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JAHRBÜCHER
DES
VEREINS VON ALTERTHUMSFREUNDEN
IM
KHEINLANDK
HEFT LIU n. LIV.
KT 17 LITHOeiUPfllSTfiN TAFELN ÜHD 7 HOLZSCHKITTBK.
BONN.
GEDRÜCKT AÜP^ KOSTEN DES VEREINS,
BONN, BEI A. MARCUS.
1879.
Inhaltsverzeichniss.
L Geschielite und Denkmäler.
Seite
1. Ueber einige Bronzebilder des Ares. Hierzu Taf. I— XIL Vom Prof.
Dr. Diltbey in Zürich 1
2. Die kunstgeschiobtlichen Beziehungen zwischen dem Rheinlande und
Westfalen. Vom Privat-Doc. Dr. Nordhoff in Münster 48
3. Ein römischer Fund in Bandorf bei Oberwinter. Hierzu Taf. XIH und
XIY. Vom Geh. Med.-B. Prof. Schaaffhansen in Bonn .... 99
4. Römische Inschriften Yom Mittelrhein. Vom Prof. Dr. Becker in
Frankfurt .142
5. Römische Alterthüm^r in Lothringen. Vom Prof. Dr. Hüb n er in Berlin 169
6. Römische Inschriften aus Rohr bei Blankenheim und Bonn. Vom Prof*
Dr. Freudenberg in Bonn 172
7. Alterthümer am Oberrhein, Vom Oberbibliothekar Prof. Brambach
in Carlsruhe 188
8. Die an der Ost- und Nordseite des Domes zu Köln entdeckten Reste
röm. und mittelalt. Bauten. I. Vom Dombaumeister Hrn. Voigt ei.
n. Vom Prof. Dr. Düntzer. Hierzu Tafel XV und XVI 199
9. Epigraphische Mittheilungen aus Gleve. I. Die Turok'sclie Chronik. Vom
Director Dr. Fulda in Smgershausen 229
10. Zur Staurologie. Von Pastor Otie in Fröhden 253
11. Fund römischer Eaisermünzen in der Nähe von Bonn. Von Dr. Cuny
Bouvier. Hierzu Tafel XVII, Fig. 1-4 261
12. Zwei nnedirte Kaiser-Münzen. Von F. van Vleuten. Hierzu Tii. XVH,
Fig. 5. 6. . 268
IL Litteratnr.
1. a) Histoire de la peinture au pays de Li^ge — parM. Jules Hei big.
b) Charles G6rard, les artistes de l'Alsace pendant le moyen-4ge.
T. I. Colmar 1872. c) Dr. Rahn, Geschichte d. bild. Künste in der
Schweiz. I. B. 1. Abth. Zürich 1873. Angezeigt vom Obertrib.-R. Dr.
Schnaase in Wiesbaden 271
2. Julius Cäsar am Rhein. Von Prof. D ed e r i eh. Angez. von Prof. Fiedler
in Wesel 287
in. Miscellen.
1. Bömisohe und germanische Alterthümer im Bergisohen. Von F. W.
Oli^Bchlager 293
2. Zwei röm. Inschriften aus Alzey. Von Reallehrer Schwabe . . . 295
3. Zur rheinischen Epigraphik. Von Dr. Kamp 296
4. Römischer Grabstein in Jülich. Von demselben 296
5. Eine gallische Goldmünze aus Leichlingen. Von Dr. Crecelius . . 298
6. Rom. Alterthümer in Poppeisdorf. Von J« Freudenberg. . , . 298
Seite
7. Analyse eines röm. Metallspiegels. Von demselben 299
8. Röm. Alterthümer in Aachen. Von demselben 300
9. Röm. Alterthomsfande zwischen Mülheim a. d. R. und Witten. Von
Hofrath Essellen 300
10. Oefifnnng des Grabmals von Eginhard in Seligenstadt. Fr. J. • . . 302
11. Aus 2 Vortragen des Prof. Becker über den Taunus und. die Aus-
grabungen auf der Saalburg bei Homburg a. d. Höhe .... 303
12. Mittheilungen des Hm. Pfarrer Grün in Betr. des Bleisiegels des Köln.
Erzb. Piligrimus 306
13. Antikes &zffefass von Münstermaifeld '. 309
14. Röm. Alterthümer am Apollinarisbrunnen 310
15. Rathselhafbe Inschrift eines röm. Salbenfl&schohens und Töpfemamen
aus Neuss. Von J Freudenberg 310
16. Aus d. 12. Ber. d. ant.-hist. Ver. für Nahe und Hunsrüok; Töpfer-
inschriften. Von J. Freudenberg ,311
17. Röm. Grabstatten in Trier 313
18. Die alte Burg in Honnef. Vom Geh. Med.-R. Schaaffhau^en . . 314
19. Manerreste des röm. Gastrums in Coblenz. Von demselben . . . 314
20. Alterthumsfunde in Pfalzfeld, Malberg and Hunzel. Von demselben 316
21. Antiker Steinblook in Coblenz (Taf. XVH, Fig. 6). Von demselben 315
22. Germanische Gräber im Elsass. Von demselben 316
23. Germanische Urnen aus Dahlen (Kr. Gladbach), Von demselben • 317
24. Eine Abraxas-Plombe. Taf. XVII, Fig. 7. Von F. van Vleuten . .317
25. Amulet mit griech. Inschrift. Taf. XVII. Fig. 8. Von demselben. . 318
26. Römische Grabfunde in Bonn. Von Dr. Bouvier 319
27. Der röm. Pfahlgraben östl. und südöstl. von Linz. Von Dr. Pohl . , 322
28. Fundstätten röm. Alterth. bei Billig. Von demselben 324
29. Römische Baureste bei St. Vith 830
30. Mercurius und Rosmerta. Von 0. Robert 331
31. Altdeutsche Inschrift in ünkelbach. Vom Geh. Med.-R. Schaaff-
hausen 383
32. Röm. Münze aus dem Bergwerk von Call. Von demselben . . 333
33. Der Genlok von ühland 333
IV.
Chronik des Vereins fBr das Vereinsjahr 1872 (resp. Pfingsten 1872—73) . 884
V.
VerzeichnisB der Mitglieder 342
L Oeschiclite nnd Denkmäler.
I. Ueber einige Bronzebilder des Ares.
Hierzu Taf. I— XII.
Es waren nicht mehr als drei Kunstdarstellungen des Ares, auf
die Winckelmann den Satz gründete : die Züge des Mars offenbaren in
den ruhigen Mienen einen jungen Helden von sanfter und menschlicher
Natur ^). Seitdem ist öfters Klage geführt worden über unsere Armuth
an sicheren Bildnissen des Ares^) und die Versuche, welche unternom-
men worden, den plastischen Typus des Oottes zu charakterisiren,
weichen so sehr von einander ab, dass sie unsere Unklarheit über dies
Kapitel der sogenannten Kunstmythologie nur zu bestätigen scheinen.
Winckelmann wollte keinen bärtigen Ares anerkennen "), die italienischen
') Kunst der Zeichnung, Winckelmanns Werke her. von Meyer und
Femow VII 86 = Monum. ined. S. XLI, vgl. Kunstgesch. B. V Gap. I § 18.
Die drei Aresbilder, auf welclie sich Winckelmann beruft, sind die sitzende
Statue der Villa Lndovisi, die Reliefdarstellungen am Kandelaber Barberini und
an der Kapitolinischen Brunnenfassungf. Er unterlässt, den sog. Achill Borghese
heranzuziehen, obwohl er (Monum. ined. S. 33) für wahrscheinlich erklärt, dass
diese Statue den Ares darstelle.
•) VgL Hirt Bilderb. für Mythol. I 51, Baoul Rochetto monum. ined. S. 51.
^ Den bärtigen Marskopf römischer Münzen ist er geneigt ^Evvahog zu
nennen, an der angeführten Stelle der Kunstgeschichte« welcher die Erklärer
der antich. d'Ercol. VI S. 68 zu folgen scheinen; B. X Cap. 2 § 18 behauptet
er: Mars findet sich allezeit ohne Bart in allen seinen Bildern in Marmor und
aaf Münzen.
1
2 üeber einige Broncebilder des Ares.
Archaeologen widersprachen ^). 0. MttUer urtheilt, dass die ausgebildete
Kunst ihn lieber bartlos gebildet^), Raoul ßochette, dass er meist
bärtig®), und Preller, dass er bisweilen unbärtig dargestellt worden
sei^). Hatte Winckelmann, unter dem Einfluss seiner philosophischen
Kunstlehre, die Züge des Ares menschlich, ruhig, jugendlich sanft gi^
nannt, so fand Visconti in ihnen Schönheit zwar, aber eine Schön-
heit derberer nüchterner Art; er behauptet, dass in der Kunst
sein Haar stets kurz und kraus sei^). Aehnlich urtheilten liaoul Ko-
chette®) und 0. Müller. Nach der Ansicht des Letzteren bezeichnen
Ares durchgängig eine derbe und kräftige Muskulatur, ein starker
fleischiger Nacken, kurzgelocktes und gesträubtes Haar; er hat
kleinere Augen, eine etwas stärker geöffnete Nase, weniger heitere
Stirn als andere Zeussöhne; dem Alter nach erscheint er männ-
licher als ApoUon und Hermes. Im 'Uebrigen war doch sein Wesen
zu sehr bioser Begriff, um ein Hauptgegenstand der plastischen
Kunst zu werden'; so komme es dass über den plastischen Charakter
des Gottes manche Zweifel obwalten. Anders wiederum begründet
K Braun den Umstand, dass Ares durch die griechische Kunst ver-
hältnissmässig selten behandelt worden sei^). Er glaubt, dass sie ins-
gemein ihn gescheut habe als ungethümes .Wesen, in dessen Gefolg
Todesgrauen und Schrecken sind, und fast überall, wo sie ihn zum
Gegenstand selbständiger Darstellung gemacht, erscheine er durch
die Verbindung mit Aphrodite gebändigt und verwandelt; in den
bessten Zeiten habe die Kunst ihn gefasst als Heldenjüngling, kampf-
lustig und zugleich sentimental. Neuerdings schien der verdienstvolle
Aufisatz von Stark ^) über ein von ihm als Ares Soter bezeich-
netes Fragment in Madrid dem Gott eine Reihe von Statuen und
Büsten mit gutem Rechte zugewiesen und unsere Einsicht in seine
') Fea Eur röm. Ausgabe der Kanstgeschiohte Bd. III S. 466, Visconti
Mus. Pio- Clem. Bd. II eu Uv. 49.
') Haadb. der Arohaeol. § 372 S. 673.
') Monum. in^ S. 68.
^) Dieser durohaus schiefe, wohl aus Raoul Boohetie entnommene Satz ist
auch in der neuen Ausgabe ohne Berichtigung wiederholt, I S. 270.
^) Monum. scelti Borghes. S. 34 fg. der Mailänder Ausgabe.
*) A. a. 0., S. 49 ff. Seine ganse weitschweifige Darlegung ist voll von
grundlosen Behauptungen, Oberflächlichkeiten und Irrthümern.
') Vorschule d. Kunstmythol. S. 64 fg.
•) Berichte d. s&chs. Ges. d. Wissensch. 1864 S. 173 ff.
Üeber einige Broncebilder des Ares. 8
kfinsüerische Erscheinung nicht wenig gefördert zu haben. Oleich da-
rauf hat wiederum Urlichs 0 den gesammten Typus, welchem jene
Werke angehören, auf Achill bezogen; uud einzelne Bepräsentanten
desselben erfahren immerfort die verschiedensten Benennungen.
Der nachfolgenden Besprechung wird es vielleicht gelingen, die
schwankende Terminologie einer ausgebreiteten Gattung van Ideal-
büdnissen zu befestigen, und durch neues gesichertes Material den
plastischen Typus des Ares in seiner jüngeren und geläufigsten Er-
scheinung deutlicher zu macheu. Jedenfalls wird man der Redaktion
dieser Zeitschrift Dank wissen für die reiche Publikation, die auf Taf.
I — XII eine zusammengehörige Reihe von Bronzen vereinigt, von
denen nur zwei schon frQher veröffentlicht worden, und einige bis jetzt
ganz unbekannt gewesen sind.
1. Sie nahm ihren Ausgang von der auf Taf. I II in der Grösse
des Originals abgebildeten Büste. Dieselbe wurde im Jahre 1869
an der Mosel beim Orte Wehr gefunden, nicht weit von der Stelle,
wo in römischer Zeit eine Fürth die beiden grossen Militärstrassen
verband, die zur Rechten und Linken des Flusses von Trier nach
Hetz führten'). Am selben Ort stiess man im Wasser auf ein grösse-
res Relief, das im Nenniger Mosaikgebäude aufbewahrt wird, auf ein
Kapitell und Reste von Mauern, welche sich vom erhöhten Ufer bis
hinunter in die Mosel ziehen. Die kleine Bronzebüste erwarb Herr
von Musiel auf Schloss Thoren bei Nennig. Er überliess sie bereit-
willig dem Verein zur Publikation, und ich hatte Gelegenheit, das
Original ^Iber zu prüfen.
Kopf und Büste sind intact erhalten, es fehlt nur die Spitze des
Helmbügels. Der Rücken ist von oben i^ach unten schräg abgeplattet,
seine Höhlung ausgegossen mit Blei und in diesem steckt noch das
Ende eines Metallzapfens. Hieraus ergiebt sich, dass die Büste als
Affix zum Schmuck irgend eines Geräthes diente, an welchem sie der-
artig aufgesetzt war, dass sie gleich den Hochreliefen der imagines
clupeatae von unten nach oben aus der Fläche heraussprang. Auf
solche Verwendung deutet auch die untere Begrenzung der Büste
durch ein Blattornament, welches den Uebergang in die Fläche zu ver-
mitteln hatte.
') Ueber dio Gruppe des PaBquino, nebst einem Anhang über den Achill
Borghese (Winckelmannsprogramm des Vereins, 1867) S. 35 ff.
>) Vergl. Lafontaine in der Zeitschr. d. Luxcmb. Ges. t. XXIII (II) S. 164
ff., Jahrb. des Vereins XXXI S. 22. 29.
4 Uiber emige Bronsebilder des AreB.
Büsten dieser Art aus getriebenem Silberblech dienten unter dem
besonderen Namen ' emblemata und dem allgemeineren der sigilla ^)
besonders häufig zum Schmuck silberner Trinkschalen, auf deren
Boden sie festgelöthet wurden. Ich brauche nur zu erinnern an die
Schalen mit den Büsten des schlangenwürgenden kleinen Herakles, des
Attis und der Kybele aus dem Hildesheimer Silberfund'). In einer
jetzt im Louvre aufbewahrten Silberschale, die in Berthouville gefun-
den wurde, sind, durch Blattomament abgeschlossen, die Büsten des
Hermes und der Aphrodite angebracht <) ; ein Brustbild des Harpokrates
schmückt den Boden einer im Leidener Museum aufbewahrten Schale^).
Goldene Emblemata zusammen mit einer silbernen Phiala werden der
Lokalgottheit Noreia geweiht in einer Inschrift aus dem alten Noricuro,
auf die jüngst Hübner hingewiesen hat ^). An soU±es Tafelgeräth denkt
auch Valerius Flaccus, wenn er erzählt vom Knaben Achill, der zu
Peleus und den schmausenden Argonauten kommt (I 260) :
illum nee valido spumantia pocula Baccho
soUicitant veteri nee conspicienda metallo
Signa tenent.
Diesen Schalen mit ihrem Innenschmuck entsprach die Gestalt
der römischen Phalerae; darum auch wurde der > runde Schild von
Silberblech, welcher die einfachste Form dieses militärischen Ehren-
schmuckes war, g>takf] geheissen*).
>) Vgl. Beoker-Marquardt Handb. d. röm. Alterth. I S. 276» 0. Jahn xu
Penias S. 132, MicbaeÜB das corsinische Silbergefius S. 4 S., Semper der Stil
n S. 24 f.
>) Wieseler der Hildesh. Süberfand Ta£ IH, Holzer der Hildesh. ant
Silberfand Taf. H. Dass die beiden letzteren Büsten mit Recht auf Attis und
Kybele bezogen werden, weist R. Schöne nach, Hermes III S. 477, 2. Das
Emblema der Kybele ist nachträglich innen mit Blei ausgegossen (replumbatum) ;
Tgl. Schöne a. a. 0. and im PhUoL 1869 S. 369 f.
*) Le Pr^vost memoire sar la ooUeot. de vases ant. tronv^e en mars 1880
k BerthouTiUe PL III 2. 3, Text S. 27 (aus dem Mem. de la soo. des antiqu. de
Normandie t VI); vgl. Ch. Lenormant buUett dell' Inst. 1830 S. 110, Cha-
bouillet catal. g6ner. S. 440 n. 2823. Le Prevost S. 15 n. 4 erwähnt auch einer
Büste des Mercur aus massivem Silber, die bestimmt gewesen, den Boden einer
Patera einzunehmen, vgl. Lenormant a. a. 0* S. 99.
^) Leemans monum. Egypt. du mos. d'ant. ä Leyde taf. LXX n. 490.
») ArohaeoL Zeit. 1870 S. 89.
•) Vgl. 0. Jahn die Ijauersforter Phalerae S. 2 f.
Ueber einige Bronzebilder des Ares. 5
Von solchen Gefässzierrathen waren die Götterbüsten der imagi-
nes clapeatae in Nichts verschieden. Eine kürzlich bei Nemi aufge-
fandene Inschrift % welche das Inventar zweier Tempel enthält, zählt
auf unter Anderem Signa n. XYII, caput solis I, imagines argenteae IUI,
clapeos I. Wie in der oben erVrähnten Norischen Inschrift, werden
hier Geiikth und Schmuck unterschieden; offenbar waren die imagines
bewegliche kleine Götterbüsten, welche auf dem Schildrund erst dann
befestigt wurden, wann dieser seiner Bestimmung gemäss als architek-
tonischer Zierrath zur Verwendung kam ^). So heisst es auch in einer
Weihinschrift, die bei diesem Anlass von Henzen erwähnt wird,
^imago argentea cum aereo clipeft'') und in einer anderen 'clupeus
argenteus cum imagine aurea'^). Mit Recht deutete Henzen die
Mmagines argenteae deorum Septem', die anderwärts erwähnt werden^),
auf die nämliche Gattung von Büsten: es ist hinzuzusetzen, dass offen-
bar die sieben Pianetengötter gemeint sind, nach denen die Wochen-
tage ihre -Namen haben ^).
Vielfältigste Verwendung hatten ganz analog geformte Büsten
aus Bronze. Es finden sich solche an einer vor wenigen Jahren in
Pompei ausgegrabenen mit Bronzeblech gedeckten Holzkiste; auf der
'} BuUet. deU' Inst. 1671 8. 66, HenneB vi S. 6 ff. Von den imagines
(emblemsia) sind die signa (Statuen) verschieden, wie sonst 'imagines et statuae*
unterschieden werden (vgl. Benndorf und Schöne d. lateran. Mus. S. 210), und
unter dem caput Solis haben wir uns vielleicht eine selbständige Büste zu
denken. Die Corona analempsiaca i cum gemmis topazos n. xxi et carbuncnlos
D. Lxxxim, welche hier unter den Inventarstücken des Isistempels vorkommt,
and auch sonst auf diese Göttin bezogen erscheint (Vercellono dissertazioni accade-
miche S. 339), hat Mommsen aufgefasst als einen Kranz der aufgesetzt und
abgenommen werden konnte. Indessen scheint mir selbstverständlich, dass ein
gesondert aufgeführter Kranz diese Eigenschaft besass, und zugleich dürfte
Mommsens Erklärung sprachlich schwer zu rechtfertigen sein. Das Beiwort führt
mich auf die Vermuthung, dass dieser Keif vermöge der eingesetzten Steine
Heilkräfte ausüben sollte und medizinische Bestimmung hatte. Ueber die Wort-
form vgl. Joh. Schmidt zur Oesoh. des indog. Voc. S. 118 f.
') Aehnlich entsprechen sich in der Inschrift von Noricum, die oben er-
wähnt wurde, phiala argentea und emblemata aurea, und Schale und Em-
blemata sind gesondert gewogen. (Jeher die imagines clupeatae s. Jahn a. a.
O. S. 8, 32 und 6er. der säehs. GeseUsch. d. Wissensch. 1861 S. 299.
•) Mnratori 718, 6.
*) Marini atti e monum. de* frat. Arv. S. 408.
«) Gniter 175, 9, vgl. Henzen buUett. dell' Inst. 1866 S. 100.
•) Vgl unten 8. 7 und S. 17.
6 Ueber einigu Bronsebilder des Ares.
im Einzelnen undeutlichen Abbildung bei Niccolini') erblickt man, so
scheint es, Apoll und Artemis, zwischen ihnen einen Thierkopf,
darunter, rechts, und links von der Maske eines Dionysos, wohl
die geflügelten Büsten des Frühlings und des Herbstes. Der
gleiche plastische Schmuck fand sich an Bettstellen^), zuweilen auch
an Dreifüssen^) angebracht. Ein Brustbild der Athene von Bronze,
aus einer runden Platte vorspringend, die an zwei zusammenlaufende
Bronzewangen befestigt ist, zierte als Hutela' den Bug eines römischen
Kriegsfahrzeuges ^). Eine Reihe von Bronzebüsten, wie die unsrige
geformt, und jede auf einer runden Platte befestigt, wurde in Resina
gefunden^ zusammen mit bronzenem Pferdegeschirr und den Resten
bronzener Pferde; hieraus ergab sich mit Gewissheit ihre Bestimmung
als Phalerae für Pferde. Es sind ausser einem nicht näher zu be-
stimmenden weiblichen Kopf*), Athene«), Nike''), Ares^), Athene •)
dargestellt. Gleichartiger Zierrath ist auch an Bronzerüstungen an-
gebracht >^). Eine Votivhand von Bronze, in Avenches gefunden und
aufbewahrt, ist mit mehreren dieser Götterbüsten ausgestattet). An
^) Gase die Pompei fascic. 89, descriz. gen. tav. 88.
') Niocolini a. a, 0. fascic. 40 tov. 36; Mus. Borb. II. tav. 31 =Overbeck
Pompei n* S. 46 = Semper der Stil I S. 379 = Guhl und Koner Leben der
Griechen und Körner (3. Aufl.) S. 543.~ Häufiger noch mochten diese Zierrathen
der Bettstellen aus Elfenbein gearbeitet sein; s. die Erklärer zu Properz V 5,
24 sectaque ab Attalicis putria signa toris, wo man hinzufuge Choric. ecphras.
imag. S. 161 Boissonade 17 Sk (xXivri) iXiipavri xal XQvat^ xal NCxrji x^xoafAfßvu^
ylvfAfAaat div^qififAivuig m^Qv^iv axQ(f r^ x£(paXj rrjv xUvijp avixpvüi. Doch wohl
Nlxrig xexoafdrpai yXv/4fÄaatf Sir^Qtifjiivcug tu^qv^i xai axftif ry xiipal^ riiv xUvfiv
s) Vgl. z. Q. mem. deU' accad. di Torino xxxin (1829) Taf. zu S. 138.
*) Archaeol. Zeit. 1872 Taf. 62.
«*) Antich. d'Ercol. V S. 18 = S. 139 = S. 145.
«) Ant. d'Erc. S. 7 = S. 31 ; S. 1 = S. 126.
') Ant. d'Erc. V S. 7 = S. 131.
») Ant. d'Erc. VI S. 71 = 8. 166 = 8. 265 = S. 341.
•) Ant. d'Erc. VI S. 76 = S. 169 =1 S. 259 = 8. 346. ^ Aehnliche Pha-
lerae, bei Mors gefunden, weisen Büsten aus dem dionysischen Kreise: 0. Jahn
d. Lauerforter Phal. Taf. I 6. 6. 7. 8, vgl. S. 8 f.
^^) Ant. d'Erc. VI S. 39= S. 171; Niccolini a. a. 0., caserma dei Gladia-
tori tav. IV 2. 6.
^ ") Mittheil. d. antiquar. Ges. in Zürich XI taf. 3, XVI taf. 18; vgl. 0. Jahn
Ber. d. sächs. Ges. d. W. 1855 S. 101 und Taf. IV 2a. Ueber den Gestus der
Votivhande s. H. üsener rhein. Mus. n. F. xxvra (1873) S. 407 flf.
Üeber elhige Bronzebilder des Ares. . 7
einer in der Themse gefundenen Bronzezange sind nicht weniger als
zehn emblemata angebracht: an den Schenkeln die BUsten der sieben
Wochengötter, denen eine achte angereiht ist, oben über dem Chamier
die der Venus und Kybele^- An einer bronzenen Inschrifttafel des
kapitolinischen Museums sind oben die Brustbilder des Septimius
Sevems, des Geta und CaracaJla befestigt').
Für ejne SchlusshQlse möchte ich ein .Bronzegeräth des Museum
Kircherianum halten, über welches Herr A. Trendelenburg die folgende
Mittheilung mir zu machen die Güte hatte : Eine genaue Wiederholung
des Kopfes von der Mosel ist im Museum Kircherianum nicht vor-
handen, dagegen findet sich dort ein in wesentlichen Punkten ähnlicher
Bronzekopf. Derselbe schmückt den äusseren Boden eines in seiner
Bestimmung mir nicht deutlichen becher^hnlichen Geräthes von etwa
1 Zoll Höhe uud 3 Zoll Durchmesser (die Maasse beruhen auf un-
sicherer Schätzung, da das Geräth hoch in einem Glaskasten hängt),
das oben eine runde, unten eine viereckige Oese hat. Der Kopf ist
mit einem Helme bedeckt, dessen Busch ausnehmend gross ist. Locken-
striemen fallen zu beiden Seiten auf die mit einem faltenreichen Ge-
wände bedeckte Brust (keine Aegis, kein Gorgoneion) herab. Die
Brust findet unten ihren Abschluss ganz in der Weise des vorliegenden
Kopfes in einem Blätterrande, der in seiner Bildung mit dem der Pho-
tographie übereinstimmt. Kopf und Helm springen vollständig körper-
lich aus dem Behef, das die Brust bildet, heraus.
Ungleich häufiger finden diese Affixe sich getrennt von dem
Grund welchem sie angehörten. Die Zahl der kleinen Bronzebösten,
welche nach ihrer Form und manchen äusseren Merkmalen ähnliche
Verwendung wie die unsrige gehabt haben müssen, ist weit grösser
als ' man glauben sollte ; denn die Kunsterklärer haben sich meist be-
gnügt, die betreffenden Bronzen als Büsten zu registriren. Wenn an
den Originalen selber die Beachtung der Rückseite in den meisten
*) Arcbaeologia ormiscellan. traots relat. to antiqu. vol. xxx (Lond. 1844)
p1. 24 S. 648.
*) Vgl. Fabretti columna Traj. 87, Maffei Mos. Ver. 309, Donati 175,3,
Guasoo Mus. Gapit. 95, Eellermann vig. Rom. lat. 12. Auch kleine Marmor-
bdsten der nämUchen Form hat man in genau entsprechender Weise verwendet.
So findet sidi an einem Florentiner Kriegerrelief das Porträt des Hadrian,
dessen Pendant verloren gegangen; vgl. arch. Zeit. 1870 Taf. 29, dazu Hübner
S. 82.
%
8 lieber einige Bronzebilder ^es Ares.
Fällen die früheren Applike wird erkennen lassen, so verrathen in
vielen Fällen doch auch die Abbildungen durch bestimmte Indicien
diese dekorative Bestimmung. Einmal pflegen diese Büsten durch eine
mehr oder minder starke Biegung des Kopfes nach oben, mit der
meist eine seitliche Wendung verbunden ist, anzuzeigen dass sie auf
eine gewöhnlich vertikal gestellte Fläche befestigt werden sollten, aus
der sie als Hochrelief hervorsprangen *)• Ferner scheint die untere
Begrenzung der Büste durch vegetabilisches Ornament regelmässig auf
den dekorativen Zweck hinzuweisen, ohne dass doch dieser nur da an-
zunehmen wäre, wo wir am Band des Bruststückes diesen Abschluss
gewahren^). Als schönes Beispiel dieser ungemein häufigen Form der
Büste, die unter den Bronzewerken in allen grösseren Publikationen
zahlreich vertreten ist, führe ich eine zu Brunault in Belgien gefundene
und von Boulez veröffentlichte Herabüste an, die aus einem glocken-
blumenartigen Kelch hervorkommt^).
') Hier muss freilich darauf hingewiesen werden, dass auch gewisse kleine
Bronzebüsten anderer Bestimmung diese, Eigenthümlichkeit besitzen, nämlich
die als Hängegewichte an den römischen Schnellwagen verwendeten Büsten,
welche überhaupt durchaus analoge Fabrikate sind. Dieselben verrathen zwar
durch das meist auf der Höhe des Kopfes, bei behelmten Büsten auch im Helm-
bügel befindliche Loch, da* einen zum Aufhängen dienenden Haken aufnahm
— zuweilen ist dieser mit erhalten —ihre Bestimmung, es ist aber in denPnblikatio*
neu und Beschreibungen namentlich aus älterer Zeit nicht immer auf dieses Merk-
mal geachtet worden. Das Bruststück dieser Gewichtbüsten pflegt hinten hohl und
mit Blei ausgegossen zu sein zur Regulirung des Gewichtes. Vgl. Friedrichs
kleinere Kunst und Industrie im Alterth. S. 206 ff., Mus. Borb. 1 55, YUI 16, Over-
beck Poropei H S. 72, Guhl und Koner Leben der Griechen und Römer S. 672.
^) Nur eine aus Blattomament sich erhebende Büste ist mir bekannt,
deren ^ienende dekorative Funktion fraglich erscheinen kann in Anbetracht
ihrer Grösse und feinen und freien Ausführung. Es ist die Marmorbüste der
sog. Glytia im brittischen Museum, abgeb. Townley gall. U & 90, besprochen
archaeol. Anz. 1867 S. 55* ff. und Friederichs Bausteine n. 818. Die Analogien,
welche Letzterer beibringt sind nicht zutreffend. Denn dass kleine Marmor-
köpfe dekorativer Natur, meist Fragmente von Tischfussen, Marmorsesseln und
dergl, häufig diese Blattbegrenzung aufweisen, ist bekannt genug; ich habe
deren mehrere im römischen Kunsthandel gesehen. Leider hat kühner seine in
der archäolog. Gesellschaft kürzlich vorgetragenen Bemerkungen über das Motiv
des Blattkelches an antiken Büsten nicht veröffentlicht, vgl. arch. Zeit. 1872
S. 41. Ueber Yerknüpfung menschlicher Figur mit Pflanzenomament s. Benn-
dorf und Schöne das lateran. Mns. S. 40.
») Bullet, de l'acad. de Brux. tome X, zu S. 68. Boulez :'les trois feuilles,
Ueber einige Bronsebilder des Aret. 9
Seltener finden sich im Bruststück oder unter den Achselhöhlen
Nietlöcher vor für die Stifte, mit welchen das Affix angeheftet wurde ;
mitunter auch ist ein mit Löchern versehener Rand herausgetrieben,
der das Ganze als Beschlägeplattchen erkennen lässt ^), oder die Büste
läuft nach unten gabelförmig auseinander, und erscheint als Bekrönung').
Hiernach ist wahrscheinlich, da^ weitaus die Mehrzahl der er-
haltenen kleinen Bronzebüsten als Appliken fungirt hat; wer die Ab-
biUungen im ftlnften und sechsten Band der Antichita d'Ercolano, in
den Sammlungen von Mont&ucon und Gaylus, den kürzlich von
Sacken herausgegebenen ersten Band der Bronzen des kk. Münz- und
Antikenkabinets in Wien durchmustern mag, wird sich leicht hiervon
überzeugen.
Bisweilen tritt sehr charakteristisch das Bestreben zu Tag,
durch Beifügung eines Attributes oder auch eines Bewegungsmotives
den Kopf zu kennzeichnen; und so kommt es, dass öfters ein Arm
oder beide, meist in etwas verkümmerten Verhältnissen, hinzugefügt
sind. In diesem Falle vermögen wir mitunter das Verfahren deutlich
zu erkennen, mittelst dessen bekannte Darstellungen zu solcher Büsten-
form abbreviirt worden sind. Besonders lehrreich ist in dieser Be-
ziehung die von Ritschi als 'Ino Leukothea' herausgegebene Büste,
die vielmehr Amphitrite zu benennen sein dürfte^). Die gesammte
qm fofit saiUie ä sa base et enr lesquelles ii (le broDze) repose,- semblent indi-
qner qü'il a appartenu k un meuble, anquel 11 servait d'ornement, et la brisure .
qai Be voit par derriere ä la partie inferieure, no laisse meme aucun doute
8ur oette destiDation. Mais quelle peat avoir ete la nature de ce meuble; etait-
ce un siege, oa an tröpied, etc.?* Eine andere bemerkenswertho Bronzebüste
der Hera,, gefunden in Baden (Ganton Aargau) und publicirt im Anzeiger
f. schweizer. Alterthunisk. 1872 Taf. XXYUI (vgl. S. 310), diente gleichfalls als
Applike ; sie ist inwendig hohl, der Hinterkopf fehlt. Die erwähnte Abbildung
giebt keine richtige Vorstellung des Originals, von dem eine Photographie mir
Torliegt; es ist eines der Herabildnisse, welche dem Typus der Aphrodite nahe
stehen. Eine werthlose kleine Herabüste, von Blattomament begrenzt, wurde
zugleich mit der Aresbaste von YTehr aufgefunden. Overbeck in seiner eben
erschienenen 'Kunstmythologie* der Hera übergeht die Bronzebasten der Göttin,
ich weiss nicht mis welchem Grande, mit StillscWeigen.
*) Z. B. Speoim. of ano. sculp. U 34, Sacken Bronzen d. kk. Münz- und
Antikenkabinets in Wien I Taf. 28, 2; 31» 5; 48, 3 und 5.
*) S. Friederichs kleinere Kunst und Industrie S. 333 n. ^562 1^^* und
öfter.
■) Bitsohl Ino Leukothea (1865) Ta£ I 1, U 1. Gegen Ritschis Deutang
10 Ueber einige Bronsebilder des Ares.
von Ritschi gänzlich missverstandene Haltung and Bewegung ist
bedingt durch den Umstand, dass diese Büste kopirt ist nach einer
jener Figuren von Wassergottheiten, welche auf Seewesen gelagert
sind, während sie den Kopf auf die Hand stützen und den Blick über
die Meeresfläche schweifen lassen. Hier ist das Seethier, ein Delphin,
zum Attribut zusammengeschrumpft, welches gleichzeitig die Büste
omamental abschliesst *) ; aber das Bewegungsmotiv ist einfach beibe-
halten worden.
Diese Büsten sind, ihrer dekorativen Bestimmung gemäss, meist
von geringerem Eunstwerth, die physiognomische Charakteristik ist
mehr oder minder abgeflacht. Bisweilen kam dem Verständniss ein
kennzeichnendes Attribut zu Hülfe; meist aber pflegte die Bedeutung
dieser Köpfe durch die Zusammenstellung klar zu werden. Denn
Alles lässt vermuthen, dass es fast regelmässig Gottheiten waren,
welche in diesen ornamentalen Büsten dargestellt wurden, und dass
diese in paarweiser Entsprechung oder in umfänglicherem Cyklus ver-
bunden wurden.
Schon dieser Gesichtspunkt leitet auf die Annahme, dass viel
eher Ares, als etwa Achill oder Alexander in der Büste von der
Mosel zu erkennen sei. Nicht minder stark spricht eine zweite ausser-
liehe Erwägung zu Gunsten des Kriegsgottes. So mangelhaft auch ge-
sorgt ist für Publicirung und Beschreibung der In den öffentlichen Samm-
lungen und im Privatbesitz verstreuten kleinen Bronzen, und so schwer
es hierdurch gemacht wird, einem einzelnen Typus auf diesem Gebiete
nachzugehen, so war es mir doch ohne grosse Mühe möglich, fünf
dieser kleinen Bronzebüsten aufzufinden, die mit der von der Mosel
mehr oder minder übereinstimmen, und augenscheinlich in eine Reihe
mit ihr zu stellen sind. Hiernach muss die Zahl der vorhandenen
Wiederholungen eine sehr grosse sein. Eine so populäre Verwendung
erklärten rioh Michaelia anaglyphi Vatia explic. S. XIX ff. und Gonze Gott,
gel. Anz. 1866 S. 1182 ff., welche die Büste Thalassa benennen.
') Gonse a. a. 0. S. 1135 vergleicht das Attribut des Blitses an einer
ßronzebüste des Zens, Müller- Wieseler Denkm. d. a. K. II Taf. II 29. Auf
Tafel CXLIII der Probedrucke für die gescheiterte Fortsetst^g von Gerhards
antiken Bildwerken (der Band ist gegenwärtig im Besitz des archaeologischen
Instituts in Rom) ist die Büste Plntons abgeschlossen dnrch die drei Köpfe des
Kerberos. l5ie in ihrem Armarinm stehende imago im Lateran (Benndorf
und Schöne S. 209 n. 848) wird unten begrenzt durch das Todtensymbol der
Schlange.
Ueber einige BroDzebilder des Ares. 11
im dekorativen Gebrauch konnte wohl das Bildniss des Ares finden,
den die Römer identificirten mit dem 'Hanpt- und Stammgott der
italischen Bevölkerung', aber nimmermehr das des Achill oder Alezander.
2. Es wird zunächst Niemand leugnen mögen, dass die auf
Taf. III rv abgebildete Bronzebttste des Berliner Antiquariums mit
der von der Mosel zusammenzustellen ist ^). Auch hier weist die Be-
schaffenheit des hinten ausgehöhlten und mit Blei ausgegossenen Brust-
stückes auf entsprechende Verwendung hin ; der Rand desselben, da er
auf irgend einem Grund fest aufsass, ist theilweise ausgebrochen. Es
sind Spuren ,von Vergoldung wahrnehmbar. Der Kopf blickt nach
rechts, während die Büste von Wehr nach ihrer linken Seite gewendet
ist ; der Helm sitzt vom etwas höher als dort. Sonst herrscht zwischen
den beiden Büsten ein Grad der Uebereinstinimung, welcher zwingt^
sie von demselben Vorbild herzuleiten. Die Maasse sind gleich ; der
Helm hat hier und dort die nämliche Form, der Schwertriemen durch-
schneidet in übereinstimmender Weise quer die Brust. Wesentlich
erscheint die bis ins Einzelne gehende Aehnlichkeit in Anlage und Ver-
theilung der vollen weichen Haarmassen. Der Eindruck des Gesichtes ist
einigerinassen verschieden, aber die Grundformen sind dieselben: in 2
entwickelter und lebensvoller, in 1 abgeplattet zu einer leeren und banalen
Noblesse. In 2 sind gewisse Züge treu bewahrt, welche auf die Lysippische
Schule zurückweisen; namentlich entspricht der Bau der Stirne und
ihr Debergang in die Nase den Eigenthümliehkeiten, welche vornehm-
lich am Schultypus des Lysipp beobachtet werden. Der Ausdruck
des fein modellirten Gesichtes ist sehr schmerzlich und verräth zu
gleicher Zeit ein zommüthiges Temperament'). Die hinaufgezoge-
nen Augensterne geben beiden Gesichtern einen verschwommenen
languideh Blick. Diese Eigenthümlichkeit entspricht einer Modelieb-
haberei der späteren zur Sentimentalität neigenden Kunst. Und allein
aus dieser Geschmacksrichtung, nicht aus der Absicht individueller
') Vgl. Friederichs kleinere Kunst and Industrie S. 898 n. 1861. Schon
Hirt Bilderb. I 51 erwähnt derselben und rühmt ihre Schönheit.
') ^vfjof U^iis anth. append. 40, 11, in einem Epigramm auf die sieben
Planetengötter, welches Theon zugeschrieben wird. Theodoret graec. äff. cur. III.
p. 46 (p. 877 Migne) !k^ia dk i6v ^vfiov ovofiaCovai; Gregor, or. in lul. I c. 122
imxoTnira) rbv ^vfiov jtQr^q, Panyasis bei Clem. Alex. Protr. p. 22 d, und hymn.
Hom. 8, 2 oßqtfAo^vftoQ Uqh^^ 'ipse furor Mars' Dracont. VII 21 Duhn. Hera
schilt Ares aff>qmv U. E 761.
12 lieber einige Bronzebilder des Ares.
Charakteristik, möchte ich jenen klagenden Zug der Berliner Büste
erklären, dem auch die seitliche Neigung zu Hülfe kommt 0- Dieser
pathetische Ausdruck findet sich an einem guten Theil der dekorativen
Bronzeköpfe, und er ist mit bedingt durch die emporgerichtete Hai-
tung und die Neigung zur Seite, welche ihnen eigenthümlich zu sein
pflegt.
Die Beziehung dieser Büste auf Ares wird bekräftigt durch die
Aeimlichkeit der Aresköpfe auf kampanischen Kupfermünzen; zwei
derselben aus der Sammlung des Herrn Imhoof- Blumer in Winter-
thur sind hier abgebildet').
3. In dieselbe Reihe ist die auf Taf. V VI abgebildete Bronze-
büste des Münchener Antiquariums zu stellen. W. Christ *) beschreibt
') Ueber diese Erscheinung s. die treffenden Bemerkungen von Conze in
der ermähnten Besprechung von Ritschis Ino Leukothea 8. 1188 -ff. Nur scheint
mir, als sei dort einer an sich sehr richtigen Beobachtung viel zu weite Aus-
dehnung gegeben. Von der stumpfen, gedankenleeren, gegenstandlosen Sehwer-
muth dieser Köpfe liegt fernab das dramatische Pathos des Laokoon, der
Niobidengruppe, jener sterbenden Mutter, die Aristides gemalt hatte, und ver^
wandter Werke. Sehr stark ausgeprägt ist dieser klagende Zug z. B. an der
Bronzestatnette des Herakles anc. marbl. of the brit. Mus. III pl. 2 ; er findet
sich aber auch, zu pathetischer Sohwermuth herabgestimmt, und mit Seitenwen-
dung und Anfblick verbunden, selbst an Marmorbüsten der Athene, z. B. dem
in Glienike befindlichen Kopf (Monum. delP Inst. lY 1, Müller- Wieseler Denkm.
a. K. II 19, IdSa) und einem entsprechenden des Vatikanischen Musetnns,
von dem mir eine Photographie vorliegt. Es würde nicht schwer fallen, in der
Literatur analoge Erscheinungen nachzuweisen. Namentlich ist die Erz&hlung
in der alexandrinischen Poesie mit einer lyrischen Stimmung verwandter Natur
durchdrungen worden.
^ Dieselben Münzen s. bei Cohen monn. de la rep. pl. xliv 11, 12; die
Abbildungen sind aber dort ungenügend.
') W. Christ und J. Lanth Führer durch das königl. Antiqnarium in
MüiMDhen (1870) S. 22. Es ist anzunehmen, dass auch diese Aresbüate altrApplike
üeber einige Bronsebilder det Ares. 18
sie als *gate Büste eines tmb&rtigen, mit leiser Neigung nach rechts
aufwärts blickenden* Mannes mit hohem griechischem Helm , der den
rechten Arm in absonderlicher Weise schräg vor die Brust hält'.
Er schlägt, mit einem Fragezeichen, die Deutung auf Alexander den
Grossen vor, im Anschluss an eine viel zu häufig in Anspruch genommene
Nomenklatur. Das Gesicht hat, wie ich nach Prüfung des Originals
versichern darf, gar keine Aebnlichkeit mit den beglaubigten Bildnissen
Alexanders, und das zu beiden Seiten in überaus dicken weichen
Lockenmassen lang herabfallende Haar widerstrebt augenscheinlich
seinem Porträt, dessen vorzüglichstes Merkmal das schwungvoll em-
porgesträubte und rückwärts fallende Haar ist^). Auch spricht der
Umstand 9 dass dieser Kopftypus, wie wir sehen, von der römischen
Kunstübung sehr bevorzugt worden ist, eben so sehr zu Gunsten
des Ares, als gegen die Deutung auf Alexander. Das Gesicht weicht
durch mehr längliche Form etwas ab von den eben besprochenen
Bronzen; es trifft aber hierin zusammen mit den Marmorköpfen des
Gottes, von denen im Folgenden die Bede sein wird. Der Helm ist
zwar, wie bei 1 und 2, der korinthische und stimmt in der Form ganz
überein, aber an Stelle der dort am Visir angedeuteten Ausschnitte
fQr die Augen treten Widderköpfe; es krönt ihn ein stattlicher breiter
Bosch. Der Büste ist der rechte Arm hinzugefügt und auf der linken
Schulter das vomüberfallende Stück der Chlamys, welche unten in
schmalem Streifen das Bruststück begrenzt Die Haltung des Armes,
welche Christ mit Recht absonderlich nennt, und die noch auffalligere
SteDung der Finger wird uns durch eine analoge Büste alsbald ver-
stfindtich werden.
Dem Münchener Ares entsprechen durchaus, bis auf eine sehr
unbedeutende Abweichung in der Form des Helms
verwendeV war, obwohl äussere Sporen davon nicht sichtbar sind, wie anoh
H. Bronn mir nachtr&glich bestätigt. Die Rückseite ist mit Gips ansgel&Ut worden.
^) Zo den bekannten SchrifteteUerseognissen (0. Müller Handb. §. 129, 4)
föge man Itinerar. Alexandri e. 6: qoippe ipse visu argnto naribnsqae sub-
aquilinis fnit, fronte omni nuda plerumque, qnamvis pinguius fimbriata de
exeroitio [ob vehementiam] equitandi, ouios id arbitrio dabat, ex quo relioinam
com am iacere sibi in oontrariom feoerat^ idque aiebat decorius miHti, quam
si defloerrtf Die Mailander Hds. hat reclinam, ich besserte relicinam (vgl.
Apalei. flor. I n. 7 und I n. 8), in D. Volkmanns Ausgabe des Itinerarium
(Programm der königl. Landesschule Pforta 1871). Es soheinty dass die höfische
Kunst hier einen schmeiohelBden fiophemismns angewendet hat.
14 Uebar einige Bronsebilder des Ares.
4. BroDzebüste aus Herculanettm, abgebildet in den Bronzi d'Ercol.
I 17;
5. Bronze der Kopenbagener Antiksammlung (d. 123), stammend
aus der Fevervary-Pulskyschen Auktion. Die Kenntniss dieser Bronze,
nebst einer Skizze derselben, verdanke ich A. Conze. Hier sitzt an der
Bttste hinterwärts noch der Zapfen, welcher zur Befestigung diente').
Durch eine geringfngige Modifikation unterscheidet sich von den
letztgenannten drei Exemplaren
6. Bronzebüste des Wiener Münz- und Antikenkabinets, abgebil-
det auf unserer Tafel VII VIIP). Die Haltung des Armes ist hier die
nämliche^ aber sie hat Zweck und Zusammenhang: zwei Finger der
Hand sind leicht auf den mit seiner Wölbung die linke Schulter deckenden
kleinen Schild gelegt. Es ist nunmehr deutlich, dass die Büsten von
München, Neapel und Kopenhagen nur durch Nachlässigkeit oder Spaai-
samkeit der Arbeit des Schildes eiitbehren, der allein die Bewegung des
Armes motivirt und erklärt ; denn es scheinen keine Spuren vorhanden zu
sein, dass der Schild etwa angelöthet gewesen und verloren gegangen
sei. Indem die Ghlamys, über die linke Schulter nieder, unter Schild und
Arm weg, und auf der anderen' Seite wiederum über den Rücken auf-
wärts gezogen ist, säumt sie die Büste ein und fungirt in ähnlicher
Weise^ wie die Begrenzung durch Blattornament. Der Schild ist auch
anderen Brustbildern des Ares als bezeichnend beigefügt, indem er
wie hier an die linke Schulter gelehnt ist; und die nämliche Stelle
nimmt die Aegis ein an dem Madrider Statuenfragment, von welchem
später die Hede sein wird. Der Schild ist nicht allein kriegerisches
Wahrzeichen, soi^lern, gleich Lanze und Schwert, mythologisches
Attribut des Himmelsgottes, wie dem römischen Mars die Ancilia g(*-
weiht werden^). Wenn man sich überzeugt, welche Rolle der Schild
') £ine Zeichnung derselben ist mir durch die Freundlichkeit des Direktors
der Sammlung Hm. L. MüUer in Aussicht gestellt worden und soll nachträglich
veröffentlicht werden.
*) Sie ist Yor Kurzem, doch weniger gut, von Sacken publicirt worden
in den Broneen des kk. Münz- und Antikenkabinets I Taf. XXXI 1. Sacken
hält dafür, dass sie *im Charakter des Achillens* sei, nennt sie eine ^herrliche
Büste*, von 'schmachtendem Ausdruck* und 'sanfter Melancholie.
Wahrscheinlich hat eben dieser schwärmerisch weiche Ausdruck die Deutung
auf AohiU veranlaisti und den Gedanken an Ares znrückgedr&ngt. Auch Sacken
weist auf die Uebereinstimmung der Heroulaneer Bronze hin. Er bemerkt noch,
dass die Büste im Rücken flach ist.
>) Vgl. die Arasbüste unter den sieben Wochengottern Pitt d'Ero. III 60
üeber einige Bronxebilder des Area. 15
des Ares spielt in den Dichterstellen, welche die Natarbedeatang des
Grottes vernehnüich nachklingen lassen (unten S. 39), so kann ein Zweifel
hieriiber wohl nicht bestehen, dass der Schild auf das Himmelsgewölbe
deutet, ein Bild, das auch sonst durch die Poesie fortgepflanzt worden ist.
Der Helm ist dem der MUnchener Bronze sehr ähnlich ; es treten hier an
Stelle der Widderköpfe einfache Voluten, ein Ersatz, der nicht zu-
fällig erscheinen wird, wenn man die Formenverwandtschaft beider
Dekorationsmotive ins Auge fasst. Ausdruck und Formen des Ge-
sichtes, die Haltung des Kopfes, machen hier einen weichlicheren
Eindruck, der durch die fleischige Bildung des Halses, der Schulter,
des Armes verstärkt wird ; und doch kann kein Zweifel obwalten, dass
diese Büste von demselben Original abgeleitet ist, wie die in Kopen-
hagen, Neapel, München und den nämlichen Gott darstellt, wie die
Bronaen in Berlin und von der Mosel. Wir gewahren, wie bei diesen
dekorativen Bronzen die Formen und der Ausdruck des Gesichts inner-
halb ziemlich weiter Grenzen fluctuirten, und die Interpretation sich vor
Allem an gewisse attributive Merkmale allgemeiner Art zu halten hat.
Die sechs Büsten, welche wir zusammengestellt haben, zeigen Ares Jugend-
Uch, bartlos, idealschön, mit vollem niederfallendem Lockenhaar, den
Kopf bedeckt mit dem korinthischen Helm; zweimal tritt der Schwertrie-
roen hinzu , zweimal der Schild , und viermal die über die linke Schulter ge-
worfene Chlamys, welche auch vielen Marmorstatuen des Ares eigen ist.
Wäre die Behauptung Visconti's richtig, dass der sog. Achilles
Borghese wegen der Hroppa venusta de' sembianti' kein Ares sein könne,
und dass dieser Gott regelmässig durch kürzeres krauses Haar
charakterisirt sei, so würden hieraus gerechte Zweifel sich ergeben,
ob jene Büsten den Ares darstellen können. Indessen hat schon Raoul
Rochette mit gutem Grund dieser Anschauung widersprochen 0*
S. 263, MuB. Horb. YII 8 (Helbigr n. 1006) ; und die schöne Petersbarger Gemme
bei Maller- Wieseler II 28, 248, welche Aehnlichkeit mit unseren Bronzen hat,
und mehr noch mit dem durch die Aufschrift APHG gesicherten Brustbild einer
Knochentessera Mon. dell' Inst. JY (1848) Tay. 52, 6. Auch auf einer Berliner
Paste (III Kl. 866), von der ein Abdruck mir TorHegt, unterscheidet man an
der linken Seite den Schildrand.
') Monum. in6d. S. 55, 8. Winckelmann hatte bereits hingewiesen auf
die Stelle des Justinus martyr §. 8 p. 4 ui^rig . . . y/o( wy *al to^lög. Schon
Od« ^. 810 heissi Ares xaXog n utü agtinos, im Lied yon seiner Buhlschaft mit
Aphrodite. Schön gepflegtes Haar bezeugt 0?id fast III am Anfang:
Bellice, depositis clipeo paulisper et hasta,
Mars, ades et nitidas casside solve comas.
16 üeber einige Bronzebilder des Ares.
Ursprünglich rechtmässiger Gemahl der Aphrodite ^), muss Ares
im späteren mythologischen System vor Hephaest weichen und wird
zu ihrem Buhlen. Dieser Liebesverkehr zwischen Ares und Aphrodite
wird in Poesie und Kunst der alexandrinischen Epoche mit vieler
Gunst behandelt'). In Rom genoss Mars als italischer Hauptgott,
als der befruchtende und sengende Himmelsgott ^), seit alter Zeit das
höchste Ansehen. Die einströmende jung-griechische Sage und Kunst
wandelte ihn um zu dem heldenhaften und zärtlichen Liebhaber der
Venus, und seit Caesar und Augustus fiel von dieser Seite her neuer
Glanz auf den Kriegsgott. Schon Caesar wollte ihm, nachdem er die
Stamm-Mutter Venus Genitrix verherrlicht Wte, ein Heiligthum
erbauen von unvergleichlicher Pracht. Diesen Plan nahm Augustus
auf und errichtete Mars jenen Tempel , in welchem man ihn mit
Venus vereinigt erblickte, wie in den Lectisternien und der Circus-
pompa. Die Einwirkungen dieser Verbindung sind deutlich erkennbar *)
in den Kunstdarstellungen des Ares, die wir besitzen, und von denen
sehr wenige älter sind, als die römische Kaiserzeit. Je lieber diese sich
Ares als den zärtlichen und beglückten Genossen der Liebesgöttin
>) Vgl. 0. Jahn arch. Aufs. S. 10.
'J Hierfür sind vielleicht am Bezeichnendsten drei Stellen des Ovid, die
aaf kecke und familiäre Ausfährung dnrch die Hand eines alexandrinischen
Dichters zurüokschliessen lassen. Amor. I 9, 40
Mars quoqne deprensus fabrilia yincula sensit,
notior in caelo fabula nulla fuit
In der a. a. U 561
fabula narratur toto notissima caelo,
Mnloiberis capti Marsque Venasque dolis.
und met. IV 189
diuque
haeo fuit in toto notissima fabula caelo.
Dracontius 11 63 fif. lasst Klymene den Nymphen singen von der ßnhlsohaft des
Mars und der Venus. Des Beposianus Epyllion vom concubitus Martis et Yenerts
(Wemsdorf poet. lat. min. IV 1 S. 819, in Mejers anthol. lat. n. 569, in Rieses
Ausgabe n. 268) ist sicherlich aus alexandrinischer Quelle abgeleitet und die
h&uügen Erwähnungen dieses Stoffes bei Nonnos weisen auf gleichen Ursprung
zurück. Auf aUerlei Ausschmückungen und Episoden beziehen sich Dichter-
stellen und Kunstwerke; vgl. Apollod. I 4, 4, Nonn. Dion. 29, 831, anth. Lat.
ed. Riese n. 4,19 f.; Heibig Wandgem. n. 827, Annali dell' Inst. 1866 tav.
d'agg. EF, Bullett. dell' Inst. 1869 S. 151.
') Vgl. Bergk Zeitschr. f. Alterthumsw. 1866 S. 129 fgg.
«) Vgl. 0. Jahn Her. d. s&chs. Ges. d. W. 1661 S. 126 f. , 1868 S. 200.
üeber einige Bronzebilder des Ares. 17
dachte, um so aügemeiner fasste sie ihn als idealen Heldenjiingling
in gefalligen anmuthigen Formen. Es bewährte sich der Vers des
anonymen Dichters der Orestis tragoedia (332): emollit Cytherea traeem
per proelia Martern. So erscheint' sein Kopf mehrmals in Verbindungen,
die jeden Zweifel ausschliessen, langlockig und jugendlich schön.
Dies scheint zu gelten von der Büste des Ares an dem sog. astro-
logischen Altar von Gabii im Louvre^. Sie ist gepaart mit der der
Aphrodite, zwischen beiden befindet sich Eros. Die Büsten der zwölf
Götter, die übrigens meistens ergänzt sind — die des Ares ist alt
— treten genau so aus der Fläche als Hochrelief heraus, wie die als
Affixe angebrachten Bronzebüsten. Darf man den Publikationen
trauen, so hat der Kopf des Ares einige Aehnlichkeit mit 1. *
Auf einem Terrakottenfriesstück der Sammlung Campana befinden
sich die Brustbilder zweier Götterpaare, von Ares und ZeuS; Hera und
Athene*). Ares trägt den korinthischen Helm, hier mit lang herab-
hängendem Schweif verziert ; das Haar quillt, ganz wie an den Bronze-
bildnissen, reich und lockig an Schläfen und Nacken hervor uüd fällt
übö" die Wangen tiefer herab. Die Formen von Schultiem und Hals
shid mächtig entwickelt, das Gesicht hat vielleicht Verwandtschaft mit
der Berliner Büste.
Einige Darstellungen der sieben Planetengötter, meist in Büsten-
form, mögen hier erwähnt werden, obwohl die Abbildungen grössten-
theils zu unvollkommen sind, um schwer ins Gewicht zu fallen. Ein
Mosaik des Louvre, das ein Planisphär vorstellt»), eine Thonlampe*),
eine Münze der Antonine von Alexandria*) scheinen Ares ähnliches
Haar und ähnliche Züge zu geben wie unsere Bronze. Noch mehr
dürfte sich dieser die Büste nähern, welche unter denen der sieben
Planetengötter an der oben erwähnten Bronzezange angebracht ist.
>) Abgebildet in Visconti'8 Monnm. Gabin. tav. XV— XVII und öfter; vgl.
Gkiedeehens der raarmome Hinunelaglobus des Antikenkabinete zu Arolsen
S. 36, wo alle Publikationen yerzeicÜnet sind. Die Ergänzungen werden am
Genauesten tingegeben von Fröhner Notice S. 11.
') Campana ant. opere in plastica tav. III, Petersen das Zwölfgöttersystem
der Griechen I Taf. D.
») Clarac PL 248 b.
*) Passeri lue. IS. 21, Martorelli reg. tbeca calam. S. 330, Kopp Palaeogr. III
8. 376.
*) Miliin gal. myth. XXIX 90, vgl. Lersch Jabrb. des Vereins IV S. 167.
2
20 Ueber einige Bromebüder des Aree.
lastet durchaus auf dem rechten Beiu, während der linke Fuss seit*
wärts leicht aufsetzt Auch hierin ist augenscheinlich Analogie zwischen
der Wiener Bronze und der Statue Lysipps : nicht minder deutlich und
nicht minder lehrreich sind die Abweichungen. Der Apoxyomenos
ruht nicht ausschliesslich auf dem Standbein, dessen Schenkel nicht
sehr einwärts gewendet ist, sondern das Spielbein hilft mittragen.
Unsere Aresfigur zeigt völlige Entlastung des einen Beines: der
rechte Schenkel ist stark einwärts gestellt und unterstützt den Körper
in seinem Schwerpunkt; in demselben Maass tritt die Hüfte auf der
rechten Seite hervor, ist der Oberkörper auf die linke Seite hinüber-
gebogen ^ und die linke Schulter erhöht So entsteht eine Verschie-
bung, welche den Bindruck grosser Biegsamkeit hervorbringt, das
Geftlge der Figur verliert an Festigkeit, der Rhythmus ihrer Linien
wird schwungvoller und weichlicher. Ich ^ube, dass der Künstler,
ans dessen Händen das Vorbild unserer Bronze hervoi^egangen ist^
nicht minder dieser Verwandtschaft seines Werkes mit der berühmten
Statue Lysipps, als der Abweichungen von demselben sich bewusst
gewesen ist.
Auch die schlanken Proportionen^) des Körpers und die Model-
lirung seiner Oberfläche verrathen Aehnlichkeit Um so grösser ist
die Verschiedenheit der Köpfe. Die Wiener Statuette senkt das fast
weiblich zart gebildete Antlitz und richtet dabei die etwas conver-
girenden Augen — sie sind eingesetzt und von Silber — über das
Schwert weg auf den Beschauer mit einem Ausdruck leerer Sentimen-
talität Das Haar fällt reich und lockig auf Wange und Nacken.
Offenbar soll der Vorstellung jugendlicher Schönheit im Sinne jenes
Modqieschmackes genügt werden, von dem oben die Rede gewesen ist
Auf diese Weise scheint die Wiener Statuette zu veranschau-
') Hoohbeiiiig and Behlank, dem Apoxyomenos sehr ähnlich in SteUong
xOfd Verhältnissen, enoheint Aree anch aof einer schönen Münse des Commodos
(Cohen m S. 106 n. S72) ; er stemmt mit der erhobenen Linken den Speer auf and
h< in der Rechten, als Attribat, einen Zweig (wie aaoh aaf den pompeianiäohen
Bildem Heibig n. 278, 278 b, einer Gemme MiUin GaL myth. 40, 167 und auf
römischen Münsen öftei^; von der linken Achsel hftngt die Chlamys herab, auf
dem Kopf trftgt er den hohen korinthischen Helm. Einen Abdruck der Münze
▼erdenke ich Conze. Dass dieae Verhältnisse Ares arsprüngiiöh nicht zukommen
nnd ihm erst Ton der jüngeren Kunst verliehen werden, kommt in der Fdlge
zur Sprache.
üeber einige Bronzebilder des Ares. dl
lieben , wie Lysipps Schöpfungen in hellenistischer Zeit nachgebildet und
modifijdrt worden sind.
Es verdient noch hervorgehoben zu werden, dass der von einer
Sphinx bekrönte Helm in der Form selbst bis auf die Falten an der
Seite genau mit dem der Berliner Bttste übereinkommt
B. Als das bedeutendste Stück unserer Reihe und den Haupt-
schmuck dieser Publikation betrachte ich die graziöse feingearbeitete
Bronzestatuette, welche auf Taf. XI XE zum ersten Mal abgebildet ist.
Das Original, aus Oberägypten stammend ^ gehört Frau Sabine von
Horhy in Fiume. Dort sah es vor einigen Jahren A. CWnze, und ent-
sann sich freundlich meines Interesses für diese Gattung von Bronze-
bildem. Auf seine Bitte willigte die liebenswürdige Besitzerin nicht
nur ein, dass ihre kleine Antike von mir veröffentlicht werde, sondern
sie stellte ihm auch zwei gute Kartenphotographien zur Ver-
fügung, nach denen vermittelst photographischer Vergrösserung unsere
beiden Tafeln gearbeitet sind. Conze theilt mir mit, dass die einzige
literarische Erwähnung der Bronze sich finden dürfte in: Gatalogue
of a most interesting collection of Egyptian antiquities principally found
at Thebes and Abydos, during the years 1818, 19, 20 and 21 etc.
which will be sold by auction by Mr. Sotheby and son at their house
Wellington Street, Strand, on Monday the 13th of May, 1833 etc.
Daselbst ist S. 25 unter der Rubrik 'Greek and Roman antiquities
found in Egypt' als n. 298 aufgeführt: 'Statue of Mars, of the finest
Greek style, wanting the left arm, 8 inches high'.
Der verloren gegangene linke Arm hielt wahrscheinlich das kurze
Schwert mit dem Parazonium. Der rechte Arm ist emporgereckt und
die Hand an den Helm gelegt; von den drei Fingern, welche ihn be-
rührten, sind zwei abgebrochen. Dieser Gestus ist aufzufassen als ein
Zurechtrücken des Helmes und giebt ein beliebtes Bewegungsmotiv
ab für kriegerische Figuren. Und zwar fasst die Hand bald an den
Helmschirm, bald ist sie mehr auf die Höhe des Helmes gelegt, je
nachdem dieser zurückgeschoben oder tiefer in den Kopf gedrückt und
fester gesetzt werden soll ^). Es läge hiemach nahe, diesen Gestus auf-
^) Zweimal an jagendlichen Kriegerfiguren aaf ddm sog. Sarkofag des
SeptimioB Seyerus im Kapitol, abgebildet bei Rigbetti il Campid. illustr. I Taf.
188 und sonst; einmal auf dem cntspreobenden Relief des Louvre, abgebildet in
Winckelmanns Mon. ined. Taf. 124 (0. Jahn aroh. Beitr. S. 354 MN). Femer
auf dem Fragment im Atlas zu Winckelmanns Kunstgeschichte 132; auf dem
22 lieber einige Bronzebilder des Ares.
zufassen als den Ausdruck des Aufbörens oder des Beginnes kriege-
rischer Aktion; und dieser Gedanke könnte besonders da angezeigt
scheinen, wo es der korinthische Helm ist mit dem Yisir, der vor
dem Kampf in das Gesicht gedrückt und nach demselben wieder zu-
rückgesetzt wird. Indessen sprechen die Monumente durchaus nicht
für di&se Annahme ; denn die Scenen , in welchen der Gestus vorkommt,
verbieten meist an ein Ausruhen nach dem Streit oder an kriegerische
Vorbereitung zu denken. Hiemach haben wir es blos mit einem sehr
beliebten, für kriegerische Gestalten geradezu attributiv gewordenen
Motiv der Bewegung zu thun, welches eben so künstlerisch dankbar,
als an sich schicklich und natürlich scheint.
Die Stellung ist wiederum der des Apoxyomenos ähnlich; sie
drückt elastische sichere Jugendkraft aus. Es scheint dass die meisten
Aresstatuen ungefähr denselben Stand haben, indem der Körper auf
dem rechten oder linken Bein ruht, und das andere mehr oder weniger
seitwärts gesetzt ist. Auch begegnen wir namentlich auf den Sarko-
fagen überaus häufig Heroen und Doryphoren in der nämlichen Stellung.
Die Photographie lässt die Behandlung des Körpers um ein
weniges kräftiger erscheinen als unsere Abbildung. Ganz verschieden
ist hier und dort der Eindruck des Gesichtes; es hat leider unter der
Hand des Lithographen seinen sehr bestimmten Charakter eingebüsst.
In der Photographie entspricht dasselbe durchaus einem Typus
heroischer Jünglingsköpfe, welcher in der kampanischen Wandmalerei
häufig wiederkehrt. Erinnern wir uns zugleich der Provenienz unserer
Bronzestatuette, so wird dem Kundigen ohne Weiteres klar- sein, dass
an den schönen Kopf derselben sich ein besonderes Interesse knüpft.
Der Ausdruck des Gesichtes ist in der AJ[)bildung heiter, in der
Photographie ernst, stolz und feurig. Das Haar quillt in reichen
vollen Locken unter dem Helm hervor, der wiederum von der korin-
thischen Form ist und bekrönt mit einem mächtigen Busch.
G. Zu diesen Figuren ruhigerer Art habe ich eine dritte von
energischer Bewegung fügen mögen: Ares wie er kampfmuthig in die
Schlacht stürmt. Das Original befindet sich im alten Museum in
Relief *SuoveUurilia* bei BouiUon T. III Basrel. pl. SO and bei Clarac pL 221.
Hier greift überaU die Hand an den Helroschirm; dagegen legt die siUende
Athene am Giebel des kapitolinisohen Jupitertempels Mon. ined. deir Inst. Y
(1851) tav. 36 (vgl. arob. Zeit, 1872 S. 8) die Hand oben auf den Helm.
Deber einige BrontelHlder dM An».
24 üeber einige Bronsebilder de« Aret.
Berlin^); der eingedruckte Holzschnitt ist nach einer schönen Zeich-
nung angefertigt, die mein Freund Herr Architekt Reinike von einem
mir durch E. Curtius vermittelten Abguss genommen hat. Obwohl
die Oberfläche der Bronze (ihre Höhe beträgt 6V8'0 an einzelnen
Stellen und namentlich im Gesichte stark gelitten hat, trägt sie doch
die Spuren grosser Schönheit. Die Unterarme sind abgebrochen ; ohne
Zweifel hielt die linke' Hand den Schild, die rechte entweder Speer
oder Schwert. Ungemein häufig haben griechische Städte ihren lokalen
Heros in ähnlicher Haltung , nackt bis auf den Helm , bewehrt mit
Speer, oder kurzem Schwert und Schild , auf ihre Münzen geprägt ').
Aber auch Ares erscheint ebenso auf Münzbildern; von ihm ist das
Motiv wohl erst auf Heroen übertragen, aber schwerlich nach Belieben.
Man hat ihn mit Recht erkannt auf Münzen der Bruttier {B^errtiov)
in dem unbärtigen nackten Kämpfer, der Schild und Speer vorstreckend,
^) Friederichs kleinere Kunst und Industrie S. 898 n. 185 1 * beschreibt die
Figur folgendermassen. * Nackter Jüngling, die Brust vom Schwertriemen durch-
schnitten, mit einem Helm auf dem Kopf. Die beiden Arme fehlen vom Eilen-
bogen an. Der Jüngling schreitet mit starken Schritten davon, während sein
Kopf sich stolz umdreht. Beide Fasse restaurirt. Es ist gewiss etwas Heroisches.
Das Motiv ist sehr schön und der ganze Charakter der Figur griechisch.'
') Namentlich die Opuntier Aiax den Lokrer (Mionnet descr. If S. 91,
Suppl. III pl. 15, 4, 5» vgl. S. 489 fgg., mit dem Namen descr. des med. du
cab. Dupre pl. II 217, Annali dell' Inst. 1866 S. 381); die Thebaner Kadmos (Mil-
lingen anc. coins Taf. IV 12, den Abdruck eines vollständigeren Exemplares
verdanke icli Herrn Imhoof-Blumer), die Tegeaten wahrscheinlich den Kepheus
(Bröndstedt Reisen II 289, Overbeck Gal. her. Bildw. Atlas Taf. XI 4, vgl.
Overbeck Gal. Taf. XXIX 13, Archaeologia vol. XXXII pl. XI S. 162), die
Syraknsaner den Leukaspis (Eckhel doctr. num. I S. 246, Annali dell' Inst.
1829 S. 810; einen Abdruck mit der Unterschrift Au^xnamg und dem Vorder-
theil eines vor dem Heros auf dem Bücken liegenden Widders besitze ich durch
Herrn Imhoofs Güte), die Aspendier, Trikaeer, Kierier unbekannte Heroen
(Gombe mus. Hunter YII 15—18, Taylor Combe numi mus. Brit. Y 11, Monum.
deir Inst. YIII 1866 tav. 82, 4). Yielleicht Hessen sich von einigen dieser Heroen
engere Beziehungen zu Ares erweisen; in Tegea und Theben war die Yerohrung
des Ares heimisch, die Syraknsaner setzten den Kopf des Ares auf ihre
Münzen. Ich verdanke Herrn Imhoof den Abdruck einer sehr schönen Gold-
münze von Syrakus mit einem lorbeerbekranzten jugendlichen Kopf, der g^enau
übereinstimmt mit den Köpfen der Mamertinermünzen , welche die Aufschrift
jiQiog tragen. — Bekanntlich stellen Statuen, Reliefe und Münzen besonders gern
Athene in dieser stürmischen Angriffsbewe^ng dar.
Qeber «ifüg« ~JSrcitiMbilder des Arei. 36
den Helm auf dem Kopf, zum Angriff voiftärmt. Denn die bnittiscben
Mamertii^r setzten den Kopf des Gottes auf ihre Münzen ') , und die
Eule, welche auf einem von Magnan publizirteu Exemplar am Boden
aitsend zugefügt ist^), dürfte eher Ares als irgend einem Heroen zu-
kommen. Zwei andere sind nach Abdrücken, die ich Imfaoof-Blumer
Terdanke, hier abgebildet, zugleich mit einer scbönen Monze von
Meeaana, die gleichfalls das Bild des Ares zn tragen scheint. Das-
selbe gilt von der verwandten Figur auf Marmeftinertnflnzen"). Imhoof-
Blumer erinoert mich, dass aof Münzen dieser Stadt auch Pallas und
Artemis in ähnlich vordringender Stelhing vorkommen, auf BretUscheo
Zeus, ein Umstand der die Annahme bestätige, dass die Krieger^ur
der Mamertiner- und Bruttiermflnzen gleichfalls einen Gott vorstelle,
Ares. Vermuthlicb wird auch der Krieger auf Mtlnzen der thrakischen
Bisyener, der mächtig ausschreitend den Kopf zurQckwendet und ausser
Speer und Schild eine Sturmleiter ti^gt, richüg Ares benannt*). In
derselben Kampfstellung, aber in ruhigerem Vorschreiten, gewahrt
man den Gott auf römischen Familienmünzen, wie denen der gens
Sulpicia, mit der Umschrift 'Marti ultori'^).
Eine Bronze den Wiener Antikenkabinets*), der unsrigen ähn-
lich aber ungleich gröber und von Sacken wohl mit Becbt etruskiscb
genannt, stellt einen jungen Helden vor, welcher im Vorstürmen das
>} Vgl. HüUer-WieiGler D. a. K. II 23, 244. Diese Abbildung ist übrigens
ohne j«d« Aehnlichlceit } es liegen mir Abdrücke von vier sabr schonen Exem-
plsreu KOS Imhoof-Blumera Sammlung vor, die ioh «pätar publioiren werde.
*) Hagnu Brattia II TU , wiederholt von Miliin gal. myth. XXXIX 161.
') Vgl. S. 27.
*) MOnte des Septimins Sevemi, nach Toltereck Electa numaria III T bei
Hillin XTXTX 1G2.
*) Vgl. Theaanr. Horell. Salpia. I.
•) Sacken T^. X 1.
26 lieber einige Bronsebiider de« Ares.
Schwert mit der Rechten, die den Griff noch hält — das Schwert
selber ist verloren --, aus der Scheide zieht, während die Linke, wie
ihre Höhlung beweist, den Schild hielt Ich zweifele nicht, dass auch
in dieser Bronze Ares zu erblicken ist. Nicht minder wahrscheinlich
ist mir, dass jene häufig begegnenden etruskischen Bronzefiguren
eines jungen unbärtigen Kriegers, der in völliger Kflstung zum Angriff
vorschreitet, den Kriegsgott darstellen >).
In der Formengebung weicht die Berliner Figur von den beiden
anderen , welche vorher besprochen worden , beträchtlich ab ; sie weist
auf ein Original älterer Epoche zurück. Wie der gewählte Moment
einen anderen Geschmack verräth, ist auch der Körper straffer und
nerviger gebildet. Unter dem korinthischen Helm kommen reiche
Lockenmassen hervor, das Gesicht, obwohl seine Oberfläche zerstört ist,
hatte jugendliches Aussehen, der Mund ist etwas geöffnet.
Ich habe, als charakteristische Darstellungen des Ares, drei Bronze-
statuetten aneinander |[ereiht, die nicht etwa dadurch als solche sich
ausweisen, dass Haltung und Bewegung derselben dem Kriegsgott
ausschliesslich zukämen^). Auch spricht der Typus der Köpfe nicht
in absolut zwingender Weise zfk Gunsten des Ares; er fiuctuirt hier
nicht weniger, als wir es vorhin bei den Bronzebüsten wahrnahmen,
die wir trotzdem mit gutem Girunde Ares vindidrt haben. Die Art
der Bewehrung entspricht zwar den sicheren Bildnissen des Gottes,
aber auch sie kann an sich keinen Ausschlag geben, weil sie mit dem
ziemlich allgemeinen Brauch der Heroendarstellungen übereinstimmt.
^) Vgl. z. B. 8pec. of ano. Sculpt. II PI. 4, Fröhner miuees de France pl. 19.
') Andere Bronzefigoren des jugendlichen Ares, die dem nämlichen Typus
zogehören, sind früher pnblicirt worden. So die woblerhaltene Statuette von
Herculaneum abgebildet Bronzi d'Erool. II 18 and Mus. Borb. XIII 26; man
hat sich in die Rechte das Schwert mit dem Parazonium, in die Linke den Speer
zu denken. Das Gleiche gilt^von der offenbar falsch ergänzten und gedeuteten
Figur in den Monum. deil* Inst. 1854 S. 116 tav. 36, und von einer andern bei
Caylus Recueil III pL 121, 1, wo nur die Linke höher erhoben ist. Eine völlig
intacte Bronzefignr des Ares zeigt eine Abbildung in der Lettera sugli scavi
fatti nel circondario dell'antica Freja del dottor F. Benign! al celeberr. Sig.
Gay. Albino Luigi Miliin (Macerata 1812) tay. IX fig. 6. Sie hat in der er-
hobenen Rechten den Speer, in der Linken einen kleinen Schild; der linke
Schenkel lehnt an einen Stamm, die Wangen sind von den Helmklappen .bedeckt.
Yermuthlioh sind hier, sei es am Original, sei es blos in der Zeichnong, Er-
gänzungen hinzugekommen.
Udber einige fironeebilder dei AreB. 27
So könnte meine Deutung, obwohl sie durch die Yergleichung der von
mir zusammengestellten Büsten und Münzen näher gelegt ist als jede
andere, fraglich erscheinen; und in diesem Fall würde immer wieder
die Entscheidung schwanken zwischen Ares .und Achill. Ich glaube
aber meiner Ansicht eine starke Stütze verleihen zu können, wenn ich
wahrscheinlich mache, dass wir schwerlich eine plastische Einzeldar-
stellung des Achill besitzen, und dass alle oder fast alle jene Statuen
und Köpfe, deren Benennung schwankt zwischen Ares und Achill, auf
den Ersteren bezogen werden müssen 0. Es handelt sich hier haupt-
sächlich um jene Gruppe von Figuren und Büsten, deren bekanntester
Bepräsentant der sogenannte Achilles Borghese ist Ich glaube, dass
die folgende Zusamm^tellung, indem sie von sicherem Ausgangspunkt
zu den fraglichen Darstellungen vorschreitet, zugleich eine Serie bildet,
deren Zusammengehörigkeit nicht geleugnet werden kann, und dass
auf diese Weise schon die Zusammenordnung unsere Frage entscheidet.
Gelegentlich werden andere Erwägungen zu Hülfe kommen.
a. Eine sichere Grundlage giebt die Statue des Ares vom
Fastigium des kapitolinischen Jupitertempels ab, welches jüngst nach
einer Zeichnung der Goburger Handschrift in der archaeologischen
') Freilich beschreibt uns Christödor eine Erzstaiue des Achill, weiche
im Gymnasien des Zeuxippos in Konstaniinopel stand, folgendem assen, ecphras.
291 £
ttl^fir^tfl^ 6' aviovXog Hufin^TO 6iog *Ax*J^vg,
yvfivos itov aaxiwv. i^oxivi fdki^tyj^g kUaattv
di^ireQ^f axtu^ 6k aaxog /aJlx€^oy afCgtiv
ax^fioTi texyriim' fAodav «T änintfinev anukifv
^agai'i Tolfirjj€yn ndfiy/iivog. al yicg ontonal
yy^aipv ri^os ttptuvov a^iov AfaxiSatov.
Also war die Figur der Rüstung ledig (da aaxea schwerlich die Rüstuug be-
deuten kann, scheint mir das Wort verdorben), und trug Nichts in den Händen ;
aber die Haltung der Arme war als fahre der Held in der Rechten den Speer,
in der Linken den Schild. Das Gesicht drückte kriegerisches Feuer aus. Ist es
für uns maassgebend, wenn Christödor diese Statue für Achill hält ? Ich glaube
nicht; wir dürfen hieraus nicht mehr folgern, als dass ihr dieser Name beigelegt
war in dem Katalog, den Christödor benützte, oder der Aufschrift, welche die
Statue trag. Denn dass der Ekphrast sich an bestimmte tituli hielt, die ihm vor-
lagen, wird durch einige Stellen seines Gedichtes erwiesen (863 ff. 407 ff.). Die
'statuae Achilieae' waren eben ein bequemer Gattungsbegriff, der vermatblich
auch auf Statuen des Ares angewandt wurde.
08 D«ber einige BroDzebilder dei Are*.
Zeitung abgebildet worden ist'). Der jugendliche Gott steht, gerade-
aus schauend , auf einer kleioen Basie , unbekleidet bis auf den hoben
Helm und die Chlamys, die leicht auf die linke Schulter vomOber
gelegt ist und von dem linken Vorderarm herabhängt. Die erhobene
Rechte fa^t den aufgestemmten Speer, die niedergehende Linke hält
das Schwert, welches aufwärts gerichtet ist und am Oberarm anlehnt.
Es nnterliegt wohl keinem Zweifel, dass diese Figur einer römischen
Tempelstatue ziemlich getreu nachgebildet ist. Auf Mttnzen der geos
Mescinia') steht eine ähnliche Aresstatue anf hohem Sockel mit der
Weihinschrift S-P-O'R'V-P-REO-CAES- , die mit geringer Ver-
änderung mehrmals wiederkehrt Eine Münze von Paeatnm») weist die-
selbe Figur auf ganz niedriger Basis, und diese fehlt ganz auf den
FamilienmüDzen der Claudier, welche Ares in der nämlichen Weise
darstellen*). Eine schöne MamertinermUnze mit nah verwandtem
Bilde, in Imhoof-Blumers Besitz, ist hier abgebildet. Ares hält in der
Rechten das Schwert mit dem Parazonium, in der Linken die Lanze,
an die der Schild lehnt Eine zweite unterscheidet sich durch den
mangelnden Helm, stellt aber sicherlich auch Ares dar; hier ist das
reiche Haupthaar bemerkenswerth.
b. Mit dem kapitolinischen Ares stimmt eine angeblich aus dem
Peloponnes stammende Statue in so augenscheinlicher Weise überein,
dass auch ihre Bedeutung als gesichert angesehen werden muss*).
>) Arch. Zeit. 1872 Taf. 67.
') Tgl. Cohen deaor. des monii. de le rep. Rom. pl. 27, 1. 2. 6.
■) CareUi tav. 136, 108. 109.
') Cohen pl. 12, 8. 9. 12.
•} PacJELudi Mon. Peloponn- , Titelbild. Vgl. Rnoul RoohetU Mon. in^d.
S. 58 fff. n. 10. In Besiehung «uf die Änordnimg des Oewendea, deBaen über
die linke Schulter gelegter Zipfel in der Abbildung wie eine Lowentatxe aua-
üeber «inige Bronsebilder ddB Ares. 29
Der rechte Arm ist abgebrochen; zur Stütze für die über den linkoi
Arm fallende Chlamys dient ein Panzer, welcher ain Boden steht. Die
Figur ruht mehr auf dem linken Bein, die kapitolinische Statue auf
dem rechten, und setzt das linke in ähnlicher Weise zurück, wie die
Bronze von Finme.
c. Eine in Ostia gefundene Statue, die nach England gekommen %
weicht nur darin von der vorerwähnten ab, dass hier die Chlamys von
der linken Schulter quer über die Brust geht und auf der rechten
Achsel durch eine Spange zusammengehalten ist ; an Stelle des Pan-
zers fungirt ein Baumstamm. Diese Statue trägt die Aufischrift
MARTI. Es ist bekannt genug, dass man in Tempel und Kultstätteu
auch die Kunstdarstellungen anderer Gottheiten , als der eigentlichen
Inhaber, geweiht hat^); immerhin aber war durch diese Inschrift die
Annahme am Nächsten gelegt worden, für welche nunmehr die Co-
burger Zeichnung endgültig entscheidet lieber den Charakter der
Körperformen, Bildung und Ausdruck des Gesichtes wird kein Kun-
diger aus den Abbildungen bei Güattani und Clarac Schlüsse ziehen
mögen ; doch darf vielleicht das volle lange Haar hervorgehoben werden.
d. Mit dieser Statue haben qchon die Herausgeber der ^antiken Bild-
werke des Lateranensischen Museums' eine nah verwandte des Lateran
zuammengestellt^). Sie ruht nicht auf dem linken, sondern auf dem
rechten Bein ; das Gewand fällt im Bücken breit und tief herab und
bildet einen ruhigen Hintergrund der Figur; der Panzer hängt über
einem Stamm zur Rechten. Beide Arme sind ergänzt. Die Verglei-
chung der ähnlichen Statuen des Gottes könnte auf die Vermuthung
leiten, dass die Linke das Schwert geführt, wie auch der Restaurator
annahm, doch in etwas anderer Haltung, und die erhobene Rechte
den Speer. Indessen scheint der letztere auf dieser Seite , vor Baum-
wibi, füiimit genau überein die auch sonst ähnliohe Statoe des Galigul» bei
Yiseonti mos. Pio-Clem. III tav. 3.
1) Gnattani Mon. ined. 1806 Tai 18, vgl. S. 87-92; Clarac 827, 2074,
▼gL Fea Viaggio ad Ostia S. 58, Raonl Roohette Mon. ined, S. 68, Hirt Bilderb.
S. 52, V^elcker das akad. Kunstmas. (II. Aufl.) S. 80 n. 45, Urlichs a. a. 0. S. 86.
') Sohon Welcker a. a. 0. citirt hierfür Annali VI 198; vgl. ausserdem
Letronne Revue aroh^L 1844 S. 888 'sur Pusage des anoiens de oonsacrer la
Statue d'un dieu a un autre dieu, K. Keil insoript. Boeot S. 87.
>) A. a. 0. a 79 fgg. n. 172, publioirt von Clarac 685, 1485 und von
Garmeoi mus. Lat. tav. XXYII.
dO Ueber einige Bronxebilder des Ares.
Stamm und Panzer, keinen passenden Platz zn haben, and die Ver-
fasser der Bescbreibnng des Lateranischen Mnseams artheilen wohl
mit Rechte dass Haltung und Anlage der Figur der Annahme günstig
sind, sie habe arsprünglich den Speer in der Linken gehabt. Dieser
Fall ist der seltenere; es konnte wohl bei Einzeldarstellungen des
Gottes nur da passend erscheinen, ihm den Speer in ^ie Linke zu
geben ^), wo die Rechte mit dem Schwert als der Hauptwaflfe und dem
wesentlichen Attribut ausgestattet war*), oder auch der Gott fem
von Kriegsgedanken in feiernder Ruhe und versenkt in Liebessinnen
vorgeführt wurde'). Es ist berechnete Absicht, dass der Ares Ludovisi
*) Statitts schildert in der Tbebais wie Ares dabinfahrend auf seinem
Kriegswagen von Aphrodite aufgehalten wird mit zärtlichen Vorwürfen und
Bitten; da heisst es von ihm, III 202
hastam laeva transanmit et alto
— l^aud mora — desiluit ourro, clipeoque receptam
laodit in amplexu dictisque ita mnicet amicis.
') Vgl. folgende Aresbildnisse : Sacken d. Wiener Antikenkab. I Taf. 6, 8,
Mus. Borb. I 46, VIII 56, und die oben abgebildete Mamertinermünze. So oft
Ares einzeln bewehrt mit Speer und Schild dasteht, und so erscheint er, nn-
b&rtig und bärtig, ausserordentlich oft, hält die Rechte den Speer. Man wird
nicht Figuren entgegenhalten, wie das kleine Nebenbild auf dem Feld der
Münzen von Ambrakia Monum. dell' Inst. I tav. 14, 1.2 (hinter einem Athenekopf),
welches den Ambrakischen Qründungsheros Qorgos (vgl. Axmali 1829 S. 314 ff.)
darstellt, nackt, den Helm auf dem Kopf, wie er die Rechte auf den Schild legt,
den Speer mit der erhobenen Linken festhält; oder das Bild der Virtus auf
römischen Kaisermünzen (vgl. Cohen IV pl. 6 und 18), wo sie übrigens dio
Lanzenspitze gegen den Boden kehrt. Auf einem römischen Relief, veröffentlicht
Ber. d. sächs. Ges. 1868 Taf. IV C nimmt Ares an einer Opferscene als Zu-
schauer Theil, ganz im Typus der statuarischen Darstellungen des Gottes:
jugendlich und nackt bis auf die über die linke Schulter geworfene Ghlamys
und den korinthischen Helm, und stemmt mit der Linken den Speer auf, indem
der die susammengesohlossene Rechte in auffallender V^eise vor die Brust hält.
Man hat sich wohl in diese Hand das Schwert zu denken, mag es nun im
Original abgebrochen oder nur so flüchtig angedeutet sein, dass der Zeichner es
übersehen konnte, oder mag endlich der Arbeiter es aus Nachlässigkeit wegge-
lassen haben.
•) Irrthümlioh ist Starks Angabe (Philolog. XXI S. 485), dass der sitzende
Area auf einem Reliefmedaillon im Triumphbogen des Constantin (Müller-Wie*
seler I 70, 888) die Lanze in der Linken halte; er hält sie mit der Rechten.
Uebrigens sehe ich nicht ein, warum diese Figur eine Kopie vom Ares des
Skopas sein soll, wie mit Stark Overbeok (Oesoh. d. griech. Plastik U S. 16)
üeber einige Bronzebilder des Ares. 81
das Schwert mit der Linken hält. Aaf dem Terracottarelief Campana
hSIt der rahig sitzende Gott den Speer mit der Linken, und legt die
herabhängende Rechte auf den Schild, der am Boden steht, während
Aphrodite sich im Stehen an seine rechte Schalter lehnt ^). — Der
Greslehtsausdruck der Lateranischen Statue ist trflbe and schwermüthig.
e f. Zwei Wiederholungen der Lateranischen Statue, die eine im
Palazzo Mattei in Rom, die andere in der Sammlung Landsdowne'),
werden angefahrt von Benndorf und Schone.
g. Eine Statue der Blundellschen Sammlung, welche als Theseus
ergänzt worden, ist unzweifelhaft hier einzureihen^). Die Chlamys
fehlt; die SteUung ist wie bei b c, wie dort ist auch hier an der
linken Seite eine Stütze angebracht, und zwar wie bei c ein Baum-
stamm. Der rechte Arm ist mit einer Keule ergänzt ; sicherlich war
er mehr erhoben und stemmte den Speer auf. Die Linke ist unthätig
über den Stamm gelegt, an dem das Schwert hängt. Ich muss den
rechten Arm und das obere Stück des Stammes für modern halten,
obwohl diese Theile unter den Ergänzungen nicht verzeichnet sind;
gewiss war das Schwert in die Linke gegeben. Am Helm sind Greife
angebracht. Das Haar scheint genau dem der Lateranischen Statue
zu entsprechen ; der Kopf blickt geradeaus, gleich dem von b. Wäre
es yerstattet, aus der Abbildung Schlüsse zu ziehen über Formen und
Ausdruck des Gesichtes, so läge die Vergleichung mit dem Ares des
Lateran am Nächsten. Ich möchte aber hierin ebenso wenig, als in Be-
ziehung auf die schlanken Proportionen des Körpers, der Publikation
Vertrauen schenken.
h. Den bisher besprochenen Statuen steht der ^Achill Borghese'
weniger nahe, als jene unter einander stehen ^), Doch überwiegt die
Verwandtschaft so sehr, dass die Identität der dargestellten Person
für wahrscheinlich gelten darf. Es kommt hinzu, dass, wie schon
annimmt. Eine sohöne Kupfermünse der Mamertinef mit dem sitsenden Ares
findet fliob in Herrn Imhoofs Sammlung.
^) Campana op. in plast II 104; dine Wiederholung dieser Reliefplatte
■ah ich im Mueeum von Arles,
*) Mon. Matt. I 10, Clarac 648 A, 1436 A; 950, 2446 A.
>) Spec of anc. scnlpture' II Taf. 19.
*) Abgebildet Ferner segm. nob. sign. 1688 tav. 39, Bouillon II 14 E, Vis-
conti mon. scelti Borghes. tav. III 1. Braun Kunatmyth. Taf. 85, Clarao pl.
268, 2078, UrlichB a. a. 0. S. 84. unter den neueren Besprechungen der Statue
ist henronraheben die von ^riederiohs Bausteine n. 720.
32 Üeber einige Bronzebilder des Ares.
Andere hervorgehoben haben, in einigen Gruppen des Ares und der
Aphrodite die Figur des Gottes mit dem 'Achill Boi^hese' durchaus
übereinstimmt 0* Sicher fasste die Linke den Speer; ob die herab-
hängende Rechte das Schwert gehalten, muss sehr fraglich erscheinen.
Nur die Finger sind ergänzt und die innere Handfläche zeigt keine
Spur, dass hier ein Gegenstand aufgelegen habe.
Obwohl die Figur in Ruhe steht, ist das rechte Bein wie im
Schritt vorangestellt ; es setzt fest auf und kann nicht als Spielbein
gelten. Hierdurch erhält die Statue eine schwere Festigkeit des
Standes. Der Oberleib ruht wie unbeweglich 'in den Hafteu. Der
Kopf ist etwas tiefer gesenkt als am Ares des Lateran, das lange
Haar legt sich glatt und schlicht auf Wange und Hals ^), während es
dort voller und lockiger ist Das Gewand fehlt, der Körper ist völlig
nackt Im Uebrigeu herrscht in den Proportionen des Körpers und
im Allgemeinen der Haltung augenschdnlich Aehnlichkeit *) ; ich wage
nicht vom Kopf dasselbe zu ^haupten.
Conze hat diese Statue in die Reihe der Köpfe und Figuren ge-
stellt, welche man seit Friederichs auf Polyklet zurückzuführen pflegt,
während er selber vorzieht sie für attisch zu halten^). Mir scheint
aber, dass der Achill Borghese kaum irgend einen Typus, wie er aus
der Hand eines grossen Meisters hervorgegangen, rein wiederspiegelt.
^) Besondera in der kapitolinischen Gruppe, Mus. Oap. III 20, Glarao 684,
1428, Quatremere de Quincy sur la statue ant. de Venus decouverte dans File de
Milo, Taf. D. 2; vgl 0. Jahn Ber. d. sächs. Ges. 1861 S. 126.'
') Dieser ganzen Gruppe von Statuen und Köpfen des Ares ist eigen die
überall gleichm&ssig vor dem Ohr niedergehende an die Wange geschmiegte
und spitz zulaufende Haarpartie. Sie findet sich gerade so am Ares der bar-
barimschen Candelaberbasis (Visconti mns. Pio-Glem. IV tay. 7, Braun Kunstmyth.
Taf. 88) and des erw&hnten Terracottareliefs Gampana.
') Dass der stutzende Stamm hier gerade eine Palme ist, wie unendlich
oft, hat nur für den tektonischen Geschmack Bedeutung* Die Behauptung,
der Palmenstamm charakterisire die Statue, welcher er als Stütze dient, als die
eines Athleten — besonders Gerhard machte gern von ihr Gebrauch — oder
bezeichne doch eine Beziehung auf das Gymnasion, gehört zu den unerwiesenen
und unerweisbaren Sätzen, welche in der arohaeologisChen Literatur immer
wieder aufbauchen, wo sie bedurft werden. Auch der Umstand, dass der n&m-
liohen Fig^r, wie wir sahen, anderwärts ein gewöhnlicher Stamm zur Stütze
dient, spricht gegen eine besondere Symbolik des Palmstammes.
*) Beiträge zur Geschichte d. griecb. Plastik S. 8 fg.
Ueber einige Bronzebilder des Ares. 3$
sondern aus Elementen älterer und jüngerer Kunst in verhältniss-
mässig später Zeit zusammengesetzt worden ist. Wie man diese Statue
hat auserlesen schön nennen und an ihr den charakteristisch belebten,
herrlich ausgebildeten Götterleib, den meisterhaften und zugleich
eigenthümlich realistischen Stil rühmen können^ wird nicht mir allein
schwer begreiflich scheinen.
Vom Kopf gilt in minderem Grade, was Benndorf und Schöne
von dem des Lateranischen Ares bemerken: 'er gehört in eine Reihe
von Typen, welche mit dem Doryphoros des Polyklet grosse Aehnlich-
keit haben'. Er steht den Doryphorosköpfen in der HaarbehandluQg
näher, während hierin die Statue des Lateran, wie Benndorf und
Schöne ausführen, von ihnen abweicht. Die Körperformen sind sehr
stark entwickelt, aber es geht dem Fleisch und den Muskeln das
blühende Leben ab, der Körper scheint wie ausgepolstert: die Ver-
schiedenheit vom Doiyphoros ist hierin sehr gross. Die Flächen setzen
hart und unvermittelt ab und sind wenig gegliedert. In den Pro-
portionen des Kö]*pers fällt die Länge des Oberleibs, die verhältniss-
massige Kürze der gedrungenen Beine auf; dieselbe Eigenthümlichkeit
haben Benndorf und Schöne an der Statue des Lateran hervorgehoben.
Diese Verhältnisse, welche den Doryphorosfiguren fremd sind, verleihen
der Gestalt eine mächtige Wucht, die dem schwungvollen schnell-
füssigen Sohn der Thetis nicht minder widerspräche, wie der schwer-
fällige Ausdruck des Antlitzes. Es kommen Achill naturgemäss hohe
und schlanke Schenkel zu. Isaak Porphyrogennetos in seiner Beschrei-
bung der griechischen Helden vor Troia und der troischen Fürsten
sagt von Achill: o l^x^AA^tc; etaTtj&og, jtiiyag tov dyxov tov Oijjfiavog,
fiaxQoaiukog {Wes ^cmQoaxeli^g), a7cav6g^ ^avd^og etc. ^). Hiermit ist
eine Stelle des Athenaeus zu vergleichen: /;>' ä' ftviwg fia-jigozaTog xai
XsTTtovaTog o Kivrfiioig^ alg ov T^ai olop d^cTjua yiyQOipe ^TQOTTiQf
Od-iviTt^v ^AydXLoL mnov yuxXüVy dia tn sv rij airov noiTjaei avvex^g
t6 Od^nSza keyuv. Tcai^wv ovv elg triv Ideav aiiov bq)rj'0r^ic!)T* -^X'A^ev*).
*) In Rutgers' variae lectiones S. öll; auch bei Leo Allatius tt^qI rwr'xca«-
XiMp^ivTtov iino tov 'OfAtiQov, Aus Isaak Porphyrogennetos schöpfte Tzetzes Post-
hörner. V. 474:
^ttxfm <r i/e axilia vno (f' lannviaio vnrjvrjv.
Es verdient Erwähnung und ist für die Herkunft dieser Personalbeschreibungen
von Wichtigkeit, dass SteUen des Malalas, wie die Schilderang der Helena chron.
Y- p. 91, 8 der Bonner Ausgabe, mit ihnen genau übereinstimmen.
«) Athen. XH 551 d, Meineke frgg. com. If 2 S. 7G9.
3
84 Üeber einige Bronsebilder des Area.
Dagegen ist dem ^vQog und nekciQiog^Jgrjg mächtige Entwickelang
der Lenden eigen. Ein merkwürdiges Zeugniss hierfflr bietet die
homerische Stelle B 477. Sie deutet auf Vorstellungen der Götter-
erscheinungen von einer überraschenden plastischen Realit&t nnd Be-
stimmtheit :
ofifictra wxl xeq>aXi^v XxeXog Jii T€Q7tiii€Qavv(p,
^'Aqbi di Cdvtjv, üviqvov de Iloaetdatüvi.
Wie also für Poseidon die Breite der Brust % so ist für A.res die
EntWickelung des Unterleibe bezeichnend'). Die Kunstdarstellungen
des Poseidon rechtfertigen durchgängig diese Charakteristik; nicht
minder muss man von der Hervorhebung der ^civfj des Ares annehmen,
dass sie auf eine sehr alte und ganz allgemeine Vorstellungsweise
zurflckgehe, die nothwendig auch in die Kunst Eingang finden musste.
Und zwar ist zu vermuthen, dass es besonders der ältere Arestypus
gewesen sei, welcher diese Eigenthttmlichkeit zum Ausdruck brachte,
während die jüngere Kunst in ihrer Neigung für schlanke schwungvolle
Formen, begabt mit einem höheren Maasse von Bewegungsfähigkeit,
dieselbe verwischte^). Nicht minder auch musste die Grewöhnung, den
') Er wird nfQvtnfffvog genannt Ton Ghristodor eophr. V. 66.
*) Hesychiue (tivti' 6 vno r^ yatn^ga xonoq ttai 6 tonoQ $y (tjvyvftB^,
Diese Erkl&rang geht auf die oben angefahrte Stelle; M. Schmidt notirt fiUschlioh
5 181, ^ 234. Vgl. schol. B 479 (tavtiv] i^roi ro xarä C^afia fiiqog, Etym. m. p. 414,
6 C<^' "^o Tov atofÄOTo^ f^^QOSj iv (p fiahaxa xb rov (toov lail (tonxov, xal ro
negl avro wpaafia Ctorri ofKovvfitos Ifyaai, tos xal Sioga^ to fiigos tov anifiarog
xtdro TiEQtTi^'iiuievov ott Jlov, Etym. Gud. Ctovfi* ro tov atofLaros fiiQog' tT^riTai naga
to C^, iv qt fioXtata fori rh tov ^ijv Sixjtxov xtA-TO ^ontxov xai to ntgl avto
vqmftfia. Hiernach ist im Etym. m. zu emendiren ro tov ir^v Sixraeov xtA ro
(anixov, wie aach der codex Sorbon. hat. Uebrigens fasete die ganze Stelle
schon Dio Ghrysostomos or. XII p. 407 R sehr richtig, indem er vom Vergleich
mit Zeus sagt: hokfiiiafv jiyttfiifAVova ngoaeixaatu tov S'€ov Toig xvQiioTaroti
fAiQsatv. Wenn es dagegen in den Priapea 86, 9 heisst 'nemo est feroci
pectorosior Marte* (vgl. Sen. HippolyL 816 'Martis belligeri pectore latior ), so
wird damit nur eine Eigenthümlichkeit hervorgehoben, die der Eriegsgott
gemein hat mit den m&chüg gebildeten Heroen; so wird Herakles von Theokrit
24, 78 ano atiqvov nhtavg t^^ioq genannt.
') Man setze dieser wohlgegründeten Erwägung nicht entgegen, dass Ares
in der Ilias öfters ^oog zubenannt wird, in der Odyssee einmal aqrinog (^ 810,
wo' übrigens die Scholien akxi^oq wollen) und bald darauf gar ^xvraros &i€av
üeber einige Broiusebilder des Area. 85
Eriegsgott als den zärtlichen Geliebten der Aphrodit« zu denken, be-
wirken, daas man seine Erscheinung modelte nach einem allgemeinen
heroischen Schönheitsideale. In diesem gingen urwüchsige Besonder-
heiten der Gestalt zum Theile auf, welche zusammenhingen mit der
mythologischen Natur und Bedeutung des Gottes.
Bekanntlich tritt bei dieser Statue ein schwieriges Detail hinzu
in dem Ring, welcher das rechte Bein über dem Knöchel umschliesst.
Es scheint mir, wieKekul^O) dass für denselben weder unter der Vor-
aussetzung, dass Achill, noch unter der hinderen, dass Ares dargestellt
sei, eine befriedigende Deutung gefunden worden ist. Am Wenigsten
hätte man, um aus ihm ein Argument für die erstere Annahme zu
gewinnen, neuerdings wieder zurückgreifen sollen auf eine Methode
der Kun3terklärung, die mit allem Fug für überwunden gelten durfte.
Diejenigen, welche eine Fesselung annahmen — und Friederichs
scheint mit fiecht in dem Ring eine Fussfessel {rcidrj) zu erkennen -—
durften sich berufen auf den nachdenklichen trüben, beinahe klagenden
Ausdruck des stark gesenkten Kopfes. Und doch ist schwer möglich die
Statue mit der Situation des bei Aphrodite ertappten Ares zu reimen.
Ich möchte weit eher an einen trionfo d'Amore denken. Der Ares
Borghese und mit ihm vielleicht der des Lateran, erscheint als eine
modifizirende Verwendung des vorhin besprochenen Typus ; und dass
dieser hier dem beliebten dichterischen Motiv von der unwiderstehlichen
Gewalt des Eros angepasst worden sei, ist eine nahe gelegte Ver-
muthung ; ihr würde der Ausdruck des Gesichtes, die Haltung der
Figur günstig sein, und die schwere Wucht des Leibes käme so zu
(^ 381), in der Ilias auch noöaoxrig. {4» 265). Die Natorsymbolik bringt es mit
Bioh, dass die Baiwörter und Züge, welche an den Personen der Götter haften,
theilweise sich widersprechen, denn die Naturobjecte können nach sehr ver-
schiedenartigen Seiten und Zuständen betrachtet werden. Die plastische In-
dmdualisirong kann daher nicht alle Züge aufnehmen, sie lasst von den alt-
überlieferten Beiwörtern diejenigen zur Seite, welche sich dem poetisch ausge*
stalteten Charakter nicht willig anschmiegen mögen. Und zu diesen gehört
gewiss jenes Epitheton des Ares, mochte man auch fortfahren ihn als * geschwinde'
zu rühmen so gut wie irgend einen streitbaren Heroen. Uebrigens ist bemerkens-
werth, dass in der nachhomerischen Poesie diese Qualität des Ares gar keine
RoQe spielt. In einem Epigramm des Aristotelischen Peplos kommt wxhgjlgtig
vor (n. 6. Bergk poet. lyr. p. 660), offenbar nicht mehr als eine homerische
Reminisoenz .
*) Kekiile d. akadem. Kunstmus. zu Bonn n. 389 S. 97.
86 Ueber einige Bronzebilder des AreB.
sprechender Wirkung. Auch wird wohl nur durch diese Voraussetzung
die Schwierigkeit gelöst, dass die Linke den Speer gehalten hat, ohne
dass doch die antiken Theile der rechten Hand der Annahme günstig
wären, sie habe das Schwert umschlossen.
Meine Vermuthung könnte ich leicht weiter ausspinnen und
stützen, es lassen sich ihr vielleicht auch Einwendungen entgegen-
stellen. Mir scheint das Problem gehöre zu denen, deren Lösung wir
von der Zeit und einem glücklichen Fund erwarten dürfen.
i. Kopf, Brust und Oberarme von einer genau entsprechenden
Statue befinden sich im Dresdener Augusteum. Nur kommt hier der
von der linken Schulter schräg über die Brust laufende kunstreich
gearbeitete Schwertriemen hinzu 0*
Ich sehe ab von einigen vielleicht entfernter stehenden Statuen,
wie dem Ares der Villa Albani'), und einem vermeintlichen Alexander
im Louvre "), und reihe an den Ares Borghese die Büsten, welche dem
Kopf dieser Statue genau entsprechen.
1. Eine augenscheinliche Wiederholung desselben ' befindet sich
in der Münchener Glyptothek, abgebildet in Brauns Vorschule der
Kunstmythologie Taf. 84, und besprochen von Brunn in seiner Be-
schreibung der Glyptothek n. 91. Der Kopf ist geradaus gerichtet,
der trübsinnige Ausdruck geschwunden. Die Uebereinstimmung der
Züge ist evident; die Anordnung des Haares die nämliche bis ins
Einzelne; sie ist dieser ganzen Gruppe von Köpfen eigenthümlich.
Ebenso scheint der vor und unter den Ohren keimende Backenbart für die-
selbe charakteristisch; er wiederholt sich an den jugendlichen Aresköpfen
^) Becker Attguateom II 86.
*) Wenig zuverlässig herausgegeben bei Clarao pl. 838 B, 2074 A. Vgl.
Indicazione antiquar. per la villa suburb. dell' cooellent. casa Albani. Roma
1785 n. 468, ediz. II Roma 1808 n. 381, Braun Ruinen und Museen Roms
8. 704. Fiasch im BuUett. deU' Inst. 1878 S. 10 versichert, dass der Kopf nicht
zugehörig sei, und erklart die Statue für eine der besten Repliken des Poly-
kletisohen Doryphoros. Dagegen schreibt tnir Heibig : *Der Kopf ist aufgesetzt,
aber entschieden zugehörig/ Auch in die Behauptung, dass die Figur unter
die Doryphorosstatuen gehöre, setze ich starke Zweifel.
>) Abgebüdet bei Visconti Monum. Gabini tav. X 23, Müller>Wieseler
I Taf. 40, 168. Dürfte man den Publikationen trauen, so hatte der Kopf Aehn-
lichkeit mit dem der vorhergenannten Statue; beide haben auch den kühn
empor gerichteten Blick gemein, den Visconti wohl mit Unrecht charakteristisoh
für Alexander glaubte.
üeber einige Bronzebilder des Ares. S7
kampanischer Münzen und römischer Familienmünzen, von denen ich
durch Imhoof-BIumers Güte eine stattliche Beihe prüfen konnte. Auch
der Helm hat die gleiche Form und den gleichen Schmuck: zwischen
übereinstimmenden Ornamenten Hunde und Greife^). Das Gesicht ist
fast ohne Affekt, aber das Muskelspiel in den Partien um den geöff-
neten Mund und die Nase verräth ein heftig erregbares Gemüth. Der
Kopf ist glatt gearbeitet und entbehrt der Empfindung und Lebens-
frische eines Originalwerkes, aber er hat hinreichende Spuren eines
sehr schönen Vorbildes.
2. Im Gampo Santo von Pisa, abgebildet bei Lasinio sculture
del campo santo tav. YII 108.
3. Im Louvre, abgebildet im Mus^e Napoleon II 59, Bouillon
mus. III^ bust. pl. 3, 6 ; vgl. Fröhner notice S. 161 n. 130.
*) Statins Theb. III 223 nennt die Waffensiücke des Ares 'terriücis mon-
Btrornm animata figuris*. Der Greif ist stehend am Helm der überaus schönen
bärtigren Aresköpfe auf den Münzen der Bruttior, deren ich mehrere durch
Imhoof-Blumers Freundlichkeit betrachten konnte; er findet sich am Helm des Ares
auf der Barberinischen Kandelaberbasis, und dem Helm der BlundeUschen
Statue; am Panzer des bärtigen Ares, SuppL au rec. d'antiqu. Suisses par le
baron de Bonstetten pl. VI 16. Wenn auch der Greif, als Lichtsymboli allge-
meine apotropäische Geltung hatte (vgl. Stephani compt-e rendu 1864 S. 63.
119—144, 1865 S. 72. ff. und Öfter), so scheint es doch, dass man ihn besonders
gern an den Waffen der Atheue und des Ares anbrachte. Die Atheneköpfe unter-
italischer Münzen haben fast immer den Greif am Helm (vgl. Carelli Taf. 187,
138 etc.). Bedeutsamer sind die Hunde, weil sie unmöglich durch Einreihung
in die grosse Kategorie apotropäischer Thiere, sondern nur durch die Annahme
eines speziellen mythologischen Bezuges erklärt werden können. Der Hund ge-
hört Ares zu eigen, es wurden ihm an mehreren Orten Hundeopfer gebracht,
▼gl. Preller gr. Myth. PS. 268, 4. Der Zusammenhang ergiebt sich mit Leich-
tigkeit, wenn man Useners Erörterung im rhein. Mus. n. F. XXIII (1868) S 384
ff. mit meinen Bemerkungen unten S. 41 fg. zusammenhalten mag. Der Hund ist
attributiTes Thier des Ares in demselben Sinn und derselben Weise wie der
Wolf. Bekanntlich sah man früher in den Thieren am Helm dieser Köpfe über-
all Wölfe; Stephani entdeckte aber am Petersburger Exemplar Halsbänder, die
auch Gonze anerkannte (Beiträge S. 9, 4) und an n. 5 sich wiederfinden, und
nnabhäugig von ihnen bemerkt Bötticher (königl. Museen, Yerz. der Abgüsse,
n. 717 S. 440 der II. Auflage), dass am Helm des borghesischen Ares nicht
Wölfe sondern Hunde angebracht sind; von der Münchener Büste gilt das
Gleiche. — Üebrigens beruht die scharfe Scheidung zwischen griechischer und
römischer Kunst, welche Friederich^ hier und überall durchfuhren zu können
meint, unzweifelhaft auf einer Täuschung.
I
38 üeber einige Bronzebilder des Ares.
4. Im Museo Worsleiano, Visconti Taf. XIII 3; vgl. Conze im
archaeol. Anzeiger 1864 S. 216*. Nach der Abbildung ist die Stirne
stark gerunzelt, der Ausdruck zornig. Der Helm entbehrt jedes ReUef-
schmuckes.
5. Püblicirt in Gavaceppi's Raccolta II 21 als *eroe or esistente
in Annover presse il generale Walmoden.' Es ist sehr gewagt^ nach
dieser offenbar höchst unzuverlässigen Abbildung das Original zu bezeich-
nen als den schönsten aller Aresköpfe. Die Helmzierrathe lassen ver-
muthen, dass es dem unter n. 3 aufgeführten Exemplar sehr ähnlich ist.
6. In der kk. Ermitage in Petersburg; vgl. Stephani compte
rendu 1864 S. 123, 3.
7. Früher im Besitz des duca die Nemi; vgl. Visconti mon.
scelti Borgh. S. 36, 6 und Stephani a. a. 0.
8. Fragment in der Ambraser Sammlung in Wien; vgl. Conze
Beiträge S. 9, 1.
Wahrscheinlich gehört in diese Reihe auch ein Madrider Kopf,
den Hübner (Bildw. in Madrid n. 124) erwähnt, und mancher andere,
welchen die Kataloge ohne eingehende Beschreibung aufführen.
Der Typus, welchen diese Köpfe darstellen, gehört offenbar der
Erfindung eines berühmten Meisters an ; es wäre aber, bei dem Mangel
aller fesiten Anhaltspunkte, eiteles Wagen auf einen bestimmten Namen
rathen zu wollen.
Nicht wenig entfernt sich von diesem vielverbreiteten Typus ein
Statuenbruchstück, das von B. Stark gründlich und gelehrt erörtert
worden ist^). Es scheint mir aber, dass sowohl er als Hübnei*
den künstlerischen Werth dieser seitdem im Abguss verbreiteten
Skulptur bedeutend überschätzt haben. Wohl leuchtet ein Original
guter Zeit und attischen Ursprunges hindurch, aber die Arbeit ist in
fast allen Theilen flüchtig und flach. Indem der Kopist dem Kopfe
den Geist nahm, ist an Stelle kriegerischer Entschlossenheit ein un-
wirscher, zugleich gedrückter und blöder Ausdruck getreten. Die
Formen des erhaltenen Stückes vom Körper sind nicht jugendlich zart,
son(fem auffallend kümmerlich ; die hohe Stellung der Ohren ist viel-
leicht dadurch bedingt worden, dass der Helm nicht gehörig in den
Kopf gesetzt ist. — Es verdient hervorgehoben zu werden, dass unter
den aufgeführten Skulpturen diese allein Ares den hohen korinthischen
Helm giebt, während die gesammte Serie der Statuen und Köpfe,
') Ber. d. sächs. Ges. 1864 S. 173 fgg.
üeber einige Bronsebilder des Are«. 89
welche wir vorhin besprochen haben, übereinstimmt in der Form des
niedrigen, fast halbkugelförmigen und mit einer Stephane versehenen
Helmes. Dagegen ist bei den Aresbronzen der korinthische Helm die
Regel.
Dass die Statue einen Ares darstellte, scheint mir keinen Zweifel
zu leiden, und darch die Aegis selber bestätigt, welche hier nicht wie
zu vereinzeltem Gebrauch entliehen, sondern als zugehöriges Attribut
erscheint^). Hingegen sehe ich nicht ein wie sie berechtigen könne,
diesen Ares als Ares Soter zu bezeichnen'). Denn die Aegis deutet
nicht auf ein besonderes Amt des Gottes, eine einzelne Seite seines
Wesens und Wirkens, sondern ist klares Symbol seiner ursprüng-
lichen Natur als Himmelsgott, lieber die Bedeutung der Aegis selber
bedarf es ja kaum eines Wortes. Das mythologische Wesen des Ares
redet vernehmlich aus der Hias. Sie lässt den verwundeten dröhnend
aufbrüUen gleich neun- oder zehntausend Mannen iu der Schlacht, und
dann mit dem Gewölk zum Himmel fahren:, 'also erscheint die
glänzende Luft zwischen den Wolken, wenn die Hitze durch den scharf-
wehenden Wind vertrieben wird.' Von Athene mit einem mächtigen
Stein getroffen, deckt er niederstürzend sieben Hufen Landes und um
ihn rasselt seine Rüstung 3). Das sind vereinzelte Naturlaute einer
gewaltigen Bildsprache, die wie aus einer anderen Welt des mytholo-
gischen Glaubens und Ausdruckes in die homerische Darstellung hin-
einklingen. Die alte Naturbedeutung, wiewohl poetisch umgesetzt,
lebt auch noch fort in den Schilderungen, welche römische Dichter
von Ares entwerfen wie Statins:
') Brustbilder auf Münsen, wie das des Marc Aurel Cohen med. imper.
11 pl. 17, 369, mit Aegis über der Unken Schalter, Schwertriemen über den
Rücken und Lanze, einen Lorbeerkranz am den Kopf, scheinen mir jedesmal
den Kaiser als Mars daranstellen.
') Die Entwiokelung Starke nimmt ihren Ausgang von einer irrthüm-
liehen Auffassung. Christodor 96 beschreibt ein Erzbild des lulius Caesar, das
auf der Schalter die Aegis trug, wie das Madrider Fragment, in der Rechten
den Blitz hielt: ota Z€vs viog alXog, Dies heisst nicht 'als lupiter luvenis',
sondern, nach einer der jüngeren epischen Sprache sehr geläufigen Formel: als
ein anderer, ein zweiter Zeus. Ueberdies ergiebt sich, wie mir scheint, aus
Starks ParaUelisirungen und Kombinationen gar keine Berechtigung, auf Ares
einen Kultusbeinamen zu übertragen, den wir nur in Verbindung mit anderen
Gottheiten nachweisen können.
•) JE 859 fgg., * 406 fgg.
40 Ueber einige Bronzebilder des Ares.
ille furentes
Bistonas et Geticas populatus caedibos urbes,
turbidus aetherias currus urgebat ad arces,
fulmine cristatum galeae iubar armaque in auro
triBtia, terrificis monstrorum animata figuris,
incutiens; tonat axe peius clipeique cruenta
lux rubet, et solem longe ferit aemulus orbis.
hunc ubi Sarmaticqs etiamnum efSare labores
luppiter et tota perfasum pectora belli
tempestate videt *talis mihi, nate, per Argos,
talis abi, sie ense inadens, hac nubilus ira* etc/
Ein sehr später anonymer Dichter singt in einem kurzen Hym-
nus auf den Kriegsgott:
tu crista galeaque rubes, tu pulcher in auro
incutia e vultu radiantia lumina ferro (terrae?),
te thorax galeaeque tegunt, non quo tibi terror
hostilis subeat, sed quod decor exit ab armis.
tu cum pulsatum clipei concusseris orbem,
immugit raundus, tellus tremit, aequora cedunt.
Bei Virgil heisst es:
sanguineus Mavors clipeo intonat.
Damit vergleiche man Kallimachos:
aAfjx Ol AQTjg
Ila^ycLiov jrQod'fkv^va TcaQtjaTa fiillev aelgag
ifLißakeeiv divyuiv anoxQvxpai de ^^ad'Qa,
vipod-e 6' iaiuagayr^os ymi dam da Tvipev dnwxy
äovQOTog' T^ (J' elili^ev ivoTtXiov' i'tQEf.ie d' ^Öoaf]g
ovQta xai /vsdiov Kgawciviov a% t€ dvaaelg
eoycLxiai IlivdoLO, q^oßqj <J' iogxfjoaro näoct
GaaaaXiTi' zolog yag a/t' dojridog sßgax^v fjxog^).
In diesen Stellen erscheint Ares deutlich als mächtiger Himmels-
gott, als Gott des düsteren Gewitterhimmels.
So ist es wohl auch nicht zufällig, wenn in der Ilias das Wüthen
des Ares dem finsteren Sturme verglichen wird 2); freilich konnte nicht
') Die hier abgedruckten Stellen sind folgende : Theb. lU 220 fgg., Meyers
antbol. Ist. 585, 5 ff.. Virgil Aen. XII 332, KaUimachos h. in Del. 133 fgg. Vgl.
Dracont. III 43.
') Y 51.
üeber einige Bronsebilder des Ares. 41
fehlen, dass eine Vorstellung, welche dem homerischen Dichter nur
noch ein poetisches Bild war, auch auf Heroen übertragen wurde ^).
Der Epiker Antimachos, welcher gern uralte Züge der Göttersage be-
nutzte, nannte die Aressöhne Deimos und Phobos Kinder der OveXXa ').
Erscheint Ares hier überall auf das Deutlichste als Gewitter*
Stürmer, so liegt darin doch nur eine Seite des Himmelsgottes be-
schlossen. Neben Zeus und ApoUon kam die lichte Hälfte seines
Wesens nicht zur Entfaltung, oder trat doch zurück im religiösen Be-
wusstsein einer verhältnissmässig jüngeren Zeit. Aber die uralten
Sagen von seiner Bewältigung durch die Biesen Otos und Ephialtes
und der Gefangenschaft im ehernen Fass, vom goldenen Vliess im
Hain des Ares weisen noch deutlich auf Licht und Sonne. Ares stellt
sich neben ApoUon, der gleich ihm aus Zeus herausgewachsen ist^),
>) So auf Hektor ^ 297, vgl. Nonn. Dion. 30, 126 und sonst
*) Fntgm. 45 StoU, ans schol. IL /Y~439. Ares selbst führt den Namen
Phobos in der kürstich gefandenen Inschrift von Seiinas, vgl. Benudorf die Me-
topen Ton Selinunt S. 27 £f.
*) Wie dieses geschehen konnte, lehrt der Zevi kqho^ (vgl. den Zevs Ivv-
ahog). Für diese Genesis, welche freilich nur in grösserem Zusammenhang feste
Begründang erhalten könnte, spricht auch der Umstand, dass der Hain in
Kolchis, welcher insgemein für den des Ares galt, von Hellanikos Hain des
ZeoB genannt warde «(schol. Apollon. 2, 406, Eratosth. catast. 19. Hygin 22).
An Stelle der petra ApoUinis bei Hygin fab. 141 tritt petra Martis in der-
selben Ensahlung bei Lactant. fab. V 9 und dem Mythogr. Yat II fab. 101. Auf
dem Silbergefass von Weddingen abgeb. in den Mitth. der ant. Ges. in Zürich
Bd. XY Taf. 13 ist Ares der Schwan beigegeben. Bezeichnend ist der Name
der Gemahlin des Ares X^va^ und der des Sohnes Beider 4>Uyvas. Der italische
Mars wird im ArvaUiede *Marmar* angerufen, und führt auf Inschriften den Bei-
namen 'LoQcetius*. Altitalische Kultusnamen des Ares giebt Lykophron wieder
V. 937 fg. (vgl. V. 1410) rdv t€ K^tiortovris ^fov | Kav^dov 3 Mafi((nov
onUrtiv Xvxov, Vgl. den Heliossohn KdvSaXog bei Diod. V 56, und lohannes
Schmidt a. a. 0. S. 97. Einen Mars Neton, der mit Strahlen ausgestattet war, ver-
ehrten die Bewohner von Acci, dem heutigen Guadix in Spanien, nach Macro-
bins I 19, 5, vgl. C. Inscr. L. II 3386 und Hübner im Hermes I S. 346 fg. Be-
zeichnend ist auch, dass öfters die leuchtenden oder sprühenden Augen des Ared
hervorgehoben werden , s. II. S 349, anth. lat. 585, 6 (Meyer). !kQiis nnd Ugeiog
aeheint mir einfach *der Starke\ and der Stamm derselbe wie in »(h- und
i(H', jl^iwy nnd ^Egitov, Doch mag in letzter Linie eine rein sinnliche Be-
deainng za Grunde liegen. •— Darob Vermahlnng mit Demeter Erinnys tritt
Area neben den Himmelsgott Poseidon: vgl. Kuhn in Zeitschr. f. vgl. Spraohf.
I S. 452 %g.
42 Ueber einige pronzebilder des Are«.
wenn er den Wolf als heiliges Symbol mit ihm gemein hat, und ein
Sohn von ihm Avxovqyot; und Avxatav heisst, gewiss nach alten Bei*
namen des Ares selber; wenn er in Sophokles König Oedipus Pest
verhängt Oy wie ApoUon im Anfang der Ilias die Pestpfeile versendet,
wenn er als Todesgott bei den Lakoniem QrjQshag heisst^), wie
Persephone in einem böotischen Kultus den Beinamen Gi^ga fOhrt'),
wie Artemis die Todesgöttin Jägerin ist und Hades Zkxygevg genannt
wird^). Es ist bedeutsam, dass Aeschykis, der gern alte religiöse
Formeln anwendet, den Chor der Ghoephoren (926) singen lässt:
efiols d' ig dofiov vov ^^ya^ifivovog
dutXovg liwv^ dmkovg ''^Qrjg.
Denn der Löwe ist bekanntes Symbol der Sonne und als solches^)
uraltes Bild verzehrender Gewalt und Vernichtung. Nach der Ilias ist
Artemis von Zeus als Löwe über die Weiber gesetzt, denn er habe
ihr verliehen zu tödten wen sie wolle; £uphorion und Lykophron,
indem sie aus einer veralteten Metapher der Kultussprache ein schillern-
des Epitheton machten, nannten den Lö#ven x^iQ^^^)- Selbst diese
Züge, welche den Sonnengott bezeichnen, kehren das düstere Wirken
hervor, ungleich häufiger walten Beziehungen auf Gewitter und Sturm.
Ares scheint von Apoll zurückgedrängt worden zu sein, dass sein
Wesen in dieser sinistren Richtung sich entwickelte, und der Grund
hiervon kann in örtlichen und geschichtlichen Verhältnissen gelegen
haben.
So mochte die bewölkte Physiognomie, das melancholische Wesen
des Ares aus dem Grund seiner mythologischen Naturbedeutung her-
') Soph. 0. R. 190 mit dem bezeichnenden Ausdruck €plfyei;Y. 27 heiast
die Peat nv^oQog ^<o;. Auch in diesem Wirken entspricht Ares der italische
Mars, welchen das AinraUied bittet, das Fieber abzuwehren. Denn dieselben
Gottheiten senden und bannen ein Uebel. Ares wirkt Geistesverwirrung Soph.
Ai. 706.
') Pausan. III 19, 7. 8, Hesyoh. Sff^irag 6 *EvvaXiOS nofm Aaxmaiv,
s) Paus. IX 89, 4.
*) Vgl. hierzu B. Schmidt Volksleben der Neugriechen I S. 227.
^) *Der Fenergott wird ein Geist der Vernichtung, ein verzehrendes und
fressendes Feuer, wie es von Jehovah gesagt ist*, Roohholz deutscher Glaube
und Brauch I S. 66. «
^) Vgl. B. 4» 481 ff., Meineke Analecta Alex. p. 84 fg. Es scheint mir
anzweifelhaft, daas der Löwe auf griechischen Sarko&gen und GrabmalerB als
Todessymbol aufzufassen ist.
üeber einige Bronzebilder des AreB. 43
vorgehen und erst durch jüngere Vorstellung und Kunst auf das
Liebesschmachten des Gottes und die Wechselfälle seines Verkehrs
mit Aphrodite bezogen werden. Zwischen uraltem Naturglauben und
kflnstlerischer Charakteristik liefen vermittelnd die Fäden von tausend
Beiwörtern und Formeln, welche religiöse Geltung und Fortpflanzung
genossen und dem Künstler die Hand leiteten; uns sind sie, bis auf
verstreute Reste, denen wir bei den Dichtem nachzugehen haben,
verloren gegangen. Und die religiöse Kunst der Griechen bewährt in
ihrem Entwicklungsgang Überall den fruchtbaren Trieb, urwüchsige
Motive und Züge primitiver Symbolik durch neue Beziehungen und
Kombinationen umzudeuten in allgemein menschlichem Sinn und ihnen
Inhalt dichterischer und ethischer Art zu verleihen. Hier oflfenbart sich
ein Widerspiel und Gleichgewicht von fromm beharrender Zähigkeit
und betriebsamer Erfindung, in welchem das hohe Wesen der antiken
Kunst zum guten Jheil gegründet ist. Diese Sätze wird dereinst die
'Kunstmjrthologie^ durch Verfolgung der typischen Göttererscheinungen
und Erforschung der Attribute und Symbole an vielen Beispielen er-
weisen können ; denn dieser BegriiF ist einer wesentlichen Vertiefung
fähig und bedürftig.
Zürich. K. Dilthey.
2. Die kunstgeschichtlichen Beziehungen zwischen dem Rheinlande
und Westfalen*).
Ich habe mir vorgeuommen, heute die kuDstgeschichtlichen Be-
ziehungen zwischen dem Rhein- und Westfalenlande zu besprechen.
Dies Thema beschäftigt sich zwar von vornherein mit einem Kunst-
material christlicher Cultur und dennoch dürfte es nicht im Widerspruch
stehen mit der Bedeutung des Tages, an dem wir das Oeburtsfest
jenes Genius begehen, welcher der dankbaren Welt den Himmel der
antiken Kunst und Kunstschönheit erschloss und als den Wiederschein
des gesammten Natur- und Geisteslebens treflFend und plastisch ver-
anschaulichte. Die Antike, die Vorgängerin und mit ihrer reichen
Schönheit wiederholt eine Hauptquelle der späteren Kunstphasen, ging
auch in der wissenschaftlichen Werthschätzung der Kunst des Mittel-
alters und der Neuzeit voran. Indem Winckelmann in seiner Kunst-
geschichte den Nachfolgern für immer die Gliederung des vorraittelalter-
lichen Kunstvorraths an die Hand gab, hat er nicht nur den frühem
ästhetischen Theoremen \) und antiquarischen Leistungen^) Richtung
und System verliehen, sondern damit auch der Kunst '), welche sich
diesseits der Antike entwickelte, ihre Stellung angewiesen und ihrer
Erforschung eine Grundlage bereitet. Denn wurde schon durch diese Ar-
beit der Geschichtswissenschaft überhaupt in ihrer Bedeutung und Dar-
stellung der dankenswertheste, wichtigste Dienst erwiesen, so hätte
ohne Winckelmann, ohne systematische Klärung der Antike die mittel-
alterliche Kunstwissenschaft, zumal der Engländer ^), wohl nicht so
leicht einen Halt gewonnen, Göthe, Foi*ster, Schlegel'^) und die Ro-
* Vortrag gehalten auf dem Winckelmannsfeste za Bonn am 9. Deoember
1872. For den Druck verbessert und mit ausführlichen Belegen versehen.
Die knnatgeschicfatl. Besiehangen zwischen dem Rheinlande u. Westfalen. 46
mantiker nicht so bald ein offenes, empfängliches Auge fflr den künst-
lerischen Nachlass des Mittelalters gehabt; und die reale, kritische
Eünstforschung von heute muss wiederholt ähnliche Mittel und Wege
nehmen, um ihr Material zu bewältigen, wie Winckelmann behufs
KlarsteUung der Antike.
Die „Griechische Baukunst bot doch in ihrem Entwickelungsgange
Aehnlichkeiten mit demjenigen der gothischen dar/' und wie lange
hat sich doch das Mittelalter mit antiken und urwüchsigen Motiven
befaetfen, wie viele von der Antike geleitete Experimente anstellen
müssen, bis es einen selbstständigen Kunststil, der seiner Herkunft
und Zeit entsprach, erzeugte. Der Westen und Süden konnten sich
dabei einer antiken Erbschaft von Kunst und Künstlern bedienen, —
die Länder des Nordens, Westfalen auch, entbehrten dieser Yortheile :
diese konnten erst an der allgemeinen Cultur- und Kunstentwickelung
Theil nehmen, als ihnen mit dem Christenthum der Beruf zu einer
hohem Givilisation und die Verbindung mit dem culturreichern Westen
überkommen war. Dass das Rheinland dabei eine wichtige Rolle gespielt,
und schon früher westlalische Stämme dem Rheine freundlich oder
feindlich sich genäheil haben, scheinen besonders auch die Sagen nach-
klingen zu lassen, die Kunde von den Nibelungen wäre von Männern
aus Münster und Soest zuerst an den Rhein, und der Leib des Hai-
monskindes Reinold von Köln nach Dortmund gebracht*).
Doch waren es, soweit sich nachweisen lässt, nicht die benach-
barten Rheinlande, welche in Westfalen zuerst die Keime der Kunst
einsetzen sollten, es waren die westlichem Gebiete, wo die Wiege der
Karolinger gestanden und wo die Reibung von Deutschen und Wälschen
geistige und ästhetische Interessen zeitig gefördert hatte. Die fränkische
Princessin Ida verschönert in Westfalen ihren neuen Wohnsitz Herz-
feld an der Lippe mit einer Steinkirche, indess das Land rihgsher für
die Qottejshäoser wie für die Wohnungen nur den Holzbau, zu hand-
haben verstand ; Herford errichtet seine Stiftsgebäude ad exemplum des
Frauenklosters Soissons und Korvei, und dies neue Licht an der Weser
baut sich ähnlich an, wie das Mutterkloster Corbie an der Somme.
Westfalen aber geht fortab mit den ihm gebrachten Anregungen und
Colturkeimen so haushälterisch um, dass es bald unter dem segens-
reichen Schirm der Ottonen mit dem stammverwandten Sachsen einen
Galtnraufschwung nimmt, wie ihn das Rheinland später und dafür
auch gewaltiger seinem Strome, seiner Lage und altern Kunsterbschaft
abgewinnen sollte. Inuner reger stampft es auf dem Boden der Kunst,
46 Die konatgrascbichtl. Besiebungen zwitchan dem Bheinlande n. Westfalen.
immer weiter greifen die Pläne, und weil dagegen die heimischen
Kräfte noch zurückstanden, berief die vornehme Dame Marcsuidis
939 für den Neubau des Klosters Schildescbe Zimmerleute, Maurer
und Steinwerker aus Franzien^), und als kaum hundert Jahre später
die nordischen Domplätze wie mit Gewalt eine Kunstblüthe zeitigen
wollten, liess Bischof Meinwerk von Paderborn (1009—1036) seine
Bussdorfkirche ad similitudinem der Grabeskirche zu Jerusalem und
die zierliche Bartholomäuskapelle durch italiänische Griechen, —
andere seiner vielen Baupläne vielleicht durch die von Cluny berufenen
Benedictiner ausführen. Jeder Künstler, jedes fremde Kunstmotiv war
ihm in der kunstarmen Heimat willkommen, und so mochte ihm die
wechselvolle Säulenanordnung in der Krypta zu Emmerich, mit der ihn
gewiss seine Familienbeziehungen zum Niederrhein bekannt gemacht
hatten, als nachahmenswerthes Muster beim Bau der Abdinghofer
Krypta^} seines Bischofssitzes erscheinen.
Kaum dreissig Jahre nach Meinwerks Heimgange 1068 bestieg
den Bischofsstuhl zu Osnabrück ein Mann, der in sich das verkör-
perte Bild des staunenswerthen Kunstlebens seiner Zeit darstellt,
eine Grösse, die, nachdem sie früher auf verschiedenen Kaiser*
pfalzen und Domplätzen gebaut und geleuchtet hatte, noch als
Greis mehrere Male na«h Speier reisen muss, um durch geschickte
Substructionen den neuen Kaiserdom vor den reissenden Unterspülungen
des Rheines zu schützen und vielleicht auch im Baue zu fördern '). —
Diese That Benno's von Osnabrück bezeichnet eine namhafte, indess
vereinzelte und persönliche Kunstbeziehung Westfalens zum Rheine,
und ebenso gering dürfte für damals der Kunstaustausch des Rheines
nach dem Nachbarlande hin anzuschlagen sein. Will man audi die
Ansicht eines verdienten Bauforschers, als ob in Köln seit 1059 der
romanisch-vaterländische Stil entwickelt und von dort zunächst nach
Westfalen und Sachsen übertragen sei^^), nicht unbedingt v^werfen,
so kann dieser Einfluss weniger das Systematische als das Stilistische,
als die Stilfeinheiten der Bauwerke betroffen haben, und anderseits
bleibt zu beachten, ob nicht Benno's regsame und darum so viel be-
neidete Wirksamkeit in Köln an jener rheinischen Bauentwickelung
seinen Antheil habe. Angeregt von der Werkthätigkeit des ^esammten
Sachsenlandes konnte Westfalen damals an manchen Werken die Er-
fordernisse eines Stil- und Schönheitsbaues selbstständig herausarbeiten
und wenigstens hier und dort mit den gesteigerten Kunstbestrebungen
des Niederrheines wetteifern: das geschah zu Soest, wie die ält^n
Die koitftgMchiohiL Beriehungen zwischen dem Rheinlande q. Wastl&leo. 47
basilikalen TheQe des Domes zeigen und das geschab an der Kloster-
kirche zu Iburg bei Osnabrück, wie die Baureste mit dem Eckblatt
und die rühmlichen Berichte von Augenzeugen ergeben: es war ja
Benno^s eigenstes, angelegentlichstes Werk!
Auch im entwickelten romanischen Stile sucht man in Westfalen
charakteristische Merkmale rheinischer Kirchen vergebens: versteckte
Portale, Kuppelbauten, Doppel* oder flankirende Thürme sind als ver-
einzelte und, weil nie vereinte, Erscheinungen schwerlich auf ein
rheinisches Muster zurückzufahren. Und wenn schon in frühromanischer
Zeit die Sculpturen und Kleinkünste des Domes zu Münster einem
Kölner Bewunderung abnöthigen^'), sollte dann die Architektur, die
Grundlage der iibrigen Künste, nicht schon eine entsprechende selbst-
ständige Durchbildung erfahren haben! Es wurde in der That der
bei der Christianisirung eingeführte Steinbau im 11. Jahrhundert immer
allgemeiner, wahrscheinlich bald darauf den meisten Dorf- und Land-
kirchen zu Theil, es wurde nun die Wölbung an Krypten, Altaren
und Kapellen so weit gehandhabt, dass sie früh im 12. Jahrhundert
schon die grösseren Bäume der Abseiten, etwas später die ganze
Kirche bedecken konnte ; und mit der Technik wurde die Form so leicht
beherrscht, dass man bald nach der Mitte des 12. Jahrhunderts die
seither nur an Krypten und Kapellen versuchte Hallenform auch an
grossen Gotteshäusern zu Ehren bringt.
Drei Schiffe gleich hoch, das Mittelschiff breiter als die Seiten-
schiffe, das Fehlen eines Kreuzbaues, einfache Thurmanlage, hohe und
kahlere Dachbildung stellen die erst in der Gothik ausgebildete ge-
wöhnliche Hallenkirche dar, und wenn diese auf den malerischen
Wechsel verzichtet, welchen eine Basilika im Grund- und Aufrisse ent-
faltet, so bietet sie dafür nicht weniger eine ernste Einfalt wie licht-
volle^ Anordnung ; und wenn ihre schlichte Gestalt in Werksteinen noch
Perlen der zieiliphsten Schönheit, wie die Lambertikirche zu Münster
und die Wiesenkirche in Soest, aufzuweisen hat, so empfahl sie sich ganz
vorzüglich den grossen Baurevieren des schematischen und weniger
bildsamen Ziegelsteines. Ich habe hier nicht genauer auf die örtlich
und fbrmel verschiedenen Versuche Westfalens einzugehen, eine ent-
wickelungsf&hige Hallenform herzustellen; ich will hier nur hervor-
heben, dass ohne Zweifel die um 1173 begonnene Ludgerikirche zu
Münster zuerst jene fruchtbare Hallenform anstrebt, welche im
Anschlüsse an die Gewölbeeintheilung der romanischen Basilika die
charakteristische Gleichzahl der Joche in allen Schiffen und demge*
48 Die kanstgeschichtl. Beziehungen zwischen dem Rheialande u. Westfalen.
mäss die gleiche Stärke aller Stützen bedeutet ^'). Nachdem das System
mit Hälfe des Spitzbogens seine Vollendung erlangt hat, verdrängt es*
im Norden, Osten und Süden Deutschlands weiter und breiter die Basi-
lika, es gefällt noch im Spätmittelalter dem Italiener Enea Silvio so
wohl, dass er als Papst (Pius II) unter den stattlichen Bauwerken,
womit er seine Heimaih Pienza verschönert, (1462) auch einen Dom
in Hallenform aufführte ^''). Hätte ihr das Rheinland auf die Dauer
widerstehen sollen? Sie wagt sich am Mittelrhein freilich nur mit
kleineren Werken zwischen die stolzen Basiliken, dafür findet sie am
Niederrhein, in Westfalens Nähe, eine um so freundlichere Aufnahme
und entfaltet ihr ganzes Wesen, man möchte sagen, grossartig in der
Nicolai-Pfarrkirche zu Calcar **), obgleich St. Victor zu Xanten in allen
basilikalen Schönheiten aufstieg. Hier sollte das einfache System
später noch eine eigenthümliche Umbildung erfahren und damit sogar
wieder Einiluss nehmen auf die westfälische Heimath.
Hat die romanische Kunst bloss bauliche Einflüsse unter beiden
Ländern gekannt? Wenn auch in andern Kunstgattungen ein Verkehr
bestand, so darf man ihn von vornherein dem Niederrhein und dem
Westtheile Westfalens zuschreiben. Diese Gegenden haben lange Zeit
einen so wohlthuenden Wechselverkehr unterhalten, ¥rie ihn die enge,
durch keine Naturhindernisse gestörte Nachbarschaft, die ähnlichen
Boden- und Nahraogsverhältnisse begründeten und der dem Mangel des
einen Landes zu Gute kommende Ueberfluss des andern befestigte.
Hier wie dort will der romanische Stil ungern der Gothik weichen.
Der Westfale hatte hier den Rhein und Rheinverkehr am nächsten,
der Niederrhein und der Westfälische Grenzsaum benutzten, beide arm
an gewachsenen Steinen, ursprünglich den weithergeholten Tufltetein,
auf die Dauer jedoch als Füllung den Ziegelstein und als Werkstein
für die feinern Theile den bildsamen Bruchstein. Westfalen konnte,
wie es vom Rheine vereinzelt den Tuffstein bezogen, dahin, nur massen-
hafter, seinen Bruchstein zurückgehen lassen. So lieferten die Baum-
berge (östlich von Coesfeld) ihren hellgelb-weisslichen und verarbeit-
samen Sandstein in stärkern und leichtern Stücken über die Ostgrenze
des Landes und nicht weniger über die Westgrenze, ja nach dem
Niederrhein hin so massenhaft, dass er von Wesel, wo «r gelagert zu
sein scheint, nach den einzelnen Bau- oder Bedürfnissstätt^n des Nieder-
rheins vertrieben wurde. Die Xantener bestellten ihn sogar für die
feinern Details ihres Domes in der gewünschten Grösse und Form
an den Brüchen*^). Nördlich von den Baumbergen und dem Nieder-
Die kanstgescluchtl. Benebungen zwischen dem Rbeinlande u. Westfalen. 49
rhcin nicht ferner bargen die Gruben von Gildehaus und die noch
altem von Bentheim einen harten, körnigen, dunklern oder gelberp
Sandstein, und ihnen entstammt wahrscheinlich ein romanischer Tauf-
stein der Kirche zu Wissel bei Calcar. Seine Base ist viereckig, der
Ständer rund und in regelmässigen Abständen von löwenartigen Thier-
gebilden besetzt, die aufrecht so nach aussen sehen, dass über ihren
Köpfen mittelst eines Wulstes das Becken ausladet; das runde, tief
ausgehöhlte Becken umzieht oben zwischen zwei Tauverzierungen ein
Rankenge winde mit Blättern und viereckig umrandeten Trauben, unten
legen sich aufrechte palmettenartige Blätter herum, jedesmal im Felde
der vier Löwen des Fusses unterbrochen von zwei Menschenköpfen ~
Alles möglichst steif und schematisch. Zeigte auch der rohe Stein
nicht auf die Bentheimer Brüche, so gleicht das Ganze schon so sehr
einer Beihe westfälischer Taufsteine, dass man ihm wohl nur dieselbe
Herkunft beilegen kann wie diesen ; diese finden sich aber wie im
Halbkreise um die Brücke verbreitet in den Kirchen des Emslandes
und Westfalens, mir einzelne haben sich weiter in den Norden oder in
die Mitte des Landes zerstreut. Sie zeigen zwar namentlich im Or-
nament des Beckens und in der Zahl der Tauverzierungen grössere
oder geringere Abweichungen — allen gemeinsam ist im romanischen
Typus die viereckige Base, der runde mit aufrechten Gestalten um-
stellte Ständer und das über den Köpfen desselben ausladende runde
Becken. ") Da auch einfachere Formen im Innern des Landes den
Bentheimer Stein verraten, so liegt die Annahme nahe, es wären bei
den Bentheimer Brüchen in romanischer Zeit Taufsteine handwerks-
mässig angefertigt und nach allen Richtungen nach Westfalen, wie
nach dem Emslande und Niederrhein käuflich verschickt worden.
Jedenfalls hat auch der zweite Taufstein zu Wissel dieselbe Herkunft,
wie Fuss nnd Becken dieselbe Form, nur dass das letztere durch die
dicke Tünche als Flächenzier bloss mehr eine gewisse Quadrirung
scheinen lässt.
Die Kunstbeziehungen innerhalb des romanischen Stils sind
gewiss lehrreich, sie treten indess nur zufällig, nur vereinzelt nach
Ort und Gattung auf, wenn wir sie mit jenen der Folgezeit ver-
gleichen, wo sich neue politische, cultur- und kunstgeschichtliche
Hebel einsetzten, um beiden Nachbarländern einen so warmen
Wechselverkehr zu bescheeren, dass für Jahrhunderte ein Hin- und Her-
wogen der Motive ermöglicht wurde. Den Wendepunkt bildet auch
hier das 13. Jahrhundert. Die Auflösung des sächsischen HerzojEcthuras
4
60 Did kirastgetchichtl. Beziehungeii zwiichen dem Bheinlaade %l Westfalen.
hatte Westfalen vom Osten losgerissen und die Hälfte des Landes,
dessen grösserer Umfang kirchlich schon längst dem Erzbisthum Köln
untergeben war, diesem auch politisch einverleibt. Dort wie hier
erbiahten in Freiheit die Städte, und um die Segnungen des Handels
und W^arenvertriebs möglichst vollständig zu gemessen, verbanden
sie sich zu Schutzbündnissen gegen Wegelagerer und jede Art von
Verkehrsstörung. In dem städtischen Handelsverband, der als Hanse
den ganzen Norden bis nach England und Bussland umschlang, bildeten
schliesslich Westfalen und der Rhein unter der Metropole Köln ein
Verkehrsglied i^), beherrschten Köln, Münster, Soest und Dortmund als
Hauptinteressenten des Londoner Stalhofes den deutschen Handel in
England. Die Städte zeitigten somit zuerst einen Wechselverkehr der
profanen Lebensinteressen, welcher weit über die Grenzen des eigenen
und des Nachbarlandes hinauswogte, sie traten dadurch immer
wirkungsvoller als die' Angelpunkte der Cultur in den Vordergrund
und sie haben auch die Pflege der Künste in die Hand genommra
und fortgesetzt, grade als die KlQster und Domplätze dem Richtscheit,
Meissel und Pinsel entsagten, und von Frankreijch eine neue Stilart,
die Gothik, herüberkam, welche triumphirend den einen Bauplatz nach
dem andern, die eine Kunstgattung nach der andern den herkömm-
heben Formen entriss und den ihrigen mit unerbittlicher Gonsequenz
unterordnete.
Auch der erweiterte Lebens- und Gesichtskreis vermag den
Westfalen nicht zu bestimmen, so schnell und entschieden, wie das
Rheinland, dem neuen Stile zu huldigen ; fest verwachsen mit dem Cre-
wohnten muss er dessen Formen erst gehörig, man möchte sagen, noch
an der Hand der romanischen Kunst sich einüben und einprägen, be-
vor er sie rein und lauter zur Geltung bringt, und selbst, wo er sie
beherrscht, vermag er noch so wenig durchgreifend mit dem Alt^ zu
brechen, dass er neben seiner Hallenform keine gothische Basilika
aufkommen, die stolzesten Thurmbauten, wie früher, ohne Streben auf-
steigen lässt und das Omamentale schlicht, aber klar handhabt Und
welche Selbstständigkeit, Werkthätigkeit und Meislerschaft hat sich
in diesem westfälischen Baukreise entwickelt, zumal an den Glanz-
punkten Münster, Dortmund und Soest? Soest, die alte, volk- und
verkehrreiche Stadt setzt seine Bauthätigkeit auf der breiten GfUnd-
lage der früheren Zeit fort, den rheinischen Einflüssen, so nahe sie
auch der rege Verkehr mit Köln legte, nur geringe Goncessionen
machend; in Dortmund werden in das von 1296—1506 reichende
Die kimsigesobiohtL Boriehongen ewisohen dem Rheinlande u. West&leii. 61
Bflrgerbach neben den Gewerbetreibenden und Kaufleuten beinahe Jahr
i&r Jahr Vertreter der monumentalen und Kleinkünste eingetragen,
80 besonders Steinmetzen, Zimmerleute und Maler, jedoch mit zwei
Ausnahmen, sämmtlich Westfalen; und wenn man in der Heimat
und im Auslande von Münster erzählte, seine Liebfrauenkirche, be-
gonnen 1340, sei von Johann, dem Sohne des weltbekannten Strass-
burg^ Dombaumeisters Erwin von Steinbach aufgeführt, oder seine
Lambertikirche, begonnen 1375, wäre von Tyrolem erbaut, so wollen
diese Sagen, deren Einzelbestandtheile entweder falsch oder unerwiesen
sind, gewiss weniger die Erinnerung, dass die Gothik als fremdländisches
Gewächs auch hier eingebürgert sei, als die Thatsache bestätigen, dass
sie sich hier in Werken verkörpert habe, welche den grössten Meistern
des Auslandes Ehre machen könnten. In der That sahen diese beiden
Eirchenbauten im Kleinen, wie der Kölner Dom im Grossen, als sie
eben ihre schönen Glieder zeigten, ihre verkleinerten Abbilder rings-
h&c auf dem Lande erstehen. 1405 wird ein Meister Kurd von Münster
mit seinen Gesellen zum Ausbau des Rathhaus^ nach Bremen be-
rufen und der Meister der Albrechtsburg zu Meissen (1471— 1483), jenes
«grossartigen Prachtwerkes^, Arnold Bestürling, war ein Westfale'^).
West&lens Anhänglichkeit an den romanischen, Westfalens
Sdbständigkeit im gothiscfaen Stil fällt um so mehr auf, als seit Mitte
des 13. Jahrhunderts Köln an einem basilikalen Dombau arbeitete,
der an Grösse und Pracht in allen Landen seines Gleichen nicht sehen
soDtOy und der noch als Torso, schon mit seinem Haupte, so gewaltig
imponirte, dass man die schönsten Bauten der Umgegend nach seinem
Vorbilde anlegte. Wir lassen es dahin gestellt, ob gewisse Profilirungen
der Beinoldikirche zu Dortmund nach rheinischen Mustern gezeichnet
sind, ob die beid^ in's dortige Lagerbuch eingetragenen Steinmetzen
aus Kettwig in der Köliier Hütte gearbeitet haben : Thatsache ist,
dass, wo Westfalen durchgehends einfachere Grundrisse liebte, die
reichen Grundrisse des Hauptchors und der Seitenchöre der Petrikirche
zu Soest unter dem überwältigenden Eindrucke des erstehenden Kölner
Domchores gqilant sind; und wahrscheinlich ist, dass man dort später
den der Hallenform eigentlich fremden Poppelthurmbau der Wiesen-
kirche rheinischen Mustern nachgebildet hat Im Ganzen bleiben diese
Imitationen ohne Nachfolge, und nur vereinzelt, wie sie sind, dürften west-
fälische Werkleute einem Johann von (Dren)Steinfurt (1368) nach
Köln gefolgt sein, die dortige Werkhütte zu besuchen, die Technik
und Formhandhabung für sich auszunutzen ^^),
52 Die kanstgeschichtl. Beziehungen zwischen dem Rheinlande n. Weat&len.
Eine architektonische Einwirkung auf Westfalen ging nicht
80 sehr von Köln, als vom Gievischen Niederrhein aus und vollzog sich
in einer modifidrten Hallenform, die weniger durch ihre Schönheit,
als durch ihre Mittelstellung zwischen Hallen- und Basilikensystem,
und weniger durch ihre Verbreitung, als die Art dieser Verbreitung
unsere Aufmerksamkeit erweckt. Diese seltsame Zwitterform zu ent-
wickeln, winkten einmal vom SUden der Dom zu Köln und die Victors-
kirche in Xanten zu schön und mächtig, um die BasiUkenform nicht
als die vornehmste und üppigste zu bewundern, anderseits gefiel in
der westfälischen Nähe die einfache Schönheit der Hallenkirche so
sehr, dass eine an Bruchsteinen arme Landschaft sie schwerlich hätte
umgehen können. Während man der grossen Nicolaikirche zu Calcar
ganz unverkürzt die Hallenform gab, verzwitterte diese sich mit der
Basilika in einer Gruppe von Bauten, als deren Mutter die 1341 be-
gründete Stiftskirche zu Cleve dem Alter wie dem Typus nach gelten
dürfte. Von ihren drei durch einen Doppelthurmbau im Westen abge-
schlossenen Schiffen erweitern sich die Seitenschiffe erheblich über die
halbe Breite des Mittelschiffes und steigen so hoch empor, dass die
eine Oberwand des Mittelschiffes nur mehr kleine Oberlichter, die
andere bloss Blenden zeigt. Ein Kreuzschiff ist nicht mehr ausgebildet,
dafür treten^ wie zu Xanten, die Chöre der Seitenschiffe bedeutsam
heraus ; oder man müsste die zwei kleinen, aus den Langwänden nach
aussen gehenden Kapellen, wovon eine als Taufraum dient, für eine
Beminiscenz des Kreuzbaues halten. Weiter . entwickelt finden wir
diese Form in der spätgothischen Pfarrkirche zu Geldern; denn hier
haben die Seitenschiffe mit dem Hauptschiffe annähernd die Breite und
völlig die Höhe gemein, den östlichen Absc|ilu3s bilden drei Chöre —
zwischen Chor und Langhaus erhebt sich ein stattlicher Kreuzbau mit
weit ausladenden Armen, deren Gewölbe jederseits auf einem Pfeiler
in der Flucht der Langmauem ruhen. In den kleineren Landkirchen
haben sich, von der Chorbildung abgesehen, die basilikalen und Hallen-
bestandtheile so verbunden, dass nur ein Westthurm, keine Kreuzarme
geplant, die Mittelschiffe wenig höher, ohne Lichter, höchstens mit
innem Blenden emporgezogen sind: so bei den Kirchen zu Uedem,
Keppeln und theilweise zu Weeze. In dieser Umgestaltung kehrte das
Hallensystem vom Niederrhein wieder nach Westfalen zurück, so zwar,
dass die grosse 1415 begonnene Pfarrkirche zu Bochold, die dem
Rheine nächste und frühste dieser Art, ähnlich den grösseren Vorbildern
des Rheines, noch einen vortretenden Kreuzbau erhielt, die kleineren
Die kunstgeBchiohil. Beziehungen zwiM)hen dem Rheinlande u. Westfalen. 68
and spätem Kirchen zu «Ramsdorf, Senden und Greven, ähnlich den
kleinem, dem Rreuzbau entsagen, in allen drei Schiffen wohl dieselbe
Känipferhöhei aber in den Abseiten niedrigere Gewölbe, hohe mit dem
Gesimse wohl durchs Dach schauende Oberwände und demgemäss licht-
arme Gewölbe des Mittelschiffes zeigen. Nichts Angenehmeres kann
es für den Forscher geben, als eine Erscheinung, wie diese Bauform,
hier stufenweise aufkommen und doi;thin in regelmässiger Folge von
Zeit und Ort überspielen zu sehen; denn, wie diese Form von Cleve
aus am Niederrhein die Runde macht, so nimmt sie von der west-
fälischen Grenzstadt Bochold eine fast nordöstliche Richtung auf
Münster (Greven), als ob die Baumeister sie vom Westen immer weiter
ins Land hineingetragen hätten. Sie steht ästhetisch, weil ein Mittel-
ding, den ausgebildeten Formen nach, sie hat nur eine locale und
ephemere Bedeutung, sie erscheint als ein Auswuchs der haltlosen und
schwankenden Spätgothik, welcher der ernste Geist der Construction
abhanden gekommen und desshalb jede Neuerung lieb war. Indem so
am Ende Stil und Formen in sich selbst entarteten, konnten am
Niederrh.ein wie im benachbarten Münsterlande (Stadtlohn, Buldera,
Darup) noch andere abnorme Gestaltungen zu Tage treten, welche im
Allgemeinen ein niedriges Seitenschiff (an der Nordseite), in der nörd-
lichen Oberwand keine, in der südlichen Langwand des Hauptschiffes
um so grössere Lichter erhielten, und im Besondem so viele Ver-
schiedenheiten darstellten, dass diese schwerlich unter einen allge-
meinen Begriff zu befassen sind.
Mit so schwachen Gaben mochte auch der Rhein seine alten
Verbindlichkeiten gegen Westfalen nicht abtragen — erfreulicher und
epochemachender wirkte die Kölnische Malerschule ein, und Westfalen,
wo im 14. Jahrhundert die Malerei einen Ruf hatte,, dass ein Meister
Philipp Herman (f 1392) von Münster die älteren Glasgemälde des
Domes zu Metz fertigte ^°), hätte gewiss seine heimische Weise der
Kölnischen nicht so willig geopfert oder angeschlossen^ wenn beide
lÄnder durch die neue Kunstauffassung nicht die zartesten Saiten
ihrer Seelenstimmung gemeinsam berührt gefunden und darin nicht
gleiche Fühlung gehabt hätten. Freilich war sie schon, als Meister
Philipp Herman in Metz malte, so überwältigend, so reizend in
Köln bethätigt, dass sie von dort die auswärtigen Schulen entweder
neben sich in den Schatten stellte oder zur Nachfolge einlud ; denn
gestützt auf eine uralte Schild-, Wand-, Glas- und Büchennalerei, in
den Mitteln und Anschauungen bereichert von dem bunten Weltverkehr
/
64 Die kunstgeschichtl. Beziehungen Ewiiohen dem Rheinlande u. Westfalen.
ZU Wasser und zu Lande, beherrschte die reiche, schöne, heilige Stadt
den ergiebigsten Boden, uin, wie in der Architektur, nun auch in der
Malerei Epochemachendes zu leisten und grade in der Tafelmalerei
Form, Idee und Farbe zu den hehrsten, innigsten und mildesten Dar-
stellungen zu vermählen.
Im zweiten Viertel des 14. Jahrhunderts culminirte diese in ver-
schiedenen Schulen geübte Malweise in dem Meister Wilhelm, der
schlechtweg als der „beste Maler in allen deutschen Landen'^ als der
Meister aller Meister gepriesen ward, und so wenig befangen künst-
lerten diese Schulen weiter, dass sie bereits vor 1449 auch die Oel-
malerei^O angenommen hatten. Dem Zauber der Kölnischen Gemälde
unterwarfen sich Bildhauer, Steinmetzen, Schnitzer und nicht minder
die Miniaturmaler welche sich sonst so gerne, unbekümmert um jeden
Stilzwang, in den freisten und heitersten Launen und Einfällen ergingen.
Denn das verleiht überhaupt dem mittelalterlichen Kunstleben einen
eigenthümlichen Beiz, dass bei dem nahen Verbände aller Zweige der eine
von dem andern lernte, fast dessen Stil annahm, wenn er ^ch hervor-
gethan hatte ; hat man doch auch nach Siegeln gemalt und geschnitzt
und die Siegelbilder wieder nach freien Bildwerken bearbeitet 1
Die Westfalen sind vielleicht die Ersten gewesen, welche die
heimische Malweise der Kölnischen näherten, weil diese mit ihrem
hehren Idealismus der zartesten Seite des westfälischen Herzens ent-
sprach. Noch nicht erklang der Name des Meisters Wilhelm durch
die deutschen Ateliers — 1320 schon malt in Köln ein Johann von
Münster, und wie schnell ihm andere Landsleute folgten, um entweder
dort oder heimgekehrt ihr Vaterland mit den idealen Gebilden des
Rheines zu zieren, das zeigen wieder Tafelgemälde zu Soest. Diese
Stadt, mit der rheinischen Metropole bis tief ins 15. Jahrhundert auch
politisch aufs engste verknüpft, hatte ihr im Handel und Kunstleben
so rüstig nachgestrebt; dass sie sich der ältesten Staffeleigemälde
Deutschlands rühmen kann, und sie, welche der Kölnischen Gothik so
bald ihren Weihrauch streute, schmiegt sich auch zuerst mit ihrer
Malerei der rheinischen Auffassung an. Bald ist diese im ganzen
Westfalenlande zu Hause, und immer zahlreicher erglänzen die Bilder
mit den hellen Farben, mit den weich gebogenen Gestalten, langen,
gefältelten Gewändern, den ovaleu Köpfchen, sanft gerundeten Kinnen,
fein gezogenen Nasenrücken, längen Händen, den mandelartigen Augw,
mit dem hochgewölbten Munde, kurzum mit dem holdseligen wie aus
einer andern Welt schauenden Antlitz — und alle diese Schönheiten
Die konstgeooliiohtL BenehaiigeD swiMhen dem Rheinlande u. WeiÜBden. (5
treten von dem goldenen Hintergrande nur um so deatUbher hervor.
Prägnant machen sie sich geltend an dem reichen Bildercyclus des um
1400 bemalten Missale der Bibliothek zu Münster, sie ziehen noch
1442 einen Maler Gerhard von Soest nach Köln^^), sie klingen bis 1479
nach in den zahlreichen Mihiatttren der westfälischen Fraterherren, sie
leihen den 1465 geweihten Altarbildern des Liesbomer Meisters eine
merkwürdige Anziehungskraft, indem darin sonst^ nach den paar con-
tinentalen Resten zu urtheilen, die kräftigere, festere Farbe, der mar-
kirte Gesichtsausdruck, das betonte Costüm und die opulenten In-
terieurs die Einflüsse der niederländischen Schule deutlicher aussprechen,
als bisher gegenüber dem Kölnischen Idealismus hervorgehoben wurde.
Da erst nach ihrer Aufstellung beim Kloster Räume pro variarum
artium exercitatione eingerichtet wurden, so hat sie wohl kein Lies-
bomer, am wenigsten ein Mönch mehr geschaffen, nur so viel ist
sicher, sie haben einen Meister altkölnischer Richtung, der sich mit
der niederländischen Aufiiassung vertraut gemacht hatte: ob einen
Niederlä<idery Kölner oder Westfalen, muss spätem Funden überlassen
werden*®).
Wir müssen auch, da wir die genauere Zeit und das Werk nicht
mehr kennen, darauf verzichten, die Stilweise des Kölner Malers Wil-
helm von Grevenbroch zu charakterisiren, von dem J. D. von Steinen
nur Folgendes mittheilt : „Wilhelm von Grevenbroch, so im fünfzehnten
Jahrhundert gelebt und ein Bürger und Glasschreiber zu Köln ge-
wesen, hat (ohne Zweifel durch Gelegenheit des Glasmalens) ein schön
Wappenbuch zusammengetragen, darinnen 1500 mehrentheils Gülichsche,
CöUnische, Bergische und Märkische Adelige, auch Wappen von König-
reichen, Königen, Fürsten, Grafen, Bisthümem, Städten u. s. w. mit
ihren Farben und Helmzierden anzutreffen. Ich habe es von dem
Freiherra von und zu Bodelswing, Gerichtsherren zu Mengede etc.
zum Gebrauche und daraus nicht geringen Nutzen gehabt
Wahrscheinlich unter dem Eindrucke der Kölnischen Schule
hatte sich in Westfalen mit dem 15. Jahrhundert die Zahl der Ateliers
für Maler und der ihnen nachbildenden Schnitzer so vermehrt, die
Technik, die Formgebung so vervollkommnet, dass Münster, Osnabrück,
Dortmund, Soest, (Paderbom,) vielleicht auch die Kleinstädte Meister
besitzen, denen von nah und fern die ehrenvollsten Aufträge werden.
Nahm doch 1474 König Christian von Dänemerk von einer Rheinreise
den westfälischen Bildhauer Daniel Aretäus mit an seinen Hof, kann
doch die westfälische Kunst bald am Rheine mit rheinischen und
56 Die kunstgeBchiohtl. Beziehungen zwischen dem Rheinlande u. WestfjEJen.
niederländischen Arbeiten v^etteifem. Die drei oder vier Decennien
vor und nach 1500 bezeichnen ohne Frage den Höhepunkt west-
fälischer Bildnerei und Malerei, wenn man auf Technik, Kunstfleiss,
auf eine gewisse Rettung des idealen Gehalts und den Buf sieht; dessm
sich ihre Meister innerhalb und ausserhalb der Heimath erfreuten.
Als die Achse dieser hehren Bestrebungen Westfalens ragt die Stadt
Münster glänzend hervor. Die den Bhein- und Niederlanden nahe
Lage, .ein stolzes reiches Bürgerthum, ein weitverzweigtes Handelsnetz
und eine nicht minder in allen Zweigen und Phasen bethätigte, noch
in manchen Monumenten bewunderungswürdige Kunstübung hatten ihr
längst den Namen der westfälischen Metropole gesichert, als ihr der
gesteigerte Wechselverkehr der Länder im 15. Jährhundert Gelegenheit
gab, das Licht ihres idealen, geistigen und künstlerischen Vermögens
in weitere Fernen strahlen zu lassen. Hier malten, um vorläufig nur
von der Kunst zu reden, die Fraterherren nicht nur, hier wurden alle
Künste so ruhmreich betrieben, dass der vielgereiste Humanist Johannes
Murmellius 1503 in dithyrambischem Lobe von Münster behauptet,
es stehe durch der Künste Vielzahl Athen gleich**).
Rheinland und Westfalen erleben nun ein se reges Hin- und
Hergehen von Künstlern und Stilweisen, und diese hangen wieder so
innig zusammen mit ausländischen Einflüssen, dass wir von dem Leiben
und Leben dieser gegenseitigen Strömungen nur eine dunkele Vor-
stellung bekommen würden, wenn wir nicht die allgemeingeschichtlichen
Fäden, wovon dieselben durchwebt sind, einigermassen entwirren und
klar legen. Dabei haben wir von vornherein die Niederlande mit ins
Auge zu fassen. Ihrer realistischen Malweise öffnen, vom Süden abge-
sehen, die rheinisch-westfälischen Ateliers immer weiter die Thore, und
wenn dieser tiefgreifenden Kunstwandlung auch allerwärts der allmählig
veränderte, auf das Leben und die Wirklichkeit gerichtete Geist der Zeit
entgegenkam, äusserlich wurde sie dadurch ermöglicht, dass gerade seit
der Mitte des 15. Jahrhunderts die Niederlande mit dem Rheine und
Westfalen eine allseitige, sich sogar auf die Schrift erstreckende, Gul-
tureinheit ausmachten, und dass darin das eine Land die Vortheile und die
nachahmenswerthen Leistungen des andern so leicht ausbeuten konnte,
wie nie zuvor. Dahin wirkten ausser den alten Handelsbeziehungen
eine Reihe von Fehden, Bündnissen, und Friedensverhandlungen, in
denen Gelderland, Utrecht, die Länder des Niederrheins mit Köln,
Münster und andere westfälische Herrschaften sich freundlich oder
feindlich berührten, die einen das Interesse der andern vertraten,
Die knuBigeBCliicfatl. Beziehungen zwischen dem Rheinlande ii. Westfalen. 57
deren Länder kennen lernten, oder worin sie gar mit einander be-
stimmte Verkehrsverträge schlössen. Schon der Vergleich, wodurch
der Münsterische Bischof Heinrich von Mors 1445 die Zwistigkeiten
mit seinem Utrechter Amtsgenossen Budolf beendete^ sicherte vor
Allem den gegenseitigen Verkehr and Handel für die holländischen
Städte OMensal, Campen, ZwoUo und Deventer, und von diesen Städten
werden uns die drei letztem als Stütz- und Ausgangspunkte hollän-
discher Kunst wieder begegnen. Die schon 1444 angezettelte Soester
Fehde führte die Kölner, die Clever und ihre Bundesgenossen; theils
als Freunde, theils als Feinde, ins Herz Westfalens und die ihr auf
dem Fusse gefolgte Münsterische wirbelte wieder die Kölner und die
niederrheinischen Streitkräfte mit allen guten und schlechten Folgen
durch das Münsterland und zog gegenseits die Westfalen wieder zu
Verträgen aufs rheinische Gebiet, so dass namentlich die Ausländer
von der Westhälfte Westfalens, vom Lande, von den blühenden Städten
und Städtchen, von deren alitäglichen und idealern Betrebungen
Augenschem nehmen konnten. Und etwa dreissig Jahre später (1474)
ziehen die Münsteraner, ihr Bischof Heinrich an der Spitze, an den
Rhein, um sich mit- Karl dem Kühnen, dem ehrgeizigen Herzog von
Burgund, zu messen. Wer einem Kriege auch noch so wenig gute
Folgen zutrauen will, wird nicht im Ernst bestreiten, dass selbst der
Feind, falls er nicht alles Menschengefühl abgeworfen, in Feindeslande
das Gute und namentlich die bildenden Künste mit Empfänglichkeit
auf sich wirken lassen kann.
Wirksamere Hebel des Culturaustausches hat allerdings der
Frieden, und als die eifrigsten Pfleger des ersteren haben sich für alle
drei Landschaften die Fraterherren Verdienste erworben, die bis jetzt
nur zu beiläufig, wenigstens nicht allseitig gewürdigt sind. Diese an-
spruchslosen Geistlichen hatten sich in der zweiten Hälfte des 14. Jahr-
hunderts in Nordholland zu einer Genossenschaft zusammengethan^ von
dort am Ilheine und in Westfalen in mehreren Häusern ausgebreitet, um
neben tief religiösen Uebungen den Wissenschaften obzuliegen, Bücher
abzuschreiben und kunstreich mit Miniaturen grossen Stiles zu be-
male. In Deventer übernahmen sie auch die Capitelschule und be-
gründeten die humanistische Bildung, jenes Ferment, welches geraume
Zeit die erleuclitetsten* Köpfe diesseits wie jenseits der Alpen zu ge-
meinsamer grossartiger Geistesthätigkeit vereinte. Während nun die
Fraterherren vom Rheine und Westfalen mit ihren holländischen
Bruderhäusem eine auch ihren Kunststil gewiss anregende Fühlung
68 Die kttostgeschichtl. Beziehungen swisohen dem Rheinlande n. Westfalen.
hielten, Yerbreiteten sich in den deutschen Nachbarländern die Huma-
nisten und Humanistenschulen vom Süden und besonders von Holland
aus und eröffneten für die drei Länder ein Netz des geistigen Verkehrs,
das in Deventer, Münster und Köln seine Knotenpunkte hatte. Köln
fällt als Sitz einer Universität, vieler und theilweise sehr regsamer
Klöstef, Gelehrten und Buchhändler für das Rheinland aufs schwerste
in die Wagschale und wird von den grössten Humanisten, auch von
Rudolf von Langen mit allem dichterischen Preise erhoben. Münster
hatte seine humanistische Domschule mit den trefflichsten Lehrern und
an deren Gründer, Rudolf von Langen, einen Vertreter der Bildung,
den die Humanisten von nah und fern aufsuchten und wegen seiner
Verdienste im überschwänglichsten Lobe feierten. Von allen Seiten
strömte hierher die wissensdurstige Jugend und radienförmig ging sie
zum Lehren und Schulgründen wieder in die westfälischen Städte und
weiter bis nach dem Osten und Süden Deutschlands zurück. Und
Deventer hatte fast alle die Grössen geschult, welche dem Humanis^
mus in Westfalen und Rheinland Boden und Dauer verschafften^^}.
Von hier nach dort und * umgekehrt kamen die Gelehrten, ihre lite-
rarischen Producte, die meisten neuen Presserzeugnisse: ist es denkbar,
dass solchen regen Geistesströmungen nicht auch Künstler und Kunst«
motive von einem Lande ins andere gefolgt seien?
Wie wenig man im Spätmittelalter an die Scholle gebunden,
wie gern man in einem fremden Wirkungskreise, wie unglaublich der
Zug zu andern Gegenden und neuen Stellungen war^ davon gibt allein
die Gulturgeschichte Westfalens schlagende Belege um das Jahr 1500.
Nicht nur dass Mönche von Trier und Köln in westfälische, die West-
falen in rheinische Ordensklöster traten oder als Weltpriester in Köln
und Holland ihren Wirkungskreis fanden, dass der buchhändlerische
Erwerb diesen hierhin, jenen dorthin lockte und das capitelsfähige
Kind oft mit einer fernen, auswärtigen Pfründe vorlieb nahm — der
Westfale Rolevinck kann als Karthäuser in Köln 1478 von dem Aposto-
lat seiner Landsleute behaupten : „Gesetzt der Dienst und die
Arbeit, welche die Westfalen in der Welt verrichten, hörte auf: ich
glaube, dann werden alsbald gewaltige Klagen unter den Menschen
entstehen. Wie viele Klöster würden eingehen; wie viele
Städte würden bei schweren Geschäften einen. Rückgang ver-
spüren; wie mancher Prälat würde ein minder gutes Bett und Ross
besteigen; wie viele Schiffe blieben im Hafen zurück; wie
viele Kirchen, Collegien, Hospitäler, Klöster, Prälaturen würden die
Die konstgeschiobtl. BeEiehongen swisohen dem Rheinlande u. Westfalen« 69
hergebrachten Hülfeleistungen bei mehreren Nationen entbehren
müssen I Heutzutage, erzählt er im weitem Verlaufe, hat
(Westfalen) selbst keine Universität, allein ob es in der Christen-
heit eine gebe, wo sich kein West£ale findet, möchte ich nicht be^
haupten Dieser durchforscht die tiefen Geheimnisse der Theo-
logie, jener liegt dem kanonischen, jener dem bargerlichen Rechte ob,
ein anderer den medicinischen Studien, noch andere wenden ihren
Eifer den Künsten, der Poesie, der Geschichtskunde zu/' In
einem auswärtigen Kloster 'findet er fünf Westfalen mehr als die Hälfte,
in einer auswärtigen Provinz fast ein volles Drittel, in Venedig einen
Geldaristokraten aus Westfalen'^).
Wenn so mannigfache Fäden des Verkehrs unfehlbar die geistigen
wie die materiellen Errungenschaften der drei Nachbarländer zum
Gemeingut machen mussten, so thaten die alten Handelsverbindungen
und die Presse das Ihrige, diesen Austausch so zu beschleunigen, wie
es einer Zeit ohne Eisenbahnen und Telegraphen nur möglich war,
und darum hat für uns das Fluctuiren der Stilweisen und der aus-
ländischen Kunst nichts Bäthselhaftes mehr.
Dem idealen und anhänglichen Wesen der Westfalen hatte die
altkölnische Kunstrichtung es zu verdanken, wenn sie auf der rothen
Erde so lange dem niederländischen Realismus widerstand, dann sich
mit ihm glücklich verband; dieser, dass er nach seinem Siege nicht
so leicht in alP die Manierirtheiten, Härten und Verzerrungen verfiel,
wie anderswo. Freilich forderte der schnelle, der Wirklichkeit zutrei-
bende, Zeitpulsschlag auch hier am Ende seine Rechte für die ihm
wahlverwandte Weise der Eyckschen Schule, für die brillante Technik,
für das Eingehen auf die kleinsten Details und Stimmungen im Menschen
und NaturlebeUy — doch bei dem Liesbomer Meister und den Fraterherren
schliesst diese mit der Kölnischen ndch einen freundlichen Compromiss.
Auf zwei Wegen drang der Eycksche Stil nämlich immer nach-
haltiger in Westfalen ein, einmal von den Niederlanden, sodann auf
dem Umwege des deutschen Holzschnitts. Brügger KünsÜer hatten
schon 1461 prächtige, 1723 im Brande meistens untergegangene, Glas-
gemälde für die Kirche in Unna geliefert, Bürger in Ahlen bestellten
damals ein Bildwerk auf den Hochaltar fttr das dortige Schwesternhaus
direct in Antwerpen, und wie lange mochten die Gemälde Francos von
Zütphen im Dome zu Münster, um mit einem Augenzeugen zu reden,
angestaunt sdn, als die Wiedertäufer sie durchlöcherten'^). Trotzdem
wäre dem neuen Stil der Sic^ nicht so leicht geworden, wenn er nicht
€0 Die kuiiaigeschioIiU. Beziehungen zwischen dem Rheinlande u. Westfalen.
allmälig Hülfe uud Verbreitung gefunden hätte in den Holzschnitten
und sich darin das Auge des Publicums befreundet und es dem alten
Stile entwöhnt hätte. Holzschnitt und Druck hingen doch ursprüng-
lich grade in Holland enge zusammen und es konnte nicht fehlen,
dass jener, nachdem der Druck durch Gutenbergs Erfindung der be-
weglichen Type einen gesonderten Weg zu seiner Vervollkommnung
eingeschlagen hatte, auch seinerseits einen freiem schönem Anflug
nahm, und beide allmählig wieder so zusammengingen, dass der Holz-
schnitt erst in Verbindung mit der Miniaturmalerei, dann allein das
vornehmste Mittel wurde, um einem vollendeten Drucke zugleich eine
kunstreiche Ausstattung zu geben. Buchhändler, Gelehrte und Künstler
überraschten das Publicum mit jenen opulenten Ausgaben, welche mit
ihren einfachen oder colorirten Holzschnitten einen solchen Duft der
Schönheit verbreiteten, dass sie zugleich Musterbücher fßr Bildhauer,
Maler, Decorationsmaler und Kleinkünstler wurden. Es stellten sich
die vor einigen Jahren entblössten Gewölbc-Decorationen der Kirche
zu Bennighausen bei Lippstadt, welche inschriftlich in den zwanziger
Jahren des 16. Jahrhunderts gemalt waren, beim ersten Vergleich als
freie vergrösserte Uebertragungen der Holzschnitte heraus, womit
Koelhof 1499 stellenweise seine „Gronica van der hilliger Stadt van
Coellen^' verziert hat; und ebenso weist die Madonnenauffassung des
Muttergottesaltars zu Galcar mit der Sibylle und dem Kaiser Augustus
offenbar auf die 1492 zu Nürnberg gedruckte Chronik des Hartmann
Schedel zurück; diese ist auch ein wahres Musterbuch der verschie
densten Decorationen und figürlichen Bildwerke ^^).
Keinem Druckort verdankt Westfalen so viele Bücher und Bücher-
holzschnitte, wie Köln, wo die Koelhof s, Terhoernen's, Quentel's u. A.
in Nichts ihren Concurrenten zu Strassburg, Augsburg, Basel, Nürn-
berg, Wittenberg, Deventer, Paris u. s. w. nachstehen wollten. An dem
Ruhme der Kölner Presse oder vielmehr des Kölnischen Bücherholzschnit-
tes hat Westfalen einen gewissen Antheil, falls nämlich die sonderbaren,
unglücklich realisirenden Holzschnitte der seltenen deutschen und
zuerst mit diesem Sehmucke bereicherten Bibel, welche etwa 1472 bis
1474 in Köln die Presse verliess, von Johann von Paderbom, oder wie
J. Niesert annimmt, von Israel von Meckenen aus Bochold stammen *').
Es lag doch nahe, dass die Gegend, welcher Sprache und Ueber-
Setzung angehörten, auch die Bilder lieferte. Wie dem auch sei, That-
sache ist, dass die älteren Bücherholzschnitte schnell den niederlän-
dischen Typus annahmen, die Bildnerei und Kleinkunst für ihre
Die knnstgeschicbtl. Beziehungen zwischen dem Rheinlande u. Westfalen. 61
Formen gewannen, und dass die Ateliers in Westfalen der neuen
Kunstrichtung immer mehr Rechte einräumten, seitdem sie unmittelbar
von den Niederlanden aus in grösseren Gemälden und massenhafter
durch den deutschen Bücherholzschnitt; zumal den Kölnischen, in allen
Richtungen das Land durchzog.
So verschiedene Kunstströmungen stiessen, weit entfernt, der
Kunstübung überhaupt zu schaden, vielmehr in Westfalen auf einen
so empfänglichen Boden technischer Geschicklichkeit und soliden Kunst*
fleisses, dass die Uebergäuge zu den neuen Stilweisen, wohin sie auch
fahrten, leicht gefunden und die Meister ihnen so bald gerecht wurden,
dass sie davon am Niederrhein Proben ablegen konnten. Wieder ist
es das Clevische Land, und speciell die Stadt Calcar, wo sich ihnen
das Feld der ehrenvollsten Anerkennung und Aufträge eröffnete. Noch
mochten die Traditionen der altromanischen Beziehungen nicht ganz
verklungen sein; jetzt war grade die Hallenform in ihrer Spielart auf
dem Rückwege nach Westfalen, war die wiederholte politische Be-
rührung beider Länder noch in lebhafter Erinnerung, der Verkehr der
Humanisten bereits begonnen, Rudolf von Langen selbst am Hofe des
Herzogs Johann von Gleve gewesen. Kein Wunder, dass neben den
besten Meistern der Heimath und der Niederlande auch die tüchtigen
Kräfte Westfalens unmittelbar in Betracht kamen, andere Einflüsse,
wie die Burgundischen, am Clever Hofe zurücktraten, wenn es galt,
eine Kirche, wie jene zu Calcar, .mit den schönsten Werken auszu«
statten. Stets war diese Stadt Gegenstand besonderer Fürsorge der
Glevischen Landesherren oder vielmehr der Clevischen Landesväter und
auf deren Betreiben sogar im 15. Jahrhundert eine Zeit lang Sitz
eines Bischofs gewesen, und sie wusßte nun die Ueberschüsse ihrer
Gewerbethätigkeit und ihres Handelsverkehres, der über einen Ganal
zum Rheine und zu den Seeländern bis Danzig hin führte, nicht besser
zu verwenden, als dass sie die grosse Pfarrkirche mit den pracht-
vollsten Kunstwerken ausstattete. Was hier an Altären, Altaraufsätzen,
Chorstühlen, Gemälden, an decorativen Architekturen und kunstvollen
Metallarbeit^n seit der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts bis über
hundert Jahre später geschaffen ist, das bezeugen noch heute die gross-
artigsten Ueberbleibsel und besonders die einzig stolze Reihe von
Schnitzaltären und Gemälden. Auf die rührigsten Jahre von 1486 bis
1500 werfen die Rechnungen der Liebfrauen- und St. Annenbruder-
schaft ein höchst erfreuliches Licht; sie ergeben, wie vorsichtig man
Form und Grösse der Werke bestimmte, die qualificirtesten Meister
62 Die knnstgeflohichtL Besiehungeii zwisohen dam- Rheialande u. WeiifiAlaiL
auswählte, welche Grundfiätze dabei leiteten, wie wenig man Reisen und
Kosten deshalb scheute. Diese weittragenden Eunstangelegenheiten be-
sorgten anscheinend unter Zuziehung der Pfarrer die beiden Bruder-
schaften durch ihre Provisoren, die Stadt durch den BOrgenneister ;
das Holz für Altäre und Schnitzwerke wird roh oder geschnitten von
Galcarschen oder Kölnischen Holzhändlem, nicht selten in Amsterdam,
Campen und Nymwegen angekauft, zumeist aber von der Huld des
Herzogs geschenkt^ für die Arbeiten den Meistern auch wohl das j,voirt
rede to maeken^' empfohlen. Nachdem schon kleinere Kunstsachen be-
schafft oder in Arbeit gegeben waren, besieht man 1488 zu Wesel auf
der Matema eine (Altar) Tafel und gibt Arndt von Lorenwert, wahr-
scheinlich deren Meister, eine ähnliche in Auftrag, sodann besichtigt
man auf den Rath Lorenwerts andere Tafeln zu Zütphen und Deventer
und, nachdem man Meister Arndt den „Beldensnider" von Zwolle zu
Rathe gezogen hat, wird eine neue Arbeit dem Meister Gaert Hartoch,
der die dortigen Musterwerke schon im Voraus in Augenschein nehmen
musste, verdungen. Jener Arndt von ZwoUe, welcher also einen ge-
wissen leitenden Einfluss bei den Galcarschen Kunstbestellungen aus-
übt, hatte bereits vor 1487 grössere Arbeiten und namentlich ein
nacktes Ghristusbild für das Grab auf dem Chore unter Händen, und
wie vieles er geschaffen, wovon wir nicht genauer unterrichtet werden,
bekunden die Summen, die er bis in sein Todesjahr 1491 ausgezahlt
bekommt Weitere Aufträge erhalten 1491 Rabe, der „beldensnider
van Eymerick'S 1492 ein Meister Deridc Boegert, neue Bestellungen
Evert van Münster, Jan van Halderen, 1498 ein Meister Loedewick,
anderer nicht zu gedenken, die die Nebenarbeiten fertigten. Mein
Plan gestattet mir nicht, weiter erklärend auf diese Thatsachen einzu-
gehen, ich habe nur noch hervorzuheben, dass alle erwähnten Kunst-
aufträge anscheinend nur Schnitzaltäre und keine Tafelgemälde be-
zweckten ^). *
Dann waren in dieser schönen Künstlerzahl auch die beiden West*
Men, die hier engagirt wurden, Bildhauer oäer Bildschnitzer, aller-
dings in dem damaligen weiten Sinne, dass sie ihre Werke auch wohl
selbst illuminirten. Der erwähnte Meister Evert von Münster stammt
dem Namen nach aus der westfälischen Hauptstadt; er hatte schon
Verbindungen nach Calcar gehabt, als er 1492 dahin berufen wurde.
Nun geht er mit den Provisoren ips Wirthshaus, verständigt sich mit
ihnen über das zu fertigende Werk, und nachdem der Contract ge-
schrieben und ihm Reise, Versäumnisse und Zeche mit 3 Gulden
Die 1caii8igQ0chiohtL Beäehoiigen zwischen dem Rheinlande a. Westfalen. 68
18 Kreuzer vergätet sind, kehrt er heim, ohne dass er andere Vor-
bilder ZQ besuchen hat
Das wird auch dem Meister Johann von Halderen nicht zur
Pflicht gemacht Er stand Arndt von Zwolle, als Verwandter, Freund
oder als Gehülfe so nahe, dass er für diesen 1491 in Galcar eine
Summe Geldes cassirt und mochte sich hier durch Arbeiten schon
längst empfohlen haben, als ihm 1498 zwei Bildwerke für den
Hochaltar verdungen und gleich eine ansehnliche Summe Geldes
gezahlt wurde. Seinen ViTohn- oder Stammort Halderen werden wir
eher in der Münsterischen Stadt Haltern, als in dem gleichnamigen
Dorfe des Niederrheines suchen; denn abgesehen von der, eine
weitere Ausbildung unterbindenden Hörigkeit der Dorfleute, ziert
noch heute die Kirche der Stadt Haltern ein bemalter Schnitzaltar, der
jedenfalls dieser Zeit und heimischen Meistern angehört, die dann
an den Münsterschen Ateliers ihren Rückhalt gehabt hätten. Es erübrigt
noch, dass die vergleichende Kunstwissenschaft, nachdem so specielle
Nachrichten über die Calcarschen Künstler und Kunstwerke ge-
wonnen sind, jene auf die betreffenden Altäre nach Zeit und
Meister zurückführe, sie wird weiterhin zu untersuchen haben, ob nicht
noch Reste von den als mustergültig erachteten Altarwerken an
der Yssel, zu Wesel und Köln oder anderweitige Werke von diesen
Calcarschen Künstlern übrig sind, und endlich, ob die spätgothischeKunst-
blüthe der Städte Dortmund und Soest keinen Antheil an den Cal-
carschen Tafelgemälden habe; "waren doch ebensowenig, wie in Galcar,
in Westfalen die Kunstreviere abgeschlossen, dass zu einer Zeit, wo
die Gebrüder Dünwegge das Kunstvermögen der Malerschule zu Dort-
mund noch einmal in herrlichen Altarbildern aufleuchten Hessen, der
Kölnische Maler Hildegard 1523 für die dortige Dominicanerkirche
die Tafel des Rosenkranzes im Auftrage seines Mitbürgers Wilhelm
von Arborch fertigte — ein Werk, das doch an ästhetischem Werth
den Arbeiten der Dünwegge nachsteht ^^).
Ungefähr zwanzig Jahre später sind zu Münster ein Johann von
Aachen, von Stand Franziskaner und Domprediger, sonst ein Tausend-
künstler, und der Kunstschmid Nieolaus Windemaker aus dem Jülicher-
Lande mit dem gelehrten Bürger Dietrich Zvivel beschäftigt, das grosse
von den Wiedertäufern ganz zerschlagene Uhrwerk des Domes mit
allen Gängen und aller Mechanik wieder in Stand zu setzen — ein Ver-
dienst, das den Johann später nicht schützen konnte vor der städtischen
Verfolgung, als er sich in öffentlichen Verruf gebracht hatte ^}.
64 Die IronBtgetchichtl. Beziehungen zwischen dem Rheinlande u. Westfalen.
Damals hatte das Bheinland schon in einer andern Bichtung auf
Westfalen eingewirkt, die allgemeiner war und desslialb eine weitere
Beachtung beansprucht ; sie ging auf nichts Anderes, als auf eine völlige
Umgestaltung des Stiles. Die Spätgothik erlebte zunächst freilich in
dem Hin-, und Hergehen der Kunstwerke und Localau£fassungen eine
Verdeckung ihrer wankenden und schwankenden Formen, auf die
Dauer aber konnte sie auch hier zu Lande nicht mehr bestehen vor
der neuen Stilweise der Renaissance, die sich längst zu ihrem Sturze
gerüstet hatte. Und grade in Westfalen, wo das Volk am Altliebge*
wonnencn hing, Handwerke und Zünfte innigst mit der Gothik ver-
wachsen waren, wäre das Aufkommen des neuen Stils nicht so schnell
möglich geworden, wenn dieser nicht heimlich, unbeachtet von den
Augen der Zunftgothiker, mit den anspruchslosem Kleinkünsten hätte
eindringen können. In den Pfaden des ihr verwandten niederländischen
Realismus kam sie, als die bildenden Künste noch in den bunten
Formen des alten Stiles schwelgten, mit den Urkundensiegeln von
Italien, mit den Münzen und Stempeln aus nähern Ländern, und der-
selbe Bücherholzschnitt, welcher früher die niederländische Weise so
schnell aufgenommen und verbreitet hatte, sollte nun eine gleiche
Aufgabe für den neuen Stil erfüllen. Und wieder hat von allen Druck-
orten Köln die meisten Renaissancemotive nach Westfalen gebracht.
Während das Figürliche noch lange an den traditionellen Formen
festhielt; zeigten die Einrahmungen der Bildwerke wie der Blätter be-
reits die bunten heitern Formen der Rötiaissance. Und warum sollte
der Schnitzer nicht auf dem Holzstock ähnliche, freie Ornamente und
Gedankenspäne bringen, wie viele Büchermaler sie in den Gerimseln
und Verschlingungen ausgeprägt hatten, ohne die schematisbhen
Formen der Gothik zu beachten. Das freie Schnitzen war nicht jmmer
Renaissance^ jedoch der gerade Weg zu ihr hin ; auch Kölns Presse
übernahm früh den zierenden Holzschnitt und, obwohl dieser noch
lange mittelalterliches Stilgefühl athmete, als Nürnberg die Bücher
bereits Blatt für Blatt aus dem vollen Borne der Renaissance ver-
schönert hatte, brach doch in einzelnen Drucken eine ungezwungene
nicht mehr traditionelle Omamentation durch, so in der niederdeutschen
Bibel der siebziger Jahre, — in der Koelhofschen Chronik 1499 spielt
der Zierholzscbnitt schon in Renaissancemuster über, und die Puerilia
super Donatum um 1500 haben sich in ihren Randverzierungen zur
reinen Renaissance bekannt. Hier vollzieht sich eine Anbetung der
Könige noch unter einem Wimberg, allein die denselben stützenden
Die kuDstgeschichU. Beziehungen zwischen dem Rheinlande u. Westfalen. 65
Säulen mit ihren Windungen, die kurzen Gapitäle mit ihrem Blatt-
werk gehören entschieden dem neuen Stile au. Gegen 1520 hin er-
weitert dieser zusehends sein Bereich, um das Meublement, die Inte-
rieurs und endlich das Figürliche nach seinen Gesetzen umzugestalten.
In Westfalen liess man in Ermangelung geeigneter Typen die Breviere
in Strassburg und Paris drucken. Die grösseren Kirchenbücher gingen
entweder, wie das Münsterische Missale, 1489 aus Kölnischen Officinen,
oder, wie jenes von 1520, aus Kölnischem Verlage und etwas später die
hauptsächlichen Chorbücher wieder aus den Kölnischen Druckereien
hervor; mit diesen Büchern kehrt eine Ueberfülle der verschiedensten
und flottsten Renaissancemotive in die westfälischen Kirchen zurück
um im Bunde mit den Kleinkünsten sich unter Geistlichen und Laien
neue Verehrer zu erwerben.. Lange verzichteten die Drucker "West-
falens auf reichere und besonders auf figürliche Holzschnitte und diese
wieder 'bis 1521 auf die Formen der Renaissance. Ein Gedicht auf
die h. Jungfrau vom Ahlener Ludimagister Gerardus Cotius, ein Quart-
format, gedruckt zu Münster von Dietrich Tzvyvel, zieren drei Marien-
bilder in Holzschnitt. Das Figürliche, die Strahlenumgebung, die Krone
sind im zweiten Bilde noch rein gothisch; in dem Antlitz, dem Mar-
kirten und dem Knittergewande der beiden andern offenbart sich jene
bizarre Art, womit der mittelalterlich-Eyck'sche Stil hier zu Lande ab-
starb; auf dem letzten Bilde jedoch zeigen sich im Hintergrunde der
Strahlenglorie die Frühlingsvögel der Renaissance: zwei kleine nackte
Jungen mit mollig gerundeten Gliedmassen. Wenn nun mit dem
Jahre 1520 Siegel, Münzen, Zierstempel der Bücher, Holzschnitte und
Metallarbeiten immer mehr dem alten Stil entsagen, dem neuen sich
zuwenden, so glaubte ich, dem Kölnischen Bücherholzschnitt um so
mehr einen Antheil daran einräumen zu sollen, als Westfalen vom
Kölnischen Büchermarkt das Meiste bezog, und, wie wir wissen, die
Randverzierungen der Koelhofschen Chronik sogar als Vorlagen kirch-
licher Wanddecorationen benutzte ^^).
Blicken wir einmal zurück auf das spätmittelalterlichc Kunst-
leben, — müssen wir nicht gestehen, dass das Flnctuiren der
Formen und Meister von hier dorthin und zurück auch ästhetisch
den regen, fruchtbaren Verkehr wiederspiegelt, wie wir ihn im Handel;
und besonders im Leben der damaligen Gelehrten vorgezeichnet fanden?
Wir müssen staunen, wenn wir sehen, wie empfanglich, erfinderisch
und weitherzig jene Zeit, wie bildsam und flüssig die Formen, wie
5
66 Die kuDBigesohichtl. Boziebungen zwischen dem Rhoinlande u. Westfalen.
freundnachbarlich die Beziehnngen zwischen den beiden Ländern sich
gestalteten und wirkten.
Das letztere bestätigt uns auch der Glockenguss; denn wenn
in alter Zeit schon die Giesser von Land zu Land gingen, ihre Hütten
errichteten, wo eben Bedürfhiss war, so haben vollends, wie die meist
kunstgerechten Reste beweisen, zwischen Rheinland und Westfalen
kaum Grenzen gegolten bis in jene Tage, wo der Glockengusss mehr
an die Wohnstätte des Giessers gebunden ward. Weil die altem Meister,
welche ihren Werken ihren Namen noch vorenthielten, durch den
Laut der Inschriften und die constante Form der Typen, welche wie
Handwerksgeschirr mit auf die Reise genommen wurden,, ihre
Spuren und Werke bis in weite Femen zu verraten pflegten, so
möchten schon die Glocken zu Sinzig aus dem Jahre 1299 denselben
Meister haben, wie die ihnen älmlichen zu Castrop. Seitdem tritt im
Austausch des Kunstgusses eine Unterbrechung ein, doch vTelleicht
nur scheinbar, indem nämlich die einschlägigen Werke entweder gar
nicht oder, wo Meistemamen und sonstige auffällige Merkmale fehlen,
wohl zu ungenau beschrieben sind, als dass sich unbestimmte Werke
des einen Landes auf die verwandten des andern mit Sicherheit zu-
rückführen und die auswärtige Herkunft darthun liesse; — jetzt, im
Spätmittelalter, sollte dafür der Guss um so vollendeter, der Verkehr
um so offener zu Tage treten. Nachdem um die Mitte des 15. Jahr-
hunderts der Kölner Dom an Christian Cloit und Johan 4e Vechel
Meister gefunden hatte, welche den schwersten Guss leicht bewältigten,
nimmt gegen Ende der Kunstguss zu Dortmund unter den Meistern
Johan, Henric Renald (Widenbrock) und Claus einen weitgreifenden
der ganzen Umgegend wohlthuenden Au&chwung, und im Anfange des
16. Jahrhunderts folgt Soest durch Herman Vogel mit noch form-
vollendeteren Arbeiten nach. Grösser als diese, vielleicht der grösste
Glockenkünstler der Geschichte, war ein Meister, der zwar weder dem
Rheine noch dem Westfalenlande seiner Geburt nach gehört,
aber grade diesen beiden Ländern die meisten, und durchgehends
prachtvolle, Werke hinterlassen hat; das war der als Schöpfer der
grossen Gloriosa zu Erfurt weltbekannte Gerhard de Wou aus Campen.
Etwa dreissig Jahre bis 1502 hat er mit seinen Prachtwerken bezeich-
net, und davon besitzt der Landstrich von Calcar bis Münster die meisten.
Noch "bevor sich seine Spuren verlieren, lieferte der bedeutendste
Glockenkünstler Westfalens, Wolter Westerhues aus Münster, welcher
bis 1526 goss, zwei Glocken schön in der Form, und Schrift, massvoll im
Die knntigesohichtl. Besiehungen swisehen dem Rheinlande u. WeBtlalen. 67
Ornament und musterhaft im Klange f&r die Kirchen zu Grieth und
Niedermörmter bei Calcar; ebenso viele hatte Johann von Düren
1491 für die Nicolaikirche zu Siegen gegossen. Als mit Wolter Wester*
hues Tode der Kunstguss Westfalens so tief sank, dass ^ohl viele
Master, aber wenige mit bedeutenderen Leistungen auftraten, müssen
bis zum Ausgang des 18. Jahrhunderts gewöhnlich Rheinländer und
Holländer sich in die Arbeit theilen, wenn in Westfalen etwas Muster-
gültiges verlangt wurde. Johan von Neuss goss 1522 die zweite
Glocke zu Weitmar bei Bochum, Heinrich von Trier 1576 eine kleine
Glocke für Werth bei Anholt und, nachdem der Westfale Antonius
Paris mit einem Claudius Lamiral 1647 für die Abteikirche Siegburg
gearbeitet hatte, goss wieder Godfried Dinckelmaier aus Köln 1732
eine schwere Gk>ckc für Dorsten, 1733 eine kleinere für Polsum bei
Recklinghausen. Aus dem Clevischen von Isselburg kamen vor fast
hundert Jahren die Voigts, um zunäshst als fürstlich -privilegirte
Glockengiesser im Münsterischen von Bochold bis Werne und neben-
bei in Dortmund und Umgegend von 1766—1790 verhältnissmässig
ansehnliche Arbeiten zu machen ; sie gehörten zu den besten Vertretern
des Gusses, insofern der Kunstguss damals meist mit der Stückgiesserä
verbunden und zu einem handwerksmässigen Erwerb geworden war.
So sind ihre Concurrenten, die Mabillots aus Goblenz ausdrücklich „chur-
fürstlich Trierscbe Stuck* und Glockengiesser'^ ; sie verlieren sich auch,
nachdem sie nur von 1777—1781 filr Mesum, Billerbeck, Nottuln, Rorup
bei Coesfeld und Stromberg meistens die Mängel der Geläute ausgefüllt
hatten, schnell wieder aus dem Lande, wahrscheinlich um den berühm-
testen Wandergiessem des 18. Jahrhunderts zu weichen. Die Familie
Petit nämlicb, welche aus den Niederlanden stammte und angeblich
von den berühmten Emonys und de Graaf die Kunstgeheimnisse ererbt
hatte, kam tbeils vom Emdande, theils und namentlich von ihrem am V
Niederrbein zu Dinslaken aufgeschlagenen Wohnsitz seit 1749 (zuerst
Jean nach Bochold) immer häufiger in's Westfälische, bis zu Anfange
dieses Jahrhunderts Alexius Petit zu Gescher seinen bleibenden Wohn-
sitz nahm, um dem westfälischen Glockenguss entkleidet von jeder
Gdbgiesserei gründlich wieder aufzuhelfen^^).
Sonst hat Westfalen seine ruhmreichen Kunstbahnen bis in den
dreissigjährigen Krieg selbständig weiter verfolgt und, ohne die
Gothik für das Kirchliche ganz aufzugeben, treffliche Werke der Re-
naissance in allen Verzweigungen der bildenden Kunst hervorgebracht.
Die Stadt Münster behauptete ihre Kunsthöhe noch fast zwanzig Jahre '
68 Die kanstgeiohiohtl. Besiehnngen zwiBchen dem Eheinlande u. Westfalen.
•
aber den westfälischen Frieden hinweg; denn während alle deutschen
Lande und Städte an den Wunden des grossen Krieges bluteten oder
nachblateten, hatte sie im Schutze der Abgelegenheit und der Friedens-
gesandten den Faden ihrer Gultur angehalten ; statt auswärtiger Hülfe
zu bedürfen, konnte sie auf den Wunsch des grossen C!hurfdrsten 1651
den Baumeister Gottmann zur Bestauration des Schlosses Sparenbei^
nach Bielefeld entsenden und brauchte höchstens für grössere Arbeiten,
so 1622 für 4ie Flügelgemälde des Domaltars, den Amsterdamer
Maler Adrian von dem Bogardt und für die Portraits der Friedens-
gesandten den Jan Baptist Floris und Terburg als auswärtige Kräfte
in Anspruch zu nehmen. Doch als sie 1661 durch die Erstürmung
des Bischofs Bernhard von Galen ihrer Rechte beraubt und in den-
selben kläglichen Zustand versetzt war, der auch den Rhein seit dem
grossen Kriege der Gultur und Kunst entblösst hatte, mussten aus-
ländische Künstler wiederholt Aushülfe leisten. Schon* Bernhard von
Galen wandte sich 1676 an die Augsburger Goldschmiede, Johan
Spring und Isac Boxbart, als er von einem erbeuteten Franzosenschiffe
ein silbernes Modell für den Dom anfertigen Hess; zumeist waren es
Holländer, welche von ihrem im Frieden errungenen Kunstvorrat dem
Nachbarlande mitgeben mussten. Im 18. Jahrhundert gehen auf Grund
der Verbindung des Kölnischen mit einem oder anderm westfälischen
Bisthum wieder gemeinsame Kunstspuren auf von Glemenswerth im
Emslande über Münster, Köln bis Bonn; sie waren jedoch an die Per-
son des Fürsten geknüpft und so wenig volksthümlich, dass der Adel,
der für ästhetische Zwecke allein Geld hatte, als Stadt und Land geistig
und materiell daniederlagen, für seine höfischen Kunstbedürfnisse,
für Stuckaturen und Deckengemälde, Italiener kommen liess"^).
Denken wir lieber noch einmal an die altem Zeiten zurück, so
' ergeben sich schon im Lichte meiner Angaben die Züge des erfreu-
lichen Bildes, wie sich Rheinland und Westfalen bereits in romanischer,
besonders in gothischer Stilzeit und über dieselbe hinaus von den
schönsten Blüthen ihrer edelsten, idealen Lebensgüter gegenseitig mit-
theilten, was das eine Land eben vor dem andern errungen hatte.
Die Beziehungen des Oberrheins einerseits, und der westfälischen Ost-
hälfte anderseits kommen kaum in Betracht. In romanischer Stilzeit
treten Westfalen und die Architektur in den Vordergrund, in der
Gothik Köln und die Kölnische Malerschule; Köln verhält sich zu
Westfalen mehr gebend, der (clevische) Niederrhein mehr nehmend.
' Der ästhetische Verkehr erstreckt sich von den Hauptkünsten auf die
Die kiuiBtgesohichtl. Besiehangen zwischen dem Rlieinlande a. Westfalen. 69
Nebenzweige und bringt beiden Ländern schöne, stolze Früchte. Und
wie viele Werke und Nachrichten mögen der Vergessenheit anheim-
gefallen sein, welche weitere Zeugnisse für diesen freundlichen Kunst-
austausch ablegen könnten, wie viele Stücke mögen hier noch als hei-
misch betrachtet werden, die dort enstanden sind, ohne dass ihr
eigentliches Vaterland ermittelt werden kann oder ermittelt istl
Gott Dank, sind schöne Zeiten wiedergekehrt, für die Kunst,
noch mehr aber für ihr Fundament, die Gultur. Da& deutsche Vater-
land ist eitriger und stärker, als in den Tagen Meister Wilhelm's,
seine stolzen Töchter Rheinland und Westfalen verbinden sich wie
Zwillingsschwestern durch tausend Bande des Verkehrs und der Inte-
ressen weit inniger, wie in den Tagen der Hanse. Und wenn dennoch
unsere Väter in der Kunst Grösseres und Geschmackvolleres geleistet
haben, als die Gegenwart» so ist es um so mehr unsere, der Nach-
kommen, Pflicht, nicht nachzulassen im Specialforschen und Vergleichen,
im Durchsuchen der Bücher und Archive, um das Bild ihres Kunst-
lebens immer mehr aufzuhellen; und damit der Bausteine mehr ge-
wonnen, und das Gewonnene sich schleuniger und vollkommener wieder
zu dem grossartigen Bilde der Vergangenheit füge, müssen wir uns
dabei vom Rheine und von Westfalen stets hülfreiche Hand bieten.
Mit diesem lebhaften Wunsche schliesse ich.
Anmerkungen.
*) ROckblickend auf die psychologische AesUietik eines Burke, Gerard und
Home sagt H. Heitner, Literaturgeschiohte des achtzehnten Jahrhunderts (1866)
l, 420: „Es ist überraschend, dass von diesen psychologischen Grandlagen aus
die englische Wissenschaft doch nirgends zur Erfassung der in der innigsten
Durchdringung und Wechselwirkung des Geistigen und Sinnlichen wurzelnden
Konstidealitat vordringt. Dazu haben die Engländer offenbar nicht künstlerische
Unbefangenheit genug, und nicht philosophische Scharfe. Erst der Sinnigkeit
und Tiefe eines Winckelmann, Lessing und Kant war es besohieden, das von
den Engländern nur Geahnte und dunkel Gefühlte zur zwingenden und ab-
schUessenden Begriffsklarheit zu erheben/' Denn was die geschwätzige Ennstr
hteratnr der Engländer, Franzosen und Italiener an Theorien und historischem
Material lieferten oder geliefert hatten, das hat Winckelmann zunächst gierig
in sich aufgenommen und beherzigt, bis er im Lande der Kunst „mit eigenen
Augen sah; da erschien ihm seine frühere Weisheit aus Büchern keinen Schuss
70 Die kunstgescbiohtl. Beziehaogen zwiaohen dem ' Rheinlande a. Westfalen.
Pulver wertb. loh habe erfahren, schreibt er im ersten Briefe aus Rom, dass
man halbsehond von Altertbümem spricht aus Büchern, ohne selbst gesehen zu
haben. loh glaubte, ich hatte alles ausstadirt, und siehe da, ich sah, dass ich
nichts wusste. 0 . . . schreibt er im Sommer 1766' an Franke, . . . wie viel
wollte ich Ihnen erz&hlen, wie viel sollten Sie hören, was in keinen Büchern
stehty und was selbst Richardson nicht gewusst hat. ..... Nun nennt er de
Piles jämmerlich, Bellori „einen der gelehrten Betrüger und Windmacher" ; Da-
bos rechnet er zu den Rhapsodisten, die alles in ein Buch schütten, was sie
wissen." C. Justi, Winokelmann. Sein Leben, seine Werke und seine Zeitgenossen
1866 I. 801. Wie dennoch Winokelmann, befangen von den Ideen der Zeit, das
Wesen des Schönen und der Kunst zu eng fiuste, zeigt Hettner a. a. 0 III. 2, 430 ff.
') Abgesehen von den rudimentären und meist praktischen Alterthums-
Studien des Mittelalters, hatten seit Petrarca der Humanismus und die Philolo-
gie diesseits wie jenseits der Berge der Antike eine bis auf die letzten Antiqui-
täten durch Quellenforschung, Sammeln und Kachgraben ermöchlichte Unter-
suchung angedeihen lassen, so dass zur Zeit Winckelmanns ein grosses, grade
durch die Entdeckung von Herculanum und Pompeji und die Publioationen der
Engländer aus Griechenland erquicktes, Material von Antiquitäten und Kunst-
resten der beiden classischen Völker in Werken verschiedener Sprachen und
Stärke vorlag. (Vgl. L. Waohler, Geschichte der histor. Forschung und Kunst,
Göttingen 1812—20. 5 voll. F. Mortons, Die Baukunst des Mittelalters 1850.
S. 3.). Doch „es bedurfte grösserer Kraft, um den versunkenen Schatz
der alten Kunst wieder in's Licht zu heben. Job« Joach. Winokelmann war,
von einem unwiderstehlichen Instinkt getrieben, nach Rom gewandert und ent-
deckte dort die alte Kunst gleichsam von Neuem. Vorbereitet durch philo-
logische und historische Studien, eingeweiht in die Auffassung der griechischen
Dichter und Denker, war er nicht allein befähigt, die Erklärung der alten
Kunstwerke, indem er sie auf das Gebiet der griechischen Mythologie zurück-
führte, von Grund aus zu reformiren: seinem begeisterten Blicke offen-
barte sich zuerst wieder in der bildenden Kunst die Schönheit als dasjenige
Element, welchem sie ihr Leben verdankt* Indem er den Wegen nachspürte,
auf welchen die Alten die Schönheit bildlich darzustellen bemüht gewesen waren,
schuf er die Geschichte der Kunst, in welcher zum ersten Male ge-
zeigt wurde, wie das geistige Leben eines Volkes nach einer bestimmten Rich-
tung hin sich unter dem bedingenden Einfluss der natürlichen und politischeu
Verhältnisse im Zusammenhange seiner gesammten Gultur stetig entwickelt.
Wenn die Wiederherstellung der Kunst des Schönen von allen Gebildeten als
eine Wohlthat empfunden wurde und lauten Widerhall fand, so war die Auf-
fassung der historischen Entwicklung kein geringerer Gewinn für die Wissen-
schaft liehe Forschung". (Otto Jahn, Aus der Alterthumswissenschaft.
186a S. 1 ff. S. 27. 2a). Dabei „treten wir den Verdiensten Winckelmanns
nicht zu nahe, wenn wir auch eingestehen, dass diese (vgL Note 1) architekto-
nischen Studien der Engländer zu Winckelmanns Kunstgeschichte eine sehr
wesentliche Ergänzung bilden''. H. Hettner a. a. 0. I, 437.
Die knoBigeechichil. Bexiehongen zwischen dem Rheinlande u. Westfalen. 71
') Schon vom frohem Humanismaß behauptet. Burckhardt, die Gnltur der
Benabeance in Italien 1860 8. 241 : „Das Studium des Alterthums allein hat
das des Mittelalters möglich gemacht; jenes hat den Geist zuerst an olijectives
geschichtliches Interesse gewöhnt.'* Geleitet vom patriotischen und Forschtmgs-
triebe des Humanismus gingen auch dessen Anhänger in Deutschland bald bo
tief auf die Geschichte ihres Vaterlandes ein, dass Jakob Wimpfeling dem Dome
in Speier eine ausführliche poetische Beschreibung widmet und 1502 in seiner
Epitoma Germanicarum rerum, mit der frühem auch die gleichzeitige Kunst-
blüthe werthschätzend, das Strassburger Münster, die Werke Martin Schön's und
Albrecht Dürers, welche sogar von Italienern gesucht würden, mit gerechtem
Stolze erhebt; er feiert die deutsche Architektur als die Blüthe der ausgezeich-
netaten Künstler und mit nicht geringerer Wärme die deutsche Plastik, die sich
im gewohnten Hansrath zeige und selbst einem Choroilos Bewunderung würde
abgenöthigt haben. Vgl. R. von Raumer, Gesch. der Germ. Philologie (Gesch.
der Wissenschaften in Deutschland. Neuere Zeit B. IX) 1870. S. 12. A. Haro-
witz in V. Sybels Histor. Zeitschrift XXV, 76, 77, 99; derselbe hat den kunst-
literarischen Theil in dem eben erschienenen Heft 4 der von Lützow'schen Zeit-
schrift für bildende Kunst 1878 S. 126 f. eigens erweitert und namentlich die
Nachrichten des Beatus Rhenanus über frühere und zeitgenössische Kunst und
Künstler in Deutschland hinzugefügt. Heinrich Bebel glaubt De veterib. german.
Encomion. c. XVH bei Sohard, Histor. opus. Basileae 1674 I, 275, die römischen
Glassiker, welche Germania als eine Art £inöde dargestellt, würden, quam si
hodie viderent . . , dicerent, commutato ordine, Greciam in Germaniam commi-
grasse . . . . si urbes, arces et edificia, nihil Ulis pulchrius, magnificentius at-
que munitius inrarent. Franz Irenicus betheuert Exegesis historiae germaniae
IV, 29 ed. loan. Ad. Bernhard, Hanoviae 1728 p. 196: Sunt praeterea artifices
longo optimi in Germania, quia graecis joQivrai ij Qaßionrfyoi (?) dicuntur, quorum
artificio nihil absolutins alius orbis produxit. Nicht zufrieden mit einer
so allgemeinen Anerkennung deutscher Künstler und Kunstwerke versacht Geltes
in der Descriptio urbis Norinbergae a 5 ibid. p. 441 sohon ein anachacdiches,
technisch -reales Büd zu entwerfen de arce imperiali (Norinberg.), fontibus
aedificiisque et foris orbiS) hortis et of&cinis metallarüs. In die Fussstapfen
dieser Humanisten traten Walter Rivius in seinem „Vitruv teutsch*' 1548
fol. XXI. V für die Werke Dürers, später der Strassburgeii Buchhändler Jobin
and 1589 der Festangsbanmeister Daniel Speoklin mit ihren Vertheidigungs-
Schriften zu Gunsten der deutschen Kunst ein. „Auch in unserer Zeit waren
jene, welche dem Mittelalter nnd dessen Kunst ein sym pathisches Interesse zu
wandten, „die Begründer der romantischen Schule, aus eigentlich philologischer
Schule hervorgegangen, und weder ihre Kritik noch ihre Poesie hat diesen
Ursprung je verläugnet.'' Otto Jahn, a. a. 0. S. 29. Hettner zeigt a. a. 0. HI.
2,496, wie die Geschichte überhaupt zuerst von Winckelmann tiefer, cultorge-
schiohtlioher, mit einem Worte als geistige Verknüpfung von Ursache und
Wirkung erfasst sei, und fi^hrt fort : „Hatte Herder schon kurz nach dem Er-
scheinen von 'Vfinokelmanns grossem Werke die Forderung nach einem
72 Die kunstgeschichtl. Beziehungen zwischen dem Rheinlande a. Westfalen.
Bliche geäussert, das „uns den Tempel der griechischen Weisheit und Dicht-
kunst so eroffne, wie Winckelmann den Künstlern das Geheimniss der Griechen
von ferne gezeiget", so suchte zuerst Friderich von Schlegel diese Forderung aus-
zufuhren und bekennt dabei willig seine Abhängigkeit von Winckelmann; und
sicher ist es kein Zufall, dass grade die sinnigsten Schüler Winckelmanns,
Welcker und Otfried Müller, zugleich auch die tiefsten Geschichtschreiber der
griechischen Literatur wurden. Von hier aus kam sodann der AnstosB zur
mittelalterlichen und neuern Kunst- und Literaturgeschichte. Kunst- und Litera-
turgeschichte hat längst aufgehört, eine bloss äusserliche Künstler- und Dichter-
geschichte zu sein; sie ist Naturgeschichte des wissenschaftlichen und künst-
lerischen Geistes/'
*) Es hiesse dem Raum einer Note zu viel zumuten, wollte ich hier
auch nur eine dürftige Skizze geben, wie die mittelalterliche Kunst (Gothik) in
England; Frankreich und Deutschland einzelne Ausläufer bis in die Neuzeit,
stellenweise bis ins 18. Jahrhundert trieb, und wie sie nächst der Antike in dem
Masse, als das Unnatürliche des damaligen Kunstgeschmacks blossgelegt zu
werden anfing, anerkannt (das Strassburger Münster 1772 von Göthe, der Kölner
Dom 1790 von G. Forster) und erforscht wurde, um sodann, in unserm Jahr-
hundert nicht nur historisch gewürdigt, sondern auch praktisch verwertet zu
worden. Hinsichtlich der „Rennaissance der Gothik" bringt das Organ für
christliche Kunst (1859) IX, 55 ff. nur literarische Aphorismen ; werthvoll, jedoch
kaum mit Rücksicht auf die cultur- und allgemeingeschichtlichen Motive ent-
worfen, sind die Skizzen von Franz Mortons im ersten Theile seiner Baukunst
des Mittelalters, Berlin 1850 S. 1 ff. und die ,, Historische üebersicht der bis-
herigen Abhandlungen, über die Baukunst des Mittelalters'* in (Kugler's) Museum,
Blätter für bildende Kunst 1835 Nr. 15, 17, 23, 25, 26.
*) Seine „Ansichten vom Niederrhein, Brabant, Flandern, Holland u. s. w.
1790'* nehmen noch auf die diesseitige Bewegung der Romantiker einen so nach-
haltigen Einfluss, dass ihnen Friedrich von Schlegel für seine Grundzüge der
gothischen Baukunst 1804/1805 die schwungvollsten Reflexionen, besonders auch
die Details des Kölner Domes, den Vergleich der Säulen mit Rohrbündeln ent-
lehnt (Sämmtliche Werke. 2 Originalausgabe VI, 184, 196, ^00 vgl. mit Forster
I. Ausg. I, 453, 481, 90) und zu ihrem Nachtheile etwas umredet, ohne seine
Quelle zu nennen.
^) Die Translation der Niebelungensage von Westfalen an den Rhein
nach dem Hundeshagenschon Codex bringt F. von Schmitz, Denkwürdigkeiten
aus Soest's Vorzeit 1873. S. 13. — Nach der Legende de s. Reinoldo monaoho et
martyre in AA. SS. Jan. I, 385, 387 war Reinold Mönch von St. Pantaleon zu
Köln und ex praecopto abbatis sui lapicidarum raagister geworden. Ubi, cum
plus ceteris laboraret, lapicidac magnam concepcrunt adversus ipsum invidiam
et qualiter cum morti tradereut inter se conspiraverunt ..... Habuit
autem in consuetudine monasteria et singulas longo vel prope positas
frequentare ecclesias. Dabei zerschlagen sie ihm mit ihren Hämmern den
Schädel. Nachdem dann die Leiche durch ein Wunder wiedergefunden und von
Die kanatgescbichtL Beziehuagen swischen dem Rheinlande u. Westfalen. 73
den Dortmundern aasgebeten war, oonveniens clerus cum omni populo honorifice
felicissimnm martyrem Reinoldum capsulao deoenter adornatae imposuefnnt
atque ad Tremonienses partes deferendum, tnrba eum ab urbe Colonia cum
innumeris laudibus per tria millia prosequente, tradiderunt. — Köhis allerdings
nur geringer Antheil an der Bekehrung der Sachsen (cf. Annal. reg. in Monam.
6enn. Histor. I, 138, Evelt in der Zeitschrift für Geschichte u. Alterthumskunde
West&lens XXXIII, 28 ff.) und erzbischöfliehe Hoheit über die Sprengel Münster,
Osnabrück und Minden (nicht über Paderborn wie Moyer, Onomasticon Chron.
Hierarch. German. 1854 p. 80 angibt, vgl. Potthast, Bibliothcca Histor. med.
aeyi. Supplement- p. 878), die Beziehungen Xantens zu Vreden (Vgl. Wilmans, Kaiser-
Urkunden I, 416, Yita s. Norberti in Mon. Germ. Hist. XII, 671) und zu den
Pfarren Dorsten, Dülmen und Schwerte, der Cappenbergischen Grafenfamilie
(Eyelt a. a. 0. 28, 51. 62. Tibus, Gründungsgeschichte der Stifter, Pfarrkirchen,
Klöster u. b. w. I, 761 ff.) und des Paderbomer Bischofs Meinwerk zum Nieder-
rbein (Elton. Wilmans a. a. O. I. 421, 430 ff.) und des Kölners Anno zu Pader-
born und Münster (Evelt a. a. 0. XXIX, , 2. S. 98 ff.) und andere dauerndere
oder zeitweise Umstände bildeten in alterer Zeit schon mehr, als nachbar-
sohafUiche Berühi*ungspunkte ; wenn desungeachtet der* Verkehr des Rheines
mit Westfalen noch kein durchgreifender und allgemeiner wurde» so lag das
sowohl in den eigenthümlichen Gulturzuständen hier wie dort. Mit dem hier
Yorzugsweise in Betracht kommenden Niederrhein nahm ganz Lothringen bis
in die Zeiten der Salier eine gegen Francien zu unsichere Stellung ein, um mit
dem Herzen Deutschlands so fest zu verwachsen, wie die übrigen Länder ; daher
allen Schwankungen und namentlich feindlichen Verwüstungen ausgesetzt, hat
es weder eine heryorra^^ende wissenschaftliche (Vgl. Wattenbaoh, Deutschlands
Geschicht^aellen im Mittelalter II § 16, III § 6) noch künstlerische Regsamkeit
entfaltet. Denn dass Otto III zur Ausstattung des Aadicner Münsters einen
Maler Jobannes aus Italien berief (Fiorillo, Geschichte der zeichnenden Künste
in Deutschland und den vereinigten Niederlanden I, 75 ff.), gestattet wohl den
Schluaa, dass die Rheinlande dermalen denselben Kunstmangel, wie andere Terri-
torien, und zu dessen Abhülfe dieselben Mittel, wie jene, zu ergreifen hatten.
Hat doch selbst die Kunstblüthe Karls d. Gr. hier die Arbeiten der gleich-
zeitigen Italiener immer noch als leitende Vorbilder im Auge behalten (Sohnaase,
Gesch. der bild. Künste 2. Aufl. III, 632). Die Ottonen und die mit ihnen ver-
schwägerten Geschlechter Widukinds und der Billunger (Wilmans a. a. 0. I.
409, 481) fachen die karolingische Cnltur wieder an und breiten sie namentlich
über das Sachsonland aus, wo ihnen die ererbten Besitzungen und das Entgegen-
kommen des Volkes freiere Hand Hessen. Das ganze Sachsenland bildet bis ins
11. Jahrhundert eine in den Ottonen gipfelnde, systematische Gultureinheit. Die
Segnungen des Friedens und die Erträge der Kriege, die vom Hofe ausströmende
Bildung und Kunst, die vom Süden kerangezogenen Gulturelizire, der unter dem
schützenden Arm der Stammesherrscher gediehene Verkehr und Volkswohlstand
kommen zunächst dem Hofe und Volke der Sachsen zu Gute. Und dieses höhere
gedeihliche Leben des Hofes strahlte wieder in den Brennpunkten der hohen
74 Die kuoBigeschichtl. Beziehungen zwischen dem Rheinlande u. Westfalen.
Stifter von Magdeburg bis Vredeu, und dann in den mit den besten Kräften
besetzten ßisohofsstühlen yon Hamburg bis Paderborn. (Vgl. Wattenbadi a. a.
O. II § 14y 16, lli § 1—5) Das Volk sonnte sich in dem Glänze seiner Herrseher
nnd war in sich von den einheitlichen Banden der Herkunft, Einrichtungen nnd
des Stammesbewiisstseins so innig umschlungen, dass noch zum Jahre 10G5 der
Gorreyer Mönch wie erbittert über das Bhicksal seiner Stammeageuossen jenseits
des Meeres in die Klosterannalen schrieb: Willehem basthard, legitimo rege
Anglorum expulso, regnum sibi arripuit Mon. Germ. Histor. SS. III, 6. Bischof
Thietmar von Merseburg erzahlt mit sichtlichem Stammesstolze Ghronieon YI,
S. Mon. Germ, Histur. SS. III, 807;, dass Kaiser Heinrich 1004 auf seiner Rückreise
von Italien durch das Elsass gekommen, dann aber per Franciam orientalem
iter faoiens Saxoniam, ut sepe professus est, securitatis ac tocias
ubertatis quasi florigeram pardisi aulam revisit. S<^che Gultur-
einheit und Blüthe musste sich auch in der Kunst aussprechen, und wohl kein
Land bat aus den frühem kunstarmen Zeiten bis ins 11. Jahrhundert einen
solchen Kreis von Bauresten aufzuweisen, wie Sachsen in den Kirohenbauten zu
Gernrode (Lucanus im Anzeiger des Germ. Museums 1857, 12 fi. 42), Quedlin-
burg (Ranke n. Kugler - in des letztem Klein. Schriften I, 693), Gandersheim,
Corvey (Schnaase a. a. 0. lY, 2, 61, 61), Paderborn, Yreden (Lfibke a. a. 0.
S. 69 f., 63 ff.) und Essen (v. Quast, in der Zeitschr. für ehr. Arohaeologie und
Kunst I, 1 ff.). Wenn nun das älteste Stück diesseitiger Bauthätigkeit, der west-
liche Yorbau der St. Pantaleonskirche zu Köln, als ein Werk dos Erzbisohofs
Bruno, de« sächsischen Königsbruders, dasteht, und zu Essen dieselben jonisiren-
den S&ulenkapitale, wie zu Quedlinburg und Gandersheim (v. Quast in d. Rhein.'
Jahrb. X, 196 u. in der Zeitschr. für ehr. Archaeologie u. Kunst I, 4),' und
ebenso in den ICrypten zu Emmerich und Paderborn wieder dorisitende vor-
kommen (E. aue'm Weerth, Kunstdenkmäler des ehr. Mittelalters in d. Rhein-
landen Text I, XY), sollte man da nicht fast behaupten können, der wahre
Heerd dieser Kunstübung sei das Sachsenland, und die rheinischen Werke dieser
Art Strandl&ufer, Früchte derselben Sonnenwärme, gewesen — gleichviel, welches
Land eben den ältesten Kunstrest bewahrt hat? Und ebenso wie einst Otto lU.
zu Aachen, bemft später der grosse Adalbert von Bremen einen Maler aus Italien,
der viele Kirchen mit seiner Kunst verherrlichte (Stenzel, dentsche Gesch. unter
den Frank, Kaisern I, 141), und so wenig mustergültig erschien ihm der für
seine Zeit epochemachende Dom zu Köln, dass er den darnach von seinem Yor-
ganger für den Dom zu Bremen genommenen Plan aufgibt und den Dom zu
Benevent als würdigeres Muster wählt (Adam. Bremens. Gresta Hammaburg.
ecclesiae pontificum 11,68, 78, III, 8. Schumacher im Bremischen Jahrbudi I,
294 f.). Freilich änderte sich die Stellung und Kunst Sachsens und Widstfolens
zu den andern Ländern schon mit dem Aussterben des sächsischen Königshauses
und besonders mit der Auflösung des Herzogthums.
') Gleich bei der Organisation des Sachsenlandes erscheinen als die Haupt-
pioniere der Gultur und Kunst die fränkischen Beamten, die Klöster und ihre
ersten Leiter, meistens Kinder vornehmen oder gar königlichen Geblüts, und die
Die kuQftgeschiühtl. Beziehungen swischen dem Rheinlande u. Westfalea 75
Qeisilioheo überiiaupt, insofern ihnen im Aachener Capitular 801 der Bau der
Kirchen ausdrücklich anbefohlen ward (Monnm. Germ. Hist. III, 87). C^naaere
Belege sind hier nicht am Ort; beseichnend erscheint schon jene Stelle der
vita B. Idae (Mon. Germ. Uistor. II 569 sq.) o. 8. Erat antem praefatus Bert-
gerus (presbyter) ex illorum contubernio, quos beata. Ida primum de
Galliis secum advexerat quippe eorum disciplinis informatus, qui
in l^e Dei sui sine qaerela incesserant, qui etiam ipsam ecclesiam et
Sacra mausolea aliquot annis strennissime divinis humanisquo obsequiis
excolttit, honoravit et venustavit. — Uebeif Ida's Bau spricht die Yita
c. 8. Kon multo post in loco supradicto, ubi quondam densissima silvarum
obductione astra ipsa occulebantur, lapidea basilica constmitur ac in sanctae
Mariae genitricis Dei honore sanctique Germani episcopi oonsecrata est. lAe
reichere Anlage derselben ergfibt sich aus den cc. 5, 6. 7, 10 (vgl. Note 8) Die
erwähnte Imitation der frankischen Klostereinrichtung bezeugt später König
Ludwig in einer Urkunde död^^/» bei Wilmans, Kaiser-Urkunden (1867) I, 119.
. . • Is (abbas Warinus) peciit celsitudinem nostram recordari, quod pi^ memorie
genitor noster Hindowious imperator ambo hpc monasteria oonstrui
justit ad normam videlicet precipuorum in Gallia monasteriorum,
Novam utique Gorbeiam ad similitudinem Antique Gorbeie, Heri-
fordense vero cenobium ad exemplum monasterii sanctimonia-
lium in Suossionis civitate consistentium .... Die auf den Kloster-
bau zu Schildesche bezügliche Stelle ist von Strunck aus einer alten Hand-
schrift des Klosters mitgetheilt und abgedruckt in Regesta Historiae Westfoliae . .
herausgeg. von fl. A. Erhard I. S. 125 Ibi dum in loco arae summae
dostinato crux erecta . . . . ^ essety domina Marcsuidis primum lapidem
suis ipsa manibua in scrobem detulit Mox etiam accedere jussi, quos e
Galliis accessiverati fabri, murarii, et cementarii, eorumque laboribus in-
defesBia operi coepto tarn ardenter institum, ut ecclesiae totius fundamenta eadem
adhnc aestate quaquaveraum de terra consurrexerint. Dass in diesen Berichten das
Land Gallia nicht Lotharingia (cf. Index in Mon. Germ. Histor. XI s. v. Gallia)
oder dal Rheinland bedeutet, dürfte sich aus den sachlichen Gründen der vorigen
Note ergeben.
^) Ausreichende Aufschlüsse geben schon die vita Bennonis ep. Ospabru-
genBis t 1088, anotore Norberte abbate Iburgensi a. 1118 conscripta in Mon.
Germ. Histor. SS. XH, 58 sq. — und die vita Meinwerci ep. Paderbornensis
1009— 10S9 in Monum. Germ. Histor. SS. XI 106 sq., die letztere insbesondere
e. 155 (ib. p. 139): luxta principale quoque monasterium oapellam quandam,
capeUae extructae in honore Mariae perpetuae virginis a Gerolde Koroli
magni imperatoris consanguineo et signifero contiguam, per Grecos
operarios oonstruxit eamque in honore sancti Bartholomei apostoli dedicavit. —
c 216 (ib. p. 158): Episcopus ergo pro obtinenda celesti Jerusalem ecclesiam
ad similitudinem sanotae Jerosolimitanae ecclesiae facere disponens Winonem
abbatem de Hebnwardehusun, quem de monaohis civitatis suae ibi praeposuerat^
ad se aocersivit, eumque Jerosolimam mittens, mensuraa eiusdem eodesiae et
76 Die kuDstgesohiohtl. Boziehungon zwischen dem Rbeinlande u. Westfalen.
sancti Sepulcri deferri sibi mandavit. Die Literatur bei W. Lotz, Kunsttopo-
graphie Deutschlands (1, 1862) I, 493 f. s. v. Paderborn : S. Bartholomäusk. u.
Stiftsk. Bustorf). Die Monachi civitatis suao waren die Benedictiner des Klosters
Abdinghof und von Meinwerk (vitae c. 30) ans Cluny, jedenfalls zugleich behufs
Künstlerdienste, nach Paderborn heimgeföhrt; denn wie leicht auch für den ganzen
Norden die Kuust der Klöster gegen jene der Domplatze im 11. Jahrhundert
übertrieben zu werden pflegt— die dies^itigeThatigkeitAbdinghofB bezeugen jene
Sendung Winos, der Bau der Klosterkirche (Lübke, Mittelalterliche Kunst in
Westfalen 1858, S. 60 f.), vielleicht auch die figurenreiche Kreuzabnahme und
die Kapellen der Externsteine (E. Giefers, in der Zeitschrift für Gesch. u, Alter-
thumskunde Westfalens (1867) XXVI, 13) und nicht weniger das früh rege
Mmstleben des Mutterklosters Cluny (Acta Sanctorum Cff. Vitae Bemonis,
Guilclmi I abbatb s. Beuigni Divionensis« Odilonis Jan. I, 827, 828, 61, 62, 69
vita. s. Hugonis ib. April III, 646, 646), sowie die epochemachenden Bau-
leistungen Burgunds überhaupt (vgl. F. Mertens, a. a. 0. S. 91, 92). Uebrigens
leitet der Vergleich der Stützenverschiedenheit und der dorisirenden Gapitale
der Krypta zu Emmerich, und der noch von Meinwerk erbauten Abdinghofer
Krypta zu Paderborn (E. aus'm Werth, Kunstdenkmälor des ehr. Mittelalters in
den Rheiulanden. Text I, XV N. 78) auf die ansprechende Ansicht: „die Be-
ziehungen Meinwerks zu Emmerich durch das Erbe seiner Mutter Adela machen
es wahrscheinlich, dass er die Bündels&ulen zu Abdinghof nach dem Motive
derjenigen zu Emmerich machen Hess.
*) F. V. Quast, Die romanischen Dome des Mittelrheines zu Mainz, Speier,
Worms 1853 S. 26, bemerkt über den Fortschritt des Speierer Dombaues unter
Heinrich IV. bis zur Weihe 1061 : „Aber auch damals scheint 'er noch nicht
vollendet gewesen zu sein, vielmehr drohten die hart an der Ostseite vorbei-
strömenden Wogen des Rheines den Untergang des Bauwerks. Der in der Bau-
kunst hochberühmte Bischof Benno von Osnabrück 1068—1088 ward zu Hülfe
gerufen und half jenem Üebel nicht nur ab, sondern scheint überhaupt den Bau
gefördert zu haben", von dem er S. 37 noch bedeutende Reste in dem heutigen
Riesenbau wiederfindet. Vgl. Schnaase, Geschichte der bild. Künste 2. Aufl. IV,
377 ff. — Wer nach der Ausbreitung des sächsischen Stammes und der frühem
Landesgrenze (W. Bolevinck (f 1502), De laude veteris Sazoniae nunc West-
phaliae dictae herausg. von L. Tross 1865. I. 1. S. 6 und darnach B. Wittius
c. 1500 Historia Westphaliae ed. Monasterii 1778 p. 6), Essen zu Westfalen zahlt,
mnsB umgekehrt einen frühern auf Westfalen ausgeübten Einfluss constatiren,
insofern der polygone Westchor des Münsters zu Essen aus der Mitte des 10.
Jahrhunderts nach dem Vorbilde des Karlsmünsters zu Aachen aufgeführt ist.
(v. Quast in der Zeitschrift für christl. Archaeologie u. Kunst 1856. I, 18.)
„Preussen** (oder dessen Provinzen Rheinland und Westfalen) „besitzt (darnach)
jetzt die(se) beiden einzigen, die(se) beiden ganz namhaften Ueberreste der
Baukunst vom Ende des 4. Jahrhunderts bis gegen die Zeit des Anno (von
Köln) .... 1060, nicht nur in Deutschland, nicht nur in Frankreich, sondern
in den gesammten Ländern des Nordens j und noch muas man sagen, dass auch
Die kmutgeschichtl. Besiehangeti zwisohen dem RheinlaDde n. Westfalen. 77
der AnfaD(|r der folgenden Periode sich mit am ersten und kräftigsten in diesen
preussischen Landestheilen zeigt. Diese Thatsaohen sind einigerroassen bezeich-
nend fnr die Verhältnisse der Cultur^eschichte" (F. Mertens, Die Baukunst des
Mittelalters 1850. S. 90) — ein Urtheil, das heute in seinen Vordersätzen nach
den Thatsachen der Note 6 zu erweitem ist und dann die Schiassfolgerung noch
deutlicher bewahrheitet.
^*) F. Mertens meint a. a. 0. S. 92: ,,Man muss auf den statistischen
Tafeln sehen, in welcher Weise hier in Köln von dem Jahre 1059,
welches ich als das Anfangsjahr des Baues von St. Georg angegeben habe, die Bau-
werke continuirlich durch alle Jahrhunderte bis zii unsern Tagen aufeinanderfolgen.
wie in Hinsicht des Anfanges .der Kunst oder der Früheeitigkeit oder der An-
leitung in der Baukunst nur die Orte Trier, Lüttich, Nivelles (in Brabant) ijs
gleichberechtigt neben Köln gelten können, wie dann vom Niederrhein aus,
seit dem Anfang des 12. Jahrhunderts, die Baukunst sich erst am Mittelrhein,
in Westfalen und Niedersachsen und erst später gegen die Mitte des 12. Jahr-
hunderts und selbst gegen das Ende und nach dem Ende desselben in den nun
noch übrigen Provinzen des südlichen Deutschlands sich zeigt, um zu begreifen,
was diese eine Stadt, was der Niederrhein überhaupt, in Hinsicht der Givilisation
und der Hinfuhrung zu solcher für Deutschland und selbst für Europa gegolten
habe.'* — Schon in der Entfaltung des romanischen Baustils brachte Köln
es zu einer Meisterschaft und zu einer weit über die Grenzen der Rhein*
lande gelangten Berühmtheit, die als ein Vorspiel der grossartigen Verbreitung
der Kölner Kunst des gothischen Stils gelten darf. Das ergibt sich aus folgen-
den Nächrichten. Als der heilige Norbert 1121 in der Einsamkeit von Goucy
das Mutterkloster Prämonstrat erbauen wollte, wurde erst eine Kapelle errichtet
und dann zum Bau geschritten. Es waren Caementariorum autem quidam Teu-
tonici, quidam Gallici .... woher die Teutonici kamen, sagt die andere vita
B. Norbert! : Porro pars caementariorum Teutonici erant — conduxerant
enim eos Golonienses amici hominis Dei — pars nostrates, amici jam
Praemonstratensium. Vita s. ^rberti archiepiscopi et institutoris ordinis
Praemonstratensis ed. Wilmanns in Monimi. Germ. Histor, SS. XH, 666, AA.
SS. Juni. I. 838. — Das Prämonstratenserkloster Floridus hortus zu Wittewerum
in Ostfriesland baute in den Jahren 1288—1259 eine grosse Klosterkirche; der
dritte Abt Menco (Chronicon in A. Mathaei Veter. aevi Analect. ed. 2. II,
132 sq.) erzählt umständlich den Verlauf des Baues, mit der Berufung des Meisters
beginnend: ,, . . . anno Domini MQCXXXVHI, anno ab inchoatione lateritii
operis tertio, praedictus Abbas veniens in ortum Sanctae Mariae de oonsilio
Domini Sibrandi Abbaus ibidem conduxit magistrum Everardum lapioi-
dariae artis peritum natione Goloniensem adnovamecclesiam inFlorido
orto faciendam, mercede ipsius* taxata tam hyeme quam aestate videlicet ut
reciperet praeter victum aestivo tempore ad diem VII daventrienses, hyemali
vero tempore a festo Martini ad puriücationem tres et hoc tempore sederet ad
secandoB lateres, sed satis dampnose propter diei brevitatem et aeris obscuri-
tatem . . .'* Dennoch lassen sich merkliche Spuren Kölns in der romanischen
7$ IM« koflitgMebMtL IkMmogmk tmimhm dem Bhehilaiida il WaitfOeii.
AnihiUkUir Watifalent niobt nftchweiteo. und C. Mrnaate, m. a. 0. lY. 2,
104, d, Aufi, Wf 896 hmutrki hintlebilieh einet des weeentliobtten Oliedee der
HmtmimUMiun^ t ,,0b nnn die Bitte der dorebgftngigen Ueberwölbang ans den
li^MiinKi*Kenden bSerber gelangt, oder ob eie bier lelbstiUidig gefonden let^ Iftest
»iuh freiliob niobt ermitteln. Indeteen deutet keine nihere AebnÜcbkeit der
Form auf jnne Kinführung» violmebr ipriobt die eigeothumlicbe, der Rheingegend
unbekannte, Vorbindung der Sftale mit dem Ge^ölbeban dafari dass dieser hier
in Folge eigener Voraucbe, die freilich nicht an bo mächtigen Domen wie dort,
«ondern an Gebinden von geringen Dimensionen vorgenommen wurden, ansge-
bildst sei,*' — F. v. Qtiast will Überhaupt im Mittelalter keine Baneinflüsse vom
Hhttlnlatulfl aulassen und die Helbitindigkoit der i^cstfalisohen Architektur retten,
lodern er versichert: „in den Banton der Diöcesen des ehemaligen westfälischen
Landes keine wesentlichen Unterschiede, sondern nur etwa locale Ein-
flüsse bemerkt su haben, die sich wohl auf einEclne Ortschaften, nicht aber auf
ganae ÜlÖoesen erstreckten; jedoch seien Unterschiede innerhalb der Diöcesen
wahraunehmon, sobald man die eigentlichen Grenaen West&lens fiberschreite,
und so gehörten die Östlich gelegenen Theile des Mindenschen Sprengeis lum
, niederslohslsohen' Baukroise, w&lurend umgekehrt die westfUischen Theile des
Kölner Hprengels von den rheinischen desselben Sprengeis völlig verschie-
den sich den übrigen Westfalens anreihen/^ Correspondenz-Blatt des
Uttsammtvereines der deutschen Geeohiobts- und Alterthomsvereine (18&5)
Jahrgang 111, 85.
'*) Der Vergleich der Bannaohriohten mit den Formen und Stildmrakteren
an den verschiedenen Tbeilen bestimmen auch mich, für den einen grosseren
HautheU des Soester Domes ein höheres Alter, als daa 12. Jahrhundert in
Anapruoh au nehmte und midi gegen die Ansichten gewiegter Bauforecher
(Oorrespondentblatt 111« 2&» Lota a, a. 0. I, 559) tu Gunsten der Annahme
liübke's a. a. IK S. 78 ff. (K^yeer's) im Organ für ohr. Kunst (1864) XIY, 14,
Gief^rNi und Kaievr'e» die Soester PalrooU-Kirobe n. Nicolai-KapeUe 1863 S. 1 iL
tu enUobeldeii : %,Die Patrooli*Kirobe au Soeel^ gewöhnlich der Dom genanst» ist
«Um In ranem fonianiaoheii Slüe erbaute Pfoilerbaailika und gekört an den
berv^rragendalea Gebiudea dieser Art in gana Weatfalen. Daa
gMie OelAvide bat ttimUoh «im Lftnge von 9S4 Fuaa; daa Mitlebehiff iat S7
I\mi^ jedes der beide« S^itensbbifits U\, Fuas br«i; der Darcksebaili dar besdos
Krs«ialH^ VMii Nvvrdeii Mob SUett ist 106 Faaa kag« Doeb ist daa gewaltige
GiMwde niebl aia» Rinew Guas bwiroigf'gangea, aoudeni etenmt ans awei ver-
StfMe4ei>e<l HwepetMkik Maslibk daa Omv das Kreeoaebifi« aowie der öetKebe
TWa dee llilUlsicbii^ bia awai Amlbw PMatpaare mü desi UAidBuid
l«a dir »IbMSS^bUlfe sMl «« die Mlttie des eiUlift labitendeKa (H»)
4mx dir iW%i^ wesOiefci TVeü der iaroba iig^nn «i& der
wdvdMpNn AidaiP» der VvwMtte m«) dce «Mt deraalbtsi ivrtasiplbMa
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«i^y^^ 1^ AM^ikir^^li« U^r|{ Ws <>iisbrhl. «^ Labl» a. a. a
Die kimstgeschichiL Beziehongen swiscben dem Rkeinlande u. Westfalen. 79
8. iSO, deren Chor 1070 daroh BiecLof Benno von Osnabrück, ihrem Gründer,
eingeweiht wurde and die im Jahre 1084, von welchem die Stiftnngsnrkande
datirt, im Bao beendet erscheint, zeigt trotz eines nüchternen spätgothischen
Umbaaes ihres aus drei gleichhohen Schiffen bestehenden lAnghauses bedeut-
same Reste der romanischen Anlage, die ich dem arsprüngliohen Baue
zuschreibe; namentlich sind die Mauern des Chores und Kreuzschiffes alt,
letzteres hat auch die gedruckten rundbogigen Gowölbegurte and in den Ecken
ab Träger derselben, wie in der Kirche zu Marienmfinster kraftige Säulen.
