Pf. 
gegenüber  einer  Ausgabe  von      1634      „     22    „      8    „ 

Verblieb  Ueberschuss  1469      „     22     „       4    „ 

Dieses  ausserordentlich  günstige  allgemeine  Resultat  ward  her- 
beigeführt durch  folgende  zwei  sehr  dankenswerthe  grössere  Gaben, 
die  bereits  in  der  Chronik  zu  Heft  LH.  vorläufig  vermeldet  sind: 

1)  Seitens  des   rheinischen  Provinzial-Landtags  im  Betrage  von 
800  Thlr.  / 

2)  Der  Aachen  -  Münchener  Feuerversicherungs  -  Gesellschaft  von 
500  Thlr. 

Ausserdem  wendete  die  Wittwe  unseres  verst.  geehrten  Mitglieds 
6eh.-Rath  Altgelt  in  Düsseldorf  dem  Verein  zur  Erinnerung  an 
ihren  Gemahl  25  Thlr.  zu. 

Ungeachtet  dieser  ungewöhnlichen  Einnahme  von  1325  Thlr. 
würde  schon  die  regelmässige  Einnahme  1779  Thlr.  vollständig  zur 
Deckung  der  Gesammtausgaben  von  1634  Thlr.  ^  ausgereicht  haben. 
Letztere  vertheilen  sich  in  runden  Summen :  für  die  literarisch-artistischen 
Arbeiten  auf  870,  für  Bücheranschaffungen  auf  93  Thlr.,  für  Ankauf  von 
Alterthümern  244  Thlr.,  für  Reisen  und  Ausgrabuugen  65  Thlr.,  für 
Verwaltungskosten  und  Diversa  aller  Art  240  Thlr. 

Wenn  der  Vereinsvorstand  dem  erheblichen  Ueberschusse  gegenüber 
in  dem  verflossenen  Vereinsjahre  einer  weisen  Sparsamkeit  Rechnung 
trug,  so  bestimmte  ihn  dazu  die  Verpflichtung,  die  Geschenke  des 
Provinzial-Landtags  und.  der  Aachener  Feuerversicherungs-Gesellschaft 
zu  Ankäufen  von  Alterthümern  für  das  Arndt-Museum  in  Verwendung 
zu  bringen.  Ankäufe  dieser  Art  sind  aber  ganz  dem  Zufall  unter- 
worfen und  desshalb  ist  es  geboten,  für  jeglichen  Fall,  wo  sich  eine 
günstige  Gelegenheit  darbietet,  das  Geld  in  Reserve  zu  haben.  Die 
Gassen-Verwaltung  hat,  wie  in  der  vorigen  Chronik  angemeldet  worden, 
Herr  Rechnungs  -  Rath  Fr  icke  mit  anerkennungswerther  Sorgfalt 
geführt 


886  Chronik  des  YereinB. 

Blicken  wir  auf  unsere  literarische  Thätigkeit  zurück,  so  ist  in  dem 
angegebenen  Zeitraum  Heft  LH.  der  Jahrbücher  erschienen  und  von 
H.  LIU— IV  der  Druck  der  ersten  10  Bogen,  eben  so  die  Hälfte  der 
Publication  „des  Mosaikbodens  in  St.  Gereon  zu  Köln"  fertig  geworden. 
Wenn  beide  Veröffentlichungen  erst  jetzt  erscheinen,  so  engaben  sich 
für  das  neue  Heft  sachliche  Gründe  zur  Erweiterung  desselben  zu 
einem  Doppelhefte,  für  die  letztere  die  Nothwendigkeit  einer  Sistirung 
des  Druckes  durch  den  während  desselben,  beim  Abbruch  des  Haupt- 
altars von  St.  Gereon,  unerwartet  gemachten  Fund  neuer  Mosaikreste, 
die  voraussichtlich  Licht  über  die  Gesammtlage  des  zerstörten  Bodens 
zu  gewähren  geeignet  schienen.  Wir  haben  sofort  den  Eirchenvor- 
stand  von  St.  Gereon  um  vollständige  Aufdeckung,  unter  dem  Aner- 
bieten die  nöthigen  Geldmittel  zu  gewähren,  ersucht,  leider  ohne  den 
gewünschten  £rfolg.  Immerhin  hat  dieser  Aufschub  der  Publication 
in  Folge  der  vom  Verfasser  auf  einer  erneuten  italienischen  Heise 
gemachten  Entdeckungen  einen  weiteren  Umfang  zu  geben  verstattet, 
so  dass  unsere  Mitglieder  zufrieden  sein  dürften,  in  dem  so  reich  aus- 
gestatteten Werke  für  zwei  Festschriften  Eine  entsprechende  Gabe  zu 
empfangen. 

Das  dringende  Bedürfniss  der  Herstellung  eines  fortgesetzten, 
resp.  neuen  vollständigem  General-Registers  unserer  immer  mehr  an- 
wachsenden Jahrbücher  ist  leider  durch  den  in  Folge  einer  Beförderung 
zum  Inspector  der  kath.  Selecten-Schule  nothwendig  gewordenen  Bäd(- 
tritt  des  dafür  gewonnenen  Herrn  Prof.  Dr.  Becker  in  Frankfurt  uner- 
füllt geblieben.  Wir  werden  jedoch  unsere  Bemühungen  zur  Gewinnung 
einer  geeigneten  Kraft  fortsetzen  und  verweisen  desshalb  auf  die  betr. 
Aufforderung  auf  dem  Umschlage  dieses  Heftes. 

Ausser  der  vom  Prof.  Dr.  Kraus  in  Strassbung  vorbereiteten 
Sammlung  der  christlichen  Inschriften  des  frühen  M.-A.  in  den  Rhem- 
landen  ist  als  ein  weiteres  Werk  der  Zukunft  „eine  Statistik  der 
Denkmäler  der  Rheinprovinz"  in  Aussicht  genommen,  zu  deren  Ab- 
fassung vom  König!.  Oberpräsidium  Plan  und  Kostenanschlag  einge- 
fordert wurden. 

Die  in  den  Räumen  unseres  Vereinslocals  im  Amdthause  aufbe- 
wahrte Sammlung  und  Bibliothek  wächst  in  dem  Masse  an,  dass  es 
durchaus  nicht  möglich  ist,  die  verschiedenen  Gegenstände  der  Sammlung 
unterzubringen,  und  namentUch  sind  die  wichtigen  Steinmonumente  zum 
grossen  Theil  dem  Wetter  und  dem  Muthwillen  ausgesetzt  In  dankens- 
werther  Weise  hat  der  neuernannte  Stadtbaumeister  Herr  von  Noel 


Chronik  des  Vereine.  337 

dem  Verein  den  Plan  zur  Erbauung  einer  an  der  Nordgrenze  des 
Arndt'schen  Gartens  zu  errichtenden  Halle  eingereicht,  deren  Her- 
stellung aber  bei  einem  Kostenaufwand  von  9000  Thlr.  so  lange  auf 
unüberwindliche  Schwierigkeiten  stösst,  bis  die  erwünschte  Staatshülfe 
bewilligt  sein  wird. 

An  bedeutenderen  Geschenken  sind  zu  verzeichnen: 

1)  Von  der  Direction  der  rhein.  Eisenbahn-Gesell- 
schaft: Der  Meilenstein  von  Nettersheim  (vergl.  H.  XLIX. 
S.  184  f). 

2)  Eine  römische  Grabtrommel  von  Stein  mit  2  Gläsern,  gefunden 
bei  Nettersheim. 

Von  Herrn  Gommerzien-Bath  Boch  in  Metlach:  eine  grosse 
verzierte  röm.  Glasflasche  und  Fragmente  eines  sog.  vas  diatretum. 

Von  Prof.  Dr.  aus'm  Werth:  eine  emaillirte  Metallplatte  des 
12.  Jahrh. 

Angekauft  wurde:  1)  eine  Anzahl  römischer  Pfeilspitzen  aus 
castra  Veter&  (Xanten);  2)  eine  Sammlung  römischer  Alterthümer 
vom  Prof.  Dr.  Fiedler;  3)  ein  römisches  Glas  vom  Kaufmann  Brink 
in  Bonn ;  4)  drei  römische  Steine  aus  der  Kirche  von  Rohr  bei  Blanken- 
heim  (vergl.  oben  S.  172  fg.) ;  5)  Relief  eines  römischen  Grabsteins,  in 
der  Nähe  der  Münsterkirche  zu  Bonn  gef . ;  6)  Siegelstempel  der  Bonner 
Barbiererzunft;  7)  Mittelalterliche  Krüge  und  Schüsseln  vom  Nieder- 
rhein; 8)  eine  röm.  Waage,  an  der  Cobl.  Strasse  gef.  etc. 

Der  Wunsch,  unsere  Bibliothek  vollständig  zu  ordnen,  zu  com- 
pletiren  und  endlich  gemäss  dem  in  jeder  Generalversammlung  der 
letzteren  Jahre  ausgesprochenen  Verlangen  der  öffentlichen  Benutzung 
zu  übergeben,  ist  durch  die  andauernde  Abwesenheit  des  bisherigen 
Bibliothekars  unmöglich  gewesen. 

An  Geschenken  für  die  Bibliothek  sind,  ausser  den  uns  durch 
Austausch  regelmässig  zugehenden  Zeitschriften,  eingegangen: 

1)  Vom  Grafen  Ouvaroff  in  Moskau:  Recherches  des  anti- 
quit^s  enRussie  merid.  et  des  cöt^s  de  la  mere  noire.  Paris  1857. 

2)  Vom  Grafen  Connestabile  in  Perugia: 

a.'  Inscrizioni  Etrusche  e  Etrusco-latine.  Firenze  1858,  4tp. 
b.  Dei  Monumenti  di  Perugia  Etrusca  e  Romana,   della  litte- 
ratura  e  bibliografia  Perugina.  Perugia,  Parth.  I—IV. 

3)  Vom  Director  des  etrurischen  Museums  in  Florenz,  Herrn 
Gamurrin,  dessen  Münzwerke:  Periodico  di  numismatica  e 
sfragistica  dal  March.  G.  Strozzi.  3  Ti.  Firenze  1868—72. 

22 


338  Chronik  des  Vereiiu. 

4)  Vom  ßaurath  Herrn  Are  in  Aachen:    Mgr.  X.  Barbier  de 
Montault,  la  mosaique  da  Dom  k  Aix  la  Chapelle.  Paris  1869. 

5)  Von  Sr.  Maj.   dem  Könige  von  Schweden   Carl  XV: 
Jacob  Falk,  Catalog  der  königlichen  Samminngen. 

6)  Vom   Appell. -  Ger. - Ralh  von  Cuny  a.  D:  Revue  d'Alsace. 
Nouv.  Serie.  I  et  U^me  ann^e.  3  Fase.  Golmar  1873. 

7)  Von  Herrn  E.  de  Meester  de  Ravestein: 

Mus6e  Ravestein.  Catalogue  descriptif.  T.  I.  Liege  1871.  (Vergl. 
H.  LH.  S.  142  flf.)    Tom.  IL  , 

8)  Vom  Architeeten   der  Provinz   Ravennä,   Herrn  Laneiani: 
eine  Anzahl  werthvoller  Zeichnungen  ravennatischer  Mosaiken  etc. 

Die  vorsehriftsmässige  Generalversammlung  fand  statutengemäss 
am  Schlüsse  des  Vereinsjahres  und  zwar  am  3.  Juni  1873  statt.  In 
derselben  wurden,  nachdem  dem  Cassirer  Deeharge  ertheilt  war,  die 
bisherigen  Vorstandsmitglieder:  Berg-Rath  Prof.  Nöggerath  und  die 
Professoren  aus'm  Weerth,  Ritterund  Freudenberg  einstimmig 
wieder  gewählt.  Da  nach)dem  bisherigen  Usus  die  Vorstandsmitglieder 
ihren  Wohnsitz  in  Bonn  haben  müssen,  so  sah  die  Versammlung  aus 
diesem  Grunde  von  der  Wiederwahl  des  in  Rheinberg  wohnenden 
Friedensrichters  und  L.-G.- Assessors  Herrn  Piek  ab  und  ermächtigt« 
den  Vorstand^  nach  seinem  Ermessen  dessen  Stelle  provisorisch  zu 
besetzen,  re^p.  mit  Herrn  Pick  für  den  Fall  seiner  dauernden  Rück- 
kehr nach  Bonn  in  Verbindung  zu  treten. 

Dr.  Kamp  aus  Köln  stellte  den  Antrag,  ^eine  Sammlung  von 
Papier-Abklatschen  rheinischer  Inschriften,  die  im  Vereinslocale  unter- 
zubringen wäre,  anzulegen.  Eine  solche  Sammlung  würde  eine 
Centralstelle  bilden  für  die  in  der  ganzen  Provinz,  oft  an  schlecht  zu- 
gänglichen Orten,  verbreiteten  Inschriften  und  bei  schwer  lesbaren 
Inschriften  dem  Forscher  das  sicherste  Kriterium  in  die  Hand  geben; 
zugleich  würde  dadurch  die  in  Aussicht  stehende  Publication  der  rhein. 
Inschriften  in  der  Sammlung  der  Berliner  Academie  wesentlich  gefördert 
werden.  Zu  dem  Zwecke  möge  der  Vorstand  in  dem  nächsten  Hefte 
die  Mitarbeiter  ersuchen,  von  allen  neu  edirten  und  neu  besprochenen 
Inschriften  Papier  -  Abklatsche  einzusenden.  •  Dieser  zeitgemässe  Vor- 
schlag fand  die  allgemeine  Zustimmung  der  Versammlung.  (Vergl. 
die  betr.  Aufforderung  auf  dem  Umschlage  des  Heftes.) 

Ein  fernerer  Antrag  wurde  von  dem  Geh.  Med.-R.  Prof.  Schaaff- 
hausen  und  vom  Prof.  Floss  gestellt,  eine  Eingabe  an  den  hiesigen 
Universitäts-Senat  und  an  das  Kgl.  Cultus-Ministerium  zu  richten,  dass 


Chronik  des  VereinB.  839 

dem  Verein  zur  Au&tellung  seiner  Sammlungen  die  frühere  Anatomie 
oder  ein  Theil  derselben  überlassen  werde.  Eine  Commission  zur  Ab- 
fassung  dieses  Gesuchs,  bestehend  aus  den  Herren  Gonsist.-Il.  Prof.  Krafft 
und  Geh.  Med.-R.  Schaa£fhausen,  expedirte  diese  von  vielen  Mitgliedern 
unterzeichnete  Petition,  welche  indessen  vom  Königl.  hohen  Ministerium 
abschlägig  beschieden  wurde. 

Der  Geburtstag  Winckelmanns,  wozu  diesmal  keine  Festschrift 
ausgegeben  werden  konnte,  wurde  am  9.  Dec.  1872  durch  eine  zahlreich 
besuchte  solenne  Abendversammlung  gefeiert. 

Prof.  aus'm  Weerth,  der  Vice-Präsident  des  Vereins,  eröffnete 
die  Sitzung  mit  einer  der  Weihe  des  Tages  geltenden  Ansprache,  in 
welcher  er  hervorhob,  dass  diese  Feier  nicht  lediglich  eine  Huldigung 
des  Genius,  sondern  ein  Bekenntniss  zu  dessen  wissenschaftlichen 
Normen  sei,  dass  man  in  der  von  Winckelmann  geschaffenen  Disciplin 
bleiben  müsse,  so  lange  man  den  Anspruch  wissenschaftlicher  Arbeit 
erhebe.  —  Von  der  Bedeutung  der  Kunstwissenschaften  überhaupt  zum 
Rheinlande  übergehend,  fuhr  der  Bedner  folgender  Massen  fort: 

„An  den  Ufern  des  Rheines  stehen  wir  auf  einem  Boden,  wo  die 
grossen  Geschicke  der  Menschheit  seit  fast  2000  Jahren  Spuren  ihres 
Verlaufe  hinterlassen  haben.  Hier  vollzogen  sich  die  grossen  Wandelungen 
des  römischen  Kaiserreiches,  die  fränkischen  Staatenbildungen,  die  Cul* 
turmission  KarVs  des  Grossen,  wesentliche  Vorgänge  der  deutschen 
Kaisergeschichte,  Städteerhebungen  und  Hansabund.  Und  aus  allen 
diesen  grossen  Perioden  sehen  wir  von  der  altersgrauen  Porta  nigra 
bis  zur  Pfalzcapelle  KarVs  des  Grossen,  von  den  romanischen  Kirchen 
zu  Worms,  Speyer,  Mainz,  Laach  und  Köln  bis  zu  den  gothischen 
Domen  eine^  eben  so  unterbrochene  als  unvergleichliche  Reihe  monu- 
mentaler Zeugen.  Keine  Provinz  Deutschlands  wurde  von  den  grossen 
bestimmenden  Vorgängen  der  Weltgeschichte  in  gleichem  Masse  berührt, 
keine  besitzt  so  viele  und  erhabene  Denkmäler  und  keine  vermag  dess- 
halb  auch  einen  so  berechtigten  Anspruch  auf  deren  öffentliche  Pflege 
zu  erheben.  Es  war  desshalb  ein  richtiger  Gedanke  der  Staatsregierung, 
als  sie  schon  vor  fast  50  Jahren  die  Gründung  eines  Provinzial-Museums 
im  Zusammenhang  mit  unserem  später  entstandenen  Verein  ins  Auge 
fasste  und  letzterem  die  Gränzen  des  Stromes:  „Von  den^Alpen  bis 
zum  Meere^  anwies.  Aber  seit  der  Gründung  unseres  Vereins  sind 
31  Jahre  verflossen  und  eine  neue  Zeit  mit  neuen  Forderungen  und 
Verhältnissen  ist  angebrochen.  Neben  uns  sind  im  weiten  Strom- 
gebiete des  Rheines  ähnliche  Institute  entstanden,  die  nicht  entfernt  des 
Willens,  in  unserem  Vorgange  das  anzuerkennen,  was  sie  uns  verdanken. 


340  Chronik  des  Vereint. 

anstatt  nach  Gemeinsamkeit  und  Anschlass  lediglich  nach  UnabhStigig- 
keit  strebend^  Gegensätze  aus  den  Verhältnissen  bilden,  die  nur  durch 
klare  Begränzung  und  Auseinandersetzung  zu  bannen  sind.    Und  ihre 
Bannuug  wird  durch  die  Würde  u\id  das  Ziel   der  Wissenschaft  ge- 
boten. —  Nach  dem  glorreichen  Jahre  1870   haben   alle  öffentlichen 
Bestrebungen   grössere  Massstäbe  angenommen:   das  patriotische  Be- 
wusstsein  beflügelt  den  Gang  der  Dinge.    Untrennbar  von  diesem  pa- 
triotischen Aufschwung  ist  die  erhöhte  Pflicht  der  Pflege  unserer  gros« 
sen  Vergangenheit.    Denn  niemals  dürfen  wir  vergessen,  dass  das  Be- 
wusstsein  der  grossen  Vorzeit,    das  stets   belebte  patriotische  Gefühl, 
wie  es  Ernst  Moriz  Arndt  unter  uns  wach  erhielt,  nicht  zum  kleinsten 
Theile  die  Siegeskraft  erzeugte,   in  deren  Ruhm   wir  uns  jetzt  ghlek- 
lich  preisen.  Ein  Volk,  welches  weiss,  dass  auf  seinem  Boden  sich  die 
Weltgeschichte  vollzog,  fühlt   anders  als  der  Wilde  in  seiner  Steppe. 
In  diesem  Wissen  ruht  ein  unversiegbarer  Born  des  Patriotismus,  con- 
servativer  Gesinnung  und   idealer  Kraft.    Desshalb  muss  auch  unser 
Verein  sich  zu  der  erhöhten  Aufgabe  nach  innen  und  aussen  in  seiner 
Kraft  erhöhen,  indem  er  sich  sowohl  mit  den  wiedergewonnenen  Reichs- 
landen in  lebendige  Verbindung  setzt,   wie  durch  Klarstellung  seiner 
Ziele  und  der  gewordenen  Verhältnisse  Eintracht  und  vor  Allem  Ge- 
meinsamkeit mit  allen  gleichstrebenden  Factoren  herstellt.  Stets  haben 
dauernd  richtig  bleibende  Gedanken  in  neuen  Zeiten  neue  Formen  an- 
nehmen müssen,   wenn   sie   die  Sicherheit  und  den  Fortschritt  ihres 
Bestandes  erhalten  wollten.  Um  denselben  zu  gewinnen,  bedarf  es  vor 
Allem  der  regen  öffentlichen  Unterstützung.  Am  heutigen  Tage  dürfen 
wir  nicht  unterlassen,   dieser   den   gebührenden  Tribut   darzubringen, 
denn  ausser  vielen  kleineren  Gaben  und  gi*össeren  Geldgeschenken  der 
Rheinischen  Eisenbahn  und  der  Aachen-Müncheuer  Feuerversicherungs- 
Gesellschaft  verdanken  wir  besonders  den  Provinzialständen  eine  der 
Bedeutung  unseres  Instituts  entsprechende  Beihülfe.  —  So  dürfen  wir 
denn  unter   dem  Schutze   der  Manen  Winckelmann's   hoffen,   in  den 
Bahnen  strenger  Wissenschaftlichkeit  und  dennoch  gemeinverständlich 
den  Beruf  —  die  Denkmäler  der  Vorzeit  und  durch  sie  das  historische 
Bewusstsein  zu  erhalten  und- zu  fördern  —  glücklich  weiter  zu  üben." 

Herr  Dr.  Nordho'ff  aus  Münster  hielt  alsdann  Hber  „die  kunst- 
geschichtlichen Beziehungen  zwischen  dem  Rhein-  und  Westfalenlande' 
einen  sehr  eingehenden  und  belehrenden  Vortrag,  auf  dessen  durch 
die  betreffenden  Erläuterungen  erweiterten  Abdruck  in  diesem  Hefte 
wir  die  Leser  verweisen. 

Prof.  Floss   sprach  in   längerem  Vortrage  über  das   römische 


Chronik  des  Vereins.  341 

Militärwesen  am  Rhein,  insbesondere  am  Niederrhein,  und  wies  den 
Zusammenhang  einzelner  hier  stationirter  Legionen  mit  dem  früh 
christianisirten  Rhonethale,  die  Verwendung  zahlreicher  (Kohorten  aus 
Nordafrica,  aus  Spanien,  aus  dem  fernen  Asien,  und  zwar  aus  Gegen- 
den, welche  in  frühester  Zeit  blühende  Kirchen  hatten,  nach.  Inter- 
essant war  auch  der  Nachweis,  dass  die  hohen  Officierstellen  über- 
wiegend mit  Italienern  besetzt  waren  und  die  Bemannung  der  sehr 
beträchtlichen  römischen  Rheinflotte  vielfach  Namen  von  Officieren 
weit  entfernte  südlicher  Küstenländer  zeige.  Dass  auf  diesen  Wegen 
nicht  allein  frühzeitig  eine  reiche  Industrie  an  den  Rhein  verpflanzt 
wurde,  wie  Inschriftsteine  beweisen,  sondern  auch  bald  die  Kunde  des 
Christenthums  hieher  gelangen  musste,  ergab  sich  aus  den  mitgetheil- 
ten  Thatsachen  mit  fast  zweifelloser  Gewissheit.  Bezüglich  des  Bis- 
thums  Köln  wurde  noch  besonders  der  Zusammenhang  der  kölnischen 
Kirche  mit  den  Rhonestädten  und  mit  Nordafrica  nachgewiesen. 

Prof.  Scha  äff  hausen  besprach  hierauf  einen  römischen  Fund 
in  Bandorf  bei  Oberwinter,  bei  welchem  eine  liegende  Statue  des  Nep- 
tun, die  einem  Brunnen  angehört  zu  haben  scheint,  und  ein  kleiner 
römischer  Altar  mit  der  Inschrift :  „Deo  invicto  regi  pro  bono  comuni^ 
zu  Tage  gefördert  wurde.  Die  näheren  Beziehungen  der  Fundstücke 
so  wie  ihre  kunstgeschichtliche  Bedeutung  hat  der  Redner  in  diesem 
Hefte  S.  100  bis  141  allseitig  dargelegt. 

Prof.  aus'm  Weerth  lenkte  zum  Schluss  die  Aufmerksamkeit 
der  Versammlung  auf  die  in  seiner  Schrift  über  den  Grabfund  von 
Waldalgesheim  vermuthete  einheimische  Metall-Industrie  im  Saarge- 
biet. Der  Verein  hat  durch  seinen  auswärtigen  Secretär  für  Trier, 
Hm.  Prof.  Kraus,  im  alten  Kupferbergwerke  bei  Wallerfangen  die 
Aufdeckung  der  in  den  Felsen  gehauenen  Inschrift  veranlasst,  welche 
lautet :    Incepta  officina  ||  Emiliani  Nonis  ||  Mart(ii), 

Es  würde  wichtig  sein,  festzustellen,  wer  Aemilianus,  der  Gründer 
des  Bergwerkes,  war;  dass  er  nicht  später  als  in  den  ersten  Jahrhun- 
derten lebte,  deuten  die  Schriftzüge  an.  Ausser  dieser  Inschrift  lagen 
von  bemerkenswerthen  Funden  aus  besagtem  Gebiete  kleine  Schmelz- 
tiegel und  ein  aus  mehreren  in  einander  gefügten  Ringen  bestehendes 
Klapperinstrument  aus  Bronze,  das  entweder  zum  Schmucke  eines 
Pferdezeugs,  einer  Standarte  oder  endlich  zum  Apparat  der  Zauberei 
gehörte,  vor. 

Bonn,  im  November  1873. 

Der  Vorstand  des  Vereins  von  Altertbumsfreunden 

im  Rlieiniande. 


Verzfiehniss  der  Nitglieder. 


Vorstand  für  das  Vereiaajahr  von  Pflnaoten  1872  blo  1873. 

Präsident:  Dr.  Nöggerath,  Berghauptmann  und  Professor  in  Bonn. 
Vicepr&sident:  Dr.  aus'm  Weerth,  Professor  in  Kesseoioh  bei  Bonn. 
Erster  redigirender  Seoretftr:  Dr.  Ritter,    Professor  in  Bonn. 
Zweiter  redigirender  Seoretfir:  Dr.  Freadenberg,  Prof.  in  Bonn. 
Bibliothekar:  Landgerichts-Assessor  R.  Pick  in  Kheinberg. 


Ehren-Nitalieder. 


S.  K önigl.  Hoheit  Carl  Anton  Meinrad  Fürst  zu  Uohenzollern  in  Sigmaringen. 

Dr.  yon  Bethm  ann-Hollweg,  Excellenzi  konigl.  Staatsminister  a.  D.,  inBerlin. 

Dr.  Ton  Deohen,  Ezoellenz,  Wirkl.  Geh.  Rath,  Oberberghanptmann  a.  D.,  in  Bonn. 

Freiherr   Friedrich  von  Diergardt  in  Bonn* 

Dr.  Fiedler,  Professor  in  Wesel. 

von  Moeller,  Ezoellenz,  Wirkl.  Geheimer  Rath  und  Ober-Präsident  in  Strassburg. 

Dr.  Yon  Mühler,  Excellenz,  königl.  Staatsminister    a.  D.  in  Berlin. 

▼  on  Quast,  Geh.  Regierungsrath,   Consoryator  der  Kunstdenkmäler  in  Preussen, 

in  Radensieben  bei  Neuruppin. 
Dr.  Kit  sohl,  I^.  Pr.  Geh.  Regierungsrath,  Professor  in  Leipzig. 
Dr.  Schnaase,  Obertribunalsrath  a.D.,  in  Wiesbaden. 
Dr.  Urliohs,  Uofrath  und  Professor  in  Würzburg. 

▼  on  Wilmowsky,  Domkapitular  in  Trier. 


Yenolohniss  der  Mitglieder. 


343 


Ordentllohe  Mitglieder. 

Die  Namon  der  aaswärtigen  SeoreUre  sind  mit  fetter  Schrift  gedruckt. 


Dr.    Aohenbaoh»    Staats-Minister    in 

Berlin. 
Achenb  ach,  Geh.  Rath  in  Saarbücken. 
Aohterfeldt,  Stadtpfarrer  in  Anholt. 
Dr.  Aohterfeldt,  Professor  in  Bonn. 
Adler,  Baumeister  u.  Prof.  in  Berlin. 
Dr.  Aebl,  Professor  in  Baromünster  im 

Kanton  Luzem. 
Dr.  Aegidi,  Qeb.  Rath  in  Berlin. 
Dr.   A  h  r  0  n  8  ,    Gymnaöial  -  Director    in 

Hannover. 
Aldenkirohen,  Vioar  in  Viersen. 
Alleker,  Seminardireotor  in  Brühl. 
Antiken-Cabinet  in  Glossen. 
Ark,  h.f  Baurath  in  Aachen. 
Dr.  Aeoilbaoh,  ausw.  Soor.,  Professor  in 

Wien. 
Ayenarius,  Tony,  Maler  in  Cöin. 
Bachern,  Oberbürgermeislor  in  Cöln. 
Dr.  Bachern,  Arst  in  Viersen. 
Baedeker,    Carl,  Buohh.  in  Coblenz. 
Baedeker,  J.,  Buchhändler  in  Essen. 
Barbet  de  Jouy,  Directeur  du  Mtts6e 

des  soayerains  in  Paris. 

▼  on  Barde  leben,    Oberpräsident    in 

Coblenz. 

Bartele,  ausw.  Secretair,  Pfarrer  in 
Alterkülz. 

Basilewsky,  Alexandre,  in  Paris. 

B  a  u,  B  ürgermeister  a.D.  in  Mülheim  a.  Rh. 

Dr.  Bauer  band.  Geh.  Justizrath  und 
Professor,  Kronsyndicus  und  Mitglied 
des  Herrenhauses,  in  Bonn. 

Baunseheidt,    Outsbes.  in  Endenich. 

Dr.  Becker,  ausw.  Seor.,  Professor  in 
Frankfürt  a.  M. 

Yon  Beckerath,  Heinr.Leonh., Kauf- 
mann in  Crefeld. 

Graf  B eis  sei  ▼.  Gymnich, ^Richard, 
Königlicher  Kammerherr  auf  Schloss 
Frenz. 

Bendermacher,  C,  Notar  in  Boppard. 

Bergan,  Professor  in  Nürnberg. 

Dr.  Bernays,  Professor  u.  Oberbiblio- 
thekar  in  Bonn. 

▼  on  Bernutfa,  Regierungs-PrSsident  in 

C51n.  • 
Bettingen,  Adyocatanwalt  in  Trier. 
Bettingen,  KSnigl.  Rendant  u.  Steaer- 

empfSnger  in  St.  Wendel. 

▼  on  Bealwitz,  Carl,  Huttenbesitzer 
In  Trier. 

Blbllotl»ek|  K5nigl.  in  Wieebadeo, 


Bibliothek,  Fürstl.  in  Donaueschingen. 
Bibliothek,  Grosherzl.  in  Jena. 
Bibliothek    der    Kgl.     Akademie    in 

Münster. 
Bibliothek-Nationale  in  Florenz. 
Bibliothek  des  £tr urischen  Museums 

in  Florenz 
Bibliothek  der  Universität  in  Perugia. 
Bibliothek  der  Universität  in  Parma. 
Bibliothek  der  Univ.  in  Strassburg. 
Bigge,  Gymnasialdirector  in  Cöln. 
Dr.  Binsfeld,   Gymnasial  - Direotor  in 

Emmerich. 
Dr.  Binz,  Professor  in  Bonn. 
Bleib  treu,    G. ,    Bergwerksbesitzer  in 

Oberkassel. 
Dr.  Bluhme,  Geh.  Justizrath  u.  Prof. 

in  Bonn. 
B  0  c  h,  ausw.  Secretair,  Commerzienrath 

und  Fabrikbesitzer  in  Mettlach. 
Bock,  Adam,  Dr.  jur.  in  Aachen. 
Dr.  Bodel-Nyenh  uis  in  Leiden. 
Dr.  Bodenheim,  Rentner  in  Bonn. 
Boeoking,    G.  A.,    Hüttenbesitzer  zu 

Abentheuerhütte  bei  Birkenfeld. 
Boeoking,  K.  Ed.,  Hüttenbesitzer  zu 

Gräfenbacherhütte  bei  Kreuznach. 
Boeoking,    Rud.,    Huttenbesitzer  zu 

Asbaoherhütte  bei  Kim. 
Boeddinghaus,     Wm.   sr. ,    Fabrik- 
besitzer in  Elberfeld. 
Boeninger,  Theodor,  Commercienrath 

in  Duisburg. 
Dr.  Boettioher,    Professor  in  Berlin. 
Dr.  Bogen,  Gymn.-Dir.  in  Düren. 
Dr.  Bone,  Gymnasiallehrer  in  Trier. 
Freiherr  vonBongardt,  Erbkämmerer 

d.  Herzogthums  Jülich    zu  Burg  Paf- 
fendorf bei  Bergheim. 
Dr.  Boot,  Professor  in  Amsterdam. 
Dr.  Borret  in  Vogelensang. 
Dr.  Boseler,    ausw.   Secr.,    Gymnasial- 

Director  in  Darmstadt. 
Dr.  Bouvier,  C,  in  Bonn. 
Dr.  Brambach,  Prof.  und  Oberblblio- 

thekar  in  Carlsruhe. 
Dr.  Brassert,  Berghauptmann  in  Bonn. 
Dr.  Braun,  Justizrath,  Rechtsanwalt  in 

Berlin. 
Braun,  Ober-Ingen,  in  Pr.  Moresnet 
Freiherr  von  Bredow,  Rittmeister  im 

Königs-Husaren-Reglment  in  Bonn. 
Bredt,    Oberbürgermeister  in  Barmen, 


L 


344 


Yerzeiohniss  der  Mitglieder. 


Brendamour,  R.,  Inhaber  d.  Xylogr. 

Institute  in  Düsseldorf. 
B  ro  ioher,  Wirkl.  Qeh.-Rath  Excellenz 

in  Sinzig. 
TomBruok,  £mil>  Gom..Raih  in  Crefeld. 
Yom  Bruok,  Moritz,  Rentner  und  Bei- 
geordneter in  Crefeld. 
Brüggemann,  Hofrath  in  Aachen, 
le  Brou,  Chr.,  Archäolog  in  Brüssel. 
Dr.   Brunn,    ausw.    Seor.,   Professor   in 

München. 
Dr.  Bücheier,  Professor  in  Bonn. 
Büoklers,    Geheimer    Comroerzienrath 

in  Dülken> 
Höhere  Bürgerschule  in  Lennep. 
Burkart,  Stadt-Baumeister  in  Crefeld. 
Dt.  Bur8ian,  ausw.  Seor.,  Prof.  in  Jena. 
Buyx,  Qeometer  in  Nieukerk. 
Graf  von  Bylandt-Rheydt,  Haupt- 
mann a.  D.  und  Rittergutobesitzer  in 

Bonn. 
Cahn,  Albert,  Bankier  in  Bonn. 
Camphanse H)  Excellenz,  Wirkl.  Geh. 

Rath,  k.  Staatominister  a.  D.  in  Cöln. 
Camphausen,   August, Geh.  Coromer- 

zienrath  in  Cöln* 
Camphausen,  Cataster-Controleur  in 

Castellaun. 
Yon  Carnap,  Rentner  in  Elberfeld. 
Cassel,  Mttnzhändler  in  Cöln. 
Cauer,  C,  Bildhauer  in  Creuznaoh. 
Cauer,  R.,  Bildhauer  in  Creuznach. 
Celto,  Carl,  Gutsbesitzer  in  St  Wendel. 
Chrescinski,  Pastor  in  Cleve. 
Dr.    Christ,    Carl,    ausw*    Secretair  in 

Heidelberg. 
Das  ClTil-Casino  in  Coblenz. 
de  Ciaer,  Alex.,  Lieutenant  a.D.  und 

S teuerem pfänger  in  Bonn, 
de  C 1  a  e  r,  Eberhard,  Rentner  in  Bonn. 
Glasen,  Pfarrer  in  Königswinter. 
Clason,  Rentner  in  Bonn. 
ClaT6  Ton  Bouhaben,  Gutsbesitzer 

in  Cöln. 
Cohen,  Fritz,  Buchhändler  in  Bonn. 
Dr.  Conrads,    ausw.  Seor.,    Gymnasial- 

Oberlehrer  in  Essen. 
Dr/  Conze,  Professor  in  Wien. 
C  o  n  t  ze  n,  Oberbürgermeister  in  Aachen. 
Dr.  Cornelius,  Professor  in  München. 
C  r  e  m  e  r.  Regier.-  u.  Baurath  in  Aachen. 
Crem  er,  Pfarrer  in  Eohtz  bei  Düren. 
Dr.  Cudell)  AdTocat  in  Lüttich. 
Culemann,  Senator  in  HannoTcr. 
▼  on  Cuny,   Appellat.-'Ger.-Rath  a.    D. 

in  *  Berlin. 
Dr.  CurtiuB,  Professor  in  Berlin. 
Curtias,   Julius,    Inhaber  einer  ehem. 

Fabrik  in  Duisburg. 


Dapper,  Seminardirector  in  Boppard. 
Dr.  Decker,  Gymnasiallehrer  In  Neuss. 
Deichmann,  Geh.  Comm. -Rath  in  Cöln. 
Frau  Deiohmann-Schaaff  hauseOf 

in  Mehlemer-Aue. 
Dr.  Delius,  Professor  in  Bonn. 
Delius,  Landrath  in  Mayen. 
Doyens,  Polizei-Präsident  in  Cöln. 
Dieokhoff,  Baurath  in  Aachen. 
Dr.  Dilthey,  Professor  In  Zürich. 
Disch,  Carl,  in  Cöln. 
von  Ditfurth,  Oberst  u.  Oommandant, 

Haus  Dannkessel    bei   Rinteln    a.  d. 

Weser, 
Doetsch,  Bürgermeister  in  Gladbach. 
Dr.  Dognöe,  Eugen,  In  Lattich. 
Dominions,  ausw.  Seor.,  Gymn.-Director 
'   in  Coblenz. 

Dr.  D  r  e  w  k  e,  Advocatanwalt  in  Cöln. 
Dr.  Dümichen,    Professor  in   Strass- 

burg. 
Dr.  D  ü  n  t  z  e  r,  Prof.  u.  Biblioth.  in  Cöln. 
Dr.  Duhr,  prakt   Arzt  in  Coblenz. 
Dr.  Eckstein,    Rector  u.  Professor  in 

Leipzig. 
Dr.    Eichhoff,    Gymnasialdirector    in 

Puisburg. 
Eltester,   auswärt.  Seor.,  Archiyrath,  1« 

Staats-Arohivar  in  Coblenz. 
Graf  Eltz  in  Eltville. 
Emundts,    Joseph ,    Landgerichtsrath 

in  Aachen. 
Frh.  Y.  Ende,  Kgl.  Rog.-Präsident  in 

Düsseldorf. 
Dr.  Engels.  P.  H.,  Adyooat  in  Utrecht. 
Engelskirchen,  Architect  in  Bonn. 
Dr.  Ennen,  ausw.  Seor.,  städtischer  Ar- 

chivar  in  Cöln. 
Essellen,  Hofrath  in  Hamm. 
Essingb,  H.,  Kaufmann  in  Cöln. 
Evans,  John,  in  Nash-Mills  in  England. 
Dr.   Firmenich-Richarz,    Professor 

in  Bonn. 
Dr.  Fleokeisen,  Prof.  in  Dresden. 
Chassot  ▼.  Florencourt  In  Berlin. 
Dr.  Floss,  Professor  in  Bonn. 
Fonk,  Landrath  in  Rüdesheim. 
von  Fournier-Sflirlov^ze,  Adolph, 

Gutsbes.  auf  Haus  Cassel  b.  Rheinberg. 
Frank,  Gerichtsassessor  a.  D.  und  Fa- 
brikbesitzer in  Eschweiler. 
Franks,    August,  Conservator  am  BrU 

tish-Museum  in  London. 
Dr.  F renken,  Domcapitular  in  Cöln. 
Dr.  Freudenberg:  s.  Vorstand. 
Dr.      Friedländer,      Professor       in 

Königsberg  in  Pr. 
Dr.  Friedländer,  Julius,  Director  d. 

Königl.  Münzkabfnets  in  Berlin, 


Verzeiohnlss  der  Mitglieder. 


345 


Fr! Dg 8,  Eduard,  Fabrikant  u.  Qutsbe- 

sitzer  in  Uerdingen. 
Fachs,  Fet.,  Bildhaaer  in  C51n. 
Graf  Yon  Ffirstenberg,  Erbtruohsess 

auf  Sobloas  Herdringen. 
Freih.  y.  Fürth,  Landg.-Bath  in  Bonn. 
Dr.    Fulda,    Direotor    dea  Progy mna- 

siuniB  in  Sangerhausen. 
F  u  r  m  a  n  8,  J.  W»,  Kaufmann  in  Viersen. 
Dr.  Gaedeohens,  Professor  in  Jena, 
von    Galhau,    G.,      Gutsbesitzer    zu 

Wallerfangen. 
Dr.  GalifTe,  ausw.  Secr.,  Prof.  in  Genf. 
Garthe,  Hugo,  Kaufmann  in  Cöln. 
G  eb  h  a  r  d,  Commerzienrath  u.  Handels- 

gerichts-rräsident  in  Elberfeld. 
G  eiger,  Folizei-PrSsident  a.  D.,  in  CSln. 
Georgi,    C.   H.,  Buohdruckereibesitzer 

in  Aachen. 
Georgi,  W.,  Buchdl-uckereib.  in  Bonn. 
Dr.  Ger  lach,    Ludwig,    prakt.  Arzt  in 

Mannheim. 
Gerson,  Chemiker  in  Frankfurt  a.  M. 
Freih.  Ton  Geyr -Sohweppenburg, 

Rittergutsbesitzer  in  Aachen. 
Geuer,  Caplan  in  Süohteln. 
Gilly,  Bildhauer  in  Berlin. 
Dr.  Goebel,  Gymn.-Director  in  Fulda. 
Goldschmidt,    Prem.. Lieutenant    im 

40.  Infant-Reg.  in  Cöln. 
Goldschroidt,  Jos.,  Bankier  in  Bonn. 
Goldsohmidt,  Rob.,  Bankiel' in  Bonn. 
Gottgetreu,   Kegierungs«    u.  Baurath 

in  CSln. 
Graeff,  Landrath  in  Prüm. 
Greef,  F.  W.,  Fabrikant  in  Viersen. 
Dr.  Groen  van  Prinsterer  im  Haag. 
Dr.   Grotefend,      ausw.    Seeretair,     Ar- 

ohiyrath    und    1«£  Staats-ArchiTar  in 

Hannover. 
Dr.    Grüneberg,    Fabrikant   in    Kalk 

bei  Deutz. 
Director  Gruhl  für  die  Re41sohule  zu 

Mülheim  a.  d.  Ruhr. 
Guiohard,  Kreisbaumeister  in  Prüm. 
fiuiilOO,  ausw.  Soor.,  Notar  in  Roermond. 
Gymnasialbibliothek  in  Elberfeld. 
Gymnasialbibliothek  in  Aachen.. 
Gymnasialbibliothek  in  Neuss. 
Haagen,  Professor  in  Aachen. 
Haan,  Pfarrer  in  Saf6g. 
Dr.   Haakh,    ausw.  Secr.,  Professor  und 

Inspector  des  KSnigl.  Museums  vater- 
ländischer Alterthümer  in  Stuttgart. 
Habets,  J«,  Prits.  d.  aroh.  Ges.  d.  Hrz. 

Limburg,  Kaplan  in  Bergh  b.  Mastricht. 
Dr.  Hage m ans  in  BrüsseL 
▼  onHagens,  Appell.- Geriohtsr.  in  Cöln. 


Dr.  Halm,  Professor  and  Bibliotheks- 
Direotor  in  München. 

Hansen,  Deohnnt  u.  Pastor  in  Ottweiler. 

Dr.  Harle88,  ausw.  Secr.,  Archivrath  in 
Beriin. 

Dr.  Harnaok,  Prof.  in  Dorpat. 

Hart  wich,  Geh.  Oberbaurathin  Berlin. 

Dr.  Hasskarl  in  Clere. 

Haugh,  Senatspräsident  in  Cöln. 

Hauptmann,  Rentner  in  Bonn. 

Heckmann,  Fabrikant  in  Viersen. 

Dr.  Hegert,  Staats- Archivar  in  Düssel- 
dorf. 

Heimendahl,  Alexand.,  Commerzien- 
rath in  Crefeld. 

Dr.  Heimsoeth,  Professor  in  Bonn. 

Dr.  Heimsoeth,  Appellations- Gerichts- 
Präsident  in  Cöln. 

Ton  Heinsberg,  Landrath  in  Weve- 
linghoyen. 

Dr.  Hei  big,  2.  Secret.  dea  archäolog. 
Instituts  in  Rom. 

Henry,  Buch-  u. Kunsthändler  in  Bonn. 

Dr.  Henzen,  Professor,  1.  Secretär  d. 
archäol.  Instituts  in  Rom. 

Herbert z,  Balthasar,  Gutsbesitzer  in 
Uerdingen. 

Hermann,  Gustay,  Hauptmann  a.  D. 
zu  Bonn. 

Hermelin,  Architekt  in  Ginsheim  bei 
Mainz. 

Herstatt,  Eduard,   Rentner  in  Cöln. 

H  er  statt,  Jon.  Dav.,  Geh.  Commerzien- 
rath in  Cöln. 

Dr.  Heuser,  Subregens  u.  Prof.  in  Cöln. 

Dr.  Heydemann  in  Berlin. 

Heydinger,  Pfarrer  in  Schieid weiler 
bei  Schweioh. 

Freiherr  von  der  Heydt,  Excellenz, 
Staats-Minister  a.  D.  in  Berlin. 

Freih.  v.  d.  Hey  dt,  Bezirkspräsident 
in  Colmar. 

▼  on  der  Heydt,  Dan.,  Geheimer  Com- 
merzienrath in  Elberfeld. 

Dr.  Hilgers,  Director  der  Realschule 
in  Aachen. 

Dr.  Hilgers,  Professor  in  Bonn. 

Six  van  Hillegom  in  Amsterdam. 

Hochgürtel,  Buchhändler  in  Bonn. 

Freih.  yon  Hodenberg,  Regierungs- 
Rath  in  Cöln.  ^ 

Hoesch,  Gustar,  ICaufmann  in  Düren. 

Ho  esc  h,  Leopold,  Commerzienrath  in 
Düren. 

Hoffmeister,  Bürgermeister  in  Rem- 
scheid. 

Sc.  Hoheit  Erbprinz  ▼.  Uohenzollern 
zu  Schlots  Beqri^th  bei  Düsseldorf. 


346 


Verzeiohniss  der  Mitglieder. 


Freih.  ▼.  H($Tel»  Landrath  in  Esten. 
Freiherr    von     Hoiningen     genannt 

Huene,  Bergrath  in  Bonn. 
Dr,  Holz  er,  Domprobst  in  Trier. 
Graf  Alfr.    t.    Hompeschzu  ScMoss 

Rurioh. 
Hooft  Tan  Iddekinge,  J.  B.  H.,  za 

Paterwolde  (ProY.  Groningen). 
Hörn,  Pfarrer  in  Cöln. 
Dr.  Hotho,    Professor    u.  Direotor   am 

k«  Museum  in  Berlin. 
Dr«  HObner,   ausw-    Soor.,  Pi'ofessor    in 

Berlin. 
Dr.  Hflffer,  Professor  in  Bonn. 
Dr.  Hultsoh,  Professor  in  Dresden» 
Dr.    H  u  m  p  e  r  t,    Gymnasial .  Oberlehrer 

in  Bonn- 
H  u  p  6  r  t  zy  Generaldtrector  des  Meoher- 

nioherBergwerksTereins  in  Meohernieh. 
H  u  y  s  s  e  n,  Pfarrer  in  Coblenz. 
Jentges,  W.,  Kaufm.  in  Grefeid. 
Jö rissen,  Pastor  in  Alfter. 
Joest,  August,  Kaufmann  in  Cöln. 
Joe  st,  Eduard,  Kaufmann  in  Cöln* 
Joest,  Wilh.,  Geh.  Com.-Rath  in  Cöln. 
Isenbeok,  Julius,  Rentner  in  Wiesbaden. 
Dr.  Jumpertz,  Reotor    der   höh.  Bür- 
gerschule in  Grefeid. 
Junker,    Regierungs-    und  Baurath  in 

Coblenz. 
Kaestner,  Techniker  in  Neuwied. 
Kamp,   Jos.,    Gymnasiallehrer  in  Cöln 

(Martinsfeld). 
Karoher,     ausw.     Secr.,    Fabrikbesitzer 

in  Saarbrücken. 
Karthaus,    Carl,    Commerzienrath    in 

Barmen. 

Kaufmann,  Oberbürgermeister,  Mit- 
glied  des  Herrenhauses,  in  Bonn. 

▼  on  Kaufmann.Asser,  Jacob,  Kauf- 
mann u.  Rittergutsbesitzer  in  Cöln. 

Df.  K  ayser,  Seminar- Direotor  in  Büren« 

Dr.  KekuU,   Professor  in  Poppeisdorf. 

Keller,  O.,  Professor  zu  Freiburg  in 
Baden. 

Dr.  Kessel,  Pfarrer  in  Cöln. 

Dr.  Kiessling,  Prof.  in  Hamburg. 

Dr.  Klein,  Jos.,  Privatdocent  in  Bonn> 

Dr.  Klein,  J.  J.,  Gymnasial-Direotor  in 
Bonn. 

Pr.  Klette,  Professor  und  Bibliothekar 

in  Jena. 
Dr.  Klostermann,  Oberbergrath  und 

Professor  in  Bonn. 
K  n  o  1 1,    Joseph,    Buohdruckereibesitzer 

in  Düren« 
Dr.  Koeohly,  ausw.  Seor.,   Professor  in 

Heidelberg* 


Dr.  E  o  e  h  I  er,  Gymnasialdireotor    in 

Münstereifel. 
Koenig,  Bürgermeister  in  GieYe« 
Koenig^t  Commerzienrath  in  Cöln« 
Dr. Koenigsfeld,  Sanitätsrath n. Kreis- 

physikus  in  Düren. 
Dr.  Kortegarn,  Institutsdir«  In  Bonn. 
K  r  a  e  m  e  r ,    Hüttenbesitzer    in  Ingbert 

bei  Saarbrücken. 
Kraemer,  Kommerzienrath  o.  Hütten- 
besitzer in  Quint  bei  Trier. 
Dr.  K  r  a  f  f  t,  Consistorialrath  u.  Professor 

in  Bonn. 
K  r  a  f  f  t,  Geh.  Cabinetsrath  in  Wiesbaden. 
Kramarczik,  Gymnasial  -  Direotor    in 

Ratibor. 
Dr.  KraU8,  Prof.    und    ausw»    Soor,    in 

Strassburg. 
Se.  Bischöfl.  Gnaden  Herr  Krementz, 

Bischof  von  Ermland  in  Frauenburg. 
Krügor,  K.  Bauinspeotor  in  Berlin. 
Krupp,  Geb.  Commerzienrath  in  Essen. 
▼  on  Kühl  wette  r,    Oberpräsident    in 

Münster. 
Kyllmann,  Rentner  und  Stadtverord- 
neter in  Bonn. 
Dr.  Lamby,  Arzt  in  Aachen. 
Landau,  Heinr.,  Kaufmann  a*  Gruben- 
besitzer in  Coblenz. 
Dr*  Landf ermann.     Geh.    Reg.,     u. 

Pro«rinz.-Schulrath  in  Coblenz. 
Freiherr  t.    Landsberg-Steinfurt, 

Engelbert,  Gutsbes.  in  Drensteinfurt 
Dr.  Lange,  L.,  Professor  in  Leipzig. 
Dr.  Lange,  Kreiswundarzt  in  Duisburg. 
Langen,  J.  J.,  Kaufmann  in  Cöln. 
Freiherr  Dr.  de  laValette  StGeorge, 

Professor  in  Bonn. 
Dr.  Leemans,  Dir.  d.   Reichsmuseums 

d.  Alterthümer  in  Leiden. 
Leiden,  Damian ,    Commerzienrath   in 

Cöln. 
Leiden,  Franz,  Kaufmann  u.   nieder!. 

Consul  in  Cöln. 
Leydel,  J.,  Rentner  zu  Bonn. 
Lempertz,  M.,  Buchhändler  in  Bonn. 
Lempertz,  H*,  Buchhändler  in  Cöln* 
van  Lennep  in  Zeist. 
Dr.  Lentzen,  Pfarrer  in  Oekhoven  bei 

Grevenbroich* 
Dr.  Leonardy,  J.,  in  Trier. 
Lese  ge  sei  Isohaft,     katholische,    in 

Coblenz. 
Dr.    von  Leutsoh,  Professor  in  Qöt- 

tingen. 
Lewis,    S>  S*,    Professor    am  Corpus 

Christi-Collegiam  zu  Cambridge* 
von  der  Leyen,  Emil,  in  Crefeld. 


I 


Yerzeiohniftfl  der  Mitglieder. 


347 


Freili.  t.  Leykam  in  Elsam. 

Llebenow,  Geh.  Revisor  in  Berlin. 

Dr.  Lindensohmit,  Conserrator  des 
röm.-germ.  CentralmaBeams  in  Mainz. 

Graf  von  L  o  ^  auf  Sohloss  Wissen  bei 
Geldern. 

Freih*  ▼•  ho'ij  Generalmajor  in  Frank- 
furt a.  M. 

Dr.  Loersoh,  Professor  in  Bonn* 

Loeschigk,  Rentner  in  Bonn. 

Dr.  Loh  de,  Professor  in  Berlin. 

deLongp6rier,  membre  de  Tlnstitut 
in  Paris. 

Dr  Lubbert,  Prof*  in  Giessen. 

Dr.  Lucas»  Geh*  Roglerangs-  a.  Prov.- 
Schulrath  in  Coblenz- 

Ludwig,  Bankdireotor  in  Darmstadt* 

Dr.  y.  LObke,  ausw.  Secr.,  Professor  in 
Stuttgart. 

M&rtens,  Bauinspeotor  a-  D.  In  Bonn* 

MarouB,  Buchhändler  in  Bonn. 

Dr.  Marmor  in  Constanz. 

Yon  Marr^eSf  Kammerpräsident  in 
Coblenz. 

Se.  bisch.  Gnaden,  Dr.  Konrad  Mar- 
tiuj  Bisehof  Ton  Paderborn. 

Dr.  Meeks  R.  Eduardson  aus  Yal- 
paraison  (Chili). 

Freiherr  yon  Med em,  Fr.  L.  C-,  Kgl. 
Arohiyrath  a.  D.  zu  Homburg  y.  d. 
H5he. 

Dr.  M  e  h  1  e  r,  Gymnasialdireotor  in  Sneek 
in  Holland. 

Dr.  Mendelssohn,  Professor  in  Bonn. 

Merkens,  Franz,  Kaufmann  in  Cöln. 

Merlo,  J.  J.,  Rentner  in  Cöln. 

Merlo,  Chr.  J.,  in  Cdln* 

Dr.  Messmer,  Prof.  in  München. 

Meyissen,  Geh.  Commerzienrath,  Prä- 
sident der  rheinischen  Eisenbahn- Ge- 
sellschaft in  Cöln. 

Dr.  MiehaeliSi  Professor  in  Strass- 
burg. 

Michels,  G.,  Kaufmann  in  Cöln. 

Milani,  Kaufmann  in  Frankfurt  a.  M. 

Dr.  Milz,  Gymnasiallehrer  in  Aachen. 

Wilh.  Graf  y.  Mirbaoh,  zu  Sohloss 
Harff. 

Frhr.  yon  Nirbach,  Reg.- Präsident,  a. 
D.  in  Bonn. 

Graf  MÖrner  y.  Morlande  in  Bonn. 

Mohr,  Professor,  Dombildhauer  in  Cöln. 

Dr.  Moll,  Professor  in  Amsterdam. 

Dr.  Mommsen,  Professor  in  Berlin. 

Dr.  Montigny,  Gymnasiall-  in  Coblenz. 

Dr.  Nooron,  ausw.  Secr.,  Pfarrer,  Prä- 
sident d.  hist.  Vereins  f.  d.  Kiederrhein, 
in  Waohtendonk* 


Morsbaoh,  Institntsdirector  in  Bonn. 

Dr.  Mosler,  Prof.  am  Seminar  in  Trier** 

MoyiuB,  Director  des  Schaaffh.  Bank- 
yereins  in  Cöln. 

Mülhens,  P.  J.,  Kaufmann  in  Cöln. 

Dr.  Müller,  Albert,  Gymnasial-Direotor 
zu  Ploon  in  Holstein. 

Müller,  Pastor  in  Immekeppel. 

yon  Müller,  Rittergutsbes.  zu  Burg- 
Metternich  bei  Weilerswist. 

K.  K.  Münz-  u.  Antiken-Cablnet  in  Wien. 

Museen,  Königl.  in  Berlin. 

Mns6e  royal  d^Antiquit^s,  d^Armures 
et  d'Artillerie  in  Brüssel. 

yon  Musiel,  Laurent,  Gutsbesitzer  zu 
Sohloss  Thorn,  bei  Saarburg. 

Dr.  Nels,  Kreisphysicus  in  Bittburg. 

Neu,  Ober-Pfarrer  in  Bonn. 

yon  Neufville,  Wilh*,  Gutsbesitzei  in 
Bonn. 

yon  Neufville,  Bald.,  Rittergutsbe- 
sitzer in  Bonn. 

Neumann,  Bau«Inspector  in  Bonn. 

Nick,  Pfarrer  in  Salzig  bei  Boppard. 

Niessen,  Conservator  des  Museums 
Wallrafif-Rlchartz  in  Cöln. 

Dr.  Nissen,  H.,  Professor  in  Marburg. 

N  ob  Hing,  Geh.  Baurath  u.  Strombau- 
direktor in  Coblenz. 

Dr.  Nöggerath:  s.  Vorstand. 

Freiherr  von  Nordeck,  Rittergutsbos* 
auf  Hemmerich. 

Dr.  Oidtmann,  Lihaber  eines  Glas- 
malerei-Instituts in  Linnloh. 

Oppenheim,  Dagobert,  Geh.  Regie- 
rungs-Rath,  Director  d.  Cöln-Mindener 
Eisenbahn- Gesellschaft  in  Cöln. 

Freiherr  von  Oppenheim,  Abraham, 
Geheim.  Commerz- -Rath  in  Cöln. 

Oppenheim,  Albert,  Königl.  Sachs. 
General-Consul  in  Cöln. 

Freiherr  von  Oppenheim,  Eduard,  k* 
k.  General-Consul  in  Cöln. 

Otte,  Pastor  in  Fröhden  b.  Jüterbogk. 

Graf  Ouwaroff  in  Moskau. 

Dr.  Overbeok,  ausw.  Secr.,  Professor  in 
Leipzig. 

von  Papen,  Prem.-Lleut.  im  5.  Ulanen 
Regiment  in  Werl. 

Dr.  Pauly,  Rector  in  Montjoie. 

Pfeiffer,  Peter,  Rentner  in  Düren. 

Peill,   Rentner    in  Bonn. 

P  epys,  Director  d.  Gasanstalt  in  Cöln. 

Dr.  von  Pencker,  Ezcellenz,  General 
der  Infanterie  in  Berlin. 

Pferdem enges,  Commerzienrath  in 
Rheydt. 

Pick:  s.  Vorstand. 


348 


VerseichDiBfl  der  Mitglieder. 


Dr.  Pipor,    auBw.    Soor.,    Professor    io 

Berlin. 
Pr.  Piringer,   ausw.  Secr.,  kaiserLBath 

und  Gymn.-Dir*  in  Kremsmünster. 
Dr.  Pitsohkei  Rentner  in  Bonn. 
Plassmann,    Ehrenamhnann    u.  Qats- 

besitzer  in  Allehof  bei  BaWe. 
PlOyte,  W.,  ausw.  Secr.y  Conseryator  am 

Reichs  -  Museum    der    Alterthümer  in 

Leiden.  ^ 
Dr.  Plitt,  Professor,  Pfarrer  in  Dossen- 

heim  bei  Heidelberg. 
PoensgeUy  Alb.,  Fabrik,  in  Düsseldorf. 
Dr.   Pohl,  ausw.  Seor.,  Reotor    in  Linz. 
Poly  te  ohnioum  in  Aachen, 
von    Pommer-Eschey    Geh.    Regie- 

rungsrath  in  Berlin. 
P  o  e  r  1 1  n  g,  Bergwerksdirector  In  Imme- 

kep|>el. 
Dr.  Prieger,  Rentner  in  Bonn. 
Prinzen,    Handelsgeriohts-PrKeident  in 

M.-Gladbach. 
Dr.  Probst,  Gymnasialdirector  in  Essen. 
Freiherr  Dr.  von  Proff-Lrnich,  Land- 

geriohtsrath  in  Bonn. 
Progymnasium  in  Gladbach. 
Pütz,  Professor  in  Cöln. 
Quaok,    Advokat    u.   Bankdireotor    In 

M.-Gladbach. 
Radersohatt,  Fabrikbesitzer  in  Cöln. 
Sr.  Durchlaucht    Prinz    Edmund   Rad-- 

ziwill,  Weltpriester  in  Warmbronn. 
T.  Randow,  Raufmann  in  Crefeld. 
Dr.  Rapp,  Rentner  in  Bonn. 
Raschdorff,  Königl.  Baurath  in  Cöln. 
von  Rath,  Rittergutsbesitzer  u.  Prftsid. 

d.  landw.  Vereins  für  Rhcinpreussen, 

in  Lauersfort  bei  Crefeld. 
vom  Rath,  Carl,  Kaufmann  in  Cöln. 
vom  R ath,  Theod., Rentner  in  Duisburg. 
Rautenstraucb,  Valentin,  Kaufmann 

in  Trier. 
Meester  de  Ravestein,  Diplomat   zu 

Sohloss  Ravestein. 
von  Reoklinghausen ,  W.,  Bankier 

in  Cöln. 
Dr.  Rein,  ausw.  Secr.,  Director  a.  D.  in 

Crefeld. 
Dr.  Reinkens,  Pfarrer  in  Bonn. 
Remy,    Hermann,     Höttenbeaitzer    zu 

Alfer  Eisenwerk  bei  Alf. 
Rennen,  Geh.  Rath,  Director  d.  Rhein. 

£isenb..GesellBohaft  in  Cöln. 
Dr.   von  Reumont,   Geh.   Legations- 

rath,  in  Bonn. 
Reusoh,  Kaufmann  In  Neuwied. 
Dr.  Rio  harz.  Geheim.  Sanitätsrath  iir 
Endenich. 


Dr.  du  Rieu,  SeoretSr  d.  Soc.  f.  Niederl. 

Litteratur  in  Leiden. 
Frhr.    v.    Rigal-Grunlandin  Bonn. 
Dr.   Ritter:  s.  Vorstand. 
Robert,  membre  de  Tlnstitut  in  Paris, 
9,  rue  de  St.  Bres. 

Roen,  Baumeister  In  Burtscheidt. 

Roos,  Regierungsrath    u.    Oberbürger- 
meister in  Crefeld. 

Rot t eis,  H.  J.,  Notar  in  Düren. 

Dr.  Roulez,  ausw.  Secr.,  Prof.  in  Gent. 

Dr.  Rovers,  Professor  in  Utrecht. 

Rummel,  Ehren-Domherr n.  Dechant in 
Kreuznach. 

Rampel,  Apotheker  in  Düren. 

Dr.  Saal,  Professor  in  Cöln.  ' 

Baron  de  Salis  in  Metz.  ' 

Se.  Durchlaucht  Fürst  zu  Salm-Salm 
in  Anholt. 

Graf  von  Salm-Hoogstraeten,  Her- 
mann zu  Bonn. 

Salzenberg,    Geh.  Ober -Baurath   in 
Berlin. 

von  Sandt,  Landrath  In  Bonn. 

Dr.  Sauppe,    Hofrath   n.  Professor  in 
Göttingen. 

Dr. Schaaffhausen,  Geh.  Medicinal- 
Rath  u.  Professor  in  Bonn. 

Schaaffhausen,  Theod.,  Rentner  in 
Bonn. 

Dr.  Schaefer,  Prof.  in  Bonn. 

Schaefer,  GrSfi.  Renessesoher  Rentm. 
in  Bonn. 

Dr.  Schalk,    SecretKr  des*  AHerthums- 
Vereins  in  Wiesbaden. 

Dr.  Sohauenburg,  Director    d.  Real- 
schule in  Crefeld. 

von   Schaumburg,    Oberst  a.  D.   in 

•  Düsseldorf. 

Schoben,  Wilhelm,  in  Cöln. 

S  ch  e  d e  n,  Pfarrer  in  Brühl. 

Scheele,  Postdirector  in  Frankfurt « .  M. 

Dr.  Soheere,  ausw.  Secr.,  in  Nymegen. 

Scheibler,   Leopold,   Commerzienrath 
in  Aachen. 

S  c  h  e  p  p  e,  Oberst-Lieutenant  u.  Bezirks- 
Commandeur  in  Boppard. 

Dr.  So  her  er,   Professor  in  Strassburg. 

Schickler,  Fer din. ,  in  Berlin. 

Schilling,  Adrokatanwalt  beim  Appell- 
hof  in  Cöln. 

Schillings-Englerth,  Bürgermeister 
in  Gürzenich* 

Schimmel busch,     Hüttendlrector    in 
Hochdahl  bei  Erkrath. 

Schleicher^  ^  Carl,     Commerzienrath 
in  Düren. 

Dr.  S  ohl  0  tt  m«  nn,  Prof.  in  Halle  a*  S, 


I 


I    II 


Terzel^ihniM  der  Mitglieder. 


349 


\ 


Dr.  Sohlünkes,  Probst  an  dem  CoUe- 
giatstill  in  Aachen  ^ 

Schmelz,  C.  O.,  Kaaftnann  in  Bonn. 
Schmidt,  Pfarrer  in  Crefeld. 
Sohmidt  BaumeiBter  in  Eltville. 
Dr.  Schmitts   aasw.  Secr.,  Arzt  in  MQn- 

atermaifeld. 
Sohmidt,  Oberbaurath  u.  Prof.  in  Wien. 
Schmithals,  Rentner  in  Bonn. 
Dr.  Sehmits,  Arzt  in  Viersen. 
Dr.  Schmitz,  Deohant  u.  Schulinspeo- 

tor  in  Zell. 
i>r»   Sobneldefy    auaw.  Seor«,  Professor 

in  Düsseldorf. 
Dr.    Schneider,     Q7mnas.-Oberlehrer 

in  C51n. 
Sohoemann,     Stadtbibliothekar  und 

erster  Beigeordneter  in  Trier. 
Prinz    Sohonaich-Carolath,     Berg- 

haaj^tmann  in  Dortmund. 
Scholl,    Outsbesitzer    zu    Theresien- 

Orabe. 
Schorn,  Baumeister  in  Ueppens* 
Sohroeder,  Landg.-Rath  in  Aachen. 
Dr.  Schroeder,  Professor  in  Würzbnrg. 
Sohroers,  Daniel,   Beigeordneter   und 

Fabrikbesitzer  in  Crefeld. 
Dr.  Schubart,  Bibliothekar  In  Cassel. 
Dr-  Schubert,    Aeadem.    Lehrer   und 

Baurath  In  Bonn. 
S  o  hw  an,  stSdt.  Bibliothekar  in  Aachen. 
Schwartze,     Eduard    Wilhelm,     jr  , 

Kaufmann  in  Kfippersteeg. 
Sohwickerath,   C.  J.,    Kaufmann 

Ehrenbreitstein. 
Seydemann,  Architect  in  Bonn* 
Ton  Seydlitz,  Qeneralmajor  z.  D. 

Honnef. 
Seyffarth,  Reg. -Baurath  in  Trier. 
Dr.  Simrock,  Professor  in  Bonn. 
Dr.  Baron  Sloet   Tan  de  Beele,  L. 
A.  J.  W.,  Mitglied  der  Ronigl.  Aoad. 
der  Wissenschaften  zu  Amsterdam,  in 
Araheim. 
Se.  Durchlaucht    Prinz  Albrecht    zu 

Sei  ms  in  Braunfels. 
Ton  SpankerA,  Reg. -Präsident  a.  D., 

in  Bonn. 
Freiherr  v.  Spie s-Bülles heim,    Ed., 
KSnigl.  Kammerherr  u.  Bürgermeister 
auf  Haus  Hall. 
Spitz,    Hauptmann    im  69.   Infanterie- 
Regiment  in  Mainz. 
Dr.  Springer,  Professor  in  Leipzig. 
Die  Stadt-Biblio-thek   zu  Frankfurt 

am  Main. 
Dr.  Staelin,  Oberbibliothekarin  Stutt- 
gart. 


in 


in 


Dr.  Stahl,  Gymnasial.Oberlehr.in  ClJln. 
Stahlknecht,  H.,  Rentner  in  Bonn. 
Dr.  Ständer,  Uni v.-Bibl.-Secr.  in  Bonn. 
Dr.  Stark,  ausw.  Seor.,  Hofrath  u.  Prof. 

in  Heidelberg. 
Startz,,  Aug-,  Kaufmann  in  Aachen. 
Statz,  Baurath  und  Diooesan- Architect 

In  Cöln. 
S te in b ach,  Fabrikant  in  Malmedy. 
Stier,  Hauptmann  z.  D.  in  Breslau. 
Dr.  Stier,    Ober- Stabs-  und   Garnison-. 

Arzt  in  Breslau. 
Die  Stifts. Bibliothek  in  Oebringeni 
Stifts-Bibliothek  zu  St.  (>allen. 
Stinnes,    Gustav,    Kaufmann   in  Mül- 
heim a.  d.  Ruhr. 
Dr.  T.  S  tintzing.    Prof.    u.   Geheimer 

Justizrath  in  Bonn. 
GTÄti.    Stollbergsche    Bibliothek 

in  Wernigerode. 
Dr,  Straub,    ausw.  Seer.    und  General. 

Secretair  des  Bisthums  zu  Strassbnrg. 
Strauss,  Buchhändler  in  Bonn. 
Ton  Strubberg,  General  -  Major  und 

Brigade-Commandeur  in  Coblenz. 
Stumm,  Carl,  Uüitenbesitzer  in   Neun- 
kirchen. 
Suermondt,  Rentner  in  Aachen. 
Dr.  von  Sybel,  Professor  in  Bonn. 
Te  Schema  eher,   Advocat- Anwalt    in 

Saarbrücken. 
Dr.  Thiele,  Director   d.  Realschule   u. 

d.  Progymnasiums  in  Barmen. 
Thissen,  Dom^pitular   in  Limburg  a. 

d.  Lahn. 
Thoma,  Architekt  in  Bonn. 
T  r  i  n  k  a  u  s,  Chr. ,  Bankier  in  Düsseldorf. 
Dr.  Ueberfeldt  in  Essen. 
Dr.  Unger,  Prof.  u.  Bibliothelcseoretär 

in  Gottingen. 
Dr.  Ungermann,   Grymnasiallehrer  in 

Coblenz. 
DieünlTersii-Bibliothek  in  Basel. 
Universitäts-Bibliothek  zu  Frei- 
burg. 
Die    Universitäts. Bibliothek    in 

Gottingen. 
Die  Unirersitäts  -  Bibliothek  in 

Heidelberg. 
Die   Universitäts.  Bibliothek    in 

Königsberg  i.  Pr. 
Die    Uniyersitäts-Bibliothek     in 

Löwen. 
Die  UniTorsitäts  •  Bibliothek    in 

Lüttich. 
K.  K.  Universitäts-Bibliothek  in 

Prag. 
Dr.  Usener,  Professor  in  Bonn. 


350 


VerzeiohnisB  der  Mitglieder. 


Dr.  Vahleo,  Professor  in  Wien. 

Dr.  Veit,  Professor  u.  Geh.  Medioinal- 

Bath  in  Bonn. 
Yelbagen.  Jos.,  Rentner  in  Bonn. 
Der  Verein,    antiquarisch -historisohe, 

in  Krettznach. 
Dr.  Vermeulon,  ausw.  Soor.,  Uniyers.-  u. 

ProYinz.-Archivar  in  Utreoht. 
Vi  eh  off,  Professor  u.  Di  roctor  d.  Real- 

und  Gewerbeschule  in  Trier. 
Viileroi,    Ernest,   Fabrikant  in    WaU 

lerfangen. 
Graf  Yon   Villers,   Regier.  -  Präsident 

in  Frankart  a.  d.  Oder. 
Dr.  Vi80her,  ausw.  Secr.,  Prof.  in  Basel. 
▼  an  Vleuten,  Rentner  in  Bonn. 
Voigt el,   Bauinspector    und    Dombau- 
meister in  Goln. 
Voigtländer,  Buchhdl.  in  Kreuznach. 
Dr.  Wach,  Professor  in  Bonn 
Dr.  Wagen  er,  Professor  in  Gent. 
Wagner,  Notar  in  MUlheim  a/R. 
Dr.  de  Wal,  Professor  in  Leiden. 
Waldthausen,  Jul.,  Kaufm.  in  Essen. 
Wandesieben,  Friedr.  zu  Stromberger 

Neu  hatte  bei  Bingerbrück. 
yonWa8ielewski,Oberstz.D.  zuBonn. 
Prof.    Dr.    Watterich,     Kgl.     Dirisions- 

pfarror  in  Strassburg. 
Weber,  Adyocat- Anwalt  in  Aachen. 
Weber,  Buchhändler  in  Bonn. 
Weber,  Pastor  in  Ilsenburg. 
Dr.  aus*m  Weerth:  s.  Vorstand, 
de  Weerth,  Aug.,  Rentn.  in  Elberfeld. 
Dr.  Wegeier,    Geh.    Medicinalrath  in 

Goblenz. 
Weiss,  Professor,  Director  d.  k.  Kupfer- 

stiohkabinets  in  Berlin. 
Wendelstadt,  Victor,  Commerzienrath 

in  Cöln. 


Werner,  Gymnasialoberlehrer  in  Bonn, 
tr.  Werner,  Kabinetsrath in  DSsseldorf. 
Werners,  Bürgermeister  in  Düren. 
Dr.  West  erhoff,  in  Warfam. 
Westermann,  K aufmann  in  Bielefeld. 
Se.  Durchlaucht  Fürst  W  i  e  d  su  Neuwied . 
Dr.  Wie8el6r,  ausw.   Secr.,  Professor  in 

GStüngen. 
W i  e  t  h  a  s  e,  Königi.  Baumeister  in  C51a. 
Dr.  W  i  1  m  a  n  n  s,  Prof.  in  Strassburg. 
Dr.  Wings,  Apotheker  in  Aachen. 
Dr.    Wittenhaus,    Rector  der  höhern 

Bürgerschule  in  Rheydt 
Wohlers,  Geh.  Oberfinanzrath  u.  Pro- 

▼inzial-Steuerdirector  in  Cöln. 
▼.  Wolff)  Regierungspräsident  in  Trier. 
Wolf,  Caplan  in  Caloar. 
Dr.  Wolf f|    H.,  Geheim.    Stanitätsrath 

in  Bonn. 
Wolff,  Kaufmann  in  C51n. 
Wolff,  Commerzienrath  in  M.  Gladbach. 
Dr.  Wolters,  Superintendent  in  Bonn. 
Dr.  Weltmann,  Prof.  in  Garlsruhe. 
V  o  n  Wr  i  g  h  t,  Oberst-Lieut.  In  Goblenz. 
Wuerst,    H.,   Hauptmann    a.   D.    und 

Kreissecretär  in  Bonn. 
Wüsten,  Gutsbesitzer  in  Wüstenrode  b. 

Stolberg. 
Dr.    Wulfe rt,    Gymnasial- Director  in 

Kreuznach. 
Würz  er,  Friedensrichter  In  Bitburg. 
Wurzer,  Notar  in  Siegburg. 
Dr.  Zartmann,   Sanitätsrath  in  Bonn. 
Zervas,  Joseph,  Kaufmann  in  C61n. 
Zimmermann,  ausw.  Secr.,  Notar  in  Man- 

derscheid. 
▼  on  Zacoalmaglio,   Notar   in    Gre- 
venbroich. 
Zumleh,  Rentner  in  Münster. 


Auaaerordentliohe  Mitoileder. 


Dr.  Arendt  in  Dielingen. 

Dr.  Ars&ne  de  Noüe,  Adyocat. 
in  Malmedy. 

C  o  r  r  e  n  s,  Maler  in  München. 

Connestabile,  Carlo,'  Graf  in  Perugia. 

Engelmann,  Baameister  in  Kreuznach. 

Feiten,  Baumeister  in  Coln. 

G.  Fiorelli,  Intendant  d.k.  Museen  in 
Neapel. 

Dr.  Förster,  Professor  in  Aachen. 

Gamurrini,  Director  des  etrusk.  Mu- 
seums in  Florenz. 

Gen  gl  er,   Domcapitular  und  General- 
Vicar  des  Bisth.  Namur,  in  Namur. 

Hei  der,  k.  k.  Sectionsrath  in  Wien. 

Hermes,  Dr.  med.  in  Remicb. 


P.  Lanciani,  Architeot  in  Rayenna. 

Lansens  in  Brügge. 

Lucas,    Charles,   Arehitect,  Sous-In- 

specteur   des  travaux   de  la  ville  in 

Paris. 
Melle,  Eduard,  Graf  in  VerceUi. 
M  i  0  h  e  1  a  n  t,  Biblioth^oaire  au  dept.  du 

Manuscrits  de  la  Bibl.  Imper.  in  Paris. 
Paulus,  Topograph  in  Stuttgart. 
Promis,  Bibliothekar   des  Königs  von 

Italien  in  Turin. 
J.  B.  de  Rossi,  Arohäolog  in  Rom. 
Seh  lad,  Wilh.,  Buchbindermeister  und 

Bürger  in  Boppard. 
Schmidt,  Major  a.  D.  in  Kreuznach. 
D.  L.  Tosti,  Abt  in  Monte-Cassino. 


Yerxelohnisa  der  Mitglieder. 


351 


Vendicliiiss 

sämmtlicher  Ehren-,  ordentlicher  und  ausserordentlicher  Mitglieder 

nach  den  Wohnorten. 


Aachen:  ▼  Ark.  Book.  Bräggemann. 
Contzen.  Cremer.  Dieokhoff.  £mandt8. 
Foerster.  Qeorgi.  Qymnasialbibliothek. 
Hilgers.  von  Geyr  -  Schweppenburg. 
Uaagen.  Lamby.  Mila.  ^olyteohni- 
oum.  Soheiblor.  Sohlänkes.  Sohroeder. 
Schwan,  Startz.  Sürmondt.  Weber. 
Wings. 

Abentheaerhütte:  Boeckiog. 

Alfer-EiBOnwerk:  Remy. 

Alfter:  Jörissen. 

A  1 1 0  h  0  f :  Plassmann. 

Alter külz:  Bartels. 

Amsterdam:  Boot,  yan  Hillegom. 
MoU. 

Anholt:    Achterfeldt    Fürst  zu  Salm. 

Arnheim:  Baron  Sloet 

Asbaoher  Hütte:  Boeokiog. 

Barmen:    Bredt.  Karthaus.   Thiele. 

Basel:    Universitätsbibliothek.  Yischer. 

Bergh:  Habefs. 

Berlin:  Aohenbaoh.  Adler.  Aegidl. 
▼on  Bethmann  -  HoUweg.  Boetticher. 
Braun,  von  Guny.  Cartius.  Har- 
less.  Hartwich.  t.  Florenoourt.  Fried- 
ender. GeneraWerwaltung  d.  k.  Mu- 
seen. Qilly.  Heydemann.  t.  d.  Heydt. 
Hotho.  Hübner.  Krüger.  Li^benow. 
Lohde.  Mommsen.  y.  Mühler.  y. 
Peuoker.  t.  Pommer-Esche.  Piper. 
Salsenberg.  Sohiokler.  Weiss. 

Beromünster:  Dr.  Aobi. 

Bielefeld:  Westermann. 

B  1 1  b  u  r  g  :    Nels.    Wursser. 

Bonn:  Achterfeldt  Bauerband.  Ber- 
nays.  Bin«.  Blahme  sen.  Bodenheim. 
Bouyier.  Brassert  y.  Bredow.  BüehO' 
1er.  Qrafyon  Bylandt.  Gähn.  DeClaer, 
AI.  De  Claer,  Eb.  Clason.  Cohen,  y. 
Deohen.  Delius.  y.  Diergardt.  Engels- 
kirohen.  Firmenioh-Riohartz.  Floss. 
Freudenberg.  yon  Fürth.  Qeorgi. 
J.  Qoldsohmidt.  B.  Goldtschmidt. 
Hauptmann.  Heimsoeth.  Hermann. 
Henry.  Hilgers.  Hoohgürtol.  vonHoi-' 
ningen.  Hüffer.  Hnmpert.  Kaufmann. 
Kekul6.  Dir.  Klein.  Jos.  Klein.  J.  J. 
Klostennann.  Kortegam.  Krafft  KyU- 
mano*  de  .la  Valette  St.  Qeorge. 
Lempertz.  Leydel.  Loersoh«  Loesohigk. 
HSrtens.  Marcus.  Mendelssohn,  y. 
Mirbaoh.  Qraf  MSrner.  Morsbach. 
Neu.  y.  Nenfyille,  Bald.  y.  Neufyilley 
Wilh.     Kenmann.    NSggeratfa.   PeiU. 


Pitsobke.  Prieger.  y.  Proff-Imich. 
Rapp.  Reinkens.  y.  Reumont.  y.  Rigal. 
Ritter.  Graf  von  Salm-Hoogstraeten. 
von  Sandt.  SchaafFhausen,  Hermann. 
Schaaffhaasen,  Th.  Schaefer.  Arn. 
Sohaefer.  Schmelz.  Sohroithals.  Schu- 
bert. Seydemaipo.  Simrock.  v.  Span- 
keren.  Stahiknecht.  Ständer,  v.  Stint- 
zing.  Strauss.  v.  Sybel.  Thoma.  Use- 
ner.  Veit.  Velhagen.  y.  Vleuten.  Wach, 
y.  Wasilewski.  Weber.  Werner.  WolflF, 
H.   Wolters.    Wurst.  Zartmann. 

B  o  p  p  a  r  d  :    Bendermacher.    Dapper. 
Scheppe.  Soblad. 

Braunfois:  Prinz  Solms. 

Breslau:    Stier.  Stier. 

B  rügge:  Lansens. 

Brühl:  Alleker.  Scheden. 

Brüssel:  leBrou.  v. Hagemans.  Mus^e 
Royal. 

Büren:  Kayser. 

Burtscheid:  Roen. 

€aloar:  Wolf. 

Cambridge:  Lewies, 

Garlsruhe:  Brambach.     Weltmann. 

Cassel  (Haus):  v.  Fournier. 

Gas  sei:  Sohubart. 

Gastellaun:  Camphausen. 

Cleve:  Chrescinski.     Hasskarl.  Koenig. 

C  o  b  1  e  n  z  :  Baedeker,  y.  B  ardeleben. 
Givil-Gasino.  Dominions.  Duhr.  El- 
tester. Huyssen.  Junker.  Landau.  Land- 
fermann.  Lesegesellsohaft.  Lucas, 
y.  Marr6es-  Montigny.  Nobiling.  y. 
Strubberg.  Ungermann.  Wegeier,  von 
Wright. 

Göln:  Avenarius.  Baohem.  v.  Bernuth. 
Bigge.  Gamphausen.  Gamphausen,  Aug. 
Gassei.  Glavö.  v.  Bouhaben.  Deich« 
mann.  Devons.  Disoh.  Drewke.  Düntzer. 
Ennen.  Essingh.  Feiten.  Frenken. 
Fuohsl  Garthe.  Geiger.  Goldsohmidt. 
Gottgetreu,  v.  Hagens.  Haugh.  Heim- 
soeth. Herstatt,  Ed.  Herstatt,  Joh.  Dav. 
Heuser,  v.  Hodenberg.  Hörn.  Joest, 
August.  Joest,  Ed.  Joest,  Wilhelm. 
Kamp,  von  Kaufmann-Asser.  Kessel* 
Königs.  Langen.  Leiden,  Dam. 
Leiden,  Fr.  Lempertz^  H.  Merkens. 
MerlO}  J.  Merlo,  G.  Mevissen.  Michels. 
Mohr.  Movius.  Mülhens.  Niessen. 
Frh.  y.  Oppenheim^  Abraham.  Op- 
penheim, Albert  Oppenheim,  Dago- 
bert    Frh.   y.  Oppenheim,     Eduard. 


362 


Verseichnisft  der  Mitglieder. 


Pepys.    Pütz.     Raderaoliatt      Rasoh- 

dorfif.      Y.    Rath,    Carl.     y.  Reokling- 

hausen.     Rennen.      Saal.      Beheben. 

Schilling.    Schneider.    Scholl.     Stahl. 

Statz.     Voigtel.     Wendelstadt.    Wiet- 

hase.    Wohlers.    Wolff.    Zervas. 
Colmar:  v.  d.  Ueydt. 
Conatanz:  Masmor. 
Crefeld:  v.  Beokerathi  Heinr.  Leonh. 

Boehncke.    ▼.  Brück,  Emil.  v.  Brück, 

Moritz.  Burkart.  Heimendahl.  Jentges. 

Jumpertz.     Ton  der  Leyen,  EmH.     t. 

Randow.    Rein.    Roos.     Schaaenburg. 

Schmidt.    Schroers. 
üarmstadt:  Bossler.   Ludwig. 
DannkesBel,  Haus:  v.  Dittfurth. 
Dielingen:  Arendt 
Donaueschingen:  Fürstl.  Bibliothek. 
D  o  r  p  a  t :    Harnack. 
Dortmund:  Prinz  SchiSnaich. 
DoBsenheim:  Pütt 
Drenstelnfurt:  Frh.  y.  Landsberg. 
Dresden:  Fleckeisen.     Hultsch. 
D ulken:  Bücklers. 
Düren:  Bogen,  Hoesch,  Gust.  Hoesch, 

Leop.     KnoU.     Königsfeld.      Pfeiffer. 

Rotteid.  Rumpel.  Schleicher.  Werners. 
Düsseldorf:  Brendamour. Frh« y. Ende. 

Erbprinz    von   Uohenzollern.    Hegort. 

Poensgen.  v.  Schaumburg.   Schneider. 

Trinkaus.     y.  Werner. 
Duisburg:  Böninger.     Curtius.     Eich- 

hoff.    Dr.  Lange,    y.  Rath. 
Bchtz:  Cremer. 

Ehren  breitstein:  Schwiekerath. 
Elberfeld:  Boeddinghaus.  t.  Carnap. 

Gebhard.   Oymnasialbibliothek.    y.  d. 

Heydt.    de  Weerth. 
Elsum  b.  Wassenberg:  y. Leykam. 
Eltyille:  Graf  Eltz.  Schmidt. 
Emmerich:  Binsfeld. 
Endenioh:  Bannscheidt.  Richarz. 
Ktchweiler:  Frank. 
Essen:  Baedeker.  Conrads,  y.  HSyel. 

Krupp.  Probst.  Ueberfeld.  Waldthausen. 
Florenz:   Cammarini.  Bibl,-Nationale. 

Bibliothek    de»  etrurischen  Museums. 
Frankfurt   a.    M.:    Becker.      Gersou. 

Milani.     von  Lo8.      Scheele.     Stadt- 

bibliothek. 
Frankfurt  a.  d.  Oder:   Graf  Villers. 
Frauen  bürg:  Krementz. 
Freiburgin  Baden:    Keller.   Universi- 

tSts-Bibliothek. 
Frenz  (Sohloss):  Graf  Beissel. 
Fröhden:  Otte. 
Fulda:  Goebel. 
St  C^allen:  Stiflsbibliothek. 
Genf:  GaUffe. 
Gent:   Roulez.   Wagener. 
Qiessen:  Antikcn-Cabinet  Lübbert 


Gins  heim  bei  Mainz:  Hermann. 
Gladbach:    Doetsch.     Prinzen.     Pro- 

gymnasium.  Qu4ck.  Wolff. 
Gofttingen:    yon  Leutsch.     Sauppe« 

Unger.  Universitätsbibliothek.  Wieseler. 
GrSfenbacher  Hütte:  Boecking. 
Grevenbroich:  y.  Zuecalmaglio. 
Grube  Theresia:  Scholl. 
Gürzenich:  SehiUings-Englerth. 
Haag:  Groen  van  Prinsterer. 
Hall  (Haus):  v.  Spies. 
Hallo:  Schlottmann. 
Hamburg:  Kiessling. 
Hamm:  Essellen. 
Hannover:  Ahrens.  Culemann.  Grote- 

fend. 
Harff-Schloss:  T.  Mirbaoh. 
Heidelberg:    Christ    Köohly.    Stark. 

Universitäts-Bibliothek. 
Hemm  er  ich:  v.  Nordeck. 
Heppens:  Schom. 
Herdringen:  Graf  Fürstenberg. 
Hochdahl:  Schimmelbuseh. 
Homburg    v.  d.  H5he:    Freiherr   von 

Modem. 
Honnef:  von  Seydlitz. 
Ilsenburg:  Weber. 
Immekeppel:  Müller.  Poerting. 
Ingbert:  Krftmor. 
Jena:  Bibliothek. Bursian.  Gaedeohena. 

Klette. 
Kalk:   Grüneberg. 
Kessenich:  aus*m  Weerth« 
Königsberg  i.  Pr.:  Friedlinder.  Uni- 

verzitätabibiiothek. 
Königswinter:  Claaan. 
Kremsmünster:  Piringer. 
Kreuznach:  Antiquarisoh-histoiisoher 

Verein.    Cauer,  C.    Cauer,  R.    Engel- 
mann. Rummel.  Schmidt  VoigtUnder. 

Wulfert. 
Küppersteg:  Sohwartze. 
l^auersfort:  v.  Rath. 
Leiden:      Bodel-  Nyenhuis.      Pleyte. 

Leemans.     du   Rieu.      de  Wal. 
Leipzig:     Eolcstein.    Lange . 

Overbeok.  RitschL    Springer. 
Lennep:  Bürgerschule. 
Limburg  a.  d.  Lahn:  Thissen. 
Linnioh:  Oidtmann. 
Linz:  Pohl. 
London:  Franks. 
Löwen:  Universit&ts-Bibliothek. 
Lüttich:  CudeU.  Dogn6e. Univ.-Biblioth. 
Mainz:     Llndensohm  it     Spitz. 
Malmedy:  Ars^ne  de  Noüe.  Steinbach. 
Manderscheid:  Zimmermann. 
Mannheim:  Gerlaoh. 
Marburg:  Nlsaen« 
Mayen:  Delius* 
Meohernioh:  Huperti. 


Verzeiohniss  der  Mitglieder. 


353 


Mehlemer-Aae:  Frau  Deiobmann. 
Metternioh  (Burg):  y.  Müller. 
Mettlaoh:  Boch. 
Mets:  Bar.  <^e  Salis. 
Monte-CaBino:  Tosti. 
Montjole:  Pauly. 
More^net:  Braon. 
Moskau:  Graf  Ouwaroff. 
Mülheim  a.  Rh.:   Bau.     Wagner. 
Mülheim  a.  d.  R.:  Gruhl.  Stinnes. 
München:  Brunn.    Cornelius.  Correns. 

Halm.   Messmer. 
Münster:    Bibliothek    der    Akademie. 

Y.  Kühlwetter.  Zumloh. 
Münsterelfel:  Köhler. 
Münstermayfeld:  Schmitt. 
Hamur:  Gengier. 
Nash -Mills:  Eyans. 
Neapel:  Fiorelli. 
Neunkirchen:  Stumm. 
Neuss:   Decker.     Gymn.-Bibliothek. 
Neuwied:     Fürst    Wied.     Kaestner. 

Reusch. 
Nieukerk:  Buyx. 
Nürnberg:  Bergau. 
Nyraegen:  Scheers. 
Oberoassel:  Bieibtreu. 
Oehringen:  Stifts-Bibliothek. 
Oekhoven:  Lentzen. 
Ottweiler:  äansen. 
Paderborn:     Martin. 
Paffondorf  (Burg):  y.  Bongardt 
Paris:  Barbet.    Basilewsky.    de  Long. 

p6rier.  Lucas.  Miohelant  Robert. 
Parma:  üniyersitSts-Bibliothek. 
Paterwolde:  Hooft  yan  Iddekinge. 
Perugia:  Bibliothek.  Gonnestabile. 
Ploen  in  Holstein:  Dr.  Müller. 
Popp^lsdorf:  Kekul6. 
Prag;  Uniyersitäts-Bibliothek. 
Prüm:  Guiohard.  Graeff. 
%ulnt:  KrSmer. 
lüadensleben:  y.  Quast. 
Ratibor:  Kramarczik. 
Ray e na:  Lanzianl. 
Rayestein:  Meester  de  Rayestein. 
Remich:  Hermes. 
Remscheid:  Hoffmeister. 
Rheydt:  Pferdemenges.  Wittenhaus. 
Roermond:  Guillon. 
Rom:  Heibig.  Henzen.  de  Rossi. 
Rurioh  Sohloss  b.  Erkelenz:  y.  Hom- 

pesch. 


Rüdes  heim:  Fonk. 

Saarbrücken:  Aohenbach.  Karoher. 
Tesohemaoher. 

S affig:  Haan. 

Salzig:  Nick. 

Sangerhausen:  Fulda. 

Schieidweiler:  Heydinger. 

Siegb'urg:  Wurzer. 

Sigmaringen:  Fürst  zu  HohenzoUern. 

Sin  zig:  Broioher. 

Sneek:  Mehler. 

Strassburg:  Uniyersitats  -  Bibliothek. 
Dr,  Dümiohen.  Kraus.  Dr.  Michaelis, 
y.  Moller.  Dr.  Scherer.  Strauh.  Dr. 
Watterich.  Wilmams. 

Stromberger-Neuhütte:  Wandes- 
ieben. 

Stuttgart:  Haakh.  y.  Lübke.  Paulus. 
StfiUn. 

Süchtelen:  (teuer. 

Thorn:*  (Schloss)  :  y.  Musiel. 

Trier:  Bettingen,  y.  Beulwitz.  Bone. 
Holzer.  Leonardy.  Mosler.  Rauten- 
strauch. Schdmanu.  Seyffarth.  Yle- 
hoff.  y.  Wolflf.    Wilmowsky. 

Turin:  Promis. 

Uerdingen:  Frings.  Herberts,   Balth. 

Utrecht:   Engels.    Royers.   Yermeulen. 

Viersen:  Aldenkirchen.  Bachem.  Fur- 
mans.  Greef.  Heckmann.  Schmitz. 

Valparaiso:  Dr.  Meeks. 

Verelli:  Mellia. 

Vogelensang:  Borret. 

IRT aohtendonk:  Mooren. 

Waller  fangen:  y.  Galhau.    Villeroi. 

Warf  um:  Westerhoff. 

Warmbrunn:    Prinz  Radziwill. 

St  Wendel:  Bettingen.  Getto. 

We  rl:  y.  Papen. 

Wernigerode:  Bibliothek« 

Wesel:  Dr.  Fiedler. 

Weylinghoyen:  y.  Heinsberg. 

Wien:  Aschbaoh.  Conze.  Heider.  k.  k. 
Münz-  und  Antik.-Cabinet.  Schmidt. 
Vahlen. 

Wiesbaden:  Bibliothek.  Isenbeek. 
Krafft.  Schalk.  Schnaase. 

Wissen:  Graf  LoS. 

Würzburg:  Schröder.  Urlichs. 

Wüstenrode:  Wüsten. 

Zeist:  yan  Lennep.  • 

Zell  a.  d.  M  OS e  1:  Schmitz. 

Zürich:  DUthey. 


B  em  e  r  k  u  n  p.  Der  Vorstand  ersucht  Unrichtiqkeiten  in 
vorstehenden  Verzeichnissen,  Veränderungen  in  den  Stanoesbezeich- 
nungen.  den  Wohnorten  etc.  gefäiiigst  unserem  Rechnungsführer 
schnftiich  mitzutheiien. 


Druck  Ton  Carl  Oeorgri  in  Bonn. 


Druckfehler. 


S.  99  fehlt  der  Name  des  Verf.  Dr.  Nordhoff. 
S.  287  Z.  4  1.  ttatt  870  S.  87  S. 
S.  295  fehlt  die  Unterschrift:  F.  W.  OiigschUger. 
S.  387  Z.  2  V.  u.  lies:  Gamarrin«. 


JaMid.Vmin*w.MUrämiit-Fr.im  Rheüd.  Heft.IM.  Taf.l. 


Bionzebiiste  auf  Schloss  Thom  an  der  Mosel. 


Jahkd.Vtrfiuw.MlerAtti»^r.im.Rh^i/d.  /Irft.LM. 


Taf.l. 


Bronzebüate  auf  Sohloas  Thorn  an  der  Mosel 


JaJuid.  Urmts  nMtfrthum  Fr.  Im  Meinl.  Heft.  IM.  TufS. 


Jahri  ,1.  Iminj  aAlt^ums  Fr.  w>  JÜtäni.  Hrft.  /#.  Tof.  IV. 


Bronz«'^l'i^le  in  Beriin. 


Jahi.d.Hrrwv^iaikunuFT:^  Wuinl.Heß.LS.  Taf.K 


Bronzebüsle  in  München. 


Jahi^d-  ünau  vjGia^umsFr.  im  Wuiid.  I^ILM,  Taf.W. 


Bronzebtiatfi  in  München. 


.Mrh.d.VeTriA.'  aAllfrihums  Fr.im  Rheinl.Hfß.lM.  '/'.-fH. 


Bponzebüate  in  Wien, 


■Utr^A  IhriM  nJll^lwms  fr  im  M^m/.  Hfß.  I.E. 


BninzekTiate  in  Wi« 


.kh4ill?rfins a.ihfTihums Fr.im  RhAril.HrftJ^.  Taf.S. 


Bronzefigur  in  Wien. 


J.Jirid  lh^>L,aJllrrihim.sF,-  im  Rhnnlllffi.LE.  Taf.I. 


i^^NHüM. 


Bponacfigur  in  Wien. 


JaMd  V»rüuv..1lifTihumsFT.im  Rhiid.Hrß.IM.  Taf.M 


BronzefigiiP   in   Fiume. 


.Uidd.VfremsvJillaihiiinsFr.im  Bhrtnl.Hfß.LM.  Taf.M. 


Bronze  figup  in  Fiume. 


JähttiVeransBjilUTthitm-FrmlUiml  lUftLK. 


(Tat.:,) 


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UtliJucrABMry.inSmi 


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OberKttnlf   Oamfokfl. 


Oftaii  ju  Rkßfr  K. 


ktirt-  ^- 


otintr  Dtfinw . 


^ffitstr^t  nacif  J^orJt^it. 


TatX^ 


Z"*/Ä  ^nst  t'  ^'i.J£enrf 


MAl^rtattAlUriha*afr.mBtinLSfALSliiJK 


Yordere  Insiclit 


JAHRBUCHER 


DES 


VEREINS  VON  ALTERTHUMSFREUNDEN 


IM 


RHEINLANDK 


HEFT  LV  n.  LVI. 


Nn  6  LITH0«RAPJIIRTE1I  TA9IL1I  CHD  4  HOLZSCHNITTDI. 


BONN. 

OEDRUCKT  AUF  KOSTEN  DES  VEREINS. 

BOMH,  BEI  A.  MARCUS. 

1875. 


Inhaltsverzelchnl88. 


I.     GescUclite  und  Denkmäler. 

Seite 

1.  fi5mi0ohe  8ohleiiderg«BoboBse.     (Eueren  T&f.  I^III.)    Vom  Prof.  Dr. 
Th.  Berffk  in  Bonn ' 1 

2.  Die  LitscS  beim  Kdkier  Dome.  Von  J.  J.  M^rlo  in  Köln  ....  74 
8.    Römische  Bfruresie  in  der  Gemarkung  von  Alterkülx.  (Hieran  Taf.  IV.) 

Vom  Pteter  Bartels  in  Alterkak  81 

4.  Stempel  römischer  Augenärzte.  Von  Dr.  Joe.  Klein  in  Bonn  .  .  98 
6.    Die  WeilMnucbrift  des  Clematins  in  der  Ursolakirohe  in  Köln.    Vom 

Prof.  Dr.  Dftntcer  in  Köfai 186 

6.  Ueber  hohes  Alter  im  Alterthum.    Von  Dr.  Jos.  Klein 146 

7.  Epigraphische  Miüheilungen.    Vom  Prof.  Hang  in  Mannheim  .    .    .151 

8.  Zwei  Steindenkmäler  mit  Darstellungen  von  phalerae,  aus  Bonn.  (Hiersu 
Taf.  V.)    Vom  Prof.  Dr.  J.  Freudenberg 177 

9.  Der  alte  Gereons^AHar  in  der  gleichnamigen  Kirche  in  Köln.    (Hiersu 
Taf.  VIO    Von  Dr.  Ennen  in  Köfai 185 

n.    Litterator. 

1.  Dictionnaire  raisonnö  du  Mobiliar  FranQais  par  M.  Viollet-le*Dac. 

T.  L  Par.  1868.  T.  U— V.  1871—1873.    Angee.  von  H.  Otte     .    .    .  191 

2.  Das  Bömercastell  und  das  Todtenfeld  in  der  Kinsigniederung.     Vom 
hanauiBchen  Verein    herausgegeben.    Hanau  1878.  Auges,   vom  Prof. 

J.  Freuden  borg -.    .195 

8.    Epigraphie  de  la  Moselle,  dtnde  par  Charles  Robert,  Par.  1869  u. 

1873.    Angea.  vom  Prof.  Dr.  J.  Becker *.    ...  201 

4.    Geschichte  der  deutschen  Baukunst  von  der  Römerzeit  bis  zur  Gegen* 

wart  von  Heinrich  Otte.  L.  1874.  Angez.  von  Herrn  Aldenkirohen  1Ö7 

in.  Miseellen. 

1.  I.  Palimpsestinschriften.  U.  Drei  neue  römische  IHlitärdiplonM. 
III.  Beitrag  zu  dem  8.  Bande  des  Corpus  inscr.  Latinarum.  Von 
Dr.  Jos.  Klein 217 

2.  Mnnster-Maifeld.    Antikes  Erzgefäss.      Von  Dr.  Schmidt     .    .  225 

3.  Antiker  Steinblock  zu  Müden  an  der  Mosel.  Von  Dr.  Schmidt   .    .  227 

4.  Köln.    Numismatisches.    Von  J.  J.  Merlo       228 

5.  Mayen.    Auffindung  von  Römerresten.    Von  Rector  Kruse     .    .    .  282 

6.  Mayen.    Fond  einer  röm.  Münze  in  einem  alten  Schacht.     ....  233 

7.  Trier.    Röm.  Mosaikboden  zu  Euren 284 

8.  Waldorf.    Tund  zweier  röm.  silbernen  Löffel 234 

9.  Holzhausen  auf  der  Haide.    Aufdeckung  eines  Römercastells  .    .  284 

10.  Bonn.    Zie^lstempel  der  Coh.  1  Ubiorum.    Von  J.  Fr 285 

11.  Bonn.  Grabinschrift  eines Canabensis  aus  Köln.   Von  J.  Freudenberg  285 


Seite 
12.  Bonn.    Drei   neae  röm.  Ixuchriften  aiu  Pont  und  Billig,  nebst  einer 

Grabinschrift  ans  Aachen.    Von  J.  Preudenberff 286 

18.  Kleiner  Altar  von  Jurakalk  aas  Bonn.    Von  Th.  Sergk 289 

14.  Bonn.    Römisohe  Funde  am  Viereoksplatc.    Von  Th.  B 240 

16.  Bonn.    Aoffindunff  von  Bömerresten  oei  den  Wasserleitangsarbeiten. 

Von  J.  Fröndenberg 241 

16.  Bonn.    Aufdeckung  der  alten  Bömerstrasse  bei  den  Wasserleitongs- 
arbeiten.    Von  E.  aus'm  Weerth 248 

17.  Trier.  Fragment  einer  Weiheinschrift  aus  den  röm.  Bftdem  zu  Trier. 
Von  Th.  Bergk , 248 

18.  Trier.  Aufdeckung  eines  röm.  Gebäudes.    Von  Dr.  Bone     .    .    .     .  244 

19.  Trier.  Entdeckung  von  Steinw&Uen  auf  der  Niederburg  bei  Echter- 
nach.    Von  Dr.  Bone 244 

20.  Tholey.  Bronzetäfelchen  mit  einer  Weiheinschrift  des  Juppiter.  Von 
Th.  Bergk 245 

.   21.  Ueber  ein  in  unserm  Jahrb.  mehrfach  besprochenes  Bronaet&felohen  aus 

Fliessem.    Von  Th.  Bergk 245 

22.  Fränkische  Särge  zu  Nennig  und  Fliessem.     (Mit  2  Holzschnitten.) 

Von  £.  aus'm  Weerth 246 

28.  Bonn.  Der  röm.  Pfahlgraben  östl.  von  Linz  und  Hönningen.  Vom 
Freiherm  von  Hoiningen-Huene      • 247 

24.  Bonn.  Das  Grabmal  des  Longobarden-Herzogs  Gisulf.    Von  J.  Fr.    .  248 

25.  Grefeld.  1.  Ueber  Gesichtsumen.  2.  Aufdeckung  eines  röm. Gräber- 
feldes bei  Crefeld.    Vom  Director  emer.  A.  Rein 250 

26.  Geldern.  Römischer  Münzf und  bei  Wachtendonk.  Von  Friedrich 
Nettesheim 252 

27.  Moselkern.    Zwei  seltene  mittelalterliche  Silbermünsen 258 

—  Entgegnong  in  Betreff  der  Festschrift:  .«Der  Mosaikboden  in  St.  Gereon 

zu  Köm".    Vom  Vorstand  des  Vereins 258 

—  Berichtigungen  und  Bereicherungen  ^n  der  gen.  Publication.  Von  E. 
aus'm  Weerth 258 

—  Nachträge  und  Berichtigangan  zu  den  Angenarztstempeln.  Von  Dr. 
Jos.  Klein 268 

—  Berichti|png  zu  Nr.  5.    Von  H.  Düntzer 265 

—  Ankündigung  der  Publikation  ausgewählter  Kunstwerke  aus  dem  Schatze 
der  »Reichen  Kapelle«  in  der  k.  Residenz  zu  München.  (Mit  einem 
Holzschnitt.) 266 

IV. 

Chronik  des  Vereins  für  das  Vereinsjahr  1878  (resp.  Pfingsten  1878—74)   .  269 

V. 

Verzeiohniss  der  Mitglieder , 279 


I.     Oescilicilte  und  Denkmäler. 


I.   Römische  Schleudergeechoeee. 

ffierza  Taf.  I— HI. 

Unter  den  Warfwaffen  nimmt  die  Schleuder  im  Alterthume  schon 
frühzeitig  eine  hervorragende  Stelle  ein :  noch  sind  uns  zahbreiche 
Schleudergeschosse  der  Griechen  und  Bömer  erhalten,  welche  von 
jeher  die  Aufmerksamkeit  der  Fachgelehrten  wie  der  Dilettanten  auf 
sich  gezogen  haben.  Ueber  die  griechischen  Schleudergeschosse  ver- 
danken wir  W.  V  i  s  c  h  e  r  eine  gedrängte  aber  inhaltreiche  Abhand- 
lung ^)f  welche  aUes  Wesentliche  übersichtlieh  zusammenfasst  und  als 
Beigabe  die  Beschreibung  einer  Anzahl  unedirter  Schleudergeschosse, 
grossentheils  attischen  Fundortes,  enthält  Für  die  römischen  Schleuder- 
bleie ist  die  Arbeit  von  de  M i ni c i s ')  als  grundlegend  zu  betrachten. 
Es  ist  dies  nicht  nur  die  erste  vollständigere  Sammlung  des  reichen 
Materiales,  deren  Brauchbarkeit  durch  grossentheils  getreue  Nach- 
bildungen erhöht  wird,  sondern  der  Verfasser  hat  auch,  indem  er  sorg- 
fältig den  Fundort  verzeichnet,  dieses  Material  zu  ordnen  gesucht  und 
die    einzehien  Geschosse  bestimmten  Kriegen    zugetheilt  b).     Daran 

*)  Antike  Scbleadergeschosse,  beschrieben  von  W.  Yischer. 
Basel  1866. 

^)  SuUe  antiche  ghiande  missili  e  sulle  loro  iscrizioni  in 
den  Abb.  der  Päpstlicben  Akademie  Bd.  XI,  S.  189-256.  (Born  1852.)  Die 
eigene  Sammlung  von  de  Minicis  befindet  sieb  nacb  der  Angabe  Fabretti's  in 
Fermo. 

*)  Die  Arbeit  von  de  Minicis  ist  nicht  frei  von  manchen  Schwächen,  aber 
Mommsens  Urtheil  (accurata  doctrina  nulla)  ist  zu  hart.  Bitschi  im 
Rhein.  Mns.  XIV,  285  und  290,  klagt  über  einzelne  paläograpbiscbe  Ungenauig- 
kdten  bei  de  Minicis,   und  fahrt  namentlich  das  Geschoss  bei  de  Minicis  n.  62 

an,  indem   er  behauptet,    eine   nene   Copie  best&tige  das  geschlossene   P   in 
P  R  *  P  I  L  nicht,  allein  das  neue  Exemplar,  welches  ich  unter  N.  67  publicire, 

i 


2  Bömische  SohleudergeiohosBe. 

schliessen  sich  die  Arbeiten  von  Ritschi  und  Mommsen  an. 
Ritschi  hat  allerdings  zum  grossen  Theil  nur  die  Abbildungen  bei 
de  Minicis  reproduzirt,  öfter  jedoch  auch  neue  nach  den  Originalen 
des  Kircher*schen  Museums  in  Rom  ^)  gefertigte  Zeichnungen  mitge- 
theilt.  Mommsen  vervollständigt  nicht  nur  das  Verzeichniss  der 
Schleuderbleie,  obwohl  eine  genaue  Benutzung  öffentlicher  und  privater 
Sammlungen  sicherlich  erhebliche  Nachträge  liefern  dürfte,  sondern 
hat  auch  zum  ersten  Mal  unternommen,  diese  Classe  von  Inschriften 
nach  den  Grundsätzen  methodischer  Kritik  und  Exegese  zu  behandeln  *X 
indess  ist  das  hier  geübte  kritische  Verfahren  nicht  immer   glücklich. 

Die  Lesung  dieser  Inschriften  ist  schwierig,  zumal  wenn  man 
nur  ein  einziges,  noch  dazu  schlecht  erhaltenes  Exemplar,  vor  sich 
hat;  daher  konnten  mancherlei  Missgriffe  nicht  ausbleiben.  Indem 
Mommsen,  der  nur  wenige  Exemplare  selbst  untersucht  hat,  den  An- 
gaben seiner  Vorgänger  misstrant,  ist  er  nur  zu  sehr  geneigt,  mehr 
oder  minder  grobe  Lesefehler  vorauszusetzen  und  die  verschieden- 
artigsten Marken  auf  eine  einzige  zurückzuführen.  Allein  die  Gleich- 
heit einzelner  Worte,  oder  die  blosse  Aehnlichkeit  der  Buchstaben 
reicht  nicht  aus,  um  sofort  eine  Aufschrift  mit  anderen  Marken  zu 
identificiren.  Ebenso  verdächtigt  Mommsen  ohne  rechten  Grund  die 
ausdrücklichen  Angaben  über  den  Fundort.  So  geht  seine  Kritik 
nicht  selten  über  die  Grenzen  des  Erlaubten  hinaus  und  greift  fehl. 
Andererseits  folgt  Mommsen  allzu  bereitwillig  den  Früheren  in  ihren 
falschen  Erklärungen,  und  dies  veranlasst  ihn,  eine  Menge  Geschosse 
kurzer  Hand  zu  verdächtigen  oder  geradezu  als  moderne  Fälschungen 
zu  beseitigen. 

Einige  Beispiele  mögen  Mommsens  Verfahren  veranschaulichen, 
zu  anderen  Berichtigungen  wird  sich  im  Verlaufe  dieser  Untersuchung 


bestätigt  diese  Form,  ja  sogar  das  Facsimile  Ritschrs  (T.  IX.  n.  96)i  obwohl 
die  Buchstaben  theilweise  verschliffen  sind,  stimmt  damit.  Ich  muss  übrigens 
bemerken,  dass  ich  die  Abhandlung  von  Delfico:  sopra  le  ghiande  missili 
(Neapel  1826),  auf  welche  de  Minicis  wiederholt  Bezug  nimmt,  nicht  habe  ein- 
sehen können;  ich  weiss  also  nicht,  in  wie  weit  dieser  Gelehrte  schon  der  sach- 
gemässen  Anordnung,  die  de  Minicis  getroffen,  vorgearbeitet  hat. 

^)  Ritschi  priscae  Latinitatis  monumenta  epigraphica  (Taf. 
VIII  und  IX). 

')  Mommsen  corpus  inscr.  Latinarnm  T.  I.  S.  188—194,  dann  in 
den  Nachtr&gen  569.  560. 


Eömisohe  Sohleaderge«oho89e.  3 

mehrfach  Gelegenheit  darbieten.  Mommsen  stellt  unter  nr.  650  eine 
Anzahl  Geschosse  zusammen,  deren  Aufschriften  er  sämmtlich  auf 
eine  Marke  zurückführt,  indem  er  in  den  abweichenden  Angaben 
nichts  als  verschiedene  Lesarten  findet,  und  kommt  schliesslich  doch 
zu  keinem  bestimmten  Resultat;  denn  er  lässt  es  unentschieden,  ob 
die  Aufschrift  Feri  Pomp(eium)  oder  Feri  Roma(nos)  lautete. 
Es  sind  aber  hier  vier  ganz  verschiedene  Stempel  zusammengeworfen: 

FERI    POMPEIVM       ^ 

auch  abgekürzt  oder  in  zwei  Zeilen  geschrieben,  oder  auf  zwei  Seiten 
des  Geschosses   vertheilt,  s.  N.  21—25  der  vorliegenden  Sammlung; 

FERI  X        COMA 

auf  die  beiden  Seitenflächen  des  Bleies  vertheilt^  s.  N.  28.  29 ; 

FR  I 

TOMR 

in  zwei  Zeilen  untereinander,  s.  N.  26.  27 ;  und : 

FERI  X         MAQ 

auf  zwei  Seiten  vertheilt.  Auf  diese  verschiedene  Vertheilung  der  In- 
schrift, welche  zwar  nicht  immer,  aber  doch  meist  mit  Sicherheit 
auf  Verschiedenheit  der  Marke  schliessen  lässt,  hat  Mommsen  gar 
nicht  geachtet.  Die  vierte  Marke  kenne  ich  nur  aus  der  Abbil- 
dung bei  de  Minicis  4  (Ritschi  Vin,  8) ;  aber  es  ist  ganz  willkührlich, 

wenn  hier  Mommsen  eine  verstümmelte  Aufschrift  findet  ///MAQ; 
denn  die  Aufschrift  ist  vollständig,  für  zwei  Buchstaben  am  Anfange 
ist  kein  Raum  vorhanden,  wie  eben  die  Abbildung  zeigt ;  denn 
de  Minicis  selbst  ist  in  dieser  irrigen  Auffassung  vorangegangen  ^). 


^)  De  Minicis  S.  202  stellt  mit  dem  Yenneintlichen  Stempel 

FERI    ROMA 

■ein  Blei 

FERI-    MAQ 

zusammen,  indem  er  den  letzten  Buchstaben  für  ein  blosses  Ornament  hält. 
Mit  Sicherheit  lässt  sich  das  Blei  nicht  erklären,  man  könnte  an  Minatius 
Magitts,  den  Y  erfahren  des  Historikers  Yeliejus  denken,  der  im  römischen  In- 
teresse seine  zahlreiche  Clanschaft  aufbot  und  eine  vollständige  Legion  zusam- 
menbrachte; aber  er  focht  unter  T.  Didius  und  Sulla  auf  dem  südlichen 
Kriegstheater  (YeUejus  II,  16),  während  das  Blei  nach  Picenum  zu  gehören 
scheint.    Yielleicht  ist  feri  Maq(uolnium)  zu  lesen. 


[ 


4  Römische  SchleudergesclioflM. 

Ein  Stempel  niit  der  Au&cbrift 

FERI  ROMA 
wie  die  Früheren  annehmen  und  auch  Mommsen,  obwohl  i^eifelnd, 
zugesteht,  ist  nicht  nachweisbar,  auch  erscheint  eine  solche  Aufschrift 
schon  wegen  ihrer  vagen  Allgemeinheit  wenig  angemessen,  wenn  man 
den  mehr  oder  weniger  concreten  Charakter  der  übrigen  Inschriften 
auf  Schleudergeschossen  damit  zusammenhält.  Mommsen  hat  zwar 
Becht,  wenn  er^ie  Erklärung  seiner  Vorgänger,  die  Roma  als  Vocativ 
fassten,  verwirft,  und  fori  Roma(nos)  ergänzt,  aber  er  irrt 
wiederum,  wenn  er  damit  den  Zuruf  feri  (Plutarch  Marcell.  8)  der 
römischen  Soldaten,  die  einander  ermunterten,  tapfer  auf  den  Feind 
löszuschlagen,  vergleicht;  denn  das  feri  dieser  Inschriften  ist  überall 
als  Anrede  an  das  Wurfgeschoss  zu  fassen,  s.  zu  Nr.  39,  40. 

Wie  leicht  Mommsen^  sich  mit  den  Angaben  seiner  Vorgänger 
abfindet,  wenn  sie  mit  seinen  Ansichten  nicht  stimmte,  zeigt  n.  654. 
Der  Stempel  dieses  Geschosses  ist  nach  de  Minicis  27  und  Ritschi 
Vin,  22  (nach  einer  neuen  Copie)  ganz  übereinstimmend: 

CÄL 

und  die  abweichende  Lesung  von  Lipsius,  wenn  dieser  überhaupt  den- 
selben Stempel  copirte,  kommt  gar  nicht  in  Betracht,  da  jene  Marke 
in  8  Exemplaren  im  Kircher'schen  Museum  vorhanden  ist,  also  ein 

Fehler  beider  Copien,   welche  die  Ligatur  von  A  mit  T  bezeugen, 

nicht  angenommen  werden  darf.  Mommsen  zieht  es  vor  G  A  L  zu 
lesen  und  auf  die  Gallier  zu  beziehen  ^),  indem  er  das  folgende  Blei 
n.  655: 

LCAL 
durch  legio  Gallica  erklärt,  was  ganz  unsicher  ist;   war  es  em 
L^onstempel,  so  könnte  man  ebenso  gut  an  legio  galerita  u.  A. 

^)  Dafar  liesse  sich  aUen&Us  das  Emblem  der  Bücksseite  ein  Schwert 
(nieht  Blitz,  wie  Mommsen  angiebt)  geltend  machen;  doch  kommt  dieses  Sym- 
bol, wie  vorliegende  Sammlang  beweist,  auf  den  verschiedensten  Geschossen  vor. 
Ich  wage  keine  Erklärung  vorzuschlagen;  ob  der  erste  Buchstabe  G  oder  G  ist, 
lässt  sich  bei  der  Aehnlichkeit  dieser  Buchstaben  nicht  bestimmt  entscheiden; 
de  Minicis  erklärt  C.  Tal(na),  es  könnte  aber  ebenso  gut  Gatl(tts)  sein,  ob 
gerade  der  Italischen  Heerführer  Y.  Catulus  (s.  unten  zu  Nr.  8)  wage  ich  nicht 
zu  entscheiden;  denn  dieser  steht  dem  C.  Marius  im  Marsischen  Gebiet  gegen- 
über, jene  Geschosse  sind  bei  Asculum  gefunden.  Aber  es  ist  nicht  anmöglich, 
daas  ein  Anführer,  der  im  ersten  Eriegsjahre  gegen  Marius  kämpfte,  im  nächsten 
Jahre  in  Picenum  ein  Kommando  hatte. 


Römische  Schleudergeschosae.  6 

denken;  es  kann  aber  auch  ein  Eigenname,  wie  L.  Gallus  oder 
Galba  sein. 

Oar  seltsam  ist  der  Widerspruch,  in  den  sich  Mommsen  ver- 
wickelt; während  er  den  Angaben  seiner  Vorgänger  über  Thatsäch- 
liches  entschiedenes  Misstrauen  entgegensetzt,  schenkt  er  ihren  irrigen 
Deutungen  williges  Gehör,  und  gründet  darauf  seine  Kritik.  De  Minicis 
und  Andere  finden  auf  diesen  Geschossen  vielfach  die  Zunamen  der 
Legionen,  die  sie  erst  in  der  Kaiserzeit  führen ;  statt  diese  Erklärungen 
als  verfehlt  abzuweisen,  verdächtigt  Mommsen  die  Inschriften  selbst. 
Ein  Perusinisches  Blei  (n.  694,  de  Minicis  55)  hat  die  Aufschrift: 

LVM 

3sva± 

hier  glaubt  de  Minicis  die  5.  Macedonische  Legion'  und  den  Namen 
des  Flusses  Trasimenus  zu  erkennen.  Und  doch  war  es  nicht  schwer, 
das  Rechte  zu  treffen:  die  erste  Zeile  ist  offenbar  unvollständig,  wir 
haben  hier  nur  einen  Beleg  des  gemeinen  Soldatenwitzes: 

(cu)LVM 

TRASE(i) 

trasei  ist  transi;  transire  in  der  Bedeutung  durchbohren 
findet  sich  nicht  nur  bei  Dichtern,  sondern  später  auch  in  der  Prosa. 
Lucret  VI,  228  gebraucht  es  vom  Blitze,  und  die  Bleieichel  ist  ja  nichts 
anderes  als  ein  Analogen  des  Blitzes,  s.  z.  Nr.  41^-43.  Die  leg(io) 
VI  f(errata)  n.  659,  die  l(egio)  XII  ful(minata)  n.  660,  sowie 
die  leg(io)  XVIII  fir(ma)  n.  662,  welche  unsem  Kritikern  gerechte 
Bedenken  einflössen,  braucht  man  nur  dieser  Zunamen  zu  entkleiden 
und  dafür  f  ul(men)  oder  was  gleichbedeutend  ist,  fir  zu  erkennen, 
8.  zu  Nr.  41—43,  so  verschwindet  jeder  Grund  zur  Verdächtigung. 
Eine  andere  Bewandtniss  wird  es  mit  n.  664  legio  XXX  V(lpia) 
V(ictrix)  haben,  s.  z.  Nr.  9.  • 

Nichts  berechtigt  diese  und  andere  ähnliche  Aufschriften  auf 
Schleudergeschossen  als  Fälscltingen  zu  betrachten  ^),  obwohl  auch  auf 
diesem  Gebiete  sich  wie  anderwärts  der  Betrug  aus  Gewinnsucht  oder 


*)  MommBen  geht  sogar  so  weit  in  seiner  falschen  Kritik,  dass  er  n.  656 

(s.  seine  Bemerkangen  za  n.  660)  LI  I    I  TA  L  för  verdächtig  erklärt,  obwohl 

hier  gar  kein  Zuname  sich  findet,  sondern  die  Legion  als  zweite  italische 
(Italica  oder  Italicorum)  bezeichnet  wird.  Mommsens  Verfahren  wird  nur 
dadurch  einigermassen  entschuldigt,  dass  er  nach   seiner  eigenen  Yersicherung 


6  Rdmitche  SoUeudergetohotie. 

anderen  unlauteren  Motiven  versucht  haben  mag.  Schon  der  vorsichtige 
de  Minicis  äussert  Zweifel  über  die  Aechtheit  eines  der  von  ihm  unter- 
suchten Schleuderbleie  \  allerdings  ohne  Gründe  anzugeben ;  indess 
das  Urtheil  eines  eifrigen  Sammlers  und  kundigen  Liebhabers  verdient 
immer  Beachtung.  Ich  mache  namentlich  darauf  aufmerksam,  dass 
in  der  Sammlung  Campana  (s.  Mommsen  Nachtr.  n.  1515  S.  560) 
sich  ganz  derselbe  Stempel  findet;  dies  scheint  den  Verdacht^  den 
Mommsen  in  den  Nachträgen  gegen  die  meisten  Geschosse  dieser 
Sammlung  ausgesprochen  hat,  zu  unterstützen.  Die  Fassung  der 
Au&chriften  ist  eigenthümlich,  sie  bestehen  in  der  Regel  nur  aus  ein- 
zelnen Buchstaben  oder  Zahlzeichen:  indess  kommt  eine  Anzahl  ähn- 
licher Exemplare  auch  bei  de  Minicis  vor;  es,  könnte  bei  einem  beson- 
dem  Anlasse  gerade  diese  Art  der  Bezeichnung  aufgekommen  sein. 
Hier  kann  nur  eine  sorgfältige  Prüfung  der  betreffenden  Exemplare 
selbst  entscheiden;  ich  vermag  ebenso  wenig  ihre  Aechtheit  zu  ver- 
theidigen,  als  mich  der  Verdächtigung  Mommsens  anzuschliessen.  Zum 
Glück  kommt  nicht  viel  darauf  an,  denn  die  Aufschriften  sind 
für  uns  unverständlich,  können  daher  keinen  sonderlichen  Schaden 
stiften  *). 

Eine  Sammlung  neu  aufgefundener  Schleudergeschosse  hat  mich 
zu  einer  Bevision  dieser  Klasse  von  Denkmälern  veranlasst,  deren 
Nothwendigkeit  ich  schon  längst  erkannt  hatte,  die  sich  aber  ohne 
Autopsie  nicht  ausführen  liess.  Dass  durch  den  neuen  Fund  jene 
Irrthümer  beseitigt  werden,  ist  schon  itls  ein  erheblicher  Gewinn  zu 
betrachten,  aber  auch  ausserdem  wird  sich  manches  interessante  Er- 
gebniss  herausstellen,  und  ich  darf  wohl  hoffen,  dass  Andere  zu  einer 
erneuten  Untersuchung  der  bereits  bekannten,  so  wie  zur  Veröffent- 
lichung der  noch  unedirten  römischen  Schleudergeschosse  angeregt 
werden. 


kein  einziges  von  den  Geichoseen  aus  dem  Bundesgenossenkriege  gesehen  hat  : 
mihi  qui  harum  nullam  viderim  nihil  fere  relictnm  fait,  nisi  mo- 
lestum  negotium  dabitationis  profitendae.    (S.  189|  B.) 

1)  De  Minicis  S.  253,  Anm.  4.  (Taf.  I  soU  die  Abbildung  enthalten,  die 
aber  auf  dieser  Tafel  im  Exemplar  der  hiesigen  Bibl.  nicht  steht,  Ritschi  hat 
sie  wiederholt  YUI,  88),  Mommsen  680: 

•DI'S    F- 

')  Es  finden  sich  auch  Schleudergesohosse  mit  etruskischer  Aufschrift  bei 
Micali,  de  Minicis  und  Fabretti,  eines  in  der  Sammlung  des  Herrn  Moosier 
de  Rayestein  (doch  wird  ix9  Gatalog  die  Inschrift  nicht  mitgetheilt). 


Bömische  Schleudergeschome.  7 

Diese  Sammlung  hat  Hr.  Prof.  aus'm  Weerth  auf  seiner  Reise  durch 
die  Mark  Ancona  und  die  angrenzenden  Bezirke  in  Camerino  erworben. 
Die  meisten  Wurfgeschosse  sind  nach  der  Mittheilung  des  froheren 
Besitzers  am  Tronto  gefunden  worden,  womit  auch  das  Ergebniss 
unserer  Untersuchung  stimmt.  Genauere  Angaben  über  den  Fundort 
der  einzelnen  Schleuderbleie  waren  leider  nicht  zu  erlangen;  nichts 
desto  weniger  liess  sich  in  sehr  vielen  Fällen  die  Zugehörigkeit  fest- 
stellen. Es  sind  96  Stück,  davon  gehören  2  (Nr.  1,  2)  dem  Sklaven- 
kriege in  Sicilien,  51  (Nr.  3  bis  53)  dem  Bundesgenossenkriege,  18 
(Nr.  54—71)  der  Belagerung  von  Perusia  an;  von  den  übrigen  (Nr. 
72^96)  liess  sich  die  Herkunft  nicht  mit  voller  Sicherheit  ermitteln. 
Nur  ein  Blei  ist  unbeschrieben,  hat  aber  dafür  auf  beiden  Seiten 
Embleme ;  ein  Geschoss  hat  eine  griechische,  zwei  oskische,  alle  übrigen 
lateinische  Beischriften.  Die  Bedeutung  dieser  Sammlung  ergiebt  sich 
schon  daraus,  dass  unter  den  96  Wurfgeschossen  mehr  als  40  sich 
befinden,  die  bisher  völlig  unbekannt  waren,  und  unter  diesen  nehn^en 
besonders  die,  welche  sich  auf  den  Bundesgenossenkrieg  beziehen, 
unser  Interesse  in  Anspruch. 

Wer  Inschriften  antiker  Schleuderbleie  gesehen  hat,  wird  die 
Schwierigkeiten  der  Entzifferung  beurtheilen  können,  zumal  wo  wie 
hier  unedirte  Exemplare  zum  Vorschein  kommen;  denn  bei  schon  be- 
kannten Marken  können  selbst  die  Irrthümer  der  Vorgänger  gute 
Dienste  leisten.  Diese  Unsicherheit  steigert  sich  bei  den  umgestem- 
pelten Exemplaren:  denn  die  frühere  mehr  oder  minder  unkenntliche 
Aufschrift  lässt  sich  nur  mit  einer  Palimpsesthandschrift  vergleichen, 
wo  man  auch  bei  wechselnder  Beleuchtung  an  dem  einen  Tage  diese, 
an  dem  andern  jene  Schriftzüge  zu  erkennen  glaubt.  Wer  die  von 
mir  beschriebenen  Bleigeschosse  von  neuem  untersucht  oder  gleiche 
Exemplare  nachzuweisen  vermag,  wird  sicherlich  manches  zu  berich- 
tigen finden  *).  Nicht  minder  unsicher  ist  die  Erklärung  dieser  In- 
schriften, vieles  wird  hier  wohl  stets  problematisch  bleiben,  oft  habe 

')  So  habe  ich  naohtr&ghch  selbst  noch  die  Lesung  von  Nr.  25  berichtigt, 
wo  ich  früher  F  R  I  •  P  O  M  fand,   während  ich  jetzt  darin  die  Marke  Nr. 

14,  15  F  R  I  *  P  I  S  A  erkenne.  Am  schwierigsten  ist  die  Deutung  cursiv- 
artiger  Schriftzeichen,  die  auch  anderwärts  den  Epigraphikem  Noth  machen; 
über  die  Schweizerische  Inschrift  (Momrosen  inscr.  HeW.  273)  hat  man  aller- 
lei abenteuerliche  Yermuthuugen  aufgestellt,  aber  nicht  erkannt,  dass  nur  die 
bekannten  Verse  aus  Yirgil  (Aen.  XI,  1.  2.)  Ooeanum  inierea  surgens  etc. 
copirt  sind. 


L 


8  Römisohe  Schleadergesohosse. 

ich  es  vorgezogen,  auf  jede  Deutung  zu  verzichten.  Abbildungen  der 
wichtigsten  neu  aufgefundenen,  wo  es  nöthig  schien  auch  der  älteren 
Marken  sind  beigefügt;  in  zweifelhaften  Fällen  habe  ich  nicht  sowohl 
die  Hand  des  Zeichners  geführt,  sondern  ihm  selbst  überlassen  wieder- 
zugeben, w|is  er  zu  sehen  glaubte. 

Der  den  Griechen  angeborene  künstlerische  Trieb  äussert  sich 
auch  bei  der  Anfertigung  dieser  unscheinbaren  Wurfgeschosse;  meist 
ist  das  Schleuderblei  mit  einem  passenden  Emblem  ausgestattet  ^),  wie 
der  Blitz,  ein  Skorpion  oder  eine  Schlange  (vergl.  Vischer,  S.  8),  wenn 
auch  die  Ausführung  manchmal  ziemlich  roh  erscheint  Die  romischen 
Geschosse  veranschaulichen  seltener  auf  diese  symbolische  Weise  den 
Zweck  der  Waffe;  denn  die  Rückseite  ist,  wofern  sie  nicht  ebenfalls 
beschrieben  ist,  meist  glatt;  doch  ist  auch  hier  manchmal  ein  schick- 
liches Emblem  angebracht,  der  Blitz,  das  Zeichen  des  Keiles,  welches 
ganz  gleiche  Bedeutung  hat,  oder  ein  kurzes  Schwert^).  Eine  in- 
schriftliche Zugabe  findet  sich  in  der  Regel  auch  auf  den  griechischen 
Schleudergeschossen,  aber  die  römischen  Denkmäler  dieser  Gattung 
zeichnen  sich  durch  reiche  Mannigfaltigkeit  der  Aufschriften  sehr  vor- 
theilhaft  aus,  und  haben  ebenso  für  die  historische  Kunde,  wie  für  die 
Erforschung  der  Sprache  Interesse ;  den  ersten  Gesichtspunkt  hat  man 
schon  früher  gebührend  gewürdigt,  während  der  andere  bisher  keine 
Berücksichtigung  gefunden  hat.  Die  öfter  umfangreiche  Inschrift  ist 
nach  Umständen  auf  1,  2  oder  3  Zeilen  vertheilt,  nicht  selten  ist 
auch  die  Rückseite  beschrieben,  und  zwar  hängen  die  Aufschriften 
beider  Seiten  eng  zusammen^).    Natürlich  finden  sich  auch  einzelne 

^)  Sempev  (die  bleiernen  Sohleadergesohosse  der  Alten,  Frankfurt  1859) 
griebt  auf  Taf.  L  n.  3  die  Abbildung  eines  grieohisohen  Geschosses  im  brittisohen 
Museum,  welches  ein  bärtiges  Männergesicht  zeigt.  # 

')  Neu  imd  eigenthümlich  ist  die  zweimal  in  der  Sammlung  des  Hm. 
Prof.  aus'm  Weerth  yorkommende  Darstellung  eines  Fisches  Kr.  7  und  95. 
Pfister  (über  röm.  Schleudergeschosse,  in  den  Berichten  des  histor.  Vereins  für 
Mittelfranken,  Ansbach  1864)  beschreibt  ein  römisches  Blei  mit  dem  Namen  des 

Q**lll*LV*f  wo  auf  der  Bückseite  ein  Modusenhaupt  dargesteUt  ist 
und  »die  Enden  der  Haarlocken  Schlangenköpfe  andeuten  sollenc 

)  Nur  das  Geschoss  aus  der  Sammlung  Gampana  (Mommsen  Nachtr. 
1509)  macht  scheinbar  eine  Ausnahme: 

PVOMIS  ^^^ 

OMNIA         ^^        VDRV 

MALO 


Romisoha  ScbleodergeachosBe.  9 

Schleudergeschosse  ohne  Bild  und  Schrift  0-  —  Die  Schleuderbleie  wurden 
in  Formen  gegossen,  die  symbolischen  Beizeichen,  wie  die  Au&chriften 
waren  in  der  thönernen  Form  angebracht,  daher  auf  dem  Abgüsse  die 
Buchstaben  zuweilen  in  verkehrter  Gestalt  erscheinen^).  Aber  öfter 
ward  auch  die  Schrift  mit  Hülfe  eines  Metallstempels  dargestellt  ^) ;  die 
scharfgeschnittenen  Formen  der  Buchstaben  kennzeichnen  sehr  be- 
stimmt dieses  Verfahren,  welches  namentlich  da  in  Anwendung  kam, 
wo  man  ein  altes  beschädigtes  Geschoss  ausbesserte,  oder  durch  Zu- 
sammenlöthen  aus  zwei  Bruchstücken  ein  Neues  anfertigte,  wozu  man 
ebenso  eigene  wie  feindliche  Bleieicheln  verwandte.  Diese  geflickten 
Geschosse  wurden  neu  abgestempelt.  Mehrfach  haben  sich  noch  Beste 
des  früheren  Stempels  erhalten,  die  an  den  flachen,  breitgedrückten 
Buchstaben  kenntlich  sind,  zuweilen  ist  nur  noch  ein  leichter  schatten- 
hafter Umriss  der  frühern  Schriftzeichen  sichtbar^).    Dieses  Verfahren, 


Die  Rückseite  enthalt  hier  wohl  die  Antwort,  mit  Aarudru(m)  wird  ein  ge- 
wöhnliches Brechmittel  (die  Lesart  ist  jedoch  schwerlich  richtig)  bezeichnet 
sein,  welches  der  Empfönger  dem  tödüiohen  Blei  yoradeht.  Das  Geschoss  ist  viel- 
leicht aus  zwei  verschiedenen  Hälften  zusamniengelöthet. 

^)  Die  alte  Zeit  mag  sich  mit  dem  nothwendigsten  begnügt  und  auf  jede 
weitere  Ausstattang  der  Geschosse  verzichtet  haben,  und  wie  so  häufig  nach  dem 
natürlichen  Kreislauf  der  Dinge  das  Ende  zum  Ausgang  zurückkehrt,  so  mögen 
die  späteren  Jahrhunderte  sich  auch  in  dieser  Einfachheit  mit  den  Anfangen 
berühren.  Scheuderbleie  aus  Gumae  dieser  Art  hat  Hr.  Prof.  aus'm  Weerth 
aus  der  Sammlung  der  Fürsten  v.  Wittgenstein  erworben.  Wenn  Wilmanns 
Exempla  inscr.  Lat.  II.  S.  288  bemerkt:  glandium  pleraeque  inscriptio- 
nibus  omnino  oarent,  so  dürfte  dies  mit  den  Beobachtungen  Anderer  nicht 
« eben  stimmen.  Manchmal  ist  übrigens  wohl  nur  'Bild  und  Schrift  gänzlich  ver- 
loschen, sodass  das  Geschoss  schmucklos  erscheint. 

^)  So  z.  B.  K.  41  pnd  58—60,  ausser  anderen  Beispielen  bei  de  Minicis. 
Durch  den  Gebrauch  der  Geschosse  sind  einzelne  Buchstaben  nicht  selten  be- 
schädigt oder  auch  ganz  verwischt:  manchmal  mag  auch  schon  beim  Gnss  ein 
Buchstabe  oder  eine  einzelne  Linie  nicht  zu  ihrem  Recht  ^kommen  sein. 

>)  Auch  bei  dem  Emblem  hat  man  zuweilen  dasselbe  Verfahren  ange- 
wandt, wie  Nr.  91  beweist.  Yischer  hat  n.  5  ein  attisches  Geschoss,  wo  zwei 
Eulen  durch  einen  Nachstempel  in  einer  vertieft  eingeschnittenen  Fläche  einge- 
prägt sind,  offenbar  ein  fremdes  Geschoss,  was  die  Athener  wieder  verwendeten; 
die  Rückseite  zeigt  eine  fast  ganz  verwischte  Aufsch^ft,  die  eben  so  g^t 
lateinisch  wie  griechisch  sein  kann. 

*)  Sicherlich  wird  sich  bei  erneuter  Untersuchung  der  in  unseren  Museen 
befindlichen  römischen  Geschosse  diese  Beobachtung  bestätigen;  denn  bei 
flüchtigem  Betrachten  entziehen  sich  diese  Spuren  der  Aufmerksamkeit. 


lÖ  Römische  Sehleodergeflohone. 


1)  Nach  PfiBten  Bericht  ist  die  Inschrift  seines  Bleies  Q  *  T  I  T I '  L  V 

mit  Tortieften  Buchstaben  eingeschnitten ;  wenn  er  sich  aber  auf  ähnliche 
Beispiele  bei  de  Miniois  beruft,  so  ist  dies  irrig. 

>)  Vergl.  unten  Nr.  57  und  62. 

>)  Monimsen  sagtS.  188:  „ut  vel  ipsa  glans,  vel  quod  etiam  com- 
modius  erat,  forma  stilo  inscriberetur.*'  6.  Wilmanns  £xempla  Insor. 
Lat.  II,  S.  288  wiederholt  dies  gedankenlos:  „glandes  litteras  habent  aut 
ipso  plumbo  stilo  inscriptas  aut  prominentes. '^ 

*)  Auffallend  ist  jedoch,  dass  de  Minicui  auch  das  Geschpss -seiner  eigenen 
Sammlung  (Taf.  IQ,  55)  in  dieser  Weise  reproducirt.  Bitsohl  hat  diese  und 
ähnliche  Copien,  da  sie  f&r  die  Paläographie  unbrauchbar  sind,  nicht  wiederholt. 

^)  Wohl  aber  bediente  man  sich  des  Qriffels  bei  den  thönemen  Gusa- 
formen. 


alte  Geschosse  auszubessern   und   umzustempeln,  wofür  vorliegende  > 

Sammlung  zahlreiche  Belege  bietet,  hat  man  bisher  nicht  erkannt. 

Die  Schrift  ist  erhaben,  gleichviel,  ob  sie  durch  Guss  oder  durch 
Stempel  hergestellt  wurde.  0?  und  die  Form  der  Buchstaben,  besonders 
aus  dem  Bundesgenossenkriege,  meist  gross  und  kräftig;  nur  auf  den 
perusinischen  Geschossen  finden  sich  zuweilen  flüchtige  Züge,  welche 
der  CursiYschrift  nahe  kommen,  jedoch  erscheinen  daneben^ auf  dem-  ■ 

selben  Blei  auch   regelrechte  Buchstabeniormen ').    Als  entschieden  | 

irrig  ist  die  Vorstellung  zu  betrachten,   als  wären  diese  Inschriften  , 

theil weise   mit  einem  Griffel  ausgeführt  worden');    das  Material  ist  | 

viel  zu  spröde,  um  die  Anwendung  eines  gewöhnlichen  Schi-eibinstru-  ! 

mentes  zu  gestatten,  auch  würde  dann  die  Schrift  nicht  erhaben, 
sondern  vertieft  erscheinen.  Zu  dieser  irrigen  Vorstellung  haben  wohl 
nur  einzelne  Abbildimgen  bei  de  Minicis  Anlass  gegeben,  welche  offen- 
bar kein  getreues  Facsimile  bieten,  sondern  de  Minicis  theilt  sie  in 
der  Gopie  mit,  welche  er  von  Andern  erhalten  hatte  ^).  Diese  Auf- 
schriften sehen  allerdings  mit  ihren  dürftigen  Schriftzügen  aus  als 
wären  sie  mit  einem  Griffel  eingeritzt^). 

Abgesehen  von  einer  Bleieichel,  welche  in  Spanien  auf  dem 
Schlachtfelde  von  Munda  (im  J.  709  der  Stadt  Rom)  gefunden  worden 
ist,  gehören  sämmtliche  bisher  bekannte  römische  Schleudergeschosse 
drei  verschiedenen  Kriegen  an,  dem  Sklavenkriege  in  Sicilien  ] 

im  J.  621,  dem  Bundesgenossenkriege  im  J.  664  u.  f.  und  der 
Belagerung  von  P^rusia  im  J.  713  und  714. 

Bei  Belagerungen  leisteten  Wurfwaffen  die  besten  Dienste;  ge- 


I 


Römieohe  SohleudergMohosM.  11 

iföhnlich  machten  beide  Theile  davon  ausgiebigen  Gebrauch  ^).  Hier 
entwickelte  sich,  indem  man  längere  Zeit  einander  gegenüber  stand, 
ein  förmliches  Wortgefecht,  eine  Art  Gorrespondenz  vermittelst  der 
Bleigeschosse;  der  den  Soldaten  eigenthümliche  Humor  und  Spott 
bricht  hier  nicht  selten  hervor,  aber  sehr  bezeichnend  ist,  dass  rohere 
Scherze  und  gemeiner  Hohn  sich  erst  im  Bürgerkriege  bei  der  Bela- 
gerung Perusias  zeigen*).  Aber  auch  in  der  offenen  Feldschlacht 
wurden  Schleudertruppen  mit  Vortheil  verwendet.  Doch  versahen 
diesen  Dienst  meist  Hülfetruppen  oder  geworbene  Söldner,  daher 
genossen  auch  die  Schleuderschützen  nur  geringe  Achtung  ^). 

Historische  Zeugnisse  dienen  zur  erwünschten  Bestätigung. 
Valerius  Maximus  erzählt,  wie  im  Sclavenkriege  der  Gonsul  Calpurnius 
Piso  die  Feigheit  des  Anführers  einer  Beiterabtheilung  bestrafte;  G. 
Titius  wurde  für  ehrlos  erklärt,  den  Reitern  ihre  Bosse  genommen 
und  sie  zu  den  Schleuderem  versetzt  ^).  Die  Verwendung  der  Schleuder- 


')  Dum  die  Belagerer  beim  Gebrauch  der  VTarfgeachosie  im  YortheU 
waren,  bemerkt  Quadrigarius  bei  Gellius  IX,  1.  Im  AUgemeinen  soUte  man 
erwarten,  mehr  Geschosse  der  Belagerten  als  der  Belagerer  za  finden;  denn  die 
welche  in  eine  Festung  geworfen  wurden,  mögen  e.  Th.  schon  von  den  Bela- 
gerten gesammelt  und  wieder  verwendet  worden  sein;  auch  war  ein  bewohntes 
Terrain  for  die  Erhaltung  dieser  Reliquien  weniger  günstig,  als  das  freie  Feld. 
Doch  wirkten  im  einzelnen  ^alle  besondere  Verhaltnisse  ein;  in  Perusia  wird  L. 
Antonius,  dessen  Stärke  hauptsachlich  in  fechtkundigen  Gladiatoren  bestand, 
yon  den  Warfwaffen  nur  massigen  Gebraach  gemacht  haben,  worauf  schon 
Mommsen  aufmerksam  macht. 

')  Wie  das  mehrfach  variirte  pete  oulum  oder  pete  landicam 
Fnlviae:  denn  die  Beischrift  eines  Bleies  aus  dem  Italischen  Kriege  (Mommsen 
665)  eme  malvam  malam  steht  nicht  anf  gleicher  Stufe. 

')  Daher  kam  es  öfter  vor,  dass  römische  Borger  zur  Strafe  zu  den 
Sohleuderschützen  versetzt  wurden.  Im  Kriege  mit  Pyrrhus  wurden  die  Beiter, 
welche  in  Kriegsgefangenschaft  gerathen  waren,  zum  Fussvolke  versetzt,  die 
Fusssoldaten  mussten  als  Schleuderer  dienen.  Yaler.  Max.  II,  7,  15  (in  fun- 
ditorum  auxilia  transoripti). 

*)  Yaler.  Max.  II,  7,  9:  turmas  eqnitum,  quibus  praefuerat, 
ademptis  equis  in  alas  funditorum  tr ansscripsit.  Es  waren  wohl 
bundesgenössische  Reiter,  denn  nach  Anleitung  der  Epitome  ist  zu  sehreiben: 
G.  Titius   equitum   praefectus   sociorum.    Man -könnte  versucht  sein, 

« 

das  von  Pfister  publicirte  Blei  mit  der  Aufschrift  Q  *  T  I  T  I  *  L  V  eben  auf 

diesen  Titius  zu  beziehen;   denn  wenn  er  auch   bei  Valerius  M.  and  Frontin. 
Strat.  lY,  1,  26  das  praenomen  C.  fuhrt,   so   w&re  doch  die   Annahme   eines 


12  RömiBche  Schlendergeschosse. 

trappen  im  Bundesgenossenkriege  bezeugt  Sisenna  ^),  und  die  Italiker, 
denen  es  besonders  anfangs  an  dem  nöthigen  Kriegsmaterial  fehlen 
mochte,  griffen  wohl  selbst  zu  dem  einfachsten  und  primitivsten  Wurf- 
geschosse, dem  Feldsteine').  Ebenso  wird  bei  der  Belagerung  von 
Perusia  der  Gebrauch  der  Bleigeschosse  erwähnt^). 


Sklavenkrieg  in  Sicilien. 

1. 
PISO 

Der  Name  nimmt  nicht  die  Mitte  der  Fläche,  wie  sonst  üblich 
ist,  ein ;   wahrscheinlich  folgte  noch  COS,  durch  die  Beschädigung 

des  Bleies  an  dieser  Stelle  sind  diese  Buchstaben  getilgt.  Ein  solches 
Exemplar  verzeichnet  K.  W.  Nitzsch  die  Gracchen  S.  294    PISO 

COS,  und  wenn  auf  andeni  Exemplaren  COS  auf  der  Bückseite 

erscheint,  ist  dies  kein  Grund,  mit  Mommsen  die  allerdings  nicht 
ganz  deutliche  Angabe  von  Nitzsch  anzuzweifeln.  Auf  vorliegendem 
Blei  ist  übrigens  PISO  ein  Nachstempel.    Die  andern  drei  Seiten 

zeigen  noch  Beste  des  früheren  Stempels  mit  kräftigeren  grossen 
Buchstaben 

PISO 

OL 


COS 


COS  O 


Schreibfehlers  nicht  zu  kühn.  Allein  die  Strafe,  welche  Piso  über  jenen 
TitiuB  verhängte,  sohliesst  die  Belassung  des  Gommandos  über  seine  zu  Sohleu- 
derem  degradirten  Reiter  aus. 

')  Sisenna  bßi  Nonius  u.  funditores  S.  653.  In  einzelnen  Landschaften 
Italiens  mag  seit  alter  Zeit  diese  Kampfweise  besonders  üblich  gewesen  sein; 
Yirgii  Aen.  YII,  686  sagt  von  den  Hemikern  und  benachbarten  Stämmen: 
pars  maxima  glandes  liventis  plumbi  spargit. 

^  Sisenna  bei  Macrob.  Sat.  VI,  4,  15:  Marsi  ....  saxa  oertatim 
lenta  (lies  amento  aut)  manibus  proiiciunt  in  hostes  und  bei  Konius 
u.  tela  S.  448:  manualis  lapides  dipertit,  propterea  quod  is  ager 
omnis  eiusmodi  telis  indigebat.  Dass  übrigens  auch  die  Römer  den 
Steinwurf  nicht  verschmähten,  zeigt  Sallust.  Jng.  57. 

')  Appian  de  b.  civ.  Y,  86. 


Romische  Sohleadergeschosae.  13 

das  S  am  Ende  der  3.  Zeile  ist  grossentheüs  verwischt,  das  O  am 
Schluss  der  4.  unsicher. 

2. 
PISON 

Ein  ähnliches  Exemplar  de  Minicis  81.  Die  einfachste  Erklärung 
ist  Pison(is),  wie  auch  auf  griechischen  Geschossen  der  Genitiv 
Mmv^ov^  ZmXov  üblich  ist.  Mommsen  nimmt  auch  hier  ohne  allen 
Grund  einen  Lesefehler  st.  P  I S  O  an.    Bisher  sind  aus  diesem  Kriege 

römische  Geschosse  nur  mit  dem  Namen  des  Consuls  Piso  aufgefunden 
worden. 

Bundesgenossen -Krieg. 

Der  hartnäckige  Kampf  zwischen  Rom  und  den  aufständischen 
Italikem  hat  eine  ganz  andere  Bedeutung  als  der  Sklavenkrieg  oder 
die  Belagerung  Perusias.  Mommsen  hat  in  37  Nummern  (von  denen 
manche  durch  zahlreiche  Exemplare  vertreten  sind)  die  bisher  be- 
kannten Schleudergeschosse  aus  diesem  Kriege  zusammengestellt,  die 
schon  durch  ihre  verhältnissmässig  grosse  Zahl  die  erste  Stelle  unter 
den  Denkmälern  dieser  Kategorie  einnehmen;  die  meisten  sind  bei 
Asculum,  oder  doch  im  Gebiet  der  Landschaft  Picenum  gefunden^  eine 
bei  Firmum,  andere  in  den  Abruzzen  ohne  nähere  Angabe  des  Fund- 
ortes (s.  Mommsen  655^  662,  664,  673,  zweifelhaft  bei  686.)  Mommsen 
führt  daher  sämmtliche  Geschosse  auf  die  langwierige  Belagerung  von 
Asculum  und  die  Kämpfe  in  der  Nähe  dieser  Stadt  zurück. 

Es  war  der  letzte  Versuch,  den  die  Italischen  Stämme  machten, 
um  ihre  Selbständigkeit  gegenüber  der  Herrschaft  Roms  zu  behaupten, 
aber  trotz  der  grössten  Anstrengungen  und  der  verzweifelten  Gegen- 
wehr unterlag  auch  diesmal  zuletzt  der  italische  Stier  dem  römischen 
Wolfe.  In  Aisculum  brach  der  Aufstand  aus;  diese  schon  durch  ihre 
natürliche  Lage  überaus  feste  Stadt  ^  war  ein  Hauptbollwerk  der 
Italiker;  die  umliegende  Landschaft  Picenum  leistete  den  hartnäckig- 
sten Widerstand  und  war  der  Schauplatz  blutiger  Kämpfe.  Hier 
führte  Gn.  Pompcjjus  gegen  die  Italiker  unter  ludaciUus  dem  Ascu- 
laner,  T.  Afranius  und  P.  Ventidius  den  Oberbefehl.  Mit  dem  Falle 
Asculums,  welches  lange  Zeit  von  den  Römern  belagert  wurde, '  war 
hier  das  Schicksal  des  Krieges  entschieden.    Es  ist  begreiflich,  'dass 


>)  Strabo  Y.,  24U 


14  .  Bdmwohe  SofalendargesehMte. 

Yorzugsweise  in  der  unmittelbaren  Nähe  jener  Stadt  Schleuder- 
geschosse und  zwar  römische  wie  italische  gefunden  wurden. 

Allein  der  Aufstand  war  nicht  auf  Picenum  beschränkt,  sondern 
griff  rasch  um  sich;  bald^tand  fast  ganz  Mittel-  und  Süditalien  gegen 
die  Römer  in  Waffen;  dieser  Eri^  verbreitet  sich  fiber  einen  weiten 
Raum  Ol  nnd  ist,  obwohl  er  nicht  viel  länger  als  zwei  Jahre  währte, 
reich  an  wechselvollen  Ereignissen,  da  von  beiden  Seiten  mit  dem 
Aufgebot  aller  Kräfte  gekämpft  wurde.  Zahlreiche  Städte  wurden 
belagert  und  erobert,  viele  grössere  Schlachten  und  unzählige  kleine 
Gefechte  geliefert:  fftr  Verwendung  der  Schleudertruppen  bot  sich 
überall  Gelegenheit  dar.  Man  sollte  daher  erwarten,  dass  nicht  nur  in 
Picenum,  sondern  auch  anderwärts  der  Boden  unmittelbare  Zeugen 
jener  Kämpfe  verberge,  und  diese  Erwartung  ist  nicht  getäuscht 
worden. 

Durch  die  neuen  Funde,  über  die  ich  hier  berichte,  hat  nicht 
allein  die  Zahl  der  Bleigeschosse  aus  dem  Bundesgenossenkriege  einen 
erheblichen  Zuwachs  erhalten,  sondern  indem  auf  den  Beischriften 
berühmte  historische  Namen  erscheinen,  nehmen  diese  unscheinbaren 
Reliquien  einer  wichtigen  Epoche  aus  der  Geschichte  Italiens  unser 
Interesse  in  erhöhtem  Maasse  in  Anspruch.  Von  römischer  Seite  be- 
gegnen uns  hier  zum  ersten  Male  die  Namen  des  C.  Marius,  Cn. 
Pompejus  und  des  Redners  M.  Antonius;  von  den  Italikem  die 
beiden  hervorragendsten  Führer  Paapius  Mutilus  und  Pompae- 
dius  Silo  nebst  Pontius  Telesinus  und  P.  Ventidius:  ausser- 
dem aber  noch  mancher  unbekannte  Name  aus  den  Reihen  der  Römer 
wie  ihrer  Gegner.  C.  Marius  hat  zwar  ein  Commando  bei  der  Nord- 
armee, steht  aber  hauptsächlich  den  Marsem  unter  Yettius  Cato,  Herius 
Asinius   und   Pompaedius   Silo    gegenüber^).     Diesem    Kriegsschau- 


^)  Selbst  Latimn  blieb  von  den  Leiden  dieses  verheecenden  Krieges  nicht 
yerschont ;  bei  Sora  im  ehemaligen  Yolskergebiete  kämpfte  eine  römische  Ab- 
theilung unter  Herennius  (s.  Servius  e.  Aen.  IX,  590) ;  denn  auch  Latiner 
hatten  sich  zum  Theil  dem  Aufstande  angeschlossen,  s.  Floras  III,  Id,  wo  offen- 
bar der  Name  der  Sabiner  ausgefallen  ist:  Pompaedius  Marsos,  (Sabines) 
et  Latinos  Afranius.  Lückexihafb  ist  auch  die  Aufzahlung  der  von  den 
ItaUkem  zerstörten  Städte,  die  Florus  offenbar  im  Anschluss  an  Livius  (s.  Epit) 
giebt;  der  Name  Picentia,  den  man  hier  eingeführt  hat,  ist  ganz  ungehörig; 
es  iltzu  lesen:  (omniaqne  lüde  a)  Pleentlmn  flnibvs  ferro  et  igni  vastan> 
tnr.  Dagegen  ist  der  Ausdruck  des  Obsequens  65:  ubique  in  Latio  olades 
aocepta  im  weitern  Sinne  zu  fassen. 

*)  Appian  I,  43,  44. 


Bömitdie  SöhleudergMohotae.  16 

platze  gehören  also  die  Schleuderbleie  mit  den  Namen  des  Marias 
und  Silo  an.  Von  den  Operationen  auf  dem  sfldlichen  Kriegstheater 
legt  zunächst  ein  römisches  Schleuderblei  Zeugniss  ab,  da  es  für  keinen 
geringem,  als  den  Oberbefehlshaber  der  Südarmee  der  Au&tändischen, 
für  Paapius  Mutilus  bestimmt  war;  die  gehoffte  Wirkung  hat  es 
allerdings  nicht  gehabt^  denn  der  tapfere  Mann  gab  sich  etwa  zehn 
Jahre  später,  als  ihm  kein  Ausweg  mehr  blieb,  in  Teanum  selbst 
den  Tod  ^).  Dazu  ist  nachträglich  ein  italisches  Geschoss  mit  dem 
Namen  des  Paapius  gekommen,  das  erste  mit  oskischer  Aufschrift, 
wie  man  es  bei  der  Südarmee  der  Aufständischen  erwarten  durfte'). 
Das  Geschoss  mit  dem  Namen  des  Pontius  Telesinus  mag  dem  Ende 
des  Krieges  angehören. 

3.  (Abgeb.  n.  1.) 
FERI      X      MVT 

d.  i.  feri  Mutilum,  denn  unzweifelhaft  ist  dieses  römische  Blei- 
geschoss  gegen  Paapius  Mutilus  aus  Samnium  gerichtet ;  er  war  nächst 
Pompaedius  Silo  der  hervorragendste  Leiter  des  Aufstandes  und  führte 
das  Kommando  auf  dem  südlichen  Schauplatze  des  Krieges ;  auf  den 
Münzen  der  Bundesgenossen  mit  Oskischer  Aufschrift  wird  er  als 
Imperator  bezeichnet  (G.  Paapii  G.  Mutil  embratur,  s.  Momm- 
sen  Böm.  Münzwesen  S.  589). 

4.  (Abgeb.  n.  2.) 

Aber  auch  ein  Geschoss  von  der  Armee  des  Paapius  Mutilus  liegt 
vor,  das  erste  welches  eine  oskische  Aufschrift  trägt: 

<U 

>inNRn  •> 


*)  Granius  Idoinianus  S.  88:  Papiasque  (die  Edsoh.  Papiriai)  Mu- 
tilus ind«  fugieuB,  quom  ne  ab  uxore  quidem  Bastia  nooiu  Teani 
reciperetur,  quod  erat  in  proscriptorum  numero,  usus  est  pugi- 
onifl   auxilio.    FolgUoh  kann  der  Statius,   der  nach  Appian  lY,  25  {£rdriog 

wegen  seiner  Reiohthümer  und  edlen  Geschlechts  sowie  wegen  seiner 
Eriegsthaten  römischer  Senator  ward  und  später  im  Bürgerkriege  prosoriblrt  in 
seinem  brennenden  Hause  umkam,  nicht  Paapius  sein;  es  ist  wohl  Tgtßdriog 
zu  lesen,  denn  *Eyvdriog,  eine  ebenso  leichte  Aenderung,  ist  unzulässig,  da 
dieser  im  Italischen  Kriege  seinen  Tod  fand,  s.  Livius  Epit.  LXXY. 

^)  loh  hatte  schon  vorher  yermuthungsweise  in   dem  PI  von  Nr.  5  den 

An&ngsbuchstaben  des  obersten  Feldherm  der  Italiker  erkannt,  und  diese 
Deutung  ist  vollkommen  durch  das  neu  aufgefundene  Geschoss  bestätigt. 


16  Homisohe  Schleodergesoliosse. 

Auf  der  Seitenfläche  war  wohl  d6r  Name  des  Paapios  wiederholt  und 
ausserdem  sein  Cognomen  hinzugefügt 

5. 
Schon  früher,  ehe  dieses  Blei  erworben  war,  hatte  ich  dn  anderes 

■>n  -> 

vermuthungsweise  der  Südarmee  der  Aufständischen  zugewiesen  Oi  und 
dabei  die  Erwartung  ausgesprochen,  dass  weitere  Funde  sicherlich 
auch  Wurfgeschosse  mit  unzweifelhaften  oskischen  Aufschriften  zu  Tage 
fördern  würden:  diese  Hoffnung  ist  nicht  getäuscht  worden,  und  jetzt 

ist  es  auch  nicht  zweifelhaft,  dass  der  Buchstabe  PI  gleichfalls  den 
Paapius  Mutilus  bezeichnet,  wofür  auch  die  Verwendung  des  gleichen 
Ornamentes  «>  spricht'). 

6.  (Abgeb.  n.  3.) 
TELE 
Man  geht  wohl  nicht  fehl,  wenn  man  dieses  Geschoss  auf  den 
Samniten  Pontius  Telesinus  bezieht«  der  nach  dem  Tode  des  Pompae- 
dius  Silo  den  Oberbefehl  übernahm  >) ;  dann  gehört  das  Blei  in  das 
letzte  Stadium  des  Italischen  Krieges,  ja  man  kann  ebenso  gut  auch 
an  die  Zeit  des  Bürgerkrieges  denken,  wo  die  Samniten  sich  an  die 
Partei  des  Marius  und  Cinna  anschlössen;  Sulla  hatte  harte  Kämpfe 
mit  Pontius  zu  bestehen,  bis  derselbe  im  J.  672  in  der  Schlacht  vor 
dem   üoUinischen  Thore    fiel,    s.   die   lebendige   Schilderung   dieses 


')  Dabei  hatte  iob  die  Möglichkeit  ausgesprochen,  dass  hier  ein  griechi- 
sches Geschoss  vorliege,   denn  an  ein  römisches  sei  auf  keinen  FaU  zu  denken; 

wenn  Münzen  von  Paestum  mit  lateinischer  Schrift   PI  st.  P  zeigen,  so  hat 

dies  seinen  guten  Grund. 

')  Das  Ornament  könnte  man  geneigt  sein  als  Darstellung  eines  Keiles 
zu  fassen,  wenn  nicht  die  Münzen  eben  bei  dem  Namen  des  Paapius  das  gleiche 
Zeichen  darböten,  s.  Friedländer  Osk.  Münzen  Taf.  IX,  6.  8.  9.  10.  X,  21. 

')  Er  wird  von  Anfang  an  ein  Kommando  geführt  haben,  YeUejus  II,  16 
rechnet  ihn  zu  den  namhaftesten  Häuptern  des  Aufotandes,  auch  Florus  DI^  18 
zählt  ihn  gleich  anfangs  unter  den  Anführern  auf:  Samnium  Lucaniamque 
(sub  signis  habuit)  Telesinus;  doch  tritt  dieser  ausgezeichnete  Mann  erst 
später  in  den  Vordergrund.  Diodor  XXXYII  (in  den  Auszügen  des  Photius 
T.  III,  S.  70  Dind.)  nennt  als  Anfuhrer  der  Italiker,  die  den  Krieg  fortsetzten, 
nachdem  der  Aufstand  niedergeworfen  war:  Magxos  iinayios  (Wesseling  richtig 
jiafAntonog),  xtd  Ttßi^oq  KXenCnog^  hi  ^k  Üofinf^tog  (mit  Wesseling  Ilayfiog\ 
ol  TÜv  vnoXointap  ^Ixahwtwf  inQarfiyot, 


Romische  Schlendergeschosse.  17 

Kampfes  bei  Vellejiis  11^  27,  vergl.  auch  Appian  I,  93,  Plutarch  Sulla 
29,  Florus  III,  21).    Es  wird  ein  römisches  Wurfgeschoss  sein. 

7.  (Abgeb.  n.  4.) 
SAMREBEL       ^C      pisch. 

Das  L  ist  undeutlich;  das  Emblem  der  Bückseite  kehrt  wieder 
auf  dem  Blei  Nr.  95.  Ich  halte  auch  dieses  Geschoss  für  ein  römi- 
sches und  lese  Sam(nites)  rebel(les),  wobei  man  feri  oder  pete 
zu  ergänzen  hat.  Dieses  Wurfgeschoss  mag  dem  vorigen  gleichzeitig 
sein,  also  entweder  in  die  letzte  Zeit  des  Italischen  Krieges  fallen, 
wo  nachdem  der  grösste  Theil  der  Aufständischen  sich  der  römischen 
Herrschaft  wieder  unterworfen  hatte,  die  Samniten  allein  noch  den 
Kampf  fortsetzten,  oder  dem  Ausgange  des  Bürgerkrieges  angehören: 
vierzigtausend  tapfere  Samniten  bedrohten  Rom,  mit  leidenschaftlicher 
Erbitterung  ward  von  beiden  Seiten  gefochten,  bis  die  Entscheidungs- 
schlacht unter  den  Mauern  der  Stadt  die  Gefahr  abwandte.  Vellejus 
hat  uns  die  Worte  aufbewahrt,  mit  dem  Telesinus  die  Seinen  zum 
Kampfe  anfeuerte:  adesse  Bomanis  ultimum  diem,  eruendam 
delendamque  urbem,  nunquam  defuturos  raptores  Ita- 
licae  libertatis  lupos,  nisi  silva,  in  quam  refugere  soleant, 
esset  excisa.  In  jener  Zeit  erscheint  die  gereizte  Stimmung,  die 
sich  in  dieser  Aufschrift  kund  giebt,  vollkommen  erklärlich  ^). 

8.  (Abgeb.  n.  5.) 

C.MARIVS 

VCAJV    V 

Auf  der  Rückseite  ist  das  Zeichen  des  Keils  (forfex)  zweimal  wieder- 
holt.   Das  S  in  Marius  ist  undeutlich,  aber  doch  nicht  zu  verkennen, 

daher  muss  der  vorhergehende  Buchstabe,   der  beschädigt  ist,  ein 

V  sein,  sonst  könnte  man  ihn  auch  für  ein  O  halten.    Von  dem  L 

in  Gatulus  sind  nur  schwache  Spuren  erhalten,  auf  V  folgte  offen- 
bar kein  weiterer  Buchstabe.     Ich  ergänze  V.  Catulu(m).     Das 


^}  Doch  lässt  sich  die  Aufschrift  aach  Sam(nitiain)  rebel(liuin)  er- 
klären, dann  würde  das  Blei  den  Samniten  gehören,  welche  höhnend  die  Be- 
nennung, 'welche  ihnen  die  Römer  beizulegen  gewohnt  waren,  wiederholten. 
Auch  erinnert  der  Fisch  an  den  Delphin,  der  sich  öfter  auf  italischen  Münzen 
mit  oskischer  Aufschrift,  wie  Aurunk.  und  Fistlus  findet,  s.  Friedlander 
osk.  Münz.  T.  YIII  und  Y,  1;  vergl.  auch  die  kampanische  Münze  ebend. 
T.  y,  1.    Auch   erinnere  ich  an  die  Patronatstafel  yon  Fundi  auf  einem  Fisch 

von  Bronze  (0.  I.  L.  I.,  n.  532.) 

2 


18  Römisohe  SchleudergesehoMe. 

Praenomen  V.  kennzeichnet  den  Catulus  als  Italiker  0 ;  wollte  man 
V.  Gatulus  lesen,  so  müsste  auch  C.  Marius  ein  Italiker  sein,  da 
doch  nur  zwei  eng  verbundene  Heerführer  nebeneinander  im  Nomi- 
nativ genannt  werden  konnten ;  allein  der  bekannte  Samnitische  Feld- 
herr heisst  Marius  Egnatius,  wo  Marius  als  Praenomen  zu  fossen  ist '). 
Es  kann  also  nur  der  berühmte  römische  Feldherr  gemeint  sein,  ich 
halte  daher  die  Lesung  C.  Marius  V.  Catu(l)u(m)  fest^).  Der 
greise  Marius  sendet  dem  feindlichen  Anführer  seinen  Gruss  in  Form 
eines  Schleuderbleies,  wie  nach  einer  bekannten  Anecdote  der  Bogen- 
schütze Aster,  als  er  dem  König  Philipp  von  Makedonien  ein  Auge 
ausschoss,  zwar  nicht  gerade  die  Pfeilspitze  mit  einer  Aufschrift  ver- 
sah, aber  dazu  die  Worte  sprach: 

Ich  ergänze  also  im  Gedanken  salutat.  Wie  bei  Briefen  die 
unwandelbare  Ordnung  beobachtet  wird,  dass  der  Absender  seinen 
Namen  voranstellt,  so  dass  man  sogar,  wenn  man  in  gebundener  Rede 


')  In  den  Listen  des  römisclien  Magfistratnr  kommt  der  Vorname  Vibius 
nicbt  Tor,  denn  mit  dem  Ck)n8ul  des  J.  302  P.  Sestius  Q.  f.  Yibi  n.  (s.  die 
Fasti  CapitoL)  hat  es  offenbar  eine  besondere  Bewandtnisa.  In  Rom  erscheint 
dieser  Yorname  auf  Inschriften  der  republikanischen  Zeit  nur  auf  dem  Grab- 
denkmal C.  L  L.  I,  1097  T  •  V  E  D  I  V  S  •  V  •  F  und  V  I  B  • 
V  E  D  I  V  S  ^  auf  Inschriften  der  Municipien  kommt  er  zwar  öfter  Yor,  aber 
nur  einmal  auf  einer  Inschrift  von  Assisium  1412  fuhrt  der  Betreffende  selbst 
diesen  Vornamen  (V  •  VOLSIEN  VS  TF  MARON  ES), 
sonst  immer  der  Vater,  s.  625.  1181.  1279.  1285.  1286.  1456.  Man  sieht  deut- 
lich, wie  unter  dem  Einflüsse  römischer  Sitte  dies  altitalische  Praenomen 
immer  mehr  zuraokgedr&ngt  wird.  Bei  einem  Officier  der  römischen  Armee 
h&tte  dieser  Vorname  nichts  auffallendes,  aber  neben  G.  Marius  konnte  doch 
nur  ein  höherer  Befehlshaber  genannt  werden. 

*)  Als  Anführer  der  Samniten  bezeichnet  in  Livius'  Epit  LXXV;  nach 
Oskischer  Weise  wird  also  Marius  Praenomen  sein.  Dass  Egnafdus  nach  römi« 
scher  Sitte  drei  Namen  führte  ist  nicht  wahrscheinlich,  am  wenigsten  würde  er 
sich  G.  Marius  genannt  haben,  was  nur  zu  Irrungen  Anlass  geben  könnte.  Die 
Vermnthnng  Prosper  Merim6e's,  Marius  Egnatius  sei  ein  Sohn  des  M.  Marius 
aus  Teanum  gewesen,  ist  grundlos. 

')  Anfangs  glaubte  ich,  es  sei  G.  Mario  V.  Gatulu(8)  zu  lesen,  sodass 
das  BleigeschoBs  als  eine  Gabe  bezeichnet  würde,  die  man  dem  Gregner  zusendet; 
▼ergL  Nr.  62  donum  L.  VII. 


Bomisobe  Schleudergescboase. 


19 


davon  abzuweichen  genöthigt  ist,  sich  entschuldigt  0,  so  ist  dies  auch 
hier  gewahrt;  vergl.  Plautus  Pseud.  41:  Phoenicium  Calidoro 
amatori  suo  salutem  mittit,  Bacch.  733:  Mnesilochus 
salutem  dicit  suo  patri*). 

V.  Catulus  wird  in  unseren  Quellen  nicht  erwähnt;  ausser  den 
oberen  Auiührern  gab  es  für  die  einzelnen  Städte  Befehlshaber'), 
und  im  Verlaufe  des  Kampfes  tauchten  natürlich  auch  neue  Namen 
auf.  So  erscheinen  auf  oskischen  Münzen  Lucius  und  Hejus  *),  offen- 
bar höhere  Anführer,  so  gut  wie  Paapius  Mutilus  und  Pompaedius  Silo. 
Auch  auf  römischer  Seite  werden  manche  Führer  nur  ein  einziges 
Mal  genannt '^). 

9.    (Abgeb.  n.  6.) 
Der  Name  des  Marius  erscheint    auch  auf  einem   zweiten  Ge- 
schosse, dessen  Aufschrift 

SIL  X  MAR 
ofifenbar  ähnlich  zu  fassen  ist;  hier  steht  dem  Namen  des  Marius 
der  des  italischen  Feldherm,  des  berühmten  Pompaedius  Silo  gegen- 
über: das  Geschoss  kann  ein  italisches,  aber  auch  ein  römisches  sein, 
je  nachdem  man  Si](o)  Mar(ium)  oder  Mar(ius)  Sil(onem) 
ergänzt;  ich  ziehe  die  zweite  Fassung  vor.  Das  Geschoss  ist  zusam- 
mengelöthet  und  neu  gestempelt:  unter  dem  Namen  des  Marius  er- 
kennt man  noch  den  früheren  Stempel  IAA,  d.  h.  VVI®);  diese 
Lautverbindung  ist  unrömisch,  dies  Bruchstück  gehört  also  einem 
italischen  Geschosse   an,   welches   die  römischen  Schleuderer   wieder 


^)  Au8oniu8  epidt.  20,  1:  Pauliao  Ausonias:  meirum  sie  suasit, 
iit  esse»  Tu  prior,  et  uomen  praegrederere  meum. 

^  Bei  mündlicher  Begrüssnng  steht  wohl  nach  der  Objeetscasus  voran, 
wie  Plaut.  Trin.  435:  Erum  atque  servom  plurimum  Philto  jubet 
salvere. 

^)  Appian  I,  40  unterscheidet  ausdrücklich :  ^Iraldig  <r  riaav  fihv  atQttrtiyol 
xara  noUig  tiegoi,  xoivol  J'  inl  rt^  xoty^  xal  tov  Traviog  avTox^ioQes,  von  denen 
er  9  namhaft  macht  (Vellejus  II,  16  nennt  7). 

*)  N  i.  Lüvki  Mr.  und  ML  loiis  Mi.    (Mommsen  röm.  Münzw   590.) 

^)  So  Cornutus  von  Cicero,  Herennius  von  Servius. 

^)  Auch  unter  dem  Namen  SIL  scheint  eine  ältere  Aufschrift  gestanden 

zu  haben,  erkennbar  sind  aber  nur  etwa  zwei  Buchstaben  P  O     und  auch  diese 
unsicher. 


90  Bömiscbe  Scfaleadergeadiosse. 

Terwendet  haben;  VV  I  ist  lateinisch  Ovi  >),  so  findet  sich  auf  einer 

Pompejanischen  Inschrift  L  *  Vvii  d.  i.  Ovias.  Das  Geschoss 
braucht  nicht  gerade  eine  Aufschrift  in  Oskischer  Sprache  gehabt  zu 
haben,  auch  andere  Landschaften,  deren  Mundart  bereits  hiteinisch 
war,  können  doch  in  Eigennamen  noch  die  alte  Form  bewahrt  haben  *). 
Marius  war  nur  im  ersten  Kri^jahre  664  thätig,  sein  Alter 
und  sein  Gesundheitszustand  erlaubten  ihm  nicht,  ein  weiteres  Kom- 
mando zu  übernehmen,  auch  mochte  seine  Kriegführung,  an  der  man 
die  frühere  Energie  Termisste,  nicht  recht  befriedigt  haben;  vergL 
Plutarch  Mar.  c.  33,  wo  auch  berichtet  wird,  dass  er  längere  Zeit  in 
einem  yerschanzten  Lager  dem  Pompaedius  Silo  g^enuberstand ') ;  bei 
diesem  Anlasse  kann  das  Schleuderblei  seinen  Stempel  erhalten  haben. 

10. 
M  R         ^C         Blitz. 

IL    (Abgebe  n.  7.) 

MR        X        VIII 
Ich  reihe  diese  beiden  Geschosse  hier  ein,  obgleich  es  nicht 
*  sicher  ist,  dass  es  römische  Bleieicheln  mit  dem  Namen  des  berühmten 


')  Ich  erklare  V  V  I  durch  0  v  i ,  denn  von  weiteren  Bachstaben  ist  keine 

Spur,  man  darf  also  nicht  aii  Namen  wie  Luvikis  (Lüvki  auf  oskischen 
Münzen  der  Aufständischen)  oder  Clovius  denken,  ebensowenig  an  ein  rück- 
läufiges luventiuB,  wie  bei  Orosius  V,  18  ein  Führer  der  Italiker,  der  g^^n 
Sulla  kämpft,  heisst. 

')  In  dem  Geschosse  bei  Mommsen  664  (in  den  Abruzzen  gefunden, 
de  Miniois  11,  Ritschi  YIII,  17) 

L  •  XXX 

VV 

ist  V  V  vielleicht  nur  Best  des  alten  Stempels  V  V  I.    Man  erkennt  darin  die 

legio  Ulpia  Yictrix,  dann  läge  freilich  eine  offenbare  Fälschung  vor. 

')  Dass  hier  ab  und  zu  die  Führer  wie  die  Soldaten  aus  beiden  Heer- 
lagern freundschaftlich  mit  einander  y erkehrten,  erzählt  Plutarch  Mar.  33,  vergl. 
auch  Diodor  £x.  Vat  c.  6  (T.  III,  S.  130  d.  Dindoiif.  Ausg.).  Aehnliche  Soenen, 
friedliche  Bilder  inmitten  des  brudermörderischen  Kampfes,  wiederholten  sich 
auch  anderwärts,  man  ygL  die  Erzählung  Ciceros  (Philipp.  XU,  11),  der  damals 
nnter  Cn.  Pompejus  Kriegsdienste  that,  yon  der  Zusammenkunft  awischen  Pom- 
p^us  nnd  dem  Marser  Vettius  Cato.; 


Römische  Schleudergesohosse.  21 

Marius  sind,  denn  man  könnte  auch  an  den  jüngeren  Marius  oder  an 
die  Marser  denken  0) 

12.    (Abgeb.  n.  8.) 
Ein  römisches  Schleudergeschoss 

FRISIL        X        PISAV 

(der  erste  Buchstabe  F  ist  beschädigt,  alle  übrigen  unversehrt) 
bezeichnet  den  Pompaedius  Silo  als  sein  Ziel;  es  kann  recht 
wohl  einer  späteren  Zeit  des  Krieges  angehören  als  das  Blei  Nr.  9 ; 
denn  Silo,  unzweifelhaft  der  hervorragendste  Feldherr  der  Aufstän- 
dischen und  die  eigentliche  Seele  der  Bewegung,  setzt  den  Kampf 
noch  fort,  auch  nachdem  seine  Stammgenossen  die  Marser  sich  bereits 
unterworfen  hatten,  und  fiel^  im  dritten  Jahre  des  Krieges  in  einer 
Schlacht:  über  die  näheren  Umstände  sind  wir  nicht  unterrichtet,  da 
die  Ueberlieferung  ebenso  unvollständig  als  widerspruchsvoll  ist.  Der 
Sinn  der  Inschrift  ist  klar:  fri  Sil(onem):  Pi8au(ro).  Die 
Schützenabtheilung,  der  dieses  Blei  angehört,  war  in  Pisaurum  aus- 
gehoben. Ich  lese  fri,  obwohl  man  in  den  Spuren  des  Geschosses 
auch  feri  finden  könnte;  die  römischen  Golonisten  zu  Pisaurum  in 
der  gallischen  Mark  werden  wie  ihre  Nachbarn,  die  Picenter,  den 
Vocal  unterdrückt  haben,  vergl.  zu  Nr.  15. 

Auf  dieses  Geschoss  kann  ein  anderes,  welches  in  drei  verschie- 
denen Exemplaren  vorliegt,  die  Antwort  der'Italiker  enthalten:  feri 
Pis(aurenses). 

13. 

FERI   PfS      X      Blitz. 
Das  Blei  ist  neu  gestempelt,  trug  aber  früher  offenbar   denselben 

Stempel,  da  nicht  nur  FERI  sondern  auch  das  doppelte  fulmen 
trisulcum  deutlich  zu  erkennen  sind,  nur  sind  die  Buchstaben  etwas 
kleiner. 

14. 

FRIPISA 

15. 

TRI  PISA 
M 


>)  Mommsen  667  wiederholt  aus  de  Minicis  33,  (RiUchl.  YIII,  32)  ein  in 
Picenum  gefundenes  Geschoss: 

VIII       X       N 

'WM  möglicherweiie  von  Kr.  11  nicht  verschieden  ist. 


22  B*'^ 

lii'^r  i'^t  da.^  M  vielleicht  Ke^t  CiUes  früheren  StempeU.  Ein  anderes 
Exemplar  anbestiiDiiiten  FuL*l"rttr:s  tut  de  Minicts  69  (Monunäco  651) 

F  R I '  P  I S  A,  deoii  uhne  Gnind  hAt  MoiLmsen  dieses  für  ein  fiJsch 
gcleaenei  Exeniplar  eines  anderen  Bleies  bei  de  Minids  70:  F  R  I  • 
PIC,  was  man  PicTentes}  erklärt:  eher  könnte  man  glanben,  dass 
statt  P I C  Tielmehr  P I  S  zu  le^n  sei,  denn  aach  anf  onserem  Exem- 
plar Nr.  15  gleicht  das  ondeutüche  S  in  P  IS  A  einem  C  0-  Die  Untcr- 
flrückaug  des  Vocals  in  der  Stammsilbe  Fri  st.  Feri,  die  in  dem 
Exemplar  bei  de  Minicis  70  gerade  so  wie  hier  Nr.  14  ond  15  sich 
zeigt,  deutet  mehr  auf  ein  italisches  als  ein  römisches  Geschoss,  vorgl. 
zu  Nr.  25  und  zu  Nr.  26,  27.    Denn  die  Gestalt  des  F  Nr.  15,  welche 

auch  bei  de  Hinicis  Nr.  70  und  71   vorkommt,  ist  nicht  als  Andeu* 

tung  der  Ligatur  F  E  zu  fassen,  sondern  als  einfaches  F,  (ähnlich 

auf  einer  Münze  von  Firmum  bei  Ritschi  T.  V,  N.:   T  I  R),  gerade 

so  wie  auch  zuweilen  £  die  Stelle  des  E  vertritt,  s.  zu  Nr.  49,  50. 
Allein   auch  auf  einem  Geschosse  der  Mainzer  Sammlung  habe  ich 

FRI    P I C    gefunden,   man  ist  also  nicht  berechtigt,   den  Römern 

(d.  h.  in  Pisaurum,  s.  zu  Nr.  12)  die  Form  F  R  I  abzusprechen. 

Ich  lasse  drei  andere  Geschosse  folgen,  die  nur  einen  Stadt- 
namen enthalten,  womit  offenbar  gerade  so  wie  in  Nr.  12  die  Heimath 
der  Schleuderer  bezeichnet  wird. 

16.  p 

SENA 
Die  Rückseite  ist  glatt,   dagegen  auf  der  einen  schmalen  Seite 
finden  sich  fast  erloschene  Buchstaben,   die  gleichfalls  den  Namen 

SENA  zeigen :  das  Blei  ist  .also  später  neu  gestempelt. 

17. 
AVX 

'18. 

H  AX 

Die  beiden  ersten  Bleieicheln  sind  neu,  die  dritte  ist  schon  bekannt, 
ein  Exemplar  befindet  sich  in  der  Eircher'schen  Sammlcmg  (abge- 
bildet bei  de  Minicis  24,  nach  einer  neuen  Zeichnung  Ritscbl  YIII,  23) 

')  Ritschi  hat  beide  Geschosse  bei  de  Minicis  (69  und  70)  als  verdachtig 
oder  verdorben  bezeichnet,  eine  völlig  grundlose  Yermuthang. 


RöTDische  Schleadergeschosse.  23 

und  ist  dem  vorliegenden  Exemplar  ganz  gleich  ^),  während  auf  einem 

anderen  im  Besitz  von  de  Minicis  TAH  gelesen  wird.  Es  stimmt 
diess  ganz  mit  den  Münzen  von  Hatria  überein,  auf  denen  gleichfalls 

bald  HAT  bald  TAH  sich  findet ;  ]\  selbst  die  kräftigen  breiten 
Züge  der  Buchstaben,  welche  diese  Münzen  zeigen  (s.  Bitschi  T.  V, 
F,  6,  H,  J),  finden  sich  auch  auf  den  Schleudergeschossen. 

Sämmtliche  vier  Städte  waren  römische  Colonien,  Pisaurum  im 
J.  570,  Sena  465,  Auximum  597,  Hatria  gleichzeitig  mit  Sena  (465) 
dedacirt.  In  Pisaurum  und  Sena  werden  die  Bömer  gleich  im  Beginn 
des  Krieges  Soldaten  ausgehoben  und  als  Schleuderer  verwendet 
haben.  Nr.  12  ist  unzweifelhaft  ein  römisches  Blei,  und  von  Nr.  16 
gilt' das  Gleiche.  Schwieriger  ist  die  Entscheidung  hinsichtlich  Nr. 
17  und  18,  dal  Auximum  und  Hatria  im  Gebiet  der  Aufständischen 
Ficenter  lagen:  denn  wie  in'  Asculum  alle  römischen  Bürger  ermordet 
wurden,  so  war  wohl  auch  dort  die  Lage  der  römischen  Colonisten 
gefährdet;  Indess  so  gut  wie  Firmum,  gleichfalls  römische  Golonie, 
sich  behauptete  bis  Pompejus  mit  einem  römischen  Heere  in  Picenum 
einrückte^),  eben  so  gut  konnten  auch  Auximum  und  Hatria  sich  bis 
zur  Ankunft  der  Römer  halten;  indem  man  beide  Städte  mit  einer 
ausreichenden  Besatzung  versah,  konnte  man  Schleuderer  dort  aus- 
heben, um  sie  im  Felddienste  zu  verwenden.  Wem  dies  nicht  glaub- 
lich erscheint,  der  mag  beide  Geschosse  den  Picentem  zuweisen'). 

19.    (Abgeb.  n.  9.) 
VE  NT        X        MAIT 


^)  Ganz  ähnliche  Exemplare  finden  sich  zu  Frankfurt  in  der  Sammlung 

Milani  und  in  Mainz  (dreimal  mit  Ay  einmal  T\    Mommsen  sucht  auch  diese 

Aufschrift  zu  beseitigen,  indem  er,  ungeachtet  die  Treue  der  Abbildung  bei 
de   Minicis   durch    die    Vergleichung    des   noch   vorhandenen    Exemplars    bei 

Ritsohl  bestätigt  wird,   meint,  es  sei  dies  ein  Lesefehler  für  I  T  A  L  (n.  645). 

')  Wenigstens  wird  nicht  berichtet,  dass  Pompejus,    der  sich  in  Firmum 
festsetzte  und  gegen  die  Aufiständischen  vertheidigte,  die  Stadt  zuvor  erobert  hat. 

>)  Die  Schrift  auf  Nr.  16  und  17  ist  wesentlich  die  gleiche:   nur  Nr.  18 

H  A  X  unterscheidet  sich  durch  die  breite  Form  der  Buchstaben;  dies  ist 
aber  für  die  Entscheidung  dieser  Frage  unwesentlich,  denn  das  römische  Blei 
F  E  R  I  AA  V  T  zeigt  grosse  breite  Züge,  das  Italische  F  E  R  I 
P  O  M  P  E  I  V  M    kleine   Buchstaben.    Eher   war   die   in   der  Heimath  der 

Schrützen  übliche  Schreibweise  massgebend,  wie  eben  die  UebereinstinrniUBg  der 
Münzen  und  Bleigeschlosse  von  Hatria  zeigt. 


24  Römische  Schleudergeschosse. 

20. 

VEfT  P 
M.  Antonius  kommt  auf  einem  Schleuderblei  von  Peruäa  vor 
(Mommsen  688),    obwohl  man  nicht  recht  einsieht,    wie  man  Anlass 
hatte,  des  abwesenden  Triumvirs  zu  gedenken:   eher  liesse  sich  die 
Erwähnung  des  P.  Ventidius  Bassus  rechtfertigen,  da  er  mit  seinen 
Truppen  zum  Entsatz   des  in  Perusia  belagerten  L.  Antonius  heran- 
rückte, aber  absichtlich  zögerte,  bis  die  Uebergabe   der  Stadt  erfolgt 
war.    Allein  die  Vertheilung   der  Namen  auf  Vorder-  und  Rückseite 
deutet  an,   dass  die  beiden  Feldherren  feindlich  einander  gegenüber- 
stehen ;  das  Schleuderblei  kann  also  nicht  dem  Perusinischen  Kriege 
zugewiesen  werden,  auch  deuten  die  fetten  Schriftzüge  hier  wie  Nr.  20 
vielmehr  auf  den  Bundesgenossenkrieg  hin.    Die  abgekürzten  Namen 
sind  offenbar  nach  der  Analogie  von  Nr.  8   und  9  aufzufassen,   und 
je  nachdem  man  sie  ergänzt,  kann  das  Geschoss  sowohl  den  Römern 
als  auch  den  Italikem  angehören;  da  aber  Nr.  20,  welches  unzweifel- 
haft den  Italikem  gehört,  ebenfalls  den  Vornamen  des  Ventidius  aus- 
lässt  und  in  diesem  Namen  die  gleichen  Schriftzüge  zeigt,  so  ergänze 
ich:  Vent(idius)  M.  Ant(onium).    P.  Ventidius  schlug  nach  der 
Erzählung  des  Appian  I,  47  0  in  Verbindung   mit  ludadlius ,  und  T. 
^  Afranius  den  Pompejus  und  schloss  ihn  in  Firmum    ein;    während 
Afranius  das  römische  Heer  in  jener  Stadt  blokirte  *),  zogen  Ventidius 

*)  Bei  Appian  ist  Ovevrihog  gOBchrieben,  offenbar  nur  Versehen  der  Ab- 
schreiber, wie  I,  41  raios  IloniXiog  st.  IlovtlSiog,  denn  obwohl  auch  in  itali- 
schen Eigennamen  der  Laatwandel  zwischen  D  and  L  nicht  unbekannt  ist,  so 
bieten  doch  griechische  Handschriften  dafür  keine  ausreichende  Gewähr.  Ob 
in  der  Inschrift  bei  Orelli  .8283  V  E  N  T  I  L  I  V  S  gesichert  ist,  steht  dahin. 
Nicht  richtig  hat  man  bei  Appian  Ovinioq  herstellen  wollen. 

^)  Bei  Appian  heisst  dieser  Fiihrer  der  Italiker  Titog  jitttp^Viog  If  40 
und  47,  bei  Florus  III,  18  schwankt  die  handsohr.  üeberlieferung  zwischen 
Afrienos  (Afrienus)  und  Affranius,  aber  für  Afranius  spricht  auch 
die  verderbte  Lesart  bei  Orosius  V,  18:  Decem  et  octo  millia  Marsorum 
in  ea  pugna  cum  Franco  imperatore  suo  caesa  sunt,  capta  tria 
millia,  darin  liegt  nichts  anderes  als  Afranio;  denn  Orosius  schildert  offen- 
bar die  grosse  Schlacht  zwischen  Firmum  und  Asculum,  in  der  Afranius  nach 
Appian  I,  47  fiel;  damals  standen  nach  Vellej.  ü,  21  60,000  Italiker  76,000 
Römern  gegenüber.  Der  Ausdruck  Mars  er,  den  Orosius  gebraucht,  ist  un- 
genau, wahrscheinlich  gab  die  herkömmliche  Benennung  bellum  Marsioum 
dazu  Anlass. 


1 

•( 


BömiBche  SchleadergesohoBse.  25 

UDd  Ittdacilius  auf  andere  Unternehmungen  aus.  Bei  jenen  Kämpfen 
gegen  Pompejus  in  Picenum  mag  Ventidius  dem  M.  Antonius,  dem 
berühmten  Redner  gegenüber  gestanden  haben,  den,  wie  Cicero  Brut 
89  berichtet,  der  Krieg  seinem  gewohnten  Berufe  entzog  ^).  Dieser 
Ventidius  stammt  aus  Asculum,  denn  Pompejus  führte  später  seinen 
Sohn,  der  damals  noch  Knabe  war,  mit  seiner  Matter  als  Kriegs- 
gefangene im  Triumphe  auf. 

Auf  dem  anderen  Geschosse  ist   P  wohl  Abkürzung    für  Ven- 
t(idi)  p(ir);  über  pir  s.  zu  Nr.  41—43. 

21.    (Abgeb.  n.  10.) 

FERIPOMPEIVM 

22. 

FERIPOMPEIVM 

Die  Inschrift  des  ersten  grösseren  Geschosses  ist  vollkommen 
deutlich   und    wohlerhalten,    (an    der   Seitenfläche  Reste    desselben 

Stempels  PER  und  zuletzt  I V  M),  auf  dem  zweiten,  dessen  Kaliber 

leichter  ist,  sind  die  Buchstaben  zum  Theil  erloschen. 

23. 

PI 
OM  PEI 

Das  I  der  ersten  Linie  ist  zerdrückt,  dagegen  das  P  deutlich ; 

man  darf  daher  nicht  (F*)RI  lesen,  eher  vielleicht  (FERI)PI(R), 

zumal  auch  hinter  P  I  noch  die  Spur  eines  Buchstabens  sich  findet. 

üeber  P  I  R  s.  z.  Nr.  41—43.  Die  erste  Zeile  scheint  nicht  Rest 
eines  früheren  Stempels  zu  sein,  sondern  zu  der  zweiten  ursprünglich 

zu  gehören.  —  Auf  einem  Mainzer  ^Blei  findet  sich  ^OMPI. 

24. 
FERI        X        POMP 

In  grossen  kräftigen  Zügen,  das  erste  P  lehnt  sich  an  O  an, 
das  zweite  ist  halb  erloschen. 

25. 

FBIPO'A 

<  RMI  ^ 

Der  erste  Buchstabe  ist  unzweifelhaft  F,  nicht  E,  wir  müssen  also 

^)  Gioero:   Erat  Hortensius  in  hello  anno  primo  miles,   altero 
tribanuB  militum,  Sulpicius  legatus  aberat,  etiam  M.  Anton iua. 


26  Römiflche  SeMeudergfescliosse. 

VocahiDterdrückang  annehmen,  wahrscheinlich  eine  Eigenthümlichkeit 
des  Picenter  Dialekts,  wie  sich  dieselbe  Erscheinung  in  der  Mundart 
der  Paeligner  und  Praenestiner  zeigt,  s.  meine  Abhandlung  im  Lections- 
catalog  Ton  Halle,  Sommers.  1866,  S.  VII   fif.    Doch  soll  vielleicht^  d 

das  R  unten  geschlossen  scheint,  dadurch  Bindung  von  E  und  R  aus- 
gedrückt werden,  wie  in  F  R  I  PISA  bei  de  Minicis  69  (Ritschi 
IX,  7).  P  O  A  ist  doch  wohl  nichts  anderes  als  P  O  M,  obwohl  sich 
keine  Spur  des  fehlenden  Zuges  zeigt  und  das  Blei  hier  unversehrt 
ist  0-    Die  zweite  Zeile  gehört  einem  früheren  Stempel  an,  der  erste 

Buchstabe  R  ist  noch  deutlich  zu  erkennen,  M  fast  .verloschen,  der 

dritte  ganz  unsicher,  ob  I  oder  S. 

Alle  fünf  Geschosse  gehören  den  Asculanem  an,  und  sind  für 
Cn.  Pompejus  bestimmt,  der  nach  langwieriger  Belagerung  und  bluti- 
gen Kämpfen  endlich  die  Stadt  eroberte  und  zum  Lohn  für  diese  That 
der  Ehre  des  Triumphes  gewürdigt  wurde.  Es  ist  begreiflich,  dass 
die  Geschosse  der  Asculaner  vor  allen  den  Namen  des  feindlichen 
Heerführers  zeigen,  und  die  Verschiedenheit  des  Stempels,  die  Varia- 
tionen hinsichtlich  der  Abkürzung  und  Vertheilung  der  Worte  haben 
nichts  auffallendes,  da  diese  Bleieicheln  massenhaft  angefertigt  wurden 
und  wahrscheinlich  vei'schiedeien  Abtheilungen  der  Schleuderschützen 
angehören.  Von  vorliegenden  fünf  Geschossen  sind  vier  neu;  von 
allen  Exemplaren,  welche  Mommsen  n.  650  zusammenstellt,  und  wo 
er  selbst  schwankt,  ob  Feri  Pomp  oder  Feri  Roma  zu  lesen  sei, 
gehört  kein  einziges  hierher,  ausser  etwa  das  Wiener  Blei,  welches 
nach  0.  «Jahns  Angabe  : 

FERI        X        POMP 
hat,  wovon  wohl  ein  anderes  bei  Delfico: 

FERI  X  POMR 
nicht  verschieden  |st  (der  Lesefehler  der  Rückseite  ist  eher  in  dem 
letzten  als  dem  ersten  Buchstaben  zu  suchen);  diese  Marke  ist  offen- 
bar identisch  mit  unserer  Nr.  24,  wo  gleichfalls  die  Worte  auf 
Vorder-  und  Rückseite  vertheilt  sind.  Vielleicht  kommt  auch  Gual- 
therus,  dßr   im  J.  1624   zu  Rom  ein   zu  Asculum  gefundenes  Blei 


^)  Bei  erneuter  UnterBuchung   halte  ich   das  GeschoBs   fär  idenüsoh  mit 
de  Minicis  69,  denn  das    O    ist  undeutlich,   es  kann  recht  wohl  ursprünglich 

I  S  hier  gestanden  haben,  also  FBI*  P  I  S  A,   demnach  würde  dies  Blei  zu 
Nr.  13|  14,  16  zu  stellen  sein. 


Römitche  Sclüeadergetobosse.  27 

copirte,  wieder  zu  Ehren:  denn  seine  Abschrift  stimmt  vollkommen 
mit  Nr.  21  und  22;  aber  man  versagte  seiner  Angabe  Glauben,  weil 
man  meinte,  er  habe  nach  der  Sitte  jener  Zeit  die  Au&chrift  will- 
kührlich  ergänzt 

26. 

F  R  I 

T  O  M  R 

27. 

F  R  I 

T  O  M  R 

Beide  Geschosse  ähnlich,  aber  die  Aufschrift  des  einen  ist  durch 
Guss  hergestellt,  die  des  anderen,  wie  es  scheint,  mit  Hülfe  eines 
Stempels  eingeschlagen,  die  Buchstaben  sind  daher  schärfer  und  über- 
haupt kräftiger.    Ein  drittes  Exemplar  hat  de  Minicis  n.  71  (Ritschi 

IX,  (7)),  nur  liest  er  T  R  I,  auf  unseren  Exemplaren  ist  das  F  be- 
schädigt. Mommsen  bringt  diese  Marke  unter  Nr.  650  unter,  indem 
er  feri  Pomp,  oder  feri  Rom(anos)  liest;  darüber  verweise 
ich  auf  S.  3.  lieber  den  Fundort  giebt  de  Minicis  keine  Aus- 
kunft; allein  da  bisher  Feri  auf  Geschossen  aus  dem  Perusinischen 
Kriege  nicht  nachweisbar  ist,  so  sind  wir  berechtigt,  diese 
Bieieicheln  dem  Bundesgenossenkriege  zuzutheilen.    Die  Vocalunter- 

drückung   F  R  I  findet  sich  nicht  nur  in  dem  asculanischen  Blei  Nr.  25 

F  R  I  ROM,  dann  auf  zwei  andern  oben  Nr.  14,  15  F  R I  P I  S  A, 

'  sondern  auch  auf  einem  römischen  Geschosse  Nr.  12  und  bei  de  Minicis 

70 :  F  R  I  P  I  C,  Indess  gehören  wohl  die  vorliegenden  Geschosse  Nr. 
26,  27  den  ItaUkern.  Die  Form  T  bei  de  Minicis  vertritt  das  einfache  F^ 
s.  zu  Nr.  15;  man  darf  darin  ebensowenig  eine  Ligatur  von  F  E  als 
von  T  F  finden  und  darin  einen  lautlichen  Zusatz  der  Volkssprache 
erblicken,  etwa  wie  in  P  V  O  M  I  S  (auf  dem  Gampanaschen  Blei  bei 
Mommsen  in  den  Nachtr.)  sich  der  Lippenlaut  P  erzeugt  hat,  oder 
auch  im  Griechischen  das  TT  in  Tvcohg  lediglich  phonetische  Zuthat  ist  % 
Räthselhaft  ist  T  O  M  R,  nach  der  Analogie  anderer  ähnlicher 
Aufschriften  erwartet  man  den  Namen  eines  feindlichen  Führers:  an 

^)  Die  Tttlgare  Form  nohq  hält  den  Hülfslaut  fest,  während  sie  das 
stammhafie  r  fallen  läset:  noU^  mit  xiUta  verwandt  (arsprünglioh  TOAlX)  ist 
das  emporsteigende,  der  Hagel,  der  für  die  Anlage  der  Burg  sich  eignet 


l 


28  Röraitehe  Sekleudergeaolioise. 

einen  römischen  Namen  ist  schwerlich  zu  denken  0,  eher  vielleicht  an 
einen  Gallischen  Häuptling.  Da  jedoch  das  Blei  den  Italikern  io  As- 
culum  ansugehöreu  scheint,  könnte  auch  hier  eine  mundartliche  Wort- 
form (die  Picenter  stammen  von  den  Sabinem  ab)  sich  verbergen,  und 
feri  tomr  gleichbeileutend  mit  feri  tuber  sein^),  d.  h.  schlage 
eine  Beule.  Die  Construction  lässt  sich  durch  das  analoge 
dirigore  vulnera,  was  den  römischen  Dichtem  ganz  geläufig  ist, 
rechtfertigen. 

28.    (Abgeb.  n.  11.)    29. 

FERI        X        COMA 

Auf  einem  zweiten  Exemplare  scheint  das  I  zu  fehlen,   das  A 
hegt  schräg  und  ist  halb  verlöscht,  auf  beiden  Exemplaren  ist  das 

C  mit  O  verbunden.  Man  könnte  geneigt  sein,  diese  Geschosse  dem 
IVrusinischeu  Kriege  zuzuweisen;  die  Schleuderer  des  Octavian  hatten 
Über  den  Kahlkopf  L.  Autonius  gespottet  (wenn  andei^  die  Lesung 
des  Bleies  bei  Mommsen  n.  0S5  richtig  ist),  darauf  konnten  die  Sol- 
daten aus  der  Festung  nicht  unpassend  mit  feri  comatum,  d.  h. 
den  jungen  Octavius  antworten.  Allein  die  derben,  kräftigen  Formen 
der  Buchstaben  sprechen  entschieden  für  den  Bundesgenossenkrieg. 
Ausseniem  ist  dieses  Geschoss  offenbar  nicht  verschieden  von  einem 
andern   Exemplar  im  Kircher'schen  Museum,  welches  aus  Asculum 


'^  Man  mimte  d«nQ  «nnohnea»  die  iUli«cken  Schleudenchütieii  hätten 
d«»a  riunitcKeii  N«untu  nach  ihrer  heimiachen  Mundart  nmgelbnntf  wie  etwa 
Tub«ro:  auf  koiniMi  F^l  dürt\o  L.  Tubero,  der  Altersgenosse  Cicero's  in 
dit'^nn  Krie^x^  ^^meiut  sein.  (i'ioen>  i^ro  Ligar.  c«  7  sagt  von  sich  und  diesem 
TulK>r\K  domi  uua  eruditi.  milittae  contubernales.)  Denn  dieser 
juni^«  Manu  hatte  kein  Oommando.  auch  stand  Cicero  unter  SuQa  (Plutarch 
i'iw  0.  ^V  während  diese«  i.tet<cho9S  wohl  ^er  nach  Picenum  gehört. 

*^  Mit  dem  Wandel  der  Quantität  in  tuaere  und  tuber  ist  yomere 
und  vouer  tu  vi»rj;leiohen.  In  tomr  hat  sich  das  stammhafte  m  (denn  das 
Wort  ist  Yvm  tumere  abiuleiten)  erhahen«  während  es  in  der  vulgären  Form 
ia  b  (tuber)  überging«  Dieser  Lautwandel  ist  darauf  sarüekxufnhren,  dass 
in  dem  einsilbigen  tomr  oder  tumr  das  M  in  B  überging,  und  B  behauptete 
sich  dann  atich,  nachdem  der  unterdruckte  Tocal  wiederfaergceteOt  war.  Ein 
vollkommen  analoges  Ru^piel  ist  das  ahlateinische  dubenus  st.  dominus 
iFestus  &  67k  Aus  dominus  ward  domnus  oder  dumnus.  dies  ging  in 
dttbnus  über,  was  das  B  feeihieh«  auch  wenn  man  wieder  einen  Vocal  ein- 
a^ahele.  Sehr  mit  rnrecht  wiU  G.  Cartius  dubenus  durch  Correctnr  beaei- 
tig«B;  Conaen  in  den  Beiinfsen  aar  UL  FormenL  St9  greifl  wie  gewohnlidi  lehL 


Römische  Schlendergescbosse.  29 

stammt;  die  Zeichnung  bei  de  Minicis  3  kommt  dem  Wahren  näher 
als  die  neue  Copie  bei  Ritschi  Vm,  7,  die   den  Schein  erweckt,  als 

läge  eine  Ligatur  von  R  mit  O  vor.    Hier  hat  eben  die  falsche  Deu- 
tung feri  Roma  oder  Romanos  sichtlich  eingewirkt^)* 

Comatus  kann  das  Cognomen  eines  Römers  sein;  bekanntlich 
führte  der  junge  Scipio  Asiagenus.  dessen  Grabstein  uns  noch  erhalten 
ist  (G.  L  L.  I  n.  36),  diesen  Zunamen;  ob  aber  auch  andere  den- 
selben fahrten  ist  ungewiss  ^);  indess  konnte  auch  ein  Italiker  Coma- 
tus benannt  sein;  es  ist  wohl  möghch,  dass  dieser  Name  sich  in 
einem  verderbten  Bruchstücke  des  Sisenna  verbirgt^).  Aber  d)en  so 
gut  kann  man  auch  com a tos  ergänzen:  dann  bietet  sich  wieder 
eine  zwiefache  Möglichkeit  dar:  wenn  wie  zu  Nr.  31  vermuthet  wurde, 
die  erste  Legion  der  Italiker  den  Beinamen  Comata  führte,  so 
konnte  ein  römisches  Blei  recht  gut  die  Aufschrift  Feri  Gomatos 
erhalten.  Aber  es  kann  auch  ein  italisches  Geschoss  sein,  welches 
gegen  die  gallischen  Hülfstruppen  der  Römer  gerichtet  war*).  Die 
10,000  Gallier,  welche  nach  Appian  I,  42,  unter  Sextus  Caesar  gegen 
Paapius  Mutilus  fochten,  werden  wohl  sämmtlich  im  transalpinischen 
Gallien  angeworben  worden  sein,  und  so  konnten  celtische  Söldner, 
welche  der  Belagerung  von  Asculum  beiwohnten,  passend  comati 
benannt  werden'^).  Indess  auch  ein  celtischer  Personenname  könnte 
hier  vorliegen;  Comanus  heisst  der  Fürst  der  Segobrigier  bei  Justin 
43,  4j  3;  auf  einem  Militärdiplome  aus  der  Regierung  Trajans  C.  I.  Lat. 


^)  Das  C  wird  yoUkommen  sicher  gestellt  durch  vier  andere  Exemplare, 
die  ich  gesehen  habe,  zwei  in  Frankfurt  in  der  Sammlung  Milani,  eines  im  Mu- 
seum zu  Wiesbaden,  eines  in  einer  Sammlung  zu  Mainz,  (wo  C  O  deutlich,  aber 

M  A  verwischt  ist). 

^)  Ein  Verwandter  dieses  Scipio  Comatus  hat  im  Bundesgenossenkriege 
ein  Gommando,  er  vertheidigt  Aesemia  (Appian  I,  41),  gehört  also  zur  Süd- 
armee, während  das  Blei  des  Eircher^schen  Museums  bei  Asculum  gefunden  ist. 

^)  Bei  Nonius  S.  556:  Conmutus  tamen  et  terapora  singula  con- 
stituit,  et  sicut  steterant,  manipulos  obverti  iussit;  die  Hdsch. 
schwanken  zwischen  conmutus,  commutus  u.  s.  w.;  gewöhnlich  stellt  man 
den  Namen  eines  Römers  Cornutus  (Cicero  pro  Fonteio  §  33)  her. 

*)  Uebrigens  dienten  Gallier  auch  in  den  Reihen  der  Aufständischen, 
z.  B.  unter  Cluentius,  der  dem  Sulla  gegenüberstand  (Appian  I,  56);  dies  mögen 
z.  Th.  Ueberläufer  gewesen  sein. 

^)  Die  Gallier  in  den  Landschaften  diesseits  der  Alpen  trugen  kurzes  Haar 
and  kurzen  Schnauzbart,  wie  der  Gallierkopf  der  Münzen  von  Ariminum  zeigt. 


80  Römische  Schleudergeachosse. 

m,  S.  867  liest  man:  Mogetissae  Comatulli  t  Boio  et  Vere- 
cundae  Casati  filiae  uxori  ejus  SequaD(ae)  et  MatruUae 

filiae  ejus.  Wenn  auf  celtischen  Münzen  BRI  ^C  COMA 
vorkommt,  so  ist  vielleicht  auch  hier  ein  Personenname  zu  erkennen. 

30. 

I  T  A  L 

Ganz  gleich  Ritschl  VIII,  20.  21  (de  Minicis  15),  wie  es  scheint 
häufig  bei  Asculum  gefunden  ^).  Die  Schriftzfige  füllen  die  Fläche  voU- 
ständigy    man    darf  daher    nicht   die   Aufischrift   anderer  Geschosse 

L  II  I  T  A  L  daihit  zusammenhalten.  Italia  war  gleichsam 
das  Losungswort  der  aufetändischen  Bundesgenossen  Roms,  die  das 
Recht  der  Landschaft  gegenüber  den  Ansprüchen  der  nach  ausschliess- 
licher Herrschaft  strebenden  Stadt  vertfaeidigten.  Wie  die  römischai 
Münzen  auf  der  Vorderseite  den  Frauenkopf  mit  Flügelhelm  und  der 

Beischrift  ROMA  zeigen,  so  prägten  auch  die  Italiker  ganz  ähn- 
liche Münzen  mit  der  Aufschrift  ITALIA  oder  soweit  die  Oskische 
Zunge  reichte  V  i  t  e  1  i  ü.  Vgl.  Mommsen  Rom.  Münzw/  589.  Ebenso 
nannten  sie  Corfinium,  die  Hauptstadt  des  neuen  Bundes,  Italia 
oder  Italica*).  In  gleicher  Weise  stempelten  sie  auch  ihre 
Schleudergeschosse  mit  diesem  bedeutsamen  Namen,  und  das  römische 
Blei  (gleichfalls  bei  Asculum  gefunden^^  Mommsen  646,  de  Minicis  1, 

Ritschl  VHI,  6)  mit  der  Aufschrift  ROMA  bildet  dazu  das  Gegen- 
stück «). 

31. 

IL    IC 

bedeutet  wohl  Italica  legio  I,  Italica  steht  voran,  weil  L  •  I  *  I 
vermieden  werden  sollte*).    Es  ist  dies  ein   neuer  Stempel,   denn  auf 

*)  Aehnliche  Exemplare  in  Frankfurt  in  der  Sammlung  Milani  und  in 
Mainz.  . 

*)  Diodor  87,  2  ttjv  xotvrjv  noXiv  ^IraUav  ovofjLaaavTH  und  nacbber  xiji' 
xoivfjv  ixXsinovai  noXiv  rb  KoQ(p(viov,  Dagegen  Veliej.  II,  16:  Caput  imperii 
sui  Corfinium  legorant  atque  appellarunt  Italicam,  ebenso  Strabo 
V,  241  fi€TovosAaa9-€T0av  YrwAix^y,  was  auch  die  Epitome  bestätigt.  Aber  der 
stolze  Name  Italia  entspricht   weit  mehr   dem  Selbstgefühl  der  Verbündeten. 

')  Ein  anderes  Exemplar  in  der  Sammlung  Milani  zu  Frankfurt,  wo  die 
Aufschrift  auf  beiden  Seiten  wiederholt  ist.  Mommsen  durfte  nicht  zwischen 
der  Erklärung  Roma  oder  Romanorum  schwanken. 

*)  Ein  Blei  in  Mainz  mit  |  LI  ist  vielleicht  identisch,  nur  sind  die  Buch- 
staben kleiner. 


\ 


ItöiniMhe  Schleudergesohoaga  Sl 

der  schmalen  Seite  ist   noch   deutlich  I T  A  (L)    zu  erkennen,   mit 
plattgedrQckten    ScbriftzOgen,    wie    gewöhnlieb    bei    umgestempelten 
Exemplaren.    C  (was  freilich  auch  G  oder  alleafalls  O  sein  kann)  ist 
vielleicht  der  Anfangsbuchstabe  eines  Zunamens  dieser  Legion,  z.  B. 
Comata;  war  diese  Legion  in  Picenum  ausg^oben,  so  ist  dieses  Bei- 
wort wohl  zutreffend.   Silius  Ital.  nennt  Vm,  440  Asclam  hirsutum, 
wa.s  zwar  eine  verschiedene  Deutung -zulässt,  aber  schickUch  von  der 
Haartracht  der  Bewohner  verstanden  werden  kann,  wie  es  Vm,  404 
Arpinas   hispidus  heisst     Derselbe  Dichter  nennt  IX,    414  den 
Ourio,  den  er  VIH,  427  als  Piceoter  bezeichnet,  flavus  comarum. 
Seit  alter  Zeit  pflegten  die  Römer  ihre  Legionen  durch  die  hinzu- 
gefagte  Zahl  zu  unterscheiden ;  die  Bundesgenossen,  wie  ihre  Armee* 
n       -ation  genau  der  römischen  nachgebildet  ward,  befolgten  die 
Sitte,    und    fügten    ausserdem    noch    als    unterscheidendes 
i\  Italica  hinzu.     Aber  es  hat  nichts  befremdliches,   wenn 
auch  besondere  Zunamen  für  die  einzelnen  Legionen  aufkamen. 
I   können    wir    solche  Zunamen   zuerst  in  dem    Bürgerkriege 
Q  Caesar  und  Pompejus  nachweisen,    aber  die  Verhältnisse  im 
^enoasenkriege  sind  wesentlich  die  gleichen.     Es  ist  recht  gut 
',   dass  diese  Sitte  zunächst  bei  den  Auf^ndischea  aufkam. 
Zunamen  entstehen  ganz  von  selbst  im  Verkehr  der  Soldaten 
lander;  eine  Legion  erhält  den  Namen  von  ihren  ^Kameraden 
'  anderen  Legion,  oder  legt  sich  auch  wohl  selbst  einen  Namen 
allmählich  officiell  anerkannt  wird ;  am  wenigsten   kann  das 
ige   Auftreten  solcher   Beinamen  auf  Schleudergeschossen  he- 
1,  die,  wenn  auch   unter  Aufsicht  eines   OfEciers   angefertigt, 
:ht  eigentlich  officiellen  Charakter  haben,  wie  die  Aufschriften 
beweisen. 

32. 
L   ITAL 
es  Blei  hielt  ich  früher  fttr  identisch  mit  dem  Exemplar  bei 
icis  n.  18  (lütschl  hat    es    nicht   wiederholt)    L'ITAL, 
in  Mainz  Li  TAL,   (auf  der  Seitenääche  alterer  Stempel 
in   Franküirt    Milani    L    ITA').    Allein   auf  vorliegendem 

Hommisn  will  diM  Blsi  mit  n.  666  L  II  ITAL  ideDÜfidran)  auf 
ides  OeschoHB  (Nr.  32)  ist  dies  Verfahren  durchaus  dicht  onwendbkr; 
A  laidite  Cftliber  und  die  kleineren  SohrifUäge  BODdem  «r  aehr  be- 
'ou  Jener  Marke. 


I 


S2  Romiaehe  SeUendergesehoase. 

r  Geschosse  ist   vor  L  noch  die  Spur  eines  Buchstaben  zu  erkennen ; 

man  könnte  ihn  för  C  nehmen,  indess  Gl(ans)  Ital.  hat  geringe 
Wahr&cheinlichkeit,    es   ist   eher   ein   verstümmeltes,  breitgedrticktes 

A,  also  wohl  al(a)  Ital(icorum).  Auch  Valer.  Max.  11,  7,  9 
nennt  eine  Abtheihmg  Schleuderschützen  ala  funditorum« 

33.    (Abgeb.  n.  12.) 

lTT  ital 

L  XII 

34. 

LlTlTAL 

Der  letzte  Buchstabe  beschädigt. 

35. 

lTT  ital  . 

36. 

lTTita 

Der  erste  Buchstabe  stark  beschädigt 

Ausser  diesen  vier  Exemplaren  hat  de  Minicis  zwei  andere  aus 
dem  Museum  Kircherianum  n.  20  (Ritschi  Vm,  25,  z.  Th.  unleserlich, 

daher  falsch  ergänzt  L  I  I  T  A  L),  das  zweite  wohlerhaltene  n.  21 
(nach  einer  neuen  Ciopie  bei  Ritschi  VIII,  24);  mit  dieser  stimmen 
die  vorliegenden  Geschosse,  besonders  das  unversehrte  Nn  33.  Mommsen 
zu    Nr.    660   sucht    auch    diese    Geschosse    zu    verdächtigen,    aber 

L  M  ITAL,  mag  man  nun  die  Abkürzung  durch  Italica  oder 
Italicorum  auflösen,  ist  nicht  Beiname  einer  einzelnen  Legion, 
sondern  bezeichnet  überhaupt  die  Heeresmacht  der  Verbündeten  im 
Gegensatz  zu  den  Römern,  kann  also  nicht  den  mindesten  Anstoss 
erregen. 

Die  beiden  Exemplare  in  Rom  sind  am  Tronto  und  in  Picenum 
gefunden  worden;  sie  gehören  also  den  in  Asculum  belagerten  Itali- 
kern  an;  die  zweite  Legion  der  Aufständischen  bildete  wohl  haupt- 
sächlich die  Besatzung  der  Stadt  ^).  Besonders  merkwürdig  unter  den 
neu  aufgefundenen  Geschossen  ist  Nr.  33,  da  es  zugleich  den  Stempel 
der  Xn.  Legion  zeigt.    Dies  Problem  findet  jedoch  eine  sehr  einfache 


*)  Man  könnte  die  Geschosse  auch  dem  cum  Ersatz  heranrückenden  Heere 
der  Italiker  zatbeilen. 


fiomisehe  SohleudergefldboMd* 


M 


Lösung.  Das  Schleuderblei  ist  aas  zwei  Stücken  zusammengesetzt'; 
das  kleinere  Fragment  trägt  eben  den  Stempel  der  Xn.  Legion*  Dass 
man  namentlich  in  einer  belagerten  Stadt  die  feindlichen  Geschosse 
sammelte  und  entweder  einschmolz  oder  wieder  gebrauchte,  ist  erklär- 
lich. Vergl.  Vischer  S.  9  N.  6.  So  ist  hier  ein  italisches  Wurfgeschoss 
mit  dem  Bruchstücke  eines  römischen  ausgebessert,  indem  man  die 
beiden  Fragmente  zusaminenlöthete. 

Bei  der  Belagerung  von  Asculum  stand  also  die  XII.  römische 
Legion  der  II.  italischen  gegenüber,  und  die  Anwesenheit  der  XII. 
Legion  ist  auch  durch  ein  anderes,  bei  Asculum  gefundenes  Geschoss  ^) 
Mommsen  Nr.  660  (de  Minicis  64,  Bitschi  IX;  48): 

LXII 

FVL 
bezeugt.    Mommsen,  der  hier  mit  seinen  Vorgängern  die  legio  f ul- 
min ata  der  Kaiserzeit  findet,  muss  das  Blei  natürlich  verdächtigen, 

es  ist  aber  unzweifelhaft  echt,  FVL  ist  nicht  Beiname  der  Legion, 
sondern  bedeutet  fulmen,  s^  zu  Nr.  41 — 43. 
Ich  reihe  daher  unbedenklich  hier  ein: 

37. 

L  XII 

Die  Schriftzäge  sind  denen  auf  dem  Fragment  Nr.  33  vollkommen  ent- 
sprechend.   Dieser  Stempel  wird  später  aufgedrückt  sein,  denn  an  der 

einen  Seite  zeigen  halberloschene  Züge  LXII.  Auf  der  Rückseite 
zeigen  sich  Spuren  einer  halb  verloschenen  längeren  Aufschrift,  von 

der  nur  der  Schluss  V  1 1  sich  erkennen  lässt,  und  auch  das  V  ist 
unsicher. 

38. 

IREPI 

d.  i.  trepi,  wie  auf  dem  Exemplare  bei  Mommsen  648  (in  Picenum 
gefundeü,  de  Minicis  29,  Ritschi  Vni,  9)  zu  lesen  ist^).  Die  von 
de  Minicis  empfohlene  Erklärung  der  Aufschrift  trepi(date)  scheint 
mir  nichts  weniger  als  sicher.     Auf  griechischen  Geschossen  wird 


')  So  wenigstens  giebt  Mommsen  an,  doch  wohl  nach  genauerer  Infbr» 

mation,  denn  de  Minicis  zählt  das  Blei,  welches  sich  im  Kircher*sohen  Museum 

findet,  unter  den  Perusinisohen  auf,  und  dort  treffen  mr  allerdings  diese  Legion 

wieder. 

*)  Gleiche  Exemplare  in  Frankfurt  und  Wiesbaden. 

8 


84  Rdniioln  SölileiiAergetohosBe. 

öfter  der  getroffene  angeredet  mit  d^Sm,  laßi,  auch  wohl  XrffB,  von 
römischen  Bleien  gehört  nur  n.  66ö'MoDim8en  (Tergl.  die  Nachtr.) 
hierher:  eme  malvam  mal  am,  wo  eme  nach  altem  Sprach- 
gebrauch gleichbedeutend  mit  accipe  ist^).  Viel  häufiger  wird  das 
GeschoBS  angeredet  Festus  367  bezeugt  das  Zeitwort  trepit,  was  er 
mit  vertit  paraphrasirt,  gewiss  nicht  ein  yon  Verrius  Flaecns  hypo- 
thetisch vorausgesetztes  Wort,  um  trepidare  zu  erklären,  wie  0. 
Müller  meint,  sondern  in  alten  Sprachdenkmälern  wirklich  überliefert. 
Es  war  offenbar  ein  stammhaftes  Zeitwort,  trepere,  wie  clepere, 
nicht  etwa  trepire;  also  wird  trepi  der  Optativ  sein,  abgekürzt  aus 
trepis,  wie  der  Imperativ  noli  aus  nolis  hervorgegangen  ist  Die 
Soldatensprache  hat  diesen  alterthümlichen  Ausdruck  festgehalten. 

39.    40. 

F  E  R  I 

Zwei  Exemplare;  das   I  ist  auf  dem  einen  halb  verloschen,  auf 

dem  anderen  F  und  I  beschädigt.  Ganz  gleiche  Exempl.  aus  Asculum 
bei  Mommsen  649  (de  Minicis  14,  Ritschi  VIII,  5),  dgl.  in  Frankftit  und 
Mainz.  Ferire  ist  zwur  csn  ganz  geläufiger  Soldatenansdrvck,  ich 
erinnere  nur  an  Cäsar's  Gommando  in  der  Schlacht  bei  Pharsalus:  m  i  1  e  s 
faciem  feri  (Florus  IV,  2),  daher  sagt  schon  Ennius  in  den  Annalen 
bei  Cicero  pro  Balbo  c.  22:  Hostem  qui  feriet,  mihi  erit  Cartha- 
giniensis,  quisquis  erit,  cujati'  siet,  aber  hier,  wo  die  kfir 
rede  an  das  Schleuderblei  gerichtet  wird  (feri  fir  oder  feri  fulmen 
lautete  wohl  die  vollständige  Formel,  indem  auch  hier  die  der  alten 
Sprache  eigenthümliche  Vorliebe  für  Allitteration  hervortrat),  ist  der 
Ausdruck  besonders  angemessen;  denn  ferire  wird  eben  vom  Wetter- 
schlagOy*  vom  Blitz  gebraucht  Damit  hängt  auch  Feretrius,  der 
Zuname  des  Juppiter,  zusammen,  den  die  alten  Grammatiker  irrthüm- 
lich  von  dem  Gestell  (feretrum)  ableiten,  an  dem  man  die  erbeu- 
teten feindlichen  Waffen   (spolia  opima)  befestigte^);   allein  ein 

^)  &  FesiuB  S.  4  abemito  und  S.  76  entere.  Mala  malva  heisflt  das 
Schleuderblei,  weil  der  tödtlicli  Getroffene  Blut  speit  (auf  einem  griechisohen 
Blei  ViflCher  n.  21  alfjLo),  Die  malva  diente  als  Vomitiv,  s.  Plinius  XX, 
221.  Mit  der  Anrede  eme  malvam  malam  ist  übrigens  die  Aufschrift  einer 
Bleieiehel  der  GampanasciMn  Sammlung  (Mommien  Nachtr.)  pvomia  omnia 
sa  vergleichtn. 

^)  Andere  dachten  an  ferire,  jedoch  ohne  die  richtig»  Besiehang  m 
erkennen;  s.  Platarch  Romul.  16:  to  yoQ  nkffitu  ipfQi{Qt)  *Pufnuoi  xalmat». 
fSloro  6k  nXrj^  Toy  avS^  u«A  xtaaßaUSw.    Vergl.  auch  Propeft  IV,  10^  46. 


Römische  Schleudergeschosse.  85 

Gultas,  wiederdes  Juppiter  Feretrius,  der  nach  wohlbeglaubigter 
Ueberlieferung  zu  den  ältesten  der  Stadt  Rom  gehört,  wird  nicht 
einem  durchaus  nebensächlichen  Umstände  seinen  Namen  verdanken: 
Juppiter  heisst  Feretrius,  weil  er  im  Wetterschlage  seine  Macht 
offenbart,  daher  bewahrt  man  auch  in  seinem  Tempel  den  heiligen 
Kieselstein  (lapis  silex)  auf,  der  zum  Opfermesser  diente,  wenn 
man  ein  Bündniss  abschloss  (foedus  ferire).  Wie  fulgetrum 
der  Bhtz,  das  Wetterleuchten  ist,  so  mochte  man  den  Wetterschlag 

FERIETRVM  nennen 0 ;  in  Feretrius  ist  das  I  wie  unzählige 
mal  im  Lateinischen  getilgt,  ebenso  in  ferentarii,  was  mit  ferre 
nichts  gemein  hat;  so  heissen  die  Soldaten  nach  ihren  Wurfwaffen. 

41.  (Abgeb.  n.  13.) 

^  I  H 

42.  (Abgeb.  n.  14.) 

P  I  R 

43. 
P  I  R      DC       Zeichen  des  Blitzes. 

Das  erstere  Geschoss  findet  sich  häufig  bei  Asculum,  Mommsen 

652,  meist  F  I  R  geschrieben  (de  Minicis  5,  Ritschi  VIII,  9),  aber  auch 

wie  hier  ^  I  F  (de  Minicis  6.)  *).  Ein  anderes  mit  der  Aufschrift  P I R 
hat  de  Minicis  79  (Ritschi  IX,  9);  Mommsen  setzt  auch  hier  einen 
Lesefehler  voraus,  allein  die  beiden  Torliegenden  Exemplare,  von 
denen  das  eine  auf  der  Rückseite  ein  doppeltes  fulmen  trisulcum 

zeigt,  bestätigen  P  I  R  ^). 


1)  Auoh  HuBchke    zu    den   Eugabinischen   Tafeln    (wo   m,    16  und   18 
ferehtru  yorkommt)  erinnert  an  ferire. 

')  Auch   in   der  Sammlang  Campana's   kommen  Schleuderbleie   mit  der 

Aufschrift   F  I  R   vor.     Mommsen  zieht  noch   ein  Geschoss   (de  Minicis  22, 

Ritschi  IX,  9)  hieher  F  T  R,    diess  könnte  aber  auch   F  E  R(i )  Bein;  doch 
enthalte  ich  mich  jeder  Yermuthung. 

')  Im  Museum  zu  Mainz  findet  sich  ein  Exemplar  mit  F  I  R  ii^  überaus 

kräftigen  Zügen,  zwei  mit    P  I  R    (eines   mit  deutlicher  schöner   Schrift,    die 

Buchstaben  des  anderen  sind  etwas  kleiner  und  schmachtiger).    Aach  der  un- 
gläubigste wird,  wenn  er  diese  Exemplare  zusammenhält,  die  Yersohiedenheit 

der  Marken  zugeben.    Die  Marke  F  I  R  besitzt  ausserdem  Hr.  Milani  in  Frank- 


36  Romiiohe  SchlendergeschoMe. 

lieber  die  Bedeutung  von  F  I  R  sind  die  Ansichteo  getheflt, 
Aeltere  ÜAnden  darin  firmiter,  die  meisten  italienischen  Geldirten  be- 
asogen  die  Inschrift  auf  die  Piceniscbe  Stadt  Finnum  ^),  de  Minids 
denkt  an  eine  zu  Firmum  ausgehobene  Abtheilung  Soldaten;  und 
nach  Analogie  der  Aufschriften  Pisau(ro),  Sena,  Hat(ria), 
Aux(imo)  könnte  man  Fir(mo)  lesen;  diese  Schleuderschützen 
von  Firmum  konnten  recht  gut  bei  der  Belagerung  von  Asculum  mit- 
wirken, und  auch  anderwärts  in  diesem  Kriege  verwendet  werden. 
Entschieden  verfehlt  ist  Monmisens  Erklärung  Fir(mo  missa  glans); 
denn  die  Blokade  des  Pompejus  in  Firmum  durch  die  Italiker  (Appian 
I,  47)  kann  nur  von  kurzer  Dauer  gewesen  sein;  Pompejus  trat  bald 
wieder  activ  auf,  schlug  mit  Sulpicius  die  Italiker,  trieb  sie  nach  As- 
culum und  belagerte  diese  feste  Stadt;  man  wird  sicher  nicht  so  viel 
Geschosse  in  Firmum  gegossen  haben^  dass  sie  auch  für  die  lang- 
wierige Belagerung  von^i  Asculum  ausreichten,  oder  sich  der  alten 
Formen  bedient  haben,  die  offenbar  häufig  mit  neuen  vertauscht 
werden  mussten. 

Die  Beziehung  auf  Firmum  ist  überhaupt  unzulässig;  dies  be- 
weist *  ein  anderes  in  den  Abbnizzen  gefundenes  Schleuderblei  bei 
de  Minicis  7  (Bitschi  VUI,  15)  Mommsen  662 : 

LEG  XVIII 
FIR 

da  hier  Firmum  in  keiner  Weise  passt,  soll  diese  Aufschrift  bedeuten 
Legio  XVI  FL(ayia)  FIR(ma),  und  weil  diese  Legion  erst  von 
Kaiser  Vespasian  errichtet  ward,  meint  man  die  Fälschung  sei  erwiesen. 
Dieser  Verdacht  wird  beseitigt  durch  ein  zwar  nicht  identisches^  aber 
doch  sonst  sehr  nahe  verwandtes  Exemplar: 

44.    (Abgeb.  n.  15.) 
LECXy 
FIR 
lAVRIDIVS 


furi  sweimali  zwei  andere  aber  nicht  gut  erhaltene  Exemplare  bei  Hrn.  Ihering 
in  Mainz,  aasserdem  im  Berliner  Moseam,  e.  Friedrichs  Berl.  antike  Bildwerke 
Tb.  n,  S.  240. 

^)  Man  bat  dafür  eine   Bestätigung  auf  den   Münzen  von  Firmum    zu 

finden  geglaubt,  deren  AuiBohrift  ebenfaUs  zwischen  F  I  R  und  $|  I  -I  wechselt 

Yergl.  Mommsen  Mflnzw.  S.  249. 


BomiBche  SchleudergesohoBse.  37 

Das  letzte  Zahlzeichen  ist  beschädigti  entweder  V  oder  X«    Die 
zwanzigste  Legion  focht  in  diesem  Kriege  in  Picenum ;  de  Minicis  68 

(ftitschl  VIII,  10)  hat  zwei  Geschosse  mit  der  Inschrift  L  E  C  •  X  X , 

und  wenn  er  auf  einem  X  V  zu  lesen  glaubte,  so  zeigt  das  vorliegende 
Exemplar,  wie  nahe  diese  Lesung  lag.    Der  Name  Auridius  findet 

sich  mit  halb  verloschenen  Zügen  auf  der  Schmalseite  unter  F  I  R,  und 
eine  genauere  Untersuchung  der  beiden  anderen  Exemplare  würde 
vielleicht.auch  Spuren  des  Namens  nachweisen  können,  denn  es  scheint 
hier  keine  NachStempelung  vorzuliegen,  sondern  alle  drei  Zeilen  sind 
gleichzeitig  durch  Guss  hergestellt.  Der  Name  wird  sicher  gestellt 
durch  zwei  andere  Geschosse: 

45. 

TAVRIDI 

T  :  : 

auf  T  folgen  zwei  unkenntliche  zerquetschte  Buchstaben,  die  Aehn- 
lichkeit  mit  M  N  haben. 

46.    (Abgeb.  n.  16.) 

LH      X      TAVRIDIVS 

T.  Auridius,  ein  Officier  der  20.,  nachher  (oder  früher)  der  2.  Legion, 
commandirt  die  Schützenabtheilung  oder  hat  die  Anfertigung  der 
Geschosse  überwacht.  Der  Name  Auridius  findet  sich  auf  emer  In- 
schrift bei  Marini  Atti  Arv.  11^  640:  T.  Auridio  P.  f.  Nicephoro 
primipilo  leg.  n  (unter  Trajan,  gefunden  bei  Fabriano). 

Nun  finden  sich  aber  Schleuderbleie  mit  der  Inschrift  F I  R  nicht 
Mos  auf  dem  Schauplatze  des  Bundesgenossenkrieges  0)  sondern  auch 

anderwärts.  Bei  Athen  ist  eines  mit  dem  einfachen  Stempel  F  I  R 
ausgegraben,  welches  offenbar  aus  der  Belagerung  der  Stadt  durch 
Sulla  stammt;  s.  Vischer  Nr.  20.  Wie  kämen  aber  in  den  J.  667, 
668  Schleudergeschosse  aus  dem  Socialkriege  von  dem  Heere  des  Cn. 
Pompejus  zu  den  Legionen  des  Sulla?  Dazu  kommt  ein  bisher  un- 
bekanntes Gescboss  (s.  I^r.  54): 

R    PET      X      OCTAVIA 


^)  Ein  Blei  dieser  Art  soll  bei  Labicum,  also  in  der  unmittelbaren  Nach- 
barschaft Roms,  gefanden  sein;  ich  sehe  keinen  Grund,  diese  Nachricht  zu  Ter- 
dachtigen,  da  ein  Soldat  auf  dem  Marsche  recht  gut  dort  ein  Geschoss  ver> 
wenden  oder  yerlieren  konnte. 


^ 


88  Bömiiohe  SohleadergesohoMe. 

welches  unzweifelhaft  den  Soldaten  des  L:  Antonius,  die  von  Oetavian 
in  Perusia  belagert  wurden,  angehört.  Hier  erweist  sich  jede  der 
früheren  Erl^ärungen  als  unzulänglich.  # 

Ich  habe  schon  vor  zehn  Jahren  die  Lösung  des  Problems  ge- 
funden, zögerte  aber  damit  hervorzutreten,  jetzt  haben  die  neuen 
Funde  meine  Vermuthung  in  erwünschter  Weise  bestätigt.  Fir  ist 
in  der  römischen  Soldatensprache  dasGeschoss  selbst,  die  sog.  gl  ans; 
dies  zeigt  ganz  deutlich  das  eben  erwähnte  Perusinische  Schleuderblei, 
dessen  Ergänzung  zweifellos  ist,  (Fi)r  pet(e)  Octavia(num). 
Ganz  dasselbe  besagt  der  vulgäre  Ausdruck  fulmen,  Mommsen  660: 

LX  I  I  F  V  L,  wo  die  Erklärer  an  legio  fulminata  denken,  da- 
her Mommsen  das  Geschoss  verdächtigt,  und  das  neu  entdeckte  Nr. 
93  PA  F  V  L.  Auch  Mommsen  n.  659  L  E  C  VI  F  ist  entweder 
Fir  oder  Fulmen. 

Jetzt  ist  auch  die  Variante  P  I  R  klar,  die  sich  mehrfach  auf 
Geschossen  findet ;  sie  gehören  den  Italikern  an,  während  die  römischen 

Stempel  F  I  R  zeigen.  Im  Umbrischen  bezeichnet  pir  das  Feuer,  wie 
die  Erklärer  der  Eugubinischen  Tafeln^  wo  das  Wort  wiederholt  vor- 
kommt, erkannt  haben;  auch  in  anderen  italischen  Mundarten  mag 
diese  Form  gebräuchlich  gewesen  sein,  daher  erscheint  sie  eben  auf 

den  Geschossen  der  Italiker.  Die  Lateiner  sagten  dafür  FIR,  es  ist 
das  griechische  fcvQy  was^  wie  Plato  im  Gratylos  andeutet  0«  ftuch  der 
phrygischen  Sprache  angehörte.  Lateinisches  F  entspricht  auch  sonst 
dem  Griechischen  JI,  wie  fido  —  nei^w^  fundus  —  Ttvd'fj.^y,  friare, 
frendere  —  ngieiv,  fungus  —  CTtoyyog  (denn  in  dem  attischen 
aq>6yYog  ist  die  Aspiration  jüngeren  Ursprungs).     Der  Lautwandel 

zwischen  B  und  F  ist  den  italischen  Mundarten  ganz  geläufig,  er 
kommt  sogar  innerhalb  desselben  Dialectes  vor;  so  wechseln  im  Latei- 
nischen ab  und  af,  sibilus  und  sifilus,  die  Lanuviner  sagten 
nebrundines,  die  Praenestiner  nefrones  (Festus  S.  163).    Aber 

auch  P  und  F  werden  vertauscht;  den  lateinischen  Zeitworten  ex- 
pilare  und  compilare  (griechisch  q>7}lovv^  was  von  atpaXUiv  wohl 
zu  sondern  ist)  entspricht  in  der  Inschrift  von  Furfo  das  Sabinische 
fifeltares,  d.  h.  Tempelräuber,  sacrilegi;  vrie  von  miles  ein 
Adjectivum  militaris  gebildet  wird,  so  setzt  fifeltares  ein  ähn- 
liches   durch   Reduplication    verstärktes   Substantivum    voraus.     So 


>)  Plato  Cratyl.  410,  A. 


RdmiMbe  Sobleadergeiohoste.  39 

wechseln  in  den  italischen  Mundarten  B  F  P^  ohne  dass  man  eine 
bestimmte  Gesetzmässigkeit  zu  erkennen  vermag;  die  Lateiner  sagen 
»Ibus,  die  Sabiner  alpus  (Festus  S.  4),  die  Umbrer  alfos;  in 
Eigennamen,  die  von  diesem  Stamme  abgeleitet  sind,  kommen  daher, 
wie  AI bi US,  Alpius,  Alfius  u.  s.  w.  beweisen,  alle  diese  Laut- 
formen vor,  und  es  ist  verkehrt,  seltenere  oder  singulare  Namen,  wie 
Albidius  bei  Macrob.  Sat.  II,  2,  4,  abzuändern.  Aber  wo  das  Etymon 
des  Namens  dunkel  ist,  thut  man  wohl,  die  lautlichen  Varietäten  zu 
sondern,  wie  Fafinius  und  Papinius. 

Das  gewöhnlichste  Emblem  der  griechischen  Schleuderbleie  ist 
der  Blitz,  aber  auch  auf  römischen  kommt  dieses  Sinnbild  nicht  selten 
vor.  (Belege  bietet  auch  diese  Sammlung  dar)i),  ^j^^  g^aiz  die  gleiche 
Bedeutung  hat  es,  wenn  anderwärts  das  Zeichen  des  Keiles  (cuneus, 
forfex)  sich  findet,  wie  z.  B.  n.  8,  denn  cuneus  bezeichnet  schon 
in  einem  Verse  des  alten  Salierliedea  den  niederfahrenden  Donnerkeil, 
das  Strafgericht  des  Juppiter  Lucetius.  Was  das.Symbol  andeutet,  ist 
durch  FIR,  PIR,  FVL(inen)  klar  in  Worten  ausgedrückt. 
Vollkommen  analog  wäre  der  Stempel  eines  griechischen  Geschosses 
bei  Boeckh  C.  L  Gr.  5570  a  JIOS  NIKH  KEP(avv6g\  wie  Vischer 
ergänzt,  allein  ein  unedirtes  Blei  von  Gumae*)  (abgeb.  n.  39)  hat 
deutlich : 

AIOE    NIKH 

KEPAVNOIH 
und  so  wird  auch  das  erstere  zu  vervollständigen  sein.     Diese  Auf- 
schrift eröfifhet  zugleich   das   richtige  Verständniss  der  abgekürzten 
häufig   vorkommenden  Formeln  NUtj  Mcnigog  oder  Maziqwv^   NUtj 
^A&a.,  ^HQcncliog  NUtj  und  ähnlicher. 

Das  Schleuderblei  erinnert  nicht  nur  durch  seine  Gestalt  an  den 
Donnerkeil,  sondern  es  zerschmettert  auch  Alles  gerade  so  wie  der 
Blitz,  und  indem  der  Schleuderer,  ehe  er  das  GeschoBs  absendet,  die 


^)  Auch  als  Schildzeiohen  römiBcher  Soldaten  kommt  der  Blitz  sehr  häufig 
vor,  und  war  auch  den  Griechen  nicht  unbekannt  (vergL  auch  das  Relief  von 
Padua  bei  Fabretti  gloss.  It.'Taf.  HI,  27). 

^  AuB  der  ehemaligen  Sammlung  des  Prinzen  Emil  v.  Wittgenstein  vom 
Prof.  auB'm  Weerth  erworben.  Auch  ein  anderes  Gescboss  gleichen  Fundorts 
zeigt  RestCL  einer  Aufschrift 

F\OXO        :>C        Blitz. 

doch  sind  nur  die  beiden  letzten  Buchstaben  deutUoh, 


Srika-ier  w-.«ii«iy-It  «••iiwbrt.  erwirm:  ä*±  ias  lleUU;  diese  Hitie 
v.rl  &4iE^i:*^*:h  «kb  es  «iz»^  veite  Bahs  JsrüdaakecB  kai,  BOck 
gest^rr^^Tt.  ao  dx^  es  ts  it^  G^crifsoe«  dye  Empäadnig  emes 
brensecden  Sdiziierzes  feerrcfTiift  -•.  In  der  Sprache  der  aHoi  Zeit 
naante  min  diher  das  5±jecfierzeadLoe5  Fir  oder  Pir«  imd  die 
Soldaten  haben  diesai  Spracazebri'-irii  trenlkh  bewahrt.  Audi  die 
Zeitworte  ferire  und  petere.  wel*.-^  aaf  den  Bfe^esdMiaaen  das 
Ziel  der  ScUeoderer  beze^dmen,  werden  regelmässig  tob  JUitatrahle 
Q^brzuchL 

Die  rom^chen  Dichter  heben  wiederhat  die  ErUtnmg  des 
Schkaderbieies  hervor;  Lacra  VI,  I7S,  wo  er  das  Phinomen  des 
Blitzes  eriaatert,  bez^t  sich  auf  dieses  Beispiel:  Plnmbea  vero 
glans  etiam  longo  carsn  Tolvenda  calescit  (so  TAfhmann  st 
qaiescit,  die  Früheren  liqaescit;  nnd  nochmals  ▼.  306:  non 
alia  longe  ratione  ac  plnmbea  saepe  fervida  fit  glans 
in  cnrsa,  cum  mnlta  rigoris  corporn  dimittens  ignem 
concepit  in  anris.  Adinlich  Virgil  Aen.  IX,  586:  Stridentem 
fandnm  positis  Mezentins  hostis  Ipse  ter  addncta  circum 
capnt  egit  habena.  Et  media  adversi  liqnefncto  temporn 
plambo  Diffidit  ac  mnlta  porrectnm  extendit  arena. 
Ovid  Metant  n,  727:  Non  secns  exarsit,  qnam  cnm  Balea- 
rica  plnmbnm  Fnnda  iacit:  Yolat  illnd  et  excandescit 
enndo  Et  qnosj  non  habait  sab  nnbibns  invenit  ignes. 
Statins  Theb.  X,  533  a'rsnras  coeli  per  inania  glandes  .  .  . 
rotabant  Lncan  m,  710:  excnssa  Balearis  habena  glande 
petens  calido  fregit  cava  tempora  pinmbo,  and  VH,  512: 
spatioque  solutae  Aeris  et  calido  liqaefactae  pondere 
glandes  (diese  Stelle  rtLhrt  Yiellächt  von  einem  Interpolator  her, 
vergL  PhiloL  Anz.  1870,  S.  58,  aber  jedenfalls  aas  alter  Zeit).  Der 
natarkandige  Seneca  bestätigt  diese  Thatsache  Qaaest.  Nat  n,  57,  wo  .  I 

er  über   das  Gewitter  handelt:    sie  liquescit   excassa  glans  i 

f anda  et  attrita  aeris  velat  igne  distillat.  Wahrscheinlich 
worde  beim  Unterrichte  in  der  Physik  dieses  Beispiel  nadi  hergebrachter 

')  Auch  der  Blitz  wird  ganz  gewölmlioh  ignis  (Lucr.  VI,  87  volans 
ignis,  Yirg.  Aen.  I,  41  lovis  rapidns  ignis,  90  crebris  micat 
ignibus  aether^  IV,  167  falsere  ignes)  oder  tzvq  genannt  (so  bei  den 
Tragikern  nalrov  ttvq,  dtog  nvQj  xigmmov  Ttvg,  auch  tpöis,  wie  Eurip.  Phoen. 
191 ;  xiifttvvtov  ipvig  ai^loiv). 


I 

I 


Römisohe  Sdilendergesohi 


41 


Tradition  angeführt;  daher  die  wohlgeschalten  römischen  Dichter  mit 
sichtlicher  Vorliebe  auf  diese  Beobachtung  hinweisen. 

Dass  f  i  r  nicht  gänzlich  verschollen  war,  beweist  das  Compositum 
exfir  (nach  Festus  &  79  purgame|ntum,  unde  adhuc  manet 
suffitio).  Zusammensetzung  eines  Substantivs  mit  einer  Präposition 
ist  zwar  ungewöhnlich,  aber  doch  nicht  ohne  Beispiel,  wie  remora 
beweist^),  auch  ist  mir  die  Bedeutung  der  Präposition  ex  hier  nicht 
recht  klar,  aber  der  Zusammenhang  mit  fir  zweifellos;  d^n  dem 
Feuer  schrieb  das  Alterthum  vorzugsweise  reinigende  Kraft  bei. 

Das  alte  Wort  f  i  r  erkenne  ich  auch  in  dem  dunkeln  Ausdrucke 
mamphur;  so  hiess  nach  Paulus  dem  Epitomator  des  Festus  S.  132: 
loro  circumvolutum  mediocris  longitudinis  lignum 
rotundum,  quod  circumagunt  fabri  in  operibus  tor- 
nandis.  Die  Vermuthung  Scaügers,  dies  lateinische  Wort  sei  aus 
dem  griechischen  (uxwoipoQov  (Theocrit  XI,  41.)  corrumpirt,  die  0.  Müller 
schairibinnig  findet,  ist  verfehlt.  Wahrscheinlich  hatte  schon  Verrius 
Flaccus  keine  klare  Vorstellung,  der  Ausdruck  der  Epitome  loro 
circumvolutum  lignum  ist  jedenfalls  unzutreffend;  denn  ein  mit 
Biemen  umwickelter  Stab  ist  zum  Zwecke  des  Bohrens  untauglich; 
der  Riemen  diente  offenbar  dazu,  um  das  Holz  in  Bewegung  zu  setzen. 
Es  ist  der  Bohrer  gemeint,  dessen  man  sich  in  alter  Zeit  bediente, 
um  neues  Feuer  zu  erzeugen:  dies  Feuer  ^nannte  man  manum 
phur  (mamphur),  d.  h.  lichtes,  lauteres,  gutes  Feuer. 
Später,  als  diese  Sitte  abkam,  und  man  den  Sinn  des  Wortes  kaum 
noch  recht  verstand,  nannte  man  das  Instrument,  womit  man  Feuer 
erzeugte,  zuletzt  einen  jeden  Bohrer  mamphur.  Noch  im  ersten 
Jahrhundert  der  Kaiserzeit  pflegten  in  Italien  die  Hirten  durch  das 
Aneinanderreihen  von  Holz  sich  Feuer  anzuzünden.  War  das  beilige 
Feuer  der  Vesta  verloschen,  so  wurde  es  auf  dieselbe  Weise  wieder 
erzeugt,  wobei  man  sich  einer  tabula  felicis  materiae  (Festus 
S.  100)  bediente.  In  Griechenland  dürfen  wir  für  die  alte  Zeit  den 
gleichen  Brauch  voraussetzen:  später  bediente  man  sich,  wenn  die 
ewige  Lampe  in  Delphi  oder  in  Athen  erloschen  war,  des  Brenn- 
spiegels (Plutarch  Numa  c.  9.):  das  Sonnenfeuer  galt  eben  als  das 
reinste  Licht,  daher  auch  nach  der  Erzählung  der  Sappho  (Servius  zu 
Virg.  Ecl.  VI,  42)  Prometheus  am  Sonnenrade  seine  Fackel  anzündet: 


')  Bemora  kömite  aUerdings  auch  Adjectivum  aein,  bo  das«  man  avis 
SQ  ergänzen  hätte;  über  remoree  ayes  yergL  Feetias  8.  277. 


42  mhnigfihf 

es  ist  dies  eigentlich  nur  ein  mythischer  Ausdrack,  dem  die  Thataacbe 
zu  Gnmde  liegt,  dass  man  die  Nabe  des  Rades  beontzle,  mn  Feuer 
ztt  erzeugen  >).  Ebenso  ist  s  u  I  f  u  r  wohl  nichts  anderes  als  Sonnen- 
feuer,  d.  h.  reines,  lauteres  Feuer :  brennenden  Schwefel  in 


Gegenden  zu  beobachten  hatten  die  italischen  Stamme  vielfach 
Gelegenheit;  der  Zusammenhang  des  Vulcans  mit  dem  himmlischen 
Feuer  ist  in  der  Lemniscben  Sage  von  dem  Sturze  des  Hephaestos 
sehr  bestimmt  angedeutet;  daher  auch  Prometheus  am  Mosychlos 
auf  der  Insel  Lemnos  die  Fackel  angezündet  haben  sollte,  wie  Aocius 
im  Philoktet  wohl  nach  Aeschylos  Vorgange  eraäUüt 

Vielleicht  hängt  auch  der  Ausdruck  mamphula  damit  zu- 
sammen, den  Festus  142  aus  Lucilius  anfahrt  und  durch  panis 
Syriaci  genns  erklärt:  aber  das  syrische  Brod,  was  in  Rom  erst 
ziemlich  spät  bekannt  geworden  zu  sein  scheint,  und  von  den  Syrern 
laxfdov  genannt  wurde  (s.  Athen.  III,  113,  G),  ist  von  der  römischen 
mamphula  ganz  verschieden;  es  ist  panis  eineraeei  genus  zu 
lesen,  d.  h.  agtog  anodlttig.  In  den  Versen  des  Lucilius  ist 
empleuron  ein  ganz  unnöthiger  Znsatz,  während  man  ein  Zeitwort 
vermisst;  es  ist  zu  schreiben:  Pistricem  validam,  si  nummr 
suppeditabunt,  addas,  ixzeq>Qovv  mamphulas  quaa  sciat 
omnifl,  durch  hteipQovv  wird  das  Lob  unerwartet  in  Tadel  ver- 
wandelt, sie  verbrennt  alle  Brode  zu  Asche,  so  dass  sie  ungeniessbar  ^ 
werden.  Wie  man  in  Deutschland  am  Nothfeuer  Erbsen  kocht,  so 
mochte  man  in  Italien  in  der  Asche  dieses  reinen  Feuers  Brod  backen; 
dies  hiess  MAMPHVRIA  oder  M  A  M  P  H  V  L  I  A,  später 
nannte  man  jedes  Aschenbrod  mamphula'). 

47.    (Abgeb.  n.  17.) 

V  • FA  •  M 

auf  der  Rückseite  Spuren  eines  früheren  StempelSi  wie  die  breitge- 
drückten Züge  bekunden,  etwa  i  A  R  V ,  denn  der  Buchstabe  vor  A  / 
ist  ganz  undeutlich. 

48.    (Abgeb.  n.  18.) 
V  •  F  /P  •  M    •    X        M  R 

M  ist  unten  beschädigti  aber  doch  wohl  sicher,  dagegen  der 

*)  Daher  die  Sitte  des  Feaerrades  in  Deutschland.  VergL  über  das 
Noihfeaer  Qnmn,  d.  Myth.  S.  844  ff.  (1.  Aofl.) 

*)  Auf  weitere  etynMlogiiQhe  und  mythalogiMhe  Digreanonen  emsagelMD, 
au  denen  daa  altlaleuuaohe  Wort  f  ir  Ankaa  giebt»  kt  Uer  nioiit  der  Ort. 


f 


'♦ 


LI 


Bömisclie  SohleadeiifeachiMie.  4S 

Punkt  vorher,  der  nicht  auf  der  Linie  steht,  scheint  zufällig  zu  sein. 

Auf  der  Rückseite  schdnt  vor  M  R  noch  ein  Buchstabe  gestanden  zu 
haben.    Auch  an  den  Seitenflächen  nimmt  man  Reste  eines  früheren 

Stempels  wahr,  doch  ist  nur  V,  auf  der  anderen  Fläche  P  zu  er- 
kennen. Beide  Geschosse  gehören,  wie  das  Praenomen  V  beweist, 
den  Italikem  an.  Möglicherweise  ist  der  Name  des  Anführers 
(F ab  ins  oder  Faburius,  denn  die  Ligatur  ist  beschädigt)»  auf 
beiden  derselbe. 

49.    50.    (Abgeb.  n.  19.)  ' 

Zwei  Exemplare;  das  zweite  kleinere  ist  geflickt  und  zeigt  an 
der  Seite  noch  undeutliche  Spuren  wohl  eines  Emblems.  Die  kräftigen, 
derben  Züge  deuten  auf  den  Bundesgenossenkrieg.     Die  Figur  des 

E  scheint  auf  eine  Ligatur  zu  deuten,  es  ist  aber  wohl  nur  der  untere 

Strich  verlängert,  wie  anderwärts  T  statt  F  auf  diesen  Geschossen 
sich  findet,  s.  zu  Nr.  15,  und  auch  sonst  kommt  auf  älteren  römischen 

Inschriften  zuweilen   "E  oder  JE  vor,    s.  Ritschi  Mon.  Epigr.  S.  111 

(Index  unter  E.)  EAR  ist  vielleicht  nichts  anderes  als  eas,  in 
einem  örtlichen  Dialecte  mochte,  wie  im  Umbrischen,  der  Rhotacismus 
auch  in  der  2  Pers.  des  Verb.  Act  Platz  greifen. 

5L 
I  A  p  C         X         Schwert 

Dasselbe  bei  Monunsen  674  (de  Minicis  17,  Ritschi  VIII,  19, 
aber  die  Rückseite  ist,  wie  es  scheint,  glatt).    Der  erste  Buchstabe 

ist  kein  1,  sondern  zeigt  oben  nach  links  Atisatz  zu  einem  horizontalen 
Strich,  bei  de  Minicis  1,  der  vierte  Buchstabe  ist  wohl  ein  schräg 
liegendes  C  (bei  de  Minicis  eher  dem  E  ähnlich),  nicht  etwa  ein  un- 
vollständiges 0,  dafür  ist  kein  Raum,  wie  besonders  ein  drittes 
Exemplar  im  Museum  zu  Wiesbaden  zeigt,  wo  die  Marke  wieder- 
holt wird: 

IA8u 
TAftC 

Der  erste  Buchstabe  ist  auch  hier  nicht  ganz  deutUch,  aber  wahr- 
scheinlich TT.  Das  Schriftzeichen  fi^  auf  allen  Exemplaren  wohl  er- 
halten, ist  offenbar  nicht  verschieden  von  dem  8  S  der  Umbrer, 


44  Römische  Sdileadergesohoase. 

Osker  und  Etrusker,  d.  h.  F.  Dasselbe  Zeichen  (unten  offen«  wie 
hier)  kehrt  wieder   auf  einem  unedirten  Schleuderblei  in  Wiesbaden 

ER      OC      c  n  ft  I 

VI 

wo   nur  das  I  auf  der  Rückseite  unsicher  ist,   desgleichen  auf  der 

lateinischen  Inschrift  von  Falerii  (Ritsch!  Mon.  S.  98  M)  f^  A  R I S  P, 
wo  man  es  auf  die  Einwirkung  der  etruskischen  Nachbarschaft  zurück- 
führen rouss;  dies  vertritt  nicht  die  Stelle  des  H,  sondern  ist 
farisp(ex),  vergl.  fariolus. 

Es  wäre  vergeblich,  die  Marke  dieses  Geschosses  aus  dem  Latei- 
nischen zu  erklären:  ausser  den  bekannten  Dialecten  gab  es  in  Italien 
noch  manche  örtliche  Mundart,  z.  Th.  mit  eigenlhümlicher  Schrift 
Hier  und  in  der  neuen  Marke  des  Museums  zu  Wiesbaden  tritt  uns 
ein  epichorisches  Alphabet  und  wohl  auch  eine  besondere  Mundart 
entgegen  ^).  Wollte  man  annehmen,  dass  in  diesem  Dialect  F  zu- 
gleich die  Stelle  des  H  vertrat,  nicht  nur  wo  H  aus  F  entstanden  ist, 
sondern  auch  wo  H  nur  zum  Ausdruck  der  Vocaldehnung  dient,  dann 
könnte  man  in  Pahc  einen  Eigennamen,  wie  Pacuvius,  'Paccius 
u.  s.  w.,  finden.  Auf  dem  Wiesbadener  Blei  war  vielleicht  C  Pfi(r) 
oder  Phi(r)  geschrieben. 

52.    (Abgeb.  n.  20.) 
ERI 

SO  ITEI 
Die  Ergänzung  (f)eri  sontei(s)  ist  sicher,  das  F  ist  ver- 
loschen, von  dem  S  ist  keine  Spur.  Die  grossen,  kräftigen  Züge,  so- 
wie der  würdige  Ernst  des  Spruches:  triff  die  Schuldigen ^  weisen 
dieses  Schleuderblei  dem  Bundesgenossenkriege  zu.  Die  Asculaner 
hatten  durch  die  Ermordung  des  Proconsuls  Q.  Servilius  und  seines 
Legaten  Fontejus,  sowie  der  römischen  Bürger,  die  sich  in  Asculum 
aufhielten,  den  Ausbruch  des  Krieges  veranlasst ;  so  durften  die  Römer 
mit  Recht  ein  Geschoss  mit  dieser  Inschrift  gegen  die  belagerte  Stadt 
verwenden;  aber  der  Spruch  mag  ein  altherkömmlicher  sein^  dessen 
sich  ebenso  gut  auch  die  Aufständischen  im  Bewusstsein  ihres  guten 
Rechtes  bedienen  konnten. 


^)  Die  Inschrift  der  Vorderseite  ER    VI    scheint  lateinisch,    aber  das 

Geschoss  kann  umgestempelt  oder  geflickt  sein,  doch  habe  ich  es  darauf  hin 
nicht  ontersucht. 


Romifiche  Schleudergeflohosse.  45 

53. 

MAR 

VLT  ; 

Aehnlich  bei  Mommsen  686  (de  Minids  13,  Ritschi  YIII,  4),  auf 
der  Rückseite  als  Emblem  das  fulmen  trisulcum^);  unser  Exemplar 
ist  hier  ganz  verwischt,  scheint  aber  ein  anderes  Sinnbild  gehabt  zu 
haben;    dagegen  finden  sich  hart   über  der  ersten  Zeile  deutliche 

Spuren  halbverloschener  Buchstaben,  etwa  N  V  M.  Mommseu  sagt, 
das  Exemplar  n.  686  solle  in  den  Abruzzeu  gefunden  sein,  aber 
de  Minicis  S.  210  giebt  den  Fundort  gar  nicht  an.  Da  nun  der 
Cultus  des  Mars  Ultof  in  Rom  auf  Octavian  zurückgeht,  so  reiht 
Mommsen  dies  Blei  unter  den  Perusinischen  ein,  spricht  jedoch  auch 
die  Möglichkeit  aus,  dass  .eine  moderne  Fälschung  vorliege.  War  den 
Römern  vor  Augustus  die  Vorstellung  des  Mars  Ultor  unbekannt,  dann 
konnte  sie  auch  nicht  eher  Eingang  finden,  als  bis  dem  Gotte  ein 
HeUigthum  errichtet  war,  an  dem  dieser  Zuname  haftete:  nun  hatte 
Octavian  im  J.  712  dem  Mars  einen  Tempel  gelobt,  s.  Sueton.  Aug. 
29:  aedem  Martis  hello  Philippensi  pro  ultione  paterna 
susceptovoverat  Die  Formel  des  Gelübdes  wird  gelautet  haben: 
Mars  tibi  voveo,  si  ultus  eris  (oder  auch  ero);  und  so  ward 
dem  Mars,  als  Octavian  sein  Gelübde  erfüllte  und  734  auf  dem  Gapitol, 
später  752  auf  dem  Forum  Augustum  einen  grösseren  Tempel  auf- 
führte (s.  Mommsen  zu  Mon.  Ancyr.  S.  86),  förmlich  jener  Beiname 
Ultor  zugetheilt,  den  er  zur  Zeit  des  Perusinischen  Krieges  in  den 
Jahren  713  und  714  lediglich  auf  Grund  jenes  Gelübdes  noch  nicht 
führen  konnte.  Demnach  müsste  man  das  Geschoss  als  moderne  Fäl- 
schung verwerfen.  Allein  diese  Verdächtigung  wird  durch  das  neue 
Exemplar  vollständig  beseitigt. 

Dem  Juppiter  Tonans  hat  Augustus  zuerst  einen  Tempel 
auf  dem  Gapitol  errichtet,  aber  die  Vorstellung  selbst  geht  auf  das 
höhere  Alterthum  zurück;  die  Verehrung  des  Juppiter  Victor  ist 
gewiss  älter  als  sein  Tempel;  ^t  dem  Mars  Ultor  verhält  es  sich 
ähnlidb.  Nichts  steht  im  Wege,  das  Schleuderblei  bereits  dem  Bundes- 
genossenkriege zuzuweisen,  es  braucht  auch  gar  nicht  nothwendig  den 
Römern  zu  gehören,  da  ja  Mars  bei  allen  italischen  Stämmen  in  hohem 
Ansehen  stand. 


^)  Ein  anderes  Exemplar  in  Frankfurt,  wo  R  bescb&digi,  L  verwiflcht. 


^- 


46  Römitolie  fiobleadergoMhoMe. 

Belagerung  von  Perusia. 

54.    (Abgeb.  n.  21.) 
R  PET    OCTAVIA 
Die  Ergänzung  (Fi)r  pet(e)  OctaYia(num)  ist  sicher;  über 
Fir  siebe  zu  Nr.  41—43. 

55. 

I-  A  NTO  C    AVS  RV/ 

PERIST  VICTORIA 

56. 

ANTON  CAVI         

PERIST  ICTORIA 

Dasselbe  Oeschoss  bei  Mommsen  685   (de  Minicis  51,  Ritschl 
IX,  34) 

I-  ANTONI  CALVI        C  CAIISARVS 
PERISTI  VICTORIA 

aber  auch  dort  sind  die  Züge  sehr  unsicher,  der  Vorname  des  Anto- 
nius gleicht  dort  einem  K,  und  ist  auch  hier  dem  L  nicht  ähnlich. 
CALVI  deutet  man  Galvei  also  Spottname  des  Antonius,  indess 
auf  Nr.  56  ist  für  die  Ligatur  des  L  mit  A  kein  Raum ;  man  mfisste 

also  annehmen,  dass  auf  diesem  Exemplar  das  L  in  der  Gussform 
fehlte:    sonst  wäre   auch   L.  Antoni    cave:    peristi  etc.    nicht 

unangemessen.     Dort    soll    CAIISARVS    stehen,    hier    eher 

(C)AVS(A)RVSO;  und  diese  Form  kehrt  wieder  auf  einem 
anderen  Schleuderblei  Nr.  57.  Den  Namen  Caesar,  über  dessen  Be- 
deutung und  Ursprung  bekanntlich  die  Römer  selbst  im  Unklaren 
waren,  mögen  die  Soldaten  damals  in  Causar  umgewandelt  habra, 
mit  einer  leicht  erkennbaren  Anspielung  an  causarius,  d.  h.  In- 
valide*).    Nach  der  Schlacht  bei  Philippi   kehrte  Octavian  nach 


>)  Der  Raam  zwischen  S  and  R  iBt  l&r  einen  Buohstaben  fast  ta  grosi, 

auch'  Bcbeinen  zwei  Bachstaben  hier  gfestanden  zu  haben,  wie  auf  Nr.  67. 

')  YergL  die  ähnlichen  SoldatenBp&see  über  Tiberins  bei  Sueton  Tib.  41: 
in  oastrifl  tiro  etiamtum  propter  nimiam  vini  ayiditatem  pro 
Tiberio  Biberius,  pro  Claudio  Caldina,  pro  Nerone  Hero  voca- 
batur.  Causarius  bedeutet  gewöhnlich  den  Invaliden,  der  mit  Rücksicht 
auf  seinen  Gesundheitszustand  Urlaub  oder  Entlassung  erh&lt;  die  Soldaten 
mochten  cnoh  den  Feigimg  sd  nennen,  der  sich  nur  krank  etelU. 


►-  • 


*  t  •' 


MmiMhd  8ohldateg«seho«ie.  4t 

ItaUen  zuräck,  um  den  Soldaten  Ländereien  anzuweisen,  w&hrend 
Antonios  nach  Asien  liehen  sollte;  Appian  sagt  ausdrücklich  V,  3, 
Octavian  habe  mit  Rücksicht  auf  seinen  Gesundheitszustand  (duc  n^v 
aQQüHnlav)  sich  dazu  entschlossen;  in  Brundnsium  aber  wurde  er 
durch  einen  ernstlichen  Anfall  der  Krankheit  längere  Zeit  zurück- 
gehalten und  das  Gerücht  verbreitete  sich,  er  sei  gestorben  (Appian 
y,  12.  Dio  Cass.  XLVin,  3).  Die  Soldaten  des  L.  Antonius  mochten 
auf  ihren  Geschossen  dep  Octavian  mit  .dem  Spottnamen  Gausar 
bezeichnen,  und  die  Octavianer  behielten  in  der  Antwort  das  Witz* 
wort  bei. 

Mit  der  Aufschrift  dieses  Geschosses  vergleicht  schon  de  Minicis 
die  Pompejanische  Inschrift  (Orelli  in,  5161): 

CAM  RANI     VICTOR  lAVNA 

CVM  •  NVCERINIS  •  PERISTIS 

die  sich  auf  die  Händel  zwischen  Pompeji  und  Nuceria  bezieht,  wozu 
Gladiatorenspiele  den  Anlass  gaben  (Tadt.  Ann.  XIV,  17). 

Offenbar  ebenfalls   gegen  L.  Antonius  und  die  Seinen   ist  ein 
anderes  Schleuderblei  gerichtet/  wenn  es  auch  den  Namen  verschweigt: 

57.    (Abgeb.  n.  22.) 
VGlTIVi  C  CAVSASR  •  • 

ERISTI  ICTORIA 

d.  h.  (F)ügitiv(i  p)eristi(s)   G.  Gausar  (us  v^)ictoria,   denn 

der  Schriftzug  im  Namen  des  Caesar  vor  R,  der  einem  S  oder  I  gleicht, 
kann  nur  als  ein  fehlerhafter  Zusatz  angesehen  werden,  der  sich  in 
der  Gussform  vorfand.  Ich  habe  fugitivi  peristis  ergänzt  nach 
Analogie  anderer  Geschosse,  obwohl  auch  fugitive  peristi  zulässig 
wäre.  Fugitivi  nannten  die  römischen  Soldaten  offenbar  aUe,  welche 
sich  hinter  die  Mauern  einer  Festung  zurückzogen  und  vertheidigten ; 
ganz  ähnlich  lautet  die  Aufschrift  eines  Bleies  in  Asculum,  Mommsen 
647  Fugitivi  peristis;  dies  hatten  die  Römer  m  die  Stadt  ge- 
worfen, und  die  Belagerten  antworteten  höhnend  mit  dem  Geschoss 
646:  Servi  peristis,  weil  die  Römer  damals  Sklaven  und  Frei^- 
laasene  zum  Kriege  ausgehoben  hatten,  s.  zu  Nr.  89  0- 


')  Indess  haben  auch  die  Italiker  dieses  Mittel  niohi  Terscbm&ht. 
Silo  Pompaedias  bewafinet  gegen  20,000  Sklaven,  denen  man  die  Freiheit  ge- 
währte, Diodor  XXXVII  (nach  Photius)  T.  U,  2.  S.  69  Dind.  Paapius  Mutilas 
verleiht  sogar  römisoko  Kriegsgefangene  und  rönische  Sklaven  seiner  Armee 


48  Bomisohe  BebleudergeBehi 

58.    59.    60. 

PET  OCTAVIA 

NAIAD 

Aehnlich  noch  zwei  andere  Exemplare,   Pet(e)  Octavia(ni) 

culum^).  Das  A  am  Schluss.von  Octavia  ist  fioerall  deutlich,  in 
zwei  Exemplaren  ist  noch  die  Spur  eines  anderen  Buchstabens  zu  er- 
kennen, also  sicher  Octaviani,  nicht  Octavi,  wie  Mommsen  (682, 
de  Minicis  44,  Ritschi  IX,  36)  lesen  wollte.  * 

61. 

OCTAVI 

Ein  anderes  Exemplar  bei  Mommsen  673  (de  Minicis  39),  jetzt 
in  München,  wo  auch  die  Rückseite  Spuren  von  Schrift  zeigt,  die  hier 
ganz  glatt  ist 

62.    (Abgeb.  n.  23.) 

OOIVMLVII 

MVSA 

CVLVMP 

Dasselbe  Blei  aus  Perusia  Mommsen  684  (de  Minicis  45,  Ritschi 

IX,  35).     Mommsen  billigt  die  Erklärung  Borghesis  L.  A(ntoni) 

calve,  Fulvia,  culum  pan(dite),    die  abgesehen  von  anderen 

Gründen  mit  den  Zttgen  der  Aufschrift  nicht  im  Einklänge  steht; 

denn  Z.  1  g.  Ende  ist  die  Lesung  L  V 1 1 ,  Z.  2  Musa  gesichert  Ich 
empfehle  folgenden  Erklärungsversuch:  Donum  L.VII.  Musa, 
culum  p(ete).  Musa  d.  i.  musca  heisst  das  Schleudergeschoss, 
weil  es  wie  die  summende  Fliege  lästig  wird.  Während  im  Griechi- 
schen aus  M  Y  Z I A  durch  Tilgung  des  Z  ^vXa  ward,  verhärtet  sich 

im  Lateinischen  das  I  zum  Kehllaute  musca  oder  assimilirt  sich  dem 
Zischlaute,  mus'sa,  dann  musa.     Daher   das   römische  Gognomen 


ein  (Appian  I,  42).  Als  die  Samniter  zaletzt  allein  den  Krieg  fortsetsten^  hoben 
sie  Sklaven  in  Masse  aus.  So  konnte  also  das  Blei  servi  peristie  auch  von 
den  Römern  ausgehen.  Jedenfalls  urtheilt  Mommsen  nicht  richtig,  wenn  er 
beide  Qeschosse  den  Römern  zutheilend  meint,  die  Aufständischen  habe  man 
wegen  des  AbfaUes  servi  oder  fugitivi  genannt. 

')  Wenn  auf  einem  Mainzer  Blei  sich  einfach  PET  findet,  so  ist  dies 
als  selbständige  Marke  za  betrachten,  so  gnt  wie  F  E  R I. 


Römische  Schleudefgeschosse. 


49 


Musa,  was  mit  der  griechischen  Göttin  des  Gesanges  nichts  gemein 
hat,  weim  auch  später  die  Pompouier  mit  dem  Zunamen  Musa  den 
Hercules  Musarum  zu  ihrem  Wappen  machten.  Ich  ergänze 
P(ete),  und  dasselbe  verbirgt  sich  auch  sicherlich  in  den  unklaren 
Zügen  des  Exemplares  bei  de  Minicis. 

63. 
LVFVIASIA 

Der  erste  Buchstabe  undeutlich,  doch  unzweifelhaft  L,  der  vor- 
letzte verloschen,  doch  ist  genügender  Raum  für  I  vorhanden.  Darauf 
führen  auch  die  übrigen  vorhandenen  Exemplare  Mommsen  687 
(de  Minicis  46,  47,  48.  Bitschi  IX,  41,  42  -a.  und  b.)  ^).  Mommsen 
hat  seine  Erklärung  Lu(cius),  Ful(via),  Asia  (dies  soll  auf  M. 
Antonius,  der  damals  mit  seinem  Heere  in  Asien  stand,  hinweisen) 
in  den  Nachträgen  selbst  zurückgenommen^  und  theilt   daselbst  die 

Lesart  eines  Exemplares  im  Museum  von  Bologna  mit  L  V  N I A  S I A ; 
so  las  Fr.  Rocchi,  allein  dies  wird  ein  Irrthum  sein,   unser  Exemplar 

hat  deutlich  F  V  wie  alle  übrigen,  nicht  N.  Ich  vermuthe,  dass  diese 
Aufschrift  nicht  in  lateinischer  Sprache,  sondern  in  einem  Localdialect 
abgefasst  ist;  vielleicht  ist  der  Sinn  luf(era)  via  sia(t),  d.h.  libera 
via  Sit  (siet),  frei  sei  der  Weg;  man  vgl.  das  Oskische  loufreis 
und  louvrikonoss,  das  Faliskische  loferta. 

64. 

ESVREIS 

ET  ME 

CELAS 


*)  In  einer  Privatsammlang  findet  sich  ein  Schleuderblei  mit  der  Auf- 
schrift: 

•XI  F. ASIA 

yieUeicht  mit  der  vorliegenden  Marke   identisch,   aber  ich   habe  das  Blei  nicht 
selbst  untersucht,  ebenso  wenig  ein  paar  andere  derselben  SammluDg  Nr.  2 

ATRI  II 

L  vT 

Nr.  8 

•  I  .  X  •        3C        Schwert. 

und  Nr.  4 

VI. 

4 


50  '  Bömisohe  SohleadergeBchosse. 

Die  Buchstaben  C  E  L  Z.  3  sind  unten  verstänunelt  Die  In- 
schrift dieses  römischen  Schleuderbleies,  welches  auf  die  Hungersnoth 
in  der  Festung  hindeutet,  ist  schon  bekannt;  s.  Mommsen  692  (de 
Minicis  49,  Ritschi  IX,  37).     Auf  dem  Exemplar  des  Museums  zu 

Mainz  sind  nur  REIS  und  C  E  L  A  S  lesbar,  aber  auf  der  Rückseite 

steht  mit  derben  Zügen  C  (oder  E)  P.  Ein  anderes  Exemplar  mit 
kaum  leserlicher  Schrift  (Rückseite  glatt)  bei  Hrn.  Ihering  in  Mainz. 

65.    66. 

XI  DIVOM  IVL 

Zwei  Exemplare  (auf  dem  einen  auf  der  Rückseite  ein  Schwert). 
Das  L  ist  undeutlich,  gleicht  einem  i,  auf  einem  Exemplare  stand 
vielleicht  I V.  I V.  Aehnliche  Exemplare  bei  Mommsen  697  (de  Minicis 
38)  aber  in  drei  Zeilen  L  .  X I  j  D  I V  O  M  |  I  V  L I V  M,  aber  andere 
Exemplare  Mommsen  698  (de  Minicis  37,  Ritschi  IX,  44)  haben  auf 
der  einen  Seite  LEG  XI,  auf  der  anderen  DIV  IVL.  Die  Er- 
klärung, meint  Mommsen,  sei  leicht,  verschweigt  aber  wie  der  Acca- 
sativus  zu  fassen  ist;  vielleicht  ist  im  Gedanken  invocat  oder  vene- 
rat ur  zu  ergänzen,  man  vergl.  Virgil  Aen.  XI,  785,  wo  Amins,  in- 
dem er  den  Speer  wirft,  den  Apollo  von  Soracte  anruft.  Den  Cultus 
des  Divus  Julius  bezeugt  die  Erzählung  bei  Sueton  Octav.  15,  nach 
der  Eroberimg  Perusias  habe  man  300  Kriegsgefangene  ad  aram 
Divo  lulio  extructam  geopfert. 

.  67. 

scÄ'ev    "^  '•«''" 

Anderes  Exemplar  Mommsen  700  (de  Minicis  62,  Ritschi  IX,  46) 
wo  Scäeva  und  Pil  unversehrt.  Ein  Exemplar  in  der  Samndang 
Milani  zu  Frankfurt: 

XII 

CAEV       X     llJ'^d 

p  R.  p  IV  3S 

Dieser  Scaeva  ist  vielleicht  nicht  verschieden  von  dem  centurio  Scaeva, 
den  Caesar  im  Bürgerkriege  gegen  Pompejus  wegen  seiner  ausge- 
zeichneten Tapferkeit  reichlich  belohnte  und  beförderte  (ab  octavis 
ordinibus  ad  primipilum  se  traducere  pronuntiavit,  de  b. 


Römische  Sohlendergescbosse.  51 

Civ.  III,  53).    Valer.  Max-  III,  2,  23  nennt  ihn  M.  Gaesius  Scaeva, 
(Saeton  Caes.  68  und  Plut.  Caes.  16  Cassius). 

68. 

ttXII 

SCAEV 

Geflicktes  Exemplar,   die   apdere  Hälfte  zeigt  noch  deutliche 

Spuren  einer  längeren  Aufschrift  in  zwei  Zeilen,  deren  erste  auf  I  V I 
auszugehen  scheint,   die  zweite,  wo  nur  die   untersten  Spitzen  der 

Buchstaben  erkennbar  sind,  enthält  einen  Eigennamen  auf  I  V  S 

vielleicht  ^E  N  I V  S ,  s.  Nr.  71. 

69. 

^0 

CA    AP-   VA 

An  der  oberen  Seitenfläche  war  offenbar  die  zweite  Zeile  wiederholt, 
man  erkennt  noch  deutlich 

CA    AP 
Ein  zweites,  minder  gvt  erhaltenes  Exemplar: 

70. 

'-L 

A    AP 

und  an  der  unteren  Seitenfläche  I  X. 

Dasselbe  Schleuderblei  bei  de  Minicis  53  (Kitschl  IX,  52),  nur 

wird  dort  CA  statt  CA  gelesen.  Die  Vermuthung  Mommsens,  es 
sei  die  Aufschrift  dieses  Geschosses  nur  verlesen  aus  n.  696  (Ritschi 
E,  54): 

LE   IX 

CAESARV 

erweist  sich  als  hinfällig. 

71. 
LMEN  X 

PRL-  \AILI 

Dasselbe  G«schoss  bei  Mommsen  701  (de  Minicis  63,  Ritschl  IX, 
47),  vermuthungsweise  dem  Perusinischen  Kriege  zugewiesen,  ist  besser 
erhalten : 

L-ffiNIVS  X 

PR  LXII        MILLIA. 


62  Römiaohe  Schleadergesohosae. 

Schleudergeschosse  ungewisser  Herkunft. 

72.    73.    (Abgeb.  n.  24.) 
OPTRVA      X      Blitz. 

In  zwei  Exemplaren,  ausserdem  eines  in  Mainz,  ein  anderes  in 
.Wiesbaden  (mit  etwas  undeutlichen  Schriftzügen).  Identisch  mit  dem 
Blei  Mommsen  710  (de  Minicis  72,  Ritschi  IX,  61);  die  etwas  rund- 
liche Form  des  V  hat  dort  zu  der  falschen  Lesung  C  geführt,  daher 
findet  Mommsen  hier  den  Namen  der  Opiterginer  und  denkt  an  eine 
im  Gebiet  von  Opitergium  für  Caesar  im  Bürgerkriege  ausgehobene 
Legion.    In  den  Nachträgen  wird  bemerkt,  das  Exemplar  finde  sich 

im  Museum  von  Bologna  und  Rocchi  habe  richtig  (c)  I T  O  •  P  E  R  C  E 
gelesen;  wenn  dies  nicht  ein  ganz  verschiedenes  Geschoss  ist,  muss 
man  auch  Rocchi's  Lesung  als  verfehlt  verwerfen.  Obterva  ist 
offenbar  nichts  anderes  als  die  alte  volksmässige  Sprachform  für 
observa,  d.  h.  gieb  acht,  passe  auf,  ein  gleichsam  warnender 
Zuruf.  Das  lateinische  Zeitwort  servare  ist  gleichen  Ursprungs  mit 
dem  griechischen  %riQaiv\  eingehender  darüber  zu  sprechen  ist  nicht 
dieses  Ortes.  —   Auf  der  anderen  Seite  findet  sich  das  Zeichen  des 

Blitzes,  ganz  ähnlich  wie  auf  dem  Blei  mit   der   Inschrift  MAR 

.V  LT  bei  de  Minicis  13  (Ritschi  VIII,  4);  da  jenes  Geschoss  (s.  oben 
n.  53)  dem  Bundesgenossenkriege  angehört,  mag  auch  dieses  gleichen 
Ursprunges  sein. 

74. 

T-FABRICI 

FECIT 

Dasselbe  Blei  Mommsen  711  (de  Minicis  73,  Ritschi  IX,  60),  nur 

ist  dort  der  Name  F  A  B  R  I  C I V  S  vollständig  lesbar;   auf  einem 

Exemplare  in  Mainz  ...BRICIVS|-EC...    *^ 

75.    (Abgeb.  n.  25.) 

MCORIO 

LANVS 

Die  vier  letzten  Buchstaben  sind  undeutlicli,   das  V  sieht  einem 

O  ähnlich,  da  aber  noch  ein  Buchstabe  (i  oder  S)  folgt»  hat  die 

Lesung    M-CORIOLANVS    mehr   WahrscheinUchkeit,    als 

CORIOLANO.    Das  Praenomen  M.  kommt  in  der  Gens  Marda 
nur  selten  vor  (vergL  Mommsen  R.  Münzw.  524),  aber  das  Schleuder- 


Römische  Schleudergeschosse.  58 

blei  ist  vielleicht  gar  kein  römisches,  sondern  gehört  den  Italikem, 
wenigstens  lässt  sich  der  Zuname  Goriolanus  in  Rom  (abgesehen  von 
dem  berühmten  Träger  dieses  Namens)  nicht  nachweisen. 

76.  (Abgeb.  n.  26.) 

CLyCL 
VI 

Diese  Lesung  hat  mehr  Wahrscheinlichkeit,  als 

CLVCIL 

VI 

denn  die  Spur  eines  weiteren  Buchstabens  auf  Z.  2  vor  V I  (eher  O 

als  V)  ist  trügerisch.  Der  Name  lässt  sich  nicht  mit  Sicherheit  er- 
gänzen. Ein  Luciiius,  Anhänger  des  Triumvirs  Antonius,  ist  bekannt^ 
aber  das  Blei  gehört  seinem  ganzen  Charakter  nach  eher  dem  Bundes- 
genossenkriege an.  Nach  Livius  Epit.  LXXV  kämpften  Gosconius  und 
Lucceius  (die  Hdsch.  Lucanus)  gegen  die  Samniten  unter  Marius 
Egnatius. 

77.  (Abgeb.  n.  27.) 

CAMVR 

und  darunter  auf  der  schmalen  Seite  wird  dieser  Name  CAMVR 
wiederholt,  aber  die  Züge  sind  halb  verloschen,  also  ist  auch  dieses 
Bleigeschoss  neugestempelt.  Auf  der  Bückseite  schwache  Spuren 
wohl  eines  Emblems.  Ein  G.  Camurius  findet  sich  auf  einer  Pice- 
nischen  Inschrift  aus  Gupra  (G.  Inscr.  L.  1, 1420).  Dieser  Name  kommt 
aber  auch  in  Beneventum  und  anderwärts  vor  (so  als  Töpfername  auf 
Gefässen  von  Modena  und  Arezzo,  s.  Bulletino  1837,  S.  13  und  107). 
Verwandt  ist  der  Name  Gamurtius  (Gicero  pro  Gaelio  c.  30,  In- 
schrift von  Paestum  Inscr.  R.  Neap.  97).  Das  Blei  mag  den  Italikem 
gehören. 

78.  (Abgeb.  n.  28.) 

E  C  A  M      X      Schwert 
auf  der  anderen  Seite  ein  Schwert,  ähnlich  wie  auf  dem  Geschosse 

bei  de  Minicis  27  mit  der  Inschrift  C  A  L  (von  Mommsen  654  nicht 
richtig  als  Blitz  erklärt),  aber  allerdings  werden  die  gewundenen 
Linien  die  vibrirende  Bewegung  des  gezückten  Schwertes  und  somit 
den  Blitz  versinnbildlichen  0*     Die  Inschrift  ist  vielleicht  durch  E. 


0  An  den  enais   falcatuB  (Tirg.  Aen.  VIT,  732,  Siliua  Ital.  VIII,  686) 
ist  schwerlich  zu  denken. 


54  Bömuehe  SchleudergesohoMe. 

Gam(urius)  aufzulösen.    Das  Blei  ist  aus  zwei  Stucken  zusammen- 
gelöthet,  unter  E  C  A  M    zeigen    sich  noch   Spuren  eines  früheren 

Stempels  VV I  P ,  aber  nur  das  P  ist  deutlich. 

79.    (Abgeb.  n.  29.) 
OST  RA 
scheint  die  undeutliche  Aufschrift  dieses  Geschosses  eher  zu  sein,  als 
OP  M. 

80.    Abgeb.  n.  30.) 

TASE 

VIPOMES 

IIERI^ 

81. 
TASE 

E 
IICR 

Die  ersten  Buchstaben  der  2.  Zeile  V I  .  sind  undeutlich  und 
breitgedriickt,  sie  gehören  vielleicht  einem  früheren  Stempel  an.    Der 

letzte  Buchstabe  Z.  3  scheint  Ligatur  von  N  und  V.  Auf  dem  zweiten 
Exemplare  scheint  Z.  1  noch  ein  Buchstabe,  wohl  A,  am  Schlüsse  ge- 
standen zu  haben.  Auf  eine  Erklärung  verzichte  ich,  TASE  könnte 
nach  der  Analogie  des  Umbrischen  Dialectes  tace  oder  taceas  sein. 
Unwillkührlich  denkt  man  an  einen  verrätherischen  Verkehr,  wie  er 
öfter  durch  Bleigeschosse  Vermittelt  ward,  s.  Bell.  Hispan.  c.  13 : 
glans  missa  est  inscripta,  quo  die  ad  oppidum  capiendum 
accederent,  se  scutum  esse  positurum  und  c.  18:  indicium 
glande  scriptum'),  per  quod  certior  fieret  Caesar,  quae  in 
oppido  ad  defendendum  compararentur,  und  Appian  B.  Mithr. 
c.  31 ;  Tieaaoig  ix  ^oXvßdov  7t€7ioii]fuvoig  Byyqafpovxeg  del  to  yiyvo^ievov 
ig  Tovg  ^Po)f4aiovg  iQ(puaav  wco  aq>€vd6vi]g. 

82.    (Abgeb.  n.  31.) 

\    C/FSIVS 

LII   ALIV 

D.  h.  wohl  L.  Caesius  L.  II  AI.  IV,  obwohl  in  der  Ligatur  JF 

der  untere  Strich  nicht  sichtbar  ist,  auch  ist  Z.  2  das  A  undeutlich. 

^)  Glandi  inscriptam  zu  corrigiren  acheint  nicht  noth wendig,  obwohl 
es  nachher  heisst  qui  mittere  glaudem  insoriptam  solebat. 


Römische  SchleadergeBchosse.  55 

Man  mochte  den  Legionen  unter  Umständen  eine  bestimmte  Zahl  Ab- 
theilungen der  Schleuderer  zuweisen;  die  alae  funditorum  sind 
durch  Yaler.  Max.  II,  7,  9  genügend  bezeugt.  Dieser  Oaesius  ist 
offenbar  verschieden  von  dem  M.  Gaesius  Scaeva  (s.  zu  Nr.  67). 

83.  (Abgeb.  n.  32.) 
M    ACI LIV   . 

auf  der  schmalen  Seite  Reste  des  gleichen  Stempels  M  ACM. 

84.  (Abgeb.  n.  33.) 


M 


RV 


Das  Zahhseichen  der  Legion  könnte  auch  X  I  gewesen  sein. 

85.    (Abgeb.  n.  34.), 
CRISPII^ 
Der  Name  Crispinu(s)  ist  vollkommen  deutlich,  doch  zeigt  sich 
keine  Spur  des  letzten  Buchstabens. 

86. 
P  R  •  P  I         X         Blitz., 

Die  Schriftzüge  haben  grosse  Aehnlichkeit  mit  dem  Bleigeschosse 
bei  Mommsen  702  (de  Minicis  42/  43.  Ritschi  IX,  49,  50) 

AP         X         P  R    P I 
was  im  Museum  von  Perusia  sich  findet.    Auf  vorliegendem  Blei  kann 
A  P  auf  der  Seitenfläche,  die^beschädigt  ist,  gestanden  haben. 

87. 
LXIII 

Ein  ganz  gleiches  Exemplar  Mommsen  709  (de  Mmids  65, 
Ritschi  IX,  58 ;  ein  anderes  etwas  verschiedenes  de  Minicis  66,  Ritschi 
IX,  57). 

88. 

LXIII 

leichteres  Kaliber  als  Nr.  87. 

89. 

CVIII 

Der  erste  Buchstabe  ist  unzweifelhaft  C,  nicht  L,  also  ist  wohl 
eine  der  12  Gehörten  der  Libertini  zu  verstehen,  welche  die  Römer 
im  Bundesgenossenkriege  aushoben.  Macrob.  Sat.  I,  11,  32:  Belle 
social!  cohortium  duodecim  ex  libertinis  cönscriptajrum 


56  Römische  Schleudergeschosse. 

opera  memorabilis  virtutis  apparuit.  Nach  Appian  I,  49 
hätte  man  sie  zum  Schutz  der  Westküste  von  Rom  bis  Cumae  ver- 
wendet, allein  Freigelassene  werden  auch  bei  Asculum  mitgefochten 
haben,  vergl.  zu  Nr.  57.     Aber  das  bei  Asculum  gefundene  Blei  mit 

der  Inschrift  L  V I  V  O  L  (Mommsen  658)  ist  gewiss  falsch  gelesen : 
denn  6  Legionen  Freiwillige  kann  es  nicht  gegeben  haben;  wäre  dies 
aber  die  fortlaufende  Nummer,  dann  erscheint  sie  zu  niedrig,  denn 
man  wird  ihnen  eine  der  letzten  Nummern  g^eben  haben;  endlich  ist 
der  Ausdruck  legio  incorrect,  einem  Schriftsteller,  wie  Granius  S.  22, 
kann  man  dies  hingehen  lassen,  auf  einem  militärischen  Denkmal 

erwartet  man  C  *  V 1  V  O  L ,  und  so  wird  wohl  auf  dem  Blei  stehen. 

90.  (Abgeb.  n.  35.) 

com 
vnii 

Dies  Schleuderblei  gehört  der  neunten  Cohorte  an,   wird  also 

ebenfalls  dem  Bundesgenossenkriege  zuzutheilen  sein.    Hinter  C  ist 

kein  Punkt,  sondern  das  C  hat  nur  einen  kleinen  Haken,  so  dass  es 

wie  öfter  dem  G  gleicht  H  ist  mit  R  gebunden,  cohors,  zusammen- 
gezogen corSy  oder  mit  Umspringen  des  Hauchlautes  chors,  hat 
hier  die  Aspiration  im  Auslaute  festgehalten. 

91.  (Abgeb.  n.  36.) 
T/REN       X       Keile 

auf  der  Rückseite  vier  Keile;  vielleicht  ist  der  Name  Aren  ins 
(Arennius)  hierzu  erkennen.    Dass  ein  griechisches  Schleuderblei 

bei  Vischer  Nr.  21  die  Inschrift  APEN  hat,  die  mir  Vischer  nicht 
richtig  als  Inf.  Aor.  von  al^eiv  zu  erklären  scheint,  ist  ein  blos  zu- 
fälliges Zusammentreffen.  Vor  der  Inschrift  findet  sich  noch  ein  T 
in  kleinerer  Schrift,  offenbar  Rest  eines  früheren  Stempels,    denn  das 

Exemplar  ist  geflickt,  und  hat  mehrfache  Verwendung  gefunden.  T 
wird  dem  ersten  Stempel  angehören.  Die  zweite  Stempelung  zeigt 
gerade  auf  der  Nath  die  Buchstaben 

ORhRI 

d.  h.  ..or  fri  =  feri  und  auf  der  entgegengesetzten  Seite  ein 
Schwerdt,  wie  das  Blei  bei  de  Minicis  27  (Ritschi  VHI,  22)  mit  der 
Beischrift  C  Ä  L ,  vergl.  auch  oben  Nr.  78.     Die  Buchstaben  der  In- 


Römische  SchleadergesohoBse.  57 

Schrift  wie  das  Emblem  sind  in  Folge  der  letzten  Stempelung  platt 
gedrückt. 

92. 

IVM 

könnte  «identisch  sein  mit  Mommsen  695  (de  Minicis  56,  Bitscbl  IX, 
39)  L-V-M,  auf  der  Rückseite  P  FEL,  was  de  Minicis  legio 
V  Macedonica  Pia^felix  deutet,  daher  denn  Mommsen  das  Blei 
verdächtigt.  Die  Rückseite  des  vorliegenden  Exemplars  ist  rauh  und 
unkenntlich. 

93.  (Abgeb.  n.  37.) 

•  PA 
FVL 

Das  L  ist  undeutlich,  aber  die  Erklärung  nicht  zweifelhaft,  s.  z. 
Nr.  41—43. 

94.  (Abgeb.  n.  38.) 

I-VSVAC 

Die  Schriftzüge  sind  mehrfach  beschädigt  und  lassen  sich  auch 
durch  eine  genaue  Zeichnung  nicht  vollständig  wiedergeben. 

95. 
Schwert        ^C     .   Fisch. 

Ohne  Aufschrift,  mit  zwiefachem  Emblem;  es  sind  nämlich  zwei 
schon  gebrauchte  Geschosse  zusammengelöthet ;  der  Fisch  wie  auf 
Nr.  7.    Das  Blei  wird  also  dem  Bundesgenossenkriege  zuzuweisen  sein. 

96. 

AEEAI 

Das  H  beschädigt.  Auf  griechischen  Geschossen  kommt  diese 
Aufschrift  käufig  vor,  so  auf  dem  attischen  bei  Vischer  n.  17,  ebenso 
auf  andern  im  Leidener  Museum  und  in  Berlin  (Friedrichs  Ant. 
Bildw.  II,  S.  240).  Das  vorliegende  Blei  kann  in  den  Sicilischen 
Sklavenkriegen  gegossen  sein,  es  kann  aber  auch  einer  griechischen 
Stadt  in  Italien  angehören  0«  oder  fremden  Schleuderschützen,  welche 
die  Römer  in  Sold  genommen  hatten '). 


')  Ein  Schleudorgeschoss  mit  ^echischer  Aufschrift  aus  Gtunae  (ahgeb. 
n.  39.)  8.  oben  zu  Nr.  41-^8. 

')  Kretische  Schleuderer  werden  nicht  selten  genannt;  thrakische  im  Heere 
Caesars  erwähnt  Appian  II,  49,  im  Heere  des  Pompejus  dienten  Schleuder- 
Bchützen  ans  Kypem,  Rhodos  und  Kreta,  s.  ebendas.  n,  71. 


58  Römische  SohlettdergeMbosse. 

Schliesslich  sei  hier  noch  das  Resultat  einer  chemischen  Unter- 
suchung mitgetheilt  Herrn  Prof.  G.  H.  Eekul^,  der  zwei  Greschosse 
(Nr.  36  aus  dem  Bundesgenossenkriege  und  ein  anderes  aus  Cumae) 
untersucht  hat,  verdanken  wir  darüber  folgenden  Bericht: 

^ Beide  Geschosse  bestehen  aus  weichem  Blei;  sie  enthalten 
weder  Arsen  noch  Antimon ;  es  ist  also  sicher,  ()ass  die  Alten 
keines  der  beiden  Elemente  zugesetzt  haben,  so  wie  man  es  jetzt 
thut,  um  das  Blei  für  Schrot  nnd  für  gewisse  Kugeln  zu  härten. 
Beide  Geschosse  enthalten  zwar  wenig,  aber  doeh  nachweisbare 
Spuren  von  Silber,  so  dass  man  annehmen  kann,  das  Blei  sei  so, 
wie  es  aus  dem  Erz  gewonnen  wurde,  direct  verarbeitet  worden.*' 


Nachtrag. 

Diese  Abhandlung  war  abgeschlossen  und  zum  Theil  schon  ge- 
druckt, als  ich  Gelegenheit  hatte,  in  Frankfurt  in  der  Sammlung  des 
Herrn  Milani  eine  Anzahl  römischer  Schleudergeschosse  zu  unter- 
suchen; andere  Exemplare,  die  in  neuester  Zeit  für  das  Königliche 
Museum  der  Alterthümer  zu  Wiesbaden,  sowie  für  das  römisch- 
germanische  Museum  zu  Mainz  angekauft  waren,  habe  ich  ebenfalls 
verglichen ;  eine  grössere  Sammlung  besitzt  Hr.  Ihering  in  Mainz,  von 
diesem  hat  Hr.  Prof.  aus'm  Weerth  22  Exemplare  erworben,  deren 
Beschreibung  ich  hier  folgen  lasse'). 


')  Hr.  Milani  besitzt  26,  das  Museum  zu  Wiesbaden  6,  das  Museum  zu 
Mainz  10  Stück;  alle  diese  Wurfgeschosse,  auch  die  des  Hrn.  Ihering  in  Mainz» 
lind  von  einem  Kunsthändler  in  Mailand  erworben.  Verweisungen  auf  dies  3 
£zemplare  konnte  ich  noch  während  des  Druckes  einschalten.  Hier  wiU  ich 
nur  noch  ein  oder  das  Andere  nachträglich  bemerken.  Von  beschossen  ohne 
Schrift,  aber  mit  Emblem  (Schwert)  finden  sich  2  Exempl.  in  Mainz  (zu  S.  8), 
ohne  Bild  und  ohne  Schrift  (S.  9)  ein  oder  das  andere  bei  Hm.  Ihering.    Herr 

Milani  besitzt  ein  Blei,^  wo   auf  der  Vorder-  und  der  Bäckseite   ROMA 

tief  eingeschnitten  ist;  die  Schrift  ist  jedoch  erhaben,  (vergL  S.  10^  Anm.  1). 
Aber  das  Oeschoss  erscheint  trotz  dieses  abweichenden  Aussehens  durchaus  un- 
verdächtig, ein  römischer  Soldat  hat  einmal  eigenhändig  die  Marke  hergestellt, 
wie  die  Schleuderschützen  auch  sonst  öfter  von  dem  Messer  Gebrauch  gemacht 
haben^  besonders  um  die  Geschosse  an  den  Enden  zuzuspitzen;   ebenso  finden 


Römische  Schleudergeschone.  59 


Bundesgenossenkrieg. 

97. 
OMA 

Der  erste  Buchstabe  undeutlich,  jedoch  die  Ergänzung  (R)oma 
nicht  zweifelhaft.  Aehnlich  de  Minicis  n.  1  (Ritschi  YIII,  6),  Mommsen 
n.  644.  Exemplare  dieser  Marke  scheinen  selten  zu  sein,  auf  einem 
Frankfurter  Blei  wird  die  Inschrift  auf  der  Rückseite  wiederholt 

98. 