Ihre Kapitale gleich denen der Pfeiler des Schiffes, sind in der Rococozeit mit
Stuckomamenten überklebt; / ihre steilen attischen Basen zeigen das
Eokblatt Auf der Kreuzung ein Glockenthurmchen als Dachreiter. Die
Kirohe hat eine herrliche Lage auf einem steilen Abhänge des Teutoburger
Waldes, der weit in die Ebenen des Münsterlandes hinaussieht.*' Unmöglich
lassen sich jene älteren Theile ins 12. Jahrhundert versetzen; einmal, weil der
Bau, den der architectus praecipuus, der caementarii operis sollertissimus dis-
positor seiner Zeit persönlich und unter den grossartigsten Znrüstungen leitete,
vielleicht schon auf ein Gewölbe berechnet und in einer Bauzeit von 1070 bis
zu seinem Tode 1088 noch nicht vollendet war, schon nach Verlauf von kaum
100 Jahren wieder umgebaut sein sollte; sodann kennt auch der Abt Norbert
von Iburg selbst, der 1118 Bennos Leben und Thaten beschrieb, keine andere
Kirche als jene Bennos und statt sie fua bald restaurationsbedürftig zu halten»
gibt er gleichsam episch zu verstehen, dass sie der Stolz des Klosters und der
Umgegend sei (Cf. Vita Bennonis c. 23, 36, 29, 19, 40, 24, 41.) An einem'
Bennosbau hat auch das zierende Eckblatt an steiler attischer Base nichts Be-
fremdendes für das 11. Jahrhundert. — Die Pracht der Kunstwerke im Dome
zu Münster besengt der Kölner Handeli^ode Herman, der sich hier um 1131
aufhielt, um auf die Rückzahlung eines dem zeitigen Bischof Egbert, in Mainz
geleisteten Geldvorschusses zu warten, und der zum Zeitvertreib die Domschule
und die Fredigten im Dome besuchte, so dass er am Ende Christ und Prämon-
stratenser des neu gestifteten Klosters Cappeuberg wurde. In der Schrift de
soa oonversione c. 2. bei von Sternen, Beschreibung der Gotteshäuser Kappenberg
and Scheda 1741 erzählt er : Processu temporis ex orebris eorum (Christianorum)
oon£ibulationibns ad exploranda diligentius ecclesiastioa sacramenta factus alacrior,
basilicam (oathedralis ecclesiae) non tam adhuc devotus, quam ouriosus iutrabam,
quam antea velut delubrum quoddam exhorrueram. Ubi studiosius omnia per*
lustrans, inter artifioiosas caelaturarum ac picturarum v^rietates
monstrosum quoddam idolum aspioio. Cemo siqnidem unum eundemque hominem
humiliatnm et exaltatum et ejectum ignominiosnro et gloriosum, deorsum in
cruce mirabiliter pendentem, pictnram sursum metienti yenustissimum ac velut
deificatnm residentem .... dass ihm überhaupt die Bilder und Bilderverehrung
damaliger Zeit viel zu schaffen machten, bezeugt o. 8 seine Unterredung mit
Abt Rupert von Deutz.
^*) Das Genauere geben meine Artikel },die Ludgerikirohe zu Munster^ im
Organe für christl. Kunst. (1868) XYIII, Nro. 2, 8, 4
80 Die kanBtgeschiohtl. Beziehungen zwischen dem Rheinlande u. Westfalen.
'3) „Der Dom zeigt drei Schiffe yon gleicher Höhe; der Papst berichtet»
wie diese Anordnung anf seinen Wunsch getroffen worden sei, nachdem er
solche Hallenkirchen in Deutschland gesehen/* A. yon Reumonty Gesch, der
Stadt Rom HI. 1, 398.
^*) Eine genauere Beschreibung der hier zur Sprache kommenden Kirchen-
bauten des Niederrheins würde zu weit fahren und muss vorbehalten bleiben.
^') Der Tuffstein kömmt in Westfalen nur mehr als Grenzläufer vbr, so
als Verkleidung der grossen Kirche zu Bochold (Lubke a. a. 0, S. 281), an dem
benachbarten malerischen Thurme der romanischen Uebergangszeit zu Dingden
und angeblich an den romanischen Bauresten der Kapelle zu Haas Dülmen bei
der gleichnamigen Kreisstadt; am Niederrhein wurde er theils aus den Ruinen
der Römerbauten gewonnen (von Dechen in den Jahrbüchern des Vereins 88,
1 ff. gegen Schneider das. 98, 84. Eyck van Zuylichem bl. 14), theils zu Schiffe
bezogen, wie er dann wohl nur auf diesem Wege bis nach Ostfriesland, sogar
bis Bremen (Sibrandi Leon. Chronicon apud.Matheum, Analecta ed. secunda VIII,
856, Schumacher im Bremisch. Jahrbuch I, 299) gef&hrt sein kann. Der sich
mehrende Gebrauch des Ziegelsteins und anderer benachbarter Bruchsteine ver-
drängte ihn in gothischer Zeit so gut wie völlig, falls er nicht von altern Bauten
übernommen werden konnte. Vgl. Aus'm Weerth a. a. 0, Text I, XIV, XIX, 29t
So erweisen auch die Xantener Baarechnungen den Bezug der Baumberger
Steine in den Jahren 1474, 1495, 1600, 1609, 1611, 1684 bei Schölten Baurech-
nungen der St. Victorskirche zu Xanten 1862. S. 88, 60, 72 f., 76, 80, 84 ff. II, 2.
'^) Eine Abbildung des Wisseler Taufsteins gibt Ernst aa8!m Weerth,
a. a. 0. I Taf. X, 7. Mit geringen Abweichungen stellen eine gleiche Form dar
die Westfälischen Taufsteine zu Haselünne bei Meppen, Südkircfaen bei Werne,
Metelen bei Burgsteinfart, Wetteringen bei Rheine, Gescher, Ramsdorf, Borken.
Der erste ist der einfachste, der Borkener der reichste, dem- Wisseier ähnlichste,
weil hier wie dort Menschenköpfe, die sonst fehlen, im Ornament des untern
Beckenrandes abwechseln; am Taufsteine zu Südkirchen nimmt ein Fries von
Säulen, unterbrochen von Blumen und Menschenköpfen, die Stelle der Palmetten-
zier des untern Beckenrandes, an jenem zu Wetteringen Menschenfratzen die
Stelle der vier aufrechten Löwen des Fusses ein, an jenem zu Borken wechseln
am Ständer zwei Löwenköpfe mit zwei Menschenfratzen, an dem Taufsteine zu
Gescher hat die Verbindung des den Fuss abdeckenden Wulstes mit der Becken-
ausladung durch eine Kehle statt. Dem Becken nach gehört hierher der Tauf-
stein zu Recke bei Jbbenbüren, der Fuss ist in drei getrennte Träger zerlegt
(Abbild, von Alf. Hartmann in der Zeitschrift für christl. ArchaeoL n. Kunst
II, 268). Einfachere Formen und Vorstufen jener entwickelten Reihe bilden die
Taufgefösse zu Ochtrup bei Burgsteinfurt und die sich fast ganz gleichen zu
Gimbte bei Greven und Ostönnen bei Soest, nur dass der letztere, welcher sich
am weitesten ins Land gewagt hat, durchgehends feiner empfunden ist. Alle
drei haben gemein den kahlen oben fast den Durchmesser des Beckens erreichen-
den und nach unten stark verjüngten Fuss und als Hauptbelebung der Becken-
fläche Arkaden. Während diese an dem Ochtruper Exemplar unten ein Band
Die kunatgeaohiolitl. Beziehungen Bwischen dem Rheinlande u. Weetfalen. Bl
Yon einfachen schräg nebeneinander, oben ein solches von je zwei winkelig zu
einandergestellten Blättern einfasst, verlaufen sie an den beiden andern zwischen
einer doppelten Tauverzierung, und erlangen ihre Arkaden einen Abschluss
mit zur Hufeisenform neigenden Bögen. An diesen zeigen die Füsse die stärkste
Veij&ngung und vertritt die untere Tauverzierung von rundlichem Profil zu-
gleich den, FusB und Becken verbindenden, Wulst; den Uebergang des verengten
Fusses zu der breiten Base vermittelt eine Profilirung, zu Gimbte und Ostönnen
ein Wulst und darunter eine starke, ausladende Schräge. Diese drei Stücke
vertreten ohne Zweifel den rein romanischen Stil, in der zahlreichem und ent-
wickeltem Reihe dagegen scheinen mehrere in den viereckig stilisirten
Traubengebilden, welche die wellenförmigen Windun^n des Beckengeränks ab*
wechselnd mit einem gefingerten Blattwerk (Pal motten) ausfallen, schon ein
gewisses gotiiisches' Stilgefühl zu verraten, so handwerksmässig und steif auch
sonst die übrigen Formen gehalten sind. Erwähnt sind die Taufsteine zu Me-
telen und Ramsdorf bei Lübke a. a. 0. S. 378.
*') Hinsichtlich der hanseatischen Verbindung und* des gemeinsamen
Londoner Handels sei nur verwiesen auf L. Ennen, Geschichte der Stadt Köln
U. 551 UI. 705. Geisberg in der Zeitschrift für Gesch. und Alterthumskunde
Westfalens (1866) XYII, 174 ff., 869, und auf Schnaase a. a. 0. VI, 889, der an-
lisslich der Grabplatte des 1812 in Boston gestorbenen und beerdigften Münste-
rischen Kaufmanns, Wisselus von Smalenbergh, das Vorkommen vollständiger
(nicht aus Theilen bestehender) Metallplatten unmittelbar deutschen oder aus-
landischen Einflüssen zuschreibt. Vgl. die genannte Zeitschrift XVII, 170 ff.
^^) Gothische Thürme mit Strebepfeilern eignen in Westfalen nicht ein-
mal allen Prachtwerken dieser Art und fehlen sogar dem Thurm der Lieb-
frauenkirche zu Münster. Nordhoff im Organ für ehr. Kunst (1868) XVIÜ, 124.
— Soest nennt die Vita Idae in Mon. Germ. Histor. II, 574 im 10. Jahrhundert
eine civitas .... commeantium populorum frequentia nobilis. — Die
Bürg^raufhahmen der Stadt Dortmiud sind aus dem dortigen 2 Folianten starken
Bargerbuche ausgezogen und publicirt von Fahne, die Herren und Freiherren
von Hövel II, 44 ff. Unter den pictores wird einer zum Jahre 1381 de Susato,
unter den aurifices, cnprifabri einer aus Münster^ unter den lapicidae, Stein-
bickem und Steinmetzen werden zwei ,^Ton Kettwig'S auch ein cntellifex aus
Soest 1864 genanüt — die einzigen Angaben über das Herkommen der Künstler.
— Die Chronisten des Elsasses erzählen nach F. von Schmitz a. a. 0. S. 186,
187^ dass der Sohn Ervins von Steinbach, des Schöpfers des Strassburger
Münsters, Namens Johannes, sich mit seinem Vater überwerfen und den Wander-
stab nach fernen Landen ergriffen habe. Auf solcher Wanderung nach Münster
in Westfalen gekommen, habe er dort die schöne Liebfrauenkirche zu Ueber-
wasser erbaut. Diese Sage ist den gleichzeitigen Chronisten unbekannt und ihr
specieller Inhalt schon desshalb hinflillig, weil die Liebfrauenkirche erst 1840 be-
gonnen wurde, Johann von Steinbach aber schon 1389 starb. (Joh. Schilter zu
J. V. Königshovens Chronik S. 559. Tgl. dagegen Hegel, in den Chroniken der
deutschen Städte IX, 1014 Note 6.) — Hinsichtlich der Lambertikirche erzählt
6
62 Die kanstgeschiohÜ. Beziohungen zwischen dem Rheinla&de a. Westfalen.
Kock, Series episooporum Monasteriensiam eorundemque vitae ao gesta in
eoclesia. Monasterii 1601, II. 14—17: Hie ptaeterire non poi^am traditionem
adhuc vigentem de ecclesiae exstractione; Fenint, operarios Tyrolenses huic
operi adliibitos ferunt quoque, eosdem operarios de die exstruendae eccle-
siae Lambertinae et ad vesperam exstruendae ampliori, quam olim foit ecclesiae
Minoritarum incubuisse. Die evangelische, vormals Minoritenkirche zu Münster
beschr. von Nordhoff Organ XYIII, 198 ff. Uebrigens sind nach der Erinnerung
älterer Leute Tyroler Maurer bis in unser Jahrhundert des Sommers bei bedeuten-
den Bauten in Westfalen thätig gewesen. Nach dem Vorbilde der Liebfrauen-
kirche wurden im Münsterlande theilweise noch während des Baues aufgeführt
die Kirchen zu Wolbeck, Havixbeck (Lübke a. a. 0. S. 251), die elegante schon
1844 vollendete Kreuzkapelle auf dem Strombwge (Münster. Geschichts-Quellen
in, 306) und, von allen die grbsste, die Kirche zu Altenberge; die Lamberti-
kirche diente zum Muster den stattlichen, weiträumigen Kirchen zu Nottuln
und Lüdinghausen. (Lübke a. a. 0. S. 290, 293). — Die Berufung Meister
Kurds nach Bremen ist mitgetheilt von Ehmck imd Schumacher im Bremischen
Jahrbuch £1, 294 ff. 367, 419 ; — der Bau und der Mebter der Albreohtsburg
zu Meissen besprochen von Klemm in den Mittheilungen des sächsisch -thürin-
gischen Vereins Heft XI, 19 ff. und Lotz I, 438.
^*) Der Hanptchor des Domes zu Köln schliesst mit 5 Seiten des 12ecks,
jener der Petrikirche mit ebenso vielen des lOecks (vgl. über diese seltene Bil-
düng Otte a. a. 0. S. 475), die Seitenkapellen dort und die Seitenchöre hier
mit drei Seiten des Achtecks, letztere jedoch unregelmässig. (Grundriss bei Lübke,
Tafel V). — Die Nachricht über den Steinmetzen Johann von (Dron)Steinfart
und die später nicht weiter belegten Angaben über Kölnische Künstler finden
sich in dem fleissigen, alphabetisch geordneten und deshalb leicht zu hand-
habenden Sammelwerke Joh. Jac. Merlo's : Nachrichten von dem Leben und den
Werken Kölnischer Künstler. Mit 174 Monogrammenbildungen. Köln 1850.
Die dort S. 160 benannten Kölner Steinmetzen „von Hamm" kamen auch
unseres Erachtens aus dem rheinischen Dorfe Hamm und nicht aus der gleich-
namigen, bis in die neueste Zeit unbedeutenden Stadt Westfalens.
'^) Grabsohrift, Werke und biographische Notizen über Meister Philipp
Hermann bringen nach Begin's Werke über die Kathedrale von Metz, der An-
zeiger für die Kunde der deutschen Vorzeit Jahrg. V Nro. 3 und die Zeitschrift
des Vereins für Geschichte und Alterthumskunde Westfalens (1858) XIX, 366 f. —
'^) Der Zunftbrief der Kölner Gilde, Glaswörter Bildschnitzer, einer der
frühsten seiner Art vom Jahre 1449 in den Annalen des historischen Vereins
für den Niederrhein Heft XVI, 184, 185 besagt: Vort so wer einich werck
geloiffde zo machen vanOliefarven, der sali dat nit machen von wasserfiurven
und an wem man dass gewar wurde, der sali gelden zo boissen funff marck
und darzo besserong des wercks doin Eine andere Stelle des Briefes
sei des seltenen Inhalts wegen hier in Erinnerung gebracht: Vort wer saoh,
dat einich man zo Colin queme, der sich dieser Ampter anneme und sich
damit gedeoht zn emeren, idt were mit Bildensohnitaen, ofderenicheer-
Die kunstgeschichtl. Beziehungen zwischen dem Rheinlande u. Westfalen. 88
h«Ten bilder drackde, darvan sioh dat stuck verlief boven ein marck, der
sali nnsem ampt gehorsam sein in allen Sachen und punten vnrg. sonder
argelist. Hinsichtlich der Altcrsstellung des Briefes und der Bedeutung des
Bilderdruoks vgl. K. • Falkenstein, Geschichte der Buchdruckerkunst 1840, S.
18 ff. Sotzmann in Baumerts Histor. Taschenbuch 1841 S. 517 ff.
'^) Die vielleicht noch im 11. Jahrhundert wurzelnde Malerei Soest's^ —
wenigstens zeigten die dem 11. Jahrhundert entstammenden Bautheile des
Domes (vgl. Note 11) in den Apsiden die jetzt restaurirten ernsten Wandge-
mälde — wird nach den Werken und Meistern ästhetisch und technisch ge-
würdigt von Lübke a. a.'O. S. 321 ff., Giefers und Kaiser a. a. 0. S. 17 ff. und
erscheint den Arten wie der Verbreitung nach immer bedeutsamer, je mehr
Beste von Tafel- und Wandmalerei in der Stadt und Umgegend entdeckt werden.
Der älteste dieser Fimde in der Kirche Maria zur Höhe ist zugleich der merk-
würdigste, sowohl in Absicht auf den Reichthum der Darstellungen, wie der
Technik und Dimensionen. (Vgl. Leipziger Illustr. Zeitung 1870 S. Sil). Es
ist nämlich auf eine mit Leinwand überzogene und bemalte kreisrunde Holz-
scheibe ein hölzernes Cmcifix derart gdegt, dass die Enden der drei oberen
Balken sieh mit der Peripherie der unterliegenden Scheibe decken; unter den
nach unten über die Kreisscheibe hinweghangenden Kreuzesfuss hat man später
eine viereckige Unterlage gelegt und diese oben durch schräge Giebel mit der
Kreisfläche des Bildes verbunden, die Unterlage durch farbige Linien in vier-
eckige Felder zerlegt und diese schwarz in Gold verziert mit Blattmustem,
Thiermotiven, grotesken und andern Menschengestalten ; das Kreuz nun enthält
in hohem Belief acht eingesohnitzte Scenen aus der Leidensgeschichte, die von
der Kreisscheibe gefüllten Winkel des Kreuzesbalken 4 runde, die Enden der-
selben 4 quadratische Darstellungen aus dem Leben Jesu, so dass die des
untern Kreuzbalkens mit der Grablegung abschliesst. Ueber jedem Ende des
Querbalkens schwebt ein geschnitzter Engel, die beiden Rundbilder in den
untern Winkeln des Kreuzbalkens zeigen das eine Christus vor Pilatus, das an-
dere den Einzug in Jerusalem. Malerei und Sculptur gehen hier völlig Hand
in Hand, falls der Farbenauftrag nicht der Restauration des Bildwerks ange-
hört. Es gehört nämlich das Kreuz mit der Kreisscheibo und den Bildern
der romanischen^Stilzeit Vielleicht, wie der Thurm der Kirche, noch dem 12.
Jahrhundert an; dagegen kann der viereckige Untersatz mit den quadratischen
Ziermustem und der oberste Farbenauftrag wohl nur in der Zeit gemalt sein, wo-
rauf die Inschrift hinter dem Bilde an der Wand hinweist: Anno Domini
MGGCGLXX primo die assumptionis b. Marie virginis gloriose hec tabula cum
cradfixo et aliis reformata fuit. Dominus Johannes Eppynck, dominus Johannes
Warendorp capellanus, Thomas Myle, Johannes Schone, Ratte provisores. Ma-
gister Theodericus de Tremonia pictor huius tabule. — Dem Anfange des 13 Jahr-
hunderts entstammt das vom Baurath Bucholtz zu Arnsberg gefundene und von F.
V. Quast in der Zeitschrift für ehr. Archäologie u. Kunst (1858) U 28S f. be-
schriebene Altargemälde der Wiesenkirche: eine in allen Theilen frei und
lebendig empfundene Kreuzigung mit den Seitenstücken des Verhörs vor Kaiphas
84 Die kunstgesohichtl. Beziehungen swiachen dem Rheinlande n. West&len.
und der das Grab besuohenden Frauen. „Für ein Staffeleibild ist dies so früh,
dasB hiermit in Deutschland nur noch das zweite Bild desselben Altars und ein
anderes aus Soest stammendes, welches sich jetzt im Museum zu Münster be-
findet — es ist das Antipendium aus dem Walburgiskloster .mit dem Salvator
und Seitenfiguren (Lübke S. 884) -< verglichen werden kann Von andern
etwa gleichalterigen Staffeleibildem lassen sich unter den bekannt gewordenen
nur die des Guido von Siena vom Jahre 1221 nennen'*. — In der Umgegend
gehören die Wandgemaide der alten Ghortheile in der Marienkirche zu Lipp-
stadt wahrscheinlich noch dem Yollendungsjahi^ ihres Substrats 1198 an (Lübke
S. 166). Es sind Engelfiguren bewegt und belebt, die Gontouren entbehren der
greUen farbigen Gegensätze, das den Bildern als Basis dienende Deoorationsband
besteht an der einen Wand aus einem Netz geometrischer Ornamente, an der
andern aus Ereiswindungen und Mustern, denen man absieht, dass sie den
mannigfaltigen Teppichomamenten der Zeit abgeschaut (Vgl. Springer in den
MittheilL der E. K. Gentral-Gommission (1860) Y, 67 ff.) und in Farbe über-
tragen sind. — Jünger erscheinen die meisten Figuren der vor 8 Jahren ent-
deckten Wandgemälde in der alten Thurmkapelle der Klosterkirche zu Liesbom
nordostlich von Soest. Sie stehen unter Arkaden mit runden Bögen, über deren
Säulen sich eine thurmartige Zierarchitektnr — Alles in Farbe — entwickelt,
indess der über den Rundbögen der Arkaden angelegte Spitzgiebel, der an den
Seiten anscheinend mit kräftig bestielten Knollen besetzt ist, die Einflüsse der
romanischen Uebergangszeit deutlich bekundet. Andre Figuren ohne Umrahmung
passen sich frei den Flächen der von Bögen durchbrochenen Wände an, oder
sie deuten* mit den Emblemen der fünfblätterigen Rose auf eine Beziehung zum
Hause Lippe, welches die Yog^tei des Klosters inne hatte. Soweit man erkennt,
verbindet ein Typus, eine Technik und unterzieht ein Zierband mit romanischen
Mustern diese figürlichen Darstellungen — welche stilistisch der Mitte des 18.
Jahrhunderts angehören möchten und für damals um so eher Soest's Malerschule
beizumessen sind, als sich in dieser Stadt bis 1239 der Liesbomer Abt Burchard
Gbsundheits halber aufhielt und starb. (B. Wittius 1. a p. 761.) Zwei Figuren der
südlichen Wand dagegen sind unzweifelhaft jünger und jedenfalls um 1322 ge-.
malt, als Abt Florin, während die Kirche im Baue begriffen war, die Thurm-
kapelle für den Gottesdienst wieder einrichtete und mit Zustimmung des Yogtes,
Simon von der Lippe, reich dotirte. (Staatsarchiv zu Münster Urkk. No. 120,
122, 127 A. B. Wittius 1. c. p. 768). Da ich die Kunstnachriohten über Soest,
Lippstadt und Liesborn hier nach alter Erinnerung beigebracht und überdiess
die erwähnten Wandgemälde wegen der Dunkelheit der Räume und des ver-
letzten Zustandes nur höchst unklar sehen konnte, so werden sie vielleicht in
manchen Punkten zu corrigiren sein, wenn einmal eine behutsamere Unter-
suchung zu Lippstadt und Liesbom vorgenommen werden sollte. Wahrschein-
lich würde auch eine Entfernung der Tünchschale in den romanischen, Soest
benachbarten Kirchen zu WeslarUi Borgeln, Ostönnen und Bremen den Cyolus
der von Soest ausgegangenen Wandmalereien noch erweitem.
'') Das Missale zu Münster, seither nur mehr erwähnt als beschrieben
Die knnstgeschiohil. Benehnngen zwischen dem RheiDlande n. Westfalen. 85
▼on Becker in Euglers Museum 18S5> S. 398 f. und Lübke a. a. 0. S. 345, ver-
diente «nicht nur wegen des Stiles, sondern auch wegen der Erkenntniss der
seitigen Heiligensymbole und -Attribute, der Kostüme und Liturgik, wie sich
dies Alles in dem Cydus von 57 lieblichen Miniaturbildern entrollt, eine mög-
lichst genaue, mit Facsimilirung der lehrreichsten Stücke verbundene, Würdigung.
— üeber die Liesbomer Kunstübung und Malerei vgl. Nordho£f, Chronisten
S. 32-40.
'*) Von dem sogen. „Oldenburgisohen Hörn** der dänischen Sammlung
auf dem Schlosse Rosonburg, einem Meisterstüoko der spätgothischen Metall-
kunst, sagt G* Andersen, Die chronologische Sammlung der dänischen Könige,
Kjobenhavn 1872. S. 5: „Was die Entstehung dieses Horns betrifft^ (von dem
eine alte Mythe sogar erzählt, dass es im Jahre 989 dem Grafen Otto I von
Oldenburg von einer Bergnymfe, welche aus dem Berge OSenberg heraustrat,
als er sich auf der Jagd verirrt hatte und müde und durstig sein Boss vor dem-
selben anhielt, gereicht wurde) so hat die Yermuthung am meisten Wahrschein-
lichkeit für sich, das9 König Christian I. es im Jahre 1474 von dem nach
Danemark berufenen westfälischen Bildhauer Daniel Aretäus fertigen Hess.** —
Welche Stellung Münster einnahm bezeugen die Geschichtschreiber, wie Wittius
1. c. p. 329 und die Fraterherren. Ein von ihnen kunstreich hergestelltes Chorbuch
in der Kirche zu Stadtlohn bei Ahaus schliesst mit folgender Inschrift: Anno
Domini millesimo quadringentesimo septuagesimo octavo in urbeMonasterio,
primaria Westphalie, in coUegio presbyterorum et clericorum fontis salien-
iis hie über diligenter scriptus et completus et pro ecclesia sancta parochiali
in Stadtloen. (Bei Nordhoff, Chronisten S. 57.) Das lange Lobgedicht des
Murmellius (bei J. Niesert, Beiträge zur Buchdruckergeschichte Münsters,
Coesfeld 1828 S. 185) benennt sich in der Ueberschrift : In urbem Monasterium,
Westphaliae metropolim, opulentia doctisque ac prudentibus hominibus insigueni
Ode sapphica ab' Joanne Murmellio 1503 und klingt in der Strophe 10
und 7:
Eminent turres nimium levatae, .
Sunt domus altae: speciosa lucent
Templa et obsciirae decorata cingunt
Moenia fossae.
Westphalae gentis decus, aura, splendor,
Civitas Paulo celebris patrono
Notier Delphis, variis Athenas
Artibus aöquat.
Folgende Bemerkung einer alten Chronik des Klosters Marienfeld im Staats-
archiv zu Münster Ms. YH, 1305 leistet zur Kunstgeschichte Münsters und
Westfalens einen nicht unwillkommenen Beitrag, indem sie berichtet vom Abt
Beinold 1443—1477 Tabula in maiori altari, quae per antecessorem
fuerat inchoata, temporibus suis est erecta, quam fecit deaurari et depingi; et
cum pretio non parvo et cum adiutorio fratris Anthonii sartoris fecit scribi
libros cantuales, qui libri scripti (sunt) per fratrem de Osnabrugo nato (sie), cuius
86 Die kanstgeschiohtl. Beziehungen zwischen dem Rheinlftnde a. Weet&len.
nomen erat Bruno Tollen. Et fecit enim parari Organum, quod nunc antiquom
dicitur, quod Organum cum tabula maioris altaris pro mille florenis (rh.) com-
paravit, uti a fratre Anthonio sntore intellexi, qui adiutor fuit in negotio talL
Insuper et alii boni fratres de licentia domini abbatis parari fecerant tabulas
et omamenta s. Mariae Magdalenae Osnabrvgi praeparata et depiota cum imagine
Brunonis, et aliam tabulam Philippi et Jacobi a magistro dicto Korbe ck
de Monasterio. Das Weitere verbreitet sich über Anschafibngen von Bechern
und Kelchen. Eine kostbare Orgel war schon 1385 errichtet.
'^) Ein doppelter Schriftcharakter, ,,der gerade stehende Missaltypus'' und
,,eine Art länglicher schiefliegender Minuskel von ungleich freierer Bewegung
bildet den weit verbreiteten Handschriftenductus des burgundischen Reiches,
, Jenes grossen Staates mit Flandern, Brabant, Henegau, Geldern und Nieder-
landen in dem weitesten Umfange des Wortes, also auch mit Inbegrifif des be-
nachbarten Niederrheins und Westfalens^' Falkenstein a. a. 0. S. 87. — Auch
in der altem Type des Nordens erkennt Ebert in Ersch und Grubers Ency-
clopädie I. 14, 234 s. v. Buchdruckerkunst eine solche Abweichung von der bis
1476 in Süd- und Westdeutschland verbreiteten, und so viele Anklänge an die
holländische, dass er geneigt ist, die ältesten Drucke in Magdeburg, Hamburg,
Lüneburg, selbst in Köln durch die Fraterherren auf Brüssel zurückzuführen,
welche ja auch 1476 mit einer Brüsseler Type die erste Presse Norddeutsch-
lands in Rostock eröffneten. Druckereien der Fraterherren zu Rostock und
Nürnberg beschreiben Lisch in den Jahrbb. des Mecklenb. Geschichtsvereins IV,
35 ff. Falckenstein a. a. 0. S. 163, 177, 154.— üeber die rheinisoh-westfalischen
Kriege geben die einzelnen Landes- und Localgeschichten Auskunft. — Die
epochemachende Wirksamkeit der Fraterherren im Allgemeinen ist anerkannt
von Ullmann, Reformatoren vor der Reformation (1866) II, 11—167, von Delprat,
Yerhandeling over de Broederschap van G. Grote en over den invloed der
fraterhuizen II. Druck, Amheim 1856; ihre Verdienste um die Kunst, ihr Zu-
sammenhang mit dem Humanismus, ihr Eingreifen in die Buchdruckerkunst,
ihre Beziehungen zum Mutterlande und zu einander sind entweder sachlich und
örtlich zu einseitig oder gar noch nicht behandelt; daher denn bis jetzt von
einer, alle Zweige ihres regen Lebens umfassenden, Würdigung für den Norden
leider noch keine Rede ist, obwohl die hundertfältigen Verbindungen der hol-
ländischen Fraterherren mit dem Rheine, Westfalen und selbst mit dem östlichen
Sachsen aus einzelnen Beispielen einer zeitgenössischeiy GeschichtsqueUe erhellen,
nämlich aus des Joh. Buschii libri II de reformatione monasteriorum oomplurium
per Saxoniam et vicinas regiones in Leibnit. Scriptor. rerum Brunsvic. H,
806 ff. Was Erhard in der Zeitschrift für Geschichte und Alterthumskunde
Westfalens (1838) I, 28 über die bereits 1400 blühende, als Stamm- und Ober-
haus verschiedener männlicher und weiblicher Congregationen Norddeutschlanda
bedeuti^me, Niederlassung der Fraterherren in Münster anführt, lässt nichts
ahnen von ihrer schwerwiegenden Gulturbedeutung. Die Münsterischen Ge-
schichtsquellen I, 160, 331, 338 erwähnen wiederholt dieses Instituts und weisen
auch III, 314 auf seine schon bei der Gründung bestehende Beschäftigung des
Die kunfligesohiobtl. Benehangeo zwischen dem Rheinlande u. Westftklen. 87
Bfichersohreibens hin. Ich fiind allein in den münsterländisohen Kirchen meistens
der holländischen Grenze entlang vom Jahre 1413 ab eine ansehnliche Keihe
Foho-^osser Kirchenbücher theils mit Initialen und Randverziemngen. theils
zugleich mit einem Folio-groBsen Passionsbilde bemalt. Die reichem Exem-
plare sind inschrifllich als Arbeiten der münsterischen Fraterherren beglaubigt,
die einfachem, welche mit jenen in der Form der Schrift, der Initialen und
Randgerimsel übereinstimmen und also auch gleichen Ursprung theilen, ent-
behren dieser Angabe. Eins der schönsten Exemplare dieser Art, ein Anti-
phonarinm der Kirche zu Ennigerloh bei Beckum schliesst mit den in diesen
Büchern fast typischen Worten: Anno Domini MCCCCLXXIX scriptns et
completns est iste über in domo fratrum communis vite ad fontem salientem in
Monasterio. Qni utitur conoret pro ipsis. Die grossen mannigfaltigen Initialen
lassen nach allen Seiten auf die freien Ränder ein Gewebe der zartesten
Yerfadelungen in den hellsten Farben ausspriessen ; eine l^erle der Pergament-
malerei und ein Spiegel des zeitigen Kunststils erscheint ein Passionsbild in
Folio. Den Rahmen bilden vegetabile Muster, zum Theil nach dem Akanthus
genommen, zum Theil Blüthenkolben und Knospen, in den buntesten Yer-
schling^ngen und Farben mit einander verwunden. Im Bilde stehen zu jeder
Seite des Kreuzes vier Personen, links die Gruppe ddr h. Frauen, dem Kreuze
zunächst die h. Mutter, welche ihren tiefen Seelensohmerz weniger im zart-
empfindenden Antlitz als in der Haltung offenbart; sie würde zusammensinken,
«wenn nicht der h. Johannes unter ihre Arme griffe. Rechts die Henker, Maria
Magdalena umklammert das Kreuz, in allen Gesichtern spielt ein edler Schmer-
zensausdrnck, auch die Henker dürfen ihre böse Seele wohl in der Handlung,
aber nicht in den Zügen des (jresichts ausprägen. Namentlich milde ist der Ge-
sichtszug des Gekreuzigten, seine Gestalt noch lang gezogen. Gegenüber
diesen idealen Schönheiten bricht der Realismus in allen Aensserlichkeiten
durch. Die Frauen haben ihre Kopf- und Halstücher, Johannes ein schön ge-
locktes, goldiges Haar und über einem grünen ünterkleide einen rothen Mantel,
die Henker tragen halb weisse, halb blaue Kleidung. Statt des frühem Gold-
grundes wölbt sich oberhalb der Scene der dunkelblaue Himmel, durchflattert
von Spruchbändern, wovon der am obern Kreuzbalken die letzten Worte Jesu
enthält. Unterhalb am fernen Horizont erheben sich Burgzinnen und Kirch-
thürme zwischen sanft gewölbten Hügeln, die sich mit leichten Wölkchen be-
rühren. Die Farben sind mannigfaltig und gut vertrieben selbst in den Ueber-
gängen; die hellen Töne walten 'vor, Schwarz ist gar nicht angewandt. Ein
Ohorbuch mit guter Schrift, schönen Initialen und Randverzierungen, ohne freie
Bildwerke, Folio gross und über 516 Seiten stark, wie es in der Kirche zu
Borken erhalten ist, kostete für die damalige Zeit eine Summe Geldes laut der
Inschrift: Hpnc librum fccit scribi, illuminari et ligari dominus Johannes Wil-
kini, decanus veteris ecclesie sancti Pauli Monasterii, pro triginta octo florenis
Rhenensibns, octo solidis et sex denariis .... Weiteres über die Malerei der
Fraterherren bei Nordhoff^ Chronisten S. 37 ff. — In Betreff des norddeutschen
Humanismus vgl. ausser der zahlreichen Speoialliteratur G. Krafft und W. Cre-
88 Die kanstgeschiohU. BeziehuDgen zwisoben dem Rheinlande u, WestfaleD.
celiuB, Beitrage zur Geschichte de$ Humanismus am Niederrhein und in West-
falen. Erstes Heft 1870; Opera ü. Hutteni ed. Böcking, Suppl. U; Parmet,
Rudolf von Langen, Leben und gesammelte Gedichte 1869, wo S. 2^3 das
Carmen LVIII: Ad clarissimam Coloniam Agrippinensem ; Cornelius, die
Münsterischen Humanisten 1851.
^^) Wemerus Rolevinck, Laerensis, ord. Carthus. (f 1502) de Laude veteris
Saxoniae, nunc Westphaliae dictae .... Im Originaltext nach der ersten Aus»
gäbe (c. 1478) mit deutscher Uebersetzung herausgegeben von Dr. L. Tross.
1865. p. 41, 139, 141, 143 fif 161. — Belege des unmittelbarsten Verkehrs der
Länder geben folgende Inschriften. Johannis Nyderi . . . preceptorii preclans-
simum opus uon pennis ut pristi (sie) quidem, sed litteris sculptis arti-
ficiali certe conatu ex ere remota nempe indagine ingeniique diversa inquietacione
illustre figuratum accurate denique correctum ac per providum Jeorium Husner,
civem urbis famose Argentinensis, completum et terminatum est ydus Februarii
anno 1476 wurde in dem Exemplare, welches die Paulinische Bibliothek zu
Münster H. 158 besitz, laut folgender handschriftlichen Notiz von einem Kölner
Ordensgenossen für das Benedictinerkloster Liesbom in Westfalen angekauft:
Istud preceptorium egregii doctoris Johannis Nider pro monasterio in Leysbom
emptum est pro VUI marcis monete Coloniensis. Item HI alb. expositi pro
pelle et fune, quam pecuniam humiliter peto presencium latori restitui, quia ex
intuitu Dei libenter exposuit.
F. Heinrious de Tremonia etc.
f apud s. Martinum.
Ein Exemplar der Sermones sancti Bernardini de Senis ordinis fratrum Minorum
de evangelio etemo gedruckt gegen 1490 (cf. Graesse, Tresor de livres rares et
preoieux I, 343), in der Paulinischen Bibliothek aufgestellt L. 45 trägt unter
dem Titel folgende Notiz: Honorabilis dominus Henricus Pelsrinck de Lippia>
quondam capellanus in Zwollis, donavit anno Domini 1511 adhuc superstes fratribus
maioribus de observancia conventus Bylveldensis hoc quadragesimale sancti Bemar-
dini eo, quod in nativo situs sit termino, ut eins in oracionibus memores (sie)
requie potiatur eterna atque premium sibi accidentale ex huius libri usu semper
accrescat. Amen. Ein Eelch der Ludgerikirche zu Münster ist laut Inschrift
unter dem Fusse ein Geschenk „Bernardi Mumen, decani s. Ludgeri Monastenensis,
canonici (Jltrajectensis 1502'*. Mümen stand auch als Schüler mit Deventer und
als Humanist mit den auswärtigen Gelehrten in Verbindung. (Parmet 1. o.
p. 51. 68.)
^^) Die Ünnaer Glasgemälde, wahrscheinlich das erste Werk niederläD-
discher Kunst in Westfalen^ erwähnt von Steinen, Westfälische Geschichte ü,
1188— 11Q9. — Von dem Altarbildwerke im Schwesterhause zu Ahlen spricht
das Memorienbuch im Besitz des Vereins für Geschichte und Alterthumskunde
Westfalens zu Münster, Ms. fol. 17a leider ohne Jahresangabe: 18. Oct „Memoria
vor seligen Elhen Dregers onde Jasper eren soen unde er geschlechte, de uns
bestelt hefift van Antwerpen de thafel up den bogen altaer." — Die Bilder des
Bruders Franco von Zütphen hingen am Eingange des hohen Chores und stellten
Die kunstgesohiohtl. Beziehungen zwiBohen dem Rheinland^ u. Westfalen. 89
das eine die Matter Qottes, das andere den heiligen Johannes vor, wie er
mit dem Finger auf das Lamm Gottes zeigt. .»Diese Bilder waren so schön,
dass ein jeder geschickter Maler sie nicht ohne Erstaunen ansehen konnte, zur
Zeit der Belagerung aber haben sie die Wiedertäufer zerstört. H. von Eerssen-
broich, Geschichte der Wiedertäufer zu Munster in Westfalen nebst einer Be-
schreibung der Hauptstadt dieses Landes aus einer lateinischen Handschrift.
Deutsch in 4^ 1771 S. 38. 511. — Unter den westfälischen Schulen neigt die
Soester, wie ein Altargemälde der Wiesenkirche zeigt (Lübke a. a. 0. S. 855)
entschiedener zum Realismus, dagegen lässt sich an den etwa 2' hohen Statuen
der zwölf Apostel und der h. Luoia zu Merfeld, welche 1475 geweiht wurden,
(Kindlinger Münster. Beiträge (1787) I Urk. 51) noch kaum eineSpur realistischen
Einflusses finden, und handwerkmässige Arbeiten mögen noch länger in ihrer
'Art dem alten Idealismus treu geblieben sein, unberührt von jeder Neuerung.
^*) Den Zusammenhang des Bild- und Buchdruckes namentlich in Holland
entwickeln Sotzmann a. a. 0. S. 517. Falkenstein a. a. 0. S. 15 ff. S. 88. Die
Anfange und künstlerische Ausbildung des Holzschnittes Springer, Bilder 8. 180 ff.,
wo indess die ästhetische Bedeutung des Bücherholzschnittes far das 15. Jahr-
hundert nicht zu hoch angeschlagen wird. — Dass von der „Kölnischen Chronik*'
noch ältere Ausgaben, als jene von 1499, vorhanden seien, wie einige Biblio-
graphen annehmen, stellen Ebert, Panzer, Götze (A. Potthast, Bibliotheca
historica medii aevi, 1862 p. 244) und neusthin Ennen, Geschichte der Stadt
Köln 2, XV entschieden in Abrede. — Die Jahreszahl der Gewölbedecorationen
in der Benninghauser Kirche, wovon die letzte Ziffer bei Abnahme der Kalk-
decke bis zur Unkenntlichkeit gelitten hatte, dürfte genau dem Jahre 1520 ent-
sprochen haben, in welchem inschriftlich auch der noch vorhandene spätgothische
Chorstuhl gefertigt ist. — Hinsichtlich der erwähnten Imitation der Holzschnitte
in Hartmann SchedePs Chronik vgl. man die drei obersten Figuren des Mutter-
gottesaltars zu Calcar bei Aus'm Werth a. a. 0. I. Taf. XIII und die Bilder
des Octavian, der mater amabilis und der Sibylle der Chronik fol 93 b. Die
stilistische und ästhetische Stellung der Schederschen Chronik ist eingehend
mit einem Rückblick auf die Kölner Chronik gewürdigt von Lübke, Geschichte
der deutschen Renaissance 1872. S. 48—52.
^*) J. Niesert, Literarische Nachrichten üb.er die erste zu Köln gedruckte
niederdeutsche Bibel, und Yergleichung derselben mit der Yulgata und den
sieben ältesten oberdeutschen Bib^übersetzungen. Coesfeld 1825 S. 5 sagt : „Die
Holzschnitte, welche die vorliegende Bibelausgabe enthält, sind wohl die ersten,
die in einer deutschen Bibel angetroffen werden*'. Während Naest, Literarische
Nachrichten von hochdeutschen Bibelübersetzungen S. XXXV sie dem Johan
von Paderborn zuschreibt, hält Niesert S. 15 Israel von Meckenen, den Yater,
für ihren Urheber, über dessen Abstammung, Wohnort und Thätigkeit er ein
sehr schätzbares Material beibringt, woraus auch hervorgeht, dass Israel mit den
Werken jenes Pseudo-Israel der Kölnischen Schule, welcher seit der Mitte des
X 15. Jahrhunderts in zahlreichen Tafelgemälden dem Eyck'schen Realismus huldigte,
Nidits gemein hat. (Vgl. Merlo a. a. 0. S. 275.) Stilistisch werden auch die
90 Die kimatgesojiichtl. Beziehungen zwiechen dem Rheixüande u. Wedtüideo.
Holzschnitte der Bibel echverlich einem damaligen Kölner Meister oder Köl-
nischen Werken entsprechen. Üeber den Drucker, Druckort, Drackweise und
die Sprache des Buches ygl. Niesert 16 f., 19 f., 90 f. ; er hält Heinrich Quentell,
Heinrich Lempertz dagegen mit mehr Wahrscheinlichkeit den Kölner Nicolaus
Götz 1474-1478 für den Drucker, (vgl. Falkenstein a. a. 0. S. 154 £); diese
Verschiedenheit der Ansichten in Hinsicht des Druckers braucht indess Nichts
zu ändern an der Herkunft der Holzschnitte.
"^) Den Aufenthalt Rudolfs von Langen am Clevischen Hofe um 1466
erweist nach einer fast gleichzeitigen Handschrift Parmet a. a. 0. S. 85, die
vielsagende Bedeutung des Humanismus und der Humanisten AL Wolters, Conrad
von Herresbach 1667, die bürgerliche und kirchliche Stellung Calcar's Aus'm
Werth a. a. 0. Text I, 28 f., XXJ.^-- Die werthvollsten Aufschlüsse über Cal-
car's Kunstleben am Ende des 15. Jahrhunderts bringen die aus dem dortigen
Stadtarchiv, namentlich aus den Bechnungen der Liebfrauen* und St. Anna-
Bruderschaft 1486—1500 gewonnenen ,,Archivalischen Nachrichten über Künstler
und Kunstwerke der Nicolaikirche zu Calcar, mitgetheilt von Dr. J» B. Nord-
hoff"' im Organ für ehr. Kunst (1868) XVIU, 236 ff., 250 ff. £s wäre ein Jammer,
wenn alle jene Werke des Utrechterlandes und Niederrheins, welche den neuen
Werken Calcars zum Muster dienten, spurlos verschwunden sein sollten; und
ein ebenso erfreulicher Gewinn würde es für die Kunstgeschichte sein, auch
nur ein Stück dieser Musterwerke oder andere Werke auch nur eines der
Calcarschen Künstler wieder zu finden. Hoffentlich wird der Herr Kaplan Wolff
zu Calcar seine Calcarschen Kunstforschungen auch hierüber ausdehnen und
sie der Yeröffentlichung nicht zu lange vorenthalten.
'') Auf Meister Evert von Münster beziehen sich folgende Posten der
Liebfrauen -Rechnungen 1492—1498: Item in den verdingh upt ny meister
Evert van Monster onse taeffel to macken in Jan Telmans huis upgespraeken
II guld. VIII kr. — Item Paephoff van den cedulen dis verdings to sohriven
geg. YlII k. — Item meister Evert voers. voir sinen g^gh ind versamenisse
syns wercks» dat hy hier is gekommen ind dat ick on to Tadden huis utter
herbergen gequy t heb to saemen geg. HI guld. ind XVUI kr. Job. van Haldem
nennt folgende Stelle derselben Rechnung 1491—1492: Item meister Amt bilden-
snider gesant omtrent piuxten XIII goldene ryusche gülden. Item gesant
omtrent nativitatis Christi myt Jan synen knecht ind dat Jan van Halderen van
synre wegen ontfingh XYIIgold. guld. Ind dartoe soe hefft on die richter myn
(des Provisors Nico laus von Wetten) neeff van mynre wegen gedaen, doe hy toe
Kaelen reysde enen Wilhelmus schilt ad XXXVH stuver ind daer toe enen
Kaelschen postgulden voer XXII stuver, ind die gold. gülden is on gesant
voer XXXYI st. Ind hier toe so dede ick on mede een malder hayeren voer
II gülden current, fac. to saemen LYI guld. ourrent ind XXXIX kr. ; ferner die
Rechnung der Bruderschaft unserer lieben Frau 1498—1499: Item is men ver-
draegen in bywesen des borgermeisters cum suis in der provisoeren mit meister
Johan van Halderen van twe parcken,. beneden in den voet van den käst opt
hoighe altair te maeken, vur XXX gold. gülden, der he van Lamt^rt Koedert
r
)
/
Die kanstgesohiobtl. Beriehnsgen zwischen dem Rheinlande q. Westfalen. 91
m gold. golden ontfimgen heft ind yan my XXYII gold. guld. ad XL stuv.
Ind 806 die gold. golden doe meer dan XL etuver golden, bekroende meister
Johan dairop. Soe heb ick oen noch dairtoe gegeven myt consent des bnrger-
meisten XXX st ind synen Knecht to verdrincken IUI alb. fac myn uitgeven
ts— LY gold. Xm st. XII gr. kr. Jedenfalls betreffen auch zwei Stellen der
Rechnung der St. Anna-Bruderschaft aus den neunziger Jahren unsem Johan,
zumal die Bechnungen überhaupt keinen andern Johan kennen : Item noch meister
Johan geg. I gülden levis, fac. gravis XXY kr. Item Conr(ad) van den Steen
van meister Jans wegen gegeven enen gülden levis, fac. gravis L kr. — Lübke
bespricht den Haltemschen Altar mit Beispielen der Dortmunder und Soeeter
Malerei a. a. 0. S, 894, 860 ff., 358, 365. Seinem geringschätzenden Urtheile
über die Tafeln des Kölner Malers Hildegard steht das ältere, sehr günstige
Paasavants gegenüber. Merlo S. 177, 178.
'') Die Ühr, welche ausser den Stunden auch den Lauf der Planeten, die
Jahreszeiten, das Kalendarium sammt den beweglichen Festen anzeigt, ist um
•
1400 im Oldenburgischen Kloster Hnda gefertig^t (H. Geisberg, Merkwürdig-
keiten der Stadt Münster, 5. Aufl. S. 18). Die Zerstörung melden die Münste-
rischen Geschichtsquellen I, 882: Item alle aitare, hilligenkasten, saoramentes-
huse, orgelen, dope und insunderheit de twe schonen orgeln in dome und dat
kunstlich urwerck gantz toschlagen und in grundt verdorven. Der in Rede
stehende Joh. v. Aachen ist nicht zu verwechseln mit dem gleichnamigen Maler,
welcher erst 1552 zu Köln geboren wurde. (Fiorillo a. a. 0. II, 518, Merlo S. 1 ff.)
Nachrichten über die Zerstörung, Wiederherstellung und die Kestauration bieten
die Münsterischen Geschichtsquellen I, 345, III^ 6, über die Zeit der Kestaura-
tion und die Herkunft des Nicolaus Windemaker III 828: anno MDXLHQ is
desse (S. Servatii) porte wedderumme dorch godts hulpe reformert. ümb diese
zeit scheinet auch das schone uhrwerck im thum, so die Widertheuffer ver-
dorben, wieder zu gange gebragt zu seien, wie diese inscription meldet:
Juliaca in terra natalibus ortus honestis
Cuius et ingenii sedulitate decus
Laude satis clarus Nicolaus nomine magnus
Huic operi arma novo ferrea restituit.
Der humanistisch gebildete Dietrich Zvivel war Nicolaus* Landsmann, gleichfalls
im Jülioher Lande geboren, von Stand Buchdrucker in Münster (J. Niesert,
Beiträge zur Bnchdruckergeschichte Münsters 1828 S. 27} und dabei namentlich
der Mathematik und Astronomie beflissen. Theodorius Tzyvel, natione (?) West-
phalns, patria Mongavensis, homo bonarum litterarum disciplinis satis stndiosus
et eruditus, qui studia sua longe lateque pauois licet adhuc utpotejuvenis
quibusdam epigrammatis noviter Monasteriensis chalcographie primicijs prepo-
sitis conspergens nominis sui auoupatus est famam. Yivit adhuc maioribus inten-
tus lucubrationibus cito emittendis 159 [1509]. J. Murmellius widmet die Ti-
bulli, Propertii ac Ovidii flores ihm, Theodorico tzvyvelensi, luro literato et
mathematicarum disciplinarum in primis perito und feiert ihn In den Elegant«
mor. II, 8:
92 Die kansigeBchiohtl. Beziehang^en zwischen dem Rheinland u. Westfalen.
Ta qoi certa pio meditare mathemata corde
Altaque semoti suspicis astra poli . . .
(Krafil u. Grecelias a. a. 0. S. 64 f.) 'Hiemach scheint man sich bei der Be-
stauration des Uhrwerks in die Arbeit so getheilt zu haben, dass Zvivel das
Mathematisch-Astronomische, Johan von Aachen das Mechanische vorschrieb,
und Nicolaus Windemaker die Schlosser- und Schmiedearbeiten anfertigte. Die
Uhr, deren Mechanismus heute zum grossen Theüe ausser Gang ist, zeigt das
Kalendarium mit den schönen Allegorien der 12 Monate, gemalt von Herman
tom Ring (Becker in Kuglers Museum (1837) Y, 4), das Zifferblatt mit 24 Stun-
den und einen giebelartigen Abschluss desselben mit Schnitzwerk und phanta-
stischen Schildereien im Stile der Frührenaissance. Die. Mitte der Giebelfront
tragt die noch gothisirende Inschrift: In hoc horologio mobili potueris heo alia-
que multa dinoscere, tempus equalium et inequalium horarum | medium motum
omnium planetarum, ascendens vel descendens signum ortus insuper et occasus
aliquarum | stellarum fixarum, ad hec regnum planetarum in horis astronomicis
utrimque a lateribus operis | supeme vero oblationes trium regum infeme autem
oalendarium cum festis mobilibus | . Unter der Schlagglocke steht : Positum 1696,
im Centrum des Zifferblattes: renovatum 1670.
^) Die anscheinend den bibliographischen Sammelwerken unbekannten
Puerilia zählen 8 Quartblätter mit 38 Zeilen in klaren antikisirenden Typen,
beginnen Fol. 1* Puerilia super Donaturo | und enthalten unter dem darauf fol-
genden Holzschnitt der Anbetung der Könige die Schrift: Gedruckt zu Collen
up deme ald^mart | tzo dorne wilden manne zc Fol. 2* beginnt (p)Rima decli-
natio quot | . Schluss auf Fol. 8*: Expliciunt puerilia fuper donatum | impressa
Colonie Tuper antiquü forü | . Sie sind also aus der Bongart'schen Officin 1498
— 1521 hervorgegangen (Ennen a. a. 0. III, 1042). — Die Münsterischen Ge-
schichtsquellen I, 297 berichten, Bischof Erich 1508 — 1522, der sich überhaupt
der Restauration der Kirchen mit allem Eifer annahm, habe die breviaria, so
men de getyde boeker nhomet, nyes binnen Pariss drucken lassen; Kock
series episcop. II, 262 meiht Coloniae . . . 1518. Niesert, Beiträge erzählt p.
IX, um zu erweisen, wie sehr dermalen die Münsterische Presse den auswärtigen
noch nachstand, „ebenso erschien das erste Münsterische Brevier i. J. 1489, das
zweite 1. J. 1518 in Paris mit einer äusserst schlechten kleinen gothischen Type
gedruckt und die dritte Ausgabe i. J. 1597 zu Köln bei Quentel.*' Da diese
Drucke hier nur eine weitere Beachtung finden können, sofern sie in Köln ver-
anstaltet sind, so will ich nur verbessernd hinzusetzen, dass Kock 1. c. IL 235
als Druckort des Breviers 1489 nicht Paris sondern Argentinae kennt, und dass
die Paulinische Bibliothek in Münster noch ein Brevier aus dem J. 1497 ent-
hält, welches den Historikern und Bibliographen unbekannt und darum wohl
höchst selten geworden ist. Auch das Diu male Monasteriensis diocesis ist 1511
impensis GuiUermi Korver zu Paris gedruckt. Man ist versucht die Vermittlung
der auswärtigen Drucke den Fraterherren zuzuschreiben, wenn man erwägt, dass
die Rostocker Brüder, welche in Münster ihr Mutter- und Oberhaus hatten,
selbst eine fleissige Presse besassen, aber in Ermangelung von Breviertypen
Die kuBstgeschichÜ. Besdehungen zwischen dem Rheinlande xl Westfalen. 93
(1522) far das Domcapitel zu Schwerin den Druck eines 1529 in Paris bei der
Wittwe des Thilemann Eeryers erschienenen Breviers besorgten (Lisch in den
Jahrbb. des Vereins für Mecklenburgische Geschichte und Alterthumskunde IV^
8, 42 ürk. IX| XIX, XX). — Dass man sich nach Strassburg und Paris wandte,
mosste besondere Gründe haben; denn die benachbarte Kölner Presse leistete
damals doch in allen Typen ein Erhebliches und in demselben Jahre 1489, wo
das erste Münsterische Brevier in Strassburg erschien, verliess das erste Missale
eine Ofßcin Kölns. Niesert muss es bei aller Aufmerksamkeit nicht mehr ge-
langen sein^ ein Exemplar zu erwerben und jenes, was er als Seminarist auf
der Seminarbibliothek zu Münster sah, scheint längst abhanden gekommen zu
sein. Ich habe es nur an eiuer Stelle, in der Bibliothek des Staatsarchivs und
hier in zwei Exemplaren vorgefunden, wovon das eine aus fler Scblosslcapelle
zu Vischering bei Lüdinghausen stammt, das andere, dessen Herkunft nicht be-
stimmt ist, des Passionsbildes entbehrt. Es fehlen Signaturen und Custoden, die
Missaltype ist gross und scharf, der Text schwarz, die Bemerkungen, Anweisun-
gen und die Blattzahlen, GYL ausgenommen, roth gedruckt, die Initialen
sämmtlich gemalt, die Wasserzeichen den Hausmarken ähnlich, jede Golumne
31 Zeilen stark.
Fol. 1*. GoL 1. Quatuor decim confilia ,doGtoru pro per|riculis que in
miasa contingere possunt. | Fol. 2* beginnt das 6 Blätter starke Kalendarium.
Fol. 7* Incipit ordo miCCalis p | circulu anni DnTca pri | ma T advetu domini
Injtroittts ad officiü mirre | und damit die Foliirung bis Blatt 148 incl.; es fol-
gen sodann 24 Blätter ohne Zahlen mit Infumis maioribus fesjtivitatibus can-
tabitur und von Blatt 149 läuft die Foliirung bis 335. Fol. 835* CoL 2 Sequu-
tor Sequentie per | totü anu de tpe et de fcTe. | Et primo 7 nativitate dm | In
galliostu I auf 11 nicht foliirten Blättern, deren letztes auf der Vorderseite
Bcbliesst:
([ Cörümmatü est mirfale hoc integru <x correctum | iuxta verü ordinem
eoclerie Monasterien . sine rejquiritiöibus : bene quotatü cü nouis feCbif et no|
iolis fuis pro ordiario lucidiflime interporitis. | Ad laude dei et utilitatem fa-
eerdotum sub eade) eccleria militätium: eorü precipue. q hucufq) exjtraneis
qoibnrdam puta Eolo | niefi. feu alioZt lo|co24* müTalibus in graue eclTal|, sna2i
periculü uCi pjhibentnr. cü nuUa vel modica rit illorü mirraliu) | cü isto Mona-
sterien. missali cocordantia et decet | semper ut mebra capiti Tuo : hoc est ecclel ie
cathe|draH fefe coforment ([ -P Lodouuicü de rechen al|me civitatis Colonien. in-
cola) Anno domini M|ocGcLxxxix Ipso die Pauli primi heremite-:. | Das Pas-
sionsbild zeigt die alte (niederländische?) Auffassung des Gekreuzigten, der
Bfaria und des Johannes mit drei theils schwebenden das Blut in Kelchen auf-
fangenden Engeln, Die Figuren sind steif und stämmig, jedoch im Ausdruck
und in der Gewandung frei von niederländischer Manier. Der 4eckige Rahmen
bildet massvoll geleg^s Blumen- und Blattwerk, jenem der niederdeutschen
Bibel nicht unähnlich. Es gehört dies Missale der Blüthezeit der Benchenschen
Presse an, zumal von späteren Leistungen nur ein Druck aus dem J. 1606
94 Die kanstgesohichtl. Beziehungen zwischen dem Rheinlande u. Westfalen.
bekannt ist. (Norrenberg, Köhiisohes Literaturleben 1873 p- XI. Ennen
setzt a. a. 0. III, 1041 die Blüthezeit der Renchen'sehen Presse in die Jahre
1485 — 1489.) Doch 1520 erschien gleichzeitig mit einem Kölner Missale das
zweite Münsterische in Köln. Fol. 1*: das reiche Titelblatt füllen in 4eckigem
Renaissancerahmen, der jedoch unten mit herabhangendem Blumenkamm besetzt
ist, ein in drei Abtheilungen zwischen ebenso vielen Säulenstellungen aufge-
bautes Bildwerk und die dazwischen vertheilte Schrift: ([ Miffale ad usum
dyocesis Monairterienfis Nouiter imprefCum ao emedatnm, Anno difi. M.GGCCCXX
I Unten: ^ Venale habet Colonie apud Fräcircü birchma ^x Goffredü hect Fol.
lb_2b Preparationes miffe, Fol. 3»-8*> Kalendarium nicht foliirt, Fol. 9» wie-
der von üppiger Renaissance umrahmt enthält in der obem Hälfte ein grosses
Bild mit gothisireiftLer Bekrönung und in der untern die Schrift: ([ Incipit ordo
mirfalis per circujlum anni ad uFum et confuetndi{nem diooeris Monafterienfis
Et I primo. ([ Dominica prima in ad|yetum dm introit* ad offioiu milTe | Das
Missale umfasst 60 Folien und schliesst Fol. 60^ Col. 2 | Finis | und das Sancto-
rale hat 98 Folien und schliesst 98*Mirrale ad ufu | diocerisMonarterienfis: poli-
tirß|mis formulis in alma Parißorum aoademia tpreffum : additis plnri |
Impefis Fräcisci byrck|man et Goffredi hector hoc T opefre sociomm. Anno dni
M. CCCCGXX I Der Canon FoL ^2 und 63 des ersten Theiles ist auf Pergament
gedruckt, Fol. 62^ mit dem schönen Holzschnitt des Crucifizus, der h. Maria
und des h. Johannes versehen. Ausser den grösseren Bildwerken sind auch die
oft sehr decorativen Initialen und die kleineren Bildwerke im Beginne grösserer
Abtheilungen in Holz geschnitten, und, mit geringer Ausnahme, alle decorativen
Zierarten im Geiste und in den Formen der freisten Renaissance ausgeführt; das
Figürliche entbehrt der Manierirtheiten des gleichzeitigen deutschen Stiles und
das Passionsbild erfreut sich in der Composition wie in den Einzelfiguren einer
so würdevollen Auffassung, dass es wahrscheinlich in Paris gezeichnet ist. Die
wenigen Blätter im Eingange abgerechnet, hat das ganze Buch Blattzahlen und
Signaturen und abwechselnd rothen und schwarzen Druck. In dieser Ausstattung
ragt das Missale als eins der bemerkenswerthesten Erzeugnisse der altem Presse
hervor. — Nach den Wiedertäuferwirren liess das Münsterische Domcapitel an
sonstigen Ritualbüchem zuerst in Köln 1536 — 1537 folgende drucken: 1, ein
Gra duale 295 Blätter stark* mit Signaturen und an den Rand gedruckten
Blattzahlen. Das Titelblatt umfassen oben und unten Bildwerke, unten aosserd^
noch ein omamentaler Besatz, an den Seiten aus allerhand Motiven, so aus
Delphinen und posaunenblasenden Putti, gewundene Säulen. Die Bilder in den
4 Ecken stellen die 4 Evangelisten in einer nicht gewöhnlichen Auffassung und
dazwischen oben den Salvator, unten anscheinend eine Sibylle vor. Die Initialen
sind in Holz geschnitten und oft reich mit Bildwerken verziert, die architekto-
nischen Einfassungen der Bildwerke in Renaissanoeformen gehalten, der Titel
lautet:
GRaduale, omnia sacre Mirre cantica | per totum annum | ad nfum et
confue|tudinem Ecclelle et dioceris Monasterienfsis | continens, iam primü im-
prerfum ac emedatum. Anno dni M. D. xxsivi. |
Die knnsigesciuchtl. Beziehungen zwischen dem Rheinlande u. West^itlen. 95
^nnc qoi aperia et volais libru: | Et no laceres oaueto |
Mandas habeto manua. | Nodulos eti» modeste attingito |
Folia leniter vertito, | Et semper librum bene claudito. |
In dem Bildwerke vertheilt steht unten auf dem Titelblatte Excndebat H
Alopecitts Expenfis capituli Maieris Ecclefie Monafterienfis 1536.
2. Das Antiphonarium 501 Folien gross. Das Titelblatt hat an den Seiten
eine Einfassung, oben und unten grössere Bilder und unten die Renaissanceeier
wie in Nr. 1. Die obere Bilderreihe zeigt die Herabkunft des h. Geistes mit der
üeberachrift links Spiritus sanctus, in der Mitte Salvator Mundi, rechts Maria
mater Dni, die untere Petrus apostolus, in der Mitte PauP doctor getiü unter
reichem Renaissance-Baldachin, rechts JohSnes eüagelirta, in der Mitte die
kleineren 4eckigen Bilder des Mat(theu8) links und des Mar(cus) rechts. Der
Titel lautet: ANtiphonariü, Oia pia Ganojnicarum horarum cantica: secundu
ordine atq} vfum Ecclefie et dioceris Monafterien: coplecjtenB iam primum
summa dili|gentia excnrum.
t
Hunc qui aperis et voluis librü: | etc. wie in Nr. 1. Unter dem Bilde des
Paulus: Excudebat Hero | Alopecius. Anno 1537. Ein Exemplar fand ich auf
Pergament abgezogen.
3. Den 154 Blättern des Psalterium ^ Sequuntur Vigijie Mortuoruip auf
20 Blattern ohne Zahlen, aber mit Signaturen; die sonstigen Eigenthümlich-
keiten entsprechen jenen des Antiphoniarium Nr. 2, ebenso im Titel die Seiten-
einfassung und das Monitum: Hunc qui aperis etc. Zur obem Einfassung des
Titels dienen die 4eckigen neben einander gestellten Bilder der 4. Evangelisten,
anten jene der Bekehrung des Paulus links, des SaWators rechts und der beiden
Apostelfursten in der Mitte. PSalteriü cum freque{tioribus Canonicarü horarü
Antiphonis: et Hymnis, pro Ecclefia ft dioceß Monartejrien. singulari diligetia
excufum. Kalenjdario 'X Vigiligs mortuorü adjectis | . Es wechselt der schwarze
Druck mit rothem. Einzelne Initialen und die kleinen Inschriften der Bilder
sind wie in Nr. 2 römisch. In allen drei Büchern erscheint dasselbe Bild des
Salyators und beherrscht die freieste, flottste Renaissance das Decorative, der
realistische die Gewandung in Augen brechende Stil das Figürliche, jedoch so
massvoll und gefallig, dass von einer Manier in vollem Umfange kaum die Rede
ist. Laut einer mir in Abschrift vom frühern Domwerkmeister Herrn A. Krabbe
mitgetheilten Urkunde des Capitelarchivs stellt das Münsteidsche Domcapitel
über den Druck des Graduals, Antiphpnars und Psalters dem »Meister Heroni
Alopecio, Buchdrucker zu Cölnc einen Schuldschein von 400 Joachimsthalem
aus mit dem Versprechen, diese Summe in gewissen Raten abzutragen, was 1540
laut der Rückschrift geschehen war: »Weddergekoft und berichtigt van den
Buchdrucker 1540. c ~ Das Bibliographische in Betreff des Gotius' Gedicht auf
die h. Jungfraui gibt Niesert Beitrage S. 27. — Das erste auswärtige Renais-
sance-Siegel, welches ich im Staatsarchiv zu Münster fand (Fürst. Münster, 2645)
hangt an einer römischen Urkunde des J. 1603, worin der Cardinal Raimundns
Ton St. Maria Novelia dem Uünsterischen Bischof Konrad mehrere Reliquien
96 Die kunstgeschichtL Besiehungen zwischen dem Rheinlande u. Westfalen.
vermacht. Die heimischen Siegel der Kaiser, Bischöfe, Fürsten, selbst der Ritter
verlassen am 1610 schon den gothischen Typus und nehmen von 1619—1582
immer mehr das Gepräge der Renaissance an.
^*) Au£fallend und bezeichnend für Nachlässigkeit und Geringschätzung,
mit der die Archäologie der Glocken betrieben wurde, ist es, wenn man bis
jetzt in der Entwickluugrggeschichte der Type vom Briefdruck bis zur beweg-
lichen Letter einerseits und beim historischen Verfolg der gedruckten Initialen,
gravirten Metallplatten und Holzmodeln bis zum mcchanisch-vervielfaltigenden
Gebrauch behufs des Holzschnitts und Kupferstichs anderseits die Lettern und
Formen der wandernden Glockengiesser (Voy. Viollet-le-Duc, Dictionnaire III,
288) unter den Vorläufern des Buch- und Bilddrucks ganz übersehen hat; denn
der Glockengiesser führte doch Formen für Blumen, Kreuze, Punkte und andere
Zeichen zum Eindrücken in die Form und zum Abdruck im Guss — und ebenso
alle Buchstaben des Alphabets, natürlich in den Zügen der Zeit, bei sich, um
sie entweder einzeln zu gebrauchen oder zu Worten zu componiren. Dies Ver-
fahren entsprach dem Buch-, jenes dem Bilddrucke. Da der Giesser gewöhnlich
nur ein selbstgegossenes oder sonst wie angefertigtes Alphabet mit den nöthigen
Formen für Zeichen und Ornamente besass, so lassen sich daran die Werke
eines und desselben Meisters unschwer erkennen, beziehungsweise solche, welche
nicht datirt oder mit dem Meisternamen versehen sind, nach seinen genauer
bestimmten Arbeiten bestimmen. Um dies Verfahren indess mit möglichster
Sicherheit handhaben zu können, bedarf es der genauesten Formbeschreibung
der Glocken und besonders bibliographisch exacter Copien der Inschriften, so
schwer diese auch in vielen Fällen wegen der dunkeln oder nur halbzugäng-
lichen Lage der Glocke zu nehmen sein mögen. — Die Hauptglocke zu Sinzig
ist laut Organ f. ehr. Kunst XIII, 164 reich mit Wappen und Medaillons (?)
verziert. Von den Majuskelinschriften lautet die untere für die ältere Zeit cha-
rakteristische: 0 rex glorie veni Cum pace, Anno Domini m^cc^Lxxxx^ mense
Mai fni fusa, die obere: Maria, rector celi nos tu dignare nos salvare. 0 et
Alpha nos ac^uva. A -f- i2. Die grösste Glocke zu Castrop entbehrt jener auch in
älterer Zeit nicht üblichen äusseren Decoration; nur verläuft ein rundlicher
Reifen über dem Schlagring, und oben an der rundlichen Biegung der Haube
fassen zwei Doppelreifen die Majuskelinschrift ein : Rector. celi nos. exaudi. tu. dig-
nare. nos. salvare. 0. et AUa. nos. adiwa (sie). Auf denselben Meister weisen Form
undSohriflzüge der zweiten und der kleinsten Glocke, diese mit dem altüblichen
Spruch: 0. rex. glorie. veni. cum. pace, jene mit: Vincit. xps. regnat. xps. inperat.
xps. — Gerhard de Wou, vielleicht der Sohn des gleichnamigen Glockengiessers Wil-
helm, gilt nun einstimmig für ein Kind der Stadt Campen in jenem Theile von Hol-
land, dem Deutschland dermalen so viele andere Kunstwerke verdankte; seine Wirk-
samkeit lässt sich von 1472 oder wie Andere wollen erst vonl476 bis 1602 nachweben.
(Smeddingk a. a. 0. VHI 163 f., v. Tettau, Meister und Kosten des Gusses der gros-
sen Domglooke zu Erfurt (Abdruck aus der Erfurter Vereins-Zeitschrift) 1866 S. 10
ff.). Drei seither unbekannte Werke hat er der Lambertikirche zu Münster hin-
terlassen, eine kleinere Glocke ohne Namen aus dem J. 1497, eine mittlere und
die grösste aus dem J. 1493. Die grösste, ein Pracktstück des Tones, der Form-
Die kunttgesohiolitl. fiasiehongen zwisohen dem RheinlAnde o. Westfalen. 97
Tollendmig und Schönheit omsiehen am Schlage 3, über demselben 5 zu dem
mittleren in elegantem Metallprofile an* und absteigende Reifen, die Schrift
oben am Mantel verläufb beiderseits zwischen einer stehenden oder hangenden >
Einfassung von Perlschnur, weich anschwellenden Beifen und Blumenkamm i
und wird unterbrochen von Rosetten und einem Revers-Abdrucke eines Ham-
burger Groschens:
Sum tuba magna Dei, divi sub nomine patris
Lamberti populos ad sacra templa vocans.
Gherardus de Wou Campensis me fecit anno Domini Moooozoin.
Gleiche Behandlung und Ausstattung zeigt die mittlere Glocke, nur unterbrechen
die Schrift 5 Abdrucke, nämlich die Evangelistensymbole mit namentragenden
Spruchbändern und das Gottesiamm in der Mitte. Der Schluss der Inschrift
lautet: Gherardi Wou Campensis erarij opus ^nno Domini Mooooxom. Das noch
grössere Geläut zu Elecklinghausen zeigt die hier genannten Formsohönheiten
in vergrössertem Maasse; die Blumenkämme der Sohrifleinfassung schwellen
förmlich zu Trauben an. — Wolter Westerhues wohnte zu. Münster auf der
Rothenburg und lieferte seine form- und klanggerechten Kunstwerke seinem
Yaterlande und der Umgegend, vom Emslande bis zum Niederrhein in den J.
1499 — 1526. üeber sein Leben und seine Arbeiten liefert inschriftliches und
urkundliches Material Kordhoff im Organ für ehr. Kunst (1868) XVIII, 89 f.,
(1669) XJX, 19 f. Seine Glocken zu Grieth und Niedermörmter erwähnt Zehe,
Histor. Nachrichten über Glockengiesserkunst 1867, 8. 11. — Die Arbeiten
Johan's von Düren zu Siegen und ihre Inschriften bringt Lübke a. a. 0. S. 416. —
Ueber die Arbeit Joh.'s v. Neuss zu Weitmar ertheilte mir Herr Dr. C. Mertens
zu Kirchborchau briefliche Auskunft: die schöne Glocke zieren an beiden freien
Seiten im ganzen 4 Bildwerke, oben rundliche Reifen und die einzeilige In-
schrift Jus X Maria z heissen x ich x Jan van Nuis gois mich XYXXII. -*
Die erwähnte Glocke zu Werth umziehen in regelmässiger Anlage Reifen und
oben die Inschrift: Henürick van Trier hat mi gegoten 1576, jene zu Anholt,
über Mittelgrösse, trägt zwei kleine Reifen über, und ebensoviele an dem stark
aasladenden Schlagring, oben am Mantel über dem Schriftbande einen noch
gothisirenden Blumenkamm, unter der Schrift ein kraus verflochtenes Zierband
von Blättern, Meeijungfem und andern Renaissance- Ornamenten: Doer dat vyer
byen ick gevloteui Peter van Trier ende Johan Philipsen hebben mi gegoten
. . . 1636. — Claudius Lamiral und der Westfale Antonius Paris gössen 1647
ein schweres Geläut für die Abteikirche zu Siegburg (Smeddingk a. a. 0. YIU.
214); der erstere, dem auch die grösste Glocke zu Olfen von 1640 angehört,
ist dem Namen nach Ausländer, vielleicht wie die beiden Paris aus Lothringen
gebürtigi wenigstens kam dorther nach einer brieflichen, dem Pfarrarchiv zu
Ahsen entnommenen Anzeige des Herrn Pastors Lorenz zu Waltrop Johannes
Paris, der als frater laicus minoris ordinis s. Francisci, oder ordinis minoris
strictioris observantiae, oder als observans, wie er sich nannte, von 1638—1656
eine Reihe von Glocken meistens im Münsterlande gegossen hat und deshalb
vielleicht früh ins Minoritenklost^r zu Münster getreten war. Werke seiner Hand
7
98 Dia kaiutgefloliielitl. Bdsielrangen swisehen dem Rheinlande u. Westfalen.
finden Bich sra Sfldkirchen bei Werne 1688, in Albachten bei Müneter 1661, m
Seppenrade und Olfen bei Lüdinghansen 1664, En BöBensell bei Münster 1666,
an Weslam bei Soest nnd in der Petrikirche zu Dortmnnd. Die Namensgleich-
heit, der schlechte meist unToUständige Gnss, die überladene Decoration des Man-
tels, das Bild des Kreuzes gestellt zwischen mehrere yielleicht iiir mystisch gehal-
tene Blätter (Kratz, Zeitschr. des bist Yer. f. Nieder^achs. 1866, k 868 f.), die
Arbeitszeit sind dem Johan wie dem Anton Paris nnd Lamiral gemeinsam und deuten
also anf eine gemeinsame Herkunft hin. Jedenfalls hat Anton Paris, als Lamiral's Ar-
beiten aufhörten, das hiesige Geschäft allein fortgesetzt. Von Steinen nennt a. a. 0.
m, 1209 als Meister der 1660 **/a gegossenen Brandglocke zu Altena »Anton von
Pariss aus Schwerte bürtig«. Die Lösung dieser Widersprüche sp&tem Funden
Überlassend, haben wir von seinen Arbeiten noch 3 Glocken zu Freckenhorst
(1646), eine in der evangelischen Kirche zu Hattingen 1662 und eine zu Alt-
lünen 1661 zu verzeichnen. — Die grosse Dinckelmaiersche Glocke zu Dorsten
zieren Reifen an und über dem Schlage, eine Johannesfigur am Mantel und oben
ein herabhangendes Blattwerk aIs Stütze der Inschrift : Godfried Dinckel-
maier von Collen hat mich gegossen 1782; die kleine zu Polsum hat nach einer
Mittheilung des Herrn Notarp jun. zu Münster die Inschrift: Ich rope euch zur
Kirchen, um euer heil zu wirken. Gottfried DInckelmaier van Collen hat mich
gegossen. 1788. üeber die Kölner Giesserfamilie Dinckelmaier, die wahrschein-
lich von Nürnberg stammt, und andere Werke am Eheine vgl. Smeddingk im
Organ f. ehr. Kunst. VIII, 224. — Die Arbeiten der Voigts von Isselburg halten
für ihre Zeit eine löbliche Höhe in Form und Ton. Nachdem 1746 in einem
vom Blitz aus heiterm Himmel entzündeten Thurmbrande die 7 alten, schönen
Glocken zu Bochold bis auf eine als zerschmolzene Metallstücke herabgefallen
waren (Nunning, Monumenta Monasteriensia I, 411), wurde allmälig die grösste
Glocke wiedergegossen mit der Inschrift: Chrbtian Voigt et Christian
Diederich filius duc(atu8) Cliviae Isselburgenses me fnderunt. Als »ohurfürst-
lich-münsterischer privilegirter Klockengiesserc arbeitete Christian Wilhelm
Voigt 1766 für Wulfen bei Haltern, 1776 für Bamsdorf, 1777 für Dühnen, 1786
für Wesecke bei Borken, als ducatus Cliviae Isselburgensis 1779 für Watten-
scheid und Hövel bei Werne — ; Christian Wilhelm Voigt der Vatter et Rutt-
gerus Voigt der Sohn für Dortmund, 1767 für Herbem, 1768 für Werne, —
Johann Rutger 1790 für Dingden. — Die Mabillots aus Coblenz nennen sich
Stuck und Glockengriesser. Sie pfiegen ihre Arbeiten formel mit Ornamenten zu
überladen, die Schrift mit Zierb&ndem einzufassen, den Mantel mit einem von
Blattwerk umgebenen Bilde zu beleben und die Inschrift durch Handweiser
einzuleiten. Maurice Mabillot (beide Namen klingen nach französischer Herkunft)
Stucke- und Klockengiesser goss 1777 eine kleine Glocke für Mesum bei Rheine,
Andreas Mabillot, vielleicht des erstem Sohn, goss in unschönem Formen eine
grössere für die Kirche zu Notuln und 1777 eine kleinere für die Ludgeri-
kirche zu Billerbeck, als »churfürstlich-Trierscher Stucke- und Glookengiesser
1777 eine grössere, 1778 eine kleinere für Rorap. Von Joan et Andreas Mabillot
stammen die drei Glocken au Stromberg bei Oelde aus dem Jahre 1781. — Das
k*--^
Die kanttgesohiohtl. Beoehongeii zwiaehen dem Rheinlande u. Westfalen. d9
weitgreifende Material über die Petita einigermassen tu verarbeiten, geht
hier nicht an.
'*) Unviderleglicher, als gleichzeitige Berichte, beglaubigen das üppige
Kunst- und Culturleben der Stadt Münster während des dreissigjährigen Krieges
jene stolzen (von 1540) bis 1667 in fast ununterbrochener Folge sich erhebenden
Giebel an den belebtesten Strassen der Stadt, und ebenso schlagend bezeichnet
das Benehmen Bernhards von Galen die Yemichtung der Stadtblüthe, da seit
1661 nur mehr ein Haus (1668) im missverständlichen Renaissancestil erstand,
wahrend ein anderes vom J. 1665 in edlern Formen als adeliger (Schmiesinger)
Hof die der bürgerlichen Kunst gefolgte adelich-höfische einleitet. Einflüsse
rheinischer Benaissancearohitektnr sucht man vergebens; nur die sehr reiche
Fa^^ade einea Bürgerhauses (Ohm), welche die Sage wegen der ungewöhnlich
prunkenden Stilcharaktere von Italien (Mantua) direkt nach Münster versetzt,
dürfte wegen der Aehnlichkeit des geometrischen Ornaments — , der Atlanten
und Karyatiden unter dem Eindrucke des Kölner Rathhauses geschaffen sein.
— Die Berufung des Baumeisters Gottmann zur Restauration des Sparrenbergs
enthält L. v. Ledebur's Sperrenberg 1842, S. 74. — Auffallend ist, dass Leon-
hardt Thumeisser 1570 zu Münster für die Tafeln seiner Archidoxa und Quinta
Essentia keine Formschneider in Holz finden konnte (Becker in der Zeitschrift
für Geschichte und Alterthumakunde Westfalens I, 245)» wie solche doch den
altern Druckern zu Diensten gewesen waren (Vgl. Niesert, Beiträge zur Buch-
dmckergeschichte S. 14 ff.), und dass er deshalb die ihm von dem Maler Her-
man tom Ring ^ angefertigten Zeichnungen von Remigius Hogenberg in Köln
musste stechen lassen (Becker in Kugler's Museum (1837) Y, 4). — Die dom-
oapitularischen Rechnungen »circa annum Domini 1622 & 28« über die Her-
stellung des Hochaltars im Dome und die Anfertigung der Flügelbilder sind
noch im Original vorhanden. — Von den 86 Portraits der Friedensgesandten
im Bathhause führen insohrifUich nur zwei von Gerhard Terburg, und wenn er
dennoch nach Fiorillo lU, 132 auf dem Friedenscongress 1648 »beinahe alle dort
versammelten G^esandten mahlte«, so kann sich diese Nachricht nicht auf die
Einzelportraitsi sondern auf das Bild der den Frieden beschwörenden Gesandten
beziehen. 34 Portraits fertigte laut Contracten und Rechnungen im Stadtarchiv
sein Landsmann Jan Baptist Floris. (Vgl. Westfal. Merkur 1873 Nr. 89.) — Die
Verhandlungen Bernhards von Galen mit den Augsburger Goldschmieden Johan
Spring undlsac Bozbart, der sich auf Grund seiner Seereisen nach Indien als Kenner
dea Sofaiffabaua ausgab, über die Anfertigung des silbernen Schiffes fallen in
das Jahr 1676 und aind mir vom Herrn Archivsecretar Sauer aus dem Münste-
riacfaen Staataarchiv mitgetheilt. — In dem Dunkel, welches bis jetzt die Kunat-
geechichte der beiden letzten Jahrhunderte umhüllt, findet man Nachrichten,
wie sie F. v. Mering, Geschichte der Burgen, Rittergüter, Abteien und Klöster
in den Rheinlanden und den Provinzen Jülich, Cleve, Berg und Westphalen (1842j
TI, 61—78 über den kunstliebenden Bischof Clemens August von Köln und
Münster veröffentlicht, schon dankenswerth. — Die Angabe über italienische
Künstler beruht auf Acten in Privatarohiven.
^^.
F4. '
"^
3. Ein romischer Fund in Bandorf bei Oberwinter.
Hierzu Tafel XIII u. XTV.
Bereits im März 1870 wurden nahe am Wege von Bandorf nach
Oberwinter, kaum einige hundert Schritte vom erstgenannten Orte
entfernt, beim Umspaten eines Feldes in der geringen Tiefe von
IV2 Fuss eine römische Ära und ein Götterbild gefunden, das, in
liegender Gestalt, die linke Hand auf eine Urne stützt, während dem
linken Fusse sich ein Defphin anschmiegt. Unverkennbar ist der dar-
gestellte Gott ein Neptun, oder ein Flussgott, der, wie die Urne zeigt,
einen Brunnen geziert hat. Als mir im Sommer desselben Jahres die
Nachricht zukam, dass man an diesem Orte einen Stein gefunden
habe, auf dem ein Ritter zu sehen sei, dem ein Vogel in den Fuss
picke, glaubte ich, dass es sich um irgend ein Steinbild aus dem
Mittelalter handle und schenkte der Mittheilung wenig Beachtung.
Erst am 14. Februar vorigen Jahres begab ich mich mit Prof. Bitter
nach Bandorf. Als uns der Besitzer des Feldes und d6r Finder der
beiden Denkmale, Herr J. Loosen daselbst, das erste Bruchstflck des
zerbrochenen Steinbildes brachte, erkannten wir sofort, dass es sich
^ um einen werthvollen Fund des römischen Alterthums handle. Nach
der Angabe des Finders wurde zuerst in der angegebenen Tiefe eine
k 6' Rh. lange, 4' breite und 2V2' hohe Steinplatte gefunden, die wie
ein Feuerheerd aussah aber zerbrochen war, sie soll wie von Feuer
[:; geschwärzt gewesen sein und Kohlem^este lagen daneben. Loosen hat
f'J-^ : an der Ecke eines neuen Hauses ein Stück dieses Steines eingemauert,
q. es ist ein Berkumer Trachyt, der also von den Römern schon gebrochen
wurde. Zwei Fuss neben dieser Steinplatte lagen die Bruchstücke der
kleinen IOV2" Rh. grossen Ära, und zwei Schritte daneben die drei
Stücke der 20'' langen und 14" hohen Brunnenfigur. Beide liessen
'^'' sich indessen vollständig wieder ergänzen. Auch einen schweren
^^'^V römischen Dachziegel, 16" lang und 12 Vs'' breit, sowie eine viereckig^
Ein romisoher Ftind in Bandorf bei Oberwioter. 101
11 '' lange und breite und 1 V2 '' dicke Ziegelplatte, an der sich keinerlei
Abzeichen fand, hatte der Finder aufbewahrt. Auch Stücke gebrannten
Thones, die mit Blumengewinden verziert, aber abhanden gekommen
waren, sowie das Ende einer Geweihspitze vom Hirsch lagen an derselben
Stelle. Als wir den Fundort, ein Kleestück, in Augenschein nahmen,
« entdeckten wir noch eine grosse Menge kleiner Scherben von Thon-
gefassen und Ziegeln und mussten es fUr sehr wahrscheinlich halten,
dass eine Nachgrabung hier auf Fundamente eines römischen Gebäudes
fuhren werde. Der Besitzer des Grundstückes erklärte sich auch
bereit, im Spätherbste vorigen Jahres eine solche zu gestatten. Noch
. jetzt kreuzen sich an dieser Stelle drei Wege und ein Bach fliesst in
der Nähe vorbei. Die ganze Gegend ist wasserreich, eine nahe gelegene
Wiese besitzt 3 Quellen, die, wenn die Brunnen des Ortes bei langem
Regenwetter trübes Wasser geben, als Trinkwasser benutzt werden.
Loosen zeigte uns auch in der Nähe dieses Ortes die Spuren ge-
mauerter unterirdische^ Wasserleitungen in seinen Feldern. Es kann
nicht fiberraschen, in diesem fruchtbaren, mit vortrefflichem Quell-
wasser versehenen Thale, dessen besonders geschützte warme Lage
der ' üppige Baumwuchs noch heute erkennen lässt, die Spuren einer
römischen Niederlassung zu finden, während die Erhaltung eines so
bemerkenswerthen römischen Bildwerkes in so geringer Tiefe des
Bodens und nahe am Wege sich aus der von der grossen Verkehrs-
Strasse am Rheine abgelegenen stillen Lage des Ortes erklärt. Bandorf
liegt in einer Abzweigung des Unkelbachthales, das unterhalb Remagen
gegen den Rhein sich öffnet. Unzweifelhaft hat von Remagen aus
«ne römische Strasse .zur Verbindung des Rheines mit dem Binnen*
lande durch das bei Remagen sich weit öffnende Thal des Unkelbachs
bestanden, in der Richtung nach Gelsdorf, wo römische Gräber mit
werthvoUen Glas- und Thongefässen aufgefunden worden sind ^). Die
erste Mittheilung über den Fund der Ära und des Neptun machte ich
in der in Bonn zur Winckelmannsfeier veranstalteten Sitzung des Vereins
von Alterthumsfreunden im Rheinl. am 9. Dezember 1872. Ich sprach
mich für die Annahme aus, dass an einer vielgebrauchten römischen
Heerstrasse, da, wo sich mehrere Wege kreuzten, ein öffentlicher
Brunnen und zugleich ein vielleicht in einer Kapelle aufgestellter
römischer Altar gestanden hätten, und erwartete weitere Aufklärung,
wenn eine sorgfältige Aufgrabung auf der Fundstätte werde ver-
>) Jahrb. XSSUL und XXXIV 1868. S. 224.
102 Ein römiBOher Fond in Bai^dorf bei Oberwinter.
anstaltet werden können. Diese wurde denn auch auf Kosten des
Vereins am 18. Dezember in Angrifif genommen und unter des Herrn
Prof. aus'm Weerth und meiner Aufsicht bis zum 24. Januar 1873
fortgesetzt. Die aus Jurakalk gefertigte Ära trägt, wiewohl der Stein
etwas verwittert ist^ die noch leicht lesbare Inschrift:
DEO
INVICT
REGIPR
OBONO
COMVN
Auffallend erscheint es> dass das Wort Deo auf dem Gesimse
der Ära selbst eingehauen ist. Dies ist indessen auf einem Votivstein
mit einer dem Mercur geweihten Inschrift, Nr. 888, sowie auf d^n
dem Mithras geweihten Yotivsteinen Nr. 645 und Nr. 1456 des Bram*
bach^schen Verzeichnisses auch der Fall.
Die Buchstaben sind die des 3. und 4. Jahrhunderts unserer v'
Zeitrechnung. Die einfach schöne Weiheschrift : „Dem Gotte, dem un-
besiegbaren Herrscher, für die öffentliche Wohlfahrt,'* erinm^ mit
grosser Bestimmtheit an den Mithrasdienst. Die Bezeichnung Invictus
ist für diese Gottheit ganz gewöhnlich. Auf einer Münze des Kaisers
Elagabalus, der selbst Mithraspriester war, lautet die Inschrift des
Reverses : Invictus Sacerdos Aug. Auf Münzen des Probua kommt der
Revers: Soli Invicto, auf dem des Constantinus magnus das Soli
Invicto Gomiti häufig vor. . Unter römischen Inschriften, die in den
Rheingegenden gefunden sind, begegnet man solchen, die sich auf den
Mithras beziehen und ähnlich lauten, nicht selten. Bei Brambach,
Corp. Inscript. Rhenan. 1867, finden sich die folgenden, deren Vor-
kommen auf die Verbreitung des Mithrasdienstes durch die römischen
Legionen bezogen werden darf. Die Bezeichnung D(eo) I(nvicto)
M(ithrae) kommt vor auf Nr. 1036 aus Mainz, Nr. 1413 von Friedberg,
1463, 1464 und 1465 von H^dernheim; Deo Dol(icheno) auf Nr. 1456
und 1457 von Heddemheim; I(nvicto) M(ithrae) auf Nr. 1466 von
Heddemheim, Soli Invicto Mi . . ae auf Nr. 1584, bei Heilbronn
gefunden, hier wird die 8. Legion erwähnt; D(eo) S(oli) I(nvicto)
M(ithrae) auf Nr. 1730 von Osterburken in Baden, in dieser Gegend
stand, wie aus mehreren anderen Inschriften hervorgeht, die 8. und
die 22. Legion; 'S(oli) I(nvicto) M(ithrae) auf Nr. 1568 von Murrhardt
im Neckarkreis, Soli Invicto %uf Nr. 55 von Vechten bei Utrecht ; hier
Ein römitoher Fond in Bandorf bei Oberwinier. 108
werden mit dem Mithras aach Jupiter, Apollo, Luna, Diana, Fortuna,
Mars, Victoria und Fax genannt ; Deo Soli I(nvicto) M(ithrae} P(ro)
S(alute) I(mperii) auf Nr. 285 von Dormagen, D(eo) S(oli) I(nYicto)
Imp(eratori) auf Nr. 286 von ebendaher. Das Deo Sol(i) kommt
vor auf Nr. 1719 aus Lobenfeld in Baden, Deo Invicto auf Nr. 384
aus Cöln, auf Nr. UOl und 1402 aus Lengfeld in Hessen und auf
1720 aus Lobenfeld, Deo Invicto C(omiti) auf Nr. 1467, auf diesem
Steine aus Heddemheim wird die 32. Gehörte genannt, ^(ithrae)
kommt vor auf Nr. 1579 von Feibach in Würtemberg, Soli auf
Nr. 388 aus COln, Soli Serapi auf Nr. 330 ebendaher, Soli et Luna^
auf Nr. 1838 aus Nfthweiler im Elsass, auf zwei andern Inschriften
derselben Gegend werden wieder die 8. und die 22. Legion erwähnt;
Lunae Solique (?) auf Nr. 151 von Birten bei Xanten, hier wird die
30. Legion angefahrt. Ein Sacerdos Dolicheni wird auf Nr. 645 aus
Remagen genannt. Dieses Denkmal gab Braun Veranlassung zu seiner
Schrift: „Jupiter Dolichenus.'' Die ganze Inschrift lautet: In honorem
domus divinae Arcias Marinus sacerdos Dolicheni donum donavit equi-
tibus cohortis primae Flaviae Decio et Orato consulibus. Dieser
Yotivstein wurde also unter dem Consulate des Decius und Gratus,
das ist im Jahre 250 errichtet. Braun führt merkwürdiger Weise
einen in Camuntum in Pannonien gefundenen Stein an, mit der
Widmung I(ovi) 0(ptimo) M(aximo) D(olicheno), auf dem ebenfalls
ein Marinus als Priester des Jupiter Dolichenus genannt ist. Der
Wechsel der Standquartiere in Pannonien und dem Bheingebiet ist
für viele römische Legionen festgestellt. Der Name Dolichenus kommt
von der Stadt Doliche, die in der römischen Provinz Commagene am
Euphrat im nördlichen Syrien lag und zur Zeit der Antonine blühend
war, von Strabo aber noch nicht genannt wird. Die Beziehungen der
ersten flavischen Gehörte zu dieser Provinz sind auch anderweitig
nachweisbar. In einer von Mommsen beschriebenen Inschrift der
Sammlung in Neapel wird der cohors prima Flavia die Bezeichnung
Commagenorum zugefügt Auf einem zu Friedberg in der Wetterau
gefundenen gebrannten Steine heisst die erste flavische Ciohorte Da-
mascenorum milliaria und auf einer ebendaselbst gefundenen Inschrift
kommt dieselbe auf Syrien hinweisende Inschrift vor. Diese Cohorte
hat aber auch ihr Standquartier in einer Stadt von Palästina gehabt,
wie Panqirollus angiebt. Die Beziehungen der Stadt Doliche oder
Dolichene zum assyrischen (Gottesdienst gehen aber aus einer von
Reinesius mitgetheilten Inschrift hervor, in der es heisst: Junoni
-l'*
V
t.:--.
104 Ein römischer Fand in Bandorf bei Oberwintar.
Assyriae Beg. Dolichenis ^). Wir entnehmen aus unserer Inschrift und
den andern beigebrachten Daten, sagt Braun, dass, während römische
Soldaten in verschiedenen Gegenden Deutschlands, namentlich an den
Ufern des Rheines, dem Jupiter Dolichenus Gelübdesteine errichteten,
ein Priester dieses in weiter Feme, an den Ufern des Euphrat ver-
ehrten Gottes in unserer Nähe zu Remagen seinen Wohnsitz hatte.
Es ist gewiss eine auffallende Bestätigung der Annahme, dass durch
die römischen Legionen der Mithrasdienst aus den östlichen Provinzen
des Reiches an den Rhein gebracht worden ist, wenn wir erfahren^
dass eine mit der Bandorfer nahe übereinstimmende Inschrift in Ofen,
also einer Stadt Unterpannoniens, gefunden worden ist. Sie ist bei
Orelli-Henzen III unter Nr. 5854 aufgeführt und lautet:
SOLI
INVICTO
ETPRO
BONOC
OMVNI
Schmidt, Oesterr. Blätter 1846. p. 380.
Ueher die Verlegungen römischer Legionen aus den östlichen
Provinzen des Reiches in die westlichen uud umgekehrt verdanke ich
Herrn Prof. Floss folgende Angaben: Der Prätorianische Flügel, ala
Praetoria, der in Cöln erwähnt wird, lag unter Domitian; 85 n. Chr.
in Pannonien. Der Frontonianische Flügel, ala Frontoniana, stand bei
Neuss, war unter Vespasian und Domitian in Britannien, unter Trajan
106 n. Chr. in Britannien und später in Dacien. Die Legio XIV
gemina lag seit 71 n. Chr. in Mainz, scheint aber schon unter Nerva
nach Ober-Pannonien abgerückt zu sein. Die Legio I adjutrix lag zu
Mainz und wurde aus Dalmatien und Pannonien rekrutirt; um 140
lag dieselbe in Pannonien. Eine Cohorte der Asturer und Galläcier,
zweier spanischer Völkerschaften, stand bei Mainz ; sie lag unter Titus
und bis zu den Zeiten des Marc Aurel und Lucius Verus in Pannonien.
In Cöln wird eine dritte Lusitanische Cohorte genannt, sie stand unter
Trajan, Marc Aurel und Lucius Verus in Vorder-Pannonien. Die erste
thracische Cohorte ist im 1. Jahrhundert und wieder um 116 am
Mittelrhein, unter Hadrian rückte sie nach Pannonien, wo sie sich noch
bis ins 5. Jahrhundert verfolgen lässt. Die zweite asturische Gehörte
>) Braun, Jupiter Dolichenus Bonn 1852, S. 6.
w
t
Bin rdmifldier Fund in Bandorf bei Oberwinter. 105
ist unter Trajan im Brohlthal; unter Domitian lag sie in Pannonien,
unter Hadrian ist sie in Britannien, unter Marc Aurel und Ludns
Verus, Yielleicht auch unter Antoninus Pius wieder in Pannonien, zuletzt
vielleicht in A^^ypten. Der erste Flügel der Thraker steht in den
Niederlanden, unter Domitian war er in Judäa, unter Trajan in
Britannien, unter Marc Aurel und Lucius Verus in Nieder-Pannonien.
Eäne sechste thracische Gehörte ist in Mainz bezeugt, sie lag unter
Domitian in Pannonien. Ein Flügel der Ituraer steht bei Frankfurt,
er stand unter Trajan in Da^en, unter Marc Aurel und Lucius Verus
in Pannonien. Ein erster Flngel der Scubuler unter Vespasian und
Trajan in Ober-Germanien, stammte aus einer Pannonischen Völker-
schaft dieses Namens. Die Legio X gemina aus Spanien stand seit
71 in Nymwegen, Antoninus Pius verlegte sie nach Unter-Pannonien.
Wiewohl diese häufigen Versetzungen römischer Legionen sich
meist in einer firöheren Zeit ereigneten als die ist, aus welcher der
uns hier beschäftigende Fund herrührt, so enthalten sie doch den
Beweis für die wiederholten Beziehungen, die zwischen den Besatzungen
•
des Bheingebietes und Pannoniens stattfanden und gewiss auch später
fortdauerten. Die Uebereinstimmung römischer Inschriften aus beiden
entfernten Gegenden, die sich auf einen besonderen Cultus beziehen,
erhalten dadurch eine befriedigende Erklärung.
Ungewöhnlich muss auf unserer Ära die Bezeichnung *des Mithras
als Bex erscheinen; wiewohl die als Imperator vorkommt und die
Widmung Mercurio Regi auf einem bei Nymwegen gefundenen, von
Brambach unter Nr. 70 angeführten Steine sich findet, und noch
einmal, wiewohl zweifelhaft, auf Nr. 79. Auch darf hier angeführt
iferden, dass nach Winckelmann ^) auf einer Münze des Kaisers
Claudius Gothicus Vulkan mit Amboss, Zange und Hammer abgebildet
ist; dieselbe hat die Umschrift: Regi Artis. Die Widmung Junoni
Beginae kommt sehr häufig vor, zumal in Verbindung mit Jovi optimo
maximo. Im Brambach'schen Verzeichniss stammen die meisten dieser
Inschriften aus Mainz und seiner Umgegend, und, was für uns Be-
deutung hat, viele von Orten, wo Mithras verehrt wurde, so Nr. 1451,
1453 und 1493 von Heddernheim, 2063 von Osterburken. Wir dürfen
schliessen, dass die Beiworte Bex und Begina um diese Zeit üblich
waren. Stark bemerkt in Bezug auf die Inschrift des einen oben an-
geführten Steines von Dormagen, auf dem er mit Lersch D(eo) S(oli)
^) Joh. Winokebnann'B sämmtL Werka, Donsueflchingen 1826. IX. S. 85.
106 Ein i'ömisoher Fand in Bandorf bei Oberwinier.
I(nyicto) Imp(eratori) und nicht mit Fiedler Imperio statt ex Imperio
oder Impensa statt sua Impensa liest, dass er den Beinamen Imperator
für den Mithras nicht kenne, wiewohl er für Jupiter gelte« Doch
findet er, dass derselbe der mit der Verehrung des Imperators eng
verbundenen Natur des Mithraskultus im römischen Heere sehr wohl
entspreche. Der Gebrauch des Wortes Begi in unserem Falle recht-
fertigt wohl die Lesung Imperatori in jener Inschrift Auch möchte
die Deutung der Buchstaben P. S. I. in der Inschrift eines zweiten
Steines von Dormagen als : Pro Salute. IiQperii, wie Lersch vorschlug,
durch die auf unserer Ära ausgeschriebenen Worte Pro Bono Gomun(i)
ihr Gleichniss finden.
Nicht so leicht wie die dem Mithras geweihte Ära ist das Bild
des Neptun zu deuten, und es entsteht sogleich die Frage, ob nicht
blos ein Fluss- oder Quellengott in dieser Figur dargestellt sei. Das
Bildwerk besteht aus demselben Jurakalk wie die Ära, und zeigt eine
etwas derbe aber stilgemässe Ausführung des fast ganz nackten
Körpers. Der kräftige Gliederbau, die breite muskulöse Brust, das
in eigenthümlicher Weise geordnete Haupthaar, welches über der Stime
emporstrebt und der in regelmässige Zwickel getheilte Bart, endlich der
Delphin, dessen Mund den linken Fuss des Gottes berührt, während
die rechte Hand des letzteren auf der Schwanzflosse desselben liegt, endlich
das hinter dem Rücken herabhängende, und nur die linke Schulter
und den rechten Vorderarm bedeckende Gewand deuten sehr bestimmt
auf die Darstellung des Neptun. Schon Meyer bemerkt in einer Note
zu Winckelmann >) dass die Bilder dieser Gottheit, deren Verehrung
bei den Griechen eine allgemeinere war als bei den Römern und von
diesen unverändert aus der griechischen Mythologie übernommen
worden war, im Alterthum sehr selten seien, und dass ausser der
von Winckelmann angeführten grossen Statue eine kleinere zu Dresden
(Becker, August. Taf. 40) und auch einige Figuren Neptuns auf er-
habenen Arbeiten bekannt seien. Auf geschnittene Steine und Vasen-
gemälde bezieht sich diese Bemerkung nicht, sondern nur auf die
plastischen Darstellungen des Neptun. Auch am Rheine sind solche
Funde selten. Im Mainzer Museum befindet sich nach einer Mit-
theilung von Liudenschmit weder unter den Skulpturen noch unter
den Bronzen und Terrakotten ein Bild dieses Gottes, ebensowenig ist
') Winckehnann a. a. 0. lY, S. 186.
Ein römiaoher Fand in Bandorf bei Oberwinter.
107
ein solches in Wiesbaden vorhanden. Auf mehreren der bereits an-
geführten Votivsteine der Nehalennia von Zeeland, auf Nr. 27 bis 31
bei Crambach, ist dem Hercules gegenüber Neptun dargestellt, auf
Nr. 28 mit Delphin und Dreizack, auf Nr. 45 mit der Pappel und dem
Dreizack, lieber die Art der Darstellung des Neptun bei den Alten
macht Winckdmaon folgende Angaben. Es ist ihm eigenthümlich,
dass er wie Jupiter unbekleidet mit prächtiger gewölbter Brust
dargestellt wird; Winckelmann erinnert dabei an die Ilias n 479.
,,Gewöhnlich ist er auf einem Wagen von Meerpferden gezogen; auf
einem Steine des Stoschischen Museums aber steht er auf einem Wagen
von 4 wirklichen Pferden gezogen und entführt die Amymone, die er
in den Armen hält. Sein dreizackiger Scepter soll nach dem Plutarch
das dem Neptun zugefallene dritte Loos, das Meer bedeuten; es ist
dieser Scepter aber nichts anderes als ein Fischerwerkzeug, womit
diese die grossen Fische, zumal den Spada fangen und tödten, es hiess
fusdna. In der linken Hand hält Neptun zuweilen ein aplustre, ein
Zierrath am Hintertheil des Schi£Ees. Eins von dessen Zeichen ist ein
Pferd, wovon die Ursache aus der Fabel bekannt ist An einem
Oefässe von Erz in dem Herkulanischen Museum macht ein Pferd den
Henkel, indem die Vorderfüsse auf dem Rande des Gefässes liegen;
es kann dies bedeuten, dass das Gefäss bei Opfern dieser Gottheit
gebraucht worden. Auf dem Pferde hat sich ein Delphin um den
Trident gewunden. Einen Delphin hält Neptun, weil er durch den-
selben die Amphitrite, die sich vor seinen verliebten Verfolgungen
verbarg, entdeckte. Wo ein Knabe mit einer Schale in der Hand
neben demselben steht, kann dieser den Pelops bedeuten, der von
Nepton wegen seiner Schönheit entführt wurde. Was der Hippokam-
pns ist, welchen nach Strabo eine Statue des Neptun in der Hand
hielt, wissen wir nicht; einige meinen, es könne vielleicht ein Pferde-
zaum sein, wir finden ihn aber auf keinem alten Denkmal mit diesem
Zeichen. Von dieser Gottheit hat sich nur eine einzige grosse Statue
zu Rom erhalten, die in der Villa Medicis steht'^ 0- An mehreren
SteDen spricht er von dieser grossen und schönen Statue, die zu
Korinth nebst einer Juno ausgegraben worden und zu J. Caesars Zeit
oder nicht lange nachher verfertigt worden ist. Auf dem Kopfe des
Delphin, zu den Füssen der Statue findet sich die griechische Inschrift,
welche besagt, dass die Statue von Publius Licinius Priscus, einem
^) Winckelmaan a. a. 0. IX, S. 83.
■«
106 Ein rtmiflcher Fand in Bandorf bei Oberwinter.
Priester des Neptun gesetzt worden ist <). Winckelmann macht wieder-
holt darauf aufmerksam, wie schon durch die Behandlung des Haupt-
haares und des Bartes einige der Hauptgöttergestalten sich unter-
schieden. Die Darstellung des Neptun, ist der des Jupiter verwandt,
mit ihm führt er auch den Blitz. ,;An der Neptunstatue in der Villa
Medicis ist der Bart krauser, und über der Oberlippe dicker, die Haare
sind lockichter und erheben sich auf der Stirne verschieden von dem
gewöhnlichen Wurfe dieser Haare am Jupiter *). Der Bart ist nicht
etwa länger oder so wie er bei andern dem Neptunus untergeordneten
Meergöttem zu sein pflegt, das heisst: gestreckt und gleichsam nass,
sondern er ist krauser als beim Jupiter und der Enebelhart ist
dicker^' '). Beim Jupiter bezeichnet Winckelmann das Haar als von der
Stirne aufwärts gerichtet und im Bogen herabfallend und das Ohr
bedeckend wie beim Löwen, indess. beim Herkules das Haar aber der
kurzen Stirne kurz ist wie beim Stier. „Der Herkules auf einem
Altar des Museum Capitolinum hat kein anderes Kennzeichen als den
Bart, welcher spitzig ist und woran sowohl als an den Haupthaaren
die Locken durch kleine Ringeln oder vielmehr Kügelchen reihenweise
angedeutet sind, welches die älteste Art der Form und der Arbeit der
Barte war" ^). Dass die Behandlung des Haars auch von der Kunst-
epoche abhängt, räumt Winckelmann selbst ein. Er sagt : „an Figuren
des ältesten Stils pflegen die Haare geringelt und in kleine Locken
zerlegt zu sein, frei und ungezwungen in der Blüthe der Kunst, müh-
selig und fast bbs mit dem Bohrer gearbeitet, als die Kunst in Verfall
zu gerathen anfieng''^). Nach K. 0. Müller*) wird Poseidon oft mit
gesträubtem, wild durcheinander geworfenem Haar gebildet, während
Zeus einen von der Mitte der Stirn emporstrebenden und mähnenartig
zu beiden Seiten herabfallenden Haarwurf hat. An unserer Neptun-
statue sind die Haare des Hauptes über der Stirne hoch emporgerichtet
und fallen in regelmässigen langen Locken nach den Seiten herab,
lassen das Ohr aber frei, auch die Haare des Bartes sind in gerade
abwärts gerichteten Zwickeln regelmässig geordnet und liegen wie
von Wasser triefend dem. Halse an. Diese Anordnung scheint mehr
») Winckelmann a. a. 0. VI, 8. 140.
>) Winckelmann a. a. 0. IV, S. 186.
•) Winckelmann a. a. 0. VIT, S. 115. ^
^) Winckelmann a. a. 0. III, S. 826.
») Winckelmann a. a. 0. YII, S. 148.
<") K. 0. MüUer, Handb. d. Archäologie der Kunai 1866. 8* 504.
^^^•
■V.
Ein römiioher Fond in Baadorf bei Oberwinter.
109
f&r einen Flussgott zu passen. Die Beigabe des Delphin muss aber
wieder auf den Neptun bezogen werden, wenn auch der Dreizack fehlt
In Bezog aof diesen bemerkt noch Winckelmann, dass auf alten
Münzen der Stadt Posidonia Neptun den dreizackigen Scepter wie eine
Lanze hält, im Begriff damit zu stossen, er ist wie Jupiter nackt,
ausser dass er sein zusammengenommenes Gewand über beide Arme
geworfen hat 0> Winckelmann schildert eine Reihe von geschnittenen
Steinen mit verschiedenen Darstellungen des Neptun. Auch hier führt
er wieder als eigenthümlich an, dass das Haupthaar in Reihen von
geraden und parallelen Locken auf den Hals herabfällt, welche An-
ordnung auch, wo man ihm wallende Haare gemacht hat, sich wenigstens
am Barte erkennen lasse *). E. 0. Müller macht auf die grosse
Mannigfaltigkeit in der Darstellung des Poseidon bei den Griechen
aufmerksam, indem er stehend un(f thronend, heftig schreitend, den
Dreizack schwingend, bald nackt bald bekleidet dargestellt werde. Dass
dem Meer- und Fluss- und Quellengott das Pferd geheiligt war, erklärt
sich wohl aus dem Umstände, dass auf den quellenreichen Wiesen-
gründen Griechenlands das Pferd vortrefflich gedieh oder auch aus der
Thatsache, dass das Steppenpferd auf weite Entfernungen hin die
Anwesenheit des Wassers mit seinen Nüstern wittert und ein Quellen-
finder genannt werden kann. In einer neuen Arbeit ^) erhalten wir
eine üebersicht der Darstellungen des Neptun in der ältesten grie-
chischen Kunst, und zwar auf Vasenbildem, Reliefe und Münzen.
Schon in der ältesten Zeit wussten die Künstler, dass die Kraft und
Gewalt dieses Gottes am nackten Körper am besten ausgedrückt werden
konnte. Wie das Meer bald spiegelglatt, bald stürmisch erscheint, so
wurde auch er bald rahig bald bewegt vorgestellt. Auf Vasen ist die
stehende Figur des Gottes meist mit dem Dreizack dargestellt, in
Gesellschaft der Minerva, häufig mit dem Merkur. Die Eigenthüm-
lichkeiten seiner Darstellung bildeten sich in der Kunst allmählich aus;
am schwersten ist dieselbe von der des Jupiter zu unterscheiden, oft
nur durch den Dreizack. Die ursprünglich langen Gewänder wurden
später kürzer, wie es für den mit Polybotas kämpfenden oder ein
Weib verfolgenden Gott besser passte. Erst als die griechischen
Künstler mit rother Farbe malten, tritt das in kleine *Löckchen ge-
>) Winokelmann a. a. 0. Y, 8. 176.
*) Winokelmann a. a. 0. IX, S. 881.
') Dr. CtroL Munilii», De antiquiisima Neplam figora.
, 1878.
110 Ein römifloher Fand in Bandorf bei Oberwinter.
ordnete Haar des Neptun auf, das früher ungeordnet in üppiger Fülle
den Kopf bedeckte. In allen den angeführten zahlreichen Bildein ist
Neptun immer stehend oder schreitend, selten sitzend dargestellt. Sein
Fuss steht auf einem Felsen, auf dem Vordertheil eines Schiffes, oder
auf dem Delphin, die Rechte ist gestützt auf den Dreizack. Auf S. 38
wird unter o ein Bild desselben aus dem Museum Gapitolinum 1. 1 als
fontem aperiens bezeichnet Wenn er auf einem Seepferd reitend auf
Vasen und Münzen gesehen wird, so soll diese Darstellung des Gottes
unwürdig und dem Merkur zuzuschreiben sein; den Dreizack führen
auch Amphitrite und Andere. In den ältesten Zeiten wurden dem
Neptun am meisten die Delphischen Gottheiten und der Merkur bei-
gesellt. Es mögen deshalb, da auch aus dem römischen Alterthum
die Darstellung eines liegenden Neptun nicht bekannt ist, gewiss
Manche in unserm Funde nur einen Flussgott sehen, für den auch
die Urne spricht, auf welcher seine linke Hand ruht Winckelmann
hält diese für entscheidend, er führt einen liegenden Fluss auf einem ge-
schnittenen Steine an, dessen Linke auf einer Urne ruht, in der
Rechten hält er den Dreizack, unter ihm sind zwei Delphine, welche
anzeigen, dass der Fluss seine Mündung ins Meer hat. Er bemerkt
dazu: „Derjenige, welcher den Stein gezeichnet hat, gab nicht Acht
auf die Urne und darum hat der Erklärer diese Figur für einen
Neptun gehalten^' ^). Im Münzkabinet des Berliner Museums befindet
sich eine Münze des Postumus mit dem Rheine als liegendem Fluss-
gott, der die eine Hand auf das Hintertheil eines Schiffes legt und
eine Urne unter der andern hat Dass dem Rheine göttliche Ver-
ehrung gezollt wurde, geht aus Inschriften *) hervor, und, was vielleicht
nicht ohne Beziehung auf unsere fragliche Göttergestalt ist, gerade in
Remagen wurde ein Votivstein aus Drachenfelser Trachyt gefunden,
der die Widmung hat: I(ovi) 0(ptimo) M(aximo) et Genio Loci et
Rheno etc. Im Museum Pio-Clementinum ist der Nil als Flussgott
dargestellt mit einem Crocodil unter den Füssen, ebenso der Tiber
mit einem Ruder und den Symbolen der Fruchtbarkeit. Ein dritter
Flussgott hält die Urne, keiner hat den Delphin. Doch befindet sich
wieder auf einem Basrelief der Villa Albani, welches den Achill und
Agamemnon 'darstellt, das Bild eines Flussgottes mit der Urne und
mit kleinen Delphinen, die sich im Wasser tummeln. Der Flussgott
') WinokeUnann a. lu 0. IX, 8. 887.
') J. de Wal, MyihoL septentr. monom. Jahrb. XVII, 8. 178. Bramb. 647.
Ein römischer Fund in Bandorf bei Oberwinter. 111
der Donau auf der Säule des Marc Aurel ist mit üppigem und lang
herab wallendem Haare aber ohne die gebietenden Züge des Neptun
dargestellt, ebenso derselbe Fluss auf der Trajanssäule ; dieser lässt
einen Theil des Gewandes um die Hüften erkennen und trägt einen
Kranz von Schilfrohr um das Haupt. Im Wallraffschen Museum in
Köln befindet sich der Kopf eines Flussgottes unter Nr. 56, dessen
Haupthaar wild und verwirrt ist; das Relief ist von sehr[schlechter Arbeit
Der Name des Neptun kommt auf Inschriften im Rheingebiet
höchst selten vor, bei Brambach findet er sich auf Nr. 26 von Zecland,
Nr. 1433 von Hanau, Nr. 1668 von Baden-Baden und Nr. 1678 von
Ettlingen; auf dem der Dea Nehalennia gewidmeten Steine Nr. 45
von Zeeland steht auf einer Säule Neptun, in der Rechten die Pappel,
in der Linken den Dreizack haltend. Auf Münzen des Agrippa hat
er in der Rechten den Delphin, in der Linken den Dreizack.
Die rechte Seitenwand unserer Neptunstatue lässt einen Baum er-
kennen, der einen Lorbeer oder eine Pappel darzustellen scheint, er hat
genau 12 Zweige oder Blätter und das ist gewiss nicht ohne Bedeutung.
Winckelmann 0 bemerkt bei Besprechung eines geschnittenen Steines
mit dem Bilde der Isis und einem Palmzweige, man behaupte, dass
der Palmzweig das Jahr vorstelle, weil man ihn für den einzigen
Baum hielt, der bei jedem Mondeswechsel einen neuen Zweig trieb,
80 dass am Palmbaum das Jahr durch 12 Zweige vorgestellt war.
Mit Rücksicht auf die Oertlichkeit kann man nicht zweifeln, dass
aas der Urne dieses Wassergottes das Wasser einer der Quellen floss,
deren die nahe gelegenen sogenannten Entzfelder Wiesen mehrere
enthalten. Die Reste sehr sorgfaltig durch Gämentguss hergestellter
Wasserleitungen sind auf langen Strecken in den nahe gelegenen
Aeckem noch vorhanden und zum Theil wohl erhalten. Es sind zwei
nach verschiedenen Richtungen laufende Leitungen, von denen die eine
in gerader Linie auf das Haus von Loosen, das Hauptgebäude des
Ortes, hinläuft. Diejenige, welche unserem Brunnen das Wasser zu-
fithrte, konnte indessen nicht aufgefunden werden. Die oberflächliche
Lage der anderen, die oft nur V/t' Rh. tief in den Aeckem liegen,
lisst vermuthen, dass dieselbe durch die Vertiefung der Bodenfläche
in der Nähe des Fundortes längst zerstört worden ist. Die Rinne des
Kanals besteht aus Gussmörtel, der V2 F. stark ist, und in dem
eckige, bis 1 Zoll dicke Steine enthalten sind ; im Lichten ist derselbe
*) Winckelmann a. a. 0. IX, S. 804.
lia Ein römiMber Fund in Bttidorf bei Oberwinter.
6'' Bh. hoch tmd 8'' breit, die Rinne ist innen mit feinem'Kalkmörtel
glatt verputzt und mit starken Schieferplatten bedeckt, Taf. XIV, Fig. 10.
Welchen Werth die BOmer auf gutes Quellwasser legten, das
beweisen die Aquädukte in aUen Ländern, wo Bömer sich niederliessen,
in unserm Bheinlande ist Zeuge dessen der in Köln mündende Bömer-
kanal. Den Quellen bezeigten die Bömer Verehrung, in ihrer Nähe
pflegten sie Haine, Altäre und Tempel zu errichten. An den Quellen
goss man Wein aus und schlachtete ein Böcklein, wie uns Horaz und
Martial berichten 0- Ob nun unsere Brunnenfigur ein Quellengott oder
ein Flussgott und zwar der Bhein ist, oder Neptun selbst, möchte dess-
halb sch^for zu entscheiden sein, weil ohne Zweifel das Bild des Fluss-
gottes sich aus dem des Neptun allmählich entwickelt hat, wie denn
auch die spätere mittelalterliche Kunst und die Zeit der Benaissance
den Fluss- und Quellengöttem die Beigaben des Neptun freigebig zu-
ertheilte. Schöpflin ') erwähnt des bei Ettlingen im Badischen ge-
fundenen Beliefs, wekhes den Neptun mit dem Dreizack und dem
Delphin in der Hand neben einem Meerdrachen vorstellt und welches
Yon einer Schiffergilde dem Gotte geweiht ist. Habel bemerkt hierzu,
man sehe, dass nicht nur Seestädte ihn verehrten, sondern auch Fluss-
bewohner und Schiffer ihm Altäre errichteten. Erwägt man, dass in
Bemagen eine römische Beiter-Gohorte stand, so darf man auch daran
erinnern, dass Neptun zugleich als Seegott und als Gott der ritterlichen
Uebungen galt. Als der letztere scheint er, wie Preller bemerkt,
besonders im Gircus Flaminius verehrt worden zu sein, denn bei diesem
Gircus stand der einzige Tempel des Neptun in Bom. Am wenigsten
kann es auffallen, wenn eine Beiter-Gohorte den Neptun verehrte, da
ihm das Pferd heilig und er der Bändiger der Bosse war.
Man muss hier noch die Frage aufwerfen, ob auch sonst wohl
«
eine Beziehung des Neptun zum Mithras beobachtet worden ist Es
ist eine EigenthQmlichkeit der Mithrasreligion, dass mit der Verehrung
dieses Gottes die Vorstellungen von den übrigen Gottheiten sich ver-
binden und der Polytheismus dem Glauben an einen das All um-
fassenden Gott weicht In den Darstellungen des Mithras finden sich
desshalb auch die Zeichen und Attribute der übrigen Gottheiten ver-
einigt, sie werden als signa panthea oder polythea bezeichnet Braun
*) Horat. Od. m, 18, Msrtial. VI, 47.
*) AUaUa ill. I, 490. Vgl Annalen des Vereini für naM. Aliertlraniskand«
n, 8 HO. 8. 168.
Ein römisoher Fund in Bandorf bei Oberwinier. 118
macht in seiner Schrift über den Jupiter Dolichenus besonders anf
diesen Umstand aufinerksam und fuhrt als Beispiele auch die Bflder
des Jupiter und der Juno Dolichene auf der Heddemheimer Bronze-
pyramide an. Jener steht in Rüstung auf einem Stier, in der Hechten
ein Schlachtbeil emporhebend, in der Linken den doppelten Dreizack
haltend, nicht den Blitz, wie in einem Belief aus Ninive, die Juno
steht auf einer Hirschkuh in faltenreichem Gewände, den Modins auf
dem Haupte, in der Linken den Galathus, in der Hechten dasSistrum
der Isis. Von dem Tempel der syrischen (jöttin zu Hierapolis schreibt
Lucian: „ii^ dem Innern desselben stehen die Bilder der Götter, der
Juno nämlich und eines Gottes, der kein anderer als Jupiter ist.
Diese Juno zeigt, wenn man sie Daher betrachtet, ein Mannigfaltiges
in ihrer Gestaltung. Im Ganzen zwar ist sie unstreitig die Juno, sie
hat aber auch etwas von der Minerva, der Venus, der Luna, der
Rhea, der Diana, der Nemesis, und den Parzen. In der einen Hand
hält sie einen Scepter, in der andern einen Spinnrocken; auf dem
Haupte hat sie Strahlen und einen Thurm und um den Leib einen
Gürtel, womit man sonst nur die Venus Urauia schmjQckt 0« D&ss
Jupiter Dolichenus gewöhnlich als ein streitbarer Gott im Harnisch
dargestellt wird, mag sich auf seine Verehrung im römischen Heere
beziehen, daher auch die Beinamen Imperator und Rex, das Invictus
erinnert an den Herkules, der auf dem in den Brohler Tuffsteinbrflchen
gefundeneu Votivsteine, Nr. 654 des Brambach'schen Verzeichnisses, so
genannt wird. Auf der Heddernheimer Bronzepyramide') hält aber der
Jupiter Dolichenus oder Mithras in der linken Hand einen doppelten Drei-
zack, also das Abzeichen des Neptun. Dies Zeichen bann nicht etwa für
den BUtz gehalten werden, der als ein geschlängelter oder im Zickzack fort-
schreitender oder strahlenförmig aus der Hand des Jupiter auseinander
gehender Strahl dargestellt wird, während wir hier deutlich dem ge-
häuften Schwulst der Darstellung entsprechend eine doppelte Harpune
vor uns haben. Wenn in den Darstellungen des Mithras selbst die
Bilder und Zeichen der übrigen Götter sich gleichsam vermengen, so
kann es auch nicht überraschen, wenn neben einem Mithrasaltar die
Bilder anderer Götter aufgestellt waren. An unserm Fundort wurde ja
noch der Kopf eines dritten Gottes und das Fussende sowie Bruchstücke
einer vierten StatuOj die doch wahrscheinlich auch ein Götterbild war,
>) De des Syria 32.
^ Vgl. die Abbildang in Brauns: Jupiter DoUohenos. Bonnt 1852.
8
U4
Sin romiieher Fond in Bimdorf bei Oberwintar.
gefunden. Wir werden aber noch auf eine andere Erklärung der Ab-
zeichen des Neptun, auf Mithrasdenkmälem geführt Sie können die
Abzeichen oder Wappen römischer Gehörten sein und gerade solcher,
welche auch den Mithrasdienst übten und verbreiteten. So konnte
Habel nachweisen, dass der Gapricomus, bekanntlich die Figur eines
Steinbocks, der hinten in einen Fischleib übergeht, ein Gohortenzeichen
der 22. Legion, der Primigenia Pia war; es ist ein solches bei Wies-
baden 0 gefunden worden und wird im dortigen Museum aufbewahrt.
Die 22. Legion, wird aber auch auf dem Brohler Mithrasdenkmal an-
geführt. Das Gaprikorn kommt mit dem Namen dieser Legion auf 2
Steindenlonalen in Mainz,, auf gebrannten Ziegeln und auf Münzen,
auch auf einem Relief aus Heddemheim vor. Da der Eintritt der Sonne
in das Zeichen des Steinbocks die Winter-Sonnenwende bezeichnet, die
für Aegypten, wo der Thierkreis seinen Ursprung hat, die Zeit der
üppigsten Fruchtbarkeit ist, so hat das Zeichen zunächst diese Be-
deutung, daher das Füllhorn als Attribut der Fortuna und Abundantia
so oft mit demselben verbunden ist. Aber der Fischleib und die See-
muschel, welche das Gapricom mit den Vorderbeinen hält, bringt es in
Verbindung mit den Wasser-Gottheiten. So ist es nach Habel dar-
gestellt auf einem Basrelief bei Piranesi in einer Gruppe von Tritonen
und Meergdttem, auch auf Münzen und geschnittenen Steinen in Be-
gleitung eines Ruders, Ankers oder Schiffes. Die Verehrung dieses
Zeichens unter den römischen Soldaten erklärt sich auch daraus, dass
Augustus unter demselben geboren war und auch die späteren Kaiser
es gern, wie er gethan, auf ihre Münzen setzten. * Merkwürdig ist
nun, dass auch der Dreizack Neptuns auf emigen Ziegelplatten als
Gohortenzeichen der 22. Legion vorkommt, die bei Heddemheim und
Nied gefunden worden sind. Habel') tadelt Hansselmann's Meinung,
dass der Dreizack als Feldzeichen von der Gründung von Patrae her-
rühre, er sieht darin nur die mächtige Waffe, von den Gyklopen
geschmiedet, die den Titanen furchtbar war. Des Letzteren Ansicht
gründete sich darauf, dass man von der 22. Legion auch Golonie-
münzen von der Stadt Patrae in Achaia finde, auf deren Rückseite
dn stehender Neptun mit dem Dreizack gebiUet ist. HabeP) bildet
gebrannte Ziegel mit den Gohortenstempeln der 22. Legion ab, auf
*) Annalen a. a. 0. ü, 3. Heft, S. 98.
>) Annalen a. a. 0. IL 8. Heft S. 151.
*) Annalen a. a. 0. 3. Heft Tab. V.
j.
Ein'römbolier Fond in Bandorf bei Obex^vinter. 116
den Figg. 5 und 6 ist es der Dreizack Neptuns auf Ziegeln von Mainz und
Heddemhdm. Auf dem Backstein der 22. Legion, Fig. 4, siebt er den
Donnerkeil Jupiters; er hat an beiden Enden einen harpunenartigen
Dreisack, während von dem mittlem Theil des Keils jederseits 3 Zacken
abgehen. Hansseimann £and denselben Stempel auf gebrannten Platten
eines Lakonikums bei Oehringen und ist zweifelhaft, ob die Figur als
Zeichen der ersten Gohorte anzusehen sei oder einen doppelten Drei-
zack Neptuns darstellen soll. Das fragliche Zeichen ist das von uns
schon besprochene auf der Bronzepyramide von Heddemheim. Wie-
wohl Habel auf die mannigfaltige Art der Darstellung des Fulmen
aufinerksam macht, das bald als zusammengerollter Keil ohne Blitz-
strahl, bald angerollt mit dem Blitze dargestellt werde, dessm Strahlen
bald gezackt oder ungezackt, bald mit oder ohne Widerhacken er-
scheinen, der auch zuweilen geflügelt vorkommt, so passt doch keines
dieser Bilder auf das vorliegende Zeichen, das in der That wie ein
doppelter Dreizack aussieht und in dem Doppelbeil, welches Mithras
auf der Heddemheimer Bronzepyramide in der Bechten hält, ein
Gregenbild hat. Es sei hier noch angeführt, dass auf Ziegeln der 22.
Legion noch andere Zeichen vorkommen, von denen viele, wie das mit
Strahlen umgebene Haupt des Apollo, der Halbmond, Löwe und Stier,
wie Habel selbst hervorhebt, in den Mithrischen Bilderkreis gehören,
woraus wir schliessen dürfen, dass diese Legion dem Mithrasdienst
ganz besonders ergeben war, nicht aber, was jener Forscher damals
glaubte, dass sie denselben aus Aegypten mitgebracht habe.
Der Kopf, Taf. XHI Fig. 3 und 4, dessen üppiges Haupthaar und
Bart einen Gott erkennen lässt, bietet der Forschung manches Eigen-
thOmliche. Während die Ära und das Neptunbild aus Jurakalk be-
stehen, ist der Kopf aus Sandstein gefertigt. Die glatte untere Fläche»
auf der er stehen kann, lässt vermuthen, dass er nicht von einer
Statue abgeschlagen ist, sondern als blosser Kopf aufgestellt war.
Bemfflicenswerth ist, dass unter den zahlreichen römischen Funden in
dar Umgegend von Schwarzerden, wo auch ein Mithrasbild auf einer
Felswand erhalten ist, auch ein in gleicher Weise gearbeiteter Kopf
aas Sandstein von VU Fuss Höhe sich befindet, dessen herabwallende
Locken eine Art phrygischer Mütze deckt, welche auf ein Mithrasbild
schliessen lässt 0- Derselbe wird in der Sammlung des St. Wendeler
^) Elfter Bericht dee antiquar. Iiistor. YereioB for Nahe oad Hoairüoken
von 1869—1871. 8. 16.
116 • Ein römisoher Fand in Bandorf bei Oberwinter. •
AlterthomsvereiDS aufbewahrt. Der in Bandorf gefundene Kopf ist nur
5V2" Rh. hoch. Wiewohl derselbe durch Verwitterung gelitten, ist
doch erkennbar, dass das Haupthaar, welches um den ganzen Kopf
in regelmässige Locken gelegt ist und einer Perücke gleicht, über die
Mitte der Stime herabhing. Dieser Umstand und das milde Lächeln,
welches sich mit einem Ausdruck der Güte in dem Gesichte ausspricht,
weisen auf den Pluto. Herrn Prof. Bergk hierselbst fiel sogleich die
Aehnlichkeit dieses Kopfes mit dem eines Pluto aus der Sammlung
des Palazzo Ghigi in Rom auf 0 ; sie zeigt sich namentlich im Ausdruck
des Mundes und in der Behandlung des Bartes. Schon Winckelmann*}
-giebt'an, dass sich dieser Gott durch das Herunterhängen der Haare
über die Stime vom Jupiter unterscheide, bei dem sie sich von der
Stime erheben. Wenn aber Winckelmann ") sagt, dass Jupiter mit
einem heiteren Blicke gebildet werde und die Köpfe, die keinen gnä-
digen und gütigen Blick haben, dem Pluto zuweist, so bemerkt Meyer
zu dieser Stelle, dass zwei Köpfe des Pluto und Serapis keineswegs
diese strenge Miene, sondem ein gütiges Aussehen haben. Im Mu-
seum zu Mainz findet sich ein grosser Steinblock, den in einem Me^-
daillon ein kolossaler Plutokopf schmückt. Derselbe ist an einem Pfeiler
der festen Rheinbrücke zu Mainz gefunden, deren Erbauung in die
Zeit der Garolinger gesetzt wird. Das üppige Haar dieses Pluto, der«
an dem Modius mit Sicherheit erkannt wird, ist in der ihm eigen-
thümlichen Weise dargestellt, sein Gesichtsausdruck ist eher mild als
ernst oder furchtbar. Merkwürdig erscheint das in regelmässige Locken
gelegte Haupthaar des uns vorliegenden Kopfes, welches auf Taf. XIV
Fig. 1 in der hintem Ansicht dargestellt ist. Dasselbe ist verschieden
von den steifen wulstigen Perücken der Matronen der spätem römi-
schen Zeit. Ein stufenförmig gekräuseltes und in parallel laufenden
Rollen perückenartig geordnetes Haar, coma in gradus formata, kommt
indessen auch in früher Zeit schon vor, wie ein zu Venedig befind-
licher Kopf des M. Antonius zeigt. PerUckenartig ist die Haartracht
der Kaiserinnen Julia Domna, Mammaea, Plautilla und anderer. Den
bekannten Darstellungen des Pluto aus besserer Zeit kommt eine solche
keineswegs zu, indem Winckelmann dessen Haar vielmehr als verwirrt
') Mosee Pie-Glement. Müan, 1819. Bd. II Tab. a VI, Nr. 9.
*) Winckelmann a. a. 0. lY. S. 128.
') Winckehnann a. a. 0. YII. S. 114.
Ein römioeher Fand in Bandorf bei Oberwinier. 117
bezeichnet. Habel 0 bildet, was für unsern Fond von Wichtigkeit ist,
ein zu Heddernheim gefundenes Bronzestflck ab, auf dem über den Brust-
bildern von Sonne und Mond ein bärtiger Kopf mit dem Scheffelmaas
auf dem Haupte dargestellt ist, also ein Jupiter Serapis oder ein Pluto.
Das Kopfhaar ist in regelmässige Bollen gelegt und von der Stime
aufwärts gerichtet. Auch dieser Kopf hat eine freundliche Miene. Dass
das künstlich geordnete Haupthaar auf den asiatischen Ursprung der
Mithrasreligion hindeutet, könnte man vermuthen, wenn man an die
in künstlichster Weise mit zierlichen Löckchen versehenen Köpfe persi*
^er Mithrasbilder denkt, die Lajard abgebildet hat, eine Mode, die auch
auf persischen Münzen vorkommt, aber diese Bildung wird sonst auf
unsern Mithrasdenkmalen nicht beobachtet.
Es ist ausserdem nun noch der Sockel einer aufrecht stehenden
Statue gefunden worden, auf dem ein halber Fuss und der Rest eines
bis auf den Boden herabfallenden Gewandes sichtbar ist. Dieses Büd-
werk war aus Jurakalk, und nach dem Fusse zu urtheilen war die
Gestalt ohngefähr so gross wie die unseres Neptun oder Flussgottes.
Betrachten wir nun die vollständig blosgelegten Fundamente des
kleinen Gebäudes, in dessen Schutte sich diese Bildwerke nebst Scher-
ben von feinen und groben Thongefässen, Kohlen, Thierknochen, sowie
einige Bruchstücke von Gläsern, Münzen, zahlreiche Dachziegel, grös-
^re und kleinere sehr sorgfältig gearbeitete viereckige Ziegel, auch
einige runde Heizziegel, femer einige bronzene und eiserne Geräthe
gefunden haben, so zeigt sich, dass dasselbe ein gleichseitiges Viereck
von 13 Va F. Rh. Länge und Breite, Taf. XIY Fig. 8, A, bildete. Die Mauern
scheinen bei der Anlage des Ackers bis auf 4 ' Höhe vom Grunde aus
horizontal abgetragen zu sein, sie kamen in etwa 2' Tiefe zum Vor-
schein und umschliessen nur einen Raum; die Mauer an der Nord-
seite ist 32 ", die der anderen 3 Seiten nur 20 '' stark, die untersten
2 Fuss der Mauer sind um einige Zoll stärker, so wie auch wir die
Fundamente bauen. Der Innenraum fand sich durch einen Kalk- oder
Gämentstrich geglättet, über dem wahrscheinlich Platten gelegen hatten.
Dieser Boden lag etwa 3V2 Fuss unter der Oberfläche des Ackers.
Zwei an der Südseite^es Gebäudes wie Pfeiler vorspringende Mauern
scheinen den Eingang gebildet zu haben. Dafür spricht ein 5 Vs' langer
und 1' hoher Deckstein aus Berkumer Trachyt, Fig. 8"*", der m der
Nähe lag und wohl die Thürkrönung bildete; zwei scharf gehauene
') Annalen des YereinB för nass. AlterthumBk. I, Taf. YU, Fig. 8, s.
/
V
118 Ein römischer Fond in Baodorf bei Oberwinter.
Tiereckige Löeher deuten darauf, da8S er mit zwei Eisen nach hinten
befestigt war. Ein bis unter das Fundament an der Westseite gegra-
benes Loch zeigte, dass der ganze Boden hier jetzt von Quellwasser
durchdrungen ist. Das Gebäude liegt regelmässig zwischen 3 Wegen,
die seinen Seiten parallel laufen und nach.Sttden und Norden etwa 25%
nach Osten 36' davon entfernt sind. Vor der Ostseite des Hauptge-
bäudes wurde in nur 4^1% ' Entfernung das Mauerwerk eines zweiten klei-
nem viereckigen Baues, Fig. 8, B, gefunden, der mit semer nördlichen
Mauer genau in der Frontlinie des ersten Gebäudes lag. Dieser klei-
nere Bau hatte nur 6Vs 'Länge und 5Vs' Breite. Die Mauerdicke be-
trug 15". .In seiner westlichen Mauer war ein kleiner Tu£bteinsarg
eingelassen, mit rundlicher Vertiefung und eigenthfimlich verzierter
Vorderseite. Wiewohl man zunächst schon mit Rflcksicht auf die Kep-
tunstatue an einen Brunnensarg denken konnte, an dem aber eine
Ausflussöffliung fehlte, stellte sich doch bald aus der ganzen Anord-
nung und dem Umstand, dass einige Kohlen- und Knochenreste in der
Vertiefung lagen, heraus, dass der Sarg eine Aschenkiste war, wie
solche in hiesiger Gegend mehrfach gefunden und einige, auch aus
Tuff gefertigte im WaUraff'schen Museum in Göln aufbewahrt
werden. Die Aschenkiste ist 28 V2'' lang, 14" breit und 1272'' hoch.
Die Vorderseite hat in der Mitte eine Inschrifttafel von der gewöhn-
lichen Form, wie sie zweimal auf dem Mithrasbild von Ladenburg,
•aber auch auf Votivsteinen vorkommt, z. B. auf Nr. 52 und Nr. 667
des Brambach'schen Werkes, der letztere ist aus der Zeit des Nerva
Trajan. Auch eine Platte an der Wand eines Hauses in Pompcqi mit
einer öfifentlichen Ankündigung hat diese Form, ebenso die Schwelle
dnfö andern Hauses mit der Aufschrift Salve ^). Neben dieser Tafel
ist die Vorderseite mit Rauten und Zickzacklinien verziert, die, wie
die deutlichen Reste der Farbe zeigen, roth und weiss gemalt waren,
wie es in unserm Bilde Taf. XIV Fig. 2 dargestellt ist. Da auf der
Tafel eine eingehauene Inschrift sich nicht befand, darf man vermu-
then, dass eine solche darauf geschrieben war. Trotz einiger Farben-
reste darauf kann aber doch keine Spnr einer Schrift mehr erkannt
werden. Der ganze Raum ist demnach fUr eine Grabstätte zu halten,
die vielleicht frtther nach Art der.Columbarien mehrere solcher Aschen-
behälter oder auth Urnen enthielt. Als die Mauerreste blosgelegt
wurden, zeigte sich der Innenraum sorgfältig mit zerbrochenen Dach-
') Ani. Rieh, niuBtr. Worterb. p. 19 und 661.
Ein römiscber Fund in Buidorf bei Oborwinter. 110
pfannen zugedeckt, aus welchem Umstände, sowie aus dem Mangel an
Orabgefiissen man scUiessen moss, dass diese Grabjstätte, yielleicht
beim Wegrilumen der Beste dieser Gebäude, schon einmal aufgedeckt
worden war und als ein geweihter Ort in der bezeichneten Art vor
gänzlicher Zerstörung geschützt werden sollte. Auffallend bleiben die
hier gefundenen 18 Münzen, von denen nur 6 in der Eiste, die an-
dern davor, ursprOnglich aber wohl bei der Asche lagen. Von einem
Deckel der Kiste fand sich keine Spur. Im Mainzer Museum stehen
solche Aschenkisten mit rundlicher Vertiefung, in einer sind mehrere
Glasgefässe, auch eine Münze enthalten, die über den Enochenresten
liegen. Das Museum in Wiesbaden enthält solche Aschensärge, die
im Innern viereckig sind.
Die meisten Gegenstände wurden in dem vor der Süd- und Ost-
seite des Gebäudes liegenden Schutte gefunden, und zwar bei A, Taf.
XIV der Mithrasaltar, bei N die Neptunstatue, bei E der Kopf, im In-
nenraum bei P die grosse Steinplatte, bei M die Münzen. Die grossen
Ziegel Fig. 13 sind genau viereckig, 11'' lang und breit, 1'' 10'"
dick, viele sind auf einer Seite mit schräg sich kreuzenden Rinnen versehen,
die kleineren sind 4" lang,3Va" breit und 1" 2/" dick. Auch dünnere
Platten kamen vor, wie zum Belegen der Wände auf einer Seite mit wellen-
förmig gekrümmtei^ Rinnen zur bessern Verbindung mit dem Mörtel. Die
runden Heizziegel haben 7V2'' Durchmesser und sind 2" dick. Ausser-
dem wurden mehrere 4 " breite und 5 " lange viereckige Plättchen ge-
fanden, Fig. 11, und vier wahrscheinlich dazu gehörige scharfkantige
5" breite, 47«" lange und 2V2" hohe dachförmige Steine, Fig. 12,
beide aus Jurakalk, deren Verwendung unbekannt ist. Zahlreich waren
die Bruchstücke schwerer Dachpfannen, sie sind 16" hoch und gerade
1 " breit, einige waren ganz geblieben. Dabei fanden sich die thönemen
Wulste, welche die aufstehenden Seitenwände zweier aneinander lie-
genden Pfannen bedeckten, eine Einrichtung, die wir beim Legen von
Zinkdächem, die Italiener aber an Ziegeldächern noch heute nach-
ahmen ; es sind die imbrices und tegulae der Schriftsteller. Auf Taf.
XIV Fig. 9 ist diese Art der Bedachung genau angegeben, zumal in
der Profilzeichnung sieht man, wie zweckmässig die obem Zi^el auf
den unteren ruhten. Diese Dachpfannen sind so schwer, dass man
annehmen soUte, nur die in Stein gewölbten Häuser seien auf diese
Weise gedeckt gewesen. Auf der Säule des Marc Aurel und auf der
Trajanssäule in Rom sind Häuser mit solchen Dächern abgebildet, am
120 Ein römiaoher Fund in Bandorf bei Oberwinter.
deatlichsten auf Tab. 112 des die letztere illustrirenden Werkes 0-
Im Museum von Wiesbaden hat Oberst von Gehäusen ein römisches
Pfannen* und ein Schieferdach aufstellen lassen. Das erste hat genau
die Construction, wie sie hier gezeichnet ist. Der Umstand, dass von
Cohausen auch Ziegelplatten gefunden hat, die am Seitenrande, wo sie
von dem Hohlziegel bedeckt sind, Löcher haben, lässt nur die Deutung
2U, dass hier Holzpflöcke oder eiserne Nägel die Pfannen auf den
• Dachsparren befestigt haben, dass also auch in Holz gebaute Dilcher
80 gedeckt waren. Müller giebt an, dass der unterste der Hohlziegel,
um die Höhlung zu verbergen, am Kopfe mit einer Platte versehen
zu sein pflegte, die man mit Zierrathen schmückte, wie deren Hirt
abgebildet hat. Dass die Römer auch schon Dachschiefer benutzten,
ist wenig bekannt, aber schon von Habel mitgetheilt worden '). In
Ant. Rieh's Illustr, Wörterbuch der römischen Alterthümer, übers, von
G. Müller, Leipzig 1862, ist als Probe des römischen Ziegeldaches das
Dach des Portico der Octavia zu Rom abgebildet, dessen Ziegel von
weissem Marmor sind.
Von den 22 Münzen in Kleinerz wurden 4 in dem Schutte vor
dem Hauptgebäude gefunden, es sind ein Glaudius mit dem Revers:
Felicitas Aug., ein Grispus, R. : Glaritas* reipublicae, ein Gratianus, R.
Gloria novi saeculi, ein Valens, R. : Securitas reipublicae. Die übrigen
18 lagen in dem inn^n Raum der Grabstatte und 6 in dem Aschen-
sarge selbst. Es sind die folgenden: ein Antoninus pius, eine Faustina
(junior), ein Gordianus, R.: Laetitia aug., zwei Tetricus, R.: Salus aug.,
ein Probus, R : Felicitas sec, eine Helena (I), R. : Fax publica, zwei
Gonstantinus (Magnus), R.: Soli invicto comiti und Beata tran-
quillitas, zwei Urbs Roma, R.*. die Wölfin mit Romulus und Remus,
zwei Gonstantinopolis, ein Gonstantius (junior), R. Gloria exercitus, ein
Magnentius, R.: Gloria Romanorum, zwei Valens, R.: SeCuritas reipu-
blicae und Gloria Romanorum, ein Gratianus, R. Gloria novi saeculi.
Alle diese Münzen gehören mit Ausnahme der des Antoninus pius und
der Faustina, die durch den längern Gebrauch auch fast unkenntlich
sind, dem 3. und 4. Jahrhundert an ^). Unter den Scherben von Thon-
^) Golumna Gochlis M. Aarelio Antonino Aag. dio. Roma 1704 und P. S.
Bartoli, Golonna Trajana Tab. 112.
') Annalen des Vereins für nassauisehe Alterthomsk. und GeBchichtsf. I,
2. and 8. Hft. Wiesb. 1830. 8. 160.
') Später worden noch 9 Münzen im Schutte gefanden, daronter eine äl-
tere Faustina, R.: Angnsta, ein Claadius, R.: Yirtas Aug., ein Grispus, R.: wie
oben, ein Yalens, R. : Securitas reipublicae.
£m römiiolier Fond in Baadorf bei Oberwinter. 181
gdäasen waren Stücke von Schalen ans feiner rother terra sigülata,
ein kleines Schälchen aus gelbem Thon, Taf. XIV Fig. 3, die Bruch-
stücke mehrerer grosser bauchiger Gefasse mit 1 F. weiter Oeffnung,
deren eines ergänzt dargestellt ist, Fig. 4; in der Wandung sind die-
selben fast 1 " dick, der dicke obere Sand hat eine vertiefte Ausguss-
öfibung. Ausser der ein&chverzierten bronzenen Fibula, Fig. 5 wurde
ein dünner Bronzering, Fig. 6, und em aus 3 zusammengedrehten
Bronzedrfihten bestehender Henkel, Fig. 7, der wahrscheinlich einer
kleinen Schale angehörte, gefunden ; ferner ein grosser eiserner Meis-
sei, Fig. 15, und ein eiserner Löffelbohrer, Fig. 16, ein in römischen
Gebäuden häufig vorkommendes Werkzeug, welches, wiewohl in dieser
Form veraltet, noch jetzt von unseren Schreinern gebraucht wird.
Unter einigen Glasscherben ist ein flaches 2'" dickes Stück hellgrü-
nen fast weissen Glases mit rund geschliffenem geradem Bande be-
merkenswerth, es ist auf einer Seite mattgeschliffen, auf der andern
glänzenden sieht es wie gegossen aus; man kann dasselbe nur für
das Bruchstück einer Fensterscheibe halten; ein Stück azurblauen
Glases, von einer Schale, ohne Spur einer chemischen Veränderung,
zeichnet sich durch die Schönheit der Farbe aus. Auch A. von Co-
hausen 0 hat bei der Saalburg Bruchstücke römischen Fensterglases
ausgegraben, deren Beschreibung fast vollkommen auf unser Stück
passt. jpDas Glas ist hellgrün, klar durchsichtig und gut erhalten; die
untere Fläche der rechtwinkeligen Scheiben ist eben, aber rauh und
daher blind, während die Oberfläche sanfte Unebenheiten, aber voll-
kommene Glätte und Glanz zeigt. ^ Die Bänder sind an dem Glase
der Saalburg rundlich geflossen, als sei die glühende Glasmasse durch
einen Bahmen begrenzt worden, wodurch die Bänder des Glases wul-
stig anschwollen. An dem Glase von Bandorf ist der Band rund-
lich abgeschliffen. Die Knochen sind Ueberreste vom Schwein und
vom Ochsen und eine Geweihspitze vom Hirsch. Die Mauern sind
aus Bruchsteinen von Thonschiefer hergestellt, aber mannigfaltig waren
die Gesteine, die sich im Schutte fanden, Berkumer Trachyt, Basalt,
abgerundete StUcke von Jurakalk, grauer Sandstein, Brohler Tuff, ein
Tuff mit grossen Bimssteinstücken.
Suchen wir nun die in Bandorf entdeckten Mauerreste, welche den
vollständigen Grundriss der dort gestandenen römischen Gebäude uns
vor Augen stellen, mit den auf derselben Stelle gefundenen Alterthü-
') „Römischer SohmebMobmiiok'' in den AniuJeD des Vereins fär nsss.
AHerthiimsk. XU, Wiesbaden 1878.
13d Ein römiseher Fund in Bftndofff bei Obarwinier.
mern in einen Zusammenhang zu bringen, so erscheint als das Wahr-
scheinlichste» dass hier ein kleiner Mithrastempel gestanden hat, in
welchem aach die Bilder anderer Götter aufgestellt waren; dabei be-
fand sich ein laufender Brunnen mit dem Neptunbilde und ganz in der
Nähe auch noch eine Grabstätte. Die Inschrift der Ära: pro bono communi
deutet vielleicht darauf, dass der an drei Wegen liegende Brunnen ein
öffentlicher war. Der nur ISVa" im Gevierte messende Raum des Haupt-
gebäudes erscheint zu klein für ein Wohnhaus, während der beschränkte
Raum der Büthrastempel auch anderwärts beobachtet ist ^). Die iä
demselben gefundene grosse Steinplatte, die wegen der daraufliegenden
Kohlenreste für eine Heerdplatte gehalten wurde, sowie die übrigen im
Schutte gefundenen Gerätbschaften, selbst eine Heizvorrichtung, kön-
nen ebensowohl mit dem Tempelbau als mit einer Wohnstätte in Ver-
bindung gebracht werden. Sehr merkwürdig ist es, dass die Richtung
des Gebäudes gegen den Himmel, wie die dem Grundriss auf Taf . XIV
beigefügte Polangabe zeigt, genau dieselbe ist, wie die der beiden
Mithrastempel von Heddemheim ■). Die Platte kann der Altarstdn ge-
wesen sein. Dass man eine Grabstätte nahe einem Tempel baute, ist
zwar kein im römischen Alterthum gewöhnliches Vorkommen, ab«:
eine dem menschlichen Gefühle zusagende Sitte, die sowohl in der
germanischen Vorzeit Gebrauch war, indem man in der Regel bei den
heidnischen Opferstätten auch die Todtenäcker findet, als auch bei den
Christen in Uebung blieb, die zuerst in den Katakomben bei den Grä-
bern ihren Gottesdienst feierten und dann in den Kirchen oder in
deren Nähe die Todten bestatteten, bis erst in unserer Zeit aus Rück-
sicht für die Gesundheit die Kirchhöfe in den Städten untersagt und
die Begräbnissplätze ausserhalb derselben angelegt wurden. Da der
Mithrasdienst ursprünglich in Höhlen oder unterirdischen Räumen ge-
feiert vrurde, so war bei der angeordneten Ausgrabung darauf unsere
Aufmerksamkeit gerichtet ; an der Fundstätte fand sich indessen nichts
der Art, doch verdient es angeführt zu werden, dass die Einwohner
von Bandorf auf Befragen eine nur einen Steinwurf von dem Fundort
^tfemte Stelle am Berge bezeichneten, wo sich früher eine Höhle be-
funden habe, die man die Kohlkaul nannte; sie ist jetzt verschüttet
und kann, da im Bandorfer Thale und seinen Umgebungen zu ver-
schiedenen Zeiten, wie noch heute, auf Kupfer, Blei und Eis^erz
') Annslen des Vereins für nara. Alterihomik. II, 8. 92.
^ A. ft. 0. I, 2. u. 3. Hft. Taf. lY a. V.
V-
Ein rdnoBOlier Fimd in Bndorf bei Ot^rwintor. 198
Bergbau getrieben vatde, ein alter Stollen oder Schacht gewesen sän.
In der Nähe des Mithrasdenkmals von Schwarzerden, sowie bei dem
freilich irrthflmlich als Bfithräum bezeichneten Denkmal vdn Schwein-
adned sind Höhlen, die merkwürdiger Weise beide vom Volke »das
Wildfranloch« genannt werden. Von der letzteren giebt Engelmann an,
dass sie ein verschütteter Stollen sein könne, wie es deren in jener
Gegend viele gebe. Als eine Erinnerung an die Bömerzeit kann es
wohl gedeutet werden, dass das neben der Fundstätte gelegene grosse
Ackerfeld, auf dem das Haus des Loosen steht, und die Fundamente
starker Mauern in der Erde liegen, noch heute in der Eatasterkarte
der »Hermes-Ackert heisst. Da es in den letzten Jahrhunderten in
unserer Gegend ni^nals üblich war, Felder mit den Namen der Be«
sitzer zu bezeichnen, so darf man diese Benennung vielleicht für eine
römische halten. An ' den griechischen Gott Hermes ist dabei wohl
nicht <zu draken, sondern an den römischen Familiennamen Hermes,
der in unsem Bheingegenden mehrmals auf Inschriften vorkommt, so
bei Brambach auf Nr. 1629 aus dem Schwarzwaldkreis, auf Nr. 1064
aus Mainz und auf Nr. 2005. 1 aus Wiesbaden. Doch ist es auffallend,
dass an dem grossen Mitfarasbilde von Heddemheim- in den vier
Ecken Köpfe angebracht sind, die wie Mercur mit Flügeln ver-
sdien sind. Auch wurde in diesem Mithrastempel eine Statue des Mer-
cur gefunden. Wichtiger ist noch; dass ein nahe dem Fundort zwisdien
Unkelbach und Bemagen gelegener Berg noch jetzt der Sonnenberg
heisst, welcher Name wohl als eine Erinnerung an den hier einst ge-
übten Scmnendienst betrachtet werden kann.
Die Ausbreitung der ursprünglich persischen Mithrasreligion im
römischen Beiche, die wie ein Vorläufer des Christenthums angesehen
werden kann, bietet ein besonderes Interesse für die Culturgeschichte.
Während dne Verehrung der Sonne und der Gestirne mit den ersten
Begnügen des religiösen Gefühls im Menschen sich zu verbinden pflegt
und sich desshalb in den ältesten Beligionen wie bei lebenden rohen
Völkern so gewöhnlich findet, wobei indessen die Verehrung des Mon-
des, als des dem Menschen näher stehenden und bekannteren Gestirnes
älter ist, als der Sonnendienst, * ist es gewiss eine auffallende Erschei-
nung, dass ein so alter Gultus mit neuen und voUkommneren Vor-
stellungen von der Gottheit gerade in einer Zeit verfeinerter Geistes-
bildung und Cultnr dem Glaubensbedürfhisse der Menschen wieder
näher tritt und die Verehrung dnes allmächtigen und höchsten Gottes
unter dem Bilde der Sonne an die Stelle der Vielgdtterd setzte womit
»-
134 £in römifoher Fund in Baadorf tiei Oberwiater.
eine sinnliche AufiEassung der Natur Erde und Himmel belebt und
sich verständlich gemacht hatte. Wiewohl unzweifelhaft dieser Ver-
ehrung dei' Sonne schon die einfache Ueberlegung des Menschen zu
Grunde liegt, dass er dem Tagesgestim, seinem Lichte und seiner
Wärme alle Gaben des Lebens zumeist verdankt, so dürfen wir doch
heute hinzufügen, dass diese Ansicht auch von der gegenwärtigen Wis-
senschaft die glänzendste Bestätigung erfahren hat, indem diese in der
Lehre von der Verwandlung der Kraft jede in der Natur, in den Pflan-
zen und Thieren wie im Menschen wirksame Kraft auf die Sonne zu-
rückzuführen im Stande ist. Ganz besonders hatten die Perser den
Sonnendienst ausgebildet, der auch in Syrien der herrschende war und
hier mit dem Baaldienst der Babylonier und Phönizier zusammenhiog.
Im Baal wurde die befruchtende Kraft verehrt. Auch der höchste Gott
der Aegypter, Osiris, war Führer des Sonnenjahres, sein Sinnbild der
Stier> ein bezeichnendes Bild der Kraft und Fruchtbarkeit. In den
Mithrasbildem wird der Stier als die dem Lichte entgegengesetzte
irdische Natur gedeutet; am Pallaste von Persepolis aber überwindet
der Löwe den Stier. Auch im indischen Alterthum fehlen diese Vor-
stellungen nicht. Mitras ist in einem Hymnus des Zendavesta die höchste
Macht des Lichtes, ein streitender Held und Gegner aller finstem Da*
monen, der auf gewaltigem Schlachtwagen daherfährt. Die Sonne über-
windet Nacht und Winter; den Mitra nannte man Mittler zwischen
Licht und Finstemiss ^). Nach Lactantius ') haben die Perser die Sonne
in Höhlen gefeiert, die Stierhörner, welche Mithras in Händen hält,
sind auf die Mondsicheln zu beziehen, denn Luna wird die zweihömige
genannt. Daher auch der Stier in Mithrasbildem mit mondsichelför-
migen Hörnern abgebildet ist. Stark bezieht gewiss mit Recht den
Skorpion, den Hund, die Aehren, die Schlange, das Wassergefäss, den
Raben auf den Mithrasdarstellungen auf die Sternbilder der Ekliptik;
die in Dormagen gefundenen 12 Kugeln verschiedener Grösse er-
innern an die 12 Monate des Sonnenjahres. Auf dem grossen Mithras-
bilde von Heddemheim ist die Ekliptik mit den 12 Sternbildern voll**
ständig dargestellt^). Deutet der Baum unseres Neptunbildes nicht
auch auf den Mithras?
*) L. Preller, Römische Mythologie. Berlin 1858.
>) Vgl. E. B. Stark, über die Büthrassteine von Dormagen. Jahrb. XLVI
leed. 8. 16. '
') Annalen des Yereios f&r naisauische Alierthamskunde; Wiesbaden 1890
I, 2. n. 8. Hft. Tab. I. ' «
Ein rdnÜMlier Fond in Bandorf bei Oberwintar. 19S
Man pfl^ die Verbreitang der Mithrasreligion unter den römi-
schen Kaisern aus dem Zusammenfliessen der religiösen YorsteUangeii
der Terschiedensten Völker des Alterthums zu erklären, während frflher
mit grosser Strenge der römische Gottesdienst von fremder Beimischung
rein erhalten wurde ; denn im letzten Jahrhundert vor Christus wurde
der ägyptische Gottesdienst als schändlicher Aberglaube in Rom wie-
derholt verboten. Auch will man in der Annahme der neuen Religion
rine Rttckkehr zu einer mehr innerlichen und einfacheren Gottesver-
ehrang, im Gegensatze zu einem prunkvollen aber glaubenslosen Got-
tesdimst in den Tempeln so vieler verschiedener Götter erkennen. Es
ist aber wohl richtiger, dieselbe als einen Fortschritt in der Entwick-
lung des religiösen Denkens zu bezeichnen, der in einer hochgebildeten
Zeit nicht ausbleiben konnte. Hatte doch dieser Gottesdienst so Man-
ches mit dem christlichen Cultus gemein, dass die Kirchenväter sich
veranlasst sahen, die Bekenner des Ghristenthums gerade vor einer
Vermischung mit dieser Religion ausdrücklich zu warnen. Die Bezeich-
nung des Teufels als Lucifer bezeugt, welcher Verachtung man diesen
heidnischen Glauben Preis gab. Das Stieropfer war ein Sühnopfer, in
dem in der Borghesischen Samndung aufbewahrten Bilde leckt ein
Hund begierig das Blut des Opferthiers, und daneben stehen die Worte:
nama sebesio(n), beiliges Blut Liegt nicht dieselbe Vorstellung auch der
christlichen Religion zu Grunde? Ein anderes Mal kommen auf einer
Inschrift die Worte : nama cunctis vor, die als )»das für Alle vergossene
Blatt gedeutet zu werden pflegen. Diese in der Villa des Hadrian zu
Tivoli gefundene Inschrift hat indessen, worauf mich Herr Prof. Bergk
aufmerksam machte, eine ganz andere Bedeutung. Sie lautet ') : Soli
Invicto Mithrae | sicut ipse se in visu | jussit refid | Victorinus Caes.
N I vema dispensator | numini praesenti suis in | peudls refidendum |
coravit dedicavitque | nama cunctis. Diese Worte dürfen mit grösster
Wahrscheinlichkeit auf die Herstellung eines Götterbildes und auf die
Fassung einer dem öfientlichen Gebrauche bestimmten Quelle bezogen
werdm. Ist diese Ansicht richtig, so würde das Denkmal, wozu diese
Inschrift gehört hat, mit unserm Bandorfer Funde eine auffallende
Uebereinstimmung zeigen; das pro bono communi unserer Ära würde
dem nama cunctis entsprechen und auf die Quelle hindeuten, die aus
der Urne unseres Brunnengottes floss. Nur durch eine Reihe strenger
>) G. Zoega's Abhandl herausg. ron Welckei^ Göttingen 1817, S. 143.
*) Orelli, InBcripi laiin. sei. ooU. I. Torid» 182a n». 19U.
\H Ein römiMker Fond in B«ndorf bei Ob^nvmtar.
\
Prüfungen und Bassungen, durch Proben von Muth und Seelen-
stärke wurde man in die Geheimnisse dieses Gottesdienstes einge-
weiht Die Hithrastempel von Heddemheim erinnern in ihr^n Grund-
riss an die christliche Kirche, der Tempel ist in 8 Schiffie getbeilt, das
mittlere verlängert sich durch einen vorspringenden Ausbau, welcher
das Sacrarium bildete; bei dem einen dieser Tempel hat das Mittel-
schiff sogar die Kreuzesform. Man kann kaum zweifeln, dass aus dem
Mithras-Heiligthum der christliche Altar mit seiner Chornische ent-
standen ist, oder doch darin ein Vorbild hatte.
Wie Friedländer in treffender Weise hervorhebt, ist es ein Irr-
thum, zu glauben, dass die heidnische Religion bei Stiftung des Chri-
stenthums sich ausgelebt hatte. Der Götterglaube herrschte in unver-
änderter Stärke und den christlichen Wundem wurden heidnische ent-
gegengesetzt, an die auch fast alle Gebildeten glaubten. Die zahlreichen
Inschriften religiösen Inhalts, die uns erhalten sind, beweisen mehr
wie die Literatur die Innigkeit des Glaubens im Volke. Währ^d frei-
lich ein Lukrez und Plinius Gott und Unsterblichkeit läugnen, bekennt
Tadtus seinen Götterglauben, und Mark Aurel und Juvenal ermahnen
zum Gebete. Die stoische Philosophie entwickelt Betrachtungen, wie
sie bei Seneca sich finden, die den christlichen Anschauungen nahe
verwandt sind ; eine religiöse Schwärmerei sogar, die an den christ-
lichen Pietismus erinnert, spricht sich in den Schriften des Redners
Aelius Aristid^s aus, der 117 geboren war'). Dass der zumal unter
Hadriau und den Antoninen in Rom eingefnhrte Mithraskultus mit den
durch Prlfungen erlangten verschiedenen Rangstufe seiner Bekenner
den Soldaten besonders zusagen musste, ist oft hervorgehoben worden ;
dass die römischen Legionen denselben aus dem Osten des Reiches
wie nach Frankreich und England so auch an den Rhein gebracht
haben, dafilr ist der Fund von Bandorf in der Nähe des von der ersten
flavischen Gehörte besetzten Remagen ein neuer Beweis. Während erst
im 3. Jahrhundert die Gottheiten aller Länder sich in Rom zusammen
fluiden, hatte, wie Friediänder anführt, doch sdion Mark Aurel bei
dem allgemeinen Schrecken des markomannischen Krieges Priester aas
allen Landein kommen lassen, um die Stadt Rom mit allen Arten
religiöser Gebriluche zu söhnen. Die BfithrasmTBterien wurden indessen
schon frQher daselbst gefeiert, und vor Hadrian sollen in denselben
^) L. Fnedlftndqr, Dantellangen aus der SitteDgetobicbte Bon», 8* Tbeil,
Leipzig 1871, 8. 48».
^
EiB romifoher Fond in Bandorf bei Oberwiater, 127
sogar Menacbenopfer herkömmlich gewesen sein, wie auch dem indischen
Indra solche gebracht wurden 0* Hadrian verbot die Menschenopfer, aber
^ter soll noch Commodus eigenhändig dem Mithras einen Menschen
geopfert haben, aus dessen Eingeweiden er wahrsagen liess. Zuerst
brachte Pompejus im Jahre 68 vor Chr. aus dem Seeräuberkriege deu
Mithrasdienst nach Bom. Die Bilder von Sonne und Mond finden sich
schon auf Münzen des Augustus, des Yespasian und Trajan, die Beger
abbildet. Preller macht darauf aufinerksam, wie der Jupiter Dolichenus
in römischer Kriegsrüstung gleichsam eine Verherrlichung des römi-
schen Kaisers darstellte. Stark erwähnt einer Münze des Commodus,
auf der das Bild des siegenden Sonnengottes auf den Kaiser selbst
übertragen ist, der mit Mantel und Strahlepkrone die Erdkugel in. der
Hand hält Die römischen Legionen hatten seit Septimius Severus eine
besondere Vorliebe für den Mithrasdienst Elagabalus war selbst früher
Oberpriester im Sonnentempel zu Emesa in Phönizien und Aurelianus
der Sohn einer Priesterin des Sonnengottes in Sirmium. Er richtete
m Rom einen Sonnenkultus ein und nannte sich auf Münzen Dens et
Dommus natus Aurelianu» Augustus, eine Selbstvergötterung, gegen
die das von unseren Herrschern beliebte »von Qottes Gnaden« doch ein
sehr bescheidener Titel ist Auch Diocletian . und Constantin waren
dieser Religion noch zugethan. Auf einem in Paris befindlichen grosses
Onyx mit dem Bilde des Constantinus magnus, der früher der Gastor*
kirche in Cobienz angehörte, trägt der Kaiser auf der Brust eine
Spange mit dem Bilde der Sonne. Auch Julian nennt sich noch den
Diener des Sonnenkönigs. Da im Mithrasdienst das licht verehrt wird,
welches die Finstemiss überwindet, so fand derselbe in Höhlen oder
unterirdischen Räumen statt Die Mithrashöhlen in Rom, Gonstantino-
pd und Alexandrien werden noch im Anfang des 5. Jahrhunderts von
Paulinus von Nola erwähnt und man feierte in Rom das Fest dieses
Gottes nach dem Vorbilde der Phönizier und Perser um die Zeit des
kürzesten Tages, am 25. December'). In der Inschriften-Sammlung
von Orelli-Henzen *) kommt in Nr. 5846 die Widmung: lavicto vor,
wozu Henzen bemerkt, dass in einem alten Galendarium dies VIO Ca*
lendas Januarias »Natalis Invicti« benannt sei. Hieraus folgt aba*
nichts dass, da jener Tag der 25. December, also unser Chrisfetag ist»
>) Porphyr, de absün. U, 66 und AeL Lamprid. Comm. 9.
^ L. PreUer, Bomiache Mythologie. 8. 766.
*) Insortpi. Latinar. Select Coli. ampl. T. 8.
128 Ein römiaoher Fund in Bandorf bei Oberwinter.
das Natalis Invicti nicht auf Mithras, sondern auf Christus zu beziehen
sei, denn das Fest der Geburt Christi wurde, wie auch andere christliche
Feste, z. B. das Johannisfest, absichtlich auf den Tag eines einigermaassen
entsprechenden heidnischen Festes •gelegt. Ehe man die deutlichen
Beweise für die Verbreitung des Mithrasdienstes unter den späteren
römischen Kaisem zur Hand hatte, war man wegen des alten asiati-
schen Ursprungs dieser Religion geneigt» einige dieser Denkmale als
asiatische Alterthümer zu betrachten. Selbst von Raumer und Ritter
sprachen die Meinung aus, der Mithrasdienst sei nicht erst durch die
Römer in das südöstliche Deutschland verpflanzt worden, sondern un-
sere Vorfahren hätten selbst ihn aus dem asiatischen Stammlande
mitgebracht. Alle künstlerischen auf die Mithrasreligion sich beziehen-
den Darstellungen, auch die asiatischen, welche F. Lajard seinem
Werke ^) einverleibt hat, gehören einer fortgeschritteaen Culturperiode
an und enthalten nur ausnahmsweise Andeutungen einer ältesten Vor-
zeit Es ist eine bekannte Thatsache, dass sich bei fast allen Cultur-
Völkern in religiösen Verrichtungen der Gebrauch steinerner Werkzeuge
lange Zeit erhalten hat, weil er der ursprüngliche war. So bediente
sich der Pontifex Maximus in Rom beim Opfer eines Steinmessers,
die Leicheneröfihung bei der Mumienbereitung in Aegypten geschah
auf dieselbe Weise, ebenso die Beschneidung bei den Juden, auch
die Priester der Gybele entmannten sich mit einem Steinmesser;
selbst die Oberpriester im alten Mexico opferten die Kriegsgefangenen
auf diese Art. Wiewohl unter den Ruinen von Persepolis Stein-
waffen gefunden worden sind, so ist in den Mithrasbildem die Waffe
des Stiertödters doch in der Regel der persische Dolch oder ein langes
Messer, dessen Form auch die oft dargestellte Scheide erkennen lässt.
Auf dem in den Jahrb. XLVI, Taf. III wiedergegebenen Mithrasdenk-
male der Eremitage von St Petersburg sieht das Werkzeug in der
rechten Hand des mit entblössten Schaamtheilen Opfernden aber wie
ein Steinbeil aus. Dass in der alten Kunst Steinwaffen dargestdlt
worden sind, sieht man z. B. in den Denkmälern der Kunst des Alter-
thums zu Winckelmann's sämmtl. Werken, Donaueschingen 1835,
Vignette 12, wo ein geflügelter Genius den Opferstier mit einer wie
ein Feuersteinmesser gestalteten Waffe tödtet, die am Griffe einen
Knopf hat. Ebendaselbst ist, Vignette 14, Merkur mit einem Stein-
^) F. Lajard, Introduotion k l'^tade da oalte de Mithra eto. Paria 1847.
\
Ein römiflcber Fand in Bandorf bei Oberwinter. 129
hammer dargestellt. Zu den \?en]gen in der EuBst der klassischen
Völker nachweisbaren Ueberlieferungen der Urzeit muss aber die Keule
gerechnet werden, welche Waffe die Griechen dem Herkules zuertheilen.
In der persischen Mythologie ist die Keule auch Symbol des Mithras.
Im Zendavesta wird die Keule dreimal als Waffe des Mithra gepriesen.
Nach Arrian wurde den indischen Stieren das Zeichen der Keule ein-
gebrannt.
Das Bheinland und sein angrenzendes Oebiet sind reich an be-
merkenswerthen Mithrasdenkmälern. Die bedeutendsten sind die von
Dormagen *), das von Schwarzerden *), die von Neuenheim und Laden-
burg') und die von Heddernheim. Dass sich die von Freudenberg be-
schriebene, dem Hercules Saxanus geweihte Altarinschrift auf einer Fels-
wand des Brohlthales aus dem Anfang des 2. Jahrhunderts, die sich jetzt
im Wallraff 'sehen Museum zu Cöln befindet, wegen der daraufgemalten
Bilder von Sonne und Mond auch auf den Mithras beziehe^ ist zwar nicht
sicher nachweisbar, aber doch sehr wahrscheinlich. Freudenberg er-
gänzt die Inschrift als: Deo Invicto Herculi, und fahrt an^ dass im
Brohlthale noch zwei Altäre mit der Widmung Herculi Invicto sacrum
gefunden seien. Herkules hat als Beschützer der Steinbrüche den Na-
men Saxanus erh|lten; der bei Brambach l5mal in Funden dieser
Gregend vorkommt. Gegen die Meinung, als hätten sich diesem Gultus
vielleicht germanische Elemente beigemischt, führte bereits Grimm an,
dass diese Inschriften über Deutschland hinaus vorkommen. Dass solche
Weihesteine und Altäre von römischen Soldaten errichtet wurden,
kann nicht auffallen, wenn man weiss, dass man dieselben mitunter zu
öffientlichen Arbeiten benutzte. Die Erwähnung der Legio VI Victrix Pia
Fidelis und der Legio X Gemina führt zu dem Schlüsse, dass dieser
Altar an der Felswand nicht vor Vespasian und nicht nach Hadrian
errichtet ist. Die an dritter Stelle erwähnte Legio XXII Primigenia
Pia kommt in zahlreichen Inschriften vor, deren älteste vom Jahre 65
ist. Diese Legion stand mehrere Jahrhunderte in Deutschland, meist
in Mainz. Die Erwähnung des Legatus Qu. Acutius, der auch auf einer
Nymweger Inschrift vorkommt, lässt vermuthen, dass dieser mit dem
Consul suffectus Acutius Nerva des Jahres 100 nach Chr. derselbe ist.
Freudenberg bemerkt nun: num an einen Dens In victus (Mithras) und
*) Jahrb. XLVI, Taf. I u. ü.
*) Schöpflin, Alsaüa iU. I p. 61 und Engelniaim, Elfter Bericht deaatitiqa.
Mit Ter. f. Nahe und Hansrücken 1869—71.
•) Jahrb. XLVI Taf. IV.
9
190 Ein romisöher Fand in Bandorf bei Ob^rwinter.
Hercules zu denke]}, wie bei Mommsen Inscript confoed. Helv. Nr. 64
der Deus Invictus und Genius Loci verbunden sind, ist unsere Inschrift
zu alt, wenn auch die räthselhaften Zierrathen aber den Seitennischen,
Sonne und Mond, eine solche Annahme zu begünstigen scheinen.« Es
ist indessen die Uebereinstimmung des Qu. Acutius mit dem Acutius
Nerva, worauf die Altersschätzung der Inschrift beruht, nicht ganz
zweifellos, dagegen weisen der Beiname Invictus im Munde römischer
Legionen, die auf den Mithrasbildern so gewöhnlichen Darstellungen
von Sonne und Mond und gerade der Umstand, dsss mit der Verehrung
des Mithras skh die anderer Götter vermischt hat, mit grosser Be-
stimmtheit auf den Mithraskultus hin. Freudenberg selbst spricht an
einer andern Stelle die Vermuthung aus, dass die Bilder der Sonne,
die durch 7 in Pfeilspitzen auslaufende Strahlen dargestellt ist und
des sichelförmigen Mondes mit aufwärts gekehrten Hörnern zu dem
Heros, dem das Denkmal geweiht ist, eine nähere Beziehung haben
und gesteht, dass es am nächsten liege, an einen Einfluss der Mithras-
religion zu denken, welche nach Plutarch den Römern bereits in Folge
des durch Pompeius beendigten Seeräuberkrieges bekannt wurde und,
nach römischen Denkmälern zu urtheilen, bereits gegen Ende des 1.
und zu Anfang des 2. Jahrhunderts in Rom sich festsetzte. Wiewohl
der unter Domitian lebende Dichter Statins schdb auf die Mithras-
verehrung anspiele, sei sie erst unter Septimius Severus und seinen
Söhnen in den Staatskultus übergegangen. Das dem Hercules beige-
legte Invictus deute darauf, dass sich der asiatische Sonnendtenst mit
der Verehrung dieses Heros vermischt habe. Vielleicht sei eine der
an dem Denkmal betheiligten Gehörten, z. B. die Cohors U aus Spa-
nien gekommen und die Bilder der Sonne und des Mondes rührten
von dem Cultus des tyrischen und zumal des gaditanischen Herkules
her. Es waren besonders die Kaiser Galba, Trajan und Hadrian, von
denen die beiden letztem aus Spanien stammten, welche diesen Heros
verehrten. Diese Verehrung scheine aber aus Spanien auch früh nach
Gallien gekommen zu sein, worauf gallische Inschriften des H^r-
«
cules Andossus hinweisen. Die im südwestlichen Frankreich gefundene
Inschrift Helioucmouni (Deo), über welcher das Haupt des Gottes um-
geben von 7 Strahlen und der die Homer nach oben kehrende Halb-
mond dargestellt sind, kommt dem Bilde auf der Felswand im Brohl-
tbale sehr nahe ').
^) J. Freudenberg, das Denkmal des Hercules Saxanus im Brohlthal. Fest-
programm des Vereins von Alteribumsfreanden. Bonn 1662. S. 25 fg.
Ein röadfoher Fnad in Bandorf bei Oberwintor. ISl
Der MithrasteiDpel von Dormagen wurde bereits 1821 entdeckt
Beim Umgraben eines Ackers in der Nähe dieses Ortes traf man auf
ein GewMbe von Gussmauer und neben demselben auf ein Gemach
von 10 F. Höhe und Breite und 40 F. Länge. In diesem Baume stan-
den an die Wand gelehnt zwei trefiTlich gearbeitete Mithrasmonumente,
an der Erde lag das Bruchstück eines Isispriesters, sämmtlich mit In*
Schriften versehen, die oben angegeben sind. Femer wurden hier zwei
Altäre aus Tuffstein ohne Inschrift, der eine in Form und Grösse dem
van Bandorf ähnlich, gefunden, sowie Lampen, Münzen und 12 Kugeln
aus Tufitein. Diese Denkmäler wurden in diesen Jahrbüchern ein-
gehend von K. B. Stark besprochen 0- Ueber das in der Nähe des
Dorfes Schwarzerden, 3 Stunden von St. Wendel, auf einer Felswand
befindliche Miihrasbild, welches durch die Witterung bereits sehr be-
schädigt ist, hat kürzlich Engelmann berichtet und eine von ihm vor
30 Jahren entworfene Zeichnung desselben veröfifentlicht '). Er macht
hierbei auf die zahlreichen Mithrasdenkmale in den Donauländerui in
Oestenreich und Tyrol, in Neapel, Rom, Oberitalieo, Gallien und Bri-
tannioi aufmerksam, sowie auf die in den Felsen gehauenen Mithras-
bilder von St. Andeol an der Rhone und von Roshang in Niederkrain.
Hierbei sei angeführt, dassSeidl in seiner Schrift: »Der Dolichenuskult,
Wien 1854t, gegen 60 Monumente dieses Gottesdienstes verzeichnet,
die in die Jahre 139 bis 318 fallen. Das im Jahre 1751 von Schöpflin
merkwürdiger Weise in der Alsatia illustrata gelieferte BUd von
Schwarzerden scheint ihm vom Zieichner ergänzt zu sein. In der Ab*
handlang des Professor Stark : i^Zwei Mithräen der Grossherzogl. Alter-
thttmer*Sammlung zu Garlsruhe, Heidelberg 1865tt, worin die Mithras-
bilder von Osterburken im Odenwald und von Neuenheim ^) bei Hei-
delberg beschrieben sind, wird irrthümlich mit Berufung auf Schöpflin
und Lajard dieses Felsenbild nach Schwarzerd in der Grafschaft Dachs-
burg im Elsass versetzt. Auch bei Beschreibung der Mithrassteine von
Dormagen scheint derselbe Verfasser das Denkmal im Elsass anzu-
ndimen. Eogelmann theilt ferner mit, dass Prof. Fiedler in einem am
21. Dec. 1869 an ihn gerichteten Briefe sich darüber wundert, dass
das von ihm gezeichnete Denkmal bei einem Dorfe desselben Namens
*) Jahrb. des VereinB von Alterthnmsfr. XL VI. Bodq 1869, 1. Vgl. Jahrb.
XXI, 29 and XXIII, 146.
*) Elfler Bericht des antiqnar. Vereins für Nabe und Hunsrlioken. 1889
-1871, S. 15.
') Vgl. Creaser, über das Mithräiim von Neaenheim, 1838.
182 Ein römischer Fnnd in Bandorf bei Oberwinter.
sich befinde, wie das von Schöpflin beschriebene, und gibt endlich eine
Aufklärung über den Ursprung dieses Irrthums, dessen Fortbestehen
nur desshalb auffallend ist, weil das bei St. Wendel befindliche Denk-
mal doch in verschiedenen Schriften erwähnt worden ist. Schöpfiin gab
nämlich an, dasselbe sei im Gebiete der Grafen von Leiningen-Dachs*
bürg gelegen, und zwar in Lothringen, während die Herrschaft Ober-
kirchen, in deren Nähe Schwarzerden liegt, nur ein lothringisches Lehen
war. N. Müller ^), der mehr als 1000 25eichnungen mithräischer Denk-
male gesammelt hat, gibt in seiner Mithrasgallerie, in der er 22 Mi-
thrasbildwerke abgebildet hat, unter Fig. 5 eine Darstellung desselben.
Er bemerkt, dass die Franzosen dieses zwischen Pfeffclbach und
Schwarzerd gelegene Mithrasbild das vogesische nennen und fügt hinzu :
Ich sah dieses mächtige Monument vor etwa 30 Jahren und traf es
leider nicht mehr in dem frischen Zustande, in welchem es Schöpflin
für seine Alsatia illustrata abbilden liess. Also dieser Forscher, der
an Ort und Stelle war, lässt ihm die Bezeichnung des vogesischen. Ein
Umstand könnte in Zukunft noch einmal dazu beitragen, an zwei ver-
schiedene Denkmale zu glauben, es sind nämlich die von diesenrBilde
gegebenen Zeichnungen nicht ganz übereinstimmend. In dem von Müller
gegebenen Bilde, welches wohl nach Schöpflin verkleinert ist, erhebt
der Hund den Kopf zum Stier und hat eine Schlange neben sich, in
der Zeichnung von Engelmann liegt der Hund und die Thiergestalt
daneben ist nicht deutlich, dort steht links in der Ecke die Sonnen-
scheibe, hier ein Brustbild des Sol, auf dem Bogen über dem Stier-
tödter sind dort zwei Köpfe im Profil, hier zwei andere Figuren, dort
senkt der Stier den Schweif, hier hebt er ihn, die stehende Figur
links vom Beschauer ist in beiden Zeichnungen ganz verschieden. Diese
Verschiedenheiten können nur dadurch entstanden sein, dass die Zeich-
ner das beschädigte Bild willkürlich ergänzt haben. Engelmann er-
innert noch daran, dass wie im Odenwald ein Osterburken vorkommt,
so bei Schwarzerden ein Osterbrücken, ein Osterbach, ein Osterthal
und fragt, ob diese Namen nicht mit Astarot, Ostara zusammenhängen,
woher unser Ostern, ursprünglich vielleicht ein Frühlingsfest, den Na-
men hat. Da sich an der Felswand von Schwarzerden die Locher zum
Einlegep der Balken noch finden, so lässt sich die ursprüngliche Grösse
des Tempels genau angeben, das Mittelschiff des Tempels war 10 F.
lang, SVa F. breit und 12 F. hoch, das ganze Gebäude hatte eine
^) Annalen des Vereins für nassauisohe Alterthnmsk. IL 1. S. 12. Tab. L
Ein römischer Fund in Bandorf bei Oberwinter. 188
Breite von 16Vt F. und eine Höhe von 14 F. Die Mithrastempel von
Heddernheim waren der eine 39 F. lang und 25 breit, der andere 46
F. lang und 21 breit. Der in der Gegend von Schwarzerden gefundene
15'' hohe männliche Kopf 0, dessen schon früher gedacht ist, hat in der
That eine phrygische Mütze, wie der das Opfer verrichtende Jüngling
sie auf den Mithrasbildern gewöhnlich trägt, und gehört wahrschein-
lich zu einem Mithrasbilde, auf denen die Darstellung blosser Köpfe
sehr häufig vorkommt und eine Eigenthümlichkeit zu sein scheint, wie
insbesondere das Denkmal von Heddernheim zeigt. Das Mithrasbild
von Ladenburg am Neckar ist unlängst von Stark in diesen Jahr-
büchern^) beschrieben worden. Dagegen ist das in den Felsen ge-
hauene Denkmal bei dem früher hessenhomburgischen Dorfe Schwein-
schied, welches in diesen Jahrbüchern lY, S. 94 irrthümlich als Mi-
thräum bezeichnet worden ist, und in seinem Hauptbilde einen Reiter
vorstellt, wie Engelmann mit Ilecht hervorhebt, kein solches, sondern
scheint vielmehr das Grabdenkmal eines im Kampfe gefallenen Helden
zu sein '). Drei grosse Denkmale dieser Art, auf denen ein Reiter dar-
gestellt ist, unter dem ein gefallener Krieger sich mit dem Schilde
deckt, enthält das Mainzer Museum. Auch ist dieses Bild als Revers
auf Münzen häufig. Die neben dem Hauptbilde von Schweinschied
dargestellten Figuren scheinen indessen doch auf die Mithrasverehrung
sich zu beziehen, wovon später die Rede sein wird. Auf den beiden
Silberplatten des Berliner Museums, die Gerhard ^) beschrieben hat,
ist der sonst streitbare Gott Jupiter Dolichenus nackt vorgestellt, in
dem einen Bilde ist aber an den vier Ecken des Reliefs ein bewafif-
neter Flügelknabe dargestellt, und der Gott selbst hält einen mit einer
Pfeilspitze versehenen Herrscherstab; in beiden Bildern hält er Pfeile,
in dem einen auch einen in Pfeilspitzen endenden Donnerkeil in der
Hand. Gerhard vetmuthet, dass diese Reliefs von einem rheinischen
Funde herrühren.
Das grosse Heddernheimer Mithrasdenkmal ^), welches im Museum
^) Erster Bericht des Vereins für Erforschung upd Sammlang von Alter-
thümern in den Kreisen St. V^eudel und Ottweiler. Zweibrücken, 1838, Tab. IIl
Fig. 1.
«) Jahrb. XLIV und XLV. 1868.
'} Neunter Bericht des antiquar. histor. Vereins für Nahe und Hunsrücken.
1867—68; und Jahrb. XLVI. 1869. S. 169.
*) Jahrb. XXXV. 1868. S, 31.
' *) F. G. Habel, die Mithrastempel in den röm* Ruinen bei Heddemheimj
ite Ein römischer Fund in Bandorf bei Oberwinter.
von Wiesbaden aufgestellt ist, wird schon von N. Müller mit Recht
als das vorzüglichste und werthvollste von allen bezeichnet. Hier wur-
den zwei Mithrastempel entdeckt, in die man zwar auf sieben Treppen-
stufen hinabstieg, die aber doch grösstentheils, wie man schliessen
muss, überirdische Bähten waren. Beide bildeten ein Mittelschiff mit
zwei Seitenschiffen, am Ende des ersten befand sich das Sacrarium, in
welchem das grosse drehbare Mithrasbild des einen Tempels sich be*
fand. Bei dem zweiten Tempel bildet der mittlere Raum geradezu ein
Kreuz. Wenn der von Habel nach den Mauerresten entworfene Grund-
riss dieser Gebäude zuverlässig ist, so muss die dem Bau der christ-
lichen Kirche entsprechende Einrichtung als höchst, auffallend bezeich-
net werden. Das Mithrasbild in dem abgesonderten nach aussen vor-
springenden Räume am Ende des Mittelschiffs steht an der gleichen
Stelle wie der christliche Altar im Chor. Man würde das sich drehende
Mithrasbild vielleicht dem drehbaren Tabernakel vergleichen dürfen,
wenn nicht dieses erst im 12. Jahrhundert in Gebrauch gekommen
wäre und keineswegs allgemein diese Einrichtung hat. Lajard hatte
behauptet, die Eingänge zu den Mithrastempeln seien meistens gegen
Norden gelegen, bei diesen beiden Tempeln findet er sich gegen Sü-
den. Der muthmassliche Eingang in das Gebäude von Bandorf war
auch an der Südseite. Die H^ddemheimer Denkmale bieten noch meh-
rere Eigenthümlichkeiten, die auf unsern Bandorfer Fund einiges Licht
zu werfipn scheinen. Das häufige Vorkommen blosser menschlicher Köpfe
in den Reliefdarstellungen des grossen Mithrasbildes gestattet die An-
nahme^ dass der jedenfalls einen Gott darstellende Kopf aus Sandstein,
dem wir einen bei Schwarzerden gefundenen Mithras- oder Attiskopf an
die Seite stellten, eine ähnliche Aufstellung auf Steinblöcken hatte,
wie es vier Köpfe in dem das Hauptbild umgebenden Rahmen des gros-
sen Mithrasdenkmals zeigen. Habel hat nur an dem einen Kopfe oben
rechts ') es deutlich gezeichnet, dass der Kopf mit glatter Fläche am
Halse endet und gleichsam aus einem Haufen von Steinen hervor-
kommt. Betrachtet man das Denkmal selbst, so scheinen auch die
übrigen drei entsprechenden Köpfe aus Steinen hervorzuwachsen, wie
auch noch die Gestalt eines Kindes und der halbe Leib eines Mannes
gleichsam aus Felsen hervorgehen. Auch ist ein Mensch dargestellt,
Annalen des Vereins für nassauische Alterthumskunde nnd Gteschiditsforsohung.
Wiesbaden, 1830. 1. B. 2. u. 3. Hfl. S. 161.
') Habel a. a. 0. Tab. L
Ein römischer Fund in Bandorf bei Oberwinter. 185
<)er aus einem Baume hervorwächst. In dem zweiten Mythräum von
^ieddemheim sind zwei Bildwerke *) gefunden worden, die wahrschein-
lich Bruchstücke eines grössern Mithrasbildes sind, sie stellen ?wei
^albe Jünglinge dar, welche aus Steinen emporwachsen. Die von Bram-
^ach unter den Inscriptiones spuriae (Append. p. 361. Nr. 23) aufge-
^^ährte Inschrift Deo Invito Mithir Secundinus dat befindet sich nach
\iersch, Centralmuseum rheinl. Inschriften in 1842, Nr. 148, auf einer
zu Neuss befindlichen Bronzestatuette, die im Besitze der Frau Hertens
in Bonn war. Sie stellte eine jugendliche Gestalt dar, die einen Schild
mit einer Schlange hält, worauf jene Worte stehen. Lersch bemerkt
dazu : Secundiner müssen den Mithrasdienst sehr verbreitet haben, und
verweist auf sein Gentralm. n Nr. 17, wo dieselbe Inschrift auf einem
bronzenen Votivtäfelchen vorkommt, das oben in ein Mithrasbild aus-
läuft, zu dem sich eine Schlange emporwindet. Dies Bronzetäfelchen
ist im Bonner Universitäts-Museum; auch seine Aechtheit wird von
Overbeck (vgl. Katalog, 1851, Abth. 11. 1, Nr. 21) für zweifelhaft ge-
halten, wiewohl dieselbe Inschrift noch einige Mal vorkommt. Lersch
inl aber, wenn er meint, dasselbe sei als in Lyon befindlich von Gru-
ter XXXin. 11 abgebildet worden. Denn N. Müller*) giebt in seiner
Mithrasgallerie Fig. 15 die Zeichnung eines Votivsteines mit derselben
Inschrift, der ein vielbesprochenes Denkmal ist und aus Lyon stammt.
Auf diesem Steine steht ein Kopf, der nach Art der Mithrasbilder aus
demselben hervorzukommen scheint; um den Stein windet sich eine
Schlange empor. Schon vor piehr als 250 Jahren hielt der Florentiner
Symeoni dies Denkmal für einen dem Aesculap geweihten Votivstein.
Müller begreift nicht, wie dieser Forscher die auffallende Inschrift an
der Seite des Steins: Deo Invi(c)to Mithir Secundinus dat übersehen
haben soll und spricht ebenfalls die Vermuthung aus, dass sie ge-
fälscht sein könne. Die Art der Aufstellung des Kopfes spricht für die
Aechtheit des Steines und der Inschrift und es ist deshalb auch kein
Orund vorhanden, an der Aechtheit der übrigen gleich lautenden In-
schriften zu zweifeln. Die Darstellung blosser Köpfe auf Mithrasbildern
ist auch sonst beobachtet. Im Mainzer Museum befindet sich das Bruch-
stück eines Mithrasaltars, der mitten auf dem Markte der Stadt ge-
funden worden ist. Im viereckigen Felde ist ein Kopf mit phrygischer
Mütze dargestellt; daneben steht ein Schütze mit Mantel und phrygi-
1) Habel a. a. 0. Tab. lY Flg. 4 u. 5.
*) N. MüUer a. a. 0. S. 17.
186 Ein römischer Fand in Bandorf bei Oberwinter.
scher Matze, er schiesst auf eine Gestalt, die im Hiutergrunde des
Bildes aus dem Felsen kommt. Mitbras selbst wird als der Steinge-
bome geschildert. Die vier Hermesköpfe auf den Ecken des grossen
Heddemheimer Bildes beweisen einen Zusammenhang beider Gott-
heiten. N. Müller sagt geradezu: Mithras und Hermes sind so nahe
verwandt, dass Mithras in mehrfacher Beziehung Hermes und dieser
ebenso Mithras ist. Er weist auf ein von Schöpflin ^) veröffentlichtes
Mercurbild, das auf den vier Ecken ebenfalls vier Köpfe zeigt, die,
wie er glaubt, die vierfache Natur des Mercur bezeichnen, den Götter-
boten, den Orakelgeber, den Beschützer des Verkehrs und den Führer
der Träume. Erwägt man diese Beziehungen, so möchte doch vielleicht
der Hermesacker in der Nähe des Mithrasaltars zu Bandorf aus einer
solchen sich erklären. Ein Brunnen fliessenden Wassers, auf welchen
unsere Neptunstatue deutet, scheint, wie die oben erwähnte Inschrift
von Tivoli schon zeigte, den Mithräen nicht fremd zu sein. In dem
zweiten Mithräum von Heddemheim fand sich ein kleiner Löwe aus
Sandstein'), der zum Wasserausgusse durchbohrt ist. Im südlichen
Frankreich befindet sich, wie Habel mittheilt, das bei Bourg St. Andeol
in den Felsen eingehauene Mithrasbild zwischen zwei hervorrieselnden
Quellen. Auch das Felsenbild bei Schweinschied, dessen Hauptdarstel-
lung, wie bereits oben angegeben ist, gewiss kein Mithrasdenkraal ist,
welches aber in seiner ganzen Anordnung mehrerer neben einander-
stehender Bilder von symbolischer Bedeutung doch lebhaft an diese
erinnert, wie insbesondere durch die unverkennbare Figur eines Attis *
und den Oel- oder Lorbeerbaum, wie er auch auf anderen Mithrasbil«
dern vorkommt, lässt uns in dem Seepferd eine Darstellung wahrneh-
men, die in den Vorstellungskreis des Gottes Neptun gehört; denn
Poseidon auf dem von Hippokampen gezogenen Wagen dahinfahrend
oder Nereiden auf Hippokampen reitend sind gewöhnliche Darstellun-
gen der griechischen Kunst. Doch könnte dies Thierbild an dem Dcjpk-
mal auch als das Zeichen der römischen Gehörte angebracht sein, die
dasselbe errichtet hat. Zuweilen verräth uns nur eine einzelne Figur
auf Denkmälern die Verehrung des Mithras, wie die trauernde Gestalt
des Gottes Attis auf den Denksteinen römischer Soldaten, die in Bin-
gerbrück gefunden sind und in der Sammlung zu Kreuznach aufbe-
wahrt werden.
1) Alsaüa in. p. 4S7, Tab. IV.
») Habel a, a. 0. Tab. V Fig. 7.
,^ '
Ein römisoher Fund ia Bandorf bei Oberwinter. 187
Der kleine Ort Bandorf hat, wie der vorliegende Fund zu be-
weisen scheint, vor sechszehnhundert Jahren eine grössere Bedeutung
gehabt wie heute, und es lag die Aufigabe nahe, zu erforschen, ob
über die Geschichte dieses Ortes in späterer Zeit etwas in Erfahrung
zu bringen sei. Das massive Haus mit hohem Dach, welches Herr
Loosen bewohnt, das einzige ansehnliche Gebäude des Dorfes, scheint
der Eest einer alten Burg zu sein, es heilst nodi: »der Thurm« und
war, wie alte Leute angeben, früher mit einem Weiher umgeben. Es
hat im Erdgeschoss 5 Fuss dicke Mauern und ein rund gewölbtes
Thor. Die Ecken desselben sind mit starken Quadern aus Drachen-
felser Trachyt gebaut und an der Nordseite sind noch zwei vorstehende
Xragstelne übrig von einem Balkon oder einem Aborte. Die unter dem
Dache angebrachten eisernen Anker stellen die Jahreszahl 1657 dar
und bezeichnen jedenfalls nur die Zeit einer Erneuerung des innern
Holzbaues oder des Daches. Dieses feste Gebäude, das in der That
-wie ein Thurm über alle andern Häuser emporragt, könnte recht wohl,
wie manche mittelalterliche Burg, römischen Ursprungs sein. Eine der
ohen geschilderten römischen Wasserleitungen, die auf langen Strecken
in den Feldern bei Bandorf noch erhalten sind, geht in gerader Rich-
tung auf dieses Haus und hat wohl schon den römischen Fischweiher,
das Yivarium, mit Wasser versehen. Da mir die Angabe gemacht war»
<la8S das Gehöfte, wozu dieses Haus gehört, bis zum Jahre 1808 dem
Hospital zum h. Lambertus in Düsseldorf angehört hatte, so ersuchte
ich die Herrcy» Archivräthe Dr. Harless in Düsseldorf und L. Eltester
in Coblenz um gefällige Nachforschung über dieses Besitzthum, welcher
£itte dieselben in dankenswerther Weise bereitwilligst entsprachen.
Ans den Mittheilungen geht hervor, dass dieser Ort auch im Mittel-
silter ein in Urkunden oft genannter ist und sogar einem angesehenen
Hittergeschlechte den Namen gab. Dr. Harless schreibt darüber: »Die
Ijandeshoheit über die Herrlichkeit Winter (Ober- oder Lützeiwinter)
uit den Kirchspielen Birgel, der Mutterkirche und Oberwinter,
der Filiale, war zwischen Jülich-Berg und Kur-Köln streitig. Pfalzgraf
I*riedrich IV hatte die beiden Kirchspiele als pfalzgräfliche Passiv«
Xieben der Herren zu Tomberg und Landskron im Jahre 1565 dem
Herzoge Wilhelm HI von Jülich-Cleve-Berg tauschweise überlassen,
demnach war letzterer Chorherr daselbst geworden. Nichtsdestoweniger
steht im Jülich'schen Geistlichen Erkundigungsbuch von 1676, Ober-
winter sei zu Köln gehörig und die Eickholt'sche Beschreibung des
Erzstiftes Köln führt Birgel und Klein-Winter ftls Ortschaften im Amte
188 Em römiacher Fand in Buidorf bei Oberwintar. •
Godesberg-Mehlem an. Die Kölnischen Rechte gründeten sich aof eine *
PfandYerscbreibung von 1420 seitens Friedrich von J'omberg und
Landskron zu Onnsten £rzbischofs Dietrich II von Köln. Die Spezial-
Akten über das kombinirte JQlich'sche Amt Sinzig-Remagen, wozu
jeden&Us der jetzige Weiler Bandorf gehört hat, sind zur Zeit der
Fremdherrschaft an das damalige Präfektur- Archiv des Rhein- und
Mosel-Departements nach Goblenz gelangt Aus dem Staats-Archiv zu
Coblenz hat wohl von Stramberg seine Angaben geschöpft, die er im
Rhein. Antiquarius III. Abth., 9. Bd. S. 387 mittheilt. Danach hat das
Düsseldorfer Hospital seinen Hof zu Bandorf einem Bürgermeister von
Beyweg abgekauft; ursprünglich hat derselbe den Herrn von DoIIen-
dorf zugehört. a Dr. Harless bemerkt nun femer: »was die alte Na-
mensform von Bandorf betrifft, so glaube ich diese mit Wahrschein-
lichkeit in dem Bacherendorp wiedererkennen zu dürfen, welches in
der Schenkungs-Urkunde der Königin Richeza an die Abtei Brauweiler
vom 7. Sept. 1054 genannt wird (Lacombl. ü. B. I Nr. 189, p. 121).
Die Hauptstellen dafür sind bei Guden, Cod. diplom. II p. 1289 und
13 15. in der Landskroner Urkunde vom Jahre 1441 und 1450, wo ein-
mal Wyntern, Birgel, Bacherendorp und Entzfelt zusammen als Pfal-
zisches Lehen genannt werden, und dann es heisst: solich manlehen,
nemelich die Krispel und Gericht zu Winteren und zu Birgel mit
Bachendorff und Entzfelt, die zu Birgel gehorich sint Von Baggerdorp
oder fiacherdorp führt ein ritterliches Geschlecht den Namen. Reinol-
dus de Baggerdorp (1276) kommt vor bei Guden, Cod.- diplom. H p.
963 (1280), ebendas. S. 969. Giselbert de Bacherdorp (1298) ebendas.
S. 977. Im Lehnregiäter der Abtei Deutz 1318 steht: Reynoldus de
Baggerdorp recepit quandam dedmam ibidem.« Da sich ein Ort Ba-
cherdorf in der Nähe der genannten Orte nicht findet, so dürfen wir
wohl mit Harless in Bandorf das alte Bacherendorp, welches, wie er
meint, an Bacharach erinnert, wiedererkennen. Archivrath Eltester be-
stätigt, dass der alte Name von Bandorf, nämlich Baggerdorp und
Bacherdorp auch im Coblenzer Archiv urkundlich nachweisbar ist Dort
befindet sich auch das Siegel des bei Guden II p. 963 erwähnten
Reynoldus de Ba^erdorp^ welches einen Adler mit Turnier-Krempen
zeigt. »Der Adler ist sowohl das Wappen des grossen Geschlechts von
Sinzig, wovon auch die Burggrafen von Landskron stanunen, an-
knüpfend an den Adler des deutschen Reiches, dessen sehr getreue
Ministerialen sie Waren, als auch des Edelherrengeschlechtes von Dol-
lendorf (bei Blankenheim an der obern Ahr). Diese müssen die jfingern
Bin rdmiicher Fand in Ba&dorf bei dberwinler. 180
86hne oder deren Nachkommen von den von Bachendorp gewesen sein ;
die letzten dieses Namens sind zwei Schwestern Katharina und Nese
(Agnes) von Bachendorp^ wovon die erste 1376 an Roland von Vilpge
(Vilip) vefheirathet, die ^andere Nonne zu Eppinghoven war.« Der in
den Urkunden erwähnte Ort Entzfelt ist verschwanden, kommt aber
in der Fhirbezeichnung noch vor, die quellenreichen Wiesen bei Ban-
dorf heissen die Einsfelder Wiesen. Wie schnell sich die Sage emes
' solchen Ereignisses bemächtigt, zeigt sich hier, indem die Landleute
erzählen, nahe bei Bandorf habe eine Stadt gestanden, die durch den
vulkanischen Ausbruch des Rodderberg verschüttet worden sei, Sie
geben an, im Walde sehe man noch, dass der Boden beackert ge-
wesen, auch stosse man auf Mauerreste von Gebäuden, und es fänden
sicknoch verwilderte Weinreben daselbst.
Fragen wir endlich, ob f&r eine römische Niederlassung im Thale
von Bandorf, abgesehen von der warmen geschützten Lage des Ortes
an einem alten Heerwege, nicht vielleicht noch besondere Ursachen
von Einfluss gewesen sind, so können wir diese allerdings in dem Me-
tallreichthum der nächsten Umgebung finden, in welcher noch heute
mehrere Bergwerke Kupfer-, Blei- und Eisenerze ausbeuten. Wie sehr
die Römer bei ihren Kriegen und Eroberungen am Rheine die Gewin-
nung der Natui'schätze des Bodens sich angelegen sein liessen, dafür
haben wir zahlreiche Beweise zur Hand. Bei dem grossen Kupferwerk
Josephsberg an dem auf der andern Rheinseite unserm Fundorte fast
gegenüber gelegenen Virneberge bei Rheinbreitbach hat man in einer
uralten bemoosten Berghalde am Ausgehenden des Erzganges eine
Münze des Antoninus pius gefunden ^) ; der durch die Eifel nach Göln
hinführende ROmerkanal steht mit seinem Fundamente an einer Stelle
bei Clommem auf einer alten Halde ; diese Bleibergwerke waren also
schon vor Erbauung des Kanals, die wahrscheinlich unter Trajan und
Hadrian stattfand, im Betriebe ; hier beobachtete Flach im Jahre 1866,
dass sich 4 Fuss Torf über einer alten Halde fanden, unter dieser war
wieder eine Torfschicht und darunter wieder eine alte Halde. In
dem Bleibergwerk zu Roggendorf bei Gommern wurden auch jene
seltsamen aus Saüdsteinkugeln gehauenen fratzenhaften Köpfe >) ge-
funden, denen man nicht wohl einen andern als römischen Ursprung
zuschreiben kann, und in dem Bleibergwerk bei Keldenich kürzlich
') F. Wurzer, Taschenbuob zur Bereisong des Siebengebirges, Göln, 1806.
*) Verhaadl. des naturluBt. V. Bonn 1862, Sitzungsber. S. aOl.
140 Ein römiwher Fand in Bandorf bei Oberwintar.
ein Erztrog aus BucheohoLfi uud auf derselbeu Sohle des alten Stollens
mehrere römische Münzen und eine Fibula; in Commem selbst sind
die Fundamente römischer Häuser aufgedeclct worden. Vielleicht ist
auch die Braunkohle schon von den Römern gewonnen worden. Auf
den Brauokohlengruben Urwelt und Fortuna zwischen Quadrath und
. Oberaussem sind, freilich nur in der die Braunkohle bedeckenden Erd-
schicht, nach den mir von Herrn Kaplan Dornbusch in Cöln gemach-
ten Mittheilungen, häufig römische Gefässe und Münzen und auf der .
letztgenannten Grube der Stein einer Handmühle in 3 Fuss Tiefe und
beim Ebenen einer alten Halde 5 runde Steinperlen gefunden worden.
Auch Aschentöpfe und SteinwaiTen fanden sich in der Nähe der Gru-
ben, die ganze Umgegend ist reich an römischen Alterthümern. Auf
der Grube Blissenbach bei Engelskirchen, wo Blei- und Zinkerz ge-
wonnen wird, sind römische Münzen und Bronzegeräthe, darunter ein
Waagebalken mit Bingelchen, auch Steingeräthe in alten Halden nach
Aussage des Herrn H. Mülhens gefunden worden. Bei dem Bergwerk
Silberkaul zu Uckerath hinter dem Siebengebirge, wo noch heute
Blende gewonnen wird, finden sich so grossartige alte Bauten, dass schon
Engels ^) die Ansicht aussprach, dieselben möchten von den Römern
herrühren. Er führt die Stelle des Tacitus an, Annal. XI, Gap. 20,
worin dieser eines Silberbergwerks erwähnt, welches der Feldherr
Gurtius Rufus in dem agro mattiaco betrieb und von welchem Habel
in dem Nassau-Usingischen Amte Naurod bei Idstein deutliche Spuren
entdeckt haben wollte. Der Zusatz et quia plures per provincias similia
tolerabantur lasse vermuthen, dass dergleichen Schürfarbeiten den
römischen Legionen mehrfach auferlegt worden seien. Engels führt an,
dass schon Werner der Ansicht gewesen, der deutsche Bergbau habe
in den Rheingegenden seinen Ursprung gehabt, indem seit dem Ver-
falle der römischen Herrschaft derselbe zuerst in denjenigen Theilen
des alten Galliens, welche der Rhein begrenzte und namentlich in den
Ländern von Limburg, Aachen und MaiAZ stattgefunden, von dort
aber sich nach Franken, dem H^rz und weiter nach Sachsen hin ver-
breitet h^^be. Zahlreiche römische Denkmäler, die in den Tuffsteingru-
ben des Brohlthales entdeckt worden sind, beweisen die Anwesenheit
der Römer daselbst ; auch in den Tuffgruben zu Kretz ^) wie bei Pleidt
') J. D. Engels, Ueber den Bergbau der Alten in den Ländern des Bhei-
nes, der Lahn nnd der Sieg. Siegen 1808, S. 13 u. S7.
') Yerhandl. a. a. 0. 1W9, S. U3.
Ein römischer Fand in Bandorf bei Oberwinter. 141
und Kraft in der Nähe von ÄDdernach fehlen die römischen Funde
nicht Der letzte Ort hat, wie Nöggerath vermuthet, daher seinen Na*
men, dass der Tuff hier ehemals in unterirdischen stollenähnlichen Aus-
höhlungen gewonnen wurde. Dje Gegend von Niedermendig und Mayen ^)
ist reich an den Spuren römischer Ansiedelungen, in den Basaltgruben
des letztern Ortes fand man römische Aschenurnen ; und sehr häufig .
kommen in den Ruinen römischer Gebäude vom Rheine ab bis in das
Innere von Deutschland und die Schweiz kleine zu Handmühlen be-
stimmt gewesene Mühlsteine aus niedermendiger Lava vor'). Die Rö-
mer brachen den Trachyt des Drachenfels wie den von Berkum ^). Zu
diesem Orte führt die Strasse von Remagen durch das 'Thal von Ban-
dorf. Dass die Römer auch bereits Basaltbrüche am Rhein angelegt
hatten, beweist ein Fund, der in Folge des im Jahre 1846 bei Ober-
wint^ stattgehabten Bergschlüpfes ^) gemacht wurde. Beim Wegräu-
men des Schuttes faüd man zwischen den alten Basaltwänden, ohnge-
fähr in der Höbe der vorbeiführenden Landstrasse einen römischen,
dem Hercules gewidmeten Altar aus Tuif, unter dem nach dem Be-
richte eines Augenzeugen, des Geometer Schäfer, noch mehrere mäch-
tige Tuffquadem lagen, die wohl das Fussgestelle des Altai*s gebildet
hatten. Als im Jahre 1857 an dieser Stelle die Rheinische Eisenbahn
gebaut wurde, kamen die Reste einer römischen Wasserleitung, die in
bekannter Weise durch weite Röhren aus gebranntem Thon hergestellt
war, zum Vorschein. Sie kann hier nur den Steinbrechern gedient
haben und deutet wie der Altar auf e!nen ausgedehnten und nachhal-
tigen Betrieb des auch heute noch höchst ergiebigen Steinbruches
schon in römischer Zeit.
Bonn, den 30. April 1873.
H. Schaaffhausen.
») Jahrb. LH 1872, S. 156.
*) J. Noggerath, III. Zeit. Leipzig, 1868, Nr. 786.
') Vgl. J. Nöggerath : Zar architektonisohen Mineralogie der RheinproTii»
10 Karsten's and ▼. Deohen's Arohiv XVIU. Berlin 1844, S. 455.
*) J. Nöggerath, Der Bergachlüpf vom 20. Dec. 1846 an den Unkeier Ba-
laltsteinbracben bei Oberwinter, Bonn 1847.
4. Römische Inschriften vom Mittelrhein.
Alxei.
l. Votivaltar der Dea Sulis, von rothem Sandstein, i. J. 1872
in zwei Theile zerbrochen aufgefunden, so dass die (bis jetzt unedierte)
Inschrift unten theil weise zerstört ist:
DEA- SV U Dea(e) Sali
AT TON IS Attonius *
LVC/%NV5 Lucanus
Der Göttin Sulis Hess Attonius Lncanus (diesen Altar errichten).
Ueber die Dativform Dea s. Bonner Jahrbücher XLII S. 93 f.
Die Dea Sulis war bis jetzt nur durch sechs in dem englischen Bade-
orte Bath, den Ptolemäos einfach »warme Quellen«, das Itinerariam
Antonini nach der besseren Lesung nAquaeSulisu nennt, aufgefundene
Vitivinschriften bekannt gewesen, von denen drei sie mit der Minerva
identifizieren, weiche C. Julius Solinus polyh. p. 114 ed. Mommsen als
Vorsteherin der Heilquellen in Britannien bezeichnet: vgl. Archiv für
Frankfurter Geschichte und Kunst. N. F. III. S, 17 f. Unsere Alzeier
Yotive ist das erste Denkmal der Dea Sulis auf dem Festlande und
dürfte für die uralte, auch in anderweitigen Spuren vorliegende Ver-
bindung Britanniens und des mittelrheinischen Vangionenlandes ein
weiteres Zeugniss abgeben. Der Name Attonius, in welchem das V
verkleinert über das I gestellt ist, findet sich ebenso wie Lucanus auch
auf anderen Inschriften der Bheinlande: vgl Brambach 1336, 17Ö9 u.
2003. Die obem Theile der vier vorletzten Buchstaben des Wortes
Lucanus sind zerstört, vom S am Schlüsse findet sich kaum noch
eine Spur.
2. Scheerenklinge, i. J. 1872 ebendort gefunden, mit der im s. g.
Tremolierstich ausgeführten (unedierten) Inschrift :
SEN0CENN4^
Römische Insohrifien Tom Mittelrheia.
148
Dieser offenbar gallo-römische Namen (wessen? ist schwer zu sagen)
ist gebildet aus dem in vielen Personen- und Ortsnamen vorkommenden
Stamm SEN und dem mittels des Bindevokals 0 damit verbundenen Worte
CENNA. Von erstgenanntem Namtn leitet sich der erste Theil des Na-
mens der Senones ab, dessen Singularis in dem Seno (Steiner cod. inscr.
n, 3289), wohl auch in den MATRONAE SENO vorliegt, femer
der vicani Senot(enBe0), wie auch der Personennamen Senomagus, Se-
nomacflus, Senognatus, Senovir, Senocondus, Senodius, über welche
Kuhn und Schleicher Sprachvergleichende Beiträge III, 3 S. 358 und
R. Smith collect antiq. lU, 2 p. 99 zu vergleichen sind. Insbesondere
aber istunserm Senocenna der Namen Senodonna bei Grivaud de la
Vincelle antiq. gaul. et rom. II, pag. 246 zur Seite zu stellen. Das
Wort cenna findet sich vornehmlich in den Ortsnamen Nemetocenna
und Sumelocenne, vielleicht auch in dem Namen der Göttin Nitiogenna
(Mr Nitiocenna) in einer römischen Inschrift der Schweiz bei Mommsen
Inscr. Helv. 61.
Bingen.
3. Grabstein des Metzgers Gaius Vescius Primus, im Mai 1869
in der Rochusstrasse zu Bingen gefunden. Das mit Laubwerk (Mohn?)
und einer Rosette und zwei Delphinen ausgefüllte dreieckige Giebel^
feld ist aber seinen oberen Randleisten mit einer Art Stimziegeln be-
krönt; unter der Inschrift ist in der Mitte ein Ochsenkopf, rechts ein
Schlachtmesser, links eine Pfanne mit langem Stiele, ein Beweis, dass G.
Vescios Primus wirklich ein lanius, ein Metzger, war, nicht blos den
Namen führte; ein negot. lanius findet sich bei Brambach 324. Vgl.
Mainzer Wochenblatt 1869 Nr. 152 vom 3. Juli, 6. Spalte. Archäolog.
Ztg. 1869 N. F. II. 2 u. 3. S. 30. Ephemeris epigraphica Rom. et
Berol. fasc. 1872. p. 228:
C • VESCiVSC LIB
PRIMVSLA/IVSHSE
CVESCiVS CFSEVR/S
ETPERECR'NAC-
VESCIFILIAFECER/
NT PER A/CTOREM
TVTOREMCVESCIO
G'LlB VAARO
Gaius Vescius, Gai libertus,
Primus, lanius, hie Situs
est. Gaius Vescius, Gai li-
bertus, Severus et Pere-
grina, Gai Vescii filia,
fecerunt per auctorem
tutorem Gaio Vescio,
Gai liberto, Vaaro.
144 Römische Inflchriften vom Mittelrhein.
Gaius Vescius Primus, des Gaius Freigelassener, Metzger,
liegt hier. Gaius Vescius Severus, des Gaius Sohn, und Peregrina,
des Gaius Vescius Tochter, Hessen (diesen Grabstein) unter dem Bei-
stande ihres Vormundes, des Gaius Vescius Varus, des Gaius Freige-
lassenen, setzen.
Deutlich ist die Sigle G (nicht C) für Gaius. Der Namen Ves-
cius ist ein sehr seltener. Nur in einer römischen Inschrift bei Gruter
1149, 9 findet sich ein T- VESCIS -T- F • VEL-TERTI, wo Gro-
tefend'T • VESCI • ST • F- VEL • TERTI zu verbessern geneigt ist. Einen
VESCINIVS in Rom hat Gruter 1000, 4 und mehrere in Capua
Mommsen Insc. Neap. 3855. Was die Schreibweise VAARO für VARO
anlangt, so bietet Gruter 998, 10 einen VAARIVS und 171, 8 einen
a-BETILIENVSVAARVS. Bei dem zu dem vorausgehenden Ac-
cusativ nicht stimmenden Ablativ des Eigennamens hat dem Ver-
fasser der Inschrift offenbar das geläufigere curante oder curam agente
u. s. w. vorgeschwebt; im übrigen findet sich per in ähnlicher Weise
gebraucht bei Brambach 754 u. 912. Z. 3 ist in SEVRVS uns von
einer Ligatur von E und B, wie sie Klein und Grotefend annehmen,
nichts ersichtlich: bei Brambach 1223 ist derselbe Namen SVERVS
geschrieben, lieber den Unterschied der Bedeutung der beiden For-
meln «per Tutorema und i» Tutore auctorea im römischen Rechte ist
die Ephem. epigr. a.' a. 0. mit besonderm Bezüge auf unsere Inschrift
ztt vergleichen.
Ü12 und Umgegend.
4. Votivaltar (Jupiter und Juno) aus Mainz, nicht mehr vor-
handen. Nach einer Mittheilung des Hm. Prof. Th. Mommsen in einem
uns zugänglichen Briefe an den zu Mainz verstorbenen Prof. E. Klein
aus dem Jahre 1850 findet sich in einem CoUektaneenbande der Bogar-
sischen Sammlung auf der Hamburger Bibliothek folgende, so viel
bekannt, bis jetzt nirgends veröffentlichte Votivwidmung, mit der
Ueberschrift : »zu Maintz auf einem Stein unter dem Boden gefunden,
als man daselbst geschautzet hat.<( Sie lautet:
\
Bdmiselie Inschriften vom Hittelrhein. 146
I O M d- b. wol Jovi optimo maximo
ET IVN REG et Junoni reginae
OPOMPVA Quintus Pompejus (Pom-
LS^SVICGXXII ponius) Valens, centurio
PR 3P0SEESV legionis vicesimae secundae
I O M primigeniae, pro se et suis
(votum solvens posuit laetus
lubens merito?)
Juppiter, dem besten, dem grössten, und Juno, der Herrscherin,
(Uess) Quintus Pompejus (Pomponius) Valens, ZugfQhrer der 22 Legion,
der erstgeworbenen, für sich und die Seinigen setzen sein Gelfibde
gerne und freudig nach Gebühr lösend).
Z. 3, 4 u. 5 wird von Hm. Prof. Mommsen verbessert: Q* POMP*
VALENS > LEGXXII PP F PRO SE ET SVIS; es scheint in-
dess, wie öfter, blos P R CR O gewesen und das I O M am Schlüsse
der Best der Votivformel V • S • L • M mit vorausgehendem P zu sein.
POMP l&sst sich entweder in das auf römisch-rheinischen Inschriften
nicht seltene POMPEIVS (vgl. Brambach C. I. B. Ind. p. 373) oder in
POMPONIVS ergänzen; em T POMPONIVS VALENTINVS
findet sich bei Muratori p. 737, 1.
5. Votivaltar (Genius einer Genturie d* h. eines Zuges von Sol-
daten) i. J. 1877 in Mainz gefunden. Auf den Nebenseiten: rechts
Opferbeil und langstielige Opferschale, links Ausgusskanne (praefae-
culum), Schöpfkelle (patera) und ein unbestimmbares dreieckiges, oben
ausgezahutes Opferinstrument, auf der Vorderseite die (unedierte) In-
Bchrift:
GENIO> Genio centuriae
NIGIDI * Nigidii Censorini .
C3M S O U N AeUus Verinus
AEL - VERIN architectus, Gemi-
A R C H i "E C nius Primus, custos
G E M I N I ^ armorum, ex voto
PRIMVSC * A suscepto posuerunt
EXV0T08V8CEPTP08VER
Dem Genius (Schutzgeist) der Genturie des Nigidius Censorinus
10
146 Romitche InBehriften vom Mitteblieiii.
Hessen Aelitts Verinus, Ingenieur, und Geminius Primus^ Waffeawart,
in Folge eines gethanenen Gelübdes (diesen Altar) erric)iten.
Dem Genius einer Centurie sind noch mehrere Votivinschriften
des Mainzer Museums gewidmet, wie bei Brambach 1025, 1026, 1028,
1029; hierbei und sonst pflegt die Centurie öfter durch einen
Namen, wie 1029, oder durch zwei, wie in unserer Inschrift u. 1025,
1102, 1103, 1104, 1105, 116, 1093, 1554, 1153, seltener durch die
drei Namen des Centurionen bezeichnet zu werden, am wenigsten wol
durch das vom nomen gentilicium gebildete Adjectiv, wie centuria Clau-
diana (Brambach 2087), Passiniana; Lucaniana, Hilariana (Benier Insc.
d'Algärie 1125, 594, 664). Die Namen des Centurionen Nigidius Cen-
sorinus und der beiden Soldaten seiner Centurie Aelius Verinus und
Geminius Primus sind nicht selten, wie die Indices bei Gruter und
Muratori bezeugen, ihr militärischer Charakter dagegen um so be-
merkenswerther, als der eines architectus hier zum zweiten Male
(vgl. Brambach 468) auf einer römisch-rheinischen Inschrift, der eines
custos armorum aber auch nur auf einer kleinen Anzahl römischer
Inschriften der Rheinlande vorkommt. Die Legion, wozu jene Centurie
und die beiden Soldaten gehörten, kann kaum eine andere gewesen sein,
als bei Brambach a. a. 0. unzweideutig angegeben ist, nämlich die 22., die
so lange Zeiten am Mittelrhein stationirt war, dass die ausdrückliche
Bezeichnung derselben auf solchen Votivsteinen als selbstverständlich
leicht weggelassen werden konnte : so dürfte es auch bei den ähnlichen
Centuriensteinschriften aus Mainz bei Brambach 1028 und 1029 sein,
in welchen gleichfalls zwei, beziehungsweise ein Dedikant, und zwar
erstere ohne weitere Bezeichnung als Soldaten, genannt sind, während
1025 und 1026 sich ausdrücklich auf C!enturien der 22 Legion beziehen.
Wie der Charakter eines custos armorum ist nämlich auch dereines archi-
tectus hier, wie bei Brambach ein militärischer. Architectus')
bezeichnete ohne Zweifel bei dem römischen Militär diejenige Truppengat-
tung, welche jetzt Pionier- und Genietruppen heissen. So wird ein sol-
cher bei Orelli 3489 zugleich als Soldat zweier prätorischen Cohorten
^) Mit der Schreibvariante arcitectns bei Mommsen Insc. Neapel.
2485, 8916 (Marat. 947, 5 arquitectofi), OreUi 1145, Orelli-Henzen 5795, 5881,
5892; auch in einer griechischen Inschrift ans Alessandria in Oberitalien bei
MnraC 949, 6 steht in gleicher Form APXITEKT02, während sonst mehr
APXITEKTSIN vorkommt, insbesondere als machinarius oder Ingenieur in
einem Bergwerke: vgl Beoker-Marquardt Rom. Alterth. II, 2 p. 201. f. u. III,
2 p. 362, 486.
Romiscbe Inschriften vom Mitielrbein. 147
bezeichnet, bei Orelli-Henzen 7420 a. v. als solcher der 3 Augustischen
Legion : auch von der Flotte zu Misenum wird ein solcher ebendort
6888 erwähnt; ausgediente Soldaten der prätorischen Gohorten und
Legionen werden ebendort 6796 der eine als architectus armamentarii
imp. d.h. des kaiserlichen Zeughauses, ein anderer bei Mommsen a. a.
0. 2851 gradezu als architectus Augustorum, d. h. des Kaiserlichen
Hauses bezeichnet. Aber auch als civile Funktion, und zwar von
Freigeborenen, Freigelassenen und, wie es scheint, von Sklaven aus-
geübt, erscheint die Bethätigung des architectus auf Inschriften ; vgl. .
Mommsen a. a. 0. 1323, 3308, Murat. 982, 3, 976, 4, 972, 6, Orelli
1145, Orelli-Henzen 5881, 5892; Mommsen 3918, 2405, 2238, Orelli
4145, 2896 u. a. m. Privat-Ingenieur oder Baumeister scheint der
architectus Nicanorianus bei Murat. 298, 3 gewesen zu sein. Nicht
minder zahlreich sind die Erwähnungen der militärischen Funktion
eines Waffen- oder Zeugwartes, armorum custos, welche
Senfeca de Tranq. 3 mit den Worten: qui armamentario praeest be-
zeichnet. Wie der architectus, so wird auch der armorum custos zu-
nächst als Soldat, miles, des betreffenden Truppenkorps, als welche
letztere sich bis jetzt jedoch nur die Legionen und die equites singu-
lares, noch nicht aber die prätorischen Gehörten und die Stadtwache
von Rom haben nachweisen lassen, so bei 4er leg. II adiutrix, leg. IH
augusta, leg. XXH primigenia, pia, fidelis, vielleicht jedoch auch bei
einer kleineren Truppenabtheilung, einem sogenannten Numerus (Bram-
bach 1762): vgl. Murat. 855, 1, Renier Insc. d'Algörie 1220, 556, 639,
Ö14, 788, 888, 777, 793, Grut. 568, 11; Murat. 774, 3, Brambach
1294. Bisweilen scheint man auch ausgedienten Soldaten, veterani,
diesen Posten übertragen zu haben; vgl. Orelli 3500, Grut. 568, 11,
Mitth. des hist. Ver. f. Steiermark (1852) III, S. 98. Zur Bezeichnung
desselben bediente man sich auch mit Weglassung des überdiess CVST,
CVS, CV, C abgekürzten Wortes custos des Wortes armorum
schlechthin, wie bei Renier 514, 556, 639, 778, 888, Murat. 347, 2 0-
Da das Wort armorum bei dieser Funktionsbezeichnung eines
armorum custos das vorwiegende ist, so erklärt sich einestheils die
Auslassimg des Wortes custos, anderestheils die constante Voran -
*) Nahe läge es dem armaturae oder armatara leg. XXII auf zwei
Mainzer Inschriften bei Brambach 1068 und 1178 eine gleiche Bedeutung beizu-
legen, wönn nicht schon Borghesi in den Annal. deFinst. 1839 p. 181 das Wort
armatara hier als gleichbedeutend mit miles erklärt hätte.
148 RömiBche Inschrifben vom Mitteirhein.
Stellung des armorum. Erst die Inschrift aus Wachenau bei Bram-
bach 942 zeigt ausgeschrieben custos armorum ohne nähere
Bezeichnung des betreffenden Truppenkorps, gibt aber damit auch den
Schlüssel zur sichern Deutung der Sigle CA auf unserer und an-
deren römisch-rheinischen Inschriften bei Brambach: so 1762 der
CAIIXNVM ferner die C < A • LEGXXIi Magissius Hibernus
(Murat. 729, 3 =» Orelli 1395), Titus Devillius Victorinus (Brambach
1024), Pervincius Ursinus (Brambach 1294); diesen Waffenwarten der
22 Legion dürften dann ohne Bedenken der Titus Saturio (Brambach
942) und unser Geminius Primus anzuschliessen sein, da bei dem
langen Aufenthalte dieser Legion am Rheine kaum eine andere ge-
meint sein kann ; ebenderselben gehörte dann auch wohl der Secundus
EX . C • A der Mainzer Inschrift bei Brambach 1117 an, deren Schluss
leider durch Abbruch des Steines verloren ist. Was die dienstliche
Stellung des custos armorum betrifft, so gehörte er zu den Unter-
gebenen des praefectus castrorum, Platzcommandanten, dem die An-
lage neuer befestigter Plätze, sowie die Aufsicht über das Kriegs- und
Festungsmaterial, Geschütz, Train, Gepäck oblag; vgl. Becker-Mar-
quardt Rom. Alterth. III, 2 S. 428. — Die letzte Zeile unserer
Inschrift ist in viel kleineren Schriftzügen gehalten, so dass insbe-
sondere die 3 letzten Buchstaben VER in eine Ligatur zusammenge-
drängt sind.
6. Unediertes Bruchstück einer oberhalb Mainz in der soge-
nannten neuen Anlage gefundenen Inschrift:
D I I N
NONSP
NAMHIC
OTCARI
PECTO
Vorstehendes Bruchstück findet sich auf einem Zettel, welcher einem
Exemplare von Fuchs Alte Geschichte von Mainz U. Einleitung p. XXY
eingeklebt und mit der Anmerkung versehen ist : »diess ist der Stein,
den ich ohnlängst in der ehemaligen Favorite abgeschrieben habe.«
Die Favorite war bekanntlich das kurfürstliche Schloss, welches auf
der Stelle der heutigen »Neuen Anlagere bei Mainz stand und L. am
Schlüsse ist ohne Zweifel die Sigle des Namens des bekannten Mainzer
Inschriftenforschers Friedrich Lehne.
k
Rdmisohe Insohriften vom Mittelrhem. 149
7. Grabstein eines Gallo-BSmers aus Sandstein im Anfange des
Jahres 1870 im Felde zuWechenau bei Mainz aufgefunden; das
Giebelfeld ist mit Arabesken geschmückt. Vgl. Archäol. Zeit N. F.
1870, m, S, 53.
PVSA • TROVCILLI • F Pusa Trougilli fiUus
AN • CXX • HIC • SITVS annorum centum viginti,
EST • PRISCA • PVSA - F Wc situs est ; Prisca, Pu8a(e)
AN • XXX • HIC • SITA filia, annorum triginta,
EST • VINDA - ATEC Wc sitä est; Vinda, Ategnio-
NIOMARI*F-HIC mari filia, hie sita futura
SITA • FVTVRA- EST est. annorum octoginta.
ANLXXX.
Pusa, des Trougillus Sohn, 120 Jahrs alt, liegt hier; Prisca, des
Pusa Tochter, 30 Jahre alt, liegt hier ; Vinda, des Ategniomar Tochter,
wird hier liegen. 80 Jahre alt.
Zu dieser Inschrift bemerkt Hr. Archivrath G. L. Grotefend
brieflich folgendes: »Ausser dem hohen Lebensalter der ersten hier
genannten Person sind besonders die keltischen Namen dieses Steins
von Interesse. Der 120jährige Pusa möchte leicht der älteste Mann
sein, der auf römischen Grabsteinen genannt wird, eine 115jährige
Spanierin finden wir in Corp. Insc. lat. 11 n. 2065. Der Name Pusa,
der nach Z. 3 auch im Genitiv Pusa lautet, ist mir neu. Einen PVSVA
hat Brambach Corp. insc. Rhen. 296. Ein Trougillus findet sich
auch auf einem in Lengfeld gefundenen Stein bei Brambach n. 1401.
Den Frauennamen Vinda finde ich nur in der stark corrumpirten In-
schrift bei Gruter 1082, 2, Muratori 854, 3 und eine Yindilla be-
Steiner n. 3014. Zur Erklärung des zusammengesetzten Namens Atei
gniomarus bieten sich uns einerseits die Ategnia bei Muratori
1082, 2, die Ategnata Gruter 758, 11 und 763, 6, die Ategenta
im Archiv fQr Kunde österr. Gesch. IX, 112 und die mancherlei Zu-
sammensetzungen mit Ate bei Becker in den Beiträgen zur verglei-
chenden Sprachf. III, 4 S. 438, andererseits die mancherlei gallischen
Namen auf marus, der Aeduer Viridomarus bei Caesar, der Gallier
Aegritomarus bei Cicero in Q. Caecilium divin. XX, 67 und in Verrem
act. secunda n, 47, 118, vor Allem aber der Gallische FtLrst Atepo-
marus bei Plutarch Pärallela 30 und de fluviis (Arar) VI, 4. Den
letzteren Namen würde ich mit Hinsicht auf den Ategniomarus unserer
160 Römische Insohrilten vom Mitielrhein.
Inschrift unbedenklich in ATEFIOMAPOS corrigieren, wenn nicht
der Namen ^AteTtoqi^j welchen uns Strabon XII, 3, 37 p, 560 als den
eines galatischen Tetrarchen aufbewahrt hat^ durch eine Ancyranische
Inschrift (Corp. inscr. gr. III, 4039), deren Leseart durch Ueberein-
stimmung von Montfaucon, Lucas, ChishuU und Hamilton bestätigt
wird, vollkommen festgestellt würde; es heisst dort unstreitig
AABIOPia ATEnOPEir02. Wie "Atenogi^ wird also auch
^ATBTtofxaQoq ein keltischer Name sein, verschieden von unserem Ate-
gniomarus.tt Hierzu sei weiter bemerkt, dass der Genetiv PVSA
(denn so, nicht PVSAE, steht auf dem Steine) offenbar derselben
römisch-keltischen Flexionsweise angehört, wie der Dativ keltischer
Eigennamen auf a, worüber in den Bonner Jahrbüchern XLU S. 93
Näheres bemerkt ist. — Die zahlreichen keltischen Personennamen
auf — illus und — marus sind von uns in den oben citirten Beiträgen
zur vergleichenden Sprachforschung IH, 3 S. 352 u. UI, 4 S. 431 zu*
sammengestellt worden; ihre Zahl könnte jetzt noch weiter vermehrt
werden. Die letzte Zeile der Inschrift, welche die Lebensjahre der
Vinda angibt, die auf dem Steine selbst in absonderlicher Wendung
als dereinst hier liegend bezeichnet wird, ist selbstverständlich später
beigefügt worden, obwohl die Schrift nicht sehr von derjenigen der
übrigen Zeilen verschieden ist
8. unedler tes, nicht mehr vorhandenes Bruchstück der Grab-
schrift eines römischen Soldaten i. J. 1795 zu Zahlbach bei Mainz
gefunden, nach einer handschriftlichen Notiz Bodmanns in seinem*Hand-
exemplare von Joannis Bes. Mog. III S. 63 auf der Stadtbibliothek
zu Mainz, als Zusatz zu Huttich collect, antiq. XXXIX:
F • L • STIP • X (annorum?) quin-
H • S • E S T quaginta, stipendiorum
decem, hie Situs est.
50 Jahre alt, im Dienste 10 Jahre, liegt hier,
Z. 1 scheint das angebliche F der letzte Strich eines mit A ver-
bundenen (legierten) N gewesen sein, da der Angabe der Diensljahre
(stipendia) in der Regel die der Lebensjahre vorangeht. Die übliche
Schlussformel römischer Grabschriften H S E findet sich mit der hier
beliebten Ausschreibung des EST genau so auf drei anderen Zahl-
becher Grabschriften bei Brambach 1234, 1260, 1261.
RdmiBche Insohriften vom Mütelrhein. 161
9. Un ediertes, nicht mehr vorhandenes Brachstttck einer Orab-
säale ]. J. 1803 zwischen Oppenheim und Nierstein oberhalb Mainz
gefanden, nach einer handschriftlichen Notiz Bodmanns in seinem Hand-
exemplare von Joannis Res. Mog. III auf der Stadtbibliothek zu Mainz.
Bodmann tbeilt a. a. 0. die Abbildungen dreier Stücke desselben
Fundorts mit, und zwar 1. die Büste einer umschleierten weiblichen
Figur, offenbar einer gallischen Muttergottheit, mater, matrona. 2. Die
(kopflose) Büste einer in eine weitärmliche Tunika gehüllten weib-
lichen Figur; beide Büsten scheinen hermenartig, d. h. auf Säulen-
postamentchen angebracht. 8. endlich Untersatz und Capitell einer
bruchstücklichen Grabsäule, auf deren (sechsseitigem?) Untersatze
zweimal
und auf einer Seitenfläche
gelesen wird.
D M
ID M
10 VIN
Danustadt.
10. Oben verstümmelter Grabstein eines von Räubern er-
schlagenen Campaners i. J. 1868 oder 1869 bei dem Gehaborner Hof
unweit Darmstadt im Walde aufgefunden und ins Darmstädter Mu-
seum verbracht: vgl. A. Klein und £. Hübner in der Archäol. Zeitg.
1869 S. 30. Die Inschrift lautet theils nach Autopsie, theils nach den
dankenswerthen Mittheilungen des Hm. Museumsdirektors R. Hof-
mann also:
fclV . . . . Clodius
EHICiN ... (filius Peri)gen(es annorum)
. . . • ^ E L A T R O NE S ( — hie situs est in(terfece)re
. . • MC3MVITTE-A latrones (que) m genuit
^^SIDICINOEXCM Teano Sidicino
P A N I A ^ ALTERA ^ C o N ex Campania. Altera
TEXITTELL VS03)IT contexit teUus, dedit
ALTERA.2rNASCIP3^l altera nasci. Perigenes
C 3\E SH ABET ^ TITVL NM habet titulum, Secundus
SECWDVSOFFICIVVI officium . PubUus
P^CLOO-SECVAOVS Clodius Secundus
F RAT Rl P lENTISSIM O patri pientissimo.
V-.
168 Römifohe Intohriften vom Mittelrhem.
.... Qodias Peri)gen(e8, alt . . . Jahre) liegt) Uer. Hier ver-
wundeten Räuber denjenigen, welcher entstammte aus Teanum Sidid-
num in Gampanien. Das eine Land deckt ihn mit Erde, das andere
gab ihm. das Dasein. Perigenes hat nun seine Grabschrift, Secundus
seine Liebespflicht erfüllt Publius Glodius Secundus (liess diesen Grab-
stein) seinem geliebtesten Bruder (setzen).
In Z. 3 ist NE, Z. 4 EN, Z, 5 AH, Z. 7 ED, Z. 8 ER, Z. 9
ENE, Z. 9 (wie 10) VM, VN, Z. 10 VND durch Ligatur verbunden.
Da der Verstorbene Z. 8 u. 9 PERIGENES mit seinem cognomen ge*
nannt wird, sein Bruder sich Z. 11 Publius Glodius Secundus nennt,
die gens Glodia auch durch Inschriften von Teanum Sidicinum bei
Mommsen Insc. NeapoL p. 208 ff. n. 4004, 4005, 4006 bezeugt ist, so
fahrte demnach auch Perigenes den Gtentilnamen Glodius. Da nun
weiter in den Buchstabenresten der 1. Zeile unschwer lES als Best
von (Perig)en(es) zu erkennen ist, vor diesem EN aber, nach Massgabe
der Zahl der Buchstaben in den vollständig erhaltenen Zeilen wenig-
stens 6—7 Buchstaben gestanden haben müssen, so sind wahrschein-
lich vor dem PERIG(EN)ES noch die Sigle fQr das praenomen
seines Vaters nebst dem B.uchstaben F (filius) auszufüllen. Aber auch
hinter dem vervollständigten Namen (PERIG(EN)ES) fehlet wenig-
stens noch zwei Buchstaben und diese glauben wir mit ziemlicher
Wahrscheinlichkeit durch AN (annorum) ergänzen zu dürfen, wenn
sich im Anfange von Z. 2 die Angabe der Zahl der Lebensjahre nebst
der Formel H S E anscMoss, von welcher letzteren das E noch übrig
ist. Da nun weiter auch das I N am Schlüsse von Z. 2 nebst demRE
in der vom verstümmelten Z. 3 bereits ebenso durch IN(TERFEGE)RE
hergestellt ist, wie das (QVE)M im Anfange der 4. Seile und das (N)0
in dem der 5. ; so liesse sich der jetzt zerstörte Kopf der Grabschrift
vielleicht also wieder ergänzen:
DM.- CLODI VS
(.•F-PERIG)EN(ES. AN
. . . HS)EHICIN(TER)
(FECE)RELATRONES
(QVE)MGENVITTEA
(N)OSIDICINOEXCAM
u. s. w.
Der Anfang der Inschrift wäre demnach genau so, wie oben bei
- r ■
K'^
Romisohe Inaohriften vom MittelrheiiL
168
Nr. 7 (vgl. auch Nr. 3). Mit besonderer RQcksicht auf die Gebart in
dem fernen Italien and den Tod and die Beerdigang in Grermanien
scheint das HI C im Gegensätze za dem QVEM GEN VIT a. s. w.
betont werden za wollen. Hier (d. h. im nordischen Germanien) starb
der, welchen das italienische Gampanien gebar: der Mann scheint also
unfern des Ortes begaben worden za sein, wo er anter den Händen
von Baabem seinen Tod fand. Aehnliche Erwähnungen von Gebarts-
und Todesarten finden sich aach sonst auf römisch-rheinischen In-
schriften: so auf dem Grabsteine eines Mösiers zu Mainz (Brambach
1077) und eines Afrikaners zu Bedburg (163): ähnlich wie auf unserm
Steine lautet es hier: QVEM GEN VIT TERRA MAVRETANA —
OBRVIT TERRA .... Diesem tragischen Schicksale eines ge-
waltsamen Todes ferne von der Heimat gibt der Bruder nicht blos
einen besondem Ausdruck in der Erwähnung des Geburtsorte, sondern
auch in dem Anlaufe zu einem poetischen Ergüsse: Altera content
tellos, dedit altera nasd, den er wol irgend einer andern ihm bekann-
ten Grabschrift entnahm, in welcher das Distichon sich etwa, wie
Hübner bemerkt hat, mit dem Pentameter: Meta habet titulum, filius
offidum abschloss, in welchem er statt mater das cognomen des Ermor-
deten, Perigenes, statt filius sein eigenes, Secundus, substituirte. •—
Zwischen TE und A von TEANO hat der Steinmetz irrthümlich eine
starke Interpunktion angefangen, aber, wie man sich an dem Origi-
nale zur Genüge überzeugen kann, unvollendet gelassen. Die Auso-
nische Völkerschaft der Sidicini im nordwestlichen Theil von Gampa-
nien hatte zur Hauptstadt Teanum Sidicinum (jetzt Teano) am nörd-
lichen Abhänge des Mons Massicus an der via Praenestina, mit nicht
unbedeutendem Handel; seit Augustus war es römische Colonie, vgl.
Forbiger Handb. der alten Geogr.HI S.730; über die dort gefundenen
Inschriften vgl. Mommsen a. a. 0., Münzen bei Eckhel D. N. I, 117.
Wenn nicht Alles trügt, so ist auch unsere Inschrift eine neue Illu-
stration zu der Tacitus Germ. 29 gegebenen Schilderung der Misch-
bevolkerung, welche in das leerstehende Zebntland zwischen Rhein,
Main und Neckar in römischer Zeit nach und nach aus dem jenseiti-
gen Gallien einwanderte: bereits liegt eine Anzahl Inschriften vor,
welche den Zusammenfluss und die Niederlassung überrheinischer Gal-
lier dortselbst beurkundet: vgl. Mommsen Epigraghische Analekten I
8. 196 und Archiv für Frankfurts Gesch. u. Kunst N. F, I. S. 8—9.
Bezeugt unsere Inschrift auch keinen weiteren »levissimus Gallorum«,
wie Tacitus sagt, so ist es immerhin ein weithergekommener Südländer,
154 Röinisehe Ixurohriften yom Mittelrbein;
welchen wol nebst seinem Bruder Handel und Wandel anf das solum
dubiae possessionis gefahrt hat; auch die Art seines Todes durch
Räuberhand, welche auch sonst wohl auf Inschriften vorkommt, dürfte
für die Zustände des Landes bezeichnend sein.
Frankfurt am Hain.
10. Oben verstümmelter Votivaltar (unbekannte Gottheit) im Juli
1872 als Gesimsstück an der nördlichsten Mauer des ältesten Theiles
der Domkirche (alten Bartholomäuskirche) aufgefunden, wahrschein-
lich von dem Trümmerfelde des ehemaligen NO WS ViCVS zwischen
Heddernheim' und Praunheim, oder aus dem Odenwalde hieriier
verschleppt; die rechte Seite und die letzte Zeile der Inschrift ist
gänzlich abgeschliffen. Vgl. Frankfurter Zeitung 1872 N. 236, Erstes
Blatt ArchäoL Zeitung 1873, Januar S. 82 :
ATO D (Sedato deo sacrum?)
. oHI • SEQ- Jl ■ (c)ohors prima Sequanorum
. VRAMAC ßt (Rauracorum c)uram
. EXTILIOP .... ag(ente S}extilio P(rim)o
, O > LEG XX . . . centurione leg(ionis)
. PColVMoD'VII vicesimae (secundae
primigeniae) imperatore
Commodo septimum(et
PubUo Helvio Pertinace iterum
consulibus).
Dem Gotte Sedatus geweiht. Die erste Cohorte der Sequaner und
Rauraker (liess) durch Fürsorge des Sextilius Primus, des Zugführers
der 22. Legion, der erstgeworbenen (diesen Altar errichten) unter dem
7. Ck>nsulate des Kaisers Gommodus und dem 2. de^ Publius Helvius
Pertinax.
In der ersten Zeile, von der nichts zu fehlen scheint, war der
Namen einer nicht römischen Localgottheit enthalten, kaum wol, wie
E. Hübner meint, irgendwelcher Matronen, viel wahrscheinlicher, wie
er andeutet, des Sedatus deus, wie bei Orelli 2048 u. 5972 : doch steht
das A vor T nicht ganz sicher : hiemach wären die Reste der ersten
ZeUe ATO(XTO?) D(EO Sacrum) zu vervollständigen. In allen fol-
genden Zeilen ist der Anfangsbuchstabe infolge der Zurüstung des
Steins zum Qesimsstttck zerstört, lässt sich aber unzeifelhaft ergänzen.
k.
•^-^-
Bömische Iiuohrifteii vom Mitielrhein.. 156
Die cohoTS prima Sequanorum et Raaracorum ist durch Inschriften
von Steinbach in Baden (Brambach 1738) und Miltenberg am Main
(1740, 1744) bezeugt: die Abkürzung des Rauracorum lautete auf
unserm Steine ohne Zweifel RAVR, wovon der Hauptstrich des R noch
übrig ist. Die Formel curam agere bedarf bei dem Hinweis auf Orelli-
Henzen 3340, 3722, 6737, 6753 keiner weiteren Erörterung. Ein
Haruspex P. Sextilius Primus und eineSextilia Prima finden sich bei
Grut. 304, 6 und 661, 4. Das siebente Gonsulat des Kaisers Commodus
und das zweite des Publius Helvius Pertinax fällt ins Jahr 193 n. Chr. ;
da die eine Ära von Miltenberg ins Jahr 191 gehört, muss also die be-
sagte Gehörte zu Ende des zweiten Jahrhunderts .am untern Main sta-
tionirt gewesen sein. Dasselbe Gonsulat des Kaisers Gommodus aus
seinem letzten Regierungsjahre findet sich auch auf einer Mainzer
Inschrift (Brambach 993), welche das älteste datierte inschriftliche
Denkmal von Mainz ist
Heddernheim.