AS   LAROI 

NON 
d.  i.  AS(c)LAROIN0N^  und  zwar  ist  die  zweite  Zeile  rück- 
läufig zu  lesen,  wie  vorliegendes  Exemplar  ganz  deutlich  zeigt.  Die- 
selbe Marke,  bei  Asculum  gefunden,  im  Eircher'schen  Museum  und  in 
der  Sammlung  de  Minicis,  Mommsen  n.  654.  Die  Abbildung  bei 
de  Minicis  u.  23  (Ritschi  VIU,  10)  hat  auf  der  ersten  Zeile  hinter  0 
noch  einen  undeutlichen  Buchstaben,  ebenso  ein  Exemplar  der  Samm- 
lung Milani  in  Frankfurt;  auf  einem  andern  in  Mainz  findet  sich  nur 

ASCLA 

NOV 

da  der  Schleuderschütze,   um   das   Geschoss   mehr  zuzuspitzen,    die 

letzten  Buchstaben  mit  einem  Messer  weggeschnitten  hat,  was  öfter 
vorkommt.    Den  Namen   der  Stadt  Asculum  in  dieser  Beischrift  zu 

erkennen,  war  nicht  schwierig,  aber  der  Versuch,  ASCLARONON 
durch  ASCLANOROM  zu  erklären,  ist  in  jeder  Hinsicht  ver- 
fehlt.     Ich   fasse    die   Marke    ASCLA(ni)     ROM(anis) 


sich  öfter  willkürliche  Einsohnitie.  Zu  Nr.  31  bemerke  ich  nacfatragliob,  dass 
das  Mainzer  Geschoss  auch  auf  der  Rückseite  Spuren  einer  Aufschrift  zeigt: 

ILI      X    S  )IP 

wenn  dies  P IG (ent es)  bedeutet,  so  würde  dies  meine  Yermuthung^  dais  di« 
erste  italisohe  Legion  in  Picenum  ausgehoben  war,  bestätigen:  allein,  wenn 
man  die  Beischrifl  umkehrt^  erscheint 

Ö  I  C  S    oder    8  I  €•  P 

Über  B  siehe  zu  Nr.  51.  —  Zu  Nr.  1  ist  nachzutragen^  dass  auch  im  Berliner 
Museum  sich  ein  Blei  mit  dem  Namen  des  Piso  findet  (Friedrichs  Ant.  Bildw. 

n,   S.   241),   ebendaselbst   ist   auch   die   Marke   F  E  R I    POMP    (s.   oben 

n.  24)  vertreten  (Friedrichs  II,  S.  240). 


60  Römiache  SchlendergeflohoBse. 

NON(tiaiit)0  nach  Analogie  der  unter  Nr.  8  besprochenen 
Marken  auf;  nuntiare  salutem  ist  der  übliche  Ausdruck,  wenn 

einer  den  andern  grossen  lässt.  Das  M  (vielleicht  mit  Ligatur  /A) 
am  Ende  der  Zeile  ist  auf  allen  Exemplaren  undeutlicL  Denselben 
Stempel  erkenne  ich  auch  auf  einem  anderen  Geschosse  in  Mainz 

EIAROI 

NO 

Die  beiden  ersten  Buchstaben  sehen  zwar  mehr  wie  E  I  oder  F I  aus, 

allein  dann  böte  sich  unter  italischen  Ortsnamen  nur  etwa  Stabiae 

dar,  (Sta)FIA(ni),  von  Sulla  im  J.  665  erobert  und  zerstört, 
s.  Plin,  H.  N.  lU,  70 ;  sonst  aber  gleicht  der  Stempel  durchaus  dem 
Asculanischen  Blei '). 

99. 

F  E  R I C  O        X        Schwert. 
.  Die  Inschrift  und  Emblem  schlecht  erhalten,   aber  doch  erkenn- 
bar,  die  Schriftzüge  weisen  das  Geschoss  dem  Bundesgenossenkri^e 
zu,  und  es  liegt  hier  wohl  nur  eine  Variation  der  Marke  Nr.  28,  29 

FERI  ^^  COMA  vor,  aber  die  Buchstaben  sind  kleiner  und 
weniger  derb. 

100. 
FRI    PIG 

d.  i.  fri  Pic(entes),  s.  de  Minicis  n.  70 :  T R I  •  P I C  (Ritschi 
IX,  (7),  Mommsen  n.  651.  Vergl.  oben  zu  Nr.  15.  iuf  der  Rück- 
seite undeutlich^  Spuren  eines  Emblems. 


')  Nontiare  Bohreibt  selbst  noch  die  römische  Kanzlei  während  des 
BandesgenoBsenkrieges,  wie  das  Schreiben  des  Senates  an  die  Tiburter  C.  I.  L.  I. 
201  beweist,  dessen  Abfassungszeit  Visconti  richtig  bestimmt  hat,  während 
neuere  Epigraphiker,  die  gewohnt  sind  nur  die  Buchstaben,  nicht  den  Inhalt 
zu  beachten,  diese  Urkunde  dem  Ende  des  6.  Jahrhunderts  zuweisen.  Die  Er- 
gebnisse  spraehgesohichtlicher  Studien,  auf  welche  eine  unfehlbare  Schule  so 
hohen  WerUi  legt,  sind  nichts  weniger  als  sicher.  Diese  Irrthümer  zu  berichtigen 
wird  sich  anderen  Ortes  Gelegenheit  darbieten. 

')  Fälschlich  hat  man  den  Namen  der  Asoulaner  bei  Sisenna  (Nonius 
S.  376  unter  protinus)  herzustellen  versucht;  es  ist  zu  lesen:  oastra  de 
planitie  convertit  in  montes,  ut  secreto  per  callis  protinus  proce- 
dendo  posset  intra  fines  Aeqnicnlanonim  per  venire.  Es  ist  von  dem 
Zuge  eines  italischen  Führers  die  Rede,  um  den  Aufstand  in  Umbrien  oder 
Etrurien  zu  unterstützen. 


■WT" 


Bömisohe  SohleudergeBchosse.  61 

101. 


u 


AÖ 


LLv.lO 

t,EC  IQ 

^^  V  A  Ö 

Dies  Schleudergeschoss  mit  dem  Doppelstempel  der  L  e  g  i  o 
q  u  a  r  t  a  ist  nicht  verschieden  von  dem  zu  Firmum  gefundenen  Blei^ 

bei    de   Minicis    84   (Ritschi  VUI,   11,    Mommsen   657)    I^EGIO 
X  QVAR. 

102. 

PIR        X        ITAL 

Das  I  in  P I  R  gleicht  mehr  dem  S^  der  Stempel  der  Rückseite 
halb  verloschen. 

103. 

V  •  FLA 

d.  i.  V  i  b  i  u  s  F 1  a  v  i  u  s ,  die  drei  letzten  Buchstaben  sind  ligirt. 

104. 
"FVL        X        NM 

Die  Buchstaben  der  Vorderseite  sind  ligirt,  der  Strich  vor  F 
ist  wohl  nur  zufällig,  auf  der  Rückseite  N  undeutlich,  vorher  viel- 
leicht noch  ein  Buchstabe. 

105. 

I  E  H 

Die  Züge  undeutlich,  I  könnte  auch  ein  mit  E  verschlungenes 

H  sein,  das  H  gleicht   fast  einem   liegenden  T.     Wahrscheinlich 

identisch  mit  dem  Stempel  aus  Picenum  bei  de  Minicis  n.  25  (Ritschi 

Vm,  28),  Mommsen  670  T  H, 

106. 
P 
Der  Schrift  nach  dem  Bundesgenossenkriege  zuzuweisen  0>  zwei 
andere  Exemplare  in  Mainz,  die  Züge  jedoch  kleiner  und  schmächtiger, 

auf  dem  einen  das  P  offen,  wie  in  dem  Exemplar  bei  de  Minicis  78 


^)  Wemi  noch  ein  zweiter  Buchstabe   P  |  zu  folgen  eeheint,  lo  ist  dies 
wohl  nur  ein  trügerischer  Schein. 


62  Römitche  Schleodergesehoese. 

(Ritschi  IX,  62,  Mommsen  n.  712).  Die  wahrscheinlichste  Deutang 
ist  P  i  r. 

107. 
C  Ä  L         :>C        Schwert. 

Bei  de  Minicis  n.  27,  Ritschi  VIII,  22,  von  Mommsen  n.  654 
nicht  richtig  behandelt.     Der  erste  Buchstabe   ist  in  vorliegendem 

Exemplar  unten  verwischt»  gleicht  jedoch  eher  einem  C  als  G ; 
ausserdem  ist  dieser  Buchstabe  durch  einen  grösseren  Zwischenraum 
von  dem  folgenden  getrennt;  dies  spricht  fUr  die  Erklärung  von 
de  Minicis  C.  Tal  (na),  während  ich  oben  S.  4  versuchsweise  Catl(us) 
vorgeschlagen  hatte. 

108. 

CAL 

Ein  ähnliches  Exemplar  G  A  L  in  Frankfurt  bei  Hm.  Milani 
und  bei  de  Minicis  n.  16;  somit  ist  die  Richtigkeit  der  Lesung  von 
Lipsius  genügend  gesichert,  und  muss  das  oben  S.  4  Bemerkte  be- 
richtigt werden.  Man  darf  diese  Marke  nicht  mit  L  *  G  A  L  Mommsen 
n^  655  für  identisch  halten,  auf  dem  Frankfurter  Exemplar  nimmt  der 
Stempel  gerade  die  Mitte  des  Geschosses  ein,  auf  vorliegendem  ist  er 
mehr  nach  links  gerückt,  folglich  für  ein  verloschenes  L  kein  Raum. 

Wir  müssen  also  drei  verschiedene  Marken :  CÄL,CAL,  L*GAL 
unterscheiden. 

109. 
AM    R 

Der  letzte  Buchstabe  durch  Zwischenraum  getrennt,  de  Minicis 

n.  2  aus  den  Abruzzen  AM///,  Monmisen  673,  der  zwei  Geschosse 

der  Pariser  Sammlung  mit  der  Aufschrift  A  M  anführt,  die  jeäoch 
eher  als  selbständige  Marke  zu  betrachten  ist;  wenigstens  findet  sich 
in  Mainz  ein  Geschoss  von  ganz  anderer  Form  und  Caliber  als  n.  109 

mit  der  schlecht  erhaltenen  Beischrift  A  M ,  aber  die  Buchstaben  deut- 
lich; für  R  ist  kein  Raum,  da  der  Stempel  gerade  die  Mitte  einnimmt; 
zwischen  den  Buchstaben  vielleicht  Interpunction. 

110. 

I  VCl  I  I  V  I 

d.  i.  Fugitivi  peristi(8).    Ich   war  geneigt,  dieses  Geschoss  dem 


Bömische  Sehieadergregohosse.  68 

Penisinischen  Kriege  zuzuweisen,  da  die  Schriftzdge  in  Peristi(s) 
vollkommenste  Aehnlichkeit  mit  dem  Perusinischen  Blei  Nr.  57 

(f)VCITIVI  C   CAVSAR(ub) 

(p)ERISTI(8)  (v)ICTORIA 

zeigen,  nicht  als  wenn  beide  Exemplare  dieselbe  Marke  repräsentirten, 
denn  hier  ist  auf  der  Rückseite  von  einer  Aufschrift  keine  Spur, 
sondern  als  selbständiger  Stempel  ganz  gleichlautend  mit  dem  Stempel 
aus  dem  Bundesgenossenkriege,  Mommsen  n.  647.  Die  Wiederholung 
derselben  formelhaften  Beischrift  in  zwei  verschiedenen  Kriegen  dürfte 
nicht  auffallen.  Allein  das  vorliegende  Geschoss  zeigt  auf  der  Seiten- 
fläche einen  frühem  Stempel  P I  R  mit  grösseren,  aber  halb  erloschenen 

Zügen.  Dieses  P I  R  (denn  so,  nicht  F I  R  hat  das  Blei)  weist  das 
Geschoss  dem  Bundesgenossenkriege  zu  ^),  dasselbe  ward  dann  von 
den  Römern  mit  einem  neuen  Stempel  versehen  und  in  die  Festung 
geworfen,  indem  die  Belagerten  höhnisch  als  fugitivi  bezeichnet 
wurden,  s.  oben  S.  47.  Diese  Marke  war  bisher  nur  aus  Lipsius, 
(de  Minicis  n.  35,  Mommsen  n.  647)  bekannt.  Ein  anderes  Exemplar 
findet  sich  in  der  Sammlung  Milani  in  Frankfurt  ' 

FVG(ITI)V(I) 
PERIST(I) 

die  erste  Zeile  mit  etwas  kleinerer  Schrift.  Dieselbe  Marke  ist  wohl 
auch  auf  einem  anderen  Blei  ebendas.  zu  erkennen: 

C         X         (T)SI5I3 

VI 

111. 

SER        X        TSI5H 

d.  i.  servi  peristis.  Die  starken,  kräftigen  Züge  des  Geschosses, 
womit  die  Italiker  antworteten,  unterscheiden  dasselbe  sehr  bestimmt 
von  dem  römischen  Blei  Nr.  110.  E^er  erhaltene  Eicemplare  besitsst 
Hr.  Milani 

SERVI  X        TSMa 

SER  X        TSIJI3 

VI 

(ganz  ähnlich  de  Minicis  n.  34,  Ritschi  Vin^  2,   Mommsen  646). 

^)  Wie  die  aofifallende  üebereinBiiminung  mit  dem'' Perosinisohen  Blei  Nr. 
57  zu  erklaren  sei,  darüber  werde  ich  mich  nachher  S.  70  Anm.  1  -aus^precheiL 


64  Römisohe  SchlendergeschosM. 

Belagerung  vonPernsia. 

112. 

:>  SAUM 

J 

Wird  identisch  sein  mit  Mommsen  n.  688  Q  '  S  A  L I M ,  d.  h. 
Q.  S^lvidienus  Bufus  Salvius,  obgleich  auf  den  ersten  Anblick 

die  Züge  S  A  U  M  zu  bilden  scheinen.  —  Hierbei  bemerke  ich,  dass 
das  folgende  Geschoss  n.  690  nach  einem  Exemplar  des  Museums  zu 
Wiesbaden  deutlich 

P  •  RVFVS 

IMP 

hat,  ^fahrend  Mommsen  das  Praenomen  in  Q  abändern  ivoUte. 

Ungewisser  Herkunft. 

113. 
LE^        X         vAWIVS 

RIO 

Die  grossen  Züge  der  Vorderseite  bedeuten  wohl  nichts  anderes 
als  L  e  g  ( i  0 ) ,  der  beschädigte  Name  auf  der  Räckseite  scheint  eher 
G.  Atinius  als  G.  Annius  zu  sein,  die  zweite  undeutliche  Zeile 
gehört  einem  froheren  Stempel  an,  vielleicht  stand  hier  der  Name  des 
T.  Auridius,  s.  zu  Nr.  44  ff.  Das  Geschoss  gehört  wohl  sicher  dem 
Bnndesgenossenkriege  an. 

114. 
I  MX' 

VAL 

Geflicktes  Exemplar.    Auf  der  ersten  Zeile  am  Ende  vielleicht, 

noch  em  fQnftef  Buchstabe  E. 

115. 

I  V  M 
VV/J, 

II  X 

Undeutlich  ist  1 1  auf  der  letzten  Zeile.  Ist  vielleicht  nicht  ver- 
schieden  von  dem  Ferusinischen  Blei  de  Minicis  n.  55  (Mommsen  694) 

X  V  M 

3sva± 

was  ich  oben  S.  5  (ca)lam  trasc(i)   ei^änzt  habe.    Wenn,  wie 


1 


Römiiohe  SohleadergescboftBa.  66 

Tvahrscheinlich^  XII  die  zwölfte  Legion  bezeichnet,  so  wird  auch  da- 
durch die  Deutung  L(egio)  V  M(acedonica)  beseitigt. 

116. 
FV     Ol   VV 

Auch  auf  der  Ilückseite  verloschene  Buchstaben,  vielleicht  S I  L. 

117. 
I  L  RVI        X        LVSIJ- 


Alles  undeutlich. 


118. 


MES 
lERIVM 

Dreizeilige  Aufschrift  eines  neugestempelten  Geschosses  (von  dem 
früheren  Stempel  ist  das  fimblem,  ein  Schwert,  erhalten).  Von 
der  ersten  Zeile  sind  nur  die  untersten  Reste  der  Buchstaben  übrig, 

in  der  zweiten  Zeile  ist  M  unsicher,  in  der  dritten  der  erste  Buch- 
stabe vielleicht  H,  auch  I  V  M  ist  zweifelhaft.  Dieser  Stempel  ist 
wahrscheinlich  identisch  mit  der  Marke  n.  80,  81. 

Die  Bonner  Sammlung  enthält  also  nicht  nur  Exemplare  von 
beinahe  allen  bisher  bekannten  Schleudergeschossen  in  seltener  Voll- 
ständigkeit, sondern  umfasst  auch  eine  ansehnliche  Zaiil  Inedita,  und 
darunter  Stücke  von  hervorragender  Bedeutung.  Von  wichtigeren 
Marken  fehlen  nur  n.  665,  688^  690,  691,  704,  705  des  Mommsen'schen 
Verzeichnisses,  dann  verschiedene  Legionsstempel  und  Inschriften,  die 
aus  vereinzelten  Buchstaben  bestehen  ^) ;  auch  die  Stempel,  welche 


^)  Die  Zahl  solcher  Stempel  wird  sich  noch  erheblich  vermehren  lassen; 
die  Sammlang  Milani  enthält  ein  Blei  mit  der  Aufschrift  L  X  M  ^C  XX, 
femer  die  Marke  A  0  (verschieden  von  Mommsen  n.  672  A  R  )  ,  dann  H  A  R , 
wo  der  letzte  Buchstabe  aber  auch  0  sein  kann ;  ebendaselbst  findet  sich  L  A 
(Mommsen  n.  666)  und  V  EL  (Mommsen  n.  671):  LEGilf  mAg  mit 
Mommsen  n.  669  L  E  G  V  I  F  identisch  sein.  E  P  auf  einem  durch  seine 
Oxydation  merkwürdigen  Blei  in  Mainz  ist  wohl  nur  Rest,  einer  grösseren 
Inschrift,  von  der  auch  noch  andere  unsichere  Spuren  erhalten  zu  sein  scheinen, 
obwohl  E  P  auch  auf  der  Rückseite  eines  anderen  Geschosses  (s.  oben  zu  Nr. 

5 


66  Rdmiflobe  Sohlendergesehosse. 

Mommsen  in  den  Nachtritgen  aus  dem  Moseum  Campana  nnd  sonst 
verzeichnet»  sind  in  der  Bonner  Sammlung  nicht  vertreten. 


Mir  liegt  noch  das  nicht  gerade  erfreuliche  Geschäft  ob,  flbei^  die 
neueste  Publikation  von  Desjardins  ^),  die  mir  erst  nach  dem  Ab- 
druck dieser  Abhandlung  zu  Gesicht  kommt,  in  möglichster  Kürze  zu 
berichten.  Musste  ich  früher  dem  übertriebenen  Scepticismus  Momm- 
sen's,  der  diese  ganze  Gattung  von  Denkmälern  bei  Vielen  in  unver- 
dienten Misscredit  gebracht  hat,  entgegentreten,  so  gilt  es  hier,  eine 
kecke,  planmässig  ausgeübte  Fälschung  zu  enthüllen,  welche  sicherlich 
mit  diesem  ersten  Versuche  sich  nicht  begnügen  wird,  und  noch 
Manche  täuschen  dürfte,  welche  in  gutem  Glauben,  wie  der  arglose 
französische  Epigraphiker,  die  vermeintlichen  Schätze  der  neuen  Ent- 
deckung als  eine  Bereicherung  der  Wissenschaft  begrüssen  werden. 

Ernst  Desjardins  veröffentlicht  Inschriften  von  111  Schleuder- 
geschossen,  welche,  wie  er  berichtet,  kürzlich  bei  Ausgrabungen  am 
Ascoli  gefunden  und  von  den  Herren  B ollin  und  Feuardent  in 
Paris  erworben  wurden.  Wenn  man  diese  Bleigeschosse  durchmustert, 
empfängt  man  alsbald  den  Eindruck,  als  müsste  zu  Asculum  eine 
Waffenfabrik  gewesen  sein,  welche  die  römischen  Schleuderschützen 
mit  der  nöthigen  Munition  versorgte  und  insbesondere  alte,  beschädigte 
Wurfgeschosse  wieder  ausbesserte;  denn  die  neue^n  Ausgrabungen, 
deren  Besultate  hier  mitgetheilt  werden,  haben  offenbar  nicht  die 
Reliquien  der  langwierigen  Belagerung  jener  Stadt  im  Bundesgenossen- 


64)  vorzakommen  icheint.  O  M  ebendaselbst  ist  vielleicht  aus  (P)OM(P) 
verstümmelt;  ebendaselbst  IVI  könnte  L*Vi  sein:  mit  dem  sehr  beschä- 
digten Exemplar  \  O  \«  ^9  offenbar  ein  missrathener  Stempel,  darf  man 
nicht  das  asculanisohe  Blei 

LVI 
VOL 

(de  Minicis  n.  8,  Ritsohl  VIII,  12,  Mommsen  658)  zasammenhalteni  da  die  Ver- 
schiedenheit der  Sohriftzüge  dies  nicht  gestattet.     Andere  Exemplare  sind  so 

beschädigt,  dass  man  kaum  die  Schriftlüge  wiedergeben  kann^  wie  fc:  V  *  N  M; 

der  erste  Buchstabe  könnte  auch  L  sein. 

')    Desiderata  du  Corpus  Inscr.  Latt.     2.  Liefbr.     Les  balles  de 
fronde  de  la  r6publique.    Paris  1874. 


Römische  SchleudergeBohosse.  67 

• 

kriege,  sondern  ein  D^öt  von  Bleieicheln  aus  späterer  Zeit  zu  Tage 
gefördert.  Die  Fabrik  zu  Asculum  versorgte  nicht  nur  die  Belagerer 
von  Perusia  in  den  Jahren  713  und  714  mit  dem  nöthigen  Material, 
sondern  auch  der  jüngere  Labienus  bezog  während  seiner  Feldzüge  in 
Syrien  und  Kleinasien  (713—715),  ja  sogar,  wie  es  scheint,  sein 
Gegner,  der  Anhänger  des  Antonius,  Decidius  Saza,  seine  Munition 
aus  Asculum. 

Dass  wir  es  hier  mit  einer  gewerbsmässigen  Industrie  zu  thun 
haben,  ist  evident,  nur  gehört  dieselbe  der  unmittelbaren  Gegenwart 
an.  Die  Fabrik  für  falsche  Schleudergeschosse  in  Ascoli  geht,  nach 
der  vorliegenden  Probe  zu  urtheilen,  der  sicher  recht  bald  andere 
nachfolgen  werden  (denn  das  Gerücht  spricht  vop  massenhaften 
Funden  und  im  Kunsthandel  werden  Bleieicheln  zu  Hunderten  ange- 
boten), nicht  so  sehr  darauf  aus,  antike  Geschosse  zu  copiren,  sondern 
neue  anzufertigen,  weil  dieses  Geschäft  grösseren  Gewinn  verheisst. 

Ich  habe  oben  S.  9  darauf  hingewiesen,  dass  man  nicht  selten 
schon  gebrauchte  Geschosse  wieder  verwandte  und  dann  neu  ab- 
stempelte, indem  ich  S*  7  die  frühere,  mehr  oder  minder  unkenntliche 
Marke  mit  einer  Palimpsesthandschrift  verglich.  Die  Bonner  Samm- 
lung bietet  für  dies  Verfahren,  was  keiner  der  Früheren,  die  antike 
Schleudergeschosse  untersuchten,  beachtet  hat,  mehrfache  Belege  dar. 
Dem  Scharfblicke  der  Industriellen  in  Ascoli  ist  dies  nicht  entgangen, 
und  sie  verlegen  sich  besonders  darauf,  Wurfgeschosse  mit  solchen 
Palimpsestaufschriften  zu  fabriciren,  indem  sie  ganz  richtig  voraus- 
setzen, dass  diese  Manier  schon  wegen  ihrer  Neuheit  auf  Käufer  und 
Forscher  vorzugsweise  Anziehungskraft  ausüben  werde.  So  zeigen  die 
Bleieicheln  bei  Desjardins  in  der  Regel  zwei,  ja  drei,  oder  sogar  vi^ 
verschiedene  Marken  ^).  Wie  schon  längst  Münzfälscher  Avers  und 
Revers  verschiedener  Münzen  zu  verbinden  pflegen,  um  mit  geringer 
Mühe  etwas  Neues,  noch  nicht  Dagewesenes  zg  produciren,  so  ver- 
einigen diese  Industriellen  die  verschiedenartigsten  Marken  auf  einem 
Blei,  sorgen  aber  dafür,  dass  meist  zwei  Marken  vollkommen  deutlich 
und  lesbar  jsind.  Dies  würde  schwer  ausführbar  gewesen  sein,  wenn 
man  wirklich  antike  Geschosse  benutzt  und  z.  B.  auf  der  glatten 


^)  Daher  macht  die  von  Desjardins  publicirie  Sammlang  einen  eig^thüm- 
lichen  Eindruck:  sonst  ist  die  Rackseite  häufig  glatt,  hier  in  der  Regel  be- 
schrieben; sonst  kommen  Embleme  verschiedener  Art  vor,  hier  findet  sich  nur 
ein  paar  mal  das  Schwert  angebracht. 


66  BömiBcbe  Sohleaderpfpscboflse. 

Rflckseite  eines  römischen  mit  FERI  oder  OPEROR  (so  liest 
wenigstens  Desjardins)  bezeichneten  Bleies  den  Namen  des  Paapius 
in  oskischer  Schrift  nachgetragen  hätte  ^) ;  denn  durch  das  Neustemi)eln 
wird  in  der  Regel  die  ältere  Aufschrift  zerquetscht  und  mehr  oder 
minder  beschädigt,  wie  die  Exemplare  der  Bonner  Sammlung  zeigen. 
Allein  wir  haben  es  hier. mit  vollkommen  freien  Nachbildungen  zu 
thun.  Da  war  es  für  die  Kunst  der  Verfertiger  leicht,  beliebig  die 
eine  Marke  als  wohl  erhalten,  die  andere  mit  undeutlichen  Zügen 
darzustellen.  Nur  dies  haben  sie  nicht  bedacht,  dass  eben  dadurch 
die  Fälschung  sich  handgreiflich  verräth'). 

Das  Verfahren  dieser  Artisten  bei  der  Auswahl  der  Stempel 
mag  ein  auf  Geradewohl  herausgegriffenes  Beispiel  anschaulich  machen. 
Nr.  105  zeigt  mit  halberloschenen  Zügen  den  Namen  des  Piso,  darüber 
deutlich  und  gut  erhalten  den  Namen  des  Paapius,  auf  der  anderen 
Seite  den  Stempel  der  elften  Legion  mit  ihrem  bekannten  Losungs- 
worte Divos  Julius  ^).  Damit  soll  also  angezeigt  werden,  dass  dieses 
Blei  eine  dreifache  Verwendung  gefunden  hat:  im  sicilischen  Sklaven- 
kriege unter  dem  Ck)nsul  Piso^)  im  J.  621,  im  Bundesgenossenkriege 
im  J.  664  u.  ff.  bei  der  Südarmee  der  Aufständischen,  und  bei  der 
Belagerung  Perusias  durch  Octavian  713—714.  Denmach  wären  wir 
im  Stande,  die  Schicksale  dieses  Geschosses  nahezu  ein  ganzes  Jahr- 
hundert hindurch  zu  verfolgen  ^).  Da  nun  aber  in  den  Zwischenzeiten 
die  römischen  Waffen  nicht  ruhten,  so  ist  es  überaus  merkwürdig, 


^)  S.  Besjard.  n.  89  ff. 

')  Die  Naohbildungen  mögen  übrigens  geicbickt  ausgeführt  sein,  da  die 
Herren  RoUin  und  Feuardent  phne  Bedenken  dieselben  erwortien  zu  haben 
aoheinen» 

•)  LEG  XI   OIVOMIVLIV 

>  I  n  N  N  n  •> 

PISON 

^)  Piso  ist  natürlich  der  Consul  des  Jahres  621,  nicht,  wie  Desjardins 
annimmt,  L.  Calpomius  Piso,  der  i^hmalige  CoUege  des  Yerres,  der  sich  im 
Bandesgenossenkriege  als  Armeelieferant  (Cic.  in  Pison.  86  armis  faciendis 
praefuit)  Reichthum  erwarb.  Die  IndustrieUen  in  Asooli  folgen  einfach  der 
Führung  yon  de  Minicis;  die  Bekanntschaft  mit  ihrem  ehemaligen  Berofs- 
genossen  werden  sie  erst  durch  Desjardins  machen. 

*)  ÜngefSUir  wie  wenn  ein  NoveUist  die  Geschichte  einer  prenssischen 
Flintenkugel  im  7jährigen  Kriege,  in  den  Freiheitskriegen  und  im  Böhmischen 
Feldtuge  schildern  wollte. 


Römische  Schleuderg^BchoBsa.  69 

dass  keines  dieser  umgestempelten  Geschosse  Sparen  seiner  Verwen- 
dung in  anderen  Kriegen,  z.  B.  bei  der  Belagerung  Athens  durch 
Sulla,  oder  während  der  Feldzüge  Caesars  in  den  verschiedensten 
Theilen  der  alten  Welt  zeigt,  vielmehr  gehen  alle  die  verschiedenen 
Marken  der  Asculaner  Fabrik  seltsamer  Weise  immer  nur  auf  die  drei 
Kriege  zurück,  auf  deren  Schauplatze  man  bisher  überhaupt  römische 
Bleigeschosse  gefunden  hat  Man  sieht  daraus,  wie  diese  Industrie 
sich  möglichst  eng  an  das  Vorhandene  anschliesst  und  darauf  ver- 
zichtet, über  diesen  Kreis  hinaus  das  Gebiet  der  freien  Erfindung  zu 
betreten  ^). 

Nichts  beweist  so   schlagend  die  Plumpheit  des  Betruges,  als 

dass  die  berufene  Aufschrift  S I  N  E  M  A  S  A ,  welche  man  längst  für 
beseitigt  hielt,  hier  wieder  auftaucht  (nr.  110).  In  dem  Cataloge  der 
Dodweirschen  Sammlung  war  ein  Schleuderblei  von  Perusia  mit  der 

Beischrift  N  E  M  A  S  A  verzeichnet.  Andere  glaubten  vorne  noch 
einen  Buchstaben  I  zu  erkennen.  De  Minicis  ^)  ergänzte  diese  unver- 
ständliche Legende  in  (S)INEMASA  und  erklärte  dies  „ohne 
Brod^,  indem  er  darin  eine  Anspielung  auf  die  in  der  belagerten 
Festung  herrschende  Hungersnoth  fand.  Dieses  Blei  wird  jetzt  in  der 
Mttnchener  Sammlung  verwahrt,  und  die  freilich  dunkle  Aufschrift^) 
lautet  LVFVIASIA,  wie  Mommsen,  der  das  Geschoss  selbst 
untersacht  hat,  berichtet^);  aber  die  Fabrik  in  Ascoli,  deren  Leiter 
keine  anderen  literarischen  Hülfsmittel  als  die  Abhandlung  von  de  Minicis 
zu  besitzen  scheinen,  wiederholt  unbekümmert  jenen  groben  Lese- 
fehler *),  und  der  Pariser  Epigraphiker  nimmt  auf  guten  Glauben  diese 


')  Abgesehen  von  den  Marken  mit  den  Namen  des  Labienus  und 
Saxa.  Wenn  Desjardins  eine  Anzahl  Marken  dem  zweiten  Sklavenkriege  zu- 
weist, so  ist  dies  eine  ganz  haltlose  Vermuthung,  obwohl  wahrspheinlich  einst 
auch  Zeugen  dieser  Kampfe  zum  Vorschein  kommen  werden. 

^}  Oder  Secchi;  auf  das  Verdienst  der  Priorität  kommt  wenig  an. 

*)  Siehe  darüber  oben  Nr.  63. 

')  Mommsen  n.  687  mit  der  Bemerkung:  inde  Minicium  hallu- 
cinantem  effeoisse  sine  maza  notamus,  ne  quem  talia  postea 
morentur. 

^)  Daneben  bringen  sie  auch  anderwärts  nach  de  Minicis  die  ächte  Marke 

L  V  F  V  I  A  S  I  A  an»  die  durch  zahlreiche  Exemplare  verbürgt  ist.  Uebrigens 
bemerke  ich,  dass  ich  bei  Herrn  Milani  ein  wie  mir  es  schien  vollkommen  un- 
verdächtiges Schleuderblei  mit  der  Aufschrift  1 1  V  E  M  A  ^d,  so  las  ich  (das 


70  Römische  Schleudergeschosse. 

Au&chrift  als  hinreichend  verbürgt  hin,  während  doch  dies  Beispiel 
vor  allem  sein  kritisches  Gewissen  wach  rufen  musste. 

Dass  die  Bonner  Sammlung  von  den  Fälschungen  der  Fabrik  zu 
Ascoli  völlig  unberührt  ist^),  liegt  klar  zu  Tage  und  dasselbe  gilt 
von  den  Schleudergeschossen  zu  Frankfurt,  Mainz  und  Wiesbaden, 
welche  ich  untersucht  und  öfter  zur  Yergleichung  herangezogen  habe. 


«        ^^ 

M  jedoch  ansiober,  E  desto  deutlicher);  Andere  jedoch  lasen  I  N  EC  A  oder 

()  A*  Yielleicht  besitzt  die  Fabrik  in  Ascoli  ein  gleiches  Exemplar;  dies  schien 

auf  die  Marke  (S)INEMASA  zu  fuhren,  und  um  so  unbedenklicher  ging 
man  an  die  Reproduction  jener  abentheuerlichen  Legende. 

^)  Nur  gegen  ein  Exemplar  der  Bonner  Sammlung  Nr.  57: 

(F)VCITIV(I)  C   CAVSASR(VS) 

(P)ERISTI(S)  VICTORIA 

lässt  sich  nicht  ohne  Schein  Verdacht  erwecken.  Diese  Marke  kommt  sonst 
nicht  vori  die  Beischrift  enthält  jedoch  nichts  Neues.  Denn  die  Legende  der 
Vorderseite  ist  identisch  mit  Nr.  110,  die  der  Rückseite  mit  Nr.  55;  man  kann 
also  sagen,  ein  Fälscher  habe  willkührlich  Avers  und  Revers  combinirt,  aller- 
dings nicht  ungeschickt,  da  die  beiden  Aufschriften  wie  üblich  einen  lusammen- ' 
hängenden  Satz  bilden,  aber  dafür  lag  das  Vorbild  nahe,  s.  eben  Nr.  55.  Be- 
fremdlich ist,  dass  die  Schriftzüge  der  Vorderseite  in  auffalliger  Weise  mit  der 
gleichlautenden  Marke  Nr.  110  stimmen,  welche  ich  dem  Bundesgenossenkriege 

zuweisen  masste,  namentlich  die  eckige  Figur  des  ^  findet  sich  hier  wie  dort, 

während  auf  der  Rückseite  die  gewöhnliche  Gestalt  erscheint.  Indees  kommen 
beide  Formen  auch  sonst  auf  demselben  Denkmale  neben  einander  vor,  (die  Frank- 
furter Exemplare  von  Nr.  110  haben  S,  und  unterscheiden  sich  auch  sonst  durch 
derbere  Züge),  oft  ist  der  Uebergang  von  der  einen  zur  anderen  fast  unmerklich. 

Allerdings  scheint  die  alterthümliche  Form  ^  zu  dem  Schriftcharakter  der  Ge- 
schosse aus  dem  Perusinisohen  Kriege  nicht  recht  zu  passen,  allein  die  gleiche 
Form  kehrt  in  P  E  R I  ST(  I S)  wieder  in  Nr.  55,  dagegen  S  Nr.  56,  beides  un- 
zweifelhaft ächte  Wurfgeschosse  aus  der  Belagerung  von  Pemsia.  Am  meisten 
legt  den  Verdacht  einer  Fälschung  nahe  der  störende  Schriftzug  im  Namen  des 

Caesar  CAVSASR(VS),  denn  so  viel  sich  erkennen  lässt,  fand  sich 

derselbe  auch  in  Nr.  55  vor.  Sprachlich  weiss  ich  diese  Abnormität  nicht  zu 
rechtfertigen,  man  muss  also  ein  Versehen  in  der  Gussform  annehmen;  dass 
ein  solcher  Fehler,  der  an  sich  nichts  auffallendes  hat,  in  Exemplaren,  die  mit 
Hülfe  derselben  Form  gegossen  sind,  wiederkehrt,  ist  selbstverständlich :  aber  hier 
erscheint  der  gleiche  Fehler  auf  einer  ganz  verschiedenen,  selbständigen  Marke; 
dies  ist  in  der  That  geeignet,  den  Verdacht  zu  unterstützen,  dass  die  Bückseite 
Ton  Nr.  57  nur  eine  mechanisch  ausgeführte  Gopie  von  Nr.  55  sei. 


Eömidche  Schleudergeschoste.  71 

Auch  unsere  Sammlung  enthält  neugestempelte  Exemplare,  aber  diese 
tragen  durchaus  das  Gepräge  der  Aechtheit  an  sich  *) ;  ja  eben  die 
Umstempelung  ist  die  beste  Bürgschaft  ihres  unverdächtigen  Ursprungs. 
Da  früher  Niemand  Spuren  dieses  Verfahrens  beobachtet  hatte,  so 
konnte  nimmermehr  ein  Fälscher  von  selbst  darauf  verfallen.  Erst 
nachdem  Exemplare  mit  unverkennbaren  Merkmalen  einer  früheren 
Bezeichnung,  wie  sie  eben  unsere  Sammlung  darbietet,  zum  Vorschein 
gekommen,  konnte  der  Betrug  sich  in  willkührlichen  Nachbildungen 
versuchen,  gerade  wie  man  erst  in  neuester  Zeit  Palimpsesthand- 
schriften  zu  fälschen  begonnen  hat,  seitdem  die  Existenz  solcher 
„Codices  rescripti^'  bekannt  war.  Und  eben  unsere  Sammlung  gewährt 
den  besten  Massstab,  um  foitan  moderne  Nachahmungen  der  Doppel- 
stempel von  ächten  Exemplaren  zu  scheiden. 

Dass  der  Fabrik  in  Ascoli  zum  Theil  ganz  ähnliche  Exemplare 
bisher  unbekannter  Geschosse,  wie  sie  die  Bonner  Sammlung  in  an- 
sehnlicher Zahl  enthält,  vorlagen,  ist  sicher.  Die  Fabrik  besitzt  eben- 
falls ein  Blei  mit  dem  Namen  des  Paapius  in  oskischer  Schrift,  und 
da  sie  den  Wei*th  dieses  Fundes  wohl  zu  schätzen  wusste,  bringt  sie 
diese  Marke  in  allen  möglichen  Verbindungen  an;  allein  andere  Ge- 
schosse von  der  Südarmee  hat  sie  offenbar  nicht,  sonst  würde  sie  nicht 
versäumen,  diesen  Schatz  zu  verwerthen.     Die  Schriftzüge  in  dem 


')  loh  mache  hier  nachträglich  auf  das  oben  Nr.  22  besprochene  Geschoss 

mit   der    wohlerhaltcnen  Aufschrift    FERIPOMPEIVM    aufmerksam ; 

dies  trug  früher  dieselbe  Marke,  von  der  sich  noch  Anfang  und  Ende  erkennen 
lässt^  aber  etwas  tiefer  in  der  Mitte  zieht  sich  ein  anderer  Stempel  mit  undeut- 
lichen Schriftzügen  hin: 

FER        ,^vL        «VM 

wie  ich  erst  jetzt  erkannt  habe,  ohne  die  Richtigkeit  der  Lesart  I  A  V  L  ver- 
bürgen zu  wollen.  Diesem  italische  Geschoss  "^ard  also  von  den  Römern  aufge- 
lesen, mit  einem  neuen  Stempel  versehen  und  in  die  Festung  geworfen,  dann 
von  den  Belagerten  in  Asculum  aufgefangen  und  von  neuem  verwendet,  indem 
man  den  früheren  Stempel  auf  eine  andere  Flache  aufdrückte.  Diese  wieder- 
holte Verwendung  eines  Geschosses  bei  der  Belagerung  einer  Stadt  cder  mitten 
im  Kriege  hat  innere  Wahrscheinlichkeit;  aber  wer  kann  glauben,  die  Römer 
wären  so  unpraktisch  gewesen,  abgenutzte  Wurfgeschosse  nach  60  oder  100 
Jahren  wieder  vorzusuchen  und  umzustempeln,  statt  einfach  das  alte  Blei  einzu- 
schmelzen. Und  doch  muthen  uns  die  Fabrikanten  von  Ascoli  zu^  dies  glaub- 
haft zu  finden. 


72  RömiBche  Sehleudergeschosse. 

Namen  des  Telesinus  stimmen  genau  mit  dem  Bonner  Exemplar  >) ; 
man  hat  also  wirklich  ein  antikes  Geschoss  benutzt.     Die  Aufschrift 

£  A  R  in  zwei  Exemplaren  zu  Bonn  (Nr.  49,  50)  vorhanden,  wird  von 
der  Fabrik  mehrfach  verwendet*);  die  in  Ascoli  beliebte  Marke 
F  C  A  M  •)  kommt  auch  in  unserer  Sammlung  (Nr.  78)  vor.  Diese 
Uebereinstimmung  in  einzelnen  Fällen  darf  man  ebenso  wenig  benutzen, 
um  jene  Fälschungen  in  Schutz  zu  nehmen,  als  um  die  betreffenden 
Stacke  der  Bonner  Sammlung  zu  verdächtigen;  man  braucht  nur 
unbefangen  die  betreifenden  Exemplare  der  Pariser  Sammlung  mit 
den  Unsrigen  zu  vergleichen,  und  man  wird  alsbald  den  Unterschied 
zwischen  moderner  Copie  und  antikem  Original  inne  werden. 

In  selbständigen  Erfindungen  mögen  sicli  die  Industriellen  von 
Ascoli  nur  selten  versucht  haben,  sie  begnügen  sich  damit,  vorhan- 
denes Material  willkührlich  zu  combiniren;  so  mögen  sie  manche  un- 
bekannte  antike  Marke  zu    ihren    Zwecken   benutzt   haben  ^),    aber 


')  Man  vergl.    die  Bonner  Sammlung  Nr.    6   TELE   und  Desjardins 

nr.  50  TEL  ES  X  PITAL  und  noch  eine  unleserliche  Beiachrift. 
Das  S  fügt  die  Fabrik  auf  eigene  Gefahr  hinzu,  um  dem  Yerstandniss  zu  Hülfe 
za  kommen,  wie  sie  auch  anderwärts  sich  die  gleiche  Freiheit  nimmt 

')  Desjardins  n.  22 — 24,  natürlich  immer  mit  Beigaben,  von  denen  die 
Bonner  Exemplare  keine  Spur  zeigen. 

•)  Desjardins  n.  26,  91,  92. 

*)  £ine  grosse  Rolle  spielt  Labien us,  der  offenbar  von  Asien  aus  eine 
Bestellung  auf  Bleieicheln  in  Asculum  gemacht  haben  boII«  mit  dem  gar  selt- 
samen Titel  PART  P  R  )  vielleicht  lag  hier  eine  Marke  mit  dem  Namen 
eines  Primopilus  Labienus  vor,  und  diese  ward  nun  mit  Hülfe  einer  be- 
kannten Münze  für  die  Zwecke  der  Fälschung  zurechtgemacht.  Mit  dem 
Saxas,  so  schreiben  die  Herren  Ascolaner,  mag  es  sich  ahnlich  verhalten,  auch 
der  M.  Abu r (ins),  ein  hier  sehr  beliebter  Name,  ist  wohl  nicht  rein  ersonnen. 
Für  etwaige  Lesefehler  des  Herausgebers  darf  man  nicht  immer  die  Fabrikanten 
verantwortlich  machen:  n.38  a  Silaro  Rom(ani)  wird  nur  Desjardins  ver- 
dankt,   die  Copie   giebt  einfach   die  Marke   unserer  Sammlung  Nr.  98  wieder; 

n.  10  steht  nicht  F  R  I  P I  C  E  N  auf  der  Copie,  sondern  nur  P  I  C.  Aber 
anderw&rts  gehen  solche  Ergänzungen  auf  die  Fabrik  zurück;  n.  49  V.  Fab.  M. 
ist  unser  Nr.  47    V  '  F  A  '  M  ,   hier  ist   die  Ergänzung   nicht  unrichtig,   wie 

onaere  Nr.  48  V  *  F  /?  '  M  zeigt,  allein  hätten  sie  ein  solches  Exemplar  ge- 
kannt, so  würden  sie  dies  copirt  haben.    Fri,  was  der  Herausgeber  nicht  ver- 


BoBitdM  SdJcndCTycliowc.  73 

■aturlich  sind  diese  modernen  Beprodnctionen  Töllig  werthlos,  am  aller- 
wenigsten durfte  De^jardins,  der  anf  Tren  and  Glauben  diese  angeb- 
lidm  Be&qoien  des  AlterÜrams  hinnimmt,  diesdben  benntxen,  am 
danns  historische  Besoltate  za  gewinnen. 

Diese  Bemerkungen  mögen  genflgen,  am  das  gelehrte  Publikum 
vor  der  Benutzung  dies&er  trüben  Quelle  zu  warnen,  denn  es  ist  uner- 
freulich, bei  dem  lichtscheuen  Treiben  einer  gewissenlosen  Industrie 
langer  zu  Terweilen  0-  Am  meisten  beUage  ich,  da5s  dadurch  der 
Nägnng  zu  grundloser  Zwdfdsucht»  die  besonders  in  Deutschland  so 
sehr  Terbreiiet  ist,  neuer  Vorschub  geleistet  wird.  Heutzutage  pflegt 
ein  Jeder,  bks  um  sich  das  Ansdien  eines  Kritikers  zu  geben,  um 
als  ^laikcr  Geist  zu  erscheinen.  Alles,  was  er  nicht  versteht,  mit 
grösstem  Eifer  zu  TerdichtigeD:  Denkmato  des  Alterthums»  die  man 
nicht  emmal  gesehen  hat,  sondern  nur  von  Hörens^en  kennt,  werden 
kuTzer  Hand  als  gefilsdt  bemchaet  Wie  Münzhindler  eine  seltene 
Minze,  wenn  sie  ihnen  unbdcannt  ist  oder  sich  nicht  in  ihrem  Besitz 
befindet,  gern  diacreditiren,  so  pflegen  auch  wohlgeschulte  Epigraphikcr 
nicht  aeltCB  jedes  Monument,  was  nicht  in  ihren  engen  Kreis  sich  ein- 
ftgt,  zumal  wenn  die  Priorität  der  Entdeckung  ihnen  entgangen  i&t, 
mit  ticfnn  Miastrauea  zn  betrachten. 

Bonn.  Th.  Bergk. 


•taadeo  bii»  Temideli  er,  so  rid  ich  tehe.  gaas  auf  eigeae  Gefahr  ia  frie 
oder  frica.  Dagegeo  das  &beUiafle  operor,  vaa  ans  hier  überall  begegnet, 
steht  aUeidings  anf  den  meisten  Harken,  £dls  den  Abbildungen  zn  trauen  ist. 
aber  aaf  anderen  ist  das  richtige  obterva  (s.  nnsere  SammL  Xr.  72,  73)  nodi 
dentfich  zn  erkennen. 

*)  Idi  zveÜle  nicht,  dass  die  firaBsönsehen  Epigraphiker,  velche  Gelegen- 
heit haben,  dieae  neuen  Fände  mit  eigenen  Aagen  m  priJen  md  damit  a^ie 
ler  Fariaer  Sammlnng  snaammen  zn  halten,  sowie  die  tw.hiiiaf.he 
so  beachten,    nmdk  KriAen  dazn  beiUncen  nerdea.  die  Wahrheit 


J^ 


2.   Die  LitsGh  beim  Kölner  Dome. 

Die  Local-Historiker  der  grösseren  Städte  finden,  wenn  sie  das 
Gebiet  der  Topographie  betreten,  in  den  aus  fernen  Jahrhunderten 
fortgepflanzten  Strassenbenennungen,  ja,  nicht  selten  selbst  in  den 
der  jetzigen  Nummerirung  vorhergegangenen  Häusemamen,  beachtens*  ^ 
werthe  Hinweisungen  auf  Einrichtungen,  Begebenheiten  oder  Personen 
der  Vorzeit,  deren  Andenken  der  Volksmund  auf  diese  Weise  fest- 
gehalten hat.  Einen  wahren  Werth  und  Nutzen  können  dahin  ge- 
richtete Forschungen  freilich  nur  dann  an  sich  tragen,  wenn  sie  ihren 
Gegenstand  und  die  daraus  gezogenen  Folgerungen  auf  unbestreitbar 
Thatsächliches  zurückzuführen  vermögen,  statt,  wie  es  in  beklagens- 
werther  Weise  bei  der  altehrwürdigen  Colonia  Agrippina  geschehen, 
den  näheren  oder  entfernteren  Anklang  an  lateinische  und  andere 
fremdsprachliche,  oder,  das  heimathliche  Idiom  unbeachtet  lassend,  an 
moderne  reindeutsche  Wörter  aufzusuchen  und,  daran  anlehnend,  sich 
in  Spielen  der  Phantasie  zu  ergehen,  um  von  diesem  schläpfrigen 
Standpunkte  aus  dann  schliesslich  gar  oft  soweit  als  möglich  neben 
das  Ziel  zu  schiessen.  Die  Liebe  zur  Wahrheit  und  ein  vorurtheils- 
freier  Forschersinn  haben  denn  auch  in  unserem  Köln  bereits  manches 
Phantom,  das  sich,  auf  vermeintliche  Autoritäten  gestützt  und  mit 
erhabenen  Phrasen  stolzirend,  hier  eingedrängt  und  nur  zu  lange  be- 
hauptet hatte,  mit  unbarmherzigen  kritischen  Hieben  zu  verscheuchen  . 
gewusst.  Es  ist  nachgewiesen,  dass  die  Pfaifenpforte  (porta  dericorum)  | 
nichts  mit  einer  Venus  Paphia,  die  sogenannte  Marspforte  (porta  fori,  \ 
auch  porta  mercatorum)  nichts  mit  dem  Kriegsgotte  Mars  zu  schaffen  '• 
gehabt,  dass  die  sogenannte  Hömergasse  mit  ihrem  wahren  Namen 
Reimbachgasse,  nach  dem  nahe  ihrer  südöstlichen  Ecke  erbauten  Hause 
Beimbach,  heisst,  dass  man  bei  der  sogenannten  Drususgasse  nicht  aa 
den  römischen  Feldherm  Nero  Claudius  Drusus,  den  Stieibolm  des 
Kaisers  Augustus,  sondern  an  eine  volksthümliche  Persönlichkeit  aus 


Die  Litsch  beim  Kölner  Dome.  75 

dem  Mittelalter,  welche  Drasian  oder  Drusen  Jan  geheissen,  als  Tauf- 
pathen  zu  denken  habe;  man  weiss  heutiges  Tages  ganz  wohl,  wie 
eine  Anzahl  anderer  moderner  Strassennamen,  z.  B.  auf  dem  Katten- 
bug,  unter  Sachsenhausen^  auf  dem  Hunnenrücken  u.  s.  w.,  nur  durch 
unberechtigte,  den  historischen  Ursprung  völlig  verfälschende  Umtaufen 
entstanden  sind.  Das  Aeusserste  aber  ist  in  Betreff  der  Ulricbsgasse 
und  Ulrichspforte  geleistet  worden,  die  glücklicherweise  jetzt  zwar 
ihren  richtigen  Namen  tragen  nach  der  dort  gelegenen,  durch  viele 
Beurkundungen  in  den  Schreinsbüchem  nachzuweisenden  Curia  Ulrici 
—  eine  Ableitung^  die  man  jedoch,  wie  im  Allgemeinen  jede  Zurttck- 
führung  der  Strassennamen  auf  Häuser  oder  Bewohner,  für  „einen 
sehr  armen  und  allerletzten  Behelf**  erklärt  und  dagegen  ein  Hirn- 
gespinst erfunden  hat,  wonach  an  dieser  Stelle  der  Waffen-  und 
Musterungsplatz  der  in  Köln  zusammengekommenen  Kreuzfahrer  ge- 
wesen sein  1^11,  die  beim  Aufbruch  das  Feldgeschrei:  Ultreia,  ultre, 
oultre,  d.  h.  frisch  auf,  nun  weiter!  erhoben  hätten,  und  nach  diesen 
Ausrufungen  sei  dann  der  Gasse  der  Name  Ultre«  oder  Ulregassc  zu 
Theil  geworden  und  verblieben. 

Die  Kölner  Topopraphie  hat  sich  auch  gegenwärtig  noch  bei 
weitem  nicht  gänzlich  von  ihren  irrigen  Sagen  und  Traditionen  frei 
gemacht,  noch  manchem  dunkeln  Punkte  fehlt  die  klärende  Erörterung, 
und  namentlich  bleiben  hinsichtlich  verschiedener  merkwürdiger  Häuser 
die  aus  Verwechselung  hervorgegangenen  unrichtigen  Bestimmungen 
fortwährend  im  Schwange^  indem  man  die  vorhandenen  älteren  An- 
gaben in  blindem  Vertrauen  beibehält.  Meine  Forschungen  in  den 
Schreinsbüchem,  die  zu  kunstgeschichtlichem  Zwecke  unternommen 
worden,  liessen  mich  dies  nebenbei  mehrfach  erkennen.  In  unseren 
Tagen  aber,  wo  Mancher  sich  mit  Lust  und  Ausdauer  dem  Urkunden- 
studium zuwendet,  dürfte  auch  hieifür  eine  allmählige  Abhülfe  zu 
gewärtigen  sein. 

Einen  kleinen  Beitrag  zur  Aufhellung  unserer  Topographie  woUeh 
die  nachfolgenden  Zeilen  bringen  und  zwar  in  Betreff  einer  unschein- 
baren Stelle,  mit  der  sich  unsere  Schriftsteller  bisher  nie  ernstlich 
beschäftigt  haben.  Es  ist  der  von  der  Trankgassc  zur  Thurm-  oder 
Westseite  des  Domes  fahrende  Weg,  genannt  an  oder  auf  der 
Li'tsch. 

Bis  vor  etwa  vierzig  Jahren  hatte  diese  kleine  Strasse  einige 
Wohnhäuser  aufzuweisen,  welche  auf  der  Grundfläche  der  jetzigen 
Amtswohnung  des  Dombaumeisters  standen,  dessen  neuerbautes,  ziem- 


76  '  Die  Litsch  beim  Kölner  Dome. 

lieh  geräumiges  Ilaus  anfangs  dann  auch  noch  seinen  Eingang  an 
der  Litsch  beibehielt,  der  etwas  später  nach  dem  Domkloster  hin  ver- 
legt worden  ist  Auf  der  gegenübergelegenen  Seite  war  zwischen  die 
Vorsprünge  am  Thurmgiebel  des  Domes  ein  sogenanntes  Gadem 
(cubiculum)  eingebaut.  In  den  älteren  gedruckten  Adressbüchem  der 
Stadt  zählt  die  Stelle  auf  der  Litsch  daher  auch  zu  den  bewohnten 
Strassen.  Ursprünglich  aber  wird  hier  nicht  einmal  ein  offener  Weg 
gewesen  sein;  erst  dann  scheint  'man  denselben  angelegt  zu  haben^ 
als  der  erzbischödiche  Palast  auf  dem  Domhofe  in  Verfall  gerathen 
war  und  statt  seiner  der  in  der  Trankgasse,  der  Litsch  gerade  g^en- 
über  gelegene  sogenannte  Kölnische  Hof  den  Kurfürst-Erzbischof  auf- 
zunehmen pflegte,  wenn  derselbe  zum  Besuche  seiner  Metropolitan- 
Domkirche  in  die  Stadt  Köhi  kam.  Ueber  den  Zustand  der  Litsch 
bis  ^um  Anfange  des  sechszehnten  Jahrhunderts  erfährt  man  einiges 
Nähere  aus  einer  Notiz,  welche  den  CoUectaneen  des  bekannten  Ur- 
kundensammlers Alfter  entnommen  ist.    Sie  lautet: 

„Der   im    Jahre    1530    verstorbene    kölnische    Domdechant 
Heinrich  Reuss  von  Plawcn  erlebte  einen  Verdruss  mit  dem 
Senate  zu  Köln  wegen  einer  dem  Kölnischen  Hofe  gegenüber 
erweiterten  Pforte  mit  aufgerichteten   Gaddumen.    Die  Um- 
stände waren  diese.    Der  Platz,  welchen  man  nun  die  Litsche 
nennt,   war  vorhin  ein  bebaueter  Ort,  wo  das  Domstift  ein 
Hauss,  Hof  und  Keller  hatte.    An  diesem  Gebäude  waren  die 
Stallungen,  welche  zu  des  Domdechanten  Hauss  gehörte,  an- 
gebauet.    Als  nun  das  Domstift  seine  Gebäuden  daselbst  ab- 
brechen liess,  um  zu  mehrer  Bequemlichkeit  eine  offene  Strasse 
zur  Domkirche  zu  haben,  erhielt  der  Domdechant  die  Erlaubniss, 
aus  den  alten  Stallgebäuden  daselbst  einige  Gaddumen  zu  er- 
richten und  die  Thür,  welche  sich  in  der  Nähe  befand,  zu 
erweitem.     Die  Stadt  widersetzte  sich  der  Errichtung  von 
Gaddumen,  es  entstanden  zwischen  den  Bürgern,  dem  Dom- 
stift, der  Clerisey  und  der  Stadt  grosse  Streitigkeiten,  worüber  | 
sich  in  dem  städtischen  Archiv  viele  Verhandlungen  vorfanden.' 
Die  Dom-Dechanei  ist  das  grosse,  gegenwärtig  von  den  Herren 
Domprobst  Dr.  München  und  Domcapitular  und  Dompfarrer  Halm  in 
zwei  getrennten  Abtheilungen  bewohnte  Haus  Domkloster  Nr.  7  und 
9,  welches  seine  Einfahrt  in  der  Trankgasse  hat  und  ostwärts  an  die 
Litsch  grenzt. 

Im  Jahre  1610  wurde  in  der  Trankgasse  auf  der  östlichen  Ecke 


Die  Litsch  beim  Kölner  Dome.  77 

der  Litsch  das  Pfarrhaus  von  St.  Maria  im  Pesch,  also  unmittelbar 
neben  dieser  zum  Dome  gehörigen,  1508  neu  aufgeführten  und  unter 
dem  Patronat  des  Dechanten  stehenden  Kirche  erbaut.  Vordem  haltten 
die  Pfarrer,  welche  zugleich  ein  Domvicariat  besassen,  ein  domstif- 
tisches  Haus  auf  der  Burgmauer  bewohnt.  Dieser  Wohnungswechsel 
geschah  während  der  Amtsführung  des  Pfarrei*s  Peter  Spicher  (1609 
bis  1623).  V.  Mering,  der  über  den  Neubau  des  Pfarrhauses  berichtet 
(Gesch.  d.  Bischöfe  u.  I^irchen  d.  Stadt  Köln,  Bd.  2,  S.  117  u.  flf.), 
bemerkt,  dass  auf  dessen  Stejle  ehedem  eine  Steinmetzwohnung  ge- 
standen habe.  Das  Haus  nahm  indessen  mit  seinem  Hofraum  und 
Garten  eine  so  bedeutende  Grundfläche  ein,  dass  mit  der  Steinmetz- 
wohnung ein  grosser  Bauhof  verbunden  gewesen  sein  wird.  Dieses 
1610  erbaute  Pfarrhaus  hat  bis  gegen  das  Ende  der  1850er  Jahre 
gestanden;  am  15.  Juli  1855  starb  hier  der  Domcapitular  und  Dom- 
pfarrer  Dr.  Filz,  wenige  Jahre  später  wurde  das  Gebäude  niedergelegt 
und  seine  Grundfläche  dient  gegenwärtig  den  mit  der  Weiterführung 
der  Domthürme  beschäftigten  Arbeitern  wiederum  als  Bauhof.  1610, 
als  man  die  alten,  mit  dem  Dombau  in  Verbindung  gestandenen  Ein- 
richtungen an  dieser  Stelle  gänzlich  aufhob,  hatte  man  wohl  alle 
Hoffnung  auf  eine  Wiederaufnahme  des  riesigen  Unternehmens  auf- 
gegeben. 

Wir  treten  nun  an  die  Frage  heran,  woher  die  Benennung  „an 
der  Litsch''  für  diese  Strasse  entstanden  sei  und  welche  Bedeutung  in 
dem  Worte  liege?  Von  der  Trankgasse  aus  gelangt  man  hier  in 
ziemlich  stark  aufsteigender  Linie  zum  Domkloster;  vor  etwa  zehn 
Jahren  war  die  Erhöhung  noch  weit  beträchtlicher  als  dies  gegen- 
wärtig der  Fall  ist,  nachdem  durch  Abtragung  sowohl  das  Domkloster 
als  die  Litsch  bedeutend  niederer  gelegt  worden  sind.  Im  Hinblick 
auf  die  aufsteigende  Richtung  der  Stelle  erschien  es  unschwer,  sich 
über  den  Ursprung  des  Namens  eine  Meinung  zu  schaffen,  der 
wenigstens  ein  gewisser  Grad  von -Wahrscheinlichkeit  zur  Seite  stand 
und  die  zugleich  den  Vortheil  des  bequemen  Auffindens  mit  sich 
führte.  Litschen  ist  in  der  Kölner  Volkssprache  gleichbedeutend  mit 
gleiten  oder  glitschen,  auslitschen  helsst  ausgleiten,  und  da  nun  die 
VoiHbergehenden  bei  Eis,  Schnee  und  Nässe  auf  diesem  sich  stark 
erhöhenden  Wege,  sowohl  beim  Hinauf-  als  beim  Hinabschreiten,  leicht 
ausgleiten  oder  auslitschen  konnten,  so  lag,  wie  man  glaubte,  die  zu- 
treffende Wortbedeutung  ganz  nahe.  Dr.  Fuchs,  aus  dessen  Nach* 
lasse  das  Stadtarchiv  eine  von  ihm  verfasste  ausfuhrliche,  in  alpha« 


iS  Die  litaoh  beün  Kölner  Dome. 

betischer  Folge  jede  Strasse  im  einzelnen  darchwandernde  Topographie 
von  Köln  (Manuscript,  mehrere  Bände  in  4to)  besitzt,  befindet  sich  in 
ziemlichem  Einverständniss  mit  Obigem  und  berichtet: 

„Die  litsch  mag  ihre  Benennung  daher  haben,  dass  man  hier 
vom  Domkloster  nach  der  Trankgasse  bei'gab  geht;  auch  war 
vielleicht  zur  Zeit  des  Dombaues  hier  eine  Litsch  fttr  die  Be- 
wegung der  Steine,  wie  am  Kaufhaus  Gflrzenich  ehedem  für 
die  Waaren,  angebracht." 
Unter  dieser  Litsch  versteht  Fuchs  eme  Rutschbahn  (Glitsche), 
auf  welcher  man  die  Waaren  vom  Gürzenicbsaale  hinuntergleiten  Hess, 
der,    bevor  ihm  die   grossen  niederrheinischen  Musikfeste  und  die 
Haskenbälle  eine  veredelte  Bestimmung  zurückgaben,  zum  Waaren- 
lager  hat  dienen  müssen. 

Hoffentlich  wird  es  mir  gelingen,  eine  zutreffendere  Deutung 
nachzuweisen  und  zur  Anerkennung  zu  bringen.  Zunächst  führten 
mich  dahin  zwei  Stellen  in  dem  1522  erschienenen,  mit  prächtigen 
Holzschnitten  reich  ausgestatteten  Buche : 

„Doctor  (Johannes  Geyler  von)  Keyserszbergs  Postill.    Ge- 

truckty  vnnd  seligklich  voUendt  durch  Joannen  Schott  zu  Strasz- 

bürg.    M.  D.  xxij."  Fol. 

Es  besteht  aus   vier  Theilen,  jeder  mit  besonderer  Folge  der 

Blattzahlen,  wovon  der  zweite  den  Separattitel  führt :  „Das  (iuadrage- 

simal.    Oder  Euangelia  durch  die  Fasten.    Das  Ander  tejl  diszer 

Postill",  und  hier  liest  man  auf  Blatt  XXVb: 

„Das  dritt  fest  der  iuden,  das  hiesse  festum  tabemaculorum, 
das  fest  der  Loubertag,  da  wontent  sye  vnder  den  hätten 
und  lötschen*)  vor  iren  hüseren,  wenn  syedorfltent  nitt  in 
den  hüseren  wonen,  sunder  sossent  also  vnder  dem  himmel  in 
denselben  hütten,  die  also  gvjne  worent  gemacht  von  loub.'' 
Die  zweite  Stelle  folgt  auf  Bl.  CHIIa: 

„In  den  dingen  hatt  sich  genähert  das  fest  der  Loubertag, 


*)  Schon  Hagen*8  Reimchronik  der  Stadt  Köln  (um  1270)  kennt  den  Aus- 
druck „lotacbe''  f^r  Zelt;  es  heisst  daselbst  Yers  4010  von  den  absiebenden 
Feinden  der  Stadt:  ,Jr  lotscben  enstickden  sy  myt  brande'S  d.  b.  ibre  Zelte 
steckten  sie  in  Brand.  Der  Abdruck  in  Brewer's  vaterl.  Gbronik,  Jahrg.  1826, 
S.  608,  Z.  18  T.  ob.  hat  unriobtig  „lorsoben'«.  In  die  1499  bei  Koelbof  ge- 
druckte Chronik  ist  die  SteUe  (Bl.  224a)  mit  den  Worten  aufgenommen:  ^Yr 
pauwelune  ind  tenten  vntstacben  Sy  ind  branten  die". 


Die  Litseh  beim  Kölner  Dome.  79 

in  dem  die  Juden  vor  iren  husseren,  letschen,  oder  hfltten 
von  loub  machten  dorunder  sye  die  sehen  tag  sosszent  vnder 
dem  himmel  vnder  keim  dach/' 
Wir  erfahren  also  hier,  dass  die  Wörter  „Lötsch"  und  „Letsch" 
gleichbedeutend  mit  Hütte  sind. 

Und  nun  eine  abermalige  Begegnung  mit  demselben  Worte  in 
unwesentlich  veränderter  Schreibweise  in  den  1852  von  Dr.  H.  C. 
Schölten  herausgegebenen  Auszügen  aus  den  Baurechnungen  der 
St.  Victorskirche  zu  Xanten.  Beim  Jahre  1370  erscheint  daselbst  S. 
10  die  folgende  Position: 

,Jtem  duobus  servis  deportantibus  lapides  paratos  de  Ludza 

et  inportantibus  reliquos  non  paratos  ad  Ludza m 

III.  sol." 

Femer  beim  Jahre  1408,  S.  20 : 

^Item  carpentario  laboranti  circa  loy  tzam,  sub  qua  ponuntur 
lapides  secati  pro  IUI.  diebus  ....  XL  platken.'^ 
Kein  Zweifel,  dass  Ludza  oder  Loytza  hier  die  Bauhütte,  die 
Werkstitte  der  Steinmetzen^  bedeutet,  und  beim  deutschen  Gebrauche 
wird  die  latinisirende  Endung  auf  a  in  Wegfall  zu  bringen  oder  durch 
e  zu  ersetzen  sein.  Dass  unsere  Kölner  Litsch  oder  Litsche  gleich- 
bedeutend damit  sei,  darf  unbedenklich  angenommen  werden,  sowohl 
aus  sprachlichen  Gründen  als  auch  vermöge  ihrer  Lage  am  Fusse  des 
Domes,  und  zwar  an  der  Stelle,  wo  die  letzte  Bauthätigkdit  stattge- 
funden, und  nahe  dem  Krahn^  welcher  auf  dem  bis  zum  dritten 
Geschosse  emporgestiegenen  südlichen  Thurme  zum  Hinaufziehen  der 
Bausteine  errichtet  war  und  dann  länger  als  vier  Jahrhunderte  ein 
unthätiges  Wahrzeichen  der  Stadt  geblieben  ist.  So  fand  sich  denn 
auch  bereits  Dr.  Schölten  zu  einer  Frage  in  Betreff  der  Identität  der 
Xantener  Ludza  oder  Loytza  mit  unserem  Kölner  ^trassennamen  an 
der  Litsch  veranlasst  Seiner  Meinung,  dass  Ludza  und  Loytza  von 
lutzel,  d.  h.  klein,  abstamme,  wird  man  nicht  zustimmen  können. 
Im  Auslande  wird,  so  glaube  ich,  der  Ursprung  des  Wortes  in  seinen 
verschiedenen  Schreibweisen  zu  suchen  und  zu  finden  sein,  und  da 
möchte  ich  mir  erlauben,  zunächst  auf  das  italienische  loggia  und 
das  französische  löge  hinzuweisen,  um  die  mit  der  mittelalterlichen 
Bau-Terminologie  der  beiden  Länder  Vertrauteren  zu  einer  Prüfung 
zu  veranlassen.  Beide  Wörter  kommen  uns  mit  einem  durchaus  zu- 
treffenden Sinne  entgegen,  und  leicht  wei'den  deutsche  Steinmetzen, 
die  bei  den  grossen  Kirchenbauten  im  Auslände  beschäftigt  gewesen, 


80  Die  Littch  beim  Kölner  Dome. 

wenn  ihr  Wanderleben  sie  ins  Vaterland  zurückführte,  das  fremde 
Wort  in  mehr  oder  weniger  corrumpirter  Form  demselben  zugetragen 
und  so  es  hier  ebenfalls  zur  Geltung  gebracht  haben  können.  Auch 
die  Benennung  Loge,  welche  die  Freimaurer  für  ihre  Versammlungs- 
Locale  fortwährend  beibehalten,  dürfte  damit  in  Verbindung  stehen. 
Jedenfalls  wird  sich  aus  den  vorstehenden  Erörterungen  ergeben 
haben,  dass  der  zum  Kölner  Dom  führende  Weg,  welchen  man  die 
Litsch  heisst,  desshalb  so  benannt  ist,  weil  hier  die  Bauhütte,  die 
Lötsch,  Letsch,  Ludza  oder  Loytza  gestanden,  wobei  ich  nicht  unbe- 
merkt lassen  will,  dass  die  plattkölnische  Sprechweise  nicht  Litsch, 
sondern,  ganz  buchstäblich  mit  der  zweiten  Stelle  aus  dem  Buche 
des  alten  berühmten  Strassburger  Theologen  übereinstimmend, 
„Letsch"  zu  sagen  pflegt. 

J.  J.  Merlo. 


3.    Römische  Baureste  In  der  Gemarkung  von  Alterkfllz. 

Hierza  Taf.  lY. 

Die  von  Alterkülz  nach  Neuerkirch  führende  Strasse  durch- 
schneidet auf  dem  halben  W^e  dahin  in  der  Richtung  von  Nordwest 
nach  Südost  eine  Waldparzelle  (Grundheide)  so,  dass  vom  Walcfe 
ein  vorstehender  Zipfel  als  Dreieck  links  abgetrennt  und  die  südliche 
grade  Waldgrenze  fast  rechtwinklig  getroffen  wird.  Mehrere  Schritte 
zuvor  liegt  die  Strasse  dem  Waldboden  gleich,  einige  hundert  Schritte 
aber  zuvor  ist  sie  zur  Minderung  einer  Steigung  allmählich  bis  zu 
3  Fuss  Tiefe  in  den  Boden  eingeschnitten  und  geht  dann  oben  wieder 
in  die  Bodenhöhe  über,  daher  die  Strassengraben  (cd— ef)  zu-  und 
abnehmend  tiefe  Böschung  haben  am  Walde.  Dieser  Einschnitt,  der 
unter  der  französischen  Herrschaft  gemacht  worden  ist,  bat  leider 
einen  Theil  des  neu  entdeckten  römischen  Fundaments  weggefegt, 
welches  der  Hauptsache  und  Fronte  nach  auf  der  rechten  (südwest- 
lichen) Seite  sich  befindet  und  auch  zunächst  da  aufgedeckt  wurde. 
In  dem  Waldzipfel .  links  zieht  sich  eine  hohe  Böschung  des  Bodens 
als  halbe  Ovallinie  (von  A  nach  B)  mit  dem  spitzen  Theile  voran, 
vom  Wege  abbiegend  und  dann  scharf  gebogen  bis  an  den  Durch- 
schnitt der  Waldgrenze  laufend.  Sie  ist  augenscheinlich  künstlich  an- 
gelegt und  hat  theils  den  Bauplatz  geebnet  durch  Auffüllung,  theils 
nach  dem  Thale  zu  links  begrenzt. 

Rechts  sieht  man,  etwa  80  Fuss  vor  dem  Durchgange  der  hintern 
graden  Wald-  (und  Gemarkungs*)  Grenze,  durchschlagen  und  blossge- 
legt  durch  den  kürzlich  erbreiterten  Strasseneinschnitt,  das  Profil  einer 
Quarzmauer,  die  noch  bis  in  den  Waldrasen  vorhanden  ist  und  die 
Strasse  etwas  knapper  als  im  rechten  Winkel  trifft,  und  ein  Stück 
davon  reichte  in  seiner  untern  Lage  noch  in  die  Strasse  hinein.  Sie 
besteht  in  dor  obem  Lage  aus  faust-  und  kopfgrossen  Quarz-Lese- 


6 


.   i 


82  RönuBche  Baareete  in  der  Qemarkung  von  Alterkfilz. 

steinen,  unten  aber  aus  centnerschweren  Quarzgangstücken  und  hat 
2V2  Fuss  Stärke.  Da  sie  vom  ersten  Zimmer  des  auf  der  Seite 
liegenden  Gebäudes  fast  14  Fuss  absteht  und  ihre  Verbindung  mit 
dem  Hause  unter  alten  Bäumen  versteckt  war  durch  deren  Wurzel- 
Stöcke,  ist  sie  anfangs  fdr  eine  Ringmauer  gehalten  worden,  die  (bei 
eee)  in  der  Strasse  weggebrochen  sei;  sie  gehört  aber  zum  GebäudCi 
davon  sie  (mit  eeff)  die  Ecke  eines  Vorsprungs  bildet  In  der 
Strasse  befand  sich  eben  nur  noch  der  unterste  Satz  der  Mauer,  und 
sie  ist  bei  dem  jetzigen  Ausbau  derselben  weggebrochen  worden.  Im 
Walde  zeigte  sie  sich  noch  bei  4  Fuss  Tiefe.  Von  ihr  IS'A  Fuss  ab,  mit 
ihr  parallel  liegt  das  Fundament  der  ersten  Stubenmauer  des  Hauses 
(gh),  die  auch  an  der  Strasse  abgebrochen  ist.  Es  sind  dann  gleich 
die  4  Mauern  eines  Zimmers  mit  Estrichboden  (opus  signinum)  sicht- 
bar, das  12  Fusa  Quadrat  im  Lichten  hatte.  Die  äussern  Mauern 
sind  2Vs  Fuss  stark,  aus  Thonschiefer-Bruchsteinen  mit  einer  starken 
Unterlage  von  Quarzstücken  gefertigt,  wie  auch  einwärts  die  Scheide- 
wände, und  so  bei  allen  4  Zimmern,  wogegen  die  Wand  an  der  Strasse 
als  leichtere  und  an  den  anderen  Zimmern  sogar  zum  Theil  nicht  auf 
Quarz,  sondern  auf  gestampftem  Lehm  ruhende  innere  Zwischenwand 
erscheint  Diese  zeigt  einen  Durchgang  (D)  und  dicht  an  der  nächsten 
Ecke  noch  eine  Lücke  (E),  nicht  breit  genug  für  eine  Thür. 

Die  vorderste  Mauer  des  Zimmers  setzte  sich  in  den  Strassen- 
mauern  fort  und  vor  derselben  (bei  F)  fand  man  Asche  mit  Holz- 
kohlen, Knochen  und  Scherben. 

An  das  erste  Zimmer  stösst  ein  ebenso  grosses  und  auch  qua- 
dratisches, dessen  Boden  stark  1  Fuss  tiefer,  aber  in  gleicher  Höhe 
mit  dem  der  beiden  folgenden  liegt  Eine  Thürlücke  (G)  ist  sichtbar 
nicht  ganz  in  der  Mitte  der  Scheidewand.  Der  Boden  des  zweiten 
Zimmers  hat  nur  gestampfte  Erde  ohne  Estrich  gezeigt,  wogegen  das 
folgende,  wieder  in  gleicher  Breite  fortlaufende  Zimmer,  das  aber  nur 
9  Fuss  Tiefe  hat,  durchweg  einen  heizbaren  Doppelboden  hatte;  näm- 
lich in  der  Tiefe  einen  dicken,  gröberen  Estrich,  nach  rechts  ansteigend, 
und,  darauf  ruhend,  die  Säulchen  von  runden  Ziegelplatten,  auf  denen 
dann  schöne,  starke,  viereckige  Ziegelplatten^s  ruhten,  überzogen  mit 
einem  Estrich.  Vor  der  nordöstlichen  Scheidewand  befinden  sich  die 
Mauerreste  einer  halbrunden  Nische  (V)   und  unter  derselben  das  1 

Praefumium.    Diese  tiefere  Heizkammer  war  an  der  ausgeräumten  \ 

Asche  deutlich  zu  erkennen  (unterer  Grundriss  H)  und  der  dazu 
nöthige  Durchgang  in  der  Mauer.     Der  Nische  gegenüber  zeigt  die 


Röauiehe  BaaretU  in  der  Gemarktuig  von  Alterkuls.  8S 

▲ussenmauer  des  obern  ZiinmerQ  eine  gerundete  kleinere  Vertiefung 
von  V/t  Fuss  Breite  (J),  die  man  auf  einen  in  der  Wand  liegenden 
Schornstein  beziehen  kann,  da  nach  dieser  Richtung  der  Doppelboden 
aufwärts  eng  beilief.  In  den  beiden  Ecken  dieser  Seite  steckten  im 
oberen  Estrich  (bei  i.  und  k)  noch  zwei  unverletzte,  aufsteigende 
Wärmrohren,  sonst  aber  war  derselbe  aammt  den  Deckplatten  zer- 
trümmert, da  der  Wurzelstock  einer  schweren  Eiche  darin  steckte. 
Die  Thüren  (K  und  L)  stehen  gegenüber.  Letztere  führt  in  einen 
grössern,  südwestlich  aus  der  Baulinie  der  erwähnten  drei  kleineren 
Räume  heraustretenden  grössern  Saal  von  ungefähr  17  Fuss  im  Ge- 
vierte, dess^  Boden  in  der  gleichen  Höhe  des  zweiten  und  dritten 
Zimmers  lag  und  durchaus  fein  geestricht,  aber  nur  zu  V^  4^  Baumes 
hohl  und  heizbar  war,  nämlich  in  der  ersten  westlichen  Ecke  (M) 
rechts  von  der  Thür.  Eine  breite  Nische  (N)  befindet  sich  dort  in 
der  westlichen  Aussenmauer,  in  welcher,  als  im  geheizten  Theile,  viel- 
leicht eine  Ruhebank  sich  befand.  Die  Heizkammer  (VI)  war  sehr 
klein  und  lag  gleichsam  auswärts  in  der  äusseren  Ecke  (n),  welche 
der  etwa  9  Fuss  nach  Westen  gerückte  Saal  mit  dem  langen  Rechteck 
des  Hauses  bildet.  Von  dem  hohlen  Boden  ging  ein  gemauerter,  mit 
festem  Mörtel  verputzter  Kanal  (0),  der  mit  Ziegelplatten  gedeckt 
und  überestricht  war,  von  ^4  bis  1  Fuss  Weite  a.bnehmend  durch  den 
dichten  Theil  des  Bodens  zur  südlichen  Mauer,  nahe  der  westlichen 
Ecke  hin,  wo  er  dann  wohl  in  einen  Schornstein  überging.  Die  andere 
östliche  Ecke  des  Saales  war  sehr  stark  von  Bruehschiefer  gemauert, 
doch  waren  von  der  Wand  an  der  Strasse  nur  noch  5V2  Fuss  Länge 
zu  sehen,  da  hier  der  Strassengraben  das  Gebäude  berührt  und^  die 
Gemeinde  neugierig  herumgewühlt  hatte,  ehe  ich  dazu  kam.  Nicht 
ganz  in  der  Mitte  derselben  Wand  geht  rechtwinklig  ein  derbes 
Mauerfundament  von  Quarz  (hn)  durch  die  Strasse.  In  dieser  Partbie 
hatte  die  Gemeinde  mehrfaches  Mauerwerk  bei  dem  Strassenumbau 
schon  ausgebrochen,  ehe  die  Sache  verlautete  und  Einhalt  geschehen 
konnte.  Hier  fanden  sich  die  drei  eisernen  Büchsen,  welche  wie  Mund* 
löcher  von  Wasserröhren  aussehen,  und  da  brach  man  den  ,,sonder- 
baren  Eanal^'  aus,  der,  wie  die  Leute  sagten,  „etwa  6  Fuss  lang, 
vom  und  hinten  zu,  nicht  gedeckt  und  an  einem  Ende  nur  halb  so 
breit  als  am  andern  (2  Fuss  an  diesem),  an  Wand  und  Boden  aber 
schön  roth  polirt  war".  Ich  fand  nur  noch  ein  1  Fuss  breites  Wand- 
Stückchen  und  zwar  mit  ganz  demselben  GementVierputze  und  rothem 
Anstriche,  wie  ich  es  in  dem  grossen  römischen  Badebecken  zu  Ber- 


84  RömiBohe  Banreste  m  der  Gemarkang  y<m  Alterkfils. 

trich  gesehen  habe;  als  der  Behälter  fttr  das  bei  Nacht  fliessende 
Wasser  gemacht  und  der  Boden  hinter  dem  kurfürstlichen  Badehause 
tief  ausgehoben  wurde.  Aus  der  komischen  Beschreibung  war  leicht 
ein  oval  in  den  Boden  eingemauertes  Becken,  eine  römische  Bade- 
wanne, au  erkennen.  Um  aber  die  Lage  der  Badekammer  genau  zu 
ermitteln,  war  die  Stelle  schon  zu  sehr  yerwflhlt  (bei  Q).  Die  Quarz- 
sätze einer  Mauer  gehen,  wie  gesagt»  noch  durch  die  Strasse  und 
jenseits  fort,  der  anstossende  Boden  aber  zeigt  auch  einige  Schritte 
lang  noch  Spuren  einer  darauf  gestandenen  Schiefermauer.  Da  an 
der  verwühlten  Stelle  viel  Schutt  von  Ziegelplatten,  Estrich,  Wärm- 
röhren und  kändelförmigen  Deckziegeln^  die  sowohl  zur  Deckung  von 
WasseiTöhren  als  des  Daches  gedient  haben  mochten,  auch  (bei  P) 
Asche  mit  Kohlen  sich  fand,  muss  wohl  noch  eine  Heizung  hier  (an 
der  südöstlichen  Ecke  des  Gebäudes)  bestanden  haben.  Die  Stello 
passt  auch  *  nach  Analogien  >)  fQr  die  Bade- Anlagen  des  Hauses,  die 
dann  wahrscheinlich  in  der  zerstörten  südöstlichen  Fortsetzung  des 
Gebäudes  lagen. 

Der  östliche  Theil  links  der  Strasse,  an  der  langen  Ovalkante 
der  erwähnten  Böschung,  zeigte  das  Quarzfundament  einer  76  Fuss 
langen  Mauer  (r  s),  die  mit  der  südwestlichen  Langseite  des  Hauses 
nicht  parallel,  sondern  so  läuft,  dass  die  nördliche  Ecke  kaum  60 
Fuss,  die  südliche  80  Fuss  absteht.  Auf  das  südliche  Ende  trifft  in 
gerader  Richtung  das  vom  Räume  IV  fast  rechtwinklig  abgehende, 
ganz  vorhandene  Mauerfundament  e-m-t-u  aus  Quarz.  Es  zeigt  an 
einer  Stelle  Verstärkungen,  die  auf  Ueberbauten  schliessen  lassen.  In 
25  Fuss  Abstand  von  dieser  Mauer  ist  eine  mit  ihr  parallel  laufende 
Quermauer  (v  w)  aufgedeckt,  die  nicht  nur  eine  leise,  aber  doch  auf- 
fallende Krümmung,  sondern  auch  eine  etwas  abgewölbte  Oberfläche 
zeigt,  die  nicht  zufiillig  sein  kann,  und  wohl  darauf  deuten  möchte, 
dass  man  da  noch  über  den  Boden  zunächst  mit  den  mehr  oder 
weniger  prismatischen  Quarzgangstücken  mit  zwei  breiten  Seiten  und 
einer  schmäleren  und  scharfen  Kante  fortgebaut  hatte,  aus  welchen 
Stücken  die  untersten  Lagen  aller  stärkeren  Fundamente  bestehen. 
Sie  stammen  augenscheinlich  von  der  Gangmasse  des  nahen  Berg- 
werks, wie  sie  zu  Tage  steht.  Je  zwei  solcher  Blöcke  konnten  der 
Mauer  wieder  eine  ziemlich  grade  obere  Fläche  geben  zum  Weiterbau, 


^)  Man  vergl.  die  Lage  des  Bades  in  der  Römervilla   za   AUenz.  .Jahr- 
buch 86,  Taf.  II. 


Bömieche  Bauroste  in  der  Gemarkung  von  Alterkülz.  85 

wenn  die  etwas  ungleich  brechenden  Koirfienden  etwas  passend  be- 
schlagen wurden.  Parallel  mit  dieser  Mauer,  40  Fuss  abstehend,  läuft 
eine  andere,  ebenfalls  in  sehr  starkem  Quarzfundamente  angelegte 
(x  y)  und  endlich  wiederum  mit  letzterer  parallel,  im  Lichten  nur  6 
Fuss  entfernt,  die  Schlussmauer.  Diese  die  Ecke  bildende  Mauer  (r-z) 
fällt  nicht  in  die  Bichtung  der  vom  obem  Hause  herablaufenden 
Mauer  (ee-eee),  sondern  hält  sich  einige  Fuss  südlicher  und  beide 
Mauern  werden  deshalb  bei  ihrer  Begegnung  ein  ähnliches  Bisalit 
gebildet  haben,  wie  sich  deren  mehrere  an  der  Südwestfront  zeigen. 
Alle  vier  Quermauern  der  nordöstlichen  Langmauer ^sind  bis  an  den 
Strassengraben  verfolgt  Aber  nur  die  südliche  war  bis  an  das  Haus 
erhalten,  während  die  andern  durch  den  Strasseneinschnitt  unklare 
Enden  bekommen  hatten.  Ein  Stück  des  Baumes  zwischen  der  ge- 
krümmten Mauer  (v  w)  und  der  südlichen  Parallelmauer,  dicht  an 
jener,  zeigt  einen  gut  geebneten,  festgestampften  Schieferboden,  ähn- 
lich wie  im  zweiten  Zimmer  des  Hauses.  Von  einer  Scheidewand  ist 
nichts  zu  finden. 

Von  Einzelfunden  ist  ein  grosses  eisernes  Thürband,  welches  im 
westlichen  Baume,  eine  hasta,  die  ün  zweiten  Zimmer,  eine  Feuer- 
schuppe,  die  im  dritten,  und  eine  Silbermünze  des  Antoninus  Pius,  die  auf 
dem  Estrichboden  des  ersten  Baumes  sich  fand,  zu  verzeichnen  ^).  Das 
Stück  eines  konisch  geformten  Mühlsteines  von  Mayener  Lava,  der 
Best  eines  Postaments  von  Jurakalk,  der  flache  Griff  einer  Pfanne, 
der  Fuss  eines  Gefässes,  beide  von  Kupfer,  eine  kleine  messingene 
Kohlenzange,  die  aber  zu  blank  und  den  kleinen  Zangen  der  Tabak- 
raucher zu  ähnlich  ist,  um  sie  für  alt  zu  halten,  reihen  sich  an. 
Femer  wurden  ein  feiner  wasserheller  Vasenrand  von  Glas  und  einige 
Scherben  von  römischem  Ziegelthon  nebst  einer  Menge  meist  unglasirter 
Thonscherben  von  allerhand  Gefässen  gefunden.  Viele  bis  auf  einen  Fuss 


^)  Von  einem  grossen,  im  nahen  Biebertbal  gemachten  Funde  eines 
Topfes,  der  eine  grosse  Anzahl  von  römischen  Grold-  und  Silbermünzen  enthielt, 
die  ein  Goldschmied  für  ein  Spottgeld  erhandelte  und  in  Belgien  zu  mehr  als 
1100  Thlr.  verschachert  haben  soll,  hat  der  Herr  Pfarrer  Köck  in  Bell  ein  Stück 
erworben  und  mir  verehrt.  Es  sieht  wie  eine  schlechte  Silbermünze  aus  mit 
starkem  Kupferscheine  und  hat  die  Grösse  eines  SVs-Groschenstncks.  Der  Avers 
zeigt  eine  Büste  mit  Strahlenkrone  und  die  Umsciirift  Imp.  G.  M.  Gl.  Tacitus, 
der  Revers  eine  weibliche  Figur,  in  der  Linken  einen  Oekweig  haltend,  mit 
der  Umschrift  Fax  Augusti. 


86  Römische  Baarette  in  der  Gemarkung  von  Alterkfib. 

lange  eiserne  Nägel  deuten  auf  derbes  Hokwerk.  Die  Feuerschüppe 
steckte  mit  dem  Griffende  oben  im  Waldrasen  und  ist  da  noch  ganz 
blank,  sonst  aber  stark  zerfressen,  wie  auch  der  Wur&piess  und  das 
Thürband,  auch  eine  der  WasserrohrbCtchsen. 

Unter  den  Enochenresten  in  der  Küchenasche  war  ein  Kinn- 
bäckelchen und  Rippen  von  einem  nicht  sehr  grossen  Schweine  und  ein 
Beinknöchelchen  eines  Vogels,  anscheinend  eines  Bebhuhns  oder  Hasel- 
huhns, das  noch  in  neuester  Zeit  sich  hier  aufhielt  Ein  Knochenstück 
fand  sich,  sehr  vermürbt,  bei  der  geheizten  Stube,  das  man  für  einen 
Theil  eines  menschlichen  Schienbeines  halten  kann,  vielleicht  von  einem 
Erschlagenen  herrührend.  Mit  der  dort  ausgeräumten  Sandraasse 
mögen  andere  Qebeinstflcke  weggebracht  sein.  Dicht  an  der  Wald- 
grenze im  nächsten  Acker  soll  auch  vorlängst  em  Grab  aufgedeckt 
und  der  Finder  an  den  aufgefundenen  Münzen  reich  geworden  sein. 
Die  Familie  desselben  berichtet  nur,  dass  man  Asche,  eine  Glasurne 
und  Scherben  gefunden  habe« 

Der  von  Herrn  Baumeister  Sasse  gefertigte  Plan  zeigt  nur  die 
ganz  blosgelegten  (nicht  zerbröckelten)  und  vermessenen  Fundamente. 
Sowohl  die  Aussenmauem  der  Zimmer,  als  die  wenig  schmälern 
Querwände  haben  noch,  jene  auf  derbem,  diese  auf  leichteren  Quarz- 
sätzen gute  Mauerung  von  Thonschiefer-Bruchstdnen  in  Kalkmörtel. 
Der  Quarzsatz  hat  nur  Lehmfflllung.  Die  innere  Langwand,  wie  ge* 
sagt,  auf  schwächerer  Unterlage  ruhend,  war  mehr  als  V2  Fuss 
schwächer.  Von  den  andern  Mauern  sind  nur  die  Quarzsätze  da, 
zum  Theil  nur  deren  unterste  Lage.  Bis  2  Fuss  tief  zeigt  der  Wald- 
boden unter  dem  Ras^n  Schuttmassen  und  Brocken  von  Dachschiefer 
und  Ziegeln  des  zerstörten  Baues.  Alle  hohlen  Räume  im  Boden 
waren  voll  Mörtelsand  und  Sptissbröckchen  geflözt.  Der  Sand  scheint 
einige  Meilen  weit  vom  Soon  hergebracht  zu  sein.  Er  wird  wieder 
für  Mauer- Arbeiten  eifrig  gesammelt.  Die  Ziegelplatten  der  hohlen 
Böden  haben  nicht  gleiche  Breite,  daher  der  Abstand  der  sie  tragenden 
Säulchen  von  runden  Bessalen  nicht  durchweg  gleich,  nach  den  Seiten 
hin  ein  geringerer  war.  Im  Boden  des  Baumes  IV  blieb  sich  die 
Höhe  der  Säulen  nach  dem  liegenden  Schornsteine  hin  fast  gleich, 
im  kleineren  Zimmer  aber  nahm  sie  nach  dem  Schornsteine  hin  ab. 
Der  Estrich  in  den  beiden  Zimmern  war  feiner  und  glatter  als  der 
im  ersten  Zimmer.  Warum  dieses  V^  Füss  höher  lag,  als  die  andern, 
wird  schwer  zu  sagm  sein. 

Es  wurde  bereits  erwähnt,  dass  etwa  30  Schritte  unterhalb  der 


Bömische  Baureite  in  der  Gemarlrang  von  Alierkük.  87 

den  Bauplatz  in  der  Grundheide  thalwärts  begrenzenden  Böschung, 
etwa  von  der  Mitte  derselben  aus,  ein  abgesondertes  Fundament  aus 
Quarz  in  einem  Acker  ausgebrochen  worden  ist,  zwar  kürzlich  erst, 
aber  ehe  davon  etwas  verlautete  und  eingesehen  werden  konnte. 
Ziegelbrocken,  Scherben  und  vor  Allem  die  geringe  Entfernung  deuten 
auf  Zugehörigkeit  zum  grossen  Fundamente,  der  kleine  Raum  aber 
auf  eine  Arbeiter-  resp.  Diener-Wohnung.  Ebenso  beschreibt  man 
zwei  weitere,  auf  der  andern  Seite  der  AckerBur  ausgewühlte  Fun- 
damente. Man  sucht  eben  in  hiesiger  Gegend  „Wacken'S  wie  man 
den  Quarz  nennt,  welcher  als  Gangmasse  den  Thonschiefer  durchsetzt 
und  im  aufgeschwemmten  Boden  als  Geschiebe  in  allen  Grösse  ge- 
funden wird  und  sehr  gesucht  ist  für  Wegebau,  Brunnenmauerung 
u.  A.  Ein  viertes  Fundament  von  solcher  Art,  wie  die  drei  von 
Wackensuchern  ausgebrochenen  bei  der  Grundheide,  vermutheten 
unsere  Schurfarbeiter  im  Walde  Schnappe rit  neben  dem  Forste 
Birkenstruth,  V«  Stunde  von  der  Grundhdde,  (also  zum  dortigen  Bau  o 
scheinbar  nicht  mehr  gehörig,)  wie  von  Alterkülz,  und  westlich  vom  Orte, 
weil  auch  da  im  Walde  sich  eine  alte  Ackerflur  erkennen  lässt  und 
an  einer  Stelle  einzelne  Mauersteine  von  Thonschiefer  herumlagen,  die 
wegen  des  dort  tiefen  Lehmbodens  nicht  als  Felsbrocken  angesehen 
werden  konnten,  sondern  als  Bruchsteine  angefahren  sein  mussten. 
Es  wurde  gesucht  und  gefunden,  und  wenn  auch  nicht  für  die  Bau- 
lichkeit, doch  für  die  Bedeutung  der  Niederlassung  Anschaulichkeit 
gewonnen.  Man  wird  ohne  weitere  Nachgrabungen  schwer  zu  ent- 
scheiden vermögen,  ob  das  gefundene  Fundament  einer  grossem  Nieder- 
lassung angehört  oder  aber  eine  kleine,  zur  Grundheider  Feldflur  ge- 
hörige Arbeiterwohnung  war.  Auch  hier  wird,  wie  da,  ein  östlicher 
dreieckiger  Waldzipfel  durch  eine  Strasse  vom  Walde  abgeschnitten, 
nämlich  durch  die  alte  Ravengiersburger  Klosterstrasse,  wie  sie  in 
Flurbüchern  heisst.  Auch  hier,  wie  dort,  ist  der  Bauplatz  durch  eine, 
jedoch  gradlinige,  Böschung  geebnet  und  thalwärts  abgegrenzt  Hier 
bildet  sie  den  Strassendamm  selbst  Daneben  geht  das  Gemäuer  von 
Ost-Nordost  nach  West-Südwest 

Bemerkenswerth  war  ein  ummauerter,  geplatteter  und  mit  Platten 
umstellter  Heerd  voll  Asche  und  Kohlen.  Die  Platten  waren  mürbe 
gebrannt,  besondiers  die  liegenden  und  darunter  das  Lehmfutter  von 
der  Gluth  geröthet.  Eine  stark  oxydirte,  innen  aber  noch  ganz  ge- 
diegene Bleiplatte  von  2V2  Zoll  Breite  und  5  Zoll  Länge,  (bei  schrägem 
Ende)  2V2  Pfund  wiegend,  lag' daneben  und  zeigt  iganz  die  Form 


88  Römische  Baureaie  in  dor  Oemarknng  Ton  AHerkals. 

einer  viereckigen,  nach  der  äussern  Ecke  rechts  abgeschngten  Schmelz- 
pfanne, die  an  dieser  Ecke  den  Ausguss  hatte,  wie  man  deutlich  an 
der  dahin  zunehmenden  Dicke  des  bei  etwas  geneigter  Stellung  der 
Pfanne  erkalteten  Bleies  erkennt.  Ganz  ähnliche  Pfannen  von  Eisen- 
blech sind  noch  hier  im  Gebrauche  und  den  runden  Giesslöffeln  vor* 
gezogen.  Kurz  vor  der  Feuerstelle  lag  ein  halbes  Hufeisen  ohne 
Nagellöcher  in  einer  nur  für  Maulthiere  passenden  Grösse,  an  dem 
man  trotz  Rost  und  Vererzung  die  Blechansätze  erkennen  kann,  mit 
deren  Umschlagen  die  Bömer  das  Eisen  zu  befestigen  pflegten.  Da- 
nach ist  wohl  hier  ein  Schmiedefeuer  anzunehmen  und  der  feine 
Wackensatz  als  Bodenunterlage  fOr  Ambosse  anzusehen. 

Am  andern  Ende  des  Fundaments  findet  sich  ein  in  ähnlicher 
Weise  mit  groben  Wacken  untersetzter  Raum,  nicht  aber  wagerecht 
wie  jener,  sondern  im  natürlichen  Hange  des  Bodens  nach  Süden. 
Auch  da  fehlen  die  die  Oberfläche  abgleichenden  Füllsteine,  die  schräge 
Lage  aber  weist  wohl  auf  einen  Viehstall  hin.  Die  Breite  ist  wie 
vom  14  Fuss,  die  Länge  nicht  ganz  aufgedeckt  wegen  dastehender 
Bäume;  doch  sind  anscheinend  auch  hier  mindestens  10  Fuss  anzu- 
nehmen. Zwischen  diesen  beiden  Vierecken  verliert  sich  die  Wacken- 
roauer  abnehmend  in  den  Boden,  dagegen  steht  eine  Schiefermauer 
mit  Quarzunterlage  etwas  -  südlich  eingerückt  von  der  Linie  einige 
Fuss  ab,  ihr  parallel.  Sie  muss  als  Wand  der  Wohnung  angesehen 
werden,  die  zwischen  Schmiede  und  Stall  wohl  hier  bestand.  Viele 
Scherben  von  Krügen,  Töpfen,  Näpfen,  Schüsseln  etc.  deuten  auf  lange 
Bewohnung  des  Platzes  und  sind,  wie  Nägel,  Ziegelstücke  u.  dergl. 
von  derselben  Art,  wie  bei  dem  herrschaftlichen  Haupthause. 

Wenn  man  die  aufgedeckten  Gebäudereste  nach  Massgabe  ihrer 
Eigenthümlichkeit  in  der  technischen  Bauausführung  und  ihrer  Ein- 
richtungen betrachtet,  so  kann  man  ebenso  wenig  zweifelhaft  sdU; 
dass  man  es  hier  mit  einem  Bauwerk  der '  spätem  römischen  Eaiser- 
zeit,  wie  der  Art  nach  mit  einer  ländlichen  Villa  zu  thun  hat  Auf 
letztere  deuten  die  vereinzelte  Lage,,  die  verschiedenen  isolirten  Neben- 
bauten, die  Heizung  nur  einiger  weniger  Räume,  die  zweifelsohne 
vorhandenen  Badeeinrichtungen,  von  denen  der  im  untern  Grundriss 
herrührende  grosse  Abzugscanal  (p-q)  herrührt.  Derselbe  liegt  zum 
Theil  (oberer  Grundriss  von  n  bis  o)  im  Boden  eines  6V2  Fusb  breiten 
Ganges,  welcher  wohl  lediglich  zur  Aufiiahme  des  l&rennmaterials  fSLr 
die  bei  VI  befindliche  Heizkammer  diente.    Die  Wasserleitung  für 


Römisohe  Banreste  in  der  Gemarkung  von  Alierkülz.  89 

das  Bad  konnte  nur  von  einem  einige  hundert  Schritte  südlich  in  der 
anstossenden  Gemarkung  von  Klein-Neuerkirch  vorhandenen  Brunnen 
herkommen,  in  dessen  Nähe,  wie  auch  ganz  dicht  an  einem  solchen,  der 
weiter  abwärts  und  tief  liegt,  vorlängst  ein  kleines  Fundament  aus 
Quarzsteinen  ausgebrochen  worden  ist« 

Die  zwischen  jenen  Brunnen  und  unserem  Fundamente  vorhan- 
dene Ackerflur  der  anstossenden  Gemarkung  möchte  eine  sehr  alte 
Gultur  sein,  da  der  bis  nahe  aA  das  Hausfundament  anstossende 
Wald  selbst  als  alte  Ackerflur  erscheint,  von  alten  Eichen  und  Birken 
überwachsen;  denn  der  Boden  zeigt  noch  die  Beetform  mit  deutlichen 
Furchen,  denen  im  Winter  das  Wasser  nachzieht  Auch  unterhalb  der 
oben  erwähnten  Böschung  des  Bauplatzes  hat  sich  ja  nahebei  ein  kleines 
,;Wackenfundament^^  gefunden  mit  Feuerstelle  am  Boden,  und^  so 
könnten  im  Umfange  der  alten  Ackerflur  ebenso  zufällig  wie  diese, 
noch  andere  solche  kleine  Baustellen  gefunden  werden.  Die  römische 
Villa  bei  Alterkülz  hat  offenbar  gleich  den  meisten  römischen  Bau- 
werken beim  Aufhören  der  römischen  Herrschaft  eine  gewaltsame 
Zerstörung  gefunden.  Darauf  deuten  die  menschlichen  Gebeine,  die 
man  in  den  Innenräumen  üand.  In  Folge  dessen  wie  durch  den 
spätem,  das  Gebäude  in  zwei  Hälften  zerreissenden  Chausseebau  ist 
der  ursprüngliche  Grundriss  zerstört  und  nicht  sofort  erkennbar.  Nach 
der  stets  wahrzunehmenden  Berücksichtigung  klimatischer  Vortheile 
werden  wir  die  Fronte  des  Haupthauses  im  Südwesten,  die  Rückseite 
mit  dem  Eingange  im  Südosten  zu  suchen  haben,  wir  erhalten  dann  den 
ganz  gleichen  Fagadengrundfiss,  den  nach  Südwesten  die  römische 
Villa  zu  Allenz  hatte,  nur  mit  dem  Unterschiede,  dass  der  unsrige  als 
unvollständig  nur  dessen  Hälfte  zeigt  und  nach  links  zu  vervollständigen 
wäre  ^}.  Diese  Wahrnehmung  lässt  auf  einen  gemeinsamen  Bautypus 
schliessen,  bei  dessen  Annahme  wir  uns  dann  zunächst  den  südwest- 
lichen und  nordöstlichen  Theil  in  der  durch  punktirte  Linien  ange- 
deuteten Art  verbanden  denken  müssen.  Baum  IV  wird  dadurch  zum 
Mittelpunkt  des  Baues,  an  den  sich  südwestlich  ein  Flügel  mit  den 
Baderäumen  anlehnen  wird.  Die  S.  84  erwähnten  Mauerverstärkungen 
bezeichnen  dann  vielleicht  die  Mauern  des  inneren  Hofes,  um  den  sich 
rund  herum  die  einzelnen  Räume  anlehnten. 

Da  nun  die  Stelle  eine  Stunde  Weges  vom  Gossberge,  bei 


^)  Weitere  Naohgrabangen   würden  voraoBsiohtlicli  diese  Wahmehmnng 
bestätigen  and  nach  Südosten  auf  den  symmetrischen  Flügel  fahren. 


90  Römiiolie  BaorMte  in  d^r  Gemarkimg  Ton  Alterkfils, 

Wttschheim  abliegt,  auf  und  an  welchem  die  Fundamente  von  einer 
grossen  römischen  Niederlassung  gefunden  worden  sind,  von  der  die 
Vermuthung  besteht,  dass  auch  da,  wie  an  der  römischen  Heerstrasse 
von  Kirchberg  nach  Trier  Sarmaten  als  Hirten  unter  römischer 
Bedeckung  stationirt  gewesen  seien,  um  grosse  Viehstände  zu  unter- 
halten; da  man  aber  auch  weiss,  dass  die  Römer  in  späterer  Zeit 
dazu  Übergingen,  den  Officieren  (mitunter  sogar  den  Soldaten)  Land- 
besitz bei  ihren  Stationen  anzuweisen,  so  ist  es  wohl  nicht  gewagt, 
anzunehmen,  dass  hier  bei  Alterkfilz  etwa  ein  Centurio,  der  auf  dem 
Gossberge  stationirt  war,  seine  Villa  hatte.  Es  haben  sich  aber  auch 
in  Hasselbach  in  derselben  Entfernung  vom  Gossberge  und  Vs 
Stunde  von  hier  bei  dem  Schulhausbau  Spuren  von  ähnlichem  Bau- 
'werke  mit  Bodenheizung,  wie  hier,  nebst  gemauertem  Brunnen  vor- 
gefunden, und  Herr  Baumeister  Sasse  hat  in'  Reckershausen, 
jenseits  des  Gossberges,  in  ähnlicher  Entfernung  von  da,  em  Funda- 
ment mit  Bodenheizung,  wie  das  hiesige,  gefunden.  Demnach  hätten 
wohl  wenigstens  drei  höhere  Militärs  des  Gossberges  in  dessen  Um- 
gebung Landsitze  gehabt.  Ein  zu  Lingerhan  in  Aeckem  liegendes 
Fundament  mit  Heizböden,  das  das  EigenthQmliche  hat,  dass  in  einem 
Räume  die  den  Fussboden-Estrich  tragenden  Säulchen  aus  runden,  in 
einem  andern  aus  viereckigen  Bessalen  gebildet  sind,  liegt  schon  weit 
vom  Gossberge  ab  und  zwar  an  der  nach  Boppard  (und  St  Goar) 
führende  alten  Strasse,  bezeichnet  also  einen  Halteplatz  an  ihr  wie 
La  üb  ach.  Zeichen  von  einem  solchen  bei  0  hl  weil  er  unter  Simmem 
hat  Herr  Baumeister  Sasse  bemerkt  Die  Station  „am  steinernen 
Löwen^'  bei  Riesweiler  ist  nicht  unbekannt,  und  weiter  sind  an  der 
Strasse  nach  Bingen  und  Kreuznach  die  Stellen  bei  Dörrenbach, 
Warmsroth  und  Windesheim  durch  die.  Localforschung  ver- 
zeichnet, wie  an  der  Strasse  von  Kirchberg  nach  Trier  Costena  und 
Sohren.  Es  bestanden  aber  in  unserer  Gegend  zur  Römerzeit  offen- 
bar noch  weitere  Strassen.  Die  von  Laubach  nach  Castellaun 
(wo  der  Name  „Heidenburg''  am  Burghagel  auf  die  Römer  weist,  ob- 
wohl die  Spuren  verwischt  sind)  ist  noch  im  Walde  nicht  weit  von 
dem  als  Wachthaus  angesehenen  Fundamente  bei  Laubach  zu  sehen, 
ebenso  die  von  Castellaun  nach  Treis  auf  der  Waldhöhe  des  Treis^ 
Berges.  Mörsdorf  liegt  in  der  Linie  und  dortige  Funde  bezeichnen  den 
Ort  als  bewohnt  Meine  in  den  Miscellen  der  Bonner  Jahrbb.  H.  37,  S. 
238  f.  frtther  ausgesprochene  Vermuthung,  dass  der  Gossberg ,  wie  er 
von  Denzen,  Simmem,  Laubach  und  GasteUaun  je  ca.  2  Stunden  entfernt 


Römisobe  BaureBie  in  der  Gemaricang  von  Alterkflb.  91 

ist,  auch  eine  Verbindung  mit  Zell  gehabt  habe,  ist  zwar  noch  nicht 
in  dieser  Entfernung,  wohl  aber  in  der  doppelten  bestätigt  worden 
durch  Entdeckung  von  Fundamenten  in  dem  neu  entstandenen  Dorfe 
Moritzheim,  in  welchem  nach  freundlicher  Mittheilung  des  Herrn 
Pastor  Hardt  zu  Tellig,  eine  römische  Goldmünze  von  1  FriedrichsdV 
Metallwerth  gefunden  wurde.  Es  war  also  der  Gossberg  ein  Knoten- 
punkt der  über  den  Hunsrücken  laufenden  Römerstrassen,  die  freilich 
nicht  gleichzeitig  alle  ausgebaut  sein  konnten,  vielfältig  durch  Gulturen 
später  vernichtet  worden  sind,  wie  man  das  ja  an  der  Strasse  nach 
Heimbach  von  Simmem  ab  mehrfach  sieht 

Aus  diesen  Aufzählungen  ist  aber  schon  jetzt  klar  und  wird 
immerfort  klarer  werden,  dass  die  Römer  hier  oben  nicht  nur  so  dicht 
wie  am  Rheine,  sondern  zum  Theil  weit  dichter  sich  angebaut  hatten 
und  zwar  gerade  in  den  nicht  an  den  Strassen  gelegenen  Landstrichen. 
Die  Hauptstrassen  gingen  bekanntlich  über  die  Wasserscheiden  und 
mieden  die  Thäler,  in  welchen  sich  aber  mehr  Stellen  zum  Ackerbau 
anboten,  wie  man  auch  jetzt  weniger  Orte  auf  den  Höhen  und  nur 
da  findet,  wo  nicht  unwahrscheinlich  Strassen  hergingen.  Man  be- 
obachte nun  aber  weiter  noch  Orte,  die  nicht  in  den  Linien  der  Heer- 
strassen.  lagen.  In  Heinzenbachi  halbwegs  vom  Gossberg  nach 
Denzen  (Dumnissus),  wie  in  Nannhausen  sind  grosse  Funde  von 
römischen  Münzen  in  vergrabenen  Töpfen  und  zwar  die  goldenen  zum 
Theil  sogar  noch  gerollt^  gemacht  worden.  Auf  einer  Höhe  an  der 
„Erdbeerhecke''  bei  Neuerkirch  wurden  in  jüngster  Zeit,  nahe  bei 
einer  Stelle,  wo  anscheinend  drei  Grabhügel  längst  ausgewühlt  worden 
sind,  ein  Wackenfundament,  wie  das  bei  Laubach,  gefunden,  recht  für 
einen  Wachtposten  gelegen,  da  man  das  Land  weit  übersieht  Nahe 
dabei  liegt,  sonderbar  im  Binnenberger  Walde  eingeschlüsselty  eine 
Ackerflur,  aus  der  man  viele  Fundamente  gebrochen,  die  man  auf  das  in 
der  Gegend  untergegangene  mittelalterliche  Oertchen  Steinkülz  oder 
Steinchen  (welchen  Namen  noch'' eine  nahe  Waldstelle  hat)  bezogen 
hat  Der  Beschreibung  nach  fanden  sich  aber  auch  römische  Ziegel- 
platten, und  dicht  am  Wackenfundamente  sind  Aschentöpfe  an  zwei 
Stellen  und  ein  von  römischen  Ziegelplatten  am  Boden  gebildeter 
Feuerheerd  voll  Asche  jüngst  gefunden  wordenr 

Es  hat  den  Anschein,  als  wären  wenige  unter  den  bestehenden 
Ortschaften  des  Landes,  welche  nicht  auf  die  Römer  zurückzufahren 
seien.  Ohne  noch  Rücksicht  zu  nehmen  auf  Stellen,  wie  Bell,  Buden- 
bach, Niederchumbd,  Ntckweiler,  wo  Fundamente,  wie  Dillendorf,  wo 


93  Römisclie  iÖaureste  in  der  Gemarkung  von  Alterkulz, 

Goldmünzen  gefui^den  worden,  über  die  wegen  Unkunde  der  Berichir 
erstatter  nichts  Sicheres  angegeben  werden  kann,  braucht  man  nur 
die  bisher  hier  hervorgehobenen  Orte  und  zwar  zunächst  die  ange- 
führten Strassenstationen^  dann  in  anderer  Weise  die  abseits  liegenden 
Orte,  nebst  Womrath  (sowie  Waldböckelbeim  und  Sobern- 
heim  an  der  Nahe)  auf  einer  Kartet  irgendwie  auszuzeichnen,  um 
zu  erkennen,  wie  partheiisch  und  der  thatsächlichen  Wahrheit  ent- 
gegen Ausonius  schreibt  Ihm  war  die  lange  Waldstrasse,  welche 
von  Trier  und '  dem  stumpfen  Thurme  nach  Dumnissus  und  durch  den 
Soonwald  nach  Bingen  führte,  im  Gegensatze  zu  dem  enthusiastisch 
besungenen  Moselthale  ärgerlich  und  langweilig.  Er  behauptet,  keinen 
Anbau  des  Landes  gefunden  zu  haben,  und  nennt  doch  zugleich  Orte, 
die  einen  solchen  haben  mussten,  spricht  auch  von  durstenden  Fluren 
bei  Dumnissus^).  Er  ist  ganz  so  übler  Laune  wie  noch  jetzt  manche 
Reisende,  wenn  sie  einmal  gezwungen  werden,  die  schönen  Fluss- 
thäler  und  ihre  Dampfboote  und  Eisenbahnen  zu  verlassen,  um  mit 
der  Post  langsam  und  beschwerlich  über  den  Hunsrücken  zu  gehep. 
Wie  hätten  bei  Ausons  Gefabel  grosse  Post-Stationen  ohne  Boden- 
erträge an  einer  langen  öden  Strasse  bestehen  und  wie  sich  behaupten 
sollen  in  so  weiter  Wildniss  gegen  die  an  Ja^d  und  Krieg  gewöhnten 
wilden  Einwohner?  Keine  Legion,  die  von  Trier  nach  Bmgen  oder 
Boppard  und  Coblenz  zog^  wäre  wohl  unbehindert  dahin  gelangt, 
wenn  die  Strasse  durchaus  so  vom  Walde  beengt  und  so  öde  gewesen 
wäre,  wie  Auson  glauben  machen  will  und  wie  sie  stellenweise  es 
auch  einigermassen  noch  ist,  da  sie  sich  oben  auf  der  Wasser- 
scheide hält. 


')  Etwa  der  der  Kreise  St.  Goar  und  Simmem  des  Majors  von  Rappard. 
^)  AuBon.  MoseUa  v.  1  sqq: 

TmDsieram  celerem  nebuloso  flamine  Navam, 

Addita  miratus  Yeteri  noya  moenia  Vinco, 

Aequavit  Latias  ubi  quondam  Gallia  Cannas 

Infletaeqae  iacent  inopes  super  arva  catervae. 

Unde  iter  Ingrediens  nomorosa  per  avia  solum 

£t  nulla  humani  spectans  vestigia  cultus 

Praetereo  arentem  sitientibus  undique  terris 

Damnissum,  riguasque  perenni  fönte  Tabernas, 

Arvaque  Saaromatum  nuper  metata  colonis. 

Alterkülz.  Bartels,  Pfarrer. 


4.    Stempel  römischer  Augenärzte. 

Ein  Nachtrag  zu  Grotefend's  Buch:  „Die  Stempel 

der  römischen  Augenärzte." 

Keine  Gattung  der  aus  dem  römischen  Alterthume  uns  erhal- 
tenen, mit  Inschriften  versehenen  kleineren  Gegenstände  des  alltags 
liehen  Verkehrs  hat  von  jeher  ein  so  lebhaftes  Interesse  für  sfch  in 
Anspruch  genommen,  als  die  Stempel  römischer  Augenärzte,  jene 
kleinen,  unscheinbaren  Täfelchen  von  meist  grünlichetn  Steine  in 
durchgängig  viereckiger  Form,  auf  deren  schmalen  Seiten  von  der 
Rechten  zur  Linken  laufende  Inschriften  eingravirt  sind.  Seitdem 
Smetius  in  den  Antiquitates  Neomagenses  1678  p.  98  die  ersten  beiden 
Steine  dieser  Art,  über  deren  Gebrauch  und  Bedeutung  er  selbst  sich 
noch  gar  nicht  zürecht  zu  finden  wusste,  bekannt  gemacht  hat,  hat 
sich  mit  jedem  neuen  Funde  die  Aufmerksamkeit  der  Gelehrten  ihnen 
immer  mehr  zugewendet.  Allein  es  war  noch  immer  keine  einiger- 
massen  genügende  Behandlung  dieses  Gegenstandes  antiken  Lebens 
möglich,  weil  nur  eine  grössere  Zahl  solcher  Monumente  zum  richtigen 
Verständniss  desselben  führen  konnte.  Erst  zahlreichere  Auffindungen  ' 
im  Anfange  dieses  Jahrhunderts,  wie  vor  Allem  die  Ausgrabung 
von  }3  Steinen  bei  dem  Dorfe  Nais-en-Barrois,  von  denen  bloss  sieben 
bis  jetzt  bekannt  geworden  sind,  sowie  in  neuerer  Zeit  die  Funde  in 
Frankreich  und  England,  hab^n  ihre  Zahl  so  ausserordentlich  ver- 
mehrt, dass  Sichel  und  Grotefend  es  unternehmen  konnten,  dieselben 
zusammenzustellen  und  in  einer  zusammenhängenden  Djürstellung  zu 
erläutern.  Zu  den  112  von  Letzterem  in  seiner  trefflichen  Monographie 
gesammelten  Stempeln  ist  mittlerweile  in  dem  kurzen  Zeiträume  von 
acht  Jahren,  welche  seit  dem  Erscheinen  derselben  verflossen  sind, 
eine  beträchtliche  Zahl  neuer  Stempel  an^  Tageslicht  gefördert  worden, 
so  dass  es  sich  wohl  der  Mühe  verlohnen  möchte,  ^ie  hier  als  Nachtrag 
zu  Grotefend's  Arbeit  zu  veröffentlichen.    Leider  bin  auch  ich  nicht 


94  Stempel  römischer  Augenärzte. 

im  Stande,  meine  Sammlung  als  eine  vollständige,  alle  bis  jetzt  ge- 
fundenen Stempel  umfassende  zu  bezeichnen,  da  L6on  Renier,  wie  ich 
aus  Herrn  Robertos  M^langes  d'arch^ologie  p.  7,  welche  ich  der  zu- 
vorkommenden Freundlichkeit  des  Verfassers  verdanke,  ersehe,  deren 
drei  mehr  als  ich,  nämlich  129,  kennt 

Diese  Sammlung  würde  noch  umfassender  ausgefallen  sein,  wenn 
nicht  Ungehöriges  hätte  streng  ausgeschieden  werden  müssen.  Um 
Irrtbümem  vorzubeugen,  muss  ich  bemerken,  dass  namentlich  zwei 
Monumente  dieser  Art  hier  nur  schtinbar  htiigeh(ta*en.  Zunächst  ist 
dies  der  jetzt  verloreb«  vermeintliche  Mfiinzer  Stempel  mit  der  Inschrift 

HERMIAE    SN 
CICAECILIS 

von  Karl  Klein  zuerst  aus  den  Papieren  des  im  J.  1845  verstorbenen 
Kupferstechers  Lindenschmit  0  herausgegeben  und  Hermiäe  sm(yme) 
cica(tricum)  e  cili(i)s  gedeutet,  von  dem  Grotefend  (Bulletino  dell' 
Instit  rom.  1868  p.  107  f.)  nachgewiesen  hat,  dass  er  ein  einfacher 
Metallstempel  war  und  seine  Inschrift  mit  Voranstellung  der  letzten 
Zeile «) 

CCAECILIN  i 

HERMIAE-SN 

d.  h.  G(ai)  Caecili  Hermiae  s(e)n(ioris)  gelautet  hat  —  Nicht  so  leicht 

ist  es,  auf  den  ersten  Augenblick  mit  dem  zweiten  Monument  dieser 

Art  fertig  zu  werden,  welches  ebenfalls  K.  Klein  für  einen  Okulisten- 

stempel  erklärt  hat,   mit  Zustimmung  Pfister's   im  31.  Jahresbericht 

des  bist  Vereins  in  Mittelfranken  (Ansbach  1862)  S.  32.    Im  Jahre 

1862  veröffentlichte  nämlich  Loriquet  (Revue  arch6ol.,  Nouv.  S6rie,  i 

vol.  IV  p.  247)  eine  zu  ülermarais  bei  Reims  gefund^e  und  von  dort  | 

ins  Museum  letzterer  Stadt  gebrachte  Glasschale  mit  der  Inschrift  j 

FIRM 
HILARI 
ATYLAR 


>)  In  den  Heidelberger  Jahrbüchern  1867  S.  599  and  in  der  Zeitschrift 
des  Ifainxer  Vereins  zur  Erforschung  der  Rhein.  Gesch.  nnd  Alterth.  Bd.  III, 
1  (1868)  S.  70  n.  218. 

'  ^)  So  gibt  nach  Grotefetfd's  Versicheruttg  die  Abschrift  Ltndenschmit's, 
der  aaoh  deutlich  in  der  zweiten  Zeile  SN  Uest  und  nicht  SM,  wie  Klein  beide 
Mal  angibt.  Der  Stempelschneider  hat  SN  und  nicht  SEN  eingegraben,  weil 
ihm  der  nöthige  Raum  dazu  fehlte. 


Stempel  römisoher  Augeotate. 


95 


in  welcher  er  das  Beeept  eines  Augenbeilmittels  za  erkennen  glaubte 
und  die  er  draigemSss  Firni(i)  Hilari  Atyl(oticum)  ar(omaticum)  auf- 
löste. Wir  hätten  also  hier,  um  mich  mit  ihm  in  seiner  Sprache 
auszudrAcken»  ein  'collyre  aromatique  contre  la  tylosis,  autrement 
contre  les  callosit^s  inv^t^r^es  de  Tint^rieur  des  paupi&reB\  Da  man 
aber  hiebt  begreift,  was  Atjlosis,  wie  Klein  für  tylosv^  wollte,  und 
Atylotieum  heissen  solli  so  hat  Orotefend,  der  ebenfalls  noch  von  der 
Voraussetsung  ausging,  dass  die  Inschrift  ein  Augenheilmittel  ent- 
halte, die  letzte  Zeile  entweder  A(d)  TYL(06in)  AB(omaticum)  oder 
mit  Annahme  einer  irrthfimlichen  Lesjong  von  Seiten  Loriquet's  AD 
CLA(ritatem)  zu  lesen  vorgeschlagen.  Ich  hoffe  jedoch,  dass  der  ge- 
lehrte Epigraphiker,  der  diese  Ansicht  im  Bull,  ddl'  Instit.  rom.  1868 
p.  106  ausgesprochen  hat,  heute  von  derselben  längst  zurückgekommen 
ist  und  dass  er  es  nicht  mehr  bedauern  wird,  diese  Inschrift  in  die 
Zahl  der  Okulistenstempel  nicht  aufgenommen  zu  haben.  Denn  CJone- 
stabileO  ^uid  nach  ihm  Detlefsen')  haben  durch  Zusammenstellung 
einer  ganzen  Reihe  von  Exemplaren  derselben  Glasschale  mit  gleicher 
Inschrift,  von  denen  die  weitaus  grössere  Zahl  in  italienischen  Museen 
sich  befindet,  unwiderleglich  dargethan,  dass  wir  es  in  dieser  Inschrift 
unserer  Schale  mit  der  Marke  von  Fabrikanten  dieser  Art  Schalen 
zu  thun  haben.  Und  zwar  gibt  die  Inschrift  nicht,  wie  Ck)nestabile, 
durch  die  etwas  undeutliche  Priigung  der  zu  Perugia  ^)  ausgegrabenen 
Schale  verleitet,  meinte^  den  Namen  eines  einzigen  Fabrikanten  im 
Nominativ  und  die  seines  Vaters  und  seiner  Mutter  im  Genitiv,  sondern 
sie  nennt  drei  Personen,  Firmus,  Hilarus  und  Hyla,  welche  entweder 
eiuQ  Gesellschaft  bildeten  oder  zur  Sklavenfamilie  eines  einzigen  Glas- 
hattenbesitzers  gehörten.  Denn  dies  wird  über  allen  Zweifel  erhoben 
durch  die  Inschrift  des  am  besten  erhaltenen  und  schon  seit  längerer 
Zeit  bekannten  Exemplars  dieser  Schalen 

FIRMI 
HILARI 
HYLAE 


i 


>)  Vgl.  Beru^  aroh6ol.,  Nouy.  S^rie,  vol.  IV  (1862)  p.  878  f.  and  Banetino 
dell'  Instit  arch.  rem.  1868  p.  176. 

")  Bevue  arch^ol.,  Nguy.  Serie,  toI.  Vm  (1868)  p.  219  ff. 

')  Die  Inschrift  derselben  lautet:  fINM  fl  HIIABl  ||  f lYIAF.  Tgl. 
Conestabile,  Hypegee  de  la  fisnüle  Yibia,  Borne  1858,  p.  47.  Bull.  delP  Instit. 
arch.  1858  p.  65. 


96  Stempel  römischer  Aagen&nte. 

welches  aus  einem  römischen  Grabmal  zu  Weyden  bei  Coeln  im 
J.  1842  hervorgezogen  and  von  Urlichs  in  diesen  JahrbQchem  Bd.  ni 
S.  148  beschrieben  worden  ist.  Somit  hat  auch  die  von  Loriqoet 
herausgegebene  Inschrift  nichts  mit  den  Stempeln  römischer  Augen- 
ärzte gemein. 

Es  kann  nicht  in  meiner  Absicht  li^en,  nach  der  ebenso  vor- 
trefflichen wie  werthvoUen  Monographie  Grotefend's  0  init  diesen  ein- 
leitenden Worten  nochmals  eine  Behandlung  der  hier  einschlägigen 
Fragen  zu  verbinden.  Nur  auf  einen  Punkt  möchte  ich  mir  hier  ver- 
statten, die  Aufmerksamkeit  zu  lenken,  um  dadurch  eine  genauere 
Untersuchung  aller  uns  bekannten  Denkmäler  nach  dieser  Seite  hin 
zu  veranlassen.  Denn  sie  allein  kann  uns  in  dieser  Beziehung  mehr 
Klarheit  verschaffen.  Bekanntlich  enthalten  diese  Steintäfelchen  theils 
auf  zweien,  theils  auf  drei  oder  auch  auf  allen  vieren  ihrer  glatten 
Seitenflächen  eiiye  in  umgekehrter  Schrift  eingeritzte  Inschrift,  die  zu- 
meist aus  zwei  Zeilen  besteht,  aber  auch  mitunter  einzeilig  oder  drei- 
zeilig  ist.  Die  Oberfläche,  oder  besser  gesagt  die  beiden  Plattseiten 
dieser  Täfelchen,  sind  in  der  Regel  glatt  und  ohne  alle  Schrift,  wenn 
man  den  Angaben  resp.  dem  Stillschweigen  der  frfiheren  Herausgeber 
darüber  unbedingten  Glauben  schenken  dürfte.  Ich  glaube  jedoch  nicht 
zu  viel  zu  behaupten,  wenn  ich  sage,  dass  jeden  Falls  mancher  der  bis 
jetzt  bekannt  gewordenen  Okulistenstempel  bei  genauerer  Besichtigung 
eine  Eigenthümlichkeit  auf  seinen  Plattseiten  zeigen  wird,  welche  bisher 
leider  bloss  bei  einigen  wenigen  als  sicher  vorhanden  erwiesen  ist. 
Auf  einer  Reihe  von  Stempeln  nämlich  sind  auch  dort  Buchstaben 
resp.  Inschriften  bemerkt  worden,  von  denen  es  jedenfalls  von  Interesse 
sein  muss,  festzustellen,  in  welcher  Beziehung  sie  zu  den  auf  den 
Seitenflächen  angeführten  Augenheilmitteln  stehen.  Schon  eine  etwas 
eingehendere  Betrachtung  dieser  Inschriften,  zu  denen  sich  auf  ein- 
zelnen Stempeln,  wie  wir  später  sehen   werden,  auch  bildliche  Dar- 


^)  Nach  ihm  hat  noch  einmal  in  zasammenhangender  Darstellimg  Jean 
Bertrand  die  auf  die  Okulistenstempel  bezüglichen  Fragen  erörtert  in  der  Ab- 
handlung 'Notice  8ur  las.  pierres  sigillaires  d'oculistes  romains*  in  den  Memoires 
de  la  floci^te  des  sciences  et  arte  de  Vitry^le-FranQoifl,  tome  II,  Vitry  1868, 
welche  ich  nicht  selbst  zu  Qesicht  bekommen  habe.  Sie  ist  aber  nichts  Anderes 
als  ein  kurzer  Auszug  aus  SichePs  Noureau  recueil,  wie  dies  aus  einer  referi- 
renden  Anzeige  von  Douet  d'Arcq  hervorgeht  in  der  Revue  des  societee  savantes 
des  d^partements,  4me  S^rie,  tome  X  (1869)  p.  249  f.  Vgl.  Caumont,  BaUetin 
monumental,  4me  S^rie,  t.  Y  p.  228  f. 


Stempel  römischer  Augenärzte.  97 

Stellungen  gesellen,  lässt  sofort  erkennen,  dass  diese  Inschriften  nicht 
alle  ein  und  dieselbe  Bestimmung  haben.  Zunächst  gibt  .es  mehrere 
Stempel,  auf  deren  Oberfläche  sich  der  Name  des  Arztes  nebst  den 
angepriesenen  Mitteln  noch  einmal  wiederholt  findet.  So  sind  beim 
Stempel  des  L.  Valerius  Aroandus  (n.  126)  nach  der  Angabe,  des 
englischen  Herausgebers  die  Stichworte  der  vier  bezeichneten  Heil- 
mittel Diox,  Stac,  Diaglauc  und  Mixt  in  der  Mitte  der  vier  Seiten  am 

-  Rande  über  der  zum  Stempeln  bestimmten  Stempel-Inschrift  flüchtig 

^  und  leicht  mit  einem  Grabstichel  oder  einem  anderen  spitzen  Instru- 
ment eingeritzt  und  zwar  in  einer  eleganten  Cursivschrift.  Dieselbe 
Eigenthümlichkeit  zeigt  der  von  uns  unter  n.  121  veröffentlichte 
Stempel  von  Nantes,  wo  in  der  Mitte  der  vorderen  Plattseite  PROV 

.  eingeritzt  ist,  sowie  der  Wormser  (n.  32)  des  T.  Flavius  Respectus, 
welcher  auf  einer  der  Breitseiten  den  Buchstaben  M  über  der  ersten 
und  der  entsprechenden  vierten  den  freier  und  grösser  geschriebenen 
Namen  des  C.  Julius  Musicus  enthaltenden  Seitenfläche  zeigt  und  in 
dem  schon  Grotefend  den  eben  genannten  Musicus  entdeckt  hat.  Vgl. 
Klein,  Bonner  Jahrbücher  XXVI  S.  174.  Zu  diesen  Stempeln  gehört 
auch  der  Reimser  des  Gassius  Jucundus  (n.  115),  der  auf  der  einen 
der  Breitseiten  die  Worte  CASSI  IVCVN  in  der  Mitte,  und  auf 
einer  der  Ecken  IVCVN  eingeritzt  enthält,  während  auf  der  anderen 
Breitseite  die  Buchstaben  F  R  stehen;  ferner  der  von  Grotefend  n. 
44  und  auch  von  Henzen  nach  einer  brieflichen  Mittheilung  AUmers 
zu  Lyon  (Bulletino  deir  Instit.  rom.  1866  p.  66)  herausgegebene  Stein 
des  L.  Julius  Docilas  zu  Besannen.  'Denn  auch  dort  findet  sich  zu- 
nächst der  Name  des  Arztes  L  J  Docilas  noch  einmal  auf  der  Platt* 

'  Seite  in  Uncialbuchstaben  wiederholt,  während  auf  den  vier  Kanten 
des  Steines  ebenfalls  auf  der  Plattseite  die  auf  den  Seitenflächen  an- 
gegebenen Recepte  in  Cursivschrift  stehen.  Ebenso  enthält  die  Ober- 
fläche des  Lyoner  Stempels  des  L.  Caemius  Paternus  (n.  11)  die  beiden 
ersten  Anfangsbuchstaben  der  vier  auf  dem  Stempel  selbst  genannten 
Heilmittel  über  den  entsprechenden  Schmalseiten  angemerkt,  also  AV, 
ST,  CR,  CH.  Vgl.  Grivaud  de  la  Vincelle,  Recueil  des  monuments 
antiques  dans  Tancienne  Gaule  t.  H  p.  286  und  pl.  XXXVI  n.  H, 
welcher  leider  den  Charakter  der  Schriftzüge  näher  anzugeben  unter- 
lassen hat.  Den  Schluss  macht  der  ähnliche  Wiener  Stein  des 
Natalinius  Victorinus  (n.  75),  der  auf  der  Oberfläche  die  Anfangs- 
buchstaben der  Mittel  L,  H,  L  hat.    Vgl.  Corp.  inscr.  lat.  t.  III,  2  p. 

763  n.  6018, 1.    Andererseits  enthalten  die  Plattseiten  anderer  Stempel 

7 


98  Stempel  romiflcher  Aagenärata. 

nicht  bloss  Inschriften^  besonders  Namen  von  Personen,  und  zwar  Ton 
solchen,  welche  mit  den  auf  den  SeiteDflächen  genannten  Aerzten 
nicht  identisch  sind,  sondern  auch  bildliche  Darstellungen  aller  Art 
Ich  erinnere  an  den  Stempel  des  Albucius  (n.  113),  auf  dessen  oberer 
und  unterer  Plattseite  allerhand  Verzierungen  nebst  der  Abbildung 
einer  Pflanzenwurzel  angebracht  sind,  und  an  den  Stempel  des  C. 
Annius  Censorinus  (n.  114),  der  ebenfalls  die  Abbildung  einer.  Pflanzen- 
wurzel auf  der  vorderen  Oberfläche  zeigt ;  femer  an  den  Stempel  aus 
Wiesbaden  (n.  63),  auf  dem  ausser  verschiedenen  Schnörkdeien  und 
Buchstabenproben  ein  im  It'lankenkerl-Stile  ausgeführtes  Köpfchen  mit 
lang^  Nase,  grossen  Augen  und  rundem  Ohr,  welches  Becker  für  die 
Fratze  eines  Kaiserbildes  von  einer  Münze  ansieht,  und  der  links  von 
demselben    in    einer    Art   Cartouche    verkehrt    eingegrabene   Name 

sich  befindet,   über  den  die  Buchstaben  T  F  eingegraben 


ROA^ 


sind.  Noch  weiter  oben  stehen  neben  einander  zwei  Zeichen  wie  Y, 
deren  rechter  Oberstrich  jodoch  übermässig  lang  gezogen  ist:  rechts 
davon  ist  ein  T  leise  angedeutet^  links  ein  verschlungener  Schriftzug 
wie  zwei  Z  in  einander  gezeichnet  mit  parallel  gelegten  Zügen.  Die 
untere  Breitseite  enthält  einen  ähnlichen  grösseren  Schriftzug  und  zur 
Seite  desselben  die  Buchstaben  TT  SS  TFT  ganz  regellos  vertheilt. 
Vgl.  J.  Becker,  Neue  Jahrb.  für  Philol.  und  Paedag.,  Bd.  LXXVII 
(1858)  S.  587  f.  Hierhin  gehört  endlich  der.  noch  interessantere 
Stempel  des  S.  Martinius  Ablaptus  zu  Vieux  (n.  71):  er  zeigt  auf  der 
unteren  Fläche  ein  Seepferd,  zu  .dessen  Füssen  die  Buchstaben  LIV 
stehen,  auf  der  oberen  eine  zweihenkelige  Vase,  auf  deren  weitem 
Bauche  man  drei  Augen  angebracht  hat.  Auf  dem  ebenfalls  verhalt- 
nissmässig  weiten  Halse  der  Vase  liest  man  die  Buchstaben  GA  und 
oberhalb  der  Oefcung  desselben  die  Buchstaben  GAI  oder  GAL, 
darüber  S  und  S^  oder,  wie  Sichel  gelesen  hat^  IT,  sowie  zur  Rechten 
unten  am  Bauch  der  Vase  ein  nach  unten  gekehrtes  L  in  dieser  Form 
1.  Vgl.  Lambert,  Epigraphie  romaine  dans  le  d6pai-tement  du  Cal- 
vados, Caen  1869,  p.  35  und  pl.  V  n.  13.  Vielleicht  ist  den  Stempeln 
dieser  Art  auch  noch  der  des  T.  Vindacius  Ariovistus  aus  Kenchester 
(n.  100)  hinzuzuzählen,  der  auf  der  vorderen  Oberfläche  SENIOR, 
auf  der  unteren  SEN  in  verkehrter  Schrift,  vielleicht  auch  noch 
ausserdem  eine  bildliche  Darstellung  enthält.  Vgl.  Corp.  inscr.  lat. 
t  VII  n.  1320.  Wie  man  sieht,  ist  die  Zahl  der  Siegelsteine,  über 
die  uns  rücksichtlich  dieser  Eigenthümlichkeit  genauere  Nachrichten 


^fc 


K  Stfempel  römiisohef  Augenärzte.  99 

vorliegen,  eine  versehwindend  kleine  im  Verhältniss  zu  der  Zahl  der 
bis  jetzt  bekannt  gewordenen  Stempel.  Indessen  auch  diese  wenigen 
gewähren  schon  ein  einigermassen  interessantes  Resultat.  Was  zu- 
nächst die  bildlichen  Darstellungen  auf  der  Oberfläche  der  Stempel 
angeht,  um  mit  ihnen  zu  beginnen,  so  lässt  sich  allei*dings  nicht  mit 
Sicherheit  bestiibmen,  ob  sie  mit  den  auf  den  Seitenflächen  genannten 
Augenheilmitteln  in  Verbindung  gebracht  werden  dürfen  und  wie  diese 
gedacht  werden  soll.  Dazu  bedarf  es  freilich  vorerst  einer  eingehen- 
deren Untersuchung  aller  hier  einschlägigen  Denkmäler.  Keineswegs 
j^och  möchte  ich  mit  Robert,  M^langes  d'arch^ologie  p.  7  sofort 
den  Stab  Ober  sie  brechen  und  sie  überhaupt  für  bedeutungslos  er- 
klären. Sehen  wir  daher  für  jetzt  von  ihnen  ab  und  fassen  wir  bloss 
die  dabet  befindlich^)  Inschriften  ins  Auge,  so  haben  die  Züge  der- 
selben durchgängig  einen  von  den  Inschriften  der  Seitenflächen  ganz 
v^l:schiedenen  Charakter.  Sie  sind  meistens  bloss  leicht  eingeritzt 
uMf  zwnr  in  theüs  cursiven,  theils  uncialen  Buchstaben,  sie  stehen 
fetneif  tfcbt  wie  die  Buchstaben  der  auf  den  schmalen  Seiten  einge- 
grabenen Inschriften  umgekehrt,  so  daiss  sie  von  der  Rechten  zur 
Linken  gelesen  werden  müssen,  sondern  sie  sind  in  der  Regel  gei'ade 
und  lauf^  von  der  Linken  zur  Rechten.  Es  ist  also  zunächst  klar, 
dass  sie  überhaupt  einem  ganz  anderen  Zwecke  gedient  haben. 
Darüber  aber,  sowie  über  ihre  Bedeutung,  g^h^n  die  ürtheile  ausein- 
ander. Sichel,  Oinq  cachets  inödits  p.  8  dachte  bei  diesen  Inschriften 
an  den  Schreiber  derselben,  der  sich  durch  solche  Notizen  auf  der 
Oberfläche  def  Stempel  habe  verewigen  wollen.  Diese  Vermathung 
hat  insofern  An&pruch  auf  Wahrschtinlichkeit,  als  uns  einige  Siegel- 
steine merkwürdiger  Weise  erhalten  sind;  auf  welchen  sich  in  Wirk- 
lichkeit der  Graveur  nennt.  Dies  ist  erstlich  der  Pariser  Stein  des 
L.    Varitts    Heliodorus    (n.    98),    dessen    Oberfläche    di^    Inschrift 

sCRIPSIT  II  MA E  II  DM.  OL    enthält,     und    dann    der 

Gotlliier  des  T.  Claudius  Apolliüaris  und  Q.  Carminitos  Quintianus  (n. 
18))'  wo  die  eine  Seite  das  Datum  der  Anfertigung,  nämlich  Uli  Kai 
Mmi;.'  a.  204  p.  Chr.,  die  andere  die  Worte  sc^  m  p  poüpbI  |)  Iakivs 
vIctoMln  II  vs  gibt,  welche  Momnisen  scr(ibit)  m(edicamentum?)  P(ublins) 
Pompeiianius  Victorinus  gedeutet  hat  Vgl.  Zangemeister  im  Hermes 
■  Bd.  II  (1867)  S.  315  ff.  Bei  allen  übrigen  Stempeln  aber  gibt  die 
Oberfläche  bloss  den  Namen,  ohne  jedwede  Andeutung  des  scribere. 
Da  somit  jeder  weitere  Anhalt  fehlt,  so  möchte  ich  es  für's  Erste 
noch  als  sehr  gewagt  bezeichnen;  in   diesen  Namen  die  Person  des 


1 


100  Stempel  römischer  Augenärzte. 

jedesmaligen  Graveurs  zu  sehen,  zumal  da  ein  anderes  Interesse  von 
grösserer  Bedeutung,  nämlich  das  des  Salbenhändlers  selbst,  eine  viel 
nichtigere  Rolle  spielte.     Es  hat  daher  Grotefend  a.  a.  0.  S.  94  und 
vor  ihm  Schreiber  liiit  ^el  grösserer  Wahrscheinlichkeit  angenommen, 
dass  in  jenen  Inschriften   der  Medikamentenhändler  sich  nenne,  in 
dessen  Besitz  der  Stein  und  somit  die  Salben  waren.   Denn  da  er  den 
Stempel  gebrauchte,   um  ihn  den  von  ihm   verkauften  Salben   als 
Etiquette  aufzudrücken,  so  liegt  es  doch  auf  der  Hand,  dass  er  eher 
den  Namen  seiner  Firma  auf  der  freien  Oberfläche  eingravlren  liess, 
als  den  des  Stempelschneiders,  der  ihm  die  Inschriften  eingegraben 
hatte,  weil  es  doch  jedenfalls  dem   kaufmännischen  Interesse  mehr 
entsprach,   diese  dem  Publikum  zugleich  mit  in  empfehlende  Erinne- 
rung zu  bringen.    Haben  doch  die  Apotheker  sich  auf  den  Stempetai 
so  in  den  Vordergrund  mit  ihrer  Person  zu  drängen  gewusst,  dass  sie 
den  Namen  ihrer  Firma  mit  viel  grösseren  Buchstaben,   welche  die 
ganze  Seite  zuweilen  einnehmen,  direkt  auf  einer  der  zum  Abdmdk 
bestimmten  Seitenflächen  des  Steines  eingraben  Uessen,  wie  dies  der 
Stempel  des  T.  Martins  Servandus  in  Wiesbaden  (n.  63)  und  noch 
deutlicher  der  Riegeler   des  L.  Viridis  Carpus  (n.  62),   sowie  der 
Worms^r  des  C.  Julius  Musicus  (n.  32)  zeigen,  auf  dessen  Namen 
auf  dem  Steine  die  unter  ihm  herlaufenden  Doppellinien  noch  besonders 
die  Aufmerksamkeit  hinlenken,  während  unter  den  übrigen  Zeilen  nur 
einfache  Linien  gezogen*)   sind.     Vgl.  Osann,   Philologus  Bd.  XTV 
(1859)  S.  634  und  638.    Schreiber,  Mittheilungen  des  histor.  Vereins 
für  Steiermark,  Bd.  VI  (1855)  S.  80.    So  wie  die  Sache  jetzt  Uegt, 
lassen  sich  die  Inschriften  auf  der  Oberfläche  unserer  Siegelsteine  hin- 
sichtlich ihres  Zweckes  in  drei  Gruppen  scheiden.    Voran  stehen  die* 
jenigen  Stempel,  welche  den  Namen  des  Augenarztes  und  seiner  Mittel 
auf  der  Oberfläche  noch  einmal  wiederholt  enthalten.    Sie  verdankeJ^ 
diese  Einrichtung,  wie  schon  A.  W.  Zumpt,  Archäol.  Zeitung  10.  Jahr^* 
(1852)  S.  428  behauptet  hat,  dem  Verkäufer,  der  sich  diese  kurze;^ 
inschriftlichen  Notizen  gemacht  hat,  um  sich  sofort  zu  orientiren  un^ 
beim  Stempebi  der  Salben  nicht  zu  irren.    Dieser  zur' Seite  steht  di« 
zweite  Klasse,  welche  bis  jetzt  bloss  durch  zwei  Exemplare  vertrete:«^ 


/)  Ob  diesen  Zweck  auch  die  leicht  mit  dem  Griffel  eingeritzten  Naine^ 
yj{L  und  SOLI  des  Stempels  n.  101  von  unbekannter  Herkunft  erfüllen  solltei». 
welche  sich  auf  zwei  äer  schmalen  Seiten  vertheilen,  und  die  Huebner  Va(leri^) 
Soli(ni)  erklärt  hat,  wage  ich  nicht  ku  entscheiden.  Vgl,  Corp.  inscr^  lat.  t.  Yf2 
p.  287  n.  1821. 


Stempel  römischer  Augenärzte.  101 

ist  und  die  auf  ihrer  Plattseite  ausdrücklich  den  Namen  desjenigen 
aufführt,  welcher  im  Bureau  des  Medikamentenhändlers  die  Stempel- 
inschriften cingravirt  hat  Zwischen  beide  tritt  die  dritte  Gruppe, 
welche  eine  von  den  auf  den  Schmalseiten  angeführten  Aerzten  ver- 
schiedene Persönlichkeit  ohne  sonstige  nähere  Bestimmung  namhaft 
macht.  Diese  dort  genannten  Personen  möchte  ich  mit  Grotefend  für 
die  Pharmaceuten  halten,  welche  den  Verkauf  der  Augenheilmittel 
betrieben.  Denn  es  wird  von  Tag  zu  Tag  immer  klarer,  dass  wir  in 
diesen  kleinen  Monumenten  des  römischen  Alterthums  das  Handwerk- 
zeug nicht  der  ärztlichen  Praxis,  sondern  der  gewerblichen  Thätigkeit 
von  Medikamentenhändlern  vor  uns  haben.  Vollständige  Gewissheit 
über  diese  Frage  kann  freilich  nur  eine  eingehendere  Kenntniss  aller 
Stempel  bieten. 

Was  die  nun  folgenden  Stempel  anbetrifft,  so  habe  ich  mich  in 
der  Anordnung  derselben  an  das  von  Grotefend  befolgte  Princip,  sie 
alphabetisch  nach  den  Familiennamen  auf  einander  folgen  zu  lassen, 
gehalten,  weil  es  die  Uebersichtlichkeit  fördert,  und  habe  ich  auch 
im  Anschluss  an  seine  Nummerirung  die  Zählung  fortgeführt,  wobei 
ich  bemerke,  dass  ich  den  von  Grotefend  unter  n.  111  aufgeführten 
Sarder  der  Hertz'schen  Sammlung  in  London  als  n.  112  gezählt  habe, 
weil  er  den  ihm  zu  spät  bekannt  gewordenen  Lyoner  Stempel  n.  29b 
nicht  mehr  mit  einer  fortlaufenden  Nummer  hat  versehen  können. 

Die  auf  den  Stempeln  zu  einem  Schriftzug  verbundenen  Buch- 
staben oder  litterae  ligatae  habe  ich  einfach  aufgelöst  und  ihr  Vor- 
handensein durch  BogeU;  welche  ich  unter  die  betreffenden  Buchstaben 
gesetzt  habe,  angedeutet. 

113. 
Albucius. 

Gefunden  zu  Nais-en-Barrois  (D^p.  de  la  Meuse),  jetzt  im  Museum 
der  Stadt  BesauQon.  Er  ist  höchst  wahrscheinlich  einer  der  dreizehn 
Siegelsteine,  welche  im  Jahre  1808  an  dem  erwähnten  Orte  gefunden 
und  von  denen  bis  jetzt  sieben  bloss  beschrieben  worden  sind. 

1.   ALBVCICHELID 
AD-CALIGGEN-SCA'BP;//, 

^     2,   ALBVCI  •  DIAPOBALS 
ADOMN- CAJIG  DELAC 


102  Stempel  römischer  Aageo&rzte. 

3.  ALBVCI-  MELIN 
DELACEX-EM- PVL. 

4.  ALBVCI  TR  IT" 
AD  CLARITVD 

1.  Albuci(0  chelid(onium)  ||  ad  calig(inem),  gen(arum)  scabr(iticm). 

2.  Albuci(i)  dia(o)pobals(amu)  ||  ad    omn(em)  calig(inem)  delac(rima- 

torium). 

3.  Albuci(i)  melin(um)  1|  delac(rimatörium)  ex  em(endato)  pul(vere). 

4.  Albuci(i)  trit(icum)  ||  ad  claritud(ineiir). 

Litteratur:  A.  Gastan  in  M6moires  de^la  soci^tä  d'^mulatiou  du 
Doubs,  4rae  Serie,  vol.  III  (Besan^on  1868)  p.  33  flf.  =  ün  cachet 
in6dit  d'un  oculiste  romain.  Besangon  1868.  8^.  —  Daher  Caumont, 
Bulletin  monumentÄl,  4me  Sörie,  t.  V  (=  vol.  XXXV  der  ganzen 
Collection)  p.  225,  ^o  jedoch  bloss  die  Inschrift  der  vierten  Seite  mit- 
getheilt  ist. 

Der  Stempel,  dessen  Material  aus  grünlichem  Speckstein  besteht, 
nüsst  in  der  Länge  0,027  m.,  in  der  Breite  0,021  m.  Die  mittlere 
Dicke  desselben  beträgt  0,005  m. 

Hier  werden  uns  vier  verschiedene  Mittel  eines  und  desselben 
Arztes  vorgeführt,  der  hier  zum  ersten  Mal  erscheint.  Er  gehörte 
einer  Familie  an,  die  auf  in^chriftlichen  Denkmälern  sowohl  als  auch 
bei  den  alten  Autoren  häufig  erwähnt  wird  und  welche  in  ihrem 
Schoosse  mehrere  litterarisch  thätige  Mitglieder  grossgezogen  hatte 
Ich  erinnere  an  den  von  Lucilius  stark  gegeisselten  Epikureer  T.  AI* 
bucius,  welchen  freilich  Cicero,  Brutus  35,  131  einen  perfectus  Epi- 
cureus  nennt,  vgl.  Lucili,  Sat  reliq.  ine.  fr.  IX  p.  135  Mueller ;  ferner 
an  den  Satiriker  L.  Albucius  bei  Varro,  de  re  rustica  III,  2,  17  und  den 
bekannten  Rhetor  G.  Albucius  Silus  aus  Novara,  von  dem  der  ältere 
Seneca  uns  mehrere  Proben  seiner  Beredsamkeit  überliefert  hat.  Wenn 
jedoch  Gastan  erklärt,  die  Frage  unentschieden  lassen  zu  wollen,  ob 
der  Arzt  unseres  Stempels  mit  dem  gleichnamigen  Leibarzt  des  Kaisers 
Tiberius  identisch  sei,  der  eine  Gage  von  250,000  Sesterzen  bezogen 
habe,  so  thut  er  sehr  wohl  daran.  Denn  Le  Giere,  histoire  de  la 
mödecinc  p.  576,  auf  den  er  sich  beruft,  hat  seine  Angaben  über  diesen 
Arzt  aus  alten  Ausgaben  des  Plinius  genommen.  Die  neuere,  auf 
einer  umfassenden  Vergleichung  der  Handschriften  beruhende  Kritik 
hat  jedoch  gezeigt,  dass  der  Name  des  Albucius  an  der  von  Le  Giere 
angezogenen  Stelle  des  Plinius  nat.  bist.  XXIX,  1,  7:  „Multos  prae- 


Stempel  römisoher  Augenärzte.  108 

terea  me^icos  celeberrimosque  ex  his  Gassios,  Calpetanos,  AiTuntios, 
Rubrios.  ducena  quinquagena  HS  annua  his  mercedes  fuere  apud 
principes^'  durch  eine  Dittographie  aus  dem  vorhergehenden  Arruntios 
entstanden  ist. 

Was  die  von  Albucius  vorgeführten  Heilmittel  angeht,  so  sind 
sie  zum  grossen  Theil  bekannt.  Das  zuerst  genannte  Chelidonium 
genoss  im  Alterthum  des  Rufes,  eine  grosse  Heilkraft  gegen  die 
Schwäche  der  Sehkraft  zu  besitzen,  und  sein  Ansehen  wurde  noch  durch 
die  Sage  erhöht,  welche  sich  bei  verschiedenen  Schriftstellern  über 
dasselbe  erwähnt  findet,  dass  die  Schwalben  ihren  Jungen,  selbst  wenn 
die  Augen  ausgestochen  worden  waren,  durch  Bestreichen  mit  dem  Safte 
der  Pflanze  das  Gesicht  wiederherstellten.  Vgl.  Eutecnius,  Ixeutica  I, 
18.  Plinius,  nat,  hist  XXV,  8,  89  f.  Ein  Recept  des  coUyrium  hat 
Galenus  de  compos.  medicam.  sec.  locos  IV,  8  t.  XH  p.  883  K.  gegeben. 
Seine  Anwendung  ad  caliginem  ist  auch  sonst  durch  Stempel  bekannt 
wie  n.  27.  80.  88;  dahingegen  sein  Gebrauch  ad  genarum  scabritiem 
begegnet  uns  hier  zum  ei'sten  Male,  während  der  Stempel  des  L. 
Gaemius  Paternus  zu  Lyon^n.  11  dasselbe  ad  genarum  cicatrices  vor- 
schreibt. Auffallend  und  bis  jetzt  vereinzelt  dastehend  ist  die  Neben- 
einanderstellung der  beiden  Augenleiden  ohne  die  verbindende  Partikel 
eCj  welche  sonst  nie  zu  fehlen  pflegt:  eine  Freiheit,  welche  sich  der 
Stempelschneider  wohl  aus  Mangel  an  Raum  erlaubt  hat.  Durch  das 
fehlende  et  scheint  auch  Castan  irre  geführt  worden  zu  sem,  indem 
er  sich  zu  der  sonderbaren  Interpretation  ad  caliggenes  (so !)  scabriticias 
herbeil  iess,  deren  Widerlegung  wohl  keines  Wortes  bedarf.  — 

Das  zweite  Mittel  bat  Castan  erklärt  DIAPOBALSamatum  AD 
OMNes  CALIGgenes  DELAGrimatorias  mit  folgender  Anmer- 
kung: „ce  teime  r^sulte  de  la  soudure  et  de.la  contraction  des  deux' 
mots  diap3oricuin  opohalsamcUum,  qui  figurent  d^jä  sur  le  premier 
cachet  de  Lyon  [n.  16},  sur  celui  d'J6na  [n.  78]  et  sur  le  second 
cachet  de  Mandeure  [n.  20]^.  Wie  sich  Castan  die  Abbreviation  dieser 
Worte  gedacht  hat,  vermag  ich  nicht  zu  begreifen,  fest  steht  jedoch 
jetzt  durch  den  Stempel  des  Isadelius  aus  Bavai  n.  116,  wo  der  Name 
dieses  Mittels  vollständig  ausgeschrieben  erscheint,  dass  Diaopobalsamu 
hier  zu  lesen  ist  und  dass  bloss  das  zufällige  Versehen  des  Stempel- 
schneiders, der  0  nach  dia  ausliess,  die  wahre  Form  de«  Wortes  etwas 
entstellt  hat.  Ueber  die  Form  selbst  werde  ich  bei  n.  117  das  Weitere 
sagen.  In  den  Worten  AD-OMN-CAJG  fehlt,  wie  Castan  geglaubt 
hat,  I  nicht,  sondern  ist,  wie  schon  die  umgekehrte  Stellung  des  J 


I 


104  Stempel  römiscber  Augenärzte. 

zeigt,  mit  L  ligirt.  Ebenso  wenig  stimme  ich  Castan  bei,  wenn  er  de- 
lacrimatorias  erklärt;  es  ist  vielmehr  eng  mit  Diaopobalsamu  zu  ver- 
binden und  delacrimatoriom  zu  lesen.  Denn  so  gibt  es  ein  Melinaxn 
delacrimatorium  n.  88,  ein  Stactum  delacrimatorium  n.  58  und  ein 
Thalasseros  delacrimatorium  n.  99,  um  anderer  ähnlicher  Zusammeia- 
Stellungen  nicht  zu  gedenken.  Dass  das  Epitheton  ddacrimatoriunoi 
hier  nicht  an  der  sonst  gebräuchlichen  regelrechten  Stelle  unmittelba^r 
hinter  Diaopobalsamu  steht,  bietet  für  unsere  Erklärung  keine 
Schwierigkeit.  Denn  fUr  eine  solche  Stellung  haben  wir  Analogieex 
auf  anderen  Stempeln,  z.  B.  n.  55  ein  Isochrysum  ad  scabritiem  et 
claritatem  opobalsamatum  und  n.  97  ein  Stactum  ad  caliginesf  öpob&l- 
samatum.  —  lieber  das  MELINVM,  griechisch  fi^hvov,  und  den 
Ursprung  seines  Namens  gehen  die  Ansichten  sehr  auseinander.  Sax.e, 
Epistola  de  vet  medici  ocul.  gemma  sphragide  (Traj.  ad  Rhen.  17  T4) 
p.  29  f.,  dem  ^Tdchon,  Dissertation  sur  Tinscription  grecque  Vac7o^^o£ 
Av'/iov  p.  18  sich  angeschlossen  hat,  leiten  es  von  dem  Namen  des 
Alaun^  meUnum,  ab,  der  nach  dem  Zeugniss  des  Plinius  nat  hist. 
XXXV,  15,  188  oculorum  scabritifts  extenuat,  combustum  utilius 
epiphoris  inhibendis.  Walch,  Antiquitates  medicae  selectae  (Jena  1772) 
p.  55  f.  hielt  es  für  eine  aus  Quittenöl  bereitete  Salbe  mit  Berufaxie 
auf  Plinius  n.  h.  XIII,  1,  11  und  XXIII;  6,  102.  Am  wahrschein- 
lichsten hat  Sichel,  Ginq  cachets  inMite  p.  20  nach  dem  'Vorgange  von 
Caylus,  Recueil  d'antiquit^  t.  I  p.  226  seinen  Namen  von  der  gell)- 
liehen  Farbe  hergeleitet,  welche  es  von  der  Quitte  erhielt  Merk- 
wfirdig  bleibt  immerhin,  dass  Galenus,  der  an  verschiedenen  Stellen 
des  Melinum  gedenkt,  niemals  erwähnt,  dass  Quitten  oder  Alaun  dazu, 
benutzt  wurden,  wie  er  das  sonst  zu  thun  pflegt.  Vgl.  Galen,  de 
compos.  medicam.  IV,  8 1.  XII  p.  769,  786,  787.  Üebrigens  spricht  fiX^ 
die  Richtigkeit  dieser  Deutung  des  Namens  die  analoge  BezeichnanS 
anderer  Mittel  auf  unseren  Stempeln,  so  das  Cirron  (n.  83),  welches 
seinen  Namen  von  dem  röthlich -braunen  Aussehen  entlehnt  YieJ^^ 
welches  ihm  die  zu  seiner  Bereitung  benutzten  Ingredienzen  gabeo« 
vgl.  Dufour,  M^moires  de  la  soci6t6  des  antiq.  de  Picardie  t.  VlH 
(1847)  p.  622 ;  so  das  Chrysomelinum  auf  dem  Stempel  zu  Bath  (n.  5  3) 
von  seiner  goldgelben  Farbe^  endlich  das  Thalasseros  (ebenda)  von  d^^* 
grünlich-bläulichen  Farbe  des  Meeres,  womit  vortrefflich,  stimmt,  weia.n 
Galenus  de  compös.  medicam.  IV,  8  t.  XII  p.  781  Kühn  den  Indi^^ 
ißihxv  ^Ivdimv)  und  Aötius  11,  3,  110  den  Griinspan  (o  log)  unt;^^ 
den  Substanzen  dieses  Mittels  nennen.    Das  Melinum  heisst  hier 


Stempel  römischer  Augenärsie.  105 

auf  Stempel  n.  88  delacrimatorium,  Über  dessen  Bedeutung  Marcellus 
Empiricus  c.  8  Auischluss  gibt.  Ebenso  findet  sich  ein  Stactum  dela- 
crimatorium (n.  58)  und  ein  Thalasseros  delacrimatorium  (n.  88).  — 
Grosse  Schwierigkeiten  aber  bieten  die  letzten  Worte  dieser  dritten 
Inschrift  dar,  zumal  da  der  galvanoplastische  Abdruck,  welchen  Castan 
von  ihnen  gegeben  hat,  die  Lesung  derselben  nicht  über  allen  Zweifel 
sicher  stellt.  Castan  hat  sie  EX*  EM*  PVL  '  gelesen  und  ex 
emendato^  pulvere  ergänzt,  was  er  französich  mit  ,,ä  employer  en 
poudre  tamis^^^'  übersetzt.  Ob  dies  richtig  ist,  vermag  ich  nicht  zu 
entscheiden.  Ist  dies  aber  der  Fall,  dann  scheint  es,  dass  wir  in 
diesen  Worten  eine  ahnliche  Formel  haben,  wie  die  auf  den  Stempeln 
häufig  wiederkehrenden  Bezeichnungen  EX  OVO,  EX  AQVA, 
£  LAOTE,  E  MVLIEBRI  LAOTE;  wozu  noch  der  Wein  kommt, 
und  wodurch,  wie  wir  aus  unzähligen  Stellen  des  Galenus  erfahren, 
die  Flüssigkeiten  bezeichnet  wurden,  worin  die  hartgewordene  Salben- 
masse für  den  jedesmaligen  Gebrauch  erst  aufgelöst  werden  musste. 
Allein  mit  dieser  Erklärungsweise  scheint  die  Natur  des  Mittels  in 
geradem  Widerspruch  zu  stehen.  Denn  wenn  Galenus  de  compos. 
medicam.  see.  locos.  IV  8  t  XII  p.  769.  sagt :  MijXivov  TQVipBQov  noiovv 
fCQog  %ovg  (ifji^  tjvrivaovv  ^ij^iv  qHXQfiCcxwv  vnofievovzag,  so  passt 
dazu  gewiss  sehr  wenig,  wenn  es  auch  mit  pulvis,  selbst  wenn  er 
emendatus  war,  aufgetragen  werden  sollte.  Es  müssen  daher  die 
Worte,  wenn  sie  von  Castan  so  richtig  gelesen  worden  sind,  entweder 
eine  andere  Bedeutung  haben,  oder  aber,  was  mir  wahrscheinlicher  dünkt, 
der  Stein  eine  andere  Lesung  bieten,  was  nur  durch  eine  abermalige 
genaue  Untersuchung  desselben  festgestellt  werden  kann.  —  Die  vierte 
Seitenfläche  endlich  bietet  uns  ein  bisher  unbekanntes  Heilmittel,  das 
Triticum,  welches  seinen  Namen  wahrscheinlich  von  seinem  Haupt- 
bestandtheil,  dem  Weizenmehl^  erhalten  hat.  Es  hat  vielfach  Ver- 
wendung bei  Augenkrankheiten  gefunden.  Galenus,  de  remediis  para- 
bilibus  I,  4  t.  XTV  p.  343  Kuehn  führt  uns  ein  aus  demselben 
bereitetes  Recept  gegen  langwierige  Augenaffectionen  an:  nvqovg  ini 
'dutnvQUßv  oidrjQWv  oicxr^aavxBq  avv  oCvtfi  nuxtaxQio^ev  vä  ßkifpaga. 

Hatten  die  Inschriften  der  vier  Seitenflächen  des  Stempels  keine 
besondere  Abnormität ,  so  ist  dies  jedoch  der  Fall  mit  den  beiden 
Breitseiten  desselben.  Auf  der  einen  derselben  erblickt  man  in  der 
Mitte  eine  veitieft  eingegrabene  Abbildung,  in  welcher  Castan  zwei 
Blätter  einer  Pflanze  erkennen  wollte,  während  nach  dem  von  ihm 
gegebenen  Facsimile  es  mir  vielmehr  zwei  Pflanzenwurzeln  zu  sein 


.* 


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106 


Stempel  römisohor  Augenärzte. 


scheinen.    Ich  betrachte  diese  Deutung  um  so  mehr  als  die  rieh 
als  auch  sonst  Wurzeln  von  Pflanzen  ^  vielleicht  derjenigen,  Yi 
die  Hauptingredienz  eines  der  angefahrten  Mittel  bildete  —  auf 
Breitseite  der  Stempelsteine  in  Abbildungen  wiederkehren.    Vgl 
Stempel  des  C.  Annius  Gensorinus  aus  Bavai  n.  114.    Dieselben 
an  den  vier  Seiten  durch  eine  ununterbrochene  Reihe  von  Vei^ieru 
eingefasst,   welche  Castan  als  Gursivzüge  ansieht.     Darüber 
Kundigere  aburtheilen.    Die  andere  Seite  bietet  dieselbe  Art  von 
fassung    durch  Schnörkeleien ,    welche    ausserdem    in  drei 
Linien  in  der  Mitte  sich  hinziehen  und  in  einem  rechten  Winkel 
eine  Ergänzungslinie  durchschnitten  worden.    In  jhnen  sieht  G 
wie  er  selbst  sich  ausdrückt,  ,une  sorte  de  memento  pharmac 
Gompos6  en  grande  partie  des  signes  conventionnels,  les  uns  anal 
aux  notes  Tironiennes,  les  autres  aux  hi6roglyphes\     In  einer 
Linien  —  leider  sagt  er  nicht  in  welcher  —  glaubte  er  soga*^ 
Worte  Coclee  decem  zu  erkennen,  während  er  für  die  übrigen  auf' 
regelrechte  Interpretation  verzichtet.   Auch  wir  verzichten  daraa^. 
sinnige  Schnörkeleien  zu, erklären  und  sehen  in  ihnen  mit  Monin, 
ments  des  anciens  idiomes  gaulois,  Besan^n  1861.  S^/p.  14 
Anderes  als  ein  ,vrai  gribouillage  d'enfant  ou  d'apprenti  apothl 

114. 

Gaius  Annius  Gensorinus  und  Victor. 

Mit  einigem  Bedenken  ordne  ich  den  folgenden  Stempel     ^ 
fortlaufende  Reihe  ein,  weil  er  nach  meinem  Dafürhalten  str^ 
nommen  nicht  in  die  Kategorie  dieser  Denkmäler  gehört 

Gefunden  zu  Bavai  (D^p.  du  Nord),  jetzt  im  Besitz  'des 
Anatole  Crapez  zu  Bavai. 

G(aius)  AN(nius)  CENSORINVS 

VIGTOR 

C 

GEN 

G 


1 
e 

X 
B 

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eiae 

un- 
onu- 
lclit& 


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die 
ge- 

erm 


A. 

Seitenflächen : 

1. 
2. 
3. 
4. 

B. 

Breitseite: 

1. 

rie, 


Litteratur:  Ernest  Desjardins  in  der  Revue  archöoL,  Nouv. 
t.  XXV  (1873)  p.  260  f.  und  in  M6moires  de  la  sociitö  d'agricm -» *  *^^^ 
sciences  et  arts  de  Douai,  2me  Sörie,  t.  XI  (1873)   =  Monu«**^^ 
^pigraphiques  de  Bavai  et  du  musöe  de  Deuai.    Douai  187S.  p.  '^"^ 
und  pl.  VI  fig.  l. 


Steqipel  römischer  Augenärzte.  107 

Dieser  Siegelstein  von  blasegrünem  Serpentin  hat  aiif  den  Seiten- 
flächen eine  Wihe  von  0,004  m.,  die  Länge  der  zweiten  Seitenfläche  be- 
trägt Q,021  m.,  die  der  dritten  Seitenfläche  0,012  m.  Er  weicht  in  jeder 
Beziehung  von  der  Form  ab,  in  der  uns  die  bisher  bekannten' Stempel 
dßr  Augenärzte  zu  erscheinen  pflogen.  Der  Stein  hat  nämlich  die 
Gestalt  eines  unregelmässigen  Sechsecks,  er  hat  demnach  acht  Seiten, 
deren  jede  entweder  besehrieben  oder  mit  kleinen  Ornamenten  ge- 
schmückt ist  und  steht  in  dieser  Beziehung  völlig  vereinzelt  da.  Kur 
die  Flächen  1,  2,  3  tragen  Inschriften,  auf  der  vierten  Fläche  befindet 
sich  der  Buchstabe  6,  welcher  in  sehr  vergrösserter  Gestalt  auch 
unten  rechts  vom  Beschauer  auf  der  einen  der  beiden  Plattseiten  des 
Steines  wiederkehrt.  Die  andere  Seite  hat  dafür  als  Schmuck  die 
Abbildung  einer  Pflanzenwursfel  erhalten.  Ausserdem  verdient  noch 
bemerkt  zu  werden,  dass  die  zweite  Seitenfläche  die  Eigenthümlichkeit 
hat,  dass  der  dort  eingeritzte  Name  in  rückwärtslaufender  Schrift  ein- 
getragen ist,  wodurch  er  erst  beim  Stempeln  in  der  rechten  Form 
erscheint. 

Dieser  Stein  kann,  wie  Desjardins  schon  richtig  bemerkt  bat, 
hinsichtlich  dieser  EigenthUmlichkeiten  nur  verglichen  werden  mit  dem 
bekannten  Stempel  des  G.  L  V  C.  SABIN-  aus  Besangon  bei  Sichel, 
Nouveau  recueil  des  pierres  sigillaires  d'oculistes  romains  p.  115  n.  96, 
welcher  ihn  als  lapis  Vesontinus  quintus  dort  beschrieben  hat.  Denn 
er  hat  im  Gegensatz  zu  der  viereckigen  Gestalt  der  übrigen  Augen* 
arztstempel  das  Aussehen  eines  Dreiecks,  welches  an  den  beiden  Ecken 
seiner  Grundlinien  abgestumpft  ist.  Schon  bei  diesem  Stein  hat  Sichel 
den  leisen  Zweifel  nicht  unterdrücken  können,  dass  er  bloss  der 
Stempel  eines  Salbenhändlers  sei  und  nicht  der  des  ärzthchen  Er- 
finders. Und  dieser  Ansicht  ist  auch  neuerdmgs  Grotefend  a.  a.  0. 
S.  8  Anmerk.  9  und  S.  47  Anmerk.  11  beigetreten.  Auch  bei  unserem 
Stempel,  auf  dem  ebenso  wie  auf  denjenigen  von  Besangen  die  An- 
gabe der  Mittel  fehlt,  scheint  etwas  Aehnliches  der  Fall  zu  sein. 
Desijardins  hat  mit  Recht  schon  darauf  aufmerksam  gemacht»  dass 
unter  den  zwei  auf  den  Schmalseiten  des  Steines  befindlichen  Namen, 
der  des  G.  Annius  Gensorinus  jedenfalls  als  der  hauptsächliche  zu 
betrachten  sei,  weil  er  auf  der  längeren  der  drei  beschriebenen  Seiten- 
flächen stehe  und  weil  er  noch  dreimal  ins  Gedächtniss  zurückgerufen 
werde,  das  «rste  Mal  durch  die  Anfangssilbe  C£N  des  Gognomens 
auf  einer  der  kleineren  Flächen,  dann  zum  zweiten  und  dritten  Mal 
durch  ein  einfaches  G,  den  Anfangsbuchstaben  des  Wortes  Gensorinus, 


1 


«. 


v/ 


■*  1 


^ 


108  Stempel  römischer  Augeoänie. 

auf  einer  der  Schmalseiten  und  auf  einer  der  breiten  Seiten  des  Steines. 
Nun  ist  es  zwar  bekannt,  dass  auch  sonst  auf  Augenarztstempebi  ein 
Mittel  den  Namen  mehrerer  Aerzte  zugleich  fährt,  wie  bei  Grotefend 
n.  6:  Latini  et  Juli(i)  ||  diabsoricum;  n.  17:  Claudior(um)  Gal- 
b(aneum)  ad  cicat(rices)  und  n.  63:  T.  Livi  et  Marjlci  Catuli 
atr(amentum),  so  dass  man  leicht  dadurch  versucht  sein  könnte,  auch 
hier  ein  Gleiches  anzunehmen  und  in  der  Abbildung  der  Pflanzen- 
wurzel, in  welcher  ein  französischer  Arzt,  Ch.  Martin,  den  Zwiebel  der 
Safranpflanze  zu  erkennen  glaubte,  eine  Andeutung  des  Mittels  selbst 
zu  sehen.  Fei-ner  ersehen  wir  zwar  aus  Galenus  de  compos.  medicam. 
IV,  8  t.  XII  p.  773  Euehn,  dass  ein  Mittel  des  Antigonus,  welches 
von  Safran  bereitet  war,  den  Namen  Xeovra^iov  fahrte,  weil  das  Bild 
eines  Löwen  der  Salbe  als  Stempel  aufgedräckt  war,  iTteidri  nsQ 
ykvfificcn  TovT(fi  eatpQoyi^ero,  wie  Galenus  sagt.  Da  jedoch  auf  den 
bisher  entdeckten  Stempeln,  deren  wir  jetzt  doch  schon  eine  ganz 
erkleckliche  Zahl  kennen,  auch  nicht  die  geringste  Spur  einer  solchen 
Bezeichnung  des  Arzneimittels  vorkommt,  so  macht  mich  dieser  Um-  ^ 
stand  sehr  bedenklich  und  neige  ich  deshalb  zu  der  Annahme  hin, 
dass  durch  jene  abgebildete  Pflanzenzwiebel  weniger  ein  bestimmtes 
Mittel  als  vielmehr  seine  Substanz  hat  angedeutet  werden  sollen.  Wir 
werden  daher  mit  Desjardins  in  jenen  zwei  auf  den  Schmalseiten  des 
Stempels  befindlichen  Namen  zwei  verschiedene  Persönlichkeiten  an- 
nehmen müssen,  von  denen  der  eine  der  ärztliche  Erfinder  des  betreffen- 
den Mittels,  für  welches  der  Stempel  bestimmt  war,  der  andere  der 
Händler  war.  Etwas  Aehnliches  haben  wir  auf  zwei  längst  bekannten 
Stempeln  von  Riegel  im  Grossherzoglhum  Baden  und  aus  Wiesbaden 
bei  Grotefend  n.  62.  und  63.  Denn  auf  dem  ersten  nennt  sich  neben  dem 
Arzt  L.  Latinius  Quartus  noch  ein  L.  Vir(iu8)  Garpus,  auf  dem  zweiten 
steht  hinter  den  Aerzten  T.  Livius  und  Marcus  Catulus  mit  ihrem  Mittel, 
dem  atramentum,  noch  der  Name  des  T.  Martius  Servandus.  In  beiden 
haben  Schreiber  und  Grotefend  schon  richtig,  wie  mir  scheint,  den 
das  Mittel  vertreibenden  Apotheker  entdeckt.  Beide  Stempel  scheinen 
übrigens  in  erster  Linie  speciell  für  die  beiden  Verkäufer  bestimmt 
gewesen  zu  sein,  denn  die  Namen  der  beiden  Verkäufer  nehmen  in 
einer  Zeile  die  ganze  Seite  ein,  wobei  der  Name  des  einen  derselben, 
des  L.  Virius  Carpus,  mit  viel  grösseren  Buchstaben  als  die  vorher- 
gehenden Zeilen  geschrieben  ist,  so  dass  sie  auf  den  Mitteln  besonders 
in  die  Augen  fallen  mussten.  Erwägt  man  nun,  dass  auf  unserem 
Steine  der  Name  des  Gaius  Annius  Censorinus  die  grösste  Schmal- 


Stempel  römischer  Augenarzte.  109 

Seite  des  Steines  einnimmt  und  zndem  noch  zweimal  mit  den  Anfangs* 
buchstaben  des  Gognomens  bezeichnet  wiederkehrt,  so  glaube  ich  nicht 
zu  irren,  wenn  ich  den  Gensorinus  nach  der  Analogie  der  oben  be- 
sprochenen Steine  als  den  Händler;  den  auf  der  kleineren  Schmalseite 
genannten  Victor  als  den  Arzt  und  Erfinder  der  mit  dem  Stempel  zu 
bezeichnenden  Salbe  ansehe. 

115.  ' 
Cassius  Jucundus. 

Gefunden  im  J.  1870,  wie  es  scheint,  zu  Reims. 

a)  Auf  den  beiden  Längenseiten: 

1.  CASSI  IVCVNDI  DISMYR 

NES  AD  INPETVS  OCV 

2.  CASS-  IVCVNDI  DIALEPI 

DOS  AD  ASPRITVDINE 

b)  Auf  den  beiden  kleineren  Seiten : 

3.  FLOS  ROM 

4.  FLOS   ROM 

1.  CassiO)  lucundi  di(a)smyr||nes  ad  inpetus  ocu(lorum). 

2.  Ga8s(ii)  lucundi  dialepi  Jdos  ad  aspritudine(m). 

3.  Flos  Ro(s)m(arini}. 

4.  Flos  Ro(8)m(arini). 

Litteratur:  Charles  Robert  in  den  Comptes  rendus  des  s^nces 
de  l'acad^mie  des  inscriptions  et  helles  -  lettres  de  Tannäe  1870, 
NouY.  S^rie,  tome  VI  (Paris  1870)  p.  77  f.,  und  ausführlicher  in 
Mäanges  d'arch^ologie.  Paris  1870.  8^  p.  17  ff.  —  Daher  Revue 
archtol.,  Nouv.  Särie,  vol.  XXI  (1870)  p.  348  und  Philologus  Bd. 
XXXI  S,  375. 

Der  Stempel  besteht  aus  Ghloritschider  und  misst  in  der  Länge 
0,040  m.,  in  der  Breite  0,027  m.  und  ist  0,006  m.  bis  0,007  m.  dick. 
Er  ist  einer  der  kleinsten,  welche  wir  kennen. 

D^  Name  des  Ar^  begegnet  uns  hier  zum  ersten  Mal,  wie 
auch  die  Verbindung  des  Cognomens  Jucundus  mit  dem  Gentilnamen 
.Cassius  neu  ist.  —  Das  zuerst  genannte  Heilmittel  Diasmymes,  über 
dessen  Namen  und  Composition  ich  auf  das  zu  n.  116  Gesagte  ver- 
weise, ist  vielfach  auf  unseren  Stempeln  vorgeschrieben;  beacbtens- 
werth  ist  hier  nur  das  Versehen  des  Steinmetzen,  welcher  DIS  M  YBNES 


» 


110  Stempel  romischer  Augenfirste.  »         ^^^ 

anstatt  DIASMYRNE8  in  den  Stein  eingeschnitten  hat,  ein  Versehen, 
welches  auch  sonst  nicht  ohne  analoge  Beispiele  dasteht,  so  z.  S.  auf 
dem  Stempel  des  Albucius  von  Nais  n.  113,  wo  DIAPOBALS(aratr) 
für  DIAOPOBALS (amu)  und    sogar  auf  unserem   Stempel ,  wo 
FLOS  ROM(arini)  anstatt  FLOS  ROSM(firini)  steht.     Nea  ist 
ferner  die  Formel  ad  inpetus  ocu(lorum),  wihread  sonst  steh  e/liftcii 
ad  impetum   oder  auch  ad  impetum  lippitudinis  findet.    GewöZtoIicii 
führen  jedoch  unsere  Stempel  die  Anwendung  dieses  Mittels  als  wirk- 
sam post  impetum  lippitudinis  an.   — -  Das  zweite  Mittel,  Dialepidos, 
und  zwar  für  dieselbe  Augenkrankheit  verordnet,  kehrt  s^  haa%  auf 
den  schon  bekannten  Steinen  wieder,  dass  es  kaum  nöthig  ist,  es 
noch  mit  einer  erläuternden  Bemerkung  zu  versehen.    Wie  hier  zwei 
verschiedene  Mittel  für  eine  und  dieselbe  Krankheit  genannt  sind,  so 
kommen  auf  dem  Stempel  n.  59  deren  vier  gegen  lippitudo  vor.    Die 
Inschrift,  welche  dieses  Mittel  enthält,  ist  im  Verhältiiiss  zu  deijenigen 
der  ersten  Seitenfläche  weniger  legbar,  weil  man  dieselbe,  wie  es 
scheint,  abzuschleifen  versucht  bat,  um  t^t  ein«'  andere  Platin  zu  ge- 
winnen. 

Einige  Schwierigkeit  bietet  die  auf  den  beiden  kleineren  Seiten- 
flächen genannte  Formel  FLOS  ROM,  indem  es  nicht  feststeht, 
wie  wir  sie  zu  deuten  haben.  HeiT  Robert  dachte  zunäehtsfc  bei  dem 
zweiten  Wort  an  den  Namen  des  Arztes,  etwa  Romaniüs,  mft  Rücksicht 
auf  den  Romaniüs  des  Stempels  aus  Bavai  (n.  85),  ei^  bat  jedoch  diese 
Erklärungsweise  mit  Recht  selbst  als  weniger  stibiiKdbKTg  bezeichnet, 
wiewohl  der  Orund>  den  er  anführt,  dass  de?  Name:  des  Okulisten 
stets  vor  dem  Mittel  stehe,  nicht  stichh&ltiig  ist.  Denn  gerade  (fiesci 
Wortstellung  kennen  wir  noch  auf  drei  anderen  SteHi]^elfiv  Am  des 
C.  Cispius  zu  Vichy  n.  16,  des  T.  Julius  Attalus  2u  Faris  n.  40  imd 
dem  des  ProclianM  von  Nantes  n.  121.  Trotzdem  halOe  ich  Hem 
Roberts  zweite  Ansicht,  dass  in  ROM  der  Name  eines  Mittels  stbdke^ 
für  die  wahrschemlichere,  und  zwar,  weil  die  Beiseichnung  FL 03  viel 
zu  unbestimmt,  ist,  als  dass  sie  so  ohne  n&lgti&tt  Bestihimtmg  hätte  ge- 
setzt werden  können.  Es  ist  die  IfflÜtÜe  des  Rosmarin'  gtm^ 
griechisch  hftavonig,  welches  mehrfach  im  Altein;hum  siur  Bereitung 
von  Arzneien  diente  und  von  dem  Pliniüjs  nat.  hist^  XlX-,  12r,  1Ö7  be- 
richtet, dass  es  auf  den  Magen  heilsam  wirke.  Dass  der  Stempel- 
schneider  S  vor  M  ausgelassen  hat,  wird  Niemand  wundeni)  weiD  er 
bedenkt,  dass  derselbe  kurz  votier  A  in  D^ISM^YRNBB  elienMlB 
zu  setzen  vergessen  hat.    Das  Mittel  ist  Vollständig  neu  uffd  hat 


Stempel  römiaolier  Augenanie.  111 

ausserdem;  worauf  Herr  RoSert  mit  Beeht  aufmerksam  gemacht  hat, 
das  Eigenthümliche,  dass  seine  Benennung  nicht,  wie  die  fast  aller 
übrigen  Salben,  aus  dem  Griechischen  entlehnt  ist.  Merkwürdig  ist 
ferner,  dass  es  zwei  Mal  auf  dem  Stempel  genannt  wird  und  zwar 
ohne  den  Namen  des  Okulisten.  Für  diese  letztere  Abnormität  lassen 
sich  als  BeisjHele  anführen  die  Stempel  des  Sex.  Martinius  Ablaptus 
n.  71  und  des  Hirpidius  Polytimus  n.  38.  Denn  aller  Wahrschein- 
lichkeit nach  rührte  auch  die  Salbe  aus  Rosmarinblüthe  von  demselben 
Gassius  Jucundus  her,  welcher  als  Erfinder  der  beiden  ersten  Mittel 
genannt  ist.  — 

Endlich  liest  man  auf  der  Breitseite  in  der  Mitte  in  kleinen 
Gapitalbuchstaben,  von  denen  einige  umgekehrt  stehen,  GASSI 
IVGVN  und  auf  einer  der  Ecken  IVGVN.  Auf  der  anderen  Seite 
der  breiten  Seiten  stehen  die  Buchstaben  F  und  R.  Letztere  sind 
höchst  wahrscheinlich  F(Ios}  K(osmarini)  zu  deuten.  Ueber  den  Zweck 
dieser  Art  von  Inschriften,  welche  auch  sonst  auf  Stempeln  wieder- 
kehren, habe  ich  in  der  Einleitung  S.  97  ff.  ausführlicher  zu  sprechen 
Gelegenheit  gehabt,  auf  die  ich  hier  verweise. 

116. 
Eprius  Facundus. 

Fundort  dieses  Stempels  unbekannt;  er  war  im  J.  1731  in  der 
Sammlung  von  Sante  -  Bartoli  zu  Rom ;  wo  er  jetzt  aufbewahrt  wird, 
habe  ich  nicht  in  Erfahrung  bringen  können.  Vgl.  Renier,  Comptes 
rendus  de  Tacad.  fran?.  des  inscr,  et  belles-lettres,  Nouv.  Sörie,  t.  VI 
(Paris  1870)  p,  79. 

1.  EBRI-  NL- FAGVNDI  DIA 
.     "^MYRNES  AD  ASPRI- 

2.  FACVNDI  GOLYRIV 
MDIAMYSVS  A  A 

1.  Epri(i),   N(umerii?)    l(iberti),    Facundi    dia||smymes     ad 

aspri(tudines). 

2.  Facundi  col(l)7riu||m  diamysus  a(d)  a(spritudines). 

Litleratur:  Grotefend,  Bulletino  delP  Institute  arch^öl.,  Rom 
1868,  p.  105  aus  einem  ungedruckten  Brief  von  Vettori  an  Gori  vom 
3.  März  1731  m  cod.  Marucellianus  A,  63. 

Die  Grössenverhältnisse  und  das  Material  dieses  Siegelsteines 
sind  nicht  bekannt. 


112 


Stempel  römisoher  Aagen&nste. 


Dieser  Stein  ist  in  mehrfacher  Beziehung  interessant. 
Alterthumsforscher  schon  häufig  mit  Hinweisung   auf  die  als 
namen    vorkommenden   Kaisemamen,    wie   Julius,  Claudius, 
u.  s.  w.,  sowie  auf  die  überwiegend  griechische  Form  der  Clogm. 
wie  z.  B.  Charito,  Dionysodorus,  Euelpistus,  Hypnus,  Philinus, 
menus  und  mehrere  andere,  welche  Grotefend  a.  a.  0.  p.  5  sorr 
zusammengestellt  hat,   die  Behauptung  aufgestellt  haben,    da. 
meisten   der  Augenärzte    dem  Stande   der  Freigelassenen   ea^ 
selbst  angehört  haben  oder  von  Freigelassenen  abstammen,  s 
dies  durch  diesen  Stempel  zur  Thatsache  erhärtet,   indem  hie: 
ersten  Mal  der  Arzt  selbst  sich  als  Freigelassener  eines  Nu 
wie  Grotefend  beispielsweise  den  abgekürzten  Gentilnamen  d 
lassenden   patronus  ergänzt  hat,   als    N(umerii)  L(ibertus)  ei 
Denn  so  ist  nach  meinem  Dafürhalten  die  Sigle  NL  von  6r 
richtig  gedeutet  worden.     Das  vor  der  Sigle  stehende  Wort 
habe  ich  als  Familiennamen  des  Arztes  gefasst  und  in  Eprius 
weil  auch  sonst  B  und  P  mehrfach  auf  den  Stempeln  von  dei 
veuren  verwechselt  worden  ist.     So  steht  DIABSORIGV 
einem  Stempel  von  Dgon  n.  6  und  auf  dem  des  Paulinus  zu 
n.  77,  DABSOR   OPOBALS    auf  dem  Wormser  des  T.  I 
Respectus  und  G.  Julius  Musicus  n.  23,  OBOBALSAMA[TV 
einem  anderen  zu  Autun  n.  34,  DIAFSOR  OBOB  sogar  au 
Reimser  Steine  des  Plotinus  n.  87,  wie  überhaupt   die  Ortho, 
sehr    nächlässig    beobachtet     ist,     wofür    es    genügen 
DIASPHORIG(VM)   auf  dem  Stempel   des  L.  Saccius  Mei 
zu  Besannen  (n.  88)  hingewiesen  zu  haben ').  —  Die  Anwendui 
Diasmymes  oder  auch  nach  jonischer  Schreibweise  auf  einigen 
peln  Diazmymes  genannten  GoUyriums  —  dia  o^vQvrjg  oder  Siaa^^^ 
im  Griechischen  —  ad  äspritudines  ist  neu  auf  den  Stempeb, 
schon  von  Scribonius  Largus,  compos.  medicae  c.  3,  26  hervorg^ 
worden,  wenn  er  sagt:  „sed  praecipue  hoc  [collyrium],  quod  eti&^ 
pustulas  papulasque  et  suppurationes  oculorum,  facit  et  ad  cica^ 
non  veteres  et  ad    palpebrarum  recentem  aut  (etiam?)  in  corp(^ 
tenuioribus  aspritudinem*.  Seinen  Namen  hat  es  von  der  Myrrhe,  w" 
die  Hauptsubstanz  desselben  bildete,  wie  Galenus,  de  simplicium  medl 
temperamentis  ac  facultatibus  X,  3  t.  Xu  p.  257  Euehn  be^^*^^' 
Recepte  dieses  Mittels  geben  uns  sowohl  Galenus,  de  compos.  medf <3^^' 


ol)en 

ad 

ces 


^)  Vgl.  Sichel,  Ginq  oaobetB  inedits  p.  12.  Grotefend,  Stempel  S.  21  u.  S.  1  ^ 


Stempel  römisoher  Augenärzte.  113 

sea  locos  IV,  8  t.  XU  p.  746.  767,  774  K.  als  auch  Scribonius  Largus 
a.  a.  0.  —  In  Bezug  auf  die  Reihenfolge  der  Seitenflächen  habe  ich 
mir  eine  Umstellung  erlaubt,  insofern  als  ich  die  von  Grotefend  nach 
Vettori's  Abschrift  an  die  zweite  Stelle  gerückte  Inschrift  voran  gestellt 
habe:  denn  es  ist  doch  wahrscheinlicher,  dass  der  Graveur  die  mit 
dem  vollen  Namen  des  Augenarztes  beschriebene  Seitenfläche  als  die 
hauptsächlichere  angesehen  wissen  wollte.  Dafür  spricht,  auch  noch 
der  Umstand,  dass  das  Augenleiden,  für  welches  das  zweite  Mittel 
desselben  Arztes  bestimmt  war  und  welches  mit  deiü  zuerst  genannten 

identisch  ist,  durch  die  Sigle  A  Ä  abgekürzt  erscheint,  was  wohl  nicht 
recht  statthaft  war,  wenn  diese  zweite  Seite  des  Stempels  als  die  erste 
hätte  gelten  sollen.  —  Die  zweite  Salbe  Diamysus  und  ihre  Anwen- 
dung ad  aspritudines,  wie  Grotefend  ohne  allen  Zweifel  richtig  die 

Sigle  A  A  gedeutet  hat,  ist  bekannt  aus  den  Stempeln  zu  Riegel 
in  Baden  n.  62  und  zu  Paris  n.  98,  und  wird  ausserdem  noch  von 
Marcellus  Empiricus  c.  8  (ad  aspritudines  oculorum  tollendas)  besonders 
empfohlen.  Die  Ingredienzien  dieses  Mittels,  namentlich  das  fäav,  von 
dem  Grotefend  a.  a.  0.  p.  17  vermuthet,  dass  es  Atrament  sei,  sind 
nicht  näher  bekannt.  Vgl.  Dioscorides,  mat  med.  V,  116.  Was  die 
Schreibung  des  Wortes  Diamysus  anbelangt,  so  ist  sie  wahrschejnlich 
bloss  eine  Verschlechterung  der  auf  mehreren  Stempeln  vorkommen- 
den ächten  Form  Diamisyos,  dw  fdavogj  welche  sich  ausser  hier  auch 
sonst  noch  findet,  z.  B.  n.  61.  90.  94,  wofür  jedoch  häufiger  Diamisus 
geschrieben  wird,  z.  B.  n.  8.  10.  19.  37.  54.  75.  Vgl.  Osann,  Philo- 
logus  Bd.  XIV  S.  635.  Grotefend  a.  a.  0.  S.  24  Anmerk.  7  dachte 
sogar  daran,  eine  Genitivform  fuaovg  statt  fuavog  zu  vermuthen, 
worüber  das  Urtheil  so  lange  an  sich  halten  muss,  bis  wir  einmal 
einen  auf  genaue  handschriftliche  Vergleichung  gegründeten  kritischen 
Text  der  griechischen  Aerzte  haben  werden.  Interessant  ist  unser 
Stempel  aber  noch  wegen  der  Weise,  wie  ^das  Mittel  genannt  wird. 
Schon  Grotefend  hat  darauf  aufmerksam  gemacht,  dass  coUyrium  wohl 
zu  unbestimmten  Begriffen  hinzutrete,  wie  coUyrium  mixtum  auf  dem 
Stempel  n.  31  oder  coUyrium  pro  daritate  oculorum  n.  106  oder 
radlich  coUyrium  Aegyptiacum  opobalsamatum  n.  70,  nicht  aber  zum 
Namen  des  Mittels  selbst.  Hier  trete  uns  dies  zum  ersten  Mal  ent* 
g^en,  womit  jene  ZusammensteUung  coUyrium  Aegyptiacum  opobalsa- 
matum übrigens  viel  Aehnlichkeit  habe.  Neu  ist  trotzdem  diese  Aus- 
drucksweise keineswegs,  denn  sie  fiudet  sich  schon  auf  dem  seit  1856 

8 


114 


Stompel  römit^r  Aagf«Biinie. 


veröifentliGhteo»  aber  von  Grotefend  bei  der  Sammlung  der  Stempel 
sehenen  Steine  des  Julias  Jucundos  tu  Lydney  (Qloucestershire), 
beiast  Jul.  Jucundi  coly(riiiin)  melinum  n.  s.  w.  Vgl  den  Stempel 

117. 

Isadelfas. 

Gefanden  zu  Bavai  (D^p>  du  Nord),  jetzt  im  Besitz  des 
de  Moras  auf  Schloss  Gussignies  bei  Bavai- 

1.  ISADELFI  CBOCO 
DES  AD   ASPRIT- 

2.  ISADELFI  NARDI 
NVM  a'd  DIATHESI 

3.  n^DELFIDIAOPO 

^LSAMVAD  CALI 

4.  ISADELFI  DIARt 
ODON^AD    OMNI 

1.  Isadelfi  croco|[des  ad  asprit(udine8). 

2.  badelfi  nardi||nnm  ad  diathesi(s). 
i.  (I]sadelfi  diaopo||[ba]lsama  ad  cali(ginem). 
4.  badelfi  diarIi||odon  ad  omn(em)  I(ipiHtudinem). 

Litteratur:    Zuerst    veröffentlicht    von  Arthur  Dinauk  i 
Zeitung  „Echo  de  la  frontiire*  vom  23.  Februar  1837.  —  Dan 
Schuermans,  Revue  arch6ologique,  Nouv.  Sörie,  t.  XVI  (1867) 
n.  II.  Vgl.  Roulez  ebenda  p.  182.  --  Grotefend^  Bulletino  dell^ 
archeoL  Rom.  1870.  p.  188.  —  Endlich   am  genauesten  von 
Desjardins  in  den  M6moires  de  la  soci^tö  d'agriculture,  scienc 
arts  de  Douai,  2°^  S^rie^  t.  XI  =  Kotice  sur  les  monuments  6\ 
phiques  de  Bavai  et  du  mus^e  de  Douaii  Douai  et  Paris  1873, 
n.  6  und  pl,  VII  fig.  1. 

D^  Stein,  dessen  Material  ein  grüner  Speckstein  isti  hat  0^0 
Höhe  und  0,035  m.  Breite;  er  ist  im  Ganzen  wohl  erhalten,  nur 
an  der  dritten  Seite  einen  kleinen  Bruch  erUtteUi   in  Folfle 
die  1.  Zeile  der  dort  befindlichen  InsQhnft  den  ersten  Buchataba;^ 
gane  und  von  S  die  untere  H&lfte»  die  2«  Zeile  die  beiden 
Buchstaben  (B  A)  voUmds  eing^üsst  hat 

Was  den  Namen  des  Arztes  anlangt,  so  hat  Schuermans  a.  »- 


8. 


von 


•     98 


er 


<V 


O. 


Stempel  römiioher  Augenl^rste.  116' 

p.  16  Isadelfi  in  zwei  Worte  l8(idori?)  Adelphi  zerlegen  und  in  der 
Präposition  Dia  der  3.  Seite  des  Steines  den  dritten  Namen  des  Arstes 
ertomen  wollen.  .Die  Bildung  des  Namens  Isadelfus  ist  jedodi  so 
einfach  luid  sprachgem&ssi  dass  man  Schuermans'  gewaltsame  Deutung 
gar  nicht  in  Anspruch  zu  nehmen  braucht.  Der  Arzt  hiess  einfadi 
Isadelfus,  Uinlich  wie  ein  anderer  inch  Euelpistos  auf  dem  Steine  von 
Beppois-le-Haut  (Qrotefend  n.  29)  nennt,  und  für  die  Schreibung  des 
Namens  mit  f  statt  mit  ph  hat  Roulez  a.  a.  0.  p.  182  schon  den  eben 
so  geschriebenen  Namen  Fronimus  auf  dem  Stempel  von  Carbec* 
Orestain  (Gtotefimd  n.  64)  mit  Bedit  zur  Vergleichung  herangezogen. 
Diesen  Beispielen  können  noch  folgende  Tier  hinzugefügt  werden:  ad 
eiHfor(aB)  auf  dem  Stempel  des  Jurenalis  zu  Orange  n.  60»  SYMFORI 
anstatt  SYMPHORI  n.  86,  FLOGIYM  n.  58,  SARCOPAGVM 
n.  57  und  FAEON  n.  80.    Vgl  Grotefend,  Stempel  S.  109. 

'  Von  den  angefahrten  Mitteln  ist  der  Gebrauch  d^s  Nardinum  ad 
diathesis  neu. ,  Wir  kannten  bisher  seine  Anwendung  ad  impetum 
lippitvdinis  (Grotefend  n.  7  und  13)  und  ad  lippitudinem  <n.  102). 
Ueber  die  Zusammensetzung  dieses  Mittels  /haben  uns  Diosoorides 
mat.  med.  I^  75  und  Paulus  Aegineta  VI,  16,  sowie  Aetius,  Tetra- 
biblon  II,  3  c.  113  und  die  übrigen  von  Grotefend  S.  23  angezogenen 
Schriftsteller  nähere  Au&chlflsse  gegeben.  Ich  habe  ad  diathesis  er- 
gänzt, und  nicht;  wie  Einige  wollten,  ad  diathesim,  weil  diese  Accu- 
sativform  des  Pluralis  ebenfalls  sich  auf  anderen  Steinen  (n.  57.  96.) 
so  voll  ausgeschrieben  findet.  Vgl.  Grotefend  S.  82.  —  Neu  ist 
femer  die  vorgeschriebene  Anwendung  des  dritten  Mittels  Diaopobal- 
samu  ad  caliginem,  von  welchem  Paulus  Aegineta  VII,  16  ein  Recept 
hinterlassen  hat,  während  wir  wohl  für  dieselbe  Krankheit  des  Auges 
ein  Stactum  opobalsamatum  schon  kannten.  Vgl.  n.  22.  48.  97.  Denn 
so  sind  die  Worte  zu  erklären  und  nicht,  wie  Schuermans  Wollte, 
Dia  opobalsamatum  oder  mit  Rqüez  Diapsorictim  opobalsam&tom.  Für 
unsere  Erklärung  spricht  einmal  die  Leichtigkeit  der  Deutung,  die  sich 
so  sm  sagen  fast  von  selbst  ergiebt,  'dann  aber  auch  die  Analogie 
anderer  ähnlicher  BQdungen,  welche  sie  verbürgen,  wie  Dialibanu  (n.  7. 
42.  49.  56.  73  n.  a.  m.)  und  Diaglauceu  (n.  38).  —  In  Bezug  auf  die 
Schreibung  des  vierten  Mittels  ist  zu  bemerken,  dass  es  auf  dem 
Stßine  auch  DiMTodon  geheissen  haben  kann,  indem  von  dem  fünften 
Buchstaben  bloss  der  erste  Perpendikularstrich  mit  dem  sich  an« 
MAfiessenden  Querstrich  vorhanden  ist,  so  dass  er  scmohl  R  als.H 
gewesen  sein  kann.  Uebrigetts  kommt  auf  den  uns  bekannten  Btempefhi 


[6^l}  Stempel  römisoher  Aageiiänte. 

DiarhodoQ  (n.  4L  42.  71.  86.  93)  und  Diarodon  (n.  4  und  35)  neben 
einander  vor,  während  die  griechischen  Aerzte  bald  dta^^odov  bald 
dia  ^6d(av  schreiben.  Vgl.  Galen,  t.  XII  p.  765  ed.  Kühn.  Zweifel- 
hafter kann  man  sein  darüber,  für  yelches  Augenleiden  Isadelfus  sein 
Mittel  bestimmt  hatte,  da  von  dem  letzten  Worte  bloss  ein  perpendi- 
kolärer  Strich  nach  dem  von  Desjardins  gegebenen  Facsimile  übrig 
ist,  den  man  für  den  Rest  eines  I  oder  eines  L  nehmen  und  somit  ent- 
weder impetum  oder  lippitudinem  ergänzen  kann.  Für  die  Sache  selbst 
kommt  es  auf  dasselbe  hinaus.  Wenn  man  jedoch  erwägt»  dass  auf 
den  übrigen  Steinen,  wo  uns  dies  Leiden  mit  dem  Prädicat  omnis  ver- 
bunden begegnet;  constant  die  Bezeichnung  ad  omnem  lippitudinem  sich 
angewandt  findet,  so  wird  man  sich  wohl  eher  für  die  Wahl  dieses 
Ausdrucks  auch  hier  entschliessen. 

118. 

Julius  Jucundus. 

Gefunden  zu  Lydney  in  Gloucestershire,  jetzt  im  Besitz  von  Carl 
Bathurst  zu  Lydney  Park. 

L    IVL  IVCVNDI 
COLYv  MEeTvm 

2.  IVL  IVCvNDI 

COLLTR-  PENC  *      ' 

3.  IVL  IVCVNDI 
COL  STACTV 

1.  lul(ii)  lucundi  ||  co[l]ly(rium)  melinum. 
.    2.  Iul(ii)  lucundi  ||  collyr(ium)  pen[i]c(illo). 
3.  lul(ii)  lucundi  ||  col(lyrium)  stactu(m). 

Litteratur:  Simpson,  Monthly  Journal  of  medical  science,  New 
series,  vol.  XII  (1855)  p.  338.  —  A.  W.  Franks  in  Archaeological 
Journal  vol.  XIII  (London  1856)  p.  281  f.  —  W.  H.  Bathurst  in  Pro- 
ceedings  of  the  society  of  antiquaries  of  London,  second  series,  vol.  V 
(1871)  p.  100  f.  —  Huebner,  Corp.  inscr.  lat.  t.  VII  p.  235  n.  1309. 

Die  GröBsenverhältnisse  und  das  Material  des  Steines  sind  unbe- 
kannt 

Der  Name  dieses  Augenarztes  ist  ebenfalls  neu.  Der  Stempel 
ist  wichtig,  weil  er  der  erste  ist,  auf  dem  der  Ausdruck  collyrium  zu 


Stempel  römisoher  Augenftrzte.  117 

den  Namen  der  Mittel  gesetzt  ist,  der  sonst  ja  stets  allein  steht.  Als 
zweites  Beispiel  der  Art  ist  seit  jener  Zeit  der  Stempel  des  Facundiis 
bekannt  geworden.  Vgl.  n.  116  unserer  Sammlung.  Von  den  ange- 
priesenen Mitteln  ist  keines,  welches  nicht  schon  längst  und  mehrfach 
durch  andere  Stempel  bekannt  wäre.  Ueber  das  Melinum  genannte 
collyrium  verweise  ich  auf  das  zu  n.  113  Gesagte.  —  Was  das  zweite 
Mittel  anlangt,  so  hat  in  P  E  N  G  Franks  schon  das  richtige  peni- 
cillum  gefunden.  Nur  kann  man  zweifelhaft  sein,  ob  man  penicillum 
oder  mit  Huebner  peniciUo  lesen  soll.  Es  hängt  die  Entscheidung 
liierüber  von  der  Bedeutung  ab,  welche  man  dem  Worte  gibt.  Peni- 
dllum  ist  ursprünglich  eine  Art  von  Pinsel,  mit  welchem  einzelne 
Salben  auf  die  kranken  Stellen  des  Auges  aufgetragen  wurden,  wie  dies 
Gelsus  de  medicina  VI,  6, 9  klar  sagt :  ^penicillo  fovere  oculos  oportet, 
ex  aqua  calida  expresso,  in  qua  ante  vel  myrti  vel  rosae  folia  decocta 
sinf  (Vgl.  Celsus  VI,  6,  8)  und  Plinius  n.  h.  XXXI,  11, 125 :  „mollis- 
simum  genüs  earum  (seil,  spongiarum)  penicilli  oculorum  tumores  levant 
ex  mulso  inpositi.  item  abstergendae  lippitudini,  utilissime  ex  aqua, 
tenuissimos  esse  mollissimosque  oportet.^  Weil  nun  auf  dem  Stempel 
des  G.  Gintusminius  Blandus  zu  Lyon  n.  15  eine  spongia  lenis  erwähnt 
wird^  so  dass  man  sieht,  dass  sich  beide  Ausdrucksweisen  auf  dieselbe 
Sache  beziehen,  desshalb  hat  6rotefei)4  a.  a.  0.  S.  30  f.  penicillum  bloss 
die  Bedeutung  eines  Pinselchens  zum  Abwaschen  des  Ausflusses  aus  den 
Augen  beigelegt.  Nun  kommt  es  doch  wahrlich  nicht  auf  das  Pinselchen 
an  und  fQr  sich  an,  sondern  auf  die  Substanz,  welche  mit  dem  Pinselchen 
aufgetragen  wird,  indem  es  gewiss  nicht  gleichgültig  ist,  welches  Medi- 
kament der  Leidende  auf  sein  krankes  Auge  schmiert.  Ich  würde  daher 
der  Ansicht  Freunds  im  Lexikon  s.  v.  penicillum  beistimmen,  dass  peni- 
cillum in  der  Sprache  der  späteren  römischen  Aerzte  auch  die  Be- 
deutung der  Salbe  selbst,  welche  mit  einem  Pinselchen  aufgetragen 
wurde,  erhalten  habe.  Allein  da  sich  diese  Bedeutung  des  Wortes 
nirgends  bis  jetzt  nachweisen  l^sst  und  derselben  sogar  die  ähnliche 
Formel  SPONG(ia)  LEN(is)  auf  dem  Stempel  n.  15  geradezu  ent- 
gegentritt;  so  wird  es  richtiger  sein  mit  Grotefend  an  der  ursprüng- 
lichen Bedeutung  von  penicillum  festzuhalten  und  hier  mit  Huebner 
PENC  durch  peniciUo  zu  erklären.  —  Das  letztgenannte  Mittel 
Stactum,  dessen  Namen  Grivaud  de  la  Vincelle,  Recueil  des  monuments 
antiques  de  la  France  t.  II  p.  282  schon  richtig  von  der  tropfen* 
weisen  Anwendung  desselben  hergeleitet  hat,  kommt  sehr  häufig  auf 
den  Stempeln  vor  und  zwar  für  dieselben  Leiden,  für  welche  auch 
Scribonius  Largus  compos.  medicae  c.  4,  34  es  empfiehlt. 


I 


t  • 


118  Stampd  römifober  Augtataitei 

119. 

Lucius  JuniuB  Macrinus. 

Gefunden  zu  Heerlen,  einem  kleinen  Orte  zwischen  Aachen  und 
Maestricht,  jetzt  seit  1867  im  Besitz  des  königl.  Belgischen  Staats- 
Museums  für  Alterthttmer  zu  BrilsseL 

1.  L-  IVNI  MACRIN 

LENE 

2.  L-  IVNr  MACBIN 

DELAGRIMATOR 

3.  L-  IVNI   MACRI  N 

DIAZMYRNES 

4.  L'IVNI    MAORIN 

CROCDIALEPIDO 

1.  L(ucii)  lunii  Macrin(i)  ||  lene. 

2.  L(ucii)  lunii  Macrin(i)  ||  delacnmator(iuiKi). 

3.  L(ucii)  lunii  Macrin(i)  ||  diazmyrnes. 

4.  Ii(ucii)  lunii  Macriii(i)  ||  croc(Qdes)  dialepido(8). 

littoratur:  Warlomont  in  CujDder  et  Warlomont,  Annales  d'oca- 
üatique,  80«^  annöe,  t.  LVII  (1867)  p.  5506—212.  —  Habete  in 
Bulletins  des  commissions  royales  d'art  et  d'archtologie  t.  VI 
(Broxelles  1867)  p*  160  ff.  —  Sichel,  Notice  sur  quelques  cachets 
in^ts  d'oculistes  romaina,  Paris  1867,  eine  Schrift,  welche  ich  nicht 
selbst  gesehen  habe. —  Femer  abermals  Habets  im  Limburger  Courier 
vom  12.  Juli  1867,  woraus  Freudenberg  seine  Notis  in  den  Bonner 
Jahrbüchern  des  Vereins  von  Alterthumsfr.  im  Rheinl.  XUII  (1867) 
p.  220  f.  gesch&pft  hat  —  Endlich  Schuermans,  Revue  archtol,  Nouv. 
S^rie,  t.  XVI  (1867)  p.  75  n.  I  und  Grotefend^  BuUetino  dell'  institatQ 
archeol.  rom.  1868  p.  105  f. 

Die  Maassverhältnisse  und  der  Stoff  des  Steines,  aus  dem  der 
Stempel  gemacht  ist»  sind  nicht  bekamni 

Dieser  Stempd  bietet  ausser  dem  Namen  des  sonst  noch  nieht 
bekannteu  Augenarztes  L.  Junius  Macrinua,  von  dem  er  vier  M^td 
enthalt,  wenig  NeuesL  Das  in  der  ersten  Inschrift  jgenannte  LENE, 
dem  das  oollyrium  ACRE  auf  Stempel  n«  28  gegenübcaratohik»  ist  eiM 
allgemeine  Bezeichnung  für  eiu  sanft  wirkendes  Mittel  Es  findet 


SUmpftl  romifloktr  Auganärite. 


119 


metst  noch  mit  einem  näher  bestimmenden  Zutetz,  wie  Lene  herhidum 
(n.  59),  Ltn6hygia[stieon?]  (n.  72),  Lene  penicillum  (n,  64),  u.  s.  w.  •*- 
Bemerkenswerther  iat,  dase  daa  zweite  Mittel  DfiLAGRIMATOR(ium), 
welehea  auf  den  uns  bekannten  Siegelstanen  nur  in  Verbindung  mit 
den  Namen  Melinum,  Btactnm  und  Thalasaeros  erscheint,  ganz  ohne 
läJkere  Bestimmnng  dasteht  Von  alten  Autoren  wird  es  bloss  von 
Marerilus  Empiricus  c.  6  erwähnt,  der  auch  über  seine  Bedeutung 
Aufechlnsa  gibt.  Nach  ihm  diente -es  dazu^  um  einen  reichlichen 
Thranenfluss  zu  erzeugen,  wodurch  das  Auge  klarer  wurde.  Es  ent- 
spriobt  also  den  äTtodcaagwiKd^  wekbe  Galenus,  comm.  in  Hippocr.  de 
hnmoribus  I,  12  t.  XVI  p.  149  KUhn  erwähnt  Uebrigens  hat  schon 
Grotefend  a.  a.  0.  S.  45  ganz  richtig  darauf  aufmerksam  gemacht, 
dass  auf  mehreren  Stempeln  der  Ausdruck  delacrimatorium  als  gleich- 
bedeutend mit  ad  epiphoras  gesetzt  sei,  woraus  sich  denn  auch  erklärt, 
warum  diese  letztere  Bezeichnung  so  verhältnissmässig  selten  auf  den 
Stempeln  angewandt  erscheint.  — -  lieber  das  auf  der  dritten  Seite 
genannte  Mittel  DIAZMYRNES  ist  schon  zu  dem  Stempel  n.  116 
des  Eprius  Facundus  das  Nöthiiie  bemerkt  worden.  Was  die  Form 
DIAZMYRNES  anlangt«  so  darf  man  ^ie  nicht  mit  Sichel,  Nouveau 
recueil  p.  34  einem  Irrthum  des  Stempelscbneiders  beilegen,  sondern 
sie  ist,  wie  Grotefend  a.  a.  0.  S.  84  gezeigt  hat,  die  dem  Jonischen 
Dialekte  eigenthümliche  Schneibweise  durdt  z  anstatt  der  sonst  ge- 
wöhnlichen mit  s;  dieselbe  kehrt  Mf  den  bekannten  Stempeln  noch 
dreimal  wieder  bei  Grotefend  n.  7.  60  und  107.  Sie  ist  für  unseren 
Stempel,  der  nicht,  wie  Habets  und  nach  ihm  wohl  Crrotefend  a.  a.  0. 
S.  105  irrthümlich  lesen,  Diasmyrnes  bietet,  durch  die  Autorität  des 
Ilerm  Dr.  Warlomont  in  Brüssel  verbürgt,  welcher  die  Freundlichkeit 
hatte  auf  meinen  Wunsch  die  Jnschriften  des  Steines  noch  einmal 
genau  abzuzeichnen.  Durch  die  Angabe  desselben  Belgischen  Gelehrten 
steht  es  auch  fest,  dass  auf  der  dritten  und  vierten  Fläche  der  Gentil- 
name  des  Augenarztes  I V  N I  vollständig  ausgeschrieben  war  und  nicht 
IV N,  wie  einige  der  Herausgeber  anmerken.  Ich  sage  )>geschrieb^ 
war'',  denn  die  Inschrift  der  letzten  Seite  hat  bedeutend  gelitten,  so 
dass  ausser  dem  Arzneimittel  vom  Namen  des  Augenarztes  bloss  die 

Züge  L*  IV RIN  unversehrt  erhalten  sind.    Von  den  übrigen 

Buckstaben  des  Namens  ist  bkss  die  untere  Hälfte  noeh  vorhanden, 
so  jedodi  dass  über  die  Existenz  der  einzelnen  gar  kein  Zweifel  auf- 
kemmen  kann.  —  Das  zuletzt  aufgeführte  Arzneimittel  C  R  O  C(odes} 
DIALEPIDO(s),   welches  auch  in  seinen  einzelnen  Theilen  sich  auf 


120  Stempel  römiiiolier  A4]geDäi«ie. 

den  Stempeln  angewandt  findet,  hat  seinen  Nam^n  duot  Umdog  von 
seiner  Hauptingredienz,  der  Ac/rt^,  gefeiltem  Kupfer,  welches  hier  Enit 
einem  Zusatz  von  Saffran,  crocus,  bereitet  ist,  wessbalb  es  crocodes 
heisst  Auf  den  bisher  bekannten  Stempeln  wird  es  fflr  Heilcung 
von  aspritudo  (n.  14  und  n.91)  und  ad  cicatrices  et  scabritiem  (n.  S7) 
verordnet.  Dreimal  findet  es  sich  gerade  so,  wie  auf  unserem  Steixie, 
ohne  Angabe  der  Krankheit,  fUr  deren  Heilung  es  gebraucht  wenL«n 
soll  (n.  10.  40  und  50).  lieber  die  Wirkungen  der  lenlg  belebir-eo 
unsPlinius,  nat.  bist.  XXXIV,  15,  154.  „  (squamaferri)  contra  epiphoE-as 
oculorum  adsumitur**,  sowie~Dioscoride8,  mat  med.  V,  89 :  jtidfyvmm 
täig  6g>&aXfU7uxig  dvvafieai  *  ^r^gcUvu  yaq  %ä  ^vfictta,  äftdc^nunp-Mfa 
Tud  %ä  ßliqwQa  ta  xqaxia^ 

120.    • 

'Marcus  L Maritumus. 

Gefunden  im 'Walde  von  Laigues  hinter  dem  Schloss  vou  Plessis- 
Brion,  Canton  Rib^ourt  (Döp.  de  l'Oise). 

1.  MLMARITV 
MI-  PACCIANV 
M- AD  ASPRiTV 

2.  M  LMARITVMI 
DIALEPIDOSAD 

1.  M(arci)  L Maritu||mi  paccianu||m  ad  aspritu(dinem). 

2.  M(arci)  L  .  .  .  .  .  Maritumi  ||  dialepidos  ad 

Litteratur :  Desjardins,  Revue  archöologique,  Nouv.  S6rie,  t  XXV 
(1873)  p.  256  ff.  —  Derselbe  in  M^moires  de  la  soc.  d'agriculture, 
Sciences  et  arts  de  Douai,  2"^^  S^rie,  t.  XI.  =  Monuments  6pigr.  de 
Bavai  et  Douai  p.  HO  n.  10.  —  Bulletin  de  la  soci^t^  historique  de 
Compi^ne  t.  I.  (Compifegne  1873)  p.  80.  —  Caumont,  Bulletin  monu- 
mental, 5™«  S6rie,  t.  I  (=  vol.  39  de  la  coUection)  p.  817. 

Der  aus  grünlichem  Speckstein  gemachte  Stempel  hat  eine  Höbe 
von  0,018  m.,  eine  Länge  von  0,055  m.  und  eine  Dicke  von  0,036  m. 
Zwei  Seiten  smd  bloss  beschrieben,  die  eine  mit  3,  die  zweite  mit  2 
Zeilen,  deren  letzte  an  ihren  beiden  Enden  mit  kleinen  Zwdgen  ge- 
schmückt ist.  Die  dritte  Zeile  dieser  zweiten  Seite  scheint  noch  fOr 
die  Aufnahme  einer  Inschrift  hergerichtet  gewesen  zu  sein,  da  sich 
unter  der  zweiten  Zeile  noch  eine  Linie  gezogen  findet.  ^ 


Stempel  römisoher  Augen&rzte.  121 

Den  Familiennamen  des  Maritamas,  der  ans  hier  freilich  nicht 
zaerst  als  Aagenarzt  entgegentritt,  enträthsebi  zu  wollen,  gehört  in 
das  Reich  der  Unmöglichkeit,  so  lange  ans  nicht  der  an  Denkmälern 
dieser  Art  so  reiche  Boden  Frankreichs  einen  Stempel  dieses  Arztes 
mit  dem  vollständig  aasgeschriebenen .  Namen  gespendet  haben  wird. 
Desjardins  wollte  M[arci  et]  Lfacii]  Maritami  erklären,  so  df^s  Mari- 
tami  far  Maritamorum  stände,  als  wenn  der  Gravear  hätte  Marci 
Maritami  et  Lacii  Maritami  bezeichnen  wollen;  ich  halte  dieses 
für  sehr  gewagt^  weil  ans  nicht  ein  analoges  Beispiel  aas  der  Epi- 
graphik  daza  das  Recht  gibt.  Ich  selbst  kenne  wenigstens  keines, 
wenngleich  Desjardins  deren  za  kennen  behaaptet,  and  aas  den  be- 
kannten Angenarztstempeln  am  allerwenigsten.  Es  wird  daher  einst- 
weilen gerathener  sein,  sich  mit  dem  Oeständniss  za  b^nügen,  dass 
wir  den  Gentilnamen  des  Maritamtis  nicht  kennen.  Ob  der  hier  ge- 
nannte M.  L.  Maritumas  mit  dem  Maritamas  aaf  dem  Stempel  n.  70, 
dessen  praenomen  and  nomen  gentiliciam  gänzlich  anbekannt  ist,  eine 
and  dieselbe  Persönlichkeit  war,  wage  ich  nicht  za  entscheiden,  zamal 
da  ans  jeder  Anhaltspunkt  daza  fehlt. 

Das  GoUyriam  Pacdanum,  welches  uns  hier  geboten  wird,  hat 
seinen  Namen  wahrscheinlich  von  Paccius  Antiochas,  eintm  aus  Sicilien 
stammenden  Arzte,  welcher  unter  Kaiser  Tiberias  lebte.  Vgl.  Galenus, 
Gompos.  medicam.  sec.  locos  IX,  4  t.  Xin  p.  284  Eflhn;  Marcellus 
Empiricus,  de  medicam.  c.  20;  Scribonias  Laigus,  Comp.  med.  23,  97 
und  40, 156.  Seine  Bereitung  und  Anwendung  kennen  wir  aus  Nicolaus 
Myrepsus,  Antidot.  Sect.  24  c.  27 ;  Aötius,  Tetrabiblon  11  c.  3, 109,  sowie 
durch  Galenus  1.  c.  IV,  4  t.  XII  p.  760.  772.  782.  Die  Anwendung, 
in  welcher  es  hier  erscheint,  ist  vollständig  neu,  indem  es  auf  den 
bisher  bekannt  gewordenen  Stempeln  ad  diatheses  gebraucht  wird.  — 
Das  Leiden,  für  welches  Maritumus  das  an  zweiter  Stelle  aufgeführte 
Mittel  verschrieben  hatte,  fehlt  auf  dem  Stempel.  Es  ist  auch  schwer 
zu  bestimmen,  welches  es  möglicher  Weise  gewesen  sein  kann.  Denn 
wir  kennen  so  viele  und  mannigfaltige  Gebraucharweisen  des  Dialepidos 
aus  den  vorhandenen  Stempeln,  dass  durch  einfache  Coiyectur  kein 
einiger  Massen  befriedigendes  Resultat  gewonnen  werden  kann.  Man 
bediente  sich  nämlich  seiner  ad  aspritadinem  (Grotefend  n.  3.  42.  49. 
65.  66.  68.  76.  83.  90),  ad  aspritadinem  et  cicatrices  (n.  54),  ad 
cicatrices  oder  ad  veteres  cicatrices  (n.  25.  66.  79.  88),  ad  claritatem 
(n.  18)  und  endlich  ad  diatheses  (n.  4).  Desjardins  vermuthete,  dass 
jder  Name  der  Krankheit  absichtlich  weggelassen  sei,  um  denselben 


128 


SWnpol 


Auganinie. 


elBtreteaden  falls  nach  ^m  Wonach  und  dem  fiedüffoisa  de»  Cl 
nachtrlglicb  mit  Hülfe  eines  anderen  Stempek  aofimtragen,  ein 
mathnng,  die  an  und  für  sich  einige  Wahrscbetaüiehkeit  hat. 

121. 

Proclianus. 

Gefluiden  za  Bougnenais  (D^p.  de  ht  Loire-InfMeare),  je 
Museum  zu  Nantes. 

1.  PROCLIANI 
DIAGESAM-AD     LP 

2.  PROCLIANI 
DIABHOD'  AD-  L 

3.  PßOCLIVM 
PROCLI 

4.  PROCLIANI-    DI 
ASMYRNPOSTM 

1.  Frodiani  |l  diagcs(8)am(ias)  ad  l(i)p(pitudinmi). 

2.  Procliani  ||  diarhod(on)  ad  l(ipp]tudinem). 

3.  Prodmm  ||  Procli(anI?). 

4.  Procliani  di!|a8myni(e8)  poet  (i)m(petam  seil,  lippitudlnis 
Litterator:  F.  Parenteau,  Catalogue  du  mus^e  däparte 

d'arch^ogie  de  Nantes  et  de  la  Loire-Inf^rieure,  2^  6d.,    IT 
1869.  8^.  p.  103.  —  Grotefend  in  Bullelioo  delP  Institute  rom. 
p.  190  f.  nach  einer  Abschrift,  die  er  von  John  Evans  in  Nash— 
bei  Hemel  Hempsted  erhalten  hatte. 

Gröfisenverhältnisse  unbekannt     Material  des  Steines:  Sek^ 
Der  Name  des  Augenarztes,  welcher  ebenso  wenig  wie  die  w 
meisten  der  anderen  auf  Stempeln   genannten  Augenärste    in 
Schriften  der  griechischen  Aerzte  sich  nachweisen  läset,  ist  durchs 
Reihe  von  Inschriften,  auf  die  Grotefend  schon  hingewiesen  hat, 
Corp.  inacr.  Rhen.  n.   1583.  1584«  1590.    Inscr.  regni  Neap.  n. 
Torbürgt»  zu  denen  jetzt  noch  Corp.  inscr.  lat.  III  n.  140B,  Gruier  p. 
und  Boissieu,  Inscr.  antiq.  de  Lyon  p.  435  n.  113  hinzugefSgt 
können.    Unter  den  Heilmitteln,  welche  auf  dem  Stempel 
werden,  shid  die  an  der  zweiten  und  an  der  vierten  Stdle  genai»^ 
und  zwar  in  der  hier  bezeichneten*  Nutzanwendung  schon  andervir 


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Siempel  rönuMher  Angtninta.  138 

bekannt  Denn  das  Diarhodon  findet  sich  ad  impetom  bei  Oretefsnd 
B.  4.  35.  98  ange?randt,  was  so  viel  heisst  wie  ad  impetum  Uppitudinis 
und  was  hier  durch  ad  lippitndinem  bezeichnet  Ist.  Denn  wenn  aoch 
beide,  Parenteau  und  Evans»  seltsamer  Weise  übereinstimmend  AD'L, 
sowie  anf  der  vierten  Seite  P  0  S  T  *  M  geben,  so  hat  Orotefend,  wie 
mir  scheint,  vollkommen  richtig  angenommen,  dass  in  dem  einen  Falle 
AD  LI,  in  dem  anderen  AD* IM  durch  Ligatur  der  Buchataben 

geschrieben  war  und  beides  desshtdb  von  Beiden  unbeachtet  geblieben 
ist;  ebenso  wird  auf  der  ersten  Seite  am  Schluss  der  zweiten  Zeile 
AD'  LIP  durch  Ligatur  geschrieben  sdn,  wo  die  Herausgeber  beide 

bloss  A  D  *  L  P  lesen.  Die  Anwendung  des  Diasmymes  post  impetum 
seil.  Uppitudinis  gebort  zu  deigenigen,  welche  am  häufigsten  auf  den 
Stempeln  vorkommen.  Vgl.  beispielsweise  Grotefend  n.  7. 19. 24.  29.  49. 
55  u.  s.  w.  —  Wichtig  ist  das  auf  der  ersten  Inschrift  genannte  Mittel 
D1A6ESAM,  —  denn  so  steht  nach  Parenteau's  Angabe  auf  dem 
Steine  und  nicht  DAOESAM,  wie  Grotefend  nach  Evan's  Mit- 
theilung angibt,  —  weil  es  neu  ist  Grotefend  hat  es  richtig  erklart 
dia  yijq  Safuag,  so  dass  es  eigentlich  Diagessamias  mit  doppeltem  s 
heissen  müsste.  Dass  sich  die  Stempelschneider  dergleichen  Freiheiten 
erlaubten,  wird  denjenigen  nicht  befremden,  welcher  mit  der  Ortho- 
graphie unserer  Siegelsteine  auch  nur  ein  wenig  vertraut  ist.  Denn 
so  steht,  um  nur  ein  Bei^iel  anzuführen,  auf  dem  Stempel  des  Diony- 
sodorus  zu  Paris  n.  43  P  AGCIAN  •  ADI  AT  für  AD  DI  AT(HESES). 
Ja  man  ging  sogar  so  weit  und  kürzte  beide  Worte  A '  D  ab,  wie  auf 
n.  64  oder  A  D  ohne  zwischengesetzten  Punkt  wie  auf  n.  44.  Was  das 
Mittel  selbst  anlangt,  so  war  Samische  Erde  und  besonders  eine  Sorte, 
welche  wegen  ihrer  Feinheit  dar'^Q  hiess,  für  die  Bereitung  von  Augen- 
heilmitteln sehr  beliebt.  Vgl.  Paulus  Aegineta  HI,  22  p.  433 ;  VII,  3 
p.  617;  Alexander  Trallianus  11,  1,  5;  Dioscorides  V,  171.  Und  Ga- 
lenus  führt  gerade  für  dieselbe  Krankheit^  welche  hier  genannt  wird, 
aus  Samischer  Erde  präparirte  Mittel  an.  Galen,  de  compos.  medi- 
cam.  sec«  locos  IV,  8  t.  XII  p.  757  E. :  „to  dva  y^g  Safitag  rigewov 
ijtiygcupo^isvov  nqog  iTtifpoQag  tuxI  diad'iaeig.^^  Vgl.  t.  XII  p.  760  K. :  „to 
dia  ytjg  2afuag  ncnodov  oq>d'aXfAi7Cov  ngog  tag  hii%ezafievag  duxd'iasig^ 
und  p.  759 :  ^^%v%vog  dia  y^g  Sapdag  nqog  ^httj  TtavTouXy  TtQog  in;iq>OQag, 
naqimiwiaig^  vnonva  6g>d'ak^ov,^''  — 

Vor  allem  Anderen  erregt  aber  Interesse  die  dritte  Seite  des 
Steines  mit  ihrer  von  Evans  nicht  gelesenen  Inschrift  PROCLIVM 
PBOCLI,  die  in  mehrfacher  Beziehung  Sonderbarkeiten  zeigt.    Das 


124  Stempel  römischer  Augenftrste. 

hier  genannte  Mittel  hat  seinen  Namen  jedenfalls  von  seinem  Erfinder, 
wie  wir  ein  Terentianum  nnd  ein  Paccianum  schon  kennen.  Allein  da  die 
Bildung  des  Adjektivs  so  schwerlich  in  Ordnung  ist  und  Evans  sowohl 
als  Parenteau,  wie  wir  schon  oben  zu  sehen  Gel^enheit  hatten,  auf 
die  Ligaturen  des  Stempels  nicht  ein  genfigendes  Augenmerk  gerichtet 
zu  haben  scheinen,  so  hat  wahrscheinlich  der  Stein  PROGLIANVM 
in  ligirten  Zügen,  was  Parenteau  für  PBOGLIVM  angesehen  hat. 
Woraus  das  Mittel  bestanden  hat,  das  wird  wohl  ein  ungelöstes  Bäthsel 
'  bleiben,  da  der  Name  dieses  Mittels  bei  den  medicinischen  Schriftstellern 
nicht  vorkommt  Ob  PROCLI  der  zweiten  Zeile  einen  von  dem 
auf  den  drei  übrigen  Seitenflächen  genannten  FROCLIANVS  ver- 
schiedenen^ Arzt  bezeichnet,  wage  ich  nicht  zu  entscheiden,  so  lange 
wir  nicht  eine  genauere  Beschreibung  als  die  von  Parenteau  gegebene 
von  dem  Steine  haben,  welche  zu  verschaffen  mir  leider  nicht  hat 
gelingen  ^)  wollen.  Ich  neige  jedoch  zu  der  Ansicht,  dass  es  ein  und 
dieselbe  Persönlichkeit  ist,  von  der  alle  vier  Mittel  herrühren  und 
dass  der  Name  auf  dieser  dritten  Seite,  weil  er  durch  die  vorher- 
gehenden hinlänglich  bekannt  war,  vom  Stempelschneider  nicht  mehr 
vollständig  eingeritzt  worden  ist.  Etwas  ganz  Aehnliches  haben  wir 
ja  auf  dem  Siegelsteine  des  C.  Cispius  zu  Vichy  (n.  16),  wo  zuerst 
C  '  G I S  P  und  dann  G  *  G I  S  steht  und  auf  dem  des  T.  Julius  Attalus 
zu  Paris  (n.  40),  wo  der  Name,  nachdem  er  zweimal  vollständig  ausge- 
schrieben ist,  auf  der  zweiten  und  vierten  Seite  bloss  durch  die  An- 
fangsbuchstaben T.  I.  A  jedes  Mal  bezeichnet  ist  Eine  andere  Eigen- 
thümlichkeit  hat  unser  Stempel  auch  noch  insofern,  als  auf  dieser 
dritten  Seite  gegen  die  sonstige  Gewohnheit  derselben  der  Name  des 
Arztes  hinter  dem  Mittel  genannt  wird.  Allein  ohne  Analogieen  ist 
auch  diese  Wortstellung  auf  den  bis  jetzt  bekannten  Steinen  keines- 
wegs. Dfenn  gerade  die  beiden  eben  genannten  Stempel  haben  auch 
diese  Eigenthümlichkeit,  indem  bei  dem  ersten,  welcher  nur  auf  zwei' 
Seiten  beschrieben  ist,  die  Inschrift  zuerst  G'CISP  SIAGI  lautet, 
WAS  Grotefend  sehr  treffend  in  G  •  G I S  P(ii)  S  T  A  G  T(um)  verbessert 
hat,  und  dann  DIASM(ymes)  C*  GIS(pii)  folgt  Ebenso  geht  auf 
dem  Pariser  Stempel  des  T.  lulius  Attalus  auf  drei  Seiten  der  Name 


')  Es  ifll  dies  um  so  mehr  za  beklagoD,  als  daza  wahrscheinlich  jetzt  jede 
Möglichkeit  abgeschnitten  ist  Denn  allem  Anschein  nach  ist  unser  Stempel 
durch  die  Feuersbmnst,  welche  im  J.  1871  das  Museum  zu  Nantes  heimgesucht 
hat,  mit  vielen  anderen  werth vollen  Gregenständen  zerstört  worden. 


Stempel  römischer  Augenärzte. 


l25 


des  Arztes  dem  Mittel  voraus,  während  man  auf  der  vierten  P  Y  X(inon) 
T.  I(alü)  A(ttali)  Uest 

Endlich  hat  unser  Stempel  auch  das  mit  mehreren  anderen 
Stempeln  gemein,  dass  der  Name  des  Arztes  auf  der  einen  der  beiden 
Breitseiten  des  Steines  in  der  Mitte  eingeschlossen  von  vier  einfachen 
Linien  in  folgender  Form  wiederholt  ist: 


1 
1 

1      ' 
1 

1 

PROi 

1 

Wir  werden  uns  wohl  hüten  mit  Parenteau^dies  durch  Indicium 
Procliani  zu  erklären.  Es  ist  dies  nichts  anderes  als  Procliani  und 
diente  diese  Wiederholung  des  Namens  des  Arztes,  ähnlich  wie  auf 
dem  Stempel  des  L.  lulius  Docilas  zu  Besangon  (n.  44),  einfach  dazu, 
um  den  Verkäufer  schnell  zu  orientiren,  damit  er  sich  beim  Stempeln 
der  Büchsen  resp.  Mittel  nicht  yerthue.  Uebef  diese  Einrichtung 
vgl  die  Bemerkungen  in  der  Einleitung  S.  97  tL 


122. 

Sextus  R Hermes. 

Nach  Borghesi  gefunden  zu  Bomf  später  im  Besitz  des  Fürsten 
Eugenio  Basponi  zu  Ravenna.  Da  dessen  Grossmutter,  die  Königin 
Caroline  von  Neapel,  welche  die  Antiken  sehr  liebte,  viele  Kunst- 
gegenstände in  Frankreich  für  ihre  Sammlung  aufkaufen  liess,  so 
zweifelt  Renier  ganz  mit  Recht  daran,  dass  der  Stein  zu  Rom  ge* 
funden  sei,  weil  zudem  bis  jetzt  kein  einziger  der  vielen  Steine,  als 
dem  italischen  Boden  entnommen,  mit  Sicherheit  nachgewiesen  ist 
Denn  der  Stempel  des  P.  Aelius  Theophiles  bei  Grotefend  n*  2,  wdcher 
angeblich  aus  Siena  stammen  soll  und  den  Gori,  Inscr.  antiquae  in 
Etruriae  urbibus  extantes.  vol.  I  p.  63  n.  8  unter  den  Inschriften  von 
Siena  veröffentlicht  hat,  weil  er  zufällig  sich  damals  in  der  Sammlung 
eines  Antiquars  jener  Stadt  befand,  gehört  wahrscheinlich  ebenfalls 
einem  anderen  ausserhalb  Italiens  li^enden  Fundort  an.  Vgl  Renier, 
Comptes  rendus  de  Tacad.  des  inscr.  et  belles-lettres  de  l'annte  1870, 
Nouv.  S^rie,  t.  VI  (Paris  1870)  p.  79  und  Ch.  Robert,  M^langea 
d'arch^logie  p*  15. 


126  Stampf  römitohar  A«g«iiinte. 

Der  Stempel  lautet  nach  Borgheafs  Abschrift : 

1.  S  R  HER  MELIN 

2.  S  RHER  THERM 

3.  S  RHER  STACT 

4.  S  R  HER  G  R  0  C 

1.  S(exti)  R Her(meti8?)  melin(am). 

2.  S(exti)  R Her therm(iiium). 

3.  S(exti)  R  .....  Her stact(am). 

4.  S(exti)  R Her croc(odes). 

Litteratar:  Orotefend  im  Balletino  dell'  Instituto  archeol.  rom. 
1868  p:  104  nach  einem  ungedruckten  Brief  Borghesrs  an  Benzen. 

Grössenverh&ltnisse  und  Material  des  Stempels  sind  unbekannt 

Der  Gtetilname  und  der  Zuname  des  Arztes  ist  bei  der  unange- 
messenen Abkürzung  schwerlich  mit  einiger  Sicherheit  festeusteUen. 
Ich  habe  zwar  naeh  dem  Vorgange  Grotefends  Hermetis  geschriebeDi 
wie  Borghesi  die  Abkürzung  HER  gedeutet  hat^  ohne  dai8  ich  bth 
haupten  will,  dass  dies  auch  nur  die  annäherwl  mttgliche  Maknensfonn 
des  Augenarztes  gewesen  ist.  Dieselbe  kennen  wir  schon  aus  einer 
Bologneser  Inschrift  als  deiche  emes  Augenarztes,  nämlich  des  M. 
Latinius  M.  f.  Hermes  bei  Fabretti,  Inscr.  antiq.  IV,  377  p.  300  und 
Spon,  Miscellan.  p.  143.  Aber  ebenso  gut  konnte  er  Hermias  heissen 
oder  Htrades^  wk  der  M«  Ulpins  Herades  auf  den  beiden  Nytnw^ener 
Steinen  bei  Grotefend  n»  98  and  94  oder  Hermen,  wie  ein  Arzt  bei 
OetauB  VI)  By  24  üidk  nennt  oder  Heron,  Tto  dem  Galeüus  de  oMipos. 
medicaia.  set  loeos  IV^  8,  t  XH  p«  745  ein  Mittel  gegen  SdUntnoD 
iumL  AttSÖnss  der  Augen  anführt  -^ 

Die  auf  dem  Stenq^d  erwähnten  Mittel  sind  alle  bis  auf  das  an 
zweiter  &H»lle  genamte  hinlänglich  aas  den  übrigen  Siegelstcinfen  b^ 
kannfc«  Nur  bezüglich  dieses  könnte  man  einen  Augenblick  zweifelinft 
sein^  ob  mit  Bocghesi  THEBM(iBttm)  zu  lesen  sd  oder  THERM (anti- 
cura)t  ein  Ausdruck^  dessen  Gaienns  L  c.  IV,  1  t  Xli  p»  700  Kohii  ge- 
denkt^ um  die  Wkkong  eines  bestimmten  Mittels  zn  chavaktorüdiea. 
Es  Wird  jedodi  wohl  geratbena  sein  mit  Grotefeod  das  BorghesiMie 
Theraünum  beiznbehalten,  von  dem  Plinius  der  Aeltere  berifibte(,  das 
ee  besänftige  und  eiue  äbnlkiie  Wirioing  ausübe  wie  dits  aus  Besen 
beseitete  collyriuili:  ^therayniun  (eleaui)  e  liq^is  Mnollit,  ptDxinuon 
rosaceo  effectu."    Vgl.  Plinius  nat.  bist  XXTTI,  4»  94.  --  Daes  die 


t 


Aug^affectioneii  selbst  nicht  genaimt  werden,  wof&r  die  Mittel  ang^ 
priesen  werden^  darf  nicht  aufillig  sein,  da  ditßs  auch  sonst  Statt  findet. 

123. 

Tiberius  Samb  .  .  .  .  .? 

Der  Fundort  des  Btempeb  ist  unbekannt,  er  befindet  sich  Jetzt  im 
Museum  der  Familie  de  Minicis  zu  Fermo. 

tSAMB  LENE  •  STACTMOP  OCROMELLoN 

Ti(berii?)  Samb(?)  lene,  8tact(u)m  opo(balsamatttm),  cro(codea), 
meI(in)on(?). 

Litteratur:  Rafbele  de  Bfiaids^  Le  iscrudoui  Fennane  aiititihe  e 
moderne.  Fermo  1857.  8^  p.  821  n.  66& 

Orössenverhältnisse  und  Material  des  Steines  sind  unbekannt. 

De  Minicis  a.  a.  0.  S.  388  sagt,  die  oben  mitgetheilte  Inschrift 
befinde  sich  m  una  pvettma^  che  si  opina  ^ssere  f&rse  un  tamdeto. 
Diese  letztere  Ansicht  des  italiänischen  Gelehrten,  dass  der  Stein  mit 
seiner  Inschrift  als  Anmlet  gedient  habe,  ist,  wie  Jedermann  sofort 
erkennt,  grund&lsch,  wenn  gleich  de  Minicis  auch  keine  nähere  Be- 
schreibung desselben  gegeben  hat.  Er  ist  vielmehr  ein  einfacher 
Okulistenstempel,  dessen  lulichrifk  aber,  wie  eine  genauere  Besichtigung 
ergeben  wird,  von  de  Minicis  in  höchst  ungenauer  Abschrift  wahr- 
scheinlich mitgetheilt  ist*  Da  ich  mir  leider  keine  genauere  Abschrift 
des  Stempels  trotz  Aufwendung  vieler  Mähe  habe  verschaffen  können, 
so  werden  wir  uns  einstweilen  mit  der  Lesung  von  de  Minicis  als 
Richtsdmur  begnügen  müssen.  Ich  habe  daher  auch  mit  ihm  die  In- 
schrift in  fortlaufender  Zeile  gegeben,  da  wir  jeder  Angabe  über 
Zeilenabtheilung  entbehren,  obgleich  es  w&htsebeinlich  ist,  dass  die 
Namen  der  einzelnn  Collyrlen  gerade  eo  sich  auf  die  verschiedenen 
Seitenflächen  werden  verth^t  haben ,  wie  c^es  bei  anderen  kleinen 
Augenarztstempeln  der  Fall>  ist,  welche  bloss  die  Namen  der  Mittel 
ohne  Angabe  der  Leiden  enthalten,  Wofßr  sie  bestimmt  sind. 

In  den  vor  LENE  stebendea  Worten  scbsint  dar  Name  des 
Augeoarstes  zu  stocken,  von  dem  die  Heilmittd.  des  Stempels  her- 
rühren. Wie  derselbe  gelautet  hat,  darüber  halte  ich  mit  jeder 
Vermuthung  lieber  an  mich,  da  sie  zu  unsicher  ist  und  es  der  Möglich- 
keiten zu  Viele  gibt.  —  In  den  folgenden  Worten  sind  nur  Mittel 
genannt,  die  alle  schon  anderwärts  bekannt  sind,  und  zwar,  wie  ich 
et»en  hervorgehoben  habe,  ohne  Neninmg  der  Augenleiden,  für  welche 


128 


Stempel  römiBoher  Aogenänte. 


ihr  Gebrauch  empfohlen  wird.   VgL  n.  16. 28.  30. 36.  38.  40.  45  u.  a.  m. 
lieber  LENE  vgl  die  Bemerkung  zu  Stempel  n.  119 ;  über  STACT(a)M: 
verweise  ich  auf  das  zum  Stempel  des  Julius  Jucundus  (n.  118)  Ge- 
sagte. Ob  S  T  A  CT(u)M  hier  für  sich  allein  zu  nehmen  ist  oder  ob  es  mit; 
opobalsamatum  verbunden  werden  muss,  darüber  kann  man  zweifelhaft: 
sein,  weil  beide  Mittel  sowohl  alleinstehend  (vgl.  n.  16.  34)  als  aucl^ 
mit  einander  verbunden  (n.  5.  10.  22.  48)  auf  Stempeln  vorkommeo.^ 
Was  die  Schreibung  der  beiden  Worte  anlangt,    so   scheint  V 
STAÜTM  weniger  zu  fehlen   als  mit  M  auf  dem  Steine  ligirt 
sein,  was  de  Minicis  wahrscheinlich  entgangen  ist.    Die  Abkürzuft^ 
von  opobalsamatum  durch  0  P  0  kehrt  noch  einmal  wieder  auf  det^ 
Lyoner  Stempel  des  G.  Cintusminius  Blandus  n.  15,  während  gewöhnlie;^ 
0  P  0  B  sich  geschrieben   findet.  —  Das  G  R  O(codes)  ist  hinlangUt 
bekannt,  und  die  hier  vorkommende  abgekürzte  Schreibung  durch  da< 
gleiche  auf  dem  Stempel  des  Munatius  Tacitus  zu  Ntmes  n.  74 
stätigt.  —  Was  M  E  L  L  0  N  bedeuten  soll,   vermag  ich  nicht  zil 
stimmen;  ich  vermuthe,  dass  es  vielleicht  Melinon  hat  heissen  solLdi, 
wie  ich  auch  oben  versuchsweise  geschrieben  habe.  — 


124. 

Septim.ius  Soterichianus. 

Gefunden  in  den  sechziger  Jahren  in  den  Weinbergen  von 
östlich  von  der  Stadt  Nuits  (D^p.  de  la  Göte-d'Or),   an  dem 
Orte,  wo  im  J.  1845  der  Stempel  des  Caius  Dedemo  (n.  26) 
graben  worden  ist,  und  jetzt  in  der  Sammlung  des  Herrn  Bou 
Nuits-sous-Beaune  befindlich. 

1.  SEPT  •  SOTERIGHIANI 
PALLAD-  AD  DIATHES 

2.  SEPT  •  SOTERIGHIANI 
DIAMYS-  ADVET  •  GIGAT 

1.  Sept(imii)  Soterichiani  ||  pallad(ium)  ad  diathes(es). 

2.  Sept(imii)  Soterichiani  ||  diamysCus)  ad  vet(eres)  cicat(ri 

Litteratur:  L^on  Renier  in  Revue  des  soci^t6s  savantes  de0 
partements,  5»«  S6rie,  t.  IV  (Paris  1872)  p.  534  f.  und  p.  361  n^- 
einem  Facsimile  von  Auräs  in  Ntmes. 

Der  Stempel  bildet  ein  Rechteck  von  0,092  m.  Länge  und  0,046 


olat 
rten 
sge- 
in 


Stempel  röxnisober  Augenärzte.  129 

Breite.  Die  Steinsorte,  aus  der  der  Stempel  gefertigt  ist,  ist  unbekanut. 
Die  Inschriften  stehen  auf  den  beiden  Längenseiten  des  Steines. 

Der  Name  des  Augenarztes  Septimius  Soterichianus  war  bisher 
noch  nicht  bekannt.  Das  Mittel  der  ersten  Seite  Palladium  findet  sich 
schon  auf  zwei  Stempeln  n.  46  und  n.  98  und  ist  uns  seine  Zusammen- 
setzung, da  der  Name  selbst  uns  keinen  Aufschluss  gibt  und  die  alten 
Autoren,  welche  über  Medicin  geschrieben  haben,  es  nicht  erwähnen, 
völlig  dunkel.  Schon  Sichel,  Cinq  cachcts  d'oculistes  romains  (Paris 
1845)  p.  10  f.  hat  nicht  ohne  Grund  die  Vermuthung  ausgesprochen, 
dass  wir  es^  in  Palladium  mit  einem  aus  Spekulationsrücksichten  ger 
wählten,  pomphaften  Namen  eines  Mittels  zu  thun  haben,  ähnlich  wie 
dies  bei  den  mit  Isotheon  (n.  64),  und  Isochryson  (n.  1)  bezeichneten 
Mitteln  der  Fall  ist,  welche  uns  recht  die  Charlatanerie  und  Markt- 
schreierei ,  jener  antiken  Augenärzte  0  enthüllen.  Die  Anwendung  des 
Mittels,  welche  hier  proponirt  wird,  ad  diatheses,  welches  die  bei 
Augenärzten  allgemeine  Bezeichnung  für  Augenkrankheiten  ist  *),  ist 
neu:  auf  dem  einen  der  hier  einschlägigen  bekannten  Stempel  (n.  46) 
heilt  ein  gewisser  L.  Silius  Barbarus  mit  dem  Palladium  die  cicatrices 
oculorum,  während  auf  dem  andern  n.  98  leider  der  Name  der  Krank- 
heit  getilgt  ist,  für  deren  Heilung  das  Mittel  empfohlen  wird.  — 

Das  Mittel  der  zweiten  Seite  Diamysus,  über  dessen  Schreibung 
ich  auf  das  zu  n.  116  Gesagte  verweise,  gehört  zu  denjenigen  Mitteln, 
welche  weitaus  am  häufigsten  uns  auf  den  ^Stempeln  begegnen  und 
zur  Heilung  der  hier  genannten  veteres  cicatrices  oculorum  ausser- 
ordentlich viel  angepriesen  werden.    Die  Krankheit  selbst,  welche  in 


^)  In  dieeen  Zweig  der  äntlichen  Thätigkeit  greift  es  denn  auch  ein^  wenn 
OribasiuB  bei  Aetius,  Tetrabiblon  II,  3  c.  105  ein  nvCxf(tov  und  ein  ovQavtov 
kennt,  wenn  ein  gewisser  ABclepiades  sein  Mittel  aarriQ  avUrftog  nannte  nach  Galen, 
de  compos.  medicam.  sec.  locos  lY,  8  t.  XII  p.  761  Kühn,  und  wenn  es  eine 
Arznei  Ambrosia  gab,  womit  Archibios  alle  inneren  Krankheiten,  Phiiippus  von 
Macedonien  die  Wirkungen  tödlicher  Gifte  und  endlich  noch  ein  anderer  unge- 
nannter Arst  die  intermittirenden  Fieber  kurirte.  Galenus  1.  c.  II,  8  t.  XII 
p.  64,  de  Antidotis  II,  8  t.  XIY  p.  149.  II,  10  p.  159.  Und  wenn  selbst  re- 
nommirte  Aerzte,  wie  Galenus,  zu  solchem  Schwindel  schweigen,  ja  solche  Mittel 
selbst  anempfehlen,  dann  darf  unsere  Zeit  gewiss  sich  über  die  „Zauberwasser 
und  Naturheilmittel",  welche  in  unseren  Zeitungen  so  massenhaft  angepriesen 
werden,  beruhigen. 

')  Dies  hat  Sichel,  Nouveau  recueii  p.  57  durch  Yergleichung  der  ein> 
seUagigen  SteUen  aus  den  Schriften  der  alten  Aerzte  erwiesen.  ' 

9 


130. 


Stempel  römischer  Aoiarenärzte. 


Narben  der  durchsichtigen  Hornhaut  des  Auges  besteht^  scheint  übrigeci^ 
ziemlich  allgemein  in  jener  Zeit  gewesen  zu  sein,  da  sie  mehr  al^ 
dreissig  Mal  allein  auf  unseren  Stempeln  Erwähnung  gefunden  hat.« 
Vgl  Sichel,  Cinq  cachets  inödits  p.  9. 


125, 
Sollius  Hermldius  und  Munatius  Marcellus. 

Gefunden   in  dem  Amphitheater  zu  Senlis   (Dep.  de  TOise) 
den  Ausgrabungen,   welche  das  archäologische  Gomit^  jener  Stadt 
J.  1869  an  jener  Stelle  hat  ausführen  lassen. 

1.  SOLHEBMIDI 
NARDIN VM 

.    SOLHERMID- 
DIALEPIDOS- 

3.  MVNAT  MAR 
GEL  PACCI//// 
NADLIPEXO//// 

1.  Sol(lii)  Hermidi(i)  ||  nardinum. 

2.  Sol(lii)  Hermld(ii)  ||  dialepidos. 

3.  Munat(ii)  Marl  cel(li)  pacci[a|!n(um)  ad  lip(pitudinem)  ex  o[v^^^l' 

Litteratur:  Longp6rier  im  „Courrier  de  l'Oise"  vom  11.  Juni  18^5  d, 
dessen  Aufsatz  wieder  abgedruckt  ist  in  der  Revue  ar<;h^ol.,  No^ 
S^rie,  vol.  XX  (1869)  p.  61  f.  —  Daraus  Orotefend,  Balletino  d< 
Instit.  arch^ol.  rom.  1870.  p.  189  f. 

Die   Grössenverhältnisse   des   Stempels  sind    unbekannt. 
Material,  aus  welchem  er  gemacht  ist,  ist  grünlicher  Schieferstein« 
ja  neben  Serpentin  am  meisten  sich  zu  dieser  Art  kleiner  DenkmäB^^ 
verwendet  findet.  — 

Die    angeführten  Mittel    sind   alle  schon    längst   aus   ander^^ 
Stempeln  bekannt  und  bereiten  dem  Verständniss  keine  SchwierJ 
keiten.    Neu  ist  dagegen  die  Anwendung  des  an  letzter  Stelle 
führten  Mittels,  des  Paccianum,  ftir  die  Beseitigung  der  lippituA^'^ 
während  es  auf  den  schon  bekannten  Siegelsteinen  für  die  diathesi^^ 
cicatrices  un<r  rheuma  als  spedficum  bezeichnet  ist.    Dass  die  har^'' 


JI 


« 


Stempel  römischer  Aagen&rste. 


181 


gewordenen  Collyrien  in  Eiweiss  aufgelöst  wurden,  ehe  sie  auf  den 
kranken  Theil  des  Auges  aufgetragen  wurden,  bedeutet  der  auch  sonst 
auf  den  Stempeln  sehr  häufig  wiederkehrende  Zusatz  EX  OVO,  wie 
dies  Grotefend  zu  n.  7  p.  24  aus  Gelsus  VI,  6,  12  und  Galenus  de 
compos.  medicam.  secundum  löcos  IV,  8  t  XII  p.  746  f.  Kühn  hin- 
reichend nachgewiesen  hat:  — 

Was  die  Namen  der  .hier  genannten  Aerzte  anlangt,  so  macht 
der  des  ersten  einige  Schwierigkeit,  indem  es  nicht  klar  ist,  ob  mlEm 
HermiduB  oder  Hennidius  lesen  muss.  Die  Form  Hermidus  lässt  sich 
bis  jetzt  nicht  nachweisen.  Lassen  wir  daher  Hermidus  als  Cognomen 
bei  Seite  und  lesen  Hermidius,  so  gewinnen  wir  zwar  eine  Namens* 
form,  die  über  jeden  Zweifel  erhaben  und  die,  wie  Grotefend  dargethan 
hat,  durch  inschriftliche  Zeugnisse  ^)  verbürgt  ist,  allein  dann  hätte 
der  betreffende  zwei  Gentibiamen  und  kein  Cognomen.  Es  sei  denn, 
dass  wir  zu  der  Annahme  unsere  Zuflucht  nehmen,  dass  Hermidius 
auch  als  Cognomen  in  späterer  Zeit  gegolten  habe,  eine  Erscheinung, 
welche  allerdings  in  der  späteren  römischen  Kaiserzeit  nicht  ohne 
Analogieen  dasteht.  Wie  gesagt,  es  ist  dies  eine  Schwierigkeit,  welche 
nicht  so  gelöst  werden  kann.  Ebenso  kann  man  bei  dem  Gentilnamen 
des  Arztes  zweifelhaft  sein,  ob  er  Sollius  geheissen  hat  oder  S(extus) 
OUius,  so  dass  S  vor  0  L  der  Vorname  war.  Beide  Gentes  sind  hin- 
länglich bezeugt ;  ebenso  findet  es  sich,  dass  fast  eben  so  häufig  die 
drei  Namen  eines  Arztes  wie  bloss  zwei  auf  den  Siegelsteinen  genannt 
werden.  Ich  habe  es  mit  Grotefend  vorgezogen,  ihn  der  gens  SoUia 
zuzutheilen,  weil  auch  der  Name  des  zweiten  Arztes  ohne  Vorname 
angeführt  ist.  —  Der  Name  des  zweiten  Arztes  Munatius  Marcellus 
findet  seine  Bestätigung  in  zwei  Inschriften  von  Treventum  in  Samnium, 
wo  ein  C.  Munatius  Marcellus  vorkommt.  Vgl.  Mommsen,  Inscr.  regni 
Neap.  5164.  5175. 

Allem  Anscheine  nach  sollte  unser  Stempel  ursprünglich  noch 
eine  vierte  Inschrift  erhalten;  denn  auf  der  vierten  Seitenfläche  sind 
deutliche  Spuren  von  Linien  vorhanden,  welche  dazu  bestimmt  waren 
noch  mit  einer  Inschrift  beschrieben  zu  werden,  was  aber  nicht  aus- 
geführt worden  ist.  ' 


•• 


')  Yergl.  Corp.  inscr.  lat.  t.  III  n.  534,  wo  auf  einer  Inschrift  zu  Corinth 
L.  Hermidius  Celsus,  L.  Hermidius  Mäximus  und  ein  dritter  L.  Hermidi  usf 
dessen  Cognomen  durch  Zerstörung  des  Steines  weggefallen  ist,  vorkommen. 


182  Stempel  römisoher  Augen&nie. 

126. 

Caius  Valerius  Amandas  und  Cains  Valerius  Valentinus. 

Gefunden  an  einem  Orte,  the  Ballast  Hole  genannt,  bei  Biggles- 
wade  Station,  einige  engl.  Meilen  südlich,  unweit  Sandy  (ßedfordshirej 
im  J.  1873,  jetzt  im  Besitz  von  J.  G.  Lucas  in  London. 

1.    CVALAMANDI 

DIOXVM  AD  BEVMATIc 

2.  cvalamandi 
stactvmadca 

3.  c-  val-  valentini 
diaglavc  post  im^  ljip 

4.  c  val  valentini 
mixtviöTad  gl-  "^ 

k  G(aii)  Val(erii)  Amandi  ||  dioxum  ad  r(h)eumatic(a). 

2.  C(aii)  Val(erii)  Amandi  ||  stactum  ad  ca(liginem). 

3.  G(aii)  Val(erii)  Valentin!  ||  diaglaac(itt)  post  imp(etum)  lip(pi- 
tudinis). 

4.  G(aii)  Val(erii)  Valentin!  ||  mixtum  ad  cl(aritatem). 

Litteratur:  G.  Knight  Watson  in  Pi'oceedings  of  the  society  of 
antiquaries  at  London,  2^  Series^  t.  VI  (London  1873)  p.  39  ff.  nebst 
Facsimile.  —  Daher  E.  Huebner  in  der  Aixhäologischen  Zeitung  Bd. 
XXXI  (=  Neue  Folge  Bd.  VI),  1874,  S.  138  f. 

Der  Stempel  ist  ein  viereckiger  Speckstein  (steatite),  welcher  2 
englische  Zoll  misst  bei  einer  Länge  von  IVs  engl.  Zoll  Oberfläche 
und  %  engl.  Zoll  Dicke. 

Dieser  mit  ausserordentlich  vielen  Ligaturpn  geschriebene  Stempel, 
wobei  zweimal  drei  Buchstaben  (IMP,  LIP),  an  einer  anderen 
Stelle  sogar  fünf  Buchstaben  (VMATI}  in  einem  Schriftzug  vereinigt 
sind,  enthält  die  Mittel  zweier  Aerzte,  von  denen  keiner  auf  den  bis 
jetzt  aufgefundenen  Steinen  vorkommt  Von  jedem  haben  wir  zwei 
Mittel.  Der  erste  derselben,  C.  Valerius  Amandus,  hat  in  der  ersten 
Inschrift  eine  Salbe  verordnet  das  Dioxum  {dt'  o^ovg  aus  Weinessig), 
welches  bloss  auf  einem  einzigen  der  bekannten  Stempel  (n.  53)  vor- 
kommt und  zwar  in  der  verlesenen  Form  H  0  F  S  V  M ,  wofür  schon 


Stempel  römischer  Augenärzte.  188 

Grotefend  und  Watson  an  Dioxum  richtig  dachten.  Marcellus  Empi- 
ricos  c  8  empfiehlt  es  ad  aspritudines  ocoloriun  toUendas;  auf  dem 
Stempel  n.  53  hat  es  die  etwas  missliche  Bestimmung,  ein  Universal- 
mittel 0  zu  sein,  am  die  Fehler  anderer  Aerzte  wieder  gut  zu  machen, 
oder,  wie  es  auf  dem  Steine  selbst  heisst,  ad  quaecumque  delicta  a 
medicis.  Hier  wird  es  ad  rheumatica  verordnet,  ein  Leiden,  welches 
Galenus  de  compos.  medicam.  sec.  locos  IV,  8  t.  XII  p.  750  htiq>oQai 
i€vficerog  lemov  oder  einfach  ^fia  leftvov  nennt.  Es  sind  also 
Affectionen  dies  Auges,  welche  starken  Secretionen  unterworfen  sind. 
Vgl.  Aristoteles,v  Problem.  XXXI,  5,  1;  Dioscorides  II,  152;  V,  39.  — 
Das  in  der  zweiten  Inschrift  angeführte  Mittel  Stactum  nebst  der 
Nutzanwendung  ist  so  häufig  auf  unseren  Stempeln,  dass  ich  über 
dasselbe  kein  Wort  zu  verlieren  brauche; 

Der  zweite  der  hier  genannten  Aerzte,  G.  Valerius  Valentinus, 
debütirt  in  der  erst^  Inschrift  mit  einem  weniger  bekannten  Mittel, 
dem  Diaglauciu,  und  zwar  far  einen  Zustand  des  leidenden  Auges, 
wofQr  sonst,  wie  es  scheint,  als  specificum  durchgängig  das  collyrium 
Diasmymes  in  Anwendung  gebracht  wird.  Vgl.  Grotefend  n.  7.  19. 
24.  29.  49.  55  u.  s.  w.  Was  die  hinterher  folgenden  Worte  post  im- 
petum  lippitudinis  bedeuten,  hat  Sichel,  Nouveau  recueil  p.  29  klar 
gestellt,  dessen  Worte  ich  hier  folgen  lasse :  „post  impetum  signifie  un 
coUyre  utile  aprte  que  la  premi^re  violence  de  rophü^almie  est  passte, 


^)  Wenn  der  dort  genannte  Titas  Jnnianus  wirklioh  seinen  Zweck  erreicht 
hat,  mit  Hülfe  des  Dioznm  alle  Fehler  der  übrigen  Angenärste  wieder  gut  bu 
machen,  dann  hat  er  gewiss  unsere  voUe  Anerkennung  verdient.  Denn  dass 
nicht  selten  recht  grobe  Missgriffe  in  der  Behandlung  der  Augenübel  vorkamen, 
dazu  liefert  uns  das  spasshafte  Epigramm  des  Strato  eine  sehr  hübsche  Ulastra- 
tion,  worin  erz&hlt  wird,  wie  Gapito  einen  gewissen  Chrysee  mit  seiner  Quack- 
salberei aUmfthlich  so  weit  gebracht  hatte,  dass  er  fast  gar  nichts  mehr  sehen 
konnte.    Anthol.  Pal.  XI,  117: 

^IijtQos  KttTtirwv  Xgvüffv  ivixQ*OiVf  oQÜYitt 
oxriü  fikv  fiax^ov  Tivgyoy  ano  ataSiwVy 

ffd'CiQa  <r  ano  ani^fAWP  x«el  Svo  Sigxof^evov. 

Nvv  <r  ano  fikv  tna^Cov  noltw  ov  ßlinii^  ix  JA  StnU^gov 

muof^ivov  xtniiiiv  tov  (poQov  ov  Suvaiai* 

Xnnov  ano  am&afirjg  ^k  (lokti  ßlinu^  avtl  6k  tov  ngiv 

ogtvyos  ovdk  (liyav  tngovOvv  tSity  Svvtnat, 

u4v  6h  nQog^yxQtaag  ainov  (p&atrrf,  ov6^  H^ffavitt 

ovxHi  fiijnot^  tSff  nXriifhv  imaota. 


184  Stempel  römischer  Ang^n&nste. 

et  qu'elle  est  döjä  sur  son  dtelin  oo  accompagnäe  de  söcr^tion 
muqueuse,"  Die  Form  Diaglauc  hat  Watsona.  a.  0.  S.  40  Diaglaudom 
gedeutet,  jedoch  mit  Umgeht.  Denn  aie  entspricht  dem  griechischen 
öta  ykavT^eiov  und  ist  gerade  so  gebildet,  wie  die  ähnlichen  Benennungen 
anderer  Mittel  wie  Dialibano,  Dialepidos,  Diasmymes  u.  s.  w.  Es 
muss  demnach  heissen  Diaglauciu,  wie  auch  Osann,  Philologus  Bd.  XIV 
S.  635  bei  Plinius  nat  hist.  XXVII,  10,  83  in  den  Worten  „hinc  tempc- 
ratur  collyrium,  quod  medici  diaglauciu  (die  Handsa.  diaglauda)  vocanf' 
richtig  verbessert  hat.  Neben  Diaglauciu  kommt  auch  eine  zweite 
Form  Diaglauceu  vor,  welche  uns  der  Stempel  des  Hirpidius  Polytimus 
zu  Lyon  n.  38  bietet,  gebildet  von  glauceum,  das  durch  Columella  de 
cultu  hortorum  v.  104  und  Andere  verbürgt  wird.  Vgl.  Grotefend  S.  59. 
Receptc  dieses  Mittels  nebst  Gebrauchsanweisung  geben  Scribonius 
Largus  compos.  med.  c.  3,  22  und  Dioscorides  III,  90.  — 

Das  in  der  vierten  Inschrift  verzeichnete  collyrium  mixtum,  welches 
bis  jetzt  nur  einmal  und  zwar  auf  dem  Pariser  Stempel  des  Decimus 
Flavianus  (n.  31)  wiederkehrt  und  an  das  fiefuyfiivov  Euelpidis  col- 
lyrium bei  Celsus  VI,  6,  17  erinnert,  gehört^  zu  der  grossen  Klasse 
der  mehrfach  vorkommenden  Mittel  mit  den  farblosen  Benennungen, 
welche  über  die  Zusammensetzung  keinen  Aufschluss  geben  und  wahr- 
scheinlich von  den  Aerzten  erfunden  wurden,  um  ihre  Goncurrenten 
in  der  Praxis  üb^  ihre  Kunst  im  Dunkeln  zu  lassen.  Dahin  gehören 
Bezeichnungen,  wie  Coenon,  Stactum,  Lene  u.  s.  w*  —  Der  Ausdruck 
A  D  G  L(aritatem),  welcher  die  Bestimmung  des  Mittels  enthält,  besagt 
dasselbe,  was  auf  anderen  Stempeln  dufch  ad  caüginem  bezeichnet 
wird,  indem  durch  das  letztere  Wort  das  zu  beseitigende  Leiden,  durch 
das  erstere  die  zu  erreichende  Wirkung  besonders  hervorgehoben  wird. 
Daher  erklärt  sich  auch,  dass  beide  Formeln  auf  den  Stempelinschriften 
so  vielfach  mit  einander  abwechselnd  gebraucht  werden.  — 

Endlich  muss  ich  noch  einer  Eigenthümlichkeit  des  Steines  er- 
wähnen, über  fiie  schon  in  der  Einleitung  das  Nöthige  gesagt  ist.  Nach 
der  Angabe  des  englischen  Herausgebers  sind  die  Süchworte  der  vier 
Mittel  Diox  und  Stac  auf  der  oberen,  Diaglauc  und  Mixt  auf  der  unteren 
Plattseite  des  Steines  in  der  Mitte  der  vier  Seiten  am  Rande  über  der 
zum  Siegeln,  bestimmten  Stempelinschrift  noch  einmal  leicht  und 
flüchtig  mit  einem  Grabstichel  oder  einem  anderen  spitzen  Instrument 
eingeritzt.  Die  Form  der  in  Cursivschrift  gehaltenen  Buchstaben,  wie 
sie  das  von  Watson  beigegebene  Facsimile  zeigt,  ist  ziemlich  regel- 
mässig und    gewandt  und  erinnert  unwillkührlich  an  die  eleganten 


Stempel  römischer  Augenärzte. 


136 


Züge  der  Pouipejanischen  Graffiti.  Auffallend  ist,  dass  nicht  auch  die 
Namen  der  Aerzte  wiederholt  sind.  Dasselbe  haben  wir  übrigens  auch 
auf  dem  Lyoner  Stempel  des  L.  Gaemius  Patemus  (d.  U).  Hier  mag 
wohl  die  Bücksicht  auf  den  Baum  entscheidenden  Einfluss  ausgeübt 
haben,  indem  ja  die  Namen  zweier  Aerzte  zu  verzeichnen  waren. 


127. 

Zuletzt  erwartet  mich  noch  das  unangenehme  Geschäft  in  ähn- 
licher Weise,  wie  auch  Grotefend  am  Schlüsse  seiner  Schrift  es  hat 
thnn  müssen,  die  Existenz  eines  Siegels  nachzuweisen,  ohne  zugleich 
die  Inschriften  desselben  mittheileu  zu  können.  Ich  bedauere  dies  um 
so  lebhafter,  als  dieser  Stempel  hinsichtlich  seiner  Beschaffenheit  ein 
Unicum  ist.  Wähi'end  fast  alle  bis  heute  zu  unserer  näheren  Kennt- 
niss  gelaugten  Okulistenstempel  von  Serpentin,  Nephrit  oder  Schiefier 
gemacht  sind,  so  dass  es  scheint,  dass  Stein  als  das  gewöhnliche 
Material  derselben  angesehen  werden  muss,  ist  dieser  Stempel  der 
erste,  welcher  in  Bronce  gearbeitet  ist.  Es  ist  dies  eine  höchst  merk- 
würdige Erscheinung,  welche  desshalb  eine  besondere  Beachtung  ver^ 
dient,  weil  sonst  die  Siegel  des  Alterthums,  welche  keine  Augenarzt- 
stempel enthalten,  aus  Metall  verfertigt  sind.  Auf  die  Wahl  des 
Steines  als  des  gewöhnlichen  Materials  zu  Augenar;ptstempeln  scheinen 
übrigens  bestimmte  Verhältnisse  entscheidend  eingewirkt  zu  haben. 
Erstlich  einmal  war  vielleicht  in  jener  Zeit,  aus  welcher  unsere  Stempel 
herrühren,  Bronce  schon  ein  seltener  und  sehr  theuerer  Artikel,  so  dass 
die  Augenärzte  das  billigere  Material  von  Stein  vorzogen.  Dann^ber 
boten  die  von  Stein  verfertigten  Siegel  auch  vor  den  Broncestempeln 
den-grossen  Vortheil,  dass  sie  mehr  als  bloss  ein  Mal  benutzt  werden 
konnten.  Denn  wenn  man  den  Namen  der  Mittel  und  des  ärztlichen 
Erfinders  ändern  wollte,  so  genügte  es  einfach  den  Stein  mit  einer 
Feile  oder  einem  anderen  scharfen  Instrument  abzuschaben,  um  die 
überflüssig  gewordene  Inschrift  auszulöschen,  ein  Verfahren,  welches 
in  dieser  Weise  bei  foonce  nicht  möglich  war.  Der  hier  in  Bede 
stehende  Stempel  ist  im  J.  1869  zu  Saint-Chöron,  Ganton  de  Dourdan, 
D6p.  Seine-et-Oise  gefunden,  wo  auch  der  Siegelstcin  des  M.  C.  Celsinus 
(n.  8)  ausgegraben  worden  ist,  und  seine  Entdeckung  durch  Lenoir 
mitgetheilt  worden  in  der  Bevue  des  soci^tte  savantes  des  döpartements, 
A^  S6rie,  t.  IX  (1869)  p.  28. 


Bonn. 


Joseph  Klein. 


S.    Die  Weiheinschrifl  des  Clematius  in  der  Ureulaldrclie  zu  Köln. 

Die  älteste  Urkunde  der  Sage  von  den  Märtyrinnen  in  Köln, 
welche  ein  Gegenstück  zu  der  Hinrichtung  der  ohristHchen  Bekenüer 
der  thebäischen  Legion  bildet^  besitzen  wir  in  einer  noch  heute  in  der 
Ursulakirche  aufbewahrten  Inschrift,  welche  nach  dem  sachkundigen 
Urtheile  Rossi's  den  Schriftzügen  gemäss  nicht  später  als  in  die  erste 
Hälfte  des  fünften  christlichen  Jahrhunderts  fällt.  Aber  ihre  Deutung 
ist  äusserst  schwierig,  und  die  Schwierigkeit  wurde  um  so  grösser,  seit 
die  Sage  jene  Märtyrinnen  aus  Britannien  kommen  zu  lassen  begonnen 
hatte,  da  man  sich  dadurch  genöthigt  sah,  jede  Bestimmung  der  Her- 
kunft der  heiligen  Jungfrauen  aus  dem  Morgenlande  auszuschliessen. 
Während  der  erste  Blick  das  Morgenland  als  Heimat  der  Heiligen  in 
dei;  Inschrift  erkennt,  musste,  um  die  Sage  von  der  britannischen 
Herkunft  aufrecht  zu  halten,  die  hier  gegebene  Bestimmung  ex  par- 
tibus  Oricntis  von  den  Jungfrauen  getrennt  und  auf  den  Stifter 
der  Kirche  bezogen  werden.  Bisher  beruhigte  man  sich  fast  allgemein 
mit  dieser  Auffassung,  ohne  sie  wissenschaftlich  zu  begründen,  und 
noch  Kessel  glaubte  in  der  Schrift  „St.  Ursula  und  ihre  Genossen- 
schaft^' (1863)  sich  jedes  Beweises,  dass  ex  partibus  Orientis  nicht 
auf  die  Jungfrauen  bezogen  werden  dürfe,  ganz  überhoben,  ja  er  wies 
einfach  Ritschis  unparteiische  Behauptung,  es  sei  hier  offenbar  von 
morgenländischen  Jungfrauen  die  Rede,  als  offenbar  irrig  zurück,  und 
beschränkte  sich  auf  eine  deutsche  Uebersetzung,  die  mit  den  Worten 
der  Inschrift  nicht  stimmt,  sogar  einen  grammatischen  Fehler  derselben 
überspringt.  Den  wissenschaftlichen  Nachweis,  dass  ex  partibus 
Orientis  auf  Gl ematius  bezogen  werden  müsse,  hat  ganz  neuerdings 
Prof.^  Floss  in  den  „Annalen  des  historischen  Vereins  für  den  Nieder- 
rhein" XXVI  zu  erbringen  gesucht,  wobei  die  grosse,  fast  peinliche 
Sorgfalt,  mit  welcher  die  sprachliche  und  sachliche  Deutung  in  allen 
Einzelheiten  begründet  wird,  volle  Anerkennung  verdient  und  der 
Oberflächlichkeit  gegenüber,  mit  welcher  man  bisher  eine  so  wichtige 
Urkunde  behandelt  hat,  wohlthuend  wirkt.  Aber  je  grösser  die  attf- 
gewandte  Mühe  ist  und  je  mehr  man  zugeben  muss,   dass  hier  alle 


Die  Weiheinsohrift  des  Clematius  in  der  üranlakirche  zu  K61a.      .    167 

wissenschaftlkhen  Mittel  in  Anwendung  gebracht  sind,  um  den  Clematius 
als  Morgenländer  nachzuweisen  und  somit  die  morgenländische  Her- 
kunft von  den  Jungfrauen  abzuwenden,  um  so  dringender  stellt  sich 
die  Nothwendigkeit  der  Untersuchung  heraus,  ob  die  hier  gegebene 
Deutung  als  unbedenklich  anzusprechen  und  als  Ausgangspunkt  der 
Forschung  über  ^die  Legende  von  den  heiligen  Jungfrauen,  deren 
britannischer  Ursprung  heute,  der  offenbar  vorliegenden  Entwicklung 
der  Sage  zum  Trotz,  von  allen  Köln  besuchenden  Engländern  verehrt 
wird,  unbedingt  gelten  kann.  ^ 

Die  Inschrift  selbst  lautet  nach  deu  Abdrücken  bei  Kessel  und 
Floss : 

DIVIN  ISFLAMMEISVISIONIBFREQWf^R 
ADMONITETVIRTVTISMACNAEMAI 
lESTATISMARTYRIJCAELESTIVM  VIRGIN 
IMMINENTIVMEXPARTIBORIENTIS 
EXSIBITVSPROVOTOCLEMATIVSVCDE 
PROPRIOINLOCOSVOHANCBASILICAA 
VOTOavODDEBEBATAFVNDAMEITIS 
RESTITVITSIQVISAVTMSVPERTANTAA 
MAIIESTATMHVIIVSBASILICAEVBIS/\IC 
TAEVIRCINESPRONOMINEXPISAN 
CVI  hEMSVW  FVD  ERVITC  CR  PVSALIGHS 
OEPOSVERITEXCEPTISVIRCINIB  SCIATSE 

SEMPIIRNISTARTARIICNIBPVNI  ENDM 

Floss  übersetzt :  „Durch  göttliche  flammende  Visionen  häufig  ge- 
mahnt, und  durch  die  Wunder  der  grossen  Majestät  der  Marterstätte 
der  himmlischen  Jungfrauen,  die  ihn  dräuend  aufforderten,  aus  den 
Gegenden  des  Orients  hergeführt  gemäss  einem  Gelübde,  hat  Clematius, 
ein  hochangesehener  Mann, ;  aus  seinem  Vermögen,  auf  seinem  Eigen- 
thum  diese  Basilika  in  Folge  des  Gelübdes,  welches  er  schuldete,  von 
Grund  aus  hergestellt.  Sollte  aber  jemand  über  der  so  grossen  Ma- 
jestät dieser  Basilika,  wo  die  heiligen  Jungfrauen  für  den  Namen 
Christi  ihr  Blut  vergossen  haben,  den  Körper  jemandes  beisetzen,  die 
Jungfrauen  ausgenommen,  so  möge  er  wissen,  dass  er  mit  dem  ewigen 
Feuer  der  Hölle  gestraft  werden  muss." 

Halten  wir  uns  zunächst  an  den  Hauptpunkt,  so  ist  es  äusserst 


188         Die  Weihinsohrifl  des  Gematius  in  der  ünalakirohe  m  Köln. 

anstösaig;  dass  bei  den  Wandern  der  heiligen  Jungfrauen,  durch  welch« 
ClematiuB  zu  seinein  Gk^lübde  und  zu  seiner  Reise  nach  Köhi  ver- 
anlasst wird,  der  drohenden  Erschemung  derselben  gedacht  werden 
soll;  ist  anders  an  eine  drohende  Erscheinung  der  Jungfrauen 
selbst'zu denken,  so  hegt  diese  in  divinis  flammeis  visionibuff, 
und  bei  dem  Einflüsse,  den  die  Wunder  der  Jungfrauen  auf  ClematiuB 
gettbt,  hat  sie  gar  keine  Stelle.  Zuerst  wurde  er  durch  feurige  Er- 
scheinungen (nicht  der  Jungfrauen  selbst)  aufgefordert;  dazu  kamen 
die  Wunder  der  Jungfrauen,  deren  Wirkung  dadurch  nicht  grösser 
würde,  wenn  dieselben  ihm  gedroht  hätten,  nein  die  Wunder  wirkten 
durch  ihre  eigene  Kraft,  indem  sie  die  Heiligkeit  der  Jungfrauen,  die 
solche  Wunder  wirken  konnten,  recht  ins  Lich^  setzten  und  die  Pflicht 
ihm  einschärften,  zu  Ehren  solcher  Heiligen  die  ganz  veiiallene  oder 
vielmehr  völlig  verschwundene  Kirche  wieder  herzustellen.  Ist  demnach 
die  Verbindung  des  Dräuens,  wenn  die  ungewöhnliche  Form  hier 
als  bezeichnender  beibehalten  werden  soll,  mit  den  Wunderthaten  ganz 
\ingehörig,  so  wird  auch  in  imminentium  eine  Bedeutung  gel^, 
die  es  nicht  hat;  denn  immineo  kann  nicht  geradezu  ffir  minor 
oder  gar  minans  adhortor  stehen,  wenn  es  auch  mit  einem  Dativ 
von  einer  bedrohenden  Nähe  steht,  wo  das  Bedrohen  nicht  im 
Worte  liegt,  sondern  der  Lage  der  Sache  nach  hinzugedacht  wird. 
Und  diese  Deutung  ist  auch  deshalb  unmöglich,  weil  das  im  min  er  e 
gleichzeitig  mit  der  Wirkung  der  Wunderthaten  geschehen  mfisste, 
weil  sonst  das  Part.  Präs.  sprachwidrig  wäre  ^).  Scheinen  uns  diese 
kaum  zu  hebenden  Bedenken  schon  allein  die  neue  Deutung  umza* 
stossen,  so  dürfte  eine  andere  Erwägung  nicht  weniger  schwer  ins  Ge- 
wicht fallen.  Nach  der  Aufforderung  durch  feurige  Erscheinungen, 
welche  doch  keinen  andern  Zweck  haben  konnten,  als  den  Glematitts 
zum  Gelübde  des  Kirchenbaues  zu  bestimmen,  erwarten  wir,  dass  die 
erstaunlichen  Wunderthaten  der  Heiligen  als  Veranlassung  des  Ge- 
lübdes bezeichnet  werden;  statt  dessen  wird  des  Gelübdes  nur  neben- 
sächlich und  in  etwas  sonderbarer  Verbmdung  mit  der  Herführung 


■r 

')  Im  Widerspruch  mit  der  eigenen  Uebersetzung  erklart  Flosa  spater 
imminentium  instantium,  urgentium;  die  Jungfrauen  hätten  ,,in  der 
Vision  dräuend,  dr&ngend,  fordernd  über  ihm  geschwebt".  Auch  gegen  diese 
unklare  Deutung  spricht  das  Part.  Prfts.,  da  das  im  mi  nere  doch  vorhergegangen 
sein  müsste.  Oder  sollen  wir  uns  etwa  denken,  während  die  Jungfirauen  fiber 
Glematius  geschwebt,  hätten  „die  Wunder  der  grossen  Majestät  ihrer  Marterstüte 
ihn  aas  den  Gegenden  des  Orients  h^rgefährt  gemäss  einem  Gelübde''? 


Die  Weiheinsohrift  des  Clematiat  in  der  Ursalakirohe  zu  KöIb. 


189 


aus  dem  Orient  gedacht,  da  doch  die  Hauptsache  die  Bestimmang 
mm  Gelübde  ist.  Und  wie  kann  man  sagen,  einer  sei  „durch 
Wuüderthaten  gemäss  dem  Gelübde  hergeführt"  worden,  da  die  Wunder- 
thaten  ihn  nicht  von  einem  Oii;e  zum  andern  bringen,  sondern  die 
Erfüllung  des  Gelübdes,  zu  welchem  die  Wunderthaten  ihn  bestimmt 
haben?  Das  Gelübde  ist  ja  nicht  auf  die  Reise  aus  dem  Morgenlande 
nach  Köln,  sondern  auf  die  Erbauung  einer  Kirche  gerichtet;  das  ist 
das  Votum,  quod  debebat,  wie  es  weiter  heisst,  und  die  Erfüllung 
des  Gelübdes  erforderte  nicht  einmal  nothwendig  die  Heise  an  den 
Ort,  wo  die  Kirche  gestiftet  werden  soll.  Sehen  wir  weiter,  wie  ez- 
sibitus  als  hergeführt  begründet  wird.  Exsibitus  sei  hier  ein 
juristischer  Ausdruck,  •  bemerkt  Floss,  und  zum  Beweise,  dass  dem 
Glematius  Bechtsausdrücke  geläufig  seien,  wird  auch  die  Verbindung 
mitadmonitus  angeführt,  da  beide  in  der  Bechtssprache  miteinander 
verbunden  würden.  Und  doch  hat  er  selbst  nachgewiesen,  dass  ad- 
monere  der  ganz  eigentliche  Ausdruck  von  Visionen  ist,  wonach 
bei  ihm  gar  nicht  an  den  juristischen  Gebrauch  gedacht  werden  kann. 
Exsibere  soll  den  Sinn  von  sistere,  vorführen,  zur  Stelle 
bringen  haben,  und  da  es  besonders  vom  Schuldner  gebraucht  werde, 
der  sich  sträube  und  deshalb  mit  Gewalt  zur  Stelle  gebracht  werde, 
stärker  als  evocatus,  excitus  sein.  Aber  exsibere  heisst  einen 
oder  eine  Sache  vor  Gericht  stellen,  wenn  es  zur  Verhandlung,  der- 
selben bedarf,  herschaffen,  stellen.  Hier  ist  nun  von  einer 
Stellung  vor  Gericht  nicht  die  Bede,  nur  von  einem  inneren  Zuge  in 
Folge  der  Wunderthaten  »^gemäss  einem  Gelübde"  (wie  Floss  erklärt) 
aus  dem  Orient  nach  Köln,  wobei  die  Hauptsache,  wohin  Glematius 
gezogen  wird,  ganz  übergangen  wäre.  Auch  ist  die  Verbindung  des 
juristischen  exsibere  mit  einem  ex  nicht  nachzuweisen.  Das  ex  in 
exsibere  hat  so  wenig  örtliche  Bedeutung,  wie  in  efficere,  ex- 
ercere,  existimare,  es  entspricht  vielmehr  hierunserm  hin,  dar. 
Hiemach  dürfte  die  Deutung  durch  die  Wunder  hergeführt 
(oder  vielmehr  hergezogen)  gemäss  einem  Gelübde  gar  wunder- 
lich sein.  Floss  meint,  ex  partibus  Orientis  könne  nur  von 
exsibitus  oder  von  imminentium  abhängen,  und  da  er  die  Ver- 
bindung mit  imminentium  abweist,  bleibt  ihm  nur  die  mit  exsibitus 
übrig,  die  er  auch  dadurch  begründet,  dass  exsibitus  nothwendig 
eines  Zusatzes,  woher  Glematius  gekommen,  bedürfe,  da  der  Ausdruck 
sonst  unerklärlich  wäre,  wogegen  wir  meinen  möditen,  die  Angabe, 
woher  er  gekommen,  sei  viel  weniger  nöthig  als  die  Hinzufügung 


140         Die  Weiheinsohrifb  des  Glematias  in  der  ürstdakirohe  su  Köln. 

wohin.  Und  weshalb  muss  denn  ex  partibus  Orientis  über- 
haupt von  einem  Participium  abhängen,  weshalb  kann  es  nicht  allein 
stehen,  wie  in  bester  Prosa  uxor  ex  Helvetiis,  ex  Hispania 
quidam,  Epicurei  e  Graecia  und  so  manches  andere  steht?  Für 
imminens  ergibt  sich  dann  auch  die  zunächst  liegende  Deutung  als 
durchaus  passend.  Vi  reines  imminentes  sind  nach  gangbarem 
Gebrauch  die  nahen  Jungfrauen,  die  dem  Glematius,  dem  Hause 
des  Glematius  nahe  liegenden,  in  dessen  Nähe  bestatteten  Jungfrauen, 
wozu  als  eine  Art  Gegensatz  tritt,  dass  sie  aus  dem  Morgeniande 
stammen,  ja  auch  das  vorhergehende  caelestium  tritt  gewisser- 
massen  mit  in  den  Gegensatz ;  sie  wohnen  als  Heilige  im  Himmel,  wie 
Floss  richtig  erklärt,  leiblich  aber  ruhen  sie  in  seiner  Nähe,  obgleich 
sie  aus  dem  Morgenlande  stammen.  Es  ist  dies  eine  fast  räthselhaftc 
Bezeichnung,  von  der  wir  fast  annehmen  möchten,  dass  die  himmlische 
Erscheinung  (etwa  eines  Engels,  aber  dies  scheint  absichtlich  unbestimmt 
gelassen)  sich  dieser  geheimnissvollen  Andeutung  bedient  habe.  Die 
Wunderthaten  der  seinem  Hause  nahen  morgenländischen  Jungfrauen 
bestimmten  ihn  nach  manchen  ihn  dazu  mahnenden  Erscheinungen  zu 
dem  Gelübde,  die  verschwundene  Kirche  derselben  wieder  herzustellen. 
Der  Ausdruck  exsibitus  pro  voto  im  Sinne  bestimmt  zu  dem 
Gelübde  hat  freilich  etwas  Geziertes,  aber  den  Charakter  des  Gezierten 
trägt  die  ganze  Inschrift,  wie  besonders  in  d^  merkwürdigen  Gebrauche 
des  Abstractums,  tantamaiestas  huius  basilicae  für  diese  so 
herrlicheEirche,  magna  maiestas martyrii  caelestium  vir- 
ginum  für  die  so  herrliche  Marterstätte  der  himmlischen 
Jungfrauen,  wo  vielleicht  sogar  martyriumvirginum  fürmar- 
tyres  virgines  stehen  soll.  Freilich  ist  Floss  dem  Sprachgebrauch 
nach  vollständig  berechtigt,  marty  rium  für  Marterstätte  zu  nehmen 
und  das  folgende  maiestas  huius  basilicae  scheint  dafür  zu 
sprechen,  aber  die  Wunderthaten  werden  doch  viel  eigentlicher  dem 
Märterertode,  welcher  die  Jungfrauen  zu  Heiligen  gemacht,  als  der 
Marterstätte  zugeschrieben;  es  ist  dies  aber  ein  ganz  nebensächlicher 
Punkt.  Bei  den  mannigfachen  Wendungen  der  Bedeutungen  von  ex- 
sibere  ist  es  nicht  zu  verwundem,  wenn  in  einer  so  späten,  etwas  ge- 
zierten Inschrift  die  Bedeutung  des  Hin  Schaffens  geistig  übertragen 
und,  wie  unser  dahin  bringen,  von  der  Bestimmung  zu  einem  Ent- 
schlüsse gebraucht  wird,  also  exsibitus  für  permotus,  impiilsus 
steht.  Der  Gebrauch  des  pro  für  a  d  deutet  auf  die  spätere  Latinität 
Der  Gebrauch  des  spanischen  und  portugiesischen  por^  des  französischen 


Die  WeihemBchrift  des  Glemaüas  in  der  Ursulakirohe  zu  Köln. 


141 


pour,  des  italienischen  und  provencalischen  per  beruht  auf  der  ganz 
eigenthümlichen  Anwendung  desselben  im  Vulgärlatein,  von  welcher 
des  Gregor' von  Tours  properant  pro  episcopatu  petendo  u«  a. 
zeugen.  Vgl  Diez  „Grammatik  der  romanischen  Sprachen^'  III,  172  ff. 
234  f.  ^)  So  dürfte  denn  die  Deutung  des  exsibitus  pro  voto  als 
bestimmt  zum  Gelübde  um  so  weniger  zu  bezweifeln  sein,  all^ 
der  Zusammenhang  auf  diese  fast  nothwendig  hinführt  und  keine  wahr- 
scheinlichere sich  darbietet.  Wenn  in  den  Antiphonen  die  Märtyrinnen 
alsvirgines  ex  partibusOrientis  exhibitae  bezeichnet  wurden, 
so  beruhte  hier  der  Ausdruck  exhibitae  freilich  auf  einer  falschen 
Erinnerung  an  die  Inschrift,  aber  es  folgt  daraus  weder,  dass  exhibitus 
wirklich  die  Bedeutung  hergekommen  hat,  noch  dass  die  Legende 
von  der  morgenländischen  Herkunft  derselben  bloss  aus  Missver- 
ständniss  hervorgegangen,  vielmehr  war  dies  gerade  die  alte  Sage. 

Hiemach  ist  der  Sinn  des  Anfangs  der  Inschrift:  „Durch  göttliche 
feurige  Erscheinungen  häufig  angemahnt  und  durch  die  Wunder^)  der 
hochherrlichen  himmlischen  Märtyrerjungfrauen  zu  dem  Gelübde  be- 
stimmt.'' Floss  erklärt  flammeus  zornig;  das  liegt  aber  nicht  im 
Worte.  Ein  Zorniger  kann  freilich  flammeus  genannt,  ihm  ein  glühen- 
des, feuriges  Gesicht  zugeschrieben  werden,  aber  deshalb  ist  doch  flam- 
meus an  sich  nicht  geradezu  zornig.  Die  Erscheinungen  waren  wirklich 
feurige,  wie  solche  sowohl  von  Heiligen  als  von  Seite  des  Bösen  vor- 
kommen, und  divinus,  das  Floss  ohne  weitere  Erklärung  lässt,  deutet 
gerade  darauf,  dass  es  göttliche,  keine  satanischen  Visionen  waren. 
Die  Art  derselben  wird  nicht  näher  bestimmt;  dass  es  aber  die  Jung- 
frauen selbst  gewesen  sein,  ist  schon  deshalb  nicht  anzunehmen,  weil 
derselben  ja  erst  darauf  gedacht  wird.  Diese  Erscheinungen  forderten 
den  Glematius  auf,  den  in  seiner  Nähe  liegenden  heiligen,  aus  dem 


^)  Der  Beweis  von  Flosa  (S.  8)  pro  voto  heisse  dem  Gelfibde  gem&ss, 
ist  höchst  bedenklich;  auf  der  bezogenen  Inschrift  steht  nach  einer  Abschrift 
Rasticus  voto  suo  feoit,  nach  einer  andern  sehr  wunderlich  at  provoto 
Buo  fecit.  Pro  suo  voto  könnte  heissen  für  sein  Gelübde.  Das  Citat 
„Maffei  III,  91  f.*'  kann  ich  nicht  vergleichen. 

')  Dass  virtutis  fehlerhaft  sei,  hat  Floss  richtig  erkannt  und  seine  Yer- 

muthung;  der  Steinmetz  habe  VIRTVTIB  einmeisseln  wollen,  ist  nicht  ohne 
Wahrscheinlichkeit,  obgleich  man  auch  annehmen  könnte,  die  folgenden  Genitive 
hätten  auch  hier  die  Verwechslung  des  Qen.  Sing,  mit'  dem  Dat.  Plural  veran- 
lasst oder  es  sei  virtute  (durch  die  Wunderkraft,  wie  Ji/va/if  i)  zusetzen, 
wie  schon  Brower  wollte.  Die  Vermuthung  eines  vor  virtutis  ausgefallenen 
vi,  an  der  es  auch  nicht  gefehlt,  entbehrt  jeder  Wahrscheinlichkeit. 


142         Die  Weiheinsohrift  des  Clemaiius  in  der  Ursulaklrohe  zu  Köln. 

Morgenlande  stammenden  Jungfrauen,  die  völlig  zerstörte  Kirche  wieder 
herzustellen.    Der  Glematius,  den  wir  hier  finden^  mag  wirklidi  einem 
morgenländischen  Geschlechte  angehört  haben;  dann  wäre  es  um  so 
bedeutsamer,  dass  er  gerade  aufgefordert  wurde,  seinen  Landsmänninen  , 
den  moi^enländischen  Märtyrinnen,  die  Kirche  wieder  herzustellen. 
Die  Inschrift  bezeichnet  ihn  nur  als  vir  clarissimus,  als  einen  Manim 
senatorischen  Banges.    Die  Yermuthung,'  dass  er  der  Freund  des  Ll^ 
banius  sei,  der  mit  einem  Briefe  desselben  an  Barbatio  355/356  an  dens^ 
Rhein  reiste ,    von  wo  er  ohne  Antwort  desselben  vor  dessen  359  er— 
folgenden  Tod  nach  Antiochien  zurückkehrte,  ist  kaum  glaublich ;  densm 
der  Neubau  mttsste  dann  kurze  Zeit  nach  der  Zerstörung  ^olgt  sein, 
was  deshalb  höchst  unwahrscheinlich,  weil  es  dann  der  Wunderthatesm 
der  heiligen  Jungfrauen  nicht  bedurft  hätte,  ihn  zum  Wiederbau  desr 
Kirche  der  durch  ihre  Wunderthaten  berühmten  Heiligen  zu  bestimmen  . 
FlosB  lässt  den  ersten  Bau  der  Kirche  gleich  nach  dem  Martertod^ 
unter  Diodetian  von  einem  in  Köln  ansässigen  Glematius  erfolgen,  den 
Sohn  desselben  im  Morgenlande  eine  hohe  Stelle  bekleiden;  die  Kund^ 
von  der  Zerstörung  der  Kirche  durch  die  Franken  habe  in  ihm  den 
Entschluss  hervorgerufen,  „dem  Vermächtnisse  der  Vorfahren  trea> 
die  Kirche  durch  einen  Basilikenbau  zu  ersetzen,  wozu  er  sidi  nocti. 
besonders  durch  ein  Gelübde  verpflichtete,  das  zu  erfüllen  ihn  in  Vi-* 
sionen  die  Jungfrauen  antrieben''.    Das  alles  beruht  auf  haltlosen  An— 
nahmen,  zu  denen  die  irrige  Beziehung  des  ex  partibus  Orientis 
den  schwanken  Boden  darbot.    Und  wäre  es  denkbar,  fragen  wir,  dass 
die  Inschrift  so   lautete,  wenn  dies  das  Verhältniss  der  Sache  wäre? 
Hätte  dann  Clemaüus  nicht  erwähnen  müssen,  dass  er  die  von  seineiA 
Vater  erbaute  Kirche  wieder  hergestellt?  Blieb  die  Stelle  noch  sein 
Eigenthum,  wenn  auf  ihr  schon  sein  Vater  eine  eben  zerstörte  Kirche 
gestiftet  hatte?  Und  wie  hätte  es  solcher  vielfachen  Mahnungen  und 
der  Macht  der  Wunderthaten  der  Jungfrauen  bedurft,  den  Sohn  zunt 
Wiederbaue  der  Kirche  zu  bewegen?    Dazu  widerspricht  es  geradezu 
dem  Wortlaute  der  Inschrift,   wenn  Floss  sagt,  die  in  Visionen  dem 
Glematius  erscheinenden  Jungfrauen    hätten   ihn  angetrieben,    sein 
Gelübde,  wozu  „er  sich  noch  besonders  verpflichtet'^  zu  erfüllen. 
Dass  die  Jungfrauen  selbst  ihm  erschienen,  wird  gar  nicht  gesagt,  das 
Gelübde  war  keineswegs  eine  Folge   der  Kunde  von  der  Zerstörunf^ 
der  Kirche,  sondern  wurde  durch  die  häuflgen  Mahnungen  der  feurigen 
Erscheinungen  und  der  gleichzeitig  erfolgenden  grossen  Wunderthaten 
der  Heiligen  veranlasst;  nicht  zur  Erfüllung  des  Gelübdes  wurde  er 


Die  Weiheinschrift  des  CleniatiaB  in  der  Ursulakirohe  sn  Köln.         143 

angetrieben,  sondern  zu  dem  Entschlussey  ein  solches  zu  thun. 
Wir  können  uns  nach  der  Inschrift  in  Glematias  nur  einen  in  Köln 
ansässigen  vornehmen  Mann  denken,  der  auf  einem  ihm  eigene  Grund- 
stücke eine  Basilika  baute,  da  er  vielfach  durch  feurige  Erscheinungen 
angemahnt  worden  war,  in  der  Nähe  seines  Hauses  auf  seinem  Orund- 
stflcke,  wo  einst  die  Kirche  der  morgenländischen  M&rtyrinnen  ge- 
standen, diese  wieder  aufzubauen,  und  endlich  durch  die  grossen  Wunder- 
thaten,  die  an  dieser  Stätte  geschahen,  zu  dem  Entschlüsse,  diesen 
Anmahnungen  zu  folgen,  endlich  bestimmt  wurde.  Auf  der  ihm 
eigenen  Stätte,  wo  diese  Wunder  sich  ereigneten  und  wo  man  die 
heiligen  Gebeine  beim  Nachgraben  fand,  erbaute  er  wirklich  eine  neue 
Basilika;  denn  der  Ausdruck  basilicam  restituit  fahrt  doch  zunächst 
darauf,  dass  auch  die  frühere  Kirche,  welche  über  der  Märtyrerstätte 
sich  erhob,  eine  Basilika  gewesen  sei.  Wenn  der  Ort,  wo  die  Kirche 
gestanden,  des  Glematius  Eigenthum  war  und  er  erst  durch  feurige 
Erscheinungen  darauf  gebracht  wurde,  dass  auf  seinem  Eigenthume 
die  heiligen  Jungfrauen  den  Märtyrertod  eriitten  und  ihnen  eine  Kirche 
daselbst  gebaut  worden,  so  musste  zwischen  dem  Neubau  und  der 
Zerstörung  eine  geraume  Zeit  verflossen  sein,  dass  das  Andenken 
daran  ganz  verschwinden  konnte,  wenn  anders  die  Sage,  dass  hier 
früher  bereits  eine  Kirche  gestanden,  auf  Wahrheit  beruhte.  Den 
Märtyrertod  setzt  Floss  unter  Diocletian,  die  Zerstörung  der  Kirche 
könnte,  wie  er  richtig  annimmt,  nur  mit  der  der  Stadt  durch  die 
Franken  im  Jahre  355  erfolgt  sein.  Dass  alle  Kunde  davon  schwand, 
das  Grundstück  in  fremde  Hände  kam,  bedurfte  wenigstens  zweier 
vollen  Menschenalter.  Glematius  glaubte  den  Erscheinungen,  die  ihm 
versicherten,  dass  hier  die  Jungfrauen  gelitten,  die  hier  neuerdings 
wieder  Wunder  thaten,  und  dass  hier  bereits  eine  Kirche  gestanden. 
Dass  beides  auf  Wahrheit  beruht  habe,  folgt  daraus  keineswegs,  viel- 
mehr scheint  es  fast  unglaublich,  dass  wirklich  alle  fromme  Erin- 
nerung an  die  hochheiligen  Märtyrinnen  so  ganz  im  Laufe  von  ein 
paar  Menschenaltem  zerstoben  sein  sollte,  dass  Glematius  erinnert 
werden  musste,  hier  habe  einst  eine  Kirche  der  heiligen  Jungfrauen 
gestanden,  wogegen  der  andächtige  Glaube  leicht  alle  Unwahrschein- 
lichkeiten  übersah,  die  in  der  Sache  selbst  lagen,  und  das  gute  Werk 
nicht  näher  untersuchte,  zu  dessen  Vollendung  er  durch  Eingebungen 
angemahnt  und  durch  Wunderthaten,  die  auf  der  angeblichen  Märtyrer- 
stätte sich  ereigneten,  getrieben  wurde.  Eine  geschichtliche  Grund- 
läge,  wie  bei  der  thebäischen  Legion,  dürfte  kaum  bei  der  Ursulalegende 


^ 


144         Die  WeiheinBchrifb  des  Clematius  in  der  ürsulakirclie  zu  Köln. 

anzanehmen  sein,  deren  weitere  Entwicklang,  als  ob  der  Name  Gie- 
rn atius  (von  xA^^or)  Yorbedeutend  gewesen,  ein  so  wunderüppiges 
Rankenwerk  von  yanae  species  gebildet,  dass  man  fast  glauben 
mödite,  der  Ursprung  derselben  beruhe  auf  keinem  festem  Boden, 
sondern  das  Ganze  sei  vom  ersten  Anfang  an  eine  gleiche  Hallucination, 
wie  die  Visionen  der  Schönauer  Nonne,  denen  doch'  heute  niemand 
mehr  glaubt,  sammt  der  ihnen  vorhergehenden  Offenbarung  des  ager 
Ursulanus. 