11. In dem Archiv für Frankfurts Geschichte' und Kunst, N. F. I S.
25 n. 3.(Brambach 1475) ist von uns ein der Mittheilung des verstorbenen
Frankfurter Rektors Voemel verdanktes Bruchstück (üntertheil) einer Vo-
tivinschrift aus Heddernheim zum erstenmale ediert, deren Original aus
dem Besitze des verstorbenen Hrn. v. Meyer in den Besitz des Hrn. Pfarrers
Wolf zu Frankfurt gelangt, von diesem nunmehr geschenksweise an
die Stadtbibliothek abgegeben wurde. Bei dieser Gelegenheit konnte
das Original selbst von uns genauer eingesehen und danach die erste
bruchstückliche Zeile der Inschrift genauer statt LON vielmehr als
Rest einer halb zerstörten Zeile also 1 1 u IV I festgestellt werden ;
demnach lautet die Inschrift:
llulVl
VSFLORE
N T INVS
ARAMINS
VoROSVIT
LLM
Die erste Zeile enthält nur noch die Untertheile der Buchstaben
ITONI oder TTONI, so dass also ein Gentilnamen entweder auf
— ttonins oder itonius u. a. m. dem FLORENTINVS voransgegan*
166 Römiiohe InBohrifteii vom Miitelrheiii.
gen sein kann : zahlreicbe Namensformen auf — ONIVS sind in Kuhns
und Schleichers Sprachvergleichenden Beiträgen m, 4 S. 408 f. von
uns zusammengestellt worden. Am wahrscheinlichsten ist ATTONIVS
zu ergänzen (vgl. oben N. 1 und Brambach 1336, 1768); ein L -
PETRONIVS FLORENTINVS findet sich auf einem Steine zu
Obernburg in Franken, ein L.SEPTVMIVS FLORENTINVS zu
Kirchheim in Rheinbayern bei Brambach 1748 u. 1786; vgl. 1533.
12. Gleich dem Originale vorstehender Votive ist nun auch das
einer andern Heddemheimer Weibinschrift wieder zum Vorschein ge-
kommen. Es ist die bei Brambach 1483 mit einem »periit« be-
zeichnete:
lOMhR
AELCRE
SIA/VSSE
DATIAB
ASSINA
VSLL-M
welche nunmehr in dem Museum zu Cassel in so defektem Zu-
stande der Inschriftseite bewahrt wird, dass schon Fr. Stoltz in seiner
^^Beschreibung des Kurfürstlichen Museums zu Cassel im Jahre 1832«
8. 75 n. 83 bemerkt; »ein anderer Altar von Sandstein^ von dem die
Inscription verwischt ist.« Wir haben uns durch Autopsie von der
Identit&t flberzeugt
Wiesbaden.
18. Folgende kleinere Inschriften des dortigen Museums wurden
uns von dessen gelehrtem Gonservator Hm. Oberst A. von Cohausen
mitgetheilt, welche noch unediert zu sein scheinen: a. Bronzering mit
dem Namen des Besitzers im Genetiv: FIRMI, b« ein gleicher Ring
mit '.der Aufschrift TVN (d. h. wol Juni oder Sunii) und c der Fa-
brikstempel SILVANVSF auf dem Stiele einer Casserole. Ueberdies
wurde ein Siegelstempel aus dem Besitze des Hrn. Grafen von Elz zu
Eltville im Bhemgau vorgezeigt mit der rückläufigen Aufischrift:
CTITI
SEVERI
X
\*
Römiaehe Insohrifteii vom MüMrhein.
167
Cassel.
Nach freundlicher Mittheilung des gelehrten Gonservators des
Museums zu Cassel, Hm. Dr. E. Finder, findet sich in einem alten
Inventare dortselbst die Abschrift einer Anzahl römischer Inschriften,
welche nach einer Notiz des vormaligen Gonservators Hofraths Völkel
verschwunden waren, nachdem im Jahre 1808 der Umbau eines Tbei-
les des Museumsgebäudes zu einem Ständesaal erfolgt war; sie sind
möglicherweise in den damals gemachten runden Anbau wieder vermauert
worden. Diese Inschriften sind bei Brambach 840. 1325, 1206 u. 1492
aus anderen Quellen mitgetheilt, und die von dem alten Inventar ge-
botenen Varianten sind von keiner sonderlichen Bedeutung. N. 1206
ist in bei Dr. Stoltz a. a. 0. S. 76 u. 91 als in zwei Stücke zerschla-
gen angegeben, deren eines von uns in den Nass. Annal. VIU S. 572
n. 12 irrthümlich als noch vorhanden bezeichnet und darnach von
Brambach 2082 in die Addenda aufgenommen wurde. Ausser diesen
bereits bekannten Inschriften findet sich aber in vorgedachtem alten
Inventar noch folgendes Bruchstück einer Grabschrift aufgezeichnet.
0
0 • VIC •
M • VICI
SONIVS
1 V T O R
SECVND
A • VICTO
COH
welche leicht zu ergänzen sein dürfte: D(M)Q||-VICT . . . . ||
MVECI i SONIVS II (A0)IVTOR f SECVND(I) || (N)AVICTO(R!|
(INA) CON||(IVCI) .... Ein Vegisonius Primus findet sich auf
einer verlorenen angebUchen Frankfurter Inschrift bei Brambach 1438 ;
ein Caupinius. Adiutor 1329, ein Omullius Adiutor 825.
15. Weiter i^t in dem mehrerwähnten alten Inventar verzeichnet
»ein römischer Altar, wo auf beiden Seiten die Fortuna zu sehen und
I O.« Dieser Altar war sicherlich ein s. g. Viergötteraltar mit den
Reliefbildem der Fortuna, sodann wol der Juno regina und einer un- .
bekannten Gottheit, sowie wol auf der Vorderseite einer Dedikation an
rO-M (Juppiter optimus maximus).
158 Bonifche Inscbriftdii vom Mittelrhein.
16. Erwäbnenswertl^ erscheint auch noch ein dortselbst aufbe-
wahrter Wochengötteraltar aus der Umgegend von Mainz, bereits bei
Stoltz a. a. 0. S. 77 u. 83 und Appel Hand-Katalog des Kurf. Mu-
seums IX, E, S. 24 u. 93 erwähnt. Die Reliefbilder der 7 Tagesgott-
heiten Satumus, ApoUo-Sol, Luna-Diana, Mars, Mercui*ius, Juppiter,
Venus sind nach einer brieflichen Mittheilung des Hrn. Dr. Pinder jetzt
thellweise sehr verwischt. Den Wochengottheiten schliesst sich übrigens
noch ein Genius an.
17. Von kleineren Inschriften des Casseler Museums er-
wähnt Stoltz a. a. 0. S. 44 besonders Töpferstempel, dören viele vor-
handen sind und näherer Feststellung ihrer Legenden, durch Hm. Dr,
Pinder entgegensehen. Von Fabrikstempeln bronzener Geräthe schlies-
sen wir an den unseres Wissens unedierten einer Schöpfkelle mit
Q • MASVRI. Der Namen Masurius findet sich öfter bei Gruter Ind.
s. V. belegt; ein Masurius Agatho auch bei Muratori 601, 1.
18. Bemerkenswerth sind endlich einige gleichfalls, wie es scheint,
unedierte Ring- und Siegelinschriften, nämlich:
1. u welche Legende in der 3. Zeile nicht ganz feststeht und
C • PA sich einer näheren Deutung entzieht.
CM
2. I V 1 1 N gleichfalls unbestimmbar.
3. Sfegelstempel mit Handhabe, in erhöhter Schrift:
C • HOSTI
A-EX A
d. h. Gai Hostii Alexandri. Der Name ddr Hostii ist nicht selten ; ein
C. Hostius Hilarius ist bei Muratori 1687, 3 ; ein Hostius Festus und
ein P. Hostius Severus ebend. 687, 6; ein M. Hostius Sampseros
ebend. 1026, 10.
Frankfurt a. M.
J. Becker.
5. Römische Alterthflmer in Lothringen.
Die nachfolgenden Bemerkungen haben nicht den Zweck einen
neu gemachten Fund aus dem in der Ueberschrift genannten Gebiet
zu veröffentlichen, noch auch eine abschliessende Uebersicht zu geben
aber alles bereits dorther bekannte. Sie sollen nur die Aufmerksam-
keit der Mitforscher, besonders der rheinischen, auf ein Gebiet lenken,
das durch die neuen Erwerbungen des deutschen Reiches einen er-
neuten Anspruch auf die Beachtung seiner antiken Denkmäler erlangt
hat Trier und seine Umgebungen^ so wie^ das Saargebiet werden von
dem rheinischen Alterthumsverein in Bonn und der Trierischen Ge-
sellschaft für nützliche Forschungen mit Sorgfalt überwacht; für das
benachbarte Luxemburg hat das dortige historische Institut der glei-
chen Verpflichtung sich unterzogen >). Nicht minder reich an Resten
der römischen Gultur ist Deutsch-Lothringen. Zwei gelehrte Gesell«
Schäften, in Metz und in Nancy, haben bisher schon in dankenswerthe-
ster Weise für die Aufbewahrung der zufällig gemachten oder aus
Ausgrabungen gewonnenen Funde gesorgt; für den jetzt deutsch ge-
wordenen Theil Lothringens liegt uns nunmehr eine gewisse Verpflich-
tung ob, nicht mehr blo& aus dem allgemeinen Interesse für unsere
Wissenschaft überhaupt die Erbschaft jener Bemühungen in würdiger
Weise anzutreten.
Ich beschränke mich hier auf einige Notizen über das Museum
von Metz, das ich im vorigen Herbst, freilich nur flüchtig, sehen konnte.
Denn dieses scheint seinen ältesten Bestand bis auf die Zeit Boissards,
>) Wunflohenswerih bleibt nur, dass die jetzt in einem ungünstigen Raum
des Atbenäiuns in Lazemburg mebr übereinander geschichteten als auf*
gestellten Inschriftsteine und Soulptarstücke in angemessener Weise aufgestellt
werden.
160 Römisohe Alterthümer in Lothringen
des berüchtigten Fälschers (der im Jahre 1602 inMetz^ wohin er sich
zurückgezogen hatte, starb), also auf das Ende des sechzehnten Jahr-
hunderts znrückzufCkhren. In neuester Zeit ist es der Mittelpunkt aller
antiquarischen Bestrebungen in jenen Gegenden geworden. Mir fehlt
es freilich leider ganz an genaueren Nachweisungen über die Metzer
Sammlung; die Hand- und Reisebücher ebenso wie die Vorräthe der
hiesigen Bibliothek lassen dafür ^nzlich im Stich; so sind mir z. B.
die Memoiren der Metzer Akademie und selbst Devilly's antiquUis
Mediomatfidennes (Metz 1SK23, 8.) bis jetzt nicht zugänglich gewesen.
Dagegen liegt mir L. Beaulieu's Archiologie de la Lorraine (2 Bde.
Paris 1840 und 1843 8.) vor, ein Buch das manches verdienstliche
enthält — obgleich auf den Tafeln des zweiten Bandes einige offenbar
moderne Stücke als alte abgeliildet sind — , das sich aber nicht mit Metz
selbst beschäftigt, sondern nur mit den übrigen antiken Ortschaften
der Gegend ^). Das Museum befindet sich, vereint mit der Stadtbiblio-
thek, in der rue Ch^vremont, nahe dem Dom ; in den gro&en Räumen
des Erdgeschosses der früher zu kirchlichen Zwecken benutzten An-
lage (im oberen Geschoss sind Gemälde- und naturwissenschaftliche
Sammlungen aufgestellt) ist die reichhaltige Sammlung römischer
Sculpturen und Inschriftsteine aufgestellt; die kleineren Alterthümer,
Münzen, Erz- und Thongerilthe, Waffen und ähnliches befinden sich
in einem Raum des oberen Geschosses. Leider war der verdiente Gon-
servator der Sammlung, Hr. Lorrain, verreist, so dass ich allein auf
die eigene Betrachtung angewiesen blieb.
*) Falsch, d. h. eine Arbeit des sechsehnten oder siebEehnten Jahrhan-
derts scheint mir die Bd. 2 Taf. 2 Fig. 8 abgebildete Bronsegrappe eines dra-
cheniödtenden Hercules, wie Beauliea erklärt (2 S. 187 £f.), tu sein. Sie soll im
Bett der Mosel zwischen Scarpone und Pont k Mousson gefanden sein und be-
fand sich in Beauliea's Besitz. Aecht dagegen ist unzweifelhaft -eine kleine
Bronzefigur, die derselbe in einem aus den Mimoiree der SociiU des sdenceSf
leUres et arte de Nancy von 1849 besonders abgedrackten Aufsatz veröffentlicht
hat, welcher überschrieben ist : de Vemplaeemewt de la Station Bomaine cPAndisina
(Nancy 1849 8. S. 11 ff.). Sie stammt aus La neme tHHe im Vogesen-Departement —
das ist seiner Meinang nach das römische Andesina. Die offenbar ziemlieh
treue Abbildang, die er davon giebt, verdient Aufmerksamkeit^ weil die Figur
deutlich den Schlafgott Hypnos darstellt, ganz Ähnlich den bisher bekannten
gröfseren Darstellungen (s. meine antiken Bildwerke in Madrid S. 66 ff.). Beauliea
erw&hnt daselbst noch einer andern ahnlichen Figur aus Cbran (oder Qrand) im
Yogesen^Departement.
Römisolie Alierthümer in Lotbringen 161
Die Sammlung übertrifft zanachst an Umfang die Trierischen (in
der Porta Nigra und in der Bibliothek). Ausserdem überwiegen dort,
wie bekannt, die Denkmäler aus spätester Zeit, aus dem vierten und
fünften Jahrhundert^ die ja eine Zeit des Glanzes fElr Trier waren,
besonders christliche Inschriften; aus der älteren Zeit hat sich ausser
der Porta Nigra selbst (die ich, nebenher bemerkt, an meinen
früheren Auseinandersetzungen festhaltend % fortfahre fOr ein Bau-
werk aus der Oründungszeit der Stadt durch Claudius zu halten,
ehe meine Ansicht nicht durch Beweise widerlegt ist) verhältnissmäs-
sig wenig daselbst erhalten. Die Stadt der Mediomatriker Divodurum
(erst spät Metiy Metti oder Mettis genannt, wie Rheims statt seines
alten Namens Durocartarum später Bemi hiess — daher die modernen
Namen beider Städte >) ) scheint ihre höchste Blüthe in früherer Zeit
gehabt zu haben, d. h. etwa im zweiten und dritten Jahrhundert. Auf
diese Zeit, die Epoche von Traian etwa bis auf Caracalla, aus welcher
ja die gröMe Masse der uns inschriftlich erhaltenen Denkmäler fast
aller Gegenden des römischen Seiches überhaupt stammt, weist der
Schriftcharakter der meisten der in Metz erhaltenen inschriftlichen
Drakmäler deutlich hin. Die inschriftlichen Denkmäler aber an sich
sind, trotz ihrer nicht unbedeutenden Anzahl (sie stammen freilich
keineswc^ blo& aus der Stadt Metz selbst, sondern aus dem ganzen
früheren Moseldepärtement), in ihrer Gesammtheit nicht hervorragend,
obgleich sie manche lehrreichen Einzelheiten bieten. Ich bemerkte z. B.
zwei grölte längliche Steinblöcke, die ich nach der Aehnlichkeit mit
einer ganzen Anzahl gleichartiger früher einmal von mir zusammen-
stellter Werkstücke aus anderen römischen Städten % z. B. den gal-
lischen Arelate, Lugudunum und Nemausus, fär Sitzstufen eines
Theaters oder Amphitheaters halte, mit Au£3chriften, welche wahr-
scheinlich den festen Platz von Körperschaften bei den öfiientlichen
Spielen angaben. Auf dem einen (in rother Farbe mit Nr. 65 be-
zeichnet) steht deutlich in der schmalen und länglichen Schrift etwa
des zweiten Jahrhunderts :
HOliTORES
auf dem anderen (Nr. 66):
TRIM//
1) In den Monatsberichten der Berliner Akademie von 1864 S. 94 ff.
* *) Vgl. Böoking zar Notit. ooc. S. 256.
*) In der Abbandlang iseriziani esiHenti sni sedilt di teatri ed anfUeatri
a0U%ehi in den ÄrmaU von 1856 S. 52 ff. mit dem Naobtrag Annali 1859 S. 122 ff.
11
192 Römitehe Alterthümer in Lotbringen
Die erste Inschrift bedeutet unzweifelhaft holli]tor€8\ die aspirier-
ten Formen holus und holitores^ forum hoUtcrtum sind als die älteren
und besseren auch sonst hinreichend bezeugt. Dass die Gärtner und
Grankramhändler, welche in Rom am 19. August das alte Fest der
vmaiia rustiea feierten ^), auch in den römischen Gemeinden in den
Provinzen eine Zunft oder Genossenschaft bildeten, wie die meisten
anderen Gewerke, ist zwar nicht direct bezeugt, aber durchaus
wahrscheinlich. ^ Ein paar ansehnliche Grabsteine von holüores haben
sich in Rom erhalten, einer aus republicanischer oder augustischer Zeit'),
der andere wohl nicht viel jünger, bei Marini Arv. S. 529 = Oreil.
2861 ^). In Nimes hatten z. B. die nautae Bhodanici d Ararid einen
festen Platz im Amphitheater. Dass es in Metz ganz ähnliche Körper-
schaften gab, zeigt eine schon im Jahr 1523 gefundene jetzt nicht
mehr vorhandene Inschrift. Aus der Metzer Chronik des 1526 verstor-
benen Philipp de VigneuUes ist sie in der bibliathSque de Vicdle des
ehartes (Serie 1 Bd. 5 S. 543) mitgetheilt und scheint acht zu sein,
da sie aus unverdächtiger Quelle stammt und die Ergänzutagen sich
von selbst ergeben. Sie lautet : M. Publicio See[un]dano nauiarum Mo-
8dttieor(um) liber(to) tabtdarioy 8evi(ro) AugustcUL Der Mann fdhrt
nach bekannter Sitte den Namen Publicius als Freigelassener des pu-
blict4m der nautae. Auch das Vorkommen verschiedener viei auf den
in Metz gefundenen Inschriften, eines vicus Honoris ^) und eines vicus
Paeis *), einer Wasserleitung mit piscina^ eamptis und nyn^haeum «)
deutet auf die reiche Entwickelung des bürgerlichen Lebens hin. Eine
Inschrift bei Schöpflin'') nennt einen eaiglarius, d. i. cdigtdarius. Alle
übrigen Metzer Inschriften mit Handwerksbezeichnungen ^) sind Boissard-
sehe Fälschungen. Der andere Stein enthielt vielleicht den Namen
einer benachbarten Gemeinde ; wie in Lyon die Arverni, die Bituriges
^) Ygl. Mommsen^B Gommentar zum römisclien Calender G. I. L. I S. 400.
») C. I. L. I 1057.
*) In der britannischen Inschrift ans Isca G. I. L. YII 106 (ygl. die
Addenda) habe ich hoUtorea neben den Yeteranen yermathet; vgl. Mommsen im
Hen^Bs 7 S. 898.
*) Auf der Inschrift Taf. 8 Fig. 1—3 in dem S. 168 Anm. 1 genannten
Werk von Bobert.
') Auf dem Matronenstein bei Gmter 92, 1.
'} In der Anm. 4 genannten Inschrift und der Inschrift des Mnsenms Nr. 7.
') Alsat. 1, 468.
«) Orut. 641, 1. 2. 648, 1. 648, 6.
Bdmiaohe Alterthümer in Lothringen 168
Gabi, die Triboci oder Tricassi dergleichen feste Plätze im Amphi-
theater hatten. Auf den Inschriften der Stadt selbst oder der Um-
gebung kommen vor die vkani SöHnuxriacenses (in Soulosse)^ deren
Inschriften gröiSsten Theils in das Museum von Epinai gekommen zu
sein scheinen, die vicani Maroscdlenses (in Marsäl), der Genius der
Leuci u. a. Ein Altar der Roma und des Augustus scheint in Metz
gewesen zu sein; und das spricht für Plätze auch auswärtiger Ge-
meinden oder Körperschaften, welche nach Augustus' Bestimmungen
in den Provinzialhauptstädten zu gemeinsamen Festen und Versamm-
lungen {concüia) um den Altar der Staatsgottheiten zusammen zu
Kommen pflegten. Auf einem von zwei Seiten mit Inschriften versehe-
nen Stein in dem Keller des alten hotd du grand S, Christophe, rue"
de la Ute d^ar Nr. 14, den ich nur aus einer Copie de Saulcy's kenne,
kommt ein 8aeerd(os) Itom(ae) ei Aug(usU) vor, welchen man doch aller
Wahrscheinlichkeit nach als nach Metz selbst gehörend zu betrachten
hat Ob aus dem Fundort sich etwas ergiebt für die ursprüngliche
Verwendung jener beiden Steine mit hciitores und Trim . . . vermag
ich nicht anzugeben.
Der Beachtung besonders werth jedoch sind die zahkeichen Re-
liefs, welche sich auf den Altären und Grabsteinen befinden. Von ihrem
Kunstwerth darf man sich allerdings keine hohe Vorstellung machen;
die meisten sind roh und flüchtig gearbeitet, die besseren zeigen die
auch den handwerksmälbigen Leistungen aller Epochen einer reich aus-
gebildeten Kunstthätigkeit eigene Sicherheit und Einfachheit der Be-
handlung. Nur von der einen Klasse dieser Denkmäler, den Altären mit
ä
Weihinschriften, giebt die äusserst sorgfältige und geschmackvolle Ar-
beit des Hm. Robert^) eine klare Vorstellung. Die Reliefbilder von
allerlei Gottheiten (wie z. B. Roberts Taf. 3 Fig. 4—10 zeigen) bieten
jedoch der Mehrzahl nach kein hervorragendes Interesse; abgesehen
etwa von den Eponabildem (bei Robert Taf. 1 Fig. 4 und 6), welche die
Göttin reitend oder zwischen zwei Pferden stehend darstellen. Merkwür-
diger schon ist ein Stein des Museums (bezeichnet Nr. 64, roth 13), der
in einer nischenartigen Vertiefung eine Anzahl von Gladiatoren zeigt; er
^} Epigraphie de la MoaeUe, Müde par Charles Bohert, carrespondant de
Vlhetiiu^ (Academie des inscriptions et helles lettres), membre de la Sociäh des
aniiguaires de France, Bim, Ä. Lhvi editeur. 1869, Fol. Es liegt bisher nur
Tor die erste Lieferang, 5 Bogen Text and S vorzügliche Tafeln, in der Art wie
die schönen Facsimile's Boissieas in dem Werk über die Lyoner Inschriften
ansgefahrt {photogra/owre Bujardin).
\
I
1^
V
[5.
%'
v
!•../•
i^N-
\
164 Römiacbe Aliertbümer in Lothringen
erinnert an die im Trierer Amphitheater gefundenen Gladiatorenreliefs
und bestätigt gewisser Mafeen die Deutung der oben gegebenen In-
schriften auf Sitzstufenaufschriften eines Amphitheaters. Ob und wie
der Stein mit dem Relief an einem Amphitheater selbst angebracht war
oder nur die Erinnerung an Oladiatorenspiele bewahrt, die ja oft ge-
nug auch in vorübergehend errichteten Gebäuden aus Holz g^eben
wurden, ist hierfür gleichgültig.
Ein Kriegerdenkmal ist mir femer aufgefallen (Nr. 117): es
enthält die so oft wiederkehrende Vorstellung eines Reiters mit run-
dem Schild, der den unten liegenden Feind niedei^eritten hat Die
dazu gehörige Inschrift, welche unzweifelhaft Auskunft über den Trup-
pentheil gab, zu welchem der dargestellte Reiter gehörte, scheint zu
fehlen. An solchen Denkmälern aber sind, neben der Mainzer Sammlung,
welcher auch hierin ja der Preis vielleicht vor allen Museen der Welt
gebührt, schon die von Bonn und Köln reicher als die Metzer Samm-
lung. Dass Metz, seitdem es römische Provinzialstadt geworden, ein
militärisch wichtiger Platz war und eine Garnison hatte, ist bei seiner
herrschenden Lage am Zusammenfiuss d^r Mosel und Seille an sieh
nicht unwahrscheinlich, aber so viel ich sehe, nicht erweislich. Die
Inschriften eines beneficiarius des Legaten der 22. Legion, (bei Robert
Tafel 1 Figur 5) und einiger Veteranen der 20. und der 22. Le-
gion beweisen dafür nichts; Dedicationen von Soldaten an verschie-
dene Gottheiten kommen auch in den kleineren Ortschaften der Gegend
vor. Jene Metzer Soldateninschriften sind zuletzt in einer kleinen Ab-
handlung von dem verstorbenen K Klein in Mainz, die in den Jf<^
moires der Metzer Akademie, von 1857/8 erschienen ist, nach den französi-
schen Quellen mitgetheilt ^). Die ebenda behandelten Inschriften Nr. 1 <)
Nr. 2 >) und 3 ^) sind dagegen Fälschungen Boissards, ebenso wie eine
von Klein selbst verworfene *). Sie steht schon bei Orelli «) ; Gruter
hatte sie von Boissard und schon Maffei '') hat sie mit Recht verdammt ;
wie denn überhaupt die Boi^sard'schen Fälschungen in Metz' viel Un-
heil gestiftet haben : hat er doch unter anderem auch eine Oberdruidin
^) Unter Nr. 4 und 6.
') Im MuBeum Kr. SO.
'^ *) Qrnt. 668, 10, die ich im Mnseam nicht bemerkt habe.
^) Im Haas des Baron Marcband.
•) Nr. 6, im Museum Nr. 28. •) Nr. 2908.
\^f^ ') In der Ars crit lapid. S. 351.
^
Bömisohe Alterthömer in Lothringen 165
mit Namen Arete, da ja diese Priesterinnen die Tagend selbst waren,
erfanden 0- ^i^t die zwischen den Jahren 411 und 413 aalgeschrie-
bene Notitia ^) setzt sub disposiHone viri ülustris magistri pedüum
praesentaUs eine der seinen Befehlen unterstehenden legianes pseudoco-
mUalenses, A\% prima FUma^ nach Met%s\ das ist zugleich das älteste
Zeagniss für den jüngeren Namen. der Stadt Wahrscheinlich aber be-
fiind sich in Metz als dem Ereuzungspunkt mehrerer Stra&en (Mei-
lensteine des Tiberius und Nerva sind in den Umgebungen gefunden
worden), ebenso wie in der römischen Station ad Confiuentes am Zu-
sammenfloss von Mosel und Rhein ^); eine Zollstation. In einer der
Inschriften von Metz^) wird, wofern die Lesung sicher ist, ein pre-
f{ectu$) sM(ionis) q(uadragesimae) G(äUiaruin) genannt, in einer andern ^)
ein kaiserlicher Sclav servus vema dispensator a frumento ; in einer
dritten ^) publid ; d. h. servi publiciy Angestellte irgend einer Behörde.
Aach die Häufigkeit der Dedicationen in hmorem domus Augustae
oder divinae (ich zähle deren ein halbes Dutzend) und das Vorkom-
men von Augustalen '') spricht für den Sitz einer kaiserlichen Behörde.
Die Bedeutung der Metzer Sammlung liegt aber nicht vorwiegend
in diesen, wie gesagt, vereinzelten und nur schwer zu einem in sich
zasammenhängenden Bilde zu vereinigenden inschriftUchen Zeugnissen.
Sie liegt vielmehr in dem mannigfachen bildlichen Schmuck, welchen
die begüterten bürgerlichen Bewohner von Metz und den die Stadt
umgebenden Ortschaften auf ihren Grabsteinen angebracht haben.
Darin zeigen sich nämlich die Verstorbenen in kunstloser, aber naiver
und zuweilen offenbar höchst wahrer Darstellung abgebildet, in der
Tracht des täglichen Lebens, mit den Geräthen oder Abzeichen ihres
Berufs oder ihrer häuslichen und bürgerlichen Beschäftigungen. Die
Sitte 3olche Darstellungen der Verstorbenen auf Grabsteinen zu geben,
1) Grat. 62, 9 == OrelL 2200.
*) Vgl. 0. SeecVs quaestionea de notitia dignitatunif Berlin 1872, 8. S. 11 £
') YgL diese Jahrbüoher 42, 1867 S. 48 und meine Bemerkung in der
arcbäol. Zeitang 1872 S. 76. Ich habe daselbst darauf hingewiesen, dass die im
Jahrbuch 50. 51, 1871 S. 295 von Eliester mitgetheilte neue Goblenzer Inschrift
das erste vollgültige Zeugniss für die dort an der Kreuzung der vier Strarsen
einst befindliche römische Zollstation enth<.
*) Orelli 4965; gesehen habe ich sie nichi
•) OreUi 895.
*) Im Museum, ohne Nummer, gefunden in der rue de la tete d>or,
^) Oben S. 162 Anm. 4 und auf einigen anderen Inschriflen.
166 Römisohe Alterihümer in Lothringen
geht ja, wie bekannt, auf die griechischen, besonders attischen Muster
zurück, wie sie in jüngster Zeit in immer grö&erer FttUe und Mannig-
faltigkeit bekannt geworden sind. Ganz fehlen mehr oder weniger ge-
lungene Anwendungen solches Bildschmuckes auf den Gräbern wohl in
fast keiner Stadt des römischen Reiches ; und auch diese vereinzelten
Exemplare verdienen mehr Beachtung als sie bisher gefunden haben.
Wo sie aber so häufig gefunden werden, wie in den Moselgegenden,
und durch glückliche Zufälle oder sorglichen SammlerfleiTs in Museen
vereinigt sind; da bieten sie in der That annähernd ein Bild der unter-
gegangenen römischen Cultur, wie es keine Beschreibung in Worten
erreicht. Auch in unseren rheinischen Sammlungen fehlt es nicht an
dergleichen Bildwerken ; unter den mannigfaltigen, zum grö&eren Theil
mythologischen Reliefs des gröfsten und berühmtesten aller Grab-
denkmäler der Mosellande, des Igeler Steins, sind einige von derselben
Art ^). Noch jüngst sind unter den an der Coblenzer Moselbrücke auf-
geschichteten Sculpturstücken solche Darstellungen zum Vorschein ge-
kommen '). Einen annähernden Begriff von der Fülle dieser Denk-
male im Moselland — aber auch nur von ihrer FüUei nicht von
ihrer Eigenart — geben die Zeichnungen Wiltheims zu seinen ja
auch viel Lothringisches enthaltenden Luciliburgensia^ welche frei-
lich in den Lithographieen der im übrigen ja sehr verdienstlichen Pu-
blication von Neyen {Alex, Wüthemi S. L Lucüiburgensia sive Luxem-
hurgum Ramanum . , . ab Alex. Neyen edüum, Luxemburg 1842, 4.)
jede Spur von Treue verloren haben. Leider ist der gröHste Theil
dieser noch im siebzehnten Jahrhundert vorhandenen Steine, y^e es
scheint, jetzt verschwunden, so dass man dafür allein auf Wiltheim
angewiesen bleibt ; umsomehr würden seine Abbildungen der verlorenen
Steine eine Facsimilierung nach dem in Luxemburg in Besitz der dor-
tigen antiquarischen Gesellschaft befindlichen Original Wiltheims verdie-
nen ^). Man sieht da, um nur einiges hervorzuheben, abgesehen von
^} Anf den sehr unzulängliohcn Abbildungen von Osterwald und Sohmidt,
um von den übrigen gan? wiUkürlichen zu schweigen, erkennt man sie freüioh
kaum in ihrer Bedeutung, welche besonders in der sorgfaltigen Ausführung aller
Details besteht. Besonders merkwürdig sind die genauen Darstellungen der ein-
heimischen Fuhrwerke^ die ja zu den uralten nationalen Erfindungen der Gal-
lier gehören. Die übrigen Scenen aus dem Leben des Verstorbenen harren noch,
wie das ganze Denkmal, einer würdigen Abbildung und eingehenden Deutung.
») Jahrb. 42, 1867 Taf. IV Fig. 76-
*) Ich verweise auf die Darstellungen Tal 8, 6. 4, 7. 8. 9, 9. 10. 11. O, 12.
la. 9Z, 81. 26, 94. 81, 114. 84, 180. 86, 188. 87, 189. 88, 142. 148.
Römiflohe Altorthümer in Lotfaringen 107
den einfachen Bildnissen (und ohne Berücksichtigung einzehier christ-
licher Darstellungen), wofern den Abbildungen zu trauen ist, häusliche
Sctoen vorgestellt, wie Mahlzeiten^), Lectflre') und Toilette'). Fer-
ner die Thätigkeiten def^Ackerbestellung ^), der Walkerei oder Färberei,
wie es scheint ^), der Waarenverpackung und besonders häufig des Trans-
ports in Fuhrwerken '), sowie des Verkehrs in Kaufläden ''), wobei die
Weinfässer nicht selten sind. Eine Anzahl von wahrscheinlich auch
auf ähnliche Dmge bezüglichen Darstellungen bleibt bei der Beschaffen-
heit der Abbildungen mir wenigstens unklar ®). Von den nicht in Metz
selbst, sondern in den umliegenden vki gefundenen ganz ähnlichen
Steinen hat Beaulieu einige recht gute Abbildungen gegeben ^), die
bis jetzt am besten den Charakter jener Darstellungen vergegenwär-
tigen. Unter den Orabsteinen von Solimariaca (oder Solimariatum,
Soulosse), meist ganz rohen Darstellungen der Verstorbenen ^^), ist
zuerst bemerkenswerth der obere Theil eines Beliefs, welches zwei
Männer in einer Nische darstellt, welche groflse Blasinstrumente zu
tragen scheinen ^0. Von besserer Arbeit schon ist ein anderes Belief
eben daher ^^), mit der einfachen Aufischrift Martdlo Satumim f(%lio).
48, 158. 44, 160. 161. 45, 165. 166. 49, 180. 51, 192. 56, 216. 57, 222.
59, 232—234. 60, 235 61, 245. 65, 273. 66, 282—284. 67, 285—288.
68, 289. 290. 69, 291. 292. 294. 76, 295. 71, 800. 301. 78, 303-305.
84, 367. 368. 90, 414. 417. 94, 456. 95, 458. 459. 468. 98, 475—478.
Das sind im gsiizen über 60 Bildwerke dieser Art.
1) Taf. 45, 165. 57, 222. 69, 291. 292.
») Taf. 70, 295. ») Taf. 46, 167.
*) Taf. 8, 6. 67, 286. 288. <») Taf. 6, 12. 18. 84, 367.
«) Taf. 45, 166. 67, 287. 71, 301. 72, 803-306.
') Taf. 4, 7. 8. 5, 9. 10. 88, 112. 48, 158.
") Taf. 59, 232-234 und 60, 285. 61, 245.
») Bd. 1 Taf. 2 Fig. 1—9, Taf. 3 Fig. 1. 2. 3, Taf. 4 Fig. 11, and be-
sonders Tai 5 Fig. 1 und 2; Bd. 2 Taf. 2 Fig. 1. Anderer Art dagegen scheint
das im buüetin der Soeiiti des cmtiquaires de France 1865 auf der Tafel su
S. 54 ff. abgebildete Belief des Meteer Museums aus Betting zu sein. Dort er-
scheint namüoh die traditioneUe Figur des Pädagogen, wie es scheint, mit fünf
Epheben in griechischer Tracht, deren einer einen Hahn tragt. Das Relief bildet
die Basis einer Statue, von der nur ein Fafs noch übrig ist. Wahrscheinlich
war es eine Statue des Merour und kein Grabmonument, wie Hr. Dr. Bluih6-
lemy, der Herausgeber, meint.
><») Bei Beauliett 1 Taf. 2 Fig. 1 bis 9.
") Taf. 2 Fig. 13. ^«) Taf. 5 Fig. 2.
168
RömiBehe Alterthimer in Lothringen
»/:
Zwei Männer sind darauf dargestellt, nebeneinanderstehend; beide tra-
gen matzen&hnliche püei, wie sie Bürger und Bauern jener nördlichen
Gegenden auch sonst zu tragen pflegen. Bekleidet sind sie ndt Ober
die Knie hinabreichender Tunica und Lacema oder Paenula (die Dar-
stellung lässt den Schnitt des Mantels nicht mit voller Sicherheit er-
kennen)« Der rechts vom Beschauer stehende ist bartlos; er hält in
der Lmken vor sich eine groüse beilartige Hacke ; mit der Rechten
greift er nach dem Beutel, den der rechts stehende bärtige Mann in
der Rechten hält In der Linken hält dieser ganz ebenso wie der jün-
gere ein Werkzeug, die bekannte Steinhacke (ascia). Der Beutel findet
sich, wie schon Beaulieu bemerkt hat, fast regelmäHsig in den Händen
der Verstorbenen ^ ; er scheint kaum den kaufmännischen Berufi viel-
leicht nur den Besitz Oberhaupt anzudeuten und mag mit der vielbe-
zeugten Vorstellung von dem Reisegeld, das der Verstorbene mit auf
den Weg nahm, in Verbindung zu bringen sein. Nicht selten halten
die Verstorbenen auch Eästchen, Flaschen oder Trinkgefäite in den
Händen. So hält eine Frau des Namens lassia auf einem schönen
Steip aus Solimariacum im Museum zu Metz') eine kleine lYinkschale;
ein Mann, Regultis Beb(ur)rici % in der Rechten einen Becher, in der
Linken eine gro&e Börse mit Ringen und Quasten. Auf seiner Tunica
sollen sich deutliche Spuren rother Bemalung erhalten haben ^) ; dass
auch auf diesen rohen Bildwerken Bemalung angewendet wurde, ist
an sich keineswegs unwahrscheinlich. Ein alter Mann auf einem Grab-
stein aus Scarpone im Museum zu Nancy ^) trägt in der Rechten eine
an drei Ketten hängende Lampe, die ihm vielleicht den dunkeln Weg
des Todes erhellen sollte; mit der Linken stützt er sich auf einen
Stock. Auch Werkzeuge in den Händen der Verstorbenen sind nicht
selten. So hält z. B. auf einem anderen Grabrelief aus Soulosse im
Museum von Epinal*) die links stehende Frau einen Beutel, den der
Mann rechts mit der Rechten oben anfasst, während er in der Linken
eine messeraitige Hacke hält. Was diese Werkzeuge bedeuten ist nicht
klar; ich bin geneigt ihnen keinen andern Sinn unterzulegen als den
bekannten der ascm auf den Grabsteinen, dass nämlich das Grabmal
1) Z. B. auf dem daneben, Taf. 6 Fig. 1 abgebildeten Relief iweier Halb-
figoren von Kindern, wie es soheint.
«) Taf. 8 Fig. 2. •) Taf. 3 Fig. 3.
«) Beanüen 1 S. 216. «) Beanliea 2 Taf. 2 Fig. 1.
f) Taf. 4 Fig. 11.
Römisehe Alterihfimer in Lothringen 169
für den Verstorbenen von Steinmetz neu hergestellt, gleichsam frisch
von der Hacke weg in Benutzung genommen worden sei ^. Auf einem
andern dieser Steine von Soulosse, der sich ebenfalls in Metz befindet,
sieht man in einer Nische, welche das Dach des Hauses andeutet,
rechts von einem kleinen Basament den Verstorbehen, wahrscheinlich
einen Kaufmann, bekleidet mit kurzer Tunica und die Lacema um
die Schultern geworfen. Das Basament bedeutet wohl seinen Laden-
tisch. Er hält in der Rechten eine Wagschale, in deren eine Schale er
mit der Linken etwas hinein zu legen scheint; wohl dieWaare, die er
zuwiegen will. Auf dem Tisch steht ein Kästchen mit emem, wie es
scheint, kugelförmigen Knopf. Links vom Tisch steht eine Frau in
langem Untergewand, über welche die weite Paenula gelegt ist ; sie
hUt in der Rechten einen Gegenstand, der allenfalls für einen Beutel
gehalten werden könnte. Vielleicht stellt sie eine Käuferin vor; viel-
leicht auch nur die Frau des Verstorbenen. Auf den Seiten sind archi-
tektonische Ornamente von Weinlaub, an den Seiten des Giebels kleine
Köpfe als Akroterien angebracht. Die Inschrift, welche unzweifelhaft
einst auf der Basis des Steins befindlich war^ fehlt ; es ist jedoch nicht
mit Sicherheit vorauszusetzen^ dass sie von dem besonderen Beruf des
Verstorbenen Nachricht gegeben habe. Denn meist enthalten die sehr
kurz ge&ssten Grabschriften der älteren römischen Sitte entsprechend
weiter nichts als die Namen der Verstorbenen. Auch ein etwa hinzuge-
fagtes negotiator würde das Verständniss des Bildwerks nicht beson-
ders gefördert haben ; man ttberliess es eben dem Bildwerk allein durch
den Augenschein im Gedächtniss zu bewahren und zu lehren, was der
Verstorbene im Leben gewesen. Von den* übrigen zahlreichen Darstel-
lungen ähnlicher Art gebe ich keine Beschreibung, da dieselbe ohne
Abbildungen, welche ich nicht zu bieten vermag, doch nicht viel nützen
würde. Es ist ja überhaupt nur der Zweck dieser Zeilen auf eine
ganze Klasse bisher nicht gehörig beachteter Denkmäler die Aufmerk-
samkeit zu lenken. Durch die weit verbreitete Technik der Photogra-
phie (selbst die kleinste Provinzialstadt hat ja jetzt ihren Photogra-
phen), die so viel Unnützes abconterfeit, wäre es leicht genug, der-
gleichen Denkmäler wenigstens vorläufig bekannt zu machen und da-
mit der Wissenschaft wahrhaft zu nützen. Eine genügende Abbildung
ersetzt freilich auch hierfür die Photographie nicht; aber auf Grund-
1) Vgl. meine Bemerknngen in diesen Jahrb. Heft 87, 1864 S. 161.
^ Bei Beanlien I Taf. 8 Fig. 1.
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1^:
170 ROTiifoba Alierikömer in Lotitringwi
läge einer photographischen Aufnahme wird jeder einiger Massen
tüchtige Zeichner, allerdings nur unter der verständnissvolien Anlei-
tung eines Archäologen, eine so vollkommene Darstellung liefern kön-
nen, als sie überhaupt nur verlangt werden kann. Als solcher Publi-
cationen durchaus würdig bezeichne ich im Metzer Museum ausserdem
in erster Linie die Steine Nr. 25, 37, 53, 93 und 98, alle so zu sagen
Genrebilder des römischen Lebens aufweisend; doch ist damit der
Vorrath des bemerkenswerthen noch keineswegs erschöpft. Selbst Otto
Jahn, dessen Scharfblick und umfassender Denkmäler- und Bücher-
kenntniss so leicht nichts entging, hat in seinen lehrreichen Aufsätzen
über die Darstellungen von Handwerk und Handelsverkehr in der an-
tiken Kunst 0 von diesen uns räumlich so viel näher liegenden Quellen
als die italienischen und griechischen Denkmäler, vielleicht weil die
Wiltheim'schen Tafeln ihm zu unzuverlässig schienen, keine Notiz
genommen. Es wäre eine höchst dankenswerthe Aufgabe für die ge-
lehrten Vereine in jenen Gegenden und für den patriotischen Eifsr
ihrer Mitglieder, die Auffindung, Aufbewahrung und Veröffentlichung
dieser Denkmälerklasse in systematischer Weise in Angriff zu nehmen,
was ja nur von den nächstgelegenen Pflegstätten antiquarischer Stu-
dien aus erfolgreich geschehen kann. Selbst der unscheinbarste und
roheste Grabstein, von dem sich der nur das Schöne und dem Auge
Gefällige in der antiken Kunst aufsuchende Blick mit Verachtung ab-
wendet, gewinnt in der Verbindung mit gleichartigen Denkmälern und
in seiner Beziehung zu der nächsten lokalen Umgebung Wichtigkeit
und Interesse ; mind^tens so viel Berücksichtigung wie die kunst-
losesten Producte des Töpfer- oder Glaserhandwerks oder die einfach-
sten Erzgeräthe, welche man ja, und mit Recht, überall eifrig sammelt
und sorgfältig aufbewahrt, verdienen doch jene Grabsteine zum min-
desten auch.
Die, wie bemerkt, im obem Stockwerk des Metzer Museums auf-
gestellten kleineren Alterthümer habe ich ebenfalls nur flüchtig durch-
sehen können. Vor allem fiel mir darunter eine bronzene Helmmaske
^) 0. Jahn DanieUangen antiker Reliefs, welche sieh auf Handwerk und
HandelBverkehr beziehen, in den Berichten der hist. Glasse der Sachfi. Gesell-
schafb der Wissenschaften von 1861 S. 291 ff. Dazu desselben Darstellungen
des Handwerks und Handelsverkehrs auf Yasenbildem, in denselben Berichten
1867 S. 76 ff. und über Darstellungen des Handwerks und Handelsverkehrs auf
antiken Wandgemälden in den Abhandlungen der S&chs. Gesellschaft der Wis-
tensohaften philol. histor. Klasse Bd. Y 1868 S. 265 ff.
w
Bömische Alterthümer in Lothriogen 171
auf, d. h. das Vordertheil eines HelmS; welches des Gesicht bedeckte,
genau in den Formen des menschlichen Gesichts, mit offenen Augen-
höhlen, Nasenlöchern und Mund. Ob diese Art Helme wirklich ge-
tragen worden sind oder welchen Zweck sie sonst hatten, ist meines
Wissens unbekannt. Einen ganz ähnlichen von prachtvoller Arbeit, in
Bibchester (Lancashire) in England gefunden, besitzt das brittische Mu-
seum >) ; ein zweiter ist in Nordschleswig gefunden worden und in
Engelhardts Werk abgebildet. Neuerdings ist ein ähnlicher im Rheingau
zum Vorschein gekommen und in das Mainzer Museum gelangt, wo
ich ihn im vorigen Herbste luiter Herrn lindenschmits sachverstän-
digen Händen sah. Auch in Etrurien kommen ähnliche Helme mit Ge-
sichtsmasken vor, wie z. B. der im Museo Etrusco Gregoriano 1 Taf.
21, 2 abgebildete.
^) Earze Notiz darüber habe ich in der arohäol. Zeitung 27, 1871 S. 90
gegfeben. Ediert ist er in den Yetasta monumenta Bd. 4 (London 1815 FoL)
Taf. 1 — 4. Townley, der ihn besars, hat eine mystische Erklärung dazu geliefert.
Das Gesicht ssbeint das einer Minerva zu sein; das vordere Stirnband bildet
ein diademartiger Kranz von Befestigungen, eine Corona murälis, geschmückt
mit Victorien, Tritonen' und Gonienköpfen. Den ganzen Helmkopf bedecken Re-
liefcr, welche Kämpfe zwischen Römern und Britten darzustellen scheinen. Der
Helm ist lOVj Zoll hoch; Townley vergleicht der vortrefiflichen Arbeit wegen
mit Recht die in Pompeji gefundenen Gladiatorenhelme, denen der Londoner
Helm auch der Zeit nach nahe steht; denn er gehört unzweifelhaft dem ersten
Jahrhundert an.
Berlin, Juni 1873.
E. Hüb n er.
6. Römische Inschriften aus Rohr bei Blankenheim und aus Bonn.
r.
1^
^¥'
Bereits im vorigen (52.) Hefte unserer Jahrbücher S. 175 haben
wir die vorläufige Nachricht gebracht, dass beim Abtragen der bau-
fäUigen Kirche zu Rohr im Frühjahr 1872 zwei römische Inschriften
gefunden worden seien. Beide Inschriftsteine sind seitdem nebst einem
inschriftlosen Steine, welcher die Figur eines Mannes en haut relief
in einer Nische trägt, vom Vorstände des Vereines erworben und mit
nicht unbeträchtlichen Kosten hierhin befördert worden. Aus den uns
vorliegenden Fundberichten des Hm. Pastor Schönhuth von Rohr d. d.
16. Juni 1872 und des Hm. Rector Dr. Pohl in Linz vom 3. Jan. 1873,
so wie des Kreisbaumeisters Hrn. Schütte heben wir hervor, dass der
dem Mercurius geweihte Altar, so wie der mit dem Bilde versehene
Sandstein in einem der äusseren Strebepfeiler in der Weise einge-
mauert lagen, dass die Inschrift-, resp. Bildseite nach innen gekehrt
war. Die Verstümmelung des letztern Steines rührt nach Hm. Schön-
huths Bericht daher, dass die Maurer denselben zum Behufe des Auf-
legens auf einen andern flachen Stein zurecht hauen mussten. Den
dritten Stein mit der Matroneninschrift fand Hr. Dr. Pohl am 20. Sept.
1872 auf dem Kirchhofe zu Rohr unter den noch umherliegenden Stein-
haufen. Durch seine Güte erhielt ich von beiden Inschriften Papierab-
klatsche mit sorgfältigen Notizen und der freundschaftlichen Auffor-
demng, die Veröffentlichung derselben selbst in die Hand zu nehmen.
. * ;
1.
Der Altar, von dem nur der obere Theil erhalten ist, aus grau-
gelben Sandstein, ist 0,48 m. breit, 0,48 m. breit, 0,40 m. hoch und
0,22 m. dick. Die Höhe der Buchstaben beträgt 0,05 m.
.ß
w «
«H
J^-:'^
"i->'
Bömiicbe InBohriften ans Rohr bei Blankenheim und aua Bonn. 178
MERCVRI
CHANNINI
/tili
Z. 1. Da nach der rechten Seite zu der Rand etwas beschädigt
ist, so liegt die Vermutbung nahe, dass ein 0 ausgefallen sei, jedoch
hat eine wiederholte Besichtigung des Steines mich in der Ueberzeu-
gnng bestärkt, dass für diesen Buchstaben kein Baum vorhanden ge-
wesen.
In Z. 2 könnte man auf den ersten Blick in dem Anfangsbuch-
staben ein 0 vermuthen; bei näherer Betrachtung ergibt sich aber,
dass die bogenförmige, bis zu M in die 1. Z. hinauf verlängerte Ver-
tiefung wahrscheinlich beim Reinigen der Buchstaben vom Mörtel durch
Einritzen unwiUkührlich, oder auch in der nicht ganz ungerechtfertig-
ten Voraussetzung, dass der Name des Gottes im Dativ stehen mflsse,
durch Nachhülfe entstanden sei, eine Möglichkeit, welche Hr. Pfarrer
SchOnhuth dem Hm. Dr. Pohl auch zugab. In dem letzten Buchstaben,
von dem nur der Rest des Verticalstrichs erhalten ist, erkenne ich
ein £. Wir haben also hier den seltenen Fall, dass in der Widmung
der Name des Gottes, anstatt im Dativ, im Genitiv steht, wie bei dem
Kölner Weihestein des Mercurius Arvemus 0 und einem ganz ähnlichen
Mercursteine im Antikenkabinet zu Wien '). Andere Beispiele giebt
Zell in seiner Anleitung zur Kenntniss der röm. Inschriften S. 143.
Doch beschränkt sich, wie es scheint, dieser Gebrauch auf die Ver-
bindung mit der Formel SACRVM. £s möchte daher grosse Wahr-
scheinlichkeit für sich haben, dass in der 3. Zeile, worin nur fünf
wenig Anhalt bietende Buchstabenreste erhalten sind, ausser der Er-
gänzung von CHANNINEFATIVM das Wort SACRVM ganz, oder in
SACR. abgekQrzt gestanden habe. Der abgebrochene Theil des In-
schriftsteins wird den Namen des Widmenden nebst der gewöhnlichen
Weiheformel V ' S * L * M enthalten haben.
Der verstümmelte Votivstein nimmt in mehrfacher Hinsicht unser
Interesse in Anspmch: er ist der Stammgottheit eines acht germa-
nischen Volkstammes, der G ann in ef at e n geweiht, welche nach Tacitus
Hist. IV, 15, »in Herkunft, Sprache, Tapferkeit den Batavern gleich,
^) S. das Yen. der röm. Alterth. des Mus. Wallraff-RichArs in Köln
8. 21 Yon Düntser.
') Vgl. die BesohreibuDg desselben von v. Sacken and Kenner S. 109, 28.
174 Römische InBohriften tus Rohr bei Blftnkenheim und aue Boan.
jedoch an Zahl von diesen abertroffen, einen Theil der Batavischen
Insel bewohnten.« Im Anfange des Aufstandes des Batavers Civilis
spielten sie unter Anführung Brinnos eine bedeutende Rolle, indem sie
das Winterlager zweier römischer Gehörten zerstörten und als die
ersten sich dem Civilis anschlössen. Tacitus nennt Cohorten derselben,
welche (nach H. IV, 19) von Vitellius nach Italien gef&hrt Wurden,
so wie (Ann. IV, 73) im frisischen Feldzuge eine ala Canninefatium,
die der Legio X gemina zu Vetera zugetheilt war. Ueberhanpt schei-
nen sie in späterer Zeit nur als Reiter gedient zu haben; im daci-
schen Feldzuge finden wir eine ala zu Vindobona, eine andere zu
Mainz, der leg. I adiutrix beigegeben ^) ; auf drei Militärdiplomen
aus der Zeit des Antoninus Plus wird die ala I erwähnt, welche
auf das Vorhandensein mehrerer Reitergeschwader schliessen lässt.
Die letzte Erwähnung der Canninefaten findet sich auf einer In-
schrift aus Volsinü aus der Zeit des Severus Alexander (3. Jahrh.
nach Chr.)«).
Kehren wir nach dieser kleinen Abschweifung zu unserer Inschrift
zurück, so bieten sich zu dem hier zum ersten Mal vorkommenden
Mercurius Channinefatium, in dem wir den römisch gedeuteten
Hauptgott der Deutschen W u o t a n zu verstehen haben, in Inschrif-
ten mehrfache Parallelen besonders von romanisirten Gallischen Gott-
heiten, wie die des schon obengenannten Mercurius Arvernus oder
Arvernorum, des Mars Talliatium, Mars Caturix, Albiorix
u. a., welche Prof. J. Becker in diesen Jahrbb. XXTT, 170 ff. zusam-
mengestellt hat.
Es erübrigt uns noch, einiges Über die Schreibweise des Namens
der Canninefaten zu bemerken, welcher in den Handschriften des Ta-
citus, Plinius und Velleius Paterculus gewöhnlich CANNINEFATES,
dagegen in den Inschriften bald CANNJ5NEFATES, bald CANNFN-
oder CANNINEFATES geschrieben wird. Prof, Becker »), welcher diesen
Streitpunkt einer besonderen Untersuchung unterworfen hat, ist ztf
dem Resultate gelangt, dass in den Inschriften die Schreibung Can-
naneiates die am sichersten beglaubigte sei. Dieses Ergebnisa möchte
indessen bei der zum Theil onsichem Ueberlieferung der bezüglichen
^) Bonxu Jahrbb. XV, 101.
') OrelL 96 und dazu Henzen I. L. III, p. 6, vgl. Völker, d. Freiheitakampf
der Bataver anter ClaudiaB Civilis, 1. Lief. S. 28.
>) Bonn. Jahrbb. XY, 101 ff.
k
Bdmiflcfae Insohnften aus Bohr bei Blankenheim und am Bonn. 175
Inschriften durch die abweichende und sich der Tradition in den Hand-
schriften anschliessende Schreibweise unserer Inschrift, welche, in
schönen Charakteren eingehauen, ohne Zweifel aus guter Zeit stammt,
zu modificieren sein, zumal da die Schreibung GAanninef. auch zu der
Ableitung des Namens, welche J. Grimm ^ und Zeuss ^) versucht ha-
ben, vortrefPlich stimmt. Beide stellen nämlich den Namen in der Vor-
aussetzung, dass die Bataver centum durch cannin, cannan ausdrückten,
mit dem Oothischen ,hundafadeis' zusammen, so dass also der Name
Hundertmänner (fathes, faths - gomo - homo, Mann) bedeuten
würde, was in der Germanischen Kriegs- und 'Gauverfassung seinen
Grand gehabt haben könnte *). Wenn nun J. Grimm zugleich mit Zeuss
noch das Auffallende hervorhebt, dass man nach dieser Ableitung eigent-
lich GAanninefates, was sich aber nirgends findet, erwarten müsse, so
kömmt unsere Inschrift dieser Anforderung auf das Erwünschteste
entgegen und möchte daher nicht blos die richtige Aussprache des
fraglichen Volksnamens bieten, sondern auch die richtige Schreibung
desselben am nächsten reprilsentiren. ^
Wir schliessen hieran eine kurze Besprechung des in demselben
Strebepfeiler gefundenen Bildsteines. Es ist diess ein gelblich weisser
Sandstein 0,66 met. hoch, 0,41 m. breit und 0,17 m. dick. Die in einer
Nische in haut-relief befindliche unbekleidete männliche Figur ist, wie
oben bemerkt, stark beschädigt, besonders an den Unterschenkeln und
den Füssen, welche letztere fast ganz verschwunden sind; so wie auch
der untere Theil des Gesichtes fehlt. In der rechten Hand scheint sie
eine Keule zu halten, ein Attribut, welches auf Hercules zu schliessen
geeignet wäre, wenn nur die die Löwenhaut nicht fehlte. Ich möchte
die sehr roh gearbeitete Figur eher für einen Mercur halten, da sie
mit dem Mercuraltare in näherer Beziehung zu stehen scheint und
der Gegenstand, den die rechte Hand trug, nach oben so stark her-
anstritt, dass man möglicher Weise »den Beutek erkennen dürfte.
Indessen ist von emem » Schlangenstab k (caduceus) in der abwärts ge-
haltenen Linken nichts mehr zu sehen.
^) GesoK d. dentschen Sprache 2, 586.
') Die Deutschen tind die Naohbarsi&mme S. 102 Anm.
*) 8. Grimm a. a. 0. 491 f. und VöUcer a. a. 0. S. 27.
BSmiache Inadirift«D miu Bohr b«i ffluakenlimiii und ftoi Bonn.
MatroneDinschrift in grünem Sandstein, 0,75 m. lang, 0,47 m.
breit und 0,23 m.' dick. Die Habe der Buchstaben beträgt 0,045 m.
Der Stein ist auf der rechten und der linken Seite abgeschnitten, so
das8 sowohl am Ende als am Anfange jeder Zeile venigstens je ein
Buchstabe fehlen ; am Ende der ersten Zeile so wie am Anfange der-
selben findet sich ein Bruch, Wodurch ein paar Buchstaben im Namen
der Matronen verloren gegangen sind. Die Inschrift, deren Buchstaben
nicht sehr tief und meist verwischt sind, lautet na(^ dem mir vor-
li^enden Papierabdmck :
XvTRONISd
^BVSmCLEM
TINVS IVSTVS
IVLIA CINN
5 V L M
(Ma)troni3 G(abijabus Clem(en)tinus Justu(3) (et) Jnha CinD(a)(?).
Votum (solTenmt) lubentes merito.
Unzweifelhaft ist Z. 1 zu Anfang JlfATROMIS zu ergänzen;
der darauffolgende Buchstabe ist nicht Hir ein G oder 0, sondern,
wie das Ektypon zeigt, für ein G anzusehen. Da nun nach der sich
von selbst ergebenden Er^nzung der in den folgenden Zeilen vorkom-
menden Xamen am Ende der Zeilen je 1 bis l'/i Bachstabea wegge-
fallen sind, so werden wir mit Sicherheit zur Annahme gefflhet, dass
am Schlüsse ein A und am Anfange der 2. Zeile BI oder B' ausser
dem linken Schenkel des A ausgefallen sei. Kein anderer der wenigen
mit G beginnenden Matronennamen, weder die Gavadiae noch die
Guinebae, könnten hier Platz finden, ausser den Gablae, welche im
westrheinischen Ubierlande auf vier zu Rövenich bei Zflipich gefunde-
nen, jetzt verlorenen Altären mit Matronae, and einmal in Köln mit
Innones vorkommen.
Was die Deutung dieses Beinamens betrifft, so hat man bisher
&8t allgemein darin keine topische BeneDiiung gefunden, sondern den-
selben theils mit der deutschen Emtegöttia Fru Gaue (Fra Göde)
zusammen gestellt, wie Lersch '), oder man hat durch Ableitung von
der altdeutschen Form des Wortes Gau (gawi, gavi), dessen v in b
<) Bonn. Jahrbb. II, 127.
Römiselie Inscbriften aus Rohr bei ßlankenheim nnd ftus Bonn. 177
übergegangen, die Gabiae als Gaugöttinnen gedeutet, wie ReinO*
welcher in der Bürgeler Inschrift der Matronae Alagabiae gleich-
Matronen »aller Gaue« versteht. Die neueste Deutung der M. Gabiae
von dem Holländer Dr. Kem^) als »Geberinnen von guten Gaben«,
hat etwas Empfehlendes, doch möchte die uns mündlich von Prof.
Simrock nütgetheilte Erklärung »die Begabenden« noch vorzuziehen sein,
■
womach die in einer Inschrift als Junones bezeichneten Gabiae als
die wohlthätigen Feen erscheinen, welche den Neugeborenen besondere
»Begabungen« zutheilen.
Z. 2 findet sich hinter dem ausgefallenen S ein Zeichen^ welches
ohne Zweifel für das als Interpunktion dienende Epheublatt zu halten
ist Der horizontale Strich des folgenden L ist verwischt, so wie auch
die 2. Hälfte des M.
Z. 3 ist es wahrscheinlich, dass hinter IVSTV bloss ein S aus-
gefallen und mit dem geforderten ET die 4. Zeile begonnen habe. In
dieser Zeile fällt der etwas nach oben gehende Querstrich des ersten
Buchstabens in IVLIA auf, so dass man an 7VLIA statt XyLLIA
denken könnte, jedoch erscheint derselbe bei näherer Betrachtung als
eine Fortsetzung der oben rechts von dem Buchstaben bemerklichen
zufälligen Vertiefung. In dem folgenden Namen GINN sind die zwei
ersten Buchstaben sehr verwischt, so dass die Lesung unsicher bleibt,
namentlich ob der zweite Buchstabe für ein I oder E zu halten sei.
Wir entscheiden uns mit Hrn. Dr. Pohl für CJ5NNA, obgleich wir für
diese mehr einem keltischen Mannesnamen zukommende Form kei-
nerlei Beleg beizubringen im Stande sind. Die einzig anklingende
Form findet sich in einer Mainzer Inschrift (Stein, 327), welche einer
QENIA LINEA GRATA gesetzt ist. Uebrigens möchte die Julia
Genua als Gattin des Glementinus Justus, dessen ersterer Name auf
einer Mainzer Inschrift (Br. 1064) vorkommt, zu betrachten sein.
Z. 5 in der Widmungsformel scheint nach Massgabe der symme-
trischen Entfernung der erhaltenen 3 Buchstaben V L M das sonst
regelmässig gebrauchte S(olvit) zu fehlen; jedoch möchte ich bei dem
verwitterten Zustande der Inschrift lieber den Ausfall, als die Aus-
lassung des S annehmen, welche Zell ') unter den Variationen dieser
1) Hans Bürgel. Crefeld 1866. S. 84 ff. Yergl. B. Jabrbb. XXIII, S.
149 f. Simrook, Handb. d. doutochen Myth. S. 864.
^) H. LH d. Jahrbb. S. 160.
') Anleitong sur Eenntniss der röm. Inschriften S. 145.
12
l *
\
I:
u" •
\
178 BönuBohe Iiudhiifteii ins Bobr bei Blankenhfflm und aas Bonn.
Widmangsformel zwar anführt, jedoch durch kein sicheres Beispiel be-
legt hat.
Znm Schloss wollen wir die Yermathong nicht nnterdrücken,
dass die besprochenen drei Steine, von denen die zwei ersten wahr-
scheinlich einem kleinen Tempel des Mercurins angehört haben, nicht
ursprünglich an der Fundstätte zu Rohr gestanden, da uns von dort ge-
fundenen Alterthumsresten bisher nichts bekannt geworden, vielmehr
halten wir die Annahme für gerechtfertigt, dass dieselben von dem
benachbarten römischen Etappenorte Marcomagus, durch welchen die
sowohl im Itinerar des Antonin als auf der Peutingerschen Tafel an-
gegebene Hauptstrasse von Trier nach Köln führte 0» als Material für
den Bau der alten Kirche, wie diess auch anderwärts so häufig der
Fall war, hergeholt worden sind.
3.
Votivaltar aus Jurakalk, im Jahre 1870 bei der Tieferlegung
der Aussenmauem der hiesigen MQnsterkirche in den Fundamenten
des nördlichen SeitenschiiFes entdeckt. Da die eine Schmalseite ein
Fflllhom zeigte, so schloss man mit Recht auf eine römische ara und
arbeitete den schweren Stein mit grosser Eraftanwendung aus den
Grundmauern heraus. Derselbe ist aber nach der rechten Seite zu
schief abgeschnitten; die Höhe desselben beträgt 0,95 m., die Breite
0,59 m., die Dicke 0,29 m. Die linke Volute der ara ist noch erhalten, so
wie auch der grösste Theil des arg zerstörten Simses. Ebenso reicht
das auf der linken Schmalseite in schönen Formen gearbeitete FfiU-
hom bis zur Basis, während von dem auf der rechten Seite befind-
lichen nur der sich nach unten verjüngende Theil sichtbar ist
Durch Brüche hat der Stein an der obem Hälfte rechts und
links stark gelitten, und ist Qberhaupt in so hohem Grade abgeschlif-
fen und verwaschen, dass die zum Theil schattenhaften Charaktere
sehr schwer zu lesen sind. Was mir mit Hülfe eines Papierabklatsches
und einer recht gelungenen photographischen Aufnahme, die ich der
Güte des Hm. Stud. ehem. Friedrich Krafit verdanke, zu enträthsebd
möglich war, lautet also:
^) J. W. Schmidt über die Römentrassen im Rheinlande in diesen Jahrbb.
Heft XXXI, S. SS ff. üeber die wahrscheinliche Lage des alten Maroomagos
(Mermagen) vgl. noch Eick die röm. Wasserleitung aus der Eifel nach Köln.
S. 16 ff.
L
Römische Inschriften aus Rohr bei Blankenheim und aus Bonn. 179
... 1 VN.
. . . R C V . .
. . • OhL- V-
, . . :>CV • AEN.
5 . . ASSIANVS' •
_ VRIVSSA ....
N V S C
EX VOTO . . .
> ntoNno- •/ -
d. h. forTVNae et heRCVli . cOELiVs FuSCVs . (m)AENius
cASSIAJn^S (et) . ZVRIVS SA(tumi)NVS G • EX VOTO
(posuerunt) • ANTONINO .... cos
Da sich über dem Simse schwache Reste von Buchstaben zeigen ,
so wird die Vermuthung nicht zu gewagt sein, dass daselbst entweder
GENIO LOCI, worauf der erhaltene Strich Querstrich von L zu führen
scheint, oder die Formel In H(onorem) D ' D(omus divinae) gestan-
den habe. In der 1. Zeile ist die Ergänzung forTVNae sicher, eben
80 die von herCVLi in der 2. Z. — Z. 3 scheint es zweifelhaft, ob
der zweite Buchstabe für ein L oder ein E zu halten. Im erstem
Fallist die Ergänzung von LOLLIVs geboten, ein Gentilname, welcher
auch sonst auf rheinischen InschViften vorkömmt; vgl*. Bramb. 389,
wo ein G. Lollius Priscus und 1467, wo ein C. LoUius Grispus genannt
wird. Im andern Falle ist cOELiVs zu suppliren, wozu Bramb. 679
ein Beispiel liefert. Ausserdem wird vor Coelius noch der Vorname
gestanden haben.— Z, 4 ist unbedenklich FuSGVs zu ergänzen; desto
schwieriger ist die Deutung der schwach durchschimmernden Zeichen
A E N, worin der Gentilname des 2. Dedikators der Ära enthalten
sein muss. Ergänzen wir mAENius, so fehlt der Raum für den Vor-
namen; es möchte daher vor diesem höchst seltenen Gentilnamen der
öfter auf rheinischen Inschriften erscheinende AELius sich empfehlen,
da das N nicht unzweifelhaft fest steht. — Zu Anfang der 5. Z. lese
ich gASSIANUS (vgl. Bramb. 1683) und fülle den noch übrigen Raum
durch et und einen das Praenomen bezeichnenden Buchstaben aus. --
In Z. 6 war der 1. Buchstabe ohne Zweifel LVRIVS, welcher Name
bisher auf rheinischen Inschriften nicht vorgekommen ist Bekannt ist
den Nunüsmatikern P. LVRIVS AGRIPP A auf einer Monetarmünze
K*.
180 BömiBche Inschriften aus Bohr bei Blankenheim und ans Bonn.
des Aagustus. Hinter SA sind wahrscheinlich 5 Buchstaben tumi aus-
gefallen, wodurch wir den sehr häufig vorkommenden Namen Satumi-
nus erhalten, obgleich man auch mit der Ergänzung SAmi sich be-
gnügen könnte (Yergl. firamb. 1520). Da jedoch die vorhergehende
Zeile 12 Buchstaben enthält, so ziehen wir die erstere Ergänzung,
wonach in diese Zeite 13 Buchstaben zu stehen kommen, vor. — Zu
Anfang von Z. 7 steht deutlich die Schlusssilbe NVS, alles Uebrige
ist bis zur gänzlichen Unkenntlichkeit verschwunden ausser einem G
oder 6 am Ende. Einer meiner Bekannten, welcher die Inschrift zur
Abendzeit bei Lampenlicht wiederholt betrachtet hat, will Spuren des
Wortes STRATOR entdeckt haben, wovon ich jedoch ausser schwachen
Spuren eines T nichts finden kann. Dürfte ich eine Yermuthung wagen,
so möchte ich VEXILL(arii) (le)6I als ausgefallen annehmen, da die hier
genannten Dedika;toren höchst wahrscheinlich der 1. Legion angehört
haben werden und die zu besonderen Diensten detachirten Vexillarii
auf rheinischen Votivaltären, und zwar namentlich auf solchen, die
dem Hercules geweiht sind, häufig vorkommen. Vergl. das Denkmal
des Hercules Saxanus im Brohlthal. Bonn 1862. Nr. 2. 4. 5. 10. II.
12. 14. und die zwei Inschriften von Neuwied, Bramb. 692 und 693.
Das Nähere über die Vexillarii in engerer Bedeutung, womach sie
aus Veterani bestanden, und in weiterem Sinn als Detachements einer
Legion oder auch eines Hülfstruppentheiles in Beckers Handb. d. röm.
Alterth. HL 2. Abth. S. 366 f.
Z. 8 sind die drei ersten Buchstaben der Formel EX YOTO
vollkommen deutlich, die drei folgenden schimmern noch erkennbar
durch. Dahinter ist sehr wahrscheinlich posuerunt ausgefallen.
^^ Aus dem in der letzten Zeile noch vorhandenen Eaisemamen
ANTONINO lässt sich das Jahr um so weniger bestimmen, als ausser
Antoninus Pius und Antoninus philosophus mehrere spätere Kaiser,
r^ wie Caracalla, Elagabal und Severus Alexander denselben Namen in
^ . öffentlichen Urkunden geführt haben. Unter einem der drei letzteren
l' wird unsere Inschrift zu setzen sein, wenn die von uns angenommene
Devotionsformel In Honorem Domus Divinae an der Spitze der In-
schrift stand, da diese erst g^en Ende des 2. Jahrh. in Gebrauch
^'\ gekommen ist Ergänzen wir dagegen OENIO LOCI, so möchten wir
wohl berechtigt sein, unsere Inschrift in die Regierungszeit des M.
Aurelius Antoninus zu setzen, und zwar unter das Gonsulat des
ANTONINVS ffl et VERVS H « 161 p, Chr., in welches Jahr zwei
I
^
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Römische Inflohriften aus Rohr bei Blankenheim und aus Bonn.
181
von ans in diesen Jahrbüchern ^) besprochene Inschriftsteinc von Sol-
daten der Leg. I Min. gehören.
4.
Grabstein aus Jurakalk, 15" hoch, I3V2" breit, 3" dick, gefun-
den bei der Anlage von Latrinen nahe der Reitbahn ! auf dem neuen
Exercirplatze vor dem Kölnthor, für verwundete Krieger, im Sommer
1870. Der Stein, welcher mit anderen Fragmenten von Säulen und
Inschriften an's Licht kam, wurde als brauchbares Baumaterial von
einem Arbeiter bei Seite geschafft und von mir in diesem Frühling
zufällig entdeckt und für die Vereinssammlung erworben. Die im
Ganzen wohl erhaltene Inschrift lautet:
NELLONIA
PEREGRI^A
VIVA
SlBI FC
Dieser Stein ist dadurch von besonderem Interesse, dass er zu
den wenigen bis jetzt in Bonn gefundenen römischen Denkmälern ge-
hört, welche Privatpersonen gesetzt sind. Die Zahl dieser Grabschriften,
welche in dem ,Urkundenbuch des römischen Bonn' von dem Unter-
zeichneten ') zusammengestellt sind, belauft sich auf fünf, von denen
nur eine vollständig erhalten ist, während die Zahl der Grabsteine
von Soldaten achtzehn beträgt, ein beweis, dass das bürgerliche Ele-
ment vor dem militärischen stark zurückgetreten ist.
Der Name der auf unserer Inschrift genannten Frau Mellonia,
welche sich bei Lebzeiten diesen Grabstein hat anfertigen lassen, dürfte
als vornehm und reich angesehen werden, wenn sie zu der Familie
der* Gebrüder Melonii Garantus und Jucundus gehört hätte, welche
auf einem in Castel bei Mainz gefundenen, dem Juppiter und der Juno
geweihten nnd ausserdem mit 4][Götterbildem geschmückten Altare
als Stifter demselben und zugleich als Gründer eines nach ihnen be-
') Heft L und U S. 186 ff.
^) S. 22 ff. in der Festoohrifb^ zu demjinternationalen Congresse f. Alter-
thomskande und' Geschichte zu Bonn im Sept. 1868.
182 RoiuiBche Inschriften ans Rohr bei Blankenheim nnd ans Bonn.
naDüten Quartiers oder Viertels (Novus Yicus Melomorum) in Gastel-
lum Mattiacorum ^) erscheinen. Jedoch scheint es geboten, unsere MeZ-
tonia, die mit doppeltem 1 geschrieben ist, von der Familie Melonia,
wozu eine Mefonia Junia auf einem Grabstein aus Frankfurt (jetzt^in
Wiesbaden) ^) gehört haben mag, zu trennen. Ein MeZfonius Severus,
Centurio der 22. Legion, kommt auf einem Grabsteine vor, der im J
1858 auf dem Kästrich gefunden wurde und die Datirung Cilone et
Libone cos. = 204 trägt ^). Dazu kommt noch ein Grabstein aus Köln,
der dem Mellonius Eraclius und der Fannia Secunda von ihrem Sohn
Publius Mellonius geweiht ist^). Was die Abstammung des Namens
MeZonius betrifiFt, so hält sie Prof.. Becker ^) für celtisch mit Hinweiä"
auf viele analoge Namen mit der Endung onius und auf den in der
> , Kasteier Inschrift damit verbundenen Beinamen Garantus. Ob ein
: . V Gleiches fQr die Form Meßonius anzunehmen oder ob diese vielmehr
auf ein griechisches Etymon, wie MiiXcDv (bei Xenophon), zurückzu-
:. . fahren sei, wofür der damit verbundene Name Eraclius der Kölner
w Inschrift zu sprechen scheint, lasse ich dahingestellt sein. — Der Zu-
name unserer Mellonia: Peregrina findet sich auf einer Grabschrift
l; aus Worms •). lieber die in unserer Inschrift gebrauchte Formel VIVA
'%. SIBI Faciendum Curavit oder Posuit, wie sie auf Grabmälem vor«
kommt, welche sich einer selbst bei Lebzeiten errichten liess, verweise
;;: , ich auf die lehrreiche Besprechung Braun's in B. J. XVII. S. 108,
wo diese Sitte mit Recht aus dem bei den Römern allmählich ein-
reissenden Egoismus, über den schon Plinius der J« Klage fahrt ^),
iiergeleitet wird.
5.
Nachdem ich diese Besprechung von Inschriftsteinen aus Rohr
){■- und Bonn schon dem Druck übergeben hatte, wurde unsere Samm-
J
- •
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r • ». . >
A
^) Bramb. 1821. C. L. Grotefend in ZimmeimannB Zeitschrift f. Alierth.
Wies. 1888. S. 126, besonders aber J. Becker Gastellam Mattiacomm in d. Ann.
d. Nass. Alterthamsk. u. Gesch. Bd. YII. H. 1. S. 81.
') Br. 1438 nnd J. Becker a. a. 0. 8. 33.
') Bramb. 1026.
*) Yergl. Düntzer in dies. Jahrbb. XLYII u. XLYIIX. a 121.
*) a. a. P. S. 38.
•) Bramb. 802. Stein. 699.
"*) Plin. ep. L YI, 10. Tarn rara in amicitia fides, tarn parata oblivio mor-
tuoram, ut ipsi nobis debeamus etiam conditoria ezstmere, omnia heredum
ofßcia praesunere.
.» '<«.
Römisohe Inschriften aus Rohr bei Blankenheim und aus Bonn. 183
lung noch durch den FuAd eines römischen Grabdenkmals von her-
vorragendem Interesse bereichert, vorüber wir einen genauem Bericht
an dieser Stelle zu bringen um so mehr uns veranlasst fühlen, als
bereits die öffentlichen Blätter die Aufmerks«imkeit weiterer Kreise auf
den neuen Fund gelenkt haben. Es ist diess der Grabstein eines Beiters
der Leg. I, welcher laut der Inschrift nach 15 Dienstjahren im 30.
Lebensjahre starb und von der Hand eines liebenden Bruders dieses
Ehrendenkmal erhielt. Der kolossale Stein aus Jurakalk, dem gewöhn-
lichen Material der römischen Inscbriftsteine, wurde gegen Ende des
Monats August c. vor dem Kölnthore, rechts von der Chaussee, nahe
bei dem Steinbilde des Kreuztragenden Christus, beim Fundamentaus-
werfen eines dem Wirth Hm. Deinert gehörenden Neubaus, ausge-
graben. Nicht weit entfernt von dieser Stelle war schon im J. 1870
der in diesen Jahrbüchern *) beschriebene, mit der Abbildung von pha-
lerae gezierte Grabstein, der die einfache Inschrift VALE • LVCI trägt,
zu Tage gekommen. — Unser Grabstein ist 1,95 m. lang, 0,78 m.
breit und 0,30 m. dick. Den oberen Theil des Grabsteines nimmt, in
der Höhe von 0,75 m., in einer nischenförmigen Vertiefung die Figur
eines hoch zu Boss sitzenden gewappneten Reiters mit eingelegtem
Speere ein, die Brust mit einem Riemengeflecht von phalerae, d. h.
grossen silbernen Medaillen geschmückt, die nur zum Theil noch zu
erkennen sind, so wie auch die Nase des Reiters abgebrochen ist. Das
mit hoch erhobenen Vorderfüssen vorspringende Pferd ist mit einer
Schabrakc bedeckt, welche nicht durch einen Bauchgurt, sondern durch
einen vom Yorderbug ausgehenden, der Länge nach unter dem Schweif
durchlaufenden Gürtel befestigt zu sein scheint*).
Unter dem hoch gehobenen Vordertheile des Pferdes bis zum
rechten Bein des Reiters, das von Beinschienen (ocrcae) keine Spuren
zeigt, ist ein, uns schon von dem früher in der Nähe gefundenen
Grabstein her bekanntes gitterförmiges Riemengeflecht mit neun sym-
metrisch zu je drei neben- und untereinander gereihten x)halerae ab-
gebildet, von welchen man noch das am häufigsten vorkommende
Medusenhaupt und zwei Thierköpfe unschwer zu erkennen vermag. An
das GeflechtiB, welches 0,42 m. breit und 0,25 m. hoch ist, schliessen
sich links zwei grössere Ringe, die ich für armillae oder Armbänder
^) Heft XLIX, 8. 190 f.
^) Vergl. zwei ähnliche bildliche Darstellungen der Säule des Antonin bei
Rieh, inustrirtes Wörterbuch der rom. Altcrtbümer s. v. oqucs. S. 24 fg.
184 Römische Inflohriften aas Rohr bei Blankenheim und aas Bonn.
erkläre, dergleichen wir auch auf dem ältesten romischen Denkmale
der Rheinlande, dem vielfach abgebildeten und besprochenen Grab*
steine des in der Varusschlacht gefallenen Centurio M. Caelius (im
Museum der yaterländ. Alterth. in Bonn) finden ^).
Der mittlere Theil des Grabsteins trägt in fünf Zeilen die in
schönen und wohl erhalteneu Buchstaben, die in der 1. Zeile 0,05 m.,
in den übrigen nur 0,04 m. hoch sind, eingehauene, in Leisten einge-
fasste Inschrift:
C MARIVS • L • F VOL
LVCO AVGVSTO- EQVES
LEG • T • AN NOR • XXX • STIPEN
XV H • S • E • SEX • SEMPRONIVS
FRATER FACIEN CVRAVIT
d. h. C(aius) Marius L(ucii) f(ilius) Vol(tinia) sc. tribu« Luco
Augusto, eques leg(ionis) primae, annorfum) triginta, stipen(diorum) quin-
decim. H(ic) s(itus} e(st). Sex(tus) Senipronius frater facien(dum) curavit.
Z. 1. Der Name Marius kommt auf einer Kölnischen Yotivara
(Bramb. 338) und auf zwei Mainzer Grabsteinen von Soldaten (Er.
1057 und 1145) vor; der erstere ist einem Soldaten der 21. Legion
gleichfalls von dessen Bruder gesetzt. ~ Der tribus Voltinia ge-
hörten ausser zahlreichen anderen Städten in Gallia Narbonensis der
Z. 2 genannte Ort Lucus Augustt«s, nicht Augustt, wie man gewöhn-
lich schreibt; im Gebiete der Vocontii, an; die gleichnamige Stadt, in
Hispania Tarraconensis war in die tribus Aniensis eingeschrieben ^).
Z. 2. Unser Marius war Reiter der 1. Legio, welche in einer In-
schrift den Beinamen Germanica führt und nicht mit der von Domitian
errichteten Legio I Minei*via pia fidelis, deren Standquartier mehrere
Jahrhunderte hindurch Bonna war, verwechselt werden darf. Die Le-
gio I (Germ.) hatte nach Tacitus Ann. I, 37 im J. 14, dem Todes-
jahre des Kaisers Augustus, zugleich mit der Leg. XX, ihr Winter-
quartier in Köln (civitas Ubiorum, wofür c. 39 ara Ubiorum gesetzt
ist), und 'betheiligte sich an dem Aufstande gegen Tiberius, welchen
Germanicus nur mit Mühe dämpfte. Doch erhielt sie wahrscheinlich
') Vergl. die Abbild, in Lerscb, Central-Mua. rheinl. Ins. II, p. 1 ff. lieber
die phalerae überhaupt verweise ich auf 0. Jahn*8 Abhandlung zum Bonner
Winckelmanns Progr. vom J. 1860, ,die Laue^sforter phaleraeS sowie auf A. Rein
de phaleris apud Lauersfort a. 1858 repertis. Romae 1860, p. 176 f.
^) C. L. Grotefcnd imperium rom. tributim descriptum p. 101 und 119.
k.
RönuBche InBchrift^n aus Robr boi Blackenbeim und aus Bonn. 185
schon unter Kaiser Claudios, welcher im J. 50 die Ubierstadt zur
CSoIonie erhob und zu Ehren seiner Gemahlin Agrippina Golonia
Agrippinensis benannte ^), ihr Standquartier in Bonn. Hier lag sie bis
zum Aufstande der Bataver unter Claudius Civilis im J. 69, in wel-
chem sie sich durch Meuterei und Verrath befleckte und nicht lange
darauf, wahrscheinlich sohon unter Vespasian, aufgelöst wurde ^). Von
den 8 Inschriftsteinen, welche überhaupt von dieser Legion bis jetzt
existirten, stammen 6 von Bonn, einer von Lessenich unweit Bonn;
nur ein einziger ist im Kreise Mühlheim näher bei Köln gefunden
worden, ein sicherer Beweis, dass die Legion I die längste Zeit in
Bonn gestanden haben muss*). Unser Stein (der 9.) wird demnach
unter die Regierung des Claudius oder des Kaisers Nero zu setzen sein-
Z. 4. Bemerkenswerth ist, dass der hier Beigesetzte im 30« Le-
bensjahre schon 15 Dienstjahre zählte und demnach schon im 15. Jahre
in den Kriegsdienst getreten ist.
Z. 5. Auffallend erscheint der Name des Bruders Sextus Sempro-
nius, welcher dem Gestorbenen den Grabstein gesetzt hat ; doch erklärt
er sich durch die Annahme, dass er dessen Stiefbruder gewesen ist,
wenn wir nicht annehmen wollen, dass er seinen Namen durch Adop-
tion von einem Sextus Sempronius erhalten habe.
Schliesslich bemerken wir noch, dass der für die römischen Kriegs-
alterthümer werthvoUe Stein, von dessen Bildwerk nächstens eine an-
gemessene Abbildung zugleich mit dem unweit der Fundstelle früher
ausgegrabenen Grabsteine mit Vale Luci gegeben werden soll, für un-
sere Yereinssammlung von Alterthümem im Amdthause angekauft
worden ist, wo auch der Grabstein des Lucius, der höchst wahrschein-
lich derselben Legion angehört haben wird, sich befindet
Diesen zuletzt besprochenen Bonner Inschriftsteinen fugen wir
der Vollständigkeit wegen noch einige Fragmente bei, welche durch
Prof. Gustav Wilmans in Dorpat bei seinem Aufenthalte im Sommer
1871, wo er im Hause der Fraul. von Droste bei seinem Vetter, dem
Hm. Berghauptmann Brassert, eingekehrt war, aufgefunden und in
*) Tacit. Ann. XII, 27. Agrippina ejus vim suam sociis quoque nationi-
bu8 OBientaret, in oppidum Ubioram, in quo genita erat, veieranos coloniamque
dedaoi impetrat, cui nomen inditom e yocabulo ipsius.
>) Bonn. Jahrbb. XLU, p. 189 f.
') Vergl. das römische Bonn in der oben ang. Festschrift S. 27 und B.
Jahrbb. XLU, 139.
i
<^
•.
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186 < Bomiache Inschriften aus Rohr bei Blankenheim und aus Bonn.
der Arch&oL Zeitang Jabrg. XXIX S. 165 fg. veröffentlicht worden
sind. Wenn Hr. Wilmans, dem wir für die Förderung unserer Vereins-
zwecke öffentlich unsern Dank aussprechen, bemerkt, dass diese, wie er
anzunehmen scheint, dortselbst ausgegrabenen Steine fast seit einem
halben Jahrh. in dem von Droste'schen Garten (in der Voigtsgasse 3),
welcher allerdings nicht unbedeutende Substructionen und namentlich
Reste eines römischen Hypocaustums enthält % aufgestellt gewesen
seien, so beruht diese Angabe auf einem verzeihlichen Irrthum. Die-
selben rühren vielmehr von einer kleinen Sammlung von römischen In-
schriftsteinen und anderen Alterthumsgegenständen her, welche unser
verstorbener, so hoch verdienter Präsident des rheinischen Alterthums-
vereins von seinen zahlreichen Freunden aus dem Jülicher Lande und
aus der Eifel zum Geschenk erhalten und unter dem Treppengewölbe,
das zur Aufbewahrung von Gartengerätheh dient, untergebracht hatte.
Während von den wenigen werthvoUeren Steinen die aus Wüstenrode
bei Eschweiler herrührende Votivara der Göttin Sunuxsalis (vgl. Braun
in diesen Jahrbb. XXV, S. 18 ff.) in das hiesige Museum, dagegen
eine im Enabengarten zu Bonn gefundene Herculesstatue aus Sand«
stein ') in die Vereinssammlung gelangte, blieben die von den Erben
des Verstorbenen als werthlos angesehenen Bruchstücke in ihrem Ver-
stecke zurück. Dieselben hat die Fräulein von Droste auf unser An-
suchen bereitwilligst unserer Sammlung überlassen. Sie bestehen aus
vier Fragmenten:
1.
aus dem obem Theile eines grossen Grabsteins, der in der Mitte zwei
der gewöhnlichen Protomen (Brustbilder) trägt und dessen Inschrift
bis auf das zur Linken sichtbare D(is), dem rechts ein M(anibus) ent-
sprach, zerstört ist ;
2.
aus einem zu beiden Seiten, wie auch unten abgebrochenen Fragment
einer Ära:
^. O m
T. G
Die Darstellung eines Adlers auf einer Kugel auf der einzigen
noch erhaltenen Seite beweist, dass die ara dem Jupiter Optimus maximus
geweiht war.
1) Braun in B. Jahrbb. II, 41. und IV. 115.
>) Bonn. Jahrbb. XXV, 206.
BomiBohe Insohriflen aus Rohr bei Blankenheim and aus Bonn. 187
Etwas besser sind zwei Bruchstücke von Matronensteinen er-
halten.
3.
MATRONIS
rVMANErfs
CIA Sl
Die Votivara ist den Matronae Rumanehae geweiht, die auf
anderen Inschriften Romanehae, Rumnehae oder Rummehae
genannt werden. Der Fundort von Altären dieser Mütter, von wel-
chen man den Ortsnamen nicht mehr nachzuweisen vermag, ist die
Umgegend von Jülich <) und Bürgel (Burungum) bei Worringen am
Niederrhein *).
Z. 3 liest Wilmans G * A * S und hält diess für einen abgekürz-
ten NameUi wie G. A(urelius) S(ecundus), Wir können dieser, der
Analogie entbehrenden Annahme nicht beipflichten, sondern glauben
in den theilweise zerstörten Resten des Namens einen GLACSicus, der
sich auf einem Brohler Herculesstein (Bramb. 657) findet, oder einen
GAtSius zu finden, ein Namen, welchen eine Grabinschrift aus Jülich
trägt ')i zumal da die Punkte hinter G und A nicht feststehen.
4.
Links abgebrochenes Fragment einer Matroneninschrift, von wel-
cher nur die 3 Schlusszeilen theilweise erhalten sind.
. . LVII .... SET
A C A T A • EX
z M P I . . .
Die von Wilmans vorgeschlagene Ergänzung des Namens Z. 1
durch Silvinius ist wahrscheinlich, die der letzten Z. unzweifelhaft.
Schliesslich ist noch zu erwähnen, dass sich unter den Frag-
menten im Treppengewölbe des von Droste'schen Gartens noch ein
sehr gut erhaltener römischer Mühlstein aus Niedermendiger
Lava vorfand, welcher gleichfalls in die Alterthumssammlung des Ver-
eins (im Amdthause) gelangt ist.
Bonn. J. Freudenberg.
>) Lench im Central-Mus. rhein. I. I, 8. 29. B. Jahrbb. XXY, 92.
>) B. Jahrbb. XXIH, 151. XXXI, 92.
*) Bonn. Jahrbb. XXY, 8. 140 N. 4.
»ü«
V
'<'
r«t-'-:
7. Alterthum8for8Chung am Oberrhein.
I.
Als mich im Jahre 1867 ein Aasflug in's Elsass nach Zabern
führte, war ich angenehm überrascht, daselbst ein leicht zugängliches
städtisches Museum zu finden, welches die Alterthümer von Stadt und
Umgegend beherbergt. Zabern, in. Deutschland mehr unter seinem
französischen Namen Saverne bekannt, ist reich an Deberresten
aus der gallisch-römischen Zeit. Freilich findet sich nicht alles mehr
an Ort und SteUe, da auswärtige Alterthümler die Gegenstände ent-
führten, welche nicht zufällig in festen Händen waren. Erst durch die
im Jahre 1858 erfolgte Gründung des stadtischen Museums ist diesem,
fast in allen rheinischen Städten üblichen Unwesen der Zerstreuung
vaterländischer Alterthümer ein Ziel gesetzt. Es ist das ein Werk
des Zabemer Gemeinderathes, gefördert durch die thätige und an- ^
regende Hilfe des jetzigen Bürgermeisters Dagobert Fischer, des
Herrn Emil Audi guier und des französischen Colonel de Morlet,
eines rührigen und kundigen Freundes elsässischer Alterthümer.
Das Museum befindet sich in einer alten Kapelle, die ehemals
zum bischöflichen Schlosse gehörte und dem Erzengel Michael geweiht
war. Sie stammt aus dem 15. Jahrhundert, ruht aber auf einem äl-
teren, romanischen Unterbau. Ihrer Bestimmung wurde sie durch die
französische Revolution entzogen. Die Steindenkmale, welche in ihrem
Innern keinen Raum fanden, sind auf einem Vorplatz, welcher bis
1777 als Kirchhof diente, aufgestellt.
Die vor Gründung des Museums gefundenen und zerstreuten
Reste der gallisch-römischen Zeit waren zum Theil in Strassburg,
Golmar und Nancy untergebracht, sie sind wohl, bis auf die Strass-
burger, noch daselbst zu finden. Die rührige Gesellschaft für Erhal-
AlterthaUBforschnng am Oberrhein. 189
tung der historischen Denkmale im Elsass (Soci^t^ pour la cönser-
vation des monuments historiques d'Alsace) hatte ihre Aufmerksamkeit
den Zabemer Antiquitäten zugewendet und beabsichtigt, das Inventar
des erwähnten Museums in ihrem Bulletin abdrucken zu lassen. Leider
ist es nicht dazu gekommen, da der Krieg die Thätigkeit der Gesell-
schaft unterbrach ; und die jetzigen Zustände im Elsass lassen an ein
einmüthiges Zusammenwirken selbst auf dem neutralen Gebiete der
römischen Alterthümer in nächster Zeit nicht hoffen. Um so anerken-
nenswerther ist es, dass der Zabemer Gemeinderath und insbesondere
Herr Dagobert Fischer im verflossenen Jahre einen Katalog des
Museums selbstständig veröffentlicht haben, welcher eine Fülle inter-
essanter Nachrichten bietet 0-
Bei meinem Besuche des Museums war ich natürlich vor allem
gespannt, zu erfahren, wie es mit der Echtheit der durch den ver-
storbenen Strassburger Bibliothekar Jun^ in Verdacht gezogenen In-
schriften stehe. Da ich vor Herausgabe der Rheinischen Inschriften
nicht in der Lage gewesen war,, nach Zabem zu reisen, so hatte ich
die von Jung gelieferten Nachrichten ohne eingreifende Untersuchung
mittheilen müssen %
Die mir bekannten Legenden der Steine boten kein Anzeichen
von Fälschung, mit einziger Ausnahme des Votivsteines n. 1868. Ich
begnügte mich daher, auf Jung gestützt, die von diesem bezeichneten
beiden Steine unter die Fälschungen (n. 87. 88.) zu verweisen, die
übrigen jedoch unt6r den echten zu belassen und ihr verdächtiges
Herkommen kurz anzugeben. Das Resultat, welches ich durch Autopsie
gewann, war unerwartet. Zwar der von mir aus inneren Gründen als
besonders verdächtig bezeichnete Stein (n. 4868 p. 368 n. 88) zeigte
auch äusserlich unantike Spuren; dagegen sämmtliche übrigen Denk-
male, auch die beiden von Jung und mir unter die Fälschungen ver-
wiesenen, konnten ihrer äusserlichen Beschaffenheit nach nicht als
Fälschungen erkannt werden. Ich nehme also mein Urtheil, soweit ich
es von Jung angenommen und weiter verbreitet habe, zurück.
Zunächst ist es mir eine angenehme Pflicht, die beiden bis jetzt
als Fälschungen verurtheilten Inschriften in ihr Recht einzusetzen.
Die eine (87) ist gebrochen:
^) Masee de Saverne. Catalogae et desoription des objects d*art de Tan-
tiqnite, du moyen-äge et de la renaissanoe exposes au musöe. Saverne 1872.
') Corpus Inscriptionum BhenaDamm p. 868,' vgl. p. 837 u. 1868—1873.
190
AltarthamtforsGhiing «n Oberrhein.
/ETcINTVS
MVS PILI
P c •
Im Vergleich zu dieser Lesart 0 war allerdings die bisher be-
kannte verdächtig. Die Zeilen waren vom Abschreiber, wie es scheint»
verwirrt worden, und dadurch hatte der erste Name eine ungehörige
Form erhalten. Der Inhalt der Inschrift ist einfach und klar, obgleich
ein grosser Theil fehlt. Kinder, wahrscheinlich Tochter und Sohn,
lassen dem verstorbenen Vater oder den Eltern zusammen ein Grab-
mal setzen. Wenn der dritte Buchstabe ein E und der fünfte ein 0
war, so hiess der verstorbene Vater vielleicht LAETVS. Das Fehlen
eines Vor- und Geschlechtsnamens würde darauf hinweisen, dass er
ein Gallier war, der, wie oft geschah, einen römischen Namen ange-
nommen hatte und sich durch Zusetzen des Vaternamens legitimirte.
Wahrscheinlicher aber ist hinter dem Buchstaben L ein Punctum, wie
auch sonst in der Inschrift, weggelassen, und der Verstorbene hiess
Lucius A . t .. . Die frühere Abschrift lautete LATIO, wonach ich
Lucius ATTOnius vermuthen möchte*). Dass unter den Widmenden,
welche collectiv als FILI, das heisst filli, bezeichnet werden, eine
Tochter ist, scheint aus der weiblichen Wortendung . . • VSSA her-
vorzugehen. Der letzte Name findet sich auch sonst auf rheinischen
') Ich habe die ToHkommen lesbaren gebrochenen Buchstaben durch ganze
Typen ersetzt.
*) Aehnlich ist die fehlerhafte Lesung des Töpfemamens auf der schönen
Yase, die de Morlet im BuUetin de la soci6t6 pour la consenration des monu-^
ments hittoriques 1868 hat abbilden lassen : SATIO FECIT, wahrend der Name
SATTO lautete. £in Attonius erscheint auf einer im Jahre 1872 zu Alzei ge-
fundenen Weihinschrifty deren Kenntniss ich Herrn G. Schwabe Terdanko*^
DEA • SVL
ATTONIS
L V C A N I
^^:..
AlieHhamsfonohimg am Oberrbeiii.
191
Denkmalen: dNTVS ist die bäuerische Form des Namens Quintus,
und MVS weist anf Musicus oder Mussicus hin. Ein Gintns
Massic. findet sich sogar auf einer Inschrift aus Murrhardt in Wflr-
temberg.
Der zweite Stein (88) ist von solcher Beschaffenheit, dass sich
die Echtheit der eingemeisselten Buchstaben nicht bestreiten lässt.
Ich habe gelesen:
D M
B II LLA
5ALLOM
R I K I K
Die Form der Buchstaben ist nicht nur antik, sondern auch so
geartet, dass sie von einem modernen Epigraphiker schwerlich wäre
angewendet worden. Die vier L der zweiten und dritten Zeile haben
ihre Schenkel in stumpfem Winkel gekreuzt Die vierte Zeile enthält
das ebenfalls unverdächtige L mit dem in der Mitte des Verticälstri-
ches angesetzten rechten Schenkel. Die Inschrift ist im Katalog durch
die Worte charakterisirt: ä peu prte illisible, moins pour un
^pigraphiste qui ne peut s'aider d'aucune autre connaissance que de
oelle des divers alphabets grecs et latins. Wenn ich mich aber nicht
täusche, so ist der Inhalt folgender: Dis Manibus Bella Dal-
lom(i)ri fil(ia).
Zu meiner Veröffentlichung der übrigen Inschriften aus Zabern,
in so fem ich fremden Lesungen gefolgt bin, habe ich Weniges zu
bemerken, da die früheren Herausgeber, namentlich Schöpflin und de
Horlet, auf richtige Gopieen schon grossen Werth gelegt haben. Die
Legende des Steines im Corpus Inscript. Rhen. N. 1867 steht fest;
die Schriftzttge sind deutlich, ET (3) und VN (4) sind ligirt. N. 1869
ist erheblicher beschädigt, als es nach meinem Drucke den Anschein hat:
3 O
Nlll
SIINV
A VS
Der Name des Verstorbenen lautete wohl Codosenus. N. 1870
liess sich mehr entziffern:
192
Alterthnmsfoncbang am Oberrhein,
0
M
i
t,
6
1^
^9
rif.
C A RAT I
CAITIFIII
Dis Manibus Carati Caiti fi(Ii) ; demgemäss hiess der Sohn Ca-
ratus, der Vater Caitas, und sie Mraren offenbar Einheimische.
Zu dem Steine N. 1871 habe ich noch ein Bruchstück gefunden,
welches die rechte obere Ecke bildete.
0
LAETTM/
MO N I M h
Dis Manibus Laeti Ma . . . ai (oder ae) filii monimentum ^).
Die beiden übrigen Inschriften N. 1872. 1873, welche ich nach
de Morlets Zeichnung habe drucken lassen, sind so oberflächlich ein-
geritzt, dass ich bis jetzt zu einer Deutung oder besseren Lesung
nicht gekommen bin. Dagegen eine neue Inschrift fand ich vor, von
welcher inzwischen der Ratalog Nachricht gegeben hat (p. 19): Ge
petit monument a k\k d^couvert dans la for£t de Greifenstein, canton
Schlosserhoehe. -
i H 0 D
i 0 Mll
\REM
MIHI
Die Höhe wird im Katalog auf 0,41, die Breite auf 0,42, die
Dicke auf 0,27 Meter angegeben, die Lesart lautet daselbst I H D ||
D D N II R E M. Ausser der ersten Zeile In Honorem Domus Divinae
sind die Schriftzüge nicht zuverlässig zu deuten. Man könnte an die
Idaea denken, wenn nicht Abkürzungen (luppiter Dolichenus oder
andere) vorliegen. Auch die letzten Buchstaben gestatten verschiedene
C5onjecturen.
^) Die häufige Form monimentum iat hier wohl eher anzunehmen, alt ein
Eigenname (C. I. Bh. p. 377).
•r- *
Alierthumsfonobung am Oberrhein. 198
Endlich ist im Katalog p. 17 noch eine Inschrift mitgetheilt,
velche im Jahre 1868 gefunden wurde:
D M
MAGIORICI
NATALIS FILIO
Cette pierre formait la paroi d'une tombe franque, trouv^e en
1868 dans un cimeti^re franc situ£ dans la banlieue de Durstel, au
lieu dit Lupbei^'. Ein Magiorix aus Zabern war schon durch den
Weihestein C. I. Rh. 1867 bekannt.
Wenn ieh erklären soll, wie Jung dazu kam, die Zabemer In-
schriften theilweise für Fälschungen zu halten, so möchte ich die Ver-
muthung äussern, dass ihm eine Nachricht über Veränderung, Ent-
stellung oder Zusätze an der allerdings verdächtigen Inschrift C. I.
Rh. 1868 zugekommen ist, und dass er diese Weihinschrift mit echten
Denksteinen verwechselt hat Vielleicht war auch die ihm zugekom-
mene Nachricht so unbestimmt, dass er über den wirklichen Befund
der Fälschung irre geleitet wurde.
Wie die Zabemer, so haben auch andere Gemeinden, z. B. Strasa-
bürg, Golmar, anerkennenswerth für die Denkmale der Vorzeit gesorgt.
Vergleichen wir damit was von städtischen Gemeinden auf der rechten
Rheinseite geschehen ist, so wird das Urtheil nicht überall günstig
ausfallen.
Die Städte des Grossherzogthums Baden wären, so weit meine
Erfahrung reicht, in der Lage, etwas mehr für die Kunde ihrer Vor-
zeit zu thun, als heutzutage wirklich geschieht. An Mitteln und An-
regung hat es nicht gefehlt^ wie die lange Reihe von antiquarisch-
historischen Arbeiten und Unternehmungen zeigt, die seit mehreren
Jahrhunderten in den jetzt Badischen Landen aufgetaucht sind.
Der Sinn für die Erforschung der römischen Epoche erwachte
hier schon während der Blüthezeit des deutschen Humanismus. Wie
man in Köln, Mainz, Augsburg, Basel die Ueberreste der römischen
Cultur zu schätzen begann, so bekundete sich auch im badischen
Rheinthal seit dem Schlüsse des fünfzehnten Jahrhunderts das Be-
streben, alte Denkmale zu erklären und zu erhalten. Einen merkwür-
dige Beweis dafiir liefert die Geschichte des Ettlinger Neptun,
eines zu Ehren des kaiserlichen Hauses im zweiten oder dritten Jahr-
hundert n. Chr. gesetzten Bildsteines, welcher den Wassergott in Be-
13
L
194 AlierthnmsforschttDg am Oberrhein.
gleitung eines Seethiers darstellt and in der beigeffigten Inschrift von
dem Stifter des Denkmals Nachricht gibt. Im Jahre 1480 warde dieser
Neptun von der ausgetretenen Alb an das Ufer geworfen, von den
Ettlingen! aufgestellt, aber zu ihrem Leidwesen 1513 durch den Kaiser
Maximilian I. auf das linke Rheinufer versetzt. Nachdem der Stein
mehrere Jahre im Exil zugebracht, wurde er auf kurze Zeit zurück-
gegeben, dann nach München verschleppt, bis es endlich der Stadt
Ettlingen gelang, sich dauernd seinen Besitz zu sichern. Sie liess ihn
an einem ehrenvollen Platze dicht bei der steinernen Albbrücke ein-
mauern und daneben eine lange stattliche Inschrift anbringen, in wel-
cher die Schicksale ihres Neptun erzählt sind.
Im sechszehnten Jahrhundert sind drei historisch wichtige Mei-
lensteine der römisch-badischen Gemeinde bereits durch den Pforz-
heimer Schulrector Beyer und den Speierischen Geistlichen Beiel be-
schrieben. Im Laufe des folgenden Jahrhunderts finden antike Monu-
mente eine Stätte im Durlacher Schlossgarten und an Markgraf Frie-
drich VI. einen kundigen Beschützer. Derselbe lässt sich von dem
Polyhistor Charles Patin über die Alterthümer und Urgeschichte des
Rheinthaies Bericht erstatten^ und bediente sich dessen gelehrter
Beihülfe bei Anordnung einer Münzsammlung.
Wenige Jährzehnte später begann die Blüthezeit der Alterthums*
forschung am Oberrhein. Sie knüpft sich an die Namen zweier Män-
ner, von denen der eine, geborener fireisgauer, im Elsass unter fran-
zösischer Herrschaft ein seltenes Ansehen erlangte, der andere, gebore-
ner Elsässer, in churpfälzischem Dienste zu Mannheim erfolgreich
wirkte. Der erste ist Joh. Daniel Schöpflin (1694—1771), dessen
Arbeiten über badische Geschichte bekannt sind, und dessen Pracht-
werk Alsatia illustrata auch rechtsrheinische Alterthümer eingehend
behandelt Andreas Lamey (1726—1802) trat in seine Fusstapfen.
Als Secretär der churpfälzischen Akademie der Wissenschaften zu
Mannheim übte er einen hervorragenden Einfluss auf die Veröifent-
lichungen dieser gelehrten Gesellschaft und sorgte in gleicher Weise
für die Erforschung der deutschen, wie der römischen Cidtur am
Oberrhein. In dieselbe Zeit fallen die Schriften und Forschungsreisen
des berühmten Abtes Martin Gerbert zu Sanct Blasien, welche
ebenfalls der Alterthumskunde reiches Material zuführten.
») Corpus I. Rh. 1678.
') Quatre relations historiqnes par Charles Patin, medecin de Paris.
Basel 1673 p. 219.
Alierthumsforsohang am Oberrhein, 105
Im neunzehnten Jahrhundert begannen die culturgeschichtlichen
Studien am Oberrhein mehr in die Breite, als in die Tiefe zu gehen.
Die von Schöpf! in und Lamey angebahnte ruhige und besonnene
Erschliessung der alten Gulturzustände durch genaue Interpretation
der erhaltenen schriftlichen und monumentalen Quellen wurde getrübt
durch das Bestreben, vorgefasste Meinungen über die Sprache und
Abstammung der alten Rheinthalbevölkerung schablonenartig durch-
zuführen. Namentlich war es die keltische Sprache, die in unglaub-
licher Weise zur Erklärung der Ortsnamen und zur Herstellung eines
in allen Theilen unsicheren Bildes von der Urgeschichte der oberen
Rheinlande herbeigezogen wurde.
Ging auf diese Weise die Methode der Geschichtsforschung in
Bezug auf das Alterthum in unserem Lande rückwärts, so erkaltete
doch nicht die Vorsorge für die antiken Denkmale.
Carl Friedrich folgte dem Beispiele seiner Vorgänger; er
schützte und erweiterte die Sammlung von Monumenten, die sich zu
Baden gebildet hatte und liess 1803 nach Weinbrenners Plan
einen Tempel in altdorischer Ordnung für dieselbe erbauen. Es sollten
hier nicht nur die in Baden gefundenen, sondern auch Alterthümer
aus den benachbarten Ländern aufbewahrt werden ^),
Angeregt und unterstützt duröh die vorhandenen Sammlungen
und Funde leisteten Männer, wieC. L. Wielandt (1811), Leichtlen
(1818 ff.) Anerkennenswerthes in der Erforschung der badischen Ur-
geschichte. Während Mone sich in seinen keltischen Studien verirrte,
führte das mehrseitig erwachte Interesse an Ausgrabungen und Samm-
lungen zur Bildung von Alterthums vereinen. Der Pfarrer Wilhelm i
zu Sinsheim rief eine Gesellschaft zur Erforschung der Sinsheimer
Todtenhügel ins Leben. Aehnlich bildeten sich Alterthums- oder Ge-
schichtsvereine zu Donaueschingen, Freiburg und anderwät*ts, deren
Existenz allerdings eine schwankende war und ist. Es waren gewöhn-
lich nur wenige Personen, welche ihre Umgebung zur Association an-
regten, und über ihren persönlichen Einfluss hinaus pflegte die Ge-
sellschaft sich nicht als that- und lebenskräftig zu erweisen. Solche
^) So besagte die Inschrift des Tempels: Monumenta haec qualiacunque
Romanae dominationis caltusve Deo Mercurio habiti passim in terris Badensi-
boa yicinisque regionibas deteota in memoriam gentis quondam late per orbem
terraram imperantis conqairi et in hoc museo conlocari iussit Carolus Fride-
ricui S. R. I. Elector, ,anno MDCCCIV.
s
K
r-
► ••
k
196 Alterthumsfonohang am Oberrbein.
Männer sind oder waren namentlich Heinrich Schreiber in Frei-
burg, Fickler in Donaueschingen, später in Mannheim, Rappen-
egg er und A. V. Bayer. Der Letztere fahrte 1843 die Gründung
eines badischen Alterthumsvereins herbei, wodurch *die Centralisirung
der Arbeiten und Interessen ermöglicht war. Leider scheiterte diese
Schöpfung, sei es dass sich Sonderinteressen zu lebhaft geltend mach-
ten, sei es dass hier, wie anderwärts im Rheinlande, der anfängliche
Eifer erkaltete. In der neuesten Zeit steht es um die Veröffentlichung
vaterländischer Alterthümer in Baden sehr ungünstig. Im Lande gibt
es drei, zeitweise mehr historische Inschriften, durch deren Vereinigung
ein ebenso achtunggebietendes Organ hergestellt werden könnte, wie
durch die Zersplitterung jetzt vieles zerfahren und unfertig erscheinen
muss. Leider liegen zwingende Gründe vor, welche die Vereinbarung
unthunlich machen.
f^ In ähnlich ungünstiger Lage sind die Sammlungen und Museen,
nur dass hier die Centralisirung nicht empfehlenswerth ist. Wer Al-
terthümer aus Liebhaberei sammelt, dem mag es gestattet sein, nach
Gutdünken allerwärts Werthvolles und Merkwürdiges zu suchen. Oef-
fentllche Museen vaterländischer Alterthümer sollten anders gebildet
werden. Man hört zwar oft Lobsprüche zu Gunsten sogenannter Gen*
tralmuseen, in welchen die transportablen Monumente eines Landes
vereinigt werden sollten. Es ist immerhin zu berücksichtigen, dass
ausländischen Gelehrten durch ein Centralmuseum eine grosse Er-
leichterung geboten wird, indem ihnen manche Reise erspart bleibt.
Aber gerade dieser letzte Umstand hat seine ungünstige Kehrseite.
Die Localforscher nämlich, welche nicht gerade am Orte des Central-
museums wohnen, werden gezwungen sein, Reisen zumachen, um die
Denkmale ihrer engeren Heimath in der oft weit entlegenen Landes-
sammlung aufzusuchen. Dies ist besonders unangenehm, wenn der
Gründer oder Leiter des Museums seinen Sammlungseifer in Land-
schaften verschiedenen Charakters bethätigt und alles Werthvolle
ohne Rücksicht auf Particular-Bedüiinisse an einer Stelle zu vereini-
gen strebt. So ist es entschieden tadelnswerth, dass Kunstgegenstände
des Alterthums, die in den Rheinlanden gefunden wurden, nach Berlin,
München und anderwärts verbracht worden sind. Aber auch in den
Rheinlanden selbst verfährt man keineswegs zweckentsprechend, wenn
man Gegenstände des Alterthums von Wiesbaden, Mainz nach Bonn
verbringt und umgekehrt. Ein niederrheinischer Gelehrter, welcher
^ ^ sich mit vaterländischer Mythologie oder Inschriftenkunde beschäftigt,
/,
f
CV-
f
J
Alterihamsforschung am Oberrhein. 197
cmpiimlet es höchst unangenehm, dass Carl Theodor Matronen-
steine und andere Denkmale ^ ^om Niederrhein nach Mannheim
versetzt hat, wo sie ihres localen Interesses beraubt unter den fremd-
artigsten Monumenten aufgestellt sind. Der Localforscher sieht sich
gezwungen, aus dem Jülich-Clevischen Lande eine weite Reise in die
Rbeinpfalz zu seinen heimischen Denksteinen zu machen.
Nicht viel besser wäre die Lage eines Forschers am Bodensee
oder im Tauberthal, wenn ihm die für Localgeschichte wichtigen An-
tiquitäten in ein Gentralmuseum nach Garlsruhe entführt werden soll-
ten. Nun liegt freilich eine solche Gefahr wohl nicht vor, da ein guter
Theil der Alterthumsreste in städtischem oder Privatbesitz sich be-
findet. Aber nicht in allen Städten bekundet sich ein solcher Sinn für
die Denkmale der Vorzeit, wie in dem oben erwähnten eisässischen
Städtchen Zabern, obgleich den reichen, rasch aufblühenden badischen
Gemeinden Gelegenheit genug geboten ist, ihre Achtung vor den Wer-
ken der Vorzeit zu bethätigen.
In erster Linie ist die Erforschung und Bewahrung der heimath-
lichen Denkmale ohne Zweifel Sache patriotischer Bürger, und so
fassten von jeher einsichtige Männer ihre Aufgabe, z. B. in Constanz,
Basel, Freiburg, Strasaburg, bis rheinabwärts nach Mainz, Köln, Nym-
wegen. Die Staatshilfe sollte erst dann angerufen werden, wenn Pri-
vatmittel zu grösseren Unternehmungen nicht ausreichen, zumal wenn
es gilt, die werthvollsten Kunstgegenstände vor Verkauf an das reiche
Ausland zn schützen.
Die Stadt F r e i b u r g hat jetzt die kostbare Sammlung H. S c h r e i-
bers durch Vermächtniss erhalten. Es ist zu erwarten, dass nun
durch Zusammenwirken der Gemeinde, der Universität, des anthropo-
logischen und historischen Vereins eine schöne Alterthumssammlung
in der Hauptstadt des Breisgaues entstehe. Ebenso besitzt Constanz
Alterthümer, die sich durch Fundstücke der Bodenseeufer bereichern
lassen, Donau esc hin gen hat die werthvollen Sammlungen des Für-
sten von Fflrstenberg, endlich befinden sich auch in Mannheim und
Heidelberg Museen. Wenn diese alle zweckentsprechend gepflegt,
namentlich wenn die transportablen und der Aufbewahrung würdigen
Alterthumsgegenstände der einzelnen Landschaften in den zugehörigen
Städten ein schützendes Unterkommen finden, so ist für die Kenntniss
unserer Vorzeit reichlich gesorgt. Es ist dies um so eher möglich, als
>) Z. B. C. I. Rh. 608—616. 697. 600. 265. 294.
L.
rv
k
198 AlterthttmsforschuDg am Oberrheio.
in 8ämmtlichen genannten Städten, wie auch in Wertheim und
Tauberbischofsheim höhere Schulen sind, an denen geschichts-
kundige Männer wirken.
Für die grösste und bedeutendste Sammlung des Landes scheint
nun auch eine bessere Zeit zu kommen. In den Jahren 1854 bis 1858
wurde unter den Auspicien des regierenden Orossherzogs von Baden
durch den Herrn A. v. Bayer, Gonservator der vaterländischen Al-
terthümer, ein stattliches Museum zu Carlsruhe organisirt, welches
die im Durlacher Schlossgarten und die zu Baden, anfengs in dem er-
wähnten Tempel, seit 1846 in der alten Trinkhalle aufgestellten Mo-
numente vereinigte. Leider mussten die Alterthttmer schon nach we-
nigen Jahren ihren Au&tellungsraum veflassen, und sie wurden noth-
dürftig an verschiedenen Stellen untergebracht. Im laufenden Jahre
endlich wird ein grosses Gebäude fertig, in welchem die Schätze der
Carter uher Sammlung eine würdige Aufsstellung finden sollen. Mit den
Fortschritten der neuen Aufteilung soll auch mein Bericht seine Fort-
setzung erhalten.
Carlsruhe im Mai 1873.
W. Brambach.
LA.
«f \'K
8. Die an der Oet- und Nordeeite dee Domee zu Köln entdeckten
Reste römischer und mitteialterlicher Bauten.
Hierzu Tafel XV und XVI.
I.
Fnndberieht.
Die Anlage einer den Dom zu Köln an der Nord- und Ostseite
umgebenden Futtermauer bedingte die Abtragung eines grossen Theiles
des mit einer steinernen Erdböschung nach Osten zu abdachenden
Domhägels. Diese umfangreichen Erdbewegungen constatirten zunächst
die Thatsache, dass der sogenannte Domhügel eine künstlich geschaf-
fene Terrainerhöhung sei, indem in wechselnden Lagen Bauschutt,
Scherben, Humusboden und Baureste mittelalterlicher, wie römischer
Bauanlagen zu Tage gefördert wurden. Hiemach und nach der Höhen-
lage der aufgefundenen umfassenden Bauwerke dürfte es als gewiss
anzunehmen sein, dass die Bebauung desjenigen Terrains, welches
heute als Domhügel ca. 19 ' über dem Strassenterrain sich erhebt,
zur Römerzeit im natürlichen Gefälle der Terrainabdachung erfolgte.
Der Domhügel selbst ist demnach eine Anhäufung von Steintrümmern
und Bauschutt, herrührend von den an dieser Stelle zu verschiedenen
Zeiten bis zur Gründung der jetzt den Domhügel krönenden Dom-
kirche errichteten Bauanlagen. Bei Aufgrabung der Fundamente zur
Treppenanlage an der Ostseite des Domes im Jahre 1866 stiessen die
Arbeiter in einer Tiefe von ca. 19 ' unter der Oberfläche des Dom-
hfigels oder ca. 2 ' unter dem heutigen Strassenpflaster zunächst auf
grössere, zerstreut liegende Tuffsteinquadern und Bruchstücke römi-
scher Hauptgesimse aus Jurakalk. Bei 3' Tiefe unter dem Strassen-
terrain wurde demnächst ein gut erhaltenes, aus Tuffsteinquadern ge-
200 ^ Reste römiBcher und mitielalierlicher Bautea am Dom zu Köln.
fertigtes und mit sorgfältig geglättetem rothen Mörtelputz bekleidetes
Wasserbecken (XV d) aufgedeckt. Dasselbe ist achteckig mit beinahe
halbkreisförmig ausgerundeten Begränzungsflächen bei 6 ' 6 " 4 '" lich-
ter Weite und 2 ' 1 " 9 '" Tiefe, bis zur ersten umlaufenden Treppen-
stufe gemessen. Der höher liegende Bassinrand von 1 ' 6 '' Mauerdicke
war zerstört und konnte somit die Gesammttiefe des Wasserbeckens
nicht festgestellt werden. Im Innern des Wasserbehälters läuft ein
Mauerabsatz von 1 ' Breite an allen acht Seiten herum, und sind zwei
Stufen an der Nord- und Südseite von je 1 ' 1 " 6 '" Höhe vorgelegt,
die als Treppenstufen oder Sitzstufen gedient haben können, je nach-
dem das Wasserbecken als Qsteme zum Wasserschöpfen oder als
Badevorrichtung im Gebrauch war.
Dieser Fund gab Veranlassung, nunmehr eine planmässige, und
über das Bedürfniss zur Fundamentirung der Domterrasse hinaus-
gehende Aufgrabung des Domhügels zu veranstalten, und wurde zu
diesem Behufe im Laufe des Jahres 1866 eine Fläche von 120 'Länge
und ca. 30' Breite freigelegt (Tafel XV). Das Ergebniss dieser Nach-
grabungen, welche von dem Unterzeichneten in Gemeinschaft mit dem
Herrn Professor Dr. Düntzer zu Köln geleitet und worüber zur Zeit
in der Kölnischen Zeitung das Wichtigste veröffentlicht wurde, ist
nachstehend auf Wunsch des Vorstandes des Vereins von Alterthums-
freunden zu Bonn unter Beifügung von zwei Situationsplänen über-
sichtlich zusammengestellt
a. Aelteste römische Bauperiode.
Nach Abtragung der östlichen Abdachung des Domhügels in dem
angedeuteten Umfange zeigte sich eine ausgedehnte Bauanlage, be-
stehend aus scheinbar planlos sich durchkreuzenden Tuf&teinmauem,
deren Zugehörigkeit zu zwei verschiedenen Bauwerken römischen
Ursprungs sich bei Aufräumung des Bauschuttes herausstellte. Zur
grossem Deutlichkeit der Ueberschrift sind die in der Richtung
0 P auf dem Grundrisse (Tafel XV) belegenen Bautheile der älteren
Anlage dunkel, die später hineingebauten Mauertheile hell schraffirt.
Die aufgefundenen Fundamentmauern haben eine Dicke von 3 ' 6 ",
während das aufgehende Mauerwerk der Umfangswände meist 2'
stark ist. Spuren eines Fussbodens, wie auch von Mörtelbewurf an
den Mauerresten waren nicht sichtbar.
Reste römischer und miitelaltcrlicher Bauten am Dom zn Köln. 201
b. Neuere Römerbauten.
In die ad a beschriebene Ba^anlage ist nach Abbruch oder Zer-
störung der früher errichteten Gebäude ein Neubau hineingebaut,,
dessen Mauern genau parallel mit der Achse der jetzigen Domkirche
liegen und die in dem Grundrisse Tafel XV mit I. IL III. IV. V be-
zeichneten Räume umfassen.
Der «Raum I, mit einem wohlerhaltenen und sorgfältig geglätte-
ten Estrich aus rothem Ziegelmehlmörtel versehen, der ca. 2 ' unter
dem jetzigen Strassenpflaster belegen ist, dürfte als der Küchenraum
des römischen Hauses zu bezeichnen sein, indem sich daselbst eine
grössere Zahl von Topfscherben, die Theile einer Handmühle, Holz-
kohlen, sowie zahlreiche Knochenreste von Thieren fanden, die, mit
Fischgräten und einer grossen Menge von Austerschalen gemischt,
den Küchenabfall einer römischen Haushaltung vor Augen führte.
Namentlich war die massenhafte Anhäufung von Austerschalen, von
derselben Form, wie die englischen Austern, auffallend. Die in dem
Räume I aufgefundenen vier Säulenreste m. m. m. m. sind zufällig
dort gelagert und standen in einer ca. 6 " starken Schicht von schwar-
zem Brandschutt, der den ganzen Ziegelboden bedeckte. Bei R fand
sich derFuss eines Pilasters mit einem Theile des cannelirten Schaftes
aus Jurakalk (Detail XV R) noch in dem ursprünglichen Lager stehend.
Nachdem die Auf räumung des Brandschuttes in dem Räume I mit
Sorgfalt beendet war, kam der erwähnte rothe Ziegelestrich meist un-
verletzt zum Vorschein, und wurde derselbe nunmehr an mehreren
Stellen durchbrochen, um zu untersuchen, ob Keller- oder Heizungs-
anlagen darunter befindlich seien. Hierbei ergab es sich, dass diese
Räume nicht unterkellert waren und der Estrich sich unmittelbar auf
einer Lage von grossen Steinen ausbreitete, die als Fundr TZnt dienten
und sich bei weiterem Nachsuchen als absichtlich zerschlagene, zum
Theü mit Ornamenten bedeckte Constructionstheile eines Gebäudes
von Jurakalk ergaben. Auffällig und als Beweis der planmässigen Zer-
störung vorhandener Kunstbauten erschien es, dass selbst ein Reiter-
standbild, aus Kalkstein gehauen (nach den wenigen erhaltenen Resten
von ca. Va natürlicher Grösse), behufs Gewinnung von Fundament-
steinen für den Neubau, in Stücke geschlagen wurde.
Den besterhaltenen Theil der ganzen Anlage umfasst der Raum II
mit dem bereits erwähnten Wasserbassin d. Die Umfassungsmauern
aus Tufbteinquadem bei einer Dicke von ca. 4 ' durch eine Isolir-
202 Reste römisoher und mittelalterlicher Bauten am Dom zu Köln.
schiebt von 6 " Breite in ihrer ganzen Länge getheilt, umscbliessen
eine Brunnen- oder Badestabe von ca. 24 ' Breite.
Bemerkenswerth ist es hierbei, dass beinahe an gleicher Stelle
auch in dem älteren zerstörten römischen Gebäude ein Wasserbassin
gestanden hat, wie die nnter dem Fussboden aufgefundenen Spuren
eines zweiten achteckigen Wasserreservoirs andeuten, zu dem die noch
erhaltenen Stufen e führten. Mithin ist anzunehmen, dass an dieser
Stelle zu den verschiedensten Zeiten ein Wasserausfluss gewesen ist,
dessen Zuleitungsrohr leider durch die späteren mittelalterlichen Bau-
ten zerstört wurde. Aus dem Wasserbassin der älteren Anlage führte
der gemauerte Kanal a von 8 '' Weite in südöstlicher Richtung, so wie
aus dem erhaltenen Wasserbecken d ein höher gelegener und mit
Platten gedeckter Kanal c nach Nordosten das gebrauchte Wasser
in die Abzugsgräben. In die Umfassungswand des Wasserbeckens d,
dicht am Boden eingelassen und in den Kanal c eingelegt, befand
sich der ca. 6 ' lange Rest eines gut erhaltenen Bleirohres von 2 "
lichter Weite. Das Rohr, aus Bleiplatten zusammengelöthet, zeigte an
seiner Einmündung in das Wasserbecken keinerlei Vorrichtung zum
Verschluss. Als einer der zu dem Kanal c verwendeten Decksteine wurde
hier ein Weihestein, dem Genius der zu Köln wohnenden Focarii ge-
* widmet (Jahrbücher XLII. 83 flf.), zu Tage gefördert. Der bei XV b
gezeichnete, aus gewöhnlichen Ziegelsteinen neuerer Form construirte
Kanal steht zu der römischen Wasseranlage ausser Beziehung; er
scheint zur Ableitung von Wasser aus den mittelalterlichen Bauanlagen
gedient zu haben. Leider sind die Umfassungswände der römischen
Brunnen- oder Badestube beinahe bis auf den Fussboden abgebrochen
und zerstört, so dass über die Verbindung der Wohnräume unterein-
ander nichts Genaueres festgestellt werden konnte.
Die Räume IIL IV. V. entbehrten eines Fussbodens, und wurde
bei den fortgesetzten Nachgrabungen hier eine grosse Zahl von be-
arbeiteten Ornamenten aus Jurakalk, Münzen, römischen Nadeln und
Topfscherben zu Tage gefördert, die über das Alter der Bauten den
gewünschten Aufschluss brachten.
Zunächst wurde ca. 7 ' tief unter dem jetzigen Strassenpflaster
der Weihestein eines zur Zeit des Titus erbauten Mercurtempels auf-
gedeckt, und nicht weit davon das Bruchstück eines grossen Archi-
travs mit Relief, das zu demselben Tempel gehört hatte. Ueber diesen
Fund, sowie über die hier ausgegrabenen römischen Nadeln, Münzen,
Griffel, Schmucksachen etc. ist bereits in den Jahrbüfchern XLII. 79 ff.
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Ratte römischer und mittelalterlicher Beaten am Dom tu Köln. 208
86 fif. Mittheilong gemacht. Ein Anhalt für die Zeit der Niederlegung
des neueren römischen Gebäudes ergab steh aus den Nachgrabungen
nicht, dagegen muss die Zerstörung nach der Menge des aufgehäuften
Brandschuttes zu urtheilen, durch Feuer veranlasst und so vernichtend ge-
Wesen sein, dass die Spuren jeder Bebauung im Mittelalter vollständig
verschwunden waren, indem die erhaltenen kolossalen Fundament-
mauem S S des auf derselben Stelle später errichteten romanischen
Gebäudes bis wenige Fuss ttber den Bauschutt des Römerbaus hinab-
reichen, und eine Vertiefung der Baugrube um wenige Fuss genfigt
hätte, den gewachsenen Boden zu erreichen.
c Bauwerke aus der fränkischen Zeit.
Nachdem Jahrhunderte hindurch Bauschutt .und Trümmer über
den Ruinen der Römerbauten aufgehäuft und hierdurch die heute noch
bestehende als Domhügel bezeichnete künstliche Terrainanhöhung ge-
schaffen war, begann der Bau eines umfangreichen Gebäudes, dessen
aus drachenfelser Stein errichtete Fundamentmauem auf der Situa-
tionszeichnung XV bei S S verzeichnet sind und deren Entfernung
von einander von Aussenkante zu Aussenkante gemessen 84 ' 9 '' be-
trägt Die auiigehende Mauer über den Banketten hat eine Stärke von
3* 6" und lag ein Fussboden von 3 '' starken, sauber behauenen dra-
chenfelser Hausteinplatten in einer Höhe von 10 ' über dem Fussboden
des römischen Hauses. In der Richtung der südlichen Umfassungs-
mauer wurde 8 ' vom Domsockel entfernt die Basis einer romanischen
Säule von 2 ' 2 " 6 '" Schaftdurchmesser aus drachenfelser Stein ge-
arbeitet, im Lager stehend, ausgegraben (Detail XV £). Die ganze
Breite des Gebäudes, im Lichten ca. 77 ' 9 '' messend, war durch die
Zwischenmauern T T T getheilt.
d. Die römische Stadtmauer.
Bei' Abtragung der den Dom umgebenden Terrasse um 6 ' wur-
den an der Nordseite des Domes die Ueberreste der römischen Stadt-
mauer freigelegt, deren Dicke ca. 8 ' 6 '' beträgt. Auf Tafel XVI ist
der Lauf der römischen Stadtmauer übersichtlich in den jetzigen
Bebauungsplan des DomhUgels eingezeichnet, und zeigt dieselbe auf
der ganzen lÄnge von dem bei d in der Burgmauer noch bestehenden
und zu Wohnräumen ausgebauten fiefestigungsthurm ausgehend bis
zum Thurme a auf der Domterrasse zwei Unterbrechungen in gleichen
Abständen, bestehend in einem bei b belegenen, zum Theil in das
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204 Reste römischer und mittelalterlicher Bauten am Dom zu Köln.
Domfundament eingebauten Thttrme und dem bei c befindlichen soge-
nannten Pfaffenthore, dessen Fundamente neuerdings bei Eanalbauten
freigelegt wurden. Gestützt auf die sich ergebende genaue TJeberein-
stimmung des Abstandes zwischen den einzelnen Befestigungsthürmen
der römischen Stadtmauer wurde versucht, die Lage des nächsten
Thurmes östlich vom Thurme a durch Aufgrabungen zu bestimmen.
Nachdem der Lauf der Mauer auf eine Länge von 210 ' aufgedeckt,
fand sich leider das Mauerwerk bis zu den Fundamenten abgebrochen
und somit jede Spur der römischen Befestigungswerke nach dem Rheine
zu verwischt.
Der bei b belegene Befestigungsthurm (Detail Tafel XVI), dessen
Freilegung bereits in den Jahrbüchern XXXVII, 65 flf. und XXXDL. XL,
111 ff. erwähnt wurde, ist mit sorgfältig hammerrecht behauenen
Grauwackenfeldsteinen verblendet und mit einer Ausgangsthtir nach
dem früheren Wallgraben, der heutigen Trankgasse, versehen. Die
Schwelle dieser Thür liegt 1 ' 3 " über dem Pflaster der Trankgasse,
woraus erhellt, dass eine wesentliche Veränderung in der Höhenlage
der Strassenoberfläche in diesem Theile der Stadt Köln seit der Bö-
merzeit nicht stattgefunden hat. Nicht unwichtig für die Bestimmung
der Zeit der Erbauung der römischen Befestigungsmauer durfte es
sein, dass die Decke des untern Gemaches des Thurmes bei b nicht
durch Wölbung, sondern durch eine 4 ' dicke Platte aus Gussmauer-
werk hergestellt ist.
Sämmtliche bei den Ausgrabungen in der Umgebung des Domes
aufgefundenen Architekturtheile, Inschriftsteine,. Utensilien, Münzen
und Gefässe, von künstlerisch hervorragender oder archäologischer und
historischer Bedeutung sind dem städtischen Museum zu Köln über-
wiesen und im Katalog der römischen Alterthümer 0 und in diesen
Jahrbüchern XLII, 79—88 beschrieben.
Beim Bau der neuen Umfassungsmauer der Domterrasse und des
Treppenbaues an der Ostseite sind die Reste der römischen Anlagen^
namentlich das Wasserbecken, thunlichst erhalten und sorgfaltig
überwölbt.
Die Aussicht, durch bedeutendere Bauausführungen auf dem der
rheinischen Eisenbahn- Gesellschaft gehörigen Terrain zwischen, der
Brückenrampe und der Trankgasse Gelegenheit zu finden, die Auf-
grabungen der römischen Befestigungswerke gegen den Rhein zu weiter
0 II, 7. 8. 27. 32*. 36. 160» . 163 1- K 163. 164.
h
Reste römisoher and mittelalierlicher Bauten am Dom su Köln. 206
frei zu l^en und die begonnenen Nachgrabungen zu vervollatändigen,
hat sich bis heute nicht verwirklicht, und erschien es somit angemessen,
die Publication der durch die bisherigen Ausgrabungen erlangten Re-
sultate und Aufschlüsse über die älteste Baugeschichte Kölns nebst
den dazu gehörigen Situationszeichnungen und Detailaiifnahmen den
Freunden vaterländischer Geschichte nicht länger vorzuenthalten.
Der Dombaumeister Voigtel.
n.
Ergebnisse.
Der vorstehende genaue Fundbericht des Herrn Begierungs- und
Baurath Voigtel gibt zunächst erwünschte Auskunft über die Reste
zweier römischen Gebäude, von denen das erste sich so rasch und,
man möchte sagen, übereilt auf den Trümmern des andern erhob, dass
der noch erhaltene ganz gemauerte Abzugscanal a, der für das neue
Wasserbassin d unbrauchbar geworden war, nicht einmal beseitigt,
sondern nur so weit abgebrochen wurde, als er hinderlich war; denn
derselbe mündet keineswegs in das neue Wasserbassin, sondern reichte
nur bis an dasselbe hinan, da man unmittelbar an demselben ihn ab-
gebrochen hatte. Ausser diesem alten Abzugscanal hat man die Spuren
eines altern Wasserbassins unten im Fussboden fast an derselben Stelle
gefunden, wo auch die zu diesem führenden Stufen e. Gehörte dieser
Abzugscanal zu dem altern Wasserbassin, so muss dieses etwas höher
gelegen haben, da er jedenfalls noch eine Strecke weiter führte; dass
früher das Wasser südöstlich, später nordwestlich abgeführt wurde,
war durch die neue Einrichtung des Abflusses bedingt. Finden wir
nun fast ganz an derselben Stelle im altern wie im neuern Baue ein
Wasserbassin, so dürfen wir wohl annehmen, beide Gebäude seien zu
demselben Zwecke bestimmt gewesen und das neue habe in seiner
ganzen Einrichtung wesentlich dem alten entsprochen. Von diesem
haben sich sonst nur Reste von Tuffsteinmauern >) östlich von dem
^) Ueber die Verwendung des Tufifsteins bei den Römern, welche durch
ansere Entdeckung eine wesentliche Bestätigung erhält, hat der Wirkl. Geh.
Rath* Yoo Deohen Jahrb. ICKXVIII, 1 ff. gehandelt.
i.l-* '
^Nv
206 Reste römifober und mittelalterUoher Bauten am Dom su Köln.
Wasserbassin erhalten, die weder von der Eintheilung der Räume
noch von dem Umftinge des Ganzen eine Anschauung geben; ja bei
der Oewalt der Zerstörung kann man zweifeln, ob dieselben ganz an
ihrer ursprünglichen Stelle sich befinden. Sie stehen auf gewachsenem
Hoden, woraus sich ergibt, dass auf diesem kein früheres Gebäude ge-
standen haben dürfte.
Wenden wir uns zu dem neuen Gebäude, so zieht hier zunächst
das in einem Gemache von 24 ' Breite und entsprechender nicht genau
zu bestimmender Länge befindliche Wasserbassin (vgl. die Detaikeich-
nung XV oben links) unsere Aufmerksamkeit auf sich, das wir als
baptisterium^ wie Plinius (epist. II, 17, 11. V, 6, 25) das Bassin
zum kalten Wasserbade nennt, wie dt^s Gemach, in welchem es sich
befindet, nach demselben als cella frigidaria bezeichnen. Im Gym-
nasium hiess nach Vitruv (V, 11, 2) das kalte Bad frigida lavatiOj
bei den Griechen lovtQoy, davon ist das frigidarium (Eühlstube)
verschieden, das wir auf der berühmten Abbildung aus den Thermen
des Titus zwischen dem elaeothesium (Oel- und Salbenzimmer)
und dem tepidarnffu (der lauen Stube) finden. Das frigidarium
war eben so wenig, wie das tepidarium mit einer Vorrichtung zum
Baden versehen; beide dienten zum Ausruhen (residere). Wenn
Sidonius ApoUinaris (epist. II, 2) piscina als römischen Namen des
baptisterium bezeichnet, so ist dies für die frühere Zeit irrig; denn
die Piscina befindet sich im Freien und hat eine weitere Ausdehnung,
wie sich aus den angeführten Stellen des Plinius ergibt Unser Was-
serbassin entspricht in den wesentlichen Punkten dem freilich grossem,
kostbarem und runden in den Thermen zuPompeii, das 12' 9" oben
im Durchmesser, einen 10' unter dem Rande, 2' 4" oberhalb des
Bodens umlaufenden Sitz von 1 1 ' Breite und an der einen Seite eine
Stufe zum Ein- und Aussteigen hat. An unserm Bassin war nördlich
und südlich ein Absatz zum Ein- und Aussteigen ; der Sitz hatte die-
selbe Breite wie in Pompeii. Wenn sich kein Verschluss an dem Ab-
zugscanal c gefunden hat, so mag dieser mit dem erhaltenen Blei-
rohre in Verbindung gestanden und sich bei der gewaltsamen Zerstö-
rung verloren haben; keinenfalls dürfte dieser gewiss nicht ursprüng-
liche Mangel gegen die Bestimmung des Beckens zum kalten Bade
einen haltbaren Grund abgeben. Woher das Wasser zum Bade kam,
lässt sich nicht mehr bestimmen. Zu Pompeii strömte es aus einer
kupfernen, dem Eingange gegenüber, etwa 4' über dem Boden
befindlichen Röhre, die es durch andere Röhren aus einem grossen
Reste römiBcber and mittelalterHoher fiauten am Dom eu Köln. 207
Wasserbehälter brachte. Da der Eingang in unsere cdla frigidaria,
nach der altem Stufe e zu schliessen, östlich war, so dQrfte das Was-
ser westlich eingeströmt sein. Wahrscheinlich kam der Wasserzi^uss
aus der öffentlichen Wasserleitung. Der Ziegelcanal ist viel jungem
Ursprangs.
Ausser der ceSa frigidaria ist die Entdeckung der Küche,
adina, von grosser Wichtigkeit. Nördlich erstreckte dieselbe sich in
ihrer grossem Länge bis zu Pfeiler R (Detailzeichnung XV unten
links), in der kleinern bis zur Mauer des südlich von der c^a fri-
gidaria befindlichen Gemaches, etwa eines Vorraumes der Küche,
wie wir ihn auch sonst wohl zum Anrichten der Speisen finden; ihre
Breite wird nur an der engsteja Stelle durch das westlich und östlich
daran stossende Gemach bezeichnet. Die Form der Küche ist dieselbe,
wie zu Pompeii in der casa della caccia und in der casa del poeta
tragico. Der Eingang war wohl durch jenes als Vorraum bezeichnete
Gemach oder weiter südwestlich, so dass sie am Eingang die geringste
Länge hatte. Die Küche ist meistens im hintersten TheUe des' Hauses,
seltener im mittlem, am seltensten in der Nähe des Einganges, neben
dem atrium] meistentheils liegt sie an der Strasse oder ist nur durch
ein Gemach von dieser getrennt. Wir gehen wohl nicht fehl, wenn
wir auch hier den gewöhnlichen Fall annehmen und die ctdina uns
hinter der ceUa frigidaria im äussersten Theile des Hauses den-
ken; denn dass wir es mit einem Privathause zu thun haben,
zeigen uns eben die Küche und das für den öffentlichen Gebrauch zu
kleine baptisterium. Demnach würden wir die schmale Frontseite
des Hauses nördlich, der Trankgasse gegenüber, die Hinterseite süd-
lieh, nach dem Domhofe zu, die westliche Strassenseite eine beträcht-
liche Strecke jenseit des Wasserbassins, die östliche nicht sehr weit
jenseit der ausgegrabenen Beste der Mauer und des Küchenestrichs
anzunehmen haben. In einem Hause, welches ein kaltes Bad hatte,
dürfte, bei der Unentbehrlichkeit warmer Bäder, ein solches kaum
gefehlt haben. Die Einrichtungen zu den warmen Bädern befanden
sich westlich, hier wahrscheinlich südwestlich, von der cdla frigidaria.
Von dem nördlich von dieser gelegenen Theile des Hauses ist wenig
zu sagen; nur vier Gemächer desselben lassen sich nach den erhal-
tenen Mauerresten unterscheiden, über deren Verbindung und Ver-
wendung aber nichts mit Wahrscheinlichkeit sich vermuthen, eben so
wenig, wie weit sich das Haus noch gegen Norden ersteckte. Die Zer-
störung war hier zu gewaltig; von dem alten Gebäude hat sich hier
> -
208 Reste römisoher^nnd mittelalterlicher Baaten am Dom tu Köln.
gar nichts erhalten^ [dagegen fand man hier den Weihestein und ein
Relief des unter Titus erbauten Mercurtempels in einer Tiefe von 7 ',
gleich vor der Wendung der neuen Umfassungsmauer der Domterrasse.
Dass gerade hier der Mercurtempel gestanden, wird man nicht be-
haupten dürfen, da bekanntlich Trümmerreste von Gebäuden und In-
schriften oft weit verführt wurden, wie wir denn in Köln selbst ein
schlagendes Beispiel besitzen, dass Stücke derselben Inschrift in weiter
Entfernung von einander aufgefunden wurden (vgl. Jahrb. XLI, 125 fif.}.
Hier kommt noch dazu, dass bei dem zweiten römischen Baue nach-
weislich Gebäudetrümmer, ja Stücke von einem zerschlagenen Reiter-
standbilde, dessen Reste sich leider nicht mehr zusammenfügen Hessen,
verwandt worden sind, um einen festen Boden zu gewinnen. So wenig
jenes Reiterstandbild an der Stelle des Hauses gestanden hat, auf dem
der zweite Bau errichtet worden, so wenig können wir behaupten,
dieser Weihestein mit dem Reliefsteine rühre von einem an dieser
Stelle gestandenen Mercurtempel her, sei nicht von einer andern Stelle,
die wir uns näher oder ferner denken können, hierher gebracht worden.
Bei der grossartigen Zerstörung, welcher der älteste Hausbau zum
Opfer fiel, war auch in der Nähe desselben, besonders auf dem Dom-
hofe, den wir als römisches Forum nachgewiesen zu haben glauben,
so vieles zertrümmert worden, dass man bei der Grundlegung diese
Trümmer zu benutzen sich wohl veranlasst finden konnte. Bediente
man sich ja auch eines Weihesteines, der gewiss nicht ursprünglich
in diesem Hause gestanden hatte (Jahrb. XLH, 83 ff.), zur Deckung
des Wasserabflusses.
Bei einer für die älteste Geschichte Kölns so wichtigen Thatsache,
wie diese Entdeckungen an der Ost- und Nordostseite des Domes sind,
gebietet es der Ernst der Sache, irrige Angaben als ^solche zu be-
zeichnen. In den >Annalen des historischen Vereins für den Nieder-
rheiutt (XVIII, 295 ff.) behauptet Herr Archivar Dr. Ennen: »Nach
Ausweis der örtlichen Ausgrabungen ist nur die Thatsache unzweifel-
haft, dass hier (an der Stelle des jetzigen Doms) ein römischer Tem-
pel sich befunden hat. Bei den Erdarbeiten für die Terrassenanlage
zwischen dem Domchor und der Brückeurampe haben sich dekorirte
Säulen-, Fries- und Täfelungsreste gefunden, die darauf hindeuten,
dass an dieser Stelle ein bedeutender Bau gestanden haben müsse.«
Darauf gedenkt er jenes von mir gleich auf einen von den Augustalen
des Titas gebauten Mercurtempel bezogenen Weihesteins ^) aus dem
^) Brambach gibt Add. 20i0 die Ergänzung: (Mer)curio Äugu8t{o pro
Reste römischer and mittelalterlicher Bauten am Dom za Köln. 209
er nichts weiter will schliessen können, als ndass wir es hier mit einem
Tempel des Titos (?) zu thun haben» der von einem (?) Augustalen
quoad (?) maceriem et in drcuüu (?) errichtet worden ist«. Beim Ein-
dringen der Franken soll dieser Tempel in Trümmer gefallen »und
nach Glodwigs Bekehrung wohl an der Stelle jenes Tempels eine
christliche Kirche erbaut worden sein, zu dem etwa jenes dort ent-
deckte Wasserbecken gehört haben möge, das. zwei Abflüsse gehabt
habe. Dafür, dass hier in der merowingischen Zeit »ein kräftiger Kir-
chenbautt gestanden habe, werden die im Fundbericht unter c be-
schriebenen Ausgrabungen angeführt. In seiner historischen Einleitung
zu den Domzeichnungen des Architekten Franz Schmitz S. 3 ent-
scheidet Ennen sich für die Annahme, )^ass schon in merowingischer
Zeit die Verlegung der bischöflichen Kirche von Gäcilien nach der
Nordostecke des alten römischen Köln beliebt. worden und dieser ein
römischer Tempel des Mercur (einen solchen nimmt er also jetzt auch
an) habe Platz machen müssen (wonach er also, wie es scheint, nicht
zerstört war). ' Alle diese Behauptungen zerfallen vor der Thatsache,
dass wir an der betreifenden Stelle die Reste zweier römischen Häuser
haben, von denen das eine sich auf den Trümmern des andern erhob
und dass jedes derselben ein Wasserbecken hatte, das mit dem spätem
Gebäude nicht in der allergeringsten Verbindung stand, sondern unter
dessen Fundamenten lag.
Fragen wir aber, in welche Zeit die Zertrümmerung des ältesten
Baues fallen möge, so kennen wir eine solche wilde Zerstörung Kölns,
wie sie hier vorausgesetzt werden muss, nicht vor dem Jahre 355 in
den Stürmen nach dem Sturze des Silvanus. Die Franken zerstörten
die Stadt damals völlig, wie Ammianus berichtet (XVI, 3, 1); sie hob
sich aber bald wieder, als Julian zwei Jahre später mit den Franken
Trieden schloss und sie neu befestigte (daselbst 2). Eine zweite Zer-
störung durch die Franken erfolgte nicht, wie wir aus der Schrift des
Presbyters Salvianus zu Massilia de gubematione dei sehen, der
' von einer viermaligen Zerstörung Triers zu seiner Zeit spricht, die Jn
salMAe %m'pe)raior%S'^ aber die dann aaefallende Erwähnung des V^eihenden
darf nicht fehlen, und es werden dabei am Anfange der zweiten Zeile mehr
Buchstaben ergänzt, als nach Ausweisung der übrigen Zeilen hier gestanden
haben können. Nur darin bin ich bereits im Museumskatalog (Nr. 7) von mei-
ner frühem Deutung (Jahrb. XLU, 79 ff.) abgewichen, dass ich nach Caesar is
das nach durchgängiger Regel nöthige Augusti angenommen habe.
14
210 Reste römischer und Tnittelalterlicber Bauten am Dom zu Köln.
•
einen Schutthaufen verwandelt sei, aber dennoch verlange das Volk
vom Kaiser circensische Spiele (VI p. 184, 198, 201), während er von
Köln sagt, dort fänden jetzt keine Schauspiele mehr statt, weil es vom
Feinde besetzt sei (hostibus plena VI p. 184). Köln scheint auch gemeint,
wenn dieser fromme Polterer von einer Stadt Galliens, die fast eben so
mächtig sei wie Trier, aus eigener Anschauung berichtet, deren Wohl-
stand und Sitten eben so zu Orunde gerichtet würden (VI p. 200).
»Denn da ausser andern dort durch die hauptsächlichen und allgemeinen
Laster Habsncht und Trunksucht alles ins Verderben gestürzt war,
stieg endlich die'wüthende Gier nach Wein so hoch, dass die Vor-
nehmen der Stadt selbst damals von ihrem Gelage sich nicht erhoben,
als der Feind schon die Stadt betrat.« Wir dürfen es, wie viel üeber-
treibung auch sonst bei Salvianus unterlaufen mag, wohl als That-
Sache betrachten, dass die Franken damals sich Kölns ohne Gewalt
bemächtigten. Salvianus, der erst im Jahre 495 in' höchstem Alter
starb, schrieb diese Schrift um das Jahr 439; er selbst war in der
Gegend zu Hause und hatte dort Verwandte (epist. 1). Erst bei dem
Rückzüge Attilas über Köln, im Jahre 451, erfolgte eme zweite Zer-
störung der Stadt durch die Hunnen. Kessel hat in seiner Schrift:
p'_ »St. Ursula und ihre Gesellschaft« (1843) die geschichtlichen und
^'. sagenhaften Berichte über diese Verwüstung Kölns zusammengestellt.
f Damals wurde das noch keine hundert Jahre alte römische Haus durch
Brand vernichtet. Nach Attilas Abzug blieben die Franken im Besitze
5ir
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il' der Stadt, die sich aber nur schwer und langsam von dieser zweiten
W Zerstörung erholt zu haben scheint. Wir bemerken hierbei, dass man
t. nach Ennen )»Geschichte der Stadt Köln« I, 90 f., auch bei den Aus-
schachtungen für die neue St. Peterspfarrschule Spuren zweier Bau-
perioden gefunden haben will. Das dreifache Pflaster, auf welches man
auf der Breitstrasse bei Ausgrabungen nach dem Berichte des frühem
Apothekers Brocke gestossen sein soll (Jahrb. XX, 27 f.), wollen wir
^ hier ausser Betracht lassen.
i Lange Zeit verging, ehe über dem Schutte sich ein neues Ge- ^
1 bände erhob, wie dies bereits der Fundbericht durch den thatsäch-
r ^ liehen Verhalt bewiesen hat. Der Plattenboden dieses Gebäudes befand
^ sich 10' über den Trümmern des zweiten römischen Baues; die ko-
lossalen Fundamente reichen fast bis auf die römischen Trümmer
herab, die man hier nicht mehr ahnte. Die unten, besonders in den
Fundamenten sehr dicken Umfassungsmauern schliessen einen Baum
von 77 ' 9 '' ein, der durch drei Zwischenmauern abgetheUt war, von
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Reste römischer and mittelalterlicber Bauten am Dom za Köln. 211
denen die beiden am entferntesten von einander stehenden einen Raum
von 48 ' begrenzten ; die nördliche war 8 ' 6 " von der Umfassungs-
mauer, die südliche bloss 2 ' von dieser, von der nächsten Wand 7 '
entfernt. Für die Breite des Gebäudes haben wir keinen Haltpunkt.
9' 6" von der südlichen Umfassungsmauer wurde die nördliche eines
zweiten Gebäudes entdeckt. Die Fundamente scheinen am wenigsten
auf eine Kirche zu deuten, welche eine viel stärkere Stütze verlangen
würde. Am nachten liegt es^ hier an eine grosse Halle zu denken.
Vielleicht gehörte diese Halle zu dem ältesten eigentlichen Domstift,
dem monasteriumy in welchem' sich auch die Elosterschule befand,
war der Kapitelsaal oder der Speisesaal. Vgl. Boisser^e Jahrb. XII,
137 f. Freilich finden wir das Domstift später an der Nordseite des
Doms, und ein gleiches ist von Boisserde S. 136 f. an der Südseite
vermuthet worden, aber nichts steht der Annahme entgegen, nach
der Zerstörung des alten Domstifts sei dieses näher an die hergestellte
Domkirche gerückt worden. Ennen bringt (I, 732) die Errichtung der
Stiftswohnungen an der Nord- und Südseite mit der von Günther be-
willigten, von Wilbert anerkannten Gütertheilung zwischen dem Erz-
bischof und dem Domcapitel (I; 205 f. 212) in Verbindung. Mag aber
auch diese Theilung das Domcapitel bewogen haben, aus eigenen Mit*
teln die Stiftswohnung an die spätere Stelle zu verlegen, besonders
massgebend dürfte dafür doch die Zerstörung des alten Gebäudes ge-
wesen sein. Die Möglichkeit, dass unser Gebäude das paUxtium ge-
wesen, haben wir früher (Jahrb. XLH, 113) zugestanden^ aber wahr-
scheinlich dürfte es schon nach der Fundamentirung des Baues kaum
sein. Mag auch das römische Prätorium, das wir auf dem Rathhaus-
platze mit Ennen (Jahrb. XLI, 60 ff.) annehmen müssen, durch die
Franken oder durch die Hunnen zerstört worden sein, einer der frän-
kischen Hausmeier würde wohl einen Palast eher auf der alten Stelle
des Prätoriüms gebaut haben. Dass die Sage von dem pälatium
Karls des Grossen an dieser Stelle keinen geschichtlichen Halt hat,
gibt auch Ennen jetzt zu (a. a. 0. 299), da er meint, Andeutungen)
dass hier unter den Merovingem ein kräftiger Eirchenbau gestanden,
hätten sich in den jetzt noch sichtbaren, kräftigen, scheinbar von einer
Kirche herrührenden Seitenmauem und den vielen dort gefundenen
Steinsärgen ergeben. Dass jene Baureste auf nichts weniger als auf eine
Kirche deuten, haben wir gesehen, und was jene Steinsärge betrifft,
so wurde der Raum, auf welchem das Gebäude gestanden hatte, später,
als die Beste mit Schutt und Erde überdeckt waren, zum Kirchhof
l
't
I
212 Reste römisoher und miitelaltorlicber Bauten am Dom eu Köln.
benutzt. Man hat dort in einer Tiefe von angef&hr 8 ' eine Reihe Särge
der Art ausgegraben, wie sie Herr Geh. Regierungsrath von Quast
(Jahrb. L. LI, 108 ff.) ausführlich beschrieben und erörtert hat. Grab-
steinplatten mit Inschriften liegen noch jetzt rechts vom Domchor im
Boden.
Die Zerstörung dieses fränkischen Gebäudes erfolgte unzweifel-
haft durch die Normannen. Nachdem diese wilden Schaaren schon
mehrmal in Köln gewesen (die Annales Golonienses brevissimi bei
Pertz I, 97 melden unter dem Jahre 856 : Combustio Goloniae secunda
vice ; elf Jahre vorher hatten sie die Kirche und das Kloster des hei-
ligen Martin auf der Rheininsel verwüstet), erfolgte 881 die Zerstö-
rung der Stadt, die zwei Jahre später mit Ausnahme der Kirchen und
Klöster hergestellt wurde (Pertz I, 394). Noch 891 sagt Papst Ste-
Stephan VI: Basilice et omi^es fabriee domorum Cohniensium
dvücUis igne combuste perierunt. Damals wurde auch das frän-
kische Gebäude, das sich auf den römischen Trümmern erhoben
hatte, völlig zerstört, um nie wieder aufgebaut zu werden. Einen
bestimmten Haltpunkt zur Bestimmung der Zeit, wann dieses Ge-
bäude entstanden, bietet auch der dort stehend gefundene Säulenstumpf
nicht dar.
Ennen hat die Aufgrabungen am Dome benutzt, um meiner Be-
hauptung, Hildebold habe keinen Neubau des Domes begonnen (Jahrb.
XL, 102 ff.), ihre Stütze zu entziehen; aber dies war nur mögUch,
bei der auf mangelhafter Kenntniss der aufgefundenen Reste beruhen-
den Voraussetzung von einem dortigen römischen Tempel und einer
an dessen Stelle erbauten christlichen Kirche. Seine Annahme, »die
alte bischöfliche Kirche habe auf dem jetzigen Domterritorium, und
zwar zwischen dem hohen Chor und der alten Kirche St. Maria ad
gradns gestanden u^ vrird durch das wirklich bei den Aufgrabungen an
der Ostseite des Doms Aufgefundene widerlegt.
Der neueste Geschiclitsschreiber der Stadt Köhi hatte (I, 193 f.)
die Inschrift des 804 gestorbenen Alcuin, nach welcher Hildebold im
Auftrage Karls des Grossen einen Petersaltar in einer Peterskirche
mit edlen Metallen schmückte, auf den schon vollendeten westlichen
Theil von Hildebolds Neubau bezogen, und die Vermuthung geäussert,
dieser habe den Grundstein zu seinem neuen Dom zur Feier der Er-
hebung der kölnischen Kirche zur Metropolitankirche gelegt, obgleich
Hildebold erst 806 als Metropolit erscheint. Meine Behauptung, der
Kaiser habe kaum einen Altar der alten Peterskirche mit einem so
.c
Rosto römischer nnd mittelalterlicher Bauten am Dom zu Köln.
218
kostbaren Schmucke bedenken können, wenn Hildebold sich mit der
Gründung eines neuen getragen hätte, glaubt Ennen in dem ange-
führten Aufsatze der DÄnnalenu mit der Bemerkung abfertigen zu
können (S. 30 1), Karls Auftrag schliesse nicht aus, dass Hildebold
eine neue Domkirche zu bauen beabsichtigt oder bereits begonnen
habe, da die Ornamente leicht in den neuen Bau mit hätten herüber-
genommen werden können. Freilich wenn die alte Kirche abgebrochen
wurde, aber nicht, wenn, wie Ennen früher annahm, die alte bischöf-
liche Kirche die der heiligen Cäcilia war und diejenige, welche er
jetzt zwischen die Kirche Maria ad gradus und den Hildeboldsdom
setzt, ein Nebelbild ist. Einen Altar einer noch benutzten Kirche seines
Schmuckes zu berauben, ging unmöglich an. Auch will mir scheinen
dass, wenn Hildebold damals einen neuen Bau beabsichtigt oder gar be-
gonnen hätte, Alcuin unmöglich von der zum Abbruch bestimmten
alten Kirche mit solcher Erhebung und solchem Preise hätte sprechen
können, wie er es hier thut, wo er, nachdem er den Klerus aufgefor-
dert hat^ für den Kaiser das heilige Messopfer darzubringen, mit den
Worten schliesst:
Hdec est cdma domus donis solidata supernis.
Jetzt gedenkt Ennen auch der von mir erwähnten Verse Alcuins
auf den Medardusaltar, wobei er aber nicht von einem Auftrage des
Kaisers sprechen durfte, da Alcuin nur sagt, Hildebold habe aus Liebe
zu Christus, der Jungfrau Maria und dem heiligen Medardus diesen
Altar geschmückt, und selbst in der Ueberschrift ist von Karl dem
Grossen nicht die Rede. Man sollte doch denken, Hildebold hätte einen
solchen Schmuck eher einem Medardusaltare seiner neuen Domkirche
zugewandt. Da kommt freilich die Annahme einer altern in der Nähe
stehenden Kirche sehr gelegen, bei welcher Ennen eben nur übersieht,
dass er damit gerade mit den Berichten, auf denen der Hildeboldsdom
einzig beruht, in Widerspruch tritt, da diese behaupten, erst Hilde-
bold habe die bischöfliche Kirche aus der Cäcilienkirche nach seinem
neuen Dome verlegt.
Mit der jeder Grundlage entbehrenden Annahme einer frühern
Domkirche in der Nähe der von Hildebold begonnenen kann Ennen
freilich leicht meine übrigen Beweise gegen den Hildeboldsdom aus
dem Felde schlagen. Worauf aber beruht jener Hildeboldsdom ? müs-
sen wir noch einmal fragen. Wir wissen, dass unter Wilbert bei der
Provincialsynode vom Jahre 873 die Weihung der Domkirche statt-
fand, welche die anwesenden Bischöfe als suae ecclesiae id est
214 Reste römischer and mittelalterlicher Bauten am Dom zu Köln.
domtss dedicatio bezeichnen. Die ältere Chronik der Erzbischöfe
berichtet von Wilbert: Dedicavit ecdesiam sandi Petri ow^i-
quam. Nun deuten dedicare und dedicatio keineswegs nothwendig
auf einen Neubau hin; sie stehen von jeder Weihung, sowohl von
einer consecratio als von einer reconciliaUo. Die entgegenge-
setzte Behauptung Ennens (S. 302), der sich auf das Brevier, das
Missale und das Gaeremoniale beruft, die doch für eine so frühe Zeit
unmöglich etwas beweisen können, ist eben irrig, weil sie den altern
Sprachgebrauch ausser Acht lässt *). Aber selbst wenn man dedicatio
im Sinne von consecratio nehmen zu müssen glaubt, würde daraus
höchstens nur nach Ennens eigener Bemerkung »eine umfangreiche
Reparatur» folgen, und eine solche konnte sich nach den Stürmen der
Kirche, die Wilberts Bestätigung an der Stelle des geächteten Günther
vorhergegangen waren *), ja bei dem Schaden, den der Blitz schon im J.
857 angerichtet hatte, wohl als nöthig erweisen, ja setzen wir über-
haupt, wie wir thun müssen, eine ältere Kirche voraus, was wissen
wir von dem Zustande derselben, das uns irgend hinderte anzuneh-
men, die dedicatio habe einer umfangreichen Wiederherstellung,
keinem Neubau, gegolten? Und ist nicht die dedicatio eines vor sieb-
zig Jahren begonnenen Neubaus an sich höchst auffallend? Und wür-
den die Bischöfe, wenn von einem so grossartigen schon von Hildebold
begonnenen völligen Neubau die Rede wäre, sich mit der einfachen
Bezeichnung sua eccUsia id est domus in ihren Schreiben begnügt
haben? Die Angabe in Rudolfs A/nnaies Fuldenses , im Jahre 857 habe
') Walafridus Strabo de rebus eccleBiasticis sagt 9: Notandum vero, quod
non tuntum in prima constitutione templi dedicatio est cdehrata, sed etiam se-
cundo vel tertio post eversionem et profanationem eittsdefn templi propter pec-
cata popüli perpetratam a genttbus. Auch von Kirchen der Ketzer wird der
Ausdruck dedicare gebraucht. Vgl. Martene de ecclesiae ritibus II, 15, 7. Man
vergleiche auch die Aeussemng des Papstes Vigilius daselbst p. 322. Die be-
stimmte Fixirung des Ausdrucks reconciliatio, neben reconsecratio, kann für
das neunte Jahrhundert nicht erwiesen werden.
>) In dem Schreiben der Kölner an den Papst Hadrian II. von 871 oder
872 heisst es: J^ cum septennio eodem pastore (Quntha/rio) essemus privaJtit innume-
rabites susiinuimus cedeSy wistationes^ predas, fraudes, durasgue dominationes.
Sollte der Dom damals nicht selbst gelitten haben und auf jede Weise entweiht
worden sein? Eüess es ja sogar, böse Geister hätten dort ihr Spiel getrieben
und am Tage vor der Weihe gejammert, dass sie von dem gewohnten Sitze wei-
chen müssten (Anselmi gesta episcoporum Leodensium bei Periz VII^ 200).
r
I
RobIo römischer und mittelalterlicher Bauten am Dom zu Köln. 215
sich za Köln das Volk bei einem schweren Gewitter in die basilica
sancti Petri geflüchtet, in welche während des Glockeigeläutcs der
Blitz eingeschlagen und drei Personen am Marien-, Petrus- und Dio-
nysiusaltare getödtet habe, weist unwidersprechlich auf eine im vollen
Dienste befindliche Kirche hin, die nicht erst sechszehn Jahre später
zum erstenmal geweiht werden konnte. Freilich kann man dieses
schreienden Widerspruchs sich dadurch entledigen, dass man, wie £n-
nen in Folge meiner Widerlegung der Sage vom Hildeboldsdome thut,
neben diesem, dessen Bau doch unter Hildebold begonnen haben soll,
I ganz in der Nähe desselben eine ältere Peterskirche annimmt, von
welcher sich nicht die geringste Spur findet, wie es an sich höchst
unwahrscheinlich ist, dass man eine neue bischöfliche Kirche an einer
andern Stelle in nächster Nähe der alten gebaut habe; denn man
baute eine neue ^ Kirche an der Stelle der alten, wenn man auch den
Raum derselben erweiterte, und so muss auch der Dom, der im Jahre
873 geweiht wurde (denn domus nennen ihn nach bekanntem Ge-
brauche schon die bei dessen Weihung anwesenden Bischöfe), auf der
Stelle der ältesten bischöflichen Kirche gestanden haben. Es ist nicht
das erstemal, dass man, um eine falsche Nachricht oder Sage zu stützen,
statt einer Person oder eines in Bede stehenden Ortes oder Baues
zwei annimmt, wodurch man neben dem einen überlieferten Irrthume
glücklich einen zweiten zur Stütze desselben erfundenen erhält. Aber
in vorliegendem Falle muss dazu auch noch das zu Grunde liegende
Zeugniss willkürlich verändert werden, da nach diesem Hildebold es
war, der die bischöfliche Kirche aus der Gäcilienkirche nach der neuen
Peterskirche, dem alten Dome, verlegte.
Wie steht es aber mit jenem Zeugnisse, auf das sich Ennen von
neuem stützt? Dass ich darauf zurückkommen muss, ist nicht meine
Schuld. Ennen belehrt mich : »So lange nicht der positive Nachweis ge-
liefert wird, dass Nachrichten mittelalterlicher Chronisten falsch oder
verbürgten Thatsachen widersprechend sind, ist man nach anerkannten
Grundsätzen einer richtigen Behandlung historischer Verhältnisse be-
fugt, an solchen Nachrichten festzuhalten.« Ich stelle diesem den an-
dern Satz entgegen, dass man bei allen Nachrichten,^ bei denen die
Parteiliebe des Berichterstatters ins Spiel kommt, sehr auf der Hut
sein muss, besonders dann, weim das, was wir ihnen glauben sollen,
von früheren Schriftstellern nicht erwähnt wird, welche desselben hätten
gedenken müssen, wenn sie davon Kunde gehabt. Die älteren Annalen
der Erzbisehöfe von Köln gedenken bei Hildebold mit keiner Silbe
^.\
I*
216 Reste römischer und mittelalierlicher Bauten am Dom zu Köln.
eines Dombaues ; das erste, was sie vom Dome berichten, ist eben jene
dedicatio unter Wilbert. Der erste Grundsatz der geschichtlichen
Forschung ist sorgfältige Untersuchung der Glaubwürdigkeit der Quel-
len, das »Trau schau wem«. Ennen spricht von mittelalterlichen Chro-
nisten; es handelt sich aber nicht um einen solchen, iJondern um die
parteiische Behauptung eines eifersüchtigen Stiftspatriotismus, wenn
mir der Ausdruck erlaubt ist, dessen Gebaren der Geschichtsforscher
mit derselben Strenge behandeln muss, wie den eiteln Stadtpatriotis-
mus, da beide eben gewissenlos die Geschichte zu fälschen pflegen.
Die älteste zur Zeit meines betreffenden Auiisatzes bekannte Er-
wähnung jenes Hildebolddomes ^) befindet sich in einer bis zum Jahre
1369 reichenden Synopsis brevissima archiepiscoporum Cohniensmnf
welche den Dom einmal basüica Hüdeboldi archiepiscopi nennt; die
Abschrift derselben dürfte noch jünger sein. Nicht älter wird die an-
dere Quelle sein, die uns Ennen jetzt erschliesst und als Grundlage
des Berichtes von Gelen nachweist. Es ist eine Handschrift aus dem
Ende des fünfzehnten Jahrhunderts, die sich im Besitze des Cäcilien-
stifts befand. Der betreffende Theil (eine genauere Angabe über den
Inhalt jenes Theiles wäre doch erwünscht gewesen) ist, wie es hier
heisst, aus einem antiquus liber scriptus et asseribus Ugatus wortgetreu
abgeschrieben. Nichts nöthigt uns diesen anHquus liber (er heisst nicht
einmal antiquissimm) höher als anderthalb Jahrhundert vor die Zeit
der Abschrift zu setzen ; denn da das Stift auf die ihm schmeicheln-
den, wohl aus ihm selbst hervorgegangenen Nachrichten desselben
hohen Werth legte, so war es natürlich, dass man diese Handschrift
gern möglichst hoch hinaufrückte. Seltsam ist es, dass dieser liber
antiquus selbst nicht erhalten wurde, was, trotz def beigefügten Be-
scheinigung des Jacobus Wükun notarius publicus, die presens historia
sei wörtlich aus jener Handschrift abgeschrieben^ eigene Gedanken
erregt. Wir wollen aber alle Zweifel dieser Art fahren lassen, nur
fragen, was wir denn hier lesen. Quoddam aliud monasterium novum
sancti PetH in Colonia, prius tarnen videlicet a*) domino HMeboldo^
') Ennens Gescbichta begnügt sich mit der ganz allgemeinen Berufung
auf die »Nachrichten späterer Chronisten« (I, '194), da doch bei einem so wich-
tigen Punkte die Nachweisung der Quellen und ihrer Beschaffenheit dringend
geboten war.
') Vor diesem a gibt Ennen, bei dem die Stelle zweimal abgedruckt ist
(S. 298 f. 300), das erstemal noch anno^ das er beim dritten Abdruck in der
angefahrten »Historischen Einleitung« S. 3 weglasst, wonach es auf Druckfehler
beruhen wird.
1^
Reste römiscl^er and mittelalterlicher Bauten am Dom zu Köln. 217
iunc temporis episcopo Cohniensi in parte inceptum, pro prifhcipali
eccUsia per Wiüibertum fundatur et consecratury quo fit, quod multis
annis ecclesia olim beate Marie virginis, ntmc sancte Cecilie mona-
sterium vetus et ecclesia sancti Petri, ntmc metrcpolitana ecclesia,
monasterium novum appeUabcUur ^). Und mit einer solchen frommen
Lüge soUen wir rechnen? Freilich führte das monasterium ecclesiae
sanctae CaecHiae schon zu Brunos Zeit, wie die Urkunde vom Jahre
962 bei Lacomblet I, 205 zeigt, den Namen monasterium vetus, aber
nicht im Gegensatz^ zum Dom, der überhaupt nie mofMsterium ge-
nannt wird, sondern monasterium novum hiess das Marienstift ^), der
Dom dagegen ecclesia oder domus sancti Petri. Und einem solchen Be-
richte, der sich die Fälschung erlaubt, der Dom sei früher monaste-
rium novum genannt worden, sollen wir glauben, dass der von Wilbert
geweihte Dom von Hildebold begonnen worden sei ! Wie man in jenem
Stifte mit der Wahrheit umsprang, ergibt sich aus* der von mir schon
früher beigebrachten Angabe Winheims, ein ehrwürdiger und gelehrter
Angehöriger des Stifts habe ihn belehrt, Maternus habe die Cäcilien-
kirche der heiligen Jungfrau und dem heiligen Petrus geweiht, was
sich nicht allein aus der daneben liegenden Pfarrkirche des heiligen
Petrus, sondern auch den ältesten Urkunden ergebe. Also damals ging
man so weit, die Cäcilienkirche auch für die älteste Peterskirche zu
erklären ^). Eine Inschrift in der Kirche selbst liess sie vom Matemus
der heiligen Cäcilia weihen. Und dass sie je der heiligen Maria ge-
weiht gewesen, steht durch nichts fest, es beruht auf jenem lügenhaften
Berichte des liber antiquus des Cäcilienstiftes. Dieser erzählt nach
^) Der Druckfehler appeüatur des zweiten Abdrucks ist in den dritten
übergegangen.
2) Vgl. Binteriiä und Mooren die firzdiöcese Köln I, 65. Boisseree Denk-
male des Niederrheins S. 5.
') Ennen schreibt (8. 295): »Nichts hindert uns anzunehmen, die Mater-
nuslegende beruhe bezüglich der Angabe über die Lage der Bischofskirche auf
historischer Grundlage und an der SteUe der spätem Cäcilienkirche habe zu
der Zeit des Maternus die Peterskirche gestanden, c Wo findet sich denn diese
Legende zuerst? und spricht diese schon von einer Peterskirche? Sie beruht
auf dem gefälschten Apostelschüler Maternus I und hat im Ganzen so viel
Gewähr als diese; sie ist eine der leichtfertigen frommen Lügen, die der Ge-
sohichtschreiber nur insofern beachten darf, als sie zeigen, wie man damals Ge-
schichte gemacht hat. Was ist von diesem Apostelschüler Maternus nicht alles
gefabelt worden?
I
L
218 Reste römischer und mittelalterlidier Baaien am Dom zu KöId.
Ennen weiter : Tecio vero ecclesie sancte Maria^igne consumptOj pratU
hodie in plumbo turricule ^usdem scr^tum legUur, eadem ecdesia ipsa
reconcüicUur et sancte virgines Cecüia et Eugenia ut patrane adduntur
et adiiduntury quo fitj ut et hodie ecclesia sancte Cecäie cognominetur.
Gelen weiss, dass auf jener Glocke die Zeit Brunos stand, der eben
wegen der Einäscherung der Kirche diese 962 so reich beschenkt habe.
Ouius quidem temporis nota ecdesiae plumbo inscripta esty sagt er,
sed evanidis literis, ut non possit elici certitudo anni. Also Brunos
Namen konnte man darauf noch lesen. Wie nun aber? Nach jenem
antiqtms liber sollen erst nach dem Brande die beiden Märtyrinnen
Gäcilia und Eugenia als Schutzheiligen hinzugefügt worden sein; und
doch spricht bereits Wichfrid im Jahre 941 von dem monasterium
sanctae Caecäiae virginis ac martiris cristi nimis honorifice restauratum^),
und es fehlt jede Bezeichnung, dass die Kirche Vor der Herstellung
einen andern Namen gehabt, wie dies sonst doch in solchem Falle er-
wähnt wird. Hiernach ergibt sich auch diese Angabe des liber antigms
als Unwahrheit. Die Kirche wird von Anfang an der heiligen Gäcilia
geweiht sein, die heilige Eugenia bei einer zweiten Weihung hinzu-
getreten sein'). Geschichtlich steht nur die Wiederherstellung im
zehnten Jahrhundert fest und aus dem jetzigen Baue ergibt sich, dass
dieser der Hauptanlage nach ^nicht älter als das zwölfte Jahrhundert
sein kann '). Ob hiervon jener liber antiquus gar nichts wisse, möchte
man denn doch gern erfahren ; wäre dies wirklich der Fall, so würde
es zur Charakteristik der Kenntniss des Schreibers gar bezeichnend
sein. Gelen freilich berichtet von der Cäcilienkirche (S. 230): Exd-
tata est in honorem Domini nostri Jesu Christi et B. M. V. anno
Domini 94 {ut habent quaedam recentioris aevi inscriptiones), quae
deinde Sanctae Eugeniae dicta, modo 5. CecHiae didtur. Dann S. 357 :
') Lacomblet I, 98.
2) Ennen memt (S. 295), nur bei der Annahme, dass die Gäcilienkirohe
die erzbischöfliche Kirche gewesen, wisse man einen Grand für die schon
962 erwähnte generalis ataiio, welche in der Christnacht in dieser Kirche vom
Erzbischofe und der Geistlichkeit gehalten wurde. Als ob man einen Grund
für jeden alten Gebrauch wissen müsste? Hier aber liegt er gar nicht fem, da
der Erzbischof sich ans der Cäcilienkirche in die Marienkirche begab. Die bei-
den ältesten monasteria intra muros sollten eben durch diese Anwesenheit der
ganzen Geistlichkeit besonders geehrt werden, nichts weniger als dass der Dom
seinen spätem Ursprung dadurch hätt« beurkunden sollen.
>) YgL von Quast Jahrb. XII, 194.
V
kf
Reste römiBcher und mittelalterliober Bauten am Dom zu Köln. 219
Prima Cathedralis B. M. Virgini sacra in Urbe Agrippinensi dediccUa
perMbekw a Matemo L Antistüe Anno Dominicae IncamcUionis 94
et t4sque ad B. Eüdeboldi Archiepiscopi tempora Cathedralis honorem
retinuü: — vetus autem cathedralis tunc Sanctarum Eugeniae et Ce-
cüiae iittdum ithduit. Die Weihung auf den Namen der Jungfrau Maria
(das erstemal nennt Gelen Christus dabei) hing also mit der Erfindung
zusammen, der Apostelschüler Maternus I habe die Kirche gegründet.
FreOich Ennen hält (I, 197) daran fest, dass die Kirche ursprüng-
lich der Jungfrau Maria geweiht gewesen. Für Gelen ist es be-
zeichnend, dass er sich auf quaedam recentioris aevi inscriptiones
beruft und das erstemal die Weihung auf die heilige Eugenia
früher setzt, später die Kirche auf den Namen beider Märty-
rerinnen unter Hildebold weihen lässt, zur Zeit, wo Hildebold die Ka-
thedralkirche von der ersten Stätte nach dem Dom übertrug, der also
damals schon zum Gottesdienste gedient haben müsste. Es scheint,
dass diese ganze Sage vom Hildeboldsdom von dem Gacilienstifte aus-
ging, weil man dort die Ehre in Anspruch nahm, das Stift sei die
erste Kathedralkirche gewesen, worin man sich durch den ständigen
Gebrauch nicht irren liess, dass die Kathedralkirche an derselben
Stelle zu verbleiben pflegte. Hier, wo man so weit ging, das Jahr der
Gründung unter dem ersonnenen Apostelschüler Maternus zu nennen,
war man auch nicht in Verlegenheit, unter welchem Erzbischofe die Ver-
legung der Kathedralkirche geschehen sei; wer könnte dies anders
gethan haben als der Günstling Karl des Grossen?
Aus einer solchen Quelle also, wie jener lügnerische liber antiquus^
fiiesst unsere älteste Kunde vom Hildeboldsdome, und die Sage ist aus
der Sucht des Cäcilienstifts hervorgegangen, sich aus dem ältesten
Kloster innerhalb des alten Köln (intra muros) zu der ersten Kathe-
dralkirche zu erheben, wobei man vor keiner noch so plumpen Ent-
stellung der Wahrheit zurückscheute. Es ist endlich Zeit, dass man
mit dem Wüste der Sagenerfindungen über die Kirchen Kölns auf-
räume und dieselbe dem falschen Bischofsverzeichnisse getrost nach-
schicke, an die denn doch heute niemand mehr glaubt.
Ennen beruft sich für den Hildeboldsdom auch auf die »alte
Legende vom heiligen Beinold«, nach welcher dieser beim Dombau,
zu welchem Bischof Agilolfus um das Jahr 810 aus allen Landen
Zimmerleute, Steinmetzen und andere Arbeiter berief, als Steinmetz
eintrat und von seinen eifersüchtigen Mitgesellen todt geschlagen ward.
Die Legende von Beinolds Tode düiite sehr spät fallen, wohl erst nach
--V.
220 Reste römischer und mittelalterlicher Baaten am Dom zu Köln.
dem Beginne des neuen Dombaues im dreizehnten Jahrhundert. Der
Bischof Agilolfus lässt sich nicht so leicht, wie Ennen meint, aus ihr
herausschaffen; er haftet fester in ihr als die beigeschriebene Jahres-
zahl; er gehört eben in sie hinein, und entspricht besser den Zeitver-
hältnissen als Hildebold. Aus der handschriftlichen Chronik »Agrip-
pina« aus dem 15. Jahrhundert, mag diese auch vielfach auf weit ältere
Quellen sich stützen, lässt sich am wenigsten beweisen, die von ihr auf-
genommene Erwähnung des Hildeboldsdomes sei älter als das 14. Jahr-
hundert. Eben so wenig können die annäles Navensienses eine frühere
Zeit der Sage begründen. Was endlich die Schenkung »des ehemaligen
Königs Ludwig an die Peterskirche zu Köln« in einer Urkunde Ottos H.
soll, habe ich erst aus Ennens »Historischer Beschreibung« S. 4 er-
sehen. Er ist nämlich »geneigt anzunehments unter diesem Ludwig sei
der Nachfolger Karls des Grrossen zu verstehen, der damit Hildebold
»bei seinem grossen Werke des Dombaues« habe unterstützen wollen,
während nach ^em ganzen Zusammenhange nur der nächste Ludwig,
Ludwig der Deutsche, gemeint sein kann, und die Urkunde selbst
zeigt, dass damit nicht der Dombau unterstützt werden sollte, was
sonst ohne Zweifel erwähnt sein würde. Mit solchen ganz unwahr-
scheinlichen Annahmen kann man eben nichts stützen.
Eine Nachricht, welche erst volle fünfhundert Jahre später auf-
taucht, dazu aus der Eitelkeit eines Stifts geflossen scheint, das sein
Alter gern über das des Domes heraufrücken möchte, hat keine Ge-
währ für so alte Zeiten, besonders wenn ihr unzweifelhafte Thatsachen
gegenüberstehen, deren Widerspruch mau nur durch haltlose Annah-
men beseitigen kann. Ennen hat dazu die Entdeckungen an der Ost-
seite des Doms in einer mit den Thatsachen nicht zu vereinigenden
Weise benutzt. Neucrdin^ (Historische Einleitung S. 2) meint er,
die Zerstörung des Daches der Cäcilienkirche habe wohl den Bischof
zum Entschlüsse veranlasst, an der nordöstlichen Ecke der Stadt eine
andere Kathedrale zu erbauen, was unter den Merovingern geschehen
sein müsse. Nun aber weist, wie wir gesehen, dieser Brand nach dem
wenigen, was wir davon wissen, erst auf die Zeit Brunos hin. Diese
^merovingische Kathedrale soll »niedergelegt worden sein, als Hildebold
sich entschloss, eine des Erzbischofstuhles würdige Domkirche zu er-
richten« (S. 2 f.), aber gleich darauf (S. 4) wird angenommen, die
alte Kirche habe noch so lange in Gebrauch bleiben sollen, bis die
neue fertig sein würde. Dabei kommt denn die »Tradition« von Hil-
debolds Verlegung der Kathedralkirche sehr zu kurz. Solcher Mittel
n
■■*■ ^
Reste römischer und mitielalterlioher Bauten am Dom zu Köln. 221
muss man sich bedienen, um am Hildeboldsdome festzuhalten. Wie
sich schwammartig an diese Sage andere Erdichtungen ansetzten, habe
ich a. a. 0. S. 103 ff. gezeigt. Ich muss wiederholen, was ich vor
Jahren bemerkte : »Man staunt, sieht man, wie es mit der Begründung
dieser von Niemand in Zweifel gezogenen Behauptung steht, wie man
in leichtfertigster Weise Geschichte gemacht hat.« Ja man fährt leider
damit fort.
Aehnlich steht es mit meiner von Ennen gleichfalls bekämpften
Ansicht über die Marienkirche, das monasterium novum. Treten wir
der Sache näher. Gäsarius von Heisterbach ist der erste, bei welchem
die Kirche den Zusatz in Capüolio hat, und so findet er sich auch in
Schreinsurkunden aus den Jahren 1283 und 1234. Dass die Schreins-
schreiber den Namen in Capitolio aus Gäsarius genommen, ist von
mir natürlich ebenso wenig behauptet worden, als dass gerade dieser
den Namen erfunden. )>Es scheint mir sehr gewagt behaupten zu wol-
len, die Bezeichnung in Capitolio bemhe auf einer wHlkürlichen An-
nahme; natürlicher scheint es mir, dass im dreizehnten Jahrhundert
noch die Tradition von dem Bestand des Capitols an der fraglichen
Stelle beliebt war, und dass man der dortigen Kirche hin und wieder
neben den andern Beinamen auch den Zusatz in Capitolio gab.« So
Ennen. Aber mit solchem »Scheinen« und mit solcher »Natürlichkeit«
werden eben keine thatsächlichen , Gründe weggeschafft, wie ich sie
trotz des Ableugnens von Ennens Seite beigebracht habe. Mit seiner
»sechshundertjährigen Tradition« hat es gute Wege und ob ich keine
»positiven Gründe« gegen dieselbe geliefert, kann ich dem Urtheile
jedes Kundigen anheimstellen. Ich hatte mich auf den von mir H. XXVII,
19 ff. gelieferten Beweis berufen, dass sich römische Spuren in deut-
schen Namen nur in Städtenamen, nie in anderen Oertlichkeiten er-
halten haben. Hier musste Ennen zuerst seine Lanze einlegen. Weiter
hatte ich darauf hingewiesen, dass an keinem Orte der ehemaligen
römischen Weltherrschaft als in Rom selbst sich eine sichere Kunde
von der Lage ihres Gapitolium erhalten, man aber schon im zwölften
Jahrhundert an mehreren Orten begonnen habe, gewissen Kirchen
eine ganz besondere Ehre durch den Anspruch zu erweisen, sie stän-
den auf der Stelle des Capitolium. So war es in Florenz, so in Trier.
An letzterm Orte verlegte das Mittelalter das Gapitolium auf die Stelle
der Kirche Maria ad martyres oder, wie sie früher heisst, Maria in
ripa, ecclesia Mariae super lUus Mosdlae. Dagegen hat neuerdings
Ladner in den »Mittheilungen der Gesellschaft für nützliche Forschun-
TTTl^- ^
222 Reste römisoher and mittelalterlicher Bauten am Dom zn Köln,
gen in Trieru 1869—1871 S. 72 fF., in üebereinstiramung mit B^rower
und Masen, es an der Stelle der grossen Ruine nachzuweisen gesucht,
welche Kyriander als iemplum summum bezeichnete. Und warum soUte
es in Köln mit dem so ^ spät sich findenden Beinamen der Kirche Jtfa-.
ria (Uta anders sein? Erkennt doch Ennen selbst, dass der bei CSäsa-
rius und in Schreinsurkunden sich findende Name porta Mortis durch-
aus haltlos sei, eine Verromanisirung von Marktpforte; und mit
dem gleichzeitigen Zusätze in CapitoUo soll es anders, es soll natür-
licher sein, dass wir hier eine alte Erinnerung haben! -Seine Bemer-
kungen gegen meine Ansicht über die Namen Maria de AUbuchele,
Maria in (super) Mdlabuchel (S. 304) treffen nicht zu; ich habe meine
Vermuthung mit aller möglichen Vorsicht gegeben, einer grossem,
als meiner eigenen Ueberzeugung gemäss war. Dass ich die Malz-
mühle mit dem Strassennamen in Verbindung bringe, ist in der Sache
gegründet, und ich kann nicht sehen, wie dies dadurch widerlegt würde,
dass die Malzmühle erst im fünfzehnten Jahrhundert sich findet; denn
die Mühle ist natürlich von der Strasse benannt, nicht umgekehrt.
Wenn aber bemerkt wird: v'Der Name Malzbüchel — bezeichnet
einfach die aus dem alteu Stadtgraben aufgehende Strassenhöhe, die
zum Malzmarkte führt«, so habeich mich vergebens sowohl in Ennens
»Geschichte« wie in seinen »Quellen« nach diesem sonderbaren Malz -
markte umgesehen, dessen Dasein ich einstweilen zu bezweifeln mir
erlaube. Ennens Berufung auf die Latinisirung bracicumülfAS beweist
eben nichts, da er selbst bestimmt genug anerkannt hat (I, 670 f«),
wie es mit dieser Latinisirung bestellt ist.
Darin gebe ich freilich Ennen (S. 302 f.) entschieden Recht, dass
ich nicht aus der Urkunde Lothars vom Jahre 867 schliessen durfte,
damals habe das Marienstift noch nicht bestanden^). Er bemerkt,
Lothar scheine bloss die ausserhalb der Stadt liegenden Kirchen mit
Namen haben anführen zu wollen, wobei er sich auf die Nichterwäh-
nung von Martin und Andreas beruft, ohne zu bedenken^ dass diese
sich damals noch extra muros befanden, und es von Andreas noch
sehr zweifelhaft ist, ob nicht erst Wilbert dort an der Stelle eines
alten Kapellchens eine Kirche gebaut. Aber dies scheint nicht bloss,
sondern Lothar hatte keine Veranlassung, die Kirchen innerhalb der
^) Einen andern Irrthum hat Dümmler >Qe8ohichte des ostfr&nkisclien
Reiches« II, 681 Anm. 58 in Bezug aaf dieselbe Urkunde begangen, wenn er
das bonner Cassius- und das xantener Victorstifb nach Köln verlegt.
Reste römischer und mittelalterlicher Bauten am Dom zn Köln. 223
Stadt (ymfra ipsam emtatem 0 ) hinter der allgemeinen Bezeichnung na-
mentlich aufzuzählen. Dafür, dass die Marienkirche schon unter Otto II.
bestanden, bedurfte es nicht des von Ennen gegebenen Nachweises,
da diese ja schon im letzten Willen Brunos erwähnt wird, wie er selbst
I, 253 bemerkt hat, während er freilich im Register zu den Urkunden
die Stelle sonderbar auf Maria ad gradus bezogen bat. Mein Beweis
gegen die Richtigkeit der Bezeichnung in CapUolio und die Gründung
der Kirche durch Plectrudis verlieit durch den Wegfall jenes Zeug-
nisses keine wesentliche Stütze. Herr Geh. Regierungsrath von Quast
bemerkt Jahrb. L. LI, 134 Anm. ^), sichere Beweise für das höhere
Alter der Kirche gebe es nicht, aber auch der positive Beweis für
eine spätere Zeit der Stiftung sei mir nicht gelungen. Damit ist zu-
gestanden, dass die Angaben über die Plectrudiskirche keine ge-
schichtliche Gewähr haben; ob er meine Verwerfung der Sage von
Plectrudis für begründet halte, bemerkt er nicht. Das älteste bestimmte
Zeugniss bleibt die Schenkung im letzten Willen Brunos vom Jahre 965
monasterio (sanctae Mariae) et claustro perßciendo, neben welcher in
der schon angeführten drei Jahre altem ^Urkunde Brunos die Bezeich-
nung des numasterium sanctae Caecüiae qmd cognominatur vetus intra
muras insofern in Betracht kommt, als dieselbe auf ein navurn mona-
sterium intra muros deutet, als welches eben das Marienstift gelten
muss. Die Einweihung der jetzigen Kirche fällt, wie von Quast nach-
gewiesen hat, in das Jahr 1049, und derselbe ist geneigt, nach der
Bauart eine noch spätere Vollendung der Kirche anzunehmen. Aus
diesem Neubau in der Mitte des elften Jahrhunderts würde man aber
mit Unrecht schliessen, der Bau des zehnten sei nur eine Wiederher-
stellung eines altern gewesen. Von der Geschichte der kölnischen
Kirchen in dieser Zeit sind wir ausserordentlich mangelhaft, nur durch
einzelne urkundliche Berichte üper Schenkungen und Weihungen, nicht
Yon den Schicksalen, die sie trafen, unterrichtet. Die neue Kirche
konnte leicht durch Feuer oder einen sonstigen Unfall gelitten und
man die Wiederherstellung zugleich zu einer Erweiterung benutzt
') In Jßezug auf tn/ra» das ioh nicht für einen der vielen Druckfehler
jenes Bandes der »Quellenc hätte halten dürfen, hat Ennen gegen mich Recht.
') Ich halte es für meine Pflicht, hier zu erklären, dass ich in Bezug auf
die Pfaffenpforte (daselbst S. 136} ihn missverstanden hatte, wogegen er mir gestehen
wird, dass ihm die Stelle aus dem letzten Willen Brunos unbekannt war, die
Ar die Baagesohichte der Kirche von Wichtigkeit ist.
224 Rette römischer und mittelalterlicher Bauten am Dom zu Köln.
haben. Ennen geht auf meine Gründe gegen die Plectrudissage nicht
ein, sondern hält sich daran, dass diese in der Kirche begraben liege,
was den entschiedenen Beweis liefere, zur Zeit ihres Todes habe dort
schon eine Kirche gestanden. Aber worauf beruht denn die Sage,
dass Plectrudis in der Kirche begraben liegt ? Theodor Breisig hat in der
Schrift, )>Die Zeit Karl Martells« S. 5 ff. ^ber Plectrudis und Chalpaida,
um die auch ein Sagenkreis sich gebildet, eingehend gehandelt und
auch der spätem Sage der Wiederverheiratung der Plectrudis gedacht.
S. 28 bemerkt er, über ihre spätere Stellung und ihr Verbleiben sei
nichts bekannt! Ich habe schon nach Boisser^e darauf gedeutet, dass
sie wohl nach der durch Karl Martell ihr abgenöthigten Yerzichtung
in ihre Heimat Baiern sich zurückzog, wo wir die regina Plectrudis
als Stifterin von St. Stephan zu Passau finden. Dass sie den Wunsch
geäussert, in Köln begraben zu werden, davon wird nichts berichtet,
und ein solcher Wunsch wäre auch damals wohl schwer zu erfüllen
gewesen. Freilich wusste man später in Köln, dass sie an diesem Orte,
der ihr unter Karl Martells Herrschaft äusserst verhasst sein musste,
in das Stift gegangen und dort gestorben sei. Selbst die sich einander
widersprechenden Inschriften in der Kirche sagen nicht, dass sie dort
begraben sei; die eine feiert sie allein, die andere mit Pipin. Gegen
Boisser6es Vermuthung, das mit der eiq^n Inschrift versehene Bild
der Plectrudis habe früher auf ihrem Grabe gelegen, zeugt die Inschrift,
die nicht auf ein Grab deutet, sondern auf das Bild der Stifterin,
von welcher das Wort gilt: Domine, düexi decorem domus tuae. Man
müsste den Stiftspatriotismus, den wir schön oben bei Cäcilien er-
wähnten, und die mittelalterliche legenden- und Dichtungssucht nicht
kennen, um es unglaublich zu finden, dass irgend, nachdem erst, um
das novum monastermn hinter dem väus nicht zu sehr zurücktreten
zu lassen, die Kirche als eine Stiftung von Pipin und Plectrudis, dann
als eine Schenkung der letzteren allein bezeichnet worden war, man
endlich mit dem Ansprüche auftrat, die Stifterin sei in der Kirche be-
graben. Boisser^e^ der auch keinen rechten Glauben an die Grabstätte
der Plectrudis hat, setzt die betreffenden Bilder ins zehnte oder elfte
Jahrhundert. Erst nach dem Neubau wird man den Anspruch erhoben
haben, das Grab der Stifterin zu besitzen, deren Todesjahr man nicht
> einmal wusste, doch feierte man ihr Andenken am 11. August. Gern
hätte man sie zu einer Heiligen erhoben, und so feiert sie Gelen als
Diva^ doch dazu fehlte es zu sehr an einer irgend erwähnenswerthen
Ueberlieferung; Hie Bollandisten verweigerten ihr die Aufoahme in ihr
Reste römiBoher und mittelalterliohei* Bauten am Dom tu Köln. 225
grosses Werk, was sie dort ausführlich begründen. Wann ihr Grab-
mal, früher im Mittelschiff der Kirche, errichtet worden, wissen wir
nicht; die Kirche besitzt auch ein Grabmal der hier begrabenen Aeb-
tissin Ida. Was Ennen gegen meine Behauptung, der Wechsel der
Bürgermeister sei in der Marienkirche erfolgt, aufz^jbringen meint, er-
ledigt sich dadurch, dass ich* mich auf Boisser^e als Augenzeugen be-
rufen habe, und mich nicht dazu verstehen kann, diesem ehrenwerthen
Zeugen leichtfertig den Glauben zu versagen.
Für meine Annahme, das Kapitol habe auf dem Platze des Doms
gestanden, hatte ich auch den Umstand angeführt, dass der Dom-
hügel der höchste Punkt der Stadt an der Rheinseite sei. Wenn ich
von einem Domhügel sprach, so that ich das mit allen meinen Vor-
gängern und Ennen selbst, der I, 88 der drei Hügel gedenkt, »welche
sich in sanfter Steigung über das städtische Terrain erhoben«. Jetzt
ist freilich erwiesen, dass der Hügel um den Dom nur von einer spä-
tem Aufschüttung herrührt ; die Fundamente des Doms gehen bis
unter das Rheinbett. Ennen belehrt uns jetzt über die Bodenverhält-
nisse des römischen Köln also: »Das jetzige Domterritorium lag um
14 Fuss tiefer als die Mariengartengasse, 6 Fuss tiefer als St. Peter,
2 Fuss tiefer als das Griechenthor, 3 Fuss tiefer als die Ruhr^ 6 Fuss
tiefer als die Herzogstrasse, 7 Fuss tiefer als der Neumarkt und 4
Fuss tiefer als die Pipinstrasse.« Wir wären ihm sehr dankbar, wenn
er dies eben so thatsächlich erwiese, wie er es zuversichtlich hinstellt;
bis dahin erlauben wir uns die volle Richtigkeit dieser Angaben zu
bezweifeln. Die einzelnen Fundberichte, auf denen eine solche Bestim-
mung allein beruhen kann, sind meist nicht zuverlässig genug, und
auch die Schlüsse daraus nicht überall sicher. Jedenfalls wäre eine
gesichtete Zusammenstellung dieser Art höchst willkommen. Wenn
Ennen meiner Bemerkung über die Höhe des Berlich (S. 99) entgegen-
hält, der Berlich sei nicht der höchste Punkt der Stadt gewesen, so
hätte er nicht übersehen sollen, dass ich unter dem Berlich nicht
die jetzt sogenannte Strasse, sondern, wie nicht zu verkennen war,
den früher sogenannten Stadttheil verstehe, wovon ich Jahrb. XX,
22 f. 29 gesprochen habe. Eine Steigung des Terrains am Dome von
38 bis 46 Fuss gesteht Ennen selbst zu. Wie das Yerhältniss des
Bodens am jetzigen Dom zur ältesten Römerzeit gewesen, weiss ich
nicht ; wie viel mag sich dort bis zur Fundamentirung unseres jetzigen
Doms umgestaltet haben I Glücklicherweise sind wir über den Boden
zur ältesten Römerzeit an der Stelle, wo die neuen Ausgrabungen die
15
226 Reste romischer und mittelalterlicher Bauten am Dom zu Köln.
Beste zweier römischen Häuser zu Tage gefördert haben, jetzt unter*
richtet, und wir wissen auch, dass die Thürschwellc des Mauerthur-
mes a nur 1 ' 3 " über der heutigen Trankgasse liegt. Zur Anlage
des Capitoliums war der Platz, wo jetzt der Dom liegt, jedenfalls sehr
geeignet; denn er war einer der höchsten Punkte der Stadt und ge-
währte, da das Terrain bis zum Bheinbette bedeutend abstieg, einen
weiten Blick über den Fluss und in das gegenüberliegende Land.
Gebe ich auch jetzt zu, dass der Ort, wo die Marienkirche sich
den Namen des Capitoliums erworben hat, dazu ebenso geeignet ge-
wesen wäre, so berechtigte mich, zur Annahme des Capitoliums an
dieser Stelle der Nachweis, dass hier die älteste bischöfliche Kirche
stand; da man solche an Orten, wo bedeutende römische Tempel stan-
den, anzulegen, ja selbst diese in christliche Kirchen zu verwandeln
liebte, und die von mir erwiesene Wahrscheinlichkeit, dass der Dom-
hof das römische Forum war ; denn auch zu Bom, nach welchem sich
die Städte in den Provinzen richteten, lag das Forum neben dem
Capüolium. Wollte man, wie in Bom, auch zu Köln, den Campus
Martius in der Nähe des Forum annehmen, so würde dieser zwischen
dem Gapitolium und dem römischen Nordthore, dem sogenannten Pfaf-
fenthor, gelegen haben, und vor diesem, wenn wir Vitruv I, 7, 1 fol-
gen, der Tempel des Mars, freilich nicht das delubrum Mortis, in wel-
chem zu Vitellitts' Zeit das Schwert des Julius Cäsar sich befand. Der
Tempel des Mercur, dessen Weihestein uns erhalten ist, wird sich an
oder auf dem Forum befunden haben, nach der Vorschrift desselben
Vitruv : Mercurio in foro (area distribucUur) aut etiam^ ut Mdi et Se-
rapij in emporio. Auf dem der Ostseite des Doms gegenüber liegenden
Frankenplatze sind im Juni 1858 bei den Grundarbeiten zum Brücken-
bau und zehn Jahre früher beim Wegräumen des Erdhügels daselbst
Beste von grossen Gebäuden, Beliefs und ein Weihestein der Diana
aus dem Anfange des zweiten Jahrhunderts gefunden worden ^).
Was endlich die römische Mauer betrifft, so sind nach Ennen
(I, 82) »die Beste der Nordostecke 1859 bei Planirung des breiten
Weges von dem Domhofe nach der Trankgasse weggesprengt worden.«
Wo dieselbe geendet haben müsse, lässt sich ungefähr durch die gleiche
Entfernung der Mauerthürme von einander bestimmen, da Thurm d
von Thurm b doppelt so weit entfernt ist, als Thurm b von Thurm a,
wonach das Pfaflfenthor nicht genau an derselben Stelle aufgebaut
1) Vgl. den Maseumskatalog B, 7* 15. 37. 148. 159. 162. 218.
Reste römischer und mittelalterlioher Bauten am Dom zu Köln. 227
war, an welcher das alte Römerthor stand. Der nordöstliche Eckthurm
muss über 290 ' vom Thurme a entfernt gelegen haben. Nach Ennen
(I, 83) beträgt die Strecke von dem Thurme auf der Burgmauer bis
zum nordwestlichen Eckthurm 119 Ruthen, wonach zwischen di&sen
beiden Thürmen noch vier gestanden haben würden. Sehr wichtig
wäre die genauere Untersuchung aller noch vorhandenen Thürmc der
römischen Mauer und ihrer Entfernung von einander; an der West-
seite hat sich noch eine Reihe von Thürmen erhalten, von denen einer
in einem Hause der Helenenstrasse eingebaut ist. Ob von dem soge-
nannten Röraerthurme an der Zeughausstrasse der drohende Abbruch
abgewandt werden Wird, ist, so viel ich weiss, noch unentschieden.
Wäre er unrettbar verloren, so würde jedenfalls die genaueste Auf-
nahme vor seinem Ende zu wünschen sein. Höchst wichtig ist bei
unserm Thurm a die Entdeckung der ganzen Thüre bis zur Schwelle
und der aus Gussmauerwerk gebildeten Decke des untern Gemaches.
Die Thurme zeigten ähnliche Streifen von verschiedenen Farben und
Formen, wie der nordwestliche Thurm. Nach von Quast (Jahrb. X,
191 f.) kann nicht sicher entschieden werden, ob diese Bauweise der
letzten römischen oder der ersten merovingischen Zeit angehört. Ennen
behauptet (I, 82), der ältere Theil der Mauer und Thurme gehöre zwei
verschiedenen Zeiten an, und er setzt den erstem in das erste christ-
liche Jahrhundert, den zweiten unter Julian. Der neuentdeckte Thurm
besteht keineswegs aus zwei zu verschiedenen Zeiten gebauten Stücken.
Die Franken scheinen zu Julians Zeiten die Mauern der Stadt zerstört
zu haben, so dass nur Trümmer derselben übrig blieben. Ammian
spricht von der Zerstörung Kölns (XVI, 3, 1), die wir uns sehr stark
denken müssen, da diese so gehaust hatten, dass am ganzen Rheine
nicht einmal ein castdlum erhalten war, nur Rigamagum bei Con-
fluentes und ein Thurm bei Köln. Wenn er weiter sagt, Julian habe
Köln nicht eher verlassen, qtiam pacctn ßmiaret reipuhlicae inierim
profuturam et urbem redperet munitissimam, so könnte man tM-bem
redpere munitissimam in dem Sinne nehmen wollen, die Stadt stark
befestigt wiederherstellen, weil die Bedeutung wiederge-
winnen, welche recipere gewöhnlich in der Verbindung mit urbem
hat, nicht passe, da ja gesagt werden solle, was er gethan, ehe er die
von ihm betretene Stadt {Ägrippinam ingressus) verlassen. Aber das
recipere scheint hier das dauernde Wiedergewinnen in Folge des
Friedens bezeichnen zu sollen. Jedeflfalls musste die Stadt neu
befestigt oder wenigstens diese Befestigung an den bedeutendsten Stel-
228 Beate römiioher und ]
leo wieder beigestellt word
begonnene Befestigimg «ur
Auf eine nicht frühere Zeit
Bchrift des römischen Tbo
Wahracbeiolich litt die dc
die Hunnen, dann durch die
immer möglichst bergesteli
Mauer bestand, wie die Er:
9. Epigraphi8che Miitheiiungen aus Cleve.
t. Die Turck'Bche Chronik.
Brambach spricht im C. I. R. p. 351 von einer verlorenen CShronik :
Turcii bistorla duc Jul. Cliv. Mont., in welcher sich Abschriften
römischer Inschriften befänden. Er bemerkt darüber: Magni, opinor,
pretii foret, Turcii liber si reperiretur, quem ego in bibliotheca Trevero-
rum latere sospicatus in catalogo vetere Jesuitarum memoratum rep-
peri; sed nee in recentiore indice inveniebatur, nee omnino in biblio-
theca, teste quidem Schoemanno, indagari potuit.
Wie es sich mit jenem Exemplar der Trierer Bibliothek verhält,
lasse ich auf sich beruhen, freue mich aber mittheilen zu können, dass
ein Exemplar dieser Chronik, und zwar wohl ohne Zweifel die Original-
handschrift des Verfassers sich in Cleve, dem Wohnorte Turcks, er-
halten hat und seit 1857 der auf dem Rothhause befindlichen Stadt-
bibliothek angehört. Der durch die Freytag'schen Bilder aus der
deutschen Vergangenheit auch in weiteren Kreisen bekannte WirkL
Geh. Rath und Präsident des Cassationshofes Sethe in Berlin vermachte
nämlich seiner Vaterstadt Cleve eine vermuthlich von ihm schon
während seines Aufenthaltes in derselben^) angelegte SammlAng von
Handschriften, Urkunden und älteren Dpickschriften, die sich auf die
Geschichte und die Rechtsalterthümer des Herzogthums Cleve, sowie
der mit ihm verbundenen Territorien beziehen. No. 1 nun dieser bis-
her noch fast gar nicht wissenschaftlich ausgebeuteten Sammlung ist
eine Octavpapierhandschrift von 328 Blättern, die auf dem äusseren
Umschlag mit dem Namen: „Sethe" bezeichnet ist. Der älteste Theil
*) Ein Band von Gollectaneon bezeichnen die Jahre 1796 und 1797 als
Zeit der Sammlang.
230 Epig^raphische Mittheilungeu aus Cleve.
dieser Handschrift wird gebildet von der märkisch-clevischen Chronik
des Gert van der Schuiren, die von Tross nach jüngeren Handschriften
(Hamm 1824) herausgegeben ist. Es ist jedenfalls die Originalhand-
schrift des Verfassers, die wir hier vor uns haben, wie unter Anderm
daraus hervorgeht, dass es in der Dedikation ursprünglich nur hiess: Gert
uwer gnaden huusgcsinde und dass die für den Herzog überflüssigen
specielleren Bezeichnungen van der Schuiren und Secretarius erst nach-
träglich zugeschrieben sind. Ueber dem mit dem clevischen und
märkischen Wappen verzierten Initial steht die Jahreszahl A^lxxi
d. h. (14)71; rechts daneben von jüngerer Hand: Libcr Illmi D. Ducis
et Cancellariae Clivensis.
Die Chronik endigt auf der Vorderseite des 130. Blattes mit den
Worten: want soe hedden sy des speels eyn eynde gehat. *) Sodann
folgt die subscriptio von späterer Hand:
Hucusque Gerardus vän der Schujren Secretarjus Ducum
Adolphi* et Joannis. Qui morte praeuentus sie vidctur desijsse.
Vixit tarnen adhuc Ao. 1488. 1489.
Die folgende Seite von fol. 130 enthält sodann folgenden Titel
für die auf fol. 131 folgende Fortsetzung:
' > Supplementum
Chronicae praecedentjs ex Registris alijsque penes Concellarjam
Cliviensem asseruatis scriptis obiter collectum per L*. Turck:
SecrT et ßg. Cjrca Annum Dnj 1607. Completum usque ad
obitum Illmj Principis D. Jois Wilhelmj Ducis Clivjae Juljae.
Diese Fortsetzung schliest auf fol. 299, nachdem die Erzählung
bis zum Aussterben des herzoglichen Hauses fortgeführt ist. Nach
dem Amen des eigentlichen Schlusses folgt noch eine Notiz über die
überlebende Wittwe des letzten Herzogs und deren Tod, der nach
Teschenmacher am 18. August 1610 erfolgte.
Joh. Turck hat nun aber nicht allein eine iFoitsetzung der
Schuiren'schen Chronik geschrieben, sondern auch eine Vorgeschichte
zu derselben. Diese ist flnzweifelhaft von gleicher Hand wie die
Fortsetzung auf 20 nicht paginirten Blättern geschrieben und der
Schuiren'schen Chronik vorgeheftet. Sie trägt die üeberschrift : De
antiqua Clivjae origine et de rebus in his partibus eis: et trans Rhena-
nis post djvjsjonem Orbis a Cymbris Galljs et Romanis vsqj ad tempora
magnj urj Eljae prjmj Cljvensjum Comitis gestis summarja quaedam
narratjo. Dieser üeberschrift entsprechend beginnt die Vorgeschichte
] ') Das schliessende Amen, das Tross noch folgen lässt, fehlt.
%
*
Epigraphische Miitbeiluogen aus Clove. 231
mit Noe und schliesst mit Elias Grail, mit dem Schuiren die devische
Chrouik beginnt.
Bemerkenswerth ist noch folgender der Handschrift vorgehefteter
Zettel: »Dis Buch ist mir vff vielfaltig erfordern, Von M. Werner
Teschemachern am 25 octobris 1633 Vormiddag geliefert, welcher
dabei referirt, das ihm dasselbe Johannis Turcken Sohn Henricus
Turck Ganonicus zu Cranenburg gelehnt habe.u Unter dieser Notiz
scheint ein Name gestanden zu haben, der aber ausradirt ist, so dass
eine weitere Verfolgung der Schicksale der Handschrift nicht möglich
ist. Teschenmacher hat dieselbe vielfach benutzt; er citirt sie jedoch
im Syllabus auctorum nicht, wohl aber die Fortsetzung, die Joannes
Turcus, Gochensis, Secretarius et Registrator Clivensis zur Lower-
mannschen Fortsetzung der Schuirenschen Chronik lieferte, und die
erst mit dem Jahre 1590 begann. Dagegen sagt der spätere Heraus-
geber Teschenmachers Dithmar ausdrückhch:
Quod ex ejus (Lowermanni) aliorumque Scriptis Joliannes Turckius
confecit Supplementum Chronici Schurenii quoque possidemus. Die
zahlreichen Gitate aus diesem Supplementum beweisen, dass er das
Supplement der Setheschen Handschrift meint; ob er indessen diese
selbst oder eine Copie derselben benutzt hat, wird sich schwerlich
entscheiden lassen; unbedeutende sprachliche und orthographische Ab-
weichungen kommen in den wörtlichen Citaten allerdings vor^ können
jedoch ebenso gut dem Citator wie einem Abschreiber zugeschrieben
werden.
Diese Chronik hat nun, wie Brambach richtig vermuthete, einen
nicht unerheblichen Werth für die rheinische Epigraphik. Es beruht
derselbe vor Allem darauf, dass Turck in der Vorgeschichte zur
Schuirenschen Chronik genaue Zeichnungen . von 13 Steinen liefert, die
bis auf 2 jetzt vedoren sind. Nachdem er nämlich über die Varus»
Schlacht unter Berufung auf Lipsius comment ad Tacitum berichtet,
fährt er auf Fol. 4 seiner Vorgeschichte fort:
Dese yorgevürte Nederlag der Romeinern hatt den Keyser Augu-
stum hoch bekümmert vnd vmb der Deutschen auerfall to begegnen
die CASTRA VETERA oder Aldeburg bei Santen (dauon die Funda-
menta jm feldt noch gesehen werden) also befestiget, dat euer die
twee Legionen dat sein XHImCCCXXXH *) bewerther Krigsleuth darin
leggen kunnen, auch aldair auer Rhin ein Brügg vnd opt höchst van
^) Als Starke der Legion wird also die Zahl 6666 angenommen.
L
2S2 Epigraphische Mittheilungen aus Geve.
dem Bergh (dair dat Cloister furstenberg vmbtrint dat Jahr CHRISTI
1122. gebauwet vnd von S. Noriberto Epö Magdenborgensj in honorem
patrjae dotirt ist), ein groet Praetorjum oder Pallas getimmert als
ouk dat Läger leg an: vnd vnter Monderberg sich ertreckt. Inmaten
die Romeiner an diesen ortten mit starken guarnisonen vnd Kreigsvolck
sich statig gehalten, wie die aide gebauw jn der erden, golde vnd
Silbere Pfenningen, heidensche bilder^ Altaren vnd dero Inscriptiones,
lampen, GrsJstein^ Urnae, Tichellstein, darin die Romische Legiones
jngedruckt stain, Vtensilja domus. vnd andere Antiquiteten so aldair
jn groeter mennigte gefunden sein vnd taglichs mehr vnd mehr ge-
funden werden, solchs genugsamb vthweisen, daruan ouk allnoch eine
schöne Vma van xxviil colhiischer maten vp dat fürstliche huys
Cleve, vnd ander stucken fürhanden.
Auf Fol. V, VI und VII folgen sodann ausgeführte Tuschzeich-
nungen, und zwar zunächst jener Urne, einer Amphora mit Spitze
zum Feststellen gewöhnlicher Form, sodann von folgenden Steinen
mit Inschriften: Fol. Va: C. I. Rh. i. spur. 19; 219. Vb: (209) Fol.
Via: 202, 201, 1970, 1969. Fol. VIb i. sp. 11: 1968a; 218; 1968;
212; inscr. ined. Fol. VII a: 151.
Wir werden die Beschreibung dieser Zeichnungen am passendsten
beginnen mit den beiden, deren Originale noch vorhanden sind, da
sich so am leichtesten ein Urtheil über die fides Turcks wird gewinnen
lassen. Es sind die Inschriften G. I. R. 251 und 202 ; beide befinden
sich jetzt in der Sammlung der bonner Universität und sind auf der
westlichen Seite des Cabinets eingemauert. Wir stellen Brambachs
Lesungen derselben neben die Turcks.
■^
Epigraphieohe Mittheilungen aus Cleve. 233
151. Brambacb.
IN H D/b PRO
S ALVTEj/iMP • SEVERI
ALE >y^N D I R I • A V C • DEo
APO^LINIDYSPROLV S
OyC Q • D E • M I L I TES LEG
XXX- VVP F SVB- CVRA
ACENTTFAPRI-COM
MODIAN • LEG • AVG • P • P • ET
CA AN VTMODEST LEG
LEG • SEPT M VCATRA
IMAG ETSEPTCALLVS
ETSEPT- MVCATRA- ET
SEPT-DEOSPOR-ETSEPT
SAM MVST- SEPT- MCAT^A
CANDIDATIV- S • L • M
MAXIMO- tET-AELlANO
~ COS
Turck.
I N H • D D - PRO
SALV TE IMP SEVERI
ALEXANDIRI • AVG DEo •
APOLLINI • DVSEROLVS
OIODfe - MILITES - LEG
XXX - V • V - E - SVB - CVRA -
AGENT • T • E • APRI • COM
MODIAN • LEG - AVG • P • P-T
CAAV Vt • MODESi LEG
LEG - SEPT MVCATRA •
EMAG • ET • SEPT • CALLVS -
ET - SEPT • MVCATRA • ET
SEPT • DEOSPOR • ET SEPT
SAMMV^Sl SEPT - I^CAM •
CANDIDATI • V • S ♦ L • M •
MAXIMO • II ♦ liELIANO
COS
L
234 EpigrapbiBche Mittheilangen aaa Cleve. 4^
Die Vergleichung dfeser beiden Lesungen und des Originals er-
gibt folgendes Resultat.
Z. 1. Die Stellung der einzelnen Buchstaben, insbesondere der
grosse Zwischenraum zwischen D und PRO ist bei Turck ganz genau
mit dem Original übereinstimmend; der bei Brambach fehlende, bei
Turck stehende Punkt nach dem 2. D ist unzweifelhaft im Original
vorbanden.
Z. 2. Da die obere linke Ecke jetzt dem Steine fehlt, lässt sich
nicht constatiren, ob der Punkt, den Turck fälschlich nach Y hat^
durch den Zustand des Originals indicirt war.
Z. 3. Brambach hat mit Recht nach AVG einen Punkt gesetzt;
dagegen lässt das Original am Schlüsse dieser wie der übrigen Zeilen
den Punkt, den Turck fast überall angibt, nicht erkennen. Da aber
die Kante des Steins gelitten hat, so ist es durchaus möglich, dass
diese Punkte früher vorhanden waren. Dass derselbe in dieser Be-
ziehung keineswegs ganz willkürlich verfuhr, geht insbesondere daraus
hervor, dass Z. 4 der Punkt fehlt, trotzdem er jedenfalls nicht ge-
sehen hat, dass hier nach dem S kein Wortschluss ist.
Z. 4 stimmt Brambachs Lesung mit dem Original überein, nur
habe ich den Punkt nach DYS nicht constatiren können. Hier hat
also Turck fälschlich £ an Stelle des P im Original. Dieser Fehler
erklärt sich jedoch sehr leicht; der untere Ansatz des P ist nämlich
im Original etwas breit gerathen, wie dies auch sonst auf dieser In-
schrift mehrfach vorkommt, so dass der Buchstabe etwa folgende Ge-
stalt hat: P und von einem den Sinn der ausserordentlich schwierigen
Inschrift nicht verstehenden Leser leicht für ein E gehalten werden
konnte. In der Punktirung nach RO und LY hat Br. unbedingt Recht.
Z. 5. Der Stein, soweit er erhalten, bestätigt Brambachs Lesart;
Turck hat also die unteren wagerechte Striche des L und Q ausge-
lassen, ein Fehler, der ebenfalls durch die zu Z. 4 bemerkte Eigen-
thümlichkeit der unteren Buchstäbenansätze leichter erklärlich wird.
Der Punkt nach Q ist von Brambach richtig angegeben.
Z. 6. Auch hier hat das F im Original einen bedeutenden An-
satz, der Turcks E erklärt.
Z. 8. Turck hat hier die Ligatur ^t übersehen und statt ET
fälschlich die Ligatur J angegeben.
Z. 9. Original : "ELEG : daher beruht Turcks Lesart auf einer
Yerwechselung des sehr nahe gerückten Punktes mit dem mittlem
Apex eines E.
Epigraphische Mittbeiluhgen aus Cleve. 285
Z. 11. Das Original hat nach dem ersten I einen zufälligen Punkt,
so dass das I folgende Gestalt hat: L und Turcks Lesart E nicht
sehr fem liegt.
Z. 14. Br. : ^ mit der Bemerkung: a sinistra parte punctum
cum "E coaluit; Turck: 3" ; Original £, d. h. Punkt und dann Liga-
tur von "E mit starkem Ansatz nach links.
Z. 16. Original: OTE'T'AE. Turck erkannte ganz richtig, dass
nach MAXIMO eine Bezeichnung des iterum folgte. Da er aber die eigen-
thümliche Ligatur f == II nicht kannte, so zog er den Hauptstrich des
E mit^ur Zahlangabe und glaubte das E durch Ligatur mit I ver-
bunden, wobei ihm ein Punkt und die mehrtach ei*wähntc Unsicher-
beit der Schrift in der Unterscheidung von bedeutungslosen Hauan-
Sätzen und unterscheidenden apices zu Statten kam. Dagegen er-
scheint die Schreibart Turcks M statt AE nur durch Raummangel
hervorgerufen. ^ _
Fassen wir das Resultat unserer GoUation zusammen, so finden
wir, dass Turcks Zeichnung allerdings nicht frei ist von Fehlern,
dass aber
1) die Abweichungen in den Buchstaben sich sämmtlich aus den
Eigenthümlichkeiten des Originals leicht erklären; dass
2) auch die Ligaturen dem Original entsprechend wiederge-
geben sind, abgesehen von drei Fällen, in denen die Ligatur von dem
Laien sehr schwer erkannt werden konnte (Z. 5, 8, 16) und zwei
Fällen, wo er aus Raummangel zu allgemein übUchen Ligaturen ge-
griffen, die das Original nicht hat; dass endlich
3) auch die Punktation nicht richtig wieder gegeben ist; bedeu-
tende Fehler finden sich nur in Z. 4 und 5 an einer dem Zeichner
unverständlichen Stelle.
Im Uebrigen ist über Turcks Zeichnung des Steins noch zu be-
merken, dass seine Darstellung der allgemeinen Form desselben fast
genau mit dem Original übereinstimmt (Orig.-Höhe der mittleren
Schriftfläche 34 cent, Breite 26,5; Zeichnung: Höhe 7,6 cent. Breite
5,6), und dass der jetzt sehr verwitterte und beschädigte Kopf des
Steins doch noch ganz deutlich die Ornamentirung erkennen lässt, die
Turcks Zeichnung darbietet.
Endlich ist noch bemerkenswerth, dass neben der Zeichnung des
Steins folgende Bemerkung von Turcks Hand sehr sorgfältig mit rother
Dinte eingetragen ist:
k.
\.4.
2S6 Epigraphisofae Mittheilangen ans Geve.
Altare bei dem Ehrwürdigen Hern Lubbarth van Gartzfelt De-
chant zu Santen.
Berücksichtigt man alle diese Umstände, so wird man mit Noth-
wendigkeit hingeführt zu der Annahme, dass Turck das Original selbst
gesehen und abgezeichnet hat, und zwar, wenn auch nicht mit der
Akribie eines fertigen Epigraphikers, doch mit dem entschiedenen Be-
streben, ein möglichst zuverlässiges und im Einzelnen wie im Ganzen
getreues Bild des Originals zu liefern.
Da nur dieser eine Stein als beim Dechanten von Gartzfeld be-
findlich bezeichnet wird, dieser also kein Sammler war, so wird man
den Stein unbedenklich als einen aus Xanten oder dessen nächster
Umgegend herrührenden betrachten dürfen.
Der zweite noch erhaltene Stein, den Turck abgezeichnet hat,
ist C. I. R. 202
Turck.
I • O • M •
MARTIVS
VICTOR
SIC LEG XXX VV-
SEVERIANiE
ALEXANDRI-
P • F • V ' S • L M '
ACRICOLA ' ET • CLE ACRICOLA ETCLE
MENTIANO • COS • MENTIANO • COS •
Brambach.
1
O
•
M •
M
A R
T 1
V
S
V
1 C
T
0
R
SIC • LEG
XXX
V
•V
S
EVE
R 1 A
N
M
A
LEX
A N
0
R 1
P
• F • V •
S • L
•
M •
In der Lesung finden sich nur folgende Differenzen:
Z. 4. Br. V, T. V •. Der gegenwärtige Zustand des Originals ge-
\' stattet nicht mehr, zu unterscheiden, ob an dieser Stelle ein Punkt
gestanden.
Z. 6 findet sich am Schluss dieselbe Differenz; das Original
scheint mir hier entschieden, wenn auch in etwas undeutlicher Weise,
den von Turck angegebenen Punkt erkennen zu lassen.
Z. 7. Der von Bramb. nach L angegebene Punkt ist im Original
deutlich vorhanden^ ebenso die Z. 8 nach A und T angegebenen.
Eine weitere kleine Differenz liegt in der von Turck gezeichneten,
von Br. vernachlässigten EinrUckung des Namens VIGTOB Z. 2. Das
Original stimmt hier genau mit Turck überein. Ebenso finden sich an
Epigrapbisohe Mitiheiiungen aus Cleve. 237
demselben deutliche Spuren der von Turck gezeichneten schneckenför-
migen Ornamentirung des Kopfes. Die Schriftfläche des Originals ist
43,5 c. hoch, 34 c. breit; Turcks Zeichnung 4,3 c. hoch, 3,8 c. breit.
Turck hat also nur 3 Punkte übersehen, sonst aber eine völlig
correcte Zeichnung geliefert, in der weder in Ligaturen noch in der
Stellung der Buchstaben zu einander Abweichungen vom Original vor-
kommen. Er ist also bei dieser Zeichnung entschieden genauer als bei
der von Nr. 151. Ich glaube dies zwei Umständen zuschreiben zu
müssen :
1) Der Text der Inschrift ist einfacher Natur und war offenbar
dem Zeichner vollkommen verständlich, ein gewiss bedeutungsvolles
Moment bei allen nicht rein mechanischen Reproductionen von In-
schriften.
2) Der Stein war dem Zeichner bedeutend leichter zugänglich
als Nr. 151. Es steht nämlich neben der Zeichnung mit rother Dinte
sorgfältig eingetragen die Notiz:
Antiquiteten bei dem Hern zu Wissen.
Wissen ist ein bei Weege gelegenes Schloss, welches schon im
16. Jahrhundert bei Teschenmacher mehrfach genannt wird, als im
Besitze der Herren v. Loe befindlich, einer hervorragenden devischen
Adelsfamilie, deren jetziges Haupt, der Kgl. Kammerherr Graf Max
V. Loe, noch gegenwärtig dieses Schloss bewohnt. Es ist von Goch,
dem Geburtsorte Turcks, nur 1 Stunde entfernt und stand zu dem-
selben in ganz besonders nahen Beziehungen, da die Herren v. Loe
herzogliche Praefecti Gochenses waren, so dass Teschenmacher ^) einen
Franciscus a Loe, Dominus in Wissen auch geradezu Gochensis nennt.
Es konnte daher Turck nicht an Gelegenheit fehlen, die Wissenschen
Steine aufs sorgfältigste abzuzeichnen. Dagegen ist es sehr leicht mög-
lich, dass die Umstände für die Zeichnung des einzigen in Xanten
aufbewahrten Steines, die Turck mittheilt, weniger günstig waren.
Nachdem wir so zur Beurtheilung der fides der Turckschen Zeich-
nungen einige Anhaltspunkte gewonnen, folgen wir in der Betrachtung
der übrigen Zeichnungen der Keihenfolge der Handschrift.
Fol. V, Seite 1 findet sich oben links, wie schon erwähnt, die
Zeichnung der auf dem clever Schloss befindlichen Amphora; rechts
daneben der Fuss einer Statue mit einem Theile des Schildes auf einem
Postament, welches folgende Inschrift trägt:
^) P. 342 d. Fnmkf. Ausg. zum Jahre 1562.
238 Epigraphische Mittheilangen aus Cleve.
MARTI • SACRVM C • IVL
ANNAUS ' CA LEG XXX • W
P • F • IN HONOREM CIVIVM -
D • D • L M •
Bei Brambach findet sich dieselbe als Nr. 19 der inscr. spuriae
in folgender Stangefol entlehnter Form:
marti • sacrum • c • iul • c • a • leg | XXX • V • V • p * f •
in honorem | civium d • d • 1 • m •
Er bemerkt dazu: 1—3 versus aliter exhibet Gelenius. 1. iul.
annalis. c. fl [an h?] leg Gel.
Ich weiss nicht, was den scharfsinnigen Herausgeber der Rhei-
nischen Inschriften bewogen hat, diese Inschrift unter die inscr. spuriae
zu vei*setzen, und hoffe, dass die zu erwartende berliner Ausgabe sie
wieder ehrlich machen wird.
Zunächst nämlich scheint es mir gänzlich undenkbar, dass der
von Turck so genau gezeichnete Stein nicht wirkliche existirte. Zeich-
nete er in den zwei controllirbaren Fällen gewissenhaft nach dem
Original, so ist auch anzunehmen, dass er es in diesem ganz gleich-
artigen nicht mehr controllirbaren Falle that. Allerdings gibt Turck,
wie wir später sehen werden, auch Inschriften, deren Original er of-
fenbar nicht kannte (Fol. VII, Seite 2), aber hier gibt er auch aus-
drücklich seine Quelle an (Ex chronica Ger: Juliacen Secret:) und
liefert nicht ausgeführte Zeichnungen, sondern einfache Textabschriilen.
Es bliebe also nur die Annahme übrig, dass der Stein zwar wirk-
lich existirte, aber nicht römischen Ursprungs, sondern in betrüge-
rischer Absicht in späterer Zeit angefertigt war. Ich wüsste aber
nicht, was zu dieser Annahme berechtigen könnte, da ich im Text
desselben nichts finde, was von den sonst bekannten Formen römischer
Weihinschriften abwiche. Nur die Formel in honorem civium weiss
ich nicht zu belegen, da indessen in honorem mit dem Genitiv eines
Eigennamens auch sonst vorkommt (z. B. Orelli-Henzen III 5705),
so sehe ich in dieser Widmung dzu Ehren der Mitbürgent nichts An-
stössiges; ein weiteres Analogen bietet ja auch der bekannte Clevener
Mars- Cumulus- Altar in dem 0 • C • S (ob cives servatos). Wie sollte
aber ein niederrheinischer Falsarius in damaliger Zeit an das seltene
G ' A (custos armorum) kommen, das nach Brambach ja sonst im
Rheinland sich nur noch auf drei oder vier oberrheinischen Steinen
(1024, 1294 Mainz, 1762 Rossberg (?) 1836 Weissenburg) findet? ~
\
Eptgrapbisobe Mittbeilangen aas Cleve. 289
' Wir halten also an der Echtheit dieser Inschrift fest und glau-
ben, dass der Stein sich zu Turcks Zeit auf dem Clevener Schloss
befand, wo ja nach den oben citirten unmittelbar vorhergehenden
Worten Turcks nicht nur die Vrna^ sondern auch )> andere stucken
fürhanden» waren. In Bezug auf die Lesung der Inschrift wird jeden-
falls in Zukunft Turcks Zeichnung ausschliessliche Grundlage bilden
müssen. Stangefol mit seiner falschen Reihenabtheilung und seiner
Auslassung ' des Gognomens Annalis schöpfte offenbar aus sehr trüber
Quelle und Gelens Lesung geht, sei es direct, sei es indirect, auf die
Turcksche Handschrift zurück. Die eigenthümliche Lesart fl, die der-
selbe in Z. 2 hat, erklärt sich einfach daraus, dass das A in Turcks
Zeichnung oben sehr breit gerathen ist und unten rechts einen stark
entwickelten Fussansatz hat, so dass ein oberflächlicher und vielleicht
falsch interpretirender Abschreiber darin ein nahe aneindergerücktes
FL sehen konnte.
Unmittelbar neben dem Reste der Figur steht eine kleine Zeich-
nung eines fragmentarischen Kopfes auf einer Platte; vermuthlich ist
es ein auf dem Schilde dargestelltes Gorgoneion.
Unter der Uma in der Marsstatue befindet sich auf derselben
Seite noch eine sehr sorgfältige Zeichnung des Matronensteines C. I.
R. 219. Die perspektivische Darstellung lässt die Fronte und die linke
Seitenfläche vollständig übersehen. Auf der Vorderseite sind die drei
sitzenden Matres in der üblichen Weise dargestellt, die links sitzende
mit zurückgeschlagenem, die beiden anderen mit aufgerichtetem Kragen
des langen Gewandes. Der Stein ist an der rechten oberen Ecke be-
schädigt, so dass der mittlem Figur der Kopf halb, der rechts sitzen-
den ganz fehlt. Die Seitenfläche lässt eine männliche Figur mit einem
Krug und darunter eine Amphora mit Blumen erkennen. Auch zeigt
die Zeichnung ganz deutlich, dass die linke obere Ecke, jene Figur
der Seitenfläche und fast die ganze linke Matrona umfassend, abge-
sprengt und wieder aufgesetzt war. Die Inschrift steht unter den Fi-
guren der Matres, und zwar so, dass der Anfang MATRIBVS auf
einem Inschrift und Figuren trennend vorspringenden Gesimse steht.
Die Inschrift ist folgende:
■
..i
240
Epigraphiache UiUbeilnngen aas Cleve.
M A
Brambach :
T R I B
V
ANNANEPTIS
Q V E TTIVS QVINTVS
OFT LEG XXX VVPFSA
VSLM MAXIMOET
PATERNO COSS
Turck:
MATRIBVS
r'
>
r;
r
9^'
Y''-
&
J'-T
ANNA NEPTIS-
QVETI VSQVINTVS-
OPT • LEG • XXX • V • V • P • F • SA
VSLM- MAXIMO ET
PATERNo COSS-
t
m
Dieselbe zeigt voq Brambach folgende Abweichungen :
Z. 1. MATKIBVS nimmt nicht die ganze Breite des Steins, son-
dern nur die Mitte desselben ein.
Z. 2. Zwischen dem 4. und 5. Buchstaben ist eine bedeutende
Lücke, wie sie auch Cuper angibt. Bei der grossen Genauigkeit, mit
der Turck gerade bei diesem Steine auch die geringste Beschädigung
abgezeichnet hat, ist jedenfalls an das Fehlen eines Buchstaben nicht
zu denken; vermuthlich ist diese auch in dqr dritten Zeile (hier frei-
lieh mit Wortschluss) wiederkehrende Lücke nur durch das Streben
nach einer symmetrischen druppirung der Buchstaben veranlasst wor-
den. Am Schlüsse der Zeile hat T. einen Punkt.
Z. 3. Brambach: VETTIVS, Turck VETIVS. Mit T. stimmen
auch Crombach und Wiltheim überein, während Gelen und Cuper das
T verdoppeln. Da Gelens Abweichungen von Turck nur auf Schreib-
fehlem beruhen, so bleibt nur Cuper als Zeuge für die Verdoppelung
stehen ; ich würde hier unbedingt Turck folgen, da mir ein so aufifal-
lender Fehler in einer mit so ausserordentlicher Sorgfalt gezeichneten
Inschrift undenkbar scheint.
Z. 4 stimmt Turck genau mit Brambach überein; von einer
Lücke nach SA, wie sie Wiltheim angibt, kann nicht die Kede sein ;
ImA^ — ->*-
i
Epigraphische Mittheilangen ans Cle?e. 241
auch ist ja der Text durchaus vollständig und verständlich, da SA
offenbar bedeutet: Severianae Alexandrianae, genau wie auf dem ein
Jahr älteren Steine des Tertinius Vitalis (Nr. 146), während auf dem
3 Jahre älteren des Martins Victor (Nr. 202) diese Beinamen der 30.
Legion fast ganz ausgeschrieben sind. Uebrigens ist das S bei Turck
sehr in die Breite gezogen, so dass das von Cuper angegebene B nicht
gerade sehr fern gelegen zu haben scheint.
Z. 5 hat Turck nach VSLM Punkte. Obwohl in dieser Hinsicht,
wie wir sehen, seine Sorgfalt nicht gleichmässig ist, wird man doch
auch darin ihm folgen müssen^ als der unbedingt ältesten und besten
Quelle unter den für diesen Stein vorliegenden.
Schliesslich ist noch zu bemerken, dass auch neben diesem Steine
die Bemerkung steht: Antiquiteten bej dem Edlen Hern zu Wissen,
womit Cuper übereinstimmt, dass der Stein ex arce Wissens! nach
Cleve gebracht sei.
Die zweite Seite von Fol. V ist leer geblieben. Bei genauer Un-
tersuchung entdeckt man indessen auf derselben die halb verwischten
Umrisse eines ersten Entwurfes zu einer Zeichnung des bekannten
Cenotaphiums des M. Caelius Nr. 209. Alle wesentlichen Theile der
Sculptureu sind erkennbar, von der Inschrift war jedoch noch Nichts
eingetragen. Offenbar bezieht sich der Pluralis »Antiquiteten« bei dem
vorigen Steine auf diesen Stein mit, wie denn ja auch Dithmar zu
Teschenmacher auf Grund einer Marginalbemerkung desselben be-
zeugt, dass den Stein ehemals Wesselus L. B. de Loe, Dominus in
Wissen besass.
Demgemäss werden wir auch die oben rechts auf Fol. VI stehende
Notiz »Antiquiteten bej dem Hern zu Wissen« nicht bloss auf den zu-
nächst, obwohl keineswegs unmittelbar daneben stehenden Stein des
Martins Victor, den wir oben schon behandelten, zu beziehen haben,
sondern auch auf alle folgenden desselben Blattes, nämlich:
C. I. R. 201
Turck. Brambach»
M A T R 1 B VS
M A T R 1 B VS
BRITTIS-
BRITTIS
L • VAERIVS •
L • VALERIVS
SIMPLEX •
SIMPLEX
MIL • LEG XXX
MIL • LEG • XXX
V • V •
V • V
V • S • L • M
VSLM
16
>». »
242 EpigrephiBche Mittheilungen aus Gleva.
Es finden sich hier nur folgende Abweiehungen von Brambachs
Recension, die aus mehreren sehr erheblich von einander abweichenden
Quellen erschlossen ist.
2? 2. Der kürzere Name BRITTIS ist eingerückt und hinter
demselben steht ein Punkt.
Z. 3. Brambach : VALEBIVS mit der Vermuthung, dass der
Stein eine Ligatur hatte: VAiERIVS. Er hat sich dabei nur insofern
geirrt, als nicht A und L, sondern E und L verbunden waren: £.
Turck sah hier offenbar schärfer, als Cuper und andere, die VAERIVS
lasen. Am Schlüsse der Zeile hat Turck einen Punkt, ebenso Z. 6
nach dem zweiten V, dagegen fehlt die von Wiltheim angegebene
Linie über der Zahl XXX bei ihm. Zu der in einer Quelle angegebe-
nen Ueberschrift : I * 0 * M ' bietet der Stein nach Turcks Zeichnung
durchaus keinen Baum.
C. L R. 1970.
Turck: Brambach:
MATRIBVS MATRIBVS
FRISAVIS PAIRNIS TRISAVIS • PATER
NIS
Brambach folgt in seiner Recension Wiltheim, der diese und die
folgende Inschrift als lecta saxa viro doctissimo Henrico Turcio be-
zeichnet. Heinrich Turck ist, wie aus den früher .angeführten Zeug-
nissen der Sethe'schen Handschrift hervorgeht, nicht der Chronist,
sondern der Sohn desselben, Canonicus in Cranenburg, der Erbe der,
wie WUT sahen, nicht völlig vollendeten Handschrift des Vaters. Es ist
daher gewiss anzunehmen, dass die Sethesche Handschrift der Arche-
typus des Wiltheimschen Textes ist Dass sie von diesem in Zeilenab-
tbeilung und Punktation abweicht, wird man nicht auffallend finden,
da ja jedenfalls Zwischenglieder anzunehmen sind; wohl aber kann
auffiedlen die Differenz im Anfangsbuchstaben der matres; WiUheim
hat wie auch Gelen und Aldenbrück, von denen der erstere jedenfalls
auf Turck zurückzuführen, T, Cuper F. Turck hat einen Buch-
staben, der zunächst den Eindruck einer Ligatur von T und F macht :
"E. Da diese undenkbar, auch bei der bedeutenden Entwicklung, die
Turck dem untern Strich des E zu geben pflegt^ an eine Ligatur von
T und £ nicht zu denken, so wird man sich für F oder T zu ent-
scheiden haben. Ich finde es sehr begreiflich, dass diese Entscheidung
mehrfach für T ausgefallen ist, muss mich aber meinerseits nach ge-
Epigraphische Mittheilongen aus Gleve. 248
nauem Studium der Eigenthümltchkeiten der Turckschen Schreibart
für F entscheiden. Turck pflegt bei T oben links kräftig einzusetzen ;
hier jedoch ist das keineswegs der Fall ; vielmehr ist der links vom
Hauptstrich befindliche Ansatz durchaus nicht mehr entwickelt, als
ihn Turck an den oberen Ecken von I E F B P B M auch sonst zu
machen pflegt und z. B. auch bei dem gerade darüber stehenden M
gemacht hat.
, Ich halte es daher für keineswegs unmöglich, dass auch Cuper
mit seiner Lesart F schliesslich auf Turck zurückzuführen ist und
dass uns in der Setheschen Handschrift der Archetypus der ge-
sammten Tradition über diesen Stein vorliegt.
Der einfach omamentirte Kopf des Steines war nach Turck Wohl-
erhalten, dagegen nach der 2. Zeile ein Bruch eingetreten, durch den
der weitere Verlauf der Inschrift verloren gegangen war. Wenn sich
bei Gelen die Angabe findet, dass dieser Stein bei Cöln gefunden, so
ist darauf gewiss kein Ge.wicht zu legen, da sonst nur Xanten als
Fandort der Wissenschen Steine nachweisbar ist
C. I. R. 1969.
Turck.
MATRIBVS ARSACIS PA
TERNISSIVE MATERNIS
M • AVR • LV • VERONIVS VE
RVS • PE • PRiEFECT • I • PRO SE
ET • SVIS • V • S • L M •
Brambach.
MATRIBVS • ARSACIS
PATERNIS • SIVE • MATERNIS
M • AVRELIVS • VERONIVS • VE
RVS • PE • PRAEFECTI • PRO
SE • ET • SVIS- VS-LM
Brambach folgt auch hier Wiltheim, der aus derselben Quelle
schöpfte, wie bei der vorigen Inschrift, d. h. eine die Zeilenabtheilung
und Ligaturen ignorirende Gopie der Setheschen Handschrift benutzte.
Die Lesart AYRELIVS (Z. 3) muss daher nothwendig als Conjektur
angesehen werden, und zwar als eine nicht unbedingt sichere, da in
dem überlieferten LV auch eine Tribusangabe stecken könnte.
L
244 Kpigraphische Hitthtilangn
Bemerkenswerth ist noch, dass C
Ziehung mit Turck übereinstimmt, der
ffohl a]s alleiniger Urheber der ganzen '
Der Stein war mit den gewöfanlicli
schmflckt, doch waren, wie die Zeicfanan
ches nur die Füsse derselben erhalten.
C. I. R. Inser. sp«
Turck:
I ■ OM?C3SlC
HVIVS ■ Q • C^
VS ■ SECVNE
Der Stein ist oben mit einem einfi
unterhalb der 3. Zeile abgebrochen. Gi
fast genau mit Turck flberein, insbesond
die von Turck gezeichneten drei Zeilen
auf den Bericht eines Lambert van der
tion noch vier weitere Zeilen:
leg ' c ' sereni | procos ' galliae |
Henzen, der nur in dieser Gestalt (
Orelli 186 (III. p. 28) von derselben : s]
Die epigraphiscben und historischen GrU
hauptuDg anführt, beziehen sich sämmtlii
Dieselben erweisen diese als Interp
aus nicht die Aechtheit der drei ersten ^
Eine künftige Sammlung wird daher die
unter die ächten aufnehmen müssen.
Da die von Lipsius benutzte Quelle
lautere und unzuverlässige war, so ist jt
der Stein e ruinis castri antiqni Qual
wicht zu legen.
C. I. K. 196£
Turck:
CN • GARANT Cl
IVS ■ CNE • VOL IVi
NEA^A ■ MIL • LEG NE
XXI • STIPEN XV X>
ANN • XXXV
t .
Epig^raphische MittheiluDgen aus Cleve. 245
Brambach gibt diese Inschrift auf Grund einer Abschrift Croni-
bachs, die mitTurck genau übereinstimmt, abgesehen von zwei Stellen :
1) Z. 2 hat Crombach die Lesart IVS CN • F. Ohne Zweifel
ist diese in Bezug auf den 6. Buchstaben richtiger, als die Turcks
(und Gelens) ; indessen ist Turcks Vereehen sehr leicht erklärbar, da
Crombach den 3. bis 6. Buchstaben punktirt, vermuthlich also der
Stein an dieser Stelle beschädigt war. Was den Punkt nach IVS be-
trifft, so spricht die Analogie für Turck.
2) Crombach hat den Punkt nach NEMA nicht; auch hier wird
man Turck zu folgen geneigt sein.
C. I. B. 218.
Turck.
HAVE CALVENTI • CALV
ENTIVS TE RESALVTAT •
C CALVENTIVS OMVI •
I FIL • OVE • MED • HICSITVS
EST • AN • XLIIX MIL • LEG • V
IP • XXIIX • ET CONIVCI ET ■
• 3 FRATER PRO PIETATE
COJSQVALES MORS H^C-
APTA EST- VIT • FELCES QILI
AR • PATRIA • DVLCIS •
ESE • SVA •
Crombach.
HAVE CALVENTI CALV
ENTIVS TE RESALVTAT
C • CA LV ENTIVS OMVI
IFIL OVF • MED HICSITVS
EST ANN XLIIX MIL- LEG V
STIP ■ XXIIX ET CONIVGI ET
FllJO FRATER PRO PIETATE
COAEQVALES MORS HAEC
SAPTAEST VITFELCES QIFL
PATRIA DVLCIS
SE SE SVA
..^..-Zi
I
I V
I
!