Die  einzige  sichere  Grundlage  der  Sage  bietet  unsere  Inschrift,  die 
man  nicht  wohl  als  eine  Fälschung  verdächtigen  kann.  Hiemach  hatte 
ein  Clematius,  der  nur  als  ein  vomehmer  Mann  bezeichnet  wird,  gegen 
die  Mitte  des  fünften  Jahrhunderts  Visionen,  die  ihn  aufforderten,  den 
auf  seinem  Grundstücke  ruhenden  heiligen  Jungfrauen  die  dort  früher 
bestandene  Kirche  wiederherzustellen,  was  dieser  denn,  durch  Wunder, 
welche  dort,  wo  mau  die  Gebeine  der  Märtyrinnen  gefunden^  in  dem 
Entschlüsse  bestärkt,  wirklich  gelobte.  Die  Beurtheilung  der  geschicht- 
lichen Wahrheit  dieser  Visionen  muss  ihren  Maasstab  in  so  vielen 
ähnlichen  finden,  die  man,  wenn  man  sie  auch  nicht  als  absichtlichen 
Trug  verwerfen  darf,  doch  in  das  Gebiet  der  Täuschungen  verweisen 
muss.  Wenn  wirklich  Clematius  von  göttlichen  Erscheinungen  belehrt 
worden  wäre,  so  würde  er  die  Gebeine  aller  heiligen  Jungfrauen  er- 
hoben und  nicht  der  spätem  Zeit  noch  so  manche  reiche  Ausbeute 
hinterlassen  haben.  Wie  man  später  nicht  allein  massenhafte  Gebeine 
auf  der  alten  römischen  Gräberstrasse  in  der  Nähe  der  Kirche  0  aufgrub, 

')  Dadurch  erklären  sich  Ausgrabungen  von  sehr  vielen  Gebeinen, 
die  man  alle  für  Martyrerreste  ausgab.  Viele  heidnische  und  christliche 
Gräber  hat  man  in  unserer  Zeit  in  der  hinter  der  Kirche  liegenden  Ursola- 
gartenstrasse  gefunden  (Jahrb.  XLI,  132).  In  früherer  Zeit  befand  sich  in  der 
Kirche  selbst  der  Sarkophag  des  Valga,  Sohn  des  Smaierus,  decurio  der  als 
fida  vindex,  dessen  vorderes  Relief  mit  Kalk  bestrichen  worden  war,  um 
ein  Heiligenbild  darauf  zu  malen  (Museums-Eatalog  S.  91).  In  der  westlichen 
Mauer  der  Kirche  war  der  Grabstein  des  Avillier  eingemauert  (Jahrb.  XLVII. 
XLVm,  126  ff.).  Im  Jahre  1643  wurden  in  der  goldenen  Kammer  der  Kirche 
eine  Reihe  von  Grabschriften  gefunden  (Brambach  323—327}  nebst  ein  paar 
Weihesteinen  (daselbst  321.  322).  In  der  östlich  von  der  Kirche  gelegenen 
Salzmagazinstrasse  ward  der  Grabstein  eines  ägyptischen  Schiffsmannes  ausge- 
graben (Museums-Katalog  S.  85).  Eine  solche  bis  zum  fiigelstein  sich  fort- 
setzende Begräbnissstätte  war  freilich  sehr  geeignet,  hier  Gebeine  von  Mär- 
tyrinnen zu  entdecken,  und  man  hat  sie  im  Laufe  der  Zeniten  reichlich  aus- 
gebeutet. 


Die  WeiheinBohrift  dos  ClematiuB  in  der  ürBulakirche  zu  Köln.         145 

die  ohne  weiteres  für  Märtyrerreste  galten,  wie  man  auch  mit  den 
daselbst  entdeckten  männlichen  Gebeinen  sich  abfand,  und  den  durch 
die  Inschrift  bezeugten  Glematius  verviel&ltigte,  aus  ihm  Vorfahren 
und  Nachkommen  und  eine  Reihe  kirchenbauender  Glematier  gewann, 
die  man  in  die  Kölnische  Bischofsgeschichte  verflocht,  ist  eine  wenig 
erbauliche,  aber  für  die  fortwuchemde  Ausbildung  von  Legenden  sehr 
belehrende  Betrachtung.  Da  die  kölnischen  Geschlechter  sich  auf  alte 
römische  zurückführten,  so  nahm  auch  ein  solches  den  Ruhm  fOx 
sich  in  Anspruch,  von  den  frommen  kirchenbauenden  Glematiem  abzu- 
stammen, und  so  wurde  der  Glematius  der  Inschrift  zu  einem  Gle- 
matius Eleingedank  de  MommerslochUbio-AIexandrinus^ 
wie  er  auf  einem  Grabmal  im  Kloster  zu  Altenberg  hiess.  Daselbst 
zeigte  man  auch  die  Kleider  des  heiligen  Glematius,  der  mit  dem  seligen 
Archidiakon  Linoldus  die  Leiber  der  Märtyrinüen  begraben  habe,  was 
man  in  die  Zeit  des  Bischofs  Severinus  verlegte,  in  welcher  aber  auch 
schon,  wie  die  Inschrift  berichtete,  die  Kirche,  eben  durch  Glematius, 
hergestellt  worden  sein  soll.  Dem  Glematius  ward  aber  auch  eine 
fromme  Gattin  gegeben,  die  sich  am  Tempelbau  betheiligte,  wie  dies 
die  alten  handschriftlichen  Verse  bezeugen: 

Hie,  ubi  virgineum  fudit  manus  impia  sanguem, 
Angelico  Ghristi  casta  inter  somnia  iussu 
Glematius  fuso  posuit  pro  sanguine  templum 
Et  Diodora  simul  casta  et  gratissima  coniuz. 
In  tantum  meritum  coelestia  facta  resurgent. 
Und  diese  Inschrift,  nicht  die  altehrwürdige  des  Glematius,    hat 
man  neuerdings  an  der  hergestellten  Seite  der  Kirche  der  h.  Ursula 
angebracht,  damit  auch  die  gute  Diodora  ihres  Ruhmes  nicht  verlustig 
gehe.   Es  ist  leider  nicht  die  einzige  Inschrift  in  Köln,  die  Unwahrheit 
spricht    So  müssen  sich  auch  Einheimische  und  Fremde  noch  immer 
durch  Wallrafs  Inschrift  sagen  lassen,  dass  das  ehemalige  P&ffönthor 
früher   Porta  Paphia  geheissen,  und  ein  Haus  erhält  siclf  durch 
zwei  Inschriften  den  gleich  falschen  Anspruch,  dass  in  ihm  Rubens 
geboren,  Maria  von  Medicis  gestorben  sei.    Durch  solche  Inschriften 
kann  man  die  Sage  von  dem  Märtyrertode  der  heiligen  Jungfrauen 
nicht  heben,  ihre  geschichtliche  Stütze  liegt,  wenn   es  anders  eine 
solche  ist,  in  der  in  der  Ghormauer  der  Kirche  eingemauerten  Weihe- 
inschrift des  Glematius. 

H.  Düntzer. 


10 


8.    lieber  hohes  Alter  Im  Alterthimi. 

In  dem  letzten  Hefte  dieser  Jahrbücher  (LIII  und  LIV)  S.  149  hat 
Herr  Prof.  J.  Becker  bei  der  Besprechung  eines  im  J.  1870  zu  Wechenau 
bei  Mainz  gefundenen  Grabsteines  des  Gallo-Römers  Pusa  Trougilli 
f(ilius),  welcher  ein  Alter  von  120  Jahren  erreicht  hatte,  folgende  ihm 
von  Herrn  Archivrath  C.  L.  Grotefend  übersandte  Bemerkung  mitge- 
theilt:  „Der  120jährige  Pusa  möchte  leicht  der  älteste  Mann  sein, 
der  auf  römischen  Grabsteinen  genannt  wird,  eine  115jährigc  Spanierin 
finden  wir  im  Corp.  inscr.  lat.  H  n.  2065.^  Dazu  dürfen  wir  kühn 
sagen,  Pusa  ist  schwerlich  der  älteste  inschriftlich  genannte  Mann. 
Selbst  wenn  wir  uns  an  das  von  Grotefend  bloss  berücksichtigte 
Material  der  römischen  Inschriften  halten  und  von  Allem  gänzlich 
absehen,  was  uns  die  alten  Schriftsteller  an  Nachrichten  über  hohes 
Alter  überliefert  haben,  wird  es  sich  sofort  zeigen,  dass  die  Behauptung 
Grotefend's  eine  irrige  ist.  Nur  möchten  wir  uns  verstatten,  der  Voll- 
ständigkeit halber  bei  dieser  Zusammenstellung  hier  auch  die  grie- 
chischen Inschriften  in  den  Kreis  unserer  Betrachtung  zu  ziehen. 

Lassen  wir  daher  vorab  die  Spanierin  mit  ihren  115  Jahren, 
der  Wir  sogleich  nicht  bloss  einen  gleichalterigen  Gompatrioten  (Corpus 
inscr.  lat.  II  n.  1920),  sondern  auch  noch  eine  stattliche  Reihe  Ge* 
nossen  aus  anderen  Ländern  zugesellen  könnten,  ruhig  ihres  Weges 
fürbass  ziehen,  nachdem  wir  ihr  noch  im  Voraus  die  tröstliche  Ver- 
sicherung mitgegeben  haben,  dass  ihr  Geschlecht  im  Alterthum  nicht 
minder  als  heutzutage  dazu  auserkoren  war,  in  Bezug  auf  hohes  Alter 
ebenso  gut.  wie  in  manchen  anderen  Dingen  die  Palme  davon  zu 
tragen  und  beginnen  wir  unseren  Alterskatalog  mit  den  120  Jahren 
des  Galliers  Pusa.  Er  findet  eine  Gesellschaft  von  Altersgenossen  in 
den  verschiedensten  Theilen  des  grossen  Römerreiches.  Also: 


üeber  hohei  Alter  im  Alterthnm.  147 

120  Jahre. 
M&nnl':   1)    C.  lüUus  Pücatm  jsu  SiguSy  Numdien.     Renier,  Inscr. 

rom.  de  TAlg^rie  n.  2522. 

2)  Claudius  (?)  Seeundmus ,  Numdien.  Annuaire  0  de  la 
soci^  archtol.  de  la  province  de  Gonstantine  1862 
p.  15  n.  19. 

3)  L.  Corgiu.  .  .  luß .  ueianus,  Numidien.  Recueil  des  notices 
et  m^moires  de  la  soc.  archtol.  de  CSonstantine  1866 
p.  73  n.  80. 

4)  M.  CasskiB  OraeäiSj  veteranus^  Numidien.  Benier, 
Inscr.  rom.  de  i'Alg^rie  n.  2415. 

WeibL :   5)    Titia  Tiberia  Cotuco  bu  Flavia  Sciva  in  Norieum.  Corpus 

inscr.  lat  III  n.  5389. 

6)  GreptaHu^a^  Numidien.    Renier,  Inscr.  Alg.  n.  1970. 

7)  Seia  LabraturcAis,  Numidien.    Renier,  1.  c.  n.  2835. 

8)  Berennia  Siddinch  Mauretanien.    Renier  1.  c.  n.  3608. 
125  Jahre. 

Männl.:   1)    Q.   Caminius  QuintiUuSi  Numidien.    Annuaire  de  CSon- 
stantine 1862  p.  15  n.  18. 

2)  C  .  .  .  .  olus  Secundus,  Baetica.  Corp.  inscr.  lat.  II. 
n.  1450. 

3)    ,  Numidien.     Recueil  de 

Gonstantine  1868  p.  407  n.  11. 

WeibL:   4)    Mia  Oaetula,  Numidien,    Renier,  Inscr.  Alg.  n.  2426. 
'5)    ,  .  Vd  ,  .  .  Nistruia  (^ob  Nistruia  V,  Numidien.  Annuaire 
de  Gonstantine  1862  p.  112  n.  130. 

6) cOf   Numidien.      Annuaire  de  Gonstantine 

1858/1859  p.  149  n.  62. 
127  Jahre. 
Männl.:  1)    L.  Minucius  Saturus^),  Numidien.     Annuaire  de  Gon- 
stantine  1858/1859  p.  205  n.  89. 

')  Leider   habe  ich  diese  aeii  dem  J.  1868  unter  dem  veränderten  Titel 
Recueil  des  notices  et  memoires  etc.  erscheinende  Zeitschrift  der  arehÄologischen 
Gesellschaft  zu  Gonstantine  bloss  bis  zum  Jahrgang  1868  einsehen  können. 
>)  Die  Inschrift  lautet:  D  •  M  •  8 

L-MIN  VC- 
VS  SATVR 
V8  V  I  X-  A 

GXXVII 
L-  MINVCl 
FELIX  POP 


1 
t 


148  üeber  hohes  Alter  im  Alterihnm. 

130  Jahre. 
Weibl. :    1)    Geminia,  Ä(idi)  f(üia),  Matrtma,  Nmmiäim.    Becaeil  de 

GoDstantine  1866  p.  42  n.  4. 
lai  Jahre. 
MännL:   1)    M.  Mm  Aiacm,  Numidien.   Benier,  Imor.  Alg.  n.  2430. 

132  Jahre. 
WeibL:    1)    Lucio,  L(ueii)  f(Uia),  MaredOM  NumuUen.     Benier, 

Inscr.  Alg.  n.  1802. 
138  Jahre. 
Männl. :  1)    Ber^uSy  Som.     Muratori,  Notim   Thes.  veL   inscr.  p. 

1142,  1  und  daher  Ck>rp.  inscr.  graec.  t  III.  n.  6355. 
Bezflglich  des  Alters  des  zuletzt  genannten  Beryllus  kann  ich 
jedoch  nicht  umhin,  einen  leisen  Zweifel  laut  werden  zu  lassen.  Denn 
der  Grabstein  desselben  ist, '  wie  ausdrücklich  in  der  Inschrift  hervor- 
gehoben wird,  von  seiner  Mutter  gesetzt  worden.    Die  Inschrift  lautet : 

0  K  e{€Oig)  K{o[tax9ovloig), 

BHPYAAOC  BievXkog 

EZHCEN    ETH  i%vaev  ht) 

PAH  11^ 

H    M  H  T  H  P  1}  fiiQVfjQ 

TON    TOnON  toptSnav 

ETTolHCEN  inoirfl^v. 

Wenn  nun  Beryllus  schon  138  Jahre  alt  war,  als.  er  das  Zeit- 
liche segnete,  wie  alt  mag  dann  erst  seine  Mutter,  welche  ihn  über- 
lebte, geworden  sein?  Nun  erfahren  wir  aus  den  Gensusregistem,  aus 
welchen  Plinius  nat.  bist.  VII,  48,  159  Einiges  mitgetheilt  hat,  dass 
ein  gewisser  T.  Fullonius  aas  Bologna  unter  Kaiser  Claudius  sogar 
150  Jahre  alt  geworden  sei  und  dasselbe  Alter  hat  unter  der  Regierung 


Von  ihr  ist  höchst  wahrsoheinlioh  die  folgende  ebenüaUa  ani  Thebesta,  dem 
alten  TheTeste,  ttammende  Inschrift: 

C  •  MIN VCIV  S 

VIXACXXVII 
welche  in  der  Revue  aroheologiqae  vol.  XV  (1858)  -p.  881  nach  einer  aus  dem 
Journal  L'Afrieain  entnommenen  Notis  abgedruckt  ist,  keineswegs  verschieden. 
Die  grossen  Abweichungen,  welche  sich  beim  Vergleichen  beider  Texte  ergsibeii» 
scheinen  vielmehr  auf  Rechnung  einer  ungenauen  Gopie,  weldie  dem  Heraus- 
geber der  Inschrift  in  der  Revue  arch^ologique  vorlag,  gesetzt  werden  su  munen. 


Ueber  hohes  Alier  im  Alterthmn.  149 

des  Kaisers  Vespasianus  M.  Mucius,  M(arci)  f(iliu8),  Oaleria^  FeUx  aus 
Veleia  bei  Placentia  erreicht,  wie  Plinias  n.  h.  VII,  49,  163  berichtet. 
Die  Matter  des  Beryllos  würde  nao,  wenn  wir  aDnehmen,  dass  sie 
sehr  juDg  sich  verheirathet  habe,  also  mit  dem  eilften  Jahre  Oi  immer- 
hin bei  dem  Tode  ihres  Sohnes  schön  zum  149.  Lebensjahre  gekommen 
sein.  Es  würde  demgemiss,  da  wir  ein  so  hohes  Alter  auch  ander- 
wärts liennen,  nicht  geradei^u  ein  Ding  der  Unmöglichkeit  sein,  dass 
die  149jShrige  Motter  ihren  ISSjährigen  Sohn  noch  zu  Grabe  getragen 
hat  Allein  ein  anderer  Umstand  flösst  mir  Bedenken  gegen  die  Rich- 
tigkeit in  der  Altersangabe  des  Sohnes  ein.  Man  würde  nämlich 
schwerlich  es  unterlassen  haben,  wie  dies  auch  in  ähnlichen  Fällen 
auf  anderen  Inschriften  geschehen  ist,  dieses  doch  immerhin  höchst 
seltene  Glück,  wenn  auch  nur  mit  einem  Worte,  zu  erwähnen.  Es 
hat  daher  vielleicht  Franz  das  Sichtige  getroffen,  wenn  er  das  dem  P 
ähnliche  Zeichen  vor  den  Buchstaben  jIH  in  der  Zahl  der  Lebensjahre 
für  eine  bisher  unbekannte  Sigle  erklärt  hat,  so  dass  der  Sohn  in 
Wirklichkeit  bloss  38  Jahre  alt  geworden  ist  ^ 


^)  Das  früheste  Alter,  in  welchem  nach  römisohen  Gesetsen  ein  M&dchen 
als  heirathflf&hig  betrachtet  wurde,  war  das  vollendete  zwölfte  Jahr.  Vg^l.  Pom- 
ponius  in  den  Digest.  XXIII,  2,  4:  „Üftnoretit  annis  duodecim  nuptam  tumc  U" 
gitimam  useorem  fore^  cum  apud  viruin  expUaaet  duodecim  annoa.*'  Obgleich  die 
Madchen  also  erst  mit  dem  vollendeten  zwölften  Jahre  rechtmässige  Ehefrauen 
wurden»  so  wurden  sie  trotzdem  nicht  selten,  ehe  sie  jenes  gesetzKche  Alter 
erreicht  hatten,  vermählt,  wie  dies  Plutarch,  comp.  Lycurgi  et  Numae  lY,  2 
ausdrücklich  berichtet :  „riuy  dk  ^Pufnätov  i 9a  Sexaereis  xal  vewrigas 
ix9td6vTwy  ovrm  yäg  av  fidhara  xcA  t6  aufAa  xal  ro  ij^c  xa^ugby  xal  a^txrov 
inl  r^  yafiovvn  yfvia&ai,*'  Und  die  Inschriften  bestätigen  diese  Angabe 
Plutaroh's  hinreichend.  Ygl.  Fabretti,  Inscr.  antiq.  p.  686  ff.  Orelli  n.  2668. 
2654.  Das  interessanteste  Beispiel  einer  solchen  frühen  Verheiratbung  wäre  die 
Claudia  Ootavia,  die  Tochter  des  Claudius  und  der  Messalina,  wenn  die  Angaben 
der  Alten  über  ihre  Lebenszeit  ganz  sicher  w&ren.  Sie  stand  höchst  wahr- 
scheinlich im  eilften  Jahre,  als  sie  mit  dem  sechzehnjährigen  Nero  im  J.  68 
n.  Chr.  (Tac.  Anm.  XII,  68)  vermählt  wurde,  wie  sich  dies  aus  der  freilich  von 
Tillemomt,  bist,  des  empereurs  rom.  (Paris.  1720.  4.)  I,  608  angefochtenen  An- 
gabe des  Tacitus  Ann.  XIV,  64  berechnen  lässt,  dass  sie  bei  ihrer  Ermordung 
im  J.  ß2  n.  Ohr.  zwanzig  Jahre  alt  war.  Vgl.  Sievers,  Studien  zur  Gesch.  der 
rom.  Kaiser  (Berlin  1871)  S.  128  Anm.  4.  Schiller,  Qesch.  des  rom.  Kaiserreichs 
unter  Nero  (Berlin  1872)  S.  67  Anm.  2.  Gewöhnlich  galt  aber  das  vierzehnte 
liebeufljahr  als  das  am  Meisten  übliche  Alter  zum  Eingehen  einer  Ehe.  Vgl. 
Epioteti  Enohiridion  c.  40  ed.  Schweighaeuser.  Friedlaender,  Sittengeschichte 
Bom's  I,  324. 


160  Ueber  hohe«  Alt^r  im  Alierthtim. 

Diese  kleine  vorläufige  Statistik  einer  langen  Lebensdauer  im 
griechischen  und  römischen  Alterthum  würde  noch  su  einem  viel 
höheren  Alter  haben  emporsteigen  können,  wenn  si^  nicht  sich  beab- 
sichtigter Weise  in  den  von  Grotefend  eng  gezogenen  Grenzen  der 
Inschriften  hätte  bewegen  müssen.  Aber  auch  so  ist  das  gewonnene 
Resultat  ein  ganz  interessantes.  Einstweilen  mögen  die  hier  zusammen- 
gestellten Notizen  genügen,  indem  ich  beabsichtige,  im  nächsten  Hefte 
dieser  Jahrbücher  mit  Zugrundelegung  des  gesammten,  in  den  alten 
Schriftstellern  und  den  Inschriften  zerstreuten  ziemlich  zahlreichen 
Materials  diese  ganze  Frage  einmal  einer  genauen  Erörterung  zu 
unterziehen. 

Bonn.  Joseph  Klein. 


7.    Epigraphische  fNittheiiungen. 

Nachdem  ich  seit  ehiigen  Jahren  die  mir  erreichbaren  römischen 
Inschriften,  besonders  in  Stuttgart,  Mannheim  und  Speier,  einer 
genauen,  zum  Theii  wiederholten  Vergleichung  unterzogen  und  mir 
dabei  einen  Vorrath  von  Verbesserungen  und  Ergänzungen  zum  Corpus 
Inscriptionum  ßhenanarum  von  Brambach  gesammelt  habe,  lege  ich 
die  wichtigeren  Ergebnisse  den  Freunden  der  rheinischen  Epigraphik 
vor.  Dahin  gehören  namentlich  Berichtigungen  der  Namen,  sowie  Er- 
gänzungen des  Textes  durch  neu  aufgefundene  Buchstaben  und  darauf 
sich  grOndende  Gonjecturen.  Kleinere  Verbesserungen  in  Bezug  auf  die 
Interpunction,  die  Ligaturen  u.  s.  w.  übergehe  ich,  gedenke  dieselben 
aber  den  Herausgebern  des  Corpus  Inscriptionum  Latinarum  zur  Ver- 
fügung zu  stellen.  Von  meiner  Edition  und  Erklärung  der  römischen 
Inschriften  in  dem  Wirtembergischen  Frankenlande,  welche  in  der 
Zeitschrift  „Wirtem^bergisch  Franken«  (Band  VIII  2.  3.  IX  1)  veröffent- 
licht wurde,  erlaube  ich  mir  die  wichtigsten  Ergebnisse  hier  vor  einem 
grösseren  Leserkreis  kurz  zu  wiederholen. 

I.  Der  Ordnung  des  C.  I.  Rh.  folgend,  beginne  ich  mit  den 
nieder-  und  mittel-rheinischen  Inschriften,  welche  unter  Kur- 
fürst Karl  Theodor  nach  Mannheim  verbracht  worden  sind  und  jetzt 
der  Grossherzogl.  Alterthümersammlung  angehören.  Zwei  interessante 
Gruppen  derselben  bilden  die  neun  Matronensteine  von  Rödingen 
(Br.  608—616)  und  zwölf  Soldatengrabmäler  von  Mainz. 

Xanten  205  ist,  wie  Brambach  p.  XXXIII  nach  J.  Becker  noch 
berichtigt  hat,  identisch  mit  2018.    Hier  ist  Z.  3  vielleicht  zu  lesen 

C  •  \A- •  CVPITVS,  d.  ^h.  Gaius  Valerius  Cupitus,  wiewohl  bei 
dem  Zustande  des  Steins  volle  Gewissheit  nicht  zu  gewinnen  ist. 

Neuss  265  bei  Brambach  richtig,  abgesehen  von  einigen 
unten  an  der  Linie  stehenden  Punkten. 

Düsseldorf  2  94  hat  Z.  3  zwischen  T  und  R  ein  E  nie  ge- 
standen, also  VETR  =  veteranus.    Z.  5  ist  C  nicht  mehr  erhalten. 


152  Epigraphische  MiiiheiluDgen. 

Köln  415  bei  Br.  richtig. 

Jülich  597  fehlt  wirklieb  Z.  2  das  T^  also  MARI  statt  matri. 
—  6  00  richtig. 

Rödingen  608  ist  Z.  2  das  L  ^icht  mehr  vorhanden.  — 
609  —  612  sind  richtig  wiedergegeben.  —  Auf  613  ist  der  Beiname 
der  Matronen  deutlich  GESAIENis,  nicht  CES.  Z.  3^  steht  A,  Z.  4  M 
auf  dem  Rand,  also  dort  IVSTINA  (A  ohne  Mittelstrich),  hier  L  M 
=  libens  merito.  —  614  ist  Z.  5  von  |  der  untere  Querstrich  eines  L, 
Z.  6  vom  VN  hinzuzufügen.    Uienach  stelle  ich  versuchsweise  mit 

sorgfältiger  Beachtung  der  Distanzen  in  der  Lücke  den  Text  so  her : 
Matronis  Gavadiabus  M.^Novellius  Privatus  et  Novellia  Se- 
cunda^)  v.  s.  I.  m.  —  615  finde  ich  Z.  2  |  statt  E.    Z.  3.  NIVS 

richtig.    Z.  4  aber  stehen  vor  PRO  die  Obertheile  von  EX.     Eine 

sichere  Ergänzung  für  dieses  'ex  pro'  weiss  ich  nicht  zu  finden.  — 
6  16  bei  Br.  richtig.  Wenn  aber  der  index  hier  Cesaienis  gibt  und 
303  Gesahenis,  wo  genau  dieselbe  Ligatur  sich  findet,  so  ist  eines  von 
beiden,  i  oder  h,  falsch,  und  zwar  nach  Gestalt  der  Ligatur  ohne 
Zweifel  i,  und  es  ist  auch  hier  zu  lesen  Gesahenis.  Dagegen  613  ist 
I  sicher.   Das  Wort  schwankt  also,  wie  im  Anlaut  zwischen  G  und  C, 

so  im  Inlaut  zwischen  aie  und  ahe. 

Oberwinter  640  steht  nach  L  noch  ein  zweites  L/  wie  es 

scheint  durch  einen  Punkt  von  dem  ersten  getrennt.  Hiemach  kann 
nicht  gelesen  werden  decurio  coloniae  Augustae,  sei  es  dass  man  es 
mit  Brambach  auf  Köln  (col.  Agrippinensium)  oder  auf  Trier  (col. 
Trevcrorum)  bezöge;  es  dürfte  dann  auch  die  nähere  Bestimmung 
nicht  fehlen.  Ich  rieth  zuerst  auf  dec(urio)  coll(egii)  Aug(ustalium), 
wie  schon  Grälf  erklärt  hat,  so  dass  A  in  den  von  der  Mitte  der  1. 

bis  zum  Ende  der  6.  Zeile  sich  erstreckenden  Bruch  fiele.  Allein 
wegen  des  erwähnten  Punktes  acceptire  ich  die  neulich  von  Herrn 
Prof.  Hübner  im  Angesicht  des  Steins  ausgesprochene  Vermuthwg : 
dec(urio)  col(oniae)  LVG(dunensis).    Z.'6  steht  nach  D*  noch  der 


>)  Nachträglich  sehe  ich,  dass  J.  Becker,  der  in  diesen  Jahcb.  XLII 
8.  107  die  Inschriften  614  und  616  behandelt  hat,  den  weiblichen  Namen  ebenso 
liest,  dagegen  den  des  Mannes  M.  Aemilius  Primus  oder  Primitivus  —  weniger 
wahrscheinlich. 


Epigraphische  Mitiheilungen.  168 

Best  eines  zweiten  0,  also  wahrscheinlich  decnrionum  decreto.  — 
641  ist  bei  Brambach  richtig.  —  642  ist  zu  lesen: 

H  ERC  VLI 

OCTAVIVS 

CVRTAVIVS 

-B  •  C  O  S  • 

Die  Buclistaben  sind  zwar  nur  leicht  eingehauen,  und  durch 
Z.  2  geht  ein  Bruch;  doch  erscheint  bei  sorgfaltiger  Betrachtung 
nichts  '  zweifclhafL  —  6  4  8  Z.  4  geht  durch  B  ein  Querstrich   wie 

häufig  (z.  B.  642)  als  Abkürzung  für  BF  =  beneficiarius. 

Remagen  648  ist  die  Inschrift,  welche  J.  Becker  (in  diesen 
Jahrb.  XLIV  und  XLV  S.  254)  bei  Brambach  vermisst  hat.  Der 
erste  Buchstabe  ist  deutlich  A,   der  zweite  könnte  ein  offenes  P  sein; 

doch  ist  Beckers  Lesung  Apolini,  wenn  damit  der  Gott  Apollo  gemeint 
sein  soll;  ganz  unwahrscheinlich,  da  ja  dann  der  Name  des  Gottes 
hinter  dem  des  Dedicanten  stünde  oder  aber  letzterer  fehlte.  Der 
zweite  Buchstabe  scheint  mir  aber  nur  |  zu  sein,  so  dass  wir  einen 

Personennamen  Aiolinus  im  Gen.  als  Bezeichnung  des  Vaters  vor 
uns  haben. 

Schwarzerden  746  heisst  der  erste  Name  nicht  TareUo, 
sondern  ganz  deutlich  lARETIO. 

Trier  800  stehen  Z.  2  nach  L  undZ.  4  nach  Q  keine  Punkte, 

wohl  aber   Z.  3  nach  E  und  Z.  5  zwischen  F  und  R,    In  Z.  2  fehlt 

R  mit  der  Hälfte  von  O.    Ich  halte  aber  diese  Inschrift  für  eine 

Ffilschung.  Darauf  fahrte  mich  zuerst  die  Form  der  Buchstaben, 
besonders  der  E  und  F,  welche  nur  einen  ganz  kurzen  Mittelstrich 

haben,   und  des  M,  bei  dem  die  Schenkel  gerade  stehen  und  die 

beiden  Mittelstriche  nur  bis  zu  Vs  <ler  Höhe  herabreichen,  auch  der 
drei  R^  welche  derb  geschlossen  sind.    Vgl.  hieraber  Hfibner  in  diesen 

Jahrb.  XLVI  S.  81  £f.  Es  könnte  nun  allerdings  sein,  dass  unsere 
Inschrift  die  Nachbildung  emer  echten  wäre,  und  es  hat  auch  wirklich 
ein  zweites  Exemplar  derselben  existlrt;  denn  Wiltheim  in  seinen 
Luciliburgensia  berichtet:  ,in  coUegio  nostro  haec  legimus,  primum  in 
marmore,   alterum   in  saxo'  (es  folgt  die  Inschrift,   aber  mit  OR  in 

Z.  2).  Das  erstere  Exemplar  ist  ohne  Zweifel  das  in  Mannheim  be- 
findliche, welches  wirklich  aus  Marmor  besteht ;   das  zweite  aus  ge- 


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I 


154  Epigraphiscbe  Mitth(^ilniig;6n. 

wöhlillohem  Stein  könnte  das  echte  Urbild  gewesen  sein.  Allein  es 
findet  sich  so  manches  auch  in  dem  Text  der  Inschrift^  was  sie  als 
unecht  erscheinen  lässt.  Man  kann  schon  Anstoss  nehjnen  an  der 
sonderbaren  Interpunktion,  dass  zwei  Punkte  fehlen  (s.  o.),  die 
nothwendig  erscheinen,  während  Z.  3  ein  unnöthiger  Punkt  steht. 
Noch  auffallender  aber  ist,  dass  der  Name  L.  Tutor  mit  der  Truppen- 
abtheilung  nicht  durch  Angabe  seiner  militärischen  Stellung  verbunden 
ist,  dass  femer  der  Beisatz  eq.  zu  aiae  mindestens  massig  und,  so 
weit  ich  sehe,  ganz  ungewöhnlich  ist,  dass  endlich  die  letzte  Zeile,  wie 
es  scheint,  nicht  befriedigend  erklärt  werden  kann.  Von  Browers 
Vorschlag  Mortis  felix  praefecto  patrono  püssimo'  kann  keine  Bede 
sein,  aber  auch  Oräff's  Lesung  ^fortissimo  felicissimo  pro  pietate  posuit' 
und  Brambach's  'fidelis  frater  pro  pietate  posuit'  dürften  wenigstens  in 
Bezug  auf  FF  beanstandet  werden.    Es   lässt  sich  aber  —  und  das 

ist  ein  weiterer  Grund  für  die  Unechtheit  —  die  Quelle  nachweisen, 
aus  der  die  ala  Treverorum  und  der  Name  Tutor  geflossen  sind, 
nämlich  die  Historien  des  Tacitus,  wo  2,  14.  28  Treverorum  ala  und  4, 
55  ff.  5, 19  ff.  Julius  Tutor  —  Trevir  —  ripae  Bheni  a  Vitellio  praefectus 
auftritt.  Sollten  diese  Gründe  auch  theilweise,  jeder  fttr  sich  genommen, 
nicht  schwer  wiegen,  so  finde  ich  sie  doch  in  ihrer  Gesammtheit  stark 
genug,  um  die  Unechtheit  der  Inschrift,  jedenfalls  des  Mannheimer, 
wahrscheinlich  auch  des  andern  Exemplars,  zu  behaupten. 

Bingen  8  68  ist  der  Name  Z.  4  unleserlich,  das  Vorhandene  jedoch 
richtig  wiedergegeben.     Z.  5  ff.  ist  offenbar  zu  lesen :    pft[VA  T  • 

TERtNI  •  SVP|RA  •  SCRIPT  •  V  •  S  •  d.  h.  ex  voto  Privati  Ter- 
tini  supra  scripti  v.  s.,  wie  schon  Lehne  angegeben  hat.  Doch  ist 
allerdings  Jetzt  die  Mitte  von  Tertini  und  der  Schluss  von  scripti 
zerstört.  Die  Namen  der  Gottheiten,  denen  der  Altar  geweiht  war, 
standen  wohl  auf  dem  ziemlich  hohen  Gesimse;  es  war  ohne  Zweifel 
Minerva,  da  diese  auf  der  linken  Seite  abgebildet  ist  mit  der  Lanze 
in  der  Hand,  während  sich  rechts  die  bekannte  Darstellung  der  Victoria 
findet,  wie  sie  mit  der  rechten  Hand  auf  den  Schild  schreibt. 

Alzei  8  78  fehlt  Z.  3  nach  'Minerve'  nichts.  Z.  6  f.  kann  ich 
weder  EVo|TO  (Brambaeh),  noch  E)CVO|TO  (J.  Becker),  sondern 
nur  EVILO  oder  FV|LO  finden.  Jedenfalls  ist  der  erste  Buchstabe 
in  Z.  7  nicht  T,  sondern  L.    Wenn  ich  nun  gleich  diese  Lesart  nicht 

befriedigend  zu  erklären  weiss,  so  halte  ich  es  doch  fiir  einen  Gewalt- 
streich, e  oder  ex  voto  daraus  zu  machen.  —  8  7  9  am  Schluss  Y(m 


Epigfrftphisclie  Mittheiloogeti.  156 

Z.  1  u.  4»  sowie  in  Z.  6  statt  der  Punkte  die  bekannten  blattförmigen 
Zeichen. 

Mainz  1076  bei  Brambach  richtig.  —  1173  Z.  4  GEM  (inae), 
nicht  CEM.  —  1181  ergänze:  Qräff  45.  —  1185  richtig.  Man 
bemerke  hier  die  viermalige  Auslassung  der  Vokale  (i  und  e) :  gemnae, 
stipndia,  Licnius,  testamnti.  — ,  1 1 9|7  richtig.  —  122  7  Z.  4  ANO 

I  7 

wie  1247.  Das  zweite  N,  welches  J.  Becker  in  dem  O  fand,  kann 
ich  nicht  entdecken.  —  1230  richtig,  nur  zum  Theil  statt  der  blatt- 
förmigen Zeichen   Punkte.   —    12  3  6   Z.  2    NT-F-R,  also  Cuses 

Sugenti(s  ?)  filius  Regus.  GräflF  53  (nicht  33).  —  1 2  4  7  Z.  7  ER 
ligirt;  dahinter  etwas  kleiner  der  obere  Theil  eines  E  (oder  F)»  also 
wahrscheinlich  frater  eins  posuit.  —  1 2  8  1  richtig.  Ergänze  Qräff  86.  ^ 
1288  und  12  89  richtig.  —  1290  Z.  3  TRHAC  •  AN  XXXV 
(ligirt),  also  falsche  Stellung  des  H,  wie  Br.  489  tRHAECViQi  und  3&» 
nicht  25  Lebensjahre,  die  Ligatur  wie  1173  und  1185.  Dies  Beides 
schon  bei  J.  Becker  richtig,  di^egen  Z.  4  finde  ich  wie  Brambach 
nur  ST  •  X 

Gustav sburg  isao  Z.  2  Becker  richtig  FUN,  docli  kann 
das  erste,  nicht  das  zweite  I  auch  ein  L  sein-    Z.  3  und  4  scheinen 

verloren  zu  sein,  da  der  Stein  schon  innerhalb  der  zweiten  Zeile  ab- 
gebrochen ist  ~  1 8  8  2  richtig.  Bemerkenswerth  ist  ttber  der  Inschrift 
ein  rundes  Gesicht  mit  reichem,  nach  allen  Seiten  hinausstehendem 
Haarwuchs,  ohne  Zweifel  ein  Bild  des  Sonnengottes  mit  seinen  Strahlen 
und  in  Beziehung  zu  setzen  mit  dem  Namen  Solius. 
BalUu  1391  richtig. 

f 

IL  Wirtembergische  Inschriften. 

1.  Jagstkreis. 

Oehringen  1551  —  63  vgl.  Hang,  Die  römischen  In- 
schriften in  Wirtembergisch-Franken  N.  31— 43.  0.  Keller, 
Vicus    Aurelii.    —    1551   Z.  2   vom  Theil  eines    E,  nicht  O, 

ergänze:  Severi.  Z.  2—4  ist  die  Ergänzung  auf  die  andere  Seite 
der  Inschrift  zu  setzen.  Uebrigens  war  auf  einem  jetzt  verlorenen 
Fragment  nach  Keller  S.  12  (Facsimile)  zu  Z.  3  vor  M  noch  IV,  zn 
Z.  4  vor  I  noch  T  vorhanden.    Ich  habe  die  Steine  1552—57  nicht 


156  Epigraphische  Mittheilangen. 

gesehen.  —  1 5  5  3  wird  von  Keller  S.  32  ergänzt  [Jovi  dep]Hl[sori  et] 
Nim[phi8].  —  155  4  vgl.  meine  Erklärung  in  der  „Nachlese"  (Wirt. 
Franken  IX,  1),  wonach  zu  lesen  ist:  Pedatura  centuriae  Julii  Silvani 
sub  cura  Vaterculi  Procull  centurionis.  Legio  octava  Augusta  opus 
perfecit  —  155  7  nach  Keller  S.  21  in  einem  Frauen  grab  gefunden, 
also  jedenfalls  nicht  vivus,  sondern  viva  suo  testamento  iussit. 
Nach  Bu(rsian)  Lit.  Centralblatt  1873,  N.  4  vielmehr  usti  fiir  ussisti  — 
„Anrede  der  in  Schmctterlingsgestalt  dargestellten  Psyche  an  ihren 
Peiniger  Eros."  —  15  58  Z.  1  eher  -nusius  als  -nust|us,  also 
Canusius,  Tanusius  oder  ähnlich  (Mommsen  Yenustus).  Z.  2  nicht 
Tedede  (Mommsen),  sondern  Tedd(illius,  iatius,  ignius);  es  ist  das 
bekannte  durchstrichene  D  in  keltischen  Namen.    Z.  3  nicht  medicus 

(Mommsen),  sondern  (oach  Christ)  Meddicus,  MeddilliuB  oder  Meddi- 
rius  —  ebenfalls  keltische  Namen.  Z.  5  und  7  bezeichnen  nach  Christas 
richtiger  Bemerkung  die  Gen.  Dutti  und  Gels i  nicht  den  Herrn 
(eines  Sklaven),  wie  Mommsen  erklärte,  sondern  den  Vater.  —  1559 
Z.  3  am  Ende  ein  mit  N  ligirtes  A,  also  wahrscheinlich  (nach  Hühner) 

P.   Cor(nelio)   An[ullin]o.     Z.   6   G*  nicht  C*,  dahinter  Anfang 

eines  V,  also   wohl  G(ai)   V[alerii]  Titi.  —   1560   Z.   2  a(ue) 

statt  0,  wie  auch  Stalin  gelesen  hat;  vgl  1559  Z.  1.   Z.  4  steckt  in 

DE  wohl  Aex  Name  einer  Gottheit  im  Dat.,  etwa  Iside  oder  Virodde, 

nach  Analogie  der  ganz  parallelen  Inschrift  1 559,  wo  Mommsen  gewiss 
richtig  Z.  3  Nemesi  ergänzt  hat. 

Welzheim  1564 f.  vgl.  Hang  N.  21  f.  -  1564  Z.  2  am  Ende 
LEg. 

Lorch  1566  wurde  von  Stalin  so  gelesen:  —  domo  —  nego- 
tiatori  artis  cretariae  —  parenti  —  incomparabilique  —  fil.  dulcissim. 
Allein   Z.  3  [o]bitis  und  Z.  6   sit  v(obis)  [t(erra)  l(evis)]  zeigt 

deutlich,  dass  es  sich  um  beide  Eltern  handelt. 

•» 

2.  Neckarkreis. 

Murrhardt  1568—70  vgl.  Hang  N. -23— 25.  1568  war  zu 
Sattlers  Zeit  (1757)  noch  vollständig;  derselbe  gibt  wenigstens  Z.  5 
H,  Z.  6  |VP,  Z.  8  TO,  Z.  9  SE  als  vorhanden  an.  —  1569  ist  von 

Brambach  mit  sicherer  Methode  in  der  ursprünglichen  Gestalt  wieder- 
hergestellt. 

Meimsheim   1572.    Die  Inschriftplatte   ist  mit  gelbbrauner 


Epigraph] sehe  Mittheilungen. 


1B7 


Oelfarbe  überstrichen,  übrigens  vollkommen  leserlich.    Auf  allen  vier 
Seiten  ist  ein  Rand  freigelassen.    Die  Inschrift  lautet: 


IVMMAEXOBNI.FILi 
CIVEIVEDIOMATICO 
AhNORV-  C  ATVNS 
NNAEFlL/COlVCIEIV 
AhNORVLXXX-  DOME 
IVSTV  IMLIVSETEREPAR 
ENTIBVSFECIT- 


Z.  4  steht  V  und  S  auf  dem  Rand.    Z.  4  und  7  wurden  die  E 

für  I  angesehen,  weil  sie  ganz  kurz  geschwänzt  sind  (E).   Wie  hierin, 

so  zeigt  sich  auch  in  der  Form  des  F  Z.  6  ^1')  der  Uebergang  in 

die  Gursivschrift.  Zu  lesen  ist  also :  Jumma  Exobni  fil(io)  cive  Me- 
diomatrico  annoru  centum,  Atuns  Unnae  fili(ae)  coiugi  eins  annoru 
octoginta  Dome  Justu  filius  et  ere  parentibus  fecit.  Bemerkenswerth 
sind  die  fünf  keltischen  Namen  mit  zum  Theil  unlateinischer  Endung : 
Jumma  Dat.,  Exobni  Gen.,  Atuns  Dat.,  Unnae  Gen.,  Dome 
Nom.,  sowie  das  Wegfallen  der  Endconsonanten  m  und  s  in  annoru 
Justu  und  ere,  endlich  in  cive  das  e  statt  i  im  Dat.  der  3.  Dekl.  — 
15  73.  Diese  ebenfalls  interessante  Inschrift  ist  theils  wegen  ihrer 
Stellung  an  einer  äusseren  Ecke  der  Kirche  halb  unter  dem  Niveau 
des  Bodens,  theils  wegen  des  Materials  (Muschelkalk)  etwas  schwierig 
zu  lesen ;  doch  ist  die  Hauptsache  gesichert,  nämlich  dass  es  ein  Denk- 
mal zu  Ehren  des  Caracalla  und  seiner  Mutter  Julia  wegen  eines 
angeblichen  Sieges  über  Germanen  sein  soll.  Was  aber  die  genauere 
Lesung  des  absichtlich  zerstörten  Kaisernamens  anlangt,  so  ergänze 
ich  denselben  nach  vorhandenen  Buchstabenresten  so: 

IIVP  .  CAES  •  M  •  Aar  .  aNton. 

PIO  FEL  •  augVsto  PaR. 

(inVicto?) 

Ganstatt  1575  ist  von  Stalin  und  Brambach  Z.  5  übersehen 
worden  der  Bogen  eines  R  mit  folgendem  Punkt,  so  dass  der  Name 

des  Dedicanten  vollständig  lautet:  Publius  Sedulius  Julianus.  Z.  10 
scheint  mir  POSVIT  das  echte  und  ursprüngliche  Ende  der  Inschrift 

zu  sein  (gegen  Brambach). 

Höfen  1578  jetzt  in  der  Staats- Alterthümersammlung,  welche 


168  EpigraphUohe  Mittheilangen. 

unter  der  Inspection  des  Herrn  Prof.  Haackh  in  der  Kronenstrasse 
zu  Stattgart  sich  befindet.  Dadarch  dass  die  Paulus'sch^  Privatr 
sammlang  mit  der  obigen  vereinigt  wurde,  ist  der  erste  Schritt  ge- 
schehen, um  die  leidige  Zersplitterung  der  vaterländischen  Alterthümer 
in  Stuttgart  aufzuheben.  Möchte  auf  diesem  Wege  fortgefahren  und 
recht  bald  auch  die  in  der  Nähe  der  Bibliothek  befindliche  Sammlung, 
welche  unter  der  Au&icht  des  hochverdienten  verewigten  Stalin  stand, 
mit  der  erstgenannten  zu  einem  schönen  Oanzen  verbanden  werden! 
Köngen  1581  und  1582  richtig. 

Böckingen  1583—1592  vgl.  Haug  N.  3—12.  —  1585  Z.  5 
wahrscheinlich  Acte rnus,  nicht  -nius.   Statt  PP' (übereinander)  lässt 

sich  auch  pR  lesen,   und  es  können  am  Ende  der  Zeile  noch  1—2 

Buchstaben  gestanden  haben,  wodurch  die  Lesung  (primipilaris  ?)  un- 
sicher wird.  —  1586  habe  ich  so  zu  ergänzen  und  zu  emendiren 
versucht:  Senonibus  |  Matronis  |  coh.  I  |  Helvet.  |  cui  prae  |  est  Jul.  j 
Victicius  c  I  leg.  VIII  Aug.  |  p.  f.  v.  s.  1.  m.  Vgl.  1587  (s.  u.)  und 
1583,  wo  ein  centurio  der  8.  Legion,  Nasellius  Proclianus,  ebenfalls 
praepositus  (interimistischer  Commandant)  der  coh.  I  Helvet.  ist.  1587 
habe  ich  mit  Vergleichung  der  vorhergehenden  Inschrift  gelesen: 
JuL  Victicius  |c.  leg.  VIII  |  Aug.  Doch  könnte  auch  der  zweite 
Name  dort  Viccius  und  hier  Victius  geheissen  haben,  was  zu  den 
Baumverh&ltnissen  besser  stimmt.  Dass  zwei  Geschlechtsnamen  in 
späterer  Zeit  nicht  ungewöhnlich  sind,  ist  bekannt ;  vgl.  Jul.  Januarius 
609.  —  1591  Z.  3  reicht  der  Raum  zu  M  nicht;  ich  lese  daher  statt 

Primanus  (Brambach)  vielmehr  Ripanus,  was  bei  Fröhner  1780  und 
C.  L  L.  II,  n.  1068  vorkommt.  —  1 5  9  2  Z.  6  ist  das  ohnehin  nicht 
correct  eingehauene  M  wahrscheinlich  als  N  za  lesen  (vgl.  zu  1833, 

Z,  2). 

Bonfeld  1  593  f.  vgl.  Haug  N.  1  f.  —  Zu  der  ersteren,  eben- 
so interessanten  als  immer  noch  räthselhaften  Inschrift  hat  mir  Herr 
Prof.  Mommsen  brieflich  bemerkt :  „testamento  donavit'^  (was  ich  Z.  5  f 
far  möglich  gehalten  hatte)*'  ist  eine  unzulässige  Formel;  es  müsste 
wenigstens  legavit  heissen.  Aber  meines  Erachtens  steckt  unzweifelhaft 
in  S  '  T'  der  Name  der  Stadt;  wie  durchaus  in  solchen  Gruppen ;  ob 

nun  saltus  Taunensis  gemeint  ist,  bleibt  freilich  problematisch/'  —  Zu 
der  zweiten  Inschrift  bemerke  ich,  dass  auf  meine  Veranlassung 
Pfarrer  Schumann  den  zweiten  Buchstaben  in  Z.  2  genauer  untersucht 
und  deutlich  den  Obertheil  eines  T  gefunden  hat  Also  nicht  Antonius, 


Epigraphisohe  Mittheilungen.  159 

sondern  Attoni US,  ein  Name  der  nicht  selten  ist,  vgl  Br.  1336. 
1769  (s.  u.)  und  die  neuentdeckte  Inschrift  von  Alzei  (in  diesen  Jahrb. 
Lni  und  LIV  S.  142  und  295).    Z.  3  ist  von  S  ein  TheU  erhalten. 

Benningen  1595  Z.  2  deutlich  ein  kleines  o  zwischen  den 
Schenkeln  des  N.  —  1596  ist,  wie  Br.  vermuthet,  wahrscheinlich 
FkMINVS  =  Firm  in  US  zu  lesen,  jedenfalls  diese  Lesung  mOgiich. 

Der  Name  ist  bekannthch  häufig. 

6  rossbot  war  1597  richtig. 

Bttrg  1605  vgl  Hang  19. 

Gundelsheim  (eig.  Böttingen,  zu  dessen  Markung  der 
Michelsberg  gehört)  16  06  vgl.  B[aug  13. 

Jagsthausen  1607—10  vgl.  Hang  45—48.  1607  Z.  1  kt 
ausser  dem  unteren  Theil  von  (Hadr)IANI(fO  nichts  erhalten.  Z.  5 
über  ISE  noch  P.  —  1 608  vgl.  Keller  S.  42.  Z.  2  P- F-KiV  —  F  jedoch 

nicht  ganz  erhalten  —  d.  h.  p(ius)  f(elix)  invict(us).  Z.  3  BÄLlNEVM 

(s.  u.).    Z.  4  nach  M  noch  A  sichtbar  (s.  u.).     Z.   5  steckt  nach 

Eeller's  Beobachtung  V  in  M  wie  m  balineupi  und  ist  nur  durch  einen 

kleinen  Fortsatz  oben  an  M  angedeutet.    Ebenso  ist  Z.  7  L.  durch 

Verlängerung  des  unteren  Querstrichs  von  E  bezeichnet.    Die  zwei 

ausgemeisselten  Kaisemamen  werden  auch  von  Keller  nach  meinem 
Vorgang  auf  Garacalla  und  Geta  gedeutet,  während  Grotefend  und 
Borghesi  die  beiden  Philippi  vermutheten.  Abgesehen  davon,  dass 
diese  meines  Wissens  nicht  zu  den  Kaisem  gehören,  deren  Namen 
nachher  ausgekratzt  wurden,  weist  das  Z.  4  noch  sichtbare  A  auf 

Antoninianae  hin.  —  1609  Z.  7  hat  nach  O  nichts  mehr  gestanden. 

Z.  8  GRTO  ohne  A.    SIGNI  -  lese  ich  signifer. 

Neuenstadt  (eig.  Gochsen,  auf  dessen  Markung  wenigstens 
1611.  12  und  14  gefunden  sind)  1611—14  vgl.  Hang  15—18.  — 
1612  Z.  1  nach  RO  Lücke   von  c.  3  Buchstaben,  dann  O,   was  zu 

Schott's  und  Faber's  Ueberlieferung  Rortio  genau  stimmt.  Z.  5  am 
wahrscheinlichsten  col(legio)  iuventutis  d(e)  suo,  d.  h.  dem  ,,JUngUngs- 
verein''  geweiht  auf  eigene  Kosten.  Mommsen  und  Stalin  haben  bei 
SV  wohl  unrichtig  an  Sumelocenna  gedacht;  d.  suo  (ohne  e)  findet 
sich  auch  Br.  1176.  —  1613  emendire  ich  mit  Steiner:  Imp.  Caes. 
Se(ptimio)  Severo  Pio  Pertinaci  Augusto  Ar(abico).  —  1614  Z.  3 
fehlt  A  in  Granno,  wie  1609  in  Grato.   Ebenso  fehlt  Z.  8  E  in  P&ter» 


•  ^ 


160  Epigraphisobe  Mitiheilangen. 

Z.  5  in  H  der  Mittelstrich.  Dass  auch  Z.  6  and  7  nicht  alle  Buch- 
staben vollständig  ausgemeisselt  sind,  ergibt  sich  schon  aus  Bram-  , 
bach.  So  bleibt  besonders  der  Name  Vigionnus  zweifelhaft  Auf 
Grund  dieser  Inschrift,  combinirt  mit  dem  Namen  von  Oehringen, 
vicus  A^elius  (cf.  1561),  und  mit  der  Inschrift  1605,  vermuthet  Christ 
eine  civitas  Aurelia  Germanica,  Aurelia  genannt  nach  Garacalla,  Ger- 
manica nach  dessen  Sieg  a.  213  (et  1573),  eine  civitas,  deren  fiauptort 
eben  der  vicus  Aurelius  gewesen  sei.  Vgl.  Heidelberger  Jahrbücher 
1872,  S.  654  fif. 

Oedheim  1615  vgl.  Hang  14.  Das  Stuttgarter  Exemplar  ist 
vollständig  erhalten: 

coH  •  n  •  IS 

Haackh  hat  dies  gedeutet:  Gohora  Ulsaurorum,  H.  Bauer 
hat  daneben  an  die  Isarci  in  Rätien  erinnert,  Brambach  im  index 
Ispanorum  vermuthet.  Ich  habe  mich  früher  an  Haackhs  Ver- 
muthung  angeschlossen,  glaube  jedoch  jetzt,  dass  Br.  Recht  hat,  da  in 
Stockstadt  1759  ein  mil(es)  coh.  II  Isp.  vorkommt  Merkwürdiger- 
weise war  dieser  Soldat  natione  Isaur(us);  aber  eben  dies,  dass  ein 
Isaurer  in  einer  spanischen  Cohorte  dient,  spricht  dageg^,  dass  es 
unweit  davon  eine  besondere  „zweite  isaurische  Cohorte"  gab. 

Olnhausen  1616—19  vgl.  Hang  49—52.  1617  deuteich 
His.  sed.  mit  Brambach  auf  Isis  sedata  und  verweise  des  Näheren 

auf  meine  Bemerkungen  in  Würt.  Fr.  zu  dieser  Inschrift.  Z.  3  ist  G 
noch  erhalten,  wenn  auch  nicht  ganz  deutlich.     Z.  5  STIP.     Die 

letzten  Zeilen  sind  zum  Theil  durch  die  Kanzeltreppe  verdeckt.  Ich 
vermuthe  Z.  8  CoM  (wie  Brambach)  und  Z.  9  GLABR-II*  —  1618 
habe  ich  am  Ende  von  Z.  1  G'L'  =  genio  loci  gefunden,  Z.  2 
IPOMIIIV,  Keller  glaubte  noch  mehr  lesen  zu  können:  .  .  .  .  N  - 
ET  GL'  I IPOMETIV.  Z.  3  jedenfalls  Gratinus,  nicht  Gratianos; 
vgl.  diesen  Namen  294.  1059  und  wahrscheinlich  auch  1787  (s.  u.). 
Z.  5  f.  fehlt  nichts.  —  1 6 1 9  konnte,  ich  auch  nicht  auffinden. 

Mainhardt  1621--26  vgl.  Hang  26—30.  Z.  1  stand  wahr^ 
scheinlich  D  -  M  SACR.  Z.  3  glaube  ich  vorne  TIS  noch  zu  erkennen, 
also  Maximo  Dasantis  (Gen.  von  Dasas),  vgl.  Br.  741  Bato  Dasantia 
fil.  —  ex  coh.  mi  Delmatarum.  —  Z.  4  schien  mir  ASTV  noch  les- 
bar. Was  auf  Asturum  folgt,  war  wohl  eine  nähere  Bestimmung 
dazu,  vgl.  coh.  I.  II.  Asturum   et  Gallaecorum.  —  Z*  8  stellt  das 


Epigraphische  Mittheilangen.  161 

kleine  o  nach  C  wahrscheinlich  nur  einen  Punkt'  vor  (so  Br.)t  abo 
c(ivi)  Dalmata(e).  —  Z.  10  jedenfalls  ET  BATONI  (vgl.  oben)j  dazu 
geh&rt  der  Gen.  Beusaii[tis]  von  Bens as,  Tgl.  Br.  869  Beusas  Suiti 
f.  Delmat.  Alle  drei  Namen  Dasas,  Beusas  und  Bato  sind  also  nach- 
weisbar dalmatisch.  —  Die  Heimat  des  ersten  Soldaten,  municipiom 
Mag  ab  .  .  (?),  ist  meines  Wissens  nicht  nachweisbar;  die  des  zweiten 
aber,  municipiam  Salviom,  weist  auf  die  Stadt  Sa  1  via  zmschen 
Siscia  und  Salona. 

Noch  nicht  veröffentlicht  ist  das  Bruchstück  einer  Inschrift  aus 
dem  Schönbuch  (zwischen  Tübingen  und  Böblingen),  welches  ich 
im  Stuttgarter  Lapidarium  gefunden  habe  (noch  nicht  katalogisirt) : 

heREOESEIVS- 
FACIVNDVM 
CVRAVERVNT 

Ueber  die  Inschriften  des  Wirt.  Schwarzwaldkreises  habe  ich 
nichts  von  Belang  mitzutheileUi  da  ich  dieselben  nicht  näher  unter- 
sucht habe,  und  gehe  daher  hinüber  nach 

lU.  Baden 

und  zwar  mit  Uebergehung  der  (früheren)  drei  Landestheile  See-, 
Oberrhein-  und  Mittelrheinkreis,  die  mir  femer  liegen,  zum 

ünterrheinkreis. 

Aus  diesem  stammt  eine  Anzahl  von  Inschriften,  die  theils  in 
der  Grossherzogl.  Sammlung  zu  Mannheim,  theils  auch  in  der 
des  Alterth  ums  Vereins  daselbst  aufbewahrt  sind.  Da  dieser  seit 
15  Jahren  bestehende  Verein  keine  Druckschriften  ausgehen  lässt,  so 
benutze  ich  die  hier  sich  bietende  Gelegenheit,  um  auf  die  Thätigkeit 
desselben  hinzuweisen.  Die  von  dem  Verein  angelegte  und  namentlich 
in  den  letzten  Jahren  beträchtlich  vermehrte  Sammlung,  welche  im 
linken  Flügel  des  Orosdi.  Schlosses  aufgestellt  ist,  umfitsst  zahlreiche 
römische  und  fränkische  Alterth ümer,  welche  auf  den  Mar- 
kungen von  Ladenburg,  Schriesheim,  Wallstadt,  Stettfeld, 
Walldorf  und  Osterburken  aulgelunden  worden  sind.  Eine 
grosse  und  sehr  werthvolle  Sammlung  römischer  Alterthümer,  welche 
bei  Mainz  an  dem  sogenannten  Dimesser  Ort  entdeckt  worden 

waren,  ist  im  Jahr  1871  gleich  andern,  zu  Worms  und  am  Taunus 

11 


1C2  Epigraphisohe  Mittheilnngen. 

aufgefundenen  Gegenständen ,  käuflich  erworben  worden  *).  Hieran 
reiht  sich  eine  nicht  unbeträchtliche  Anzahl  mittelalterlicher 
Gegenstände,  welche  entweder  in  der  Umgegend  aufgefunden  wurden 
oder  daselbst  bisher  zerstreut  aufbewahrt  waren,  sowie  eine  ansehnliche 
Sammlung  von  Urkunden,  Siegeln,  Zeichnungen  und  Sculp- 
turen.  Die  Münzsammlung  ist  neuerdings  durch  Schenkungen 
und  Ankäufe  erheblich  vermehrt  worden;  namentlich  wurde  der  Ver- 
vollständigung der  pfälzischen  und  der  oberrheinischen  Ab- 
theilung derselben  alle  Sorgfalt  zugewendet.  Die  Bibliothek  des 
Vereins  umfasst  neben  numismatischen,  heraldischen  und  sphragis- 
tischcn  Werken  besonders  die  ältere  Literatur  über  die  Geschichte  des 
Oberrheins  und  der  Pfalz,  und  namentlich  hat  sich  der  Verein  die  Er- 
werbung aller  auf  die  Geschichte  der  Stadt  Mannheim  bezüglichen 
Schriften  zur  Aufgabe  gemacht.  Ausserdem  wurde  dem  Verein  eine 
grosse  und  werth volle  Sammlung  photographischer  Abbildungen 
ägyptischer,  algierischer,  spanischer,  griechischer  und  deutscher  Bau- 
werke durch  den  Fertiger  derselben,  den  bekannten  Reisenden  und 
Kunstkenner  Dr.  A.  v.  Lorent,  als  Geschenk  überlassen. 

Hockenheim  169  7  ist  schon  Bramb.  p.  XXXI  von  K.  Christ 
ergänzt.  Vgl.  auch  ,,Röm.  Alterth.  aus  der  Umgegend  von '  Heidelberg 
und  Mannheim"  von  F ick  1er,  2.  Aufl.  v.  Christ  (Verh.  der  Heidel- 
berger Philol.-Versammlung  186  6).  Ich  glaube  allerdings  auch 
auf  dem  vorspringenden  Gesimse  des  Altärchens  HER  zu  finden,  doch 

nicht  mehr  deutlich.  Statt  Facundinia  ist  aber  Facundina  zu  lesen. 
Nach  diesem  Wort  hat  Christ  richtig  die  Obertheile  von  PRO  erkannt. 

Rohrbach  17  02  kann  ich  Z.  3  mit  Fickler  nichts  anderes  als 
VITTVO  finden.    Dafür   lässt  sich  anführen  Br.  874  Septiminiu(s) 

Vittue,  wo  letzteres  ofifenbar  Gen.  ist.  Auf  unserer  Inschrift  mfisste 
dann  wohl  Vittuo  als  Dat.  statt  des  Gen.  geiasst  werden. 

H.eidelberg  1703  richtig.  —  1704  Z.  4  |S|/M  =  NIAN, 
also  Galpurnianus,  nicht  Galpur naniuS;  wie  nach  Brambach's  Text 
zu  lesen  wäre  (index  richtig).  Z.  5  ist  die  erste  Ligatur  von  Fiekler 
richtiger  gegeben,  da  von  einem  umgedrehten    F  oder  E  nichts  zu 

sehen  ist.  Christ's  Lesung  et  item  hat  daher  keinen  Grund.  —  1705 
richtig.  — -  1 7 1 1  Z.  4  steht  zwar  der  4.  Buchstabe  in  dem  durdi  die 


,^)  Die  Inschriften  .dieser  Dimesser  Sammlang  sind  von  Be'cke  r  in  diesen 
Jahrb.  Heft  XLIV  und  XLY,  S.  72  f.  edirt  und  besprochen  worden. 


Epigraphische  Mittheilnngen.  168 

ganze  Inschrift  hinuntergehenden  Bruch ;  ich  glaube  jedoch  eher  Spuren 
von  O  ftls  von  |  zu  finden.    Der  Name  Aprossus  findet  sich  auch 

Br.  1336  (Castel  bei  Mainz)  in    der  Form  Abrosus   und  Br.   1793 
(Altripp)  in  der  Form  Aprosus.  Z.  7  kann  nur  Ein  L  gestanden  haben. 

Mannheim  1717  schon  von  Christ  a.  a.  0.  verbessert.  Z.  2 f. 
ist  wahrscheinlich  Ac(co)nius  zu  lesen,  ein  Name  der  auch  in  Speier 
Br.  1797  vorkommt.  —  Ergänze :  GräflF  88. 

Neckargemünd  1718  richtig.  Die  Inschrift  hat  sehr  eigen- 
thümliche,  barbarische  Buchstabenformen. 

Obrigheim  1724  ist  ebenfalls  schon  von  Christ  verbessert. 
Ich  füge  hinzu,  dass  das^  was  Z.  3  nach  R  noch  auf  dem  Band  zu 
stehen  scheint,  wohl  nur  zufallige  Verletzung  ist.  —  21  4  vom  findet 
sich  ein  einem  hebräischen  Lamed  ähnliches  Zeichen  '^i,  das  mir  sonst 
her  nicht  bekannt  ist.  Brambach  hat  es  als  Abkürzung  für  passus 
erklärt,  aber  wieder  Bedenken  dagegen  bekommen,  Christ  hat  gelesen 
agrum  unciarum  (=  Vi«  iugerum)  quatuor.  —  Z.  6  f.  hat  Christ  durch 
Abkratzen  des  Kitts  das  Richtige  gefunden;  nur  ist  wahrscheinlich 
stAtt  FECI  zu  lesen  FEC1"  =  fecit. 

Stettfeld2061  (Br.  p.  XXXI)  befindet  sich  in  der  Sammlung 
des  Mannheimer  Alterthumsvereins  und  ist  richtig  wiedergegeben. 

Etwas  nähere  Betrachtung  verdienen  die  in  Osterburken 
neuerdings  ausgegrabenen  Inschriften:  a)  Vier  derselben  wurden  noch 
von  Brambach  in  den  Addenda  aufgeführt  Nr.  2063—66.  Dieselben 
sind  'mit'  einigem  Antieaglien  von  dem  Verein  für  Wirtembergisch 
Franken  angekauft  worden  und  befinden  sich  jetzt  in  der  Sammlung 
dieses  Vereins,  im  Pulverthurm  zu  Schwäbisch  Hall.  Ich  habe  sie 
in  der  Zeitschrift  Wirt.  Fr.  IX,  2  im  Facsimile  herausgegeben  und 
besprochen  und  bemerke  hier  nur,  dass  20  63  Z.  1  statt  HON  zu 
lesen  ist  H*0-D,  Z.  3  Agrico|la],  Z«6ff.  Repenia.  Aug|usta. 

pro  .  Di.j.iano  filio.  Der  Nafne  des  Sohnes  kann  Digniano, 
Dioniano  oder  ähnlich  gelautet  haben.  —  20  64  ist  natürlich  Marti 
militari  zu  lesen,  cf.  Br.  467  und  sonst.    Z.  3  steht   nach  V  noch 

LE  oder  |  F,  Z.  4  Anfang  sind  die  Köpfe  von  LEG  noch  sichtbar 

(leider  auf  der  Lithographie  weggelassen).  Mit  den  Namen  Piru  — 
und  Mestule  (oder  If?)  —  weiss  ich  nichts  anzufangen.  —  2065 
ei^änze  ich  mit  Brambach:  genio  (5oh.  ni  Aquitanorum  und  ver- 
muthe,  dass  das  folgende  Wort  Sev  er ianae  zu  lesen  und  wie  Philip- 


164  Epign^hiBohe  BCittheilangen. 

pianae  (s.  u.)  als  Beiname  der  Ck)horte  zu  fassen  ist  2066  ist  nach 
den  vorhandenen  Buchstabenresten  (Z.  2  vor  N  noch  die  Köpfe  von 
XA)  auf  Aurelius  Severus  Alexander  zu  beziehen. 

b)  Drei  weitere  Inschriften  sind  von  K.  Christ  in  der  Archäol. 
Ztg.  1869,  S.  75  f.  edirt  und  besprochen  worden,  von  welchen  ich  die 
zwei  ersten  nur  anführe,  da  ich  sie'  nicht  selbst  gesehen  habe. 

1)  lovi  optimo  maximo  et  genio  loci  Galvinius  Titus  beneficiarius^ 
consularis  -—  angeführt  Br.  2067. 

2)  Minervae  ....  Gattonius  Portio  Sextus  comicularius  et 
Placidius  Placidinus  posuerunt  —  so  nach  Ghrist's  Ergänzung;  bei 
Bramb.  2067  a  noch  nicht  ganz  genau  abgedruckt. 

3)  Bronceplättchen  im  Besitz  des  Mannheimer  Alterthumsvereins 
mit  der  Inschrift: 

T.aVAR 

tl 

AGRANI 

d.  h.  T(iti)  Quartii  Agrani  (so  Christ).  Wenn  auch  Z.  3  die  4 
letzten  Buchstaben  etwas  nachlässig  gemacht  sind,  so  ergibt  sich  doch 
auch  mir  obige  Lesung  als  die  wahrscheinlichste.  Quartius  kommt 
auch  in  Trier  (Br.  796)  vor,  Agranus  kann  ich  nicht  belegen. 

c)  Zwei  fernere  Inschriften  sind  von  Fi  ekler  zuerst  veröffent- 
licht worden  und  gehören  ebenfalls  der  Sammlung  des  Mannheimer 
Alterthumsvereins  an. 

1)  Genio  |  opt(imo)  |  (so  Christ,  Mommaen  optioiium)  cohCottis) 
III I  Aquit(anorum)  |  Philippi|anae  auf  etner  kleinen  ara.  Vgl.  Fidder 
in  diesen  Jahrb.  XLYI,  S.  112  f.  und  Arch.  Z.  1868,  S.  61. 

2)  Auf  einem  dünnen  Bronceplättchen:  Paterio  c(enturio)  |  cor(tiB) 
Nice(ensium)  Mar(ti)  |  Cnabetio  |  vot(um)  r(eddidit)  l(ibens)  l(aetus) 
m(erito).  Vgl.  besonders  Fickler  und  Mommsen  Arch.  Z.  1869,  S.  29  f. 
Becker  in  diesen  Jahrb.  LX  und  LXI,  S.  163,  wo  der  Beiname  Cnabetius 
sehr  schön  belegt  und  erläutert  ist  Von  dem  Zeichen  am  Ende  der 
1.  Zeile  kann  ich  bezeugen,  dass  es  keinem  mir  bekannten  Zeichen  so 
ähnlich  sieht,  als  dem  für  centurio,  daher  halte  ich  die  oben  gegebene 
Lesung  Mommsen's  für  die  wahrscheinlichste. 

d)  Endlich  kann  ich  zum  ersten  Mal  drei  Bruchstücke  ver- 
öffentlichen, welche  ebenfalls  dem  Mannheimer  Alterthumsverein  an- 
gehören. 


Epigraphitohe  Mittheilnngen. 


165 


t)  Zu  dem  grösseren  Fragment  eines  niedrigen,  aber  breiten 
Altärchens  mit  den  Buchstaben 

MAR 

Rl  N 

fand  ich  noch  zwei  kleinere  Bruchstücke,  das  eine  mit  einem  O9 
welches  die  erste  Zeile  schliesst,  das  andere  mit  den  unteren  Theilen 
von  L-L-M,  welche  die  zweite  Zeile  endigen.  Da  auch  die  Distanz 
zwischen  den  grösseren  und  den  zwei  kleineren  Bruchstücken  sich 
feststellen  liess»  so  ergab  sich  mit  ziemlicher  Sicherheit  der  Text 

MARti     vict    O 

RiNusvsLLM 

Höchstens  könnte  vor  Victorinus  noch  ein  Buchstabe  als  Vor- 
name gestanden  haben. 

2)  Auch  das  zweite  Bruchstäck  lässt  sich,  wie  ich  glaube,  zum 
Theil  lesen. 

IO> 

VAN  I 

VOFF 

Da  auf  das  Centurionenzeichen  ein  Genetiv  .  .  .  vani  folgt,   so 

muäs  es  hier,  wie  oft,  die  Genturie  bedeuten ;  dann  ergibt  sich  am 
einfachsten  die  Ergänzung:  .  .  .  genjio  c(enturiae)  [Julii(?)  Sil]vani. 
Die  Buchstaben  der  3.  Zeile  gehören  zu  dem  Namen  des  Dedicanten, 
wenn  sie  nicht  zu  fassen  sind  in  oder  de  sjuo  fe(cit).  Für  den  genius 
centuriae  brauche  ich  keine  Beispiele  anzufahren;  dieselben  sind  füx 
die  Rheinlande  gesammelt  von  Brambach  (index);  ebenso  wenig  für  die 
Bezeichnung  der  Genturie  mit  dem  Namen  des  centurio,  vgl.  hierüber 
Becker  in  d.  Jahrb.  LIII  und  LIV,  S.  145  ff.  zu  der  Mainzer  Inschrift: 
genio  centuriae  Nigidii  Gensorini.  Wegen  des  Namens  Julius  Sil- 
van  US  aber  verweise  ich  auf  die  Inschrift  Br.  1554  aus  dem  benach- 
harten  Grenzort  Oehringen,  wo  die  centuria  Julii  Silvani  vorkommt 

Allerdings  Hesse  sich  die  Inschrift  auch  mit  Br.  1733  (verbessert 
von  Christ  in  diesen  Jahrb.  LU,  S.  69)  combiniren,  wo  'ein  centurio 
P.  Aelius  S  .  .  .  anus  vorkommt,  der  in  Schlossau,  also  auch  nicht 
weit  von  Osterburken,  einen  Yotivstein  gesetzt  hat 

3)  Das  dritte  Fragment  dagegen 

ITO  A 
ist  zu  klein,  als  dass  sich  mit  demselben  etwas  anfangen  liesse. 

An  diese  unedirten  Steine  von  Osterburken  reihe  ich  einen  aus 


«      • ' 


r'       -s. 


166  Epigrfl^hisohe  MittheiluogeD. 

Ni  er  stein  in  Bheinhessen  an,  der  gleichfalls  noch  nicht   bekannt 

zu  sein  scheint.  Ueber  einem  gut  gearbeiteten  Merkur  finde  ich 
die  Inschrift 

HDD  lO    I 

CNAA  ICA 

LAJ 

O 
LAJ 

d.  h.  In   honorem  domus  divinae edem   cum  signo  .  .  .    Die 

Buchstabenreste  der  ersten  Zeile  scheinen  auf  I  •  O  *  M  -  hinzuweisen, 

aber  die  Gestalt  in  Hautrelief,  um  deren  Obertheil  sich  die  Inschrift 
herumzieht,  ist  ein  jugendlicher,  nackter  Gott  mit  Schlangenstab  in 
der  Linken;  der  Kopf  ist  in  edler  Haltung  nach  rechts  geneigt.  Die 
Beine,  die  rechte  Hand  und  mit  ihnen  wahrscheinlich  der  zweite  Theil 
der  Inschrift  ist  verloren. 

IV.  Rheinpfalz. 

Ich  wende  mich  nun  zu  den  pfälzischen  Inschriften,  von 
denen  das  Museum  in  Spei  er  einen  grossen  Theil  beherbergt,  — 
diejenigen,  über  deren  Aufbewahrungsort  im  Folgenden  nicht  aus- 
drücklich etwas  anderes  bemerkt  ist,  —  während  manche  auch  in 
Mannheim  sich  befinden.  Durch  die  sachkundige  und  aufopfernde 
Fürsorge  des  H.  He  yd  eure  ich  in  Speier  sind  die  firliher  in  der 
engen  und  etwas  düsteren  Antiquitätenhalle  beim  Dom  aufgestellten 
römischen  Steinmonumente  nun  in  zweckmässiger  Weise  in  einem  Saal 
des  Realgymnasiums  untergebracht,  welches  auch  die  übrigen  reichen 
Sammlungen  beherbergt. 

(Rossberg)  BecBerbach  1762  Z.  3  f.  steht  IR|DVTI, 
wie  auch  Brambach's  index  richtig  hat    Das  R  ist  gerade  wie  in  Z.  5 

geformt;  es  hat  nicht  zwei  Bogen,  einen  einwärts  und  tlaen  aus- 
wärts gekrümmten,  sondern  die  Einbiegung  in  der  Mitte  fehlt.  — 
17  63  Z.  2  kann  vielleicht  MAI/E  zu  lesen  sein;  doch  sind  Dative 
auf  a  nicht  unerhört,  vgl.  1621,  8. 

Schwanden  1765  Z,  2  FVIVS,  also  Bellius,  Suavis  f(iliu8), 
viv(u)s. 

Wolf  stein  17  69  (in  Mannheim)  Z.  3  QViWO,  d.  h.  Quinto, 
nicht  Quieto,  wie  J.  Becker  las.    Z.  5  war  L  am  Ende  nie  vorhanden ; 


Epigraphisohe  Mittheilongen.  167 

wahrscheinlich  begann  die  nächste  Zeile  mit  LIAE,  so  dass  sich  filiae 

auf  Saturninae  bezieht,  wie  filio  auf  Quinto. 

Landstuhh  17  79  Z.  1  fehlt  nichts,  auch  konnte  ich  Z.  2  von 
einem  mit  |  ligirten  T  (Hefner)  nichts  entdecken.  —  1780  Z.  2  Gl, 
Z.  3  TEG,   Z.   4  CCEDj.     Demnach   lauten  die  Namen  Cagiro 

Tegeddi  (sc.  filio)  et  Billiccedni  patribus  (=^  parentibus,  cf.  Br. 
415  (s.  0.)  und  Orelli-Henzen  4579.  6200). 

Blieskastel  1783  ofifenbar  ein  Grabstein,  rechts  verstümmelt 
also  Z.  1  D  vorne  zu  ergänzen.    Z.  2  nach  O  noch  P  oder  R.  Me- 

lior(?)  ist  Beiname  zu  dem  vorhergehenden  Namen  .  .  .  s  (Brambach 
falsch  im  index:  S.  Melio  ....). 

Eisenberg  1787  (in  Mannheim).  Z.  2  hat  nach  I  nichts  mehr 

gestanden.  Pater ni  ^  Patemii  ist  also  nomen  gentile  zu  den  zwei 
folgenden  cognomina,  von  welchen  das  erste  wohl  Gratiuus  lautete 
(vgl.  oben  294  und  1618),  da  der  Stein  rechts  verstümmelt  scheint, 
das  andere  aber  nicht  mit  Sicherheit  zu  ergänzen  ist ;  vieUeicht,  wie 
Becker  vermuthete,  CREISCENS,  jedenfalls  ein  Name  auf  ns,  da  diese 

beiden  Buchstaben  unverkennbar  sind.    Nach  IVSSV  aber  kann  auf 

dieser  Zeile  nichts  mehr  gestanden  haben. 

Altripp  1788  war  mir  von  Z.  7  an  unleserlich,  wie  den  bis- 
herigen Vergleichern  dieser  Inschrift.  Die  Züge  sind  zwar  sehr  derb, 
aber  ganz  barbarisch.  —  1 7  8  9  Z.  7  das  zweite  S  sehr  zweifelhaft.  — 

17  91  Z.  8,  von  anderer  Hand  kleiner  hinzugefügt,  bezieht  sich  auf 
eine  spätere  Wiederherstellung  des  Tempels.  -  1792  Z.  3  TVILI 

ohne  Punkte;  also  Magnus  Tuili  (sc.  filius).  —  17  93   Z.  2  Gl, 

also  Gimio.    Femer  ist  Z.  1   nach  S  ein  Punkt  mit  folgendem  L 

oder  E,  Z.  4  ebenfalls  nach  S  ein  Punkt  mit  folgendem  T,  und  Z.  6 

zwischen  N  und  S  ein  (kleineres)  V  zu  ergänzen.  —  1794  richtig. 

Iggelheim  1795  befindet  sich  jetzt  in  der  Sammlung  des 
Mannheimer  Alterthumsvereins.  Z.  1  ist  die  Ergänzung  i.  o.  m.  (et?) 
ohne  Zweifel  richtig,  IVNONI  &8t  ganz  erhalten.  Die.  folgenden 
Namen  sind  wohl  zu  verbinden  wie  1787.  1808.  1809  u.  a.;  also 
Procl(il)  Pollio  et  Fuscus. 

Speier  1796  Z.  3   kann  vor  A  ein  F,    E  oder  auch  C,  G 

gestanden  haben;  wahrscheinlich  ist  Fatal is  zu  lesen,  was  ja  als 
cognomen  z.  B.  Br.  446  vorkommt    Die  ganze  Inschrift  dürfte  etwa 


1 

■  .1 
^  J 


-     A 


168  Epigraphische  Mittheilangen. 

SO  ZU  ordnen  sein:  Dis  Manibus  .  .  .  .  io  (nomen  im  Dat.)  .  .  .  (cog- 
nomen)  decurioni  coloniae  Nemetum  ....  (nomen)  Fatalis  ....  ob 
merita  faciondum  curavit.  —  179  8  ist  nicht  verloren,  wohl  aber 
verstümmelt,  indem  Z.  2—6  fehlen  ausser  Z.  4  F  und  Z.  5  L.  — 
„1801  Z.  2  und  4  finde  ieh  von  den  Querstrichen  in  C  keine  Spur!" 
,,Glaudi  mit  I  longum  (vgl.  1808  f.)  ist  gemeinsames  nomen  zu  beiden 
folgenden  Beinamen'^   —  1802   Z.  2  ET  noch  vorhanden.     Z.  4 

Veccinius  wahrscheinlicher  als  Vecoinius.  —  1803  und  1804  habe 
ich  nicht  gesehen ;  ob  sie  noch  im  Retscher  sich  befinden ,  ist  mir  un- 
bekannt. —  180  5  Z.  1  Fl  statt  FLi  Z.  2  E  vorn  zu  streichen,  Z.  4 
vom  O  mit  Punkt  vor  P  hinzuzusetzen.  Der  grössere  Theil  der  In- 
schrift ist  unleserlich,   namentlich  der  ganze  An&ng  in  mehreren 

Zeilen.    Leicht  l&sst  sich  dilecto  filio  —  CIaudio(ae?)  Fe — 

soceris  defunctis  —  ponendum  curavit  erkennen ;  aber  Weiteres  dürfte 
schwer  zu  errathen  sein. 

Heiligenstein  1806  und  1807  bei  Brambach  richtig.  Sehr 
schöne,  grosse  Schrift. 

Duden hofen   1808   Z.  1  ft  ligirt,  Z.  3  |  longum,  wie  1801. 

Also  drei  Fla  vi  i:    Ubtio,  Avitus,  Ma}dm(u)s.    1809  Z.  1  ist  pRO 

SALVTe  noch  deutlich  zu  erkennen,  wenn  auch  nur  der  untere  Theil 

der  Buchstaben  übrig  ist.    Z.  2  nicht  VESSI,   sondern  VESSl ,  d.  h. 

Messii,  was  wiederum  gemeinsames  nomen  gent  für  die  zwei  cogno- 
mina  Vitalis  und  Renicus  ist,  wie  1787.  1795.  1801.  1811. 

Godramstein  1810  (in  Mannheim)  —  hier  ist  nachzutragen, 
dass  auf  der  der  Inschrift  entgegengesetzten  Seite  des  Altars  Hercules 
fnit  Bogen,  Löwenhaut  und  Keule  abgebildet  ist.  Die  vier  Gottheiten 
sind  sämmtlich  unter  der  Inschrift,  da  diese  auf  einem  Aufsatz  steht.  — 
1811  Z.  1  Ni.    Die  Ergänzung  hat  Bramb.  Z.  2  und  3  unrichtig  am 

Ende  statt  am  Anfang  der  Zeilen  angebracht,  wie  1551.  —  1812  (in 
Mannheim)  vgl.  J.  Becker  bei  Bramb.  p.  XXXIII.  Ich  lese  Z.  3 
TRAVINI,  denn  nur  so  stehen  die  Buchstaben  in  gleich  regelmässiger 
Distanz;  Z.  4  QVIBVS  -EX;  Z.  5  COLLATA  (hinter  diesem  Wort 
fehlt  nichts);  Z.  6  STIPE,   Z.  8  R  oder  P.    Der  Zusammenhang  ist 

dann  der,  dass  die  Traviner  dem  Taranucnus  den  Altar  weihen,  für 
welche  (quibus)  ein  gewisser  .  .  Julius  ...  aus  zusammengeschossenem 
Geld  draselben  errichtet  hat.  Wer  diese  Travini  sind,  die  Angehörigen 


Epigfraphisohe  Mittbeiloag^.  169 

einer  Familie  oder  die  Bewohner  eines  Orts  TraviiBi,  Traviom,  bleibt 
dahingestellt. 

Impflingen  1813  (in  Mannheim).  Gambo  ist  nicht  Dat.  zn 
Mercurio  bezogen,  sondern  Nom.,  vgl.  hierüber  neustens  K.  Christ  in 
diesen  Jahrb.  LH,  S.  84,  A.  1). 

Rheinzabern  1816  befindet  sich  in  Speier,  wie  auch 
Neustadt  1823.  Z.  1  steht  auf  dem  oberen  Rand  und  wurde 
wahrscheinlich  desswegen  dorthin  gesetzt»  weil  zuerst  auf  der  Inschrift- 
platte (Z.  2)  das  H  durch  einen  Schreibfehler  ausgefallen  war.  *  Ich 

fasse  also  Z.  1  als  verbesserte  Wiederholung  von  Z.  2.  —  1 8  2  5  Z.  3  f. 
ist  wahtscheinlich  Matti  f  i||lliu8  zu  lesen,  vgl.  1833.  -  1 826  richtig.  — 
1827  Z.  2  vor  L  Itest  eines  0  oder  wahrscheinlicher  eines  O,  Z.  4 

vor  N  der  untere  Querstrich  eines  L 

Ruppertsberg  1828  ist  eine  vierseitige  ara,  kein  Orabstein, 
und  folgendermassen  zu  lesen: 

I  O-M 
SELIVS 
QMNT 

Jovi  optimo  m^imo  Selius  Quint(us).  Die  beiden  Namen  sind 
nicht  absolut  sicher,  aber  doch  sehr  wahrscheinlich  wie  angegeben. 
Z.  1  ist  der  Bogen  des  0  nur  aufgemalt,  nicht  eingehauen.  --1829 

richtig.  —  1830  ist  die  Schrift  ebenso  roh  und  schwierig  zu  lesen 
wie  1788.  Einen  Grund  zur  Verwerfung  der  Inschrift  kann  ich  aber 
nicht  finden;  allerdings  ist  dieselbe  mehrfach  nachgebildet  worden, 
wie  1831,  vgl.  Br.  spur.  45.  —  1 83 1  bei  Brambach  richtig;  „der  Anfang 
der  Inschrift  „deo  Gesisonio*'  findet  sich  auch  auf  einem  unechten 
Stein  (Br.  spur.  46)  und  die  ganze  Inschrift  (etwas  verändert)  auf  einer 
Schale  (ib.);  beide  kenne  ich  jedoch  nicht  näher.'^  —  1832  da  der 
Stein  ein  Grabdenkmal  zu  sein  scheint  (ergänze  zu  0 '  auf  Z«  1  noch 

M '))  so  is^  ^^^^^  ^^  ^^^  ^^^^  ^&^s  zu  denken  (Br.  ind.),  sondern  an  den 
Namen  Martins,  Martinius  oder  Martialius  im  Dat.  (nach  T  steht 

kein  Punkt).  Z.  3  gibt  dazu  ohne  Zweifel  dascognomen  Peregrinus. 
Somit  wäre  zu  lesen:  Dis  Manibus.  Martio  (tinio,  tialio)  Peregrino 
filio  —  (dulcissimo  parentes  .  .  p.  c.  oder  ähnlich).  —  183  3  Z.  2  vor 
V  Best  eines  N;  statt  M  wahrscheinlich  N  (wie  1592,6)  also 
-nucconi  (Dat.  von  -nucco);  dazu  Z.  3  der  Gen.  Gacussonis,  der 


170  EpigrAphisohe  Mittbeüangen. 

den  Vater  beaseichnet     Z.  4  N  zu  streichen,  also  cojagL    Z.  5  L 

FlLjLIO,  cf.   1825.  lAP  vielleicht  in  agram  pedes  .  .  —  1834  ist 

oben  und  links  verstümmelt,  jedoch  ist  Z.  S  nach  V  der  Thei!  eines 

O,  ebenso  Z.  4  nach  L  die  Hälfte  eines  M  erhalten.    Vom  fehlt  der 

Name  der  Gottheit,  das  Weitere  lautet  etwa  so:  Ursio  (Gap?); 
itonis  I  ex  voto  [lim.  Die  beiden  Namen  Ursio  und  Gapito  sind 
bekannt. 

Germersheim  183  5  bei  Br.  richtig.  Am  Schluss  der  1.  Z. 
ein  blattartiges  Zeichen. 

Die  von  Brambach  sehr  sorgfältig  wiedergegebenen  Meilen- 
säulen 1945—52  habe  ich  nicht  genauer  verglichen«  Jedoch  1952 
Z.  5  scheint  mir 

ACNLXIII 
zu  lauten,  also  a  colonia  Nemetum  leugas  Xni. 

Den  dem  Silvanus,  einem  auch  sonst  vorkommenden  Gott,  ge- 
weihten Stein  von  Rheinzabern  hat  Brambach  unter  die  unechten 
gestellt  (n.  43  und  46).  Ich  finde,  nachdem  ich  ihn  selbst  gesehen, 
keinen  Grund  dazu.  Die  Schrift  ist  ganz  ähnlich  der  von  1823.  Sie  lautet 

SILVANO 
TETTO 
SERVS    FL 
TACITlEx 

V  O  T  O  *  R  (R  laicht  ganz  deutlich) 
Silvano  Tetto  serv(u)s   Fl(avii)   Taciti   ex   voto   r(eddidit). 
Diese  Lesung  ist  mir  wenigstens  wahrscheinlicher  als  Tetto  Serus,  fil(ius) 
Taciti.    Zu  SERVS  vgl  VIVS  1765.  —  Wenn  ich  diesen  Stdn  an 

und  für  sich  betrachtet  nicht  für  verdächtig  halte,  so  will  ich  damit 
natürlich  die  Nachbildungen  desselben,  welche  zum  Theil  den  Text 
auch  etwas  anders  gestalten,  nicht  vertheidigen,  erinnere  übrigens 
noch  daran,  dass  auch  Brambach  selbst  in  d.  Jahrb.  LIII  und  UV 
S.  188  tt.  einige  Steine  von  Rheinzabern,  die  er  früher  verworfen,  nun 
auf  Grund  seiner  Autopsie  als  echt  anerkannt  hat.  Möglich  wäre 
allerdings,  dass  das  Exemplar  von  Golmar-Strassburg  das  ursprüng- 
liche und  das  in  Speier  eine  genaue  Nachbildung  wäre. 


Seit  dem  Erscheinen  des  C.  I.  Rh*  wurde  zu  Ernstweiler  bei 
Zweibrücken  noch  eine  interessante  Inschrift  gefunden  und  von  Fickler 


Epigpraphisohe  Mitihei1uiig«ii.  171 

in  d.  Jahrb.  (XLYI  S.  114)  verdffenüicht  unter  dem  Titel:  ,,Eiae 
räthselhafte  Inschrift^'.  Da  ich  über  dieselbe  nichts  beizufilgen  weis8, 
begnüge  ich  mich  mit  dieser  Verweisung.  Wohl  aber  vermag  ich  auch 
aus  der  Pfalz  zwei  freilich  unbedeutende  neue  Inschriften  mitzutheilen. 
1)  In  Waldfischbach  (zwischen  Kaiserslautem  und  Pirmasens) 
ist  a.  1847  eine  Statue  4er  Diana  aus  rothem  Sandstein  gefunden  und 
nach  Speier  verbracht  worden,  mit  der  Unterschrift 

POLLIONIS  •  EX"V//// 


Tollionis  ex  iu(ssu)  num(inis). 

Aus  der  Stellung  dieser  Worte  ergibt  sich,  dass  dies  die  ganze 
Inschrift  war.  Auffallend  ist  dabei  der  Gen.  PoUionis,  denn  als 
Nom.  wird  das  Wort  doch  nicht  genommen  werden  dürfen.  An  der 
Echtheit  zu  zweifeln  liegt  kein  Grund  vor. 

2)  Auf  einer  Votivplatte  von  Altdorf  findet  sich  über  einem 
kleinen,  roh  gearbeiteten  Bild  der  Diana  (en  haut  relief)  die  kleine 
Inschrift  DE/E  •  OIAN  AE 

Die  Züge  sind  ungefähr  die  der  Inschiiften  1823  und  spur.  43; 
offenbar  weisen  sie,  namentlich  die  oben  breiten  A,  auf  eine  spätere 
Zeit,  etwa  das  vierte  Jahrhundert  hin;  Unechtheit  anzunehmen  ist 
auch  hier  nach  meiner  Ansicht  kein  Grund. 


Aus  dem  Elsass  befindet  sich  in  Mannheim  nur  die  Inschrift 
von  Neu-Saarwerden  1860,  auf  welcher  schon  J.  Becker  Z.  1 
richtig  pRIMANIVS  erkannt  hat.    Z.  3  ist  unleserlich. 


Endlich  lasse  ich  noch  einige  Bemerkungen  und  Nachträge  zu 
der  Rubrik:  Loca  prorsus  incerta  Bramb.  p.  355  ff.  folgen,  da  die 
Grossh.  Sammlung  in  Mannheim  mehrere  derartige  Inschriften  enthält. 

2  018  ist  schon  oben  bei  205  behandelt  worden.  —  2019  ist 
von  J.  Becker  verbessert  worden,  doch  immer  noch  nicht  ganz  richtig. 
Z.  3  ist  zu  lesen  AIASSA*SIBIET,  Z.  5  vor  R  Best  eines  V,  am 
Ende  wahrscheinlich  FILIO.    Die  Inschrift  lautet  also:  Dis  Manibus. 

Clement(ius)  Aiassa  sibi  et  Arruntio  Cur-urionis  filio.  Doch  lässt 
sich  bei  dem  verwaschenen  Zustand  des  Steins .  in  der  letzten  Zeile 
nur  rionis  als  sicher  bezeichnen.  —  20  2  0  bei  Brambach  richtig, 
ebenso  2021,   wobei  zu  bemerken ,  dass  die  zwei  Zeilen  COMM 


172  Eptgraphisohe  MiUheüangBii. 

ACACVE  den  lückenlosen,  aber  freilich  unverständlichen  Schloss  der 
Inschrift  bilden. 

Hiezu  kann  ich  nun  noch  einige  Inschriften  derselben  Sammlang 
mittheileny  welche,  soviel  mir  bekannt,  noch  nicht  veröffentlicht 
sind.  Ein  Altärchen  zwar ,  das  auf  der  Vorderseite  die  Inschrift  trägt : 
MER;CV|RI0  I SACRVM,  auf  der  Rückseite:  MARlTIjSACRVM 
erweist  sich  auf  den  ersten  Blick  als  Fälschung  0*  Andcra  aber  steht 
es  1)  mit  einem  Marmorplättchen,  welches  die  Inschrift  trägt 

A   CAECILI 
AL 

ERONIS 

Auli  Caecilii  Auli  liberti  Eronis.  Es  ist  das  also  ohne 
Zweifel  die  Grabschrift  eines  Freigelassenen  des  cäcilischen  Geschlechtes, 
der  nach  der  Sitte  das  praenomen  und  nomeu  seines  früheren  Herrn 
Aulus  Gaecilius  angenommen  hatte  und  seinen  eigenen  früheren  Namen 
Ero  als  cognomen  daran  anschloss.  Der  ganze  Name  steht  im  Gen. ;  so 
ist  auch  Eronis  Gen.  von  Ero,  wie  Bramb.  1289.  Da  aber  auf  dem 
Plättchen  eben  nichts  als  der  Name  steht,  so  muss  es  einem  Familien- 
begräbniss  (sepulcmm  commune)  angehört  haben,  wo  die  Aufschriften 
der  einzelnen  Grabnischen  gewöhnlich  nur  die  Namen  der  darin  be- 
statteten Personen  enthielten.  Das  Täfelchen  stammt  hiernach  wohl 
aus  der  Nähe'  von  Rom. 

.  2)  Femer  steht  auf  einer  Steinplatte  die  unvollständige  Inschrift 

HICI 
\NA  PVE 
AN-XiiD> 
jTORINA 
iVM  POS  rff 

Dieselbe  dürfte  etwa  so  zu  ergänzen  sein:  Hie  iacet  .  .  .  .  ina 
puella(?),  quae  vixit  annos  XII  dies  X....  Victorina  mater(?) 
monumentum  posoit. 


')  NaohträgUoh  «ehe  ich,  dass  Brambach  p.  XXXIV  diete  und  die  folgende 
Iniohrift,  durch  J.  Becker  aufmerkaam  gemaohtf  noch  angeführt  hat,  beide  als 
Terdachtig. 


Epigraphiflofae  Mittheiluagw. 


173 


3)  Einer  Grabschrift  gehört  ebenfalls  ein  Bruchstück  an 

M 

NOSEC 
O   JCOIV 

Die  unvollständigen,  aber  doch  unzweifelhaften  Buchstaben  sind 
hiebei  als  ganze  gegeben.  Zu  lesen  ist  die  Inschrift:  Dis  Manibus 
nio  Secundo  (-ino?)  et  coiugi  eins 

4)  Gar  kein  Zusammenhang  lässt  sich  endlich  gewinnen  aus  dem 
kleinen  Bruchstück: 

AIN 

CIE 

Nach  N  stand  O^  C  oder  G,  nach  E  -  sowie  unter  C  ein  F  oder  E« 


Ohne  mich  auf  eine  Deutung  der  Namen  einzulassen^  stdle  ich 
nun  noch  ein  Verzeichniss  derselben  zusammen,  soweit  sie  gegen- 
über von  Brambachs  Text  und  Register  nach  dem  oben  Mitgetbeilten 
theils  neu  gefunden,  theils  berichtigt  worden  sind.  Soweit  dieselben 
nicht  ganz  sicher  stehen,  sind  sie  mit  Fragezeichen  verseben ;  was 
daran  ergänzt  ist,  wird  in  Klammem  eingeschlossen. 


Ac(co)nius?  1717. 

Aetemus  1585. 

Agranus?  S.  164  Osterburken. 

A^co(la)  2063. 

Aiassa  s.  Clement(ius)  2019. 

Aiolinus?  648. 

An(ullinu8)?  s.  GomeUus  1559. 

Aprossus  1711. 

Attonius  1594. 

Augusta  s.  Repenia  2063. 

Bato  1621. 

Beusas,  Gen.  Beusan(tis)  1621. 

Billiccednis  (ni  Dat.)  1780. 

Cacusso  1833. 

A.  Caecilius  Ero  S.  172.  Rom? 

Cagirus  1780. 

Calpumianus  1704. 

Clement(ius)  Aiassa  2019. 

P.  Cor(neUus)  Aa(ttllinu&)?  1559. 

Crescens?  1787. 

Gupitus?  s.  ValeriuB  205. 


Curtavius  s.  Octavius  642. 
Cur-urio?  2019. 

Dasas,  Gen.  Däsantis  1621. 
Dionianus,  Dignianus?  2063. 
Dome  Justu(s)  1572. 

Ero,  Gen.  Eronis  S.  172.  Rom? 

Facundina  1697.     . 
Fatalis?  1796. 
Firminus  1596. 

Fl(avius)  Tacitus  S.  170.  Rhein- 
zabern  (spur.  43). 

Gimio  1793. 
(G)ratinus?  1787. 
Gratinus  1618. 

laretius  746. 

Ipom(n)ius  oder  Ipom(et)ius  Gra- 
tinus 1618. 
Irdatus  1762. 


174 


Epignpliitohä  Mitthaüangen. 


(Julius  Sil)vaaas?  S.  165.   Oster- 
burken (coli.  1554). 

Mart(ius,  inius,  ialius?)  Pereg(rh 

nus)  18324 

Mattus  1825. 
Matuinus  1779. 

Med(dicus,  dillius,  dirjus?)  il558. 
-s  Melior?  1783. 
Jdessius  1809. 
Mestule(lf?)  2064. 

M.  (Novel)liu8?  Pr(ivat)us?  614. 
No(vel)lia?  SecttD(da)  614. 

Octavius  Gurtavlus  642. 

Paterio  S.  164.  Osterburken. 

Patemi  Nobel  Plur.  1787. 

Pereg(rinus)  s.  Mart  .  .  1832. 

Piru  2064. 

PoUio  (onis  Gen.)  Waldfischbach. 

(P)rimaniuB  1860. 

Pnvatius  Tertinus  868,  Z.  5  f. 

Pr(ivat)us?  s.  Novellius  614. 

Procl(ii)  Nom.  Plur.  ?  1795. 

P(ubliu8)  Sedulius  Julianus  1575. 

T.  Quartius  Aflnranus?  Osterburken. 
Quint(us)?  s.  Seliua  1828. 


Begus  1286. 
Repenia  Augusta  2063. 
Ripanus  1591. 
Bortio  1612. 

Secun(da)  s.  Novellia  614. 
-nius  Sec(und)u8  ?  S.  173.  WoHer  V 
Selius?  Quintfus)?  1828. 
(Sil)yanus  s.  Julius. 
Sugentus  oder  Sugens  (Sus^i^t. 

Gen.)  1236. 

Tacitus  s.  Flavius. 

Teddfillius,  iatius,  ignius?)  1  ^5B, 

Tegeddus  (di  Gen.)  1780. 

Tertinus  s.  Privatius  868. 

Tetto  S.  170  ßheinzabcrp  (ap.    -4r3). 

Travini?  1812. 

Tuilus  (U  Gen.)  1792. 

C.  Val(erius)?  Cupitus?  205. 

C.  V(alerius)?  Titus  1559. 

Veccinius?  1802. 

(Vic)  (Victi)ciu8  1587. 

Victi(us,  cius)  1586. 

(Vict)orinus?  S.  165.  Osterbuc-^I^en 

(Vic)torina  S.  172.  Woher? 

Vittuus  (uo  Dat.?)  1702. 

Unna  1572. 


/ 


Vorn  verstümmelte  Namen. 

-dus  s.  (Vic)ciu8  1587.  -ratinus  s.  (G)ratinus  1787. 

-ito.  a  S.  165.  Osterburken.  -rimanius  s.  (P)rimanius  18 

-itonis  (Gen.)  1834.  -torina  s.  (Vic)torina. 

-nucconi  (Dat.)  1833.  -vani  s.  (Julius  SiDvanus 

-nusius  1559.  *  btaiten. 

-orinus    s.     (Vict)orinus     Oster- 
burken. 


Götternamen: 

Gesahenis  616.  (gen)io     c(eiituriae  Jnl.   Sil^ 

deo  Cisoüio  1831.  S.  165  Osterbarken. 

deaeDianae  S.  171.  Altdorf  (Pf ale).     genio  (coh.  ni)  Aq.  2065. 


Epigraphiiohe  MiHheüangeD. 


176 


genio  opt.  coh.  III  Aquit  Osterbiirk. 

6esaien(is)  613. 

Her(ecure)?  1697. 

rOM  1828.  (auch  Nierstein?). 


Mar(ti)  S.  165,  Osterburken. 
Mar(ti)  S.  164.  Cnabetio  ebd. 
Marti  (mili)tari  S.  163.  ebd. 
Silvano  S.  170.  Rheinzabem  (sp.43). 


Kaisernamen: 


138—161  (Imp.  Caes.  divi  Hadr)i- 
ani  (f.)  divi  Trai.  Parthici  nep.  divi 
Nervae  pronep.  (T.  Aelius  Hadria- 
nus  Antoninus  — )  1607. 
193—211  Imp.  Caes.  Se{ptimio) 
Se  vero  p(i)o  p(er)t.  August.  Ar(a- 
bico)  1613. 

(coh.  III)  Aq.  Sev(erianae?)  2065. 
211—212?  (M.  Aurelius  Antoninus) 
p.  f.  invict.  Aug.  (et  P.  Septimius 
Ueta  Ant.  Aug.)?  1608.  . 


213—217    Imp.    Caes.   M.    A(ur. 

A)n(ton.)  pio  fei.  (Aug)u(sto)  P(a)r. 

Germ.  pon.  maxim.  et  Juliae  Aug. 

matri  castrorum  1573. 

222—235  Aur.   S(everus  Ale)- 

xand(er)  2066. 

222  (Sev)eri  1551. 

244—249  coh.  HI  Aquit.  Philip- 

pianae  S.  164.  Osterburken. 


Endlich  gebe  ich  noch  ein  Verzeichniss  sämmtlicher  in  den  be- 
handelten Inschriften  vorkommenden  grammatischen  und  ortho- 
graphischen Unregelmässigkeiten.  Es  versteht  sich,  dass  ich 
wohl  weiss,  wie  sehr  die  im  Folgenden  aufgezählten  Fälle  der  Ab- 
weichung vom  gewöhnlichen  Sprachgebrauch  innerlich  unter  einander 
verschieden  sind.  Doch  glaube  ich,  dass  auch  s  o  diese  Zusammenstel- 
lung für  die  Geschichte  der  Sprache  und  Schrift  nicht  ganz  werthlos  ist. 


1.  Decl.  Sing.  Gen.: 

ala  Ispanae  1227. 
Antomniane  1575. 
Taluppe  1823  (cf.  1851). 

Dativ: 

Appie,  Verine,  filie,  dulcissimc  415. 

Minerve  878. 

sacte  Visucie  1581. 

Deane  1594. 

MeddQe  1718. 

Prime  1833. 

Jumma  1572. 

Maia?  1763. 

Dalmata  1621. 

Plur.  Dativ: 

Oavadiabus  608.  609. 
Vatuiabus  610.  611. 
G(avadi)abus  614. 


-iabus  615. 
Vatuims  612. 

2.  Decl.  Sing.  Nom.: 
Justu  1572. 

Plur.  Gen.: 
annoru  (zweinml)  1572. 

3.  DecL  Sing.  Nom.: 
ere  1572. 

Genetiv: 

iuventuti  1551. 

Dativ: 
cive  1572. 
-de?  1560. 

Conjugation: 

posit  1185.  1569. 
posat  1831. 


176  Epifraphitolie  lliMlieibuig«iL 

Auslassang  von  Vocalen: 

a  Grto  1609.  i  Bassana  616. 

Grnno  1614.  gemnae, 

e  vetr  294  (veteränus).  Licnius  1185. 

Sil  1181.  (Stellatina  tribu).  Vitals  1793. 

stipndia,  posut  1831. 

testamnti  1185.  o  vto  1762. 

d  su(o)  1612  (cf.  1176).  u  Maxims  1808. 

patr  1614.  posit  1185.  1569. 

Vertauschang  von  Vocalen: 

e  für  ae  edem  Nierstein.  (vgl.  3.  Ded.  Sing.  Dat.) 

(vgl.  1.  Decl.  Sing.  Gen.  u.  Dat.)     i  fbr  e  ixs  =  ex  1185. 
e  für  i  Deane  1594.  u  für  i  quadrubis  2061. 

Auslassung  von  Consonanten: 


h  Elvetius,  sacte  1581. 

Ispanae  1227.  ano  1227.  1247. 

Is(panorum?)  1615.  anorum  1621 

ere  1572.  s  (vgl.  2.  und  3.  Dekl.) 

cor  für  cbor.  oder  cohor.  Oster-  t  mari  für  matri  597. 

burken.  Paerna  616. 

mvgl.  2.  Ded.  v  vius  1765. 

n  coiugi  1572. 1833  (auch  auf  der  aerus  Rheinzabem. 
vorletzten  Inschrift  unbekannten 
Ursprungs  S.  173). 

Umstellung  von  Consonanten: 

Trhac  1290  (cf.  489  Trhaec). 

Vertauschung  von  Consonanten: 

d  für  t:  ed  (vor  d)  =  et  1576.        1  fttr  r:  aglo    1826  (cf.    1598  si- 
k  fttr  c:  Volkano  1595.  muUaclum. 

V  für  b:  quadrubis. 

Hinzufügung  von  Consonanten: 

h  His(idi)  1617.  s  diss  für  dis  =  den  Göttern  1779. 

i   fiUius  1825.  1833.  ixs  für  ex  1185. 

n  coniunx  1597.  2061.  uxsori  1765. 

Mannheim.  Professor  Hang. 


8.    Zwei  Steindenkmäler  mit  Darstellungen  von  plialerae  aue  Bonn. 

Hiereu  T»f.  V.  Fig.  1-  und  2. 

Wir  kommen  einem  vorlängst  in  diesen  Jahrbüchern  <)  gegebenen 
Versprechen  nach,  indem  wir  vpn  den  beiden  in  der,  Nähe  von  Bonn 
gefundenen  Grabdenkmälern  mit  Darstellungen  von  phalerae  möglichst 
treue  nach  photographischen  Aufnahmen  auf  Stein  gezeichnete  Ab- 
bildungen bringen  und  dieselben  mit  den  erforderlichen  Erläuterungen 
begleiten. 

Zunächst  möge  die  Bemerkung  vorausgeschickt  werden,  dass 
unter  phalerae  (von  dem  griechischen  Worte  q>alaQa,  welches  bei 
Homer  den  die^ Backen  schützenden  Theil  des  Helms,  zwei  an  den 
Backen  anliegende  Metallplatten  bezeichnet)  glänzende  Verzierungen 
zu  verstehen  sind,  welche  ursprünglich  am  Riemenzeug  der  Pferde 
sowohl  am  Kopfe  als  an  der  Brust  angebracht  waren,  später  aber  in 
ähnlicher  Weise  von  Soldaten  über  dem  Brustpanzer  (lorica)  als 
Ehrenzeichen,  welche  sie  zur  Belohnung  ihrer  Tapferkeit  vom  Feld- 
herrn erhielten,  getragen  wurden.  Dieser  militärische  Ehrenschmuck, 
wel(;hen  man  aus  römischen  Schriftstellern  ^)  und  aus  zahlreichen  In- 
schriften '),  in  welchen  derselbe  neben  andern  Insignien  erwähnt 
wird,  bisher  gekannt  hat,  ohne  jedoch  die  gehörige  Vorstellung  damit 
zu  verbinden,  ist  erst  in  neuerer  Zeit  durch  Vergleichung  einer  Anzahl 
mit  solchen  Emblemen  geschmückter  Steindenkmäler,  welche  regel- 
mässig in  ungerader  Zahl,  zu  je  5  (die  sog.  quincunx),  7  oder  9  auf 

>)  \ergl.  Heft  XLIX.  p.  190  fg.  und  LUI—LIV.  8.  182  ff. 

*)  X.  B.  bei  Gic.  Yen*.  HI,  80,  186.  Q.  Rabrinm-oorona  et  phaleris 
et  torqoe  donaati;  Plin.  h.  n.  YII,  28,  102.  L.  Siooius  Dentatui-donattu  haatis 
puris  XVIII,  phaleris  XXY,  torqoibns  LXXXIB,  armülia  GLX,  ooronis  XXVI. 

*)  Beispiele  finden  sieh  bei  Longp^rier  (revue  numisroat.  1848  p.  88  f.) 
und  bei  0.  Jahn,  die  Lauersforter  phalerae  susammengetteUt.  Das  Uteste  bei 
OreU.  8526  M.  Aurelius  M.  f.  Celsus^onis  donatus  ab  imp.^Caes.  Aag.  bell. 
Act.  SicU.  et  Hisp.  torq.  armil.  et  phal.  III. 

12 


178        Zwei  Steindenkmäler  mit  Darstellangen  ron  phalerae  aus  Bodd. 

• 

einem  aus  Riemen  oder  Blechstreifen  gebildeten  Geflecht  über  dem 
Brastharnisch  kreuzweise  angebracht  sind,  von  hervorragenden  italie- 
nischen und  französischen  Archäologen,  Borghesi^),  Gavedoni') 
und  Longp^rier^)  eingehend  besprochen  und  mehrfach  beleuchtet 
worden.  Besonders  aber  hat  der  glückliche  Fund  zu  Lauersfort 
im  Nov.  1858,  wobei  neun  in  einer  Büchse  verwahrte,  im  Ganzen 
wohl  erhaltene  Medaillons  von  getriebenem  Silberblech  mit  Köpfen, 
die  laut  der  punktirten  Inschrift  einem  hohem  römischen  Officier 
G.  Flavius  Festus  angehört  haben,  ans  Tageslicht  kamen,  eine  wieder- 
holte Behandlung  dieser  Gattung  militärischer  Ehrenzeichen  von  Seiten 
zweier  deutscher  Alterthumsforscher,  Dr.  Ü.  Rein  und  0.  Jahn, 
hervorgerufen.  Nachdem  Dr.  Rein  die  erste  Nachricht  über  den  sel- 
tenen Fund  in  diesen  Jahrbüchern  ^)  gegeben,  verölTentlichte  er  im 
folgenden  J^hr  (1860)  in  den  Annalen  des  archäologischen  Instituts 
zu  Rom  ^)  eine  ausführliche  gelehrte  Abhandlung  über  die  phalerae 
(mit  2  Eupfertafeln).  In  demselben  Jahre  folgte  die  ausgezeichnete 
Publication  0.  Jahn's  als  Festprogramm  zu  Winckelmann's  Geburts- 
tag am  9.  Dec.  unter  d.  T.:  die  Laue rsf orter  phalerae  (mit  drei 
Tafeln,  wovon  die  1.  von  Troschel  geschmackvoll  gestochen  ist),  worin 
er  hauptsächlich  die  künstlerische  Bedeutung  des  werthvollen  Fundes, 
welcher  durch  Schenkung  des  Eigenthümers  Herrn  Hermann  v.  Rath 
in  den  Besitz  Sr.  KönigL  Hoheit  des  damaligen  Prinz-Regenten  über- 
gegangen war,  mit  gewohnter  Meisterschaft  allseitig  besprochen  hat. 
Wenden  wir  uns  nach  diesen  orientirenden  Bemerkungen  zur 
Beschreibung  des  ersten  Denksteins  (Taf.  V  F.  2),  welcher  oben  ver- 
stümmelt noch  1,24  Centim.  hoch,  0,71,  bzw.  0,77  Centim.  breit  und 
18  Centim.  tief  ist.  Der  Durchmesser  des  grössten,  mittlem  Medaillons 
beträgt  über  12  Centim.,  der  der  übrigen  etwas-  über  10  Centim.,  ent- 
spricht also  im  Ganzen  demjenigen  der  Lauersforter  phalerae,  welcher 
durchweg  11  Centim.  beträgt. 


')  Borghesi,  daoade  numifim.  XYII,  10. 

>)  Cayedoni,  aim.  d.  instit.  XYIII  p.  119  ff.    ' 

')  Longperier,  roYue  num.  1848  p.  86  ff.  revae  aroh4ol.  1849.  p.  834  ff. 
Beoker-Marquardt,  röm.  Alterth.  in,  2  p.  440  f^ 

*)  Heft  XXVn.  p.  166  ff. 

^)  Annali  d.  Instit.  archeolog.  Vol.  XXXII:  de  phaleris  et  de  argenteia 
eamm  ezemplaribas  haad  prooul  Galone  et  Asoibargio  Romanorum  'caBteiliB 
apud  Lauersfort  praediam  a.  1868  repertis.  Soripsit  A.  Bein. 


r 

Zwei  Steindenkmaler  mit  Darstclluiigen  von  phalemc  aus  Bonn.      ,  179 

• 

Der  auf  der  obern  Hälfte  dargestellte,  mit  gitterartigem  Riemen- 
gellecht  versehene  Harnisch  (lorica)  des  durch  dieses  Denkmal  Geehrten, 
welcher  laut  dem  darunter  stehenden  pietätsvollen  Nachruf  VALE  • 

LVCI  den  Beinamen  Lucius  führte,  ist  nicht,  wie  auf  dem  Steine  des 

C.  Marius,  auf  die  Seite  gelegt,  sondern  nach  Massgabe  der  Stellen 
der  oberhalb  der  phalerae  angebrachten  armillae  (Armringe),  welche 
auch  auf  unserm  Denkstein  nicht  gefehlt  haben  werden,  senkrecht 
gestellt  und  nur  in  die  Breite  gezogen.  Aus  welcher  Veranlassung 
diess  geschehen,  ob  aus  Ungeschick  des  Steinhauers,  oder  etwa  um  den 
vorhandenen  Raum  auszufüllen,  ist  nicht  zu  erklären',  wie  denn  über- 
haupt dieser  Denkstein  manches  Seltsame  bietet.  So  ist  es  sehr  auf- 
fallend, dass  statt  der  regelmässigen  Dreiziihl  in  der  obern  Reihe  sich 
nur  zwei  Phaleren  finden;  denn  nach  dem  Vorgange  eines  der  ersten  Sach- 
kenner, des  Conservators  Dr.  Lindenschmits,  dem  ich  über  die  beiden, 
im  Laufe  dieses  Sommers  für  das  germanische  Museum  in  Mainz  ab- 
geformten Steine  briefliche  Mittheilungen  verdanke,  kann  ich  nur.  den 
Ausfall  einer  Phalera,  und  zwar  links,  annehmen,  da.  die  Anbringung 
einer  dritten  durch  die  Raumverhältnisse  nicht  zulässig  erscheint. 

Das  einzige  in  der  obern  Reihe  erhaltene  Medaillon  stellt  einen 
Adlerkopf  vor,  an  dem  ich  eine  Art  Haube  zu  bemerken  glaube. 
Unter  den  bisher  bekannten  Phaleren  findet  sich  der  Adler  und  zwar 
mit  ausgebreiteten  Flügeln  nur  noch  auf  dem  schmuckreichen  Denk- 
mal des  Centurio  Q.  Sertorius  in  Verona  *),  während  der  Adlerkopf 
als  Verzierung  an  rönüächen  Schwertgriffen  nicht  selten  ist. 

In  der  zweiten  Reihe  erblickt  man  links  und  rechts  einen 
Thierkopf,  in  welchem  der  unbeholfene  Steinmetz  höchst  wahr- 
scheinlich den  unter  den  Lauersforter  Phaleren  und  auf  dem  ältesten 
und  berühmtesten  Monumente  des  M.  Caelius ')  mehrfach  wieder- 
kehrenden Löwenkopf  darstellen  wollte,  obgleich  er  hier  mehr  dem 
eines  Bären  als  eines  Löwen  ähnelt,  zumal  da,  sich  keine  Andeutung 
einer  Mähne  findet.  Die  Mitte  der  Reihe  nimmt  ohne  Zweifel  ein 
Medusenhaupt  ein,  ebenso  auf  den  Denksteinen  des  Caelius,  des 
Q*  Sertorius  und  des  Centurio  der  Leg.  XV  M.  Pompeius  Asper  (aus 
Villa  Albani)  %    Nach  dieser  Analogie  hat  denn   auch  0.  Jahn  bei 


>)  Jahn  a.  a.  0.,  Taf.  11,  4. 

>)  Abgebildet  bei  0.  Jahn  a.  a.  0.  Taf.  II,  S.  S. 

•)  Abgebildet  bei  0.  Jahn  a.  a.  0.  Taf.  U.  S.  6. 


IdO        Zwei  Steindenkmäler  mit  Darstellungen  von  phalerae  aas  Bonn. 

der  Anordnung  der  9  Lauersfoiter  phalerae  dem  Medusenbaupt  den 
gleichen  Platz  angewiesen  ^). 

In  der  dritten  Reihe  findet  sich  als  mittlere  Figur  wieder  ein 
Thierkopf,  ähnlich  den  beiden  in  der  zweiten  Reihe,  nur  dass  die 
Schnautze  und  der  Unterkiefer  abgeschlagen  ist.  Zu  beiden  Seiten 
zeigen  sich  menschliche  Köpfe  im  Profil  von  so  roher  Arbeit, 
dass  man,  nach  dem  treffenden  Ausdruck  lindenschmits,  nur  Larven 
ohne  Hinterkopf  vor  sich  zu  haben  glaubt.  Eine  Parallele  hierzu 
bietet  der  Stein  des  Sertorius,  auf  dem  sich  gleichfalls  in  der  mittlem 
Reihe  zwei  Köpfe  in  Profil  finden,  welche  würdiger  dargestellt  sind,  so 
dass  sie  wohl  für  Portraitköpfe  gelten  dürften.  Ob  wir  darin  Köpfe 
von  Kaisern  erkennen  dürfen,  wie  sie  unter  dSn  Emblemen  der 
römischen  Feldzeichen  vorkommen  und  später,  seit  Caracalla,  als  die 
mit  phalerae  geschmückten  Brustpanzer  ausser  Gebrauch  gekommen 
zu  sein  scheinen,  als  gehenkelte  goldene  Medaillons  von  grösserer  Form 
üblich  wurden  und  am  Bande  getragen  wurden,  mnss  dahin  gestellt 
bleiben  *). 

Der  Grabstein,  zu  dessen  Erläuterung  wir  jetzt  übergehen,  (Taf. 
V.  f.  1)  ist  nach  der  unter  den  phalerae  angebrachten  Inschrift  einem 
Reiter  der  leg.  I  Germanica,  Namens  G.  Marius,  welcher,  aus  Luc us 
Augustus^)  in  Gallia  Lugdunensis  gebürtig,  nach  15  Dienstjahren 
im  30.  Lebensjahre  starb,  von  dessen  Bruder  Sextus  Sempronius  ge- 
setzt worden  *).  • 

Der  obere  Theil  des  Denkmals  zeigt  einen  Reiter  mit  unbedecktem 
Haupt,  in  der  Linken  den  sechseckigen  Schild,  in  der  Reckten  den 
Wurfspiess  haltend.  Sein  Brustpanzer  (lorica)  ist  mit  phalerae 
geschmückt,  die  jedoch  bei  der  starken  Verwitterung  des  Steins  nur 
theilweise  zu  erkennen  sind,  und  reicht  nur  über  die  Schultern  und 
einen  Theil  der  Oberschenkel.    Der  Gürtel  (cingulum)  des  Reiters 


>)  Ebendaselbst  abgebildet  auf  Taf.  I,  1. 

>)  Becker- Mar quar dt,  rom.  Alterth.  III,  2  p.  441.  Anm.  20. 

*)  Die  ungewöbnliohe  Form  LVGO  AVGYSTO  statt  Augasti  folgt  der 
Analogie  von  ähnlichen  Städtennamen,  e.  B.  Colonia  Ang^usta  Emerita,  Paz 
Augnsta  und  möchte  der  herkömmlichen  Aagost«,  die  keine  inschriftliche  Aactoritat 
för  sich  hat,  yorzoziehen  sein. 

*)  Näheres  s.  in  d.  Jahrb.  LIII  nnd  LIV.  p.  182  ff.  Die  dort  gegebenen 
Maasse  des  Steins  sind  dahin  zu  berichtigen,  dass  die  Höhe  1»91V2  Gentim.,  die 
Breite  0,777.  Centim.,  die  Dicke  0,80  Gentim.  beträgt. 


Zwei  Steindenkm&ler  mit  Darstellniigen  Ton  phalerae  wlb  Bons.        181 

ist  noch  erkennbar,  es  fehlt  aber  das  Schwert,  welches  in  der  Regel 
anf  der  rechten  Seite  getragen  wurde ;  es  muss  daher  an  der  linken 
Seite  angenommen  werden.  ( Das  geübte  Auge  Lindenschmits  erkennt 
noch  am  Beine  eine  bis  zur  Hälfte  der  Wade  reichende,  enganschUes- 
sende  Hose  (bracae),  eine  barbarische,  bei  den  römischen  Soldaten 
erst  seit  der  Regierung  des  Severus  Alexander  vorkommende  Tracht, 
die  auf  unserem  Steine,  welcher  unzweifelhaft  in  das  1.  Jahrhundert 
n.  Chr.  zu  setzen  ist,  aufifallen  müsste,  wenn  uns  nicht  die  Inschrift 
den  Marina  als  einen  Gallier  aus  der  Provinz  bezeichnete,  welche 
früher  wegen  dieser  Tracht  G all ia  bracata  0  genannt  wurde  und, 
wie  es  scheint,  für  die  Reiterei  der  1.  Legion  die  Rekruten  lieferte.  — 
Der  Kopf  des  Pferdes  ist  stark  beschädigt,  doch  lässt  sich  das  Riemen- 
werk des  Kopfgestells  noch  erkennen.  Die  viereckige  Sattel- 
decke (st  ragula)  ist  durch  den  auflEallender  Weise  an  ihrem  vorderen 
Rande  angesetzten  Bauchgurt,  ferner  durch  einen  Schenkelriemen 
nach  hinten  zu,  so  wie  nach  vom  durch  den  3rustriemen  befestigt. 

Die  unter  dem  hochgehobenen  Vorderfusse  des  Pferdes  quer- 
liegende lorica  zeigt  auf  dem  bekannten  gitterförmigen  Riemen- 
werkneun symmetrisch  in  drei  Reihen  geordnete  phalerae.  Betrachten 
wir  diese  Ehrenzeichen,  wie  sie  sich  hier  geben,  und  nicht  wie  sie  sich 
darstellen  würden,  wenn  der  Brustpanzer  die  natürliche  (vertikale) 
Stellung  einnähme,  so  erbUcken  wir  in  der  obern  Reihe  links  eine 
vielblätterige  Rosette.  Von  diesem  Schmuckstück  ist  uns  nur 
ein  Beispiel  bekannt  aus  „Lindenschmits  Heidnischen  Alterthümem*'  ^), 
wo  sich  auf  einem  Grabstein  aus  Worms  ein  Reiter  einer  Hispanischen 
Ala,  Licinius,  Glosi  fil.  Helvetius  abgebildet  findet,  welcher  auf  der 
Brust  mit  drei  ähnlichen  Rosetten  geziert  ist,  während  auf  dem 
vordem  und  hintem  Schenkelriemen  des  Pferdes  zwei  der  Form  nach 
ganz  gleiche,  jedoch  beträchtlich  grössere  'phalerae  angebracht  sind, 
die  jedoch  nach  der  Annahme  A.  Rein's  nicht  aus  dünnen,  leicht  zer- 
brechlichen Schildchen,  sondern  vielmehr  aus  massivem  Silber  bestanden 
haben  mögen*). 

Die  zweite  phalera  scheint  einen  Pferde  köpf  darzustellen, 
dessen  unterer  Theil  stark  verwittert  ist,  die  dritte  (rechts)  zeigt 
einen    menschlichen  Kopf  en    face   von  so    roher  Darstellung, 


i)Beoker-MarqDardt,  Uandb.  d.röm.  Alterth.  III,  1.  8.  87.  Anm.  608. 
»)  1.  Band,  Heft  UI.  Taf.  7.  Fig.  2. 
')  Rein,  de  phaleris  etc.  p.  184. 


182        Zwei  Steindenkmäler  mit  Dtrstetlnngen  von  phftlerae  ans  Bonn. 

namentlich  der  Haare,  welche  Ober  der  Stirne  in  Streifen  steif  auf- 
stehen, dass  es  fraglich  erscheint,  ob  man  in  demselben  ein  Medusen- 
haupt  annehmen  darf. 

In  der  mittlem  Reilre  finden  sich  zu  beiden  Seiten  einfache, 
mit  concentrischen  Kreisornamenten  gezierte  Scheiben, 
deren  Form  ganz  mit  den  einfachen,  bildlosen  phalerae  stimmt,  welche 
wir  in  der  herkömmlichen  Neunzahl  auf  den  Denksteinen  des  Cn. 
Musius  0?  Adlerträgers  der  Legio  XIII  Gemina  (in  Mainz),  und  des  Q. 
Cornelius  (in  Wiesbaden) ')  erblicken.  Die  mittlere  phalera  zeigt 
wieder,  wie  die  entsprechende  der  ersten  Reihe,  die  Spuren  eines 
Pferdekopfes. 

In  der  untern  Reihe  ist  das  erste  Medaillon  ohne  Zweifel 
als  Medusenkopf  anzusehen;  in  der  Mitte  erkennen  wir  mit  Linden, 
schmit  wieder  eine  rielblätterige  Rosette,  an  der  letzten  Stelle 
endlich  die  stark  verwaschenen  Reste  eines  Pferdekopfes.  Was 
dieses  auf  dem  Denkstein  des  C.  Marius  dreimal  vorkommende  Emblem 
betrifft,  so  ist  dasselbe  auf  den  bisher  bekannten  Steinen  mit  phalerae 
nicht  nachzuweisen,  jedoch  als  militärisches  Ehrenzeichen  eines  Reiters 
leicht  erklärlich,  so  wie  sich  denn  auch  auf  dem  Denkmal  des  Q. 
Sertorius,  ausser  dem  oben  erwähnten  Adler,  ein  Pferd  als  Schmuck 
zweier  phalerae  findet. 

Man  hat  bezüglich  der  Zahl,  der  Auswahl  und  Anordnung  der 
phalerae  bestimmte  Regeln  aufzustellen  versucht;  wie  misslich  jedoch 
eine  solche  Generalisirung  ist,  die  sich  bis  jetzt  auf  eine  noch  sehr 
beschränkte  Anzahl  von  Monumenten  stützt,  zeigte  sich  schon  oben 
bei  der  Besprechung  des  ersten  Denksteins,  auf  dem  sich  statt  der 
erwarteten  Neun  zahl  nur  acht  phalerae  erkennen  Hessen.  Eine 
andere  Abweichung  von  der  bisher  angenommenen  Norm,  dass  sich 
die  phalerae  immer  paarweise  entsprechen  und  das  Medusenhaupt 
•überall  die  Mitte  einnehme,  bietet  der  Stein  des  G.  Marius,  indem  auf 
demselben  das  zweimal  vorkommende  Medusenhaupt,  nach  der  natür- 
lichen Stellung  der  lorica,  in  der  1.  Reihe  nicht  die  Mitte,  sondern 
die  erste  Stelle,  dagegen  in  der  3.  Reihe  die  letzte  einnimmt  und 
ausserdem  nur  einmal,  und  zwar  in  der  mittlem  Reihe  zwei  gleiche 


1)  Abgebildet   bei  0.  Jahn  a.  a.  0.  Taf.  II,   1,  bei  Lindenschmit,   hoidn. 
Alterthümer  I.  Bd.,  lY  Lief.,  Taf.  6. 

>)  Abgeb.  bei  Jahn  a.  a.  0.  Taf.  II,  2. 


Zwei  SteindenkiD&ler  mit  Darstellungen  ▼on  phalerae  ans  Bonn.        188 

phalerae  bssw.  die  zwei  bildlosen  kreisförmigen  Schildchen  mit  einander 
correspondiren. 

In  Betreff  der  letztern,  einfachen  phalerae  köi  /te  man  geneigt 
sein,  mit  Dr.  Bein  0-  anzunehmeq,  dass  dieselben  als  Belohnung  an 
gemeine  Soldaten  und  höchstens  an  Standartenträger  gegeben  worden, 
während  höher  Ghargirte,  wie  Caelius,  Sertorius  und  Cornelius  kunst- 
reichere, mit  Bildern  geschmückte  phalerae  erhielten.  Aber  auch 
dieser  Annahme  stehen  unsere  zwei  Denksteine  entgegen,  da  sie,  obgleich, 
wie  mir  scheint,  beide  gemeinen  Soldaten  gesetzt,  fast  durchweg 
ähnliches  Bildwerk  aufzeigen,  wie  die  Denkmäler  höherer  Officiere. 
Man  könnte  vermuthen,  dass  unser  C.  Marius  und  Lucius,  den  ich 
ebenfalls  für  einen  Reiter  der  leg.  I  ansehen  möchte,  da  Beider 
Grabsteine  an  gleicher  Stelle  zu  Tage  kamen,  als  solche  mit  werth- 
vollem  Ehrenzeichen  belohnt  worden  ^eien,  als  die  Fusssoldaten,'  zu 
welcher  Truppengattung  sämmtliche  auf  Denksteinen  mit  phalerae 
vorkommende  Personen  gehört  haben. 

Ob  übrigens  die  auf  den  phalerae  dargeötellten  Gegenstände  neben 
der  decorativen  Bestimmung  auch  eine  symbolische  Bedeutung  gehabt 
haben  mochten,  und  namentlich  auch  den  Zweck  hatten,  als  sogenannte 
anoTQonaia  zu  wirken  und  den  von  Griechen  wie  Römern  so  sehr  ge- 
fürchteten bösen  Blick,  d.  h.  Zauber  und  Beschädigung  des  durch 
einen  so  glänzenden  Ehrenschmuck  Ausgezeichneten  abzuwenden,  dürfte 
um  so  mehr  fraglich  erscheinen  als  diese  von  den  Griechen  über- 
lieferten Vorstellungen,  besonders  das . Gorgoneion ,  bei  den  Römern 
typisch  geworden  und  in  der  Kaiserzeit  nach  dem  wechselnden  Mode- 
geschmack mit  neuen,  augenscheinlich  bloss  ornamentalen  Formen, 
wie  z.  B.  mit  Rosetten  und  menschlichen  Köpfen,  verbunden  wurden, 
obgleich  andererseits  wohl  nicht  verkannt  werden  darf,  dass  an  den 
Vorstellungen  des  Medusenhauptes,  des  Löwenkopfes,  der  Sphinx,  bei  , 
der  unter  den  Römern  herrschenden  abergläubischen  Furcht  vor 
Beschädigung  durch  unmittelbare  Einwirkung  der  beleidigten  Gottheit 
oder  durch  übernatürliche  Zauberkraft,  eine  gewisse  religiöse  Scheu 
haften  blieb «).    ' 


^)  Verg;!.  hierüber  0.  Jahn  a.  a.  0.  S.  19  f.  und  besonders  in  „den  Ber. 
der  Sachs.  Ges.  der  V^Tiss.'^  1855  p.  28  ff.  „über  den  Aberglauben  des  bösen 
Blicks  bei  den  Alten'*. 

2)  Jahn  a.  a.  0.  S.  26.  Anm.  103. 


184         Zwei  Steindenkmaler  mit  Daniellangen  Ton  pbalerae  aus  Bonn. 

Was  endlich  die  Frage,  die  man  hier  noch  erheben  könnte, 
betrifft,  ob  die  auf  den  phalerae  vorkommenden  Bildwerke  in  einer 
nähern  Beziehung  zu  denen  der  Feldzeichen  (Signa),  mit  welchen 
sie  einzelne  Darstellungen,  z.  B.  die  bildlosen  concentrischen  Schildchen 
und  Köpfe  von  Menschen,  gemein  haben,  so  scheinen  mir,  nach  Vor- 
gang 0.  Jahns  '),  diese  doch  zu  wenig  Anhalt  zu  bieten,  um  einen 
solchen  Zusammenhang  zu  finden. 

Bonn.  J.  Freudenberg. 


>)  0.  Jahn.  Die  Lauenforter  phal.  S.  26. 


9.   Der  alte  Gereone-Altar  in  der  gleichnamigen  Kirche  zu  Köln. 

(Hierzu  Taf.  VI.) 

Unter  den  vielen  bauprächtigen ,  wahrhaft  monumentalen  ro- 
mimischen  Kirchen  der  Stadt  Köln  giebt  es  keine,  über  deren  Bau- 
chronologie so  weit  auseinandergehende  Kontroversen  früher  bestanden 
hätten,  wie  über  die  alte  Stiftskirche  zum  h.  Gereon,  lieber  die  Ent* 
stehungszeit  der  römischen  Rotunde,  der  Krypta,  des  Mosaikbodens,  des 
Langchores,  der  beiden  Ostthürme,  des  Gewölbes  des  Dekagons,  der 
Taufkapelle  und  der  Sakristei  sind  in  den  verschiedenen  über  St.  Ge- 
reon handelnden  kunsthistorischen  Arbeiten  vielfach  einander  völlig  wider- 
sprechende Ansichten  ausgesprochen  und  begründet.  V^Tenn  auch  mehrere 
der  in  den  letzten  Jahren  veröffentlichten  urkundlichen  und  chronika- 
lischen Nachrichten  über  das  Stift  und  die  Kirche  von  St.  Gereon 
geeignet  sind,  verschiedene  dieser  Widersprüche  auszugleichen  und 
bezüglich  einzelner  Bautheile  die  Zeit  ihrer  Entstehung  genau  zu  be- 
stimmen, so  bleibt  bei  diesem  Baudenkmale  doch  immer  eine  Reihe 
von  architektonischen  Räthseln  übrig,  bei  deren  Lösung  wir  lediglich 
auf  Analogien  ähnlicher  Bauwerke  und  die  stereotypen  Gesetze  be- 
stimmter Bauperioden  angewiesen  sind. 

Der  in  der  jüngsten  Zeit  beim  Abbruch  des  zwischen  den  zum 
Langchor  führenden  Treppen  befindlichen  Zopfaltars  zum  Vorschein 
gekommene  alte  romanische  Steinaltar  hat  die  Aufmerksamkeit  der 
Archäologen  und  Kunstfreunde  neuerdings  auf  den  herrlichen  Bau  der 
Gereonskirche  gerichtet,  und  den  Lesern  dieser  Zeitschrift  dürfte  es 
nicht  unlieb  sein,  im  Anschluss  hieran  eine  kurze  Darstellung  der 
Baugeschichte  dieses  Gotteshauses  zu  erhalten. 

Die  Mutter  Constantin's,  die  Kaiserin  Helena,  wird  allgemein  als 
die  Erbauerin  einer  dem  heiligen  Gereon,  einem  der  Märtyrer  der  the- 
bäischen  Legion  geweihten  Kirche  angegeben  und  angenommen. 


186  Der  alte  Qereon8*Altar  in  der  gleiohnAmigeii  Kirdie  za  Köln. 

Diese  Annahme  gewinnt  einigen  Halt  in  der  Thatsache,  dass  das 
jetzige  Dekagon  noch  an  verschiedenen  Stellen  seiner  Basis  Reste  eines 
unzweifelhaft  spät-römischen  Rundbaues  zeigt.  In  der  ersten  fränkischen 
Zeit  scheint  dieses  römische  Bauwerk  mit  prächtigen,  goldgestickten 
Teppichen  behangen,  die  Wände  bis  zur  Decke  hinauf  mit  kostbaren 
Steinen,  mit  Gold  und  prachtvollen  Farben  geschmückt  gewesen  zu 
sein.  Darum  heisst  es  zu  den  Zeiten  Gregor's  von  Tours  „ad  aureos 
martyres'^  Wie  sämmtliche  Kirchen  der  Stadt  Köln  wird  auch  die 
des  h.  Gereon  in  den  wiederholten  Verwüstungszflgen  der  wilden  Nor- 
mannenschaaren  hart  mitgenommen  worden  sein.  Zur  Zeit  des  Erz- 
bischofs Bruno  war  sie  wieder  in  gutem  Stande,  und  sie  erhielt  von 
diesem  grossen  Wohlthäter  der  Kölner  Kirchen  verschiedene  kostbare 
Geschenke.  Einen  völligen  Umbau  erfuhr  dieser  alte  Rundbau  durch 
den  Erzbischof  Anno.  Durch  ein  Traumgesicht  war  er  ermahnt  worden, 
die  fast  in  Vergessenheit  gerathene  Verehrung  des  h.  Gereon  und 
seiner  Genossen  wieder  zu  wecken.  Er  entschloss  sich  darum,  die  alte 
baufällig  gewordene  Rundkirche  zu  erweitern  und  unter  dem  neuen 
Bautheile  eine  geräumige  Krypta  anzubringen.  Zu  diesem  Zwecke 
wurde  die  Rotunde  an  der  Ostseite  durchbrochen,  und  ein  geräumiges 
Langschiff  mit  einem  prachtvollen  Chor  und  zwei  schönen  Tbürmen 
errichtet.  Die  ehrwürdige  Grabkircke,  in  welcher  der  Erzbischof 
Hildebold  seine  Ruhestätte  gewählt  halte,  blieb  bei  diesem  Umbau 
grösstentheils  in  ihrem  früheren  Bestände.  In  der  unter  dem  Chor 
erbauten  Krypta  ist  noch  jetzt  zu  erkennen,  wo  die  Chorapsis  ihren 
Abschluss  hatte.  Es  ist  wahrscheinlich,  dass  Anno  den  Fussboden  des 
neuen  Chores  mit  dem  jetzt  wieder  in  seiner  ursprünglichen  •  Pracht 
hergestellten,  äusserst  merkwürdigen  Mosaikboden  ^  in  der  Krypta 
schmücken  Hess. 

Die  Nachricht,  dass  der  Hochaltar  von  Erzbischof  Arnold  II. 
verlegt  und  aufs  Neue  geweiht  worden,  wird  durch  die  aus  technischen 
Gründen  hergeleitete  Annahme,  dass  die  Kirche  um  die  Mitte  des 
zwölften  Jahrhunderts  eine  bedeutende  Erweiterung  erfuhr,  unterstützt 
JDass  der  Hochaltar  von  dem  genannten  Erzbischof  aufs  Neue  konse- 
krirt  worden,  wird  durch  die  Thatsache  bestätigt,  dass  bei  der  im 
Jahre  1767  vorgenommenen  Eröffnung  des  Altar-Sepulcrums  in  einem 
Reliquien-Kästchen  ein  Wachssiegel  mit  den  noch  erhaltenen  Worten 

^)  Abgebildet  und  beschrieben  in  der  yom  Verein  im  vorigen  Jabre  ans- 
gegebenen  Feftsohrift  znni  Gebnrtstage  Winokelmanns :  Der  Mosaikfufleböden  von 
S.  Gereon^  erlftntert  von  E.  auB'm  Weerth. 


Der  mlto  Gereons* Altar  in  der  gleichnamigen  Kirche  su  Köln.  187 

der  Legende  „Arnoldus  Dei  gratia  Golomensis  archepiscopus'^  sich  vor- 
gefunden  hat.  Die  angefahrte  Erweiterung  bestand  in  Erhöhung  des 
Langchores,  in  Einsetzung  des  Gewölbes  und  im  Anbau  der  jetzigen 
Chorapsis  mit  den  daranstossenden  fünfgeschossigen  Thürmen.  In 
gleichem  Masse  wie  die  Kirche  selbst  wurde  auch  die  Krypta  nach 
Osten  erweitert.  Fernere  bedeutende  Reparaturbauten  scheinen  gegen 
Ende  des  zwölften  Jahrhunderts  vorgenommen  worden  zu  sein.  Im 
Jahre  1190  wurden,  wie  die  Annalen  von  St.  Gereon  berichten,  die 
Reliquien  der  heiligen  Märtyrer  in  der  neuen  Krypta  unter  dem  Altar 
des  h.  Gereon  beigesetzt.  (Anno  dom.  incarn.  1190  positae  sunt 
reliquiae  sanctorum  martyrum  in  nova  Grypta  sub  altare  sancti  Gereonis 
8.  Kai.  dec.)«  Im  Jahre  darauf,  1191,  wurden  vom  Bischof  Bertram 
von  Metz,  der  von  1180  bis  1211  regierte,  der  Altar  des  h.  Gereon, 
des  h.  Petrus  und  des  h.  Blasius  konsekrirt  (eodem  anno  (1191)  con- 
secravit  Bertrammus  Mcttensis  episcopu»  altare  sancti  Gereonis  et 
sancti  Petri  et  sancti  Blasii  4.  Kai.  sept.).  Der  unwiderlegliche  Beleg 
für  diese  Angabe  hat  sich  in  der  jüngsten  Zeit  bei  der  schon  oben 
berührten  Beseitigung  des  Gereon- Altars,  der  sich  zwischen  den  Ghor- 
treppen  befand,  ergeben.  Unter  dem  corpus  dieses  Altars  kam  der 
Tisch  eines  romanischen  steinerneu  Altars  zu  Tage,  von  dem  es  zweifel- 
haft war,  ob  er  vom  Erzb.  Anno  gleich  nach  Durchbrechung  der  Rotunde 
oder  etwa  hundert  Jahre  später  errichtet  worden.  Auf  einem  der  in 
diesem  Altare  befindlichen  Reliquienkästchen  fand  sich  ein  Siegel, 
welches  über  die  Erbauung  des  Altars  nähere  Auskunft  zu  geben  ver- 
sprach. Die  Legende  dieses  Siegels  zeigte  sich  aber  so  verletzt,  dass  eine 
Entzifferung  unmöglich  schien.  Der  Eine  schrieb  dieses  Siegel  dem  Erz- 
bischof Philipp  von  Heinsberg,  der  Andere  dem  Erzbischof  Arnold  zu. 
Bei  genauer  Untersuchung  gelang  es  mir  aber  festzustellen,  dass  es 
das  Siegel  des  Bischofs  Bertram  von  Metz  ist,  und  dass  wir  es  hier 
mit  dem  1191  von  Bertram  konsekrirten  Altare  des  h.  Gereon  zu  thun 
haben.  Auf  dem  fraglichen  Siegel  sind  noch  zu  erkennen  die  Buch- 
staben .  .  .  RTRA  .  .  .,  dann  das  Wort  METTENSIS. 

In  ihi*er  Anordnung  erinnert  die  Mensa  an  den  romanischen  Altar 
von  Brauweiler  ^).  Das  Rahmenwerk  besteht  aus  französischem  Kalk- 
stein, in  welches  vorne  drei,  seitlich  je  zwei  Platten  eingelassen  sind. 
Erstere  bestehen  aus  schwarzem  Marmor,  letztere  aus  drachenfelser 

^)  Abgebildet -in  aus'm  Weerth's  Konstdenkm.  des  MiitelalterB  in  den 
BheinL  III  Taf.  LI,  6. 


188         Der  alte  Gereons-AlUr  in  der  gleichnamigen  Kirche  zu  Köln. 

Trachit.  Der  innere  Raum  des  Altars  ist  in  der  Mitte  zur  Aufnahme 
von  Reliquien  ausgespart,  (man  sehe  den  Grundriss  Taf.  VI.  2).  Hinter, 
resp.  zu  Seiten  des  Thttrchens  zu  diesem  Räume  befinden  sich  zwei  durch 
Eckblätter  architectonisch  charakterisirte  Säulenbasen ,  deren  Grössen 
mass  vermuthen  lässt,  dasd  die  einst  darauf  stehenden  Säulen  höher 
als  die  Mensa  emporstiegen,  und  zum  Tragen  bestimmt  waren.  Ob 
sie  nach  Analogien  anderer  Altäre  einen  Reliquienschrein,  oder  einen 
bekrönenden  Bogen  trugen,  unter  welchem  das  Altarsakrament  und 
über  welchem  ein  Triumphalkreuz  seine  Stelle  fand,  liegt  nahe  zu  ver- 
muthen, ist  aber  nicht  festzustellen.  Vor  dem  Altare  fanden  sich,  wie 
auf  unsrer  Tafel  angegeben,  die  nunmehr  in  der  Restauration  theilweise 
verwendeten  Reste  eines  Mosaikteppichs  aus  Opus  alexandrinum,  haupt- 
sächlich aus  schwarzen  und  weissen  Marmorwürfeln  hergestellt.  Ausser 
den  drei  viereckigen  Flächen  dieses  Teppichs  sah  man  seitlich  noch 
die  Stücke  einer  grössern  Rosette  '). 

Der  alte  Rundbau  wurde  im  dreizehnten  Jahrhundert  niedergelegt 
und  durch  das  jetzige  Schiff,  ein  längliches  Zehneck,  ersetzt  Spuren  der 
römischen  Rotunde,  etwa  vier  FusS;  an  einer  Stelle  gegen  25  Fuss  über 
der  Sohle  hervorragend,  sind,  wie  schon  bemerkt,  noch  an  der  Nordseite 
des  Dekagons  sichtbar.  Dieser  Umbau  des  völlig  baufällig  gewordenen 
Kuppelschiffes  begann  im  Jahre  1219,  und  gemäss  der  vom  Kapitel 
dekretirten  Umlage  der  erforderlichen  Kosten  glaubte  man'  in  drei 
Jahren  mit  dem  Werke  fertig  zu  werden  (cum  aedificia  nostrae  ecclesiae 
ex  longa  vetustate  dispacta  jam  ruinam  minarentur  et  eorum  restauratio 
dilationem  nuUam  pateretur',  unanimi  omnium  nostrum  consensu 
decretum  est,  ut,  quod  communis  necessitas  deposcebat,  communi 
consilio,  communibus  expensis  ageretur  etc.).  Das  gewaltige  Werk 
gelangte  aber  erst  1227  zur  Vollendung.  Die  Annalen  von  St. 
Gereon  sagen  ausdrücklich,  dass  im  Jahre  1227  das  Kuppelgewölbe  in 
St.  Gereon  fertig  geworden  (Anno  ine.  dom.  1227  inoctava  apostolorum 
Petri  et  Pauli  completa  est  testudo  monasterii  sancti  Gereonis). 
Hiermit  stimmt  das  im  sepulcrum  des  Hochaltars  gefundene  Siegel 
mit  den  Resten  der  verletzten  Legende:  ....  ricus  Dei  gratia  epi- 
scopus.    Es  ist  dies  unzweifelhaft  das  Siegel  des  Erzbischofe  Heinrich 


^)  Wir  verdanken  die  Zeichnung  des  Altars  der  gefalligen  Mittheilung 
unseres  verehrten  Mitgliedes  des  Herrn  Baurath  Statz  in  Cöln.  üeber  das  eben- 
faUs  hier  gefandene  Banstück  des  altern  Annonischen  Mosaikbodens  vergl.  man 
die  angefahrte  Winokelmannsschrift. 


Der  alte  Gereonfl-Ältar  in  der  gleichnamigen  Kirche  zu  Köln.  189 

von  Molenark,  der  von  1226  bis  1238  auf  dem  Kölner  Bischofsstuhle 
sass.  Es  wird  nicht  daran  gezweifelt  werden  können,  dass  durch- 
greifende bauliche  Aenderungen  eine  neue  Einrichtung  des  von  Arnold  IL 
konsekrirten  Altars  nothwendig  gemacht  hatten.  Um  dieselbe  Zeit 
wurde  auch  die  Kapelle  des  h.  Johannes  an  der  Südostseite  des 
Polygons,  wozu  der  Plan  von  einem  hervorragenden  Meister  entworfen 
worden,  gebaut.  Der  Dechant  Hermann  nämlich,  der  diese  Würde  von 
1224  bis  1246  bekleidete,  überwies  der  Kirchenfabrik  seine  Einkünfte 
von  zwei  Jahren  zum  Bau  dieser  Kapelle  (Xnil.  Kai.  nov.  obiit 
Hermunnus  decanus  s.  Gereonis,  qui  contulit  .  . .  praebendani  suam 
ad  duos  annos  ad  aedificium  capellae  S.  Joannis). 

Bedeutende  bauliche  Veränderungen  wurden  an  der  Kirche  um 
die  Mitte  des  vierzehnten  Jahrhunderts  vorgenommen.  Nach  einer 
handschriftlichen  Notiz  eines  zur  Scholasterie  gehörigen  Manuscriptes 
enthält  ein  Memorienbuch  von  St.  Gereon  die  Nachricht,  dass  Heinrich 
Suderland)  welcher  der  Kirche  von  St.  Gereon  viele  Schenkungen  zu- 
gewiesen, auf  eigene  Kosten  das  Gewölbe  des  Chores,  dann  das  Gewölbe 
der  Vorhalle,  endlich  zwei  Seiten  des  Umganges  mit  den  Gewölben 
habe  aufführen  lassen.  Heinrich  Suderland  starb  gegan  1393.  Kallen- 
bach  trifft  demnach  das  Richtige,  wenn  er  die  Vermuthung  ausspricht, 
um  die  Mitte  des  vierzehnten  Jahrhunderts  sei  das  Chorgewölbe  ein- 
gesetzt worden.  Etwa  ein  halbes  Jahrhundert  später  wurde  die  zier- 
liche, in  den  schönsten  Verhältnissen  und  mit  reichem  Masswerk  aus- 
geführte Sakristei  errichtet.  Im  Jahre  1435  erhielt  der  Chorbau. ein 
neues  Gewölbe.  Um  dieselbe  Zeit  scheint  auch  der  reiche  gothische 
Lettner,  welcher  sich  früher  hinter  dem  Altar  des  h.  Gereon  befand, 
erbaut  worden  zu  sein.  Da  diese  das  Stiftschor  von  der '  Kirche 
scheidende  Orchesterbühne  die  Aussicht  auf  den  Hochaltar  des  Chores 
hinderte,  wurde  er  1766,  als  man  den  jetzt  beseitigten,  im  Jahre  1655 
konsekrirten  Gereonsaltar  vereinfachte,  abgebrochen.  Einzelne  Theile 
desselben  wurden  in  den  genannten  Altar  eingebaut.  Aus  dem  fünf- 
zehnten Jahrhundert  stammen  auch  die  Chorstühle,  an  deren  Westende 
rechts  ein  schön  geschnitztes  Standbild  des  h.  Gereon  und  links  eines 
der  h.  Helena  über  den  mit  allegorischen  Figuren  geschmückten  Wangen- 
seiten der  Chorstühle  sich  befindet  *).  Die  vielfachen  Aenderungen,  welche 
im  Laufe  des  siebzehnten  und  achtzehnten  Jahrhunderts  im  Innern  der 


^)  Abgebildet  bei  Oailhabaud,  die  Baukunat  des  5.  bis  16.  Jahrhunderts. 
II.  Band.  Leipzig  bei  T.  G.  WeigeL  1869. 


'%  I 


r- 


190 


Der  alte  Gereons-Altar  in  der  gleiolmamiKen  Kirche  m  Köln. 


herrlichen  Oereonskirche  vorgenommen  wurden,  können  nur  als  wahre 
Veranstaltungen  bezeichnet  und  aus  der  damaligen  Zeit,  welcher  jedes 
Yerständniss  für  die  schönen  Bauformen  des  Mittelalters  abhanden 
gekommen  war,  erklärt  werden.  Alle  Kunstfreunde  werden  es  dem 
KircheuYorstand  von  St.  Gereon  Dank  wissen,  wenn  derselbe  es  sich 
ernstlich  angelegen  sein  lässt,  die  Missgriffe  und  Versündigungen, 
welche  sich  Unkenntniss  und  Ungeschmack  an  der  Gereonskirche 
haben  zu  Schulden  kommen  lassen,  möglichst  wieder  gut  zu  machen. 


Köln. 


Dr.  Ennen. 


n.    Littotatnr. 


Dictionnaire  raisonne  da  mobilier  Frangais  de  l'epoqae  CarloTingienne  k 
la  renaissance  par  M.  Viollet-le-Duo,  architeoie.  Tome  I.  Paris.  Banoe, 
^diteor  1868.    T.  II— V.  Vf  A.  Morel  &()*?.,  editeurs  1871—73.  8. 

Als  vor  20  Jahren  der  praktisch  stark  in  Ansprach  genommene,  gelehrt 
und  künstlerisch  darohgebildete  Architekt  des  zweiten  Kaiserreichs,  H.  Vi  olle t- 
le-Dac  mit  der  lieferongsweisen  Heraasgabe  seines  grossartigen,  mit  Recht 
berühmten  Architektur-Lexikons  kaam  begonnen  hatte,  das  allein  die  volle 
Arbeitskraft  Eines  Mannes  zu  absorbiren  geeignet  war,  so  durfte  es  auffallend 
erscheinen,  dass  er  gleichzeitig  mit  dem  Programm  ßines  zweiten,  ebenfalls  sehr 
weitschiohtigen  lexikalischen  Unternehmens,  eines  Dictionnaire  raisonne  du 
mobilier  hervortrat,  welches  das  Costüm  im  weitesten  Sinn  behandeln  sollte. 
In  der  That  war  auch  der  erste  Band,  welcher  auf  487  Seiten  die  ,,Meable8'^ 
behandelt,  mit  211  eingedruckten  Holzschnitten  illnstrirt  und  mit  28  zum  llieil 
in  vollendetem  Farbendruck  ausgeführten  Tafeln  ausgestattet  ist,  im  J.  1858 
beendiget  und  kostet  45  Fr.,  also  etwa  noch  einmal  so  viel  als  die  einzelnen 
B&nde  des  Dictionnaire  de  l'architecture,  deren  damals  erst  zwei  vorlagen  und 
allgemeine  Anerkennung  fanden.  Eines  gleich  günstigen  Erfolgs  hatte  sich  von 
Seiten  des  Publioums  auch  dieses  zweite  Unternehmen  zu  erfreuen,  welches  die 
bekannten  Vorzüge  des  Architekturlexikons  in  vollem  Maasse  theilt:  Klare  nnd 
bestimmte  Saoherkl&rungen,  tief  in  die  Technik  eindringende  Beschreibungen, 
ausführliche  Belege  aus  mittelalterlichen  Schriftwerken  und  reizende,  über  alles 
Lob  erhabene  Abbildungen  nach  den  eigenen  Zeichnungen  des  Herausgebers. 
Dennoch  gerieth  das  Unternehmen  nach  Vollendung  des  I.  Bandes  ins  Stocken, 
wohl  hauptsächlich  wegen  Ueberbürdung  des  Autors  mit  anderen  Arbeiten. 

S.  3—291  des  I.  Bandes  finden  sich  zunächst  in  alphabetischer  Reihen* 
folge  die  einzelnen  kirchlichen  und  hauslichen  Möbel  in  längeren  oder  kürzeren 
Artikeln  beiprochen,  unter  denen  Armoire,  Autel  portatif,  Bahut,  Banc,  Chaise, 
Char^  Chässe,  Coffret,  Credence,  Dressoir,  Escabeau,  Fauteuil,  Forme,  Image, 
Landier,  Lampesier,   Lavoir,   Lutrin,  Lit,   Rechaud,  Reliquaire   (S.   210  —  31), 


I 


I 


192  1  M.  VioUet-le-Duc: 

Retable,  Soriptionale,  Tabernacle,  Table,  Tapia,  Tronc  —  sich  durch  eingehenden 
Inhalt  und  interessante  Abbildungen  besonders  auszeichnen.  Die  andere  Hälfte 
des  Bandes  nehmen  mehrere  längere  Abhandlungen  ein:  1.  EinResumö  histo- 
rique,  (S.  293—99),  in  welchem  eine  Uebersicht  der  culturhistorischen  Momente 
und  Quellenwerke  gegeben  und  auf  die  häufigen  Verstösse  hingewiesen  wird, 
deren  sich  das  Theater  und  die  Maler  gegen  die  „couleur  locale"  des  Gostüms 
schuldig  machen,  die  aber  unsere  archäologisch  geschulte  Zeit  nicht  mehr  in 
dem  Grade  verträgt,  wie  die  frühere  Naivetät.  „Wir  meinen  nicht,  dam  die 
genaue  Kenntniss  der  mittelalterlichen  Sachen  und  Gewohnheiten  talentlose 
Künstler  der  Gegenwart  mit  Talent  begaben  werde,  wohl  aber  dass  dieselbe 
einem  geschickten  'und  mit  don  Hülfsquellen  seiner  Kunst  vertrauten  Mann  von 
offenbarem  Nutzen  sein  muss."  2.  Das  öffentliche  Lebendes  kirchlichen  und 
weltlichen  Feudaladels:  Feierliche HaQdlungen,  Salbungen,  Krönungen (S. 301—11); 
Einzüge  gekrönter  Häupter,  hoher  Herren  und  Prälaten  (S.  311 — 19);  Taufen, 
Hochzeiten,  Obsequien  (S.  319~-41);  Investiturgebräuohe  (S.  341  f.);  Ceremonien 
bei  der  Huldigung  (S.  342—44).  .3.  Das  Privatleben  des  Feudaladels:  Das 
Schloss^  die  Sitten  seiner  Bewohner  und  das  Mobiliar  mit  mehreren  von  dem 
Verf.  componirten  und  stark  theatralisch  gehaltenen  Interieurs  von  beschränktem 
archäologischem  Wertho.  (S.  345—62);  Hofhaltung,  Festlichkeiten,  Bankets,  mit 
ähnlichen  Bildtafeln  (S.  362 — 66).  Diese  culturgeschichtlichen  Aufsätze  erhalten 
besondere  Bedeutung  durch'  reichliche  Auszüge  aus  mittelalterlichen  Oedichteu 
und  Chronikanten.  4.  Die  Fabrication  der  Möbel  (S.  367—98),  ein  Ab- 
schnitt, in  welchem  sich  die  technischen  Kenntnisse  des  Verf.  auf  das  Glänzendste 
bekunden,  obschon  uns  die  von  ihm  gewählte  novellistische  Form  nicht  ganz 
gefallen  will,  in  welcher  er  den  Leser  in  die '  Werkstätten  der  einzelnen  Hand- 
werker fuhrt;  wir  besuchen  der  Reihe  nach  den  Huohier  (Tischler) ;  Pierre 
Aubri,  den  Ecrinier,  einen  sich  wichtig  gebenden  „homme  age  d*un  aspect 
v^nerable",  der  für  die  hohen  Herrschaften  allerlei  feines  Kastenwerk  von  den 
verschiedensten  Faxens  und  aus  allem  möglichen  Material  verfertigt;  ferner  den 
Iraagrier,  der  sich  nicht  bloss  auf  das  Schnitzen  versteht,  sondern  auch  auf  die 
pdychrome  Ausschmückung  der  Altar schreine,  die  ihm  sein  Gevatter  der  Huchier 
liefert;  sodann  den  Kunstschlosser  ^Serrurier)  und  endlich  den  Lampier,  einen 
Metallgiesser  und  Gürtler,  der  etwa  dieselben  mannigfachen  Arbeiten  verfertigt, 
wie  die  niedersächsischen  „Ax)engheter*'  des  XIY.  Jahrhunderts.  5.  Das  Privat- 
leben des  Patricierhauses  (S.  399 — 413),  mit  vielen  Belegstellen  aus  dem 
pikanten  Sittenroman  ,,Le  menag^er  de  Paris,  compos6  vers  1893  par  un  Parisien 
pour  l'education  de  sa  femme'*  (publicirt  durch  die  Soci^t^  des  bibliogr.  franQ. 
2  Vol.  1857).  6.  Ein  Gonclusion  überschriebener  Abschnitt  (S.  415—26), 
worin  gezeigt  wird,  dass  eine  eigentlich  nationale  Kunstindustrie  der  verschiedenen 
europäischen  Völkerschaften  erst  seit  dem  XHL  Jahrh.  datire,  während  früher 
alles  auf  orientalische,  bez.  Venezianische  Traditionen  zurückzufahren  sei. 
Den  Schluss  bilden  Streiflichter  auf  den  modernen  Möbelluxus,  'föchte  man 
doch  begreifen,  „que  le  gout  consiste  a  paraitre  ce  que  Ton  est  et  non  oe  qne 
Ton  voadrait  etre*^  ein  Schluss  wort,  welches  den  soliden  und  gediegenen  Sinn 


Diotionnaire  raisonnö  du  mobüier  Fran^ais.  198 

des  Verf.  auf  das  treffendste  charakterisirt.  Endlich  ein  Sachregister  (S.  427—34) 
und  ein  Verzeichniss  der  Bildtafehi. 

Nach  der  Herausgabe  dieses  ersten  Bandes  ruhte  das  Werk  so  lange,  bis 
das  Architektur-Lexikon  beendigt  war«  ja  bis  nach  dem  letzten  grossen  Kriege, 
indem  die  Fortsetzung  erst  im  J.  1871  und  in  anderem  Verlage,  aber  in  völlig 
gleicher  Ausstattung  erschien.  Diese  lange  Zwischenzeit  war  dem  Werke,  wie 
der  Verf.  im  Vorworte  zum  IL  Bande  bemerkt,  insofern  von  besonderem  Vortheil, 
als  er  Gelegenheit  hatte,  sein  Material  zu  vervollständigen'  und  mehrere  inzwischen  $ 
vollendete,  wichtige  Werke  neuerer  Kunstschriftsteller,  z.  B.  die  Geschichte  der 
Kleinkünste  von  Labarte,  zu  benutzen.  —  Der  IL  Band  (TV  und 636  SS.  mit 
vielen  Holzschn.*  und  28  Tafeln,  worunter  18  in  Farbendr.)  enthält  1.  S.  9—166 
etwa  100  meist  kleine,  alphabetisch  geordnete  Artikel  über  das  Geräth  (Usten- 
siles),  unter  denen  wir  als  reichhaltig  hervorheben:  Aiguiere,  Baril,  Bassin, 
Chandelier,  Ghaufferette,  Coupe,  Couteau,  Cr6maillere,  Cuiller,  Encensoir,  Hanap, 
Lampe,  Pot,  Sahere,  Tablettes.  Auffallig  erscheint  die  grosse  Dürftigkeit  des 
mit  zwei  allbekannten  Abbild,  versehenen  Artikels  Galice  (S.  46—48),  und  die 
blosse  Hinweisung  auf  eine  eingehende  Abhandlung  von  Barraud  über  dieses 
wiohtigste-der  heil.  Gefasse  kann  in  einem  encyklopädischen  und  so  ausführlichen 
Werke  nicht  genügen.  Die  Holzschnitte  dieses  Abschnitts  sind  theils  nach  noch  , 
vorhandenen  Geräthen  gezeichnet,  theils  nach  mittelalterlichen  Sculpturen  und 
Miniaturen,  bisweilen  auch,  auf  Grund  alter  Inventarienverzeichnisse,  nach  Ent- 
würfen des  Verf.,  die  uns  indess  etwas  modern  französirt  anmuthen,  z.  B.der 
Damenputztisoh  (Damoiselle  a  atourner)  S.  90.  ^  2.  Eine  höchst  vortreffliche, 
das  Technische  genau  analysirende  Abhandlung  über  Goldschmiedekunst 
(S.  169 — 239),  worin  namentlich  über  die  Fassung  der  Edelsteine  und  die  in- 
erustirten  Emails  die  lehrreichsten  Details  mitgetheilt  werden.  Nach  den 
Beobachtungen  des  Verf.  sind  auf  byzantinischen  Goldarbeiten  die  Steine  stets 
in  glatte  Ränder  (b&tes  unies)  gefasst  und  werden  niemals  von  durchbrochenen 
Klauen  (griffes  en  forme  de  feuilles  aigues)  gehalten,  welches  letztere  vielmehr  , 

eine  rheinländische  Eigenthümlichkeit  sei;  die  Goldarbeit  an  dem  Deckel  des 
Regensb.  Evangelienbuches  in  der  Hofbiblibthek  zu  München  (Gim.  56)  sei 
daher  nicht,  wie  Lab  arte  annimmt,  von  byzantinischen,  sondern  von  deutschen 

Künstlern  gefertigt.    Die  Priorität  der  deutschen  Rheinlande  in  der  Gold-  und  ^  ' 

Emailarbeit  erkennt  der  Verf.  mit  voller  Entschiedenheit  an  und  giebt  zu,  dass 
Frankreich  erst  im  XII.  Jahrh.  nachgefolgt  sei.  Das  Emailliren  «ei  dann  aber 
keineswegs  bloss  in  Limoges  betrieben  worden,  sondern  man  habe  wohl  in  allen 
Benedictinerklöstem  limonsiner  Arbeiten  gemacht,  und  diese  Kunst  sei  über- 
haupt sicherlich  mit  der  eine  wesentlich  gleiche  Technik  verfolgenden  Glas- 
malerei Hand  in  Hand  gegangen.  Letztere  verlange  einen  viel  amständlicheren 
Apparat,  dem  Emailleur  genüge  eine  Klosterzelle,  ein  Stückchen  Blech  und  ein 
Ofen.  Interessant  ist  das  über  die  alte  Löthekunst  Gesagte :  ein  Zwischenmetall 
sei  nirgends  wahrnehmbar.  3.  Musikinstrumente;  38  lexikalisch  geordnete 
Artikel  mit  vielen  Abbildungen,  selbstverständlich  mit  Benutzung  der  bekannten 
Schrift  von  Goussemaker  (Annale»  arch6ol.  III  ff.)  über  diesen  Gegenstand,  aber 

18 


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194      M.  Viollet-le-Duo:  Diotioimaire  raisonne  du  mobilier  Frangau. 

grandUoher.  8.  248--827.  4.  Spiele  und  Zeitvertreibe  (S.  331--478). 
Dieser  Abschnitt  bespricht  zunächst  Eampfspiele  (toumois)  und  Lanzenrennen 
(joutes)  mit  besonderer  anschaulicher  Ausführlichkeit  (S.  332-*407)  und  bringt, 
ungerechnet  die  Darstellung  einer  theaterhaften  Preisvertheilung/ viele  detaiUirte, 
zum  Theil  prachtvolle  polychrom.  Abbildungen ;  dann  folgt  die  Jagd  (S.  407—49) ; 
der  Tanz,  Mummenschanze,  Maskeraden,  Combinations-,  Hasard-  und  Einderspiele 
(S.  450—78).  5.  Werkzeuge  und  Handwerksger äthe  (8.  481--632),  47 
meist  kurze,  nach  dem  Alphabet  gordnete  Artikel,  die  mit  vielen,  nach  Bücher- 
maiereien  gezeicheten  Holzschnitten  illustrirt  sind;  ausfuhrlicher  ist  die  Anschir- 
rung der  Pferde  (hamais  de  charrois)  und  der  Pflug  (charrue)  behandelt.  —  Aus 
einem  Missale  von  c.  1450  wird  die  Abbildung^  einer  Hinrichtung  durch  das 
Fallbeil  unter  Doloire  mitgetheilt. 

Band  HI  (478  S.  und  13  Tafehi)  und  IV  (507  S.  und  3  Tafeln)  gehören 
zusammen  und  behandeln  das  Gostüm  im  engeren  Sinne  (Yeteinents  civils  et 
religieux,  bigoux  de  corps,  objets  de  toilette)  rein  lexikalisch.  Band  lU  enthält 
81  Artikel  und  geht  bis  Huve,  Band  lY  beginnt  mit  Jarreti^re  und  bringt  68 
Artikel  £s  ist  hier  eine  Fülle  von  Material  verarbeitet;  freilich  kann  bei  der 
Unzahl  von  Benennungen  einerseits  und  von  Abbildungen  andrerseits  nicht  stets 
Bürgschaft  dafür  geleistet  werden,  dass  die  einzelne  Abbildung  auch  wirklich 
dem  ihr  angepassten  Namen  entspricht.  Wegen  seiner  Reichhaltigkeit  ist  der 
durch  mehrere  Farbendrucktafeln  erläuterte  Artikel  Stoffes  (IH,  356—74)  her- 
vorzuheben, in  welchem  die  zu  Kleidungsstücken  verwandten  (Gewebe  besprochen 
werden«  Der  Verf.  giebt  oft  die  Schnittmuster  zu  den  einzelnen  Kleidungs- 
stücken und  arbeitet  dadurch  so  praktisch  den  Costümiers  für  Theater-  und 
Maskengarderobe  in  die  Hände,  dass  man  fast  an  einen  Maitre-tailleur  als  Ad- 
jutanten denken  möchte.  Weniger  beifallswürdig  erscheint  es  vom  kunstge- 
schichtlichen Standpunkte,  dass  viele  aus  Miniaturen  entnommene  Abbildungen^ 
zwar  sehr  schön,  aber  geradezu  als  modernfranzösiBche  Figurinen  ausgeführt  sind. 

Der  V.  Band,  von  welchem  dem  Ref.  nur  erst  2  Hefte  vorliegen,  enthalt 
die  Schutz-  und  Trutzwaffen  nach  alphabetischer  Reihenfolge  und  ebenso  reich 
als  anschaidich  bis  ins  Detail  illustrirt. 

Fr öhden,.  bei  Jüterbog.  H.  Otte. 


Das  Römercaslell  and  das  Todtenfeld  in  dar  KinBigniede- 
rang  bei  Rückingen:  Vom  hanaaisohen  Bezirksverein  für  hes- 
sische Geschichte  und  Landeskunde  h6raasgegeben.(Mitiheilangen  Nr.  4.) 
Mit  6  lith.  Taf.  Abbildungen,  einer  Kartenskuze  und  Hobsschnitten.  Hanau. 
Im  Selbstverläge  des  Vereins  1878. 

Der  Hanauer  Bezirks  verein,  als  Zweigverein  des  „Vereins  für  hessische 
Geschichte  und  -Landeskunde^*  bereits  im  J.  1844  gegründet,  ist  nach  längerer 
Unterbrechung  in  der  Herausgabe  besonderer  Schriften,  im  vorigen  Jahre  mit 
der  oben  genannten  Publication  aufgetreten^  welche  für  die  Aufhellung  der 
Geschichte  und  Alterthumskunde  der  Maingegend  unter  den  Römern  so  viel 
Neues  und  Belehrendes  enthält,  dass  eine  kurze  Anzeige  des  Hauptinhalts  dieser 
Schrift  in  unseren  Jahrbüchern  angemessen  erscheint.  Die  Mittheilungen  sind 
in  8  Kapitel  gegliedert,  von  denen  die  vier  ersten:  1.  ,,Der  gegenwartige  Stand 
der  Limesforschung  mit  besonderer  Beziehung  auf  die  Gebiete  des  Taunus  und 
der  Wetterau/*  2.  ,,die  Wiederentdeckung  der  römischen  Ansiedlung  bei  Rückin- 
gen,'' 3.  „die  Zeit  der  Gründung  und  Dauer  der  röm.  Befestigung  bei  Rückingen, 
ihr  Umfang  und  ihre  strategetische  Bedeutung,'^  4.  „das  Pratorium  des  Einzig- 
castells,  seither  das  „Römerbad'*  genannt,  femer  das  7.  Cap.  Legions-  und  Co- 
hortenziegely  Töpferstempel  und  Graffiti,  endlich  das  8.  Cap.  Erklärung  der 
Abbildungen,  —  den  Gymnasiallehrer  Dr.  A.  Duncker  zum  Verfasser  haben, 
während  Cap.  5.  ,,das  Todtenfeld"  und  Cap.  6.  ,,Münzen*'  dem  Gymnasiallehrer 
Dr.  R.  Suchier  angehören. 

.  In  dem  die  Erforschung  des  Limes  betrefifenden  1.  Abschnitte  beklagt  es 
Herr  Duncker  mit  Recht,  dass  die  im  J.  1852  in  der  ersten  Generalversammlung 
des  deutschen  G^chichts-  und^  Alterthumsvereins  zu  Mainz  gebildete  Limes- 
commission nach  dem  Tode  ihres  verdienstvollen  Stifters  Habel  (im  J.  1867) 
aUmählich  ihre  Wirksamkeit  eingestellt  habe.  Denn  wenn  auch  dm*ch  den 
Obristen  von  Cohansen  und  den  Freiherm  von  Preuschen,  welchen  die  Forschun- 
gen des  Oberst-Lieutenant  F.  W.  Schmidt  zur  Benutzung  vorlagen,  der  Zug 
des  Limes  von  der  nördlichen  Wetterau  bis  zum  Rheine  genau  festgestellt  sei, 
so  bedürfte  doch  die  Strecke  von  der  Einzig  bis  Kloster  Amsburg  in  der 
Wetterau,  auch  nach  den  Arbeiten  Steiners,  Dieffenbaohs  und  Arnds  einer 
erneuten  Untersuchung,  und  diese  bald  vorzunehmen,  sei  bei  der  fortschreiten- 
den. Alles  nivellirenden  Bodencultur  ein  dringendes  Bedürfniss. 


f 

196  Mittheilang  Nr.  4  des  hanauischen  Bezirksvereins: 

Dass  ührigenB  die  ganze  Atiiage  des  Orenzwalles  nicht  als  ein  Befestignngt- 
system  anzusehen  sei,  um  ein  andringendes  feindliches  Heer  abzuhalten,  sondern 
lediglich  eine  Allarmlinie  war,  von  der  aus  der  Feind  beobachtet  wurde»  wird 
von  Dnnoker  nach  dem  Vorgange  von  Paulas  mit  vollem  Rechte  angenommen. 
Diess  geht  schon  aus  der  zur  Deckung  der  70  deutschen  Meilen  langen  Grenze 
zwischen  Rhein  und  Donau  verwendeten  Truppenmacht,  welche  seit  der  letzten 
Hftlfle  des  2.  Jahrhunderts  n.  Chr.  Geb.  drei  Legionen  (Leg.  XXII.  Primigenia 
P.  F.,  Leg.  YIII  Aug.  und  Leg.  XI  Claudia),  seit  Septimias  Severus  nur  2,  und 
zwar  die  beiden  erstgenannten,  betrug,  mit  Sicherheit  hervor.  Die  Besitzungen 
nördlich  des  Mains,  im  Taunusgabiet  und  in  der  Wetterau  mit  den  drei 
wichtigsten  Niederlassungen  zu  Aschaffenburg  (Ascapha),  Heddernheim 
(Novns  Vicus)  und  Wiesbaden  (Aquae  Matt iacae)ma8sten  dem  Andränge 
der  Alemannen  und  Franken  gegenüber,  wie  dies  aus  inschriftliohen  Denkmälern 
und  gefundenen  Münzen  erhellt,  bereits  unter  der  Regierung  des  Kaisers  Philip- 
pus  Arabs  (244-  240)  geräumt  werden. 

Diese  Thatsache  bestätigen  auch  die  auf  dem  Boden  der  römischen  Nieder- 
lassung bei  dem  Dorfe  Rüokingen  gemachten  Funde,  das  1  St.  nordöstlich  von 
Hanau  zwischen   der  Leipzigerstrasse   und   der  Kinzig  liegt   und  seit  dem  14. 
Jnhrh.  ein  isenburgisches  Lehen  war.    Ein  900  Schritt  westlich  von  Rückingen 
auf  dem  rechten  Kinzigufer  liegendes  Feld,  die  Alten  bürg  genannt,  in  welchem 
man  auch  jetzt  noch  beim  Umpflügen  überall  auf  zahlreiche  Spuren  von  Römer- 
bauten  und  anderen  Anticaglien  stösst,  lieferte  seit  unvordenklichen  2ieiteD  das 
Material  zu  Bauten.    Doch  erst   seit  dem  J.  1777   schenkte  man  den  dort  zu 
Tage  kommenden  Funden  von  Urnen,  Lampen  und  Glasfläschchen  einige  Auf- 
merksamkeit; da  aber  nun  jeder  nach  Urnen  graben  wollte,  wurde  das  Suchen 
untersagt.    Erst  im  Jahre  1802  wurden  auf  Befehl  des  Fürsten  Karl  von  Isen- 
burg-Birstein  an  dieser  Stelle  regelmässige  Ausgrabungen  veranstaltet,  welche 
die  Aufdeckung  eines  grösseren  römischen  Gebäudes,  worin  man  ein  Schwitzbad 
(Laconicum)  erkennen  wollte  und  ihm  desshalb  den  Namen  „Römerbad*'  bei- 
legte, zur  Folge  hatte.    Die  Ausgrabungen  wurden  bis  zum  J.  1804  fortgesetzt 
und  lieferten  eine  ergiebige  Ausbeute  von  Münzen,  darunter  auch  Goldmünzen, 
meistens  von  Trajan  und  Hadrian,    Umen^   Vasen,   Lampen  und  andere  Anti* 
caglien  von  Erz  und  Eisen,  welche  in  die  fürstliche  Sammlung  kamen.     Erst 
nach  Verlauf  von  mehr  als  50  Jahren,  im  Anfang  des  Sommers  1872,    wo  Herr 
Duncker  auf  einer  antiquarischen  Exoursion  mit  zwei  Freunden  auf  einem  400  F. 
von   der  Altenburg   entfernten  Felde   gpraben  Hess  und  so    glücklich  war,  auf 
zwei  Gräber  mit  den  gewöhnlichen  Beigaben  zu  stossen,  entschloss  sich   der 
Hanauer  Bezirksverein    planmässige    Ausgprabungen    anzustellen,    welche,    da 
Herr  Duncker  erkrankte,  hauptsächlich  von  seinem  CoUegen  Herrn  Suchier  in 
Verbindung  mit  Herrn  Director  Hausmann  und  einigen  andern  Vereinsmit&> 
gliedern  geleitet  wurden. 

Vom  Beginn  der  Aufdeckung  der  Gräber  befolgten  sie  den  Grundsatz,  die 
nähern  Umstände  der  Funde,  namentlich  die  Lage,  die  jedes  einzelne  Stück 
einnahm,   genau   zu  vermerken  und  die   beiji  jedem  Grabe   gefundenen  Sachen 


Das  Römeroastell  und  das  Todtenfeld  in  der  Kinzigziiederang.  197 

zusammonasohaltea  und  zu  katalogisiroD,  um  auf  diese  Weise  die  Arbeit  for  die 
Wissensohait  natsbar  zu  machen.  So  gelang  es  denn  den  vereinten  eifrigen 
Bemühungen  der  genannten  Alterthumsfreunde,  auf  dem  sog.  Todtenfelde, 
welches  etwa  90  Schritt  lang  und  30  Schritt  breit  ist,  und  seit  der  Römerzeit 
unverändert  geblieben,  weil  der  dort  befindliche  Sand  weniger  brauchbar  war, 
während  der  Monate  Sept.  und  October  1672  über  100  Gräber  zu  öfinen,  wozu 
noch  20  von  Verschiedenen  aufgefundenen  zu  rechnen  sind.  Die  Hauptergebnisse 
der  mit  seltener  Umsicht  und  Sorgfalt  bei  der  Oeffnung  eines  so  grossen 
Leicbenfeldes  angestellten  Beobachtungen  glaube  ich  hier,  im  Interesse  mancher 
Leser,  nicht  übergehen  zu  dürfen. 

Die  Bestattungpsweise  war  die  des  Yerbrennens;  nirgend^  fanden  sich, 
wie  in  den  Gräbern  von  Kegensburg  Gerippe.  Auch  enthielt  das  Feld  nur  eine 
Schicht  von  Gräbern.  Die  Gräber,  deren  gewöhnlicher  Abstand  1 — 2  M.  betrug, 
waren  sämmtlich  im  blossen  Sande  ohne  alle  Unterlage  und  ohne  Mauerwerk 
und  zwar  lagfen  reichere  und  geringere  durcheinander.  Durchschnittlich  begann 
der  Aschenhaufen  kaum  1  Met.  tief  unter  der  jetzigen  Oberfläche.  Die  Humus- 
schicht war  in  der  Regel  fast  1  Fuss  dick.  Wahrscheinlich  waren  die  Hügel 
gleich  von  Anfang  mit  Rasen  zugedeckt,  der  sich  allmählich  um  ^JPwk  erhöht 
hat,  so  dass  die  Tiefe  der  Gruft  oder  runden  Aushöhlung  ursprünglich  dieselbe 
war.  Urnen  waren  nur  ausnahmsweise  beigesetzt,  und  nur  die  grossem  ent- 
hielten Knochen,  von  den  kleineren  liess  sich  dies  nicht  entscheiden.  Poch 
fanden  sich  auch  ausser  den  Urnen  Knochenreste  (Ossilegium),  bisweilen 
schon  im  Sande,  doch  gewöhnlich  mitten  in  der  Asche  beisammen.  Unter  der 
Asche  fand  sich  nie  etwas  Anderes  als  Sand,  die  von  dem  Scheiterhaufen  vor- 
gefundenen Holzstücke  waren,  dem  Gewicht  nach  zu  urtheilen,  von  Nadelholz. 
An  einen  Kasten,  der  mit  der  Asche  in  die  Erde  gesetzt  wäre^  ist  demnach 
nicht  zu  denken.  Es  scheint  sicher,  dass  man  die  Asche  zuerst  in  die  unterste 
Vertiefung  schüttete  sammt  den  Resten  der  mitverbrannten  Schmucksachen  und 
Glasgefässe,  da  stets  Bronze,  Eisenstücke  nnd  Glasklumpen  in  der  Asche  lagen. 
Dann  erst  setzte  man  die  Mitgaben,  als  Krüge,  Lampen,  Töpfchen,  Gläser, 
Teller  und  Schälchen  hinzu,  in  der  Regel  ausserhalb  der  Asche.  Wie  Herr 
Dr.  Suchier  annimmt,  waren  die  Krüge  und  Lampen  wenigstens  noch  ungebraucht, 
da  die  gebrauchten  Lampen  in  der  Asche  lagen.  Der  Stand  der  Urnen  war  ver- 
schieden, einzelne  grössere  standen  neben  dem  Aschenhaufen,  die  meisten  mit 
dem  untern  Theil  in  derselben,  jedoch  nicht  in  der  Mitte.  Gewöhnlich  hatten 
sie  eine  Schntzdecke,  die  meist  zerbrochen  war.  Schalen  von  terra  sigil- 
lata,  die  Dr.  Suchier  nicht  für  Essgeräthe,  sondern  für  Waschnäpfe,  aus  der 
die  Leiche  gewaschen  wurde,  —  ein  Gebrauch  der  bei  ,  J^ühn  und  Schwarz  nord- 
deutsche Sagen"  aus  brandenburgischen  Orten  nachgewiesen  ist,  —  halten  möchte 
kommen  nur  2  mal  als  Deekel,  nie  als  Bbigeflsse  vor.  Merkwürdig  ist  die  Beo- 
bachtung, dass  Schalen  mit  Ornamenten  nie  vollständig  waren;  die  Frag- 
mente davon,  welche  Spuren  früheren  Gebrauches  zeigen,  lagen  zerstreut  meist 
iu  der  Asche.  Offenbar  war  das  2ier8ehlagen  dieser  Geräthe,  welche  dem  Ver- 
storbenen im  Leben  und  vielleicht  auch  bei  der  Bestattung  gedient,  ein  absieht- 


r 


198  Mittheilung  Nr.  4  des  hanauisohen  Bezirksvereins: 

Hohes,  und  das  Mitgeben  von  Scherben  ist  als  ein  Sühnmittel  ansasehen,  wie 
sich  schon  ans  einer  Stelle  des  Elegikers  Propertius  erschliessen  lasst  ^). 

Besondere  Beachtung  verdient  noch  die  Mittheilnngi  dass  jedes  Grab  des 
Todtenfeldes  Scherben  und  Nägel  enthalten  hat.  Diese  fletztem,  welche  gewöhn- 
lich in  der  Zahl  von  7—12,  bisweilen  über  20,  verstreut  in  der  Asche,  auch  wohl 
im  Sande  lagen,  sind  alle  von  Eisen  geschmiedet  und  meist  vierkantig,  mit 
breitem  und  flachem  Kopf  und  etwas  gebogen.  Diese  Mitgabe  von  eisernen 
Nägeln,  welche  auch  in  römischen  Giäbem  am  Niederrhein  und  namentlich  in 
Köln  beobachtet  worden  ist,  hat  in  Bezug  auf  den  Ursprung  und  die  Bestimmung 
derselben  die  verschiedensten  Erklärungsversuche  hervorgerufen.  Nach  Fuchs, 
dem  Verfiisser  der  „alten  Geschichte  von  Mainz* ',  sollen  die  Leichen  mit  den- 
selben an  ein  starkes  Holz  genagelt  und  so  auf  den  Scheiterhaufen  gelegt  worden 
sein';  Pfarrer  Heep  vermuthtet  (in  diesen  Jahrbüchern  H,  XXI  p.  24),  die  Nägel 
seien  zur  Befestigung  der  einzelnen  Theile  des  Leiohengernstes  verwendet 
worden,  was  jedoch  auf  die  gewöhnliche  Verbrennuug  durch  aufeinander  gelegte 
Scheite  Holz  keine  Anwendung  finden  dürfte.  Ohlenschläger  (Sitzungsber.  der 
Münchener  Acad.  1672)  nimmt  an,  dass  die  Nägel  von  dem  mitverbranpten 
Sarge  herrühren.  Jedoch  alle  diesd  Versuche,  die  Nägel  a'us  natürlichen  Ver- 
anlassungen herzuleiten,  sind  nicht  genügend,  das  constante  Vorkommen  der- 
selben zu  erklären,  da  sie  der  Grösse  und  Zahl  nadi  so  verschieden  sind.  Der 
Unterzeichnete  liat  daher  schon  vorlängst  bei  Besprechung  eines  Römischen 
Ziegelgrabes  bei  Ueckesdorf  (in  diesen  Jahrb.  XXKVI,  75  f.)  die  Vermuthung 
ausgesprochen,  dass  diese  Nägel  nicht  als  etwas  Zufälliges  anzusehen  seien, 
sondern  dass  ihnen  eine  symbolische  Bedeutung  zu  Grunde  gelegen  habe,  wobei 
an  den  vom  Dictator  in  der  cella  Jovis  eingeschlagenen  Nagel  zur  Fizirung  und 
Abwendung  der  Pestilenz  erinnert  wurde.  Dieser  Annahme  pflichtet  Dr.  Suchier 
bei  und  hat  dieselbe  durch  eingehende  Vergleiohung  mit  deutschem  Aber- 
glauben und  jüdischer  Begräbnisssitte  weiter  begründet  und  näher  dahin  praeci- 
sirt,  dass  die  Verwendung  der  Nägel  bei  römischen  Bestattungen  als  Sühne- 
gebrauch zu  betrachten  sei,  wodurch  die  Ueberlebenden  der  gefurchteten  Todea- 
maoht  Schranken  setzen,  vor  allem  sich  selbst  schützen,  so  wie  auch  dem  Todten 
vollständige  Ruhe  sichern  wollten.  Diesen  Schutz  aber  gewährte  das  Einschlagen 
der  Nägel  in  den  Sarg  oder  in  die  Lade  (lectus,  feretrum),  welche  mit  der  Leiche 
verbrannt  wurden,  wie  dies  römische  Dichterstellen  ausdrücklich  beweisen  '). 

Nach  dieser  eingehenden  Besprechung  einer  römischen  Sitte  bei  der 
Leichenverbrennung,  für  deren  Wiedereinführung  in  neuester  Zeit  in  verschie- 


^)  Propert.  el.  V,  7,  84:  Hyacinthos  iniicere  et  fraoto  busta  piare  cado. 
Nach  Weinhold  1.  Abth.  p.  165  über  die  german.  Hügelgräber  liegen  die 
Scherben  zuweilen  durch  den  ganzen  Hügel  verbreitet .  und  sind  augenscheinlich 
als  solche  hineingeworfen.  Endlich  scheint  der  norddeutsche  Spruch  „Scherben 
bringen  Glück*'  noch  auf  diesen  Gebrauch  hin  zu  d!euten. 

>)  TibuU.  I.  1,  62.  Flebis  et  arsuro  positum  me,  Delia,  leoto;  Ovid. 
Met.  XIV,  747:  Luridaqne  arsuro  portabat  membra  fer^tro. 


Das  Römeroastell  und  du  Todtanfeld  in  der  Eiazigniederung.  199 

denen  Kreisen  so  lebhaft  agitirt  wird,  ist  noch  anzufahren,  dass  in  den  sammt- 
liehen  Qräbem  (120—130)  über  40  Urnen,  10  Salbentöpfohen,  7  Lampen,  6 
Gläser  und  mehr  als  100  Krüge  gefunden  wurden;  3  war  die  höchste  Zahl,  die 
in  einem  Grab  beigesetzt  waren.  Terrakotten  kamen  nur  5  vor  (eine  Isis-  und 
Amorstataette),  von  Waffen  nichts,  auch  kein  Gold  und  Silber.  Eisenstncke, 
von  Nftgeln  abgesehen,  waren  in  11  Gräbern,  Bronze  nur  in  6.  Ueber  die 
Münzen,  die  in  den  Gräbern  gefunden  wurden,  handelt  Kap.  VI,  wo  auch  die 
bereits  früher  bei  Rüokingen  gefundenen,  darunter  ein  Denar  aus  der  repu- 
blicanischen  Zeit,  angef&hrt  und  genau  beschrieben  werden.  Die  Gesammtzahl 
der  aus  den  Grabern  des  Todtenfeldes  hervorgeholten  Münzen,  meistens  schlecht- 
erhaltene, einfache  oder  doppelte  Asse  von  Kupfer  oder  Bronze,  betrug  nur  20,  von 
denen  4  aus  dem '  1.  Jahrhundert  herrührten,  nur  1  dem  Trajan,  3  dem 
Hadrian,  4  dem  Antoninus  (Pius),  3  dem  Marc.  Aurel.,  2  der  Gemahlin 
desselben  Faustina,  je  1  dem  Com  modus  und  dem  Septimius  Severus 
angehörten.  Es  scheint  sich  aus  dieser  geringen  Zahl  von  Münzen  zu  ergeben, 
dass  es  nicht  Regel  war,  den  Gestorbenen  den  Fährgroschen  (portoriam> 
mitzugeben,  welcher  spater,  seit  dem  Beginn  des  3.  Jahrhunderts,  wo  an  die 
Stelle  des  Leiohenbrandes  die  Beerdigung  trat,  dem  Todten  in  den  Mund 
gesteckt  zu  werden  pflegte.  Ebenso  wird  dem  Umstände,  dass  erst  von 
Trajan  an  bis  Sept.  Severus  die  gefundenen  Münzen  eine  ununterbrochene 
Reihe  bilden,  mit  Recht  geschlossen,  dass  der  Begräbnissplatz  nicht  länger  als 
100  Jahre  der  römischen  Besatzung  bei  Rückingen  gedient  hat.  Mit  Zugrunde- 
legung  dieser  von  Dr.  Suohier  mit  musterhafter  Sorgfalt  ausgeführten  Unter- 
suchung' des  Todtenfeldes  bei  Rückingen  und  unter  Berücksichtigung  der  zu 
verschiedenen  Zeiten  in  der  Nähe  des  Castells  gefundenen  Römerreste  bespricht 
nun  dessen  College,  Herr  Duncker  eingehend  die  Gründungszeit  und  Dauer  der 
römischen  Befestigung  bei  Rückingen,  ihren  Umfang  und  ihre  strategetische 
Bedeutung,  Es  würde  uns  zu  weit  führen  und  die  Grenzen  dieser  Anzeige  über- 
schreiten, wollten  wir  uns  auf  die  nähere  Begründung  der  gewonnenen  Ergeb- 
nisse einlassen,  welche  eben  so  überzeugend  sind  als  sie  von  gründlicher  Sach- 
kenntniss  und  allseitiger  Bekanntschaft  der  einschlagenden  neuem  Forschungen 
ein  rühmliches  Zeugniss  geben.  Wir  müssen  uns  daher  auf  eine  gedrängte  An- 
gabe der  wichtigsten  Resultate  beschränken,  mit  Uebergehung  der  strategetischen 
Momente,  wonach  das  unmittelbar  den  Grenzwall  berührende  Castell  als  Deckung 
des  Uebergangs  über  die  früher  wasserreichere  Kinzig,  in  Verbindung  mit 
mehrern  anderen  auf  dem  rechten  Mainufer  gelegenen  Befestigungen  eine  gewisse 
Bedeutung  hatte,  zumal  da  diese  ohne  Benutzung  der  beigegebenen  Karte  schwer 
verständlich  sein  möchten.  Besonders  hervorzuheben  ist  die  treffende  Schluss- 
folgerung, welche  *der  Verf.  aus  der  Zahl  der  auf  dem  etwas  über  1  Morgen 
grossen  Todtenfeld,  den  die  aufgedeckten,  etwa  120,  Gräber  einnahmen,  auf  die 
Gräberzahl  des  ungefähr  14  Morgen  betragenden,  ursprünglichen  Begräbniss- 
platzes  macht,  auf  welchem  demnach  etwa  1000  Grabstätten  anzunehmen  wären. 
Setzt  man  nun  die  Dauer  der  Colonie  zu  100  Jahren  und  das  jährliche  Sterb- 
lichkeiteverhältniss  zu  2^0  &n,  so  erg^ebt  sich  eine  Besatzung  der  Befestigung 


200    Mittheil.  Nr.  4  des  hanaaischen  Bezirksver.:  Pm  Bömercastell. 

in  der  Stärke  von  etwa  500  Manoi  also  gerade  eiser  Gohorte.  Sowohl  das 
Gastell  zu  Rückingen  als  die  benachbarten  Befestigangen  waren,  wie  die  daselbst 
gefundenen  Ziegelstempel  beweisen,  durch  Abtheilungen  der  22.  Legion  besetzt. 
Ausserdem  finden  sich  von  bekannteren  Hülfstruppen  dieser  Legion  bei  Rückingen 
gestempelte  Ziegel  der  Coh.  IUI  Vindelicorum,  und  in  grosserer  Anzahl  von 
der  Coh.  III  Dalm(atarum)y  welche,  ausser  zu  Wiesbaden,  in  derWetterau  sonst 
keine  Spuren  zurückgelassen  hat. 

Von  besonderem  Ii^terease  ist  der  IV.  Abschnitt,  worin  Duncker  das 
schon  oben  erwähnte  in  den  Jahren  1802>-1804  blossgelegte  römische  Gebände, 
welches  man  bisher  allgemein  für  ,,ein  Römerbad''  erklärt  hat,  bespricht  und 
durch  sorgfaltige  Untersuchung  der  zahlreichen  einzelnen  Räumlichkeiten  (vergl. 
die  beigegobene  Kartenskizze)  in  Bezug  auf  ihre  Construction  und  muthmassliche 
Bestimmung  zu  dem  ansprechenden  Ergebniss  gelangt,  dass  das  Gebäude  viel- 
mehr für  die  innerhalb  des  Gastellraums  gelegene  Wohnuüg  des  Gommandanten 
(Praetorium)  und  wahrscheinlich  auch  der  ihm  unterstehenden  Centurionen 
zu  halten  sei.  Veranlassung  zu  dieser  Verwechslung  gab  das  Auffinden  yon 
Kohlen  und  thönemen  Röhren,  die  nichts  weiter  als  Ueberreste  eines  Heizappa- 
rats zur  Erwärmung  des  Fussbodens  (suspensura  oder  hypocaustum)  sind,  wie 
er  sich  fast  in  allen  römischen  Gebäuden  der  nördlichen  römischen  Provisaen 
findet. 

Wir  müssen  uns  versagen,  auf  den  VII.  Abschnitt,  worin  ausser  den 
Legions-  und  Cohortenstempeln  die  bei  Rückingen  gefundenen  Töpfer- 
stempel, darunter  mehrere  bis  jetzt  noch  nicht  bekannte,  und  einige  interes- 
sante Graffiti  besprochen  werden,  so  wie  auf  die  Erklärung  der  zahlreichen 
zweckmässig  geordneten  Abbildungen  einzugehen,  und  schliessen  unsere  Anzeige 
mit  dem  lebhaften  Wunsche,  den  beiden  wackem  Verfassern,  die  durch  Theilung 
der  Arbeit  eine  so  gediegene  Leistung,  welche  dem  neuauflebenden  Verein  zu 
Hanau  zur  Ehre  gereicht,  geschaffen  haben,  auf  diesem  Gebiete  der  Lokal- 
forschnng  bald  wieder  zu  begegnen,  wozu  die  wünschenswerthe  Aufdeckung  eines 
der  benachbarten  zur  Bewachung  des  Grenzwalles  dienenden  Gastelle  Gelegenheit 
bieten  könnte. 

Bonn.  J.  Freudenberg. 


Epigrapbie  de  laMoselle,  eiade  |^ar  Charles  Robert,  correspondant  de 
llnstitut  (acmdemie  des  inscriptions  et  belles-lettres),  memb^  de  la  soci^te  des 
Antiquaires  de  France.  Paris,  A.  LeTy,  editeur,  1869  und  1873,  fol.  96  pp. 
und  V  pH. 

In  seinen  von  Alfred  Holder  jftngst  herausgegebenen  Vorlesungen  über 
.(Deutsche  Mythologie''  (S.  237)  hat  der  (verstorbene)  Prof.  Adolf  Holtzmann 
den  Unterzeichneten  Eur  endlichen  Herausgabe  der  seit  langem  beabsichtigten  und 
vor  Jahren  bereits  angekündigten  Sammlung  aller  in  Inschriften,  Münzen,  Bild- 
werken, wie  bei  den  aljben  Autoren  überlieferten  Zeugnisse  zur  Mythologie  der 
nordenropäischen  Barbarenvölker  des  Alterthums  aufgefordert,  zumal  er  bei  der 
Unzulänglichkeit  der  beiden  verdienstvollen  Vorarbeiten  von  de  Wal,  der  mythologia 
septentrionalis  und  der  Schrifl  über  die  „Moedergodinnen,*'  gerade  bei  seinen 
deutsch -mythologischen  Studien  den  Mangel  umfassender  Vorarbeiten  schmerzlich 
empfinden  musste.  Holtzmann  ist  unter  den  Forschem  der  deutschen  Mythologie, 
unseres  Wissens,  der  erste,  welcher  die  Vorerwähnten  Zeugnisse  in  grösserem  Um- 
fange in  den  Bereich  seiner  Forschungen  zog  und  für  dieselben  zu  verwerthen  suchte, 
während  seine  Vorgänger,  abgesehen  von  einzelnen  älteren. unter  denselben,  von  J. 
Grimm  an,  sich  darauf  beschränkten  und  beschränken  mussten,  nur  vereinzelte  und 
ihnen  naheliegende  unter  jenen  Zeugnissen  zu  ihren  Forschungen  heranzuziehen  und 
so  weit  es  deren  dürfliger,  zusammenhangloser  und  zumeist  wenig  sicherer  Inhalt 
gestattete,  zu  vei^werthen.  Holtzmann  war,  bei  seiner  Behandlung  der  grossen 
Frage  über  Kelten  und  Germanen  auch  den  Forschungen  zugeführt  worden, 
welche,  nach  den  de  Wal'schen  Studien,  die  Kenntniss  ^der  monumentalen  Mytho^ 
logie  jener  Völker  weiter  zu  fordern  und  für  die  Zwecke  sowohl  der  Mythologie 
der  antiken  Völker  insbesondere,  als  der  comparativen  Mythologie  überhaupt 
auszubeuten  bezweckten.  Zu  diesen  Bemühungen  darf  der  Unterzeichnete  wohl 
auch  die  Folge  von  „Beiträgen  zur  römisch-keltischen  Mythologie*' 
rechnen,  welche  er  in  diesen  Jahrbüchern  niedergelegt  hat. 

Der  dem  Materiale  nach  beschränkte  Umfang  derselben  wird  wohl  noch 
auf  längere  Zeit  hin  derartigen  Arbeiten  auferlegt  bleiben  und  denselben  im 
günstigsten  Falle  nur  auf  den  Werth  von  „Beiträgen'*  zugestehen  lassen,  so 
lange  nicht  der  Abschluss  grösserer  Quellen  werke  eine  ausreichende  Znsammen - 
fassung    und     den    heutigen    Anforderungen    entsprechende    wissenschaftliche 


/* 


202  Charles  Robert: 

Bearbeitung  and  Darstellung  jener  nordischen  Mythologie  in  Angriff  zu  nehmen 
gestattet.  Zu  diesen  so  zu  sagen  vorarbeitenden  Quellenwerken  zur  Vermittelung 
des  unerlasslichen  Materials  gehört  vor  allem  das  in  so  erfreulichem  Fortgange 
begriffene  grosse  Corpus  inscriptionum  Latinarum. 

Ein  Blick  in  den  bezüglichen  Theil  der  Indices  der  bereits  erschienenen 
Bände  zeigt  zur  Genüge  eine  Fülle  kritisch  gesichteten  Materials,  mit  welcher 
sich  die  Ergiebigkeit  der  bis  jetzt  uns  zugänglichen  Quellen  in  keiner  Weise 
vergleichen  lässt.  Haben  nun  auch  die  inschrifllichen  Denkmäler  der  Donan- 
länder,  Britanniens  und  Spaniens  allein  schon  unsere  bezügliche  Kenntniss 
namhaft  und  in  ausgiebiger  Weise  gefördert,  so  kann  doch  vor  der  für  unsere 
Zwecke  ohne  Zweifel  wichtigsten,  aber  auch  schwierigsten,  weil  zugleich  umfang- 
reichsten Sammlung  der  Inschriften  des  alten  Gallien  an  einen  irgend  be- 
friedigenden Abschluss  einer  Zusammenstellung  der  i^umina  barbarorum  occiden- 
talium  nicht  gedacht  werden,  um  so  dankbarer  muss  gerade  zu  diesem  Theüc 
des  C.  I.  L.  jede  Vorarbeit,  jeder  Beitrag  begrüsst  werden,  der  sich  einen 
kleinern  geographischen  oder  mythologischen  Kreis  zum  Vorwurf  seiner  Special- 
forschung  gewählt  hat.  Hierher  gehören  unter  andern  de  Boissieu  Inseriptions 
de  Lyon,  hierher  auch  die  obenangestellt«  Epigraphie  de  la  Moselle  von 
Herrn  Charles  Robert. 

Indem  wir  der  Skizze  eines .  Berichts  über  seinen  reichen  Inhalt  einige 
Bemerkungen  einflechten,  halten  wir  uns  berechtigt,  unser  Urtheil  über  das 
Werk  dahin  zusammenfassen  zu  dürfen,  dass  es* eine  ebenso  kritisch  sorgfältige 
und  gelehrt  gründliche,  wie  in  Inhalt  und  Form  klare  and  geschmackvolle 
Arbeit  ist>  vrie  solches  E.  Hübner  in  diesen  Jahrbüchern  LHI.  LIV.  S.  163  bereits 
über  die  ihm  vorliegende  Hälfte  der  ersten  Abtheilung  ausgesprochen  hat.  Bei 
allseitiger  Ausnutzung  des  zugehörigen  Materials  verbindet  der  Verfkster  mit 
einer  umfassenden  Kenntniss  der  einschlägigen  Literatur  der  i^üheron  Bearbeitung 
eine  gleiche  Bekanntschaft  mit  den  bezüglichen  Leistungen  der  Neuzeit,  ins- 
besondere der  deutschen,  vornehmlich  aber  der  rheinischen  Insohriftenkunde,  und 
ist  dabei  in  der  glücklichen  Lage,  auch  die  eigene  lokal-vaterländische  Literatur 
von  Vereinsschriften  und  Monographien  zur  Verfügung  zu  haben  und  ausbeuten 
zu  können,  welche  uns  zumeist  ganz  unzugänglich  und  unerreichbar  bleiben. 

Nachdem  der  Veriasser  in  dem  „Vorworte'*  begründet  hat,  dass  er  bei 
dem  im  geschichtlichen  Verlaufe  wechselnden  Begriff  und  Umfang  der  alten 
civitas  Mediomatricorum  nicht  diese  letztere,  sondern,  wie  es  jetzt  ohnehin  su 
geschehen  pflegt,  die  moderne  Umgrenzung  des  Moseldepartement,  als  geogra- 
phisches Gebiet  seiner  Sammlung  der  römischen  oder  gallorömischen  Inschriften 
und  Denkmäler  angenommen  habe,  erörtert  er  in  Kürze  die  älteren  Quellschriften 
und  stellt  den  Plan  seinem  Werkes  dahin  fest,  dass  zuvörderst  die  GötterAenk- 
mäler,  sodann  die  dahin  gehörigen  Widmungen  ohne  ausdrückliche  Nennung 
einer  Gottheit  und  die  Grabdenksteine  behandelt  werden  sollen;  zuletzt  gedenkt 
er  verschiedene  Denkmäler  zu  stellen,  welche  sich  nicht  direkt  an  eine  der  drei 
vorerwähnten  Gruppen  ansohliessen  lassen.  Von  diesen  drei  Gruppen  sind,  so 
viel  wir  wissen,  bis  jetzt  nur  die  Götterdenkmäler  erschienen,   wenigstens 


Epigraphie  de  la  Moselle. 


208 


umfasBt  die  vorliegende  erste  Abtheilung  «nar  Denkmäler  dieser  Art,  welche 
männlichen  und  weiblichen,  römischen  und  gallischen  Gottheiten,  Qenien  und 
den   bekannten  Mnttergottheiten   gewidmet  sind.     Bei  der  von  dem  Verfasser 

T 

S.  3—6  nachgewiesenen  Unmöglichkeit  einer  geographisch-topographischen  oder 
anderweitigen  wissenschaftlichen  Anordnung  der  Inschriften  wurde  die  äusserliche 
Aneinanderreihung  der  Denkmäler  am  Faden  der  alphabetischen  Folge  einge- 
halten. Obwohl  hier  der  Platz  nicht  ist, 'mit  dem  Verfasser  über  eine  andere 
Anordnung  zu  rechten,  zumal  auch  letztere  für  die  Zwecke  der  vorliegenden 
Zusammenstellung  von  keiner  besonderen  Bedeutung  ist;  so  wäre  doch  die 
Erwägung  nicht  ganz  müssig  gewesen,  ob  doch  nicht  vielleicht  besser  mit  den 
acht  römischen  Göttern,  insbesondere  Juppiter,  anzufangen  gewesen  wäre,  welche, 
sicherlich  doch  bei  der  Alles  überwältigenden  M^ht  des  zur  Herrschaft  ge- 
langten Römerthums  die  einheimischen  Gottheiten  zunächst  und  für  längere 
Zeit  zurück  und  in  den  Hintergrund  gedrängt  haben.  Jedenfalls  aber  würde 
unseres  Er  achtens  der  Verfasser  gut  gethan  haben,  vor  allem  die,  theil  weise 
auch  ihm  als  entweder  entschieden  unäoht  (gefälscht)  oder  doch  sehr  ver- 
dächtig und  zweifelhaft  erscheinenden  Inschriften  auszuscheiden  und  wenn  auch 
nicht  ganz  wegzulassen,  doch  am  Schlüsse  unter  einer  besondem  Rubrik  zusammen- 
zustellen. Wir  rechnen  dahin  die  S.  12  aufgeführte  Association  von  Apollo, 
Sirona  und  den  verdächtigen  Nymphae  loci,  welche  auch  auf  der  ebenso  ver- 
dächtigen, oder  wie  £.  Hübner  Jahrb.  LDI.  LIV.  S.  164  f.  ausspricht,  von  Boissard 
gefälschten  der  Arete  Druis  vorkommen:  eine  Inschrift,  welche  S.  89  ff.  mehr 
Beachtung  erfahrt  als  sie  verdient.  Derselbe  Boissard  figuriert  auch  bei  den  ebenso 
verdächtigen  Inschriften  der  Juno  Magna  S.  41  ff.  und  der  Nr.  VII,  VllI,  IX 
S.  52 — 58;  alle  diese  Inschriften  sind  jetzt  angeblich  verschwunden,  d.  h.  sie 
haben  nie  existiert,  und  der  Verfasser  citiert  sie  ,«d'apres  les  anciens  auteurs." 
In  gleicher  Weise  wird  auch  die  Quelle  zu  den  Inschriften  S.  10  Nr.  IV,  S.  12 
(Castor  und  Pollnx)  und  S.  36  Nr.  11  angegeben;  unter  diesen  ist  die  zuletzt 
bezeichnete  ebenso  entschieden  acht  wie  die  ersterwähnte,  bei  welcher,  wie 
auch  der  Verfasser  S.  11  anmerkt,  die  Lesung  von  Dupre  de  Genest  am  cor- 
rektesten  erscheint  und  auf  einen  Dedikanten  Q.  Oensorinius  Dinus  hinweist, 
seines  Zeichens  wohl  ein  calcarius  oder  calciarius.  Die  Votive  des  Castor  und 
Pollux,  deren  Lesung  Muratori  allein  correkt  gibt,  legt  Zeagniss  ab  von  der 
Verballhornung  dortiger  Inschriften. 

Nach  diesen  allgemeinen  Bemerkungen  zu  dem  gesammten  Werke  erlaubt 
der  dieser  Anzeige  verstattete  Raum  nur  noch  einige  wenige  Bemerkungen  zu 
einzehien  Inschriften. 

S.  14  f.  wird  das  pl.  I.  Fig.  4  abgebildete  Steinreliefbild  aus  dem  Museum 
von  Metz,  welches  eine  reitende  Franengestalt  vorstellt,  für  eine  Epona  erklärt 
und  domgemäss  die  ganz  fragmentarische  Inschrift  willkührlich  ergänzt.  Es  ist 
diese  reitende  Frauengestalt  aber  keine  Epona,  sondern  eine  reitende  Ma- 
trone, wie  in  diesen  Jahrb.  XXVI  S.  91 — 108  unter  Naohweisung  von  8  solcher 
Steinreliefbilder  gezeigt  worden  ist.  Zu  diesen  8  sind  inzwischen  3  weitere  und 
als  Nr.  12  das  bei  Lindenschmit  in  den  Alterthümern  unserer  heidniBohen  Vorzeit 


204  Charles  Robert: 

n,  1  Taf.  6  abgebildetei  aus  Worms  gekommen  und  endlioh  als  13.  unser  im 
Jahr  1867  zu  Mete  gefundenes,  offenbar  durch  seine  Insohrift  das  wichtigste 
von  allen,  leider  aber  hinwieder  bei  der  Verstümmelung  dieser  Inschrift  ohne 
Werth  für  die  Entscheidung  der  Hauptfrage,  ob  diese  Darstellung  einer  reiten- 
den Matrone  oder  auch  einer  anderweitigen  verwandten  Gottheit,  wie  Linden- 
sohmit  a.  a.  0.  meint,  mit  einem  besondem  mythologischen  Namen  beseichDet 
war  oder  nicht  Dass  Epona  gans  anders  als  jugendliche  Gestalt  swischen 
mehreren  (wenigstens  swei  Pferden)  dargestellt  wurde,  wie  in  den  Jahrb.  a. 
a.  0.  S.  100  gezeigt  wird,  beurkundet  auch  hier  die  pl.  1,  Fig.  5,  6  und  7.  ab- 
gebildete Yotivara  der  Epona  und  des  Genius  der  Lenker  von  dem  Beneficiarier 
der  22.  Legion,  Tiberius  Justinius  Titianns,  aus  dem  Ende  des  2.  oder 
Anfange  des  S.Jahrhunderts,  welche  S.  15  ff.  behandelt  und  durch  die  Parallel- 
votive  desselben  Mannes  aus  Mainz  (Brambach  999)  trefflich  eri&utert  wird. 

Wie  S.  27  die  Yotive  an  Hercules,  so  ist  S.  81  ff  die  an  Juppiter  höchst 
bem^rkenswerth  durch  die  zahlreichen  gallo -römischen  Namen  der  Dedikanien, 
von  denen  unter  andern  insbesondere  der  des  CINTVSMYS  dem  Verfasser 
S.  85  A.  2  Veranlassung  zu  einer  Reihe  von  Einzelnachweisungen  desselben  gibt, 
auf  die  wir  anderwärts  zu  weiterer  Beurkundung  dieses  Namens  zurückkommen 
werden. 

S.  48—50  wird  eingehend  die  pl.  V.  Fig.  1  abgebildete  Votive  DIS- 
MAUABVS  der  Bewohner  des  vicus  Pacis  im  römischen  Metz  besprochen.  Der 
Verfasser  constatiert  MAUABVS  als  unbezweifelbare  Lesung,  macht  jedoch 
auf  den  zu  einem  R  mehr  als  ausreichenden  Raum  hinter  dem  zweiten  I  auf- 
merksam, erinnert  an  die  Fälle,  dass  die  rothangemalten  Buchstaben  mit  dem 
Meissel  auszuführen  vergessen,  sowie  dass  T  öfter  bloss  durch  ein  I  wieder- 
gegeben worden  sei  und  schÜesst  sich  mit  vollem  Rechte  der  Emendaüon 
Cnpers  und  Spons  in  MATRABVS  an. 

S.  65—88  begreift  unter  der  Ueberschrift:  „MercuriusetRosmerta*'  die 
lehr-  und  inhaltreichste  wie  am  meisten  ausgearbeitete  Partie  der  ganzen  Schrift 
und  behandelt  in  mustergültiger  Ausführung  eine  jener  zahlreichen  gallo- 
römischen  Synedrien,  welche  einen  so  bedeutsamen  Einblick  in  einen  Theil  des 
klassisch-barbarischen  Gulturkampfes  von  mythologischer  Seite  eröffnen.  Wiewohl 
der  Unterzeichnete  bereits  vor  Jahren  unter  erstmaliger  Zusammenstellung  des 
damals  erreichbaren  Gesammtmaterials  an  inschriftlichen  und  inschriftlosen 
Denkm&lem  dieser  Synedrie  die  Frage  über  die  Bedeutung  derselben,  insbesondere 
über  die  auf  diesen  Denkmälern  nur  mit  Mercurius  zusammen  (niemals  allein) 
vorkommende  Dea  Rosmerta  einem  gewissen  Abschlüsse  zuzufahren  versuchte,  so 
war  nunmehr  doch  erst  der  Verfasser  in  den  Stand  gesetzt,  diesen  Abschluss 
sicherlich  für  lange  hin  vollständig  herzustellen. 

Ausgehend  von  einer  vollständigen  Zusammenstellung  der  ihm  auch  aus 
uns  zumeist  unerreichbaren  Quellen  zugänglichen  15  inschriftlichen  Hauptdenk- 
mäler der  Synedrie  des  Mercnrius  und  der  Rosmerta  auf  S.  65 — 71,  welchen 
jetzt  auch  als  16.  das  bei  Alzei  in  Rheinhessen  aufgefundene  (Jhrb.  LIII.  LIV. 
8.  296)  beigefügt  werden  kann,  so  wie  eines  Bruchstückes    S.  71  A.  5,  die  er 


Epigraphie  de  la  Moselle.  205 

dabei  mit  Recht  von  andern  f&lschlich   hierherbezogenen  scheidet,  weist  er  die 
Ufer  des  Mittelrheines,    vom  Neckar  b'3   aber   die   Mosel  hin,  wie  es  bereits 
Jhrb.  XXIX.  XXX  S.  181  geschehen  ist,   insbesondere  das  alte  Land  der  Tre- 
verer,  Mediomatriker,    Lenker  nnd  Lingonen,   als   bezügliches   Cultgebiet  nach 
(S.  72),  hebt  mit  Recht  als  Fandorte  die  Säume  von  Strassen  und  Flüssen,  ins- 
besondere  an   den  beiden  Haaptadern    des    rheinischen  Germaniens   and  von 
Belgica  Prima,   Rhein  and  Mosel,   hervor   (S.  72)   und  weist   als  Stifter  dieser 
bezüglichen  Votivalt&re,   vomehmlieh    (S.   73)   Kaufleute,   Ackerbauer,    Armee- 
lieferanten and  andere  kleine  Gesohfiftsleate,  zumeist  gallischen,  bisweilen  auch 
acht  römischen  Namens  nach,  so  dass  der  Cult  dieser  Gottheiten,  besonders  von 
alten  Provinzialen,    mitunter  von  romanisierten  Beigem    oder   nach  Gkdlien  ge- 
kommenen Römern    gepflegt   erscheint   (S.  87  f.).    Dann  zu   den  mit  Mercurius 
in  einer  Widmung  vereinigten  Göttinnen  sich  wendend,  erörtert  Robert  zuvörderst 
die  Votivinschrirten  (vgL  S.  74  A.)  des  Gottes  und  seiner  Matter  Maia,  sodann 
die  inschriftlichen  und  zugleich  plastischen  Denkm&ler  des  Mercurius  und  der 
Rosmerta;  es  sind  deren  drei,  von  denen  eines  aus  älteren  Abbildungen  bekannt 
ist;  das  zweite  kaum  noch  Reste  der  unteren  Extremitäten  übrig  hat;  das  dritte 
eigentlich   bei  der  fast   gänzlichen  Zerstörung  seiner  Inschri^  eine  sichere  Bo- 
ziehong  auf  Rosmerta  eigentlich  gar  nicht  zulässt.   Die  übrigen  plastischen  Denk- 
mäler einer  Synedrie  des  Mercurius  mit  einer  weiblichen  Gottheit  im  östlichen 
Gallien  unterscheidet  der  Verfasser  sodann  einestheils  nach  dem  Attribute  des 
Füllhorns  und  zählt  deren  (S.  76  f.)   sieben  auf,   andemtheils  nach  dem  des 
Mercurstabes,  caduceus,  deren  Anzahl  sich  auf  sechs  beziffert.  Dabei  hält  diese 
göttliche  Begleiterin  Öfter  neben  dem  Stabe  noch  eine  umfangreiche  Börse,  oder 
nimmt  oder  empfängt  aus  den  Händen  Mercurs  den  Inhalt  einer  solchen,  theilweise 
in  einer  Schale.    Beide  Typen  bezieht  Robert  auf  Rosmerta,  und  weist  mit  Recht 
gegen  die  von  dem  Unterzeichneten  vormals  ausgesprochene  Deutung  der  fÜUhom- 
tragenden  Gottheit  als  Fortuna  einerseits  auf  den  Charakter  der  Dedikanten 
der  Fortunaaltäre  (meistens  Soldaten),   andererseits  auf  das  Fehlen  des  Haupt- 
attributes  der  Glücksgöttin,   des  Steuerruders,   hin   (S.  79  f.).    Indem  nun  der 
Verfasser  die  vorgenannten  Attribute  des  Füllhorns  und  des  cadnoens  als  blos 
sekundäre  und  nur  allgemeine  Symbole  des  Glückes   und   Wohlstandes   nimmt,  * 
dagegen  aber  die  Göttin  mit  der  Börse  (S.  82  ff.)  aus  den  älteren  mythologischen 
Anschauungen  als   die  Personifikation   der  Erdenmutter  nachweist,  gelangt 
>er  schliesslich  zu  der  Erklärung  der  dieser  Synedrie  zu  Grande  liegenden  Vor- 
stellung, dass  Rosmerta  schon  vor   der  römischen  Occupation  des  Landes  die 
Gefährtin  derjenigen  machtigen  einheimischen  Gottheit  war,  welche   die  Sieger 
mit  ihrem  Mercurius  identifizirten,  sowie   dass  sie  an  die  Stelle  der  in  Italien 
und  Griechenland  ihrem  Sohne  Mercurius  gewöhnlich  beigeordneten  Maia  getreten 
sei,  wonach  diese  beiden  Göttinnen  hier  neben  einander  und  mit  gleichen  Attri- 
buten ausgestattet  vorkommen,  allmählich  aber  Rosmerta  von  den  Provinzialen 
als   ihre  einheimische  Gottheit  vorgezogen   erscheint  und  auch  unter  der  Herr- 
schaft des  Römerthums  ihre  alte  Geltung  behauptete.    So  übertrug  sich  die  alte 
Mythe  von  Hermes  als   chthonischer  Gottheit  weiter,   welche  nicht   allein  die 


306  Charles  Robert:  Epigraphie  de  la  Mosellc. 

Materie  beherrscht  and  durchdringt,  die  Erde  befruchtet  und  ihr  Beichthümer 
entlockt,  sondern  auch  das  Leben  der  Seele  erzeugt  und  erhalt,  und  Mercurius 
und  Rosmerta  wurden  auch  in  den  gesegneten  Landstrichen,  welche  als  ihr  Cult- 
gebiet  erwiesen  sind,  daher  zumeist  von  denjenigen  verehrt,  die  mit  dem  Ver- 
triebe der  mannigfachen  Erzeugnisse  zu  schaffen  hatten,  womit  der  machtige 
Gott  die  Erde  dort  bereichert  hatte. 

Es  kann  nicht  bezweifelt  werden,  dass  die  Entrollung  dieses  Einzelbildes 
aus  dem  grossen  Culturkampfe,  welchen  das  siegreiche  Römerthum  allüberall 
auch  mit  den  Glaubensanschauungen  der  unterworfenen  Völker  zu  bestehen 
hatte,  ein  vortrefflicher  Beitrag  zur  gallo-römischen  Mythologie  im  besondem 
ist,  dessen  Resultate  sich  wie  einerseits  auf  der  eingehenden  und  kritischen 
Ausnutzung  des  (man  kann  wohl  sagen)  vollständigen  Materials,  so  andererseits 
auf  dem  tieferen  Grunde  mythologischer  Forschung  aufbauen.  Der  Verfasser 
hat  durch  diese  seine  überzeugende  Darlegung  Wesen,  Bedeutung  und  Gült  der 
Rosmerta,  als  der  wohl  lokalen  Hauptgottheit  des  Mosellandes,  so  aufgehellt,  dass 
es  vorerst  weiterer  Versuche,  auch  Sinn  und  Bedeutung  ihres  Namens  aafsu- 
hellen  nach  den  bisherigen  verunglückten  Bemühungen  nicht  bedarf  (vgL  S.  87 
und  dazu  nun  auch  Holtzmaim  a.  a.  0.  S.  137  A.  1).  Die  versuchten  Ableitungen 
und  Deutungen  altk^ltischer  Wortformen  aus  den  neukeltischen  Dialekten  haben 
unseres  Erachtens  bei  dem  Namen  der  Rosmerta,  wie  bei  anderen  altkeltischen 
aber  romanisierten  Eigennamen,  bis  jetzt  wenigstens  zu  irgend  überzeugenden 
Resultaten  nicht  gelangen  lassen. 

Zum  Schlüsse  seiner  erläuternden  Zusammenstellung  der  Götterdenkmäler 
des  Mosellandes  behandelt  der  Verfasser  S.  92  ff.  eine  andere  (zumeist  in 
Synedrie  mit  Apollo)  auf  einer  Affzahl  von  Votivinschriiten  aus  weit  entlegenen 
Fundstätten  vorkommende  Göttin  8IR0NA.  Das  hier  in  Betracht  kommende, 
S.  93  in  guter  Abbildung  wiedergegebene  Denkmal  derselben  aus  Saint-Avold 
ist  leider  mit  der  Bibliothek  von  Strasburg  untergegangen.  Es  war  zwar  klein, 
ist  aber  sowohl  durch  das  Eopfbild  der  Göttin  mit  eigenthümlicher,  an  die  wulst- 
artige Kopfbedeckung  der  Muttergottheiten  (matronae)  erinnernden  Frisur 
interessant,  als  durch  die  Nebenform  des  Namens  BIRONA  (mit  gestrichenem  B) 
bemerkenswerth.  Zu  der  S.  95  zur  Erläuterung  dieses  Schriflzeichens  ange- 
führten Literatur  mag  noch  auf  Kuhn  und  Schleicher,  Sprachvergleichende 
Beitrage  III,  2  S.  207—210  und  IV,  2  S.  163  ff.  verwiesen  werden. 

Frankfurt  a.  M.  J.  Becker. 


Geschichte  der  deutschen  Baukunst  von  der  Bömerzeit  bis  zur  Gegenwart 
von  Heinrich  Otte.  Mit  über  300  Hobsschnitten  und  mehreren  Tafeln. 
YTII  und  752  S.    Leipzig,  T.  0.  Weigel,   1874.    6  Thlr. 

Von  dem  in  der  Ueberschrift  genannten  Werke  des  durch  seine  zahlreichen 
kunstwissenschaftlichen  und  archäologischen  Schriften  in  den  weitesten  Kreisen 
als  Autorität  anerkannten  Pfarrers  Otte  in  Fröhde  bei  Jüterbog,  liegt  nun- 
mehr nach  wiedejholten  Unterbrechungen  der  erste  Band  vollendet  vor,  und 
der  bescheidene  Wunsch  des  Verfassers,  keine  Ruinen  zurückzulassen,  wäre 
somit  erfüllt.  Hoffen  wir,  dass  es  ihm  vergönnt  sei,  diesem  „ersten  Stock- 
werke des  auf  drei  Etagen  veranschlagten  Gebäudes'',  welches  die  Geschichte 
der  romanischen  Baukunst  uns  bietet,  auch  noch  die  beiden  anderen 
Stockwerke  folgen  zu  lassen,  und  namentlich  die  überaus  wichtige  Geschichte 
der  Gothikin  der  gleichen  meisterhaften  Weise  zu  vollenden.  An  dankbarem 
Publikum  wird  es  ihm  hier  gewiss  ebenso  wenig  fehlen,  wie  bei  seinem  vor- 
trefflichen „Handbuch  der  kirchlichen  Kunstarchäologie  des 
deutschen  Mittelalters*' '(Leipzig,  Weigel  1868),  das  in  rascher  Folge  vier 
Auflagen  erlebte  und  durch  welches  Pfarrer  Otte  die  ganze  jüngere  Generation 
der  Archäologen  vom  Fach  zu  seinen  lernbegierigen  Schülern  zählt. 

Wie  alle  archäologischen  Werke  Otte's  ohne  Ausnahme,  so  zeichnet  sich 
auch  die  hier  zur  Besprechung  gelangende  Geschichte  der  römischen 
Baukunst  durch  gewissenhafteste  Akribie  in  Benutzung  des  vorhandenen 
literarischen  und  artistischen  Materials  aus.  Der  Verfasser  hat  aber  ausserdem, 
wie  dem  Sachkundigen  beim  Studium  des  Werkes  sofort  klar  wird,  keine  Mühe 
gescheut,  um  durch  Autopsie  und  Einsammlung  zuverlässiger  Nachrichten  von 
Seiten  Solcher,  die  mit  den  ihm  unzugänglichen  Baudenkmalen  näher  bekannt 
waren,  g^össtmögliche  Vollständigkeit  und  ein  kritisch  genaues  Urtheil  zu  er- 
reichen. Dadurch  ist  es  ihm  gelungen,  deutschem  Forscherfleisse  ein  ehren- 
volles Denkmal  zu  errichten,  welches  mit  inhaltlich  ähnlichen  Werken  anderer 
Nationen  kühn  den  Vergleich  aushält,  weil  es  fem  von  selbstgefälliger,  weit- 
schweifiger Breite  mit  wünschenswerther  Ausführlichkeit  das  ungemein  weite 
Gebiet  beherrscht,  und  mit  seltenem  Glücke  die  gefahrliche  Klippe  des  „zu 
Wenig*'  und  „zu  Viel*'  umschifit. 

Man  erwarte   nun  aber  nicht  von  uns,  dass  wir  uns   hier   zu  einer  die 


a06  Heinrioh  Otte: 

Einzelheiten  des  Werkes  benergelnden  Kritik  versteigen  ;  eine  solohe  würde,  selbst 
wenn  sie,  was  wir  im  Grossen  und  Gkinzen  bestreiten,  ancb  nur  berechtigt  er- 
scheinen wollte,  anbedingt  Yon  einer  fachgenössischen  Autorität^  etwa;Fmi 
Sehn  aase,  Lotz,  v.  Quast  oder  Lübke,  um  von  unserem  vielbeschäftigten 
Vereins -Yice- Präsidenten  Professor  au8*mWeerth  zu  schweigen,  ausgehen 
müssen.  Wir  beschränken  uns  vielmehr  bescheidentlich  auf  ein  möglichst  treues 
Referat  über  das  in  dem  Werke  Gebotene,  und  sind  zufrieden,  wenn  wir  durch 
dasselbe  recht  viele  Mitglieder  des  Vereines  Teranlassen,  durch  eigenes  Studium 
des  vortrefflichen  Buches  die  Richtigkeit  unseres  Gesammturtheils  zu  bestätigen. 
Dass  wir  daneben  doch  zuweilen  die  eine  oder  andere  den  Baudenkmalen  ge- 
widmete Besprechung  des  Verfassers  berichtigen  oder  ergänzen,  bedarf  um  so 
weniger  einer  Rechtfertigung,  als  es  ja,  wie  wir  bereits  hervorgehoben,  dem- 
selben bei  dem  ungeheuren  umfange  des  bearbeiteten  Feldes  unmöglich  war, 
überall  aus  eigener  Anschauung  zu  sprechen. 

Mit  Recht  wird  in  der  Einleitung  in  gedrängtester  Kürze  und  nur  in 
den  Hauptzügen  zunächst  die  Baukunst  der  Römer  abgehandelt.  Dieselben 
haben  ja,  seitdem  sie  sich  unter  Julius  Cäsar  an  den  üfem  des  Rheines  und 
der  Donau  festgesetzt,  fortwährend  bis  zum  Sturze  ihrer  Weltherrschaft  auf 
deutschem  Boden  eine  ungeheure  Bauthätigkeit  entwickelt,  und  die  zahllosen 
Spuren  ihres  emsigen  Schaffens,  welche  noch  fortwährend  aus  demSchoosse  der 
Erde  ans  Tageslicht  gezogen  werden  ^),  dürften  zur  (Genüge  darthun,  daes  die 
römische  Baukunst  die  Grundlage  büdote,  auf  welcher  die  Baukunst  des 
deutschen  Mittelalters  in  reichster  Mannig&ltigkeit  sich  erhob.  Sehr 
instructiv  und  allgemein  verständlich  bespricht  Hr.  Otte  die  eigenthümliche 
Behandlung  des  Materials  und  die  Bautechnik  der  Römer,  welche  natnrgemäse 
am  deutlichsten  an  den  über  das  ganze  occupirte  deutsche  Land  sich  erstrecken- 
den Befestigungsbauten,  den  Castra,  Gastella,  turrel  und  burg^i,  noch  erkennbar 
sind.  Doch  auch  die  Wohnplätze  der  civilen  Ansiedler  finden  neben  den  Stand-, 
lagern  der  Soldaten  gebührende  Berücksichtigung,  und  erhalten  vnr  ein  lebens- 
volles Bild  römischer  Städteanlagen  mit  ihren  Befestigungen,  Wohnhäusern  und 
Prachtbauten.  Ganz  dem  Standpunkte  der  modernen  Kunstfbrschung  entspricht 
der  S.  33  f.  geführte  Nachweis,  dass  die  in  den  Romerzeiten  entstandenen 
christlichen  Basiliken  diesen  Namen  und  ihre  äussere  Gestalt  nur  indirect 
den  forensischen  Gerichtsbasiliken  entlehnten,  während  beides,  Name  und  Bau- 
form, direot  auf  die  Privatbasiliken  angesehener  Christen  zurückzuführen  sei, 
in  deren  Wohnungen  die  Christen  in  den  ersten  Jahrhunderten  ihre  gottes- 
dienstlichen  Versammlungen  abzuhalten  gezwungen  waren. 

Nach  dieser  Einleitung  geht  der  Verfasser  an  seine  eigentliche  Aufgabe, 
und  schildert  die  geschichtliche  Entwicklung  der  deutschen  Baukunst.    Er 


^)  Wir  verweisen  nur  auf  das  beim  letzten  Winckelsmannsfeste  von  Herrn 
Professor  aus'm  Weerth  mitgetheilte  Resultat  seiner  Ausgrabungen  zu  Beda 
(Bitburg),  Fliessem  und  Belg^ca,  vorgl.  den  Berieht  in  der  Köln.  Zeit.  31.  Dec.  1874. 


G«eohiohte  der  deatsohen  Baukunst  209 

theilt  diese  Sohilderang  in  drei  AbBchnitte,  deren  eraterer  die  Baukunst  der 
Germanen  von  der  Bömerzeit  bis  zum  ächlasse  des  10.  Jahrhunderts  behandelt, 
w&hrend  der  sweite  der  Baukunst  des  11.  und  endlich  der  dritte  jener  des  12. 
und  18.  Jahrhunderts  gewidmet  ist. 

Der  erste  Abschnitt  ist  naturgemäss  der  kürzeste;  denn  an  eine 
eigentliche  Baukunst  ist  bei  den  alten  Germanen  nicht  zu  denken:  sie  waren 
geschworene  Feinde  planmässig  angelegter  Ortschaften,  sie  bauten  ihre  kunst- 
lose Hütte,  wo  gerade  der  Zu&U  sie  hinfahrte,  und  die  Religion,  an  welche 
sonst  „aller  Kunst  Anfang'*  sich  zu  knüpfen  pflegt,  heischte  mit  ihren  im  Freien 
wohnenden  Naturgöttem  keine  ausgedehnten  Prachtbauten  zu  gottesdienstlichen 
Zwecken.  Ueberhaupt  war.  ihnen  der  Steinban  fremd  und  nur  den  Holz- 
bau cultivirten  sie,  nur  für  ihn  hatten  ßie  urdeutsche  Bezeichnungen.  Erst  mit 
dem  6.  Jahrhundert  beginnt  eine  eigentliche  Bauthätigkeit,  über  welche  jedoch 
die  Quellen  äusserst  sp&rtich  und  nicht  immer  kritisch  zuverlässig  fliessen.  Im 
«7.  Jahrhundert  nahm  diese  Thätigkeit  durch  die  Stiftung  von  Kirchen  und 
Klöstern  namentlich  im  frankischen  Germanien  schon  bedeutend  zu.  Aber  auch 
hier  dürfen  wir  an  eine  eigentliche  Baukunst  noch  nicht  denken  und  der 
Holzbau  wird  wohl,  wenige  Ausnahmen  abgerechnet,  die  ausschliessliche 
Regel  gebildet  haben.  Das  Gleiche  gilt  auch  noch  von  den  zahlreicheren 
Kirchen-  und  Klosterbauten  des  8.  Jahrhunderts,  bei  welchen  auf  dem  durch 
die  angelsächsischen  Mönche  erweiterten  Missionsfelde  nur  in  wenigen  verein- 
zelten Fällen  der  Br^chsteinban  zur  Anwendung  kam.  Einer  ausführlichen 
Besprechung  der  grossartigen  Prachtbauten,  welche  der  Heldengeist  KarPs  des 
Grossen  auf  deutschem  Boden  schuf  und  von  welchen  allein  das  Aachener 
Münster,  im  Ganzen  glücklich  erhalten,  auf  uns  gekommen  ist,  schickt  der  Ver- 
fasser den  Nachweis  voraus,  dass  wir  es  hier  nicht  mit  einer  Frucht  nationaler 
Kunstentfaltung  zu  thun  haben,  dass  vielmehr  der  gewaltige  Geist  KarPs  des 
Grossen  Mittel  fand,  die  christlich-römische  und  ravennatische  Kunst  aus  Italien 
nochmals  auf  deutschen  Boden  zu  verpflanzen. 

unter  den  Bauten  des  9.  und  10.  Jahrhunderts  wird  neben  den  Klostergrün- 
düngen  zu  Fulda,  Corvey,  Lorsch  und  an  anderen  Orten  namentlich  diejenige  zu 
St.  Gallen  an  der  Hand  eines  sehr  interessanten,  auf  vier  zusammengenähten 
Pergamenthäuten  noch  jetzt  erhaltenen  Planes  ausführlich  besprochen,  und  dann 
eine  sehr  eingehende  Schilderung  der  Bauthätigkeit  unter  den  Ottonen  ange- 
gereiht, wobei  die  jetzt  schon  reichlicher  und  grossartiger  erscheinenden  Pro- 
fanbauten, namentlich  aber  die  Klöster  und  Kirchen  am  Rhein  eine  ausgiebige 
Berücksichtigung  finden:  Zur  Ehrenrettung  des  vielfach  verrufenen  10.  Jahr- 
hunderts hebt  Otte  den  veredelnden  Einfluss  hervor,  welcher  auf  allen  Gebieten 
der  Kunst  und  Wissenschaft  von  den  Klosterschulen  ausgieng,  und  durch 
die  Vermählung  Otto's  II.  mit  der  griechischen  Prinzessin  Theophanu  neue 
Nahrung  empfing.  Er  weist  endlich  mit  Recht  die  Ansicht  zurück,  nach  welcher 
die  deutsche  Baukunst  jener* Zeit  unter  byzantinischem  Einfluss  gestanden 
haben  soll;  ein  solcher  Einfluss  lasse  sich  eben  nirgends  nachweisen  und  sei 
auch  um  so  unwahrscheinlicher,  >als  die  ganze  Baukunst  des  Abendlandes  durch 

14 


210  Heinriob  Otte: 

den  regen  Weohselverkehr  mit  Italien  dort  die  m&ehtigtten  Impulse  Ar  ilire 
Regsamkeit  und  die  grossartige  Entwiokelang  des  nationalen  Stiles  gefunden  habe. 

Mit  dem  XL  Jahrhundert  beginnt  der  Yerf.  den  2.  Abschnitt,  and  der 
Aufschwung,  welchen  von  diesem  Zeitpunkte  ab  die  romanische  Baukunst  auf 
deutschem  Boden  genommen,  nöthigt  ihn,  in  diesem  und  dem  3.  Abschnitte  eine 
andere  Textesgliederüng,  als  bei  dem  1.  Abschnitt  einzuschlagen.  Er  behandelt 
n&mlich  in  beiden  den  Eirohenbau  und  dic^  Profanbanten  in  gesonderten  Ab- 
theilungen, eine  Disposition,  von  welcher  er  jedoch  im  3.  Abschnitte  in  Betreff  der 
klösterlichen  Architectur  insofern  Umgang  nimmt,  als  er  diese  nicht  bei  den 
Profisnbauten  gesondert,  vielmehr  nur  in  enger  Verbindung  mit  den  zugehörigen 
Stifts-  und  Klosterkirchen  in  Betracht  zieht,  mit  welchen  sie  ja  auch  örtlich 
und  stilistisch  aufs  Engste  verbunden  sind. 

Sehr  weit  verbreitet  ist  die  urkundlich  zuerst  von  dem  Gluniaoensermönch 
Rudolph  dem  Kahlen  vertretene  Ansicht,  dass  der  colossale  Aufschwung,  den 
die  mittelalterliche  Baukunst  im  11.  Jahrhundert  genommen,  aus  der  glücklichen 
Ueberwindung  des  ehiliastischen  Furcht  vor  dem  nahen  Weltende  zu  erklären  seL 
Dem  tritt  Pfarrer  Otte  mit  Nachdruck  entgegen,  indem- er  das  allgemeine  Vor- 
handensein dieser  Furcht  für  Deutschland  bestreitet  und  als  besten  Beweis  für's 
Oegentheil  daran  erinnert,  dass  ja  eine  ganze  Reihe  grossartiger  Bauunter- 
nehmnngen,  z.  B.  der  Neubau  des  Domes  in  Mainz  durch  Willigis,  in  dem  letiten 
Viertel  des  10.  Jahrb.  begonnen  und  erst  im  11.  Jahrh.  zu  Ende  geführt  wurden. 
Als  massgebenden  und  wie  uns  scheint  viel  wichtigeren  Erkl&rungsgrund  für  den 
regen  Baugeist  des  11.  Jahrb.,  der  zunächst  an  den  Hauptsitsen  kaiserlicher 
und  bischöflicher  Macht  zu  Tage  trat,  macht  der  Verf.'  did  glanzvolle  Stellung 
des  deutschen  Reiches  in  Verbindung  mit  dem  durch  die  Römerzüge  erweiterten 
(Gesichtskreise,  dem  gesteigerten  Gefühl  gesicherten  Besitzes  und  dem  aus  allen 
diesen  Factoren  erzeugten  grösseren  Luxus  geltend.  Und  gerade  das  letztere 
Moment,  der  Luxus,  welcher  durch  die  aus  den  besiegten  Ländern  fliessenden 
Schätze  so  bedeutend  gesteigert  wurde,  dürfte  noch  am  Meisten  zur  Belebung 
der  Baukunst  beigetragen  haben.  Nicht  bloss  in  den  Bischofsstädten,  selbst 
auf  dem  flachen  Lande  genügte  der  bisherige  Bedürfnissbau  nicht  mehr, 
man  brach  die  alten  bescheidenen  Bauten  ab  und  ersetzte  sie  durch  monumen- 
tale Werke  der  Kunst.  Weitaus  die  meisten  unserer  berühmten  romanisohen 
Kirchen  jener  Epoche  sind  auf  diese  Weise  entstanden.  Und  wenn  auch  wieder 
eine  spätere  Zeit  an  ihnen  herummodelte  und  sich  ebenfalls  mit  dem  Ueber- 
kommenen  nicht  begnügte,  so  sind  doch  noch  ausreichende  Theile  solcher  KLrohen 
dieses  frühromanischen  Stils  erhalten,  um  mittelst  derselben  genaue  Auf- 
schlüsse über  die  Technik  jener  Epoche  geben  zu  können. 

Die  characteristischen  Eigenthümlichkeiton  des  frühromanischen  Stiles,  die 
Behandlung  der  Basilikenbauten  mit  scharfer  Ausprägung  der  Kreuzform,  die 
Gewölbeconstruction,  die  organische  Verbindung  der  Kirchen  mit  den  Thurm- 
bauten,  die  Anlage  der  Thüren,  Fenster  und  Dächer,  die  Technik  der  Säulen 
und  namentlich  der  Oapitäle  —  dies  Alles  wird  vom  Verf.  mit  Bestimmtheit 
festgestellt,   ehe  er  an  die  Beschreibung  der  einzelnen  Baudenkmale  jener  Zeit 


GeBohiohie  der  deatoohen  Baakiinit  211 

henmtritt.  Bei  dieser  leisteren  legt  er  sehr  pMsend  die  ahe  Diöoeaaneiniheilong 
za  Onmde  und  f&hrt  ans  die  Bauten  nach  Sprengein  geordnet  vor,  beginnend  mit 
Hildesheim,  wo  der  auf  dicT  Eunstübung  der  damaligen  Zeit  so  überaus  ein* 
flussreicbe  Be^nward  im  Jahre  993  den  Bisohofsstuhl  bestiegen,  und  Sohuien 
fär  die  yersftiedenen  Zweige  der  bildenden  Künste  errichtet  hatte. 

Es  wwde  zu  weit  f&hren,  woUten  wir  dem  Verf.  in  unserer  Besprechung 
auch  hier  folgen;  es  genüge  die  Versicherung,  dass  bei  den  vielen  uns  per- 
sönlich näher  bekannten  Kirchen  die  gebrachten  Daten  au£i  Genaueete  zutreffen, 
so  dass  wir  von  diesen  auch  auf  die  Genauigkeit  des  übrigen,  sehr  lehrreich 
und  ansprechend  gruppirten  Inhaltes  dieses  Abschnittes  schliessen  dürfen.  Nur 
ein  einziger  Zusatz  sei  uns  vergönnt.  S.  228  wird  die  an  den  Ostchor  der 
etwas  jüngeren  Abteikirche  zu  Neuweiler  im  Elsass  anstossende  Doppdcapelle 
des  h.  Sebastianus  erw&hnt  und  dabei  bemerkt,  dass  das  obere  Stockwerk  niedrige 
Seitenschiffe  und  Üache  Decken  habe.  In  Wirklichkeit  hat  aber  die  Oberkirohe, 
gerade  so  wie  die  100  Jahre  jüngere  Klosterkirche  zu  Schwarzaoh,  einen  sicht- 
baren Dachstuhl.  Als  weitere  Eigenthümlichkeit  sei,  neben  den  höchst  einfachen 
Würfelcapitftlen  der  Unterkirche  auf  die  reich  omamentirten  Kapitale  der  Ober- 
kirche und  auch  darauf  hingewiesen,  dass  jedes  Schiff  der  Ober-  und  ünter- 
kirehe  eine  vorgelegte  runde  Gonoha  mit  nur  je  einem  Fenster  zeigt 

Den  Profanbauten  des  11.  Jahrb.,  soweit  sie  noch  erhalten  oder  doch 
urkundlich  bezeugt  sind,  wird  sodann  im  Zusammenhange  ihre  kunstgeschicht- 
liche Würdigung.  Obgleich  nun  aber  im  11.  Jahrb.  die  Zahl  der  Städte  sich 
mftchtig  mehrte  und  manche  derselben  der  Gunst  der  Kaiser  ein  rasches  Empor- 
blühen verdankten,  so  ist  uns  doch  das  Meiste  durch  die  Ungunst  sp&terer  Zeit 
wieder  verloren  gegangen.  Von  den  interessanten  St&dteanlagen  wird  auf  €k*und 
eines  aus  jener  Zeit  herrührenden  Planes  namentlich  Wien  eingehend  besprochen» 
welches  nach  altromischer  Weise  viereckige  Plätze  und  gerade  Strassen  zeigt» 
während  die  Städte  slavisohen  Ursprungs,  z.  B.  Moskau,  Erfurt,  Nürnberg, 
kreisförmige  Plätze  und  kreisförmige  Strassenzüge  zeigen.  Städtische  Wohn- 
häuser und  städtische  Befestigungen  sind  nur  in  sehr  spärlichei^  Besten  auf  uns 
gekommen,  dagegen  bieten  die,  wenigstens  in  bedeutenden  Ruinen  noch  er- 
haltenen Burgen,  die  Wasser-,  Ufer-Burgen  und  Bergvesten  ergiebige  Anhaita- 
punkte zur  Feststellung  der  bei  ihrer  Anlage  beobachteten  Technik. 

Der  dritte  Abschnitt  beschäftigt  sich  mit  der  eigentlichen  Blüthe- 
zeit  des  romanischen  Baustils  im  12.  und  dem  Anfange  des  18.  Jahrh., 
hat  aber  bei  einer  ungemein  gründlichen  Darstellung  dieser  Periode  mit  der 
umgekehrten  Schwierigkeit  wie  im  11.  Jahrh.  zu  kämpfen.  Dort  wenig  sicher 
datirte  Baudenkmale,  aber  dafür  um  so  reicheres  urkundliches  Material,  hier 
eine  erdrückende  Masse  von  Bauten,  aber  hat  gar  keine  geschichtlich  sicheren 
Notizen.  Der  Mangel  dieser  letzteren  nöthigte  den  Verfasser,  an  der  Hand  der 
datirten  Denkmale  jener  Zeit  die  characteristischen  Merkmale  festzustrilen,  und 
mit  Benutzung  der  so  gewonnenen  Anhaltspunkte  die  Entstehnngszeit  der  un- 
datirten  zu  bestimmen. 

Obgleich  die  im  11.  Jahrh.  denEpiscopat  beherrschende  Baulust  bedeutend 


312  Heinrich  Otte; 

sich  verringerte,  bo  entstanden  doch  zahlreiche  Baudenkmale,  und  sind  es  nament- 
lich die  in  dea  Elostergemeinden  wohnenden  Conversen  oder  bärtigen  Brüder, 
welche  das  Bauhandwerk  pflegen  und  die  allmältge  Laisirung  der  Baukunst 
▼ermitteln.  Die  im  12.  Jahrhundert  rasch  aufblühenden  Orden  .der  Cister- 
zienser  und  Prftmonstratenser  übten  auch  auf  die  Entwickeljmg  der  Bau- 
kunst einen  mächtigen  Einfluss  und  ihre  Bauten  zeigen  überall  eine  gewisse  Fa- 
milienähnlichkeit, deren  Feststellung  H.  Otte  die  sorgfältigste  Beachtung  schenkt. 

Als  die  characteristisohen  Merkmale  jener  Epoche  stellt  der  Verl  zunächst 
die  Aenderungen  in  der  Anlage  des  Qrundplanes  fest.  Die  Vorliebe  für  An- 
bringung eines  westlichen  Chores,  welche  das  11.  Jahrh.  auszeichnete,  tritt  mehr 
zurück  und  an  ihrer  Stelle  sehen  wir  im  Westen,  namentlich  dort  wo  Nonnen- 
klöster sich  befanden,  Emporen  sich  erheben.  Bunde  Thürme  kommen  als 
Neubauten  nicht  mehr  vor  und  weichen  den  viereckigen,  deren  Bedachung 
entweder  aus  vier  Walmen  besteht,  oder  deren  Seiten  sich  in  ein  Giebeldr^eck 
fortsetzen  oder  gar  aus  dem  Viereck  ins  Achteck  umsetzen. 

Im  Aufbau  des  Langhauses  geht  ebenfalls  eine  wesentliche  Ver- 
änderung vor.  Der  Säulenbau  weicht,  der  ausscUiesslichen  Pfeüeranlage,  und 
diese  letztere  dient  dann  der  Kreuz-Gewölbe-Construction  zur  Unter- 
lage, mit  welcher  man  jetzt  auch  die  Mittelschiffe  überspannte,  ein  Wagniss, 
dem  wir  zuerst  in  den  Bheinlanden  begegnen,  wohin  diese  Construction  aus  dem 
benachbarten  Frankreich  gelangte  und  wo  wir  in  der  Abteikirche  zu  Laach 
das  erste  sicher  datirte  Beispiel  solcher  Anlage  besitzen.  Gleichseitig  lassen, 
constructive  Erwägungen  den  orientalischen  Spitzbogen  und  Diagonalrippen 
zur  Verstärkung  der  Gräte  in  Annahme  kommen,  Emporen  werden  über  den 
Seitenschiffen  angebracht,  das  Aeussere,  namentlich  das  Hauptportal,  prachtvoll 
in  reichem  Ornament  gestaltet,  die  Aussenwände  durch  Bundbogen  und  Lisenen 
gegliedert,  die  Massenhaftigkeit  der  Wände  durch  unter  dem  Dache  angebrachte, 
äusserst  malerisch  wirkende  Galerien  von  Säulenarcaden  erleichtert^  und  hierdurch 
eine  ganz  charakteristische  Eigenheit  unserer  rheinländischen  Kirchen  geschaffen. 

Im  Detail  tritt  eine  reichere  Behandlung  der  Säulenschafte  ein,  ihre 
Basis  bewahrt  zwar  die  attisirende  Form,  sucht  aber  an  den  vier  Ecken  den 
Plintiius  durch  Knollen,  profilirte  Blätter  oder  Krallen  mit  dem  untern  Pfuhl  zu 
verbinden,  und  es  gestalten  sich  die  Würfelcapitäle  in  zierlichster  Abwechselang. 

Endlich  werden  dann  noch  die  besonderen  Merkmale  der  Bauten  des  sog. 
Ueberg an gs Stiles  hervorgehoben,  der  wesentlich  schon  unter  dem  Einflüsse 
des  in  Frankreich  blühenden  gothisohen  Stiles  stand  und  namentlich  am 
Bhein  ganz  herrliche  Mischbauten  hervorbrachte,  bei  denen  der  Spitzbogen  an 
untergeordneten  Theilen,  z.  B.  den  Arcaden  des  Langhauses,  herrschend  wird. 

Nachdem  der  Verf.  durch  sorgfilltigste  Fixirung  all  dieser  stUistischen  und 
technischen  Eigenheiten  für  eine  streng  wissenschaftliche  Besprechung  der 
verschiedenen  Bauten  eine  genügende  Basis  sich  geschaffen,  fuhrt  er  die 
einzelnen  Baudenkmale  in  geographischer  Reihenfolge  uns  vor  und  zwar,  wie 
wir  ausdrücklich  hervorheben,  in  einer  nahezu  erschöpfenden  Vollzähligkeii. 
Zu  S.  881  bemerken  wir,   dass   die  Kirche  in  Kaiserswerth  in  den  letzten 


GMohiokt«  der  deatachen  Baukcast.  ai8 

Jahren  durch  BaameiBter  A.  Rinoklake  sehr  geadhiokt  restauriri,  und  dass 
namentlich  auch  der  1243  durch  Abt  Gerard  abgetragene  Thurm  der  Westfagade 
Btilgerecht  wiederhergestellt  wurde,  wodurch  der  Wunsch  der  Staininschrift : 
TEACPORE  TRANQVILLO  R£PAB£T  MELIORE  CAPILLO  endUch  erfallt  ist, 
und  die  herrliche  Kirche  an  mü^estatischem  Aussehen  bedeutend  gewonnen  hat. 
S.  402  h&tte  bei  Besprechung  der  prächtigen  Abteikirche  von  Mar  montier 
(Maursmünster)  im  Elsass  der  äusserst  charaoteristisdien  Verzierung  der  kleinen 
Fenster  des  Langhauses  Erwähnung  geschehen  können.  Dieselben  sind  yob  einem 
sehr  zierlichen,  flachreliefirten  Arabeskenrand  umzogen  und  die  Laibungen  mit 
pfeifenstielartigem  Ornament  besetzt.  —  An  der  S.  40$  erw&hnten  Abteikirche  in 
Neuweiler  unterscheiden  wir  drei  Bauperioden:  die  Goncha  des  Chores  gehört 
dem  12.  Jahrb.  an,  das  Querschiff  und  das  erste  Joch  des  Langhauses  mit  den 
achteckigen  Zwischenpfeilem  stammt  aus  der  Uebergangsperiode,  und .  die  zwei 
letzten  Joche  mit  runden  von  Vier  Diensten  flankirten  Zwischenpfeilern  tragen 
bereits  die  deutlichen  Merkmale  des  herrschend  gewordenen  gothischen  Stils. 
An  dem  untersten  Sockel  der  Sfidseite  fanden  wir,  um  die6  hier  beilftufig  zu 
bemerken,  in  rothem  Sandstein  die  unseres  Wissens  bis  jetzt  noch  nicht  publi- 
oirte  schöne  Inschrift: 


t  VOS  ■  Q*  •  TRASITIS  '  NRI  •  MEMORES  •  BOGO  '  8ITIS  • 


t  QD  •  SYM'  •  HC  •  ERITIS  •  FVIM' .  Q^NDOQa  •  Q  •  ESTI8  • 


Die  alte  ungemein  zierliche  Kirche  des  Augustinerklosters  zu  Ober- 
steigen  (S.  404)  ist  eine  einschiffige  Kirche,  1221  erbaut.  Die  Fenster 
sind  nach  Aussen  mit  wulsttragenden,  durch  einen  Ring  getheilten  S&ulchen 
umgeben. 

Die  vom  Verf.  mit  Recht  hervorgehobene,  ebenso  gedrftngte  als  gl&nzende 
Baudichtigkeit  der  niederrheinischen  (hegenden  tritt  bei  einer  weiteren  Berück- 
sichtigung der  Landkirchen  noch  mehr  ins  Licht.  Namentlich  sind  es  die  drei 
örtlieh  und  stilistisch  nahe  bei  einander  lieg^den  Kirchen  zu  Mündelheim, 
Wittlar  und  Calcum,  welche  H.  Otte  in  der  vorliegenden  Geschichte  der 
Baukunst  ganz  unberücksichtigt  l&sst,  obgleich  er  wenigstens  die  beiden  erstge- 
nannten in  seinem  Bandbuch  S.  384  und  342  erwähnt.  Alle  drei  sind  Pfeiler- 
basiliken :  in  Mündelheim  erscheint  das  Mittelschiff  schon  gewölbt,  in  Wittlar 
und  Galcum  flach  gedeckt;  in  Mündelheim  ist  der  mit  Walmdach  versehene 
Thurm  der  Basilika  vorgelegt,  in  Wittlar  setzen  sich  die  Seitenschiffe  mit  einem 
Joch  bis  zur  Mitte  der  Thurmseiten  fort.  Zu  Wittlar.  liegen  die  Fenster  des 
Lichtgadens  an  der  Südseite  aussen  in  S&ulenarcaden  mit  WürfelcapitUchen, 
an  der  Nordseite  dagegen  nur  in  Pilasterfeldem  mit  Kftmpfergesims ;  die  W&nde 
der  Seitenschiffe  mit  kleinen  Fensterchen  sind  ganz  glatt,  ohne  Lisenen  und 
Rundbog^enfries.  Diese  Andeutungen  zeigen  wohl  zur  Genüge,  dass  auch  die 
Landkirchen  vielfach  schon  sofort  von  den  stilischen  Aenderungen  des  12.  Jahrb. 
influencirt  wurden. 

An  den  S.  480  erwähnten  herrlichen  Thürmen  der  Stiftskirche  in  Com- 
bürg  bei  Sehwäbisch-Hall  zeigen  die  mit   steinernen  Kreuzen   gezierten   Stein- 


9U 


Heinrich  Ott«: 


helme  der  Mliohen  Thtirmpyramiden  Mhon  spitibogige  Fenster  mit  wimperg- 
artiger  Bekrdnmig,  während  sonst  überall  noch  der  Bandbogen  yorherrscht. 

S.  586  ff.  hätte  neben  der  T förmigen  Kirche  zu  Twiste  and  der  im 
Grondriss  ähnlichen  Kilianskirehe  zuLügde  auch  die  Kirche  sa  Neaenbeken 
Erwähnung  yerdient,  welche  wohl  eine  der  ältesten  Kirchen  romanischen  Stils 
im  Westfalenlande  ist  Sie  seigt  ans  im  Qrandriss,  yon  welchem  wir  eine  kleine 
Skixae  bdfogen,  die  reine  Krenzform ;  Seitenschiffe  fehlen  gänslich,  dagegen  isi 


zwischen  dem  Langhaose  and  dem  geradlinig  geschlossenen  Chor  ein  ^ebenfalls 
geradliniges  Qaerhaas  eingeschoben,  welches  in  der  südlichen  nnd  nördlichen 
Maoer  eine  Thüre,  and  in  der  östlichen  je  ein  Fenster  zeigt.  Änah  Lübke 
scheint  bei  Abfassnng  seines  Werkes  über  die  mittelalterliche  Kunst  in  Westfalen 
diese  äusserst  interessante  and  vereinzelt  dastehende  Kirche,  deren  neaentdeokte 
Wandgemälde  wir  im  nächsten  Hefte  der  Jahrbücher  za  pabliciren  gedenken, 
noch  nicht  gekannt  za  haben. 

In  der  zweiten  Abtheilang  des  3.  Abschnittes  wendet  sich  H.  Otte  zu 
den  Prof  an  bauten  des  12.  und  13.  Jahrhunderts,  und  er  kann  hier  reichere 
Ausbeute  halten,  als  bei  dem  parallelen  ^Theile  des  2.  Abschnittes.  In  Folge  der 
Selbstständigkeit  nnd  des  Beichthnms  der  Städtebewohner  ward  der  ärmlichere 
Holzbau  durch  den  soliden  Steinbau  verdrängt;  in  Mets,  Trier,  Kölnu.  s.  w. 


Oeiehiohte  der  deutMihen  Baukunst^  216 

sind  uns  nodh  zahlreicfbe  und  schöne  Wohnhäuser  jener  Zeit  erhalten.  Die 
Städtegründnngen  werden  näher  besprochen  und  namentlich  interessirt  es, 
die  spärlichen  Anfänge  zu  schauen,  aus  denen  sich  unsere  jetzt  so  prächtige 
Eaiserstadt  Berlin  entwickelte.  Nicht  minder  leaenswerth  ist  die  Schilderung 
der  alten  Befestignngs werke.  Bei  dem  S.  674  erwähnten  zweistoekigeny  im 
Sechseck  erbauten  Denkmale  zu  Com  bürg  sei  bemerkt,  dass  sich  daselbst  nicht, 
wie  es  irrthümlich  heisst,  im  Untergeschosse  eine  Durchfahrt,  sondern  nur  eiii 
ziemlich  breiter  Treppenaufgang  findet;  der  obere  kleine  Raum  hat  offmbar 
gottesdienstlichen  Zwecken  gedient. 

Die  literarischen  Nachweisungen  und^  Nachträge,  welche 
S.  39--41,  S.  141—146,  S.  273—285  und  S.  717—737  den  einzelnen  Abschnitten 
beigefügt  sind,  bieten  einerseits  über  die  benutzten  Hilfsmittel  ausfuhrliche 
Auskunft,  wie  sie  anderseits  Jedem,  der  sich  über  die  Einzelbauwerke  näher 
informiren  möchte,  das  nöthige  Material  an  die  Hand  geben. 

S.  717  hätte  mit  Bezug  auf  die  S.  298  gebotene  Besprechung  der  stil- 
istischen Eigenthümlichkeiten  der  Gisterzienser-Grundrisse  das  bei  anderer  Gelegen- 
heit citirte  treffliche  Specialwerk  von  Dr.  Dohme,  die  Kirchen  des  Gisterzienser-. 
Ordens  in  Deutschland  erwähnt  werdeu  können,  welches  zum  ersten  Male  im 
Zusammenhang  die  von  Schnaase  und  Feil  nur  kurz  berührte  Frage  nach  den 
unterscheidenden  Merkmalen  des  Cisterzienserstils  erörtert  und  namentlich  durch 
seine  sehr  sorgfältigen  Filiationstabellen  für  die  Geschichte  der  Baukunst  von 
Wichtigkeit  ist.  ^ 

Lotz,  Kunsttopographie  8.  881  scheint  uns  die  Frage,  ob  der  Dom  in 
Limburg  a.  d.  L.  ein  romanischer  oder  gothischef  Bau  sei,  nicht  unent- 
schieden zu  lassen,  wie  S.  717  gesagt  wird.  Denn  nachdem  er  S.  10  diesen  Dom 
ganz  unbedingt  ^und  auch  mit  grösstem  Rechte  dem  üebergangsstil  zugewiesen, 
hebt  er  a.  a.  0.  nur  hervor,  dass  einzelne  wenige  Theile,  z.  B.  einige  Fenster 
der  zwei  oberen  Thurmgeschosse  schon  frühgothisches  Maasswerk  enthalten,  dass 
die  Gurt-  und  Kreuzrippen  des  Mittelschiffes  frühgothisch  profilirt  seien,  und 
dass  das  Blattwerk  der  Säulenkapitäle  sich  der  frühgothischen  Knospenform 
nähere!  Aber  das  wird  eben  als  Ausnahme  erwähnt,  und  derartige  stilistische 
Eigenschaften  untergeordneter  Nebendinge  berechtigen  doch  gewiss  nicht,  wie 
Schnaase  will,  den  Limburger  Dom  den  gothischen  Kirchen  beizuzählenl 

Mit  Recht  vertheidigt  H.  Otte  die  Benennung  des  Yorhofes  der  La  ach  er 
Kirche  als  »Paradiese  (S.  718  und  816),  statt  der  noch  heute  vielfach  üblichen 
als  »Kreuzgange,  für  welche  sich  keine  Anhaltspunkte  finden  lassen,  von  der  sich 
aber  selbst  Lübke  in  seiner  Geschichte  der  Architectur  4.  Aufl.  S.  816, 
818  und  871  noch  immer  nicht  trennen  kann.  Bei  der  S.  817  recht  ausfuhrlich 
gegebenen  Beschreibung  der  sehr  wichtigen  Oapitäle  von  Laach  vermissten  wir  die 
Erwähnung  des  höchst  eigenthümlichen  ikonoplastischen  Capitäls  aus  dem  Paradies, 
auf  welchem  ein  kleines  Teufelchen  erscheint,  das  die  politische  Richtung  des  Bau- 
herrn oder  Baumeisters  öharakterisirend,  ein  Spruchband  schwingt,  mit  der  Inschrift : 


PECOATA  •  ROMAN  • 


216 


Heinrich  Otte:  Oesohiobte  der  denteehen  Btukuntt. 


Eue  Abbild  an  g  der  8.  721  nnd  411  beeproohenen  Abteikirdie  von 
Pete rsban Ben  g^bt  Zell,  Eircbe  der  Benediotiner- Abtei  PeterBbaiuen  (Frei- 
barg, Herder,  1867)  S.  44,  woselbst  anch  8.  67  ff.  der  incwischen  verstorbene 
Professor  C.  P.  Bock  (nicht  zu  verwechseln  mit  dem  gleichnamigen  Aachener 
Canonioos)  die  Lanette-Reliefs  jener  Kirche  in  höchst  beabhtenswerther  Weise 
deatet. 

Ausser  den  in  onserem  Referate  über  das  neueste  Werk  Otters  bereits 
genügend  hervorgehobenen  trefflichen  Eigenschaften  desselben  wollen  wir  hier 
zum  Schlosse  nur  noch  erwähnen,  dass  in  demselben  auch  stets  die  so  überaus 
wichtige  Material  frage  bei  den  einzelnen  Baudenkmalen  der  verschiedenen 
Perioden  gebührende  Erörterung  gefunden  hat.  Da  zudem  dieVerlagshandlung 
das  Werk  äusserst  splendid  ausgestattet  und  mit  zahlreichen  Abbildungen, 
namentlich  auch  der  weniger  bekannten  Bauten  versehen  hat,  welche  das  Ter- 
stftndniss  des  Gesagten  ganz  wesentlich  erleichtem,  so  können  wir  Otte's 
Geschichte  der  Baukunst  nur  auf  das  Angelegentlichste  empfehlen  und 
recht  vielen  Yereinsgenossen  den  gleichen  geistigen  Genuss  wünschen,  welchen 
uns  das  Studium  derselben  bereitet  hat 

Viersen.  Aldenkirchen. 


in.    MiseeUen. 


1.  PalimpsestinsohrifteiL 

Je  eifriger  man  sich  in  den  leisten  Deoennien  dem  Stadium  der  Inschriften 
zugewandt  hat^  um  so  mehr  muss  man  sich  wundem,  dass  eine  Eägenthümlich- 
keit,  auf  welche  man  bei  den  Handschriften  in  neuester  Zeit '  so  sehr  sein 
Augenmerk  gerichtet  hat,  bei  den  inschriftlichen  Benkm&lem  fSut  gar  nicht  oder 
doch  nur  immer  vereinzelt  Berücksichtigung  gefunden  hat.  Ich  meine,  dass 
dieselben  ebenso  wie  die  Handschriften  in  nicht  geringer  Zahl  PaUmpseste  sind, 
wenn  man  diesen  der  Handschriftenkunde  entlehnten  Ausdruck  auf  die  Epigra- 
phik  übertragen  darf.  Der  Anfang  einer  darauf  bezüglichen  Untersuchung  ist 
jetzt,  soweit  es  sich  dabei  um  die  in  Aegypten  gefundenen  Inschriften  handelt, 
▼on  C.  Wescher  gemacht  worden  in  den  Comptes  -  rendus  de  l'acad.  frang.  des 
inscr.  et  helles  -  lettres,  Nouv.  Serie,  t.  VII  (Paris,  1871)  p.  276  ff.  Die  folgenden 
Zeilen  haben  den  Zweck  durch  eine  Zusammenstellung  yon  Beispielen,  welche 
nicht  im  Geringsten  Ansprach  auf  Vollständigkeit  nach  irgend  einer  Seite  hin 
erhebt,  nochmals  die  Aufmerksamkeit  auf  diesen  Punkt  hinzulenken, 
a)  Doppelte  Palimpsestinschriften. 

Ein  interessantes  Beispiel  einer  solchen  Palimpsestinsohrift  vermag  ich 
nachzuweisen  auf  einem  Steine,  welcher  im  Blaohemer  Viertel  GonstanUnopels, 
am  4usser8ten  Südufer  des  goldenen  Homs  gefunden  worden  ist.  Derselbe  ent- 
halt zuerst  eine  Ephebeninschrifl  oder  eine  Siegerliste  aus  gymnastischen 
Spielen,  dann  wurde  darüber  ein  Ephebenkatalog  aus  der  Zeit  vor  Septimius 
Severus  eingemeisselt  und  endlich  mit  abermaliger  theilweiser  Tilgung  der 
früheren  Schriftzüge  die  Todtenliste  einer  (vielleicht  altchristlichen)  Genossen- 
schaft aus  der  ersten  Hälfte  des  dritten  Jahrhunderts  eingehauen.  VgL  Dethier 
und  Mordtmann,  Epigraphik  von  Byzantion  und  Constantinopel  in  den  Denk- 
schriften der  Wiener  Akademie,  Hist.-phil.  GL,  Bd.  XIII  (1864),  2  S.  78  ff.  n.  LVI 
und  Taf.  VH  und  VIH.  Fig.  29—29  b.  —  In  ähnlicher  Weise  rescribirt  ist  der 
Meilenstein  des  Museums  zu  Pest  im  G.  L  L.  III,  8711.  Derselbe  enthält  drei 
Inschriften,  von  denen  jedes  Mal  die  jüngere  zum  Theil  über  und  zwischen  den 
ZeUen  der  vorhergehenden  eingehauen  ist.  Die  älteste  ist  fast  ganz  ausgemerzt, 
so  dass  von  ihr  jetzt  bloss  einige  Buchstaben  vorhanden  sind ;  die  zweite,  welche 


/ 


218  lüaeellen. 

noch  ganz  lesbar  ist,  Btammt  aas  der  Regierungtzeit  de«  MaximinuB  and  seinee 
Sohnes  Maximus  (236—288  p.  Chr.);  die  jüngste  endlich  ist  anter  Diodetianas 
eingemeisselt  worden.  Vgl.  Desjardins-Romer,  Monuments  6pigr.  du  mosee  nat. 
Hongrois  de  Buda-Pest  (1878)  p.  44  n.  95  a.  pL  XYII.  . 
b)  Einfache  Palimpsestinschriften. 
Der  Graf  Potocki^  Hist.  ancienne  de  Ch^rson  p.  29  und  nach  ihm  Eoehler 
in  den  Memoires  de  Tacad.  de  St.  Potersbourg  t.  X  p.  689  f.  haben  anter  der  auf 
der  Insel  Borysthenis  von  den  Einwohäem  der  Stadt  Olbiopolis  dem  Pontarcheu 
Achilles  gesetzten  griechischen  Inschrift  noch  die  Spuren  einer  anderen  älteren 
wahrgenommen^  wie  Boeckh  zu  Corp.  inscr.  graec.  t.  n  n.  2077  bemerkt  hat.  In 
diese  Kategorie  gehört  femer  die  Inschrift  zu  Ehren  des  Proconsnls  von 
Aohaia,  Gn.  Acerronius  Procains,  auf  einem  Piedestal,  welches  sich  zu  Athen  in 
der  Nähe  des  Eingangs  zur  Quelle  der  Clepsydra  befindet  Dasselbe  gehörte 
ursprünglich  zur  Statue  einer  anderen  PersönEohkeit,  denn  unter  der  letzten 
Zeile  treten  noch  deutlich  die  ausgemerzten  Worte  JIPABtTEjiHZ  EUOEI 
hervor,  wie  Wordswerth,  Athens  and  Attica.  London  1837.  p.  142  beriohiet. 
Besonders  bei  Statuea  hat  diese  Unsitte  seit  Beginn  der  E^aiserzeit  so  sehr 
Ueberhand  genommen»  dass  man  meiste  ohne  einmal  einen  anderen  Kopf  aof- 
zusetzen,  bloss  den  Wortlaut  der  Inschrift  änderte.  Am  häufigsten  ist  die«  bei 
den  Rhodiem  geschehen.  Vgl.  Casaubon  ad  Sueton,  Tiber,  c.  68.  Sah  doch  Fan- 
sanias  I^  18,  8  zu  Athen  Statuen  des  Mütiades  und  des  Tbemistocles,  welche  auf 
den  Namen  eines  Römers  und  eines  Thraciers  umsohrieben  waren,  und  bei  Mjoene 
in  dem  Tempel  der  Hera  eine  Statue  des  Orestes  mit  einer  Inschrift,  als  wäre 
es  Angostus.  Pausan.  II,  17,8.  Vgl.  Ross,  Arohaeol.  Anfsätze  1, 170  f.  —  Nicht 
minder  haben  römische  Inschriften  eine  gleiche  Prooedur  bald  ganz,  bald  theil- 
weise  an  sich  erfahren.  Von  gänzlich  getilgten  lateinischen  Inschriften  will  ich 
ebenfalls  nur  einige  nennen.  Nämlich  unter  der  von  zwei  Brüdern  dem  Genio 
et  fortunae  tutelaeque  huius  loci  cohortium  praetoriarum  gewidmeten  Inschrift 
in  Rom  hat  Maffei,  Mus.  Yeron.  p.  818,  8  die  Reste  einer  älteren  mit  eleganten 
Schriftsügen  eingehauenen  Inschrift  entdeckt,  worüber  die  späteren  Herausgeber, 
sowohl  GuascOy  Musei  Gapitol.  inscr.  vol.  I  p.  59  u.  29  als  auch  Orelli  1699  ^ 
8468  seltsamer  Weise  schweigen',  bis  Henzen  zu  Orelli  Bd.  III.  S.  164  wieder 
darauf  aufmerksam  gemacht  hat.  So  befand  sich  auch  unter  der  Inschrift  des 
Nicomachus  Flavianus  (Henzen  5598)  nach  de  Rossi  (Annali  t.  XXI  (1849)  p.  286) 
ursprünglich  eine  andere  später  getilgte.  Rescribirte  Inschriften  sind  femer 
folgende  vier  zu  Puteoli:  J.  Neap.  2602. 2503.  2504  und  2606.  Ebenso  steht  die 
Inschrift  des Flayins  Marianus,  praefectus  et  curatorrei  publicae  Misenatium,  (J. 
Neap.  n.  2648)  auf  einem  ausgemerzten  laterculus  militum,  von  dem  die  lieber- 
Bohrift  SCHOIf  ARlfATYR  sowie  das  Datum  stehen  geblieben  sind.  Ygl 
Qervasio,  Osservazioni  sulla  iscriz.  di  Mavorzio  Lolliano  p.  22  ff.  Zahlreicher 
sind  die  Fajle,  wo  einzelne  Zeilen  resp.  Worte  in  den  Inschriften  getilgt  und 
an  ihre  Stelle  nach  Bedürfiüss  andere  eingesetzt  sind.  Dies  ist  namentlich  bei 
den  Namen  hoher  Personen  der  Fall  gewesen.  So  hat  Olivieri  zu  Cyriaoi  Anooni- 
tani  comment.  nova  fragm.,  Pisauri  1763,  p.  15  n.  27  zuerst  die  Wahrnehmung 


MiMsellen.  2l9 

t 

gemaobi,  diis  in  der  luleizt  von  Toazeiti,  Relanone  d'alcune  viaggi  fatii  in 
divane  parte  della  Toscana  i.  X  p.  425  n.  XI  heraasgegebenen  Weibinsehrifb 
des  M.  Firmidins  Speoiatos  za  Garrara  in  Z.  5  die  Worte  PR  *  CLARISS  *  an 
Stelle  der  ansgemer&ten  ET  P  -  GETAE  *  GAES  getreten  sind.  Nocb  interessanter 
ist  die  Insebrift  des  Domitios  Bassns  zu  Rom  bei  Orelli  1256,  wo  in  Z.  1—8  nber 
die  getilgten  Worte  M  •  AVR  |  SEYERI  •  ALEXANDRI  •  AVG  •  ET  •  lYLIAE  • 
BKAMMAEAE  •  AVG  *  |  MATRIS  .  |  AVG  *  ET  •  CASTR  *  die  Namen  C  *  IVLIO  • 
VERO  *  MAXIMINO  PIO  FELIGI  |  INYIGTO  AVG  eingebanen  worden  und 
dann  aacb  diese  wieder  getilgt  sind,  wie  Kellermann  bei  Orelli,  Analeeta  epigr. 
p.  87  naob  dem  Vorgänge  von  Marini,  Isoriz.  Albane  p.  46  und  Borgbesi, 
Oearree  t.  m  p.  485  geseben  bat.  Vgl  femer  Orelli  n.  918  und  dort  Eeller- 
mann  a.  a.  0.  p.  86  sowie  Gmter  p.  288,  1. 

2.  Drei  neue  römiscbe  Milit&rdiplome. 

Eine  sonderbare  Fttgong  ist  es,  dass  der  Zufall  in  demselben  Jabre 
1878,  wo  Mommsen  zuerst  alle  bisber  bekannten  Milit&rdiplome  yereinigt  bat, 
uns  zwei  neue  zu  Tage  gef5rdert  bat  Das  eine  ist  zu  Regensburg  ausgegraben 
und  Ton  dem  dnrob  seine  sebr  sorg^ltige  Bespreebnng  der  scbon  früher  eben- 
daselbst gemacbten  Antiquitftteniunde  bekannten  Herrn  Oblensoblager  yeröffent- 
liebt  worden  in  den  Sitzungsberiobten  der  Kgl.  Bayer.  Akademie  der  Wissen- 
sohaften,  Phil.-bist.  GL,  v.  J.  1874  Bd.  I.  S.  198  ff.  Das  Diplom  stammt  aus 
d.  J.  166  n.  Gbr.,  M.  Yibio  Liberale,  P.  Martio  Yero  oos.,  und  nennt  uns  Trap- 
pentbeile, von  denen  der  grdsste  Tbeil  scbon  auf  dem  von  Christ  beirausge- 
gebenen  Weissenburger  Diplom  des  J.  107  p.  Cbr.  (G.  I.  Lat.  III  p.  866  n.  XXIV) 
genannt  ist.  Es  nennt  uns  ferner  einen  bisher  unbekannten  Statthalter  Raetiens 
T.(?)  [De8]tioius  SoTems,  dessen  Namen  Oblensoblager  in  scharfsinniger  Weise 
aus  einer  zulUlig  im  J.  1078  bei  Goncordia  im  Venetianisoben  gefundenen  und 
im  BuUetino  delP  instit.  aroh.  1874  S.  80  abgedruckten  Insebrift  hergestellt  hat, 
welche  seinen  cursus  bonorum  enth&lt.  Auf  ihn  bezieht  sich  auch  die  ebenfalls 
zu  Gonoordia  gefundene  fragmentarische  Inschrift  im  G.  I.  Lat.  V  n.  1877. 
Ueberbaupt  scheint  die  Familie  der  Desticii  eng  mit  der  Golonie  Goncordia  rer- 
bnnden  gewesen  zu  sein.  Denn  der  Legat  Britanniens  unter  Valerien  und 
Gallien,  T.  Desticius  Juba,  (G.  I.  Lat  VII,  107)  wird  patronus  der  Golonie 
(G.  I.  Lat.  V,  1875)  genannt.  Andere  auf  ihn  bezügliche  Inscbrifben  ans  Industria 
und  Rom  bat  Promis,  Storia  dell*  antica  Torino  (Torino  1869)  p.  846  zusammen- 
gestellt. -•  Das  andere  aus  Thracien  stammende  ist  von  Ekgabal  für  die  Prae- 
torianischen  Gehörten  ausgestellt  und  ist  unter  den  bekannten  das  neunte  der 
ihnen  verliehenen  Diplome.  Das  Datum  seiner  Ausstellung  fUlt  auf  den  7.  Januar 
221  p.  Ghr.  G.  Vettio  Ghrato  et  M.  Vitellio  Seleuoo  cos.,  deren  yolle  Namen  wir 
hier  zum  ersten  Mal  erfahren,  w&hrend  sonst  einfach  Grato  et  Seleuco  cos.  steht. 
Vgl.  G.  L  L.  VII,  585.  G.  L  Rh.  1609.  Orelli-Henzen  n.  6058.  6058.  Bull.  1867 
p.  14  n.  2.  Henzen,  Acta  Arv.  p.  GGX.  Jetzt  erweist  sich  auch  die  Ton  Borgbesi, 
Memorie  deU'  Instit.  arch.  t.  L  p.  208  f.  =»  Oeuvres  t.  III.  p.  424  f.  vorgeschlagene 
Restitution  ihrer  Namen  in  der  Inschrift  von  Laodioea  (G.  L  gr.  vol.  III  n.  4472  und 
Add.  p.  1172)  als  irrig.  Vgl  Lebas- Waddington,  Insor.  t.  8  n«  1889  Expl.  p.  488. 


930  MimUtn. 

DaBs  sie  mit  den  bei  Synoellus  j).  400  ed.  Bonn,  genannten  Coniuln  Ff^oi 
ZaßiViovog  ufä  £iln/xot  identisch  sind,  scheint  Borghesi  richtig  vermathet  su 
haben,  wenn  man  die  Inschrifien  bei  Boissiea,  Inscr.  de  Lyon  p.  64  n.  XLVII  und 
bei  Renier,  Arohives  des  missions  t.  m  p.  820  in  Betracht  neht,  wo  Sabiniano 
et  Seleuco  cos.  sich  findet.  Das  Diplom  ist  veröffentlicht  worden  von  y.  Sacken 
in  den  Sitzungsberichten  der  phiL-hist.  Gl.  der  Wiener  Akademie  Bd.  LXXYI 
(1874)  S.  85  ff.  —  Za  diesen  beiden  kommt  jetzt  noch  ein  drittes  kfirslioh  su 
Pompeji  gefundenes  Militairdiplom,  über  welches  in  der  Sevue  arehMogique, 
NouY.  S4rie,  tome  XXYIII  (1874)  p.  201  nach  dem  Monüeur  tmüoend  Tom 
19.  August  1874  Folgendes  berichtet  wird:  ^Cei  ottjei  n^ut  rien  moina  que  le 
eongi  müitaire  d^nn  8dldat  de  la  floHe  de  Miehie,  gut  faiaait  partie  de  väiram 
itäblis  ä  Faestum,  Ce  eangi  se  eompoee  de  deux  tatiettee  de  hwonge  rhmue 
entre  eUee  et  signtee:  S.  L.  Basso.  H  eet  de  Vkpoque  de  Fespome».«  Es  ist 
also  unter  den  an  die  Flotten  verliehenen  Privilegien  das  dreizehnte  und  unter 
den  speclell  für  die  Flotte  zu  Misenum  bestimmten  das  sechste. 

8.  Beitrag  zu  dem  dritten  Bande  des  Corpus  inscr.  Lat. 

Die  erste  Mittheilung  betrifft  die  bekannte  Inschrift  des  Statthalters  von 
Dacien,  L.  Annius  Fabianus,  dessen  Yerwaltungsseit  Borghesi,  Annali  dell'  instit. 
aroheol.  t.  XXVII  (1865)  p.  82  »  Oeuvres  t  YIII  p.  478  zwischen  den  J.  158 
und  158  p.  Chr.  angesetzt  hat.  Die  Angaben  der  verschiedenen  Herausgeber 
über  den  Fundort  sowohl  als  den  heutigen  Znstand  der  Inschrift  sind  unsicher. 
Mommsen  im  CLL.  III  n.  1455  hat  als  ihren  Fundort  Sarmizegothnsa,  das 
heutige  Yarhely  oder  walachisch  Oradis^e,  angenommen  und  zwar,  wie  es 
scheint»  mit  Recht,  weil  Bonfin  Berum  Ungar,  decades  (Basel  1558)  p.  7  aus- 
drücklich von  ihr  sagt  ^m  Tra/MQnamia  nuper  repeirta^  und  weil  sie  dem  Fabiannz 
von  jener  eben  genannten  römischen  Colonie  gesetist  worden  ist.  Mommsen 
selbst  scheint  sie  als  nicht  mehr  vorhanden  betrachtet  zu  haben,  da  er  nichts 
von  ihrem  jetzigen  Aufbewahrungsorte  berichtet.  Sie  ist  aber  keineswegs  ver- 
loren, sondern  ezistirt  noch,  hat  aber  von  der  Yollst&ndigkeit,  in  welcher  Apian 
und  Bonfin  sie  kannten,  bedeutend  eingebüsst  Wenn  Apian  p.  493,  8  sie  ,yBacaae 
in  Hungofia**  ansetzt,  so  hatte  er  vollkommen  Recht,  indem  in  seiner  Zeit 
der  Stein  wohl  schon  an  jenen  Ort  verschleppt  worden  sein  mochte.  Jenes 
Baccia  des  Ingolstadter  Professors  ist  das  heutige  Bä es  (sprich  Baatsch)  an  dem 
aus  der  Donau  geleiteten  Kanal  Mosztonga.  Dort  befindet  sich  die  Inschrift  nooh 
heute,  aber  in  einem  sehr  trümmerhaften  Zustanda  Nach  der  Angabe  Henszl- 
mann's  in  dem  Werk:  „Die  Grabungen  des  Erzbischofs  von  Kalocsa, 
Dr.  Ludwig  Haynald.  Leipzig  1 878.  S.  222,"  welches  ich  der  ausserordent- 
lichen Freundlichkeit  Sr.  Ezcellenz  des  Erzbischofs  verdanke,  lautat  sie ')  jetat: 


1)  Der  Yollstftndigkeit  halber  erwähne  ich,  dass  Otto  Hirschfeld,  Epi- 
graphische Nachlese  zum  C.  I.  Lat  voL  III  aus  Daden  und  Mösien.  (Wien,  1874) 
S.  61  s  Sitzungsberichte  der  phil.-hist.  Cl.  der  Wiener  Akademie  Bd.  LXXYII 
S.  421,  welcher  unsere  Inschrift 'auf  den  Statthalter  von^Moesia  inferior,  L. 
Annius  Italiens  Honoratus,  unter   Alezander  Severus  im  J.  224  (C.  I.  L.  III, 


MiMdln.  321 

LANNIC 

nviRoc  r 

EGriAYÖO 
RIB  PL 

RA  TORIVI 

IIL  GX  F^ 

r  GIR    PP 

Hiemaob  ist  nun  die  Angabe  des  C.  I.  L.  zu.  modificiren.  Der  Stein  ist 
bei  den  von  Erzbischof  flaynald  ausgeführten  Ausgrabungen  jetzt  wieder  zu 
Tage  gefordert  worden,  nachdem  er  schon  früher  in  Baos  bekannt  war,  und  dann 
lange  Zeit  von  einer  mehr  als  fusshoben  Trümmer,  und  Erdschiebte  bedeckt 
gelegen  hat.  Vgl.  Henszlmann  S.  208.  Aus  erdem  hat  man  bei  den  Grabungen 
in  der  B4cser  Burg  eine  Menge  gewaltiger  römischer  Ziegel  (bipedales)  ge- 
funden. Auf  einigen  derselben  befanden  sich  concentrische  Kreise  eingedrückt, 
einer  enthielt  die  Sigle  PRI,  indem  Anfiemg.  und  Ende  der  Inschrift  weggebrochen 
war.    Vgl  Henszlmann  a.  a.  0.  S.  219. 

Bei  Ausgrabungen,  welche  ebenfalls  Erzbischof  Haynald  in  B&th-Monostor 
(Kloster  Bath),  einem  eine  Stunde  südlich  vom  St&dtchen  Baja  am  linken  I]fer 
der  Donau  gelegenen  Dorfe,  veranstalten  Hess,  kam  auch  ein  Inschrifbstein  zum 
Vorschein,  dessen  Wortlaut  Henszlmann  leider  nicht  mitgetheilt  hat.  Die  sehr 
verstümmelte  Inschrift  ist  aber  von  Bedeutung,  weil  die  am  Schluss  derselben 
sich  findenden  und  von  Henszlmann  allein  mitgeth eilten  Worte  „et  aquam 
indnxit,*' auf  grössere  in  jener  Gegend  von  einem  römischen  Kaiser  oder 
Statthalter  ausgeführte  Bauten  (vielleicht  Canalbau)  hinweisen,  von  denen  bis 
jetzt  dort  noch  keine  Spuren  zu  Tage  getreten  sind.  Hoffentlich  wird  es  Herrn 
Prof.  Mommsen,  der,  wie  -die  Zeitungen  berichten,  neuerdings  diesen  Länder- 
strich bereist,  gelingen,  sowohl  die  in  Rede  stehende  Inschrift  zu  entziffern  als 
auch  die  dort  erwähnten  Anlagen  aufzufinden.  Oder,  sollte  es  dieselbe  seih, 
welche  im  C.  I.  L.  III  n.  6462  p.  1041  nach  einer  Mittheilung  Haynald's  ver- 
öffentlicht ist? 

Während  diese  Mittheüungen  sich  auf  Pannonien  beziehen,  betreffen  die 
folgenden  dexgenigen  Theil  des  römischen  Ostens,  welcher,  wie  ein  flüchtiger 
Blick  in's  Corpus  zeigt,  bis  jetzt  durch  Inschriften  mit  am  Schwächsten  ver- 
treten ist,  nämlich  Mösien.  Auch  hier  bin  ich  mehr  im  Stande  einem  zu- 
künftigen Sammler  von  Nachträgen  für  das  Corpus  Andeutungen  zu  geben  als 
selbst  durch  Mittheilung  solcher  sie  zu  vermehren.  Der  hier  verstorbene  Pro- 
fessor der   Chirorgie,   Geh.    Med.-Rath  Wutzer,  hatte  im  Spätsommer    des 


6164.  6224)  beziehen  wollte,  später  selbst  die  Unmöglichkeit  dieser  Combination 
eingesehen  hat. 


222  Miwelldii.  ; 

Jahres  1866,  kon  nach  Beendigung  des  Krimkrieges  sa  rein  mediciniaohen 
Zwecken  eine  Beise  in  den  Orient  Europa's  gemacht,  wohei  er,  was  nicht  hoch 
genug  anzuerkennen  ist,  die  zahlreichen  Beste  des  römischen  Alterthnms  in 
jenen  Qegenden  keineswegs  ausser  Acht  gelassen  hat.  Er  hat  die  Eindrucke, 
welche  er  auf  dieser  seiner  Beise  empfangen  hat,  in  einem  zweibändigen  Werke 
niedergelegt  unter  dem  Titel:  „Beise  in  den  Orient  Europa's  und  einen 
Theil  Westasiens.  Elberfeld,  1860—1861.  8^**.  Von  ihm  erfahren  wir 
Bd.  I  S.  147,  das«  das  Dorf  Tschelei  am  Walachischen  Ufer  der  Donau  gegenüber 
rechts  dem  Dorf  Beschlikira,  bei  dem  schon  Marsili,  Danubius  Pannonio  — 
Mysicus  voL  IL  tab.  19  die  Existenz  röm.  AlterthClmer  verzeichnete,  ganz  auf 
den  Buinen  einer  alten  römischen  Stadt  steht,  dass  seinen  Friedhof  eine  Mauer 
umgibt,  erbaut  aus  Marmor  fragmenten  von  Statuen  u  nd  Steinen  mit 
Inschriften,  von  denen  der  Dampfschiffscondukteur  Wutzer  mehrere,  welche 
er  abgeschrieben  hatte,  vorzeigte.  Auch  hatte  man  nach  dessen  Aussage  convex 
=  concave  griechische  Silbermünzen  von  schönem  Gepräge  gefunden,  welche 
das  Gewicht  eines  Thalers  hatten.  Möchten  diese  Notizen  einen  jenen  Gegenden 
näher  wohnenden  Gelehrten  zu  einer  gründlichen  Erforschung  dieses  Ortes 
veranlassen.  — 

Femer  fand  Wutzer  (Bd.  I  S.  252),  als  er  von  Yama  durch  die  Ebene 
der  Dobrudscha  nach  Bassowa  fuhr,  in  dem  Dorfe  Saridschey  nahe  bei  dem 
Wirthshause,  in  welchem  er  gerastet  hatte,  einen  tief  in  die  Erde  eingelassenen 
ans  einem  feinkörnigen  weissen  glänzenden  Marmor  bestehenden 'Stein,  dessen 
breitere  Basis  die  türkischen  Beiter  benutzten,  um  sich  von  ihr  bequemer  in 
den  Sattel  schwingen  zu  können.  Es  war  ursprünglich  ein  römischer  Grabstein, 
dessen  oberer  die  Grabschrift  enthaltender  Theil  jetzt  in  der  Erde  steckte. 
Da  Wutzer  keine  Zeit  zum  Graben  hatte,  so  las  er  bloss  den  Schluss  derselben, 
welcher  lautete:  Princeps  sibi  et  suis.  Y.  0.  Was  die  letzten  Buchstaben 
Y.  0.  besagen  sollen,  gestehe  ich  nicht  zu  wissen.  Das  Wort  Princeps  scheint 
auf  einen  hohen  Municipalbeamten,  etwa  einen  princeps  loci,  hinzuweisen,  wie 
uns  ein  solcher  in  dem  M.  Atius  L.  f.  Firmus  zu  Tekir-Gueul  bei  Eustendje 
(C.  I.  L.  m  n.  772  =  Allard,  La  Dobroutoha  (Paris,  1859)  p.  29)  entgegen- 
tritt — 

Bei  dieser  Gelegenheit  möchte  ich  noch  die  Aufmerksamkeit  auf  ein 
grosses  Monument  lenken,  welches  Wutzer  (Bd.  I.  S.  254  ff)  beim  Dorfe  Adam- 
Kelssikoi  (Adam-Keliss^  bei  Anderen),  zwei  Meilen  von  Bassowa,  sah  and 
welches  ich  in  keinem  anderen  mir  bekannten  Beisewerk  erwähnt  gefunden  habe 
mit  Ausnahme  von  Allard  ')  a.  a.  0.  S.  46  Anm.  1,  der  es  nur  mit  ein  Paar 
Worten  beschreibt.  Das  Denkmal,  welches  die  Türken  Cümbett  (Cambett 
bei  Allard)  nennen,  bildet  eine  etwa  60  Fuss  hohe  aus  harten  Ziegelsteinen  anf- 
gemauerte  Masse    ohne  jedwede  Oeffnung,    welche   der  Form  nach   die   Hälfte 


>)  Ob  Allard  in  seiner  grösseren  Schrift  La  Sulga/rü  Orientale,  Baris  1B64 
dasselbe  eingehender  besprochen  hat,  weiss  ich  nicht,  da  mir  dieselbe  nicht  zu 
Gesicht  gekommen  ist. 


MiBoellen. 


2S8 


eines  Ovoid*8  darstellt,  deren  Basis  auf  dem  Boden  ruht,  und  deren  abgerundete 
Spitze  sich  in  die  Luft  erbebt.  Dasselbe  war  früher  mit  Marmorplatten  bedeckt, 
von  denen  noch  viele  (26-^80  an  der  Zahl)  im  Gesträuche  umherlagen,  mehrere 
jeUst  auf  dem  nahe  beiliegenden  Begrabnissplatse  des  Dorfes  sn  Orabst^en 
benutzt  und  ein  grosser  Theil,  wie  die  Einwohner  Wutzer  yersioherten,  von 
einem  von  fräukischen  Reisenden  begleiteten  Pascha  aus  Silistria  mitgenommen 
worden  sind.  Wutzer  fand  auf  denselben  Figpiren  von  etwa  8  Fuss  Höhe  von 
edler  Physiognomie  und  guter  Zeichnung,  die  jedoch  Allard  als  tmkorrekt  und 
barbarisch  ^)  bezeichnet,  unter  den  von  Wutzer  beschriebenen  sechs  Platten 
lasse  ich  die  vierte  mit  seinen  Worten  des  Beispiels  halber  hier  folgen: 

„Ein  vierter  Stein  zeigt  deutlich  die  Figur  einer  Quadriga;  der  Beschauer 
erkennt  die  beiden  Bäder  der  ihm  zugewendeten  Seite  vollkommen.  Vor  dem 
vorderen  Rade  ragt  die  Figur  einer  Schlange  in  die  Höhe,  deren  Hals  und  Kopf 
deutlich  erkennbar  sind.  Zwischen  beiden  Rädern  und  hinter  dem  hinteren  der- 
selben werden  auf  gleicher  Höhe  mit  dem  Schlangenkopfe  zwei  andere  Thier- 
köpfe  bemerklichi  die  dem  eines  Hundes,  eines  Wolfes  oder  einer  Hyäne  ähnelten. 
Für  die  Form  des  Hundekopfes  spricht  die  lang  hervorgezogene  Schnauze  und 
das  herabhängende  Ohr  —  also  vielleicht  der  Kopf  eines  Gerberus  und  dgL  — 
Die  Leiber  der  Thiere  sind  unkenntlich  geworden.  Reste  einer  menschlichen 
Figur  werden  dabei  nicht  sichtbar." 

Um  das  ganze  Bauwerk  lief  einst  in  der  Höhe  eines  Drittheils  desselben 
ein  Fries  herum,  wie  dies  eine  noch  vorhandene,  durch  Allard  ebenfalls  er- 
wähnte Linie  anzudeuten  scheint.  Von  einer  Inschrift,  von  der  Wutzer  ver- 
muthet,  dass  sie  auf  der  der  Lands trasse  zugewendeten  westlichen  Seite  einge- 
meisselt  war,  ist  nirgends  mehr  auf  demselben  eine  Spur.  Dagegen  befand 
sich  nach  Aussage  der  Anwohner  noch  zu  Anfang  dieses  Jahrhunderts  auf  der 
Plattform  desselben  ein  sargformiges  Marmorgefass,  aus  dem  eine  Fontäne  ihr 
Wasser  abwärts  ergoss,  von  dem  jetzt  keine  Spur  mehr  wahrzunehmen  ist. 
üeber  die  Bestimmung  dieses  Denkmals  gehen  die  Ansichten  beider  Reisenden 
auseinander :  Wutzer  wollte  es  mit  dem  Heeroszuge  der  Perser  unter  Darius  in 
Verbindung  bringen,  während  Allard  in  demselben  das  Grabmal  eines  gothisohen 
Heerföhrers  zu  erkennen  meinte.  Es  wäre  gewiss  zu  wünschen,  dass  ein  mit 
der  gehörigen  Sachkenntniss  ausgestatteter  Forscher  das  Monument  recht  bald 
untersuchte,  bevor  die  letzten  Reste  der  noch  vorhandenen  Märmor-Sculpturen 
in  die  Kalköfen  der  benachbarten  Anwohner  gewandert  sind,  und  seine  wahre 
Bedeutung  aufklärte. 