I
>'
r
i
1» -
246 EpigpraphiBohe Mittheilangen aus Giere.
Der Kopf dieses von Brambach im Rhein. Museum XX p. 615
zuerst nach Crombach cdirten Steines zeigt ein Giebeldreieck mit zwei
Nebendreiecken, die mit Ornamenten ausgefüllt sind. Die Differenzen
beider offenbar ganz von einander unabhängiger Traditionen sind
folgende :
Z. 1 und 2 stimmen abgesehen von zwei Punkten genau über-
ein; Z. 3 hat Turck wie Crombach das unverständliche OMVI///,
welches Brambach wohl richtig in Romuli verbessert hat. Z. 4 ist
OVE fttr OVF ein leichter Lesefehler Turcks, dem jedenfalls die Be-
deutung des Wortes unklar war. Z. 5 hat Turck AN, Crombach ANN,
wobei die Zählung der Buchstaben für letztere spricht.
Ausserdem hat Turck in der Zahlenangabe h statt L, indem er
wohl eine zufallige Verletzung des Steines für einen Apex ansah. In
Bezug auf Z. 7 und 8 bestätigt Turcks Zeichnung die Vermuthung
Brambachs, dass die punktirten Buchstaben bei Crombach auf Con-
jektur beruhen; die Lesart stimmt in diesen Zeilen wie auch in der
dritten bis auf einige Punkte und zwei Ligaturen (T. in coaequales
und haec (Mj C. AE) genau überein. Z. 9 hat Crombach an der
Bruchstelle noch ein S mehr; da dasselbe bei Turck fehlt, so ist es
jeden&lls als unsicher zu betrachten. Nach FEL hat Turck den von
Crombach fälschlich angegebenen Punkt nichts vermuthlich war das I
durch Ligatur mit dem L verbunden (L). Der eigenthümliche Schluss
der Zeile, welche bis auf den Rand des Steines sich hinzieht, stimmt
wenigstens nahezu in beiden Quellen überein, da Turck Q I* L I* und
Crombach Q'I'F'L darbietet. Brambachs Conjektur Quibus wird
also durch Turck nicht bestätigt; es wird überhaupt schwerlich ge-
lingen den Sinn dieser letzten offenbar sehr verstümmelten Zeilen zu
errathen, wenn nicht etwa Denkmäler von ähnlicher Form angeführt
werden können. Z. 10 hat Turck vor PATRIA die Buchstaben AR,
die ich für ebenso unsicher halte, wie das S Crombachs in Z.9. Z. 11
hat wiederum Crombach ein S in der Bruchstelle mehr.
Die wesentlichste Verschiedenheit beider Quellen liegt also darin,
dass an der Bruchstelle bald die eine, bald die andere einen oder
zwei Buchstaben mehr bieten zu können glaubt
Es liegt unter diesen Umständen nahe, an eine fortschreitende
Beschädigung dieser Stelle zu denken. Crombachs Recension beruht
auf einer ihm aus Xanten, wo 1623 der Stein gefunden, zugesandten
Copie, während Turck denselben später in Wissen gesehen haben wird.
Die Grombachsche Quelle ist daher als die ältere anzusehen ; da in-
B^r
Epigraphiflohe Mxitheilangen aas Gleve. 247
dessen an einer Stelle auch Turck ein wesentliches Plus darbietet, so
scheint es näher zu liegen, die Differenzen auf die Beschaffenheit des
Steines, der ja in der Nähe des Bruches sehr leicht auch auf der
Schriftflache beschädigt sein konnte, als auf den geringen Zeitunter-
schied der beiden Quellen zurückzufahren.
Da, wie bemerkt, dieser Stein erst 1623 gefunden, sO ergibt sieb,
dass der die Inschriften enthaltende Theil des Mscr. erst nach 1623
verfasst sein kann, alsg zwischen 1623 und 1633, da wir in diesem
Jahre bereits die Handschrift in fremde Hände übergegangen sahen.
1968.
Turck:
IVLFLI
CIO
PRO SE-
T SViS • V • S •
Bis jetzt war diese Inschrift nur bekannt durch folgende Cursiv-
abschrift Gelens:
lulio Flicio
pro se
T suis • VI S
Auch diese wird, wie die sonstigen Abschriften Gelens, auf Turck
zurückgehen, ist aber in willkürlicher und nachlässiger Weise ergänzt
und verändert.
Was die Turcksche Abschrift betrifft, so zeigt sie uns zunächst,
dass der Kopf des Steines abgebrochen war; vermuthlich zeigte der-
selbe den Namen einer Gottheit. Ebenso ist noch von der ersten Zeile
ein Theil weggefallen, wodurch das Praenomen des Weihenden ver-
loren gegangen sein wird. Das Nomen IVL ist nicht ausgeschrieben;
man muss jedenfalls IVLIYS (nicht mit Gelen IVLioj ergänzen. Das
Cognomen ist ohne Zweifel FELIGIO, welches auch C. I. R. 916 vor-
kommt. Vielleicht war das E ähnlich wie Z. 4 mit dem T hier mit
dem L legirt: 3L und der Punkt, den Turck nach F hat, wäre dann
ein Rest eines Apex des E. Zu bemerken ist noch, dass das I in SVIS
nach Turcks Zeichnung entschieden als i longa zu ef kennen ist.
Neben dieser Inschrift befindet sich die Zeichnung von C. I. R.
212 und in der Mitte unter Beiden folgender mit einfachen Ornamen-
ten geschmückter Kopf eines Votivsteins :
I
1*'
r
248 Epigraphische MittheiluDgen aus Cleve.
FATIS
A
Dieses Fragment ist bis jetzt nicht bekannt gewesen; verinuth-
lieh hatte Gelen resp. seine Quelle dasselbe des geringen Umfangs
wegen übergangen. Eine Widmung an die Fata ist sonst nicht selten
(cf. Orelli-Henzen 1771—76, 5788, 5789), kommt indessen in den
Rheinlanden nur noch einmal vor auf einem Kölner Steine, der merk-
würdiger Weise ebenfalls nur noch das Wort FATIS enthält. C. I.
Rh. 322. Man könnte daher an eine Identität beider Fragmente den-
ken; indessen gibtCrombach ausdrücklich an, dass er dieses im Jahre
1643 ausgegrabene Fragment in St. Ursula in Cöln gefunden habe;
daher scheint mir mit Rücksicht auf eine so bestimmte Angabe eine
Identificirung doch nicht möglich zu sein. Dagegen liegt sehr nahe
die Vermuthnng, dass das Turcksche Fragment den Kopf der Weih-
inschrift des Julius Felicio bildete.
Die Form des Bruches an beiden Steinen ist derart, dass eine
Zusammenfügung durchaus nicht unmöglich scheint; insbesondere hat
dieses Fragment unten links einen Vorsprung mit einem schwach an-
gedeuteten Rest eines Buchstabens (und zwar vermuthlich eines M),
der sehr wohl in der Lücke, die der andere Stein oben links hat,
passen würde. Die Breite der beiden Steine stimmt in den Zeichnungen
wenigstens annäherjid überein: sie beträgt bei dem grösseren Frag-
ment 3,7 Centimeter, bei dem kleineren 3,3. Wir würden somit fol-
gende vollständige Inschrift erhalten:
FATIS
AAIVL FeLI
CIO
PRO SE
T SVIS VS-
212.
Brambach.
MARTI
SACR V M
VLP
ATIDENVS
RATORI FC
Turck.
MARTI
S ACRVM
VLP
ATIDENVS
Epigraphiflche MittheUuDgen aaft Cleve. 249
Die Lesang Brambacbs beruht auf Crombach, der seinerseits eine
Abschrift von Xanten her erhalten i zu haben angibt, wo der Stein
gefunden sei.
Z. 3 hat Turck nach V und L Punkte, jedenfalls mit Unrecht.
Z. 4 ist nach der Turckschen Zeichnung anzunehmen, dass 1—2
Bachstaben im Anfang der Zeile weggefallen sind. Vermuthlich ist
daher ATIDENVS nur ein Theil des Cognomens.
Z. 5 fehlt bei Turck. Da ein gänzlich willkürlicher Zusatz Seitens
der Xantener Quelle nicht wahrscheinlich ist, so vermuthe ich, dass die
Beschädigung des Steines, als Turck ihn in Wissen sah, weiter fort-
geschritten war, so dass diese Zeile nicht mehr vorhanden oder we-
nigstens nicht mehr lesbar war. War aber Z. 4 im Anfang verstüm-
melt, so musste es nothwendig auch diese Zeile sein. Es könnte also
z. B. etwa STRATOR ursprüngliche Lesart sein, in welchem Falle in
den drei letzten Buchstaben mit Voraussetzung einer Verstümmelung
auL unteren Theile LEG (d. h. Legati) gefunden werden könnte. Eine
solche Deutung würde jedenfalls viel näher liegen als die Annahme
eines C!ognomens Batorus (Brambach p. 378).
Auf Fol. VII a folgt sodann die oben behandelte Inschrift C. I.
Rh. 151.
Im Ganzen bietet uns also Turck Zeichnungen von 13 Steinen, von
denen nur zwei sich erhalten haben. Elf dieser Steine sowie das Ke-
notaphion des Legaten M. Caelius, dessen Zeichnung er nicht mehr
vollendete, sah er auf dem Schlosse Wissen. War bisher nur von zwei
Steinen (209 und 219) bekannt, dass sie eine Zeit lang in Wissen ge-
wesen, so erfahren wir nunmehr, dass dort um 1630 eine Sammlung
von mindestens 12 Inschriftsteinen bestand, dass also die Sammlung des
Prinzen Moritz von Nassau keineswegs die erste in dortiger Gegend
war. Die weiteren Schicksale dieser Sammlung sind leider gänzlich
unbekannt; drei der ansehnlichsten Denkmäler derselben (202, 219,
209) kamen schon im Laufe des 17. Jahrhunderts nach Cleve, viel-
leicht als Geschenk des Freiherrn Wessel von Loe an den grossen
Churfürsten, was wenigstens in Bezug auf den Gaeliusstein (209) be-
zeugt ist. Von keinem der neun übrigen Steine ist ein späterer Auf-
bewahrungsort nachzuweisen; alle bisher bekannt gewordenen Ab-
■ ^
260 Epigraphisobe Mitiheilangen ans Giere.
Schriften derselben gehen allem Anscheine nach entweder auf schedae
zurack, die aus der Zeit vor Ueberfdhrung der Steine nach Wissen
stammen, oder auf den Turckschen Codex.
Es lag daher sehr nahe, weitere Nachforschungen über Herkunft
und Verbleib dieser Steine, wie aber die Wissensche Sammlung über-
haupt auf dem Schlosse Wissen selbst anzustellen; der Kgl. Kammer-
herr Max YonLoe hatte mir bereitwilligst seine Mitwirkung zu diesem
Zwecke zugesagt, indessen ist mir durch meine sehr bald nachher
eingetretene Versetzung in eine andere Provinz eine weitere Verfolgung
dieser lokalen Forschungen leider unmöglich geworden.
Wie schon oben erwähnt worden, beschränkt sich Turck nicht auf
Mittheilung von Abzeichnungen der ihm zugänglichen Steine der Clever
Gegend, sondern auf Fol. VII b theilt er auch folgende fdnf Inschriften
»Ex Chronica Ger: Juljacen Secret: De rebus Juljacensjum« mit:
1. (Bramb. 602.)
M • ANTONIO VICTORI
FRONAMINIA • VXSOR • MOR •
SIBI • ET MARITO DE SVO POSVIT
2. (Bramb. 595.)
C • F L A V I O
C A P I T O NS
F • CONSTANT •
3. (Bramb. 596.)
DM-
C • VESPASIANO
VITALI
AAACRINIA • AV •
VACAF.C-
»♦
e
Epigraphisohe IfitUMilnngen «u CUve. 2(1
4. (Bramb. 588.)
L • CASSIVS
VERECVNDVS
SIBI ETLABITINIANAE
MARTINE VXORI VIVOS
FECIT •
5. (Bramb. 601.)
AAATRONIS RVA^NEHABVS
SACR •
L ♦ VITELLIVS CONSORS
EX POL • LEG • VI • VICTR •
Da bereits vier Abschriften dieser JiUichschen Chronik resp. ihrer
Inschriften durch Bücheler und Brambach bekannt geworden sind,
bietet dieses fünfte ziemlich nachlässig angefertigte and unvollständige
Apographon allerdings kein besonderes Interesse dar.
Dagegen liefert uns der Schluss der Turckschen Vorgeschichte
noch einen interessanten Beitrag zur lateinischen Epigraphik. Es heisst
nämlich dort:
Inscriptio lapidis sive Saxj antiquj, quae infra Altare in Ecclesja
de Ryneren habetur.
• • •
/WAR • IICAAAVLO SACRVM PRO SALVTE
CLAVDI CiESARIS VC' CER/WANIdlMP • • •
VE • S • REMIQVI • TEMPLVM CONSTITVTVM •
Diese Abschrift des bekanntlich jetzt auf dem Schlosse zu Gleve
aufgestellten Altars ist nämlich dadurch merkwürdig, dass nach pro
salute nicht das Wort TIBERII folgt, sondern statt dessen eine Lücke
angedeutet ist. Hierdurch erhält die von Aschbach und Brambach ge-
billigte Yermuthung Schneiders (Jahrlf. XVIII p. 136), dass dieses
Wort interpolirt sei, eine urkundliche Bestätigung. Und zwar ergibt
sich nunmehr mit Bestimmtheit, dass diese Interpolation nicht aus alter
Zeit herstammt, sondern erst nach Turcks Zeit ausgeführt ist. Offenbar
ist gleichzeitig, wie Brambach richtig vermuthet, der ganze Stein
restaurirt forden, und erklären sich so die bedeutenden sonstigen Ab-
weichungen Turcks von den so leicht erkennbaren jetzigen Schrift-
252
Epigraphiflche Mittheilungen aus Gleve.
V «
Zügen des Steines. Uebrigens scheint der unbekannte Restaurator, ab-
gesehen von jenem Tiberii, überall das Richtige getroffen zu haben.
Wenn wir demnach auf Grund des Turckschen Mscr. die Re-
stauration des Steines für eine nach 1623—33 erfolgte erklären zu
müssen glauben, so ist von besonderm Interesse die Frage, welche
Lesarten denn die einzige existirende ältere Quelle, nämlich das Mscr.
des Martin Smetius auf der Leidener Bibliothek vom Jahre 1588 dai-
bietet. Da Brambachs Notiz : M. Smetius non integram descriptam ac-
cepit hierüber keine Auskunft gibt, so bat ich den auswärtigen Sekre-
tär unseres Vereins, Herrn Conservator W. Pleyte in Leiden um eine
genaue Abschrift der betreffenden Stelle des Mscr. Derselbe erfüllte
meine Bitte mit der grössten Bereitwilligkeit und sandte mir fol-
gende Gopie:
MARTI • CAMVLO
OB • SALVTEA/V • TIBERI
CLAVOI • CAES • CIVeV • REMI
TEMPLVM • CONSTITVE
RVNT
Diese sehr nachlässige und lückenhafte Abschrift des Steines
enthält also allerdings schon das Wort TIBERI, und zwar mit der
richtigen Genetivendung, aber mit Punkten bezeichnet, die vermuth-
lich bedeuten sollen, dass das Wort Conjektur ist.
Somit widerspricht das Mscr. Smet der von uns aus der Turck-
schen Abschrift gezogenen Folgerung keineswegs.
Jedenfalls wird die Restauration des Steines sehr bald nach Turck
vorgenommen sein, da alle späteren Abschriften, so weit sie mir be-
kannt geworden, die jetzige Beschaffenheit desselben voraussetzen lassen.
V"
...»
Somit erweist sich die Sethe'sche Handschrift in verschiedener
Hinsicht als eine für die lateinische Epigraphik sehr wichtige Urkunde ;
bietet sie auch wenig absolut Neues dar, so liefert sie doch unzweifel-
haft für die Kritik einer Reihe niederrheinischer Inschriften ein ganz
neues Fundament. Hoffentlich wird auch die sonstige Bedeutung der
Handschrift bald von anderer Seite einer eingehenden Untersuchung
unterworfen werden.
Sangershausen.
Albert Fulda.
k.
10. Zur Staurologie.
Die Sitte auf Märkten und an Wegscheiden monumentale Kreuze
zu errichten, lässt sich zwar bis ins christliche Alterthum zurückfüh-
ren*); aus leicht erklärlichen Gründen indess sind dergleichen unter
freiem Himmel errichtete Kreuze aus älterer, romanischer Zeit nur
sehr selten bis in ujpsere Tage erhalten geblieben, und diesseits der
Alpen ist vielleicht das Kreuz auf dem alten Markte in Trier *) sogar
der einzige Repräsentant dieser ganzen Gattung. Dass es sich in der
That um eine besondere, einen eigenthümlichen Typus befolgende
Gattung handelt, erhellt aus der Vergleichung mit anderen italieni-
schen Beispielen, deren wir zu Bologna eine ganze Reihe näher
kennen lernen aus einer mit guten Abbildungen ausgestatteten, zwar
nicht mehr neuen, aber in Deutschland anscheinend kaum bekannt
gewordenen Abhandlung des Grafen Giov. Gozzadini^). Es befanden
sich in früherer Zeit und zum Theil noch bis zum Ende des vorigen
Jahrh. viele Steinkreuze auf den Strassen von Bologna ; sie sind seit-
dem zu Grunde gegangen, mehrere wurden jedoch schon frühzeitig in
Kirchen übertragen, weil man der (übrigens nicht zu begründenden)
Tradition zufolge ihre ursprüngliche Errichtung an den Thoren der
') Pelliccia, A. A., de christ. ecclesiae politia; ed. Bitter 1, 340. —
Rheinwald, F. H., Kirchl. Archäologie S. 407.
>) Abbild, bei £. aus'm Weerth, Eunstdenkm. I. Taf. LYI. 6 zu 8, 83.
Vergl. Kugler, Kl. Sehr. 2, 185. — Anch in Frankreich ist nur ein einziges
£xemplar bekannt : das Wegekreuz von Grisy (Calvados), abgebild. bei d e
Caumont, Abecedaire (4. Aufl.) 1, 277.
*) Delle croci monumental!, ch^erano nelle vie de Bologna nel secolo XIII
memoria del Conte Giov. Gozzadini. Bologna 1863. — 43 S. 4. (Sonder- Ab-
druck aus den Atti della Deputazione di Storia Patria per le provincie di Bo-
magna. — Anno II.)
354 Zar Staarologie.
alten ßoDonia mit der Einfahning des ChriBtenthums daselbst in Ver-
bindung zn setzen gewohnt war. Die Form derselben entspricht im
Wesentlichen völlig dem Trierer Marktkreuze: es sind Säolen, deren
Schaft mit einem Terhältnissmässig kleinen Ereaze gekrönt ist Wenn
die Höhe des Trierer Denkmals anf nngefäbr lin,39 angegeben wird,
so durfte das Krenz selbst etwa dieselbe Höhe haben, wie die Bolo-
gneser Krenze, deren gröastes l<n>02 hoch ist. Mehrere der letzteren
sind wie das Triersche inschriftlich datirt, und obgleich danach keines
dieser Denkmäler bis in die altchristliche Periode hinaufreicht, so
scheinen sie doch dem Typus jener ar^Xai hiivixuti *) zu entsprechen,
welche nach Easebius (de landibns Constanüni c 9) Gonstantin der
Gr. ananaXav ytjg errichtet hatte. Während die Säxüe in Trier auf
dem antiken Granitschafte einen trichterförmigen Kalksteinkranz trägt,
welcher mit eingemeisselter romanischen Palmettenverzierung versehen
und mit dem Kreuze selbst aus einem Stocke gehauen ist, steht bei
den italienischen Exemplaren das Kreuz meist nur mittelst einer un-
tergelegten achlichten Kondplatte auf dem Säulenschafte, welcher letz-
tere in mehreren Fällen ein gestutztes antik römisch-korinthisches
Capital zur Basis hat, wodurch nach sehr wahrscheinlicher An-
nahme des Grafen Oozzadini der Sieg des Christenthums über das
Heidenthum bezeichnet sein soll. Das Material ist theils Marmor ver-
schiedener Art, theils nur Sandstein (macigoo) oder Kalkstein. Die
Form der Kreuze selbst nähert üch mehr oder weniger der sogen,
griechischen, die freien Enden der Arme verbreitem sich zuweilen
krttcken- oder tatzenartig, nirgend aber erscheint eine so elegante
Bildung wie an dem Kreuze in Trier, welches, aus dem Quadrate
durch Hohlkehlen ausgeschnitten, etwa spätromanischem Geschmacke
entsprechen dtlrfte.
Mit alleiniger Ausnahme eines schlichten Tatzenkreuzes, welches
urspranglich in der Nähe der ehemaligen Kirche S. Ambrogio zu Bo-
loga& zur Bezeichnung des Ortes errichtet war, wo man gegen Ende
■) Felliacift L o. übersetzt pkraphrutitob : ColumnBlUe trinmphslM,
craoe inaigniUe ; Zimm e rmanu (Easeb. hiit. ecol gr. et kt.) dagegen: Arcaa
trinmpbalsa (?). Dia SteUe lautet vollständig: Toüi^ tö nävtiav ayaAtiv Tliof,
oittifti XS^°< ßaailtii änodidovt, nnowo;foC y^r OTijiaf tntnxlot/s ISgüno, nlovaUf
xnl ßaaiXti^ X"C^ ^^^^ "^ Ttft/vri Irgä it TT^atuxi^n awlaiaaSta tmi näai
Jutxiitvö/ttvo!. Danach ist ea freilich möglieb, dats unter den oj^^bs tmvixiovs
lediglich die viüs xal icfi^ tu 7eratehen sind, und man „monnmenta trinm-
phalia" ta ObersetSen hat.
Zur Staorologie. 256
des K. Jahrh. die Gebeine des h. Proculus aofgefunden hatte, sind
sämmtliche Exemplare entweder symbolisch oder historisch (d. h. als
Gmcifixe) decorirt, und bei dem ikonographischen Interesse dieser
freilich mehr oder weniger rohen Darstellungen, gestatten wir uns eine
kurze Uebersicht der einzelnen Denkmäler.
1. In S. Grovanni in Monte zu Bologna ein sich der heraldischen
Erückenform annäherndes, cordonirtes Marmorkreuz, welches auf einer
Seite mit einfachen Blattwindungen en bas-relief geschmückt ist, die
sich auf der anderen wiederholen, nur dass hier oben das Bild einer
Taube hinzugefügt ist, die an einer Weintraube pickt, und unten die
Inschrift: f ^^^ ^^' renova. crux temporibus dom. Vitale epsc, wo-
nach also das Kreuz in der Zeit des B. Vitale (789—814) erneuert
worden ist Weintrauben geniessende Tauben, das Bild der mit dem
Blute Christi sich nährenden gläubigen Seelen, kommen schon auf alt-
christlichen Grabsteinen vor.
2. In S. Petronio daselbst ein einfaches Kreuz, welches auf bei-
den Seiten an seinen drei Armen mit einer sich dreitheilig rankenden
sparsam mit gestielten dreizähligen Blättern besetzten Pflanze ge-
schmückt ist, deren viel verzweigtes Wurzelgeflecht den Kreuzesstamm
einnimmt Eine symbolische Beziehung dieser Darstellung darf zwar
mit Becht vorausgesetzt werden, ob aber darunter die »hedera« des
Propheten Jonas (Jon. 4, 6) zu verstehen sein möchte, will Gf.
Gozzadimi, der diese Meinung anführt, nicht entschieden. Da übrigens
das Kreuz nur eine im J. 1303 verfertigte Gopie eines älteren sein
soll, so ist das Rankengewächs vielleicht nur als ein nicht besonders
getreu gerathener Weiustock anzusprechen.
3. Eine Gruppe von Kreuzen — drei in Bologna, eines in Ba-
venna und das Marktkreuz in Trier — mit dem Gotteslamme auf der
Mitte. Letzteres ist nach dem sinnigen mittelalterlichen Typus darge-
stellt : es trägt sein Kreuz und schaut sich um nach denen, die willig
sind nachzufolgen (Matth. 16, 24). Auf dem nur in einem Bruchstücke
erhaltenen Kreuze im archäol. Museum der Universität zu Bologna
steht das hier ein Fähnlein tragende Lamm auf einem Medaillon,
welches grösser als die Vierung, zum Theil die inneren Winkel und
die Arme des Kreuzes bedeckt, deren etwas verbreiterte Enden mit
einer 'sechstheiligen Bosette geschmückt sind, wie solche ähnlich auf
einem altchristlichen Grabsteine zu Curubi 0 und auf dem Planiger
1) P. J. Münz, Archäol. Bemerk, über das Kreos. Taf. IL 22 u. S. 68.
2G6 Zar Staurologie.
Bronze-CniciSxe ') vorkommen : nicht unwahrscheinlich also mit irgend
einer symbolischen Beziehung. Die beiden anderen, einander ganz
gleichen und deshalb also wohl auch gleichaltrigen Bologneser Lamm-
kreuze befinden sich in der Kirche S. Petronio. Die Vorderseite ist
mit edlen antikisirenden Arabeskengewinden gescbmUckt, die in der
Mitte einen aus vier trichterförmigen Blumenkelchen zusammengesetz-
ten Kranz bilden als Umrahmung des Kammes. Die RQckseite zeigt
auf den Qaerarmen des Kreuzes eine Bandverschlingung. — Eine
Viertel - Miglie vor der Porta
nuova von Ravenna an der
prachtvollen, wahrhaft kaiser-
lichen Strasse (Caesarea), wel.
cheBavenna mit der Hafenstadt
Classia verband, ist die Stelle
der ehemaligen, schon vor 412
erbauten und 1553 von Pius
IV. wegen beabsichtigter neuen
silica S. Lorenzo durch ein
steinernes 'Kreuz bezeichnet '),
welches wir nach einer Photo-
graphie im Holzschnitte geben,
nebst einigen näheren Notizen,
die wir der Freundlichkeit des
Herrn Ph. Lanciani in Ra-
venna zu verdanken haben.
Das 0"i'84 hohe, byzantinische
Kreuz ist wie die moderne
Säule, auf welcher es steht,
aus Kalkstein von Istria (seit
Alters dem gewöhnlichen Werk-
stein der ravennatischen Bau-
ten) verfertigt, und am Säu-
lenfusse finden sich die beiden
folgenden Inschriften; vorn:
') Jahrb. XLIV u. XLV. 8. 199 u. Taf. X.
») V. QoMt, Ravenna S. 3,
Zar Stanrologid. 257
QVOD D . LAVRENTi MAR • BASILICA
IN CAESAREAE OPPIDO HEIC
STETERIT NE NESCIAS M • P .
und auf der Rückseite :
HONORIO IMP ♦ STRVITVR
DELETVR ANNO MDLIII
MEMORIA INSTAVRATVR MDCCCXX
Ob, wie und wo das Kreuz vor dem Jahre 1820 aufgestellt ge-
wesen sein mag und in welcher voraussetzlichen Beziehung dasselbe
ursprünglich zu der Kirche S. Lor^nzo gestanden hat, darüber ist
nichts bekannt. Es stimmt in der Form mit San Bologneser Exem-
plaren wesentlich überein und zeigt auf der Rückseite in einem cor-
donirten Rund eine in griechischer Weise segnende Hand: dieselbe
Darstellung, welche sich auch auf der Kehrseite einiger unter Nr. 5
zu besprechenden Grucifixe in Bologna findet, jedoch mit dem latei-
nischen Gestus des Segnens. Dass auch dieses Kreuz nicht bis in die
altchristliche Zeit hinaufreicht, sondern höchstens ins YII. bis IX.
Jahrhundert, erscheint nicht zweifelhaft. — Das Triersche Kreuz zeigt
in sehr flachem Relief das Lamm in der Mitte in einem Rundfelde
zwischen vier Rosen, von welchen aus sich ein palmettenartiges Orna-
ment über die vier Arme verbreitet. Auf der Rückseite des Kreuzes
steht eine bei Kugler und aus'ra Weerth a. a. 0. mitgetheilte Inschrift,
nach welcher das Kreuz im J. 958 von Erzb. Heinrich von Trier im
zweiten Jahre seines Episcopates errichtet worden ist, und darunter
nach Kugler : Renovat. anno 1723. Ausserdem stehen rings um den obem
Rand des Säulencapitäls demselben Gewährsmann zufolge die Worte :
Henricus episcopus treverensis me erexit. Kugler bemerkt dazu:
)>Die Inschriften, auch die zweite, nicht ursprünglich. Doch ist es
nicht unmöglich, dass die Säule an die in der ersten Inschrift genannte
Zeit hinanreicht Die erwähnte späte Renovation hat, nach Angabe
der Gesta Trevirorum, nur Anstrich und Vergoldung betroffen.«
4. Das (oben in der 2. Anmerk. erwähnte) Kreuz von Grisy,
welches am Rande einer Römerstrasse auf der Grenze zweier Com-
munen steht, wird von vier zu einem Bündel vereinigten Säulen ge-
tragen, die über einem gemeinschaftlichen Plinthus auf cylindrischen
Basen ruhend, schlichte Kelchcapitäle mit Eckschnecken haben. Es
ist gleicharmig aus einem Würfel gehauen und bildet deshalb nach
allen vier Seiten Kreuzfa^aden, deren Mitte mit einem grossen Rund-
17
268 Zar Staarologie.
Schilde belegt ist. Diese Schilde zeigen verschiedenes Ornament, das
eine wiederum die unter Nr. 3 erwähnte sechstheilige Rosette. Die
verbreiterten kurzen Kreuzarme mit in den Ecken eingelegten Rund-
stäben sind mit einem facettirten Sternenfriese geschmückt. Das ganze,
ohne Zweifel dem XII. Jahrh. angehörige Denkmal besteht aus einem
Stück und ist aus Einem Kalksteinblock gehauen.
5. Mehrere Grucifixe zu Bologna, die wir zusammenfassen, weil
dieselben, soweit Abbildungen davon vorliegen, viel Uebereinstimmen-
des zeigen. Die Form der Kreuze nähert sich, obwohl der Querbalken
kürzer i^t als der Stamm, insofern der griechischen, als ersterer ziem-
lich durdi die Mitte des letzteren gelegt ist, wodurch der obere Arm
eine unverhältnissmässige Länge erhält. Das Kreuz ist nischenartig
vertieft gearbeitet und der erhobene Rand desselben omamentirt oder
zur Aufnahme einer Inschrift benutzt. Der Grucifixus ist jugendlich
und bartlos, lebend ohne Seitenwunden, mit wagerecht ausgebreiteten
Armen und vom Gürtel ab mit dem sogen. Herrgottsrocke bekleidet
dargestellt und steht frei auf dem untern Rande des Kreuzstammes :
das Ganze von mehr oder weniger, selbst entsetzlich roher Ausführung.
Letzteres gilt insonderheit von dem Kreuze an der Kirche S. Maria
iv.. delle Laudi, welches theils im Flachrelief, theils nur in vertieften Um-
rissen ausgeführt, etwa den Eindruck einer karolingischen Federzeich-
'y nung macht. Die Ränder sind mit einem Zickzack verziert und im
oberen Theile des Kreuzes stehen die Gesichter von Sonne und Mond
l, und darunter die Worte in Capitalschrift : IHS NAZARENVS RE.
^ ;,. Das etwas nach rechts geneigte Haupt des Gekreuzigten ist mit einem
•^ Kreuznimbus umgeben. Da das Kreuz, welches früher vor der Kirche
stand auf dem Ausgangspunkte von sechs Wegen, seit 1616 auf einem
modernen Pfeiler aussen an der Kirchenwand aufgestellt ist^ so lässt
ssich über die Rückseite nichts sagen ; die Seiten zeigen Bandverschlin-
g- gungen. — Minder roh erscheint das Kreuz in S. Vitale, schon durch
^ die Einfassung mit einem Ferlstabe, obgleich der Grucifixus selbst
ziemlich unförmlich ist. Das etwas rechts geneigte Haupt blickt nach
oben und das bis zu den Schultern reichende, glatt gescheitelte Haar
umrahmt das Gesicht fast wie eine Frauenhaube. Der eng anschlies-
sende Rock geht, unter der Brust beginnend, bis über die Mitte der
Oberschenkel, die Kniee der fest an einander geschlossenen Beine sind
etwas gebogen und die Füsse klumpig, wie mit Schuhen bekleidet. Den
oberen Kreuzarm nimmt eine Taube ein, die mit den .Füssen auf dem
Seitenrande stehend, den Kopf rückwärts nach unten wendet Dass
'5
^
r
Zur Staurologie. 269
bierunter das Symbol des heil. Geistes zu verstehen ist, erhellt aus
der auf der Mitte der Rückseite des Kreuzes befindlichen segnenden
Hand, als übliches Symbol Gottes des Vaters, so dass also die ganze
beil. Dreifaltigkeit repräsentirt ist <). — Das meiste Interesse gewährt
ein auch in künstlerischer Hinsicht beachtenswerthes Crucifix in der
Kirche S. Petronio. Der mit dem Kreuznimbus versehene Gekreuzigte,
dessen gescheiteltes Haupthaar in zwei starken dreisträhnigen Zöpfen
vorn fast bis an die Brust reicht, blickt mit seinem rechts geneigten
vollrunden Antlitz in sanftem Ausdruck nach unten und breitet voll
Anmuth die offenen Liebesarme aus. Der in Falten gelegte, von den
Hüften bis nahe den Knleen reichende Rock ist vorn über der Um-
gürtung schürzenartig umgeschlagen und oben mit Punkten verziert.
Auf dem Oberarm des Kreuzes steht in einem gereimten Hexameter
das Datum: Anno M(illeno) C(enteno) qvo nvmerato et qvlnqvageno
nono post (h)is sociato (d. i. 1159) und rings auf dem Rande der drei
oberen Kreuzesarme eine dem Sinne nach aus drei Theilen bestehen-
den Inschrift: 1. Ein Distichon, anscheinend in Form eines Dialogs
zwischen der Mutter und ihrem gekreuzigten Sohne: f Fili' Q^id,
mater? Devs es? Svm, Cvr ita pendes? Ne genvs hvmanvm vergat in
interitvm f. 2. Der Name der Verfertiger oder Stifter : Petrvs Alberici
me fecit cvm patre. — 3. Die Mahnung an die Vorübergehenden:
Pacem satis inter vos abeatis. Die Rückseite zeigt in einer parabolisch
gespitzten Einfassung die thronende Figur eines gealterten bartlosen
Königs mit nackten Füssen, welcher die Rechte segnend erhoben und
in der Linken ein aufgeschlagenes Buch hält, das er auf das Knie
stützt und dem Beschauer zuwendet. Die mit Perlen besetzte Einfas-
sung wird von den namentlich bezeichneten Engeln Michael, Gabriel
und Rafael gehalten, von welchen der letztere unten steht, die beiden
anderen in wagerechter Stellung in den Querarmen des Kreuzes. Oben
auf der Mandorla steht das Lamm mit einem Kreuze als Nimbus und
der erklärenden hexametrischen Umschrift: Hac tibi pictvra svbeat
patris illa figvra. (Vgl. Job. 12, 45: Wer mich siebet^ der siebet den,
der mich gesandt hat.)
') Auch ein schon 1256 existirendes, ehemaliges Brückenkreuz in dem
Saale der älteren Denkmäler auf dem Gottesacker zu Bologna, dessen Vorder-
seite die rohe Darstellung eines unförmlichen Crucifixus enthalt, zeigt in der
Mitte der Rückseite die auf einem Strahlennimbus liegende segnende Hand
zwischen den auf den Ereuzarmen befindlichen Evangelisteuzcichen.
200 Zur SUurologie.
Als Resultat für die Ikonographie des Crucifixus eingibt sich
1) dass die Symbob'sirang des Gekreuzigten durch das Lamm als
Hauptdarstellung ')> wenn nicht später, so doch wenigstens noch um
die Mitte des X. Jahrh. nachweislich ist, und 2) dass die ideelle Dar-
stellung des Grucrfixus (naQa <pvaiv) *) im Abendlande noch bis nach
der Mitte des XII. Jahrh. vorkommt.
H. Otte.
^) Vgl. Jahrbuch. XLIY u. XLY 8. 197.
«) Vgl. ebd. L u. U S. 266.
11. Fund römischer Kalsermanzen in der Nähe von Bonn.
Hiezn Tafel XYII Fig. 1—4.
Jeder Mttnzsammler, der seine Münzen nicht alle vom Händler
erhält, sondern sich auch mit dem Erwerb aus erster Hand, das ist
von Grundarbeitem, Gärtnern, Ziegelbäckern etc. beüasst, weiss recht
gut wie selten unter den vielen Exemplaren, die fortwährend zu Tage
gefördert werden, ein wirklich gutes Stück sich befindet, indem die
Arbeiter nichts eiligeres zu thun haben, als mit Essig, Mineralsäure
oder mechanischen Mitteln der Münze auch noch den letzten Rest von
Schönheit und Werth zu nehmen. Um so mehr erfreut es uns ein
Stück zu erhalten, welches unverletzt geblieben ist und dazu sich
durch Seltenheit auszeichnet.
In dieser Hinsicht war mir das verflossene Jahr dn günstiges,
indem ich zu wiederholten Malen Münzen erwarb, welche jeden An-
spruch, auch den des subtilsten Sammlers befriedigen. Eines Abends
nämlich überbrachte mir ein auswärtiger Arbeiter eine Anzahl Mün-
zen, welche sowohl wegen ihrer Schönheit als auch theilweise wegen
ihrer grossen Seltenheit einer kurzen Besprechung werth sind, zumal
dieselben in der Nähe von Bonn gefunden worden sind.
Die Münzen lagen frei in der Erde, etwa 3V2 Meter unter der
Oberfläche in einer trockenen Eiesschichte. Sie schienen ursprünglich
in einem Kistchen aufbewahrt worden zu sein, denn bei denselben
fanden sich zwei schmale, mit einer einfachen Verzierung geschmückte
Bronceringe vor, welche etwa 6 Gm. im Durchmesser hielten und
höchst wahrscheinlich als Einfassung am oberen und unteren Ende
einer kleinen runden Gassette gedient hatten. Durch Oxyd waren die
meisten Münzen mit einander verklebt, Hessen sich jedoch leicht ohne
Anwendung schädigender Mittel von einander lösen.
262 Fnnd römischer EaüermÜDzeu in der I
Die sämititlichen Münzen des Fundes,
mit Ausnahme von dreien aus der Zeit von V
also aus der zweiten Hälfte des dritten Jahi
Die drei aus früherer Zeit waren stark abj
anderen alle vovzQglich erhalten waren, so d
als wenn sie nie im Verkehr gewesen wären.
Die drei älteren Münzen sind folgende:
1) Ein Denar von Antoninus Fius
ANTONINVS ■ AVC -■ PIVS
Kopf des Kaisers mit Lorbeerkrone nacl
Rev. COS 1 1 I I - Stehende weibliche Fi
eine Schale, in der linken einen langen Speer
2) Denar der altern Faustina. Derselbe
gebrochen und hatte so stark gelitten, dass
noch ein nach rechts gewandtes Haupt und ai
Figur erkennen konnte.
3) Denar des Kaisers Caracalla. Coh. S
M ■ AVR ■ ANTONINVS
Büste des jugendlichen Kaisers nach r
Haupte und mit dem Paludamentum bekleidel
Rev. seVERI ■ AVC ■ Pll FIL. Op
Von den 31 übrigen Münzen werde ich
aufführen, von den häufig vorkommenden jede
Dieselben sind entweder von Eilion oder von
1) Hariniana. Bil.
Coh. IV. P. 345 Nr. 9 ... 8 fr.
OIVAE MARINtANAE
Verschleierte Büste derselben nach recl
Rev. CONSECRATIO.
Pfan nach rechts fliegend und die Kais«
tragend.
Diese Münze ist von vorzüglicher Schöi
haltung.
10 Münzen des K.aisersPostumn!
vorkommende Kleinerze, 6 Billonmiinzen und
1) Silberqainar.
IMP ■ C POSTVMVS P •
' Kopf de &ce, ein wenig aach links geri
\
Fund rftniisoher KaiBermünBen in der N&he ron Bonn. 36S
Rev. PROVIDENTIA AVC. Die Providentia aufrecht stehend
mit einer Kugel auf der rechten Hand, einen Stab in der linken hal-
tend. Tafel XVII Fig. 1.
Diese Münze findet sich bis jetzt weder in irgend einem der mir
bekannten Werke erwähnt noch abgebildet.
2) Silberdenar.
POSTVMVS PIVS AVC.
Kopf mit Lorbeerkranz nach rechts.
Rev. LIBERALITAS AVC.
Die Liberalitas stehend, das Gesicht nach links gewendet, in der
rechten Hand eine Tessere haltend, auf dem linken Arme ein Füllhorn.
Tafel XVII Fig. 2.
In Betreff der Ausführung kann man diese Münze den besten Stücken
der ersten Kaiserzeit an die Seite stellen, besonders der Kopf ist von
schöner erhabener Arbeit. Sie ist ebenfalls bis jetzt nicht beschrieben.
3) Bilionmflnze.
POSTVMVS PIVS FELIX AVC.
Der Kopf des Postum us neben dem des Hercules, beide
nach links.
Rev. HILARITAS. Weibliche Figur mit Füllhorn in dem linken
Arme und einem Palmenzweige in der rechten Hand ; zu beiden Seiten
steht je ein Genius in Kindesgestalt.
Cohen sowie die übrigen bekanntem Numismaten führen die-
selbe nicht an. Tafel XVH Fig. 3.
4} Bilionmflnze.
Der Avers wie vorher, jedoch sind die beiden Köpfe nach rechts
gewendet
Rev. HERCVLI THRACIO. Hercules bändigt die Stuten des
Diomedes. Ebenfalls bis jetzt unbekannt. Tafel XVU Fig. 4.
De Witte führt in einer Schrift „Medailles in^dites de
Postume Revue numismatique, Paris 1844" diesen Revers zweimal an,
die Vorderseite ist jedoch verschieden. Bei der einen, einer Goldmünze,
hat dieselbe einen Kopf fast de face, etwas nach rechts gerichtet, bei der
andern (Billonmünze) zeigt sie einen Kopf mit Lorbeerkrone nach links.
Cohen V. P. 23 Nr. 67 und 68 führt zwei Münzen mit demsel-
ben Revers an, jedoch sind die betreffenden Averse verschieden, indem
dieselben auch nur die Büste des Postumus zeigen, ausserdem ist
die erste von Gold.
I
264 Fond römischer KaisermüiiBexi in der mibe Ton Bomi.
5) Bfllonmflnxe. Coh. V. P. 21 Nr. 52 ... 200 fr.
Av. wie vorher.
Rev. HERCVU ERYMANTINO.
Hercules nach rechts schreitend, auf der linken Schalter einen
Eber tragend, welchen er mit beiden Händen hält. Unten rechts eine
Tonne, — in welcher Eurysthens verborgen sein soll —
6) Billonmflnze. Coh. V. P. 21 Nr. 5< . . . 150 fr.
Av. wie bei 4.
Rev. HERCVLI INMORTALI.
Hercules geht nach rechts, indem er die Keule links geschul-
tert trägt, mit der linken Hand führt er an einem Strick den drei-
köpfigen Höllenhund.
7) Billonmflnze. Coh. VII. P. 287. Nr. 16 ... 250 fr.
Av. wie bei den vorhergehenden.
Rev. HERCVLI ROM.
Hercules, ohne Bekleidung, nach rechts gewandt, so dass er den
Rücken zeigt. In der rechten Hand hält er die Keule, welche er auf
den Boden stützt, über den linken Arm hat er die Löwenhaut gewor-
fen. Links von ihm, in der Mitte des Münzfeldes ein Apfelbaum, links
von diesem drei fliehende Nymphen. (Darstellung des Hercules im
Garten der Hesperiden.)
8) Billonmflnze. Quinar. Coh. V. P. 37. Nr. 159 ... 150 fr.
Av. die beiden Köpfe wie bei den vorhergehenden Münzen.
Rev. SALVS AVG. Die Göttin der Gesundheit, in der rechten
Hand einen Stab haltend, um welchen sich eine Schlange windet.
Es ist bekannt, dass Commodus, der kein grösseres Vergnügen
kannte, als auf schnellem Ross das flüchtige Wild zu erjagen oder
selbst im Circus die Muskelkraft seines Armes und die Sicherheit sei-
nes Auges zu erproben, für den Gott, in dem diese Eigenschaften in
höchster Vollkommenheit sich vereinigten, eine besondere Vorliebe
fasste. Beweis dafür sind die mancherlei Münzen, auf welchen Co m -
modus selbst sich mit der Löwenhaut und den übrigen Emblemen
des Gottes abbilden lieä, oder auf denen Thaten desselben dargestellt
wurden. Bei dem Kaiser Postumus fanden sich auch diejenigen Tu-
genden, welche den Mann und FcldheiTU zieren, in hohem Grade ; da-
durch gelang es ihm wenigstens zeitweise eine glückUche Zeit in
seinem Reiche herzustellen. Der Antrieb, dass dieser Kaiser sich
gleichfalls zum Vorwurf nahm, den Cyclus der Heldenthaten des Her-
r
Fnnd römisoher Kaisermünsen in der N&he von BonxL 266
cules, als Vorbild der Tapferkeit, auf Münzen darzustellen, lag
daher sehr nahe.
De Witte führt in der oben citirten lehrreichen Schrift ausser
den angeführten Münzen, welche zu diesem Cyclus gehören, noch
nachstehende Stücke an, auf welchen andere Arbeiten des Hercules
dargestellt sind:
HERCVLI NEMAEO Hercules den nemäischen Löwen er-
würgend ;
HERCVLI ARCIVO H. die Hydra bekämpfend;
VIRTVS POSTVMI AVC stellt dar, wie H. die ermattete
Hindin bei dem Geweih erfasst;
HERCVLI AV. H. erlegt die Stymphaliden ;
HERCVLI CRETENSI H. bändigt den Stier von Greta;
HERCVLI PISAEO H. reinigt den Augiasstall;
HERCVLI INVICTO zeigt H. als den Besieger der Amazonen;
HERCVLI CADITANO H. im Kampfe mit dem dreifachen
Geryon, und endlich
HERCVLI LIBYCO führt uns den H. als den Besieger des
Riesen Antaeus vor.
Was nun das Gepräge der betr. Münzen des Postumus betrifft,
so sind sämmtliche Stücke^ welche auf der Vorderseite die beiden
Köpfe führen, von vorzüglicher Arbeit, so dass sie unbedingt zu den
schönsten Münzen aus jener Zeit zählen. Ihre Seltenheit — sie stehen
alle in hohem Preise — macht es wahrscheinlich, dass sie nicht als
Coursroünzen geprägt wurden, sondern dass dieselben ähnlich wie die
Medaillons nur bei feierlichen Gelegenheiten zur Vertheilung kamen,
sei es nun als Belohnung für geleistete Dienste, für Tapferkeit im
Kriege oder bei anderen Anlässen. Jedenfalls bildet unser Münzfund
j einen werthvoUen Beitrag zu diesem Cyclus, indem derselbe wesentlich
; dadurch vervollständigt wird.
Ein Kleinerz des Kaisers Claudius Gothicus mit gewöhn-
j lichem Revers.
( Vom Kaiser Aurelianus finden sich 5 verschiedene Münzen
i vor, von denen jedoch nur eine genauerer Erwähnung werth ist. Die-
j selbe findet sich bei Cohen V. P. 150 Nr. 200 ... 6 fr.
IMP AVRELIANVS AVC.
I
266 Fand römiiclier Kus«rmfin»ii in ä
GevandbQste des Kaisers nach recl
Lorbeerkrooe.
Rev. VICTORIA AVC.
Geflügelte Victoria nach links sehr
einen Kranz, in der linken einen Palmzwt
Füssen ein GefaDgeoer, dem die Hände au
darunter der Buchstabe B. Es ist eine Ele
Diese hUbsch geprägte, sehr gut erh
drei Exemplaren vor.
Darauf folgen 3 Münzen von Sever
lians, sämmtlich Kleinerz, zwei in gewöhi
Form. Letztere ist die interessantere und
Nr. 14 ... 3 fr. folgendermarsen beschrie
SEVERINA AV
Büste diad^mä k droite sans le croiss
Rev. VENVS FELIX.
Venas debout k gancfae, tenant ane
In einer Note bemerkt Cohen: „La ]
distinctej Welzl a cm voir un oiseau. D'
mädailles däcrites par Banduri et d'auti
pomme, et le quinaire de d'Ennery oä eile
taut que ce soit un veritable quinaire) n'
et mfime type."
Ich glaube, dass Cohen in dieser Bemei
Mein Exemplar ist so deutlich, wi<
auch bei ihm lässt sich nicht mit absoli
was die Figur in oder besser auf der Hai
es keine Statuette, wie Cohen oben sagt, so
kleinen Untersatze. Die Schuld liegt am
den. betreffenden Gegenstand so nachlässi{
ans ihm machen lässt, was einem gerade
Die beiden anderen Münzen finden si
Auch die übrigen 11 Münzen, von
Tacitns und 5 auf Probas kommen,
vorkommenden und zeichnen sich nur durc!
Das Wichtigste des ganzen Fundes si
des Postumus; denn erstens waren, si
diesem Kaiser noch keine Mänzen von n
!
Fand römischer Kaisermünzen in der Nahe von Bonn. 267
sodann sind die Münzen, welche auf dem Avers die Kopfe des Kaisers
und des Hercules tragen, so selten, dass in den grössten Münzsamm-
lungen nur wenige Exemplare sich vorfinden.
Ich überzeugte mich durch eigene Anschauung, dass diese Mün-
zen aus einem Eömergrabe herstammen, denn an derselben Stelle
fanden sich noch Skeletttheile, Asche, sowie eine grosse Menge Frag-
mente von Gläsern, Thongefässen und anderen Gegenständen, wie die
Römer sie ihren Todten mit in's. Grab gaben, vor. Leider waren die
meisten Stücke durch das Ungeschick der Arbeiter zerstört.
Das Grab eines gemeinen Mannes kann es nicht gewesen sein^
dagegen spricht die Anzahl und Seltenheit der Münzen. Erinnern wir
uns an das oben in Bezug auf den Herculescult Gesagte, so wird es
wahrscheinlich, dass diese Stücke dem Grabe eines höhern Be-
amten oder Offiziers angehörten, welchem sie vom Kaiser selbst verehrt
worden waren. Der frühere Besitzer hielt sie ebenfalls werth und be-
wahrte sie sorgfältig auf, bis der Schatz noch ganz unversehrt dem
Verstorbenen in's Grab beigelegt ward.
Bemerkenswerth ist übrigens noch der Umstand, dass während
in Belgien, Nord-Frankreich, Luxemburg und Holland jährlich eine
grosse Menge gewöhnlicher Postumusmünzen zu Tage gefördert wer-
den, diese seltenen Stücke mit den Köpfen des Postumus und des
Hercules fast alle vom Rheine, und zwar aus der Nähe Co Ins, wo
Postumus bekanntlich residirte, stammen. Diejenigen, welche ich
kenne, sind alle in unserer Gegend gefunden.
A. Senckler — Uebersicbt der Münzgeschichte des Rheinlandes
etc., dieses Arhivs Bd. XV — berichtet von mehreren Münzen dieser
Suite, die in oder bei Göln ausgegraben wurden, und aus der oben
angeführten Schrift von de Witte ersehen wir gleichfalls, dass mehrere
dieser seltenen in französischen Gabinetten befindlichen Stücke vom
Rheine dorthin gekommen sind.
Bonn. Dr. Cuny Bouvier.
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12. Zwei unedirte Kaiser-Mflnzen.
ffierzu Tafel XVII, Fig. 6 u. 6.
I. Auf der kölner Münz-Aaction vom 5. August 1871 erstand ich
aus dem Nachlasse des Malers Meinertzhagen ein Mittelerz, welches
bis dabin den Augen der Münzliebbaber nicht besonders aufgefallen
zu sein scheint, mir aber interessant genug dünkt, hier kurz bespro-
chen zu werden.
Av. HAORIANVS AVG COS III • P • P •
Gewandbüste des Kaisers nach rechts.
Bev. SICILIA • S • C '
Triquetra, in der Mitte ein Haupt en fa^e.
Obgleich Herr Meinertzhagen mehrere seiner Münzen durch
Tauschgeschäfte aus Paris bezogen hatte, so rührten doch die meisten
aus kölner Funden her. Der unkundig bewerkstelligte und unvoll-
endete Putz versuch des Averses unserer Münze ist ein Beweis, dass
dieselbe niemals durch die Hände der im Putzen so gewandten pa-
riser Händler gegangen ist; wir haben es also wahrscheinlich mit
einem kölner Fundstück zu thun.
Cohen beschreibt B. II. Hadrian Nr. 1 141 ein Grosserz, welches
an unsere Münze erinnert:
HADRIANVS AVG COS III P P
son buste nu ä droite.
Bev. SICILIA - S - C? La triqu^re, au milieu, la töte de Me-
duse de face; dessous, le moustre Scylla; ä gauche deux? ou trois
figures; ä droite un rocher? ou un gouvemail. F. G. B. 250 fr.
Das hier von Cohen beschriebene Exemplar der pariser Samm-
lung muss sich in einem sehr desolaten Zustande befinden^ wie ai)B
Zwei anedirte
'Mflmfltt.
269
der Unbestimmtheit der Beschreibung und den angebrachten Frage-
zeichen erhellt.
Der Avers meiner oben beschriebenen Münze ist leider durch
ungleiche Oxydation und schlechtes Putzen nicht sehr ansehnlich, wenn
auch vollkommen leserlich, dagegen ist der Revers recht gut erhalten
und ziemlich gleichmässig grQn patinirt.
Ob wie bei Cohen auch in dem Kopf unseres Reverses ein Me-
dusenhaupt zu sehen ist, wage ich nicht zu entscheiden, glaube es
aber nicht, da der Kopf zwar sehr wilde Locken, aber keine Schlangen
zeigt. Die Triquetra oder Trinacria {Tgirmtgia) erscheint schon in
sehr früher Zeit theils als Hauptdarstellung, theils als secundäres Ge-
bilde auf dem Felde der Münzen, und zwar meistens als Sinnbild Si-
ciliens. Sicilien selbst wird bei den Alten häufig Trinacria genannt,
und so mag der Name und die dreieckige Form der Insel sowohl als
der Triquetra zur Annahme dieses Sinnbildes, ich möchte sagen Wap-
pens, geführt haben.
Die älteste Münze mit der Triquetra wird wohl das inStrozzi's:
Periodico di numismatica e sfragistica per la storia dltalia von Ga-
murini im vorigen Jahre publicirte Ass sein. Dasselbe zeigt auf der
einen Seite den neptunischen Dreizack, auf der andern eine Triquetra;
hier sind die drei Beine, wie bei mehreren der ältesten Münzen, ein-
fach zusammen gefügt und zeigen in der Mitte weder einen Kopf noch
em anderes Bild. Die Figur wird aber dadurch eine so unschöne, dass
es dem zarten Schönheitssinne der Alten nahe lag, dieselbe zu ver-
edeln. Wir sehen desshalb bei dem Quadrans in Marchi's Aes grave
del Museo Kircheriano Taf. XI Nr. 4 in der Mitte einen erhabenen
Kreis, der sich bei der Münze von Selge, Mionnet description des me-
dailles antiques Taf. LIII Fig. 6 in ein Rad oder Q von alter Form
umwandelt, während bei Münzen einer späteren Periode ein Kopf in
der Mitte auftritt Dieser Kopf ist bei den älteren Münzen klein, eben
nur Schmuckstück; wie z. B. bei der in Beger's Thesaurus Branden-
burgicus S. 369 abgebildeten Münze von Panormus; wird aber im
Verlaufe der Zeit grösser, wie bei dem Denar der gens Claudia, Vail-
lant Nr. 38, bis er bei unserem Hadrian, dem spätesten bekannten
Vorkommen der Triquetra auf antiken Münzen, als grosser Kopf mit
verhältnissmässig sehr kleinen Beinen auftritt.
Dass wir es mit einer in Rom geprägten Münze zu thun haben,
ergibt sich einestheils aus der edeln Präge und den Buchstaben S. C
des Rev., anderntheils auch aus dem Umstände, dass „nach Tiberius
370 Zwei anedirt« Kuaer-Hflnieo.
Sicilische LocalmOnze Überhaupt nicht mehr get
Mommseu Geschichte des röm. MüDzwesens S. 6
II. Ein Kleinerz voo Constantinus M.
Av. IMP CONSTANTINVS •
Bekleidete Büste des Kaisers mit Helm, in
auf der Schulter tragend.
Rev. lOVI ■ CONSERVATORI AVC ii
' Jupiter auf einem Adler sitzend, einen Don
und ein Scepter in der linken Hand haltend.
Dieser schöne Revers, der bei Licinius 6(
kommt, ist meines Wissens von Constantin bis
OlTenÜicht worden.
Bonn. F-
II. Litteratar.
1. Histoire de la peintare au pays de Liege depuis les temps les plus
recnles jusqu' & la fin du XYIII siede, par M. JulesHelbig, peintre. Abgedruckt
in den Memoires de la Societe libre d'emulation de^ Li^ge. Nouvelle Serie.
Tome IV. Liege 1872. Seite 220-517.
2. Charles Gerard, les Artistes de l'Alsaoe pendant le moyen-&ge.
Tome I. Colmar und Paris. 1872.
8. Dr. J. Rudolf Bahn, Geschichte der bildenden Künste in der Schweiz.
I. Band 1. Abtheilung. Zürich 1873.
Die drei Werke, deren Titel ich hier zusammen gestellt habe, sind zwar
Ton einander völlig unabhängig und sogar durch die Speoialitat ihrer Aufgaben
und die Tendenzen ihrer Verfasser mannigfach von einander abweichend, eignen
flieh aber dennoch in diesen den rheinischen Alterthümern gewidmeten Blättern
zu gemeinsamer Betrachtung. Sie beschäftigen sich nämlich alle mit der Kunst-
geschichte einzelner Territorien, welche entweder selbst zu den germanischen
Rheinlanden gehören oder doch dieselben von Westen oder Süden her mit ro-
manischer Bevölkerung umgrenzen und mithin näher bestimmen. Der Bildungs-
reichtfaum und das Interesse der modernen Geschichte und Kunst und beson-
ders dieser mittleren Gegenden von Europa beruht grossentheils auf der durchweg
individuell verschiedenen Mischung und Durchdringung antiker und christlicher
Elemente, sowie romanischer und germanischer Bevölkerung, welche wir durch
die nähere Kenntnist der einzelnen Localitäten würdigen und verstehen lernen.
1. Die Stadt und das Bisthum Lütticfa, mit dessen Geschichte sich das
erste jener Werke beschäftigt, gibt schon ein charakteristisches Bild dieser Mi-
•chungsverhältnisse. Bewohnt, wenigstens überwiegend, von einem romanischen
Stamme, der hier aber auf einem vorgeschobenen Posten steht und zahlreiche
Einflüsse von den benachbarten, ganz germanischen Stämmen empfangt, überdies
bis zur französischen Revolution zum deutschen Reiche gehörig, zeigt diese
Gegend recht deutlich den inneren geistigen Kampf und das wechselweise Em*
porkommen romanischer und germanischer Tendenzen. Selbst die Geschichte
• "rf-^
272 M. Jules Heibig,
dieses Buches ist nicht unberührt davon geblieben. Unsere Schrift ist eine vor
der auf dem Titel genannten Gesellschaft gebilligte Beantwortung einer von
einem Mitgliede derselben aufgestellten Preisfrage, und sowohl der Aufstelle,
dieser Frage als die Mitglieder der bcurtheilcnden Commission scheinen sich,
wie die romanischen Völker überhaupt, der Auffassung der Kunst zuzuneigen
welche das Individuelle der Kunst, und daher vorzugsweise die Bravour der
Malerei betont. Die Kunstfreunde von Lüttich waren sich bewusst, dass ihre
Stadt seit der Renaissance eine Reihe von Malern hervorgebracht hatte, deren
Namen in den Gallerien des 17. und 18. Jahrh. einen guten Klang gehabt hatten.
Diesen traditionellen Ruhm geltend zu machen, war die Absicht der Frage-
weiche deshalb auch' ausschliesslich auf die Malerei gerichtet ist, und der Wunsch
der Commission, w^elcbe sogar eine Vervollständigung der biographischen Nach-
richten von dem Verfasser der Preisschrift verlangte. Dieser dagegen ist denn
doch zu weit mit der neueren Kunstwissenschaft fortgeschritten, um nicht auch
auf die innere Einheit der bildenden Künste und auf das ungebrochene 6e*
sammtleben derselben, wie es sich im Mittelalter zeigte« grosses Gewicht zu
legen. Seine Schrift sucht daher sowohl dieser Auffassung wie jener früheren
gerecht zu werden und hat dadurch wesentlich an Interesse gewonnen.
Die Leistungen des früheren Mittelalters in dieser Gegend, denen der
Verfasser fleissig nachgeforscht hat, sind zwar an sich keineswegs bedeutend,
sondern nur Reflexe allgemeiner Ursachen, die sich im ganzen damaligen Abend-
lande geltend machten. Irische Missionarien scheinen auch hier den Anstoss
gegeben zu haben, wie zwei Evangeliarien des 7, Jahrh, beweisen^ welche von
Nonnen des Klosters zu Alteneyck herstammen sollen, und sich jetzt im Kir-
chenschatze von Maeseyck befinden. Die Zeit Carls des Grossen hat trotz der
Nähe von Aachen hier keine bedeutenden Spuren hinterlassen und wir besitzen
nichts als einige Miniaturen und kurze Nachrichten über untergegangene Wand-
malereien. Im 11. Jahrh. wurde die Abtei Stablo (über deren Reliquienschatz
bereits im Heft 46 d. Jahrb. berichtet ist) eine Stätte eifriger Kunstübung.
Miniaturen mit der Jahreszahl 1097 und den Namen der malenden Mönche,
werden im britischen Museum bewahrt. Im 12. Jahrh. begann, wie das be-
kannte Taufbecken von Lambert Patras in S. Bartholomäus zu Lüttich beweist,
die Uebung des Metallgusses, welche Technik damals in der Gegend von Di-
nant so sehr blühte, dass man sie eine Zeitlang geradezu als Dinanterie be-
zeichnete.
Im 13. Jahrhundert scheint das Thal der Maas den Ruhm der Malerei
erlangt zu haben. Der Dichter des Parcival spricht in einer oft angeführten
Stelle von den Malern von Maestricht in sehr anerkennender Weise; er stellt
sie denen von Köln gleich und scheint beide Schulen als die au bezeichneni
welche das Höchste in dieser Kunst leisteten. Erinnert man sich, dass dann
zwei Jahrhunderte später zwei der grössten Meister aller Zeiten, die Brüder
van Eyck aus dieser Gegend, aus dem Städtchen Maeseyck hervorgingen, so
möchte man vermuthen, dass hier eine besondere Beg^abung der Malerei ein-
heimisch gewesen. Allein die Bemühungen der Localforscher und auch die
■ ' ^^ tl
Histoire/de la peinture an pays de Li^ge. 273
unseres Verfassers haben keine Bestätigung dieser Vermutbung gebracbt. Es
sind zwar einige Wand- und Tafelmalereien des 13. und li. Jabrb. (in Kcrniel
bei Looz und in der Dominikanerkirche zu Maestricht) erhalten, aber ohne be-
deutenden Werth. Auch in der Sculptur scheint sich keine eigen thümliche
Schule gebildet zu haben. Bei Erwähnung eines im Jahre 1310 mit Statuen ge-
schmückten Portales an der jetzt abgebrochenen Domkirche von Lüttich be-
merkt der Chronist, dass dabei drei Künstler mitgewirkt, die in der ganzen
Welt nicht ihresgleichen gehabt hätten; die Namen, welche er nennt (Jehan de
Cologne und Pire li Allemaus) weisen aber auf Deutschland hin.
Johann von Eyck war nicht blos aus der Nachbarschaft von Lüttich ge-
bürtig, sondern scheint sogar seine künstlerische Laufbahn in dieser Stadt be-
gonnen zu haben, wo er um 1420 im Dienste des damals zum Bischof desig-
nirten Prinzen Johann von Bayern stand. Indessen sind keine Spuren seiner
Wirksamkeit hier vorzufinden und sogar sein Einfluss scheint erst ziemlich spät
hierher zu dringen. Im Kloster S. Lorenz in Lüttich lebte damals ein fleissiger
Miniatur maler, Johannes von Stablo (f 1449), von dessen Arbeiten einige in
England und in der Bibliothek zu Brüssel erhalten sind. Sie tragen aber noch
nicht den Charakter der Eyck'schen Schule.- Ja, noch mehr, ein sehr viel spä-
teres Bild, das jetzt im Privatbesitze befindliche, ursprünglich in die Pauls-
kircbe zu Lüttich gestiftete Epitaphium des im J. 1459 verstorbenen Dr. van
der Meulen ist noch ganz ohne solchen Einfluss; in strenger symmetrischer
Haltung, auf Goldgrund und ohne naturalistische Motive ausgeführt- Es ist zwar
richtig, dass 'ein solches vereinzeltes Beispiel nicht entscheidend ist, da es stets
einzelne zurückbleibende Künstler gibt, welche den Neuerungen lange wider-
streben, und man kann daran erinnern, dass die Stadt Lüttich im Jahre 1468
darch die Rache Carls des Kühnen eine gründliche Zerstörung erlitt, bei wel-
cher eine grosse Zahl älterer Kunstwerke zu Grunde gegangen sein kann. Al-
lein wenn ^ eine blühende Malerschule in Lüttich bestanden und die durch die
Eyck's errungenen Fortschritte verwerthet hätte, würden immerhin einzelne
Leistungen derselben in der Verborgenheit des Privatbesitzes oder in den be-
nachbarten Ortschaften jener Zerstörung entgangen sein. Nachrichten über da-
mals in Lüttich lebende Maler fehlen zwar nicht ganz. In den Rechnungen der
Stadt von 1454—1474 erhält ein gewisser Antonius wiederholt Zahlungen für
Wand- und Tafelgemälde, ein Mal sogar eine Zulage zu dem ursprünglich ver-
abredeten Preise, also eine Anerkennung besonderer Verdienste. Wir kennen
aber kein Werk von seiner Hand und es ist nur eine Vermuthung des Ver-
fassers, wenn er die bekannte; früher im Besitze von Sir Charles Eastlake, jetzt
in der National-Gallerie zu London befindliche Darstellung der feierlichen Be-
stattung eines Bischofs für die Bestattung des heil. Hubertus in S. Peter zu
Lüttich und für ein Werk dieser Schule und sogar dieses Antonius erklärt.
Erst bei dem Ende der Eyck* sehen Schule scheint sich der Stern von
Lüttich zu heben und es finden sich nun hier zwei namhafte Meister von glei-
cher und eigen thümlicher Richtung, welche dahin mitwirkten, den Uebergang
von dieser Schule zur modernen Malerei zu vollziehen, Joachim Patenier and
18
• >:
274 M. Jules Heibig.
Herry met do Blei. In den letzten Decennien des 15. Jabrh., beide im oberen
Maasthale, Patenier in Dinant, Heinrich in Bouvignes geboren, zeigen sie eine
sehr verwandte Bichtang. Das landschaftliche und genrehafte Element, das bei
den grossen Meistern der flandrischen Schule schon vorhanden, aber dem Reli-
giösen untergeordnet gewesen war, erhält bei ihnen höhere Bedeutung; die
heiligen Gestalten werden mehr zur Staffage. Der Verfasser ist geneigt, dies
den Vorzügen ihres gemeinsamen Geburtslandes, die Betonung des Landschaft*
liehen den Schönheiten der Natur, das Hervortreten des Genrehaften dem prak-
tischen, auf das Gewerbliche gerichteten Sinne seiner Bevölkerung zuzuschreiben,
Das Thatsachliche, das Pikante jener Berglinien und der rüstige, erwerbsame Sinn
des wallonischen Stammes, ist unbestreitbar richtig, aber schwerlich die Folge*
rung. Die landschaftliche Kunst ist durchweg das Product der Sehnsucht nach
schöner Natur, nicht des Genusses; sie hr.t immer in unscheinbaren Gegenden
ihren Ursprung. Der praktische Sinn sucht auch im Idealen die Consequenz
und weist das Genrehafte zurück. Von einer Begeisterung für landschaftliche
. Schönheit, von einem kräftigen Humor ist in der That bei beiden Meistern
keine Spur zu entdecken. Ihre Stellung ist vielmehr schwankend, sie können
sich dem Einflüsse der flandrischen Schule weder entziehen, noch ganz hin-
geben. Sie sind mehr aus chronologischen als aus geo<2[raphischen Beziehungen
zu erklären. Jene mystische Frömmigkeit, welche in dem Glänze der natür-
lichen Dinge die Offenbarung göttlicher Geheimnisse zu erschauen, jene Naivetät,
welche irdische Pracht als Ausdrucksmittel des Heiligen und Hohen gebrauchen,
und kirchliche Beligiosität mit sinnlichem Lebensgenuss vereinigen zu können
glaubt, wollte im 16. Jahrhundert nicht mehr gedeihen. Die Elemente des Ab-
strakten und des Sinnlichen, welche nach der asketischen Sonderung des Mit-
telalters im 15. Jahrh. vorübergehend eine Einheit gebildet hatten, begannen
wieder auseinander zu gehen; man fühlte, dass jene Mischung des Geistigen und
Sinnlichen keinem von beiden genüge, man strebte das Sittliche und Religiöse
mit tieferem Ernst, das Natürliche mit grösserer sinnlicher Wahrheit zu er-
fassen. Man wurde sich der Mängel der bisherigen Kunstrichtung bewusst, eiie
man^ das Mittel gefunden hatte ihnen abzuhelfen. Es war nahe daran, dass
Wirklichkeit und Kunst in Widerspruch geriethen. Nahm man es mit den reli-
giösen und sittlichen Interessen genau, so schien die Harmonie des Ganzen ge-
fährdet, und fasste man diese vorzugsweise ins Auge, so konnte der Ernst des
Ansdrucks schwerlich seine volle Kraft erhalten. Jenes (die Betonung des sitt-
lichen Ernstes und der Schmerzen) entsprach der Stimmung det nordischen, mehr
germanischen Völker, dieses (die Schönheit der Form) lag den Südländern, vor
allen den Italienern, näher. Eine neue Scheidung auf diesem Gebiete bereitete
sich vor. Aber es währte noch eine Weile, ehe man sich so weit von dem
Ueberlieferten enifemte, und unsere beiden Meister aus dem obem Maasthale
konnten sich noch nicht dazu entschliessen. Sie gehörten zwar einem romani-
schen Stamme an, aber einem solchen, der vielfach unter dem Einflüsse der
benachbarten germanischen Provinzen stand. Wir wissen nicht einmal, wo lia
ihre Lehrjahre durchgemacht hatten, und es ist nicht unwahrscheinlich, data
Histoire de la peintnre au pays de Liege. 276
dies in Brabant, in Antwerpen oder Mecheln, wo wir sie später ansässig ünden,
geschehen war. Der Weg, den sie einschhigen, war daher auch nar eine halbe
Maassregel. Sie yerminderten die Schwierigkeiten, ohne ihnen abzuhelfen. Wäh-
rend ihr germanischer Zeitgenosse Quentiu Mcssys, um ergreifenden Ausdruck
zn erlangen, seinen Figuren grössere Dimensionen gab ala die bisherigen Mei-
ster, bildeten sie dieselben meistens kleiner, wodurch sie denn von selbst in
das Yerh<niss der Staffage rückten. Wie wenig sie dabei als Repräsentanten
ihrer Geburtsgegend verfuhren, zeigt sich denn auch daran, dass sie in der-
selben keinen Nachfolger fanden, dass vielmehr gleich nach ihnen gerade Lüt-
tich es war, welches entschieden mit der mittelalterlichen Tradition brach und
sich, den Nachbargegenden vorangehend, der italienischen Renaissance zuwandte.
Es ist merkwürdig, wie kräftig sich bei dieser Gelegenheit das romani-
sche Blut dieses Stammes im Gebiete von Lüttich äusserte. Der Uebergang
vollzog sich plötzlich, aber in höchst normaler Weise; wir beündeu uns mit
einem Schlage in voller Renaissance. Künstler und Literaten waren dabei mit-
wirkend und auch an einem Mäcen fehlte es nicht. Erhard von der Marck, der
im Anfange des 16. Jahrh. Fürstbischof von Lüttich wurde^ war ein humani-
« stisch gebildeter, kunetliebender Herr, welcher den lebhaften Ehrgeiz empfand,
seien Residenz im Sinne der neuen, in Italien aufkommenden Kunstrichtung
würdig zu schmücken. Er hatte das Glück, die Mittel dazu, und namentlich
einen jungen Maler, der die dazu nöthigen Eigenschaften im vollsten Maaase
besasB, in seiner' Stadt selbst vorzufinden. Lambert Lombard, Sohn eines Lüt-
ticher Bürgers, 1503 oder 1506 geboren, war ohne noch die Niederlande ver-
lassen zu haben, bereits in Berührung mit der neuen Kunstrichtung gekommen,
indem er in Middelburg mit dem berühmten Maler Mabuse (Johann Gossaert
ans Maubeuge) zusammen getroffen war, der sich damals bereits (das erste
Beispiel dieser Art) in gewissem Grade italienische Manier angeeignet hatte*
Dies mochte in ihm den Wunsch erregt haben, aus derselben Bildungsquelle
zu schöpfen, und veranlasste den Bischof ihn dabei zn unterstützen. Er be-
stimmte daher den gelehrten Cardinal Pole, der damals seinen Wohnsitz von
England nach Rom verlegte, um den Reformplänen seines Königs aus dem
Wege zu gehen, den jungen Maler in sein Gefolge aufzunehmen, der in dieser
ehrenvollen und anregenden Weise zu einem längern Aufenthalte in Rom ge-
langte und hier seine Studien denn auch mit solchem Eifer betrieb, dass er
I wenige Jahre darauf, als der Tod des Bischofs (1538) ihn zur Rückkehr in seine
I Heimath nöthigte, hier mit aller Kraft zur Verbreitung des italienischen Ge-
J tchmackes wirken konnte. Lambert Lombard war kein gemeiner Praktiker,
sondern hatte theoretische Neigungen, und strebte auf die Quellen zurück zn
gehen. Er hatte mehr die Antike, als einzelne italienische Meister studirt, un-
terliess zwar nicht, sich in grossen Gemälden zu zeigen, war aber doch frucht-
barer in Zeichnungen, die dann durch den Kupferstich verbreitet, zur Er-
weoknng des Sinnes für antike Form wirkten. Ihm, dem Theoretiker und Künst-
er, stand dann ein konstliebonder Gelehrter zur Seite, Dominicus Lampsonius,
der in Italien ebenfalls im Dienste des Kardinals Pole gewesen, später aber als
'Tä
276 M. Jules Heibig, Histoire de la pcintare au pays de Li6ge.
Secretär in die des Bischofs von Lüttich getreten war. Er versuchte sich dilet-
tantisch selbst in grossen Altartafeln, wurde aber auch der Herausgeber einer
Sammlung von Malerporträts und der Verfasser eines Aufsatzes über nieder-
l&ndiscbe Künstler, den Vasari in der zweiten Ausgabe seines Werkes benutzte.
Lüttich wurde daher eine wichtige Stelle für die Verbreitung der italienischen
Kunst im Norden. Aus Lamberts Schule gingen Franz Floris und andere be-
deutende Vertreter der neuen Richtung hervor, welche ausserhalb Lütticht
wirkten. Aber auch in seiner Vaterstadt selbst war seit Lamberts Tode diese
Kunstweise völlig eingebürgert, und sie erzeugte im 17. und 18. Jahrhundert
jene Reihe von namhaften Meistern, die, wenn sie auch nicht Begründer eigner
Schulen wurden, doch ein gewisses Ansehen genossen und noch jetzt in den
Gallerien ihre Geltung haben. Ich enthalte mich des weitem Eingehens auf
ihre Kamen, unter denen der des Gerard Lairesse der bedeutendste sein möchte.
Der Verfasser, der ihre Lebensnachrichten mit grossem Fleisse gesammelt und
ihre Werke catalogisirt und beschrieben hat, kann doch die Bemerkung nicht
unterdrücken, dass von nun an seine Aufgabe an einer gewissen Monotonie
leide. Der Hergang sei bei allen Malern ziemlich derselbe; noch ehe sie in der
Heimath zu wahrer Meisterschaft gereift sind, streben sie nach Italien, eignen
sich dort mehr oder weniger die damals gerade herrschende Manier an und
kehren so gewissermassen als Italiener zurück, aber doch nur durch eine Art
von Verkleidung, welche mit ihrem Naturell nicht ganz im Einklänge steht.
Lambert Lombard hatte, wie die meisten der damaligen italienischen
Maler, auch die Architektur studirt, und es ünden sich in Lüttich noch mehrere
Gebäude in einem ziemlich reinen Renaissancestyl, welche von nahe stehenden
Schriftstellern ihm zugeschrieben werden. Aber hier drang er nicht durch :
die Bauherren Hessen sich von der Reinheit seiner architektonischen Zeichnun-
gen nicht reizen, Kirchen und Paläste behielten noch lange gothische Form,
wenn auch in einer phantastischen Umgestaltung, wie sie schon der bischöfliche
Palast Erard's von der Marck gezeigt hatte. Wenn so eine Zeit lang Archit-ektar
und Malerei verschiedene Wege' gingen, so hatte dies indessen noch nicht so
gleich die Folge, das natürliche Band, das beide verbindet, völlig zu lösen«
Noch im 17. Jahrhundert, ja selbst zum Theil noch im 18. wurden die Ge«
mälde auf Leinwand oder Holz für bestimmte architektonische Stellen und in
der dadurch gebotenen Umrahmung ansgeführt. Erst die spätere Zeit des 18.
and der Anfang des 19. Jahrhunderts halben den Versuch gemacht, die Malerei
völlig zu . mobilisiren, upd die Gemälde als vereinzelte künstlerische Gedan«
ken mit willkürlicher Begrenzung zu umgeben. Es ist keine Frage, dass jenes
Anschlieesen an die Architektur ein wichtiges Mittel zur Erhaltung des Styl-
gefuhls war, und dass die seitdem herrschend gewordene Lösung dieses
Bandes dazu beiträgt, der heutigen Malerei die Haltungslosigkeit zu geben, an
der sie leidet.
Diese Bemerkungen mögen genügen, um auf den Werth dieser gründlichen
provincialgeschichtlichen Arbeit aufmerksam zu machen.
Charles Görard, les Artistes de TAlsace pendant le moyen-ftge. 277
2. Dasselbe Lob des Fleisses and der Gründliehkeit wie dem ersten ge
bahrt dem zweiten der vorliegenden Werke, so sehr dasselbe sich sonst, sowohl
dem Gegenstande als der Form nach, von demselben unterscheidet. Wenn die
Kunst im Gebiete von Lattich erst mitr dem 16. Jahrhundert einen bestimmten
nnd bleibenden Charakter annahm, verhält es sich im Elsass grade umgekehrt,
seine künstlerische Production gehört wesentlich dem Mittelalter an. Der
Verfasser des zweiten Werkes hat sich daher mit Recht auf diese frühere Zeit
beschränkt. Dann aber fragte sich, in welcher Form er die Resultate seiner
Studien publiciren wolle. Er hat darüber, wie er erzählt, lange geschwanktt
sich dann aber für die einfachste Weise entschieden, nämlich für eine chro-
nologische Aufzählung aller ihm bekannten Künstlernamen des Elsassischen
Mittelalters, ohne Unterscheidung der Kunstzweige. Architekten, Kalligraphen,
Miniaturisten, Bildhauer, Maler u. s. f. folgen daher nach der Ordnung ihrer
muthmasslichen Lebenszeit auf einander. Vorzüge und Nachtheile dieser Be-
handlungsweise liegen auf der Hand. Bei den dürftigen und unzusammenhängen-
den Notizen, welche uns die mittelsiterlichen Chroniken und Urkunden ge-
währen, wird dadurch nicht leicht ein lebensvolles Büd der künstlerischen Ent-
Wicklung entstehen. Dagegen wird durch diese Vereinzelung die Handhabung
einer sorgfaltigen Kritik, welche bei der Natur dieser Ueberlieferungen geboten
ist, bedeutend erleichtert. Es ist daher eine solche Zusammenstellung eine be-
scheidene, aber überaus nützliche, ja unentbehrliche Aufgabe, der sich der Ver-
fasser denn auch mit kritischer Gewissenhaftigkeit unterzogen hat. Sein Buch,
von dem jetzt nur der erste Theil vorliegt, wird daher, besonders wenn der
zweite, dem 15. Jahrh. gewidmete, erschienen und mit den ausführlichen Re-
gistern, welche die Vorrede verheisst, versehen sein wird, ein Repertorium bil-
den, das Keiner übergehen darf, der sich mit der Kunst des Elsass beschäftigt.
Natürlich hat der Verfasser sich bei seinen Mittheilungen nicht auf eigene neue
Forschungen beschränken dürfen: seine Aufgabe war vielmehr, die Resultate
der schon längst eifrig betriebenen Localforsohnng za prüfen und die mannig-
fachen Irrthümer, welche sich hartnäckig zu erhalten pflegen, aufzudecken.
Gerade die Trockenheit und Lückenhaftigkeit der überlieferten Nachrichten gibt
die Pflicht, aber auch einen fast übermässigen Reiz, sie möglichst auszubeuten,
und durch die Phantasie zu beleben, was denn leicht zu bedenklichen Hypo-
thesen führt. Der- Verfasser ist sich dieser Gefahr wohl bewusst und hat sie
darch sorgfältige Kritik möglichst zu vermeiden gesucht. Indessen fehlt es auch
bei ihm nicht an Annahmen, die ich für unbegründet oder doch für sehr zwei-
felhaft halten muss. In die letzte Kategorie gehört auch eine, welche so eben
bei Weltmann (Zeitschrift für bildende Kunst, 8. Band, Seite 359) Zustimmung
gefunden bat.
An der stattlichen gothischen Kirche St. Martin zu Colmar sind die
Namen mehrerer Werkmeister erhalten. Der Eine derselben, Wilhelm von Mar-
burg, ist zufolge seines Grabsteines im J. 1364 gestorben ; von ihm- kann daher
nnr der Chor herrühren, während das Langhaus einer frühem Zeit entspricht
and das Kreuzschiff noch älteren Ursprunges scheint. Gerade an diesem ältesten
278
Charles Gorard,
Theile aber hat man schon vor etwa zwanzig Jahren ebenfalk den Namen eines
Meisters entdeckt. An dem Portale des südlichen Kreozarmes befindet sich
nämlich die Statuette eines Mannes, der mit dem Schurzfell bekleidet, das Win-
kelmaass in dev kräftigen Hand, augenscheinlich die Darstellung eines Stein-
metzen oder Baumeisters gibt. Daneben dann die Inschrift: MAISTRES-HVM-
BRET (Maistres-Humbret). Schon der Entdecker dieser Inschrift, der verstor-
bene Abbe Hugot, folgerte daraus, dass dcr^Mann kein Deutscher, sondern ein
Franzose gewesen sei, eine Ansicht, der jedoch Ludwig Schneegans, einer der
gründlichsten Elsassischcn Forscher, cbonfuUs aus sprachlichen Gründen ent-
gegentrat. Unser Verfasser widerspricht diesem und legt namentlich darauf Ge-
wicht, dass der Scbluss des Meistertitels, das S am Nominativ des Singulars
eine im Altfranzösischen oft vorkommende Form sei. Seine Gründe scheinen
mir indessen nicht schlagend. Wenn auch jenes S beim Gebrauch des Singulars
im Altfranzösischen vorkommen mag, so ist es immer eine üngenauigkeit, welche
nicht gerade als ein Zeichen der Nationalität des Schreibenden gelten kanni
während andererseits die Form des Namens Humbret (Humbrecht) eher auf
deutschen Ursprung deutet und die Schreibart des Meistertitels keiner beider
Sprachen vollkommen angehört. Im Mittelhochdeutschen ist zwar die Schreibart
»Meister« gewöhnlicher, doch kommt auch die Schreibart »Maistert (in
Erinnerung an den auch den Handwerkern wohlbekannten lateinischen Ursprung
des Wortes Magister) nicht selten vor. So wiederholt in Esslingen, vgl Heide-
löff, Schwaben, S. 44, 45. Es steht daher nur so viel fest, dass die Schreibart
beider Worte incorrekt ist; eine Üngenauigkeit wie sie in Steinschriften so
häufig vorkommt. Unier diesen Umständen scheint es mir höchst gewagt, aus
der Orthographie einen Scbluss auf die Nationalität des dargestellten Mannes
zu ziehen. Fragt man aber nicht blos die Inschrift, sondern das Werk selbst
an welchem sich die Statuette befindet, so redet es entschieden deutsche
Sprache; die Architektur dieses südlichen Kreuzarmes enthält noch starke ro-
manische Reminiscenzen. wie sie um das Jahr 1240, wo nach den, von dem
Verfasser selbst mitgotheilten Nachrichten dieser Theil gebaut sein muss, in
Frankreich nicht denkbar sind, in der deutschen Praxis aber ganz herkömmlich
waren. Der Erbauer dieses Ereuzarmes muss daher ein Deutscher gewesen sein.
Damit ist denn auch Prof. Weltmann a. a. 0. einverstanden, glaubt aber den-
noch nach Gcrard's Vorgänge die französische Nationalität des Meisters Hum-
bert festhalten zu dürfen. Er nimmt rämlich an, dass bei dem Eintritt dieses
fremden Meisters, der Innenbau des Kreuzarmes durch seine deutschen Vor-
ganger bereits vollendet und nur noch das Portal, an welchem die Statuette
sich befindet, auszuführen gewesen sei. Gerade dies Portal hat aber keines-
weges den ausschliesslich romanischen Charakter wie der Innenbau; es scheint
zwar aus ununterbrochener Arbeit hervorgegangen, enthält aber in der That
eine freilich etwas wunderliche Mischung von romanischen und gothischen Mo-
tiven, die et den Anordnungen des neuen Meisters zuschreiben zu dürfen glaubt,
der von da zum Bau des Langhauses übergegangen sei, in welchem dann die
gothische Formbildung schon deutlicher liervortritt. Die Hypothese ist scharf-
i
les ArÜBte« de TAlsacc pendant le moyon*&ge. 279
siimig, leidet aber doch wieder an innerer Unwahrscbeinlichkeit. Die Misohnng
der romanischen und gothisoheD Elemente an der Bildung des Portals ist so
roh und angeschickt ausgeführt, dass man sie einem Künstler, der in der
Kenntniss des neuen Styls aufgewachsen war, nicht zuschreiben kann und
ebensowenig ist es glaublich, dass mau dem neu hinzutretenden Meister
gestattet haben würde, sogleich mit der Anbringung seines Bildnisses an
einem Werke, an dem er so wenig Antheil hatte, zu debütiren. Viel
eher wäre es möglich, dass ein älterer Meister, 'dessen lange Wirksam-
keit ihm Ansprüche gab bei dieser Schlussarbeit seine Vielseitigkeit und
sein gewachsenes Yerstandniss des neuen, von Frankreich her eindringen-
den Styles, zeigen wollen, was denn in ziemlich abschreckender Weise geschehen
fi und eher die Lehre gibt, sich in späten Tagen kühner Versuche zu ent-
halten. Es wäre .in der That gar nichts Auffallendes, wenn französische Meister
im Elsass thätig gewesen waren, allein der Beweis der Thatsache scheint we-
nigstens in diesem Falle noch^nicht erbracht zu sein.
Besonders ausfuhrlich beschäftigt sich der Verfasser ndt den Baumeistern
des Strassburger Münsters, unter denen er (wiederum nach dem Vorgange von
Ludwig Schneegans) schon einen des 12. Jahrhunderts nachweisen zu können
glaubt. An einem der durch den Bischof Conrad von Hunenburg (1190^1202)
erbauten Thore der Stadt Straasburg findet sich nämlich das Beliefbild eines
Mannes, der hinter einem Rade sitzt, mit der Lischrift: »Hermanus Anriga
magister hujus operis.c Da das Kreuzschiff des Münsters ungefähr derselben
Zeit, also auch muthroasslich demselben baolustigen Bischof angehört, glaubt
der Verf. es demselben bewährten Meister zuschreiben zu dürfen. Eine Ver-
muthung, die jedenfalls zu kühn und entbehrlich scheint,
Noch kühner ist es dann, wenn man diesen Meister auch sofort mit einer
künstlerischen Tochter beschenkt. Schneegans hat überzeugend bewiesen, dass
die Bildhauerin Sabina, von welcher nach einer uns auf bewerten Inschrift einige
Statuen am Aeussern des Münsters herrührten, nicht, wie man durch ein gro-
bes Missverständniss angenommen, eine Tochter Erwins von Steinbach gewesen
sein könne, sondern mehrere Decennien vor demselben gelebt haben müsse.
Da aber bei den damitligen Zunftverhältnissen die Theilnahme einer Frau an
dor Thätigkeit der Steinmetzen nur dann denkbar sei, wenn sie zu der Familie
des Werkmeisters und also gewissermassen zur Bauhütte gehört habe, so glaubt
Schneegans ^ und mit ihm unser Verfasser annehmen zu dürfen, dass sie von
jenem Hermann Auriga, . dessen Lebenszeit ihrem Style entspreche, abstamme.
£s ist augenscheinlich, dass wir zu dieser völlig, unerwiesenen Vermuthung
kein Recht haben.
Bei dem vielgefeierten Namen Erwins von Steinbach kommt der Verfasser
au einer Hypothese, die so viel ich weiss, ganz neu und ihm eigenthümlich ist.
Gewöhnlich hat man jenen, ihm nur in einer Inschrift beigelegten Beinamen
mit der im markgräflichen Baden gelegenen Ortschaft Steinbach und «ogar
theilweise mit dem danach benannten ritterlichen Geschlechte in Verbindung
gebracht. E^ gibt aber auch noch ein anderes Steinbaoh, und zwar im Elsass
260 Charles G^rard,
selbst, in der Nahe von Thann, und es existirt in der That kein Beweis über
die Richtigkeit der einen oder der anderen Beziehung. Aach scheint es sehr
gleichgültig, ob der tüchtige Meister auf dem rechten oder auf dem linken
Rheinufer geboren ist. Unser Verfasser fügt nun aber diesen beiden Möglich*
keiten eine dritte hinzu, für die er sich entscheidet, die nämlich, dass Erwin
ein Franzose gewesen, dessen Geburtsort Pierrefont oder ahnlich gelautet habe,
und auf deutschem Boden durch das deutsche Wort Steinbach übersetzt sei,
Gründe für diese Yermuthung findet er besonders darin, dass Erwins Arbeiten
nicht bloss in künstlerischer Beziehung Spuren der französischen Gothik tragen,
sondern auch sonst einen französischen Patriotismus verrathen. So namentlich
wenn er bei der Darstellung der Auferstehung, am grossen Portale des Münsters,
einen Sarg mit den französischen Lilien und dem Thurme, also mit dem in
Frankreich so oft vorkommenden Wappen Ludwig IX. und seiner Mutter Bianca
von Kastilien, schmücke. An der Fagade seien neben dem damals lebenden
deutschen Kaiser, Rudolph von Habsburg, die Reiterstatuen des Clovis und des
Dagobert aufgestellt. Angeblich sei dies eine Anerkennung ihrer der Kathedrale
gegebenen Schenkungen. Aber diese habe auch andere Woblthäter gehabt, und
die Wahl des Begründers der französischen Monarchie und des in Frankreich
populärsten Königs lasse sich daher nur als ein Ausdruck persönlicher Anhäng-
lichkeit des Meisters erklären.
Der Verfasser unseres Buches scheint nicht ein geborener Elsasser zu
sein; er ist mit dem Elsass, wie er sich in der Vorrede ausdrückt, durch kind-
liche Anhänglichkeit seit mehr als einem halben Jahrhundert verbunden; er
ist jetzt Advocat am Appellhof zu Nancy. Er wird also ohne Zweifel ge-
borener Franzose sein. Er versichert uns aber, dass dies auf die eben gedachte ^
Bypothese keinen Einfluss habe : er sei weit entfernt eine kindische Befriedi-
gung darin zu finden, dass er Deutschland einen grossen Künstler entziehe. Er
habe diese Ansicht schon gehabt, während er nur das gelehrte und künstlerische
Deutschland gekannt und geliebt habe. Wir wollen ihm das gerne glauben, da
er sich auch sonst massig und vorurtheilsfrei ausspricht, aber seine Hypothese
scheint uns dennoch unhaltbar. Dass die Arbeiten Erwin's der französischen
Schule angehören, ist ausser Zweifel, aber schon die Art ihrer Ausführung
spricht dafür, dass er kein Franzose, sondern ein Deutscher gewesen, der die
in Frankreich ausgebildete Form in eigenthümlicher Weise auffasste. Jene fran-
zösischen Wappen mögen eben eine harmlose I^eminiscenz aus seiner Studienzeit,
oder eine Copie einer mitgebrachten Zeichnung sein, und die Gestalten von
Clovis und Dagobert, wenn überhaupt diese durch eine unerwiesene Tradition
überlieferten Namen richtig sind, stammen nicht aus seiner Wahl, sondern
waren ihm vorgeschrieben. Jedenfalls aber ist die von dem Verfasser angenom-
mene Entstehung des Wortes Steinbach höchst unwahrscheinlich. Uebersetzuugen
von Beinamen kommen wohl vor; Regier de laPasture, nachdem er aus seinem
französisch redenden Geburtsorte Tournay auf fiamländisches Gebiet verzogen
war, nannte sich Roger van der Weyden. Allein dies geschah im 15. Jahrhun-
dert, zu einer Zeit, wo die Beinamen bereits in bleibende Familiennamen über-
les Artistee de PAleace pendaat le moyen-ftge. 281
gingen und an einem Worte von allgemeingültiger Bedeutung, nioht im 13*
Jahrb., iro die Beinamen stets den Charakter der persönlichen Bezeichnung
hatten nnd nach Massgabe der umstände wechselten, und nicht an einem Orts-
namen (nomen proprium), der als solcher unveränderlich war. Der Namen einer
grossen Stadt geht durch die ganze Welt, der eines kleinen, wenig bekannten
Ortes hat aber ausserhalb der Provinz, der er angehört, und besonders im Aus-
lande, keine Bedeutung, man ersetzte ihn daher hier durch den Namen der Pro-
vinz oder gar des Landes, in welchem jener kleine Ort lag. Beispiele davon sind
in Italien überaus häufig, für Deutschland mag es genügen, auf die grosse Zahl von
Künstlern und Handwerkern aller Art hinzuweisen, welche im 14. und 15. Jahr-
hundert unter den Namen Beheim, Behm u. s. w. vorkommen. Wäre Erwin
wirklich ein Franzose gewesen, der in seinem Yaterlande von Pierrefont genannt
war, so würde man sich in Strassburg begnügt haben, ihn als den »Wälschenc
als Franzosen, oder mit dem Namen einer grossen Stadt, in der er gearbeitet
hatte, etwa von Amiens oder von Paris, zu bezeichnen. Jedenfalls aber wäre
die Uebersetzung des Namens Pierrefont durch Steinbach zweckwidrig gewesen,
da sie die Vorstellung erweckt haben würde, dass der Inhaber desselben ein Deutscher,
ein Elsasser oder Badenser sei, eine Vorstellung, welche irregeführt und die Er-
kennung erschwert haben würde. Der Verf., der uns versichert, dass sein fran*
zösisches Herz an dieser Hypothese keinen Antheil hat, mag seinerseits überzeugt
sein, dass unser deutscher Patriotismus bei dieser Frage gar nicht mitspricht.
Wir wissen sehr wohl, dass die Gothik in Frankreich ihre Ausbildung erhalten
hat und erst von dort her nach Deutschland verpflanzt ist. Deutsche Schrift-
steller haben dies nachgewiesen, ehe es in Frankreich selbst ausgesprochen war*
Unter diesen Umständen aber erscheint es ziemlich gleichgültig, ob diese Ueber-
tragung nach Deutschland durch deutsche Meister, auf Grund ihrer in Frank-
reich gemachten Studien, oder durch französische, die zu uns einwanderten, ge-
schehen sei. Innere Gründe bestimmen uns in den Fällen, wo wir die Entstehung .
der frühesten gothischen Kirchen in Deutschland genauer verfolgen können, die
Wirksamkeit deutscher Meister anzunehmen. Unserer Eitelkeit würde vielleicht
eher die andere Ansicht zusagen. Dass unsere Meister das Bedürfniss nach fran«
zösischer Architektur empfanden und sie in ihrer Heimath studirten, ist jeden-
falls ein stärkeres Anerkenntniss ihrer Vorzüge, als wenn französische Meister zu
uns gekommen wären und uns ihre Leistungen angeboten hätten.
Anf die ausführlichen Untersuchungen des Verf. über die Söhne Erwin*s
und über seine Nachfolger am Bau des Münsters darf ich nicht weiter eingehen;
er BchHesst sich in der Regel der Ansicht von Schneegans an.
Im 14. Jahrhundert kann es interessiren, dass der Verf. auch da noch
mehrere geistliche Baumeister nachweist. Der Franciskaner Johann Wagner
erbaute den Chor der Kirche seines Ordens in Thann (1303—1306), an der Kirche
von S. Thomas leiteten wiederholt die Scholastiker des Capitels den eleganten,
noch jetzt bestehenden Bau.
Manche Gründe könnten zu der Vermuthung führen, dass auch in dieser
Bheingegend die Malerei schon im 14. Jahrhundert einen gewissen Aufschwung
282 Charles Gerard, \e» Artistes de TAbaoe pendant le moyen-lge.
genommen habe. Die Forschungen des Verf. geben indessen keine Bestätigung
derselben. £r zählt zwar gelegentlich (S. 837) eine Reihe von Wandmalereien
auf, welche jedoch nur in schwachen Uebcrresten erhalten und nicht ausge-
zeichnet zu sein scheinen. An einer derselben in der JOominikanerkirche zu Geb-
weiler nennt sich der Maler: Werlin zum Burne in deutscher Inschrift*
Uebrigens ist aber selbst die Zahl der Malernamen, welche der Yerf. aus Bür'
gerlisten und ähnlichen Urkunden mittheilt, ohne dass wir Eenntniss von ihrer
Bedeutung haben, auffallend klein. Er hätte diesen Namen den des Andreas von
Colmar hinzufügen können, den der Verf. eines Manuscripts aus dem 14. Jahr-
hundert als seine Quelle für mehrere von ihm mitgetheilte Farbenrecepte an-
führt (Gesch, d. bild. Künste, 1. Aufla^/e VI. 408. 2. Aufl. S. 379). Dagegen
nennt der Verf. zwei andere Malcrnamen, die bloss auf einer augenscheinlich
unbegründeten Hypothese beruhen. Er erzählt nämlich am Schlüsse des 13. Jahrh.
von einem Strassburger Maler, den er Wurmser den Alten nennt, dass der-
selbe nach Prag ausgewandert sei und sich daselbst niedergelassen habe, und
späterhin von einem Eunz Wurmser, der, ans Strassburg stammend, Hofmaler
Carl's IV. und in Prag berühmt gewesen sei. Was wir urkundlich wissen, ist
nur, dass ein Maler aus Strassburg, 'Nicolaus Wurmser, im Jahre 1359 in die
Dienste Carl's IV. trat, von ihm hochgeehrt und längere Zeit im Schlosse Carl-
stein beschäftigt wurde, wo wir wahrscheinlich noch Malereien von seiher Hand
besitzen. Von dem Lehrmeister dieses Nicolaus und von seiner Familie wissen
wir nichts. Was der Verf. darüber Weiteres mittheilt, gründet sich auf eine
Vermuthung eines älteren deutschen Kunstforschers, von Murr. Derselbe ent-
deckte nämlich in einem polizeilichen Register der Stadt Nürnberg die Notiz,
dass »Cunzel der Böhme, der Bruder des Malers Nicolausc bei Strafe des Hän-
gens ayis der Stadt vei^uesen sei, und nahm an, dass dieser Maler Nicolaus mit
dem Nicolaus Wurmser iüentisöh sei. Allein die Gleichheit des Vornamens Nico-
lans genügt nicht, um die Identität jenes in Nürnberg befindlichen Malers mit
Nicolaus Wurmser zu beweisen. Ja diese Identität ist fast unmöglich, da die
Nürnberger Notiz vom Jahre 1310, mithin fast fünfzig Jahre älter ist, als def
Eintritt des Wurmser in die Dienste Carl's IV. Kugler, Hotho und ich selbst
hatten daher jene Hypothese von Murr's längst verworfen, nur Passavant nahm
sie gläubig auf und erweiterte sie in so fern, als er jenen Cunzel den Böhmen,
von dem die Urkunde durchaus nicht sagt, dass er ein Maler gewesen sei, mit
einem Maler Kunze, der später in der Malergildc von Prag war, identificirte.
Unser Verf. obgleich crHotho's Widerspruch kennt und citirt, geht noch weiter
als Passavant und baut darauf neue Hypothesen. Der auffallende Umstand, dass
der eine beider Brüder ein Strassburger, der andere als Böhme bezeichnet sei,
lasse sich nur dadurch erklären, dass der Vater beider Brüder nach ihrer Geburt
von Strassburg nach Böhmen verzogen sei und den einen derselben .mitgenom-
men und dort erzogen habe, weshalb er denn auswärts als Böhme bezeichnet
worden, den andern aber in Strassburj^ bei seinen Verwandten zurückgelassen
habe. Die auffallende Differenz zwischen den Jahren 1310 und 1859 glaubt der
Verf. durch die Annahme beseitigen zu können, dbss Nicolaus der jüngere beider
J
k.
^T"
Dr. J. Rudolf Bahn, Gesoliichte detf bildenden Künste in der Schweiz. 268
Brüder und im Jahre 1810 noch sehr jung gewesen sei. Allein, da sein Name
in Nürnberg gebraucht wurde, um seinen Bruder näher zu bezeichnen, muss er
doch ein einigermaassen bekannter Mann und mithin wenigstens zwanzig Jahre
alt gewesen sein, was ihm denn bei dem Eintritt in den Dienst Carl's lY. ein
Alter von 70 Jahren geben würde. Ich enthalte mich weiter auf die Wider-
sprüche und UnWahrscheinlichkeiten einzugehen, zu denen diese Hypothese des
Yerf. führt, und mache nur darauf aufmerksam, wie gefährlich es ist,-' wenn man
Vermuthungen auf Vermuthungen baut. Nicht nur jener Wurmser der alte, son-
dern auch der in Frag wirksame Maler Kunze, müssen daher aus der Liste der
elsasser Künstler gestrichen werden. Der in Prag vorkommende Maler Kunze
scheint wirklich ein geborner Böhme, blühete aber (wie ich anderweitig nachge-
wiesen habe, Gesch. der bild. Künste 2. Aufl. YI S. 440, Anm. 1) wahrscheinlich
erst um 1414, und war also mit jenem aus Nürnberg verwiesenen Cunzel nicht
identisch.
Diese Mangel stehen übrigens dem Wertho des Buchs nicht entgegen. Der
gegenwartige Band schliesst mit dem Ende des 14. Jahrhunderts. Der folgende
soll nur das 15. umfassen, jedoch, wie wir aas der Yorrede des gegenwärtigen
erfahren,/ mit Ausschluss Martin Shongauers, in welchem der Yerf. (nach meiner
Ansicht nicht mit Unrecht) mehr den Anfanger der heuern Zeit als den.
SchlusB des Mittelalters sieht.
3. Das dritte der oben bezeichneten Werke wird ohne Zweifel das bedeu-
tendste der ganzen Beihe werden. Der Yerfasser hat es auf eine in jeder Be-
siehung erschöpfende Würdigung der noch so wenig bearbeiteten Kunstgeschichte
der Schweiz abgesehen; er schildert durchweg auf Grund eigener Anschauungen
und mit Hülfe sorgfältiger und reichhaltiger Abbildungen. Nur die Anfange des
Werkes (zwölf Bogen), die bis in den Anfang des 12. Jahrh. führen, liegen uns
jetzt vor, enthalten aber schon eine grosse Fülle des Stoffes. Der Yerfasser jiQ"
ginnt damit, seine Leser vor unberechtigten Ansprüchen an seine Aufgabe zu
warnen. Er findet, dass die Schweiz innerhalb der umgebenden Monumentalw^lt
eine eigenthümliche, keineswegs bevorzugte Stellung einnehme. Es fehlte ihr das
Band nationaler Einheit; schon seit der frühesten Zeit sei sie ven verschiedenen
Nationen bewohnt; seit denT 11. Jahrh. habe sie drei verschiedene Strömungen
in sich aufgenommen, die noch jetzt sich kennbar sonderten. Neben der schwä-
bisch-alamanischen Bauschule, die im Norden der Schweiz herrsche, bestehe eine
italienisch-lombardische, die besonders in Tessin und Graubündten einheimisch
sei, deren Einfluss sich aber selbst noch am Grossmünster von Zürich geltend
mache, und endlich die französisch^burgundische Bauschule, welche durch die
Klöster der Cluniacenser und Cistercienser die französische Schweiz .erfüllt habe.
Winckelmann spreche mit Becht wiederholt au3, dass die Freiheit die Quelle der
griechischen Kunst gewesen, aber schwerlich sei sie allein ausreichend. Es ge-
höre dazu die Nationalität und wenigstens ein gewisser Wohlstand. Dieser habe
der Schweiz lange gefehlt. Erst mit dem Ende des Mittelalters beginne sie sich
L
s,
284 Dr. J. Rudolf Rahn,
zn heben, und erst die Ruhe, deren sie sieh seit dem dreissigjährigen Kriege im
Yerhältniss zu anderen Völkern erfreut, habe ihr den nöthigen Wohlstand und
eine relative Einheit gegeben. Daher denn in den früheren Jahrhunderten eine
gewisse Lückenhaftigkeit der künstlerischen Entwicklung, eine Gleichgültigkeit
gegen das künstlerische Element, welche durch die Naturbeschaffenheit der
Schweiz- und ihre grossartige Schönheit noch gesteigert sei, und eine Schwäche
der Production, welche es verschuldet habe, dass in manchen Gegenden der ro-
manische Styl sich bis in das 16., der gothische sogar bis in das 17. und 18.
Jahrh. erhalten habe.
Aus diesen eigenthümlichen Verhältnissen ergibt sieh denn auch der Plan,
nach welchem der Verfasser seinen Stofif behandeln musste. Da überall die von
verschiedenen Seiten sich geltend machenden Einflüsse aus den Nachbarländern
berücksichtigt werden müssen, darf er die allgemeine Kunstgeschichte nicht aus
dem Auge verlieren, muss vielmehr die nöthigen Hinweisungen zum Verständniss
ihrer Richtung vorausschicken, und daran die Schilderung der schweizerischen
Monumente anknüpfen und in ihren Abweichungen und Eigenthümlichkeiten er*
klären. Es ist begreiflich, dass die Aufgabe dadurch eine mühsame und umfas-
sende wird, ohne den Vorzug zu haben, eine grosse Zahl von musterhaften Lei-
stungen zusammen zu stellen. Wohl aber wird sie das Verdienst haben, tiefer
und lebendiger in die Gesetze der Production und ihrer Hemmnisse und Bedin-
gungen einzuführen.
Eine üebersicht des Inhalts der jetzt vorliegenden ersten Lieferung wird
genügen, um zu zeigen, in wie gründlicher Weise der Verf. sich dieser seiner
Aufgabe unterzieht. Jener Einleitung, deren Inhalt ich oben geschildert habe,
folgt als erstes Buch (S. 17—48) die Kunst des helvetisch-römischen Zeitalters,
und zwar zuerst der Anfang der Kunst in vorhistorischer Zeit, mit ziemlich ge-
nauen Berichten über die Ergebnisse der Pfahlbauten und über die ersten Spuren
kunstgewerblicher Thätigkeit. Ein zweites Capitel schildert die Kunst der Römer,
die militärische Regelmässigkeit ihrer Architektur, die Einflüsse ihrer Schmuck-
lust und ihres Formenreichthums. Das sehr umfassende zweite- Buch beschäftigt
sich dann in einer Reihe von Gapiteln mit der Kunst der altchristlichen Jahr-
hunderte. Voran gehen die ersten Spuren christlicher Kunst in der Schweiz,
darauf folgt eine Schilderung der Kunstanfange bei Alamannen und Burgundern,
wo namentlich über die ornamentistische Richtung der letzteren interessante
Mittheilungen gegeben werden. Ein drittes Capitel erzählt die Anlange und die
Entwicklung des christlichen Kirchenbaues, wobei das Nöthige über die Basiliken-
frage beigebracht wird. Darauf dann endlich die Kunst im carolingischen Zeit-
alter, und zwar zunächst die Betrachtung der Architektur mit ausführlicher
Schilderung des Bauplanes von S. GaUen und der grossartigen Anlagen der Insel
Reichenau. Durch die Gunst der umstände gibt gerade hier die Schweiz hervor-
ragende Beispiele. Nicht minder gilt dies von der Plastik und Malerei dieses
Zeitalters, wo die Schule von S. Gallen in Elfenbeinarbeiten und durch die Mi-
niaturen rühmlichst vertreten ist. ^ Gerade hier sind die Schilderungen des Verf.
sehr genau und charakteristisch, und besonders mit Hülfe der gerade hier vor-
Geschichte der bildenden Künste in der Schweiz. 285
räglioh aasgefohrten umfassenden Abbildungen überaus lehrreich. Der Rest dieser
Lieferung (S. 149—192) macht dann den Anfang mit der sehr gründlichen und
mit lebendigem Stylgefühl durchgeführten Schilderung der romanischen Kunst.
Von dem Reich thume der Ausstattung gibt es eine Vorstellung, dass die 192
Seiten des Textes 59 zum Theil fast die ganze Seite einnehmende Abbildungen
enthalten. Wir zweifeln nicht, dass es der begeisterten Energie des Verf. ge-
lingen wird, das allerdings sehr umfassende Werk in gleicher Weise durchzu-
führen und so das Verständniss bei seinen Landsleuten und allen, die an der
künstlerischen Entwicklung der Schweiz Theil nehmen, bleibend zu fördern.
Wiesbaden, im September 1873.
C. Schnaase.
Nachschrift.
Charles Gerard, les artistes de PAlsace pendant le moyen-&ge. Tome 11.
Colmar-und Paris 1873.
Während der vorstehende Bericht bereits dem Drucke übergeben war, ist
der darin erwähnte zweite Band des obengenannten Werkes dem Referenten zu-
gegangen. Er entspricht völlig den Voraussetzungen, welche der erste Band er-
weckte und enthält ausser einer mässige'n Zahl aus der Schlusszeit des 14. eine
starke Liste von Künstlern des 15.. Jahrhunderts, bei denen dann das biogra-
phische Material oft etwas reichhaltiger fliesst und lebensvollere Mittheilungen
gewährt, als in der frühern Zeit. Näher auf das Einzelne einzugehen, nament-
lich die vielen Fragen zu erörtern, welche sich an die Namen der Baumeister
des Münsters anknüpfen, kann auch hier nicht meine Absicht sein; ich begnüge
mich, auf einige, für den Gesammtgeist des 15. Jahrhunderts charakteristische
Mittheilungeu aufmerksam zu machen. Wie eigen thümlich sind oft die Verhält-
nisse der Zünfte. Ein gewisser Johann Joerche, der als Bildschnitzer bezeichnet
ist, hatte sich in die Malerzunft aufnehmen lassen. Nun macht aber die Zunft
der Wagner, zu welcher übrigens auch Tischler und Drechsler gehören, auf ihn
Anspruch, weil er sich der Axt, des Schneidemessers, der Säge, also der Werk-
zeuge bediene, von denen sie Gebrauch machen. Die Malergilde widerspricht
dem, und der Rath entscheidet denn auch zu ihren Gunsten, weil die geschnitzten
Bildwerke auch des Malens bedürften und er, Joerche, dies selbst bewirke und
verstehe. Zahlreiche Nachrichten zeigen dann auch den Zusammenhang der
Künste mit der aufkommenden Buchdruckerei. Das Gewerbe der Bücherschreiber
scheint bedeutender wie je und entwickelt sich in Verbindung mit dem Buch-
druck und mit der Kunst des Holzschnittes. Einzelne Züge deuten auf steigende
Blüthe der Malerei und die ausführlichen Contrakte, welche im Jahre 1418 die
Vertreter der Stadt Basel mit dem Maler Johann Tiefenthal aus Schlettstadt
über die Ausmalung einer KapeUe in ihrer Stadt und im Jahre 1462 der Kir-
I
286 Charles G^rard. \ee artistes de PAlsace pendant 1e moyen-ftge.
chenvorstand von St. Martin, in Colmar mit dem daselbst wohnenden Maler
Caspar Ysenmann über die Anfertigung des Hauptaltars in ihrer Kirche ab-
schliessend enthalten manches Interessante. In dem ersten Contrakte ist nament-
lich merkwürdig, dass die Stadt Basel einen Yorrath von blauer (wahrscheinlich
kostbarer) Farbe zu besitzen scheint, aus welchem dem Maler Quantitäten auf
Abrechnung seines Honorars verabfolgt werden sollen. Caspar Ysenmann malt
übrigens in Oel und die Ucberreste seines Altarwerkes, , welche sich im Museum
zu Colmar befinden, lassen darauf schliessen, dass er mit niederländischer Kunst
nicht unbekannt war. Als ein Beweis für die populäre Geltung der Malerei ver-
dient es angeführt zu werden, dass die Zerstörung einer feindlichen, den Herrn
von Thami gehörigen Burg durch die Bürger von Strassburg im J. 1448, durch
ein Bild in der Amtsstube der Bäcker gefeiert wird. Martin Schongauer stand"
nicht allein; ausser dem ebengenannten Ysenmann war Johann Hirtz in Strass-
burg ein bedeutender gleichzeitiger Maler; Geiler von Kaisersberg nennt in einer
seiner Predigten seinen Namen mit dem Zusätze, dass, wenn man ein Altarbild
bewundere, man es ihm zuzuschreiben pflege, und Wiropheling erwähnt seiner
noch im J. 1502 als eines ehemals berühmten Malers. Er starb übrigens schon
um 1466. Im J. 1486 war ein gewisser Lienhart ein bedeutender Meister, der
das jüngste Gericht im Chor der Kathedrale malte. lieber Martin Schongauer
selbst erhallen wir nur mittelbare Nachrichten, nämlich die Lebensdaten seines
Yaters, des Goldschmids Caspar Schongauers, der im J. 1445 das Bürgerrecht in
Colmar erhielt und 1408 daselbst starb, sowie seiner Brüder, namentlich des
Malers Ludwig, der, obgleich er nach dem bekannten Bericht des Scheurl im
J. 1492 bereits Albrecht Dürer in Colmar empfing, dennoch erst im J. 1493 das
Bürgerrecht daselbst erwarb. Bei dieser Gelegenheit erfahren wir denn auch,
dass der Yerfasser unseres Buches in der künftig von ihm herauszugebenden
Biographie Martin Schongauers nachzuweisen gedenkt, dass sein Tod nicht, wie
wir jetzt annehmen (vgl. His-Ueusler in Naumann's Archiv, Bd. 13, S. 129) im
J. 1488, sondern erst im J. 1498 erfolgt sei. Referent, der früher dieses spätere
Todesjahr vörtheidigt hatte, jetzt aber die besseren Gründe des Herrn His an-
erkennt, ist begierig diesen neuen Beweis kennen zu lernen.
Sehr vollständige Register erleichtern die Brauchbarkeit der fleissigen
Compilation.
Wiesbaden, im October 1878.
V Sohnatse.
2. Julius Cäsar am Rhein. Nebst Anhang über die Germani
des Tacitus (Germ. 2.) und über die Franci der Peiitinger'scheu Tafel. Von
Prof. A. Dcderich, Oberlehrer am Gymnasium zu Emmerich. Paderborn,
1870. 870 S. »)
Der allen Freunden der rheinlandischen Geschichte rühmlichst bekannte
Verfasser hat in diesem Schriftchen die ältesten, uns bekannten Ereignisse am
Niederrhein, die durch J. Gäsar's Feldzüge in Gallien veranlasst wurden, aufs
Neue einer kritischen Untersuchung unterworfen und dabei einzelne Thatsadien
und Localitäten richtiger angegeben, als es früheren Geschichtschreiberu mit
geringeren Localkenntnisscn möglich war. Da zu einer richtigen Auffassung
der ältesten römisch-deutschen Geschichte am Niederrhein, insbesondere auch
der Feldzüge des J. Cäsar am Rhein, vor allen Dingen eine genaue Kenntniss
des untern Rheinlaufes und seiner wechselnden Stromspaltungen bei der bata-
vischen Insel unumgänglich nöthig ist, so behandelt der Verf. in § 1 die Rhein-
mündongen und das Verhältniss der Maas zum Rhein, nach Cäsar, Tacitus und
Plinius, denen auch Strabo und Pomponius Mela beizufügen sind, da diese fünf
Schriftsteller des ersten christlichen Jahrhunderts die ältesten Nachrichten über
den Lauf des Rheinstromes und seiner Mündung, soweit sie damals den Römern
bekannt waren, uns überliefert haben. Das Wahre ihrer Berichte von den ihnen
verzeihlichen Irrthümern zu scheiden und die Entstehung derselben mit Wahr-
scheinlichkeit nachzuweisen und zu berichtigen, war die Absicht des Verf., die
er in seiner Darotellung mit Erfolg erreicht hat. üeberzeugend hat der Verf.
nachgewiesen, dass Cäsar in der Schilderung der Stromsysteme des Rheins und
der Maas (de B. G. IV, 10, 15) sich darin geirrt hat, dass er die Maas in den
Rhein fliessen lässt. Wenn er von dem confluens Mosae et Rhein spricht, so
kann er nicht den Rheinarm Waal verstanden haben, der ihm bekannt war und
den er genannt haben würde, wie er ihn in Cap. 10 nennt. Der Verf. verwirft
daher mit Grund die Versuche der neuem Erklärer Cäsar's, ihn von diesem
Irrthnme zu befreien, und hält eine Aenderung des handschriftlichen Textes für
unnöthig. Verdächtig scheint aber dem Ref. die genaue Angabe der Entfernung
^) Der durch Zufall verspätete Abdruck dieser lehrreichen Anzeige wird
auch jetzt noch willkommen sein. Die Red.
1 *
r-
>
■r
'.1%
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t
288 Prof. A. Dederich,
des ZaBammenflasscs vom Meere, die Cäsar zu 80 Millien berecbnct, wenig ab-
weichend von den Angaben der Itinerarien und der Peutingerscfaen Tafel ').
Diese genauen Messungen wurden zuerst lange nach Cäsar in friedlichen Zeiten
unter Augustus auf Veranlassung Agrippa's gemacht und unter den nnchfolgen-
dcu Kaisem vervollkommnet. Cäsar hatte bei seinem kurzen Aufenthalte am
Niederrhein zu solohen genauen Messungen keine Zeit; dieselben hätten aucb in dem
damals noch nicht unterworfenen feindlichen Lande von römischen Geometern
nicht können ausgeführt werden. Daher ist Ref. geneigt mit Ukert anzunehment
dass die Worte: neque longius ab oceano milibus passuum LXXX in Rhenum
transit, aus den verlorenen commentariis Agrippae, die dieser grosse Feldherr
und Staatsmann zu den in einem Forticus öfifentlich aufgestellten tabulis (Kar-
ten) geschrieben batte, in den Text Cäsar's als Bemerkung eines kundigen Ab-
scbreibers eingeschoben sind, und zwar schon in alter Zeit vor der uns über-
lieferten Textrecension, daher sie auch in den ältesten Handschriften der Com-
mentarien Cäsar's nicht fehlen. Der Verf. hält fest an den Worten des durch
die Handschriften beglaubigten Textes und ist überzeugt, dass Cäsar hierin sich
geirrt habe, dass die Maas in den Rhein fliesse, indem er die Theilung des
Rheines in Waal und Rhein mit einem Zusammenfluss der Maas und des Bheines
identificirt habe. Der Irrthum Cäsar's ist eben so wahrscheinlich, wie der Zusatz
eines Abschreibers mit Wahrscheinlichkeit angenommen werden kann. In § 2
wird der Uebergang der Usipeten und Tencteror bei Cleve über den Rhein und
die Verdrängung der Menapier aus ihren Wohnsitzen zwischen der untern Maas
und dem linken Ufer des Niederrheins besprochen. Die Wohnsitze dieses von
Cäsar zuerst erwähnten Volkes erstreckten sich aber weit über die Maas und
Scheide bis zum Lande der Moriner am Pas de Calais. Bei dem Anzüge der
aus ihren rechtsrheinischen Gauen, man weiss nicht von wem, vertriebenen
Volksstärame gaben die Menapier ihre Besitzungen auf dem rechten Ufer preis,
wurden aber im Winter von 56 auf 55 v. Chr. durch List auch aus ihren am
linken Rheinufer liegenden Ländereien verdrängt. Dass die Ueberfahrt der Ger-
manen auf menapischen Schiffen bei Cleve oder Emmerich geschehen sei,
schliesst der Verf. mit Recht aus dem Umstände, dass von hier aus die Passage
nach der Maas über den Xanten -Nym weger Höhenzug am nächsten und am
leichtesten zugänglich war, und die Germanen ihr Lager für Weib und Kind,
Wagen und Gepäck auf dem niedrigen Plateau bei Goch aufgeschlagen hatten,
das auf ihrem Zuge vom Rhein sich ihnen als die bequemste und sicherste
Lagerstatt^ darbot. Von hier aus unternahm die Mehrzahl der waffentragenden
Männer Streifzüge über die Maas in das Land der Condrusen und Eburonen,
welche Schützlinge oder Clienten der Treverer waren. Sobald Cäsar, der wäh-
rend dieser Vorgänge sich in Italien aufhielt, Nachricht von diesem gefahrlichen
Einfalle der Germanen erhalten hatte, eilte er früher als gewöhnlich im Früh-
jahr 55 nach Gallien, um dem Ausbruche eines Aufstandes zuvorzukommen.
^) Eine Berechnung dieser Entfernung gibt Dederich in seiner Geschichte
der Romer und der Deutschen am Niederrhein S. 29 ff.
';.
"k
r
Juliiu Cäsar am Rhein. 289
und fahrte sein Heer von der unteren Seine, wie Napoleon III. den Weg angibt,
über Amiens, Cambray, Bavay, Charleroy, Tongern und Mastricht, hier die Maas
überschreitend, was er nach Cohansen zwischen Dinant und Lüttich gethan hat,
in die der Gefahr aunächst ausgesetzte Gegend. Schon im Jahr 1844 hat der
Verf. die Gocher Haide als den Ort des germanischen Lagers und des Ueber-
falles richtig nachgewiesen, und in dieser Schrift seine Ansicht ausführlicher
begründet, dass die anderlhalbstundige Flucht der Germanen am Rhein zwi-
schen Cleve und Qualburg endete. Dasselbe Terrain hat auch Napoleon III. als
Kampfplatz auf seiner Karte bezeichnet. Da Cäsar nicht selbst die Germanen
verfolgte, sondern durch seine Reiterei bis an den Rhein, wo sich die Waal von
diesem trennt, verfolgen liess, die dort schnell wieder umkehrte und noch an
demselben Abende wieder in dem erbeuteten Lager bei Cäsar eintraf, so konnte
er sich in seiner Angabe des Flusses, den er für die Maas hielt, der aber kein
anderer sein kann, als die Waal, leicht täuschen, wenn er sich auf die unrich-
tige Meldung seiner Reiter verliess, die zum ersten Male in diese Gegend der
Flussspaltung kamen und keine Zeit hatten bei den Anwohnern, mit denen sie
sich doch nur durch Dolmetscher hätten verständigen können, genaue Erkun-
digungen einzuziehen. Die Maas war dem Cäsar zwar bekannt, aber nicht die
Stelle ihrer Mündung in den Rhein, die er nicht besucht hat und sich von ihr
eine unrichtige Vorstellung machte. Nachdem der Verf. die abweichenden An-
sichten V. Cohausen's, Brambach's u. A. widerlegt hat, spricht er § 6 von den
Folgen des Sieges über die Germanen, von Cäsar's £iundesgenossenschaft mit
den Batavern imd über das Alter der Stadt Cleve, das die Volkssage und ältere
Chronisten in die Zeit Cäsar* s vorsetzen, obgleich die erste beglaubigte Er-
wähnimg Cleve*B als eines*. Grafensitzes in's J. 1093 fällt. Aus der Burg des
Grafen Dietrich entstand allmählig die heutige Stadt, welche 1242 eine städ-
l^ische Verfassung erhielt, wie Dederich in seiner Schrift »die Feldzüge des
Drusus und Tiberiusc gründlich nachgewiesen hat. — Cäsar's erster Rbeinüber-
gang bei Bonn in's Land der Sigambrer wird im § 7 ausfuhrlich behandelt und
V. Cohausen's Meinung, Cäsar habe seine Brücke über den Rhein bei Xanten
geschlagen, widerlegt, denn die rheinischen Sigambrer wohnten nicht an der
Lippe, sondern im Gebiete der Siegmündung. Die zweite Brücke schlug Cäsar,
um in das Land der Ubier zu kommen, bei Neuwied, wie in § 8 nachgewiesen
wird. Von hier zog Cäsar nach seiner Rückkehr aus Germanien durch die zwi-
schen Coblenz und Andernach liegende Ebene weiter über die Eifel, die er sich
als einen Theil der Ardennen vorstellt und daher Arduenna nennt, gegen die
Eburonen, deren Wohnsitze sich auf beiden Seiten der Maas östlich bis in die
Nähe des Rheins und westwärts über das Gebiet der Sambre und der Ardennen
ausbreiteten. Die Nachbarn der Eburonen waren auf der linken Seite der Maas
die Aduatiker, die sich seit dem cimbrischen Kriege hier niedergelassen und
einen selbstständigen Staat gebildet hatten, der im J. 67 den Belgiern zur Ab-
wehr der Römer 19,000 Mann Hilfsttuppen stellen und die benachbarten tribut-
pflichtig machen konnte. Nach der Niederlage der Belgier zogen sich die Adua-
tnker mit ihrer^gesammten Kriegsmacht in eine von der Natur trefflich befestigte
19
290 Pi
Stadt zurück, wurden aber vo
trenloier SobeinergebnDg anf
Beim letxten Ausfall hatten sie
aatmng nebst den EinwobDeir
Sklaven verkaufen. Die Känfei
mit C&sar's Armee hc^ramiiehei
die gekauften Qefbngenea nach
dorcb einen Anemfer (praecu)
(tabernis) unter der Hand verk
stände dieses Mens che nhaudela
Feitnng, deren Name er nicht
Kraft des unglücklichen Volk«c
hass; denn im Herbst des J.
Aufstände de« Eburonenf unten
Ner*iem dea Legaten Cicero's
Lage Cbar unr mit den Wort
Snibas, ubi Titurius atque Aar
süperioris nnni mnnitiones int
B. 6. VI, 82. Die Befestigung
nun vervollständigt, daher ihn i
nun diese; nach der Onterdiäol
Volk der Ebnronen, so^e d»
traten an deren Stelle die Tuj
der Germania o. 2 bezeichnet,
gallifohen Krieges eine Stadt,
mit dem Beinamen Tungronun,
Aduataoa, und daher hat £c 3
Die neueste Untersuchang des (
aber in einem andern Ergebt:
Aduatnca anf der Höbe von
des heutigen Tongern. Die La
rieh s^t, >aQSBer Zweifel gese'
andern Ergebnisse führen, das
Im Anhange § 10 wird i
Germani ausfährlich behandelt
a se ipii statt ipsis bat auch I
Tacitue aufgenommen. Dnter i
mani, der ein keltischer oder <
daher anch den Galliern verstäi
aufgestellte für die richügatc.
tisoiien Zeitwort gur, laut nifei
') Julius Cäsar im nordwi
Gjmn. lu Krensnacb 1870.
• •
Juliui Gasar tm Rhein. 291
Krieger, Held, dem homerischen »Rufer im Kampfe ähnlich, abzoleiien Bind.
Dieser Bedeutung entsprechend ist auch der Name der Tungem, der vom go-
thisohen tuggo, althocbd. zunga, Zange, tungar, Sohreier, abgeleitet wird. Dem-
nach sind auch die Tungei Schreier und ihr Name gleichbedeutend mit dem
keltischen gairmeau. Diesen keltischen oder deutschen Namen haben ans die
Römer nach ihrer Aussprache, das W in G verwandelnd, überliefert. Die Be-
wohner der Germania magna, des Landes swischen dem Rheine und der
Weichsel, hatten ursprünglich keinen gemeinschaftlichen Namen, sondern jeder
einzelne Volksstamm seinen eigenen Namen. Der südlich von den Guttonen,
2wischen der Oder and Elbe wohnende und mit dem Zuge der Cimbern vor-
dringende Stamm heisst Teutoni oder Teutones ^), ein gothischer Name, der
Volk (thiuda) bezeichnet, der aber erst im neunten Jahrhundert nach der
Trennnng des Frankenreiches von dem ostrheinischen Deutschland der allge-
meine und herrschende 'geblieben ist.
Im Scblussparagraph tbeilt der Verf. seine »neu gewonnene Ansicht«
über die Franci der Peutinger'sclien Tafel oder über die fränkischen Völker am
Niederrhein mit, um sie nicht langer der Oeffentlichkeit vorzuenthalten. Die
auf der Peutinger'schen Tafel stehenden, von dem unwissenden Abschreiber
ganz verkehrt geschriebenen und abgekürzten Namen verbesseri der Verf. mit
glücklichem Scharfsinn in folgender Weise: Renus = Rhenus, Patabus = Va-
cnlus, wie die ältesten Handschriften und Ausgaben des Cäsar %B. G. IV, 10 den
Namen geben, gewöhnlich Vahalis; Patavia = Batavia. Es folgen in zwei Reihen
die Völkemamen: Chac. Vapii. Varii. || Chamavi, qui et Pranci. Zwischen den
beiden Zeilen und theil weise zwischen den Buchstaben der ersten Zeile von
einer andern Hand, wie es scheint, hineingeschriobon, sieht das sinnlose Wort
Rhepstini. — Vapii und Varii sind, wie der Verf. richtig annimmt, nur Endun-
gen von Völkernamen, und Vapii -ist verschrieben aus Varii. Mit dem vor an-
stehenden Chaci zu Einem Worte verbunden gibt den Völkernamen Chacivarii
oder richtiger Chattuarii, woraus denn Hattuarii und Attarii entstand. Mit
der zweiten Endung Varii müssten zwei Buchstaben ps aus dem darunter stehen-
den rhepstini genommen werden und durch eine etwas kühne Annexion und
Addition der Sylbe Am erhält man den hierher gehörenden Volksnamen Ampsi-
varii. Von den übrigen Buchstaben jenes sinnlosen Wortes soll rhe vielleicht
eine Verbesserung des Renus sein, mit dem Reste tini aber weiss der Verf.
nichts anzufangen. Den Zusatz: qui et Franci bezieht der Verf. nicht allein auf
die Chamavi; sondern auch auf die Chattuarii und auf die von ihm gebildeten
Ampsivarii, denn diese Völker haben gerade da gewohnt, wo auf der Peutinger'-
schen Tafel der Name Francia steht. Aus der Verbindung der drei genannten
Völker, unter denen die Chamaver die mächtigsten waren, hat sich durch An-
') Nach dem Berichte des Seefahrers Pytheas aus Massilia (zur Zeit Ale-
xander's d. Gr.), den uns Plinius H. N. XXXVII, 11 mittheilt, wohnten die mit
Bernstein handelnden Guttonen an der Ostseeküste und verkauften dieses Pro-
dact an die ihnen zunächst wohnenden Teutonen.
v*^
292 Prof. A. Dederich, Juliui C&sar am Rhein.
sohlnss der übrigen kleinen Völkerreste anf der nordöstlichen Seite des Rheines
derFrankenbund gebildet, der sich seit dem fönften Jahrhunderte siegreich über
das nordwestliche Gallien ansbreitete and dem gansen Lande den Namen Frank-
reich gab.
Wir wollen diese Verbesserungen der bisher verstümmelten nnd unver-
ständlichen Kamen auf der Peutinger'schen Tafel als wichtige Resultate scharf-
sinniger Forschung mit Dank annehmen, wenn auch gegen die Bildung des
Namens Ampsivarii erhebliche Bedenken übrig bleiben. Ebenso möchten wir
die sonderbaren Rhepstini oder Ghrepstini, wie einige schreiben, die das G des
Wortes Ghaci als zu Rhepstini gehörig diesem vorsetzen, unberührt stehen
lassen, bis ein neuer Oedipus das R&thsel löst.
Wesel. Fr. Fiedler.
in. Miscellen.
1. Barscheid, Kreis Solingen. — RheinkaBsel und Kasselberg
liegen noch eine ziemliche Strecke weit von der Steinstrasse entfernt. Mögen anch
Vom ersteren Orte (Jahrb. XXXI. S. 86) keine römische Alterthümer bekannt
sein, so war der Hügel, auf welchem die Kirche liegt, obwohl nicht ansg^edehnt,
för einen festen Pnnkt besser geeignet als das niedrig gelegene Kasselberg.
Bei hohem Wasser wird dasselbe nicht überschwemmt. Hier mnss irgendwo we-
nigstens eine Warte in der Römerzeit gewesen sein, weil eben der Ortsnamen
anf einen festen Pnnkt hindeutet.
An der Stätte des oberhalb gelegenen Merke nicb, von welchem Schmidt
nichts sagty haben die Römer Spuren ihres Daseii&s hinterlassen. Die angefahrte
Steinstrasse führt dnroh das Westende des Dorfes. Wo sie dasselbe von unten
zuerst berührt, hat ein Einwohner (Bongerich) beim Graben neben derselben
und neben seinem Hause, wiederholt röm. Münzen, worunter eine von Augrnstus,
gefunden. In der N&he der Kirche fand man um's J. 1840, im Garten des Yos-
hofes ein römisches Grabgewölbe. Dieses bildete einen runden Raum, der etwa
acht Fuss im Durchmesser hatte und gegen fünf Fuss hoch war. Das Gemäuer
war aus Tuffsteinen aufgeführt und ihr Gewölbe ruhte auf einem Mittelpfeiler.
In einer Nische der Mauer standen Aschenkrüge. Eine steinerne Treppe führte
in den Raum hinab. Dem Berichterstatter zufolge soll dieselbe noch tiefer in
die Erde geführt haben. Es wurde darin ebenfalls eine Steinplatte mit einer
Inschrift versehen gefunden, die zerbrach, bald darauf aber in die Delhoven'scbe
Sammlung zu Dormagen gelangte. In der Nähe des Hofes fand man zweihenke-
lige röm. Gefässe u. s. w. Die Kirche liegt etwas höher, deren Stätte bei der
hohen Flnth von 1846 nicht überschwemmt wurde. In der Feldflnr nordwestlich
vom Dorfe fand man Gemäuer von Tuffsteinen.
Westlich von Bursoheid, Kreis Solingen, liegen auf einem Berge am
Bache Eifche, unterhalb des Böokershammers, altdeutsche Befestigungswerke,
die »alte Bürge genannt. Ein breiter tiefer Graben zieht sich hier quer über
die Bergfläehe vom ECandd des nördlichen Abhanges bis zu dem des südlichen
Seitenthals. Von seinem nördlichen Anfangs läuft ein anderer etwas unterhalb
des Bergrandes über den nördlichen Abhang ostwärts zum steilen Abhänge des
Baohthals, wo ein Steinbruch ist. Ein ahnlicher Graben zieht oben über den
südlichen Abhang nach dem Endpunkte des vorigen, wo sie sich in einen ab-
iß
4
204 Miscellen.
(^^stuonpften Winkel vereini^on. Die Erde aus den Seitengräben worden gross-
tontbcils an ihrer Aussen seile wallformig aufgehäuft. Nur hie tind da ist etwas
Erde oben auf dem ßergrande aufgeworfen worden. Ein eigentlicher Wall ist
nicht vorhanden. Der Einganpf zu dem grossen länglichen dreieckigen Räume,
ßndet ^ioh an der nordwestlichen Ecke. Innerhalb desselben, der mit Gebüsch
bedeckt ist, befindet sich nichts Bemerkenswerthcs.
In der Pfarrei Odonthal, Kreis Mülheim, findet sich östlich von der
frühern Abtei Altenberg, eine unter dem Namen »Erbericher alte Burg« be-
kannte altdeutsche Befestigung auf einem bewaldeten Berge unweit des Dünn-
bachs. Wir sehen hier zuerst einen Graben, theilweise zerstört, mit dahinter
liegendem Walle, vom nördlichen Abhänge des Berges über seine Fläche bis
zum Rande des südlichen gezogen. Hundert Schritte weiter findet sich ein ähn-
licher, welcher 96 Schritte lang ist, und 90 Schritte weiter finden wir einen
andern von 112 Schritten Länge. Unmittelbar hinter diesem ziehen sich zwei
Gräben, und zwei Wälle hin. Die rechte grössere Hälfte der in's tiefere Seiten-
thal sich bald abdachenden Fläche, hat nach Innen auch einen Graben und
Wall mehr. Treten wir auf dem durchführenden Pfade in den abgeschlossenen,
sich stark neigenden Theil der Bergfläohe, dann sehen wir die Abtheilang links
ohne tieitenwälle, die rechte Seite aber, welche grösstentkeils auf dem Abhänge
liegt, ist von einem einfachen Graben und Walle umgeben. Die Gräben Und
Wälle sind im Allgemeinen nicht tief und hoch. Das tiefere Seitenthal war an
seinem Ausgange durch einen hohen, noch jetzt vorhandenen Damm gesperrt,
um das Wasser des durchrinnenden Bächelchens zu einem grossen Teiche an*
schwellen zu lassen. Er mag aber auch erst im späteren Mittelalter aufgeführt
worden sein, um einen Bnsohteich zu bilden.
Reste von einer altdeutschen Feste finden sich oberhalb der Neanderhöhle
auf dem Berge zwischen der Dussel und dem Bache von Mettmann, welcher
das Einzelhaus »auf der Bürge trägt. Hier zieht sich etwas unterhalb des
Bergrandes ein tiefer Graben über den westlichen Abhang hin, der später 'nach
der Südseite umbiegt, hier zugleich einen Bergrücken abschneidet, und im
weitern Laufe sich nach Osten wendet, wo er am steilen Abhänge bald endigt.
Geringe Reste eines Walles finden sich an einzelnen Stellen auf dem Rande des
Borges. Im J. 1870 wurde noch ein Theil desselben geebnet. Die grosse einge-
schlossene Bergobene, eine Fcldflur, ist an der Ostseite stark geneigt. Die Cul-
tur hat die wahrscheinlich da gewesenen Qaerwälle und Graben auf der Hoch-
fläche verwischt
Gleich nordöstlich von Bensberg finden wir die »Erdenburgt. Auf dem
bobuschten Bergrücken an der Ostseite beginnen unweit einer Schlucht drei
Gräben und Wälle, die sich gebogen cum südlichen steilen Abhänge siehen, um
eine Kuppe absnsperren. Wo die Steilheit zunimmt, endigt der änsserate Gra-
ben nach 160, der darauf folgende nach 322 Schritten, während die zwei inneren
Gräben und Wälle sich xreiter fortsetzen, um nach und nach west- und nord-
wärts Bu laufen. Dort endigen sie, nachdem sie vom Anfimgspunkte 695 Schritte
zurückgelegt haben. An der Westaeite fährt ein Fnhrweg 211 Schritte weit
Miicellen. 295
zwischen den beiden Wällen hin. Hier an der Nordseite fehlt aber auf einer
Strecke von 146 Schritten bis zum vorhin bezeichneten Anfangspunkte jede Be-
festigung. Dem Anscheine nach sind hier keine gewesen, waren hier aber um
so nöthiger. weil der Berg hier sich sanft abdacht. Der Kaum, welchen die
Ringwälle umsohliessen, besteht aus einer Kuppe und einer vor ihr, ^egen
Nordosten gelegenen kleinen Fläche. £i* hat 356 Schritte im Durchmesser.
Im Lohmarer Walde, nordöstlich von Siegburg, war im J. 1808 auf
einem Hügel, unweit der Strasse nach Schreck, ein grosser Stein zu sehen, um
welchen in einiger Entfernung zwölf kleinere in einem Kreise lagen. Dabei
waren Erdwälle und in der Nähe deutsche Grabhügel. Der bergische Ober-
geometer Windgassen fertigte damals einen Grundriss für den Begierungsrath
Tryst in Cöln davon an, welcher die Stätte für einen alten Opferplatz hielt.
Später soll an diesem Hügel ein Steinbruch eröfifoel worden sein.
. Gleich oberhalb Overrath liegt auf einem Berge, am Wege nach Ma-
rienlinden, die Hausgruppe aaf der Burg. Dabei ist auf der bebnschten Berg-
hohe, die ziemlich steil in's Thal der Acher sich abdacht, eine Stelle: die Hing-
mauer genannt. Es findet sich dort Gemäuer in der Erde, von welchem man
schon viel weggebrochen hat. Von einer hier etwa im Mittelalter gewesenen
Burg schweigt die Geschichte. Diese Stelle, so wie der übrige Theil der Höhe
verdient näher untersucht zu werden. Ob hier früher eine Warte stand?
2. Alzey. Zwei römische Inschriften. Schon im Jahre 1783 wur-
den in der Nähe der hiesigen Freimaurerloge drei römische Altäre, der Minerva,
der Fortuna und den Nymphen geweiht, aufgefunden, von weichen die beiden
ersten durch Karl Theodor nach Mannheim gebracht wurden. Der dritte, wel-
cher hier blieb, war für uns der wichtigste, weil auf ihm die vicani altiaienses
ausdrücklich als Dedicanten genannt werden. Zu diesen drei im Corpus inscr.
rhen. veröffentlichten Inschriften kam im vorletzten Winter eine vierte, jetzt
im Mainzer Museum befindliche hinzu, gleichfalls auf einer ara, welche in der
äusseren Beschaffenheit grosse Aehnlichkeit mit dem aus dem J. 224 stammen-
den Nymphenstein zeigt, also wohl auch derselben Zeit angehört. Die Fund-
stätte liegt zwischen der alten Schlossruine und der Loge und fuhrt den Namen
der »Drommäckerc. Die Inschrift lautet:
1 DEA • S V L
2. ATTONIVS
3 L V C A N I
Da auf allen Altären ohne Ausnahme die Namen der Gottheiten im Dativ
stehen, so ist Z. 1 jedenfalls deabus zu lesen, denn für deae würde sich
eine Abkürzung nicht verlohnt haben. Das zweite Wort findet sich im ganzen
C. inscr. rh. nur einmal ausgeschrieben, und zwar auf dem verlorenen Steine
von der Schweppenbnrg (Nr. 637), woselbst suleviabus steht; doch findet sich auch
E. B. auf einer italienischen Inschrift sulevis. Da Attonius nur als nomen vor-
296
Miaoellen.
kommt.. 8o wird das folgende Wort Lucani oder Lucanii, da ee des Platses
halber keinesfalls ein Nominativ sein kann, gleichfalls ein nomen, und zwar der
Genetiv von Lucanias sein, so dass also eu lesen wäre:
deabos suleviabas attonius iQcani(i), d. h.
den Waldgöttinnen Attonius, des Lncanius (Sohn).
Da meines Wissens die suleviae nirgends als deae bezeichnet werden, so
dürfte der vorliegende Stein in dieser Hinsicht von Interesse sein ^).
Im vergangenen Herbste fand sich V« Stande nördlich von Alzei im Feld
das Fragment einer Yoti>tafel, auf welcher sich folgendes erkennen Hess:
/rem
/ VRIO
• D • r
ET R
(- VN 0
1 V S
\/0 T O • 1* O «
\ s ■
L 1 B/
\
Ein ganz ähnlicher Stein ist in der Zeitschrift d. V. z. E. d. rh. 6.
u. A. in Mainz, B, ü. Nr. 187 anfgefOhrt; hiemach dürfte die vorliegende Wid-
mung gelautet haben:
IN • HONOREM 0 0
OEO MERCVRIO • ET • RO
SMERTE • SECVNDIV S •
• EX VOTO • POS
VIT VOTVM S LIB M
Zeile 2 und 4 haben am Ende wohl keinen Raum für einen Punkt, wess-
halb ich POS nicht als eine Abkürzung ansehe«
Merkur kommt auch im C. inscr. rh« öfters in Verbindung mit Rosmerta
vor. W&hrend sonst der Name des Merkur auf römischen Inschriften h&ufig ist,
wurde er hier erst auf der fünften gefunden und auch da nicht allein ; vielleicht
ist übrigens auch mit dieser die Reihe derartiger Denkmaler in der Umgebung
unserer Stadt noch nicht abgeschlossen.
G. Schwabe, Reallehrer.
1.
2.
3.
4«
6.
3. Köln. *Zur rheinischen Epigraphik« ist die Ueberschrift eines
von Herrn J. J. Merlo in Köln geschriebenen Artikels in Heft LH dieser Zeit-
schrift p. 108 sq., welcher mich zu folgenden Bemerkungen veranlasst.
Zu Nr. 1 p. 103. Herr M. behauptet, dass der von mir edirte Stempel
') Die richtige Deutung der in diesem Hefte S. 190 schon von Brambach
beiläufig mitgetheilten Inschrift gibt Prof. Becker oben S. 142. J. Fr.
MisoeUen. 297
M£DJ)IGV8 (die epigraphisohen Aniioaglien Kölns Nr. 72 b) identisch sei mit
dem von Lersch mitgetheilten MEDDIRiyS (Bonner Jahrbücher 11 p. 86; Froh-
ner 1647), weil das betreffende Fragment nach dem Tode Meinertshagen's in
seine Sammlung übergegangen; demgemäss sei derTöpfemame Meddirius zu be-
seitigen. Dem gegenüber gebe ich Folgendes zu erwägen:
1) Es besteht die Möglichkeit, aber auch nur die Möglichkeit, dass es
sich nur um ein einziges Fragment handelt, und zwar gerade um das im Besitz
des Herrn M. befindliche; denn die Meinei*tzhagen'sche Sammlung war so reich
und ist so vielfach zersplittert worden, dass der Annahme nichts entgegen
steht, der genannte Sammler habe auch ein Gerath mit dem Stempel Meddirius
gehabt, welches in unbekannten Besitz gekommen ist. Als ich im Sommer 1869
Inschriften der M.'schen Sammlung aufzeichnete, hat Hr. Merlo auch von der
angebliehen Identität der beiden Stempel nicht gesprochen. 2) Die Annahme,
dass L. Lersch den Stempel Meddious, den €r »bei gesundem Auge nothwendig
gelesen haben müsset und der in vollkommener Reinheit und Schärfe der Schrift-
züge da steht, als Meddirius edirt habe, hiesse die wissenschaftliche Glaubwür-
digkeit des verdienten rheinischen Epigraphikers untergraben und denselben
grosser Oberflächlichkeit bezüchtigen. 8) Wenn somit schon dael'M.'sche Dic-
tum »der Töpfemame Meddirius wird demgemäss zu beseitigen sein« ein ge-
wagtes ist, so verliert es jede Berechtigung durch den umstand, dass die Firma
Meddirius hinreichend gesichert ist durch ein aus Luxemburg stammendes, jetzt
in Paris befindliches Exemplar (Fröhner Nr. 1548), in welchem nur das E de-
fekt ist und das gewöhnliche, nicht gestrichene D vorkommt.
Zu Nr. 4 p. 104. Die durch Fröhner Nr. 2050-2052 gesicherte Lesung
VACO muss ich beibehalten. Ich habe den Stempel ohne Ligatur von Y und A
drucken lassen, weil die Lettern meines Druckes hier nicht ausreichten, habe
den Stempel auch nicht einer Scherbe angewiesen, wie HerrM. sagt, sondern
einer Schale. (Epi graphische Anticaglien p. 7 Nr. 119.)
Zu Nr. 6 p. 1C5. Wenn Herr M. bemerkt, dass meine Behauptung AVF
= OF auf dem auch in Italien vorkommenden Stempel AYFFRON »etwas be-
denklich erscheine,! so bedaure ich, dass er sich nicht die Zeit genommen hat.
die von mir angegebenen Stellen nachzulesen und sich über die Verwandtschaft
zwischen AY und 0 zu belehren. Weitere Belege gibt noch H. Schuchardt der
Yokalismus des Vulgärlateins II p. 303 sq. III p. 263.
Zu Nr. 8 p. 106 C A H T O
F
Diesen Stempel bietet nicht nur eine Lampe des Kölner Museums, sondern Dorow
fand denselben auch in Neuwied (Fröhner 542). Warum nun Herr M. ein beson-
deres Gewicht darauf legen zu müssen glaubt, dass hiemeben noch der sonst
übrigens vielfach vorkommende Stempel
CARTO
beizubehalten sei, vermag ich nicht zu ergründen.
398 MiBcallei
Zu Nr. 9 p. 106. Herr H. bemerkt i
von DünUer in diesen Jabrbucbern XXXV
346] GemmeniDtchrift unt«r Nr. 19öb meii
stätigt die fticbtigkeit der Düntzer'echeo
LeflOQ); überein Btimme, so daas das dritte ^
zu lobreiben Eei. Herr M. bat dabei üben
niobtB handelt, als um einen Druckfehler.
meine Arbeit geloBen hätte, würde er das ;
im Text der Icachriften ist die Schrift ni
oolegi.' Literftrisohes Centralblatt 1870 Nr.
ttque d'hiatoire et de litteraturo 1S70 Nr. I
nusster Weise eine von den bisherigen Pub
wollen, so war es geboten, um nur einigen
dies hervortaheben und auf die Abweichanj
mlsBig gethan iiiibe. Epigraphiker wie Düt
einfach todtsobweigen. Mit grösierm Reoh
Torwurf gemacht worden. Ich hatte nä
gegen die Edhtheit der besagten Inschrift 1
Köln.
4. Köln. Römisoher Urabstein
einet Thurmes, Hessen-Thor, Hessenthum
genannt. Auf seiner vordem Seite sieht
hanene Figuren, wovon die eine eine Fo
eines Fürsten darstellt • So Dr. Carl Brc
Btatistisch-medicinischen Topographie der E
1889) p. 42. Bei einer genaueren Bütrach
staltet sieh das Mordinstnunent zmt Darst
beschlftigten Mannes und iat somit einzurc
rade am Rhein vorkommenden Grabreliefs,
Lebensgenuss beim heitern Mnble darstelle:
gebrachte Inschrift ist nicht vorhanden, bc
Seite eines der Quadern, die nahebei in dei
Qrabrelief ist auch ohne Zweifel folgend«
Büoheler im XXT. Heft dieser Jahrbücher ]
Chronik eines Jülicher Secretarius vom J
find man ahn den dreien alten Statpfor
steinen gebaoen.*
Köln.
6. Elberfeld, Briefliche Mittheilucf
lioa au den Ver.-Sekretär Prof. Freudenber
■Anf einem Acker zu Holzerhof (bi
Miscellen. 990
Düsseldorf, südl. von Soli d gen gelegen) wurde kürslich eine celtische Goldmünze
gefunden: unbärtiger Kopf mit Diadem nach der linken Seite ; Rev. geflügeltes I'ferd .
im Lauf, darunter Blätterschmuck mit doppelter Perlenreihe. Sie hat das Gewicht
von nahezu 2 Kiiogr. und einen Goldwerth von c. 1 Thir. 28 Sgr. Auf demsel-
ben Grunde ist schon früher eine grössere Goldmünze gefunden worden, über
die ich nichts Näheres erfahren konnte. In der Nähe des Fundortes ist eine
Quelle, die ehemals ab eine heilige gegolten haben soll.«
Die Slünze zeigt nach der richtigen Verinuthung des Hrn. Einsenders den
Typus der Mediomatriker (Hauptstadt Metz) und ist, wie Hr. van Vleuten, wel-
eher ein Exemplar derselben Münze besitzt, mir mittheilte, wahrscheinlich eine
barbarische Nachahmung des Denars der gens Titia. J. Fr.
6. Bonn. Bömerreste in Poppeisdorf. Beim Ziegeln zu den Neu-
bauten an der verlängerten FriedrichsHtrasse nahe dem Poppelsdorfcr Weiher
fanden die Erdarbeiter im Februar d. J. verschiedene römische Urnen und
Krüge von weisslichem Thon, femer eine grosse Schüssel mit zweckmässig ein-
gerichteter Ausgusstülle, eine grössere Sehale so wie ein ganz kleines nied-
liches Schälchen von terra sigillata, endlich eine grössere Thonlampe mit der
Darstellung eines langgeöfirten Kopfes, wie es scheint, des Midas. Die sämmt-
liohen Fundgegenstände sind in den Besitz des Hm. Sürth, Conservator des
anatomischen Museums zu Poppeisdorf, gelangt. J. Fr.
7. Bonn. Am 18. Februar c. stiess man nahe der Kölner Chaussee im
Rheiudorfer Felde beim Fundamentgraben zu dem grossartigen, für den Regie-
rungsbezirk Köln bestimmten Irrenhause auf mehrere römische Gräber. Die
darin enthaltenen Beigaben, bestebt-nd in mehreren Urnen und verschiedenen
KrügeUi einer Thonlampe mit Verzierungen, einem kleinen Salbenfläschchen von
grünlichem Glas und ausserdem den Fragmenten eines römische n-Sp i egels von
w^eissem Metall wurden von den Arbeitern dem Unterzeichneten zugebracht und
für die Sammlung unseres Vereins erworben. Der Metallspiegel befand sich als
Deckel auf einer grossem Urne, wurde aber von den Arbeitern aus Unvorsich-
tigkeit in Stücke zerschlagen, die sich nicht mehr vollständig genug vorfanden,
um denselben herzustellen. Uebrigens hatte derselbe, wie man noch ersehen
konnte, eine runde Form uüd zeigte eine glatt polirte Fläche. Nach dem Zeug-
niss des altem Plinius (Nat. Hist. XXXIII, 45) bestand der Stofif solcher Spiegel,
die am besten zu Brundusium in Italien verfertigt wurden^ aus einer Mischung
von Kupfer und Zinn, welches letztere dem Metall einen silberartigen Glanz
verleiht. Auf mein Ersuchen hatte Herr Dahlen, Assistent an der Versuchssta-
tion der landwirthsohaftlichen Akademie zu Poppeisdorf, die Güte, ein Stück
des fraglichen Metalls einer sorgfältigen Analyse zu unterwerfen, welches folgen-
des Resultat gab:
800
MueellflD.
Kupfer . .
69,81 «/e
26,66 %
Blei . , .
4.96 Vo
Eisen
fM
Antimon
Spuren.
Vergleicht man hiermit die chemische Untersuchung der Metallmasse eines
antiken (romischen) Spiegels in Elaproth's Beiträgen zur chemischen Kenntoiss
der Mineralkörper Bd. 6, S. 74, welche als Resultat ergab:
Kupfer . 62
Zinn . . 82
Blei . . 6
100
so ergibt sich der unterschied in den eigentlichen vorschriftsmassigen Mischungs-
theilen beider Spiegel nur als ein geringer. Es scheint im Durchschnitt in
2 Theilen Kupfer und einem Theil Zinn bestanden zu haben und das Blei be-
trögerisoher Weise beigemischt zu sein, ein Verhältniss, das nach Klaproth
auch heut zu Tage zu den Teleskopspiegeln beobachtet wird.
Ueber zahlreiche weitere Funde römischer Alterthümer, die an derselben
Statte im Verfolg zu Tage gefordert wurden, verweisen wir auf den Bericht
unseres Vereinsmitglieds Hrn. Dr. Bouvier weiter unten.
Von anderen römischen Alterthümem, deren doch in diesem Jahre, bei
der grossen Bauth&tigkeit in der Stadt Bonn selbst" wie in ihrer nfihem Um-
gebung, noch manche zu Tage gekommen und verschleudert worden sein mögen,
sind mir noch zwei auf der Sandkaul 15 im Sommer'schen Hause, der jetzigen
Actiengesellschaft zur Eintracht, beim Fundamentiren des Saals gefundene, stark
oxydirte Münzen zugekommen, auf deren einer sich noch der Rev. Bomae et
Aug. mit dem Altar von Lyon erkennen liess.
Freudenberg.
8. Aachen, 1. August. Ein interessanter Fund ward heute hierseibst zu
Tage gefördert. Bei den Fundamentarbeiten für das von dem Paulusvereine
neben dem Paulushause errichtete, zu Arbeiterwohnnngen bestimmte Gebäude
fand man dieser Tage in einer Tiefe von etwa sieben, acht bis zehn Fuss
mehrere wohlerhaltene römische Aschenkruge und Urnen von gebranntem rothem
Thon, dann mehrere Ueberreste von Marmorgesimsen mit lateinischen Inschrif-
ten, die man aber, weil sie zu arg ladirt waren, nicht entziffern konnte.
9. Hamm. Für Freunde der Alterthumskuude. Der Bau einer
Zweig-Eisenbahn von Mülheim a. d. Ruhr nach Kettwig, unter Leitung des Ab-
theilungs-Baumeisters Herrn Brewitt,'^fnhrte2zur Entdeckung einer alten heid-
nischen Begr&bnissstätte, in der N&he von Saam (ehemaliges Benediktiner-Fr&u-
lein-Kloster, jetzt Gewehrfabrik), etwa V« Meile südlich von Mülheim.
Miscellen. 9Ö1
Der Boden des Feldes, worin sie vorkommt, besieht ans GeröUe^ von
dem Rohrfiusse herrührend, der einst darüber seinen Lauf nahm. Später hat
derFI nss sich ein anderes etwas tiefer liegendes Bett, gegen 1000 Schritte
weiter östlich^ gewühlt. Beim Ausschachten des Bodens wurde an einzelnen
Stellen statt des Gerölles lockere Erde mit Eies untermischt bemerkt. Offenbar
sind Löcher in den Boden gegraben und solche mit der lockeren Erde ausge-
füllt. Fast ausschliesslich in diesen Löchern, selten in dem (xerölle, kamen An-
tioaglien zum Vorschein, — bis zum 17. Juli c, folgende:
1) Ein in mehrere Stücke zerfallenes, grossentheils aber wieder zusam-
mengekittetes Gefäss, ähnlich den jetzigen Terrinen, gegen 5. Zoll hoch, 7Vt
Zoll im Durchmesser haltend, von dem feinen gelblich-rothen Thon, der in
späterer römischer Zeit häufig statt der hochrothen terra sigillata in Anwen-
dung kam. Das Gef&ss hat eingepresste Verzierungen. Die etwas unterhalb des
oberen Randes bestehen aus aneinander gefügten länglichen Halbkreisen (\«ag
etwa 4, breit 3 Linien), deren Inneres mit gleichen aber kleineren Kreisen aus-
gefüllt ist. Man sieht solche als Randverzierungen häufig an römischen Vasen,
z. B. Abbildungen der römischen Alterthümer in Bayern, Heft H, Tafel VIII ff!
unter denselben zeigt das aufgefundene Gefäss Wellenlitlien. Halbbogen nn^
zwischen letzteren Zweige von Sträuohern mit drei Blättern.
2} Vierzehn irdene (^efösse, meist wie Aschenumen geformt, von ver-
schiedener Grösse, einige mit ganz einfachen eingepressten, andere mit erhabe-
nen Verzierangen, nur in Linien, Punkten und dergleichen bestehend. Von ab-
weiohender Form sind:
a. Ein nach oben sich verengendes (}efäss mit einer Ausguss-Tülle, unge-
fÜkt heutigen Theetöpfen ähnlich;
b. ein anderes, dessen Gestalt mehr einer Terrine gleicht; der obere
Rand erweitert sich nach Innen um etwa \ Zoll und hat eine Ans*
gnss-TüUe.
3) Viele Scherben von hellrothem, grauem und weisslichem Thon, theils
mit starken, bis 4 Linien dicken, theiis mit dünnen Wänden; eine mit vielen,
4 Linien hohen ovalen, in die Aussenwand eingedrückten Verzierungen, die
das Gefäss, wovon sie herrührt, rings umgeben zu haben scheinen. Einige Stücke
sind auf der Drehscheibe gefertigt, andere nicht.
4) Eine sog. keltische Perle von feinem Thon, 5 Linien lang, nach Aussen
mit 5 kleinen Erhöhungen, deren Spitz hellblau gefärbt sind.
6) Zwei Stücke von Glasgefässen. Das Glas ist dünn, von gelblicher, et-
was in's Grüne spielender Farbe, nicht blasig.
6) Eine eiserne Lanzenspitze, 21 Zoll lang, unten nahe bei der Tülle mit
zwei Ausbiegnngen (orochets), ähnlich der in dem Werke des Abb^ Goohet »8e-
poHures gauloises, romaines, franqnes etcc S. 228 abgebildeten f^ränkischen
Lansenspitze.
7) Sechs andere Lanzenspitzen von verschiedener Länge und Form, ohne
Anzbiegungen, fast sämmtlich mit einem Grath.
8) Fünf Schwerter von verschiedener Länge, verhältnistmäsaig schwer,
802 Misoellen.
keines gekrümmt; — das grösste 24 Zoll lang, 2 Zoll breit, ist bei der Lansen-
spitze Nr. 6 oben gefunden. '
9) Ein Dolch oder Messer, 9 Zoll lang.
10) Ein Umbo (Schildnabel) von Eisen, unten noch mit den N&geln oder
Sohräubchen znm Befestigen an dem hölzernen Schild versehen. Von diesem
fanden sich nur Bröckchen.
11) Ein desgleichen, weniger gut erhalten.
12) Ein Stück von einer eisernen Pferdetrense. mit 3 Zoll im Durch-
messer haltendem Ring an der Seite.
Die Sachen von Eisen sind sämmtlich dick mit Rost belegt.
13) Stücke von Bronzeplatten, ziemlich dünn, anscheinend von Gc fassen
oder Rüstungen herrührend.
14) Mehrere bis 8 Zoll lange Thierzähne, wohl von Pferden.
In dem unter 1 beschriebenen Gefasse fanden die Arbeiter auch Knochen -
fragmente; ob von Menschen- oder Thierknochen möchte schwer zu bestimmen
sein. Die übrigen Gefasse enthielten keine Rnochenreste ; möglich dass solche
vorhanden gewesen, aber in dem ziemlich feuchten Boden verweset sind.
Von den Sachen sind einige, z. B. das Gefass unter 1., die Perle und die
Glasscherben wohl unzweifelhaft römischen, andere fränkischen Ursprungs. Sie
scheinen der Zeit anzugehören, in weicher die Römer und Franken um den
Besitz der Länder an beiden Seiten des Rheines stritten, also dem 3. oder 4.
Jahrhundert. Die Grabstätte dürfte uls eine fränkische anzusehen sein. Dass
unter den Sachen römische vorkommen, spricht nicht dagegen; diese können
Franken von Römern erhandelt oder erbeutet haben.
Essellen, Hofrath.
10. Seligenstadt. Die Restauration des altromanischen Domes in 3c-
ligenstadt bei Asohaffenburg veranlasste, dass das Grabmal Eginhards und Em-
mas (ein Marmorsarkophag) aus dem Mittelschiffe in eine Nebenkapelle ge-
bracht und bei dieser Gelegenheit geöffnet wurde. Man war überrascht, in dem-
selben noch die Ueberfeste einer dritten Leiche zu finden, nämlich, wi3 die gut
erhaltene Pergamentschrift beurkundete, die einer Tochter Eginhards. Sonder-
bsrer Weise . fehlt dem Skelet von Eginhard der Schädel. Von alten Stoffen
fand sich nichts von Bedeutung vor, denn die Knochen sind nur in einfarbige
violettsohwarze und in rothe verschossene Stoffe, welche den Futterstoffen der
Messgewänder des Mittelalters ähnlich sind, eingewickelt. Der Sarkophag zeigt
den Stil aus dem Ende des 17. Jahrhunderts. Leider wird die genannte Kirche
gegenwärtig von einem Landbaumeister in Offenbach so gründlich restaurirt,
dass sehr viel Schönes und durchaus nicht Baufälliges aus der malerischen Ba-
rokzeit, welches historische Bedeutung hat, einer moderneu nüchternen romani-
schen Schablone Platz machen muss. Es ist dies um so mehr zu beklagen, da
in der Nahe tüchtige Kräfte, wie der Dombaumeister Wesiken in Mainz und
Baurath Essenwein in Nürnberg, die Oberleitung hätten übernehmen können.
Miscellen. .%B
Seligenstadt ist ein Landstadtchen yon circa 4000 Ein-wohnem, hat keine Fabri-
kation wie die Nachbarstadte, besitzt aber ein sehr reiches uraltes Stift, wel-
ches mehr *als honderttausend Gulden auf eine solche Restauration verwenden
kann. Ausser einigen guten Goldstickereien und Statuen aus dem 16. und 17*
Jahrhundert besitzt die Kirche keine nennenswertheu Sehenswürdigkeiten^ wohl
aber ein überaus reichhaltiges, wenn auch abschreckend zopfiges Jesuiteninven-
tar an Holzwerk und schlechten fiildern, Reliquienbehältern etc. An Curiosi-
täten ist die kleine Stadt reicher als der gprosse Dom. Denn der riesige Löffel,
mit welchem Karl der Grosse bei seiner verstossenen Tochter Emma jenes Ge-
richt gegessen haben soll, an dessen Zubereitung er sie wiedererkannte, wird
sogar in zwei Exemplaren gezeigt und diese spielen in der That eine fast wun-
derthätigere Rolle, wie manche ächte Reliquie. Nur müssen wir leider gestehen,
dass diese Löffel den Mund des grossen Kaisers nicht berührt haben, sondern
spiessbürgerlich aus den ehrsamen Städten Nürnberg und Augsburg stammen,
allwo sie bei Messgelegenheiten auf Kosten der zugereisten Neulinge in der
Zanft gefüllt und in einem Zug geleert werden mussten. Diese Löffel, an
welche sich ein Stück mittelalterlichen Humors knüpfl, gleichen an Grösse und
Form der Kehrseite der alten runden Citheru, sind an dem yiolinartig geboge-
nen Stiele reich geschnitzt und fassen etwas mehr als eine Flasche Wein. Am
Ende des Stieles ist eine massive Holzkettc befestigt, welche dem Trinker um
den Hals gehegt und an dem andern Löffelende eingehakt wird. Solche Löffel
sind einestheils für den Wirth ein probates Mittel, um seinem Weinkeller Zu-
spruch zu verschaffen, und andemtheils, um das Kapitel »Wein, Weib und Ge-
sang« durch eine Unzahl von Knittelversen in gehobener Stimmung zu verherr-
lichen. Wer nämlich aus dem Löffel t Karls des Grossen c trinkt, muss sich in
ein grosses Buch einschreiben und es wirkt dabei der kleine Affe, welcher dem
wackeren Zecher im Nacken sitzt^ so sehr auf den Nachahmungs- und Produc-
tions-Trieb; dass selbst auch poesielose Naturen das »Reim Dich oder ich fress
Dich« probiren. Der Wirth >im Riesen« kam zu einer solchen alten ererbten
Chronik, die er durch fleissiges Vorlegen Jahr für Jahr bis zur Gegenwart be-
reicherte und auf die wir unsere Culturhistoriker hiermit aufmerksam machen.
Dass unsere Bildung in den letzten 80 Jahren fortgeschritten, konnten wir aus den
Proben der in Reime gebrachten Weinseligkeit nicht erkennen, höchstens mögen
einige gute Weinjahre den höheren Ausdruck dieser »angeheiterten« Volkspoesie
vennlasst haben. — Den älteren Löffel besitzt die aus der ehemaligen »Krone«
stammende Malerfamilie Kettinger nebst einer Chronik, in der selbst Peter der
Grosse constatirt, dass ihm der Trunk aus diesem Löffel behagt habe. Seligen-
stadt hat am Main noch Ueberreste einer im besten romanischen Stil gebauten
Burg aufzuweisen, welche der des Barbarossa in Gelnhausen sehr ähnlich ist.
Fr. J.
11. Frankfurt. In der am 19. Juni abgehaltenen Sitzung des Vereins
für Geschichte und Alterthumskunde hielt Hr. Inspector Prof. Dr.
Becker einen ersten Vortrag über die Ausgrabungen auf der Saalbarg bei
304
Miiceilen.
Homburgi indem er zuvörderst über Namen und Deutung^ von »Taunus« rieh
verbreitete. Nach einer kurzen Betrachtung der Gebirge des alten Germaniens
im Ganzen und Einzelnen, insbesondere aber von den den Römern sich zunächst
am rechten Rheinnfer darbietenden Höhenzügen, wurden eingehend die Quell-
stellen erörtert, in welchen sich »der mons Taunus c bei den alten Geographen
und Gesohichtschreibem erwähnt findet, die verschiedenen Ansichten der Inter-
preten bezüglich der Bedeutung und Verlegung desselben näher dargelegt, die
endliche Beziehung auf unsere »Höhe« (Heyrich, Einrieb) hervorgehoben und
die Richtigkeit dieser Beziehung durch den Fund von 6—7 römischen Inschrif-
ten am Fusse des Gebirges weiter oonstatirt, von welchen Steinschriften drei
ausdrücklich das Wort »Taunensis« in voller Form beurkunden. Es wurden so-
dann die von Tacitns und Gassius Dio erwähnten, im Lande der Sigambrer
und Chatten von dem älteren Drasus angelegten Castelle an der Lippe und auf
dem mons Taunus nnd das nach dem frühzeitigen Untergange des ersteren ohne
Zweifel bei Niederbiber unweit Neuwied errichtete in ihrer gesammtstrategischen
Bedeutung, zumal als die beiden grössten auf dem rechten Rheinufer cha-
rakteririrt nnd aus den mit dem Jahre 1723 beginnenden Funden auf der Saal-
burg und aus der allmäligen Aufdeckung eines grossen Gas teils dortselbst neue
Beweise fur^ die Identificirung unserer »Höhe« mit dem mons Taunus der
Alten «entnommen. — In der am 3. Juli abgehaltenen Sitzung des Vereins
für Geschichte und Alterthumskunde hielt Herr Inspector Prot Dr.
Becker einen zweiten Vortrag über die Ausg^bungen auf der Saalburg bei
Homburg, in welchem er zugleich einige ergänzende Bemerkung^en zu dem
ersten nachtrug. Im Anschlüsse an die im ersten Vortrage gegebene Geschichte
des »mons Taunus« der Römer und seiner Beziehung auf heutige Deutsche
Berge und Gebirgszüg^e wurde zuvörderst unser Taunus als das einzige deutsche
Gebirge bezeichnet, welches nach den Aeusserungen der Alterthumsforscher und
Touristen, einerseits durch den feinen Schwung seiner Linien, durch die Art
seiner Erhebung aus einer grossartigen Ebene und durch die eigene südliche
Vegetation an die €tobirge Mittelitaliens, vor allen an das Albanergebirge er-
innere, andererseits ebenso durch die Zahl der Fundstücke römischer Denk-
mäler allen übrigen deutschen Gebirgen voranstehe, und zwar nicht blos an
seiner Südseite, sondern auch auf dem Kamme des Gebirges selbst Hier sei es
vor allem die Stelle, welche unter dem Namen der Saalburg durch die trotz
unbezweifelbar vielfacher Zerstörung durch die Germanen, .noch vorhandenen
Mauerreste, Substructionen von Gebäulichkeiten und zahlreiche Funde das Bild
einstigen römischen Militär- und Verkehrslebens an der Nordgrenze des Reiches,
eines gewaltigen Gasteils an dem Pfahlgraben und einer bei demselben erwach-
senen Lagerstadt erkennen lasse. Hiemächst wurde eine Geschichte der Aus-
grabungen und Funde daselbst von 1770—1872 gegeben, wobei zuvörderst die
Aufdeckung eines wohl der altchristlichen Periode angehörigen Steinsarges mit
Deckel, Symbolen und Aufschriften an dem sog. Emesberge, sodann der 1723
den Substructionen der Saalburg selbst entnommene Votivaltar einer Soldaten-
abtheilung far Kaiser Caracalla (212 n. Chr.), jetzt an dem »weissen Thurm«
T»*
Miseelleti. 806
des Homburger Schlosses eingemaaert, erwähnt nnd der bezüglichen antiquari-
schen Bestrebungen des damaligen Landgrafen Friedrich Jacob gedacht wurde.
Diese Bestrebungen, in besonderen Fundprotocollen im ehemaligen Homburger
Archive beurkundet, scheinen in den vierziger und noch mehr beim Ausgange
der siebenziger Jahre des vorigen Jahrhunderts den Hessen-Homburgischen Re-
gierungsrath Elias Neuhof zu Ausgrabungen auf dem Taunus, insbesondere auf
der Saalburg, zumeist veranlasst zu haben. Die ersten Resultate derselben legte
er in einer im J. 1747 erschienenen jetzt sehr seltenen Schrift, deren Kenntniss
der Mittheilung des Herrn Baumeisters Jacobi in Homburg verdankt wird, so-
dann in seiner 1777 und 1780 herausgegebenen »Nachricht von den Alterthü-
mem bei Homburg« nieder und verwerthete sie mit unbestreitbarem Verdienste
zu der Auffassung und Deutung der Fundstücke, welche sich im wesentlichen
bis jetzt als die richtige bewährt hat. Diese Resultate fanden theils Zustimmung,
wie unter anderem aus des Frankfurter Kunstforschers H„ Hasgen »Yerräthe-
rischen ßriefenc (1776) ersehen werden kann, theils riefen sie die Aeusserung
abweichender Ansichten hervor, wie die 1778 in einer kleinen Schrift bekun-
dete eines nicht genannten Freundes, welcher die Trümmer auf der Saalburg
der fränkischen Zeit zuweisen wollte und nähere (neu erbrachte) Beweise sich
vorbehielt. Nach eingehender Darlegung der Resultate der Neuhofschen Aus-
grabungen und Aufstellungen wie auch nach einer Digression über die im An-
fange der neunziger Jahre im Castell zu Niederbiber bei Neuwied auf Anregung
der damaligen Fürstin von Wied gemachten Ausgrabungen, erwähnte der Vor-
tragende die 1816 — 17 beim Baue der Homburg-Üsinger Landstrasse gemachten
wichtigen Münz- und inschriftlichen Funde und wandte sich sodann den 1853
bis 1867 von dem bekannten Archivar Habel mit Unterstützung des Landgrafen
Ferdinand und der Homburger Kurhausadministration unternommenen Ausgra-
bungen zu, charakterisirte deren Resultate allseitig und vorbreitete sich schliess-
lich über die letzte Periode von Aufdeckungen daselbst, welche 1870—72 unter
der Leitimg des Conservators des Wiesbadener Museums« Hrn. Oberst A. von
Cohausen, sowie des Baumeisters Hm. L. Jacobi von Homburg mit Unterstützung
der k. Staatsregierung und des zu Homburg jüngst gegründeten »Vereins zur
Förderung der Saalburgbauten« bewerkstelligt, eine nach jeder Seite hin reiche
Fundausbeute erzielten, deren Einsichtsnahme für den beabsichtigten gemein-
samen Ausflug nach der Saalburg vorbehalten und die dabei zumeist nur über-
sichtlich gegeben wurde. Hierbei wurde auch der zu Zwecken anschaulicher
Belehrung für die Saalburgbesucher theils bereits ausgeführten, theils beabsich-
sichtigten Wiederherstellungen der Thorthürme, des Wallweges und der Zinnen-
bekrönung gedacht, sowie die bereits vollendete Erbauung eines Gräberhauses
zur Aufnahme von Gräberfunden und die projectirte Gründung eines kleinen
Museums für Originalstücke und Gypsabgüsse bei der porta decumana hervor-
gehoben.
Aus der neuesten Fnndausbeute wurde sodann das Randstück eines Ge-
fasses von sahönem weissem Glase mit eingeritzter Fischgestalt und dem Reste
des Buchstabens E oder F vorgezeigt und in dem bedeutsamen Fischsymbol
20
L
806 Miflcellen.
eine erste Spur christliehen Glaubens in der einstigen Lagerstadt bei dem Castell
auf der Saalbarg erkannt.
Schliesslich wurde noch die wohlbegvündete Aufstellung des Hrn. Bau-
meister Jacobi mitgetheilt, wonach die einstige römische Ansiedelung NOYYS
VICYS (Neudorf) bei Heddemheim als eine nach gänzlicher Aufgabe der zer-
störten Lagerstadt beim Castell weiter landeinwärts bewerkstelligte Neugründung
anzusehen sei und dabei auf das parallele Verhältniss zwischen den verrouth-
lichen Ansiedlungen Yictoria imd Victoria nova (jetzt Heddesdorf) bei dem Ca-
stelle von Niederbiber hingewiesen, wobei insbesondere auf die in ihrem ersten
Theile bis jetzt noch unerklärten modernen Namen der bezüglichen Ocrter
Heddemheim und Heddesdorf aufmerksam gemacht wurde.
12. Bettenhoven. Briefliche Mittheilung des Hri^. Pfarrer Grün an Prof.
Freudenberg zu dessen Art. Jahrbb. LH. S. 117 ff. »Ein merkwürdiges Blei-
siegel des Köln. Erzb. Piligrimus.t Es kann keinem Zweifel unierliegen, dass
das von Ihnen publicirte Bleisiegel ein wirkliches Siegel und keine Denkmünze
ist. Denn 1. hat dasselbe das von Prof. Düntzer als beweisend bezeichnete Merk-
mal, nämlich die durch das Innere desselben von Rand zu Rand durchlaufende
runde Oeffnung zur Durchziehung einer Kordel. Von letzterer fand sich zwar
nichts mehr vor, was aber dadurch, dass sie während einer so langen Zeit
vermodert ist, natürlich zu erklären ist. — 2. bezeugen Fundort und klar er-
kennbarer Zweck desselben es als wirkliches Siegel. In dem von Tuffsteinen
aufgemauerten Stocke eines Altare fixum befand sich das sog. sepulchrum und
in diesem das Siegel als Bedeckung und Yerschliessung eines runden Glasge-
fasses. Dass dieses Gefass ein Reliquienbehälter war,, ist an sich, wie besonders
dadurch, dass sich auf dem Boden desselben noch klebriger Staub befand, nicht
zu bezeifeln, vielmehr gewiss, dass es die Reliquien enthalten hat, welche da-
mals, wie auch heute, bei der Consecration eines Altares in das sepulchrum de-
ponirt wurden und werden raussten. Dieses Gefass war nun zweifelsohne mit
dem darauf liegenden Siegel vermittelst der durch die Oeffnung desselben ge-
zogenen Schnüre zusammen gebunden, damit das zum Verschluss desselben die-
nende Siegel befestigt liegen blieb. Von einer sonstigen Urkunde fand sich keine
Spur. Es war aber auch eine solche unnöthig, da das Siegel ja für sich sowohl
die Aechtheit der Reliquien, als auch die Consecration des Altars vollständig
documentirte. — Leider ist das Glasgefass abhanden gekommen und nicht aus-
findig zu machen. Wie mir mein Küster sagt, war dasselbe rund von grünlichem
Glase mit mehreren reifförmigen Glaserhöhungen versehen, oder mehrfach ringsum
umreift.
Ueber die 8 Figuren und die sie umschUessende Legende auf der Kehr-
seite des Siegels habe ich eine andere Ansicht. Ich halte nämlich diese 8 Fi-
guren nur für symbolische Darstellungen der drei christl. Kardinaltugenden
und eben diese Darstellung, in welcher die Karitas die anderen weit überragt,
und über die Häupter derselben die Hände segnend oder weihend ausstreckt.
Mtsoellen. 807
* all besonders entsprechend mit Q$l. 6. 6, und 1 Gor. 18. 13. Demzufolge nahm
ich Religio in der Bedeutung als Inbegriff der ohristl. Glaubens- und Sitten-
Wahrheiten, somit als Religion der kölnischen Kirche oder Religio christiana. Die
Annahme aber, dass die Darstellung auf den besondem £ifer des Erzb. Piligri-
muB, den Cult der drei unter diesem Namen verehrten h. Jungfrauen zu
▼erbreiten und zu fordern hindeute, schien mir deswegen weniger wahrschein-
lichy weil, wie überhaupt in hiesiger Gegend, diese nur selten als Eirchen-
patroninnen vorkommen, er diese dann eben bei der Gonseoration der hiesigen
Kirche, statt des L Pancratius, wohl als Kirchenpatroninnen gewählt haben
würde. Dagegen, da Religion, wie Sie richtig bemerkten, auch die Bedeutung
»Heiligthum« hat, erscheint eben in dieser Bedeutung das Siegel als ein Weih'- oder
Gonsecrationssiegel und man könnte, eben in der Legende, wenn man diese als
geweihtes Heiligthum der Kölnischen Kirche (wozu ja die Kirche zu Bettenhoven
stets gehörte) deutet, einen Beweis hiefur erkennen. Wir hätten also ein eige-
nes Gonsecrations-Siegel des Erzb. Piligrimus, nur für diesen Zweck be-
stimmt und gebraucht. Es wäre sehr interessant, zu erfahren, ob sich nicht
auch ein gleiches Siegel von der von Pilgrimns 1028 vorgenommenen Gonseora-
tion der Kirche zu Brauweiler vorfindet — Sie bemerken, dass in dem Ge-
höfte zu Frauenrath die hh. Schwestern unter dem Namen Pelmerge Sohwell-
merge und Krieschmerge angerufen wurden. Wie ich hier höre, soll das auch
unter dem Namen: Drillbärbel, Schwellbärbel und Krieschbärbel ge-
schehen, also eine kleine variatio. üeberhaupt aber sind dieselben wenig bekannt.
— Durch'^dai Siegel ist nun die 2^t der Gonseoration des Altars resp. auch
der Kirche (falls sie nicht schon früher consecrirt war) sicher bestimmt, da
nach altkirchlichen Vorschriften ein altare fixum in einer nicht consecrirten
Bördhe nicht errichtet werden durfte. Es wäre wohl nicht unwahrscheinlich,
dass Pilgrimus diese Gonseoration vorgenommen hat bei seiner Hin- oder Rück,
reise su resp. von der Krönung des Kaisero Heinrich lü., die er urkundlich
vollzogen hat, da ja die Hauptstrasse von Göln nach Aachen über Jülich nahe
hier vorbeiführte, und dann hätte die Gonseoration 1028 stattgefunden. Für ein
wenigstens so hohes Alter zeugt auch, wie Sie richtig . hervorgehoben haben»
theils der einfach romanische Baustyl theils das Mauermaterial, wie jetzt noch
an dem Kiichthum sichtbar ist, und eben so deutlich hervortrat an der 1668
bei der Erweiterung der Kirche abgebrochenen südlichen Frontmauer des Schiffes,
welche noch die ursprüngliche war. Auch diese war hauptsächlich mit Bruch-
steinen jeder Art, dazwischen mit grauen Sandsteinen, Tuffsteinen und Römer-
ziegeln gemauert. So fanden sich an dem Rundbogen über den drei Fensteröffnungen
Ziegelsteme und '^Tuffsteine abwechselnd als Verzierungen, die einzige Ornamen-
tik an dieser Mauer. Da nun augenscheinlich dieses Material schon gebraucht
gewesen, so muss man annehmen, dass bei der Erbauung der Kirche noch
frühere ältere verfallene Gebäude oder Manrerreste vorhanden gewesen, deren
Material man für die Kirche benutzt hat. Demnach könnte die Kirche wohl ein
noch höheres Alter haben und vielleicht nicht gar zu lange xuM)h Abzug der Römer
erbaut worden sein. Möglich wäre es, dass an ihrer Stelle eine Kapelle der in
808 IfiBoellen.
heidiUBoher Zeit hier verehrten Matres oder Matronae war, möglich aber auch,
das8 sie von den ersten christlichen Besitzern des hiesigen uralten Hofgntes als
Oratoriom erbaut wurde, worauf wenigstens^ der Umstand, dass die Kirche mit
den Gebäalichkeiten des Hofgates zur Zeit in Verbindung stand, hinweist. Dieses
Hofgut gehörte 1272 gemäss einer vom Grafen Wilhelm von Jülich und seiner
Gemahlin Richardis in diesem Jahre zu Heimbach ausgestellten Urkunde dem
Grafen zu Jülich, der aber nicht das Patronatsrecht hatte. In dieser Urkunde
heisst es: ... Notnm faciunt et recognoscunt quod nullum ius patronatus
habeant vel habuerii^t in Ecclesiam Bettenhoven, licet illa curiae nostrae sit
contigua. Das Patronatsrecht hatten bis zum Jahre 1216 die Herren von Alfter,
welche nach einer von Erzbischof Engelbert in diesem Jahre vollzogenen Ur-
kunde auf dasselbe damals zu Gansten des Klosters zu Füssenich resignirten.
(Von dieser Urkunde befindet sich ein Abdruck im Urkundenbuch von Lacom-
biet Bd. U. p. 83 und ebenso ein solcher in einrm im hiesigen Pfarrarehiv be-
findlichen Buche.) Man kann also mit Grund annehmen, dass die Herren von
Alfter, weil sie das Patronatsrecht hatten, auch Erbauer der Kirche resp. fun-
datores der Kirche und Pfarre gewesen sind. Leider befindet sich hierüber ur-
kundlich nichts vor. Nach Fahne gehörten die v. Alfter zu den ältesten Be-
sitzern am Niederrhein. Fahne fuhrt von diesen namentlich an : Hermann von
Alfter 1116—26, Johann 1126—38, Goswin 1166—88 und Goswin 1172—1200,
sodann den Hermann, Marschall von Göln, welcher 1216 auf das Patronatsrecht
resignirte. Letzterer war 1217 bei dem Kriegszu^ gegen die Saracenen und be-
fehligte unter dem Grafen von Holland die Nachhut. Es ist sehr denkbar, dass
er, um sich die nöthigen Goldmittel zu verschaffen, deshalb sein Petronatsreoht
übertrug, und, dass er, bis dahin Eigenthümer des hiesigen Hofgutes, dieses
damals zu denselben Zwecken an die Grafen von Jülich verkauft hat. Für den
Ursprung der Kirche w&re es sehr wichtig in Erfahrung zu bringen, ob sich
über diese v. Alfter ältere Urkunden oder Nachrichten vorfanden, imd möchte
ich Sie bitten, falls Sie davon Kenntniss erhalten haben, mir darüber Näheres
gefälligst mitzutheilen. Dass die hiesige Kirche schon vor 1216 eine Pfarrkirche
war, beweist die Urkunde von Erzb. Engelbert, und das Bleisiegel fast un-
bezweifelbar, dass sie wenigstens zwischen 1021—86 als solche erhoben wurde.
Eine einfache Kapelle oder ein Oratorium würde wohl nicht conseorirt worden
sein. — Den Ursprung des Ortes Bettenhoven darf man wohl unbedenk-
lich von einer Römer-Niederlassung herleiten. Dass eine solche hier bestand,
bezeugen ja die aufgefundenen Monumente, das Material an der Kirche etc.
Es ist nicht unwahrscheinlich, dass eben das alte Hofgut ursprünglich eine
solche Niederlassung gewesen ist, und später mit verschiedenen Besitzungen,
Renten etc. an die v. Alfter gekommen ist, vielleicht als Lehngnt. *- Den Na-
men »Bettenhovenc, wie er gleichlautend auch in alten Urkunden steht, möchte ich
nun wohl abzuleiten wagen vonBeeden, betten, bitten (Petitiones precariae).
Pfarre und Kirche hatten ehemals zur Dotation eine zahlreiche Menge von Na-
turalrenten (mit Fruchtrenten) aus den meisten umliegenden Ortschaften zu be-
ziehen, die wohl vor Errichtung der Pfarre dem hiesigen Hofgnte gehörten und
Misoellen. 809
an dasselbe abgeliefert werden mnssten. Der Hof war also unstreitig am Bee-
denhof, und das um denselben sich bildende Dorf konnte somit nach dem Hofe
natürlicb benannt werden. Es ist gar keine Andeutung vorhanden^ dass die hh.
Jungfrauen unter der Bezeichnung Einbetta, Worbetta, Wilbetta hier verehrt
worden sind, sonst hätte man den Ortsnamen auch davon herleiten können*
— Im Provinzial' Archiv zu Goblenz befand sich zur Zeit ein Mannscript be-
titelt: Dednctio historica Partheniae Eoclesiaie in f^senich ex pergamenis lit*
teris Archivi per ordinem temporum et seriem rerum gestarum ab anno 1147
— ad annnm 1720 ooordinata, von welchem ein Freund von mir früher Ein-
sicht hatte und daraus einzelne Notizen über Bettenhoven mir mittheilte. Höchst
wahrscheinlich enthielt dasselbe noch mehr hierüber. Dieses Mscr. ist leider
nicht mehr im Arohiv verfindlich nnd wohl möglich, dass es sich anter den
Schriften des verstorbenen Rg-R. Barsch, der es bei seiner Efflia illust. benutzt
hat, befindet. In einem andern Werke von C. A. Hugo Estival (1726), welches
ich auch nicht besitze noch näher kenne, sind Notizen enthalten.
18. Münstermaifeld, den 10. April 1878. Briefliche Mittheilong des
Hrn. Dr. Schmitt über den Fund eines grossen Erzgef&sses an Prof. Freu-
denberg.,
Vor einigen Tagen stiess ein Landmann von hier beim Pflügen auf ein
grösseres Gefass von Bronze. Es stand senkrecht in der Erde, in demselben
befand sich bloss Ackergrund. Es hat einen Durchmesser von ca. 16 Zoll oben,
hat oben an jeder Seite einen Henkel und ruht auf einem massiven Fusse. Es
hat eine kesselformige Gestalt und erinnert an das 13 Zoll Durchmesser habende
Gefass aus dem Hildesheimer Fund ; Fuss und Henkel sind ähnlich, doch ist es nicht
so hoch wie das Hildesheimer. Das Ganze ist mit einer grünen ozydirten Masse
überzogen und noch mit Erde beschmutzt. Beim Ausheben dachte man nicht
daran, dass sich an dem Gefässe ein Fuss befände nnd wandte Gewalt an, um
es aus der Erde zu bringen; dadurch sprang der Boden und ein ausgebroche-
nes Stuck mit dem Fusse blieb im Boden zurück, das man dann ausgrub. Der
Boden ist stark oxydirt und brüchig geworden, wodurch es möglich wurde, dass
ein Stück daraus ausgebrochen werden konnte. Der obere Theil und der Fuss
sind gut erhalten, überhaupt das ganze Gefass noch vorhanden. Verzierungen
finden sich nicht an demselben, nur oben zwei erhabene Reifen.
Der Fundort war ein Acker in der Nähe des Hofes Ealsch, wo man schon
früher römisches Mauerwerk und ein Gemach mit römischem Estrich gefunden
hat. Es war daselbst sicher eine römische Niederlassung; auf einem frisch
geackerten Felde, das ich kürzlich durchging, sah ich eine Menge römischer
Ziegelreste zerstreut^).
>) Vergl. die geogr.-hist. Untersuchung v. Gymn.-0.-L. Seul zum Goblenzer
Progr. 1840, wo Kais ch als eine Zusanmienziehong des Namens Galigola ge*
deutet wird, welcher in dieser (}egrend, in vico ambitirvio, geboren sein soll.
Genf. Sneton. vita Galig. 8, J. Fr,
310 Miscellen.
Es ist daher wohl kein Zweifel, dass dieses Gefass römischen oder gallo-
romanischen Orsprangs ist. — Dasselbe ist für unsere Vereinssammlung yon
Alterthümern erworben worden.
14. Von der Ahr. Römische Alterthümer wurden im Nov. v. J. in der
Nähe des Appolinarisbronnen bei »Ausg^rabuDgen zu Neubauten ca. 14 F. tief
unter der Oberfläche gefanden, worunter auch Thon- und Glasgeföss und gut
erhaltene röm. Münzen von E. Yalerianus (253^260) und Caes. Saloninus Yaleria-
nus. Dieses erinnert an interessante Ausgrabungen, welche im J. 1853 bei An.
läge dee Abflussg^rabens für den Apollinarisbrunnen gemacht wurden. Damals
machte man die ESntdeckung, dass in einer Tiefe von ebenfalls 14 F. ganze
Reihen regelmässig gepflanzter Weinstöcke in der Erde standen. Hieraus lässt
sich ein Schluss auf das Alter des Weinbaues in unserm Thale machen.
(Köln. Ztg.)
16. Bonn. Herr Dr. Decker, Gymnasial-Lehrer in Neuss theilte dem
Unterzeichneten bereits im vorigen Jahre folgende räthselhafbe Inschrift mit,
welche sich um den Hals eines Saljsfläschchens aus weisslichem Thon hinzieht:
OAil • SVNXAt^lS illRIINDAS IIICIT-
CLAVDIVS- VICTORINVS
Die Buchstaben bilden eine Art von Gurrendschrifb; dem A fehlt der
Verbindungsstrich, £ wird durch zwei Vertikalstriche bezeichnet, F durch das
Spiritus asper zur Seite ober dem Vertikalstrich, das L bildet einen stumpfen
Winkel, endlich schlängelt sich das S nach oben und unten über die Linie hin-
aus. Damach wäre die Umschrift zu lesen:
DAE • S VNXALIS • FERENDAS FECIT • CLAVDIVS • VICTORINVS.
Beim ersteig Anblick der seltsamen Aufschrift denkt wohl mancher un.
willkürlich an die jüngst bekannt gewordene Göttin Unuxalla oder Sanuxsalis
auf 2 in unseren Jahrb. publizirten Weihinschriften (H. XII. S. 45 und XXV.
S. 18 ff.)* ^^^ BO theilt mir denn auch mein geschätzter Freund Prof. Düntzer,
indem er von der Voraussetzung ausging, das S hinter DAE diene bloss zur
Interpunction, die Vermuthung mit, es sei zu lesen: D(e)ae Unxali ferenda fecit
Cl. Vict. Jedoch abgesehen davon, dass man auf einem Salbentöpfchen nicht
leicht eine Widmung an eine Göttin erwarten dürfte^ ist die Annahme des S
als eines Interpunctionszeichens nur nach dem 3. Buchstaben zutreffend, nicht
aber für das in den 2 folgenden Worten wiederkehrende S. Mehr dürfte sich
eine andere Vermuthung, für welche sich auch mein geehrter Freund Prof.
Becker in Frankfurt ausgesprochen hat, empfehlen, dass in dem 1. Worte DA
die Sigle für ein Gewicht stecke (etwa drachma?) und dass die beiden Striche
II nicht = E, sondern das Zahlzeichen für duo oder duas, endlich S = semis
sei. Das W. Unxalis müsste man als Genitiv eines freilich sonst nicht vor-
MisoeUen. 811
kommenden Wortes unzale nehmen =s unguentum. Ferendas könnte, wenn
man es mit der Grammatik nicht allzu genau zu nehmen brauchte, das Fasseni
Enthalten des Gewichtes bedeuten. Der Sinn wäre demnach: Gl. Vict. machte
(solche Salbtöpfchen = ollulas), welche 2Vs (Loth oder Quentchen??) Salbe fas-
sen können. Wir geben diesen Vorschlag, nicht als ob ^ir ihn für richtig hiel-
ten, sondern um Kenner der Epigraphik zu veranlassen, ihren Scharfsinn an
der Lösung der jedenfalls interessanten Umschrift zu versuchen ^).
2. Hr. Decker hat mir ausserdem eine Anzahl von Namensstempeln auf
Terrakotten mitgetheilt, die grosaentheils in der auf dem Rathhause zu Neuss
befindlichen Sammlung von Alterthümern aufbewahrt werden.
Mit Uebergehung der bekannten Stempel hebe ich hervor: 1. CAGIVS,
am untern Rande eines Erügleins, wohl =: CAIVS (Fröhn. 521 ff.); 2. MAR-
NVS, =^ Marinus (?). Fröhn. 1480; 8) IMANVS, auf einer Schaale (Fröhn.
1187 aus Windisch); 4) OPISO FEC. (Fröhn. 1739 aus Dormagen); 6)
AAAA^IS F (Fröhn. 78 Amabilis; 79 Amadis); 6) MOTVCVS (fehlt bei
Fröhn.); 7. AVCVSTINVS F (Fröhn. 235 fg.); 8) ORIBOS (vgl. Kamp,
die epigrapb. Anticaglien in Cöln. Nr. 49 Daibo? 9) OFISOFFC. scheint
nach Nr. 4 zu verbessern; 10) OFMVS, 2 mal, wohl = MVSa, Fröhn. 1655;
11) MONIM, vgl. Fröhn. 1616, Monim; 12) lASSVS (Fröhn. 117* fg.); 13)
SATVRNVS (Fröhn. 1885). -^ Die weiteren dankenswerthen Mittheilungen
des Hm. Dr. Decker über Legionsstempel, so wie die Aufschriften vonTrinkg^-
fassen von schwarzem Thon finden sich schon bei Bramb. G. I. Bh. 262 ff.
J. Freudenberg.
16. Bonn. In dem mir eben zugegangenen »Zwölften Bericht des
antiquar.-hist. Vereins für Nahe und Hunsrnoken zu Kreuznach«
im Sommer 1873, findet sich unter Nr. III ein beachtenswerther Vorschlag, der
Beschreibung von Alterthümern Abbildungen beizufügen, von dem um die För-
derung dieses seit 17 Jahren erfolgreich tbätigen Vereins sehr verdienten Ar-
chitekten Hrn. P.Engel mann. Er empfiehlt nämlich, ausser Abbildungen nach
der Natur oder nach vorgenommenen Messungen, besonders den Abklatsch der
mit autographischer Tinte gefertigten Zeichnungen auf Stein und den leicht zu
bewerkstelligenden Ueberdruck derselben als ein treffliches Mittel, um ein kla-
reres Bild der beschriebenen Gegenstände hervorzubringen und das genauere
Studium derselben zu ermöglichen. Als Beispiel und als Erläuterung dieses
') Das Salbentöpfchen, dessen Zusendung zum Behufe des Ankaufs wir
von dem Besitzer wiederholt erbeten hatten, ist jetzt, sicherm Vernehmen nach,
in das Museum der Alterthümer in Berlin gelaii^.
812 Misoellen.
Vorsohlagas gibt er auf Tafel I nach diesem Verfahren Abbildangen von Töpfer-
jiameii aaf yersohiedenen Gefassen, Grablampen, Legionsstempeln auf Ziogebd
etc., woran wir einige Bemerkungen knüpfen wollen., Ueber das gestrichene D.
in Fig. 6 MED B IC * FE ist ausser dem Ciiat in Bonn. Jahrb. 49 (nicht 59)
p. 157 wegen des N&heren auf J. Becker die inschriftlichen Ueberreste der
kalt. Sprache S. 207 ff. (in den Beitragen zur vergl. Sprachforschung auf d.
Gebiete d. arischen, kelt. u. slav. Sprachen. Von A. Kuhn u. A. Schleicher. Bd.
III, 2 ff. Berl. 1865) zu verweisen. — Was das doppelte W des Namens in
Fig. 28 betrifft, so ist dasselbe nicht als ein W, sondern unzweifelhaft als eine
Ligirung von N und Y anzusehen, womach sich mit Hinzufügung des ausge-
fallenen I der bekannte Töpfemame lANVARIVS ergibt. Wenn Hr. Engel-
mann zu Fig. 40 OFFVRSI gegen die von mir (Bonn. Jahrb. 41 p. 180) ge-
gebene Deutung des Stempels eines bei Bonn gefundenen L&mpchens OVR
als Ofßcina URsi das Bedenken geltend macht, dass auf keiner der in der
Erenznacher Sammlung befindlichen Grablampen sich bei dem Töpferstempel
die Bezeichnung Offioina finde und bei einigen nur jF s= Fecit beigefügt sei ;
so mag zur Hebung dieses Zweifels die Verweisung auf das röm. Antiquarium
von PhiL Houben in Xanten, von Prof. Fiedler S. 53 genügen, wo es ausdrück-
lich heisst: »auf den bei Xanten gefundenen Lampen findet man häufig die
Namen FORTIS, GARPI etc. OF ; sUtt des gewöhnlichen OF steht auch F, das
entweder figulus (Töpfer) oder fecit bedeutet, wofür auch bisweilen F£G ge-
schrieben istc. Uebrigens ist die sorgfältige Facsimilirung dieser Inschriften, unter
denen mehrere bisher nicht bekannte sich finden, recht dankenswerth. Hierher
gehören Fig. 5 CORSO FEC, Fig. 10 AViZiNI^ Fig. 12 lOLVNTOS-
SVS, Fig. 16 IIIPIDVS (Lepidus), Fig. 17 OFLVCIEVS (vgl. Fröhu^r
Insor. terrae coctae Vasor. Götting. 185S) n. 1365 ff, Fig. 21 OAIO (Dato?),
Fig. 29 CAVNI, Figur 32 FASTVI «Fabrica ASTVI (vgl. Frohner 1. c.
n. 165), Fig. 33 oFRilS (Res. cf. Fröhn. n. 1772), der Name im Nominativ
nach OF auch Fröhn. Nr. 731. Bemerkensweith ist noch Fig. 18 OFFEICIS
s Officina Felicis, vergl. Fröhn. 1081.
Fig. 30 AT/VSAF ist wahrscheinlich ATTVSA «u lesen, vgl. Froh-
ner l. c. 212. — Von Fig. 37 weiss ich die 2 ersten Buchstaben P I nicht zu
entr&thseln, wenn nicht der Vor- und Gentilname darin steckt, wie Fröhn. 196
C. ATISIV8 8ABINV8, ebenda 207 P • ATTI, 248 P • S • AVIT; der folgende
Namen, dessen drei erste Buchstaben umgekehrt stehen, ist zweifelsohne
ATTONIb, eine in Nymwegen, Bottweil und Rheinzabern vorkommende
Töpferfirma.
In Nr. y das Mithrasdenkmal bei Schwarzerden betreffend
berichtigt Hr. Engelmann wiederholt (s. d. 11 Jahresber. p. 35 ff.) die stets
Miscellen. 313
wieder auftauchende irrige Meinung, indem das von Schöpflin in seiner Alsatia
illustrata beschriebene und abgebildete Mithrasdenkmal nicht im Elsass (in der
alten Grafschaft Dachsburg), sondern beim Dorfe Schwarzerden im rhein-
preuss. Kreise St. Wendel zu suchen sei. Darnach ist denn auch Bramb. G. I.
Rh. p. 155^ wo noch ein Dorf Schwarzerden im Kreise Simmem mit dem
Mithrashild erwähnt wird^ zu berichtigen. Vgl auch dieses Jahrb.: »Schaaff-
hausen, Ein römischer Fund in Bandorf. c p. 131. — Kr. VI enthält einige Berich'
tigungen und Zusätze zuBrambach C. I. Rh. p. 152 Kreuznach und p. 154 Bin-
gerbrdck, woraus wir erfahren, dass mehrere Nummern der von Bramb. be-
schriebenen Inschriftsteine, welche zur Sammlung des Vereins gehören und in
einem Raum des Stadthauses aufbewahrt worden, nicht mehr Torhanden sind.
Es sind dies Nr. 722-725. 726. 728. 729. 730 und 732. — Nr. 737—744 be-
finden sich mit Ausnahme von 740 gegenwärtig in der Wohnung des Hm. En-
gelmann. Die beiden Inschrift steine Nr. 740 und 745, die bei den Erdabtragun-
gen auf dem Bahnhof zu Bingerbrück gefunden und von Hm. Engelmann ab-
gezeichnet wurden, sind wenige Tage darauf verschwunden und später in einer
benachbarten Alterthumssammlung wieder aufgetaucht.
Schliesslich wünschen wir dem Verein, welcher für Sammlung und Er-
forschung von römischen Alterthümern, welche grösstentheils aus den Ruinen
des Römercastells bei Kreuznach, der sog. Heideumauer und von Bingerbrück
herrühren, im Verhältniss zu den geringen Mitteln, die ihm zu Gebote stehen,
recht Anerkennenswerthes geleistet hat, auch für die Zukunft fröhliches Ge-
deihen und wo möglich gesteigerte Theilnahme.
J. Freudenberg.
17. Trier, im Sept. Auf dem römischen Begräbnissplatz vor dem Rö-
merthore, in der Häuserreihe links von der Landstrasse, wo Herr Eisenwerks-
besitzer Laeis eine Villa baut, mit deren Fundamentirung und Unterkellerung
man jetzt beschäftigt ist, wurden viele römische Urnengräber aufgedeckt.
Die Aschenkrüge und Urnen waren grässtentheils ohne besonderen Schutz neben-
einander gestellt, nur einige von kastenförmig zusammengestellten Ziegeln um-
geben. Auf einem Flächenraume von 36 Quadratruthen, der noch nicht ganz
ausgeschachtet ist, wurden bis jetzt über 130 Gegenstände verschiedener Art
aufgedeckt. Die Mehrzahl derselben besteht in grösseren und kleineren Aschen-
Urnen und Krügen von fast allen üblichen Formen und Bestandtheilen. Die
übrigen Funde sind: einige Schalen von terra sigillata, elfenbeinerne Griffel,
Salbenfläschchen von stark oxidirtem Glase, irdene Lämpchen, eine metallene
Breche, verschiedenfarbige, zwei- und dreifach zusammengelegte Glasscherben,
einige Münzen, darunter ein Kleinerz von Antoninus Pius etc. Diese kleineren
Sachen befanden sich meistens in den grösseren Urnen bei den Knochenresten.
Bei diesen reichlichen Funden ist dort bis jetzt noch kein einziger Sarg zu
Tage getreten. Sämmtliche Gegenstände standen in fast gleicher Tiefe, 5 bis 6
FuBs unter der Oberfläche auf gewachsenem Sandboden, der von schwarzem
Gartengmnde bedeckt ist.
814 Miscellen.
18. Die alte Burg in Honnef. In Bezug auf die bei Erbauung der
Villa S. Exe. dei Herrn Generals von Seydlitz in Honnef aufgedeckten und in
d. Jahrb. L und LI p. 289 erwähnten Mauerreste theilt mir Herr Archivrath
L. Eistester in Coblenz folgende Angabe mit, die sich mit grösster Wahrschein-
lichkeit auf diesen Bau bezieht »Conrad, Erzbischof von Köln verglich sich am
22. Juni 1252 mit Heinrich, Herrn von Heinsberg, auch Herr zu Löwenburg,
wegen dessen Einsetzung in die Güter seines Mutterbruders Heinrich, Grafen
von Sayu (Blankenberg, Löwenburg u. s. w.) und wegen der Feste (munitio),
welche des Erzbischofs Ministerial Heinricus de Hunefe wider den Willen des
Herrn von Heinsberg erbaut hatte, über deren Schicksal, ob sie niederzulegen
oder bestehen bleiben soll, Schiedsrichter bestellt wurden. Die Urkunde ist ge-
druckt bei Kremer, Beiträge zur Jülich-Bergischen Geschichte. Bd. 1. Buch 2.
Die von Hunfe oder Hunephe kommen in Documenten des Coblenzer Archivs
oft vor: 1282 Wilhelmus, 1288 Wilhelmus minist, eccl. Colon., 1299 Wilhelmus
minist.« 1299 Lambertus, 1300 Wilhelmus minist., 1817 HerLamberz, 1334 Hein-
rich, Her Wilhelmus Marschaller von Huncf, Sohn. Sie führen ein Wappen mit
schrägem Balken, auf dem 3 Muscheln sich befinden, welches an das der noch
blühenden Familie von Heddesdorf erinnert, welche Marschälle der Grafschaft
Wied waren.«
Schaaffhausen.
19) In Coblenz wurde unter dem alten Stadt-Brauhause beim Auswerfen
eines Kellers das Fundament einer 11 F. dicken römischen Mauer gefunden,
welche Herr Archivrath Eltester für die Umfassungsmauer des römischen Ca-
strums hält, das an seineu vier Ecken runde Thürme hatte, von denen Ueber-
reste noch vorhanden sind. Etwa 7 F. tiefer als diese Mauerreste und ausser-
halb derselben wurden menschliche Gebeine im vulkanischen Sande unter einer
fast steinharten sogenannten Briizschicht gefunden. Ueber diesen sehr merkwür-
digen Fund, desseu nähere Umstände ich an Ort und Stelle auf die mir durch
Herrn Geh. Rath Wogeier zugegangene Nachricht noch in Erfahrung bringen
konnte, habe ich in der zu Wiesbaden im September dieses Jahres abgj^haltenen
Anthropologen- Versammlung Bericht erstattet.
Schaaffhausen.
20. In Folge einer auf Antrag der deutschen anthropologischen Gesell-
schaft an die Ortsbehörden ergangenen Weisung, über die Auffindung alter
Denkmale an die Mitglieder der von der genannten Gesellschaft gewählten Com-
mission zu berichten, sind mir folgende Mittheilungen zugegangen:
Aus Pfalzfeld schreibt der Bürgermeister Müller, dass in der Nähe von
Lingerhahn im Felde ein aus Bruch- und Ziegelsteinen errichtetes Gemäuer
aufgedeckt worden ist, welches bisher überackert wurde. Die Platten aus ge-
branntem Thou sowie Thonröhren und Reste von Asche lassen auf eine Heiz-
vqrrichtung eiuQs römischen Gebäudes schliossen, — tierr Oberförster Schmitz aus
Miscellen. 815
Malberg bei Kyllborg macht die Anzeige, dass im Districte 188* des Forstbe-
laofed Prüm, etwa '/s Meter unter dem Waldboden auf einem Fclsenvoraprang
am Ufer des Prümflnsser 1 M. dickes aus Mauersteinen erbautes Fundament
entdeckt worden ist, von welchem eine Treppe nach unten fuhrt. Er hält es
for wünschenswerthy weitere Nachgrabungen vorzunehmen. — Unter dem 9. März
1873 zeigt der Eönigl. Oberförster Herr Scheurer aus Nassau an der Lahn mir
an, dass in seinem Verwaltungsbezirk, in den Gemarktingen der Gemeinden
Hunzel und Pohl, l'/s Stunde von Nassau entfernt, deutliche Züge von Pfahl-
gräben, und in der Gemarkung Holzhausen, 2V2 Stunde von Nassau, die Reste
eines Römorkastells sich vorfinden. In der Entfernung von einigen 100 Schritten
östlich von den Pfahlgräben zeigen sich viele Grabhügel, die theils in unregel-
massigen Gruppen theils einzeln vorkommen.
Schaaffhausen.
äl. Antiker Steinblock in Coblenz. Tau XVII, Fig. 8. In Coblenz
befindet sich an einem Pfeiler des Gymnasiums nach der Südseite, da wo jetzt
die Strasse hindnrchführt, ein grosser viereckiger Steinblock von unbekannter
Herkunft, der immer an dieser Stelle lag und schon der ehemals auf dem Hofe
spielenden 8chu]|jugend, die sich um ihn herumtummelte, zu allen möglichen
Deutungen Veranlassung gab. Am häufigsten ^oirde er als ein germanischer
Opierstein bezeichnet und die gerade laufende Rinne auf seiner Oberfläche als
Blutrinne gedeutet. Der auf Taf.XVII Fig. 8 abgebildete Steinblock ist 3' hoch,
oben 2 ' 9 " breit und 2 ' 6 " tief, unten ist er 3 ' 2" breit, die in die obere
Seite eingehauene Rinne ist 2^2 " tief und 5 " breit. An der hintern Seite hat
derselbe ein rundes 8 " tiefes Loch, welches mit punktirten Linien auf der Vor-
derseite unseres Bildes bezeichnet ist. Die Steinart ist ein dunkelgrüner Diorit,
der nach Nöggerath in der Nähe des Ehrenbreitsteiu am sogenannten Nellen-
köpfchen gefunden wird. Ich habe mich wiederholt aber vergeblich bemüht,
über die Geschichte' dieses Steines etwas Sicheres zu erfahren, bis mir durch
Herrn Archivrath Eltester die hier folgenden Mittheilungen gemacht wurden,
die, wie ich glaube, eine sehr wahrscheinliche Deutung des räthselhaflen Stei-
nes geben.
Eltester erinnert sich, von dem verstorbenen Gymnasial-Director Klein
gehört zu haben, der Stein stamme aus dem Rheinbette bei Engers und habe
der dort gestandenen Römerbrücko angehört und liege seit Erbauung des Gym-
nasiums, gegen Ende des 17. Jahrhunderts an der jetzigen Stelle. Eltester
schreibt: »Der Umstand, dass bei der EntdeckuDg der Reste einer Pfahlbrücke
über die Mosel im Jahre 1864 ganz ähnliche, wenn auch kleinere, nur auf einer
oder zwei Seiten behauene Dioritquadem zum ^Vorschein * kamen, bestimmte
mich zu einer genauen Untersuchung des fraglichen Blockes und bin ich nun
der Ueberzengung, dass er auch aus der Mosel, und zwar wahrscheinlich aus
der der Stadt zugekehrten Seite herstammt, wo gegen Ende des 17. Jahrhun-
derte Gorrectionsarbeiten für die Schiffahrt Statt fanden und Funde von gro«-
316 Miscellen.
sen Sieinen gemacht wurden. Der Siein isi offenbar ein Arohitekiur-Bruohsiäck,
wie anch die übrigen in der Mosel gefundenen. Da er eine keilförmige Gestalt
hat, so hielt ihn Baron Loqueissy, der im Auftrage Napoleon's III. hier die
Frage nach der Brücke Cäsars studirie, für den Schlusssiein eines grossen
Thors oder Triumphbogens und die Rinne in der schmalem Seite dazu be-
stimmt, den Riegel beim Schliessen des aus zwei Flügeln bestehenden Thores
aufzunehmen. Indessen sind die platten und unebenen Seiten des Blockes •*-
man müsste denn seine Bearbeitung für unvollendet halten — zu einem solchen
Schlusssteine nicht passend. Wohl könnte er auch als ein unvollendetes Stück
nur zur Belastung der Moselbrücke, die ja unzweifelhaft von Holz war, gedient
haben. Ich denke mir aber seine Benutzung der Art, dass er in derselben Lage,
wie er jetzt liegt, mit der breiten Fläche nach unten auf der Bohlenlage der
Brücke so aufgestellt war, dass er in der obcrn Rinne dem Geländer zur Stütze
diente und das Loch zur Aufnahme eines Zwischenbalkens diente.« Noch wahr-
scheinlicher ist, dass der schwere Steinblock nicht auf der Brücke selbst, son-
dern an einem Ende derselben auf dem Lande in der bezeichneten Weise auf-
gestellt war und dem Geländer einen festen Stützpunkt gewährte. Seine rauhe
Seite war nach aussen gekehrt. Gegen diese Deutung kann man aber freilich
einwenden, dass in der Rinne jede Spur von einer Befestigung des Balkens
durch ein Eisen fehlt, die doch nöthig war, und dass das Loch zum Einlegen
eines Balkenkopfes nach innen konisch sich verjüngt. Die Blöcke desselben Ma-
terials, die man bei der Pfahlbrüoke fand, massen bis 2 ' im Quadrat und waren
nur auf einer oder zwei Seiten glatt behauen, sie dienten unzweifelhaft zur Be-
kleidung von grossen Mauerflächen.' Diese Steine wurden leider nicht aufbe-
wahrt, sondern versteigert. Ein Steinmetz, der sie kaufte, erzählte später, dasa
der Stein so hart sei, dass er nichts mit ihnen anzufangen wisse und sie nur
zu Treppenstufen verwenden könne.
Schaaffhausen.
22. Germanische Gräber im Elsass. Die Zeitungen berichteten
gegen Ende vorigen Jahres, dass in dem eine Stunde von Hagenau entfernten
Orte Hardthansen alte Grabstätten aufgefunden seien. Mitten unter den gerin-
geren Gräbern fand man ein solches, das wahrscheinlich einem vornehmen
Manne angehörte. Die Bestattung war eigenthümlich. Der Kopf hatte eine Un-
terlage von Rinde, während unter der Schulter und über der Brust Bretter ein-
gezwängt waren, zwischen denen das Skelet mit Schmuck aller Art überladen
geschützt da lag. An dem Halse, den Handgelenken, den beiden Schenkeln und
unten am Fusse trug es Riuge und Spangen. In nächster Nähe des Schädels
lagen viele Haften und Nadeln, mit denen jedenfalls das Haupthaar verziert war.
Auf der Brust lag eine verzierte ovale Platte von Kupfer, welche mit gut er-
haltenen Haselnüssen bedeckt war. Zwischen den Zähnen des Skeletes waren
zwei Haselnüsse eingepresst.
Schaaffhausen.
%r
Miscellen. 317
28. Aus Dablen im Kreise Gladbach gelangte folgende Zuschrift des
Herrn F. Schalte vom 7. Jan. 1878 an den Vorstand des Vereins: »An der
Grenae unserer Gemeinde, auf Hardt zu, befindet sich eine Menge von Hügeln,
die unter dem Kamen: »Hunshügelc bekannt sind. Sie liegen meist links von
der nach Hardt führenden Chaussee in Fichtenwäldern und sind in letzter Zeit
häufig das Ziel von Nachgrabungen gewesen. Die Hügel bestehen aus ange-
schütteter Erde, sind rund und von verschiedener Höhe und Ausdehnung und
bergen im Mittelpunkte eine Urne. Die Urnen aus gebranntem Thon werden
erst an der Luft wieder hart» sie sind hell oder dunkelbraun, über den Kno-
chenresten, die sie enthalten, liegt Erde mit Holzasche und Holzkohlen unter*
mischt. Bei einigen kommt eine Verzierung von sich schräge kreuzenden Stri-
chen vor. Auch sind einige Becher, von der gewöhnlichen Form unserer Ober-
tassen mit Henkel gefunden. Nur bei einer Urne fanden sich die folgenden Zei-
chen auf der Aussenseite: IXXXJ. Andere Sachen sind bisher nicht gefun-
den worden.« Diese germanischen Grabhügel schliessen sich den zahlreichen
Todtenfeldem an, die von Siegbnrg an auf der rechten Rbeinseite stromabwärts
sich verbreiten, und ist eine aufmerksame Durchsuchung der Hügel selbst so-
wie des Inhalts der Urnen wünschenswerth.
Schaaffhausen.
24. Bonn. Eine Abraxas-Plombe. Taf. XVII, Fig. 7. Ich bin im
Besitze einer antiken Plombe, welche obgleich stark verwittert dennoch deut-
lich erkennbar, auf der einen Seite das Abraxas-Bild, mit der Unterschrift
I A (0, auf der andern die Inschrift
ABPA
CAX
zeigt
Ueber das bekannte Abraxas-Bild und die Inschriften auf Gemmen ist
sehr viel geschrieben; am übersichtlichsten findet man den Gegenstand in: Joh.
Joach. Bellermann's Festschriften des BerL-KöUnischen Gymn. 1817 und 1818
behandelt. Nach ihm gehören die Abraxas-Gemmen der christlich-gnos tischen
Sede der Basilianer an und sollen eine bestinmite Idee, ^e Idee des Urwesens
Gottes, darstellen.
Zur Erklärung des Abraxas-Bildes zerlegt Bellermann dasselbe in seine
einzelnen Theile: den menschlichen Rumpf, den Hahnenkopf, die beiden Schlan-
gen, welche an die Stelle der Beine treten, und die Symbole in den Händen:
die Peitsche und den Kreis oder Kranz (letzterer ist auf unserer Plombe nicht
zu erkennen).
Den menschlichenRumpf hat Basilides, der Gründer derSecte und, so
viel man weiss, der Erfinder des Abraxas, dem Bilde seines Urwesens gegeben,
weil der menschliche Körper der edelste und somit zum Bildnisse des Gottes
der würdigste ist. Er verbindet damit die fünf zuerst aus Gott hervortretenden
818 Miscellen.
Stammkrafte: den Hahnenkopf als Symbol der wachsamen Vorsicht oder Vor-
sehung («J^^o^ijcrf^), die geschwungene Peitsche als Symbol der Macht (^iW/iic)f
den Kranz als Sinnbild der ewigen Weisheit {Zoip(a) und als Siegeszeichen^
endlich die Schlangen als Symbole der noch fehlenden zwei Eigenschaften, 6e-
müth, ganzer Sinn (Novg) und Vernunft {Aoyog), Ia$ oder lato bedeutet nach
ihm das »Wesen an sich, den Namen Gottest. Den Namen Abraxas fuhrt er
eines Theils auf die Zahl 365 zurück: Ar3l + B = 2 + P»100 + A:=
14-2: = 200 + A=1 + A = 60, Summa 365.
Dann erklärt er ihn noch alphabetisch und syllabisch-etymologisch, was
wir hier übergehen müssen. Hübsche Abbildungen von Abraxas-Gemmen findet
man auf dem Umschlage von Bellermann^s Schrift, und in Beger's Thes. Bran-
denb. S. 85. Basilides lebte zu Trajans und Hadrians Zeiten. Jedoch hieraus auf
das Alter unserer Plombe schliessen zu wollen, wäre aber sehr kühn, da das
Abraxas- Aild von vielen magischen und alchymistischen Secten des Mittelalters
adoptirt wurde, und man aus Gegenständen mit diesem Symbol in jener Zeit
vielfach Talismane verfertigte. Das Vorkommen des römischen X in der
sonst griechischen Legende lässt mich auf das 10. Jahrhundert schliessen, da
auch die byzantinischen Münzen jener Zeit ein buntes Gemisch von römischen
und griechischen Buchstaben aufweisen und das GJ, im Worte laat dieselbe
Form zeigt, wie das Sl auf der Münze von Romanus II 959—963). Doch zeigt
diese Münze das lateinische 8, während unsere Plombe noch das griechische
runde Sigma hat, also etwas älter sein möchte.
F. van Vleuten.
25. Bonn. Amulet mit griech. Inschrift. S. Tafel XVD; Fig. 8.
Unter anderen römischen Münzen gelangte vor kurzem ein später überarbeitetes
Mittelerz in meinem Besitz, dessen Deutung mir bis jetzt nicht gelungen. Es
möge hier eine kurze Beschreibung finden, um Fachmänner zu veranlassen, ihre
Ansicht über dasselbe gütigst mitzutheilen.
Auf der Münze zeigen sich auf der einen Seite sehr schwache Spuren
eines Kopfes, auf der andern ist eine längliche Erhöhung, welche von einer der
gewöhnlichen Revers-Figuren (Aequitas, Virtus oder dgl.) herstammen könnte.
Es scheint der Grösse und dem ganzen Eindrucke nach ein sehr stark abge-
nutztes Mittelerz von Vespasian oder Domitian zu sein. Von grosser Schärfe
sind dagegen die später, aber jedenfalls noch im Alterthum eingeschnittenen
Buchstaben der einen und der gleichfalls eingeschnittene schematisch behan-
delte Tannenbaum oder Tannenzweig der andern Seite. Die Inschrift laut-et:
<DYAA
€3TI
Es liegt die Vermuthung nahe, dass wir es mit einem Amulet oder der-
gleichen zu thun haben, welches aus einer durch den Verkehr fast unkenntlich
gewordenen Münze hergestellt wurde.
Ob das 'PvXa sich' auf 4>vXdaauß erhalten, beschützen oder 4nfX^ Zunft
Miscellen. 819
Stamm, oder auf ein anderes Wort zurückfuhren lasse, mögen. Andere entschei-
den, zugleich aber bedenken, dass das Amulet wahrscheinlioh aus dem IV. Jahrh,
oder noch sp&terer Zeit stammt, einer Zeit, wo das Griechische, wie einge-
kratzte Inschriften in den Catakomben daHhun, oft recht sonderbar verstüm-
melt wurde.
F. van Vleuten.
26. Bonn. Bö mische Grabfunde in Bonn. Im Februar d. J. wurde
mir mitgetheilt, dass in einer Kiesgrube vor dem Cölnthore antike Gegenstände
aufgefunden worden ; sofort begab ich mich zu dem mir bekannten Eigenthümer
des Grundstückes, um dieselben zu erwerben, kam jedoch zu spät, denn die
besseren Stücke waren schon in andere Hände übergegangen. Etwa 14 Tage
später fanden sich an selber Stelle wiederum einige Anticaglien, welche ich er-
warb. Ausser gewöhnlichen Töpferwaaren waren dort ein Gefass von blauem
Glas, ein Schloss mit Schlüssel und ein Gegenstand von Erz, dessen Bedeutung
mir noch nicht ganz klar geworden.
Das Glas war von tief dunkelblauer Farbe, der Henkel, sowie ein schma-
•
1er Bing am obem Halsende und ein breiterer am Fusse, sowie ein feiner Glas-
faden, welcher als Verzierung den Hals umschlang, war heller türkisgrün ge-
färbt. Die Höhe betrug 12 G. In der Gestalt ähnelt das Glas genau den Essig-
fläschchen, welche man so häufig in hölzernen Einsätzen sieht. Die ganze Arbeit
war zierlich und das Fläschchen, mit Ausnahme eines Sprunges im Bauchtheile,
gnt erhalten.
Das Schloss war insofern, interessant, als sich noch eine kleine quadra-
tische Platte an demselben vorfand, welche an dem Kistchen, an dem das Schloss
angebracht war, den äusseren verzierenden Beschlag bildet. Die Platte war an
den Seiten durchbrochen gearbeitet; man sah an derselben noch deutlich den
Umkreis, welchen der Bing des Schlüssels durch den langen Gebrauch einge-
schliffen hatte.
Das dritte Stück bestand aus mehreren Theilen, nämlich einem grossem
Hauptstück, und mehreren Gliedern einer Kette. Erstercs gleicht einer soge-
nannten Bulle, ist annähernd herzförmig gestaltet, d. h. oben weiter und nach
unten spitz zulaufend, der Höhendurchmesser ist etwa 8 Gm., der Dickendnrch-
messer etwa die Hälfte. Die vordere Seite bildet den Deckel, welcher durch ein
Charnier sich öffnen und schliessen lässt. Die übrigen Theile sind etwa 8 Cm.
lang und durch ein einfaches Charnier verbunden, so dass sie eine Gliederkette
bilden. Sofort kam mir der Gedanken, es möchte vielleicht ein Armband sein,
allein es ergab sich bei einer provisorischen Zusammensetzung, dass der Üm-
Tang der Kette für ein Handgelenk zu weit ist, am Oberarm würde es vielleicht
passen. Dann sind aber auch die einzelnen Glieder so gross, dass die Kette in
Folge dessen sich nicht anschmiegen kann und also dei\ Zweck als Armband
schlecht vertreten würde.
Da diese drei Stücke dicht beisammen lagen, vormuthe ich, dass das
Fläsohchen mit dem letztem in einer hölzernen Cassette aufbewahrt wurde, zu
820 Miscellen.
welcher das Schloss sowie der Schlassel gehörten. Wahrscheinlich stammen sie
sammtlich aus dem Boudoir einer Römerin und diente das Glas zur Aufnahme
wohlriechender Oele oder Essenzen und Nr. !2 zur Aufbewahrung von Salbe
oder irgend eines wohlriechenden Gegenstandes. Ueber letzteres wird jedoch
später noch weiter abgehandelt werden.
Einige Zeit später fanden sich an derselben Stelle wiederum zahli*eiche
römische Anticaglien, meistens von gewöhnlichem Thon und werthlos, Erwäh-
nung verdient ein grosser zweihenkcliger Krug von rothem Thon nebst dazu
gehöriger Unterschale. Das Gefass ist sehr dickbauchig und verengt sich am
Halse, so dass die Weite desselben kaum einen Zoll beträgt, während es im .
grössten Dickendurchmesser fast IV2' hat, die Höhe ist etwas über 2*,
Das werthvoUste Stück des ganzen Fundes war ein schwarzes Trink-
gefäss, mit weisser und gelber Aufschrift und Verzierung. Sowohl was Erhal-
tung, wie Schönheit und Seltenheit der Verzierung und Aufschrift anbelangt,
ist dasselbe bemerkenswerth. Es rangirt in die Reihe derjenigen Gefasse, deren
Herr Herstatt in Cöln eine unübertroffene Sammlung besitzt, und welche zur
Zeit der Römer vorzüglich hier am Rheine verfertigt wurden. Da ich beab-
sichtige nächstens die in letzter Zeit hier gefundenen Inschriftgefasse näher zu
besprechen, erwähne ich nur noch, dass das Gefäss die Aufschrift AQVAM
SP ARGE hatte und dass es in die Sammlung des Herrn Herstatt gelangt ist.
Femer fand sich noch ein schöner Becher von mattem Glas, in welches
eine einfache Strichverzierung eingekratzt war. Leider war das seltene Gefäss
beim Auffinden an einer Seite durch einen ziemlichen Sprung beschädigt; das-
selbe kam in Besitz unseres Vereines.
Fast zur selben Zeit wurden im Rheindorfer Felde beim Lehmstechen
eine Anzahl römischer Gkfässe, Ziegeln etc. aufgefunden. Bemerkenswerth waren
ein leider ganz zerbrochenes Gefass mit der Aufschrift VT| * FR VI und
zwei Tellerohen von weissem Thon, über welchen jedoch eine grün glasirte
Schicht aufgetragen war. Ich kam selbst hinzu, wie die betreffenden Stücke
ausgegraben wurden und habe sie eigenhändig gereinigt, so dass mir an der
Aechtheit dieser Tellerchen nicht der mindeste Zweifel aufkam. Eines derselben
zeigte auf der obem Fläche eine einfache Arabeskenverzierung, auf dem andern
war die grüne Glasur zum grössten Theil abgesprungen, so dass sich nicht mehr
entscheiden liess, ob es auch verziert gewesen. Da die Aechtheit dieser flachen
Tellerchen mehrfach von Archäologen angezweifelt worden ist, Hess ich eine ge-
naue Aquarellskizze von denselben anfertigen und schickte dieselbe an den
Gustos am Brittischen Museum, Herrn Franks, den man mir als einen Kenner
von dergleichen Sachen gerühmt hatte. Herr Franks war darauf so freundlich
mir mittheilen zu lassen, dass er die Tellerchen ganz entschieden für acht
halte und dass auch das brittische Museum eine Anzahl bunt glasirter Thonge-
fässe besitze, welche unzweifelhaft römischen Ursprungs seien. Die Tellerchen
wurden für das Vereinsmuseum erworben.
Eine reiche Fundgrube römischer Alterthümer fand sich ebenfalls in der
Miscellen. 821
N&he des Cölnthorea vor der Stadt, nicht weit von der Heerstrasse. Leider
wurden bei weitem die meisten Gegenstande theils durch das Ungeschick der
Arbeiter, theils durch die Ungunst der örtlichen Verhältnisse zerbrochen oder
sonst arg beschädigt. Von Gläsern fand sich eine ziemlich grosse Zahl vor von
mannigfachen und sogar seltenen Formen, aber nicht ein einsiges erhielt ich
unversehrt, die meisten waren ganz zertrümmert. Auch mehrere Inschriflge-
fasse fanden sich an dieser Stelle, eines derselben trug die Aufschrift SITIO,
das andere REPLE ME. Beide waren stark beschädigt. Das schönste
Fnndstück, welches leider auch ganz zertrümmert wurde, war eine Arbeit von
getriebenem Erz und von grosser Schönheit. Der Mittelpunkt des Erzbildes —
so will ich es vorab nennen — wurde durch einen weiblichen Idealkopf ge-
bildet. Die Züge waren von jugendlicher Schönheit, das Haar hoch frisirt und
um dasselbe ein Lorbeerkranz geschlungen. Bechts und links von dem Kopfe
stand je ein Genius, welcher das Ende einer sich über den Kopf hinziehenden
Guirlande gefasst hielt. Der Zwischenraum war mit verschiedenen Verzierungen
ausgefällt. Das Ganze war auf der erhobenen Seite stark versilbert, so dass
jetzt trotz des schöneji Oxyds, welcher das Bild überzieht^ noch reichliche Spuren
davon vorhanden sind.
Es ist schwer zu entscheiden, welchem Zwecke dieser Gegenstand gedient
habe. Wäre die Arbeit weniger schön und fein ausgeführt, so könnte man an
einen Schildbeschlag oder etwas ähnliches denken, allein dazu war es nicht
kräftig genug, denn der geringste Schlag oder Stoss würde es unstreitig zer-
trümmert haben. Ich kann mir anders keine Bestimmung denken, als dass er
eben als ein Bildwerk zum Schmuck eines Zimmers oder einer Halle aufgestellt
oder aufgehängt wurde. Die sämmtlichen Stücke, welche von unserm Vereine
erworben wurden, befinden sich augenblicklich in den Händen eines geschickten
Juweliers, dem es hoffentlich gelingen wird, dieselben richtig zusammenzufügen
und das Fehlende zu ergänzen.
Genau an derselben Stelle fand man mehrere Bronceverzierungen, welche
als Beschläge einer Kiste gedient zu haben scheinen, sogar die Nägel fanden
sich noch vor und es ist deshalb anzunehmen, dass das broncene Kunstwerk
sich in einem Kästchen befand. Das Holz verwitterte natürlich im Verlauf der
Zeit und nur das dauerhafte Erz gelangte in unsern Besitz.
Ausserdem wurden noch römische Gräber an verschiedenen Stellen an
der Goblenzerstrasse aufgedeckt, auf der Sandkaule und an der Cölner Chaussee
weiter entfernt von der Stadt, allein theils waren die Funde so unbedeutend, so
dass es sich nicht lohnt, dieselben näher zu besprechen; theils gelang es mir
nicht. Näheres darüber zu erfahren resp. die betreffenden Fundstücke zu sehen.
Schliesslich erwähne ich noch, dass ein schön gearbeitetes Glasgefass bei
einem Neubau auf der Goblenzerstrasse aufgefunden wurde und durch meine
Vermittlung in die Vereinssammlung gelangt ist.
Ueber einen hier gemachten Münzfund habe ich an einer andern Stelle
des Heftes ausfuhrlich abgehandelt. Dr. Cuny Bouvier.
21
322 Miscellen.
27. Liuz. Der römische Pfahlgraben östlich und südöstlich
von Linz. Als in der Nähe wohnendes Mitglied des Vereins von Alterthams-
freanden im Rheinlande musste ich es sozusagen als Ehrensache betrachten, die
nach den Untersachnngen des Oberstlieutenants F. W. Schmidt (Annalen des
Vereins für Nassauische Alterthumskunde und Geschichte Band VI Heft 1, 1859,
auch in besonderem Abdruck erschienen Kreaznach, in Gommission bei B.
Voigtländer, 1869), des Freiherrn von Hoiningen gen. Huene und des Prof.
Dr. Schneider (in diesen Jahrbüchern XXXVDI S. 171 ff., XLIX S. 177 ff.) noch
nicht näher untersuchte Strecke des limes transrhenanus zwischen dem Biegel-
Steinsgraben und dem Hönningerwalde wo möglich genau nachzuweisen. Die
hierauf gerichteten Bemühungen sind nicht ohne £rfolg geblieben, wenn auch
noch nicht zum Abschluss gediehen. Gleichwohl dürften sich die von den beiden
zuletzt Genannten hinsichtlich der Ruine Renneberg, beziehungsweise des Hom-
bornerhofes, als Anschlusspunkt für die noch zu untersuchende Strecke ausge-
sprochenen Vermuthungen schon jetzt als auf irrthümlichen Auffassungen be-
ruhend erweisen, die gewonnenen Ergebnisse überhaupt aber so sicher sein '
und die vorhandenen Lücke so wesentlich ausfüllen, dass eine Mittheilung der-
selben an dieser Stelle gerechtfertigt erscheinen möchte. Das Verdienst, das
Beste hierbei gethan zu haben, gebührt der freundlichen Mitwirkung und dem
wissenschaftlichen Sinne des terrainkundigen Herrn Oberförsters Melsheimer
hierselbst.
Bei unserm ersten Suchen nach dem Pfahlgraben im Anfange dieses Som-
mers (1873) fiel uns eine Stunde östlich von Linz, etwa V4 Stunde östlich von
dem Linzer Ronig (Hof), auf dem in der Gemeinde Dattenberg >im Grindel c
Flur 10 Parzelle 8 nördlich des Weges gelegenen Acker des Herrn Otto von
Mengershausen eine lange und gerade, in der Richtung von Südosten nach
Nordwesten sich erstreckende wallartige Erhöhung auf, längs deren Ostseite sich
eine grabenartige Vertiefung hinzog. Unsere Vermuthung, dass wir hier Reste
des gesuchten limes vor uns hätten, und dass, falls diese Vermuthung richtig
wäre, wir in dem nordwestlich anstossenden Dattenberger Gemeindewalde die
Fortsetzung desselben finden müssten, bestätigte sich sofort; nur waren in dem
Walde Wall und Graben viel schöner, d. h. höher resp. tiefer erhalten. Herr
von Mengershausen hatte nämlich im letzten Jahre den bis dahin noch zum
Theil mit Holz bewachsenen Damm umroden lassen, wobei natürlich behufs
bequemeren Ackerns sowohl Wall als Graben bedeutend waren eingeebnet wor-
gcn. Die Fortsetzung des Grabens in dem genannten Gemeindewalde läuft in
gerader Richtung in eine natürliche Schlucht aus, die in das Thal des Heid-
scheidenbaches mündet, welcher sich bei der Stemerhütte mit dem Rennenber-
gcrbache vereinigt und bei Linz in den Rhein fallt. Zwischen beiden Bächen
liegt der über 1300 ' hohe Hummelsberg. Da es höchst unwahrscheinlich ist,
dass die Römer den Pfahlgraben über letzteren^ oder sogar mit sehr bedeu-
tender Ausbengung östlich von demselben sollten gezogen haben, so ist die
Vermuthung des Herrn Melsheimer sehr wahrscheinlich, dsss dieselben hier, wie
auch sonst, die von der Natur gegebenen Vertiefungen benutzend, denselben
Misoellen. 1323
von dem obengenannten Biegelsteinsgraben ans zuerst die Westseite eines Ne-
benbächleins des Bennebergerbaches und darauf den letztern selbst entlang bis
zur jetzigen Stemeihütte, dann die Südseite des Heidscheiderbaohes entlang bis
zu der eben erwähnten Schlucht und Parzelle 8 geführt haben. Vielleicht liegt
in der Districtsbenennung >am Heidscheid« (= Grenze gegen die Heiden ?) und
dem von ihr abgeleiteten Namen d§B Baches eine Bestätigung dieser Yermu-
thung, sowie auch vielleicht in dem Namen der etwa 20 Minuten Östlich von
Parzelle 8 gelegenen Basaltkuppe »Römerickc (= Römerberg oder Romberg*)?)
auf der. Wasserscheide zwischen Rhein und Windbach eine Erinnerung an das
weltbeherrschende Volk anklingt.
Kehren wir zu der Parzelle Nr. 8 zurück! Hart an der Südseite des süd-
lich an ihr vorbeiführenden Weges war genau in der Richtung des Pfahlgra-
bens noch eine dammartige Erhöhung bemerklich, die uns, obschon in den
südlich vom Wege liegenden Aeckern und Wiesen sonst jede Spur von Wall
und Graben verschwunden war, für die Fortsetzung derselben in der etwa 40
Schritte südlich von dem genannten Wege entfernt liegenden Holzung das Beste
hoffen Hess. Und richtig: Wir visirten die gerade Richtung und fanden beide
trefflich erhalten vor. Sie verlieren sich wieder in eine Schlucht, die sich bald
zum »Kimmelsthalec erweitert, dessen Wasser sich mit dem Döttersbach ver-
einigt und bei Leubsdorf den Rhein erreicht. Herr Melsheimer ist der Ansicht,
dass der Pfahlgrab^i der Westseite desselben in südwestlicher Richtung bis
zur Yereinigung mit dem von Osten aus dem »grossen Loche kommenden Döt-
tersbach und dann der Südseite, des letzteren nach Osten bis zu dem Punkte ^«
gefolgt sei, von welchem südlich auf der Höhe er denselben im August d. J.
wieder aufgefunden hat. Die Fundstelle ist gelegen in dem Gemeindewalde von
Leubsdorf, eine Stunde östlich von diesem Dorfe entfernt, in den durch einen
Weg getrennten Districten > Wammelster c Nr. 7 und >am neuen Wege Nr. 6.
Der Pfahlgrraben wird hier sichtbar an dem nördlichen Abhänge des ersteren
Districts und zieht in einer Länge von etwa 40 Schritt und einnr Höhe von
4 Fnss bis zur Wegeanlage; dann, durch diese unterbrochen, weiter südlich
bis an den entgegengesetzten Abhang in einer Länge von 30 Schritt und einer
Höhe von 3 Fuss. Die südliche Abdachung fällt in den »tiefen Seifen« , den öst-
lichsten Theil des Thaies des Ariendorf erbaches, dessen Nordseite der Pfahl -
graben eine Strerke weit nach Westen gefolgt sein muss, um dann nach einer
südöstlichen Schwenkung über den Gebirgsrücken das Thal des bei Hönningen
in den Rhein mündenden Moorbachs zu gewinnen. Auf diesem Gebirgsrücken
1) In »Romberge fiel zuerst »bc als Opfer der vorwärts wirkenden Assi-
milation, wie aus ursprünglichem Einher (Gegensatz Zeuber, Stamm bar, la-
teinisch und griechisch fer) zuerst Eimber, dann Eimer wurde. Für den
üebergang von »ergt in »erichc vgl. Limperich, entstanden aus Lindberg, wel-
ches noch 996 linberge, 1383 limperche hiess, oder die noch heute in officiellen
Verzeichnissen für ein und denselben Ort vorkommenden Namensformen: Hem-
perich, Himperich, Himberich, Himberg.
B24 Misoellen.
■
fand Herr Melsheimer ebenfalls im August d. J. ein praohtvoll erhaltenes Stück
des Pfahlgrabens in der Gemeinde Hönningen, >aaf dem Peuleiterc Flur 15, wo
der Kamm desselben in einer Länge von 70 Schritt bei einer Höhe von 6 bis
7 Fuss in der Richtung von Norden nach Snden die Grense bildet swischen
der dem Herrn Jakob Schoop in Hönningen gehörigen Waldparzelle Nr. 288
nnd der dem Herrn Goswin Müller in I^nz gehörigen Waldparselle Nr. 286.
An derselben Nordseite beider Parzellen vorbei führt ein im Walde tief ein-
geschnittener Weg westlich in 25 Minuten nach dem Hombomerhof (wo also
kein Pfahlgraben zu suchen sein wird) und von letzterem in 85 Minuten nach
Hönningen. An der Nordseite des Hohlweges ist der Pfahlgraben nur noch in
einer Länge von 16 Schritt erhalten, obschon das Terrain bis zur Thalwand
des Ariendorf erbachcs noch eine ziemliche Strecke weit flach ist. Wahrschein-
lich war der jetzige Wsldboden an dieser Stelle einst Ackerland, eine Yer-
mnthung, die mir sowohl Herr Melsheimer, als unabhängig von diesem ein
Ackersmann äusserte.
Auf diese drei Punkte, die ich alle genau in Augenschein genommen
habe, sind bis jetzt unsere Entdeckungen beschränkt geblieben. Viel wird auch
wol überhaupt nicht mehr auf der fraglichen Strecke zu entdecken sein, da es
bei dem von zahlreichen tiefen Thälern durchschnittenen Terrain nicht zu ver-
wundem ist, dass im Laufe so vieler Jahrhunderte an den steilen Abhängen
die Dammerde den Ein^virkungen des Wassers und dem Gesetze der Schwere
weichend spurlos hinabgerollt ist. Bemerkenswerth ist bei der Anlage an allen
drei Punkten, dass die schmälsten Stellen der Bergrücken zu üebergängen
von Thal zu Thal gewählt worden sind, dass auf diesen üebergängen der Wall
dem Rheine parallel von Südosten nach Nordwesten zieht, dass die Verbin-
dungen der Bergrrücken durch westwärts, convexe, dem Laufe von Bächen
folgende Curven vermittelt zu sein scheinen, endlich dass alle drei Punkte un-
gefähr in dem gleichen directen Abstände einer Stunde (der südlichste etwas
weniger) von dem Rheine entfernt sind.
Steinring bei Hönningen a. Rh. Im AnscUuss an Vorstehendes die
Notiz, dass sich 1 Stunde 20 Minuten östlich von Hönningen, nördlich an dem
Wege nach dem Mahlberge auf einem Bergrücken am Anfange des Rheinbroh*
1er Gemeindewaldes in dem District »Gepachte Laach« ein runder Steinhügel
von 10 m. Durchmesser, 1,8 m. Höhe befindet.
Linz a. Rh. Joseph Pohl.
28. Linz. Fundstätten römischer Alterthümer in der Um-
gebung von Billig im Kreise Euskirchen. Die durch die öffentlichen
Blätter zu meiner Kenntniss gelangte Absicht des Vereins der rheinischen Al-
terthumsfreunde, die alte Belgica aufgraben zu lassen, hat insofern ein erhöhtes
Interesse für mich, als Billig mein Geburtsort ist, und ich in Folge dessen im
Stande zu sein glaube, mehrere auf eigener Anschauung beruhende Angaben sa
machen, die zur Aufhellung der Ausdehnung der Station, ihrer Umgebung und
MisoeUen. 325
YerfaindiuigBwege einige nicht ganz onweaentliohe Anhaltsponkte geben dürften.
Ich kann dabei die Frage nicht uliterdrücken, ob es sich nicht überhaupt em-
pfehlen würde, 8ur Ermöglichung und Förderung künftiger NachforBchungen
in diesen Jahrbüchern den j Fundstätten von Alterthümemc eine besondere
Rubrik zu eröfinen, wenn sich auch die betreffenden Mittheilungen auf eine
genaue Angabe der Localitaten beschränken sollten. Zur Anregung dieser
Fragebestimmt mich das in Folge der Bodencultur taglich mehr um sich grei-
fende Schwinden der Alterthümer, die leider nur zu grosse Theilnahmlosigkeit
der Menschen für solche in der Regel keinen direoten materiellen Gewinn ab-
werfenden Dinge, die Schwäche des menschlichen Gedächtnisses und die daraus
hervorgehende Unsicherheit mündlicher Ueberlieferung, endlich die Möglichkeit,
dass das von Einzelnen Gewusste durch Schweigen für immer oder doch viel-
leicht auf lange Zeit, bis ein glücklicher Zufall es wieder ans Licht bringt, der
Vergessenheit anheimfallt. In diesem Sinne bitte ich die nachstehenden Notizen
aufzunehmen.
I. Bei meinen Studien über römische Ortsnamen in den Rheinlandon war
mir der Flurname »auf der Spichc aufgefallen. Die fragliche Flur liegt in der
Gemeinde Euenheim, an der Grenze der Gemeinde Wisskirchen, etwa 15 Mi-
nuten von letzterem Orte in südöstlicher und etwa 40 Minuten von Billig in
westlicher Richtung entfernt. Da ich erfuhr, dass daselbst Ziegelstücke gefunden
würden, so begab ich mich in den diesjährigen Osterferien an Ort und Stelle.
In der Richtung von Norden nach Süden kommend, gelangte ich vor eine etwa
20 Fuss hohe, von Osten nach Westen sich in einer Länge von ungefikbr 50
Schritt ausdehnende Terrasse. Die Natur hat diese schwerlich gebildet, da die
ganze Abdachung des Höhenzuges, des nördlichsten Ausläufers der Eifelgebirge,
von Süden nach Norden streicht, also Regengüsse beispielsweise eine Abspü-
lung in der angegebenen Richtung nicht fuglich hätten bewirken können. Zu-
dem befanden sich am östlichen und westlichen Ende der Terrasse noch Reste
von Qnergräben in der Richtung von Norden nach Süden. Die südlich an die
Terrasse angrenzenden Felder fand ich mit zahlreichen, zum Theil noch ziem^
lieh grossen Fragmenten römischer Dachziegel bedeckt. Erwägt man nun, dass
der Punkt nach allen Seiten, Süden ausgenommen, eine herrliche Femsicht ge-
währt, dass derselbe höchstens 5 Minuten südlich von einer geraden Verbin-
dungslinie zwischen Billig und Zülpich liegt, so verfällt man leicht auf die
Vermuthang, dass wir hier die Stelle eines römischen Wartthurms vor uns
haben, der vielleicht zum Schutze der die beiden genannten Stationsorte ver-
bindenden römischen Militärstrasse diente, welche F. W. Schmidt in diesen
Jahrbüchern XXXI S. 48 ohne nähere Angaben kürz erwähnt. Der Name »Spichc
wäre also aus »speculac verstümmelt (vgl. Spiegel ss speculum). Den gleichen
Urspmng hat vielleicht der Name des Dorfes Spich im Siegkreise, zumal wenn
es wahr ist, dass der von Th>isdorf bis Opladen zu verfolgende Damm, wie
Sohaafihansen (Jahrbb. LII S. 179) vermuthet, eine römische Heerstrasse ge-
wesen ist. Dass unmittelbar östlich von Spich auf dem Höhenzuge ein geeigneter
Punkt zur Anlage eines Wartthurms vrar, beweist der Umstand, dass daselbst
SZTß Mücelleo.
fidi Dodi iMote das Gebäade einer ehemaligen optischen TdegTaphenstatk»
befindet. Auch der Spechelsiein im Kreise Rheinbsch, eine etwa 1000 ¥um ab-
soluter Höhe messende Bergkuppe, ','t Stande südöstlich von Schweinbeim, ist
^wol TOD speeala benannt, eine Vermutbiing, die sich bereit« in dem Ajnfinitie:
»Belgioa, eine feste römische Niederlassang an der Erfl« (abgedruckt is der
Erfsy Unterhaltungsblait und Anzeiger, Euskirchen 1636 Xr. 102 bis 105 und
1837 Kr. 1, anch besonders erschienen Köln 1836 bei Bachem) mit Andentang'
näherer Begründung ausgesprochen findet; vgl. auch Barsch, Eiflia illostrala
8. Bd. 1 Abth. 1. Abschn. pag. 252, Eick, Römische Wasserleitung p. 122 and
Beimer Jahrbb. XIY p. 170. (Auf letztere 3 Stellen hat mich Herr Pfiurer
Deeker in Kirehheim aufinerksam gemacht.) — Um von den Spicherer Höhen za
schweigen, will ich bloss noch erwähnen, dass nach einer Urkunde im hiesigen
•tidtischen Archir Tom 25. April 1325 Erzbischof Heinrich den Fischfang im
Rhein an der Stelle genannt »Spichc zn Walen [oberhalb linz] . . . dem Orte
* Breitbach [hente yerschwunden] gegenüber, neben dem Molenwege . . . und
den Fang am »Spyehc oberhalb Lupesdorp [Leubsdorf] verpachtet. Unter der
Spich ist hier wol unzweifelhaft die unmittelbar östlich von Walen aof der Höhe
bei dem Dorfe Dattenberg liegende »alte Bürge zu versteh«), ein Name, mit
welchem das südlich von dem nach Dattenberg führenden Qucrthale gelegene
mitteUüterliohe Höhenterrain bezeichnet wird, welches der noch erhaltenen
Borgmino gegenüber liegt. Herr Eduard von Mengershansen in Leubsdorf,
der 18 Jahre lang zu Dattenberg gewohnt hat, theilte mir mit, er habe
von alten Lenten vielfach gehört, auf der »alten Bürge habe ein Römer«
castell gestanden, mit dessen abgebrochenen Maaerrosten man eine zur Seite
der Burg gelegene Schlucht ausgefüllt habe; er selbst habe dort noch einiges
wenige Blaaerwerk mit weissem Kalkanstrich gesehen. — Bei dem Namen »Wa-
'.len€, zwei ehemaligen Gehöften in der Rheinebene vor. dem Eingange des nach
Dattenberg hinauf führenden Thaies, heute allgemein »Wallen« gesprochen und
geschrieben, liegt der Gedanke an das lateinische vallum in verführerischer
oder vielleicht auch nicht verführerischer Nähe.
Name, Lage, Oertlichkeit, Umgebung, kurz alles vereinigt sich, um »auf
der Spiohc planm&ssige Nachgrabungen wünschenswerth erscheinen zu lassen.
Als Cicerone würde mein Verwandter, der Beigeordnete Wilhelm Rech in Wiss-
kirchen, auf meine Empfehlung hin gewiss bereitwillige Dienste leisten.
II. Eine zweite Stelle eines römischen Wartthurms oder jedenfalls eines
römischen Gebäudes constatirte ich als solche am 4. Juni d. J. Dieselbe liegt
zwischen der eben besprochenen Spich und dem Dorfe Billig ziemlich genau in
der Mitte, also von beiden etwa 20 Minuten entfernt, in dem Euskirchener
Gemeindewalde, District »Ober dem Dach^bücheU, etwa 60 Schritte östlich von
dem Münstereifolerwege, in der von einem gewissen Koch aus Euskirchen in
diesem Jahre angekauften und abgetriebenen Lohholzparzelle Nr; 4. Auf die
Mittheilung eines Landmannes, dass man daselbst altes Mauerwerk gefunden
habe, begab ich mich an Ort und Stelle. Eine etwas erhabene, nach Norden
grabenartig unebene Fläche von etwa 26 Schritt im Quadrat ist im Vergleich
Miscellen. 827
za der ümgebong auffallend dicht mit Epheu bewachsen. Auch zeigte man mir
daselbst abgehauenes ülmenholz, dort Iftenholz genannt, welches bekanntlich
Kalk and altes Gemäuer liebt, in der nächsten Umgebung daselbst sich aber
sonst nicht findet. An mehreren Stellen lagen Fragmente römischer Dachziegel ^
zu Tage; auch kommen solche nebst Steinen und Mauermörtel beim Nachgra-
ben an mehreren Stellen schon Va Fufis tief unter dem Boden zum Vorschein.
Auch in der Richtung auf Billig in einer Entfernung von 80 resp. 150 Sehritt
fanden sich beim Spatenstich an zwei Stellen sofort solche Ziegelfragmente.
Auch hier hat man, wie a^f der Spich, am Abhänge des Waldgebirges eine
pr&chtige Femsicht. Wahrscheinlich würden zwei Quergräben die Substructionen
des ehemaligen Gebäudes bald zu Tage treten lassen. Da die Fläche augenblick-
lich frei von Holz ist, liesse sich die Arbeit leichter bewerkstoUigoni zu welcher
die Stadtgemeinde Euskirchen dio Erlaubniss hoffentlich nicht yersagen würde.
Als Führer könnte mein Schwager J. A. Gilsdorf in Billig dienen.
Die alte Bei gica, die beiden eben ausführlicher besprochenen Stellen und
Tolpiacum (für welches Tulliacum als die richtige Form nachzuweisen mir
vielleicht ein anderes Mal vergönnt sein wird) liegen fast genau in einer geraden
Linie, und dürfte deshalb die Vermuthung, dass sich in der Nähe derselben
auch noch Spuren der römischen Heerstrasse finden werden, nicht zu gewagt
erscheinen.
III. Die zwischen den Dörfern Billig und Rheder gelegene Feldflur »auf
dem Kaisersteinc, wo wenigstens nach der landläufigen Ansicht (cfr. Eick 1. I.
p. 78 ff.) die alte Belgica gestanden hat, ist in einer Ausdehnung von wenig-
stens 5 Minuten Länge zwischen dem Rheder-Billiger uncT Weingarten-Billiger
Wege, wie ich mich mit eigenen Augen überzeugt habe, mit römischen Ziegel-
fragmenten fast wie besät. Zwischen Billig und dem Kaiserstein fuhrt noch heute
ein von Südwesten nach Nordosten laufender Weg den Namen »Heerstrasse c; es
ist die in den Jahrbb. XXXI S. 42 und 43 erwähnte, die aber demgemäss nicht
direct auf den Kaiserstein mündet, sondern etwa 8 Minuten westlich an diesem
vorbeizieht. Letzterer war ja freilich von dem Kreuzungspunkte aus auf der
Zfilpich-Billigerstrasso schnell zu erreichen. Die Flur an dem Verbindungswege ,
zwischen jener »Heerstrasse« und dem »Kaisersteinc (dem heutigen Wege zwi-
schen Billig und Rheder) heisst »am breiten Weg«, im Volksmunde »am brede
Weg«, wobei es mir zweifelhaft bleibt, ob in dem letztem Ausdruck ein Ana-
logen von »SteinstrasBcc, »grüner Weg« u. s. w. zur Bezeichnung einer römi-
schen Militärstrasse, oder bloss eine Gorruption statt »am Rheder(er) Weg«
steckt, in welchem Falle das b in »am brede Weg« eingeschoben wäre zur
Erleichterung der Aussprache, ähnlich wie in nombre von numerus, chambre
von camera. Zu Gunsten der ersteren Erklärung dürfte ausser der Bedenklich-
keit der Annahme einer Verschluckung von »er« in »Rhederer« vielleicht be-
sonders der Umstand sprechen, dass im Dorfe Billig noch heute eine Strasse,
die ebenfalls von Osten nach Westen läuft, also auch ein Stück der ehemaligen
Billig-Zülpiofaer Strasse sein könnte, dio »breite Strasse« heisst. Indessen scheint
es mir überhaupt willkürlich und mit anderen Thatsachen im Widersprach, die
_i_^ri_*
328 Misoelleu.
Aasdelmang der alten Belgica auf den Kaiserstein beaohranken sa vollen So-
wohl Funde als Namen sprechen für eine grössere Ausdehnung der Station
oder doch wenigstens einzelner vorgeschobener Werke. So fand ich Broehstuoke
^ römischer Ziegelsteine in der Billiger Feldflur »auf der Heepc, südlich des
Weingartener Weges, einen Steinwurf östlich von der »Heerstrassec ; femer in
der Feldflur »im Kessel«, in welche die »Heerstrasse < direct hineinmündet, so-
gleich nördlich vom Stotzheimerwege auf den Feldern der Ackerer Jakob Bung,
Heinrich Kupper und Matthias Dissemond von Billig. Von Bung erwarb ich
eine jetzt der Sammlung des hiesigen Progymnasinms einverleibte, auf dem q.
Acker beim Pfldgen im October 1869 gefundene Silbermünze des römischen
Kaisers Fhilippus (244—249 n. Chr.), die bei Cohen, med. imp. tom. 4 p. 184
Nr. 83 näher beschrieben ist. Die mit der Strahlenkrone geschmückte, nach
rechts gewendete Büste des Kaisers trägt die Umschrift: IMP(erator) PHI-
LIPPVS AVC(u8tU8).; Der Revers SAECVLARES AVCC (= Augu-
storum) umgibt einen nach rechts schreitenden Hirsch, unter welchem eine U
steht. Der Flurname »Kessel« ist wol von castellum herzuleiten, wie nach
Jahrbb. XXXI S. 125 Kessel auf der linken Seite der Maas =s castellum Mena-
piorum ist. Unmittelbar südsüdöstlich stösst an den »Kessel« die Feldflur »aufm
Wihlder«, die mit ihrem südöstlichsten Punkte an den »Kaiserstein« grenzt.
Der Name »Wihlder« ist vielleicht von villa (Weiler) abzuleiten. Was den Ein-
schub des d betrifft, so hört man in Billig auch »Dahlder«, »Tellder«, »Kell-
der« für Thaler, Teller, Keller u. s. w. (Die Feldfluren östlich vom »Wihlder«
und nördlich vom ^Kaiserstein« heissen »an der Ehlenmahr« [?] und »auf
der Kuh«.
' Die der Gemeinde gehörige Anhöhe hart südöstlich am Dorfe Billig, auf
welcher jetzt eine Kapelle sieht, mit der herrlichen Aussicht nach Zülpich,
dessen Thürme man deutlich erkennt, und bis zur Roer-Gegend, nach der Vill
und dem blauen Siebengebirge, der »Orenstein« ') genannt, bin ich für den
Träger eines der westlichsten Vorwerke von Belgica zu halten geneigt. Die
Zusammensetzung mit »Stein« deutet, wie in so manchen Wörtern, auf frühere
Befestigung hin; vgl. obiges Specheistein, ferner Kaiserstein, Eigelstein, die An-
höhe »am Stein« bei Freilingen, im Kreise Scbleiden, über deren Alterthümer
ich nächstens berichten werde, »Stechgende- oder Steggen-Steiu« bei Gressenich
(vgl. Annal. des histor. Ter. f. d. Niederrhein 21. 22, 163). vgl. auch Mittheil,
des Vereins für Gesch. und Alterth. iu Hohenzollern V S. 114 (1872). Reste
von Ziegeln u. dgl. sind jetzt freilich auf dem Orenstein nicht mehr zu sehen;
natürlich, da in meiner Knabenzeit (in den 40er Jahren) der Grund und Boden
desselben nach öfifentlicher Versteigerung mehrere Fuss tief zur Verbesserung
von Feldern weggefahren worden ist, nachdem schon vorher die meisten der
mächtigen, auf demselben (wie auch im Dorfe) gelagerten Errat-Granitblöcke
^) 6 wird in dem Worte wie ein halbes a ausgesprochen, fast wie im
englischen fall, call, all etc.
Misoellen. 329
SQ ChaoBseebaa-Material waren zenohlagen worden. Dass man dabei Bruch*
Stücke von Ziegeln u. s. w. bemerkt h&tte, habe ich allerdings nicht gehört;
doch hat man vielleicht auch nicht darauf geachtet. So würde denn unsere Hy«
pothöBe, abgesehen von dem dunkeln Namen des Platzes und seiner zu einer
Befestigung für militärische Zwecke die Römer gleichsam einladenden natür-
lichen Beschaffenheit, schliesslich doch gleich ihm selbst ziemlich luftiger Art
sein, wenn sich nicht in seiner unmittelbaren Nachbarschaft noch einige be-
aohtenswerthe Stützen far dieselbe fanden. Nämlich westlich von dem Orenstein
liegt vdie alte Bürge, ein weitläufiger Rasenplatz mit noch gut erhaltenen Grä-
ben (Weihern) an der Südseite und dem ins Dorf abschüssigen Gemeindeplatz
»Bliessemc [?] an der Nordseite. Besonders bemerkenswerth ist an der »alten
Burg« der südöstlichste von dem Orenstein kaum 200 Schritt entfernte Theil,
der sogenannte »Knöppc (mit geschlossenem ö zu sgrechen), eine rings im
Kreise von einem sehr tiefen und breiten Weiher umgebene Anhöhe, an deren
Rande man jetzt bloss noch einige Spuren von fjut gänzlich verschwundenen
Mauerresten bemerkt, von denen ältere Leute noch mehr gesehen haben wollen.
Mag auch das Ganze in seiner jetzigen Gestalt mittelalterlichen Ursprungs sein,
der vielleicht bis in die fränkische Zeit zurückgeht, so schliesst das doch kei-
neswegs die Annahme einer älteren römischen Befestigung an jener Stelle aus,
es begünstigt dieselbe sogar, da bekanntlich die germanischen Eroberer, ihre
Könige nicht ausgenommen, sich vielfach in den verlassenen Römer statten nie-
dergelassen haben. Dass dies seitens eines germanischen Freien auch in Belgica
geschehen sei, dafar liegt vielleicht ein Anhaltspunkt in der Thatsache, dass
bis zur ersten französischen Revolution das kleine Dorf Billig unter der Herr-
schaft eines Freiherm von der Yorst zu Lombeck unid Gudenau ^) stand, dem
auch die grössten und besten der zu einem seitdem in Privatbesitz überge-
gangenen Pachthofe vereinigten Wiesen und Felder gehörten. Nach der aus un-
bekannter Ursache erfolgten Zerstörung der »alten Bürge wurde dann wol der
im Dorfe noch bestehende »alte Hof« gebaut, nach diesem der »neue Hof«, Ge-
bäude, die in diesem Jahrhundert durch neue ersetzt worden sind, während die
früheren Benennungen sich erhalten haben.
Einen weitem Stützpunkt für die römische Nachbarschaft finde ich ^ in
dem Namen der westlich an der »Hoerstrasse«, etwa 4 Minuten südlich vom
Orenstein gelegenen kleinen Feldflur »auf der Zillig«. Der Name, vielleicht
identisch mit Zülpich (platt »Zöllich«), scheint römischen Ursprungs, wie man
das von ungefikhr 99 Prozent aller linksrheinischen Ortsnamen auf »ich« und
»ig« behaupten und — beweisen kann.
Nebenbei bemerkt geben manche räthselhafte Namen am und im Dorfe
*) Auf einer in der Kirche zu Billig befindlichen, im Jahre 1746 gegosse-
nen Glocke wird derselbe ausserdem genannt : HERR ZV GYDENAY KONIGS-
WINTER YHiLIP MELL NYERENDORFF ODINGEN RVTZHEIM (» Roitz-
heim) BILLIG AMBTMANN DERREN AMBTREN REINBERCK GVDESBERC
VND MIEHTiEM (de).
830
Miscellen.
Billig mancherlei zu denken. So ausser den bereits genannten der »Hostertc.
Ackerfeld an der »breiten Strasse«, der »Ringele, allein liegender Doriiheil
südlich, von der »breiten Strasse«, die »Comm«, grosses Ackerfeld westlich yom
Dörfe »der alte Weiher«, sumpfiger Wiesenglati und Holzung, etwa 8 Min. süd-
westlich vom Dorfe (so benannt, nachdem bei der »alten Burg« neue Weiher
waren angelegt worden?), der »Göbbelstall«, desgl., etwa 8 Minuten südlich, das
»Lützenbillig«, Feldflur, Vi Stande westlich vom Dorfe (=s Lützelbillig d. i.
Kleinbillig?) u. s. w.
IV. Schliesslich sei noch auf drei Punkte aufmerksam gemacht, an denen
sich Nachgrabungen wahrscheinlich lohnen würden: a) auf ein Grundstück un-
terhalb Rheder ') in der Flur »auf dem Hondert«, dem Wegewftrter Müller da-
selbst gehörend, welches höchst wahrscheinlich noch eine bedeutende Anzahl
römischer Graber birgt; b) auf einen den Geschwistern Flink in Weingarten
gehörigen Acker, auf dem rechten Ufer der Erft daselbst; c) auf die Flur »an
der breiten Strasse« etwa 12 Minuten südlich von Enzen (Kr. Euskirchen), öst-
lich von dem Wege nach Commem. In diesem Frühjahr wurde der Sammlung
des hiesigen Progymnasiums eine daselbst in dem Acker des Herrn Theodor
Althausen gefundene Kupfermünze des Kaisers Valens geschenkt mit der ge-
wöhnUchen Legende: DN VALENS P F AVC Rev. SECVRITAS
REIPVBLICAE "^ter einer Victoria mit Kranz und Palme: TR P. Meh-
rere Felder daselbst, z. B. das des Vorstehers Walpott, fand ich mit ziemlich
zahlreichen Ziegelfragmenten bedeckt. Die Umschau ist wieder eine sehr freie.
Linz a. Rh., Nov. 1873.
Joseph Pohl.
29. St. Vith. Der grösste bis jetzt in hiesiger Gegend entdeckte römische
Bau lag südöstlich vom Dorfe Montenau, am Fusse des jetzt noch sog. Schoss-
feldes (Schlossfeld?), und mag wohl unserer hiesigen Römerstrasse, über Tom-
men und Müringen nach Cöln gehend, nicht fern gelegen haben. Nach den
auf dieser Stelle noch vorhandenen abgegrenzten Erhöhungen zu schliessen,
bildete dieser Bau ein längliches Viereck, dessen Länge 60 bis 70 Schritte be-
tragen haben mag. Auf einer dieser Erhöhungen wurden im J. 1868 auf Kosten
der k. Regierung zu Aachen Nachgrabungen veranstaltet. Im tiefen, mit Kalk-
mörtel, Asche und Kohlen vermischten Schutte fanden sich mitunter noch teller-
grosse weisse Wandstücke mit gut erhaltenen gelben und rothen Farbstreifen
verziert; ferner eine Menge 7- bis 8-fach verschieden geformte Ziegel und Zie-
') Ich halte diesen Ortsnamen für keltisch = Rigodnrnm (cfr. Rigomagus
=s Remagen). Der Ort bildet mit dem deutschen Weingarten und den römi-
sch en Billig und Calcar (wol von Kalköfen, die die Römer in der Nähe betrieben,
benannt, wie ich mich bereits irgendwo gelesen zu haben erinnere) jetzt eine
Pfarrei. Eine interessante, übrigens nicht vereinzelt dastehende Zusammen*
Stellung I
?r
Misoelleti. S31
gelstaoke, deren auffallende versohiedene Oeffnungen nnd Locher auf eine gleich*
zeitige HeizungsanBtalt schlieesen lassen; dann verschiedene eiserne Nägel, ein
langes schweres Stück Roheisen, Dachschiefer mit Nagollöchern, welche Schiefer
aber, wahrscheinlich durch Brand, nicht mehr blau, sondern röthlichbraun sind.
Untcür diesem Schutte kam man auf yerechieden verlaufende Ziegelmauern, wor-
unter grosse Basalt-Blöcke lagen, welche jedenfalls aus der hohen vulkanischen
Eifel hierher transportirt worden sind und auf einen ehemaligen grossartigen
römischen Bau hindeuten. Nach der Lage dieses Baues an der römischen Heer-
strasse durch den Ardennenwald, sowie nach dem vorgefundenen rohen Eisen-
stücke, den Basaltblöoken und den kaminartig geformten Ziegeln lässt sich ver-
mnthen, dass hier gleichzeitig eine Eisenschmelz oder Werkstatt zur Anfertigung
römischer Waffen gewesen sein mag. Grade von dieser Stelle aus laufen auch
die bis jetzt, hinsichtlich ihres Ursprunges unerklärlichen, sehr zahlreichen
mehr oder minder grossen, aufgeworfenen Sand- nnd Kieshngel an dem »Rech-
ter Walde« vorbei sogar bis nach St. Hubert, welche mit diesem Baue irgend
einen ursächlichen Zusammenhang gehabt haben mögen.
Noch näher bei St. Yith, zu Breitfeld, hat ein ähnlicher römischer Bau
gestanden. Auf einem Felde, dicht hinter dem MargrafTschen Hause sind ähn-
-licb geformte Ziegel und Ziegelmauer-Ueberbleibsel heransgegraben worden.
(Kreisblatt für den Kreis Malmedy. 1868. Nr. 74.)
SO. Bonn. Mercnrius und Rosmerta. Die Temps vom 29. Mai 1873
enthalten folgenden für die röm. Epigraphie beachtenswerttien Bericht: Auf 16
epigraphisohen Denkmälern, welche in den Rheinlanden, und im östlichen Gallien
gekommen sind, findet man die Namen dieser zwei Gottheiten vereinigt. Seit dem
17. Jahrb. besitzt man ein bas-relief von Längeres, welches den Mercur und eine Göttin
darstellt, die keine andere sein kann als Rosmerta und in welcher man ent-
weder die römische Postverta oder die Schutzgöttin des Ackerbaus oder des
Handels oder der Pferdemärkte zu erkennen glaubte. Dieses Bildwerk ist nicht
mehr vorhanden, und ohne die Zeichnung von Pe tavius würde selbst die Erinne-
rung daran wahrscheinlich erloschen sein. Jedoch in der letztem Zeit ist die
Wissenschaft durch die archäologischen Forschungen in den Besitz einer An-
zahl von neuem Denkmälern gelangt, auf welchen Mercur und seine räthselhafte
Begleiterin dargestellt sind. Ein deutscher Archäolog, Hr. Becker aus Frankfurt,
hat in einer Reihe schätzbarer Untersuchungen festzustellen gesucht, dass Ros-
merta die Göttin des Glückes sei.
Hr. Gh. Robert theilt seinen Gollegen eine Denkschrift mit, welche zum
Zwecke hat, die Rolle und Bedeutung der Rosmerta näher zu bestimmen. Zu-
nächst ist ersichtlich, dass man es mit einer römisch-gallischen Ortsgotthoit zu
thun hat, d. h. mit einer Gottheit, deren Verehrung auf eine Gruppe von be-
nachbarten Städten, auf eine einzelne Gegend beschränkt gewesen ^ein muss.
Es erhebt sich die Frage: ist der Name der Rosmerta deutsch oder keltisch?
Dieses etymologische Problem ist noch ungelöst; jedoch hat die Mehrzahl der
882
Miflcellen.
Philologen dem Namen einen keltisoben ünpmng beigelegt, ohne dais es bis
jetzt gelangen w&re, den Sinn des Wortes nachsaweisen.
Bosmerta ist nicht als Fortuna anzusehen; Mercur hatte bei den Galliern
keinerlei mystische Verbindung mit dieser Göttin. Weit entfernt beide zu yer-
einen, beweisen die Inschriften, dass die Weihenden, ganz verschiedenen socialen
Verhältnissen angehörten. Es ist nicht zn leugnen, dass Bosmerta mit dem Fflll-
hom erscheint, allein man sieht bei ihr niemals das Stenerradery das specielle
und charakteristische Attribut der Fortuna. Die gallische Gtottheit hat ein dop-
peltes Gewand; sie tragt bald den Schlangenstab (caducens), bald das Füllhorn,
bald beide Symbole zugleich; sie erscheint auch mit dem Beutel, abgesehen
dayon, dass auf einigen Belief-Dar Stellungen Mercur ihr den Beutel darreicht
und den Inhalt in die Schale schüttet, welche sie ihm hinhalt. Sie ist in der*
selben Weise beschuht wie die Mütter.
Hr. Bobert fuhrt ähnliche Darstellungen aus Puzzuoli, Verona und Pompeji
an, auf welchen Maja, d. h. die Erdmntter, sich zu Merour gesellt findet. Hieraus
folgert er im Gegensatz zu Prof. Becker und in Uebereinstimmung mit Otto Jahn,
dass die yon Mercur seiner Gesellschafterin dargereichte Börse, wie sie in Italien
und im nordöstlichen Gallien sich abgebildet findet, als Symbol der alten chtho-
nischen Bedeutung Mercurs zu betrachten ist, vermöge deren er die Erde be-
fruchtet, ihre Früchte zur Entwicklung bringt und endlich dem Menschen die
Seele und das Leben gibt. Diese Schlussfolgerung scheint durch die Thatsache
bestätigt zu werden, dass die belgischen Inschriften eben so oft die Maja als
die Bosmerta dem Mercur zugesellen. Die Genossin des keltischen Gottes, wel-
chen die Bömer mit Mercur identificirt hatten, ward ununterbrochen unter ihrem
einheimischen Namen durch gallische Familien, welche der nationalen Ueberlie-
ferung treu blieben, verehrt, während sie den Namen der Maja annahm, wenn
romanisirte Gallier oder Bömer während ihres Aufenthaltes in Gallien die Wid-
menden waren, c
Hr, Bobert hat seine Denkschrift über Mercur und Bosmerta noch weiter
ausgeführt und zu begründen gesucht in der Epigraphie gallo-romaine
de la Mo seile. Etüde parP. CharlesBobert, membre de l'institut. Finde la
I. parthie. Paris, 1873, welche uns eben durch die Güte des Verf. zugegangen.
Wir gedenken von dieser in jeder Hinsicht musterhaften, durch treffliche Ab-
bildungen nach der neuen sog. Photogravure Duj ardin illustrirten epigra-
phischen Monogrraphie, welche die römischen oder gallisch-römischen Inschriften
des Mosel-Departements (Hauptstadt Metz) begreifen soll und bis jetzt in den zwei
erschienenen Abtheilungen (die 1. erschien 1869) die den Göttern gewidmeten
Inschriften, die sich meist in den Metzer Sammlungen befinden, behandelt, in
nnserm nächsten Hefte eine eingehendere Anzeige zu bringen« J. Fr.
81. Ein altdeutsches Sprachdenkmal, ünkel gegenüber steht an
dem Wege, der in's Unkelbaohthal fuhrt, einHeiligenhäusohen, welches in neuerer
Zeit restanrirt worden ist. An demselben befindet sich, nnzweifelfaalt von dem
MiBoellen. 888
Eapellohen herrührend, ein grosser Siein über der Nische eingemauert mit fol-
gender gat erhaltenen Inschrift in gotischen Buchstaben:
>A.nno. dm. m. €CGC non. in die. sti. lamberti. do dede. arnolt. amolt-
ges. son. TS. nnkebach. dit. mache, got. geve. de. sin. euuch. leve. de. eir.
hulpe. zo lien. geve.c
9lm Jahre des Herrn 1409 am Tage des heiligen Lambertus, da Hess Arnold
Amoldgres Sohn Ton Unkelbach dieses machen. Gott gebe denen sein ewig Le-
ben, die ihre Hülfe sa Lehen geben, c
Pyof. Birlinger übersetzt: >6ott gebe den Seinigen das ewige Leben, der
Ehre (und) Hülfe (zur Zeit) zu Lehen gibt,« und bemerkt, dass ähnliche Sprüche
bei Freidanl[: und den Minnesängern vorkommen. Professor Simrook tritt der
ersteren Erklärung bei und bemerkt, wahrscheinlich hätte ein Opferstock dabei
gestanden, um die Beisteuern zur Erhaltung des Denkmals aufzunehmen. Die
Sprache sei niederrheinisch.
Schaaffhausen.
82. Bonn, 24. Noy. Einen neuen Beweis für die Thatsacho, dass die Römer
bereits die Bleibergwerke bei Gommern betrieben, liefert ein kürzlich gemachter
Münzfand. In einer alten Halde der Bleierzgruben am Tanzberge bei Call wurde
eine schön patinirte Grosserz-Münze des Kaisers Claudius, R: S. G. und ein
schreitender Mars mit Schild und Speer, gefunden und von Herrn Gruben,
director Theobald an S' Ezo. Herrn Geh.-Rath von Deohen eingesendet.
Schaaffhausen.
[Vergl. Bonn. Jahrbb. LH p. 168. Üeber den, bedeutendsten, am Tanzberg
1849 gemachten Fund von Silbermünzen, welche dem Zeitraum von Yespasian
bis Severus Alexander angehörten, im Gewicht von 20 Pfund, finden sich nähere
Mittheilungen bei >Eick, die röm. Wasserleitung aus der Eifel nach Eöln.t
1867. S. 41. J. Fr.]
88. Bonn. Prof. Simrock theilt mir ein Guriosum, der Genlok über^
schrieben, aus Ühland's Schriften zur Gesch. der Dichtung und Sage,
8» Bd. S. 619 mit, das hier als fuga spatii eine Stelle finden möge: >In einem
Hanse zu Mittelstadt war ein Stein mit Bildern eingemauert. Ein Alterthuns*
freund, der in diesen römische Laren findet, macht dem Hausbesitzer den Stein
feil und der Handel war schon am Abschluss. Da legte die Altmntter des Hau-
ses Widerspruch ein; es habe nur Unheil gebracht, als man den Genlok ausge-
brochen, gleich in der folgenden Nacht sei der Falbe im Stall gefallen. Der
früher verkaufte war ein ähnlicher Mauerstein mit dem eingehanenen Kamen
(gen. loc, genio loci). Der Stein mit den Laren steht noch in der Mauer und
der Kauflustige muss sich gedulden, bis die Altmutter heimgegangen ist. Nach
der Erzählung des Hm. Pfarrers Memminger am 24. Sept. 1852. c J. Fr.
IV. Chronik des Vereins
für ias yeretnsinlir 1872 (re$)r. Ilfinsften 1872-1873).
Auch in diesem Jahre trat an unser Institut die Wahrnehmung
heran; dass gegenüber der demselben gesteckten Aufgabe der all-
seitigen Erforschung, Erhaltung und Sammlung rheinischer Denkmäler
das sich ihm darbietende wissenschaftliche Material ein reichhaltigeres
und, vielseitigeres war, als dass es durch die Kraft des Vereins in
seiner jetzigen Einrichtung hätte überwältigt werden können. Wenn
wir desshalb wiederholt auf die Nothwendigkeit einer eingreifendem
Thätigkeit der auswärtigen Sekretaire zurückkommen müssen, so war
es doch vor allem zu bedauern, dass die bei dem hohen Königl. Mini-
sterium und den städtischen Behörden zu Bonn beruhenden Vorlagen,
betreffend eine dauernde Jahresunterstützung und die dringend noth-
wendige Erweiterung des Vereinslocals noch immer unerledigt geblieben
sind: drei Momente, von deren günstiger Erledigung die fortschreitende
Blüte unseres Vereins wesentlich bedingt ist.
Die sonstigen äussern Verhältnisse waren fortdauernd befriedigend ;
die Zahl der Mitglieder betrug 614, unter welchen nach Abzug der
ausserordentlichen und Ehrenmitglieder 580 zahlende verblieben. Durch
den Tod verlor der Verein aus der Reihe der Ehrenmitglieder einen
der hervorragendsten Archäologen Frankreichs, NarcissdeCaumont,
den Begründer der Soci6t^ des Antiquaires de Normandie so wie der
Soc. fran^aise d'arch^ologie, Verfasser des Cours d'antiquit^ monu-
mentales (6. Tom.) und des bekannten Ab^c^daire d'arch6ologie. Von
ordentlichen Mitgliedern beklagen wir den Verlust des Herrn Geh.-
Chronik des Vereins. 886
ßaths Altgelt in Düsseldorf, eines der wohlwollendsten Förderer der
Vereinszwecke, des zu frühe der Wissenschaft entrissenen Professors der
Geschichte Dr. Kamp schulte, des um das Schulwesen verdienten
Reg.-Bath Lic. Blum in Köln, des Herrn Freiherrn von Nordeck
und des Herrn Pfarrers Bichrath in Rommerskirchen ; ausserdem
starb das ausserord. Mitglied Herr Pfarrer Welt er in Hürtgen.
Was die Cassenverhältnisse betriflft, so betrugen die
Gesammteinnahmen im Ganzen 3104 Thlr. 15 Sgr. — Pf.
gegenüber einer Ausgabe von 1634 „ 22 „ 8 „
Verblieb Ueberschuss 1469 „ 22 „ 4 „
Dieses ausserordentlich günstige allgemeine Resultat ward her-
beigeführt durch folgende zwei sehr dankenswerthe grössere Gaben,
die bereits in der Chronik zu Heft LH. vorläufig vermeldet sind:
1) Seitens des rheinischen Provinzial-Landtags im Betrage von
800 Thlr. /
2) Der Aachen - Münchener Feuerversicherungs - Gesellschaft von
500 Thlr.
Ausserdem wendete die Wittwe unseres verst. geehrten Mitglieds
6eh.-Rath Altgelt in Düsseldorf dem Verein zur Erinnerung an
ihren Gemahl 25 Thlr. zu.
Ungeachtet dieser ungewöhnlichen Einnahme von 1325 Thlr.
würde schon die regelmässige Einnahme 1779 Thlr. vollständig zur
Deckung der Gesammtausgaben von 1634 Thlr. ^ ausgereicht haben.
Letztere vertheilen sich in runden Summen : für die literarisch-artistischen
Arbeiten auf 870, für Bücheranschaffungen auf 93 Thlr., für Ankauf von
Alterthümern 244 Thlr., für Reisen und Ausgrabuugen 65 Thlr., für
Verwaltungskosten und Diversa aller Art 240 Thlr.
Wenn der Vereinsvorstand dem erheblichen Ueberschusse gegenüber
in dem verflossenen Vereinsjahre einer weisen Sparsamkeit Rechnung
trug, so bestimmte ihn dazu die Verpflichtung, die Geschenke des
Provinzial-Landtags und. der Aachener Feuerversicherungs-Gesellschaft
zu Ankäufen von Alterthümern für das Arndt-Museum in Verwendung
zu bringen. Ankäufe dieser Art sind aber ganz dem Zufall unter-
worfen und desshalb ist es geboten, für jeglichen Fall, wo sich eine
günstige Gelegenheit darbietet, das Geld in Reserve zu haben. Die
Gassen-Verwaltung hat, wie in der vorigen Chronik angemeldet worden,
Herr Rechnungs - Rath Fr icke mit anerkennungswerther Sorgfalt
geführt
886 Chronik des YereinB.
Blicken wir auf unsere literarische Thätigkeit zurück, so ist in dem
angegebenen Zeitraum Heft LH. der Jahrbücher erschienen und von
H. LIU— IV der Druck der ersten 10 Bogen, eben so die Hälfte der
Publication „des Mosaikbodens in St. Gereon zu Köln" fertig geworden.
Wenn beide Veröffentlichungen erst jetzt erscheinen, so engaben sich
für das neue Heft sachliche Gründe zur Erweiterung desselben zu
einem Doppelhefte, für die letztere die Nothwendigkeit einer Sistirung
des Druckes durch den während desselben, beim Abbruch des Haupt-
altars von St. Gereon, unerwartet gemachten Fund neuer Mosaikreste,
die voraussichtlich Licht über die Gesammtlage des zerstörten Bodens
zu gewähren geeignet schienen. Wir haben sofort den Eirchenvor-
stand von St. Gereon um vollständige Aufdeckung, unter dem Aner-
bieten die nöthigen Geldmittel zu gewähren, ersucht, leider ohne den
gewünschten £rfolg. Immerhin hat dieser Aufschub der Publication
in Folge der vom Verfasser auf einer erneuten italienischen Heise
gemachten Entdeckungen einen weiteren Umfang zu geben verstattet,
so dass unsere Mitglieder zufrieden sein dürften, in dem so reich aus-
gestatteten Werke für zwei Festschriften Eine entsprechende Gabe zu
empfangen.
Das dringende Bedürfniss der Herstellung eines fortgesetzten,
resp. neuen vollständigem General-Registers unserer immer mehr an-
wachsenden Jahrbücher ist leider durch den in Folge einer Beförderung
zum Inspector der kath. Selecten-Schule nothwendig gewordenen Bäd(-
tritt des dafür gewonnenen Herrn Prof. Dr. Becker in Frankfurt uner-
füllt geblieben. Wir werden jedoch unsere Bemühungen zur Gewinnung
einer geeigneten Kraft fortsetzen und verweisen desshalb auf die betr.
Aufforderung auf dem Umschlage dieses Heftes.
Ausser der vom Prof. Dr. Kraus in Strassbung vorbereiteten
Sammlung der christlichen Inschriften des frühen M.-A. in den Rhem-
landen ist als ein weiteres Werk der Zukunft „eine Statistik der
Denkmäler der Rheinprovinz" in Aussicht genommen, zu deren Ab-
fassung vom König!. Oberpräsidium Plan und Kostenanschlag einge-
fordert wurden.
Die in den Räumen unseres Vereinslocals im Amdthause aufbe-
wahrte Sammlung und Bibliothek wächst in dem Masse an, dass es
durchaus nicht möglich ist, die verschiedenen Gegenstände der Sammlung
unterzubringen, und namentUch sind die wichtigen Steinmonumente zum
grossen Theil dem Wetter und dem Muthwillen ausgesetzt In dankens-
werther Weise hat der neuernannte Stadtbaumeister Herr von Noel
Chronik des Vereine. 337
dem Verein den Plan zur Erbauung einer an der Nordgrenze des
Arndt'schen Gartens zu errichtenden Halle eingereicht, deren Her-
stellung aber bei einem Kostenaufwand von 9000 Thlr. so lange auf
unüberwindliche Schwierigkeiten stösst, bis die erwünschte Staatshülfe
bewilligt sein wird.
An bedeutenderen Geschenken sind zu verzeichnen:
1) Von der Direction der rhein. Eisenbahn-Gesell-
schaft: Der Meilenstein von Nettersheim (vergl. H. XLIX.
S. 184 f).
2) Eine römische Grabtrommel von Stein mit 2 Gläsern, gefunden
bei Nettersheim.
Von Herrn Gommerzien-Bath Boch in Metlach: eine grosse
verzierte röm. Glasflasche und Fragmente eines sog. vas diatretum.
Von Prof. Dr. aus'm Werth: eine emaillirte Metallplatte des
12. Jahrh.
Angekauft wurde: 1) eine Anzahl römischer Pfeilspitzen aus
castra Veter& (Xanten); 2) eine Sammlung römischer Alterthümer
vom Prof. Dr. Fiedler; 3) ein römisches Glas vom Kaufmann Brink
in Bonn ; 4) drei römische Steine aus der Kirche von Rohr bei Blanken-
heim (vergl. oben S. 172 fg.) ; 5) Relief eines römischen Grabsteins, in
der Nähe der Münsterkirche zu Bonn gef . ; 6) Siegelstempel der Bonner
Barbiererzunft; 7) Mittelalterliche Krüge und Schüsseln vom Nieder-
rhein; 8) eine röm. Waage, an der Cobl. Strasse gef. etc.
Der Wunsch, unsere Bibliothek vollständig zu ordnen, zu com-
pletiren und endlich gemäss dem in jeder Generalversammlung der
letzteren Jahre ausgesprochenen Verlangen der öffentlichen Benutzung
zu übergeben, ist durch die andauernde Abwesenheit des bisherigen
Bibliothekars unmöglich gewesen.
An Geschenken für die Bibliothek sind, ausser den uns durch
Austausch regelmässig zugehenden Zeitschriften, eingegangen:
1) Vom Grafen Ouvaroff in Moskau: Recherches des anti-
quit^s enRussie merid. et des cöt^s de la mere noire. Paris 1857.
2) Vom Grafen Connestabile in Perugia:
a.' Inscrizioni Etrusche e Etrusco-latine. Firenze 1858, 4tp.
b. Dei Monumenti di Perugia Etrusca e Romana, della litte-
ratura e bibliografia Perugina. Perugia, Parth. I—IV.
3) Vom Director des etrurischen Museums in Florenz, Herrn
Gamurrin, dessen Münzwerke: Periodico di numismatica e
sfragistica dal March. G. Strozzi. 3 Ti. Firenze 1868—72.
22
338 Chronik des Vereiiu.
4) Vom ßaurath Herrn Are in Aachen: Mgr. X. Barbier de
Montault, la mosaique da Dom k Aix la Chapelle. Paris 1869.
5) Von Sr. Maj. dem Könige von Schweden Carl XV:
Jacob Falk, Catalog der königlichen Samminngen.
6) Vom Appell. - Ger. - Ralh von Cuny a. D: Revue d'Alsace.
Nouv. Serie. I et U^me ann^e. 3 Fase. Golmar 1873.
7) Von Herrn E. de Meester de Ravestein:
Mus6e Ravestein. Catalogue descriptif. T. I. Liege 1871. (Vergl.
H. LH. S. 142 flf.) Tom. IL ,
8) Vom Architeeten der Provinz Ravennä, Herrn Laneiani:
eine Anzahl werthvoller Zeichnungen ravennatischer Mosaiken etc.
Die vorsehriftsmässige Generalversammlung fand statutengemäss
am Schlüsse des Vereinsjahres und zwar am 3. Juni 1873 statt. In
derselben wurden, nachdem dem Cassirer Deeharge ertheilt war, die
bisherigen Vorstandsmitglieder: Berg-Rath Prof. Nöggerath und die
Professoren aus'm Weerth, Ritterund Freudenberg einstimmig
wieder gewählt. Da nach)dem bisherigen Usus die Vorstandsmitglieder
ihren Wohnsitz in Bonn haben müssen, so sah die Versammlung aus
diesem Grunde von der Wiederwahl des in Rheinberg wohnenden
Friedensrichters und L.-G.- Assessors Herrn Piek ab und ermächtigt«
den Vorstand^ nach seinem Ermessen dessen Stelle provisorisch zu
besetzen, re^p. mit Herrn Pick für den Fall seiner dauernden Rück-
kehr nach Bonn in Verbindung zu treten.
Dr. Kamp aus Köln stellte den Antrag, ^eine Sammlung von
Papier-Abklatschen rheinischer Inschriften, die im Vereinslocale unter-
zubringen wäre, anzulegen. Eine solche Sammlung würde eine
Centralstelle bilden für die in der ganzen Provinz, oft an schlecht zu-
gänglichen Orten, verbreiteten Inschriften und bei schwer lesbaren
Inschriften dem Forscher das sicherste Kriterium in die Hand geben;
zugleich würde dadurch die in Aussicht stehende Publication der rhein.
Inschriften in der Sammlung der Berliner Academie wesentlich gefördert
werden. Zu dem Zwecke möge der Vorstand in dem nächsten Hefte
die Mitarbeiter ersuchen, von allen neu edirten und neu besprochenen
Inschriften Papier - Abklatsche einzusenden. • Dieser zeitgemässe Vor-
schlag fand die allgemeine Zustimmung der Versammlung. (Vergl.
die betr. Aufforderung auf dem Umschlage des Heftes.)
Ein fernerer Antrag wurde von dem Geh. Med.-R. Prof. Schaaff-
hausen und vom Prof. Floss gestellt, eine Eingabe an den hiesigen
Universitäts-Senat und an das Kgl. Cultus-Ministerium zu richten, dass
Chronik des VereinB. 839
dem Verein zur Au&tellung seiner Sammlungen die frühere Anatomie
oder ein Theil derselben überlassen werde. Eine Commission zur Ab-
fassung dieses Gesuchs, bestehend aus den Herren Gonsist.-Il. Prof. Krafft
und Geh. Med.-R. Schaa£fhausen, expedirte diese von vielen Mitgliedern
unterzeichnete Petition, welche indessen vom Königl. hohen Ministerium
abschlägig beschieden wurde.
Der Geburtstag Winckelmanns, wozu diesmal keine Festschrift
ausgegeben werden konnte, wurde am 9. Dec. 1872 durch eine zahlreich
besuchte solenne Abendversammlung gefeiert.
Prof. aus'm Weerth, der Vice-Präsident des Vereins, eröffnete
die Sitzung mit einer der Weihe des Tages geltenden Ansprache, in
welcher er hervorhob, dass diese Feier nicht lediglich eine Huldigung
des Genius, sondern ein Bekenntniss zu dessen wissenschaftlichen
Normen sei, dass man in der von Winckelmann geschaffenen Disciplin
bleiben müsse, so lange man den Anspruch wissenschaftlicher Arbeit
erhebe. — Von der Bedeutung der Kunstwissenschaften überhaupt zum
Rheinlande übergehend, fuhr der Bedner folgender Massen fort:
„An den Ufern des Rheines stehen wir auf einem Boden, wo die
grossen Geschicke der Menschheit seit fast 2000 Jahren Spuren ihres
Verlaufe hinterlassen haben. Hier vollzogen sich die grossen Wandelungen
des römischen Kaiserreiches, die fränkischen Staatenbildungen, die Cul*
turmission KarVs des Grossen, wesentliche Vorgänge der deutschen
Kaisergeschichte, Städteerhebungen und Hansabund. Und aus allen
diesen grossen Perioden sehen wir von der altersgrauen Porta nigra
bis zur Pfalzcapelle KarVs des Grossen, von den romanischen Kirchen
zu Worms, Speyer, Mainz, Laach und Köln bis zu den gothischen
Domen eine^ eben so unterbrochene als unvergleichliche Reihe monu-
mentaler Zeugen. Keine Provinz Deutschlands wurde von den grossen
bestimmenden Vorgängen der Weltgeschichte in gleichem Masse berührt,
keine besitzt so viele und erhabene Denkmäler und keine vermag dess-
halb auch einen so berechtigten Anspruch auf deren öffentliche Pflege
zu erheben. Es war desshalb ein richtiger Gedanke der Staatsregierung,
als sie schon vor fast 50 Jahren die Gründung eines Provinzial-Museums
im Zusammenhang mit unserem später entstandenen Verein ins Auge
fasste und letzterem die Gränzen des Stromes: „Von den^Alpen bis
zum Meere^ anwies. Aber seit der Gründung unseres Vereins sind
31 Jahre verflossen und eine neue Zeit mit neuen Forderungen und
Verhältnissen ist angebrochen. Neben uns sind im weiten Strom-
gebiete des Rheines ähnliche Institute entstanden, die nicht entfernt des
Willens, in unserem Vorgange das anzuerkennen, was sie uns verdanken.
340 Chronik des Vereint.
anstatt nach Gemeinsamkeit und Anschlass lediglich nach UnabhStigig-
keit strebend^ Gegensätze aus den Verhältnissen bilden, die nur durch
klare Begränzung und Auseinandersetzung zu bannen sind. Und ihre
Bannuug wird durch die Würde u\id das Ziel der Wissenschaft ge-
boten. — Nach dem glorreichen Jahre 1870 haben alle öffentlichen
Bestrebungen grössere Massstäbe angenommen: das patriotische Be-
wusstsein beflügelt den Gang der Dinge. Untrennbar von diesem pa-
triotischen Aufschwung ist die erhöhte Pflicht der Pflege unserer gros«
sen Vergangenheit. Denn niemals dürfen wir vergessen, dass das Be-
wusstsein der grossen Vorzeit, das stets belebte patriotische Gefühl,
wie es Ernst Moriz Arndt unter uns wach erhielt, nicht zum kleinsten
Theile die Siegeskraft erzeugte, in deren Ruhm wir uns jetzt ghlek-
lich preisen. Ein Volk, welches weiss, dass auf seinem Boden sich die
Weltgeschichte vollzog, fühlt anders als der Wilde in seiner Steppe.
In diesem Wissen ruht ein unversiegbarer Born des Patriotismus, con-
servativer Gesinnung und idealer Kraft. Desshalb muss auch unser
Verein sich zu der erhöhten Aufgabe nach innen und aussen in seiner
Kraft erhöhen, indem er sich sowohl mit den wiedergewonnenen Reichs-
landen in lebendige Verbindung setzt, wie durch Klarstellung seiner
Ziele und der gewordenen Verhältnisse Eintracht und vor Allem Ge-
meinsamkeit mit allen gleichstrebenden Factoren herstellt. Stets haben
dauernd richtig bleibende Gedanken in neuen Zeiten neue Formen an-
nehmen müssen, wenn sie die Sicherheit und den Fortschritt ihres
Bestandes erhalten wollten. Um denselben zu gewinnen, bedarf es vor
Allem der regen öffentlichen Unterstützung. Am heutigen Tage dürfen
wir nicht unterlassen, dieser den gebührenden Tribut darzubringen,
denn ausser vielen kleineren Gaben und gi*össeren Geldgeschenken der
Rheinischen Eisenbahn und der Aachen-Müncheuer Feuerversicherungs-
Gesellschaft verdanken wir besonders den Provinzialständen eine der
Bedeutung unseres Instituts entsprechende Beihülfe. — So dürfen wir
denn unter dem Schutze der Manen Winckelmann's hoffen, in den
Bahnen strenger Wissenschaftlichkeit und dennoch gemeinverständlich
den Beruf — die Denkmäler der Vorzeit und durch sie das historische
Bewusstsein zu erhalten und- zu fördern — glücklich weiter zu üben."
Herr Dr. Nordho'ff aus Münster hielt alsdann Hber „die kunst-
geschichtlichen Beziehungen zwischen dem Rhein- und Westfalenlande'
einen sehr eingehenden und belehrenden Vortrag, auf dessen durch
die betreffenden Erläuterungen erweiterten Abdruck in diesem Hefte
wir die Leser verweisen.
Prof. Floss sprach in längerem Vortrage über das römische
Chronik des Vereins. 341
Militärwesen am Rhein, insbesondere am Niederrhein, und wies den
Zusammenhang einzelner hier stationirter Legionen mit dem früh
christianisirten Rhonethale, die Verwendung zahlreicher (Kohorten aus
Nordafrica, aus Spanien, aus dem fernen Asien, und zwar aus Gegen-
den, welche in frühester Zeit blühende Kirchen hatten, nach. Inter-
essant war auch der Nachweis, dass die hohen Officierstellen über-
wiegend mit Italienern besetzt waren und die Bemannung der sehr
beträchtlichen römischen Rheinflotte vielfach Namen von Officieren
weit entfernte südlicher Küstenländer zeige. Dass auf diesen Wegen
nicht allein frühzeitig eine reiche Industrie an den Rhein verpflanzt
wurde, wie Inschriftsteine beweisen, sondern auch bald die Kunde des
Christenthums hieher gelangen musste, ergab sich aus den mitgetheil-
ten Thatsachen mit fast zweifelloser Gewissheit. Bezüglich des Bis-
thums Köln wurde noch besonders der Zusammenhang der kölnischen
Kirche mit den Rhonestädten und mit Nordafrica nachgewiesen.
Prof. Scha äff hausen besprach hierauf einen römischen Fund
in Bandorf bei Oberwinter, bei welchem eine liegende Statue des Nep-
tun, die einem Brunnen angehört zu haben scheint, und ein kleiner
römischer Altar mit der Inschrift : „Deo invicto regi pro bono comuni^
zu Tage gefördert wurde. Die näheren Beziehungen der Fundstücke
so wie ihre kunstgeschichtliche Bedeutung hat der Redner in diesem
Hefte S. 100 bis 141 allseitig dargelegt.
Prof. aus'm Weerth lenkte zum Schluss die Aufmerksamkeit
der Versammlung auf die in seiner Schrift über den Grabfund von
Waldalgesheim vermuthete einheimische Metall-Industrie im Saarge-
biet. Der Verein hat durch seinen auswärtigen Secretär für Trier,
Hm. Prof. Kraus, im alten Kupferbergwerke bei Wallerfangen die
Aufdeckung der in den Felsen gehauenen Inschrift veranlasst, welche
lautet : Incepta officina || Emiliani Nonis || Mart(ii),
Es würde wichtig sein, festzustellen, wer Aemilianus, der Gründer
des Bergwerkes, war; dass er nicht später als in den ersten Jahrhun-
derten lebte, deuten die Schriftzüge an. Ausser dieser Inschrift lagen
von bemerkenswerthen Funden aus besagtem Gebiete kleine Schmelz-
tiegel und ein aus mehreren in einander gefügten Ringen bestehendes
Klapperinstrument aus Bronze, das entweder zum Schmucke eines
Pferdezeugs, einer Standarte oder endlich zum Apparat der Zauberei
gehörte, vor.
Bonn, im November 1873.
Der Vorstand des Vereins von Altertbumsfreunden
im Rlieiniande.
Verzfiehniss der Nitglieder.
Vorstand für das Vereiaajahr von Pflnaoten 1872 blo 1873.
Präsident: Dr. Nöggerath, Berghauptmann und Professor in Bonn.
Vicepr&sident: Dr. aus'm Weerth, Professor in Kesseoioh bei Bonn.
Erster redigirender Seoretftr: Dr. Ritter, Professor in Bonn.
Zweiter redigirender Seoretfir: Dr. Freadenberg, Prof. in Bonn.
Bibliothekar: Landgerichts-Assessor R. Pick in Kheinberg.
Ehren-Nitalieder.
S. K önigl. Hoheit Carl Anton Meinrad Fürst zu Uohenzollern in Sigmaringen.
Dr. yon Bethm ann-Hollweg, Excellenzi konigl. Staatsminister a. D., inBerlin.
Dr. Ton Deohen, Ezoellenz, Wirkl. Geh. Rath, Oberberghanptmann a. D., in Bonn.
Freiherr Friedrich von Diergardt in Bonn*
Dr. Fiedler, Professor in Wesel.
von Moeller, Ezoellenz, Wirkl. Geheimer Rath und Ober-Präsident in Strassburg.
Dr. Yon Mühler, Excellenz, königl. Staatsminister a. D. in Berlin.
▼ on Quast, Geh. Regierungsrath, Consoryator der Kunstdenkmäler in Preussen,
in Radensieben bei Neuruppin.
Dr. Kit sohl, I^. Pr. Geh. Regierungsrath, Professor in Leipzig.
Dr. Schnaase, Obertribunalsrath a.D., in Wiesbaden.
Dr. Urliohs, Uofrath und Professor in Würzburg.
▼ on Wilmowsky, Domkapitular in Trier.
Yenolohniss der Mitglieder.
343
Ordentllohe Mitglieder.
Die Namon der aaswärtigen SeoreUre sind mit fetter Schrift gedruckt.
Dr. Aohenbaoh» Staats-Minister in
Berlin.
Achenb ach, Geh. Rath in Saarbücken.
Aohterfeldt, Stadtpfarrer in Anholt.
Dr. Aohterfeldt, Professor in Bonn.
Adler, Baumeister u. Prof. in Berlin.
Dr. Aebl, Professor in Baromünster im
Kanton Luzem.
Dr. Aegidi, Qeb. Rath in Berlin.
Dr. A h r 0 n 8 , Gymnaöial - Director in
Hannover.
Aldenkirohen, Vioar in Viersen.
Alleker, Seminardireotor in Brühl.
Antiken-Cabinet in Glossen.
Ark, h.f Baurath in Aachen.
Dr. Aeoilbaoh, ausw. Soor., Professor in
Wien.
Ayenarius, Tony, Maler in Cöin.
Bachern, Oberbürgermeislor in Cöln.
Dr. Bachern, Arst in Viersen.
Baedeker, Carl, Buohh. in Coblenz.
Baedeker, J., Buchhändler in Essen.
Barbet de Jouy, Directeur du Mtts6e
des soayerains in Paris.
▼ on Barde leben, Oberpräsident in
Coblenz.
Bartele, ausw. Secretair, Pfarrer in
Alterkülz.
Basilewsky, Alexandre, in Paris.
B a u, B ürgermeister a.D. in Mülheim a. Rh.
Dr. Bauer band. Geh. Justizrath und
Professor, Kronsyndicus und Mitglied
des Herrenhauses, in Bonn.
Baunseheidt, Outsbes. in Endenich.
Dr. Becker, ausw. Seor., Professor in
Frankfürt a. M.
Yon Beckerath, Heinr.Leonh., Kauf-
mann in Crefeld.
Graf B eis sei ▼. Gymnich, ^Richard,
Königlicher Kammerherr auf Schloss
Frenz.
Bendermacher, C, Notar in Boppard.
Bergan, Professor in Nürnberg.
Dr. Bernays, Professor u. Oberbiblio-
thekar in Bonn.
▼ on Bernutfa, Regierungs-PrSsident in
C51n. •
Bettingen, Adyocatanwalt in Trier.
Bettingen, KSnigl. Rendant u. Steaer-
empfSnger in St. Wendel.
▼ on Bealwitz, Carl, Huttenbesitzer
In Trier.
Blbllotl»ek| K5nigl. in Wieebadeo,
Bibliothek, Fürstl. in Donaueschingen.
Bibliothek, Grosherzl. in Jena.
Bibliothek der Kgl. Akademie in
Münster.
Bibliothek-Nationale in Florenz.
Bibliothek des £tr urischen Museums
in Florenz
Bibliothek der Universität in Perugia.
Bibliothek der Universität in Parma.
Bibliothek der Univ. in Strassburg.
Bigge, Gymnasialdirector in Cöln.
Dr. Binsfeld, Gymnasial - Direotor in
Emmerich.
Dr. Binz, Professor in Bonn.
Bleib treu, G. , Bergwerksbesitzer in
Oberkassel.
Dr. Bluhme, Geh. Justizrath u. Prof.
in Bonn.
B 0 c h, ausw. Secretair, Commerzienrath
und Fabrikbesitzer in Mettlach.
Bock, Adam, Dr. jur. in Aachen.
Dr. Bodel-Nyenh uis in Leiden.
Dr. Bodenheim, Rentner in Bonn.
Boeoking, G. A., Hüttenbesitzer zu
Abentheuerhütte bei Birkenfeld.
Boeoking, K. Ed., Hüttenbesitzer zu
Gräfenbacherhütte bei Kreuznach.
Boeoking, Rud., Huttenbesitzer zu
Asbaoherhütte bei Kim.
Boeddinghaus, Wm. sr. , Fabrik-
besitzer in Elberfeld.
Boeninger, Theodor, Commercienrath
in Duisburg.
Dr. Boettioher, Professor in Berlin.
Dr. Bogen, Gymn.-Dir. in Düren.
Dr. Bone, Gymnasiallehrer in Trier.
Freiherr vonBongardt, Erbkämmerer
d. Herzogthums Jülich zu Burg Paf-
fendorf bei Bergheim.
Dr. Boot, Professor in Amsterdam.
Dr. Borret in Vogelensang.
Dr. Boseler, ausw. Secr., Gymnasial-
Director in Darmstadt.
Dr. Bouvier, C, in Bonn.
Dr. Brambach, Prof. und Oberblblio-
thekar in Carlsruhe.
Dr. Brassert, Berghauptmann in Bonn.
Dr. Braun, Justizrath, Rechtsanwalt in
Berlin.
Braun, Ober-Ingen, in Pr. Moresnet
Freiherr von Bredow, Rittmeister im
Königs-Husaren-Reglment in Bonn.
Bredt, Oberbürgermeister in Barmen,
L
344
Yerzeiohniss der Mitglieder.
Brendamour, R., Inhaber d. Xylogr.
Institute in Düsseldorf.
B ro ioher, Wirkl. Qeh.-Rath Excellenz
in Sinzig.
TomBruok, £mil> Gom..Raih in Crefeld.
Yom Bruok, Moritz, Rentner und Bei-
geordneter in Crefeld.
Brüggemann, Hofrath in Aachen,
le Brou, Chr., Archäolog in Brüssel.
Dr. Brunn, ausw. Seor., Professor in
München.
Dr. Bücheier, Professor in Bonn.
Büoklers, Geheimer Comroerzienrath
in Dülken>
Höhere Bürgerschule in Lennep.
Burkart, Stadt-Baumeister in Crefeld.
Dt. Bur8ian, ausw. Seor., Prof. in Jena.
Buyx, Qeometer in Nieukerk.
Graf von Bylandt-Rheydt, Haupt-
mann a. D. und Rittergutobesitzer in
Bonn.
Cahn, Albert, Bankier in Bonn.
Camphanse H) Excellenz, Wirkl. Geh.
Rath, k. Staatominister a. D. in Cöln.
Camphausen, August, Geh. Coromer-
zienrath in Cöln*
Camphausen, Cataster-Controleur in
Castellaun.
Yon Carnap, Rentner in Elberfeld.
Cassel, Mttnzhändler in Cöln.
Cauer, C, Bildhauer in Creuznaoh.
Cauer, R., Bildhauer in Creuznach.
Celto, Carl, Gutsbesitzer in St Wendel.
Chrescinski, Pastor in Cleve.
Dr. Christ, Carl, ausw* Secretair in
Heidelberg.
Das ClTil-Casino in Coblenz.
de Ciaer, Alex., Lieutenant a.D. und
S teuerem pfänger in Bonn,
de C 1 a e r, Eberhard, Rentner in Bonn.
Glasen, Pfarrer in Königswinter.
Clason, Rentner in Bonn.
ClaT6 Ton Bouhaben, Gutsbesitzer
in Cöln.
Cohen, Fritz, Buchhändler in Bonn.
Dr. Conrads, ausw. Seor., Gymnasial-
Oberlehrer in Essen.
Dr/ Conze, Professor in Wien.
C o n t ze n, Oberbürgermeister in Aachen.
Dr. Cornelius, Professor in München.
C r e m e r. Regier.- u. Baurath in Aachen.
Crem er, Pfarrer in Eohtz bei Düren.
Dr. Cudell) AdTocat in Lüttich.
Culemann, Senator in HannoTcr.
▼ on Cuny, Appellat.-'Ger.-Rath a. D.
in * Berlin.
Dr. CurtiuB, Professor in Berlin.
Curtias, Julius, Inhaber einer ehem.
Fabrik in Duisburg.
Dapper, Seminardirector in Boppard.
Dr. Decker, Gymnasiallehrer In Neuss.
Deichmann, Geh. Comm. -Rath in Cöln.
Frau Deiohmann-Schaaff hauseOf
in Mehlemer-Aue.
Dr. Delius, Professor in Bonn.
Delius, Landrath in Mayen.
Doyens, Polizei-Präsident in Cöln.
Dieokhoff, Baurath in Aachen.
Dr. Dilthey, Professor In Zürich.
Disch, Carl, in Cöln.
von Ditfurth, Oberst u. Oommandant,
Haus Dannkessel bei Rinteln a. d.
Weser,
Doetsch, Bürgermeister in Gladbach.
Dr. Dognöe, Eugen, In Lattich.
Dominions, ausw. Seor., Gymn.-Director
' in Coblenz.
Dr. D r e w k e, Advocatanwalt in Cöln.
Dr. Dümichen, Professor in Strass-
burg.
Dr. D ü n t z e r, Prof. u. Biblioth. in Cöln.
Dr. Duhr, prakt Arzt in Coblenz.
Dr. Eckstein, Rector u. Professor in
Leipzig.
Dr. Eichhoff, Gymnasialdirector in
Puisburg.
Eltester, auswärt. Seor., Archiyrath, 1«
Staats-Arohivar in Coblenz.
Graf Eltz in Eltville.
Emundts, Joseph , Landgerichtsrath
in Aachen.
Frh. Y. Ende, Kgl. Rog.-Präsident in
Düsseldorf.
Dr. Engels. P. H., Adyooat in Utrecht.
Engelskirchen, Architect in Bonn.
Dr. Ennen, ausw. Seor., städtischer Ar-
chivar in Cöln.
Essellen, Hofrath in Hamm.
Essingb, H., Kaufmann in Cöln.
Evans, John, in Nash-Mills in England.
Dr. Firmenich-Richarz, Professor
in Bonn.
Dr. Fleokeisen, Prof. in Dresden.
Chassot ▼. Florencourt In Berlin.
Dr. Floss, Professor in Bonn.
Fonk, Landrath in Rüdesheim.
von Fournier-Sflirlov^ze, Adolph,
Gutsbes. auf Haus Cassel b. Rheinberg.
Frank, Gerichtsassessor a. D. und Fa-
brikbesitzer in Eschweiler.
Franks, August, Conservator am BrU
tish-Museum in London.
Dr. F renken, Domcapitular in Cöln.
Dr. Freudenberg: s. Vorstand.
Dr. Friedländer, Professor in
Königsberg in Pr.
Dr. Friedländer, Julius, Director d.
Königl. Münzkabfnets in Berlin,
Verzeiohnlss der Mitglieder.
345
Fr! Dg 8, Eduard, Fabrikant u. Qutsbe-
sitzer in Uerdingen.
Fachs, Fet., Bildhaaer in C51n.
Graf Yon Ffirstenberg, Erbtruohsess
auf Sobloas Herdringen.
Freih. y. Fürth, Landg.-Bath in Bonn.
Dr. Fulda, Direotor dea Progy mna-
siuniB in Sangerhausen.
F u r m a n 8, J. W», Kaufmann in Viersen.
Dr. Gaedeohens, Professor in Jena,
von Galhau, G., Gutsbesitzer zu
Wallerfangen.
Dr. GalifTe, ausw. Secr., Prof. in Genf.
Garthe, Hugo, Kaufmann in Cöln.
G eb h a r d, Commerzienrath u. Handels-
gerichts-rräsident in Elberfeld.
G eiger, Folizei-PrSsident a. D., in CSln.
Georgi, C. H., Buohdruckereibesitzer
in Aachen.
Georgi, W., Buchdl-uckereib. in Bonn.
Dr. Ger lach, Ludwig, prakt. Arzt in
Mannheim.
Gerson, Chemiker in Frankfurt a. M.
Freih. Ton Geyr -Sohweppenburg,
Rittergutsbesitzer in Aachen.
Geuer, Caplan in Süohteln.
Gilly, Bildhauer in Berlin.
Dr. Goebel, Gymn.-Director in Fulda.
Goldschmidt, Prem.. Lieutenant im
40. Infant-Reg. in Cöln.
Goldschroidt, Jos., Bankier in Bonn.
Goldsohmidt, Rob., Bankiel' in Bonn.
Gottgetreu, Kegierungs« u. Baurath
in CSln.
Graeff, Landrath in Prüm.
Greef, F. W., Fabrikant in Viersen.
Dr. Groen van Prinsterer im Haag.
Dr. Grotefend, ausw. Seeretair, Ar-
ohiyrath und 1«£ Staats-ArchiTar in
Hannover.
Dr. Grüneberg, Fabrikant in Kalk
bei Deutz.
Director Gruhl für die Re41sohule zu
Mülheim a. d. Ruhr.
Guiohard, Kreisbaumeister in Prüm.
fiuiilOO, ausw. Soor., Notar in Roermond.
Gymnasialbibliothek in Elberfeld.
Gymnasialbibliothek in Aachen..
Gymnasialbibliothek in Neuss.
Haagen, Professor in Aachen.
Haan, Pfarrer in Saf6g.
Dr. Haakh, ausw. Secr., Professor und
Inspector des KSnigl. Museums vater-
ländischer Alterthümer in Stuttgart.
Habets, J«, Prits. d. aroh. Ges. d. Hrz.
Limburg, Kaplan in Bergh b. Mastricht.
Dr. Hage m ans in BrüsseL
▼ onHagens, Appell.- Geriohtsr. in Cöln.
Dr. Halm, Professor and Bibliotheks-
Direotor in München.
Hansen, Deohnnt u. Pastor in Ottweiler.
Dr. Harle88, ausw. Secr., Archivrath in
Beriin.
Dr. Harnaok, Prof. in Dorpat.
Hart wich, Geh. Oberbaurathin Berlin.
Dr. Hasskarl in Clere.
Haugh, Senatspräsident in Cöln.
Hauptmann, Rentner in Bonn.
Heckmann, Fabrikant in Viersen.
Dr. Hegert, Staats- Archivar in Düssel-
dorf.
Heimendahl, Alexand., Commerzien-
rath in Crefeld.
Dr. Heimsoeth, Professor in Bonn.
Dr. Heimsoeth, Appellations- Gerichts-
Präsident in Cöln.
Ton Heinsberg, Landrath in Weve-
linghoyen.
Dr. Hei big, 2. Secret. dea archäolog.
Instituts in Rom.
Henry, Buch- u. Kunsthändler in Bonn.
Dr. Henzen, Professor, 1. Secretär d.
archäol. Instituts in Rom.
Herbert z, Balthasar, Gutsbesitzer in
Uerdingen.
Hermann, Gustay, Hauptmann a. D.
zu Bonn.
Hermelin, Architekt in Ginsheim bei
Mainz.
Herstatt, Eduard, Rentner in Cöln.
H er statt, Jon. Dav., Geh. Commerzien-
rath in Cöln.
Dr. Heuser, Subregens u. Prof. in Cöln.
Dr. Heydemann in Berlin.
Heydinger, Pfarrer in Schieid weiler
bei Schweioh.
Freiherr von der Heydt, Excellenz,
Staats-Minister a. D. in Berlin.
Freih. v. d. Hey dt, Bezirkspräsident
in Colmar.
▼ on der Heydt, Dan., Geheimer Com-
merzienrath in Elberfeld.
Dr. Hilgers, Director der Realschule
in Aachen.
Dr. Hilgers, Professor in Bonn.
Six van Hillegom in Amsterdam.
Hochgürtel, Buchhändler in Bonn.
Freih. yon Hodenberg, Regierungs-
Rath in Cöln. ^
Hoesch, Gustar, ICaufmann in Düren.
Ho esc h, Leopold, Commerzienrath in
Düren.
Hoffmeister, Bürgermeister in Rem-
scheid.
Sc. Hoheit Erbprinz ▼. Uohenzollern
zu Schlots Beqri^th bei Düsseldorf.
346
Verzeiohniss der Mitglieder.
Freih. ▼. H($Tel» Landrath in Esten.
Freiherr von Hoiningen genannt
Huene, Bergrath in Bonn.
Dr, Holz er, Domprobst in Trier.
Graf Alfr. t. Hompeschzu ScMoss
Rurioh.
Hooft Tan Iddekinge, J. B. H., za
Paterwolde (ProY. Groningen).
Hörn, Pfarrer in Cöln.
Dr. Hotho, Professor u. Direotor am
k« Museum in Berlin.
Dr« HObner, ausw- Soor., Pi'ofessor in
Berlin.
Dr. Hflffer, Professor in Bonn.
Dr. Hultsoh, Professor in Dresden»
Dr. H u m p e r t, Gymnasial . Oberlehrer
in Bonn-
H u p 6 r t zy Generaldtrector des Meoher-
nioherBergwerksTereins in Meohernieh.
H u y s s e n, Pfarrer in Coblenz.
Jentges, W., Kaufm. in Grefeid.
Jö rissen, Pastor in Alfter.
Joest, August, Kaufmann in Cöln.
Joe st, Eduard, Kaufmann in Cöln*
Joest, Wilh., Geh. Com.-Rath in Cöln.
Isenbeok, Julius, Rentner in Wiesbaden.
Dr. Jumpertz, Reotor der höh. Bür-
gerschule in Grefeid.
Junker, Regierungs- und Baurath in
Coblenz.
Kaestner, Techniker in Neuwied.
Kamp, Jos., Gymnasiallehrer in Cöln
(Martinsfeld).
Karoher, ausw. Secr., Fabrikbesitzer
in Saarbrücken.
Karthaus, Carl, Commerzienrath in
Barmen.
Kaufmann, Oberbürgermeister, Mit-
glied des Herrenhauses, in Bonn.
▼ on Kaufmann.Asser, Jacob, Kauf-
mann u. Rittergutsbesitzer in Cöln.
Df. K ayser, Seminar- Direotor in Büren«
Dr. KekuU, Professor in Poppeisdorf.
Keller, O., Professor zu Freiburg in
Baden.
Dr. Kessel, Pfarrer in Cöln.
Dr. Kiessling, Prof. in Hamburg.
Dr. Klein, Jos., Privatdocent in Bonn>
Dr. Klein, J. J., Gymnasial-Direotor in
Bonn.
Pr. Klette, Professor und Bibliothekar
in Jena.
Dr. Klostermann, Oberbergrath und
Professor in Bonn.
K n o 1 1, Joseph, Buohdruckereibesitzer
in Düren«
Dr. Koeohly, ausw. Seor., Professor in
Heidelberg*
Dr. E o e h I er, Gymnasialdireotor in
Münstereifel.
Koenig, Bürgermeister in GieYe«
Koenig^t Commerzienrath in Cöln«
Dr. Koenigsfeld, Sanitätsrath n. Kreis-
physikus in Düren.
Dr. Kortegarn, Institutsdir« In Bonn.
K r a e m e r , Hüttenbesitzer in Ingbert
bei Saarbrücken.
Kraemer, Kommerzienrath o. Hütten-
besitzer in Quint bei Trier.
Dr. K r a f f t, Consistorialrath u. Professor
in Bonn.
K r a f f t, Geh. Cabinetsrath in Wiesbaden.
Kramarczik, Gymnasial - Direotor in
Ratibor.
Dr. KraU8, Prof. und ausw» Soor, in
Strassburg.
Se. Bischöfl. Gnaden Herr Krementz,
Bischof von Ermland in Frauenburg.
Krügor, K. Bauinspeotor in Berlin.
Krupp, Geb. Commerzienrath in Essen.
▼ on Kühl wette r, Oberpräsident in
Münster.
Kyllmann, Rentner und Stadtverord-
neter in Bonn.
Dr. Lamby, Arzt in Aachen.
Landau, Heinr., Kaufmann a* Gruben-
besitzer in Coblenz.
Dr* Landf ermann. Geh. Reg., u.
Pro«rinz.-Schulrath in Coblenz.
Freiherr t. Landsberg-Steinfurt,
Engelbert, Gutsbes. in Drensteinfurt
Dr. Lange, L., Professor in Leipzig.
Dr. Lange, Kreiswundarzt in Duisburg.
Langen, J. J., Kaufmann in Cöln.
Freiherr Dr. de laValette StGeorge,
Professor in Bonn.
Dr. Leemans, Dir. d. Reichsmuseums
d. Alterthümer in Leiden.
Leiden, Damian , Commerzienrath in
Cöln.
Leiden, Franz, Kaufmann u. nieder!.
Consul in Cöln.
Leydel, J., Rentner zu Bonn.
Lempertz, M., Buchhändler in Bonn.
Lempertz, H*, Buchhändler in Cöln*
van Lennep in Zeist.
Dr. Lentzen, Pfarrer in Oekhoven bei
Grevenbroich*
Dr. Leonardy, J., in Trier.
Lese ge sei Isohaft, katholische, in
Coblenz.
Dr. von Leutsoh, Professor in Qöt-
tingen.
Lewis, S> S*, Professor am Corpus
Christi-Collegiam zu Cambridge*
von der Leyen, Emil, in Crefeld.
I
Yerzeiohniftfl der Mitglieder.
347
Freili. t. Leykam in Elsam.
Llebenow, Geh. Revisor in Berlin.
Dr. Lindensohmit, Conserrator des
röm.-germ. CentralmaBeams in Mainz.
Graf von L o ^ auf Sohloss Wissen bei
Geldern.
Freih* ▼• ho'ij Generalmajor in Frank-
furt a. M.
Dr. Loersoh, Professor in Bonn*
Loeschigk, Rentner in Bonn.
Dr. Loh de, Professor in Berlin.
deLongp6rier, membre de Tlnstitut
in Paris.
Dr Lubbert, Prof* in Giessen.
Dr. Lucas» Geh* Roglerangs- a. Prov.-
Schulrath in Coblenz-
Ludwig, Bankdireotor in Darmstadt*
Dr. y. LObke, ausw. Secr., Professor in
Stuttgart.
M&rtens, Bauinspeotor a- D. In Bonn*
MarouB, Buchhändler in Bonn.
Dr. Marmor in Constanz.
Yon Marr^eSf Kammerpräsident in
Coblenz.
Se. bisch. Gnaden, Dr. Konrad Mar-
tiuj Bisehof Ton Paderborn.
Dr. Meeks R. Eduardson aus Yal-
paraison (Chili).
Freiherr yon Med em, Fr. L. C-, Kgl.
Arohiyrath a. D. zu Homburg y. d.
H5he.
Dr. M e h 1 e r, Gymnasialdireotor in Sneek
in Holland.
Dr. Mendelssohn, Professor in Bonn.
Merkens, Franz, Kaufmann in Cöln.
Merlo, J. J., Rentner in Cöln.
Merlo, Chr. J., in Cdln*
Dr. Messmer, Prof. in München.
Meyissen, Geh. Commerzienrath, Prä-
sident der rheinischen Eisenbahn- Ge-
sellschaft in Cöln.
Dr. MiehaeliSi Professor in Strass-
burg.
Michels, G., Kaufmann in Cöln.
Milani, Kaufmann in Frankfurt a. M.
Dr. Milz, Gymnasiallehrer in Aachen.
Wilh. Graf y. Mirbaoh, zu Sohloss
Harff.
Frhr. yon Nirbach, Reg.- Präsident, a.
D. in Bonn.
Graf MÖrner y. Morlande in Bonn.
Mohr, Professor, Dombildhauer in Cöln.
Dr. Moll, Professor in Amsterdam.
Dr. Mommsen, Professor in Berlin.
Dr. Montigny, Gymnasiall- in Coblenz.
Dr. Nooron, ausw. Secr., Pfarrer, Prä-
sident d. hist. Vereins f. d. Kiederrhein,
in Waohtendonk*
Morsbaoh, Institntsdirector in Bonn.
Dr. Mosler, Prof. am Seminar in Trier**
MoyiuB, Director des Schaaffh. Bank-
yereins in Cöln.
Mülhens, P. J., Kaufmann in Cöln.
Dr. Müller, Albert, Gymnasial-Direotor
zu Ploon in Holstein.
Müller, Pastor in Immekeppel.
yon Müller, Rittergutsbes. zu Burg-
Metternich bei Weilerswist.
K. K. Münz- u. Antiken-Cablnet in Wien.
Museen, Königl. in Berlin.
Mns6e royal d^Antiquit^s, d^Armures
et d'Artillerie in Brüssel.
yon Musiel, Laurent, Gutsbesitzer zu
Sohloss Thorn, bei Saarburg.
Dr. Nels, Kreisphysicus in Bittburg.
Neu, Ober-Pfarrer in Bonn.
yon Neufville, Wilh*, Gutsbesitzei in
Bonn.
yon Neufville, Bald., Rittergutsbe-
sitzer in Bonn.
Neumann, Bau«Inspector in Bonn.
Nick, Pfarrer in Salzig bei Boppard.
Niessen, Conservator des Museums
Wallrafif-Rlchartz in Cöln.
Dr. Nissen, H., Professor in Marburg.
N ob Hing, Geh. Baurath u. Strombau-
direktor in Coblenz.
Dr. Nöggerath: s. Vorstand.
Freiherr von Nordeck, Rittergutsbos*
auf Hemmerich.
Dr. Oidtmann, Lihaber eines Glas-
malerei-Instituts in Linnloh.
Oppenheim, Dagobert, Geh. Regie-
rungs-Rath, Director d. Cöln-Mindener
Eisenbahn- Gesellschaft in Cöln.
Freiherr von Oppenheim, Abraham,
Geheim. Commerz- -Rath in Cöln.
Oppenheim, Albert, Königl. Sachs.
General-Consul in Cöln.
Freiherr von Oppenheim, Eduard, k*
k. General-Consul in Cöln.
Otte, Pastor in Fröhden b. Jüterbogk.
Graf Ouwaroff in Moskau.
Dr. Overbeok, ausw. Secr., Professor in
Leipzig.
von Papen, Prem.-Lleut. im 5. Ulanen
Regiment in Werl.
Dr. Pauly, Rector in Montjoie.
Pfeiffer, Peter, Rentner in Düren.
Peill, Rentner in Bonn.
P epys, Director d. Gasanstalt in Cöln.
Dr. von Pencker, Ezcellenz, General
der Infanterie in Berlin.
Pferdem enges, Commerzienrath in
Rheydt.
Pick: s. Vorstand.
348
VerseichDiBfl der Mitglieder.
Dr. Pipor, auBw. Soor., Professor io
Berlin.
Pr. Piringer, ausw. Secr., kaiserLBath
und Gymn.-Dir* in Kremsmünster.
Dr. Pitsohkei Rentner in Bonn.
Plassmann, Ehrenamhnann u. Qats-
besitzer in Allehof bei BaWe.
PlOyte, W., ausw. Secr.y Conseryator am
Reichs - Museum der Alterthümer in
Leiden. ^
Dr. Plitt, Professor, Pfarrer in Dossen-
heim bei Heidelberg.
PoensgeUy Alb., Fabrik, in Düsseldorf.
Dr. Pohl, ausw. Seor., Reotor in Linz.
Poly te ohnioum in Aachen,
von Pommer-Eschey Geh. Regie-
rungsrath in Berlin.
P o e r 1 1 n g, Bergwerksdirector In Imme-
kep|>el.
Dr. Prieger, Rentner in Bonn.
Prinzen, Handelsgeriohts-PrKeident in
M.-Gladbach.
Dr. Probst, Gymnasialdirector in Essen.
Freiherr Dr. von Proff-Lrnich, Land-
geriohtsrath in Bonn.
Progymnasium in Gladbach.
Pütz, Professor in Cöln.
Quaok, Advokat u. Bankdireotor In
M.-Gladbach.
Radersohatt, Fabrikbesitzer in Cöln.
Sr. Durchlaucht Prinz Edmund Rad--
ziwill, Weltpriester in Warmbronn.
T. Randow, Raufmann in Crefeld.
Dr. Rapp, Rentner in Bonn.
Raschdorff, Königl. Baurath in Cöln.
von Rath, Rittergutsbesitzer u. Prftsid.
d. landw. Vereins für Rhcinpreussen,
in Lauersfort bei Crefeld.
vom Rath, Carl, Kaufmann in Cöln.
vom R ath, Theod., Rentner in Duisburg.
Rautenstraucb, Valentin, Kaufmann
in Trier.
Meester de Ravestein, Diplomat zu
Sohloss Ravestein.
von Reoklinghausen , W., Bankier
in Cöln.
Dr. Rein, ausw. Secr., Director a. D. in
Crefeld.
Dr. Reinkens, Pfarrer in Bonn.
Remy, Hermann, Höttenbeaitzer zu
Alfer Eisenwerk bei Alf.
Rennen, Geh. Rath, Director d. Rhein.
£isenb..GesellBohaft in Cöln.
Dr. von Reumont, Geh. Legations-
rath, in Bonn.
Reusoh, Kaufmann In Neuwied.
Dr. Rio harz. Geheim. Sanitätsrath iir
Endenich.
Dr. du Rieu, SeoretSr d. Soc. f. Niederl.
Litteratur in Leiden.
Frhr. v. Rigal-Grunlandin Bonn.
Dr. Ritter: s. Vorstand.
Robert, membre de Tlnstitut in Paris,
9, rue de St. Bres.
Roen, Baumeister In Burtscheidt.
Roos, Regierungsrath u. Oberbürger-
meister in Crefeld.
Rot t eis, H. J., Notar in Düren.
Dr. Roulez, ausw. Secr., Prof. in Gent.
Dr. Rovers, Professor in Utrecht.
Rummel, Ehren-Domherr n. Dechant in
Kreuznach.
Rampel, Apotheker in Düren.
Dr. Saal, Professor in Cöln. '
Baron de Salis in Metz. '
Se. Durchlaucht Fürst zu Salm-Salm
in Anholt.
Graf von Salm-Hoogstraeten, Her-
mann zu Bonn.
Salzenberg, Geh. Ober -Baurath in
Berlin.
von Sandt, Landrath In Bonn.
Dr. Sauppe, Hofrath n. Professor in
Göttingen.
Dr. Schaaffhausen, Geh. Medicinal-
Rath u. Professor in Bonn.
Schaaffhausen, Theod., Rentner in
Bonn.
Dr. Schaefer, Prof. in Bonn.
Schaefer, GrSfi. Renessesoher Rentm.
in Bonn.
Dr. Schalk, SecretKr des* AHerthums-
Vereins in Wiesbaden.
Dr. Sohauenburg, Director d. Real-
schule in Crefeld.
von Schaumburg, Oberst a. D. in
• Düsseldorf.
Schoben, Wilhelm, in Cöln.
S ch e d e n, Pfarrer in Brühl.
Scheele, Postdirector in Frankfurt « . M.
Dr. Soheere, ausw. Secr., in Nymegen.
Scheibler, Leopold, Commerzienrath
in Aachen.
S c h e p p e, Oberst-Lieutenant u. Bezirks-
Commandeur in Boppard.
Dr. So her er, Professor in Strassburg.
Schickler, Fer din. , in Berlin.
Schilling, Adrokatanwalt beim Appell-
hof in Cöln.
Schillings-Englerth, Bürgermeister
in Gürzenich*
Schimmel busch, Hüttendlrector in
Hochdahl bei Erkrath.
Schleicher^ ^ Carl, Commerzienrath
in Düren.
Dr. S ohl 0 tt m« nn, Prof. in Halle a* S,
I
I II
Terzel^ihniM der Mitglieder.
349
\
Dr. Sohlünkes, Probst an dem CoUe-
giatstill in Aachen ^
Schmelz, C. O., Kaaftnann in Bonn.
Schmidt, Pfarrer in Crefeld.
Sohmidt BaumeiBter in Eltville.
Dr. Schmitts aasw. Secr., Arzt in MQn-
atermaifeld.
Sohmidt, Oberbaurath u. Prof. in Wien.
Schmithals, Rentner in Bonn.
Dr. Sehmits, Arzt in Viersen.
Dr. Schmitz, Deohant u. Schulinspeo-
tor in Zell.
i>r» Sobneldefy auaw. Seor«, Professor
in Düsseldorf.
Dr. Schneider, Q7mnas.-Oberlehrer
in C51n.
Sohoemann, Stadtbibliothekar und
erster Beigeordneter in Trier.
Prinz Sohonaich-Carolath, Berg-
haaj^tmann in Dortmund.
Scholl, Outsbesitzer zu Theresien-
Orabe.
Schorn, Baumeister in Ueppens*
Sohroeder, Landg.-Rath in Aachen.
Dr. Schroeder, Professor in Würzbnrg.
Sohroers, Daniel, Beigeordneter und
Fabrikbesitzer in Crefeld.
Dr. Schubart, Bibliothekar In Cassel.
Dr- Schubert, Aeadem. Lehrer und
Baurath In Bonn.
S o hw an, stSdt. Bibliothekar in Aachen.
Schwartze, Eduard Wilhelm, jr ,
Kaufmann in Kfippersteeg.
Sohwickerath, C. J., Kaufmann
Ehrenbreitstein.
Seydemann, Architect in Bonn*
Ton Seydlitz, Qeneralmajor z. D.
Honnef.
Seyffarth, Reg. -Baurath in Trier.
Dr. Simrock, Professor in Bonn.
Dr. Baron Sloet Tan de Beele, L.
A. J. W., Mitglied der Ronigl. Aoad.
der Wissenschaften zu Amsterdam, in
Araheim.
Se. Durchlaucht Prinz Albrecht zu
Sei ms in Braunfels.
Ton SpankerA, Reg. -Präsident a. D.,
in Bonn.
Freiherr v. Spie s-Bülles heim, Ed.,
KSnigl. Kammerherr u. Bürgermeister
auf Haus Hall.
Spitz, Hauptmann im 69. Infanterie-
Regiment in Mainz.
Dr. Springer, Professor in Leipzig.
Die Stadt-Biblio-thek zu Frankfurt
am Main.
Dr. Staelin, Oberbibliothekarin Stutt-
gart.
in
in
Dr. Stahl, Gymnasial.Oberlehr.in ClJln.
Stahlknecht, H., Rentner in Bonn.
Dr. Ständer, Uni v.-Bibl.-Secr. in Bonn.
Dr. Stark, ausw. Seor., Hofrath u. Prof.
in Heidelberg.
Startz,, Aug-, Kaufmann in Aachen.
Statz, Baurath und Diooesan- Architect
In Cöln.
S te in b ach, Fabrikant in Malmedy.
Stier, Hauptmann z. D. in Breslau.
Dr. Stier, Ober- Stabs- und Garnison-.
Arzt in Breslau.
Die Stifts. Bibliothek in Oebringeni
Stifts-Bibliothek zu St. (>allen.
Stinnes, Gustav, Kaufmann in Mül-
heim a. d. Ruhr.
Dr. T. S tintzing. Prof. u. Geheimer
Justizrath in Bonn.
GTÄti. Stollbergsche Bibliothek
in Wernigerode.
Dr, Straub, ausw. Seer. und General.
Secretair des Bisthums zu Strassbnrg.
Strauss, Buchhändler in Bonn.
Ton Strubberg, General - Major und
Brigade-Commandeur in Coblenz.
Stumm, Carl, Uüitenbesitzer in Neun-
kirchen.
Suermondt, Rentner in Aachen.
Dr. von Sybel, Professor in Bonn.
Te Schema eher, Advocat- Anwalt in
Saarbrücken.
Dr. Thiele, Director d. Realschule u.
d. Progymnasiums in Barmen.
Thissen, Dom^pitular in Limburg a.
d. Lahn.
Thoma, Architekt in Bonn.
T r i n k a u s, Chr. , Bankier in Düsseldorf.
Dr. Ueberfeldt in Essen.
Dr. Unger, Prof. u. Bibliothelcseoretär
in Gottingen.
Dr. Ungermann, Grymnasiallehrer in
Coblenz.
DieünlTersii-Bibliothek in Basel.
Universitäts-Bibliothek zu Frei-
burg.
Die Universitäts. Bibliothek in
Gottingen.
Die Unirersitäts - Bibliothek in
Heidelberg.
Die Universitäts. Bibliothek in
Königsberg i. Pr.
Die Uniyersitäts-Bibliothek in
Löwen.
Die UniTorsitäts • Bibliothek in
Lüttich.
K. K. Universitäts-Bibliothek in
Prag.
Dr. Usener, Professor in Bonn.
350
VerzeiohnisB der Mitglieder.
Dr. Vahleo, Professor in Wien.
Dr. Veit, Professor u. Geh. Medioinal-
Bath in Bonn.
Yelbagen. Jos., Rentner in Bonn.
Der Verein, antiquarisch -historisohe,
in Krettznach.
Dr. Vermeulon, ausw. Soor., Uniyers.- u.
ProYinz.-Archivar in Utreoht.
Vi eh off, Professor u. Di roctor d. Real-
und Gewerbeschule in Trier.
Viileroi, Ernest, Fabrikant in WaU
lerfangen.
Graf Yon Villers, Regier. - Präsident
in Frankart a. d. Oder.
Dr. Vi80her, ausw. Secr., Prof. in Basel.
▼ an Vleuten, Rentner in Bonn.
Voigt el, Bauinspector und Dombau-
meister in Goln.
Voigtländer, Buchhdl. in Kreuznach.
Dr. Wach, Professor in Bonn
Dr. Wagen er, Professor in Gent.
Wagner, Notar in MUlheim a/R.
Dr. de Wal, Professor in Leiden.
Waldthausen, Jul., Kaufm. in Essen.
Wandesieben, Friedr. zu Stromberger
Neu hatte bei Bingerbrück.
yonWa8ielewski,Oberstz.D. zuBonn.
Prof. Dr. Watterich, Kgl. Dirisions-
pfarror in Strassburg.
Weber, Adyocat- Anwalt in Aachen.
Weber, Buchhändler in Bonn.
Weber, Pastor in Ilsenburg.
Dr. aus*m Weerth: s. Vorstand,
de Weerth, Aug., Rentn. in Elberfeld.
Dr. Wegeier, Geh. Medicinalrath in
Goblenz.
Weiss, Professor, Director d. k. Kupfer-
stiohkabinets in Berlin.
Wendelstadt, Victor, Commerzienrath
in Cöln.
Werner, Gymnasialoberlehrer in Bonn,
tr. Werner, Kabinetsrath in DSsseldorf.
Werners, Bürgermeister in Düren.
Dr. West erhoff, in Warfam.
Westermann, K aufmann in Bielefeld.
Se. Durchlaucht Fürst W i e d su Neuwied .
Dr. Wie8el6r, ausw. Secr., Professor in
GStüngen.
W i e t h a s e, Königi. Baumeister in C51a.
Dr. W i 1 m a n n s, Prof. in Strassburg.
Dr. Wings, Apotheker in Aachen.
Dr. Wittenhaus, Rector der höhern
Bürgerschule in Rheydt
Wohlers, Geh. Oberfinanzrath u. Pro-
▼inzial-Steuerdirector in Cöln.
▼. Wolff) Regierungspräsident in Trier.
Wolf, Caplan in Caloar.
Dr. Wolf f| H., Geheim. Stanitätsrath
in Bonn.
Wolff, Kaufmann in C51n.
Wolff, Commerzienrath in M. Gladbach.
Dr. Wolters, Superintendent in Bonn.
Dr. Weltmann, Prof. in Garlsruhe.
V o n Wr i g h t, Oberst-Lieut. In Goblenz.
Wuerst, H., Hauptmann a. D. und
Kreissecretär in Bonn.
Wüsten, Gutsbesitzer in Wüstenrode b.
Stolberg.
Dr. Wulfe rt, Gymnasial- Director in
Kreuznach.
Würz er, Friedensrichter In Bitburg.
Wurzer, Notar in Siegburg.
Dr. Zartmann, Sanitätsrath in Bonn.
Zervas, Joseph, Kaufmann in C61n.
Zimmermann, ausw. Secr., Notar in Man-
derscheid.
▼ on Zacoalmaglio, Notar in Gre-
venbroich.
Zumleh, Rentner in Münster.
Auaaerordentliohe Mitoileder.
Dr. Arendt in Dielingen.
Dr. Ars&ne de Noüe, Adyocat.
in Malmedy.
C o r r e n s, Maler in München.
Connestabile, Carlo,' Graf in Perugia.
Engelmann, Baameister in Kreuznach.
Feiten, Baumeister in Coln.
G. Fiorelli, Intendant d.k. Museen in
Neapel.
Dr. Förster, Professor in Aachen.
Gamurrini, Director des etrusk. Mu-
seums in Florenz.
Gen gl er, Domcapitular und General-
Vicar des Bisth. Namur, in Namur.
Hei der, k. k. Sectionsrath in Wien.
Hermes, Dr. med. in Remicb.
P. Lanciani, Architeot in Rayenna.
Lansens in Brügge.
Lucas, Charles, Arehitect, Sous-In-
specteur des travaux de la ville in
Paris.
Melle, Eduard, Graf in VerceUi.
M i 0 h e 1 a n t, Biblioth^oaire au dept. du
Manuscrits de la Bibl. Imper. in Paris.
Paulus, Topograph in Stuttgart.
Promis, Bibliothekar des Königs von
Italien in Turin.
J. B. de Rossi, Arohäolog in Rom.
Seh lad, Wilh., Buchbindermeister und
Bürger in Boppard.
Schmidt, Major a. D. in Kreuznach.
D. L. Tosti, Abt in Monte-Cassino.
Yerxelohnisa der Mitglieder.
351
Vendicliiiss
sämmtlicher Ehren-, ordentlicher und ausserordentlicher Mitglieder
nach den Wohnorten.
Aachen: ▼ Ark. Book. Bräggemann.
Contzen. Cremer. Dieokhoff. £mandt8.
Foerster. Qeorgi. Qymnasialbibliothek.
Hilgers. von Geyr - Schweppenburg.
Uaagen. Lamby. Mila. ^olyteohni-
oum. Soheiblor. Sohlänkes. Sohroeder.
Schwan, Startz. Sürmondt. Weber.
Wings.
Abentheaerhütte: Boeckiog.
Alfer-EiBOnwerk: Remy.
Alfter: Jörissen.
A 1 1 0 h 0 f : Plassmann.
Alter külz: Bartels.
Amsterdam: Boot, yan Hillegom.
MoU.
Anholt: Achterfeldt Fürst zu Salm.
Arnheim: Baron Sloet
Asbaoher Hütte: Boeokiog.
Barmen: Bredt. Karthaus. Thiele.
Basel: Universitätsbibliothek. Yischer.
Bergh: Habefs.
Berlin: Aohenbaoh. Adler. Aegidl.
▼on Bethmann - HoUweg. Boetticher.
Braun, von Guny. Cartius. Har-
less. Hartwich. t. Florenoourt. Fried-
ender. GeneraWerwaltung d. k. Mu-
seen. Qilly. Heydemann. t. d. Heydt.
Hotho. Hübner. Krüger. Li^benow.
Lohde. Mommsen. y. Mühler. y.
Peuoker. t. Pommer-Esche. Piper.
Salsenberg. Sohiokler. Weiss.
Beromünster: Dr. Aobi.
Bielefeld: Westermann.
B 1 1 b u r g : Nels. Wursser.
Bonn: Achterfeldt Bauerband. Ber-
nays. Bin«. Blahme sen. Bodenheim.
Bouyier. Brassert y. Bredow. BüehO'
1er. Qrafyon Bylandt. Gähn. DeClaer,
AI. De Claer, Eb. Clason. Cohen, y.
Deohen. Delius. y. Diergardt. Engels-
kirohen. Firmenioh-Riohartz. Floss.
Freudenberg. yon Fürth. Qeorgi.
J. Qoldsohmidt. B. Goldtschmidt.
Hauptmann. Heimsoeth. Hermann.
Henry. Hilgers. Hoohgürtol. vonHoi-'
ningen. Hüffer. Hnmpert. Kaufmann.
Kekul6. Dir. Klein. Jos. Klein. J. J.
Klostennann. Kortegam. Krafft KyU-
mano* de .la Valette St. Qeorge.
Lempertz. Leydel. Loersoh« Loesohigk.
HSrtens. Marcus. Mendelssohn, y.
Mirbaoh. Qraf MSrner. Morsbach.
Neu. y. Nenfyille, Bald. y. Neufyilley
Wilh. Kenmann. NSggeratfa. PeiU.
Pitsobke. Prieger. y. Proff-Imich.
Rapp. Reinkens. y. Reumont. y. Rigal.
Ritter. Graf von Salm-Hoogstraeten.
von Sandt. SchaafFhausen, Hermann.
Schaaffhaasen, Th. Schaefer. Arn.
Sohaefer. Schmelz. Sohroithals. Schu-
bert. Seydemaipo. Simrock. v. Span-
keren. Stahiknecht. Ständer, v. Stint-
zing. Strauss. v. Sybel. Thoma. Use-
ner. Veit. Velhagen. y. Vleuten. Wach,
y. Wasilewski. Weber. Werner. WolflF,
H. Wolters. Wurst. Zartmann.
B o p p a r d : Bendermacher. Dapper.
Scheppe. Soblad.
Braunfois: Prinz Solms.
Breslau: Stier. Stier.
B rügge: Lansens.
Brühl: Alleker. Scheden.
Brüssel: leBrou. v. Hagemans. Mus^e
Royal.
Büren: Kayser.
Burtscheid: Roen.
€aloar: Wolf.
Cambridge: Lewies,
Garlsruhe: Brambach. Weltmann.
Cassel (Haus): v. Fournier.
Gas sei: Sohubart.
Gastellaun: Camphausen.
Cleve: Chrescinski. Hasskarl. Koenig.
C o b 1 e n z : Baedeker, y. B ardeleben.
Givil-Gasino. Dominions. Duhr. El-
tester. Huyssen. Junker. Landau. Land-
fermann. Lesegesellsohaft. Lucas,
y. Marr6es- Montigny. Nobiling. y.
Strubberg. Ungermann. Wegeier, von
Wright.
Göln: Avenarius. Baohem. v. Bernuth.
Bigge. Gamphausen. Gamphausen, Aug.
Gassei. Glavö. v. Bouhaben. Deich«
mann. Devons. Disoh. Drewke. Düntzer.
Ennen. Essingh. Feiten. Frenken.
Fuohsl Garthe. Geiger. Goldsohmidt.
Gottgetreu, v. Hagens. Haugh. Heim-
soeth. Herstatt, Ed. Herstatt, Joh. Dav.
Heuser, v. Hodenberg. Hörn. Joest,
August. Joest, Ed. Joest, Wilhelm.
Kamp, von Kaufmann-Asser. Kessel*
Königs. Langen. Leiden, Dam.
Leiden, Fr. Lempertz^ H. Merkens.
MerlO} J. Merlo, G. Mevissen. Michels.
Mohr. Movius. Mülhens. Niessen.
Frh. y. Oppenheim^ Abraham. Op-
penheim, Albert Oppenheim, Dago-
bert Frh. y. Oppenheim, Eduard.
362
Verseichnisft der Mitglieder.
Pepys. Pütz. Raderaoliatt Rasoh-
dorfif. Y. Rath, Carl. y. Reokling-
hausen. Rennen. Saal. Beheben.
Schilling. Schneider. Scholl. Stahl.
Statz. Voigtel. Wendelstadt. Wiet-
hase. Wohlers. Wolff. Zervas.
Colmar: v. d. Ueydt.
Conatanz: Masmor.
Crefeld: v. Beokerathi Heinr. Leonh.
Boehncke. ▼. Brück, Emil. v. Brück,
Moritz. Burkart. Heimendahl. Jentges.
Jumpertz. Ton der Leyen, EmH. t.
Randow. Rein. Roos. Schaaenburg.
Schmidt. Schroers.
üarmstadt: Bossler. Ludwig.
DannkesBel, Haus: v. Dittfurth.
Dielingen: Arendt
Donaueschingen: Fürstl. Bibliothek.
D o r p a t : Harnack.
Dortmund: Prinz SchiSnaich.
DoBsenheim: Pütt
Drenstelnfurt: Frh. y. Landsberg.
Dresden: Fleckeisen. Hultsch.
D ulken: Bücklers.
Düren: Bogen, Hoesch, Gust. Hoesch,
Leop. KnoU. Königsfeld. Pfeiffer.
Rotteid. Rumpel. Schleicher. Werners.
Düsseldorf: Brendamour. Frh« y. Ende.
Erbprinz von Uohenzollern. Hegort.
Poensgen. v. Schaumburg. Schneider.
Trinkaus. y. Werner.
Duisburg: Böninger. Curtius. Eich-
hoff. Dr. Lange, y. Rath.
Bchtz: Cremer.
Ehren breitstein: Schwiekerath.
Elberfeld: Boeddinghaus. t. Carnap.
Gebhard. Oymnasialbibliothek. y. d.
Heydt. de Weerth.
Elsum b. Wassenberg: y. Leykam.
Eltyille: Graf Eltz. Schmidt.
Emmerich: Binsfeld.
Endenioh: Bannscheidt. Richarz.
Ktchweiler: Frank.
Essen: Baedeker. Conrads, y. HSyel.
Krupp. Probst. Ueberfeld. Waldthausen.
Florenz: Cammarini. Bibl,-Nationale.
Bibliothek de» etrurischen Museums.
Frankfurt a. M.: Becker. Gersou.
Milani. von Lo8. Scheele. Stadt-
bibliothek.
Frankfurt a. d. Oder: Graf Villers.
Frauen bürg: Krementz.
Freiburgin Baden: Keller. Universi-
tSts-Bibliothek.
Frenz (Sohloss): Graf Beissel.
Fröhden: Otte.
Fulda: Goebel.
St C^allen: Stiflsbibliothek.
Genf: GaUffe.
Gent: Roulez. Wagener.
Qiessen: Antikcn-Cabinet Lübbert
Gins heim bei Mainz: Hermann.
Gladbach: Doetsch. Prinzen. Pro-
gymnasium. Qu4ck. Wolff.
Gofttingen: yon Leutsch. Sauppe«
Unger. Universitätsbibliothek. Wieseler.
GrSfenbacher Hütte: Boecking.
Grevenbroich: y. Zuecalmaglio.
Grube Theresia: Scholl.
Gürzenich: SehiUings-Englerth.
Haag: Groen van Prinsterer.
Hall (Haus): v. Spies.
Hallo: Schlottmann.
Hamburg: Kiessling.
Hamm: Essellen.
Hannover: Ahrens. Culemann. Grote-
fend.
Harff-Schloss: T. Mirbaoh.
Heidelberg: Christ Köohly. Stark.
Universitäts-Bibliothek.
Hemm er ich: v. Nordeck.
Heppens: Schom.
Herdringen: Graf Fürstenberg.
Hochdahl: Schimmelbuseh.
Homburg v. d. H5he: Freiherr von
Modem.
Honnef: von Seydlitz.
Ilsenburg: Weber.
Immekeppel: Müller. Poerting.
Ingbert: Krftmor.
Jena: Bibliothek. Bursian. Gaedeohena.
Klette.
Kalk: Grüneberg.
Kessenich: aus*m Weerth«
Königsberg i. Pr.: Friedlinder. Uni-
verzitätabibiiothek.
Königswinter: Claaan.
Kremsmünster: Piringer.
Kreuznach: Antiquarisoh-histoiisoher
Verein. Cauer, C. Cauer, R. Engel-
mann. Rummel. Schmidt VoigtUnder.
Wulfert.
Küppersteg: Sohwartze.
l^auersfort: v. Rath.
Leiden: Bodel- Nyenhuis. Pleyte.
Leemans. du Rieu. de Wal.
Leipzig: Eolcstein. Lange .
Overbeok. RitschL Springer.
Lennep: Bürgerschule.
Limburg a. d. Lahn: Thissen.
Linnioh: Oidtmann.
Linz: Pohl.
London: Franks.
Löwen: Universit&ts-Bibliothek.
Lüttich: CudeU. Dogn6e. Univ.-Biblioth.
Mainz: Llndensohm it Spitz.
Malmedy: Ars^ne de Noüe. Steinbach.
Manderscheid: Zimmermann.
Mannheim: Gerlaoh.
Marburg: Nlsaen«
Mayen: Delius*
Meohernioh: Huperti.
Verzeiohniss der Mitglieder.
353
Mehlemer-Aae: Frau Deiobmann.
Metternioh (Burg): y. Müller.
Mettlaoh: Boch.
Mets: Bar. <^e Salis.
Monte-CaBino: Tosti.
Montjole: Pauly.
More^net: Braon.
Moskau: Graf Ouwaroff.
Mülheim a. Rh.: Bau. Wagner.
Mülheim a. d. R.: Gruhl. Stinnes.
München: Brunn. Cornelius. Correns.
Halm. Messmer.
Münster: Bibliothek der Akademie.
Y. Kühlwetter. Zumloh.
Münsterelfel: Köhler.
Münstermayfeld: Schmitt.
Hamur: Gengier.
Nash -Mills: Eyans.
Neapel: Fiorelli.
Neunkirchen: Stumm.
Neuss: Decker. Gymn.-Bibliothek.
Neuwied: Fürst Wied. Kaestner.
Reusch.
Nieukerk: Buyx.
Nürnberg: Bergau.
Nyraegen: Scheers.
Oberoassel: Bieibtreu.
Oehringen: Stifts-Bibliothek.
Oekhoven: Lentzen.
Ottweiler: äansen.
Paderborn: Martin.
Paffondorf (Burg): y. Bongardt
Paris: Barbet. Basilewsky. de Long.
p6rier. Lucas. Miohelant Robert.
Parma: üniyersitSts-Bibliothek.
Paterwolde: Hooft yan Iddekinge.
Perugia: Bibliothek. Gonnestabile.
Ploen in Holstein: Dr. Müller.
Popp^lsdorf: Kekul6.
Prag; Uniyersitäts-Bibliothek.
Prüm: Guiohard. Graeff.
%ulnt: KrSmer.
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Ratibor: Kramarczik.
Ray e na: Lanzianl.
Rayestein: Meester de Rayestein.
Remich: Hermes.
Remscheid: Hoffmeister.
Rheydt: Pferdemenges. Wittenhaus.
Roermond: Guillon.
Rom: Heibig. Henzen. de Rossi.
Rurioh Sohloss b. Erkelenz: y. Hom-
pesch.
Rüdes heim: Fonk.
Saarbrücken: Aohenbach. Karoher.
Tesohemaoher.
S affig: Haan.
Salzig: Nick.
Sangerhausen: Fulda.
Schieidweiler: Heydinger.
Siegb'urg: Wurzer.
Sigmaringen: Fürst zu HohenzoUern.
Sin zig: Broioher.
Sneek: Mehler.
Strassburg: Uniyersitats - Bibliothek.
Dr, Dümiohen. Kraus. Dr. Michaelis,
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Watterich. Wilmams.
Stromberger-Neuhütte: Wandes-
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Stuttgart: Haakh. y. Lübke. Paulus.
StfiUn.
Süchtelen: (teuer.
Thorn:* (Schloss) : y. Musiel.
Trier: Bettingen, y. Beulwitz. Bone.
Holzer. Leonardy. Mosler. Rauten-
strauch. Schdmanu. Seyffarth. Yle-
hoff. y. Wolflf. Wilmowsky.
Turin: Promis.
Uerdingen: Frings. Herberts, Balth.
Utrecht: Engels. Royers. Yermeulen.
Viersen: Aldenkirchen. Bachem. Fur-
mans. Greef. Heckmann. Schmitz.
Valparaiso: Dr. Meeks.
Verelli: Mellia.
Vogelensang: Borret.
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Warf um: Westerhoff.
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Wesel: Dr. Fiedler.
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Wien: Aschbaoh. Conze. Heider. k. k.
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Wiesbaden: Bibliothek. Isenbeek.
Krafft. Schalk. Schnaase.
Wissen: Graf LoS.
Würzburg: Schröder. Urlichs.
Wüstenrode: Wüsten.
Zeist: yan Lennep. •
Zell a. d. M OS e 1: Schmitz.
Zürich: DUthey.
B em e r k u n p. Der Vorstand ersucht Unrichtiqkeiten in
vorstehenden Verzeichnissen, Veränderungen in den Stanoesbezeich-
nungen. den Wohnorten etc. gefäiiigst unserem Rechnungsführer
schnftiich mitzutheiien.
Druck Ton Carl Oeorgri in Bonn.
Druckfehler.
S. 99 fehlt der Name des Verf. Dr. Nordhoff.
S. 287 Z. 4 1. ttatt 870 S. 87 S.
S. 295 fehlt die Unterschrift: F. W. OiigschUger.
S. 387 Z. 2 V. u. lies: Gamarrin«.
JaMid.Vmin*w.MUrämiit-Fr.im Rheüd. Heft.IM. Taf.l.
Bionzebiiste auf Schloss Thom an der Mosel.
Jahkd.Vtrfiuw.MlerAtti»^r.im.Rh^i/d. /Irft.LM.
Taf.l.
Bronzebüate auf Sohloas Thorn an der Mosel
JaJuid. Urmts nMtfrthum Fr. Im Meinl. Heft. IM. TufS.
Jahri ,1. Iminj aAlt^ums Fr. w> JÜtäni. Hrft. /#. Tof. IV.
Bronz«'^l'i^le in Beriin.
Jahi.d.Hrrwv^iaikunuFT:^ Wuinl.Heß.LS. Taf.K
Bronzebüsle in München.
Jahi^d- ünau vjGia^umsFr. im Wuiid. I^ILM, Taf.W.
Bronzebtiatfi in München.
.Mrh.d.VeTriA.' aAllfrihums Fr.im Rheinl.Hfß.lM. '/'.-fH.
Bponzebüate in Wien,
■Utr^A IhriM nJll^lwms fr im M^m/. Hfß. I.E.
BninzekTiate in Wi«
.kh4ill?rfins a.ihfTihums Fr.im RhAril.HrftJ^. Taf.S.
Bronzefigur in Wien.
J.Jirid lh^>L,aJllrrihim.sF,- im Rhnnlllffi.LE. Taf.I.
i^^NHüM.
Bponacfigur in Wien.
JaMd V»rüuv..1lifTihumsFT.im Rhiid.Hrß.IM. Taf.M
BronzefigiiP in Fiume.
.Uidd.VfremsvJillaihiiinsFr.im Bhrtnl.Hfß.LM. Taf.M.
Bronze figup in Fiume.
JähttiVeransBjilUTthitm-FrmlUiml lUftLK.
(Tat.:,)
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UtliJucrABMry.inSmi
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Oftaii ju Rkßfr K.
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otintr Dtfinw .
^ffitstr^t nacif J^orJt^it.
TatX^
Z"*/Ä ^nst t' ^'i.J£enrf
MAl^rtattAlUriha*afr.mBtinLSfALSliiJK
Yordere Insiclit
JAHRBUCHER
DES
VEREINS VON ALTERTHUMSFREUNDEN
IM
RHEINLANDK
HEFT LV n. LVI.
Nn 6 LITH0«RAPJIIRTE1I TA9IL1I CHD 4 HOLZSCHNITTDI.
BONN.
OEDRUCKT AUF KOSTEN DES VEREINS.
BOMH, BEI A. MARCUS.
1875.
Inhaltsverzelchnl88.
I. GescUclite und Denkmäler.
Seite
1. fi5mi0ohe 8ohleiiderg«BoboBse. (Eueren T&f. I^III.) Vom Prof. Dr.
Th. Berffk in Bonn ' 1
2. Die LitscS beim Kdkier Dome. Von J. J. M^rlo in Köln .... 74
8. Römische Bfruresie in der Gemarkung von Alterkülx. (Hieran Taf. IV.)
Vom Pteter Bartels in Alterkak 81
4. Stempel römischer Augenärzte. Von Dr. Joe. Klein in Bonn . . 98
6. Die WeilMnucbrift des Clematins in der Ursolakirohe in Köln. Vom
Prof. Dr. Dftntcer in Köfai 186
6. Ueber hohes Alter im Alterthum. Von Dr. Jos. Klein 146
7. Epigraphische Miüheilungen. Vom Prof. Hang in Mannheim . . .151
8. Zwei Steindenkmäler mit Darstellungen von phalerae, aus Bonn. (Hiersu
Taf. V.) Vom Prof. Dr. J. Freudenberg 177
9. Der alte Gereons^AHar in der gleichnamigen Kirche in Köln. (Hiersu
Taf. VIO Von Dr. Ennen in Köfai 185
n. Litterator.
1. Dictionnaire raisonnö du Mobiliar FranQais par M. Viollet-le*Dac.
T. L Par. 1868. T. U— V. 1871—1873. Angee. von H. Otte . . . 191
2. Das Bömercastell und das Todtenfeld in der Kinsigniederung. Vom
hanauiBchen Verein herausgegeben. Hanau 1878. Auges, vom Prof.
J. Freuden borg -. .195
8. Epigraphie de la Moselle, dtnde par Charles Robert, Par. 1869 u.
1873. Angea. vom Prof. Dr. J. Becker *. ... 201
4. Geschichte der deutschen Baukunst von der Römerzeit bis zur Gegen*
wart von Heinrich Otte. L. 1874. Angez. von Herrn Aldenkirohen 1Ö7
in. Miseellen.
1. I. Palimpsestinschriften. U. Drei neue römische IHlitärdiplonM.
III. Beitrag zu dem 8. Bande des Corpus inscr. Latinarum. Von
Dr. Jos. Klein 217
2. Mnnster-Maifeld. Antikes Erzgefäss. Von Dr. Schmidt . . 225
3. Antiker Steinblock zu Müden an der Mosel. Von Dr. Schmidt . . 227
4. Köln. Numismatisches. Von J. J. Merlo 228
5. Mayen. Auffindung von Römerresten. Von Rector Kruse . . . 282
6. Mayen. Fond einer röm. Münze in einem alten Schacht. .... 233
7. Trier. Röm. Mosaikboden zu Euren 284
8. Waldorf. Tund zweier röm. silbernen Löffel 234
9. Holzhausen auf der Haide. Aufdeckung eines Römercastells . . 284
10. Bonn. Zie^lstempel der Coh. 1 Ubiorum. Von J. Fr 285
11. Bonn. Grabinschrift eines Canabensis aus Köln. Von J. Freudenberg 285
Seite
12. Bonn. Drei neae röm. Ixuchriften aiu Pont und Billig, nebst einer
Grabinschrift ans Aachen. Von J. Preudenberff 286
18. Kleiner Altar von Jurakalk aas Bonn. Von Th. Sergk 289
14. Bonn. Römisohe Funde am Viereoksplatc. Von Th. B 240
16. Bonn. Aoffindunff von Bömerresten oei den Wasserleitangsarbeiten.
Von J. Fröndenberg 241
16. Bonn. Aufdeckung der alten Bömerstrasse bei den Wasserleitongs-
arbeiten. Von E. aus'm Weerth 248
17. Trier. Fragment einer Weiheinschrift aus den röm. Bftdem zu Trier.
Von Th. Bergk , 248
18. Trier. Aufdeckung eines röm. Gebäudes. Von Dr. Bone . . . . 244
19. Trier. Entdeckung von Steinw&Uen auf der Niederburg bei Echter-
nach. Von Dr. Bone 244
20. Tholey. Bronzetäfelchen mit einer Weiheinschrift des Juppiter. Von
Th. Bergk 245
. 21. Ueber ein in unserm Jahrb. mehrfach besprochenes Bronaet&felohen aus
Fliessem. Von Th. Bergk 245
22. Fränkische Särge zu Nennig und Fliessem. (Mit 2 Holzschnitten.)
Von £. aus'm Weerth 246
28. Bonn. Der röm. Pfahlgraben östl. von Linz und Hönningen. Vom
Freiherm von Hoiningen-Huene • 247
24. Bonn. Das Grabmal des Longobarden-Herzogs Gisulf. Von J. Fr. . 248
25. Grefeld. 1. Ueber Gesichtsumen. 2. Aufdeckung eines röm. Gräber-
feldes bei Crefeld. Vom Director emer. A. Rein 250
26. Geldern. Römischer Münzf und bei Wachtendonk. Von Friedrich
Nettesheim 252
27. Moselkern. Zwei seltene mittelalterliche Silbermünsen 258
— Entgegnong in Betreff der Festschrift: .«Der Mosaikboden in St. Gereon
zu Köm". Vom Vorstand des Vereins 258
— Berichtigungen und Bereicherungen ^n der gen. Publication. Von E.
aus'm Weerth 258
— Nachträge und Berichtigangan zu den Angenarztstempeln. Von Dr.
Jos. Klein 268
— Berichti|png zu Nr. 5. Von H. Düntzer 265
— Ankündigung der Publikation ausgewählter Kunstwerke aus dem Schatze
der »Reichen Kapelle« in der k. Residenz zu München. (Mit einem
Holzschnitt.) 266
IV.
Chronik des Vereins für das Vereinsjahr 1878 (resp. Pfingsten 1878—74) . 269
V.
Verzeiohniss der Mitglieder , 279
I. Oescilicilte und Denkmäler.
I. Römische Schleudergeechoeee.
ffierza Taf. I— HI.
Unter den Warfwaffen nimmt die Schleuder im Alterthume schon
frühzeitig eine hervorragende Stelle ein : noch sind uns zahbreiche
Schleudergeschosse der Griechen und Bömer erhalten, welche von
jeher die Aufmerksamkeit der Fachgelehrten wie der Dilettanten auf
sich gezogen haben. Ueber die griechischen Schleudergeschosse ver-
danken wir W. V i s c h e r eine gedrängte aber inhaltreiche Abhand-
lung ^)f welche aUes Wesentliche übersichtlieh zusammenfasst und als
Beigabe die Beschreibung einer Anzahl unedirter Schleudergeschosse,
grossentheils attischen Fundortes, enthält Für die römischen Schleuder-
bleie ist die Arbeit von de M i ni c i s ') als grundlegend zu betrachten.
Es ist dies nicht nur die erste vollständigere Sammlung des reichen
Materiales, deren Brauchbarkeit durch grossentheils getreue Nach-
bildungen erhöht wird, sondern der Verfasser hat auch, indem er sorg-
fältig den Fundort verzeichnet, dieses Material zu ordnen gesucht und
die einzehien Geschosse bestimmten Kriegen zugetheilt b). Daran
*) Antike Scbleadergeschosse, beschrieben von W. Yischer.
Basel 1866.
^) SuUe antiche ghiande missili e sulle loro iscrizioni in
den Abb. der Päpstlicben Akademie Bd. XI, S. 189-256. (Born 1852.) Die
eigene Sammlung von de Minicis befindet sieb nacb der Angabe Fabretti's in
Fermo.
*) Die Arbeit von de Minicis ist nicht frei von manchen Schwächen, aber
Mommsens Urtheil (accurata doctrina nulla) ist zu hart. Bitschi im
Rhein. Mns. XIV, 285 und 290, klagt über einzelne paläograpbiscbe Ungenauig-
kdten bei de Minicis, und fahrt namentlich das Geschoss bei de Minicis n. 62
an, indem er behauptet, eine nene Copie best&tige das geschlossene P in
P R * P I L nicht, allein das neue Exemplar, welches ich unter N. 67 publicire,
i
2 Bömische SohleudergeiohosBe.
schliessen sich die Arbeiten von Ritschi und Mommsen an.
Ritschi hat allerdings zum grossen Theil nur die Abbildungen bei
de Minicis reproduzirt, öfter jedoch auch neue nach den Originalen
des Kircher*schen Museums in Rom ^) gefertigte Zeichnungen mitge-
theilt. Mommsen vervollständigt nicht nur das Verzeichniss der
Schleuderbleie, obwohl eine genaue Benutzung öffentlicher und privater
Sammlungen sicherlich erhebliche Nachträge liefern dürfte, sondern
hat auch zum ersten Mal unternommen, diese Classe von Inschriften
nach den Grundsätzen methodischer Kritik und Exegese zu behandeln *X
indess ist das hier geübte kritische Verfahren nicht immer glücklich.
Die Lesung dieser Inschriften ist schwierig, zumal wenn man
nur ein einziges, noch dazu schlecht erhaltenes Exemplar, vor sich
hat; daher konnten mancherlei Missgriffe nicht ausbleiben. Indem
Mommsen, der nur wenige Exemplare selbst untersucht hat, den An-
gaben seiner Vorgänger misstrant, ist er nur zu sehr geneigt, mehr
oder minder grobe Lesefehler vorauszusetzen und die verschieden-
artigsten Marken auf eine einzige zurückzuführen. Allein die Gleich-
heit einzelner Worte, oder die blosse Aehnlichkeit der Buchstaben
reicht nicht aus, um sofort eine Aufschrift mit anderen Marken zu
identificiren. Ebenso verdächtigt Mommsen ohne rechten Grund die
ausdrücklichen Angaben über den Fundort. So geht seine Kritik
nicht selten über die Grenzen des Erlaubten hinaus und greift fehl.
Andererseits folgt Mommsen allzu bereitwillig den Früheren in ihren
falschen Erklärungen, und dies veranlasst ihn, eine Menge Geschosse
kurzer Hand zu verdächtigen oder geradezu als moderne Fälschungen
zu beseitigen.
Einige Beispiele mögen Mommsens Verfahren veranschaulichen,
zu anderen Berichtigungen wird sich im Verlaufe dieser Untersuchung
bestätigt diese Form, ja sogar das Facsimile Ritschrs (T. IX. n. 96)i obwohl
die Buchstaben theilweise verschliffen sind, stimmt damit. Ich muss übrigens
bemerken, dass ich die Abhandlung von Delfico: sopra le ghiande missili
(Neapel 1826), auf welche de Minicis wiederholt Bezug nimmt, nicht habe ein-
sehen können; ich weiss also nicht, in wie weit dieser Gelehrte schon der sach-
gemässen Anordnung, die de Minicis getroffen, vorgearbeitet hat.
^) Ritschi priscae Latinitatis monumenta epigraphica (Taf.
VIII und IX).
') Mommsen corpus inscr. Latinarnm T. I. S. 188—194, dann in
den Nachtr&gen 569. 560.
Eömisohe Sohleaderge«oho89e. 3
mehrfach Gelegenheit darbieten. Mommsen stellt unter nr. 650 eine
Anzahl Geschosse zusammen, deren Aufschriften er sämmtlich auf
eine Marke zurückführt, indem er in den abweichenden Angaben
nichts als verschiedene Lesarten findet, und kommt schliesslich doch
zu keinem bestimmten Resultat; denn er lässt es unentschieden, ob
die Aufschrift Feri Pomp(eium) oder Feri Roma(nos) lautete.
Es sind aber hier vier ganz verschiedene Stempel zusammengeworfen:
FERI POMPEIVM ^
auch abgekürzt oder in zwei Zeilen geschrieben, oder auf zwei Seiten
des Geschosses vertheilt, s. N. 21—25 der vorliegenden Sammlung;
FERI X COMA
auf die beiden Seitenflächen des Bleies vertheilt^ s. N. 28. 29 ;
FR I
TOMR
in zwei Zeilen untereinander, s. N. 26. 27 ; und :
FERI X MAQ
auf zwei Seiten vertheilt. Auf diese verschiedene Vertheilung der In-
schrift, welche zwar nicht immer, aber doch meist mit Sicherheit
auf Verschiedenheit der Marke schliessen lässt, hat Mommsen gar
nicht geachtet. Die vierte Marke kenne ich nur aus der Abbil-
dung bei de Minicis 4 (Ritschi Vin, 8) ; aber es ist ganz willkührlich,
wenn hier Mommsen eine verstümmelte Aufschrift findet ///MAQ;
denn die Aufschrift ist vollständig, für zwei Buchstaben am Anfange
ist kein Raum vorhanden, wie eben die Abbildung zeigt ; denn
de Minicis selbst ist in dieser irrigen Auffassung vorangegangen ^).
^) De Minicis S. 202 stellt mit dem Yenneintlichen Stempel
FERI ROMA
■ein Blei
FERI- MAQ
zusammen, indem er den letzten Buchstaben für ein blosses Ornament hält.
Mit Sicherheit lässt sich das Blei nicht erklären, man könnte an Minatius
Magitts, den Y erfahren des Historikers Yeliejus denken, der im römischen In-
teresse seine zahlreiche Clanschaft aufbot und eine vollständige Legion zusam-
menbrachte; aber er focht unter T. Didius und Sulla auf dem südlichen
Kriegstheater (YeUejus II, 16), während das Blei nach Picenum zu gehören
scheint. Yielleicht ist feri Maq(uolnium) zu lesen.
[
4 Römische SchleudergesclioflM.
Ein Stempel niit der Au&cbrift
FERI ROMA
wie die Früheren annehmen und auch Mommsen, obwohl i^eifelnd,
zugesteht, ist nicht nachweisbar, auch erscheint eine solche Aufschrift
schon wegen ihrer vagen Allgemeinheit wenig angemessen, wenn man
den mehr oder weniger concreten Charakter der übrigen Inschriften
auf Schleudergeschossen damit zusammenhält. Mommsen hat zwar
Becht, wenn er^ie Erklärung seiner Vorgänger, die Roma als Vocativ
fassten, verwirft, und fori Roma(nos) ergänzt, aber er irrt
wiederum, wenn er damit den Zuruf feri (Plutarch Marcell. 8) der
römischen Soldaten, die einander ermunterten, tapfer auf den Feind
löszuschlagen, vergleicht; denn das feri dieser Inschriften ist überall
als Anrede an das Wurfgeschoss zu fassen, s. zu Nr. 39, 40.
Wie leicht Mommsen^ sich mit den Angaben seiner Vorgänger
abfindet, wenn sie mit seinen Ansichten nicht stimmte, zeigt n. 654.
Der Stempel dieses Geschosses ist nach de Minicis 27 und Ritschi
Vin, 22 (nach einer neuen Copie) ganz übereinstimmend:
CÄL
und die abweichende Lesung von Lipsius, wenn dieser überhaupt den-
selben Stempel copirte, kommt gar nicht in Betracht, da jene Marke
in 8 Exemplaren im Kircher'schen Museum vorhanden ist, also ein
Fehler beider Copien, welche die Ligatur von A mit T bezeugen,
nicht angenommen werden darf. Mommsen zieht es vor G A L zu
lesen und auf die Gallier zu beziehen ^), indem er das folgende Blei
n. 655:
LCAL
durch legio Gallica erklärt, was ganz unsicher ist; war es em
L^onstempel, so könnte man ebenso gut an legio galerita u. A.
^) Dafar liesse sich aUen&Us das Emblem der Bücksseite ein Schwert
(nieht Blitz, wie Mommsen angiebt) geltend machen; doch kommt dieses Sym-
bol, wie vorliegende Sammlang beweist, auf den verschiedensten Geschossen vor.
Ich wage keine Erklärung vorzuschlagen; ob der erste Buchstabe G oder G ist,
lässt sich bei der Aehnlichkeit dieser Buchstaben nicht bestimmt entscheiden;
de Minicis erklärt C. Tal(na), es könnte aber ebenso gut Gatl(tts) sein, ob
gerade der Italischen Heerführer Y. Catulus (s. unten zu Nr. 8) wage ich nicht
zu entscheiden; denn dieser steht dem C. Marius im Marsischen Gebiet gegen-
über, jene Geschosse sind bei Asculum gefunden. Aber es ist nicht anmöglich,
daas ein Anführer, der im ersten Eriegsjahre gegen Marius kämpfte, im nächsten
Jahre in Picenum ein Kommando hatte.
Römische Schleudergeschosae. 6
denken; es kann aber auch ein Eigenname, wie L. Gallus oder
Galba sein.
Oar seltsam ist der Widerspruch, in den sich Mommsen ver-
wickelt; während er den Angaben seiner Vorgänger über Thatsäch-
liches entschiedenes Misstrauen entgegensetzt, schenkt er ihren irrigen
Deutungen williges Gehör, und gründet darauf seine Kritik. De Minicis
und Andere finden auf diesen Geschossen vielfach die Zunamen der
Legionen, die sie erst in der Kaiserzeit führen ; statt diese Erklärungen
als verfehlt abzuweisen, verdächtigt Mommsen die Inschriften selbst.
Ein Perusinisches Blei (n. 694, de Minicis 55) hat die Aufschrift:
LVM
3sva±
hier glaubt de Minicis die 5. Macedonische Legion' und den Namen
des Flusses Trasimenus zu erkennen. Und doch war es nicht schwer,
das Rechte zu treffen: die erste Zeile ist offenbar unvollständig, wir
haben hier nur einen Beleg des gemeinen Soldatenwitzes:
(cu)LVM
TRASE(i)
trasei ist transi; transire in der Bedeutung durchbohren
findet sich nicht nur bei Dichtern, sondern später auch in der Prosa.
Lucret VI, 228 gebraucht es vom Blitze, und die Bleieichel ist ja nichts
anderes als ein Analogen des Blitzes, s. z. Nr. 41^-43. Die leg(io)
VI f(errata) n. 659, die l(egio) XII ful(minata) n. 660, sowie
die leg(io) XVIII fir(ma) n. 662, welche unsem Kritikern gerechte
Bedenken einflössen, braucht man nur dieser Zunamen zu entkleiden
und dafür f ul(men) oder was gleichbedeutend ist, fir zu erkennen,
8. zu Nr. 41—43, so verschwindet jeder Grund zur Verdächtigung.
Eine andere Bewandtniss wird es mit n. 664 legio XXX V(lpia)
V(ictrix) haben, s. z. Nr. 9. •
Nichts berechtigt diese und andere ähnliche Aufschriften auf
Schleudergeschossen als Fälscltingen zu betrachten ^), obwohl auch auf
diesem Gebiete sich wie anderwärts der Betrug aus Gewinnsucht oder
*) MommBen geht sogar so weit in seiner falschen Kritik, dass er n. 656
(s. seine Bemerkangen za n. 660) LI I I TA L för verdächtig erklärt, obwohl
hier gar kein Zuname sich findet, sondern die Legion als zweite italische
(Italica oder Italicorum) bezeichnet wird. Mommsens Verfahren wird nur
dadurch einigermassen entschuldigt, dass er nach seiner eigenen Yersicherung
6 Rdmitche SoUeudergetohotie.
anderen unlauteren Motiven versucht haben mag. Schon der vorsichtige
de Minicis äussert Zweifel über die Aechtheit eines der von ihm unter-
suchten Schleuderbleie \ allerdings ohne Gründe anzugeben ; indess
das Urtheil eines eifrigen Sammlers und kundigen Liebhabers verdient
immer Beachtung. Ich mache namentlich darauf aufmerksam, dass
in der Sammlung Campana (s. Mommsen Nachtr. n. 1515 S. 560)
sich ganz derselbe Stempel findet; dies scheint den Verdacht^ den
Mommsen in den Nachträgen gegen die meisten Geschosse dieser
Sammlung ausgesprochen hat, zu unterstützen. Die Fassung der
Au&chriften ist eigenthümlich, sie bestehen in der Regel nur aus ein-
zelnen Buchstaben oder Zahlzeichen: indess kommt eine Anzahl ähn-
licher Exemplare auch bei de Minicis vor; es, könnte bei einem beson-
dem Anlasse gerade diese Art der Bezeichnung aufgekommen sein.
Hier kann nur eine sorgfältige Prüfung der betreffenden Exemplare
selbst entscheiden; ich vermag ebenso wenig ihre Aechtheit zu ver-
theidigen, als mich der Verdächtigung Mommsens anzuschliessen. Zum
Glück kommt nicht viel darauf an, denn die Aufschriften sind
für uns unverständlich, können daher keinen sonderlichen Schaden
stiften *).
Eine Sammlung neu aufgefundener Schleudergeschosse hat mich
zu einer Bevision dieser Klasse von Denkmälern veranlasst, deren
Nothwendigkeit ich schon längst erkannt hatte, die sich aber ohne
Autopsie nicht ausführen liess. Dass durch den neuen Fund jene
Irrthümer beseitigt werden, ist schon itls ein erheblicher Gewinn zu
betrachten, aber auch ausserdem wird sich manches interessante Er-
gebniss herausstellen, und ich darf wohl hoffen, dass Andere zu einer
erneuten Untersuchung der bereits bekannten, so wie zur Veröffent-
lichung der noch unedirten römischen Schleudergeschosse angeregt
werden.
kein einziges von den Geichoseen aus dem Bundesgenossenkriege gesehen hat :
mihi qui harum nullam viderim nihil fere relictnm fait, nisi mo-
lestum negotium dabitationis profitendae. (S. 189| B.)
1) De Minicis S. 253, Anm. 4. (Taf. I soU die Abbildung enthalten, die
aber auf dieser Tafel im Exemplar der hiesigen Bibl. nicht steht, Ritschi hat
sie wiederholt YUI, 88), Mommsen 680:
•DI'S F-
') Es finden sich auch Schleudergesohosse mit etruskischer Aufschrift bei
Micali, de Minicis und Fabretti, eines in der Sammlung des Herrn Moosier
de Rayestein (doch wird ix9 Gatalog die Inschrift nicht mitgetheilt).
Bömische Schleudergeschome. 7
Diese Sammlung hat Hr. Prof. aus'm Weerth auf seiner Reise durch
die Mark Ancona und die angrenzenden Bezirke in Camerino erworben.
Die meisten Wurfgeschosse sind nach der Mittheilung des froheren
Besitzers am Tronto gefunden worden, womit auch das Ergebniss
unserer Untersuchung stimmt. Genauere Angaben über den Fundort
der einzelnen Schleuderbleie waren leider nicht zu erlangen; nichts
desto weniger liess sich in sehr vielen Fällen die Zugehörigkeit fest-
stellen. Es sind 96 Stück, davon gehören 2 (Nr. 1, 2) dem Sklaven-
kriege in Sicilien, 51 (Nr. 3 bis 53) dem Bundesgenossenkriege, 18
(Nr. 54—71) der Belagerung von Perusia an; von den übrigen (Nr.
72^96) liess sich die Herkunft nicht mit voller Sicherheit ermitteln.
Nur ein Blei ist unbeschrieben, hat aber dafür auf beiden Seiten
Embleme ; ein Geschoss hat eine griechische, zwei oskische, alle übrigen
lateinische Beischriften. Die Bedeutung dieser Sammlung ergiebt sich
schon daraus, dass unter den 96 Wurfgeschossen mehr als 40 sich
befinden, die bisher völlig unbekannt waren, und unter diesen nehn^en
besonders die, welche sich auf den Bundesgenossenkrieg beziehen,
unser Interesse in Anspruch.
Wer Inschriften antiker Schleuderbleie gesehen hat, wird die
Schwierigkeiten der Entzifferung beurtheilen können, zumal wo wie
hier unedirte Exemplare zum Vorschein kommen; denn bei schon be-
kannten Marken können selbst die Irrthümer der Vorgänger gute
Dienste leisten. Diese Unsicherheit steigert sich bei den umgestem-
pelten Exemplaren: denn die frühere mehr oder minder unkenntliche
Aufschrift lässt sich nur mit einer Palimpsesthandschrift vergleichen,
wo man auch bei wechselnder Beleuchtung an dem einen Tage diese,
an dem andern jene Schriftzüge zu erkennen glaubt. Wer die von
mir beschriebenen Bleigeschosse von neuem untersucht oder gleiche
Exemplare nachzuweisen vermag, wird sicherlich manches zu berich-
tigen finden *). Nicht minder unsicher ist die Erklärung dieser In-
schriften, vieles wird hier wohl stets problematisch bleiben, oft habe
') So habe ich naohtr&ghch selbst noch die Lesung von Nr. 25 berichtigt,
wo ich früher F R I • P O M fand, während ich jetzt darin die Marke Nr.
14, 15 F R I * P I S A erkenne. Am schwierigsten ist die Deutung cursiv-
artiger Schriftzeichen, die auch anderwärts den Epigraphikem Noth machen;
über die Schweizerische Inschrift (Momrosen inscr. HeW. 273) hat man aller-
lei abenteuerliche Yermuthuugen aufgestellt, aber nicht erkannt, dass nur die
bekannten Verse aus Yirgil (Aen. XI, 1. 2.) Ooeanum inierea surgens etc.
copirt sind.
L
8 Römisohe Schleadergesohosse.
ich es vorgezogen, auf jede Deutung zu verzichten. Abbildungen der
wichtigsten neu aufgefundenen, wo es nöthig schien auch der älteren
Marken sind beigefügt; in zweifelhaften Fällen habe ich nicht sowohl
die Hand des Zeichners geführt, sondern ihm selbst überlassen wieder-
zugeben, w|is er zu sehen glaubte.
Der den Griechen angeborene künstlerische Trieb äussert sich
auch bei der Anfertigung dieser unscheinbaren Wurfgeschosse; meist
ist das Schleuderblei mit einem passenden Emblem ausgestattet ^), wie
der Blitz, ein Skorpion oder eine Schlange (vergl. Vischer, S. 8), wenn
auch die Ausführung manchmal ziemlich roh erscheint Die romischen
Geschosse veranschaulichen seltener auf diese symbolische Weise den
Zweck der Waffe; denn die Rückseite ist, wofern sie nicht ebenfalls
beschrieben ist, meist glatt; doch ist auch hier manchmal ein schick-
liches Emblem angebracht, der Blitz, das Zeichen des Keiles, welches
ganz gleiche Bedeutung hat, oder ein kurzes Schwert^). Eine in-
schriftliche Zugabe findet sich in der Regel auch auf den griechischen
Schleudergeschossen, aber die römischen Denkmäler dieser Gattung
zeichnen sich durch reiche Mannigfaltigkeit der Aufschriften sehr vor-
theilhaft aus, und haben ebenso für die historische Kunde, wie für die
Erforschung der Sprache Interesse ; den ersten Gesichtspunkt hat man
schon früher gebührend gewürdigt, während der andere bisher keine
Berücksichtigung gefunden hat. Die öfter umfangreiche Inschrift ist
nach Umständen auf 1, 2 oder 3 Zeilen vertheilt, nicht selten ist
auch die Rückseite beschrieben, und zwar hängen die Aufschriften
beider Seiten eng zusammen^). Natürlich finden sich auch einzelne
^) Sempev (die bleiernen Sohleadergesohosse der Alten, Frankfurt 1859)
griebt auf Taf. L n. 3 die Abbildung eines grieohisohen Geschosses im brittisohen
Museum, welches ein bärtiges Männergesicht zeigt. #
') Neu imd eigenthümlich ist die zweimal in der Sammlung des Hm.
Prof. aus'm Weerth yorkommende Darstellung eines Fisches Kr. 7 und 95.
Pfister (über röm. Schleudergeschosse, in den Berichten des histor. Vereins für
Mittelfranken, Ansbach 1864) beschreibt ein römisches Blei mit dem Namen des
Q**lll*LV*f wo auf der Bückseite ein Modusenhaupt dargesteUt ist
und »die Enden der Haarlocken Schlangenköpfe andeuten sollenc
) Nur das Geschoss aus der Sammlung Gampana (Mommsen Nachtr.
1509) macht scheinbar eine Ausnahme:
PVOMIS ^^^
OMNIA ^^ VDRV
MALO
Romisoha ScbleodergeachosBe. 9
Schleudergeschosse ohne Bild und Schrift 0- — Die Schleuderbleie wurden
in Formen gegossen, die symbolischen Beizeichen, wie die Au&chriften
waren in der thönernen Form angebracht, daher auf dem Abgüsse die
Buchstaben zuweilen in verkehrter Gestalt erscheinen^). Aber öfter
ward auch die Schrift mit Hülfe eines Metallstempels dargestellt ^) ; die
scharfgeschnittenen Formen der Buchstaben kennzeichnen sehr be-
stimmt dieses Verfahren, welches namentlich da in Anwendung kam,
wo man ein altes beschädigtes Geschoss ausbesserte, oder durch Zu-
sammenlöthen aus zwei Bruchstücken ein Neues anfertigte, wozu man
ebenso eigene wie feindliche Bleieicheln verwandte. Diese geflickten
Geschosse wurden neu abgestempelt. Mehrfach haben sich noch Beste
des früheren Stempels erhalten, die an den flachen, breitgedrückten
Buchstaben kenntlich sind, zuweilen ist nur noch ein leichter schatten-
hafter Umriss der frühern Schriftzeichen sichtbar^). Dieses Verfahren,
Die Rückseite enthalt hier wohl die Antwort, mit Aarudru(m) wird ein ge-
wöhnliches Brechmittel (die Lesart ist jedoch schwerlich richtig) bezeichnet
sein, welches der Empfönger dem tödüiohen Blei yoradeht. Das Geschoss ist viel-
leicht aus zwei verschiedenen Hälften zusamniengelöthet.
^) Die alte Zeit mag sich mit dem nothwendigsten begnügt und auf jede
weitere Ausstattang der Geschosse verzichtet haben, und wie so häufig nach dem
natürlichen Kreislauf der Dinge das Ende zum Ausgang zurückkehrt, so mögen
die späteren Jahrhunderte sich auch in dieser Einfachheit mit den Anfangen
berühren. Scheuderbleie aus Gumae dieser Art hat Hr. Prof. aus'm Weerth
aus der Sammlung der Fürsten v. Wittgenstein erworben. Wenn Wilmanns
Exempla inscr. Lat. II. S. 288 bemerkt: glandium pleraeque inscriptio-
nibus omnino oarent, so dürfte dies mit den Beobachtungen Anderer nicht
« eben stimmen. Manchmal ist übrigens wohl nur 'Bild und Schrift gänzlich ver-
loschen, sodass das Geschoss schmucklos erscheint.
^) So z. B. K. 41 pnd 58—60, ausser anderen Beispielen bei de Minicis.
Durch den Gebrauch der Geschosse sind einzelne Buchstaben nicht selten be-
schädigt oder auch ganz verwischt: manchmal mag auch schon beim Gnss ein
Buchstabe oder eine einzelne Linie nicht zu ihrem Recht ^kommen sein.
>) Auch bei dem Emblem hat man zuweilen dasselbe Verfahren ange-
wandt, wie Nr. 91 beweist. Yischer hat n. 5 ein attisches Geschoss, wo zwei
Eulen durch einen Nachstempel in einer vertieft eingeschnittenen Fläche einge-
prägt sind, offenbar ein fremdes Geschoss, was die Athener wieder verwendeten;
die Rückseite zeigt eine fast ganz verwischte Aufsch^ft, die eben so g^t
lateinisch wie griechisch sein kann.
*) Sicherlich wird sich bei erneuter Untersuchung der in unseren Museen
befindlichen römischen Geschosse diese Beobachtung bestätigen; denn bei
flüchtigem Betrachten entziehen sich diese Spuren der Aufmerksamkeit.
lÖ Römische Sehleodergeflohone.
1) Nach PfiBten Bericht ist die Inschrift seines Bleies Q * T I T I ' L V
mit Tortieften Buchstaben eingeschnitten ; wenn er sich aber auf ähnliche
Beispiele bei de Miniois beruft, so ist dies irrig.
>) Vergl. unten Nr. 57 und 62.
>) Monimsen sagtS. 188: „ut vel ipsa glans, vel quod etiam com-
modius erat, forma stilo inscriberetur.*' 6. Wilmanns £xempla Insor.
Lat. II, S. 288 wiederholt dies gedankenlos: „glandes litteras habent aut
ipso plumbo stilo inscriptas aut prominentes. '^
*) Auffallend ist jedoch, dass de Minicui auch das Geschpss -seiner eigenen
Sammlung (Taf. IQ, 55) in dieser Weise reproducirt. Bitsohl hat diese und
ähnliche Copien, da sie f&r die Paläographie unbrauchbar sind, nicht wiederholt.
^) Wohl aber bediente man sich des Qriffels bei den thönemen Gusa-
formen.
alte Geschosse auszubessern und umzustempeln, wofür vorliegende >
Sammlung zahlreiche Belege bietet, hat man bisher nicht erkannt.
Die Schrift ist erhaben, gleichviel, ob sie durch Guss oder durch
Stempel hergestellt wurde. 0? und die Form der Buchstaben, besonders
aus dem Bundesgenossenkriege, meist gross und kräftig; nur auf den
perusinischen Geschossen finden sich zuweilen flüchtige Züge, welche
der CursiYschrift nahe kommen, jedoch erscheinen daneben^ auf dem- ■
selben Blei auch regelrechte Buchstabeniormen '). Als entschieden |
irrig ist die Vorstellung zu betrachten, als wären diese Inschriften ,
theil weise mit einem Griffel ausgeführt worden'); das Material ist |
viel zu spröde, um die Anwendung eines gewöhnlichen Schi-eibinstru- !
mentes zu gestatten, auch würde dann die Schrift nicht erhaben,
sondern vertieft erscheinen. Zu dieser irrigen Vorstellung haben wohl
nur einzelne Abbildimgen bei de Minicis Anlass gegeben, welche offen-
bar kein getreues Facsimile bieten, sondern de Minicis theilt sie in
der Gopie mit, welche er von Andern erhalten hatte ^). Diese Auf-
schriften sehen allerdings mit ihren dürftigen Schriftzügen aus als
wären sie mit einem Griffel eingeritzt^).
Abgesehen von einer Bleieichel, welche in Spanien auf dem
Schlachtfelde von Munda (im J. 709 der Stadt Rom) gefunden worden
ist, gehören sämmtliche bisher bekannte römische Schleudergeschosse
drei verschiedenen Kriegen an, dem Sklavenkriege in Sicilien ]
im J. 621, dem Bundesgenossenkriege im J. 664 u. f. und der
Belagerung von P^rusia im J. 713 und 714.
Bei Belagerungen leisteten Wurfwaffen die besten Dienste; ge-
I
Römieohe SohleudergMohosM. 11
iföhnlich machten beide Theile davon ausgiebigen Gebrauch ^). Hier
entwickelte sich, indem man längere Zeit einander gegenüber stand,
ein förmliches Wortgefecht, eine Art Gorrespondenz vermittelst der
Bleigeschosse; der den Soldaten eigenthümliche Humor und Spott
bricht hier nicht selten hervor, aber sehr bezeichnend ist, dass rohere
Scherze und gemeiner Hohn sich erst im Bürgerkriege bei der Bela-
gerung Perusias zeigen*). Aber auch in der offenen Feldschlacht
wurden Schleudertruppen mit Vortheil verwendet. Doch versahen
diesen Dienst meist Hülfetruppen oder geworbene Söldner, daher
genossen auch die Schleuderschützen nur geringe Achtung ^).
Historische Zeugnisse dienen zur erwünschten Bestätigung.
Valerius Maximus erzählt, wie im Sclavenkriege der Gonsul Calpurnius
Piso die Feigheit des Anführers einer Beiterabtheilung bestrafte; G.
Titius wurde für ehrlos erklärt, den Reitern ihre Bosse genommen
und sie zu den Schleuderem versetzt ^). Die Verwendung der Schleuder-
') Dum die Belagerer beim Gebrauch der VTarfgeachosie im YortheU
waren, bemerkt Quadrigarius bei Gellius IX, 1. Im AUgemeinen soUte man
erwarten, mehr Geschosse der Belagerten als der Belagerer za finden; denn die
welche in eine Festung geworfen wurden, mögen e. Th. schon von den Bela-
gerten gesammelt und wieder verwendet worden sein; auch war ein bewohntes
Terrain for die Erhaltung dieser Reliquien weniger günstig, als das freie Feld.
Doch wirkten im einzelnen ^alle besondere Verhaltnisse ein; in Perusia wird L.
Antonius, dessen Stärke hauptsachlich in fechtkundigen Gladiatoren bestand,
yon den Warfwaffen nur massigen Gebraach gemacht haben, worauf schon
Mommsen aufmerksam macht.
') Wie das mehrfach variirte pete oulum oder pete landicam
Fnlviae: denn die Beischrift eines Bleies aus dem Italischen Kriege (Mommsen
665) eme malvam malam steht nicht anf gleicher Stufe.
') Daher kam es öfter vor, dass römische Borger zur Strafe zu den
Sohleuderschützen versetzt wurden. Im Kriege mit Pyrrhus wurden die Beiter,
welche in Kriegsgefangenschaft gerathen waren, zum Fussvolke versetzt, die
Fusssoldaten mussten als Schleuderer dienen. Yaler. Max. II, 7, 15 (in fun-
ditorum auxilia transoripti).
*) Yaler. Max. II, 7, 9: turmas eqnitum, quibus praefuerat,
ademptis equis in alas funditorum tr ansscripsit. Es waren wohl
bundesgenössische Reiter, denn nach Anleitung der Epitome ist zu sehreiben:
G. Titius equitum praefectus sociorum. Man -könnte versucht sein,
«
das von Pfister publicirte Blei mit der Aufschrift Q * T I T I * L V eben auf
diesen Titius zu beziehen; denn wenn er auch bei Valerius M. and Frontin.
Strat. lY, 1, 26 das praenomen C. fuhrt, so w&re doch die Annahme eines
12 RömiBche Schlendergeschosse.
trappen im Bundesgenossenkriege bezeugt Sisenna ^), und die Italiker,
denen es besonders anfangs an dem nöthigen Kriegsmaterial fehlen
mochte, griffen wohl selbst zu dem einfachsten und primitivsten Wurf-
geschosse, dem Feldsteine'). Ebenso wird bei der Belagerung von
Perusia der Gebrauch der Bleigeschosse erwähnt^).
Sklavenkrieg in Sicilien.
1.
PISO
Der Name nimmt nicht die Mitte der Fläche, wie sonst üblich
ist, ein ; wahrscheinlich folgte noch COS, durch die Beschädigung
des Bleies an dieser Stelle sind diese Buchstaben getilgt. Ein solches
Exemplar verzeichnet K. W. Nitzsch die Gracchen S. 294 PISO
COS, und wenn auf andeni Exemplaren COS auf der Bückseite
erscheint, ist dies kein Grund, mit Mommsen die allerdings nicht
ganz deutliche Angabe von Nitzsch anzuzweifeln. Auf vorliegendem
Blei ist übrigens PISO ein Nachstempel. Die andern drei Seiten
zeigen noch Beste des früheren Stempels mit kräftigeren grossen
Buchstaben
PISO
OL
COS
COS O
Schreibfehlers nicht zu kühn. Allein die Strafe, welche Piso über jenen
TitiuB verhängte, sohliesst die Belassung des Gommandos über seine zu Sohleu-
derem degradirten Reiter aus.
') Sisenna bßi Nonius u. funditores S. 653. In einzelnen Landschaften
Italiens mag seit alter Zeit diese Kampfweise besonders üblich gewesen sein;
Yirgii Aen. YII, 686 sagt von den Hemikern und benachbarten Stämmen:
pars maxima glandes liventis plumbi spargit.
^ Sisenna bei Macrob. Sat. VI, 4, 15: Marsi .... saxa oertatim
lenta (lies amento aut) manibus proiiciunt in hostes und bei Konius
u. tela S. 448: manualis lapides dipertit, propterea quod is ager
omnis eiusmodi telis indigebat. Dass übrigens auch die Römer den
Steinwurf nicht verschmähten, zeigt Sallust. Jng. 57.
') Appian de b. civ. Y, 86.
Romische Sohleadergeschosae. 13
das S am Ende der 3. Zeile ist grossentheüs verwischt, das O am
Schluss der 4. unsicher.
2.
PISON
Ein ähnliches Exemplar de Minicis 81. Die einfachste Erklärung
ist Pison(is), wie auch auf griechischen Geschossen der Genitiv
Mmv^ov^ ZmXov üblich ist. Mommsen nimmt auch hier ohne allen
Grund einen Lesefehler st. P I S O an. Bisher sind aus diesem Kriege
römische Geschosse nur mit dem Namen des Consuls Piso aufgefunden
worden.
Bundesgenossen -Krieg.
Der hartnäckige Kampf zwischen Rom und den aufständischen
Italikem hat eine ganz andere Bedeutung als der Sklavenkrieg oder
die Belagerung Perusias. Mommsen hat in 37 Nummern (von denen
manche durch zahlreiche Exemplare vertreten sind) die bisher be-
kannten Schleudergeschosse aus diesem Kriege zusammengestellt, die
schon durch ihre verhältnissmässig grosse Zahl die erste Stelle unter
den Denkmälern dieser Kategorie einnehmen; die meisten sind bei
Asculum, oder doch im Gebiet der Landschaft Picenum gefunden^ eine
bei Firmum, andere in den Abruzzen ohne nähere Angabe des Fund-
ortes (s. Mommsen 655^ 662, 664, 673, zweifelhaft bei 686.) Mommsen
führt daher sämmtliche Geschosse auf die langwierige Belagerung von
Asculum und die Kämpfe in der Nähe dieser Stadt zurück.
Es war der letzte Versuch, den die Italischen Stämme machten,
um ihre Selbständigkeit gegenüber der Herrschaft Roms zu behaupten,
aber trotz der grössten Anstrengungen und der verzweifelten Gegen-
wehr unterlag auch diesmal zuletzt der italische Stier dem römischen
Wolfe. In Aisculum brach der Aufstand aus; diese schon durch ihre
natürliche Lage überaus feste Stadt ^ war ein Hauptbollwerk der
Italiker; die umliegende Landschaft Picenum leistete den hartnäckig-
sten Widerstand und war der Schauplatz blutiger Kämpfe. Hier
führte Gn. Pompcjjus gegen die Italiker unter ludaciUus dem Ascu-
laner, T. Afranius und P. Ventidius den Oberbefehl. Mit dem Falle
Asculums, welches lange Zeit von den Römern belagert wurde, ' war
hier das Schicksal des Krieges entschieden. Es ist begreiflich, 'dass
>) Strabo Y., 24U
14 . Bdmwohe SofalendargesehMte.
Yorzugsweise in der unmittelbaren Nähe jener Stadt Schleuder-
geschosse und zwar römische wie italische gefunden wurden.
Allein der Aufstand war nicht auf Picenum beschränkt, sondern
griff rasch um sich; bald^tand fast ganz Mittel- und Süditalien gegen
die Römer in Waffen; dieser Eri^ verbreitet sich fiber einen weiten
Raum Ol nnd ist, obwohl er nicht viel länger als zwei Jahre währte,
reich an wechselvollen Ereignissen, da von beiden Seiten mit dem
Aufgebot aller Kräfte gekämpft wurde. Zahlreiche Städte wurden
belagert und erobert, viele grössere Schlachten und unzählige kleine
Gefechte geliefert: fftr Verwendung der Schleudertruppen bot sich
überall Gelegenheit dar. Man sollte daher erwarten, dass nicht nur in
Picenum, sondern auch anderwärts der Boden unmittelbare Zeugen
jener Kämpfe verberge, und diese Erwartung ist nicht getäuscht
worden.
Durch die neuen Funde, über die ich hier berichte, hat nicht
allein die Zahl der Bleigeschosse aus dem Bundesgenossenkriege einen
erheblichen Zuwachs erhalten, sondern indem auf den Beischriften
berühmte historische Namen erscheinen, nehmen diese unscheinbaren
Reliquien einer wichtigen Epoche aus der Geschichte Italiens unser
Interesse in erhöhtem Maasse in Anspruch. Von römischer Seite be-
gegnen uns hier zum ersten Male die Namen des C. Marius, Cn.
Pompejus und des Redners M. Antonius; von den Italikem die
beiden hervorragendsten Führer Paapius Mutilus und Pompae-
dius Silo nebst Pontius Telesinus und P. Ventidius: ausser-
dem aber noch mancher unbekannte Name aus den Reihen der Römer
wie ihrer Gegner. C. Marius hat zwar ein Commando bei der Nord-
armee, steht aber hauptsächlich den Marsem unter Yettius Cato, Herius
Asinius und Pompaedius Silo gegenüber^). Diesem Kriegsschau-
^) Selbst Latimn blieb von den Leiden dieses verheecenden Krieges nicht
yerschont ; bei Sora im ehemaligen Yolskergebiete kämpfte eine römische Ab-
theilung unter Herennius (s. Servius e. Aen. IX, 590) ; denn auch Latiner
hatten sich zum Theil dem Aufstande angeschlossen, s. Floras III, Id, wo offen-
bar der Name der Sabiner ausgefallen ist: Pompaedius Marsos, (Sabines)
et Latinos Afranius. Lückexihafb ist auch die Aufzahlung der von den
ItaUkem zerstörten Städte, die Florus offenbar im Anschluss an Livius (s. Epit)
giebt; der Name Picentia, den man hier eingeführt hat, ist ganz ungehörig;
es iltzu lesen: (omniaqne lüde a) Pleentlmn flnibvs ferro et igni vastan>
tnr. Dagegen ist der Ausdruck des Obsequens 65: ubique in Latio olades
aocepta im weitern Sinne zu fassen.
*) Appian I, 43, 44.
Bömitdie SöhleudergMohotae. 16
platze gehören also die Schleuderbleie mit den Namen des Marias
und Silo an. Von den Operationen auf dem sfldlichen Kriegstheater
legt zunächst ein römisches Schleuderblei Zeugniss ab, da es für keinen
geringem, als den Oberbefehlshaber der Südarmee der Au&tändischen,
für Paapius Mutilus bestimmt war; die gehoffte Wirkung hat es
allerdings nicht gehabt^ denn der tapfere Mann gab sich etwa zehn
Jahre später, als ihm kein Ausweg mehr blieb, in Teanum selbst
den Tod ^). Dazu ist nachträglich ein italisches Geschoss mit dem
Namen des Paapius gekommen, das erste mit oskischer Aufschrift,
wie man es bei der Südarmee der Aufständischen erwarten durfte').
Das Geschoss mit dem Namen des Pontius Telesinus mag dem Ende
des Krieges angehören.
3. (Abgeb. n. 1.)
FERI X MVT
d. i. feri Mutilum, denn unzweifelhaft ist dieses römische Blei-
geschoss gegen Paapius Mutilus aus Samnium gerichtet ; er war nächst
Pompaedius Silo der hervorragendste Leiter des Aufstandes und führte
das Kommando auf dem südlichen Schauplatze des Krieges ; auf den
Münzen der Bundesgenossen mit Oskischer Aufschrift wird er als
Imperator bezeichnet (G. Paapii G. Mutil embratur, s. Momm-
sen Böm. Münzwesen S. 589).
4. (Abgeb. n. 2.)
Aber auch ein Geschoss von der Armee des Paapius Mutilus liegt
vor, das erste welches eine oskische Aufschrift trägt:
<U
>inNRn •>
*) Granius Idoinianus S. 88: Papiasque (die Edsoh. Papiriai) Mu-
tilus ind« fugieuB, quom ne ab uxore quidem Bastia nooiu Teani
reciperetur, quod erat in proscriptorum numero, usus est pugi-
onifl auxilio. FolgUoh kann der Statius, der nach Appian lY, 25 {£rdriog
wegen seiner Reiohthümer und edlen Geschlechts sowie wegen seiner
Eriegsthaten römischer Senator ward und später im Bürgerkriege prosoriblrt in
seinem brennenden Hause umkam, nicht Paapius sein; es ist wohl Tgtßdriog
zu lesen, denn *Eyvdriog, eine ebenso leichte Aenderung, ist unzulässig, da
dieser im Italischen Kriege seinen Tod fand, s. Livius Epit. LXXY.
^) loh hatte schon vorher yermuthungsweise in dem PI von Nr. 5 den
An&ngsbuchstaben des obersten Feldherm der Italiker erkannt, und diese
Deutung ist vollkommen durch das neu aufgefundene Geschoss bestätigt.
16 Homisohe Schleodergesoliosse.
Auf der Seitenfläche war wohl d6r Name des Paapios wiederholt und
ausserdem sein Cognomen hinzugefügt
5.
Schon früher, ehe dieses Blei erworben war, hatte ich dn anderes
■>n ->
vermuthungsweise der Südarmee der Aufständischen zugewiesen Oi und
dabei die Erwartung ausgesprochen, dass weitere Funde sicherlich
auch Wurfgeschosse mit unzweifelhaften oskischen Aufschriften zu Tage
fördern würden: diese Hoffnung ist nicht getäuscht worden, und jetzt
ist es auch nicht zweifelhaft, dass der Buchstabe PI gleichfalls den
Paapius Mutilus bezeichnet, wofür auch die Verwendung des gleichen
Ornamentes «> spricht').
6. (Abgeb. n. 3.)
TELE
Man geht wohl nicht fehl, wenn man dieses Geschoss auf den
Samniten Pontius Telesinus bezieht« der nach dem Tode des Pompae-
dius Silo den Oberbefehl übernahm >) ; dann gehört das Blei in das
letzte Stadium des Italischen Krieges, ja man kann ebenso gut auch
an die Zeit des Bürgerkrieges denken, wo die Samniten sich an die
Partei des Marius und Cinna anschlössen; Sulla hatte harte Kämpfe
mit Pontius zu bestehen, bis derselbe im J. 672 in der Schlacht vor
dem üoUinischen Thore fiel, s. die lebendige Schilderung dieses
') Dabei hatte iob die Möglichkeit ausgesprochen, dass hier ein griechi-
sches Geschoss vorliege, denn an ein römisches sei auf keinen FaU zu denken;
wenn Münzen von Paestum mit lateinischer Schrift PI st. P zeigen, so hat
dies seinen guten Grund.
') Das Ornament könnte man geneigt sein als Darstellung eines Keiles
zu fassen, wenn nicht die Münzen eben bei dem Namen des Paapius das gleiche
Zeichen darböten, s. Friedländer Osk. Münzen Taf. IX, 6. 8. 9. 10. X, 21.
') Er wird von Anfang an ein Kommando geführt haben, YeUejus II, 16
rechnet ihn zu den namhaftesten Häuptern des Aufotandes, auch Florus DI^ 18
zählt ihn gleich anfangs unter den Anführern auf: Samnium Lucaniamque
(sub signis habuit) Telesinus; doch tritt dieser ausgezeichnete Mann erst
später in den Vordergrund. Diodor XXXYII (in den Auszügen des Photius
T. III, S. 70 Dind.) nennt als Anfuhrer der Italiker, die den Krieg fortsetzten,
nachdem der Aufstand niedergeworfen war: Magxos iinayios (Wesseling richtig
jiafAntonog), xtd Ttßi^oq KXenCnog^ hi ^k Üofinf^tog (mit Wesseling Ilayfiog\
ol TÜv vnoXointap ^Ixahwtwf inQarfiyot,
Romische Schlendergeschosse. 17
Kampfes bei Vellejiis 11^ 27, vergl. auch Appian I, 93, Plutarch Sulla
29, Florus III, 21). Es wird ein römisches Wurfgeschoss sein.
7. (Abgeb. n. 4.)
SAMREBEL ^C pisch.
Das L ist undeutlich; das Emblem der Bückseite kehrt wieder
auf dem Blei Nr. 95. Ich halte auch dieses Geschoss für ein römi-
sches und lese Sam(nites) rebel(les), wobei man feri oder pete
zu ergänzen hat. Dieses Wurfgeschoss mag dem vorigen gleichzeitig
sein, also entweder in die letzte Zeit des Italischen Krieges fallen,
wo nachdem der grösste Theil der Aufständischen sich der römischen
Herrschaft wieder unterworfen hatte, die Samniten allein noch den
Kampf fortsetzten, oder dem Ausgange des Bürgerkrieges angehören:
vierzigtausend tapfere Samniten bedrohten Rom, mit leidenschaftlicher
Erbitterung ward von beiden Seiten gefochten, bis die Entscheidungs-
schlacht unter den Mauern der Stadt die Gefahr abwandte. Vellejus
hat uns die Worte aufbewahrt, mit dem Telesinus die Seinen zum
Kampfe anfeuerte: adesse Bomanis ultimum diem, eruendam
delendamque urbem, nunquam defuturos raptores Ita-
licae libertatis lupos, nisi silva, in quam refugere soleant,
esset excisa. In jener Zeit erscheint die gereizte Stimmung, die
sich in dieser Aufschrift kund giebt, vollkommen erklärlich ^).
8. (Abgeb. n. 5.)
C.MARIVS
VCAJV V
Auf der Rückseite ist das Zeichen des Keils (forfex) zweimal wieder-
holt. Das S in Marius ist undeutlich, aber doch nicht zu verkennen,
daher muss der vorhergehende Buchstabe, der beschädigt ist, ein
V sein, sonst könnte man ihn auch für ein O halten. Von dem L
in Gatulus sind nur schwache Spuren erhalten, auf V folgte offen-
bar kein weiterer Buchstabe. Ich ergänze V. Catulu(m). Das
^} Doch lässt sich die Aufschrift aach Sam(nitiain) rebel(liuin) er-
klären, dann würde das Blei den Samniten gehören, welche höhnend die Be-
nennung, 'welche ihnen die Römer beizulegen gewohnt waren, wiederholten.
Auch erinnert der Fisch an den Delphin, der sich öfter auf italischen Münzen
mit oskischer Aufschrift, wie Aurunk. und Fistlus findet, s. Friedlander
osk. Münz. T. YIII und Y, 1; vergl. auch die kampanische Münze ebend.
T. y, 1. Auch erinnere ich an die Patronatstafel yon Fundi auf einem Fisch
von Bronze (0. I. L. I., n. 532.)
2
18 Römisohe SchleudergesehoMe.
Praenomen V. kennzeichnet den Catulus als Italiker 0 ; wollte man
V. Gatulus lesen, so müsste auch C. Marius ein Italiker sein, da
doch nur zwei eng verbundene Heerführer nebeneinander im Nomi-
nativ genannt werden konnten ; allein der bekannte Samnitische Feld-
herr heisst Marius Egnatius, wo Marius als Praenomen zu fossen ist ').
Es kann also nur der berühmte römische Feldherr gemeint sein, ich
halte daher die Lesung C. Marius V. Catu(l)u(m) fest^). Der
greise Marius sendet dem feindlichen Anführer seinen Gruss in Form
eines Schleuderbleies, wie nach einer bekannten Anecdote der Bogen-
schütze Aster, als er dem König Philipp von Makedonien ein Auge
ausschoss, zwar nicht gerade die Pfeilspitze mit einer Aufschrift ver-
sah, aber dazu die Worte sprach:
Ich ergänze also im Gedanken salutat. Wie bei Briefen die
unwandelbare Ordnung beobachtet wird, dass der Absender seinen
Namen voranstellt, so dass man sogar, wenn man in gebundener Rede
') In den Listen des römisclien Magfistratnr kommt der Vorname Vibius
nicbt Tor, denn mit dem Ck)n8ul des J. 302 P. Sestius Q. f. Yibi n. (s. die
Fasti CapitoL) hat es offenbar eine besondere Bewandtnisa. In Rom erscheint
dieser Yorname auf Inschriften der republikanischen Zeit nur auf dem Grab-
denkmal C. L L. I, 1097 T • V E D I V S • V • F und V I B •
V E D I V S ^ auf Inschriften der Municipien kommt er zwar öfter Yor, aber
nur einmal auf einer Inschrift von Assisium 1412 fuhrt der Betreffende selbst
diesen Vornamen (V • VOLSIEN VS TF MARON ES),
sonst immer der Vater, s. 625. 1181. 1279. 1285. 1286. 1456. Man sieht deut-
lich, wie unter dem Einflüsse römischer Sitte dies altitalische Praenomen
immer mehr zuraokgedr&ngt wird. Bei einem Officier der römischen Armee
h&tte dieser Vorname nichts auffallendes, aber neben G. Marius konnte doch
nur ein höherer Befehlshaber genannt werden.
*) Als Anführer der Samniten bezeichnet in Livius' Epit LXXV; nach
Oskischer Weise wird also Marius Praenomen sein. Dass Egnafdus nach römi«
scher Sitte drei Namen führte ist nicht wahrscheinlich, am wenigsten würde er
sich G. Marius genannt haben, was nur zu Irrungen Anlass geben könnte. Die
Vermnthnng Prosper Merim6e's, Marius Egnatius sei ein Sohn des M. Marius
aus Teanum gewesen, ist grundlos.
') Anfangs glaubte ich, es sei G. Mario V. Gatulu(8) zu lesen, sodass
das BleigeschoBs als eine Gabe bezeichnet würde, die man dem Gregner zusendet;
▼ergL Nr. 62 donum L. VII.
Bomisobe Schleudergescboase.
19
davon abzuweichen genöthigt ist, sich entschuldigt 0, so ist dies auch
hier gewahrt; vergl. Plautus Pseud. 41: Phoenicium Calidoro
amatori suo salutem mittit, Bacch. 733: Mnesilochus
salutem dicit suo patri*).
V. Catulus wird in unseren Quellen nicht erwähnt; ausser den
oberen Auiührern gab es für die einzelnen Städte Befehlshaber'),
und im Verlaufe des Kampfes tauchten natürlich auch neue Namen
auf. So erscheinen auf oskischen Münzen Lucius und Hejus *), offen-
bar höhere Anführer, so gut wie Paapius Mutilus und Pompaedius Silo.
Auch auf römischer Seite werden manche Führer nur ein einziges
Mal genannt '^).
9. (Abgeb. n. 6.)
Der Name des Marius erscheint auch auf einem zweiten Ge-
schosse, dessen Aufschrift
SIL X MAR
ofifenbar ähnlich zu fassen ist; hier steht dem Namen des Marius
der des italischen Feldherm, des berühmten Pompaedius Silo gegen-
über: das Geschoss kann ein italisches, aber auch ein römisches sein,
je nachdem man Si](o) Mar(ium) oder Mar(ius) Sil(onem)
ergänzt; ich ziehe die zweite Fassung vor. Das Geschoss ist zusam-
mengelöthet und neu gestempelt: unter dem Namen des Marius er-
kennt man noch den früheren Stempel IAA, d. h. VVI®); diese
Lautverbindung ist unrömisch, dies Bruchstück gehört also einem
italischen Geschosse an, welches die römischen Schleuderer wieder
^) Au8oniu8 epidt. 20, 1: Pauliao Ausonias: meirum sie suasit,
iit esse» Tu prior, et uomen praegrederere meum.
^ Bei mündlicher Begrüssnng steht wohl nach der Objeetscasus voran,
wie Plaut. Trin. 435: Erum atque servom plurimum Philto jubet
salvere.
^) Appian I, 40 unterscheidet ausdrücklich : ^Iraldig <r riaav fihv atQttrtiyol
xara noUig tiegoi, xoivol J' inl rt^ xoty^ xal tov Traviog avTox^ioQes, von denen
er 9 namhaft macht (Vellejus II, 16 nennt 7).
*) N i. Lüvki Mr. und ML loiis Mi. (Mommsen röm. Münzw 590.)
^) So Cornutus von Cicero, Herennius von Servius.
^) Auch unter dem Namen SIL scheint eine ältere Aufschrift gestanden
zu haben, erkennbar sind aber nur etwa zwei Buchstaben P O und auch diese
unsicher.
90 Bömiscbe Scfaleadergeadiosse.
Terwendet haben; VV I ist lateinisch Ovi >), so findet sich auf einer
Pompejanischen Inschrift L * Vvii d. i. Ovias. Das Geschoss
braucht nicht gerade eine Aufschrift in Oskischer Sprache gehabt zu
haben, auch andere Landschaften, deren Mundart bereits hiteinisch
war, können doch in Eigennamen noch die alte Form bewahrt haben *).
Marius war nur im ersten Kri^jahre 664 thätig, sein Alter
und sein Gesundheitszustand erlaubten ihm nicht, ein weiteres Kom-
mando zu übernehmen, auch mochte seine Kriegführung, an der man
die frühere Energie Termisste, nicht recht befriedigt haben; vergL
Plutarch Mar. c. 33, wo auch berichtet wird, dass er längere Zeit in
einem yerschanzten Lager dem Pompaedius Silo g^enuberstand ') ; bei
diesem Anlasse kann das Schleuderblei seinen Stempel erhalten haben.
10.
M R ^C Blitz.
IL (Abgebe n. 7.)
MR X VIII
Ich reihe diese beiden Geschosse hier ein, obgleich es nicht
* sicher ist, dass es römische Bleieicheln mit dem Namen des berühmten
') Ich erklare V V I durch 0 v i , denn von weiteren Bachstaben ist keine
Spur, man darf also nicht aii Namen wie Luvikis (Lüvki auf oskischen
Münzen der Aufständischen) oder Clovius denken, ebensowenig an ein rück-
läufiges luventiuB, wie bei Orosius V, 18 ein Führer der Italiker, der g^^n
Sulla kämpft, heisst.
') In dem Geschosse bei Mommsen 664 (in den Abruzzen gefunden,
de Miniois 11, Ritschi YIII, 17)
L • XXX
VV
ist V V vielleicht nur Best des alten Stempels V V I. Man erkennt darin die
legio Ulpia Yictrix, dann läge freilich eine offenbare Fälschung vor.
') Dass hier ab und zu die Führer wie die Soldaten aus beiden Heer-
lagern freundschaftlich mit einander y erkehrten, erzählt Plutarch Mar. 33, vergl.
auch Diodor £x. Vat c. 6 (T. III, S. 130 d. Dindoiif. Ausg.). Aehnliche Soenen,
friedliche Bilder inmitten des brudermörderischen Kampfes, wiederholten sich
auch anderwärts, man ygL die Erzählung Ciceros (Philipp. XU, 11), der damals
nnter Cn. Pompejus Kriegsdienste that, yon der Zusammenkunft awischen Pom-
p^us nnd dem Marser Vettius Cato.;
Römische Schleudergesohosse. 21
Marius sind, denn man könnte auch an den jüngeren Marius oder an
die Marser denken 0)
12. (Abgeb. n. 8.)
Ein römisches Schleudergeschoss
FRISIL X PISAV
(der erste Buchstabe F ist beschädigt, alle übrigen unversehrt)
bezeichnet den Pompaedius Silo als sein Ziel; es kann recht
wohl einer späteren Zeit des Krieges angehören als das Blei Nr. 9 ;
denn Silo, unzweifelhaft der hervorragendste Feldherr der Aufstän-
dischen und die eigentliche Seele der Bewegung, setzt den Kampf
noch fort, auch nachdem seine Stammgenossen die Marser sich bereits
unterworfen hatten, und fiel^ im dritten Jahre des Krieges in einer
Schlacht: über die näheren Umstände sind wir nicht unterrichtet, da
die Ueberlieferung ebenso unvollständig als widerspruchsvoll ist. Der
Sinn der Inschrift ist klar: fri Sil(onem): Pi8au(ro). Die
Schützenabtheilung, der dieses Blei angehört, war in Pisaurum aus-
gehoben. Ich lese fri, obwohl man in den Spuren des Geschosses
auch feri finden könnte; die römischen Golonisten zu Pisaurum in
der gallischen Mark werden wie ihre Nachbarn, die Picenter, den
Vocal unterdrückt haben, vergl. zu Nr. 15.
Auf dieses Geschoss kann ein anderes, welches in drei verschie-
denen Exemplaren vorliegt, die Antwort der'Italiker enthalten: feri
Pis(aurenses).
13.
FERI PfS X Blitz.
Das Blei ist neu gestempelt, trug aber früher offenbar denselben
Stempel, da nicht nur FERI sondern auch das doppelte fulmen
trisulcum deutlich zu erkennen sind, nur sind die Buchstaben etwas
kleiner.
14.
FRIPISA
15.
TRI PISA
M
>) Mommsen 667 wiederholt aus de Minicis 33, (RiUchl. YIII, 32) ein in
Picenum gefundenes Geschoss:
VIII X N
'WM möglicherweiie von Kr. 11 nicht verschieden ist.
22 B*'^
lii'^r i'^t da.^ M vielleicht Ke^t CiUes früheren StempeU. Ein anderes
Exemplar anbestiiDiiiten FuL*l"rttr:s tut de Minicts 69 (Monunäco 651)
F R I ' P I S A, deoii uhne Gnind hAt MoiLmsen dieses für ein fiJsch
gcleaenei Exeniplar eines anderen Bleies bei de Minids 70: F R I •
PIC, was man PicTentes} erklärt: eher könnte man glanben, dass
statt P I C Tielmehr P I S zu le^n sei, denn aach anf onserem Exem-
plar Nr. 15 gleicht das ondeutüche S in P IS A einem C 0- Die Untcr-
flrückaug des Vocals in der Stammsilbe Fri st. Feri, die in dem
Exemplar bei de Minicis 70 gerade so wie hier Nr. 14 ond 15 sich
zeigt, deutet mehr auf ein italisches als ein römisches Geschoss, vorgl.
zu Nr. 25 und zu Nr. 26, 27. Denn die Gestalt des F Nr. 15, welche
auch bei de Hinicis Nr. 70 und 71 vorkommt, ist nicht als Andeu*
tung der Ligatur F E zu fassen, sondern als einfaches F, (ähnlich
auf einer Münze von Firmum bei Ritschi T. V, N.: T I R), gerade
so wie auch zuweilen £ die Stelle des E vertritt, s. zu Nr. 49, 50.
Allein auch auf einem Geschosse der Mainzer Sammlung habe ich
FRI P I C gefunden, man ist also nicht berechtigt, den Römern
(d. h. in Pisaurum, s. zu Nr. 12) die Form F R I abzusprechen.
Ich lasse drei andere Geschosse folgen, die nur einen Stadt-
namen enthalten, womit offenbar gerade so wie in Nr. 12 die Heimath
der Schleuderer bezeichnet wird.
16. p
SENA
Die Rückseite ist glatt, dagegen auf der einen schmalen Seite
finden sich fast erloschene Buchstaben, die gleichfalls den Namen
SENA zeigen : das Blei ist .also später neu gestempelt.
17.
AVX
'18.
H AX
Die beiden ersten Bleieicheln sind neu, die dritte ist schon bekannt,
ein Exemplar befindet sich in der Eircher'schen Sammlcmg (abge-
bildet bei de Minicis 24, nach einer neuen Zeichnung Ritscbl YIII, 23)
') Ritschi hat beide Geschosse bei de Minicis (69 und 70) als verdachtig
oder verdorben bezeichnet, eine völlig grundlose Yermuthang.
RöTDische Schleadergeschosse. 23
und ist dem vorliegenden Exemplar ganz gleich ^), während auf einem
anderen im Besitz von de Minicis TAH gelesen wird. Es stimmt
diess ganz mit den Münzen von Hatria überein, auf denen gleichfalls
bald HAT bald TAH sich findet ; ]\ selbst die kräftigen breiten
Züge der Buchstaben, welche diese Münzen zeigen (s. Bitschi T. V,
F, 6, H, J), finden sich auch auf den Schleudergeschossen.
Sämmtliche vier Städte waren römische Colonien, Pisaurum im
J. 570, Sena 465, Auximum 597, Hatria gleichzeitig mit Sena (465)
dedacirt. In Pisaurum und Sena werden die Bömer gleich im Beginn
des Krieges Soldaten ausgehoben und als Schleuderer verwendet
haben. Nr. 12 ist unzweifelhaft ein römisches Blei, und von Nr. 16
gilt' das Gleiche. Schwieriger ist die Entscheidung hinsichtlich Nr.
17 und 18, dal Auximum und Hatria im Gebiet der Aufständischen
Ficenter lagen: denn wie in' Asculum alle römischen Bürger ermordet
wurden, so war wohl auch dort die Lage der römischen Colonisten
gefährdet; Indess so gut wie Firmum, gleichfalls römische Golonie,
sich behauptete bis Pompejus mit einem römischen Heere in Picenum
einrückte^), eben so gut konnten auch Auximum und Hatria sich bis
zur Ankunft der Römer halten; indem man beide Städte mit einer
ausreichenden Besatzung versah, konnte man Schleuderer dort aus-
heben, um sie im Felddienste zu verwenden. Wem dies nicht glaub-
lich erscheint, der mag beide Geschosse den Picentem zuweisen').
19. (Abgeb. n. 9.)
VE NT X MAIT
^) Ganz ähnliche Exemplare finden sich zu Frankfurt in der Sammlung
Milani und in Mainz (dreimal mit Ay einmal T\ Mommsen sucht auch diese
Aufschrift zu beseitigen, indem er, ungeachtet die Treue der Abbildung bei
de Minicis durch die Vergleichung des noch vorhandenen Exemplars bei
Ritsohl bestätigt wird, meint, es sei dies ein Lesefehler für I T A L (n. 645).
') Wenigstens wird nicht berichtet, dass Pompejus, der sich in Firmum
festsetzte und gegen die Aufiständischen vertheidigte, die Stadt zuvor erobert hat.
>) Die Schrift auf Nr. 16 und 17 ist wesentlich die gleiche: nur Nr. 18
H A X unterscheidet sich durch die breite Form der Buchstaben; dies ist
aber für die Entscheidung dieser Frage unwesentlich, denn das römische Blei
F E R I AA V T zeigt grosse breite Züge, das Italische F E R I
P O M P E I V M kleine Buchstaben. Eher war die in der Heimath der
Schrützen übliche Schreibweise massgebend, wie eben die UebereinstinrniUBg der
Münzen und Bleigeschlosse von Hatria zeigt.
24 Römische Schleudergeschosse.
20.
VEfT P
M. Antonius kommt auf einem Schleuderblei von Peruäa vor
(Mommsen 688), obwohl man nicht recht einsieht, wie man Anlass
hatte, des abwesenden Triumvirs zu gedenken: eher liesse sich die
Erwähnung des P. Ventidius Bassus rechtfertigen, da er mit seinen
Truppen zum Entsatz des in Perusia belagerten L. Antonius heran-
rückte, aber absichtlich zögerte, bis die Uebergabe der Stadt erfolgt
war. Allein die Vertheilung der Namen auf Vorder- und Rückseite
deutet an, dass die beiden Feldherren feindlich einander gegenüber-
stehen ; das Schleuderblei kann also nicht dem Perusinischen Kriege
zugewiesen werden, auch deuten die fetten Schriftzüge hier wie Nr. 20
vielmehr auf den Bundesgenossenkrieg hin. Die abgekürzten Namen
sind offenbar nach der Analogie von Nr. 8 und 9 aufzufassen, und
je nachdem man sie ergänzt, kann das Geschoss sowohl den Römern
als auch den Italikem angehören; da aber Nr. 20, welches unzweifel-
haft den Italikem gehört, ebenfalls den Vornamen des Ventidius aus-
lässt und in diesem Namen die gleichen Schriftzüge zeigt, so ergänze
ich: Vent(idius) M. Ant(onium). P. Ventidius schlug nach der
Erzählung des Appian I, 47 0 in Verbindung mit ludadlius , und T.
^ Afranius den Pompejus und schloss ihn in Firmum ein; während
Afranius das römische Heer in jener Stadt blokirte *), zogen Ventidius
*) Bei Appian ist Ovevrihog gOBchrieben, offenbar nur Versehen der Ab-
schreiber, wie I, 41 raios IloniXiog st. IlovtlSiog, denn obwohl auch in itali-
schen Eigennamen der Laatwandel zwischen D and L nicht unbekannt ist, so
bieten doch griechische Handschriften dafür keine ausreichende Gewähr. Ob
in der Inschrift bei Orelli .8283 V E N T I L I V S gesichert ist, steht dahin.
Nicht richtig hat man bei Appian Ovinioq herstellen wollen.
^) Bei Appian heisst dieser Fiihrer der Italiker Titog jitttp^Viog If 40
und 47, bei Florus III, 18 schwankt die handsohr. üeberlieferung zwischen
Afrienos (Afrienus) und Affranius, aber für Afranius spricht auch
die verderbte Lesart bei Orosius V, 18: Decem et octo millia Marsorum
in ea pugna cum Franco imperatore suo caesa sunt, capta tria
millia, darin liegt nichts anderes als Afranio; denn Orosius schildert offen-
bar die grosse Schlacht zwischen Firmum und Asculum, in der Afranius nach
Appian I, 47 fiel; damals standen nach Vellej. ü, 21 60,000 Italiker 76,000
Römern gegenüber. Der Ausdruck Mars er, den Orosius gebraucht, ist un-
genau, wahrscheinlich gab die herkömmliche Benennung bellum Marsioum
dazu Anlass.
1
•(
BömiBche SchleadergesohoBse. 25
UDd Ittdacilius auf andere Unternehmungen aus. Bei jenen Kämpfen
gegen Pompejus in Picenum mag Ventidius dem M. Antonius, dem
berühmten Redner gegenüber gestanden haben, den, wie Cicero Brut
89 berichtet, der Krieg seinem gewohnten Berufe entzog ^). Dieser
Ventidius stammt aus Asculum, denn Pompejus führte später seinen
Sohn, der damals noch Knabe war, mit seiner Matter als Kriegs-
gefangene im Triumphe auf.
Auf dem anderen Geschosse ist P wohl Abkürzung für Ven-
t(idi) p(ir); über pir s. zu Nr. 41—43.
21. (Abgeb. n. 10.)
FERIPOMPEIVM
22.
FERIPOMPEIVM
Die Inschrift des ersten grösseren Geschosses ist vollkommen
deutlich und wohlerhalten, (an der Seitenfläche Reste desselben
Stempels PER und zuletzt I V M), auf dem zweiten, dessen Kaliber
leichter ist, sind die Buchstaben zum Theil erloschen.
23.
PI
OM PEI
Das I der ersten Linie ist zerdrückt, dagegen das P deutlich ;
man darf daher nicht (F*)RI lesen, eher vielleicht (FERI)PI(R),
zumal auch hinter P I noch die Spur eines Buchstabens sich findet.
üeber P I R s. z. Nr. 41—43. Die erste Zeile scheint nicht Rest
eines früheren Stempels zu sein, sondern zu der zweiten ursprünglich
zu gehören. — Auf einem Mainzer ^Blei findet sich ^OMPI.
24.
FERI X POMP
In grossen kräftigen Zügen, das erste P lehnt sich an O an,
das zweite ist halb erloschen.
25.
FBIPO'A
< RMI ^
Der erste Buchstabe ist unzweifelhaft F, nicht E, wir müssen also
^) Gioero: Erat Hortensius in hello anno primo miles, altero
tribanuB militum, Sulpicius legatus aberat, etiam M. Anton iua.
26 Römiflche SeMeudergfescliosse.
VocahiDterdrückang annehmen, wahrscheinlich eine Eigenthümlichkeit
des Picenter Dialekts, wie sich dieselbe Erscheinung in der Mundart
der Paeligner und Praenestiner zeigt, s. meine Abhandlung im Lections-
catalog Ton Halle, Sommers. 1866, S. VII fif. Doch soll vielleicht^ d
das R unten geschlossen scheint, dadurch Bindung von E und R aus-
gedrückt werden, wie in F R I PISA bei de Minicis 69 (Ritschi
IX, 7). P O A ist doch wohl nichts anderes als P O M, obwohl sich
keine Spur des fehlenden Zuges zeigt und das Blei hier unversehrt
ist 0- Die zweite Zeile gehört einem früheren Stempel an, der erste
Buchstabe R ist noch deutlich zu erkennen, M fast .verloschen, der
dritte ganz unsicher, ob I oder S.
Alle fünf Geschosse gehören den Asculanem an, und sind für
Cn. Pompejus bestimmt, der nach langwieriger Belagerung und bluti-
gen Kämpfen endlich die Stadt eroberte und zum Lohn für diese That
der Ehre des Triumphes gewürdigt wurde. Es ist begreiflich, dass
die Geschosse der Asculaner vor allen den Namen des feindlichen
Heerführers zeigen, und die Verschiedenheit des Stempels, die Varia-
tionen hinsichtlich der Abkürzung und Vertheilung der Worte haben
nichts auffallendes, da diese Bleieicheln massenhaft angefertigt wurden
und wahrscheinlich vei'schiedeien Abtheilungen der Schleuderschützen
angehören. Von vorliegenden fünf Geschossen sind vier neu; von
allen Exemplaren, welche Mommsen n. 650 zusammenstellt, und wo
er selbst schwankt, ob Feri Pomp oder Feri Roma zu lesen sei,
gehört kein einziges hierher, ausser etwa das Wiener Blei, welches
nach 0. «Jahns Angabe :
FERI X POMP
hat, wovon wohl ein anderes bei Delfico:
FERI X POMR
nicht verschieden |st (der Lesefehler der Rückseite ist eher in dem
letzten als dem ersten Buchstaben zu suchen); diese Marke ist offen-
bar identisch mit unserer Nr. 24, wo gleichfalls die Worte auf
Vorder- und Rückseite vertheilt sind. Vielleicht kommt auch Gual-
therus, dßr im J. 1624 zu Rom ein zu Asculum gefundenes Blei
^) Bei erneuter UnterBuchung halte ich das GeschoBs fär idenüsoh mit
de Minicis 69, denn das O ist undeutlich, es kann recht wohl ursprünglich
I S hier gestanden haben, also FBI* P I S A, demnach würde dies Blei zu
Nr. 13| 14, 16 zu stellen sein.
Römitche Sclüeadergetobosse. 27
copirte, wieder zu Ehren: denn seine Abschrift stimmt vollkommen
mit Nr. 21 und 22; aber man versagte seiner Angabe Glauben, weil
man meinte, er habe nach der Sitte jener Zeit die Au&chrift will-
kührlich ergänzt
26.
F R I
T O M R
27.
F R I
T O M R
Beide Geschosse ähnlich, aber die Aufschrift des einen ist durch
Guss hergestellt, die des anderen, wie es scheint, mit Hülfe eines
Stempels eingeschlagen, die Buchstaben sind daher schärfer und über-
haupt kräftiger. Ein drittes Exemplar hat de Minicis n. 71 (Ritschi
IX, (7)), nur liest er T R I, auf unseren Exemplaren ist das F be-
schädigt. Mommsen bringt diese Marke unter Nr. 650 unter, indem
er feri Pomp, oder feri Rom(anos) liest; darüber verweise
ich auf S. 3. lieber den Fundort giebt de Minicis keine Aus-
kunft; allein da bisher Feri auf Geschossen aus dem Perusinischen
Kriege nicht nachweisbar ist, so sind wir berechtigt, diese
Bieieicheln dem Bundesgenossenkriege zuzutheilen. Die Vocalunter-
drückung F R I findet sich nicht nur in dem asculanischen Blei Nr. 25
F R I ROM, dann auf zwei andern oben Nr. 14, 15 F R I P I S A,
' sondern auch auf einem römischen Geschosse Nr. 12 und bei de Minicis
70 : F R I P I C, Indess gehören wohl die vorliegenden Geschosse Nr.
26, 27 den ItaUkern. Die Form T bei de Minicis vertritt das einfache F^
s. zu Nr. 15; man darf darin ebensowenig eine Ligatur von F E als
von T F finden und darin einen lautlichen Zusatz der Volkssprache
erblicken, etwa wie in P V O M I S (auf dem Gampanaschen Blei bei
Mommsen in den Nachtr.) sich der Lippenlaut P erzeugt hat, oder
auch im Griechischen das TT in Tvcohg lediglich phonetische Zuthat ist %
Räthselhaft ist T O M R, nach der Analogie anderer ähnlicher
Aufschriften erwartet man den Namen eines feindlichen Führers: an
^) Die Tttlgare Form nohq hält den Hülfslaut fest, während sie das
stammhafie r fallen läset: noU^ mit xiUta verwandt (arsprünglioh TOAlX) ist
das emporsteigende, der Hagel, der für die Anlage der Burg sich eignet
l
28 Röraitehe Sekleudergeaolioise.
einen römischen Namen ist schwerlich zu denken 0, eher vielleicht an
einen Gallischen Häuptling. Da jedoch das Blei den Italikern io As-
culum ansugehöreu scheint, könnte auch hier eine mundartliche Wort-
form (die Picenter stammen von den Sabinem ab) sich verbergen, und
feri tomr gleichbeileutend mit feri tuber sein^), d. h. schlage
eine Beule. Die Construction lässt sich durch das analoge
dirigore vulnera, was den römischen Dichtem ganz geläufig ist,
rechtfertigen.
28. (Abgeb. n. 11.) 29.
FERI X COMA
Auf einem zweiten Exemplare scheint das I zu fehlen, das A
hegt schräg und ist halb verlöscht, auf beiden Exemplaren ist das
C mit O verbunden. Man könnte geneigt sein, diese Geschosse dem
IVrusinischeu Kriege zuzuweisen; die Schleuderer des Octavian hatten
Über den Kahlkopf L. Autonius gespottet (wenn andei^ die Lesung
des Bleies bei Mommsen n. 0S5 richtig ist), darauf konnten die Sol-
daten aus der Festung nicht unpassend mit feri comatum, d. h.
den jungen Octavius antworten. Allein die derben, kräftigen Formen
der Buchstaben sprechen entschieden für den Bundesgenossenkrieg.
Ausseniem ist dieses Geschoss offenbar nicht verschieden von einem
andern Exemplar im Kircher'schen Museum, welches aus Asculum
'^ Man mimte d«nQ «nnohnea» die iUli«cken Schleudenchütieii hätten
d«»a riunitcKeii N«untu nach ihrer heimiachen Mundart nmgelbnntf wie etwa
Tub«ro: auf koiniMi F^l dürt\o L. Tubero, der Altersgenosse Cicero's in
dit'^nn Krie^x^ ^^meiut sein. (i'ioen> i^ro Ligar. c« 7 sagt von sich und diesem
TulK>r\K domi uua eruditi. milittae contubernales.) Denn dieser
juni^« Manu hatte kein Oommando. auch stand Cicero unter SuQa (Plutarch
i'iw 0. ^V während diese« i.tet<cho9S wohl ^er nach Picenum gehört.
*^ Mit dem Wandel der Quantität in tuaere und tuber ist yomere
und vouer tu vi»rj;leiohen. In tomr hat sich das stammhafte m (denn das
Wort ist Yvm tumere abiuleiten) erhahen« während es in der vulgären Form
ia b (tuber) überging« Dieser Lautwandel ist darauf sarüekxufnhren, dass
in dem einsilbigen tomr oder tumr das M in B überging, und B behauptete
sich dann atich, nachdem der unterdruckte Tocal wiederfaergceteOt war. Ein
vollkommen analoges Ru^piel ist das ahlateinische dubenus st. dominus
iFestus & 67k Aus dominus ward domnus oder dumnus. dies ging in
dttbnus über, was das B feeihieh« auch wenn man wieder einen Vocal ein-
a^ahele. Sehr mit rnrecht wiU G. Cartius dubenus durch Correctnr beaei-
tig«B; Conaen in den Beiinfsen aar UL FormenL St9 greifl wie gewohnlidi lehL
Römische Schlendergescbosse. 29
stammt; die Zeichnung bei de Minicis 3 kommt dem Wahren näher
als die neue Copie bei Ritschi Vm, 7, die den Schein erweckt, als
läge eine Ligatur von R mit O vor. Hier hat eben die falsche Deu-
tung feri Roma oder Romanos sichtlich eingewirkt^)*
Comatus kann das Cognomen eines Römers sein; bekanntlich
führte der junge Scipio Asiagenus. dessen Grabstein uns noch erhalten
ist (G. L L. I n. 36), diesen Zunamen; ob aber auch andere den-
selben fahrten ist ungewiss ^); indess konnte auch ein Italiker Coma-
tus benannt sein; es ist wohl möghch, dass dieser Name sich in
einem verderbten Bruchstücke des Sisenna verbirgt^). Aber d)en so
gut kann man auch com a tos ergänzen: dann bietet sich wieder
eine zwiefache Möglichkeit dar: wenn wie zu Nr. 31 vermuthet wurde,
die erste Legion der Italiker den Beinamen Comata führte, so
konnte ein römisches Blei recht gut die Aufschrift Feri Gomatos
erhalten. Aber es kann auch ein italisches Geschoss sein, welches
gegen die gallischen Hülfstruppen der Römer gerichtet war*). Die
10,000 Gallier, welche nach Appian I, 42, unter Sextus Caesar gegen
Paapius Mutilus fochten, werden wohl sämmtlich im transalpinischen
Gallien angeworben worden sein, und so konnten celtische Söldner,
welche der Belagerung von Asculum beiwohnten, passend comati
benannt werden'^). Indess auch ein celtischer Personenname könnte
hier vorliegen; Comanus heisst der Fürst der Segobrigier bei Justin
43, 4j 3; auf einem Militärdiplome aus der Regierung Trajans C. I. Lat.
^) Das C wird yoUkommen sicher gestellt durch vier andere Exemplare,
die ich gesehen habe, zwei in Frankfurt in der Sammlung Milani, eines im Mu-
seum zu Wiesbaden, eines in einer Sammlung zu Mainz, (wo C O deutlich, aber
M A verwischt ist).
^) Ein Verwandter dieses Scipio Comatus hat im Bundesgenossenkriege
ein Gommando, er vertheidigt Aesemia (Appian I, 41), gehört also zur Süd-
armee, während das Blei des Eircher^schen Museums bei Asculum gefunden ist.
^) Bei Nonius S. 556: Conmutus tamen et terapora singula con-
stituit, et sicut steterant, manipulos obverti iussit; die Hdsch.
schwanken zwischen conmutus, commutus u. s. w.; gewöhnlich stellt man
den Namen eines Römers Cornutus (Cicero pro Fonteio § 33) her.
*) Uebrigens dienten Gallier auch in den Reihen der Aufständischen,
z. B. unter Cluentius, der dem Sulla gegenüberstand (Appian I, 56); dies mögen
z. Th. Ueberläufer gewesen sein.
^) Die Gallier in den Landschaften diesseits der Alpen trugen kurzes Haar
and kurzen Schnauzbart, wie der Gallierkopf der Münzen von Ariminum zeigt.
80 Römische Schleudergeachosse.
m, S. 867 liest man: Mogetissae Comatulli t Boio et Vere-
cundae Casati filiae uxori ejus SequaD(ae) et MatruUae
filiae ejus. Wenn auf celtischen Münzen BRI ^C COMA
vorkommt, so ist vielleicht auch hier ein Personenname zu erkennen.
30.
I T A L
Ganz gleich Ritschl VIII, 20. 21 (de Minicis 15), wie es scheint
häufig bei Asculum gefunden ^). Die Schriftzfige füllen die Fläche voU-
ständigy man darf daher nicht die Aufischrift anderer Geschosse
L II I T A L daihit zusammenhalten. Italia war gleichsam
das Losungswort der aufetändischen Bundesgenossen Roms, die das
Recht der Landschaft gegenüber den Ansprüchen der nach ausschliess-
licher Herrschaft strebenden Stadt vertfaeidigten. Wie die römischai
Münzen auf der Vorderseite den Frauenkopf mit Flügelhelm und der
Beischrift ROMA zeigen, so prägten auch die Italiker ganz ähn-
liche Münzen mit der Aufschrift ITALIA oder soweit die Oskische
Zunge reichte V i t e 1 i ü. Vgl. Mommsen Rom. Münzw/ 589. Ebenso
nannten sie Corfinium, die Hauptstadt des neuen Bundes, Italia
oder Italica*). In gleicher Weise stempelten sie auch ihre
Schleudergeschosse mit diesem bedeutsamen Namen, und das römische
Blei (gleichfalls bei Asculum gefunden^^ Mommsen 646, de Minicis 1,
Ritschl VHI, 6) mit der Aufschrift ROMA bildet dazu das Gegen-
stück «).
31.
IL IC
bedeutet wohl Italica legio I, Italica steht voran, weil L • I * I
vermieden werden sollte*). Es ist dies ein neuer Stempel, denn auf
*) Aehnliche Exemplare in Frankfurt in der Sammlung Milani und in
Mainz. .
*) Diodor 87, 2 ttjv xotvrjv noXiv ^IraUav ovofjLaaavTH und nacbber xiji'
xoivfjv ixXsinovai noXiv rb KoQ(p(viov, Dagegen Veliej. II, 16: Caput imperii
sui Corfinium legorant atque appellarunt Italicam, ebenso Strabo
V, 241 fi€TovosAaa9-€T0av YrwAix^y, was auch die Epitome bestätigt. Aber der
stolze Name Italia entspricht weit mehr dem Selbstgefühl der Verbündeten.
') Ein anderes Exemplar in der Sammlung Milani zu Frankfurt, wo die
Aufschrift auf beiden Seiten wiederholt ist. Mommsen durfte nicht zwischen
der Erklärung Roma oder Romanorum schwanken.
*) Ein Blei in Mainz mit | LI ist vielleicht identisch, nur sind die Buch-
staben kleiner.
\
ItöiniMhe Schleudergesohoaga Sl
der schmalen Seite ist noch deutlich I T A (L) zu erkennen, mit
plattgedrQckten ScbriftzOgen, wie gewöhnlieb bei umgestempelten
Exemplaren. C (was freilich auch G oder alleafalls O sein kann) ist
vielleicht der Anfangsbuchstabe eines Zunamens dieser Legion, z. B.
Comata; war diese Legion in Picenum ausg^oben, so ist dieses Bei-
wort wohl zutreffend. Silius Ital. nennt Vm, 440 Asclam hirsutum,
wa.s zwar eine verschiedene Deutung -zulässt, aber schickUch von der
Haartracht der Bewohner verstanden werden kann, wie es Vm, 404
Arpinas hispidus heisst Derselbe Dichter nennt IX, 414 den
Ourio, den er VIH, 427 als Piceoter bezeichnet, flavus comarum.
Seit alter Zeit pflegten die Römer ihre Legionen durch die hinzu-
gefagte Zahl zu unterscheiden ; die Bundesgenossen, wie ihre Armee*
n -ation genau der römischen nachgebildet ward, befolgten die
Sitte, und fügten ausserdem noch als unterscheidendes
i\ Italica hinzu. Aber es hat nichts befremdliches, wenn
auch besondere Zunamen für die einzelnen Legionen aufkamen.
I können wir solche Zunamen zuerst in dem Bürgerkriege
Q Caesar und Pompejus nachweisen, aber die Verhältnisse im
^enoasenkriege sind wesentlich die gleichen. Es ist recht gut
', dass diese Sitte zunächst bei den Auf^ndischea aufkam.
Zunamen entstehen ganz von selbst im Verkehr der Soldaten
lander; eine Legion erhält den Namen von ihren ^Kameraden
' anderen Legion, oder legt sich auch wohl selbst einen Namen
allmählich officiell anerkannt wird ; am wenigsten kann das
ige Auftreten solcher Beinamen auf Schleudergeschossen he-
1, die, wenn auch unter Aufsicht eines OfEciers angefertigt,
:ht eigentlich officiellen Charakter haben, wie die Aufschriften
beweisen.
32.
L ITAL
es Blei hielt ich früher fttr identisch mit dem Exemplar bei
icis n. 18 (lütschl hat es nicht wiederholt) L'ITAL,
in Mainz Li TAL, (auf der Seitenääche alterer Stempel
in Franküirt Milani L ITA'). Allein auf vorliegendem
Hommisn will diM Blsi mit n. 666 L II ITAL ideDÜfidran) auf
ides OeschoHB (Nr. 32) ist dies Verfahren durchaus dicht onwendbkr;
A laidite Cftliber und die kleineren SohrifUäge BODdem «r aehr be-
'ou Jener Marke.
I
S2 Romiaehe SeUendergesehoase.
r Geschosse ist vor L noch die Spur eines Buchstaben zu erkennen ;
man könnte ihn för C nehmen, indess Gl(ans) Ital. hat geringe
Wahr&cheinlichkeit, es ist eher ein verstümmeltes, breitgedrticktes
A, also wohl al(a) Ital(icorum). Auch Valer. Max. 11, 7, 9
nennt eine Abtheihmg Schleuderschützen ala funditorum«
33. (Abgeb. n. 12.)
lTT ital
L XII
34.
LlTlTAL
Der letzte Buchstabe beschädigt.
35.
lTT ital .
36.
lTTita
Der erste Buchstabe stark beschädigt
Ausser diesen vier Exemplaren hat de Minicis zwei andere aus
dem Museum Kircherianum n. 20 (Ritschi Vm, 25, z. Th. unleserlich,
daher falsch ergänzt L I I T A L), das zweite wohlerhaltene n. 21
(nach einer neuen Ciopie bei Ritschi VIII, 24); mit dieser stimmen
die vorliegenden Geschosse, besonders das unversehrte Nn 33. Mommsen
zu Nr. 660 sucht auch diese Geschosse zu verdächtigen, aber
L M ITAL, mag man nun die Abkürzung durch Italica oder
Italicorum auflösen, ist nicht Beiname einer einzelnen Legion,
sondern bezeichnet überhaupt die Heeresmacht der Verbündeten im
Gegensatz zu den Römern, kann also nicht den mindesten Anstoss
erregen.
Die beiden Exemplare in Rom sind am Tronto und in Picenum
gefunden worden; sie gehören also den in Asculum belagerten Itali-
kern an; die zweite Legion der Aufständischen bildete wohl haupt-
sächlich die Besatzung der Stadt ^). Besonders merkwürdig unter den
neu aufgefundenen Geschossen ist Nr. 33, da es zugleich den Stempel
der Xn. Legion zeigt. Dies Problem findet jedoch eine sehr einfache
*) Man könnte die Geschosse auch dem cum Ersatz heranrückenden Heere
der Italiker zatbeilen.
fiomisehe SohleudergefldboMd*
M
Lösung. Das Schleuderblei ist aas zwei Stücken zusammengesetzt';
das kleinere Fragment trägt eben den Stempel der Xn. Legion* Dass
man namentlich in einer belagerten Stadt die feindlichen Geschosse
sammelte und entweder einschmolz oder wieder gebrauchte, ist erklär-
lich. Vergl. Vischer S. 9 N. 6. So ist hier ein italisches Wurfgeschoss
mit dem Bruchstücke eines römischen ausgebessert, indem man die
beiden Fragmente zusaminenlöthete.
Bei der Belagerung von Asculum stand also die XII. römische
Legion der II. italischen gegenüber, und die Anwesenheit der XII.
Legion ist auch durch ein anderes, bei Asculum gefundenes Geschoss ^)
Mommsen Nr. 660 (de Minicis 64, Bitschi IX; 48):
LXII
FVL
bezeugt. Mommsen, der hier mit seinen Vorgängern die legio f ul-
min ata der Kaiserzeit findet, muss das Blei natürlich verdächtigen,
es ist aber unzweifelhaft echt, FVL ist nicht Beiname der Legion,
sondern bedeutet fulmen, s^ zu Nr. 41 — 43.
Ich reihe daher unbedenklich hier ein:
37.
L XII
Die Schriftzäge sind denen auf dem Fragment Nr. 33 vollkommen ent-
sprechend. Dieser Stempel wird später aufgedrückt sein, denn an der
einen Seite zeigen halberloschene Züge LXII. Auf der Rückseite
zeigen sich Spuren einer halb verloschenen längeren Aufschrift, von
der nur der Schluss V 1 1 sich erkennen lässt, und auch das V ist
unsicher.
38.
IREPI
d. i. trepi, wie auf dem Exemplare bei Mommsen 648 (in Picenum
gefundeü, de Minicis 29, Ritschi Vni, 9) zu lesen ist^). Die von
de Minicis empfohlene Erklärung der Aufschrift trepi(date) scheint
mir nichts weniger als sicher. Auf griechischen Geschossen wird
') So wenigstens giebt Mommsen an, doch wohl nach genauerer Infbr»
mation, denn de Minicis zählt das Blei, welches sich im Kircher*sohen Museum
findet, unter den Perusinisohen auf, und dort treffen mr allerdings diese Legion
wieder.
*) Gleiche Exemplare in Frankfurt und Wiesbaden.
8
84 Rdniioln SölileiiAergetohosBe.
öfter der getroffene angeredet mit d^Sm, laßi, auch wohl XrffB, von
römischen Bleien gehört nur n. 66ö'MoDim8en (Tergl. die Nachtr.)
hierher: eme malvam mal am, wo eme nach altem Sprach-
gebrauch gleichbedeutend mit accipe ist^). Viel häufiger wird das
GeschoBS angeredet Festus 367 bezeugt das Zeitwort trepit, was er
mit vertit paraphrasirt, gewiss nicht ein yon Verrius Flaecns hypo-
thetisch vorausgesetztes Wort, um trepidare zu erklären, wie 0.
Müller meint, sondern in alten Sprachdenkmälern wirklich überliefert.
Es war offenbar ein stammhaftes Zeitwort, trepere, wie clepere,
nicht etwa trepire; also wird trepi der Optativ sein, abgekürzt aus
trepis, wie der Imperativ noli aus nolis hervorgegangen ist Die
Soldatensprache hat diesen alterthümlichen Ausdruck festgehalten.
39. 40.
F E R I
Zwei Exemplare; das I ist auf dem einen halb verloschen, auf
dem anderen F und I beschädigt. Ganz gleiche Exempl. aus Asculum
bei Mommsen 649 (de Minicis 14, Ritschi VIII, 5), dgl. in Frankftit und
Mainz. Ferire ist zwur csn ganz geläufiger Soldatenansdrvck, ich
erinnere nur an Cäsar's Gommando in der Schlacht bei Pharsalus: m i 1 e s
faciem feri (Florus IV, 2), daher sagt schon Ennius in den Annalen
bei Cicero pro Balbo c. 22: Hostem qui feriet, mihi erit Cartha-
giniensis, quisquis erit, cujati' siet, aber hier, wo die kfir
rede an das Schleuderblei gerichtet wird (feri fir oder feri fulmen
lautete wohl die vollständige Formel, indem auch hier die der alten
Sprache eigenthümliche Vorliebe für Allitteration hervortrat), ist der
Ausdruck besonders angemessen; denn ferire wird eben vom Wetter-
schlagOy* vom Blitz gebraucht Damit hängt auch Feretrius, der
Zuname des Juppiter, zusammen, den die alten Grammatiker irrthüm-
lich von dem Gestell (feretrum) ableiten, an dem man die erbeu-
teten feindlichen Waffen (spolia opima) befestigte^); allein ein
^) & FesiuB S. 4 abemito und S. 76 entere. Mala malva heisflt das
Schleuderblei, weil der tödtlicli Getroffene Blut speit (auf einem griechisohen
Blei ViflCher n. 21 alfjLo), Die malva diente als Vomitiv, s. Plinius XX,
221. Mit der Anrede eme malvam malam ist übrigens die Aufschrift einer
Bleieiehel der GampanasciMn Sammlung (Mommien Nachtr.) pvomia omnia
sa vergleichtn.
^) Andere dachten an ferire, jedoch ohne die richtig» Besiehang m
erkennen; s. Platarch Romul. 16: to yoQ nkffitu ipfQi{Qt) *Pufnuoi xalmat».
fSloro 6k nXrj^ Toy avS^ u«A xtaaßaUSw. Vergl. auch Propeft IV, 10^ 46.
Römische Schleudergeschosse. 85
Gultas, wiederdes Juppiter Feretrius, der nach wohlbeglaubigter
Ueberlieferung zu den ältesten der Stadt Rom gehört, wird nicht
einem durchaus nebensächlichen Umstände seinen Namen verdanken:
Juppiter heisst Feretrius, weil er im Wetterschlage seine Macht
offenbart, daher bewahrt man auch in seinem Tempel den heiligen
Kieselstein (lapis silex) auf, der zum Opfermesser diente, wenn
man ein Bündniss abschloss (foedus ferire). Wie fulgetrum
der Bhtz, das Wetterleuchten ist, so mochte man den Wetterschlag
FERIETRVM nennen 0 ; in Feretrius ist das I wie unzählige
mal im Lateinischen getilgt, ebenso in ferentarii, was mit ferre
nichts gemein hat; so heissen die Soldaten nach ihren Wurfwaffen.
41. (Abgeb. n. 13.)
^ I H
42. (Abgeb. n. 14.)
P I R
43.
P I R DC Zeichen des Blitzes.
Das erstere Geschoss findet sich häufig bei Asculum, Mommsen
652, meist F I R geschrieben (de Minicis 5, Ritschi VIII, 9), aber auch
wie hier ^ I F (de Minicis 6.) *). Ein anderes mit der Aufschrift P I R
hat de Minicis 79 (Ritschi IX, 9); Mommsen setzt auch hier einen
Lesefehler voraus, allein die beiden Torliegenden Exemplare, von
denen das eine auf der Rückseite ein doppeltes fulmen trisulcum
zeigt, bestätigen P I R ^).
1) Auoh HuBchke zu den Eugabinischen Tafeln (wo m, 16 und 18
ferehtru yorkommt) erinnert an ferire.
') Auch in der Sammlang Campana's kommen Schleuderbleie mit der
Aufschrift F I R vor. Mommsen zieht noch ein Geschoss (de Minicis 22,
Ritschi IX, 9) hieher F T R, diess könnte aber auch F E R(i ) Bein; doch
enthalte ich mich jeder Yermuthung.
') Im Museum zu Mainz findet sich ein Exemplar mit F I R ii^ überaus
kräftigen Zügen, zwei mit P I R (eines mit deutlicher schöner Schrift, die
Buchstaben des anderen sind etwas kleiner und schmachtiger). Aach der un-
gläubigste wird, wenn er diese Exemplare zusammenhält, die Yersohiedenheit
der Marken zugeben. Die Marke F I R besitzt ausserdem Hr. Milani in Frank-
36 Romiiohe SchlendergeschoMe.
lieber die Bedeutung von F I R sind die Ansichteo getheflt,
Aeltere ÜAnden darin firmiter, die meisten italienischen Geldirten be-
asogen die Inschrift auf die Piceniscbe Stadt Finnum ^), de Minids
denkt an eine zu Firmum ausgehobene Abtheilung Soldaten; und
nach Analogie der Aufschriften Pisau(ro), Sena, Hat(ria),
Aux(imo) könnte man Fir(mo) lesen; diese Schleuderschützen
von Firmum konnten recht gut bei der Belagerung von Asculum mit-
wirken, und auch anderwärts in diesem Kriege verwendet werden.
Entschieden verfehlt ist Monmisens Erklärung Fir(mo missa glans);
denn die Blokade des Pompejus in Firmum durch die Italiker (Appian
I, 47) kann nur von kurzer Dauer gewesen sein; Pompejus trat bald
wieder activ auf, schlug mit Sulpicius die Italiker, trieb sie nach As-
culum und belagerte diese feste Stadt; man wird sicher nicht so viel
Geschosse in Firmum gegossen haben^ dass sie auch für die lang-
wierige Belagerung von^i Asculum ausreichten, oder sich der alten
Formen bedient haben, die offenbar häufig mit neuen vertauscht
werden mussten.
Die Beziehung auf Firmum ist überhaupt unzulässig; dies be-
weist * ein anderes in den Abbnizzen gefundenes Schleuderblei bei
de Minicis 7 (Bitschi VUI, 15) Mommsen 662 :
LEG XVIII
FIR
da hier Firmum in keiner Weise passt, soll diese Aufschrift bedeuten
Legio XVI FL(ayia) FIR(ma), und weil diese Legion erst von
Kaiser Vespasian errichtet ward, meint man die Fälschung sei erwiesen.
Dieser Verdacht wird beseitigt durch ein zwar nicht identisches^ aber
doch sonst sehr nahe verwandtes Exemplar:
44. (Abgeb. n. 15.)
LECXy
FIR
lAVRIDIVS
furi sweimali zwei andere aber nicht gut erhaltene Exemplare bei Hrn. Ihering
in Mainz, aasserdem im Berliner Moseam, e. Friedrichs Berl. antike Bildwerke
Tb. n, S. 240.
^) Man bat dafür eine Bestätigung auf den Münzen von Firmum zu
finden geglaubt, deren AuiBohrift ebenfaUs zwischen F I R und $| I -I wechselt
Yergl. Mommsen Mflnzw. S. 249.
BomiBche SchleudergesohoBse. 37
Das letzte Zahlzeichen ist beschädigti entweder V oder X« Die
zwanzigste Legion focht in diesem Kriege in Picenum ; de Minicis 68
(ftitschl VIII, 10) hat zwei Geschosse mit der Inschrift L E C • X X ,
und wenn er auf einem X V zu lesen glaubte, so zeigt das vorliegende
Exemplar, wie nahe diese Lesung lag. Der Name Auridius findet
sich mit halb verloschenen Zügen auf der Schmalseite unter F I R, und
eine genauere Untersuchung der beiden anderen Exemplare würde
vielleicht.auch Spuren des Namens nachweisen können, denn es scheint
hier keine NachStempelung vorzuliegen, sondern alle drei Zeilen sind
gleichzeitig durch Guss hergestellt. Der Name wird sicher gestellt
durch zwei andere Geschosse:
45.
TAVRIDI
T : :
auf T folgen zwei unkenntliche zerquetschte Buchstaben, die Aehn-
lichkeit mit M N haben.
46. (Abgeb. n. 16.)
LH X TAVRIDIVS
T. Auridius, ein Officier der 20., nachher (oder früher) der 2. Legion,
commandirt die Schützenabtheilung oder hat die Anfertigung der
Geschosse überwacht. Der Name Auridius findet sich auf emer In-
schrift bei Marini Atti Arv. 11^ 640: T. Auridio P. f. Nicephoro
primipilo leg. n (unter Trajan, gefunden bei Fabriano).
Nun finden sich aber Schleuderbleie mit der Inschrift F I R nicht
Mos auf dem Schauplatze des Bundesgenossenkrieges 0) sondern auch
anderwärts. Bei Athen ist eines mit dem einfachen Stempel F I R
ausgegraben, welches offenbar aus der Belagerung der Stadt durch
Sulla stammt; s. Vischer Nr. 20. Wie kämen aber in den J. 667,
668 Schleudergeschosse aus dem Socialkriege von dem Heere des Cn.
Pompejus zu den Legionen des Sulla? Dazu kommt ein bisher un-
bekanntes Gescboss (s. I^r. 54):
R PET X OCTAVIA
^) Ein Blei dieser Art soll bei Labicum, also in der unmittelbaren Nach-
barschaft Roms, gefanden sein; ich sehe keinen Grund, diese Nachricht zu Ter-
dachtigen, da ein Soldat auf dem Marsche recht gut dort ein Geschoss ver>
wenden oder yerlieren konnte.
^
88 Bömiiohe SohleadergesohoMe.
welches unzweifelhaft den Soldaten des L: Antonius, die von Oetavian
in Perusia belagert wurden, angehört. Hier erweist sich jede der
früheren Erl^ärungen als unzulänglich. #
Ich habe schon vor zehn Jahren die Lösung des Problems ge-
funden, zögerte aber damit hervorzutreten, jetzt haben die neuen
Funde meine Vermuthung in erwünschter Weise bestätigt. Fir ist
in der römischen Soldatensprache dasGeschoss selbst, die sog. gl ans;
dies zeigt ganz deutlich das eben erwähnte Perusinische Schleuderblei,
dessen Ergänzung zweifellos ist, (Fi)r pet(e) Octavia(num).
Ganz dasselbe besagt der vulgäre Ausdruck fulmen, Mommsen 660:
LX I I F V L, wo die Erklärer an legio fulminata denken, da-
her Mommsen das Geschoss verdächtigt, und das neu entdeckte Nr.
93 PA F V L. Auch Mommsen n. 659 L E C VI F ist entweder
Fir oder Fulmen.
Jetzt ist auch die Variante P I R klar, die sich mehrfach auf
Geschossen findet ; sie gehören den Italikern an, während die römischen
Stempel F I R zeigen. Im Umbrischen bezeichnet pir das Feuer, wie
die Erklärer der Eugubinischen Tafeln^ wo das Wort wiederholt vor-
kommt, erkannt haben; auch in anderen italischen Mundarten mag
diese Form gebräuchlich gewesen sein, daher erscheint sie eben auf
den Geschossen der Italiker. Die Lateiner sagten dafür FIR, es ist
das griechische fcvQy was^ wie Plato im Gratylos andeutet 0« ftuch der
phrygischen Sprache angehörte. Lateinisches F entspricht auch sonst
dem Griechischen JI, wie fido — nei^w^ fundus — Ttvd'fj.^y, friare,
frendere — ngieiv, fungus — CTtoyyog (denn in dem attischen
aq>6yYog ist die Aspiration jüngeren Ursprungs). Der Lautwandel
zwischen B und F ist den italischen Mundarten ganz geläufig, er
kommt sogar innerhalb desselben Dialectes vor; so wechseln im Latei-
nischen ab und af, sibilus und sifilus, die Lanuviner sagten
nebrundines, die Praenestiner nefrones (Festus S. 163). Aber
auch P und F werden vertauscht; den lateinischen Zeitworten ex-
pilare und compilare (griechisch q>7}lovv^ was von atpaXUiv wohl
zu sondern ist) entspricht in der Inschrift von Furfo das Sabinische
fifeltares, d. h. Tempelräuber, sacrilegi; vrie von miles ein
Adjectivum militaris gebildet wird, so setzt fifeltares ein ähn-
liches durch Reduplication verstärktes Substantivum voraus. So
>) Plato Cratyl. 410, A.
RdmiMbe Sobleadergeiohoste. 39
wechseln in den italischen Mundarten B F P^ ohne dass man eine
bestimmte Gesetzmässigkeit zu erkennen vermag; die Lateiner sagen
»Ibus, die Sabiner alpus (Festus S. 4), die Umbrer alfos; in
Eigennamen, die von diesem Stamme abgeleitet sind, kommen daher,
wie AI bi US, Alpius, Alfius u. s. w. beweisen, alle diese Laut-
formen vor, und es ist verkehrt, seltenere oder singulare Namen, wie
Albidius bei Macrob. Sat. II, 2, 4, abzuändern. Aber wo das Etymon
des Namens dunkel ist, thut man wohl, die lautlichen Varietäten zu
sondern, wie Fafinius und Papinius.
Das gewöhnlichste Emblem der griechischen Schleuderbleie ist
der Blitz, aber auch auf römischen kommt dieses Sinnbild nicht selten
vor. (Belege bietet auch diese Sammlung dar)i), ^j^^ g^aiz die gleiche
Bedeutung hat es, wenn anderwärts das Zeichen des Keiles (cuneus,
forfex) sich findet, wie z. B. n. 8, denn cuneus bezeichnet schon
in einem Verse des alten Salierliedea den niederfahrenden Donnerkeil,
das Strafgericht des Juppiter Lucetius. Was das.Symbol andeutet, ist
durch FIR, PIR, FVL(inen) klar in Worten ausgedrückt.
Vollkommen analog wäre der Stempel eines griechischen Geschosses
bei Boeckh C. L Gr. 5570 a JIOS NIKH KEP(avv6g\ wie Vischer
ergänzt, allein ein unedirtes Blei von Gumae*) (abgeb. n. 39) hat
deutlich :
AIOE NIKH
KEPAVNOIH
und so wird auch das erstere zu vervollständigen sein. Diese Auf-
schrift eröfifhet zugleich das richtige Verständniss der abgekürzten
häufig vorkommenden Formeln NUtj Mcnigog oder Maziqwv^ NUtj
^A&a., ^HQcncliog NUtj und ähnlicher.
Das Schleuderblei erinnert nicht nur durch seine Gestalt an den
Donnerkeil, sondern es zerschmettert auch Alles gerade so wie der
Blitz, und indem der Schleuderer, ehe er das GeschoBs absendet, die
^) Auch als Schildzeiohen römiBcher Soldaten kommt der Blitz sehr häufig
vor, und war auch den Griechen nicht unbekannt (vergL auch das Relief von
Padua bei Fabretti gloss. It.'Taf. HI, 27).
^ AuB der ehemaligen Sammlung des Prinzen Emil v. Wittgenstein vom
Prof. auB'm Weerth erworben. Auch ein anderes Gescboss gleichen Fundorts
zeigt RestCL einer Aufschrift
F\OXO :>C Blitz.
doch sind nur die beiden letzten Buchstaben deutUoh,
Srika-ier w-.«ii«iy-It «••iiwbrt. erwirm: ä*± ias lleUU; diese Hitie
v.rl &4iE^i:*^*:h «kb es «iz»^ veite Bahs JsrüdaakecB kai, BOck
gest^rr^^Tt. ao dx^ es ts it^ G^crifsoe« dye Empäadnig emes
brensecden Sdiziierzes feerrcfTiift -•. In der Sprache der aHoi Zeit
naante min diher das 5±jecfierzeadLoe5 Fir oder Pir« imd die
Soldaten haben diesai Spracazebri'-irii trenlkh bewahrt. Audi die
Zeitworte ferire und petere. wel*.-^ aaf den Bfe^esdMiaaen das
Ziel der ScUeoderer beze^dmen, werden regelmässig tob JUitatrahle
Q^brzuchL
Die rom^chen Dichter heben wiederhat die ErUtnmg des
Schkaderbieies hervor; Lacra VI, I7S, wo er das Phinomen des
Blitzes eriaatert, bez^t sich auf dieses Beispiel: Plnmbea vero
glans etiam longo carsn Tolvenda calescit (so TAfhmann st
qaiescit, die Früheren liqaescit; nnd nochmals ▼. 306: non
alia longe ratione ac plnmbea saepe fervida fit glans
in cnrsa, cum mnlta rigoris corporn dimittens ignem
concepit in anris. Adinlich Virgil Aen. IX, 586: Stridentem
fandnm positis Mezentins hostis Ipse ter addncta circum
capnt egit habena. Et media adversi liqnefncto temporn
plambo Diffidit ac mnlta porrectnm extendit arena.
Ovid Metant n, 727: Non secns exarsit, qnam cnm Balea-
rica plnmbnm Fnnda iacit: Yolat illnd et excandescit
enndo Et qnosj non habait sab nnbibns invenit ignes.
Statins Theb. X, 533 a'rsnras coeli per inania glandes . . .
rotabant Lncan m, 710: excnssa Balearis habena glande
petens calido fregit cava tempora pinmbo, and VH, 512:
spatioque solutae Aeris et calido liqaefactae pondere
glandes (diese Stelle rtLhrt Yiellächt von einem Interpolator her,
vergL PhiloL Anz. 1870, S. 58, aber jedenfalls aas alter Zeit). Der
natarkandige Seneca bestätigt diese Thatsache Qaaest. Nat n, 57, wo . I
er über das Gewitter handelt: sie liquescit excassa glans i
f anda et attrita aeris velat igne distillat. Wahrscheinlich
worde beim Unterrichte in der Physik dieses Beispiel nadi hergebrachter
') Auch der Blitz wird ganz gewölmlioh ignis (Lucr. VI, 87 volans
ignis, Yirg. Aen. I, 41 lovis rapidns ignis, 90 crebris micat
ignibus aether^ IV, 167 falsere ignes) oder tzvq genannt (so bei den
Tragikern nalrov ttvq, dtog nvQj xigmmov Ttvg, auch tpöis, wie Eurip. Phoen.
191 ; xiifttvvtov ipvig ai^loiv).
I
I
Römisohe Sdilendergesohi
41
Tradition angeführt; daher die wohlgeschalten römischen Dichter mit
sichtlicher Vorliebe auf diese Beobachtung hinweisen.
Dass f i r nicht gänzlich verschollen war, beweist das Compositum
exfir (nach Festus & 79 purgame|ntum, unde adhuc manet
suffitio). Zusammensetzung eines Substantivs mit einer Präposition
ist zwar ungewöhnlich, aber doch nicht ohne Beispiel, wie remora
beweist^), auch ist mir die Bedeutung der Präposition ex hier nicht
recht klar, aber der Zusammenhang mit fir zweifellos; d^n dem
Feuer schrieb das Alterthum vorzugsweise reinigende Kraft bei.
Das alte Wort f i r erkenne ich auch in dem dunkeln Ausdrucke
mamphur; so hiess nach Paulus dem Epitomator des Festus S. 132:
loro circumvolutum mediocris longitudinis lignum
rotundum, quod circumagunt fabri in operibus tor-
nandis. Die Vermuthung Scaügers, dies lateinische Wort sei aus
dem griechischen (uxwoipoQov (Theocrit XI, 41.) corrumpirt, die 0. Müller
schairibinnig findet, ist verfehlt. Wahrscheinlich hatte schon Verrius
Flaccus keine klare Vorstellung, der Ausdruck der Epitome loro
circumvolutum lignum ist jedenfalls unzutreffend; denn ein mit
Biemen umwickelter Stab ist zum Zwecke des Bohrens untauglich;
der Riemen diente offenbar dazu, um das Holz in Bewegung zu setzen.
Es ist der Bohrer gemeint, dessen man sich in alter Zeit bediente,
um neues Feuer zu erzeugen: dies Feuer ^nannte man manum
phur (mamphur), d. h. lichtes, lauteres, gutes Feuer.
Später, als diese Sitte abkam, und man den Sinn des Wortes kaum
noch recht verstand, nannte man das Instrument, womit man Feuer
erzeugte, zuletzt einen jeden Bohrer mamphur. Noch im ersten
Jahrhundert der Kaiserzeit pflegten in Italien die Hirten durch das
Aneinanderreihen von Holz sich Feuer anzuzünden. War das beilige
Feuer der Vesta verloschen, so wurde es auf dieselbe Weise wieder
erzeugt, wobei man sich einer tabula felicis materiae (Festus
S. 100) bediente. In Griechenland dürfen wir für die alte Zeit den
gleichen Brauch voraussetzen: später bediente man sich, wenn die
ewige Lampe in Delphi oder in Athen erloschen war, des Brenn-
spiegels (Plutarch Numa c. 9.): das Sonnenfeuer galt eben als das
reinste Licht, daher auch nach der Erzählung der Sappho (Servius zu
Virg. Ecl. VI, 42) Prometheus am Sonnenrade seine Fackel anzündet:
') Bemora kömite aUerdings auch Adjectivum aein, bo das« man avis
SQ ergänzen hätte; über remoree ayes yergL Feetias 8. 277.
42 mhnigfihf
es ist dies eigentlich nur ein mythischer Ausdrack, dem die Thataacbe
zu Gnmde liegt, dass man die Nabe des Rades beontzle, mn Feuer
ztt erzeugen >). Ebenso ist s u I f u r wohl nichts anderes als Sonnen-
feuer, d. h. reines, lauteres Feuer : brennenden Schwefel in
Gegenden zu beobachten hatten die italischen Stamme vielfach
Gelegenheit; der Zusammenhang des Vulcans mit dem himmlischen
Feuer ist in der Lemniscben Sage von dem Sturze des Hephaestos
sehr bestimmt angedeutet; daher auch Prometheus am Mosychlos
auf der Insel Lemnos die Fackel angezündet haben sollte, wie Aocius
im Philoktet wohl nach Aeschylos Vorgange eraäUüt
Vielleicht hängt auch der Ausdruck mamphula damit zu-
sammen, den Festus 142 aus Lucilius anfahrt und durch panis
Syriaci genns erklärt: aber das syrische Brod, was in Rom erst
ziemlich spät bekannt geworden zu sein scheint, und von den Syrern
laxfdov genannt wurde (s. Athen. III, 113, G), ist von der römischen
mamphula ganz verschieden; es ist panis eineraeei genus zu
lesen, d. h. agtog anodlttig. In den Versen des Lucilius ist
empleuron ein ganz unnöthiger Znsatz, während man ein Zeitwort
vermisst; es ist zu schreiben: Pistricem validam, si nummr
suppeditabunt, addas, ixzeq>Qovv mamphulas quaa sciat
omnifl, durch hteipQovv wird das Lob unerwartet in Tadel ver-
wandelt, sie verbrennt alle Brode zu Asche, so dass sie ungeniessbar ^
werden. Wie man in Deutschland am Nothfeuer Erbsen kocht, so
mochte man in Italien in der Asche dieses reinen Feuers Brod backen;
dies hiess MAMPHVRIA oder M A M P H V L I A, später
nannte man jedes Aschenbrod mamphula').
47. (Abgeb. n. 17.)
V • FA • M
auf der Rückseite Spuren eines früheren StempelSi wie die breitge-
drückten Züge bekunden, etwa i A R V , denn der Buchstabe vor A /
ist ganz undeutlich.
48. (Abgeb. n. 18.)
V • F /P • M • X M R
M ist unten beschädigti aber doch wohl sicher, dagegen der
*) Daher die Sitte des Feaerrades in Deutschland. VergL über das
Noihfeaer Qnmn, d. Myth. S. 844 ff. (1. Aofl.)
*) Auf weitere etynMlogiiQhe und mythalogiMhe Digreanonen emsagelMD,
au denen daa altlaleuuaohe Wort f ir Ankaa giebt» kt Uer nioiit der Ort.
f
'♦
LI
Bömisclie SohleadeiifeachiMie. 4S
Punkt vorher, der nicht auf der Linie steht, scheint zufällig zu sein.
Auf der Rückseite schdnt vor M R noch ein Buchstabe gestanden zu
haben. Auch an den Seitenflächen nimmt man Reste eines früheren
Stempels wahr, doch ist nur V, auf der anderen Fläche P zu er-
kennen. Beide Geschosse gehören, wie das Praenomen V beweist,
den Italikem an. Möglicherweise ist der Name des Anführers
(F ab ins oder Faburius, denn die Ligatur ist beschädigt)» auf
beiden derselbe.
49. 50. (Abgeb. n. 19.) '
Zwei Exemplare; das zweite kleinere ist geflickt und zeigt an
der Seite noch undeutliche Spuren wohl eines Emblems. Die kräftigen,
derben Züge deuten auf den Bundesgenossenkrieg. Die Figur des
E scheint auf eine Ligatur zu deuten, es ist aber wohl nur der untere
Strich verlängert, wie anderwärts T statt F auf diesen Geschossen
sich findet, s. zu Nr. 15, und auch sonst kommt auf älteren römischen
Inschriften zuweilen "E oder JE vor, s. Ritschi Mon. Epigr. S. 111
(Index unter E.) EAR ist vielleicht nichts anderes als eas, in
einem örtlichen Dialecte mochte, wie im Umbrischen, der Rhotacismus
auch in der 2 Pers. des Verb. Act Platz greifen.
5L
I A p C X Schwert
Dasselbe bei Monunsen 674 (de Minicis 17, Ritschi VIII, 19,
aber die Rückseite ist, wie es scheint, glatt). Der erste Buchstabe
ist kein 1, sondern zeigt oben nach links Atisatz zu einem horizontalen
Strich, bei de Minicis 1, der vierte Buchstabe ist wohl ein schräg
liegendes C (bei de Minicis eher dem E ähnlich), nicht etwa ein un-
vollständiges 0, dafür ist kein Raum, wie besonders ein drittes
Exemplar im Museum zu Wiesbaden zeigt, wo die Marke wieder-
holt wird:
IA8u
TAftC
Der erste Buchstabe ist auch hier nicht ganz deutUch, aber wahr-
scheinlich TT. Das Schriftzeichen fi^ auf allen Exemplaren wohl er-
halten, ist offenbar nicht verschieden von dem 8 S der Umbrer,
44 Römische Sdileadergesohoase.
Osker und Etrusker, d. h. F. Dasselbe Zeichen (unten offen« wie
hier) kehrt wieder auf einem unedirten Schleuderblei in Wiesbaden
ER OC c n ft I
VI
wo nur das I auf der Rückseite unsicher ist, desgleichen auf der
lateinischen Inschrift von Falerii (Ritsch! Mon. S. 98 M) f^ A R I S P,
wo man es auf die Einwirkung der etruskischen Nachbarschaft zurück-
führen rouss; dies vertritt nicht die Stelle des H, sondern ist
farisp(ex), vergl. fariolus.
Es wäre vergeblich, die Marke dieses Geschosses aus dem Latei-
nischen zu erklären: ausser den bekannten Dialecten gab es in Italien
noch manche örtliche Mundart, z. Th. mit eigenlhümlicher Schrift
Hier und in der neuen Marke des Museums zu Wiesbaden tritt uns
ein epichorisches Alphabet und wohl auch eine besondere Mundart
entgegen ^). Wollte man annehmen, dass in diesem Dialect F zu-
gleich die Stelle des H vertrat, nicht nur wo H aus F entstanden ist,
sondern auch wo H nur zum Ausdruck der Vocaldehnung dient, dann
könnte man in Pahc einen Eigennamen, wie Pacuvius, 'Paccius
u. s. w., finden. Auf dem Wiesbadener Blei war vielleicht C Pfi(r)
oder Phi(r) geschrieben.
52. (Abgeb. n. 20.)
ERI
SO ITEI
Die Ergänzung (f)eri sontei(s) ist sicher, das F ist ver-
loschen, von dem S ist keine Spur. Die grossen, kräftigen Züge, so-
wie der würdige Ernst des Spruches: triff die Schuldigen ^ weisen
dieses Schleuderblei dem Bundesgenossenkriege zu. Die Asculaner
hatten durch die Ermordung des Proconsuls Q. Servilius und seines
Legaten Fontejus, sowie der römischen Bürger, die sich in Asculum
aufhielten, den Ausbruch des Krieges veranlasst ; so durften die Römer
mit Recht ein Geschoss mit dieser Inschrift gegen die belagerte Stadt
verwenden; aber der Spruch mag ein altherkömmlicher sein^ dessen
sich ebenso gut auch die Aufständischen im Bewusstsein ihres guten
Rechtes bedienen konnten.
^) Die Inschrift der Vorderseite ER VI scheint lateinisch, aber das
Geschoss kann umgestempelt oder geflickt sein, doch habe ich es darauf hin
nicht ontersucht.
Romifiche Schleudergeflohosse. 45
53.
MAR
VLT ;
Aehnlich bei Mommsen 686 (de Minids 13, Ritschi YIII, 4), auf
der Rückseite als Emblem das fulmen trisulcum^); unser Exemplar
ist hier ganz verwischt, scheint aber ein anderes Sinnbild gehabt zu
haben; dagegen finden sich hart über der ersten Zeile deutliche
Spuren halbverloschener Buchstaben, etwa N V M. Mommseu sagt,
das Exemplar n. 686 solle in den Abruzzeu gefunden sein, aber
de Minicis S. 210 giebt den Fundort gar nicht an. Da nun der
Cultus des Mars Ultof in Rom auf Octavian zurückgeht, so reiht
Mommsen dies Blei unter den Perusinischen ein, spricht jedoch auch
die Möglichkeit aus, dass .eine moderne Fälschung vorliege. War den
Römern vor Augustus die Vorstellung des Mars Ultor unbekannt, dann
konnte sie auch nicht eher Eingang finden, als bis dem Gotte ein
HeUigthum errichtet war, an dem dieser Zuname haftete: nun hatte
Octavian im J. 712 dem Mars einen Tempel gelobt, s. Sueton. Aug.
29: aedem Martis hello Philippensi pro ultione paterna
susceptovoverat Die Formel des Gelübdes wird gelautet haben:
Mars tibi voveo, si ultus eris (oder auch ero); und so ward
dem Mars, als Octavian sein Gelübde erfüllte und 734 auf dem Gapitol,
später 752 auf dem Forum Augustum einen grösseren Tempel auf-
führte (s. Mommsen zu Mon. Ancyr. S. 86), förmlich jener Beiname
Ultor zugetheilt, den er zur Zeit des Perusinischen Krieges in den
Jahren 713 und 714 lediglich auf Grund jenes Gelübdes noch nicht
führen konnte. Demnach müsste man das Geschoss als moderne Fäl-
schung verwerfen. Allein diese Verdächtigung wird durch das neue
Exemplar vollständig beseitigt.
Dem Juppiter Tonans hat Augustus zuerst einen Tempel
auf dem Gapitol errichtet, aber die Vorstellung selbst geht auf das
höhere Alterthum zurück; die Verehrung des Juppiter Victor ist
gewiss älter als sein Tempel; ^t dem Mars Ultor verhält es sich
ähnlidb. Nichts steht im Wege, das Schleuderblei bereits dem Bundes-
genossenkriege zuzuweisen, es braucht auch gar nicht nothwendig den
Römern zu gehören, da ja Mars bei allen italischen Stämmen in hohem
Ansehen stand.
^) Ein anderes Exemplar in Frankfurt, wo R bescb&digi, L verwiflcht.
^-
46 Römitolie fiobleadergoMhoMe.
Belagerung von Perusia.
54. (Abgeb. n. 21.)
R PET OCTAVIA
Die Ergänzung (Fi)r pet(e) OctaYia(num) ist sicher; über
Fir siebe zu Nr. 41—43.
55.
I- A NTO C AVS RV/
PERIST VICTORIA
56.
ANTON CAVI
PERIST ICTORIA
Dasselbe Oeschoss bei Mommsen 685 (de Minicis 51, Ritschl
IX, 34)
I- ANTONI CALVI C CAIISARVS
PERISTI VICTORIA
aber auch dort sind die Züge sehr unsicher, der Vorname des Anto-
nius gleicht dort einem K, und ist auch hier dem L nicht ähnlich.
CALVI deutet man Galvei also Spottname des Antonius, indess
auf Nr. 56 ist für die Ligatur des L mit A kein Raum ; man mfisste
also annehmen, dass auf diesem Exemplar das L in der Gussform
fehlte: sonst wäre auch L. Antoni cave: peristi etc. nicht
unangemessen. Dort soll CAIISARVS stehen, hier eher
(C)AVS(A)RVSO; und diese Form kehrt wieder auf einem
anderen Schleuderblei Nr. 57. Den Namen Caesar, über dessen Be-
deutung und Ursprung bekanntlich die Römer selbst im Unklaren
waren, mögen die Soldaten damals in Causar umgewandelt habra,
mit einer leicht erkennbaren Anspielung an causarius, d. h. In-
valide*). Nach der Schlacht bei Philippi kehrte Octavian nach
>) Der Raam zwischen S and R iBt l&r einen Buohstaben fast ta grosi,
auch' Bcbeinen zwei Bachstaben hier gfestanden zu haben, wie auf Nr. 67.
') YergL die ähnlichen SoldatenBp&see über Tiberins bei Sueton Tib. 41:
in oastrifl tiro etiamtum propter nimiam vini ayiditatem pro
Tiberio Biberius, pro Claudio Caldina, pro Nerone Hero voca-
batur. Causarius bedeutet gewöhnlich den Invaliden, der mit Rücksicht
auf seinen Gesundheitszustand Urlaub oder Entlassung erh< die Soldaten
mochten cnoh den Feigimg sd nennen, der sich nur krank etelU.
►- •
* t •'
MmiMhd 8ohldateg«seho«ie. 4t
ItaUen zuräck, um den Soldaten Ländereien anzuweisen, w&hrend
Antonios nach Asien liehen sollte; Appian sagt ausdrücklich V, 3,
Octavian habe mit Rücksicht auf seinen Gesundheitszustand (duc n^v
aQQüHnlav) sich dazu entschlossen; in Brundnsium aber wurde er
durch einen ernstlichen Anfall der Krankheit längere Zeit zurück-
gehalten und das Gerücht verbreitete sich, er sei gestorben (Appian
y, 12. Dio Cass. XLVin, 3). Die Soldaten des L. Antonius mochten
auf ihren Geschossen dep Octavian mit .dem Spottnamen Gausar
bezeichnen, und die Octavianer behielten in der Antwort das Witz*
wort bei.