Zu  den  in  Dacien  gefundenen  Inschriften  des  instrumentum  domestioum 
kann  noch  die  Ziegelplatte  mit  der  Inschrift  PERScoRilo  hinzugefügt  werden, 


^}  AUard  a.  a.  0.  S.  46  f.  sagt :  Quelques  bas^eliefs  8<mt  restis  au  pied  du 
monument,  les  iypea  des  personnagesy  let^s  vetemenis,  ne  permettent  pas  de  nii- 
eannaUre  la  main  d^un  seulpteur  qui  a  eannu  les  auvres  deüome;  mais  U  dessin 
est  d^une  incorrection,  d'une  barbarie  mcme  qui  doivent  le  faire  rapporter  ä  une 
Spoque  de  decadenee  eamplHe. 


324  IfisoaUflD. 

welche  bei  Yarhely  (wallachiioh  Gredistje)  gefunden  worden  und  nach  Hermann- 
Btadt  gekommen  ist  Wie  sie  su  deuten  i«t  und  ob  die  kleineren  Buchstaben 
Ergänsungen  des  ersten  Berichterstatters  sind,  vermag  ich  nicht  zu  sagen.  Sie 
ist  mitgetheilt  in  Millin's  Magasin  enoyolopaedique,  IXme  annee  (1803)  t.  III 
p.  219  Note  ly  der  seine -Notis  aus  der  Wiener  Zeitung  vom  20.  August  1803 
n.  67  S.  8182  geschöpft  hat. 

Zum  SchluBs  möchte  ich  mir  erlauben  noch  drei  Inschriften  des  alten 
Macedoniens  kurz  zu  besprechen,  von  denen  eine  im  C.  I.  L.  nach  der  nicht 
ganz  genauen  Abschrift  Heuzey's  mitgetheilt  ist,  die  beiden  anderen  fehlen.  Die 
erste  ist  die  im  G.  I.  L.  III  n.  360  stehende  Inschrift  des  Veteranen  der  legio  VIII 
Angusta,  C.  Julius  Bassus,  die  Heuzey  jetzt  auch  selbst  in  der  Revue  arch^lo- 
gique,  Nouv.  Serie,  vol.  XXIV  (1872)  p.  376  f.  und  ganz  neuerdings  in  der  Mission 
archeol.  de  Mao^doine  p.  306  n.  123  pnblicirt  hat.  Zuerst  ist  sie  jedoch  ver- 
öfifentlicht  worden  von  J.  G.  v.  Hahn,  Reise  durch  die  Gebiete  des  Drin 
und  War  dar  in  den  Denkschriften  der  Wiener  Akademie,  Phil. -bist.  Gl. 
Bd.  XVI  (1869)  S.  165  n.  21.  Wenn  v.  Hahn  auch  Manches  unrichtig  gelesen 
hat,  wie  z.  B.  Z.  1  CEMAT  fttr  C  •  F  •  MAFC,  Z.  2.  ff'ICOMIS  •  VFTEFXIR 
ansUtt  PELAGO  *  MIS '  VFTE  *  EX  *  LEG,  so  gibt  er  doch  einzelne  Varianten, 
welche  der  Beachtung  werth  sind.  Er  liest  Z.  6  OLVMPVS  sUtt  OLVMPIVS, 
was  mir  richtiger  zu  sein  scheint,  sowie  nach  Z.  6  noch  eine  ganze  Zeile,  welche 
Heuzey  übersehen  hat:  C  •  IVLIVS  EXPFDITVS-  FT.  Femer  gibt  er  die  letzte 
Zeile  in  folgender  Fassung:  PXTA  'MDl<7^'IX,  über  die  jetzt  Heuzey  Mission 
archeol.  p.  306  die  Bjsmerkung  macht:  j^la  demibre  ligne,  en  cwractbres  plus 
negligkeSy  semtHe  avoir  iU  ajoiUie  aprhs  coup.'*  InOchrida,  dem  alten  Lych- 
nidus,  in  der  Frontmauer  der  rechten  Kuppel  der  Sophien-Moschee,  fand  v* 
Hahn  a.  a.  0.  S.  164  n.  13  folgende  Inschrift: 

DOMINONOSTR 
E-  Ae  CONSTAN 
NÖBC  .  .  SAÄl 
FA  -  HYCI 
PR 

worin  sich  ausser  den  Worten  nobilissimo  Caesari  in  Z.  8  nichts  mit  Sichei- 
heit  herstellen  l&sst.  —  Die  andere  Inschrift  ist  zu  Wodena  gefunden  und  hat 
wegen  der  in  ihr  erwähnten  Persönlichkeit  ein  allgemeineres  Interesse.  Sie  lautet 
bei  V.  Hahn  a.  a.  0.  S.  169  n.  49  nach  einer  Gopie  des  Herrn  N.  Demista,  Professor 
am  Gymnasium  von  Monastir: 


MUoeUen.  836 

D       M 

EPICTETO 

NVTRICIO 

MVIVIACEPIA 

6    CIDA  PATRONA 

'  TADINEPOTISIE 

PROPRPROVINC 

MAGEDONIAE 

Wie  der  Namen  der  Fraa  gelautet  hat,  welche  dem  Epiotetus  den  Stein 
hat  setzen  lassen,  ist  nicht  recht  klar,  da  jedenfalls  die  Gopie  nicht  ganz  exact 
ist.  Ich  vermathe,  dass  sie  MYLYIA'  C  *  F  -  PLACIDA  geheissen  hat  Interes- 
santer ist  die  zuletzt  genannte  Persönlichkeit  des  Eegaten  vbn  Macedonien, 
Tadins  Nepos;  denn  in  Z.  6  ist  in  IE  der  Rest  des  Wortes  LE(gatu8)  ent- 
halten. Er  hiess  mit  seinem  vollen  Namen  Sextus  Tadius  Sex(ti)  f(iliu8)  Yol(ti- 
nia)  Lusius  Nepos  Paullinus,  wie  dies  ams  dem  Orabstein  in  der  AbteJ  von  S. 
Salvator  Maggiore  bei  Reate  erhellt,  den  für  ihn  imd  sich  seine  Gattin  Mulvia 
G.  f.  Plaoida  hat  setzen  lassen,  wodurch  auch  unsere  obige  Yermuthung  hin- 
sichtlich des  Namens  ihre  Bestätigung  findet.  Die  Inschrift  desselben  ist  zuerst 
mitgetheilt  bei  Manutius  de  Orthographia  p.  28,  4  und  nach  ihm  von  Smetius 
foL  LXXXV,  9  und  Gruter  p.  471,  6  (daher  Orelli  8668),  zuletet  von  Martelli, 
Le  antichiti  de»  Sicoli  (Aquila  1836)  Vol.  n  p.  188  n.  LXXXVIX.  Tadius  Nepos 
hat  schwerlich  Macedonien  als  Gouverneur  verwaltet,  es  sei  denn  dass  seine 
Yerwaltungszeit  in  die  Jahre  41—- 44  p.  Ghr.  falle.  Denn  wahrend  der  Zeit  von 
15^44  p.  Ghr.,  wo  es  kaiserliche  Provinz  war,  haben  es  mit  Achaia  zusammen 
Poppaeus  Sabinus  von  16 — 86  und  P.  Memmius  Hegaus  von  86 — 41  verwaltet 
Vgl.  Marquardt,  Rom.  Staatsverwaltung.  Leipzig  1878.  Bd.  I  S.  162.  Theod. 
Mommsen  zu  G.  I.  L.  III  n.  667.  Er  war  daher  höchst  wahrscheinlich  lega- 
tus  proconsulis.  Nach  dieser  Stellung  hat  er  noch  denselben  Posten  bei  den 
Proconsuln  von  Asien  und  Africa  innegehabt,  war  inzwischen  noch  praefeotus 
frumenti  dandi  und  zuletzt  Proconsul  von  Greta  und  Gyrene. 

Joseph  Klein. 


2.  Münster -Maifeld.  Antikes  Erzgefäss.  Im  vorigen  Hefte 
dieser  Jahrbücher  pag.  309  findet  sich  eine  briefliche  Mittheüung  von  mir  an 
Hrn.  Prof.  Freudenberg  über  den  Fund  eines  gprossen  Erzgefässes  bei  Münster- 
maifeld abgedruckt,  die  ich  nach  dem  ersten  Ansehen  desselben,  bloss  um 
darauf  aufmerksam  zu  machen,  eingesandt  hatte.  Ich  habe  später  das  .Gefäss 
näher  in  Augenschein  genommen  und  an  der  Fundstelle  die  Erde,  welche  aus 
demselben  herausbefordert  worden  war,  untersucht  und  will  demnach  meine 
erste  Mittheilung  vervollständigen  und  theilweise  berichtigen. 

Das  Gefass  hat,   wie  schon  mitgetheilt,   eine  kesselformige  Gestalt  und 

16 


St26  BGaoelle^. 

mht  auf  einem  massiven  Fnssgestelle,  das  mit  dem  Gefasse  selbst  aas  einem 
Gusse  besteht.  An  beiden  Seiten  desselben  finden  sich  nach  oben  einfache 
senkrechte  Henkel,  wie  man  sie  auch  jetzt  noch  an  Gefassen,  die  zam  Auf- 
hängen bestimmt  sind,  sieht.  Das  Gefass  konnte  demnach  som  Stehen  and 
Aufhängen  benutzt  werden. 

Die  Aussenseite  desselben  ist  mijb  Buss  überzogen,'  doch  ist  der  ganze 
Fuss  frei  davon;  auf  dem  Boden  findet , sich '^ rund  um  die  Stelle,  wo  der  Fun 
mit  demselben  zusammenhängt,  ein  unregelmässiger  Riss,  von  dem  Ausläufer 
nach  den  Seiten  hinaufgehen.  Die  Masse,  besonders  die  des  Bodens,  ist  stark 
oxydirt,  doch  giebt  sie  überall  beim  Ritzen  Metallglanz  und  ist  nirgends  bruchig. 
Auch  die  Rissflächen  sind  oxydirt,  es  müssen  also  die  Risse  schon  vorhanden 
gewesen  sein,  als  das  Gefass  in  die  Erde  kam  und  sind  nicht  erst  jetzt  bei  dem 
gewaltsamen  Ausheben  desselben  aus  der  Erde  entstanden,  sie  sind  dadurch 
nur  auseinandergesprengt  and  sichtbar  geworden. 

Diese  Risse  müssen  wohl  dadurch,  dass  das  Gefass  dem  Feuer  ausgesetzt 
war,  entstanden  sein;  da  nämlich  der  massive  Fuss  sich  nur  langrgam  erwärmen 
und  ausdehnen  konnte,  während  die  Seitenwände,  gegen  welche  die  Flamme 
anschlug,  schnell  warm  wurdcQ,  so  musste  an  der  Stelle,  wo  der  Fuss  mit  der 
dünnem  Wand  zusammenhing,  eine  ungleichmässige  Ausdehnung  des  Metalls 
erfolgen,  und  Risse,  wie  sie  sich  an  dem  Gefasse  vorfinden,  w«ren  die  noth- 
wendige  Folge.  Die  ursprüngliche  Bestimmcmg  desselben  kann  es  nicht  gewesen 
sein,  um  über  dem  Feuer  benutzt  zu  werden,  es  muss  daher  angenommen 
werden,  dass  dieses  später  zu  irgend  einem  andern  Zwecke  geschehen  ist. 

Die  Erde,  welche  sich  in  dem  Geflisse  befunden  hatte,  war  mit  kleinen 
£[nochenstücken,  von  denen  nur  wenige  mehr  als  einen  Zoll  Durchmesser  hatten, 
dnrchsäet.  Es  waren  Röhrenknochen  und  Stücke  der  Hirnschale  erkennbar,  die 
auf  eine  ganz  jugendliche  Leiche  schliessen  liessen. 

Die  Knochen  waren  nicht  vermodert,  auch  die  kleinsten  Stückcheja  waren 
fest,  hatten  scharfe  Ränder,  die  Farbe  war  weisslich;  ein  Stück  vom  Ober- 
schenkel, das  ich  durchschlag,  war  im  Innern  kreideweiss,  einige  Stückchen 
zeigten  einen  Anflug  von  grünlicher  Farbe.  Die  Knochen  sind  ohne  Zweifel 
weiss  gebrannt,  sie  hätten  auch  sonst  nicht  sich  so  unverändert  erhalten  können, 
besonders  da  sie  'der  Feuchtigkeit,  die  sich  in  dem  Geisse  ansammeln  und 
länger  erhalten  musste,  sehr  ausgesetzt  waren. 

Das  Gefass  stand  senkrecht  in  der  Erde  auf  der  harten  oberen  Schichte 
von  Lavasand,  der  obere  Rand  desselben  befemd  sich  stark  einen  halben  Fusa 
unter  der  Oberfläche  des  Ackergrundes.  Der  Fundort  war  sechs  Schritte  von 
einem  Wege,  der  nach  dem  Kaischer  Hofe  führt,  entfernt. 

Li  der  Erde,  welche  das  Gefass  umgab,  fand  sich  keine  Spur  von  Knochen, 
es  kann  also  nicht  angenommen  werden,  dass  dieselben  später  zu&llig  in  jenes 
gekommen  seien,  auch  fand  sich  keine  Spur  von  Asche  und  Kohlen  um  das 
Gefass  herum.  ' 

Dasselbe  muss  also,  nachdem  es  an  einer  anderen  Stelle  dem  Feuer  aus- 
gesetzt war,  hierher  gebracht  und  mit  den  Knochen   in  die  Erde   gekommen 


Miseellen.  227 

sein,  und  es  spricht  die  senkrechte  Stellang  dafür,  dftss  es  absichtlich,  nioht 
zaf&llig  in  die  Erde  versenkt  wurde. 

Die  y erfindlichen  gebrannten  Knochen  leiten  auf  den  Gedanken,  dass 
man  ein  Aschengefass  vor  sich  habe,  wofür  noch  der  Umstand  spricht,  dass 
dasselbe  in  der  Nähe  einer  römischen  Niederlassung  gefunden  wurde. 

Dieser  Annahme  scheint  jedoch  der  Umstand  su  widersprechen,  dass  das 
Gefäss,  worin  die  Knochen  sich  befanden,  von  Russ  geschwärzt  ist,  und  es 
lässt  sich  nicht  gut  denken,  dass  man  ein  solches,  ohne  es  vorher  zu  reinigen, 
als  AschengefEss  benutzt  habe.  Dann  ist  es  aufiiBkllend,  dasB  die  Knochen  sioh"^ 
in  so  vielen  kleinen  scharfkantigen  Stückchen  vorfinden;  durdi  ein  blosses 
Glühen  konnte  eine  solche  Zersplitterung  nicht  zu  Stande  kommen,  sondern  ist 
nur  durch  ein  Zerstossen  der  gebrannten  Knochen  zu  erklaren  ^). 

Es  ist  anzunehmen,  dass  das  GefiUs  die  ursprüngliche  Bestimmoog  hatte, 
eine  Flüssigkeit,  wahrscheinlich  Wasser,  darin  aufsabewahren.  Am  meisten 
Aehnlichkeit  hat  es  mit  den  noch  gebräuchlichen  Waihwasserkesseln,  die  eben- 
falls zom  Aufhangen  eingerichtet  und  mit  einem  Fusse  versehen  sind,  doch 
übersteigt  es  bei  Weitem  die  Grösse  derselben. 

Bei  der  Annahme,  dass  das  Gefass  zur  Beisetzung  einer  Leiche  benutzt 
worden  sei,  müsste  es  aus  einer  Zeit  stammen,  wo  das  Verbrennen  der  Leichen 
noch  üblich  war;  ob  aber  die  Form  und  Beschaffenheit  desselben  einen  rö« 
mischen  Ursprung  zulässt,  kann  ich  nicht  beortheilen.  Dr.  Schmitt. 


3.  Antiker  Steinblock   zu  Müden  an  der  Mosel.    Im  vorigjShrigen 
Heft  der  Jahrbücher  pag.  815  ist  eines  in  Coblenz  befindlichen  Steinblookes  £r- 


')  Dr.  Schmitt  äussert  in  einer  andern  Zuschrift  den  Gedanken:  >ob 
man  nicht  eine  Kinderleiche  in  das  Gefäss  gebracht  und  dieselbe  durch  Feuer, 
welches  man  um  dasselbe  angelegt,  verbrannt  habe.  Bei  diesem  Processe  würden 
Verbindungen  von  Schwefel  und  Phosphor  mit  der  Metallmasse  entstanden  sein, 
die  sich  noch  nachweisen  lassen  müssten,  wofür  auch  die  Beschaffenheit  der  stark 
veränderten  Metallmasse  im  untern  Theile  zu  sprechen  scheine.  Eine  chemische 
Untersuchung  könnte  hier  Aufschluss  geben.  Findet  sich  Schwefelkupfer,  so 
kann  man  mit  Sicherheit  daraus  schliessen,  dass  der  Verbrennungsprocess  im  Ge- 
fasse  stattgefunden  hat.« 

Unser  verehrtes  Mitglied  Prof.  Aug.  Kekul^  hat  darauf  hin  eine  chemische 
Analyse  vorzunehmen  die  Güte  gehabt,  wonach  weder  Schwefelkupfer  noch  Phos- 
phorkupfer in  den  Rückständen  sich  vorfinden.  Prof.  Kekule  fügt  diesem  Be- 
sultat  die  Bemerkung  hinzu:  »Die  Vermuthung ^es  Dr.  Schmitt  findet  also  in 
der  ehem.  Analyse  keine  Stütze.  Sie  scheint  mir  auch  wenig  wahrscheinlich, 
denn  die  vollständige  Verbrennung  eines  menschlichen  Körpers  im  Innern  eines 
selbst  relativ  offenen  Grefasses  dürfte  ungemein  schwer^  wenn  nicht  unmöglich 
sein.  Thierische  und  menschliche  Reste  verbrennen  nur  bei  reichlichem  Luft- 
zutritt einigermassen  vollständig.« 


288  Miscellen. 

w&hniing  geihaii,  sa  dem  ich  eine  Parellele  aas  Müden  hinzufügen  kann.  Der 
Uüdener  Siein  besteht  ans  Mendiger  Lava,  ist  4'  lang,  2'  8"  breiig  1'  6"  dick. 
In  der  Mitte  der  Oberfläche  ist  ein  ähnliches  Loch  von  1'  2Vi''  Darchmesser 
und  7Vt"  Tiefe,  wie  in  dem  Coblenzer  Steine  aasgehauen;  in  der  Mitte  des  Bodens 
desselben  befindet  sich  eine  napfiformige  Vertiefung,  von  der  eine  schmale  Rinne 
nach  einer  Seitenwand  fuhrt.  Auf  beiden  Seitenflächen  des  Steines,  gerade  der 
Mitte  des  Loches  gegenüber,  finden  sich  6"  breite,  7f'  tiefe  Einschnitte,  die  oben 
etwas  enger  sind,  indem  die  Seitenwände  nicht  ganz  senkrecht  sind,  sondern 
mit  der  Qmndfläche  einen  spitzen  Winkel  bilden.  Am  Coblenzer  Stein  findet 
sich  nur  ein  solcher  Einschnitt  auf  der  Seitenfläche. 

Wie  der  Stein  nach  Müden  gekommen  ist,  weiss  man  nicht,  er  befand 
sich  früher  unbenutzt  im  Innern  eines  der  ältesten  Häuser  des  Ortes  und  wurde 
bei  einem  Neubau  anf  die  Strasse  gebracht. 

Während  man  in  Goblenz  an  einen  alt  germanischen  Opferstein  dachte, 
hatte  man  dem  Müdener  Steine  eine  viel  friedlichere  Bestimmung  zuerkannt. 
Die  beiden  Seiteneinschnitte  sollen  den  Zweck  gehabt  haben,  um  darin  hölzerne 
Pfosten  einzulassen,  mit  denen  eine  Vorrichtung  zum  Keltern  von  Trauben,  die 
in  das  Loch  geschüttet*  wurden,  verbunden  gewesen  seL 

Die  napff&rmige  Vertiefung  mit  Rinne  auf  dem  Boden  des  Loches  deuten 
darauf  hin,  dass  die  Aushöhlung  zur  Aufnahme  einer  Flüssigkeit  bestimmt  war ; 
doch  lässt  es  sich  nicht  gut  annehmen,  dass  man  einen  so  schweren  Steinblock, 
um  als  Kelter  zu  dienen,  herbeigeschafft'  habe,  womit  man  seinen  Zweck  doch 
nur  sehr  mangelhaft  hätte  erreichen  können. 

Der  Stein  findet  sich  in  Müden  ganz  isolirt,  auch  finden  sich  in  der  Nähe 
keine  Bauwerke,  wie  in  Goblenz,  worauf  man  ihn  beziehen  könnte. 

Dr.  Schmitt. 


4.  Köln.  Numismatisches.  Das  bekannte  Werk  von  T.  E.  Mionnet: 
De  la  raret6  et  du  prix  des  mödailles  romaines^  wovon  die  erste  Ausgabe 
1816,  die  dritte  und  letzte  1847  erschien,  diente  den  Sammlern  der  antiken 
römischen  Münzen  lange  Zeit  als  Führer,  bis  in  den  Jahren  1857 — 1868, 
auf  Veranlassung  und  im  Verlage  der  HH.  Rollin  und  Feuardent  in  Paris, 
ein  nach  grossartigstem  Plane  angelegtes  neues  unternehmen  in's  Dasein  trat 
und  den  alten,  ungenügenden  Führer  verdrängte.  Der  chronologischen  Ord- 
nung gemäss,  wurde  1857  mit  den  sogenannten  Gonsular-  oder  Familien- 
Münzen,  der  2ieit  der  römischen  Republik  angehörend,  begonnen  und  zwar 
durch  das  von  H.  Cohen  bearbeitete,  prachtvoll  ausgestattete  Werk:  Des- 
cription  gdn^rale  des  monnaies  de  la  Republique  romaine.  In  Betreff  des 
weströmischen  Kaiserreiches  folgte  von  1859-^1862  in  seehs  Bänden  von  dem- 
selben Verfasser  die:  Description  historique  des  monnaies  frappees  sous  TEmpire 
romain,  und  im  Anschlüsse  daran  für  das  oströmische  Reich  1862  das  zwei- 
bändige Werk  von  J.  Sabatier:  Description  generale  des  monnaies  byzantines  — 
das  eine  wie  das  andere^  ebenfalls    in  schönster,  den  nicht  unbedeutendea  An* 


MlflcellML  829 

schaffongspreiB  vollkommen  rechtfertigender  Aasstattung,  wobei  hervorzuheben 
ists  dass  die  zahlreich  beigegebenen  Abbildungen  den  Charakter  der  Münzen 
meisterhaft  wiedergeben.  Beide  stellten  sich  die  Aufgabe,  alle  ihrem  Gebiete 
angehörige  Münzen,  selbst  minder  bedeutende  und  geringfügig  scheinende 
Varietäten  nicht  ausgenommen)  genau  zu  beschreiben  und  ihren  oommeroieUen 
Werth  zu  bestimmen.  Dass  ein  Unternehmen  von  so  unermesslichem  Umfange 
in  seiner  ersten  Ausführung  nicht,  ohne  zahlreiche  Lücken  bleiben  werde, 
besonders  bei  den  Münzen  des  abendländischen  Reiches,  war  vorauszusehen  und 
kann  den  Yerfsssem  keinen  begründeten  Vorwurf  zuziehen.  Jeden&Us  war  ein 
ungeheurer  Fortschritt  erlangt,  und  Cohen  hatte  sich  denn  auch  sogleich  in 
hohem  Grade  des  Wohlwollens  und  der  Unterstützung  vieler  kundigen  und 
praktisch  erüfthrenen  Sammler  zu  erfreuen,  so  dass  er,  nachdem  mit  dem  sechsten 
Bande  die  ihm  überwiesene  Eaiserfolge  abgeschlossen  war,  schon  nach  wenigen 
Jahren  (1868)  einen  siebenten  oder  Supplementband  anreihen  konnte,  der  sich 
ganz  mit  Zusätzen  und  Berichtigungen  füllt.  Verfasser  und  Verleger  haben 
wiederholt  an  die  Besitzer  römischer  Münzsammlungen  die  Bitte  um  deren 
Beihülfe  gerichtet,  damit  das  grosse  Unternehmen  der  Vollständigkeit  immer 
näher  geführt  werde,  und  so  muss  es  denn  im  Interesse  der  numismatischen 
Wissenschaft  sehr  wünschenswerth  erscheinen,  wenn  soldie  Münzen  (natürlich 
von  zuverlässiger  Echtheit),  die  in  den  Cohen-Sabatier'schen  Werken  noch  fehlen, 
zur  Anzeige  gebracht  ^  werden  und  auf  diese  Weise  sich  allmählich  der  Stoff  zu 
einem  zweiten  Supplementbande  ansammelt.  Uebrigens  wird  man  sich  zu  hüten 
haben,  in  allen  Fällen  eine  bisher  in  die  vorgenannten  Werke  nicht  ange- 
nommene Münze  aus  diesem  alleinigen  Grunde  sofort  für  eine  Seltenheit  zu 
halten,  was  namentlich  von  Händlern  in  missbräuchlicher  Weise  mitunter  ver- 
sucht wird  —  sehr  oft  ist  es  eben  nur  der  Zufall  gewesen,  wodurch  ganz 
gewöhnliche  Münzen  der  Kenntnissnahme  der  beiden  Verfasser  vorenthalten 
blieben,  und  Cohen  konnte  desshalb  sehr  vielen  der  ihm  nachträglich  bekanift 
gewordenen  Münzen  auch  nur  die  niedrigste  Preisstufe  zuerkennen. 

Ich  folge  dem  bereits  mehrfach  in  den  Jahrbüchern  gegebenen  Beispiele, 
indem  ich  die  nachfolgenden,  bei  den  beiden  Schriftstellern  fehlenden  Kaiser- 
münzen aus  meiner  Sammlung  beschreibe: 

1)  Claudius  I. 

Klein-Erz. 
TI  CLAVDIVS  CAESAR  AVG.    Eine  Hand,  welche  eine  Wage  hält;  im 
Felde  zwischen  den  Schalen  der  Wage:  PNR. 

(Rev.)  PON  M  TR  P  IMP  COS  a    Im  Felde:  SC. 

Cohen  (Nr.  83)  hat  diesen  Revers  mitPP  zwischen  Imperator  und  Consul. 

2)  Sev.  Alexarnder. 

Klein-Erz. 

IMP  C  M  AVR  SEV  ALEXAND  AVG.  Jugendliche  Büste  des  Kaisers 
nach  rechts,  belorbeert  und  mit  dem  Paludamentum. 

(Rev.)  PROVU)  DEORVM.  Die  Providentia  nach  links  stehend,  mit  Füll- 
horn und  Stab,  zu  ihren  Füssen  eine  Kugel. 


2S0  MiiMdUto. 

Eine  ähnliche  Münze  bei  Cohen  (Nr.  189)  in  Silber,  die  Pragnng  syrischen 
Urspmngs,  mit  der  Verschiedenheit,  dass  die  ProTidentia  mit  der  linken  Hand, 
statt  des  Füllhorns,  einen  Zepter  gefasst  hat  („tenant  nne  bagnette  et  an  soeptre"^. 
Er  verzeichnet  (Nr.  464-^492)  eine  Anzahl  Klein-Erze  von  Alexander,  die.  er 
gproestentheils  für  defoarrirt,  d.  h.  für  des  silbernen  üeberzugs  beraubte  Falsch- 
münzen aus  der  Römerzeit  hält.  Nur  vier  will  er  als  arsprüngliche  Elein-Erze 
galten  lassen,  namentlich  eins  mit  dem  Revers  Fides  Ezercitns»  weil  die  be- 
deutendere Dicke  nicht  zu  den  Silbermünzen  stimme,  unser  Revers  fehlt  nnter 
den  verzeichneten  29  Nummern. 
8)  Postnmus. 

Billon. 

IMP  G  M  GASS  LAX  POSTVMVS  P  F  AYG.  Bütte  des  Kaisers  nach 
rechts  mit  der  Strahlenkrone  und  dem  Paladamentum. 

(Rev.)  VICTORIA  AYG.  Nach  links  schreitende  Victoria,  Kranz  und 
Palme  haltend;  zu  ihren  Füssen  liegt  ein  G^efongener. 

Dieser  Revers  gehört  zu  den  gewöhnlichsten  des  Postnmus,  wenn  die 
Kopiseite'die  Legende  IMP  C  POSTVMVS  P  F  AYG  hat  (Coh.  Nr.  184).  Die 
Vornamen  daius(?)  Marcus  Cassianus  Latinius,  die  unser  unedirtes  Exemplar  abbre- 
virt  anzeigt,  finden  sich  auf  den  Billon-Münzen  dieses  Kaisers  sehr  selten, 
so  dass  Cohen  deren  nur  zwei  (Nr.  147  und  166)  kennt. 

4)  Victorinus. 

Silber. 
IMP  C  VICTORINVS  P  F  AVG.    Büste  nach  rechts  mit  Strahlenkrone 
und  Paludamentum. 

(Rev.)  FIDES  MHJTVM.  Stehende  weibliche  Figur  (die  Treue)  nach 
links  blickend,  zwei  Feldzeichen  haltend. 

^  Die  Münze  ist  von  feinem  Silber  und  somit  von  grosser  Seltenheit.  Bei 
Cohen  sind  zwei  andere  beschrieben  und  zu  200  Fr.  gewerthet,  darunter  der 
Revers  VICTORIA  AVG  im  Besitze  des  Herrn  Aldenldrohen  in  Köln.  Mein 
Exemplar  wurde  bei  Grundarbeiten  in  der  Nähe  von  St.  Gereon  gefunden. 

5)  Tacitus.  * 

Gold. 
IMP  C  CL  TACrrVS  AVG.    Büste  nach  rechts  mit  Strahlenkrone»  Palu- 
damentum und  Panzer. 

(Rev.)  FELICITAS  TEMP.  Die  FeliciUs  nach  links  Strand,  Cadoceus 
und  Scepter  haltend. 

Cohen  (VII.  Nr.  4,  p.  822)  fuhrt  diese  Münze  als  in  meinem  Besitze  an, 
bezeichnet  sie  jedoch  irrig  als  Klein-Erz,  während  ich  sie  als  unedirte  Gold- 
münze angezeigt  hatte. 

6)  Gal.  Val.  Maximianus  II. 

Mittel-Erz. 
MAXIMIANVS  NOB  C.    Belorbeerte  Büste  nach  links  mit  dem  Panzer, 
Schild  und  Lanze  haltend. 


Mifloellen.  231 

(Rev.)  M  SACRA  AYGG  ET  GAESS  NN.  Die  MoneU  aiehend  nach  links 
mit  Wage  und  Füllhorn.    Redits  im  Felde  ein  Stern;  im  Absclmitt  ATB. 

7)  Sev  erns  IL 

Mittel-Erz. 

FL  VAL  SEYERVS  NOB  G.  Belorbeerte  Büste  nach .  rechts  mit  dem 
Panzer. 

(Rev.)  GENIO  POPVLI  ROMANI.  Genius  nach  links  stehend^  Füllhorn 
und  Patera  haltend.    Im  i'elde:  SF,  im  Abschnitt:  PTR. 

Bei  Gohen  Nr.  36  befindet  sich  links  von  dem  Genius  ein  Altar. 

d)  Gonstantinus  magnus. 

Mittel-Erz. 
CONSTANTINVS  NOB  GAES.    Belorbeerte  Büste  nach  rechts. 
(Rev.)  HBRGYLI  GONSERVAT  OABS.     Hercules,  nach  links  gewandt, 
erdrückt  einen  aufspringenden  Löwen;  die  Keule  bemerkt  man  hinter  ihm  am 
Boden.    Im  Abschnitt:  ST. 

Gohen  (Nr.  825)  kennt  diese  schöne  und  seltene  Münze  nur  in  Klein-Erz, 
das  Exemplar  im  Wiener  Museum,  gewerthet  zu  40  Fr. 

9)  Heraclius  und  Heraclius  Gonstantinus.  (613—641.) 

Gold. 
DN  ERAGLIO  ET  ER  G0NT(8ic)  P.    Die  Büsten  der  beiden  Kaiser  ganz 
von  yome,  mit  Diadem ;  zwischen  den  Köpfen  ein  Kreuz. 

(Rev.)  VIGTORIA  AVGG  A-  Kreuz,  auf  drei  Stufen  gesteUt.  Im  Ab- 
schnitt: GONOB. 

Dickmünze  (globule)  in  Quinar-Grösse,  an  Gewicht  dem  gewöhnlichen 
Gold-Solidus  gleich.  Das  Exemplar  stellt  sich  als  eine  Varietät  zwischen  die 
Nrn.. 60— 52  bei  Sabatier.    Die  Ausprägung  ist  deutlich.       J.  J.  Merlo. 


Nachschrift.  Meinem  Beitrage  zu  Heft  LII  sind  im  Doppelhefte 
Uli — Liy  Gegenbemerkungen  des  Hrn.  Dr.  J.  Kamp  gefolgt,  die^  ohne  jegliche 
Provocation,  in  einem  so  eigenthümlichen  und  gereizten  Tone  vorgetragen  sind, 
dass  ich  meinerseits  von  einer  WeitetfUhrung  der  Gontroverse  absehe.  Einen 
Punkt  will  ich  indess  berühren,  um  das,  was  dabei  seine  Richtigkeit  hat,  bereit- 
willig anzuerkennen.  Hr.  K.  hat  nämlioh  ein  in  meinem  Besitze  befindliches 
römisches  Näpfchen  von  2  Zoll  Durchmesser,  mit  dem  Töpfemamen  LAGO, 
zwar  als  eine  Schale  mit  dem  Stempel  YAGO  und  ohne  Beachtung  der  bei 
dieser  irrigen  Lesung  erforderlich  gewesenen  Ligatur  der  beiden  Anfangsbuch- 
staben —  nicht  aber  als  eine  Scherbe  angezeigt.  Zum  Ausgleich  darf  ich 
dagegen  nachträglich  hier  anführen,  dass  einer  schönen  und  vortrefiTlich  er- 
haltenen Terrasigillata-Schale  mit  dem  Stempel  DONTIOÜIG  (das  Original  lässt 
nach  dem  G  noch  die  Spuren  eines  I  als  des  Schlussbnchstaben  erkennen,  so 
dass  Dontionici,  mit  fehlendem  Yerbindungsstrich  beim  letzten  N,  zu  lesen  ist), 
die  Hr.  K.  bei  mtf  gesehen,  unter  Nr.  40  seines  Verzeichnisses  die  Eigenschaft 


289  MimmUmi. 

„Soherbe"  sugetheilt  ist  —  eine  Metamorphose,  der,  wie  bereits  fr&her  bemerkt, 
anoh  ein  wohlerhaltener  Napf,  der  den  Stempel  SVLPIC  tr&gt,  sich  unter- 
werfen musm  (E,  112). 

Hinsiohtlioh  der  Frage  zwischen  Meddicus  and  Meddirins,  welche  yon 
anderer  Seite  (Heft  XLIX  S.  167)  angeregt  worden,  sei  noch  bemerkt,  dass 
die  Unrichtigkeit  der  letzteren  Lesong  bei  mir  feststeht  und  feststehen  darf. 
Vierzig  Jahre  hindurch  und  bis  zu  seinem  Lebensende  mit  Meinertzhagen  in 
regem  freundschaftlichen  Verkehr  stehend,  kannte  ich  die  Glegenstftnde  von  dessen 
schfttzenswerther,  jedoch  bei  seinen  beschrinkten  Mitteln  keineswQgs  umfang- 
reicher, sondern  für  den  Fachkenner  stets  sehr  leicht  zu  übersehender  Sammlung 
römischer  Anticaglien  aufs  genaueste  und  wein  daher,  dass  derselbe  niemals 
einen  Stempel  mit  dem  Namen  Meddirius  besessen  hat,  an  dem  sich,  laut  der 
ersten  Bekanntmachung  im  11.  Hefte  d.  Jahrb.  sogar  das  so  seltene  gestrichene 
D,  welches  der  Stempel  Meddicus  in  WirUicbkeit  aufweist,  ebenfidls  befunden 
haben  soU.  Eben  wegen  dieses  eigenthümlich  gestalteten  D  pflegte  mein  Vor- 
besitzer auf  seinen  Meddicus  aufmerksam  zu  madien,  ohne  jemals  eines  Ähnlich 
ausgestatteten  Meddirius  erwähnt  zu  haben.  J.  J.  Merlo. 


6.  Ma  yen.  In  diesem  Frülgahre  wurde  wieder  ein  Keller  zum  neuen  Hause 
vor  dem  Brückenthore  ausgeworfen,  bei  welcher  Gelegenheit  bald  wieder  ronüsohe 
Fundamente  zu  Tage  traten,  deren  Steine  dieselbe  Form  haben  wie  schon  früher 
hier  gefundene  und  deneui  womit  das  Amphitheater  in  Trier  gebaut  ist,  förmlich 
gleich  sind.  Bald-  zeigte  sich  auch  ein  EBtrichboden,  der  in  der  Weise  herge- 
stellt war,  das  dem  Kalk  Stückchen  Ton  gebrannten  rothen  Backsteinen  bei- 
gemischt waren,  der  fest  gewordene  Estrich  wurde  dann  abgeschliffen  und  erhielt 
ein  mosaikartiges  Aussehen. 

Femer  wurde  eia  runder,  1  Fuss  im  Durohmesser  haltender,  verzierter  Stein 
gefunden,  der  nur  zur  Zierde  irgendwo  angebracht  zu  sein  scheint.  Das  Inte- 
ressanteste ist  ein  Stein,  der  oben  nur  wenig  abgeschlissen,  von  allen  andern 
Seiten  verstümmdt  ist  und  in  zwei  Zeilen  folgende  Beste  einer  Inschrift  enthält: 


Die  Zahlen  selbst  mögen  4  ZoU  hoch  sein.  Ich  vermuthe,  dass  derselbe 
ein  Stück  von  einem  Meilensteine  ist,  weil  er  in  der  unmittelbaren  Nähe  der 
alten  Bömerstrasse  gefunden  ist.    Können  Sie  die  Zeichen  vielleLcht   entzifbm? 

[Der  Vermuthnng,  dass  das  Inschriftfragment  einem  römischen  Meilensteine 
angehört  habe,  möchte  ich  schon  desshalb  nicht  beipflichten,  weil  der  fragliche 
Stein  nicht  die  gewöhnliche  Säulenform  hat,  sondern- die  Zeichen  auf  einer 
Ebene  stehen.  Wenn  man  der  Go^jectur  Baum  geben  wUl,  so  dürfte  man  wohl 
an  eine  Weihe-Inschrift  eines  Kaisers,  etwa  des  Tnganus  denken  und  das  Bruch- 
stück für  einen  Rest  der  Titulatur  halten :  [trib.  pot,]  XH  G(odfe)  .  .  IM(perator) 


265 

und  zwar  um  so  eher,  als  die  BaehBtaben  sich  durch  Grösse  auszeiohnen.  Doch 
wie  dem  auch  sein  mag,  jedenfaUs  spricht  das  Vorkommen  eines  solchen  Stein- 
denkmals  dafür,  dass  zur  Zeit  der  Römer  Mayen,  dessen  Umgebung  den  von 
ihnen  nachweislich  gekannten  nn4y  wegen  seiner  Dauerhaftigkeit  besonders  zu 
Handmühlen  benutzten  Lavastein  lieferte,  eine  Niederlassung  yon  nicht  zu  unter- 
schätzender Bedeutung  gewesen  seL    J.  Fr.] 

RwiiliftK  wurden  noch  zwei  Münzen,  die  eine  von  Domitianus,  die  andere 
Yon  M.  Agrippa  gefunden. 

Eiine  yielleiöht  nioht  so  bald  wiederkehrende  Gelegenheit»  Funde  aus  ro- 
mischer Zeit  zu  machen^  dürfte  sieh  beim  Bau  der  neuen  Eisenbahn  von  Neuwied 
aus  bieten.  Könnten  Sie  nicht  Schritte  thun,  dass  von  der  Regierung  aus  Leute 
bestellt  würden,  die  darauf  achteten? 

2.  In  den  allerletzten  Tagen  sind  noch  interessante  Funde  gemacht  worden, 
von  denen  ich  Dmen  Mittheilung  zu  machen  mir  nicht  versagen  kann. 

An  derselben  Stelle,  wo  die  jüngst  erw&hnten  G^enstftnde  lagen,  ist  auch 
ein  Brunnen  angelegt  worden,  bei  dessen  Ausgrabung  ein  Stein  herauskam,  welcher 
der  obere  Theil  einer  römischen  Handmühle  gewesen  zu  sein  scheint,  wie 
solche  auch  inPomp^i  gefunden  sind.  Derselbe  ist  ein  Mühlstein  von  Lava,  von 
3  Fuss  Durchmesser,  aber  nicht  mit  ebenen  Seiten,  sondern  konisch,  kegelförmig 
auf  der  einen  Seite  erhaben,  auf  der  andern  hohl  mit  einer  Oeffnung  in  der 
Mitte.  Auch  diesen  Stein  habe  ich  wie  die  früher  erw&hnten  Gegenstände  in 
Verwahr  genommen. 

Ein  hiesiger  Bürger  machte  die  Bemerkung,  dass  ein  Feld  in  seiner  Nähe 
an  einer  Stelle  immer  grüner  und  üppiger  war,  was  ihn  veranlasste,  das  Feld  zu 
kaufen,  um  nach  Wasser  für  seine  Brauerei  graben  zu  lassen.  Die  Vermuthnng 
bestätigte  sich,  er  fand  Wasser,  zugleich  aber  auch  und  zwar  12  Fuss  unter  der 
Oberfläche  ein  gemauertes  Bassin^  Früher  in  meinem  Programm  besprochene 
Wasserleitungen  wiesen  auf  diese  SteUe.  In  der  Einfassung  selbst  ist  kein  (Gegen- 
stand, der  auf  römische  Arbeit  hindeutete,  gefunden  worden;  es  kann  aber  doch 
nicht  gut  etwas  anderes  sein,  es  sei  denn,  dass  dieselbe  vorrömischen  Ursprungs 
wäre.  Rektor  Kruse. 


6.  Mayen,  6.  März.  Fund  einer  röm.  Münze  in  einem  alten 
Schacht.  Vorgestern  fand  man  in  der  Grube  des  Steinhauermeisters  Joh.  Ax 
eine  römische  Kupfermünze  mit  dem  Rilde  des  Kaisers  CSonstantinus  M.,  neben 
einem  vollständig  oxydirten  eisernen  Keile,  in  der  technischen  Sprache  »Weck« 
geheissen,  welcher  zum  Steinspalten  diente.  Dieser  Fund  ist  in  so  fem  von 
Interesse,  als  durch  ihn  die  Thatsache  constatirt  wird,  dass  die  Ausbeutung  des 
hiesigen  Hausteins  bereits  vor  1500  Jahren  in  Betrieb  gewesen  ist;  denn  der 
Umstand,  dass  beide  Gegenstände  in  dem  Auslaufe  eines  horizontalen,  gaiigartigen 
Schachtes,  wie  man  solche  wesentlich  abweichend  von  der  heutigen  Methode 
ausschliesslich  in  älterer  Zeit  im  primitiven  Zustand  der  hiesigen  Steinhanerei 


284  Ifisoolloii. 

angel^  za  haben  Boheint,  gefonden  worden,  Iftsst  nur  die  Annahme  za,  dass 
dieselben  Ton  einem  an  dem  Fundort  besoh&ftigt  gewesenen  Arbeiter  herrühren. 
Die  Münze  befindet  sich  noch  im  Besitze  des  Herrn  Az.  (Rhein.  BI.) 


7.  Trier  7.  Febr.  Beim  Planiren  des  Bauplatzes  zur  neuen  Kirche  in 
Euren  stiess  man  gestern  wiederum  auf  den  vor  vielen  Jahren  schon  entdeckten 
römischen  Mosaikboden.  Derselbe  ist  in  seiner  Ausdehnung  14V«  Fnna  im  Q  gross, 
mit  schönen  yierfarbigen  Mustern.  Lmder  wurde  früher  beim  Setzen  eines  Baumes 
ein  Theil  desselben  zerstört;  ebenso  ist  zu  bedauern,  dass  die  Fundamente  |der 
neuen  Kirche  durch  denselben  gelegt  werden  müssen,  wonach  eine  Erfaiätuiig 
desselben  kaum  zu  ermöglichen  bleibt  *). 


8.  Waldorf  (Kr.  Ahrweiler),  20.  Mai.  Fund  zweier  römischen  sil- 
berner Löffel.  Der  hiesige  Ortsvorsteher  fand  beim  Umackern  eines  Feldes 
»auf  dem  tScheidt«  genannt,  wo  ehemals  eine  römische  Villa  stand,  zwei  wohl 
erhaltene  silberne  Löffel.  Sie  haben  fast  dieselbe  Form  wie  die  in  Pompeji 
gefundenen.  [Ueber  frühere  Ausgrabungen  bei  Waldorf  im  J.  1848  und  1860 
vergleiche  man  den  Bericht  des  Herrn  Pfarrer  Fries  in  unsern  Jahrb.  H.  XVI. 
S.  812.]  Freudenberg. 


9.  Holzhausen  auf  der  Haide,  4.  Aug.  Aufdeckung  eines 
Römerc asteil 8.  Es  war  bekannt  dass  zwischen  hier  und  Laufenseiden  zu- 
nächst am  Pfahlgraben  ein  römisches  Castell  lag.  Üeber  dasselbe  war  schon  von 
dem  Preuss.  Generalstabs-Msgor  Schmidt  aus  den  Jahren  1884 — 45  *)  und  von  dem 
verdienstvollen  (}eometer  Wagner  in  Kemel  berichtet  worden;  auch  hatte  der 
letztere  in  Gemeinschaft  mit  dem  Bürgermeister  voii  Stottert  Nachgrabungen  an- 
gestellt und,  wie  es  hiess,  in  der  nordöstlichen  Ecke  einen  runden  Thurm  mit 
Wendeltreppe  ausgegraben«  In  jüngster  Zeit  wurde  dieses  Castell  durch  den 
Herrn  Oberst  von  Gohausen  in  so  weit  aufgedeckt,  als  es  nöthig  war,  die  Mauer- 
einfassung und  die  4  Thore  zu  zeichnen  und  messen  zu  können.  Es  bildet  namlioh 
ein  längliches  Rechteck  mit  abgerundeten  Ecken  von  181  zu  142  Schritt.  Yor 
der  Mauer  findet  sich  der  Graben  und  hinter  ihr  ist  der  Wall  angeschüttet,  der* 


^)  üeber  die  römische  Yilla  zu  Euren  und  ihre  Mosaikböden  brachte 
inzwischen  der  Jahresbericht  für  1872  und  1878  det  Trierer  Ges.  für  nützliche 
Forschungen  eine  Mittheüung.  D.  Red. 

*)  [Vergl.  Annalen  des  Ter.  für  Nassauische  Alterth.  und  Geschichte.  Bd. 
YI,  1859  S.  57  f.:  F.  W.  Schmidt's  Lokaluntersuchungen  über  den 
Pfahl  graben  vom  Rhein  unterhalb  Neuwied  bis  Oehringen,  so  wie  über 
die  alten  Befestigungen  zwischen  Lahn  und  Sieg.  Herausgeg.  von  E.  Schmidt, 
Msjor.]  D.  Red. 


Mirieelleii.  285 

nan  seit  Jahrhondarten  die  Mauer  ttberdedct  und  gesehflizt  h%%  leider  aber  doch 
nicht  yeilundern  konntCi  daas  man  nicht  ihren  obem,  wahrscheinlich  mit  Zinnen 
besetzten  Theil  zu  benachbarten  Wegebauten  abbrach  und  fortschaffte.  In  der 
karzen  Ostseite  fand  sich  ein  Doppelthor:  zwei'  dorch  einen  lüttelpfeiler  ge- 
trennte Einfahrten,  w&hrend  die  andern  Thore,  eines  in  der  Mitte  der  gleichfaUs 
karzen  Westseite  und  je  eines  im  östlichen  Drittel  der  langen  Süd-  und  Nord- 
seite nur  einfach  waren.  Damit  die  schönen  jungen  Eiohenpflanzungen  nicht 
beschädigt  und  damit  auch  sp&ter  im  Winter  Nässe  und  Frost  dem  MauerweriE 
nicht  yerderblich  wurden,  wurden  die  Ausgrabungen  alsbald  wieder  zugeschüttet, 
nidht  ohne  den  Wunsch  zu  erwecken,  sie  einst  wieder  au%edeckt  und  in  ge- 
eigneter Weise  geschützt  den  Augen  des  Publikums  bleibend  offen  gelegt  zu  sehen. 
(Bhein.-Gour.  y.  4.  Aug.  und  Eöln.-Zeit.  8.  Aug.  74.  2.  BL) 


10.  Bonn.  Ziegelstempel  der  Coh«  lUbiorum.  Nach  einer  Notiz  der 
Leipz.  illustririen  Zeitung,  yom  9.  Mai  1874,  »wurde  im  April  bei  der 
Planirung  des  Viehmarktes  von  Üdvarhely  (Siebenbürgen)  die  Römerstrasse,  welche 
dem  Flusse  Kockel  aufwärts  führt,  bloss  gelegt,  wobei  die  beträchtlichen  Sub- 
structionen  eines  Militärbades  aufgedeckt  wurden.  Ziegelstempel  schrieben  das- 
selbe der  C(ohors)  I  YB(iorum)  zu.  Die  aufgefundenen  Münzen  beginnen  mit 
Trajan  und  endigen  im  J.  247  mit  einer  Bronze  Philipps.  Yon  anderweitigen 
Fundstücken  ist  aus  der  vorrömiBchen  Epoche  ein  Ohrring  aus  gewundenem 
Golddraht  und  Bernsteinperl^n,  aus  der  römischen  Zeit  zahlreiches  stark  ozydirtes 
Eisenmaterial,  aus  der  Yölkerwanderungsperiode  ein  präditiger  silberner  Ohrring 
mit  polygonem  Knopf  zu  nennenc. 

Die  auf  diesen  Stempeln  genannte  eohors  I  Ubiorum  kommt  auf  einem 
Diplom  des  Antoninus  Pius  aus  Nieder-Pannonien,  wahrscheinlich  vom  J.  167  vor 
(bei  Orelli-Henzen  Nr.  6858  a  =»  Diplom.  Nr.  XL  im  Corp.  Inscr.  lat.  III  p.  882) 
mit  der  Form  YLBIORYM,  die  Henzen  in  YBIOBYM  yerbessert  hat  mit  Rück- 
sicht auf  eine  Yotivinschrift  aus  Mehadia  inDacien:  Herculi  in  |  victo  L.  Pomp> 
peius  Celer  |  Praef.  Coh.  I  Ubior.  |  Y.  S.  Nach  Neigebaur,  Dacien  678  hatte  die 
Coh.  I  Ubiorum  in  Dacien  längere  Zeit  ihr  Standquartier.  Yon  ihr  kennen  wir 
noch  einen  praefectus  coh.  Ubiorum  Moes.  infer.  C.  Junius  Tertius,  bei  Mommsen 
I.  R.  Neap.  4097,  und  einen  zweiten  praef.  coh.  Ubiorum  ped(itatae)  et  equit(atae), 
ebenda.  Nr.  4686.  J.  Fr. 


11.  Bonn.  Grabinschrift  eines  Ga,nabensis  aus  Köln.  Wir 
schliessen  hieran  eine  in  dem  reich  und  prachtvoll  ausgestatteten  Inschriftswerk: 
Acta  Musei  Hnngariae.  Monuments  epigraphiques  du  Musee  nat.  Hon* 
grois  dessin^s  et  expliqaös  par  Ernest  Dejardins  publies  par  ordre 
de  M.  le  ministre  de  cultes  et  de  llnstruction  publique  roy.  de  Hongrie  et  par 
les  soins  de  Dom  Floris  Rom  er.  Bnda-Pest,  imprim.  de  Punivers.  roy.  Hongr. 
1878.   Fol.   veröffentlichte  Grabinschrift  aus   Aquincum,  0-Buda,  Alt- Ofen), 


386  Misotllen. 

welche  in  mfehrCiober   Benehang  unaer  Intarease  erregt.    Sie  lautet  nach  dea 
Mon.  6pigr.  Nr.  180  (vergl.  die  Abbild.  Taf.  XXXI): 

M(arco)  FVRIO  POWlia  sc.   tribu 

RVFO  CANA[B](eiiBi) 
ET  MEMMIAE 
SERVANO[a]E  CO(ii) 
6  IVCI  EIVS  S(extuB)  TATI[u8] 

CONSTA[n]S  FRAT[er] 

ET  HER(e8)  EIVS  F(aaiendam)  C(aravit) 

CIVES  AGRIP[p]IN(enBeB) 

TRASALPINl 

Der  durch  dieses  Grabdenkmal  G^hrte  wird  als  Canabensis  bezeiduiet, 
ein  Name,  über  dessen  Bedeutung  zuerst  Professor  Th.  Mommsen  in  den  Monats- 
berichten der  Berl.  Acad.  1867  S.  522  ff.  und  jüngst  im  YII  Bd.  des  Hermes  v. 
1872  p.  298  ff.  das  erwünschte  Licht  verbreitet  hat.  Unter  canabae  sind  >za 
Waarenlagem  und  Yerkaufslokalen,  besonders  für  Wein  und  Oel»  bestimmte  Ba- 
rakenc  zu  verstehen,  welche  von  den  die  Legionen  begleitenden  lixae  (Marketender) 
und  negotiatores  (Händler)  in  der  N&he  der  castra  stativa  (festen  Standlager) 
errichtet  wurden  und  nach  und  nach  zu  Lagerstftdten  anwuchsen.  Die  hier  an- 
gesiedelten Oewerbsleute  hiessen  c^nabenses  und  genossen  Gorporationsrechte 
nach  Art  der  vicL  Seit  Trsjan  und  Hadrian  entstanden  daraus  vollständige 
Colonien,  zu  welchen  namentlich  Aquinoum  (Alt-Ofen)  und  Troesmis 
(Iglitza)  in  Niedermösien  gehören.  —  Merkwürdig  ist  in  unserer  Inschrift  der 
Zusatz  in  den  2  letzten  Zeilen  Gives  Agrip(p)inenses,  woraus  hervorgeht 
dass  der  Verstorbene  M.  Furius  Rufus,  seine  Gattin  Memmia  Servanda,  wie  auch 
sein  Halbbruder  S.  Tatius  Constans  Bürger  der  Colonia  Agrippinensium 
waren,  welche  hier  mit  dem  wohl  sonst  nirgends  vorkommenden  Beinamen  (im 
Sinne  der  Bömer)  Transalpini  bezeichnet  werden.         Freudenberg. 


18.  Bonn.  Drei  neue  römisohe  Inschriften  aus  Pont  und  Bil- 
lig. 1.  Der  Güte  des  Herrn  Nettesheim,  Kaufmann  aus  Geldern,  verdanke  ich 
einen  Papierabdruck  von  einer  beim  Dorfe  Pont,  unweit  Geldern,  auf  der  sogen. 
Dardtmanschen  Höhe,  in  unmittelbarer  Nahe  der  Bömerstrasse,  welche  von 
Yetera  (Xanten)  nach*  der  Maas  hinfuhrt,  bei  Anlage  der  Eisenbahn  gefundenen 
Grabinschrift.  Der  Stein  ist  oben  rechts  hin  und  am  untersten  Theüe  ein  wenig 
abgebrochen.  Die  Buchstaben  sind  0,5  C,  das  D  über  dem  Gesimse  0,6  0.  hoch. 
Der  Wortlaut  der  jetzt  im  Museum  Wallraf-Richartz  in  Köln  befindlichen  In- 
schrift, wozu  mir  auch  eine  genaue  Abschrift  vom  Prof.  DÜntzer  vorlag,  ist: 


lOioeUen.  287 


0 
PRIMINI 

TVLLIO  •  yg^ 

I  EC  XXXVV 
VLPCASVA 
COllVCIPI 
.tlSSIMOl 


lli 


d.  h.  D(iB  fiCanibufl) 

Priiniiii(o)  Tollio  ▼e[t](eraiio) 

[l]6gioni8  XXX  U)lpifte)  VCictrieis) 

Ulp(iA)  Casaa 

oo(n)iiigi  pi[en]ti88imo 

[et  sibi  ▼]iTa(e  £Msi«adam  cuntvit). 
Der  Name  Priminius  kömmt  auf  einer  noch  nicht  pablioirten  zweiten  In- 
schrift, im  Besitze  unseres  kürzlich  yerstorbenen  Hitglieds  Herrn  Gnillon  in 
Boermond  vor,  angeblich  aus  Neuss.  Sie  lautet  DEO  MEBGVBIO  |  L  *  PRIMINIYS; 
femer  im  C.  I.  L.  m,  6099  aus  Noricnm  ein  G.  Priminius  Tertius.  Dagegen  ist 
das  oognomen  Tullius  äusserst  selten;  nur  I.  Neap.  647  findet  sieb  ^  L-  Vol- 
cacius  Tullius  zu  Brundusium. 

Unser  Tullius  war  Veteran  o^  XXX.  Legion,  welche  von  Trajan  an  der 
Stelle  der  XY .  Primig.  errichtet  mehrere  Jahrhunderte  am  Niederrhein  stationirte 
und  ausser  der  unsrigen  noch  6  Denkmäler  von  Veteranen  zurückgelassen  hat: 
1.  eine  Yotivara  ans  Qualburg,  Er.  Düsseldorf  (Bramb.  166  a),  den  Ifatribus 
Quadrubüs  geweiht  von  dem  Veteran  Flayius  Seyerus,  2.  Bramb.  190  eine  Grab- 
schrift des  JuL  Hilarius,  aus  Caloai'  (yergL  Bonn.  Jahrb.  XXIX-XXX  p.  228); 
8.  eine  Votiyara  der  Fortuna  aus  Xanten,  von  C.  Sextilius  Lepidus  (im  yaterl. 
Hus.  zu  Bonn);  4.  eine  Qrabschrift  (aus  Asdburgium,  Asberg)  dem  Veteran  M. 
Gaesius  Mutilus,  von  dessen  Erben  M.  T.  Caesi  BL  F.  Kaesonee  gesetzt;  6.  Grab- 
stein des  Veteranen  P.  Qratinus,  frühst  im  Herzogl.  Schloss  in  Düsseldorf  einge- 
mauert, jetzt  in  Bfannheim;  endlich  6.  der  wogen  seiner  bUdliehen  Darstellungen 
berühmte  Gfabstein  des  G.  Severinius  Vitealis.  vet  honestae  missionis,  yon  dessen 
Tochter  Severinia  Severina  yor  dem  Jahr  228  geweiht.  Vergl.  Welöker  Bonn; 
Jahrb.  Vü»  p.  94  S.  Bramb.  878 ;  Düntzer  Verz.  der  röm.  Alterth.  des  Museum 
Wallraf-Richartz.  —  Unsere  Inschrift  ist  unterdessen  in  der  Köln.  Zeit,  yom 
24.  Jan.  publicirt  worden. 

Z.  4.  Von  dem  celüsch  auslautenden  Beinamen  der  ülpia  Gasua  ist  uns 
kein  andres  Beispiel  bekannt.  Die  grossentheils  zerstörte  letzte  Zeile  unserer 
Inschrift  wird  wohl  sicher  ergänzt  durch  ET  SIBI  VIVAE;  die  treue  Gattin  Hess 
nach  dem  Tode  ihres  Bfannes  ein  Grabmal  errichten,  welches  auch  ihre  Asche 
aufzunehmen  bestimmt  war. 


I 


238  Misoettan. 

2.  Darch  die  Güte  des  Dr.  Pohl  in  Line  worden  mir  die  von  ihm  selbet  ge- 
fertigten Abschriften  zweier  in  der  Feldflur  »auf  dem  Hondert«  (im  Volksmonde : 
»auf  dem  Ebnderc)  nördlich  von  dem  Dorfe  Rheder  (unweit  des  alten  Belgica) 
vor  einer  Reihe  von  Jahren  auf  dem  Grondttücke  des  Johann  Strasser  daselbst 
gefundenen  und  noch  in  dessen  Besitz  befindlichen  Insohriffcenfragmente  mitge- 
theilt,  auf  deren  grosserem  noch  Folgendes  erhalten  ist: 

M 

TICI 
VXFI 

Aus  dem  M(anibus)  in  der  1.  Zeile  ersehen  wir,  dass  der  Stein  eine  Grab- 
schrift trug  und  am  Anfang  D(i8)  ausgefallen  ist.  Z.  2.  TICI  kann  der  Ausgang 
von  Atticus,  Atticianus,  Raeticns,  Rustious  sein.  Schwierig  ist  die  Ergänzung 
von  Z.  3  VXFI;  das  nftchstliegrende  wäre  an  [con]iux  mit  darauf  folgendem 
FIliusque  zu  denken,  wenn  die  Nominativform  ooninx  wie  das  angehängte  que 
dicht  von  der  gewöhnlichen  Form,  welche  den  Dativ  coniugi  für  Mann  und 
Gattin  verlangt,  abwiche.  Yieileioht  könnte  auch  in  YX  ein  gallischer  Name  stecken. 

3.  Das  zweite  mit  einer  Umrandung  versehene* Fragment  lautet: 


Es  dürfte  dasselbe  wohl  für  einen  titulos  honororius  zu  halten  und  etwa 
in  (Anton)ino  zu  vervollständigen  sein. 

4.  Zum  Schlüsse  wollen  wir  noch  eine  im  Herbst  1873  in  Aachen  ge- 
fundene interessante  Inschrift  mittheilen,  von  welcher  uns  erst  Kunde  zukam, 
als  dieselbe  bereits  in  der  Archaol  .-Zeit.  N.  F.  6.  Bd.  4.  H.  S.  139  veröffentlicht 
war.  Nach  dem  Bericht  des  Herrn  Dr.  Scheins  war  der  Stein  in  eine  Keller- 
wandy die  dem  Rathhause  nahe  liegt  und  nachkarolingisch  ist,  roh  eingemauert 
und  ist  links  und  nach  unten  abgebrochen.  Am  rechten  Ende  ist  ein  Genius 
in  Halbrelief  eingehauen.  Die  Inschrift  lautet  nach  der  sehr  ansprechenden  und 
in  der  Hauptsache  sichern  Lesung  und  Ergänzung,  welche  Prof.  Hübner 
vorgeschlagen : 

c.  liClNIVS 

fnsCVS  •  NECO 

tiator  FRVMEN 

tarios  h.  s.  e. 

Wir  erhalten  also  hier  ein  inschriftliches  Zeugniss  für  den  (^etreidehandel 
in  Aachen  zur  Romerzeit,  was  um  so  erwünschter  ist,  als  das  Vorkommen  von 
negotiatores  und  meroatores  ftnmentarii,  wie  Herr  Hübner  bemerkt,  in  den 
Provinzen  bisher  nur  sehr  selten  aus  Inschriften  nachgewiesen  werden  konnte. 

J.  Freudenberg. 


.  .        Mi^cellen.  299 

13.  Bonn.  Kleiner  Altar  von  Jurakalk,  gefanden  Yor  dem  Köln- 
thore  beim  Bau  der  -ProvinziaMrrenanstalt  mit  der  nach  rechts  beschädigten 
Aufschrift : 

ivL-  av 

MA  •  DO 
V     S     L 

Der  Weihende  hiess.  wohl  Julius  Quintus,  denn  das  V  war,  soviel  die  zer- 
störte Oberfläche  erkennen  lasst,  mit  einem  N  gebunden;  dadurch  wird  die 
Ergänzung  Quietus,  die  sonst  nahe  lag,  abgewiesen.  Quintus  erscheint  als 
Cogpuomen  öfter  auf  Inschriften  aus  später  Zeit,  z.  B.  bei  Orelli  458  C.  Oppio 
Quinto,  C.  I.  L.  in,  1613M.  Gominius  Quintus;  vergl.ebendas.  1497,  desgl. 
3889  lind  4898.  Gewidmet  ist  der  Altar  den  Matres  Domesticae,  die  auf 
englischen  Inschriften  (C.  I.  L.  YII,  915  und  939),  am  Rheine  wohl  nur  in  Bonn 
vorkommen,  s.  C.  I.  R.  470  ein  kleiner  Altar  im  J.  1848  beim  Theaterbau  nahe 
am  Kölnthor  gefunden):  Matiribus  domesticis,  und  469  gleichen  Fund- 
ortes mit  einer  noch  nicht  befriedigend  ergänzten  Aufschrift,  nur  der  Anfang 
(Matribus  d o)m  e s t i c i s  wird  richtig  snpplirt  sein.  Die  Bezeichnung  M at r e s 
domesticae  darf  nicht  auf  einen  localen  Colt  bezogen  werden,  damit  ist 
nur  ausgedrucjct,  dass  einer  in  der  Fremde  sich  seiner  heimischen  Götter  dank- 
bar erinnert;  es  ist  dies  nur  ein  Beweis,  dass  der  Weihende  fem  von  seinem 
Yaterlande  lebt.  Ganz  dasselbe  ist  auf  einer  englischen  Inschrift  (G.  L  L.  YII, 
950),  nur  mit  einem  andern  Worte  matribas  suis  ausgedrückt*).  Ebenso 
ist  wohl  auch  Fortunae  bonae  domesticae  (Orelli  1745=  G.  I.L.  m,  1009, 
vergl.  ebendas.  1989.  4895),  Mercurium  domesticnm  (G.  I.  R.  1314),  I. 
0.  M.  domestico  (G.  I.  R.  115)  aufzufassen;  daher  dürfte  auch  Mommsens 
Erklärung  einer  Inschrift  aus  Savoien  (Hermes  lY,  284)  in  tem(plum)  Jovis 
D(ome8tiei)  nicht  zulässig  sein,  da  dort  nicht  von  einem  Weihgeschenke, 
sondern  von  einem  Tempel  und  einem  seit  Alters  bestehenden  Göttercult  die  Rede 
ist.  Dagegen  mit  dem  Silvanusdomesticus  (Orelli  1601, 4960, 5746,  Mon.  epigr. 
du  Musee  nat.  Hongrois  n.  65—70  und  auf  zahlreichen  Denkmälern'  im  8.  Bande 
desG.  I.L.,  wie  z.B.  1306,  wo  man  früher  deo  Silumio  domestico  las,)  hat 
es  eine  andere  Bewandtniss;  diess  war  ein  wirklicher  Zuname  des  alten  Wäldgeistes, 
dem  auch  der  Schutz  über  Haus  und  Hof  anvertraut  war;  vergl.  die  Auszüge  aus 
Dolabella  in  den  Schriften  der  röm.  Feldmesser  1, 302  (Lachm.) :  omnispossessio 
tres  Silvanos  habet:  unusdicitur^domesticus,  possessioni  conse- 
cratus,  alter  dicitnr  agrestis,  pastoribus  consecratuo,  tertius 
dioitnrorientalis.  In  gewissen  Landschaften,  z.  B.  an  der  untern  Donau,  muss, 
wie  eben  die  Inschriften  zeigen,  dieser  Gnltus  besonders  verbreitet  gewesen  sein. 

Th.  B. 


^)  Auf  engliaohen Inschriften  kommen  daher  auch  wiederholt  die  matres 
tramarinae  vor,  (G.  I.  L.  YII,  808.  319.  499.  994),  oder  es  wird  der  Gal- 
lischen und  Germanischen,  der  Italischen  und  Afrikanischen  Matter  (ebend.  6 
xmfi,  288)  gedacht. 


240  Misoellea. 

14.  Bonn.  RömiBohe  Funde  am  Viereoksplats.  Hier  fanden  sich 
innerhalb  einer  grossen  Römischen  Haasanlage  kleine  thönere  Röhren  in  grosser 
Zahl,  welche  alle  anter  sich  gleich,  ungefähr  10  Gm.  lang,  6  Gm.  breit  und  oben 
mit  einem  überragrenden  Rande  versehen  sind  *). 

Sie  sind  zu  klein,  um  bei  einer  Wasserleitung  als  tubi,  tubuli  Yer- 
wendong  su  finden:  ausserdem  fehlt  die  nothwendige  Vorriohtang  um  sie  inein- 
ander zu  fügen  *).  Ebenso  wenig  waren  sie  bei  einem  Springbrunnen  (silanas) 
oder  bei  der  Anlage  eines  Weinberges  zu  benutsen,  um  das  Rohr,  weldies  die 
Stelle  des  Rebpfahles  vertrat,  aufzunehmen  ');  ohnedies  werden  die  Römer  am 
Rheine  nicht  Rohr,  sondern  hölzerne  Pfahle  zur  Anlage  von  Rebgärten  ver- 
wendet haben. 

£s  sind  offenbar  sog.  mamillae;  so  nannten  die  Römer  kleine  wasser- 
ausspritzende  Röhren  wegen  der  Aehnlichkeit  mit  den  Zitzen  am  Euter  der 
Euhe.  Dass  sie  besonders  in  den  Bädern  Yerwendung  fanden,  deutet  Plinius 
an^):  hier  dienten  sie  offenbar  dazu,  um  die  warme  Luft  in  allen  Theilen  der 
Baderäume  gleichmässig  zu  vertheäen  *).  Ausserdem  aber  verwendete  man  die 
mamillae  zum  Behuf  der  Schneckenzucht;  die  anschauliche  Beschreibung  einer 
solchen  Anlage  verdanken  wir  Yarro  *). 


')  Auch  wurden  Bruchstücke  von  Gefässen  aus  terra  sigillata  und  der 
Henkel  einer  Amphora  mit  der  Aufschrift: 

CAX  •  FEIC  •  FIV 

ZU  Tage  gefardert. 

*)  Yitruv  YIII,  6,  8  schreibt  ausdrücklich  vor:  tubuli  crasso  corio  ne 
minus  digitorum  duorum  fiant;  sed  uti  hi  tubuli  ex  una  parte 
sint  lingulati,  ut  alius  in  alium  inire  convenireque  posslnt. 

')  Yarro  de  re  rust.  I,  8,  6:  tertium,  quod  herum  inopiae  subsi- 
dio  misit  arundinetum;  inde  enim  aliquot  oolligatas  libris 
dimittunt  in  tubulos  fictiles  cum  fundo  pertuso,  quos  ouspides 
appellant,  qua  humor  adventioius  transire  possit. 

«)  Plinius  Eist.  Nat.  XXXY,  160:  vel  adsiduitate  satiant  figli- 
narum  opera,  dolus  ad  vina  ezcogitatis,  ad  aquas  tabulis,  ad 
balineas  mammatis. 

')  Seneca  Epist.  90,  25:  Quaedam  nostra  demum  prodisse  me- 
moria scimus  .  .  .  ut  snspensuras  balneorum  et  impressos  parieti- 
bus  tubos,  per  quos  oircumfunderetur  oalor,  qui  ima  simul  ac 
summa  foveret  aeqnaiiter. 

*)  Yarro  de  re  rust.  HI,  14,  8  bemerkt,  dass  zur  Schneokenzucht  sich  vor- 
zugsweise schattige  und  feuchte  Orte  in  einer  Gebirgsgegend  eigneten:  man 
könne  aber  in  Ermangelung  einer  passenden  Oertliohkeit  eine  solche  Localit&t 
künstlich  herstellen:  manu  facere  oportet  roscidum,  qui  fit,  ei  edn- 
xeris  fistulam,  et  in  eam  mamillas  imposuerüs  tenues,  qaae  eruc- 
tent  aquam,  ita  ut  in  aliquem  lapidem  incidat  ac  late  dis'sipe  tnr. 


MisoeUen 


241 


Wenn  die  in  Bonn  anfgefandenen  irdenen  Bohren  zu  einem  Bade  oder  zur 
Lnfbheiznng  eines  Hausee  gehört  hatten,  dann  sollte  man  erwarten,  es  wären 
anch  andere  Reste,  welche  aof  eine  solche  Anlage  hindeuteten,  zu  Tage  ge- 
fördert worden.  Das  isolirte  Vorkommen  der  mamillae  und  zwar  in  ansehn- 
licher Zahl,  deutet  auf  Verwendung  zu  besonderem  Zwecke,  wie  eben  die 
Schneckenzucht  hin.  Für  eine  derartige  Anlage  waren  diese  Röhren  wohl  ge- 
eignet: wenn  man  sie  in  Zwischenräomen  in  einen  Wasserstrang  einliess,  so 
konnten  sie  bei  etwas  geneigter  Stellung  das  Wasser  weithin  auf  den  Steinboden 
spritzen,  und  so  die  für  die  Erhaltung  der  Sohnecken  erforderliche  Feuchtigkeit 
erzeugen.  Die  Stelle,  auf  welcher  diese  Röhren  zerstreut  sich  fanden,  wurde 
nach  Süden  durch  ein  römisches  Gebäude  begrenzt :  dieser  Raum  an  der  Nord- 
seite  des  Hauses  war  wohl  eben  der  Hinterhof,  der  zur  Schneckenzüohtung 
benutzt  ward,  hier  war  auch  für  Schatten  ausreichend  gesorgt. 

Die  Liebhaberei  der  Römer  für  Schnecken  ist  bekannt,  und  dass  man 
dieselbe  auch  am  Rhein  zu  befriedigen  wusste,  bezeugt  die  Ausgrabung  eines 
römischen  Gebäudes  im  Flamersheimer  Erbenwalde;  hier  fanden  sich  ausser 
Knochenresten  vqn  Hirschen,  Rehen,  Hasen  auch  eine  Menge  Schneckenhäuschen 
vor,  und  zwar,  wie  der  Berichterstatter  bemerkt  von  der  Gattung,  .welche  noch 
heute  besonders  in  Frankreich  gegessen  wird  *).  Th.  B. 


15.  Bonn.  Bei  den  Wasserleitungsarbeiten  für  die  hiesigen  Wasserwer  ke 
während  der  Monate  October,  November  und  December  v.  J.,  wobei  fast  durch 
alle  Strassen  der  Stadt  Bonn  ein  Leitungskanal  in  der  Tiefe  von  4'  8''  aufge- 
worfen wurde,  kamen,  wie  zu  erwarten  war,  fast  überall  Römerreste  zum  Vor- 
schein. Es  ist  aber  zu  bedauern,  dass  bei  der  Arbeit,  welche,  um  den  Strassen- 
verkehr nicht  allzu  sehr  zu  h^men,  in  grosser  Eile  und  zum  Theil  zur  Nachtszeit 
ausgeführt  wurde,  eine  Gontrole  über  die  ausgegrabenen  Alterthumsgegenstände 
sehr  erschwert  war  und  in  Folge  dessen  manche  werthvolie  Funde  theils  zer- 
schlagen, theils  von  den  Arbeitern,  ungeachtet  der  Weisung  Seitens  der  Direction 
des  Wasserwerks,  alle  gefundenen  Gegenstände  gegen  angemessene  Vergütung 
abzuliefern,  aus  Gewinnsucht  an  den  ersten  hosten  verkauft  wurden.  So 
ist  dem  Unterzeichneten  von  einem  glaubwürdigen  2<eugen  versichert  worden, 
dass  auf  dem  Marktplatz  eine  kleine  Vase  aus  Erz,  deren  Henkel  beim  Heraus- 
heben abbrach,  für  mehrere  Thaler  an  einen  Unbekannten  verhandelt  worden 
ist.  Ein  besonderes  Interesse  hat  Herr  Postcommissar  Hesse  den  Ausgrabungen 
zugewendet  und  über  die  Ausgprabung  verschiedener  Fundstücke  als  Augenzeuge 
in  der  Bonner  Zeitung  vom  3.  und  23.  Oct.,  1.  und  18.  Nov.  Berichte  nieder- 
gelegt, welche  wir  der  Hauptsache  nach  wiedergeben,  mit  Hinzufügung  dessen, 
was  uns  von  anderer  Seite  oder  durch  Autopsie  bekannt  geworden  ist. 

Zu  Anfang  October  stiessen  die  Arbeiter  auf  dem  alten  Kirchhofe  in  der 
Nähe  der  Münsterkirche  auf  einen  steinernen  Sarg  von  rothem  Sandstein. 
Derselbe  lag  in  der  Richtung  von  0.  nach  W.  etwa  4'  in  der  Erde,  gerade  neben 


'*)  S.  den  Ausgrabungsbericht  in  den  Jahrb.  XIV,  S.  171. 


16 


•' 


842  Himllai. 

dem  Haupteingange.  Seine  Unge  beträgt  6',  die  Breite  2*  B",  die  innere  Höhe 
V,  Der  Deckel  cerbraoh  in2Theile;  auch  fehlte  eine  der  Schmaleeiteo.  In  dem 
Sarge,  welcher  auf  das  Bnreaa  der  Wasaerwerkegeaellschaft  gebracht  wurde, 
be&nd  sich  ein  stark  zerfaUenes  Skelet.  —  Am  Bomerplätse  traf  man  beim 
Legen  der  Wasserrohren  auf  den  sur  ehemaligen  PÜEurrkirche  St.  Eemigius,  deren 
Namen  nach  ihrer  Zerstörung  durch  einen  Blitssohlag  auf  die  Minoritenkirche 
überging,  gehörenden  frühem  Kirchhof  und  fand  massenweiBe  menschliche  Gebeine 
und  wohlerhaltene  Sch&del;  ein  Skelet  ward  durch  die  Leitnng  sogar  in  der 
lütte  durchgeschnitten.  In  der  Achter-  oder  Tielmehr  Ach  er  Strasse  wurden 
mehrere  wohl  erhaltene  Thonkruge  ausgegraben.  Auf  der  Brückenstrasse, 
richtiger  »Brücket  genannt  (hier  befand  sich,  ehe  der  Erxb.  Conrad  Ton 
Hochstaden  in  der  Mitte  des  13.  Jahrh.  die  alte  Stadtmauer  zur  Erweiterung 
und  Abrundung  der  Stadt  abbrechen  liess,  eine  Brücke  über  den  Stadtgraben,  i 

von  welcher  in  den  Kellern  der  Hauser  Nr.  32  und  23  noch  massive  steinerne  | 

Bogen  sichtbar  sind.  YergL  Lersch  in  B.  Jahrb.  I,  S.  23),  kamen  Fundamente 
der  alten  Ringmauer  zum  Vorschein.  —  (Gegenüber  der  Klinik  und  den  Schngt- 
sehen  H&usem  kanten  viele  römische  Ziegel,  darunter  ein  grosser  Hohlziegel 
(imbrex)   zu  Tage.  —   In  der  Stern  Strasse  wurde,  gerade  am  Hotel  des  ! 

Herrn  Honecker  ein  römisches  Orab  au^edeekt,  worin  sich  zwei  Krüge  ans 
Thon  befanden.  —  Yor  dem  KoiLnthor  in  der  Nahe  des  unl&ngst  abgebrochenen 
Johanneskreuzes  kam  ein  unten  abgebrochener  Markstein,  der  noch  8  Spannen  in 
der  Höhe  und  1  Va  in  der  Breite  missti  zu  Tage.  Er  ist  an  2  Seiten  abgerundet,  die 
beiden  andern  bilden  gerade  Flächen.  Auf  einer  befindet  sich  oben  die  Jahres- 
zahl 1662,  unter  derselben  ist  eine  Art  Wappen  eingehauen  mit  der  Jnscbrift: 
Dietkirch  Freiheit.  Scherben  römischer  Thongefasse  und  Bruchstücke  von 
Urnen  kamen  vor  dem  Kölnthore  vielfach  ans  Tageslicht.  —  In  der  Burgstrasse 
ward  ein  römisches  Grab  aufgefunden  aus  vier  plfftten,  in  Form  eines  Yierecks 
zusammengestellten  Sandsteinen ;  ähnliche  Steine  waren  als  Deckel  und  Unterlage 
benutzt.  Im  Innern  befanden  sich  mehrere  kleinere  Urnen,  von  denen  zwei 
gut  erhaltene  ans  Licht  kamen  und  in  Privatbesitz  übergingen.  Unter  den  zer- 
schlagenen (befassen  war  auch  eine  Vase  von  Terracotta,  deren  Reste  auf  ge- 
schmackvolle Arbeit  schliessen  Hessen.  Die  in  derselben  Strasse  gefundenen 
röm.  Münzen  von  Kupfer  blieben  in  dem  Besitze  der  Arbeiter.  —  interessant 
für  die  Topographie  Bonns  im  Mittelalter  war  die  Entdeckung  von  Ueberresten 
des  alten  Wenzelthörs  in  der  Wenzelgasse  an  der  Stelle,  wo  die  Kesselgasse 
in  dieselbe  einmündet.  In  früheren  Zeiten  lief  die  Landstrasse  von  Koblenz 
nach  Köln  durch  das  Stockenthor  über  den  Belderberg  und  einen  Theil  der 
Hundsgasse  bis  zu  dem  sog.  Wenzelthor,  eigentlich  Winsterthor,  d.  h. 
»linkes«  Thor.  Sein  Name  bezeichnet  dasselbe  als  das  linke  Thor  des  römischen 
Gastells  (am  jetzigen  Wicheishofe),  durch  welches  die  römische  Strasse  nach 
Rheindorf  mitten  durchging. —  Die  bedeutendste  Ausbeute  römischer  Alter- 
thümer  kam  auf  der  Koblenzer  Strasse,  nahe  der  ersten  Fährgasse,  da 
wo  der  Grodesberger  Bach  den  Fahrweg  kreuzt,  zu  Tage.  Man  stiess  hier  nach 
dem  Berichte  in  der  Bonner  Zdt.  vom  18.  Nov.  auf  eine  ziemlich  grosse  Yer- 


Miseellen.  248 

tiefäng,  deren  Yenchluss  dch  nioht  feststellen  liess,  da  die  Wandang  des  Gang- 
schachtee nnyerhofiEl  susammen  stürzte.  Nach  vorsichtiger  Aufränmung  des 
Schuttes,  worin  sich  mehrere  grössere  Decksteine  befanden,  entdeckte  man 
znerst  eine  grosse  Urne  Yon  1'  Höhe,  in  welche  eine  kleinere  so  eingelassen  war, 
dass  sie  den  Mund  der  grossem  schloss.  Beide  Urnen  waren  von  weiss-granem 
Thon  und  enthielten  Asche  und  Erde.  Ausser  diesen  Gefamen  wurden  zwei 
*IJ  hohe  Henkelkrnge,  ein  langhaleiges  Gefäss  ohne  Henkel  yon  grauem  Thon, 
und  ein  zierlich  geformter,  blau  glasirter  Trinkbecher  yon  S^/^''  Höhe,  2**  im 
Durchmesser,  der  sich  bis  zu  3"  ausbauchte;  femer  eine  Grablampe  yon  Terra- 
cotta,  mit  dem  Bude  eines  Vogels,  der  auf  einem  Zweige  sitzt,  zu  Tage  gebracht. 
Auf  einer  zweiten  Lampe  befand  sich  ein  D}isartigerr  stehender  VogeL  Ein 
Thranenfläschchen  yon  grünem  Glase  lag  neben  derselben.  Zu  den  gefundenen 
Gegenständen  gehörte  noch  eine  bronzene  Sicherheitsnadel,  eine  Fibula,  eine  Art 
Salbenlöffelchen  yon  Bronze  und  ein  zangenformiges  Instrument  von.  demselben 
Metalle.  Auch  fand  sich  ein  beinerner  Stilus  vor,  eine  römische  Nadel  von  Erz, 
mit  abgebrochener  Spitze  und  endlieh  ein  schöner,  blau  und  weissgeschlungener 
Glasstab,  welcher  oben  in  einen  ringförmigen  runden  Griff  verlief,  am  untern 
Ende  aber  abgeplattet  war.  J.  Freud enb erg. 


16.  Bonn.  Bei  den  vorstehend  erwähnten  Erdarbeiten  der  Wasserleitungs- 
Gesellschaft  kam  auf  der  Goblenzerstrasse,  ungefähr  8  Fnss  unter  der  jetzigen 
Strasse,  die  alte  Römerstrasse  an  vielen  Stellen  deutlich  zu  Tage.  Sie  kenn- 
zeichnete sich  durch  ein  schweres  Pflaster  von  Basaltsteinen. 

E.  au'm  Weerth. 


17.  Trier.    Bruchstück  eines  Steines  in  den  römischen  Badern  zu  Trier 
im  J.  1871  gefunden: 

N       iA 
LI    GEI 
MANV 

Dies  Stück  bildete  gerade  die  Hälfte  des  Steines;   mit  Sicherheit  lässt  sich  die 
Inschrift  nicht  ergänzen,  beispielsweise  könnte  man  vormuthen : 

INHDO(Apolli. 

N(iG)RA    (nno 
L*l(n)GEN(aia8  B  o- 
M  A  N  V  (s  V.  s.  L  m. 

Der  Name  Ingenuius  findet  sich  auf  einer  GÖlner  Inschrift  (G.  I.  R.  482) 
und  auf  einer  Engfischen  (C.  L  L.  YH,  221);  ähnlich  gebildet  ist  Ingenuinius 
und  Ingenuinia  (0.  I.  R.  517.  891).  Tb.  B. 


244  MitceUen. 

18*  Trier.  In  der  MetzeUtraBse  traf  man  diesen  Herbst  bei  einer  Keller- 
anläge  auf  ein  röm.  Gebäude,  an  dem  2  Banperioden  deutlich  zu  nnterscheiden 
siiid;  es  scheint  theilweise  durch  Feuer  zerstört  zu  sein.  Erst  die  demnächst 
weiter  fortzusetzenden  Aufgrabungen  werden  yielleioht  die  ganze  Anlage  fest- 
stellen. Neben  den  verschiedenen  Arten  feineren  und  gröberen  Verputzes  und 
einem  grossen  Wassersarge  (wohl  jüngeren  Datums)  sind  an  Funden  mir  bekannt 
geworden  namentlich:  Münzen  von  Hadrian,  Commodus  und  sp&teren  Kaisenif 
viele  Stilus,  ein  bronzener  Lampenstocher  (7),  ein  Thonl&mpchen  mit  der  In- 
schrift FORTIS,  zahlreiche  Scherben  von  rother  und  schwarzer  terra  sigillata, 

F 
darunter  zwei  mit  Stempel :   OF '  YfA  und  OFIG '  BILIS»  eine  mit  Löwenkopf 

als  Ausguss,  eine  andere  mit  einem  kleinen  Löwen  eta  als  Verzierung,  ein 
kleines  Fragment  von  einem  Relief  in  Thon  (Genius  mit  Füllhorn),  ein  Stock 
Ziegel  mit  dem  Stempelfragment  AD  .  .  .,  eine  Nadel  von  Bein  mit  einem 
runden  und  einem  länglichen  Loche  am  Kopfe,  n.  A.  Dr.  Bone. 


19.  Trier.  Auf  der  Niederburg,  einer  Höhe  nordwestl.  von  Echter- 
nach,  befindet  sich  eine  bisher  nicht  bekannt  gemachte,  sehr  ausgedehnte  Be- 
festigung durch  Steinwälle.  Die  Niederburg  bildet  den  südwestl.  Ausläufer 
eines  ovalen  Plateaus,  welches,  bb  nach  der  Mitte  hin  durch  das  tiefe  Weiler- 
bachthal durchschnitten,  &st  ringsum  steil  nach  der  Sauer,  Fleisbach  und  Prüm 
abfidlt  und  nach  Norden,  wo  es  sich  weniger  steil  herabsenkt,  durch  einen 
mächtigen  Steinwall  ~  die  Wikicher  Burg  —  abgeschlossen  ist.  Die  eigentliche 
Niederburg  ist  durch  einen  Steinwall  von  416  Sehr.  Länge,  der  von  einem  Ab- 
^bange  zum  anderen  quer  hinüberläuft,  von  dem  übrigen  Plateau  abgetrennt; 
700  Sehr,  weiter  südL  läuft  ein  zweiter  Steinwall  von  866  Sehr.  Länge,  dem 
ersteren  parallel,  ebenfalls  von  Abhang  zu  Abhang  (nach  Sauer  und  Weilerbach) 
quer  hinüber;  das  übrigbleibende,  fiist  halbkreisförmige  Stück  der  Niederburg 
ist  nördlich  durch  den  Steinwall)  im  üebrigen  theils  durch  die  steilen,  felsigen 
Abhänge,  theils  noch  künstlich  durch  Steinwälle  umschlossen.  Innerhalb  und 
ausserhalb  der  beiden  Querwälle  befinden  sich  Hunderte  von  Steinhügeln;  sie 
sind  meist  rund  oder  oval  und  haben  4—6  Meter  im  Durchmesser  bei  einer 
Höhe  von  70  Cm.  bis  1  Met.;  ob  dieselben  Gräber  siiid,  hat  durch  die  bisherigen 
Nachgrabungen,  wozu  mir  die  Mittel  von  der  hiesigen  Gesellschaft  f.  n.  F.  bereit- 
willigst gegeben  wurden,  noch  nicht  erwiesen  werden  können^  in  den  wenigen 
bisher  geÖ&eten  Hügeln  fanden  sich  namentlich  zwei  FeuersteinmCbser  und  ein 
Bruchstück  eines  Steinwerkzeuges,  Thonscherben  etc.  aber  keinerlei  MetaU.  — 
Ikn  Walle  selbst  fand  sich  u.  A.  ein  Bruchstück  eines  Fenersteinmessers,  Scherben 
eines  sehr  grossen  Gefftsses  von  grauer  Erde,  mehrere  Stücke  Kiefernholz  (jetzt 
stehen  150-  bis  200  jährige  (?)  Buchen  auf  der  Niederburg),  viele  Kohlenstüdkohen, 
nahe  am  Rande  ein  Stückchen  rother  terra  sigillata  (1).  — -  An  einer  Feuerateile 
in  dem  halbkreisfarmigen  Theile  unter  der  etwa  6  Zoll  dicken  Humusschichte 
Scherben  und  ein  (bisher  das  einzige)  Stückchen  Eisen^   welches  seiner  Form 


MiBoellen.  246 

nach  Theil  einer  Sohwertspitze  sein  kann.  —  Die  Uniersuohongen  werden  fort- 
gfesetzt;  eine  vorläufige  Notiz  über  die  Niederbarg  ist  in  den  diesjährigen 
hiesigen  Jahresberichten  erschienen  (p.  105).  —  Aber  aach  die  Römer  waren 
aof  diesem  Plateau,  und  nicht  blos  yorubergehend.  Am  Fusse  der  Niederbnrg 
steht  das  bekannte  Dianendenkmal,  in  einer  Seitenschlucht  des  Weilerbachthales, 
in  19  Cm.  hohen  Buchstaben  die  Inschrift  ABTIONI  |  BIBER  (Ardoina?!).  Auf 
dem  Plateau  sind  mehrere  Särge  und  Umenkasten  von  Sandstein  aasgeg^raben 
worden;  in  einem  Walde  fanden  wir  jüngst  noch  ein  Stück  einer  Ära  (?)  mit 
den  7  Gm.  hohen  sehr  schönen  Buchstaben: 

IVNO  •  •     • 

a-Fi 

nahe  dabei  ein  Stück  einer  gewaltigen  Sandsteinsaule  (oder  Halbsäule).  Schon 
an  2  Stellen  sind  jetzt  ausgedehnte  röm.  Gebäudereste  constatirt;  Ziegelstucke, 
Thonsoherben  verschiedener  Art.  Mörtelstücke  liegen  in  Menge  dort  umher; 
auch  fand  ich  an  einer  Stelle  Scherben  schöner  rother  und  schwarzer  terra 
sigillata  und  feinpolirten  rothen  Verputz;  auch  röm.  Münzen  sind  schon  mehr- 
fach dort  gefunden  worden.  —  Von  früheren  B'unden  ist  unter  anderm  der 
untere  Theil  einer  Handmühle  aus  einem  kleinen  Torfmoor  zum  Vorschein  ge- 
kommen; sie  stimmt  in  Gestalt  und  Grösse  mit  der  bei  Lindenschmit  (A.  u. 
Vorzeit  H,  8  Taf.  1,  16)  abgebildeten  überein,  ist  aber,  wie  es  scheint,  aus 
Berdorfer  Lias  verfertigt  Ueberhaupt  liietet  das  Plateau  noch  Manches,  was 
einer  späteren  eingehenderen  Darstellung  und  vorheriger  genauerer  Unter- 
suchungen bedarf.  Dr.  Bone. 

20.  Tholey.  Ein  nur  zur  EQllfte  erhaltenes  Bronzetäfelchen^  bestimmt 
an  einem  Weihegeschenke  angeheftet  zu  werden,  gefunden  zu  Tholey  (Kreis 
Otiweiler)  mit  der  AuÜBchrift: 

GM 
OELiS 
SLM 

Das  Gelübde  war  also  dem  Juppiter  dargebracht,  von  dem  Namen  des  Gebers 
ist  nur  das  Cognomen  (Fi)delis  erhalten.  Th.  B. 


21.  Fliessem.  Die  erneute  Prüfung  der  Inschrift  einer  Bronzetafel  (zu 
Fliessem  gefunden,  und  mehrmals  aber  nicht  correct  publidrt,  Jahrb.  I,  42. 
II,  157,  zuletzt  G.  L  R.  840),  auf  welcher  Becker  in  dem  Jahrb.  XXVU,  78  D(eo) 
LENO  MARTI  zu  lesen  vorschlug,  hat  diese  Vermuthung  nicht' bestätigt.  Die 
fragmentirte  Inschrift  läutet: 

D    LENO  MARir  ARTE 
COM     lEOVSSIVSMAG 
IVIIA  IV'  ' 

SSV  1 


2M  MMoellwi. 

H&rii  ftrte  ist  roUkommeii  deutlich,  Z.  3  iat  der  ertte  Bnohitabe  wegen 
des  Bruabea  unkeantliob,  aber  A  iit  durofa  keinen  ZwiKhennum  (der  uif  dem 
Täfelolien  überall  sehr  deutlich  ist)  gesondert,  der  letite  »bgebrocbene  Buoh- 
■tabe  zeigt,  da  er  über  die  Znle  hervorragt,  oDTeriunnbare  Spuren  einer  Liga- 
tar,  (T)  and  eben»  i*t  Z.  4  n«oh  SSV  noch  der  Bart  einer  Ligatur  (wohl  ET) 
wahrnehmbar.  Th.  B. 


22.  Fränkiflohe  S&rge  raMeDoig  ondFlieiiem.  In  dem  römischen 
Paläste  tu  Nennig  wie  in  demjenigen  nt  Fllesaem  hat  man  in  fränkiaoher  Zeit 
einen  innem  Baom  durch  Anbiellnng  grosser  Steinsirge  lor  christlichen  Orab- 
kammer  umgewandelt.  Da  dieae  Sftrge  über  der  Erde  stehend,  sich  den  Blicken 
der  wilden  Horden  nicht  entsagen,  welohe  in  der  2.  Hälfte  des  1.  Jahrtaosends 
DentaohUnd  so  wiederholt  verwästeten,  so  waren  sie  gewiss  schon  fr&hzeitig 
des  Inhaltes  aller  Beigaben  beraubt.  Selbst  die  Gebeine  fiuden  siah  nicht  mdir 
in  ihrer  orsprfiiiglichen  Ordnung  darin  vor.  In  Fliessem  befanden  sich  zwar 
noch  die  Deckel  auf  den  hier  durch  sasammengeeteDte  grosse  Steinplatten  and 
Arohitectorst&oke  gebildeten  Saroophagen  '},  auch  wohl  ursprüngliche  Kalk- 
füUnng  in  denselben,  aber  weder  die  Spuren  der  Lagerung  der  Leichen  noch 
diese  selbst  Vereinzelte  Enoohenreate  lagen  ausserhalb  umher.  Von  den  beiden 
S&rgen  in  Nennig  waren  die  Deckel  vollst&ndig  verloren,  und  der  innere  Baum 
mr  Zusammenschflttong  grosser  Enoobenmengen,  unter  denen  sich  an  30  Sch&del 
befanden,  benntst.  Es  liegt  also  hier  eine  aweite  von  der  nrsprüngUchea 
verschiedene  Benutinng  vor.  Für  den, Zeitpunkt  dieser  Begrftbnisse  ergibt  die 
Gestaltung  der  Sftrge  einigen  Anhalt.  Sie  sind  ans  Huschelkalk  gebildet  und 
obgleich  6V('  ^^"g  '"'^  *^  Kopfende  2'^,'  hoch,  aas  einem  Stücke  und  nicht 
ans  Platten  bestehend.  Einer  derselben  ist  voUstindig  erhalten  und  wird  in 
Nennig  aufbewahrt    Wie  der  nachstehende  Holzschnitt  zeigt,  besteht  seine  einzige 


■)  E^  wurden  deren  bisher  droi  vorgefunden,  die  in  einer  Gruppe  dicht  neben 
einander  standen.  Da  indessen  der  betreffende  Baum  noch  nicht  inr  vollständigen 
Ausgrabung  gelangte,  so  ist  eine  weitere  Giäberau^ndung  nicht  unwahrscheinlich. 


247 

Versieruiig  in  atngerigMoen  Kreiien,  deren  uortgelmiasige  StelluogeD  oiebr 
an  icliülerhafle  Vennche  eines  da«  Zirkels  noch  nicht  knndigen  AnSlngere,  tit  an 
einen  der  AutfOhrang  geines  gewählten  Sohemft'a  sichern  Handwwker  denken 
lassen.  Den  Baum  der  hintern  Sohmakeite  füllen  onten  3  kleine  nehen  einander  ge- 
Bteltte  gante  Kreise  und  darflber  ein  grosser  Halbkreis,  dessen  Sohenkd  in  die  ober» 
Ecken  aaslanfen.  Aof  der  in  nnsenn  Holzsohnitt  nicht  sichtbaren  sweiten  Lang- 
seite  wiederholen  sioh  die  Ereia Verzierungen  der  entipreohenden  vordem  Lang- 
seit^  nur  ist  hier  aueh  in  dem  3.  Zwickel  in  der  obem  Eoke  rechts  noch  ein  den 
BMun  aosminder  kleiner  Kreis  lugesetzt,  daför  aber  im  mittleren  grossen  Kreise 
der  Zirkelrerraoh  der  vier  in  einander  geschlungenen  kleinen  Kreise  weggeblieben. 
Wenn  aoch  diese  kalligrSiphisoha  Terzierungsart  im  Allgemeiuen,  wie  die 
am  Fassende  pyramidal  und  niedriger  aoelaofende  Sargfom  an  den  frtnkischen 
Typns  erinnern,  »o  gevrinnen  die  Nenniger  Sarkophage  doch  noch  eine  beatimmtare 
Bedeutung  durch  den  Vergleich  mit  einem  andern,  in  dem  nicht  weit  entfernten 
Eohtemach  befindlichen  ganz  ähnlichen  Steinsarg.  Nur  sind  auf  dieaem  die 
ineinander  greifenden  eingerissenen  Bjeise  regelrecht  in  den  gegebenen  Baom 


vertheilt  und  beieagen  in  ihrer  Ausführung  die  handnerksmässigo  Sicherheit 
ihres  Verfertigers.  Der  Echtemacher,  beinahe  2  Meter  in  dep  Länge  messende, 
ebenfalls  aus  einem  kalkartigen  Steine  bCBtehende  Behälter  ist  der  ursprüngliche 
Sarg  des  am  7.  November  759  gestorbenen  heiligen  Willibrordus.  Er  befnid 
sich  bis  zum  Jahre  1791  am  Orte  der  ursprünglichen  Grabstätte  des  Heiligen 
in  der  Abteikircbo  zu  Eohtemach,  und  wurde  alsdann  in  dar  fransösiBcfaen  Re- 
volution verschleppt,  kam  in  den  Privatbesitz  des  bekannten  Antiquars  Gotten 
und  fand  endlich  1828  wieder  eine  würdige  Stelle  unter  dem  Attartische  der 
Pfarrkirche  S.  Peter  in  Eohtemach  '}■  E.  aus'm  Weerth. 


38.  Bonn.    Der  römiaohe  Pfablgraben    östlich  von  Lina  und 
önningen-      Im    Anschlüsse  an   die   schätienswerthea    Hitthälonf^n    dea 


<}  Nähere  Blittheilungen  ündet  man  p.  166  S.  im  XVII.  Bande  (1861)  der 
Publicationa  de  la  Societe  pour  la  recherche  et  la  conservation  des  monuments 
bist  dans  le  Grand-Duobe  de  Lnsembonrg.  Naoh  den  dort  gegebenen  Mit- 
theilongeD  sollen  auch  in  der  Nähe  von  Nennig  und  an  Bosch  frttherhin  obrist- 
Uebe  Steinsärge  gefunden  worden  sein. 


248  Misoellen. 

Herrn  Reoiors  Dr.  Jos.  Pohl  (Jahrb.  d.  Yereins  yon  Alterthumsfi.  im  Rheiiil. 
H.  LIII  und  LIV  S.  822)  über  den  Pfahlgraben  in  der  Linie  zwischen  dem 
Orindel  öttlich  von  Linz  und  dem  Peulester  östlich  von  Hönningen,  erlaube  ich 
mir  einige  weitere  Beitr&ge  in  Betreff  der  Lage  des  Grabens  mitzutheüen. 

Der  »im.Grindelc  aufgefundene  Wall  ist  wohl  unstreitig  derselbe,  dessen 
in  einer  früheren  Mittheilung  (Jahrbücher  1868  8.  282)  als  »im  Orendelc 
(auch  Gründel)  gelegen,  gedacht  ist.  Bei  einer  Besichtigung  des  wohl  er- 
haltenen Grabens  »auf  dem  Peulesterc zwischen  den  Waldpansellen  der  Herrn 
Jaa  Schoop  und  Goswin  Müller  verfolgte  ich  hinwärts  den  Weg  von  Hön» 
ningen  über  den  Hombom  und  noch  weit  über  den  Penlester  hinaus,  auf 
dem  Rückwege  bog  ich  in  südwestlicher  Richtung  von  dem  Hauptwege  ab,  um 
das  rechte  Thalgöhftnge  des  Moorbachthales  zu  untersuchen.  Auf  der  Höhe  des 
Berges  konnte  ich  keine  Spuren  des  Pfahlgrabens  finden,  wogegen  der  in  das 
Thal  führende  Hohlweg  zwei  parallel  nebeneinander  liegende  Gräben*  mit  Wall 
durchschneidet,  welche  in  dem  waldigen  Gehänge  deutlich  sowohl  aufwärts  wie 
abwärts  zu  erkennen  sind.  In  letzterer  Richtimg  erreichen  die  (haben  die 
Thalsohle  in  der  Nähe  des  Waldgrenzsteins  Nr.  402. 

An  dem  linken  Thalgehänge  des  Moorbachtfiales  ist  keine  Fortsetzung  der 
Grabenlinie  zu  erkennen.  Gegenüber  der  Mündung  des  Moorbaches  vermuthete 
ich  schon  bei  früheren  Untersuchungen  oberhalb  des  Münchhofes  in  dem  linken 
Gehängt  des  Steig^baches  ein  Stück  des  Grabens;  der  dichte  Lohholzbestand 
verhinderte  aber  die  £rzie)ung  eines  bestimmten  Resultates.  Nachdem  nun 
kürzlich  das  Holz  abgetrieben  worden  ist,  erkannte  man  deutlich,  dass  hier  ein 
Graben  in  dem  Gehängt  nach  der  Höhe  hinauffuhrt,  aber  bei  Beginn  des  Acker- 
landes vdrwischt  ist.  Die  Richtung  dieses  Grabens  würde  nach  der  »Eichhalle« 
und  über  diese  hinaus  bis  nach  dem  »Frameriohc  fuhren,  auf  welchem  Graben- 
linien und  Yerschanzungen  liegen,  deren  bereits  früher  bei  Beschreibung  der 
Strecke  zwischen  dem  Malberg  und  dem  Anelsberg  (Jahrbücher  1868  S.  281 
vorletztes  Alinea)  gedacht  ist.  Ich  kann  mich  der  Bemerkung  des  Herrn 
Pohl  nur  anschliessen,  und  bin  ebenfalls  der  Ansicht,  dass  in  der  bis  jetzt 
untersuchten  Strecke  keine  wesentlichen  Aufschlüsse  mehr  zu  erzielen  sind. 

Von  Interesse  dürfte  nur  noch  die  Untersuchung  des  Grabens  östlich  der 
Ruine  Rennenberg  sein,  welcher  zu  der  Burg  in  gar  keiner  Beziehung  gestanden 
zu  haben  scheint.  Freiherr  von  Hoiningen-Huene. 


24.  Bonn.  Das  Grabmal  des  Longobarden-Herzogs  Gisnlf.  In 
Gividale  (Friaul)  hat  man  vor  Kur^m  einen,  interessanten  Alter thumsfund 
gemacht,  worüber  ein  dort  gedrucktes  Broschürchen  genaue  Auskunft  giebt.  Bei 
Gelegenheit  der  Neupflasterung  eines  Platzes  kam  der  intelligente  Sindaco  der 
Stadt  auf  den  Gedanken,  Nachgrabungen  zu  veranstalten,  wobei  einiges  altes 
Mauerwerk,  Steinohen  von  Ifarmormosaiken,  farbiger  Stuck  und  dgL  von  nicht 
besonderem  Interesse  zu  Tage  kam.  Endlich  aber  stiess  man  auf  einen  grossen, 
grob  behauenen  flachen  Stein.    Unter   diesem  sehr  schweren  Steine  fand  sich 


Misodlen.  249 

Mauerwerk  von  dicken  quadratischen  Ziegeln,  welches  einen  steinernen  Sarkophag 
mit  marmornem  Deckel  dicht  umBchloes.  Der  marmorne  Deckel  war  nach  ge- 
wöhnlicher römischer  Weise  dachförmig  mit  den  üblichen  Hörnern  an  den 
Eoksia  und  auf  beiden  Giebelseiten  eingehauenen  Kreisen.  Mit  grosser  Vorsicht 
war  der  Deckel  abgehoben  und  es  fanden  sich  in  dem  Sarkophage  die  spärlichen 
Reste  eines  Leichnams;  der  Schädel»  die  Rippen  und  die  Beine  waren  ÜEist  g^z 
zerfallen,  am  besten  erhalten  die  Schulterblätter  und  Vorderarme.  Der  nach 
Westen  gelegene  Kopf  ruht  auf  einer  Erhöhung  von  eingemauerten  Ziegeln,  der 
Körper  auf  einem  verfaulten  Brett.  Der  Leichnam  muss  wenigstens  1  M.  80  G. 
gemessen  haben.  Rechts  neben  dem  Haupte  fand  sich  eine  eiserne  Lanzenspitze 
20  C.  lang,  auch  fanden  sich  Reste  des  Lanzenschafbes,  in  Stücke  zerschnitten, 
um  in  dem  Sarge  Platz  zu  finden;  links  fEmd  man  sehr  zerfedlene  Reste  eines 
eisernen  Schwertes,  in  hölzerner  verzierter  Scheide.  Auf  den  Beinen  lag  der 
obere  Theil  eines  eisernen  Helmes  mit  bronzenen,  vergoldet  gewesenen  Ver- 
zierungen, und  daneben  das  eiserne  Gestell  des  Schüdes,  welches  wahrscheinlich 
mit  Holz  und  Leder  bedeckt  gewesen.  Von  der  Fussbekleidnng  fanden  sich 
Reste  von  Leder  und  bronzene  Sporen  ohne  Rädchen;  von  der  Kleidung  Reste 
von  zweierlei  Sto£f,  einem  hellen  und  einem  dunkeln,  mit  Goldfaden  durchwirkten. 
In  der  Brustgegend  fand  sich  ein  griechisches  Kreuz,  11  0.  nach  jeder 
Richtung  messend,  yon  Goldblech  mit  Edelsteinen,  9  an  der  2iahl,  und  ab- 
wechselnd mit  dem  eingeprägten  Kopfe  eines  Heiligen.  Das  Kreuz  war  auf  das 
Kleid  aufgenäht  gewesen,  wie  kleine  Löcher  in  den  Ecken  desselben  zeigten. 
Dann  fand  sich  1  Unze  schwerer  Goldring,  worin  eine  Goldmünze  des  Ti- 
berius  eingefasst  war ;  ausserdem  eine  goldene  Fibula  mit  viereckigen  email- 
lirtem  Schilde.  Ueber  dem  rechten  Fusse  des  Leichnanm  stand  eine  gfäserne 
bauchige  Flasche  mit  langem  Halse  und  weiter  Mündung,  etwa  IVi  Liter 
fassend  und  zu  zwei  Drittheilen,  wie  eine  chemische  Untersuchung  ergeben  hat, 
mit  reinom  Wasser  gefüllt.  --  Der  ganze  Fund  wurde  aufs  sorgfaltigste  er- 
hoben und  wie  er  gefunden  in  einen  Kasten  mit  Glasdeckel  gelegt  und  in  das 
an  römischen  und  andern  Antiquitäten  sehr  reiche  Museum  der  kleinen  Stadt 
(das  Forum  lulii  der  Römer)  gebracht.  Nach  sorgfaltiger  Reinigung  des  Mar- 
mordeckels von  dem  anhafbe&den  Stuck  zeigte  sich  darauf  die  Inschrift  GISVL 
in  Charakteren  der  ersten  Long^barden-Periode,  woraus  hervorgeht,  dass  das 
Grab  die  Reste  des  Herzogs  Gisulfiis  von  Friaul,  eines  Neffen  des  Königs  Alboin, 
enthielt,  der  nach  Paulus  Diacbnus  im  J.  668  zum  Herzog  ezliannt  ward  und 
616  in  einer  Schlacht  gegen  die  Avaren  gefallen  ist. 

Zusatz.  So  wenig  ich  an  der  Richtigkeit  des  vorstehenden  Fundberichts, 
wie  ihn  die  Köln. -Zt.  163.  (2.  Bl.)  14.  Juni  1874,  gebracht  hat,  und  wie  er  nach 
der  Mittheilung  aus  Görz  in  verschiedenan  Blättern  wegen  des  hohen  geschicht- 
lichen Interesses,  das  er  zu  erregen  geeignet  ist,  wiederholt  worden  ist,  glaube 
zweifeln  zu  dürfen,  so  kann  ich  andrerseits  eine  gewisse  Bedenklichkeit  in 
Bezug  auf  die  nach  dem  Berichte  aus  Görz  erst  später,  mehrere  Tage  nach  der 
Erhebung  der  Fundstüoke  zum  Vorschein  gekommene  Inschrift  GISVL,  von 
der  man  anfangs  keinerlei  Spur    gefunden  hatte,   nicht  unterdrücken.    So  viel 


260  MiMtUtt. 

mir  bekannt,  hat  sioh  auf  keinem  der  bif  jetst  aaa  laoht  getretenen  ähnlichen 
Sarkophage  mit  dachförmigem  Deckel  aus  dem  6.-— 8.  Jahrhundert,  ansaer  etwa 
einem  Kremseichen,  irgend  eine  Inschrift  gefanden.  Es  mQdite  daher  die  Frage 
nicht  80  gans  unberechtigt  erscheinen,  ob  oioht  Lokalpatriotiamos  einen  enthn« 
siastischen  Alterthumsfreund  verleitet  haben  könnte,  den  Namen  dee  Stadt-Heroe 
Gisulf,  angeblich  ein  Neffe  des  grossen  Alboin,  welcher  ihn  aum  ersten  Heraog 
der  longobardischen  Ostmark  Friaul  (Forum  lulii)  eingesetit  hatte,  in  ge- 
schickter Weise  einmetsseln  zu  lassen,  um  dadurch  dem  an  sich  schon  wegen  der 
merkwürdigen  Beigaben  henrorragenden  Monumente  nkr  die  Vaterstadt  einen 
unschatabaren  Werth  su  sichern.  J.  Freudenberg. 


25.  Grefeld.    In  diesem  Winter  haben  mich  nach  einander  und  öfter 
neben  einander  folgende  Gegenstände  beschäftigt. 

Zuerst  die  Qesichtsurnen,  wosu  wir  die  Erlangung  einer  solchen  in 
Gelb  gefundenen,  dann  die  Betrachtung  der  noch  nicht  veröffentlichten,  erst  seit 
den  letaten  Jahren  ins  Wiesbadener  Museum  gekommenen,  und  endlich  die  Yer- 
gleiohung  analoger  Gebilde  in  der  Feme  den  Anlass  gaben.  Die  in  Mains, 
Wiesbaden,  Bonn  und  früher  auch  in  Strassbnrg  voriiandenen  Ctesichtsumen  aus 
rheinischen  Gr&bem  sind  bekanntlich  Gefftsse  mit  m&ssiger  Bauchung,  wttter 
Oefibung  und  schmalerm  Fusae,  welche  als  Kopf  betrachtet,  und  mit  den  in 
feuchten  Thonstreifen  aufgelegten,  oder  nur  eingedrückten  Theilen  und  Zügen 
des  menschlichen  Gesichts  versehen  worden  sind^  mehr  oder  minder  rohe  Ar- 
beiten, hööhat  wahrscheinlich  der  einheimischen  Bevölkerungen.  In  der  Weidisel- 
niederung  an  der  Ostsee  repräsentinn  die,  ebeniUls  Gesiohtsnmen  genannten, 
mehr  flaschenartigen  Krüge  durch  die  an  dem  engeren  Halse  angebrachten  €^ 
siohtstheile,  mit  oder  ohne  weitere  Ausstalfirung  durch  Elaare,  Hakachmuck, 
Ohrgehänge,  mütienartige  Deckel  und  dgL  den  ganzen  menschlichen  Körper. 
DasB  mit  diesen  baltischen  Artefacten  ein  Wiesbadener  Exemplar,  aus  der  Um- 
gebung, völlig  übereinstimmte,  war  mir  natürlich  fimppant,  obwohl  die  Wanderung 
eines  dort  in  der  nordöstl.  Feme  sesshaft  gewesenen  Germanenstammee  .naeh 
dem  Rhein  hin  als  Erklärung  sich  aufdrängte.  Dals  aber  mit  jenen  baltischen 
Funden  die  zahllosen,  von  Schliemann  unter  den  Trümmerschichten  mehrerer 
Städtegrfindungen,  ans  einem  SVa  bis  4000  jährigen  Versteck  hervorgehollen  Ge- 
fässe,  mit  dem  eingebildeten  Eulenkopfe  der  glauoopis  Athene  ^  der  ihm  ab  fixe 
Idee  überall  erscheinenden  Bischen  Schntzgöttin, «--  ganz  analog  und  in  manchen 
«Einzdheiten  vollständig  gleich  sind,  das  hat  mich,  ausser  den  verechiedenen 
anderen  Gebilden,  welche  an  ganz  ähnliche  vorg^eschiohtliche  Gultnrreste  er- 
innern, in  daa  höchste  Staunen  versetzt.  Auch  wurden  mir  die  Fragen  angeregt, 
ob  auf  die  Wanderung  der  Völker  oder  nur  ihrer  Waaren,  oder  aber,  ohne  jeden 
Verkehr,  auf  den  dem  menschlichen  Geiste  gemeinsamen  Instinci,  der  überall 
und  immer  Gleiches  ersinnen  und  hervorbringen  lieas,  die  Uebereinstimmung 
der 'meisten  Formen  der  Waffen  und  Geräthe,  wie  viele  Verzierungsmotive  zurück- 
geführt werden  muss. 


MJHeaHefi.  251 

Der  letsiern  Yermuthuag  stinuaie  der  mir  ala  eine  bedeutende  Autorität 
geltende  Lübke  bei,  dem  ich  vor  einigen  Wochen  Schliemanns  photographisohen 
Atlas  und  die  zahlreichen  Abbildungen  der  baltischen  und  anderwärts  gefun- 
denen Gesiohtsumen  zeigte.  Auch  war  es  mir  angenehm,  dass  die  meisten  in 
Bursians  Recension  gemachten  Bemerkungen  und  Ausstellnng^n  in  einem  kurz 
vorher  von  mir  in  einem  wissenschaftlichen  Kränzchen  gehaltenen  Vortrag  fast 
sammtlioh  und  wörtlich  ausgesprochen  worden  waren,  vde  mir  meine  Zohörer, 
nach  Eimicht  jener  bald  nachher  angekommenen  Recension,  bemerkten.  Aach 
hatte  ich  schon  mehrere  Wochen  früher  durch  einen  Vortrag  aber  die  Gesichts- 
umen  ihr  Interesse  auf  die  Anfange  der  Gultur  und  Kunstfertigkeit  in  vorge- 
schichtlicher Zeit  gelenkt.  Mit  Prof.  Messmer,  dem  Director  des  National- 
Museums  in  München,  hatte  ich  ebenfalls,  bei  seinem  mehrstündigen  Besuche 
bei  mir^  diese  und  ähnliche  Fragen,  welche  sich  bei  der  Vergleichung  vorge- 
sehichtlioher  Gultorzeagnisse  auMrängen,  eingehend  besprechen  können,  und 
mich  gefreat,  ihm  manches  Neue  in  Funden  vorlegen  zu  können. 

Zu  weiteren  archäologischen  Winterbeschäftigfongen  bot  die  Aufdeckung 
eines  Gräberfeldes,  eine  halbe  Stunde  von  hier,  willkommenen  Stoff 
und  Anlass.  Seine  Lage,  ungefähr  20  Minuten  westwärts  von  der  Stelle  des 
Denarfimdee  und  von  der  ihr  benachbarten  römischer  Mauer-  und  Geräthereste, 
welche  10  bis  12  Jahre  früher  aufgedeckt  wurden,  war  mir  deshalb  von  be- 
sonderem Interesse,  weil  sie  die  von  mir  angenommene  Westliche  Richtung  einer 
römischen  Eleerstrasse  von  Gelb,  zunächst  nach  Gladbach,  längs  der  Nordgrenze 
des  breiteren  Ubierlandes,  bestätig^  Aus  mehreren  Granden  schreibe  ich  die 
Gräber  nicht  einer  römischen,  sondern  einer  Niederlassung  der  romanisirten,  dabei 
aber  mancher  nationalen  Eigenthümliohkeit  anhängenden  Landesbevölkerung  der 
Ubier  zu.  Leider  hatte  der  zähe,  jährlich  durch  Regen  und  Frost  abwechselnd 
ei^veichte  und  zusammengezogene,  Lehm  so  fest  an  die,  ohne  jede  schützende  Stein- 
oder ZiegelumsteUung,  in  ihn  eingesetzten  Gefasse  sich  sngelegt,  dass  er  dieselben 
wohl  meist  schon  längst,  in  der  Tiefe  von  IVa  bis  8  Fuss,  geborsten  haben  mochte, 
and  nur  einige  wenige  ziemlich  unversehrt  ausheben  liess.  Diese  und  eine  Menge 
von  Scherben  habe  ich  mir  gekauft  und  bringen  lassen.  Unter  den  letzteren 
befanden  sich  auch  manche  von  den  feinen  schwarzen  und  rothen,  mdst  durch 
geprägte  Auflegungen  verzierten  Gefössen.  Bei  der  Reinigung  von  dem  festan- 
gebaokenen  Lehm,  durch  längeres  Liegen  im  Wasser  und  Bürsten  der  Bauch- 
rahder,  bemerkte  ich,  dass  mit  Ausnahme  weniger  kleiner  Scherben,  die  schwarzen 
und  rothen  Farben  durch  eine  mit  diesen  gemischte  Thonauflösung  oder  Brühe, 
in  welohe  die  noch  feuchten  Ge&sse  eingetaucht  waren,  hervorgebracht  sein  und 
somit  einer  dünnen  Hantumkleidung  des  meist  blau-  oder  weissgraaen  Stoffes 
der  Gefasse  gleichen  mussten. 

Ganz  dasselbe  Verikhren  zeigt  sich  auch  an  den  zahllosen  rothen  Terra- 
cotten  der  Sqhliemannschen  Ausg^bungen  und  namoatlich  an  den  grossen  Trink- 
gefassen  mit  zwei  Henkeln  und  kugeligem  Boden,  welche  der  untersten  —  als 
vortrojanisch  bezeichneten  —  Trümmerschicht  entnommen,  audi  in  den  höheren 
Ueberlagerungen,  nur  in  immer  abnehmoider  Grosse  wiederkehren.   Ist  auch  die 


/ 


262 


Misoellen. 


Form  dieser  Geiässe,  welche  an  den  runden  Oriff  eineB  Schwertes  mit  zwei 
einander  gegenüber  angebrachten  Bfigehi  erinnern  können,  und  als  Becher  2um 
Zutrinken  erklärt  werden,  indem  der  Darreichende  den  einen,  der  Zugreifende 
den  andern  Henkel  des  Bechers,  der  wegen  des  Eugelbodens  nur  auf  der  Mün- 
dung stehen,  gefüllt  also  bloss  mit  dem  Henkel  weitergegeben  werden  konnte, 
anfasst,  meines  Wissens  bei  keinem  der  alt-  oder  vorgeschichtlichen  Völker 
nachweisbar,  so  ist  doch  die  Technik  der  Färbung  der  G^eßisse  aus  einer  frühen 
▼orgeschichtlichen  in  die  spätere  geschichtliche  Zeit  der  keramischen  Industrie, 
gewiss  eine  der  durch  das  Bedürfhiss  gebotenen  allernrsprünglichsten  Erfindun- 
gen,  yererbt  werden.  A.  Rein. 


26.  Geldern,  Römischer  Münziund.  Am  5.  Noyember  1874  stiese 
der  Ackerer  Heyer  auf  Craenenhof  zu  Gelinter,  Gemeinde  Wachtendonk,  beim 
Pflügen  einer,  in  unmittelbarer  Nähe  seines  Gutes  gelegenen  Wiese,  auf  einen 
irdenen  Topf,  der  etwa  800  silberne  und  20  kupferne  Münzen  enthielt,  von  denen 
die  ersteren  durchschnittlich  sehr  gut,  letztere  aber  sehr  schlecht  erhalten  waren. 
Von  den  Silbermünzen,  763  an  der  Zahl,  welche  noch  gut  erkennbar  sind,  ge- 
hören dem  Antoninus  Pius  11  Stück  mit  11  Varietäten,  der  Faustina  senior  1 
Stück,  dem  Marcus  Aurelius  6  St.  mit  6  Var.,  dem  Gommodus  12  St.  mit  9  Var., 
dem  Septimius  Severus  124  St  mit  72  Var.,  der  Julia  Domna  52  St  mit  22  Var., 
dem  Garaoalla  112  St  mit  55  Var.,   der  Flautilla  8  St  mit  4  Var.,   der  Geta 

35  St.  mit  21  Var.,  dem  Macrinus  8  St  mit  5  Var.,  dem  Heliogabalus  78  St 
mit  23  Var.,  der  Julia  Paula  1  St,  der  Julia  Aquilia  1  St,  der  Julia  Maeea 
25  St  mit  5  Var.,  der  Julia  Soaemias  15  St  mit  gleichem  Rev.,  dem  Alezander 
Severus  181  St  mit  59  Var.,  der  Orbiana  3  St  mit  1  Rev.,  der  Julia  Mamaea 

36  St  mit  7  Var.  dem  Maziminus  59  St  mit  11  Var.,  dem  Mazimus  1  St 

« 

Von  408  Ezemplaren  habe  ich  die  Reverse  eingesehen,  von  den  übrigen 
hat  der  Bürgermeister  C.  von  Ruys  zu  Wachtendonk  Einsicht  genommen.  Die 
Kupfermünzen  in  Grosserz  sind  so  verwischt,  dass  sie  nicht  nSibet  bestimmt 
werden  können;  jedoch  gehören  die  von  mir  eingesehenen  10  Stück  der  ersten 
Kaiserzeit  an. 

Nach  einer  Mittheilung  eines  Eempener  Blattes,  deren  Autor  mir  unbe- 
kannt ist,  sollen  sich  auch  Münzen  von  Didia  Clara,  Didins  Julianus,  Helvins 
Pertinaz  und  Cornelia  Paula  in  jenem  Funde  befunden  haben.  Thatsadie  ist  es 
aber,  dass  zur  Zeit  wo  ich  von  einer  Reise  zurückgekehrt,  die  erste,  aus  408 
Stück  bestehende  Partie  der  Silbennünzen  zuerst  sah,  keine  der  genannten 
Kaiser,  resp.  Kaiserinnen  sich  darunter  befand.  Ebenso  wenig  hat  mein  Freund 
V.  Ruys  in  der  2.  Partie  eine  derselben  entdeckt 

Leider  gelangten  die  in  Klumpen  zusammengekitteten  Silbennünzen  in 
die  H&nde  des  Goldarbeiters  Hellner  in  Kempen,  der  dieselben  lösen  und  reinigen 
sollte.  Hier  hat  sie  zuerst  Herr  Hugo  Garthe  aus  Cöln  gesehen,  der  selbst- 
redend allein  im  Stande  ist,  über  den  oben  berührten  Umstand  Sicheres  mitzn- 
theilen.    Auf  die  Aufforderung  des  Bürgermeisters  von  Ruys,  resp.  des  Finders 


BÜBoelleii.  253 

Bohickie  Hellner  i08  Stück  dem  enteren  zurück,  unter  der  Erklärung,  dasi  er 
den  Rest  einem  Freunde  in  Holland  zur  Einsicht  zugesandt  habe.  Dieser»  aus 
etwa  850  Stück  bestehende  Best  ist  allerdiogs  spater  dem  Finder  wieder  zurück- 
erstattet und  von  dem  Herrn  von  Ruys  beschrieben  worden;  ob  aber  alle  und 
die  nämlichen  Exemplare  zurückerstattet  worden  sind,  wage  ich  nicht  zu  be- 
hauptejL  Die  benannten  Münzen  befinden  sich  noch  gegenwärtig  im  Besitz  des 
Finders,  der  sie  vor  d^r  Hand  nicht  verkaofen  will. 

Friedrich  Nettesheim. 


27.  Moselkern.  In  einem  Weinberge  daselbst  wurden  mittelalterliche 
Silbermünzen  gefunden,  von  denen  unser  auswärtiger  Secretär  Herr  Dr.  Schmitt 
in  Münstermaifeld  uns  zwei  Stück  freundlichst  einsandte.  Ueber  dieselben  äussert 
sich  unser  kenntnissreicher  Numismat  Herr  Hugo  Garthe  wie  folgt: 

Von  den  beiden  Münzen  ist  das  zu  lesende  Exemplar  entschieden  von 
Bischof  Bertram  1179 — 1212,  dem  Sprössling  eines  berühmten  sächsischen  Stammes. 
Begünstigt  von  Fried.  Barbarossa  schenkte  Letzterer  ihm  das  Bisthum  Bremen, 
da  jedoch  der  Schenkung  die  päpstliche  Sanction  verweigert  wurde,  so  suchte 
es  Friedrich  in  Rom  durchzusetzen,  dass  ihm  dagegen  das  gerade  vakant  ge- 
wordene Bisthum  Metz  übertragen  wurde.  — 

Die  zweite  unlesbare  Münze  könnte  wohl  den\  Erzbischof  Hillin  von  Faille- 
maigne  (Trier  1152 — 1169)  zugeschrieben  werden  und  zwar  aus  doppeltem  Grunde, 
einestheils  weil  der  Typus  des  Denars  auf  die  Epoche  passt,  anderentheils  weil 
Hillin  unter  allen  Erzbischofen  Triers  der  Einzige  tete  en  face  auf  der  Münze 
erscheint.  Das  von  Bohl  publicirte  einzige  Exemplar  lässt  in  Bezug  auf  Deut- 
lichkeit auch  sehr  viel  zu  wünschen  übrig. 


Entgegumig. 

Im  Beiblatt  zur  Lützow'schen  Zeitschrift  für  bildende  Kunst  (p.  '461  ff. 
1874  befindet  sich  eine,  gleichzeitig  am  29.  April  in  der  Cölner  Volkszeitang 
stehende  Besprechung  der  von  uns  herausgegebenen,  vom  Prof.  aus'mWeerth 
verflassten  Festschrift :  »Der  Mosaikbode^  in  St.  Gereon  zuGöln,c  worin 
behauptet  wird,  der  Bonner  Alterthumsverein  resp.  der  Verfasser  vindicire  sich 
mit  Unrecht  das  Verdienst,  diesen  Mosaikboden  der  Vergessenheit  entrissen  und 
den  Impuls  zu  seiner  Wiederherstellung  gegeben  zu  haben.    Dieses  Verdienst ') 


')  Der  Zwisöhensatz,  worin  gesagt  wird,  seit  1840  hätten  bereits  Pereira, 
Kranz,  Welter,  Becker,  Statz  und  Reichensperger  sich  mit  dem  Mosaik  be- 
schäftigt, soll  natürlich  den  bösen  Schein  erwecken,  >  als  wären  die  bekannten 
Verdienste  dieser  Männer  absichtlich  versohwi^en  worden.  Auf  der  ersten  Seite 
unserer  Schrift  sind  die  litterarischen   Hinweisungen  andrer  Schriftsteller  auf 


964  Miiteenm. 

* 

gebfikre  Herrn  W.  Soheben,  welcher  im  Winter  1866  den  Maler  AYenftrins 
SU  den  ersten  ReBtanrationsrersnohen  veranlasst  habe.  Vom  Banmeister  Wiei- 
hase  sei  schon  ein  Restanrationsplan  gemacht  worden,  als  im  Jahre  1868  der 
Bonner  archäologische  Congress  Kenntniss  von  dem  Denkmal  und  den  Zeidi- 
nnngen  der  Herren  Wiethase  und  Avenarius  genommen  nnd  es  seien  ebenso 
bereits  1600  Thlr.  vom  Kirchenvorstande  ausgegeben  worden,  ehe  dorch*  unsere 
Yermittelnng  Zuschüsse  einliefen  u.  s.  w. 

Dass  die  obigen  Behauptungen  alle  und  in  jeder  Hinsicht  unwahr  und 
tendenziös  erfunden  und  die  schlichteui  rein  historischen  Bemerkungen  unserer 
Schrift  über  den  Hergang  der  Restauration  vollständig  oorrekt  und  wahr  sind, 
mögen  folgende  urkundlichen  Daten  erharten: 

Schon  in  dem  Jahresberichte  unseres  Vereins  für  den  Zeitraum  vom  9.  De- 
cember  1866  bis  9.  December  1867  im  44.  Jahrbuch  S.  228  macht  der  Vorstand 
bekannt,  dass  der  nach  Ueberlegung  mit  dem  Maler  Avenarius  vorgenommene 
Versuch,  die  Trümmer  des  Mosaikbodens  in  der  Grypta  der  Gtoreonskirohe  au 
Cöln  durch  Aneinanderpassen  der  Durch^eichnungen  in  ihren  ursprünglichen 
Zusammenhang  zu  bringen,  zu  den  günstigsten  Ergebnissen  geführt  habe,  so 
dass  er  hoffen  dürfe,  dieses  gerettete  Kunstwerk  nnsem  Mitgliedern  im  nächsten 
Jahrbuch  vorlegen  zu  können  ').  —  Am  21.  Mai  1867  ladet  Herr  Avenarius 
brieflich  zur  Besichtigung  des  Mosaiks  ein;  am  15.  Juni  1867  schreibt  er:  »wenn 
noch  MosaikstÜcke  fehlen  sollten,  werde  er  durch  den  Kirchmeister  Schoben, 
(dessen  Name  bei  dieser  Oelegenheit  zuerst  genannt  wird),  die  Erlaubniss  zum 
Wenden  einzelner  umliegender  Platten  erwirken;  am  7.  November  1867  bittet 
er  um  Zahlung  für  die  gewonnenen  Resultate.  —  Laut  Schreiben  vom  12.  October 

1868  ersuchte  uns  dann  der  Kirchenvorstand,  hohem  Orts  Geldmittel  beschaffen 
zu  wollen,  worauf  wir  am  81.  December  1868  an  das  geistliche  Ifinisterium 
und  spater  an  die  Kronprinzlichen  Herrschaften  Gesuche  richteten,  deren  Re- 
sultat eine  Beisteuer  von  600  Thlr.  war.    Durch  Schreiben  vom  14.  September 

1869  bittet  der  Kirohenvorstand  den  Professor  aus'mWeerth  um  seine  Oberlei- 
tung der  Restauration  *),  die  derselbe  indessen,  unter  Anderm  wegen  der  Nichtinne- 


das  Mosaik,  soweit  sie  bekannt  sind,  ciürt  und  weiterhin  auch  Reibhens- 
perger's  Schrift  angefahrt.  Eine  Unkenntniss  oder  gar  Verdunklung  der  Ver- 
dienste obiger  Männer  wird  demnach  erst  bestehen,  wenn  der  gelehrte  Anony- 
mus sich  herbeilässt  nachzuweisen,  in  welchen  Büchern  oder  Blättern  diese 
Männer  Kunde  von  ihren  Studien  gaben.  Denn  der  Herr  Anonymus  wird  doch 
nicht  Unkenntniss  oder  gar  Beiseiteschaffung  von  Verdiensten,  die  überhaupt 
nicht  in  die  Oeffentliohkeit  gelangten,  zum  Vorwurf  erheben  können. 

Dem  entsprechen  die  Mittheü.  p.  XX  der  Schrift:  »Verhandl.  des 
Internat.  Gongresses  im  September  1868  zu  Bonn;  und  das  Protocoll  der  Vor- 
standseiteung  vom  24  April  1868,  wonach  sohon  für  das  Jahr  1868  das  Mosaik 
publioirt  werden  sollte. 

')  Cöln,  den  14.  September  1869. 

Ew.  Wohlgeboren  hatten  die  Gewogenheit,  uns  das  anliegende 


MiflOttlleB.  S65 

hattong  des  Wiethase'söhen  Planes,  schon  am  1.  Febinar  1870  wieder  niederiegfte. 
Da  Pro!  aas'm  Weerth  den  Herrn  Baumeister  Wiethase  zur  Anferiigong 
dieses  Plans  vorschlng  und  derselbe  laut  Postbooh  des  Letstem  und  nachstehen- 
dem Brief  des  Herrn  W.  Soheben  ^)  erst  am  81.  Aprü  1869  fertig  resp.  abge- 
liefert wurde,  so  ^ist  die  Kühnheit  des  Anonymus,  der  unsem  Verein  resp.  den 
Congrefi  diesen  Plan  schon  im  Herbste  1868  vorfinde  lass^  ebenso  unglanblioh 


sowie  eine  Ihnen  bereits  wieder  zurückgestellte  Ministerialverfügong  zur  Ein- 
sicht zukommen  zu  lassen,  aus  welchen  wir  mit  Freuden  ersehen  haben,  wie 
Ihrer  wohlwollenden  Bemühungen  um  eine  kunstgerechte  Zusammenstellung  der 
in  der  SjTpta  der  St.  Gereonskirche  zerstreut  umher  liegenden  Bruchstücke  des 
altchristlichen  Mosaikbodens  in  dem  Berichte  des  Geheimen  Regierungs-Rathes 
von  Quast  in  wohlverdienter  Weise  mit  dem  Erfolge  Ausdruck  gegeben 
worden  ist,  dass  wir  noch  hoffen  dürfen,  eine  durch  Sie  erbetene  Beihülfe  ans 
Staatsfonds  seiner  Zeit  zu  erhalten,  um  baldmöglichst  einen  Eunstschatz  wieder 
herzustellen,  welcher,  wie  Herr  von  Quast  es  anerkennt,  augenblicklich  den 
ersten  Rang  in  Deutschland,  ja  vielleicht  in  ganz  Europa  einnimmt. 

Indem  wir  nun  hiermit  für  Ihre  seitherigen  Bemühungen  im  Interesse 
unseres  altehrwürdigen  Tempels  und  dessen  Eunstschatze  den  wärmsten  Dank 
aussprechen,  erlauben  wir  uns  noch  die  Bitte,  dass  Sie  auch  fernerhin  mit  Ihrem 
seitherigen  Wohlwollen  uns  zur  Seite  stehen,  sowie  insbesondere  mit  Ihren  be- 
wahrten sachkundigen  Erfahrungen  die  Beaufsichtigung  bei  der  Restauration 
und  Legung  des  Mosaikbodens  übernehmen  wollen,  damit  das  archäologische 
Interesse  dieses  so  bedeutungsvollen  Eunstschatzes  nach  allen  Seiten  hin  gewahrt 
werde.    Ihrer  geneigten  Zusage  vertrauend  zeichnet  hochachtungsvoll 

Der  Kirchen-Vorstand  von  St  Gereon. 

>)  Cöln,  den  80.  April  1869. 

Herrn  Professor  aus'm  Weerth,  Wobig.  Kessenich. 

Heute  Morgen  war  mein  erster  Gang  zu  Herrn  Baumeister  Wiethase, 
welcher  aber  leider  verreist  war.  Einer  der  Eleven  bemerkte  mir  in  Besag 
auf  den  Mosaik,  dass  derselbe  heute  vollständig  fertig  würde,  and  dass  Herr 
Wiethase,  welcher  hente  Abend  zurückkehrte,  morgen  den  Kostenanschlag 
ganz  sicher  machen  konnte.  Sollte  nun  Ihre  Reise  nach  Berlin  wirklich  auf 
Sonntag  den  2.  Mai  feststehen,  so  wäre  es  mir  nicht  möglich  Ihnen  die  Zetohnang 
und  den  Kostenanschlag  angehen  zu  lassen.  Es  könnte  nur  folgender  Mittel- 
weg eingeschlagen  werden,  dass  Sie  mir  die  Stunde  Ihrer  Ankunft  in  Cöln  durch 
einige  Zeilen  anzeigten  nnd  ich  würde  Ihnen  dann,  fislls  Sie  ohne  Aufenthalt 
weiter  fahren,  dieselben  an  den  Bahnhof  bringen. 

Bei  dem  regen  Interesse,  welches  Sie,  sehr  geschätzter  Herr  Professor, 
unserer  schönen  Sache  widmen,  darf  ich  erwarten,  dass  Sie  mich  mit  einigen 
Zeilen  beehren  und  zeichne  in  dieser  Voraussetzung 

Mit  aller  Hoehaohtang  nnd  Ergebenheit 
Ihr  W.  Schoben. 


256  Mifloellen. 

und  kennseichnend  wie  die  weitere,  zur  Erweokung  des  Glaubens  gemadhie  Aa»fÜh- 
rnng,  als  sei  der  in  der  That  vollständig  bei  Seite  geschobene  Wiethase'sche 
Plan  bei  der  Restaaration  überhaupt  irgendwie  befolgt  worden  und  solle  nach 
Beschaffung  fernerer  Geldmittel  noch  weiter  ausgeführt  werden.  Es  war  dess- 
halb  unsere  Absicht,  in  der  Mosaikschrift  den  Wiethase'schen  Plan  zum  Ver- 
gleich mit  der  jetzigen  Restauration  zu  veröffentlichen.  Wir  vermochten  ihn 
indessen  nicht  zu  erhalten!!  Gerade  so  steht  es  mit  der  Behauptung  über  den 
Geldpunkt.  Die  Beisteuer  der  Eronprinzlichen  Herrschaften  traf  am  28.  Januar 
resp.  1.  Februar  1870  ein.  Herr  W.  Seheben  schreibt  am  39.  Mai  1869,  dass 
der  Kirchenvorstand  sich  unter  der  Bedingung  des  Staatszuschusses  mit  einer 
Summe  von  429  TUr.  an  der  Herstellung  des  Mosaiks  betheiligen  werde  ^),  und 


')  Göln,  den  29.  Mai  1869. 

Herrn  Professor  aus'm  Weerth,  Wohlg.  Eessenich. 

In  Bezug  auf  Ihr  freundliches  Schreiben  vom  22.  März,  womit  Sie  mich  in 
Angelegenheiten  des  in  der  Krypta  der  hiesigen  Gereonskirche  befindlichen  Mo- 
saikbodens beehrten  und  mit  welchem  Sie  mir  zugleich  die  Antwort  Sr.  Excellenz 
des  Herrn  Ministers  in  dieser  Sache  überwiesen,  kann  ich  Ihnen  die  erfreuliche 
]\fittheilung  machen,  dass  der  Kirohenvorstand  in  seiner  Sitzung  vom  4.  April 
den  BeschluBS  gefasst  hat,  200  Thlr.  zum  Zwecke  der  Hebung  des  Mosaikbodens, 
falls  Staatszuschuss  erfolgen  sollte,  zu  bewilligen ,  wie  auch  auf  Gfund  eines 
frühem  Beschlusses  die  Isolirschicht  in  der  Krypta,  welche  in  Pos.  2  mit  19  Thlr. 
20  Sgr.  und  in  Pos.  8  mit  209  Thlr.  10  Sgr.  des  Kostenanschlages  figurirt,  her* 
stellen  zu  lassen,  die  Kirche  sich  also  im  Ganzen  mit  429  Thlr.  bedingungsweise 
betheiligen  wird.  Rechnet  man  hierzu  noch  die  Originalpausen  des  Herrn  Ave- 
narius,  welcher  für  dieselben  100  Thlr.  verlangt,  und  im  Kostenanschlage 
nicht  vorgesehen  sind,  ohne  welche  aber  das  Werk  gar  nicht  gefordert  werden 
kann;  so  würde  sich  die  Kirche  also  mit  629  Thlr.  zu  betheilig^n  haben.  Femer 
hat  die  Stadt  Cöln  laut  Gemeinderaths-Beschluss  vom  13.  Mai  o.  der  Kirche  »als 
Zusohuss  der  Stadt  zu  den  Restaurationskosten  des  Mosaikbodensc  einen  beim 
stadtischen  Museum  beschäftigten  städtischen  Angestellten,  welcher  schon  mehrere 
MosaikbÖden  gelegt,  auf  drei  Monate  zur  Verfügung  gestellt.  Nimmt  man  einen 
solchen  Künstler  pro  Tag  nur  mit  1  Thlr.  10  Sgr.  an,  so  würde  sich  der  Beitrag 
der  Stadt  auf  120  Thlr.  berischnen.  Eine  Anfrage  bei  verschiedenen  Vereinen, 
namentlich  beim  hier  bestehenden  christlichen  Kunstverein,  blieb  resultatlos, 
weit  letzterer  sich  bei  der  Herausgabe  des  Book*schen  Werkes  betheiligt  hat. 
Ueber  den  oben  angedeuteten  Betrag  wird  die  Kirche,  welche  von  allen  Fonds 
entblösst  ist,  nie  gehen  können.  Eine  Sammlung  in  der  Pfarre  würde  eben&lb 
ohne  Erfolg  bleiben,  da  noch  bis  zum  Jahr  1878  fün£Eehntausend  Thaler  auf 
dieselben  umzulegen  sind.  Bei  der  Liebe  und  dem  regen  Interesse,  welche  Sie, 
sehr  geschätzter  Herr  Professor,  diesem  schönen  Kunstwerke  zugewendet  haben, 
darf  ich  erwarten,  dass  Sie  die  Sache  höheren  Ortes  mit  Wärme  vertreten  und 
zum  gewünschten,  derselben  würdigen  Aastrag  bringen  werden. 

In  dieser  Erwartung  zeichnet  Hochachtungsvoll  ergebenst 

W.  Seh  eben,  Kirchmeister  von  St  Gereon. 


Miflcollen.  357 

bemerkt  am  4.  November  1869,  es  seien  im  Ganzen  för  die  bis  dahin  gelegten 
10  fertigen  nnd  unfertigen  Bilder  800  Thlr.  theils  verausgabt,  theils  noch  zq 
bezahlen  ^).  Nun  sollen  aber  nach  dem  Anonymus  bereits  1500  Thlr.  vom 
Kirchenvorstand  verausgabt  worden  sein,  als  die  Kronprinzliche  Gabe  anlangte  II 
Und  hingerissen  durch  seine  eigene  Keckheit  versteigt  sich  dann  der  Herr 
Ejritiker  zur  Abwehr  der  von  ihm  erst  auf  unsere  Kosten  erfundenen  Be- 
hauptung: »Der  Mosaikboden  sei  aus  Staatsmitteln  (soll  natürlich  heissen:  ganz 
ans  Staatsmitteln)  hergestellt  wordene,  eine  Behauptung,  die  nirgendwo  von 
uns  ausgesprochen  ist. 

Nach  den  Vorgängen,  die  den  Rücktritt  des  Professor  aus'm  Weerth 
von  der  Oberleitung  der  Mosaikrestanration  veranlassten  und  dem  weitem  Ver- 
halten des  Kirohenvorstandes,  der  den  Verein  ungeachtet  seiner  Mühewaltungen 
gar  keiner  Antwort  würdigte,  als  er  um  weitere  Nachsuchungen  bat  (Anmerk.  9 
S.  8  unserer  Schrift) '),  fanden  wir  es  angemessen,  Herrn  Avenarins  als  demr 
jenigen,  mit  dem  wir  allein  ein  Abkommen  getroffen,  die  Gorrectnrbogen  der 
Mosaiksohrift  vor  dem  Abdruck  zur  Aenssemng  vorzulegen.  Derselbe  ftmd 
dagegen  gar  nichts  zu  erinnern  nnd  bezeugt  auf  unfern  Wunsch  dies  auch  noch 
heute  durch  folgende  Zuschrift: 

iDem  Vorstande  des  Vereins  von  Alterthnmsfreunden  im  Rheinlande  be- 


*)  Cöln^  den  4.  November  1669. 

Herrn  Professor  aus*m  Weerth',  WoUg.  Nennig. 

Was  nun  unsem  Mosaikboden  betrifft,  so  ist  derselbe  im  besten  Fort- 
schritt begriffen  nnd  könnte  nur  das  Ausbleiben  von  Staatszuschüssen  und  dgl. 
eine  Störung  hervorrufen.  Bis  jetzt  sind  über  800  Thlr.  für  die  bis  jetzt  ge- 
legten 10  fertigen  und  unfertigen  Bilder,  theils  verausgabt,  theils  noch  zu  be- 
zahlen und  setzt  der  Kirohenvorstand  nur  die  Hoffnung  auf  Ihre  gef.  Beihülfe, 
^  indem  voraussichtlich  die  von  Herrn  Wiethase  im  Kostenanschlage  angesetzten 
2900  Thlr.  bei  Weitem  überschritten  werden  müssen,  da  das  Beschaffen  des 
Materials,  das  Behauen  der  Steinchen  und  die  Arbeitslöhne  permanent  4  Mann, 
manchen  Thaler  absorbiren. 

Auf  einen  baldigen  freundlichen  Brief,  welcher  uns  einige  hundert  Thaler 
überweisen  wird,  rechnend,  zeichnet 

Mit  bekannter  Hochachtung  Ihr  ergebener 
W.  Soheben. 

*)  Es  ist  vollständig  bezeichnend  für  den  Anonymus,  dass  er  aus  dieser 
Anmerkung;  welche  lautet:  »Leider  hat  der  Kirchenvorstand  von  St  Gereon 
weder  aus  eigenem  Antrieb  noch  auf  unseren  besonderen  Wunsch  die  unter  der 
Ghortreppe  gefundene  Berandnng  des  Mosaikbodens  weiter  aufsuchen  lassen. 
Das  schriftliche  Anerbieten  des  Vereins  (von  dem  doch  der  Impuls  und  die  Be- 
schaffung der  ersten  Geldmittel  zur  Herstellung  des  Mosaiks  ausging),  die  Kosten 
weiterer  Nachsuchungen  zu  tragen,  ist  nicht  einmal  einer  Antwort  gewürdigt 
wordene  in  gehässiger  Weise  die  eingeklammerte  Stelle  herausgreift  und  das 
Uebrige  weder  erörtert  noch  rügt. 

17 


258  Misoellen. 

zeage  ich  auf  seinen  Wunsch,  dass  derselbe  mir  die  Texi-Gorreoiurbogen  des 
Werkes  über  den  Mosaikboden  von  St  Gereon  vor  dem  Abdrucke  zur  Aeusserung 
vorlegte  und  dass  ich  deren  Inhalt  als  der  thatsachlichen  Wahrheit  vollständig 
entsprechend  erkl&rte.  Die  Restaurationsversuche  in  S.  Gereon  wurden  meiner- 
seits erst  begonnen,  als  der  Torstand  des  Vereins  von  Alterthumsfreunden  mir 
das  Versprechen  gegeben^  die  Resultate  der  Arbeit  au  voröffentlichen. 

Cöln,  ^.  Februar  1876.  Toni  Avenarius. 

Dem  Anonymus  stand  es  frei  und  steht  es  noch  heute  frei,  das  in  unsem 
Händen  befindliche  urkundliche  Material  einzusehen  und  sich  darüber  zu  ver^ 
gewissem,  wie  fern  es  der  Absicht  des  Vorstandes  lag ,  die  regsame  Bethei- 
lignog  des  damaligen  Kirchmeisters  H.W.  Schoben  an  der  geschäftlichen 
und  praktischen  Förderung  des  Restaurationswerkes  zu  schmalem,  wenngleich 
deren  Würdigung  ausserhalb  einer  lediglich  wissenschaftlichen  Erörterung  lag. 
Wenn  sie  unterblieb,  so  geschah  dies  ausserdem  lediglich  desshalb,  weil  des 
Herrn  Schoben  nicht  gedacht  werden  konnte,  ohne  die  gesammten,  zwischen 
dem*  Eirchenvorstande,  dem  Frofl  ans'm  Weerth  und  nns  stattgegehabten 
Vorkommnisse  zu  erörtern.  Für  die  Wissenschaft  waren  diese  Dinge  neben- 
sächlich und  gleichgültig  und  wir  verfuhren  jedenfalls  schonend  nnd  billig,  indem 
wir  darüber  schweigend  hinweggingen. 

Diesem  Thatbestand  gegenüber  wird  man  die  Kühnheit  oder  im  günstigsten 
Falle  die  Leichtfertigkeit  des  Anonymus  nur  ans  einer  feindseligen  Tendenz 
verstehen  können,  die  aus  localer  oder  personlicher  Eifersucht  dem  Verein  nach 
jahrelangen  Mühen  das  Verdienst  missgönnt,  durch  sein  thäUges  Eingreifen  zur 
endlichen  Hervorziehnng  und  Rettung  eines  alten  Denkmals  beigetragen  zu  haben. 

Bonn,  im  Februar  1876. 

Der  Vorstand  des  Vereins  von  Alterthumsfreunden 

im  Rheinlande. 


Berichtigungen  und  Bereicherungen  zu  meiner  Publikation  der 
mittelalterlichen  Mosaikböden. 

Nach  dem  Erscheinen  des  vorstehenden  Buches  sind  mir  mehr  als  20 
briefliche  und  gedruckte  Besprechungen  desselben  zugeg^angen,  für  deren  Wohl- 
wollen den  Verfassern,  besonders  den  Herrn  8chhr.'*sey  Otte^  Lübke,  Mess- 
mer,  Harless,  Bergan,  Aldenkirchen  u.  s.  w.  zunächst  Dank  abzu- 
statten, die  angenehme  Pflicht  mir  obliegt. 