Mit der Aufschrift dieses Geschosses vergleicht schon de Minicis
die Pompejanische Inschrift (Orelli in, 5161):
CAM RANI VICTOR lAVNA
CVM • NVCERINIS • PERISTIS
die sich auf die Händel zwischen Pompeji und Nuceria bezieht, wozu
Gladiatorenspiele den Anlass gaben (Tadt. Ann. XIV, 17).
Offenbar ebenfalls gegen L. Antonius und die Seinen ist ein
anderes Schleuderblei gerichtet/ wenn es auch den Namen verschweigt:
57. (Abgeb. n. 22.)
VGlTIVi C CAVSASR • •
ERISTI ICTORIA
d. h. (F)ügitiv(i p)eristi(s) G. Gausar (us v^)ictoria, denn
der Schriftzug im Namen des Caesar vor R, der einem S oder I gleicht,
kann nur als ein fehlerhafter Zusatz angesehen werden, der sich in
der Gussform vorfand. Ich habe fugitivi peristis ergänzt nach
Analogie anderer Geschosse, obwohl auch fugitive peristi zulässig
wäre. Fugitivi nannten die römischen Soldaten offenbar aUe, welche
sich hinter die Mauern einer Festung zurückzogen und vertheidigten ;
ganz ähnlich lautet die Aufschrift eines Bleies in Asculum, Mommsen
647 Fugitivi peristis; dies hatten die Römer m die Stadt ge-
worfen, und die Belagerten antworteten höhnend mit dem Geschoss
646: Servi peristis, weil die Römer damals Sklaven und Frei^-
laasene zum Kriege ausgehoben hatten, s. zu Nr. 89 0-
') Indess haben auch die Italiker dieses Mittel niohi Terscbm&ht.
Silo Pompaedias bewafinet gegen 20,000 Sklaven, denen man die Freiheit ge-
währte, Diodor XXXVII (nach Photius) T. U, 2. S. 69 Dind. Paapius Mutilas
verleiht sogar römisoko Kriegsgefangene und rönische Sklaven seiner Armee
48 Bomisohe BebleudergeBehi
58. 59. 60.
PET OCTAVIA
NAIAD
Aehnlich noch zwei andere Exemplare, Pet(e) Octavia(ni)
culum^). Das A am Schluss.von Octavia ist fioerall deutlich, in
zwei Exemplaren ist noch die Spur eines anderen Buchstabens zu er-
kennen, also sicher Octaviani, nicht Octavi, wie Mommsen (682,
de Minicis 44, Ritschi IX, 36) lesen wollte. *
61.
OCTAVI
Ein anderes Exemplar bei Mommsen 673 (de Minicis 39), jetzt
in München, wo auch die Rückseite Spuren von Schrift zeigt, die hier
ganz glatt ist
62. (Abgeb. n. 23.)
OOIVMLVII
MVSA
CVLVMP
Dasselbe Blei aus Perusia Mommsen 684 (de Minicis 45, Ritschi
IX, 35). Mommsen billigt die Erklärung Borghesis L. A(ntoni)
calve, Fulvia, culum pan(dite), die abgesehen von anderen
Gründen mit den Zttgen der Aufschrift nicht im Einklänge steht;
denn Z. 1 g. Ende ist die Lesung L V 1 1 , Z. 2 Musa gesichert Ich
empfehle folgenden Erklärungsversuch: Donum L.VII. Musa,
culum p(ete). Musa d. i. musca heisst das Schleudergeschoss,
weil es wie die summende Fliege lästig wird. Während im Griechi-
schen aus M Y Z I A durch Tilgung des Z ^vXa ward, verhärtet sich
im Lateinischen das I zum Kehllaute musca oder assimilirt sich dem
Zischlaute, mus'sa, dann musa. Daher das römische Gognomen
ein (Appian I, 42). Als die Samniter zaletzt allein den Krieg fortsetsten^ hoben
sie Sklaven in Masse aus. So konnte also das Blei servi peristie auch von
den Römern ausgehen. Jedenfalls urtheilt Mommsen nicht richtig, wenn er
beide Qeschosse den Römern zutheilend meint, die Aufständischen habe man
wegen des AbfaUes servi oder fugitivi genannt.
') Wenn auf einem Mainzer Blei sich einfach PET findet, so ist dies
als selbständige Marke za betrachten, so gnt wie F E R I.
Römische Schleudefgeschosse.
49
Musa, was mit der griechischen Göttin des Gesanges nichts gemein
hat, weim auch später die Pompouier mit dem Zunamen Musa den
Hercules Musarum zu ihrem Wappen machten. Ich ergänze
P(ete), und dasselbe verbirgt sich auch sicherlich in den unklaren
Zügen des Exemplares bei de Minicis.
63.
LVFVIASIA
Der erste Buchstabe undeutlich, doch unzweifelhaft L, der vor-
letzte verloschen, doch ist genügender Raum für I vorhanden. Darauf
führen auch die übrigen vorhandenen Exemplare Mommsen 687
(de Minicis 46, 47, 48. Bitschi IX, 41, 42 -a. und b.) ^). Mommsen
hat seine Erklärung Lu(cius), Ful(via), Asia (dies soll auf M.
Antonius, der damals mit seinem Heere in Asien stand, hinweisen)
in den Nachträgen selbst zurückgenommen^ und theilt daselbst die
Lesart eines Exemplares im Museum von Bologna mit L V N I A S I A ;
so las Fr. Rocchi, allein dies wird ein Irrthum sein, unser Exemplar
hat deutlich F V wie alle übrigen, nicht N. Ich vermuthe, dass diese
Aufschrift nicht in lateinischer Sprache, sondern in einem Localdialect
abgefasst ist; vielleicht ist der Sinn luf(era) via sia(t), d.h. libera
via Sit (siet), frei sei der Weg; man vgl. das Oskische loufreis
und louvrikonoss, das Faliskische loferta.
64.
ESVREIS
ET ME
CELAS
*) In einer Privatsammlang findet sich ein Schleuderblei mit der Auf-
schrift:
•XI F. ASIA
yieUeicht mit der vorliegenden Marke identisch, aber ich habe das Blei nicht
selbst untersucht, ebenso wenig ein paar andere derselben SammluDg Nr. 2
ATRI II
L vT
Nr. 8
• I . X • 3C Schwert.
und Nr. 4
VI.
4
50 ' Bömisohe SohleadergeBchosse.
Die Buchstaben C E L Z. 3 sind unten verstänunelt Die In-
schrift dieses römischen Schleuderbleies, welches auf die Hungersnoth
in der Festung hindeutet, ist schon bekannt; s. Mommsen 692 (de
Minicis 49, Ritschi IX, 37). Auf dem Exemplar des Museums zu
Mainz sind nur REIS und C E L A S lesbar, aber auf der Rückseite
steht mit derben Zügen C (oder E) P. Ein anderes Exemplar mit
kaum leserlicher Schrift (Rückseite glatt) bei Hrn. Ihering in Mainz.
65. 66.
XI DIVOM IVL
Zwei Exemplare (auf dem einen auf der Rückseite ein Schwert).
Das L ist undeutlich, gleicht einem i, auf einem Exemplare stand
vielleicht I V. I V. Aehnliche Exemplare bei Mommsen 697 (de Minicis
38) aber in drei Zeilen L . X I j D I V O M | I V L I V M, aber andere
Exemplare Mommsen 698 (de Minicis 37, Ritschi IX, 44) haben auf
der einen Seite LEG XI, auf der anderen DIV IVL. Die Er-
klärung, meint Mommsen, sei leicht, verschweigt aber wie der Acca-
sativus zu fassen ist; vielleicht ist im Gedanken invocat oder vene-
rat ur zu ergänzen, man vergl. Virgil Aen. XI, 785, wo Amins, in-
dem er den Speer wirft, den Apollo von Soracte anruft. Den Cultus
des Divus Julius bezeugt die Erzählung bei Sueton Octav. 15, nach
der Eroberimg Perusias habe man 300 Kriegsgefangene ad aram
Divo lulio extructam geopfert.
. 67.
scÄ'ev "^ '•«''"
Anderes Exemplar Mommsen 700 (de Minicis 62, Ritschi IX, 46)
wo Scäeva und Pil unversehrt. Ein Exemplar in der Samndang
Milani zu Frankfurt:
XII
CAEV X llJ'^d
p R. p IV 3S
Dieser Scaeva ist vielleicht nicht verschieden von dem centurio Scaeva,
den Caesar im Bürgerkriege gegen Pompejus wegen seiner ausge-
zeichneten Tapferkeit reichlich belohnte und beförderte (ab octavis
ordinibus ad primipilum se traducere pronuntiavit, de b.
Römische Sohlendergescbosse. 51
Civ. III, 53). Valer. Max- III, 2, 23 nennt ihn M. Gaesius Scaeva,
(Saeton Caes. 68 und Plut. Caes. 16 Cassius).
68.
ttXII
SCAEV
Geflicktes Exemplar, die apdere Hälfte zeigt noch deutliche
Spuren einer längeren Aufschrift in zwei Zeilen, deren erste auf I V I
auszugehen scheint, die zweite, wo nur die untersten Spitzen der
Buchstaben erkennbar sind, enthält einen Eigennamen auf I V S
vielleicht ^E N I V S , s. Nr. 71.
69.
^0
CA AP- VA
An der oberen Seitenfläche war offenbar die zweite Zeile wiederholt,
man erkennt noch deutlich
CA AP
Ein zweites, minder gvt erhaltenes Exemplar:
70.
'-L
A AP
und an der unteren Seitenfläche I X.
Dasselbe Schleuderblei bei de Minicis 53 (Kitschl IX, 52), nur
wird dort CA statt CA gelesen. Die Vermuthung Mommsens, es
sei die Aufschrift dieses Geschosses nur verlesen aus n. 696 (Ritschi
E, 54):
LE IX
CAESARV
erweist sich als hinfällig.
71.
LMEN X
PRL- \AILI
Dasselbe G«schoss bei Mommsen 701 (de Minicis 63, Ritschl IX,
47), vermuthungsweise dem Perusinischen Kriege zugewiesen, ist besser
erhalten :
L-ffiNIVS X
PR LXII MILLIA.
62 Römiaohe Schleadergesohosae.
Schleudergeschosse ungewisser Herkunft.
72. 73. (Abgeb. n. 24.)
OPTRVA X Blitz.
In zwei Exemplaren, ausserdem eines in Mainz, ein anderes in
.Wiesbaden (mit etwas undeutlichen Schriftzügen). Identisch mit dem
Blei Mommsen 710 (de Minicis 72, Ritschi IX, 61); die etwas rund-
liche Form des V hat dort zu der falschen Lesung C geführt, daher
findet Mommsen hier den Namen der Opiterginer und denkt an eine
im Gebiet von Opitergium für Caesar im Bürgerkriege ausgehobene
Legion. In den Nachträgen wird bemerkt, das Exemplar finde sich
im Museum von Bologna und Rocchi habe richtig (c) I T O • P E R C E
gelesen; wenn dies nicht ein ganz verschiedenes Geschoss ist, muss
man auch Rocchi's Lesung als verfehlt verwerfen. Obterva ist
offenbar nichts anderes als die alte volksmässige Sprachform für
observa, d. h. gieb acht, passe auf, ein gleichsam warnender
Zuruf. Das lateinische Zeitwort servare ist gleichen Ursprungs mit
dem griechischen %riQaiv\ eingehender darüber zu sprechen ist nicht
dieses Ortes. — Auf der anderen Seite findet sich das Zeichen des
Blitzes, ganz ähnlich wie auf dem Blei mit der Inschrift MAR
.V LT bei de Minicis 13 (Ritschi VIII, 4); da jenes Geschoss (s. oben
n. 53) dem Bundesgenossenkriege angehört, mag auch dieses gleichen
Ursprunges sein.
74.
T-FABRICI
FECIT
Dasselbe Blei Mommsen 711 (de Minicis 73, Ritschi IX, 60), nur
ist dort der Name F A B R I C I V S vollständig lesbar; auf einem
Exemplare in Mainz ...BRICIVS|-EC... *^
75. (Abgeb. n. 25.)
MCORIO
LANVS
Die vier letzten Buchstaben sind undeutlicli, das V sieht einem
O ähnlich, da aber noch ein Buchstabe (i oder S) folgt» hat die
Lesung M-CORIOLANVS mehr WahrscheinUchkeit, als
CORIOLANO. Das Praenomen M. kommt in der Gens Marda
nur selten vor (vergL Mommsen R. Münzw. 524), aber das Schleuder-
Römische Schleudergeschosse. 58
blei ist vielleicht gar kein römisches, sondern gehört den Italikem,
wenigstens lässt sich der Zuname Goriolanus in Rom (abgesehen von
dem berühmten Träger dieses Namens) nicht nachweisen.
76. (Abgeb. n. 26.)
CLyCL
VI
Diese Lesung hat mehr Wahrscheinlichkeit, als
CLVCIL
VI
denn die Spur eines weiteren Buchstabens auf Z. 2 vor V I (eher O
als V) ist trügerisch. Der Name lässt sich nicht mit Sicherheit er-
gänzen. Ein Luciiius, Anhänger des Triumvirs Antonius, ist bekannt^
aber das Blei gehört seinem ganzen Charakter nach eher dem Bundes-
genossenkriege an. Nach Livius Epit. LXXV kämpften Gosconius und
Lucceius (die Hdsch. Lucanus) gegen die Samniten unter Marius
Egnatius.
77. (Abgeb. n. 27.)
CAMVR
und darunter auf der schmalen Seite wird dieser Name CAMVR
wiederholt, aber die Züge sind halb verloschen, also ist auch dieses
Bleigeschoss neugestempelt. Auf der Bückseite schwache Spuren
wohl eines Emblems. Ein G. Camurius findet sich auf einer Pice-
nischen Inschrift aus Gupra (G. Inscr. L. 1, 1420). Dieser Name kommt
aber auch in Beneventum und anderwärts vor (so als Töpfername auf
Gefässen von Modena und Arezzo, s. Bulletino 1837, S. 13 und 107).
Verwandt ist der Name Gamurtius (Gicero pro Gaelio c. 30, In-
schrift von Paestum Inscr. R. Neap. 97). Das Blei mag den Italikem
gehören.
78. (Abgeb. n. 28.)
E C A M X Schwert
auf der anderen Seite ein Schwert, ähnlich wie auf dem Geschosse
bei de Minicis 27 mit der Inschrift C A L (von Mommsen 654 nicht
richtig als Blitz erklärt), aber allerdings werden die gewundenen
Linien die vibrirende Bewegung des gezückten Schwertes und somit
den Blitz versinnbildlichen 0* Die Inschrift ist vielleicht durch E.
0 An den enais falcatuB (Tirg. Aen. VIT, 732, Siliua Ital. VIII, 686)
ist schwerlich zu denken.
54 Bömuehe SchleudergesohoMe.
Gam(urius) aufzulösen. Das Blei ist aus zwei Stucken zusammen-
gelöthet, unter E C A M zeigen sich noch Spuren eines früheren
Stempels VV I P , aber nur das P ist deutlich.
79. (Abgeb. n. 29.)
OST RA
scheint die undeutliche Aufschrift dieses Geschosses eher zu sein, als
OP M.
80. Abgeb. n. 30.)
TASE
VIPOMES
IIERI^
81.
TASE
E
IICR
Die ersten Buchstaben der 2. Zeile V I . sind undeutlich und
breitgedriickt, sie gehören vielleicht einem früheren Stempel an. Der
letzte Buchstabe Z. 3 scheint Ligatur von N und V. Auf dem zweiten
Exemplare scheint Z. 1 noch ein Buchstabe, wohl A, am Schlüsse ge-
standen zu haben. Auf eine Erklärung verzichte ich, TASE könnte
nach der Analogie des Umbrischen Dialectes tace oder taceas sein.
Unwillkührlich denkt man an einen verrätherischen Verkehr, wie er
öfter durch Bleigeschosse Vermittelt ward, s. Bell. Hispan. c. 13 :
glans missa est inscripta, quo die ad oppidum capiendum
accederent, se scutum esse positurum und c. 18: indicium
glande scriptum'), per quod certior fieret Caesar, quae in
oppido ad defendendum compararentur, und Appian B. Mithr.
c. 31 ; Tieaaoig ix ^oXvßdov 7t€7ioii]fuvoig Byyqafpovxeg del to yiyvo^ievov
ig Tovg ^Po)f4aiovg iQ(puaav wco aq>€vd6vi]g.
82. (Abgeb. n. 31.)
\ C/FSIVS
LII ALIV
D. h. wohl L. Caesius L. II AI. IV, obwohl in der Ligatur JF
der untere Strich nicht sichtbar ist, auch ist Z. 2 das A undeutlich.
^) Glandi inscriptam zu corrigiren acheint nicht noth wendig, obwohl
es nachher heisst qui mittere glaudem insoriptam solebat.
Römische SchleadergeBchosse. 55
Man mochte den Legionen unter Umständen eine bestimmte Zahl Ab-
theilungen der Schleuderer zuweisen; die alae funditorum sind
durch Yaler. Max. II, 7, 9 genügend bezeugt. Dieser Oaesius ist
offenbar verschieden von dem M. Gaesius Scaeva (s. zu Nr. 67).
83. (Abgeb. n. 32.)
M ACI LIV .
auf der schmalen Seite Reste des gleichen Stempels M ACM.
84. (Abgeb. n. 33.)
M
RV
Das Zahhseichen der Legion könnte auch X I gewesen sein.
85. (Abgeb. n. 34.),
CRISPII^
Der Name Crispinu(s) ist vollkommen deutlich, doch zeigt sich
keine Spur des letzten Buchstabens.
86.
P R • P I X Blitz.,
Die Schriftzüge haben grosse Aehnlichkeit mit dem Bleigeschosse
bei Mommsen 702 (de Minicis 42/ 43. Ritschi IX, 49, 50)
AP X P R P I
was im Museum von Perusia sich findet. Auf vorliegendem Blei kann
A P auf der Seitenfläche, die^beschädigt ist, gestanden haben.
87.
LXIII
Ein ganz gleiches Exemplar Mommsen 709 (de Mmids 65,
Ritschi IX, 58 ; ein anderes etwas verschiedenes de Minicis 66, Ritschi
IX, 57).
88.
LXIII
leichteres Kaliber als Nr. 87.
89.
CVIII
Der erste Buchstabe ist unzweifelhaft C, nicht L, also ist wohl
eine der 12 Gehörten der Libertini zu verstehen, welche die Römer
im Bundesgenossenkriege aushoben. Macrob. Sat. I, 11, 32: Belle
social! cohortium duodecim ex libertinis cönscriptajrum
56 Römische Schleudergeschosse.
opera memorabilis virtutis apparuit. Nach Appian I, 49
hätte man sie zum Schutz der Westküste von Rom bis Cumae ver-
wendet, allein Freigelassene werden auch bei Asculum mitgefochten
haben, vergl. zu Nr. 57. Aber das bei Asculum gefundene Blei mit
der Inschrift L V I V O L (Mommsen 658) ist gewiss falsch gelesen :
denn 6 Legionen Freiwillige kann es nicht gegeben haben; wäre dies
aber die fortlaufende Nummer, dann erscheint sie zu niedrig, denn
man wird ihnen eine der letzten Nummern g^eben haben; endlich ist
der Ausdruck legio incorrect, einem Schriftsteller, wie Granius S. 22,
kann man dies hingehen lassen, auf einem militärischen Denkmal
erwartet man C * V 1 V O L , und so wird wohl auf dem Blei stehen.
90. (Abgeb. n. 35.)
com
vnii
Dies Schleuderblei gehört der neunten Cohorte an, wird also
ebenfalls dem Bundesgenossenkriege zuzutheilen sein. Hinter C ist
kein Punkt, sondern das C hat nur einen kleinen Haken, so dass es
wie öfter dem G gleicht H ist mit R gebunden, cohors, zusammen-
gezogen corSy oder mit Umspringen des Hauchlautes chors, hat
hier die Aspiration im Auslaute festgehalten.
91. (Abgeb. n. 36.)
T/REN X Keile
auf der Rückseite vier Keile; vielleicht ist der Name Aren ins
(Arennius) hierzu erkennen. Dass ein griechisches Schleuderblei
bei Vischer Nr. 21 die Inschrift APEN hat, die mir Vischer nicht
richtig als Inf. Aor. von al^eiv zu erklären scheint, ist ein blos zu-
fälliges Zusammentreffen. Vor der Inschrift findet sich noch ein T
in kleinerer Schrift, offenbar Rest eines früheren Stempels, denn das
Exemplar ist geflickt, und hat mehrfache Verwendung gefunden. T
wird dem ersten Stempel angehören. Die zweite Stempelung zeigt
gerade auf der Nath die Buchstaben
ORhRI
d. h. ..or fri = feri und auf der entgegengesetzten Seite ein
Schwerdt, wie das Blei bei de Minicis 27 (Ritschi VHI, 22) mit der
Beischrift C Ä L , vergl. auch oben Nr. 78. Die Buchstaben der In-
Römische SchleadergesohoBse. 57
Schrift wie das Emblem sind in Folge der letzten Stempelung platt
gedrückt.
92.
IVM
könnte «identisch sein mit Mommsen 695 (de Minicis 56, Bitscbl IX,
39) L-V-M, auf der Rückseite P FEL, was de Minicis legio
V Macedonica Pia^felix deutet, daher denn Mommsen das Blei
verdächtigt. Die Rückseite des vorliegenden Exemplars ist rauh und
unkenntlich.
93. (Abgeb. n. 37.)
• PA
FVL
Das L ist undeutlich, aber die Erklärung nicht zweifelhaft, s. z.
Nr. 41—43.
94. (Abgeb. n. 38.)
I-VSVAC
Die Schriftzüge sind mehrfach beschädigt und lassen sich auch
durch eine genaue Zeichnung nicht vollständig wiedergeben.
95.
Schwert ^C . Fisch.
Ohne Aufschrift, mit zwiefachem Emblem; es sind nämlich zwei
schon gebrauchte Geschosse zusammengelöthet ; der Fisch wie auf
Nr. 7. Das Blei wird also dem Bundesgenossenkriege zuzuweisen sein.
96.
AEEAI
Das H beschädigt. Auf griechischen Geschossen kommt diese
Aufschrift käufig vor, so auf dem attischen bei Vischer n. 17, ebenso
auf andern im Leidener Museum und in Berlin (Friedrichs Ant.
Bildw. II, S. 240). Das vorliegende Blei kann in den Sicilischen
Sklavenkriegen gegossen sein, es kann aber auch einer griechischen
Stadt in Italien angehören 0« oder fremden Schleuderschützen, welche
die Römer in Sold genommen hatten ').
') Ein Schleudorgeschoss mit ^echischer Aufschrift aus Gtunae (ahgeb.
n. 39.) 8. oben zu Nr. 41-^8.
') Kretische Schleuderer werden nicht selten genannt; thrakische im Heere
Caesars erwähnt Appian II, 49, im Heere des Pompejus dienten Schleuder-
Bchützen ans Kypem, Rhodos und Kreta, s. ebendas. n, 71.
58 Römische SohlettdergeMbosse.
Schliesslich sei hier noch das Resultat einer chemischen Unter-
suchung mitgetheilt Herrn Prof. G. H. Eekul^, der zwei Greschosse
(Nr. 36 aus dem Bundesgenossenkriege und ein anderes aus Cumae)
untersucht hat, verdanken wir darüber folgenden Bericht:
^ Beide Geschosse bestehen aus weichem Blei; sie enthalten
weder Arsen noch Antimon ; es ist also sicher, ()ass die Alten
keines der beiden Elemente zugesetzt haben, so wie man es jetzt
thut, um das Blei für Schrot nnd für gewisse Kugeln zu härten.
Beide Geschosse enthalten zwar wenig, aber doeh nachweisbare
Spuren von Silber, so dass man annehmen kann, das Blei sei so,
wie es aus dem Erz gewonnen wurde, direct verarbeitet worden.*'
Nachtrag.
Diese Abhandlung war abgeschlossen und zum Theil schon ge-
druckt, als ich Gelegenheit hatte, in Frankfurt in der Sammlung des
Herrn Milani eine Anzahl römischer Schleudergeschosse zu unter-
suchen; andere Exemplare, die in neuester Zeit für das Königliche
Museum der Alterthümer zu Wiesbaden, sowie für das römisch-
germanische Museum zu Mainz angekauft waren, habe ich ebenfalls
verglichen ; eine grössere Sammlung besitzt Hr. Ihering in Mainz, von
diesem hat Hr. Prof. aus'm Weerth 22 Exemplare erworben, deren
Beschreibung ich hier folgen lasse').
') Hr. Milani besitzt 26, das Museum zu Wiesbaden 6, das Museum zu
Mainz 10 Stück; alle diese Wurfgeschosse, auch die des Hrn. Ihering in Mainz»
lind von einem Kunsthändler in Mailand erworben. Verweisungen auf dies 3
£zemplare konnte ich noch während des Druckes einschalten. Hier wiU ich
nur noch ein oder das Andere nachträglich bemerken. Von beschossen ohne
Schrift, aber mit Emblem (Schwert) finden sich 2 Exempl. in Mainz (zu S. 8),
ohne Bild und ohne Schrift (S. 9) ein oder das andere bei Hm. Ihering. Herr
Milani besitzt ein Blei,^ wo auf der Vorder- und der Bäckseite ROMA
tief eingeschnitten ist; die Schrift ist jedoch erhaben, (vergL S. 10^ Anm. 1).
Aber das Oeschoss erscheint trotz dieses abweichenden Aussehens durchaus un-
verdächtig, ein römischer Soldat hat einmal eigenhändig die Marke hergestellt,
wie die Schleuderschützen auch sonst öfter von dem Messer Gebrauch gemacht
haben^ besonders um die Geschosse an den Enden zuzuspitzen; ebenso finden
Römische Schleudergeschone. 59
Bundesgenossenkrieg.
97.
OMA
Der erste Buchstabe undeutlich, jedoch die Ergänzung (R)oma
nicht zweifelhaft. Aehnlich de Minicis n. 1 (Ritschi YIII, 6), Mommsen
n. 644. Exemplare dieser Marke scheinen selten zu sein, auf einem
Frankfurter Blei wird die Inschrift auf der Rückseite wiederholt
98.
AS LAROI
NON
d. i. AS(c)LAROIN0N^ und zwar ist die zweite Zeile rück-
läufig zu lesen, wie vorliegendes Exemplar ganz deutlich zeigt. Die-
selbe Marke, bei Asculum gefunden, im Eircher'schen Museum und in
der Sammlung de Minicis, Mommsen n. 654. Die Abbildung bei
de Minicis u. 23 (Ritschi VIU, 10) hat auf der ersten Zeile hinter 0
noch einen undeutlichen Buchstaben, ebenso ein Exemplar der Samm-
lung Milani in Frankfurt; auf einem andern in Mainz findet sich nur
ASCLA
NOV
da der Schleuderschütze, um das Geschoss mehr zuzuspitzen, die
letzten Buchstaben mit einem Messer weggeschnitten hat, was öfter
vorkommt. Den Namen der Stadt Asculum in dieser Beischrift zu
erkennen, war nicht schwierig, aber der Versuch, ASCLARONON
durch ASCLANOROM zu erklären, ist in jeder Hinsicht ver-
fehlt. Ich fasse die Marke ASCLA(ni) ROM(anis)
sich öfter willkürliche Einsohnitie. Zu Nr. 31 bemerke ich nacfatragliob, dass
das Mainzer Geschoss auch auf der Rückseite Spuren einer Aufschrift zeigt:
ILI X S )IP
wenn dies P IG (ent es) bedeutet, so würde dies meine Yermuthung^ dais di«
erste italisohe Legion in Picenum ausgehoben war, bestätigen: allein, wenn
man die Beischrifl umkehrt^ erscheint
Ö I C S oder 8 I €• P
Über B siehe zu Nr. 51. — Zu Nr. 1 ist nachzutragen^ dass auch im Berliner
Museum sich ein Blei mit dem Namen des Piso findet (Friedrichs Ant. Bildw.
n, S. 241), ebendaselbst ist auch die Marke F E R I POMP (s. oben
n. 24) vertreten (Friedrichs II, S. 240).
60 Römiache SchlendergeflohoBse.
NON(tiaiit)0 nach Analogie der unter Nr. 8 besprochenen
Marken auf; nuntiare salutem ist der übliche Ausdruck, wenn
einer den andern grossen lässt. Das M (vielleicht mit Ligatur /A)
am Ende der Zeile ist auf allen Exemplaren undeutlicL Denselben
Stempel erkenne ich auch auf einem anderen Geschosse in Mainz
EIAROI
NO
Die beiden ersten Buchstaben sehen zwar mehr wie E I oder F I aus,
allein dann böte sich unter italischen Ortsnamen nur etwa Stabiae
dar, (Sta)FIA(ni), von Sulla im J. 665 erobert und zerstört,
s. Plin, H. N. lU, 70 ; sonst aber gleicht der Stempel durchaus dem
Asculanischen Blei ').
99.
F E R I C O X Schwert.
. Die Inschrift und Emblem schlecht erhalten, aber doch erkenn-
bar, die Schriftzüge weisen das Geschoss dem Bundesgenossenkri^e
zu, und es liegt hier wohl nur eine Variation der Marke Nr. 28, 29
FERI ^^ COMA vor, aber die Buchstaben sind kleiner und
weniger derb.
100.
FRI PIG
d. i. fri Pic(entes), s. de Minicis n. 70 : T R I • P I C (Ritschi
IX, (7), Mommsen n. 651. Vergl. oben zu Nr. 15. iuf der Rück-
seite undeutlich^ Spuren eines Emblems.
') Nontiare Bohreibt selbst noch die römische Kanzlei während des
BandesgenoBsenkrieges, wie das Schreiben des Senates an die Tiburter C. I. L. I.
201 beweist, dessen Abfassungszeit Visconti richtig bestimmt hat, während
neuere Epigraphiker, die gewohnt sind nur die Buchstaben, nicht den Inhalt
zu beachten, diese Urkunde dem Ende des 6. Jahrhunderts zuweisen. Die Er-
gebnisse spraehgesohichtlicher Studien, auf welche eine unfehlbare Schule so
hohen WerUi legt, sind nichts weniger als sicher. Diese Irrthümer zu berichtigen
wird sich anderen Ortes Gelegenheit darbieten.
') Fälschlich hat man den Namen der Asoulaner bei Sisenna (Nonius
S. 376 unter protinus) herzustellen versucht; es ist zu lesen: oastra de
planitie convertit in montes, ut secreto per callis protinus proce-
dendo posset intra fines Aeqnicnlanonim per venire. Es ist von dem
Zuge eines italischen Führers die Rede, um den Aufstand in Umbrien oder
Etrurien zu unterstützen.
■WT"
Bömisohe SohleudergeBchosse. 61
101.
u
AÖ
LLv.lO
t,EC IQ
^^ V A Ö
Dies Schleudergeschoss mit dem Doppelstempel der L e g i o
q u a r t a ist nicht verschieden von dem zu Firmum gefundenen Blei^
bei de Minicis 84 (Ritschi VUI, 11, Mommsen 657) I^EGIO
X QVAR.
102.
PIR X ITAL
Das I in P I R gleicht mehr dem S^ der Stempel der Rückseite
halb verloschen.
103.
V • FLA
d. i. V i b i u s F 1 a v i u s , die drei letzten Buchstaben sind ligirt.
104.
"FVL X NM
Die Buchstaben der Vorderseite sind ligirt, der Strich vor F
ist wohl nur zufällig, auf der Rückseite N undeutlich, vorher viel-
leicht noch ein Buchstabe.
105.
I E H
Die Züge undeutlich, I könnte auch ein mit E verschlungenes
H sein, das H gleicht fast einem liegenden T. Wahrscheinlich
identisch mit dem Stempel aus Picenum bei de Minicis n. 25 (Ritschi
Vm, 28), Mommsen 670 T H,
106.
P
Der Schrift nach dem Bundesgenossenkriege zuzuweisen 0> zwei
andere Exemplare in Mainz, die Züge jedoch kleiner und schmächtiger,
auf dem einen das P offen, wie in dem Exemplar bei de Minicis 78
^) Wemi noch ein zweiter Buchstabe P | zu folgen eeheint, lo ist dies
wohl nur ein trügerischer Schein.
62 Römitche Schleodergesehoese.
(Ritschi IX, 62, Mommsen n. 712). Die wahrscheinlichste Deutang
ist P i r.
107.
C Ä L :>C Schwert.
Bei de Minicis n. 27, Ritschi VIII, 22, von Mommsen n. 654
nicht richtig behandelt. Der erste Buchstabe ist in vorliegendem
Exemplar unten verwischt» gleicht jedoch eher einem C als G ;
ausserdem ist dieser Buchstabe durch einen grösseren Zwischenraum
von dem folgenden getrennt; dies spricht fUr die Erklärung von
de Minicis C. Tal (na), während ich oben S. 4 versuchsweise Catl(us)
vorgeschlagen hatte.
108.
CAL
Ein ähnliches Exemplar G A L in Frankfurt bei Hm. Milani
und bei de Minicis n. 16; somit ist die Richtigkeit der Lesung von
Lipsius genügend gesichert, und muss das oben S. 4 Bemerkte be-
richtigt werden. Man darf diese Marke nicht mit L * G A L Mommsen
n^ 655 für identisch halten, auf dem Frankfurter Exemplar nimmt der
Stempel gerade die Mitte des Geschosses ein, auf vorliegendem ist er
mehr nach links gerückt, folglich für ein verloschenes L kein Raum.
Wir müssen also drei verschiedene Marken : CÄL,CAL, L*GAL
unterscheiden.
109.
AM R
Der letzte Buchstabe durch Zwischenraum getrennt, de Minicis
n. 2 aus den Abruzzen AM///, Monmisen 673, der zwei Geschosse
der Pariser Sammlung mit der Aufschrift A M anführt, die jeäoch
eher als selbständige Marke zu betrachten ist; wenigstens findet sich
in Mainz ein Geschoss von ganz anderer Form und Caliber als n. 109
mit der schlecht erhaltenen Beischrift A M , aber die Buchstaben deut-
lich; für R ist kein Raum, da der Stempel gerade die Mitte einnimmt;
zwischen den Buchstaben vielleicht Interpunction.
110.
I VCl I I V I
d. i. Fugitivi peristi(8). Ich war geneigt, dieses Geschoss dem
Bömische Sehieadergregohosse. 68
Penisinischen Kriege zuzuweisen, da die Schriftzdge in Peristi(s)
vollkommenste Aehnlichkeit mit dem Perusinischen Blei Nr. 57
(f)VCITIVI C CAVSAR(ub)
(p)ERISTI(8) (v)ICTORIA
zeigen, nicht als wenn beide Exemplare dieselbe Marke repräsentirten,
denn hier ist auf der Rückseite von einer Aufschrift keine Spur,
sondern als selbständiger Stempel ganz gleichlautend mit dem Stempel
aus dem Bundesgenossenkriege, Mommsen n. 647. Die Wiederholung
derselben formelhaften Beischrift in zwei verschiedenen Kriegen dürfte
nicht auffallen. Allein das vorliegende Geschoss zeigt auf der Seiten-
fläche einen frühem Stempel P I R mit grösseren, aber halb erloschenen
Zügen. Dieses P I R (denn so, nicht F I R hat das Blei) weist das
Geschoss dem Bundesgenossenkriege zu ^), dasselbe ward dann von
den Römern mit einem neuen Stempel versehen und in die Festung
geworfen, indem die Belagerten höhnisch als fugitivi bezeichnet
wurden, s. oben S. 47. Diese Marke war bisher nur aus Lipsius,
(de Minicis n. 35, Mommsen n. 647) bekannt. Ein anderes Exemplar
findet sich in der Sammlung Milani in Frankfurt '
FVG(ITI)V(I)
PERIST(I)
die erste Zeile mit etwas kleinerer Schrift. Dieselbe Marke ist wohl
auch auf einem anderen Blei ebendas. zu erkennen:
C X (T)SI5I3
VI
111.
SER X TSI5H
d. i. servi peristis. Die starken, kräftigen Züge des Geschosses,
womit die Italiker antworteten, unterscheiden dasselbe sehr bestimmt
von dem römischen Blei Nr. 110. E^er erhaltene Eicemplare besitsst
Hr. Milani
SERVI X TSMa
SER X TSIJI3
VI
(ganz ähnlich de Minicis n. 34, Ritschi Vin^ 2, Mommsen 646).
^) Wie die aofifallende üebereinBiiminung mit dem'' Perosinisohen Blei Nr.
57 zu erklaren sei, darüber werde ich mich nachher S. 70 Anm. 1 -aus^precheiL
64 Römisohe SchlendergeschosM.
Belagerung vonPernsia.
112.
:> SAUM
J
Wird identisch sein mit Mommsen n. 688 Q ' S A L I M , d. h.
Q. S^lvidienus Bufus Salvius, obgleich auf den ersten Anblick
die Züge S A U M zu bilden scheinen. — Hierbei bemerke ich, dass
das folgende Geschoss n. 690 nach einem Exemplar des Museums zu
Wiesbaden deutlich
P • RVFVS
IMP
hat, ^fahrend Mommsen das Praenomen in Q abändern ivoUte.
Ungewisser Herkunft.
113.
LE^ X vAWIVS
RIO
Die grossen Züge der Vorderseite bedeuten wohl nichts anderes
als L e g ( i 0 ) , der beschädigte Name auf der Räckseite scheint eher
G. Atinius als G. Annius zu sein, die zweite undeutliche Zeile
gehört einem froheren Stempel an, vielleicht stand hier der Name des
T. Auridius, s. zu Nr. 44 ff. Das Geschoss gehört wohl sicher dem
Bnndesgenossenkriege an.
114.
I MX'
VAL
Geflicktes Exemplar. Auf der ersten Zeile am Ende vielleicht,
noch em fQnftef Buchstabe E.
115.
I V M
VV/J,
II X
Undeutlich ist 1 1 auf der letzten Zeile. Ist vielleicht nicht ver-
schieden von dem Ferusinischen Blei de Minicis n. 55 (Mommsen 694)
X V M
3sva±
was ich oben S. 5 (ca)lam trasc(i) ei^änzt habe. Wenn, wie
1
Römiiohe SohleadergescboftBa. 66
Tvahrscheinlich^ XII die zwölfte Legion bezeichnet, so wird auch da-
durch die Deutung L(egio) V M(acedonica) beseitigt.
116.
FV Ol VV
Auch auf der Ilückseite verloschene Buchstaben, vielleicht S I L.
117.
I L RVI X LVSIJ-
Alles undeutlich.
118.
MES
lERIVM
Dreizeilige Aufschrift eines neugestempelten Geschosses (von dem
früheren Stempel ist das fimblem, ein Schwert, erhalten). Von
der ersten Zeile sind nur die untersten Reste der Buchstaben übrig,
in der zweiten Zeile ist M unsicher, in der dritten der erste Buch-
stabe vielleicht H, auch I V M ist zweifelhaft. Dieser Stempel ist
wahrscheinlich identisch mit der Marke n. 80, 81.
Die Bonner Sammlung enthält also nicht nur Exemplare von
beinahe allen bisher bekannten Schleudergeschossen in seltener Voll-
ständigkeit, sondern umfasst auch eine ansehnliche Zaiil Inedita, und
darunter Stücke von hervorragender Bedeutung. Von wichtigeren
Marken fehlen nur n. 665, 688^ 690, 691, 704, 705 des Mommsen'schen
Verzeichnisses, dann verschiedene Legionsstempel und Inschriften, die
aus vereinzelten Buchstaben bestehen ^) ; auch die Stempel, welche
^) Die Zahl solcher Stempel wird sich noch erheblich vermehren lassen;
die Sammlang Milani enthält ein Blei mit der Aufschrift L X M ^C XX,
femer die Marke A 0 (verschieden von Mommsen n. 672 A R ) , dann H A R ,
wo der letzte Buchstabe aber auch 0 sein kann ; ebendaselbst findet sich L A
(Mommsen n. 666) und V EL (Mommsen n. 671): LEGilf mAg mit
Mommsen n. 669 L E G V I F identisch sein. E P auf einem durch seine
Oxydation merkwürdigen Blei in Mainz ist wohl nur Rest, einer grösseren
Inschrift, von der auch noch andere unsichere Spuren erhalten zu sein scheinen,
obwohl E P auch auf der Rückseite eines anderen Geschosses (s. oben zu Nr.
5
66 Rdmiflobe Sohlendergesehosse.
Mommsen in den Nachtritgen aus dem Moseum Campana nnd sonst
verzeichnet» sind in der Bonner Sammlung nicht vertreten.
Mir liegt noch das nicht gerade erfreuliche Geschäft ob, flbei^ die
neueste Publikation von Desjardins ^), die mir erst nach dem Ab-
druck dieser Abhandlung zu Gesicht kommt, in möglichster Kürze zu
berichten. Musste ich früher dem übertriebenen Scepticismus Momm-
sen's, der diese ganze Gattung von Denkmälern bei Vielen in unver-
dienten Misscredit gebracht hat, entgegentreten, so gilt es hier, eine
kecke, planmässig ausgeübte Fälschung zu enthüllen, welche sicherlich
mit diesem ersten Versuche sich nicht begnügen wird, und noch
Manche täuschen dürfte, welche in gutem Glauben, wie der arglose
französische Epigraphiker, die vermeintlichen Schätze der neuen Ent-
deckung als eine Bereicherung der Wissenschaft begrüssen werden.
Ernst Desjardins veröffentlicht Inschriften von 111 Schleuder-
geschossen, welche, wie er berichtet, kürzlich bei Ausgrabungen am
Ascoli gefunden und von den Herren B ollin und Feuardent in
Paris erworben wurden. Wenn man diese Bleigeschosse durchmustert,
empfängt man alsbald den Eindruck, als müsste zu Asculum eine
Waffenfabrik gewesen sein, welche die römischen Schleuderschützen
mit der nöthigen Munition versorgte und insbesondere alte, beschädigte
Wurfgeschosse wieder ausbesserte; denn die neue^n Ausgrabungen,
deren Besultate hier mitgetheilt werden, haben offenbar nicht die
Reliquien der langwierigen Belagerung jener Stadt im Bundesgenossen-
64) vorzakommen icheint. O M ebendaselbst ist vielleicht aus (P)OM(P)
verstümmelt; ebendaselbst IVI könnte L*Vi sein: mit dem sehr beschä-
digten Exemplar \ O \« ^9 offenbar ein missrathener Stempel, darf man
nicht das asculanisohe Blei
LVI
VOL
(de Minicis n. 8, Ritsohl VIII, 12, Mommsen 658) zasammenhalteni da die Ver-
schiedenheit der Sohriftzüge dies nicht gestattet. Andere Exemplare sind so
beschädigt, dass man kaum die Schriftlüge wiedergeben kann^ wie fc: V * N M;
der erste Buchstabe könnte auch L sein.
') Desiderata du Corpus Inscr. Latt. 2. Liefbr. Les balles de
fronde de la r6publique. Paris 1874.
Römische SchleudergeBohosse. 67
•
kriege, sondern ein D^öt von Bleieicheln aus späterer Zeit zu Tage
gefördert. Die Fabrik zu Asculum versorgte nicht nur die Belagerer
von Perusia in den Jahren 713 und 714 mit dem nöthigen Material,
sondern auch der jüngere Labienus bezog während seiner Feldzüge in
Syrien und Kleinasien (713—715), ja sogar, wie es scheint, sein
Gegner, der Anhänger des Antonius, Decidius Saza, seine Munition
aus Asculum.
Dass wir es hier mit einer gewerbsmässigen Industrie zu thun
haben, ist evident, nur gehört dieselbe der unmittelbaren Gegenwart
an. Die Fabrik für falsche Schleudergeschosse in Ascoli geht, nach
der vorliegenden Probe zu urtheilen, der sicher recht bald andere
nachfolgen werden (denn das Gerücht spricht vop massenhaften
Funden und im Kunsthandel werden Bleieicheln zu Hunderten ange-
boten), nicht so sehr darauf aus, antike Geschosse zu copiren, sondern
neue anzufertigen, weil dieses Geschäft grösseren Gewinn verheisst.
Ich habe oben S. 9 darauf hingewiesen, dass man nicht selten
schon gebrauchte Geschosse wieder verwandte und dann neu ab-
stempelte, indem ich S* 7 die frühere, mehr oder minder unkenntliche
Marke mit einer Palimpsesthandschrift verglich. Die Bonner Samm-
lung bietet für dies Verfahren, was keiner der Früheren, die antike
Schleudergeschosse untersuchten, beachtet hat, mehrfache Belege dar.
Dem Scharfblicke der Industriellen in Ascoli ist dies nicht entgangen,
und sie verlegen sich besonders darauf, Wurfgeschosse mit solchen
Palimpsestaufschriften zu fabriciren, indem sie ganz richtig voraus-
setzen, dass diese Manier schon wegen ihrer Neuheit auf Käufer und
Forscher vorzugsweise Anziehungskraft ausüben werde. So zeigen die
Bleieicheln bei Desjardins in der Regel zwei, ja drei, oder sogar vi^
verschiedene Marken ^). Wie schon längst Münzfälscher Avers und
Revers verschiedener Münzen zu verbinden pflegen, um mit geringer
Mühe etwas Neues, noch nicht Dagewesenes zg produciren, so ver-
einigen diese Industriellen die verschiedenartigsten Marken auf einem
Blei, sorgen aber dafür, dass meist zwei Marken vollkommen deutlich
und lesbar jsind. Dies würde schwer ausführbar gewesen sein, wenn
man wirklich antike Geschosse benutzt und z. B. auf der glatten
^) Daher macht die von Desjardins publicirie Sammlang einen eig^thüm-
lichen Eindruck: sonst ist die Rackseite häufig glatt, hier in der Regel be-
schrieben; sonst kommen Embleme verschiedener Art vor, hier findet sich nur
ein paar mal das Schwert angebracht.
66 BömiBcbe Sohleaderpfpscboflse.
Rflckseite eines römischen mit FERI oder OPEROR (so liest
wenigstens Desjardins) bezeichneten Bleies den Namen des Paapius
in oskischer Schrift nachgetragen hätte ^) ; denn durch das Neustemi)eln
wird in der Regel die ältere Aufschrift zerquetscht und mehr oder
minder beschädigt, wie die Exemplare der Bonner Sammlung zeigen.
Allein wir haben es hier. mit vollkommen freien Nachbildungen zu
thun. Da war es für die Kunst der Verfertiger leicht, beliebig die
eine Marke als wohl erhalten, die andere mit undeutlichen Zügen
darzustellen. Nur dies haben sie nicht bedacht, dass eben dadurch
die Fälschung sich handgreiflich verräth').
Das Verfahren dieser Artisten bei der Auswahl der Stempel
mag ein auf Geradewohl herausgegriffenes Beispiel anschaulich machen.
Nr. 105 zeigt mit halberloschenen Zügen den Namen des Piso, darüber
deutlich und gut erhalten den Namen des Paapius, auf der anderen
Seite den Stempel der elften Legion mit ihrem bekannten Losungs-
worte Divos Julius ^). Damit soll also angezeigt werden, dass dieses
Blei eine dreifache Verwendung gefunden hat: im sicilischen Sklaven-
kriege unter dem Ck)nsul Piso^) im J. 621, im Bundesgenossenkriege
im J. 664 u. ff. bei der Südarmee der Aufständischen, und bei der
Belagerung Perusias durch Octavian 713—714. Denmach wären wir
im Stande, die Schicksale dieses Geschosses nahezu ein ganzes Jahr-
hundert hindurch zu verfolgen ^). Da nun aber in den Zwischenzeiten
die römischen Waffen nicht ruhten, so ist es überaus merkwürdig,
^) S. Besjard. n. 89 ff.
') Die Naohbildungen mögen übrigens geicbickt ausgeführt sein, da die
Herren RoUin und Feuardent phne Bedenken dieselben erwortien zu haben
aoheinen»
•) LEG XI OIVOMIVLIV
> I n N N n •>
PISON
^) Piso ist natürlich der Consul des Jahres 621, nicht, wie Desjardins
annimmt, L. Calpomius Piso, der i^hmalige CoUege des Yerres, der sich im
Bandesgenossenkriege als Armeelieferant (Cic. in Pison. 86 armis faciendis
praefuit) Reichthum erwarb. Die IndustrieUen in Asooli folgen einfach der
Führung yon de Minicis; die Bekanntschaft mit ihrem ehemaligen Berofs-
genossen werden sie erst durch Desjardins machen.
*) ÜngefSUir wie wenn ein NoveUist die Geschichte einer prenssischen
Flintenkugel im 7jährigen Kriege, in den Freiheitskriegen und im Böhmischen
Feldtuge schildern wollte.
Römische Schleuderg^BchoBsa. 69
dass keines dieser umgestempelten Geschosse Sparen seiner Verwen-
dung in anderen Kriegen, z. B. bei der Belagerung Athens durch
Sulla, oder während der Feldzüge Caesars in den verschiedensten
Theilen der alten Welt zeigt, vielmehr gehen alle die verschiedenen
Marken der Asculaner Fabrik seltsamer Weise immer nur auf die drei
Kriege zurück, auf deren Schauplatze man bisher überhaupt römische
Bleigeschosse gefunden hat Man sieht daraus, wie diese Industrie
sich möglichst eng an das Vorhandene anschliesst und darauf ver-
zichtet, über diesen Kreis hinaus das Gebiet der freien Erfindung zu
betreten ^).
Nichts beweist so schlagend die Plumpheit des Betruges, als
dass die berufene Aufschrift S I N E M A S A , welche man längst für
beseitigt hielt, hier wieder auftaucht (nr. 110). In dem Cataloge der
Dodweirschen Sammlung war ein Schleuderblei von Perusia mit der
Beischrift N E M A S A verzeichnet. Andere glaubten vorne noch
einen Buchstaben I zu erkennen. De Minicis ^) ergänzte diese unver-
ständliche Legende in (S)INEMASA und erklärte dies „ohne
Brod^, indem er darin eine Anspielung auf die in der belagerten
Festung herrschende Hungersnoth fand. Dieses Blei wird jetzt in der
Mttnchener Sammlung verwahrt, und die freilich dunkle Aufschrift^)
lautet LVFVIASIA, wie Mommsen, der das Geschoss selbst
untersacht hat, berichtet^); aber die Fabrik in Ascoli, deren Leiter
keine anderen literarischen Hülfsmittel als die Abhandlung von de Minicis
zu besitzen scheinen, wiederholt unbekümmert jenen groben Lese-
fehler *), und der Pariser Epigraphiker nimmt auf guten Glauben diese
') Abgesehen von den Marken mit den Namen des Labienus und
Saxa. Wenn Desjardins eine Anzahl Marken dem zweiten Sklavenkriege zu-
weist, so ist dies eine ganz haltlose Vermuthung, obwohl wahrspheinlich einst
auch Zeugen dieser Kampfe zum Vorschein kommen werden.
^} Oder Secchi; auf das Verdienst der Priorität kommt wenig an.
*) Siehe darüber oben Nr. 63.
') Mommsen n. 687 mit der Bemerkung: inde Minicium hallu-
cinantem effeoisse sine maza notamus, ne quem talia postea
morentur.
^) Daneben bringen sie auch anderwärts nach de Minicis die ächte Marke
L V F V I A S I A an» die durch zahlreiche Exemplare verbürgt ist. Uebrigens
bemerke ich, dass ich bei Herrn Milani ein wie mir es schien vollkommen un-
verdächtiges Schleuderblei mit der Aufschrift 1 1 V E M A ^d, so las ich (das
70 Römische Schleudergeschosse.
Au&chrift als hinreichend verbürgt hin, während doch dies Beispiel
vor allem sein kritisches Gewissen wach rufen musste.
Dass die Bonner Sammlung von den Fälschungen der Fabrik zu
Ascoli völlig unberührt ist^), liegt klar zu Tage und dasselbe gilt
von den Schleudergeschossen zu Frankfurt, Mainz und Wiesbaden,
welche ich untersucht und öfter zur Yergleichung herangezogen habe.
« ^^
M jedoch ansiober, E desto deutlicher); Andere jedoch lasen I N EC A oder
() A* Yielleicht besitzt die Fabrik in Ascoli ein gleiches Exemplar; dies schien
auf die Marke (S)INEMASA zu fuhren, und um so unbedenklicher ging
man an die Reproduction jener abentheuerlichen Legende.
^) Nur gegen ein Exemplar der Bonner Sammlung Nr. 57:
(F)VCITIV(I) C CAVSASR(VS)
(P)ERISTI(S) VICTORIA
lässt sich nicht ohne Schein Verdacht erwecken. Diese Marke kommt sonst
nicht vori die Beischrift enthält jedoch nichts Neues. Denn die Legende der
Vorderseite ist identisch mit Nr. 110, die der Rückseite mit Nr. 55; man kann
also sagen, ein Fälscher habe willkührlich Avers und Revers combinirt, aller-
dings nicht ungeschickt, da die beiden Aufschriften wie üblich einen lusammen- '
hängenden Satz bilden, aber dafür lag das Vorbild nahe, s. eben Nr. 55. Be-
fremdlich ist, dass die Schriftzüge der Vorderseite in auffalliger Weise mit der
gleichlautenden Marke Nr. 110 stimmen, welche ich dem Bundesgenossenkriege
zuweisen masste, namentlich die eckige Figur des ^ findet sich hier wie dort,
während auf der Rückseite die gewöhnliche Gestalt erscheint. Indees kommen
beide Formen auch sonst auf demselben Denkmale neben einander vor, (die Frank-
furter Exemplare von Nr. 110 haben S, und unterscheiden sich auch sonst durch
derbere Züge), oft ist der Uebergang von der einen zur anderen fast unmerklich.
Allerdings scheint die alterthümliche Form ^ zu dem Schriftcharakter der Ge-
schosse aus dem Perusinisohen Kriege nicht recht zu passen, allein die gleiche
Form kehrt in P E R I ST( I S) wieder in Nr. 55, dagegen S Nr. 56, beides un-
zweifelhaft ächte Wurfgeschosse aus der Belagerung von Pemsia. Am meisten
legt den Verdacht einer Fälschung nahe der störende Schriftzug im Namen des
Caesar CAVSASR(VS), denn so viel sich erkennen lässt, fand sich
derselbe auch in Nr. 55 vor. Sprachlich weiss ich diese Abnormität nicht zu
rechtfertigen, man muss also ein Versehen in der Gussform annehmen; dass
ein solcher Fehler, der an sich nichts auffallendes hat, in Exemplaren, die mit
Hülfe derselben Form gegossen sind, wiederkehrt, ist selbstverständlich : aber hier
erscheint der gleiche Fehler auf einer ganz verschiedenen, selbständigen Marke;
dies ist in der That geeignet, den Verdacht zu unterstützen, dass die Bückseite
Ton Nr. 57 nur eine mechanisch ausgeführte Gopie von Nr. 55 sei.
Eömidche Schleudergeschoste. 71
Auch unsere Sammlung enthält neugestempelte Exemplare, aber diese
tragen durchaus das Gepräge der Aechtheit an sich *) ; ja eben die
Umstempelung ist die beste Bürgschaft ihres unverdächtigen Ursprungs.
Da früher Niemand Spuren dieses Verfahrens beobachtet hatte, so
konnte nimmermehr ein Fälscher von selbst darauf verfallen. Erst
nachdem Exemplare mit unverkennbaren Merkmalen einer früheren
Bezeichnung, wie sie eben unsere Sammlung darbietet, zum Vorschein
gekommen, konnte der Betrug sich in willkührlichen Nachbildungen
versuchen, gerade wie man erst in neuester Zeit Palimpsesthand-
schriften zu fälschen begonnen hat, seitdem die Existenz solcher
„Codices rescripti^' bekannt war. Und eben unsere Sammlung gewährt
den besten Massstab, um foitan moderne Nachahmungen der Doppel-
stempel von ächten Exemplaren zu scheiden.
Dass der Fabrik in Ascoli zum Theil ganz ähnliche Exemplare
bisher unbekannter Geschosse, wie sie die Bonner Sammlung in an-
sehnlicher Zahl enthält, vorlagen, ist sicher. Die Fabrik besitzt eben-
falls ein Blei mit dem Namen des Paapius in oskischer Schrift, und
da sie den Wei*th dieses Fundes wohl zu schätzen wusste, bringt sie
diese Marke in allen möglichen Verbindungen an; allein andere Ge-
schosse von der Südarmee hat sie offenbar nicht, sonst würde sie nicht
versäumen, diesen Schatz zu verwerthen. Die Schriftzüge in dem
') loh mache hier nachträglich auf das oben Nr. 22 besprochene Geschoss
mit der wohlerhaltcnen Aufschrift FERIPOMPEIVM aufmerksam ;
dies trug früher dieselbe Marke, von der sich noch Anfang und Ende erkennen
lässt^ aber etwas tiefer in der Mitte zieht sich ein anderer Stempel mit undeut-
lichen Schriftzügen hin:
FER ,^vL «VM
wie ich erst jetzt erkannt habe, ohne die Richtigkeit der Lesart I A V L ver-
bürgen zu wollen. Diesem italische Geschoss "^ard also von den Römern aufge-
lesen, mit einem neuen Stempel versehen und in die Festung geworfen, dann
von den Belagerten in Asculum aufgefangen und von neuem verwendet, indem
man den früheren Stempel auf eine andere Flache aufdrückte. Diese wieder-
holte Verwendung eines Geschosses bei der Belagerung einer Stadt cder mitten
im Kriege hat innere Wahrscheinlichkeit; aber wer kann glauben, die Römer
wären so unpraktisch gewesen, abgenutzte Wurfgeschosse nach 60 oder 100
Jahren wieder vorzusuchen und umzustempeln, statt einfach das alte Blei einzu-
schmelzen. Und doch muthen uns die Fabrikanten von Ascoli zu^ dies glaub-
haft zu finden.
72 RömiBche Sehleudergeschosse.
Namen des Telesinus stimmen genau mit dem Bonner Exemplar >) ;
man hat also wirklich ein antikes Geschoss benutzt. Die Aufschrift
£ A R in zwei Exemplaren zu Bonn (Nr. 49, 50) vorhanden, wird von
der Fabrik mehrfach verwendet*); die in Ascoli beliebte Marke
F C A M •) kommt auch in unserer Sammlung (Nr. 78) vor. Diese
Uebereinstimmung in einzelnen Fällen darf man ebenso wenig benutzen,
um jene Fälschungen in Schutz zu nehmen, als um die betreffenden
Stacke der Bonner Sammlung zu verdächtigen; man braucht nur
unbefangen die betreifenden Exemplare der Pariser Sammlung mit
den Unsrigen zu vergleichen, und man wird alsbald den Unterschied
zwischen moderner Copie und antikem Original inne werden.
In selbständigen Erfindungen mögen sicli die Industriellen von
Ascoli nur selten versucht haben, sie begnügen sich damit, vorhan-
denes Material willkührlich zu combiniren; so mögen sie manche un-
bekannte antike Marke zu ihren Zwecken benutzt haben ^), aber
') Man vergl. die Bonner Sammlung Nr. 6 TELE und Desjardins
nr. 50 TEL ES X PITAL und noch eine unleserliche Beiachrift.
Das S fügt die Fabrik auf eigene Gefahr hinzu, um dem Yerstandniss zu Hülfe
za kommen, wie sie auch anderwärts sich die gleiche Freiheit nimmt
') Desjardins n. 22 — 24, natürlich immer mit Beigaben, von denen die
Bonner Exemplare keine Spur zeigen.
•) Desjardins n. 26, 91, 92.
*) £ine grosse Rolle spielt Labien us, der offenbar von Asien aus eine
Bestellung auf Bleieicheln in Asculum gemacht haben boII« mit dem gar selt-
samen Titel PART P R ) vielleicht lag hier eine Marke mit dem Namen
eines Primopilus Labienus vor, und diese ward nun mit Hülfe einer be-
kannten Münze für die Zwecke der Fälschung zurechtgemacht. Mit dem
Saxas, so schreiben die Herren Ascolaner, mag es sich ahnlich verhalten, auch
der M. Abu r (ins), ein hier sehr beliebter Name, ist wohl nicht rein ersonnen.
Für etwaige Lesefehler des Herausgebers darf man nicht immer die Fabrikanten
verantwortlich machen: n.38 a Silaro Rom(ani) wird nur Desjardins ver-
dankt, die Copie giebt einfach die Marke unserer Sammlung Nr. 98 wieder;
n. 10 steht nicht F R I P I C E N auf der Copie, sondern nur P I C. Aber
anderw&rts gehen solche Ergänzungen auf die Fabrik zurück; n. 49 V. Fab. M.
ist unser Nr. 47 V ' F A ' M , hier ist die Ergänzung nicht unrichtig, wie
onaere Nr. 48 V * F /? ' M zeigt, allein hätten sie ein solches Exemplar ge-
kannt, so würden sie dies copirt haben. Fri, was der Herausgeber nicht ver-
BoBitdM SdJcndCTycliowc. 73
■aturlich sind diese modernen Beprodnctionen Töllig werthlos, am aller-
wenigsten durfte De^jardins, der anf Tren and Glauben diese angeb-
lidm Be&qoien des AlterÜrams hinnimmt, diesdben benntxen, am
danns historische Besoltate za gewinnen.
Diese Bemerkungen mögen genflgen, am das gelehrte Publikum
vor der Benutzung dies&er trüben Quelle zu warnen, denn es ist uner-
freulich, bei dem lichtscheuen Treiben einer gewissenlosen Industrie
langer zu Terweilen 0- Am meisten beUage ich, da5s dadurch der
Nägnng zu grundloser Zwdfdsucht» die besonders in Deutschland so
sehr Terbreiiet ist, neuer Vorschub geleistet wird. Heutzutage pflegt
ein Jeder, bks um sich das Ansdien eines Kritikers zu geben, um
als ^laikcr Geist zu erscheinen. Alles, was er nicht versteht, mit
grösstem Eifer zu TerdichtigeD: Denkmato des Alterthums» die man
nicht emmal gesehen hat, sondern nur von Hörens^en kennt, werden
kuTzer Hand als gefilsdt bemchaet Wie Münzhindler eine seltene
Minze, wenn sie ihnen unbdcannt ist oder sich nicht in ihrem Besitz
befindet, gern diacreditiren, so pflegen auch wohlgeschulte Epigraphikcr
nicht aeltCB jedes Monument, was nicht in ihren engen Kreis sich ein-
ftgt, zumal wenn die Priorität der Entdeckung ihnen entgangen i&t,
mit ticfnn Miastrauea zn betrachten.
Bonn. Th. Bergk.
•taadeo bii» Temideli er, so rid ich tehe. gaas auf eigeae Gefahr ia frie
oder frica. Dagegeo das &beUiafle operor, vaa ans hier überall begegnet,
steht aUeidings anf den meisten Harken, £dls den Abbildungen zn trauen ist.
aber aaf anderen ist das richtige obterva (s. nnsere SammL Xr. 72, 73) nodi
dentfich zn erkennen.
*) Idi zveÜle nicht, dass die firaBsönsehen Epigraphiker, velche Gelegen-
heit haben, dieae neuen Fände mit eigenen Aagen m priJen md damit a^ie
ler Fariaer Sammlnng snaammen zn halten, sowie die tw.hiiiaf.he
so beachten, nmdk KriAen dazn beiUncen nerdea. die Wahrheit
J^
2. Die LitsGh beim Kölner Dome.
Die Local-Historiker der grösseren Städte finden, wenn sie das
Gebiet der Topographie betreten, in den aus fernen Jahrhunderten
fortgepflanzten Strassenbenennungen, ja, nicht selten selbst in den
der jetzigen Nummerirung vorhergegangenen Häusemamen, beachtens* ^
werthe Hinweisungen auf Einrichtungen, Begebenheiten oder Personen
der Vorzeit, deren Andenken der Volksmund auf diese Weise fest-
gehalten hat. Einen wahren Werth und Nutzen können dahin ge-
richtete Forschungen freilich nur dann an sich tragen, wenn sie ihren
Gegenstand und die daraus gezogenen Folgerungen auf unbestreitbar
Thatsächliches zurückzuführen vermögen, statt, wie es in beklagens-
werther Weise bei der altehrwürdigen Colonia Agrippina geschehen,
den näheren oder entfernteren Anklang an lateinische und andere
fremdsprachliche, oder, das heimathliche Idiom unbeachtet lassend, an
moderne reindeutsche Wörter aufzusuchen und, daran anlehnend, sich
in Spielen der Phantasie zu ergehen, um von diesem schläpfrigen
Standpunkte aus dann schliesslich gar oft soweit als möglich neben
das Ziel zu schiessen. Die Liebe zur Wahrheit und ein vorurtheils-
freier Forschersinn haben denn auch in unserem Köln bereits manches
Phantom, das sich, auf vermeintliche Autoritäten gestützt und mit
erhabenen Phrasen stolzirend, hier eingedrängt und nur zu lange be-
hauptet hatte, mit unbarmherzigen kritischen Hieben zu verscheuchen .
gewusst. Es ist nachgewiesen, dass die Pfaifenpforte (porta dericorum) |
nichts mit einer Venus Paphia, die sogenannte Marspforte (porta fori, \
auch porta mercatorum) nichts mit dem Kriegsgotte Mars zu schaffen '•
gehabt, dass die sogenannte Hömergasse mit ihrem wahren Namen
Reimbachgasse, nach dem nahe ihrer südöstlichen Ecke erbauten Hause
Beimbach, heisst, dass man bei der sogenannten Drususgasse nicht aa
den römischen Feldherm Nero Claudius Drusus, den Stieibolm des
Kaisers Augustus, sondern an eine volksthümliche Persönlichkeit aus
Die Litsch beim Kölner Dome. 75
dem Mittelalter, welche Drasian oder Drusen Jan geheissen, als Tauf-
pathen zu denken habe; man weiss heutiges Tages ganz wohl, wie
eine Anzahl anderer moderner Strassennamen, z. B. auf dem Katten-
bug, unter Sachsenhausen^ auf dem Hunnenrücken u. s. w., nur durch
unberechtigte, den historischen Ursprung völlig verfälschende Umtaufen
entstanden sind. Das Aeusserste aber ist in Betreff der Ulricbsgasse
und Ulrichspforte geleistet worden, die glücklicherweise jetzt zwar
ihren richtigen Namen tragen nach der dort gelegenen, durch viele
Beurkundungen in den Schreinsbüchem nachzuweisenden Curia Ulrici
— eine Ableitung^ die man jedoch, wie im Allgemeinen jede Zurttck-
führung der Strassennamen auf Häuser oder Bewohner, für „einen
sehr armen und allerletzten Behelf** erklärt und dagegen ein Hirn-
gespinst erfunden hat, wonach an dieser Stelle der Waffen- und
Musterungsplatz der in Köln zusammengekommenen Kreuzfahrer ge-
wesen sein 1^11, die beim Aufbruch das Feldgeschrei: Ultreia, ultre,
oultre, d. h. frisch auf, nun weiter! erhoben hätten, und nach diesen
Ausrufungen sei dann der Gasse der Name Ultre« oder Ulregassc zu
Theil geworden und verblieben.
Die Kölner Topopraphie hat sich auch gegenwärtig noch bei
weitem nicht gänzlich von ihren irrigen Sagen und Traditionen frei
gemacht, noch manchem dunkeln Punkte fehlt die klärende Erörterung,
und namentlich bleiben hinsichtlich verschiedener merkwürdiger Häuser
die aus Verwechselung hervorgegangenen unrichtigen Bestimmungen
fortwährend im Schwange^ indem man die vorhandenen älteren An-
gaben in blindem Vertrauen beibehält. Meine Forschungen in den
Schreinsbüchem, die zu kunstgeschichtlichem Zwecke unternommen
worden, liessen mich dies nebenbei mehrfach erkennen. In unseren
Tagen aber, wo Mancher sich mit Lust und Ausdauer dem Urkunden-
studium zuwendet, dürfte auch hieifür eine allmählige Abhülfe zu
gewärtigen sein.
Einen kleinen Beitrag zur Aufhellung unserer Topographie woUeh
die nachfolgenden Zeilen bringen und zwar in Betreff einer unschein-
baren Stelle, mit der sich unsere Schriftsteller bisher nie ernstlich
beschäftigt haben. Es ist der von der Trankgassc zur Thurm- oder
Westseite des Domes fahrende Weg, genannt an oder auf der
Li'tsch.
Bis vor etwa vierzig Jahren hatte diese kleine Strasse einige
Wohnhäuser aufzuweisen, welche auf der Grundfläche der jetzigen
Amtswohnung des Dombaumeisters standen, dessen neuerbautes, ziem-
76 ' Die Litsch beim Kölner Dome.
lieh geräumiges Ilaus anfangs dann auch noch seinen Eingang an
der Litsch beibehielt, der etwas später nach dem Domkloster hin ver-
legt worden ist Auf der gegenübergelegenen Seite war zwischen die
Vorsprünge am Thurmgiebel des Domes ein sogenanntes Gadem
(cubiculum) eingebaut. In den älteren gedruckten Adressbüchem der
Stadt zählt die Stelle auf der Litsch daher auch zu den bewohnten
Strassen. Ursprünglich aber wird hier nicht einmal ein offener Weg
gewesen sein; erst dann scheint 'man denselben angelegt zu haben^
als der erzbischödiche Palast auf dem Domhofe in Verfall gerathen
war und statt seiner der in der Trankgasse, der Litsch gerade g^en-
über gelegene sogenannte Kölnische Hof den Kurfürst-Erzbischof auf-
zunehmen pflegte, wenn derselbe zum Besuche seiner Metropolitan-
Domkirche in die Stadt Köhi kam. Ueber den Zustand der Litsch
bis ^um Anfange des sechszehnten Jahrhunderts erfährt man einiges
Nähere aus einer Notiz, welche den CoUectaneen des bekannten Ur-
kundensammlers Alfter entnommen ist. Sie lautet:
„Der im Jahre 1530 verstorbene kölnische Domdechant
Heinrich Reuss von Plawcn erlebte einen Verdruss mit dem
Senate zu Köln wegen einer dem Kölnischen Hofe gegenüber
erweiterten Pforte mit aufgerichteten Gaddumen. Die Um-
stände waren diese. Der Platz, welchen man nun die Litsche
nennt, war vorhin ein bebaueter Ort, wo das Domstift ein
Hauss, Hof und Keller hatte. An diesem Gebäude waren die
Stallungen, welche zu des Domdechanten Hauss gehörte, an-
gebauet. Als nun das Domstift seine Gebäuden daselbst ab-
brechen liess, um zu mehrer Bequemlichkeit eine offene Strasse
zur Domkirche zu haben, erhielt der Domdechant die Erlaubniss,
aus den alten Stallgebäuden daselbst einige Gaddumen zu er-
richten und die Thür, welche sich in der Nähe befand, zu
erweitem. Die Stadt widersetzte sich der Errichtung von
Gaddumen, es entstanden zwischen den Bürgern, dem Dom-
stift, der Clerisey und der Stadt grosse Streitigkeiten, worüber |
sich in dem städtischen Archiv viele Verhandlungen vorfanden.'
Die Dom-Dechanei ist das grosse, gegenwärtig von den Herren
Domprobst Dr. München und Domcapitular und Dompfarrer Halm in
zwei getrennten Abtheilungen bewohnte Haus Domkloster Nr. 7 und
9, welches seine Einfahrt in der Trankgasse hat und ostwärts an die
Litsch grenzt.
Im Jahre 1610 wurde in der Trankgasse auf der östlichen Ecke
Die Litsch beim Kölner Dome. 77
der Litsch das Pfarrhaus von St. Maria im Pesch, also unmittelbar
neben dieser zum Dome gehörigen, 1508 neu aufgeführten und unter
dem Patronat des Dechanten stehenden Kirche erbaut. Vordem haltten
die Pfarrer, welche zugleich ein Domvicariat besassen, ein domstif-
tisches Haus auf der Burgmauer bewohnt. Dieser Wohnungswechsel
geschah während der Amtsführung des Pfarrei*s Peter Spicher (1609
bis 1623). V. Mering, der über den Neubau des Pfarrhauses berichtet
(Gesch. d. Bischöfe u. I^irchen d. Stadt Köln, Bd. 2, S. 117 u. flf.),
bemerkt, dass auf dessen Stejle ehedem eine Steinmetzwohnung ge-
standen habe. Das Haus nahm indessen mit seinem Hofraum und
Garten eine so bedeutende Grundfläche ein, dass mit der Steinmetz-
wohnung ein grosser Bauhof verbunden gewesen sein wird. Dieses
1610 erbaute Pfarrhaus hat bis gegen das Ende der 1850er Jahre
gestanden; am 15. Juli 1855 starb hier der Domcapitular und Dom-
pfarrer Dr. Filz, wenige Jahre später wurde das Gebäude niedergelegt
und seine Grundfläche dient gegenwärtig den mit der Weiterführung
der Domthürme beschäftigten Arbeitern wiederum als Bauhof. 1610,
als man die alten, mit dem Dombau in Verbindung gestandenen Ein-
richtungen an dieser Stelle gänzlich aufhob, hatte man wohl alle
Hoffnung auf eine Wiederaufnahme des riesigen Unternehmens auf-
gegeben.
Wir treten nun an die Frage heran, woher die Benennung „an
der Litsch'' für diese Strasse entstanden sei und welche Bedeutung in
dem Worte liege? Von der Trankgasse aus gelangt man hier in
ziemlich stark aufsteigender Linie zum Domkloster; vor etwa zehn
Jahren war die Erhöhung noch weit beträchtlicher als dies gegen-
wärtig der Fall ist, nachdem durch Abtragung sowohl das Domkloster
als die Litsch bedeutend niederer gelegt worden sind. Im Hinblick
auf die aufsteigende Richtung der Stelle erschien es unschwer, sich
über den Ursprung des Namens eine Meinung zu schaffen, der
wenigstens ein gewisser Grad von -Wahrscheinlichkeit zur Seite stand
und die zugleich den Vortheil des bequemen Auffindens mit sich
führte. Litschen ist in der Kölner Volkssprache gleichbedeutend mit
gleiten oder glitschen, auslitschen helsst ausgleiten, und da nun die
VoiHbergehenden bei Eis, Schnee und Nässe auf diesem sich stark
erhöhenden Wege, sowohl beim Hinauf- als beim Hinabschreiten, leicht
ausgleiten oder auslitschen konnten, so lag, wie man glaubte, die zu-
treffende Wortbedeutung ganz nahe. Dr. Fuchs, aus dessen Nach*
lasse das Stadtarchiv eine von ihm verfasste ausfuhrliche, in alpha«
iS Die litaoh beün Kölner Dome.
betischer Folge jede Strasse im einzelnen darchwandernde Topographie
von Köln (Manuscript, mehrere Bände in 4to) besitzt, befindet sich in
ziemlichem Einverständniss mit Obigem und berichtet:
„Die litsch mag ihre Benennung daher haben, dass man hier
vom Domkloster nach der Trankgasse bei'gab geht; auch war
vielleicht zur Zeit des Dombaues hier eine Litsch fttr die Be-
wegung der Steine, wie am Kaufhaus Gflrzenich ehedem für
die Waaren, angebracht."
Unter dieser Litsch versteht Fuchs eme Rutschbahn (Glitsche),
auf welcher man die Waaren vom Gürzenicbsaale hinuntergleiten Hess,
der, bevor ihm die grossen niederrheinischen Musikfeste und die
Haskenbälle eine veredelte Bestimmung zurückgaben, zum Waaren-
lager hat dienen müssen.
Hoffentlich wird es mir gelingen, eine zutreffendere Deutung
nachzuweisen und zur Anerkennung zu bringen. Zunächst führten
mich dahin zwei Stellen in dem 1522 erschienenen, mit prächtigen
Holzschnitten reich ausgestatteten Buche :
„Doctor (Johannes Geyler von) Keyserszbergs Postill. Ge-
truckty vnnd seligklich voUendt durch Joannen Schott zu Strasz-
bürg. M. D. xxij." Fol.
Es besteht aus vier Theilen, jeder mit besonderer Folge der
Blattzahlen, wovon der zweite den Separattitel führt : „Das (iuadrage-
simal. Oder Euangelia durch die Fasten. Das Ander tejl diszer
Postill", und hier liest man auf Blatt XXVb:
„Das dritt fest der iuden, das hiesse festum tabemaculorum,
das fest der Loubertag, da wontent sye vnder den hätten
und lötschen*) vor iren hüseren, wenn syedorfltent nitt in
den hüseren wonen, sunder sossent also vnder dem himmel in
denselben hütten, die also gvjne worent gemacht von loub.''
Die zweite Stelle folgt auf Bl. CHIIa:
„In den dingen hatt sich genähert das fest der Loubertag,
*) Schon Hagen*8 Reimchronik der Stadt Köln (um 1270) kennt den Aus-
druck „lotacbe'' f^r Zelt; es heisst daselbst Yers 4010 von den absiebenden
Feinden der Stadt: ,Jr lotscben enstickden sy myt brande'S d. b. ibre Zelte
steckten sie in Brand. Der Abdruck in Brewer's vaterl. Gbronik, Jahrg. 1826,
S. 608, Z. 18 T. ob. hat unriobtig „lorsoben'«. In die 1499 bei Koelbof ge-
druckte Chronik ist die SteUe (Bl. 224a) mit den Worten aufgenommen: ^Yr
pauwelune ind tenten vntstacben Sy ind branten die".
Die Litseh beim Kölner Dome. 79
in dem die Juden vor iren husseren, letschen, oder hfltten
von loub machten dorunder sye die sehen tag sosszent vnder
dem himmel vnder keim dach/'
Wir erfahren also hier, dass die Wörter „Lötsch" und „Letsch"
gleichbedeutend mit Hütte sind.
Und nun eine abermalige Begegnung mit demselben Worte in
unwesentlich veränderter Schreibweise in den 1852 von Dr. H. C.
Schölten herausgegebenen Auszügen aus den Baurechnungen der
St. Victorskirche zu Xanten. Beim Jahre 1370 erscheint daselbst S.
10 die folgende Position:
,Jtem duobus servis deportantibus lapides paratos de Ludza
et inportantibus reliquos non paratos ad Ludza m
III. sol."
Femer beim Jahre 1408, S. 20 :
^Item carpentario laboranti circa loy tzam, sub qua ponuntur
lapides secati pro IUI. diebus .... XL platken.'^
Kein Zweifel, dass Ludza oder Loytza hier die Bauhütte, die
Werkstitte der Steinmetzen^ bedeutet, und beim deutschen Gebrauche
wird die latinisirende Endung auf a in Wegfall zu bringen oder durch
e zu ersetzen sein. Dass unsere Kölner Litsch oder Litsche gleich-
bedeutend damit sei, darf unbedenklich angenommen werden, sowohl
aus sprachlichen Gründen als auch vermöge ihrer Lage am Fusse des
Domes, und zwar an der Stelle, wo die letzte Bauthätigkdit stattge-
funden, und nahe dem Krahn^ welcher auf dem bis zum dritten
Geschosse emporgestiegenen südlichen Thurme zum Hinaufziehen der
Bausteine errichtet war und dann länger als vier Jahrhunderte ein
unthätiges Wahrzeichen der Stadt geblieben ist. So fand sich denn
auch bereits Dr. Schölten zu einer Frage in Betreff der Identität der
Xantener Ludza oder Loytza mit unserem Kölner ^trassennamen an
der Litsch veranlasst Seiner Meinung, dass Ludza und Loytza von
lutzel, d. h. klein, abstamme, wird man nicht zustimmen können.
Im Auslande wird, so glaube ich, der Ursprung des Wortes in seinen
verschiedenen Schreibweisen zu suchen und zu finden sein, und da
möchte ich mir erlauben, zunächst auf das italienische loggia und
das französische löge hinzuweisen, um die mit der mittelalterlichen
Bau-Terminologie der beiden Länder Vertrauteren zu einer Prüfung
zu veranlassen. Beide Wörter kommen uns mit einem durchaus zu-
treffenden Sinne entgegen, und leicht wei'den deutsche Steinmetzen,
die bei den grossen Kirchenbauten im Auslände beschäftigt gewesen,
80 Die Littch beim Kölner Dome.
wenn ihr Wanderleben sie ins Vaterland zurückführte, das fremde
Wort in mehr oder weniger corrumpirter Form demselben zugetragen
und so es hier ebenfalls zur Geltung gebracht haben können. Auch
die Benennung Loge, welche die Freimaurer für ihre Versammlungs-
Locale fortwährend beibehalten, dürfte damit in Verbindung stehen.
Jedenfalls wird sich aus den vorstehenden Erörterungen ergeben
haben, dass der zum Kölner Dom führende Weg, welchen man die
Litsch heisst, desshalb so benannt ist, weil hier die Bauhütte, die
Lötsch, Letsch, Ludza oder Loytza gestanden, wobei ich nicht unbe-
merkt lassen will, dass die plattkölnische Sprechweise nicht Litsch,
sondern, ganz buchstäblich mit der zweiten Stelle aus dem Buche
des alten berühmten Strassburger Theologen übereinstimmend,
„Letsch" zu sagen pflegt.
J. J. Merlo.
3. Römische Baureste In der Gemarkung von Alterkfllz.
Hierza Taf. lY.
Die von Alterkülz nach Neuerkirch führende Strasse durch-
schneidet auf dem halben W^e dahin in der Richtung von Nordwest
nach Südost eine Waldparzelle (Grundheide) so, dass vom Walcfe
ein vorstehender Zipfel als Dreieck links abgetrennt und die südliche
grade Waldgrenze fast rechtwinklig getroffen wird. Mehrere Schritte
zuvor liegt die Strasse dem Waldboden gleich, einige hundert Schritte
aber zuvor ist sie zur Minderung einer Steigung allmählich bis zu
3 Fuss Tiefe in den Boden eingeschnitten und geht dann oben wieder
in die Bodenhöhe über, daher die Strassengraben (cd— ef) zu- und
abnehmend tiefe Böschung haben am Walde. Dieser Einschnitt, der
unter der französischen Herrschaft gemacht worden ist, bat leider
einen Theil des neu entdeckten römischen Fundaments weggefegt,
welches der Hauptsache und Fronte nach auf der rechten (südwest-
lichen) Seite sich befindet und auch zunächst da aufgedeckt wurde.
In dem Waldzipfel . links zieht sich eine hohe Böschung des Bodens
als halbe Ovallinie (von A nach B) mit dem spitzen Theile voran,
vom Wege abbiegend und dann scharf gebogen bis an den Durch-
schnitt der Waldgrenze laufend. Sie ist augenscheinlich künstlich an-
gelegt und hat theils den Bauplatz geebnet durch Auffüllung, theils
nach dem Thale zu links begrenzt.
Rechts sieht man, etwa 80 Fuss vor dem Durchgange der hintern
graden Wald- (und Gemarkungs*) Grenze, durchschlagen und blossge-
legt durch den kürzlich erbreiterten Strasseneinschnitt, das Profil einer
Quarzmauer, die noch bis in den Waldrasen vorhanden ist und die
Strasse etwas knapper als im rechten Winkel trifft, und ein Stück
davon reichte in seiner untern Lage noch in die Strasse hinein. Sie
besteht in dor obem Lage aus faust- und kopfgrossen Quarz-Lese-
6
. i
82 RönuBche Baareete in der Qemarkung von Alterkfilz.
steinen, unten aber aus centnerschweren Quarzgangstücken und hat
2V2 Fuss Stärke. Da sie vom ersten Zimmer des auf der Seite
liegenden Gebäudes fast 14 Fuss absteht und ihre Verbindung mit
dem Hause unter alten Bäumen versteckt war durch deren Wurzel-
Stöcke, ist sie anfangs fdr eine Ringmauer gehalten worden, die (bei
eee) in der Strasse weggebrochen sei; sie gehört aber zum GebäudCi
davon sie (mit eeff) die Ecke eines Vorsprungs bildet In der
Strasse befand sich eben nur noch der unterste Satz der Mauer, und
sie ist bei dem jetzigen Ausbau derselben weggebrochen worden. Im
Walde zeigte sie sich noch bei 4 Fuss Tiefe. Von ihr IS'A Fuss ab, mit
ihr parallel liegt das Fundament der ersten Stubenmauer des Hauses
(gh), die auch an der Strasse abgebrochen ist. Es sind dann gleich
die 4 Mauern eines Zimmers mit Estrichboden (opus signinum) sicht-
bar, das 12 Fusa Quadrat im Lichten hatte. Die äussern Mauern
sind 2Vs Fuss stark, aus Thonschiefer-Bruchsteinen mit einer starken
Unterlage von Quarzstücken gefertigt, wie auch einwärts die Scheide-
wände, und so bei allen 4 Zimmern, wogegen die Wand an der Strasse
als leichtere und an den anderen Zimmern sogar zum Theil nicht auf
Quarz, sondern auf gestampftem Lehm ruhende innere Zwischenwand
erscheint Diese zeigt einen Durchgang (D) und dicht an der nächsten
Ecke noch eine Lücke (E), nicht breit genug für eine Thür.
Die vorderste Mauer des Zimmers setzte sich in den Strassen-
mauern fort und vor derselben (bei F) fand man Asche mit Holz-
kohlen, Knochen und Scherben.
An das erste Zimmer stösst ein ebenso grosses und auch qua-
dratisches, dessen Boden stark 1 Fuss tiefer, aber in gleicher Höhe
mit dem der beiden folgenden liegt Eine Thürlücke (G) ist sichtbar
nicht ganz in der Mitte der Scheidewand. Der Boden des zweiten
Zimmers hat nur gestampfte Erde ohne Estrich gezeigt, wogegen das
folgende, wieder in gleicher Breite fortlaufende Zimmer, das aber nur
9 Fuss Tiefe hat, durchweg einen heizbaren Doppelboden hatte; näm-
lich in der Tiefe einen dicken, gröberen Estrich, nach rechts ansteigend,
und, darauf ruhend, die Säulchen von runden Ziegelplatten, auf denen
dann schöne, starke, viereckige Ziegelplatten^s ruhten, überzogen mit
einem Estrich. Vor der nordöstlichen Scheidewand befinden sich die
Mauerreste einer halbrunden Nische (V) und unter derselben das 1
Praefumium. Diese tiefere Heizkammer war an der ausgeräumten \
Asche deutlich zu erkennen (unterer Grundriss H) und der dazu
nöthige Durchgang in der Mauer. Der Nische gegenüber zeigt die
Röauiehe BaaretU in der Gemarktuig von Alterkuls. 8S
▲ussenmauer des obern ZiinmerQ eine gerundete kleinere Vertiefung
von V/t Fuss Breite (J), die man auf einen in der Wand liegenden
Schornstein beziehen kann, da nach dieser Richtung der Doppelboden
aufwärts eng beilief. In den beiden Ecken dieser Seite steckten im
oberen Estrich (bei i. und k) noch zwei unverletzte, aufsteigende
Wärmrohren, sonst aber war derselbe aammt den Deckplatten zer-
trümmert, da der Wurzelstock einer schweren Eiche darin steckte.
Die Thüren (K und L) stehen gegenüber. Letztere führt in einen
grössern, südwestlich aus der Baulinie der erwähnten drei kleineren
Räume heraustretenden grössern Saal von ungefähr 17 Fuss im Ge-
vierte, dess^ Boden in der gleichen Höhe des zweiten und dritten
Zimmers lag und durchaus fein geestricht, aber nur zu V^ 4^ Baumes
hohl und heizbar war, nämlich in der ersten westlichen Ecke (M)
rechts von der Thür. Eine breite Nische (N) befindet sich dort in
der westlichen Aussenmauer, in welcher, als im geheizten Theile, viel-
leicht eine Ruhebank sich befand. Die Heizkammer (VI) war sehr
klein und lag gleichsam auswärts in der äusseren Ecke (n), welche
der etwa 9 Fuss nach Westen gerückte Saal mit dem langen Rechteck
des Hauses bildet. Von dem hohlen Boden ging ein gemauerter, mit
festem Mörtel verputzter Kanal (0), der mit Ziegelplatten gedeckt
und überestricht war, von ^4 bis 1 Fuss Weite a.bnehmend durch den
dichten Theil des Bodens zur südlichen Mauer, nahe der westlichen
Ecke hin, wo er dann wohl in einen Schornstein überging. Die andere
östliche Ecke des Saales war sehr stark von Bruehschiefer gemauert,
doch waren von der Wand an der Strasse nur noch 5V2 Fuss Länge
zu sehen, da hier der Strassengraben das Gebäude berührt und^ die
Gemeinde neugierig herumgewühlt hatte, ehe ich dazu kam. Nicht
ganz in der Mitte derselben Wand geht rechtwinklig ein derbes
Mauerfundament von Quarz (hn) durch die Strasse. In dieser Partbie
hatte die Gemeinde mehrfaches Mauerwerk bei dem Strassenumbau
schon ausgebrochen, ehe die Sache verlautete und Einhalt geschehen
konnte. Hier fanden sich die drei eisernen Büchsen, welche wie Mund*
löcher von Wasserröhren aussehen, und da brach man den ,,sonder-
baren Eanal^' aus, der, wie die Leute sagten, „etwa 6 Fuss lang,
vom und hinten zu, nicht gedeckt und an einem Ende nur halb so
breit als am andern (2 Fuss an diesem), an Wand und Boden aber
schön roth polirt war". Ich fand nur noch ein 1 Fuss breites Wand-
Stückchen und zwar mit ganz demselben GementVierputze und rothem
Anstriche, wie ich es in dem grossen römischen Badebecken zu Ber-
84 RömiBohe Banreste m der Gemarkang y<m Alterkfils.
trich gesehen habe; als der Behälter fttr das bei Nacht fliessende
Wasser gemacht und der Boden hinter dem kurfürstlichen Badehause
tief ausgehoben wurde. Aus der komischen Beschreibung war leicht
ein oval in den Boden eingemauertes Becken, eine römische Bade-
wanne, au erkennen. Um aber die Lage der Badekammer genau zu
ermitteln, war die Stelle schon zu sehr yerwflhlt (bei Q). Die Quarz-
sätze einer Mauer gehen, wie gesagt» noch durch die Strasse und
jenseits fort, der anstossende Boden aber zeigt auch einige Schritte
lang noch Spuren einer darauf gestandenen Schiefermauer. Da an
der verwühlten Stelle viel Schutt von Ziegelplatten, Estrich, Wärm-
röhren und kändelförmigen Deckziegeln^ die sowohl zur Deckung von
WasseiTöhren als des Daches gedient haben mochten, auch (bei P)
Asche mit Kohlen sich fand, muss wohl noch eine Heizung hier (an
der südöstlichen Ecke des Gebäudes) bestanden haben. Die Stello
passt auch * nach Analogien >) fQr die Bade- Anlagen des Hauses, die
dann wahrscheinlich in der zerstörten südöstlichen Fortsetzung des
Gebäudes lagen.
Der östliche Theil links der Strasse, an der langen Ovalkante
der erwähnten Böschung, zeigte das Quarzfundament einer 76 Fuss
langen Mauer (r s), die mit der südwestlichen Langseite des Hauses
nicht parallel, sondern so läuft, dass die nördliche Ecke kaum 60
Fuss, die südliche 80 Fuss absteht. Auf das südliche Ende trifft in
gerader Richtung das vom Räume IV fast rechtwinklig abgehende,
ganz vorhandene Mauerfundament e-m-t-u aus Quarz. Es zeigt an
einer Stelle Verstärkungen, die auf Ueberbauten schliessen lassen. In
25 Fuss Abstand von dieser Mauer ist eine mit ihr parallel laufende
Quermauer (v w) aufgedeckt, die nicht nur eine leise, aber doch auf-
fallende Krümmung, sondern auch eine etwas abgewölbte Oberfläche
zeigt, die nicht zufiillig sein kann, und wohl darauf deuten möchte,
dass man da noch über den Boden zunächst mit den mehr oder
weniger prismatischen Quarzgangstücken mit zwei breiten Seiten und
einer schmäleren und scharfen Kante fortgebaut hatte, aus welchen
Stücken die untersten Lagen aller stärkeren Fundamente bestehen.
Sie stammen augenscheinlich von der Gangmasse des nahen Berg-
werks, wie sie zu Tage steht. Je zwei solcher Blöcke konnten der
Mauer wieder eine ziemlich grade obere Fläche geben zum Weiterbau,
^) Man vergl. die Lage des Bades in der Römervilla za AUenz. .Jahr-
buch 86, Taf. II.
Bömieche Bauroste in der Gemarkung von Alterkülz. 85
wenn die etwas ungleich brechenden Koirfienden etwas passend be-
schlagen wurden. Parallel mit dieser Mauer, 40 Fuss abstehend, läuft
eine andere, ebenfalls in sehr starkem Quarzfundamente angelegte
(x y) und endlich wiederum mit letzterer parallel, im Lichten nur 6
Fuss entfernt, die Schlussmauer. Diese die Ecke bildende Mauer (r-z)
fällt nicht in die Bichtung der vom obem Hause herablaufenden
Mauer (ee-eee), sondern hält sich einige Fuss südlicher und beide
Mauern werden deshalb bei ihrer Begegnung ein ähnliches Bisalit
gebildet haben, wie sich deren mehrere an der Südwestfront zeigen.
Alle vier Quermauern der nordöstlichen Langmauer ^sind bis an den
Strassengraben verfolgt Aber nur die südliche war bis an das Haus
erhalten, während die andern durch den Strasseneinschnitt unklare
Enden bekommen hatten. Ein Stück des Baumes zwischen der ge-
krümmten Mauer (v w) und der südlichen Parallelmauer, dicht an
jener, zeigt einen gut geebneten, festgestampften Schieferboden, ähn-
lich wie im zweiten Zimmer des Hauses. Von einer Scheidewand ist
nichts zu finden.
Von Einzelfunden ist ein grosses eisernes Thürband, welches im
westlichen Baume, eine hasta, die ün zweiten Zimmer, eine Feuer-
schuppe, die im dritten, und eine Silbermünze des Antoninus Pius, die auf
dem Estrichboden des ersten Baumes sich fand, zu verzeichnen ^). Das
Stück eines konisch geformten Mühlsteines von Mayener Lava, der
Best eines Postaments von Jurakalk, der flache Griff einer Pfanne,
der Fuss eines Gefässes, beide von Kupfer, eine kleine messingene
Kohlenzange, die aber zu blank und den kleinen Zangen der Tabak-
raucher zu ähnlich ist, um sie für alt zu halten, reihen sich an.
Femer wurden ein feiner wasserheller Vasenrand von Glas und einige
Scherben von römischem Ziegelthon nebst einer Menge meist unglasirter
Thonscherben von allerhand Gefässen gefunden. Viele bis auf einen Fuss
^) Von einem grossen, im nahen Biebertbal gemachten Funde eines
Topfes, der eine grosse Anzahl von römischen Grold- und Silbermünzen enthielt,
die ein Goldschmied für ein Spottgeld erhandelte und in Belgien zu mehr als
1100 Thlr. verschachert haben soll, hat der Herr Pfarrer Köck in Bell ein Stück
erworben und mir verehrt. Es sieht wie eine schlechte Silbermünze aus mit
starkem Kupferscheine und hat die Grösse eines SVs-Groschenstncks. Der Avers
zeigt eine Büste mit Strahlenkrone und die Umsciirift Imp. G. M. Gl. Tacitus,
der Revers eine weibliche Figur, in der Linken einen Oekweig haltend, mit
der Umschrift Fax Augusti.
86 Römische Baarette in der Gemarkung von Alterkfib.
lange eiserne Nägel deuten auf derbes Hokwerk. Die Feuerschüppe
steckte mit dem Griffende oben im Waldrasen und ist da noch ganz
blank, sonst aber stark zerfressen, wie auch der Wur&piess und das
Thürband, auch eine der WasserrohrbCtchsen.
Unter den Enochenresten in der Küchenasche war ein Kinn-
bäckelchen und Rippen von einem nicht sehr grossen Schweine und ein
Beinknöchelchen eines Vogels, anscheinend eines Bebhuhns oder Hasel-
huhns, das noch in neuester Zeit sich hier aufhielt Ein Knochenstück
fand sich, sehr vermürbt, bei der geheizten Stube, das man für einen
Theil eines menschlichen Schienbeines halten kann, vielleicht von einem
Erschlagenen herrührend. Mit der dort ausgeräumten Sandraasse
mögen andere Qebeinstflcke weggebracht sein. Dicht an der Wald-
grenze im nächsten Acker soll auch vorlängst em Grab aufgedeckt
und der Finder an den aufgefundenen Münzen reich geworden sein.
Die Familie desselben berichtet nur, dass man Asche, eine Glasurne
und Scherben gefunden habe«
Der von Herrn Baumeister Sasse gefertigte Plan zeigt nur die
ganz blosgelegten (nicht zerbröckelten) und vermessenen Fundamente.
Sowohl die Aussenmauem der Zimmer, als die wenig schmälern
Querwände haben noch, jene auf derbem, diese auf leichteren Quarz-
sätzen gute Mauerung von Thonschiefer-Bruchstdnen in Kalkmörtel.
Der Quarzsatz hat nur Lehmfflllung. Die innere Langwand, wie ge*
sagt, auf schwächerer Unterlage ruhend, war mehr als V2 Fuss
schwächer. Von den andern Mauern sind nur die Quarzsätze da,
zum Theil nur deren unterste Lage. Bis 2 Fuss tief zeigt der Wald-
boden unter dem Ras^n Schuttmassen und Brocken von Dachschiefer
und Ziegeln des zerstörten Baues. Alle hohlen Räume im Boden
waren voll Mörtelsand und Sptissbröckchen geflözt. Der Sand scheint
einige Meilen weit vom Soon hergebracht zu sein. Er wird wieder
für Mauer- Arbeiten eifrig gesammelt. Die Ziegelplatten der hohlen
Böden haben nicht gleiche Breite, daher der Abstand der sie tragenden
Säulchen von runden Bessalen nicht durchweg gleich, nach den Seiten
hin ein geringerer war. Im Boden des Baumes IV blieb sich die
Höhe der Säulen nach dem liegenden Schornsteine hin fast gleich,
im kleineren Zimmer aber nahm sie nach dem Schornsteine hin ab.
Der Estrich in den beiden Zimmern war feiner und glatter als der
im ersten Zimmer. Warum dieses V^ Füss höher lag, als die andern,
wird schwer zu sagm sein.
Es wurde bereits erwähnt, dass etwa 30 Schritte unterhalb der
Bömische Baureite in der Gemarlrang von Alierkük. 87
den Bauplatz in der Grundheide thalwärts begrenzenden Böschung,
etwa von der Mitte derselben aus, ein abgesondertes Fundament aus
Quarz in einem Acker ausgebrochen worden ist, zwar kürzlich erst,
aber ehe davon etwas verlautete und eingesehen werden konnte.
Ziegelbrocken, Scherben und vor Allem die geringe Entfernung deuten
auf Zugehörigkeit zum grossen Fundamente, der kleine Raum aber
auf eine Arbeiter- resp. Diener-Wohnung. Ebenso beschreibt man
zwei weitere, auf der andern Seite der AckerBur ausgewühlte Fun-
damente. Man sucht eben in hiesiger Gegend „Wacken'S wie man
den Quarz nennt, welcher als Gangmasse den Thonschiefer durchsetzt
und im aufgeschwemmten Boden als Geschiebe in allen Grösse ge-
funden wird und sehr gesucht ist für Wegebau, Brunnenmauerung
u. A. Ein viertes Fundament von solcher Art, wie die drei von
Wackensuchern ausgebrochenen bei der Grundheide, vermutheten
unsere Schurfarbeiter im Walde Schnappe rit neben dem Forste
Birkenstruth, V« Stunde von der Grundhdde, (also zum dortigen Bau o
scheinbar nicht mehr gehörig,) wie von Alterkülz, und westlich vom Orte,
weil auch da im Walde sich eine alte Ackerflur erkennen lässt und
an einer Stelle einzelne Mauersteine von Thonschiefer herumlagen, die
wegen des dort tiefen Lehmbodens nicht als Felsbrocken angesehen
werden konnten, sondern als Bruchsteine angefahren sein mussten.
Es wurde gesucht und gefunden, und wenn auch nicht für die Bau-
lichkeit, doch für die Bedeutung der Niederlassung Anschaulichkeit
gewonnen. Man wird ohne weitere Nachgrabungen schwer zu ent-
scheiden vermögen, ob das gefundene Fundament einer grossem Nieder-
lassung angehört oder aber eine kleine, zur Grundheider Feldflur ge-
hörige Arbeiterwohnung war. Auch hier wird, wie da, ein östlicher
dreieckiger Waldzipfel durch eine Strasse vom Walde abgeschnitten,
nämlich durch die alte Ravengiersburger Klosterstrasse, wie sie in
Flurbüchern heisst. Auch hier, wie dort, ist der Bauplatz durch eine,
jedoch gradlinige, Böschung geebnet und thalwärts abgegrenzt Hier
bildet sie den Strassendamm selbst Daneben geht das Gemäuer von
Ost-Nordost nach West-Südwest
Bemerkenswerth war ein ummauerter, geplatteter und mit Platten
umstellter Heerd voll Asche und Kohlen. Die Platten waren mürbe
gebrannt, besondiers die liegenden und darunter das Lehmfutter von
der Gluth geröthet. Eine stark oxydirte, innen aber noch ganz ge-
diegene Bleiplatte von 2V2 Zoll Breite und 5 Zoll Länge, (bei schrägem
Ende) 2V2 Pfund wiegend, lag' daneben und zeigt iganz die Form
88 Römische Baureaie in dor Oemarknng Ton AHerkals.
einer viereckigen, nach der äussern Ecke rechts abgeschngten Schmelz-
pfanne, die an dieser Ecke den Ausguss hatte, wie man deutlich an
der dahin zunehmenden Dicke des bei etwas geneigter Stellung der
Pfanne erkalteten Bleies erkennt. Ganz ähnliche Pfannen von Eisen-
blech sind noch hier im Gebrauche und den runden Giesslöffeln vor*
gezogen. Kurz vor der Feuerstelle lag ein halbes Hufeisen ohne
Nagellöcher in einer nur für Maulthiere passenden Grösse, an dem
man trotz Rost und Vererzung die Blechansätze erkennen kann, mit
deren Umschlagen die Bömer das Eisen zu befestigen pflegten. Da-
nach ist wohl hier ein Schmiedefeuer anzunehmen und der feine
Wackensatz als Bodenunterlage fOr Ambosse anzusehen.
Am andern Ende des Fundaments findet sich ein in ähnlicher
Weise mit groben Wacken untersetzter Raum, nicht aber wagerecht
wie jener, sondern im natürlichen Hange des Bodens nach Süden.
Auch da fehlen die die Oberfläche abgleichenden Füllsteine, die schräge
Lage aber weist wohl auf einen Viehstall hin. Die Breite ist wie
vom 14 Fuss, die Länge nicht ganz aufgedeckt wegen dastehender
Bäume; doch sind anscheinend auch hier mindestens 10 Fuss anzu-
nehmen. Zwischen diesen beiden Vierecken verliert sich die Wacken-
roauer abnehmend in den Boden, dagegen steht eine Schiefermauer
mit Quarzunterlage etwas - südlich eingerückt von der Linie einige
Fuss ab, ihr parallel. Sie muss als Wand der Wohnung angesehen
werden, die zwischen Schmiede und Stall wohl hier bestand. Viele
Scherben von Krügen, Töpfen, Näpfen, Schüsseln etc. deuten auf lange
Bewohnung des Platzes und sind, wie Nägel, Ziegelstücke u. dergl.
von derselben Art, wie bei dem herrschaftlichen Haupthause.
Wenn man die aufgedeckten Gebäudereste nach Massgabe ihrer
Eigenthümlichkeit in der technischen Bauausführung und ihrer Ein-
richtungen betrachtet, so kann man ebenso wenig zweifelhaft sdU;
dass man es hier mit einem Bauwerk der ' spätem römischen Eaiser-
zeit, wie der Art nach mit einer ländlichen Villa zu thun hat Auf
letztere deuten die vereinzelte Lage,, die verschiedenen isolirten Neben-
bauten, die Heizung nur einiger weniger Räume, die zweifelsohne
vorhandenen Badeeinrichtungen, von denen der im untern Grundriss
herrührende grosse Abzugscanal (p-q) herrührt. Derselbe liegt zum
Theil (oberer Grundriss von n bis o) im Boden eines 6V2 Fusb breiten
Ganges, welcher wohl lediglich zur Aufiiahme des l&rennmaterials fSLr
die bei VI befindliche Heizkammer diente. Die Wasserleitung für
Römisohe Banreste in der Gemarkung von Alierkülz. 89
das Bad konnte nur von einem einige hundert Schritte südlich in der
anstossenden Gemarkung von Klein-Neuerkirch vorhandenen Brunnen
herkommen, in dessen Nähe, wie auch ganz dicht an einem solchen, der
weiter abwärts und tief liegt, vorlängst ein kleines Fundament aus
Quarzsteinen ausgebrochen worden ist«
Die zwischen jenen Brunnen und unserem Fundamente vorhan-
dene Ackerflur der anstossenden Gemarkung möchte eine sehr alte
Gultur sein, da der bis nahe aA das Hausfundament anstossende
Wald selbst als alte Ackerflur erscheint, von alten Eichen und Birken
überwachsen; denn der Boden zeigt noch die Beetform mit deutlichen
Furchen, denen im Winter das Wasser nachzieht Auch unterhalb der
oben erwähnten Böschung des Bauplatzes hat sich ja nahebei ein kleines
,;Wackenfundament^^ gefunden mit Feuerstelle am Boden, und^ so
könnten im Umfange der alten Ackerflur ebenso zufällig wie diese,
noch andere solche kleine Baustellen gefunden werden. Die römische
Villa bei Alterkülz hat offenbar gleich den meisten römischen Bau-
werken beim Aufhören der römischen Herrschaft eine gewaltsame
Zerstörung gefunden. Darauf deuten die menschlichen Gebeine, die
man in den Innenräumen üand. In Folge dessen wie durch den
spätem, das Gebäude in zwei Hälften zerreissenden Chausseebau ist
der ursprüngliche Grundriss zerstört und nicht sofort erkennbar. Nach
der stets wahrzunehmenden Berücksichtigung klimatischer Vortheile
werden wir die Fronte des Haupthauses im Südwesten, die Rückseite
mit dem Eingange im Südosten zu suchen haben, wir erhalten dann den
ganz gleichen Fagadengrundfiss, den nach Südwesten die römische
Villa zu Allenz hatte, nur mit dem Unterschiede, dass der unsrige als
unvollständig nur dessen Hälfte zeigt und nach links zu vervollständigen
wäre ^}. Diese Wahrnehmung lässt auf einen gemeinsamen Bautypus
schliessen, bei dessen Annahme wir uns dann zunächst den südwest-
lichen und nordöstlichen Theil in der durch punktirte Linien ange-
deuteten Art verbanden denken müssen. Baum IV wird dadurch zum
Mittelpunkt des Baues, an den sich südwestlich ein Flügel mit den
Baderäumen anlehnen wird. Die S. 84 erwähnten Mauerverstärkungen
bezeichnen dann vielleicht die Mauern des inneren Hofes, um den sich
rund herum die einzelnen Räume anlehnten.
Da nun die Stelle eine Stunde Weges vom Gossberge, bei
^) Weitere Naohgrabangen würden voraoBsiohtlicli diese Wahmehmnng
bestätigen and nach Südosten auf den symmetrischen Flügel fahren.
90 Römiiolie BaorMte in d^r Gemarkimg Ton Alterkfils,
Wttschheim abliegt, auf und an welchem die Fundamente von einer
grossen römischen Niederlassung gefunden worden sind, von der die
Vermuthung besteht, dass auch da, wie an der römischen Heerstrasse
von Kirchberg nach Trier Sarmaten als Hirten unter römischer
Bedeckung stationirt gewesen seien, um grosse Viehstände zu unter-
halten; da man aber auch weiss, dass die Römer in späterer Zeit
dazu Übergingen, den Officieren (mitunter sogar den Soldaten) Land-
besitz bei ihren Stationen anzuweisen, so ist es wohl nicht gewagt,
anzunehmen, dass hier bei Alterkfilz etwa ein Centurio, der auf dem
Gossberge stationirt war, seine Villa hatte. Es haben sich aber auch
in Hasselbach in derselben Entfernung vom Gossberge und Vs
Stunde von hier bei dem Schulhausbau Spuren von ähnlichem Bau-
'werke mit Bodenheizung, wie hier, nebst gemauertem Brunnen vor-
gefunden, und Herr Baumeister Sasse hat in' Reckershausen,
jenseits des Gossberges, in ähnlicher Entfernung von da, em Funda-
ment mit Bodenheizung, wie das hiesige, gefunden. Demnach hätten
wohl wenigstens drei höhere Militärs des Gossberges in dessen Um-
gebung Landsitze gehabt. Ein zu Lingerhan in Aeckem liegendes
Fundament mit Heizböden, das das EigenthQmliche hat, dass in einem
Räume die den Fussboden-Estrich tragenden Säulchen aus runden, in
einem andern aus viereckigen Bessalen gebildet sind, liegt schon weit
vom Gossberge ab und zwar an der nach Boppard (und St Goar)
führende alten Strasse, bezeichnet also einen Halteplatz an ihr wie
La üb ach. Zeichen von einem solchen bei 0 hl weil er unter Simmem
hat Herr Baumeister Sasse bemerkt Die Station „am steinernen
Löwen^' bei Riesweiler ist nicht unbekannt, und weiter sind an der
Strasse nach Bingen und Kreuznach die Stellen bei Dörrenbach,
Warmsroth und Windesheim durch die. Localforschung ver-
zeichnet, wie an der Strasse von Kirchberg nach Trier Costena und
Sohren. Es bestanden aber in unserer Gegend zur Römerzeit offen-
bar noch weitere Strassen. Die von Laubach nach Castellaun
(wo der Name „Heidenburg'' am Burghagel auf die Römer weist, ob-
wohl die Spuren verwischt sind) ist noch im Walde nicht weit von
dem als Wachthaus angesehenen Fundamente bei Laubach zu sehen,
ebenso die von Castellaun nach Treis auf der Waldhöhe des Treis^
Berges. Mörsdorf liegt in der Linie und dortige Funde bezeichnen den
Ort als bewohnt Meine in den Miscellen der Bonner Jahrbb. H. 37, S.
238 f. frtther ausgesprochene Vermuthung, dass der Gossberg , wie er
von Denzen, Simmem, Laubach und GasteUaun je ca. 2 Stunden entfernt
Römisobe BaureBie in der Gemaricang von Alterkflb. 91
ist, auch eine Verbindung mit Zell gehabt habe, ist zwar noch nicht
in dieser Entfernung, wohl aber in der doppelten bestätigt worden
durch Entdeckung von Fundamenten in dem neu entstandenen Dorfe
Moritzheim, in welchem nach freundlicher Mittheilung des Herrn
Pastor Hardt zu Tellig, eine römische Goldmünze von 1 FriedrichsdV
Metallwerth gefunden wurde. Es war also der Gossberg ein Knoten-
punkt der über den Hunsrücken laufenden Römerstrassen, die freilich
nicht gleichzeitig alle ausgebaut sein konnten, vielfältig durch Gulturen
später vernichtet worden sind, wie man das ja an der Strasse nach
Heimbach von Simmem ab mehrfach sieht
Aus diesen Aufzählungen ist aber schon jetzt klar und wird
immerfort klarer werden, dass die Römer hier oben nicht nur so dicht
wie am Rheine, sondern zum Theil weit dichter sich angebaut hatten
und zwar gerade in den nicht an den Strassen gelegenen Landstrichen.
Die Hauptstrassen gingen bekanntlich über die Wasserscheiden und
mieden die Thäler, in welchen sich aber mehr Stellen zum Ackerbau
anboten, wie man auch jetzt weniger Orte auf den Höhen und nur
da findet, wo nicht unwahrscheinlich Strassen hergingen. Man be-
obachte nun aber weiter noch Orte, die nicht in den Linien der Heer-
strassen. lagen. In Heinzenbachi halbwegs vom Gossberg nach
Denzen (Dumnissus), wie in Nannhausen sind grosse Funde von
römischen Münzen in vergrabenen Töpfen und zwar die goldenen zum
Theil sogar noch gerollt^ gemacht worden. Auf einer Höhe an der
„Erdbeerhecke'' bei Neuerkirch wurden in jüngster Zeit, nahe bei
einer Stelle, wo anscheinend drei Grabhügel längst ausgewühlt worden
sind, ein Wackenfundament, wie das bei Laubach, gefunden, recht für
einen Wachtposten gelegen, da man das Land weit übersieht Nahe
dabei liegt, sonderbar im Binnenberger Walde eingeschlüsselty eine
Ackerflur, aus der man viele Fundamente gebrochen, die man auf das in
der Gegend untergegangene mittelalterliche Oertchen Steinkülz oder
Steinchen (welchen Namen noch'' eine nahe Waldstelle hat) bezogen
hat Der Beschreibung nach fanden sich aber auch römische Ziegel-
platten, und dicht am Wackenfundamente sind Aschentöpfe an zwei
Stellen und ein von römischen Ziegelplatten am Boden gebildeter
Feuerheerd voll Asche jüngst gefunden wordenr
Es hat den Anschein, als wären wenige unter den bestehenden
Ortschaften des Landes, welche nicht auf die Römer zurückzufahren
seien. Ohne noch Rücksicht zu nehmen auf Stellen, wie Bell, Buden-
bach, Niederchumbd, Ntckweiler, wo Fundamente, wie Dillendorf, wo
93 Römisclie iÖaureste in der Gemarkung von Alterkulz,
Goldmünzen gefui^den worden, über die wegen Unkunde der Berichir
erstatter nichts Sicheres angegeben werden kann, braucht man nur
die bisher hier hervorgehobenen Orte und zwar zunächst die ange-
führten Strassenstationen^ dann in anderer Weise die abseits liegenden
Orte, nebst Womrath (sowie Waldböckelbeim und Sobern-
heim an der Nahe) auf einer Kartet irgendwie auszuzeichnen, um
zu erkennen, wie partheiisch und der thatsächlichen Wahrheit ent-
gegen Ausonius schreibt Ihm war die lange Waldstrasse, welche
von Trier und ' dem stumpfen Thurme nach Dumnissus und durch den
Soonwald nach Bingen führte, im Gegensatze zu dem enthusiastisch
besungenen Moselthale ärgerlich und langweilig. Er behauptet, keinen
Anbau des Landes gefunden zu haben, und nennt doch zugleich Orte,
die einen solchen haben mussten, spricht auch von durstenden Fluren
bei Dumnissus^). Er ist ganz so übler Laune wie noch jetzt manche
Reisende, wenn sie einmal gezwungen werden, die schönen Fluss-
thäler und ihre Dampfboote und Eisenbahnen zu verlassen, um mit
der Post langsam und beschwerlich über den Hunsrücken zu gehep.
Wie hätten bei Ausons Gefabel grosse Post-Stationen ohne Boden-
erträge an einer langen öden Strasse bestehen und wie sich behaupten
sollen in so weiter Wildniss gegen die an Ja^d und Krieg gewöhnten
wilden Einwohner? Keine Legion, die von Trier nach Bmgen oder
Boppard und Coblenz zog^ wäre wohl unbehindert dahin gelangt,
wenn die Strasse durchaus so vom Walde beengt und so öde gewesen
wäre, wie Auson glauben machen will und wie sie stellenweise es
auch einigermassen noch ist, da sie sich oben auf der Wasser-
scheide hält.
') Etwa der der Kreise St. Goar und Simmem des Majors von Rappard.
^) AuBon. MoseUa v. 1 sqq:
TmDsieram celerem nebuloso flamine Navam,
Addita miratus Yeteri noya moenia Vinco,
Aequavit Latias ubi quondam Gallia Cannas
Infletaeqae iacent inopes super arva catervae.
Unde iter Ingrediens nomorosa per avia solum
£t nulla humani spectans vestigia cultus
Praetereo arentem sitientibus undique terris
Damnissum, riguasque perenni fönte Tabernas,
Arvaque Saaromatum nuper metata colonis.
Alterkülz. Bartels, Pfarrer.
4. Stempel römischer Augenärzte.
Ein Nachtrag zu Grotefend's Buch: „Die Stempel
der römischen Augenärzte."
Keine Gattung der aus dem römischen Alterthume uns erhal-
tenen, mit Inschriften versehenen kleineren Gegenstände des alltags
liehen Verkehrs hat von jeher ein so lebhaftes Interesse für sfch in
Anspruch genommen, als die Stempel römischer Augenärzte, jene
kleinen, unscheinbaren Täfelchen von meist grünlichetn Steine in
durchgängig viereckiger Form, auf deren schmalen Seiten von der
Rechten zur Linken laufende Inschriften eingravirt sind. Seitdem
Smetius in den Antiquitates Neomagenses 1678 p. 98 die ersten beiden
Steine dieser Art, über deren Gebrauch und Bedeutung er selbst sich
noch gar nicht zürecht zu finden wusste, bekannt gemacht hat, hat
sich mit jedem neuen Funde die Aufmerksamkeit der Gelehrten ihnen
immer mehr zugewendet. Allein es war noch immer keine einiger-
massen genügende Behandlung dieses Gegenstandes antiken Lebens
möglich, weil nur eine grössere Zahl solcher Monumente zum richtigen
Verständniss desselben führen konnte. Erst zahlreichere Auffindungen '
im Anfange dieses Jahrhunderts, wie vor Allem die Ausgrabung
von }3 Steinen bei dem Dorfe Nais-en-Barrois, von denen bloss sieben
bis jetzt bekannt geworden sind, sowie in neuerer Zeit die Funde in
Frankreich und England, hab^n ihre Zahl so ausserordentlich ver-
mehrt, dass Sichel und Grotefend es unternehmen konnten, dieselben
zusammenzustellen und in einer zusammenhängenden Djürstellung zu
erläutern. Zu den 112 von Letzterem in seiner trefflichen Monographie
gesammelten Stempeln ist mittlerweile in dem kurzen Zeiträume von
acht Jahren, welche seit dem Erscheinen derselben verflossen sind,
eine beträchtliche Zahl neuer Stempel an^ Tageslicht gefördert worden,
so dass es sich wohl der Mühe verlohnen möchte, ^ie hier als Nachtrag
zu Grotefend's Arbeit zu veröffentlichen. Leider bin auch ich nicht
94 Stempel römischer Augenärzte.
im Stande, meine Sammlung als eine vollständige, alle bis jetzt ge-
fundenen Stempel umfassende zu bezeichnen, da L6on Renier, wie ich
aus Herrn Robertos M^langes d'arch^ologie p. 7, welche ich der zu-
vorkommenden Freundlichkeit des Verfassers verdanke, ersehe, deren
drei mehr als ich, nämlich 129, kennt
Diese Sammlung würde noch umfassender ausgefallen sein, wenn
nicht Ungehöriges hätte streng ausgeschieden werden müssen. Um
Irrtbümem vorzubeugen, muss ich bemerken, dass namentlich zwei
Monumente dieser Art hier nur schtinbar htiigeh(ta*en. Zunächst ist
dies der jetzt verloreb« vermeintliche Mfiinzer Stempel mit der Inschrift
HERMIAE SN
CICAECILIS
von Karl Klein zuerst aus den Papieren des im J. 1845 verstorbenen
Kupferstechers Lindenschmit 0 herausgegeben und Hermiäe sm(yme)
cica(tricum) e cili(i)s gedeutet, von dem Grotefend (Bulletino dell'
Instit rom. 1868 p. 107 f.) nachgewiesen hat, dass er ein einfacher
Metallstempel war und seine Inschrift mit Voranstellung der letzten
Zeile «)
CCAECILIN i
HERMIAE-SN
d. h. G(ai) Caecili Hermiae s(e)n(ioris) gelautet hat — Nicht so leicht
ist es, auf den ersten Augenblick mit dem zweiten Monument dieser
Art fertig zu werden, welches ebenfalls K. Klein für einen Okulisten-
stempel erklärt hat, mit Zustimmung Pfister's im 31. Jahresbericht
des bist Vereins in Mittelfranken (Ansbach 1862) S. 32. Im Jahre
1862 veröffentlichte nämlich Loriquet (Revue arch6ol., Nouv. S6rie, i
vol. IV p. 247) eine zu ülermarais bei Reims gefund^e und von dort |
ins Museum letzterer Stadt gebrachte Glasschale mit der Inschrift j
FIRM
HILARI
ATYLAR
>) In den Heidelberger Jahrbüchern 1867 S. 599 and in der Zeitschrift
des Ifainxer Vereins zur Erforschung der Rhein. Gesch. nnd Alterth. Bd. III,
1 (1868) S. 70 n. 218.
' ^) So gibt nach Grotefetfd's Versicheruttg die Abschrift Ltndenschmit's,
der aaoh deutlich in der zweiten Zeile SN Uest und nicht SM, wie Klein beide
Mal angibt. Der Stempelschneider hat SN und nicht SEN eingegraben, weil
ihm der nöthige Raum dazu fehlte.
Stempel römisoher Augeotate.
95
in welcher er das Beeept eines Augenbeilmittels za erkennen glaubte
und die er draigemSss Firni(i) Hilari Atyl(oticum) ar(omaticum) auf-
löste. Wir hätten also hier, um mich mit ihm in seiner Sprache
auszudrAcken» ein 'collyre aromatique contre la tylosis, autrement
contre les callosit^s inv^t^r^es de Tint^rieur des paupi&reB\ Da man
aber hiebt begreift, was Atjlosis, wie Klein für tylosv^ wollte, und
Atylotieum heissen solli so hat Orotefend, der ebenfalls noch von der
Voraussetsung ausging, dass die Inschrift ein Augenheilmittel ent-
halte, die letzte Zeile entweder A(d) TYL(06in) AB(omaticum) oder
mit Annahme einer irrthfimlichen Lesjong von Seiten Loriquet's AD
CLA(ritatem) zu lesen vorgeschlagen. Ich hoffe jedoch, dass der ge-
lehrte Epigraphiker, der diese Ansicht im Bull, ddl' Instit. rom. 1868
p. 106 ausgesprochen hat, heute von derselben längst zurückgekommen
ist und dass er es nicht mehr bedauern wird, diese Inschrift in die
Zahl der Okulistenstempel nicht aufgenommen zu haben. Denn CJone-
stabileO ^uid nach ihm Detlefsen') haben durch Zusammenstellung
einer ganzen Reihe von Exemplaren derselben Glasschale mit gleicher
Inschrift, von denen die weitaus grössere Zahl in italienischen Museen
sich befindet, unwiderleglich dargethan, dass wir es in dieser Inschrift
unserer Schale mit der Marke von Fabrikanten dieser Art Schalen
zu thun haben. Und zwar gibt die Inschrift nicht, wie Ck)nestabile,
durch die etwas undeutliche Priigung der zu Perugia ^) ausgegrabenen
Schale verleitet, meinte^ den Namen eines einzigen Fabrikanten im
Nominativ und die seines Vaters und seiner Mutter im Genitiv, sondern
sie nennt drei Personen, Firmus, Hilarus und Hyla, welche entweder
eiuQ Gesellschaft bildeten oder zur Sklavenfamilie eines einzigen Glas-
hattenbesitzers gehörten. Denn dies wird über allen Zweifel erhoben
durch die Inschrift des am besten erhaltenen und schon seit längerer
Zeit bekannten Exemplars dieser Schalen
FIRMI
HILARI
HYLAE
i
>) Vgl. Beru^ aroh6ol., Nouy. S^rie, vol. IV (1862) p. 878 f. and Banetino
dell' Instit arch. rem. 1868 p. 176.
") Bevue arch^ol., Nguy. Serie, toI. Vm (1868) p. 219 ff.
') Die Inschrift derselben lautet: fINM fl HIIABl || f lYIAF. Tgl.
Conestabile, Hypegee de la fisnüle Yibia, Borne 1858, p. 47. Bull. delP Instit.
arch. 1858 p. 65.
96 Stempel römischer Aagen&nte.
welches aus einem römischen Grabmal zu Weyden bei Coeln im
J. 1842 hervorgezogen and von Urlichs in diesen JahrbQchem Bd. ni
S. 148 beschrieben worden ist. Somit hat auch die von Loriqoet
herausgegebene Inschrift nichts mit den Stempeln römischer Augen-
ärzte gemein.
Es kann nicht in meiner Absicht li^en, nach der ebenso vor-
trefflichen wie werthvoUen Monographie Grotefend's 0 init diesen ein-
leitenden Worten nochmals eine Behandlung der hier einschlägigen
Fragen zu verbinden. Nur auf einen Punkt möchte ich mir hier ver-
statten, die Aufmerksamkeit zu lenken, um dadurch eine genauere
Untersuchung aller uns bekannten Denkmäler nach dieser Seite hin
zu veranlassen. Denn sie allein kann uns in dieser Beziehung mehr
Klarheit verschaffen. Bekanntlich enthalten diese Steintäfelchen theils
auf zweien, theils auf drei oder auch auf allen vieren ihrer glatten
Seitenflächen eiiye in umgekehrter Schrift eingeritzte Inschrift, die zu-
meist aus zwei Zeilen besteht, aber auch mitunter einzeilig oder drei-
zeilig ist. Die Oberfläche, oder besser gesagt die beiden Plattseiten
dieser Täfelchen, sind in der Regel glatt und ohne alle Schrift, wenn
man den Angaben resp. dem Stillschweigen der frfiheren Herausgeber
darüber unbedingten Glauben schenken dürfte. Ich glaube jedoch nicht
zu viel zu behaupten, wenn ich sage, dass jeden Falls mancher der bis
jetzt bekannt gewordenen Okulistenstempel bei genauerer Besichtigung
eine Eigenthümlichkeit auf seinen Plattseiten zeigen wird, welche bisher
leider bloss bei einigen wenigen als sicher vorhanden erwiesen ist.
Auf einer Reihe von Stempeln nämlich sind auch dort Buchstaben
resp. Inschriften bemerkt worden, von denen es jedenfalls von Interesse
sein muss, festzustellen, in welcher Beziehung sie zu den auf den
Seitenflächen angeführten Augenheilmitteln stehen. Schon eine etwas
eingehendere Betrachtung dieser Inschriften, zu denen sich auf ein-
zelnen Stempeln, wie wir später sehen werden, auch bildliche Dar-
^) Nach ihm hat noch einmal in zasammenhangender Darstellimg Jean
Bertrand die auf die Okulistenstempel bezüglichen Fragen erörtert in der Ab-
handlung 'Notice 8ur las. pierres sigillaires d'oculistes romains* in den Memoires
de la floci^te des sciences et arte de Vitry^le-FranQoifl, tome II, Vitry 1868,
welche ich nicht selbst zu Qesicht bekommen habe. Sie ist aber nichts Anderes
als ein kurzer Auszug aus SichePs Noureau recueil, wie dies aus einer referi-
renden Anzeige von Douet d'Arcq hervorgeht in der Revue des societee savantes
des d^partements, 4me S^rie, tome X (1869) p. 249 f. Vgl. Caumont, BaUetin
monumental, 4me S^rie, t. Y p. 228 f.
Stempel römischer Augenärzte. 97
Stellungen gesellen, lässt sofort erkennen, dass diese Inschriften nicht
alle ein und dieselbe Bestimmung haben. Zunächst gibt .es mehrere
Stempel, auf deren Oberfläche sich der Name des Arztes nebst den
angepriesenen Mitteln noch einmal wiederholt findet. So sind beim
Stempel des L. Valerius Aroandus (n. 126) nach der Angabe, des
englischen Herausgebers die Stichworte der vier bezeichneten Heil-
mittel Diox, Stac, Diaglauc und Mixt in der Mitte der vier Seiten am
- Rande über der zum Stempeln bestimmten Stempel-Inschrift flüchtig
^ und leicht mit einem Grabstichel oder einem anderen spitzen Instru-
ment eingeritzt und zwar in einer eleganten Cursivschrift. Dieselbe
Eigenthümlichkeit zeigt der von uns unter n. 121 veröffentlichte
Stempel von Nantes, wo in der Mitte der vorderen Plattseite PROV
. eingeritzt ist, sowie der Wormser (n. 32) des T. Flavius Respectus,
welcher auf einer der Breitseiten den Buchstaben M über der ersten
und der entsprechenden vierten den freier und grösser geschriebenen
Namen des C. Julius Musicus enthaltenden Seitenfläche zeigt und in
dem schon Grotefend den eben genannten Musicus entdeckt hat. Vgl.
Klein, Bonner Jahrbücher XXVI S. 174. Zu diesen Stempeln gehört
auch der Reimser des Gassius Jucundus (n. 115), der auf der einen
der Breitseiten die Worte CASSI IVCVN in der Mitte, und auf
einer der Ecken IVCVN eingeritzt enthält, während auf der anderen
Breitseite die Buchstaben F R stehen; ferner der von Grotefend n.
44 und auch von Henzen nach einer brieflichen Mittheilung AUmers
zu Lyon (Bulletino deir Instit. rom. 1866 p. 66) herausgegebene Stein
des L. Julius Docilas zu Besannen. 'Denn auch dort findet sich zu-
nächst der Name des Arztes L J Docilas noch einmal auf der Platt*
' Seite in Uncialbuchstaben wiederholt, während auf den vier Kanten
des Steines ebenfalls auf der Plattseite die auf den Seitenflächen an-
gegebenen Recepte in Cursivschrift stehen. Ebenso enthält die Ober-
fläche des Lyoner Stempels des L. Caemius Paternus (n. 11) die beiden
ersten Anfangsbuchstaben der vier auf dem Stempel selbst genannten
Heilmittel über den entsprechenden Schmalseiten angemerkt, also AV,
ST, CR, CH. Vgl. Grivaud de la Vincelle, Recueil des monuments
antiques dans Tancienne Gaule t. H p. 286 und pl. XXXVI n. H,
welcher leider den Charakter der Schriftzüge näher anzugeben unter-
lassen hat. Den Schluss macht der ähnliche Wiener Stein des
Natalinius Victorinus (n. 75), der auf der Oberfläche die Anfangs-
buchstaben der Mittel L, H, L hat. Vgl. Corp. inscr. lat. t. III, 2 p.
763 n. 6018, 1. Andererseits enthalten die Plattseiten anderer Stempel
7
98 Stempel romiflcher Aagenärata.
nicht bloss Inschriften^ besonders Namen von Personen, und zwar Ton
solchen, welche mit den auf den SeiteDflächen genannten Aerzten
nicht identisch sind, sondern auch bildliche Darstellungen aller Art
Ich erinnere an den Stempel des Albucius (n. 113), auf dessen oberer
und unterer Plattseite allerhand Verzierungen nebst der Abbildung
einer Pflanzenwurzel angebracht sind, und an den Stempel des C.
Annius Censorinus (n. 114), der ebenfalls die Abbildung einer. Pflanzen-
wurzel auf der vorderen Oberfläche zeigt ; femer an den Stempel aus
Wiesbaden (n. 63), auf dem ausser verschiedenen Schnörkdeien und
Buchstabenproben ein im It'lankenkerl-Stile ausgeführtes Köpfchen mit
lang^ Nase, grossen Augen und rundem Ohr, welches Becker für die
Fratze eines Kaiserbildes von einer Münze ansieht, und der links von
demselben in einer Art Cartouche verkehrt eingegrabene Name
sich befindet, über den die Buchstaben T F eingegraben
ROA^
sind. Noch weiter oben stehen neben einander zwei Zeichen wie Y,
deren rechter Oberstrich jodoch übermässig lang gezogen ist: rechts
davon ist ein T leise angedeutet^ links ein verschlungener Schriftzug
wie zwei Z in einander gezeichnet mit parallel gelegten Zügen. Die
untere Breitseite enthält einen ähnlichen grösseren Schriftzug und zur
Seite desselben die Buchstaben TT SS TFT ganz regellos vertheilt.
Vgl. J. Becker, Neue Jahrb. für Philol. und Paedag., Bd. LXXVII
(1858) S. 587 f. Hierhin gehört endlich der. noch interessantere
Stempel des S. Martinius Ablaptus zu Vieux (n. 71): er zeigt auf der
unteren Fläche ein Seepferd, zu .dessen Füssen die Buchstaben LIV
stehen, auf der oberen eine zweihenkelige Vase, auf deren weitem
Bauche man drei Augen angebracht hat. Auf dem ebenfalls verhalt-
nissmässig weiten Halse der Vase liest man die Buchstaben GA und
oberhalb der Oefcung desselben die Buchstaben GAI oder GAL,
darüber S und S^ oder, wie Sichel gelesen hat^ IT, sowie zur Rechten
unten am Bauch der Vase ein nach unten gekehrtes L in dieser Form
1. Vgl. Lambert, Epigraphie romaine dans le d6pai-tement du Cal-
vados, Caen 1869, p. 35 und pl. V n. 13. Vielleicht ist den Stempeln
dieser Art auch noch der des T. Vindacius Ariovistus aus Kenchester
(n. 100) hinzuzuzählen, der auf der vorderen Oberfläche SENIOR,
auf der unteren SEN in verkehrter Schrift, vielleicht auch noch
ausserdem eine bildliche Darstellung enthält. Vgl. Corp. inscr. lat.
t VII n. 1320. Wie man sieht, ist die Zahl der Siegelsteine, über
die uns rücksichtlich dieser Eigenthümlichkeit genauere Nachrichten
^fc
K Stfempel römiisohef Augenärzte. 99
vorliegen, eine versehwindend kleine im Verhältniss zu der Zahl der
bis jetzt bekannt gewordenen Stempel. Indessen auch diese wenigen
gewähren schon ein einigermassen interessantes Resultat. Was zu-
nächst die bildlichen Darstellungen auf der Oberfläche der Stempel
angeht, um mit ihnen zu beginnen, so lässt sich allei*dings nicht mit
Sicherheit bestiibmen, ob sie mit den auf den Seitenflächen genannten
Augenheilmitteln in Verbindung gebracht werden dürfen und wie diese
gedacht werden soll. Dazu bedarf es freilich vorerst einer eingehen-
deren Untersuchung aller hier einschlägigen Denkmäler. Keineswegs
j^och möchte ich mit Robert, M^langes d'arch^ologie p. 7 sofort
den Stab Ober sie brechen und sie überhaupt für bedeutungslos er-
klären. Sehen wir daher für jetzt von ihnen ab und fassen wir bloss
die dabet befindlich^) Inschriften ins Auge, so haben die Züge der-
selben durchgängig einen von den Inschriften der Seitenflächen ganz
v^l:schiedenen Charakter. Sie sind meistens bloss leicht eingeritzt
uMf zwnr in theüs cursiven, theils uncialen Buchstaben, sie stehen
fetneif tfcbt wie die Buchstaben der auf den schmalen Seiten einge-
grabenen Inschriften umgekehrt, so daiss sie von der Rechten zur
Linken gelesen werden müssen, sondern sie sind in der Regel gei'ade
und lauf^ von der Linken zur Rechten. Es ist also zunächst klar,
dass sie überhaupt einem ganz anderen Zwecke gedient haben.
Darüber aber, sowie über ihre Bedeutung, g^h^n die ürtheile ausein-
ander. Sichel, Oinq cachets inödits p. 8 dachte bei diesen Inschriften
an den Schreiber derselben, der sich durch solche Notizen auf der
Oberfläche def Stempel habe verewigen wollen. Diese Vermathung
hat insofern An&pruch auf Wahrschtinlichkeit, als uns einige Siegel-
steine merkwürdiger Weise erhalten sind; auf welchen sich in Wirk-
lichkeit der Graveur nennt. Dies ist erstlich der Pariser Stein des
L. Varitts Heliodorus (n. 98), dessen Oberfläche di^ Inschrift
sCRIPSIT II MA E II DM. OL enthält, und dann der
Gotlliier des T. Claudius Apolliüaris und Q. Carminitos Quintianus (n.
18))' wo die eine Seite das Datum der Anfertigung, nämlich Uli Kai
Mmi;.' a. 204 p. Chr., die andere die Worte sc^ m p poüpbI |) Iakivs
vIctoMln II vs gibt, welche Momnisen scr(ibit) m(edicamentum?) P(ublins)
Pompeiianius Victorinus gedeutet hat Vgl. Zangemeister im Hermes
■ Bd. II (1867) S. 315 ff. Bei allen übrigen Stempeln aber gibt die
Oberfläche bloss den Namen, ohne jedwede Andeutung des scribere.
Da somit jeder weitere Anhalt fehlt, so möchte ich es für's Erste
noch als sehr gewagt bezeichnen; in diesen Namen die Person des
1
100 Stempel römischer Augenärzte.
jedesmaligen Graveurs zu sehen, zumal da ein anderes Interesse von
grösserer Bedeutung, nämlich das des Salbenhändlers selbst, eine viel
nichtigere Rolle spielte. Es hat daher Grotefend a. a. 0. S. 94 und
vor ihm Schreiber liiit ^el grösserer Wahrscheinlichkeit angenommen,
dass in jenen Inschriften der Medikamentenhändler sich nenne, in
dessen Besitz der Stein und somit die Salben waren. Denn da er den
Stempel gebrauchte, um ihn den von ihm verkauften Salben als
Etiquette aufzudrücken, so liegt es doch auf der Hand, dass er eher
den Namen seiner Firma auf der freien Oberfläche eingravlren liess,
als den des Stempelschneiders, der ihm die Inschriften eingegraben
hatte, weil es doch jedenfalls dem kaufmännischen Interesse mehr
entsprach, diese dem Publikum zugleich mit in empfehlende Erinne-
rung zu bringen. Haben doch die Apotheker sich auf den Stempetai
so in den Vordergrund mit ihrer Person zu drängen gewusst, dass sie
den Namen ihrer Firma mit viel grösseren Buchstaben, welche die
ganze Seite zuweilen einnehmen, direkt auf einer der zum Abdmdk
bestimmten Seitenflächen des Steines eingraben Uessen, wie dies der
Stempel des T. Martins Servandus in Wiesbaden (n. 63) und noch
deutlicher der Riegeler des L. Viridis Carpus (n. 62), sowie der
Worms^r des C. Julius Musicus (n. 32) zeigen, auf dessen Namen
auf dem Steine die unter ihm herlaufenden Doppellinien noch besonders
die Aufmerksamkeit hinlenken, während unter den übrigen Zeilen nur
einfache Linien gezogen*) sind. Vgl. Osann, Philologus Bd. XTV
(1859) S. 634 und 638. Schreiber, Mittheilungen des histor. Vereins
für Steiermark, Bd. VI (1855) S. 80. So wie die Sache jetzt Uegt,
lassen sich die Inschriften auf der Oberfläche unserer Siegelsteine hin-
sichtlich ihres Zweckes in drei Gruppen scheiden. Voran stehen die*
jenigen Stempel, welche den Namen des Augenarztes und seiner Mittel
auf der Oberfläche noch einmal wiederholt enthalten. Sie verdankeJ^
diese Einrichtung, wie schon A. W. Zumpt, Archäol. Zeitung 10. Jahr^*
(1852) S. 428 behauptet hat, dem Verkäufer, der sich diese kurze;^
inschriftlichen Notizen gemacht hat, um sich sofort zu orientiren un^
beim Stempebi der Salben nicht zu irren. Dieser zur' Seite steht di«
zweite Klasse, welche bis jetzt bloss durch zwei Exemplare vertrete:«^
/) Ob diesen Zweck auch die leicht mit dem Griffel eingeritzten Naine^
yj{L und SOLI des Stempels n. 101 von unbekannter Herkunft erfüllen solltei».
welche sich auf zwei äer schmalen Seiten vertheilen, und die Huebner Va(leri^)
Soli(ni) erklärt hat, wage ich nicht ku entscheiden. Vgl, Corp. inscr^ lat. t. Yf2
p. 287 n. 1821.
Stempel römischer Augenärzte. 101
ist und die auf ihrer Plattseite ausdrücklich den Namen desjenigen
aufführt, welcher im Bureau des Medikamentenhändlers die Stempel-
inschriften cingravirt hat Zwischen beide tritt die dritte Gruppe,
welche eine von den auf den Schmalseiten angeführten Aerzten ver-
schiedene Persönlichkeit ohne sonstige nähere Bestimmung namhaft
macht. Diese dort genannten Personen möchte ich mit Grotefend für
die Pharmaceuten halten, welche den Verkauf der Augenheilmittel
betrieben. Denn es wird von Tag zu Tag immer klarer, dass wir in
diesen kleinen Monumenten des römischen Alterthums das Handwerk-
zeug nicht der ärztlichen Praxis, sondern der gewerblichen Thätigkeit
von Medikamentenhändlern vor uns haben. Vollständige Gewissheit
über diese Frage kann freilich nur eine eingehendere Kenntniss aller
Stempel bieten.
Was die nun folgenden Stempel anbetrifft, so habe ich mich in
der Anordnung derselben an das von Grotefend befolgte Princip, sie
alphabetisch nach den Familiennamen auf einander folgen zu lassen,
gehalten, weil es die Uebersichtlichkeit fördert, und habe ich auch
im Anschluss an seine Nummerirung die Zählung fortgeführt, wobei
ich bemerke, dass ich den von Grotefend unter n. 111 aufgeführten
Sarder der Hertz'schen Sammlung in London als n. 112 gezählt habe,
weil er den ihm zu spät bekannt gewordenen Lyoner Stempel n. 29b
nicht mehr mit einer fortlaufenden Nummer hat versehen können.
Die auf den Stempeln zu einem Schriftzug verbundenen Buch-
staben oder litterae ligatae habe ich einfach aufgelöst und ihr Vor-
handensein durch BogeU; welche ich unter die betreffenden Buchstaben
gesetzt habe, angedeutet.
113.
Albucius.
Gefunden zu Nais-en-Barrois (D^p. de la Meuse), jetzt im Museum
der Stadt BesauQon. Er ist höchst wahrscheinlich einer der dreizehn
Siegelsteine, welche im Jahre 1808 an dem erwähnten Orte gefunden
und von denen bis jetzt sieben bloss beschrieben worden sind.
1. ALBVCICHELID
AD-CALIGGEN-SCA'BP;//,
^ 2, ALBVCI • DIAPOBALS
ADOMN- CAJIG DELAC
102 Stempel römischer Aageo&rzte.
3. ALBVCI- MELIN
DELACEX-EM- PVL.
4. ALBVCI TR IT"
AD CLARITVD
1. Albuci(0 chelid(onium) || ad calig(inem), gen(arum) scabr(iticm).
2. Albuci(i) dia(o)pobals(amu) || ad omn(em) calig(inem) delac(rima-
torium).
3. Albuci(i) melin(um) 1| delac(rimatörium) ex em(endato) pul(vere).
4. Albuci(i) trit(icum) || ad claritud(ineiir).
Litteratur: A. Gastan in M6moires de^la soci^tä d'^mulatiou du
Doubs, 4rae Serie, vol. III (Besan^on 1868) p. 33 flf. = ün cachet
in6dit d'un oculiste romain. Besangon 1868. 8^. — Daher Caumont,
Bulletin monumentÄl, 4me Sörie, t. V (= vol. XXXV der ganzen
Collection) p. 225, ^o jedoch bloss die Inschrift der vierten Seite mit-
getheilt ist.
Der Stempel, dessen Material aus grünlichem Speckstein besteht,
nüsst in der Länge 0,027 m., in der Breite 0,021 m. Die mittlere
Dicke desselben beträgt 0,005 m.
Hier werden uns vier verschiedene Mittel eines und desselben
Arztes vorgeführt, der hier zum ersten Mal erscheint. Er gehörte
einer Familie an, die auf in^chriftlichen Denkmälern sowohl als auch
bei den alten Autoren häufig erwähnt wird und welche in ihrem
Schoosse mehrere litterarisch thätige Mitglieder grossgezogen hatte
Ich erinnere an den von Lucilius stark gegeisselten Epikureer T. AI*
bucius, welchen freilich Cicero, Brutus 35, 131 einen perfectus Epi-
cureus nennt, vgl. Lucili, Sat reliq. ine. fr. IX p. 135 Mueller ; ferner
an den Satiriker L. Albucius bei Varro, de re rustica III, 2, 17 und den
bekannten Rhetor G. Albucius Silus aus Novara, von dem der ältere
Seneca uns mehrere Proben seiner Beredsamkeit überliefert hat. Wenn
jedoch Gastan erklärt, die Frage unentschieden lassen zu wollen, ob
der Arzt unseres Stempels mit dem gleichnamigen Leibarzt des Kaisers
Tiberius identisch sei, der eine Gage von 250,000 Sesterzen bezogen
habe, so thut er sehr wohl daran. Denn Le Giere, histoire de la
mödecinc p. 576, auf den er sich beruft, hat seine Angaben über diesen
Arzt aus alten Ausgaben des Plinius genommen. Die neuere, auf
einer umfassenden Vergleichung der Handschriften beruhende Kritik
hat jedoch gezeigt, dass der Name des Albucius an der von Le Giere
angezogenen Stelle des Plinius nat. bist. XXIX, 1, 7: „Multos prae-
Stempel römisoher Augenärzte. 108
terea me^icos celeberrimosque ex his Gassios, Calpetanos, AiTuntios,
Rubrios. ducena quinquagena HS annua his mercedes fuere apud
principes^' durch eine Dittographie aus dem vorhergehenden Arruntios
entstanden ist.
Was die von Albucius vorgeführten Heilmittel angeht, so sind
sie zum grossen Theil bekannt. Das zuerst genannte Chelidonium
genoss im Alterthum des Rufes, eine grosse Heilkraft gegen die
Schwäche der Sehkraft zu besitzen, und sein Ansehen wurde noch durch
die Sage erhöht, welche sich bei verschiedenen Schriftstellern über
dasselbe erwähnt findet, dass die Schwalben ihren Jungen, selbst wenn
die Augen ausgestochen worden waren, durch Bestreichen mit dem Safte
der Pflanze das Gesicht wiederherstellten. Vgl. Eutecnius, Ixeutica I,
18. Plinius, nat, hist XXV, 8, 89 f. Ein Recept des coUyrium hat
Galenus de compos. medicam. sec. locos IV, 8 t. XH p. 883 K. gegeben.
Seine Anwendung ad caliginem ist auch sonst durch Stempel bekannt
wie n. 27. 80. 88; dahingegen sein Gebrauch ad genarum scabritiem
begegnet uns hier zum ei'sten Male, während der Stempel des L.
Gaemius Paternus zu Lyon^n. 11 dasselbe ad genarum cicatrices vor-
schreibt. Auffallend und bis jetzt vereinzelt dastehend ist die Neben-
einanderstellung der beiden Augenleiden ohne die verbindende Partikel
eCj welche sonst nie zu fehlen pflegt: eine Freiheit, welche sich der
Stempelschneider wohl aus Mangel an Raum erlaubt hat. Durch das
fehlende et scheint auch Castan irre geführt worden zu sem, indem
er sich zu der sonderbaren Interpretation ad caliggenes (so !) scabriticias
herbeil iess, deren Widerlegung wohl keines Wortes bedarf. —
Das zweite Mittel bat Castan erklärt DIAPOBALSamatum AD
OMNes CALIGgenes DELAGrimatorias mit folgender Anmer-
kung: „ce teime r^sulte de la soudure et de.la contraction des deux'
mots diap3oricuin opohalsamcUum, qui figurent d^jä sur le premier
cachet de Lyon [n. 16}, sur celui d'J6na [n. 78] et sur le second
cachet de Mandeure [n. 20]^. Wie sich Castan die Abbreviation dieser
Worte gedacht hat, vermag ich nicht zu begreifen, fest steht jedoch
jetzt durch den Stempel des Isadelius aus Bavai n. 116, wo der Name
dieses Mittels vollständig ausgeschrieben erscheint, dass Diaopobalsamu
hier zu lesen ist und dass bloss das zufällige Versehen des Stempel-
schneiders, der 0 nach dia ausliess, die wahre Form de« Wortes etwas
entstellt hat. Ueber die Form selbst werde ich bei n. 117 das Weitere
sagen. In den Worten AD-OMN-CAJG fehlt, wie Castan geglaubt
hat, I nicht, sondern ist, wie schon die umgekehrte Stellung des J
I
104 Stempel römiscber Augenärzte.
zeigt, mit L ligirt. Ebenso wenig stimme ich Castan bei, wenn er de-
lacrimatorias erklärt; es ist vielmehr eng mit Diaopobalsamu zu ver-
binden und delacrimatoriom zu lesen. Denn so gibt es ein Melinaxn
delacrimatorium n. 88, ein Stactum delacrimatorium n. 58 und ein
Thalasseros delacrimatorium n. 99, um anderer ähnlicher Zusammeia-
Stellungen nicht zu gedenken. Dass das Epitheton ddacrimatoriunoi
hier nicht an der sonst gebräuchlichen regelrechten Stelle unmittelba^r
hinter Diaopobalsamu steht, bietet für unsere Erklärung keine
Schwierigkeit. Denn fUr eine solche Stellung haben wir Analogieex
auf anderen Stempeln, z. B. n. 55 ein Isochrysum ad scabritiem et
claritatem opobalsamatum und n. 97 ein Stactum ad caliginesf öpob&l-
samatum. — lieber das MELINVM, griechisch fi^hvov, und den
Ursprung seines Namens gehen die Ansichten sehr auseinander. Sax.e,
Epistola de vet medici ocul. gemma sphragide (Traj. ad Rhen. 17 T4)
p. 29 f., dem ^Tdchon, Dissertation sur Tinscription grecque Vac7o^^o£
Av'/iov p. 18 sich angeschlossen hat, leiten es von dem Namen des
Alaun^ meUnum, ab, der nach dem Zeugniss des Plinius nat hist.
XXXV, 15, 188 oculorum scabritifts extenuat, combustum utilius
epiphoris inhibendis. Walch, Antiquitates medicae selectae (Jena 1772)
p. 55 f. hielt es für eine aus Quittenöl bereitete Salbe mit Berufaxie
auf Plinius n. h. XIII, 1, 11 und XXIII; 6, 102. Am wahrschein-
lichsten hat Sichel, Ginq cachets inMite p. 20 nach dem 'Vorgange von
Caylus, Recueil d'antiquit^ t. I p. 226 seinen Namen von der gell)-
liehen Farbe hergeleitet, welche es von der Quitte erhielt Merk-
wfirdig bleibt immerhin, dass Galenus, der an verschiedenen Stellen
des Melinum gedenkt, niemals erwähnt, dass Quitten oder Alaun dazu,
benutzt wurden, wie er das sonst zu thun pflegt. Vgl. Galen, de
compos. medicam. IV, 8 1. XII p. 769, 786, 787. Üebrigens spricht fiX^
die Richtigkeit dieser Deutung des Namens die analoge BezeichnanS
anderer Mittel auf unseren Stempeln, so das Cirron (n. 83), welches
seinen Namen von dem röthlich -braunen Aussehen entlehnt YieJ^^
welches ihm die zu seiner Bereitung benutzten Ingredienzen gabeo«
vgl. Dufour, M^moires de la soci6t6 des antiq. de Picardie t. VlH
(1847) p. 622 ; so das Chrysomelinum auf dem Stempel zu Bath (n. 5 3)
von seiner goldgelben Farbe^ endlich das Thalasseros (ebenda) von d^^*
grünlich-bläulichen Farbe des Meeres, womit vortrefflich, stimmt, weia.n
Galenus de compös. medicam. IV, 8 t. XII p. 781 Kühn den Indi^^
ißihxv ^Ivdimv) und Aötius 11, 3, 110 den Griinspan (o log) unt;^^
den Substanzen dieses Mittels nennen. Das Melinum heisst hier
Stempel römischer Augenärsie. 105
auf Stempel n. 88 delacrimatorium, Über dessen Bedeutung Marcellus
Empiricus c. 8 Auischluss gibt. Ebenso findet sich ein Stactum dela-
crimatorium (n. 58) und ein Thalasseros delacrimatorium (n. 88). —
Grosse Schwierigkeiten aber bieten die letzten Worte dieser dritten
Inschrift dar, zumal da der galvanoplastische Abdruck, welchen Castan
von ihnen gegeben hat, die Lesung derselben nicht über allen Zweifel
sicher stellt. Castan hat sie EX* EM* PVL ' gelesen und ex
emendato^ pulvere ergänzt, was er französich mit ,,ä employer en
poudre tamis^^^' übersetzt. Ob dies richtig ist, vermag ich nicht zu
entscheiden. Ist dies aber der Fall, dann scheint es, dass wir in
diesen Worten eine ahnliche Formel haben, wie die auf den Stempeln
häufig wiederkehrenden Bezeichnungen EX OVO, EX AQVA,
£ LAOTE, E MVLIEBRI LAOTE; wozu noch der Wein kommt,
und wodurch, wie wir aus unzähligen Stellen des Galenus erfahren,
die Flüssigkeiten bezeichnet wurden, worin die hartgewordene Salben-
masse für den jedesmaligen Gebrauch erst aufgelöst werden musste.
Allein mit dieser Erklärungsweise scheint die Natur des Mittels in
geradem Widerspruch zu stehen. Denn wenn Galenus de compos.
medicam. see. locos. IV 8 t XII p. 769. sagt : MijXivov TQVipBQov noiovv
fCQog %ovg (ifji^ tjvrivaovv ^ij^iv qHXQfiCcxwv vnofievovzag, so passt
dazu gewiss sehr wenig, wenn es auch mit pulvis, selbst wenn er
emendatus war, aufgetragen werden sollte. Es müssen daher die
Worte, wenn sie von Castan so richtig gelesen worden sind, entweder
eine andere Bedeutung haben, oder aber, was mir wahrscheinlicher dünkt,
der Stein eine andere Lesung bieten, was nur durch eine abermalige
genaue Untersuchung desselben festgestellt werden kann. — Die vierte
Seitenfläche endlich bietet uns ein bisher unbekanntes Heilmittel, das
Triticum, welches seinen Namen wahrscheinlich von seinem Haupt-
bestandtheil, dem Weizenmehl^ erhalten hat. Es hat vielfach Ver-
wendung bei Augenkrankheiten gefunden. Galenus, de remediis para-
bilibus I, 4 t. XTV p. 343 Kuehn führt uns ein aus demselben
bereitetes Recept gegen langwierige Augenaffectionen an: nvqovg ini
'dutnvQUßv oidrjQWv oicxr^aavxBq avv oCvtfi nuxtaxQio^ev vä ßkifpaga.
Hatten die Inschriften der vier Seitenflächen des Stempels keine
besondere Abnormität , so ist dies jedoch der Fall mit den beiden
Breitseiten desselben. Auf der einen derselben erblickt man in der
Mitte eine veitieft eingegrabene Abbildung, in welcher Castan zwei
Blätter einer Pflanze erkennen wollte, während nach dem von ihm
gegebenen Facsimile es mir vielmehr zwei Pflanzenwurzeln zu sein
.*
*
•♦
*i»:r
'i
■I
106
Stempel römisohor Augenärzte.
scheinen. Ich betrachte diese Deutung um so mehr als die rieh
als auch sonst Wurzeln von Pflanzen ^ vielleicht derjenigen, Yi
die Hauptingredienz eines der angefahrten Mittel bildete — auf
Breitseite der Stempelsteine in Abbildungen wiederkehren. Vgl
Stempel des C. Annius Gensorinus aus Bavai n. 114. Dieselben
an den vier Seiten durch eine ununterbrochene Reihe von Vei^ieru
eingefasst, welche Castan als Gursivzüge ansieht. Darüber
Kundigere aburtheilen. Die andere Seite bietet dieselbe Art von
fassung durch Schnörkeleien , welche ausserdem in drei
Linien in der Mitte sich hinziehen und in einem rechten Winkel
eine Ergänzungslinie durchschnitten worden. In jhnen sieht G
wie er selbst sich ausdrückt, ,une sorte de memento pharmac
Gompos6 en grande partie des signes conventionnels, les uns anal
aux notes Tironiennes, les autres aux hi6roglyphes\ In einer
Linien — leider sagt er nicht in welcher — glaubte er soga*^
Worte Coclee decem zu erkennen, während er für die übrigen auf'
regelrechte Interpretation verzichtet. Auch wir verzichten daraa^.
sinnige Schnörkeleien zu, erklären und sehen in ihnen mit Monin,
ments des anciens idiomes gaulois, Besan^n 1861. S^/p. 14
Anderes als ein ,vrai gribouillage d'enfant ou d'apprenti apothl
114.
Gaius Annius Gensorinus und Victor.
Mit einigem Bedenken ordne ich den folgenden Stempel ^
fortlaufende Reihe ein, weil er nach meinem Dafürhalten str^
nommen nicht in die Kategorie dieser Denkmäler gehört
Gefunden zu Bavai (D^p. du Nord), jetzt im Besitz 'des
Anatole Crapez zu Bavai.
G(aius) AN(nius) CENSORINVS
VIGTOR
C
GEN
G
1
e
X
B
d
/
eiae
un-
onu-
lclit&
i
die
ge-
erm
A.
Seitenflächen :
1.
2.
3.
4.
B.
Breitseite:
1.
rie,
Litteratur: Ernest Desjardins in der Revue archöoL, Nouv.
t. XXV (1873) p. 260 f. und in M6moires de la sociitö d'agricm -» * *^^^
sciences et arts de Douai, 2me Sörie, t. XI (1873) = Monu«**^^
^pigraphiques de Bavai et du musöe de Deuai. Douai 187S. p. '^"^
und pl. VI fig. l.
Steqipel römischer Augenärzte. 107
Dieser Siegelstein von blasegrünem Serpentin hat aiif den Seiten-
flächen eine Wihe von 0,004 m., die Länge der zweiten Seitenfläche be-
trägt Q,021 m., die der dritten Seitenfläche 0,012 m. Er weicht in jeder
Beziehung von der Form ab, in der uns die bisher bekannten' Stempel
dßr Augenärzte zu erscheinen pflogen. Der Stein hat nämlich die
Gestalt eines unregelmässigen Sechsecks, er hat demnach acht Seiten,
deren jede entweder besehrieben oder mit kleinen Ornamenten ge-
schmückt ist und steht in dieser Beziehung völlig vereinzelt da. Kur
die Flächen 1, 2, 3 tragen Inschriften, auf der vierten Fläche befindet
sich der Buchstabe 6, welcher in sehr vergrösserter Gestalt auch
unten rechts vom Beschauer auf der einen der beiden Plattseiten des
Steines wiederkehrt. Die andere Seite hat dafür als Schmuck die
Abbildung einer Pflanzenwursfel erhalten. Ausserdem verdient noch
bemerkt zu werden, dass die zweite Seitenfläche die Eigenthümlichkeit
hat, dass der dort eingeritzte Name in rückwärtslaufender Schrift ein-
getragen ist, wodurch er erst beim Stempeln in der rechten Form
erscheint.
Dieser Stein kann, wie Desjardins schon richtig bemerkt bat,
hinsichtlich dieser EigenthUmlichkeiten nur verglichen werden mit dem
bekannten Stempel des G. L V C. SABIN- aus Besangon bei Sichel,
Nouveau recueil des pierres sigillaires d'oculistes romains p. 115 n. 96,
welcher ihn als lapis Vesontinus quintus dort beschrieben hat. Denn
er hat im Gegensatz zu der viereckigen Gestalt der übrigen Augen*
arztstempel das Aussehen eines Dreiecks, welches an den beiden Ecken
seiner Grundlinien abgestumpft ist. Schon bei diesem Stein hat Sichel
den leisen Zweifel nicht unterdrücken können, dass er bloss der
Stempel eines Salbenhändlers sei und nicht der des ärzthchen Er-
finders. Und dieser Ansicht ist auch neuerdmgs Grotefend a. a. 0.
S. 8 Anmerk. 9 und S. 47 Anmerk. 11 beigetreten. Auch bei unserem
Stempel, auf dem ebenso wie auf denjenigen von Besangen die An-
gabe der Mittel fehlt, scheint etwas Aehnliches der Fall zu sein.
Desijardins hat mit Recht schon darauf aufmerksam gemacht» dass
unter den zwei auf den Schmalseiten des Steines befindlichen Namen,
der des G. Annius Gensorinus jedenfalls als der hauptsächliche zu
betrachten sei, weil er auf der längeren der drei beschriebenen Seiten-
flächen stehe und weil er noch dreimal ins Gedächtniss zurückgerufen
werde, das «rste Mal durch die Anfangssilbe C£N des Gognomens
auf einer der kleineren Flächen, dann zum zweiten und dritten Mal
durch ein einfaches G, den Anfangsbuchstaben des Wortes Gensorinus,
1
«.
v/
■* 1
^
108 Stempel römischer Augeoänie.
auf einer der Schmalseiten und auf einer der breiten Seiten des Steines.
Nun ist es zwar bekannt, dass auch sonst auf Augenarztstempebi ein
Mittel den Namen mehrerer Aerzte zugleich fährt, wie bei Grotefend
n. 6: Latini et Juli(i) || diabsoricum; n. 17: Claudior(um) Gal-
b(aneum) ad cicat(rices) und n. 63: T. Livi et Marjlci Catuli
atr(amentum), so dass man leicht dadurch versucht sein könnte, auch
hier ein Gleiches anzunehmen und in der Abbildung der Pflanzen-
wurzel, in welcher ein französischer Arzt, Ch. Martin, den Zwiebel der
Safranpflanze zu erkennen glaubte, eine Andeutung des Mittels selbst
zu sehen. Fei-ner ersehen wir zwar aus Galenus de compos. medicam.
IV, 8 t. XII p. 773 Euehn, dass ein Mittel des Antigonus, welches
von Safran bereitet war, den Namen Xeovra^iov fahrte, weil das Bild
eines Löwen der Salbe als Stempel aufgedräckt war, iTteidri nsQ
ykvfificcn TovT(fi eatpQoyi^ero, wie Galenus sagt. Da jedoch auf den
bisher entdeckten Stempeln, deren wir jetzt doch schon eine ganz
erkleckliche Zahl kennen, auch nicht die geringste Spur einer solchen
Bezeichnung des Arzneimittels vorkommt, so macht mich dieser Um- ^
stand sehr bedenklich und neige ich deshalb zu der Annahme hin,
dass durch jene abgebildete Pflanzenzwiebel weniger ein bestimmtes
Mittel als vielmehr seine Substanz hat angedeutet werden sollen. Wir
werden daher mit Desjardins in jenen zwei auf den Schmalseiten des
Stempels befindlichen Namen zwei verschiedene Persönlichkeiten an-
nehmen müssen, von denen der eine der ärztliche Erfinder des betreffen-
den Mittels, für welches der Stempel bestimmt war, der andere der
Händler war. Etwas Aehnliches haben wir auf zwei längst bekannten
Stempeln von Riegel im Grossherzoglhum Baden und aus Wiesbaden
bei Grotefend n. 62. und 63. Denn auf dem ersten nennt sich neben dem
Arzt L. Latinius Quartus noch ein L. Vir(iu8) Garpus, auf dem zweiten
steht hinter den Aerzten T. Livius und Marcus Catulus mit ihrem Mittel,
dem atramentum, noch der Name des T. Martius Servandus. In beiden
haben Schreiber und Grotefend schon richtig, wie mir scheint, den
das Mittel vertreibenden Apotheker entdeckt. Beide Stempel scheinen
übrigens in erster Linie speciell für die beiden Verkäufer bestimmt
gewesen zu sein, denn die Namen der beiden Verkäufer nehmen in
einer Zeile die ganze Seite ein, wobei der Name des einen derselben,
des L. Virius Carpus, mit viel grösseren Buchstaben als die vorher-
gehenden Zeilen geschrieben ist, so dass sie auf den Mitteln besonders
in die Augen fallen mussten. Erwägt man nun, dass auf unserem
Steine der Name des Gaius Annius Censorinus die grösste Schmal-
Stempel römischer Augenarzte. 109
Seite des Steines einnimmt und zndem noch zweimal mit den Anfangs*
buchstaben des Gognomens bezeichnet wiederkehrt, so glaube ich nicht
zu irren, wenn ich den Gensorinus nach der Analogie der oben be-
sprochenen Steine als den Händler; den auf der kleineren Schmalseite
genannten Victor als den Arzt und Erfinder der mit dem Stempel zu
bezeichnenden Salbe ansehe.
115. '
Cassius Jucundus.
Gefunden im J. 1870, wie es scheint, zu Reims.
a) Auf den beiden Längenseiten:
1. CASSI IVCVNDI DISMYR
NES AD INPETVS OCV
2. CASS- IVCVNDI DIALEPI
DOS AD ASPRITVDINE
b) Auf den beiden kleineren Seiten :
3. FLOS ROM
4. FLOS ROM
1. CassiO) lucundi di(a)smyr||nes ad inpetus ocu(lorum).
2. Ga8s(ii) lucundi dialepi Jdos ad aspritudine(m).
3. Flos Ro(s)m(arini}.
4. Flos Ro(8)m(arini).
Litteratur: Charles Robert in den Comptes rendus des s^nces
de l'acad^mie des inscriptions et helles - lettres de Tannäe 1870,
NouY. S^rie, tome VI (Paris 1870) p. 77 f., und ausführlicher in
Mäanges d'arch^ologie. Paris 1870. 8^ p. 17 ff. — Daher Revue
archtol., Nouv. Särie, vol. XXI (1870) p. 348 und Philologus Bd.
XXXI S, 375.
Der Stempel besteht aus Ghloritschider und misst in der Länge
0,040 m., in der Breite 0,027 m. und ist 0,006 m. bis 0,007 m. dick.
Er ist einer der kleinsten, welche wir kennen.
D^ Name des Ar^ begegnet uns hier zum ersten Mal, wie
auch die Verbindung des Cognomens Jucundus mit dem Gentilnamen
.Cassius neu ist. — Das zuerst genannte Heilmittel Diasmymes, über
dessen Namen und Composition ich auf das zu n. 116 Gesagte ver-
weise, ist vielfach auf unseren Stempeln vorgeschrieben; beacbtens-
werth ist hier nur das Versehen des Steinmetzen, welcher DIS M YBNES
»
110 Stempel romischer Augenfirste. » ^^^
anstatt DIASMYRNE8 in den Stein eingeschnitten hat, ein Versehen,
welches auch sonst nicht ohne analoge Beispiele dasteht, so z. S. auf
dem Stempel des Albucius von Nais n. 113, wo DIAPOBALS(aratr)
für DIAOPOBALS (amu) und sogar auf unserem Stempel , wo
FLOS ROM(arini) anstatt FLOS ROSM(firini) steht. Nea ist
ferner die Formel ad inpetus ocu(lorum), wihread sonst steh e/liftcii
ad impetum oder auch ad impetum lippitudinis findet. GewöZtoIicii
führen jedoch unsere Stempel die Anwendung dieses Mittels als wirk-
sam post impetum lippitudinis an. — - Das zweite Mittel, Dialepidos,
und zwar für dieselbe Augenkrankheit verordnet, kehrt s^ haa% auf
den schon bekannten Steinen wieder, dass es kaum nöthig ist, es
noch mit einer erläuternden Bemerkung zu versehen. Wie hier zwei
verschiedene Mittel für eine und dieselbe Krankheit genannt sind, so
kommen auf dem Stempel n. 59 deren vier gegen lippitudo vor. Die
Inschrift, welche dieses Mittel enthält, ist im Verhältiiiss zu deijenigen
der ersten Seitenfläche weniger legbar, weil man dieselbe, wie es
scheint, abzuschleifen versucht bat, um t^t ein«' andere Platin zu ge-
winnen.
Einige Schwierigkeit bietet die auf den beiden kleineren Seiten-
flächen genannte Formel FLOS ROM, indem es nicht feststeht,
wie wir sie zu deuten haben. HeiT Robert dachte zunäehtsfc bei dem
zweiten Wort an den Namen des Arztes, etwa Romaniüs, mft Rücksicht
auf den Romaniüs des Stempels aus Bavai (n. 85), ei^ bat jedoch diese
Erklärungsweise mit Recht selbst als weniger stibiiKdbKTg bezeichnet,
wiewohl der Orund> den er anführt, dass de? Name: des Okulisten
stets vor dem Mittel stehe, nicht stichh<iig ist. Denn gerade (fiesci
Wortstellung kennen wir noch auf drei anderen SteHi]^elfiv Am des
C. Cispius zu Vichy n. 16, des T. Julius Attalus 2u Faris n. 40 imd
dem des ProclianM von Nantes n. 121. Trotzdem halOe ich Hem
Roberts zweite Ansicht, dass in ROM der Name eines Mittels stbdke^
für die wahrschemlichere, und zwar, weil die Beiseichnung FL 03 viel
zu unbestimmt, ist, als dass sie so ohne n&lgti&tt Bestihimtmg hätte ge-
setzt werden können. Es ist die IfflÜtÜe des Rosmarin' gtm^
griechisch hftavonig, welches mehrfach im Altein;hum siur Bereitung
von Arzneien diente und von dem Pliniüjs nat. hist^ XlX-, 12r, 1Ö7 be-
richtet, dass es auf den Magen heilsam wirke. Dass der Stempel-
schneider S vor M ausgelassen hat, wird Niemand wundeni) weiD er
bedenkt, dass derselbe kurz votier A in D^ISM^YRNBB elienMlB
zu setzen vergessen hat. Das Mittel ist Vollständig neu uffd hat
Stempel römiaolier Augenanie. 111
ausserdem; worauf Herr RoSert mit Beeht aufmerksam gemacht hat,
das Eigenthümliche, dass seine Benennung nicht, wie die fast aller
übrigen Salben, aus dem Griechischen entlehnt ist. Merkwürdig ist
ferner, dass es zwei Mal auf dem Stempel genannt wird und zwar
ohne den Namen des Okulisten. Für diese letztere Abnormität lassen
sich als BeisjHele anführen die Stempel des Sex. Martinius Ablaptus
n. 71 und des Hirpidius Polytimus n. 38. Denn aller Wahrschein-
lichkeit nach rührte auch die Salbe aus Rosmarinblüthe von demselben
Gassius Jucundus her, welcher als Erfinder der beiden ersten Mittel
genannt ist. —
Endlich liest man auf der Breitseite in der Mitte in kleinen
Gapitalbuchstaben, von denen einige umgekehrt stehen, GASSI
IVGVN und auf einer der Ecken IVGVN. Auf der anderen Seite
der breiten Seiten stehen die Buchstaben F und R. Letztere sind
höchst wahrscheinlich F(Ios} K(osmarini) zu deuten. Ueber den Zweck
dieser Art von Inschriften, welche auch sonst auf Stempeln wieder-
kehren, habe ich in der Einleitung S. 97 ff. ausführlicher zu sprechen
Gelegenheit gehabt, auf die ich hier verweise.
116.
Eprius Facundus.
Fundort dieses Stempels unbekannt; er war im J. 1731 in der
Sammlung von Sante - Bartoli zu Rom ; wo er jetzt aufbewahrt wird,
habe ich nicht in Erfahrung bringen können. Vgl. Renier, Comptes
rendus de Tacad. fran?. des inscr, et belles-lettres, Nouv. Sörie, t. VI
(Paris 1870) p, 79.
1. EBRI- NL- FAGVNDI DIA
. "^MYRNES AD ASPRI-
2. FACVNDI GOLYRIV
MDIAMYSVS A A
1. Epri(i), N(umerii?) l(iberti), Facundi dia||smymes ad
aspri(tudines).
2. Facundi col(l)7riu||m diamysus a(d) a(spritudines).
Litleratur: Grotefend, Bulletino delP Institute arch^öl., Rom
1868, p. 105 aus einem ungedruckten Brief von Vettori an Gori vom
3. März 1731 m cod. Marucellianus A, 63.
Die Grössenverhältnisse und das Material dieses Siegelsteines
sind nicht bekannt.
112
Stempel römisoher Aagen&nste.
Dieser Stein ist in mehrfacher Beziehung interessant.
Alterthumsforscher schon häufig mit Hinweisung auf die als
namen vorkommenden Kaisemamen, wie Julius, Claudius,
u. s. w., sowie auf die überwiegend griechische Form der Clogm.
wie z. B. Charito, Dionysodorus, Euelpistus, Hypnus, Philinus,
menus und mehrere andere, welche Grotefend a. a. 0. p. 5 sorr
zusammengestellt hat, die Behauptung aufgestellt haben, da.
meisten der Augenärzte dem Stande der Freigelassenen ea^
selbst angehört haben oder von Freigelassenen abstammen, s
dies durch diesen Stempel zur Thatsache erhärtet, indem hie:
ersten Mal der Arzt selbst sich als Freigelassener eines Nu
wie Grotefend beispielsweise den abgekürzten Gentilnamen d
lassenden patronus ergänzt hat, als N(umerii) L(ibertus) ei
Denn so ist nach meinem Dafürhalten die Sigle NL von 6r
richtig gedeutet worden. Das vor der Sigle stehende Wort
habe ich als Familiennamen des Arztes gefasst und in Eprius
weil auch sonst B und P mehrfach auf den Stempeln von dei
veuren verwechselt worden ist. So steht DIABSORIGV
einem Stempel von Dgon n. 6 und auf dem des Paulinus zu
n. 77, DABSOR OPOBALS auf dem Wormser des T. I
Respectus und G. Julius Musicus n. 23, OBOBALSAMA[TV
einem anderen zu Autun n. 34, DIAFSOR OBOB sogar au
Reimser Steine des Plotinus n. 87, wie überhaupt die Ortho,
sehr nächlässig beobachtet ist, wofür es genügen
DIASPHORIG(VM) auf dem Stempel des L. Saccius Mei
zu Besannen (n. 88) hingewiesen zu haben '). — Die Anwendui
Diasmymes oder auch nach jonischer Schreibweise auf einigen
peln Diazmymes genannten GoUyriums — dia o^vQvrjg oder Siaa^^^
im Griechischen — ad äspritudines ist neu auf den Stempeb,
schon von Scribonius Largus, compos. medicae c. 3, 26 hervorg^
worden, wenn er sagt: „sed praecipue hoc [collyrium], quod eti&^
pustulas papulasque et suppurationes oculorum, facit et ad cica^
non veteres et ad palpebrarum recentem aut (etiam?) in corp(^
tenuioribus aspritudinem*. Seinen Namen hat es von der Myrrhe, w"
die Hauptsubstanz desselben bildete, wie Galenus, de simplicium medl
temperamentis ac facultatibus X, 3 t. Xu p. 257 Euehn be^^*^^'
Recepte dieses Mittels geben uns sowohl Galenus, de compos. medf <3^^'
ol)en
ad
ces
^) Vgl. Sichel, Ginq oaobetB inedits p. 12. Grotefend, Stempel S. 21 u. S. 1 ^
Stempel römisoher Augenärzte. 113
sea locos IV, 8 t. XU p. 746. 767, 774 K. als auch Scribonius Largus
a. a. 0. — In Bezug auf die Reihenfolge der Seitenflächen habe ich
mir eine Umstellung erlaubt, insofern als ich die von Grotefend nach
Vettori's Abschrift an die zweite Stelle gerückte Inschrift voran gestellt
habe: denn es ist doch wahrscheinlicher, dass der Graveur die mit
dem vollen Namen des Augenarztes beschriebene Seitenfläche als die
hauptsächlichere angesehen wissen wollte. Dafür spricht, auch noch
der Umstand, dass das Augenleiden, für welches das zweite Mittel
desselben Arztes bestimmt war und welches mit deiü zuerst genannten
identisch ist, durch die Sigle A Ä abgekürzt erscheint, was wohl nicht
recht statthaft war, wenn diese zweite Seite des Stempels als die erste
hätte gelten sollen. — Die zweite Salbe Diamysus und ihre Anwen-
dung ad aspritudines, wie Grotefend ohne allen Zweifel richtig die
Sigle A A gedeutet hat, ist bekannt aus den Stempeln zu Riegel
in Baden n. 62 und zu Paris n. 98, und wird ausserdem noch von
Marcellus Empiricus c. 8 (ad aspritudines oculorum tollendas) besonders
empfohlen. Die Ingredienzien dieses Mittels, namentlich das fäav, von
dem Grotefend a. a. 0. p. 17 vermuthet, dass es Atrament sei, sind
nicht näher bekannt. Vgl. Dioscorides, mat med. V, 116. Was die
Schreibung des Wortes Diamysus anbelangt, so ist sie wahrschejnlich
bloss eine Verschlechterung der auf mehreren Stempeln vorkommen-
den ächten Form Diamisyos, dw fdavogj welche sich ausser hier auch
sonst noch findet, z. B. n. 61. 90. 94, wofür jedoch häufiger Diamisus
geschrieben wird, z. B. n. 8. 10. 19. 37. 54. 75. Vgl. Osann, Philo-
logus Bd. XIV S. 635. Grotefend a. a. 0. S. 24 Anmerk. 7 dachte
sogar daran, eine Genitivform fuaovg statt fuavog zu vermuthen,
worüber das Urtheil so lange an sich halten muss, bis wir einmal
einen auf genaue handschriftliche Vergleichung gegründeten kritischen
Text der griechischen Aerzte haben werden. Interessant ist unser
Stempel aber noch wegen der Weise, wie ^das Mittel genannt wird.
Schon Grotefend hat darauf aufmerksam gemacht, dass coUyrium wohl
zu unbestimmten Begriffen hinzutrete, wie coUyrium mixtum auf dem
Stempel n. 31 oder coUyrium pro daritate oculorum n. 106 oder
radlich coUyrium Aegyptiacum opobalsamatum n. 70, nicht aber zum
Namen des Mittels selbst. Hier trete uns dies zum ersten Mal ent*
g^en, womit jene ZusammensteUung coUyrium Aegyptiacum opobalsa-
matum übrigens viel Aehnlichkeit habe. Neu ist trotzdem diese Aus-
drucksweise keineswegs, denn sie fiudet sich schon auf dem seit 1856
8
114
Stompel römit^r Aagf«Biinie.
veröifentliGhteo» aber von Grotefend bei der Sammlung der Stempel
sehenen Steine des Julias Jucundos tu Lydney (Qloucestershire),
beiast Jul. Jucundi coly(riiiin) melinum n. s. w. Vgl den Stempel
117.
Isadelfas.
Gefanden zu Bavai (D^p> du Nord), jetzt im Besitz des
de Moras auf Schloss Gussignies bei Bavai-
1. ISADELFI CBOCO
DES AD ASPRIT-
2. ISADELFI NARDI
NVM a'd DIATHESI
3. n^DELFIDIAOPO
^LSAMVAD CALI
4. ISADELFI DIARt
ODON^AD OMNI
1. Isadelfi croco|[des ad asprit(udine8).
2. badelfi nardi||nnm ad diathesi(s).
i. (I]sadelfi diaopo||[ba]lsama ad cali(ginem).
4. badelfi diarIi||odon ad omn(em) I(ipiHtudinem).
Litteratur: Zuerst veröffentlicht von Arthur Dinauk i
Zeitung „Echo de la frontiire* vom 23. Februar 1837. — Dan
Schuermans, Revue arch6ologique, Nouv. Sörie, t. XVI (1867)
n. II. Vgl. Roulez ebenda p. 182. -- Grotefend^ Bulletino dell^
archeoL Rom. 1870. p. 188. — Endlich am genauesten von
Desjardins in den M6moires de la soci^tö d'agriculture, scienc
arts de Douai, 2°^ S^rie^ t. XI = Kotice sur les monuments 6\
phiques de Bavai et du mus^e de Douaii Douai et Paris 1873,
n. 6 und pl, VII fig. 1.
D^ Stein, dessen Material ein grüner Speckstein isti hat 0^0
Höhe und 0,035 m. Breite; er ist im Ganzen wohl erhalten, nur
an der dritten Seite einen kleinen Bruch erUtteUi in Folfle
die 1. Zeile der dort befindlichen InsQhnft den ersten Buchataba;^
gane und von S die untere H&lfte» die 2« Zeile die beiden
Buchstaben (B A) voUmds eing^üsst hat
Was den Namen des Arztes anlangt, so hat Schuermans a. »-
8.
von
• 98
er
<V
O.
Stempel römiioher Augenl^rste. 116'
p. 16 Isadelfi in zwei Worte l8(idori?) Adelphi zerlegen und in der
Präposition Dia der 3. Seite des Steines den dritten Namen des Arstes
ertomen wollen. .Die Bildung des Namens Isadelfus ist jedodi so
einfach luid sprachgem&ssi dass man Schuermans' gewaltsame Deutung
gar nicht in Anspruch zu nehmen braucht. Der Arzt hiess einfadi
Isadelfus, Uinlich wie ein anderer inch Euelpistos auf dem Steine von
Beppois-le-Haut (Qrotefend n. 29) nennt, und für die Schreibung des
Namens mit f statt mit ph hat Roulez a. a. 0. p. 182 schon den eben
so geschriebenen Namen Fronimus auf dem Stempel von Carbec*
Orestain (Gtotefimd n. 64) mit Bedit zur Vergleichung herangezogen.
Diesen Beispielen können noch folgende Tier hinzugefügt werden: ad
eiHfor(aB) auf dem Stempel des Jurenalis zu Orange n. 60» SYMFORI
anstatt SYMPHORI n. 86, FLOGIYM n. 58, SARCOPAGVM
n. 57 und FAEON n. 80. Vgl Grotefend, Stempel S. 109.
' Von den angefahrten Mitteln ist der Gebrauch d^s Nardinum ad
diathesis neu. , Wir kannten bisher seine Anwendung ad impetum
lippitvdinis (Grotefend n. 7 und 13) und ad lippitudinem <n. 102).
Ueber die Zusammensetzung dieses Mittels /haben uns Diosoorides
mat. med. I^ 75 und Paulus Aegineta VI, 16, sowie Aetius, Tetra-
biblon II, 3 c. 113 und die übrigen von Grotefend S. 23 angezogenen
Schriftsteller nähere Au&chlflsse gegeben. Ich habe ad diathesis er-
gänzt, und nicht; wie Einige wollten, ad diathesim, weil diese Accu-
sativform des Pluralis ebenfalls sich auf anderen Steinen (n. 57. 96.)
so voll ausgeschrieben findet. Vgl. Grotefend S. 82. — Neu ist
femer die vorgeschriebene Anwendung des dritten Mittels Diaopobal-
samu ad caliginem, von welchem Paulus Aegineta VII, 16 ein Recept
hinterlassen hat, während wir wohl für dieselbe Krankheit des Auges
ein Stactum opobalsamatum schon kannten. Vgl. n. 22. 48. 97. Denn
so sind die Worte zu erklären und nicht, wie Schuermans Wollte,
Dia opobalsamatum oder mit Rqüez Diapsorictim opobalsam&tom. Für
unsere Erklärung spricht einmal die Leichtigkeit der Deutung, die sich
so sm sagen fast von selbst ergiebt, 'dann aber auch die Analogie
anderer ähnlicher BQdungen, welche sie verbürgen, wie Dialibanu (n. 7.
42. 49. 56. 73 n. a. m.) und Diaglauceu (n. 38). — In Bezug auf die
Schreibung des vierten Mittels ist zu bemerken, dass es auf dem
Stßine auch DiMTodon geheissen haben kann, indem von dem fünften
Buchstaben bloss der erste Perpendikularstrich mit dem sich an«
MAfiessenden Querstrich vorhanden ist, so dass er scmohl R als.H
gewesen sein kann. Uebrigetts kommt auf den uns bekannten Btempefhi
[6^l} Stempel römisoher Aageiiänte.
DiarhodoQ (n. 4L 42. 71. 86. 93) und Diarodon (n. 4 und 35) neben
einander vor, während die griechischen Aerzte bald dta^^odov bald
dia ^6d(av schreiben. Vgl. Galen, t. XII p. 765 ed. Kühn. Zweifel-
hafter kann man sein darüber, für yelches Augenleiden Isadelfus sein
Mittel bestimmt hatte, da von dem letzten Worte bloss ein perpendi-
kolärer Strich nach dem von Desjardins gegebenen Facsimile übrig
ist, den man für den Rest eines I oder eines L nehmen und somit ent-
weder impetum oder lippitudinem ergänzen kann. Für die Sache selbst
kommt es auf dasselbe hinaus. Wenn man jedoch erwägt» dass auf
den übrigen Steinen, wo uns dies Leiden mit dem Prädicat omnis ver-
bunden begegnet; constant die Bezeichnung ad omnem lippitudinem sich
angewandt findet, so wird man sich wohl eher für die Wahl dieses
Ausdrucks auch hier entschliessen.
118.
Julius Jucundus.
Gefunden zu Lydney in Gloucestershire, jetzt im Besitz von Carl
Bathurst zu Lydney Park.
L IVL IVCVNDI
COLYv MEeTvm
2. IVL IVCvNDI
COLLTR- PENC * '
3. IVL IVCVNDI
COL STACTV
1. lul(ii) lucundi || co[l]ly(rium) melinum.
. 2. Iul(ii) lucundi || collyr(ium) pen[i]c(illo).
3. lul(ii) lucundi || col(lyrium) stactu(m).
Litteratur: Simpson, Monthly Journal of medical science, New
series, vol. XII (1855) p. 338. — A. W. Franks in Archaeological
Journal vol. XIII (London 1856) p. 281 f. — W. H. Bathurst in Pro-
ceedings of the society of antiquaries of London, second series, vol. V
(1871) p. 100 f. — Huebner, Corp. inscr. lat. t. VII p. 235 n. 1309.
Die GröBsenverhältnisse und das Material des Steines sind unbe-
kannt
Der Name dieses Augenarztes ist ebenfalls neu. Der Stempel
ist wichtig, weil er der erste ist, auf dem der Ausdruck collyrium zu
Stempel römisoher Augenftrzte. 117
den Namen der Mittel gesetzt ist, der sonst ja stets allein steht. Als
zweites Beispiel der Art ist seit jener Zeit der Stempel des Facundiis
bekannt geworden. Vgl. n. 116 unserer Sammlung. Von den ange-
priesenen Mitteln ist keines, welches nicht schon längst und mehrfach
durch andere Stempel bekannt wäre. Ueber das Melinum genannte
collyrium verweise ich auf das zu n. 113 Gesagte. — Was das zweite
Mittel anlangt, so hat in P E N G Franks schon das richtige peni-
cillum gefunden. Nur kann man zweifelhaft sein, ob man penicillum
oder mit Huebner peniciUo lesen soll. Es hängt die Entscheidung
liierüber von der Bedeutung ab, welche man dem Worte gibt. Peni-
dllum ist ursprünglich eine Art von Pinsel, mit welchem einzelne
Salben auf die kranken Stellen des Auges aufgetragen wurden, wie dies
Gelsus de medicina VI, 6, 9 klar sagt : ^penicillo fovere oculos oportet,
ex aqua calida expresso, in qua ante vel myrti vel rosae folia decocta
sinf (Vgl. Celsus VI, 6, 8) und Plinius n. h. XXXI, 11, 125 : „mollis-
simum genüs earum (seil, spongiarum) penicilli oculorum tumores levant
ex mulso inpositi. item abstergendae lippitudini, utilissime ex aqua,
tenuissimos esse mollissimosque oportet.^ Weil nun auf dem Stempel
des G. Gintusminius Blandus zu Lyon n. 15 eine spongia lenis erwähnt
wird^ so dass man sieht, dass sich beide Ausdrucksweisen auf dieselbe
Sache beziehen, desshalb hat 6rotefei)4 a. a. 0. S. 30 f. penicillum bloss
die Bedeutung eines Pinselchens zum Abwaschen des Ausflusses aus den
Augen beigelegt. Nun kommt es doch wahrlich nicht auf das Pinselchen
an und fQr sich an, sondern auf die Substanz, welche mit dem Pinselchen
aufgetragen wird, indem es gewiss nicht gleichgültig ist, welches Medi-
kament der Leidende auf sein krankes Auge schmiert. Ich würde daher
der Ansicht Freunds im Lexikon s. v. penicillum beistimmen, dass peni-
cillum in der Sprache der späteren römischen Aerzte auch die Be-
deutung der Salbe selbst, welche mit einem Pinselchen aufgetragen
wurde, erhalten habe. Allein da sich diese Bedeutung des Wortes
nirgends bis jetzt nachweisen l^sst und derselben sogar die ähnliche
Formel SPONG(ia) LEN(is) auf dem Stempel n. 15 geradezu ent-
gegentritt; so wird es richtiger sein mit Grotefend an der ursprüng-
lichen Bedeutung von penicillum festzuhalten und hier mit Huebner
PENC durch peniciUo zu erklären. — Das letztgenannte Mittel
Stactum, dessen Namen Grivaud de la Vincelle, Recueil des monuments
antiques de la France t. II p. 282 schon richtig von der tropfen*
weisen Anwendung desselben hergeleitet hat, kommt sehr häufig auf
den Stempeln vor und zwar für dieselben Leiden, für welche auch
Scribonius Largus compos. medicae c. 4, 34 es empfiehlt.
I
t •
118 Stampd römifober Augtataitei
119.
Lucius JuniuB Macrinus.
Gefunden zu Heerlen, einem kleinen Orte zwischen Aachen und
Maestricht, jetzt seit 1867 im Besitz des königl. Belgischen Staats-
Museums für Alterthttmer zu BrilsseL
1. L- IVNI MACRIN
LENE
2. L- IVNr MACBIN
DELAGRIMATOR
3. L- IVNI MACRI N
DIAZMYRNES
4. L'IVNI MAORIN
CROCDIALEPIDO
1. L(ucii) lunii Macrin(i) || lene.
2. L(ucii) lunii Macrin(i) || delacnmator(iuiKi).
3. L(ucii) lunii Macrin(i) || diazmyrnes.
4. Ii(ucii) lunii Macriii(i) || croc(Qdes) dialepido(8).
littoratur: Warlomont in CujDder et Warlomont, Annales d'oca-
üatique, 80«^ annöe, t. LVII (1867) p. 5506—212. — Habete in
Bulletins des commissions royales d'art et d'archtologie t. VI
(Broxelles 1867) p* 160 ff. — Sichel, Notice sur quelques cachets
in^ts d'oculistes romaina, Paris 1867, eine Schrift, welche ich nicht
selbst gesehen habe. — Femer abermals Habets im Limburger Courier
vom 12. Juli 1867, woraus Freudenberg seine Notis in den Bonner
Jahrbüchern des Vereins von Alterthumsfr. im Rheinl. XUII (1867)
p. 220 f. gesch&pft hat — Endlich Schuermans, Revue archtol, Nouv.
S^rie, t. XVI (1867) p. 75 n. I und Grotefend^ BuUetino dell' institatQ
archeol. rom. 1868 p. 105 f.
Die Maassverhältnisse und der Stoff des Steines, aus dem der
Stempel gemacht ist» sind nicht bekamni
Dieser Stempd bietet ausser dem Namen des sonst noch nieht
bekannteu Augenarztes L. Junius Macrinua, von dem er vier M^td
enthalt, wenig NeuesL Das in der ersten Inschrift jgenannte LENE,
dem das oollyrium ACRE auf Stempel n« 28 gegenübcaratohik» ist eiM
allgemeine Bezeichnung für eiu sanft wirkendes Mittel Es findet
SUmpftl romifloktr Auganärite.
119
metst noch mit einem näher bestimmenden Zutetz, wie Lene herhidum
(n. 59), Ltn6hygia[stieon?] (n. 72), Lene penicillum (n, 64), u. s. w. •*-
Bemerkenswerther iat, dase daa zweite Mittel DfiLAGRIMATOR(ium),
welehea auf den uns bekannten Siegelstanen nur in Verbindung mit
den Namen Melinum, Btactnm und Thalasaeros erscheint, ganz ohne
läJkere Bestimmnng dasteht Von alten Autoren wird es bloss von
Marerilus Empiricus c. 6 erwähnt, der auch über seine Bedeutung
Aufechlnsa gibt. Nach ihm diente -es dazu^ um einen reichlichen
Thranenfluss zu erzeugen, wodurch das Auge klarer wurde. Es ent-
spriobt also den äTtodcaagwiKd^ wekbe Galenus, comm. in Hippocr. de
hnmoribus I, 12 t. XVI p. 149 KUhn erwähnt Uebrigens hat schon
Grotefend a. a. 0. S. 45 ganz richtig darauf aufmerksam gemacht,
dass auf mehreren Stempeln der Ausdruck delacrimatorium als gleich-
bedeutend mit ad epiphoras gesetzt sei, woraus sich denn auch erklärt,
warum diese letztere Bezeichnung so verhältnissmässig selten auf den
Stempeln angewandt erscheint. — - lieber das auf der dritten Seite
genannte Mittel DIAZMYRNES ist schon zu dem Stempel n. 116
des Eprius Facundus das Nöthiiie bemerkt worden. Was die Form
DIAZMYRNES anlangt« so darf man ^ie nicht mit Sichel, Nouveau
recueil p. 34 einem Irrthum des Stempelscbneiders beilegen, sondern
sie ist, wie Grotefend a. a. 0. S. 84 gezeigt hat, die dem Jonischen
Dialekte eigenthümliche Schneibweise durdt z anstatt der sonst ge-
wöhnlichen mit s; dieselbe kehrt Mf den bekannten Stempeln noch
dreimal wieder bei Grotefend n. 7. 60 und 107. Sie ist für unseren
Stempel, der nicht, wie Habets und nach ihm wohl Crrotefend a. a. 0.
S. 105 irrthümlich lesen, Diasmyrnes bietet, durch die Autorität des
Ilerm Dr. Warlomont in Brüssel verbürgt, welcher die Freundlichkeit
hatte auf meinen Wunsch die Jnschriften des Steines noch einmal
genau abzuzeichnen. Durch die Angabe desselben Belgischen Gelehrten
steht es auch fest, dass auf der dritten und vierten Fläche der Gentil-
name des Augenarztes I V N I vollständig ausgeschrieben war und nicht
IV N, wie einige der Herausgeber anmerken. Ich sage )>geschrieb^
war'', denn die Inschrift der letzten Seite hat bedeutend gelitten, so
dass ausser dem Arzneimittel vom Namen des Augenarztes bloss die
Züge L* IV RIN unversehrt erhalten sind. Von den übrigen
Buckstaben des Namens ist bkss die untere Hälfte noeh vorhanden,
so jedodi dass über die Existenz der einzelnen gar kein Zweifel auf-
kemmen kann. — Das zuletzt aufgeführte Arzneimittel C R O C(odes}
DIALEPIDO(s), welches auch in seinen einzelnen Theilen sich auf
120 Stempel römiiiolier A4]geDäi«ie.
den Stempeln angewandt findet, hat seinen Nam^n duot Umdog von
seiner Hauptingredienz, der Ac/rt^, gefeiltem Kupfer, welches hier Enit
einem Zusatz von Saffran, crocus, bereitet ist, wessbalb es crocodes
heisst Auf den bisher bekannten Stempeln wird es fflr Heilcung
von aspritudo (n. 14 und n.91) und ad cicatrices et scabritiem (n. S7)
verordnet. Dreimal findet es sich gerade so, wie auf unserem Steixie,
ohne Angabe der Krankheit, fUr deren Heilung es gebraucht wenL«n
soll (n. 10. 40 und 50). lieber die Wirkungen der lenlg belebir-eo
unsPlinius, nat. bist. XXXIV, 15, 154. „ (squamaferri) contra epiphoE-as
oculorum adsumitur**, sowie~Dioscoride8, mat med. V, 89 : jtidfyvmm
täig 6g>&aXfU7uxig dvvafieai * ^r^gcUvu yaq %ä ^vfictta, äftdc^nunp-Mfa
Tud %ä ßliqwQa ta xqaxia^
120. •
'Marcus L Maritumus.
Gefunden im 'Walde von Laigues hinter dem Schloss vou Plessis-
Brion, Canton Rib^ourt (Döp. de l'Oise).
1. MLMARITV
MI- PACCIANV
M- AD ASPRiTV
2. M LMARITVMI
DIALEPIDOSAD
1. M(arci) L Maritu||mi paccianu||m ad aspritu(dinem).
2. M(arci) L . . . . . Maritumi || dialepidos ad
Litteratur : Desjardins, Revue archöologique, Nouv. S6rie, t XXV
(1873) p. 256 ff. — Derselbe in M^moires de la soc. d'agriculture,
Sciences et arts de Douai, 2"^^ S^rie, t. XI. = Monuments 6pigr. de
Bavai et Douai p. HO n. 10. — Bulletin de la soci^t^ historique de
Compi^ne t. I. (Compifegne 1873) p. 80. — Caumont, Bulletin monu-
mental, 5™« S6rie, t. I (= vol. 39 de la coUection) p. 817.
Der aus grünlichem Speckstein gemachte Stempel hat eine Höbe
von 0,018 m., eine Länge von 0,055 m. und eine Dicke von 0,036 m.
Zwei Seiten smd bloss beschrieben, die eine mit 3, die zweite mit 2
Zeilen, deren letzte an ihren beiden Enden mit kleinen Zwdgen ge-
schmückt ist. Die dritte Zeile dieser zweiten Seite scheint noch fOr
die Aufnahme einer Inschrift hergerichtet gewesen zu sein, da sich
unter der zweiten Zeile noch eine Linie gezogen findet. ^
Stempel römisoher Augen&rzte. 121
Den Familiennamen des Maritamas, der ans hier freilich nicht
zaerst als Aagenarzt entgegentritt, enträthsebi zu wollen, gehört in
das Reich der Unmöglichkeit, so lange ans nicht der an Denkmälern
dieser Art so reiche Boden Frankreichs einen Stempel dieses Arztes
mit dem vollständig aasgeschriebenen . Namen gespendet haben wird.
Desjardins wollte M[arci et] Lfacii] Maritami erklären, so df^s Mari-
tami far Maritamorum stände, als wenn der Gravear hätte Marci
Maritami et Lacii Maritami bezeichnen wollen; ich halte dieses
für sehr gewagt^ weil ans nicht ein analoges Beispiel aas der Epi-
graphik daza das Recht gibt. Ich selbst kenne wenigstens keines,
wenngleich Desjardins deren za kennen behaaptet, and aas den be-
kannten Angenarztstempeln am allerwenigsten. Es wird daher einst-
weilen gerathener sein, sich mit dem Oeständniss za b^nügen, dass
wir den Gentilnamen des Maritamtis nicht kennen. Ob der hier ge-
nannte M. L. Maritumas mit dem Maritamas aaf dem Stempel n. 70,
dessen praenomen and nomen gentiliciam gänzlich anbekannt ist, eine
and dieselbe Persönlichkeit war, wage ich nicht za entscheiden, zamal
da ans jeder Anhaltspunkt daza fehlt.
Das GoUyriam Pacdanum, welches uns hier geboten wird, hat
seinen Namen wahrscheinlich von Paccius Antiochas, eintm aus Sicilien
stammenden Arzte, welcher unter Kaiser Tiberias lebte. Vgl. Galenus,
Gompos. medicam. sec. locos IX, 4 t. Xin p. 284 Eflhn; Marcellus
Empiricus, de medicam. c. 20; Scribonias Laigus, Comp. med. 23, 97
und 40, 156. Seine Bereitung und Anwendung kennen wir aus Nicolaus
Myrepsus, Antidot. Sect. 24 c. 27 ; Aötius, Tetrabiblon 11 c. 3, 109, sowie
durch Galenus 1. c. IV, 4 t. XII p. 760. 772. 782. Die Anwendung,
in welcher es hier erscheint, ist vollständig neu, indem es auf den
bisher bekannt gewordenen Stempeln ad diatheses gebraucht wird. —
Das Leiden, für welches Maritumus das an zweiter Stelle aufgeführte
Mittel verschrieben hatte, fehlt auf dem Stempel. Es ist auch schwer
zu bestimmen, welches es möglicher Weise gewesen sein kann. Denn
wir kennen so viele und mannigfaltige Gebraucharweisen des Dialepidos
aus den vorhandenen Stempeln, dass durch einfache Coiyectur kein
einiger Massen befriedigendes Resultat gewonnen werden kann. Man
bediente sich nämlich seiner ad aspritadinem (Grotefend n. 3. 42. 49.
65. 66. 68. 76. 83. 90), ad aspritadinem et cicatrices (n. 54), ad
cicatrices oder ad veteres cicatrices (n. 25. 66. 79. 88), ad claritatem
(n. 18) und endlich ad diatheses (n. 4). Desjardins vermuthete, dass
jder Name der Krankheit absichtlich weggelassen sei, um denselben
128
SWnpol
Auganinie.
elBtreteaden falls nach ^m Wonach und dem fiedüffoisa de» Cl
nachtrlglicb mit Hülfe eines anderen Stempek aofimtragen, ein
mathnng, die an und für sich einige Wahrscbetaüiehkeit hat.
121.
Proclianus.
Gefluiden za Bougnenais (D^p. de ht Loire-InfMeare), je
Museum zu Nantes.
1. PROCLIANI
DIAGESAM-AD LP
2. PROCLIANI
DIABHOD' AD- L
3. PßOCLIVM
PROCLI
4. PROCLIANI- DI
ASMYRNPOSTM
1. Frodiani |l diagcs(8)am(ias) ad l(i)p(pitudinmi).
2. Procliani || diarhod(on) ad l(ipp]tudinem).
3. Prodmm || Procli(anI?).
4. Procliani di!|a8myni(e8) poet (i)m(petam seil, lippitudlnis
Litterator: F. Parenteau, Catalogue du mus^e däparte
d'arch^ogie de Nantes et de la Loire-Inf^rieure, 2^ 6d., IT
1869. 8^. p. 103. — Grotefend in Bullelioo delP Institute rom.
p. 190 f. nach einer Abschrift, die er von John Evans in Nash—
bei Hemel Hempsted erhalten hatte.
Gröfisenverhältnisse unbekannt Material des Steines: Sek^
Der Name des Augenarztes, welcher ebenso wenig wie die w
meisten der anderen auf Stempeln genannten Augenärste in
Schriften der griechischen Aerzte sich nachweisen läset, ist durchs
Reihe von Inschriften, auf die Grotefend schon hingewiesen hat,
Corp. inacr. Rhen. n. 1583. 1584« 1590. Inscr. regni Neap. n.
Torbürgt» zu denen jetzt noch Corp. inscr. lat. III n. 140B, Gruier p.
und Boissieu, Inscr. antiq. de Lyon p. 435 n. 113 hinzugefSgt
können. Unter den Heilmitteln, welche auf dem Stempel
werden, shid die an der zweiten und an der vierten Stdle genai»^
und zwar in der hier bezeichneten* Nutzanwendung schon andervir
tÄ^
ÜD
Sites
»iE
^«ne
4:ß^1
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Siempel rönuMher Angtninta. 138
bekannt Denn das Diarhodon findet sich ad impetom bei Oretefsnd
B. 4. 35. 98 ange?randt, was so viel heisst wie ad impetum Uppitudinis
und was hier durch ad lippitndinem bezeichnet Ist. Denn wenn aoch
beide, Parenteau und Evans» seltsamer Weise übereinstimmend AD'L,
sowie anf der vierten Seite P 0 S T * M geben, so hat Orotefend, wie
mir scheint, vollkommen richtig angenommen, dass in dem einen Falle
AD LI, in dem anderen AD* IM durch Ligatur der Buchataben
geschrieben war und beides desshtdb von Beiden unbeachtet geblieben
ist; ebenso wird auf der ersten Seite am Schluss der zweiten Zeile
AD' LIP durch Ligatur geschrieben sdn, wo die Herausgeber beide
bloss A D * L P lesen. Die Anwendung des Diasmymes post impetum
seil. Uppitudinis gebort zu deigenigen, welche am häufigsten auf den
Stempeln vorkommen. Vgl. beispielsweise Grotefend n. 7. 19. 24. 29. 49.
55 u. s. w. — Wichtig ist das auf der ersten Inschrift genannte Mittel
D1A6ESAM, — denn so steht nach Parenteau's Angabe auf dem
Steine und nicht DAOESAM, wie Grotefend nach Evan's Mit-
theilung angibt, — weil es neu ist Grotefend hat es richtig erklart
dia yijq Safuag, so dass es eigentlich Diagessamias mit doppeltem s
heissen müsste. Dass sich die Stempelschneider dergleichen Freiheiten
erlaubten, wird denjenigen nicht befremden, welcher mit der Ortho-
graphie unserer Siegelsteine auch nur ein wenig vertraut ist. Denn
so steht, um nur ein Bei^iel anzuführen, auf dem Stempel des Diony-
sodorus zu Paris n. 43 P AGCIAN • ADI AT für AD DI AT(HESES).
Ja man ging sogar so weit und kürzte beide Worte A ' D ab, wie auf
n. 64 oder A D ohne zwischengesetzten Punkt wie auf n. 44. Was das
Mittel selbst anlangt, so war Samische Erde und besonders eine Sorte,
welche wegen ihrer Feinheit dar'^Q hiess, für die Bereitung von Augen-
heilmitteln sehr beliebt. Vgl. Paulus Aegineta HI, 22 p. 433 ; VII, 3
p. 617; Alexander Trallianus 11, 1, 5; Dioscorides V, 171. Und Ga-
lenus führt gerade für dieselbe Krankheit^ welche hier genannt wird,
aus Samischer Erde präparirte Mittel an. Galen, de compos. medi-
cam. sec« locos IV, 8 t. XII p. 757 E. : „to dva y^g Safitag rigewov
ijtiygcupo^isvov nqog iTtifpoQag tuxI diad'iaeig.^^ Vgl. t. XII p. 760 K. : „to
dia ytjg 2afuag ncnodov oq>d'aXfAi7Cov ngog tag hii%ezafievag duxd'iasig^
und p. 759 : ^^%v%vog dia y^g Sapdag nqog ^httj TtavTouXy TtQog in;iq>OQag,
naqimiwiaig^ vnonva 6g>d'ak^ov,^'' —
Vor allem Anderen erregt aber Interesse die dritte Seite des
Steines mit ihrer von Evans nicht gelesenen Inschrift PROCLIVM
PBOCLI, die in mehrfacher Beziehung Sonderbarkeiten zeigt. Das
124 Stempel römischer Augenftrste.
hier genannte Mittel hat seinen Namen jedenfalls von seinem Erfinder,
wie wir ein Terentianum nnd ein Paccianum schon kennen. Allein da die
Bildung des Adjektivs so schwerlich in Ordnung ist und Evans sowohl
als Parenteau, wie wir schon oben zu sehen Gel^enheit hatten, auf
die Ligaturen des Stempels nicht ein genfigendes Augenmerk gerichtet
zu haben scheinen, so hat wahrscheinlich der Stein PROGLIANVM
in ligirten Zügen, was Parenteau für PBOGLIVM angesehen hat.
Woraus das Mittel bestanden hat, das wird wohl ein ungelöstes Bäthsel
' bleiben, da der Name dieses Mittels bei den medicinischen Schriftstellern
nicht vorkommt Ob PROCLI der zweiten Zeile einen von dem
auf den drei übrigen Seitenflächen genannten FROCLIANVS ver-
schiedenen^ Arzt bezeichnet, wage ich nicht zu entscheiden, so lange
wir nicht eine genauere Beschreibung als die von Parenteau gegebene
von dem Steine haben, welche zu verschaffen mir leider nicht hat
gelingen ^) wollen. Ich neige jedoch zu der Ansicht, dass es ein und
dieselbe Persönlichkeit ist, von der alle vier Mittel herrühren und
dass der Name auf dieser dritten Seite, weil er durch die vorher-
gehenden hinlänglich bekannt war, vom Stempelschneider nicht mehr
vollständig eingeritzt worden ist. Etwas ganz Aehnliches haben wir
ja auf dem Siegelsteine des C. Cispius zu Vichy (n. 16), wo zuerst
C ' G I S P und dann G * G I S steht und auf dem des T. Julius Attalus
zu Paris (n. 40), wo der Name, nachdem er zweimal vollständig ausge-
schrieben ist, auf der zweiten und vierten Seite bloss durch die An-
fangsbuchstaben T. I. A jedes Mal bezeichnet ist Eine andere Eigen-
thümlichkeit hat unser Stempel auch noch insofern, als auf dieser
dritten Seite gegen die sonstige Gewohnheit derselben der Name des
Arztes hinter dem Mittel genannt wird. Allein ohne Analogieen ist
auch diese Wortstellung auf den bis jetzt bekannten Steinen keines-
wegs. Dfenn gerade die beiden eben genannten Stempel haben auch
diese Eigenthümlichkeit, indem bei dem ersten, welcher nur auf zwei'
Seiten beschrieben ist, die Inschrift zuerst G'CISP SIAGI lautet,
WAS Grotefend sehr treffend in G • G I S P(ii) S T A G T(um) verbessert
hat, und dann DIASM(ymes) C* GIS(pii) folgt Ebenso geht auf
dem Pariser Stempel des T. lulius Attalus auf drei Seiten der Name
') Es ifll dies um so mehr za beklagoD, als daza wahrscheinlich jetzt jede
Möglichkeit abgeschnitten ist Denn allem Anschein nach ist unser Stempel
durch die Feuersbmnst, welche im J. 1871 das Museum zu Nantes heimgesucht
hat, mit vielen anderen werth vollen Gregenständen zerstört worden.
Stempel römischer Augenärzte.
l25
des Arztes dem Mittel voraus, während man auf der vierten P Y X(inon)
T. I(alü) A(ttali) Uest
Endlich hat unser Stempel auch das mit mehreren anderen
Stempeln gemein, dass der Name des Arztes auf der einen der beiden
Breitseiten des Steines in der Mitte eingeschlossen von vier einfachen
Linien in folgender Form wiederholt ist:
1
1
1 '
1
1
PROi
1
Wir werden uns wohl hüten mit Parenteau^dies durch Indicium
Procliani zu erklären. Es ist dies nichts anderes als Procliani und
diente diese Wiederholung des Namens des Arztes, ähnlich wie auf
dem Stempel des L. lulius Docilas zu Besangon (n. 44), einfach dazu,
um den Verkäufer schnell zu orientiren, damit er sich beim Stempeln
der Büchsen resp. Mittel nicht yerthue. Uebef diese Einrichtung
vgl die Bemerkungen in der Einleitung S. 97 tL
122.
Sextus R Hermes.
Nach Borghesi gefunden zu Bomf später im Besitz des Fürsten
Eugenio Basponi zu Ravenna. Da dessen Grossmutter, die Königin
Caroline von Neapel, welche die Antiken sehr liebte, viele Kunst-
gegenstände in Frankreich für ihre Sammlung aufkaufen liess, so
zweifelt Renier ganz mit Recht daran, dass der Stein zu Rom ge*
funden sei, weil zudem bis jetzt kein einziger der vielen Steine, als
dem italischen Boden entnommen, mit Sicherheit nachgewiesen ist
Denn der Stempel des P. Aelius Theophiles bei Grotefend n* 2, wdcher
angeblich aus Siena stammen soll und den Gori, Inscr. antiquae in
Etruriae urbibus extantes. vol. I p. 63 n. 8 unter den Inschriften von
Siena veröffentlicht hat, weil er zufällig sich damals in der Sammlung
eines Antiquars jener Stadt befand, gehört wahrscheinlich ebenfalls
einem anderen ausserhalb Italiens li^enden Fundort an. Vgl Renier,
Comptes rendus de Tacad. des inscr. et belles-lettres de l'annte 1870,
Nouv. S^rie, t. VI (Paris 1870) p. 79 und Ch. Robert, M^langea
d'arch^logie p* 15.
126 Stampf römitohar A«g«iiinte.
Der Stempel lautet nach Borgheafs Abschrift :
1. S R HER MELIN
2. S RHER THERM
3. S RHER STACT
4. S R HER G R 0 C
1. S(exti) R Her(meti8?) melin(am).
2. S(exti) R Her therm(iiium).
3. S(exti) R ..... Her stact(am).
4. S(exti) R Her croc(odes).
Litteratar: Orotefend im Balletino dell' Instituto archeol. rom.
1868 p: 104 nach einem ungedruckten Brief Borghesrs an Benzen.
Grössenverh<nisse und Material des Stempels sind unbekannt
Der Gtetilname und der Zuname des Arztes ist bei der unange-
messenen Abkürzung schwerlich mit einiger Sicherheit festeusteUen.
Ich habe zwar naeh dem Vorgange Grotefends Hermetis geschriebeDi
wie Borghesi die Abkürzung HER gedeutet hat^ ohne dai8 ich bth
haupten will, dass dies auch nur die annäherwl mttgliche Maknensfonn
des Augenarztes gewesen ist. Dieselbe kennen wir schon aus einer
Bologneser Inschrift als deiche emes Augenarztes, nämlich des M.
Latinius M. f. Hermes bei Fabretti, Inscr. antiq. IV, 377 p. 300 und
Spon, Miscellan. p. 143. Aber ebenso gut konnte er Hermias heissen
oder Htrades^ wk der M« Ulpins Herades auf den beiden Nytnw^ener
Steinen bei Grotefend n» 98 and 94 oder Hermen, wie ein Arzt bei
OetauB VI) By 24 üidk nennt oder Heron, Tto dem Galeüus de oMipos.
medicaia. set loeos IV^ 8, t XH p« 745 ein Mittel gegen SdUntnoD
iumL AttSÖnss der Augen anführt -^
Die auf dem Stenq^d erwähnten Mittel sind alle bis auf das an
zweiter &H»lle genamte hinlänglich aas den übrigen Siegelstcinfen b^
kannfc« Nur bezüglich dieses könnte man einen Augenblick zweifelinft
sein^ ob mit Bocghesi THEBM(iBttm) zu lesen sd oder THERM (anti-
cura)t ein Ausdruck^ dessen Gaienns L c. IV, 1 t Xli p» 700 Kohii ge-
denkt^ um die Wkkong eines bestimmten Mittels zn chavaktorüdiea.
Es Wird jedodi wohl geratbena sein mit Grotefeod das BorghesiMie
Theraünum beiznbehalten, von dem Plinius der Aeltere berifibte(, das
ee besänftige und eiue äbnlkiie Wirioing ausübe wie dits aus Besen
beseitete collyriuili: ^therayniun (eleaui) e liq^is Mnollit, ptDxinuon
rosaceo effectu." Vgl. Plinius nat. bist XXTTI, 4» 94. -- Daes die
t
Aug^affectioneii selbst nicht genaimt werden, wof&r die Mittel ang^
priesen werden^ darf nicht aufillig sein, da ditßs auch sonst Statt findet.
123.
Tiberius Samb . . . . .?
Der Fundort des Btempeb ist unbekannt, er befindet sich Jetzt im
Museum der Familie de Minicis zu Fermo.
tSAMB LENE • STACTMOP OCROMELLoN
Ti(berii?) Samb(?) lene, 8tact(u)m opo(balsamatttm), cro(codea),
meI(in)on(?).
Litteratur: Rafbele de Bfiaids^ Le iscrudoui Fennane aiititihe e
moderne. Fermo 1857. 8^ p. 821 n. 66&
Orössenverhältnisse und Material des Steines sind unbekannt.
De Minicis a. a. 0. S. 388 sagt, die oben mitgetheilte Inschrift
befinde sich m una pvettma^ che si opina ^ssere f&rse un tamdeto.
Diese letztere Ansicht des italiänischen Gelehrten, dass der Stein mit
seiner Inschrift als Anmlet gedient habe, ist, wie Jedermann sofort
erkennt, grund&lsch, wenn gleich de Minicis auch keine nähere Be-
schreibung desselben gegeben hat. Er ist vielmehr ein einfacher
Okulistenstempel, dessen lulichrifk aber, wie eine genauere Besichtigung
ergeben wird, von de Minicis in höchst ungenauer Abschrift wahr-
scheinlich mitgetheilt ist* Da ich mir leider keine genauere Abschrift
des Stempels trotz Aufwendung vieler Mähe habe verschaffen können,
so werden wir uns einstweilen mit der Lesung von de Minicis als
Richtsdmur begnügen müssen. Ich habe daher auch mit ihm die In-
schrift in fortlaufender Zeile gegeben, da wir jeder Angabe über
Zeilenabtheilung entbehren, obgleich es w&htsebeinlich ist, dass die
Namen der einzelnn Collyrlen gerade eo sich auf die verschiedenen
Seitenflächen werden verth^t haben , wie c^es bei anderen kleinen
Augenarztstempeln der Fall> ist, welche bloss die Namen der Mittel
ohne Angabe der Leiden enthalten, Wofßr sie bestimmt sind.
In den vor LENE stebendea Worten scbsint dar Name des
Augeoarstes zu stocken, von dem die Heilmittd. des Stempels her-
rühren. Wie derselbe gelautet hat, darüber halte ich mit jeder
Vermuthung lieber an mich, da sie zu unsicher ist und es der Möglich-
keiten zu Viele gibt. — In den folgenden Worten sind nur Mittel
genannt, die alle schon anderwärts bekannt sind, und zwar, wie ich
et»en hervorgehoben habe, ohne Neninmg der Augenleiden, für welche
128
Stempel römiBoher Aogenänte.
ihr Gebrauch empfohlen wird. VgL n. 16. 28. 30. 36. 38. 40. 45 u. a. m.
lieber LENE vgl die Bemerkung zu Stempel n. 119 ; über STACT(a)M:
verweise ich auf das zum Stempel des Julius Jucundus (n. 118) Ge-
sagte. Ob S T A CT(u)M hier für sich allein zu nehmen ist oder ob es mit;
opobalsamatum verbunden werden muss, darüber kann man zweifelhaft:
sein, weil beide Mittel sowohl alleinstehend (vgl. n. 16. 34) als aucl^
mit einander verbunden (n. 5. 10. 22. 48) auf Stempeln vorkommeo.^
Was die Schreibung der beiden Worte anlangt, so scheint V
STAÜTM weniger zu fehlen als mit M auf dem Steine ligirt
sein, was de Minicis wahrscheinlich entgangen ist. Die Abkürzuft^
von opobalsamatum durch 0 P 0 kehrt noch einmal wieder auf det^
Lyoner Stempel des G. Cintusminius Blandus n. 15, während gewöhnlie;^
0 P 0 B sich geschrieben findet. — Das G R O(codes) ist hinlangUt
bekannt, und die hier vorkommende abgekürzte Schreibung durch da<
gleiche auf dem Stempel des Munatius Tacitus zu Ntmes n. 74
stätigt. — Was M E L L 0 N bedeuten soll, vermag ich nicht zil
stimmen; ich vermuthe, dass es vielleicht Melinon hat heissen solLdi,
wie ich auch oben versuchsweise geschrieben habe. —
124.
Septim.ius Soterichianus.
Gefunden in den sechziger Jahren in den Weinbergen von
östlich von der Stadt Nuits (D^p. de la Göte-d'Or), an dem
Orte, wo im J. 1845 der Stempel des Caius Dedemo (n. 26)
graben worden ist, und jetzt in der Sammlung des Herrn Bou
Nuits-sous-Beaune befindlich.
1. SEPT • SOTERIGHIANI
PALLAD- AD DIATHES
2. SEPT • SOTERIGHIANI
DIAMYS- ADVET • GIGAT
1. Sept(imii) Soterichiani || pallad(ium) ad diathes(es).
2. Sept(imii) Soterichiani || diamysCus) ad vet(eres) cicat(ri
Litteratur: L^on Renier in Revue des soci^t6s savantes de0
partements, 5»« S6rie, t. IV (Paris 1872) p. 534 f. und p. 361 n^-
einem Facsimile von Auräs in Ntmes.
Der Stempel bildet ein Rechteck von 0,092 m. Länge und 0,046
olat
rten
sge-
in
Stempel röxnisober Augenärzte. 129
Breite. Die Steinsorte, aus der der Stempel gefertigt ist, ist unbekanut.
Die Inschriften stehen auf den beiden Längenseiten des Steines.
Der Name des Augenarztes Septimius Soterichianus war bisher
noch nicht bekannt. Das Mittel der ersten Seite Palladium findet sich
schon auf zwei Stempeln n. 46 und n. 98 und ist uns seine Zusammen-
setzung, da der Name selbst uns keinen Aufschluss gibt und die alten
Autoren, welche über Medicin geschrieben haben, es nicht erwähnen,
völlig dunkel. Schon Sichel, Cinq cachcts d'oculistes romains (Paris
1845) p. 10 f. hat nicht ohne Grund die Vermuthung ausgesprochen,
dass wir es^ in Palladium mit einem aus Spekulationsrücksichten ger
wählten, pomphaften Namen eines Mittels zu thun haben, ähnlich wie
dies bei den mit Isotheon (n. 64), und Isochryson (n. 1) bezeichneten
Mitteln der Fall ist, welche uns recht die Charlatanerie und Markt-
schreierei , jener antiken Augenärzte 0 enthüllen. Die Anwendung des
Mittels, welche hier proponirt wird, ad diatheses, welches die bei
Augenärzten allgemeine Bezeichnung für Augenkrankheiten ist *), ist
neu: auf dem einen der hier einschlägigen bekannten Stempel (n. 46)
heilt ein gewisser L. Silius Barbarus mit dem Palladium die cicatrices
oculorum, während auf dem andern n. 98 leider der Name der Krank-
heit getilgt ist, für deren Heilung das Mittel empfohlen wird. —
Das Mittel der zweiten Seite Diamysus, über dessen Schreibung
ich auf das zu n. 116 Gesagte verweise, gehört zu denjenigen Mitteln,
welche weitaus am häufigsten uns auf den ^Stempeln begegnen und
zur Heilung der hier genannten veteres cicatrices oculorum ausser-
ordentlich viel angepriesen werden. Die Krankheit selbst, welche in
^) In dieeen Zweig der äntlichen Thätigkeit greift es denn auch ein^ wenn
OribasiuB bei Aetius, Tetrabiblon II, 3 c. 105 ein nvCxf(tov und ein ovQavtov
kennt, wenn ein gewisser ABclepiades sein Mittel aarriQ avUrftog nannte nach Galen,
de compos. medicam. sec. locos lY, 8 t. XII p. 761 Kühn, und wenn es eine
Arznei Ambrosia gab, womit Archibios alle inneren Krankheiten, Phiiippus von
Macedonien die Wirkungen tödlicher Gifte und endlich noch ein anderer unge-
nannter Arst die intermittirenden Fieber kurirte. Galenus 1. c. II, 8 t. XII
p. 64, de Antidotis II, 8 t. XIY p. 149. II, 10 p. 159. Und wenn selbst re-
nommirte Aerzte, wie Galenus, zu solchem Schwindel schweigen, ja solche Mittel
selbst anempfehlen, dann darf unsere Zeit gewiss sich über die „Zauberwasser
und Naturheilmittel", welche in unseren Zeitungen so massenhaft angepriesen
werden, beruhigen.
') Dies hat Sichel, Nouveau recueii p. 57 durch Yergleichung der ein>
seUagigen SteUen aus den Schriften der alten Aerzte erwiesen. '
9
130.
Stempel römischer Aoiarenärzte.
Narben der durchsichtigen Hornhaut des Auges besteht^ scheint übrigeci^
ziemlich allgemein in jener Zeit gewesen zu sein, da sie mehr al^
dreissig Mal allein auf unseren Stempeln Erwähnung gefunden hat.«
Vgl Sichel, Cinq cachets inödits p. 9.
125,
Sollius Hermldius und Munatius Marcellus.
Gefunden in dem Amphitheater zu Senlis (Dep. de TOise)
den Ausgrabungen, welche das archäologische Gomit^ jener Stadt
J. 1869 an jener Stelle hat ausführen lassen.
1. SOLHEBMIDI
NARDIN VM
. SOLHERMID-
DIALEPIDOS-
3. MVNAT MAR
GEL PACCI////
NADLIPEXO////
1. Sol(lii) Hermidi(i) || nardinum.
2. Sol(lii) Hermld(ii) || dialepidos.
3. Munat(ii) Marl cel(li) pacci[a|!n(um) ad lip(pitudinem) ex o[v^^^l'
Litteratur: Longp6rier im „Courrier de l'Oise" vom 11. Juni 18^5 d,
dessen Aufsatz wieder abgedruckt ist in der Revue ar<;h^ol., No^
S^rie, vol. XX (1869) p. 61 f. — Daraus Orotefend, Balletino d<
Instit. arch^ol. rom. 1870. p. 189 f.
Die Grössenverhältnisse des Stempels sind unbekannt.
Material, aus welchem er gemacht ist, ist grünlicher Schieferstein«
ja neben Serpentin am meisten sich zu dieser Art kleiner DenkmäB^^
verwendet findet. —
Die angeführten Mittel sind alle schon längst aus ander^^
Stempeln bekannt und bereiten dem Verständniss keine SchwierJ
keiten. Neu ist dagegen die Anwendung des an letzter Stelle
führten Mittels, des Paccianum, ftir die Beseitigung der lippituA^'^
während es auf den schon bekannten Siegelsteinen für die diathesi^^
cicatrices un<r rheuma als spedficum bezeichnet ist. Dass die har^''
JI
«
Stempel römischer Aagen&rste.
181
gewordenen Collyrien in Eiweiss aufgelöst wurden, ehe sie auf den
kranken Theil des Auges aufgetragen wurden, bedeutet der auch sonst
auf den Stempeln sehr häufig wiederkehrende Zusatz EX OVO, wie
dies Grotefend zu n. 7 p. 24 aus Gelsus VI, 6, 12 und Galenus de
compos. medicam. secundum löcos IV, 8 t XII p. 746 f. Kühn hin-
reichend nachgewiesen hat: —
Was die Namen der .hier genannten Aerzte anlangt, so macht
der des ersten einige Schwierigkeit, indem es nicht klar ist, ob mlEm
HermiduB oder Hennidius lesen muss. Die Form Hermidus lässt sich
bis jetzt nicht nachweisen. Lassen wir daher Hermidus als Cognomen
bei Seite und lesen Hermidius, so gewinnen wir zwar eine Namens*
form, die über jeden Zweifel erhaben und die, wie Grotefend dargethan
hat, durch inschriftliche Zeugnisse ^) verbürgt ist, allein dann hätte
der betreffende zwei Gentibiamen und kein Cognomen. Es sei denn,
dass wir zu der Annahme unsere Zuflucht nehmen, dass Hermidius
auch als Cognomen in späterer Zeit gegolten habe, eine Erscheinung,
welche allerdings in der späteren römischen Kaiserzeit nicht ohne
Analogieen dasteht. Wie gesagt, es ist dies eine Schwierigkeit, welche
nicht so gelöst werden kann. Ebenso kann man bei dem Gentilnamen
des Arztes zweifelhaft sein, ob er Sollius geheissen hat oder S(extus)
OUius, so dass S vor 0 L der Vorname war. Beide Gentes sind hin-
länglich bezeugt ; ebenso findet es sich, dass fast eben so häufig die
drei Namen eines Arztes wie bloss zwei auf den Siegelsteinen genannt
werden. Ich habe es mit Grotefend vorgezogen, ihn der gens SoUia
zuzutheilen, weil auch der Name des zweiten Arztes ohne Vorname
angeführt ist. — Der Name des zweiten Arztes Munatius Marcellus
findet seine Bestätigung in zwei Inschriften von Treventum in Samnium,
wo ein C. Munatius Marcellus vorkommt. Vgl. Mommsen, Inscr. regni
Neap. 5164. 5175.
Allem Anscheine nach sollte unser Stempel ursprünglich noch
eine vierte Inschrift erhalten; denn auf der vierten Seitenfläche sind
deutliche Spuren von Linien vorhanden, welche dazu bestimmt waren
noch mit einer Inschrift beschrieben zu werden, was aber nicht aus-
geführt worden ist. '
••
') Yergl. Corp. inscr. lat. t. III n. 534, wo auf einer Inschrift zu Corinth
L. Hermidius Celsus, L. Hermidius Mäximus und ein dritter L. Hermidi usf
dessen Cognomen durch Zerstörung des Steines weggefallen ist, vorkommen.
182 Stempel römisoher Augen&nie.
126.
Caius Valerius Amandas und Cains Valerius Valentinus.
Gefunden an einem Orte, the Ballast Hole genannt, bei Biggles-
wade Station, einige engl. Meilen südlich, unweit Sandy (ßedfordshirej
im J. 1873, jetzt im Besitz von J. G. Lucas in London.
1. CVALAMANDI
DIOXVM AD BEVMATIc
2. cvalamandi
stactvmadca
3. c- val- valentini
diaglavc post im^ ljip
4. c val valentini
mixtviöTad gl- "^
k G(aii) Val(erii) Amandi || dioxum ad r(h)eumatic(a).
2. C(aii) Val(erii) Amandi || stactum ad ca(liginem).
3. G(aii) Val(erii) Valentin! || diaglaac(itt) post imp(etum) lip(pi-
tudinis).
4. G(aii) Val(erii) Valentin! || mixtum ad cl(aritatem).
Litteratur: G. Knight Watson in Pi'oceedings of the society of
antiquaries at London, 2^ Series^ t. VI (London 1873) p. 39 ff. nebst
Facsimile. — Daher E. Huebner in der Aixhäologischen Zeitung Bd.
XXXI (= Neue Folge Bd. VI), 1874, S. 138 f.
Der Stempel ist ein viereckiger Speckstein (steatite), welcher 2
englische Zoll misst bei einer Länge von IVs engl. Zoll Oberfläche
und % engl. Zoll Dicke.
Dieser mit ausserordentlich vielen Ligaturpn geschriebene Stempel,
wobei zweimal drei Buchstaben (IMP, LIP), an einer anderen
Stelle sogar fünf Buchstaben (VMATI} in einem Schriftzug vereinigt
sind, enthält die Mittel zweier Aerzte, von denen keiner auf den bis
jetzt aufgefundenen Steinen vorkommt Von jedem haben wir zwei
Mittel. Der erste derselben, C. Valerius Amandus, hat in der ersten
Inschrift eine Salbe verordnet das Dioxum {dt' o^ovg aus Weinessig),
welches bloss auf einem einzigen der bekannten Stempel (n. 53) vor-
kommt und zwar in der verlesenen Form H 0 F S V M , wofür schon
Stempel römischer Augenärzte. 188
Grotefend und Watson an Dioxum richtig dachten. Marcellus Empi-
ricos c 8 empfiehlt es ad aspritudines ocoloriun toUendas; auf dem
Stempel n. 53 hat es die etwas missliche Bestimmung, ein Universal-
mittel 0 zu sein, am die Fehler anderer Aerzte wieder gut zu machen,
oder, wie es auf dem Steine selbst heisst, ad quaecumque delicta a
medicis. Hier wird es ad rheumatica verordnet, ein Leiden, welches
Galenus de compos. medicam. sec. locos IV, 8 t. XII p. 750 htiq>oQai
i€vficerog lemov oder einfach ^fia leftvov nennt. Es sind also
Affectionen dies Auges, welche starken Secretionen unterworfen sind.
Vgl. Aristoteles,v Problem. XXXI, 5, 1; Dioscorides II, 152; V, 39. —
Das in der zweiten Inschrift angeführte Mittel Stactum nebst der
Nutzanwendung ist so häufig auf unseren Stempeln, dass ich über
dasselbe kein Wort zu verlieren brauche;
Der zweite der hier genannten Aerzte, G. Valerius Valentinus,
debütirt in der erst^ Inschrift mit einem weniger bekannten Mittel,
dem Diaglauciu, und zwar far einen Zustand des leidenden Auges,
wofQr sonst, wie es scheint, als specificum durchgängig das collyrium
Diasmymes in Anwendung gebracht wird. Vgl. Grotefend n. 7. 19.
24. 29. 49. 55 u. s. w. Was die hinterher folgenden Worte post im-
petum lippitudinis bedeuten, hat Sichel, Nouveau recueil p. 29 klar
gestellt, dessen Worte ich hier folgen lasse : „post impetum signifie un
coUyre utile aprte que la premi^re violence de rophü^almie est passte,
^) Wenn der dort genannte Titas Jnnianus wirklioh seinen Zweck erreicht
hat, mit Hülfe des Dioznm alle Fehler der übrigen Angenärste wieder gut bu
machen, dann hat er gewiss unsere voUe Anerkennung verdient. Denn dass
nicht selten recht grobe Missgriffe in der Behandlung der Augenübel vorkamen,
dazu liefert uns das spasshafte Epigramm des Strato eine sehr hübsche Ulastra-
tion, worin erz&hlt wird, wie Gapito einen gewissen Chrysee mit seiner Quack-
salberei aUmfthlich so weit gebracht hatte, dass er fast gar nichts mehr sehen
konnte. Anthol. Pal. XI, 117:
^IijtQos KttTtirwv Xgvüffv ivixQ*OiVf oQÜYitt
oxriü fikv fiax^ov Tivgyoy ano ataSiwVy
ffd'CiQa <r ano ani^fAWP x«el Svo Sigxof^evov.
Nvv <r ano fikv tna^Cov noltw ov ßlinii^ ix JA StnU^gov
muof^ivov xtniiiiv tov (poQov ov Suvaiai*
Xnnov ano am&afirjg ^k (lokti ßlinu^ avtl 6k tov ngiv
ogtvyos ovdk (liyav tngovOvv tSity Svvtnat,
u4v 6h nQog^yxQtaag ainov (p&atrrf, ov6^ H^ffavitt
ovxHi fiijnot^ tSff nXriifhv imaota.
184 Stempel römischer Ang^n&nste.
et qu'elle est döjä sur son dtelin oo accompagnäe de söcr^tion
muqueuse," Die Form Diaglauc hat Watsona. a. 0. S. 40 Diaglaudom
gedeutet, jedoch mit Umgeht. Denn aie entspricht dem griechischen
öta ykavT^eiov und ist gerade so gebildet, wie die ähnlichen Benennungen
anderer Mittel wie Dialibano, Dialepidos, Diasmymes u. s. w. Es
muss demnach heissen Diaglauciu, wie auch Osann, Philologus Bd. XIV
S. 635 bei Plinius nat hist. XXVII, 10, 83 in den Worten „hinc tempc-
ratur collyrium, quod medici diaglauciu (die Handsa. diaglauda) vocanf'
richtig verbessert hat. Neben Diaglauciu kommt auch eine zweite
Form Diaglauceu vor, welche uns der Stempel des Hirpidius Polytimus
zu Lyon n. 38 bietet, gebildet von glauceum, das durch Columella de
cultu hortorum v. 104 und Andere verbürgt wird. Vgl. Grotefend S. 59.
Receptc dieses Mittels nebst Gebrauchsanweisung geben Scribonius
Largus compos. med. c. 3, 22 und Dioscorides III, 90. —
Das in der vierten Inschrift verzeichnete collyrium mixtum, welches
bis jetzt nur einmal und zwar auf dem Pariser Stempel des Decimus
Flavianus (n. 31) wiederkehrt und an das fiefuyfiivov Euelpidis col-
lyrium bei Celsus VI, 6, 17 erinnert, gehört^ zu der grossen Klasse
der mehrfach vorkommenden Mittel mit den farblosen Benennungen,
welche über die Zusammensetzung keinen Aufschluss geben und wahr-
scheinlich von den Aerzten erfunden wurden, um ihre Goncurrenten
in der Praxis üb^ ihre Kunst im Dunkeln zu lassen. Dahin gehören
Bezeichnungen, wie Coenon, Stactum, Lene u. s. w* — Der Ausdruck
A D G L(aritatem), welcher die Bestimmung des Mittels enthält, besagt
dasselbe, was auf anderen Stempeln dufch ad caüginem bezeichnet
wird, indem durch das letztere Wort das zu beseitigende Leiden, durch
das erstere die zu erreichende Wirkung besonders hervorgehoben wird.
Daher erklärt sich auch, dass beide Formeln auf den Stempelinschriften
so vielfach mit einander abwechselnd gebraucht werden. —
Endlich muss ich noch einer Eigenthümlichkeit des Steines er-
wähnen, über fiie schon in der Einleitung das Nöthige gesagt ist. Nach
der Angabe des englischen Herausgebers sind die Süchworte der vier
Mittel Diox und Stac auf der oberen, Diaglauc und Mixt auf der unteren
Plattseite des Steines in der Mitte der vier Seiten am Rande über der
zum Siegeln, bestimmten Stempelinschrift noch einmal leicht und
flüchtig mit einem Grabstichel oder einem anderen spitzen Instrument
eingeritzt. Die Form der in Cursivschrift gehaltenen Buchstaben, wie
sie das von Watson beigegebene Facsimile zeigt, ist ziemlich regel-
mässig und gewandt und erinnert unwillkührlich an die eleganten
Stempel römischer Augenärzte.
136
Züge der Pouipejanischen Graffiti. Auffallend ist, dass nicht auch die
Namen der Aerzte wiederholt sind. Dasselbe haben wir übrigens auch
auf dem Lyoner Stempel des L. Gaemius Patemus (d. U). Hier mag
wohl die Bücksicht auf den Baum entscheidenden Einfluss ausgeübt
haben, indem ja die Namen zweier Aerzte zu verzeichnen waren.
127.
Zuletzt erwartet mich noch das unangenehme Geschäft in ähn-
licher Weise, wie auch Grotefend am Schlüsse seiner Schrift es hat
thnn müssen, die Existenz eines Siegels nachzuweisen, ohne zugleich
die Inschriften desselben mittheileu zu können. Ich bedauere dies um
so lebhafter, als dieser Stempel hinsichtlich seiner Beschaffenheit ein
Unicum ist. Wähi'end fast alle bis heute zu unserer näheren Kennt-
niss gelaugten Okulistenstempel von Serpentin, Nephrit oder Schiefier
gemacht sind, so dass es scheint, dass Stein als das gewöhnliche
Material derselben angesehen werden muss, ist dieser Stempel der
erste, welcher in Bronce gearbeitet ist. Es ist dies eine höchst merk-
würdige Erscheinung, welche desshalb eine besondere Beachtung ver^
dient, weil sonst die Siegel des Alterthums, welche keine Augenarzt-
stempel enthalten, aus Metall verfertigt sind. Auf die Wahl des
Steines als des gewöhnlichen Materials zu Augenar;ptstempeln scheinen
übrigens bestimmte Verhältnisse entscheidend eingewirkt zu haben.
Erstlich einmal war vielleicht in jener Zeit, aus welcher unsere Stempel
herrühren, Bronce schon ein seltener und sehr theuerer Artikel, so dass
die Augenärzte das billigere Material von Stein vorzogen. Dann^ber
boten die von Stein verfertigten Siegel auch vor den Broncestempeln
den-grossen Vortheil, dass sie mehr als bloss ein Mal benutzt werden
konnten. Denn wenn man den Namen der Mittel und des ärztlichen
Erfinders ändern wollte, so genügte es einfach den Stein mit einer
Feile oder einem anderen scharfen Instrument abzuschaben, um die
überflüssig gewordene Inschrift auszulöschen, ein Verfahren, welches
in dieser Weise bei foonce nicht möglich war. Der hier in Bede
stehende Stempel ist im J. 1869 zu Saint-Chöron, Ganton de Dourdan,
D6p. Seine-et-Oise gefunden, wo auch der Siegelstcin des M. C. Celsinus
(n. 8) ausgegraben worden ist, und seine Entdeckung durch Lenoir
mitgetheilt worden in der Bevue des soci^tte savantes des döpartements,
A^ S6rie, t. IX (1869) p. 28.
Bonn.
Joseph Klein.
S. Die Weiheinschrifl des Clematius in der Ureulaldrclie zu Köln.
Die älteste Urkunde der Sage von den Märtyrinnen in Köln,
welche ein Gegenstück zu der Hinrichtung der ohristHchen Bekenüer
der thebäischen Legion bildet^ besitzen wir in einer noch heute in der
Ursulakirche aufbewahrten Inschrift, welche nach dem sachkundigen
Urtheile Rossi's den Schriftzügen gemäss nicht später als in die erste
Hälfte des fünften christlichen Jahrhunderts fällt. Aber ihre Deutung
ist äusserst schwierig, und die Schwierigkeit wurde um so grösser, seit
die Sage jene Märtyrinnen aus Britannien kommen zu lassen begonnen
hatte, da man sich dadurch genöthigt sah, jede Bestimmung der Her-
kunft der heiligen Jungfrauen aus dem Morgenlande auszuschliessen.
Während der erste Blick das Morgenland als Heimat der Heiligen in
dei; Inschrift erkennt, musste, um die Sage von der britannischen
Herkunft aufrecht zu halten, die hier gegebene Bestimmung ex par-
tibus Oricntis von den Jungfrauen getrennt und auf den Stifter
der Kirche bezogen werden. Bisher beruhigte man sich fast allgemein
mit dieser Auffassung, ohne sie wissenschaftlich zu begründen, und
noch Kessel glaubte in der Schrift „St. Ursula und ihre Genossen-
schaft^' (1863) sich jedes Beweises, dass ex partibus Orientis nicht
auf die Jungfrauen bezogen werden dürfe, ganz überhoben, ja er wies
einfach Ritschis unparteiische Behauptung, es sei hier offenbar von
morgenländischen Jungfrauen die Rede, als offenbar irrig zurück, und
beschränkte sich auf eine deutsche Uebersetzung, die mit den Worten
der Inschrift nicht stimmt, sogar einen grammatischen Fehler derselben
überspringt. Den wissenschaftlichen Nachweis, dass ex partibus
Orientis auf Gl ematius bezogen werden müsse, hat ganz neuerdings
Prof.^ Floss in den „Annalen des historischen Vereins für den Nieder-
rhein" XXVI zu erbringen gesucht, wobei die grosse, fast peinliche
Sorgfalt, mit welcher die sprachliche und sachliche Deutung in allen
Einzelheiten begründet wird, volle Anerkennung verdient und der
Oberflächlichkeit gegenüber, mit welcher man bisher eine so wichtige
Urkunde behandelt hat, wohlthuend wirkt. Aber je grösser die attf-
gewandte Mühe ist und je mehr man zugeben muss, dass hier alle
Die Weiheinsohrift des Clematius in der üranlakirche zu K61a. . 167
wissenschaftlkhen Mittel in Anwendung gebracht sind, um den Clematius
als Morgenländer nachzuweisen und somit die morgenländische Her-
kunft von den Jungfrauen abzuwenden, um so dringender stellt sich
die Nothwendigkeit der Untersuchung heraus, ob die hier gegebene
Deutung als unbedenklich anzusprechen und als Ausgangspunkt der
Forschung über ^die Legende von den heiligen Jungfrauen, deren
britannischer Ursprung heute, der offenbar vorliegenden Entwicklung
der Sage zum Trotz, von allen Köln besuchenden Engländern verehrt
wird, unbedingt gelten kann. ^
Die Inschrift selbst lautet nach deu Abdrücken bei Kessel und
Floss :
DIVIN ISFLAMMEISVISIONIBFREQWf^R
ADMONITETVIRTVTISMACNAEMAI
lESTATISMARTYRIJCAELESTIVM VIRGIN
IMMINENTIVMEXPARTIBORIENTIS
EXSIBITVSPROVOTOCLEMATIVSVCDE
PROPRIOINLOCOSVOHANCBASILICAA
VOTOavODDEBEBATAFVNDAMEITIS
RESTITVITSIQVISAVTMSVPERTANTAA
MAIIESTATMHVIIVSBASILICAEVBIS/\IC
TAEVIRCINESPRONOMINEXPISAN
CVI hEMSVW FVD ERVITC CR PVSALIGHS
OEPOSVERITEXCEPTISVIRCINIB SCIATSE
SEMPIIRNISTARTARIICNIBPVNI ENDM
Floss übersetzt : „Durch göttliche flammende Visionen häufig ge-
mahnt, und durch die Wunder der grossen Majestät der Marterstätte
der himmlischen Jungfrauen, die ihn dräuend aufforderten, aus den
Gegenden des Orients hergeführt gemäss einem Gelübde, hat Clematius,
ein hochangesehener Mann, ; aus seinem Vermögen, auf seinem Eigen-
thum diese Basilika in Folge des Gelübdes, welches er schuldete, von
Grund aus hergestellt. Sollte aber jemand über der so grossen Ma-
jestät dieser Basilika, wo die heiligen Jungfrauen für den Namen
Christi ihr Blut vergossen haben, den Körper jemandes beisetzen, die
Jungfrauen ausgenommen, so möge er wissen, dass er mit dem ewigen
Feuer der Hölle gestraft werden muss."
Halten wir uns zunächst an den Hauptpunkt, so ist es äusserst
188 Die Weihinsohrifl des Gematius in der ünalakirohe m Köln.
anstösaig; dass bei den Wandern der heiligen Jungfrauen, durch welch«
ClematiuB zu seinein Gk^lübde und zu seiner Reise nach Köhi ver-
anlasst wird, der drohenden Erschemung derselben gedacht werden
soll; ist anders an eine drohende Erscheinung der Jungfrauen
selbst'zu denken, so hegt diese in divinis flammeis visionibuff,
und bei dem Einflüsse, den die Wunder der Jungfrauen auf ClematiuB
gettbt, hat sie gar keine Stelle. Zuerst wurde er durch feurige Er-
scheinungen (nicht der Jungfrauen selbst) aufgefordert; dazu kamen
die Wunder der Jungfrauen, deren Wirkung dadurch nicht grösser
würde, wenn dieselben ihm gedroht hätten, nein die Wunder wirkten
durch ihre eigene Kraft, indem sie die Heiligkeit der Jungfrauen, die
solche Wunder wirken konnten, recht ins Lich^ setzten und die Pflicht
ihm einschärften, zu Ehren solcher Heiligen die ganz veiiallene oder
vielmehr völlig verschwundene Kirche wieder herzustellen. Ist demnach
die Verbindung des Dräuens, wenn die ungewöhnliche Form hier
als bezeichnender beibehalten werden soll, mit den Wunderthaten ganz
\ingehörig, so wird auch in imminentium eine Bedeutung gel^,
die es nicht hat; denn immineo kann nicht geradezu ffir minor
oder gar minans adhortor stehen, wenn es auch mit einem Dativ
von einer bedrohenden Nähe steht, wo das Bedrohen nicht im
Worte liegt, sondern der Lage der Sache nach hinzugedacht wird.
Und diese Deutung ist auch deshalb unmöglich, weil das im min er e
gleichzeitig mit der Wirkung der Wunderthaten geschehen mfisste,
weil sonst das Part. Präs. sprachwidrig wäre ^). Scheinen uns diese
kaum zu hebenden Bedenken schon allein die neue Deutung umza*
stossen, so dürfte eine andere Erwägung nicht weniger schwer ins Ge-
wicht fallen. Nach der Aufforderung durch feurige Erscheinungen,
welche doch keinen andern Zweck haben konnten, als den Glematitts
zum Gelübde des Kirchenbaues zu bestimmen, erwarten wir, dass die
erstaunlichen Wunderthaten der Heiligen als Veranlassung des Ge-
lübdes bezeichnet werden; statt dessen wird des Gelübdes nur neben-
sächlich und in etwas sonderbarer Verbmdung mit der Herführung
■r
') Im Widerspruch mit der eigenen Uebersetzung erklart Flosa spater
imminentium instantium, urgentium; die Jungfrauen hätten ,,in der
Vision dräuend, dr&ngend, fordernd über ihm geschwebt". Auch gegen diese
unklare Deutung spricht das Part. Prfts., da das im mi nere doch vorhergegangen
sein müsste. Oder sollen wir uns etwa denken, während die Jungfirauen fiber
Glematius geschwebt, hätten „die Wunder der grossen Majestät ihrer Marterstüte
ihn aas den Gegenden des Orients h^rgefährt gemäss einem Gelübde''?
Die Weiheinsohrift des Clematiat in der Ursalakirohe zu KöIb.
189
aus dem Orient gedacht, da doch die Hauptsache die Bestimmang
mm Gelübde ist. Und wie kann man sagen, einer sei „durch
Wuüderthaten gemäss dem Gelübde hergeführt" worden, da die Wunder-
thaten ihn nicht von einem Oii;e zum andern bringen, sondern die
Erfüllung des Gelübdes, zu welchem die Wunderthaten ihn bestimmt
haben? Das Gelübde ist ja nicht auf die Reise aus dem Morgenlande
nach Köln, sondern auf die Erbauung einer Kirche gerichtet; das ist
das Votum, quod debebat, wie es weiter heisst, und die Erfüllung
des Gelübdes erforderte nicht einmal nothwendig die Heise an den
Ort, wo die Kirche gestiftet werden soll. Sehen wir weiter, wie ez-
sibitus als hergeführt begründet wird. Exsibitus sei hier ein
juristischer Ausdruck, • bemerkt Floss, und zum Beweise, dass dem
Glematius Bechtsausdrücke geläufig seien, wird auch die Verbindung
mitadmonitus angeführt, da beide in der Bechtssprache miteinander
verbunden würden. Und doch hat er selbst nachgewiesen, dass ad-
monere der ganz eigentliche Ausdruck von Visionen ist, wonach
bei ihm gar nicht an den juristischen Gebrauch gedacht werden kann.
Exsibere soll den Sinn von sistere, vorführen, zur Stelle
bringen haben, und da es besonders vom Schuldner gebraucht werde,
der sich sträube und deshalb mit Gewalt zur Stelle gebracht werde,
stärker als evocatus, excitus sein. Aber exsibere heisst einen
oder eine Sache vor Gericht stellen, wenn es zur Verhandlung, der-
selben bedarf, herschaffen, stellen. Hier ist nun von einer
Stellung vor Gericht nicht die Bede, nur von einem inneren Zuge in
Folge der Wunderthaten »^gemäss einem Gelübde" (wie Floss erklärt)
aus dem Orient nach Köln, wobei die Hauptsache, wohin Glematius
gezogen wird, ganz übergangen wäre. Auch ist die Verbindung des
juristischen exsibere mit einem ex nicht nachzuweisen. Das ex in
exsibere hat so wenig örtliche Bedeutung, wie in efficere, ex-
ercere, existimare, es entspricht vielmehr hierunserm hin, dar.
Hiemach dürfte die Deutung durch die Wunder hergeführt
(oder vielmehr hergezogen) gemäss einem Gelübde gar wunder-
lich sein. Floss meint, ex partibus Orientis könne nur von
exsibitus oder von imminentium abhängen, und da er die Ver-
bindung mit imminentium abweist, bleibt ihm nur die mit exsibitus
übrig, die er auch dadurch begründet, dass exsibitus nothwendig
eines Zusatzes, woher Glematius gekommen, bedürfe, da der Ausdruck
sonst unerklärlich wäre, wogegen wir meinen möditen, die Angabe,
woher er gekommen, sei viel weniger nöthig als die Hinzufügung
140 Die Weiheinsohrifb des Glematias in der ürstdakirohe su Köln.
wohin. Und weshalb muss denn ex partibus Orientis über-
haupt von einem Participium abhängen, weshalb kann es nicht allein
stehen, wie in bester Prosa uxor ex Helvetiis, ex Hispania
quidam, Epicurei e Graecia und so manches andere steht? Für
imminens ergibt sich dann auch die zunächst liegende Deutung als
durchaus passend. Vi reines imminentes sind nach gangbarem
Gebrauch die nahen Jungfrauen, die dem Glematius, dem Hause
des Glematius nahe liegenden, in dessen Nähe bestatteten Jungfrauen,
wozu als eine Art Gegensatz tritt, dass sie aus dem Morgeniande
stammen, ja auch das vorhergehende caelestium tritt gewisser-
massen mit in den Gegensatz ; sie wohnen als Heilige im Himmel, wie
Floss richtig erklärt, leiblich aber ruhen sie in seiner Nähe, obgleich
sie aus dem Morgenlande stammen. Es ist dies eine fast räthselhaftc
Bezeichnung, von der wir fast annehmen möchten, dass die himmlische
Erscheinung (etwa eines Engels, aber dies scheint absichtlich unbestimmt
gelassen) sich dieser geheimnissvollen Andeutung bedient habe. Die
Wunderthaten der seinem Hause nahen morgenländischen Jungfrauen
bestimmten ihn nach manchen ihn dazu mahnenden Erscheinungen zu
dem Gelübde, die verschwundene Kirche derselben wieder herzustellen.
Der Ausdruck exsibitus pro voto im Sinne bestimmt zu dem
Gelübde hat freilich etwas Geziertes, aber den Charakter des Gezierten
trägt die ganze Inschrift, wie besonders in d^ merkwürdigen Gebrauche
des Abstractums, tantamaiestas huius basilicae für diese so
herrlicheEirche, magna maiestas martyrii caelestium vir-
ginum für die so herrliche Marterstätte der himmlischen
Jungfrauen, wo vielleicht sogar martyriumvirginum fürmar-
tyres virgines stehen soll. Freilich ist Floss dem Sprachgebrauch
nach vollständig berechtigt, marty rium für Marterstätte zu nehmen
und das folgende maiestas huius basilicae scheint dafür zu
sprechen, aber die Wunderthaten werden doch viel eigentlicher dem
Märterertode, welcher die Jungfrauen zu Heiligen gemacht, als der
Marterstätte zugeschrieben; es ist dies aber ein ganz nebensächlicher
Punkt. Bei den mannigfachen Wendungen der Bedeutungen von ex-
sibere ist es nicht zu verwundem, wenn in einer so späten, etwas ge-
zierten Inschrift die Bedeutung des Hin Schaffens geistig übertragen
und, wie unser dahin bringen, von der Bestimmung zu einem Ent-
schlüsse gebraucht wird, also exsibitus für permotus, impiilsus
steht. Der Gebrauch des pro für a d deutet auf die spätere Latinität
Der Gebrauch des spanischen und portugiesischen por^ des französischen
Die WeihemBchrift des Glemaüas in der Ursulakirohe zu Köln.
141
pour, des italienischen und provencalischen per beruht auf der ganz
eigenthümlichen Anwendung desselben im Vulgärlatein, von welcher
des Gregor' von Tours properant pro episcopatu petendo u« a.
zeugen. Vgl Diez „Grammatik der romanischen Sprachen^' III, 172 ff.
234 f. ^) So dürfte denn die Deutung des exsibitus pro voto als
bestimmt zum Gelübde um so weniger zu bezweifeln sein, all^
der Zusammenhang auf diese fast nothwendig hinführt und keine wahr-
scheinlichere sich darbietet. Wenn in den Antiphonen die Märtyrinnen
alsvirgines ex partibusOrientis exhibitae bezeichnet wurden,
so beruhte hier der Ausdruck exhibitae freilich auf einer falschen
Erinnerung an die Inschrift, aber es folgt daraus weder, dass exhibitus
wirklich die Bedeutung hergekommen hat, noch dass die Legende
von der morgenländischen Herkunft derselben bloss aus Missver-
ständniss hervorgegangen, vielmehr war dies gerade die alte Sage.
Hiemach ist der Sinn des Anfangs der Inschrift: „Durch göttliche
feurige Erscheinungen häufig angemahnt und durch die Wunder^) der
hochherrlichen himmlischen Märtyrerjungfrauen zu dem Gelübde be-
stimmt.'' Floss erklärt flammeus zornig; das liegt aber nicht im
Worte. Ein Zorniger kann freilich flammeus genannt, ihm ein glühen-
des, feuriges Gesicht zugeschrieben werden, aber deshalb ist doch flam-
meus an sich nicht geradezu zornig. Die Erscheinungen waren wirklich
feurige, wie solche sowohl von Heiligen als von Seite des Bösen vor-
kommen, und divinus, das Floss ohne weitere Erklärung lässt, deutet
gerade darauf, dass es göttliche, keine satanischen Visionen waren.
Die Art derselben wird nicht näher bestimmt; dass es aber die Jung-
frauen selbst gewesen sein, ist schon deshalb nicht anzunehmen, weil
derselben ja erst darauf gedacht wird. Diese Erscheinungen forderten
den Glematius auf, den in seiner Nähe liegenden heiligen, aus dem
^) Der Beweis von Flosa (S. 8) pro voto heisse dem Gelfibde gem&ss,
ist höchst bedenklich; auf der bezogenen Inschrift steht nach einer Abschrift
Rasticus voto suo feoit, nach einer andern sehr wunderlich at provoto
Buo fecit. Pro suo voto könnte heissen für sein Gelübde. Das Citat
„Maffei III, 91 f.*' kann ich nicht vergleichen.
') Dass virtutis fehlerhaft sei, hat Floss richtig erkannt und seine Yer-
muthung; der Steinmetz habe VIRTVTIB einmeisseln wollen, ist nicht ohne
Wahrscheinlichkeit, obgleich man auch annehmen könnte, die folgenden Genitive
hätten auch hier die Verwechslung des Qen. Sing, mit' dem Dat. Plural veran-
lasst oder es sei virtute (durch die Wunderkraft, wie Ji/va/if i) zusetzen,
wie schon Brower wollte. Die Vermuthung eines vor virtutis ausgefallenen
vi, an der es auch nicht gefehlt, entbehrt jeder Wahrscheinlichkeit.
142 Die Weiheinsohrift des Clemaiius in der Ursulaklrohe zu Köln.
Morgenlande stammenden Jungfrauen, die völlig zerstörte Kirche wieder
herzustellen. Der Glematius, den wir hier finden^ mag wirklidi einem
morgenländischen Geschlechte angehört haben; dann wäre es um so
bedeutsamer, dass er gerade aufgefordert wurde, seinen Landsmänninen ,
den moi^enländischen Märtyrinnen, die Kirche wieder herzustellen.
Die Inschrift bezeichnet ihn nur als vir clarissimus, als einen Manim
senatorischen Banges. Die Yermuthung,' dass er der Freund des Ll^
banius sei, der mit einem Briefe desselben an Barbatio 355/356 an dens^
Rhein reiste , von wo er ohne Antwort desselben vor dessen 359 er—
folgenden Tod nach Antiochien zurückkehrte, ist kaum glaublich ; densm
der Neubau mttsste dann kurze Zeit nach der Zerstörung ^olgt sein,
was deshalb höchst unwahrscheinlich, weil es dann der Wunderthatesm
der heiligen Jungfrauen nicht bedurft hätte, ihn zum Wiederbau desr
Kirche der durch ihre Wunderthaten berühmten Heiligen zu bestimmen .
FlosB lässt den ersten Bau der Kirche gleich nach dem Martertod^
unter Diodetian von einem in Köln ansässigen Glematius erfolgen, den
Sohn desselben im Morgenlande eine hohe Stelle bekleiden; die Kund^
von der Zerstörung der Kirche durch die Franken habe in ihm den
Entschluss hervorgerufen, „dem Vermächtnisse der Vorfahren trea>
die Kirche durch einen Basilikenbau zu ersetzen, wozu er sidi nocti.
besonders durch ein Gelübde verpflichtete, das zu erfüllen ihn in Vi-*
sionen die Jungfrauen antrieben''. Das alles beruht auf haltlosen An—
nahmen, zu denen die irrige Beziehung des ex partibus Orientis
den schwanken Boden darbot. Und wäre es denkbar, fragen wir, dass
die Inschrift so lautete, wenn dies das Verhältniss der Sache wäre?
Hätte dann Clemaüus nicht erwähnen müssen, dass er die von seineiA
Vater erbaute Kirche wieder hergestellt? Blieb die Stelle noch sein
Eigenthum, wenn auf ihr schon sein Vater eine eben zerstörte Kirche
gestiftet hatte? Und wie hätte es solcher vielfachen Mahnungen und
der Macht der Wunderthaten der Jungfrauen bedurft, den Sohn zunt
Wiederbaue der Kirche zu bewegen? Dazu widerspricht es geradezu
dem Wortlaute der Inschrift, wenn Floss sagt, die in Visionen dem
Glematius erscheinenden Jungfrauen hätten ihn angetrieben, sein
Gelübde, wozu „er sich noch besonders verpflichtet'^ zu erfüllen.
Dass die Jungfrauen selbst ihm erschienen, wird gar nicht gesagt, das
Gelübde war keineswegs eine Folge der Kunde von der Zerstörunf^
der Kirche, sondern wurde durch die häuflgen Mahnungen der feurigen
Erscheinungen und der gleichzeitig erfolgenden grossen Wunderthaten
der Heiligen veranlasst; nicht zur Erfüllung des Gelübdes wurde er
Die Weiheinschrift des CleniatiaB in der Ursulakirohe sn Köln. 143
angetrieben, sondern zu dem Entschlussey ein solches zu thun.
Wir können uns nach der Inschrift in Glematias nur einen in Köln
ansässigen vornehmen Mann denken, der auf einem ihm eigene Grund-
stücke eine Basilika baute, da er vielfach durch feurige Erscheinungen
angemahnt worden war, in der Nähe seines Hauses auf seinem Orund-
stflcke, wo einst die Kirche der morgenländischen M&rtyrinnen ge-
standen, diese wieder aufzubauen, und endlich durch die grossen Wunder-
thaten, die an dieser Stätte geschahen, zu dem Entschlüsse, diesen
Anmahnungen zu folgen, endlich bestimmt wurde. Auf der ihm
eigenen Stätte, wo diese Wunder sich ereigneten und wo man die
heiligen Gebeine beim Nachgraben fand, erbaute er wirklich eine neue
Basilika; denn der Ausdruck basilicam restituit fahrt doch zunächst
darauf, dass auch die frühere Kirche, welche über der Märtyrerstätte
sich erhob, eine Basilika gewesen sei. Wenn der Ort, wo die Kirche
gestanden, des Glematius Eigenthum war und er erst durch feurige
Erscheinungen darauf gebracht wurde, dass auf seinem Eigenthume
die heiligen Jungfrauen den Märtyrertod eriitten und ihnen eine Kirche
daselbst gebaut worden, so musste zwischen dem Neubau und der
Zerstörung eine geraume Zeit verflossen sein, dass das Andenken
daran ganz verschwinden konnte, wenn anders die Sage, dass hier
früher bereits eine Kirche gestanden, auf Wahrheit beruhte. Den
Märtyrertod setzt Floss unter Diocletian, die Zerstörung der Kirche
könnte, wie er richtig annimmt, nur mit der der Stadt durch die
Franken im Jahre 355 erfolgt sein. Dass alle Kunde davon schwand,
das Grundstück in fremde Hände kam, bedurfte wenigstens zweier
vollen Menschenalter. Glematius glaubte den Erscheinungen, die ihm
versicherten, dass hier die Jungfrauen gelitten, die hier neuerdings
wieder Wunder thaten, und dass hier bereits eine Kirche gestanden.
Dass beides auf Wahrheit beruht habe, folgt daraus keineswegs, viel-
mehr scheint es fast unglaublich, dass wirklich alle fromme Erin-
nerung an die hochheiligen Märtyrinnen so ganz im Laufe von ein
paar Menschenaltem zerstoben sein sollte, dass Glematius erinnert
werden musste, hier habe einst eine Kirche der heiligen Jungfrauen
gestanden, wogegen der andächtige Glaube leicht alle Unwahrschein-
lichkeiten übersah, die in der Sache selbst lagen, und das gute Werk
nicht näher untersuchte, zu dessen Vollendung er durch Eingebungen
angemahnt und durch Wunderthaten, die auf der angeblichen Märtyrer-
stätte sich ereigneten, getrieben wurde. Eine geschichtliche Grund-
läge, wie bei der thebäischen Legion, dürfte kaum bei der Ursulalegende
^
144 Die WeiheinBchrifb des Clematius in der ürsulakirclie zu Köln.
anzanehmen sein, deren weitere Entwicklang, als ob der Name Gie-
rn atius (von xA^^or) Yorbedeutend gewesen, ein so wunderüppiges
Rankenwerk von yanae species gebildet, dass man fast glauben
mödite, der Ursprung derselben beruhe auf keinem festem Boden,
sondern das Ganze sei vom ersten Anfang an eine gleiche Hallucination,
wie die Visionen der Schönauer Nonne, denen doch' heute niemand
mehr glaubt, sammt der ihnen vorhergehenden Offenbarung des ager
Ursulanus.
Die einzige sichere Grundlage der Sage bietet unsere Inschrift, die
man nicht wohl als eine Fälschung verdächtigen kann. Hiemach hatte
ein Clematius, der nur als ein vomehmer Mann bezeichnet wird, gegen
die Mitte des fünften Jahrhunderts Visionen, die ihn aufforderten, den
auf seinem Grundstücke ruhenden heiligen Jungfrauen die dort früher
bestandene Kirche wiederherzustellen, was dieser denn, durch Wunder,
welche dort, wo mau die Gebeine der Märtyrinnen gefunden^ in dem
Entschlüsse bestärkt, wirklich gelobte. Die Beurtheilung der geschicht-
lichen Wahrheit dieser Visionen muss ihren Maasstab in so vielen
ähnlichen finden, die man, wenn man sie auch nicht als absichtlichen
Trug verwerfen darf, doch in das Gebiet der Täuschungen verweisen
muss. Wenn wirklich Clematius von göttlichen Erscheinungen belehrt
worden wäre, so würde er die Gebeine aller heiligen Jungfrauen er-
hoben und nicht der spätem Zeit noch so manche reiche Ausbeute
hinterlassen haben. Wie man später nicht allein massenhafte Gebeine
auf der alten römischen Gräberstrasse in der Nähe der Kirche 0 aufgrub,
') Dadurch erklären sich Ausgrabungen von sehr vielen Gebeinen,
die man alle für Martyrerreste ausgab. Viele heidnische und christliche
Gräber hat man in unserer Zeit in der hinter der Kirche liegenden Ursola-
gartenstrasse gefunden (Jahrb. XLI, 132). In früherer Zeit befand sich in der
Kirche selbst der Sarkophag des Valga, Sohn des Smaierus, decurio der als
fida vindex, dessen vorderes Relief mit Kalk bestrichen worden war, um
ein Heiligenbild darauf zu malen (Museums-Eatalog S. 91). In der westlichen
Mauer der Kirche war der Grabstein des Avillier eingemauert (Jahrb. XLVII.
XLVm, 126 ff.). Im Jahre 1643 wurden in der goldenen Kammer der Kirche
eine Reihe von Grabschriften gefunden (Brambach 323—327} nebst ein paar
Weihesteinen (daselbst 321. 322). In der östlich von der Kirche gelegenen
Salzmagazinstrasse ward der Grabstein eines ägyptischen Schiffsmannes ausge-
graben (Museums-Katalog S. 85). Eine solche bis zum fiigelstein sich fort-
setzende Begräbnissstätte war freilich sehr geeignet, hier Gebeine von Mär-
tyrinnen zu entdecken, und man hat sie im Laufe der Zeniten reichlich aus-
gebeutet.
Die WeiheinBohrift dos ClematiuB in der ürBulakirche zu Köln. 145
die ohne weiteres für Märtyrerreste galten, wie man auch mit den
daselbst entdeckten männlichen Gebeinen sich abfand, und den durch
die Inschrift bezeugten Glematius verviel<igte, aus ihm Vorfahren
und Nachkommen und eine Reihe kirchenbauender Glematier gewann,
die man in die Kölnische Bischofsgeschichte verflocht, ist eine wenig
erbauliche, aber für die fortwuchemde Ausbildung von Legenden sehr
belehrende Betrachtung. Da die kölnischen Geschlechter sich auf alte
römische zurückführten, so nahm auch ein solches den Ruhm fOx
sich in Anspruch, von den frommen kirchenbauenden Glematiem abzu-
stammen, und so wurde der Glematius der Inschrift zu einem Gle-
matius Eleingedank de MommerslochUbio-AIexandrinus^
wie er auf einem Grabmal im Kloster zu Altenberg hiess. Daselbst
zeigte man auch die Kleider des heiligen Glematius, der mit dem seligen
Archidiakon Linoldus die Leiber der Märtyrinüen begraben habe, was
man in die Zeit des Bischofs Severinus verlegte, in welcher aber auch
schon, wie die Inschrift berichtete, die Kirche, eben durch Glematius,
hergestellt worden sein soll. Dem Glematius ward aber auch eine
fromme Gattin gegeben, die sich am Tempelbau betheiligte, wie dies
die alten handschriftlichen Verse bezeugen:
Hie, ubi virgineum fudit manus impia sanguem,
Angelico Ghristi casta inter somnia iussu
Glematius fuso posuit pro sanguine templum
Et Diodora simul casta et gratissima coniuz.
In tantum meritum coelestia facta resurgent.
Und diese Inschrift, nicht die altehrwürdige des Glematius, hat
man neuerdings an der hergestellten Seite der Kirche der h. Ursula
angebracht, damit auch die gute Diodora ihres Ruhmes nicht verlustig
gehe. Es ist leider nicht die einzige Inschrift in Köln, die Unwahrheit
spricht So müssen sich auch Einheimische und Fremde noch immer
durch Wallrafs Inschrift sagen lassen, dass das ehemalige P&ffönthor
früher Porta Paphia geheissen, und ein Haus erhält siclf durch
zwei Inschriften den gleich falschen Anspruch, dass in ihm Rubens
geboren, Maria von Medicis gestorben sei. Durch solche Inschriften
kann man die Sage von dem Märtyrertode der heiligen Jungfrauen
nicht heben, ihre geschichtliche Stütze liegt, wenn es anders eine
solche ist, in der in der Ghormauer der Kirche eingemauerten Weihe-
inschrift des Glematius.
H. Düntzer.
10
8. lieber hohes Alter Im Alterthimi.
In dem letzten Hefte dieser Jahrbücher (LIII und LIV) S. 149 hat
Herr Prof. J. Becker bei der Besprechung eines im J. 1870 zu Wechenau
bei Mainz gefundenen Grabsteines des Gallo-Römers Pusa Trougilli
f(ilius), welcher ein Alter von 120 Jahren erreicht hatte, folgende ihm
von Herrn Archivrath C. L. Grotefend übersandte Bemerkung mitge-
theilt: „Der 120jährige Pusa möchte leicht der älteste Mann sein,
der auf römischen Grabsteinen genannt wird, eine 115jährigc Spanierin
finden wir im Corp. inscr. lat. H n. 2065.^ Dazu dürfen wir kühn
sagen, Pusa ist schwerlich der älteste inschriftlich genannte Mann.
Selbst wenn wir uns an das von Grotefend bloss berücksichtigte
Material der römischen Inschriften halten und von Allem gänzlich
absehen, was uns die alten Schriftsteller an Nachrichten über hohes
Alter überliefert haben, wird es sich sofort zeigen, dass die Behauptung
Grotefend's eine irrige ist. Nur möchten wir uns verstatten, der Voll-
ständigkeit halber bei dieser Zusammenstellung hier auch die grie-
chischen Inschriften in den Kreis unserer Betrachtung zu ziehen.
Lassen wir daher vorab die Spanierin mit ihren 115 Jahren,
der Wir sogleich nicht bloss einen gleichalterigen Gompatrioten (Corpus
inscr. lat. II n. 1920), sondern auch noch eine stattliche Reihe Ge*
nossen aus anderen Ländern zugesellen könnten, ruhig ihres Weges
fürbass ziehen, nachdem wir ihr noch im Voraus die tröstliche Ver-
sicherung mitgegeben haben, dass ihr Geschlecht im Alterthum nicht
minder als heutzutage dazu auserkoren war, in Bezug auf hohes Alter
ebenso gut. wie in manchen anderen Dingen die Palme davon zu
tragen und beginnen wir unseren Alterskatalog mit den 120 Jahren
des Galliers Pusa. Er findet eine Gesellschaft von Altersgenossen in
den verschiedensten Theilen des grossen Römerreiches. Also:
üeber hohei Alter im Alterthnm. 147
120 Jahre.
M&nnl': 1) C. lüUus Pücatm jsu SiguSy Numdien. Renier, Inscr.
rom. de TAlg^rie n. 2522.
2) Claudius (?) Seeundmus , Numdien. Annuaire 0 de la
soci^ archtol. de la province de Gonstantine 1862
p. 15 n. 19.
3) L. Corgiu. . . luß . ueianus, Numidien. Recueil des notices
et m^moires de la soc. archtol. de CSonstantine 1866
p. 73 n. 80.
4) M. CasskiB OraeäiSj veteranus^ Numidien. Benier,
Inscr. rom. de i'Alg^rie n. 2415.
WeibL : 5) Titia Tiberia Cotuco bu Flavia Sciva in Norieum. Corpus
inscr. lat III n. 5389.
6) GreptaHu^a^ Numidien. Renier, Inscr. Alg. n. 1970.
7) Seia LabraturcAis, Numidien. Renier, 1. c. n. 2835.
8) Berennia Siddinch Mauretanien. Renier 1. c. n. 3608.
125 Jahre.
Männl.: 1) Q. Caminius QuintiUuSi Numidien. Annuaire de CSon-
stantine 1862 p. 15 n. 18.
2) C . . . . olus Secundus, Baetica. Corp. inscr. lat. II.
n. 1450.
3) , Numidien. Recueil de
Gonstantine 1868 p. 407 n. 11.
WeibL: 4) Mia Oaetula, Numidien, Renier, Inscr. Alg. n. 2426.
'5) , . Vd , . . Nistruia (^ob Nistruia V, Numidien. Annuaire
de Gonstantine 1862 p. 112 n. 130.
6) cOf Numidien. Annuaire de Gonstantine
1858/1859 p. 149 n. 62.
127 Jahre.
Männl.: 1) L. Minucius Saturus^), Numidien. Annuaire de Gon-
stantine 1858/1859 p. 205 n. 89.
') Leider habe ich diese aeii dem J. 1868 unter dem veränderten Titel
Recueil des notices et memoires etc. erscheinende Zeitschrift der arehÄologischen
Gesellschaft zu Gonstantine bloss bis zum Jahrgang 1868 einsehen können.
>) Die Inschrift lautet: D • M • 8
L-MIN VC-
VS SATVR
V8 V I X- A
GXXVII
L- MINVCl
FELIX POP
1
t
148 üeber hohes Alter im Alterihnm.
130 Jahre.
Weibl. : 1) Geminia, Ä(idi) f(üia), Matrtma, Nmmiäim. Becaeil de
GoDstantine 1866 p. 42 n. 4.
lai Jahre.
MännL: 1) M. Mm Aiacm, Numidien. Benier, Imor. Alg. n. 2430.
132 Jahre.
WeibL: 1) Lucio, L(ueii) f(Uia), MaredOM NumuUen. Benier,
Inscr. Alg. n. 1802.
138 Jahre.
Männl. : 1) Ber^uSy Som. Muratori, Notim Thes. veL inscr. p.
1142, 1 und daher Ck>rp. inscr. graec. t III. n. 6355.
Bezflglich des Alters des zuletzt genannten Beryllus kann ich
jedoch nicht umhin, einen leisen Zweifel laut werden zu lassen. Denn
der Grabstein desselben ist, ' wie ausdrücklich in der Inschrift hervor-
gehoben wird, von seiner Mutter gesetzt worden. Die Inschrift lautet :
0 K e{€Oig) K{o[tax9ovloig),
BHPYAAOC BievXkog
EZHCEN ETH i%vaev ht)
PAH 11^
H M H T H P 1} fiiQVfjQ
TON TOnON toptSnav
ETTolHCEN inoirfl^v.
Wenn nun Beryllus schon 138 Jahre alt war, als. er das Zeit-
liche segnete, wie alt mag dann erst seine Mutter, welche ihn über-
lebte, geworden sein? Nun erfahren wir aus den Gensusregistem, aus
welchen Plinius nat. bist. VII, 48, 159 Einiges mitgetheilt hat, dass
ein gewisser T. Fullonius aas Bologna unter Kaiser Claudius sogar
150 Jahre alt geworden sei und dasselbe Alter hat unter der Regierung
Von ihr ist höchst wahrsoheinlioh die folgende ebenüaUa ani Thebesta, dem
alten TheTeste, ttammende Inschrift:
C • MIN VCIV S
VIXACXXVII
welche in der Revue aroheologiqae vol. XV (1858) -p. 881 nach einer aus dem
Journal L'Afrieain entnommenen Notis abgedruckt ist, keineswegs verschieden.
Die grossen Abweichungen, welche sich beim Vergleichen beider Texte ergsibeii»
scheinen vielmehr auf Rechnung einer ungenauen Gopie, weldie dem Heraus-
geber der Inschrift in der Revue arch^ologique vorlag, gesetzt werden su munen.
Ueber hohes Alier im Alterthmn. 149
des Kaisers Vespasianus M. Mucius, M(arci) f(iliu8), Oaleria^ FeUx aus
Veleia bei Placentia erreicht, wie Plinias n. h. VII, 49, 163 berichtet.
Die Matter des Beryllos würde nao, wenn wir aDnehmen, dass sie
sehr juDg sich verheirathet habe, also mit dem eilften Jahre Oi immer-
hin bei dem Tode ihres Sohnes schön zum 149. Lebensjahre gekommen
sein. Es würde demgemiss, da wir ein so hohes Alter auch ander-
wärts liennen, nicht geradei^u ein Ding der Unmöglichkeit sein, dass
die 149jShrige Motter ihren ISSjährigen Sohn noch zu Grabe getragen
hat Allein ein anderer Umstand flösst mir Bedenken gegen die Rich-
tigkeit in der Altersangabe des Sohnes ein. Man würde nämlich
schwerlich es unterlassen haben, wie dies auch in ähnlichen Fällen
auf anderen Inschriften geschehen ist, dieses doch immerhin höchst
seltene Glück, wenn auch nur mit einem Worte, zu erwähnen. Es
hat daher vielleicht Franz das Sichtige getroffen, wenn er das dem P
ähnliche Zeichen vor den Buchstaben jIH in der Zahl der Lebensjahre
für eine bisher unbekannte Sigle erklärt hat, so dass der Sohn in
Wirklichkeit bloss 38 Jahre alt geworden ist ^
^) Das früheste Alter, in welchem nach römisohen Gesetsen ein M&dchen
als heirathflf&hig betrachtet wurde, war das vollendete zwölfte Jahr. Vg^l. Pom-
ponius in den Digest. XXIII, 2, 4: „Üftnoretit annis duodecim nuptam tumc U"
gitimam useorem fore^ cum apud viruin expUaaet duodecim annoa.*' Obgleich die
Madchen also erst mit dem vollendeten zwölften Jahre rechtmässige Ehefrauen
wurden» so wurden sie trotzdem nicht selten, ehe sie jenes gesetzKche Alter
erreicht hatten, vermählt, wie dies Plutarch, comp. Lycurgi et Numae lY, 2
ausdrücklich berichtet : „riuy dk ^Pufnätov i 9a Sexaereis xal vewrigas
ix9td6vTwy ovrm yäg av fidhara xcA t6 aufAa xal ro ij^c xa^ugby xal a^txrov
inl r^ yafiovvn yfvia&ai,*' Und die Inschriften bestätigen diese Angabe
Plutaroh's hinreichend. Ygl. Fabretti, Inscr. antiq. p. 686 ff. Orelli n. 2668.
2654. Das interessanteste Beispiel einer solchen frühen Verheiratbung wäre die
Claudia Ootavia, die Tochter des Claudius und der Messalina, wenn die Angaben
der Alten über ihre Lebenszeit ganz sicher w&ren. Sie stand höchst wahr-
scheinlich im eilften Jahre, als sie mit dem sechzehnjährigen Nero im J. 68
n. Chr. (Tac. Anm. XII, 68) vermählt wurde, wie sich dies aus der freilich von
Tillemomt, bist, des empereurs rom. (Paris. 1720. 4.) I, 608 angefochtenen An-
gabe des Tacitus Ann. XIV, 64 berechnen lässt, dass sie bei ihrer Ermordung
im J. ß2 n. Ohr. zwanzig Jahre alt war. Vgl. Sievers, Studien zur Gesch. der
rom. Kaiser (Berlin 1871) S. 128 Anm. 4. Schiller, Qesch. des rom. Kaiserreichs
unter Nero (Berlin 1872) S. 67 Anm. 2. Gewöhnlich galt aber das vierzehnte
liebeufljahr als das am Meisten übliche Alter zum Eingehen einer Ehe. Vgl.
Epioteti Enohiridion c. 40 ed. Schweighaeuser. Friedlaender, Sittengeschichte
Bom's I, 324.
160 Ueber hohe« Alt^r im Alierthtim.
Diese kleine vorläufige Statistik einer langen Lebensdauer im
griechischen und römischen Alterthum würde noch su einem viel
höheren Alter haben emporsteigen können, wenn si^ nicht sich beab-
sichtigter Weise in den von Grotefend eng gezogenen Grenzen der
Inschriften hätte bewegen müssen. Aber auch so ist das gewonnene
Resultat ein ganz interessantes. Einstweilen mögen die hier zusammen-
gestellten Notizen genügen, indem ich beabsichtige, im nächsten Hefte
dieser Jahrbücher mit Zugrundelegung des gesammten, in den alten
Schriftstellern und den Inschriften zerstreuten ziemlich zahlreichen
Materials diese ganze Frage einmal einer genauen Erörterung zu
unterziehen.
Bonn. Joseph Klein.
7. Epigraphische fNittheiiungen.
Nachdem ich seit ehiigen Jahren die mir erreichbaren römischen
Inschriften, besonders in Stuttgart, Mannheim und Speier, einer
genauen, zum Theii wiederholten Vergleichung unterzogen und mir
dabei einen Vorrath von Verbesserungen und Ergänzungen zum Corpus
Inscriptionum ßhenanarum von Brambach gesammelt habe, lege ich
die wichtigeren Ergebnisse den Freunden der rheinischen Epigraphik
vor. Dahin gehören namentlich Berichtigungen der Namen, sowie Er-
gänzungen des Textes durch neu aufgefundene Buchstaben und darauf
sich grOndende Gonjecturen. Kleinere Verbesserungen in Bezug auf die
Interpunction, die Ligaturen u. s. w. übergehe ich, gedenke dieselben
aber den Herausgebern des Corpus Inscriptionum Latinarum zur Ver-
fügung zu stellen. Von meiner Edition und Erklärung der römischen
Inschriften in dem Wirtembergischen Frankenlande, welche in der
Zeitschrift „Wirtem^bergisch Franken« (Band VIII 2. 3. IX 1) veröffent-
licht wurde, erlaube ich mir die wichtigsten Ergebnisse hier vor einem
grösseren Leserkreis kurz zu wiederholen.
I. Der Ordnung des C. I. Rh. folgend, beginne ich mit den
nieder- und mittel-rheinischen Inschriften, welche unter Kur-
fürst Karl Theodor nach Mannheim verbracht worden sind und jetzt
der Grossherzogl. Alterthümersammlung angehören. Zwei interessante
Gruppen derselben bilden die neun Matronensteine von Rödingen
(Br. 608—616) und zwölf Soldatengrabmäler von Mainz.
Xanten 205 ist, wie Brambach p. XXXIII nach J. Becker noch
berichtigt hat, identisch mit 2018. Hier ist Z. 3 vielleicht zu lesen
C • \A- • CVPITVS, d. ^h. Gaius Valerius Cupitus, wiewohl bei
dem Zustande des Steins volle Gewissheit nicht zu gewinnen ist.
Neuss 265 bei Brambach richtig, abgesehen von einigen
unten an der Linie stehenden Punkten.
Düsseldorf 2 94 hat Z. 3 zwischen T und R ein E nie ge-
standen, also VETR = veteranus. Z. 5 ist C nicht mehr erhalten.
152 Epigraphische MiiiheiluDgen.
Köln 415 bei Br. richtig.
Jülich 597 fehlt wirklieb Z. 2 das T^ also MARI statt matri.
— 6 00 richtig.
Rödingen 608 ist Z. 2 das L ^icht mehr vorhanden. —
609 — 612 sind richtig wiedergegeben. — Auf 613 ist der Beiname
der Matronen deutlich GESAIENis, nicht CES. Z. 3^ steht A, Z. 4 M
auf dem Rand, also dort IVSTINA (A ohne Mittelstrich), hier L M
= libens merito. — 614 ist Z. 5 von | der untere Querstrich eines L,
Z. 6 vom VN hinzuzufügen. Uienach stelle ich versuchsweise mit
sorgfältiger Beachtung der Distanzen in der Lücke den Text so her :
Matronis Gavadiabus M.^Novellius Privatus et Novellia Se-
cunda^) v. s. I. m. — 615 finde ich Z. 2 | statt E. Z. 3. NIVS
richtig. Z. 4 aber stehen vor PRO die Obertheile von EX. Eine
sichere Ergänzung für dieses 'ex pro' weiss ich nicht zu finden. —
6 16 bei Br. richtig. Wenn aber der index hier Cesaienis gibt und
303 Gesahenis, wo genau dieselbe Ligatur sich findet, so ist eines von
beiden, i oder h, falsch, und zwar nach Gestalt der Ligatur ohne
Zweifel i, und es ist auch hier zu lesen Gesahenis. Dagegen 613 ist
I sicher. Das Wort schwankt also, wie im Anlaut zwischen G und C,
so im Inlaut zwischen aie und ahe.
Oberwinter 640 steht nach L noch ein zweites L/ wie es
scheint durch einen Punkt von dem ersten getrennt. Hiemach kann
nicht gelesen werden decurio coloniae Augustae, sei es dass man es
mit Brambach auf Köln (col. Agrippinensium) oder auf Trier (col.
Trevcrorum) bezöge; es dürfte dann auch die nähere Bestimmung
nicht fehlen. Ich rieth zuerst auf dec(urio) coll(egii) Aug(ustalium),
wie schon Grälf erklärt hat, so dass A in den von der Mitte der 1.
bis zum Ende der 6. Zeile sich erstreckenden Bruch fiele. Allein
wegen des erwähnten Punktes acceptire ich die neulich von Herrn
Prof. Hübner im Angesicht des Steins ausgesprochene Vermuthwg :
dec(urio) col(oniae) LVG(dunensis). Z.'6 steht nach D* noch der
>) Nachträglich sehe ich, dass J. Becker, der in diesen Jahcb. XLII
8. 107 die Inschriften 614 und 616 behandelt hat, den weiblichen Namen ebenso
liest, dagegen den des Mannes M. Aemilius Primus oder Primitivus — weniger
wahrscheinlich.
Epigraphische Mitiheilungen. 168
Best eines zweiten 0, also wahrscheinlich decnrionum decreto. —
641 ist bei Brambach richtig. — 642 ist zu lesen:
H ERC VLI
OCTAVIVS
CVRTAVIVS
-B • C O S •
Die Buclistaben sind zwar nur leicht eingehauen, und durch
Z. 2 geht ein Bruch; doch erscheint bei sorgfaltiger Betrachtung
nichts ' zweifclhafL — 6 4 8 Z. 4 geht durch B ein Querstrich wie
häufig (z. B. 642) als Abkürzung für BF = beneficiarius.
Remagen 648 ist die Inschrift, welche J. Becker (in diesen
Jahrb. XLIV und XLV S. 254) bei Brambach vermisst hat. Der
erste Buchstabe ist deutlich A, der zweite könnte ein offenes P sein;
doch ist Beckers Lesung Apolini, wenn damit der Gott Apollo gemeint
sein soll; ganz unwahrscheinlich, da ja dann der Name des Gottes
hinter dem des Dedicanten stünde oder aber letzterer fehlte. Der
zweite Buchstabe scheint mir aber nur | zu sein, so dass wir einen
Personennamen Aiolinus im Gen. als Bezeichnung des Vaters vor
uns haben.
Schwarzerden 746 heisst der erste Name nicht TareUo,
sondern ganz deutlich lARETIO.
Trier 800 stehen Z. 2 nach L undZ. 4 nach Q keine Punkte,
wohl aber Z. 3 nach E und Z. 5 zwischen F und R, In Z. 2 fehlt
R mit der Hälfte von O. Ich halte aber diese Inschrift für eine
Ffilschung. Darauf fahrte mich zuerst die Form der Buchstaben,
besonders der E und F, welche nur einen ganz kurzen Mittelstrich
haben, und des M, bei dem die Schenkel gerade stehen und die
beiden Mittelstriche nur bis zu Vs <ler Höhe herabreichen, auch der
drei R^ welche derb geschlossen sind. Vgl. hieraber Hfibner in diesen
Jahrb. XLVI S. 81 £f. Es könnte nun allerdings sein, dass unsere
Inschrift die Nachbildung emer echten wäre, und es hat auch wirklich
ein zweites Exemplar derselben existlrt; denn Wiltheim in seinen
Luciliburgensia berichtet: ,in coUegio nostro haec legimus, primum in
marmore, alterum in saxo' (es folgt die Inschrift, aber mit OR in
Z. 2). Das erstere Exemplar ist ohne Zweifel das in Mannheim be-
findliche, welches wirklich aus Marmor besteht ; das zweite aus ge-
.'1
■■:' ' '
I
154 Epigraphiscbe Mitth(^ilniig;6n.
wöhlillohem Stein könnte das echte Urbild gewesen sein. Allein es
findet sich so manches auch in dem Text der Inschrift^ was sie als
unecht erscheinen lässt. Man kann schon Anstoss nehjnen an der
sonderbaren Interpunktion, dass zwei Punkte fehlen (s. o.), die
nothwendig erscheinen, während Z. 3 ein unnöthiger Punkt steht.
Noch auffallender aber ist, dass der Name L. Tutor mit der Truppen-
abtheilung nicht durch Angabe seiner militärischen Stellung verbunden
ist, dass femer der Beisatz eq. zu aiae mindestens massig und, so
weit ich sehe, ganz ungewöhnlich ist, dass endlich die letzte Zeile, wie
es scheint, nicht befriedigend erklärt werden kann. Von Browers
Vorschlag Mortis felix praefecto patrono püssimo' kann keine Bede
sein, aber auch Oräff's Lesung ^fortissimo felicissimo pro pietate posuit'
und Brambach's 'fidelis frater pro pietate posuit' dürften wenigstens in
Bezug auf FF beanstandet werden. Es lässt sich aber — und das
ist ein weiterer Grund für die Unechtheit — die Quelle nachweisen,
aus der die ala Treverorum und der Name Tutor geflossen sind,
nämlich die Historien des Tacitus, wo 2, 14. 28 Treverorum ala und 4,
55 ff. 5, 19 ff. Julius Tutor — Trevir — ripae Bheni a Vitellio praefectus
auftritt. Sollten diese Gründe auch theilweise, jeder fttr sich genommen,
nicht schwer wiegen, so finde ich sie doch in ihrer Gesammtheit stark
genug, um die Unechtheit der Inschrift, jedenfalls des Mannheimer,
wahrscheinlich auch des andern Exemplars, zu behaupten.
Bingen 8 68 ist der Name Z. 4 unleserlich, das Vorhandene jedoch
richtig wiedergegeben. Z. 5 ff. ist offenbar zu lesen : pft[VA T •
TERtNI • SVP|RA • SCRIPT • V • S • d. h. ex voto Privati Ter-
tini supra scripti v. s., wie schon Lehne angegeben hat. Doch ist
allerdings Jetzt die Mitte von Tertini und der Schluss von scripti
zerstört. Die Namen der Gottheiten, denen der Altar geweiht war,
standen wohl auf dem ziemlich hohen Gesimse; es war ohne Zweifel
Minerva, da diese auf der linken Seite abgebildet ist mit der Lanze
in der Hand, während sich rechts die bekannte Darstellung der Victoria
findet, wie sie mit der rechten Hand auf den Schild schreibt.
Alzei 8 78 fehlt Z. 3 nach 'Minerve' nichts. Z. 6 f. kann ich
weder EVo|TO (Brambaeh), noch E)CVO|TO (J. Becker), sondern
nur EVILO oder FV|LO finden. Jedenfalls ist der erste Buchstabe
in Z. 7 nicht T, sondern L. Wenn ich nun gleich diese Lesart nicht
befriedigend zu erklären weiss, so halte ich es doch fiir einen Gewalt-
streich, e oder ex voto daraus zu machen. — 8 7 9 am Schluss Y(m
Epigfrftphisclie Mittheiloogeti. 156
Z. 1 u. 4» sowie in Z. 6 statt der Punkte die bekannten blattförmigen
Zeichen.
Mainz 1076 bei Brambach richtig. — 1173 Z. 4 GEM (inae),
nicht CEM. — 1181 ergänze: Qräff 45. — 1185 richtig. Man
bemerke hier die viermalige Auslassung der Vokale (i und e) : gemnae,
stipndia, Licnius, testamnti. — , 1 1 9|7 richtig. — 122 7 Z. 4 ANO
I 7
wie 1247. Das zweite N, welches J. Becker in dem O fand, kann
ich nicht entdecken. — 1230 richtig, nur zum Theil statt der blatt-
förmigen Zeichen Punkte. — 12 3 6 Z. 2 NT-F-R, also Cuses
Sugenti(s ?) filius Regus. GräflF 53 (nicht 33). — 1 2 4 7 Z. 7 ER
ligirt; dahinter etwas kleiner der obere Theil eines E (oder F)» also
wahrscheinlich frater eins posuit. — 1 2 8 1 richtig. Ergänze Qräff 86. ^
1288 und 12 89 richtig. — 1290 Z. 3 TRHAC • AN XXXV
(ligirt), also falsche Stellung des H, wie Br. 489 tRHAECViQi und 3&»
nicht 25 Lebensjahre, die Ligatur wie 1173 und 1185. Dies Beides
schon bei J. Becker richtig, di^egen Z. 4 finde ich wie Brambach
nur ST • X
Gustav sburg isao Z. 2 Becker richtig FUN, docli kann
das erste, nicht das zweite I auch ein L sein- Z. 3 und 4 scheinen
verloren zu sein, da der Stein schon innerhalb der zweiten Zeile ab-
gebrochen ist ~ 1 8 8 2 richtig. Bemerkenswerth ist ttber der Inschrift
ein rundes Gesicht mit reichem, nach allen Seiten hinausstehendem
Haarwuchs, ohne Zweifel ein Bild des Sonnengottes mit seinen Strahlen
und in Beziehung zu setzen mit dem Namen Solius.
BalUu 1391 richtig.
f
IL Wirtembergische Inschriften.
1. Jagstkreis.
Oehringen 1551 — 63 vgl. Hang, Die römischen In-
schriften in Wirtembergisch-Franken N. 31— 43. 0. Keller,
Vicus Aurelii. — 1551 Z. 2 vom Theil eines E, nicht O,
ergänze: Severi. Z. 2—4 ist die Ergänzung auf die andere Seite
der Inschrift zu setzen. Uebrigens war auf einem jetzt verlorenen
Fragment nach Keller S. 12 (Facsimile) zu Z. 3 vor M noch IV, zn
Z. 4 vor I noch T vorhanden. Ich habe die Steine 1552—57 nicht
156 Epigraphische Mittheilangen.
gesehen. — 1 5 5 3 wird von Keller S. 32 ergänzt [Jovi dep]Hl[sori et]
Nim[phi8]. — 155 4 vgl. meine Erklärung in der „Nachlese" (Wirt.
Franken IX, 1), wonach zu lesen ist: Pedatura centuriae Julii Silvani
sub cura Vaterculi Procull centurionis. Legio octava Augusta opus
perfecit — 155 7 nach Keller S. 21 in einem Frauen grab gefunden,
also jedenfalls nicht vivus, sondern viva suo testamento iussit.
Nach Bu(rsian) Lit. Centralblatt 1873, N. 4 vielmehr usti fiir ussisti —
„Anrede der in Schmctterlingsgestalt dargestellten Psyche an ihren
Peiniger Eros." — 15 58 Z. 1 eher -nusius als -nust|us, also
Canusius, Tanusius oder ähnlich (Mommsen Yenustus). Z. 2 nicht
Tedede (Mommsen), sondern Tedd(illius, iatius, ignius); es ist das
bekannte durchstrichene D in keltischen Namen. Z. 3 nicht medicus
(Mommsen), sondern (oach Christ) Meddicus, MeddilliuB oder Meddi-
rius — ebenfalls keltische Namen. Z. 5 und 7 bezeichnen nach Christas
richtiger Bemerkung die Gen. Dutti und Gels i nicht den Herrn
(eines Sklaven), wie Mommsen erklärte, sondern den Vater. — 1559
Z. 3 am Ende ein mit N ligirtes A, also wahrscheinlich (nach Hühner)
P. Cor(nelio) An[ullin]o. Z. 6 G* nicht C*, dahinter Anfang
eines V, also wohl G(ai) V[alerii] Titi. — 1560 Z. 2 a(ue)
statt 0, wie auch Stalin gelesen hat; vgl 1559 Z. 1. Z. 4 steckt in
DE wohl Aex Name einer Gottheit im Dat., etwa Iside oder Virodde,
nach Analogie der ganz parallelen Inschrift 1 559, wo Mommsen gewiss
richtig Z. 3 Nemesi ergänzt hat.
Welzheim 1564 f. vgl. Hang N. 21 f. - 1564 Z. 2 am Ende
LEg.
Lorch 1566 wurde von Stalin so gelesen: — domo — nego-
tiatori artis cretariae — parenti — incomparabilique — fil. dulcissim.
Allein Z. 3 [o]bitis und Z. 6 sit v(obis) [t(erra) l(evis)] zeigt
deutlich, dass es sich um beide Eltern handelt.
•»
2. Neckarkreis.
Murrhardt 1568—70 vgl. Hang N. -23— 25. 1568 war zu
Sattlers Zeit (1757) noch vollständig; derselbe gibt wenigstens Z. 5
H, Z. 6 |VP, Z. 8 TO, Z. 9 SE als vorhanden an. — 1569 ist von
Brambach mit sicherer Methode in der ursprünglichen Gestalt wieder-
hergestellt.
Meimsheim 1572. Die Inschriftplatte ist mit gelbbrauner
Epigraph] sehe Mittheilungen.
1B7
Oelfarbe überstrichen, übrigens vollkommen leserlich. Auf allen vier
Seiten ist ein Rand freigelassen. Die Inschrift lautet:
IVMMAEXOBNI.FILi
CIVEIVEDIOMATICO
AhNORV- C ATVNS
NNAEFlL/COlVCIEIV
AhNORVLXXX- DOME
IVSTV IMLIVSETEREPAR
ENTIBVSFECIT-
Z. 4 steht V und S auf dem Rand. Z. 4 und 7 wurden die E
für I angesehen, weil sie ganz kurz geschwänzt sind (E). Wie hierin,
so zeigt sich auch in der Form des F Z. 6 ^1') der Uebergang in
die Gursivschrift. Zu lesen ist also : Jumma Exobni fil(io) cive Me-
diomatrico annoru centum, Atuns Unnae fili(ae) coiugi eins annoru
octoginta Dome Justu filius et ere parentibus fecit. Bemerkenswerth
sind die fünf keltischen Namen mit zum Theil unlateinischer Endung :
Jumma Dat., Exobni Gen., Atuns Dat., Unnae Gen., Dome
Nom., sowie das Wegfallen der Endconsonanten m und s in annoru
Justu und ere, endlich in cive das e statt i im Dat. der 3. Dekl. —
15 73. Diese ebenfalls interessante Inschrift ist theils wegen ihrer
Stellung an einer äusseren Ecke der Kirche halb unter dem Niveau
des Bodens, theils wegen des Materials (Muschelkalk) etwas schwierig
zu lesen ; doch ist die Hauptsache gesichert, nämlich dass es ein Denk-
mal zu Ehren des Caracalla und seiner Mutter Julia wegen eines
angeblichen Sieges über Germanen sein soll. Was aber die genauere
Lesung des absichtlich zerstörten Kaisernamens anlangt, so ergänze
ich denselben nach vorhandenen Buchstabenresten so:
IIVP . CAES • M • Aar . aNton.
PIO FEL • augVsto PaR.
(inVicto?)
Ganstatt 1575 ist von Stalin und Brambach Z. 5 übersehen
worden der Bogen eines R mit folgendem Punkt, so dass der Name
des Dedicanten vollständig lautet: Publius Sedulius Julianus. Z. 10
scheint mir POSVIT das echte und ursprüngliche Ende der Inschrift
zu sein (gegen Brambach).
Höfen 1578 jetzt in der Staats- Alterthümersammlung, welche
168 EpigraphUohe Mittheilangen.
unter der Inspection des Herrn Prof. Haackh in der Kronenstrasse
zu Stattgart sich befindet. Dadarch dass die Paulus'sch^ Privatr
sammlang mit der obigen vereinigt wurde, ist der erste Schritt ge-
schehen, um die leidige Zersplitterung der vaterländischen Alterthümer
in Stuttgart aufzuheben. Möchte auf diesem Wege fortgefahren und
recht bald auch die in der Nähe der Bibliothek befindliche Sammlung,
welche unter der Au&icht des hochverdienten verewigten Stalin stand,
mit der erstgenannten zu einem schönen Oanzen verbanden werden!
Köngen 1581 und 1582 richtig.
Böckingen 1583—1592 vgl. Haug N. 3—12. — 1585 Z. 5
wahrscheinlich Acte rnus, nicht -nius. Statt PP' (übereinander) lässt
sich auch pR lesen, und es können am Ende der Zeile noch 1—2
Buchstaben gestanden haben, wodurch die Lesung (primipilaris ?) un-
sicher wird. — 1586 habe ich so zu ergänzen und zu emendiren
versucht: Senonibus | Matronis | coh. I | Helvet. | cui prae | est Jul. j
Victicius c I leg. VIII Aug. | p. f. v. s. 1. m. Vgl. 1587 (s. u.) und
1583, wo ein centurio der 8. Legion, Nasellius Proclianus, ebenfalls
praepositus (interimistischer Commandant) der coh. I Helvet. ist. 1587
habe ich mit Vergleichung der vorhergehenden Inschrift gelesen:
JuL Victicius |c. leg. VIII | Aug. Doch könnte auch der zweite
Name dort Viccius und hier Victius geheissen haben, was zu den
Baumverh<nissen besser stimmt. Dass zwei Geschlechtsnamen in
späterer Zeit nicht ungewöhnlich sind, ist bekannt ; vgl. Jul. Januarius
609. — 1591 Z. 3 reicht der Raum zu M nicht; ich lese daher statt
Primanus (Brambach) vielmehr Ripanus, was bei Fröhner 1780 und
C. L L. II, n. 1068 vorkommt. — 1 5 9 2 Z. 6 ist das ohnehin nicht
correct eingehauene M wahrscheinlich als N za lesen (vgl. zu 1833,
Z, 2).
Bonfeld 1 593 f. vgl. Haug N. 1 f. — Zu der ersteren, eben-
so interessanten als immer noch räthselhaften Inschrift hat mir Herr
Prof. Mommsen brieflich bemerkt : „testamento donavit'^ (was ich Z. 5 f
far möglich gehalten hatte)*' ist eine unzulässige Formel; es müsste
wenigstens legavit heissen. Aber meines Erachtens steckt unzweifelhaft
in S ' T' der Name der Stadt; wie durchaus in solchen Gruppen ; ob
nun saltus Taunensis gemeint ist, bleibt freilich problematisch/' — Zu
der zweiten Inschrift bemerke ich, dass auf meine Veranlassung
Pfarrer Schumann den zweiten Buchstaben in Z. 2 genauer untersucht
und deutlich den Obertheil eines T gefunden hat Also nicht Antonius,
Epigraphisohe Mittheilungen. 159
sondern Attoni US, ein Name der nicht selten ist, vgl Br. 1336.
1769 (s. u.) und die neuentdeckte Inschrift von Alzei (in diesen Jahrb.
Lni und LIV S. 142 und 295). Z. 3 ist von S ein TheU erhalten.
Benningen 1595 Z. 2 deutlich ein kleines o zwischen den
Schenkeln des N. — 1596 ist, wie Br. vermuthet, wahrscheinlich
FkMINVS = Firm in US zu lesen, jedenfalls diese Lesung mOgiich.
Der Name ist bekannthch häufig.
6 rossbot war 1597 richtig.
Bttrg 1605 vgl Hang 19.
Gundelsheim (eig. Böttingen, zu dessen Markung der
Michelsberg gehört) 16 06 vgl. B[aug 13.
Jagsthausen 1607—10 vgl. Hang 45—48. 1607 Z. 1 kt
ausser dem unteren Theil von (Hadr)IANI(fO nichts erhalten. Z. 5
über ISE noch P. — 1 608 vgl. Keller S. 42. Z. 2 P- F-KiV — F jedoch
nicht ganz erhalten — d. h. p(ius) f(elix) invict(us). Z. 3 BÄLlNEVM
(s. u.). Z. 4 nach M noch A sichtbar (s. u.). Z. 5 steckt nach
Eeller's Beobachtung V in M wie m balineupi und ist nur durch einen
kleinen Fortsatz oben an M angedeutet. Ebenso ist Z. 7 L. durch
Verlängerung des unteren Querstrichs von E bezeichnet. Die zwei
ausgemeisselten Kaisemamen werden auch von Keller nach meinem
Vorgang auf Garacalla und Geta gedeutet, während Grotefend und
Borghesi die beiden Philippi vermutheten. Abgesehen davon, dass
diese meines Wissens nicht zu den Kaisem gehören, deren Namen
nachher ausgekratzt wurden, weist das Z. 4 noch sichtbare A auf
Antoninianae hin. — 1609 Z. 7 hat nach O nichts mehr gestanden.
Z. 8 GRTO ohne A. SIGNI - lese ich signifer.
Neuenstadt (eig. Gochsen, auf dessen Markung wenigstens
1611. 12 und 14 gefunden sind) 1611—14 vgl. Hang 15—18. —
1612 Z. 1 nach RO Lücke von c. 3 Buchstaben, dann O, was zu
Schott's und Faber's Ueberlieferung Rortio genau stimmt. Z. 5 am
wahrscheinlichsten col(legio) iuventutis d(e) suo, d. h. dem ,,JUngUngs-
verein'' geweiht auf eigene Kosten. Mommsen und Stalin haben bei
SV wohl unrichtig an Sumelocenna gedacht; d. suo (ohne e) findet
sich auch Br. 1176. — 1613 emendire ich mit Steiner: Imp. Caes.
Se(ptimio) Severo Pio Pertinaci Augusto Ar(abico). — 1614 Z. 3
fehlt A in Granno, wie 1609 in Grato. Ebenso fehlt Z. 8 E in P&ter»
• ^
160 Epigraphisobe Mitiheilangen.
Z. 5 in H der Mittelstrich. Dass auch Z. 6 and 7 nicht alle Buch-
staben vollständig ausgemeisselt sind, ergibt sich schon aus Bram- ,
bach. So bleibt besonders der Name Vigionnus zweifelhaft Auf
Grund dieser Inschrift, combinirt mit dem Namen von Oehringen,
vicus A^elius (cf. 1561), und mit der Inschrift 1605, vermuthet Christ
eine civitas Aurelia Germanica, Aurelia genannt nach Garacalla, Ger-
manica nach dessen Sieg a. 213 (et 1573), eine civitas, deren fiauptort
eben der vicus Aurelius gewesen sei. Vgl. Heidelberger Jahrbücher
1872, S. 654 fif.
Oedheim 1615 vgl. Hang 14. Das Stuttgarter Exemplar ist
vollständig erhalten:
coH • n • IS
Haackh hat dies gedeutet: Gohora Ulsaurorum, H. Bauer
hat daneben an die Isarci in Rätien erinnert, Brambach im index
Ispanorum vermuthet. Ich habe mich früher an Haackhs Ver-
muthung angeschlossen, glaube jedoch jetzt, dass Br. Recht hat, da in
Stockstadt 1759 ein mil(es) coh. II Isp. vorkommt Merkwürdiger-
weise war dieser Soldat natione Isaur(us); aber eben dies, dass ein
Isaurer in einer spanischen Cohorte dient, spricht dageg^, dass es
unweit davon eine besondere „zweite isaurische Cohorte" gab.
Olnhausen 1616—19 vgl. Hang 49—52. 1617 deuteich
His. sed. mit Brambach auf Isis sedata und verweise des Näheren
auf meine Bemerkungen in Würt. Fr. zu dieser Inschrift. Z. 3 ist G
noch erhalten, wenn auch nicht ganz deutlich. Z. 5 STIP. Die
letzten Zeilen sind zum Theil durch die Kanzeltreppe verdeckt. Ich
vermuthe Z. 8 CoM (wie Brambach) und Z. 9 GLABR-II* — 1618
habe ich am Ende von Z. 1 G'L' = genio loci gefunden, Z. 2
IPOMIIIV, Keller glaubte noch mehr lesen zu können: . . . . N -
ET GL' I IPOMETIV. Z. 3 jedenfalls Gratinus, nicht Gratianos;
vgl. diesen Namen 294. 1059 und wahrscheinlich auch 1787 (s. u.).
Z. 5 f. fehlt nichts. — 1 6 1 9 konnte, ich auch nicht auffinden.
Mainhardt 1621--26 vgl. Hang 26—30. Z. 1 stand wahr^
scheinlich D - M SACR. Z. 3 glaube ich vorne TIS noch zu erkennen,
also Maximo Dasantis (Gen. von Dasas), vgl. Br. 741 Bato Dasantia
fil. — ex coh. mi Delmatarum. — Z. 4 schien mir ASTV noch les-
bar. Was auf Asturum folgt, war wohl eine nähere Bestimmung
dazu, vgl. coh. I. II. Asturum et Gallaecorum. — Z* 8 stellt das
Epigraphische Mittheilangen. 161
kleine o nach C wahrscheinlich nur einen Punkt' vor (so Br.)t abo
c(ivi) Dalmata(e). — Z. 10 jedenfalls ET BATONI (vgl. oben)j dazu
geh&rt der Gen. Beusaii[tis] von Bens as, Tgl. Br. 869 Beusas Suiti
f. Delmat. Alle drei Namen Dasas, Beusas und Bato sind also nach-
weisbar dalmatisch. — Die Heimat des ersten Soldaten, municipiom
Mag ab . . (?), ist meines Wissens nicht nachweisbar; die des zweiten
aber, municipiam Salviom, weist auf die Stadt Sa 1 via zmschen
Siscia und Salona.
Noch nicht veröffentlicht ist das Bruchstück einer Inschrift aus
dem Schönbuch (zwischen Tübingen und Böblingen), welches ich
im Stuttgarter Lapidarium gefunden habe (noch nicht katalogisirt) :
heREOESEIVS-
FACIVNDVM
CVRAVERVNT
Ueber die Inschriften des Wirt. Schwarzwaldkreises habe ich
nichts von Belang mitzutheileUi da ich dieselben nicht näher unter-
sucht habe, und gehe daher hinüber nach
lU. Baden
und zwar mit Uebergehung der (früheren) drei Landestheile See-,
Oberrhein- und Mittelrheinkreis, die mir femer liegen, zum
ünterrheinkreis.
Aus diesem stammt eine Anzahl von Inschriften, die theils in
der Grossherzogl. Sammlung zu Mannheim, theils auch in der
des Alterth ums Vereins daselbst aufbewahrt sind. Da dieser seit
15 Jahren bestehende Verein keine Druckschriften ausgehen lässt, so
benutze ich die hier sich bietende Gelegenheit, um auf die Thätigkeit
desselben hinzuweisen. Die von dem Verein angelegte und namentlich
in den letzten Jahren beträchtlich vermehrte Sammlung, welche im
linken Flügel des Orosdi. Schlosses aufgestellt ist, umfitsst zahlreiche
römische und fränkische Alterth ümer, welche auf den Mar-
kungen von Ladenburg, Schriesheim, Wallstadt, Stettfeld,
Walldorf und Osterburken aulgelunden worden sind. Eine
grosse und sehr werthvolle Sammlung römischer Alterthümer, welche
bei Mainz an dem sogenannten Dimesser Ort entdeckt worden
waren, ist im Jahr 1871 gleich andern, zu Worms und am Taunus
11
1C2 Epigraphisohe Mittheilnngen.
aufgefundenen Gegenständen , käuflich erworben worden *). Hieran
reiht sich eine nicht unbeträchtliche Anzahl mittelalterlicher
Gegenstände, welche entweder in der Umgegend aufgefunden wurden
oder daselbst bisher zerstreut aufbewahrt waren, sowie eine ansehnliche
Sammlung von Urkunden, Siegeln, Zeichnungen und Sculp-
turen. Die Münzsammlung ist neuerdings durch Schenkungen
und Ankäufe erheblich vermehrt worden; namentlich wurde der Ver-
vollständigung der pfälzischen und der oberrheinischen Ab-
theilung derselben alle Sorgfalt zugewendet. Die Bibliothek des
Vereins umfasst neben numismatischen, heraldischen und sphragis-
tischcn Werken besonders die ältere Literatur über die Geschichte des
Oberrheins und der Pfalz, und namentlich hat sich der Verein die Er-
werbung aller auf die Geschichte der Stadt Mannheim bezüglichen
Schriften zur Aufgabe gemacht. Ausserdem wurde dem Verein eine
grosse und werth volle Sammlung photographischer Abbildungen
ägyptischer, algierischer, spanischer, griechischer und deutscher Bau-
werke durch den Fertiger derselben, den bekannten Reisenden und
Kunstkenner Dr. A. v. Lorent, als Geschenk überlassen.
Hockenheim 169 7 ist schon Bramb. p. XXXI von K. Christ
ergänzt. Vgl. auch ,,Röm. Alterth. aus der Umgegend von ' Heidelberg
und Mannheim" von F ick 1er, 2. Aufl. v. Christ (Verh. der Heidel-
berger Philol.-Versammlung 186 6). Ich glaube allerdings auch
auf dem vorspringenden Gesimse des Altärchens HER zu finden, doch
nicht mehr deutlich. Statt Facundinia ist aber Facundina zu lesen.
Nach diesem Wort hat Christ richtig die Obertheile von PRO erkannt.
Rohrbach 17 02 kann ich Z. 3 mit Fickler nichts anderes als
VITTVO finden. Dafür lässt sich anführen Br. 874 Septiminiu(s)
Vittue, wo letzteres ofifenbar Gen. ist. Auf unserer Inschrift mfisste
dann wohl Vittuo als Dat. statt des Gen. geiasst werden.
H.eidelberg 1703 richtig. — 1704 Z. 4 |S|/M = NIAN,
also Galpurnianus, nicht Galpur naniuS; wie nach Brambach's Text
zu lesen wäre (index richtig). Z. 5 ist die erste Ligatur von Fiekler
richtiger gegeben, da von einem umgedrehten F oder E nichts zu
sehen ist. Christ's Lesung et item hat daher keinen Grund. — 1705
richtig. — - 1 7 1 1 Z. 4 steht zwar der 4. Buchstabe in dem durdi die
,^) Die Inschriften .dieser Dimesser Sammlang sind von Be'cke r in diesen
Jahrb. Heft XLIV und XLY, S. 72 f. edirt und besprochen worden.
Epigraphische Mittheilnngen. 168
ganze Inschrift hinuntergehenden Bruch ; ich glaube jedoch eher Spuren
von O ftls von | zu finden. Der Name Aprossus findet sich auch
Br. 1336 (Castel bei Mainz) in der Form Abrosus und Br. 1793
(Altripp) in der Form Aprosus. Z. 7 kann nur Ein L gestanden haben.
Mannheim 1717 schon von Christ a. a. 0. verbessert. Z. 2 f.
ist wahrscheinlich Ac(co)nius zu lesen, ein Name der auch in Speier
Br. 1797 vorkommt. — Ergänze : GräflF 88.
Neckargemünd 1718 richtig. Die Inschrift hat sehr eigen-
thümliche, barbarische Buchstabenformen.
Obrigheim 1724 ist ebenfalls schon von Christ verbessert.
Ich füge hinzu, dass das^ was Z. 3 nach R noch auf dem Band zu
stehen scheint, wohl nur zufallige Verletzung ist. — 21 4 vom findet
sich ein einem hebräischen Lamed ähnliches Zeichen '^i, das mir sonst
her nicht bekannt ist. Brambach hat es als Abkürzung für passus
erklärt, aber wieder Bedenken dagegen bekommen, Christ hat gelesen
agrum unciarum (= Vi« iugerum) quatuor. — Z. 6 f. hat Christ durch
Abkratzen des Kitts das Richtige gefunden; nur ist wahrscheinlich
stAtt FECI zu lesen FEC1" = fecit.
Stettfeld2061 (Br. p. XXXI) befindet sich in der Sammlung
des Mannheimer Alterthumsvereins und ist richtig wiedergegeben.
Etwas nähere Betrachtung verdienen die in Osterburken
neuerdings ausgegrabenen Inschriften: a) Vier derselben wurden noch
von Brambach in den Addenda aufgeführt Nr. 2063—66. Dieselben
sind 'mit' einigem Antieaglien von dem Verein für Wirtembergisch
Franken angekauft worden und befinden sich jetzt in der Sammlung
dieses Vereins, im Pulverthurm zu Schwäbisch Hall. Ich habe sie
in der Zeitschrift Wirt. Fr. IX, 2 im Facsimile herausgegeben und
besprochen und bemerke hier nur, dass 20 63 Z. 1 statt HON zu
lesen ist H*0-D, Z. 3 Agrico|la], Z«6ff. Repenia. Aug|usta.
pro . Di.j.iano filio. Der Nafne des Sohnes kann Digniano,
Dioniano oder ähnlich gelautet haben. — 20 64 ist natürlich Marti
militari zu lesen, cf. Br. 467 und sonst. Z. 3 steht nach V noch
LE oder | F, Z. 4 Anfang sind die Köpfe von LEG noch sichtbar
(leider auf der Lithographie weggelassen). Mit den Namen Piru —
und Mestule (oder If?) — weiss ich nichts anzufangen. — 2065
ei^änze ich mit Brambach: genio (5oh. ni Aquitanorum und ver-
muthe, dass das folgende Wort Sev er ianae zu lesen und wie Philip-
164 Epign^hiBohe BCittheilangen.
pianae (s. u.) als Beiname der Ck)horte zu fassen ist 2066 ist nach
den vorhandenen Buchstabenresten (Z. 2 vor N noch die Köpfe von
XA) auf Aurelius Severus Alexander zu beziehen.
b) Drei weitere Inschriften sind von K. Christ in der Archäol.
Ztg. 1869, S. 75 f. edirt und besprochen worden, von welchen ich die
zwei ersten nur anführe, da ich sie' nicht selbst gesehen habe.
1) lovi optimo maximo et genio loci Galvinius Titus beneficiarius^
consularis -— angeführt Br. 2067.
2) Minervae .... Gattonius Portio Sextus comicularius et
Placidius Placidinus posuerunt — so nach Ghrist's Ergänzung; bei
Bramb. 2067 a noch nicht ganz genau abgedruckt.
3) Bronceplättchen im Besitz des Mannheimer Alterthumsvereins
mit der Inschrift:
T.aVAR
tl
AGRANI
d. h. T(iti) Quartii Agrani (so Christ). Wenn auch Z. 3 die 4
letzten Buchstaben etwas nachlässig gemacht sind, so ergibt sich doch
auch mir obige Lesung als die wahrscheinlichste. Quartius kommt
auch in Trier (Br. 796) vor, Agranus kann ich nicht belegen.
c) Zwei fernere Inschriften sind von Fi ekler zuerst veröffent-
licht worden und gehören ebenfalls der Sammlung des Mannheimer
Alterthumsvereins an.
1) Genio | opt(imo) | (so Christ, Mommaen optioiium) cohCottis)
III I Aquit(anorum) | Philippi|anae auf etner kleinen ara. Vgl. Fidder
in diesen Jahrb. XLYI, S. 112 f. und Arch. Z. 1868, S. 61.
2) Auf einem dünnen Bronceplättchen: Paterio c(enturio) | cor(tiB)
Nice(ensium) Mar(ti) | Cnabetio | vot(um) r(eddidit) l(ibens) l(aetus)
m(erito). Vgl. besonders Fickler und Mommsen Arch. Z. 1869, S. 29 f.
Becker in diesen Jahrb. LX und LXI, S. 163, wo der Beiname Cnabetius
sehr schön belegt und erläutert ist Von dem Zeichen am Ende der
1. Zeile kann ich bezeugen, dass es keinem mir bekannten Zeichen so
ähnlich sieht, als dem für centurio, daher halte ich die oben gegebene
Lesung Mommsen's für die wahrscheinlichste.
d) Endlich kann ich zum ersten Mal drei Bruchstücke ver-
öffentlichen, welche ebenfalls dem Mannheimer Alterthumsverein an-
gehören.
Epigraphitohe Mittheilnngen.
165
t) Zu dem grösseren Fragment eines niedrigen, aber breiten
Altärchens mit den Buchstaben
MAR
Rl N
fand ich noch zwei kleinere Bruchstücke, das eine mit einem O9
welches die erste Zeile schliesst, das andere mit den unteren Theilen
von L-L-M, welche die zweite Zeile endigen. Da auch die Distanz
zwischen den grösseren und den zwei kleineren Bruchstücken sich
feststellen liess» so ergab sich mit ziemlicher Sicherheit der Text
MARti vict O
RiNusvsLLM
Höchstens könnte vor Victorinus noch ein Buchstabe als Vor-
name gestanden haben.
2) Auch das zweite Bruchstäck lässt sich, wie ich glaube, zum
Theil lesen.
IO>
VAN I
VOFF
Da auf das Centurionenzeichen ein Genetiv . . . vani folgt, so
muäs es hier, wie oft, die Genturie bedeuten ; dann ergibt sich am
einfachsten die Ergänzung: . . . genjio c(enturiae) [Julii(?) Sil]vani.
Die Buchstaben der 3. Zeile gehören zu dem Namen des Dedicanten,
wenn sie nicht zu fassen sind in oder de sjuo fe(cit). Für den genius
centuriae brauche ich keine Beispiele anzufahren; dieselben sind füx
die Rheinlande gesammelt von Brambach (index); ebenso wenig für die
Bezeichnung der Genturie mit dem Namen des centurio, vgl. hierüber
Becker in d. Jahrb. LIII und LIV, S. 145 ff. zu der Mainzer Inschrift:
genio centuriae Nigidii Gensorini. Wegen des Namens Julius Sil-
van US aber verweise ich auf die Inschrift Br. 1554 aus dem benach-
harten Grenzort Oehringen, wo die centuria Julii Silvani vorkommt
Allerdings Hesse sich die Inschrift auch mit Br. 1733 (verbessert
von Christ in diesen Jahrb. LU, S. 69) combiniren, wo 'ein centurio
P. Aelius S . . . anus vorkommt, der in Schlossau, also auch nicht
weit von Osterburken, einen Yotivstein gesetzt hat
3) Das dritte Fragment dagegen
ITO A
ist zu klein, als dass sich mit demselben etwas anfangen liesse.
An diese unedirten Steine von Osterburken reihe ich einen aus
« • '
r' -s.
166 Epigrfl^hisohe MittheiluogeD.
Ni er stein in Bheinhessen an, der gleichfalls noch nicht bekannt
zu sein scheint. Ueber einem gut gearbeiteten Merkur finde ich
die Inschrift
HDD lO I
CNAA ICA
LAJ
O
LAJ
d. h. In honorem domus divinae edem cum signo . . . Die
Buchstabenreste der ersten Zeile scheinen auf I • O * M - hinzuweisen,
aber die Gestalt in Hautrelief, um deren Obertheil sich die Inschrift
herumzieht, ist ein jugendlicher, nackter Gott mit Schlangenstab in
der Linken; der Kopf ist in edler Haltung nach rechts geneigt. Die
Beine, die rechte Hand und mit ihnen wahrscheinlich der zweite Theil
der Inschrift ist verloren.
IV. Rheinpfalz.
Ich wende mich nun zu den pfälzischen Inschriften, von
denen das Museum in Spei er einen grossen Theil beherbergt, —
diejenigen, über deren Aufbewahrungsort im Folgenden nicht aus-
drücklich etwas anderes bemerkt ist, — während manche auch in
Mannheim sich befinden. Durch die sachkundige und aufopfernde
Fürsorge des H. He yd eure ich in Speier sind die firliher in der
engen und etwas düsteren Antiquitätenhalle beim Dom aufgestellten
römischen Steinmonumente nun in zweckmässiger Weise in einem Saal
des Realgymnasiums untergebracht, welches auch die übrigen reichen
Sammlungen beherbergt.
(Rossberg) BecBerbach 1762 Z. 3 f. steht IR|DVTI,
wie auch Brambach's index richtig hat Das R ist gerade wie in Z. 5
geformt; es hat nicht zwei Bogen, einen einwärts und tlaen aus-
wärts gekrümmten, sondern die Einbiegung in der Mitte fehlt. —
17 63 Z. 2 kann vielleicht MAI/E zu lesen sein; doch sind Dative
auf a nicht unerhört, vgl. 1621, 8.
Schwanden 1765 Z, 2 FVIVS, also Bellius, Suavis f(iliu8),
viv(u)s.
Wolf stein 17 69 (in Mannheim) Z. 3 QViWO, d. h. Quinto,
nicht Quieto, wie J. Becker las. Z. 5 war L am Ende nie vorhanden ;
Epigraphisohe Mittheilongen. 167
wahrscheinlich begann die nächste Zeile mit LIAE, so dass sich filiae
auf Saturninae bezieht, wie filio auf Quinto.
Landstuhh 17 79 Z. 1 fehlt nichts, auch konnte ich Z. 2 von
einem mit | ligirten T (Hefner) nichts entdecken. — 1780 Z. 2 Gl,
Z. 3 TEG, Z. 4 CCEDj. Demnach lauten die Namen Cagiro
Tegeddi (sc. filio) et Billiccedni patribus (=^ parentibus, cf. Br.
415 (s. 0.) und Orelli-Henzen 4579. 6200).
Blieskastel 1783 ofifenbar ein Grabstein, rechts verstümmelt
also Z. 1 D vorne zu ergänzen. Z. 2 nach O noch P oder R. Me-
lior(?) ist Beiname zu dem vorhergehenden Namen . . . s (Brambach
falsch im index: S. Melio ....).
Eisenberg 1787 (in Mannheim). Z. 2 hat nach I nichts mehr
gestanden. Pater ni ^ Patemii ist also nomen gentile zu den zwei
folgenden cognomina, von welchen das erste wohl Gratiuus lautete
(vgl. oben 294 und 1618), da der Stein rechts verstümmelt scheint,
das andere aber nicht mit Sicherheit zu ergänzen ist ; vieUeicht, wie
Becker vermuthete, CREISCENS, jedenfalls ein Name auf ns, da diese
beiden Buchstaben unverkennbar sind. Nach IVSSV aber kann auf
dieser Zeile nichts mehr gestanden haben.
Altripp 1788 war mir von Z. 7 an unleserlich, wie den bis-
herigen Vergleichern dieser Inschrift. Die Züge sind zwar sehr derb,
aber ganz barbarisch. — 1 7 8 9 Z. 7 das zweite S sehr zweifelhaft. —
17 91 Z. 8, von anderer Hand kleiner hinzugefügt, bezieht sich auf
eine spätere Wiederherstellung des Tempels. - 1792 Z. 3 TVILI
ohne Punkte; also Magnus Tuili (sc. filius). — 17 93 Z. 2 Gl,
also Gimio. Femer ist Z. 1 nach S ein Punkt mit folgendem L
oder E, Z. 4 ebenfalls nach S ein Punkt mit folgendem T, und Z. 6
zwischen N und S ein (kleineres) V zu ergänzen. — 1794 richtig.
Iggelheim 1795 befindet sich jetzt in der Sammlung des
Mannheimer Alterthumsvereins. Z. 1 ist die Ergänzung i. o. m. (et?)
ohne Zweifel richtig, IVNONI &8t ganz erhalten. Die. folgenden
Namen sind wohl zu verbinden wie 1787. 1808. 1809 u. a.; also
Procl(il) Pollio et Fuscus.
Speier 1796 Z. 3 kann vor A ein F, E oder auch C, G
gestanden haben; wahrscheinlich ist Fatal is zu lesen, was ja als
cognomen z. B. Br. 446 vorkommt Die ganze Inschrift dürfte etwa
1
■ .1
^ J
- A
168 Epigraphische Mittheilangen.
SO ZU ordnen sein: Dis Manibus . . . . io (nomen im Dat.) . . . (cog-
nomen) decurioni coloniae Nemetum .... (nomen) Fatalis .... ob
merita faciondum curavit. — 179 8 ist nicht verloren, wohl aber
verstümmelt, indem Z. 2—6 fehlen ausser Z. 4 F und Z. 5 L. —
„1801 Z. 2 und 4 finde ieh von den Querstrichen in C keine Spur!"
,,Glaudi mit I longum (vgl. 1808 f.) ist gemeinsames nomen zu beiden
folgenden Beinamen'^ — 1802 Z. 2 ET noch vorhanden. Z. 4
Veccinius wahrscheinlicher als Vecoinius. — 1803 und 1804 habe
ich nicht gesehen ; ob sie noch im Retscher sich befinden , ist mir un-
bekannt. — 180 5 Z. 1 Fl statt FLi Z. 2 E vorn zu streichen, Z. 4
vom O mit Punkt vor P hinzuzusetzen. Der grössere Theil der In-
schrift ist unleserlich, namentlich der ganze An&ng in mehreren
Zeilen. Leicht l&sst sich dilecto filio — CIaudio(ae?) Fe —
soceris defunctis — ponendum curavit erkennen ; aber Weiteres dürfte
schwer zu errathen sein.
Heiligenstein 1806 und 1807 bei Brambach richtig. Sehr
schöne, grosse Schrift.
Duden hofen 1808 Z. 1 ft ligirt, Z. 3 | longum, wie 1801.
Also drei Fla vi i: Ubtio, Avitus, Ma}dm(u)s. 1809 Z. 1 ist pRO
SALVTe noch deutlich zu erkennen, wenn auch nur der untere Theil
der Buchstaben übrig ist. Z. 2 nicht VESSI, sondern VESSl , d. h.
Messii, was wiederum gemeinsames nomen gent für die zwei cogno-
mina Vitalis und Renicus ist, wie 1787. 1795. 1801. 1811.
Godramstein 1810 (in Mannheim) — hier ist nachzutragen,
dass auf der der Inschrift entgegengesetzten Seite des Altars Hercules
fnit Bogen, Löwenhaut und Keule abgebildet ist. Die vier Gottheiten
sind sämmtlich unter der Inschrift, da diese auf einem Aufsatz steht. —
1811 Z. 1 Ni. Die Ergänzung hat Bramb. Z. 2 und 3 unrichtig am
Ende statt am Anfang der Zeilen angebracht, wie 1551. — 1812 (in
Mannheim) vgl. J. Becker bei Bramb. p. XXXIII. Ich lese Z. 3
TRAVINI, denn nur so stehen die Buchstaben in gleich regelmässiger
Distanz; Z. 4 QVIBVS -EX; Z. 5 COLLATA (hinter diesem Wort
fehlt nichts); Z. 6 STIPE, Z. 8 R oder P. Der Zusammenhang ist
dann der, dass die Traviner dem Taranucnus den Altar weihen, für
welche (quibus) ein gewisser . . Julius ... aus zusammengeschossenem
Geld draselben errichtet hat. Wer diese Travini sind, die Angehörigen
Epigfraphisohe Mittbeiloag^. 169
einer Familie oder die Bewohner eines Orts TraviiBi, Traviom, bleibt
dahingestellt.
Impflingen 1813 (in Mannheim). Gambo ist nicht Dat. zn
Mercurio bezogen, sondern Nom., vgl. hierüber neustens K. Christ in
diesen Jahrb. LH, S. 84, A. 1).
Rheinzabern 1816 befindet sich in Speier, wie auch
Neustadt 1823. Z. 1 steht auf dem oberen Rand und wurde
wahrscheinlich desswegen dorthin gesetzt» weil zuerst auf der Inschrift-
platte (Z. 2) das H durch einen Schreibfehler ausgefallen war. * Ich
fasse also Z. 1 als verbesserte Wiederholung von Z. 2. — 1 8 2 5 Z. 3 f.
ist wahtscheinlich Matti f i||lliu8 zu lesen, vgl. 1833. - 1 826 richtig. —
1827 Z. 2 vor L Itest eines 0 oder wahrscheinlicher eines O, Z. 4
vor N der untere Querstrich eines L
Ruppertsberg 1828 ist eine vierseitige ara, kein Orabstein,
und folgendermassen zu lesen:
I O-M
SELIVS
QMNT
Jovi optimo m^imo Selius Quint(us). Die beiden Namen sind
nicht absolut sicher, aber doch sehr wahrscheinlich wie angegeben.
Z. 1 ist der Bogen des 0 nur aufgemalt, nicht eingehauen. --1829
richtig. — 1830 ist die Schrift ebenso roh und schwierig zu lesen
wie 1788. Einen Grund zur Verwerfung der Inschrift kann ich aber
nicht finden; allerdings ist dieselbe mehrfach nachgebildet worden,
wie 1831, vgl. Br. spur. 45. — 1 83 1 bei Brambach richtig; „der Anfang
der Inschrift „deo Gesisonio*' findet sich auch auf einem unechten
Stein (Br. spur. 46) und die ganze Inschrift (etwas verändert) auf einer
Schale (ib.); beide kenne ich jedoch nicht näher.'^ — 1832 da der
Stein ein Grabdenkmal zu sein scheint (ergänze zu 0 ' auf Z« 1 noch
M ')) so is^ ^^^^^ ^^ ^^^ ^^^^ ^&^s zu denken (Br. ind.), sondern an den
Namen Martins, Martinius oder Martialius im Dat. (nach T steht
kein Punkt). Z. 3 gibt dazu ohne Zweifel dascognomen Peregrinus.
Somit wäre zu lesen: Dis Manibus. Martio (tinio, tialio) Peregrino
filio — (dulcissimo parentes . . p. c. oder ähnlich). — 183 3 Z. 2 vor
V Best eines N; statt M wahrscheinlich N (wie 1592,6) also
-nucconi (Dat. von -nucco); dazu Z. 3 der Gen. Gacussonis, der
170 EpigrAphisohe Mittbeüangen.
den Vater beaseichnet Z. 4 N zu streichen, also cojagL Z. 5 L
FlLjLIO, cf. 1825. lAP vielleicht in agram pedes . . — 1834 ist
oben und links verstümmelt, jedoch ist Z. S nach V der Thei! eines
O, ebenso Z. 4 nach L die Hälfte eines M erhalten. Vom fehlt der
Name der Gottheit, das Weitere lautet etwa so: Ursio (Gap?);
itonis I ex voto [lim. Die beiden Namen Ursio und Gapito sind
bekannt.
Germersheim 183 5 bei Br. richtig. Am Schluss der 1. Z.
ein blattartiges Zeichen.
Die von Brambach sehr sorgfältig wiedergegebenen Meilen-
säulen 1945—52 habe ich nicht genauer verglichen« Jedoch 1952
Z. 5 scheint mir
ACNLXIII
zu lauten, also a colonia Nemetum leugas Xni.
Den dem Silvanus, einem auch sonst vorkommenden Gott, ge-
weihten Stein von Rheinzabern hat Brambach unter die unechten
gestellt (n. 43 und 46). Ich finde, nachdem ich ihn selbst gesehen,
keinen Grund dazu. Die Schrift ist ganz ähnlich der von 1823. Sie lautet
SILVANO
TETTO
SERVS FL
TACITlEx
V O T O * R (R laicht ganz deutlich)
Silvano Tetto serv(u)s Fl(avii) Taciti ex voto r(eddidit).
Diese Lesung ist mir wenigstens wahrscheinlicher als Tetto Serus, fil(ius)
Taciti. Zu SERVS vgl VIVS 1765. — Wenn ich diesen Stdn an
und für sich betrachtet nicht für verdächtig halte, so will ich damit
natürlich die Nachbildungen desselben, welche zum Theil den Text
auch etwas anders gestalten, nicht vertheidigen, erinnere übrigens
noch daran, dass auch Brambach selbst in d. Jahrb. LIII und UV
S. 188 tt. einige Steine von Rheinzabern, die er früher verworfen, nun
auf Grund seiner Autopsie als echt anerkannt hat. Möglich wäre
allerdings, dass das Exemplar von Golmar-Strassburg das ursprüng-
liche und das in Speier eine genaue Nachbildung wäre.
Seit dem Erscheinen des C. I. Rh* wurde zu Ernstweiler bei
Zweibrücken noch eine interessante Inschrift gefunden und von Fickler
Epigpraphisohe Mitihei1uiig«ii. 171
in d. Jahrb. (XLYI S. 114) verdffenüicht unter dem Titel: ,,Eiae
räthselhafte Inschrift^'. Da ich über dieselbe nichts beizufilgen weis8,
begnüge ich mich mit dieser Verweisung. Wohl aber vermag ich auch
aus der Pfalz zwei freilich unbedeutende neue Inschriften mitzutheilen.
1) In Waldfischbach (zwischen Kaiserslautem und Pirmasens)
ist a. 1847 eine Statue 4er Diana aus rothem Sandstein gefunden und
nach Speier verbracht worden, mit der Unterschrift
POLLIONIS • EX"V////
Tollionis ex iu(ssu) num(inis).
Aus der Stellung dieser Worte ergibt sich, dass dies die ganze
Inschrift war. Auffallend ist dabei der Gen. PoUionis, denn als
Nom. wird das Wort doch nicht genommen werden dürfen. An der
Echtheit zu zweifeln liegt kein Grund vor.
2) Auf einer Votivplatte von Altdorf findet sich über einem
kleinen, roh gearbeiteten Bild der Diana (en haut relief) die kleine
Inschrift DE/E • OIAN AE
Die Züge sind ungefähr die der Inschiiften 1823 und spur. 43;
offenbar weisen sie, namentlich die oben breiten A, auf eine spätere
Zeit, etwa das vierte Jahrhundert hin; Unechtheit anzunehmen ist
auch hier nach meiner Ansicht kein Grund.
Aus dem Elsass befindet sich in Mannheim nur die Inschrift
von Neu-Saarwerden 1860, auf welcher schon J. Becker Z. 1
richtig pRIMANIVS erkannt hat. Z. 3 ist unleserlich.
Endlich lasse ich noch einige Bemerkungen und Nachträge zu
der Rubrik: Loca prorsus incerta Bramb. p. 355 ff. folgen, da die
Grossh. Sammlung in Mannheim mehrere derartige Inschriften enthält.
2 018 ist schon oben bei 205 behandelt worden. — 2019 ist
von J. Becker verbessert worden, doch immer noch nicht ganz richtig.
Z. 3 ist zu lesen AIASSA*SIBIET, Z. 5 vor R Best eines V, am
Ende wahrscheinlich FILIO. Die Inschrift lautet also: Dis Manibus.
Clement(ius) Aiassa sibi et Arruntio Cur-urionis filio. Doch lässt
sich bei dem verwaschenen Zustand des Steins . in der letzten Zeile
nur rionis als sicher bezeichnen. — 20 2 0 bei Brambach richtig,
ebenso 2021, wobei zu bemerken , dass die zwei Zeilen COMM
172 Eptgraphisohe MiUheüangBii.
ACACVE den lückenlosen, aber freilich unverständlichen Schloss der
Inschrift bilden.
Hiezu kann ich nun noch einige Inschriften derselben Sammlang
mittheileny welche, soviel mir bekannt, noch nicht veröffentlicht
sind. Ein Altärchen zwar , das auf der Vorderseite die Inschrift trägt :
MER;CV|RI0 I SACRVM, auf der Rückseite: MARlTIjSACRVM
erweist sich auf den ersten Blick als Fälschung 0* Andcra aber steht
es 1) mit einem Marmorplättchen, welches die Inschrift trägt
A CAECILI
AL
ERONIS
Auli Caecilii Auli liberti Eronis. Es ist das also ohne
Zweifel die Grabschrift eines Freigelassenen des cäcilischen Geschlechtes,
der nach der Sitte das praenomen und nomeu seines früheren Herrn
Aulus Gaecilius angenommen hatte und seinen eigenen früheren Namen
Ero als cognomen daran anschloss. Der ganze Name steht im Gen. ; so
ist auch Eronis Gen. von Ero, wie Bramb. 1289. Da aber auf dem
Plättchen eben nichts als der Name steht, so muss es einem Familien-
begräbniss (sepulcmm commune) angehört haben, wo die Aufschriften
der einzelnen Grabnischen gewöhnlich nur die Namen der darin be-
statteten Personen enthielten. Das Täfelchen stammt hiernach wohl
aus der Nähe' von Rom.
. 2) Femer steht auf einer Steinplatte die unvollständige Inschrift
HICI
\NA PVE
AN-XiiD>
jTORINA
iVM POS rff
Dieselbe dürfte etwa so zu ergänzen sein: Hie iacet . . . . ina
puella(?), quae vixit annos XII dies X.... Victorina mater(?)
monumentum posoit.
') NaohträgUoh «ehe ich, dass Brambach p. XXXIV diete und die folgende
Iniohrift, durch J. Becker aufmerkaam gemaohtf noch angeführt hat, beide als
Terdachtig.
Epigraphiflofae Mittheiluagw.
173
3) Einer Grabschrift gehört ebenfalls ein Bruchstück an
M
NOSEC
O JCOIV
Die unvollständigen, aber doch unzweifelhaften Buchstaben sind
hiebei als ganze gegeben. Zu lesen ist die Inschrift: Dis Manibus
nio Secundo (-ino?) et coiugi eins
4) Gar kein Zusammenhang lässt sich endlich gewinnen aus dem
kleinen Bruchstück:
AIN
CIE
Nach N stand O^ C oder G, nach E - sowie unter C ein F oder E«
Ohne mich auf eine Deutung der Namen einzulassen^ stdle ich
nun noch ein Verzeichniss derselben zusammen, soweit sie gegen-
über von Brambachs Text und Register nach dem oben Mitgetbeilten
theils neu gefunden, theils berichtigt worden sind. Soweit dieselben
nicht ganz sicher stehen, sind sie mit Fragezeichen verseben ; was
daran ergänzt ist, wird in Klammem eingeschlossen.
Ac(co)nius? 1717.
Aetemus 1585.
Agranus? S. 164 Osterburken.
A^co(la) 2063.
Aiassa s. Clement(ius) 2019.
Aiolinus? 648.
An(ullinu8)? s. GomeUus 1559.
Aprossus 1711.
Attonius 1594.
Augusta s. Repenia 2063.
Bato 1621.
Beusas, Gen. Beusan(tis) 1621.
Billiccednis (ni Dat.) 1780.
Cacusso 1833.
A. Caecilius Ero S. 172. Rom?
Cagirus 1780.
Calpumianus 1704.
Clement(ius) Aiassa 2019.
P. Cor(neUus) Aa(ttllinu&)? 1559.
Crescens? 1787.
Gupitus? s. ValeriuB 205.
Curtavius s. Octavius 642.
Cur-urio? 2019.
Dasas, Gen. Däsantis 1621.
Dionianus, Dignianus? 2063.
Dome Justu(s) 1572.
Ero, Gen. Eronis S. 172. Rom?
Facundina 1697. .
Fatalis? 1796.
Firminus 1596.
Fl(avius) Tacitus S. 170. Rhein-
zabern (spur. 43).
Gimio 1793.
(G)ratinus? 1787.
Gratinus 1618.
laretius 746.
Ipom(n)ius oder Ipom(et)ius Gra-
tinus 1618.
Irdatus 1762.
174
Epignpliitohä Mitthaüangen.
(Julius Sil)vaaas? S. 165. Oster-
burken (coli. 1554).
Mart(ius, inius, ialius?) Pereg(rh
nus) 18324
Mattus 1825.
Matuinus 1779.
Med(dicus, dillius, dirjus?) il558.
-s Melior? 1783.
Jdessius 1809.
Mestule(lf?) 2064.
M. (Novel)liu8? Pr(ivat)us? 614.
No(vel)lia? SecttD(da) 614.
Octavius Gurtavlus 642.
Paterio S. 164. Osterburken.
Patemi Nobel Plur. 1787.
Pereg(rinus) s. Mart . . 1832.
Piru 2064.
PoUio (onis Gen.) Waldfischbach.
(P)rimaniuB 1860.
Pnvatius Tertinus 868, Z. 5 f.
Pr(ivat)us? s. Novellius 614.
Procl(ii) Nom. Plur. ? 1795.
P(ubliu8) Sedulius Julianus 1575.
T. Quartius Aflnranus? Osterburken.
Quint(us)? s. Seliua 1828.
Begus 1286.
Repenia Augusta 2063.
Ripanus 1591.
Bortio 1612.
Secun(da) s. Novellia 614.
-nius Sec(und)u8 ? S. 173. WoHer V
Selius? Quintfus)? 1828.
(Sil)yanus s. Julius.
Sugentus oder Sugens (Sus^i^t.
Gen.) 1236.
Tacitus s. Flavius.
Teddfillius, iatius, ignius?) 1 ^5B,
Tegeddus (di Gen.) 1780.
Tertinus s. Privatius 868.
Tetto S. 170 ßheinzabcrp (ap. -4r3).
Travini? 1812.
Tuilus (U Gen.) 1792.
C. Val(erius)? Cupitus? 205.
C. V(alerius)? Titus 1559.
Veccinius? 1802.
(Vic) (Victi)ciu8 1587.
Victi(us, cius) 1586.
(Vict)orinus? S. 165. Osterbuc-^I^en
(Vic)torina S. 172. Woher?
Vittuus (uo Dat.?) 1702.
Unna 1572.
/
Vorn verstümmelte Namen.
-dus s. (Vic)ciu8 1587. -ratinus s. (G)ratinus 1787.
-ito. a S. 165. Osterburken. -rimanius s. (P)rimanius 18
-itonis (Gen.) 1834. -torina s. (Vic)torina.
-nucconi (Dat.) 1833. -vani s. (Julius SiDvanus
-nusius 1559. * btaiten.
-orinus s. (Vict)orinus Oster-
burken.
Götternamen:
Gesahenis 616. (gen)io c(eiituriae Jnl. Sil^
deo Cisoüio 1831. S. 165 Osterbarken.
deaeDianae S. 171. Altdorf (Pf ale). genio (coh. ni) Aq. 2065.
Epigraphiiohe MiHheüangeD.
176
genio opt. coh. III Aquit Osterbiirk.
6esaien(is) 613.
Her(ecure)? 1697.
rOM 1828. (auch Nierstein?).
Mar(ti) S. 165, Osterburken.
Mar(ti) S. 164. Cnabetio ebd.
Marti (mili)tari S. 163. ebd.
Silvano S. 170. Rheinzabem (sp.43).
Kaisernamen:
138—161 (Imp. Caes. divi Hadr)i-
ani (f.) divi Trai. Parthici nep. divi
Nervae pronep. (T. Aelius Hadria-
nus Antoninus — ) 1607.
193—211 Imp. Caes. Se{ptimio)
Se vero p(i)o p(er)t. August. Ar(a-
bico) 1613.
(coh. III) Aq. Sev(erianae?) 2065.
211—212? (M. Aurelius Antoninus)
p. f. invict. Aug. (et P. Septimius
Ueta Ant. Aug.)? 1608. .
213—217 Imp. Caes. M. A(ur.
A)n(ton.) pio fei. (Aug)u(sto) P(a)r.
Germ. pon. maxim. et Juliae Aug.
matri castrorum 1573.
222—235 Aur. S(everus Ale)-
xand(er) 2066.
222 (Sev)eri 1551.
244—249 coh. HI Aquit. Philip-
pianae S. 164. Osterburken.
Endlich gebe ich noch ein Verzeichniss sämmtlicher in den be-
handelten Inschriften vorkommenden grammatischen und ortho-
graphischen Unregelmässigkeiten. Es versteht sich, dass ich
wohl weiss, wie sehr die im Folgenden aufgezählten Fälle der Ab-
weichung vom gewöhnlichen Sprachgebrauch innerlich unter einander
verschieden sind. Doch glaube ich, dass auch s o diese Zusammenstel-
lung für die Geschichte der Sprache und Schrift nicht ganz werthlos ist.
1. Decl. Sing. Gen.:
ala Ispanae 1227.
Antomniane 1575.
Taluppe 1823 (cf. 1851).
Dativ:
Appie, Verine, filie, dulcissimc 415.
Minerve 878.
sacte Visucie 1581.
Deane 1594.
MeddQe 1718.
Prime 1833.
Jumma 1572.
Maia? 1763.
Dalmata 1621.
Plur. Dativ:
Oavadiabus 608. 609.
Vatuiabus 610. 611.
G(avadi)abus 614.
-iabus 615.
Vatuims 612.
2. Decl. Sing. Nom.:
Justu 1572.
Plur. Gen.:
annoru (zweinml) 1572.
3. DecL Sing. Nom.:
ere 1572.
Genetiv:
iuventuti 1551.
Dativ:
cive 1572.
-de? 1560.
Conjugation:
posit 1185. 1569.
posat 1831.
176 Epifraphitolie lliMlieibuig«iL
Auslassang von Vocalen:
a Grto 1609. i Bassana 616.
Grnno 1614. gemnae,
e vetr 294 (veteränus). Licnius 1185.
Sil 1181. (Stellatina tribu). Vitals 1793.
stipndia, posut 1831.
testamnti 1185. o vto 1762.
d su(o) 1612 (cf. 1176). u Maxims 1808.
patr 1614. posit 1185. 1569.
Vertauschang von Vocalen:
e für ae edem Nierstein. (vgl. 3. Ded. Sing. Dat.)
(vgl. 1. Decl. Sing. Gen. u. Dat.) i fbr e ixs = ex 1185.
e für i Deane 1594. u für i quadrubis 2061.
Auslassung von Consonanten:
h Elvetius, sacte 1581.
Ispanae 1227. ano 1227. 1247.
Is(panorum?) 1615. anorum 1621
ere 1572. s (vgl. 2. und 3. Dekl.)
cor für cbor. oder cohor. Oster- t mari für matri 597.
burken. Paerna 616.
mvgl. 2. Ded. v vius 1765.
n coiugi 1572. 1833 (auch auf der aerus Rheinzabem.
vorletzten Inschrift unbekannten
Ursprungs S. 173).
Umstellung von Consonanten:
Trhac 1290 (cf. 489 Trhaec).
Vertauschung von Consonanten:
d für t: ed (vor d) = et 1576. 1 fttr r: aglo 1826 (cf. 1598 si-
k fttr c: Volkano 1595. muUaclum.
V für b: quadrubis.
Hinzufügung von Consonanten:
h His(idi) 1617. s diss für dis = den Göttern 1779.
i fiUius 1825. 1833. ixs für ex 1185.
n coniunx 1597. 2061. uxsori 1765.
Mannheim. Professor Hang.
8. Zwei Steindenkmäler mit Darstellungen von plialerae aue Bonn.
Hiereu T»f. V. Fig. 1- und 2.
Wir kommen einem vorlängst in diesen Jahrbüchern <) gegebenen
Versprechen nach, indem wir vpn den beiden in der, Nähe von Bonn
gefundenen Grabdenkmälern mit Darstellungen von phalerae möglichst
treue nach photographischen Aufnahmen auf Stein gezeichnete Ab-
bildungen bringen und dieselben mit den erforderlichen Erläuterungen
begleiten.
Zunächst möge die Bemerkung vorausgeschickt werden, dass
unter phalerae (von dem griechischen Worte q>alaQa, welches bei
Homer den die^ Backen schützenden Theil des Helms, zwei an den
Backen anliegende Metallplatten bezeichnet) glänzende Verzierungen
zu verstehen sind, welche ursprünglich am Riemenzeug der Pferde
sowohl am Kopfe als an der Brust angebracht waren, später aber in
ähnlicher Weise von Soldaten über dem Brustpanzer (lorica) als
Ehrenzeichen, welche sie zur Belohnung ihrer Tapferkeit vom Feld-
herrn erhielten, getragen wurden. Dieser militärische Ehrenschmuck,
wel(;hen man aus römischen Schriftstellern ^) und aus zahlreichen In-
schriften '), in welchen derselbe neben andern Insignien erwähnt
wird, bisher gekannt hat, ohne jedoch die gehörige Vorstellung damit
zu verbinden, ist erst in neuerer Zeit durch Vergleichung einer Anzahl
mit solchen Emblemen geschmückter Steindenkmäler, welche regel-
mässig in ungerader Zahl, zu je 5 (die sog. quincunx), 7 oder 9 auf
>) \ergl. Heft XLIX. p. 190 fg. und LUI—LIV. 8. 182 ff.
*) X. B. bei Gic. Yen*. HI, 80, 186. Q. Rabrinm-oorona et phaleris
et torqoe donaati; Plin. h. n. YII, 28, 102. L. Siooius Dentatui-donattu haatis
puris XVIII, phaleris XXY, torqoibns LXXXIB, armülia GLX, ooronis XXVI.
*) Beispiele finden sieh bei Longp^rier (revue numisroat. 1848 p. 88 f.)
und bei 0. Jahn, die Lauersforter phalerae susammengetteUt. Das Uteste bei
OreU. 8526 M. Aurelius M. f. Celsus^onis donatus ab imp.^Caes. Aag. bell.
Act. SicU. et Hisp. torq. armil. et phal. III.
12
178 Zwei Steindenkmäler mit Darstellangen ron phalerae aus Bodd.
•
einem aus Riemen oder Blechstreifen gebildeten Geflecht über dem
Brastharnisch kreuzweise angebracht sind, von hervorragenden italie-
nischen und französischen Archäologen, Borghesi^), Gavedoni')
und Longp^rier^) eingehend besprochen und mehrfach beleuchtet
worden. Besonders aber hat der glückliche Fund zu Lauersfort
im Nov. 1858, wobei neun in einer Büchse verwahrte, im Ganzen
wohl erhaltene Medaillons von getriebenem Silberblech mit Köpfen,
die laut der punktirten Inschrift einem hohem römischen Officier
G. Flavius Festus angehört haben, ans Tageslicht kamen, eine wieder-
holte Behandlung dieser Gattung militärischer Ehrenzeichen von Seiten
zweier deutscher Alterthumsforscher, Dr. Ü. Rein und 0. Jahn,
hervorgerufen. Nachdem Dr. Rein die erste Nachricht über den sel-
tenen Fund in diesen Jahrbüchern ^) gegeben, verölTentlichte er im
folgenden J^hr (1860) in den Annalen des archäologischen Instituts
zu Rom ^) eine ausführliche gelehrte Abhandlung über die phalerae
(mit 2 Eupfertafeln). In demselben Jahre folgte die ausgezeichnete
Publication 0. Jahn's als Festprogramm zu Winckelmann's Geburts-
tag am 9. Dec. unter d. T.: die Laue rsf orter phalerae (mit drei
Tafeln, wovon die 1. von Troschel geschmackvoll gestochen ist), worin
er hauptsächlich die künstlerische Bedeutung des werthvollen Fundes,
welcher durch Schenkung des Eigenthümers Herrn Hermann v. Rath
in den Besitz Sr. KönigL Hoheit des damaligen Prinz-Regenten über-
gegangen war, mit gewohnter Meisterschaft allseitig besprochen hat.
Wenden wir uns nach diesen orientirenden Bemerkungen zur
Beschreibung des ersten Denksteins (Taf. V F. 2), welcher oben ver-
stümmelt noch 1,24 Centim. hoch, 0,71, bzw. 0,77 Centim. breit und
18 Centim. tief ist. Der Durchmesser des grössten, mittlem Medaillons
beträgt über 12 Centim., der der übrigen etwas- über 10 Centim., ent-
spricht also im Ganzen demjenigen der Lauersforter phalerae, welcher
durchweg 11 Centim. beträgt.
') Borghesi, daoade numifim. XYII, 10.
>) Cayedoni, aim. d. instit. XYIII p. 119 ff. '
') Longperier, roYue num. 1848 p. 86 ff. revae aroh4ol. 1849. p. 834 ff.
Beoker-Marquardt, röm. Alterth. in, 2 p. 440 f^
*) Heft XXVn. p. 166 ff.
^) Annali d. Instit. archeolog. Vol. XXXII: de phaleris et de argenteia
eamm ezemplaribas haad prooul Galone et Asoibargio Romanorum 'caBteiliB
apud Lauersfort praediam a. 1868 repertis. Soripsit A. Bein.
r
Zwei Steindenkmaler mit Darstclluiigen von phalemc aus Bonn. , 179
•
Der auf der obern Hälfte dargestellte, mit gitterartigem Riemen-
gellecht versehene Harnisch (lorica) des durch dieses Denkmal Geehrten,
welcher laut dem darunter stehenden pietätsvollen Nachruf VALE •
LVCI den Beinamen Lucius führte, ist nicht, wie auf dem Steine des
C. Marius, auf die Seite gelegt, sondern nach Massgabe der Stellen
der oberhalb der phalerae angebrachten armillae (Armringe), welche
auch auf unserm Denkstein nicht gefehlt haben werden, senkrecht
gestellt und nur in die Breite gezogen. Aus welcher Veranlassung
diess geschehen, ob aus Ungeschick des Steinhauers, oder etwa um den
vorhandenen Raum auszufüllen, ist nicht zu erklären', wie denn über-
haupt dieser Denkstein manches Seltsame bietet. So ist es sehr auf-
fallend, dass statt der regelmässigen Dreiziihl in der obern Reihe sich
nur zwei Phaleren finden; denn nach dem Vorgange eines der ersten Sach-
kenner, des Conservators Dr. Lindenschmits, dem ich über die beiden,
im Laufe dieses Sommers für das germanische Museum in Mainz ab-
geformten Steine briefliche Mittheilungen verdanke, kann ich nur. den
Ausfall einer Phalera, und zwar links, annehmen, da. die Anbringung
einer dritten durch die Raumverhältnisse nicht zulässig erscheint.
Das einzige in der obern Reihe erhaltene Medaillon stellt einen
Adlerkopf vor, an dem ich eine Art Haube zu bemerken glaube.
Unter den bisher bekannten Phaleren findet sich der Adler und zwar
mit ausgebreiteten Flügeln nur noch auf dem schmuckreichen Denk-
mal des Centurio Q. Sertorius in Verona *), während der Adlerkopf
als Verzierung an rönüächen Schwertgriffen nicht selten ist.
In der zweiten Reihe erblickt man links und rechts einen
Thierkopf, in welchem der unbeholfene Steinmetz höchst wahr-
scheinlich den unter den Lauersforter Phaleren und auf dem ältesten
und berühmtesten Monumente des M. Caelius ') mehrfach wieder-
kehrenden Löwenkopf darstellen wollte, obgleich er hier mehr dem
eines Bären als eines Löwen ähnelt, zumal da, sich keine Andeutung
einer Mähne findet. Die Mitte der Reihe nimmt ohne Zweifel ein
Medusenhaupt ein, ebenso auf den Denksteinen des Caelius, des
Q* Sertorius und des Centurio der Leg. XV M. Pompeius Asper (aus
Villa Albani) % Nach dieser Analogie hat denn auch 0. Jahn bei
>) Jahn a. a. 0., Taf. 11, 4.
>) Abgebildet bei 0. Jahn a. a. 0. Taf. II, S. S.
•) Abgebildet bei 0. Jahn a. a. 0. Taf. U. S. 6.
IdO Zwei Steindenkmäler mit Darstellungen von phalerae aas Bonn.
der Anordnung der 9 Lauersfoiter phalerae dem Medusenbaupt den
gleichen Platz angewiesen ^).
In der dritten Reihe findet sich als mittlere Figur wieder ein
Thierkopf, ähnlich den beiden in der zweiten Reihe, nur dass die
Schnautze und der Unterkiefer abgeschlagen ist. Zu beiden Seiten
zeigen sich menschliche Köpfe im Profil von so roher Arbeit,
dass man, nach dem treffenden Ausdruck lindenschmits, nur Larven
ohne Hinterkopf vor sich zu haben glaubt. Eine Parallele hierzu
bietet der Stein des Sertorius, auf dem sich gleichfalls in der mittlem
Reihe zwei Köpfe in Profil finden, welche würdiger dargestellt sind, so
dass sie wohl für Portraitköpfe gelten dürften. Ob wir darin Köpfe
von Kaisern erkennen dürfen, wie sie unter dSn Emblemen der
römischen Feldzeichen vorkommen und später, seit Caracalla, als die
mit phalerae geschmückten Brustpanzer ausser Gebrauch gekommen
zu sein scheinen, als gehenkelte goldene Medaillons von grösserer Form
üblich wurden und am Bande getragen wurden, mnss dahin gestellt
bleiben *).
Der Grabstein, zu dessen Erläuterung wir jetzt übergehen, (Taf.
V. f. 1) ist nach der unter den phalerae angebrachten Inschrift einem
Reiter der leg. I Germanica, Namens G. Marius, welcher, aus Luc us
Augustus^) in Gallia Lugdunensis gebürtig, nach 15 Dienstjahren
im 30. Lebensjahre starb, von dessen Bruder Sextus Sempronius ge-
setzt worden *). •
Der obere Theil des Denkmals zeigt einen Reiter mit unbedecktem
Haupt, in der Linken den sechseckigen Schild, in der Reckten den
Wurfspiess haltend. Sein Brustpanzer (lorica) ist mit phalerae
geschmückt, die jedoch bei der starken Verwitterung des Steins nur
theilweise zu erkennen sind, und reicht nur über die Schultern und
einen Theil der Oberschenkel. Der Gürtel (cingulum) des Reiters
>) Ebendaselbst abgebildet auf Taf. I, 1.
>) Becker- Mar quar dt, rom. Alterth. III, 2 p. 441. Anm. 20.
*) Die ungewöbnliohe Form LVGO AVGYSTO statt Augasti folgt der
Analogie von ähnlichen Städtennamen, e. B. Colonia Ang^usta Emerita, Paz
Augnsta und möchte der herkömmlichen Aagost«, die keine inschriftliche Aactoritat
för sich hat, yorzoziehen sein.
*) Näheres s. in d. Jahrb. LIII nnd LIV. p. 182 ff. Die dort gegebenen
Maasse des Steins sind dahin zu berichtigen, dass die Höhe 1»91V2 Gentim., die
Breite 0,777. Centim., die Dicke 0,80 Gentim. beträgt.
Zwei Steindenkm&ler mit Darstellniigen Ton phalerae wlb Bons. 181
ist noch erkennbar, es fehlt aber das Schwert, welches in der Regel
anf der rechten Seite getragen wurde ; es muss daher an der linken
Seite angenommen werden. ( Das geübte Auge Lindenschmits erkennt
noch am Beine eine bis zur Hälfte der Wade reichende, enganschUes-
sende Hose (bracae), eine barbarische, bei den römischen Soldaten
erst seit der Regierung des Severus Alexander vorkommende Tracht,
die auf unserem Steine, welcher unzweifelhaft in das 1. Jahrhundert
n. Chr. zu setzen ist, aufifallen müsste, wenn uns nicht die Inschrift
den Marina als einen Gallier aus der Provinz bezeichnete, welche
früher wegen dieser Tracht G all ia bracata 0 genannt wurde und,
wie es scheint, für die Reiterei der 1. Legion die Rekruten lieferte. —
Der Kopf des Pferdes ist stark beschädigt, doch lässt sich das Riemen-
werk des Kopfgestells noch erkennen. Die viereckige Sattel-
decke (st ragula) ist durch den auflEallender Weise an ihrem vorderen
Rande angesetzten Bauchgurt, ferner durch einen Schenkelriemen
nach hinten zu, so wie nach vom durch den 3rustriemen befestigt.
Die unter dem hochgehobenen Vorderfusse des Pferdes quer-
liegende lorica zeigt auf dem bekannten gitterförmigen Riemen-
werkneun symmetrisch in drei Reihen geordnete phalerae. Betrachten
wir diese Ehrenzeichen, wie sie sich hier geben, und nicht wie sie sich
darstellen würden, wenn der Brustpanzer die natürliche (vertikale)
Stellung einnähme, so erbUcken wir in der obern Reihe links eine
vielblätterige Rosette. Von diesem Schmuckstück ist uns nur
ein Beispiel bekannt aus „Lindenschmits Heidnischen Alterthümem*' ^),
wo sich auf einem Grabstein aus Worms ein Reiter einer Hispanischen
Ala, Licinius, Glosi fil. Helvetius abgebildet findet, welcher auf der
Brust mit drei ähnlichen Rosetten geziert ist, während auf dem
vordem und hintem Schenkelriemen des Pferdes zwei der Form nach
ganz gleiche, jedoch beträchtlich grössere 'phalerae angebracht sind,
die jedoch nach der Annahme A. Rein's nicht aus dünnen, leicht zer-
brechlichen Schildchen, sondern vielmehr aus massivem Silber bestanden
haben mögen*).
Die zweite phalera scheint einen Pferde köpf darzustellen,
dessen unterer Theil stark verwittert ist, die dritte (rechts) zeigt
einen menschlichen Kopf en face von so roher Darstellung,
i)Beoker-MarqDardt, Uandb. d.röm. Alterth. III, 1. 8. 87. Anm. 608.
») 1. Band, Heft UI. Taf. 7. Fig. 2.
') Rein, de phaleris etc. p. 184.
182 Zwei Steindenkmäler mit Dtrstetlnngen von phftlerae ans Bonn.
namentlich der Haare, welche Ober der Stirne in Streifen steif auf-
stehen, dass es fraglich erscheint, ob man in demselben ein Medusen-
haupt annehmen darf.
In der mittlem Reilre finden sich zu beiden Seiten einfache,
mit concentrischen Kreisornamenten gezierte Scheiben,
deren Form ganz mit den einfachen, bildlosen phalerae stimmt, welche
wir in der herkömmlichen Neunzahl auf den Denksteinen des Cn.
Musius 0? Adlerträgers der Legio XIII Gemina (in Mainz), und des Q.
Cornelius (in Wiesbaden) ') erblicken. Die mittlere phalera zeigt
wieder, wie die entsprechende der ersten Reihe, die Spuren eines
Pferdekopfes.
In der untern Reihe ist das erste Medaillon ohne Zweifel
als Medusenkopf anzusehen; in der Mitte erkennen wir mit Linden,
schmit wieder eine rielblätterige Rosette, an der letzten Stelle
endlich die stark verwaschenen Reste eines Pferdekopfes. Was
dieses auf dem Denkstein des C. Marius dreimal vorkommende Emblem
betrifft, so ist dasselbe auf den bisher bekannten Steinen mit phalerae
nicht nachzuweisen, jedoch als militärisches Ehrenzeichen eines Reiters
leicht erklärlich, so wie sich denn auch auf dem Denkmal des Q.
Sertorius, ausser dem oben erwähnten Adler, ein Pferd als Schmuck
zweier phalerae findet.
Man hat bezüglich der Zahl, der Auswahl und Anordnung der
phalerae bestimmte Regeln aufzustellen versucht; wie misslich jedoch
eine solche Generalisirung ist, die sich bis jetzt auf eine noch sehr
beschränkte Anzahl von Monumenten stützt, zeigte sich schon oben
bei der Besprechung des ersten Denksteins, auf dem sich statt der
erwarteten Neun zahl nur acht phalerae erkennen Hessen. Eine
andere Abweichung von der bisher angenommenen Norm, dass sich
die phalerae immer paarweise entsprechen und das Medusenhaupt
•überall die Mitte einnehme, bietet der Stein des G. Marius, indem auf
demselben das zweimal vorkommende Medusenhaupt, nach der natür-
lichen Stellung der lorica, in der 1. Reihe nicht die Mitte, sondern
die erste Stelle, dagegen in der 3. Reihe die letzte einnimmt und
ausserdem nur einmal, und zwar in der mittlem Reihe zwei gleiche
1) Abgebildet bei 0. Jahn a. a. 0. Taf. II, 1, bei Lindenschmit, hoidn.
Alterthümer I. Bd., lY Lief., Taf. 6.
>) Abgeb. bei Jahn a. a. 0. Taf. II, 2.
Zwei SteindenkiD&ler mit Darstellungen ▼on phalerae ans Bonn. 188
phalerae bssw. die zwei bildlosen kreisförmigen Schildchen mit einander
correspondiren.
In Betreff der letztern, einfachen phalerae köi /te man geneigt
sein, mit Dr. Bein 0- anzunehmeq, dass dieselben als Belohnung an
gemeine Soldaten und höchstens an Standartenträger gegeben worden,
während höher Ghargirte, wie Caelius, Sertorius und Cornelius kunst-
reichere, mit Bildern geschmückte phalerae erhielten. Aber auch
dieser Annahme stehen unsere zwei Denksteine entgegen, da sie, obgleich,
wie mir scheint, beide gemeinen Soldaten gesetzt, fast durchweg
ähnliches Bildwerk aufzeigen, wie die Denkmäler höherer Officiere.
Man könnte vermuthen, dass unser C. Marius und Lucius, den ich
ebenfalls für einen Reiter der leg. I ansehen möchte, da Beider
Grabsteine an gleicher Stelle zu Tage kamen, als solche mit werth-
vollem Ehrenzeichen belohnt worden ^eien, als die Fusssoldaten,' zu
welcher Truppengattung sämmtliche auf Denksteinen mit phalerae
vorkommende Personen gehört haben.
Ob übrigens die auf den phalerae dargeötellten Gegenstände neben
der decorativen Bestimmung auch eine symbolische Bedeutung gehabt
haben mochten, und namentlich auch den Zweck hatten, als sogenannte
anoTQonaia zu wirken und den von Griechen wie Römern so sehr ge-
fürchteten bösen Blick, d. h. Zauber und Beschädigung des durch
einen so glänzenden Ehrenschmuck Ausgezeichneten abzuwenden, dürfte
um so mehr fraglich erscheinen als diese von den Griechen über-
lieferten Vorstellungen, besonders das . Gorgoneion , bei den Römern
typisch geworden und in der Kaiserzeit nach dem wechselnden Mode-
geschmack mit neuen, augenscheinlich bloss ornamentalen Formen,
wie z. B. mit Rosetten und menschlichen Köpfen, verbunden wurden,
obgleich andererseits wohl nicht verkannt werden darf, dass an den
Vorstellungen des Medusenhauptes, des Löwenkopfes, der Sphinx, bei ,
der unter den Römern herrschenden abergläubischen Furcht vor
Beschädigung durch unmittelbare Einwirkung der beleidigten Gottheit
oder durch übernatürliche Zauberkraft, eine gewisse religiöse Scheu
haften blieb «). '
^) Verg;!. hierüber 0. Jahn a. a. 0. S. 19 f. und besonders in „den Ber.
der Sachs. Ges. der V^Tiss.'^ 1855 p. 28 ff. „über den Aberglauben des bösen
Blicks bei den Alten'*.
2) Jahn a. a. 0. S. 26. Anm. 103.
184 Zwei Steindenkmaler mit Daniellangen Ton pbalerae aus Bonn.
Was endlich die Frage, die man hier noch erheben könnte,
betrifft, ob die auf den phalerae vorkommenden Bildwerke in einer
nähern Beziehung zu denen der Feldzeichen (Signa), mit welchen
sie einzelne Darstellungen, z. B. die bildlosen concentrischen Schildchen
und Köpfe von Menschen, gemein haben, so scheinen mir, nach Vor-
gang 0. Jahns '), diese doch zu wenig Anhalt zu bieten, um einen
solchen Zusammenhang zu finden.
Bonn. J. Freudenberg.
>) 0. Jahn. Die Lauenforter phal. S. 26.
9. Der alte Gereone-Altar in der gleichnamigen Kirche zu Köln.
(Hierzu Taf. VI.)
Unter den vielen bauprächtigen , wahrhaft monumentalen ro-
mimischen Kirchen der Stadt Köln giebt es keine, über deren Bau-
chronologie so weit auseinandergehende Kontroversen früher bestanden
hätten, wie über die alte Stiftskirche zum h. Gereon, lieber die Ent*
stehungszeit der römischen Rotunde, der Krypta, des Mosaikbodens, des
Langchores, der beiden Ostthürme, des Gewölbes des Dekagons, der
Taufkapelle und der Sakristei sind in den verschiedenen über St. Ge-
reon handelnden kunsthistorischen Arbeiten vielfach einander völlig wider-
sprechende Ansichten ausgesprochen und begründet. V^Tenn auch mehrere
der in den letzten Jahren veröffentlichten urkundlichen und chronika-
lischen Nachrichten über das Stift und die Kirche von St. Gereon
geeignet sind, verschiedene dieser Widersprüche auszugleichen und
bezüglich einzelner Bautheile die Zeit ihrer Entstehung genau zu be-
stimmen, so bleibt bei diesem Baudenkmale doch immer eine Reihe
von architektonischen Räthseln übrig, bei deren Lösung wir lediglich
auf Analogien ähnlicher Bauwerke und die stereotypen Gesetze be-
stimmter Bauperioden angewiesen sind.
Der in der jüngsten Zeit beim Abbruch des zwischen den zum
Langchor führenden Treppen befindlichen Zopfaltars zum Vorschein
gekommene alte romanische Steinaltar hat die Aufmerksamkeit der
Archäologen und Kunstfreunde neuerdings auf den herrlichen Bau der
Gereonskirche gerichtet, und den Lesern dieser Zeitschrift dürfte es
nicht unlieb sein, im Anschluss hieran eine kurze Darstellung der
Baugeschichte dieses Gotteshauses zu erhalten.
Die Mutter Constantin's, die Kaiserin Helena, wird allgemein als
die Erbauerin einer dem heiligen Gereon, einem der Märtyrer der the-
bäischen Legion geweihten Kirche angegeben und angenommen.
186 Der alte Qereon8*Altar in der gleiohnAmigeii Kirdie za Köln.
Diese Annahme gewinnt einigen Halt in der Thatsache, dass das
jetzige Dekagon noch an verschiedenen Stellen seiner Basis Reste eines
unzweifelhaft spät-römischen Rundbaues zeigt. In der ersten fränkischen
Zeit scheint dieses römische Bauwerk mit prächtigen, goldgestickten
Teppichen behangen, die Wände bis zur Decke hinauf mit kostbaren
Steinen, mit Gold und prachtvollen Farben geschmückt gewesen zu
sein. Darum heisst es zu den Zeiten Gregor's von Tours „ad aureos
martyres'^ Wie sämmtliche Kirchen der Stadt Köln wird auch die
des h. Gereon in den wiederholten Verwüstungszflgen der wilden Nor-
mannenschaaren hart mitgenommen worden sein. Zur Zeit des Erz-
bischofs Bruno war sie wieder in gutem Stande, und sie erhielt von
diesem grossen Wohlthäter der Kölner Kirchen verschiedene kostbare
Geschenke. Einen völligen Umbau erfuhr dieser alte Rundbau durch
den Erzbischof Anno. Durch ein Traumgesicht war er ermahnt worden,
die fast in Vergessenheit gerathene Verehrung des h. Gereon und
seiner Genossen wieder zu wecken. Er entschloss sich darum, die alte
baufällig gewordene Rundkirche zu erweitern und unter dem neuen
Bautheile eine geräumige Krypta anzubringen. Zu diesem Zwecke
wurde die Rotunde an der Ostseite durchbrochen, und ein geräumiges
Langschiff mit einem prachtvollen Chor und zwei schönen Tbürmen
errichtet. Die ehrwürdige Grabkircke, in welcher der Erzbischof
Hildebold seine Ruhestätte gewählt halte, blieb bei diesem Umbau
grösstentheils in ihrem früheren Bestände. In der unter dem Chor
erbauten Krypta ist noch jetzt zu erkennen, wo die Chorapsis ihren
Abschluss hatte. Es ist wahrscheinlich, dass Anno den Fussboden des
neuen Chores mit dem jetzt wieder in seiner ursprünglichen • Pracht
hergestellten, äusserst merkwürdigen Mosaikboden ^ in der Krypta
schmücken Hess.
Die Nachricht, dass der Hochaltar von Erzbischof Arnold II.
verlegt und aufs Neue geweiht worden, wird durch die aus technischen
Gründen hergeleitete Annahme, dass die Kirche um die Mitte des
zwölften Jahrhunderts eine bedeutende Erweiterung erfuhr, unterstützt
JDass der Hochaltar von dem genannten Erzbischof aufs Neue konse-
krirt worden, wird durch die Thatsache bestätigt, dass bei der im
Jahre 1767 vorgenommenen Eröffnung des Altar-Sepulcrums in einem
Reliquien-Kästchen ein Wachssiegel mit den noch erhaltenen Worten
^) Abgebildet und beschrieben in der yom Verein im vorigen Jabre ans-
gegebenen Feftsohrift znni Gebnrtstage Winokelmanns : Der Mosaikfufleböden von
S. Gereon^ erlftntert von E. auB'm Weerth.
Der mlto Gereons* Altar in der gleichnamigen Kirche su Köln. 187
der Legende „Arnoldus Dei gratia Golomensis archepiscopus'^ sich vor-
gefunden hat. Die angefahrte Erweiterung bestand in Erhöhung des
Langchores, in Einsetzung des Gewölbes und im Anbau der jetzigen
Chorapsis mit den daranstossenden fünfgeschossigen Thürmen. In
gleichem Masse wie die Kirche selbst wurde auch die Krypta nach
Osten erweitert. Fernere bedeutende Reparaturbauten scheinen gegen
Ende des zwölften Jahrhunderts vorgenommen worden zu sein. Im
Jahre 1190 wurden, wie die Annalen von St. Gereon berichten, die
Reliquien der heiligen Märtyrer in der neuen Krypta unter dem Altar
des h. Gereon beigesetzt. (Anno dom. incarn. 1190 positae sunt
reliquiae sanctorum martyrum in nova Grypta sub altare sancti Gereonis
8. Kai. dec.)« Im Jahre darauf, 1191, wurden vom Bischof Bertram
von Metz, der von 1180 bis 1211 regierte, der Altar des h. Gereon,
des h. Petrus und des h. Blasius konsekrirt (eodem anno (1191) con-
secravit Bertrammus Mcttensis episcopu» altare sancti Gereonis et
sancti Petri et sancti Blasii 4. Kai. sept.). Der unwiderlegliche Beleg
für diese Angabe hat sich in der jüngsten Zeit bei der schon oben
berührten Beseitigung des Gereon- Altars, der sich zwischen den Ghor-
treppen befand, ergeben. Unter dem corpus dieses Altars kam der
Tisch eines romanischen steinerneu Altars zu Tage, von dem es zweifel-
haft war, ob er vom Erzb. Anno gleich nach Durchbrechung der Rotunde
oder etwa hundert Jahre später errichtet worden. Auf einem der in
diesem Altare befindlichen Reliquienkästchen fand sich ein Siegel,
welches über die Erbauung des Altars nähere Auskunft zu geben ver-
sprach. Die Legende dieses Siegels zeigte sich aber so verletzt, dass eine
Entzifferung unmöglich schien. Der Eine schrieb dieses Siegel dem Erz-
bischof Philipp von Heinsberg, der Andere dem Erzbischof Arnold zu.
Bei genauer Untersuchung gelang es mir aber festzustellen, dass es
das Siegel des Bischofs Bertram von Metz ist, und dass wir es hier
mit dem 1191 von Bertram konsekrirten Altare des h. Gereon zu thun
haben. Auf dem fraglichen Siegel sind noch zu erkennen die Buch-
staben . . . RTRA . . ., dann das Wort METTENSIS.
In ihi*er Anordnung erinnert die Mensa an den romanischen Altar
von Brauweiler ^). Das Rahmenwerk besteht aus französischem Kalk-
stein, in welches vorne drei, seitlich je zwei Platten eingelassen sind.
Erstere bestehen aus schwarzem Marmor, letztere aus drachenfelser
^) Abgebildet -in aus'm Weerth's Konstdenkm. des MiitelalterB in den
BheinL III Taf. LI, 6.
188 Der alte Gereons-AlUr in der gleichnamigen Kirche zu Köln.
Trachit. Der innere Raum des Altars ist in der Mitte zur Aufnahme
von Reliquien ausgespart, (man sehe den Grundriss Taf. VI. 2). Hinter,
resp. zu Seiten des Thttrchens zu diesem Räume befinden sich zwei durch
Eckblätter architectonisch charakterisirte Säulenbasen , deren Grössen
mass vermuthen lässt, dasd die einst darauf stehenden Säulen höher
als die Mensa emporstiegen, und zum Tragen bestimmt waren. Ob
sie nach Analogien anderer Altäre einen Reliquienschrein, oder einen
bekrönenden Bogen trugen, unter welchem das Altarsakrament und
über welchem ein Triumphalkreuz seine Stelle fand, liegt nahe zu ver-
muthen, ist aber nicht festzustellen. Vor dem Altare fanden sich, wie
auf unsrer Tafel angegeben, die nunmehr in der Restauration theilweise
verwendeten Reste eines Mosaikteppichs aus Opus alexandrinum, haupt-
sächlich aus schwarzen und weissen Marmorwürfeln hergestellt. Ausser
den drei viereckigen Flächen dieses Teppichs sah man seitlich noch
die Stücke einer grössern Rosette ').
Der alte Rundbau wurde im dreizehnten Jahrhundert niedergelegt
und durch das jetzige Schiff, ein längliches Zehneck, ersetzt Spuren der
römischen Rotunde, etwa vier FusS; an einer Stelle gegen 25 Fuss über
der Sohle hervorragend, sind, wie schon bemerkt, noch an der Nordseite
des Dekagons sichtbar. Dieser Umbau des völlig baufällig gewordenen
Kuppelschiffes begann im Jahre 1219, und gemäss der vom Kapitel
dekretirten Umlage der erforderlichen Kosten glaubte man' in drei
Jahren mit dem Werke fertig zu werden (cum aedificia nostrae ecclesiae
ex longa vetustate dispacta jam ruinam minarentur et eorum restauratio
dilationem nuUam pateretur', unanimi omnium nostrum consensu
decretum est, ut, quod communis necessitas deposcebat, communi
consilio, communibus expensis ageretur etc.). Das gewaltige Werk
gelangte aber erst 1227 zur Vollendung. Die Annalen von St.
Gereon sagen ausdrücklich, dass im Jahre 1227 das Kuppelgewölbe in
St. Gereon fertig geworden (Anno ine. dom. 1227 inoctava apostolorum
Petri et Pauli completa est testudo monasterii sancti Gereonis).
Hiermit stimmt das im sepulcrum des Hochaltars gefundene Siegel
mit den Resten der verletzten Legende: .... ricus Dei gratia epi-
scopus. Es ist dies unzweifelhaft das Siegel des Erzbischofe Heinrich
^) Wir verdanken die Zeichnung des Altars der gefalligen Mittheilung
unseres verehrten Mitgliedes des Herrn Baurath Statz in Cöln. üeber das eben-
faUs hier gefandene Banstück des altern Annonischen Mosaikbodens vergl. man
die angefahrte Winokelmannsschrift.
Der alte Gereonfl-Ältar in der gleichnamigen Kirche zu Köln. 189
von Molenark, der von 1226 bis 1238 auf dem Kölner Bischofsstuhle
sass. Es wird nicht daran gezweifelt werden können, dass durch-
greifende bauliche Aenderungen eine neue Einrichtung des von Arnold IL
konsekrirten Altars nothwendig gemacht hatten. Um dieselbe Zeit
wurde auch die Kapelle des h. Johannes an der Südostseite des
Polygons, wozu der Plan von einem hervorragenden Meister entworfen
worden, gebaut. Der Dechant Hermann nämlich, der diese Würde von
1224 bis 1246 bekleidete, überwies der Kirchenfabrik seine Einkünfte
von zwei Jahren zum Bau dieser Kapelle (Xnil. Kai. nov. obiit
Hermunnus decanus s. Gereonis, qui contulit . . . praebendani suam
ad duos annos ad aedificium capellae S. Joannis).
Bedeutende bauliche Veränderungen wurden an der Kirche um
die Mitte des vierzehnten Jahrhunderts vorgenommen. Nach einer
handschriftlichen Notiz eines zur Scholasterie gehörigen Manuscriptes
enthält ein Memorienbuch von St. Gereon die Nachricht, dass Heinrich
Suderland) welcher der Kirche von St. Gereon viele Schenkungen zu-
gewiesen, auf eigene Kosten das Gewölbe des Chores, dann das Gewölbe
der Vorhalle, endlich zwei Seiten des Umganges mit den Gewölben
habe aufführen lassen. Heinrich Suderland starb gegan 1393. Kallen-
bach trifft demnach das Richtige, wenn er die Vermuthung ausspricht,
um die Mitte des vierzehnten Jahrhunderts sei das Chorgewölbe ein-
gesetzt worden. Etwa ein halbes Jahrhundert später wurde die zier-
liche, in den schönsten Verhältnissen und mit reichem Masswerk aus-
geführte Sakristei errichtet. Im Jahre 1435 erhielt der Chorbau. ein
neues Gewölbe. Um dieselbe Zeit scheint auch der reiche gothische
Lettner, welcher sich früher hinter dem Altar des h. Gereon befand,
erbaut worden zu sein. Da diese das Stiftschor von der ' Kirche
scheidende Orchesterbühne die Aussicht auf den Hochaltar des Chores
hinderte, wurde er 1766, als man den jetzt beseitigten, im Jahre 1655
konsekrirten Gereonsaltar vereinfachte, abgebrochen. Einzelne Theile
desselben wurden in den genannten Altar eingebaut. Aus dem fünf-
zehnten Jahrhundert stammen auch die Chorstühle, an deren Westende
rechts ein schön geschnitztes Standbild des h. Gereon und links eines
der h. Helena über den mit allegorischen Figuren geschmückten Wangen-
seiten der Chorstühle sich befindet *). Die vielfachen Aenderungen, welche
im Laufe des siebzehnten und achtzehnten Jahrhunderts im Innern der
^) Abgebildet bei Oailhabaud, die Baukunat des 5. bis 16. Jahrhunderts.
II. Band. Leipzig bei T. G. WeigeL 1869.
'% I
r-
190
Der alte Gereons-Altar in der gleiolmamiKen Kirche m Köln.
herrlichen Oereonskirche vorgenommen wurden, können nur als wahre
Veranstaltungen bezeichnet und aus der damaligen Zeit, welcher jedes
Yerständniss für die schönen Bauformen des Mittelalters abhanden
gekommen war, erklärt werden. Alle Kunstfreunde werden es dem
KircheuYorstand von St. Gereon Dank wissen, wenn derselbe es sich
ernstlich angelegen sein lässt, die Missgriffe und Versündigungen,
welche sich Unkenntniss und Ungeschmack an der Gereonskirche
haben zu Schulden kommen lassen, möglichst wieder gut zu machen.
Köln.
Dr. Ennen.
n. Littotatnr.
Dictionnaire raisonne da mobilier Frangais de l'epoqae CarloTingienne k
la renaissance par M. Viollet-le-Duo, architeoie. Tome I. Paris. Banoe,
^diteor 1868. T. II— V. Vf A. Morel &()*?., editeurs 1871—73. 8.
Als vor 20 Jahren der praktisch stark in Ansprach genommene, gelehrt
und künstlerisch darohgebildete Architekt des zweiten Kaiserreichs, H. Vi olle t-
le-Dac mit der lieferongsweisen Heraasgabe seines grossartigen, mit Recht
berühmten Architektur-Lexikons kaam begonnen hatte, das allein die volle
Arbeitskraft Eines Mannes zu absorbiren geeignet war, so durfte es auffallend
erscheinen, dass er gleichzeitig mit dem Programm ßines zweiten, ebenfalls sehr
weitschiohtigen lexikalischen Unternehmens, eines Dictionnaire raisonne du
mobilier hervortrat, welches das Costüm im weitesten Sinn behandeln sollte.
In der That war auch der erste Band, welcher auf 487 Seiten die ,,Meable8'^
behandelt, mit 211 eingedruckten Holzschnitten illnstrirt und mit 28 zum llieil
in vollendetem Farbendruck ausgeführten Tafeln ausgestattet ist, im J. 1858
beendiget und kostet 45 Fr., also etwa noch einmal so viel als die einzelnen
B&nde des Dictionnaire de l'architecture, deren damals erst zwei vorlagen und
allgemeine Anerkennung fanden. Eines gleich günstigen Erfolgs hatte sich von
Seiten des Publioums auch dieses zweite Unternehmen zu erfreuen, welches die
bekannten Vorzüge des Architekturlexikons in vollem Maasse theilt: Klare nnd
bestimmte Saoherkl&rungen, tief in die Technik eindringende Beschreibungen,
ausführliche Belege aus mittelalterlichen Schriftwerken und reizende, über alles
Lob erhabene Abbildungen nach den eigenen Zeichnungen des Herausgebers.
Dennoch gerieth das Unternehmen nach Vollendung des I. Bandes ins Stocken,
wohl hauptsächlich wegen Ueberbürdung des Autors mit anderen Arbeiten.
S. 3—291 des I. Bandes finden sich zunächst in alphabetischer Reihen*
folge die einzelnen kirchlichen und hauslichen Möbel in längeren oder kürzeren
Artikeln beiprochen, unter denen Armoire, Autel portatif, Bahut, Banc, Chaise,
Char^ Chässe, Coffret, Credence, Dressoir, Escabeau, Fauteuil, Forme, Image,
Landier, Lampesier, Lavoir, Lutrin, Lit, Rechaud, Reliquaire (S. 210 — 31),
I
I
192 1 M. VioUet-le-Duc:
Retable, Soriptionale, Tabernacle, Table, Tapia, Tronc — sich durch eingehenden
Inhalt und interessante Abbildungen besonders auszeichnen. Die andere Hälfte
des Bandes nehmen mehrere längere Abhandlungen ein: 1. EinResumö histo-
rique, (S. 293—99), in welchem eine Uebersicht der culturhistorischen Momente
und Quellenwerke gegeben und auf die häufigen Verstösse hingewiesen wird,
deren sich das Theater und die Maler gegen die „couleur locale" des Gostüms
schuldig machen, die aber unsere archäologisch geschulte Zeit nicht mehr in
dem Grade verträgt, wie die frühere Naivetät. „Wir meinen nicht, dam die
genaue Kenntniss der mittelalterlichen Sachen und Gewohnheiten talentlose
Künstler der Gegenwart mit Talent begaben werde, wohl aber dass dieselbe
einem geschickten 'und mit don Hülfsquellen seiner Kunst vertrauten Mann von
offenbarem Nutzen sein muss." 2. Das öffentliche Lebendes kirchlichen und
weltlichen Feudaladels: Feierliche HaQdlungen, Salbungen, Krönungen (S. 301—11);
Einzüge gekrönter Häupter, hoher Herren und Prälaten (S. 311 — 19); Taufen,
Hochzeiten, Obsequien (S. 319~-41); Investiturgebräuohe (S. 341 f.); Ceremonien
bei der Huldigung (S. 342—44). .3. Das Privatleben des Feudaladels: Das
Schloss^ die Sitten seiner Bewohner und das Mobiliar mit mehreren von dem
Verf. componirten und stark theatralisch gehaltenen Interieurs von beschränktem
archäologischem Wertho. (S. 345—62); Hofhaltung, Festlichkeiten, Bankets, mit
ähnlichen Bildtafeln (S. 362 — 66). Diese culturgeschichtlichen Aufsätze erhalten
besondere Bedeutung durch' reichliche Auszüge aus mittelalterlichen Oedichteu
und Chronikanten. 4. Die Fabrication der Möbel (S. 367—98), ein Ab-
schnitt, in welchem sich die technischen Kenntnisse des Verf. auf das Glänzendste
bekunden, obschon uns die von ihm gewählte novellistische Form nicht ganz
gefallen will, in welcher er den Leser in die ' Werkstätten der einzelnen Hand-
werker fuhrt; wir besuchen der Reihe nach den Huohier (Tischler) ; Pierre
Aubri, den Ecrinier, einen sich wichtig gebenden „homme age d*un aspect
v^nerable", der für die hohen Herrschaften allerlei feines Kastenwerk von den
verschiedensten Faxens und aus allem möglichen Material verfertigt; ferner den
Iraagrier, der sich nicht bloss auf das Schnitzen versteht, sondern auch auf die
pdychrome Ausschmückung der Altar schreine, die ihm sein Gevatter der Huchier
liefert; sodann den Kunstschlosser ^Serrurier) und endlich den Lampier, einen
Metallgiesser und Gürtler, der etwa dieselben mannigfachen Arbeiten verfertigt,
wie die niedersächsischen „Ax)engheter*' des XIY. Jahrhunderts. 5. Das Privat-
leben des Patricierhauses (S. 399 — 413), mit vielen Belegstellen aus dem
pikanten Sittenroman ,,Le menag^er de Paris, compos6 vers 1893 par un Parisien
pour l'education de sa femme'* (publicirt durch die Soci^t^ des bibliogr. franQ.
2 Vol. 1857). 6. Ein Gonclusion überschriebener Abschnitt (S. 415—26),
worin gezeigt wird, dass eine eigentlich nationale Kunstindustrie der verschiedenen
europäischen Völkerschaften erst seit dem XHL Jahrh. datire, während früher
alles auf orientalische, bez. Venezianische Traditionen zurückzufahren sei.
Den Schluss bilden Streiflichter auf den modernen Möbelluxus, 'föchte man
doch begreifen, „que le gout consiste a paraitre ce que Ton est et non oe qne
Ton voadrait etre*^ ein Schluss wort, welches den soliden und gediegenen Sinn
Diotionnaire raisonnö du mobüier Fran^ais. 198
des Verf. auf das treffendste charakterisirt. Endlich ein Sachregister (S. 427—34)
und ein Verzeichniss der Bildtafehi.
Nach der Herausgabe dieses ersten Bandes ruhte das Werk so lange, bis
das Architektur-Lexikon beendigt war« ja bis nach dem letzten grossen Kriege,
indem die Fortsetzung erst im J. 1871 und in anderem Verlage, aber in völlig
gleicher Ausstattung erschien. Diese lange Zwischenzeit war dem Werke, wie
der Verf. im Vorworte zum IL Bande bemerkt, insofern von besonderem Vortheil,
als er Gelegenheit hatte, sein Material zu vervollständigen' und mehrere inzwischen $
vollendete, wichtige Werke neuerer Kunstschriftsteller, z. B. die Geschichte der
Kleinkünste von Labarte, zu benutzen. — Der IL Band (TV und 636 SS. mit
vielen Holzschn.* und 28 Tafeln, worunter 18 in Farbendr.) enthält 1. S. 9—166
etwa 100 meist kleine, alphabetisch geordnete Artikel über das Geräth (Usten-
siles), unter denen wir als reichhaltig hervorheben: Aiguiere, Baril, Bassin,
Chandelier, Ghaufferette, Coupe, Couteau, Cr6maillere, Cuiller, Encensoir, Hanap,
Lampe, Pot, Sahere, Tablettes. Auffallig erscheint die grosse Dürftigkeit des
mit zwei allbekannten Abbild, versehenen Artikels Galice (S. 46—48), und die
blosse Hinweisung auf eine eingehende Abhandlung von Barraud über dieses
wiohtigste-der heil. Gefasse kann in einem encyklopädischen und so ausführlichen
Werke nicht genügen. Die Holzschnitte dieses Abschnitts sind theils nach noch ,
vorhandenen Geräthen gezeichnet, theils nach mittelalterlichen Sculpturen und
Miniaturen, bisweilen auch, auf Grund alter Inventarienverzeichnisse, nach Ent-
würfen des Verf., die uns indess etwas modern französirt anmuthen, z. B.der
Damenputztisoh (Damoiselle a atourner) S. 90. ^ 2. Eine höchst vortreffliche,
das Technische genau analysirende Abhandlung über Goldschmiedekunst
(S. 169 — 239), worin namentlich über die Fassung der Edelsteine und die in-
erustirten Emails die lehrreichsten Details mitgetheilt werden. Nach den
Beobachtungen des Verf. sind auf byzantinischen Goldarbeiten die Steine stets
in glatte Ränder (b&tes unies) gefasst und werden niemals von durchbrochenen
Klauen (griffes en forme de feuilles aigues) gehalten, welches letztere vielmehr ,
eine rheinländische Eigenthümlichkeit sei; die Goldarbeit an dem Deckel des
Regensb. Evangelienbuches in der Hofbiblibthek zu München (Gim. 56) sei
daher nicht, wie Lab arte annimmt, von byzantinischen, sondern von deutschen
Künstlern gefertigt. Die Priorität der deutschen Rheinlande in der Gold- und ^ '
Emailarbeit erkennt der Verf. mit voller Entschiedenheit an und giebt zu, dass
Frankreich erst im XII. Jahrh. nachgefolgt sei. Das Emailliren «ei dann aber
keineswegs bloss in Limoges betrieben worden, sondern man habe wohl in allen
Benedictinerklöstem limonsiner Arbeiten gemacht, und diese Kunst sei über-
haupt sicherlich mit der eine wesentlich gleiche Technik verfolgenden Glas-
malerei Hand in Hand gegangen. Letztere verlange einen viel amständlicheren
Apparat, dem Emailleur genüge eine Klosterzelle, ein Stückchen Blech und ein
Ofen. Interessant ist das über die alte Löthekunst Gesagte : ein Zwischenmetall
sei nirgends wahrnehmbar. 3. Musikinstrumente; 38 lexikalisch geordnete
Artikel mit vielen Abbildungen, selbstverständlich mit Benutzung der bekannten
Schrift von Goussemaker (Annale» arch6ol. III ff.) über diesen Gegenstand, aber
18
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194 M. Viollet-le-Duo: Diotioimaire raisonne du mobilier Frangau.
grandUoher. 8. 248--827. 4. Spiele und Zeitvertreibe (S. 331--478).
Dieser Abschnitt bespricht zunächst Eampfspiele (toumois) und Lanzenrennen
(joutes) mit besonderer anschaulicher Ausführlichkeit (S. 332-*407) und bringt,
ungerechnet die Darstellung einer theaterhaften Preisvertheilung/ viele detaiUirte,
zum Theil prachtvolle polychrom. Abbildungen ; dann folgt die Jagd (S. 407—49) ;
der Tanz, Mummenschanze, Maskeraden, Combinations-, Hasard- und Einderspiele
(S. 450—78). 5. Werkzeuge und Handwerksger äthe (8. 481--632), 47
meist kurze, nach dem Alphabet gordnete Artikel, die mit vielen, nach Bücher-
maiereien gezeicheten Holzschnitten illustrirt sind; ausfuhrlicher ist die Anschir-
rung der Pferde (hamais de charrois) und der Pflug (charrue) behandelt. — Aus
einem Missale von c. 1450 wird die Abbildung^ einer Hinrichtung durch das
Fallbeil unter Doloire mitgetheilt.
Band HI (478 S. und 13 Tafehi) und IV (507 S. und 3 Tafeln) gehören
zusammen und behandeln das Gostüm im engeren Sinne (Yeteinents civils et
religieux, bigoux de corps, objets de toilette) rein lexikalisch. Band lU enthält
81 Artikel und geht bis Huve, Band lY beginnt mit Jarreti^re und bringt 68
Artikel £s ist hier eine Fülle von Material verarbeitet; freilich kann bei der
Unzahl von Benennungen einerseits und von Abbildungen andrerseits nicht stets
Bürgschaft dafür geleistet werden, dass die einzelne Abbildung auch wirklich
dem ihr angepassten Namen entspricht. Wegen seiner Reichhaltigkeit ist der
durch mehrere Farbendrucktafeln erläuterte Artikel Stoffes (IH, 356—74) her-
vorzuheben, in welchem die zu Kleidungsstücken verwandten (Gewebe besprochen
werden« Der Verf. giebt oft die Schnittmuster zu den einzelnen Kleidungs-
stücken und arbeitet dadurch so praktisch den Costümiers für Theater- und
Maskengarderobe in die Hände, dass man fast an einen Maitre-tailleur als Ad-
jutanten denken möchte. Weniger beifallswürdig erscheint es vom kunstge-
schichtlichen Standpunkte, dass viele aus Miniaturen entnommene Abbildungen^
zwar sehr schön, aber geradezu als modernfranzösiBche Figurinen ausgeführt sind.
Der V. Band, von welchem dem Ref. nur erst 2 Hefte vorliegen, enthalt
die Schutz- und Trutzwaffen nach alphabetischer Reihenfolge und ebenso reich
als anschaidich bis ins Detail illustrirt.
Fr öhden,. bei Jüterbog. H. Otte.
Das Römercaslell and das Todtenfeld in dar KinBigniede-
rang bei Rückingen: Vom hanaaisohen Bezirksverein für hes-
sische Geschichte und Landeskunde h6raasgegeben.(Mitiheilangen Nr. 4.)
Mit 6 lith. Taf. Abbildungen, einer Kartenskuze und Hobsschnitten. Hanau.
Im Selbstverläge des Vereins 1878.
Der Hanauer Bezirks verein, als Zweigverein des „Vereins für hessische
Geschichte und -Landeskunde^* bereits im J. 1844 gegründet, ist nach längerer
Unterbrechung in der Herausgabe besonderer Schriften, im vorigen Jahre mit
der oben genannten Publication aufgetreten^ welche für die Aufhellung der
Geschichte und Alterthumskunde der Maingegend unter den Römern so viel
Neues und Belehrendes enthält, dass eine kurze Anzeige des Hauptinhalts dieser
Schrift in unseren Jahrbüchern angemessen erscheint. Die Mittheilungen sind
in 8 Kapitel gegliedert, von denen die vier ersten: 1. ,,Der gegenwartige Stand
der Limesforschung mit besonderer Beziehung auf die Gebiete des Taunus und
der Wetterau/* 2. ,,die Wiederentdeckung der römischen Ansiedlung bei Rückin-
gen,'' 3. „die Zeit der Gründung und Dauer der röm. Befestigung bei Rückingen,
ihr Umfang und ihre strategetische Bedeutung,'^ 4. „das Pratorium des Einzig-
castells, seither das „Römerbad'* genannt, femer das 7. Cap. Legions- und Co-
hortenziegely Töpferstempel und Graffiti, endlich das 8. Cap. Erklärung der
Abbildungen, — den Gymnasiallehrer Dr. A. Duncker zum Verfasser haben,
während Cap. 5. ,,das Todtenfeld" und Cap. 6. ,,Münzen*' dem Gymnasiallehrer
Dr. R. Suchier angehören.
. In dem die Erforschung des Limes betrefifenden 1. Abschnitte beklagt es
Herr Duncker mit Recht, dass die im J. 1852 in der ersten Generalversammlung
des deutschen G^chichts- und^ Alterthumsvereins zu Mainz gebildete Limes-
commission nach dem Tode ihres verdienstvollen Stifters Habel (im J. 1867)
aUmählich ihre Wirksamkeit eingestellt habe. Denn wenn auch dm*ch den
Obristen von Cohansen und den Freiherm von Preuschen, welchen die Forschun-
gen des Oberst-Lieutenant F. W. Schmidt zur Benutzung vorlagen, der Zug
des Limes von der nördlichen Wetterau bis zum Rheine genau festgestellt sei,
so bedürfte doch die Strecke von der Einzig bis Kloster Amsburg in der
Wetterau, auch nach den Arbeiten Steiners, Dieffenbaohs und Arnds einer
erneuten Untersuchung, und diese bald vorzunehmen, sei bei der fortschreiten-
den. Alles nivellirenden Bodencultur ein dringendes Bedürfniss.
f
196 Mittheilang Nr. 4 des hanauischen Bezirksvereins:
Dass ührigenB die ganze Atiiage des Orenzwalles nicht als ein Befestignngt-
system anzusehen sei, um ein andringendes feindliches Heer abzuhalten, sondern
lediglich eine Allarmlinie war, von der aus der Feind beobachtet wurde» wird
von Dnnoker nach dem Vorgange von Paulas mit vollem Rechte angenommen.
Diess geht schon aus der zur Deckung der 70 deutschen Meilen langen Grenze
zwischen Rhein und Donau verwendeten Truppenmacht, welche seit der letzten
Hftlfle des 2. Jahrhunderts n. Chr. Geb. drei Legionen (Leg. XXII. Primigenia
P. F., Leg. YIII Aug. und Leg. XI Claudia), seit Septimias Severus nur 2, und
zwar die beiden erstgenannten, betrug, mit Sicherheit hervor. Die Besitzungen
nördlich des Mains, im Taunusgabiet und in der Wetterau mit den drei
wichtigsten Niederlassungen zu Aschaffenburg (Ascapha), Heddernheim
(Novns Vicus) und Wiesbaden (Aquae Matt iacae)ma8sten dem Andränge
der Alemannen und Franken gegenüber, wie dies aus inschriftliohen Denkmälern
und gefundenen Münzen erhellt, bereits unter der Regierung des Kaisers Philip-
pus Arabs (244- 240) geräumt werden.
Diese Thatsache bestätigen auch die auf dem Boden der römischen Nieder-
lassung bei dem Dorfe Rüokingen gemachten Funde, das 1 St. nordöstlich von
Hanau zwischen der Leipzigerstrasse und der Kinzig liegt und seit dem 14.
Jnhrh. ein isenburgisches Lehen war. Ein 900 Schritt westlich von Rückingen
auf dem rechten Kinzigufer liegendes Feld, die Alten bürg genannt, in welchem
man auch jetzt noch beim Umpflügen überall auf zahlreiche Spuren von Römer-
bauten und anderen Anticaglien stösst, lieferte seit unvordenklichen 2ieiteD das
Material zu Bauten. Doch erst seit dem J. 1777 schenkte man den dort zu
Tage kommenden Funden von Urnen, Lampen und Glasfläschchen einige Auf-
merksamkeit; da aber nun jeder nach Urnen graben wollte, wurde das Suchen
untersagt. Erst im Jahre 1802 wurden auf Befehl des Fürsten Karl von Isen-
burg-Birstein an dieser Stelle regelmässige Ausgrabungen veranstaltet, welche
die Aufdeckung eines grösseren römischen Gebäudes, worin man ein Schwitzbad
(Laconicum) erkennen wollte und ihm desshalb den Namen „Römerbad*' bei-
legte, zur Folge hatte. Die Ausgrabungen wurden bis zum J. 1804 fortgesetzt
und lieferten eine ergiebige Ausbeute von Münzen, darunter auch Goldmünzen,
meistens von Trajan und Hadrian, Umen^ Vasen, Lampen und andere Anti*
caglien von Erz und Eisen, welche in die fürstliche Sammlung kamen. Erst
nach Verlauf von mehr als 50 Jahren, im Anfang des Sommers 1872, wo Herr
Duncker auf einer antiquarischen Exoursion mit zwei Freunden auf einem 400 F.
von der Altenburg entfernten Felde gpraben Hess und so glücklich war, auf
zwei Gräber mit den gewöhnlichen Beigaben zu stossen, entschloss sich der
Hanauer Bezirksverein planmässige Ausgprabungen anzustellen, welche, da
Herr Duncker erkrankte, hauptsächlich von seinem CoUegen Herrn Suchier in
Verbindung mit Herrn Director Hausmann und einigen andern Vereinsmit&>
gliedern geleitet wurden.
Vom Beginn der Aufdeckung der Gräber befolgten sie den Grundsatz, die
nähern Umstände der Funde, namentlich die Lage, die jedes einzelne Stück
einnahm, genau zu vermerken und die beiji jedem Grabe gefundenen Sachen
Das Römeroastell und das Todtenfeld in der Kinzigziiederang. 197
zusammonasohaltea und zu katalogisiroD, um auf diese Weise die Arbeit for die
Wissensohait natsbar zu machen. So gelang es denn den vereinten eifrigen
Bemühungen der genannten Alterthumsfreunde, auf dem sog. Todtenfelde,
welches etwa 90 Schritt lang und 30 Schritt breit ist, und seit der Römerzeit
unverändert geblieben, weil der dort befindliche Sand weniger brauchbar war,
während der Monate Sept. und October 1672 über 100 Gräber zu öfinen, wozu
noch 20 von Verschiedenen aufgefundenen zu rechnen sind. Die Hauptergebnisse
der mit seltener Umsicht und Sorgfalt bei der Oeffnung eines so grossen
Leicbenfeldes angestellten Beobachtungen glaube ich hier, im Interesse mancher
Leser, nicht übergehen zu dürfen.
Die Bestattungpsweise war die des Yerbrennens; nirgend^ fanden sich,
wie in den Gräbern von Kegensburg Gerippe. Auch enthielt das Feld nur eine
Schicht von Gräbern. Die Gräber, deren gewöhnlicher Abstand 1 — 2 M. betrug,
waren sämmtlich im blossen Sande ohne alle Unterlage und ohne Mauerwerk
und zwar lagfen reichere und geringere durcheinander. Durchschnittlich begann
der Aschenhaufen kaum 1 Met. tief unter der jetzigen Oberfläche. Die Humus-
schicht war in der Regel fast 1 Fuss dick. Wahrscheinlich waren die Hügel
gleich von Anfang mit Rasen zugedeckt, der sich allmählich um ^JPwk erhöht
hat, so dass die Tiefe der Gruft oder runden Aushöhlung ursprünglich dieselbe
war. Urnen waren nur ausnahmsweise beigesetzt, und nur die grossem ent-
hielten Knochen, von den kleineren liess sich dies nicht entscheiden. Poch
fanden sich auch ausser den Urnen Knochenreste (Ossilegium), bisweilen
schon im Sande, doch gewöhnlich mitten in der Asche beisammen. Unter der
Asche fand sich nie etwas Anderes als Sand, die von dem Scheiterhaufen vor-
gefundenen Holzstücke waren, dem Gewicht nach zu urtheilen, von Nadelholz.
An einen Kasten, der mit der Asche in die Erde gesetzt wäre^ ist demnach
nicht zu denken. Es scheint sicher, dass man die Asche zuerst in die unterste
Vertiefung schüttete sammt den Resten der mitverbrannten Schmucksachen und
Glasgefässe, da stets Bronze, Eisenstücke nnd Glasklumpen in der Asche lagen.
Dann erst setzte man die Mitgaben, als Krüge, Lampen, Töpfchen, Gläser,
Teller und Schälchen hinzu, in der Regel ausserhalb der Asche. Wie Herr
Dr. Suchier annimmt, waren die Krüge und Lampen wenigstens noch ungebraucht,
da die gebrauchten Lampen in der Asche lagen. Der Stand der Urnen war ver-
schieden, einzelne grössere standen neben dem Aschenhaufen, die meisten mit
dem untern Theil in derselben, jedoch nicht in der Mitte. Gewöhnlich hatten
sie eine Schntzdecke, die meist zerbrochen war. Schalen von terra sigil-
lata, die Dr. Suchier nicht für Essgeräthe, sondern für Waschnäpfe, aus der
die Leiche gewaschen wurde, — ein Gebrauch der bei , J^ühn und Schwarz nord-
deutsche Sagen" aus brandenburgischen Orten nachgewiesen ist, — halten möchte
kommen nur 2 mal als Deekel, nie als Bbigeflsse vor. Merkwürdig ist die Beo-
bachtung, dass Schalen mit Ornamenten nie vollständig waren; die Frag-
mente davon, welche Spuren früheren Gebrauches zeigen, lagen zerstreut meist
iu der Asche. Offenbar war das 2ier8ehlagen dieser Geräthe, welche dem Ver-
storbenen im Leben und vielleicht auch bei der Bestattung gedient, ein absieht-
r
198 Mittheilung Nr. 4 des hanauisohen Bezirksvereins:
Hohes, und das Mitgeben von Scherben ist als ein Sühnmittel ansasehen, wie
sich schon ans einer Stelle des Elegikers Propertius erschliessen lasst ^).
Besondere Beachtung verdient noch die Mittheilnngi dass jedes Grab des
Todtenfeldes Scherben und Nägel enthalten hat. Diese fletztem, welche gewöhn-
lich in der Zahl von 7—12, bisweilen über 20, verstreut in der Asche, auch wohl
im Sande lagen, sind alle von Eisen geschmiedet und meist vierkantig, mit
breitem und flachem Kopf und etwas gebogen. Diese Mitgabe von eisernen
Nägeln, welche auch in römischen Giäbem am Niederrhein und namentlich in
Köln beobachtet worden ist, hat in Bezug auf den Ursprung und die Bestimmung
derselben die verschiedensten Erklärungsversuche hervorgerufen. Nach Fuchs,
dem Verfiisser der „alten Geschichte von Mainz* ', sollen die Leichen mit den-
selben an ein starkes Holz genagelt und so auf den Scheiterhaufen gelegt worden
sein'; Pfarrer Heep vermuthtet (in diesen Jahrbüchern H, XXI p. 24), die Nägel
seien zur Befestigung der einzelnen Theile des Leiohengernstes verwendet
worden, was jedoch auf die gewöhnliche Verbrennuug durch aufeinander gelegte
Scheite Holz keine Anwendung finden dürfte. Ohlenschläger (Sitzungsber. der
Münchener Acad. 1672) nimmt an, dass die Nägel von dem mitverbranpten
Sarge herrühren. Jedoch alle diesd Versuche, die Nägel a'us natürlichen Ver-
anlassungen herzuleiten, sind nicht genügend, das constante Vorkommen der-
selben zu erklären, da sie der Grösse und Zahl nadi so verschieden sind. Der
Unterzeichnete liat daher schon vorlängst bei Besprechung eines Römischen
Ziegelgrabes bei Ueckesdorf (in diesen Jahrb. XXKVI, 75 f.) die Vermuthung
ausgesprochen, dass diese Nägel nicht als etwas Zufälliges anzusehen seien,
sondern dass ihnen eine symbolische Bedeutung zu Grunde gelegen habe, wobei
an den vom Dictator in der cella Jovis eingeschlagenen Nagel zur Fizirung und
Abwendung der Pestilenz erinnert wurde. Dieser Annahme pflichtet Dr. Suchier
bei und hat dieselbe durch eingehende Vergleiohung mit deutschem Aber-
glauben und jüdischer Begräbnisssitte weiter begründet und näher dahin praeci-
sirt, dass die Verwendung der Nägel bei römischen Bestattungen als Sühne-
gebrauch zu betrachten sei, wodurch die Ueberlebenden der gefurchteten Todea-
maoht Schranken setzen, vor allem sich selbst schützen, so wie auch dem Todten
vollständige Ruhe sichern wollten. Diesen Schutz aber gewährte das Einschlagen
der Nägel in den Sarg oder in die Lade (lectus, feretrum), welche mit der Leiche
verbrannt wurden, wie dies römische Dichterstellen ausdrücklich beweisen ').
Nach dieser eingehenden Besprechung einer römischen Sitte bei der
Leichenverbrennung, für deren Wiedereinführung in neuester Zeit in verschie-
^) Propert. el. V, 7, 84: Hyacinthos iniicere et fraoto busta piare cado.
Nach Weinhold 1. Abth. p. 165 über die german. Hügelgräber liegen die
Scherben zuweilen durch den ganzen Hügel verbreitet . und sind augenscheinlich
als solche hineingeworfen. Endlich scheint der norddeutsche Spruch „Scherben
bringen Glück*' noch auf diesen Gebrauch hin zu d!euten.
>) TibuU. I. 1, 62. Flebis et arsuro positum me, Delia, leoto; Ovid.
Met. XIV, 747: Luridaqne arsuro portabat membra fer^tro.
Das Römeroastell und du Todtanfeld in der Eiazigniederung. 199
denen Kreisen so lebhaft agitirt wird, ist noch anzufahren, dass in den sammt-
liehen Qräbem (120—130) über 40 Urnen, 10 Salbentöpfohen, 7 Lampen, 6
Gläser und mehr als 100 Krüge gefunden wurden; 3 war die höchste Zahl, die
in einem Grab beigesetzt waren. Terrakotten kamen nur 5 vor (eine Isis- und
Amorstataette), von Waffen nichts, auch kein Gold und Silber. Eisenstncke,
von Nftgeln abgesehen, waren in 11 Gräbern, Bronze nur in 6. Ueber die
Münzen, die in den Gräbern gefunden wurden, handelt Kap. VI, wo auch die
bereits früher bei Rüokingen gefundenen, darunter ein Denar aus der repu-
blicanischen Zeit, angef&hrt und genau beschrieben werden. Die Gesammtzahl
der aus den Grabern des Todtenfeldes hervorgeholten Münzen, meistens schlecht-
erhaltene, einfache oder doppelte Asse von Kupfer oder Bronze, betrug nur 20, von
denen 4 aus dem ' 1. Jahrhundert herrührten, nur 1 dem Trajan, 3 dem
Hadrian, 4 dem Antoninus (Pius), 3 dem Marc. Aurel., 2 der Gemahlin
desselben Faustina, je 1 dem Com modus und dem Septimius Severus
angehörten. Es scheint sich aus dieser geringen Zahl von Münzen zu ergeben,
dass es nicht Regel war, den Gestorbenen den Fährgroschen (portoriam>
mitzugeben, welcher spater, seit dem Beginn des 3. Jahrhunderts, wo an die
Stelle des Leiohenbrandes die Beerdigung trat, dem Todten in den Mund
gesteckt zu werden pflegte. Ebenso wird dem Umstände, dass erst von
Trajan an bis Sept. Severus die gefundenen Münzen eine ununterbrochene
Reihe bilden, mit Recht geschlossen, dass der Begräbnissplatz nicht länger als
100 Jahre der römischen Besatzung bei Rückingen gedient hat. Mit Zugrunde-
legung dieser von Dr. Suohier mit musterhafter Sorgfalt ausgeführten Unter-
suchung' des Todtenfeldes bei Rückingen und unter Berücksichtigung der zu
verschiedenen Zeiten in der Nähe des Castells gefundenen Römerreste bespricht
nun dessen College, Herr Duncker eingehend die Gründungszeit und Dauer der
römischen Befestigung bei Rückingen, ihren Umfang und ihre strategetische
Bedeutung, Es würde uns zu weit führen und die Grenzen dieser Anzeige über-
schreiten, wollten wir uns auf die nähere Begründung der gewonnenen Ergeb-
nisse einlassen, welche eben so überzeugend sind als sie von gründlicher Sach-
kenntniss und allseitiger Bekanntschaft der einschlagenden neuem Forschungen
ein rühmliches Zeugniss geben. Wir müssen uns daher auf eine gedrängte An-
gabe der wichtigsten Resultate beschränken, mit Uebergehung der strategetischen
Momente, wonach das unmittelbar den Grenzwall berührende Castell als Deckung
des Uebergangs über die früher wasserreichere Kinzig, in Verbindung mit
mehrern anderen auf dem rechten Mainufer gelegenen Befestigungen eine gewisse
Bedeutung hatte, zumal da diese ohne Benutzung der beigegebenen Karte schwer
verständlich sein möchten. Besonders hervorzuheben ist die treffende Schluss-
folgerung, welche *der Verf. aus der Zahl der auf dem etwas über 1 Morgen
grossen Todtenfeld, den die aufgedeckten, etwa 120, Gräber einnahmen, auf die
Gräberzahl des ungefähr 14 Morgen betragenden, ursprünglichen Begräbniss-
platzes macht, auf welchem demnach etwa 1000 Grabstätten anzunehmen wären.
Setzt man nun die Dauer der Colonie zu 100 Jahren und das jährliche Sterb-
lichkeiteverhältniss zu 2^0 &n, so erg^ebt sich eine Besatzung der Befestigung
200 Mittheil. Nr. 4 des hanaaischen Bezirksver.: Pm Bömercastell.
in der Stärke von etwa 500 Manoi also gerade eiser Gohorte. Sowohl das
Gastell zu Rückingen als die benachbarten Befestigangen waren, wie die daselbst
gefundenen Ziegelstempel beweisen, durch Abtheilungen der 22. Legion besetzt.
Ausserdem finden sich von bekannteren Hülfstruppen dieser Legion bei Rückingen
gestempelte Ziegel der Coh. IUI Vindelicorum, und in grosserer Anzahl von
der Coh. III Dalm(atarum)y welche, ausser zu Wiesbaden, in derWetterau sonst
keine Spuren zurückgelassen hat.
Von besonderem Ii^terease ist der IV. Abschnitt, worin Duncker das
schon oben erwähnte in den Jahren 1802>-1804 blossgelegte römische Gebände,
welches man bisher allgemein für ,,ein Römerbad'' erklärt hat, bespricht und
durch sorgfaltige Untersuchung der zahlreichen einzelnen Räumlichkeiten (vergl.
die beigegobene Kartenskizze) in Bezug auf ihre Construction und muthmassliche
Bestimmung zu dem ansprechenden Ergebniss gelangt, dass das Gebäude viel-
mehr für die innerhalb des Gastellraums gelegene Wohnuüg des Gommandanten
(Praetorium) und wahrscheinlich auch der ihm unterstehenden Centurionen
zu halten sei. Veranlassung zu dieser Verwechslung gab das Auffinden yon
Kohlen und thönemen Röhren, die nichts weiter als Ueberreste eines Heizappa-
rats zur Erwärmung des Fussbodens (suspensura oder hypocaustum) sind, wie
er sich fast in allen römischen Gebäuden der nördlichen römischen Provisaen
findet.
Wir müssen uns versagen, auf den VII. Abschnitt, worin ausser den
Legions- und Cohortenstempeln die bei Rückingen gefundenen Töpfer-
stempel, darunter mehrere bis jetzt noch nicht bekannte, und einige interes-
sante Graffiti besprochen werden, so wie auf die Erklärung der zahlreichen
zweckmässig geordneten Abbildungen einzugehen, und schliessen unsere Anzeige
mit dem lebhaften Wunsche, den beiden wackem Verfassern, die durch Theilung
der Arbeit eine so gediegene Leistung, welche dem neuauflebenden Verein zu
Hanau zur Ehre gereicht, geschaffen haben, auf diesem Gebiete der Lokal-
forschnng bald wieder zu begegnen, wozu die wünschenswerthe Aufdeckung eines
der benachbarten zur Bewachung des Grenzwalles dienenden Gastelle Gelegenheit
bieten könnte.
Bonn. J. Freudenberg.
Epigrapbie de laMoselle, eiade |^ar Charles Robert, correspondant de
llnstitut (acmdemie des inscriptions et belles-lettres), memb^ de la soci^te des
Antiquaires de France. Paris, A. LeTy, editeur, 1869 und 1873, fol. 96 pp.
und V pH.
In seinen von Alfred Holder jftngst herausgegebenen Vorlesungen über
.(Deutsche Mythologie'' (S. 237) hat der (verstorbene) Prof. Adolf Holtzmann
den Unterzeichneten Eur endlichen Herausgabe der seit langem beabsichtigten und
vor Jahren bereits angekündigten Sammlung aller in Inschriften, Münzen, Bild-
werken, wie bei den aljben Autoren überlieferten Zeugnisse zur Mythologie der
nordenropäischen Barbarenvölker des Alterthums aufgefordert, zumal er bei der
Unzulänglichkeit der beiden verdienstvollen Vorarbeiten von de Wal, der mythologia
septentrionalis und der Schrifl über die „Moedergodinnen,*' gerade bei seinen
deutsch -mythologischen Studien den Mangel umfassender Vorarbeiten schmerzlich
empfinden musste. Holtzmann ist unter den Forschem der deutschen Mythologie,
unseres Wissens, der erste, welcher die Vorerwähnten Zeugnisse in grösserem Um-
fange in den Bereich seiner Forschungen zog und für dieselben zu verwerthen suchte,
während seine Vorgänger, abgesehen von einzelnen älteren. unter denselben, von J.
Grimm an, sich darauf beschränkten und beschränken mussten, nur vereinzelte und
ihnen naheliegende unter jenen Zeugnissen zu ihren Forschungen heranzuziehen und
so weit es deren dürfliger, zusammenhangloser und zumeist wenig sicherer Inhalt
gestattete, zu vei^werthen. Holtzmann war, bei seiner Behandlung der grossen
Frage über Kelten und Germanen auch den Forschungen zugeführt worden,
welche, nach den de Wal'schen Studien, die Kenntniss ^der monumentalen Mytho^
logie jener Völker weiter zu fordern und für die Zwecke sowohl der Mythologie
der antiken Völker insbesondere, als der comparativen Mythologie überhaupt
auszubeuten bezweckten. Zu diesen Bemühungen darf der Unterzeichnete wohl
auch die Folge von „Beiträgen zur römisch-keltischen Mythologie*'
rechnen, welche er in diesen Jahrbüchern niedergelegt hat.
Der dem Materiale nach beschränkte Umfang derselben wird wohl noch
auf längere Zeit hin derartigen Arbeiten auferlegt bleiben und denselben im
günstigsten Falle nur auf den Werth von „Beiträgen'* zugestehen lassen, so
lange nicht der Abschluss grösserer Quellen werke eine ausreichende Znsammen -
fassung und den heutigen Anforderungen entsprechende wissenschaftliche
/*
202 Charles Robert:
Bearbeitung and Darstellung jener nordischen Mythologie in Angriff zu nehmen
gestattet. Zu diesen so zu sagen vorarbeitenden Quellenwerken zur Vermittelung
des unerlasslichen Materials gehört vor allem das in so erfreulichem Fortgange
begriffene grosse Corpus inscriptionum Latinarum.
Ein Blick in den bezüglichen Theil der Indices der bereits erschienenen
Bände zeigt zur Genüge eine Fülle kritisch gesichteten Materials, mit welcher
sich die Ergiebigkeit der bis jetzt uns zugänglichen Quellen in keiner Weise
vergleichen lässt. Haben nun auch die inschrifllichen Denkmäler der Donan-
länder, Britanniens und Spaniens allein schon unsere bezügliche Kenntniss
namhaft und in ausgiebiger Weise gefördert, so kann doch vor der für unsere
Zwecke ohne Zweifel wichtigsten, aber auch schwierigsten, weil zugleich umfang-
reichsten Sammlung der Inschriften des alten Gallien an einen irgend be-
friedigenden Abschluss einer Zusammenstellung der i^umina barbarorum occiden-
talium nicht gedacht werden, um so dankbarer muss gerade zu diesem Theüc
des C. I. L. jede Vorarbeit, jeder Beitrag begrüsst werden, der sich einen
kleinern geographischen oder mythologischen Kreis zum Vorwurf seiner Special-
forschung gewählt hat. Hierher gehören unter andern de Boissieu Inseriptions
de Lyon, hierher auch die obenangestellt« Epigraphie de la Moselle von
Herrn Charles Robert.
Indem wir der Skizze eines . Berichts über seinen reichen Inhalt einige
Bemerkungen einflechten, halten wir uns berechtigt, unser Urtheil über das
Werk dahin zusammenfassen zu dürfen, dass es* eine ebenso kritisch sorgfältige
und gelehrt gründliche, wie in Inhalt und Form klare and geschmackvolle
Arbeit ist> vrie solches E. Hübner in diesen Jahrbüchern LHI. LIV. S. 163 bereits
über die ihm vorliegende Hälfte der ersten Abtheilung ausgesprochen hat. Bei
allseitiger Ausnutzung des zugehörigen Materials verbindet der Verfkster mit
einer umfassenden Kenntniss der einschlägigen Literatur der i^üheron Bearbeitung
eine gleiche Bekanntschaft mit den bezüglichen Leistungen der Neuzeit, ins-
besondere der deutschen, vornehmlich aber der rheinischen Insohriftenkunde, und
ist dabei in der glücklichen Lage, auch die eigene lokal-vaterländische Literatur
von Vereinsschriften und Monographien zur Verfügung zu haben und ausbeuten
zu können, welche uns zumeist ganz unzugänglich und unerreichbar bleiben.
Nachdem der Veriasser in dem „Vorworte'* begründet hat, dass er bei
dem im geschichtlichen Verlaufe wechselnden Begriff und Umfang der alten
civitas Mediomatricorum nicht diese letztere, sondern, wie es jetzt ohnehin su
geschehen pflegt, die moderne Umgrenzung des Moseldepartement, als geogra-
phisches Gebiet seiner Sammlung der römischen oder gallorömischen Inschriften
und Denkmäler angenommen habe, erörtert er in Kürze die älteren Quellschriften
und stellt den Plan seinem Werkes dahin fest, dass zuvörderst die GötterAenk-
mäler, sodann die dahin gehörigen Widmungen ohne ausdrückliche Nennung
einer Gottheit und die Grabdenksteine behandelt werden sollen; zuletzt gedenkt
er verschiedene Denkmäler zu stellen, welche sich nicht direkt an eine der drei
vorerwähnten Gruppen ansohliessen lassen. Von diesen drei Gruppen sind, so
viel wir wissen, bis jetzt nur die Götterdenkmäler erschienen, wenigstens
Epigraphie de la Moselle.
208
umfasBt die vorliegende erste Abtheilung «nar Denkmäler dieser Art, welche
männlichen und weiblichen, römischen und gallischen Gottheiten, Qenien und
den bekannten Mnttergottheiten gewidmet sind. Bei der von dem Verfasser
T
S. 3—6 nachgewiesenen Unmöglichkeit einer geographisch-topographischen oder
anderweitigen wissenschaftlichen Anordnung der Inschriften wurde die äusserliche
Aneinanderreihung der Denkmäler am Faden der alphabetischen Folge einge-
halten. Obwohl hier der Platz nicht ist, 'mit dem Verfasser über eine andere
Anordnung zu rechten, zumal auch letztere für die Zwecke der vorliegenden
Zusammenstellung von keiner besonderen Bedeutung ist; so wäre doch die
Erwägung nicht ganz müssig gewesen, ob doch nicht vielleicht besser mit den
acht römischen Göttern, insbesondere Juppiter, anzufangen gewesen wäre, welche,
sicherlich doch bei der Alles überwältigenden M^ht des zur Herrschaft ge-
langten Römerthums die einheimischen Gottheiten zunächst und für längere
Zeit zurück und in den Hintergrund gedrängt haben. Jedenfalls aber würde
unseres Er achtens der Verfasser gut gethan haben, vor allem die, theil weise
auch ihm als entweder entschieden unäoht (gefälscht) oder doch sehr ver-
dächtig und zweifelhaft erscheinenden Inschriften auszuscheiden und wenn auch
nicht ganz wegzulassen, doch am Schlüsse unter einer besondem Rubrik zusammen-
zustellen. Wir rechnen dahin die S. 12 aufgeführte Association von Apollo,
Sirona und den verdächtigen Nymphae loci, welche auch auf der ebenso ver-
dächtigen, oder wie £. Hübner Jahrb. LDI. LIV. S. 164 f. ausspricht, von Boissard
gefälschten der Arete Druis vorkommen: eine Inschrift, welche S. 89 ff. mehr
Beachtung erfahrt als sie verdient. Derselbe Boissard figuriert auch bei den ebenso
verdächtigen Inschriften der Juno Magna S. 41 ff. und der Nr. VII, VllI, IX
S. 52 — 58; alle diese Inschriften sind jetzt angeblich verschwunden, d. h. sie
haben nie existiert, und der Verfasser citiert sie ,«d'apres les anciens auteurs."
In gleicher Weise wird auch die Quelle zu den Inschriften S. 10 Nr. IV, S. 12
(Castor und Pollnx) und S. 36 Nr. 11 angegeben; unter diesen ist die zuletzt
bezeichnete ebenso entschieden acht wie die ersterwähnte, bei welcher, wie
auch der Verfasser S. 11 anmerkt, die Lesung von Dupre de Genest am cor-
rektesten erscheint und auf einen Dedikanten Q. Oensorinius Dinus hinweist,
seines Zeichens wohl ein calcarius oder calciarius. Die Votive des Castor und
Pollux, deren Lesung Muratori allein correkt gibt, legt Zeagniss ab von der
Verballhornung dortiger Inschriften.
Nach diesen allgemeinen Bemerkungen zu dem gesammten Werke erlaubt
der dieser Anzeige verstattete Raum nur noch einige wenige Bemerkungen zu
einzehien Inschriften.
S. 14 f. wird das pl. I. Fig. 4 abgebildete Steinreliefbild aus dem Museum
von Metz, welches eine reitende Franengestalt vorstellt, für eine Epona erklärt
und domgemäss die ganz fragmentarische Inschrift willkührlich ergänzt. Es ist
diese reitende Frauengestalt aber keine Epona, sondern eine reitende Ma-
trone, wie in diesen Jahrb. XXVI S. 91 — 108 unter Naohweisung von 8 solcher
Steinreliefbilder gezeigt worden ist. Zu diesen 8 sind inzwischen 3 weitere und
als Nr. 12 das bei Lindenschmit in den Alterthümern unserer heidniBohen Vorzeit
204 Charles Robert:
n, 1 Taf. 6 abgebildetei aus Worms gekommen und endlioh als 13. unser im
Jahr 1867 zu Mete gefundenes, offenbar durch seine Insohrift das wichtigste
von allen, leider aber hinwieder bei der Verstümmelung dieser Inschrift ohne
Werth für die Entscheidung der Hauptfrage, ob diese Darstellung einer reiten-
den Matrone oder auch einer anderweitigen verwandten Gottheit, wie Linden-
sohmit a. a. 0. meint, mit einem besondem mythologischen Namen beseichDet
war oder nicht Dass Epona gans anders als jugendliche Gestalt swischen
mehreren (wenigstens swei Pferden) dargestellt wurde, wie in den Jahrb. a.
a. 0. S. 100 gezeigt wird, beurkundet auch hier die pl. 1, Fig. 5, 6 und 7. ab-
gebildete Yotivara der Epona und des Genius der Lenker von dem Beneficiarier
der 22. Legion, Tiberius Justinius Titianns, aus dem Ende des 2. oder
Anfange des S.Jahrhunderts, welche S. 15 ff. behandelt und durch die Parallel-
votive desselben Mannes aus Mainz (Brambach 999) trefflich eri&utert wird.
Wie S. 27 die Yotive an Hercules, so ist S. 81 ff die an Juppiter höchst
bem^rkenswerth durch die zahlreichen gallo -römischen Namen der Dedikanien,
von denen unter andern insbesondere der des CINTVSMYS dem Verfasser
S. 85 A. 2 Veranlassung zu einer Reihe von Einzelnachweisungen desselben gibt,
auf die wir anderwärts zu weiterer Beurkundung dieses Namens zurückkommen
werden.
S. 48—50 wird eingehend die pl. V. Fig. 1 abgebildete Votive DIS-
MAUABVS der Bewohner des vicus Pacis im römischen Metz besprochen. Der
Verfasser constatiert MAUABVS als unbezweifelbare Lesung, macht jedoch
auf den zu einem R mehr als ausreichenden Raum hinter dem zweiten I auf-
merksam, erinnert an die Fälle, dass die rothangemalten Buchstaben mit dem
Meissel auszuführen vergessen, sowie dass T öfter bloss durch ein I wieder-
gegeben worden sei und schÜesst sich mit vollem Rechte der Emendaüon
Cnpers und Spons in MATRABVS an.
S. 65—88 begreift unter der Ueberschrift: „MercuriusetRosmerta*' die
lehr- und inhaltreichste wie am meisten ausgearbeitete Partie der ganzen Schrift
und behandelt in mustergültiger Ausführung eine jener zahlreichen gallo-
römischen Synedrien, welche einen so bedeutsamen Einblick in einen Theil des
klassisch-barbarischen Gulturkampfes von mythologischer Seite eröffnen. Wiewohl
der Unterzeichnete bereits vor Jahren unter erstmaliger Zusammenstellung des
damals erreichbaren Gesammtmaterials an inschriftlichen und inschriftlosen
Denkm&lem dieser Synedrie die Frage über die Bedeutung derselben, insbesondere
über die auf diesen Denkmälern nur mit Mercurius zusammen (niemals allein)
vorkommende Dea Rosmerta einem gewissen Abschlüsse zuzufahren versuchte, so
war nunmehr doch erst der Verfasser in den Stand gesetzt, diesen Abschluss
sicherlich für lange hin vollständig herzustellen.
Ausgehend von einer vollständigen Zusammenstellung der ihm auch aus
uns zumeist unerreichbaren Quellen zugänglichen 15 inschriftlichen Hauptdenk-
mäler der Synedrie des Mercnrius und der Rosmerta auf S. 65 — 71, welchen
jetzt auch als 16. das bei Alzei in Rheinhessen aufgefundene (Jhrb. LIII. LIV.
8. 296) beigefügt werden kann, so wie eines Bruchstückes S. 71 A. 5, die er
Epigraphie de la Moselle. 205
dabei mit Recht von andern f&lschlich hierherbezogenen scheidet, weist er die
Ufer des Mittelrheines, vom Neckar b'3 aber die Mosel hin, wie es bereits
Jhrb. XXIX. XXX S. 181 geschehen ist, insbesondere das alte Land der Tre-
verer, Mediomatriker, Lenker nnd Lingonen, als bezügliches Cultgebiet nach
(S. 72), hebt mit Recht als Fandorte die Säume von Strassen und Flüssen, ins-
besondere an den beiden Haaptadern des rheinischen Germaniens and von
Belgica Prima, Rhein and Mosel, hervor (S. 72) und weist als Stifter dieser
bezüglichen Votivalt&re, vomehmlieh (S. 73) Kaufleute, Ackerbauer, Armee-
lieferanten and andere kleine Gesohfiftsleate, zumeist gallischen, bisweilen auch
acht römischen Namens nach, so dass der Cult dieser Gottheiten, besonders von
alten Provinzialen, mitunter von romanisierten Beigem oder nach Gkdlien ge-
kommenen Römern gepflegt erscheint (S. 87 f.). Dann zu den mit Mercurius
in einer Widmung vereinigten Göttinnen sich wendend, erörtert Robert zuvörderst
die Votivinschrirten (vgL S. 74 A.) des Gottes und seiner Matter Maia, sodann
die inschriftlichen und zugleich plastischen Denkm&ler des Mercurius und der
Rosmerta; es sind deren drei, von denen eines aus älteren Abbildungen bekannt
ist; das zweite kaum noch Reste der unteren Extremitäten übrig hat; das dritte
eigentlich bei der fast gänzlichen Zerstörung seiner Inschri^ eine sichere Bo-
ziehong auf Rosmerta eigentlich gar nicht zulässt. Die übrigen plastischen Denk-
mäler einer Synedrie des Mercurius mit einer weiblichen Gottheit im östlichen
Gallien unterscheidet der Verfasser sodann einestheils nach dem Attribute des
Füllhorns und zählt deren (S. 76 f.) sieben auf, andemtheils nach dem des
Mercurstabes, caduceus, deren Anzahl sich auf sechs beziffert. Dabei hält diese
göttliche Begleiterin Öfter neben dem Stabe noch eine umfangreiche Börse, oder
nimmt oder empfängt aus den Händen Mercurs den Inhalt einer solchen, theilweise
in einer Schale. Beide Typen bezieht Robert auf Rosmerta, und weist mit Recht
gegen die von dem Unterzeichneten vormals ausgesprochene Deutung der fÜUhom-
tragenden Gottheit als Fortuna einerseits auf den Charakter der Dedikanten
der Fortunaaltäre (meistens Soldaten), andererseits auf das Fehlen des Haupt-
attributes der Glücksgöttin, des Steuerruders, hin (S. 79 f.). Indem nun der
Verfasser die vorgenannten Attribute des Füllhorns und des cadnoens als blos
sekundäre und nur allgemeine Symbole des Glückes und Wohlstandes nimmt, *
dagegen aber die Göttin mit der Börse (S. 82 ff.) aus den älteren mythologischen
Anschauungen als die Personifikation der Erdenmutter nachweist, gelangt
>er schliesslich zu der Erklärung der dieser Synedrie zu Grande liegenden Vor-
stellung, dass Rosmerta schon vor der römischen Occupation des Landes die
Gefährtin derjenigen machtigen einheimischen Gottheit war, welche die Sieger
mit ihrem Mercurius identifizirten, sowie dass sie an die Stelle der in Italien
und Griechenland ihrem Sohne Mercurius gewöhnlich beigeordneten Maia getreten
sei, wonach diese beiden Göttinnen hier neben einander und mit gleichen Attri-
buten ausgestattet vorkommen, allmählich aber Rosmerta von den Provinzialen
als ihre einheimische Gottheit vorgezogen erscheint und auch unter der Herr-
schaft des Römerthums ihre alte Geltung behauptete. So übertrug sich die alte
Mythe von Hermes als chthonischer Gottheit weiter, welche nicht allein die
306 Charles Robert: Epigraphie de la Mosellc.
Materie beherrscht and durchdringt, die Erde befruchtet und ihr Beichthümer
entlockt, sondern auch das Leben der Seele erzeugt und erhalt, und Mercurius
und Rosmerta wurden auch in den gesegneten Landstrichen, welche als ihr Cult-
gebiet erwiesen sind, daher zumeist von denjenigen verehrt, die mit dem Ver-
triebe der mannigfachen Erzeugnisse zu schaffen hatten, womit der machtige
Gott die Erde dort bereichert hatte.
Es kann nicht bezweifelt werden, dass die Entrollung dieses Einzelbildes
aus dem grossen Culturkampfe, welchen das siegreiche Römerthum allüberall
auch mit den Glaubensanschauungen der unterworfenen Völker zu bestehen
hatte, ein vortrefflicher Beitrag zur gallo-römischen Mythologie im besondem
ist, dessen Resultate sich wie einerseits auf der eingehenden und kritischen
Ausnutzung des (man kann wohl sagen) vollständigen Materials, so andererseits
auf dem tieferen Grunde mythologischer Forschung aufbauen. Der Verfasser
hat durch diese seine überzeugende Darlegung Wesen, Bedeutung und Gült der
Rosmerta, als der wohl lokalen Hauptgottheit des Mosellandes, so aufgehellt, dass
es vorerst weiterer Versuche, auch Sinn und Bedeutung ihres Namens aafsu-
hellen nach den bisherigen verunglückten Bemühungen nicht bedarf (vgL S. 87
und dazu nun auch Holtzmaim a. a. 0. S. 137 A. 1). Die versuchten Ableitungen
und Deutungen altk^ltischer Wortformen aus den neukeltischen Dialekten haben
unseres Erachtens bei dem Namen der Rosmerta, wie bei anderen altkeltischen
aber romanisierten Eigennamen, bis jetzt wenigstens zu irgend überzeugenden
Resultaten nicht gelangen lassen.
Zum Schlüsse seiner erläuternden Zusammenstellung der Götterdenkmäler
des Mosellandes behandelt der Verfasser S. 92 ff. eine andere (zumeist in
Synedrie mit Apollo) auf einer Affzahl von Votivinschriiten aus weit entlegenen
Fundstätten vorkommende Göttin 8IR0NA. Das hier in Betracht kommende,
S. 93 in guter Abbildung wiedergegebene Denkmal derselben aus Saint-Avold
ist leider mit der Bibliothek von Strasburg untergegangen. Es war zwar klein,
ist aber sowohl durch das Eopfbild der Göttin mit eigenthümlicher, an die wulst-
artige Kopfbedeckung der Muttergottheiten (matronae) erinnernden Frisur
interessant, als durch die Nebenform des Namens BIRONA (mit gestrichenem B)
bemerkenswerth. Zu der S. 95 zur Erläuterung dieses Schriflzeichens ange-
führten Literatur mag noch auf Kuhn und Schleicher, Sprachvergleichende
Beitrage III, 2 S. 207—210 und IV, 2 S. 163 ff. verwiesen werden.
Frankfurt a. M. J. Becker.
Geschichte der deutschen Baukunst von der Bömerzeit bis zur Gegenwart
von Heinrich Otte. Mit über 300 Hobsschnitten und mehreren Tafeln.
YTII und 752 S. Leipzig, T. 0. Weigel, 1874. 6 Thlr.
Von dem in der Ueberschrift genannten Werke des durch seine zahlreichen
kunstwissenschaftlichen und archäologischen Schriften in den weitesten Kreisen
als Autorität anerkannten Pfarrers Otte in Fröhde bei Jüterbog, liegt nun-
mehr nach wiedejholten Unterbrechungen der erste Band vollendet vor, und
der bescheidene Wunsch des Verfassers, keine Ruinen zurückzulassen, wäre
somit erfüllt. Hoffen wir, dass es ihm vergönnt sei, diesem „ersten Stock-
werke des auf drei Etagen veranschlagten Gebäudes'', welches die Geschichte
der romanischen Baukunst uns bietet, auch noch die beiden anderen
Stockwerke folgen zu lassen, und namentlich die überaus wichtige Geschichte
der Gothikin der gleichen meisterhaften Weise zu vollenden. An dankbarem
Publikum wird es ihm hier gewiss ebenso wenig fehlen, wie bei seinem vor-
trefflichen „Handbuch der kirchlichen Kunstarchäologie des
deutschen Mittelalters*' '(Leipzig, Weigel 1868), das in rascher Folge vier
Auflagen erlebte und durch welches Pfarrer Otte die ganze jüngere Generation
der Archäologen vom Fach zu seinen lernbegierigen Schülern zählt.
Wie alle archäologischen Werke Otte's ohne Ausnahme, so zeichnet sich
auch die hier zur Besprechung gelangende Geschichte der römischen
Baukunst durch gewissenhafteste Akribie in Benutzung des vorhandenen
literarischen und artistischen Materials aus. Der Verfasser hat aber ausserdem,
wie dem Sachkundigen beim Studium des Werkes sofort klar wird, keine Mühe
gescheut, um durch Autopsie und Einsammlung zuverlässiger Nachrichten von
Seiten Solcher, die mit den ihm unzugänglichen Baudenkmalen näher bekannt
waren, g^össtmögliche Vollständigkeit und ein kritisch genaues Urtheil zu er-
reichen. Dadurch ist es ihm gelungen, deutschem Forscherfleisse ein ehren-
volles Denkmal zu errichten, welches mit inhaltlich ähnlichen Werken anderer
Nationen kühn den Vergleich aushält, weil es fem von selbstgefälliger, weit-
schweifiger Breite mit wünschenswerther Ausführlichkeit das ungemein weite
Gebiet beherrscht, und mit seltenem Glücke die gefahrliche Klippe des „zu
Wenig*' und „zu Viel*' umschifit.
Man erwarte nun aber nicht von uns, dass wir uns hier zu einer die
a06 Heinrioh Otte:
Einzelheiten des Werkes benergelnden Kritik versteigen ; eine solohe würde, selbst
wenn sie, was wir im Grossen und Gkinzen bestreiten, ancb nur berechtigt er-
scheinen wollte, anbedingt Yon einer fachgenössischen Autorität^ etwa;Fmi
Sehn aase, Lotz, v. Quast oder Lübke, um von unserem vielbeschäftigten
Vereins -Yice- Präsidenten Professor au8*mWeerth zu schweigen, ausgehen
müssen. Wir beschränken uns vielmehr bescheidentlich auf ein möglichst treues
Referat über das in dem Werke Gebotene, und sind zufrieden, wenn wir durch
dasselbe recht viele Mitglieder des Vereines Teranlassen, durch eigenes Studium
des vortrefflichen Buches die Richtigkeit unseres Gesammturtheils zu bestätigen.
Dass wir daneben doch zuweilen die eine oder andere den Baudenkmalen ge-
widmete Besprechung des Verfassers berichtigen oder ergänzen, bedarf um so
weniger einer Rechtfertigung, als es ja, wie wir bereits hervorgehoben, dem-
selben bei dem ungeheuren umfange des bearbeiteten Feldes unmöglich war,
überall aus eigener Anschauung zu sprechen.
Mit Recht wird in der Einleitung in gedrängtester Kürze und nur in
den Hauptzügen zunächst die Baukunst der Römer abgehandelt. Dieselben
haben ja, seitdem sie sich unter Julius Cäsar an den üfem des Rheines und
der Donau festgesetzt, fortwährend bis zum Sturze ihrer Weltherrschaft auf
deutschem Boden eine ungeheure Bauthätigkeit entwickelt, und die zahllosen
Spuren ihres emsigen Schaffens, welche noch fortwährend aus demSchoosse der
Erde ans Tageslicht gezogen werden ^), dürften zur (Genüge darthun, daes die
römische Baukunst die Grundlage büdote, auf welcher die Baukunst des
deutschen Mittelalters in reichster Mannig<igkeit sich erhob. Sehr
instructiv und allgemein verständlich bespricht Hr. Otte die eigenthümliche
Behandlung des Materials und die Bautechnik der Römer, welche natnrgemäse
am deutlichsten an den über das ganze occupirte deutsche Land sich erstrecken-
den Befestigungsbauten, den Castra, Gastella, turrel und burg^i, noch erkennbar
sind. Doch auch die Wohnplätze der civilen Ansiedler finden neben den Stand-,
lagern der Soldaten gebührende Berücksichtigung, und erhalten vnr ein lebens-
volles Bild römischer Städteanlagen mit ihren Befestigungen, Wohnhäusern und
Prachtbauten. Ganz dem Standpunkte der modernen Kunstfbrschung entspricht
der S. 33 f. geführte Nachweis, dass die in den Romerzeiten entstandenen
christlichen Basiliken diesen Namen und ihre äussere Gestalt nur indirect
den forensischen Gerichtsbasiliken entlehnten, während beides, Name und Bau-
form, direot auf die Privatbasiliken angesehener Christen zurückzuführen sei,
in deren Wohnungen die Christen in den ersten Jahrhunderten ihre gottes-
dienstlichen Versammlungen abzuhalten gezwungen waren.
Nach dieser Einleitung geht der Verfasser an seine eigentliche Aufgabe,
und schildert die geschichtliche Entwicklung der deutschen Baukunst. Er
^) Wir verweisen nur auf das beim letzten Winckelsmannsfeste von Herrn
Professor aus'm Weerth mitgetheilte Resultat seiner Ausgrabungen zu Beda
(Bitburg), Fliessem und Belg^ca, vorgl. den Berieht in der Köln. Zeit. 31. Dec. 1874.
G«eohiohte der deatsohen Baukunst 209
theilt diese Sohilderang in drei AbBchnitte, deren eraterer die Baukunst der
Germanen von der Bömerzeit bis zum ächlasse des 10. Jahrhunderts behandelt,
w&hrend der sweite der Baukunst des 11. und endlich der dritte jener des 12.
und 18. Jahrhunderts gewidmet ist.
Der erste Abschnitt ist naturgemäss der kürzeste; denn an eine
eigentliche Baukunst ist bei den alten Germanen nicht zu denken: sie waren
geschworene Feinde planmässig angelegter Ortschaften, sie bauten ihre kunst-
lose Hütte, wo gerade der Zu&U sie hinfahrte, und die Religion, an welche
sonst „aller Kunst Anfang'* sich zu knüpfen pflegt, heischte mit ihren im Freien
wohnenden Naturgöttem keine ausgedehnten Prachtbauten zu gottesdienstlichen
Zwecken. Ueberhaupt war. ihnen der Steinban fremd und nur den Holz-
bau cultivirten sie, nur für ihn hatten ßie urdeutsche Bezeichnungen. Erst mit
dem 6. Jahrhundert beginnt eine eigentliche Bauthätigkeit, über welche jedoch
die Quellen äusserst sp&rtich und nicht immer kritisch zuverlässig fliessen. Im
«7. Jahrhundert nahm diese Thätigkeit durch die Stiftung von Kirchen und
Klöstern namentlich im frankischen Germanien schon bedeutend zu. Aber auch
hier dürfen wir an eine eigentliche Baukunst noch nicht denken und der
Holzbau wird wohl, wenige Ausnahmen abgerechnet, die ausschliessliche
Regel gebildet haben. Das Gleiche gilt auch noch von den zahlreicheren
Kirchen- und Klosterbauten des 8. Jahrhunderts, bei welchen auf dem durch
die angelsächsischen Mönche erweiterten Missionsfelde nur in wenigen verein-
zelten Fällen der Br^chsteinban zur Anwendung kam. Einer ausführlichen
Besprechung der grossartigen Prachtbauten, welche der Heldengeist KarPs des
Grossen auf deutschem Boden schuf und von welchen allein das Aachener
Münster, im Ganzen glücklich erhalten, auf uns gekommen ist, schickt der Ver-
fasser den Nachweis voraus, dass wir es hier nicht mit einer Frucht nationaler
Kunstentfaltung zu thun haben, dass vielmehr der gewaltige Geist KarPs des
Grossen Mittel fand, die christlich-römische und ravennatische Kunst aus Italien
nochmals auf deutschen Boden zu verpflanzen.
unter den Bauten des 9. und 10. Jahrhunderts wird neben den Klostergrün-
düngen zu Fulda, Corvey, Lorsch und an anderen Orten namentlich diejenige zu
St. Gallen an der Hand eines sehr interessanten, auf vier zusammengenähten
Pergamenthäuten noch jetzt erhaltenen Planes ausführlich besprochen, und dann
eine sehr eingehende Schilderung der Bauthätigkeit unter den Ottonen ange-
gereiht, wobei die jetzt schon reichlicher und grossartiger erscheinenden Pro-
fanbauten, namentlich aber die Klöster und Kirchen am Rhein eine ausgiebige
Berücksichtigung finden: Zur Ehrenrettung des vielfach verrufenen 10. Jahr-
hunderts hebt Otte den veredelnden Einfluss hervor, welcher auf allen Gebieten
der Kunst und Wissenschaft von den Klosterschulen ausgieng, und durch
die Vermählung Otto's II. mit der griechischen Prinzessin Theophanu neue
Nahrung empfing. Er weist endlich mit Recht die Ansicht zurück, nach welcher
die deutsche Baukunst jener* Zeit unter byzantinischem Einfluss gestanden
haben soll; ein solcher Einfluss lasse sich eben nirgends nachweisen und sei
auch um so unwahrscheinlicher, >als die ganze Baukunst des Abendlandes durch
14
210 Heinriob Otte:
den regen Weohselverkehr mit Italien dort die m&ehtigtten Impulse Ar ilire
Regsamkeit und die grossartige Entwiokelang des nationalen Stiles gefunden habe.
Mit dem XL Jahrhundert beginnt der Yerf. den 2. Abschnitt, and der
Aufschwung, welchen von diesem Zeitpunkte ab die romanische Baukunst auf
deutschem Boden genommen, nöthigt ihn, in diesem und dem 3. Abschnitte eine
andere Textesgliederüng, als bei dem 1. Abschnitt einzuschlagen. Er behandelt
n&mlich in beiden den Eirohenbau und dic^ Profanbanten in gesonderten Ab-
theilungen, eine Disposition, von welcher er jedoch im 3. Abschnitte in Betreff der
klösterlichen Architectur insofern Umgang nimmt, als er diese nicht bei den
Profisnbauten gesondert, vielmehr nur in enger Verbindung mit den zugehörigen
Stifts- und Klosterkirchen in Betracht zieht, mit welchen sie ja auch örtlich
und stilistisch aufs Engste verbunden sind.
Sehr weit verbreitet ist die urkundlich zuerst von dem Gluniaoensermönch
Rudolph dem Kahlen vertretene Ansicht, dass der colossale Aufschwung, den
die mittelalterliche Baukunst im 11. Jahrhundert genommen, aus der glücklichen
Ueberwindung des ehiliastischen Furcht vor dem nahen Weltende zu erklären seL
Dem tritt Pfarrer Otte mit Nachdruck entgegen, indem- er das allgemeine Vor-
handensein dieser Furcht für Deutschland bestreitet und als besten Beweis für's
Oegentheil daran erinnert, dass ja eine ganze Reihe grossartiger Bauunter-
nehmnngen, z. B. der Neubau des Domes in Mainz durch Willigis, in dem letiten
Viertel des 10. Jahrb. begonnen und erst im 11. Jahrh. zu Ende geführt wurden.
Als massgebenden und wie uns scheint viel wichtigeren Erkl&rungsgrund für den
regen Baugeist des 11. Jahrb., der zunächst an den Hauptsitsen kaiserlicher
und bischöflicher Macht zu Tage trat, macht der Verf.' did glanzvolle Stellung
des deutschen Reiches in Verbindung mit dem durch die Römerzüge erweiterten
(Gesichtskreise, dem gesteigerten Gefühl gesicherten Besitzes und dem aus allen
diesen Factoren erzeugten grösseren Luxus geltend. Und gerade das letztere
Moment, der Luxus, welcher durch die aus den besiegten Ländern fliessenden
Schätze so bedeutend gesteigert wurde, dürfte noch am Meisten zur Belebung
der Baukunst beigetragen haben. Nicht bloss in den Bischofsstädten, selbst
auf dem flachen Lande genügte der bisherige Bedürfnissbau nicht mehr,
man brach die alten bescheidenen Bauten ab und ersetzte sie durch monumen-
tale Werke der Kunst. Weitaus die meisten unserer berühmten romanisohen
Kirchen jener Epoche sind auf diese Weise entstanden. Und wenn auch wieder
eine spätere Zeit an ihnen herummodelte und sich ebenfalls mit dem Ueber-
kommenen nicht begnügte, so sind doch noch ausreichende Theile solcher KLrohen
dieses frühromanischen Stils erhalten, um mittelst derselben genaue Auf-
schlüsse über die Technik jener Epoche geben zu können.
Die characteristischen Eigenthümlichkeiton des frühromanischen Stiles, die
Behandlung der Basilikenbauten mit scharfer Ausprägung der Kreuzform, die
Gewölbeconstruction, die organische Verbindung der Kirchen mit den Thurm-
bauten, die Anlage der Thüren, Fenster und Dächer, die Technik der Säulen
und namentlich der Oapitäle — dies Alles wird vom Verf. mit Bestimmtheit
festgestellt, ehe er an die Beschreibung der einzelnen Baudenkmale jener Zeit
GeBohiohie der deatoohen Baakiinit 211
henmtritt. Bei dieser leisteren legt er sehr pMsend die ahe Diöoeaaneiniheilong
za Onmde und f&hrt ans die Bauten nach Sprengein geordnet vor, beginnend mit
Hildesheim, wo der auf dicT Eunstübung der damaligen Zeit so überaus ein*
flussreicbe Be^nward im Jahre 993 den Bisohofsstuhl bestiegen, und Sohuien
fär die yersftiedenen Zweige der bildenden Künste errichtet hatte.
Es wwde zu weit f&hren, woUten wir dem Verf. in unserer Besprechung
auch hier folgen; es genüge die Versicherung, dass bei den vielen uns per-
sönlich näher bekannten Kirchen die gebrachten Daten au£i Genaueete zutreffen,
so dass wir von diesen auch auf die Genauigkeit des übrigen, sehr lehrreich
und ansprechend gruppirten Inhaltes dieses Abschnittes schliessen dürfen. Nur
ein einziger Zusatz sei uns vergönnt. S. 228 wird die an den Ostchor der
etwas jüngeren Abteikirche zu Neuweiler im Elsass anstossende Doppdcapelle
des h. Sebastianus erw&hnt und dabei bemerkt, dass das obere Stockwerk niedrige
Seitenschiffe und Üache Decken habe. In Wirklichkeit hat aber die Oberkirohe,
gerade so wie die 100 Jahre jüngere Klosterkirche zu Schwarzaoh, einen sicht-
baren Dachstuhl. Als weitere Eigenthümlichkeit sei, neben den höchst einfachen
Würfelcapitftlen der Unterkirche auf die reich omamentirten Kapitale der Ober-
kirche und auch darauf hingewiesen, dass jedes Schiff der Ober- und ünter-
kirehe eine vorgelegte runde Gonoha mit nur je einem Fenster zeigt
Den Profanbauten des 11. Jahrb., soweit sie noch erhalten oder doch
urkundlich bezeugt sind, wird sodann im Zusammenhange ihre kunstgeschicht-
liche Würdigung. Obgleich nun aber im 11. Jahrb. die Zahl der Städte sich
mftchtig mehrte und manche derselben der Gunst der Kaiser ein rasches Empor-
blühen verdankten, so ist uns doch das Meiste durch die Ungunst sp&terer Zeit
wieder verloren gegangen. Von den interessanten St&dteanlagen wird auf €k*und
eines aus jener Zeit herrührenden Planes namentlich Wien eingehend besprochen»
welches nach altromischer Weise viereckige Plätze und gerade Strassen zeigt»
während die Städte slavisohen Ursprungs, z. B. Moskau, Erfurt, Nürnberg,
kreisförmige Plätze und kreisförmige Strassenzüge zeigen. Städtische Wohn-
häuser und städtische Befestigungen sind nur in sehr spärlichei^ Besten auf uns
gekommen, dagegen bieten die, wenigstens in bedeutenden Ruinen noch er-
haltenen Burgen, die Wasser-, Ufer-Burgen und Bergvesten ergiebige Anhaita-
punkte zur Feststellung der bei ihrer Anlage beobachteten Technik.
Der dritte Abschnitt beschäftigt sich mit der eigentlichen Blüthe-
zeit des romanischen Baustils im 12. und dem Anfange des 18. Jahrh.,
hat aber bei einer ungemein gründlichen Darstellung dieser Periode mit der
umgekehrten Schwierigkeit wie im 11. Jahrh. zu kämpfen. Dort wenig sicher
datirte Baudenkmale, aber dafür um so reicheres urkundliches Material, hier
eine erdrückende Masse von Bauten, aber hat gar keine geschichtlich sicheren
Notizen. Der Mangel dieser letzteren nöthigte den Verfasser, an der Hand der
datirten Denkmale jener Zeit die characteristischen Merkmale festzustrilen, und
mit Benutzung der so gewonnenen Anhaltspunkte die Entstehnngszeit der un-
datirten zu bestimmen.
Obgleich die im 11. Jahrh. denEpiscopat beherrschende Baulust bedeutend
312 Heinrich Otte;
sich verringerte, bo entstanden doch zahlreiche Baudenkmale, und sind es nament-
lich die in dea Elostergemeinden wohnenden Conversen oder bärtigen Brüder,
welche das Bauhandwerk pflegen und die allmältge Laisirung der Baukunst
▼ermitteln. Die im 12. Jahrhundert rasch aufblühenden Orden .der Cister-
zienser und Prftmonstratenser übten auch auf die Entwickeljmg der Bau-
kunst einen mächtigen Einfluss und ihre Bauten zeigen überall eine gewisse Fa-
milienähnlichkeit, deren Feststellung H. Otte die sorgfältigste Beachtung schenkt.
Als die characteristisohen Merkmale jener Epoche stellt der Verl zunächst
die Aenderungen in der Anlage des Qrundplanes fest. Die Vorliebe für An-
bringung eines westlichen Chores, welche das 11. Jahrh. auszeichnete, tritt mehr
zurück und an ihrer Stelle sehen wir im Westen, namentlich dort wo Nonnen-
klöster sich befanden, Emporen sich erheben. Bunde Thürme kommen als
Neubauten nicht mehr vor und weichen den viereckigen, deren Bedachung
entweder aus vier Walmen besteht, oder deren Seiten sich in ein Giebeldr^eck
fortsetzen oder gar aus dem Viereck ins Achteck umsetzen.
Im Aufbau des Langhauses geht ebenfalls eine wesentliche Ver-
änderung vor. Der Säulenbau weicht, der ausscUiesslichen Pfeüeranlage, und
diese letztere dient dann der Kreuz-Gewölbe-Construction zur Unter-
lage, mit welcher man jetzt auch die Mittelschiffe überspannte, ein Wagniss,
dem wir zuerst in den Bheinlanden begegnen, wohin diese Construction aus dem
benachbarten Frankreich gelangte und wo wir in der Abteikirche zu Laach
das erste sicher datirte Beispiel solcher Anlage besitzen. Gleichseitig lassen,
constructive Erwägungen den orientalischen Spitzbogen und Diagonalrippen
zur Verstärkung der Gräte in Annahme kommen, Emporen werden über den
Seitenschiffen angebracht, das Aeussere, namentlich das Hauptportal, prachtvoll
in reichem Ornament gestaltet, die Aussenwände durch Bundbogen und Lisenen
gegliedert, die Massenhaftigkeit der Wände durch unter dem Dache angebrachte,
äusserst malerisch wirkende Galerien von Säulenarcaden erleichtert^ und hierdurch
eine ganz charakteristische Eigenheit unserer rheinländischen Kirchen geschaffen.
Im Detail tritt eine reichere Behandlung der Säulenschafte ein, ihre
Basis bewahrt zwar die attisirende Form, sucht aber an den vier Ecken den
Plintiius durch Knollen, profilirte Blätter oder Krallen mit dem untern Pfuhl zu
verbinden, und es gestalten sich die Würfelcapitäle in zierlichster Abwechselang.
Endlich werden dann noch die besonderen Merkmale der Bauten des sog.
Ueberg an gs Stiles hervorgehoben, der wesentlich schon unter dem Einflüsse
des in Frankreich blühenden gothisohen Stiles stand und namentlich am
Bhein ganz herrliche Mischbauten hervorbrachte, bei denen der Spitzbogen an
untergeordneten Theilen, z. B. den Arcaden des Langhauses, herrschend wird.
Nachdem der Verf. durch sorgfilltigste Fixirung all dieser stUistischen und
technischen Eigenheiten für eine streng wissenschaftliche Besprechung der
verschiedenen Bauten eine genügende Basis sich geschaffen, fuhrt er die
einzelnen Baudenkmale in geographischer Reihenfolge uns vor und zwar, wie
wir ausdrücklich hervorheben, in einer nahezu erschöpfenden Vollzähligkeii.
Zu S. 881 bemerken wir, dass die Kirche in Kaiserswerth in den letzten
GMohiokt« der deatachen Baukcast. ai8
Jahren durch BaameiBter A. Rinoklake sehr geadhiokt restauriri, und dass
namentlich auch der 1243 durch Abt Gerard abgetragene Thurm der Westfagade
Btilgerecht wiederhergestellt wurde, wodurch der Wunsch der Staininschrift :
TEACPORE TRANQVILLO R£PAB£T MELIORE CAPILLO endUch erfallt ist,
und die herrliche Kirche an mü^estatischem Aussehen bedeutend gewonnen hat.
S. 402 h&tte bei Besprechung der prächtigen Abteikirche von Mar montier
(Maursmünster) im Elsass der äusserst charaoteristisdien Verzierung der kleinen
Fenster des Langhauses Erwähnung geschehen können. Dieselben sind yob einem
sehr zierlichen, flachreliefirten Arabeskenrand umzogen und die Laibungen mit
pfeifenstielartigem Ornament besetzt. — An der S. 40$ erw&hnten Abteikirche in
Neuweiler unterscheiden wir drei Bauperioden: die Goncha des Chores gehört
dem 12. Jahrb. an, das Querschiff und das erste Joch des Langhauses mit den
achteckigen Zwischenpfeilem stammt aus der Uebergangsperiode, und . die zwei
letzten Joche mit runden von Vier Diensten flankirten Zwischenpfeilern tragen
bereits die deutlichen Merkmale des herrschend gewordenen gothischen Stils.
An dem untersten Sockel der Sfidseite fanden wir, um die6 hier beilftufig zu
bemerken, in rothem Sandstein die unseres Wissens bis jetzt noch nicht publi-
oirte schöne Inschrift:
t VOS ■ Q* • TRASITIS ' NRI • MEMORES • BOGO ' 8ITIS •
t QD • SYM' • HC • ERITIS • FVIM' . Q^NDOQa • Q • ESTI8 •
Die alte ungemein zierliche Kirche des Augustinerklosters zu Ober-
steigen (S. 404) ist eine einschiffige Kirche, 1221 erbaut. Die Fenster
sind nach Aussen mit wulsttragenden, durch einen Ring getheilten S&ulchen
umgeben.
Die vom Verf. mit Recht hervorgehobene, ebenso gedrftngte als gl&nzende
Baudichtigkeit der niederrheinischen (hegenden tritt bei einer weiteren Berück-
sichtigung der Landkirchen noch mehr ins Licht. Namentlich sind es die drei
örtlieh und stilistisch nahe bei einander lieg^den Kirchen zu Mündelheim,
Wittlar und Calcum, welche H. Otte in der vorliegenden Geschichte der
Baukunst ganz unberücksichtigt l&sst, obgleich er wenigstens die beiden erstge-
nannten in seinem Bandbuch S. 384 und 342 erwähnt. Alle drei sind Pfeiler-
basiliken : in Mündelheim erscheint das Mittelschiff schon gewölbt, in Wittlar
und Galcum flach gedeckt; in Mündelheim ist der mit Walmdach versehene
Thurm der Basilika vorgelegt, in Wittlar setzen sich die Seitenschiffe mit einem
Joch bis zur Mitte der Thurmseiten fort. Zu Wittlar. liegen die Fenster des
Lichtgadens an der Südseite aussen in S&ulenarcaden mit WürfelcapitUchen,
an der Nordseite dagegen nur in Pilasterfeldem mit Kftmpfergesims ; die W&nde
der Seitenschiffe mit kleinen Fensterchen sind ganz glatt, ohne Lisenen und
Rundbog^enfries. Diese Andeutungen zeigen wohl zur Genüge, dass auch die
Landkirchen vielfach schon sofort von den stilischen Aenderungen des 12. Jahrb.
influencirt wurden.
An den S. 480 erwähnten herrlichen Thürmen der Stiftskirche in Com-
bürg bei Sehwäbisch-Hall zeigen die mit steinernen Kreuzen gezierten Stein-
9U
Heinrich Ott«:
helme der Mliohen Thtirmpyramiden Mhon spitibogige Fenster mit wimperg-
artiger Bekrdnmig, während sonst überall noch der Bandbogen yorherrscht.
S. 586 ff. hätte neben der T förmigen Kirche zu Twiste and der im
Grondriss ähnlichen Kilianskirehe zuLügde auch die Kirche sa Neaenbeken
Erwähnung yerdient, welche wohl eine der ältesten Kirchen romanischen Stils
im Westfalenlande ist Sie seigt ans im Qrandriss, yon welchem wir eine kleine
Skixae bdfogen, die reine Krenzform ; Seitenschiffe fehlen gänslich, dagegen isi
zwischen dem Langhaose and dem geradlinig geschlossenen Chor ein ^ebenfalls
geradliniges Qaerhaas eingeschoben, welches in der südlichen nnd nördlichen
Maoer eine Thüre, and in der östlichen je ein Fenster zeigt. Änah Lübke
scheint bei Abfassnng seines Werkes über die mittelalterliche Kunst in Westfalen
diese äusserst interessante and vereinzelt dastehende Kirche, deren neaentdeokte
Wandgemälde wir im nächsten Hefte der Jahrbücher za pabliciren gedenken,
noch nicht gekannt za haben.
In der zweiten Abtheilang des 3. Abschnittes wendet sich H. Otte zu
den Prof an bauten des 12. und 13. Jahrhunderts, und er kann hier reichere
Ausbeute halten, als bei dem parallelen ^Theile des 2. Abschnittes. In Folge der
Selbstständigkeit nnd des Beichthnms der Städtebewohner ward der ärmlichere
Holzbau durch den soliden Steinbau verdrängt; in Mets, Trier, Kölnu. s. w.
Oeiehiohte der deutMihen Baukunst^ 216
sind uns nodh zahlreicfbe und schöne Wohnhäuser jener Zeit erhalten. Die
Städtegründnngen werden näher besprochen und namentlich interessirt es,
die spärlichen Anfänge zu schauen, aus denen sich unsere jetzt so prächtige
Eaiserstadt Berlin entwickelte. Nicht minder leaenswerth ist die Schilderung
der alten Befestignngs werke. Bei dem S. 674 erwähnten zweistoekigeny im
Sechseck erbauten Denkmale zu Com bürg sei bemerkt, dass sich daselbst nicht,
wie es irrthümlich heisst, im Untergeschosse eine Durchfahrt, sondern nur eiii
ziemlich breiter Treppenaufgang findet; der obere kleine Raum hat offmbar
gottesdienstlichen Zwecken gedient.
Die literarischen Nachweisungen und^ Nachträge, welche
S. 39--41, S. 141—146, S. 273—285 und S. 717—737 den einzelnen Abschnitten
beigefügt sind, bieten einerseits über die benutzten Hilfsmittel ausfuhrliche
Auskunft, wie sie anderseits Jedem, der sich über die Einzelbauwerke näher
informiren möchte, das nöthige Material an die Hand geben.
S. 717 hätte mit Bezug auf die S. 298 gebotene Besprechung der stil-
istischen Eigenthümlichkeiten der Gisterzienser-Grundrisse das bei anderer Gelegen-
heit citirte treffliche Specialwerk von Dr. Dohme, die Kirchen des Gisterzienser-.
Ordens in Deutschland erwähnt werdeu können, welches zum ersten Male im
Zusammenhang die von Schnaase und Feil nur kurz berührte Frage nach den
unterscheidenden Merkmalen des Cisterzienserstils erörtert und namentlich durch
seine sehr sorgfältigen Filiationstabellen für die Geschichte der Baukunst von
Wichtigkeit ist. ^
Lotz, Kunsttopographie 8. 881 scheint uns die Frage, ob der Dom in
Limburg a. d. L. ein romanischer oder gothischef Bau sei, nicht unent-
schieden zu lassen, wie S. 717 gesagt wird. Denn nachdem er S. 10 diesen Dom
ganz unbedingt ^und auch mit grösstem Rechte dem üebergangsstil zugewiesen,
hebt er a. a. 0. nur hervor, dass einzelne wenige Theile, z. B. einige Fenster
der zwei oberen Thurmgeschosse schon frühgothisches Maasswerk enthalten, dass
die Gurt- und Kreuzrippen des Mittelschiffes frühgothisch profilirt seien, und
dass das Blattwerk der Säulenkapitäle sich der frühgothischen Knospenform
nähere! Aber das wird eben als Ausnahme erwähnt, und derartige stilistische
Eigenschaften untergeordneter Nebendinge berechtigen doch gewiss nicht, wie
Schnaase will, den Limburger Dom den gothischen Kirchen beizuzählenl
Mit Recht vertheidigt H. Otte die Benennung des Yorhofes der La ach er
Kirche als »Paradiese (S. 718 und 816), statt der noch heute vielfach üblichen
als »Kreuzgange, für welche sich keine Anhaltspunkte finden lassen, von der sich
aber selbst Lübke in seiner Geschichte der Architectur 4. Aufl. S. 816,
818 und 871 noch immer nicht trennen kann. Bei der S. 817 recht ausfuhrlich
gegebenen Beschreibung der sehr wichtigen Oapitäle von Laach vermissten wir die
Erwähnung des höchst eigenthümlichen ikonoplastischen Capitäls aus dem Paradies,
auf welchem ein kleines Teufelchen erscheint, das die politische Richtung des Bau-
herrn oder Baumeisters öharakterisirend, ein Spruchband schwingt, mit der Inschrift :
PECOATA • ROMAN •
216
Heinrich Otte: Oesohiobte der denteehen Btukuntt.
Eue Abbild an g der 8. 721 nnd 411 beeproohenen Abteikirdie von
Pete rsban Ben g^bt Zell, Eircbe der Benediotiner- Abtei PeterBbaiuen (Frei-
barg, Herder, 1867) S. 44, woselbst anch 8. 67 ff. der incwischen verstorbene
Professor C. P. Bock (nicht zu verwechseln mit dem gleichnamigen Aachener
Canonioos) die Lanette-Reliefs jener Kirche in höchst beabhtenswerther Weise
deatet.
Ausser den in onserem Referate über das neueste Werk Otters bereits
genügend hervorgehobenen trefflichen Eigenschaften desselben wollen wir hier
zum Schlosse nur noch erwähnen, dass in demselben auch stets die so überaus
wichtige Material frage bei den einzelnen Baudenkmalen der verschiedenen
Perioden gebührende Erörterung gefunden hat. Da zudem dieVerlagshandlung
das Werk äusserst splendid ausgestattet und mit zahlreichen Abbildungen,
namentlich auch der weniger bekannten Bauten versehen hat, welche das Ter-
stftndniss des Gesagten ganz wesentlich erleichtem, so können wir Otte's
Geschichte der Baukunst nur auf das Angelegentlichste empfehlen und
recht vielen Yereinsgenossen den gleichen geistigen Genuss wünschen, welchen
uns das Studium derselben bereitet hat
Viersen. Aldenkirchen.
in. MiseeUen.
1. PalimpsestinsohrifteiL
Je eifriger man sich in den leisten Deoennien dem Stadium der Inschriften
zugewandt hat^ um so mehr muss man sich wundem, dass eine Eägenthümlich-
keit, auf welche man bei den Handschriften in neuester Zeit ' so sehr sein
Augenmerk gerichtet hat, bei den inschriftlichen Benkm&lem fSut gar nicht oder
doch nur immer vereinzelt Berücksichtigung gefunden hat. Ich meine, dass
dieselben ebenso wie die Handschriften in nicht geringer Zahl PaUmpseste sind,
wenn man diesen der Handschriftenkunde entlehnten Ausdruck auf die Epigra-
phik übertragen darf. Der Anfang einer darauf bezüglichen Untersuchung ist
jetzt, soweit es sich dabei um die in Aegypten gefundenen Inschriften handelt,
▼on C. Wescher gemacht worden in den Comptes - rendus de l'acad. frang. des
inscr. et helles - lettres, Nouv. Serie, t. VII (Paris, 1871) p. 276 ff. Die folgenden
Zeilen haben den Zweck durch eine Zusammenstellung yon Beispielen, welche
nicht im Geringsten Ansprach auf Vollständigkeit nach irgend einer Seite hin
erhebt, nochmals die Aufmerksamkeit auf diesen Punkt hinzulenken,
a) Doppelte Palimpsestinschriften.
Ein interessantes Beispiel einer solchen Palimpsestinsohrift vermag ich
nachzuweisen auf einem Steine, welcher im Blaohemer Viertel GonstanUnopels,
am 4usser8ten Südufer des goldenen Homs gefunden worden ist. Derselbe ent-
halt zuerst eine Ephebeninschrifl oder eine Siegerliste aus gymnastischen
Spielen, dann wurde darüber ein Ephebenkatalog aus der Zeit vor Septimius
Severus eingemeisselt und endlich mit abermaliger theilweiser Tilgung der
früheren Schriftzüge die Todtenliste einer (vielleicht altchristlichen) Genossen-
schaft aus der ersten Hälfte des dritten Jahrhunderts eingehauen. VgL Dethier
und Mordtmann, Epigraphik von Byzantion und Constantinopel in den Denk-
schriften der Wiener Akademie, Hist.-phil. GL, Bd. XIII (1864), 2 S. 78 ff. n. LVI
und Taf. VH und VIH. Fig. 29—29 b. — In ähnlicher Weise rescribirt ist der
Meilenstein des Museums zu Pest im G. L L. III, 8711. Derselbe enthält drei
Inschriften, von denen jedes Mal die jüngere zum Theil über und zwischen den
ZeUen der vorhergehenden eingehauen ist. Die älteste ist fast ganz ausgemerzt,
so dass von ihr jetzt bloss einige Buchstaben vorhanden sind ; die zweite, welche
/
218 lüaeellen.
noch ganz lesbar ist, Btammt aas der Regierungtzeit de« MaximinuB and seinee
Sohnes Maximus (236—288 p. Chr.); die jüngste endlich ist anter Diodetianas
eingemeisselt worden. Vgl. Desjardins-Romer, Monuments 6pigr. du mosee nat.
Hongrois de Buda-Pest (1878) p. 44 n. 95 a. pL XYII. .
b) Einfache Palimpsestinschriften.
Der Graf Potocki^ Hist. ancienne de Ch^rson p. 29 und nach ihm Eoehler
in den Memoires de Tacad. de St. Potersbourg t. X p. 689 f. haben anter der auf
der Insel Borysthenis von den Einwohäem der Stadt Olbiopolis dem Pontarcheu
Achilles gesetzten griechischen Inschrift noch die Spuren einer anderen älteren
wahrgenommen^ wie Boeckh zu Corp. inscr. graec. t. n n. 2077 bemerkt hat. In
diese Kategorie gehört femer die Inschrift zu Ehren des Proconsnls von
Aohaia, Gn. Acerronius Procains, auf einem Piedestal, welches sich zu Athen in
der Nähe des Eingangs zur Quelle der Clepsydra befindet Dasselbe gehörte
ursprünglich zur Statue einer anderen PersönEohkeit, denn unter der letzten
Zeile treten noch deutlich die ausgemerzten Worte JIPABtTEjiHZ EUOEI
hervor, wie Wordswerth, Athens and Attica. London 1837. p. 142 beriohiet.
Besonders bei Statuea hat diese Unsitte seit Beginn der E^aiserzeit so sehr
Ueberhand genommen» dass man meiste ohne einmal einen anderen Kopf aof-
zusetzen, bloss den Wortlaut der Inschrift änderte. Am häufigsten ist die« bei
den Rhodiem geschehen. Vgl. Casaubon ad Sueton, Tiber, c. 68. Sah doch Fan-
sanias I^ 18, 8 zu Athen Statuen des Mütiades und des Tbemistocles, welche auf
den Namen eines Römers und eines Thraciers umsohrieben waren, und bei Mjoene
in dem Tempel der Hera eine Statue des Orestes mit einer Inschrift, als wäre
es Angostus. Pausan. II, 17,8. Vgl. Ross, Arohaeol. Anfsätze 1, 170 f. — Nicht
minder haben römische Inschriften eine gleiche Prooedur bald ganz, bald theil-
weise an sich erfahren. Von gänzlich getilgten lateinischen Inschriften will ich
ebenfalls nur einige nennen. Nämlich unter der von zwei Brüdern dem Genio
et fortunae tutelaeque huius loci cohortium praetoriarum gewidmeten Inschrift
in Rom hat Maffei, Mus. Yeron. p. 818, 8 die Reste einer älteren mit eleganten
Schriftsügen eingehauenen Inschrift entdeckt, worüber die späteren Herausgeber,
sowohl GuascOy Musei Gapitol. inscr. vol. I p. 59 u. 29 als auch Orelli 1699 ^
8468 seltsamer Weise schweigen', bis Henzen zu Orelli Bd. III. S. 164 wieder
darauf aufmerksam gemacht hat. So befand sich auch unter der Inschrift des
Nicomachus Flavianus (Henzen 5598) nach de Rossi (Annali t. XXI (1849) p. 286)
ursprünglich eine andere später getilgte. Rescribirte Inschriften sind femer
folgende vier zu Puteoli: J. Neap. 2602. 2503. 2504 und 2606. Ebenso steht die
Inschrift des Flayins Marianus, praefectus et curatorrei publicae Misenatium, (J.
Neap. n. 2648) auf einem ausgemerzten laterculus militum, von dem die lieber-
Bohrift SCHOIf ARlfATYR sowie das Datum stehen geblieben sind. Ygl
Qervasio, Osservazioni sulla iscriz. di Mavorzio Lolliano p. 22 ff. Zahlreicher
sind die Fajle, wo einzelne Zeilen resp. Worte in den Inschriften getilgt und
an ihre Stelle nach Bedürfiüss andere eingesetzt sind. Dies ist namentlich bei
den Namen hoher Personen der Fall gewesen. So hat Olivieri zu Cyriaoi Anooni-
tani comment. nova fragm., Pisauri 1763, p. 15 n. 27 zuerst die Wahrnehmung
MiMsellen. 2l9
t
gemaobi, diis in der luleizt von Toazeiti, Relanone d'alcune viaggi fatii in
divane parte della Toscana i. X p. 425 n. XI heraasgegebenen Weibinsehrifb
des M. Firmidins Speoiatos za Garrara in Z. 5 die Worte PR * CLARISS * an
Stelle der ansgemer&ten ET P - GETAE * GAES getreten sind. Nocb interessanter
ist die Insebrift des Domitios Bassns zu Rom bei Orelli 1256, wo in Z. 1—8 nber
die getilgten Worte M • AVR | SEYERI • ALEXANDRI • AVG • ET • lYLIAE •
BKAMMAEAE • AVG * | MATRIS . | AVG * ET • CASTR * die Namen C * IVLIO •
VERO * MAXIMINO PIO FELIGI | INYIGTO AVG eingebanen worden und
dann aacb diese wieder getilgt sind, wie Kellermann bei Orelli, Analeeta epigr.
p. 87 naob dem Vorgänge von Marini, Isoriz. Albane p. 46 und Borgbesi,
Oearree t. m p. 485 geseben bat. Vgl femer Orelli n. 918 und dort Eeller-
mann a. a. 0. p. 86 sowie Gmter p. 288, 1.
2. Drei neue römiscbe Milit&rdiplome.
Eine sonderbare Fttgong ist es, dass der Zufall in demselben Jabre
1878, wo Mommsen zuerst alle bisber bekannten Milit&rdiplome yereinigt bat,
uns zwei neue zu Tage gef5rdert bat Das eine ist zu Regensburg ausgegraben
und Ton dem dnrob seine sebr sorg^ltige Bespreebnng der scbon früher eben-
daselbst gemacbten Antiquitftteniunde bekannten Herrn Oblensoblager yeröffent-
liebt worden in den Sitzungsberiobten der Kgl. Bayer. Akademie der Wissen-
sohaften, Phil.-bist. GL, v. J. 1874 Bd. I. S. 198 ff. Das Diplom stammt aus
d. J. 166 n. Gbr., M. Yibio Liberale, P. Martio Yero oos., und nennt uns Trap-
pentbeile, von denen der grdsste Tbeil scbon auf dem von Christ beirausge-
gebenen Weissenburger Diplom des J. 107 p. Cbr. (G. I. Lat. III p. 866 n. XXIV)
genannt ist. Es nennt uns ferner einen bisher unbekannten Statthalter Raetiens
T.(?) [De8]tioius SoTems, dessen Namen Oblensoblager in scharfsinniger Weise
aus einer zulUlig im J. 1078 bei Goncordia im Venetianisoben gefundenen und
im BuUetino delP instit. aroh. 1874 S. 80 abgedruckten Insebrift hergestellt hat,
welche seinen cursus bonorum enth<. Auf ihn bezieht sich auch die ebenfalls
zu Gonoordia gefundene fragmentarische Inschrift im G. I. Lat. V n. 1877.
Ueberbaupt scheint die Familie der Desticii eng mit der Golonie Goncordia rer-
bnnden gewesen zu sein. Denn der Legat Britanniens unter Valerien und
Gallien, T. Desticius Juba, (G. I. Lat VII, 107) wird patronus der Golonie
(G. I. Lat. V, 1875) genannt. Andere auf ihn bezügliche Inscbrifben ans Industria
und Rom bat Promis, Storia dell* antica Torino (Torino 1869) p. 846 zusammen-
gestellt. -• Das andere aus Thracien stammende ist von Ekgabal für die Prae-
torianischen Gehörten ausgestellt und ist unter den bekannten das neunte der
ihnen verliehenen Diplome. Das Datum seiner Ausstellung fUlt auf den 7. Januar
221 p. Ghr. G. Vettio Ghrato et M. Vitellio Seleuoo cos., deren yolle Namen wir
hier zum ersten Mal erfahren, w&hrend sonst einfach Grato et Seleuco cos. steht.
Vgl. G. L L. VII, 585. G. L Rh. 1609. Orelli-Henzen n. 6058. 6058. Bull. 1867
p. 14 n. 2. Henzen, Acta Arv. p. GGX. Jetzt erweist sich auch die Ton Borgbesi,
Memorie deU' Instit. arch. t. L p. 208 f. =» Oeuvres t. III. p. 424 f. vorgeschlagene
Restitution ihrer Namen in der Inschrift von Laodioea (G. L gr. vol. III n. 4472 und
Add. p. 1172) als irrig. Vgl Lebas- Waddington, Insor. t. 8 n« 1889 Expl. p. 488.
930 MimUtn.
DaBs sie mit den bei Synoellus j). 400 ed. Bonn, genannten Coniuln Ff^oi
ZaßiViovog ufä £iln/xot identisch sind, scheint Borghesi richtig vermathet su
haben, wenn man die Inschrifien bei Boissiea, Inscr. de Lyon p. 64 n. XLVII und
bei Renier, Arohives des missions t. m p. 820 in Betracht neht, wo Sabiniano
et Seleuco cos. sich findet. Das Diplom ist veröffentlicht worden von y. Sacken
in den Sitzungsberichten der phiL-hist. Gl. der Wiener Akademie Bd. LXXYI
(1874) S. 85 ff. — Za diesen beiden kommt jetzt noch ein drittes kfirslioh su
Pompeji gefundenes Militairdiplom, über welches in der Sevue arehMogique,
NouY. S4rie, tome XXYIII (1874) p. 201 nach dem Monüeur tmüoend Tom
19. August 1874 Folgendes berichtet wird: ^Cei ottjei n^ut rien moina que le
eongi müitaire d^nn 8dldat de la floHe de Miehie, gut faiaait partie de väiram
itäblis ä Faestum, Ce eangi se eompoee de deux tatiettee de hwonge rhmue
entre eUee et signtee: S. L. Basso. H eet de Vkpoque de Fespome».« Es ist
also unter den an die Flotten verliehenen Privilegien das dreizehnte und unter
den speclell für die Flotte zu Misenum bestimmten das sechste.
8. Beitrag zu dem dritten Bande des Corpus inscr. Lat.
Die erste Mittheilung betrifft die bekannte Inschrift des Statthalters von
Dacien, L. Annius Fabianus, dessen Yerwaltungsseit Borghesi, Annali dell' instit.
aroheol. t. XXVII (1865) p. 82 » Oeuvres t YIII p. 478 zwischen den J. 158
und 158 p. Chr. angesetzt hat. Die Angaben der verschiedenen Herausgeber
über den Fundort sowohl als den heutigen Znstand der Inschrift sind unsicher.
Mommsen im CLL. III n. 1455 hat als ihren Fundort Sarmizegothnsa, das
heutige Yarhely oder walachisch Oradis^e, angenommen und zwar, wie es
scheint» mit Recht, weil Bonfin Berum Ungar, decades (Basel 1558) p. 7 aus-
drücklich von ihr sagt ^m Tra/MQnamia nuper repeirta^ und weil sie dem Fabiannz
von jener eben genannten römischen Colonie gesetist worden ist. Mommsen
selbst scheint sie als nicht mehr vorhanden betrachtet zu haben, da er nichts
von ihrem jetzigen Aufbewahrungsorte berichtet. Sie ist aber keineswegs ver-
loren, sondern ezistirt noch, hat aber von der Yollst&ndigkeit, in welcher Apian
und Bonfin sie kannten, bedeutend eingebüsst Wenn Apian p. 493, 8 sie ,yBacaae
in Hungofia** ansetzt, so hatte er vollkommen Recht, indem in seiner Zeit
der Stein wohl schon an jenen Ort verschleppt worden sein mochte. Jenes
Baccia des Ingolstadter Professors ist das heutige Bä es (sprich Baatsch) an dem
aus der Donau geleiteten Kanal Mosztonga. Dort befindet sich die Inschrift nooh
heute, aber in einem sehr trümmerhaften Zustanda Nach der Angabe Henszl-
mann's in dem Werk: „Die Grabungen des Erzbischofs von Kalocsa,
Dr. Ludwig Haynald. Leipzig 1 878. S. 222," welches ich der ausserordent-
lichen Freundlichkeit Sr. Ezcellenz des Erzbischofs verdanke, lautat sie ') jetat:
1) Der Yollstftndigkeit halber erwähne ich, dass Otto Hirschfeld, Epi-
graphische Nachlese zum C. I. Lat voL III aus Daden und Mösien. (Wien, 1874)
S. 61 s Sitzungsberichte der phil.-hist. Cl. der Wiener Akademie Bd. LXXYII
S. 421, welcher unsere Inschrift 'auf den Statthalter von^Moesia inferior, L.
Annius Italiens Honoratus, unter Alezander Severus im J. 224 (C. I. L. III,
MiMdln. 321
LANNIC
nviRoc r
EGriAYÖO
RIB PL
RA TORIVI
IIL GX F^
r GIR PP
Hiemaob ist nun die Angabe des C. I. L. zu. modificiren. Der Stein ist
bei den von Erzbischof flaynald ausgeführten Ausgrabungen jetzt wieder zu
Tage gefordert worden, nachdem er schon früher in Baos bekannt war, und dann
lange Zeit von einer mehr als fusshoben Trümmer, und Erdschiebte bedeckt
gelegen hat. Vgl. Henszlmann S. 208. Aus erdem hat man bei den Grabungen
in der B4cser Burg eine Menge gewaltiger römischer Ziegel (bipedales) ge-
funden. Auf einigen derselben befanden sich concentrische Kreise eingedrückt,
einer enthielt die Sigle PRI, indem Anfiemg. und Ende der Inschrift weggebrochen
war. Vgl Henszlmann a. a. 0. S. 219.
Bei Ausgrabungen, welche ebenfalls Erzbischof Haynald in B&th-Monostor
(Kloster Bath), einem eine Stunde südlich vom St&dtchen Baja am linken I]fer
der Donau gelegenen Dorfe, veranstalten Hess, kam auch ein Inschrifbstein zum
Vorschein, dessen Wortlaut Henszlmann leider nicht mitgetheilt hat. Die sehr
verstümmelte Inschrift ist aber von Bedeutung, weil die am Schluss derselben
sich findenden und von Henszlmann allein mitgeth eilten Worte „et aquam
indnxit,*' auf grössere in jener Gegend von einem römischen Kaiser oder
Statthalter ausgeführte Bauten (vielleicht Canalbau) hinweisen, von denen bis
jetzt dort noch keine Spuren zu Tage getreten sind. Hoffentlich wird es Herrn
Prof. Mommsen, der, wie -die Zeitungen berichten, neuerdings diesen Länder-
strich bereist, gelingen, sowohl die in Rede stehende Inschrift zu entziffern als
auch die dort erwähnten Anlagen aufzufinden. Oder, sollte es dieselbe seih,
welche im C. I. L. III n. 6462 p. 1041 nach einer Mittheilung Haynald's ver-
öffentlicht ist?
Während diese Mittheüungen sich auf Pannonien beziehen, betreffen die
folgenden dexgenigen Theil des römischen Ostens, welcher, wie ein flüchtiger
Blick in's Corpus zeigt, bis jetzt durch Inschriften mit am Schwächsten ver-
treten ist, nämlich Mösien. Auch hier bin ich mehr im Stande einem zu-
künftigen Sammler von Nachträgen für das Corpus Andeutungen zu geben als
selbst durch Mittheilung solcher sie zu vermehren. Der hier verstorbene Pro-
fessor der Chirorgie, Geh. Med.-Rath Wutzer, hatte im Spätsommer des
6164. 6224) beziehen wollte, später selbst die Unmöglichkeit dieser Combination
eingesehen hat.