Einige  Worte  muss  ich  denjenigen  Besprechungen  widmen,  welche  Be- 
reicherungen, abweichende  Meinungen  oder  Missverständnisse  enthalten;  und 
ausserdem  mehrere  wesentliche  Nachträge  verzeichnen.  In  Bezug  auf  letztere 
vde  auf  eine  Anzahl  Druckfehler  kann  ich  nicht  umhin,  auf  die  sehr  ungünstige 
Situation  hinzuweisen,  in  welche  unversehens  jeder  Oelehrte  geräth,  der  sich  dazn 
herbeüässt,  Festschriften  zu  einem  bestimmten  Tag%  fertig  stellen  zu  müssen. 
Es  ist  durchaus  unmöglich  zu  wissen^  wie  weit  man  in  einer  vorbemessenen  Zeit 
eines  Stoffes  Herr  sein  kann.    Erst  im  September  des  Jahres  1873  kam  ich  mit 


'  Misoellen.  259 

den  Zeichnangen  neu  aufgefundener  Mosaiken  von  Italien  zurück  und  am  9.  De- 
oember,  also  8  Monate  nachher,  mustten  dieselben  verarbeitet  und  publiciert  sein. 
So  schwierig  an  imd  für  sich  die  Bearbeitung  eines  neuen  Stoffes  ist,  so  leicht 
und  selbstverständlich  ergeben  sich  für  denselben  nach  der  Veröffentlichung 
sofortige  Nachträge,  wie  ich  solche  auch  am  Schlüsse  ankündigte. 

Meine  Ansicht,  dass  der  Inhalt  der  italienischen  Mosaikböden  zur  Zeit,  als 
sie  entstanden,  gemeinverständlich  war,  bestätigt  Professor  Springer  in  seiner 
Arbeit:  Eunstgeschichtliche  Findlinge  p.  381  im  9.  B.  der  Lützow'schen  Zeit- 
schrift für  bildende  Kunst  durch  belangreiches  weiteres  litterarisches  Material 
und  schlägt  dann  vor,  die  vom  Maler  Avenarius  als  »Josef,  dem  Potiphar's 
Weib  das  Gewand  entreisstc  und  iJosua's  Kundschafter,  welche  Rahab  heimlich 
aus  ihrem  Hause  lässtc  restaurirten  beiden  Cölner  Bilder,  weil  sie  ganz  einzeln 
und  ausserhalj)  der  Folge  der  übrigen  dem  Leben  David's  und  Simson's  gewid- 
meten Darstellungen  stehen,  für  zwei  weitere  Scenen  hieraus  zu  halten.  Für 
das  erste  Bild  wird  angezogen:  Buch  Samuelis  I,  18,  4;  »Und  Jonathan  zog 
aus  seinen  Bock,  den  er  anhatte  und  gab  ihn  David,  dazu  seinen  BianteLc  Die 
einzigen  erhaltenen  beiden  Buchstaben  10  der  alten  Insi^rifb  können  den  Anfang 
des  Namens  Jonathan  gebildet  haben  ^).  Für  das  zweite  Bild  dienen  gleichfalls 
aus  dem  Buch  Samuelis  I,  19,  12  die  Worte:  »Da  Hess  ihn  Michal  durch's 
Fenster  hernieder,  dass  er  hinging,  entfloh  und  entrann.!  Der  durch  diesen 
Vorschlag  gewonnene  grössere  cyklische  Zusammenhang  bestimmt  mich,  demselben 
beizutreten.  Meiner  vollen  Zustimmung  zur  Polemik  Springer's  gegen  die 
Auffassung,  als  stellten  die  Scenen  aus  dem  Leben  David's,  Simson's,  Josua's  und 
Josef 's  die  4  Tugenden  der  Weisheit,  Stärke,  Klugheit  und  Keuschheit  dar,  muss 
ich  ebenfalls  erwähnen,  weil  der  Verfasser  zu  bemerken  unterlassen  hat,  dass 
ich  diese  Ansicht  Anderer  nur  erwähnte  (p.  6),  um  sie  als  irrig  zu  verwerfen. 

In  den  Grenzboten  (1874  p.  161  ff.)  wendet  sich  Herr  Engelmann  mit 
glücklichem  Erfolg  der  Wiederherstellung  der  metrischen  Beischriften  zu  den 
Monats-Darstellungen  im  Mosaikfussboden  von  Piacenza  zu.  Die  Frage  der  theil- 
weise  zerstörten  Texte  dieser  Inschriften,  in  denen  zunächst  vorab  einige  Druck- 
fehler zu  beseiehnen  (man  lese  Taori  statt  aari,  Laconas  statt  Jaoonas,  Mareia 
statt  Mardo)  *)  und  einige  Ergänzungen  *)  nachzutragen  sind,  ist  seitdem  voU- 


^)  Gemäss  dieser  Deutung  schlägt  Prof.  Springer  für  die  jetzige  nnf 
Josef  und  Pothiphar  bezügüelfe  Inschrift  die  Worte  vor: 

Spoliavit  se  tuniea  et  dedit  eam  David. 
Prof.  Springer  dtirt  durch  Versehen  anstatt  das  I.  B.  Sam.  das  I.  B.  d.  Könige. 

*)  Andere  Druckfehler  mögen  beiläufig  erwähnt  werden :  z.  B.  8.  7.  Z.  27 
lese  man  Samson  statt  Samuel;  6.  7.  Z.  6  10.  Jahrh.  statt  11.  Jahrb.;  S.  9.  A.  2. 
Fussböden  erster  Gattung  statt  dieser  Gattung;  S.  21.  A.  70 Bärentödtung  statt 
Hundetödtung. 

*)  Ich  verdanke  dieselben  einer  Photographie,  die  Graf  Bemardo  Pallestrelli 
in  Piacenza  nach  einer  vor  vielen  Jahren  von  ihm  angefertigften  Zeichnung  für 
mich   herstellen  zu  lassen  die  grosse  Güte   hatte.     Leider  traf  dieselbe  erst 


260  IdisoelloQ. 

Btftndig  durch  die  Wahrndunong  geloei,  daas  diese  Yene  aftmmtHch  dem  nadi'' 
folgenden  Gedichte  des  Ausonius  entnommen  wurden« 

Gedicht  des  Ausonius  8.  232  der  Zweibruoker- Aufgabe»  überschrieben: 

In  quo  mense  quod  Signum  sit  ad  oorsum  solis. 

Prinoipium  Jani  sandt  tropicus  Oapricomus. 

Mense  Numae  in  medio  solidi  stat  sidus  AquarL  - 

Procedunt  duplices  in  Martia  tempora  Pisoes. 

Respicis  Apriles,  Aries  Phryxee,  Elalendas. 

Biaius  Agenorei  miratur  comua  TaurL 

Juniofl  aequatos  coelo  videt  ire  Laoonas. 

Solstitio  ardentis  Gancri  fit  Julius  astrum. 

Augustum  mensem  Leo  fervidus  igne  perurit. 

Sidere,  Virgo,  tuo  Baochum  September  opimat. 

Aequat  et  Ootober  sementis  tempore  Libram. 

Soorpion  hibernus  praeoeps  iubet  ire  November. 

Terminat  Arcitenens  medio  sua  signa  Decembri  '). 
Eine  weitere  Bereicherung  kann  ich  bezüglich  der  auf  dem  Mosaikboden  von 
Pieve-Terzagni  (Taf.  YII)  stehenden  Zauberformel  beibringen.  Dieselbe  kommt 
n&mlich  schon  auf  einer  antiken  Metallplatte  vor,  welche  in  Eappadocien  gefunden 
und  in  der  zu  Athen  erscheinenden  Zeitschrift :  4>ili(nt}Q  Band  lY.  S.  829  pubHciert 
wurde.  Femer  steht  sie  in  einem  zu  Yenedig  gedruckten  Bomanus%üchlein  und 
zwar  S.  7  mit  der  üeberschrift:  Kunst,  Feuer  zu  löschen  ohne  Wasser:  »Schreibe 
folgende  Buchstaben  auf  jede  Seite  eines  Tellers  und  wirf  ihn  in  das  Feuer, 
sogleich  wird  es  geduldig  auslöschen.  Femer  steht  die  Formel  S.  18  als  Mittel: 
»Dem  Yieh  einzugeben  vor  Hexerei  und  Teufelswerkc 

Auf  die  Darstellung  der  Erlegung  eines  Bftren  (Taf.  XI)  bezieht  Engel- 
mann die  Erzählung  David's  (I.  Sam.  84—36)  von  der  Üeberwindnng  des  in  die 
Heerde  eingebrochenen  Löwen  und  Baren  und  ergänzt  demnach  die  Schriftreste 
als  Ausgänge  2.  Hexameter  also:  (c)aniB  occupat  u(rsum);  darunter  (Da)vid  r(ex) 

mehrere  Bfonate  nach  dem  Erscheinen  meiner  Schrift  ein,  und  konnte  somit 
nicht  mehr  benutzt  werden.  Yerschiedenheiten  der  Darstellung  zeigt  die  Falles- 
trellische  Zeichnung  nicht.  Bezüglich  der  Inschriften  hat  sie  einige  Buchstaben 
mehr,  nämlich  vor  dem  Altar  sazo  (bei  mir  nur  aEo)|  ein  Inschrifkrest  der  wahr- 
scheinlich dem  Namen  des  Donators  oder  des  Künstlers  (Sazo  kommt  als  Name 
vor  bei  Goldast,  Rer.  Alam.  U  p.  101)  angehört;  beim  Februar  das  vollständige 
Wort  aquarii;  beim  Juli  vollständiger  ardentis  c  .  n  .  ri  (cancri)  fort;  beim  No- 
vember (Scorpi)us  hibemiu (i)ubet. 

')  Auf  dem  Mosaik,  wo  die  Umschriften  theilweise  beschädigt  sind*  finden 
sich  folgende  Abweichungen: 

Z.    4.  Aprilis  statt  Apriles. 

Z.    7.  Austrum  statt  Astrum. 

Z.  .10.  Octuber  statt  October. 

Z.  11.  (Soorpi)u8  hibemi  v  .  .,  wie  auch'  die  Ausgabe  des  Yinetus  Scorpins 
hibemum  praeoeps  jubet  ire  Novembrem  hat. 


Mifloellen.  261 

pw(mti(t  ill)u(m).  löfa  kann  mich  mit  dieser  glücklichen  Ergänzung  nur  ebenso 
einverstanden  erklären,  wie  ich  andre  Meinungen  als  voreilig  und  irrig  anrück* 
weisen  muss  ').  Ich  will  unter  denselben  besonders  eine  hervorheben,  um  dadurch 
zur  Beseitigung  vielfacher  Gonfusion  aber  die  technischen  Benennungen  der 
Mosaikarten  beizutragen.  S.  9  Abth.  IV  wurde  unterschieden  zwischen  dem  aus 
geometrisch  geschnittenen  kleinem  und  grossem  Pl&ttchen  gebildeten  Mosaik  und 
dies  opus  tessellatnm  oder  opus  alezandrinum  genannt,  im  Gegensatz  zu  dem  aus 
kleinen  BteinwÜrfelü  zusammengesetzten  Mosaik,  dem  opus  vermiculatum.  Genauer 
genommen  hat  man  nun  2  Gattungen  von  Mosaik  und  zwar  jede  in  2  Unterab- 
theilungen, also  4  Mosaikarten  zu  unterscheiden :  Opus  alexandrin  um,  welches 
ursprünglich  nur  aus  geometrisch  geschnittenen  und  zusammengesetzten  Platten 
von  grünem  Syenit  und  rothem  Porphyr  bestand '),  nennt  man  sp&terhin  und 
nunmehr  geometrisches  Plattenmosaik  im  Allgemeinen.  Opus  tessella  tum  stellt 
gleichfalls  geometrische  Mustemng  dar,  aber  durch  kleine  Würfel.  Biese  beiden 
Arten  gehören  somit  nach  der  Darstellung  geometrischer  Muster  als  eine  Gattung 
zusammen.  Dieser  gegenüber  steht  die  Gattung  der  figürlichen  Darstellungen 
von  Menschen,  Thieren  und  freien  Ornamenten,  welche  sich  in  die  Arten  des 
opus  vermiculatum  und  opus  seotile  theilen:  Bei  erster m  werden  die 
gesammten  Bildfiftchen  aus  kleinen  Würfeln  zusammengesetzt;  bei  letzterm  die 


')  Uebereilt  erscheint  gelegentlich  der  Monatsdarstellungen  vom  Fussboden 
zu  Piacenza  beim  Mai  die  Büge,  es  sei  das  dort  am  Boden  liegende  Thier  als 
Steinbock  bezeichnet,  obgleich  die  Inschrift  richtig  vom  Stiere, als  dem  Sternbild 
des  Mai's,  rede.  Wenn  H.  Engelmann  sich  die  Zeichnung  ansieht,,  so  wird  er 
bemerken,  dast  der  Mosaicist  im  Widersprach  zur  Inschrift  und  offenbar  also 
irrig,  durch  spitzes  Maul,  zurückliegende  Homer  und  vor  Allem  durch  lange 
MUmen  nicht  einen  Stier,  wol  aber  einen  Steinbock  charakterisirte.  An  der  Rich- 
tigkeit der  Zeichnung  habe  ich  keine  Ursache  zu  zweifeln,  weil  die  erwähnte 
Photographie  des  Grafen  Pallestrelli  dieselbe  Auffassung  zeigt. 

Der  Vorschlag  im  2.  Hexameter  zum  Bilde  Davids  mit  seinen  Musikern 
(p.  6)  die  Worte  At  regens  cursum  umzuändern  in  At  dominus  oursum  würde 
der  vorhandene  von  mir  schon  jlberschrittene  Baum  nicht  gestatten,  man  mfisste 
denn  Abkürzungen  annehmen.  Ich  will  hier  gleich  einen  andern  nicht  wahr- 
seheinlichen  Vorschlag,  den  Prof.  Gbedechens  in  Nr.  9  p.  1S6  der  Jenaer  Litte- 
raturzeitung  macht,  erwähnen.  Derselbe  bemerkt  richtig  zu  Taf.  XII,  8  (Mosaik 
V.  S.  G.  R  zu  Ravenna),  der  kampfende  Matrose  befinde  sich  nicht  auf  dem 
Mäste,  sondern  auf  einer  an  den  Thurm  angelegten  Leiter,  irrt  aber,  wenn  er  die 
beiden  Bischofsmützen  der  Delinquenten  Taf.  XII.  2  für  Zinnen  der  Mauer  von 
Byzanz  hält.  Es  wäre  docli  nicht  einzusehen,  waram  diese,  nachdem  sie  erst 
über  den  Köpfen  jener  beiden  Verurtheilten  beginnt,  nicht  weiter  fortläuft.  Dazu 
haben  jene  beiden  Kopfbedeckungen  eine  karmoisinrothe  Kostum-Farbe. 

')  Dass  opus  alexandrinum  nicht  nach  dem  Kaiser  Alexander  Severus,  wie 
gewöhnlich  angenommen  wird,  sondern  nach  der  Stadt  Alexandrien  als  dorther 
stammende  Mode  benannt  ist,  habe  icl»  p.  9.  A.  1  erläutert, 


262  Miaoellen. 

Umrisse  der  ganzen  Gebilde,  seien  es  nun  menschliche  Figuren,  Thiere,  Pflaosen 
oder  Ornamente,  nach  der  aufgelegten  Schablone  aus  dünnen  Platten  aufge- 
schnitten und  in  eine  Grundfläche  eingelegt.  Gruppirt  man  nach  ^et  Form  des 
verwendeten  BCaterials,  so  kommen,  weil  aus  gleichen  kleinen  Würfeln  gebüdet,  opus 
tesselatum  und  opus  yermiculatum  zusammen;  und  im  Gegensatz^ dazu  opus seetile 
und  opus  alexandrinuni  in  eine  Abtheilung,  insofern  beide  aus  Platten  zusammen* 
gesetzt  werden.  Freilich  mit  dem  Unterschiede,  dass  beim  opus  seotOe  die  Form 
der  Platten  dexjenigen  der  Figuren  entspricht,  beim  opus  alexandrinum  erst  durch 
die  Zusammensetzung  von  Platten  Figurationen  entstehen.  Opus  .sectile  ist  somit 
in  dieser  Hinsicht  gar  kein  Gegensatz  zu  opus  alexandrinum,  sondern  letzteres 
eher  eine  Varietät  des  ersteren,  wie  es  mit  mir  auch  Otfr.  Müller,  Handbuch 
de  Arcb.  S.  Aufl.  S.  460  und  neuerdings  Heusens,  Clements  d'Arohtologie  chre- 
tienne  S.  188  auflassen '). 

In  meiner  Au&ählung  der  Fussböden  von  opus  alexandrinum  befindet  sich 
auch  der  jetzt  nicht  mehr  Torhandene,  aus  einer  Abbildung  bei  Gkittnla  bekannte, 
der  Abteikirohe  zn  Monte  Gassino,  von  dem  nun  Eng^lmann  vermeint,  man  könne 
denselben  höchstens  als  opus  sectile  und  nicht  als  opus  alexandrinum  bezeichnen 
und  sieh  dabei  auf  de  Rossi  (BuUetino  orist.  II  S.  46)  beruft,  der  aber  gerade 
an  der  betr.  Stelle  durch  seine,  meiner  Aufifassung  entsprechende  ]>Bfiniiion  von 
opus  sectile  *)  erhärtet,  dass  der  ehemalige  Flattenboden  geometrischer  Musterung 
in  Monte-Cassino,  der  weder  Thier-  noch  Pflanzen-Bilder  enthält,  nicht  in  die 
Gattung  des  opus  sectile,  sondern  in  diejenige  des  opus  alexandrinum  gehört. 
Herrn  Engelmann  ist  hier  offenbar  ein  Versehen  begegnet.  Als  herTorragendea 
Beispiel  des  mittelalterlichen  opus  sectile  steht  am  Schlüsse  meines  Buches  ein 
Mosaikfeld  aus  der  TaufcapeUe  zu  Florenz. 

Der  Zweck  meiner  Mosaikschrift  war  lediglich  der,  die  richtige  kunst- 
historisohe  Stellung  für  die  mittelalterlichen  Mosaikböden  zu  gewinnen  und  die- 
jenigen bisher  so  gut  wie  unbekannten,  welche  ich  durch  persönliche  Anschauung 
kennen  lernte,  zu  veröffentlichen;  keineswegs  aber  die  vermessene  Absicht,  für 
eine  bisher  unbeachtet  gelassene  Gattung  von  Kunstwerken  von  vom  herein 
schon  das  annähernd  vollständige  Material,  das  wohl  noch  Niemand  übersieht, 
beibringen  zu  wollen.  Hätte  ich  auf  die  eigene  Anschauung  verzichten  und 
mich  mit  uncontrollirten  litterarlschen  Nachweisungen  beg^nügen  woUen,  so  wäre 
es  leicht  gewesen  aus  Didron's  Annalen  (10,  236.  17,  120  u.  s.  w.)  und  andern 
Büchern  eine  stattliche  Anzahl  weiterer  Fussböden  beizubringen  und  die  Tafeln 
aus  den  Werken  von  Artaud,  Carducci  u.  s.  w.  abdrucken  zu  lassen.     Obgleich 


>)  Gleicher  Weise  äussert  sich  Labarte,  Hist.  des  arts  industr.  t.  IV  S.  283. 

') il  se  compose  de  pierres,  de  diverses  couleurs  deoouprees  sur  les 

contours  des  fignres  dessin^es  dans  les  cartons  originaux,_de  teile  sorte  qu'il  en 
resulte  oomme  une  peinture  de  marbros  et  de  pierres  fines  etc.  Als  Beispiele 
aus  dem  Alterthum  werden  dann  eine  Thiergrnppe  und  der  Raub  des  Hylas  ci- 
tirt  und  opus  sectile  (wie  es  auch  Otir.  Müller  thut)  mit  dem  modernen  florenti- 
nischen  Mosaik  lavoro  di  comesso  gleich  gestellt. 


Mischen.  268 

ich  z.  B.  zw6i  Mal  yergeblich  in  Pesaro  war,  um  den  dortigen  'Mosaikboden 
im  Dome  zu  sehen,  habe  ich  mich  aas  Mangel  an  Autopsie  nicht  ent- 
schliessen  können,  nach  der  durchaus  schlechten  Abbildung  Garduoci's  mehr 
darüber  zu  sagen  als  S.  14,  A.  12  geschehen  ist.  Nach  der  von  mir  gegebenen 
Vorarbeit  und  dem  darin  enthaltenen  Material  wird  ein  weiteres  den  gesammten 
Stoff  umfassendes  Werk  mit  geringeren  Möhen  zu  kämpfen  haben.  Sollte  Herr 
Engelmann  oder  ein  anderer  Gelehrter  dasselbe  übernehmen  wollen,  so  werde 
ich  ihm  gerne  meine  gesammten  weitern  Vorarbeiten  abtreten  und  auch  der 
Verein  ihm  gewiss  seine  Unterstützung  gew&hren. 

E.  aus'm  Weerth, 


Nachträge  und  Berichtigungen  zu  den  Augenarztstempeln, 
8.  9S  ff. 

S.  94.  Z.  10.  Der  doi^t  besprochene  angeblich  aus  Mainz  stammende  ver- 
meintliche Okulistenstempcl  ist  in  Wirklichkeit  im  vorigen  Jahrhundert  in  oder 
bei  Rom  gefunden  worden  und  in  den  Besitz  des  Herzogs  Charles  von  Richmond 
gelangt.  Er  ist  zuerst  genau  beschrieben  und  abgebildet  worden  von  Mortimer 
in  der  Abhandlung  Deseription  ol  an  antique  meto}  stamp  in  den  PhilosophiccU 
IVansacUona  v.  J.  1788.  Oct.  p.  888  ff.,  woraus  lindenschmit  wahrscheinlich  seine 
Copie  entlehnt  hat.  Es  ist  ein  einfacher  Bronzestempel  mit  ein'Sm  Ring  auf  der 
Rückseite,  dessen  von  der  Rechten  zur  Linken  laufende  Inschrift  sowie  die  sie 
umgebende  Ein&ssung  erhaben  gearbeitet  sind.    Die  Inschrift  selbst  lautet: 

'IJIOaADIO 

NeaAiMfian 

wodurch  Grotefend's  Vermuthungen  bestätigt  werden. 

S.  95.  Z.  12.  Grotefend  ist  mittlerweile,  was  ich  leider  übersehen  habe,  der 
Ansicht  von  Conestabile  und  Dctlefsen,  wonach  diese  Stempelinschriften  Marken 
von  Glasschalenfabrikanten  sind,  beigetreten.    Vgl.  Bulietino  1870  p.  188. 

S.  98.  Z.  2.  V.  u.  fuge  hinzu :  Ferner  der  Stempel  des  L.  Sextius  Marcianüs 
zu  Ingweiler  im  Elsass  (n.  90  ^is  G.  I.  Rhen.  n.  1878),  auf  dessen  Flächen  einer- 
seits L  S  M  =  L(ucii)  S(extii)  M(arciani),  andererseits  S  ^  E  eingeritzt  ist ; 
endlich  der  nicht  zu  Aleria  auf  Corsica,  sondern,  wie  Remer,  Comptes  rendua 
de  VaeacL  fr,  des  inacr.  et  beüea-lettreSy  Nouv.  Serie,  t.  VI  p.  79  und  Robert, 
Müomges  d'archiohgie  p.  14  nachgewiesen  haben,  zu  Alleriot  bei  Saint-Marcel- 
lez-Chälons-sur-Saöne  gefundene  Stempel  des  Reginus  (n.  84),  auf  dessen  Fläche 
sich  die  Buchstaben  G  *  S  finden.  Vgl.  Baudot  in  Millin's  Magazin  encychpae* 
diquet  An  1809,  t.  II  p.  105. 

S.  100.  Z.  2  V.  u.  fßge  hinzu :  Dies  scheint  eine  Bestätigung  darin  zu  finden, 
dass  auf  dem  Pariser  Stempel  des  Paulinus  (n.  77)  die  einzelnen  Seiten  durch 
die  Zahlen  I.  II.  IIL  auf  jeder  der  beiden  daran  stossenden  Flächen  näher 
bezeichnet  sind.  Vgl.  Sichel,  Cinq  cachets  inidite  p.  13  und  Grotefend  a.  a.  0. 
&  100. 

S.  101  zu  Stempel  n.  113.    Eine  genaue  Durohzeiohnung   der  Inschriften 


36i  Miecellen. 

und  Graffiti^  welche  ich  der  zuTorkommenden  Freundlichkeit  des  Herrn  Robert 
verdanke,  und  wofür  demielben  auch  hier  zu  danken  ich  mich  um  so  mehr 
gedrungen  fühle,  als  dieser  hohe  französische  Beamte,  trotz  seiner  vielen  dienst- 
lichen Gesch&fte  und  Reisen,  sich  unaufgefordert  dieser  Mühe  unterzogen  bat, 
ermöglicht  es  mir  meine  Angaben  zu  berichtigen.  In  Inschrift  1  Z.  2  ist  R  in 
SCABR  vollständig  erhalten.  2.  Z.  2  lies  CALIG  und  nicht  CAJIG,  wie  ich 
durch  eine  Undoutlichkeit  des  Facsimile  }^i  Castan  verleitet  geschrieben  habe. 
Demnach  ist  auch  das  auf  S.  13  Z.  1  v.  u.  über  die  Ligatur  von  L  nnd  I  Ge- 
sagte zu  modificiren.  8.  Z.  2  fehlt  der  Funkt  nach  DELAC  und  steht  wirklich 
EX  '  EM  •  PVL  auf  dem  Steine.  —  Die  Zeichnung  Robertos  bestätigt,  dass  die 
Graffiti  auf  den  beiden  Breitseiten  des  Stempels  reine  Verzierungen  und  die  in 
der  Mit&  der  einen  Fl&cho  befindlichen  Abbildungen  Ffianzenwurzeln  darstellen^ — 

S.  117.  Z.  6  V.  u.  fuge  hinzu:  Dass  diese  Erklärung  von  penidllum  die 
richtige  ist,  ergibt  sich  aus  dem  Umstände,  dass  auf  dem  Stempel  des  Paulinus 
(n.  77)  zu  Paris  hinter  den  Worten  LENI  *  PNICLM  sich  ein  einem  Pinselchen 
ähnlicher  Gegenstand  abgebildet  findet,  den  Sichel  Citiq  eaeheU  inidUa  p.  13  in 
folgender  Weise  beschreibt :  ^^Apris  U  mat  penicillum  e$i  gravi  tme  petite  imagt  de 
eeUe  priparaUon,  gut  la' repriaente  eomme  une  mitehe  de  ehdrpie  ou  un  piumaaeeau 
aüangif  campoel  de  hfine  juxktposis  et  riunie  par  de$  füa  qw  Us  eerretU.** 

8.  120.  Z.  16  füge  nach  „Gefunden'^  hinzu:  „im  November  d.  J.  1872.'< 

S.  130.  Z.  10  V.  u.  fuge  vor  ,,Bulletin'^  hinzu :  „De  Roucy,"  und  Z.  9  v.  u. 
lies  „p.  843  £«  anstatt  „p.  80." 

S.  182.  Z.  13  V.  u,  füge  noch  nach  ,ß,  188  t"  hinzu  „und  eben  daher  im 
Philologus  Bd.  XXXIY  8.  384.'< 

S.  186.  Seit  der  Beendigung  des  Druckes  dieser  Abhandlung  ist  ein 
neuer  Augenarztstempel  bekannt  geworden,  welchen  ich  der  Vollständigkeit 
halber  hier  noch  folgen  lasse: 

128. 

Tiberins  Claudius  Onesiphorus. 
Gefunden  in  dem  Bezirk  von  Arbois  (D6p.  da  Jura)  auf  einem  en  Cham" 
pavant  genannten  Terrain  in  einem  Weinberge. 

1.  TICL-ONESIPHORI 

DIAPSORICVM 

2.  I  •  CL  •  ONESIPHORI 
^NICILLE   EX  OVO 

1.  Ti(berii)  Cl(audii)  Onesiphori  ||  diapsorioum. 

2.  [T]i(berii)  Cl(audii)  Onesiphori  ||  [p]enici](luro)  le(Be)  ex  ovo. 

Litteratur:  Rouget  im  Bulletin  de  la  soeUtS  d^agrieulture,  seieneee  et  arte 
de  JMigny,  i.  XV  (1874).  —  A.  Castan  in  der  ßevue  archiologique,  Nouv.  S4rie, 
t.  XXVIII  (1874)  p.  896— 89a 

Der  Stempel  besteht  aus  einem  gleichmässig  grünen  Speckstein  und  bat 
ein  Gewicht  von  46  Grammes.    Sepe  Grösse  beträgt  86  Millimeter,  seine  Dicke 


Misoellen.  265 

7  Millimeter.  Er  ist,  wenn  man  von  den  abgesioasenen  Ecken  und  einigen 
Ritzen  auf  den  Fläehen  abrieht,  im  Ganzen  gat  erhalten. 

Die  beiden  Breitseiten  sind  ▼ollkommen  glatt.  Dia  eine  hat  in  ihrer 
Mitte  ein  Viereck,  dessen  Seiten  2  Centimeter  messen;  von  dem  Ende  einer 
jeden  dieser  Seiten  ziehen  sich  unter  stumpfen  Winkeln  Ränder  hin,  welche 
gleichmjlssige  Vierecke  umschreiben.  Nur  zwei  der  Seitenflächen  sind  beschrieben 
mit  je  zweizeiligen  Inschriften,  deren  rückwärts  laufende  Buchstaben  nngefiihr 

8  Millimeter  Höhe  haben.  Oberhalb  und  unterhalb  der  Buchstaben  sind  Linien 
eingeritzt,  wie  dies  auch  schon  auf  anderen  Stempeln  beobachtet  worden  ist. 
Durch  die  Beschädigung,  welche  der  Stempel  an  den  Ecken  erfahren  hat,  sind 
zu  Anfang  der  zweiten  Inschrift  in  der  ersten  Zeile  ein  Buchstabe  (T),  in  der 
zweiten  der  erste  Buchstabe  (F)  und  vom  zweiten  (E)  der  perpendikuläre  sowie 
der  untere  horizontale  Strich  verloren  gegangen. 

Der  Augenarzt  Tiberius  Claudius  Onesiphorus  kommt  hier  zum  ersten 
Hai  vor.  Sein  Cognomen  Oneriphoms,  welches  auf  Inschriften  übrigens  nicht 
gerade  selten  und,  wie  die  weitaus  grössere  Zahl  der  Zunamen  der  Augenärzte, 
griechischen  Ursprunges  ist,  weist  auf  seinen  geringen  Stand  und  seine  nnfireie 
Herkunft  unzweideutig  hin.  Dasselbe  Ck>gnomen  fuhrt  auch  ein  Militärarzt  der 
legio  III  Augnsta  zu  Lambaese,  Titus  Flavius  Onesiphorus,  bei  Renier,  Inser 
rom.  de  VJJgMe  641  =  Henzen  7420  a<f<f.  — 

Was  die  auf  dem  Stempel  verzeichneten  Mittel  anlangt,  so  ist  das 
DIAPSORIGVM  als  Heilmittel  gegen  die  iptoga  ßlctpagtay,  scabrities  oculorum 
aus  den  bisher  veröffentlichten  Stempeln  hinlänglich  bekannt,  so  dass  es  keiner 
besonderen  Erörterung  desselben  bedarf.  —  Ebenso  kann  ich  fSLr  dieErklämng 
des  zweiten  Mittels  auf  das  von  Grotefend  a.  a.  0.  8.  80  f.  und  von  mir  zu 
Stempel  n.  118  Gesagte  verweisen.  Nur  möchte  ich  bezüglich  des  Wortlautes 
der  Inschrift  unseres  Stempels  einem  Irrthum  Castan's  entgegentreten.  Derselbe 
liest  S.  898  dieselbe  PENICILLE  EX  OVO,  indem  er  dem  Stempelschneider  die 
Bildung  einer  neuen  Form  penicille  neben  penicillum  und  penicillus  aufbürdet 
und  sich  zur  Stütze  seiner  Ansicht  auf  den  Stempel  des  C.  Claudius  Immunis  zu 
Mandenre  (Grotefend  n.  20)  beruft,  wo  nach  der  Abbildung  bei  Duvemoy,  Notice 
twr  le  paye  de  MowthUiaird  antMeuremerU  ä  aes  premiers  comUe  pl.  XI  und 
XI 6«  C .  OL  IMMVNIS  PENIC  |  LE  AD  IMPET  LIPPIT  EX  OVO  steht  AUeim 
Grotefend  hat  schon  durch  eine  Vergleichung  deijenigen  Stempel,  wo  diese 
Formel  vorkommt,  und  mit  Rücksicht  auf  Gelsus  VI,  6,  8  überzeugend  nachge- 
wiesen, dass  PENICIL|LE  dort  in  zwei  Wörter  PENICIL(lum)  LE(ne)  zerlegt 
werden  muss.  Vgl.  die  Stempel  n.  14.  20.  49.  59.  76.  77.  Demnach  muss 
PENICILLE  unserer  Inschrift  ebenso  gedeutet  werden.  »  Dass  den  Mitteln 
nicht  die  Augenleiden,  far  die  sie  angewandt  werden  sollen,  beigefügt  sind, 
findet  sich  auch  sonst.    Vgl.  n.  1.  6.  16.  80.  118.  119.  122. 

Joseph  Klein. 

Berichtigung  zu  Nr.  5,  »Weihinschrift  des  Glematius.c  S.  146. 
Z.  32—34.    Maria  von  Medicis  ist  wirklich  in  dem  Hause  Stemengasse  10,  in 


266  MifloeUeo. 

welcfaos  man  falwhlioh  die  Geburt  von  Rubens  gesetzt  hat,  gestorben.  Der  da* 
gegen  früher  angeregte  Zweifel  wird  schon  durch  das  gleichzeitige  Zeogniss  des 
Gelen  beseitigt,  zu  welchem  neuerdings  genauere  Mittheilougen  gekommen  sind. 

H.  Düntzer. 

Hea  LIII  u.  XLIY.  S.  882  letzte  Zeüe  lies:  von  einem  alten  an  dieser 
Stelle  befindlichen  Kapellchen  herrührend. 


Nachstehender  Zuschrift  geben  wir  gerne  Folge. 
Geehrte  Redactionf 

Ersuche  um  freundliche  Aufnahme  anliegender  Ankündigung  in  ihrem 
Blatte  und  diess  besonders  desshalb,  weil  das  hier  Nr.  6  angeführte  Kunstwerk 
eine  Kölner  Arbeit  ist. 

München,  26.  Febr.  1876.  Dr.  Stockbauer,  k.  Professor. 

Ausgewählte  Kunstwerke  aus  dem  Schatze  der  »Reichen 
Capellec  in  der  k.  Residenz  zu  München. 

Herausgegeben  mit  Genehmigung  Seiner  Majest&t  des  Königs  Ludwig  II. 
von  Bayern  von  F.  A.  Zettler,  Inhaber  der  k.  b.  Hofglasmalerei- Anstalt,  L. 
Enzler,  Dekan  des  k.  CoUegiatstifts  zu  S.  Gajetan  und  Gustos  der  Reichen 
Capelle  und  Dr.  J.  Stock  bau  er,  Professor  an  der  kgl.  Kunstgewerbeschnle  in 
München. 

Ol^leidh  diese  Praohtpublikation,  von  der  gegenwärtig  8  laeferungen  aus- 
gegeben sind,  zunickst  und  zumeist  Goldschmiedarbeiten  des  16.  nnd  17.  Jahr- 
hunderts enthält,  sind  in  dieselbe  doch  6  Kunstwerke  aufgenommen  worden,  die 
aus  früherer  Zeit  stammend  neben  ihrer  kunstgeschichtliehen  und  technischen 
auch  eine  hervorragende  archäologische  Bedeutung  haben. 

Zu  diesen  gehören: 

1)  Die  Darstellung  der  Kreuzigung  Christi  in  Email  cloisonn^ 
auf  Goldblech;  0,28  m.  hoch,  0,18  breit     Tafel  28. 

Dieses  Kunstwerk,  byzantinischen  Ursprungs  aus  dem  10.  Jahrhundert,  ist 
wie  durch  die  Technik  seiner  Herstellung  so  durch  die  Gomposition  seiner  Figuren 
höchst  interessant.  Die  Goldblechplatte  ist  an  den  Stellen,  welche  zur  Aufiiahme 
der  Figuren  bestimmt  waren,  nach  rückwärts  vertieft  und  in  diese,  den  Um- 
rissen der  Figuren  entsprechende  Vertiefungen  sind  die  einzelnen  Goldvr&nde, 
welche  die  Emailfstrben  trennen,  eingelöthet. 

Die  Gomposition  zeigt  neben  Christus  am  Kreuze  mit  ausgebogenem  Unter- 
leibe, die  Füsse  auf  dem  Trittbrptte,  Maria  und  Magdalena,  Johannes  nnd  den 
Hauptmann,  darüber  zwei  Engel  und  die  Zeichen  von  Sonne  und  Mond.  In- 
schriften, wie  selbe  an  griechischen  Kreuzen  gewöhnlich,  fehlen  auch  hier  nicht: 
'ff  QiavQOKng,  *ld€  6  vlog  aov,  idov  ^  fJ^v^^  ^^^'  Unter  dem  Kreuze  sitzen  3  Sol- 
daten, welche  den  Rock  des  Erlösers  vertheilen.  Ihre  daneben  stehenden  Waffen, 
sowie  die  Kleidung  des  Hauptmanns  lassen  einen  ungefähren  Schluss  anf  die  Zeit 
machen;  in  der  dies  Kunstwerk  entstand, 


MisceUen.  267 

2.  Der  Altar  des  Kaisers  Arnulf,  0,58  m.  hoch,  9,29  breit,  Tafel  17. 

Dieser  von  4  Säulen  getragene  und  mit  einem  auf  4  kleineren  S&ulea 
stehenden  Ueberbau  gedeckte  Altarbaldachin  ist  urkundlich  ein  Geschenk  des 
Kaisers  an  das  Stift  St.  Emeran  in  R^ensburg.  Auf  dem  Fries  über  den  S&ulen 
steht  die  Inschrift:  Bex  Arnulf us  amore  Dei  perfecerat  istud  Ut  fiat  omatus 
sanc tibus  istis,  Quem  Christus  cum  discipulis  componat  ubique. 

Die  Säulen,  das  Gebälk,  der  Unterbau  und  das  Dach  sind  mit  Goldblech 
überzogen  und  an  letzterem  sind  in  getriebener  Arbeit  verschiedene  biblische 
Sccnen  und  Gleichnisse  dargestellt,  z.  B.  die  Versuchung  Christi,  die  Aufer- 
weckung  des  Lazarus  und  des  Jünglings  von  Naim,  die  Scene  mit  Petrus:  Petre 
amas  me?  und  das  Gleichniss:  »Aspicite  volatilia  codi«.  Letztere  Darstellung 
ist  deshalb  von  erhöhter  Bedeutung,  weil  sie  sich  auch  an  den  alten  Augsburger 
Thüren  befindet  und^  in  Ermangelung  einer  Unterschrift  ganz  anders  gedeutet 
wurde.  Es  ist  dies  jene  Tafel,  welche  eine  lang  gekleidete  Figur  zeigt,  die  das 
am  Boden  befindliche  Geflügel  futtert.  Im  Innern  des  Altärchens  befindet  sich 
ein  leider  der  Einfassung  fast  ganz  verlustig  gegangener  Altarstein. 

3.  Das  Reliquiarium  Kaiser  Heinrich  II.  0,44  hoch,  0,85  breit,  Tafel  10. 

Dieses  Kunstwerk  besteht  aus   zwei  gleich  grossen  Platten.     Die  Erstere 

hat  in  der  Mitte   ein   grosses  viereckiges  Stück   von  Bergcristall  und  ringsum 

einen   mit  Perlen  und  Eddsteinen  in  brillanter  Fassung  reichverzierten  Rand. 

Eine   Inschrift   daran    gibt   über  die  Entstehung   des   Kunstwerkes   folgenden 

Aufschluss: 

En  Caesar  Sophiae  renitens  Henricus  honore 
Christe,  creatori  dedit  hoc  tibi  mun^s  honori. 
In  quo  sanctae  crucis  pars  clauditur  ac  decus  orbis 
Redde  vicem  patriae  donando  gaudia  vere. 

Die  Entstehung  dieses.  Werkes  fällt  also  in  den  Anfang  des  11.  Jahrhunderts 
und  es  war  ein  byzantinischer  Künstler,  wie  deren  damals  Yide  im  Ocddente 
lebten,  der  dassdbe  gearbeitet. 

Auf  der  «weiten  Platte  befindet  sich  eine  kreuzförmige  Vertiefung,  zur 
Aufnahme  einer  Kreuzpartikel  bestimmt;  in  den  Winkeln  derselben  auf  Gold- 
blech gravirt  die  Bilder  der  Evangelisten,  und  auf  der  Rückseite,  umrahmt  von 
einem  Band  aneinandergereihter  Medaillons  mit  byzantinischen  Heiligen  die  neben- 
stehend abgebildete  Darstellung:  Das  Lamm  Gottes  mit  seinen  alttestamenta- 
rischen Vorbildern. 

4.  Derselben  Zeit  entstammt  ein  zweihenkliger  Cristall-Kelch  (Tafel  17) 

welcher  ursprünglich  eine  einhenkelige  Tasse  war,  mit  erhaben  gearbeiteten  Ara- 

-besken  verziert,  neben  denen  der  Grund  vertieft  ausgeschliffen  worden.    Später 

wurde  eine  Cristallkugel  darunter  gesetzt  und  dieselbe  mit  dem  Tassenkörper  und 

einem  goldenen  Fusse  verbunden,  auch  ein  zweiter  Henkel  von  Gold  angesetzt. 

5.  Das  Kreuz  der  Gisela  von  Regensburg.  Tafd  37. 

Gisela,   die  Schwester  Heinrich  II  und  Gemahlin  des  ungarischen  Königs 

Stefan  I.  liess  ihrer  Mütter  auf  deren  Grab   in  Regensbnrg  ein  kostbares,  mit 

Perlen,   Diamanten   und  orientaUschen  Emailplättchen   reichverziertes   0,40  m. 

hohes  Kreuz  setzen.    Die  verschiedenen  an  dem  Kreuze  angebrachten  Insohriftea 


968 


Mifloellen. 


geben  ziemlich  voUit&ndige  AalU&mng  über  denen  Entstehung.  An  der  vorderen 
Seite  befindet  sich  Christas  der  Gekreiuigte  in  runder  Figur,  za  dessen  Fflssen 
in  Belief  die  beiden  Königinnen.  An  der  Röokseite  ist  die  Kreazigung  nach 
bystntinisoher  Manier  eingegraben. 

6.  Das  Alt&rohen  der  Maria  Stuart    Tafel  20. 


Dasselbe,  so  klein  es  ist  (es  ist  geschlossen  0,062  m.  hoch.  0,041  breit), 
ist  durch  seine  Geschichte  und  seine  Technik  äusserst  merkwürdig.  Es  stammt 
von  der  unglücklichen  Königin  und  kam  durch  mehrere  Zwisohenh&nde  in  den. 
Besitz  des  bayerischen  Hofes,  der  mit  Maria  Stuart  eng  verwandt  war.  Die  Dar- 
stellungen darauf  sind  mit  dem  feinsten,  bis  jetzt  bekannten  transluciden  Email 
gemalt  und  rühren  von  einem  Gölner  Meister  her. 

Eine  nähere  Beschreibung  und  Erklärung  der  genannten  Kunstwerke  giebt 
der  dem  Prachtwerke  beigegebene,  von  Professor  Dr.  Stockbaner  verlas  sie 
Tezt^  worauf  wir  unsere  Leser  verweisen. 


lY.  Chronik  des  Vereins. 


für  iM  ümtwiiilrr  1873  (rerir.  yfinslleti  1873-1874). 


Die  äussern  Verhältnisse  unserer  Gesellschaft  dürfen  auch  fOr  den 
ohigen  Zeitraum  als  günstige  bezeichnet  werden.  Wenngleich  der  Tod 
uns  manche  tüchtige  Arbeitskraft,  manche  seit  der  Gründung  des  Ver- 
eins demselben  treu  angehörige  Mitglieder  entrissen  und  die  23  Namen 
der  nachgenannten  Herrn :  Bürgermeister  Bau  in  Mülheim,  Geh.  Justiz- 
rath  Prof.  Dr.  Bluhme  in  Bonn,  Dr.  Bodel-Nyenhuis  in  Leiden, 
Pfarrer  C  läsen  in  Königswinter,  Geh.  Archivrath  Dr.  Grotefend 
in  Hannover,  Notar  Guillon  in  Roermond,  Staatsminister  von  der 
Heydt  in  Berlin,  Geh.  Gommerzienrath  Daniel  von  der  Heydt  in 
Elberfeld,  Professor  Dr.  Hilgers,  Gymnasialdirector  Dr.  Klein,  Dr. 
Kapp  und  Oberst  von  Wasielewski  in  Bonn,  Prof.  Dr.  Hotho  in 
Berlin,  Geh.  Gommerzienrath  Damian  Leiden  in  Cöhi,  Freiherr  von 
Leikam  in  Elsum,  Geh.  Begierungsrath  Dr.  Lucas  und  Kammer- 
präsident von  Marr^es  in  Goblenz,  Staatsminister  H.  von  Mühler 
in  Berlin,  Rittergutsbesitzer  vonMüllerin  Mettemich,  Gommerzienrath 
Pferdemengs  in  Bheydt,  Dechant  Bummel  in  Kreuznach,  Dr. 
Westerhoff  in  Warfum,  Rentner  Zuml oh  in  Münster  —  in  unsern 
Listen  ausgelöscht  hat,  so  verblieb  doch  in  Folge  des  Eintrittes  neuer 
Mitglieder  der  Personalbestand  auf  der  Höhe  von  600  Personen. 

Die  Gesammt-Einnahmen  beliefen  sich,  einschliesslich  des  in  der 


270  Chronik  des  Vereins. 

vorigen  Chronik  bezifferten  Ueberschusses  von  1469  Thlr.  22  Sgr.  4  Pf. 
im  Ganzen  auf  3767  Thlr.  22  Sgr.  4  Pf. 

Die  Ausgaben  erreichten  dagegen,  be- 
sonders in  Folge  der  reichen  Illustrationen 
des  Jahrbuches  LIII  u.  LIV  und  der  Winckel- 
mannsfestschrift  über  den  Mosaikboden  von 
St  Gereon  eine  Höhe  von  3411     „      11     ,,     2  „ 

so  dass  in  die  Rechnung  des  Jahres  1874  nur 

ein  baarer  üeberschuss  von  356     „     11     „    2  „ 

vorgetragen  werden  konnte.  Derselbe  wächst  allerdings  durch  Ein- 
ziehung von  Rückstanden  im  Betrage  von  269  Thlr.  eventualiter  bis 
zur  Höhe  von  625  Thlr.  11  Sgr.  2  Pf. 

Für  die  Sammlungen  wurden  sieben  römische  Grabsteine  und 
Altäre,  nämlich  der  in  diesem  Jahrbuche  Taf.  V  abgebildete  Grabstein 
des  römischen  Reiteranführers  C.  Marius,  der  kleinere  im  vorigen 
Jahrbuch  S,  181  beschriebene  der  Mellonia,  drei  aus  den  Brohler  Tuf- 
steinbrüchen  herrührende,  Jahrb.  XXX  p.  126  erwähnte  Altäre  des 
Hercules  Saxanus  und  eine  kleine  im  Terrain  der  Provinzial-Irren- 
anstalt  zu  Bonn  gefundene  Ära  derMatres  domesticae^}  erworben.  Ebenso 
ging  die  kleine  Sammlung  römischer  Antiquitäten  des  Herrn  Prof.  Dr. 
Freudenberg  in  den  Yereinsbesitz  über.  Eine  weitere  Bereicherung 
erfuhr  unsere  Sammlung  durch  den  Ankauf  einer  Reihe  römischer 
Bronzen  aus  der  ehemalig  Prinzlich  Wittgenstein'schen  Sammlung 
und  aus  anderweitigem  Privatbesitz.  Als  hervorragende  Erwerbung 
für  die  Bibliothek  darf  das  Cohen'sche  Werk  über  die  römischen  Kaiser- 
münzen  erwähnt  werden. 

Unter  den  empfangenen  Geschenken  heben  wir  mit  nochmaliger 
Erstattung  unsres  Dankes  folgende  hervor: 

1)  Von  Freiherm  Fr.  von  Diergardt  die  Summe  ton  500  Thlr. 
'  zu  Ankäufen  vcm  Alterthümem. 

2)  Yen  der  Direction  der  Bergisch-Märkischen  Eisen- 
bahn eine  Anzahl  auf  dem  Bahnhof  zu  Saarn  «&  der  Ruhr 
gefundener  römischer  Alterthümer. 

3)  Von  dem  K.  Bau-Inspector  Herrn  Neumann  in  Bonn  ein 
schwarzer  römischer  Becher  mit  weisser  Inschrift. 

4)  Von  Herrn  Alexander  Oster  in  Bona  eia  desgL 


')  Mitgetheilt  in  der  Miscelle  p.  238  dieses  Jahrbuchs. 


Chronik  des  Vereins.  271 

5)  Von  Herrn  Major  von  Rosen  in  Cöln  einige  Finger-Ringe 
von  Bronze,  gefunden  in  Livland. 

6)  Von  Herrn  Director  Kr  ob  er  in  Sayn  eine  dort  gefundene 
silberne  germanische  Armspange. 

7)  Von  der  EönigL  Regierung  in  Coblenz  zwei  im  Kreise 
Zell  und  im  Kreise  Simmem  (an  der  Römerstrasse  zu  Mors* 
bach)  zu  Tage  gekommene  römische  Grabfunde,  unter  denen 
zwei  grosse  zweihenklige  mit  Deckeln  versehene  Aschen-Urnen 
aus  Glas  hervorragen. 

8)  Von  einem  ungenannten  Gönner,  überreicht  durch  den  Herrn 
Oberbürgermeister  Kaufmann  von  Bonn,  ein  Oelgemälde 
des  Anton  von  Worms,  darstellend  Petrus  und  Paulus. 

9)  Von  Herrn  Prof.  Dr.  Fr.  Fiedler  in  Wesel  eine  Sammlung 
Siegelabdrücke  römischer,  besonders  am  Niederrhein  gefan« 
dener  Gemmen. 

10)  Von  Herrn  Prof.  Dr.  Ko  n e r  in  Berlin  ein  Exemplar  der  neuesten 
Auflage  seines  Werkes:  Das  Leben  der  Griechen  und  Römer. 

11)  Von  Herrn  Hofr.  Essellen  in  Hamm  mehrere  seiner  Schriften. 
Ausgrabungen  wurden  in  der  verflossenen  Periode  nur  in  Ban- 
dorf veranstaltet ;  das  Resultat  derselben  ergibt  der  Bericht  p.  100  ff. 
im  Lin.  u.  LIV.  Jahrbuch. 

Der  Vorstand  hat  drei  neue  auswärtige  Secretäre  und  zwar  für 
Rheinherg  Herrn  Friedensrichter  R.  Pick,  für  Viersen  Herrn  Gaplan 
Aldenkirchen  und  für  Trier  Herrn  Oberlehrer  Dr.  Bone  ernannt  0. 

Wie  alljährlich  beging  der  Verefn  am  9.  Dezember  1673  in  öffent- 
licher Sitzung  das  Geburtstagsfest  Winckelmanns.  DerVereins- 
präsident  Berghauptmann  Nögg  erat  heröffnete  dieselbe  mit  einer  der 
Bedeutung  des  Tages  gewidmeten  Anrede.  Professor  Th.  Bergk  hielt 
darauf  den  Hauptvortrag  über  den  Ursprung  und  die  Bedeutung  der 
als  etruskisch  angesprochenen  Metallfunde  diesseits  der  Alpen.  Während 
man  früher  diese  Gegenstände  als  Erzeugnisse  einheimischer  Industrie 
ansah  und  insbesondere  den  Kelted  einen  nicht  ^meinen  Grad  von 
Kunstfertigkeit  zuschrieb,  nimmt  bekanntlich  die  neuere  Alterthums« 
forschung  einen  lebhaften-,  ununterbrochenen  Handelsverkehr  jener 
Länder  mit  den  Phöniciem  oder  den  Etruskem  an.  Der  Vortragende 
erklärte  sich  gegen  diese  Hypothesen  und  wies  namentlich  die  Vor- 
stellung von  einem  weit  reichenden  Einflüsse  der  Etrusker  auf  Gallien 

')  Das  Amt  des  ausw&rtigen  SecreUriats  ist  an  den  Wohnort  der  ernannten 
Seoret&re  gebunden  nnd  erlischt  mit  dem  Verzuge. 


272  Chroziik  des  Vereins. 

und  den  Norden  zurück,  indem  er  zeigte,  dass  alle  jene  Eigenthttm- 
lichkeiten,  welche  man  dem  etruskischen  Hauptgewerbe  zuspricht,  ins- 
gesammt  auch  in  der  älteren  gnechischen  Kunst  sich  finden,  dass 
Oberhaupt  die  Kunst  der  Etrusker  nicht  eigentlich  eine  originale  war, 
sondern  nur  den  Überlieferten  Typus  mit  grosser  Zähigkeit  lange  Zeit 
hindurch  festhielt.  Zum  Beweise,  dass  es  den  Kelten  nicht  an  Geschick 
fehlte,  um  die  Metallschätze  ihrer  Heimath  zu  verarbeiten,  berief  er 
sich  auf  die  wichtigen  Gräberfunde  zu  Hallstadt  in  OberSsterreich. 
Diese  Arbeiten  könne  man  w^en  ihres  entschieden  alterthflmlichen 
Charakters  den  Etruskem  nicht  zusprechen,  da  dieses  Volk  damals 
bereits  viel  weiter  vorgeschritten  war  und  den  Höhepunkt  seiner  Cultur 
erreicht  hatte;  auch  wenn  man  einräumen  wollte,  die  etruskSsche  In- 
dustrie hätte  sich"  den  Geschmacksforderungen  der  Käufer  anbequemt, 
so  wflrde  man  doch  den  imitirten  Archaismus  von  dem  primitiven, 
wie  er  uns  in  der  Darstellung  der  Gräber  zu  Hallstadt  offenbar  ent- 
gegentritt, sicherlich  leicht  unterscheiden  können.  Wenn  die  Ueber- 
reste  der  keltischen  und  nordischen  Industrie  vielfach  an  die  Technik 
anderer  Gulturvölker  erinnerten,  so  sei  dies  zunächst  nur  ein  Moment, 
um  auf  den  engen  Zusammenhang  der  Völker  des  Alterthums  und  eine 
gewisse  Gemeinschaft  der  Cultur  zu  schliessen.  Zumal  bei  den  Völkern 
des  arischen  Stammes  zeige  sich  diese  Zusammengdiörigkeit  nicht 
nur  in  der  Sprache  und  den  religiösen  Anschauungen,  in  den  Sitten 
und  Rechtsgewohnheiten,  sondern  dieselbe  offenbare  sich  vor  Allem 
auch  in  dem  Triebe  künstlerischen  Schaffens.  Später  hätten  die  in 
der  Cultur  vorgeschrittenen  Völker  auf  andere,  welche  auf  einer  nie- 
deren Stufe  verharrten,  eingewirkt ;  so  ward  insbesondere  der  Einfluss 
der  griechischen  Ansiedler  in  Massilia  auf  die  keltischen  Stämme  her- 
vorgehoben. —  Geheimrath  v.  Dechen  berichtete  hierauf  über  kürz- 
lich in  unserer  Nahe  aufgefundene  Ueberreste  eines  alten  Oanals.  Die 
Eisenbahn  von  Kaischeuren  über  Liblar  nach  Euskirchen  verfolgt 
von  dem  Dorfe  Heiden  tin,  den  Abhang  des  Vorgebirges  bis  zu  dessen 
Höhe  entlang,  nach  Liblar  zu  eine  schluchtartige  Vertiefung,  Elfter 
Graben  genannt,  in  einer  Länge  von  etwa  9,6  Kilom.  Die  Herrichtung 
der  neuen  Bahnstrecke  in  dieser  schluchtartigen  Vertiefung  hat  den 
unzweifelhaften  Beweis  geliefert,  dass  letztere  ein  künstlich  hergestellter 
Graben  ist  Die  Lehm-  Sand-  und  Kiesmassen,  welche  ursprünglich 
die  Ausfüllung  desselben  gebildet  haben,  befinden  sich  gegenwärtig 
theils  auf  einem,  theils  aber,  und  zwar  hauptsächlich,  auf  beiden 
Rändern  desselben  abgelagert  und  bilden  dort  unregelmässige  dämm* 


,  Chronik  des  Yereins.  278 

artige  Erhöhungen.  Im  Grunde  der  Vertiefung  dieses  alten,  kflnsüich 
hergerichteten  Grabens  befindet  sich  ein  aus  Holz  hergestellter,  offener 
Canal,  nadi  bergmännischem  Ausdruck  eine  verzimmerte  Rösche.  Die 
Grundschwellen  oder  Grundsohlen  sind  von  Bundholz  0,b  M.  stark 
angefertigt.und  bestehen  aus  verschiedenem  Holze.  Die  Grundschwellen 
sind  0,1  M.  starke  eichene  Bohlen,  welche  zum  grossen  Theile  voll- 
ständig gut  erhalten  sind.  In  dieselben  sind  bis  zu  O,]»  starke  ThUr- 
stöcke  oder  Ständer  eingezapft.  Die  Weite  des  Ganais  beträgt  inner- 
halb der  Ständer  1,85  M.  Die  Seitenwände  sind  wenig  erhalten  und 
waren  aus  Brettern  von  Nadelholz  gebildet.  In  dem  Einschnitte 
liegen  starke  Quellen,  und  der  Graben  mit  der  Rösche  hat  zu  einer 
Ableitung  derselben  gedient.  Derselbe  fahrt  nach  dem  Kloster  Bon- 
den in  den  Spikerbach  und  durch  diesen  nach  Brühl.  Nach  der 
Bearbeitung  des  Holzes  dQrfte  die  Rösche  im  16.  oder  zu  Anfang 
des  17.  Jahrhunderts  ausgeführt  sein.  —  Prof.  aus^mWeerth  be- 
sprach unter  Vorzeigung  und  Erklärung  einer  Anzahl  ausgestellter 
griediischer  und  römischer  Waffen  die  Kriegsgeräthschaften  dieser 
Völker,  und  ganz  besonders  eingehend  die  aus  dem  Orient  überkom- 
mene Angrifiiswaffe  der  Schleuder.  Bekanntiieh  haben  die  bleiernen 
Schleudergeschosse  wegen  der  denselben  aufgedrückten  Inschriften  eine 
sehr  grosse  Bedeutung  für  die  geschichtlichen  und  culturhistorischen 
Verhältnisse  des  Alterthums,  namentlich  für  die  Zeit  der  römischen 
Bepublik.  Ritschi  und  Mommsen  haben  darum  in  ihren  Inschrift- 
werkra  den  Schleuderinschriften  mit  Recht  eine  besondere  Behandlung 
angedeihen  lassen.  Der  Vortragende  war  so  glücklich  gewesen,  eine 
grosse  Anzahl  solcher  beschriebenen  Geschosse  ^)y  an  70  Stück,  aufzu- 
finden und  zusammenzubringen,  welche  stark  zur  Hälfte  bisher  gänzlich 
unbekannte  und  äusserst  bedeutsame  Inschriften  enthalten.  —  Prof. 
Freudenberg  unterzog  zum  Schlüsse  die  bisher  so  vielfach  bestrittene 
Frage  nach  der  Gränze  von  Ober-  und  Unter-Germanien  zur  Römer« 
zdt,  als  welche  der  Geograph  Ptolemäus  den  Obringafluss  bezeichnet, 
einer  erneuten  Besprechung.  Während  die  meisten  Alterthumsforscher 
baki  die  Ahr,  bald  die  Mosel  oder  die  Nahe  in  diesem  Namen  zu 
erkennen  glaubten,  und  theilweise  sogar  an  den  Oberrhein(rhin)gau 
dachten,  führte  der  Redner  seine  bereits  frUher  in  den  Bonner  Jahr- 
büchern nach  Vorgang  des  um  die  Erforschung  der  römischen  Strassen 
und  Befestigungen  in  den  Rheinlanden  sehr  verdienten  Oberstlieutenants 


*)  Es  sind  die  in  der  ersten  Abhandlung  dieies  Jahrbuchs  besprochenen. 

18 


274  Chronik  dat 

F.  W.  Schmidt  aufgestellte  Ansicht  weiter  aus:  dass  auf  Grund  zweier 
im  Jahre  1809  bei  Anlage  der  Bheinstrasse  unmittelbar  am  Fusae  des 
Schlosses  Bheineck  zu  beiden  Seiten  des  Vinxtbaches,  über  welchen 
eine  Brücke  gebaut  wurde,  gefundener  römischer  Votivaltäre  von  Sol- 
daten der  VUI.  und  XXX.  Legion,  deren  einer  die  Widmung  Finibus, 
genio  loci  et  Jovi  0.  M.  trägt,  dieser  Bach,  der  im  Munde  des  Volkes 
noch  heute  Finsbach  (Finis-Bach,  Gränzbach)  lautet,  als  die  Gränz- 
scheide  von  Germania  superior  und  inferior  anzusehen  sei.  unterstützt 
wird  diese  Ansicht  durch  den  Umstand,  dass  der  Vinxtbach  bis  zur 
firanzösischen  Gocupation  des  linken  Bheinufers  die  Gr&nze  des  Trierer 
und  Köbier  Erzstiftes  bildete,  dass  Schloss  Bheineck  noch  Jetzt  in 
Bezug  auf  Sprache  und  Sitte  das  sogenannte  Oberland  vom  Niederland 
scheidet,  dass  femer  drei  dcfrt  belegene  Ortschaften  die  Namen  Ober-, 
Mittel-  und  Untervinxt  tragen  und  dass  endlich  nicht  unglacUich  der 
Versuch  gemacht  worden  ist,  den  Namen  des  dortigen  Dorfes  Breek, 
durch  Vergleichung  mit  dem  bei  Plinius  vorkommenden  Namen  Abrin- 
catui,  mit  dem  keltischen  Obringa  in  Verbindung  zu  bringen.  —  Einer 
Aufforderung  des  Professors  aus'm  Weerth,  dem  Mitbegrftnder  des 
Alterthumsvereins  und  verdienstvollen  Archäologen  Professor  Dr.  Franz 
Fiedler  in  Wesel,  der  am  Geburtstage  Winckelmann's  seine 
goldene  Hochzeit  feierte,  einen  tel^n^phischen  Glückwunsch  zu  senden, 
enteprach  die  zahlreiche  Versammlung  mit  allgemeiner  Freude. 

Die  geschäftliche  jährliche  Generalversammlung  femd  am  31.  Mai 
1874  im  Amdthause  statt.  In  derselben  wurde  den  Anwesenden 
zuerst  Kenntniss  davon  gegeben,  dass  der  Oberpiusident  der  Bhe»* 
provinz'  Herr  Dr.  von  Bardeleben  am  29.  M8rz  zu  besonderer 
Sitzung  den  Vereinsvorstand,  den  Oberbärgermeister  von  Bonn  Herrn 
L.  Kaufmann,  Se.  Excellenz  den  wirkl.  Geheimerath  Dr.  von  Decken 
und  die  Professoren  Bflcheler,  Justi,  B.  Kekul^,  von  Sybel  und 
Schaaffhausen  versammelte,  um  die  Ent Schliessung  Sr.  Excellenz 
des  Herrn  Ministers  der  geistlichen  Angelegenheiten  mitzutheilen, 
nach  welcher  die  Errichtung  von  Provinzial-Museen  in  Trier  und  Bonn 
besdilossen  ist.  Beide  Museen  sollen  durch  eine  jährliche  Bewilligung 
von  4000  Thlr.  Seitens  des  Abgeordnetenhauses  und  eine  gleiche  Be- 
willigung von  jährlichen  4000  Thlr.  Seitens  des  Bheinischen  Provinzial- 
Landtages  dotirt  und  durch  besondere  Directoren  und  eine  gemeinsame 
wissenschaftliche  Fachcommission  von  acht  MitgUedem,  der  an  höherer 
Verwaltungsbeamter  als  Vorsitzender  beigegeben  wird,  geleitet  werden. 
Das  Provinzialmuseum  in  Bonn  würde  zunächst  atis  der  Vereinigung 


Chronik  des  Yereins.  275 

des  Vereinsmuseums  und  der  in  der  UniTersität  befindlichen  Sammlung 
vaterländischer  Alterthümer  bestehen;  das  Trierer  Provinzialmuseum 
in  ähnlicher  Weise  durch  die  Vereinigimg  der  in  der  Porta  nigra  be- 
findlichen Monumente  mit  der  Sammlung  der  Gesellschaft  für  nfitzliche 
Forschungen  zu  bilden  sein. 

Wenngleich  die  ganze  Organisation  erst  nach  ihrer  Passirung  im 
Provittzial-Landtage  und  Genehmigung  der  dort  gefassten  Beschlüsse  0 

')  Der  am  8.  Juni  1874  (also  8  Tage  nach  iinsrer  Generalversammlung)  in 
der  8.  Sitzung  des  Rhein.  Provinzial-Landtages  zum  Beschluss  erhobene  Antrag 
lautet  nebst  seinen  Motiven  (siehe  p.  63  und  3*28  der  gedruckten  Verhandlungen 
des  22.  Rhein.  Provinzial-Landtages)  wie  folgt: 

.  Die  Rheinprovinzy  welche  mehr  als  irgend  ein  anderer  Preussiscber  Landes- 
theU  von  den  grossen  geschichtlichen  Ereignissen  berührt  worden  ist  und  in 
welcher  die  Vergangenheit  fast  allerorts  Spuren  derselben  zurückgelassen  hat, 
.  entbehrt  bis  heute  der  Zusammenfassung  und  Organisation  der  historisch-anti- 
quarischen Interessen.  Was  bis  jetzt  zur  Aufdeckung,  Untersuchung  und  Samm- 
lung antiquarischer  Funde  von  Privaten  und  Vereinen  geschehen  ist,  ist  vereinzelt 
geblieben  und  hat  desshalb  auf  die  Kräftigung  des  Patriotismus  und  die  ideale 
Gestaltung  des  Volkslebens  nur  geringen  Einfluss  ausüben  können. 

Um  diesem  Uebelstande  abzuhelfen,  hat  der  Herr  Oberpr&sident  bei  dem 
Herrn  Minister  der  geistlichen  etc.  Angelegenheiten  den  Antrag  gesteUt,  dass 
der  Staat  behufs  Herstellung  einer  einheitlichen  Organisation  auf  diesem  Gebiete 
helfend  und  vermittelnd  eintrete.  Hierauf  ist  der  Herr  Minister  eingegfangen 
und  sind  bereits  in  dem  Staatahaushalts-Etat  pro  1874  für  die  im  Interesse  der 
rheinischen  Alterthümer  zu  treffenden  Einrichtungen  4000  Thlr.  als  dauernde 
Mehrausgabe  unter  der  Voraussetzung  aufgenommen,  dass  die  Provinzialstftnde 
eine  gleiche  Summe  zu  demselben  Zwecke  bewilligen.  Mit  diesen  Mitteln  ist 
die  Begründung  zweier  Provinzialmuseen,  eins  zu  Bonn  und  eins  zu  Trier  in 
Aussicht  genommen,  weil  an  beiden  Orten  sich  bereits  nicht  unbedeutende 
Sammlungen  von  Alterthümern  —  in  Bonn  die  bei  der  Universität  befindliche 
Sammlung  vaterländischer  Alterthümer  und  die  Sammlung  des  Vereins  von 
Alterthumsfreunden  der  Rheinlande,  in  Trier  die  in  der  Porta  nigra  unterge- 
brachte Sammlung  und  die  in  einigen  Räumen  des  Gymnasiums  aufgestellte 
Sammlung  der  Gesellschaft  für  nützliche  Forschungen  —  befinden,  welche  für 
die  Museen  als  Grundstock  dienen  können  und  deren  Vereinigung  zu  je  einem 
Musenm  in  Bonn  und  Trier,  falls  die  bestehenden  Eigenthumsrechte  vorbehalten 
werden,  voraussichtlich  nicht  auf  Schwierigkeiten  stossen  wird,  wogegen  die 
Vereinigung  zu  einem  einzigen  Museum  nicht  ausführbar  sein  dürfte.  Für  die 
Wahl  der  beiden  Städte  spricht  ausserdem,  dass  das  Museum  in  Bonn  für  die 
Lehrzwecke  der  Universität  verwandt  werden  kann  und  dass  Trier  der  natürliche 
Mittelpunkt  für  eine  dem  Moselgebiet  insbesondere  gewidmete  Sammlung  ist. 

Was  die  Organisation  der  Verwaltung  betrifft,  so  liegt  es  in  der  Absicht 


276  Chronik  des  Yerems. 

von  Seiten  des  k.  Staatsministerioms  peifect  wird,  so  konnten  die  An- 
wesenden sich  doch  keinen  Augenblick  der  Ueberzeugung  verschliessen, 

der  Staatsbehörde,  dieselbe  unter  die  Leitung  des  Staates  zu  stellen  und  für 
jedes  Museum  einen  mit  1000  Thlrn.  zu  besoldenden  Director  anzustellen,  welcher 
von  dem  Herrn  Minister  der  geistlichen  etc.  i^gelegenheiten  nach  Yemehmung 
des  Provinzial-Yerwaltungsraths  zu  ernennen  sein  würde,  sowie  beiden  Directoren 
eine  vornehmlich  aus  Fachmftnnern  bestehende,  in  Bonn  einzusetzende  Commission 
zur  Seite  zu  stellen,  welche  unter  dem  Yorsitz  eines  hohem  Beamten  über 
grössere  Erwerbungen,  über  Ausgrabungen,  über  Massregeln  zur  Gonservirung 
der  Alterthümer  zu  beschliessen  hat,  und  deren  Befugnisse,  insbesondere  auch 
deren  Yerhältnisse  zu  den  Directoren  durch  eine  von  dem  Herrn  Minister  zu 
genehmigende  Instruktion  geregelt  werden.  Für  die  Bestellung  nur  einer  Com- 
mission und  zwar  in  Bonn  wird  das  Bedürfniss  der  einheitlichen  Leitung  und 
die  Rücksicht*  auf  die  an  der  Bonner  Universität  befindlichen  wissenschaftiichen 
Krifte  angofilhrt 

Die  Staatsbehörde  beabsichtigt  die  Commission  aus  9  Mitglieder  zu  bilden, 
von  denen  7,  der  Yorsitzende  und  6  Fachmänner  —  ein  Arch&olog,  ein  Epi- 
graphiker,  ein  Historiker,  ein  Yertreter  der  neueren  Kunstgeschichte,  ein  Yer«- 
treter  der  ethnologischen  und  auf  die  prähistorischen  Alterthümer  bezüglichen 
Studien  und  ein  Architekt  —  vom  Herrn  Minister  zu  ernennen  und  zwei  von 
dem  Provinzial-Landtage  mit  der  Beschränkung  zu  wähleu  sind,  dass  eins  der- 
selben der  Stadt  oder  dem  Begierungsbezirk  Trief  —  mit  Rücksicht  auf  die 
dortigen  einer  besonderen  Yertretung  bedürftigen  Literessen  —  angehören  muss. 
Die  Staatsbehörde  glaubt  auf  diese  Weise  der  Fi'ovinzial-Yertretung  eine  ange- 
messene Mitwirkung  an  der  Leitung  der  Provinzial-Museen  gesichert  zu  haben. 

Der  Provinzial-Yerwaltungsrath  erkennt  das  hohe  Literesse  an,  welches  die 
Provinz  an  die  Errichtung  eines  Listituts  zur  Erforschung,  Sammlung  und  Er- 
haltung ihrer  Alterthümer  hat,  und  erachtet  auch  eine  Zusammen&ssung  der 
bisher  vereinzelten  Bestrebungen  für  dringend  geboten,  wenn  dem  Yerfedl  der 
Alterthumswissenschaft  in  der  Provinz  und  der  Yerschleppung  und  Yerniöhtnng 
so  vieler  werthvollen  Alterthümer  vorgebeugt  werden  soll. 

In  Bezug  auf  die  Einrichtung  der  Yerwaltung  geht  er  im  AUgemeinen 
von  der  Ansdiauung  aus,  dass  die  zu  errichtenden  Museen  nuf  dann  einen  all- 
gemeinen Anklang  in  der  Provinz  finden  werden  und  also  auch  nur  dann  ihre 
segensreiche  Wirkung  auf  Hebung  des  in  der  Liebe  zum  angestammten  Boden 
und  zu  dessen  Geschichte  hauptsächlich  beruhenden  patriotischen  Gefühls,  sowie 
auf  Weckung  des  idealen  Sinnes  gegenüber  den  materialistischen  Tendenzen 
unserer  Zeit  vollauf  ausüben  werden,  wenn  dieselben  als  reine  Provinzial- An- 
stalten unter  üeberweisung  der  aus  der  Staatskasse  gezahlten  Mittel  gänzlich  auf 
den  Etat  und  in  die  Yerwaltung  der  Provinz  übergegangen  sind. 

Die  Provinzial- Yerwaltung  verkennt  aber  nicht,  dass  für  die  erste  Organi* 
sation  der  zerstreuten  sich  oft  sogar  feindlich  gegenüberstehenden  antiquarischen 
Interessen  die  Initiative  der  K&niglichen  Staatsregierung  nur  forderlich  sein  kann. 


Chronik  des  Vereins.  277 

dasB  Wesen  und  Ziele  des  Vereins,  ^enn  derselbe  überhaupt  weiter  be- 
stehen und  als  förderliches  Agitationsmittel,  als  Organ  des  neuen  In- 
stituts auftreten  soll,  mannigfache  Umgestaltungen  erfahren  müssen. 

Wir  haben  es  wiederholt  schriftlich  und  mündlich  ausgesprochen, 
dass  der  Verein  von  Alterthumsfreunden  im  fiheinlande  seiner  Zeit 
für  das  Gebiet  des .  gesammten  Flusses  begründet  wurde,  um  den  zer- 
streuten Bestrebungen  Einzelner  einen  natürlichen  Mittelpunkt  zu  geben, 
als  es  in  diesem  Gebiete  noch  keine  oder  nur  wenige  locale  Vereine 
gab.  Seitdem  sind,  zum  Theil  Dank  unserem  eigenen  Wirken,  an  vielen 
Orten  Localvereine  entstanden,  die  aber  anstatt  die  Forderung  des 
gemeinsamen  Zieles  in  einem  auf  gegenseitiger  Verständigung  beruhen- 
den ineinandergreifenden  und  ergänzenden  Vorgehen  zu  erblicken,  in 
vermeintlicher  Wahrung  der  Selbständigkeit  gesonderte,  Wege  gehen. 
Es  wird  die  vornehmste  Aufgabe  unsres  Vereines  sein  müssen,  durch 
allseitig  gebührende  Würdigung  der  Local- Interessen,  der  drohenden 
Zersplitterung  Einhalt  zu  thun. 

Grosse,  gewaltige  Flüsse  —  wir  dürfen  nur  an  den  Nil  erinnern  — 
gewähren  den  durchflossenen  Landschaften'  aus  der  Gleichheit  der 
natürlichen  Bedingungen  eine  Gemeinsamkeit  der  culturhistorischen 
Entwicklung,  ^  welche  es  unumgänglich  nothwendig  macht,  diese  auch 
bei  der  wissenschaftlichen  Erforschung  solcher  Territorien  festzuhalten. 


und  ist  dessbalb  auch  bereit,  für  jetzt  auf  das  ?on  der  Staatsbehörde  vorge- 
schlagene gemischte  System  der  Verwaltung  einzugehen,  glaubt  nur,  dass  der 
Provinz  in  Rücksicht  auf  den  provinziellen  Zuschuss  und  das  (provinzieUe  Inte* 
resse  ein  grösserer  Einfluss  auf  die  Wahl  der  Directoren  und  auf  die  Zusammen- 
setzung der  Commission  eingeräumt  werden  müsse,  als  dies  in  den  vorliegenden 
Yorschl&gen  der  Staatsregierung  geschehen  sei. 

Der  Provinzial-Yerwaltungsrath  stellt  demnach  den  Antn^: 

Der  hohe  Provinzial-Landtag  wolle  die  dauernde  Bewilligung  eines' 
j&hrlichen  Zuschusses  von  4000  Thlrn.  zur  Begründung  von  Provinzial- 
museen  aussprechen  und  bestimmen,  dass  dieser  Betrag  für  die  nächste 
Etatsperiode  aus  den  disponiblen  üeberschüssen  der  Provinzial-Hülfskasse 
entnommen  werde,  er  empfiehlt  jedoch  dem  Landtage  an  diese  Be- 
dingung zu  knüpfen  unter  gleichzeitiger  Annahme  der  übrigen  organi- 
satorischen'Bestimmungen,  dass  die  Museums- Directoren  auf  den  Vor- 
schlag des  Provinzial-Verwaltungsraths  vom  Herrn  Minister  der  geistlichen 
etc.  Angelegenheiten  angestellt  und  die  Commission  aus  9  Mitgliedern 
zusammengesetzt  werde,  von  denen  der  Vorsitzende  und  4  sachverständige 
Mitglieder  ebenfalls  vom  Herrn  Ressortminister,  die  übrigen  4  Mitglieder 
vom  Provinzial-  Verwaltungsrathe  besteUt  werden. 


278  Chronik  des  Vereins. 

Bis  zu  einem  gewissen  Grade  wird  ein  Institut,  das  sich  die  Er- 
forschung und  Klarstellung  der  Bheinischen  Vergangenheit  in  V^ort  und 
Bild  zum  Ziele  gesetzt  hat,  diese  desshalb  in  ihrer  Ganzheit  aufibssen 
und  zusammenhalten  müssen,  jedoch  gewiss  nicht  so  weit,  um  etwa 
zu  Gunsten  eines  einheitlichen  Gesammtvereins  Localbestrebungen  aus- 
zuschliessen.  Im  Gegentheil,  diese  werden  nicht  nur  bleiben,  sondern 
noch  neue  ins  Leben  zu  rufen  sein,  aber  unter  einem  gemeinsamen  Ge- 
sichtspunkte, so  dass  die  verschiedene  Vereine  ihre  Arbeiten  theilen, 
ineinandergreifen  lassen  und  dadurch  den  Erfolg  verdoppeln,  anstatt 
denselben  durch  gegenseitig  sich  nicht  berücksichtigendes  Nebenein- 
andergehn  zu  verringern. 

Da  nach  den  Mittheilungen  des  Herrn  Oberpräsidenten  die  An- 
sicht herrschte,  die  neue  Organisation  werde  sich  schon  im  verflossenen 
Sommer  abschliessen,  so  fasste  die  Generalversammlung  den  Beschluss, 
bis  zu  deren  Eintritt  von  einer  Neuwahl  des  Vorstandes  abzusehn,  und 
für  diese  im  Herbste  des  verflossenen  Jahres  eine  besondere  General- 
versammlung zu  berufen,  damit  man  sich  in  der  Lage  befinde,  der 
neuen  bedeutsamen  Aufjgabe  durch  die  Wahl  der  geeigneten  Personen 
gerecht  zu  werden.  Die  H.  H.  Nöggerath,  aus'm  Weerth  und 
Freudenberg  erhielten  den  Auftrag,  bis  dahin  die  Geschäfte  weiter 
zu  führen. 

Die  Zustimmung  Sr.  Excellenz  des  Herrn  Ministers  der  geistlichen 
etc.  Angelegenheiten  zu  dem  Beschlüsse  des  Rhein.  Provinzial-Land- 
tages  vom  8.  Juni  ist  zuverlässigem  Vernehmen  nach  erst  jetzt  ein- 
getroffen. Es  wird  desshalb  Aufgabe  unsrer  im  Frühjahre  zusammen- 
tretenden ordentlichen  Generalversammlung  sein,  die  bis  dahin  an 
uns  gelangenden  officiellen  Eröffnungen  der  Staats-  und  Provinzial- 
Behörden  und  die  Erwägungen,  welche  sich  aus  der  neuen  Lage  er- 
geben, zu  berathen. 

Bezüglich  der  litterarischen  Thätigkeit  des  Vereins  in  der  abge- 
laufenen Periode  glauben  wir  noch  bekannt  geben  zu  sollen,  dass 
ausser  dem  Jahrbuch  LIH  und  LIV  und  dem  Werke  über  den  Mosaik- 
boden von  S.  Gereon  in  Cöln,  nunmehr  auch  das  Generalregister  der 
gesammten  Jahrbücher  in  Angriff  genommen  ist.  Unser  auswärtiger 
Secretär  Herr  Dr.  Bone  in  Trier  hat  dessen  Bearbeitung  übernommen« 

Bonn,  im  Januar  1875. 

Der  Vorstand  des  Vereins  von  Alterthumsfi*eunden 

im  Rheinlande. 


Veneiehiiss  der  Mitglieder. 


Vorstand  fSr  das  Vereinsjahr  von  Pfingsten  1873  bis  1874. 

Priisfdent:  Dr.  Nöggerath,  Berghauptmann  und  Professor  In  Bonn. 
Vioeprttsident:  Dr.  aas'm  Weerth,  Professor  in  Kessenioh  bei  Bonn. 
Erster  redigirender  SeoreUr:  Dr.  Ritter,    Professor  in  Bonn. 
Zweiter  redigirender  SeoretSr:  Dr.  Freudenberg,  Prof.  in  Bonn* 


Ehren-Mitglieder. 

S.  Königl.  Hoheit  Carl  Anton  Meinrad  FürstzuHohenzoIlern  in  Sigmaringen. 

Dr.  Yon  Bethmann-HoIIweg,  Bxoellehz,  kSnigl.  Staatsminister  a.  D.,  in  Berlin. 

Dr.  Yon  Dechen,  Excellenzi  Wirkl.  Geh.  Rath,  Oberberghauptmann  a.  D.y  in  Bonn. 

Freiherr   Friedrich  von  Diergardt  in  Bonn. 

Dr.  Fiedler,  Professor  in  Wesel. 

Yon  Moeller,  Exoellenz,  Wirkl.  Geheimer  Rath  und  Ober-PrSeident  in  Strassburg. 

Yon  Quast,  Geh.  Begierungsrath,   Conseryator  der  Kunstdenkmäier  in  Preussen, 

in  Radeoaleben  bei  Neuruppin. 
Dr.  Ritschi,  K.  Pr.  Geh.  Regier ungarath,  Professor  in  Leipzig. 
Dr.  Sohnaase,  Obertribunalarath  a.  D.,  in  Wiesbaden. 
Dr.  Urliohs,  Uofrath  und  Professor  in  Würzburg. 
Yon  Wilmowsky,  Domkapitular  in  Trier. 


260 


Terxeiohnfbs  der  Mitglieder. 


Ordentliehe  Mitglledor. 

Die  Kamen  der  auswärtigen  Seoretäre  sind  mit  fetter  Solirifl  gedruekt. 


Dr.  Aoiienbaoh,  Staats -Minister  in 
Berlin. 

Aohenb  aoh,Qeh.  Rath  in  Saarbücken. 

Aohterfeldt,  Stadtpfarrer  in  Anholt. 

Dr.  Aohterfeldt,  Professor  in  Bonn. 

Adler,    Baurath  u.  Prof.  in  Berlin. 

Dr.  Aebi,  Cliorherr  in  BeromOnster  im 
Kanton  Luzern. 

Dr.  Aegidiy  Geh.  Rath  in  Berlin. 

Dr.  A  hr  e  n  8  ,  Gymnasial  -  Director  in 
Hannover. 

Aldenkl rohen,  Caplan,  aasw.  Secr.  in 
Viersen. 

Antf  ken-Cabinet  in  Giessen. 

Ark,  L.y  Baurath  in  Aaehen. 

Dr.  Asobbaob,  ausw.  Secr.,  Prof.  !n  Wien. 

Ayenarius  Tony,  Maler  in  Cöln. 

Bachern,  OberbOrgermeistor  in  Cöln. 

Dr.  Bachern,  Arzt  in  Viersen. 

Baedeker,  Carl,  Buchhändler  In 
Leipzig. 

Baedeker,  J.,  Buchhändler  in  Essen. 

Barbet  de  Jouy,  Directeur  du  Mus6e 
des  souyerains  in  Paris. 

Ton  Bardeleben,  OberprÜttdent  In 
Goblens. 

BaKelS,  ausw.  Seeretair,  Pfarrer  In 
Alterkau. 

Basiiewsky,  Alexandre,  in  Paris. 

Dr.  Bauerband,  Geh.  Justizrath  und 
Professor,  Kronsyndicus  und  Mitglied 
des  Herrenhauses,  in  Boxm. 

Baunsobeidt,  Gutsbes.  in  Endenioh. 

Dr.  Becker,  ausw.  Secr.,  Professor  in 
Frankfurt  a.  M. 

Yon  Beokerath,  Heinr.Leonh., Kauf- 
mann in  Crefeld. 

Graf  Beissel  y.  Gymnich,  Richard, 
Königlicher  Kammerherr  auf  Schloss 
Frenz. 

ßendermacher,  C.,  Notar  in  Boppard. 

Berg  au,  Professor  In  Nürnberg. 

Dr.  Bergk,  Professor  zu  Bonn. 

Dr.  Bernays,  Professor  u.  Oberbiblio- 
thekar in  Bonn. 

Yon  Bernuth,  Regierungs-Präsident  in 
Cöln. 

Bettingen,  Advocatanwalt  in  Trier. 

Bettingen,  K5nigl.  Rendant  u. Steuer- 
empfänger in  St.  Wendel. 

Yon  Beulwits,  Carl,  Hüttenbesitzer 
In  Trier. 

9fbliQthek,  König],  in  Wiesbaden. 


B i  b  Li o  th elL,  Fürstl.  in  Donauesefalngen. 

Bibliothek  der  Kgl.  Akademie  in 
Münster. 

Bibliot^oa-Nazionale  in  Florenz. 

Bibliothek  des  Etrurlschen  Museums 
in  Florenz. 

Bibliothek  der  Uni Yersität  In  Perugia. 

Bibliothek  der  UnlYersität  in  Parma. 

Bibliothek  der  Univ.  in  Strassburg. 

Bibliothek  der  SUdt  Düren. 

Bigge,  Gymnasial  director  in  Cöln. 

Dr.  Binsfeld,  Gymnasial  -  Director  in 
Emmerich. 

Dr.  Binz,  Professor  in  Bonn. 

Bleib  treu,  G. ,  Bergwerksbesitzer  in 
Oberkassel. 

Booh,  ausw.  Seoretair,  Commerzienrath 
und  Fabrikbesitzer  in  Mettlach. 

Bock,  Adam,  Dr.  jur.  In  Aachen. 

Dr.  Bodenheim,  Rentner  in  Qonn. 

Boecking,  G.  A.,  Hüttenbesitzer  zu 
Saarbröcken. 

Boecking,  K.  Ed.,  Hüttenbesitzer  zu 
Gräfenbacherhütte  bei  Kreuznach. 

Boecking,  Rud.,  Hüttenbesitzer  zu 
Asbacherhütte  bei  Kim. 

Boeddinghaus,  Wm.  sr. ,  Fabrik- 
besitzer in  Elberfeld. 

Boeninger,  Theodor,  Commercienrath 
in  Duisburg. 

Dr.  Boettioher,    Professor  in  Berlin. 

Dr.  Bogen,  Qymn.-Dir.  in  Düren. 

Dr.  Bone,  ausw.  Secr.,  Gymnasiallehrer 
in  Trier. 

Freiherr  YonBongardt, ErbkKmmerer 
d.  Herzogthums  Jülich  zu  Burg  Paf- 
fendorf bei  Bergheim. 

Dr.  B  o  o  t, '  Professor  in  Amsterdam. 

Dr.  Borret  In  Vogelensang. 

Dr.  Boseler,  ausw.  Secr.,  Gymnasial- 
Director  in  Darmstadt. 

Or.  BouYier,  C,  in  Bonn. 

Dr.  Brambach,  Prof.  und  Oberbiblio- 
thekar in  Carlsruhe. 

Dr.  Brasser  t,  Berghauptmann  in  Bonn. 

Dr.  Braun,  Justizrath,  Rechtsanwalt  in 
Berlin. 

Braun,  Ober-Ingen,  in  Pr.  Moresnet 

Freiherr  Yon  Bredow,  Rittmeister  im 
Königs-Husaren.Regiment  iir  Bonn. 

Bredt,    Oberbürgermeister  in  Barmen. 

Brendamour,  R.,  Inhaber  d.  Xylo^r. 
Instituts  U^  Düsseldorf, 


Verzetohiiiss  der  Mitglieder. 


281 


B  r  o  i  e  h  e  r,  Wfarkl.  Geli.-IUth  Exoellenz 
in  Sinzig. 

▼  omBrnok,  Emil, Gom.«RaÜi in Grefeld. 
Tom  Bruok,  Moritz,  Rentner  und  Bei- 
geordneter in  Crefeld. 

BrOggemann,  Hofrath  in  Aachen. 
1  e  B  r  o  Uy  Chr.,  Arehitolog  in  Brüssel. 
Dr.   BriRB,    ausw.    Seor.,   Professor  in 

MSnohen. 
Dr.  Bficheler,  Professor  in  Bonn. 
Bfioklersy   Geheimer    Gommerzienrath 

in  Dülken. 
Höhere  Bürger  schule  in  Lennep. 
Barkart,  Stadt-Baumeister  in  Grefeld. 
Dr.  Buschy    Geh.   Medlzinalrath   und 

Professor  zu  Bonn. 
.  Dr.  Burslan,  answ.  Seor.,  Professor  in 

Münehen. 
Buyxy  Geometer  in  Nieukerk. 
Graf  yon  Bylandt-Rheydt,  Haupt- 
mann a.  D.  und  Rittergutsbes.  in  Bonn. 
Gähn,  Albert,  Bankier  in  Bonn. 
Gamphausen,  Exoellenz,  Wirkl.  Geh. 

Rath,  k.  Siaatsminister  a.  D.  in  Göln. 
Gamphausen,   August, Geh.  Gommer* 

zienrath  in  Göln. 
Gamphausen,    Steuer -JInspector  in 

Gastellaun. 

▼  on  Garnap,  Rentner  in  Elberfeld. 
Gau  er,  G.,  Bildhauer  in  Greuznach. 
Gauer,  R.,  Bildhauer  in  Greuznach. 
Getto',  Garl,  GuUbesitzer  in  St  Wendel. 
Gbresoinski,  Pastor  in  Giere. 

Dr.  Christ,  Carl,  ausw.  Seor.  in  Heidelberg. 
^        Das  GiTÜ-Gasino  in  Goblenz. 
*     de  Gl a er,  Alex.,  Lieutenant  a.D.  und 

SteuerempHhiger  in  Bonn, 
de  G 1  a e r,  Eberhard,  Rentner  in  Bonn* 
Glason,  Rentner  in  Bonn. 
Glayö  YonBouhaben,  Gutsbesitzer 

in  Göln. 
Cohen,  Fritz,  Buchhändler, in  Bonn. 
Dr.  Conrads,    ausw.  Secr.,  Professor  u. 

Gymnasial-Oberlehrer  in  Essen. 
Dr.  Gonze,  Professor  in  Wien. 
G on  t  ze n,  Oberbürgermeistet  in  Aachen. 
Dr.  Gornelius,  Professor  in  München. 
G  r  e  m  e  r.  Regier.-  u,  Baurath  in  Goblenz. 
Gremer,  Pfarrer  in  Eohtz  bei  Düren. 
Dr.  Gudell,  Adyocat  in  Lütlioh. 
Gulemann,  Senator  in  Hannover. 
Yon  Gnny,   Appellai-CSer.-Ratb  a.   D. 

u.  Professor  in  Berlin. 
Dr.  Gurtius,  Professor  in  Berlin. 
Gurtius,   Julius,    Inhaber  einer  ehem. 

Fabrik  in  Duisburg. 
Dapper,  Seminardirector   in  Bo^pard. 
Deiohmann«  Geh,  Gommerzienrath  in 

Göln. 


Frau  Deichmann-Schaaff  hausen, 

in  Mehlemer-Aue. 
Delhoven,    Jacob ^    Gutsbesitzer    zu 

Dormagen. 
Dr.  Delius,  Professor  In  Bonn. 
Doli  US,  Landrath  in  Mayen. 
Deyens,  Polizeipräsident  in  Göln. 
D  i  e  o  k  h  0  f f,  Baurath  in  Aachen. 
Dr.  Dilthey,  Professor  in  Zürich. 
Diseh,  Carl,  in  Göln. 
Do ets'eh,' Bürgermeister  in  Gladbach. 
Dr.  Dogn6e,  Eugen,  in  Lüttich. 
DominloiS,  ausw.  Secr.,  Gymn.-Director 

in  Goblenz. 
Dr.  D  r  e  w  k  e,  Advocatanwalt  in  Göln. 
Dr.  Dümiohen,    Prof.  in   Strassburg. 
Dr.  D  ü  n  t  z  e  r,  Prof.  u.  BibUoth.  in  Göln . 
Dr.  Duhr,  prakt  Arzt  in  Goblenz. 
Dr.  Eckstein,   Rector  u.  Professor  in 

Leipzig. 
Dr.   Eichhoff,    Gymnasialdirector    in 

Duisburg. 
Eltsster,  auswärt.  Secr.,  ArchiTrath,  I« 

Staats-Arohiyar  in  Goblenz. 
Graf  Eltz  in  EltrUle. 
Eltzbacher,  Louis,  SUdtrath  in  Göln. 
Eltzbaeher,  Moritz,  Rentner  in  Bonn. 
Emundts,    Joseph ,    Landgerichtsrath 

in  Aachen. 
Frh.  y.  Ende,  Kgl.  Reg.-Präsident  in 

Düsseldorf. 
Dr.  E n  g  e  1  s,  P.  H.,  Adyocat  in  Utrecht. 
EngelBkirchen,*Arohiteat  in  Bonn. 
Dr.  EnnSIl,  ausw.  Secr.,  städtischer  Ar- 
chivar in  Göln. 
Fräulein  Josephine  Eskens,  Reninerin 

in  Bonn. 
£  SS  eilen,  Hofrath  in  Hamm. 
Essingh,  H.,  Kaufmann  in  Göln. 
Evans,  John,  in  Nash-MillA  in  England. 
Frau  Prof.  Dr.  Flrmenlch-Rlcharz, 

in  Bonn. 
Dr.  Fleckeisen,  Prof.  in  Dresden. 
Ghassot  y.  Florencourt  in  Berlin. 
Dr.  Fl  OS 8,  Professor  in  Bonn. 
Fonk,  Landrath  in  Rüdesheim, 
von    Fournier-Sarlov^ze,    Adolf, 

Gutsbesitzer    auf    Haus    Gassei    bei 

Rhoinberg. 
Frank,  Gerichtsassessor  a.  D.  und  Fa- 
brikbesitzer, in  Eschweiler. 
Franks,    August,  Gonservator  am  Brl- 

tish-Museum  in  London. 
Franssen,  Pfarrer   zu  Ittervort,    hoIL 

Limburg  bei  Roermonde. 
Dr.  Frenken,  Domcapitular  in  Göln. 
Dr.  Freudenberg:  s.  Vorstand. 
Dr.      Friedländer«      Professor       i« 

Königsberg  in  Pn 


282 


VeritioliniM  der  MItgUtder. 


Frings,  Eduard,  FabrikanI  u.  Qatebe- 

sitzar  in  Uerdingen. 
Dr.  Froitsheim,  Gym.-LeJirer am Col- 

legiam  in  BiAohweUer  (Elia»s). 
Fuohfl,  Pet,  BUdhaaar  in  Cdln. 
Graf  Ton  Fürstenberg,  ErbtruohMsi 

auf  SehloM  Herdriogen. 
Dr.   Fulda,    Direetor   des  Frogymna- 

siams  in  Sangerhausen. 
F  u  r  m  a  n  St  J.  W.,  Commerxr.  in  Viersen. 
Fuisting,      Kreisriohter     in    Lüding- 
hausen. 
Dr.  GaedeohenS)  Professor  in  Jena. 
Ton    Galhaui    G.,      Gutsbesitzer    zu 

Wallerfangen. 
Dr.  GallfTe,   ausw.  Secretair,    Professor 

In  Gttnt 
Garthoi  Hugo»  Kaufmann  in  Goln. 
Gebliard,  Commerzienratli  u.  Handels- 

geriohts-PrXsident  in  Elberfeld. 
Geiger,  Polizei-PrlUident  a.  D.,  in  C$ln. 
Georgi,   C.  H.,  Buohdruckereibesitzer 

in  Aaehen. 
Georgi,  W.,  Buohdruokereib.  in  Bonn. 
Dr.  Gerlaoli,   Ludwig,   prakt  Arzt  in 

Mannheira. 
G  e  r  s  on,  Cliemiker  In  Frankfurt  a.  M. 
Frelh.  yon  Geyr-Sohweppenburgi 

Rittergutsbesitzer  in  Aachen. 
Geu'er,  Caplan  in  SSohteln. 
Gilly,  Bildhauer  in  Berlin. 
Dr.  Goebel,  Gymn..Director  in  Fulda. 
Goldsohmidt,  Jos.,  Bankier  in  Bonn. 
Gold  Schmidt,  Rob.,  Bankier  in  Bonn. 
Gottgetreu,   Regierungs-   u.  Baurath 

in  Cöln. 
Graeff,  Regierungsrath  in  Breslau. 
Greef,  F.  W.,  Fabrikant  in  Yiersen. 
Dr.  Green  van  Prinsterer  im  Haag. 
Dr.    Grüneberg,    Fabrikant  in    Kalk 

bei  Deuts, 
Direetor  Gruhl  fSr  die  Realsohule  zu 

MiOheim  a.  d.  Ruhr. 
Guichard,  Krebbaumdst^  in  Prfim. 
Gymnasialbibliothek  in  Elberfeld. 
Gymnasialbibliothek  in  Aachen. 
Gymnasialbibliothek  in  Neuss. 
Haagen,  Professor  in  Aaehen. 
Hagelüken,    Hugo ,    Gymnas. -Lehrer 

in  Trier. 
Haan,  Pfarrer  in  Saffig. 
Dr.   Haakh,   ausw.  Secr.,  Professor  und 

Inspeotor  des  Königl.  Museums  yater- 

ISndisoher  Alterthfimer  in  Stuttgart 
Habets,  J.,  Prfi8.d.  aroh.  Ges.  d.  Hrz. 

Limburg,  Kaplan  in  Bergh  b.  Mastrioht 
Dr.  Hagemans  in  BrüsseL 
YonHagens,  Appellations-  Gerichtsrath 

in  Cöln. 


Dr.  Halm,'   Professor  nnd  Bibliothek». 

Direetor  in  Mfinohen. 
Hansen,  Deehant  u.  Pastor  In  OttweOer. 
Dr.  Hari6Mt  ftcisw.  Secr.,  ArohlTrath  in 

Berlin. 
Dr.  Harnaek,  Prof.  in  Dorpat 
H  a  r  t  w  i  0  h,  Geh.  Oberbaurath  in  Berlin. 
Dr.  Hasskarl  in  Cleve. 
Haag,  Ferd.,  Professor  in  Mannheim. 
Haugh,  SenatsprSsident  in  Coku 
Hauptmann,  Rentner  in  Bonn. 
Heokmann,  Fabrikant  in  Viersen. 
Dr.  Hegerl,  Staats-AreMTar  in  Dfissel- 

dorf. 
Heimen dahl,    Alexand.,    Geh.  Com- 

merzienrath  in  Crefeld. 
Dr.  Heims oeth,  Professor  in  Bonn. 
Dr.  H  e  i  m  s  o  e  t  h,  Appellationa<G^iehts* 

Prärident  in  CSln. 
von  Heinsberg,  Landrath  in  Ware- 

linghoven. 
Dr.  Heibig,  2.  Seoret  des  archSolog. 

Instituts  in  Rom. 
Henry,  Buch-  u.  Kunsthlndler  in  Bonn. 
Dr.  Henzen,  Professor,    1.  Seeretifar  d. 

arohXol.  Instituts  in  Rom. 
Herberts,  Balthasar,    Gutsbesitzer  in 

Uerdingen. 
Herder,  August,  Kaufin«  in  EuUrohen. 
Hermann,  GustaT,  Hauptmann  a.  D. 

zu  Bonn. 
Hermann,  Arohitekt  in  (Hnsheim  bei 

Mainz. 
Herstatf,  Eduard,  Rentner  in  C5In. 
H  er  s  ta tt,  Jon.  Dav.,  Geh.  Oommeraien- 

rath  in  C51n. 
Dr.  Heuser,  Subregens  u. Prof . in Göln. 
Dr.  Heydemann,   Professor  in  Halle. 
Heydinger,   Pfarrer  in  Sohleidweiler 

bei  Schweioh. 
Freih.   t.   d.  Hey  dt,   BezlrksprSsident 

in  Golmar. 
Dr.  Hilgers,  Direetor    der  Realsehule 

in  Aachen. 
Six  yan  Hillegom  in  Amsterdam. 
Hoohgiirtel,  Buchhändler  In  Bonn. 
Hoesch,  Gustay,  Kaufmann  in  Düren. 
Ho  es  oh,    Leopold|  ConUnerzienrath  in 

Düren. 
Ho  ff  m  eiste  r,  Bürgermeister  in  Rem- 
scheid. 
Se.  Hoheit  Erbprinz  y.  Hohen  zollern 

zu  Sohloss  Benrath  bei  Düsseldorf. 
Freih.  y.  HÖyel,  Landrath  in  Ess^. 
Freiherr    yon     Holningen     genannt 

Huene,  Bergrath  in  Bonn. 
Dr.  Holz  er.  Domprobst  in  Trier. 
Graf  Alfr.   y.   Hompesoh  zu  Soktoss 

Rurioh. 


Yerseloliiiks  der  Mitglieder. 


288 


Hom,  Pfarrer  in  Cöln. 

Dr.  HtUraer,  aasw*   Seor«,  Professor    in 

Berlin. 
Dr.  Hüfferi  Professor  in  Bonn. 
Dr.  Hultsolii  Professor  in  Dresden. 
Dr.    H  u  m  p  e  r  t,   Gymnasial  >  Oberlehrer 

in  Bonn. 
H  u  p  e  r  t  z,  Generaidireetor  des  Meoher- 

nicherBergwerksYoreins  in  Meoliernloh. 
H ay  8 8  e  n,  Pfarrer  in  Goblenz. 
Jentges,  W.,  Kaufm.  in  Crefeld. 
Jö rissen,  Pastor  in  Alfter. 
Jt>est,  August,  Kaufinann  in  Cöln. 
Joe  st,  Eduard,  Kaufmann  in  Coin* 
Joe  st,  Wilh.,  Geh.  Com.-Rath  in  GSln. 
Isenbeek,  Julius,  Rentner  in  Wiesbaden. 
Dr.  Jumperts,  Reotor    der  höh. 'Bür7 

gersehule  in  Crefeld* 
Junker,  Qeh.  Regierungs-  und  Baurath 

in  Goblenz. 
Kaestner,  Teehniker  in  Neuwied. 
Dr.  Kamp,   Jos.,    Gymnasiallehrer  in 

G51n. 
Kareker,    ausw.    Soor.,    Fabrikbesitzer 

in  Saarbrücken. 
Kartbaus,    Carl,    Gommerzienrath    in 

Barmen. 
Kaufmann,     Oberbürgermeister,    Mit* 

glied  des  Herrenhauses,  in  Bonn. 
Yon  Kaufmann-Asser,   Jaoob,  Kauf- 
mann u.  Rittergutsbesitzer  in  Cöln. 
Dr.  K  a  y  8  e  r,  Seminar-Dieeotor  in  Büren. 
Dr.  Kekul6,  Professor  in  Poppeisdorf. 
Eelzenberg,     Gymnasial  -  Lehrer    in 

Trier. 
Keller,   O.,   Professor  zu  Freiburg  in 

Baden. 
Dr.  Kessel,  Kanonikus  in  Aaohen. 
Dr.  Kiessling,  Prof.  in  Hamburg. 
Dr.  Klein,  Jos.,  Privatdooent  in  Bonn. 
Dr*  K 1  e  1 1  e,  Professor  u.  Oberbibliothekar 

in  Jena. 
Dr.  Klostermann,  Oberbergrath  und 

Professor  in  Bonn. 
K  n  0 1 1,    Joseph,    Buohdruokereibesitzer 

in  Düren. 
Koch,  Theodor,  Gymnasial .  Lehrer  In 

Trier. 
Dr.  Koeohly,  ausw.  Soor«,   Professor  in 

Berlin. 
Dr.  K  o  e  h  1  e  r ,  Gymnasialdirecior    in 

Münstereifei. 
Koenig.  Bürgermeister  in  Cieve. 
Koenigs,  Gommerzienrath  in  Gdln> 
Dr.Koenigsfeld,  SanitStsrath u. Kreis. 

physikuB  in  Düren. 
Konopak i,  K.  Regierungs-Prüsident  in 

Goblenz. 
Dr.  Kortegarn,  Institutsdir.  in  Bonn. 


Kraemer,   Hnttenbesitzer    in  Ingbert 

bei  Saarbrücken. 
Kraemer,  Kommerdenrath  u.  Hütten« 

besitzer  in  Quint  bei  Trier. 
Dr.  K  r  a  f  f  t,  Gonsistorialrath  u.  Professor 

in  Bonn. 
Krafft,  Geh.  Oabinetsrath  in -Wiesbaden. 
Kramarozik,  Gymnasial -Direotor    in 

RaÜbor. 
Dr.  Kraus,  Prof.    und    ausw*    Seer.    in 

Strassbarg. 
Se.  Bisohdfl.  Gnaden  Herr  Krementz, 

Bischof  von  Ermland  in  Franenburg. 
Krüger,  K.  Bauinspeotor  in  Berlin. 
Krupp,  Geh.  Gommerzienrath  in  Essen. 
Yon  Kühl  wette  r,    OberprÜsident    in 

Münster. 
Dr.  Küppers,    Kreis-Sohulinspeetor  in 

Mülhdm  am  Rhein. 
Kyllmann,  Rentner  und  Stadtverord- 
neter in  Bonn. 
Landau,    Heiar.,    Gommerzienrath   in 

Goblenz. 
Freiherr  y.   Landsberg-Steinfurt, 

Engelbert,  Gutsbes.  in  Drenstelnfnrt. 
Dr.  Lange,  L.,  Professor  in  Leipzig. 
Br.  Lange,  Kreiswundarzt  in  Dnisbarg. 
Freiherr  Dr.  de  laValetteStGeorge, 

Professor  in  Bonn. 
Dr.  Leemans,  Dir.  d.  Reiohsmuseüms 

d.  Alterthümer  in  Leiden. 
Leiden,  Franz,  KauAnann  u.  k.  niederl. 

Gonsul  in  G51n. 
Leydel,  J.,  Rentner  zu  Bonn. 
Lemportz,  M.,  Buchhändler  in  Bonn. 
Lempertz,  H.,  BuohhSndler  in  G51n. 
van  Lennep  in  Zeist. 
Dr.  Lentzen,  Pfarrer  in  Oekhoven  bei 

Grevenbroich. 
Dr.  Leonardy,  J.,  in  Trier* 
Lesegesells  ohaft,     katholisehe,    in 

Goblenz. 
Dr.   von  Leutsoh,  Professor  in  Q5t- 

tingen. 
Lewis,    S*  S',    Professor   am  Corpus 

Ghristi'Gollegium  zu  Cambridge* 
von  der  Leyen,  Emil,  in  Crefeld. 
Liebenow,  Geh.  Revisor  in  Berlin. 
Graf  von  LoS  auf  Sohloss  Wissen  bei 

Geldern. 
Dr.  Loerscb,  Professor  in  Bonn* 
L  oesohigk,  Rentner  in  Bonn. 
Dr.  Loh  de,  Professor  in  Berlin, 
de  Longp6rier,   membre  de  Tlnstitut 

de  France  in  Paris. 
Dr  Lübbert,  Prof.  in  Kiel. 
Lud  wie,  Bankdireetor  in  Darmstadt* 
Dr.  V.  Liibke,  ausw.  Secr.,  Professor  in 

Stuttgart. 


284 


Tersdchnlts  der  Mitglieder. 


MSvtens,  Bsuinepeetor  a.  D.  In  Bonn* 
Mar  Ott  B,  Buchhändler  in  Bonn. 
Dr.  Marmor  In  Constanz. 
Mayer,  Heinr.  Jos.  Kaufmann  inCöln. 
Dr.  Meeks  R.  Edaardson  aus  Val- 
paraiso (Chili). 
Freiherr  Ton  Modem,  Fr.  L.  G.,  Kgl. 

ArohiTrath   a*  D.    zu  Homburg  y*  d. 

Höhe. 
Dr.  M  e  h  1  e  r,  Gymnasialdlreotor  in  Sneek 

in  Holland. 
Merkensi  Franz,  Kaufmann  in  Cdln. 
MeriOy  J.  J.,  Rentner  in  Cöln. 
Merlo,  Chr.  J.,  in  Cöln. 
Dr.  Messmer,  Prof.  in  Münohea. 
de  Moester  de  RaTosteln,    Diplomat 

zu  SohlosB  RaYeatoln. 
Meyissen,  Geh.  Commerzienrath,  PrS- 

■ident  der  rheinischen  £isonbahn-Ghe- 

sellsehaft  in  G51n. 
Dr.  Miohaolisi  Prof.  in  Strassburg. 
Michels,  G.,  Kaufmann  in  Cöln. 
Milani,  Kaufhiann  in  Frankfurt  a.  M« 
Dr*  Milz,  G7mn.-Oberlehrer  in  Aachen. 
Wilh.    Graf  ▼.  Mirbach,    zu  Sohloos 

Harff. 
Frhr.  yon  Mirbaoh,  Reg.-PrSsident.  a. 

D.  in  Bonn. 
Graf  MSrnery.  Morlande  in  Roisdorf. 
Mohr,  Professori  Dombildhauer  inColn. 
Dr*  Moll,  Professor  in  Amsterdam. 
Dr.  Mommsen,  Professor  in  Berlin. 
Dr.    Montignji     Gym.-Oberlehreri    in 

Coblonz. 
Dr.  Mooren,  answ.  Soor.,   Pfarrer,    Prä- 
sident des  bist  Vereins  f.  d.  Niederrhein, 

in  Wachtendonk. 
Morsbaoh,  Institutsdiroctor  in  Bonn. 
Dr.  M o  s lo  r,  Prof.  am  Seminar  in  Trier- 
Moyius,  Director  des  Sohaaffh.  Bank- 

yereins  in  Cöln. 
Dr.  Müller,  Albort,  Gymnaslal-Direotor. 

zu  Ploen  in  Holstein. 
Möller,  Paator  in  Immekeppel. 
K.  K.  Münz.  u.  Antikon-Cabinet  in  Wien. 
Museen,  die  Königl.  in  Berlin. 
Mus^e    royal    d*Antiquit6s,    d'Armures 

et  d'Ärtillerie  in  Brüssel, 
yon  Musiel,  Laurent,  Gutsbesitzer  zu 

Schloss  Thom,  bei  Saarburg, 
pr.  Nels,  Kreisphysicus  in  Bittburg. 
Von  Noufyille,  Wilh.,  Gutsbesitzer  i n 

Bonn, 
yon  Neufville,    Bald.,   Rittergutsbe- 
sitzer in  Bonn. 
Neu  mann,  Bau-Inspector  in  Bonn. 
Nick,  Pfarrer  in  Salzig  bei  Boppard. 
Niessen,    Conseryator     des    MuseumB 

Wallriif-Richartz  m  Cöln. 


Dr.  Nissen,  H.,  Professor  In  Marburg. 
Nobiling,  Geh.  Baurath  u.  Strombaa- 

direktor  In  Coblonz. 
Dr.  Nöggerath:  s.  Vorstand. 
Freiherr  yon  Nordeok,  Rittergntsbes« 

auf  Hemmerioh. 
Nobel,  Probst  in  Soest 
Dr.  Ol  dt  mann,   Inhaber    eines   Glas- 
malerei-Instituts In  Linnloh. 
Oppenheim,    Dagobert,  Geh.    Begie- 

rungs-Rath,  Director  d.  CÖln-Mindener 

Eisenbahn-Gesellsohafl  in  Cöln. 
Freiherr  yon  Oppenheim,  Abraham, 

Geheim.  Commerz*-Rath  in  Cöln. 
Nobel,  Probst  in  Soest 
Oppenheim,  Albert ,  >  Königl.   Siohs. 

General-Consul  in  Cöln. 
Freiherr  yon  Oppenheim,  Eduard, k* 

k.  General-Consul  In  Cöln* 
Otto,  Pastor  in  Fröhden  b.  JSterbogk. 
Graf  Ouwaroff  in  Moskau. 
Dr.  Overbeck,  ausw.  Seer.,  Professorin 

Leipzig, 
yon  Papen,  Prem.-Lfent  Im  5.  Ulanen 

Regiment  in  Werl. 
Dr.  Pauly,  Reolor  in  Mongole. 
Pfeiffer,  Peter,  Rentner  in  DQren. 
Peill,    Rentner    in  Bonn. 
Popys,    Director    der    Gasanstalt    in 

Cöln. 
Dr.  yon  Peuoker,  Exeellenz,  General 

der  Infanterie  in  Berlin. 
Picily  answ.  Soor.,  Friedensr.ln  Rheinborg. 
Dr.  PIpor,    ausw.   Soor.,    Professor    in 

Berlin. 
Dr.  Piringer,   ausw.  Soor.,  kaiserLRath 

und  Gymn.-Dir*  in  Kremsmünster. 
Plassmann,   Ehrenamtmann    u.  Guts- 
besitzer in  AUehof  bei  Balye. 
Ployte,  W.,  ausw.  Soor.,  Conseryator  am 

Reichs  •  Museum    der    Alterthfimer  in 

Leiden. 
Dr.  Pütt,  Professor,  Pfarrer  InDossen« 

heim  bei  Heidelberg. 
Poensgen,  Alb.,  Fabrik,  in  Düsseldorf. 
Dr.   Pohl,  ausw.  Soor.,  Reotor '  In  Lins. 
Polytechnionm  in  Aachen, 
yon    Pommer-Esohe,    Geh.    Regie- 

rungsrath  in  Berlin. 
Poorting,  Bergwerksdlreotor  in  Imme- 
koppel. 
Dr.  Priogor,  Rentner  In  Bonn. 
Prinzen,   Handelsgeriohts-PrXsldent  in 

M.-Gladbach. 
Dr.  P  r  o  b  s  t,  Gymnasialdireotor  in  Essen. 
Freiherr  Dr.  yon  Proff-Irnich,  Land- 

gerichtsrath  in  Bonn. 
Progymnasium  in  Gladbach. 
Prüfer,   Theod.,    Arohitoot   in  Berlin, 


Yerzetehniit  der  lütgliedar. 


286 


Pfits,  Professor  In  Cmn. 

Qaaok,   AdTokat   u.  Bankdireotor   in 

M.- Gladbach. 
Radersohatt,  Fabrikbesitzer  in  CSln. 
Sr.  Darohlaaoht   Prins    Edmund  Rad- 

zlwill,  Weltpriester  In  Warmbrunn, 
y.  Randow,  Kaufmann  In  Grefeld. 
Raltz    Ton   Frents-Garrath,    KgL 

Kammorherr    und    Sohlosshauptmann 

SU  Düsseldorf. 
Rasohdorff,   Königllicher  Baurath  in 

Cöln. 
von  Ratb,  Rittergutsbesitzer  u.  Präsid. 

d.  landw.  Yerolns  für  Rheinpreussen, 

in  Lauersfort  bei  Grefeld. 
Tom  Ratb,  Carl,  Kaufmann  in  Cöln. 
▼  o  m  Ratb,  Theod .,  Rentner  in  Duisl^urg. 
Rauten  Strauch,  Valentin,    Commer- 

sienrath,  Kaufmann  in  Trier. 
Ton  Rookllnghausen,  W.,  Bankier 

in  C9in. 
Dr.  Rein,  ausw.  Soor.,  Direotor  a.  D«  in 

Crefeld.^ 
Dr.  Rein  kons,  Pfarrer  in  Bonn. 
Rennen,  Geh.  Rath,  Director  d.  Rhein. 

£isenb..Gesellschaft  in  Cöln. 
Dr.   Yon  Reumont,  Geh,  Legations* 

rath,  in  Bonn. 
Reusoh,  Kaufinann  in  Neuwied. 
Dr.  Rio  harz,  Geheim.  SanitStsrath  in 

Endenich. 
Dr.  du  Rieu,  Seoretar  d.  Soc.  f.  Niederl. 

LItteratur  in  Leiden. 
Frhr.   t.   Rigal-Grunland  in  Bonn. 
Dr. .Ritter:  s. Vorstand. 
Robert,  membre  de  Tlnstitut  de  Franoe 

In  Paris. 
Roen,  Baumeister  in  Burtecheid. 
Ton   Rosep,   Major  in  Cöltt. 
Roos,  Regierungsrath   u.    Oberburger- 

neister  in  Grefeld. 
Dr.    RoBsbach,    Gymnasrallehrer   in 

Trier. 
Rot t eis,  H.  J.,  NoUr  in  Düren. 
Dr.  R0Hl6Z,   ausw.  3ecr.,    Professor  In 

Gent. 
Dr.  RoYors,  Professor  In  Utrecht 
Ruhr,  Jacob,  Kaufhiann  in  Euskirchen. 
Rumpel,  Apotheker  in  Düren. 
Baron  de  Salls  in  Metz. 
Se.  Durchlaucht  Fürst  zu  Salm-Salm 

in  Anholt 
Graf  TonSalm-Hoogstraeten,  Her- 
mann, zu  Bonn. 
Salzenberg,    Geh.  Ober -Baurath  in 

Berlin, 
von  Sandt,  Landrath  in  Bonn. 
Dr.  Sauppe,    Hofrath   u.  Professor  in 

Göttiogen. 


Dr. Sohaaffhausen,  Geh.  Medioinal- 

Rath  u.  Professor  in  Bonn. 
Sohaaffhausen,  l*heod-,  Rentner  in 

Bonn. 
Dr.  Schaefei:,  Prof.  in  6onn. 
Sohaefer,  Gräfl.  Renessesoher  Rentm. 

in  Bonn. 
Dr.  Sohauenbnrg,  Direotor    d.  Real- 

schule  in  Grefeld.  ' 

Ton  Sc  ha  um  bürg,    Oberst  a.  D.   in 

Düsseldorf. 
Schoben,  Wilhelm,  in  Cöln. 
Sehe  den,  Pfarrer  in  Brühl. 
Scheele,  Postdirector  in  Frankfurt  h  .  M. 
Dr.  Soheers,  ausw.  Secr.,  in  Nymegen. 
Scheibler,   Leopold,   Commerzienrath 

in  Aachen. 
S  c  h  e  p  p  e,  Oberst-Lieutenant  u.  Bezirks- 

Commandeur  In  Boppard. 
Dr.  So  her  er,  Professor  in  Strassburg. 
Sohickler,  Ferdin.,  in  Berlin. 
Schilling,  Advokatanwalt  beim  Appell- 
hof in  Cöln. 
Schillings-Englerth,  Bürgermeister 

in  GÜrzenich. 
SchimmelbuBoh,     Httttendirector    in 

Hoohdahl  bei  Erkrath. 
Schleicher,  .  Carl,     Commerzienrath 

in  Düren. 
Dr.  Sohle  tt  mann,  Prof.  in  Halle  a*S. 
Dr.  Sc  hl  Unke  8,  Probst  an  dem  CoUe- 

giatstift  in  Aachen« 
Schmelz,  C.  O.,  Kaufmann  In  Bonn. 
Schmidt,  Pfarrer  in  Grefeld. 
Schmidt,  Baumeister  In  EltviUe. 
Dr.  Sohmitt,   ausw.  Secr.,  Arzt  in  Mün* 

stermalfeld. 
Schmidt,  Oberbaurath  und  Professor  iu 

Wien. 
Schmithals,  Rentner  in  Godesberg. 
Dr.  Schmitz,  SanitStsrath  in  Viersen. 
Dr>  Schmitz,  Dechant  u.  Schulinspec- 

tor  in  Zell. 
Dr.   Sohneider,    ausw.  Secr«,  Professor 

in  Düsseldorf. 
DK    Sohneider,     Gymnas.-Oberlehrer 

in  Cöln. 
Schoemann,     Stadtbibliothekar  und 

erster  Beigeordneter  in  Trier. 
Prinz   Sohönaich-Carolathi    Berg- 
hauptmann in  Dortmund. 
Scholl,     Gutsbesitzer    zu    Theresien- 

Grube  bei  Brühl. 
Sehern,    Kammer  •  Präsident   in   Saar- 
brücken. 
Sohorn,    Kreisbaumeister   in  Burgdorf. 
Sohroeder,  Landg.-Rath  in  Aachen. 
Sohroers,  Daniel,   Beigeordneter    und 

Fabrikbesitzer  In  Grefeld. 


YeneiakBiss  der  Ifliglloder. 


Dr.  9oh\ibart,  BiMiothekar  in  Casael. 
Dr.  Sohubert,    Aoadem.    Lehrer  und 

Baurftth  in  Bonn. 
S  o  h  w  A  n,  Btädt.  Bibliothekar  in  Aachen. 
Schwarte  e,    Edaard  Wilhelm,   Kauf- 
mann In  Düren. 
Sohwiokerath,   C.  J.,    Kaafmann   in 

Ehrenbr^tstein. 
Seydemanni  Architeet  in  Bonn. 
Ton  Seydlitz.  Generalmajor  z.  D.  in 

Honnef. 
Seyffarth,  Re^.-Baurath  in  Trier. 
Dr.  Simrook,  Professor  in  Bonn. 
Dr.  Baron  Sloet  «van  de  Beele,  L. 

A.  J.  W.,  Mitglied  der  KlSnigt.  Aoad. 

der  WiBsensohaften  zu  Amsterdam,  in 

Arnheim. 
Se.  Durchlaucht    Prinz  Albreoht    zu 

Solms  in  Braunfels. 
▼  on  Sp ankeren,  Reg.-PrXsident  a.  D., 

in  Bonn. 
Freiherr  y.  Spie s-Bfillesheim,    Ed., 

KSnigl.  Kammerherr  u.  Bürgermeister 

auf  Haus  Hall. 
Spitz,  Major  im  Kriegs-Minist.  in  Berlin. 
Dr.  Springer,  Professor  in  Leipzig. 
Die  Stadt-Bibliothek   zu  Frankfurt 

am  Main. 
Dr.  Staelin,  Oberbibliothekarin  Statt- 

gart. 
Dr.  Stahl,  Professor  in  Münster. 
Stahlknecht,  H.,  Rentner  in  Bonn. 
Dr.  Ständer,  UniY.-BibL-Secr.  in  Bonn. 
Dr.  Stark,  auBw.  Seor.,  Hofrath  n.  Prof. 

in  Heidelberg. 
Startz,  Aug.,  Kaafmann  in  Aachen. 
Statz,  Baurath  und  DlSoesan-Architeot 

In  C5ln. 
Steinb ach,  Fabrikant  In  Malmedy. 
Stier,  Hauptmann  a.  D.  in  LIegnHz. 
Dr.  Stier,  Ober- Stabs-  und  Garnlsons- 

Arzt  in  Breslau. 
Die  Stifts. Bibliothek  in  Oehringen. 
Stifts-Bibllothek  za  St.  Gallen. 
Stinnes,    Gustav,    Kaufmann  In  Hül- 

kefan  a.  d.  Bukr. 
Dr.  T.  Stintzing.    Prof.    u.  Geheimer 

Justizrath  In  Bonn. 
GrXfl.    Stollbergsohe    Bibliothek 

In  Wernigerode. 
Dr.  Straib,   ausw.  Seor.,  General-Secr. 

des  Bisthums  zu  Strassbarg. 
Strauss,  Buchhändler  in  Bonn, 
von  Strubberg,   General •  Lieutenant 

und  Commandeur  der  19.  Division  in 

Hannover. 
Stamm,  Carl,  Hüttenbesitzer  in  Neun- 

klrchen. 
Suermondt,  Rentner  in  Aachen. 


Dr.  von  Sybel,  Professorin  Bonn. 
Teschemaeher,   Advooat  -  Anwalt    in 

Saarbrücken. 
Th  ei  s  e  n ,  Clemens,  Lekrer  an  der  Acker* 

banschule  zu  Bitbarg. 
Dr.  Thiele,  Direotor   d.  Realaobnla    o. 

d.  Progynusaslams  in  Barmen. 
Thissen,  Domoapltalar   in  Limborg  a. 

d.  Lahn. 
Thoma,  Architekt  in  Bonn. 
T  r  i  n  k  a  a  s,  Chr.,  Bankler  In  Düsseldorf. 
Uck ermann,  H.,  Kaafmann   In  CSln. 
Dr.  Ueberfeldt  In  Essen. 
Dr.  Unger,  Prof.  u.  BIbliotheksecretSr 

in  GSttingen. 
Dr.  Unger  mann,  Reetor  dee  Ptogym- 

nasiums  zu  Rheinbach. 
DieUnivereit-Bibilothek  in  BaseL 
Universit&te-Bibliothek  aa  Frei- 
barg. 
Die    Universitäts. Bibliothek    in 

Gdttingen. 
Die  UniversitSts  -  Bibliothek   In 

Heidelberg. 
Die.  Universitäts-Blbliothek    in 

Jena. 
Die   Univereltliis. Bibliothek    In 

Königsberg  i.  Pr. 
Die    UnlversilKts-Bibllothek     in 

L$wen. 
Die  Universitäts  -  Bibliothek    in 

LüttIch. 
K.  K.  UniversitSts-Bibllothek  in 

Prag. 
Dr.  Usener,  Prolbsaor  in  Bonn. 
Dr.  Vahlen,  Professor  in  Bedln. 
Dr.  Veit,  Professor  u.  Geh.  Medlcinal- 

Rath  In  Bonn. 
V.  Veith,  GeneraUMajor  a.D.  in  Benn. 
Yerhagen,  Jos.,  Rentner  In  Cöln. 
Der  Verein,    antiquarisch -historisahe, 

in  Kreuznach. 
Dr.  Veni6lleH,  ausw.  Secr.,  Univers.-  u. 

Provinz.*Arohivar  in  Utrecht. 
Vieh  off,  Professor  a.Director  d.  Real* 

und  Gewerbeschule  in  Trier. 
V^illeroi,    Emevt,   Fabrikant  in    Wal- 

lerfangen. 
Graf  von  V^lers,  Regier.  -  Präsident 

in  Frankurt  a.  d.  Oder. 
Dr.  VItoher,  ausw.  Secr.,  Prof.  in  BaseL 
van  VI e Uten,  Rentner  in  Bonn. 
Voigtel,  Bauinspector    und    Dombau* 

meister  in  C51n. 
Voigtländer,  Buehhdl.  in  Kreusnaeh. 
Dr.  Wach,  Professor  in  Bonn- 
Dr.  Wagen  er,  Professor  in  Gent. 
Wagner,  Notar  hi  Mülheim  a/R. 
Dr.  de  Wal,  Professor  In  Leiden. 


Yerseioliiiiss  der  Mitglieder. 


287 


WaldthauBon,  Julias,  Kaufmann  In 

Essen. 
Wailenb  orn,  Peter^Bentner  in  Bitburg. 
Wandesieben,  Friedr.  zu  Stromberger 

Neuhütte  bei  Bingerbrüok. 
Dr.  Watterioh,  Prof.  an  d.  Univ.  in  Bern. 
Weber,  Ad)?ooat- Anwalt  in  Aachen. 
Weber,  Bnobhündler  in  Bonn. 
Weber,  Pastor  in  Usenburg. 
Dr.  auB*m  Weertb:  s.  Vorstand, 
de  Weerth,  Aug.,  Bentn.  inElberfeld. 
Dr.  Wegeier,    Geh.    Medioinalrath  in 

Goblenz. 
W  ei  S8,  Professor,  Direotor  d.  k.  Kupfer- 

stiohkabinets  in  Berlin. 
Wendelstadt,  Yiotor, Commerzienrath 

in  Gdln. 
Werner,  Gymnasialoberlehrer  in  Bonn. 
T.  Werner,  Kabinetsrath in  Dttsseldorf. 
Werners,  Bürgermeister  in  Düren. 
Westermann,  Kaufmann  in  Bielefeld. 
Se.  Durchlaucht  Fürst  W  i  ed  eu  Neuwied. 
Dr.  Wieseler,  ausw.  Seer.,  Professor  in 

Gottingen. 
WIethaso,  Kdnigl.  Baumeister  in  Göln. 
Witkop,  Ptr.,  Maler  in  Lipstadt. 
Wille,  Jacob,  Stiidiosos  juris,  aus  Fran- 

kenthal,  au  Bonn. 


Dr.  Wilmanns,  Prof.  in  Strassburg. 
Dr.  Wings,  Apotheker  in  Aachen. 
Dr.   Wlttenhaus,    Reotor  der  hohem 

Bürgerschule  in  Rheydt. 
Wohlers,  Geh.  Oberfinanzrath  u.  Pro- 

yinzial-Steuerdirector  in  Göln. 
▼.  Wolff,  Regierungspräsident  in  Trier. 
Wolf,  Gaplan  in  Galcar* 
Dr.  Wolf f,    U.,  Geheim.   Stanitätsrath 

in  Bonn. 
Wolff,  Kaufmann  in  Göln. 
Wolff,  GommerzienrathinM,  Gladbach. 
Dr.  Wolters,  Professor  in  Halle. 
Dr.  Weltmann,  Prof.  in  Prag. 
YonWright,  Oberst-Lieut.  in  Goblenz. 
Wuerst,    H.,   Hauptmann   a.  D.   und 

Krdsseoretar  in  Bonn. 
Wüsten,  Gutsbesitzerin  zu  Wüstenrode 

bei  Stolberg. 
Dr.   Wulfert,    Gymnasial- Director  in 

Kreuznach. 
Würz  er,  Friedensrichter  in  Bitburg. 
Würz  er,  Notar  in  Siegburg. 
Dr.  Zartmann,   Sanitatsrath  in  Bonn. 
Zeryas,  Joseph,  Kaufmann  in  GSln. 
▼  on  Zuccalmaglio,   Notar   in   Gxe- 

Tenbroioh. 


AasserordeHtIlohe  Mitgileder. 


Dr.  Arendt  in  Dielingen. 

Dr.  Ars^ne  de  Noüe,  AdTooat 
in  Malmedy. 

Gorrens,  Maler  in  München. 

C  o  nne  s  t  abil  e,  Garlo,'  Graf  in  Perugia. 

iingelmann,  Baumeister  in  Kreuznach. 

Feiten,  Baumeister  in  Göln. 

G.  Florelli,  Intendant  d.  k,  Museen  in 
Neapel. 

Dr.  Purster,  Professor  in  Aaohen. 

Gamnrrini,  Direotor  des  etrusk.  Mu- 
seums in  Florenz* 

Gen  gl  er,  Domoapitular  und  General- 
Yloar  des  Bbth.  Namur,  in  Namur. 

Hei  der,  k»  k.  Seotionsralh  in  Wien. 

Hermes,  Dr.  med.  in  Jiemieh. 


P.  Lanoiani,  Arohitect  in  Ravenna. 

Lansens  In  Brügge. 

Lucas,    Charles,   Architect,  Sous-In- 

speoteur  des  trayaux  de  la  tHU  in 

Paris. 
Mella,  Eduard,  Graf  in  Veroelli. 
Mieheiant,  Bibliothdcaire  au  dept  du 

Manuscrits  de  la  Bibl.  Imper.  in  Paris. 
Paulus,  Topograph  in  Stuttgart. 
Promis,  Bibliothekar   des  KÜnigs  Ton 

Italien  in  Turin. 
J.  B.  de  Rossi,  ArohSolog  in  Rom. 
S oh  lad,  Wilh.,  Buohbindermeister  und 

Bürger  in  Boppardt 
Schmidt,  Major  a.  D.  in  Kreuznach. 
D.  L.  Tosti,  Abt  in  Monte-Gasino. 


298 


VandohiÜM  der  Ifitglioder. 


VeneiduÜ88 

sämmtlicher  Ehi-en-,  ordenüiclier  und  ausserordentlicher  Mitglieder 

nach  den  Wohnorten. 


Aaehen:  Ark.  Book.  Brüggemaon. 
Gontzen.  Dieoklio£  Emondts.  Oeorgi. 
GyrnnMialbibliothek.  Hilgera.  Ton 
Qeyr  •  Schweppenbarg.  Uaagen.  Kos- 
Bei  Milz.  Polyteohnioum.  Soheibier. 
Sohlünkes.  Sohroeder.  Schwan«  Startz. 
äuermondt.   Weber.  Wings. 

Alfter:  JSrlsaen. 

Allohof:  Plassmaim. 

Alterkaiz:  Bartels. 

Amsterdam:  Boot. Tan HUlegom. Moll. 

Anholt:    Achterfeldt.    Fürst  za  Salm. 

Arn  heim:  Baron  Sloet. 

Asbaoher  HQtte:  Bo^oking. 

Barmen:    Bredt.  Kartbaus.  Thiele. 

Basel:   UniYersitätsbtbUothek.  Vlscher. 

Bergh:  Habets.  . 

Berlin:  Achenbaoh.  Adler.  AegidL 
Ton  Bethmann  -  Hollweg.  Boettidier. 
Braun,  von  Guny.  Cnrtius.  Har- 
less.  Hartwioh.  ▼.  Florencoort.  General- 
verwaltung  d.  k.  Museen.  Qilly.  Ileyde- 
mann.  Hühner.  Koechljr.  Krüger.  Lie- 
benow.  Lohde.  Mommsen.  y.  Peuoker. 
T.Pommer-Esohe.  Piper.  Prüfer.  Salzen- 
berg. Sohiokler.  Yahlen.  Weiss. 

Bern:  Prof.  Watterieh. 

Beromünster:  Dr.  Aebl. 

Bielefeld:  Westermann. 

Bisehw eiler:  Dr.  Froltzheim. 

B  1 1  b  u  r  g  :  Nels.  Theissen.  Wallen, 
dorf.  Wurzer. 

Bonn:  Aohterfeldt  Banerband.  Bergk. 
Bemays.  Binz.  Bodenheim.  BouTier. 
Brassert  v.  Bredow.  Büoheler.  Busch. 
G^af  Y.  Bylandt  Cahn.  DeClaer.  AI.  De 
Ciaer.  Eb.  Clason.  Cohen,  y.  Deohen. 
Delius.  Y.Diergardt.  Eltzbacher.  Engels- 
Idrohen.  Eskens.  Firmenioh-Riohartz. 
Floss.  Freudenberg^  Georgi.  J.  Gold- 
BOhmidt  B.  Goldschmidt.  Hauptmann« 
Heimsoeth.  Hermann.  Henry.  Hoeh- 
gürteL  Y-  Hoiningen.  Hüffer.  Humpert. 
Kaufmann.  Kekul6.  Klein.  J.J.  Kloster- 
mann.  Kortegam.  KraffL  KyUmann« 
de  la  Valette  St.  George.  Lempertz. 
Leydel.  Loersoh.  Loesohigk.  Märtens. 
Marcus.  Mendelssohn,  y.  Mirbaoh.  Mors- 
bach. Y.  NeufYÜle,  Bald.  y.  Neuf- 
YiUe,  WUh.  Neumann.  Noggerath.  Peill. 
Prieger.  y«  ProfMmioh.  Reinkens.  y. 
Reumont  y.  Rigal.  Ritter.  Graf  Yon 
Salm-Hoogstraeten.  y.  Sandt.  Sehaaff- 


hausen,  Hermann.  Sohaaffhaoien,  Th. 
Sohaefer.  Am.  Sohaefer.  Sehmelz. 
Schubert.  Seydemann.  SiDiroek.Y.Span- 
keren.  Stahlkneoht  StiCnder.  r.  Stint- 
zing.  Strausa.  y.  SybeL  Thema.  Usenor. 
Veit.  Y.  Veith.  y.  Vleuten.  Wach.  Weber. 
Werner.  Wolfif.  Wurst.  Zartmann. 

B  o  p  p  a  r  d  :    Bendermaeher.    Dapper. 
Scheppe.  Schlad. 

Braunfols:  Prinz  Solma. 

Breslau:    Dr.  Stier. 

B  rügge:  Lansens. 

Brühl:  Scheden. 

Brüssel:  leBroa«  ▼•  Hagemans.  MosAe 
Royal. 

Büren:  Kayser. 

Burgdorfr  Sohom. 

Burtsoheid:  Roen. 

Caloar:  WolfL 

Cambridge:  Lewies, 

Carls  ruhe:  Brambaeh. 

Gas  sei  (Haas):  y.  Fournier» 

Gas  sei:  Sohubart 

Gastellaun:  Camphausen. 

GleYe:  Chrescinski.  Hasskarl.    Koenig. 

G  o  b  1  e  n  z  :  y.  Bardeleben.  GiYÜ-Casino. 
Cremer.  Dominieas.  Dnhr.  Eltester. 
Huyssen.  Junker.  Konopaki.  Landau. 
Lesegesellsohaft  Montigny.  Nobiling. 
Wegeier.  y.  Wright 

G  ö  1  n :  Bachern,  y.  Bemuth.  Bigge.  Camp- 
hausen, Exo.  Camphausen»  Aug.  ClaTÖ« 
Y.  Botthaben.  Deichmann«  DeYens. 
Disoh.  Drewke.  Düntser.  Eltsbacher. 
Ennen.  Essingh.  Feiten^  Frenken. 
Fuchs.  Garthe.  Geiger.  GottgeCren. 
Y.  Hagens.  Haogh.  Heimsoeth.  Her- 
statt, Ed.  Herstatt,  Joh.  DaY.  Heuser. 
Hom.  Joest»  August.  Joest,  Ed. 
Joest,  Wilhelm.  Kamp.  y.  Kauf- 
mann-Asser.  Königs.  Leiden,  Fr. 
Lemperts,  H.  Mayer.  Merkens.  MerlOi 
J.  Merlo,  G.  McYlssen.  Michels.  Mohr. 
MoYius.  Niessen.  Freiherr  Yon  Oppen- 
heim, Abraham.  Oppenheim,  Albert  Op- 
penheimy.Dagobert  Freiherr  y.  Oppen- 
heim, Eduard.  Pepys.  Pütz.  Raderschatt. 
Rasöhdorff.  y.  Rath,  Carl  y.  Reckling- 
hausen. Rennen,  y.  Rosen.  Soheben. 
Schilling.  Schneider.  Statz.  Uokermann. 
Verhagen.  Voigtel.  Wendelstadt.  Wiet- 
hase.  Wohlers.  Wolff.  ZerYas. 

Colmar:  y.  d.  Heydt 


VerzoiohnIsB  der  Mitglieder. 


280 


Consta nz:  Marmor. 

Grefeld:  y.  Beokerath,  Heinr.  Leonh. 
T.  Braok,  Emil.  v.  Brack|  Moritz.  Bur- 
kart. Heimendabi.  Jentges.  Jampertz. 
von  der  Leyen,  Emil.  Ton  Randow. 
Rein.  Roos«  Sohauenburg.  6obmidt. 
Sobroers. 

Jlarmatadt:  Bossler.  Ladwig. 

Dielingen:  Arendt. 

Donauesobingen:  Ffirstl.  Bibliothek. 

Dormagen:  Delboven. 

Dorpat:    Uamapk. 

Dortmund:  Prinz  Sohönaioh. 

DoBsenbeim:  Plitt. 

Drensteinfurt:  Frb.  ▼.  Landsberg. 

Dresden:  Fleokeisen.    Hultsoh. 

Dülken:  Büoklers. 

Düren:  BibUotbek  der  Stadt.  Bogen, 
Hoesob,  Qusi  Hoeseb,  Leop.  KnolL 
Königsfeld.  Pfeiffer.  Rotteis.  RumpeL 
Sobleiober.  Sobwartze.  Werners. 

Düsseldorf:  Brendamour. Frb« y. Ende. 
Erbprinz  von  Uobenzollem.  Hegert 
Poensgen.  y.  Sobaumburg.  Frbr.  Raitz 
yon  Frentz  -  Garratb.  Scbneider. 
Trinkaas.    y.  Werner. 

Duisburg:  Böninger.  Curtius.  Elcb- 
boff.    Dr.  Lange,    y.  Ratb. 

Bcbtz:  Cremer. 

Ebrenbreitstein:  Sobwiokeratb. 

Elberfeld:  Boeddingbaus.  y.  Camap. 
Qebbard.  Gymnasialbibliotbek.  de 
Weertb. 

Eltyille:  Graf  Eltz.  Sobmidt. 

Emmericb:  Binsfeld. 

Endeniob:  Riobarz. 

Esobweiler:  Frank. 

Essen:  Baedeker.  Conrads,  y.  HSveL 
Krupp.  Probst.  Ueberfeld.  Waldtbausen. 

Euskiroben:  Herder.  Rubr. 

Florenz:  Gamurrini.  Bibl.-Nazionale. 
BibUotbek    des  etrurisoben  Museums. 

Frankentbai:  Wille. 

Frankfurt   a.   M.:    Becker.     Gereon.' 
Milani.  Sebeele.  Stadtbibliotbek. 

Frankfurt  a.  d.  Oder:  Graf  Villers. 

Frauen  bürg:  Krementz. 

Freiburgin  Baden:  Keller.  Unirersi- 
tSts-Bibliothek. 

Frenz  (Sobloss) :  Graf  Beissel. 

Fröbden:  Otte. 

Fulda:  GoebeL 

Si  Cfallen:  StifUbibllotbek. 

Genf:  Galiffe. 

Gent:  Roulez.   WM;ener. 

Glossen:  Antiken-Cabinet. 

Ginsbeiro  bei  Mainz:  Hermann. 

Gladbaob:  Doetscb.  Prinzen.  Pro* 
gymnasium.  Qnaok.  Wolff. 

Godesberg;  Sebroitbals. 


Goettingen:    von  Leutsob.    Sauppe 

Unger.  UniyerdtKtsbibliothek.  Wieseler. 
Gr&fenbaober  Hütte:  Boeoklng. 
Greven broiob:  y.  ZueoalmagUo. 
Grube  Tberesia:  Scholl. 
Gürzeniob:  Scbillings-Englertb. 
Haag:  Groen  yan  Prinsterer. 
Hall  (Haus) :  y.  Spies. 
Halle:      Soblottmann*      Heydemann. 

Wolters. 
Hamburg:  Kiessling. 
Hamm:  Essellen. 
Hannover:    Abreos.     Culemann.     v. 

Strubberg. 
Harff- Sobloss:  y.  Mirbaob. 
Heidelberg:  Christ   SUrk.  Universi- 

tSts-BlbUothek. 
Hemm  erleb:  v.  Nor^eok. 
Herdringen:  Graf  Fürstenberg. 
Hoobdahl:  Sohimmelbusob. 
Homburg   y.  d.  H5be:    Freiherr    von 

Medem. 
Honnef:  von  Seydlitz. 
Ilsenburg:  Weber. 
Immekeppel:  Müller.  Poerting. 
Ingbert:  Krämer. 
Ittervort:  Franssen. 
Jena:    UniversitKts •  Bibliothek.   Gaede- 

ohens.  Klette. 
Kalk:  Grünebers. 
Kesseniob:  ausm  Weertb. 
Kiel:  Lübbert. 
Königsberg  1.  Pr.:  FriedlSnder.  Uni- 

versltätsbibliotbek. 
Kremsmünster:  Pirlnger. 
Kreuznaob:  Antiquarisoh-bistorisofaer 

Verein.    Cauer,  C.    Cauer,  R.   Engel* 

mann.  Sobmidt  VoigtULuder.  Wulfert 
Iiauersfort:  y.  Ratb. 
Leiden:    Pleyte.   Leemans.    du   Rien. 

de  Wal. 
Leipzig:  Baedeker.  Eokstetn.   Lange. 

Overbeok.  Ritsobl.    Springer. 
Lennep:  Bürgersobule. 
Liegniti:  Stier. 
Limburg  a.  d.  Lahn:  Tbissen. 
Linnieh:  Oidtmaan. 
Linz:  PohL 
Lipstadt:  Witkop. 
London:  Franks. 
Löwen:  Universitfts-Btbliotbek. 
Lüdinghausen:  Fuisting. 
Lüttioh:  CudeU.  Dogn6e.  UniversitSts- 

Bibliotbek. 
M  a  1  m  e  d  y :  Ars^ne  de  Noüe.  Steinbaob. 
Mannheim:  Gerlaob.  Haag- 
Marburg:  Nissen« 
Mayen:  Delius« 
Meohernioh:  Qupertz. 
Mebleroer-Aue:  Frau  Delobmann. 

18* 


290 


VeiMiohnlM  d«r  If  itglM«r. 


Hat«:  Bar.  de  SaUs. 
Maiita^CasInO!  TcMrfL 
Monljoie:  Pauly. 
Morosnot:  Bmod. 
Moskau:  Qxftf  Oawavoff. 
Mülheim  «.  Bh.:  Kflbfiers.  Wagner. 
Mfilhefm  a.  d.  R.:  Chriilil.  BtlniiM. 
Mflnohen:  Bruim.    BarslaQ.  Comellas. 

Correns.  Halm«  Messmer. 
Münster:    Bibliothek    der    Akademie. 

▼.  Kühlwetter.  9taU. 
Münstereifel:  Köhler. 
MOnstermayfeld:  BehmftL 
IVamnr:  Gengier. 
Nash- Mills:  Eyans* 
Neapels  Florelli. 
Neankirohen:  Stumm. 
Neuss:     Gyrnnt^BIbliothek. 
Neuwied:  Fürst Wled.Kae8taer.Reaseh. 
Nieukerk:  Buyx. 
Nürnberg:  Bergav« 
Nymegen:  Soheers. 
Obercasse^l:  Blelbtren* 
O Öhringen:  Stift»*B&bllothek. 
OekheTOn:  LentMa. 
Ottweiler:  Blansen. 
Paffendorf  (Burg):  t.  Bongardt. 
Paris:  BarlMi^    Badlewsky.  de  Long- 

p6rier.  Lucas.  Miohelanl.  Bobeit. 
Parma:  UniyersitXts-BIblietfaek. 
Perugia:  Bibliothek.  Oonnealaklla. 
Plo'en  in  Holstein:  Dr.  Müller. 
Poppeisdorfs  Keknl6. 
Prag:  UniYers.-Biblloiliek.   WeHnaan. 
Prüm:  Guichard. 
%uint:  KrSmer. 
Raden  sieben:  y.  Qsaet 
Ratibor:  Kramaioalk. 
Rayenna:  LanalanL 
Ray  est  ein:  de  Meestar  de  Rairesteln. 
Romioh:  Hermes. 
Remsoheid:  Hoilmeiater. 
Rheinbaoh:  Ungermaan. 
Rheydt:  Wlttenhaus» 
Roisdorf:  Graf  Moemor. 
Rom:  Heibig.  Henaen,  de  Rossi. 
Rurioh  Sehloss  b.  fickeleiHB:  y.  Hon- 

pesoh. 
Rüdesheim:  Fonk. 
l9aarbrüoken:  Aoheosbaeh.  Boedkiag. 

Karoher.  Teediemaeker.  Sohoia» 


S affig:  Haan. 

Salsig:  NIefc. 

Sangerhausen:  Fnlda. 

Sohleidwellor:  Heydfaiger. 

Siegburgt  Womer. 

Sigmaringen:  Fünft  «i  HohenzoUem. 

Sin  zig:  Broioher. 

Sneek:  Mehler. 

Soest:  Nübel. 

Slcaasburg:    Uniyersitits- Bibliothek. 

Dr.  Dümiohen.  Kraus.    Dr.  Iflohaells. 

y.    Mdller.      Dr.    Soherer.      Straub. 

Wiknanns« 
Stromberger-Nomhüttet   Waades- 

leben« 
Stuttgart:  Haakh.  y.  LObke^  Paulus. 

StlOin. 
Süehtelen:  (leaer. 
Thorn:  (Sehloes):  Y.  Musiel. 
Trier:  Bettingen,    y.  Beulwlte.    Bone. 

Hagelüken.  Holser»  Kelsenberg.Koeh. 

Leonardy.     Moslar»      RauteasUauoh. 

Resabaoh.  Sohc^naaiL   Seyffarth.  VIe- 

hoif.  you  Wolff.   WUmowsky. 
Turin:  Promis* 

Uer dingen:  Friaga.  Herberte,  Balth* 
ütreoht:  Engels.   Royef&    Yermealen. 
Viersen:  Aldenkirohen.  Baohem.  For- 
mans. Greef.  Heckmana»  Sohmitt. 
Valparaiso:  Dr.  Meeks. 
Vereelli:  Mello. 
Yogelensaag:  Borret 
Waohtendonk:  Mooren. 
Wallerfangen:  y.  Galhau.   VillareL 
Warmbrunn:    Piiaa  Radsiwill. 
St  Wendel:  Bettingen.  Getto. 
Werl:  y.  Papen. 
Wernigerode:  Bibliothek. 
Wesel:  Dr.  Fiedler. 
Wey linghoyen:  y.  Heinsberg. 
Wien:  Asohbaeh.  Conze.  Heider,  k.  k. 

Münz-  und  Antik.-Cabinet     Sohmldt. 
Wiesbaden:      Bibliothek.    Iseabeck. 

Krafft  Sehnaase. 
Wissen:  Graf  Loü. 
Würaburg:  Urliehs. 
Wüstenrode:  Wüsten. 
Seist:  yan  Lennep. 
Zell  a.  d.  Mosel:  Sohmita. 
Zürioh:  Dilthey. 


Bemerkunp.  Der  Vorstand  ersucM  Unrichtiaketten  in 
vorstehenden  Verzeichnissen,  Veränderungen  in  den  Stanoesbezeich- 
nungen^  den  Wohnorten  etc.  gefäliigst  unserem  Rechnungsf&hrer 
schriftlich  roitzutheiien. 


Urook  voD  Oarl  Oeorfi  in  Bonn. 


Jakrb d Vereins vAUerthums Fr. im Ktuird. Etft  LY" LH. 

1. 


Taf.l 


3. 


4. 


U, 


11 


Roemische  Schleudergeschofse 


lUkM^twAtau^  tu  A«m. 


iiAri  ä  VtTMns  vAÜerthum  Fr  im  Rhunl  Heft  I  T-  IVT. 

15. 


TafR 


16 


17 


2Z 


23. 


24 


Roemische   Schleuder^eschofse. 


iiAJattwAMd/uj  mlMJv 


n 


N 


p^l 

^'^ 

M 

^^J' 

#5 

a>i-t%;niii 


Roemischs  Schleudsr^schofse. 


AjVj  d  l^sf/ts  V.  -y§/^»t^ffms^'  7/JtJlAeinl.  jffisilJiK 


ffrirm/riss  oderhald  dß^Hrssiod^ns. 


Mj^: 


S^TtZS. 


ilrundrzjts  unter AalA  iüs  JhssboäS^is. 


Röiuisrlies  J^auiÄrerk.   l>ei  lAlierkitlz . 


I         I         I  1         I   =Ag^*— ^ 


»3 


40 


93 


hiJirhi]  J^r-dznst 


kÄri d  finUxs  a.Jäi!r€iiaxsß:  mMemi.&K.lV. 


^Süi.ßi  xol.  Sf  Gereon.  iiLCöln. 


■»'I    I    I    I 


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