222 Miwelldii. ;
Jahres 1866, kon nach Beendigung des Krimkrieges sa rein mediciniaohen
Zwecken eine Beise in den Orient Europa's gemacht, wohei er, was nicht hoch
genug anzuerkennen ist, die zahlreichen Beste des römischen Alterthnms in
jenen Qegenden keineswegs ausser Acht gelassen hat. Er hat die Eindrucke,
welche er auf dieser seiner Beise empfangen hat, in einem zweibändigen Werke
niedergelegt unter dem Titel: „Beise in den Orient Europa's und einen
Theil Westasiens. Elberfeld, 1860—1861. 8^**. Von ihm erfahren wir
Bd. I S. 147, das« das Dorf Tschelei am Walachischen Ufer der Donau gegenüber
rechts dem Dorf Beschlikira, bei dem schon Marsili, Danubius Pannonio —
Mysicus voL IL tab. 19 die Existenz röm. AlterthClmer verzeichnete, ganz auf
den Buinen einer alten römischen Stadt steht, dass seinen Friedhof eine Mauer
umgibt, erbaut aus Marmor fragmenten von Statuen u nd Steinen mit
Inschriften, von denen der Dampfschiffscondukteur Wutzer mehrere, welche
er abgeschrieben hatte, vorzeigte. Auch hatte man nach dessen Aussage convex
= concave griechische Silbermünzen von schönem Gepräge gefunden, welche
das Gewicht eines Thalers hatten. Möchten diese Notizen einen jenen Gegenden
näher wohnenden Gelehrten zu einer gründlichen Erforschung dieses Ortes
veranlassen. —
Femer fand Wutzer (Bd. I S. 252), als er von Yama durch die Ebene
der Dobrudscha nach Bassowa fuhr, in dem Dorfe Saridschey nahe bei dem
Wirthshause, in welchem er gerastet hatte, einen tief in die Erde eingelassenen
ans einem feinkörnigen weissen glänzenden Marmor bestehenden 'Stein, dessen
breitere Basis die türkischen Beiter benutzten, um sich von ihr bequemer in
den Sattel schwingen zu können. Es war ursprünglich ein römischer Grabstein,
dessen oberer die Grabschrift enthaltender Theil jetzt in der Erde steckte.
Da Wutzer keine Zeit zum Graben hatte, so las er bloss den Schluss derselben,
welcher lautete: Princeps sibi et suis. Y. 0. Was die letzten Buchstaben
Y. 0. besagen sollen, gestehe ich nicht zu wissen. Das Wort Princeps scheint
auf einen hohen Municipalbeamten, etwa einen princeps loci, hinzuweisen, wie
uns ein solcher in dem M. Atius L. f. Firmus zu Tekir-Gueul bei Eustendje
(C. I. L. m n. 772 = Allard, La Dobroutoha (Paris, 1859) p. 29) entgegen-
tritt —
Bei dieser Gelegenheit möchte ich noch die Aufmerksamkeit auf ein
grosses Monument lenken, welches Wutzer (Bd. I. S. 254 ff) beim Dorfe Adam-
Kelssikoi (Adam-Keliss^ bei Anderen), zwei Meilen von Bassowa, sah and
welches ich in keinem anderen mir bekannten Beisewerk erwähnt gefunden habe
mit Ausnahme von Allard ') a. a. 0. S. 46 Anm. 1, der es nur mit ein Paar
Worten beschreibt. Das Denkmal, welches die Türken Cümbett (Cambett
bei Allard) nennen, bildet eine etwa 60 Fuss hohe aus harten Ziegelsteinen anf-
gemauerte Masse ohne jedwede Oeffnung, welche der Form nach die Hälfte
>) Ob Allard in seiner grösseren Schrift La Sulga/rü Orientale, Baris 1B64
dasselbe eingehender besprochen hat, weiss ich nicht, da mir dieselbe nicht zu
Gesicht gekommen ist.
MiBoellen.
2S8
eines Ovoid*8 darstellt, deren Basis auf dem Boden ruht, und deren abgerundete
Spitze sich in die Luft erbebt. Dasselbe war früher mit Marmorplatten bedeckt,
von denen noch viele (26-^80 an der Zahl) im Gesträuche umherlagen, mehrere
jeUst auf dem nahe beiliegenden Begrabnissplatse des Dorfes sn Orabst^en
benutzt und ein grosser Theil, wie die Einwohner Wutzer yersioherten, von
einem von fräukischen Reisenden begleiteten Pascha aus Silistria mitgenommen
worden sind. Wutzer fand auf denselben Figpiren von etwa 8 Fuss Höhe von
edler Physiognomie und guter Zeichnung, die jedoch Allard als tmkorrekt und
barbarisch ^) bezeichnet, unter den von Wutzer beschriebenen sechs Platten
lasse ich die vierte mit seinen Worten des Beispiels halber hier folgen:
„Ein vierter Stein zeigt deutlich die Figur einer Quadriga; der Beschauer
erkennt die beiden Bäder der ihm zugewendeten Seite vollkommen. Vor dem
vorderen Rade ragt die Figur einer Schlange in die Höhe, deren Hals und Kopf
deutlich erkennbar sind. Zwischen beiden Rädern und hinter dem hinteren der-
selben werden auf gleicher Höhe mit dem Schlangenkopfe zwei andere Thier-
köpfe bemerklichi die dem eines Hundes, eines Wolfes oder einer Hyäne ähnelten.
Für die Form des Hundekopfes spricht die lang hervorgezogene Schnauze und
das herabhängende Ohr — also vielleicht der Kopf eines Gerberus und dgL —
Die Leiber der Thiere sind unkenntlich geworden. Reste einer menschlichen
Figur werden dabei nicht sichtbar."
Um das ganze Bauwerk lief einst in der Höhe eines Drittheils desselben
ein Fries herum, wie dies eine noch vorhandene, durch Allard ebenfalls er-
wähnte Linie anzudeuten scheint. Von einer Inschrift, von der Wutzer ver-
muthet, dass sie auf der der Lands trasse zugewendeten westlichen Seite einge-
meisselt war, ist nirgends mehr auf demselben eine Spur. Dagegen befand
sich nach Aussage der Anwohner noch zu Anfang dieses Jahrhunderts auf der
Plattform desselben ein sargformiges Marmorgefass, aus dem eine Fontäne ihr
Wasser abwärts ergoss, von dem jetzt keine Spur mehr wahrzunehmen ist.
üeber die Bestimmung dieses Denkmals gehen die Ansichten beider Reisenden
auseinander : Wutzer wollte es mit dem Heeroszuge der Perser unter Darius in
Verbindung bringen, während Allard in demselben das Grabmal eines gothisohen
Heerföhrers zu erkennen meinte. Es wäre gewiss zu wünschen, dass ein mit
der gehörigen Sachkenntniss ausgestatteter Forscher das Monument recht bald
untersuchte, bevor die letzten Reste der noch vorhandenen Märmor-Sculpturen
in die Kalköfen der benachbarten Anwohner gewandert sind, und seine wahre
Bedeutung aufklärte.
Zu den in Dacien gefundenen Inschriften des instrumentum domestioum
kann noch die Ziegelplatte mit der Inschrift PERScoRilo hinzugefügt werden,
^} AUard a. a. 0. S. 46 f. sagt : Quelques bas^eliefs 8<mt restis au pied du
monument, les iypea des personnagesy let^s vetemenis, ne permettent pas de nii-
eannaUre la main d^un seulpteur qui a eannu les auvres deüome; mais U dessin
est d^une incorrection, d'une barbarie mcme qui doivent le faire rapporter ä une
Spoque de decadenee eamplHe.
324 IfisoaUflD.
welche bei Yarhely (wallachiioh Gredistje) gefunden worden und nach Hermann-
Btadt gekommen ist Wie sie su deuten i«t und ob die kleineren Buchstaben
Ergänsungen des ersten Berichterstatters sind, vermag ich nicht zu sagen. Sie
ist mitgetheilt in Millin's Magasin enoyolopaedique, IXme annee (1803) t. III
p. 219 Note ly der seine -Notis aus der Wiener Zeitung vom 20. August 1803
n. 67 S. 8182 geschöpft hat.
Zum SchluBs möchte ich mir erlauben noch drei Inschriften des alten
Macedoniens kurz zu besprechen, von denen eine im C. I. L. nach der nicht
ganz genauen Abschrift Heuzey's mitgetheilt ist, die beiden anderen fehlen. Die
erste ist die im G. I. L. III n. 360 stehende Inschrift des Veteranen der legio VIII
Angusta, C. Julius Bassus, die Heuzey jetzt auch selbst in der Revue arch^lo-
gique, Nouv. Serie, vol. XXIV (1872) p. 376 f. und ganz neuerdings in der Mission
archeol. de Mao^doine p. 306 n. 123 pnblicirt hat. Zuerst ist sie jedoch ver-
öfifentlicht worden von J. G. v. Hahn, Reise durch die Gebiete des Drin
und War dar in den Denkschriften der Wiener Akademie, Phil. -bist. Gl.
Bd. XVI (1869) S. 165 n. 21. Wenn v. Hahn auch Manches unrichtig gelesen
hat, wie z. B. Z. 1 CEMAT fttr C • F • MAFC, Z. 2. ff'ICOMIS • VFTEFXIR
ansUtt PELAGO * MIS ' VFTE * EX * LEG, so gibt er doch einzelne Varianten,
welche der Beachtung werth sind. Er liest Z. 6 OLVMPVS sUtt OLVMPIVS,
was mir richtiger zu sein scheint, sowie nach Z. 6 noch eine ganze Zeile, welche
Heuzey übersehen hat: C • IVLIVS EXPFDITVS- FT. Femer gibt er die letzte
Zeile in folgender Fassung: PXTA 'MDl<7^'IX, über die jetzt Heuzey Mission
archeol. p. 306 die Bjsmerkung macht: j^la demibre ligne, en cwractbres plus
negligkeSy semtHe avoir iU ajoiUie aprhs coup.'* InOchrida, dem alten Lych-
nidus, in der Frontmauer der rechten Kuppel der Sophien-Moschee, fand v*
Hahn a. a. 0. S. 164 n. 13 folgende Inschrift:
DOMINONOSTR
E- Ae CONSTAN
NÖBC . . SAÄl
FA - HYCI
PR
worin sich ausser den Worten nobilissimo Caesari in Z. 8 nichts mit Sichei-
heit herstellen l&sst. — Die andere Inschrift ist zu Wodena gefunden und hat
wegen der in ihr erwähnten Persönlichkeit ein allgemeineres Interesse. Sie lautet
bei V. Hahn a. a. 0. S. 169 n. 49 nach einer Gopie des Herrn N. Demista, Professor
am Gymnasium von Monastir:
MUoeUen. 836
D M
EPICTETO
NVTRICIO
MVIVIACEPIA
6 CIDA PATRONA
' TADINEPOTISIE
PROPRPROVINC
MAGEDONIAE
Wie der Namen der Fraa gelautet hat, welche dem Epiotetus den Stein
hat setzen lassen, ist nicht recht klar, da jedenfalls die Gopie nicht ganz exact
ist. Ich vermathe, dass sie MYLYIA' C * F - PLACIDA geheissen hat Interes-
santer ist die zuletzt genannte Persönlichkeit des Eegaten vbn Macedonien,
Tadins Nepos; denn in Z. 6 ist in IE der Rest des Wortes LE(gatu8) ent-
halten. Er hiess mit seinem vollen Namen Sextus Tadius Sex(ti) f(iliu8) Yol(ti-
nia) Lusius Nepos Paullinus, wie dies ams dem Orabstein in der AbteJ von S.
Salvator Maggiore bei Reate erhellt, den für ihn imd sich seine Gattin Mulvia
G. f. Plaoida hat setzen lassen, wodurch auch unsere obige Yermuthung hin-
sichtlich des Namens ihre Bestätigung findet. Die Inschrift desselben ist zuerst
mitgetheilt bei Manutius de Orthographia p. 28, 4 und nach ihm von Smetius
foL LXXXV, 9 und Gruter p. 471, 6 (daher Orelli 8668), zuletet von Martelli,
Le antichiti de» Sicoli (Aquila 1836) Vol. n p. 188 n. LXXXVIX. Tadius Nepos
hat schwerlich Macedonien als Gouverneur verwaltet, es sei denn dass seine
Yerwaltungszeit in die Jahre 41—- 44 p. Ghr. falle. Denn wahrend der Zeit von
15^44 p. Ghr., wo es kaiserliche Provinz war, haben es mit Achaia zusammen
Poppaeus Sabinus von 16 — 86 und P. Memmius Hegaus von 86 — 41 verwaltet
Vgl. Marquardt, Rom. Staatsverwaltung. Leipzig 1878. Bd. I S. 162. Theod.
Mommsen zu G. I. L. III n. 667. Er war daher höchst wahrscheinlich lega-
tus proconsulis. Nach dieser Stellung hat er noch denselben Posten bei den
Proconsuln von Asien und Africa innegehabt, war inzwischen noch praefeotus
frumenti dandi und zuletzt Proconsul von Greta und Gyrene.
Joseph Klein.
2. Münster -Maifeld. Antikes Erzgefäss. Im vorigen Hefte
dieser Jahrbücher pag. 309 findet sich eine briefliche Mittheüung von mir an
Hrn. Prof. Freudenberg über den Fund eines gprossen Erzgefässes bei Münster-
maifeld abgedruckt, die ich nach dem ersten Ansehen desselben, bloss um
darauf aufmerksam zu machen, eingesandt hatte. Ich habe später das .Gefäss
näher in Augenschein genommen und an der Fundstelle die Erde, welche aus
demselben herausbefordert worden war, untersucht und will demnach meine
erste Mittheilung vervollständigen und theilweise berichtigen.
Das Gefass hat, wie schon mitgetheilt, eine kesselformige Gestalt und
16
St26 BGaoelle^.
mht auf einem massiven Fnssgestelle, das mit dem Gefasse selbst aas einem
Gusse besteht. An beiden Seiten desselben finden sich nach oben einfache
senkrechte Henkel, wie man sie auch jetzt noch an Gefassen, die zam Auf-
hängen bestimmt sind, sieht. Das Gefass konnte demnach som Stehen and
Aufhängen benutzt werden.
Die Aussenseite desselben ist mijb Buss überzogen,' doch ist der ganze
Fuss frei davon; auf dem Boden findet , sich '^ rund um die Stelle, wo der Fun
mit demselben zusammenhängt, ein unregelmässiger Riss, von dem Ausläufer
nach den Seiten hinaufgehen. Die Masse, besonders die des Bodens, ist stark
oxydirt, doch giebt sie überall beim Ritzen Metallglanz und ist nirgends bruchig.
Auch die Rissflächen sind oxydirt, es müssen also die Risse schon vorhanden
gewesen sein, als das Gefass in die Erde kam und sind nicht erst jetzt bei dem
gewaltsamen Ausheben desselben aus der Erde entstanden, sie sind dadurch
nur auseinandergesprengt and sichtbar geworden.
Diese Risse müssen wohl dadurch, dass das Gefass dem Feuer ausgesetzt
war, entstanden sein; da nämlich der massive Fuss sich nur langrgam erwärmen
und ausdehnen konnte, während die Seitenwände, gegen welche die Flamme
anschlug, schnell warm wurdcQ, so musste an der Stelle, wo der Fuss mit der
dünnem Wand zusammenhing, eine ungleichmässige Ausdehnung des Metalls
erfolgen, und Risse, wie sie sich an dem Gefasse vorfinden, w«ren die noth-
wendige Folge. Die ursprüngliche Bestimmcmg desselben kann es nicht gewesen
sein, um über dem Feuer benutzt zu werden, es muss daher angenommen
werden, dass dieses später zu irgend einem andern Zwecke geschehen ist.
Die Erde, welche sich in dem Geflisse befunden hatte, war mit kleinen
£[nochenstücken, von denen nur wenige mehr als einen Zoll Durchmesser hatten,
dnrchsäet. Es waren Röhrenknochen und Stücke der Hirnschale erkennbar, die
auf eine ganz jugendliche Leiche schliessen liessen.
Die Knochen waren nicht vermodert, auch die kleinsten Stückcheja waren
fest, hatten scharfe Ränder, die Farbe war weisslich; ein Stück vom Ober-
schenkel, das ich durchschlag, war im Innern kreideweiss, einige Stückchen
zeigten einen Anflug von grünlicher Farbe. Die Knochen sind ohne Zweifel
weiss gebrannt, sie hätten auch sonst nicht sich so unverändert erhalten können,
besonders da sie 'der Feuchtigkeit, die sich in dem Geisse ansammeln und
länger erhalten musste, sehr ausgesetzt waren.
Das Gefass stand senkrecht in der Erde auf der harten oberen Schichte
von Lavasand, der obere Rand desselben befemd sich stark einen halben Fusa
unter der Oberfläche des Ackergrundes. Der Fundort war sechs Schritte von
einem Wege, der nach dem Kaischer Hofe führt, entfernt.
Li der Erde, welche das Gefass umgab, fand sich keine Spur von Knochen,
es kann also nicht angenommen werden, dass dieselben später zu&llig in jenes
gekommen seien, auch fand sich keine Spur von Asche und Kohlen um das
Gefass herum. '
Dasselbe muss also, nachdem es an einer anderen Stelle dem Feuer aus-
gesetzt war, hierher gebracht und mit den Knochen in die Erde gekommen
Miseellen. 227
sein, und es spricht die senkrechte Stellang dafür, dftss es absichtlich, nioht
zaf&llig in die Erde versenkt wurde.
Die y erfindlichen gebrannten Knochen leiten auf den Gedanken, dass
man ein Aschengefass vor sich habe, wofür noch der Umstand spricht, dass
dasselbe in der Nähe einer römischen Niederlassung gefunden wurde.
Dieser Annahme scheint jedoch der Umstand su widersprechen, dass das
Gefäss, worin die Knochen sich befanden, von Russ geschwärzt ist, und es
lässt sich nicht gut denken, dass man ein solches, ohne es vorher zu reinigen,
als AschengefEss benutzt habe. Dann ist es aufiiBkllend, dasB die Knochen sioh"^
in so vielen kleinen scharfkantigen Stückchen vorfinden; durdi ein blosses
Glühen konnte eine solche Zersplitterung nicht zu Stande kommen, sondern ist
nur durch ein Zerstossen der gebrannten Knochen zu erklaren ^).
Es ist anzunehmen, dass das GefiUs die ursprüngliche Bestimmoog hatte,
eine Flüssigkeit, wahrscheinlich Wasser, darin aufsabewahren. Am meisten
Aehnlichkeit hat es mit den noch gebräuchlichen Waihwasserkesseln, die eben-
falls zom Aufhangen eingerichtet und mit einem Fusse versehen sind, doch
übersteigt es bei Weitem die Grösse derselben.
Bei der Annahme, dass das Gefass zur Beisetzung einer Leiche benutzt
worden sei, müsste es aus einer Zeit stammen, wo das Verbrennen der Leichen
noch üblich war; ob aber die Form und Beschaffenheit desselben einen rö«
mischen Ursprung zulässt, kann ich nicht beortheilen. Dr. Schmitt.
3. Antiker Steinblock zu Müden an der Mosel. Im vorigjShrigen
Heft der Jahrbücher pag. 815 ist eines in Coblenz befindlichen Steinblookes £r-
') Dr. Schmitt äussert in einer andern Zuschrift den Gedanken: >ob
man nicht eine Kinderleiche in das Gefäss gebracht und dieselbe durch Feuer,
welches man um dasselbe angelegt, verbrannt habe. Bei diesem Processe würden
Verbindungen von Schwefel und Phosphor mit der Metallmasse entstanden sein,
die sich noch nachweisen lassen müssten, wofür auch die Beschaffenheit der stark
veränderten Metallmasse im untern Theile zu sprechen scheine. Eine chemische
Untersuchung könnte hier Aufschluss geben. Findet sich Schwefelkupfer, so
kann man mit Sicherheit daraus schliessen, dass der Verbrennungsprocess im Ge-
fasse stattgefunden hat.«
Unser verehrtes Mitglied Prof. Aug. Kekul^ hat darauf hin eine chemische
Analyse vorzunehmen die Güte gehabt, wonach weder Schwefelkupfer noch Phos-
phorkupfer in den Rückständen sich vorfinden. Prof. Kekule fügt diesem Be-
sultat die Bemerkung hinzu: »Die Vermuthung ^es Dr. Schmitt findet also in
der ehem. Analyse keine Stütze. Sie scheint mir auch wenig wahrscheinlich,
denn die vollständige Verbrennung eines menschlichen Körpers im Innern eines
selbst relativ offenen Grefasses dürfte ungemein schwer^ wenn nicht unmöglich
sein. Thierische und menschliche Reste verbrennen nur bei reichlichem Luft-
zutritt einigermassen vollständig.«
288 Miscellen.
w&hniing geihaii, sa dem ich eine Parellele aas Müden hinzufügen kann. Der
Uüdener Siein besteht ans Mendiger Lava, ist 4' lang, 2' 8" breiig 1' 6" dick.
In der Mitte der Oberfläche ist ein ähnliches Loch von 1' 2Vi'' Darchmesser
und 7Vt" Tiefe, wie in dem Coblenzer Steine aasgehauen; in der Mitte des Bodens
desselben befindet sich eine napfiformige Vertiefung, von der eine schmale Rinne
nach einer Seitenwand fuhrt. Auf beiden Seitenflächen des Steines, gerade der
Mitte des Loches gegenüber, finden sich 6" breite, 7f' tiefe Einschnitte, die oben
etwas enger sind, indem die Seitenwände nicht ganz senkrecht sind, sondern
mit der Qmndfläche einen spitzen Winkel bilden. Am Coblenzer Stein findet
sich nur ein solcher Einschnitt auf der Seitenfläche.
Wie der Stein nach Müden gekommen ist, weiss man nicht, er befand
sich früher unbenutzt im Innern eines der ältesten Häuser des Ortes und wurde
bei einem Neubau anf die Strasse gebracht.
Während man in Goblenz an einen alt germanischen Opferstein dachte,
hatte man dem Müdener Steine eine viel friedlichere Bestimmung zuerkannt.
Die beiden Seiteneinschnitte sollen den Zweck gehabt haben, um darin hölzerne
Pfosten einzulassen, mit denen eine Vorrichtung zum Keltern von Trauben, die
in das Loch geschüttet* wurden, verbunden gewesen seL
Die napff&rmige Vertiefung mit Rinne auf dem Boden des Loches deuten
darauf hin, dass die Aushöhlung zur Aufnahme einer Flüssigkeit bestimmt war ;
doch lässt es sich nicht gut annehmen, dass man einen so schweren Steinblock,
um als Kelter zu dienen, herbeigeschafft' habe, womit man seinen Zweck doch
nur sehr mangelhaft hätte erreichen können.
Der Stein findet sich in Müden ganz isolirt, auch finden sich in der Nähe
keine Bauwerke, wie in Goblenz, worauf man ihn beziehen könnte.
Dr. Schmitt.
4. Köln. Numismatisches. Das bekannte Werk von T. E. Mionnet:
De la raret6 et du prix des mödailles romaines^ wovon die erste Ausgabe
1816, die dritte und letzte 1847 erschien, diente den Sammlern der antiken
römischen Münzen lange Zeit als Führer, bis in den Jahren 1857 — 1868,
auf Veranlassung und im Verlage der HH. Rollin und Feuardent in Paris,
ein nach grossartigstem Plane angelegtes neues unternehmen in's Dasein trat
und den alten, ungenügenden Führer verdrängte. Der chronologischen Ord-
nung gemäss, wurde 1857 mit den sogenannten Gonsular- oder Familien-
Münzen, der 2ieit der römischen Republik angehörend, begonnen und zwar
durch das von H. Cohen bearbeitete, prachtvoll ausgestattete Werk: Des-
cription gdn^rale des monnaies de la Republique romaine. In Betreff des
weströmischen Kaiserreiches folgte von 1859-^1862 in seehs Bänden von dem-
selben Verfasser die: Description historique des monnaies frappees sous TEmpire
romain, und im Anschlüsse daran für das oströmische Reich 1862 das zwei-
bändige Werk von J. Sabatier: Description generale des monnaies byzantines —
das eine wie das andere^ ebenfalls in schönster, den nicht unbedeutendea An*
MlflcellML 829
schaffongspreiB vollkommen rechtfertigender Aasstattung, wobei hervorzuheben
ists dass die zahlreich beigegebenen Abbildungen den Charakter der Münzen
meisterhaft wiedergeben. Beide stellten sich die Aufgabe, alle ihrem Gebiete
angehörige Münzen, selbst minder bedeutende und geringfügig scheinende
Varietäten nicht ausgenommen) genau zu beschreiben und ihren oommeroieUen
Werth zu bestimmen. Dass ein Unternehmen von so unermesslichem Umfange
in seiner ersten Ausführung nicht, ohne zahlreiche Lücken bleiben werde,
besonders bei den Münzen des abendländischen Reiches, war vorauszusehen und
kann den Yerfsssem keinen begründeten Vorwurf zuziehen. Jeden&Us war ein
ungeheurer Fortschritt erlangt, und Cohen hatte sich denn auch sogleich in
hohem Grade des Wohlwollens und der Unterstützung vieler kundigen und
praktisch erüfthrenen Sammler zu erfreuen, so dass er, nachdem mit dem sechsten
Bande die ihm überwiesene Eaiserfolge abgeschlossen war, schon nach wenigen
Jahren (1868) einen siebenten oder Supplementband anreihen konnte, der sich
ganz mit Zusätzen und Berichtigungen füllt. Verfasser und Verleger haben
wiederholt an die Besitzer römischer Münzsammlungen die Bitte um deren
Beihülfe gerichtet, damit das grosse Unternehmen der Vollständigkeit immer
näher geführt werde, und so muss es denn im Interesse der numismatischen
Wissenschaft sehr wünschenswerth erscheinen, wenn soldie Münzen (natürlich
von zuverlässiger Echtheit), die in den Cohen-Sabatier'schen Werken noch fehlen,
zur Anzeige gebracht ^ werden und auf diese Weise sich allmählich der Stoff zu
einem zweiten Supplementbande ansammelt. Uebrigens wird man sich zu hüten
haben, in allen Fällen eine bisher in die vorgenannten Werke nicht ange-
nommene Münze aus diesem alleinigen Grunde sofort für eine Seltenheit zu
halten, was namentlich von Händlern in missbräuchlicher Weise mitunter ver-
sucht wird — sehr oft ist es eben nur der Zufall gewesen, wodurch ganz
gewöhnliche Münzen der Kenntnissnahme der beiden Verfasser vorenthalten
blieben, und Cohen konnte desshalb sehr vielen der ihm nachträglich bekanift
gewordenen Münzen auch nur die niedrigste Preisstufe zuerkennen.
Ich folge dem bereits mehrfach in den Jahrbüchern gegebenen Beispiele,
indem ich die nachfolgenden, bei den beiden Schriftstellern fehlenden Kaiser-
münzen aus meiner Sammlung beschreibe:
1) Claudius I.
Klein-Erz.
TI CLAVDIVS CAESAR AVG. Eine Hand, welche eine Wage hält; im
Felde zwischen den Schalen der Wage: PNR.
(Rev.) PON M TR P IMP COS a Im Felde: SC.
Cohen (Nr. 83) hat diesen Revers mitPP zwischen Imperator und Consul.
2) Sev. Alexarnder.
Klein-Erz.
IMP C M AVR SEV ALEXAND AVG. Jugendliche Büste des Kaisers
nach rechts, belorbeert und mit dem Paludamentum.
(Rev.) PROVU) DEORVM. Die Providentia nach links stehend, mit Füll-
horn und Stab, zu ihren Füssen eine Kugel.
2S0 MiiMdUto.
Eine ähnliche Münze bei Cohen (Nr. 189) in Silber, die Pragnng syrischen
Urspmngs, mit der Verschiedenheit, dass die ProTidentia mit der linken Hand,
statt des Füllhorns, einen Zepter gefasst hat („tenant nne bagnette et an soeptre"^.
Er verzeichnet (Nr. 464-^492) eine Anzahl Klein-Erze von Alexander, die. er
gproestentheils für defoarrirt, d. h. für des silbernen üeberzugs beraubte Falsch-
münzen aus der Römerzeit hält. Nur vier will er als arsprüngliche Elein-Erze
galten lassen, namentlich eins mit dem Revers Fides Ezercitns» weil die be-
deutendere Dicke nicht zu den Silbermünzen stimme, unser Revers fehlt nnter
den verzeichneten 29 Nummern.
8) Postnmus.
Billon.
IMP G M GASS LAX POSTVMVS P F AYG. Bütte des Kaisers nach
rechts mit der Strahlenkrone und dem Paladamentum.
(Rev.) VICTORIA AYG. Nach links schreitende Victoria, Kranz und
Palme haltend; zu ihren Füssen liegt ein G^efongener.
Dieser Revers gehört zu den gewöhnlichsten des Postnmus, wenn die
Kopiseite'die Legende IMP C POSTVMVS P F AYG hat (Coh. Nr. 184). Die
Vornamen daius(?) Marcus Cassianus Latinius, die unser unedirtes Exemplar abbre-
virt anzeigt, finden sich auf den Billon-Münzen dieses Kaisers sehr selten,
so dass Cohen deren nur zwei (Nr. 147 und 166) kennt.
4) Victorinus.
Silber.
IMP C VICTORINVS P F AVG. Büste nach rechts mit Strahlenkrone
und Paludamentum.
(Rev.) FIDES MHJTVM. Stehende weibliche Figur (die Treue) nach
links blickend, zwei Feldzeichen haltend.
^ Die Münze ist von feinem Silber und somit von grosser Seltenheit. Bei
Cohen sind zwei andere beschrieben und zu 200 Fr. gewerthet, darunter der
Revers VICTORIA AVG im Besitze des Herrn Aldenldrohen in Köln. Mein
Exemplar wurde bei Grundarbeiten in der Nähe von St. Gereon gefunden.
5) Tacitus. *
Gold.
IMP C CL TACrrVS AVG. Büste nach rechts mit Strahlenkrone» Palu-
damentum und Panzer.
(Rev.) FELICITAS TEMP. Die FeliciUs nach links Strand, Cadoceus
und Scepter haltend.
Cohen (VII. Nr. 4, p. 822) fuhrt diese Münze als in meinem Besitze an,
bezeichnet sie jedoch irrig als Klein-Erz, während ich sie als unedirte Gold-
münze angezeigt hatte.
6) Gal. Val. Maximianus II.
Mittel-Erz.
MAXIMIANVS NOB C. Belorbeerte Büste nach links mit dem Panzer,
Schild und Lanze haltend.
Mifloellen. 231
(Rev.) M SACRA AYGG ET GAESS NN. Die MoneU aiehend nach links
mit Wage und Füllhorn. Redits im Felde ein Stern; im Absclmitt ATB.
7) Sev erns IL
Mittel-Erz.
FL VAL SEYERVS NOB G. Belorbeerte Büste nach . rechts mit dem
Panzer.
(Rev.) GENIO POPVLI ROMANI. Genius nach links stehend^ Füllhorn
und Patera haltend. Im i'elde: SF, im Abschnitt: PTR.
Bei Gohen Nr. 36 befindet sich links von dem Genius ein Altar.
d) Gonstantinus magnus.
Mittel-Erz.
CONSTANTINVS NOB GAES. Belorbeerte Büste nach rechts.
(Rev.) HBRGYLI GONSERVAT OABS. Hercules, nach links gewandt,
erdrückt einen aufspringenden Löwen; die Keule bemerkt man hinter ihm am
Boden. Im Abschnitt: ST.
Gohen (Nr. 825) kennt diese schöne und seltene Münze nur in Klein-Erz,
das Exemplar im Wiener Museum, gewerthet zu 40 Fr.
9) Heraclius und Heraclius Gonstantinus. (613—641.)
Gold.
DN ERAGLIO ET ER G0NT(8ic) P. Die Büsten der beiden Kaiser ganz
von yome, mit Diadem ; zwischen den Köpfen ein Kreuz.
(Rev.) VIGTORIA AVGG A- Kreuz, auf drei Stufen gesteUt. Im Ab-
schnitt: GONOB.
Dickmünze (globule) in Quinar-Grösse, an Gewicht dem gewöhnlichen
Gold-Solidus gleich. Das Exemplar stellt sich als eine Varietät zwischen die
Nrn.. 60— 52 bei Sabatier. Die Ausprägung ist deutlich. J. J. Merlo.
Nachschrift. Meinem Beitrage zu Heft LII sind im Doppelhefte
Uli — Liy Gegenbemerkungen des Hrn. Dr. J. Kamp gefolgt, die^ ohne jegliche
Provocation, in einem so eigenthümlichen und gereizten Tone vorgetragen sind,
dass ich meinerseits von einer WeitetfUhrung der Gontroverse absehe. Einen
Punkt will ich indess berühren, um das, was dabei seine Richtigkeit hat, bereit-
willig anzuerkennen. Hr. K. hat nämlioh ein in meinem Besitze befindliches
römisches Näpfchen von 2 Zoll Durchmesser, mit dem Töpfemamen LAGO,
zwar als eine Schale mit dem Stempel YAGO und ohne Beachtung der bei
dieser irrigen Lesung erforderlich gewesenen Ligatur der beiden Anfangsbuch-
staben — nicht aber als eine Scherbe angezeigt. Zum Ausgleich darf ich
dagegen nachträglich hier anführen, dass einer schönen und vortrefiTlich er-
haltenen Terrasigillata-Schale mit dem Stempel DONTIOÜIG (das Original lässt
nach dem G noch die Spuren eines I als des Schlussbnchstaben erkennen, so
dass Dontionici, mit fehlendem Yerbindungsstrich beim letzten N, zu lesen ist),
die Hr. K. bei mtf gesehen, unter Nr. 40 seines Verzeichnisses die Eigenschaft
289 MimmUmi.
„Soherbe" sugetheilt ist — eine Metamorphose, der, wie bereits fr&her bemerkt,
anoh ein wohlerhaltener Napf, der den Stempel SVLPIC tr>, sich unter-
werfen musm (E, 112).
Hinsiohtlioh der Frage zwischen Meddicus and Meddirins, welche yon
anderer Seite (Heft XLIX S. 167) angeregt worden, sei noch bemerkt, dass
die Unrichtigkeit der letzteren Lesong bei mir feststeht und feststehen darf.
Vierzig Jahre hindurch und bis zu seinem Lebensende mit Meinertzhagen in
regem freundschaftlichen Verkehr stehend, kannte ich die Glegenstftnde von dessen
schfttzenswerther, jedoch bei seinen beschrinkten Mitteln keineswQgs umfang-
reicher, sondern für den Fachkenner stets sehr leicht zu übersehender Sammlung
römischer Anticaglien aufs genaueste und wein daher, dass derselbe niemals
einen Stempel mit dem Namen Meddirius besessen hat, an dem sich, laut der
ersten Bekanntmachung im 11. Hefte d. Jahrb. sogar das so seltene gestrichene
D, welches der Stempel Meddicus in WirUicbkeit aufweist, ebenfidls befunden
haben soU. Eben wegen dieses eigenthümlich gestalteten D pflegte mein Vor-
besitzer auf seinen Meddicus aufmerksam zu madien, ohne jemals eines Ähnlich
ausgestatteten Meddirius erwähnt zu haben. J. J. Merlo.
6. Ma yen. In diesem Frülgahre wurde wieder ein Keller zum neuen Hause
vor dem Brückenthore ausgeworfen, bei welcher Gelegenheit bald wieder ronüsohe
Fundamente zu Tage traten, deren Steine dieselbe Form haben wie schon früher
hier gefundene und deneui womit das Amphitheater in Trier gebaut ist, förmlich
gleich sind. Bald- zeigte sich auch ein EBtrichboden, der in der Weise herge-
stellt war, das dem Kalk Stückchen Ton gebrannten rothen Backsteinen bei-
gemischt waren, der fest gewordene Estrich wurde dann abgeschliffen und erhielt
ein mosaikartiges Aussehen.
Femer wurde eia runder, 1 Fuss im Durohmesser haltender, verzierter Stein
gefunden, der nur zur Zierde irgendwo angebracht zu sein scheint. Das Inte-
ressanteste ist ein Stein, der oben nur wenig abgeschlissen, von allen andern
Seiten verstümmdt ist und in zwei Zeilen folgende Beste einer Inschrift enthält:
Die Zahlen selbst mögen 4 ZoU hoch sein. Ich vermuthe, dass derselbe
ein Stück von einem Meilensteine ist, weil er in der unmittelbaren Nähe der
alten Bömerstrasse gefunden ist. Können Sie die Zeichen vielleLcht entzifbm?
[Der Vermuthnng, dass das Inschriftfragment einem römischen Meilensteine
angehört habe, möchte ich schon desshalb nicht beipflichten, weil der fragliche
Stein nicht die gewöhnliche Säulenform hat, sondern- die Zeichen auf einer
Ebene stehen. Wenn man der Go^jectur Baum geben wUl, so dürfte man wohl
an eine Weihe-Inschrift eines Kaisers, etwa des Tnganus denken und das Bruch-
stück für einen Rest der Titulatur halten : [trib. pot,] XH G(odfe) . . IM(perator)
265
und zwar um so eher, als die BaehBtaben sich durch Grösse auszeiohnen. Doch
wie dem auch sein mag, jedenfaUs spricht das Vorkommen eines solchen Stein-
denkmals dafür, dass zur Zeit der Römer Mayen, dessen Umgebung den von
ihnen nachweislich gekannten nn4y wegen seiner Dauerhaftigkeit besonders zu
Handmühlen benutzten Lavastein lieferte, eine Niederlassung yon nicht zu unter-
schätzender Bedeutung gewesen seL J. Fr.]
RwiiliftK wurden noch zwei Münzen, die eine von Domitianus, die andere
Yon M. Agrippa gefunden.
Eiine yielleiöht nioht so bald wiederkehrende Gelegenheit» Funde aus ro-
mischer Zeit zu machen^ dürfte sieh beim Bau der neuen Eisenbahn von Neuwied
aus bieten. Könnten Sie nicht Schritte thun, dass von der Regierung aus Leute
bestellt würden, die darauf achteten?
2. In den allerletzten Tagen sind noch interessante Funde gemacht worden,
von denen ich Dmen Mittheilung zu machen mir nicht versagen kann.
An derselben Stelle, wo die jüngst erw&hnten G^enstftnde lagen, ist auch
ein Brunnen angelegt worden, bei dessen Ausgrabung ein Stein herauskam, welcher
der obere Theil einer römischen Handmühle gewesen zu sein scheint, wie
solche auch inPomp^i gefunden sind. Derselbe ist ein Mühlstein von Lava, von
3 Fuss Durchmesser, aber nicht mit ebenen Seiten, sondern konisch, kegelförmig
auf der einen Seite erhaben, auf der andern hohl mit einer Oeffnung in der
Mitte. Auch diesen Stein habe ich wie die früher erw&hnten Gegenstände in
Verwahr genommen.
Ein hiesiger Bürger machte die Bemerkung, dass ein Feld in seiner Nähe
an einer Stelle immer grüner und üppiger war, was ihn veranlasste, das Feld zu
kaufen, um nach Wasser für seine Brauerei graben zu lassen. Die Vermuthnng
bestätigte sich, er fand Wasser, zugleich aber auch und zwar 12 Fuss unter der
Oberfläche ein gemauertes Bassin^ Früher in meinem Programm besprochene
Wasserleitungen wiesen auf diese SteUe. In der Einfassung selbst ist kein (Gegen-
stand, der auf römische Arbeit hindeutete, gefunden worden; es kann aber doch
nicht gut etwas anderes sein, es sei denn, dass dieselbe vorrömischen Ursprungs
wäre. Rektor Kruse.
6. Mayen, 6. März. Fund einer röm. Münze in einem alten
Schacht. Vorgestern fand man in der Grube des Steinhauermeisters Joh. Ax
eine römische Kupfermünze mit dem Rilde des Kaisers CSonstantinus M., neben
einem vollständig oxydirten eisernen Keile, in der technischen Sprache »Weck«
geheissen, welcher zum Steinspalten diente. Dieser Fund ist in so fem von
Interesse, als durch ihn die Thatsache constatirt wird, dass die Ausbeutung des
hiesigen Hausteins bereits vor 1500 Jahren in Betrieb gewesen ist; denn der
Umstand, dass beide Gegenstände in dem Auslaufe eines horizontalen, gaiigartigen
Schachtes, wie man solche wesentlich abweichend von der heutigen Methode
ausschliesslich in älterer Zeit im primitiven Zustand der hiesigen Steinhanerei
284 Ifisoolloii.
angel^ za haben Boheint, gefonden worden, Iftsst nur die Annahme za, dass
dieselben Ton einem an dem Fundort besoh&ftigt gewesenen Arbeiter herrühren.
Die Münze befindet sich noch im Besitze des Herrn Az. (Rhein. BI.)
7. Trier 7. Febr. Beim Planiren des Bauplatzes zur neuen Kirche in
Euren stiess man gestern wiederum auf den vor vielen Jahren schon entdeckten
römischen Mosaikboden. Derselbe ist in seiner Ausdehnung 14V« Fnna im Q gross,
mit schönen yierfarbigen Mustern. Lmder wurde früher beim Setzen eines Baumes
ein Theil desselben zerstört; ebenso ist zu bedauern, dass die Fundamente |der
neuen Kirche durch denselben gelegt werden müssen, wonach eine Erfaiätuiig
desselben kaum zu ermöglichen bleibt *).
8. Waldorf (Kr. Ahrweiler), 20. Mai. Fund zweier römischen sil-
berner Löffel. Der hiesige Ortsvorsteher fand beim Umackern eines Feldes
»auf dem tScheidt« genannt, wo ehemals eine römische Villa stand, zwei wohl
erhaltene silberne Löffel. Sie haben fast dieselbe Form wie die in Pompeji
gefundenen. [Ueber frühere Ausgrabungen bei Waldorf im J. 1848 und 1860
vergleiche man den Bericht des Herrn Pfarrer Fries in unsern Jahrb. H. XVI.
S. 812.] Freudenberg.
9. Holzhausen auf der Haide, 4. Aug. Aufdeckung eines
Römerc asteil 8. Es war bekannt dass zwischen hier und Laufenseiden zu-
nächst am Pfahlgraben ein römisches Castell lag. Üeber dasselbe war schon von
dem Preuss. Generalstabs-Msgor Schmidt aus den Jahren 1884 — 45 *) und von dem
verdienstvollen (}eometer Wagner in Kemel berichtet worden; auch hatte der
letztere in Gemeinschaft mit dem Bürgermeister voii Stottert Nachgrabungen an-
gestellt und, wie es hiess, in der nordöstlichen Ecke einen runden Thurm mit
Wendeltreppe ausgegraben« In jüngster Zeit wurde dieses Castell durch den
Herrn Oberst von Gohausen in so weit aufgedeckt, als es nöthig war, die Mauer-
einfassung und die 4 Thore zu zeichnen und messen zu können. Es bildet namlioh
ein längliches Rechteck mit abgerundeten Ecken von 181 zu 142 Schritt. Yor
der Mauer findet sich der Graben und hinter ihr ist der Wall angeschüttet, der*
^) üeber die römische Yilla zu Euren und ihre Mosaikböden brachte
inzwischen der Jahresbericht für 1872 und 1878 det Trierer Ges. für nützliche
Forschungen eine Mittheüung. D. Red.
*) [Vergl. Annalen des Ter. für Nassauische Alterth. und Geschichte. Bd.
YI, 1859 S. 57 f.: F. W. Schmidt's Lokaluntersuchungen über den
Pfahl graben vom Rhein unterhalb Neuwied bis Oehringen, so wie über
die alten Befestigungen zwischen Lahn und Sieg. Herausgeg. von E. Schmidt,
Msjor.] D. Red.
Mirieelleii. 285
nan seit Jahrhondarten die Mauer ttberdedct und gesehflizt h%% leider aber doch
nicht yeilundern konntCi daas man nicht ihren obem, wahrscheinlich mit Zinnen
besetzten Theil zu benachbarten Wegebauten abbrach und fortschaffte. In der
karzen Ostseite fand sich ein Doppelthor: zwei' dorch einen lüttelpfeiler ge-
trennte Einfahrten, w&hrend die andern Thore, eines in der Mitte der gleichfaUs
karzen Westseite und je eines im östlichen Drittel der langen Süd- und Nord-
seite nur einfach waren. Damit die schönen jungen Eiohenpflanzungen nicht
beschädigt und damit auch sp&ter im Winter Nässe und Frost dem MauerweriE
nicht yerderblich wurden, wurden die Ausgrabungen alsbald wieder zugeschüttet,
nidht ohne den Wunsch zu erwecken, sie einst wieder au%edeckt und in ge-
eigneter Weise geschützt den Augen des Publikums bleibend offen gelegt zu sehen.
(Bhein.-Gour. y. 4. Aug. und Eöln.-Zeit. 8. Aug. 74. 2. BL)
10. Bonn. Ziegelstempel der Coh« lUbiorum. Nach einer Notiz der
Leipz. illustririen Zeitung, yom 9. Mai 1874, »wurde im April bei der
Planirung des Viehmarktes von Üdvarhely (Siebenbürgen) die Römerstrasse, welche
dem Flusse Kockel aufwärts führt, bloss gelegt, wobei die beträchtlichen Sub-
structionen eines Militärbades aufgedeckt wurden. Ziegelstempel schrieben das-
selbe der C(ohors) I YB(iorum) zu. Die aufgefundenen Münzen beginnen mit
Trajan und endigen im J. 247 mit einer Bronze Philipps. Yon anderweitigen
Fundstücken ist aus der vorrömiBchen Epoche ein Ohrring aus gewundenem
Golddraht und Bernsteinperl^n, aus der römischen Zeit zahlreiches stark ozydirtes
Eisenmaterial, aus der Yölkerwanderungsperiode ein präditiger silberner Ohrring
mit polygonem Knopf zu nennenc.
Die auf diesen Stempeln genannte eohors I Ubiorum kommt auf einem
Diplom des Antoninus Pius aus Nieder-Pannonien, wahrscheinlich vom J. 167 vor
(bei Orelli-Henzen Nr. 6858 a =» Diplom. Nr. XL im Corp. Inscr. lat. III p. 882)
mit der Form YLBIORYM, die Henzen in YBIOBYM yerbessert hat mit Rück-
sicht auf eine Yotivinschrift aus Mehadia inDacien: Herculi in | victo L. Pomp>
peius Celer | Praef. Coh. I Ubior. | Y. S. Nach Neigebaur, Dacien 678 hatte die
Coh. I Ubiorum in Dacien längere Zeit ihr Standquartier. Yon ihr kennen wir
noch einen praefectus coh. Ubiorum Moes. infer. C. Junius Tertius, bei Mommsen
I. R. Neap. 4097, und einen zweiten praef. coh. Ubiorum ped(itatae) et equit(atae),
ebenda. Nr. 4686. J. Fr.
11. Bonn. Grabinschrift eines Ga,nabensis aus Köln. Wir
schliessen hieran eine in dem reich und prachtvoll ausgestatteten Inschriftswerk:
Acta Musei Hnngariae. Monuments epigraphiques du Musee nat. Hon*
grois dessin^s et expliqaös par Ernest Dejardins publies par ordre
de M. le ministre de cultes et de llnstruction publique roy. de Hongrie et par
les soins de Dom Floris Rom er. Bnda-Pest, imprim. de Punivers. roy. Hongr.
1878. Fol. veröffentlichte Grabinschrift aus Aquincum, 0-Buda, Alt- Ofen),
386 Misotllen.
welche in mfehrCiober Benehang unaer Intarease erregt. Sie lautet nach dea
Mon. 6pigr. Nr. 180 (vergl. die Abbild. Taf. XXXI):
M(arco) FVRIO POWlia sc. tribu
RVFO CANA[B](eiiBi)
ET MEMMIAE
SERVANO[a]E CO(ii)
6 IVCI EIVS S(extuB) TATI[u8]
CONSTA[n]S FRAT[er]
ET HER(e8) EIVS F(aaiendam) C(aravit)
CIVES AGRIP[p]IN(enBeB)
TRASALPINl
Der durch dieses Grabdenkmal G^hrte wird als Canabensis bezeiduiet,
ein Name, über dessen Bedeutung zuerst Professor Th. Mommsen in den Monats-
berichten der Berl. Acad. 1867 S. 522 ff. und jüngst im YII Bd. des Hermes v.
1872 p. 298 ff. das erwünschte Licht verbreitet hat. Unter canabae sind >za
Waarenlagem und Yerkaufslokalen, besonders für Wein und Oel» bestimmte Ba-
rakenc zu verstehen, welche von den die Legionen begleitenden lixae (Marketender)
und negotiatores (Händler) in der N&he der castra stativa (festen Standlager)
errichtet wurden und nach und nach zu Lagerstftdten anwuchsen. Die hier an-
gesiedelten Oewerbsleute hiessen c^nabenses und genossen Gorporationsrechte
nach Art der vicL Seit Trsjan und Hadrian entstanden daraus vollständige
Colonien, zu welchen namentlich Aquinoum (Alt-Ofen) und Troesmis
(Iglitza) in Niedermösien gehören. — Merkwürdig ist in unserer Inschrift der
Zusatz in den 2 letzten Zeilen Gives Agrip(p)inenses, woraus hervorgeht
dass der Verstorbene M. Furius Rufus, seine Gattin Memmia Servanda, wie auch
sein Halbbruder S. Tatius Constans Bürger der Colonia Agrippinensium
waren, welche hier mit dem wohl sonst nirgends vorkommenden Beinamen (im
Sinne der Bömer) Transalpini bezeichnet werden. Freudenberg.
18. Bonn. Drei neue römisohe Inschriften aus Pont und Bil-
lig. 1. Der Güte des Herrn Nettesheim, Kaufmann aus Geldern, verdanke ich
einen Papierabdruck von einer beim Dorfe Pont, unweit Geldern, auf der sogen.
Dardtmanschen Höhe, in unmittelbarer Nahe der Bömerstrasse, welche von
Yetera (Xanten) nach* der Maas hinfuhrt, bei Anlage der Eisenbahn gefundenen
Grabinschrift. Der Stein ist oben rechts hin und am untersten Theüe ein wenig
abgebrochen. Die Buchstaben sind 0,5 C, das D über dem Gesimse 0,6 0. hoch.
Der Wortlaut der jetzt im Museum Wallraf-Richartz in Köln befindlichen In-
schrift, wozu mir auch eine genaue Abschrift vom Prof. DÜntzer vorlag, ist:
lOioeUen. 287
0
PRIMINI
TVLLIO • yg^
I EC XXXVV
VLPCASVA
COllVCIPI
.tlSSIMOl
lli
d. h. D(iB fiCanibufl)
Priiniiii(o) Tollio ▼e[t](eraiio)
[l]6gioni8 XXX U)lpifte) VCictrieis)
Ulp(iA) Casaa
oo(n)iiigi pi[en]ti88imo
[et sibi ▼]iTa(e £Msi«adam cuntvit).
Der Name Priminius kömmt auf einer noch nicht pablioirten zweiten In-
schrift, im Besitze unseres kürzlich yerstorbenen Hitglieds Herrn Gnillon in
Boermond vor, angeblich aus Neuss. Sie lautet DEO MEBGVBIO | L * PRIMINIYS;
femer im C. I. L. m, 6099 aus Noricnm ein G. Priminius Tertius. Dagegen ist
das oognomen Tullius äusserst selten; nur I. Neap. 647 findet sieb ^ L- Vol-
cacius Tullius zu Brundusium.
Unser Tullius war Veteran o^ XXX. Legion, welche von Trajan an der
Stelle der XY . Primig. errichtet mehrere Jahrhunderte am Niederrhein stationirte
und ausser der unsrigen noch 6 Denkmäler von Veteranen zurückgelassen hat:
1. eine Yotivara ans Qualburg, Er. Düsseldorf (Bramb. 166 a), den Ifatribus
Quadrubüs geweiht von dem Veteran Flayius Seyerus, 2. Bramb. 190 eine Grab-
schrift des JuL Hilarius, aus Caloai' (yergL Bonn. Jahrb. XXIX-XXX p. 228);
8. eine Votiyara der Fortuna aus Xanten, von C. Sextilius Lepidus (im yaterl.
Hus. zu Bonn); 4. eine Qrabschrift (aus Asdburgium, Asberg) dem Veteran M.
Gaesius Mutilus, von dessen Erben M. T. Caesi BL F. Kaesonee gesetzt; 6. Grab-
stein des Veteranen P. Qratinus, frühst im Herzogl. Schloss in Düsseldorf einge-
mauert, jetzt in Bfannheim; endlich 6. der wogen seiner bUdliehen Darstellungen
berühmte Gfabstein des G. Severinius Vitealis. vet honestae missionis, yon dessen
Tochter Severinia Severina yor dem Jahr 228 geweiht. Vergl. Welöker Bonn;
Jahrb. Vü» p. 94 S. Bramb. 878 ; Düntzer Verz. der röm. Alterth. des Museum
Wallraf-Richartz. — Unsere Inschrift ist unterdessen in der Köln. Zeit, yom
24. Jan. publicirt worden.
Z. 4. Von dem celüsch auslautenden Beinamen der ülpia Gasua ist uns
kein andres Beispiel bekannt. Die grossentheils zerstörte letzte Zeile unserer
Inschrift wird wohl sicher ergänzt durch ET SIBI VIVAE; die treue Gattin Hess
nach dem Tode ihres Bfannes ein Grabmal errichten, welches auch ihre Asche
aufzunehmen bestimmt war.
I
238 Misoettan.
2. Darch die Güte des Dr. Pohl in Line worden mir die von ihm selbet ge-
fertigten Abschriften zweier in der Feldflur »auf dem Hondert« (im Volksmonde :
»auf dem Ebnderc) nördlich von dem Dorfe Rheder (unweit des alten Belgica)
vor einer Reihe von Jahren auf dem Grondttücke des Johann Strasser daselbst
gefundenen und noch in dessen Besitz befindlichen Insohriffcenfragmente mitge-
theilt, auf deren grosserem noch Folgendes erhalten ist:
M
TICI
VXFI
Aus dem M(anibus) in der 1. Zeile ersehen wir, dass der Stein eine Grab-
schrift trug und am Anfang D(i8) ausgefallen ist. Z. 2. TICI kann der Ausgang
von Atticus, Atticianus, Raeticns, Rustious sein. Schwierig ist die Ergänzung
von Z. 3 VXFI; das nftchstliegrende wäre an [con]iux mit darauf folgendem
FIliusque zu denken, wenn die Nominativform ooninx wie das angehängte que
dicht von der gewöhnlichen Form, welche den Dativ coniugi für Mann und
Gattin verlangt, abwiche. Yieileioht könnte auch in YX ein gallischer Name stecken.
3. Das zweite mit einer Umrandung versehene* Fragment lautet:
Es dürfte dasselbe wohl für einen titulos honororius zu halten und etwa
in (Anton)ino zu vervollständigen sein.
4. Zum Schlüsse wollen wir noch eine im Herbst 1873 in Aachen ge-
fundene interessante Inschrift mittheilen, von welcher uns erst Kunde zukam,
als dieselbe bereits in der Archaol .-Zeit. N. F. 6. Bd. 4. H. S. 139 veröffentlicht
war. Nach dem Bericht des Herrn Dr. Scheins war der Stein in eine Keller-
wandy die dem Rathhause nahe liegt und nachkarolingisch ist, roh eingemauert
und ist links und nach unten abgebrochen. Am rechten Ende ist ein Genius
in Halbrelief eingehauen. Die Inschrift lautet nach der sehr ansprechenden und
in der Hauptsache sichern Lesung und Ergänzung, welche Prof. Hübner
vorgeschlagen :
c. liClNIVS
fnsCVS • NECO
tiator FRVMEN
tarios h. s. e.
Wir erhalten also hier ein inschriftliches Zeugniss für den (^etreidehandel
in Aachen zur Romerzeit, was um so erwünschter ist, als das Vorkommen von
negotiatores und meroatores ftnmentarii, wie Herr Hübner bemerkt, in den
Provinzen bisher nur sehr selten aus Inschriften nachgewiesen werden konnte.
J. Freudenberg.
. . Mi^cellen. 299
13. Bonn. Kleiner Altar von Jurakalk, gefanden Yor dem Köln-
thore beim Bau der -ProvinziaMrrenanstalt mit der nach rechts beschädigten
Aufschrift :
ivL- av
MA • DO
V S L
Der Weihende hiess. wohl Julius Quintus, denn das V war, soviel die zer-
störte Oberfläche erkennen lasst, mit einem N gebunden; dadurch wird die
Ergänzung Quietus, die sonst nahe lag, abgewiesen. Quintus erscheint als
Cogpuomen öfter auf Inschriften aus später Zeit, z. B. bei Orelli 458 C. Oppio
Quinto, C. I. L. in, 1613M. Gominius Quintus; vergl.ebendas. 1497, desgl.
3889 lind 4898. Gewidmet ist der Altar den Matres Domesticae, die auf
englischen Inschriften (C. I. L. YII, 915 und 939), am Rheine wohl nur in Bonn
vorkommen, s. C. I. R. 470 ein kleiner Altar im J. 1848 beim Theaterbau nahe
am Kölnthor gefunden): Matiribus domesticis, und 469 gleichen Fund-
ortes mit einer noch nicht befriedigend ergänzten Aufschrift, nur der Anfang
(Matribus d o)m e s t i c i s wird richtig snpplirt sein. Die Bezeichnung M at r e s
domesticae darf nicht auf einen localen Colt bezogen werden, damit ist
nur ausgedrucjct, dass einer in der Fremde sich seiner heimischen Götter dank-
bar erinnert; es ist dies nur ein Beweis, dass der Weihende fem von seinem
Yaterlande lebt. Ganz dasselbe ist auf einer englischen Inschrift (G. L L. YII,
950), nur mit einem andern Worte matribas suis ausgedrückt*). Ebenso
ist wohl auch Fortunae bonae domesticae (Orelli 1745= G. I.L. m, 1009,
vergl. ebendas. 1989. 4895), Mercurium domesticnm (G. I. R. 1314), I.
0. M. domestico (G. I. R. 115) aufzufassen; daher dürfte auch Mommsens
Erklärung einer Inschrift aus Savoien (Hermes lY, 284) in tem(plum) Jovis
D(ome8tiei) nicht zulässig sein, da dort nicht von einem Weihgeschenke,
sondern von einem Tempel und einem seit Alters bestehenden Göttercult die Rede
ist. Dagegen mit dem Silvanusdomesticus (Orelli 1601, 4960, 5746, Mon. epigr.
du Musee nat. Hongrois n. 65—70 und auf zahlreichen Denkmälern' im 8. Bande
desG. I.L., wie z.B. 1306, wo man früher deo Silumio domestico las,) hat
es eine andere Bewandtniss; diess war ein wirklicher Zuname des alten Wäldgeistes,
dem auch der Schutz über Haus und Hof anvertraut war; vergl. die Auszüge aus
Dolabella in den Schriften der röm. Feldmesser 1, 302 (Lachm.) : omnispossessio
tres Silvanos habet: unusdicitur^domesticus, possessioni conse-
cratus, alter dicitnr agrestis, pastoribus consecratuo, tertius
dioitnrorientalis. In gewissen Landschaften, z. B. an der untern Donau, muss,
wie eben die Inschriften zeigen, dieser Gnltus besonders verbreitet gewesen sein.
Th. B.
^) Auf engliaohen Inschriften kommen daher auch wiederholt die matres
tramarinae vor, (G. I. L. YII, 808. 319. 499. 994), oder es wird der Gal-
lischen und Germanischen, der Italischen und Afrikanischen Matter (ebend. 6
xmfi, 288) gedacht.
240 Misoellea.
14. Bonn. RömiBohe Funde am Viereoksplats. Hier fanden sich
innerhalb einer grossen Römischen Haasanlage kleine thönere Röhren in grosser
Zahl, welche alle anter sich gleich, ungefähr 10 Gm. lang, 6 Gm. breit und oben
mit einem überragrenden Rande versehen sind *).
Sie sind zu klein, um bei einer Wasserleitung als tubi, tubuli Yer-
wendong su finden: ausserdem fehlt die nothwendige Vorriohtang um sie inein-
ander zu fügen *). Ebenso wenig waren sie bei einem Springbrunnen (silanas)
oder bei der Anlage eines Weinberges zu benutsen, um das Rohr, weldies die
Stelle des Rebpfahles vertrat, aufzunehmen '); ohnedies werden die Römer am
Rheine nicht Rohr, sondern hölzerne Pfahle zur Anlage von Rebgärten ver-
wendet haben.
£s sind offenbar sog. mamillae; so nannten die Römer kleine wasser-
ausspritzende Röhren wegen der Aehnlichkeit mit den Zitzen am Euter der
Euhe. Dass sie besonders in den Bädern Yerwendung fanden, deutet Plinius
an^): hier dienten sie offenbar dazu, um die warme Luft in allen Theilen der
Baderäume gleichmässig zu vertheäen *). Ausserdem aber verwendete man die
mamillae zum Behuf der Schneckenzucht; die anschauliche Beschreibung einer
solchen Anlage verdanken wir Yarro *).
') Auch wurden Bruchstücke von Gefässen aus terra sigillata und der
Henkel einer Amphora mit der Aufschrift:
CAX • FEIC • FIV
ZU Tage gefardert.
*) Yitruv YIII, 6, 8 schreibt ausdrücklich vor: tubuli crasso corio ne
minus digitorum duorum fiant; sed uti hi tubuli ex una parte
sint lingulati, ut alius in alium inire convenireque posslnt.
') Yarro de re rust. I, 8, 6: tertium, quod herum inopiae subsi-
dio misit arundinetum; inde enim aliquot oolligatas libris
dimittunt in tubulos fictiles cum fundo pertuso, quos ouspides
appellant, qua humor adventioius transire possit.
«) Plinius Eist. Nat. XXXY, 160: vel adsiduitate satiant figli-
narum opera, dolus ad vina ezcogitatis, ad aquas tabulis, ad
balineas mammatis.
') Seneca Epist. 90, 25: Quaedam nostra demum prodisse me-
moria scimus . . . ut snspensuras balneorum et impressos parieti-
bus tubos, per quos oircumfunderetur oalor, qui ima simul ac
summa foveret aeqnaiiter.
*) Yarro de re rust. HI, 14, 8 bemerkt, dass zur Schneokenzucht sich vor-
zugsweise schattige und feuchte Orte in einer Gebirgsgegend eigneten: man
könne aber in Ermangelung einer passenden Oertliohkeit eine solche Localit&t
künstlich herstellen: manu facere oportet roscidum, qui fit, ei edn-
xeris fistulam, et in eam mamillas imposuerüs tenues, qaae eruc-
tent aquam, ita ut in aliquem lapidem incidat ac late dis'sipe tnr.
MisoeUen
241
Wenn die in Bonn anfgefandenen irdenen Bohren zu einem Bade oder zur
Lnfbheiznng eines Hausee gehört hatten, dann sollte man erwarten, es wären
anch andere Reste, welche aof eine solche Anlage hindeuteten, zu Tage ge-
fördert worden. Das isolirte Vorkommen der mamillae und zwar in ansehn-
licher Zahl, deutet auf Verwendung zu besonderem Zwecke, wie eben die
Schneckenzucht hin. Für eine derartige Anlage waren diese Röhren wohl ge-
eignet: wenn man sie in Zwischenräomen in einen Wasserstrang einliess, so
konnten sie bei etwas geneigter Stellung das Wasser weithin auf den Steinboden
spritzen, und so die für die Erhaltung der Sohnecken erforderliche Feuchtigkeit
erzeugen. Die Stelle, auf welcher diese Röhren zerstreut sich fanden, wurde
nach Süden durch ein römisches Gebäude begrenzt : dieser Raum an der Nord-
seite des Hauses war wohl eben der Hinterhof, der zur Schneckenzüohtung
benutzt ward, hier war auch für Schatten ausreichend gesorgt.
Die Liebhaberei der Römer für Schnecken ist bekannt, und dass man
dieselbe auch am Rhein zu befriedigen wusste, bezeugt die Ausgrabung eines
römischen Gebäudes im Flamersheimer Erbenwalde; hier fanden sich ausser
Knochenresten vqn Hirschen, Rehen, Hasen auch eine Menge Schneckenhäuschen
vor, und zwar, wie der Berichterstatter bemerkt von der Gattung, .welche noch
heute besonders in Frankreich gegessen wird *). Th. B.
15. Bonn. Bei den Wasserleitungsarbeiten für die hiesigen Wasserwer ke
während der Monate October, November und December v. J., wobei fast durch
alle Strassen der Stadt Bonn ein Leitungskanal in der Tiefe von 4' 8'' aufge-
worfen wurde, kamen, wie zu erwarten war, fast überall Römerreste zum Vor-
schein. Es ist aber zu bedauern, dass bei der Arbeit, welche, um den Strassen-
verkehr nicht allzu sehr zu h^men, in grosser Eile und zum Theil zur Nachtszeit
ausgeführt wurde, eine Gontrole über die ausgegrabenen Alterthumsgegenstände
sehr erschwert war und in Folge dessen manche werthvolie Funde theils zer-
schlagen, theils von den Arbeitern, ungeachtet der Weisung Seitens der Direction
des Wasserwerks, alle gefundenen Gegenstände gegen angemessene Vergütung
abzuliefern, aus Gewinnsucht an den ersten hosten verkauft wurden. So
ist dem Unterzeichneten von einem glaubwürdigen 2<eugen versichert worden,
dass auf dem Marktplatz eine kleine Vase aus Erz, deren Henkel beim Heraus-
heben abbrach, für mehrere Thaler an einen Unbekannten verhandelt worden
ist. Ein besonderes Interesse hat Herr Postcommissar Hesse den Ausgrabungen
zugewendet und über die Ausgprabung verschiedener Fundstücke als Augenzeuge
in der Bonner Zeitung vom 3. und 23. Oct., 1. und 18. Nov. Berichte nieder-
gelegt, welche wir der Hauptsache nach wiedergeben, mit Hinzufügung dessen,
was uns von anderer Seite oder durch Autopsie bekannt geworden ist.
Zu Anfang October stiessen die Arbeiter auf dem alten Kirchhofe in der
Nähe der Münsterkirche auf einen steinernen Sarg von rothem Sandstein.
Derselbe lag in der Richtung von 0. nach W. etwa 4' in der Erde, gerade neben
'*) S. den Ausgrabungsbericht in den Jahrb. XIV, S. 171.
16
•'
842 Himllai.
dem Haupteingange. Seine Unge beträgt 6', die Breite 2* B", die innere Höhe
V, Der Deckel cerbraoh in2Theile; auch fehlte eine der Schmaleeiteo. In dem
Sarge, welcher auf das Bnreaa der Wasaerwerkegeaellschaft gebracht wurde,
be&nd sich ein stark zerfaUenes Skelet. — Am Bomerplätse traf man beim
Legen der Wasserrohren auf den sur ehemaligen PÜEurrkirche St. Eemigius, deren
Namen nach ihrer Zerstörung durch einen Blitssohlag auf die Minoritenkirche
überging, gehörenden frühem Kirchhof und fand massenweiBe menschliche Gebeine
und wohlerhaltene Sch&del; ein Skelet ward durch die Leitnng sogar in der
lütte durchgeschnitten. In der Achter- oder Tielmehr Ach er Strasse wurden
mehrere wohl erhaltene Thonkruge ausgegraben. Auf der Brückenstrasse,
richtiger »Brücket genannt (hier befand sich, ehe der Erxb. Conrad Ton
Hochstaden in der Mitte des 13. Jahrh. die alte Stadtmauer zur Erweiterung
und Abrundung der Stadt abbrechen liess, eine Brücke über den Stadtgraben, i
von welcher in den Kellern der Hauser Nr. 32 und 23 noch massive steinerne |
Bogen sichtbar sind. YergL Lersch in B. Jahrb. I, S. 23), kamen Fundamente
der alten Ringmauer zum Vorschein. — (Gegenüber der Klinik und den Schngt-
sehen H&usem kanten viele römische Ziegel, darunter ein grosser Hohlziegel
(imbrex) zu Tage. — In der Stern Strasse wurde, gerade am Hotel des !
Herrn Honecker ein römisches Orab au^edeekt, worin sich zwei Krüge ans
Thon befanden. — Yor dem KoiLnthor in der Nahe des unl&ngst abgebrochenen
Johanneskreuzes kam ein unten abgebrochener Markstein, der noch 8 Spannen in
der Höhe und 1 Va in der Breite missti zu Tage. Er ist an 2 Seiten abgerundet, die
beiden andern bilden gerade Flächen. Auf einer befindet sich oben die Jahres-
zahl 1662, unter derselben ist eine Art Wappen eingehauen mit der Jnscbrift:
Dietkirch Freiheit. Scherben römischer Thongefasse und Bruchstücke von
Urnen kamen vor dem Kölnthore vielfach ans Tageslicht. — In der Burgstrasse
ward ein römisches Grab aufgefunden aus vier plfftten, in Form eines Yierecks
zusammengestellten Sandsteinen ; ähnliche Steine waren als Deckel und Unterlage
benutzt. Im Innern befanden sich mehrere kleinere Urnen, von denen zwei
gut erhaltene ans Licht kamen und in Privatbesitz übergingen. Unter den zer-
schlagenen (befassen war auch eine Vase von Terracotta, deren Reste auf ge-
schmackvolle Arbeit schliessen Hessen. Die in derselben Strasse gefundenen
röm. Münzen von Kupfer blieben in dem Besitze der Arbeiter. — interessant
für die Topographie Bonns im Mittelalter war die Entdeckung von Ueberresten
des alten Wenzelthörs in der Wenzelgasse an der Stelle, wo die Kesselgasse
in dieselbe einmündet. In früheren Zeiten lief die Landstrasse von Koblenz
nach Köln durch das Stockenthor über den Belderberg und einen Theil der
Hundsgasse bis zu dem sog. Wenzelthor, eigentlich Winsterthor, d. h.
»linkes« Thor. Sein Name bezeichnet dasselbe als das linke Thor des römischen
Gastells (am jetzigen Wicheishofe), durch welches die römische Strasse nach
Rheindorf mitten durchging. — Die bedeutendste Ausbeute römischer Alter-
thümer kam auf der Koblenzer Strasse, nahe der ersten Fährgasse, da
wo der Grodesberger Bach den Fahrweg kreuzt, zu Tage. Man stiess hier nach
dem Berichte in der Bonner Zdt. vom 18. Nov. auf eine ziemlich grosse Yer-
Miseellen. 248
tiefäng, deren Yenchluss dch nioht feststellen liess, da die Wandang des Gang-
schachtee nnyerhofiEl susammen stürzte. Nach vorsichtiger Aufränmung des
Schuttes, worin sich mehrere grössere Decksteine befanden, entdeckte man
znerst eine grosse Urne Yon 1' Höhe, in welche eine kleinere so eingelassen war,
dass sie den Mund der grossem schloss. Beide Urnen waren von weiss-granem
Thon und enthielten Asche und Erde. Ausser diesen Gefamen wurden zwei
*IJ hohe Henkelkrnge, ein langhaleiges Gefäss ohne Henkel yon grauem Thon,
und ein zierlich geformter, blau glasirter Trinkbecher yon S^/^'' Höhe, 2** im
Durchmesser, der sich bis zu 3" ausbauchte; femer eine Grablampe yon Terra-
cotta, mit dem Bude eines Vogels, der auf einem Zweige sitzt, zu Tage gebracht.
Auf einer zweiten Lampe befand sich ein D}isartigerr stehender VogeL Ein
Thranenfläschchen yon grünem Glase lag neben derselben. Zu den gefundenen
Gegenständen gehörte noch eine bronzene Sicherheitsnadel, eine Fibula, eine Art
Salbenlöffelchen yon Bronze und ein zangenformiges Instrument von. demselben
Metalle. Auch fand sich ein beinerner Stilus vor, eine römische Nadel von Erz,
mit abgebrochener Spitze und endlieh ein schöner, blau und weissgeschlungener
Glasstab, welcher oben in einen ringförmigen runden Griff verlief, am untern
Ende aber abgeplattet war. J. Freud enb erg.
16. Bonn. Bei den vorstehend erwähnten Erdarbeiten der Wasserleitungs-
Gesellschaft kam auf der Goblenzerstrasse, ungefähr 8 Fnss unter der jetzigen
Strasse, die alte Römerstrasse an vielen Stellen deutlich zu Tage. Sie kenn-
zeichnete sich durch ein schweres Pflaster von Basaltsteinen.
E. au'm Weerth.
17. Trier. Bruchstück eines Steines in den römischen Badern zu Trier
im J. 1871 gefunden:
N iA
LI GEI
MANV
Dies Stück bildete gerade die Hälfte des Steines; mit Sicherheit lässt sich die
Inschrift nicht ergänzen, beispielsweise könnte man vormuthen :
INHDO(Apolli.
N(iG)RA (nno
L*l(n)GEN(aia8 B o-
M A N V (s V. s. L m.
Der Name Ingenuius findet sich auf einer GÖlner Inschrift (G. I. R. 482)
und auf einer Engfischen (C. L L. YH, 221); ähnlich gebildet ist Ingenuinius
und Ingenuinia (0. I. R. 517. 891). Tb. B.
244 MitceUen.
18* Trier. In der MetzeUtraBse traf man diesen Herbst bei einer Keller-
anläge auf ein röm. Gebäude, an dem 2 Banperioden deutlich zu nnterscheiden
siiid; es scheint theilweise durch Feuer zerstört zu sein. Erst die demnächst
weiter fortzusetzenden Aufgrabungen werden yielleioht die ganze Anlage fest-
stellen. Neben den verschiedenen Arten feineren und gröberen Verputzes und
einem grossen Wassersarge (wohl jüngeren Datums) sind an Funden mir bekannt
geworden namentlich: Münzen von Hadrian, Commodus und sp&teren Kaisenif
viele Stilus, ein bronzener Lampenstocher (7), ein Thonl&mpchen mit der In-
schrift FORTIS, zahlreiche Scherben von rother und schwarzer terra sigillata,
F
darunter zwei mit Stempel : OF ' YfA und OFIG ' BILIS» eine mit Löwenkopf
als Ausguss, eine andere mit einem kleinen Löwen eta als Verzierung, ein
kleines Fragment von einem Relief in Thon (Genius mit Füllhorn), ein Stock
Ziegel mit dem Stempelfragment AD . . ., eine Nadel von Bein mit einem
runden und einem länglichen Loche am Kopfe, n. A. Dr. Bone.
19. Trier. Auf der Niederburg, einer Höhe nordwestl. von Echter-
nach, befindet sich eine bisher nicht bekannt gemachte, sehr ausgedehnte Be-
festigung durch Steinwälle. Die Niederburg bildet den südwestl. Ausläufer
eines ovalen Plateaus, welches, bb nach der Mitte hin durch das tiefe Weiler-
bachthal durchschnitten, &st ringsum steil nach der Sauer, Fleisbach und Prüm
abfidlt und nach Norden, wo es sich weniger steil herabsenkt, durch einen
mächtigen Steinwall ~ die Wikicher Burg — abgeschlossen ist. Die eigentliche
Niederburg ist durch einen Steinwall von 416 Sehr. Länge, der von einem Ab-
^bange zum anderen quer hinüberläuft, von dem übrigen Plateau abgetrennt;
700 Sehr, weiter südL läuft ein zweiter Steinwall von 866 Sehr. Länge, dem
ersteren parallel, ebenfalls von Abhang zu Abhang (nach Sauer und Weilerbach)
quer hinüber; das übrigbleibende, fiist halbkreisförmige Stück der Niederburg
ist nördlich durch den Steinwall) im üebrigen theils durch die steilen, felsigen
Abhänge, theils noch künstlich durch Steinwälle umschlossen. Innerhalb und
ausserhalb der beiden Querwälle befinden sich Hunderte von Steinhügeln; sie
sind meist rund oder oval und haben 4—6 Meter im Durchmesser bei einer
Höhe von 70 Cm. bis 1 Met.; ob dieselben Gräber siiid, hat durch die bisherigen
Nachgrabungen, wozu mir die Mittel von der hiesigen Gesellschaft f. n. F. bereit-
willigst gegeben wurden, noch nicht erwiesen werden können^ in den wenigen
bisher geÖ&eten Hügeln fanden sich namentlich zwei FeuersteinmCbser und ein
Bruchstück eines Steinwerkzeuges, Thonscherben etc. aber keinerlei MetaU. —
Ikn Walle selbst fand sich u. A. ein Bruchstück eines Fenersteinmessers, Scherben
eines sehr grossen Gefftsses von grauer Erde, mehrere Stücke Kiefernholz (jetzt
stehen 150- bis 200 jährige (?) Buchen auf der Niederburg), viele Kohlenstüdkohen,
nahe am Rande ein Stückchen rother terra sigillata (1). — - An einer Feuerateile
in dem halbkreisfarmigen Theile unter der etwa 6 Zoll dicken Humusschichte
Scherben und ein (bisher das einzige) Stückchen Eisen^ welches seiner Form
MiBoellen. 246
nach Theil einer Sohwertspitze sein kann. — Die Uniersuohongen werden fort-
gfesetzt; eine vorläufige Notiz über die Niederbarg ist in den diesjährigen
hiesigen Jahresberichten erschienen (p. 105). — Aber aach die Römer waren
aof diesem Plateau, und nicht blos yorubergehend. Am Fusse der Niederbnrg
steht das bekannte Dianendenkmal, in einer Seitenschlucht des Weilerbachthales,
in 19 Cm. hohen Buchstaben die Inschrift ABTIONI | BIBER (Ardoina?!). Auf
dem Plateau sind mehrere Särge und Umenkasten von Sandstein aasgeg^raben
worden; in einem Walde fanden wir jüngst noch ein Stück einer Ära (?) mit
den 7 Gm. hohen sehr schönen Buchstaben:
IVNO • • •
a-Fi
nahe dabei ein Stück einer gewaltigen Sandsteinsaule (oder Halbsäule). Schon
an 2 Stellen sind jetzt ausgedehnte röm. Gebäudereste constatirt; Ziegelstucke,
Thonsoherben verschiedener Art. Mörtelstücke liegen in Menge dort umher;
auch fand ich an einer Stelle Scherben schöner rother und schwarzer terra
sigillata und feinpolirten rothen Verputz; auch röm. Münzen sind schon mehr-
fach dort gefunden worden. — Von früheren B'unden ist unter anderm der
untere Theil einer Handmühle aus einem kleinen Torfmoor zum Vorschein ge-
kommen; sie stimmt in Gestalt und Grösse mit der bei Lindenschmit (A. u.
Vorzeit H, 8 Taf. 1, 16) abgebildeten überein, ist aber, wie es scheint, aus
Berdorfer Lias verfertigt Ueberhaupt liietet das Plateau noch Manches, was
einer späteren eingehenderen Darstellung und vorheriger genauerer Unter-
suchungen bedarf. Dr. Bone.
20. Tholey. Ein nur zur EQllfte erhaltenes Bronzetäfelchen^ bestimmt
an einem Weihegeschenke angeheftet zu werden, gefunden zu Tholey (Kreis
Otiweiler) mit der AuÜBchrift:
GM
OELiS
SLM
Das Gelübde war also dem Juppiter dargebracht, von dem Namen des Gebers
ist nur das Cognomen (Fi)delis erhalten. Th. B.
21. Fliessem. Die erneute Prüfung der Inschrift einer Bronzetafel (zu
Fliessem gefunden, und mehrmals aber nicht correct publidrt, Jahrb. I, 42.
II, 157, zuletzt G. L R. 840), auf welcher Becker in dem Jahrb. XXVU, 78 D(eo)
LENO MARTI zu lesen vorschlug, hat diese Vermuthung nicht' bestätigt. Die
fragmentirte Inschrift läutet:
D LENO MARir ARTE
COM lEOVSSIVSMAG
IVIIA IV' '
SSV 1
2M MMoellwi.
H&rii ftrte ist roUkommeii deutlich, Z. 3 iat der ertte Bnohitabe wegen
des Bruabea unkeantliob, aber A iit durofa keinen ZwiKhennum (der uif dem
Täfelolien überall sehr deutlich ist) gesondert, der letite »bgebrocbene Buoh-
■tabe zeigt, da er über die Znle hervorragt, oDTeriunnbare Spuren einer Liga-
tar, (T) and eben» i*t Z. 4 n«oh SSV noch der Bart einer Ligatur (wohl ET)
wahrnehmbar. Th. B.
22. Fränkiflohe S&rge raMeDoig ondFlieiiem. In dem römischen
Paläste tu Nennig wie in demjenigen nt Fllesaem hat man in fränkiaoher Zeit
einen innem Baom durch Anbiellnng grosser Steinsirge lor christlichen Orab-
kammer umgewandelt. Da dieae Sftrge über der Erde stehend, sich den Blicken
der wilden Horden nicht entsagen, welohe in der 2. Hälfte des 1. Jahrtaosends
DentaohUnd so wiederholt verwästeten, so waren sie gewiss schon fr&hzeitig
des Inhaltes aller Beigaben beraubt. Selbst die Gebeine fiuden siah nicht mdir
in ihrer orsprfiiiglichen Ordnung darin vor. In Fliessem befanden sich zwar
noch die Deckel auf den hier durch sasammengeeteDte grosse Steinplatten and
Arohitectorst&oke gebildeten Saroophagen '}, auch wohl ursprüngliche Kalk-
füUnng in denselben, aber weder die Spuren der Lagerung der Leichen noch
diese selbst Vereinzelte Enoohenreate lagen ausserhalb umher. Von den beiden
S&rgen in Nennig waren die Deckel vollst&ndig verloren, und der innere Baum
mr Zusammenschflttong grosser Enoobenmengen, unter denen sich an 30 Sch&del
befanden, benntst. Es liegt also hier eine aweite von der nrsprüngUchea
verschiedene Benutinng vor. Für den, Zeitpunkt dieser Begrftbnisse ergibt die
Gestaltung der Sftrge einigen Anhalt. Sie sind ans Huschelkalk gebildet und
obgleich 6V(' ^^"g '"'^ *^ Kopfende 2'^,' hoch, aas einem Stücke und nicht
ans Platten bestehend. Einer derselben ist voUstindig erhalten und wird in
Nennig aufbewahrt Wie der nachstehende Holzschnitt zeigt, besteht seine einzige
■) E^ wurden deren bisher droi vorgefunden, die in einer Gruppe dicht neben
einander standen. Da indessen der betreffende Baum noch nicht inr vollständigen
Ausgrabung gelangte, so ist eine weitere Giäberau^ndung nicht unwahrscheinlich.
247
Versieruiig in atngerigMoen Kreiien, deren uortgelmiasige StelluogeD oiebr
an icliülerhafle Vennche eines da« Zirkels noch nicht knndigen AnSlngere, tit an
einen der AutfOhrang geines gewählten Sohemft'a sichern Handwwker denken
lassen. Den Baum der hintern Sohmakeite füllen onten 3 kleine nehen einander ge-
Bteltte gante Kreise und darflber ein grosser Halbkreis, dessen Sohenkd in die ober»
Ecken aaslanfen. Aof der in nnsenn Holzsohnitt nicht sichtbaren sweiten Lang-
seite wiederholen sioh die Ereia Verzierungen der entipreohenden vordem Lang-
seit^ nur ist hier aueh in dem 3. Zwickel in der obem Eoke rechts noch ein den
BMun aosminder kleiner Kreis lugesetzt, daför aber im mittleren grossen Kreise
der Zirkelrerraoh der vier in einander geschlungenen kleinen Kreise weggeblieben.
Wenn aoch diese kalligrSiphisoha Terzierungsart im Allgemeiuen, wie die
am Fassende pyramidal und niedriger aoelaofende Sargfom an den frtnkischen
Typns erinnern, »o gevrinnen die Nenniger Sarkophage doch noch eine beatimmtare
Bedeutung durch den Vergleich mit einem andern, in dem nicht weit entfernten
Eohtemach befindlichen ganz ähnlichen Steinsarg. Nur sind auf dieaem die
ineinander greifenden eingerissenen Bjeise regelrecht in den gegebenen Baom
vertheilt und beieagen in ihrer Ausführung die handnerksmässigo Sicherheit
ihres Verfertigers. Der Echtemacher, beinahe 2 Meter in dep Länge messende,
ebenfalls aus einem kalkartigen Steine bCBtehende Behälter ist der ursprüngliche
Sarg des am 7. November 759 gestorbenen heiligen Willibrordus. Er befnid
sich bis zum Jahre 1791 am Orte der ursprünglichen Grabstätte des Heiligen
in der Abteikircbo zu Eohtemach, und wurde alsdann in dar fransösiBcfaen Re-
volution verschleppt, kam in den Privatbesitz des bekannten Antiquars Gotten
und fand endlich 1828 wieder eine würdige Stelle unter dem Attartische der
Pfarrkirche S. Peter in Eohtemach '}■ E. aus'm Weerth.
38. Bonn. Der römiaohe Pfablgraben östlich von Lina und
önningen- Im Anschlüsse an die schätienswerthea Hitthälonf^n dea
<} Nähere Blittheilungen ündet man p. 166 S. im XVII. Bande (1861) der
Publicationa de la Societe pour la recherche et la conservation des monuments
bist dans le Grand-Duobe de Lnsembonrg. Naoh den dort gegebenen Mit-
theilongeD sollen auch in der Nähe von Nennig und an Bosch frttherhin obrist-
Uebe Steinsärge gefunden worden sein.
248 Misoellen.
Herrn Reoiors Dr. Jos. Pohl (Jahrb. d. Yereins yon Alterthumsfi. im Rheiiil.
H. LIII und LIV S. 822) über den Pfahlgraben in der Linie zwischen dem
Orindel öttlich von Linz und dem Peulester östlich von Hönningen, erlaube ich
mir einige weitere Beitr&ge in Betreff der Lage des Grabens mitzutheüen.
Der »im.Grindelc aufgefundene Wall ist wohl unstreitig derselbe, dessen
in einer früheren Mittheilung (Jahrbücher 1868 8. 282) als »im Orendelc
(auch Gründel) gelegen, gedacht ist. Bei einer Besichtigung des wohl er-
haltenen Grabens »auf dem Peulesterc zwischen den Waldpansellen der Herrn
Jaa Schoop und Goswin Müller verfolgte ich hinwärts den Weg von Hön»
ningen über den Hombom und noch weit über den Penlester hinaus, auf
dem Rückwege bog ich in südwestlicher Richtung von dem Hauptwege ab, um
das rechte Thalgöhftnge des Moorbachthales zu untersuchen. Auf der Höhe des
Berges konnte ich keine Spuren des Pfahlgrabens finden, wogegen der in das
Thal führende Hohlweg zwei parallel nebeneinander liegende Gräben* mit Wall
durchschneidet, welche in dem waldigen Gehänge deutlich sowohl aufwärts wie
abwärts zu erkennen sind. In letzterer Richtimg erreichen die (haben die
Thalsohle in der Nähe des Waldgrenzsteins Nr. 402.
An dem linken Thalgehänge des Moorbachtfiales ist keine Fortsetzung der
Grabenlinie zu erkennen. Gegenüber der Mündung des Moorbaches vermuthete
ich schon bei früheren Untersuchungen oberhalb des Münchhofes in dem linken
Gehängt des Steig^baches ein Stück des Grabens; der dichte Lohholzbestand
verhinderte aber die £rzie)ung eines bestimmten Resultates. Nachdem nun
kürzlich das Holz abgetrieben worden ist, erkannte man deutlich, dass hier ein
Graben in dem Gehängt nach der Höhe hinauffuhrt, aber bei Beginn des Acker-
landes vdrwischt ist. Die Richtung dieses Grabens würde nach der »Eichhalle«
und über diese hinaus bis nach dem »Frameriohc fuhren, auf welchem Graben-
linien und Yerschanzungen liegen, deren bereits früher bei Beschreibung der
Strecke zwischen dem Malberg und dem Anelsberg (Jahrbücher 1868 S. 281
vorletztes Alinea) gedacht ist. Ich kann mich der Bemerkung des Herrn
Pohl nur anschliessen, und bin ebenfalls der Ansicht, dass in der bis jetzt
untersuchten Strecke keine wesentlichen Aufschlüsse mehr zu erzielen sind.
Von Interesse dürfte nur noch die Untersuchung des Grabens östlich der
Ruine Rennenberg sein, welcher zu der Burg in gar keiner Beziehung gestanden
zu haben scheint. Freiherr von Hoiningen-Huene.
24. Bonn. Das Grabmal des Longobarden-Herzogs Gisnlf. In
Gividale (Friaul) hat man vor Kur^m einen, interessanten Alter thumsfund
gemacht, worüber ein dort gedrucktes Broschürchen genaue Auskunft giebt. Bei
Gelegenheit der Neupflasterung eines Platzes kam der intelligente Sindaco der
Stadt auf den Gedanken, Nachgrabungen zu veranstalten, wobei einiges altes
Mauerwerk, Steinohen von Ifarmormosaiken, farbiger Stuck und dgL von nicht
besonderem Interesse zu Tage kam. Endlich aber stiess man auf einen grossen,
grob behauenen flachen Stein. Unter diesem sehr schweren Steine fand sich
Misodlen. 249
Mauerwerk von dicken quadratischen Ziegeln, welches einen steinernen Sarkophag
mit marmornem Deckel dicht umBchloes. Der marmorne Deckel war nach ge-
wöhnlicher römischer Weise dachförmig mit den üblichen Hörnern an den
Eoksia und auf beiden Giebelseiten eingehauenen Kreisen. Mit grosser Vorsicht
war der Deckel abgehoben und es fanden sich in dem Sarkophage die spärlichen
Reste eines Leichnams; der Schädel» die Rippen und die Beine waren ÜEist g^z
zerfallen, am besten erhalten die Schulterblätter und Vorderarme. Der nach
Westen gelegene Kopf ruht auf einer Erhöhung von eingemauerten Ziegeln, der
Körper auf einem verfaulten Brett. Der Leichnam muss wenigstens 1 M. 80 G.
gemessen haben. Rechts neben dem Haupte fand sich eine eiserne Lanzenspitze
20 C. lang, auch fanden sich Reste des Lanzenschafbes, in Stücke zerschnitten,
um in dem Sarge Platz zu finden; links fEmd man sehr zerfedlene Reste eines
eisernen Schwertes, in hölzerner verzierter Scheide. Auf den Beinen lag der
obere Theil eines eisernen Helmes mit bronzenen, vergoldet gewesenen Ver-
zierungen, und daneben das eiserne Gestell des Schüdes, welches wahrscheinlich
mit Holz und Leder bedeckt gewesen. Von der Fussbekleidnng fanden sich
Reste von Leder und bronzene Sporen ohne Rädchen; von der Kleidung Reste
von zweierlei Sto£f, einem hellen und einem dunkeln, mit Goldfaden durchwirkten.
In der Brustgegend fand sich ein griechisches Kreuz, 11 0. nach jeder
Richtung messend, yon Goldblech mit Edelsteinen, 9 an der 2iahl, und ab-
wechselnd mit dem eingeprägten Kopfe eines Heiligen. Das Kreuz war auf das
Kleid aufgenäht gewesen, wie kleine Löcher in den Ecken desselben zeigten.
Dann fand sich 1 Unze schwerer Goldring, worin eine Goldmünze des Ti-
berius eingefasst war ; ausserdem eine goldene Fibula mit viereckigen email-
lirtem Schilde. Ueber dem rechten Fusse des Leichnanm stand eine gfäserne
bauchige Flasche mit langem Halse und weiter Mündung, etwa IVi Liter
fassend und zu zwei Drittheilen, wie eine chemische Untersuchung ergeben hat,
mit reinom Wasser gefüllt. -- Der ganze Fund wurde aufs sorgfaltigste er-
hoben und wie er gefunden in einen Kasten mit Glasdeckel gelegt und in das
an römischen und andern Antiquitäten sehr reiche Museum der kleinen Stadt
(das Forum lulii der Römer) gebracht. Nach sorgfaltiger Reinigung des Mar-
mordeckels von dem anhafbe&den Stuck zeigte sich darauf die Inschrift GISVL
in Charakteren der ersten Long^barden-Periode, woraus hervorgeht, dass das
Grab die Reste des Herzogs Gisulfiis von Friaul, eines Neffen des Königs Alboin,
enthielt, der nach Paulus Diacbnus im J. 668 zum Herzog ezliannt ward und
616 in einer Schlacht gegen die Avaren gefallen ist.
Zusatz. So wenig ich an der Richtigkeit des vorstehenden Fundberichts,
wie ihn die Köln. -Zt. 163. (2. Bl.) 14. Juni 1874, gebracht hat, und wie er nach
der Mittheilung aus Görz in verschiedenan Blättern wegen des hohen geschicht-
lichen Interesses, das er zu erregen geeignet ist, wiederholt worden ist, glaube
zweifeln zu dürfen, so kann ich andrerseits eine gewisse Bedenklichkeit in
Bezug auf die nach dem Berichte aus Görz erst später, mehrere Tage nach der
Erhebung der Fundstüoke zum Vorschein gekommene Inschrift GISVL, von
der man anfangs keinerlei Spur gefunden hatte, nicht unterdrücken. So viel
260 MiMtUtt.
mir bekannt, hat sioh auf keinem der bif jetst aaa laoht getretenen ähnlichen
Sarkophage mit dachförmigem Deckel aus dem 6.-— 8. Jahrhundert, ansaer etwa
einem Kremseichen, irgend eine Inschrift gefanden. Es mQdite daher die Frage
nicht 80 gans unberechtigt erscheinen, ob oioht Lokalpatriotiamos einen enthn«
siastischen Alterthumsfreund verleitet haben könnte, den Namen dee Stadt-Heroe
Gisulf, angeblich ein Neffe des grossen Alboin, welcher ihn aum ersten Heraog
der longobardischen Ostmark Friaul (Forum lulii) eingesetit hatte, in ge-
schickter Weise einmetsseln zu lassen, um dadurch dem an sich schon wegen der
merkwürdigen Beigaben henrorragenden Monumente nkr die Vaterstadt einen
unschatabaren Werth su sichern. J. Freudenberg.
25. Grefeld. In diesem Winter haben mich nach einander und öfter
neben einander folgende Gegenstände beschäftigt.
Zuerst die Qesichtsurnen, wosu wir die Erlangung einer solchen in
Gelb gefundenen, dann die Betrachtung der noch nicht veröffentlichten, erst seit
den letaten Jahren ins Wiesbadener Museum gekommenen, und endlich die Yer-
gleiohung analoger Gebilde in der Feme den Anlass gaben. Die in Mains,
Wiesbaden, Bonn und früher auch in Strassbnrg voriiandenen Ctesichtsumen aus
rheinischen Gr&bem sind bekanntlich Gefftsse mit m&ssiger Bauchung, wttter
Oefibung und schmalerm Fusae, welche als Kopf betrachtet, und mit den in
feuchten Thonstreifen aufgelegten, oder nur eingedrückten Theilen und Zügen
des menschlichen Gesichts versehen worden sind^ mehr oder minder rohe Ar-
beiten, hööhat wahrscheinlich der einheimischen Bevölkerungen. In der Weidisel-
niederung an der Ostsee repräsentinn die, ebeniUls Gesiohtsnmen genannten,
mehr flaschenartigen Krüge durch die an dem engeren Halse angebrachten €^
siohtstheile, mit oder ohne weitere Ausstalfirung durch Elaare, Hakachmuck,
Ohrgehänge, mütienartige Deckel und dgL den ganzen menschlichen Körper.
DasB mit diesen baltischen Artefacten ein Wiesbadener Exemplar, aus der Um-
gebung, völlig übereinstimmte, war mir natürlich fimppant, obwohl die Wanderung
eines dort in der nordöstl. Feme sesshaft gewesenen Germanenstammee .naeh
dem Rhein hin als Erklärung sich aufdrängte. Dals aber mit jenen baltischen
Funden die zahllosen, von Schliemann unter den Trümmerschichten mehrerer
Städtegrfindungen, ans einem SVa bis 4000 jährigen Versteck hervorgehollen Ge-
fässe, mit dem eingebildeten Eulenkopfe der glauoopis Athene ^ der ihm ab fixe
Idee überall erscheinenden Bischen Schntzgöttin, «-- ganz analog und in manchen
«Einzdheiten vollständig gleich sind, das hat mich, ausser den verechiedenen
anderen Gebilden, welche an ganz ähnliche vorg^eschiohtliche Gultnrreste er-
innern, in daa höchste Staunen versetzt. Auch wurden mir die Fragen angeregt,
ob auf die Wanderung der Völker oder nur ihrer Waaren, oder aber, ohne jeden
Verkehr, auf den dem menschlichen Geiste gemeinsamen Instinci, der überall
und immer Gleiches ersinnen und hervorbringen lieas, die Uebereinstimmung
der 'meisten Formen der Waffen und Geräthe, wie viele Verzierungsmotive zurück-
geführt werden muss.
MJHeaHefi. 251
Der letsiern Yermuthuag stinuaie der mir ala eine bedeutende Autorität
geltende Lübke bei, dem ich vor einigen Wochen Schliemanns photographisohen
Atlas und die zahlreichen Abbildungen der baltischen und anderwärts gefun-
denen Gesiohtsumen zeigte. Auch war es mir angenehm, dass die meisten in
Bursians Recension gemachten Bemerkungen und Ausstellnng^n in einem kurz
vorher von mir in einem wissenschaftlichen Kränzchen gehaltenen Vortrag fast
sammtlioh und wörtlich ausgesprochen worden waren, vde mir meine Zohörer,
nach Eimicht jener bald nachher angekommenen Recension, bemerkten. Aach
hatte ich schon mehrere Wochen früher durch einen Vortrag aber die Gesichts-
umen ihr Interesse auf die Anfange der Gultur und Kunstfertigkeit in vorge-
schichtlicher Zeit gelenkt. Mit Prof. Messmer, dem Director des National-
Museums in München, hatte ich ebenfalls, bei seinem mehrstündigen Besuche
bei mir^ diese und ähnliche Fragen, welche sich bei der Vergleichung vorge-
sehichtlioher Gultorzeagnisse auMrängen, eingehend besprechen können, und
mich gefreat, ihm manches Neue in Funden vorlegen zu können.
Zu weiteren archäologischen Winterbeschäftigfongen bot die Aufdeckung
eines Gräberfeldes, eine halbe Stunde von hier, willkommenen Stoff
und Anlass. Seine Lage, ungefähr 20 Minuten westwärts von der Stelle des
Denarfimdee und von der ihr benachbarten römischer Mauer- und Geräthereste,
welche 10 bis 12 Jahre früher aufgedeckt wurden, war mir deshalb von be-
sonderem Interesse, weil sie die von mir angenommene Westliche Richtung einer
römischen Eleerstrasse von Gelb, zunächst nach Gladbach, längs der Nordgrenze
des breiteren Ubierlandes, bestätig^ Aus mehreren Granden schreibe ich die
Gräber nicht einer römischen, sondern einer Niederlassung der romanisirten, dabei
aber mancher nationalen Eigenthümliohkeit anhängenden Landesbevölkerung der
Ubier zu. Leider hatte der zähe, jährlich durch Regen und Frost abwechselnd
ei^veichte und zusammengezogene, Lehm so fest an die, ohne jede schützende Stein-
oder ZiegelumsteUung, in ihn eingesetzten Gefasse sich sngelegt, dass er dieselben
wohl meist schon längst, in der Tiefe von IVa bis 8 Fuss, geborsten haben mochte,
and nur einige wenige ziemlich unversehrt ausheben liess. Diese und eine Menge
von Scherben habe ich mir gekauft und bringen lassen. Unter den letzteren
befanden sich auch manche von den feinen schwarzen und rothen, mdst durch
geprägte Auflegungen verzierten Gefössen. Bei der Reinigung von dem festan-
gebaokenen Lehm, durch längeres Liegen im Wasser und Bürsten der Bauch-
rahder, bemerkte ich, dass mit Ausnahme weniger kleiner Scherben, die schwarzen
und rothen Farben durch eine mit diesen gemischte Thonauflösung oder Brühe,
in welohe die noch feuchten Ge&sse eingetaucht waren, hervorgebracht sein und
somit einer dünnen Hantumkleidung des meist blau- oder weissgraaen Stoffes
der Gefasse gleichen mussten.
Ganz dasselbe Verikhren zeigt sich auch an den zahllosen rothen Terra-
cotten der Sqhliemannschen Ausg^bungen und namoatlich an den grossen Trink-
gefassen mit zwei Henkeln und kugeligem Boden, welche der untersten — als
vortrojanisch bezeichneten — Trümmerschicht entnommen, audi in den höheren
Ueberlagerungen, nur in immer abnehmoider Grosse wiederkehren. Ist auch die
/
262
Misoellen.
Form dieser Geiässe, welche an den runden Oriff eineB Schwertes mit zwei
einander gegenüber angebrachten Bfigehi erinnern können, und als Becher 2um
Zutrinken erklärt werden, indem der Darreichende den einen, der Zugreifende
den andern Henkel des Bechers, der wegen des Eugelbodens nur auf der Mün-
dung stehen, gefüllt also bloss mit dem Henkel weitergegeben werden konnte,
anfasst, meines Wissens bei keinem der alt- oder vorgeschichtlichen Völker
nachweisbar, so ist doch die Technik der Färbung der G^eßisse aus einer frühen
▼orgeschichtlichen in die spätere geschichtliche Zeit der keramischen Industrie,
gewiss eine der durch das Bedürfhiss gebotenen allernrsprünglichsten Erfindun-
gen, yererbt werden. A. Rein.
26. Geldern, Römischer Münziund. Am 5. Noyember 1874 stiese
der Ackerer Heyer auf Craenenhof zu Gelinter, Gemeinde Wachtendonk, beim
Pflügen einer, in unmittelbarer Nähe seines Gutes gelegenen Wiese, auf einen
irdenen Topf, der etwa 800 silberne und 20 kupferne Münzen enthielt, von denen
die ersteren durchschnittlich sehr gut, letztere aber sehr schlecht erhalten waren.
Von den Silbermünzen, 763 an der Zahl, welche noch gut erkennbar sind, ge-
hören dem Antoninus Pius 11 Stück mit 11 Varietäten, der Faustina senior 1
Stück, dem Marcus Aurelius 6 St. mit 6 Var., dem Gommodus 12 St. mit 9 Var.,
dem Septimius Severus 124 St mit 72 Var., der Julia Domna 52 St mit 22 Var.,
dem Garaoalla 112 St mit 55 Var., der Flautilla 8 St mit 4 Var., der Geta
35 St. mit 21 Var., dem Macrinus 8 St mit 5 Var., dem Heliogabalus 78 St
mit 23 Var., der Julia Paula 1 St, der Julia Aquilia 1 St, der Julia Maeea
25 St mit 5 Var., der Julia Soaemias 15 St mit gleichem Rev., dem Alezander
Severus 181 St mit 59 Var., der Orbiana 3 St mit 1 Rev., der Julia Mamaea
36 St mit 7 Var. dem Maziminus 59 St mit 11 Var., dem Mazimus 1 St
«
Von 408 Ezemplaren habe ich die Reverse eingesehen, von den übrigen
hat der Bürgermeister C. von Ruys zu Wachtendonk Einsicht genommen. Die
Kupfermünzen in Grosserz sind so verwischt, dass sie nicht nSibet bestimmt
werden können; jedoch gehören die von mir eingesehenen 10 Stück der ersten
Kaiserzeit an.
Nach einer Mittheilung eines Eempener Blattes, deren Autor mir unbe-
kannt ist, sollen sich auch Münzen von Didia Clara, Didins Julianus, Helvins
Pertinaz und Cornelia Paula in jenem Funde befunden haben. Thatsadie ist es
aber, dass zur Zeit wo ich von einer Reise zurückgekehrt, die erste, aus 408
Stück bestehende Partie der Silbennünzen zuerst sah, keine der genannten
Kaiser, resp. Kaiserinnen sich darunter befand. Ebenso wenig hat mein Freund
V. Ruys in der 2. Partie eine derselben entdeckt
Leider gelangten die in Klumpen zusammengekitteten Silbennünzen in
die H&nde des Goldarbeiters Hellner in Kempen, der dieselben lösen und reinigen
sollte. Hier hat sie zuerst Herr Hugo Garthe aus Cöln gesehen, der selbst-
redend allein im Stande ist, über den oben berührten Umstand Sicheres mitzn-
theilen. Auf die Aufforderung des Bürgermeisters von Ruys, resp. des Finders
BÜBoelleii. 253
Bohickie Hellner i08 Stück dem enteren zurück, unter der Erklärung, dasi er
den Rest einem Freunde in Holland zur Einsicht zugesandt habe. Dieser» aus
etwa 850 Stück bestehende Best ist allerdiogs spater dem Finder wieder zurück-
erstattet und von dem Herrn von Ruys beschrieben worden; ob aber alle und
die nämlichen Exemplare zurückerstattet worden sind, wage ich nicht zu be-
hauptejL Die benannten Münzen befinden sich noch gegenwärtig im Besitz des
Finders, der sie vor d^r Hand nicht verkaofen will.
Friedrich Nettesheim.
27. Moselkern. In einem Weinberge daselbst wurden mittelalterliche
Silbermünzen gefunden, von denen unser auswärtiger Secretär Herr Dr. Schmitt
in Münstermaifeld uns zwei Stück freundlichst einsandte. Ueber dieselben äussert
sich unser kenntnissreicher Numismat Herr Hugo Garthe wie folgt:
Von den beiden Münzen ist das zu lesende Exemplar entschieden von
Bischof Bertram 1179 — 1212, dem Sprössling eines berühmten sächsischen Stammes.
Begünstigt von Fried. Barbarossa schenkte Letzterer ihm das Bisthum Bremen,
da jedoch der Schenkung die päpstliche Sanction verweigert wurde, so suchte
es Friedrich in Rom durchzusetzen, dass ihm dagegen das gerade vakant ge-
wordene Bisthum Metz übertragen wurde. —
Die zweite unlesbare Münze könnte wohl den\ Erzbischof Hillin von Faille-
maigne (Trier 1152 — 1169) zugeschrieben werden und zwar aus doppeltem Grunde,
einestheils weil der Typus des Denars auf die Epoche passt, anderentheils weil
Hillin unter allen Erzbischofen Triers der Einzige tete en face auf der Münze
erscheint. Das von Bohl publicirte einzige Exemplar lässt in Bezug auf Deut-
lichkeit auch sehr viel zu wünschen übrig.
Entgegumig.
Im Beiblatt zur Lützow'schen Zeitschrift für bildende Kunst (p. '461 ff.
1874 befindet sich eine, gleichzeitig am 29. April in der Cölner Volkszeitang
stehende Besprechung der von uns herausgegebenen, vom Prof. aus'mWeerth
verflassten Festschrift : »Der Mosaikbode^ in St. Gereon zuGöln,c worin
behauptet wird, der Bonner Alterthumsverein resp. der Verfasser vindicire sich
mit Unrecht das Verdienst, diesen Mosaikboden der Vergessenheit entrissen und
den Impuls zu seiner Wiederherstellung gegeben zu haben. Dieses Verdienst ')
') Der Zwisöhensatz, worin gesagt wird, seit 1840 hätten bereits Pereira,
Kranz, Welter, Becker, Statz und Reichensperger sich mit dem Mosaik be-
schäftigt, soll natürlich den bösen Schein erwecken, > als wären die bekannten
Verdienste dieser Männer absichtlich versohwi^en worden. Auf der ersten Seite
unserer Schrift sind die litterarischen Hinweisungen andrer Schriftsteller auf
964 Miiteenm.
*
gebfikre Herrn W. Soheben, welcher im Winter 1866 den Maler AYenftrins
SU den ersten ReBtanrationsrersnohen veranlasst habe. Vom Banmeister Wiei-
hase sei schon ein Restanrationsplan gemacht worden, als im Jahre 1868 der
Bonner archäologische Congress Kenntniss von dem Denkmal und den Zeidi-
nnngen der Herren Wiethase und Avenarius genommen nnd es seien ebenso
bereits 1600 Thlr. vom Kirchenvorstande ausgegeben worden, ehe dorch* unsere
Yermittelnng Zuschüsse einliefen u. s. w.
Dass die obigen Behauptungen alle und in jeder Hinsicht unwahr und
tendenziös erfunden und die schlichteui rein historischen Bemerkungen unserer
Schrift über den Hergang der Restauration vollständig oorrekt und wahr sind,
mögen folgende urkundlichen Daten erharten:
Schon in dem Jahresberichte unseres Vereins für den Zeitraum vom 9. De-
cember 1866 bis 9. December 1867 im 44. Jahrbuch S. 228 macht der Vorstand
bekannt, dass der nach Ueberlegung mit dem Maler Avenarius vorgenommene
Versuch, die Trümmer des Mosaikbodens in der Grypta der Gtoreonskirohe au
Cöln durch Aneinanderpassen der Durch^eichnungen in ihren ursprünglichen
Zusammenhang zu bringen, zu den günstigsten Ergebnissen geführt habe, so
dass er hoffen dürfe, dieses gerettete Kunstwerk nnsem Mitgliedern im nächsten
Jahrbuch vorlegen zu können '). — Am 21. Mai 1867 ladet Herr Avenarius
brieflich zur Besichtigung des Mosaiks ein; am 15. Juni 1867 schreibt er: »wenn
noch MosaikstÜcke fehlen sollten, werde er durch den Kirchmeister Schoben,
(dessen Name bei dieser Oelegenheit zuerst genannt wird), die Erlaubniss zum
Wenden einzelner umliegender Platten erwirken; am 7. November 1867 bittet
er um Zahlung für die gewonnenen Resultate. — Laut Schreiben vom 12. October
1868 ersuchte uns dann der Kirchenvorstand, hohem Orts Geldmittel beschaffen
zu wollen, worauf wir am 81. December 1868 an das geistliche Ifinisterium
und spater an die Kronprinzlichen Herrschaften Gesuche richteten, deren Re-
sultat eine Beisteuer von 600 Thlr. war. Durch Schreiben vom 14. September
1869 bittet der Kirohenvorstand den Professor aus'mWeerth um seine Oberlei-
tung der Restauration *), die derselbe indessen, unter Anderm wegen der Nichtinne-
das Mosaik, soweit sie bekannt sind, ciürt und weiterhin auch Reibhens-
perger's Schrift angefahrt. Eine Unkenntniss oder gar Verdunklung der Ver-
dienste obiger Männer wird demnach erst bestehen, wenn der gelehrte Anony-
mus sich herbeilässt nachzuweisen, in welchen Büchern oder Blättern diese
Männer Kunde von ihren Studien gaben. Denn der Herr Anonymus wird doch
nicht Unkenntniss oder gar Beiseiteschaffung von Verdiensten, die überhaupt
nicht in die Oeffentliohkeit gelangten, zum Vorwurf erheben können.
Dem entsprechen die Mittheü. p. XX der Schrift: »Verhandl. des
Internat. Gongresses im September 1868 zu Bonn; und das Protocoll der Vor-
standseiteung vom 24 April 1868, wonach sohon für das Jahr 1868 das Mosaik
publioirt werden sollte.
') Cöln, den 14. September 1869.
Ew. Wohlgeboren hatten die Gewogenheit, uns das anliegende
MiflOttlleB. S65
hattong des Wiethase'söhen Planes, schon am 1. Febinar 1870 wieder niederiegfte.
Da Pro! aas'm Weerth den Herrn Baumeister Wiethase zur Anferiigong
dieses Plans vorschlng und derselbe laut Postbooh des Letstem und nachstehen-
dem Brief des Herrn W. Soheben ^) erst am 81. Aprü 1869 fertig resp. abge-
liefert wurde, so ^ist die Kühnheit des Anonymus, der unsem Verein resp. den
Congrefi diesen Plan schon im Herbste 1868 vorfinde lass^ ebenso unglanblioh
sowie eine Ihnen bereits wieder zurückgestellte Ministerialverfügong zur Ein-
sicht zukommen zu lassen, aus welchen wir mit Freuden ersehen haben, wie
Ihrer wohlwollenden Bemühungen um eine kunstgerechte Zusammenstellung der
in der SjTpta der St. Gereonskirche zerstreut umher liegenden Bruchstücke des
altchristlichen Mosaikbodens in dem Berichte des Geheimen Regierungs-Rathes
von Quast in wohlverdienter Weise mit dem Erfolge Ausdruck gegeben
worden ist, dass wir noch hoffen dürfen, eine durch Sie erbetene Beihülfe ans
Staatsfonds seiner Zeit zu erhalten, um baldmöglichst einen Eunstschatz wieder
herzustellen, welcher, wie Herr von Quast es anerkennt, augenblicklich den
ersten Rang in Deutschland, ja vielleicht in ganz Europa einnimmt.
Indem wir nun hiermit für Ihre seitherigen Bemühungen im Interesse
unseres altehrwürdigen Tempels und dessen Eunstschatze den wärmsten Dank
aussprechen, erlauben wir uns noch die Bitte, dass Sie auch fernerhin mit Ihrem
seitherigen Wohlwollen uns zur Seite stehen, sowie insbesondere mit Ihren be-
wahrten sachkundigen Erfahrungen die Beaufsichtigung bei der Restauration
und Legung des Mosaikbodens übernehmen wollen, damit das archäologische
Interesse dieses so bedeutungsvollen Eunstschatzes nach allen Seiten hin gewahrt
werde. Ihrer geneigten Zusage vertrauend zeichnet hochachtungsvoll
Der Kirchen-Vorstand von St Gereon.
>) Cöln, den 80. April 1869.
Herrn Professor aus'm Weerth, Wobig. Kessenich.
Heute Morgen war mein erster Gang zu Herrn Baumeister Wiethase,
welcher aber leider verreist war. Einer der Eleven bemerkte mir in Besag
auf den Mosaik, dass derselbe heute vollständig fertig würde, and dass Herr
Wiethase, welcher hente Abend zurückkehrte, morgen den Kostenanschlag
ganz sicher machen konnte. Sollte nun Ihre Reise nach Berlin wirklich auf
Sonntag den 2. Mai feststehen, so wäre es mir nicht möglich Ihnen die Zetohnang
und den Kostenanschlag angehen zu lassen. Es könnte nur folgender Mittel-
weg eingeschlagen werden, dass Sie mir die Stunde Ihrer Ankunft in Cöln durch
einige Zeilen anzeigten nnd ich würde Ihnen dann, fislls Sie ohne Aufenthalt
weiter fahren, dieselben an den Bahnhof bringen.
Bei dem regen Interesse, welches Sie, sehr geschätzter Herr Professor,
unserer schönen Sache widmen, darf ich erwarten, dass Sie mich mit einigen
Zeilen beehren und zeichne in dieser Voraussetzung
Mit aller Hoehaohtang nnd Ergebenheit
Ihr W. Schoben.
256 Mifloellen.
und kennseichnend wie die weitere, zur Erweokung des Glaubens gemadhie Aa»fÜh-
rnng, als sei der in der That vollständig bei Seite geschobene Wiethase'sche
Plan bei der Restaaration überhaupt irgendwie befolgt worden und solle nach
Beschaffung fernerer Geldmittel noch weiter ausgeführt werden. Es war dess-
halb unsere Absicht, in der Mosaikschrift den Wiethase'schen Plan zum Ver-
gleich mit der jetzigen Restauration zu veröffentlichen. Wir vermochten ihn
indessen nicht zu erhalten!! Gerade so steht es mit der Behauptung über den
Geldpunkt. Die Beisteuer der Eronprinzlichen Herrschaften traf am 28. Januar
resp. 1. Februar 1870 ein. Herr W. Seheben schreibt am 39. Mai 1869, dass
der Kirchenvorstand sich unter der Bedingung des Staatszuschusses mit einer
Summe von 429 TUr. an der Herstellung des Mosaiks betheiligen werde ^), und
') Göln, den 29. Mai 1869.
Herrn Professor aus'm Weerth, Wohlg. Eessenich.
In Bezug auf Ihr freundliches Schreiben vom 22. März, womit Sie mich in
Angelegenheiten des in der Krypta der hiesigen Gereonskirche befindlichen Mo-
saikbodens beehrten und mit welchem Sie mir zugleich die Antwort Sr. Excellenz
des Herrn Ministers in dieser Sache überwiesen, kann ich Ihnen die erfreuliche
]\fittheilung machen, dass der Kirohenvorstand in seiner Sitzung vom 4. April
den BeschluBS gefasst hat, 200 Thlr. zum Zwecke der Hebung des Mosaikbodens,
falls Staatszuschuss erfolgen sollte, zu bewilligen , wie auch auf Gfund eines
frühem Beschlusses die Isolirschicht in der Krypta, welche in Pos. 2 mit 19 Thlr.
20 Sgr. und in Pos. 8 mit 209 Thlr. 10 Sgr. des Kostenanschlages figurirt, her*
stellen zu lassen, die Kirche sich also im Ganzen mit 429 Thlr. bedingungsweise
betheiligen wird. Rechnet man hierzu noch die Originalpausen des Herrn Ave-
narius, welcher für dieselben 100 Thlr. verlangt, und im Kostenanschlage
nicht vorgesehen sind, ohne welche aber das Werk gar nicht gefordert werden
kann; so würde sich die Kirche also mit 629 Thlr. zu betheilig^n haben. Femer
hat die Stadt Cöln laut Gemeinderaths-Beschluss vom 13. Mai o. der Kirche »als
Zusohuss der Stadt zu den Restaurationskosten des Mosaikbodensc einen beim
stadtischen Museum beschäftigten städtischen Angestellten, welcher schon mehrere
MosaikbÖden gelegt, auf drei Monate zur Verfügung gestellt. Nimmt man einen
solchen Künstler pro Tag nur mit 1 Thlr. 10 Sgr. an, so würde sich der Beitrag
der Stadt auf 120 Thlr. berischnen. Eine Anfrage bei verschiedenen Vereinen,
namentlich beim hier bestehenden christlichen Kunstverein, blieb resultatlos,
weit letzterer sich bei der Herausgabe des Book*schen Werkes betheiligt hat.
Ueber den oben angedeuteten Betrag wird die Kirche, welche von allen Fonds
entblösst ist, nie gehen können. Eine Sammlung in der Pfarre würde eben&lb
ohne Erfolg bleiben, da noch bis zum Jahr 1878 fün£Eehntausend Thaler auf
dieselben umzulegen sind. Bei der Liebe und dem regen Interesse, welche Sie,
sehr geschätzter Herr Professor, diesem schönen Kunstwerke zugewendet haben,
darf ich erwarten, dass Sie die Sache höheren Ortes mit Wärme vertreten und
zum gewünschten, derselben würdigen Aastrag bringen werden.
In dieser Erwartung zeichnet Hochachtungsvoll ergebenst
W. Seh eben, Kirchmeister von St Gereon.
Miflcollen. 357
bemerkt am 4. November 1869, es seien im Ganzen för die bis dahin gelegten
10 fertigen nnd unfertigen Bilder 800 Thlr. theils verausgabt, theils noch zq
bezahlen ^). Nun sollen aber nach dem Anonymus bereits 1500 Thlr. vom
Kirchenvorstand verausgabt worden sein, als die Kronprinzliche Gabe anlangte II
Und hingerissen durch seine eigene Keckheit versteigt sich dann der Herr
Ejritiker zur Abwehr der von ihm erst auf unsere Kosten erfundenen Be-
hauptung: »Der Mosaikboden sei aus Staatsmitteln (soll natürlich heissen: ganz
ans Staatsmitteln) hergestellt wordene, eine Behauptung, die nirgendwo von
uns ausgesprochen ist.
Nach den Vorgängen, die den Rücktritt des Professor aus'm Weerth
von der Oberleitung der Mosaikrestanration veranlassten und dem weitem Ver-
halten des Kirohenvorstandes, der den Verein ungeachtet seiner Mühewaltungen
gar keiner Antwort würdigte, als er um weitere Nachsuchungen bat (Anmerk. 9
S. 8 unserer Schrift) '), fanden wir es angemessen, Herrn Avenarins als demr
jenigen, mit dem wir allein ein Abkommen getroffen, die Gorrectnrbogen der
Mosaiksohrift vor dem Abdruck zur Aenssemng vorzulegen. Derselbe ftmd
dagegen gar nichts zu erinnern nnd bezeugt auf unfern Wunsch dies auch noch
heute durch folgende Zuschrift:
iDem Vorstande des Vereins von Alterthnmsfreunden im Rheinlande be-
*) Cöln^ den 4. November 1669.
Herrn Professor aus*m Weerth', WoUg. Nennig.
Was nun unsem Mosaikboden betrifft, so ist derselbe im besten Fort-
schritt begriffen nnd könnte nur das Ausbleiben von Staatszuschüssen und dgl.
eine Störung hervorrufen. Bis jetzt sind über 800 Thlr. für die bis jetzt ge-
legten 10 fertigen und unfertigen Bilder, theils verausgabt, theils noch zu be-
zahlen und setzt der Kirohenvorstand nur die Hoffnung auf Ihre gef. Beihülfe,
^ indem voraussichtlich die von Herrn Wiethase im Kostenanschlage angesetzten
2900 Thlr. bei Weitem überschritten werden müssen, da das Beschaffen des
Materials, das Behauen der Steinchen und die Arbeitslöhne permanent 4 Mann,
manchen Thaler absorbiren.
Auf einen baldigen freundlichen Brief, welcher uns einige hundert Thaler
überweisen wird, rechnend, zeichnet
Mit bekannter Hochachtung Ihr ergebener
W. Soheben.
*) Es ist vollständig bezeichnend für den Anonymus, dass er aus dieser
Anmerkung; welche lautet: »Leider hat der Kirchenvorstand von St Gereon
weder aus eigenem Antrieb noch auf unseren besonderen Wunsch die unter der
Ghortreppe gefundene Berandnng des Mosaikbodens weiter aufsuchen lassen.
Das schriftliche Anerbieten des Vereins (von dem doch der Impuls und die Be-
schaffung der ersten Geldmittel zur Herstellung des Mosaiks ausging), die Kosten
weiterer Nachsuchungen zu tragen, ist nicht einmal einer Antwort gewürdigt
wordene in gehässiger Weise die eingeklammerte Stelle herausgreift und das
Uebrige weder erörtert noch rügt.
17
258 Misoellen.
zeage ich auf seinen Wunsch, dass derselbe mir die Texi-Gorreoiurbogen des
Werkes über den Mosaikboden von St Gereon vor dem Abdrucke zur Aeusserung
vorlegte und dass ich deren Inhalt als der thatsachlichen Wahrheit vollständig
entsprechend erkl&rte. Die Restaurationsversuche in S. Gereon wurden meiner-
seits erst begonnen, als der Torstand des Vereins von Alterthumsfreunden mir
das Versprechen gegeben^ die Resultate der Arbeit au voröffentlichen.
Cöln, ^. Februar 1876. Toni Avenarius.
Dem Anonymus stand es frei und steht es noch heute frei, das in unsem
Händen befindliche urkundliche Material einzusehen und sich darüber zu ver^
gewissem, wie fern es der Absicht des Vorstandes lag , die regsame Bethei-
lignog des damaligen Kirchmeisters H.W. Schoben an der geschäftlichen
und praktischen Förderung des Restaurationswerkes zu schmalem, wenngleich
deren Würdigung ausserhalb einer lediglich wissenschaftlichen Erörterung lag.
Wenn sie unterblieb, so geschah dies ausserdem lediglich desshalb, weil des
Herrn Schoben nicht gedacht werden konnte, ohne die gesammten, zwischen
dem* Eirchenvorstande, dem Frofl ans'm Weerth und nns stattgegehabten
Vorkommnisse zu erörtern. Für die Wissenschaft waren diese Dinge neben-
sächlich und gleichgültig und wir verfuhren jedenfalls schonend nnd billig, indem
wir darüber schweigend hinweggingen.
Diesem Thatbestand gegenüber wird man die Kühnheit oder im günstigsten
Falle die Leichtfertigkeit des Anonymus nur ans einer feindseligen Tendenz
verstehen können, die aus localer oder personlicher Eifersucht dem Verein nach
jahrelangen Mühen das Verdienst missgönnt, durch sein thäUges Eingreifen zur
endlichen Hervorziehnng und Rettung eines alten Denkmals beigetragen zu haben.
Bonn, im Februar 1876.
Der Vorstand des Vereins von Alterthumsfreunden
im Rheinlande.
Berichtigungen und Bereicherungen zu meiner Publikation der
mittelalterlichen Mosaikböden.
Nach dem Erscheinen des vorstehenden Buches sind mir mehr als 20
briefliche und gedruckte Besprechungen desselben zugeg^angen, für deren Wohl-
wollen den Verfassern, besonders den Herrn 8chhr.'*sey Otte^ Lübke, Mess-
mer, Harless, Bergan, Aldenkirchen u. s. w. zunächst Dank abzu-
statten, die angenehme Pflicht mir obliegt.
Einige Worte muss ich denjenigen Besprechungen widmen, welche Be-
reicherungen, abweichende Meinungen oder Missverständnisse enthalten; und
ausserdem mehrere wesentliche Nachträge verzeichnen. In Bezug auf letztere
vde auf eine Anzahl Druckfehler kann ich nicht umhin, auf die sehr ungünstige
Situation hinzuweisen, in welche unversehens jeder Oelehrte geräth, der sich dazn
herbeüässt, Festschriften zu einem bestimmten Tag% fertig stellen zu müssen.
Es ist durchaus unmöglich zu wissen^ wie weit man in einer vorbemessenen Zeit
eines Stoffes Herr sein kann. Erst im September des Jahres 1873 kam ich mit
' Misoellen. 259
den Zeichnangen neu aufgefundener Mosaiken von Italien zurück und am 9. De-
oember, also 8 Monate nachher, mustten dieselben verarbeitet und publiciert sein.
So schwierig an imd für sich die Bearbeitung eines neuen Stoffes ist, so leicht
und selbstverständlich ergeben sich für denselben nach der Veröffentlichung
sofortige Nachträge, wie ich solche auch am Schlüsse ankündigte.
Meine Ansicht, dass der Inhalt der italienischen Mosaikböden zur Zeit, als
sie entstanden, gemeinverständlich war, bestätigt Professor Springer in seiner
Arbeit: Eunstgeschichtliche Findlinge p. 381 im 9. B. der Lützow'schen Zeit-
schrift für bildende Kunst durch belangreiches weiteres litterarisches Material
und schlägt dann vor, die vom Maler Avenarius als »Josef, dem Potiphar's
Weib das Gewand entreisstc und iJosua's Kundschafter, welche Rahab heimlich
aus ihrem Hause lässtc restaurirten beiden Cölner Bilder, weil sie ganz einzeln
und ausserhalj) der Folge der übrigen dem Leben David's und Simson's gewid-
meten Darstellungen stehen, für zwei weitere Scenen hieraus zu halten. Für
das erste Bild wird angezogen: Buch Samuelis I, 18, 4; »Und Jonathan zog
aus seinen Bock, den er anhatte und gab ihn David, dazu seinen BianteLc Die
einzigen erhaltenen beiden Buchstaben 10 der alten Insi^rifb können den Anfang
des Namens Jonathan gebildet haben ^). Für das zweite Bild dienen gleichfalls
aus dem Buch Samuelis I, 19, 12 die Worte: »Da Hess ihn Michal durch's
Fenster hernieder, dass er hinging, entfloh und entrann.! Der durch diesen
Vorschlag gewonnene grössere cyklische Zusammenhang bestimmt mich, demselben
beizutreten. Meiner vollen Zustimmung zur Polemik Springer's gegen die
Auffassung, als stellten die Scenen aus dem Leben David's, Simson's, Josua's und
Josef 's die 4 Tugenden der Weisheit, Stärke, Klugheit und Keuschheit dar, muss
ich ebenfalls erwähnen, weil der Verfasser zu bemerken unterlassen hat, dass
ich diese Ansicht Anderer nur erwähnte (p. 6), um sie als irrig zu verwerfen.
In den Grenzboten (1874 p. 161 ff.) wendet sich Herr Engelmann mit
glücklichem Erfolg der Wiederherstellung der metrischen Beischriften zu den
Monats-Darstellungen im Mosaikfussboden von Piacenza zu. Die Frage der theil-
weise zerstörten Texte dieser Inschriften, in denen zunächst vorab einige Druck-
fehler zu beseiehnen (man lese Taori statt aari, Laconas statt Jaoonas, Mareia
statt Mardo) *) und einige Ergänzungen *) nachzutragen sind, ist seitdem voU-
^) Gemäss dieser Deutung schlägt Prof. Springer für die jetzige nnf
Josef und Pothiphar bezügüelfe Inschrift die Worte vor:
Spoliavit se tuniea et dedit eam David.
Prof. Springer dtirt durch Versehen anstatt das I. B. Sam. das I. B. d. Könige.
*) Andere Druckfehler mögen beiläufig erwähnt werden : z. B. 8. 7. Z. 27
lese man Samson statt Samuel; 6. 7. Z. 6 10. Jahrh. statt 11. Jahrb.; S. 9. A. 2.
Fussböden erster Gattung statt dieser Gattung; S. 21. A. 70 Bärentödtung statt
Hundetödtung.
*) Ich verdanke dieselben einer Photographie, die Graf Bemardo Pallestrelli
in Piacenza nach einer vor vielen Jahren von ihm angefertigften Zeichnung für
mich herstellen zu lassen die grosse Güte hatte. Leider traf dieselbe erst
260 IdisoelloQ.
Btftndig durch die Wahrndunong geloei, daas diese Yene aftmmtHch dem nadi''
folgenden Gedichte des Ausonius entnommen wurden«
Gedicht des Ausonius 8. 232 der Zweibruoker- Aufgabe» überschrieben:
In quo mense quod Signum sit ad oorsum solis.
Prinoipium Jani sandt tropicus Oapricomus.
Mense Numae in medio solidi stat sidus AquarL -
Procedunt duplices in Martia tempora Pisoes.
Respicis Apriles, Aries Phryxee, Elalendas.
Biaius Agenorei miratur comua TaurL
Juniofl aequatos coelo videt ire Laoonas.
Solstitio ardentis Gancri fit Julius astrum.
Augustum mensem Leo fervidus igne perurit.
Sidere, Virgo, tuo Baochum September opimat.
Aequat et Ootober sementis tempore Libram.
Soorpion hibernus praeoeps iubet ire November.
Terminat Arcitenens medio sua signa Decembri ').
Eine weitere Bereicherung kann ich bezüglich der auf dem Mosaikboden von
Pieve-Terzagni (Taf. YII) stehenden Zauberformel beibringen. Dieselbe kommt
n&mlich schon auf einer antiken Metallplatte vor, welche in Eappadocien gefunden
und in der zu Athen erscheinenden Zeitschrift : 4>ili(nt}Q Band lY. S. 829 pubHciert
wurde. Femer steht sie in einem zu Yenedig gedruckten Bomanus%üchlein und
zwar S. 7 mit der üeberschrift: Kunst, Feuer zu löschen ohne Wasser: »Schreibe
folgende Buchstaben auf jede Seite eines Tellers und wirf ihn in das Feuer,
sogleich wird es geduldig auslöschen. Femer steht die Formel S. 18 als Mittel:
»Dem Yieh einzugeben vor Hexerei und Teufelswerkc
Auf die Darstellung der Erlegung eines Bftren (Taf. XI) bezieht Engel-
mann die Erzählung David's (I. Sam. 84—36) von der Üeberwindnng des in die
Heerde eingebrochenen Löwen und Baren und ergänzt demnach die Schriftreste
als Ausgänge 2. Hexameter also: (c)aniB occupat u(rsum); darunter (Da)vid r(ex)
mehrere Bfonate nach dem Erscheinen meiner Schrift ein, und konnte somit
nicht mehr benutzt werden. Yerschiedenheiten der Darstellung zeigt die Falles-
trellische Zeichnung nicht. Bezüglich der Inschriften hat sie einige Buchstaben
mehr, nämlich vor dem Altar sazo (bei mir nur aEo)| ein Inschrifkrest der wahr-
scheinlich dem Namen des Donators oder des Künstlers (Sazo kommt als Name
vor bei Goldast, Rer. Alam. U p. 101) angehört; beim Februar das vollständige
Wort aquarii; beim Juli vollständiger ardentis c . n . ri (cancri) fort; beim No-
vember (Scorpi)us hibemiu (i)ubet.
') Auf dem Mosaik, wo die Umschriften theilweise beschädigt sind* finden
sich folgende Abweichungen:
Z. 4. Aprilis statt Apriles.
Z. 7. Austrum statt Astrum.
Z. .10. Octuber statt October.
Z. 11. (Soorpi)u8 hibemi v . ., wie auch' die Ausgabe des Yinetus Scorpins
hibemum praeoeps jubet ire Novembrem hat.
Mifloellen. 261
pw(mti(t ill)u(m). löfa kann mich mit dieser glücklichen Ergänzung nur ebenso
einverstanden erklären, wie ich andre Meinungen als voreilig und irrig anrück*
weisen muss '). Ich will unter denselben besonders eine hervorheben, um dadurch
zur Beseitigung vielfacher Gonfusion aber die technischen Benennungen der
Mosaikarten beizutragen. S. 9 Abth. IV wurde unterschieden zwischen dem aus
geometrisch geschnittenen kleinem und grossem Pl&ttchen gebildeten Mosaik und
dies opus tessellatnm oder opus alezandrinum genannt, im Gegensatz zu dem aus
kleinen BteinwÜrfelü zusammengesetzten Mosaik, dem opus vermiculatum. Genauer
genommen hat man nun 2 Gattungen von Mosaik und zwar jede in 2 Unterab-
theilungen, also 4 Mosaikarten zu unterscheiden : Opus alexandrin um, welches
ursprünglich nur aus geometrisch geschnittenen und zusammengesetzten Platten
von grünem Syenit und rothem Porphyr bestand '), nennt man sp&terhin und
nunmehr geometrisches Plattenmosaik im Allgemeinen. Opus tessella tum stellt
gleichfalls geometrische Mustemng dar, aber durch kleine Würfel. Biese beiden
Arten gehören somit nach der Darstellung geometrischer Muster als eine Gattung
zusammen. Dieser gegenüber steht die Gattung der figürlichen Darstellungen
von Menschen, Thieren und freien Ornamenten, welche sich in die Arten des
opus vermiculatum und opus seotile theilen: Bei erster m werden die
gesammten Bildfiftchen aus kleinen Würfeln zusammengesetzt; bei letzterm die
') Uebereilt erscheint gelegentlich der Monatsdarstellungen vom Fussboden
zu Piacenza beim Mai die Büge, es sei das dort am Boden liegende Thier als
Steinbock bezeichnet, obgleich die Inschrift richtig vom Stiere, als dem Sternbild
des Mai's, rede. Wenn H. Engelmann sich die Zeichnung ansieht,, so wird er
bemerken, dast der Mosaicist im Widersprach zur Inschrift und offenbar also
irrig, durch spitzes Maul, zurückliegende Homer und vor Allem durch lange
MUmen nicht einen Stier, wol aber einen Steinbock charakterisirte. An der Rich-
tigkeit der Zeichnung habe ich keine Ursache zu zweifeln, weil die erwähnte
Photographie des Grafen Pallestrelli dieselbe Auffassung zeigt.
Der Vorschlag im 2. Hexameter zum Bilde Davids mit seinen Musikern
(p. 6) die Worte At regens cursum umzuändern in At dominus oursum würde
der vorhandene von mir schon jlberschrittene Baum nicht gestatten, man mfisste
denn Abkürzungen annehmen. Ich will hier gleich einen andern nicht wahr-
seheinlichen Vorschlag, den Prof. Gbedechens in Nr. 9 p. 1S6 der Jenaer Litte-
raturzeitung macht, erwähnen. Derselbe bemerkt richtig zu Taf. XII, 8 (Mosaik
V. S. G. R zu Ravenna), der kampfende Matrose befinde sich nicht auf dem
Mäste, sondern auf einer an den Thurm angelegten Leiter, irrt aber, wenn er die
beiden Bischofsmützen der Delinquenten Taf. XII. 2 für Zinnen der Mauer von
Byzanz hält. Es wäre docli nicht einzusehen, waram diese, nachdem sie erst
über den Köpfen jener beiden Verurtheilten beginnt, nicht weiter fortläuft. Dazu
haben jene beiden Kopfbedeckungen eine karmoisinrothe Kostum-Farbe.
') Dass opus alexandrinum nicht nach dem Kaiser Alexander Severus, wie
gewöhnlich angenommen wird, sondern nach der Stadt Alexandrien als dorther
stammende Mode benannt ist, habe icl» p. 9. A. 1 erläutert,
262 Miaoellen.
Umrisse der ganzen Gebilde, seien es nun menschliche Figuren, Thiere, Pflaosen
oder Ornamente, nach der aufgelegten Schablone aus dünnen Platten aufge-
schnitten und in eine Grundfläche eingelegt. Gruppirt man nach ^et Form des
verwendeten BCaterials, so kommen, weil aus gleichen kleinen Würfeln gebüdet, opus
tesselatum und opus yermiculatum zusammen; und im Gegensatz^ dazu opus seetile
und opus alexandrinuni in eine Abtheilung, insofern beide aus Platten zusammen*
gesetzt werden. Freilich mit dem Unterschiede, dass beim opus seotOe die Form
der Platten dexjenigen der Figuren entspricht, beim opus alexandrinum erst durch
die Zusammensetzung von Platten Figurationen entstehen. Opus .sectile ist somit
in dieser Hinsicht gar kein Gegensatz zu opus alexandrinum, sondern letzteres
eher eine Varietät des ersteren, wie es mit mir auch Otfr. Müller, Handbuch
de Arcb. S. Aufl. S. 460 und neuerdings Heusens, Clements d'Arohtologie chre-
tienne S. 188 auflassen ').
In meiner Au&ählung der Fussböden von opus alexandrinum befindet sich
auch der jetzt nicht mehr Torhandene, aus einer Abbildung bei Gkittnla bekannte,
der Abteikirohe zn Monte Gassino, von dem nun Eng^lmann vermeint, man könne
denselben höchstens als opus sectile und nicht als opus alexandrinum bezeichnen
und sieh dabei auf de Rossi (BuUetino orist. II S. 46) beruft, der aber gerade
an der betr. Stelle durch seine, meiner Aufifassung entsprechende ]>Bfiniiion von
opus sectile *) erhärtet, dass der ehemalige Flattenboden geometrischer Musterung
in Monte-Cassino, der weder Thier- noch Pflanzen-Bilder enthält, nicht in die
Gattung des opus sectile, sondern in diejenige des opus alexandrinum gehört.
Herrn Engelmann ist hier offenbar ein Versehen begegnet. Als herTorragendea
Beispiel des mittelalterlichen opus sectile steht am Schlüsse meines Buches ein
Mosaikfeld aus der TaufcapeUe zu Florenz.
Der Zweck meiner Mosaikschrift war lediglich der, die richtige kunst-
historisohe Stellung für die mittelalterlichen Mosaikböden zu gewinnen und die-
jenigen bisher so gut wie unbekannten, welche ich durch persönliche Anschauung
kennen lernte, zu veröffentlichen; keineswegs aber die vermessene Absicht, für
eine bisher unbeachtet gelassene Gattung von Kunstwerken von vom herein
schon das annähernd vollständige Material, das wohl noch Niemand übersieht,
beibringen zu wollen. Hätte ich auf die eigene Anschauung verzichten und
mich mit uncontrollirten litterarlschen Nachweisungen beg^nügen woUen, so wäre
es leicht gewesen aus Didron's Annalen (10, 236. 17, 120 u. s. w.) und andern
Büchern eine stattliche Anzahl weiterer Fussböden beizubringen und die Tafeln
aus den Werken von Artaud, Carducci u. s. w. abdrucken zu lassen. Obgleich
>) Gleicher Weise äussert sich Labarte, Hist. des arts industr. t. IV S. 283.
') il se compose de pierres, de diverses couleurs deoouprees sur les
contours des fignres dessin^es dans les cartons originaux,_de teile sorte qu'il en
resulte oomme une peinture de marbros et de pierres fines etc. Als Beispiele
aus dem Alterthum werden dann eine Thiergrnppe und der Raub des Hylas ci-
tirt und opus sectile (wie es auch Otir. Müller thut) mit dem modernen florenti-
nischen Mosaik lavoro di comesso gleich gestellt.
Mischen. 268
ich z. B. zw6i Mal yergeblich in Pesaro war, um den dortigen 'Mosaikboden
im Dome zu sehen, habe ich mich aas Mangel an Autopsie nicht ent-
schliessen können, nach der durchaus schlechten Abbildung Garduoci's mehr
darüber zu sagen als S. 14, A. 12 geschehen ist. Nach der von mir gegebenen
Vorarbeit und dem darin enthaltenen Material wird ein weiteres den gesammten
Stoff umfassendes Werk mit geringeren Möhen zu kämpfen haben. Sollte Herr
Engelmann oder ein anderer Gelehrter dasselbe übernehmen wollen, so werde
ich ihm gerne meine gesammten weitern Vorarbeiten abtreten und auch der
Verein ihm gewiss seine Unterstützung gew&hren.
E. aus'm Weerth,
Nachträge und Berichtigungen zu den Augenarztstempeln,
8. 9S ff.
S. 94. Z. 10. Der doi^t besprochene angeblich aus Mainz stammende ver-
meintliche Okulistenstempcl ist in Wirklichkeit im vorigen Jahrhundert in oder
bei Rom gefunden worden und in den Besitz des Herzogs Charles von Richmond
gelangt. Er ist zuerst genau beschrieben und abgebildet worden von Mortimer
in der Abhandlung Deseription ol an antique meto} stamp in den PhilosophiccU
IVansacUona v. J. 1788. Oct. p. 888 ff., woraus lindenschmit wahrscheinlich seine
Copie entlehnt hat. Es ist ein einfacher Bronzestempel mit ein'Sm Ring auf der
Rückseite, dessen von der Rechten zur Linken laufende Inschrift sowie die sie
umgebende Ein&ssung erhaben gearbeitet sind. Die Inschrift selbst lautet:
'IJIOaADIO
NeaAiMfian
wodurch Grotefend's Vermuthungen bestätigt werden.
S. 95. Z. 12. Grotefend ist mittlerweile, was ich leider übersehen habe, der
Ansicht von Conestabile und Dctlefsen, wonach diese Stempelinschriften Marken
von Glasschalenfabrikanten sind, beigetreten. Vgl. Bulietino 1870 p. 188.
S. 98. Z. 2. V. u. fuge hinzu : Ferner der Stempel des L. Sextius Marcianüs
zu Ingweiler im Elsass (n. 90 ^is G. I. Rhen. n. 1878), auf dessen Flächen einer-
seits L S M = L(ucii) S(extii) M(arciani), andererseits S ^ E eingeritzt ist ;
endlich der nicht zu Aleria auf Corsica, sondern, wie Remer, Comptes rendua
de VaeacL fr, des inacr. et beüea-lettreSy Nouv. Serie, t. VI p. 79 und Robert,
Müomges d'archiohgie p. 14 nachgewiesen haben, zu Alleriot bei Saint-Marcel-
lez-Chälons-sur-Saöne gefundene Stempel des Reginus (n. 84), auf dessen Fläche
sich die Buchstaben G * S finden. Vgl. Baudot in Millin's Magazin encychpae*
diquet An 1809, t. II p. 105.
S. 100. Z. 2 V. u. fßge hinzu : Dies scheint eine Bestätigung darin zu finden,
dass auf dem Pariser Stempel des Paulinus (n. 77) die einzelnen Seiten durch
die Zahlen I. II. IIL auf jeder der beiden daran stossenden Flächen näher
bezeichnet sind. Vgl. Sichel, Cinq cachets inidite p. 13 und Grotefend a. a. 0.
& 100.
S. 101 zu Stempel n. 113. Eine genaue Durohzeiohnung der Inschriften
36i Miecellen.
und Graffiti^ welche ich der zuTorkommenden Freundlichkeit des Herrn Robert
verdanke, und wofür demielben auch hier zu danken ich mich um so mehr
gedrungen fühle, als dieser hohe französische Beamte, trotz seiner vielen dienst-
lichen Gesch&fte und Reisen, sich unaufgefordert dieser Mühe unterzogen bat,
ermöglicht es mir meine Angaben zu berichtigen. In Inschrift 1 Z. 2 ist R in
SCABR vollständig erhalten. 2. Z. 2 lies CALIG und nicht CAJIG, wie ich
durch eine Undoutlichkeit des Facsimile }^i Castan verleitet geschrieben habe.
Demnach ist auch das auf S. 13 Z. 1 v. u. über die Ligatur von L nnd I Ge-
sagte zu modificiren. 8. Z. 2 fehlt der Funkt nach DELAC und steht wirklich
EX ' EM • PVL auf dem Steine. — Die Zeichnung Robertos bestätigt, dass die
Graffiti auf den beiden Breitseiten des Stempels reine Verzierungen und die in
der Mit& der einen Fl&cho befindlichen Abbildungen Ffianzenwurzeln darstellen^ —
S. 117. Z. 6 V. u. fuge hinzu: Dass diese Erklärung von penidllum die
richtige ist, ergibt sich aus dem Umstände, dass auf dem Stempel des Paulinus
(n. 77) zu Paris hinter den Worten LENI * PNICLM sich ein einem Pinselchen
ähnlicher Gegenstand abgebildet findet, den Sichel Citiq eaeheU inidUa p. 13 in
folgender Weise beschreibt : ^^Apris U mat penicillum e$i gravi tme petite imagt de
eeUe priparaUon, gut la' repriaente eomme une mitehe de ehdrpie ou un piumaaeeau
aüangif campoel de hfine juxktposis et riunie par de$ füa qw Us eerretU.**
8. 120. Z. 16 füge nach „Gefunden'^ hinzu: „im November d. J. 1872.'<
S. 130. Z. 10 V. u. fuge vor ,,Bulletin'^ hinzu : „De Roucy," und Z. 9 v. u.
lies „p. 843 £« anstatt „p. 80."
S. 182. Z. 13 V. u, füge noch nach ,ß, 188 t" hinzu „und eben daher im
Philologus Bd. XXXIY 8. 384.'<
S. 186. Seit der Beendigung des Druckes dieser Abhandlung ist ein
neuer Augenarztstempel bekannt geworden, welchen ich der Vollständigkeit
halber hier noch folgen lasse:
128.
Tiberins Claudius Onesiphorus.
Gefunden in dem Bezirk von Arbois (D6p. da Jura) auf einem en Cham"
pavant genannten Terrain in einem Weinberge.
1. TICL-ONESIPHORI
DIAPSORICVM
2. I • CL • ONESIPHORI
^NICILLE EX OVO
1. Ti(berii) Cl(audii) Onesiphori || diapsorioum.
2. [T]i(berii) Cl(audii) Onesiphori || [p]enici](luro) le(Be) ex ovo.
Litteratur: Rouget im Bulletin de la soeUtS d^agrieulture, seieneee et arte
de JMigny, i. XV (1874). — A. Castan in der ßevue archiologique, Nouv. S4rie,
t. XXVIII (1874) p. 896— 89a
Der Stempel besteht aus einem gleichmässig grünen Speckstein und bat
ein Gewicht von 46 Grammes. Sepe Grösse beträgt 86 Millimeter, seine Dicke
Misoellen. 265
7 Millimeter. Er ist, wenn man von den abgesioasenen Ecken und einigen
Ritzen auf den Fläehen abrieht, im Ganzen gat erhalten.
Die beiden Breitseiten sind ▼ollkommen glatt. Dia eine hat in ihrer
Mitte ein Viereck, dessen Seiten 2 Centimeter messen; von dem Ende einer
jeden dieser Seiten ziehen sich unter stumpfen Winkeln Ränder hin, welche
gleichmjlssige Vierecke umschreiben. Nur zwei der Seitenflächen sind beschrieben
mit je zweizeiligen Inschriften, deren rückwärts laufende Buchstaben nngefiihr
8 Millimeter Höhe haben. Oberhalb und unterhalb der Buchstaben sind Linien
eingeritzt, wie dies auch schon auf anderen Stempeln beobachtet worden ist.
Durch die Beschädigung, welche der Stempel an den Ecken erfahren hat, sind
zu Anfang der zweiten Inschrift in der ersten Zeile ein Buchstabe (T), in der
zweiten der erste Buchstabe (F) und vom zweiten (E) der perpendikuläre sowie
der untere horizontale Strich verloren gegangen.
Der Augenarzt Tiberius Claudius Onesiphorus kommt hier zum ersten
Hai vor. Sein Cognomen Oneriphoms, welches auf Inschriften übrigens nicht
gerade selten und, wie die weitaus grössere Zahl der Zunamen der Augenärzte,
griechischen Ursprunges ist, weist auf seinen geringen Stand und seine nnfireie
Herkunft unzweideutig hin. Dasselbe Ck>gnomen fuhrt auch ein Militärarzt der
legio III Augnsta zu Lambaese, Titus Flavius Onesiphorus, bei Renier, Inser
rom. de VJJgMe 641 = Henzen 7420 a<f<f. —
Was die auf dem Stempel verzeichneten Mittel anlangt, so ist das
DIAPSORIGVM als Heilmittel gegen die iptoga ßlctpagtay, scabrities oculorum
aus den bisher veröffentlichten Stempeln hinlänglich bekannt, so dass es keiner
besonderen Erörterung desselben bedarf. — Ebenso kann ich fSLr dieErklämng
des zweiten Mittels auf das von Grotefend a. a. 0. 8. 80 f. und von mir zu
Stempel n. 118 Gesagte verweisen. Nur möchte ich bezüglich des Wortlautes
der Inschrift unseres Stempels einem Irrthum Castan's entgegentreten. Derselbe
liest S. 898 dieselbe PENICILLE EX OVO, indem er dem Stempelschneider die
Bildung einer neuen Form penicille neben penicillum und penicillus aufbürdet
und sich zur Stütze seiner Ansicht auf den Stempel des C. Claudius Immunis zu
Mandenre (Grotefend n. 20) beruft, wo nach der Abbildung bei Duvemoy, Notice
twr le paye de MowthUiaird antMeuremerU ä aes premiers comUe pl. XI und
XI 6« C . OL IMMVNIS PENIC | LE AD IMPET LIPPIT EX OVO steht AUeim
Grotefend hat schon durch eine Vergleichung deijenigen Stempel, wo diese
Formel vorkommt, und mit Rücksicht auf Gelsus VI, 6, 8 überzeugend nachge-
wiesen, dass PENICIL|LE dort in zwei Wörter PENICIL(lum) LE(ne) zerlegt
werden muss. Vgl. die Stempel n. 14. 20. 49. 59. 76. 77. Demnach muss
PENICILLE unserer Inschrift ebenso gedeutet werden. » Dass den Mitteln
nicht die Augenleiden, far die sie angewandt werden sollen, beigefügt sind,
findet sich auch sonst. Vgl. n. 1. 6. 16. 80. 118. 119. 122.
Joseph Klein.
Berichtigung zu Nr. 5, »Weihinschrift des Glematius.c S. 146.
Z. 32—34. Maria von Medicis ist wirklich in dem Hause Stemengasse 10, in
266 MifloeUeo.
welcfaos man falwhlioh die Geburt von Rubens gesetzt hat, gestorben. Der da*
gegen früher angeregte Zweifel wird schon durch das gleichzeitige Zeogniss des
Gelen beseitigt, zu welchem neuerdings genauere Mittheilougen gekommen sind.
H. Düntzer.
Hea LIII u. XLIY. S. 882 letzte Zeüe lies: von einem alten an dieser
Stelle befindlichen Kapellchen herrührend.
Nachstehender Zuschrift geben wir gerne Folge.
Geehrte Redactionf
Ersuche um freundliche Aufnahme anliegender Ankündigung in ihrem
Blatte und diess besonders desshalb, weil das hier Nr. 6 angeführte Kunstwerk
eine Kölner Arbeit ist.
München, 26. Febr. 1876. Dr. Stockbauer, k. Professor.
Ausgewählte Kunstwerke aus dem Schatze der »Reichen
Capellec in der k. Residenz zu München.
Herausgegeben mit Genehmigung Seiner Majest&t des Königs Ludwig II.
von Bayern von F. A. Zettler, Inhaber der k. b. Hofglasmalerei- Anstalt, L.
Enzler, Dekan des k. CoUegiatstifts zu S. Gajetan und Gustos der Reichen
Capelle und Dr. J. Stock bau er, Professor an der kgl. Kunstgewerbeschnle in
München.
Ol^leidh diese Praohtpublikation, von der gegenwärtig 8 laeferungen aus-
gegeben sind, zunickst und zumeist Goldschmiedarbeiten des 16. nnd 17. Jahr-
hunderts enthält, sind in dieselbe doch 6 Kunstwerke aufgenommen worden, die
aus früherer Zeit stammend neben ihrer kunstgeschichtliehen und technischen
auch eine hervorragende archäologische Bedeutung haben.
Zu diesen gehören:
1) Die Darstellung der Kreuzigung Christi in Email cloisonn^
auf Goldblech; 0,28 m. hoch, 0,18 breit Tafel 28.
Dieses Kunstwerk, byzantinischen Ursprungs aus dem 10. Jahrhundert, ist
wie durch die Technik seiner Herstellung so durch die Gomposition seiner Figuren
höchst interessant. Die Goldblechplatte ist an den Stellen, welche zur Aufiiahme
der Figuren bestimmt waren, nach rückwärts vertieft und in diese, den Um-
rissen der Figuren entsprechende Vertiefungen sind die einzelnen Goldvr&nde,
welche die Emailfstrben trennen, eingelöthet.
Die Gomposition zeigt neben Christus am Kreuze mit ausgebogenem Unter-
leibe, die Füsse auf dem Trittbrptte, Maria und Magdalena, Johannes nnd den
Hauptmann, darüber zwei Engel und die Zeichen von Sonne und Mond. In-
schriften, wie selbe an griechischen Kreuzen gewöhnlich, fehlen auch hier nicht:
'ff QiavQOKng, *ld€ 6 vlog aov, idov ^ fJ^v^^ ^^^' Unter dem Kreuze sitzen 3 Sol-
daten, welche den Rock des Erlösers vertheilen. Ihre daneben stehenden Waffen,
sowie die Kleidung des Hauptmanns lassen einen ungefähren Schluss anf die Zeit
machen; in der dies Kunstwerk entstand,
MisceUen. 267
2. Der Altar des Kaisers Arnulf, 0,58 m. hoch, 9,29 breit, Tafel 17.
Dieser von 4 Säulen getragene und mit einem auf 4 kleineren S&ulea
stehenden Ueberbau gedeckte Altarbaldachin ist urkundlich ein Geschenk des
Kaisers an das Stift St. Emeran in R^ensburg. Auf dem Fries über den S&ulen
steht die Inschrift: Bex Arnulf us amore Dei perfecerat istud Ut fiat omatus
sanc tibus istis, Quem Christus cum discipulis componat ubique.
Die Säulen, das Gebälk, der Unterbau und das Dach sind mit Goldblech
überzogen und an letzterem sind in getriebener Arbeit verschiedene biblische
Sccnen und Gleichnisse dargestellt, z. B. die Versuchung Christi, die Aufer-
weckung des Lazarus und des Jünglings von Naim, die Scene mit Petrus: Petre
amas me? und das Gleichniss: »Aspicite volatilia codi«. Letztere Darstellung
ist deshalb von erhöhter Bedeutung, weil sie sich auch an den alten Augsburger
Thüren befindet und^ in Ermangelung einer Unterschrift ganz anders gedeutet
wurde. Es ist dies jene Tafel, welche eine lang gekleidete Figur zeigt, die das
am Boden befindliche Geflügel futtert. Im Innern des Altärchens befindet sich
ein leider der Einfassung fast ganz verlustig gegangener Altarstein.
3. Das Reliquiarium Kaiser Heinrich II. 0,44 hoch, 0,85 breit, Tafel 10.
Dieses Kunstwerk besteht aus zwei gleich grossen Platten. Die Erstere
hat in der Mitte ein grosses viereckiges Stück von Bergcristall und ringsum
einen mit Perlen und Eddsteinen in brillanter Fassung reichverzierten Rand.
Eine Inschrift daran gibt über die Entstehung des Kunstwerkes folgenden
Aufschluss:
En Caesar Sophiae renitens Henricus honore
Christe, creatori dedit hoc tibi mun^s honori.
In quo sanctae crucis pars clauditur ac decus orbis
Redde vicem patriae donando gaudia vere.
Die Entstehung dieses. Werkes fällt also in den Anfang des 11. Jahrhunderts
und es war ein byzantinischer Künstler, wie deren damals Yide im Ocddente
lebten, der dassdbe gearbeitet.
Auf der «weiten Platte befindet sich eine kreuzförmige Vertiefung, zur
Aufnahme einer Kreuzpartikel bestimmt; in den Winkeln derselben auf Gold-
blech gravirt die Bilder der Evangelisten, und auf der Rückseite, umrahmt von
einem Band aneinandergereihter Medaillons mit byzantinischen Heiligen die neben-
stehend abgebildete Darstellung: Das Lamm Gottes mit seinen alttestamenta-
rischen Vorbildern.
4. Derselben Zeit entstammt ein zweihenkliger Cristall-Kelch (Tafel 17)
welcher ursprünglich eine einhenkelige Tasse war, mit erhaben gearbeiteten Ara-
-besken verziert, neben denen der Grund vertieft ausgeschliffen worden. Später
wurde eine Cristallkugel darunter gesetzt und dieselbe mit dem Tassenkörper und
einem goldenen Fusse verbunden, auch ein zweiter Henkel von Gold angesetzt.
5. Das Kreuz der Gisela von Regensburg. Tafd 37.
Gisela, die Schwester Heinrich II und Gemahlin des ungarischen Königs
Stefan I. liess ihrer Mütter auf deren Grab in Regensbnrg ein kostbares, mit
Perlen, Diamanten und orientaUschen Emailplättchen reichverziertes 0,40 m.
hohes Kreuz setzen. Die verschiedenen an dem Kreuze angebrachten Insohriftea
968
Mifloellen.
geben ziemlich voUit&ndige AalU&mng über denen Entstehung. An der vorderen
Seite befindet sich Christas der Gekreiuigte in runder Figur, za dessen Fflssen
in Belief die beiden Königinnen. An der Röokseite ist die Kreazigung nach
bystntinisoher Manier eingegraben.
6. Das Alt&rohen der Maria Stuart Tafel 20.
Dasselbe, so klein es ist (es ist geschlossen 0,062 m. hoch. 0,041 breit),
ist durch seine Geschichte und seine Technik äusserst merkwürdig. Es stammt
von der unglücklichen Königin und kam durch mehrere Zwisohenh&nde in den.
Besitz des bayerischen Hofes, der mit Maria Stuart eng verwandt war. Die Dar-
stellungen darauf sind mit dem feinsten, bis jetzt bekannten transluciden Email
gemalt und rühren von einem Gölner Meister her.
Eine nähere Beschreibung und Erklärung der genannten Kunstwerke giebt
der dem Prachtwerke beigegebene, von Professor Dr. Stockbaner verlas sie
Tezt^ worauf wir unsere Leser verweisen.
lY. Chronik des Vereins.
für iM ümtwiiilrr 1873 (rerir. yfinslleti 1873-1874).
Die äussern Verhältnisse unserer Gesellschaft dürfen auch fOr den
ohigen Zeitraum als günstige bezeichnet werden. Wenngleich der Tod
uns manche tüchtige Arbeitskraft, manche seit der Gründung des Ver-
eins demselben treu angehörige Mitglieder entrissen und die 23 Namen
der nachgenannten Herrn : Bürgermeister Bau in Mülheim, Geh. Justiz-
rath Prof. Dr. Bluhme in Bonn, Dr. Bodel-Nyenhuis in Leiden,
Pfarrer C läsen in Königswinter, Geh. Archivrath Dr. Grotefend
in Hannover, Notar Guillon in Roermond, Staatsminister von der
Heydt in Berlin, Geh. Gommerzienrath Daniel von der Heydt in
Elberfeld, Professor Dr. Hilgers, Gymnasialdirector Dr. Klein, Dr.
Kapp und Oberst von Wasielewski in Bonn, Prof. Dr. Hotho in
Berlin, Geh. Gommerzienrath Damian Leiden in Cöhi, Freiherr von
Leikam in Elsum, Geh. Begierungsrath Dr. Lucas und Kammer-
präsident von Marr^es in Goblenz, Staatsminister H. von Mühler
in Berlin, Rittergutsbesitzer vonMüllerin Mettemich, Gommerzienrath
Pferdemengs in Bheydt, Dechant Bummel in Kreuznach, Dr.
Westerhoff in Warfum, Rentner Zuml oh in Münster — in unsern
Listen ausgelöscht hat, so verblieb doch in Folge des Eintrittes neuer
Mitglieder der Personalbestand auf der Höhe von 600 Personen.
Die Gesammt-Einnahmen beliefen sich, einschliesslich des in der
270 Chronik des Vereins.
vorigen Chronik bezifferten Ueberschusses von 1469 Thlr. 22 Sgr. 4 Pf.
im Ganzen auf 3767 Thlr. 22 Sgr. 4 Pf.
Die Ausgaben erreichten dagegen, be-
sonders in Folge der reichen Illustrationen
des Jahrbuches LIII u. LIV und der Winckel-
mannsfestschrift über den Mosaikboden von
St Gereon eine Höhe von 3411 „ 11 ,, 2 „
so dass in die Rechnung des Jahres 1874 nur
ein baarer üeberschuss von 356 „ 11 „ 2 „
vorgetragen werden konnte. Derselbe wächst allerdings durch Ein-
ziehung von Rückstanden im Betrage von 269 Thlr. eventualiter bis
zur Höhe von 625 Thlr. 11 Sgr. 2 Pf.
Für die Sammlungen wurden sieben römische Grabsteine und
Altäre, nämlich der in diesem Jahrbuche Taf. V abgebildete Grabstein
des römischen Reiteranführers C. Marius, der kleinere im vorigen
Jahrbuch S, 181 beschriebene der Mellonia, drei aus den Brohler Tuf-
steinbrüchen herrührende, Jahrb. XXX p. 126 erwähnte Altäre des
Hercules Saxanus und eine kleine im Terrain der Provinzial-Irren-
anstalt zu Bonn gefundene Ära derMatres domesticae^} erworben. Ebenso
ging die kleine Sammlung römischer Antiquitäten des Herrn Prof. Dr.
Freudenberg in den Yereinsbesitz über. Eine weitere Bereicherung
erfuhr unsere Sammlung durch den Ankauf einer Reihe römischer
Bronzen aus der ehemalig Prinzlich Wittgenstein'schen Sammlung
und aus anderweitigem Privatbesitz. Als hervorragende Erwerbung
für die Bibliothek darf das Cohen'sche Werk über die römischen Kaiser-
münzen erwähnt werden.
Unter den empfangenen Geschenken heben wir mit nochmaliger
Erstattung unsres Dankes folgende hervor:
1) Von Freiherm Fr. von Diergardt die Summe ton 500 Thlr.
' zu Ankäufen vcm Alterthümem.
2) Yen der Direction der Bergisch-Märkischen Eisen-
bahn eine Anzahl auf dem Bahnhof zu Saarn «& der Ruhr
gefundener römischer Alterthümer.
3) Von dem K. Bau-Inspector Herrn Neumann in Bonn ein
schwarzer römischer Becher mit weisser Inschrift.
4) Von Herrn Alexander Oster in Bona eia desgL
') Mitgetheilt in der Miscelle p. 238 dieses Jahrbuchs.
Chronik des Vereins. 271
5) Von Herrn Major von Rosen in Cöln einige Finger-Ringe
von Bronze, gefunden in Livland.
6) Von Herrn Director Kr ob er in Sayn eine dort gefundene
silberne germanische Armspange.
7) Von der EönigL Regierung in Coblenz zwei im Kreise
Zell und im Kreise Simmem (an der Römerstrasse zu Mors*
bach) zu Tage gekommene römische Grabfunde, unter denen
zwei grosse zweihenklige mit Deckeln versehene Aschen-Urnen
aus Glas hervorragen.
8) Von einem ungenannten Gönner, überreicht durch den Herrn
Oberbürgermeister Kaufmann von Bonn, ein Oelgemälde
des Anton von Worms, darstellend Petrus und Paulus.
9) Von Herrn Prof. Dr. Fr. Fiedler in Wesel eine Sammlung
Siegelabdrücke römischer, besonders am Niederrhein gefan«
dener Gemmen.
10) Von Herrn Prof. Dr. Ko n e r in Berlin ein Exemplar der neuesten
Auflage seines Werkes: Das Leben der Griechen und Römer.
11) Von Herrn Hofr. Essellen in Hamm mehrere seiner Schriften.
Ausgrabungen wurden in der verflossenen Periode nur in Ban-
dorf veranstaltet ; das Resultat derselben ergibt der Bericht p. 100 ff.
im Lin. u. LIV. Jahrbuch.
Der Vorstand hat drei neue auswärtige Secretäre und zwar für
Rheinherg Herrn Friedensrichter R. Pick, für Viersen Herrn Gaplan
Aldenkirchen und für Trier Herrn Oberlehrer Dr. Bone ernannt 0.
Wie alljährlich beging der Verefn am 9. Dezember 1673 in öffent-
licher Sitzung das Geburtstagsfest Winckelmanns. DerVereins-
präsident Berghauptmann Nögg erat heröffnete dieselbe mit einer der
Bedeutung des Tages gewidmeten Anrede. Professor Th. Bergk hielt
darauf den Hauptvortrag über den Ursprung und die Bedeutung der
als etruskisch angesprochenen Metallfunde diesseits der Alpen. Während
man früher diese Gegenstände als Erzeugnisse einheimischer Industrie
ansah und insbesondere den Kelted einen nicht ^meinen Grad von
Kunstfertigkeit zuschrieb, nimmt bekanntlich die neuere Alterthums«
forschung einen lebhaften-, ununterbrochenen Handelsverkehr jener
Länder mit den Phöniciem oder den Etruskem an. Der Vortragende
erklärte sich gegen diese Hypothesen und wies namentlich die Vor-
stellung von einem weit reichenden Einflüsse der Etrusker auf Gallien
') Das Amt des ausw&rtigen SecreUriats ist an den Wohnort der ernannten
Seoret&re gebunden nnd erlischt mit dem Verzuge.
272 Chroziik des Vereins.
und den Norden zurück, indem er zeigte, dass alle jene Eigenthttm-
lichkeiten, welche man dem etruskischen Hauptgewerbe zuspricht, ins-
gesammt auch in der älteren gnechischen Kunst sich finden, dass
Oberhaupt die Kunst der Etrusker nicht eigentlich eine originale war,
sondern nur den Überlieferten Typus mit grosser Zähigkeit lange Zeit
hindurch festhielt. Zum Beweise, dass es den Kelten nicht an Geschick
fehlte, um die Metallschätze ihrer Heimath zu verarbeiten, berief er
sich auf die wichtigen Gräberfunde zu Hallstadt in OberSsterreich.
Diese Arbeiten könne man w^en ihres entschieden alterthflmlichen
Charakters den Etruskem nicht zusprechen, da dieses Volk damals
bereits viel weiter vorgeschritten war und den Höhepunkt seiner Cultur
erreicht hatte; auch wenn man einräumen wollte, die etruskSsche In-
dustrie hätte sich" den Geschmacksforderungen der Käufer anbequemt,
so wflrde man doch den imitirten Archaismus von dem primitiven,
wie er uns in der Darstellung der Gräber zu Hallstadt offenbar ent-
gegentritt, sicherlich leicht unterscheiden können. Wenn die Ueber-
reste der keltischen und nordischen Industrie vielfach an die Technik
anderer Gulturvölker erinnerten, so sei dies zunächst nur ein Moment,
um auf den engen Zusammenhang der Völker des Alterthums und eine
gewisse Gemeinschaft der Cultur zu schliessen. Zumal bei den Völkern
des arischen Stammes zeige sich diese Zusammengdiörigkeit nicht
nur in der Sprache und den religiösen Anschauungen, in den Sitten
und Rechtsgewohnheiten, sondern dieselbe offenbare sich vor Allem
auch in dem Triebe künstlerischen Schaffens. Später hätten die in
der Cultur vorgeschrittenen Völker auf andere, welche auf einer nie-
deren Stufe verharrten, eingewirkt ; so ward insbesondere der Einfluss
der griechischen Ansiedler in Massilia auf die keltischen Stämme her-
vorgehoben. — Geheimrath v. Dechen berichtete hierauf über kürz-
lich in unserer Nahe aufgefundene Ueberreste eines alten Oanals. Die
Eisenbahn von Kaischeuren über Liblar nach Euskirchen verfolgt
von dem Dorfe Heiden tin, den Abhang des Vorgebirges bis zu dessen
Höhe entlang, nach Liblar zu eine schluchtartige Vertiefung, Elfter
Graben genannt, in einer Länge von etwa 9,6 Kilom. Die Herrichtung
der neuen Bahnstrecke in dieser schluchtartigen Vertiefung hat den
unzweifelhaften Beweis geliefert, dass letztere ein künstlich hergestellter
Graben ist Die Lehm- Sand- und Kiesmassen, welche ursprünglich
die Ausfüllung desselben gebildet haben, befinden sich gegenwärtig
theils auf einem, theils aber, und zwar hauptsächlich, auf beiden
Rändern desselben abgelagert und bilden dort unregelmässige dämm*
, Chronik des Yereins. 278
artige Erhöhungen. Im Grunde der Vertiefung dieses alten, kflnsüich
hergerichteten Grabens befindet sich ein aus Holz hergestellter, offener
Canal, nadi bergmännischem Ausdruck eine verzimmerte Rösche. Die
Grundschwellen oder Grundsohlen sind von Bundholz 0,b M. stark
angefertigt.und bestehen aus verschiedenem Holze. Die Grundschwellen
sind 0,1 M. starke eichene Bohlen, welche zum grossen Theile voll-
ständig gut erhalten sind. In dieselben sind bis zu O,]» starke ThUr-
stöcke oder Ständer eingezapft. Die Weite des Ganais beträgt inner-
halb der Ständer 1,85 M. Die Seitenwände sind wenig erhalten und
waren aus Brettern von Nadelholz gebildet. In dem Einschnitte
liegen starke Quellen, und der Graben mit der Rösche hat zu einer
Ableitung derselben gedient. Derselbe fahrt nach dem Kloster Bon-
den in den Spikerbach und durch diesen nach Brühl. Nach der
Bearbeitung des Holzes dQrfte die Rösche im 16. oder zu Anfang
des 17. Jahrhunderts ausgeführt sein. — Prof. aus^mWeerth be-
sprach unter Vorzeigung und Erklärung einer Anzahl ausgestellter
griediischer und römischer Waffen die Kriegsgeräthschaften dieser
Völker, und ganz besonders eingehend die aus dem Orient überkom-
mene Angrifiiswaffe der Schleuder. Bekanntiieh haben die bleiernen
Schleudergeschosse wegen der denselben aufgedrückten Inschriften eine
sehr grosse Bedeutung für die geschichtlichen und culturhistorischen
Verhältnisse des Alterthums, namentlich für die Zeit der römischen
Bepublik. Ritschi und Mommsen haben darum in ihren Inschrift-
werkra den Schleuderinschriften mit Recht eine besondere Behandlung
angedeihen lassen. Der Vortragende war so glücklich gewesen, eine
grosse Anzahl solcher beschriebenen Geschosse ^)y an 70 Stück, aufzu-
finden und zusammenzubringen, welche stark zur Hälfte bisher gänzlich
unbekannte und äusserst bedeutsame Inschriften enthalten. — Prof.
Freudenberg unterzog zum Schlüsse die bisher so vielfach bestrittene
Frage nach der Gränze von Ober- und Unter-Germanien zur Römer«
zdt, als welche der Geograph Ptolemäus den Obringafluss bezeichnet,
einer erneuten Besprechung. Während die meisten Alterthumsforscher
baki die Ahr, bald die Mosel oder die Nahe in diesem Namen zu
erkennen glaubten, und theilweise sogar an den Oberrhein(rhin)gau
dachten, führte der Redner seine bereits frUher in den Bonner Jahr-
büchern nach Vorgang des um die Erforschung der römischen Strassen
und Befestigungen in den Rheinlanden sehr verdienten Oberstlieutenants
*) Es sind die in der ersten Abhandlung dieies Jahrbuchs besprochenen.
18
274 Chronik dat
F. W. Schmidt aufgestellte Ansicht weiter aus: dass auf Grund zweier
im Jahre 1809 bei Anlage der Bheinstrasse unmittelbar am Fusae des
Schlosses Bheineck zu beiden Seiten des Vinxtbaches, über welchen
eine Brücke gebaut wurde, gefundener römischer Votivaltäre von Sol-
daten der VUI. und XXX. Legion, deren einer die Widmung Finibus,
genio loci et Jovi 0. M. trägt, dieser Bach, der im Munde des Volkes
noch heute Finsbach (Finis-Bach, Gränzbach) lautet, als die Gränz-
scheide von Germania superior und inferior anzusehen sei. unterstützt
wird diese Ansicht durch den Umstand, dass der Vinxtbach bis zur
firanzösischen Gocupation des linken Bheinufers die Gr&nze des Trierer
und Köbier Erzstiftes bildete, dass Schloss Bheineck noch Jetzt in
Bezug auf Sprache und Sitte das sogenannte Oberland vom Niederland
scheidet, dass femer drei dcfrt belegene Ortschaften die Namen Ober-,
Mittel- und Untervinxt tragen und dass endlich nicht unglacUich der
Versuch gemacht worden ist, den Namen des dortigen Dorfes Breek,
durch Vergleichung mit dem bei Plinius vorkommenden Namen Abrin-
catui, mit dem keltischen Obringa in Verbindung zu bringen. — Einer
Aufforderung des Professors aus'm Weerth, dem Mitbegrftnder des
Alterthumsvereins und verdienstvollen Archäologen Professor Dr. Franz
Fiedler in Wesel, der am Geburtstage Winckelmann's seine
goldene Hochzeit feierte, einen tel^n^phischen Glückwunsch zu senden,
enteprach die zahlreiche Versammlung mit allgemeiner Freude.
Die geschäftliche jährliche Generalversammlung femd am 31. Mai
1874 im Amdthause statt. In derselben wurde den Anwesenden
zuerst Kenntniss davon gegeben, dass der Oberpiusident der Bhe»*
provinz' Herr Dr. von Bardeleben am 29. M8rz zu besonderer
Sitzung den Vereinsvorstand, den Oberbärgermeister von Bonn Herrn
L. Kaufmann, Se. Excellenz den wirkl. Geheimerath Dr. von Decken
und die Professoren Bflcheler, Justi, B. Kekul^, von Sybel und
Schaaffhausen versammelte, um die Ent Schliessung Sr. Excellenz
des Herrn Ministers der geistlichen Angelegenheiten mitzutheilen,
nach welcher die Errichtung von Provinzial-Museen in Trier und Bonn
besdilossen ist. Beide Museen sollen durch eine jährliche Bewilligung
von 4000 Thlr. Seitens des Abgeordnetenhauses und eine gleiche Be-
willigung von jährlichen 4000 Thlr. Seitens des Bheinischen Provinzial-
Landtages dotirt und durch besondere Directoren und eine gemeinsame
wissenschaftliche Fachcommission von acht MitgUedem, der an höherer
Verwaltungsbeamter als Vorsitzender beigegeben wird, geleitet werden.
Das Provinzialmuseum in Bonn würde zunächst atis der Vereinigung
Chronik des Yereins. 275
des Vereinsmuseums und der in der UniTersität befindlichen Sammlung
vaterländischer Alterthümer bestehen; das Trierer Provinzialmuseum
in ähnlicher Weise durch die Vereinigimg der in der Porta nigra be-
findlichen Monumente mit der Sammlung der Gesellschaft für nfitzliche
Forschungen zu bilden sein.
Wenngleich die ganze Organisation erst nach ihrer Passirung im
Provittzial-Landtage und Genehmigung der dort gefassten Beschlüsse 0
') Der am 8. Juni 1874 (also 8 Tage nach iinsrer Generalversammlung) in
der 8. Sitzung des Rhein. Provinzial-Landtages zum Beschluss erhobene Antrag
lautet nebst seinen Motiven (siehe p. 63 und 3*28 der gedruckten Verhandlungen
des 22. Rhein. Provinzial-Landtages) wie folgt:
. Die Rheinprovinzy welche mehr als irgend ein anderer Preussiscber Landes-
theU von den grossen geschichtlichen Ereignissen berührt worden ist und in
welcher die Vergangenheit fast allerorts Spuren derselben zurückgelassen hat,
. entbehrt bis heute der Zusammenfassung und Organisation der historisch-anti-
quarischen Interessen. Was bis jetzt zur Aufdeckung, Untersuchung und Samm-
lung antiquarischer Funde von Privaten und Vereinen geschehen ist, ist vereinzelt
geblieben und hat desshalb auf die Kräftigung des Patriotismus und die ideale
Gestaltung des Volkslebens nur geringen Einfluss ausüben können.
Um diesem Uebelstande abzuhelfen, hat der Herr Oberpr&sident bei dem
Herrn Minister der geistlichen etc. Angelegenheiten den Antrag gesteUt, dass
der Staat behufs Herstellung einer einheitlichen Organisation auf diesem Gebiete
helfend und vermittelnd eintrete. Hierauf ist der Herr Minister eingegfangen
und sind bereits in dem Staatahaushalts-Etat pro 1874 für die im Interesse der
rheinischen Alterthümer zu treffenden Einrichtungen 4000 Thlr. als dauernde
Mehrausgabe unter der Voraussetzung aufgenommen, dass die Provinzialstftnde
eine gleiche Summe zu demselben Zwecke bewilligen. Mit diesen Mitteln ist
die Begründung zweier Provinzialmuseen, eins zu Bonn und eins zu Trier in
Aussicht genommen, weil an beiden Orten sich bereits nicht unbedeutende
Sammlungen von Alterthümern — in Bonn die bei der Universität befindliche
Sammlung vaterländischer Alterthümer und die Sammlung des Vereins von
Alterthumsfreunden der Rheinlande, in Trier die in der Porta nigra unterge-
brachte Sammlung und die in einigen Räumen des Gymnasiums aufgestellte
Sammlung der Gesellschaft für nützliche Forschungen — befinden, welche für
die Museen als Grundstock dienen können und deren Vereinigung zu je einem
Musenm in Bonn und Trier, falls die bestehenden Eigenthumsrechte vorbehalten
werden, voraussichtlich nicht auf Schwierigkeiten stossen wird, wogegen die
Vereinigung zu einem einzigen Museum nicht ausführbar sein dürfte. Für die
Wahl der beiden Städte spricht ausserdem, dass das Museum in Bonn für die
Lehrzwecke der Universität verwandt werden kann und dass Trier der natürliche
Mittelpunkt für eine dem Moselgebiet insbesondere gewidmete Sammlung ist.
Was die Organisation der Verwaltung betrifft, so liegt es in der Absicht
276 Chronik des Yerems.
von Seiten des k. Staatsministerioms peifect wird, so konnten die An-
wesenden sich doch keinen Augenblick der Ueberzeugung verschliessen,
der Staatsbehörde, dieselbe unter die Leitung des Staates zu stellen und für
jedes Museum einen mit 1000 Thlrn. zu besoldenden Director anzustellen, welcher
von dem Herrn Minister der geistlichen etc. i^gelegenheiten nach Yemehmung
des Provinzial-Yerwaltungsraths zu ernennen sein würde, sowie beiden Directoren
eine vornehmlich aus Fachmftnnern bestehende, in Bonn einzusetzende Commission
zur Seite zu stellen, welche unter dem Yorsitz eines hohem Beamten über
grössere Erwerbungen, über Ausgrabungen, über Massregeln zur Gonservirung
der Alterthümer zu beschliessen hat, und deren Befugnisse, insbesondere auch
deren Yerhältnisse zu den Directoren durch eine von dem Herrn Minister zu
genehmigende Instruktion geregelt werden. Für die Bestellung nur einer Com-
mission und zwar in Bonn wird das Bedürfniss der einheitlichen Leitung und
die Rücksicht* auf die an der Bonner Universität befindlichen wissenschaftiichen
Krifte angofilhrt
Die Staatsbehörde beabsichtigt die Commission aus 9 Mitglieder zu bilden,
von denen 7, der Yorsitzende und 6 Fachmänner — ein Arch&olog, ein Epi-
graphiker, ein Historiker, ein Yertreter der neueren Kunstgeschichte, ein Yer«-
treter der ethnologischen und auf die prähistorischen Alterthümer bezüglichen
Studien und ein Architekt — vom Herrn Minister zu ernennen und zwei von
dem Provinzial-Landtage mit der Beschränkung zu wähleu sind, dass eins der-
selben der Stadt oder dem Begierungsbezirk Trief — mit Rücksicht auf die
dortigen einer besonderen Yertretung bedürftigen Literessen — angehören muss.
Die Staatsbehörde glaubt auf diese Weise der Fi'ovinzial-Yertretung eine ange-
messene Mitwirkung an der Leitung der Provinzial-Museen gesichert zu haben.
Der Provinzial-Yerwaltungsrath erkennt das hohe Literesse an, welches die
Provinz an die Errichtung eines Listituts zur Erforschung, Sammlung und Er-
haltung ihrer Alterthümer hat, und erachtet auch eine Zusammen&ssung der
bisher vereinzelten Bestrebungen für dringend geboten, wenn dem Yerfedl der
Alterthumswissenschaft in der Provinz und der Yerschleppung und Yerniöhtnng
so vieler werthvollen Alterthümer vorgebeugt werden soll.
In Bezug auf die Einrichtung der Yerwaltung geht er im AUgemeinen
von der Ansdiauung aus, dass die zu errichtenden Museen nuf dann einen all-
gemeinen Anklang in der Provinz finden werden und also auch nur dann ihre
segensreiche Wirkung auf Hebung des in der Liebe zum angestammten Boden
und zu dessen Geschichte hauptsächlich beruhenden patriotischen Gefühls, sowie
auf Weckung des idealen Sinnes gegenüber den materialistischen Tendenzen
unserer Zeit vollauf ausüben werden, wenn dieselben als reine Provinzial- An-
stalten unter üeberweisung der aus der Staatskasse gezahlten Mittel gänzlich auf
den Etat und in die Yerwaltung der Provinz übergegangen sind.
Die Provinzial- Yerwaltung verkennt aber nicht, dass für die erste Organi*
sation der zerstreuten sich oft sogar feindlich gegenüberstehenden antiquarischen
Interessen die Initiative der K&niglichen Staatsregierung nur forderlich sein kann.
Chronik des Vereins. 277
dasB Wesen und Ziele des Vereins, ^enn derselbe überhaupt weiter be-
stehen und als förderliches Agitationsmittel, als Organ des neuen In-
stituts auftreten soll, mannigfache Umgestaltungen erfahren müssen.
Wir haben es wiederholt schriftlich und mündlich ausgesprochen,
dass der Verein von Alterthumsfreunden im fiheinlande seiner Zeit
für das Gebiet des . gesammten Flusses begründet wurde, um den zer-
streuten Bestrebungen Einzelner einen natürlichen Mittelpunkt zu geben,
als es in diesem Gebiete noch keine oder nur wenige locale Vereine
gab. Seitdem sind, zum Theil Dank unserem eigenen Wirken, an vielen
Orten Localvereine entstanden, die aber anstatt die Forderung des
gemeinsamen Zieles in einem auf gegenseitiger Verständigung beruhen-
den ineinandergreifenden und ergänzenden Vorgehen zu erblicken, in
vermeintlicher Wahrung der Selbständigkeit gesonderte, Wege gehen.
Es wird die vornehmste Aufgabe unsres Vereines sein müssen, durch
allseitig gebührende Würdigung der Local- Interessen, der drohenden
Zersplitterung Einhalt zu thun.
Grosse, gewaltige Flüsse — wir dürfen nur an den Nil erinnern —
gewähren den durchflossenen Landschaften' aus der Gleichheit der
natürlichen Bedingungen eine Gemeinsamkeit der culturhistorischen
Entwicklung, ^ welche es unumgänglich nothwendig macht, diese auch
bei der wissenschaftlichen Erforschung solcher Territorien festzuhalten.
und ist dessbalb auch bereit, für jetzt auf das ?on der Staatsbehörde vorge-
schlagene gemischte System der Verwaltung einzugehen, glaubt nur, dass der
Provinz in Rücksicht auf den provinziellen Zuschuss und das (provinzieUe Inte*
resse ein grösserer Einfluss auf die Wahl der Directoren und auf die Zusammen-
setzung der Commission eingeräumt werden müsse, als dies in den vorliegenden
Yorschl&gen der Staatsregierung geschehen sei.
Der Provinzial-Yerwaltungsrath stellt demnach den Antn^:
Der hohe Provinzial-Landtag wolle die dauernde Bewilligung eines'
j&hrlichen Zuschusses von 4000 Thlrn. zur Begründung von Provinzial-
museen aussprechen und bestimmen, dass dieser Betrag für die nächste
Etatsperiode aus den disponiblen üeberschüssen der Provinzial-Hülfskasse
entnommen werde, er empfiehlt jedoch dem Landtage an diese Be-
dingung zu knüpfen unter gleichzeitiger Annahme der übrigen organi-
satorischen'Bestimmungen, dass die Museums- Directoren auf den Vor-
schlag des Provinzial-Verwaltungsraths vom Herrn Minister der geistlichen
etc. Angelegenheiten angestellt und die Commission aus 9 Mitgliedern
zusammengesetzt werde, von denen der Vorsitzende und 4 sachverständige
Mitglieder ebenfalls vom Herrn Ressortminister, die übrigen 4 Mitglieder
vom Provinzial- Verwaltungsrathe besteUt werden.
278 Chronik des Vereins.
Bis zu einem gewissen Grade wird ein Institut, das sich die Er-
forschung und Klarstellung der Bheinischen Vergangenheit in V^ort und
Bild zum Ziele gesetzt hat, diese desshalb in ihrer Ganzheit aufibssen
und zusammenhalten müssen, jedoch gewiss nicht so weit, um etwa
zu Gunsten eines einheitlichen Gesammtvereins Localbestrebungen aus-
zuschliessen. Im Gegentheil, diese werden nicht nur bleiben, sondern
noch neue ins Leben zu rufen sein, aber unter einem gemeinsamen Ge-
sichtspunkte, so dass die verschiedene Vereine ihre Arbeiten theilen,
ineinandergreifen lassen und dadurch den Erfolg verdoppeln, anstatt
denselben durch gegenseitig sich nicht berücksichtigendes Nebenein-
andergehn zu verringern.
Da nach den Mittheilungen des Herrn Oberpräsidenten die An-
sicht herrschte, die neue Organisation werde sich schon im verflossenen
Sommer abschliessen, so fasste die Generalversammlung den Beschluss,
bis zu deren Eintritt von einer Neuwahl des Vorstandes abzusehn, und
für diese im Herbste des verflossenen Jahres eine besondere General-
versammlung zu berufen, damit man sich in der Lage befinde, der
neuen bedeutsamen Aufjgabe durch die Wahl der geeigneten Personen
gerecht zu werden. Die H. H. Nöggerath, aus'm Weerth und
Freudenberg erhielten den Auftrag, bis dahin die Geschäfte weiter
zu führen.
Die Zustimmung Sr. Excellenz des Herrn Ministers der geistlichen
etc. Angelegenheiten zu dem Beschlüsse des Rhein. Provinzial-Land-
tages vom 8. Juni ist zuverlässigem Vernehmen nach erst jetzt ein-
getroffen. Es wird desshalb Aufgabe unsrer im Frühjahre zusammen-
tretenden ordentlichen Generalversammlung sein, die bis dahin an
uns gelangenden officiellen Eröffnungen der Staats- und Provinzial-
Behörden und die Erwägungen, welche sich aus der neuen Lage er-
geben, zu berathen.
Bezüglich der litterarischen Thätigkeit des Vereins in der abge-
laufenen Periode glauben wir noch bekannt geben zu sollen, dass
ausser dem Jahrbuch LIH und LIV und dem Werke über den Mosaik-
boden von S. Gereon in Cöln, nunmehr auch das Generalregister der
gesammten Jahrbücher in Angriff genommen ist. Unser auswärtiger
Secretär Herr Dr. Bone in Trier hat dessen Bearbeitung übernommen«
Bonn, im Januar 1875.
Der Vorstand des Vereins von Alterthumsfi*eunden
im Rheinlande.
Veneiehiiss der Mitglieder.
Vorstand fSr das Vereinsjahr von Pfingsten 1873 bis 1874.
Priisfdent: Dr. Nöggerath, Berghauptmann und Professor In Bonn.
Vioeprttsident: Dr. aas'm Weerth, Professor in Kessenioh bei Bonn.
Erster redigirender SeoreUr: Dr. Ritter, Professor in Bonn.
Zweiter redigirender SeoretSr: Dr. Freudenberg, Prof. in Bonn*
Ehren-Mitglieder.
S. Königl. Hoheit Carl Anton Meinrad FürstzuHohenzoIlern in Sigmaringen.
Dr. Yon Bethmann-HoIIweg, Bxoellehz, kSnigl. Staatsminister a. D., in Berlin.
Dr. Yon Dechen, Excellenzi Wirkl. Geh. Rath, Oberberghauptmann a. D.y in Bonn.
Freiherr Friedrich von Diergardt in Bonn.
Dr. Fiedler, Professor in Wesel.
Yon Moeller, Exoellenz, Wirkl. Geheimer Rath und Ober-PrSeident in Strassburg.
Yon Quast, Geh. Begierungsrath, Conseryator der Kunstdenkmäier in Preussen,
in Radeoaleben bei Neuruppin.
Dr. Ritschi, K. Pr. Geh. Regier ungarath, Professor in Leipzig.
Dr. Sohnaase, Obertribunalarath a. D., in Wiesbaden.
Dr. Urliohs, Uofrath und Professor in Würzburg.
Yon Wilmowsky, Domkapitular in Trier.
260
Terxeiohnfbs der Mitglieder.
Ordentliehe Mitglledor.
Die Kamen der auswärtigen Seoretäre sind mit fetter Solirifl gedruekt.
Dr. Aoiienbaoh, Staats -Minister in
Berlin.
Aohenb aoh,Qeh. Rath in Saarbücken.
Aohterfeldt, Stadtpfarrer in Anholt.
Dr. Aohterfeldt, Professor in Bonn.
Adler, Baurath u. Prof. in Berlin.
Dr. Aebi, Cliorherr in BeromOnster im
Kanton Luzern.
Dr. Aegidiy Geh. Rath in Berlin.
Dr. A hr e n 8 , Gymnasial - Director in
Hannover.
Aldenkl rohen, Caplan, aasw. Secr. in
Viersen.
Antf ken-Cabinet in Giessen.
Ark, L.y Baurath in Aaehen.
Dr. Asobbaob, ausw. Secr., Prof. !n Wien.
Ayenarius Tony, Maler in Cöln.
Bachern, OberbOrgermeistor in Cöln.
Dr. Bachern, Arzt in Viersen.
Baedeker, Carl, Buchhändler In
Leipzig.
Baedeker, J., Buchhändler in Essen.
Barbet de Jouy, Directeur du Mus6e
des souyerains in Paris.
Ton Bardeleben, OberprÜttdent In
Goblens.
BaKelS, ausw. Seeretair, Pfarrer In
Alterkau.
Basiiewsky, Alexandre, in Paris.
Dr. Bauerband, Geh. Justizrath und
Professor, Kronsyndicus und Mitglied
des Herrenhauses, in Boxm.
Baunsobeidt, Gutsbes. in Endenioh.
Dr. Becker, ausw. Secr., Professor in
Frankfurt a. M.
Yon Beokerath, Heinr.Leonh., Kauf-
mann in Crefeld.
Graf Beissel y. Gymnich, Richard,
Königlicher Kammerherr auf Schloss
Frenz.
ßendermacher, C., Notar in Boppard.
Berg au, Professor In Nürnberg.
Dr. Bergk, Professor zu Bonn.
Dr. Bernays, Professor u. Oberbiblio-
thekar in Bonn.
Yon Bernuth, Regierungs-Präsident in
Cöln.
Bettingen, Advocatanwalt in Trier.
Bettingen, K5nigl. Rendant u. Steuer-
empfänger in St. Wendel.
Yon Beulwits, Carl, Hüttenbesitzer
In Trier.
9fbliQthek, König], in Wiesbaden.
B i b Li o th elL, Fürstl. in Donauesefalngen.
Bibliothek der Kgl. Akademie in
Münster.
Bibliot^oa-Nazionale in Florenz.
Bibliothek des Etrurlschen Museums
in Florenz.
Bibliothek der Uni Yersität In Perugia.
Bibliothek der UnlYersität in Parma.
Bibliothek der Univ. in Strassburg.
Bibliothek der SUdt Düren.
Bigge, Gymnasial director in Cöln.
Dr. Binsfeld, Gymnasial - Director in
Emmerich.
Dr. Binz, Professor in Bonn.
Bleib treu, G. , Bergwerksbesitzer in
Oberkassel.
Booh, ausw. Seoretair, Commerzienrath
und Fabrikbesitzer in Mettlach.
Bock, Adam, Dr. jur. In Aachen.
Dr. Bodenheim, Rentner in Qonn.
Boecking, G. A., Hüttenbesitzer zu
Saarbröcken.
Boecking, K. Ed., Hüttenbesitzer zu
Gräfenbacherhütte bei Kreuznach.
Boecking, Rud., Hüttenbesitzer zu
Asbacherhütte bei Kim.
Boeddinghaus, Wm. sr. , Fabrik-
besitzer in Elberfeld.
Boeninger, Theodor, Commercienrath
in Duisburg.
Dr. Boettioher, Professor in Berlin.
Dr. Bogen, Qymn.-Dir. in Düren.
Dr. Bone, ausw. Secr., Gymnasiallehrer
in Trier.
Freiherr YonBongardt, ErbkKmmerer
d. Herzogthums Jülich zu Burg Paf-
fendorf bei Bergheim.
Dr. B o o t, ' Professor in Amsterdam.
Dr. Borret In Vogelensang.
Dr. Boseler, ausw. Secr., Gymnasial-
Director in Darmstadt.
Or. BouYier, C, in Bonn.
Dr. Brambach, Prof. und Oberbiblio-
thekar in Carlsruhe.
Dr. Brasser t, Berghauptmann in Bonn.
Dr. Braun, Justizrath, Rechtsanwalt in
Berlin.
Braun, Ober-Ingen, in Pr. Moresnet
Freiherr Yon Bredow, Rittmeister im
Königs-Husaren.Regiment iir Bonn.
Bredt, Oberbürgermeister in Barmen.
Brendamour, R., Inhaber d. Xylo^r.
Instituts U^ Düsseldorf,
Verzetohiiiss der Mitglieder.
281
B r o i e h e r, Wfarkl. Geli.-IUth Exoellenz
in Sinzig.
▼ omBrnok, Emil, Gom.«RaÜi in Grefeld.
Tom Bruok, Moritz, Rentner und Bei-
geordneter in Crefeld.
BrOggemann, Hofrath in Aachen.
1 e B r o Uy Chr., Arehitolog in Brüssel.
Dr. BriRB, ausw. Seor., Professor in
MSnohen.
Dr. Bficheler, Professor in Bonn.
Bfioklersy Geheimer Gommerzienrath
in Dülken.
Höhere Bürger schule in Lennep.
Barkart, Stadt-Baumeister in Grefeld.
Dr. Buschy Geh. Medlzinalrath und
Professor zu Bonn.
. Dr. Burslan, answ. Seor., Professor in
Münehen.
Buyxy Geometer in Nieukerk.
Graf yon Bylandt-Rheydt, Haupt-
mann a. D. und Rittergutsbes. in Bonn.
Gähn, Albert, Bankier in Bonn.
Gamphausen, Exoellenz, Wirkl. Geh.
Rath, k. Siaatsminister a. D. in Göln.
Gamphausen, August, Geh. Gommer*
zienrath in Göln.
Gamphausen, Steuer -JInspector in
Gastellaun.
▼ on Garnap, Rentner in Elberfeld.
Gau er, G., Bildhauer in Greuznach.
Gauer, R., Bildhauer in Greuznach.
Getto', Garl, GuUbesitzer in St Wendel.
Gbresoinski, Pastor in Giere.
Dr. Christ, Carl, ausw. Seor. in Heidelberg.
^ Das GiTÜ-Gasino in Goblenz.
* de Gl a er, Alex., Lieutenant a.D. und
SteuerempHhiger in Bonn,
de G 1 a e r, Eberhard, Rentner in Bonn*
Glason, Rentner in Bonn.
Glayö YonBouhaben, Gutsbesitzer
in Göln.
Cohen, Fritz, Buchhändler, in Bonn.
Dr. Conrads, ausw. Secr., Professor u.
Gymnasial-Oberlehrer in Essen.
Dr. Gonze, Professor in Wien.
G on t ze n, Oberbürgermeistet in Aachen.
Dr. Gornelius, Professor in München.
G r e m e r. Regier.- u, Baurath in Goblenz.
Gremer, Pfarrer in Eohtz bei Düren.
Dr. Gudell, Adyocat in Lütlioh.
Gulemann, Senator in Hannover.
Yon Gnny, Appellai-CSer.-Ratb a. D.
u. Professor in Berlin.
Dr. Gurtius, Professor in Berlin.
Gurtius, Julius, Inhaber einer ehem.
Fabrik in Duisburg.
Dapper, Seminardirector in Bo^pard.
Deiohmann« Geh, Gommerzienrath in
Göln.
Frau Deichmann-Schaaff hausen,
in Mehlemer-Aue.
Delhoven, Jacob ^ Gutsbesitzer zu
Dormagen.
Dr. Delius, Professor In Bonn.
Doli US, Landrath in Mayen.
Deyens, Polizeipräsident in Göln.
D i e o k h 0 f f, Baurath in Aachen.
Dr. Dilthey, Professor in Zürich.
Diseh, Carl, in Göln.
Do ets'eh,' Bürgermeister in Gladbach.
Dr. Dogn6e, Eugen, in Lüttich.
DominloiS, ausw. Secr., Gymn.-Director
in Goblenz.
Dr. D r e w k e, Advocatanwalt in Göln.
Dr. Dümiohen, Prof. in Strassburg.
Dr. D ü n t z e r, Prof. u. BibUoth. in Göln .
Dr. Duhr, prakt Arzt in Goblenz.
Dr. Eckstein, Rector u. Professor in
Leipzig.
Dr. Eichhoff, Gymnasialdirector in
Duisburg.
Eltsster, auswärt. Secr., ArchiTrath, I«
Staats-Arohiyar in Goblenz.
Graf Eltz in EltrUle.
Eltzbacher, Louis, SUdtrath in Göln.
Eltzbaeher, Moritz, Rentner in Bonn.
Emundts, Joseph , Landgerichtsrath
in Aachen.
Frh. y. Ende, Kgl. Reg.-Präsident in
Düsseldorf.
Dr. E n g e 1 s, P. H., Adyocat in Utrecht.
EngelBkirchen,*Arohiteat in Bonn.
Dr. EnnSIl, ausw. Secr., städtischer Ar-
chivar in Göln.
Fräulein Josephine Eskens, Reninerin
in Bonn.
£ SS eilen, Hofrath in Hamm.
Essingh, H., Kaufmann in Göln.
Evans, John, in Nash-MillA in England.
Frau Prof. Dr. Flrmenlch-Rlcharz,
in Bonn.
Dr. Fleckeisen, Prof. in Dresden.
Ghassot y. Florencourt in Berlin.
Dr. Fl OS 8, Professor in Bonn.
Fonk, Landrath in Rüdesheim,
von Fournier-Sarlov^ze, Adolf,
Gutsbesitzer auf Haus Gassei bei
Rhoinberg.
Frank, Gerichtsassessor a. D. und Fa-
brikbesitzer, in Eschweiler.
Franks, August, Gonservator am Brl-
tish-Museum in London.
Franssen, Pfarrer zu Ittervort, hoIL
Limburg bei Roermonde.
Dr. Frenken, Domcapitular in Göln.
Dr. Freudenberg: s. Vorstand.
Dr. Friedländer« Professor i«
Königsberg in Pn
282
VeritioliniM der MItgUtder.
Frings, Eduard, FabrikanI u. Qatebe-
sitzar in Uerdingen.
Dr. Froitsheim, Gym.-LeJirer am Col-
legiam in BiAohweUer (Elia»s).
Fuohfl, Pet, BUdhaaar in Cdln.
Graf Ton Fürstenberg, ErbtruohMsi
auf SehloM Herdriogen.
Dr. Fulda, Direetor des Frogymna-
siams in Sangerhausen.
F u r m a n St J. W., Commerxr. in Viersen.
Fuisting, Kreisriohter in Lüding-
hausen.
Dr. GaedeohenS) Professor in Jena.
Ton Galhaui G., Gutsbesitzer zu
Wallerfangen.
Dr. GallfTe, ausw. Secretair, Professor
In Gttnt
Garthoi Hugo» Kaufmann in Goln.
Gebliard, Commerzienratli u. Handels-
geriohts-PrXsident in Elberfeld.
Geiger, Polizei-PrlUident a. D., in C$ln.
Georgi, C. H., Buohdruckereibesitzer
in Aaehen.
Georgi, W., Buohdruokereib. in Bonn.
Dr. Gerlaoli, Ludwig, prakt Arzt in
Mannheira.
G e r s on, Cliemiker In Frankfurt a. M.
Frelh. yon Geyr-Sohweppenburgi
Rittergutsbesitzer in Aachen.
Geu'er, Caplan in SSohteln.
Gilly, Bildhauer in Berlin.
Dr. Goebel, Gymn..Director in Fulda.
Goldsohmidt, Jos., Bankier in Bonn.
Gold Schmidt, Rob., Bankier in Bonn.
Gottgetreu, Regierungs- u. Baurath
in Cöln.
Graeff, Regierungsrath in Breslau.
Greef, F. W., Fabrikant in Yiersen.
Dr. Green van Prinsterer im Haag.
Dr. Grüneberg, Fabrikant in Kalk
bei Deuts,
Direetor Gruhl fSr die Realsohule zu
MiOheim a. d. Ruhr.
Guichard, Krebbaumdst^ in Prfim.
Gymnasialbibliothek in Elberfeld.
Gymnasialbibliothek in Aachen.
Gymnasialbibliothek in Neuss.
Haagen, Professor in Aaehen.
Hagelüken, Hugo , Gymnas. -Lehrer
in Trier.
Haan, Pfarrer in Saffig.
Dr. Haakh, ausw. Secr., Professor und
Inspeotor des Königl. Museums yater-
ISndisoher Alterthfimer in Stuttgart
Habets, J., Prfi8.d. aroh. Ges. d. Hrz.
Limburg, Kaplan in Bergh b. Mastrioht
Dr. Hagemans in BrüsseL
YonHagens, Appellations- Gerichtsrath
in Cöln.
Dr. Halm,' Professor nnd Bibliothek».
Direetor in Mfinohen.
Hansen, Deehant u. Pastor In OttweOer.
Dr. Hari6Mt ftcisw. Secr., ArohlTrath in
Berlin.
Dr. Harnaek, Prof. in Dorpat
H a r t w i 0 h, Geh. Oberbaurath in Berlin.
Dr. Hasskarl in Cleve.
Haag, Ferd., Professor in Mannheim.
Haugh, SenatsprSsident in Coku
Hauptmann, Rentner in Bonn.
Heokmann, Fabrikant in Viersen.
Dr. Hegerl, Staats-AreMTar in Dfissel-
dorf.
Heimen dahl, Alexand., Geh. Com-
merzienrath in Crefeld.
Dr. Heims oeth, Professor in Bonn.
Dr. H e i m s o e t h, Appellationa<G^iehts*
Prärident in CSln.
von Heinsberg, Landrath in Ware-
linghoven.
Dr. Heibig, 2. Seoret des archSolog.
Instituts in Rom.
Henry, Buch- u. Kunsthlndler in Bonn.
Dr. Henzen, Professor, 1. Seeretifar d.
arohXol. Instituts in Rom.
Herberts, Balthasar, Gutsbesitzer in
Uerdingen.
Herder, August, Kaufin« in EuUrohen.
Hermann, GustaT, Hauptmann a. D.
zu Bonn.
Hermann, Arohitekt in (Hnsheim bei
Mainz.
Herstatf, Eduard, Rentner in C5In.
H er s ta tt, Jon. Dav., Geh. Oommeraien-
rath in C51n.
Dr. Heuser, Subregens u. Prof . in Göln.
Dr. Heydemann, Professor in Halle.
Heydinger, Pfarrer in Sohleidweiler
bei Schweioh.
Freih. t. d. Hey dt, BezlrksprSsident
in Golmar.
Dr. Hilgers, Direetor der Realsehule
in Aachen.
Six yan Hillegom in Amsterdam.
Hoohgiirtel, Buchhändler In Bonn.
Hoesch, Gustay, Kaufmann in Düren.
Ho es oh, Leopold| ConUnerzienrath in
Düren.
Ho ff m eiste r, Bürgermeister in Rem-
scheid.
Se. Hoheit Erbprinz y. Hohen zollern
zu Sohloss Benrath bei Düsseldorf.
Freih. y. HÖyel, Landrath in Ess^.
Freiherr yon Holningen genannt
Huene, Bergrath in Bonn.
Dr. Holz er. Domprobst in Trier.
Graf Alfr. y. Hompesoh zu Soktoss
Rurioh.
Yerseloliiiks der Mitglieder.
288
Hom, Pfarrer in Cöln.
Dr. HtUraer, aasw* Seor«, Professor in
Berlin.
Dr. Hüfferi Professor in Bonn.
Dr. Hultsolii Professor in Dresden.
Dr. H u m p e r t, Gymnasial > Oberlehrer
in Bonn.
H u p e r t z, Generaidireetor des Meoher-
nicherBergwerksYoreins in Meoliernloh.
H ay 8 8 e n, Pfarrer in Goblenz.
Jentges, W., Kaufm. in Crefeld.
Jö rissen, Pastor in Alfter.
Jt>est, August, Kaufinann in Cöln.
Joe st, Eduard, Kaufmann in Coin*
Joe st, Wilh., Geh. Com.-Rath in GSln.
Isenbeek, Julius, Rentner in Wiesbaden.
Dr. Jumperts, Reotor der höh. 'Bür7
gersehule in Crefeld*
Junker, Qeh. Regierungs- und Baurath
in Goblenz.
Kaestner, Teehniker in Neuwied.
Dr. Kamp, Jos., Gymnasiallehrer in
G51n.
Kareker, ausw. Soor., Fabrikbesitzer
in Saarbrücken.
Kartbaus, Carl, Gommerzienrath in
Barmen.
Kaufmann, Oberbürgermeister, Mit*
glied des Herrenhauses, in Bonn.
Yon Kaufmann-Asser, Jaoob, Kauf-
mann u. Rittergutsbesitzer in Cöln.
Dr. K a y 8 e r, Seminar-Dieeotor in Büren.
Dr. Kekul6, Professor in Poppeisdorf.
Eelzenberg, Gymnasial - Lehrer in
Trier.
Keller, O., Professor zu Freiburg in
Baden.
Dr. Kessel, Kanonikus in Aaohen.
Dr. Kiessling, Prof. in Hamburg.
Dr. Klein, Jos., Privatdooent in Bonn.
Dr* K 1 e 1 1 e, Professor u. Oberbibliothekar
in Jena.
Dr. Klostermann, Oberbergrath und
Professor in Bonn.
K n 0 1 1, Joseph, Buohdruokereibesitzer
in Düren.
Koch, Theodor, Gymnasial . Lehrer In
Trier.
Dr. Koeohly, ausw. Soor«, Professor in
Berlin.
Dr. K o e h 1 e r , Gymnasialdirecior in
Münstereifei.
Koenig. Bürgermeister in Cieve.
Koenigs, Gommerzienrath in Gdln>
Dr.Koenigsfeld, SanitStsrath u. Kreis.
physikuB in Düren.
Konopak i, K. Regierungs-Prüsident in
Goblenz.
Dr. Kortegarn, Institutsdir. in Bonn.
Kraemer, Hnttenbesitzer in Ingbert
bei Saarbrücken.
Kraemer, Kommerdenrath u. Hütten«
besitzer in Quint bei Trier.
Dr. K r a f f t, Gonsistorialrath u. Professor
in Bonn.
Krafft, Geh. Oabinetsrath in -Wiesbaden.
Kramarozik, Gymnasial -Direotor in
RaÜbor.
Dr. Kraus, Prof. und ausw* Seer. in
Strassbarg.
Se. Bisohdfl. Gnaden Herr Krementz,
Bischof von Ermland in Franenburg.
Krüger, K. Bauinspeotor in Berlin.
Krupp, Geh. Gommerzienrath in Essen.
Yon Kühl wette r, OberprÜsident in
Münster.
Dr. Küppers, Kreis-Sohulinspeetor in
Mülhdm am Rhein.
Kyllmann, Rentner und Stadtverord-
neter in Bonn.
Landau, Heiar., Gommerzienrath in
Goblenz.
Freiherr y. Landsberg-Steinfurt,
Engelbert, Gutsbes. in Drenstelnfnrt.
Dr. Lange, L., Professor in Leipzig.
Br. Lange, Kreiswundarzt in Dnisbarg.
Freiherr Dr. de laValetteStGeorge,
Professor in Bonn.
Dr. Leemans, Dir. d. Reiohsmuseüms
d. Alterthümer in Leiden.
Leiden, Franz, KauAnann u. k. niederl.
Gonsul in G51n.
Leydel, J., Rentner zu Bonn.
Lemportz, M., Buchhändler in Bonn.
Lempertz, H., BuohhSndler in G51n.
van Lennep in Zeist.
Dr. Lentzen, Pfarrer in Oekhoven bei
Grevenbroich.
Dr. Leonardy, J., in Trier*
Lesegesells ohaft, katholisehe, in
Goblenz.
Dr. von Leutsoh, Professor in Q5t-
tingen.
Lewis, S* S', Professor am Corpus
Ghristi'Gollegium zu Cambridge*
von der Leyen, Emil, in Crefeld.
Liebenow, Geh. Revisor in Berlin.
Graf von LoS auf Sohloss Wissen bei
Geldern.
Dr. Loerscb, Professor in Bonn*
L oesohigk, Rentner in Bonn.
Dr. Loh de, Professor in Berlin,
de Longp6rier, membre de Tlnstitut
de France in Paris.
Dr Lübbert, Prof. in Kiel.
Lud wie, Bankdireetor in Darmstadt*
Dr. V. Liibke, ausw. Secr., Professor in
Stuttgart.
284
Tersdchnlts der Mitglieder.
MSvtens, Bsuinepeetor a. D. In Bonn*
Mar Ott B, Buchhändler in Bonn.
Dr. Marmor In Constanz.
Mayer, Heinr. Jos. Kaufmann inCöln.
Dr. Meeks R. Edaardson aus Val-
paraiso (Chili).
Freiherr Ton Modem, Fr. L. G., Kgl.
ArohiTrath a* D. zu Homburg y* d.
Höhe.
Dr. M e h 1 e r, Gymnasialdlreotor in Sneek
in Holland.
Merkensi Franz, Kaufmann in Cdln.
MeriOy J. J., Rentner in Cöln.
Merlo, Chr. J., in Cöln.
Dr. Messmer, Prof. in Münohea.
de Moester de RaTosteln, Diplomat
zu SohlosB RaYeatoln.
Meyissen, Geh. Commerzienrath, PrS-
■ident der rheinischen £isonbahn-Ghe-
sellsehaft in G51n.
Dr. Miohaolisi Prof. in Strassburg.
Michels, G., Kaufmann in Cöln.
Milani, Kaufhiann in Frankfurt a. M«
Dr* Milz, G7mn.-Oberlehrer in Aachen.
Wilh. Graf ▼. Mirbach, zu Sohloos
Harff.
Frhr. yon Mirbaoh, Reg.-PrSsident. a.
D. in Bonn.
Graf MSrnery. Morlande in Roisdorf.
Mohr, Professori Dombildhauer inColn.
Dr* Moll, Professor in Amsterdam.
Dr. Mommsen, Professor in Berlin.
Dr. Montignji Gym.-Oberlehreri in
Coblonz.
Dr. Mooren, answ. Soor., Pfarrer, Prä-
sident des bist Vereins f. d. Niederrhein,
in Wachtendonk.
Morsbaoh, Institutsdiroctor in Bonn.
Dr. M o s lo r, Prof. am Seminar in Trier-
Moyius, Director des Sohaaffh. Bank-
yereins in Cöln.
Dr. Müller, Albort, Gymnaslal-Direotor.
zu Ploen in Holstein.
Möller, Paator in Immekeppel.
K. K. Münz. u. Antikon-Cabinet in Wien.
Museen, die Königl. in Berlin.
Mus^e royal d*Antiquit6s, d'Armures
et d'Ärtillerie in Brüssel,
yon Musiel, Laurent, Gutsbesitzer zu
Schloss Thom, bei Saarburg,
pr. Nels, Kreisphysicus in Bittburg.
Von Noufyille, Wilh., Gutsbesitzer i n
Bonn,
yon Neufville, Bald., Rittergutsbe-
sitzer in Bonn.
Neu mann, Bau-Inspector in Bonn.
Nick, Pfarrer in Salzig bei Boppard.
Niessen, Conseryator des MuseumB
Wallriif-Richartz m Cöln.
Dr. Nissen, H., Professor In Marburg.
Nobiling, Geh. Baurath u. Strombaa-
direktor In Coblonz.
Dr. Nöggerath: s. Vorstand.
Freiherr yon Nordeok, Rittergntsbes«
auf Hemmerioh.
Nobel, Probst in Soest
Dr. Ol dt mann, Inhaber eines Glas-
malerei-Instituts In Linnloh.
Oppenheim, Dagobert, Geh. Begie-
rungs-Rath, Director d. CÖln-Mindener
Eisenbahn-Gesellsohafl in Cöln.
Freiherr yon Oppenheim, Abraham,
Geheim. Commerz*-Rath in Cöln.
Nobel, Probst in Soest
Oppenheim, Albert , > Königl. Siohs.
General-Consul in Cöln.
Freiherr yon Oppenheim, Eduard, k*
k. General-Consul In Cöln*
Otto, Pastor in Fröhden b. JSterbogk.
Graf Ouwaroff in Moskau.
Dr. Overbeck, ausw. Seer., Professorin
Leipzig,
yon Papen, Prem.-Lfent Im 5. Ulanen
Regiment in Werl.
Dr. Pauly, Reolor in Mongole.
Pfeiffer, Peter, Rentner in DQren.
Peill, Rentner in Bonn.
Popys, Director der Gasanstalt in
Cöln.
Dr. yon Peuoker, Exeellenz, General
der Infanterie in Berlin.
Picily answ. Soor., Friedensr.ln Rheinborg.
Dr. PIpor, ausw. Soor., Professor in
Berlin.
Dr. Piringer, ausw. Soor., kaiserLRath
und Gymn.-Dir* in Kremsmünster.
Plassmann, Ehrenamtmann u. Guts-
besitzer in AUehof bei Balye.
Ployte, W., ausw. Soor., Conseryator am
Reichs • Museum der Alterthfimer in
Leiden.
Dr. Pütt, Professor, Pfarrer InDossen«
heim bei Heidelberg.
Poensgen, Alb., Fabrik, in Düsseldorf.
Dr. Pohl, ausw. Soor., Reotor ' In Lins.
Polytechnionm in Aachen,
yon Pommer-Esohe, Geh. Regie-
rungsrath in Berlin.
Poorting, Bergwerksdlreotor in Imme-
koppel.
Dr. Priogor, Rentner In Bonn.
Prinzen, Handelsgeriohts-PrXsldent in
M.-Gladbach.
Dr. P r o b s t, Gymnasialdireotor in Essen.
Freiherr Dr. yon Proff-Irnich, Land-
gerichtsrath in Bonn.
Progymnasium in Gladbach.
Prüfer, Theod., Arohitoot in Berlin,
Yerzetehniit der lütgliedar.
286
Pfits, Professor In Cmn.
Qaaok, AdTokat u. Bankdireotor in
M.- Gladbach.
Radersohatt, Fabrikbesitzer in CSln.
Sr. Darohlaaoht Prins Edmund Rad-
zlwill, Weltpriester In Warmbrunn,
y. Randow, Kaufmann In Grefeld.
Raltz Ton Frents-Garrath, KgL
Kammorherr und Sohlosshauptmann
SU Düsseldorf.
Rasohdorff, Königllicher Baurath in
Cöln.
von Ratb, Rittergutsbesitzer u. Präsid.
d. landw. Yerolns für Rheinpreussen,
in Lauersfort bei Grefeld.
Tom Ratb, Carl, Kaufmann in Cöln.
▼ o m Ratb, Theod ., Rentner in Duisl^urg.
Rauten Strauch, Valentin, Commer-
sienrath, Kaufmann in Trier.
Ton Rookllnghausen, W., Bankier
in C9in.
Dr. Rein, ausw. Soor., Direotor a. D« in
Crefeld.^
Dr. Rein kons, Pfarrer in Bonn.
Rennen, Geh. Rath, Director d. Rhein.
£isenb..Gesellschaft in Cöln.
Dr. Yon Reumont, Geh, Legations*
rath, in Bonn.
Reusoh, Kaufinann in Neuwied.
Dr. Rio harz, Geheim. SanitStsrath in
Endenich.
Dr. du Rieu, Seoretar d. Soc. f. Niederl.
LItteratur in Leiden.
Frhr. t. Rigal-Grunland in Bonn.
Dr. .Ritter: s. Vorstand.
Robert, membre de Tlnstitut de Franoe
In Paris.
Roen, Baumeister in Burtecheid.
Ton Rosep, Major in Cöltt.
Roos, Regierungsrath u. Oberburger-
neister in Grefeld.
Dr. RoBsbach, Gymnasrallehrer in
Trier.
Rot t eis, H. J., NoUr in Düren.
Dr. R0Hl6Z, ausw. 3ecr., Professor In
Gent.
Dr. RoYors, Professor In Utrecht
Ruhr, Jacob, Kaufhiann in Euskirchen.
Rumpel, Apotheker in Düren.
Baron de Salls in Metz.
Se. Durchlaucht Fürst zu Salm-Salm
in Anholt
Graf TonSalm-Hoogstraeten, Her-
mann, zu Bonn.
Salzenberg, Geh. Ober -Baurath in
Berlin,
von Sandt, Landrath in Bonn.
Dr. Sauppe, Hofrath u. Professor in
Göttiogen.
Dr. Sohaaffhausen, Geh. Medioinal-
Rath u. Professor in Bonn.
Sohaaffhausen, l*heod-, Rentner in
Bonn.
Dr. Schaefei:, Prof. in 6onn.
Sohaefer, Gräfl. Renessesoher Rentm.
in Bonn.
Dr. Sohauenbnrg, Direotor d. Real-
schule in Grefeld. '
Ton Sc ha um bürg, Oberst a. D. in
Düsseldorf.
Schoben, Wilhelm, in Cöln.
Sehe den, Pfarrer in Brühl.
Scheele, Postdirector in Frankfurt h . M.
Dr. Soheers, ausw. Secr., in Nymegen.
Scheibler, Leopold, Commerzienrath
in Aachen.
S c h e p p e, Oberst-Lieutenant u. Bezirks-
Commandeur In Boppard.
Dr. So her er, Professor in Strassburg.
Sohickler, Ferdin., in Berlin.
Schilling, Advokatanwalt beim Appell-
hof in Cöln.
Schillings-Englerth, Bürgermeister
in GÜrzenich.
SchimmelbuBoh, Httttendirector in
Hoohdahl bei Erkrath.
Schleicher, . Carl, Commerzienrath
in Düren.
Dr. Sohle tt mann, Prof. in Halle a*S.
Dr. Sc hl Unke 8, Probst an dem CoUe-
giatstift in Aachen«
Schmelz, C. O., Kaufmann In Bonn.
Schmidt, Pfarrer in Grefeld.
Schmidt, Baumeister In EltviUe.
Dr. Sohmitt, ausw. Secr., Arzt in Mün*
stermalfeld.
Schmidt, Oberbaurath und Professor iu
Wien.
Schmithals, Rentner in Godesberg.
Dr. Schmitz, SanitStsrath in Viersen.
Dr> Schmitz, Dechant u. Schulinspec-
tor in Zell.
Dr. Sohneider, ausw. Secr«, Professor
in Düsseldorf.
DK Sohneider, Gymnas.-Oberlehrer
in Cöln.
Schoemann, Stadtbibliothekar und
erster Beigeordneter in Trier.
Prinz Sohönaich-Carolathi Berg-
hauptmann in Dortmund.
Scholl, Gutsbesitzer zu Theresien-
Grube bei Brühl.
Sehern, Kammer • Präsident in Saar-
brücken.
Sohorn, Kreisbaumeister in Burgdorf.
Sohroeder, Landg.-Rath in Aachen.
Sohroers, Daniel, Beigeordneter und
Fabrikbesitzer In Grefeld.
YeneiakBiss der Ifliglloder.
Dr. 9oh\ibart, BiMiothekar in Casael.
Dr. Sohubert, Aoadem. Lehrer und
Baurftth in Bonn.
S o h w A n, Btädt. Bibliothekar in Aachen.
Schwarte e, Edaard Wilhelm, Kauf-
mann In Düren.
Sohwiokerath, C. J., Kaafmann in
Ehrenbr^tstein.
Seydemanni Architeet in Bonn.
Ton Seydlitz. Generalmajor z. D. in
Honnef.
Seyffarth, Re^.-Baurath in Trier.
Dr. Simrook, Professor in Bonn.
Dr. Baron Sloet «van de Beele, L.
A. J. W., Mitglied der KlSnigt. Aoad.
der WiBsensohaften zu Amsterdam, in
Arnheim.
Se. Durchlaucht Prinz Albreoht zu
Solms in Braunfels.
▼ on Sp ankeren, Reg.-PrXsident a. D.,
in Bonn.
Freiherr y. Spie s-Bfillesheim, Ed.,
KSnigl. Kammerherr u. Bürgermeister
auf Haus Hall.
Spitz, Major im Kriegs-Minist. in Berlin.
Dr. Springer, Professor in Leipzig.
Die Stadt-Bibliothek zu Frankfurt
am Main.
Dr. Staelin, Oberbibliothekarin Statt-
gart.
Dr. Stahl, Professor in Münster.
Stahlknecht, H., Rentner in Bonn.
Dr. Ständer, UniY.-BibL-Secr. in Bonn.
Dr. Stark, auBw. Seor., Hofrath n. Prof.
in Heidelberg.
Startz, Aug., Kaafmann in Aachen.
Statz, Baurath und DlSoesan-Architeot
In C5ln.
Steinb ach, Fabrikant In Malmedy.
Stier, Hauptmann a. D. in LIegnHz.
Dr. Stier, Ober- Stabs- und Garnlsons-
Arzt in Breslau.
Die Stifts. Bibliothek in Oehringen.
Stifts-Bibllothek za St. Gallen.
Stinnes, Gustav, Kaufmann In Hül-
kefan a. d. Bukr.
Dr. T. Stintzing. Prof. u. Geheimer
Justizrath In Bonn.
GrXfl. Stollbergsohe Bibliothek
In Wernigerode.
Dr. Straib, ausw. Seor., General-Secr.
des Bisthums zu Strassbarg.
Strauss, Buchhändler in Bonn,
von Strubberg, General • Lieutenant
und Commandeur der 19. Division in
Hannover.
Stamm, Carl, Hüttenbesitzer in Neun-
klrchen.
Suermondt, Rentner in Aachen.
Dr. von Sybel, Professorin Bonn.
Teschemaeher, Advooat - Anwalt in
Saarbrücken.
Th ei s e n , Clemens, Lekrer an der Acker*
banschule zu Bitbarg.
Dr. Thiele, Direotor d. Realaobnla o.
d. Progynusaslams in Barmen.
Thissen, Domoapltalar in Limborg a.
d. Lahn.
Thoma, Architekt in Bonn.
T r i n k a a s, Chr., Bankler In Düsseldorf.
Uck ermann, H., Kaafmann In CSln.
Dr. Ueberfeldt In Essen.
Dr. Unger, Prof. u. BIbliotheksecretSr
in GSttingen.
Dr. Unger mann, Reetor dee Ptogym-
nasiums zu Rheinbach.
DieUnivereit-Bibilothek in BaseL
Universit&te-Bibliothek aa Frei-
barg.
Die Universitäts. Bibliothek in
Gdttingen.
Die UniversitSts - Bibliothek In
Heidelberg.
Die. Universitäts-Blbliothek in
Jena.
Die Univereltliis. Bibliothek In
Königsberg i. Pr.
Die UnlversilKts-Bibllothek in
L$wen.
Die Universitäts - Bibliothek in
LüttIch.
K. K. UniversitSts-Bibllothek in
Prag.
Dr. Usener, Prolbsaor in Bonn.
Dr. Vahlen, Professor in Bedln.
Dr. Veit, Professor u. Geh. Medlcinal-
Rath In Bonn.
V. Veith, GeneraUMajor a.D. in Benn.
Yerhagen, Jos., Rentner In Cöln.
Der Verein, antiquarisch -historisahe,
in Kreuznach.
Dr. Veni6lleH, ausw. Secr., Univers.- u.
Provinz.*Arohivar in Utrecht.
Vieh off, Professor a.Director d. Real*
und Gewerbeschule in Trier.
V^illeroi, Emevt, Fabrikant in Wal-
lerfangen.
Graf von V^lers, Regier. - Präsident
in Frankurt a. d. Oder.
Dr. VItoher, ausw. Secr., Prof. in BaseL
van VI e Uten, Rentner in Bonn.
Voigtel, Bauinspector und Dombau*
meister in C51n.
Voigtländer, Buehhdl. in Kreusnaeh.
Dr. Wach, Professor in Bonn-
Dr. Wagen er, Professor in Gent.
Wagner, Notar hi Mülheim a/R.
Dr. de Wal, Professor In Leiden.
Yerseioliiiiss der Mitglieder.
287
WaldthauBon, Julias, Kaufmann In
Essen.
Wailenb orn, Peter^Bentner in Bitburg.
Wandesieben, Friedr. zu Stromberger
Neuhütte bei Bingerbrüok.
Dr. Watterioh, Prof. an d. Univ. in Bern.
Weber, Ad)?ooat- Anwalt in Aachen.
Weber, Bnobhündler in Bonn.
Weber, Pastor in Usenburg.
Dr. auB*m Weertb: s. Vorstand,
de Weerth, Aug., Bentn. inElberfeld.
Dr. Wegeier, Geh. Medioinalrath in
Goblenz.
W ei S8, Professor, Direotor d. k. Kupfer-
stiohkabinets in Berlin.
Wendelstadt, Yiotor, Commerzienrath
in Gdln.
Werner, Gymnasialoberlehrer in Bonn.
T. Werner, Kabinetsrath in Dttsseldorf.
Werners, Bürgermeister in Düren.
Westermann, Kaufmann in Bielefeld.
Se. Durchlaucht Fürst W i ed eu Neuwied.
Dr. Wieseler, ausw. Seer., Professor in
Gottingen.
WIethaso, Kdnigl. Baumeister in Göln.
Witkop, Ptr., Maler in Lipstadt.
Wille, Jacob, Stiidiosos juris, aus Fran-
kenthal, au Bonn.
Dr. Wilmanns, Prof. in Strassburg.
Dr. Wings, Apotheker in Aachen.
Dr. Wlttenhaus, Reotor der hohem
Bürgerschule in Rheydt.
Wohlers, Geh. Oberfinanzrath u. Pro-
yinzial-Steuerdirector in Göln.
▼. Wolff, Regierungspräsident in Trier.
Wolf, Gaplan in Galcar*
Dr. Wolf f, U., Geheim. Stanitätsrath
in Bonn.
Wolff, Kaufmann in Göln.
Wolff, GommerzienrathinM, Gladbach.
Dr. Wolters, Professor in Halle.
Dr. Weltmann, Prof. in Prag.
YonWright, Oberst-Lieut. in Goblenz.
Wuerst, H., Hauptmann a. D. und
Krdsseoretar in Bonn.
Wüsten, Gutsbesitzerin zu Wüstenrode
bei Stolberg.
Dr. Wulfert, Gymnasial- Director in
Kreuznach.
Würz er, Friedensrichter in Bitburg.
Würz er, Notar in Siegburg.
Dr. Zartmann, Sanitatsrath in Bonn.
Zeryas, Joseph, Kaufmann in GSln.
▼ on Zuccalmaglio, Notar in Gxe-
Tenbroioh.
AasserordeHtIlohe Mitgileder.
Dr. Arendt in Dielingen.
Dr. Ars^ne de Noüe, AdTooat
in Malmedy.
Gorrens, Maler in München.
C o nne s t abil e, Garlo,' Graf in Perugia.
iingelmann, Baumeister in Kreuznach.
Feiten, Baumeister in Göln.
G. Florelli, Intendant d. k, Museen in
Neapel.
Dr. Purster, Professor in Aaohen.
Gamnrrini, Direotor des etrusk. Mu-
seums in Florenz*
Gen gl er, Domoapitular und General-
Yloar des Bbth. Namur, in Namur.
Hei der, k» k. Seotionsralh in Wien.
Hermes, Dr. med. in Jiemieh.
P. Lanoiani, Arohitect in Ravenna.
Lansens In Brügge.
Lucas, Charles, Architect, Sous-In-
speoteur des trayaux de la tHU in
Paris.
Mella, Eduard, Graf in Veroelli.
Mieheiant, Bibliothdcaire au dept du
Manuscrits de la Bibl. Imper. in Paris.
Paulus, Topograph in Stuttgart.
Promis, Bibliothekar des KÜnigs Ton
Italien in Turin.
J. B. de Rossi, ArohSolog in Rom.
S oh lad, Wilh., Buohbindermeister und
Bürger in Boppardt
Schmidt, Major a. D. in Kreuznach.
D. L. Tosti, Abt in Monte-Gasino.
298
VandohiÜM der Ifitglioder.
VeneiduÜ88
sämmtlicher Ehi-en-, ordenüiclier und ausserordentlicher Mitglieder
nach den Wohnorten.
Aaehen: Ark. Book. Brüggemaon.
Gontzen. Dieoklio£ Emondts. Oeorgi.
GyrnnMialbibliothek. Hilgera. Ton
Qeyr • Schweppenbarg. Uaagen. Kos-
Bei Milz. Polyteohnioum. Soheibier.
Sohlünkes. Sohroeder. Schwan« Startz.
äuermondt. Weber. Wings.
Alfter: JSrlsaen.
Allohof: Plassmaim.
Alterkaiz: Bartels.
Amsterdam: Boot. Tan HUlegom. Moll.
Anholt: Achterfeldt. Fürst za Salm.
Arn heim: Baron Sloet.
Asbaoher HQtte: Bo^oking.
Barmen: Bredt. Kartbaus. Thiele.
Basel: UniYersitätsbtbUothek. Vlscher.
Bergh: Habets. .
Berlin: Achenbaoh. Adler. AegidL
Ton Bethmann - Hollweg. Boettidier.
Braun, von Guny. Cnrtius. Har-
less. Hartwioh. ▼. Florencoort. General-
verwaltung d. k. Museen. Qilly. Ileyde-
mann. Hühner. Koechljr. Krüger. Lie-
benow. Lohde. Mommsen. y. Peuoker.
T.Pommer-Esohe. Piper. Prüfer. Salzen-
berg. Sohiokler. Yahlen. Weiss.
Bern: Prof. Watterieh.
Beromünster: Dr. Aebl.
Bielefeld: Westermann.
Bisehw eiler: Dr. Froltzheim.
B 1 1 b u r g : Nels. Theissen. Wallen,
dorf. Wurzer.
Bonn: Aohterfeldt Banerband. Bergk.
Bemays. Binz. Bodenheim. BouTier.
Brassert v. Bredow. Büoheler. Busch.
G^af Y. Bylandt Cahn. DeClaer. AI. De
Ciaer. Eb. Clason. Cohen, y. Deohen.
Delius. Y.Diergardt. Eltzbacher. Engels-
Idrohen. Eskens. Firmenioh-Riohartz.
Floss. Freudenberg^ Georgi. J. Gold-
BOhmidt B. Goldschmidt. Hauptmann«
Heimsoeth. Hermann. Henry. Hoeh-
gürteL Y- Hoiningen. Hüffer. Humpert.
Kaufmann. Kekul6. Klein. J.J. Kloster-
mann. Kortegam. KraffL KyUmann«
de la Valette St. George. Lempertz.
Leydel. Loersoh. Loesohigk. Märtens.
Marcus. Mendelssohn, y. Mirbaoh. Mors-
bach. Y. NeufYÜle, Bald. y. Neuf-
YiUe, WUh. Neumann. Noggerath. Peill.
Prieger. y« ProfMmioh. Reinkens. y.
Reumont y. Rigal. Ritter. Graf Yon
Salm-Hoogstraeten. y. Sandt. Sehaaff-
hausen, Hermann. Sohaaffhaoien, Th.
Sohaefer. Am. Sohaefer. Sehmelz.
Schubert. Seydemann. SiDiroek.Y.Span-
keren. Stahlkneoht StiCnder. r. Stint-
zing. Strausa. y. SybeL Thema. Usenor.
Veit. Y. Veith. y. Vleuten. Wach. Weber.
Werner. Wolfif. Wurst. Zartmann.
B o p p a r d : Bendermaeher. Dapper.
Scheppe. Schlad.
Braunfols: Prinz Solma.
Breslau: Dr. Stier.
B rügge: Lansens.
Brühl: Scheden.
Brüssel: leBroa« ▼• Hagemans. MosAe
Royal.
Büren: Kayser.
Burgdorfr Sohom.
Burtsoheid: Roen.
Caloar: WolfL
Cambridge: Lewies,
Carls ruhe: Brambaeh.
Gas sei (Haas): y. Fournier»
Gas sei: Sohubart
Gastellaun: Camphausen.
GleYe: Chrescinski. Hasskarl. Koenig.
G o b 1 e n z : y. Bardeleben. GiYÜ-Casino.
Cremer. Dominieas. Dnhr. Eltester.
Huyssen. Junker. Konopaki. Landau.
Lesegesellsohaft Montigny. Nobiling.
Wegeier. y. Wright
G ö 1 n : Bachern, y. Bemuth. Bigge. Camp-
hausen, Exo. Camphausen» Aug. ClaTÖ«
Y. Botthaben. Deichmann« DeYens.
Disoh. Drewke. Düntser. Eltsbacher.
Ennen. Essingh. Feiten^ Frenken.
Fuchs. Garthe. Geiger. GottgeCren.
Y. Hagens. Haogh. Heimsoeth. Her-
statt, Ed. Herstatt, Joh. DaY. Heuser.
Hom. Joest» August. Joest, Ed.
Joest, Wilhelm. Kamp. y. Kauf-
mann-Asser. Königs. Leiden, Fr.
Lemperts, H. Mayer. Merkens. MerlOi
J. Merlo, G. McYlssen. Michels. Mohr.
MoYius. Niessen. Freiherr Yon Oppen-
heim, Abraham. Oppenheim, Albert Op-
penheimy.Dagobert Freiherr y. Oppen-
heim, Eduard. Pepys. Pütz. Raderschatt.
Rasöhdorff. y. Rath, Carl y. Reckling-
hausen. Rennen, y. Rosen. Soheben.
Schilling. Schneider. Statz. Uokermann.
Verhagen. Voigtel. Wendelstadt. Wiet-
hase. Wohlers. Wolff. ZerYas.
Colmar: y. d. Heydt
VerzoiohnIsB der Mitglieder.
280
Consta nz: Marmor.
Grefeld: y. Beokerath, Heinr. Leonh.
T. Braok, Emil. v. Brack| Moritz. Bur-
kart. Heimendabi. Jentges. Jampertz.
von der Leyen, Emil. Ton Randow.
Rein. Roos« Sohauenburg. 6obmidt.
Sobroers.
Jlarmatadt: Bossler. Ladwig.
Dielingen: Arendt.
Donauesobingen: Ffirstl. Bibliothek.
Dormagen: Delboven.
Dorpat: Uamapk.
Dortmund: Prinz Sohönaioh.
DoBsenbeim: Plitt.
Drensteinfurt: Frb. ▼. Landsberg.
Dresden: Fleokeisen. Hultsoh.
Dülken: Büoklers.
Düren: BibUotbek der Stadt. Bogen,
Hoesob, Qusi Hoeseb, Leop. KnolL
Königsfeld. Pfeiffer. Rotteis. RumpeL
Sobleiober. Sobwartze. Werners.
Düsseldorf: Brendamour. Frb« y. Ende.
Erbprinz von Uobenzollem. Hegert
Poensgen. y. Sobaumburg. Frbr. Raitz
yon Frentz - Garratb. Scbneider.
Trinkaas. y. Werner.
Duisburg: Böninger. Curtius. Elcb-
boff. Dr. Lange, y. Ratb.
Bcbtz: Cremer.
Ebrenbreitstein: Sobwiokeratb.
Elberfeld: Boeddingbaus. y. Camap.
Qebbard. Gymnasialbibliotbek. de
Weertb.
Eltyille: Graf Eltz. Sobmidt.
Emmericb: Binsfeld.
Endeniob: Riobarz.
Esobweiler: Frank.
Essen: Baedeker. Conrads, y. HSveL
Krupp. Probst. Ueberfeld. Waldtbausen.
Euskiroben: Herder. Rubr.
Florenz: Gamurrini. Bibl.-Nazionale.
BibUotbek des etrurisoben Museums.
Frankentbai: Wille.
Frankfurt a. M.: Becker. Gereon.'
Milani. Sebeele. Stadtbibliotbek.
Frankfurt a. d. Oder: Graf Villers.
Frauen bürg: Krementz.
Freiburgin Baden: Keller. Unirersi-
tSts-Bibliothek.
Frenz (Sobloss) : Graf Beissel.
Fröbden: Otte.
Fulda: GoebeL
Si Cfallen: StifUbibllotbek.
Genf: Galiffe.
Gent: Roulez. WM;ener.
Glossen: Antiken-Cabinet.
Ginsbeiro bei Mainz: Hermann.
Gladbaob: Doetscb. Prinzen. Pro*
gymnasium. Qnaok. Wolff.
Godesberg; Sebroitbals.
Goettingen: von Leutsob. Sauppe
Unger. UniyerdtKtsbibliothek. Wieseler.
Gr&fenbaober Hütte: Boeoklng.
Greven broiob: y. ZueoalmagUo.
Grube Tberesia: Scholl.
Gürzeniob: Scbillings-Englertb.
Haag: Groen yan Prinsterer.
Hall (Haus) : y. Spies.
Halle: Soblottmann* Heydemann.
Wolters.
Hamburg: Kiessling.
Hamm: Essellen.
Hannover: Abreos. Culemann. v.
Strubberg.
Harff- Sobloss: y. Mirbaob.
Heidelberg: Christ SUrk. Universi-
tSts-BlbUothek.
Hemm erleb: v. Nor^eok.
Herdringen: Graf Fürstenberg.
Hoobdahl: Sohimmelbusob.
Homburg y. d. H5be: Freiherr von
Medem.
Honnef: von Seydlitz.
Ilsenburg: Weber.
Immekeppel: Müller. Poerting.
Ingbert: Krämer.
Ittervort: Franssen.
Jena: UniversitKts • Bibliothek. Gaede-
ohens. Klette.
Kalk: Grünebers.
Kesseniob: ausm Weertb.
Kiel: Lübbert.
Königsberg 1. Pr.: FriedlSnder. Uni-
versltätsbibliotbek.
Kremsmünster: Pirlnger.
Kreuznaob: Antiquarisoh-bistorisofaer
Verein. Cauer, C. Cauer, R. Engel*
mann. Sobmidt VoigtULuder. Wulfert
Iiauersfort: y. Ratb.
Leiden: Pleyte. Leemans. du Rien.
de Wal.
Leipzig: Baedeker. Eokstetn. Lange.
Overbeok. Ritsobl. Springer.
Lennep: Bürgersobule.
Liegniti: Stier.
Limburg a. d. Lahn: Tbissen.
Linnieh: Oidtmaan.
Linz: PohL
Lipstadt: Witkop.
London: Franks.
Löwen: Universitfts-Btbliotbek.
Lüdinghausen: Fuisting.
Lüttioh: CudeU. Dogn6e. UniversitSts-
Bibliotbek.
M a 1 m e d y : Ars^ne de Noüe. Steinbaob.
Mannheim: Gerlaob. Haag-
Marburg: Nissen«
Mayen: Delius«
Meohernioh: Qupertz.
Mebleroer-Aue: Frau Delobmann.
18*
290
VeiMiohnlM d«r If itglM«r.
Hat«: Bar. de SaUs.
Maiita^CasInO! TcMrfL
Monljoie: Pauly.
Morosnot: Bmod.
Moskau: Qxftf Oawavoff.
Mülheim «. Bh.: Kflbfiers. Wagner.
Mfilhefm a. d. R.: Chriilil. BtlniiM.
Mflnohen: Bruim. BarslaQ. Comellas.
Correns. Halm« Messmer.
Münster: Bibliothek der Akademie.
▼. Kühlwetter. 9taU.
Münstereifel: Köhler.
MOnstermayfeld: BehmftL
IVamnr: Gengier.
Nash- Mills: Eyans*
Neapels Florelli.
Neankirohen: Stumm.
Neuss: Gyrnnt^BIbliothek.
Neuwied: Fürst Wled.Kae8taer.Reaseh.
Nieukerk: Buyx.
Nürnberg: Bergav«
Nymegen: Soheers.
Obercasse^l: Blelbtren*
O Öhringen: Stift»*B&bllothek.
OekheTOn: LentMa.
Ottweiler: Blansen.
Paffendorf (Burg): t. Bongardt.
Paris: BarlMi^ Badlewsky. de Long-
p6rier. Lucas. Miohelanl. Bobeit.
Parma: UniyersitXts-BIblietfaek.
Perugia: Bibliothek. Oonnealaklla.
Plo'en in Holstein: Dr. Müller.
Poppeisdorfs Keknl6.
Prag: UniYers.-Biblloiliek. WeHnaan.
Prüm: Guichard.
%uint: KrSmer.
Raden sieben: y. Qsaet
Ratibor: Kramaioalk.
Rayenna: LanalanL
Ray est ein: de Meestar de Rairesteln.
Romioh: Hermes.
Remsoheid: Hoilmeiater.
Rheinbaoh: Ungermaan.
Rheydt: Wlttenhaus»
Roisdorf: Graf Moemor.
Rom: Heibig. Henaen, de Rossi.
Rurioh Sehloss b. fickeleiHB: y. Hon-
pesoh.
Rüdesheim: Fonk.
l9aarbrüoken: Aoheosbaeh. Boedkiag.
Karoher. Teediemaeker. Sohoia»
S affig: Haan.
Salsig: NIefc.
Sangerhausen: Fnlda.
Sohleidwellor: Heydfaiger.
Siegburgt Womer.
Sigmaringen: Fünft «i HohenzoUem.
Sin zig: Broioher.
Sneek: Mehler.
Soest: Nübel.
Slcaasburg: Uniyersitits- Bibliothek.
Dr. Dümiohen. Kraus. Dr. Iflohaells.
y. Mdller. Dr. Soherer. Straub.
Wiknanns«
Stromberger-Nomhüttet Waades-
leben«
Stuttgart: Haakh. y. LObke^ Paulus.
StlOin.
Süehtelen: (leaer.
Thorn: (Sehloes): Y. Musiel.
Trier: Bettingen, y. Beulwlte. Bone.
Hagelüken. Holser» Kelsenberg.Koeh.
Leonardy. Moslar» RauteasUauoh.
Resabaoh. Sohc^naaiL Seyffarth. VIe-
hoif. you Wolff. WUmowsky.
Turin: Promis*
Uer dingen: Friaga. Herberte, Balth*
ütreoht: Engels. Royef& Yermealen.
Viersen: Aldenkirohen. Baohem. For-
mans. Greef. Heckmana» Sohmitt.
Valparaiso: Dr. Meeks.
Vereelli: Mello.
Yogelensaag: Borret
Waohtendonk: Mooren.
Wallerfangen: y. Galhau. VillareL
Warmbrunn: Piiaa Radsiwill.
St Wendel: Bettingen. Getto.
Werl: y. Papen.
Wernigerode: Bibliothek.
Wesel: Dr. Fiedler.
Wey linghoyen: y. Heinsberg.
Wien: Asohbaeh. Conze. Heider, k. k.
Münz- und Antik.-Cabinet Sohmldt.
Wiesbaden: Bibliothek. Iseabeck.
Krafft Sehnaase.
Wissen: Graf Loü.
Würaburg: Urliehs.
Wüstenrode: Wüsten.
Seist: yan Lennep.
Zell a. d. Mosel: Sohmita.
Zürioh: Dilthey.
Bemerkunp. Der Vorstand ersucM Unrichtiaketten in
vorstehenden Verzeichnissen, Veränderungen in den Stanoesbezeich-
nungen^ den Wohnorten etc. gefäliigst unserem Rechnungsf&hrer
schriftlich roitzutheiien.
Urook voD Oarl Oeorfi in Bonn.
Jakrb d Vereins vAUerthums Fr. im Ktuird. Etft LY" LH.
1.
Taf.l
3.
4.
U,
11
Roemische Schleudergeschofse
lUkM^twAtau^ tu A«m.
iiAri ä VtTMns vAÜerthum Fr im Rhunl Heft I T- IVT.
15.
TafR
16
17
2Z
23.
24
Roemische Schleuder^eschofse.
iiAJattwAMd/uj mlMJv
n
N
p^l
^'^
M
^^J'
#5
a>i-t%;niii
Roemischs Schleudsr^schofse.
AjVj d l^sf/ts V. -y§/^»t^ffms^' 7/JtJlAeinl. jffisilJiK
ffrirm/riss oderhald dß^Hrssiod^ns.
Mj^:
S^TtZS.
ilrundrzjts unter AalA iüs JhssboäS^is.
Röiuisrlies J^auiÄrerk. l>ei lAlierkitlz .
I I I 1 I =Ag^*— ^
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40
93
hiJirhi] J^r-dznst
kÄri d finUxs a.Jäi!r€iiaxsß: mMemi.&K.lV.
^Süi.ßi xol. Sf Gereon. iiLCöln.
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